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Full text of "Geschichte von Venedig"

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V. \ 



ALLGEMEINE STAATENGESCHICHTE 

Heruugegebea von KARL LAHPRECHT 

I, ABTEILUNG: OBSCHtCHTB DER BUROPJÜSCHBN STAATEN — II. ABTEILUNG: OE- 

KHICHTX DER AUSBBREUROPAlSCHEN STAATEN — [II. ABTEILUHC: DEUTSCHE 

UANDBSOBSCHtCHTBN 



Erste Abteilung: 

eESClCHnMRElOFÄIMNSTAAl^N 

Herausgegeben 



A. H. L. HEEREN, F. A. UKERT, 
W. V. GIESEBRECHT UND K. LAMPRECHT 



FOxifunddreiluKitn Werk: 
KRETSCHMAYR, GESCHICHTE VON VENEDIG. 



Erster Band 

DU Tode Enrico Dandoloi) 



GOTHA 1905 



GESCHICHTE DER EUROPAISCHEN STAATEN 

Meraiueegeben von 

A. H. L. HEEREN. F. A. UKBRT, W. t. QIBSBBRBCHT 

UND K. LAMPRBCHT 

PQiifiiiiddreUaignea Werk 



GESCHICHTE VON VENEDIG 



HEINRICH KRKTSCHMAYR 



Erster Band 
(Bia [Qm Tode Enrico Dandolos) 



GOTHA 1905 



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Meinem Vater 

zum siebzigsten Geburtstage. 



2(M8;?3 



VorTTort. 



Nicht ohne Sorgen übergebe ich der Öffentlichkeit dieses 
Buch. Es soll den ersten der drei Teile einer Gesamtgeschichte 
▼on Venedig bilden, die zu verfassen ich mich vor manchen Jahren 
mit der Unverzagtheit der ersten Jugend entschlossen habe. Je 
weiter die Arbeit zunächst an diesem Bande fortschritt, um so 
deutlicher ergab sich, mit wie unbestimmten Linien sich das Bild 
namentlich einer älteren Geschichte von Venedig werde zeichnen 
lassen. Noch sind die archivalischen Quellen längst nicht er- 
schlossen, weite Gebiete, namentlich der Kulturgeschichte, er- 
mangeln jeder modernen Bearbeitung, viele Fragen auch der poli- 
tischen Geschichte haben zurzeit keine oder nur eine bestrittene 
Lösung gefunden. So wird einem Geschichtswerke, das der Dar- 
stellung dieser 2^it gewidmet ist, nur allzusehr ein problematischer 
Zug anhaften. Überdies gesellt sich der verantwortungsvollen 
wissenschaftlichen Aufgabe besonders in diesem Falle die ernsthafte 
literarische Pflicht, allen den Freunden und Verehrern der un- 
vergleichlichen Stadt ein liebes Bild nicht mit trockener Gelehr- 
samkeit zu verdüstern. 

Den heutigen Stand der historisch- wissenschaftlichen Forschung 
über die ältere venezianische Geschichte festzustellen, ist dieses 
Buches nächstes und vornehmstes Ziel. Darüber hinaus empfand 
ich es aber nicht so sehr als Anreiz denn als Pflicht, an den 
grolsen Streitfragen nicht blofs berichtend vorbeizugehen und all- 
zu empfindliche Lücken in der Literatur nach meinen bescheidenen 
Kräften auszuftillen zu versuchen. Vor allem bemüht, stets un- 
mittelbar aus der primären Überlieferung zu schöpfen, glaubte ich 



vin, Vorwort. 

mich doch in manchen, namentlich rechts- und kunsthistorischen 
Partien der Führung neuerer Forscher ohne weiteren Vorbehalt 
anvertrauen zu dürfen. Wenn ich in diesem Zusammenhange der 
Namen und Werke von Henry Simonsfeld und Walter Lenel, 
Giovanni Monticolo und Enrico Besta Erwähnung tue, geschieht 
es nicht nur in aufrichtiger Anerkennung, sondern auch mit be- 
aonderem Danke für die grofse Förderung, die mein immer als 
Wagnis empfundenes Vorhaben durch sie erfahren hat. 

Dafs ich die gelehrten Anmerkungen von der Darstellung 
vöUig trennte und nach gröfseren Einheiten gruppierte, glaube ich 
vertreten zu können. Eine gewisse Ungleichartigkeit in ihrer An- 
läge hat sich je nach dem Stande der Vorarbeiten nicht ver- 
meiden lassen. 

Einen Rufer im methodologischen Streit will ich nicht ab- 
geben und Gesetze venezianischer Geschichtsentwickelung nicht 
zu statuieren versuchen. Aber Air einzig entsprechend hielt ich 
doch, alle greifbaren Erscheinungsformen sozialen Daseins und 
Wirkens zur Darstellung eines historischen Gesamtbildes zu ver- 
einen. Dabei konnte ich nicht ohne freundlichen Beirat und Bei- 
hilfe von Fachleuten und Freunden bestehen, denen ich hier im 
aUgemeinen und je an Ort und Stelle im besonderen meinen herz- 
lichen Dank erstatte. Doch möchte ich nicht verabsäumen, auch 
an dieser Stelle meinen Freund Dr. Joseph Longo zu versichern, 
wie sehr ich ihm für die werktätige Teilnahme, mit der er dem 
Werden meines Buches folgte, verbunden bin und mit aufrichtigem 
Danke der unverdrossenen Mühen zu gedenken, die phil. Rudolf 
Wbana an Hilfsarbeiten allerart und besonders an die Anlegung 
der Kartenskizzen und des Registers gewendet hat. 

Wien, im Juni 1905. 

H. KRETSCHMAYR. 



Inhalt- 



Erstes Buch. 
Byzantinische Oberherrschaft. 

Seit» 

Erstes Kapitel. Anfänge 3 

Die oberitaüenische Tiefebene und die Lagunen S. 3. — Die 
Ve neter; ihr Name und ilire Herkunft S. 7. — Kolonisations- 
Yersuebe der Hellenen an der Adria S. 7. — Einflufs der Griechen- 
welt auf Venetien S. 9. — Sprache und älteste Kultur der Veneter 
S. 9. — Ihr Eintreten in die Weltgeschichte S. 10. — Einordnung ins 
Bömerreich und Latinisierung; die „regio decima*^ des Augustus S. 10. 
— Venetische Kultur in der Römerzeit; römische Land- und Lagunen- 
städte: Padua, Aquileja, Oderzo, Concordia; Spina, Adria, Ra- 
Tenna, Altino S. 12. — Römische Verwaltung der Lagunengebiete 
S. 14. — Völkerwanderung; Attila S. 15. — Die Lagunen unter 
den Ostgoten S. 16. — Eroberung der Lagunen durch die Griechen 
S. 17. — Land- und Seevenetien S. 17. — Narses in Venetien S. 
18. — Langobardeneinfall; Flucht des Aquilejenser Patriarchen 
Dach Grado; 568 das „Geburtsjahr Venedigs^* S. 18. — Die vene- 
sianische Gründungslegende S. 19. — Die Kirche von Grado und 
de Dreikapitelstreit S. 21. — König Agilulf der Langobarden S. 
23. — Spaltung des alten Patriarchates von Aquileja S. 24. — 
Rothari und Grimoald S. 25. — Politische und kirchliche Kon- 
stituierung des Seelandes Venetien von 568 bis 667 S. 26. — 
KompromiTs zwischen Grado und Aquileja und die Rechtstheorien 
der beiden Kirchen S. 26. — Die wichtigsten Lagunensiedelungen : 
Grado S. 30. — Caorle, Heracliana und Jesolo S. 31. — Torcello 
und Murano S. 33. — Malamocco S. 34. — Chioggia S. 35. 

Zweites Kapitel. Beginn des Dogates 38 

Die byzantinische Themenverfassung; Magistri militum, Duces 
und Tribunen S. 38. — Das venezianische „Tribunat" S. 41. — 



z Inhalt. 

Seit« 

ErrichtUDg des Dukates von Heracliana S. 42. — Duz Pau- 
lutias S. 43. — Magister militum Marcellus, Dux Ursus und die 
italienische Revolution von 726 S. 44. — Italien von 726—741; 
König Luitprand, die Päpste und die Griechen S 46. — Die Ma- 
gistri militum in Venetien S. 48. — Verlegung des Dukates nach 
Bialamocco; Duz Deusdedit; Köng Aistulf S. 49. — Die Duces 
EgiliuB Gaulus und Dominicus Monegarius S. 50. — Die Duces 
Mauritius und Johannes; das goldene Zeitalter von Malamocco S. 
51. — Gründung des Bistums Olivolo S. 52. — Desiderius und 
Karl der Grofse; der Patriarchat von Grado in Istrien S. 53. — 
Untergang des Patriarchen Johannes von Grado S. 54. — Patriarch 
Fortunat von Grado und die Revolution von 804 S. 54. — Die 
Duces Ohelierins und Beatus S 55. — Die Eroberung Seevenetiens 
durch Konig Pippin und Rückgabe an die Griechen im Frieden 
von Aachen S. 57. — Verlegung des Dukates nach Rialto; 
die Dogen Agnellus, Justinian und Johannes Parteciacus; Fort- 
dauer der griechischen Herrschaft S. 59. — Bauten dieser Zeit; 
Gründung von S. Zaccaria und S. Ilario S. 63. — San 
Marco S. 65. 

Drittes Kapitel. Entstehung einer heimischen Kultur 67 

Ein Brief des Cassiodor als früheste Quelle der venezianischen 
Kulturgeschichte S. 67. — Anfänge von Wasserbautechnik S. 69. — 
Älteste Besitzverhältnisse und Rechtsleben S. 69. — Natural- 
wirtschaft: Forste, Obst-, Wein-, Gemüsegärten, Mühlen S. 71; 
Viehzucht und Weidepflege, Jagd und Fischerei S. 73; Salinen 
S. 74. — Anfänge venezianischen Handels: Salz-, Holz- und G«- 
treidehandel S. 75; Sklavenhandel S. 76. — Torcello ältestes Handels- 
zentrum S. 77. — Entfernte Ansätze von Geld Wirtschaft und hei- 
mischer Industrie S. 78. — Alteste Lagunensiedelungen S. 79. — 
Erste Knnstregungen im Seelande S. 80. — Begründung des Bis- 
tums Olivolo. Entstehung von Venedig S. 83. — Einwande- 
rung der altadeligen Geschlechter in Rialto S. 84. — Erstes Kunst- 
schaffen in Rialto; das Zeitalter der ersten Parteciaci und des 
Fortunatus S. 86. — Weichbild von Rialto um 850 S. 87. 



Zweites Bnch. 
Die dogale Monarchie. 

Viertes Kapitel. Parteciaci und Candiani 91 

Das byzantinische Reich im 9. Jahrhundert S. 91. — Der Doge 
Petrus Trandenicus S. 92. — Emanzipation von Byzanz 



Inhalt. XI 

Seit« 

S. 94. — Die ersten Verträge Venedigs mit dem Westreicb; Fak- 
tum Yon 840 S. d5. — Ermordung des Dogen S. 96. — Doge Ursos 
Parteciacus gegen Slawen und Sarazenen S. 96. — Faktum von 
880 und Vertrag mit Fatriarch Walpert von Aquileja S. 97. — 
Bauten auf Bialto S. 97. — Wiederaufnahme der Beziehungen zu 
Byzanz S. 98. — Kircbenstreit in Venedig; Doge Ursus und Fa- 
triarch Fetrus von Grado S. 98. — Doge Johannes Farteciacus; 
SLampf gegen Comacehio und Ravenna S. 100. — Fetrus Can- 
dianus I. S. 101. — Friedenszeit unter Fetrus Tribunus und Ur- 
sus II. Faureta S. 101. — Die Kaisenrerträge von 888—927 
S. 101. — Der UngameinfiEÜl S. 103. — Befestigung von Rialto 
8. 104. — Elementarereignisse der Zeit S. 104. — Eintreten 
der Candianen. Fetrus CandianusII. S. 104. — Brandschatzung 
Yon Comacehio; Vertrag mit Capodistria S. 105. — Vertrag mit 
dem Markgrafen und Bischöfen von Istrien S. 106. — Sage vom 
Brautraube und Festa delle Marie S. 106. — Venedig und König 
Heinrich I. S. 107. — Doge Fetrus Faureta S. 108. — Volle Herr- 
schaft des candianlschen Hauses: Fetrus Candianus III. S. 108. — 
Vertrag mit Fatriarch Lupus von Aquileja S. 108. — Entzweiung 
in der dogalen Familie ; Fetrus Candianus IV. S. 109. — Das De- 
kret Yom Juni 960 S. 110. — Beziehung zu Ost- und Westreich; 
Kaiser Otto I. ; das Faktum von 967 ; Vermählung des Dogen mit 
der Prinzessin Waldrada S. 111. — Angrifie auf Oderzo und Ferrara 
S. 113. — Untergang des Fetrus Candianus IV. S. 114. — Doge 
Fietro Orseolo I. ; Wiederaufbau der Stadt und Vergleich mit den 
Candianen S. 115. — Flucht des Dogen Orseolo in das Kloster 
Cusa; Doge Vitalis Candiano S. 118. — Doge Tribunus Menius 
S. 119. — Gründung von S. Giorgio maggiore S. 120. — Otto II. 
gegen Venedig. Das Faktum von 983. Feindseligkeiten bis 
zum Tode des Kaisers S. 121. — Vergleich mit der Kaiserin Adel- 
heid und Katastrophe der Calopriner S. 124. — Ausgang des Tri- 
bunus Menius S. 125. 

Fünftes Kapitel. Orseoler und Normannenkrleg .... 126 

Fietro Orseolo IL S. 126. — Das Haus der Orseoler S. 127.— 
Vertrag mit Bjzanz von 992 S. 128. — Fietro Orseolo vor Bari 
S. 129. — Beziehungen zu Otto III.; der Konflikt mit den ober- 
italienischen Bischöfen; Besuch Ottos III. in Venedig S. 130. — 
Beziehungen zu Heinrich II. S. 135. — Die Kriegsfahrt nach Dal- 
matien vom Jahre 1000 S. 135. — Dalmatien im 11. Jahrhundert 
S. 138. — Persönliche Stellung und Tod Fietro Orseolos IL S. 141. ~ 
Doge Otto Orseolo S. 143. — Die Patriarchen Poppo von Aqui- 
lc(ja und Orso von Grado S. 144. — Konrad IL gegen Venedig; 



XII Inhalt. 

Seite 

Sturz Otto Orseolos; Doge Pietro (Domenico) Centranico (Barbo- 
lano) ; Oreo von Grado als Kegent ; der Eintagsdoge Domenico Or- 
seolo S. 145. — Mit dem Falle der Orseoler die Zeit der 
erblichen dogalen Monarchie vorüber S. 148. — Aus- 
gang Kaiser Konrads und der Patriarchen Poppo und Orso S. 149. — 
Die Ck>nstitutio des Papstes Leo IX. von 1053 S. 150. — Kirch- 
liches Leben im Seelande; ideelle Erhebung und materieller 
Niedergang von Grado im 11. Jahrhundert; die Klöster S. Ilario, 
S. Zaccaria und S. Giorgio maggiore S. 151. — Neubau von San 
Marco S. 153. — Verhältnis Venedigs zu Papst Gregor VIT. S. 154. — 
Die Dogen der Jahre 1032—1084: Domenico Flabiano (Favianico), 
Domenico Contarini, Domenico Silvio S. 155. — Eingreifen der 
Ungarn und Normannen in Dalmatien S. 156. — Robert Guiskard 
S. 157. — Das byzantinische Reich von 1025—1081 ; Alexios I. 
Komnenos S. 159. — Der Normannen krieg der Griechen und 
Venezianer von 1081—1085 S. 161. — Doge Vitale Faliero S. 164. — 
Die Arpaden in Kroatien S. 165. Allgemeine Lage Venedigs zu 
Ende des 11. Jahrhunderts S. 167. 

Sechstes Kapitel. Durchdringen der Geldkultur .... 169 

Der venezianische Handel in den mittleren Jahrhunderten S. 169. 

— Die Kaiserpakta uod der Handel Venedigs nach dem Regnum 
Italiae S. 170. — Handel nach Deutschland S. 174. — Handel nach 
Unteritalien S. 175. — Kommerzielle Abhängigkeit der „Terra 
ferma*^ Istriens und Dalmatiens von Venedig S. 175. — Verkehr 
nach den Sarazenen Staaten S. 177. — Handel nach Byzanz; das 
Chrysobullon von 1082 S. 178. — Handelsprodukte S. 179. — 
Torcello noch immer ein Handelszentrum S. 180. — Anfänge der 
venezianischen Schifisbaukunst und Schifiistypen der mittleren Jahr- 
hundert« S. 181. — Das Arsenal S. 185. — Erste Entwicklung der 
venezianischen Industrie S. 185. — Nachbarliche und genossen- 
schaftliche Vereinigungen; Scolae und Ministeria S. 187. — 
Natural- und Geldkultur im Seelande S. 188. — Rechts- 
leben: Fremde Rechtseinflüsse und heimischer Rechtsbrauch in 
Venedig S. 190. — Die Gerichtspflege : Curia ducis, Judices, Boni 
homines; Gastalden S. 191. — Verfassung Venedigs im 9. — 11. 
Jahrhundert. Der Doge S. 193. — Judices S. 195. — Volks- 
versammlung S. 196. — Materielle und geistige Kultur. 
Venedig kulturell eine Expositur des griechischen Ostens S. 197. 

— Lesen und Schreiben S. 198. — Gesellschaftliche Gliederung: 
Klerus und Laientum, Halb- und Unfreie S. 199. — Lebensfüh- 
rung S. 200. — Literatur S. 200. — Musik S. 201. — Bildende 
Kunst: Italienische Architektur und Plastik des 9.— 11. Jahr- 



Inhalt. XIII 

bunderts S. 201. — Der Neubau von San Marco; Mosaikenkunst 
S 203. — Der Campanile von San Marco S. 204. ~ Dom und 
S. Fosca in Torcello, die Dome von Caorle, Jesolo und Murano 
S. 205. — Der Profanbau ; Fundamentierung und beginnende Aus- 
bildung eines Typus des Lagunenhauses S. 206. — Der Dogen- 
palast des Orseoler S. 208. — Markusplatz und Stadtbild von 
Venedig im 11. Jahrhundert S. 208. 



Drittes Buch. 
Venezianische Grofsmachtstellung. 

Siebentes Kapitel. Venedig zwischen Staulem und Kom- 

nenen 213 

Venedig tritt als letzte der grofsen italienischen Handelsstädte in 
die Kreuzzugsbewegung ein S. 213. — Bari, Amalfi, Pisa 
und Genua S. 214. — Der erste venezianische Kreuzzug (1099—1100) 
S. 215. — Venedig und das heilige Land in der Folgezeit (Über- 
blick); geringe Beteiligung der Stadt an den Kreuzfahrten S. 217. 

— Venedig im Kampfe gegen Ungarn um Dalmatien. König 
Kolomann und Vitale Michiele I.; Eroberung Dalmatiens durch 
Kolomann S. 219. — Doge Ordelafo Falieri; Venedig von aufsen 
bedroht und im Innern heimgesucht S. 221. — Erster Krieg 
zwischen Ungarn und Venedig in Dalmatieu ; Tod Ordelafo Falieris 
S. 222. — Doge Domenico Michiele S. 223. — Der zweite 
venezianische Kreuzzug (1122 — 1125); Gewinn von Tyrus S. 224. 

— Domenico Michiele gegen Bjzanz und Ungarn; Erneuerung des 
Chrysobullons S. 228. -- Doge Pietro Polani S. 230. — König 
Roger II. von Sizilien; Ereignisse der Jahre 1136—1140 S. 230. — 
Kaiser Manuel Komnenos S. 232. — Griechisch- venezianischer Krieg 
gegen die Normannen S. 233. — Vergebliche Bündniswerbungen 
Manuels gegen König Roger S. 235. — Wendung der griechischen 
Politik ; Manuel besetzt Ancona S. 236. — Festlandskriege Venedigs 
in den vierziger Jahren S. 237. — Die adriatische Interessensphäre 
Venedigs S. 237. — Friedenszeit unter den Dogen Domenico Morosini 
und Vitale Michiele II. S. 240 — Religiöses und kirchliches 
Leben in Venedig im 12. Jahrhundert S, 241. — Der dalmati- 
nische Primat von Grado und endgültige Regelung der kirchlichen 
Stellung Venedigs in Istrien S. 243. — Der Investiturstreit und 
die Umbildung der venezianischen Staatsverfassung S. 246. — 
Friedrich Barbarossa gegen Venedig S. 248. — Der Veroneserbund 
S. 2&0. — Angriff des Patriarchen Ulrich von Aquileja auf Venetien 



xiT Inhalt. 

Seite 

S. 251. — Der lombardische StädtebuDd S. 252. — KoDflikte mit 
Kaiser Manuel; der 12. März 1171; Rachezag des Dogen Vitale 
Michiele II. gegen Griechenland S. 254. — Ermordung Vitale 
Michieles II. S. 257. — Sebastiano Ziani; Schwenkung der 
venezianischen Politik ; Bündnis mit Erzbischof Christian von Mainz 
zur Belagerung von Ancona S. 258. — Normannenfriede von 1175 
S. 260. — Vergleich mit Byzanz und Ausgang des Kaisers Manuel 
Komnenos S. 261. — Die Präliminarien von Anagni S. 262. — 
Der Venezianer Friede S. 263. — Venedigs grofse Stellung 
in der abendländischen Welt S. 265. — Die Friedensfabel von 1177 
S. 267. 

Achtes Kapitel. Enrico Dandolo 2i\9 

Doge Orio Malipiero (Mastropiero) S. 269. — Kaiser An- 
dronikos Komnenos und der Lateinermord in Konstantinopel S. 269. 

— Untergang des Andronikos, Kaiser Isaak Angelos S. 270. — 
Erneuerung der Verträge mit Venedig durch Kaiser Isaak S. 271. 

— Neue Konflikte in Dalmatien S. 272. — Der dritte Kreuzzug 
S. 273. — Lage im Jahre 1192 S. 274. — Kaiser Heinrich VI. 
S. 275. — Doge Enrico Dandolo S 276. — Die Lage von 
Venedig im Jahre 1195; das staufische Weltreich S. 277. — Tod 
Kaiser Heinrichs VI. S. 279. — Das ChrysobuUon von 1198 S. 280. 
Der vierte Kreuzzug. Innozenz III. läfst das Kreuz predigen 
S. 280. — Überfahrtsvertrag der Kreuzfahrer mit Venedig im April 
1201 S. 281. — Die in Venedig versammelten Kreuzfahrer bringen 
die vereinbarte Geldsumme nicht auf S. 283. — Dandolo schlägt 
eine gemeinsame Unternehmung auf Zara vor; er nimmt das Kreuz 
S. 284. — Flucht des Prinzen Alexios (IV.) Angelos aus Konstanti- 
nopel; Verwirrung der Lage S. 285. — Venezianische Politik im 
Herbste 1202 S. 285. — Ausfahrt der Flotte (Oktober 1202) S. 288. 

— Unterwerfung von Triest und Muggia unter Venedig S. 288. — 
Die Eroberung von Zara S. 289. — Eingreifen König Philipps; 
das griechische Projekt in der Vollversammlung der Barone und 
Herren S. 290. — Stellung und Haltung Enrico Dandolos S. 292. — 
Verhalten des Papstes Innozenz III. S. 293. — Vertrag mit Prinz 
Alexios und Abfahrt von Zara S. 294. — Endgültiger BeschluTs der 
Fahrt nach Griechenland auf Korfu S. 295. — Überblick über die 
Abwandlungen der venezianischen Politik S. 296. — Ankunft vor 
Konstantinopel und erste Belagerung der Stadt (Juni-Juli 1203) 
S. 297. — Flucht des Kaisers Alexios III.; Wiedererhebung des 
Kaisers Isaak Angelos und Einsetzung des Alexios IV.; der 18. 
Juli 1203 S. 300. — Konflikte zwischen Griechen imd Lateinern; 
Verschiebung der Kreuzfahrt; der grofse Brand in Konstantinopel 



Inhalt. XV 

Seite 

Tom Augoift 1203; Kriegszug de« Alezios IV. durch Thrakien und 
Makedonien S. 302. — Offener Krieg (November- Dezember 1203) 
S. 303. — Revolution in Konstantinopel (Januar— Februar 1204) 
S. 305. — Kaiser Alexios V. (Alexios Dukas Murzuphlos) S. 306. 

— Der „Märzvertrag'* der Lateiner S. 308. — Die Eroberung von 
Konstantinopel am 12./13. April 1204; Katastrophe der Stadt S. 
310. — Kaiserwahl und Krönung Balduins von Flandern zum „la- 
teinischen** Kaiser S. 313. — Stellung des neuen Kaisers und der 
Venezianer zum Papste ; Enrico Dandolo an Innozenz III. S. 314. — 
Erwerbung von Kreta durch Venedig S. 317. — Triumph der vene- 
zianischen Politik bei Vornahme der Reichsteiluug S. 318. — Unter^ 
gang Alexios' V. S. 319. — Zar Johannes der Bulgaren ; Schlacht 
bei Adrianopel (14./ 15. April 1205); Ausgang Kaiser Balduins I. 
S. 320. — Tod Enrico Dandolos S. 321. — Enrico Dandolos welt- 
geschichtliche Stellung S. 321. 

Neuntes Kapitel. VerfaMungsgründung und Kapltallsmtis . 32$ 

Allgemeiner Charakter des 12. Jahrhunderts S. 323. — Die her- 
kömmliche Meinung über den Ursprung der venezianischen Staats- 
verfassung S. 324. — Allgemeine Entwickelung der St&dtever- 
üusung in Mittel- und Oberitalien : Konsulat und Podestat S. 325. 

— Analoge Entwickelung der venezianischen Verfassung S. 328 — 
Das Comune Veneciarum S. 328. — Die Sapientes S. 329. — Der 
grolse und kleine Bat S. 330. -^ Anfange der Quarantia und des 
Senates (consilium rogatorum) S. 331. — Die Volksversammlung 
S. 332. — Verfiftssungskampf zwischen dem Dogen und dem Comune : 
in der äoTseren Politik S. 334. — Militärische Stellung des Dogen 
und venezianisches Kriegs-(Flotten)wesen überhaupt S. 334. — Ver- 
waltung der Staatseinkünfte: Camera comunis und Camera ducis 
S. 335. — Justizbehörden und richterliche Stellung des Dogen S. 
336. — Anfänge der Behördenorganisation; Recht der Beamten- 
emennung S. 337. ~ Einteilung der Stadt Rialto S. 338. — Kirchen- 
rechtliche Kompetenz des Dogen S. 338. — Äufsere Ausstattung 
des Dogates, die dogale Kanzlei S. 339. — Verfassungseid (promissia 
dncalis) des Dogen S. 340. — Rechtsleben. Strafirechtsordnungen 
von 1181 S. 342. — Die bürgerlichen Rechtsstatuten Enrico und 
Renier Dandolos von 1195 und 1204 S. 344. — Rechtsgang in 
Venedig S. 344. — Familienrecht S. 346. — Sachenrecht S. 348. — 
Pacht und Miete S. 349. — Obligationenrecht, Vollmacht, Über- 
weisongsgeschäft, Quittung, Schenkung, Kauf und Verkauf, Schuld- 
briefe S. 349. — Die Geld- und Handelsverträge: das Seedarlehen 
S. 351. — Commenda, CoUigantia, Rogadia S. 352. — Compania 
und Compera, Staatsanleihen S. 353. — Die Fondachi und die 



XVI Inhalt. 

Seite 

AnfaDge bankmäfsiger OrdnuDgeu S. 355. — Venezianisches Müuz- 
wesen im 12. Jahrhundert S. 356. — Venedig als Handelsstadt. 
Der Markt von Rialto und die anderen städtischen Märkte S. 357. 

— Fahrplanmäfsiger Seeverkehr (mudua, taxegium) S. 357. — 
Handel nach dem Westen; Konkurrenz von Genua und Pisa; 
Verbindung mit Frankreich; Handel uach Itab'en und Deutsch- 
land S. 358. — Die venezianische Interessensphäre zu Land und 
Wasser zu Ende des 12. Jahrhunderts; Anspruch auf das adri- 
atische Handelsmonopol S. 359. — Handel nach Griechenland; Chryso- 
bullen und Symphonien; das venezianische und die anderen ,, latei- 
nischen" Quartiere in Konstantinopcl S. 360. — Venezianischer 
Handel mit den Sarazenen, besonders mit Ägypten S. 364. — Handel 
nach der Levante, dem inneren Vorderasien (Bagdad, Ikonium, 
Armenien) und der Krim S. 365. — Die venezianischen Kolonien 
im heiligen Land S. 366. — Das Jahr 1204 das Anfangsjahr der 
Welthandelsmacht der Stadt S. 368. — Materielle Kultur. 
Lebensmittel und Industrieprodukte S. 368. — Bildung der Zünfte 
S. 370. — Gesellschaftliche Gliederung der Bevölkerung; Freie, 
Halbfreie, Unfreie; Cives, Habitatores, Forlnseci; Nobiles und Popu- 
läres S. 371. — Kapitalistischer Charakter der Gesellschaftsordnung 
und zunehmende Bedeutung des Laientums S. 372. — Lebensver- 
hältnisse in Venedig S. 374. — Geistige Kultur. Musik 
und Literatur; Schauspieler aus Chioggia S. 375. — Mosaikenkunst 
und Plastik ; die Mosaiken und Skulpturen von San Marco S. 376. 

— Architektur; Kirchen und Profanbauten S. 377. — Stadtbild 
von Rialto -Venedig zu Ende des 12. Jahrhunderts S. 379. — Be- 
deutung der Jahre 1177 und 1204 wie für die politische so auch 
für die Kulturgeschichte von Venedig S. 380. — Allgemeine Lage 
beim Tode Enrico Dandolos S. 380. 



Inhalt. xvn 



Anmerkungen. 

Seite 

I. Über die Quellen zur älteren Geschichte von Venedig ... 384 
IL Verzeichnis der Dogen, Patriarchen yon Grado and Bischöfe 
von Caorle, Heracliana, Torcello, Malamocco-Chioggia, Jesolo 

und OliYolo-Castello bis zum Jahre 1205 400 

nL Zo den einzelnen Kapiteln 409 

1) Allgemeine Topographie S. 409. — 2) Die Veneter S. 410. — 
3) Gründung (568) und Gründungslegende S. 411. — 4) Konstitu- 
ierung des Seelandes S. 412. — 5) Topographie der Lagunen S. 414. 

— 6) Das „Tribunat" S. 416. — 7) Jahre 697?— 742 S. 417. — 
8) Jahre 742—764 S. 420. — 9) Jahre 764—804 S. 420. — 10) 
Obelierius und Beatus S. 421. — 11) Die ersten Parteciaci S. 423. — 
12) Älteste Kultur im allgemeinen S. 425. — 13) Besitz- und 
Bechtsyerhältnisse S. 426. — 14) Handel und Geldwirtschaft S. 427. 

— 15) Entstehung von Venedig S. 427. — 16) Jahre 836—881 
S. 429. — 17) Über die „Kaiserpakte" S. 431. — 18) Jahre 
881—932 S. 435. — 19) Candianen (932—976) S. 436. — 20) 
Jahre 976—991 S. 438. — 21) Pietro Orseolo IL S. 440. — 22) 
Über Dalmatien S. 441. — 23) Spätere Orseoler, Poppe und Orso 
S. 443. — 24) Jahre 1032—1081 S. 444. — 25) Normannenkrieg 
und Vitale FaHeri (1081—1096) S. 446. — 26) Handel (im 9. bis 
10. Jahrhundert) S. 448. — 27) Schiffahrt S. 449. — 28) Geld- 
und Naturalkultur im 9.— 11. Jahrhundert S. 451. — 29) Reehts- 
nnd Verfassungsleben S. 451. — 30) Gesellschafts- und Geistes- 
kultur S. 452. — 31) Kreuzzüge S. 455. — 32) Die Dogen von 
1096—1130 S. 457. — 33) Pietro Polani und Domenico Morosini 
(1130—1156). König Roger IL S. 459. — 34) Investiturstreit S. 462. 

— 35) Vitale Michielell. und Sebastiane Ziani (1156—1178) S. 464. — 
36) Orio Malipiero S. 469. — 37) Jahre 1192—1198 S. 471. — 
38) Der Tierte Kreuzzug S. 474. — 39) Verfassung und Ver- 
waltung S. 489. — 40) Rechtsleben S. 493. — 41) Handel S. 499. 

— 42) Materielle Kultur S. 502. — 43) Geisteskultur S. 503. 

Reglater 505 



Erstes Buch. 

Byzantinische Oberherrschaft. 



Kreiiehinayr, GMcbiehte Ton Venedig. 



Venetlae iiraedlcaMlos quondain plene nohilibiiR ah aiistro 
Raveunam Padunique <>oiitiD|?iint ab Oriente iucunditate 
louil lltt)ii8 perfiuuutur: iil»i iiltcrnuH aestuB «jj^rcdifn» modo 
claudit modo aperlt fuciem rorlproea inimdatlouo camponiin. 
Uic vobJa aciuatlliiim avium morf domus rat. 

Cassiodori Variae XII, 24. 



Erstes Kapitel. 
Anfange. 

* 

Über den Landschaften; die sich von den Hochkämmen der 
Alpen südwärts breiten, liegt es wie eine Verheifsung. Hier ist 
eine Welt im Schwinden und eine andere eröflfnet sich: nach der 
ernsthaften Einförmigkeit baumarmer Ealkfelsen, der drängenden 
Enge hoher Gebirge endlich weites, grünes, sonnbeglänztes Land. 
Ein einzigartiger Gegensatz nördlicher und südlicher Landschaft^ 
wie er immer wieder das Entzücken der Menschen erregt, ihre 
Einbildungskraft und Tatonlust mächtig angespornt hat. Über die 
Alpen ziehen die Römer ihre noch heute bewunderten Strafsen, 
Verbindungslinien der Herzlande des Reiches mit den Aufsen- 
posten an der Donau und am Rheine, streben Herrscher und Heere 
deutscher Nation zur ewigen Stadt, ftihren deutsche und welsche 
Eaufleute ihre Waren nach süddeutschen und oberitalienischen 
Handelsemporien ; und unten in der Ebene das schicksalsvollste 
Schlachtfeld aller Geschichte. Die Welt hat nur wenige Orte, die 
durch den doppelten Zauber landschaftlicher Schönheit und histo- 
rischer Gröfse gleich geweiht sind. 

Das Meer, das sich in vorhistorischen Zeiten einer gewaltigen 
Bucht gleich zwischen Apenninen und Alpen zwängte, haben die 
von den Alpenflüssen talwärts geführten Erdmassen in fruchtbares 
Flachland umgewandelt: die oberitalienische Tiefebene. Gardasee 
und Mincio scheiden sie topographisch, der Flufslauf der Adda 
politisch in zwei Hälften: im Westen, tief in den gewaltigen Ge- 
birgskranz der Westalpen hineingerückt, die alte Walstatt ent- 
scheidender Völkerkämpfe von den Tagen Hannibals bis zu denen 

der Bonaparte, die industrie- und städtereiche Lombardei; ihre 

1* 



4 Erstes Elapitel. 

Hauptstadt Mailand wetteifernd mit Rom heute wie ehedem. Im 
Osten Vene tien, trotz ansehnlicher Siedelungen doch vorwiegend 
Acker- und Gartenland mit seinen vielfarbigen Landhäusern, reben- 
umsponnenen Ulmen, uralt bekannten und geschätzten heilkräftigen 
Quellen; viel vulkanischer Boden, oftmals von Erdbeben heim- 
gesucht, besonders erschrecklich an den Küsten, wo dann auch das 
Meer verheerend über seine Dämme bricht und alles in Grauen und 
Trümmer wirft. Aus der Wechselwirkung landbildender und land- 
zerstörender Kräfte ist hier, in den italienischen Niederlanden, das 
eigenartige Marschen- und Deltaphänomen der Lagunen erwachsen, 
ein Zwischenreich von Land und Wasser, wo hinter schützenden 
Nehrungen, den Lidi, weite Wasserspiegel sich dehnen, ohne doch 
der belebenden Verbindungen mit dem Meere zu entbehren; ein 
Gebiet, das über das venezianische Festland hinaus in weitem, fast 
halbkreisförmigen Bogen von nahe an 200 Kilometer Spannweite 
von den Ausläufern der karnischen Alpen bei Duino bis an die 
Salinen von Cervia unterhalb Ravenna am Ostfufse der Apenninen 
reicht; stets von doppelter Gefahr bedroht, der Versandung 
durch die Flüsse, der Überschwemmung durch das Meer; ein 
guter Teil davon gewissermafsen vor unseren Augen aufgebaut 
und zerstört. 

Keiner der norditalischen Alpeoäüsse läfst sich an Wasserfülle 
und Ausdehnung des Flufsgebietes dem P o vergleichen. Die ganze 
Ebene von den Bergen Piemonts bis zu den Deltaniederungen von 
Ravenna und Comacchio durchströmend, ist er, „der geliebte 
und gefürchtete Flufs", zugleich Fruchtbringer und Feind. An 
die 40 Millionen Kubikmeter Landes iiihrt er alljährlich herab, 
sinkende Ablagerungen haben sein Bette längst überhöht; sorglich 
hat man seinen Lauf in Deiche und Dämme einschliefsen müssen ; 
wehe wenn er sie durchbricht! Ravenna, vor Jahrhunderten La- 
gunenstadt wie heute Venedig, ist durch ihn und seinen Neben- 
flufs, den Reno, zur Landstadt geworden, um 70 Meter baut er 
jährlich seine Mündung weiter ins Meer hinaus. Minder gewaltige, 
aber noch immer höchst ansehnliche landbauende Arbeit leistet 
die von Tirol herabströmende Etsch; das östlich der Eisenbahn- 
linie Chioggia — Rosolina angeschwemmte Land ist gröfstenteils ihr 
Werk. Po, Etsch und die übrigen Fltlsse würden den Golf von 



Die oberitalieniBche Tiefebene. 5 

Venedig ebenso in einen Binnensee verwandeln^ wie die ober- 
italienischen Seen^ stünde ihrer landbildenden Kraft nicht die land- 
zerstörende des Meeres gegenüber. Die gesamte ^ die nördliche 
Adria umschliefsende Küste sinkt; und man glaubt den Betrag 
dieser Senkung wenigstens für Bavenna auf 15 Zentimeter für das 
Jahrhundert ansetzen zu können. Wohl aber haben beide Flüsse 
das Bild ihres Mündungsgebietes, des südlichen Dritteiles der La- 
gunen, völlig verändert. Ravenna im Süden, Adria im Norden, 
dnstmals Wasserstädte, sind meilenweit vom Meere abgedrängt 
worden, jenseit der noch wohl verfolgbaren Linie des alten, von 
Chioggia — Brondolo durch die Seen von Comacchio auf Ravenna — 
Cervia zuführenden Lido der Römerzeit dehnen sich 1500 Quadrat- 
kilometer angeschwemmten Landes. Nur in den „valli'^ der 
gerade noch um ihrer Aale willen nicht völlig von der Welt ver- 
gessenen Stadt Comacchio hat sich ein allerdings ausgedehnter 
Rest der langgestreckten Lagunen früherer Zeit erhalten, die noch 
in der Römerzeit einen Schiflbverkehr von Ravenna bis nach Altino 
gestatteten. 

Viel treuer hat der mittlere Teil der Lagune, die venezia- 
nische schlechtweg, seine Gestalt bewahrt. Die ursprünglich 
zwischen Chioggia und Malamocco ausmündenden Flüsse, der kurze, 
aber breite Bacchiglione, der antike Togisonus und sein gröfserer 
Schwesterflufs, die Brenta, der antike Medoacus, sind von den 
Venezianern schon vor alters nach Süden abgeleitet worden; mit 
unsäglichen Mühen, Aufwand an Gut und Blut, aber mit bestem 
Orunde: der Heimatstadt das Los der Versandung zu ersparen. 
Denn mächtig genug bauen auch diese kleinen Flüsse: im Süden 
haben Brenta und Bacchiglione die Lagunen von Brondolo vollends 
zu Land gemacht und ihre Mündung dritthalb Kilometer ins Meer 
vorgeschoben; im Norden ist die Blüte von Torcello der Ver- 
sandung durch den kurzen Wasserlauf des Sile erlegen, und die 
umliegenden Inseln sind den Fluten des Meeres zum Opfer ge- 
worden. Sonst aber haben sich hier landbildende und landzerstö- 
rende Kräfte dank der venezianischen Wasserpolitik so ziemlich 
das Gleichgewicht gehalten. Auch die Lidi haben nur geringfügige 
Veränderungen erfahren. Als schmale, langgezogene Dünendämme, 
aus dem Zusanunenwirken der erdführenden Flüsse, der vor- 



6 Erstes Kapitel. 

herrschend von Ost- und Südostwinden bewegten Meeresfluten und 
einer längs der Küste verlaufenden nord-südlichen Meeresströmung 
entstanden ; kommt ihr Charakter als Öchutzdämme hier zwischen 
Torcello und Brondolo am unversehrtesten zum Ausdruck. 

Anders im nördlichen und letzten Dritteil der Lagune, die 
man heute nach dem grofsen, zwischen Piave und Isonzo ein- 
gebetteten Wasserspiegel doch wohl am zutreffendsten die von 
Marano nennt. Hier münden die Piave, die sich erst in nach- 
römischer Zeit ihr heutiges Bette gegraben, die Livenza, der 
Tagliamento, in Zeiten des Hochwassers ein reifsender Berg- 
strom, weithin das Land mit losgerissenem Kalkgestein verödend, 
endlich schon weit im Osten der Isonzo und das rätselhafte 
Flüfschen des Timavo. Nirgends wird das Doppelspiel jener 
aufbauenden und abtragenden Kräfte mehr offenbar als hier. Das 
Gebiet von Grado und Aquileja ist durch den Isonzo versandet, die 
Piave hat die alte Dogenstadt Heracliana in Schlamm und Schutt 
begraben. Während aber im Süden die Flüsse weit über den 
Damm des Lido hinausgebaut haben, ist hier ein grofser Teil des- 
selben vom Meere verschlungen worden; nur die von der Piave 
herauf bis gegen Caorle streichenden Küstenpartien zeigen noch 
die charakteristische Dünenform, von da ab über Grado bis nach 
Duino hinüber hat sie das Meer in ein Wirrsal von Inseln zer- 
rissen, wenn nicht völlig vernichtet. Fortwährende Veränderung, 
ununterbrochenes Wechselspiel ! 

Wo immer es Lagunen gibt, sind deutlich zwei Gebiete 
kenntlich: das eine dem Meere zugekehrt, durch Pforten (porti), 
welche die Lidi unterbrechen, mit dem Meere verbunden und da- 
durch des Segens der leben- und gesundheitspendenden Gezeiten- 
bewegung teilhaftig, die lebende Lagune, laguna viva — das andere, 
dem Festlande zugewendet, nicht mehr bewegt durch Ebbe und 
Flut, eine Sumpf- und Fiebcrlandschaft, laguna morta, die tote 
Lagune, wie sie in aller ihrer Trostlosigkeit etwa den grofsen 
Eisenbahndamm von Mestre nach Venedig hinüber begleitet. Keine 
Frage, wo einzig sich hier menschliche Tatkraft dauernd bezeigen 
konnte. Mitten in der Laguna viva, die hundertfach verästelten 
Kanäle von Ebbe und Flut belebt, durch die schützenden Dünen 
vor den Meeresstürmen ebenso gesichert wie durch sorgsame Ab- 



■W-» ^ > » * , 



Herkunft der Venetor. 7 

leitung der Festlandsflüsse vor der Versandung , ersteht an der 
schier unzugänglichsten Stelle des ganzen Gebietes dessen Haupt- 
siadty Venedig. 

* 

Den Namen trägt die Landschaft von ihren ersten historisch 
nachweisbaren Bewohnern, den Venetern; die etymologische 
Deutung des Volksnamens ist dunkel, die Ableitung von dem 
semitischen hanah = gehen, wandern unzutreffend. Die Verwandt- 
schaft ihrer ältesten Kultur mit der Krains und des Küstenlandes 
und der Kupferkultur Bosniens, der Charakter ihrer Sprache läfst, 
wie schon Herodot richtig fand, die Veneter als ein illjrisches 
Volk erkennen, das in vorhistorischer Zeit in Deutsch - Tirol 
und Vorarlberg gesessen haben und hernach zugleich mit der 
gesamtillyrischen Besiedelung Italiens um die Mitte des zweiten 
vorchristlichen Jahi*tausends oder etwas später auf dem Landwege 
über Aquileja in die nach ihm benannte östliche oberitalische Tief- 
ebene eingerückt sein mag. Der grofse Einbruch der Italiker etwa 
im 11. Jahrhunderte, die aus ihren mutmafslichen Stammlanden 
an Niederclbe und Niederrhein über Piemont und Lombardei nach 
Italien drängten und von der älteren illyrischen Bevölkerung nur 
zurückgedrängte Stämme im Süden — Japyger und Sikeler — 
und versprengte Reste in der Mitte der Halbinsel übrigliefsen, 
scheint das Land der Veneter nicht berührt zu haben ; mindestens 
im 7. Jahrhundert sind sie dort historisch nachweislich. Die 
Theorien von ihrer germanischen oder slawischen Abstammung 
sind ebenso abzuweisen, wie die auf einen Iliasvers (II, 852) ge- 
gründete griechische Fabel von ihrer kleinasiatischen (paphlago- 
nischen) Herkunft; letztere mag durch die Beziehungen Dionys' I. 
zum Polande dorthin gebracht worden sein, wurde dann mit der 
Antenorsage verquickt und von der Mehrzahl der antiken Schrift- 
steller als gewifs übernommen. 

Die Kolonisation der Hellenen hat wohl noch im frühen 
6. Jahrhunderte das von ihnen Adria benannte Po- und Veneter- 
land der Kenntnis der damaligen Kulturwelt erschlossen. Nach 
einer alten Schiffersage nimmt besonders das jonische Phokäa diesen 
Böhm fär sich in Anspruch. Griechische Händler holen von der 



8 Erstes KapiteL 

Pomündung den von den Ostseeküsten dorthin verhandelten Bern- 
stein. Die Stadt Spina im Seengebiet von Comacchio, die Stadt 
Adria, auf die nun der Name des Landes übergeht, um bald dar- 
auf auch auf das Meer angewendet zu werden, unterhalten schon 
im 6. Jahrhundert lebhaften Verkehr mit Griechenland; von Ita- 
likem begründet, berühmen sie sich doch griechischen Ursprungs. 
Gleichwohl aber blieb, auf langer Seefahrt selten und mit Gefahren 
erreicht, das „B^i^^^steinland'' den Hellenen noch auf Jahrzehnte 
hinaus ein dunkles Land der Feme, wie ja mehr oder minder 
ganz Italien; dort an den Niederungen des Eridanos hatte Phaethon 
seine unselige Fahrt geendet, am Timavo tränkte der eine der 
Wunschbrüder, Eastor, seine Rosse. Erst allgemach treten diese 
Gebiete deutlicher vor die Vorstellungen der griechischen Mensch- 
heit. Dion js I. versorgte von dorther sein Gestüt, die Sage nennt 
ihn den Gründer von Adria. Im Jahre 324 versuchten die Athener 
die Anlage einer Stadt an der adriatischen Küste Italiens. Und 
je mehr die Griechen gegenüber Karthagern und Italikem in Grols- 
griechenland an Boden verloren, um so lebhafter strebten sie eine 
Festsetzung an der Adria an. Über einen dieser Versuche weifs 
Livius Näheres zu berichten; es ist zugleich die älteste historisch 
greifbare Nachricht über die venezianische Lagune. Im Jahre 301 
erschien der spartanische König Kleomenes mit seinen Schiffen an 
den venezianischen Lidi; Kundschafter bringen die Meldung zu- 
rück, sie hätten hinter den Dünen ein den Gezeiten unterliegendes 
stillstehendes Wasser gefunden, dann wohlgepflegten Ackergrund, 
in einiger Feme von Gebirgen umsäumt; bis zur Mündung eines 
Flusses Medoacus (Brenta) hätten sie vordringen und dort Anker 
werfen können. Ein Geschwader unter Spartanus läuft nun in 
die Lagunen ein, die Hauptflotte folgt; den Flufs hinaufzufahren 
verhindert dessen niedriger Wasserstand; nur Boote läfst er zu. 
Diese fahren nun ein; ihre Mannschaft findet menschliche Siede- 
lungen und ackerbauendes Volk ; sie steigt ans Land und macht 
grofse Beute. Da eilen in zwei Scharen die Bürger von Padua 
herbei, die eine zur Haltestelle der Boote 14 Meilen von der Stadt,, 
die andere gegen die Plünderer unmittelbar ; sie überraschen Boote 
und Leute und richten eine grofse Niederlage an. Drei Meilen 
weiter liegt ohnmächtig zur Hilfe die Hauptflotte. König Kleomenes. 



Älteste Kultur der Veneter. 9 

mufs wohl froh sein; das offene Meer wieder zu gewinnen. So 
wie dieser mag mancher andere Versuch griechischer Kolonisten 
des 4. und beginnenden 3. Jahrhunderts gescheitert sein. Das 
Ghriechentum war längst nicht mehr stark genug, auf Osten und 
Westen gleichermafsen zu wirken ; es verzehrte sich in der Helleni- 
sierong der orientalischen Welt; und Italien ging seine eigenen 
Wega 

Im übrigen darf auch der kulturelle Einflufs der Griechenwelt 
auf das alte Venetien nicht hoch angeschlagen werden. Weder das 
illyrische Idiom des Alivenetischen noch der aus dem Vulgärlatein 
heraosgebildete modemyenezianische Dialekt lassen griechischen 
Einschlag in höherem Mafse erkennen ; vielmehr ist umgekehrt die 
neugriechische Sprache im Mittelalter mit venezianischen Elementen 
durchsetzt worden. Die Kleidung der Veneter nennt Herodot 
medischy Poljbios fand sie schon nach Art der anwohnenden Kelten 
gekleidet; nach der Einverleibung in das Römerreich nahmen sie 
die Toga an^ ohne dafs darum die nationalen Besonderheiten ihrer 
Tracht völlig geschwunden wären. Das Kapuzenkleid der Veneter, 
der cucuUus, ist sprichwörtlich im Munde der spätrömischen Wort- 
fuhrer gegen Uberkultur. Den fiir Venetien von einer allerdings 
bedenklichen Quelle noch fiir das 10. Jahrhundert n. Chr. bezeugten 
Brauch, die Heiraten summarisch an einem bestimmten Tage des 
Jahres abzuhalten, haben Herodot und Strabon im damaligen 
Persien wiedergefunden. Die Veneter waren ein Volk von Acker- 
bauern und vornehmlich Viehzüchtern ; die Stadt Caorlc hat ihren 
Namen von den Ziegen-, der „Rinderlido'^ (litus boura) von den 
Rinderherden. Out bezeugt ist die durch lange Jahrhunderte an- 
erkannte Vortrefflichkeit der venetischen Pferdezucht; die Stadt 
ElquiluB (Jesolo), der Lido Cavallino tragen davon den Namen, 
und gewifs nicht ohne Grund hat die eine der zwei grofsen ost- 
römischen Hippodromparteien sich nach den Venetem genannt. 
Die Notwendigkeit von Wasserbauten zum Schutze des Landes 
vor den Überschwemmungen der Alpenäüsse und deren dringend 
gebotene dauernde Instandhaltung veranlafsten die Veneter von 
früh an zur Sefshaftigkeit; sie waren eifrige Städtebauer. Vicenza, 
AsolO; Feltre und Belluno sind venetischen Ursprungs; zweifellos 
auch Altino in der Lagune, gleich Ravenna und Adria auf den 



10 Erstes Kapitel. 

in diesen Gebieten seit jeher heimischen Pfahinnterlagen erbaut 
Überhaupt scheint nach Ausgrabungen vorzüglich in Torcello kein 
Zweifel, dafs das Lagunengebiet schon in vorhistorischer Zeit be- 
wohnt gewesen ist Die ausgedehnten Wiesen und Wälder dieser 
Gegenden waren der richtige Weide- und Jagdgrund für Pferde 
und Wild, das Wasser bot unerschöpflichen Reichtum an Fischen 
und Seetieren und die mühelose Gewinnung des sonst der Halb- 
insel nahezu völlig vei*sagten Salzes. 

Mit einer höchst bedeutsamen Tat treten die Veneter aktiv 
in die Weltgeschichte ein. Ihrem Einfalle in das Gebiet der Kelten 
danken die Römer, dafs ihr Gemeinwesen nach der Schreckens- 
Bchlacht an der AUia (18. Juli 382 v. Chr.) vor deren Angriffen 
gerettet oder doch befreit worden ist. Sie scheinen auch weiterhin 
in Bundesverhältnis zu den Römern geblieben zu sein. Im grofsen 
Kriege gegen Hannibal haben sie freiwillig oder gezwungen etwa 
20000 Mann gestellt, den Römern die Wasserstrafse des Po offen- 
gehalten. Nach der Niederlage Karthagos war die Ausdehnung 
der schon vor dem Kriege bis Piacenza und Cremona vorgerückten 
römischen Oberherrlichkeit über das Poland keine Frage mehr; 
ohne dafs freilich die Römer ihre Ansprüche eilends geltend ge- 
macht hätten. Sie erstreckten jetzt die Proviuzverfassung auf Tos- 
kana und die Romagna (provinciae Pisae et Arimini), begründeten 
zur Deckung des von den Venetern wegen der Einlalle der Ge- 
birgsvölker geräumten Landes zwischen Timavo und Tagliamento 
die Kolonie Aquileja (181); im übrigen haben sie das Nordland 
noch fast ein Jahrhundert lang mehr oder minder sich selbst über- 
lassen. Erst die Schrecken des grofsen Bundesgenossenkrieges 
erzwangen die Erstreckung des Bürgerrechtes an alle Italiker bis 
an den Po (Lex Julia und lex Plautia-Papiria 90 und 89 v. Chr.), 
und erst Sulla erhob die Gallia cisalpina, das Land dies- und 
jenseit des Po (eis- und transpadana) , zur Provinz. Zugleich 
setzte die Latinisierung lebhaft und gründlich ein. Gallia trans- 
padana blieb noch durch ein Menschenalter aufserhalb des Bürger- 
rechtes, nur an einige wenige Städte, etwa im Jahre 90 an Aqui- 
leja, wurde dasselbe verliehen. Das flache Land war diesen 
Städten als zinspflichtiges Zugehörland beigegeben; gewifs nicht 
im Sinne der Bevölkerung; begierig ergriff sie die Partei Cäsars 



Bömerherrschaft. 1 1 

gegenüber den hergebrachten Ordnungen ^ und dieser lohnte die 
Parteifolge durch die lex Roscia vom 11. März 49: die gesamte 
Gallia cisalpina — also auch die transpadana — wurde unter Be- 
lassnng der Provinzverfassung in den römischen Bürgerverband 
aufgenommen. Sieben Jahre später verleibte dann, nach dem 
Tage von Philippi, Oktavian die bisherige Provinz vollends Italien 
ein und steckte ihre Grenzen ab: vom Varfiufs im Westen über 
den Vintschgau — Eisack — Ereuzbergpafs bis zur istrischen Arsia 
im Osten. In der zwei Menschenalter später von Kaiser Augustus 
kurz vor seinem Tode vorgenommenen Regionaleinteilung Italiens 
wird Gallia cisalpina in drei Sprengel zerlegt: der gröfste (51000 
Quadratkilometer), Venetia und Istria als regio decima gegen die 
regio septima — Aemilia — durch den Po, gegen die undecima 
— Transpadana — durch die Adda abgegrenzt. Damit war Ve- 
netien völlig im römischen Reiche aufgegangen; zum eigenen und 
zum Vorteile des Reiches. 

Hatten die Veneter der römischen Weltmacht ehedem Soldaten 
und Kriegspferde gestellt, hatte schon Polybios die Märchen be- 
lächelt, die von der gesegneten Wohlhabenheit ihres Landes im 
Umlaufe waren, so war nunmehr in der Zeit des Augustus ihr 
Land zu „Italiens Blüte, römischen Volkes Zierde'* geworden. So 
nennt es lobpreisend schon Cicero. Die Städte, nicht zahlreich — 
nur halb so viel wie in dem fünfmal kleineren Umbrien — , aber 
ungemein lebenskräitig, schon zu Sullas Zeiten in die vornehmen 
tribus rusticae aufgenommen, werden zu Sitzen hochentwickelter 
Industrie, Zentren dichtesten Verkehrs. Ein Netz glänzend aus- 
gestatteter Strafsen durchzieht das Land nach allen Richtungen; 
vom Westen führen aus Gallien die via Gallica, aus Genua die 
via Postumia auf teilweise gemeinsamem Wege über Verona imd 
Vicenza, die erste über Padua, die zweite über Oderzo nach 
Osten; beim heutigen Sermide, südlich des Po, von der die 
Emilia herab auf Ravenna zufuhrenden Strafse nach Nordosten 
abzweigend, verbindet die Emilia Altinate, die eigentliche Haupt- 
Btrafse Venetiens, Padua, Altino, Concordia und Aquileja; von dem- 
selben Ausgangspunkte zieht über Verona die via Claudia Augusta 
Veronensis, von Altino aus über Feltre, Belluno und das Val 
Sagana, die via Claudia Augusta Altinate nach Tirol; von Con- 



IS Erstes Kapitel 

cordia über Codroipo und Pontebba yermittelt die via Germanica, 
von Aquileja über Udine und den Pleckenpafs die via Camica 
den Weg nach Norden, andere Strafsen den nach Osten; Strafsen 
mit Fahr- und Fufswegen, mit Herbergen, Poststationen zum 
Wechsel von Pferd und Wagen (mutationes), ungemein lebhaft 
begangen; das bezeugen alle Schriftsteller. Venetische Tuche, 
venetische Parfüms sind in Rom gesucht. Und aus Venetien er- 
wuchsen dem goldenen Zeitalter römischer Qeisteskultur seine 
Dichter und Denker, Catullus und Vergilius, Cornelius Nepos und 
Livius, die beiden Plinius. Die sittliche Kraft der Bevölkerung 
hat den Versuchungen der Kultur standgehalten, und wenn die 
hauptstädtischen Kreise die ^^Patavinitas'^ bespötteln, so geschieht 
es mit einer Mischung von Neid und von Respekt. 

Zur Hauptstadt Venetiens ist Padua (Patavium) erblüht, die 
„opulentissima urbs'' mit ihren Kautherren- und Patriziergeschlech- 
tem, den von Martial gepriesenen euganeischen VUlen; Trefipunkt 
vieler Strafsen, durch die Brenta mit dem Meere verbunden, in 
den Lagunen von Malamocco hat sie ihre Warenhäuser; in der 
Zeit des Augustus die reichste Stadt Italiens nach Rom und eine 
Stadt der Millionäre bis zum heutigen Tage. Wetteifernd mit 
Padua die „Adlerstadt'' Aquileja, die alte Militärstadt und 
vielbewährte Grenzfeste, wohl auch Verwaltungssitz der regio 
decima, das grofse Handels- und Verkehrsemporium nach Norden 
und Osten mit grofsen Hafenanlagen in den „Aquae Oradatae'' 
(Qrado), ausgebildetem Zunftwesen, prächtigen Palästen; vom 4. 
Jahrhundert ab ehrwürdige Patriarchenstadt. In den Hunnen- 
und Langobardenstürmen zusammengebrochen, hat es sich niemals 
wieder erholen können und ist heute ein armes, in wunderlichem 
Kontraste um seinen 800jährigen Dom geschartes Häuflein kleiner 
Häuser. Zwischen beiden Städten Oderzo (Opitergium) an der 
Livenza und Concordia, ebenfalls in Verbindung mit dem Meere, 
damals ebenso im Mittelpunkte des Qrofsverkehrs wie heute dem- 
selben entrückt. Im ganzen etwa zwanzig gröfsere Landstädte» 
Aber es gab auch wirkliche Wasserstädte, hineingebaut in die 
Lagunen, Vorbilder Venedigs. Deren älteste freilich, Spina, 
einst weitherrschend an der Adria und reich wie Sybaris, war 
schon in früheren Römerzeiten zu einem kleinen Flecken herab- 



Land- und Lagunenstädte der Bömerzeit. 18 

gesunken; heute weifs man zur Not den Ort zu sagen, wo sie 
einst gestanden. Auch die Stadt Adria, auf Pfählen erbaut; ehedem 
vom Heere bespült und reich an griechischen Faktoreien, war in 
der Eaiserzeit bereits ein kleiner Ort; sie hatte immerhin noch 
ihre eigene Schiffergilde und nahm Anteil am lagunaren See- 
verkehre. Heute fuhrt sie, 25 Kilometer weit vom Meere, als 
stilles Landstädtchen ein beschauliches Dasein. Anders Ravenna, 
die Gründung der Etrusker. Mitten in der lebenden Lagune, die 
hölzernen Häuser auf Pfählen, Kanäle statt der Strafsen, von kleinen 
Brücken überspannt, Barken statt der Wagen, so schildert sie 
Martial; den träumerischen Reiz der über müde Wasser hiDglei- 
tenden Oondel£ahrt kennt er wohl. Kaiser Augustus hat eine 
Heile östlich der schon vom Meere abgedrängten Stadt den durch 
einen Kanal mit ihr verbundenen Hafen Classis anlegen lassen; 
80 blieb sie eine der wichtigsten adriatischen Flottenstationen des 
Reiches, zugleich gewann sie neue Bedeutung als südliche Kopf- 
station des von hier über Adria bis nach Altino unterhaltenen, 
von Augustus und Vespasian eingerichteten interlagunaren Verkehrs, 
dem von Altino ab der Landverkehr nach Aquileja korrespon- 
dierte; eine Beschreibung der Schiffsroute liegt in der Tabula 
Peutingeriana vor; die Stationen sind zugleich Wechselplätze 
für Ruderer und Barken. Als Verkehrschef ist dieser „classis 
Venetonmi^' ein in Aquileja wohnhafter kaiserlicher Präfckt über- 
stellt. Bedeutsam während der ganzen, namentlich der letzten 
Kaiserzeit wird Ravenna hernach die Hauptstadt des Ostgoten- 
reiches, byzantinischer Statthaltersitz, mächtige Metropolitanstadt. 
Auch als schon Classis zur Landstadt geworden war, nach den 
Worten des Jordanes der Obstbaumwald der Gärten den Masten- 
wald der Schiffe verdrängt hatte, schützte die von Dante besungene 
Pineta die Stadt vor Sumpfgift und Fieber. Ihre politische Be- 
deutung schwand erst, als sie im 14. Jahrhundert Untertanstadt 
von Venedig wurde; heute sind ihre Gassen öde, und die Denk- 
male ihrer Kunst stehen einsam auf moorigem Felde. War Ravenna 
das Zentrum der südlichen, so Altino (Altinum) das der nördlichen 
Lagunen, durch den heutigen Porto di Lido mit dem Meere ver- 
bunden, wie denn Handelsfahrten von hier nach Dalmatien nicht 
selten waren, ein greiser Umschlagplatz von See- und Landverkehr, 



14 Erstes Kapitel. 

zugleich aber auch der fashionable Kurort der Lagunen , Neben- 
buhlerin des vielberühmten Bajae am Wundergolfe von Neapel, 
rings umgeben von Villen, Parken, Gärten ; seine Fische und See- 
tiere waren gesuchte Leckerbissen. In den Langobardenschrecken 
des 7. Jahrhunderts ist es zugrunde gegangen und ein kleines 
Dörfchen in der Nähe fuhrt nur noch den Namen. Der venezi- 
anischen Überlieferung galt die Gegend als das gebenedeite Land 
der Schatzgräber; und in Wahrheit war und ist dieser Boden 
schier unerschöpflich reich an Schätzen alter Zeit. 

Waren alle der Küste näherliegenden Städte Venetiens durch 
Kanäle mit dem Meere verbunden, besafsen sie die ihnen örtlich 
entsprechenden Lagunenstrecken mehr oder minder zu eigen, 
hatten sie dort ihre Warenhäuser, der Staat seine Zollplätze, viel- 
leicht selbst vorgeschobene Posten von Garnisonen, waren Städte 
wie Ravenna und Altino Zentren des Luxus und des Verkehres 
und das gesamte Marschr.ngebiet, wie alle römischen Schriftsteller 
hervorheben, gesund und fruchtbar, so ist für gewifs anzunehmen, 
dafs es, wenn schon nicht eigentlich besiedelt, so doch durchaus 
bekannt und bewohnt war: dauernd von eingeborenen Fischern 
und Salzsiedern, vorübergehend von Zollbeamten, Scliiffsleuten, 
Hafenwächtern, Soldaten. Wie hätten diese fisch- und salzreichen 
Gegenden dem praktischen Sinne der Kömer entgehen können? 
Ohne Zweifel hat mindestens in späterer Zeit die dem Finanz- 
ministerium unterstehende römische Küstenverwaltung — die cura 
litorum — dieselben in den Bereich ihrer Kompetenz gezogen, und 
in den tribuni maritimorum noch der Gotenzeit mögen die Be- 
amten dieser Verwaltung zu erkennen sein, die durch untergeordnete 
Polizeiorgane wohl vor allem den Fisch- und Salzhandel über- 
wachen liefsen. 

Das ganze goldene und silberne Zeitalter der Kaiserzeit hin- 
durch konnte die venetische Bevölkerung sich in Ruhe und Frieden 
ihres Wohlstandes erfreuen. Die Kriegswirren von 69 n. Chr., 
die zur Schlacht bei Bedriacum im Westen der Provinz führten, 
blieben Episode. Seitdem in den Zeiten Mark Aureis die Marko- 
mannen bis an die Piave vorgedrungen (172 — 173) waren, wurde 
diese ruhige Entwickelung dauernd unterbrochen. Die Landschaft 
litt unter den Irrungen des Militärkaisertumes, weniger durch die 



Völker Wanderun ff. 15 



Barbaren, die es vorzogen, die Balkanhalbinsel statt des besser 
gehüteten Italien heimzusuchen. Allzu empfindlich sind die Schäden 
nicht, noch bleiben Padua und Aquileja die vornehmsten Städte 
Oberitaliens. Die in den Reichsteilungen Diokletians und Kon- 
stantins der Diözese Italien unterstellte Provinz erhielt im 4. Jahr- 
hundert auch ihre kirchliche Organisation. Die Errichtung der 
meisten venetischen Landbistümer, voran des Patriarchates von 
Aquileja ist noch für diese Zeit in Anschlag zu bringen. Erst als 
mit Ende des Jahrhunderts germanische Völkerschaften, die West- 
goten am Balkan, die Alemannen am Rheine, die schützenden 
Wälle des eben jetzt in zwei Hälften auseinanderbrechenden Reiches 
überschritten, mit dem Eriegszuge König Alarichs das immer 
wiederholte Schauspiel der Überflutung Italiens durch fremde Völker- 
wogen sich eröffnete, vollzog sich unaufhaltsam der Verfall des 
alten Wohlstandes und ging der Glanz von Padua und Aquileja 
an Mailand verloren. Die Pässe der iulischen Alpen werden zum 
Völkertore, Venetien zum Durchzugsland und Schlachtfeld. Hier 
erliegt im Herbste 403 Alarich vor Stilicho bei Verona; drei 
Jahre später durchziehen Vandalen, Sueven und Alanen unter 
Hradagais' Führung das Land. Flüchtig entweicht (405) Kaiser 
Honorius in das feste Ravenna. Dann erscheint wieder Alarich 
(408 — 410), nunmehr sieggekrönt und Eroberer der ewigen Stadt. 
Nach einigen Jahrzehnten innerer Wirren eine neue Katastrophe: 
der ,,Schrecken der Völker", Attila, bricht (452) über das un- 
glückliche Land herein ; jetzt wird Aquileja belagert, erobert, ver- 
brannt. Mag auch das Geschick der ,,Gottesgeif8el" sich rasch 
eriiillen, den Hunnen folgen, von der Donau herunterdrängend, 
Heruler und Rugier, endlich die Ostgoten, vor Aquileja, vor Verona^ 
an der Adda, durchaus auf venetischem Boden, erliegt der Usur- 
pator Odovakar dem grofsen Ostgoten Theoderich in gewaltigen 
Schlachten; in Ravenna vollendet sich sein Geschick (493). Das 
Ostgotenreich wird nach einem Menschenalter friedlichen Bestandes 
im Westen und Osten, von Franken und von byzantinischen Kriegs- 
heeren bedrängt; es kommt zu den Entscheidungen von Busta 
Gallorum und am Mons Lactarius ; noch einmal war der römische 
Name in Italien siegreich (553). Da brechen 15 Jahre später die 
Langobarden vor, ganz als Kriegsgenossenschaft organisiert, syste- 



6 Erstes Kapitel. 

matiscbe Zerstörer aller Kultur; furchtbarer als die Hunnen; sie 
drängen die Griechen an die Küsten und nach dem Süden zu- 
rück und errichten ihr nationalitalienisches Reich (568). Eben 
aus der Schrecknis dieser Völkerstürme heraus erwächst eine der 
seltsamsten politischen und kulturellen Bildungen der Menschheit 
— der Staat von Venedig. 



Schon zur Zeit der Einfalle Alarichs mag nach dem von 
Eoiiser Honorius selbst gegebenen Beispiele vom Lande her ein 
Zuzug etwa des Landvolkes nach den Lagunen stattgefunden haben; 
um so mehr, als auch die Städte keinen Schutz mehr boten, Attila 
Aquileja zerstörte und wohl auch Concordia und Altino verheerte. 
Damals ist ohne Zweifel Grado zum ersten Male dichter und wahr- 
scheinlich bereits von Leuten aller Besitzstufen besiedelt worden^ auch 
in den Aquae Caprulae, dem Hafen von Concordia und auf den 
Altino vorgelagerten Inseln von Torcello mag regeres Leben sich 
gezeigt haben. Aber von einer durch Attila verursachten Grün- 
dung des venezianischen Gemeinwesens kann keine Rede sein. 
Nach den Hunnenzeiten entwickelte sich nachweislich neues Leben 
in Venetien ; Verona^ Treviso, Triest kamen als Handelsplätze nun 
erst recht empor. Doch haben die Völkerbewegungen des aus- 
gehenden 5. Jahrhunderts gewifs eine Steigerung des Zuzugs herbei- 
geführt; nicht mehr allein die Furcht vor Unheil und Gefühl der 
Sicherheit auf den für die Reiterheere der Barbaren unzugäng- 
lichen Inseln ; sondern wohl auch schon die Hoffnung auf Gewin- 
nung neuer Arbeitsgebiete wird viele dorthin getrieben haben. Zu 
Anfang des 6. Jahrhunderts ist es bekannt, dafs von diesem welt- 
verlorenen Winkel aus ein Geschlecht kühner, kräftiger, meer- 
vertrauter Seeleute Handel in weite Feme treibe. Das Gebiet ist 
nach der Reichsgründung Theoderichs dem ostgotischen Königtum 
Untertan geworden, wird von den aus der spätrömischen Ver&ssung 
übernommenen tribuni maritimorum beaufsichtigt, und seine Be- 
wohner haben den in jenen Zeiten üblichen zwangsweisen SchiflEs- 
transport für das Reich zu besorgen. 



Ostgotenherrschaft. 17 

Die schönen Zeiten der gotischen Herrschaft währten nicht 
lange. In dem Malse, wie nach König Theoderichs Tode deren 
Ordnungen sich lösten, fafste unter Kaiser Justinian I. das byzan- 
tinische Reich seine Strafte zusammen. Als im Jahre 534 der 
afrikanische Staat der Vandalen gefallen war, wurde zwei Jahre 
später der siegreiche Feldherr Belisar zur Wiedergewinnung Italiens 
entsandt. Das alte römische Reich bestand noch tmd wollte be- 
stehen; nur die Hauptstadt wollte es gewechselt haben. Von den 
Sympathien der italischen Bevölkerung getragen, vollendete 
Belisar von Süden herauf in drei Jahren die Unterwerfung der 
Halbinsel. Ein Einfall der von beiden kriegführenden Parteien 
angerufenen Franken in Oberitalien brachte nur neues Kriegselend 
(539); Ravenna, längst belagert, fiel endlich, nachdem auch die 
gotische Flufsflotille, durch plötzliches Niederwasser des Po wehr- 
los gemacht, leichten ELaufs eine Beute der Feinde geworden war ; 
wie das übrige Venetien, ist aller Wahrscheinlichkeit nach auch 
das Lagunenland in eben diesem Jahre 539 griechisch geworden. 
Den König Witiges, seine Gemahlin imd viele der Ihren führte 
der Sieger als Gefangene über Meer (540). 

Noch einmal mit aller Grofsartigkeit erhob sich das ostgotische 
Volk. König Totila gewann, über allen Widerstand Belisars trium- 
phierend, in den Jahren 541 — 549 Italien und Rom wieder zurück. 
Wieder ist Venetien der Schauplatz der buntesten Bewegungen; 
als Kommandant der gotischen Garnison von Treviso war Totila 
emporgekommen; im Jahre 548 aber drängte ein neuer Ansturm 
des Frankenkönigs Theodebert die Goten fast völlig aus Venetien 
hinaus, die Griechen an die Meeresküsten zurück, die als ge- 
sonderter topographischer Begriff, Seevenetien im Gegensatze zu 
Luidvenetien, immer deutlicher hervorzutreten beginnen. Beide 
Germanenköm'ge fafsten einen unmittelbaren Angriff auf das ost- 
römische Reich ins Auge. Da raffte sich das byzantinische Kaiser- 
tum neuerlich zu einer grofsen Kraftäufserung auf. Im Jahre 551 
fährte der Eunuche Narses die germanischen Kontingente des 
Reiches noch einmal zur „ Befreiung '^ Italiens heran. Eben zu 
Beginn dieses Feldzuges erwies sich nun schlagend der Wert des 
seevenetischen Besitzes. Narses sah sich aufserstande, sein im Ge- 
biete von Aquileja lagerndes Heer zum Angriffe auf Ravenna 

Kretsokaftyr, Qeiehiehte tob Venedig. 2 



18 Erstes Kapitel. 

heranzuführen. Der Landweg war durch die Franken und Theia 
bedroht und durch Kanäle und künstliche Sperrungen nahezu un- 
gangbar; zu einer Seeuntemehmung fehlten die Schifie. In dieser 
Verlegenheit fand der kaiserliche Oberst Johannes, ein guter 
Kenner der Gegend wohl von 539 — 540 her, einen Ausweg. Auf 
seinen Vorschlag zog das Heer über die Lagunendünen — die 
Lidi — nach Süden; sie waren griechisches Oebiet; aufzahlreichen 
Fahrzeugen, die die untertänigen Bewohner stellten, wurden die 
„porti'^ übersetzt, sehr wahrscheinlich mit deren tatkräftiger Bei- 
hilfe das überraschte Ravenna und Ancona gewonnen. Es war 
die Vorbedingung der entscheidenden Feldschlacht von Busta Gal- 
lorum ; dort, in der Nähe Roms, erlag im Juli 552 das Gotenheer 
in völligem Zusammenbruche. Der König fiel. Der Nibelungen- 
kampf seines Nachfolgers Theia am Mens Lactarius (553) ver- 
mochte den Untergang des Reiches nur zu verklären, nicht auf- 
zuhalten. Die letzten Reste der Goten verloren sich in den Niede- 
rungen Oberitaliens und in den Bergen Tirols. Für die Wieder- 
herstellung des alten Orbis terrarum war der Besitz der Lagunen- 
gegenden von entscheidender Wichtigkeit gewesen. 

Nur dafs man von den Verheifsungen griechischer Kultur in 
Italien nichts zu spüren bekam. Die durch den langen Krieg 
verheerte Provinz wurde mit hohen Steuern geprefst, überdies in 
die theologischen Wirren des Ostreiches gezogen, die Bevölkerung 
durch rücksichtslose Aushebungen für die Perserkriege dezimiert, 
halb zur Verzweiflung gebracht So ist das militärisch fast 
wehrlose, politisch und religiös erregte Land den aus Pannonien 
hereinströmenden Langobarden als eine leichte Beute zugefallen. 
Im Frühling 568 erschien König Alboin mit seinen Kriegsscharen 
in Venetien, binnen Jahresfrist war er Herr von Oberitalien. Nun 
erst empfanden diese Landschaften die ganzen Schrecken der 
Völkerwanderung, wie sie Paulus Diaconus in erschütternder An- 
schaulichkeit geschildert hat Den Langobarden war die ver- 
nichtende Zerstörung der feindlichen Städte System; hatte doch 
Narses die langobardischen Kontingente im Gotenkriege, sobald 
er irgend konnte, wegen ihrer Grausamkeit entlassen. Widerstanden 
zunächst noch Padua, Monselice und Oderzo dem verheerenden 
Sturme, entrann auch noch Altino wohl dank seiner Verhältnis- 



Besiedelung Ton Grado. 19 

mäCng geBchützten Lage dem äufsersten Verderben, so wurde 
Aquileja, ohnehin „kaum mehr atmend'^, nun vollends zerstört. 
Reiche und Arme, vor allem der Patriarch Paulinus mit den 
Schätzen und Heiligtümern seiner Kirche, suchten Schutz hinter 
den Mauern des Inselortes Orado (568). Zugleich entwichen aus 
dem schwer heimgesuchten Concordia Flüchtende in das benach- 
barte Caorle. Wer kann sagen, welches Kapital an Vermögen 
und Intelligenz damals dorthin geflossen sei? Das kleine Grado 
war mit einem Male zu Bedeutung in der Welt gekommen, aus 
einer früher fallweise bezogenen die dauernde Residenz der Elirchen- 
ftr^n von Aquileja geworden. Und was mit diesem Jahre 568 
für Orado einsetzt, eine wahrhafte Besiedelung in grofsem Stile, 
vollendet sich für die anderen Inseln im Laufe des folgenden 
Jahrhunderts; die zweite langobardische Zerstörung von Oderzo 
im Jahre 667 ist dazu der letzte Anstofs gewesen. Das Jahr 568 
kann man einzig nennen, will man von einem „Geburtsjahre 
Venedigs'' sprechen. 

Die venezianische Überlieferung hat dies alles gründlich zu 
einer patriotischen Legende entstellt Von den venezianischen 
Quellen fliefst in der ältesten, dem Chronicon Venetum (vornehmlich 
aus dem frühen 10. Jahrhundert), der Besiedelungsprozefs zu einem 
einzigen, durch die „Barbaren'' verursachten Akt zusammen, 
während zwei Menschenalter später der Diakon Johannes den Be- 
ginn der eigentlichen Inselbesiedelung mit gutem Blicke auf die 
Langobardenzeit anberaumt. Daneben müssen aber schon volks- 
tümliche heimische Überlieferungen Attila als unfreiwilligen Gründer 
von Venedig genannt haben, eine Version, die als Erster Kaiser 
Konstantin Porphyrogennetos (f 959) in seine Schriften übernommen 
hat und die sich auch in dem ein Jahrhundert später entstandenen 
„Longinusfragmente" des Chronicon Venetum angedeutet findet 
Im 13. Jahrhundert hat dann der Chronist Martine de Canale, 
der damals schon gang und gäbe gewordenen Überlieferung 
folgend, die Entstehung Venedigs auf das Jahr 421 zurückverlegt 
Daraus und aus sonstigen Nachrichten über die erste Zerstörung 
Aquilejas hat endlich Andrea Dandolo die seit ihm von der vene- 
zianischen Geschichtschreibung in den Ghrundzügen festgehaltene 
und noch weiter ausgebildete Gründungslegende der Stadt kon- 



20 Erstes Kapitel. 

Btruiert. Der ,; Geburtstag^' wird haargenau auf den 25. März 
421 fixiert. Da erscheinen^ einem Beschlüsse der (land)yeneti8chen 
Kommunen zufolge, zum Schutze vor den Barbaren ^^maritimas 
civitates'^ und ,,receptacula refugii'^ anzulegen^ drei erwählte 
Konsuln der Stadt Padua im Mündungsgebiete der Brenta und 
gründen dort die Stadt Rialto, welche noch zur Weihnacht des- 
selben Jahres in S. Giacomo di Rialto ihre älteste Kirche erhält; 
ein ähnliches habe von Aquileja aus in QradO; von Monselice aus 
in Malamocco und Chioggia stattgefunden. In Zusammenfassung 
der Berichte des Jordanes, der Historia miscella, des Gottfried von 
Viterbo und Konstantin Porphyrogennetos und teilweise im Ein- 
klang mit dem Chronicon Venetum wird dem Hunnenkönig in 
gewissem Sinne die Rolle des Alboin zugeteilt^ Attila zum Urheber 
der Gesamtbesiedelung der Lagunen und der Verlegung des 
Patriarchensitzes und damit zum Begründer des venezianischen 
Gesamtstaates gemacht. Während aber Andrea Dandolo den 
weiteren Besiedelungs- und Organisationsprozefs, wie richtig, doch 
auf die Zeit bis König Grimoald (667) verteilt und demzufolge 
auch die Phantasien des Chronicon Venetimi von der Organisation 
der venezianischen Bistümer durch den Patriarchen Elias (572 — 
586) fallen läfst, drängt die spätere venezianische Überlieferung 
vornehmlich vom 15. Jahrhundert an die immer mehr von sagen- 
haften Details überwucherte Gründungsgeschichte nach Möglich- 
keit in die Jahrzehnte von 421 — 452 zusammen. Wenn kritische 
Köpfe dann die Echtheit des Gründungsjahres denn doch be- 
zweifelten , glaubte man dem im 16. Jahrhundert durch die 
Fälschung eines die Legende Dandolos noch weiter ausgestaltenden 
Gründungsdokumentes wirksam begegnen zu können. Der Sinn 
der zuerst wohl in der Barbarossazeit ausgebildeten Fabel ist 
klar: wie Venedig damals der Hort der Orthodoxie gegenüber 
dem Kaiser gewesen^ so sollte es auch als wohlüberlegt gewählter, 
politischer und religiöser Zufluchtsort vor Arianem und Barbaren 
entstanden sein. Gleichzeitig mag die Fabel von der dem heiligen 
Markus in den Lagunen gewordenen Verheifsung aufgekommen 
sein, dafs hier einst sein Leib ruhen werde. Waren aber einmal 
die Gründungsjahre von Stadt und Staat festgestellt, so sollte 
auch die Kontinuität der Entwickelung aufgezeigt werden. Man 



Venezianische Gründangsiegende. 31 

lälst die Venezianer noch im 5. Jahrhundert einen Sieg über die 
damals noch gar nicht in ihre heutigen Sitze eingewanderten Süd- 
alawen erfechten, verquickt die von Prokopios für 539 gemeldete 
GlefiBingennahme der ostgotischen Flotte durch die Griechen mit 
der Belagerung von Ravenna und Ancona durch Narses 552 und 
weist der den Byzantinern ,, verbündeten Republik'^ die Hauptrolle 
bei der Belagerung und Eroberung dieser Städte zu. Immer 
bestrebt, den Tatbestand der ostgotischen und griechischen Ober- 
herrlichkeit zu leugnen und eine uranfängliche Unabhängigkeit des 
venezianischen Gemeinwesens darzutun, macht die patriotische Le- 
gende die griechischen „Verbündeten^' von 552, mit denen vordem 
der gotische Minister Cassiodor bittend, wie Macht zu Macht, ver- 
handelt habe, ein Menschenalter später (584) zu „freiwilligen 
Dienern'' des oströmischen Reiches, mit dem sie als gleichberechtigte 
Macht den ersten Handelsvertrag abschliefsen. 



Das Jahrhundert von 568 bis 667 ist die Zeit der politischen 
und kirchlichen Konstituierung der seevenetischen Provinz, seit 
588 der einzigen griechischen Expositur in Oberitalien. Alsogleich 
gewann ihr Besitz eben durch die Übersiedelung des Patriarchen 
aus dem langobardischen Aquileja in das griechische Grado be- 
sondere, man dürfte sagen internationale Bedeutung. Der nun mit 
einem Male byzantinisch gewordene Patriarchat hatte eine kleine 
Minderzahl griechischer (Padua, Oderzo, seit 590 auch Altino und 
Istrien) und eine grofse Mehrzahl langobardischer Suffragane unter 
sich (Concordia, Verona, Vicenza, Feltre, Sacile, Belluno, Treviso, 
Trient, Sähen). Von Grado aus auch politisch Einflufs auf die 
gesamte Kirchenprovinz zu gewinnen, war byzantinische, durch 
die Majorität der Sufiragane auf den Patriarchen und Griechisch- 
Venetien einen Druck auszuüben, sie womöglich nach ihrem Ge- 
fallen zu lenken, war langobardische Politik. Nun komprizierte 
die Haltung der Patriarchen im Dreikapitelschisma diese Verhält- 
nisse noch weiter. Auf dem unter starker Einflufsnahme Kaiser 
Jostinians gehaltenen fünften allgemeinen Konzile zu Konstantinopel 



22 Erstes Kapitel. 

wurden in drei Artikeln bestimmte, namentlich bezeichnete Schriften 
verdammt, weil darin die schon auf dem vierten Konzile zu 
Chalcedon (451) in allgemeinen Sätzen verurteilte Irrlehre von der 
strengen Geschiedenheit der menschlichen und göttlichen Natur 
Christi verfochten wurde. Es entstand die Frage, ob durch diese 
besonderen Verfügungen des fünften Konzils nicht die des vierten 
verletzt worden seien. Nach mehrfachem Schwanken seines Vor- 
gängers Vigilius entschied Papst Pelagius I. (556 — 561) für die 
Annahme und Wohlvereinbarkeit der beanstandeten drei Kapitel 
mit den Beschlüssen von Chalcedon. Dagegen aber erhob sich 
in Italien eine lebhafte Opposition, und gerade die Patriarchen von 
Grado traten an deren Spitze: Paulinus (568 — 572), Pronbius (572), 
Elias (572—586), Severus (586 — 607?), vielleicht auch Marcian 
(607 — 610?). Der römischen Lehre und der offiziellen griechischen 
Auffassung stellten sie sich gleichermafsen entgegen. Um so will- 
kommener mufste ihre Haltung den arianischen Langobarden sein, 
die sich unter solchen Umständen den Primat von Grado wohl 
gefallen lassen mochten. Wenn Kaiser und Papst sich nun zum 
Vorgehen gegen die Schismatiker vereinten, geschah es doch 
nicht vorbehaltlos. Die langobardische Gefahr bedrohte sie beide 
gemeinsam; aber mufste der Kaiser vermeiden, durch eine allzu 
unnachgiebige Haltung die ihm unvermutet in den Schofs gefallene 
Einflufsnahme auf langobardische Untertanen zu verlieren, so 
konnte dem Papste vor allem anderen nur die Gefahr des Ver- 
lustes der ehrwürdigsten Kirchenprovinz für den rechten Glauben 
vor der Seele stehen. Sein Standpunkt mufste notwendig der 
radikalere sein. Als die Aufforderung des Papstes Pelagius U. 
an Elias, das Schisma abzuschwören, eine Streitschrift des Diakons 
Gregor in demselben Sinne, die Drohungen und Beschimpfungen 
des Exarchen Smaragdes umsonst geblieben waren, verordnete 
doch Kaiser Maurikios, es solle keine Gewalt gegen die vene- 
tischen Bischöfe angewendet werden. Politische Rücksichten über- 
wogen die religiösen. Gleichwohl wagte es Smaragdes, den 
Patriarchen Severus gleich nach seiner Wahl, wie es scheint 
persönlich, vom Altar der Euphemienkirche in Grado hinweg mit- 
samt dem Defensor der Gradenser Kirche und drei istrischen 
Bischöfen nach Ravenna zu schleppen und ihnen dort die An- 



Das Dreikapitelschisma. 

nähme der umstrittenen Artikel abzudringen (586— 587). Hierauf 
entlassen und zurückgekehrt blieb dem Patriarchen dem Wider- 
stände seiner Sufiragane gegenüber doch nichts übrig als zum 
Schisma zurückzukehren. Der Kaiser ersetzte Smaragdes durch 
Bomanos. Fast gleichzeitig starb Papst Pelagius II. (590) und 
Gregor I., der Grofse, folgte. Exarch und Papst vereinigten sich 
in der Aufforderung an Patriarch und Bischöfe von Grado-Aqui- 
leja, ein nach Rom zu berufendes Konzil zu besuchen; und drohten 
neuerlich mit Gewalt; die Bischöfe wandten sich wieder an den 
Kaiser; die byzantinischen — GradO; Padua, Oderzo, Altino — 
mit Vorstellungen ; die langobardischen mit Drohungen: würde 
man der Kirche von Aquileja nicht entgegenkommen , so würden 
die Provinzen Venetien und Istrien verloren gehen. Maurikios 
befahl Gregor, die Bischöfe in Ruhe zu lassen ; die schlimme Lage 
des Reiches erlaube keine andere Wahl. Es war ein Moment 
augenscheinlicher Entfremdung zwischen beiden Gewalten. 

Den Vorteil hatten die Langobarden. Seit 588 widerspruchs- 
los Herren in Oberitalien, waren sie den mehrmals gegen sie 
keraufgerufenen griechisch - fränkischen Kombinationen voUends 
gewachsen gewesen. Nun (590) trat König Agilulf, ein energischer 
Kriegsheld, an die Spitze des durch seinen Vorgänger Authari 
(584 — 590) innerlich gefestigten Staates. Bisher hatten die Griechen 
die Verbindungslinien von Rom nach Ravenna zu halten und 
durch die glückliche Wiedereroberung von Altino (590) auch die 
Landverbindung von Ravenna nach Istrien zurückzugewinnen, 
damit den Zusammenhalt ihres italischen Besitzes zu wahren 
vermocht. Jetzt durchbrach, nach Süditalien übergreifend, der 
Langobarde zuerst die Linie Rom-Ravenna (592) und zehn Jahre 
später die Linie Ravenna-Istrien durch die Eroberung der Städte Padua 
und Monselice; die paduanische Garnison zog nach Ravenna ab, 
die Städte werden zerstört und verbrannt. Wie ehedem von 
Aquileja nach Grado, von Concordia nach Caorle, ergofs sich 
nun — 602 — ein Strom von Flüchtlingen aller Lebensstellungen 
und Besitzgrade nach Malamocco und Chioggia; auch die Insel- 
gruppe von Rialto scheint wenigstens von den minder Vornehmen 
aufgesucht worden zu sein. Papst Gregor, sonst so erfolgreich, 
stand diesen Kriegswirren nahezu machtlos gegenüber. Mühselig 



24 Erstes Kapitel. 

brachte er kurz vor seinem Tode (604) eine Waffenruhe zwischen 
Agilulf und dem neuen Kaiser Phokas (602 — 610) zustande; aber 
schon im Jahre darauf begann der Krieg aufs neue. 

Ein Weiteres kam hinzu. In den Jahren 607 — 610 hat der 
Patriarch Candidianus von Grado freiwillig oder durch den auf den 
Exarchensitz zurückberufenen Smaragdes gezwungen das Schisma 
feierlich abgeschworen ; gleichzeitig wohl auch die anderen byzan- 
tinischen Bischöfe der Provinz. Die Antwort blieb nicht aus. 
Die langobardischen Bischöfe in Venetien beeilten sich; ihre schon 
einmal erhobenen Drohungen wahr zu machen und den schis- 
matischen Johannes zum Gegenpatriarchen mit dem Sitze in dem 
vor den Griechen sicheren Cormons zu erheben. Schwerlich ohne 
Einflufsnahme des Königs. Damit trat dem rechtgläubig ge- 
wordenen Grado ein häretischer, unkanonisch kreierter Patriarchat 
von Aquileja gegenüber ; ohne Zweifel die allermeisten, wenn nicht 
alle langobardischen Bischöfe fielen diesem bei, während Grado 
sich mit der sicheren Gefolgschaft der Bischöfe von Oderzo und 
Altino und des in den Jahren 599 — 616 von Concordia nach 
Caorle verlegten Episkopates (des ältesten der eigentlich vene- 
zianischen Bistümer), imd der sehr unsicheren der istrischen Bischöfe 
begnügen mufste. Damit ja niemand im unklaren sei, wohin die 
EirchenpoUtik der Langobarden ziele, vermochten diese den 
schismatischen Fortunatus, der sich doch wohl mit ihrer Hilfe in 
den Jahren 626—627 des Patriarchats von Grado bemächtigt 
hatte, auf den gerade vakanten Stuhl von Cormons zu über- 
siedeln. Fortunatus folgte, nachdem er vorher seine Kirchenprovinz 
weidlich ausgeplündert, mit gestohlenen Schätzen und Reliquien 
bereitwillig dem Rufe. Noch einmal war das alte Patriarchats- 
gebiet unter einem häretischen Oberhaupte vereinigt Die recht- 
gläubigen Sufiragane wandten sich um Abhilfe an den Papst 
Honorius I. scheint sich vergebens bei König Adaloald wegen 
des begangenen Sakrilegs beschwert zu haben und mufste sich 
bescheiden, in einem Schreiben vom 18. Februar 628 an den Epi- 
skopat von Venetien und Istrien den Vorgang des Geflüchteten zu 
brandmarken und den römischen Subdiakon Primigenius als recht- 
näfsigen Patriarchen nach Grado abzuordnen. So blieb der religiös- 
politische Gegensatz der beiden Patriarchate bestehen. 



Bothari und Grimoald. 25 

Der weitere Verlauf der allgemeinen Ereignisse^ beschwerlich 
genug für Italien, war doch fiir das politische und religiöse Ge- 
deihen der yenetischen Inseln bedeutsam und förderlich. Nach 
Agilulfs Tode (616) kam für das Langobardenreich unter den 
Königen Adaloald und Arioald eine Zeit der Abspannung; beide 
Könige beobachteten eine nicht ausgesprochen griechenfeindliche 
Haltung; und der kraftvolle neue Kaiser Herakleios (610—641), 
sonst wohl bereit, in Italien mit überlegenen Ej*äften einzugreifen, 
war durch die Perser- und Araberwirren vollends in Anspruch 
genommen. So herrschte etwa ein halbes Menschenalter verhältnis- 
mäfsige Ruhe in Italien. Anders, als der dreifsigjährige streng 
arianische Herzog von Brescia Rothari (636 — 652) mit der Hand 
der Königinwitwe Gundeberga auch die Krone gewonnen hatte. 
Wie er seinem Volke ein nationales Rechtsbuch, den berühmten 
„Eklictus'', gegeben, so hat er auch sonst eine durchaus nationale 
und damit Eroberungspolitik verfolgt. Nun wurde die Riviera 
besetzt und mufsten die wenigen noch griechischen Besitzungen 
auf landvenetischem Boden fallen, Altino und Oderzo (636—640); 
Altino wurde entvölkert und verödet, seine Einwohner flüchteten und 
besiedelten die nahe Inselgruppe von Torcello. Aber vor dem nach- 
sichtslosen Arianismus König Rotharis flohen auch die Bischöfe 
Maurus von Altino, Paulus von Padua und Magnus von Oderzo 
mit den Schätzen und Reliquien ihrer Kirchen nach Torcello, 
Halamocco und Heracliana und übertrugen dahin ihre Bistum- 
aitze. Etwa gleichzeitig griff der Herzog Lupo von Friaul über die 
halbuntergegangene, aber bei starker Ebbe noch gangbare alt- 
römische Dammstrafse von Aquileja her mit einem Reiterheere 
Qrado an und beraubte die kurz vorher durch Patriarch Fortunat 
ausgeplünderte Stadt aufs neue. Gelegentlich haben dann wohl 
auch die Griechen von ihren Inseln aus den Feinden heim- 
gezahlt, wie denn der erste langobardische Patriarch Johannes in 
Aquileja „propter Romanorum incursionem" nicht residieren kann 
und wie auch Oderzo, der Sitz des griechischen Magister militum, 
etwa 640 von Rothari erobert, wieder an die Griechen verloren 
gegangen ist. Erst unter Rotharis drittem Nachfolger und Fort- 
setzer seiner Politik, Grimoald (661-671), wurde die Stadt neuer- 
lich belagert, erobert und nun endgültig zerstört (663—667?). 



26 Erstes Kapitel. 

Ihr Erbe trat Heracliana im Mündungsgebiete der Piave an, 
eine yermutlich Ton Kaiser Konstans als militärisches und 
politisches Zentrum Seevenetiens planmäfsig eingerichtete , aber 
doch wohl schon in der Zeit des Kaisers Herakleios bestehende 
Stadt So grofs war hierselbst der Andrang der Flüchtenden 
schon bisher gewesen ; dafs der Zuzug in das benachbarte Jesolo 
am Nordrande der yenezianischen Lagune hatte abgelenkt werden 
müssen; imd so sehr wuchs nunmehr nach der zweiten Zerstö- 
rung Oderzos diese herakleotische Tochterstadt heran, dafs sehr 
bald nach 667 die Errichtung eines neuen Bistums daselbst zur 
Notwendigkeit wurde. Die gröfseren Siedelungen wenigstens 
waren oder wurden doch jetzt ohne Zweifel durchaus befestigt; 
in ihren schützenden Kartellen bargen wohl die Bischöfe die 
mitgebrachten Heiligtümer und bauten die ersten Kirchen. Ka- 
stell und Kirche wurden zum Ausdruck jahrhundertelanger Ent- 
wickelung. 

So ist bei Ausgang des Königs Grimoald der Aufbau der 
yenezianischen Hierarchie und der Besiedelungsprozefs der Lagunen 
beendet. Zugleich bedeutet die Vollendung der Eroberung Land- 
yenetiens durch Grimoald aber auch das Ende der grofsitalienischen 
Politik des byzantinischen Kaisertums. Hatte Kaiser Konstans, 
der Enkel des gewaltigen Herakleios, noch einmal eine Politik 
grofsen Stiles inaugurieren und allen Ernstes die Residenz nach 
Rom, wo er persönlich erschien (665), zurückyerlegen wollen, so 
sah er sich durch das unaufhaltsame Vordringen der Langobarden 
doch bald genug aus Italien hinausgedrängt. Halb flüchtend ent- 
wich er nach Sizilien und fand dort ein ruhmloses Ende (668). 
Die Griechen blieben auf die partes Romanae (Süditalien, Sizilien 
und Rom) und partes Rayennates (Exarchat, Venetien und Istrien) 
beschränkt. Auf dem sechsten allgemeinen Konzil yon Konstan- 
tinopel (680 — 681) yereinigten sich Kaisertum und Papsttum über 
die strittigen theologischen Fragen, und in den Ausgangsjahren 
des 7. Jahrhunderts kam jedenfalls unter päpstlicher Vermittelung 
ein chronologisch nicht genau fixierbarer Friede (695 — 698?) 
zwischen dem Imperium und dem Langobardenreich und — was 
mehr wog — zwischen diesem und der römischen Kirche zustande: 
Königtum und Staat der Langobarden bekannten sich yon nun 



AbflchlufB der BesiedelaDg. 27 

ab zum KatholiEismus. Zugleich erfolgte die Regelung des Drei- 
kapitekchismas in der Provinz von Aquileja-Grado auf Synoden 
zu Pavia und Rom: der nunmehr in Cividale residierende Patri- 
arch von Aquileja kehrte zur orthodoxen Elirche zurück und be- 
hielt die Terra forma von Venetien, der Patriarch von Grado blieb 
auf Ghiechisch - Venetien und — solange es griechisch blieb (bis 
787) — auch Istrien beschränkt Die Frage, wer von beiden 
der rechtmälsige Nachfolger des heiligen Markus sei, wem von 
beiden Istrien zu Recht zugehöre, blieb offen. Indem der Papst 
die Rechte des ihm sehr zur Unlust entstandenen Kirchensitzes 
von Aquileja möglichst zu schmälern, der Langobardenkönig dies 
tunlichst zu hindern suchte, kam es zu keiner feierlichen Eom- 
petenzregelnng, sondern zu einem jener löcherigen und unklaren 
Kompromisse, die der Bildung besonderer Rechtstheorien beider 
Teile Tür und Tor öffnen. 

Voran ging — noch im 8. Jahrhunderte — Aquileja, dessen 
Ansprüche in dem Mafse wuchsen, als es hinter sich die starke 
Macht der Langobarden, der Karolinger, des römisch -deutschen 
Kaisertums wufste: Grado sei nur eine in den Jahren 568 — 607 
und schon vorher als Gelegenheitsresidenz bezogene Pfarre (plebs) 
von Aquileja; im Jahre 607 sei der Patriarchensitz an den ge- 
bührenden Ort zurückverlegt, nun aber auf griechisches Betreiben 
gegen den rechtmäfsigen Patriarchen Johannes in unkanonischer 
Weise Candidianus gewählt worden. In der Tat entschied am 
6. Juni 827 die Synode von Mantua in diesem Sinne: Grado sei 
eine , plebs' von Aquileja, dieses die rechtsmäfsige Metropole über 
Venetien und Istrien, das alte Erzstift sei zu Unrecht geteilt; 
dieses Erkenntnis fand trotz der Bedenken des Papstes Sergius U. 
die Bestätigung Kaiser Ludwigs U. (30. Oktober 854) und 
— wenn der Brief echt ist — auch des Papstes Leo VIIL (963). 
Vollends zum Siege kam die Theorie von Aquileja in den Tagen 
des streitbaren Patriarchen Poppe, der sich selbst unter Greueln 
in den Besitz von Grado setzte und dem Papst Johann XIX. 
unter dem Zwange des gewaltigen Kaisers Konrad II. im Spät- 
sommer 1024 und nach vorangegangenem Widerruf neuerlich im 
September 1027 Grado als Pfarre seines Patriarchats zusprechen 
hat müssen. 



ISS Erstes Kapitel. 

Solchen offenbar ungerechtfertigten Ansprüchen gegenüber 
wurde nach deren protestierender Zurückweisung noch im 9. Jahr- 
hundert von der 10. bis zur 11. Jahrhundertmitte in Grade eine 
eigene Theorie ersonnen. Grado sei keine Gelegenheitsresidenz 
gewesen^ sondern auf einer im November 579 daselbst abgehaltenen 
Synode sei Patriarch Elias von Papst Pelagius II. feierlich als 
Metropolit der gesamten Kirchenprovinz anerkannt und Grado 
zum dauernden Patriarchensitz erhoben worden. Zu diesen noch 
im 10. Jahrhundert erfundenen Synodalbeschlüssen ist in den 
folgenden Jahrzehnten, besonders in der Zeit Poppos von Aquileja, 
ein ganzer Komplex von Papstbriefen und Synodalakten hinzu- 
konstruiert worden, wie er in der Chronik Dandolos verwertet er- 
scheint. Zugleich prägte man für Grado das vereinzelt schon bei 
Johannes Diaconus begegnende Schlagwort vom ,, neuen Aquileja^' 
aus und stellte die Wahl des Johannes 607 als ausdrücklich vom 
Herzog Gisulf von Friaul erzwungen hin. Der hierdurch be- 
wirkten unrechtmäfsigen Abtrennung eines TeUes der alten Kirchen- 
provinz sei später allerdings eine rechtmäfsige gefolgt, indem 
etwa 716 der Aquilejenser Serenus vom Papste, wenn auch unter 
dem Drucke des Langobardenkönigs Liutprand, als Patriarch 
von Aquileja anerkannt, auch einige Jahre später in einem 
Papstbriefe Gregors IL vom 1. Dezember 723 sehr deutlich auf- 
gefordert worden sei, die Kompetenzgrenzen von Grado nicht zu 
verletzen. Um diese bestimmen zu können, wurde das Dekret 
einer römischen Synode vom 1. November 731 gefälscht, worin 
Griechisch -Venetien und Istrien ausdrücklich dem Stuhle von 
Grado, Land -Venetien dem von Aquileja zugewiesen erscheinen. 
Damit ist die Rechtstheorie von Grado um die Mitte des 11. Jahr- 
hunderts abgeschlossen und kommt in der constitutio des Papstes 
Leo IX. von 1053 siegreich zum Ausdruck: Nova Aquileja 
wird feierlich als Metropole von Venetia und Istria anerkannt, 
der kaiserliche Patriarchat auf die Terra ferma beschränkt. Erst 
diese constitutio beendete den Existenzkampf der neuen Kirche 
und traf eine wirklich rechtmäfsige, aber noch immer nicht end- 
gültige Entscheidung in der territorialen Kompetenzfrage; der 
Patriarchat von Grado hat sich schliefslich doch mit dem Seelande 
bescheiden müssen. Und erschien die Frage der Nachfolgerschaft 



streit der Patriarchate. 89 

des heiligen Markus durch den Raub des Leichnams zugunsten 
der Venezianer beantwortet^ so hat doch immer wieder die ältere 
Kirche von Aquileja als die ranghöhere gegolten. 

* * 

Gegen Ende des 7. Jahrhunderts erscheint die ehemalige Pro- 
vinz Venetia zu einer Grenzmark zusammengeschrumpft. Wenn 
dieser alte Name auch noch weiterhin auf das langobardische 
Festland yon Pannonien bis zur Adda so gut wie auf das byzan- 
tinische Lagunengebiet angewendet wird, so ist damit vorzugsweise 
doch nur letzteres gemeint und tritt Venetia in einen Gegensatz 
zum Begnum Italiae. Die Pluralform Venetiae wird erst vom 
10. Jahrhundert ab vereinzelt, vom 13. Jahrhundert ab überwiegend 
gebraucht; von eben da ab erscheinen auch Venetia und Venetiae, 
letzteres bald als alleinherrschende Bezeichnimg fUr die bisher 
durchaus Rivus — altus genannte Stadt; der Landschaftsname wird 
auf die Hauptstadt übertragen. Die älteste bekannte offizielle Auf- 
zählung der Inseln des Siedelungsgebietes enthält das Paktum 
Kaiser Lothars I. mit Venedig vom 22. Februar 840. Beschreibungen 
derselben liegen erst aus dem 10. Jahrhundert vor: im Chronicon 
Venetum, das eine gelegentlich eingeflochtene Beschreibung der 
Lidi von Grado bis Torcello enthält, und in der Schrift „De ad- 
ministrando imperio^' des Kaisers Konstantin Porphyrogennetos, 
letztere die genaueste, die wir besitzen. Sie zählt zunächst nicht 
immer in korrekter Reihenfolge, aber doch in wohl erkennbarer 
Ordnung die Lidi von Grado bis Loreo und hernach die inner- 
halb der Lidi gelegenen Inseln und Siedelungen auf. Sehr zu- 
treJBTend sind aus der Menge derselben die Namen von Grado als 
Metropole, Rialto als Regierungssitz und Torcello als Handelszentrum 
jener Zeit hervorgehoben. Der Kaiser mufs aus guter Quelle ge- 
schöpft haben, zum Teile, wie die Beschreibung der Lidi lehrt, 
aus derselben wie das Chronicon Venetum. Hierauf hebt, etwa zwei 
Menschenalter später, Johannes Diaconus zwölf Inseln als Haupt- 
Biedelungen heraus: Gradus, Bibiones, Caprulae, Eracliana, Equilus, 
Torcellus, Morianas, Rivoaltus, Metamaucus, Pupilia, minor und 
maior Clugies; schliefslich „in extremitate Venecie'^ Caput argilis. 



so Erstes Kapitel. 

Aus diesen Angaben lassen sich wieder die Bischofstädte — Grado, 
Caorle, Eraclea, Jesolo, Torcello und Malamocco — als die von 
Anbeginn vomehmlichsten Siedelungsplätze unschwer erkennen. 

Grado (GraduS; Koygadov) ist in der Römerzeit als Seehafen 
(Aquae Gradatae) für Aquileja begründet^ durch eine Dammstrafse 
zu Lande, durch Lagunen und Kanäle zur See mit der Stadt 
verbunden y zugleich römische Flottenstation, wie denn auch der 
Name Gradus zunächst nichts anderes als Landungstreppe besagen 
mag ; dann Erbin von Aquileja, seiner hohen kirchlichen Stellung, 
seines Reichtums, seiner Traditionen ; überreich an Bauten, Schätzen, 
Heiligtümern; schon im 6. Jahrhundert erbaut Patriarch Elias 
einen Palast und die ELathedrale S. Euphemia; dem Patriarchen 
Primigenius sendet Kaiser Herakleios den heute im Schatze von 
San Marco aufbewahrten Stuhl des grofsen Evangelisten. Stark 
befestigt, nach dem Verfall der Dammstrafse rings von Wassern 
umgeben, ist die Stadt, schier unbezwinglich, durch die Gewalt 
dieser Wasser bezwungen worden. Stück um Stück ihrer schützen- 
den Dämme, viele ehedem stolze Paläste und Kirchen versanken 
im Meere; schon im Jahre 825 mufste die zwei Jahrhunderte 
vorher erbaute Kirche S. Agata, vom Meere unterwaschen, weiter 
landeinwärts neu errichtet werden; der einst drei Meilen breite, 
mit Wäldern, Wiesen und Gärten bedeckte Lido ist heute auf ein 
Dritteil seines Bestandes verkleinert. Schon im 9. Jahrhundert 
begann die Auswanderung nach dem neu aufkommenden Rialto; 
dann hat noch einmal Doge Pietro Orseolo 11. (991 — 1008) die 
Stadt mit neuen Bauten geschmückt; ein halbes Menschenalter 
später durch Poppe von Aquileja ausgebrannt und geplündert, 
verfällt sie nun völlig; im Jahre 1451 wird der faktisch schon 
längst nach Venedig verlegte Patriarchensitz auch formell dorthin 
übertragen. Grado, ein vergessenes Fischerdorf, ist erst in neuester 
Zeit als heilsamer Meerbadeort wieder bekannt geworden. Aus 
den westlich von Grado, über das Gebiet der Lagune von Marano 
und des Tagliamento verstreuten, vom Chronicon Venetum besonders 
beschriebenen Siedelungen und Kirchen heben alle drei Verzeich- 
nisse eine Insel „der Biberfischer ^' Bibiones (Biacinum, ^Rßaleyai^g) 
hervor; sie mag nahe der Mündung des genannten Flusses gelegen 
haben — heute ist alles sumpfiges, schwer zugängliches Land. 



Grado, Caorle, Horacliana. Sl 

Mitten in dieser Einsamkeit liegt an der Mündung der Livenza 
die alte, nach ihren Ziegenherden benannte Bischofstadt Caorle 
(Capralae, KdftQe), ehedem ebenso Seehafen von Concordia wie 
Qrado von Aquileja und römische Flottenstation, von dieser, viel- 
leicht gleichzeitig mit Aquileja durch Alboin zerstörten Stadt aus 
besiedelt, seit den Jahren 598 — 618 durch die Übersiedelung des 
Bischofs Johannes von Concordia auch Bischofsitz, der älteste 
venezianische Episkopat Etwa 400 Jahre lang blühend und wohl- 
habend, noch im 11. Jahrhundert mit einem romanischen Dom 
geschmückt^ in späterer Zeit von Venedig mit Sonderrechten, einem 
grolsen und kleinen Rat wie die Hauptstadt selbst begabt, ist es 
nach der Zerstörung des vorgelagerten Lido (Linguentie, ^ixevr^ccr) 
gleich Grado halb ein Opfer der Wellen, halb der Sumpflufl ge- 
worden. Das Bistum kam 1818 nach Concordia zurück, nur dafs 
der Bischof die Besidenz nach Portogruaro, dem fiir den Venezianer 
klassischen Orte der Langweile, verlegt hat. Caorle steht noch 
als eine Häuserzeile aufrecht, an deren Ende halb verfallen der 
alte Dom ; die Bewohner, bei allem Fleifse aufserstande ihr tägliches 
Brot zu verdienen, ein Gegenstand der Mildtätigkeit reicher Vene- 
zianer; immer wieder von Sturmfluten bedroht; kaum gekannt in 
der Welt 

Südwestwärts von Caorle dehnen sich zu beiden Seiten der 
Piave meilenweit die Sümpfe der Ribuga aus. Hier haben einst 
zwei reiche Städte gestanden, deren Platz man heute zur Not zu 
deuten vermag; nördlich der Piave, etwa im Trefipunkte zweier 
von La Motta an die Piavemündung und von San Denk zum 
Porto di Tagliamento gezogenen Linien am halben Wege zwischen 
dem heutigen Ceggia und Grisolera die alte Dogenstadt Hora- 
cliana (Melidissa, Civitas nova, NeöyiaaTQOv), südwärts der Piave,^ 
Dächst oder an Stelle des heutigen Cavazuccarina am Nordrande 
der venezianischen Lagune deren Tochterstadt Jesolo (Equilus, 
Exulo, uiXyivhov). Unter Kaiser Herakleios schon bestehend, 
wurde Heradiana durch Kaiser Konstans um eine Neustadt (civi- 
tas nova) erweitert und anstatt Oderzo als militärisches und 
Verwaltungszentrum des neubesiedelten Landes eingerichtet, seit 
^wa 640 Bistum, mit Grado der vornehmste Sitz der Insel- 
aristokratie und Stadt der ersten Dogen bis in die Mitte des 8. Jahr- 



83 Erstes Kapitel. 

hunderts, mit Wäldern und Jagdrevieren, Marmorbauten und Mo- 
saiken. Aus dem Überschüsse der von Oderzo nach dessen zweiter 
Zerstörung Flüchtenden erwuchs JesolO; wie es scheint , zunächst 
als Heim fiir niedrigere soziale Schichten, ja selbst für geflohene 
oder sonstige dahin verschlagene Barbaren, im Gegensatze zum 
aristokratischen Heracliana, bald aber gleichfalls reicher Bischofs- 
und Geschlechtersitz; eine freilich späte Überlieferung weÜB von 
42 mosaikengepflasterten Kirchen der Stadt zu erzählen. Den 
Namen trägt sie von ihren Pferdeweiden. Auf dem benachbarten, 
reich mit Pinien bewaldeten und danach benannten Lido (Latus 
Pineti, Uivexai = Lido Cortellazzo ?) , dem Schauplatze vieler 
Kämpfe, erhob sich das vielgenannte Kloster S. Giorgio in Pineta. 
Aber schon zu Beginn des 8. Jahrhunderts gerieten Mutter- und 
Tochterstadt in heftigste Konflikte und haben in wüsten Geschlechter- 
kämpfen selbst herbeifuhren geholfen, was Sumpf, Entwaldung, 
Sand und Fieber hernach noch gründlicher besorgten — den Unter- 
gang. In der Mitte des 8. Jahrhunderts begann der Exodus der 
reicheren Familien nach Malamocco; seit 742 residierte dort der 
Doge ; zum Überflüsse ist Heracliana in den griechisch-fränkischen 
Kämpfen 810 von König Pipin niedergebrannt worden. Mit der 
Verlegung des Regierungssitzes nach Rialto vollendet sich die 
Dekapitalisierung der alten Hauptstadt; zwar ist wenigstens die 
Neustadt, deren Name nun vorwiegend in Geltimg bleibt, noch einmal 
durch die Dogen Angelo Parteciaco (811 — 827) und Pietro Or- 
seolo IL wieder aufgebaut worden ; aber es war kein Leben mehr 
in ihr; auch die Bischöfe verliefsen sie, um nur bei feierlichem 
Anlafs ihre Kathedrale aufzusuchen. Die venezianische Wasser- 
politik, die Ableitung von Sile, Brenta, Bacchiglione nach Nord 
und Süd beschleunigte die Versumpfung und den Verfall. Im 
Jahre 1440 wurde das Bistum von Heracliana völlig aufgehoben, 
im 16. Jahrhundert haben nur noch die Mauern der Hauptkirche 
S. Piero aufrecht gestanden. Wer heute sich in die Fieberlüfte 
jener Landschaften wagt, dem mag es Mühe machen, die im 
Schlamme versunkenen Trümmer aufzufinden, die hier von längst 
verrauschtem reichen Leben zeugen. Wie Heracliana dem Sumpfe, 
erlag Jesolo dem Sande ; schon durch die Auswanderung ihrer Patrizier, 
wohl auch die Ungarneinfälle des beginnenden 10. Jahrhunderts 



Jesolo, Toroello, Morano. SS 

gebrochen I wurde es hernach völlig zur Rainenstadt Das Bistum 
ging ein, wie das Ton Heracliana (1466), 1446 heifst der Ort 
yyincultuB sterilis et inhabitatus propter aeris intemperiem'^, im 
16. Jahrhundert waren seine von Efeu umrankten Trümmer zum 
malerischen Schaustück geworden, heute ist auch von diesen kaum 
eine Spur mehr vorhanden. 

Neben den Earchen von Grado imd hernach Olivolo-Venedig 
hat von altersher die von Torcello (Torcellus, Togr^eXtSy) eine 
bevorzugte Rolle gespielt Die Gründungssage schildert in An- 
lehnung an eine ähnliche Erzählung des Jordanes über Aquileja, 
wie die Vögel von Altino, mit ihren Jungen im Schnabel, den 
Bewohnern oder doch einem Teile derselben vor den hereinbrechenden 
Heiden den Weg zur Flucht in die Lagunen weisen. Dort wohnen 
sie auf Inseln und auf Erahnen, bis Arrius und Arator die poli- 
tische, der Priester Maurus die kirchliche Organisation der nach 
den sechs Toren der Mutterstadt benannten Neusiedelungen vor- 
nehmen. Hier wie oftmals werden einzelne Personen zu Trägem 
der Entwickelung von Generationen gemacht Altino, schon von 
Attila und Alboin heimgesucht, dann (690) ftir die Griechen zu- 
rückerobert, ist erst durch Rothari (640) endgültig gewonnen und 
gröfstenteils zerstört worden ; nunmehr erst erfolgte die endgültige 
Benedeiung und Verl^ung des Bistumes in die von längst her 
bekannten Lagunen von Torcello, deren einzehie um dieses als 
Hauptinsel gruppierte, im Chronicon Venetum als Arrii zusammen- 
gefalste Inseln in der Tat nach den Toren oder Bezirken von Altino 
genannt worden sein mögen: vorerst Torcello selbst, nach dem 
Nordtore Boreana Burano — nicht die heutige, durch ihre Spitzen- 
klöppelei bekannte, erst im 10. Jahrhundert besiedelte, sondern 
eine inzwischen verschwundene Insel — , nach dem grofsen Tor 
und Turm Maioribus das heute fast völlig verlassene Mazzorbo, 
ferner die schon im 13. Jahrhundert überfluteten Inseln Ammiana 
^Auiidvag) und Constantiaca, endlich das von Johannes und Eon- 
Btantinos besonders aufgeftihrte Murano (Morianas, MovqAv), Wie 
in Ghrado auf den Patriarchen Elias, konzentriert das Chronicon 
Venetum in Torcello die ganze kirchliche Organisation, die Be- 
gründung des neuen Bistumes, den Bau der EAthedrale S. Maria 
und der sonstigen Hauptkirchen auf den Inseln und Lidi von 

ErttscliBAfr, a«foldehto tob Venedig. 3 



S4 Erstes Kapitel. 

Torcello in erster Linie auf ArrioS) den historisch nicht greifbaren 
Ahnen des gut torcellanischen Geschlechtes der D'Auro (Oro), und 
den Friesterbischof Maurus, in zweiter Linie auf andere gleich- 
zeitig mit ihnen entflohene Familien, vornehmlich die FalierL In 
Wahrheit scheinen die D'Oro und Falier von alters her patronatsherr- 
liche Rechte in Torcello ausgeübt zu haben. Den heifsen Kämpfen 
von Heracliana und Jesolo femgerückt, in sicherster Lage, inmitten 
wohlbefestigter Inseln, nahmen Stadt und das wohlausgestattete 
Bistum von Torcello einen raschen Aufschwung. Eonstantinos 
nennt sie das ^fifXftÖQiov fiiya ToQT^el6hf^*j die Kapitale des La- 
gunenhandels, in dieser Eigenschaft unmittelbare Vorgängerin 
Venedigs. Sie bekam wie Caorle einen kleinen und groüsen Rat, 
hatte ihre Paläste, Kirchen, ihren Canal grande so gut wie Venedig. 
Aber der Anziehungskraft der nahen Hauptstadt vermochte sie 
endlich doch nicht mehr standzuhalten; schon im 14. Jahr- 
hundert war sie wenig bevölkert, wenn ihre Bewohner sich auch 
noch im Chioggiakriege rühmend hervorzutun vermochten. Die 
Reicheren übersiedelten nach Venedig, der Bischof — im 15. Jahr- 
hundert — nach Murano. Der im 17. Jahrhundert imtemommene 
Versuch des venezianischen Senates, den Ort vrieder zu beleben, 
schlug fehl. Heute ist Torcello ein kleines, stilles, stimmungsreiches 
Dörfchen, das Heim armer Gärtner und Weinbauer, vde denn die 
„Rebeninsel'' Vignole ihm nahe Nachbarin ist. Von der einstigen 
Qröfse zeugt die vielhundertjährige Dombasilika mit ihrem hoch- 
ragenden Kampanile an grasüberwucherter Piazza; hier auch die 
Reste der Kirche S. Fosca und ein gewaltiger Steinstuhl, „der 
Thronsitz Attilas''. Glücklicher ist Murano, in mehrftltigem Sinne 
die Erbin von Torcello, die Villen- imd Garteninsel des 15. und 
16., das Industrieviertel, namentlich ftlr Glas- und Mosaikenbereitung, 
vom 17. Jahrhundert bis heute; weil besonders lebhaft der durch 
den Porto di Lido sich mitteilenden Gezeitenbewegung teilhaft, 
auch reich an Mühlen. Noch steht in alter Pracht die herrliche 
Domkirche S. Maria e Donato. 

An neunter Stelle nennt Johannes als Hauptort der südvene- 
tischen Lagune M al am oc CO (Metamaucus, Madafhcov), weiterhin 
die heute zu einer Kirche und einigen Häusern herabgeminderte 
Insel Poveglia (Pupilia) und endlich die beiden, das gröfsere und 



Malamocco uod Chioggia. 85 

klemere Chioggia (Clugies, Klovyia). Eonstantinos nennt Poveglia 
nicht, wohl aber das in der Frankenzeit (810) vielgenannte, heute 
venchwondene Albiola und Pelestrina; am ebenso benannten, ehe- 
dem durch den Porto secco zweigeteilten Lido ('HßdXa, IlQiaTfjva). 
Alle diese Inseln und Siedelungen, auch die Inselgruppe von Rialto, 
ebenso wie im 7. Jahrhundert Jesolo für Heracliana, so im 8. Jahr- 
hundert ftir Malamocco der Sammelplatz der überschüssigen Zu- 
sfigler, noch weitaus überwiegend Wiesen, Wald und Jagdgebiet, 
treten vollkommen in den Schatten Malamoccos. Seit ältester Zeit 
Seehafen von Padua, seit Beginn des 7. Jahrhunderts vornehmlich 
von dorther besiedelt, seit etwa 640 Bischofstadt und hernach 
gut halbhundert Jahre lang (742 — 810) Dogenresidenz und in 
immer höherem Mafse Patrizierstadt, Nachfolgerin von Heraclea, 
VorgftDgerin von Venedig. Auf der dem Meere zugewandten Ab- 
dachung des Lido di Nicolö gegen den Porto di Malamocco zu, 
unmittelbar an der Küste gelegen, ist sie noch schlimmerem Schick- 
lale verfiedlen als Grado und Caorle. Vielleicht, dafs eine jener 
verheerenden, von Erdbeben begleiteten Springfluten, welche die 
venezianische Küste heimzusuchen pflegen, die offenbar schon vor- 
her vom Wasser bedrohte und bedrängte Stadt plötzlich vernichtend 
betroffen hat, wie für die Jahre 1104 — 1110 die Chroniken melden, 
vielleicht auch, dals das alte Malamocco der Meerflut allmählich, 
jedenfSedls aber vollständig erlegen ist Mit Beziehung auf die fort- 
währenden Überflutungen und die Unleidlichkeit des Aufenthaltes, 
ist im Jahre 1110 das Bistum nach Chioggia verlegt, Malamocco 
weiter nördlich und lagunenwärts wieder aufgebaut worden und 
ist heute ein friedliches, sonniges Gärtnerdorf von anspruchsloser 
Behaglichkeit 

Am Südende der venezianischen Lagune, als deren Schlüssel 
von dorther, liegt auf den dem Lido von Brondolo hinterlagerten 
Inseln das „Eklron^^ des Plinius, Chioggia, das seinen Namen 
von der „Fossa Clodia^', einem in der Kaiserzeit vermutlich als 
Abzweigung der Seeroute Ravenna — Altino gegrabenen Kanal tragen 
mag; uralt römischer Ghründung; bis ins 14. Jahrhundert in eine 
(nördliche) Ghx>rs- und (südliche) Kleinstadt geschieden ; ungemein 
reich an Salz, die eigentliche Salinenstadt des ganzen Gebietes. Für 
die Salinenverwftltung waren eigene salinieri (Salzmeister) bestellt. 



86 Erstes Kapitel. 

Im Jahre 810 durch König Pippin verbrannt und zerstört, blühte 
es von neuem auf, wurde 1110 Bistum an Stelle Malamoccos^ 
erhielt 1214 einen pro weditore, 1297 ein eigenes Gesetzbuch, schliefs- 
lich Statut, Rat und einen Grolskanzler wie sonst nur Cjpem und 
Kreta. Nach dem grolsen Kriege von 1380 verschwindet der Name 
der von den Feinden vermutlich zerstörten Kleinstadt Chioggia 
ist bis zum heutigen Tage der Typus einer weltfremden Schiffer- 
stadt geblieben, die sich doch berühmen darf, den grofsen hei- 
mischen Lustspieldichter hervorgebracht zu haben : Carlo Goldoni. 
Gegen feindliche Landangriffe hat man den wichtigen Punkt von 
jeher durch eine starke Befestigung an der untersten Etsch, die 
alte Dammschanze von Cavarzere (Caput Ai*gilis=aggeris, KaßeQV' 
^iwteg) zu schützen versucht, gegen die bei der Schmalheit des 
vorgelagerten Lido von Sottomarina - Brondolo doppelt bedroh- 
lichen Meerstürme haben die Venezianer eben hier seit alter 
Zeit Schutzdämme angelegt, die im 18. Jahrhundert zu dem 
bewunderungswürdigen Kolossalwerk der „Murazzi^' ausgestaltet 
worden sind. 

Südwärts von Chioggia nennt Konstantinos aufser Cavarzere 
noch Brondolo, Loreo und Fossone {Bqo^dov^ OoaaöVf AavQiTdhi) 
als zu Griechisch- Venetien gehörig. Die Lagunen von Adria, die 
„Septem maria'^ des Plinius sind bereits ein Teil des Regnum Ita- 
liae ebenso wie die von Comacchio und Ravenna. Einsam ragen 
auf halben Wege zwischen Adria und Comacchio in endloser Öde 
die Ruinen der einstmals so grolsen Abtei Pomposa auf, ehedem 
oft die Herberge kaiserlicher Gäste, Ottos L und der Adelheid, 
Ottos III. und Friedrich Barbarossas. Von den zahlreichen fest- 
landwärts gelegenen Inselchen der westlichen venezianischen Lagune 
weils noch keine Nachricht etwas zu melden; soweit die wirk- 
liche Terra ferma reichte, ist sie ohne Zweifel italienischer Reichs- 
besitz gewesen. Noch war im Kreise dieser Siedelungen jene 
Stadt nicht über die bescheidensten AnfiUige hinausgekonmien, 
die dann als ihrer aller „ Dominante '^ lange Jahrhunderte die Welt 
mit ihres Namens Glanz erfüllt hat Noch war — im 7. Jahr- 
hundert — Rialto nicht mehr als bestenfidls eine Art Vorstadt 
von Malamocco. Ein Jahrhundert mulste vergehen, bis es als 
Stadt imd Bistum recht emporkam; ein weiteres, bis es äch 



'»-»->*-- 



Errichtung des Dukates. 



S7 



ab Zentnim dieser eigenartigen Welt widerspruchsloB geltend zu 
machen vermochte. 



« 



War es nun ein Zufall, dafs gerade zu Ende des 7. Jahr- 
hnndertB, da Kirche, Kaisertum und Papsttum ihren Frieden machten, 
die griechische Regierung ihr Venetien aus der bisherigen Ver- 
bindung mit Istrien und Unterordnung unter den dortigen Magister 
militnm losgelöst, und als besonderen Militärbezirk — ducatus — , 
gewissermafsen als neue yenezianische Mark dem unmittelbaren 
Kommando des Militärchefs von Italien, des fbcarchen von Rayenna 
onterstellt hat? War es nur der Volksreichtum der Inseln, der 
diesen Schritt veranlafst hat, oder nicht auch militärische Er- 
wägungen? Sei dem wie immer, um das Jahr 700 begegnet zu- 
erst die zu so grolser Zukunft vorbestimmte Institution des yene* 
zianischen Dogates. 



Zweites Kapitel. 
Beginn des Dogates. 

Während der zwanzigjährigen Regierung des Kaisers Maori- 
kios (582 — 602) ist unter dem Drucke der Langobardenge£Ethr 
zuerst jenes Militärverwaltungssystem fiir die italischen Landesteile 
des Kaiserreiches in Anwendung gebracht worden, wie es etwa 
gleichzeitig im Kampfe mit den Feinden des Ostens in Asien ein- 
gerichtet wurde und zu Anfang des 8. Jahrhunderts als Themen- 
Verfassung auf das ganze Reich ausgedehnt erscheint Wie andere 
Reichsteile, wird auch Griechisch-Italien zu einem Armeebezirke, 
einem ,, Thema '^ des Reiches, das bei immer vollständigerer Ver- 
drängung der Zivilverwaltung der Exarch von Ravenna als Militär- 
gouvemeur befehligt und verwaltet Bedeutete der süddeutsche 
Limes der Römerzeit ein System von Grenzmarken mit aus- 
schliefslich militärischer Verwaltung, Festungen und Garnisonen 
von Soldaten, die zugleich Bauern waren und somit ihre Ver- 
pflegung selbst besorgten, so war ein ganz verwandtes Verteidi- 
gungssystem auch von den Byzantinern nach Bewältigung der 
feindlichen Vandalen und Ostgoten in Afrika und Italien und 
hernach auch anderwärts zur G^tung gebracht worden: Ghrenz- 
bezirke (limites) unter Militärverwaltung mit Duces oder Magistri 
militum an der Spitze, einzelne Forts (castella) mit Tribunen als 
Kommandanten, die dort gamisonierenden Truppen mit Ghrund und 
Boden belehnt. Das Neue war nun, dafs etwa vom Jahre 600 
ab diese ursprünglich nur f&r die Grenzmarken berechnete Militär- 
verfassung allmählich auf die Grenzprovinzen und endlich auf das 
ganze griechische Reichsgebiet, somit auch Italien, erweitert wurde 
und vor der Vereinigung der Gesamtverwaltung in den Händen von 



X- «X m- «. 



Magistri militam and Daoes. S9 

Hüitftrchefs die zivilen Gewalten allenthalben völlig zurücktraten, ja 
Terschwanden. Kam dieses System zunächst in den nnteritalischen 
Besitznngen des Reiches, den partes Romanae, zur Ausbildung, so 
drang es doch bald auch in den nördlichen Gebietsteilen durch 
and ist zu Anfang des 8. Jahrhunderts vollends ausgebildet An 
die Spitze der einzelnen, samt und sonders dem Exarchen als Ober- 
kommandant- Statthalter untergebenen Provinzen traten Magistri 
militum und Duces. Diese ursprünglich im Bange sehr ver- 
schiedenen Würden waren nun ziemlich gleichwertig geworden. 
Duces und Comites hatten in spätrömischer Zeit die Befehlshaber 
der einzehien Marken des Limes geheifsen, während über die 
inneritalischen Gbumisonen Praepositi gestellt waren. In der Goten- 
zeit traten dann rangverschiedene Comites (priores), deren Amt 
mehr£Etch auch auf zivile Gerechtsame übergri£F, an die Stelle 
dieser Praepositi und Duces, doch ohne dafs dieser letztere Titel 
darum ganz verloren g^angen wäre. Nach dem Untergang des 
Gotenreichs stellten die Byzantiner an die Spitze jeder der nörd- 
lichen Grenzprovinzen Italiens einen Magister militum, den Träger 
einer Würde, die von der ursprünglichen Bedeutung eines Ge- 
neralissimus von Italien, wie sie Odovakar und die Gotenkönige 
bekleidet hatten, zu der eines Generals, wie Belisar und andere 
sie innegehabt, ermäfsigt worden war und nunmehr der eines 
Dux ungeMir gleichkam. Duces und Magistri militum sind in 
den Grenzen der neuen Organisation die Mittelinstanz zwischen 
den ihnen unterstehenden Lokalbehörden der Tribunen cmd der 
ihnen übergeordneten Zentralgewalt des Exarchen. Sie besitzen 
Administrations-, Militär- und Gerichtshoheit innerhalb ihrer Ver- 
waltungsbezirke , wobei doch die Würde des Magister militum, 
wenn auch in der Art ihrer Kompetenzen der eines Dux gleich, 
an Bang und wohl auch in bezug auf die Ausdehnung des zu- 
gewiesenen Gebietes für höher gegolten hat. Duces werden aus- 
zeichnungshalber zu Magistri militum ernannt, von dem Gesamt- 
gebiet des von einem Magister militum verwalteten Istrien und 
Venetien wird zu Ende des 7. Jahrhunderts der Dukat von Hera- 
cliana, eben Venetien, abgetrennt E2s mag zwischen Dux und 
Magister militum etwa der Unterschied obwalten, wie man ihn 
heate m Österreich macht, wenn man Statthalter und Landes- 



40 Zweites Kapitel. 

Präsidenten ab rangungleiche Verwaltungschefs an die Spitze ver- 
schieden grolser Eronländer stellt 

Den Duces und Magistri militum untergeordnet sind als 
vom Exarchen oder aber von der ortsansässigen Bevölkerung 
gewählte und vom Exarchen blols bestätigte lokale Komman- 
danten und Beamte, die Tribunen. Sie stellen die erste In- 
stanz aller Regierungsgewalt dar, erheben die Steuern, sind Träger 
der lokalen Gerichtsbarkeit, befehligen den Numerus, die mili- 
tärische Einheit, fuhren das Stadtkommando. Die Soldaten sollten 
im Sinne der früheren Grenzverfassungen zugleich grundansässig 
sein und womöglich nicht mehr wie bisher aus dem Oriente, son- 
dern aus der einheimischen Bevölkerung entnommen werden; dahin 
mufste ja die Tendenz des auch im Osten stark genug in An- 
spruch genommenen Reiches gehen, und so fügte es sich auch am 
bequemsten. Damit stellte sich aber auch zwischen Armee und 
Bevölkerung wieder ein innigerer Eontakt her und gewann vor- 
nehmlich der freie Grofsgrundbesitzer, dessen Hintersassen (coloni) 
hauptsächlich die Eontingente stellten oder zu deren Landnehmem 
die nicht heimischen Mitglieder des Numerus werden mufsten, 
immer mehr Einflufs auf die Armee. Es ist natürlich, dafs die 
Tribunen aus diesen Ereisen genommen wurden, dafs sich so eine 
lokale, bodenständige tribunizische Aristokratie entwickeln und 
wohl auch verhältnismäfsig früh eine Art erblicher Anspruch auf 
das Tribunat sich durchsetzen mufste; andrerseits wird klar, dals 
eben durch diese Vereinigung von Soldatentum und Grundbesitz 
der Prozefs der vollständigen Militarisierung der Verwaltung sich 
beschleunigte. Die alte römische Vollgemeinde, das Municipium, 
wird durch den Numerus, diese Eombination von Gemeinde und 
Regiment, der Gemeinderat, die Curia und der Defensor, der bis- 
herige eigentliche Träger der Lokalgewalt, durch das Tribunat 
ersetzt Dem ortsansässigen Grundbesitz entnommen, wurzelten 
die Tribunen im heimatlichen Boden und befanden sich nur zu 
bald in einem mehr oder minder latenten Gegensatze zu den fast 
immer aus Byzanz abgeordneten Oberbeamten, Duces und Magistri 
militum. Es war ein Gegensatz, der in der italienischen Revo- 
lution von 726 dazu führte, dafs das allem Anscheine nach fbr 
die Tribunen bereits bestehende Prinzip der Wahl durch die Orts» 



Tribunen. 41 

bewohner und blolaen Bestätigang durch die Staatsgewalt nun 
auch f&r ducee durchdrang. 

Um das Jahr 700 erscheinen die zwei nach Ravenna und 
Rom benannten griechischen Besitzgruppen in Italien fast durchaus 
der neuen Oi^anisation eingeordnet Magistri militum oder Duces 
und ausdrücklich nachweisbar in Nepi fiir Tuszien, in Rom für 
Kampanien, in Neapel, in Perugia und im Norden in Comacchio, 
Fenraray Rimini, vielleicht auch Ancona, endlich im neuen Dukate 
von Venetien, in Heracliana. 

Kaum eine Frage mittlerer Geschichte ist durch spätere 
Überlieferung mehr entstellt worden als die nach den Anfängen 
dieses Dukates und damit der venezianischen Verfassung. Hier 
mag versucht sein, das Mögliche darüber festzustellen. 

Dafs es in Venetien seit Anfangszeiten Tribunen gegebcD, 
wird vielfältig überliefert Doch dürfte man die bei Cassiodor 
genannten tribuni maritimorum gewifs nicht den lokalen Trägern 
des späteren byzantinischen Regierungssystems gleichhalten ; auch 
die Angaben über die Dauer des venezianischen ,,Tribunates'' 
sind willkürlich, und vollends ersonnen die späteren Konstruktionen 
einer tribunizischen Bundesbehörde gewissermafsen als Repräsen- 
tation des von Uranfang unabhängigen venezianischen Gemein- 
wesens. Es besteht kein Grund, anzunehmen, dafs die Institution 
des Tribunates sich hier in anderer Weise ausgebildet habe, wie 
sonst in Italien. Ifit dem Wachsen der Lagunensiedelungen und 
der Errichtung von Kastellen fand man auch nötig, Tribunen 
über diese zu setzen, die dann auch die Hafengerechtigkeiten der 
alten tribuni maritimorum übernommen haben mögen. Es scheint, 
als ob unter diesen Tribunen — wie doch wohl auch sonst in 
Italien? — Rangabstufungen vielleicht bis zur direkten Unter- 
ordnung von tribuni minores unter maiores bestanden hätten; so 
stellt das Chronicon Venetum einen tribunus princeps von Torcello 
den Tribunen der kleineren torcellanischen Inseln g^enüber; sollte 
er nicht eine Zwischeninstanz zwischen diesen und dem Magister 
militum oder Dux vorgestellt haben? Dafs, wie in Torcello, die 
Tribunen die Patronatsherrlichkeit über die in ihrem Geltungs- 
bezirke gelegenen Elirchen in Anspruch nahmen, wird zweifellos 
aodi aulserhalb Venetiens der Fall gewesen sein. Auch die An- 



4S Zweitee Kapitel. 

nähme; als hätten die venetischen Tribunen zufolge der Gunst der 
geographischen Lage über ein gröfseres Mals von Selbständigkeit 
verfügt als andere Tribunen, ist unzutreffend; der bis ins 11. Jahr- 
hundert vorherrschenden griechischen Flotte war Seevenetien nicht 
schwerer y sondern leichter zugänglich als andere Gebiete. Über- 
dies ist der in Oderzo und hernach in Heracliana residierende 
Magister militum von Venetien-Istrien wohl nahe genug gewesen, 
alliällige Regungen von Unbotmä(sigkeit rechtzeitig zu ersticken. 
Mit der zunehmenden Bedrohung der Landverbindung zwischen 
Venetien und Istrien durch die Herzoge von Friaul, dem Wachs- 
tum der Bevölkerung und der militärischen und kommerziellen 
Bedeutung der Inseln drängte sich die Notwendigkeit einer Teilung 
des Kommandos beider Bezirke gebieterisch auf. Die zu einem 
schmalen Küstensaume eingeschrumpfte venetische Provinz wurde 
gegen Ende des 7. Jahrhunderts, jedenfalls nach 680, als selb- 
ständiger Dukat mit dem Sitze des Dux in Heracliana organisiert 
Mehr läfst sich mit Sicherheit nicht sagen. Die von den vene- 
zianischen Schriftstellern überlieferten Anfangsjahre des Dukates 
lassen sich nicht wohl in Einklang miteinander bringen. Nach 
der auch sonst verworrenen Angabe des Johannes wäre der erste 
Dux in den Jahren 713 — 716 eingesetzt worden; seit Andrea Dan- 
dolo wird es mehr und mehr Gesetz vaterländischer Überlieferung, 
das von diesem aus den vorhandenen Dogenlisten nicht durch- 
aus willkürlich konstruierte Jahr 697 als Anfangsjahr gelten zu 
lassen, mag auch im 14. und 15. Jahrhundert noch das Jahr 706 
des öfteren daftir angesehen werden. Der Dux ist zunächst ohne 
Zweifel kurzerhand von der Reichsr^erung ernannt worden. 
Eine Wahl desselben durch die vornehmen, meist tribunizischen 
Geschlechter und den Klerus mit darauffolgender Bestätigung 
durch die Staatsgewalt — etwa im Sinne des justinianeischen 
Reichsgesetzes der Sanctio pragmatica — ist keinesfalls vor 726 
— dem italienischen Revolutionsjahre — erfolgt cmd mag seit- 
her zur Regel geworden sein. Die gegenteiligen Meldungen des 
Johannes und Dandolo sind abzuweisen, die von letzterem für 
697 angegebenen dukalen Befugnisse — Einberufung der Volks- 
versanmilung, Ernennung der Tribunen, Oberherrlichkeit über den 
Klerus — ein Anachronismus. Hing^en ist eine flinflufsnahme 



Anfangsjahr des Dakatee. 48 

des Patriarchen von Grado auf die Errichtung des Dokates von 
Yenetien, etwa im Sinne einer Anempfehlung; wenn auch nicht 
vor dem 15. Jahrhundert überliefert, dennoch nicht unwahr- 
Bcheinlich. War der Patriarch neben oder vielleicht auch über 
dem Magister militum die vornehmste und am meisten zusammen- 
&88ende Macht in den Lagunen, so lag für ihn die Versuchung 
nahe, ähnlich wie die Bischöfe von Rom und Ravenna, auch 
eine Art oberster weltlicher Instanz an sich bringen, vielleicht 
selbst Dux werden zu wollen. 



Als ersten dieser Duces nennen die Quellen den Paulus, Sohn 
des Lucius, Paulutius; schwer genug scheinen er und seine Nach- 
folger sich zur Geltung gebracht zu haben. Noch ist das ganze 
8. Jahrhundert hindurch alle Gewalt in Venetien stark lokalisiert ; 
die einzelnen Inseb haben ihre Sonderrechte, Traditionen, Sagen- 
kreLse. Der Duz findet nicht den Gehorsam der Erbtribunen; erst 
im 9. Jahrhundert gewinnt der Dukat ein fragloses Übergewicht, 
nicht ohne aber wenigstens den tribuni maiores ein ziemlich 
starkes Ausmafs richterlicher Befugnisse imd eine Art Zustim- 
mungsrecht fbr dukale Verfügungen innerhalb ihres Amtsbezirkes 
belassen zu mtLssen. Die langhergebrachten Geschlechterkämpfe 
der beiden Bivalenstädte Heracliana und Jesolo, von denen in 
nahezu unentwirrbarem Durcheinander das Chronicon Venetum 
berichtet, erhielten eben nun neue Nahrung durch den Gegensatz 
des kaiserlichen Dux und der ortsansässigen tribunizischen Aristo- 
kratie und überdies durch eine augenscheinliche Verquickung mit 
der g^en das Schreckensregiment der Exarchen in den Jahren 
706 — 71 1 organisierten Revolution in Ravenna. Wenigstens begegnet 
deren Anstifter und Lenker Georgios, der Sohn des Johannaces, 
in den vornehmlich auf dem Boden der Pineta von Jesolo, dem heu- 
tigen Lido von Cortellazzo, ausgetragenen Streitigkeiten wieder. 
Wohl m^lich, dafs hierbei der erste Doge als Verteidiger kaiserlicher 
Gerechtsame den Tod gefunden, nicht unmöglich auch, dafs er 
selbst von dieser Aufstandsbewegung mit fortgerissen wurde. Auch 



44 Zweites Kapitel. 

zu Weiterungen mit den Langobarden mufs es gekommen sein. 
Sonst wäre der vermutlich in den Jahren 713 — 716 zwischen König 
Luitprand und dem byzantinischen Militärbevolhnächtigten Magister 
militum Marcellus von Istrien mit Beiziehung des Dux Paulutius 
vereinbarte Vertrag nicht verständlich, in welchem die sonst un- 
bestrittene Grenze zwischen Regnum und Dukat in der Gegend 
von Heracliana durch eine von der Piave über das Piovano- 
flüfschen an den Monticano führende und — später wenigstens — 
durch drei Steinhaufen markierte Linie abgesteckt wurde. Diese 
Grenzbestimmung ist dann Jahrhunderte hindurch von Langobarden- 
königen und deutschen Kaisem immer neu anerkannt worden. 

Nach den vielleicht aus Grabinschriften entnommenen An- 
gaben der erhaltenen Dogenlisten ist Paulutius nach etwa 20 jähriger 
Amtsführung gestorben, vielleicht wirklich in dem zuerst von 
Dandolo angeführten Jahre 717, jedenfalls einige Zeit nach dem 
Regierungsantritte König Luitprands (712). Ebenso berichtet 
Dandolo, dafs er, sein Nachfolger Marcellus und doch wohl auch 
der dritte Dux, Ursus, in Heracliana begraben worden seien. 
Nun scheint die Reichsregierung nach den wenig ermutigenden 
Erfahrungen mit Paulutius auf das frühere Verwaltungsprinzip 
zurückgegriffen und den erwähnten Magister militum Marcellus 
von Istrien auch mit der Verwaltung des Dukats von Venetien 
betraut zu haben. Ist nun dessen Amtszeit im Gegensatze zu 
den kampferfUllten Zeiten vor und nach ihm in aller Ruhe 
verlaufen, so wird man ihn darum doch wohl nicht — wie 
es geschehen ist — als Fabelgestalt erklären, sondern vielmehr 
hierin einen Beweis ersehen dürfen, dafs dem mit stärkeren mili- 
tärischen Zwangsmitteln, als der herakleotische Dux, ausgestatteten 
Magister militum von Istrien -Venetien gegenüber der heimische 
Widerstand eine Weile stille gehalten hätte. Mit dem Jahre 726 
ändert sich das Bild: Marcellus mag friedlich oder gewaltsam ge- 
storben sein; an seiner Statt wurde durch Tribunen und Klerus 
eigenmächtig, wie überall in Italien, ein Dux gewählt, doch wohl 
der in den Dogenlisten an dritter Stelle genannte Ursus (Orso). 
Das Datum stimmt mit der Angabe Dandolos. So wenig uns 
unmittelbar über seine Amtszeit bekannt ist — man hat auch 
ihn darum zu einem Fabelwesen machen wollen — , so lebhaft 



-».»«,•.»,-- 



Paolatius, Marcellus, Ureas. 45 

acbeint es während derselben, wie überhaupt auf der Halbinsel, 
80 besonders auch in Venetien, zugegangen zu sein. Was bisher 
schon mehrmals mit ungenügenden Kräften versucht worden war, 
wurde nun neuerlich mit besserem Erfolge ins Werk gesetzt: eine 
offene Revolution gegen das Griechentum. Den Anlafs bot das 
Bilderverbot Kaiser Leons III. 

Die guten alten Zeiten des byzantinischen Reiches unter 
Kaiser Herakleios waren lang vorüber. Die hohen Gaben seiner 
Dynastie waren in Justinian IL (685 — 695, 705 — 711) zu wüstem 
Cäsarenwahn entartet. In mörderischen Exzessen wurden die 
Grundlagen aller Staatsordnung erschüttert. Darüber drängte der 
binnen zweier Menschenalter zu einer Weltmacht gewordene ara- 
bische Muhammedanismus immer ungestümer gegen das Reich, ja 
unmittelbar vor die Tore der Hauptstadt selbst. In solcher Lage 
wurde der Kommandant des Themas Anatolien als Leon III. 
(717 — 741) zum Kaiser ausgerufen. Der gegen ihn herandrohen- 
den Arabergefahr bot er unerschüttert die stolze Stime; er hat 
in deren voller Erkenntnis die Reichshauptstadt und das Reich, 
vornehmlich dessen Herzland Kleinasien, vor dem Islam gerettet. 
Wohl möchte ihm der Ruhm des Glaubensstreiters in höherem Mafse 
ziemen als dem Sieger von Tours und Poitiers. Gerade das Gegen- 
teil ist der Fall: indem Leon UI., kleinasiatischen, vielleicht ara- 
bischen Auffassungen folgend und in echt byzantinischer Über- 
zeugung von seinem Rechte, die Kirche nach kaiserlichem Belieben 
zu leiten und zu lenken, im Jahre 726 das Verbot der Bilder- 
verehrung erliels imd mit allen Mitteln durchzuführen unternahm, 
wies ihm die kirchliche Überlieferung seinen Platz unter den Ver- 
folgern Christi an. 

Das Verbot, so einschneidend es war, erregte doch, wie Leon 
vorausgesehen haben mag, in Konstantinopel nur einen Auflauf; in 
Hdlas kam es zu lebhafterer Bewegung, in Italien aber zu voller, 
alsbald mit Elementen nationalitalienischen Widerstandes versetzter 
Revolution. Schon im Jahre 692 hatte der Versuch des byzan- 
tinischen Protospathars Zacharias, gewaltsam gegen Papst Sergius 
vorzugehen, eine Revolte der hauptsächlich aus päpstlichen Wirt- 
schaften bezahlten Heere von Ravenna und der Pentapolis hervor- 
gerufen und war völlig mifsglückt Eine zweite Rebellion der 



46 Zweites KapiteL 

halb aatonom gewordenen itaUenischen Milizen in den Jahren 
710 — 711 war die Antwort auf die im Namen Jostinians IL von 
den Exarchen Theophylaktos und Johannes Rizokopos in Ra- 
venna geübte Schreckensherrschaft. Auch Venetien war damals in 
vollem Brande gestanden. Jetzt (726) war es wieder ein Papst, 
Gregor II. , der — das Ziel einer nationalen Einigung Italiens 
vor Augen — gegen das ohnehin durch seinen Steuerdruck ver- 
hafste byzantinische Regiment eine nationale Bewegung wachrief. 
Hatte das Papsttum die Organisation des Wohltätigkeitswesens 
— eine in der Tat notwendige Ergänzung des damaligen Wirt- 
schaftslebens — in die Hände genommen, so war es auch imstande, 
bis in die einfachsten Verhältnisse hinein seinen Einflufs wirksam 
zu machen. Die italienischen Milizen, voran die der Pentapolis 
und von Venetien, erhoben die Fahne offenen Aufruhrs; hier wie 
anderwärts wurden eigenmächtig neue Duces gewählt, die alten 
verjagt, vielleicht getötet, schwerlich ganz ohne Teilnahme des 
Papstes. Diese Wahl der Duces durch die Ortseinheimischen, die 
hierdurch gesteigerte Autonomie der italienischen Milizen und zu- 
gleich noch mehr gelockerte Verbindung der Bevölkerung mit der 
staatlichen Gewalt blieb denn auch die Haupterrungenschaft der 
Revolution von 726. Die Eifrigsten wollten gar einen neuen 
Kaiser wählen und nach Konstantinopel fuhren; gerade dals 
Gregor sie noch zur Besinnung zu bringen vermochte. Auch in 
Ravenna traten eine kaiserliche und päpstliche Partei einander 
gegenüber; der E^bischof Johannes, griechisch gesinnt, flüchtete 
nach Venetien; der Exarch Paulus aber wurde getötet. 

Niemandem kamen diese Wirren gelegener, als dem Könige 
Luitprand der Langobarden. Gerundet auf die wirtschaftlich 
schwachen Schichten der Nation, hatten Rothari und Grimoald 
ihre königUche Macht zu erweitem vermocht. Darauf war eine 
überwiegend fnedUche Zeit innerer Entwickelung gefolgt. Aber 
diese ftihrte doch nur zu weiterer Vermehrung der nicht mehr 
mit erobertem Land auszustattenden proletarischen Klassen, und 
die alte Landnot drängte von neuem zur Eaiegspolitik. In 
König Luitprand, wohl der gewaltigsten politischen Persönlichkeit 
des langobardischen Volkes, erwuchs demselben der hierftir taug- 
liche Mann, aus der italienischen Revolution von 726 diesem 



Die italienische Bevolation von 726. 47 

die richtige Situation. Elr ÜEtTste dasselbe Ziel ins Auge, wie Gre- 
gor IL: die Einigung Italiens. Zunächst aber trat er dem Papste 
cur Seita Ebr zog in den Exarchat, besiegte die Griechen bei 
danSy bedrohte Bavenna; mag sein, dafs päpstlicher Einspruch 
ihn Yon weiteren Schritten zurückhielt; aber die gewonnenen 
Städte der Emilia und südlichen Pentapolis nach Gregors Willen 
der Kirche auszufolgen, zeigte er keine Lust Dem Papste wurde 
bange; ein i^langobardischer Bischof '' wollte Gregor U. so wenig 
werden, wie vordem sein grofser Namensvorfahre. Er trieb, wie 
es scheint, die ohnehin stets unruhigen Herzoge von Benevent 
imd Spoleto zur offenen Rebellion an. Zugleich versuchte er den 
Kaiser, gegen den er sich „wie gegen einen Feind gewappnet '', 
durch Vorstellungen zur Umkehr zu bewegen. Leon III. war 
anders entschlossen; er schickte den Eutychios als neuen Exarchen 
mit G^d und Truppen nach Italien. Diesem gelang es, doch 
wohl durch Angebot griechischer Hilfe gegen die Rebellen von 
Benevent und Spoleto, mit König Luitprand ein Einverständnis 
£u gewinnen; der König gab seinerseits den Papst preis, dessen 
nationalitalienische Pläne er ohnehin längst als unliebsame Kon- 
kurrenz empfinden muüste. Die Rechnung stimmte. Die Herzoge 
wurden unterworfen, Gregor durch einen Zug der Verbündeten 
vor Rom zu voller Nachgiebigkeit vermocht. Der Triumph der 
byzantinischen Reichsgewalt über Ghregor H. war kaum minder 
vollständig als der des Langobardenkönigs über seine unbotmäfsigen 
Vasallen. Eutychios trat widerstandslos sein Amt an. Der Sieg 
des Kaisers kam vornehmlich durch die Zuweisung der ostadria- 
tischen und süditalischen Kirchensprengel an den Patriarchat von 
S[on8tantinopel zum Ausdruck; der römische Papst erschien zu 
einem Metropoliten von Italien herabgedrückt Auch politisch 
fnlate in Süditalien, dem alten Kolonisationslande der Hellenen, 
die byzantinische Herrschaft am tiefsten und am längsten ; in Rom 
und in Ravenna, den beiden anderen der drei jetzt eingerichteten 
Provinzen des Themas Italien, war das griechische Regiment längst 
bedroht und ihr Verlust trotz aller augenblicklichen Erfolge nur 
eine Frage der Zeit 

Im Jahre 781 folgte Ghregor HL im Pontifikate. Einige 
Jahre verhältnismälsiger Ruhe; im August 739 aber haben in 



Scolae und Ministeria. 187 

Man wird festhalten dürfen, dafs ein ursprünglich durchaus haus- 
gewerblicher und hausindustrieller Betrieb etwa vom 10. Jahrhundert 
an sich mehriältig in selbständigen Handwerksbetrieb umzusetasen, 
von diesem verdrängt zu werden begann, ohne dafs man die Wegd 
«uch dieser Entwickelung kennt Von einem genossenschaftlichen 
Zusammenschlüsse der Handwerker nach dem Charakter ihrer Be- 
schäftigung zu Zünften kann vor dem Ende des 12. Jahrhunderts 
nicht wohl die Rede sein. Aber die beiden Institutionen; aus 
denen gemeinsam sich das venezianische und wohl auch das ober- 
und mittelitalienische Zunftwesen überhaupt entwickelt zu haben 
scheint; die Vereinigung; die Innung der auf dogalen und sonstigen 
Grofsfronhöfen in gleichen Betrieben beschäftigten Handwerker 
und die aus Nachbarsleuten sich zusammensetzende Laienbruder- 
«chaft zu geistlichen Zwecken sind im 11. Jahrhundert teils schon 
voll ausgebildet; teils in Bildung begriffen. Das Chronicon Venetum 
gedenkt eines Aufsehers der nach langobardischem Muster zu 
;;ministeria'' vereinigten Arbeiter gleichen Handwerks wohl 
auf den grofsen FronhöfeU; vor allem des Dogen (;;princeps de his 
qui ministeria erant retinentes^'). Im 11. Jahrhundert begegnet 
in dieser Stellung eines Aufsehers und zwar der am dogalen 
Fronhof bestehenden Innung der Schmiede ein Gastalde; ein 
bofrechtlicher Beamter; vielleicht selbst ein Unfreier; wohl zu unter- 
scheiden von den politischen Amtsträgern gleichen Namens; er 
überwacht die Einhaltung der Fron Verpflichtungen; deren Vor- 
handensein urkundlich verbürgt ist Er steht aber zugleich an 
der Spitze der Innung und bleibt dies auch dann noch; als die 
Handwerker sich im 12. Jahrhundert zunächst in unklaren An- 
fängen; im 13. Jahrhundert aber völlig aus den Banden halber 
oder ganzer Unfreiheit losgerungen und zu Zunflgenossenschaften 
vereinigt haben. Aus dem Chronicon Venetum wird auch klar, 
•dab der Sitz einer zu Ehren des Erzengels Michael und heiligen 
Vitus begründeten Laienbruderschaft von Nachbarsleuten ;;SCola'' 
genannt wird; ein Ausdruck, der in spätrömischer Zeit eine Ver- 
^uugung nach gleichen Berufstätigkeiten bezeichnete; sich in den 
langobardischen Jahrhunderten in Italien vermutlich verlor und 
dafür in Byzanz im gleichen Sinne üblich wurde ; hernach aber 
'entweder von dorther oder auch von Rom aus sei es in der alten 



188 Sedistes Kapitel 

Bedeutung, sei es in modifiziertem Sinne — wie eben in Venedig — 
wieder in Brauch kam. Schon im Testamente des Fortunat werden 
als Scolae sakristeiartige Eirchenzubauten bezeichnet, die hernach 
zum Aufenthaltsorte der Bruderschaften geworden sind; im Jahre 
1110 fährt dann die Bruderschaft selbst den Namen Scola. Aus 
der Verfiissung dieser Scolae sind dann mancherlei Züge in die 
Verfassung der späteren italienischen Zünfte übergegangen, die, 
wie sie die Namen Ministerimn und Scola fUhreui so auch ihrem 
Wesen nach als ein Doppelprodukt von Innung und Laienbruder- 
schaft, von langobardischen und römisch-byzantinischen Elementen^ 
erscheinen. 

Man darf bei Beurteilung dieser Dinge nicht aulser acht lassen,, 
dafs die wirtschaftliche Entwickelung der einzelnen Teile des See- 
landes eine ganz verschiedenartige war. Zwischen der modernen 
Oeldkultur von Rialto und Torcello und den naturalwirtschaftlichen 
Verhältnissen der übrigen Seelandsgebiete bestand ein schroffer 
Gegensatz. Ungemein lehrreich ist auch hierin wieder das mehr- 
erwähnte Ausstattungsdokument für Grado von 1075, welches^ 
indem es den Dogat, die Bistümer Olivolo und Torcello, die Klöster 
S. Ilario und das noch nicht hundertjährige S. Giorgio maggiore zu 
Geld-, die anderen Kirchen des Seelandes zu Naturalbeiträgen ver- 
hält, deutlich erkennen läfst, wo und aus welchem Grunde sich, 
in dieser Zeit ein Hervortreten geldwirtschaftlicher Momente voll- 
zieht Die Tatsache ist unbestreitbar. Sie leuchtet aus dem Ein- 
dringen von Geldansätzeu in die Urkunden der Zeit ebenso hervor, 
wie aus dem Vorhandensein einer zunächst königlichen Münzpräge - 
anstalt in Rialto mindestens vom Jahre 924 herwärts; und sie darf 
vor allem aus der Erwägung gefolgert werden, dafs sich die reich- 
lichen Momente kapitalistischer Wirtschaftsordnung der Kreuzzugs- 
zeit, die gegen deren Mitte zai selbst schon Symptome sozialer Zer- 
setzung zeitigten, nicht kurzerhand herausgebildet, sondern erst in 
längerer Entwickelung ergeben haben können. Zum Überflüsse aber 
liegt aus dem Jahre 976 ein ausdrückliches urkundliches Zeugnis 
dafür vor, dafs schon in der Zeit Pietro Candianos IV. die im 
12. Jahrhundert überall in den italienischen Kommunen gang und 
gäbe gewordenen Formen des spekulativen Seedarlehensgeschäftes 
— die CoUegantia, Rogadia, Commenda — gewifs von Bjzanz 



• -- «> . 



Geld- und NaturaUniltur im Seeland. 189 

herüber in Venedig bekannt geworden und in voller Übung sind. 
Die verwitwete Dogaressa Waldrada entscblägt sich im September 
976 aller Ansprüche, die ihr aus derartigen Geschäften ihres Gatten 
etwa zufallen sollten. So darf man wohl sagen, dafs das Durch- 
dringen der Geldkultur in dieser Zeit von der Erringung staat- 
licher Freiheit bis zum B^inne der Ejreuzzüge der venezianischen 
Wirtschaft die Signatur gibt Und wenn es 1075 neben dem Dogat 
besonders Earchen und Klöster auf dem Boden von Rialto und Torcello 
sind, deren Verbindlichkeiten mit Geld angesetzt werden, so geht daraus 
hervor, wie sehr der venezianische Klerus schon vor dem 12. Jahr- 
hundert sich auf kaufmännischen Geschäftsbetrieb verstanden hat. 
Anderseits lehren die Angaben des Chronicon Venetum, dazu 
die erhaltenen Dokumente und einige Kapitel der Kaiserpakta, 
wie sehr die weniger zentral gelegenen Seelandsgebiete noch von 
naturalwirtschaftlichen Verhältnissen beherrscht waren. Noch gab 
es ausgedehnte Wälder, Gärten, besonders Weingärten, Ackerland, 
noch blühte die Viehzüchterei und die Jagd, vor allem in den 
weiten Revieren von Caorle und Civitas Nova. Noch bleibt 
— auch mitten in den Zentren geld wirtschaftlicher Entwickelung — 
Itir die immer zahlreicher angelegten Mühlen und Salinen ein aus- 
gesprochenes Naturalpachtsystem auf lange Zeit hinaus in Geltung. 
Die Beiträge der Leute von Caorle, Jesolo und Civitas Nova, von 
Malamocco und Loreo für die Zwecke von Dogat und Patriarchat 
sind bis an das Ende des 11. Jahrhunderts durchaus natural. Fische, 
Geflügel, Getreide, Wein, Teile der Jagdbeute; die drei istrischen 
Inselstädte Arbe, Veglia und Ossero liefern jährlich 10 Pfund 
Seide, 30 Fuchsfelle, 40 Marderfelle an den Dogat; die Stadt 
Capodistria die mehrerwähnten 100 — 200 Amphoren Wein. Auch 
die Handelsabgabe der Bewohner von Pieve di Sacco, die häufig 
das Seeland bereisten, besteht in der Lieferung von 200 Pfund 
Leinen, und die Zahl solcher Belege wäre noch zu vermehren. 
Aber an dem allgemeinen Charakter des venezianischen Wirtschafts- 
lebens jener Zeiten ändern diese Tatsachen nichts: es ist augen- 
scheinlich getragen von einer übermächtig durchbrechenden Geld- 
kultur, die sich immer in Rialto- Venedig konzentriert und damit 
die anderen Orte des Seelandes in ihrer Entwickelung unterbindet, 
schliefslich auch den im 11. Jahrhundert anscheinend noch, msl- 



}90 Sechstes Kapitel. 

gebrochenen Glanz von Torcello erbleichen macht und alle die 
ehedem gleichberechtigten Mitgemeinden der Lagunen zu wesen- 
losen Schatten neben der Dominante werden läfst 

So erscheint das 11. Jahrhundert wie ein Zeitalter der Vorberei- 
tung: zur adriatischen Meerherrschaft und zur Flottenweltmacht^ 
zur kapitalistischen Ausgestaltung des Wirtschaftslebens, zur anti- 
monarchischen Durchbildung der Verfassung , endlich zur Laien- 
kultur des folgenden Jahrhunderts. Aber die Wege dieser vor- 
bereitenden Entwickelung können wir nicht verfolgen. Denn die 
Überlieferung darüber versagt nur allzusehr. Es ist unbedingt 
die empfindlichste Lücke für die Kenntnis und das Verständnis 
venezianischer Geschichte. 



Inwieweit die beginnende wirtschaftliche Wandlung in Venedig 
sich etwa im Rechtsleben zur Geltung bringt, läfst sich bei 
dem nahezu vollständigen Mangel jeder Nachricht nicht erkennen. 
Wir müssen uns bescheiden zu sagen: vor allem, dafs man die 
venezianische Rechts- und Verfassungsentwickelung durchaus nicht 
für eine von Anfang an singulare halten darf, sondern im Zu- 
sammenhange mit der allgemeinen Rechtsbildung auf italienischem 
Boden betrachten mufs. Die so oft nachgeschriebene Behauptung 
des schriftstellernden Dogen Foscarini, Venedig habe von Anfang 
an seine eigenen Gesetze gehabt, entspringt dem alten Vorurteil, 
als hätte sich auf den berühmten Inseb alles ganz besonders und 
einzigartig entwickelt, und ist gewissermafsen ein Kapitel aus der 
hergebrachten Tradition von der uranfänglichen Freiheit und Un- 
abhängigkeit des venezianischen Gemeinwesens. Immer zahlreicher 
erschliefsen sich einer genaueren Erkenntnis der italienischen Rechts- 
geschichte die Analogien zwischen Venedig und anderen Kom- 
munen und immer mehr vermindern sich die Differenzen. Dieser 
Sachlage gemäfs scheint für die frühere Geschichte Venedigs die 
weitaus überwiegende Geltung römischer Rechtsgrundsätze aufser 
Frage zu stehen, mögen diese auch von rein griechischen, lango- 
bardischen, fränkischen, kanonischen Rechtseinflüssen, endlich vom 
besonderen lokalen Rechtsbrauch durchsetzt und dadurch modi- 



Fremde BechtseiDflüsso und heimischer Bechtsbraach. 191 

fiziert worden sein. Griechische RechtBanschauttngen sind nament- 
lich im älteren venezianischen Strafrecht wohl zu verfolgen. Nach 
langobardischem Rechte lebten aufser vielen anderen die einflulk- 
reichen Geschlechter der Candiani and Falieri, und die in dem 
dalmatinischen Garantiedokumente von 1076 angezogene ,y Romana 
lex'' ist nichts anderes als der Ediktus des Königs Rothari. Nicht 
minder finden fränkische Rechtselemente Eingang in die Lagunen, 
zumal in die ältesten strafgesetzlichen Bestimmungen ; es gab viele, 
die nach diesem Rechte lebten; das Chronicon Venetum bekennt 
sogar: ,,[Veneti] de Romana autem sive de Salica traxerunt 
legem''; germanische Rechtsausdrücke, wie allodium, morgen- 
gab, vadia, wiffa wurden im Seelande üblich. Der „auctoritas 
sacrorum canonum" endlich wird in dem Dekrete des Dogen 
Pietro Candiano IV. vom Jahre 960 ausdrücklich gedacht Alle 
diese verschiedenen Rechte wurden dann von dem lokalen Rechts- 
brauch, dem „usus patriae", durchdrungen, der sich teils auf un- 
geschriebener Tradition, teils auf geschriebenen gerichtlichen Einzel- 
entscheidungcn aufbaute. Solcher lokaler Rechtsbrauch war es, 
wenn für die gesetzmäfsigen Erlässe nahezu ausnahmslos die 
Form eines auf Übereinkunft von Regent und Regierten beruhen- 
den Qegenseitigkeitsversprechens, einer Promissio, nicht etwa einer 
obrigkeitlichen Willensäufserung, eines Praeceptums, gewählt wurde: 
so in den zwei grofsen Urkunden Pietro Candianos IV. von 960 
und 971, in dem Erlasse gegen Tumulte vom Jahre 998, in dem 
ältesten venezianischen Strafrechte, der durch Doge Orio Malipiero 
1181 gegebenen „promissio maleficiorum ". Von einer zusammen- 
fassenden Kodifikation dieses Rechtsbrauches zu einem wenn auch 
noch so schmal ausgefallenen Gesetzbuche kann vor den Tagen 
Enrico Dandolos keine Rede sein. Wo in der Zeit vom 9. bis 
zum 12. Jahrhundert einer „lex" gedacht wird, ist niemals ein ge- 
schriebenes Gesetz gemeint, sondern jeweils ein richterlicher Einzel- 
spruch, das Gerichtsforum oder endlich schlechtweg das abstrakte 
Recht selbst 

Als Gerichtshof erscheint nachweislich vom Ende des 9. Jahr- 
hunderts ab die oder das unter Vorsitz des Dogen im Palatium als 
Doppelbehörde für Zwecke der Verwaltung und Rechtsprechung ver- 
sammelte „curia communis (curia ducis)" oder „publicum placitum"^ 



192 Sechstes Kapitel. 

wozu vom Dogen aus dem Gesamtgebiete des Dogats Vertreter der 
Geistlichkeit^ der weltlichen Obrigkeit (iudices oder primates) und 
endlich des Volkes, des Populus selbst^ berufen wurden^ letztere 
als „maiores^ mediocres et minores^', als ,,fideles''; als ^^boni homines'^ 
oder ^^adstantes^', oft auch kurzweg als Populus bezeichnet In ihrer 
Eigenschaft als Gerichtshof setzte sich die Curia ducis (dann auch 
,;lex^' genannt) aus dem Dogen als Vorsitzenden, den Judices (pri- 
mates) als Urteilem und den Boni homines (adstantes) oder son- 
stigen Vertretern des Populus als gelegentlichen Miturteilem oder 
wenigstens offiziellen Verhandlungszeugen und Mitunterfertigern 
des Urteils zusammen; ganz wie sonst in Italien. Insoweit Ju- 
dices und Boni homines — wie das zunächst häufig genug der 
Fall war — dem geistlichen Stande entstammten, war auch 
dieser im Dogengerichte vertreten. Über die Anfänge der Curia 
läfst sich so wenig etwas Sicheres sagen, wie über die Entstehung 
der Judices. Beide sind zuerst für die Regierungszeit des Dogen 
Petrus Tribunus (888 — 911) bezeugt. Die iudices wurden in der 
Zahl von zwei bis sechs vom Dogen ernannt, wohl jährlich wech- 
selnd, aber doch — schon aus praktischen Gründen — wiederholt 
dieselben Personen, so dafs die Bildung eines richterlichen Adels 
sich von selbst ergab. Der Doge sitzt vor, überläfst Verhand- 
lung und Entscheidung den Judices, dirimiert bei strittiger Sentenz, 
bestätigt das Urteil. Bechtsangelegenheiten womöglich schriftlich 
ausfertigen zu lassen, entsprach italienischer Rechtsauffassung über- 
haupt. Auch für das ältere venezianische Prozefsverfahren ist die 
überragende Bedeutsamkeit des Schriftbeweises aufser Frage und 
fortwährend im Steigen. Daraus erhellt auch die grofse Bedeu- 
tung der Notare als allein beftigter, gesetzlicher Urkundenschreiber. 
Für 1080 wird ein „notarius curiae'' zuerst ausdrücklich erwähnt, 
aber die notarielle Ausfertigung der Urteile, die ebenso wie ihre 
Zustellung an den gewinnenden Prozefsteil der Doge zu veran- 
lassen hat, ist damals längst hergebrachte Regel. Der verlierende 
Teil wird vom Dogen zur Ausstellung einer Sicherungsurkunde 
für den Gewinner und zugleich einer Entsagungsurkunde auf die 
ihm aberkannten Ansprüche gezwungen ; auch die Befehlserteilung 
zur Vornahme einer von den Judices erkannten Pfändung steht 
jenem zu. Es scheint aber gewifs, dafs die Curia ducis wenigstens 



' ~«. »» 



Der Doge im 9. — 11. Jahrhundert. IM 

für die aufserhalb Rialtos wohnhaften nicht die einzige Instanz 
war. Wenigstens in den entlegeneren Orten begegnet etwa 
vom 10. Jahrhundert ab das ursprünglich langobardische Institut 
der Gastalden; sie sind Verweser der lokalen Verwaltung und 
lokalen Gerichtsbarkeit — wie einst die Tribunen — , haben als 
Richter wohl auch ihre Curia und ihre Gerichtsbeisitzer (iudices) 
um sich; für Chioggia wenigstens ist ein solches Verhältnis be- 
zeugt Neben diesen Ortsgastalden erscheinen Gastalden auch 
halb als Fronvögte über die hoirechtlichen Handwerksinnungen, 
halb als deren Vorstände ; man mag sie Gewerbegastalden nennen. 
Jeden&lls oder doch sehr wahrscheinlich bildet fUr beiderlei Gastal- 
den die Curia ducis eine höhere Instanz. 

Aus der Art des venezianischen G^chtsver£fthrens erhellt, 
dafs der Doge wohl die Richter ernennen, aber wenigstens seit 
dem Bestände der Curia nicht mehr willkürlich urteilen kann. 
Dies fuhrt zur Betrachtung der Stellung des Dogen und der 
Judices und der verfassungsmäfsigen Zustände dieser Zeit 
überhaupt 

Der seit Mitte des 9. Jahrhunderts unabhängige Doge ist der 
Erbe der Amtsbefugnis, mit der seine Vorgänger als Vertreter der 
byzantinischen Reichsgewalt bekleidet waren. Seine Wahl erfolgte 
nicht mehr im Sinne der alten griechischen Vorschriften durch einen 
geregelten Wahlakt, sondern — wahrscheinlich bis zum Jahre 
1172 — tumultuarisch durch Zuruf der auf den Lido di Nicolö 
einb^:^fenen Volksversammlung und unter Abhaltung von kirch- 
lichen und weltlichen Zeremonien, für deren Ablauf im Jahre 
1071 — bei der Wahl des Domenico Silvio — die lebenvolle 
Schilderung eines Augenzeugen, des Dominicus Tinus, vorUegt. 
Hier geht dem Wahlakte eine religiöse Feier in S. Nicolö di Lido 
voraus, der durch einstimmigen wiederholten Zuruf Gewählte wird 
festlich nach San Marco geleitet, dort unter neuen Feierlichkeiten 
vom Altar herab durch Überreichung des Szepters investiert, her- 
nach in seinen Amtssitz, das Palatium geführt, empfängt dort den 
Treuscbwur des versammelten Volkes und läfst Geld unter das- 
selbe verteilen. Dafs in diesen Wahlen in der Regel nicht der 
unverfälschte Volkswille, sondern vielmehr das Resultat einer vor- 
her mehr oder weniger intensiv betriebenen Agitation zum Aus- 

Kreisehmayr, Qescliiohte von Venedig. 13 



194 Sechstes Kapitel. 

drucke kam, ist natürlich. Wahlintrigen und demagogische Um- 
triebe spielten dabei eine grofse Rolle; von Vitale Faliero wird 
Ahnliches ausdrücklich gemeldet. Die Investitur des Dogen erfolgte 
vermutlich durch den Primicerius von San Marco und — wenigstens 
im 12. Jahrhundert — durch Überreichung von ^^baculum*' und 
,,vexillum'^y Szepter und Feldherrnzeichen, mit dem Bilde des hei- 
ligen Markus. Die Bewohner des Dukates waren gehalten, ihm 
den Treueid zu leisten, alle zusammen und jeder einzeln für sich ; 
die Untertanstädte mufsten den Untertanseid schwören ; beides jedes- 
mal bei Amtsantritt eines Dogen. Er ist der „ senior '^ — auch 
die Bischöfe, der Patriarch von Grado selbst nennen ihn so — , 
die Untertanen die „fideles'^ Er ist der Vorsitzende der Curia, 
ernennt deren Beisitzer, die Judices ; er beruft die Volksversamm- 
lung, ernennt die Beamten, schliefst die auswärtigen Verträge und 
vortritt den Staat nach aufsen, besitzt volles Feldherrnrecht 
im Kriege, den zu eröffnen und zu beenden allerdings der Volks- 
versammlung zusteht. Er verwaltet die Staatseinkünfte, welcher 
Art sie nun sein mögen; die „camera palatii'', die öffentliche 
Staatskasse, und die „camera ducis^', die Kasse des Dogen, sind 
eins. Die Summe dieser Staatseinkünfte erscheint in dem Aus- 
stattungsdekrete fiir die Gradenser Kirche vom Jahre 1075 als 
,;roga magistratus palatii^' bezeichnet. Sie umschlofs die in Geld 
oder Naturalien und mindestens seit der Zeit Pietro Candianos IV. 
regelmäfsig jährlich zu leistenden ordentlichen Staatsabgaben (de^ 
Cime ad salvationem patriae), die Tribute der Untertanenstädte, 
vom 12. Jahrhundert ab auch die Pachtgelder der in Dalmatien 
eingesetzten comites; femer die Zölle und sonstigen Handels- 
und Verkehrsabgaben (telonea, ripatica, quadragesimae, quintella); 
die Gerichtsgelder; die Renten und Einkünfte aus den Besitzungen 
und dem Vermögen des Palatiums, des Staates; endlich die nicht 
offenkundig nachweislichen, aber doch gewifs bezahlten Taxen^ 
die der Klerus zu geben hatte. Die ansehnlichen Rechte über die 
Geistlichkeit, die der Doge ausübte und von denen anderweit 
schon die Rede war, entsprachen der in Byzanz üblichen Auf- 
fassung und somit dem Ursprünge seiner Amtsgewalt. Im Besitze 
einer unbedingten Militärhoheit, wenn auch nicht des Rechtes über 
Frieden und Krieg, der Verfügung über das Staatsvermögen, das. 



Die Judices. 195 

wie sein persönliches erscheint, der vollen Souveränität nach aufsen 
und nur in der Ausübung der Gerichtsbarkeit an die Erkenntnis 
der von ihm ernannten Gerichtsbeisitzer gebunden ^ möchte der 
Doge des 9. — 11. Jahrhunderts der Hauptsache nach wohl im Ge- 
nüsse absoluter Herrschermacht erscheinen. 

Die alteingesessenen tribunizischen Geschlechter; deren Macht 
der Dogat im 8. Jahrhundert entscheidend niedergerungen hatte^ 
waren darum gleichwohl nicht macht- und einflufslos geblieben. 
Sie waren auf dem Umwege über die Volksversammlung doch 
die eigentlichen Dogenwähler; ihrer Mitte wurden die geistlichen 
und weltlichen Würdenträger des Seelands entnommen, sie stellen 
als Vertreter des Klerus, des Volkes, endlich und vor allem als 
iudices die Mitglieder der obersten Gerichts- und Verwaltungs- 
behörde , der Curia ducis (publicum placitum) und gewinnen 
besonders in dieser letzten Stellung den vornehmlichsten Einflufs 
auf die Staatsgeschäfte. Der Name „ iudices '^ und der vom 11. 
Jahrhundert ab wieder verschwindende Name ^^primates^' verdrängen 
im Laufe des 10. Jahrhunderts den Namen ^^ Tribunen'' und be- 
zeichnen — wohl unterschiedslos — Personen in der Doppel- 
stellung von urteilenden Richtern im Dogengerichte und von 
Organen der politischen Verwaltung oder Staatsverwaltung über- 
haupt; sie begegnen auch als Gesandte und Eriegshauptleute. 
Als Berater des Dogen in Justiz und Administration werden sie 
wie von selbst Teilnehmer an der Staatsregierung. So erscheinen 
sie auswärtigen Fürsten und Schriftstellern : Kaiser Heinrich IV. nennt 
den Dogen ,; weise durch die Beratung kluger Männer'' (prudentum 
iudicio virorum sapiens), Anna Komnena spricht vom ,, Dogen 
von Venedig und den unter ihm Herrschenden" (doüAa Beverlag 
vmI Tovg i7c avTÖv äQxovtag), König Kolomann von Ungarn 
richtet ein Schreiben ^^ad ducem et optimates", und die zeit- 
genössische Translatio S. Stephani gedenkt für dieselbe Zeit des 
beginnenden 12. Jahrhunderts des ,, Dogen und Senates" der Stadt. 
Der Gedanke, dafs gewissen Geschlechtern als geborenen Führern 
des Volkes ein natürliches Anrecht zustehe, in den Rat des Dogen 
und damit zur Teilnahme an der Regierung herangezogen zu werden, 
ist zu Ende des 11. Jahrhunderts offenbar schon ausgebildet. Aber 

doch im Widerspruch mit den bestehenden Verhältnissen. Wie 

13* 









196 SeehstoB Kapitel. 

etwa der Klerus keinerlei rechtlichen Anspruch hatte ^ zu Ver- 
handlungen auch über kirchliche Dinge berufen zu werden, so 
stand ein solcher auf Teilnahme an der Hegierung oder auch nur 
auf Berufung in die Curia oder das Placitum niemandem zu. Wird 
er erhoben y dann nicht rechtens; noch kann der Doge nach Be- 
lieben seine Räte wählen. Von einer Kompetenz etwa der Judices 
als Verfassungsorgane kann nicht die Rede sein; alles ist Her- 
kommen und Brauch. 

Wenn in das ,, publicum placitum'^ an Stelle der üblichen 
Vertretung des Volkes durch ;,maiores, mediocres et minores '^^ durch 
y^fideles^' oder ^yboni homines'' die Gesamtheit des Volkes, der Populus 
selbst berufen wurde, so erweiterte sich jenes zur Volksversamm- 
lung, zur ,yConcio'' oder zum „arengo^', wie zwei allerdings erst 
später in Brauch gekommene Ausdrücke dafür lauten. Man holte 
die „laudatio populi'' bei besonders bedeutsamen Staatsakten ein, 
Dogenwahlen, feierlichen Ratifikationen, Qesetzerlässen, Beschlüssen 
über Krieg und Frieden. Die Volksversammlung wurde vom 
Dogen, der ihr auch vorsitzt, berufen, tagte am Sitze des Dogats 
und hat sich wenigstens bis in das 12. Jahrhundert hinein ihre 
Rechte, vornehmlich der Dogen wähl und der Entscheidung über 
Ejrieg und Frieden nachdrücklich gewahrt. Dafs aber dieses 
Zustimmungsrecht des Volkes immer mehr zur Formalität verflachen 
mufste, liegt auf der Hand. Heikle Staatsgeschäfte eignen sich 
nun einmal nicht zu tumultuarischer Behandlung, und die Wichtig- 
keit eines beratenen Gegenstandes pflegt in solchen Fällen im 
umgekehrten Verhältnis zur Zahl der Berater zu stehen. Ander- 
seits vollzog, wie eben bemerkt wurde, die so versammelte Menge 
ja doch nicht den aus eigener Einsicht hervorgegangenen Volks- 
willen, sondern die Willensmeinung der hinter ihr stehenden mehr 
oder minder rührigen Agitatoren und Demagogen, die den von 
ihnen wirtschaftlich abhängigen Mann ebenso skrupellos ftir ihre 
Interessen aufboten wie die konstitutionellen Wahlmacher unserer 
Tage. Dazu kam schliefslich, dals der wenig Vermögende — zumal 
wenn er nicht in Rialto wohnte — überhaupt kaum über die 
Zeit verfügte, die der Besuch der Volksversammlung in Anspruch 
nahm, und sich zur Verabreichung von Präsenzgeldem im Sinne 
des perikleischen Athen zu verstehen, ist der Republik Venedig 



Die VoIksversammluDg. 197 

niemals in den Sinn gekommen. So stellten das Hauptkontingent 
der Versammlangsbesucher doch wieder die vornehmeren Kreise 
und ihre Kreaturen. Und wenn bis in das 12. Jahrhundert 
stets das ganze Dukatgebiet, nicht Rialto- Venedig allein da& 
^^placitum" und die ,,concio'' beschickte, so setzte mit der Aus- 
bildung der aristokratischen Regierung eben vom 12. Jahrhundert 
an die Beschränkung des Versammlungsbesuches auf die in der 
Hauptstadt wohnhaften immer deutlicher ein. In Verbindung 
mit der grofsstädtischen Wirtschaftsentwickelung vollzog sich 
gleichzeitig die politische Entmündigung und der unaufhaltsame 
Niedergang und die endliche Verödung der anderen Seelandsorte. 
Fafst man alles zusammen: die Verfassung Venedigs im 9. — 11. 
Jahrhundert stellt sich als eine in der Hauptsache ungebrochen 
monarchische dar und weist keine Züge auf, die ein besonderes 
Interesse fesseln könnten. 



So sehr nun die Phrasen von der Beispiellosigkeit der Entwicke- 
lung Venedigs abzulehnen sind, so darf dies doch den Blick nicht 
dafür trüben, dafs sie auf den Gebieten materieller und geistiger 
Kultur gerade in diesen Jahrhunderten dem übrigen Westen voraus- 
eilt; denn bei aller Wandlung seines politischen Verhältnisses zu 
Bjzanz war Venedig kulturell doch eine Expositur des dem Westen 
weit überlegenen griechischen Ostens geblieben. Die Kultur der 
ersten Jahrhunderte venezianischer Unabhängigkeit trägt wie die 
der übrigen abendländischen Welt noch immer ein geistliches Ge- 
präge. Noch häufen sich die vornehmsten Schätze in Kirchen und 
Abteien. Noch dienen die aus Konstantinopel herübergebrachten 
Kostbarkeiten und Kunstschöpfungen fast ausschliefslich kirchlichen 
Zwecken: die Pala d'oro Pietro Orseolos I., die wertvollen Reli- 
quienschreine. Die Entwicklung der Musik vollzieht sich im Dienste 
kirchlicher Feste ; einzig in den Schulen der Klöster gedeihen die 
Studien. Analphabeten sind im Priesterstande eine Ausnahme, 
aber es verrät eine kulturelle Überlegenheit des Seelands über die 
Nachbargebiete, wenn im 12. Jahrhundert Patriarch Peregrin von 






198 Sechstes Kapitel 

Aquileja, Bischof Dietmar von Triest nicht schreiben konnten, 
während auf der seit langem unter venezianischer Herrschaft stehen- 
den Insel Veglia die Schreibunkenntnis des dortigen primicerius 
durch den besonderen Beisatz ^^nesciente scribere'^ doch wohl als 
etwas Ungewöhnliches bezeichnet wird. In den weltlichen Kreisen 
aber bleiben Lesen und Schreiben auch jetzt noch eine nicht 
gerade unbekannte, aber eine seltene Kunst. Auf der Grtindungs- 
urkunde von S. Giorgio maggiore (982) stehen 137 eigenhändigen 
Unterschriften 71 vom Notar ftir Schreibunkundige gesetzte Signum- 
zeichen gegenüber, ein Jahrhundert später auf der Urkunde ftir 
Loreo von 1094 35 Unterschriften gegen 33 Signa. Mag ein 
solches Signum auch noch kein vollgültiger Beweis ftir die Schreib- 
unkenntnis des Bezeichneten und gelegentlich kurzweg vom Notar 
gesetzt sein, um rascher vorwärts zu kommen, ein lesender und 
schreibender Laie wird wohl bis tief in das 11. Jahrhundert hinein 
halb ftir einen Gelehrten gegolten haben. Von den Dogen Pietro 
Trandenico und Tribunus Menius ist zu erweisen, dafs sie Analpha- 
beten waren, von einer ganzen Anzahl anderer, darunter auch 
den kunstsinnigen Parteciaci und dem tatkräftigen Pietro Can- 
diano IV., ist es fraglich, aber wahrscheinlich. Hier mag dann 
die mit der Ausbreitung des Handels steigende Bedeutung des 
Postwesens günstig eingewirkt haben. Zunächst aber stellen wohl 
nur die Judices — schon wegen der Wichtigkeit des Schriftbeweises 
im Rechtsverfahren — j die auswärtigen Gesandten, die Missi und die 
diesen Missi beigegebenen rechtskundigen Advocati, welche in den 
diplomatischen Audienzen den Rechtsinhalt der jeweils fraglichen 
Angelegenheit auseinanderzusetzen hatten, die Lese- und Schreib- 
kundigen des Laienelements. Doch kommen auch hier gegen- 
teilige Fälle vor, und was sich übrigens in Notariatsinstrumenten 
an Aufzeichnungen über die Tätigkeit der Advocati erhalten 
hat, ist entweder schlecht wiedergegeben oder erweckt nur sehr 
geringe Vorstellungen von deren rednerischen Fertigkeiten. Die 
formale Bildung bleibt noch auf lange hinaus beim Klerus die 
Regel, beim Laientum die Ausnahme. Gleichwohl möchte ein 
stärkeres Hervortreten des letzteren seit der Orseolerzeit nicht zu 
leugnen sein ; unbestreitbar scheint die durch Handel erzielte An- 
häufung gröfserer Vermögen auch in Laienhänden, das reichlichere 









Kirche und Laien tum im 11. Jahrhundert IW 

Yorhandensein weltlicher Elemente in der Staatsverwaltung. In 
der Bauperiode um die Jahrtausendwende tritt doch die Oeistlich- 
keit gegenüber den weltlichen Bauherren zurück; keine Persönlich- 
keit mehr, die sich in der Intensität ihres Kunstschaffens mit 
Patriarch Fortunat vergleichen liefse. Das Durchdringen der Geld- 
wirtschaft; die Hebung der Lebensführung konnte der einseitig 
kirchlich - klösterlichen Kulturentwickelung nicht forderlich sein. 
Aber diese vorbereitenden Momente einer vom 12. Jahrhundert 
an erblühenden Laienkultur irgendwie deutlich erfassen zu können, 
fehlt jeder Anhaltspunkt 

£s würde das gesellschaftliche Leben jener Jahrhunderte im 
Seelande unvollständig zeichnen heifsen, wenn man neben dem 
Träger der Bildung, dem Klerus , und dem fast durchaus materi- 
eller Tätigkeit zugewandten und zweifellos noch recht rohen 
Laien tum der halb freien (libertini, coloni, excusati) und der 
unfreien dienenden Schichte vergäfse (homines, servi, ancillae, 
servae). Jene leben teils ohne besondere Verpflichtungen als eine 
über den Unfreien, unter den Freien stehende Klasse für sich 
(libertini)y teils sind sie als landwirtschafUiche Hintersassen (coloni) 
oder in halb militärischer, halb Beamtenstellung (excusati) zu be- 
sonderen Dienstleistungen an den jeweiligen ^^patronus'', häufig 
den Dogen, verbunden. Die Unfreien erscheinen in den Verträgen 
mit den Kaisern dem Vieh gleichgestellt Übeltaten, die Servi und 
Servae erleiden, stehen unter minderem Strafsatz. Der Herr (patronus) 
kann sie nach Belieben veräufsern und hat das Recht, sie „pro 
anima et corpore'^ zu richten. Es sind Verhältnisse, die hart an 
Sklaverei grenzen oder es wirklich sind. Aber anderseits haben 
die venezianischen Servi Zugang zum öffentlichen Gericht, haben 
eigene Familie, sie dürfen Rechtsverpflichtungen eingehen und Besitz 
erwerben. Loskauf und Freilassung (francatio), besonders durch 
letzt willige Verfügung des patronus, sind häufig. Solche Frei- 
gelassene bleiben allerdings noch in einem gewissen Verpflichtungs- 
verhältnisse zur Familie des Patronus, dem „vinculum patronatus^'; 
je mächtiger das Qeschlecht, desto ausgebreiteter dieses. Dafs die 
Bürde der Servitus nicht allzusehr drückte, scheint die eigenartige 
Selbstverdingung in dieselbe gegen Lohn, die freiwillige Eingehung 
also eines Dienstbotenverhältnisses zu erweisen. 






300 Sechstes Kapitel. 

Die engen Beziehungen Venedigs zu Byzanz haben dort ohne 
Zweifel zu einer im übrigen Abendlande schwerlich auch nur 
annähernd vorhandenen Erhebung der Lebensführung und Ent- 
faltung von Luxus geführt Greifbare Nachrichten aber sind auch 
hierfür fast nur aus dem 12. Jahrhundert vorhanden. Immerhin 
wird gelten können^ dafs man sich in Venedig schon frühzeitig 
mit Vorliebe der fiir das genannte Jahrhundert dort bestimmt 
nachweislichen reichen byzantinischen Kleidung bedient hat. Seiden- 
kleider sind für das Jahr 1060 urkundlich bezeugt; sonst mag 
man Gewänder aus Leinen und Wolle getragen haben. Uralt 
heimische Tracht ist die schon auf altvenetischen Vasenmalereien 
begegnende SchifFermütze, wie sie die Chiozzoten bis zum heutigen 
Tage tragen und wie sie als ^^beretta^', ^^corno ducale'^ zur all- 
bekannten Kopfbedeckung des Staatsoberhauptes geworden ist. 
Seide, Leinen, Wolle machten gewöhnlich einen Teil der Mitgift 
aus. Während man im Regnum die Wohltaten des Efsbesteckes 
kaum kannte, waren im Seelande bereits luxuriöse Gabeln im 
Brauche, wie sie etwa griechische Prinzessinnen aus der Heimat 
mitbrachten. Den Griechen selbst galt freilich Venedig, so sehr es 
dem Westen als eine Stätte tadelnswerter Uberfeinerung erscheinen 
mochte, noch immer als eine Ultima Thule; man erinnere sich der 
Ausfahrt der Gemahlin des Dogen Johannes Orseolo im Früh- 
jahre 1005. Aber die Zeit war doch auch in Griechenland vor- 
über, wo Patriarch Photios die Venezianer einen Schwann im 
Sumpfe vegetierender Halbtiere gescholten hatte. 



» 



Das reichbewegte Zeitalter der Orseoler ist vor allem bekannt 
um des regen geistigen Schaffens willen, das es belebte. Poetische 
Denkmale freilich haben die Venezianer jener Zeit so wenig wie 
andere ItaUener zurückgelassen ; aber die damals verfafste Chronik 
des Diakons Johannes, des feinsinnigen Schilderers von Venedigs 
Frühzeit, wird man auch rein formell als ein literarisches Denk- 
mal ersten Hanges berühmen dürfen. Man halte sich die farben- 
prächtige, fast poetische Schilderung des dalmatinischen Feldzuges 



Literatur und Musik in der Orseolerzeit SOI 

vom Jahre 1000, des Eaiserbesuches vom Jahre darauf vor 
Augen. Und wenn sich in diesem Latein da und dort erste 
Spuren des modernen venezianischen Dialektes, einer offenbar 
damals schon vorhandenen Vulgärsprache, finden lassen, möchte 
man Johannes wohl ohne allzu grofse Kühnheit den ersten vene- 
zianischen Prosaisten nennen können. Seinem Werke entgegen 
stellt sich in dem ungefähr gleichzeitigen Chronicon Venetum 
die ganze barbarische Verworrenheit und Stillosigkeit der Sprache 
jener Zeit dar. 

Rege war von früh an das musikalische Leben in den Lagunen. 
Die Musik der Zeit stand hier wie sonst überall im Abendlande 
nahezu ausschliefslich im Dienste der Elirche; schon die vorzugs- 
weise Verwendung von Orgel und Glocke deuten darauf hin. Aus 
dem Berichte des Chronicon Venetum über den (angeblichen) feier- 
lichen Empfang des byzantinischen Statthalters Longinus mit Glocken, 
Harfen (Kitharen) und Orgelklang und mit Gesängen, aus den sonst 
erhaltenen Nachrichten über hochstimmigen Gesang des Kirchen- 
chores läfst sich ein leidlich anschauliches Bild des damaligen musi- 
kalischen Betriebes gewinnen. Die „altae voces'^ sind Kastraten- 
stimmen, wie denn der Kastratenunfag auch sonst in kirchlichen 
Dingen eine Rolle spielt. Wegen Ernennung eines Kastraten auf 
einen Bischofsitz war es im 9. Jahrhundert zum Konflikte zwischen 
Doge Orso Parteciaco und Patriarch Petrus gekommen. Wenn 
derselbe Doge zwölf Glocken als Geschenk an den Kaiser Basi- 
leios I. sandte, Pietro Orseolo II. San Marco mit einer Orgel aus- 
statten liefs, die Wahl Domenico Silvios, wie doch wohl überhaupt 
jede Dogenwahl, unter den mächtig tönenden Hymnen eines Kirchen- 
chores erfolgte, so wird auch hieraus klar, dafs in Venedig der 
Musik lebhafte Aufmerksamkeit und Pflege zugewendet wurde. 
Dafs neben der kirchlichen Kunstmusik auch eine traditionell sich 
forterbende Volksmusik etwa in der Form von Gondelliedern vor- 
handen war, mag anzunehmen sein, wenn auch keine Spur davon 
auf die Nachwelt gekommen ist. 

In besonderem Mafse war nun aber wie vordem die bildende 
Kunst Gegenstand der allgemeinen Förderung. Noch einmal sind 
in der Orseolerzeit nahezu alle gröfseren Orte des Seelandes, 
natürlich vor allem Rialto, mit den Werken einer immer be- 



SOS Sechstes Slapitel. 

merkenswerter sich entwickelnden Plastik und Architektur aus- 
gestattet worden. 

Um die Mitte des 9. Jahrhunderts, eben da Venedig sich zu 
tatsächlicher Unabhängigkeit durchrang , macht sich — will es 
scheinen — auch in der Entwickelung der venezianischen bildenden 
Kunst eine vielleicht unbewufste Emanzipation von rein byzanti- 
nischen Einflüssen und eine stärkere Übernahme von Motiven jener 
abendländischen Kunstrichtung geltend, die aus dem Zusammen- 
wirken griechischer und germanischer Elemente im 8. Jahrhundert 
auf dem Boden Italiens erwachsen und das Jahrhundert darauf 
über dessen Grenzen hinaus herrschend geworden ist; gleichsam 
der letzte Ausläufer der spätantik -frühmittelalterlichen Kunst Man 
glaubt die Denkmale dieser Richtung, die durch eine mannigfaltig 
geataltete Flechtomamentik gekennzeichnet ist, in einigen bildwerk- 
geschmückten Pozzi, in Skulpturen der Altkirche von Torcello, der 
Gründung des neunten Jahrhunderts, von S. Fosca ebendort und 
namentlich von Murano aufgefunden zu haben. 

Gegen das Ende des 10. Jahrhunderts tritt aber eine völlige 
Änderung ein. Während das übrige Italien unter der Herrschaft 
der erwähnten Richtung verblieb, bis — etwa von der Mitte 
des 11. Jahrhunderts ab — in Unteritalien arabische Elemente 
mafsgebend zu werden begannen und in West- und Mittelitalien, 
vornehmlich in der Lombardei eine die griechischen Gleise immer 
deutlicher verlassende ausgesprochen westländische Entwickelung 
einsetzt, wurde Venetien aufs neue und fast durchaus die Domäne 
der indessen unter den makedonischen Kaisem zu vollkräftigem 
Leben erblühten byzantinischen Kunst. Vor allem trägt das pla- 
stische Kunstschaffen durchaus deren Charakter. In der Architektur 
folgt nur der immer lebhafter betriebene Profanbau auch in der 
architektonischen Anlage griechischen Mustern; die Earchenbaukunst 
hält dagegen an dem abendländischen Basilikenschema — oder 
gelegentlich am Zentralbau, wie in S. Fosca — fest Der ftir Byzanz 
typische griechische Kreuz- und Kuppelbau ist nur an San Marco 
zur Durchfuhrung gekommen. Auch in der Plastik beginnen dann 
gegen das Ende des 11. Jahrhunderts abendländische — ober- 
italienische — Elinfiüsse die bis dahin unbestrittene Herrschaft 
der hyzantimBchen Kunst in Venetien, wenn auch immer wieder 



Neubau von San Marco. 2dS 

beeinflufst von ihr, zu durchbrechen. Im 12. Jahrhundert sind 
sie deutlich nachweisbar; etwa das der Tierfabel entnommene, 
am Dome von Modena begegnende und in Venedig und Torcello 
öfter wiederkehrende Motiv der zwei Hühner^ die einen toten Fuchs 
tragen. Zugleich beginnt sich — wie auch sonst in Italien — der 
lokale Betrieb zwischen beiden Richtungen, Anregungen und Motive 
jeder von ihnen entnehmend, geltend zu machen. Aber eine Sonde- 
rung der erhaltenen Denkmale nach diesen drei Richtungen ist 
noch nicht zur Befriedigung versucht worden. 

Die wichtigsten Ereignisse dieses neuen Kunstlebens und die 
bedeutsamsten Denkmale dieses byzantinischen Stiles in Venetien 
fiind der Neubau von San Marco, Bau und Ausstattung der Dome 
von Torcello, Jesolo, Caorle. 

Die alte, in den Jahren 828/29 — 836 erbaute Basilika von 
San Marco ist im Jahre 976 zum gröfseren Teil durch Feuer zer- 
stört worden. Der nächstfolgende Doge Pietro Orseolo I. veranlalste 
alsogleich und mit Darangabe eigener Mittel deren Wiederaufbau 
in der alten basilikalen Form, dreischiffig, mit einer Fassade von 
fiinf gleichhohen Doppelabschlüssen, drei Apsiden und Krypta wie 
vordem. Zugleich traf er Anstalten zur würdigen Ausschmückung 
des Neubaues, liefs in Konstantinopel eine gold- und silbergearbeitete 
„pala^', einen „ Altarmantel ^^ als Antependium des Hochaltars der 
Kirche fertigen. Vom Dogen Ordelafo Falieri auf den Altartisch 
gestellt, unter ihm und hernach unter Pietro Ziani (1205 — 1229) 
und Andrea Dandolo (1343 — 1354) umgearbeitet, vergröfsert 
und zusehends reicher ausgestattet, im 19. Jahrhundert noch 
einmal vollständig restauriert, ist die „Pala d'oro^', dieses in 
seinen ältesten Teilen nun fast tausendjährige Kunstwerk, zum 
köstlichsten Wunderstück der schätzereichen Markuskirche ge- 
worden. Pietro Orseolo 11. führte die Arbeit des Vaters ver- 
ständnisvoll fort, baute dem Gotteshause eine gold- und marmor- 
gezierte Kapelle bei. Auch die Kirche selbst erscheint nach dem 
— freilich auf das alte S. Teodoro bezogenen — Berichte des 
Chronicon Venetum sohin bereits im 11. Jahrhundert mit Marmor- 
säulen und Mosaiken geschmückt; wenn dies der Fall war, ist 
nur das wenigste davon erhalten geblieben. Die noch vorhan- 
denen Steinplatten und Kapitale weisen hüback dAx%<»&V3i^i^^\S^2^a^ 



S04 Sechstes Kapitel. 

symbolische Tiere auf, selbst eine menschliche Gestalt, dercD 
Darstellung auf venezianischem Boden vorher schwerlich auch 
nur versucht worden sein mag; byzantinische Arbeiten. Aber 
auch das Bauwerk selbst erlebte bald eine Umgestaltung im grie- 
chischen Sinne. Die auf drei Seiten von einer Vorhalle umgebene 
Basilika wurde während der Dogate Domenico Contarinis, Domenica 
Silvios und Vitale Falieris in eine byzantinische Kreuz- und 
Kuppelkirche umgewandelt Durch Anlage eines von Norden nacb 
Süden ziehenden Querschiffes trat an die Stelle des basilikalea 
Schemas das griechische Kreuz; die drei Schiffe und Apsiden der 
früheren Basilika, die Fassade und Krypta blieben bestehen. Über 
das Mittelschiff wurden in ostwestlicher Folge drei, über den beiden 
Armen des Querschiffes zwei weitere Kuppeln aufgesetzt, alles nacb 
dem Muster der Zwölfapostelkirche in Konstantinopel, von Kon- 
stantin des Grofsen Zeit bis zum Ende des 10. Jahrhunderts der 
Grabeskirche der Kaiser. Die architektonische Form der angeblich 
am 8. Oktober 1094 geweihten Kirche ist aufser der späteren Er- 
höhung der Kuppeln, der Gotisierung der Fassade und Überhöhung 
ihres Mitttelabschlusses nicht mehr verändert worden. Wohl aber 
ist ihre heute sichtbare Ausschmückung, wenige Steinskulpturen und 
Mosaiken (?) abgerechnet, durchaus ein Werk der Folgezeit 

Der Fassade von San Marco gegenüber auf dem typischen 
Fundament von Piählen, Holzlage und Steinschicht, das auch die 
Kirche selbst trägt, erhob sich, sei es zu Ende des neunten, sei es 
im 10. Jahrhundert begonnen, der nach Art der lombardischen 
Glockentürme viereckig und mit Unterteilung nach Stockwerken 
aufgeführte Campanile von San Marco. Genaue Angaben über 
den Baubeginn wie über den Bauabschlufs fehlen; gewifs ist nur, 
dafs, wie der Befund des Mauerwerkes und Fundamentes ergaby 
der Bau sehr alt ist, vielleicht bereits im 11. Jahrhundert provi- 
sorisch, zu Beginn des 12. jedenfalls bis zur 22. „salita'^ (Treppe 
absatz) und um dessen Mitte in seiner ersten Anlage überhaupt 
fertiggestellt war. Die spätere Erhöhung des Turmes um ein 
volles Drittel über diese ursprüngliche Anlage hinaus und die da- 
durch herbeigeführte, durch den schweren Dachaufsatz noch ver- 
gröfserte Überlastung haben dann die beklagenswerte Katastrophe 
vom 14. Juli 1902 herbeigeführt 



Die Dome von Torcello, Caorle, Jesolo und Marano. 206 

Tiermotive und menschliche Figuren byzantinischen Cha- 
rakters kehren auch in den Bildnerarbeiten wieder, die den Dom 
von Torcello schmücken. Seine ältesterhaltene Anlage als einer 
dreischiffigen und dreiapsidialen Basilika entstammt der zweiten 
Hälfte des 9. Jahrhunderts (864?) und verrät, wie erhaltene 
Skulpturen beweisen, den abendländischen Stil jener Zeit, ohne 
«ine Spur griechischen Einflusses. Zur Zeit Pietro Orseolos U. 
nahezu verfallen, wurde das ehrwürdige Bauwerk mit Beibehaltung 
der basilikalen Grundform sorgfältig restauriert und dieses Mal 
ganz im griechischen Sinne ornamentiert; auch die grofsen Wand- 
mosaiken im Innern des Domes entstammen dem 11. oder 12. (?) 
Jahrhundert und tragen durchaus byzantinisches Oepräge. In 
den Grundformen dieser Restauration ist der schöne Bau bis zum 
heutigen Tage verhältnismäfsig wohl erhalten geblieben, fan 
gleiches gilt von dem oktagonalen Zentralbau der benachbarten 
Kirche S. Fosca, die wohl gleichzeitig mit dem Dome entstanden 
und im gleichen Sinne restauriert worden ist. 

Etwa ein Menschenalter nach dem von Torcello wurde — an- 
geblich 1038 — der Dom von Caorle vollendet Auch er noch 
leidlich erhalten ; eine dreischiffige, dreiapsidiale Basilika wie jener 
von Torcello, in der Anlage noch bedeutender als dieser. In 
seiner bildnerischen Ausschmückung ebenso von dem neuen grie- 
chischen Stil beherrscht war der fast ganz zu Ruinen gewordene, 
besonders grofsartig angelegte Dom von Jesolo; eine Basilika mit 
drei Schififen, Querschiff und drei Apsiden, die Seitenapsiden gerade, 
die Hauptapsis durch die sieben Seiten eines Zwölfeckes abge- 
schlossen. Auch der nach einer Inschrift seines Mosaikbodens in 
der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts neugebaute, vielfach noch 
Reste des alten Baues bergende Dom von Murano mit seiner 
wunderbar malerischen polygonalen Choranlage ist ein im Sinne 
des byzantinischen Stiles ausgeschmückter Basilikenbau. In der 
eigenartigen Vereinigung abendländischer Bauanlage und griechischer 
Dekorationen liegt das Typische aller dieser venezianischen Kirchen. 

Kommen die Eigenarten und Errungenschaften der bildenden 
Künste nach wie vor vorzüglich an den Kirchenbauten zum Aus- 
druck, so erscheint doch auch der Profanbau jener Jahrhunderte 
eingehender Betrachtung wert 



206 Sechstes Kapitel. 

Die eifrige Bautätigkeit des beginnenden 9. Jahrhunderts 
ist durch den kampferfullten Dogat Pietro Trandenicos abgelöst 
worden. Unter dessen Nachfolgern regte sich wieder die Baulust 
Orso Parteciaco restaurierte den Dom von Torcello, errichtete einen 
Dogenpalast in Civitas Nova; sonst aber weist seine und der 
folgenden Dogen Wirksamkeit weniger einen grofsartig- architek- 
tonischen als praktisch - nützlichen Zug auf. Bisher war doch 
Rialto nicht wohl eine Stadt zu nennen gewesen; die natural- 
wirtschaftlichen Verhältnisse der Frühzeit drückten sich auch im 
Weichbild aus : ein Komplex nahe aneinander gerückter Landwirt- 
schaften^ aber keine Stadt Hingegen mag Torcello; die Handels- 
zentrale, schon im 9. Jahrhundert städtisches Gepräge gewonnen 
haben. Nun aber beeilte man sich in Rialto, das Versäumte nach- 
zuholen. Unter Orso Parteciaco (I.) schreitet die Anlage neuer 
Wasserkulturen, der Bau neuer Häuser in der Richtung auf Westen 
zu rüstig vorwärts, beginnt sich die bisher kaum besiedelte Insel 
Dorsoduro mit menschlichen Niederlassungen zu bedecken. Unter 
Pietro Tribuno hat Rialto, wenn wir die Mitteilung des Johannes 
recht verstehen, schon städtischen Charakter angenommen. Mauern 
und Sperrketten schützen von nun ab ihre Heiligtümer. Aber 
wiederum ist es erst die Zeit der Orseoler, die die neue £nt- 
wickelung abschliefst. Noch einmal — zum letztenmal — wird 
eine vorzüglich in Rialto geübte, aber doch das ganze Seeland um- 
fassende Bautätigkeit zum Ausdruck einer politischen Blütezeit. 
Man baut in Grado und in Civitas Nova, in Caorle und Jesolo, 
in Torcello und Rialto und sicherlich nicht minder, wenn auch 
nicht so klar nachweislich, in den südlichen Orten der Lagunen: 
Kirchen und Privathäuser. Blieben letztere auch weiterhin über- 
wiegend Holzbauten, so wurde der Steinbau nunmehr doch häu- 
figer. Das Chronicon Venetum mag solche Steinbauten meinen, 
wenn es der „palacia, pulcherrima domorum edificia^' der hei- 
mischen Geschlechter gedenkt. Aus erhaltenen Bauresten läfst 
sich auch feststellen, dafs mit dem Neueintreten des byzanti- 
nischen Stiles der äufsere Zierat der Häuser vornehmer und reicher 
wird, an Gesimse, Leisten, Friese Bildnerarbeit gewendet zu 
werden beginnt, und solch reicherer Ausstattung nach aufsen mag 
auch eine nach innen entsprochen haben. Zugleich bedingt das 



VeneziaDischer Profanbaa. 207 

Überhandnehmen der Steinbauien eine erhöhte Bedachtnahme auf 
sorgfältige Fundamentierung. War der weiche Schlammgrund von 
geringer Mächtigkeit, so konnte man das Fundament unmittelbar 
auf den festen Grund stellen ; war jener, wie fast überall, von be- 
deutender Mächtigkeit, dann mufste die fUr Venedig typische 
Fundamentierung in Anwendung kommen: erst die Pilotierung 
mittels der durch die Schlammschichte hindurch in den festen 
Grund eingerammten Holzstämme, gelegentlich, aber selten, auch 
mittels bogen verbundener Steinpfeiler, darüber ein Holzrost mit 
Steinlage und darauf das Fundamentmauerwerk. Mehrmals mufste 
der Grund auch für die Pilotierung erst noch durch Einlagerungen 
von Holz und Stein haltbar gemacht werden. Einen Fortschritt 
bedeutete es dann, wenn in späterer Zeit — etwa im 14. Jahr- 
hundert beim Baue des Dogenpalastes — der von Piloten getragene 
Holzrost nicht blofs örtlich unter den Mauern, sondern unter der 
gesamten Gebäudefläche hin und darüber hinaus angebracht wurde, 
so dafs das ganze Haus gleichsam auf einer übergreifenden Platt- 
form steht; hierdurch wurde der Druck auf die Flächeneinheit 
wesentlich verringert und damit die Tragfähigkeit des Terrains 
erhöht 

Endlich beginnt etwa vom 11. Jahrhundert an ein ungefährer 
architektonischer Typus des Lagunenhauses zweifellos nach byzan- 
tinischem Muster sich vorzubereiten und im 12. Jahrhundert sich 
fertigzubilden: eine Eintrittshalle (introitus), gewöhnlich vom Wasser 
her, wie denn der Kanal nach wie vor der Hauptverbindungsweg 
bleibt, die Landwege (calle) aber meist privaten Zwecken dienen 
und vom Besitzer abgesperrt werden können; ein grofser, viereckiger 
Hof mit Brunnen (puteale, vera), Mühle (farinarium), Backofen 
(furnum) und Küche, und eine meist alle vier Wände entlang in 
das Oberstockwerk führende Freitreppe aus Holz. Unter den gelegent- 
lich heizbaren (stuvis) Gemächern (caminate) — Rauchabzugs- 
kamine sind übrigens vor dem 13. Jahrhundert nicht ausdrücklich 
nachweislich — im ersten Stocke über der Einfahrt ein die Haus- 
einteilung nach innen und später auch nach aufsen beherrschender 
Saal, der charakteristische „portego'' (porticus), für die Spät- 
zeit des 11. Jahrhunderts urkundlich bezeugt FrtLhzeitig sind 
Söller (solaria) üblich (zuerst erwähnt 1038), für die etwas später 



208 Sechstes Kapitel. 

die Benennung Liagö in Brauch kommt, vermutlich nichts anderes 
als die noch jetzt für gewisse venezianische Viertel; etwa Dorso- 
durO; bezeichnende Terrasse auf dem flachen Hausdache (heute 
Altana); ebensowohl zu häuslichen Verrichtungen — zumal zum 
Wäschetrocknen — wie zum Aufenthalte in der Abendkühle 
bestimmt. Sonst waren die Dächer noch durchaus mit Stroh 
gedeckt 

Nirgends war nun der weltlich -privaten Bautätigkeit mehr 
Spielraum gegeben als in der heranwachsenden Hauptstadt, für 
die hinkünftig, wenn auch noch zu Unrecht , der ihr schwerlich 
vor dem 13. Jahrhundert gebührende Name Venedig gebraucht 
sein mag. Hier stand auch das bedeutsamste weltliche Bauwerk 
überhaupt: der Dogenpalast der Orseoler. 

Der grofse Brand von 976 hatte auch das alte, von Angelo 
Parteciaco erbaute Palatium verzehrt; galt diesem doch die eigent- 
liche Absicht der politischen Brandstifter jenes Jahres. Der von 
Doge Pietro Orseolo I. sogleich eingeleitete Neuaufbau wurde erst 
von seinem Sohne vollendet. Der erste Orseoler und sein Nach- 
folger residierten im eigenen Hause. Der Palast erstand als ein 
betürmtes; befestigtes Schlofs — galt es doch hin und wieder einen 
heifsen Auftnhr zu bestehen — und war im Innern wohl aus- 
gestattet mit Kostbarkeiten, die die Bewunderung Ottos UI. erregten 
und die das Chronicon Venetum preist, mit Portalen, reichem Ge- 
stühl und Tafelwerk. Die drei vornehmsten Wahrzeichen von 
Venedig, Kirche, Palast und Turm, waren um das Jahr 1000 an 
ihrem endgültigen Platze bereits fertiggebracht oder doch im 
Bau. Zugleich ist die Gegend von San Marco längst zum politischen 
Zentrum Venedigs und des Seelands überhaupt geworden; hier 
stand das Regierungsgebäude, die immer mehr zur Staatskirche 
heranreifende Dogenkapelle, deren Vorsteher hierselbst die feierliche 
Investitur der Staatsoberhäupter vornahm; auf dem Platze vor 
San Marco fanden feierliche Empfänge auswärtiger Staatsober- 
häupter statt. 

Über das Aussehen dieses Platzes in jener Zeit kann man 
sich nur vermutungsweise äufsem. Wohl möglich, dafs seine 
Längsachse der Fassade von Eorche und Palast entlang lief, er 
sich sohin als eine vielleicht etwas verbreiterte Fortsetzung der 



, . ^L.'*\i. 



Dogenpalast and Markusplatz. S09 

heutigen Piazzetta darstellte. Die Stelle des Uhrturms scheinen 
Anpflanzungen eingenommen zu haben, noch in später Zeit stand 
dort ein alter Holunderbaum. Hinter dem Campanile, etwa in 
oder noch vor der Mitte der heutigen Piazza lief ein Kanal, ein 
Rio di Batario, der an der anderen Seite die alte ELirche S. 
Geminiano schief gegenüber von San Marco und den grolsen, 
wie es scheint umfiriedeten Garten des ELlosters S. Zaccaria be- 
spülte. 

Neben San Marco wahrte sich der Bezirk von Olivolo, seit 
dem 11. Jahrhundert ebenso wie das Bistum immer häu%er Ca- 
stello genannt, bis in die Ereuzzugszeit hinein seinen Rang als 
geistliches Zentrum von Venedig; noch in den Tagen Enrico 
Dandolos führt der Bischof auch den Namen von Rialto wie zum 
Beweise, dafs die alten Eathedralrechte seiner Kirche über alle 
zur Stadt Venedig verschmelzenden Inseln noch aufrecht stünden. 
Erst die dauernde Übersiedelung der Patriarchen in ihren Palast 
bei S. Silvestro hat dann das alte Bistum immer mehr zurück- 
gedrängt und endlich verschwinden machen. 

Wie zwischen diesen beiden, dem politischen und geistlichen 
Zentrum als ein drittes, kommerzielles, das eigentliche Gebiet von 
Rialto zur Geltung kam, wurde schon dargelegt 

Zum Schlüsse : So lebhaft sich auch in diesen Jahrhunderten 
überall in den Lagunen noch eigenständiges Leben rührt und in 
dem Bau oder der Ausstattung der grofsen Dombasiliken den 
imposantesten Ausdruck findet, so sehr namentlich Torcello an 
städtischer Kultur mit Venedig zu wetteifern, ja zeitweise es noch 
zu übertreffen vermag, der W^ einer für die anderen Kommunen 
mörderischen Entwicklung der Hauptstadt zur uneingeschränkten 
Vorherrschaft im Wirtschafts-, Verfassungs- und Kulturleben ist 
einmal beschritten und das endliche, eben angedeutete Ergebnis 
nicht mehr abzuwenden. Aber zur Zeit ist über dem Eindringen 
der neuen Wirtschaftsmomente die ursprtUigliche Frische noch nicht 
verloren gegangen. In die letzten Jahre des Dogen Vitale Falieri 
wetterleuchtet wohl — so scheint es — etwas wie eine soziale 
Revolte hinein ; aber von einer durch das Auftreten des Kapitalis- 
mus bedingten sozialen Zersetzung kann noch keine Rede sein. 
Mit unverbrauchten Kräften vielmehr tritt Venedig in das Zeitalter 

Kretsclmayr, Oeiekiehta von Venedig. 14 



210 SechBtes KapiteL 

der Ejreuzzüge^ wohl wert der bewundernden und fast begeisterten 
Worte aas Feindesmund, in denen es Wilhelm von Apulien prei- 
send rühmt: volkreich und kampfVertraui, gesegnet mit Schätzen 
und voll von tapferen Streitern ; ihre Mauern das Meer und kein 
Weg von Haus zu Haus als den die Barke zieht; kein Volk der 
Welt gewaltiger im Seekrieg und kundiger der Meerfiahrt 



Drittes Buch. 

Venezianische Grofsmachtstellung. 



u» 



Ol Sk rä ri/Atd(pfl doxtTa rofktop JuiQuäCoyTig rä 
(ikv dUd^nvo¥ »al roi/g iyxH/i^vovg ivittokniiovro , xä 
6k iis oUwv xavä xal otvtav xigäOfiata tals kavr&v 
Tf^niCa^ naqiiftiQov ot roO '^vTiXQ^axov nQÖdQo/ÄOi 
»al rShf nQoa6o»ta/Aiva>v navaatßOv n^^eotr ixt(vov 
ngaiTov^cü xal nQoäyyiloi. 

Hik«tM, Hiitorüu 
Alexios Dukas Marzupblos c. 3. 



Siebentes Kapitel. 
Venedig zwischen Stanfem nnd Komnenen. 

Im November 1095 hat auf dem Tage von Clermont Papst 
Urban II. die unübersehbare Menge seiner Zuhörer zum Beschlüsse 
einer grofsen abendländischen Eriegsfahrt gegen die ungläubigen 
Zwingherren des heiligen Grabes fortgerissen. Das gewaltige Schau- 
spiel des ersten Ereuzzuges eröffnete sicL Vom Sommer 1096 ab 
fanden sich immer wachsende Scharen unter französischen, deutschen^ 
normannischen Kapitänen in Eonstantinopel zusammen, von Kaiser 
Alexios mit gutem Anstand und wenig Freude bewillkommt Im 
Frühjahre 1097 trat das Sjreuzheer die schicksalvolle Fahrt in 
Feindesland an, lag im Juni im inneren Klein asien vor Nicäa, 
gewann am 1. Juli bei Doiyläum einen schönen E^olg über die 
leichte Reiterei der Feinde, eroberte nach opferreichen Kämpfen 
im Juni des Folgejahres die mächtige Feste Antiochien. Aber 
schon b^annen die leitenden Gedanken des Unternehmens zu ver- 
sagen. Einzelne Führer, Balduin von Lothringen, Herzog Boe- 
mund, der Sohn des Guiskard, zogen vor, sich in Edessa, in An- 
tiochien eigene weltliche Herrschaften zu errichten. Der Gedanke 
eines fUr den Islam vor allem bedrohlichen Vorstofses auf Bagdad 
oder Kairo wurde, kaum gefafst, wieder aufgegeben. So weit 
aber hielt die Begeisterung doch vor, dafs im Juli 1099 auch 
Jerusalem selbst gewonnen imd Herzog Gottfried von Bouillon zum 
Herrn der heiligen Stadt und Beschützer des heiligen Grabes er- 
hoben werden konnte. 

Eben jetzt hat auch — die letzte unter den italienischen Seestädten 
— Venedig in die morgenländischen Unternehmungen eingegriffen. 
Die Stadt hatte Rücksicht auf ihren sarazenischen Harkt zu nehmen. 



S14 Siebentes EapiteL 

und mufste die Qe£Eihr vermeiden, diesen zu verlieren und bei 
allfiüligem Mifslingen der Kreuzfahrt keinen daftir einzutauschen. 
Aber bald drängte eine andere GeÜEihr um so mehr zur Teilnahme: 
die Konkurrenz von Gtenua und Pisa. 

Die Hauptstationen des italienischen Mittelmeerhandels früherer 
Jahrhunderte; Bari und Amalfi, hatten zu B^;inn der Kreuzzüge 
ihre beherrschende Handelsstellung eingebüTsi Bari sank immer 
mehr zu einem lokalen Markt fUr apulischen Wein und Qetreide 
herab, das stärkere Amalfi hielt dem Ungemach der Normannen- 
not, den unbarmherzigen Feindseligkeiten der Pisaner länger stand ; 
noch im Jahre 1192 unterhielten die Kaufleute der Stadt Quartiere 
in KonstantinopeL Aber die Zeiten, da man, wie ehedem Liut- 
prand, Amalfi in einem Atem mit Venedig nannte, waren lang 
vorüber. Über Bari und Amalfi wuchsen Genua und Pisa zu 
Rividenstädten von Venedig auf. 

Vor dem 11. Jahrhundert wuIste man noch wenig von Pisa. 
Uralt etruskischer Gründung wurde der Ort um 180 v. Chr. zu 
einer römischen Kolonie, sah in den Zeiten der Antoninen glanz- 
volle Tage, kam etwa vom 10. Jahrhundert ab als Handelsplatz 
wieder lebhafter empor. Allein und gemeinsam mit Genua stand 
die noch im 11. Jahrhundert der Gerichtsbarkeit der Markgrafen 
von Tuszien untergeordnete Stadt im Kampfe gegen die Sarazenen 
des Westmittelmeeres, nahm diesen in siegreichen Flottenzügen 
Korsika, die Balearen, Sardinien ab, suchte sie in Palermo, in Kar- 
thago heim. Im Soimpfe der Kaiser und der Päpste stets kaiser- 
treu, von Heinrich IV. mit weitgehenden Freiheiten ausgestattet^ 
war sie um das Jahr 1100 stattlich emporgewachsen, ein Stell- 
dichein aller Nationen, ihr Hafen „gefüllt mit Schiffskolossen '^ Auch 
über der Ent Wickelung von Genua liegt bis ins 11. Jahrhundert 
tiefes Dunkel. Einst ein römisches Emporium in Ligurien, erscheint 
es im 10. und 11. Jahrhundert als eine Markgrafschaft des Reiches, 
in der markgräfliche und bischöfliche Jurisdiktion nebeneinander 
herging, und gewann in den Kämpfen gegen die Ungläubigen nicht 
minderen Ruhm als Pisa. Aber schon vor Anfang der Kreuzzüge 
kam es zu Weiterungen zwischen beiden Städten, die sich dann 
doch wieder zu erfolgreichem Angriff auf die Sarazenen von Nord- 
afrika vereinigten (1087/88). Dann lenkte die neue Bewegung 



Der erste venezianisdie Ereuzzog. S15 

das Interesse aller Handelsstädte nach Osten, nach der Levante 
ab. Erging der Ruf der römischen Kurie um Unterstütssung des 
grofsen Werkes unzweifelhaft auch an die Seestädte, die Inhabe- 
rinnen der Transportflotten, so entsprach diesem Rufe Genua al- 
sogleich, Pisa wenig später. Ihre Schiffe erschienen mit einem 
Male in den Gewässern, die zu be£Eihren die Venezianer als ihr 
Vorrecht anzusehen sich gewöhnt hatten. Gtenuesen halfen 1097 — 
1098 vor Antiochia, erlangten dort akbald eine feste Stellung. 
Nicht anders die Pisaner 1098 — 1099 in Laodicea und Jerusalem 
selbst. Der erste Patriarch der heiligen Stadt war ein Pisaner. 
Unmöglich konnte Venedig tatlos wie bisher zurückbleiben. Dem 
schwachen religiösen Antriebe gesellte sich der stärkere weltliche 
die Furcht vor der kaufmännischen Konkurrenz. 

Proviant- und Transportschiffe nach dem heiligen Lande hatte 
Venedig wohl schon ebensogut entsendet wie andere Städte; aber 
ein Kreuzzugsuntemehmen, wie Genua und Pisa es bereits gewagt, 
wurde erst im Juli 1099 ins Werk gesetzt Der Doge Vitale 
Michielel. (Dezember 1096 — Dezember 1101?) gab vermutlich 
selbst die Anregung zur Ausfahrt einer ansehnlichen Flotte unter 
dem Doppelbefehle seines Sohnes Giovanni und des Bischofs Enrico 
von Olivolo, Sohnes weiland des Dogen Domenico Contarini. Diese 
berührte erst Grado, nahm dann wieder einmal die Städte Dal- 
matiens in Eid und Pflicht, zog die von ihnen vorbereiteten EKlfisi- 
Bchiffe an sich, landete am 28. Oktober auf Rhodos, dem gewöhn- 
lichen Überwinterungsplatz bei Fahrten ins heilige Land. Kurz 
hernach erschienen dort pisanische Schiffe. Der Hafen hätte 
Platz auch für sie geboten. Aber alsbald fielen die Konkurrenten 
übereinander her. Dafs die Venezianer die Gegner aufgefordert 
hätten, als gute Christen vom Kampfe abzustehen, scheint höchstens 
im Hinblick auf die bezeugte IJberlegenheit der feindlichen Flotte 
wahrscheinlich. Ein Seetreffen, das erste zwischen den beiden 
Rivalenstädten, entschied gegen die Pisaner; sie verloren angeblich 
die Hälfte ihrer Schiffe, ihrer 4000 (?) wurden gefangen. Die Sieger 
gaben sie — bezeichnend genug — gegen die Zusage frei, niemals 
Handel nach Griechenland treiben zu wollen (November? 1099). 

Kaiser Alexios sah die italienischen Kaufleute ungern kommen. 
Mit pisanischen Galeeren hatten die Griechen schon im August 



Sl€ Siebentes KapiteL 

einen Straufs bestehen müssen; den Venezianern auf Rhodos gingen 
Drohungen und Schmeicheleien, Vorstellungen und Geschenke zu, 
sie möchten sich zur Heimfahrt entschlielsen. Nicht ohne Wirkung. 
Eine beträchtliche Minderheit zeigte nicht tLbel Lust, das unter- 
nehmen aufzugeben ; der Bischof von Olivolo hatte Mühe, die Leute 
beisammenzuhalten. Am Dreifaltigkeitssonntag (27. Mai) fahr die 
Flotte von Rhodos ab, beraubte im Vorbeifahren die südklein- 
asiatische Stadt Myra ihrer Reliquienschätze, vor allem der Gtebeine 
des heiligen Nikolaus, und landete nach kurzem Aufenthalte auf 
CTpem knapp vor Sommersonnenwende in Jaffa. 

Zu guter Stunde. Bald nach Ostern 1100 war die Pisaner- 
flotte heimgefahren, es herrschte Mangel an Streitern, Geld und 
Lebensmitteln; der Führer selbst, Herzog Gottfried, war schwer 
leidend. So kamen die neuen Helfer doppelt gelegen. Ohne ihr 
Erscheinen, erfuhren sie gleich hier in Jaffa, wäre das heilige 
Land kaum zu halten gewesen. Der Herzog selbst war zu ihrem 
Empfang herbeigekommen. Sie überreichten „wunderbare und 
ungewohnte Geschenke^' und stellten ihre Dienste dem Königreiche 
Jerusalem zur Verfügung. An Stelle des kranken Herzogs, der 
sogleich wieder nach Jerusalem zurückkehrte, fährten dessen Ver- 
treter die Vertragsverhandlungen. Noch stand man mitten in diesen, 
als schlimme Nachrichten über Gottfrieds Befinden einlangten. So 
begaben sich die Führer und vornehmeren Herren der Venezianer 
am 24. Juni nach Jerusalem und wurden dort ehrenvoll empfangen. 
Ihre reichen Spenden fUr das heilige Grab, die Pracht ihrer Kleidung, 
die Güte ihrer Waffen erregten den Neid und die Bewunderung 
der „ Franken ^^ Eine vom Herzog bestätigte Vereinbarung kam 
zustande, unter Bedingungen, wie sie in der Hauptsache für alle 
Verträge der italienischen Seestädte mit KreuzfahrerfUrsten typisch 
sind: die Venezianer erhalten von jeder mit ihrer Hilfe eroberten 
Stadt ein Drittel, in jeder anderen Stadt eine Kirche und einen 
Marktplatz, Freiheit von Abgaben und vom Strandrecht in allen 
christlichen Häfen. Eine Sonderbedingung sicherte ihnen gegen 
Ehrengaben an das heilige Grab den Gesamtbesitz der noch un- 
eroberten Stadt Tripolis zu. DafUr sollten die Venezianer zunächst 
bis zum 15. August Hilfedienste leisten. Strittig blieb noch, ob 
man die bereits begonnene Belagerung von Haifa am Elarmel 



Genua und das Königreich Jenualem. S17 

fortsetzen, die von Akkon beginnen oder endlich beide Unter- 
nehmungen zugleich durchfuhren sollte. Man entschlofs sich zum 
letzten, aber bevor man sich noch ernstlich vor Akkon festgesetzt, 
starb am 18. Juli Herzog Gottfried. Den Streit um seine Nach- 
folge nicht achtend, wandten nunmehr die Venezianer im Bunde 
mit Tankred, dem liedgefeierten Neffen Herzog Boemunds, alle 
Aufmerksamkeit an eine energische Belagerung von Haifa. Etwa 
zu Anfang Oktober 1100 fiel die tapfer verteidigte Stadt, „das 
Haupt und der Stolz alles Heidentums'^ Die Venezianer, deren 
militärische Haltung hierbei nicht einwandfrei gewesen zu sein 
scheint, werden ihr ausbedungenes Drittel wohl erhalten haben; 
wie Genuesen und Pisaner hatten sie nun eine „offene Tür'' in 
Syrien. Übrigens dürften sie diesen Anteil nach der Eroberung 
von Akkon (1104) gröfsten teils gegen dortigen Besitz umgetauscht 
haben. Immerhin konnten sie glauben, ftir die heilige Sache und 
ihren Handelsvorteil genug getan zu haben, zumal ihre Kauf leute 
auch in Antiochien die üblichen Freiheiten erlangt hatten. Die 
Reliquien des heiligen Nikolaus an Bord, kehrte die Flotte, an- 
geblich gerade am Nikolaustage 1100, in die Heimat zurück. 

Jahre vergehen nun, ohne dafs Venedig in den morgenländi- 
schen Angelegenheiten irgendwie hervorträte. König Balduin, der 
Bruder und Nachfolger Herzog Gottfrieds, hat sein Werk der 
Organisation des Königreichs Jerusalem ohne venezianische Unter- 
stützung vollbringen müssen. Um so hilfreicher stand ihm Genua 
zur Seite. Genuesen halfen bei der Eroberung von Arsuf und 
Cäsarea (Mai 1101); ihre Schiffe brachten Djubail (Dezember 
1103) und Akkon (Mai 1104) zu Fall; ein Drittel von Cäsarea 
und Akkon wurde genuesisches Eigen. Fast alle Städte und Burgen, 
deren Besitz eine Landverbindung von Jerusalem hinauf zu den christ- 
lichen Lehnsstaaten Nordsyriens herstellen sollte, wurden mit genu- 
esischer Hilfe gewonnen: Sidon (August 1108), Tripolis (September 
1108), Dschebeleh (Juli 1109), Berytus (Mai 1110). Eine hinter 
dem Hochaltar der Grabeskirche von Jerusalem eingefügte Gold- 
inschrift gedachte in rühmenden Worten der Verdienste von Genua 
um das Königreich und zählte die Freiheiten auf, die ihm dieses 
dankend zugewendet Wie wenig kam hiergegen in Betracht, 
was andere Seestädte unternahmen und erreichten! Höchstens, 



218 Siebentes KapiteL 

dais Pisa die Stadt Tripolis unter seine Einflofssphäre zu bringen 
vermochte. Der Anteil von Marseille ist überhaupt nicht klar- 
gestellt. Leute von Amalfi werden nur einmal zusammen mit 
Venezianern und Pisanem als Belagerer von Sidon im August 1108 
erwähnt Eine venezianische Flotte im Vereine mit Schiffen des 
Norwegerkönigs Sigurd half Sidon im Dezember 1110 zum zweiten 
Male gewinnen ; eine andere hatte, was bemerkenswerter scheint, 
das von Genuesen und Pisanem belagerte Tripolis durch Zufuhr 
von Lebensmitteln unterstützt. Die angebliche Teilnahme der 
Venezianer an der Belagerung von Akkon (1104) und Berjtus 
(11 10) ist eine spätere Erdichtung heimischer Quellen, welche die 
Vorfahren eifriger im Dienste des Herrn erscheinen lassen wollten. 
Immerhin lohnte König Balduin ihre Hilfe vor Sidon durch Über- 
lassung eines später erweiterten Quaiüers in Akkon. 

Es war vor allem der mit den Königen Ungarns geführte 
Kampf um die Behauptung der Stellung in Dalmatien, der in den 
ersten Jahrzehnten der Kreuzzugsbewegung Venedig zwang, sich 
einer grofszügigen Orientpolitik zu versagen. Aber auch eine 
Vorschau auf deren weitere Entwicklung lä&t erkennen, dafs die 
Stadt immer nur gerade so viel ELreuzzugseifer aufgebracht hat 
als nötig schien, die neugewonnenen und von mächtigen Kon- 
kurrenten bedrohten Handelspositionen in der Levante zu halten 
und die syrischen Christenfürsten zur Bestätigung und Erweite- 
rung der errungenen Zugeständnisse zu vermögen. Lebensmittel, 
Waffen und Waren allerart und zwar für Freund und Feind, 
endlich Pilger selbst überzuführen und dabei glänzende Trans- 
portgeschäfte abzuschliefsen, liefs Venedig sich nimmer müde finden. 
Aber mit den Waffen für die syrischen Christenstaaten einzutreten, 
fand man die Stadt von allen Handelskommunen am wenigsten 
bereit. Selbst die gröfstangelegte venezianische Ejreuzfahrt, der 
Zug des Dogen Domenico Morosini (1122 — 1125), grundlegend 
für die Stellung Venedigs im Morgenlande, lief schliefslich auf 
eine Abrechnung mit dem byzantinischen Kaisertum hinaus. Dafs 
nach der Eroberung Edessas durch Imadeddin Zenki (1144) die 
Venezianer 'Hilfstruppen zum Wiederentsatz entsandt hätten, 
berichtet erst eine spätere venezianische Quelle. Am zweiten 
Kreuzzuge hatte Venedig keinen, am dritten nur einen unwesent- 



Yenezianische Ereazzugspolitik. 819 

liehen Anteil. Vielmehr erfreute etwa Doge Sebastiano Ziani 
(1172—1178) sich des .yfestesten Friedens'' mit den Sultanen von 
Bagdad und Ägypten. Nur im Jahre 1183 hat die Stadt zugleich 
mit den anderen italienischen Seestädten ein Kontingent gegen 
Sultan Saladin gestellt; aber von grofsen Taten desselben ist nichts 
bekannt Und als im Jahre 1202 die venezianischen Kaufherren 
an die Spitze der grofsen internationalen Unternehmung des vierten 
Kreuzzuges traten, fand dieser, wie jedermann weifs, sein Ende vor 
der griechischen Hauptstadt. Die Aufmerksamkeit venezianischer 
Staatskunst haftete an der Ausbildung einer Vorherrschaft in der 
Adria und noch mehr an der Wahrung der Ausnahmestellung im 
griechischen Reiche. So war fär Kreuzzugsinteressen wenig Platz. 
Überdies woUte man doch auch den blühenden Handel mit den 
Ungläubigen nicht gef&hrden. 



Sechs Jahre nach der ungarischen Besitzergreifring Kroatiens 
schrieb der Arpade König Kolomann an den Dogen Vitale Michiele: 
er woUe mit ihm, dem Herzog von Venetieo, Dahnatien und Kro- 
atien und seinem Adel in einträchtiger Freundschaft leben und 
weder er noch einer seiner Leute würden ihn und die Seinen, die 
dem Dogat unterworfenen Städte und gehorsamenden Untertanen 
irgendwie beunruhigen ; so sei es beschlossen und vereinbart. Aber, 
fugt er hinzu, es sei ihm doch zweifelhaft, mit welchem Rechte 
sich der Doge Herzog von Dalmatien und Kroatien nenne imd 
er müsse um ihrer Freundschaft willen wünschen, dafs durch eine 
gehörige Prüfung jedes Bedenken hierüber zerstreut werde (1097). 
Der ungarisch -venezianische Interessenkonflikt wird, wenn auch 
in verbindlichster Form, gewissermafsen tastend, aber doch deut- 
lich erkennbar zum Ausdruck gebracht. Die im ersten Teile des 
Briefes ausgesprochene Anerkennung der Hoheitsrechte des Dogates 
über die „unterworfenen ^% also auch über die zurzeit venezia- 
nischen Städte Dalmatiens wird im zweiten Teile wieder halb 
zurückgenommen. Wenige Jahre darauf setzte sich, wie nicht 
anders zu erwarten war, der Gegensatz zwischen Venedig und 



280 Siebentes KapiteL 

Ungarn zu offener kriegerischer Verwickelung um. König Eolo- 
mann brachte im Jahre 1102 die Erwerbung von Kroatien zum Ab- 
Bchlufs und begann im Jahre 1103 Feindseligkeiten mit der klaren 
Absicht, wie vordem Kroatien^ so nunmehr auch Dalmatien an die 
ungarische Krone zu bringen. Dandolo klagt ihn dafür nicht 
ohne Berechtigung des Vertragsbruches an. Die spätere Über- 
lieferung freilich, es sei damals ein Kriegsbündnis der beiden Mächte 
gegen die Normannen zustande gekommen und demgemäfs die 
Küste Apuliens in dreimonatlicher Verheerung durch eine mit 
ungarischen Soldaten bemannte Venezianerflotte heimgesucht worden, 
bedürfte noch sehr einer einwandfreien Bestätigung. Aber es ist 
doch durchaus gegen den Sinn der im Briefe von 1097 gemachten 
Zusicherungen, wenn nunmehr venezianische Städte Dalmatiens 
zur Ergebung an Ungarn vermocht wurden. Eben in jenem Jahre 
1097 hatte sich noch die eine und andere derselben — nachweis- 
bar Spalato, wahrscheinlich auch Trau — zur Stellung von Hilfs- 
schiffen an Venedig verpflichtet Jetzt wurden sie der Reihe nach 
zu ungarischen Städten gemacht: wohl zuerst Spalato (1103?), 
hernach Zara, dann Trau (1108); im Jahre 1111 sind selbst die 
aUzeit venedigfrommen Inseln Arbe, Veglia und Ossero-Cherso unga- 
risch. Das arpadische Königtum war in siegreichem Vordringen zur 
Adria begriffen. Noch mögen die Klagen Dandolos über den 
Vertragsbruch Kolomanns, den, wie einst Kaiser Otto II., ein gött- 
liches Qericht ob seiner Übeltaten an Venedig gefällt haben soll, 
der erbitterten Stimmung verspäteten Ausdruck geben, die damals 
in Venedig herrschte. Die Stadt war nach allen Seiten in An- 
spruch genommen. Sie mufste, wenn schon ohne Nachdruck, so 
doch mit Aufmerksamkeit die orientalischen Dinge verfolgen. Sie 
war den griechischen Verträgen gemäfs verpflichtet, im Dezember 
1108 mit einer Flotte für die durch Herzog Boemund gefährdete 
Integrität des byzantinischen Reiches einzutreten, und mufste 
doch mit Mifsvergnügen den wachsenden Einflufs der Pisaner 
am Qoldenen Hom wahrnehmen. Sie war überdies in Streitig- 
keiten auf dem italienischen Festlande verwickelt Im Herbste (?) 
1101 hatte sie mit gutem Bedacht der „grofsen Markgräfin '^ 
Mathilde ihre Hilfe gegen Ferrara geliehen und dafür allem An- 
scheine nach ebendort Handelsrechte gewonnen. Was Pietro 



Doge Ordelafo Falieri. SSI 

Candiano IV. einst versucht, wurde jetzt mit besserem Glück 
wiederholt; die Rivalin am Po wurde geschädigt, noch dazu ohne 
eigene Kosten. Kurz darauf ist Doge Vitale Michiele gestorben 
und wurde gleich seinem Vorgänger im Atrium von San Marco 
bestattet Des letzteren Sohn Ordelafo Falieri (Ordelaf Faledro, 
Dezember? 1101 — Frühjahr? 1118) wurde zum Dogen gewählt 
Die Wirren auf dem Festlande dauerten fort Im Mai 1107 wurde 
das Erlöster S. Ilario von dem Bischöfe Qotpul von Treviso verwüstet 
Zugleich kam es zu Konflikten mit der Stadt Padua, die sich 
durch venezianische Regulierungsarbeiten an der Brenta nicht mit 
Unrecht beeinträchtigt fühlte, und mit Ravenna. Auch die Mark- 
grafen von Este scheinen in den Kreis dieser Irrungen gezogen 
worden zu sein. Von den anderen Nachbarstädten schlofs wenigstens 
Verona einen Hilfs- und Handebvertrag mit Venedig ab. Im 
Oktober begann der Kampf mit Padua neuerlich und führte zu 
einer regelrechten Flufsschlacht an der unteren Brenta — angeb- 
lich bei Bebbe in der südlichen Lagune — ; wobei die Venezianer 
siegreich blieben und 507 Gefangene gemacht haben sollen. Ob 
diesen Auseinandersetzungen dann wirklich — wie behauptet 
wird — ein Machtwort Kaiser Heinrichs V. Einhalt geboten hat, 
lälst sich nicht erweisen. Jedenfalls verstand sich der Kaiser ohne 
Schwierigkeit zur Erneuerung des Paktums (20. Mai 1111), und 
die aus früheren Vorlagen übernommene Bestimmung desselben, 
es solle bei den seit dreifsig Jahren hergebrachten Grenzen ver- 
bleiben, könnte um so mehr als eine Zurückweisung der Ansprüche 
der oberitalienischen Bischöfe und Kommunen gedeutet werden, 
als sie sich auch in den ungefähr gleichzeitig erlassenen Präzepten 
für S. Cipriano di Murano und S. Ilario wiederfindet. 

Nicht blofs von aufsen her wurde in diesen Jahren Venedig 
mannigfach bedroht, sondern auch im Innern von schweren Unglücks- 
fäUen heimgesucht Überflutungen und Meeresstürme machten es 
unmöglich, die alte Stadt Malamocco weiter zu bewohnen; im 
Jahre 1110 scheint eine grofse Springflut sie vollends zerstört zu 
haben. Das von Doge Vitale Michiele begründete Kloster S. Cipriano 
auf dem dortigen Lido wurde nach kurzem Bestände im Jahre 
1108 nach Murano, das Bistum am 10. April 1110 nach Chioggia 
übertragen. Dem Meere abgewandt, an der heuti^iL St^iäSi^^ ^xVis^ 



238 Siebentes Eapitd. 

sieb, einer bescheidenen Zukunft entgegen, der neue Ort Malamocco. 
Nicht gleichmütig mag man im Seelande den Untergang der alten 
Kapitale miterlebt haben. Aber auch die neue blieb nicht ver- 
schont Zweimal innerhalb eines Vierteljahres — im Januar und 
April 1105 oder 1106 — wurde Rialto - Venedig durch ver- 
heerende Brände verwüstet Namentlich die zweite Feuersbrunst 
wütete furchtbar in der noch immer grofsenteils hölzernen Stadt 
Übertreibend will eine Meldung nur San Marco und das Palatium 
aus den Gluten gerettet wissen. Und damit kein Ende der Prü- 
fungen: am 3. Januar 1117 ein neues Erdbeben mit erschrecken- 
den Himmelserscheinungen; viele Kirchen stürzten ein, Türme, 
Häuser, alte und neue Bauten. Kaum ein Jahr ohne Krieg oder 
Unheil. So wird verständlich, wenn Venedig den ungarischen 
Vorstofs nach Dalmatien fast widerstandlos geschehen lassen mufste. 
Doge Ordelafo Falieri mu(ste sich zunächst bescheidMi,' das mög- 
lichste zur Hebung der Widerstandskraft der Stadt zu tun. Sein 
Vorgänger hatte die Hafeneinfahrt von S. Nicol6 neu befestigen 
lassen (1101); Ordelafo ist der Gründer des venezianischen Ar- 
senab (1104). 

Mitten in allem Ungemach, bald auf dem Festlande, bald vor 
Durazzo, bald in Syrien beschäftigt, hielt Venedig unerschütterlich 
an dem Gedanken der Wiedergewinnung des entfremdeten Dal- 
matien fest; zehn Jahre, versichert Dandolo, habe der Doge dar- 
über nachgedacht Im Jahre 1112 ging Patriarch Johannes 
Gradenigo in diplomatischer Sendung an E^aiser Alexios ab. Den 
Inhalt seiner Mission gibt Dandolo dahin an, daüs Ordelafo ein 
Bündnis zur gemeinsamen Wiedereroberung Dalmatiens angesucht, 
der Kaiser aber — es sieht ihm ähnlich — die Sache, ohne Zu- 
sagen zu geben, hinausgeschoben habe. Auch der guten Gesinnungen 
Kaber Heinrichs V. glaubte man sich wohl sicher. Zudem starb 
im Februar 1114 König Kolomann, und sein Nachfolger Stephan H. 
war ein dreizehnjähriger Knabe. So begann Venedig, wie es 
scheint, in grofsem Stile zu rüsten. Die vor Konstantinopel liegende 
Flotte wurde zurückberufen und nahm — wie das nun der Zug 
der Zeit ist — die Reliquien des Erzmartyrers Stephanus räube- 
risch mit sich fort Im August 1115 b^ann der erste in der 
langen Reihe der Kriege zwischen Ungarn und Venedig. Er liefe 



Erste Kriege zwischen Ungarn und Venedig. 83S 

sich recht glücklich an. Noch im August fiel die Stadt Zara 
an Venedig zurück, im Juni 1116 nach siegreicher Abwehr eines 
ungarischen Entsatzheeres auch die dortige Burg, dazu Belgrado 
(Zara vecchia), Spalato, Trau und das für uneinnehmbar ge- 
haltene Sebenico. Die Stadt erfreute sich hierbeii wenn nicht der 
werktägigen, so doch der moralischen Unterstützung der beiden 
Kaiser des Ostens und Westens. Alexios I. konnte die Zurück- 
drängung des ungarischen Einflusses nur erwünscht sein, wenn er 
auch selbst sich nicht unmittelbar darum bemühen wollte. Hein- 
rich V. kam auf seinem zweiten Römerzuge im März 1116 nach 
Venedig, wie einst sein Vater in politischer Absicht, wohl um von 
dort aus den Unionsbestrebungen der römischen Kirche in Byzanz 
entgegenzuarbeiten. Er besuchte die Heiligtümer der Stadt, ur- 
kundete fiir die Klöster S. Zaccaria und S. Qiorgio und mag 
den Venezianern Hilfszusagen gemacht, vielleicht auch die folgende 
Heerfahrt nach Dalmatien tatsächlich gefördert haben. Sie fand 
im Frühjahr 1118 statt und sollte wohl einem erneuten Angriff 
der Ungarn auf Zara begegnen. Auf dem Wege hinüber empfing der 
Doge die Abgeordneten der Stadt Arbe, die gegen Anerkennung 
ihrer von den Griechen und König Kolomann hergebrachten 
Rechte — vornehmlich zur Wahl eines Comes gegen obrigkeitliche 
Bestätigung — sich wieder seiner Herrschaft unterwarf. Aber 
vor Zara erlitt das venezianische Landheer eine Niederlage, der 
Doge selbst „beschlofs'^ auf dem Schlachtfelde „glorreich seine 
Tage'^ Die Leiche, erst in den Mauern von Zara geborgen, 
wurde später nach Venedig überfUhrt und im Atrium von San 
Marco beigesetzt Weder von seinem noch seines Vorgängers 
Ghrabe ist heute eine Spur bekannt. Ein im Auftrage des neu- 
gewählten Dogen vollzogener rascher Friedensschlufs konnte den 
Verlust des kaum wiedergewonnenen Besitzes in Dalmatien zu- 
nächst noch aufhalten. Aber bald genug gewann König Stephan H. 
Trau und Spalato (spätestens 1124). Nur Zara und vielleicht 
noch die Inseln im Quamero, Arbe, V^lia und Ossero-Cherso ver- 
blieben bei Venedig. 

Es war kein leichtes Erbe, das Doge Domenico Michiele 
(Frühjahr? 1118 — Frühjahr? 1130) von seinem tapferen Vor- 
gänger übernahm. In Byzanz folgte im Todesjalue OtdiJbS»^ v^ 



2S4 Siebentes Kapitel. 

Kaiser AlexioB sein Sohn Johannes Komnenos. Er weigerte die 
Bestätigung des Chrysobullons, begegnete den Venezianern inner- 
halb der Reichsgrenzen überall feindselig, trat angeblich selbst in 
Bündnb mit dem König von Ungarn. Wohl möglich , dals 
Stephan U. sich gerade diese Beziehungen zu seinem erneuten 
Vorgehen gegen die Venezianerstädte in Dalmatien zunutze ge- 
macht hat Im Morgenlande starb £Etst zur selben Zeit (April 1118) 
der gewaltige König Balduin I. , der ,; zweite Judas Makkabäus^^ 
Bedi*ohlicher denn je drängte der Islam vornehmlich von Ägypten 
aus gegen Syrien heran. Hilferufend wandten sich der neue 
König Balduin II. und die Kirchenfärsten von Jerusalem und 
Antiochien an die italienischen Stadtrepubliken: Venedig, Pisa, 
Oenua. Nachdrücklich wurde ihr Ansuchen vom römischen Papste 
unterstützt Domenico Michiele sah die Stellung Venedigs in 
Dalmatien, vor allem in Griechenland und in der Levante er- 
schüttert. Griff die Stadt im heiligen Lande und in Byzanz nicht 
ein, so war es klar, dafs sie dort und vielleicht auch hier der 
Konkurrenz von Pisa und Genua werde erli^^en müssen. Die 
Entscheidung wurde dadurch erleichtert, dafs König Balduin zu- 
gleich mit seinen Hilfswerbungen sehr bestimmte und reale Ver- 
sprechungen abgeben liefs. So rief denn der Doge selbst in San 
Marco sein Volk zum Kreuzzug auf Er tat es in der wohl- 
erwogenen Absicht, damit eine kräftige Abrechnung vor allem mit 
den Griechen zu verbinden. Und wohl möglich, dals sich zu 
diesen Erwägungen persönlicher Ehrgeiz gesellte. Wenn bei einem 
erfolgreichen Vordringen in Griechenland und im Oriente aus- 
schliefslich der Dogat die Verfügung über die gemachten £Ir- 
oberungen gewann, wie denn die Urkunden aus jener Zeit nichts 
anderes vermuten lassen, so war es vielleicht noch einmal möglich, 
auf solcher Grundlage in die vor hundert Jahren aufgegebene 
Politik der alten Ebrbdogengeschlechter zurückzulenken. Es fehlt 
nicht an Anzeichen, dals Domenico Michiele, bereits in vor- 
gerückten Jahren, solchen Gedanken zugänglich gewesen ist Zwar 
nicht einer seiner Söhne, aber doch sein Schwiegersohn wurde sein 
Nachfolger. 

Am 8. August 1122 lichtete eine stattliche Flotte in Venedig 
die Anker. Wohl über hundert Kriegsschiffe, ebensoviele Last- 



Der Ereuzzug Domenico Michieles. 285 

fahrzeuge, etwa 15000 Mann an Bord. Der Doge, dem der Papst 
ein Banner mit dem Bilde des heiligen Petrus hatte zugehen 
lassen, führte persönlich den Oberbefehl; seine Söhne Leachino 
und Domenico blieben als y,Vizedogen'^ zurück. Die Flotte lan- 
dete in Bari, den Bewohnern der Stadt wurde in einem Schutz- 
vertrage Sicherheit der Person und Habe auf venezianischem Boden 
und für jede von einem Venezianer ihnen zugefugte Gewalttat 
Genugtuung binnen vierzehn Tagen zugesichert Eine erste, frei- 
lich recht inhaltlose Handelsübereinkunft mit einer italienischen 
Seestadt, in deren Abschlufs sich zugleich die Überwindung der 
früheren Nebenbuhlerin und die alte venezianische Feindschaft 
gegen die Normannen aussprach; denn Bari stand gegen diese 
seine Oberherren. Man ist überrascht, die grofse Flotte hernach 
monatelang vor Korfu bleiben zu sehen, wohl weil unter dem 
Verwände einer Überwinterung eine Eroberung der griechischen 
Insel versucht wurde, aber nicht gelang und sich dabei schliefs- 
lich in der Tat die Notwendigkeit ergab, hier das kommende 
Frühjahr abzuwarten. Erneute dringende Hilferufe aus dem Osten 
— der König sei gefangen, Jaffii enge belagert — beschleunigten 
die Abfahrt. Die griechische Küste entlang und hernach von Insel 
zu Insel segelnd, kam die Flotte etwa Mitte Mai 1123 nach 
Cypern und landete in den letzten Tagen des Monats in Akkon. 
Längst hatte man sie erwartet; nun wurde der Tag ihrer Ankunft 
um so mehr zum Freudenfeste, als es gleichzeitig — am 29. Mai — 
gelang, Jaffa zu Lande zu entsetzen. Daraufhin zog auch die 
ägyptische Flotte, die Jaffa zur See umschlossen hatte, nach Süden 
ab. Augenblicklich wurde der Doge benachrichtigt und zur Ver- 
folgung aufgefordert Er traf sogleich seine Mafsnahmen, teilte 
die Flotte; die kleinere Hälfte sollte auf das hohe Meer hinaus- 
fahren und wie von ungefähr aus Cypem heransegelnd den Feind 
zum Kampfe anlocken, die Hauptmacht sich entlang der Küste in 
dessen Flanke vorschieben und ihn hernach anfallen. Der Plan 
glückte. Am 30. Mai wurden die Ägypter vor Askalon voll- 
ständig geschlagen; weithin war das Meer vom Blute der Er- 
schlagenen gerötet. Die Sieger, südwärts fahrend, nahmen noch 
bei El Arisch zehn mit Bauholz, Tuch und Seide beladene saraze- 
nische Frachtschiffe weg und kamen in den ersten J\SL\i\\:^:gsQL t^^^s^ 

Krettehrnzfr, Oeacblebte ron Venedig. ^^ 



286 Siebentes Kapitel. 

Akkon zurück. Dort bewIUkommten sie glückwünschend und 
danksagend die Gesandten der Reichsregierung — König Balduin IL 
lag seit dem 18. April in der Haft des Emirs von Haleb — und 
luden den Dogen und seine Vornehmen nach Jerusalem. Domenico 
Michiele erklärte seine Bereitwilligkeit; bei der Eroberung einer 
christlichen Stadt mitzuwirken, aber Monate hindurch konnte man 
sich auf diese Stadt nicht einigen. Man schwankte zwischen Tyrus 
und Askalon. Von den kleineren lokalen Interessen abgesehen, 
wird der Reichsregierung wohl der Fall der nahen Feste Askalon, 
dieses vorgeschobenen Bollwerkes des ägyptischen Islams, am Herzen 
gelegen haben, den Venezianern mehr um den Gewinn der un- 
vergleichlich günstig gelegenen Stadt Tyrus zu tun gewesen sein. 
Hierfür entschied schliefslich das Los. Wie ehedem vor Haifa, 
liefsen sich auch diesmal die Venezianer eine Reihe von Rechten 
auf Grundlage der Versprechungen sicherstellen, die König Balduin 
dem Dogen schriftlich und durch seine Gesandten mündlich noch 
in Venedig gemacht hatte. In feierlicher Zusammenkunft in der 
Grabeskirche von Akkon sagten im Namen des Königs Patriarch 
Warmund, Reichsverweser Wilhelm von Bures und Kanzler Pa- 
ganus den Venezianern vertragsmäfsig zu: sie sollen von der zu 
erobernden Stadt und Umgebung — sei es nun Tyrus oder Aska- 
lon — das übliche Drittel erhalten, in Jerusalem auf dem Markt- 
platze Eigenbesitz vom Umfange des königlichen, in Akkon eine 
Erweiterung des ihnen ehedem von König Balduin zugewiesenen 
Quartieres, in allen Städten des Königreiches steuerfrei eine Kirche, 
Quartier, einen Bauplatz, Backofen und ein Bad, endlich eigene 
Gerichtsbarkeit, vollständige Abgabenfreiheit bei Handelsgeschäften 
und Freiheit vom Strandrecht wie anderwärts geniefsen. Der König, 
einmal befreit, sollte den Vertrag bestätigen und hat dies am 2. Mai 
1125 auch getan; immerhin mit einigen Einschränkungen, vor 
allem gegen die ausdrückliche, vielleicht auch beurkundete Ver- 
pflichtung Venedigs zu militärischer Hilfeleistung. 

Am 20. Januar 1124 begann, nachdem man in Jerusalem 
das Weihnachtsfest gefeiert, Abmarsch und Abfahrt der Belagerer 
nach Tyrus. Am 16. Februar war die Umschliefsung der Stadt 
zu See und Land vollendet. Das Unternehmen war kein geringes. 
Die mit Wasser wohl versorgte Inselstadt, mit dem Festlande nur 



Belagerang von Tyrns. 2S7 

durch einen schmalen Damm verbunden^ durch doppelte und drei- 
fache Mauern geschützt, mit ihrem durch Türme und Ketten wohl- 
verwahrten Hafen schien noch die alte unbezwingliche Festung, 
die einst ein halbes Jahr dem grofsen Alexander, mehr als doppelt 
so lange der bewährten Belagerungskunst des Antigonos stand- 
gehalten hatte. Wohlhabend durch Handel und heimische In- 
dustrie, die Stadt der Zuckersiedereien und weltberühmten Glas- 
fabriken, mit sauber gehaltenen Strafsenzügen, viektöckigen Häusern, 
sorglich gepflegten Gärten, überdies der Zufluchtsort der aus 
Akkon, Sidon und anderen Städten entflohenen reichen Moslimen, 
konnte sie als das vornehmste Emporium des Landes gelten. Ihre 
Belagerung war fUr Freund und Feind ein denkwürdiges Ereignis, 
dessen Geschichte schon im folgenden Jahrhundert und dann immer 
mehr mit unhistorischen Zutaten umkleidet wurde. NamentUch 
geschäftig war auch hier wieder die venezianische ÜberUeferung, 
augenscheinlich bemüht, die Gestalt des Dogen in den Mittelpunkt 
aller Geschehnisse zu rücken. Zwischen den Belagerern sollte nicht 
die beste Eintracht obgewaltet haben, die Venezianer seien immer 
verdächtig gewesen, als wollten sie einmal in Nacht und Nebel 
auf und davon fahren. Der Doge hätte darum die Segel und 
andere Schiffisbestandteile den Verbündeten als Pfand überantworten 
lassen, wie solches die Hafenbeamten der Sarazenenstädte von 
den italienischen Kauifahrern zu verlangen pflegten. Anderseits 
heilst es wieder, die Venezianer hätten 100000 Goldstücke fUr 
Kriegszwecke vorgestreckt; der Doge habe, als es später an Geld 
für die Löhnungen fehlte, Geldmünzen aus Leder schlagen lassen, 
ein Auskunftsmittel, das übrigens nicht ungebräuchlich war. Diese 
Ledermünzen, wird fabuliert, hätten „ Michelati '^ geheifsen und 
auf diese Weise sei der Dukaten in das Wappen der Michiele 
gekommen. In Wirklichkeit waren die Michelati griechische 
Münzen aus der Zeit des Kaisers Michael VII. Dukas. Ja sogar 
zum König hätten die Belagerer den Dogen ausrufen wollen und 
ihm und seinen Leuten zwei statt des vereinbarten einen Stadt- 
drittels angeboten, diese sich aber mit dem bescheiden zu wollen 
erklärt, was ihnen vertragsgemäfs zukäme. Nach den Berichten 
der glaubwürdigen Quellen haben sich die Ereignisse vor Tjrus 
minder romanhaft abgespielt. Ein Entsatzverauch d^ Ejo^k^ ^^\^ 



228 Siebentes Kapitel. 

Damaskus; Togtekin, zu Lande kam so wenig zur Ausführung wie 
einer zur See von Ägypten her. Umsonst fuhr der Doge sechs 
Meilen südwärts, dem Feinde ein Treffen zu liefern; dieser war 
schon wieder umgekehrt. Gleichwohl verteidigte die Stadt sich 
zähO; und die Belagerungsmaschinen der Verbündeten waren wenig 
wert. Es gab niemanden im Heere, der die Steinschleudertechnik 
beherrscht hätte; man mufste sich hierfür einen armenischen In- 
genieur aus Antiochien verschreiben. Endlich, doch nur durch Hunger 
gezwungen, fiel die Stadt am 7. Juli 1124. Auf dem Stadttore 
wurde das königliche Banner, am „grünen Turm'' die Fahne von 
San Marco, am Tanariasturme die der Grafen von Tripolis aui- 
gesteckt. Die bald nachher eintreffende Nachricht von der Be- 
freiung des Königs machte den Erfolg vollständig. Im Südostteile 
des heutigen Sur (Tjrus) sind noch die Reste des alten Venezianer- 
drittels zu erkennen. Noch zeugen die Trümmer von der Pracht 
der Kirche, die Venedig hier seinem vornehmsten Heiligen erbaute. 
Den Felsblock, auf dem nach frommer Überlieferung einstmals 
der Herr gepredigt, brachten die Venezianer als heilige Trophäe 
in die Heimat und wiesen ihm den Platz als Altartisch der Tauf- 
kapelle von San Marco an. So war durch das Privileg von 
1123/1125 und die Eroberung von Tyrus für die venezianische 
Handelspolitik im Morgenlande erst die rechte Grundlage gewonnen 
und Venedig konnte sich der Rivalität von Genua und Pisa 
gegenüber wohl gewaffnet fUhlen. Eine wahrhaft christliche Politik 
würde freilich jetzt erst recht zum Angriff auf den vorderasiatischen 
Islam, zumal auf Damaskus vorgegangen sein. Das aber war 
nicht die Meinung Domenico Michieles und seiner Herren. Noch 
im Sommer 1124 verliefs die venezianische Flotte die Küste von 
Syrien. Noch war die Auseinandersetzung mit Griechenland zu 
pflegen. 

In Byzanz hatte man eine Ahnung von dem, was bevorstand. 
Ein Auftrag erging, keinen in Konstantinopel weilenden Vene- 
zianer abreisen zu lassen. Man wollte sich ihrer als Geisel ver- 
sichern. Sogleich auf Rhodos, wo die Flotte etwa im Oktober 
anlegte, kam es zu Feindseligkeiten; die Einwohner sollen mit 
der Lieferung von Lebensmitteln Schwierigkeiten gemacht haben. 
So begann der Kriegszug des Dogen gegen Kaiser Johannes, der 



Domenico Miclüele gegen Byzanz und Ungarn. S29 

um 80 fester bei seiner Weigerung, das Chrysobull zu erneuern, 
verblieb; als er sich hierin eines Sinnes wufste mit der übergrofsen 
Mehrheit seiner Untertanen. Zugleich ein Drohkrieg und ein 
Rachekrieg. Rhodos und Chios, wo man überwinterte und die 
Reliquien des heiligen Isidorus an sich nahm, Kos, Sanios und 
Lesbos, endlich Andros und das reiche Modon auf Morea wurden 
verwüstet, die Mauern der Städte gebrochen, die Bevölkerung 
beraubt und mifshandelt, das Vieh in hellen Scharen auf die Schiffe 
getrieben. Der Kaiser bezahlte, so gut er konnte, mit gleicher 
Münze. Ciu'isten gegen Christen; ein trauriges Schauspiel an- 
gesichts der Seldschukennot ! Im Frühsommer 1125 fuhr die 
Flotte in die Adria ein, landete am 15. Mai in Dulcigno. Der 
Doge nahm den Ungarn die Städte Spalato, Trau und Belgrado 
wieder ab, liefs das oftmals abgefallene Belgrado bis auf den 
Grund zerstören. Manche andere Stadt, deren Name nicht ge- 
nannt ist, wurde gleichfalls erobert, viele ungarische und dalma- 
tinische Edle gefangen abgeführt. Glorreicher Sieger auf drei Kriegs- 
schauplätzen kam Domenico Michiele im Juni 1125 nach Venedig 
zurück, fortab eine grofse Gestalt in der vaterländischen Geschichte. 
Noch aber war der vornehmste Kampf, der mit Griechenland, 
nicht ausgetragen. Drei Jahre waren schon die Handelsbeziehungen 
mit dem Ostreiche unterbunden, und noch schien kein Ende der 
Wirren. Der Doge liefs im Jahre 1126 Schiffe zur Wegnahme 
von Kephallenia rüsten, und die Erbitterung der Venezianer gegen 
die Griechen fand einen für unser Empfinden etwas grotesken 
Ausdruck in dem Entschlüsse, das Antlitz nicht mehr wie bisher 
nach Griechenart vollbärtig, sondern dem überwiegenden Brauche 
im Abendlande folgend glatt zu tragen. Endlich mufste der Kaiser 
sich doch zur Nachgiebigkeit entschliefsen. In geheimer Verhandlung, 
wohl unter Einfiufsnahme des Papstes Honorius IL, dessen Ver- 
mittel ung Johannes mit Hinweis auf die niemals ganz unter- 
brochenen Unionsbestrebungen seines Hauses angesucht und ge- 
wonnen hatte, wurde die Erneuerung der Verträge mit Venedig 
vereinbart und im August 1126 beurkundet, die Abgabenfreiheit 
nunmehr auch auf die mit den Venezianern unmittelbar handeln- 
den griechischen Reichsuntertanen ausgedehnt. Aller Widerstand 
gegen die kommerzielle Bevormundung durch Venedig war ver- 



SSO Siebentes Kapitel 

gebens geblieben. Ohne Ejiegeflotte wehrlos zur See^ mufste das 
Reich sein wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht für die Ge- 
währung der notwendigen militärischen Hilfe an eine fremde Macht 
dahingehen. Aber auch Domenico Michiele wurde seiner Siege 
nicht völlig froh. Ein abermaliges Vordringen der Ungarn be- 
schränkte in den Jahren 1127 — 1128 die venezianische Einflufs- 
sphäre wieder auf das norddalmatinische Küsten- und Inselgebiet 
von Zara, Arbe, Veglia und Ossero-Cherso. Und von Süden her 
erhob sich, seit 1127 der Neffe des Quiskard, Herzog Roger von 
Sizilien, Herr des normannischen Gesamtreichs geworden war, aufs 
neue die alte Gefahr. Nicht ohne Sorgen sah man in die Zukunft 
Da starb der alte Doge im Frühjahre 1130 im Kloster S. Giorgio, 
wohin er sich wenige Tage vor seinem Tode kränkelnd und lebens- 
müde zurückgezogen; dort wurde er auch bestattet. Die hohe 
Stellung, die seine Taten ihm gegründet, vielleicht auch noch per- 
sönliche Bemühungen des Verstorbenen bewirkten, dafs der Dogat 
in weiblicher Linie seinem Hause verblieb. Sein Schwiegersohn 
Pietro Polani wurde zum Dogen gewählt (Frühjahr? 1130 
bis Sommer? 1148). 



Am Weihnachtstage 1130 liefs Herzog Roger sich in Palermo 
zum König der Normannen krönen. Auf Jahrzehnte hinaus trat 
damit deren süditalisches Reich in den Vordergrund aller Inter- 
essen im Mittelmeere. Ihm gegenüber wurden Griechenland 
und Venedig nach allem Hafs der vergangenen Jahre wiederum 
wie dereinst zu Bündnis und Abwehr zusammengezwungen. Da- 
bei entstand ihnen ein unerwarteter Helfer in Kaiser Lothar HI. 
Dieser wollte die starke Stellung, die er in seinen letzten Jahren 
innehatte, im Einverständnisse mit dem Papste Innozenz II. — 
König Roger war die Stütze des Gegenpapstes Anaklet — zur 
nachdrücklichen Auffrischung der alten Reichsrechte auf Unter- 
italien nützen. Schon im Jahre 1134 plante er, der Gefolgschaft 
von Pisa und Genua sicher, einen Schlag gegen die Normannen. 
Man erwartete auch von Venedig, dafs es sich zu einem Zusammen- 
wirken mit den Feindesstädten verstehen werde. Aber erst ein 



Dog« Pietro Polani. SSI 

Jahr darauf erschienen im April 1135 auf dem Reichstage zu 
Merseburg Gesandte des Kaisers Johannes und des Dogen Polani 
und führten heftige Klage gegen den „Grafen Roger von Sizilien '', 
der dem Griechenkaiser mit Hilfe der Heiden Afrika, ,,den dritten 
Teil der Welt'^ entrungen, sich das königliche Diadem angemafst, 
venezianische Schiffe um die ungeheure — wohl übertriebene — 
Summe von 40000 Talenten geplündert, dem römisch -deutschen 
Reiche aber das Südland Italiens entfremdet habe. Dem Heere, 
das gegen ihn ziehe, wollten beide Mächte Schiffe, Truppen, vor 
allem Gelder überweisen, soviel man nur wolle. Nichts konnte 
dem Kaiser gelegener kommen; er beeilte sich, eine Gegengesandt- 
schafl über Venedig nach Konstantinopel zu senden, Bernhard von 
Clairvaux behob mit der Gewalt seines Wortes im Frühjahre 1136 
die Streitigkeiten der Städte Genua und Pisa. Im Herbste darauf 
erschien Lothar in Oberitalien, bestätigte am 3. Oktober vor 
Guastalla die venezianischen Privilegien. Dort mögen auch die 
Einzelheiten des Angriffes auf das normannische Reich vereinbart 
worden sein, der wohl mit deutschen Landtruppen und griechischem 
Gelde und mit den Schiffen Venedigs von der Adria, mit denen 
Genuas und Pisas von der tjrrhenischen Seite her unternommen 
werden sollte. 

Im Frühjahre 1137 zogen zwei deutsche Heersäulen unter 
Führung des Kaisers und des Herzogs Heinrich des Stolzen nach 
Süden. Zu Pfingsten standen sie vor Bari. Vergebens hatte die 
Stadt Ancona — zweifellos aus Handelseifersucht gegen das dem 
Kaiser verbündete Venedig — dem Zuge Schwierigkeiten bereiten 
wollen; sie wurde wohl mit venezianischer Unterstützung genommen. 
Capua und Benevent fielen, auch Bari wurde erobert Etwa gleich- 
zeitig (Mai 1137) erlitt die normannische Flotte eine schwere 
Niederlage vor Trani. Die Sieger sind nicht genannt, aber wer 
anders als die Venezianer soll es — hier in der Adria — gewesen 
sein? Im August fiel auch Salerno. Genau zwei Jahre vorher 
war durch einen pisanischen Überfall die Blüte von Amalfi ge- 
brochen worden. König Roger verstand sich dazu, Apulien für 
seinen Sohn als Reichslehen zu erbitten. 

Gleichwohl war nur ein Augenblickserfolg errungen. Kaiser 
und Papst, beide nach der Lehnsherrschaft verlangend^ verataadfiOL 



282 Siebentes Kapitel. 

sich nicht mehr. Unmutig kehrte Lothar zurück. In der Ein- 
samkeit der oberbayerischen Alpen ereilte den Siebzigjährigen der 
Tod (3. Dezember 1137). Indessen war der Gegner in vollem 
Vordringen ; Apulien fiel ihm wieder zu^ Papst Innozenz II. wurde 
sein Gefangener (22. Juli 1139). Auch Venedig hatte seinen 
Frieden mit dem König gesucht und gefunden ; sei es auch, wie 
es scheinen möchte, um den Preis erhöhter Handelsabgaben« Im 
Jahre 1140 bauten die Venezianer mit Rogers Erlaubnis die in 
Trümmern liegende alte Griechenkirche im Viertel Serelkadi von 
Palermo zu einem Gotteshause für San Marco um. Siegreich hatte 
der Normanne den Sturm bestanden und überall „ruhte schweigend 
das Land vor seinem Angesicht*^. 

Die griechische Diplomatie freilich wurde nicht müde, die 
eben in Brüche gegangene Koalition mit dem Westreich und den 
italienischen Seestädten aufs neue zusammenzubringen. Kaiser 
Johannes wandte sich im Winter von 1141 auf 1142 mit Vor- 
schlägen dieser Art an König Konrad III. Als Mittelsperson war 
hierbei der beiden Reichsoberhäuptern gleich vertrauenswürdige 
Doge Polani tätig, dessen Beitritt zur Koalition ihnen ebenso un- 
erläfslich, wie ihm selbst im Interesse der Vaterstadt gelegen 
scheinen mochte. Während dieser Verhandlungen ist Kaiser Jo- 
hannes gestorben (1143). Eine der gröfsten Gestalten unter den 
Autokratoren Ostroms; kein Kriegsfürst der blendenden Erfolge, 
aber ein Organisator voll Gedanken und Initiative. Er liefs dem 
Sohn und Nachfolger — langeher war es nicht so gewesen — 
einen gefüllten Schatz, eine wohlgerüstete Armee zurück. Auch 
der neue Herr, Manuel Komnenos, war eine Persönlichkeit von un- 
gewöhnlicher Art. Hochgewachsen, stattlich, wie zum Herrscher 
geschafien; persönlich tapfer und voll reicher Bildung, ein Mann 
der feinen weichen Stimmungen und rechnenden Heimtücke zu- 
gleich, klugem Rate wohl zugänglich, nicht ohne Züge von Phan- 
tasterei; ein Hohenstaufe gleichsam des Ostens; als Gemahl der 
Prinzessin Berta von Sulzbach, der Schwägerin König Konrads lU., 
diesem Herrscherhause auch entfernt verwandt. Nicht weniger 
als den Vater erfüllte auch ihn der Gedanke einer umfassenden 
Aktion gegen die Normannen. Die Verhandlungen mit König 
Konrad gingen fort; Doge Polani blieb, so scheint es, auch weiter- 



Kaiser Manuel Eomnenos. 28S 

hin der Vermittler. Auch der römische Papst stand solchem Vor- 
haben wie bisher freundlich und hoffend gegenüber. 

Da rifs die grofse Kreuzzugsbegeisterung der Jahre 1146 und 
1147 die abendländische Menschheit zu anderen Zielen fort König 
Ludwig VII. von Frankreich, nach langem Zögern auch König 
Konrad III., nahmen das Kreuz. Ihre Scharen durchzogen — 
Herbst 1147 — das griechische Reich. Bei allem guten Willen 
der Herrscher war es doch nicht anders möglich, als dafs ihre 
Beziehungen eine Trübung erfuhren. Zugleich verschlimmerte 
sich das Verhältnis Venedigs zur Kurie. Dort brach jetzt ein 
verspäteter Investiturstreit heftig los; über den Dogen wurde der 
Bann verhängt. 

Der Normanne erkannte die Lage und nutzte sie zu um- 
fassendem Angriff auf Byzanz. Er hatte ihn lange vorbereitet; 
nunmehr im Herbste 1147, als die Heeresmassen des Abendlandes 
nach dem Osten abgeflutet waren, brach er los. Er eroberte Korfu, 
landete an der griechischen Küste, drängte sich tief hinein in die 
Inseln und Städte von Hellas; er nahm Theben, Korinth, machte 
sich, auf das ägäische Meer übergreifend, Negroponte Untertan. 
Er wufste den römisch-deutschen Nebenbuhler ferne in Asien, hatte 
mit Frankreich das beste Verständnis, warf sich der römischen 
Revolution Arnolds von Brescia gegenüber zum Verfechter der 
Ansprüche der Kurie auf und gewann damit den Papst. Er hatte 
keinen Angriff im Rücken zu besorgen. 

In solcher Bedrängnis bedeutete für Byzanz der gute Wille 
des alten Bundesgenossen aus den Tagen des Guiskard her vieles, 
wenn nicht alles. Kaiser Manuel erneute im Oktober 1147 eilends 
das ChiysobuUon, empfing die venezianische Qegenurkunde und 
bewilb'gte wohl gleich damals die im März 1 148 beurkundete Er- 
weiterung des venezianischen Quartieres in Konstantinopel. Venedig 
liefs sich in der Erfüllung seiner Vertragsverbindlichkeiten nicht 
lässig finden. Doge Polani entbot alle auswärts, zumal im Griechen- 
reiche weilenden Bürger zur Leistung ihrer Kriegspflicht in der 
üblichen Weise nach Hause. So zahlreich war das gestellte Flotten- 
kontingeut, in dem besonders die mächtigen „Gatti" auffielen, daüs 
man es später teilen konnte. Der Doge übernahm das Kommando. 
Aber kaum ausgefahren, noch in Caorle, mufste er, schwer er- 



-SSA Siebente« Kapitel. 

krankt, den Oberbefehl an Beißen Bruder Jobannes uud a 
-Sobo Najrmerius abgeben und starb — nocb nicht fünfzigjähri 
vielleicbt nocb ebendort (EVühjabr 1148). Im O^ensatze zu se 
Scbwiegerrater eine mehr diplomatisch veranlagte Natur; innei 
grofser innerer und äufserer Schwierigkeiten bat er doch jede 1 
stropbale Entwickelung abzuwehren verstanden. Die Leiche w 
in S. Cipriano auf Murano beigesetzt; noch zu Sanudos Zeit e 
■dort ein scböner Porphyrsarg, der nach aller Überzeugung : 
Leiche enthielt Heute ist jede Nachricht darüber verschoUei 
Die venezianische Flotte erschien im Sommer 1148 vor i 
und vereinigte sich mit den griechischen Schiffen, die, von K 
Manuel persönlich befehligt, dort bereits lagen. Ein volles 
'dauerte die Belagerung. Indessen fUhrte im Frühjahre 114S 
Normannenadmiral Geoi^os eine Flotte nach der Reicbshaupt 
selbst. Die Normannen warfen Feuerpfeile in die Höfe des 
koleonpalastes, beraubten die kaiserlichen Gärten ihrer Fril 
fingen am Rückw^e die von Kreta einkommenden Steuerg 
ab. Der Kaiser hatte auf die Nachricht davon den Michael F 
logoB Kuruphes zur Anwerbung von Marinesöldnem nach Vei 
«ntsandt und hernach, da vor Korfu ein geringeres FlottenaufjG 
genügend schien, unter dessen Befehl venezianische und griecbi 
■Schiffe den heimfahrenden Feinden entgegengeBchickt. Auf der 1 
des Kap Malea kam es im Sommer 1149 zur Schlacht, in 
die Verbündeten einen vollen Si^ gewannen, den gröfsten 
der normannischen Fahrzeuge gefangennahmen und die entronn 
bis nach Sizilien verfolgen konnten. Der Erfolg war ohne Zw 
vorzugsweise den Venezianern zu danken. Ihre beimiBche t 
heferuog, mit dieser Feststellung nicht zufrieden, will sogar wi 
<lafs sie die schon fliehenden Griechen erst zum Si^e hätten 
reiben müssen. Ungefähr gleichzeitig — im August 1 149 — 
-auch Eorfii. Die venezianische Flotte konnte nach Hause fal 
Dabei war es aber zwischen den Verbündeten zu ernsthaften 
bungen gekommen. Die griechischen Schriftsteller erzählen, 
habe mit Absicht den Griechen und Venezianern vor Eorfu i 
lichstgetrennte Standplätze gewiesen, aber doch unliebsame Zwisc 
fälle nicht verhindern können. Venezianische Schiffe hätten 
Jtaoh der kleinen Insel Asteris zwischen Ithaka und KephalJ 



Venedig:, Pisa und Genua. 2S5 

zurückgezogen und von dort aus die Griechen seeräuberiscb be- 
helligt; durch respektwidrigen Mummenschanz auf einer ihrer 
Galeeren hätten die Venezianer den Kaiser persönlich beleidigt. 
Aber dem ungebärdigen Bundesgenossen, dessen Bürger auch in 
Konstantinopel immer hochmütiger und unleidlicher auftraten, die 
zugefUgte Unbill heimzuzahlen, war jetzt keine Zeit; der Kaiser 
•empfand es wohl. Er hatte mit dem ruhmlos aus dem Morgen- 
lande heimkehrenden König Konrad III. das alte Verhältnis wieder- 
hergestellt Spätestens im Frühjahr 1149 wurde zu Thessalonike 
ein neues Abkommen gegen König Roger vereinbart und die Zu- 
ziehung von Pisa und Venedig ins Auge gefafst. Es scheint, dafs 
Konrad III. dem Kaiser auch die Besitznahme einiger unteritalischer 
Städte oder Landstriche zugestanden habe. Treffort der weiteren 
Verhandlungen war wieder Venedig. Dort waren Robert von 
Oapua im griechischen Interesse, Alexander von Gravina als der 
Vertraute beider Souveräne tätig. Noch auf dem Tage von Regens- 
burg im Jahre 1151 waren venezianische Gesandte gewifs wieder 
in diesen Angelegenheiten anwesend; der Abt Dominions von 
S. Nicolö di Lido erlangte ein königliches Schutz- und Bestätigungs- 
privileg für sein Kloster. Auch die Kurie trat wieder von der 
Verbindung mit Roger zurück. Aussichtsreich aber waren darum 
die Chancen der neuen Mächtevereinigung doch nicht. Es mochte 
noch wenig besagen, dafs das Verhältnis zwischen Byzanz und 
Venedig gelitten hatte. Vor allem war Venedig in einem Prozesse 
innerer Umbildung begriffen und stand mitten in grausamster Fehde 
mit den auch untereinander entzweiten Konkurrenzstädten. Wie 
Venedig das adriatische, so versuchte Genua im 12. Jahrhundert 
das tyrrhenische Meer für sich zu monopolisieren, unterwarf die 
Städte der Riviera von Ventimiglia bis nach Portovenere, beherrschte 
die Bucht von Spezia. Den Ansprüchen beider Städte trat Pisa 
entgegen. Es stritt in immer wiederholten Kämpfen um Sardinien 
mit Genua, es konnte sich seinen alten Handelsweg über Ancona 
nach Ragusa und von dort ins griechische Reich hinein nicht durch 
Venedig versperren lassen und suchte nach Stützpunkten in der 
Adria. An ein gedeihliches Zusammenwirken der Städte war unter 
solchen Umständen nicht zu denken. Die Vermittlerworte des 
Papstes Lucius IL an Pisa und Venedig wurden in den Wind 



236 Siebentes Kapitel. 

gesprochen. Und wenn im Jahre 1149 Pisa und Genua es über 
sich brachten, einen Vergleich zu schliefsen, so geschah es nur, 
um alle Feindesstädte am Mittelmeer — voran doch wohl Venedig? — 
mit Aussperrung vom Handel zu bedrohen. König Roger vertiefte 
seine Bundesstellung zu Frankreich, rief dem Staufer in der deutschen 
Heimat einen neuen weifischen Aufstand herauf. Sollte Konrad lU. 
in solcher Lage eine Entscheidung wagen dürfen ? Er mufste den 
für das Jahr 1151 geplanten Römer- und Normannenzug füglich 
unterlassen, wahrte aber allen Gegenbewegungen zum Trotz dem 
Kaiser Manuel die Bundestreue. 

Da mit einem Male vollzog der Grieche eine grofse und ent- 
scheidende Wendung in seiner Politik. Eün byzantinisches Heer 
besetzte im Jahre 1 151 Ancona, das ,,Emporium Italiens '^ Die Ab- 
sicht war klar; im übrigen verrät sie der Grieche Kinnamos mit 
dürren Worten: Manuel wollte von dorther „wie von einer Basis 
aus'' gegen Italien vorgehen können, und im besonderen durch 
diese Besetzung den Hochmut der Venezianer bändigen, deren üble 
Gesinnungen er vor Korfu erkennen gelernt hatte. Eine imperia- 
listische Politik, zugleich gegen das römisch -deutsche Reich und 
gegen Venedig, die beiden bisherigen Verbündeten, gerichtet. Von 
Ancona aus den alten Exarchat wieder zu Leben zu bringen, sich 
dann zwischen Deutschland und Rom zu schieben und um den Preis 
kirchlicher Zugeständnisse die von päpstlicher Hand gereichte 
Kaiserkrone des Ostens und Westens an das Haus der Komnenen 
und das alte Reich zurückzubringen, waren die fernerliegenden 
Pläne des Kaisers; seine nächstgewoUte Absicht aber war es, der 
hochmütigen Stadt Venedig eine griechische Handelsexpositur just 
vor ihre Tore hinzusetzen und, einmal herrschend in Ancona, 
sich deren kommerzieller Bevormundung gründlich zu entziehen. 
Ancona war ein bedeutender Marktplatz, seine £^wohner den 
Venezianern als Nebenbuhler verhafst, vor allem wohl, weil die 
Stadt der grofse Übersetzungspunkt für den pisanischen Handel 
nach Osten war. Hatten sich die Griechen dort einmal festgesetzt, 
so schien es naheliegend, dafs alsdann Pisa die Erbin der Stellung 
Venedigs in Byzanz werden würde. Aber Venedig verstand, wie 
es gemeint war. Hatten sich seine Bürger bisher trotz mancher 
Mifsverständuisse als „defensores Romaniae^' gefühlt und gehalten^ 



Dio Griechen in Ancona. 2S7 

jetzt suchten und fanden sie Beziehungen zu dem normannischen 
Erbfeinde. Die Koalition gegen Roger war zersprengt. 

Die venezianische Politik ging ganz folgerichtig vor. Die 
Stadt hatte unter Domenico Michiele und Pietro Polani rastlos am 
Ausbau ihrer adriatischen Herrschaft gearbeitet Der Mangel einer 
starken Reichsgewalt unter Konrad III., die dadurch bedingte 
politische Auflösung Nord- und Mittelitaliens in wüste Städtekämpfe 
war diesem Streben eher förderlich. In den vierziger Jahren, da 
Pisa gegen Lucca, Florenz gegen Siena, Bologna gegen Modena 
stand, war auch Venedig — von dem dauernden Gegensätze zu 
Pisa und Genua ganz abgesehen — mit Festlandstädten in Kon- 
flikt geraten; wieder wie vormals mit Ravenna, Treviso, Padua. 
Während Venezianer und Ravennaten einander den EinfluTs im 
unteren Pogebiet bestritten, drangsalierte Bischof Gregor von Treviso 
das Kloster S. Uario, wurde aber durch kurialen Machtspruch zur 
Gutmachung des zugefügten Schadens vermocht (31. August 1143). 
Etwa gleichzeitig, spätestens im Sommer 11 44 kam es zu Irrungen 
mit der Stadt Padua. Schon von früher her schwebten mit ihr 
Differenzen wegen der Grenze von Chioggia; jetzt bedrohte sie 
den Bestand von Venedig durch die Überleitung der Brenta in 
ihr früheres, geradeaus in die venezianische Lagune führendes Bett. 
Es kam zu einem angeblich von geworbenen Söldnern geführten 
Landkriege, dem ersten, den Venedig geführt hat. Padua unterlag 
und mufste sich im Oktober 1144 aufser anderem zur Einstellung 
der Arbeiten an der Brenta verstehen. Der Krieg war ein Existenz- 
kampf für Venedig ; flofs die Brenta wirklich in die venezianische 
Lagune, so war die Stadt des Unterganges durch Versandung 
gewifs. Hier sind auch die Wurzeln der späteren Landpolitik des 
15. Jahrhunderts zu suchen. Es mufste das natürliche Streben 
der Republik sein, über die Flüsse, von denen ihr Sein und Nicht- 
sein abhing, unbeirrt verfügen zu können. 

Noch freilich treten diese entfernten und vielleicht noch un- 
verstandenen Verweise auf die Notwendigkeit einer Landpolitik 
weit in den Hintergrund vor der Tatsache , dafs jetzt zum ersten 
Male Venedig ein Gebiet als seine eigentliche Interessensphäre ur- 
kundlich anspricht: kein anderes als den vereinzelt schon damals 
als „culphus Venetiarum'^ bezeichneten, durch eine Linie von Ancona 



2S8 SiebenteB Kapitel. 

nach Zara oder auch Ragusa hinüber begrenzten nördlichen Teil 
der Adria. Zuerst war dies der Fall in einem am 1. März 1141 
vereinbarten Vertrage mit der Stadt Fano, die sich, von einigen 
Kommunen der Pentapolis; voran von Pesaro, angegrififen, in ihrer 
Bedrängnis an Venedig gewandt hatte. Venedig war hierzu bereit^ 
wenn ihm vorher vertragsmäfsig bestimmte Rechte zugestanden 
würden. Es war derselbe Vorgang wie vor Haifa und Tjrus. 
Der Vertrag sieht einer Unterwerfungsurkimde aufserordentlich 
ähnlich und ist typisch itir eine ganze Reihe von Verträgen Venedigs 
mit anderen Küstenstädten seines Interessengebietes. Die Venezianer 
gewähren den Einwohnern von Fano freien Handel in ihrem Ge- 
biete und verheifsen ihnen Schutz und Schirm; diese verbinden 
sich zur Leistung eines ,, Freundschaftseides'' an den Dogen, sichern 
den in Fano weilenden Venezianern volle Sicherheit und Behand- 
lung nach venezianischem Recht, wahrscheinlich auch Abgaben- 
freiheit zu, leisten einen jährlichen Naturaltribut und werden iUr 
Venedig bei Ejiegen zwischen Ravenna und Ragusa eine Oaleere 
stellen, bei Kriegen zwischen Ravenna und Ancona andere Hilfe 
— wohl in höherem Ausmafse — leisten. Hierauf brachte Doge 
Polani die Feinde von Fano durch eine Flottendemonstration zur 
Ruhe. Im Dezember 1145 wurde ein ganz ähnlicher Vertrag mit 
Capodistria geschlossen, nur der zu leistende Eid ganz bestimmt als 
Treueid gefafst, der dem Dogen als Herrn zu schwören sei, und 
die Heeresfolgepflicht dahin präzisiert, dafs bei Kriegen, die Venedig 
mit mindestens fünfzehn Galeeren führe, für das Gebiet zwischen 
Venedig und Ancona eine Galeere zu stellen, für das Gebiet 
zwischen Venedig und Ragusa „secundum posse'', also nach allen 
Kräften, Hilfe zu leisten sei. Endlich wurde — bedeutsam genug — 
eines von Venedig abgesteckten, aber topographisch nicht fixierten 
Bannkreises gedacht, innerhalb dessen diese Stadt das Monopol 
des Getreide- und Gemüsehandels anspreche und es den Bewohnern 
von Capodistria nur mit dogaler Erlaubnis zustehen solle, diesen 
Handel zu treiben. Wieder etwas später, vermutlich zu Beginn der 
der Amtszeit des neuen Dogen Domenico Morosini (Sommer? 
1148 — Februar 1156), zwang dann Venedig gelegentlich eines 
Schiffszuges gegen die seeräubernden Bewohner von Pola unter dem 
gleichnamigen Sohne des Dogen und Marco Gradenigo auch dieser 



Die adriatische Interessensphäre. 299' 

Stadt; femer Rovigno, Umago^ Parenzo und Cittanttova Verträge- 
gleichen Charakters ab und wird solche im Laufe des Jahrhunderts^ 
auch noch mit anderen Städten Istriens abgeschlossen haben. Überall 
wird hier für den Dogen^ der einmal ausdrücklich ^«inclitus domi- 
nator totius Istriae^' genannt wird, oder auch für den Dogen und 
die Bürgergemeinde von Venedig der Treueid auferlegt, Abgaben- 
freiheit der venezianischen Kaufleute, Verpflichtung der Städte zu 
Natural- oder Geldtribut und zur Heeresfolge mit einer Qaleere* 
in der ganzen Adria, nach allen Kräften innerhalb der Linie Zara — 
Ancona ausgesprochen. Am 2. April 1153 haben Bischof und 
Volk von Pola den Vertrag neuerlich beschworen und aufserdem 
fünfzehn Nachbargemeinden der Stadt Venedig den Gehorsamseid 
geleistet. 

Zweifellos haben auch die venezianischen Städte in Dalmatien 
Verträge nach Art der istrischen schliefsen müssen. Und auch 
sonst blieb Venedig dort nicht müfsig. Als seine eigentliche Do- 
mäne erscheinen die Inseln Arbe, Veglia und OsseroCherso und das 
Gebiet von Zara, während der Süden noch lange Jahre ein schwan- 
kender, überwiegend ungarischer Besitz blieb. Seit den Regierungea 
Pietro Polanis und Domenico Morosinis begegnen nun nicht mehr 
Einheimische, sondern Venezianer — häufig Dogensöhne — al& 
Comites der genannten Städte und Inseln. Nayraerius und Guido,, 
die Söhne Vitale Michieles II., erscheinen als Comites von Arbe und 
Ossero, Domenico Morosini, der Sohn des Dogen und Uberwinder 
der Seeräuber von Pola, ist mindestens 1156 Comes von Zara. Nur 
in Veglia behauptete sich ein offenbar durchaus loyales einheimi- 
sches Erbgeschlecht in solcher Stellung. Das hergebrachte Recht 
der eingeborenen Bevölkerung, den Comes zu wählen, blieb un- 
angetastet, wurde aber durch das Bestätigungsrecht der veneziani- 
schen Regierung, durch die Verleihung der Comeswürde auf Lebens- 
zeit und überdies durch den von Venedig ausgeübten Druck zur 
leeren Formalität. Die Comites sind zu bedeutenden Abgaben 
an die Staatskasse verpflichtet Die ganze Organisation des vene- 
zianischen Dalmatien wird strammer, straffer. Von Ancona und 
mindestens von Zara, womöglich aber von Ragusa herauf soll 
Land und Meer einzig und unbedingt der Stadt Venedig gehorchen. 
Wenn im Normannenfrieden von 1154/55 König Wilhelm sich 



240 Siebentes Kapitel. 

verpflichtet, die Adria von Ragusa aufwärts nicht zu beunruhigen, 
so ist damit die Anerkennung einer venezianischen Interessensphäre 
deutlich ausgesprochen. 

In diese brach nun mit der Besetzung von Ancona Kaiser Manuel 
ein. Zwar zogen die griechischen Truppen noch im Winter 1151 
wieder ab, aber es war kaum ein Geheimnis, dafs sie wiederkehren 
würden. Venedig eilte, am 26. Juni 1152 eine feierliche Verein- 
barung zu schliefsen, der zufolge die Anconitaner in alten Oe- 
bieten des Dogats freundschaftlich gehalten werden sollten wie 
die Venezianer im Gebiete von Ancona; somit wohl eine Art 
Schutz- und Trutzvertrag beider Städte. Dann kam nach langen 
Verhandlungen, als deren Träger von Seite der Normannen der 
Kanonikus Ugo von S. Giovanni in Palermo in Venedig weilte, 
nach dem Tode des gewaltigen Roger (Februar 1154) mit dessen 
Sohn Wilhelm ein Friede zustande, der den Venezianern das 
süditalische Reich gegen die gewohnten Handelsabgaben offen 
liefs. Indem der Vertrag die Sicherheit der venezianischen Inter- 
essensphäre vor normannischen Angriffen garantierte, gab er zu- 
gleich diesen die griechische Küste südwärts von Ragusa preis. 
Überdies sollte der König von Sizilien aller Rücksichtnahme auf 
jene Venezianer entbunden sein, die er in griechischen Diensten 
oder nur überhaupt im Interesse der Griechen tätig fknde. Die 
Tendenz des Vertrages war klar. Nahezu um dieselbe Zeit erlangte 
die Stadt von König Friedrich I. die Bestätigung des Kaiserpaktums 
— ausgestellt vor Galliate bei Novara am 22. Dezember 1154 — 
und blieb für die nächsten Jahre in guten Beziehungen zu ihm; 
auf dem berühmten Reichstage von Besan9on (1157) erschien eine 
venezianische Gesandtschaft, um die Glückwünsche des Dogen 
Vitale Michiele zu überbringen. Im Jahre 1156 verstand sich 
Venedig zu gütlicher Übereinkunft auch mit Pisa. Friede ringsum ; 
das war das unerwartete Resultat des griechischen Einbruchs in 
Ancona. Auf die stürmischen vierziger Jahre folgt für Venedig 
etwa ein Jahrzehnt vorwiegend friedlicher Fntwickelung. Der 
Chronist Martine de Canale des 13. Jahrhunderts preist darum den 
Dogat Doroenico Morosinis als eine Freudenzeit, und die bald nach 
dem vierten Kreuzzug entstandene „ Dogengeschichte ^', die her- 
vorragendste heimische Quelle für diese Verhältnisse, läfst den 



Doge Vitale Michiele U. 241 

Nachfolger Morosinis, Vitale Michiele IL (Februar 1156 — 
27./28. Mai 1172) bei seinem Regierungsantritte im Besitze von 
„Frieden und wahrerFreundschaft" mit Pisa, von „Frieden und Freund- 
schaft^' mit Wilhelm von Sizilien und eines „leidlichen Friedens '^ 
mit Kaiser Manuel erscheinen. Die Zuweisung eines Handels- 
quartiers am Goldenen Hörn und die Ermäfsigung der Handelszölle 
von 10**/o auf 4^/o an die Genuesen im Jahre 1155 — die Pisaner 
erfreuten sich der beiden Freiheiten schon seit dem Jahre 1111 — 
mag freilich in Venedig unangenehm genug empfunden worden sein. 
Aber die Ruhe wurde darum nicht gestört; selbst dann nicht, als 
Manuel im Jahre 1157 zum zweiten Male Truppen nach Ancona 
legte. Venedig brauchte den Frieden. So konnte es den inneren 
Konflikt mit seinem Klerus bereinigen, seine verfassungsmäfsige 
Entwickelung und Umbildung ruhiger ablaufen lassen, seine Handels- 
vorteile sorgsamer hüten, besonders seine adriatischen Interessen 
aufmerksam pflegen und in Dalmatien gegen den ungarischen Gegner 
einen Schlag von entscheidender Bedeutung führen. Es erlangte 
die Unterstellung der venezianischen Eorche Dalmatiens unter den 
Primat von Grado. 



Die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts ist die hohe Zeit der 
Religiosität, deren verschiedene Richtungen in diesen Jahrzehnten 
aufeinander treffen. Keine aber war mächtiger als die des heiligen 
Bernhard von Clairvaux. Sein Werk war es, wenn jetzt eine 
höhere Stufe christlicher Frömmigkeit erreicht wurde. Das Ver- 
hältnis des Menschen zu Gott wurde tiefer, man könnte sagen 
persönlicher gefafst, aber zugleich auch die völlige Loslösung von 
den Dingen dieser Welt vollzogen. Es trifft den Sinn dieser Auf- 
fassung, wenn Otto von Freising und noch deutlicher Bischof 
Otto von Bamberg Wunsch und Prophezeiung aussprechen, das 
mönchische Leben werde das ganze Dasein erfüllen und so von 
selbst das Ende der Dinge kommen. Vor allem die Kreise Frank- 
reichs und Deutschlands sind von dieser Bewegimg erfafst; das 
kirchliche Leben Italiens, namentlich der Seestädte, wanderte nicht 
gerade abseits von diesen Bahnen, bewegte sich aber auch nicht 

Kr^ttehmayr, G«8ehicbte Ton Yenedig. 16 



94S Siebentes Kapitel. 

in ihnen. Man vermag das Eindringen bernhardinischer Anschau- 
ungen in Venedig nur an der wachsenden Zahl von Zisterzienser- 
gründungen ^ hernach auch von Kartausen festzustellen. Das 
eigentümliche Institut der Reklusen und Reklusinnen begegnet auch 
hier. Man hielt nach wie vor auf Betätigung äulserlicher Reli- 
giosität Nie wurden eifriger Kirchen auf- und umgebaut , nie 
Kirchen und Klöster sorglicher mit Besitz bedacht. Es hielse die 
ganze lange Reihe der venezianischen Gotteshäuser aufzählen, wollte 
man einzeln anführen ; was jedes an Wohltaten erfahren. Die 
Kirchenvermögen wuchsen. Schon mufste man um die Mitte des 
Jahrhunderts zur Verwaltung des Vermögens von San Marco 
eigene Prokuratoren bestellen. Für das 12. Jahrhundert ist zu- 
erst in ausgedehnterem Mafse die Gründung von Hospizen und 
Spitälern bezeugt: S. demente (vor 1156), in S. Elena (1175?), 
S. Lazzaro (1182); das Pilgerhospiz S. Giacomo in Palude auf 
Mazzorbo (1145). Niemals aber hat die venezianische Religiosität 
ihren kaufinännischen Zug abgestreift; wie die Geistlichen selbst 
die besten Kaufleute waren, so wollte man anderseits geistliches 
Kapital wie weltliches aufspeichern. Am eigenartigsten kommt 
dies — wie schon früher dargelegt — zum Ausdruck in der aus 
Roheit und Inbrunst gemischten Reliquienjägerei. In der Art 
dieses heiligendurstigen Zeitalters liegt es ja, Emanationen der 
Gottheit besonders im berufenen einzelnen Individuum zu suchen. 
Wie wären da die Reste der grofsen Märtyrer und GlaubensfUrsten 
nicht vor allem verehrungswert gewesen, als Ruhmestitel und Schutz 
der Stätte, die sie barg? Schon im 11. Jahrhundert hatte das 
Einströmen der Reliquienschätze nach Venedig begonnen; jetzt in 
den Kreuzzugsjahrhunderten noch viel mehr. Wenigstens nach 
dieser Richtung hin erftillte sich Venedig vollends mit dem Geiste 
der Zeit. Im Jahre 1100 brachte man aus der Kreuzfahrt den 
Leib des heiligen Nikolaus, unter Ordelafo Falieri aus Konstan- 
tinopel die Leiche des Erzmartjrers Stephanus, im Jahre 1125 die 
Gebeine des heiligen Isidorus aus Chios heim; die ehrwürdigen 
Reste wurden der Stolz von S. Nicolö di Lido, S. Giorgio Maggiore, 
San Marco. In den von beteiligten Priestern verfafsten Schilde- 
rungen dieser Überführungen (translationes) — bedeutsamen Quellen 
auch für die politische Geschichte — offenbart sich so i^echt der 



YenezianifiGhes Beligioaität. 24S 

blasphemisch - naive Sinn der Leute dieser Zeit. Immer dieselbe 
Geschichte: die Heiligenräuber wenden sich erst in heifsem Gebet 
an Gott; ihr Vorhaben gelingen zu lassen. Sie richten dieselbe 
Bitte an den jeweils gesuchten Heiligen selbst: der Orient^ stellen 
sie dar; habe sich seiner Reliquien lange genug erfreut, jetzt möge 
er auch den Okzident zu seinem Teile kommen lassen. Er werde 
dort eifriger mit Festen gefeiert werden als hier. ^^Yenetia iilia 
tua te invitat; te videre desiderat, ahne pater Nicolae'^, ruft der 
Verfasser der Translatio Nicolai. In Venedig, versichert der 
Priester in der Translatio Isidori seinen Heiligen, werde er er- 
lauchte Gesellschaft finden : die Heiligen Markus, Stephanus, Her- 
magoras, Fortunat, Nikolaus. Und wenn der Heilige das Vor- 
haben, ihn zu rauben, nicht hindern wolle, so möge er auch gleich 
den frommen Missetätern leichte Arbeit lassen. Zweimal glücklich 
preist die Translatio Nicolai die Vaterstadt, die San Marco als 
Verteidiger in der Schlacht, S. Nicolo als Beherrscher der Meeres- 
stürme besitze, den tapferen Wafienträger und den weisen Steuer- 
mann. „Du hast, Venedig '', fährt sie fort, „den einen in wohler- 
wc^nem Betrug, den anderen mit offener Gewalt entführt. Aber 
es ist kein Betrug und kein Raub, denn nicht böser Wille hat 
dazu gefuhrt, sondern Ergebenheit und religiöser Eifer.'^ Wer 
wollte alle die geistlichen Schätze — echte und falsche — auf- 
zählen, die damals und später Venedig in seinen Gotteshäusern 
versammelte? Man wird einen Begriff davon gewinnen können, 
wenn man die Reliquienverzeichnisse der venezianischen EÜrchen 
in den heimischen Chroniken späterer Jahrhunderte überliest. 
Venedig wollte ein Schatzkästlein sein, wie an irdischen Wert- 
stücken, so auch an Reichtümern der anderen Welt. 

Der heimische Patriarchat wurde im 12. Jahrhundert aus 
einer Kirche von Grado immer mehr zu einer Kirche von Venedig. 
Dort lag der heilige Markus, dessen anerkannter Erbe er war. 
Nun fast schon regelmäfsig nahmen dort die Patriarchen ihren Sitz. 
Schon nennen sie sich gelegentlich selbst „Patriarchen von Venedig^' 
(patriarcha Venetus) ; so in der Urkunde Kaiser Friedrichs I. vom 
3. August 1177 für Torcello. Wenn die vorliegende Nachricht zu- 
verlässig ist, hat sogar Papst Alexander UI. den Bestrebungen der 
Patriarchen, ihren Sitz auch Rechtens nach Venedig zu verl^en, 

16* 



244 Siebentes Kapitel. 

seine Unterstützung geliehen. Von dem Patriarchenpalaste bei S. Sil- 
vestrOy dem Quartiere des Papstes während der Friedensverhandlungen 
im Frühjahr und Sommer 1177, versichern wenigstens spätere Be- 
richte, er sei von keinem Hause in Venedig an Schönheit übertroffen 
worden. Angeblich sind noch heute Spuren davon vorhanden. Seit 
Beginn der Kreuzzüge durch Zuweisungen, namentlich im Oriente 
und Griechenland, doch auch im Abendlande bereichert, errang 
dann die Kirche von Grado -Venedig unter Papst Hadrian IV. die 
gröfsten Erfolge. Zwar die istrischen Bistümer waren im April 
und Juni 1132 durch Papst Innozenz U. wieder der Kirche von 
Aquileja unterstellt worden, ab deren Schutzheiliger zugleich 
S. Hermagoras bezeichnet wird; aber noch gab Grado -Venedig 
die Ansprüche auf sie nicht auf. Und um so erfolgreicher war 
es im Oriente und in Dahnatien. Der Patriarch empfing im Jahre 
1 167 vom Papste das Recht, in Konstantinopel und anderen Griechen- 
städten, wo die Venezianer zahlreichere Niederlassungen und 
mehrere Kirchen hatten, Bischöfe einzusetzen imd zu weihen; er 
führt seit dem Jahre 1155 den Titel Primas von Dalmatien. 

Die dortige Kirche stand seit dem 11. Jahrhundert unter drei 
Erzbistümern, Mittel- und Norddalmatien unter Salona • Spalato, 
Süddalmatien und Albanien unter Antivari und Ragusa. Das 
vorwiegend ungarische Spalato war somit die Metropole der Bis- 
tümer des venezianischen Dalmatien. Noch für das Jahr 1139 
wird dies für Arbo, Veglia und Ossero ausdrücklich vermerkt Im 
Mai 1154 erscheinen dieselben drei Episkopate schon Grado unterge- 
ordnet. Endlich am 1 7. Oktober 1154 verordnete eine Bulle desPapstes 
Anastasius IV., dafs fürderhin die Bistümer der Städte, „welche 
vor der Gewaltherrschaft der Ungarn bewahrt geblieben seien'', 
nämlich die Bistümer Arbe, Veglia, Ossero und Lesina (Fara), der 
gleichzeitig zum Erzbistum erhobenen Kirche von Zara unterstehen 
sollen. Auf Andringen des Patriarchen Enrico Dandolo, wohl 
des eigentlichen Urhebers aller dieser Verfügungen, und doch 
auch auf Vorstellung des Dogen hat wenige Monate später, im 
Februar 1155, Papst Hadrian IV. die Unterordnung dieses neuen 
Metropolitansprengeis unter die Kirche von Grado - Venedig an- 
geordnet, deren Patriarch von jetzt ab den Titel „primas Dal- 
matiae'' führt; zum nicht geringen Verdrufs der Bewohner von 



Der dalmatiDische Primat der Kirche von Grado. S46 

Zara^ die sich jahrzehntelang darüber nicht haben beruhigen wollen. 
Der ganze politische Besitz Venedigs am adriatischen Meere war 
auch kirchlich geeinigt Allerdings nicht unbestritten und nur 
für kurze Zeit. Am 24. Juli 1180 hat nach mannigfaltigen 
Irrungen die Elirche von Grado - Venedig selbst zugunsten der 
Kirche von Aquileja auf die istrischen Bistümer verzichtet und die 
Bistümer Como, Mantua, Verona, Vicenza, Padua, Treviso, Trient, 
Belluno, Feltre, Ceneda, Concordia, ferner Triest, Capodistria, 
Parenzo, Pola, Cittanuova und Pedena als deren Sufiragankirchen 
anerkannt, wie Papst Innozenz IL im Jahre 1132 verfugt hatte. 
Sie beschränkte sich somit auf die Bistümer des Seelands und 
den Primat von Dalmatien, dessen Titel wohl den Anspruch auf 
die Unterordnung sämtlicher dalmatinischer Kirchen in sich barg; 
wenigstens sind im Jahre 1171 das Bistum von Trati und das 
Erzbistum Ragusa ihr unterstellt worden. Auch auf die Rück- 
gabe der vordem durch Patriarch Poppo geraubten Kirchenschätze 
leistete sie Verzicht. Mit diesem Jahre 1180 fand der jahrhunderte- 
lange Elirchenstreit der beiden Patriarchate seinen endgültigen 
Abschlufs. 

Nach allen Erfolgen doch schliefslich eine merkwürdige Ent- 
wickelung. Soviel man sehen kann, hat sich die venezianische 
Machtstellung in Istrien und Dalmatien gerade entgegengesetzt 
herausgebildet. War dort der weltlichen Beherrschung des Landes 
die kirchliche vorangegangen und zum Teile deren Vorbedingung 
gewesen, so bedeutete hier die kirchliche Einverleibung eine Phase 
des weltlichen Unterwerfungsprozesses. Und erschien dieser hier 
noch nicht so weit abgeschlossen, als dafs zu seiner Förderung 
nicht auch die Bande kirchlicher Untertänigkeit willkommen ge- 
wesen wären, so mochte die Herrschaftstellung Venedigs in Istrien 
so gesichert scheinen, dafs man das kirchliche Unterordnungs- 
verhältnis preisgeben konnte. 

Mochten nun auch die Anschauungen der Zeit Gregors VII. 
und Bernhards von Clairvaux in den italienischen Seestädten nicht 
in dem Mafse herrschend geworden sein, wie etwa in Deutschland oder 
Frankreich, so hätte es der allgemeinen Richtung doch zu sehr 
widersprochen, wenn in dem bisherigen Verhältnis des vene- 
zianischen Klerus zur Staatsgewalt nicht eine bedeutsame Ande- 



S46 Siebentes Kapitel. 

rang eingetreten wäre. Venedig erlebte um die Mitte des 12. Jahr- 
hunderts seinen Investiturstreit; dieser zeigt sich alsbald — nicht 
unähnlich dem Kampfe in Deutschland — von inner- und aufser- 
politischen Tendenzen durchzogen. Der geistige Vorkämpfer im 
Streite 9 Patriarch Enrico Dandolo, augenscheinlich ein Anhänger 
gregorianischer und bemhardinischer Ideen — er hatte auf dem 
Konzile von Pisa (1135) durch den gleichgesinnten Papst Innozenz II. 
das Pallium erhalten — ^ stand auch an der Spitze einer starken 
weltlichen Partei. Seine vornehmste Gefolgschaft war aufser dem 
eigenen das Geschlecht der Badoero, das sich im Jahre 1130 der 
Erhebung Pietro Polanis zum Dogate widersetzt hatte ^ weil sie 
dem Staatsgrundgesetze von 1032 zuwiderzulaufen schien. Doch 
die Partei der Michiele und Polani war die stärkere ; Pietro wurde 
Doge. Bald aber ein neuer Zwischenfall. Der Patriarch bestritt 
anläfslich der Wahl einer Äbtissin von S. Zaccaria das alther- 
gebrachte Recht der dogalen Einflufsnahme bei geistlichen Wahlen. 
Als noch eine politische Fronde desselben Patriarchen und seiner 
Anhänger gegen die griechenfreundliche Politik des Dogen hinzu- 
kam^ begann im Frühjahre 1148 ein heftiger ^ ganz Venetien 
erschütternder Streit, der mit dem Siege des gebannten Dogen 
und der Flucht des Patriarchen und seines Anhangs den vorläufigen 
Abschlufs fand. Pietro Polani verteidigte mit Glück die über- 
kommenen kirchenpolitischen Ordnungen Venedigs: die unbedingte 
staatliche Oberherrlichkeit über den Klerus. Erst Doge Domenico 
Morosini gab den geistlichen Ansprüchen insoweit nach; als er 
auf die unmittelbare Einflufsnahme auf die geistlichen Wahlen, 
das Recht der W^ahlbestätigung und der Belehnung mit Ring und 
Stab verzichtete. Im übrigen wahrte er die staatlichen Rechte 
und stellte durch die Vermählung einer Enkelin seines Vor- 
gängers mit einem Neffen des Patriarchen auch den Frieden 
zwischen den verfeindeten Familien wieder her. Die Errungen- 
schaften der venezianischen Kirche waren also nicht beträchtlich; 
sie blieben noch hinter denen des Wormser Konkordates zurück. 
Es war ein ungeschriebenes Grundgesetz in Venedig, dafs der 
Stadt und ihren Geschlechtem, welche die heimischen Kirchen und 
Klöster aus den Sümpfen heraus geschaffen haben, sorglich erhalten 
und gegen die Gewalt der Wasser schützen, ein natürliches Patro- 



Der Investiturelroit. 247 

natsrecht über diese zustehe. Zudem bat der venezianiscbe Klerus 
seine teilweise Emanzipation von der Staatsgewalt teuer genug 
bezahlen müssen: mit der Entfernung aus dem politischen Leben, 
in dem er bisher eine so grofse Rolle gespielt hatte. Die Trennung 
von Staat und Kirche sollte eine aufrichtige sein. 

Gleichzeitig brach sich in Kämpfen, deren Zusammenhang 
mit dem Investiturstreit aufser Zweifel steht, deren Phasen sich 
aber nicht verfolgen lassen, und immer in Einklang mit der 
Verfassungsentwickelung der anderen oberitalienischen Kommunen 
der staatsrechtliche Anspruch eines Kreises von ratsi&higen 
Geschlechtem auf Teilnahme an der Staatsregieining, bald auf 
die Führung der Regierung selbst siegreich Bahn. Zuerst für 
das Jahr 1141 ist das Institut der Sapientes als eine festkonstituierte 
politische Körperschaft neben dem Dogen, für 1143 die Ver- 
einigung der venezianischen Bürgerschaft zur Bürgergemeinde, dem 
Commune Veneciarum bezeugt, die sich als die Quelle aller ver- 
fassungsmäfsigen Rechte zu betrachten beginnt und als deren Aus- 
Behufs jene Sapientes erscheinen. Sie sind nichts anderes als die 
Vorläufer des grofsen und kleinen Rates, die hernach zu Trägern 
der Regierungsgewalt in Venedig geworden sind und urkundlich 
nicht vor dem Jahre 1185 begegnen. Mit der Errichtung des 
Institutes der Sapientes ist gegen die bisherige monarchische Ver- 
fassung Venedigs ein entscheidender Streich gefuhrt worden, und die 
Umbildung des Dogates aus einer absolut monarchischen Gewalt 
zu einer Art obersten Beamtenstellung vollzieht sich von da ab 
unaufhaltsam. Indem gleichzeitig die Geistlichkeit vom politischen 
Leben ausgeschlossen, anderseits der Volksversammlung das Recht 
der Dogenwahl — doch wohl in den Jahren 1172 und 1178 — 
entzogen wurde, verloren die gesamtstaatlichen Momente in der 
Staatsregierung immer mehr an Bedeutung und wurde die Neu- 
bildung der Verfassung auch ein mächtiger Anlafs fär die alles 
andere eigenständige Leben des Seelandes ertötende Erhebung von 
Rialto -Venedig. 






248 Siebentes Kapitel. 

Die Friedensperiode der fünfziger Jahre, die dem ruhigen Fort- 
gange aller dieser Entwickelungen so forderlich war, fand nun 
aber sogleich nach deren Ablauf ein Ende. Venedig geriet in 
Widerspruch zu der imperialistischen Politik des staufischen Hauses. 

Kaiser Friedrich Barbarossa war zunächst im Bunde mit 
Kaiser Manuel gegen die Normannen geblieben; beide Herrscher 
mochten den Gedanken einer Teilung Unteritaliens ins Auge ge- 
fafst haben. Als aber Manuel neuerlich Ancona besetzen liefs, 
Friedrich, die Absichten seines Verbündeten wohl erkennend, zu- 
gleich mit der Kurie sich immer übler verstand, löste sich das 
politische Band zwischen Ost- und Westreich zusehends. Manuel 
mufste sich Ende 1158 zu Frieden und Anerkennung der Königs- 
würde Wilhelms von Sizilien entschliefsen, Friedrich gab die süd- 
italischen Pläne vorläufig auf, um sich näherliegenden Zielen 
zuzuwenden. Es war nicht mehr allein der auf dem Tage von 
Besan9on unverhüllt zutage getretene Gegensatz zur Kurie, der ihn 
beschäftigte; er wollte auch die zu fast voller Unabhängigkeit heran- 
gereiften Städte Oberitaliens wieder unter die Oberhoheit des Kaiser- 
tums zwingen, um sich zu den Hilfsmitteln Deutschlands an Natur- 
produkten deren reiche Geldeinkünfte als zweite Machtquelle zu 
erschliefsen. Im November 1158 wurde es auf dem Tage von 
Roncaglia als eines der Herrscherrechte des Reichsoberhauptes ver- 
kündet, über diese Einkünfte zu verfugen und die städtischen 
Beamten zu ernennen. Kaiser Friedrich hielt sich daran; er setzte 
Beamte ein, legte Garnisonen überall in die Städte. Auch vor den 
ehrwürdigen Freiheiten von Venedig würde er, war die allgemeine 
Meinung, nicht Halt machen. 

Der Erfolg dieser Mafsregeln war ein doppelter: die einen 
der Städte — etwa Genua — suchten sich durch gütliche Vor- 
stellungen, die anderen — voran Mailand und Crema — durch 
offenen Widerstand der aufgebürdeten Verpflichtungen zu ent- 
ledigen. Venedig aber, im Jahre 1157 noch im besten Verhältnis 
zu Friedrich und über die Drangsalierung der Kommunen zunächst 
schwerlich bekümmert, wurde nun doch bedenklich. Allzuweit 
schien der Staufer sich seine Ziele zu stecken. Es wurde ver- 
sichert, er habe gedroht, seiner Herrschaft auch Griechenland 
unterwerfen zu wollen. Man erlebte, dafs im Januar 1160 die 



Friedrich Barbarossa gegen Venedig. 24^ 

Stadt Crema ihre Widersetzlichkeit mit vollständiger ZerstöruDg 
büfste. Unter dem Eindrucke dieses Schreckensgerichtes wurde- 
auf der Synode zu Pavia dem kaiserlichen Willen gemäfs der 
nach Papst Hadrians IV. Tode zu Unrecht gewählte Kardinal 
Oktavian als Papst Viktor IV. gegenüber Roland von Siena — 
Alexander III. — anerkannt. Man weifs; Alexander hat darum 
seine Sache nicht preisgegeben. Am 24. August 1160 verhängte 
er den Bann über Friedrich. Mit den Königen von Frankreich 
und England trat Venedig in die Reihe seiner Anhänger, wurde 
der vornehmste Zuflachtsort der ^^Cardinalitas Rolandina ^% derea 
Mitglieder von dort aus ihre Verbindungen nach aller Welt hin 
pflogen. Noch wurden die Beziehungen zum Reiche nicht ab- 
gebrochen; im Oktober 1161 weilten kaiserliche Gesandte in Venedig. 
Im Frühjahre 1162 aber, da Alexander längst flüchtig nach Frank- 
reich enteilt, Mailand in furchtbarem Sturze gefallen war, eröffnete 
der Kaiser Feindseligkeiten auch gegen Venedig. Er verhängte 
nach bewährtem Muster eine Handelssperre, brachte die Nachbar- 
städte — Padua, Ferrara und Verona, Adria und Ariane — zum: 
Angriffe auf Cavarzere ; die Stadt wurde erobert, aber vom Dogen 
zurückgewonnen, auch Adria und Ariane von den Venezianern gründ- 
lich verwüstet. Es war die rechte Zeit für die Ohibellinenstädte- 
Qenua und Pisa. Im Juni 1162 empfingen gegen Übernahme der 
Küstenverteidigung von Arles bis zum Monte Gargano und der 
Seekriegsfuhrung gegen die Normannen Genua die Küste von Mo- 
naco bis Portovenere, Pisa die Küste von hier bis Civitavecchia al& 
kaiserliches Lehen ; sie erhielten weitgehende Zugeständnisse fär den 
Fall einer Eroberung des Normannenreiches und Genua wenigstens 
volle Freiheit, den französischen Kaufleuten jede Schiffisverbindung 
nach Venedig abzuschneiden, bis die Venezianer nicht die Gnade 
des kaiserlichen Herrn gesucht und gefanden hätten. 

Wie war es anders möglich, als dafs Venedig, also bedrängt, 
sich jener Mächtevereinigung einordnete, die, nicht durch artikulierte 
Verträge, aber durch gemeinsame Furcht und neidvolle Erbitterung 
zusammengehalten, dem Weltherrschaftsanspruch des Staufers ent- 
gegentrat: das Papsttum und die Lombarden, das Normannen- 
reich im Westen, Byzanz im Osten; in weiterer Feme auch Un- 
garn, Frankreich, England. Der unmutige Frageruf des Engländer»^ 



260 Siebentes Kapitel. 

Johann von Salisbuiy, wer denn die Deutschen zu Richtern der 
Welt gesetzt; wurde gleichsam Devise. 

Niemand von ihnen allen war eifriger, dem ehemaligen Bundes- 
genossen die Wege zu seinen Zielen zu verlegen, als Kaiser Manuel 
Eomnenos. Gestützt auf eine aufserordentlich starke Stellung im 
vorderen Asien hielt er gleich dem Staufer an seinen imperialistischen 
Plänen fest. Dabei mufsten sich nach allen vorangegangenen 
Differenzen Bjzanz und Venedig wie von selbst wieder zusammen- 
finden. Manuel sandte den Nikephoros Kaluphes mit reichen 
Oeldern nach den Lagunen, wohl um die Verträge, Qoldbulle 
und venezianische Gegenverpflichtung, feierlich zu erneuern und 
letzterer — sie lautete diesmal auf hundert Galeeren — im 
besonderen die Richtung gegen das Westreich zu weisen. Dabei 
ist wahrscheinlich auch eine gemeinsame Aktion gegen die Un- 
garn in Dalmatien und die Leistung griechischer Hilfsgelder für 
die aufstandbereiten lombardischen Städte vereinbart worden. 
Manuel gewann auch — vermutlich nicht ohne venezianische 
Unterstützung — in den Folgejahren den Ungarn Dalmatien und 
Kroatien ab. Im Jahre 1166 residierte Nikephoros Kaluphes als 
byzantinischer Dux von Dalmatien vermutlich in Spalato. Der 
venezianische Besitz im Lande blieb unberührt oder wurde, wenn 
die Republik wirklich Hilfe geleistet hat, auch vergröfsert. Venedig 
aber wollte doch vorerst keinen offenen Krieg mit dem West- 
reiche. Noch im März 1164 erschienen venezianische Gesandte mit 
Vermittelungsangeboten auf dem Reichstag von Parma. Vergebens. 
Die Gegensätze waren zu weit gediehen, als dafs sie ohne Waffen 
sich hätten ausgleichen lassen. So griff die venezianische Politik 
endlich entschlossen zu. Ein Bündnis aller oberitalienischen Städte 
:gegen das staufische Kaisertum war ihr letztes Ziel. Unter steter 
Zuhilfenahme byzantinischer Gelder — es sollen 12 000 Mark 
Goldes (!) aufgewendet worden sein — und nach glücklicher Be- 
seitigung der von früher her vorhandenen Gegensätze brachte sie 
noch im April 1164 einen zunächst geheimgehaltenen Bund mit 
Padua, Vicenza und Verona zustande; sie wollten, schwuren diese 
zum „Veroneser Bunde" vereinten Städte, dem Kaiser Friedrich 
nicht melir an Pflichtigkeiten leisten als Karl dem Grofsen und 
anderen Kaisern 



Patriarch Ulrich von Aquileja. 251 

Friedrich Barbarossa war weit entfernt, vor Papsttum und 
Kommunen zurückzuweichen. An Stelle des im April 1164 ver- 
storbenen Viktor IV. wurde Paschalis III. als neuer Qegenpapst 
gewählt. Zugleich schritt er zum Angriffe gegen die Städte, ,ydie 
sich zu hochmütigem Aufruhr gegen ihn und das Reich erhoben 
hätten'^; er selbst vom Westen von Pavia her, Erzbischof Eber- 
hard von Salzburg von Treviso, Patriarch Ulrich von Aquileja, 
ein geborener Graf von Treffen, von seiner Metropole aus, der 
letzte im besonderen gegen Venedig. Dem loyalen Ferrara wur- 
den am 27. Mai als Entschädigung für die von den Rebellen zu 
gewärtigenden Schädigungen und im augenscheinlichen G^eu- 
satze zu Venedig besondere Freiheiten zugebilligt. Hier sah 
man mit Sorge in die Zukunft; der Staat mufste in seiner Be- 
drängnis eine Anleihe erheben. Aber der Angriff mifslang; der 
Kaiser erzielte nur geringe oder keine Erfolge, der Salzburger 
kam gar nicht zum Losschlagen, und der Versuch des Patriarchen 
Ulrich auf Grado, dem ein Handstreich der Trevisaner auf Caorle 
parallel gegangen zu sein scheint, endete überaus kläglich. Der 
Patriarch wurde gefangen, wer von den ihn begleitenden friaulischen 
Edeln nicht in den Sümpfen umgekommen war, wanderte mit ihm 
in Gefangenschaft, angeblich ihrer 700. Nicht viel besser mag 
€8 den Trevisanem ergangen sein (April/Mai 1164). Der Bund 
hatte den Angriff bestanden. Weithin erschien Venedig als seine 
Führerin. Der Erfolg, so unerwartet reich und glänzend, mufste 
wie andere derartige Unternehmungen zu vaterländischer Legenden- 
bildung führen. Der Patriarch wurde gegen Leistung eines Jahres- 
zinses freigegeben; als solcher sind zuerst fiir 1222 zwölf Brote und 
zwölf Schweine, nach 1312 aufserdem noch ein Ochse urkundlich 
bezeugt. Die venezianische Überlieferung gefiel sich vom späteren 
13. Jahrhundert ab in sagenhaften Ausschmückungen, in denen 
die Caorlesinnen als eine Art Weiber von Weinsberg auftreten 
und der Sieg über Ulrich mit immer reicherem Detail verbrämt 
wird. Bis zum Ende der Republik erinnerte jeden Gründonners- 
tag — denn da sollte der Sieg errungen worden sein — ein etwas 
massiv geratenes, von 1520 ab würdiger gestaltetes Volksfest an 
jene glückliche Begebenheit. 

Der Kaiser liefs sich den Mifserfolg nicht verdriefsen. Er 



262 Siebentes Kapitel. 

gewann jetzt England, die französische Parteinahme für Alexander IIL 
wurde zusehends schwächer. Der Papst muTste nach Rom zurück- 
kehren. Ungarn und Byzanz lagen in heller Fehde, und noch 
lastete auf der Lombardei die Schrecknis des an Crema und 
Mailand geübten Gerichtes. Umsonst die Bemühungen Venedigs, 
dem Veroneser Bunde lombardische Städte zuzuführen ; vergebUeb 
die dabei mit vollen Händen gespendeten Geldsummen. In dumpfer 
Verzagtheit sahen die Städte den furchtbaren Staufer im Herbste 
1166 wieder nach Italien herabsteigen, nun auch mit Rom und 
der Papstherrlichkeit Rolands von Siena ein Ende zu machen. 
Aber als die deutschen Heeresmassen vorbeigebraust und nicht 
ohne Bedrängnisse sich gegen Rom vorzuschieben begonnen hatten, 
päpstliche und normannische Abgesandte im Vereine mit vene- 
zianischen Emissären und griechischem Golde immer au& neue 
zum Abfall mahnten, fafsten im April 1167 doch Cremona, 
Bergamo, Brescia und Mantua den Mut, sich zu einem lombar- 
dischen Bündnis zum Wiederaufbau von Mailand zusammenzu- 
schliefsen. Und als dann im August 1167 das deutsche Heer 
in den Fieberlüften der Campagna zugrunde ging, der E^aiser 
machtlos nach Deutschland enteilen mufste, traten sogleich Mai- 
land, Lodi, Piacenza und Parma diesem Bündnisse bei und ver- 
einten sich dann noch im Sommer veronesischer und lombar- 
discher Bund zu einem grofsen lombardischen Städtebunde. Am 
1. Dezember 1167 wurde eine feierliche „concordia" geschlossen. 
Nach Kaiser Friedrichs Heimkehr umfafste im Frühjahre 1168 
die neue „societas Romaniae et Veronae et Venetiae (societas 
Lombardiae et Marchiae et Romagnolae) '^ die meisten Kommunen 
Oberitaliens. Sie schlössen ein Schutz- und Trutzbündnis von 
Ostern 1 1 68 ab auf zwanzig Jahre, verpflichteten sich für Kaiser 
und Reich nicht mehr zu leisten, als bei Regierungsantritt des 
Kaisers und ohne Wissen der Rektoren des Bundes niemals einen 
Sonderfrieden oder ein Sonderbündnis einzugehen. Sehr bedeutsam 
war die Stellung Venedigs im Bunde: die von Griechenland und 
Sizilien einkommenden Subsidien gehen durch seine Hand, von 
militärischen Leistungen zu Lande ist es gegen die Verpflichtung 
befreit, die Kriegführung zur See und auf den Flüssen zu üben. 
Am 24. Oktober 1169 wurden die Bündnisbedingungen neuerlich 



Der lombardische Städtebund. 25 S 

beschworen und der Beschlufs gefafst, einlangende Gesandtschaften 
und Briefe des Kaisers nur zu Händen der Rektoren zu geben. 
Im März 1170 trat Papst Alexander in ein enges Verhältnis zu 
dem nunmehr auch um Pavia und Biandrate^ fast die einzigen 
bisher kaisertreuen Städte, vermehrten Bunde. Zwei Jahre darauf 
mufste als letzter auch Herzog Wilhelm von Montferrat sich dem- 
selben anschliefsen. Zu Ende des Jahres 1172 war ganz Ober- 
italien gegen den Kaiser geeinigt. Der Grundgedanke der italie- 
nischen Politik Venedigs war glücklich verwirklicht. 

Aber zugleich hatten sich auch schon wieder die Beziehungen 
der Republik zum griechischen Reiche gelockert Kaiser Manuel 
webte wieder mitten in Weltherrschaftsplänen. Er war im Mai 
1167, eben als das deutsche Heer auf Rom zog, an den Papst 
Alexander mit dem bestimmt gefafsten Antrage herangetreten^ als 
Gegengabe für eine Verleihung der Kaiserkrone des Ostens und 
Westens die Union der beiden Kirchen unverweilt vollziehen zu 
wollen. Der Papst lehnte nicht ohne Ironie ab : der Kaiser möge 
dann seine Residenz nach Rom verlegen. Manuel liefs sich 
darum nicht irre machen; er hat wieder und wieder derartige 
Anträge in Rom gestellt. Zugleich nützte er die Katastrophe 
Friedrichs vor Rom zu einer ausgiebigen Verstärkung der grie- 
chischen Positionen in Ancona. Damit aber wiederholte sich das 
alte Spiel. Venedig, das seine Tätigkeit in Oberitalien von bestem 
Erfolg gekrönt, der staufischen Politik im lombardischen Bunde 
ein verläfsliches Bollwerk entgegengestellt sah, verweigerte — im 
Dezember 1167 — den Griechen die vereinbarte Bundeshilfe. 
Überdies schlofs die Stadt mit den Ungarn einen durch Ver- 
heiratung der beiden Dogensöhne Lionardo und Nicolö Michiele 
mit ungarischen Prinzessinnen besonders feierlich besiegelten Ver- 
gleich, dessen nächste Folge ein erneuter Vorstofs der Ungarn 
gegen das soeben byzantinisch gewordene Mittel- und Süddalmatien 
war (Winter 1167/1168). Es förderte die Beziehungen zwischen 
Byzanz und Venedig wahrlich nicht, wenn Kaiser Manuel nun- 
mehr die Anconitaner zu räuberischen Anfällen auf venezianische 
Schiffe aufreizte und zu seinem schon früher erprobten Systeme 
der Begünstigung der venezianischen Handelskonkurrenten zurück- 
ging. Das im Jahre 1155 den Genuesen in Konstantinopel ein- 



254 Siebentes Kapitel. 

geräumto Handelsquartier wurde sieben Jahre später von Vene- 
zianern und Pisanem einträchtig verwüstet und ausgeplündert; 
jetzt im Oktober 1169 genehmigte der Kaiser dessen Neuein- 
richtung und räumte den Genuesen das Recht zum Besuche aller 
griechischen Häfen ein^ mit einziger Ausnahme des Schwarzen 
Meeres ; das auch den Venezianern verschlossen bleiben sollte. 
Zugleich trat er aber auch in Verhandlungen mit den Pisanern 
wegen Rückverlegung ihres im Jahre 1162 vor die Stadt ver- 
legten Quartiers an seine alte Stelle und kam mit ihnen im Sommer 
1171 zu freundlichem Vergleich. Ein neuer Angriff auf das 
Genuesenquartier im Jahre 1170 wurde vom Kaiser^ den manche 
Stimmen beschuldigten^ selbst ihn veranlafst zu haben ^ mit Recht 
oder Unrecht den Venezianern zur Last gelegt. Unermüdlich war 
er daran, die Rivalenstädte gegeneinander auszuspielen und ihren 
Hafs zu schüren. Ja er suchte, ähnlichen Erwägungen wie auch 
die venezianische Politik folgend, mit Kaiser Friedrich Fühlung 
zu gewinnen; im Jahre 1170 weilte Erzbischof Christian von 
Mainz in Konstantinopel, das Jahr darauf gingen griechische Ge- 
sandte nach Köln. Während Venedig offiziell noch die Vermitt- 
lerin zwischen Byzanz und dem Lombardenbunde blieb, suchte 
jenes selbst wieder Anknüpfungen mit dem staufischen ELaisertum 
gegen die Republik. Alle Künste seiner Diplomatie hat Manuel 
gegen die verhafste Feindin spielen lassen, mit der ihn das Schick- 
sal so oft wider Willen zu gemeinsamen Taten zusammenzwang, 
deren Kaufleute ihm in seiner eigenen Hauptstadt mit gewalt- 
tätigem Hochmut und dreister Ungebühr begegneten. 

Noch einmal kämpften im Jahre 1170 Venezianer und Grie- 
chen zusammen, wenn schon nicht verbündet, so doch gegen den- 
selben Feind — gegen die Ungarn in Dalmatien. Diese hatten 
den Griechen ihren dortigen Besitz wieder abgenommen, den 
Venezianern trotz des kaum geschlossenen Vergleiches Zara ent- 
fremdet; die Stadt hatte sich freiwillig für Ungarn erklärt und der 
Ungarkönig es nicht über sich bringen können, vertragstrea zu 
bleiben und die angebotene Ergebung abzulehnen. Nun nahmen 
die geschädigten Mächte den Kampf um die Wiedergewinnung 
der verlorenen Positionen auf. Beide mit Erfolg. Doge Vitale 
Michiele eroberte, nachdem ein erster Versuch mit dreifsig Galeeren 



Der 12. März 1171. 26& 

auf Zara mifsglückt war, im Frühjahr 1170 die Stadt in einem 
zweiten Zuge, führte den vertriebenen Comes Domenico Morosini 
wieder zurück; schleifte die Mauern ^ liefs sich Geiseln stellen. 
Die Griechen gewannen Dalmatien wieder; fiir das Jahr 1171 
ist wieder ein byzantinischer Dux von Dalmatien bezeugt 

Kaiser Manuel nahm jetzt — im Frühjahre 1171 — eine^ 
grofse Stellung ein. Im Besitze von Ancona und siegreich in 
Dalmatien^ zu den ghibellinischen Seestädten und zum Lombarden- 
bunde in enger Beziehung ^ zudem in fortwährender Verhandlung 
mit dem römischen Papste und doch nicht ohne Fühlung mit dem 
deutschen Kaisertum ^ hatte er sich gegen Ungarn durch Hilfs- 
verträge mit den Fürsten der Balkanslawen gedeckt, machte 
mächtig die alten Reichsansprüche in Asien, ja bis nach Ägypten 
hin geltend; Graf Rainald von Antiochien, die Emire von Haleb 
und Iconium waren ihm zur Heeresfolge verpflichtet. Die Nieder- 
werfung von Venedig war immer mehr zum Leitziele seiner Politik, 
geworden ; nun erachtete er die Zeit iür gekommen, zum entschei- 
denden Schlage auszuholen. 

In Venedig mochte man eine Ahnung haben, dafs der Viel- 
gewandte etwas gegen die Stadt im Schilde fUhre. Ein Befehl 
des Dogen rief — etwa im Winter 1170/1171 — die venezianischen 
Kaufleute aus Griechenland ab. Aber Manuel beeilte sich, durch 
eine Gesandtschaft der Loyalität seiner Gesinnungen Ausdruck zu 
geben und den Venezianern die Wahrung ihrer Privilegien zu- 
zusichern, und überwand schliefslich auch die Bedenken der vene- 
zianischen Gesandten Sebastiane Ziani und Orio Malipiero. Das 
Handelsverbot wurde aufgehoben, und zahlreicher denn je strömten 
venezianische Kaufleute nach Griechenland. Nichts anderes hatte^ 
der E^aiser gewollt. Er liefs in aller Heimlichkeit in der Haupt- 
stadt Truppen zusammenziehen und am Gregoriustage, dem 
12. März 1171, im ganzen Reiche, vor allem natürlich in Kon- 
stantinopel alle venezianischen Kaufleute gefangensetzen, ihre 
Gelder und Waren einziehen; neuere Schätzungen berechnen den 
Gesamtverlust auf etwa acht Millionen Kronen österreichischen 
Geldes. Die wenigsten entkamen. Mit einem einzigen vernich- 
tenden Streiche sollte die venezianische Handekherrschaft im Ost- 
reiche gebrochen sein. 



'266 Siebentes Kapitel. 

Dunkle Gerüchte brachten die erste Nachricht von der un- 
•erhörten Gewalttat nach Venedig. Die regierenden Kreise mochten 
nicht wohl daran glauben ; eine Gesandtschaft sollte abgehen^ Auf- 
klärung zu gewinnen^ Genugtuung zu fordern. Ebenda langten 
— angeblich am 20. Mai — einige aus Halmyros entronnene 
Schiffe ein und machten erst die ganze Wahrheit kund. Über 
-den diplomatisierenden Dogen und den Rat hinweg wurde in 
tumultuarisch zusammengetretener Volksversammlung Eoieg ver- 
langt und beschlossen. Unausgesetzt wurde in den Werften des 
Arsenals an der Herstellung von Schiffen gearbeitet. In nicht 
viel mehr als hundert Tagen waren hundert Galeeren fertiggestellt 
Mit Recht ist die venezianische Überlieferung stolz auf diese 
Kraftleistung heimischer Schiffsbaukunst. Im September zog eine 
vom Dogen befehligte stattliche Flotte aus^ die Rache an den 
Oriechen zu vollstrecken; Lionardo Michiele, der Comes von Or- 
sero, wurde als Vizedoge mit der stellvertretenden Regierung be- 
traut. Auf dem Wege durch die Adria wurden die griechischen 
Städte Trau und Ragusa erobert und ihnen die übUchen Heeree- 
folgeverträge und die Anerkennung des Primats von Grado auf- 
igezwungen. Den Peloponnes umfahrend, landete die Flotte wohl noch 
im Oktober in Euböa. Ein Badoero und der Bischof Pascal von 
Jesolo; ein guter Kenner des Griechischen, gingen als Gesandte 
nach Konstantinopel ; der Kaiser hatte selbst darum ersucht Die 
Flotte legte hernach zur Überwinterung auf Chios an, brand- 
schatzte von hier aus die Umgegend. Die in Begleitung eines 
Oriechen hierher zurückkehrenden Gesandten überbrachten den 
Ausdruck kaiserlichen Unwillens über die Verheerungen grie- 
chischen Gebietes, den Kaiser selbst aber hatten sie gar nicht zu 
Oesicht bekommen. Manuel verlangte vielmehr die Abordnung 
einer neuen Gesandtschaft; der Doge entsandte aufser den Ge- 
nannten noch Philippe Greco. Wenn neben diesem diplomatischen 
Verfahren noch eine energische miUtärische Aktion geplant war, 
«o machte der Ausbruch einer pestartigen Seuche auf Chios dies 
unmöglich; die venezianische Überlieferung erhebt gegen Manuel 
die ungeheuerliche Anschuldigung, er habe diese durch Vergiftung 
der Brunnen herbeigeführt Mit schweren Verlusten an Leuten 
und Fahrzeugen fuhr — zu Ende März 1172 — die Flotte nach 



Ermordung Vitale Blichieles II. 267 

S. Panachia^ nordwestlich von Skyros; die Krankheit hielt in 
gleicher Stärke an. Weniger denn je dachte bei solcher Lage 
der Dinge der Kaiser daran , irgendeine bindende Zusage zu 
machen ; die venezianischen Gesandten kamen wieder unverrichteter 
Sache — diesmal nach S. Panachia — zurück, und Manuel er- 
klärte sich von neuem bereit, eine weitere Gesandtschaft zu emp- 
fangen. Der Doge verlor die Geduld nicht und schickte Philippo 
Greco und Enrico Dandolo. Dann führte er sein grausam ge- 
lichtetes Heer nach Lemnos, hernach auf Lesbos zu; dabei ver- 
schlug es ein Sturm südwestwärts nach Skjros. Hier wurden 
am 16. April die traurigsten Ostern begangen. Endlich blieb 
nichts übrig als die Heimfahrt Vitale Michiele mochte von 
Glück sagen, dals er die Reste seiner stolzen Flotte — etwa 25 
bis 30 Schiffe — noch heil nach Hause brachte. Mit ihnen zu* 
gleich aber die Pest. Die schwere Prüfung und das grofse Sterben 
jener Tage hat in der patriotischen Erzählung von dem Unter- 
gange der Giustiniani einen legendarischen Niederschlag gefunden ; 
ab einziger Stammhalter des Geschlechtes sei ein Mönch zurück- 
geblieben, dem päpstliche Dispens die Ehe und damit die Erhal- 
tung der Familie gestattete. 

Hat Doge Vitale Michiele U. wirklich jene staatsmännische 
und militärische Unfähigkeit bekundet, deren ihn Dandolo zeiht? 
Er hatte sich in schweren Zeiten gut gehalten, einwandfreie 
Quellen berühmen ihn als klugen und geschickten Mann; war 
er nicht durch Rücksichtnahmen auf die in den griechischen 
Kerkern festgehaltenen Landsleute behindert? Und hatte endlich 
nicht ein Mifsgeschick, das neun Jahre früher vor den Toren Roms 
auch einen Stärkeren entwaffnet, alle seine Absichten zunichte 
gemacht? Sei dem wie immer, dem Volke von Venedig galt er 
für den fluchwürdigen Urheber alles Unheils. In aufgeregter Volks- 
versammlung wurden wilde Verwünschungen gegen ihn laut. An 
Leib und Leben bedroht, von seinen Räten verlassen, die sorg- 
lich das Weite gesucht, flüchtete er in einer Barke gegen S. Zac- 
caria. Da wurde er vor der Kirche von einem Marco Casolo 
erstochen. Es war am 27. /28. Mai 1172. In S. Zaccaria fand 
er auch seine Ruhestätte. Der Mörder wurde dingfest gemacht 
und gehängt. 

Krettcbmtyr, Geschichte ron Venedig. 17 



258 Siebentes Kapitel. 

Die Lage Venedigs war keine neidenswerte. Wie sollte sich 
die von inneren Konflikten aufgewühlte Stadt der offenen Feind- 
schaft der beiden Kaiserreiche und dem Hasse der ghibellinischen 
Seestädte gegenüber, in dauerndem Gegensatz zu Ungarn, in dem 
unsicheren Verhältnis zu ihren oberitalienischen Bundesgenossen 
gedeihlich behaupten? Der Handelskrieg gegen Ungarn hatte 
ungeheure Summen gekostet; nun war eine ganze Flotte in den 
griechischen Gewässern zugrunde gegangen. In solcher Lage 
versuchte Venedig mit Glück die alten guten Beziehungen zu 
Kaiser Friedrich wiederherzustellen. Zum Dogen wurde — nach 
der allgemeinen Ansicht jetzt zuerst von einer fixierten Anzahl 
Wähler — der hochbetagte und reich begüterte Sebastiano 
Ziani (Mai 1172 — April 1178) gewählt, dessen grofses Vermögen 
der bedrängten Heimat nicht minder wertvoll gelten mochte als 
sein erprobter Rat Er hat wohl persönlich die venezianische 
Politik jener Jahre geleitet Mit Kaiser Manuel war zunächst 
an kein Abkommen zu denken. Enrico Dandolo und Philippo 
Oreco kehrten mit leeren Händen zurück ^ wie ihre Vorgänger. 
Dafs in dieser Gesandtschaft Enrico Dandolo durch heimtückische 
Vorkehrungen Kaiser Manuels ganz oder nahezu des Augenlichts 
beraubt worden sei, ist doch recht zweifelhaft; ebensogut mag er 
die Sehkraft durch Krankheit oder Verwundung eingebüfst haben. 
Dafs Manuel aber die Gesandten ungebührlich behandelt habe, 
wird nicht unglaubwürdig versichert Gewifs ist, dafs fortgesetzte 
ernstUcbe Versuche, mit ihm zum Frieden zu kommen, an seiner 
dilatorischen Behandlungsweise gescheitert sind. Um so entschie- 
dener vollzog sich die Schwenkung der abendländischen Politik 
Venedigs. 

Seitdem im Spätherbste 1167 der grofse italienische Städte- 
bund einmal zustande gebracht worden war, hatte ihm Venedig 
nur mehr geringe Aufmerksamkeit bezeigt. Die Art seiner 
Bundesverpflichtungen erleichterte diese Haltung; zum Eintreten 
mit der Flotte ergab sich niemals Gelegenheit, und mit den ver- 
einbarten Subsidien, die es zu übernehmen und zuzuweisen hatte, 
scheinen sich Wilhelm von Sizilien und Kaiser Manuel wenig 
oder gar nicht mehr bemüht zu haben. Nun geschah es, dafs im 
Frühjahr 1173 Erzbischof Christian von Mainz, seit zwei Jahren 



Doge Sebastiano Ziani. 259 

in Italien fiir das staufische Interesse tätige eine Belagerung von 
Ancona begann und hierzu die Unterstützung Venedigs erbat 
Diesem Ansuchen Folge geben, hiefs die Bestimmungen des 
Bundesvertrages verletzen, die jedes Sonderabkommen untersagten. 
Aber eine Aktion gegen Ancona entsprach so sehr den Interessen 
Venedigs, dafs der Doge, unbekümmert um den Vertragsbruch, 
vielleicht überdies gedrängt von einer kaiserlich gesinnten Partei, 
dem Erzbischof bereitwillig entgegenkam und eine Vereinbarung 
mit ihm schlofs. Es war ein ausgezeichneter Schachzug beider 
Vertragsteile. Christian erlangte die Hilfe Venedigs um den 
Preis von dessen Trennung vom Lombardenbunde, Venedig ge- 
wann durch Mithilfe bei der Schädigung der griechischen In- 
teressen und einer verhafsten Rivalenstadt die Aussicht auf die 
Erneuerung der alten Freundschaft zum römisch-deutschen Kaiser- 
tum. Freilich, der Erfolg war mit offener Vertragsverletzung er- 
kauft worden. Aber sollte Venedig den wohlverteidigten Ansprüchen 
der lombardischen Städte zuliebe die eigene Stellung zum Opfer 
bringen? ;^Die internationale Politik ist ein flüssiges Elemenf 

Die alsbald von den Deutschen zu Lande, den Venezianern 
zur See ins Werk gesetzte Belagerung von Ancona hatte trotz 
starken Eräfteaufgebotes keinen Erfolg. Die Venezianer waren 
mit vierzig Galeeren ausgefahren, darunter dem „ Kosmos '', jenem 
gewaltigen, alle anderen an Gröfse überragenden Schiffe des Ro- 
manus Mairanus, das am 12. März 1171 viele Venezianer aus 
Konstantinopel zunächst an die Küste von Akkon geflüchtet hatte 
und anscheinend noch ein Menschenalter später im vierten Elreuzzug 
mitgekämpft hat. Aber die Anconitaner hielten sich tapfer, das 
deutsche Landheer mufste vor einem im Oktober heranrückenden 
überlegenen Entsatzheere der Lombarden zurückweichen, die Vene- 
zianer kehrten vor Einbruch des Winters — nicht ohne Verluste 
durch Stürme — nach Hause zurück. Die Stadt blieb unerobert; 
aber ihr Handel war gleichwohl schwer mitgenommen und wurde 
es noch mehr, als Venedig etwa gleichzeitig mit Pisa eine Über- 
einkunft schlofs, die den Venezianern jeden Verkehr mit Genua, 
den Pisanem mit Ancona verbot. Ancona war als Zwischenstation 
des pisanischen Handels nach Konstantinopel grofs geworden ; nun 

war die Stadt durch mehrere Jahre — erst 1180 wurde jener 

17* 



360 Siebentes Kapitel. 

Artikel in neuer Vereinbarung der Städte Pisa und Venedig wieder 
aufgehoben — der belebenden Verbindung mit dem grofsen Em- j 
porium beraubt. Vor allem bedeutsam aber war es doch, dab 
trotz des formellen Verbleibens von Venedig im lombardischen 
Bunde ^ dessen Zwecke ihm fremd geworden waren, das neu an- i 
gebahnte Verhältnis der Republik zum staufischen Kaisertum sich 
immer mehr vertiefte. Erzbischof Christian, besonders darum be- 
müht, erwirkte die Sendung einer venezianischen Gesandtschaft 
an den Kaiser und deren beste Au&ahme (Frühjahr 1175). Der 
volle Friede war nur eine Frage der Zeit. Venedig hatte dem 
noch unausgetragenen Gegensatze zwischen kaiserlicher Gewalt und 
städtischer Freiheit in Oberitalien gegenüber sich in eine gesicherte \ 
neutrale Stellung zurückzuziehen vermocht. 

Zugleich war die venezianische Politik im Abendlande noch auf 
anderem Felde und, wie es scheint, mit grofsen Absichten tätig, ' 
Doge Sebastiane Ziani hatte nach der Rückkehr Enrico Dandolos j 
und Philippe Grecos (Herbst 1172?) eine neue dreigliedrige Gte- } 
sandtschaft an Kaiser Manuel geschickt, aber, ohne deren Rück- 
kehr erst abzuwarten, im Frühjahr oder Sommer 1173 zwei andere 
Gesandte, darunter wieder Enrico Dandolo, an König Wilhelm 11. 
von Sizilien abgeordnet. Zu welchem Zwecke? Blofs um der 
Erneuerung oder Erweiterung des Vertrages von 1154 willen? 
Man weifs, dafs zur selben Zeit Manuel mit Wilhelm II. wegen 
dessen Vermählung mit seiner Tochter Maria in Verhandlung stand 
und Erzbischof Christian im Namen seines Herrn von Ancona aus 
Gesandte zu Friedensverhandlungen dorthin abgeordnet hat. Sollten 
die venezianischen und deutschen Gesandten ohne vorheriges Ein- 
verständnis ihrer Auftraggeber nach Palermo abgegangen sein? 
Man möchte die Vermutung aussprechen, dafs sie über ihre nächsten 
Aufträge hinaus gemeinsam den griechischen Einflüssen entgegen- 
zuwirken, vielleicht auch geradezu ein Bundesverhältnis der drd 
Mächte zustandezubringen versuchen sollten. Wie dem auch sei, 
König Wilhelm wies die staufische Friedenswerbung von sich, 
kam aber den Wünschen Venedigs bereitwillig entgegen. Im 
September 1175 wurde mit den venezianischen Gbsandten Orio 
Malipiero und Orio d'Oro auf Grundlage des Vertrages von 1154 
ein zwanzigjähriges Bündnis vereinbart, dessen griechenfeindliche 



Ansgang Kaiser Manuels. 



261 



Tendenz augenscheinlich war. Der Normannenkönig verspricht 
neuerlich das venezianische Interessengebiet in der Adria von Ra- 
gusa aufwärts nicht zu beunruhigen; aufserdem erlangten die Vene- 
zianer die Herabsetzung des bisher im Normannenreiche üblichen 
Handelszolles auf die Hälfte und die ausdrückliche Zusicherung 
einer Genugtuung für jede von einem Normannen einem der Ihren 
zugefiigte Gewalttat. Wenn die Normannen keinen Angriff auf 
die griechische Küste unternahmen , so mag eine im Juli 1174 
vor Alexandrien erlittene Niederlage^ die Sultan Saladin ihnen 
beigebracht; hierfür bestimmend gewesen sein. Welche umfassenden 
Widerstände Venedig dem feindlichen Reiche zu erwecken bestrebt 
war, erhellt aus der Nachricht des Griechen Ejnnamos, dafs Emis- 
säre der Republik die Serben der Balkanhalbinsel zu Aufruhr und 
Abfall angereizt hätten. 

Indessen war eine zweite und dritte Gesandtschaft an den 
griechischen Eaiserhof abgegangen; wieder ohne Erfolg. Aber 
Kaiser Manuel sah doch endlich, dafs seiner Verzögerungspolitik 
keine Früchte reifen würden. Er sah die feindliche Stadt mit 
Kaiser Friedrich, mit ihrer Konkurrentin Pisa versöhnt; in engem^ 
für ihn selbst bedrohlichen Bunde mit der gefürchteten Militär- 
macht der Normannenkönige; unermüdlich tätig; ihm neue Feinde 
zu schaffen. Seit in Ägypten Sultan Saladin emporgekommen 
war und im Frühjahre 1176 in furchtbarer Schlacht bei dem 
phrygischen Schlosse Myriokephalon auch sein gewohntes Waffen- 
glück gegen die Seldschuken von Ikonium versagt hatte ; sah er 
seine Erwartungen überall betrogen und gab die Hoffnung; sein 
Reich und Volk der Umklammerung durch den venezianischen 
Grofshandel zu entreifseU; ebenso verloren wie vordem der Vater. 
Er verstand sich (1176?) zur Herstellung der alten Verträge und 
zur Zusicherung einer; freilich niemals bezahlten Entschädigung 
von 1400 Pfund Goldes an die Republik. Die gefangenen Vene- 
zianer wai*en wohl längst schon freigegeben worden. Der Kaiser 
erlebte es noch; die Gegnerin; auf deren Bekämpfung und Ver- 
nichtung er so viel seiner Lebensarbeit verwendet, von der ge- 
samten abendländischen Welt gefeiert und umworben zu sehen. 
Drei Jahre darnach ist er — erst 58 jährig — gestorben (1180). 
Ein beharrlicher; aber unglücklicher Streiter um die Verwirklichung 



363 Siebentes Kapitel. 

weltumfassender Gedanken, die zur Vollendung zu ftihren die 
Kräfte seines tieferschütterten Reiches niemals genügen konnten; 
aber doch noch im Scheitern aller seiner weit überspannten Ent- 
würfe , bei aller Gewissenlosigkeit in der Wahl seiner Mittel eine 
gewaltige; fast ergreifende Herrschergestalt Er steht als letzter 
in der Reihe der grofsen Imperatoren des Ostens. Zwei Jahrzehnte 
nach seinem Tode brandete über die verzweifelte Ohnmacht des 
Griechenreiches hin die Sturmflut des vierten Ereuzzuges. 



Venedig hatte hohe Tage gesehen. Indem Kaiser Friedrich 
vor den Lombarden bei Legnano erlegen war (29. Mai 1176), 
hatte sich die Richtigkeit der venezianischen Politik erst vollends 
erwiesen ; der Bund war fiir sich allein stark genug gewesen, dem 
staufischen Angriff zu widerstehen. Der Kaiser entschlofs sich 
zur Umkehr. Im Herbste 1176 erschienen in seinem Auftrage die 
Erzbischöfe Wichmann von Magdeburg und Christian von Mainz 
und Bischof Konrad von Worms bei Papst Alexander in Anagni. 
Man vereinbarte: der Kaiser wolle Roland von Siena als rechten 
Papst anerkennen, auf die kaiserlichen Gerechtsame im Patri- 
monium Petri verzichten, den Besitz des als Erbe angesprochenen 
Eigengutes der Markgräfin Mathilde von Tuszien räumen, der 
Papst sich mit den bisher vom Kaiser vollzogenen Kirchen- 
besetzungen abfinden. Die Frage nach Ausgleich mit den Lom- 
barden und dem König von Sizilien blieb vorläufig offen. Ein 
Friedenskongrefs sollte alles regeln. Der Papst versprach zu Schiff 
nach Ravenna oder Venedig abzugehen. Der Ort des Kongresses 
würde sich finden. Die Abmachung, vielfach angefochten, blieb 
schliefslich doch in Geltung. Alexander HI. wagte die stürmische 
Fahrt von Vieste am Monte Gargano ab die Küste Dalmatiens 
entlang über Zara nach Venedig. Schützend folgten ihm elf sizi- 
lische Galeeren, zugleich auch die beiden Friedensgesandten 
König Wilhelms, Graf Roger von Andria und Erzbischof Romuald 
von Salerno, der Geschichtschreiber des Friedens von Venedig. Am 
23. März 1177 landete man in S. Nicolö di Lido, am Tage darauf 



Alexander III. in Venedig. 26S 

führten der Doge und beide Patriarchen von Aquileja und Grado 
in prächtig ausgestatteter Dogengondel den heiUgen Vater in die 
Stadt. Er bezog eine Wohnung im Patriarchcnpalaste^ las am 
Verkündigungstage (25. März) die Messe in San Marco. Indessen 
liatten im Januar 1177 die Lombarden die Wahl von Bologna 
als Kongrefsort durchgesetzt; dagegen protestierten jetzt in Venedig 
Erzbischof Wichmann und Bischof Konrad und empfahlen Ra- 
venna oder noch besser Venedig selbst. Die Beziehungen des 
Kaisers zur Stadt waren immer freundschaftlicher geworden; ein 
reger Brief- und Gesandtenwechsel zwischen beiden hatte statt- 
gehabty Erzbischof Christian und der Kaiser selbst sich der guten 
Dienste der Republik zum bevorstehenden Friedenswerke ver- 
sichert. Friedrich fafste, so scheint es, eine persönliche Vorliebe 
flu* Sebastiane Ziani. Noch im März 1177 liefs er durch den 
mit Venedig längst versöhnten Patriarchen Ulrich von Aquileja 
eine grofse Anleihe dortselbst aufnehmen. Indem seine Vertreter 
jetzt für Venedig als Versammlungsort einü^aten, fanden sie allem 
Anscheine nach bei Papst Alexander gutes Verständnis. Die 
Aufmerksamkeit, mit der man ihn hier empfangen und ihm be- 
gegnete, die gute Gesinnung, die er bei Doge nnd Räten für das 
Friedenswerk vorfand, mögen ihn so gestimmt haben. Er las am 
3. April zum dritten Male in San Marco die Messe und zeichnete 
den Dogen durch Überreichung der goldenen Rose aus. Nach 
venezianischer Überlieferung hätten Kaiser und Papst seit langem 
Venedig als den geeigneten Ort ins Auge gefafst ; die Gegend sei 
sicher, fruchtbar, reich an Verpflegsmitteln, die Bevölkerung fried- 
liebend und ruhig. Ein von Vertretern des Papstes, Kaisers, der 
Lombarden und König Wilhelms besuchter Sonderkongrefs unter 
Alexanders Vorsitz in Ferrara entschied dann im April unter leb- 
haftester Einflufsnahme des Papstes in der Tat für Venedig. Ver- 
gebens hatten die Bevollmächtigten der Städte gegen die „Vertrags- 
brecherin", die „geheime Verbündete des Kaisers '' gesprochen. 
Doge und Volk von Venedig wurden darauf vereidigt, den Kaiser 
nicht ohne Erlaubnis des Papstes über die Grenzen des Seelands 
einzulassen, und mufsten sich für die Sicherheit der Kongrefs- 
teilnehmer verbürgen. Am 11. Mai befand sich Alexander III. 
wieder in der Stadt. 



364 Siebentes Kapitel. 

Nun erst begannen in der Kapelle des Patriarcbenpalastes die 
eigentlichen Friedensverhandlungen, an denen auch Doge und Rat 
von Venedig als Vertreter einer Bundesstadt teilnahmen. Sie ver- 
liefen langwierig und schleppend. Die kaiserlichen Unterhändler, 
gefuhrt von dem erprobten Erzbischof von Mainz, kamen trotz 
der jetzt gesteigerten Ansprüche des Kaisers mit der Kurie nicht 
allzu schwer überein ; nicht so mit Lombarden und Sizilien. Eben 
darum versuchten sie — nicht ganz ohne Glück — die Interessen- 
gemeinschaft der Gegner zu sprengen. Während der Friede mit 
dem Papsttum ein endgültiger sein sollte und mufste, wurde auf 
des Papstes eigenen Antrag mit den Lombarden und Sizilien nur 
ein WaffenstiUstand auf sechs und fun&ehn Jahre vereinbart Die 
vielumstrittene Frage nach dem Erbe der Mathilde wurde um- 
gangen ; zunächst sollte der Besitz noch auf fUnfzehn Jahre hinaus 
dem Kaiser verbleiben. Auf Antrag des Erzbischofs Christian 
wurde Friedrich vom Kongresse eingeladen, sein bisher zu Ra- 
venna gehaltenes Hoflager nach Chioggia, also innerhalb der 
Dogatsgrenzen zu verlegen. Dort erschien er am 12. Juli 1177. 
Man legte ihm das Friedensinstrument zur Fertigung und Be- 
schwörung vor. Aber noch einmal bedachte er sich. Gleich bei 
seiner Ankunft in Chioggia machte sich im Gebiete des Seelands, 
vor allem in Venedig selbst eine eigentümliche Bewegung kund. 
Friedrich wurde von Abgesandten einer venezianischen Volkspartei 
(Populäres), die mit demokratischen kaiserfreundliche Tendenzen 
vereinigt haben mag und auch nicht ohne Verbindungen mit dem 
Dogen war, aufgefordert, nach Venedig zu gehen und die Ver- 
sammlung zu sprengen. Der Kaiser wies den Antrag nicht von 
sich, aber er folgte ihm auch nicht; dafs er selbst mittelbar oder 
unmittelbar die Bewegung hervorgerufen, wird nirgends behauptet; 
aber er war doch weit entfernt, sich derselben nicht für seine 
Zwecke bedienen zu wollen. Er weigerte die Fertigung des 
Friedens. Die „ Populäres '^ verlangten seinen Einlafs in die Stadt: 
das ungesunde Chioggia sei kein Aufenthalt für den Kaiser; ein 
Eid, die Grenzen Venedigs nicht zu überschreiten, binde ihn 
nicht mehr, denn dies sei bereits geschehen; man möge sich 
vor seiner Rache hüten. Die Beunruhigung wuchs an; schon 
entwichen die Lombarden nach Treviso, die Normannen hielten 



AbschluTs des Friedens von Venedig. S6& 

Oaleeren zur Flucht des Papstes bereit und drangen energisch 
in den Dogen ^ seiner beschworenen Pflicht gemäTs Ordnung zu 
machen. Sebastiano Ziani, anfangs bedenklich, verstand sich zu 
entschiedenen Mafsnahmen; dem Kaiser wurde der Zutritt nach 
Venedig ohne päpstliche Erlaubnis ausdrücklich untersagt. Die 
Volksbewegung verflaute; und Friedrich zauderte nicht mehr, durch 
seine Verordneten den Eid auf den Frieden in die Hände des 
Papstes leisten zu lassen (22. Juli). Am Tage darauf liefs iha 
der Doge durch seinen Sohn Pietro (oder Jacopo?) feierlich nach 
S. Nicolö di Lido einholen. Dort empfing er samt seinen Fürsten 
die Lösung vom Banne, beschwor neuerlich den Frieden. Äm> 
24. Juli fuhr er, geleitet vom Dogen, Patriarchen und glänzendem 
Gefolge, nach San Marco über; dort wartete seiner inmitten der 
Geistlichkeit, der sizilischen und lombardischen Gesandten der 
Papst. Der Kaiser liefs sich zum Fufskusse vor ihm nieder; der 
Papst hob ihn tränenden Auges auf, küfste ihn, erteilte ihm seinen 
Segen. Am 1. August erfolgte die offizielle Verkündung des 
Friedens, in den Folgetagen wurden die ausgesteUten Urkunden 
endgültig ratifiziert. Die grofse Spannung der letzten Jahrzehnte 
war gelöst, die Welt hatte wieder Ruhe. 

Ein Füllhorn von Gnaden wurde über die glückliche Stadt 
ausgeschüttet, auf deren Boden so grofse Dinge spielten. Schier 
wetteifernd wandten ihr Papst und Kaiser Ehren und Vorteile zu. 
Kaiser Friedrich bestätigte der Kirche von Torcello, dem Erlöster 
S. Zaccaria und der Lieblingsabtei des regierenden Dogen, S. Gi- 
orgio maggiore, ihre Besitzungen und Freiheiten. Er erneuerte* 
am 17. August das Kaiserpaktum mit der bedeutsamen Erweite- 
rung, das von jetzt an nicht mehr das „Regnum'^ allein, sondern 
die gesamte Ländermasse des westlichen Imperiums dem vene- 
zianischen Handel — und zwar nun vollständig abgabenfrei, wie- 
im Ostreiche — erschlossen, die Venezianer selbst aber wohl 
befugt sein soUten, die herkömmlichen Zölle einzuheben. Er ver- 
sprach an demselben Tage noch einmal feierlich die Wahrung 
des Friedens und den Schutz der Venezianer im Reichsgebiet und 
sicherte in deren Angelegenheiten der Stadt das Recht der Selbst- 
entscheidung in dem Falle zu, als von den Reichsbehörden binnen 
vierzig Tagen nichts entschieden würde. Womöglich noch reicher 



'2M Siebentes Kapitel. 

waren die kirchlicbeu Segnungen. Wieder und wieder sah San 
Marco den heiligen Vater an seinem Hochaltar. Auch der Kathe- 
drale von Olivolo, S. Piero di Castello wurde die Ehre einer vom 
Papste zelebrierten Messe zuteil, er nahm persönlich die Weihe 
einiger Kirchen, darunter von S. Salvadore vor, bedachte Kirchen 
und Abteien mit Ablässen und Privilegien. Die im Jahre 1180 
urkundlich fixierte Vergleichung der beiden Patriarchate von 
Aquileja und Grado-Venedig über ihre Suffraganate und sonstigen 
Ansprüche ist in ihren Grundzügen wohl ebenfalls jetzt in Venedig 
vereinbart worden. Fast in gerührten Worten lä&t der Verfasser 
der „Dogengeschichte'' den Kaiser Mitte September ^^in seine 
geliebte Heimat'' ziehen. Einen Monat später ist auch Papst 
Alexander, feierlich geleitet von Erzbischof Christian von Mainz, 
nach Rom zurückgekehrt. 

Wie aber haben die Tage von Venedig den Namen der Stadt 
in aller Mund gebracht! Nahezu alles , was Namen, Stand und 
Ehren in Deutschland und Italien besafs, hatte sich dort ein- 
gefunden oder doch vertreten lassen. Voran die grofsen Erz- 
bischöfe des Reiches, von Mainz, Köln und Trier, Salzburg und 
Magdeburg, Mailand, Ravenna und Vienne, der Patriarch von 
Aquileja; ein Heer von Bischöfen, deren einer, der von Bamberg, 
dort verstarb und in San Marco bestattet wurde, und von Reichs- 
äbten. Von weltlichen Fürsten Herzog Leopold V. von Öster- 
reich, der Herzog von Kärnten, Graf Florentius von Holland und 
Pfalzgraf Konrad bei Rhein; alle die Bevollmächtigten der Ver- 
tragschliefsenden, dazu die Gesandten von Frankreich und Eng- 
land ; endlich die unübersehbare Zahl von Konsuln und Räten der 
italienischen Kommunen. Sie alle mit reichem Gefolge, Patriarch 
Uh-ich, die Erzbischöfe Christian und Wichmann jeder mit 300, 
-der Erzbischof von Köln gar mit 400, Herzog Leopold mit 160 
Mannen — zusammen wohl an die 10000 Fremden. Eine Anzahl, 
deren Beherbergung und Beköstigung auch heute einer Mittelstadt 
— und im Umfange einer solchen dürfen wir uns das Venedig 
Jener Tage wohl einzig denken — schwer genug fallen würde. 
Venedig war das Stelldichein der abendländischen Welt. Wie 
mag die wundersame Eigenart der Lage, der Reichtum seiner 
Gotteshäuser, das Gepränge seiner Feste und über dies alles die 



Dio Legende von 1177. 267 

Oröfse der erlebten Augenblicke Herz und Sinn der Gäste err^t 
haben ; deren Schilderung in die fernsten Winkel Europas ge- 
drungen sein! 

Der Friede von Venedig ist die Bekrönung des Lebens- 
werkes Sebastiane Zianis ; hat doch seine glänzend bedachte Poli- 
tik die Stadt aus den Unglückszeiten des Jahres 1172 zu den 
Festtagen des Sommers 1177 emporgeflihrt. Und war er seines 
klugen Rates und grofsen Reichtums willen gewählt worden ; so 
hat er beides treulich an das Gedeihen der Heimat gewendet. 
Der schon unter Vitale Michiele durch Verschüttung ' des Rio 
Batario erweiterte Markusplatz wurde weiter vergröfsert, S. Gemi- 
nianOy bereits abgerissen, zurückgeschoben und neu erbaut , die 
zwei Säulen auf der Piazzetta aufgestellt, S. Giorgio maggiore 
prächtig restauriert Das Testament des Dogen galt wenigstens 
der späteren Überlieferung fiir eine einzige grofse Schenkung seines 
ausgedehnten Häuserbesitzes an der Piazza und in der Merceria 
an den Staat, San Marco, S. Giorgio und andere Klöster. Mitte 
(l2./ld.) April 1178 starb er hochbetagt im Kloster S. Giorgio, wohin 
er, seiner Würde entsagend, sich tags vorher zurückgezogen hatte, 
und wurde dort bestattet Mit Grund preist ihn die schon zu 
Sanudos Zeiten gangbare Bilderaufschrifl: des grofsen Ratssaales 
gebenedeiten Angedenkens. Die Erhebung Venedigs in den sieb- 
ziger Jahren des zwölften Jahrhunderts ist mit seinem Namen 
unauflöslich verknüpft 

Wie hätte sich die Erinnerung an diese grofse Zeit nicht als- 
bald mit aller Romantik von Sage und Geschichte umspinnen 
sollen, da doch viel geringere Ereignisse die venezianische Volks- 
phantasie so lebhaft angeregt haben. Der venezianischen Tradition 
vom 14. Jahrhundert ab war es eine ausgemachte Sache: Papst 
Alexander sei vor dem Kaiser nach Venedig geflohen und habe 
hier unerkannt in aller Verborgenheit fast ein halbes Jahr ver- 
bracht Einmal erkannt, habe man ihn aufs ehrenvollste be- 
handelt und zugleich den Kaiser um Herstellung des Friedens an- 
gesprochen. Friedrich habe dies hochmütig abgelehnt und seinen 
Sohn Otto mit 76 Galeeren gegen die Seestadt entsandt. Die 
venezianische Flotte, obwohl kaum halb so stark, habe am Himmel- 
fahrtstage die kaiserlichen Schiffe vor Salvore an der Küste Istriens 



268 Siebentes Kapitel. 

völlig geschlagen; den Eaisersohn Otto gefangen genommen, den 
Kaiser selbst hierdurch zum Frieden und zu demütigender Unter- 
werfung unter den Willen des Papstes vermocht. Der Kaiser 
habe dem Papste den Fufs mit den Worten geküfst: ,, Nicht dir^ 
sondern dem heiligen Petrus '^^ der Papst, seinen Fufs auf den 
Nacken des zu Boden Gestreckten setzend, mit Härte und Hoch- 
mut entgegnet: „Nein, mir und S. Petrus ''! Das gewifs nicht 
vor dem 13. Jahrhundert in Brauch gekommene politische Staats- 
fest der Vermählung des Dogen mit dem Meere, — weil an dem 
wohl von alters her festlich begangenen Himmelfahrtstage (Äs- 
censio) gefeiert, dialektisch kurzweg „Sensa" genannt — wurde 
von der Überlieferung alsbald mit dem Frieden von Venedig in 
Verbindung gebracht; der Papst sollte es als Erinnerungsfest an 
den Sieg von Salvore eingerichtet und geweiht haben. Damit 
nicht zufrieden, schob eine weitere Überlieferung den Ursprung 
des Festes auf die Ausfahrt Pietro Orseolos U. nach Dalmatien 
zurück, die ja wirklich an einem Himmelfahrtstage stattgefunden 
hatte, und wies dem Papste Alexander die Rolle eines Ausgestalters 
der Feier in der schliefslich üblichen Art und Weise zu. Vom 
15. Jahrhimdert ab war der wahre Sachverhalt durch die ersonnene 
Legende längst verdunkelt worden. Man fand sie dargestellt von 
Spinello di Luca d'Arezzo im Palazzo publice von Siena (1408) 
und hernach in dem durch Brand vernichteten Gemäldezyklus 
der grofsen venezianischen Meister in der Sala di Maggior Con- 
siglio des Dogenpalastes. Luigi Vivarini und die beiden Bellini, 
Carpaccio, Tizian, Tintoretto und Paolo Veronese haben daran 
geschaffen. Ihre Bilder redeten zu den nachlebenden Geschlechtem 
von der grofsen Vergangenheit, und aus dem Festeslärmen der 
„Sensa'^ klang die Jubelstimmung jener Friedenswochen wieder, die 
den Verfasser der „Dogengeschichte'' seine Landsleute glücklich 
preisen liefs: „O quam beati estis, Veneti, quia tanta pax apud 
vos potuit reformari; hoc quidem erit memoriale nominis vestri in 
etemum." 



Achtes Kapitel. 
Enrico Dandolo. 



Zwei Tage nach dem Tode Sebastiano Zianis, angeblich am 
14. April 1178 wurde zum ersten Male von jenem vierziggliedrigen 
Wahlkollegium y dem fortan mit geringfügigen Abwandlungen die 
Dogen wähl anvertraut blieb, Orio Malipiero (Aureus Magister- 
petrus) zum Dogen gewählt (April 1178 — März? 1192). Es 
heifsty er sei schon im Jahre 1172 dafür in Vorschlag gekonmien^ 
habe aber damals abgelehnt; ein reicher Mann^ wie es scheint, 
ohne persönUches Gewicht Seine Regierung ist durch die Fort- 
bildung des inneren Rechts- und Verfassungslebens gekennzeichnet 
Die äufsere Politik, so unruhige Gänge sie nahm, stellte doch keine 
Aufgaben von so umfassender Bedeutung wie unter dem ver- 
gangenen oder gar dem folgenden Dogate. 

Zunächst wurde im Herbste 1180 eine neue Vereinbarung 
auf fünf Jahre mit Pisa geschlossen, im Jahre 1185 auf zehn 
weitere Jahre verlängert. Der Artikel der früheren Übereinkunft, 
der den Pisanern den Besuch des Marktes von Ancona verwehrte, 
mufste von Venedig aufgegeben werden, obwohl die Feindselig- 
keiten von dorther andauerten und alsbald wieder trotz aller Ver- 
träge bei Pisa Unterstützung fanden. Gleichzeitig war fUr das 
byzantinische Reich eine Periode wUder Thronwirren und Ent- 
zweiungen heraufgekommen. Eine nationalgriechische Bewegung 
gegen das lateinerfreundliche Herrscherhaus brachte im Frühjahre 
1182 den greisen Oheim weiland Kaiser Manuels Andronikos zur 
Eaiserwürde. Der neue Monarch, hochbegabt, aber in ungezügelten 
Leidenschaften entartet, eröffnete sein Regiment mit Akten des 
Schreckens. Unter den lateinischen Kolonisten der Reichshaupt- 



270 Achtes Kapitel. 

Stadt warde ein Blutbad angerichtet. Alle die langgehäufte Er- 
bitterung über hundertfach erlittene Unbill , die das ausgebeutete 
Volk von den abendländischen Eaufleuten erfahren , entlud sich 
nun in einer Grauentat ohnegleichen. 60000 Menschen wurden 
umgebracht. Viele waren^ vorher gewarnt^ doch entkommen, ver- 
wüsteten von ihren Schiffen aus die Küsten der Propontis und 
des Hellespontes, riefen in Deutschland, Frankreich, Ungarn und 
Italien zur Rache auf Unter den Oeschädigten werden Genuesen 
und Pisaner ausdrücklich aufgefiihrt. Merkwürdigerweise ist 
nirgend von Venezianern die Rede; den venezianischen Quellen 
ist weder von jenen Greueln noch von einer dafür geübten Ver- 
geltungsfahrt etwas bekannt Aber auch sonst lassen sich zunächst 
nur wenig Gegenäufserungen des Abendlandes verfolgen. Dafs 
König Bela 11. von Ungarn im Jahre 1183 die griechische Herr- 
schaft in Dalmatien endgültig zurückdrängte, dabei — genau wie 
bei der vorangegangenen Eroberung (1168) — den Venezianern 
Zara wieder abnahm, endlich am Balkan selbst bis Sofia vor- 
drang, steht nur zum Teile mit dem Lateinermorde in Zusammen- 
hang. Dafs Pisaner und Genuesen die Griechen mit Piraterien aller- 
art prefsten, war schon vorher nichts Neues gewesen. Erst im 
Frühsommer 1185 holten noch einmal die Normannen zu einem 
gewaltigen, wohl vorbereiteten Schlage aus. Admiral Margaritone 
und Graf Tankred von Lecce führten 200 Schiffe vor Durazzo, 
nahmen die Stadt im Sturm; Margaritone eroberte Kephallenia, 
Zakynthos, andere ionische Inseln; am 24. August 1185 fiel das 
reiche Thessalonike ; vorgeschobene Heeresabteilungen überfluteten 
Morea. Kaiser Andronikos hielt sich unbeweglich in Konstantinopel; 
dachte er den Feind an die Mauern der Hauptstadt herankommen 
zu lassen, um ihn dort zu verderben? Aber das Volk von Bj- 
zanz, das den Lateinermörder bisher seinen „ Befreier '' gepriesen, 
verliefs ihn jetzt in den Tagen kriegerischer Bedrängnis. Am 
12. September 1185 wurde der alte Mann unter Martern getötet. 
Das Elaisergeschlectt der Komnenen, vorher durch Andronikos 
buchstäblich ausgemordet, war nun vollends vertilgt; der Prinz 
Isaak Angelos, von der Mutter her ein Urenkel Kaiser Alexios' I., 
wurde unter lebhaftem Dazutun seines späteren Schwagers, Mark- 
grafen Konrad von Montferrat, auf den Thron erhoben. Zitternd 



Isaak Angelos. 271 

nahm er ihn ein. Den Ansturm der Normannen abzuwehren^ ge- 
lang dem militärischen Talente des Alexios Branas. Aber Ke- 
phallenia, Zakynthos und Korfu verblieben in den Händen Wil- 
helms II., Margaritone vernichtete vor Cypern eine griechische 
Flotte. Die Gefahr vom Norden her wurde durch eine Verhei- 
ratung des Kaisers mit Maria, der Tochter des Ungarkönigs, nicht 
beschworen; im Jahre 1186 vereinten sich die Balkanslawen zu 
einem wuchtigen Anfall auf das Reich. Die gegen sie entsandten 
griechischen Feldherren erlitten Niederlagen oder erhoben, wena 
siegreich, die Fahne der Empörung. Die Seldschuken Kleinasiens- 
drängten aufs neue vor. Seit der Vermählung des römischen 
Königs Heinrich mit der Prinzessin Konstanze von Sizilien stand 
zu fürchten, dafs das staufische Haus Erbe der normannischea 
Machtstellung werden würde. In solcher Lage wurden der la- 
teinerfeindlichen Stimmung der Hauptstadt zum Trotz die guten 
Beziehungen zu Venedig wiederhergestellt, dessen Kaufleute sich 
angesichts des Massakers von 1182 so merkwürdig tatenlos ver- 
halten hatten. Im Februar 1187 erneuerte Kaiser Isaak die 
Goldene Bulle und das Besitzeinweisungsprivileg, Venedig sein& 
Gegen Verpflichtungsurkunde, die erste, die uns wirklich erhalten 
ist. Die Stadt verpflichtete sich diesmal zu einer halbjährigen 
und allenfalls noch längeren Waffenhilfe an das griechische Reich 
mit 40—100 Galeeren gegen jeden Angreifer, trotz des noch bis 
Oktober 1 195 währenden Waffenstillstands auch gegen Sizilien, einzig 
ausgenommen das römisch-deutsche Reich ; die Flotte wird auf den 
Kaiser Isaak vereidigt; der griechischen Regierung soll es unter 
bestimmten Voraussetzungen freistehen, dreiviertel der innerhalb 
der Reichsgrenzen wohnhaften Venezianer in der Altersgrenze 
zwischen 20 und 60 Jahren zum Seedienste aufzubieten und bei 
Kriegen im Abendlande Venedig als militärischen Stützpunkt zu 
benützen, natürlich nur, wenn es gegen keine der Republik be- 
freundete Macht gehe; Bjzanz soll aber auch die venezianischen 
Entschädigungsansprüche von 1172 her endlich befriedigen — 
hierüber wird im Juni 1189 noch besonders geurkundet — , 
kein Sonderabkommen treffen und bei Eroberungen in Feindes- 
land den Venezianern die üblich« Kirche samt Quartier, Lan- 
dungs- und Marktplatz abgabenfrei überlassen; das Bündnis sei 



27S Acht«8 Kapitol. 

unauflöslich; und auch der Bann des Papstes solle daran nichts 
lUidem. 

Mit dieser Übereinkunft lief Venedig den Eonkurrenzstädten 
vorerst den Rang ab; noch war von einer Erneuerung der grie- 
Kubischen Verträge mit Genua und Pisa nicht die Rede. Überdies 
empfahl sich dieselbe im Hinblick auf die neuerlichen Konflikte 
der Republik mit Ungarn. Die Leute von Zara, andauernd er- 
bost über die Unterordnung ihrer Eürche unter Grado- Venedig; 
hatten trotz päpstlichen Einspruchs ihren Erzbischof Eugubinus 
gewaltsam verhindert; den ihm aufgetragenen Gehorsam gegen 
den Patriarchat zu erzeigen. Nach der Eroberung Dalmatiens 
durch König Bela (1183) neigten sie offenkundig neuem Abfiedl 
2U. Venezianische Galeeren wurden mit Pfeilschüssen empfangen; 
die Bemannung durch Beschimpfungen gereizt; als sie die Feind- 
seligkeiten — wie billig — erwiderte; darüber in Venedig Be- 
schwerde geführt. Die Regierung wahrte ihre Rechte mit wenig 
Nachdruck ; ein Schreiben; das der Doge nach Zara abgehen liefs; 
klingt wie eine begütigende Entschuldigung. Schliefslich ergab 
die Stadt sich doch an die Ungarn und wurde von diesen sogleich 
neu befestigt (1186). Vergebens fuhr im Sommer 1187 eine flotte 
unter dem Kommando des Petrus Marco gegen Zara; die Stadt 
wurde ; wie Dandolo sich ausdrückt; ;; mannhaft belagert; aber 
nicht genommen. Zugleich war auch Ragusa an die Normannen; 
Trau sehr wahrscheinlich an die Ungarn zurückgefallen; somit 
alle Eroberungen des Jahres 1171 wieder verloren. Venedig ver- 
stand sich gleichwohl noch im Jahre 1188 zu einem allzweijährig 
ZM erneuernden Waffenstillstand; es mufste alle Aufmerksamkeit 
•den sehr bedeutsam veränderten Verhältnissen in Syrien zuwenden. 

Dem immer bedrängten Königreiche Jerusalem war von dem 
Tage an nahezu jede Aussicht auf Weiterbestand benommen; als 
•Sultan Salah-ed-din; kurz Saladin genannt; die Herrschaft in 
Damaskus und Ägypten angetreten hatte (1174). Stadt um Stadt 
der Christen fiel ihm zu: ,,ihr Gott war von ihnen gewichen '^ 
Am 4. Juli 1187 entschied sein Sieg am Berge Hattin den Fall 
•der Hauptstadt und den Untergang des Königreichs. Fünf Tage 
hernach fiel Akkou; ;;der blühendste Sitz der Elauimannachaft; 
«las Stelldichein der fränkischen Händler von nah und fem''. Nur 



Der dritte Kreuzzug. 27S 

einzig TjruS; von Eonrad von Montferrat mit Geschick verteidigt, 
von italienischen y wohl vor allem venezianischen Schiffen ver- 
proviantierty bheb unerobert. 

Im Abendlande emp£Etnd man den Fall von Jerusalem wie 
eine Gotteslästerung, eine Beleidigung der Ritterehre, eine schwere 
wirtschaftliche Bedrohung. Papst und Bischöfe, zumal Erzbischof 
Wilhelm von Tyrus, der Geschichtschreiber, erhoben ihre Stimme 
für das heilige Land. Die Könige von Frankreich imd England, 
voran der alte Kaiser Friedrich nahmen das Kreuz. Ein glänzen- 
des Ritterheer unter Friedrichs Führung sollte in einem dritten Kreuz- 
zuge dem Sultan Saladin die Antwort des Abendlandes auf den 
Raub vom Juli 1187 zu wissen machen. Die Seestädte, so gut 
sie sich auch mit den Sarazenen und Saladin selbst verstanden, 
fürchteten doch den Verlust der hergebrachten aufserordentlichen 
Handelsfreiheiten in Syrien und wollten nicht abseits stehen. Doge 
Orio Malipiero berief im November 1188 alle auswärts weilenden 
Landsleute bis zu den kommenden Ostern ein. Gleichzeitig mit 
dem Landheere ging im Frühjahre 1189 eine venezianische Flotte 
mit den Erzbischöfen von Ravenna und Pisa an Bord in See; 
erschien zuerst vor Tyrus, dem syrischen Handelsvorort Venedigs, 
hernach vereint mit anderen Schiffen und dem schwachen Land- 
heere der morgenländischen Christen vor Akkon (September 1189). 
Indessen durchzog das kaiserliche Ritterheer, überall festlich be- 
grüfst. Osterreich, Ungarn, Serbien. Mit dem Betreten griechischen 
Bodens waren auch die gewöhnlichen Schwierigkeiten wieder da. Isaak 
Angelos verband sich offen mit Saladin. Kaiser Friedrich dachte 
vorübergehend daran, die griechische Hauptstadt im Sturm zu 
nehmen. Er gab am 16. November 1189 seinem Sohne, König 
Heinrich, Auftrag, für den nächsten März die Schiffe von Venedig, 
Genua, Pisa und Ancona zum Seeangriffe auf Konstantinopel zu 
entbieten — zu Laude wolle er selbst gegen die Stadt vorgehen — 
und zugleich den Papst zur Kreuzpredigt gegen die Griechen zu 
vermögen. Der Richtung der venezianischen Politik lief ein solcher 
Befehl vollends zuwider. Schon hatte sie sich wieder vom Kaiser- 
tume zu entfernen begonnen. Es ist überliefert, Papst Urban HL 
habe zur Verhängung des Bannes über die Staufer nach Ferrara 
oder Venedig flüchten wollen, sei aber vorher gestorben. Sollte 

Kretschmayr, Ooschichte ron Venedig. 18 



374 Achtes Kapitel. 

Venedig jetzt helfen^ das staufische Haus auch noch am Goldenen 
Home herrschend zu machen? Und hatte nicht Isaak Angelos 
die venezianischen Privilegien bestätigt und — wohl verstanden — 
nur diese allein, nicht auch die der Rivalenstädte? Um so eiliger 
waren eben diese ihrem kaiserlichen Herrn zu Wunsch; nicht 
minder Serben imd Bulgaren , wenn Friedrich sich ihrer nur be- 
dienen wollte. Aber Isaak lenkte alsbald ein ; zu Ostern 1 1 90 fuhr 
das Kreuzheer über den Hellespont. Venedig blieb die schwere 
Wahl erspart. Es folgten die bekannten Ereignisse des dritten 
Ereuzzugs: der entbehrungsschwere Zug durch Kleinasien , der 
Sieg von Ikonium, der Tod Kaiser Friedrichs , die opferreiche 
Belagerung und Eroberung von Akkon, die Auflösung der Kreuz- 
fahrt in bunte Ritterabenteuer. So bescheiden der Erfolg des 
grofsen Unternehmens war, die Venezianer haben auch daran 
den wenigsten Anteil; sie hielten ihre Schiffe von Tyrus und Akkon 
— natürlich, dort war ein ,, Drittel '^ zu verlieren, eines zu ge- 
winnen — , liefsen sich noch am 7. Mai 1191 vor Akkon von 
Konrad von Montferrat, dem neuen König, ihre herkömmlichen 
Rechte zusichern. Das ist aber auch alles. Im März 1190 hat 
man venezianische Proviantschiffe vor Gallipoli am Hellespont 
förmlich zwingen müssen, ihre nach Griechenland bestimmte Sen- 
dung — doch wohl nicht ohne Entgelt — den Kreuzfahrern zu 
überlassen. Ganz anders Genua und noch mehr Pisa. Beide 
waren von Anfang an energisch für den Kreuzzug eingetreten, 
den G^ensatz zu den Griechen zu immer wiederholten Piraten- 
fahrten ausbeutend. Die Pisaner hatten dem Kaiser Friedrich im 
Frühjahre 1190 bereitwillig ihre Galeeren zur Belagerung von 
Byzanz angeboten, sich vor Tyrus und Akkon besonders aus- 
gezeichnet und hierfür eine beträchtliche Mehrung ihres Besitzes 
im heiligen Lande erreicht Sowenig ihre Tätigkeit dem Griechen- 
kaiser zu Dank sein konnte, im Frühjahre 1192 verstand sich 
dieser doch dazu, ihnen ihre alten Rechte zu bestätigen, und schon 
vorher hatte am 1. Mai 1191 König Heinrich ihre treue Gefolg- 
schaft mit der Bestätigung jener Privilegien des Vaters gelohnt» 
die sich in ausdrücklichen Bestimmungen gegen Venedig richteten. 
Das war die Lage im Jahre 1192: die dalmatinische Herr- 
schaft Venedigs fast zerstört, seine adriatische Interessensphäre 



Kaiser Heinrich VI. 276 

durch die Feindseligkeiten der von Pisa aus geförderten Anconi- 
taner, der Etschhandel gleichzeitig durch die Veronesen gefährdet, 
in Griechenland der Kaiser Isaak, der Verwandte und Freund des 
Ungarkönigs^ seines Thrones wenig sicher und überdies unzuverlässig; 
die Rivalenstädte mächtig emporgestiegen, vor allem die eigentliche 
Feindin Pisa in Syrien und Konstantinopel im Genüsse alter und 
neuerworbener Rechte, im Westen in engster Fühlung mit dem 
Kaisertum ; der Wiederausbruch der FeindseUgkeiten mit ihr nach 
Ablauf des bestehenden Waffenstillstandes war fast mit Sicherheit 
vorauszusagen. Und über dies alles: in den Landen Friedrich 
Barbarossas und Wilhelms von Sizilien gebot ein neuer Herr, 
Kaiser Heinrich VI. Wie viel Bedrängnis hatte Venedig von deutschen 
Kaisem schon erfahren müssen, wie war die Normannennot noch 
unvergessen. Und nun trug ein Mann die Krone der Ottonen 
und den Herzogshut des Guiskard! 

Zunächst war Heinrich VI. in seinen beiden Reichen schwer 
bedrängt. Es schien, als müsse er in Deutschland einer doppelten 
Empörung vom Rheine imd vom weifischen Sachsen her erliegen, 
in Sizilien dem nach Wilhelms Tode (November 1189) erhobenen 
nationalen König Tankred von Lecce weichen. Mühevoll hatte 
er zu Ostern 1191 die Kaiserkrone gewonnen, vor dem festen 
Neapel ein Heer, fast auch sein eigenes Leben verloren. Wie aber, 
wenn er si^eich blieb ? Die Endziele seiner Politik waren wohl 
abzusehen : deutscher Kaiser und voUberechteter König von Sizilien, 
würde er zu vollenden suchen, was seinem und seiner GemaUin 
Vater der Tod versagt, die Eroberung des heiligen Landes, die 
Unterwerfung Griechenlands; er würde hierzu keine willigeren 
Helfer finden, als die ghibellinischen Feindesstädte; das ganze 
grolse Verkehrsgebiet Venedigs — so war zu furchten — würde 
ihm zur Beute werden. 



Doge Orio Malipiero hatte in der Wirrnis jener Tage längst 
den Mut verloren, das Steuer des Staatsschiffes weiter zu führen. 
Er ging im Frühjahre 1192 in ein Kloster und starb wenig später 
dort als Mönch. Die Dogenwähler, wohl selbst erfüllt von der 

18* 



S76 Achtes Kapitel. 

Bedeutung des Momentes^ vereinten ihre Stimmen auf den grölsten 
Mann^ über den damals das Inselland verfügte. Der hochbetagte; 
angeblich achtzigjährige, völlig oder nahezu blinde Enrico Dan- 
dolo wurde gewählt (April? 1192 — I.Juni 1205). Wahrschein- 
lich ein Neffe des gleichgenannten, vom Investiturstreit und Vene- 
zianerfrieden her bekannten Patriarchen, der vor kurzem , gleich- 
falls in hohen Jahren, die Augen geschlossen (1188?); war er viel 
in diplomatischen Sendungen herumgekommen: im Jahre 1171 
weilte er bei Kaiser Manuel, half dann beim Abschlüsse des Friedens 
mit Sizilien vom Jahre 1175 und brachte noch kurz vor seiner 
Wahl zusammen mit Pietro Foscarini ein Abkommen mit Ferrara 
zustande (Oktober 1191). In dem Jünglingsfeuer seiner Greisen- 
jahre eines der seltsamsten Phänomene der Geschichte. Hochmütig 
und voll heifser Ruhmbegierde, galt ihm kein würdigeres Ziel 
seiner Taten als Abrechnung mit den Romäem und Rache für 
die schmachvollen Gewaltakte der Kaiser Manuel und Androuikos. 
Vergeltung an Gnechenland wurde ihm ein Leitwort und sollte 
auch das von Venedig werden. In der Verfolgung seiner Ziele 
ohne Rücksicht und Gewissen; wortkarg und verschlossen, ein 
„vir discretus^', kein geschwätziger Alter; ohne Mals im Zorn. 
Wunderbar scharfblickend, ein Meister der grofsen und der kleinen 
poUtischen Manövrierkunst; Griechen und Abendländer gefaUen 
sich in der Versicherung, er habe mit seinen blinden Augen hell 
und klar auf den Grund der Dinge gesehen. An klugem Rat 
von keinem erreicht, an Entschlossenheit und persönlichem Mut 
von niemand übertroffen, schien er zum Befehlen geboren. „Unter- 
tanen und Bundesgenossen folgten seinen Anordnungen, neigten 
sich seinen Winken. '^ Ein Typus des kriegerischen Kaufherrn 
der italienischen Handelsstädte jener Zeit in höchster Vollendung, 
vom Schlage der Männer, die, wie man sagt, das Schicksal zwingen: 
quae voluit in vita sua nobilissime adimplevit. 

Der neue Doge griff ohne Säumen ein. Die Streitigkeiten 
mit Verona wurden am 21. September 1192 durch Vertrag be- 
schlossen. Verona mufste sich zur Zahlung von 10 000 Pfund an 
Venedig verpflichten und die Sicherheit des Etschhandels, sowie 
überhaupt des venesdanischen Handels auf seinem Gebiete feierlich 
gewährleisten. Ein Versuch auf Zara mifslang zwar wiederum, 



Enrico Dandolo. 277 

aber es gelang doch, die etwas erschütterten Hoheitsrechte Venedigs 
auf Arbe und Pago zu kräftigen. Die gesetzgeberische Tätigkeit 
Orio Malipieros wurde fortgesetzt. Nach dem ersten venezia- 
nischen Strafgesetz von 1181 erschien im Jahre 1J95 ein erstes 
bürgerliches Gesetzbuch. Ob die am 16. August 1192 durch den 
Dogen verordnete Ausweisung aller nicht über zwei Jahre an- 
sässigen Fremden aus Venedig auch politischen Zwecken dienen 
sollte, ist nicht erkenntlich. Jedenfalls eröffnete sich das neue 
Regiment mit umsichtiger Arbeit. Die verhältnismäfsige Ruhe 
dieser Jahre kam ihm dabei zustatten. Noch war der Staufer der 
feindlichen Machtgruppen nicht Herr geworden. 

Anders als — im Februar 1194 — Heinrich VI. die deutsche 
Opposition in diplomatischem Spiel besiegt, König Richard von 
England zum Vasalleneid gezwungen und die sizilischc National- 
partei mit Tankreds Tode ihr Haupt verloren hatte. Ein deutsches 
Heer erstürmte im Sommer 1194 Salemo, eroberte Apulien. Heinrich 
von Kalden, der Vertraute des Kaisers, setzte nach Sizilien über, 
gewann Syrakus. Am 20. November hielt Heinrich VI. Einzug 
in Palermo, ergriff Besitz von den Nibelungenschätzen der Nor- 
mannenkönige. Italien wurde an deutsche Reichsministerialen aus- 
geteilt. Das staufische Weltreich begann sich zu erfüllen. 

So kam das Jahr 1195. Der Waffenstillstand mit Sizilien, 
mit Pisa ging zu Ende. Vorher noch geschah in Byzanz, was 
man in Venedig längst gefürchtet hatte. Isaak Angelos wurde 
im April (1195) von seinem Bruder AlexiosIII. gestürzt, geblendet 
und samt seinem Sohne Alexios, dem jugendlichen Schwager 
der staufischen Brüder, gefangengesetzt. Der neue Kaiser trat 
durchaus als Gegner Venedigs und Begünstiger von Pisa auf. 
Vergebens bemühte sich der Doge um die Erneuerung der Ver- 
träge ; Alexios III. hielt hin oder stellte unannehmbare Bedingungen. 
Mit Ingrimm sahen die Venezianer ihre verhafsten Widersacher 
in ihre Vorzugsstellung einrücken. Pisa stand auf seiner Macht- 
höhe. Gefördert von den Kaisern des Ostens und Westens, sieg- 
reich über Genua und Florenz griff es nun im Sommer 1195 
Venedig inmitten seiner Interessensphäre an. Mit Ragusa wurde 
ein Bündnis geschlossen. Pisanische Schiffe unterstützten das ab- 
gefallene Zara, legten sich vor Pola fest; die dortigen Bewohner 



27S Achtes Kapitel. 

verweigerten Venedig die Stellung des üblichen Hilfskontingentes. Man 
mochte wohl Beistand von Sizilien her erwarten. Aber Venedig, auf 
das äufserste bedroht, ging unverzagt gegen die Feinde vor. Der 
Doge berief die in den griechischen Gewässern weilende Flotte unter 
Roger Premarino und Jacopo Quirini nach Hause zurück; eine 
zweite Flotte unter Giovanni Morosini wurde gegen Pola entsandt 
Die Stadt fiel nach längerer Widerwehr, wurde geplündert, die 
Mauern geachleift, viele Bewohner fortgeführt Die oBtadriatische 
Küste hinunter trieben die venezianischen Galeeren die pisanischen 
Schifie vor sich her, die aus Griechenland heimkehrende Flotte 
gewann vor Modon einen grofsen Sieg. Venedig hatte seine adriatische 
Stellung mit Nachdruck und Glück verteidigt Der Krieg war 
darum nicht beendet und konnte noch lange dauern. Da trat 
ein Stärkerer zwischen die Kämpfenden und erzwang den Frieden : 
der Kaiser. 

Die grofsartige Stellung des staufischen Hauses war zu einem 
ersten Abschlüsse gelangt. In Sizilien und Italien hielt sie fest; 
den deutschen Fürsten hätte Heinrich VI. beinahe die Anerken- 
nung der Erbmonarchie abgedrungen. Aber schon griff er über 
Deutschland und ItaUen weit hinaus. England war schon sein 
Lehenreich, Frankreich sollte es werden. Die treuen Ghibellinen- 
städte wies sein Wille auf Aragon. Er empfing die Tribute der 
arabischen Dynasten von Nordafrika. König Leo von Armenien, 
Herzog Boemund von Antiochien, König Amalrich von Cjpem 
bekannten sich als seine Vasallen. Er erhob den alten norman- 
nischen Anspruch auf alles griechische Land von Durazzo bis nach 
Thessalonike ; es bedurfte ungeheurer Geldsummen, ihn davon ab- 
zubringen. Und dies alles sollte nur ein Anfang sein: in einem 
gewaltigen Kreuzzuge erst den Orient zu unterwerfen und dann 
von Osten und Westen her das griechische Reich vollends zu 
zerstören, war Heinrichs VI. letzter Plan. Im Sommer 1197 stand 
ein wohlgerüstetes Heer deutscher Kreuzfahrer in Unteritalien zur 
Überfahrt bereit; im September ging die kaiserliche Flotte von 
Messina aus gegen Akkon in See. Die grenzenlosen Entwürfe 
nahten der stolzesten Vollendung. 

Was waren indessen die Abwandlungen der venezianischen 
Politik? Mufste sie von Heinrich VI. nicht alles zu ftbrchten 



staufische Wcltstellung. S79 

haben? Aber der Staufer verfolgte keine Politik ^ wie ehedem 
Otto II. und Eonrad II. Er bestätigte schon im Januar 1195 
den Venezianern die Privilegien ihrer Markuskirche in Palermo, 
,, solange sie ihm und seinen Nachfolgern in Sissilien die Treue 
halten würden '^^ urkundete im Mai 1195 für S. Michele di Murano. 
Seinen Tendenzen entsprach es im Sinne des einstmaligen väterlichen 
Auftrages vom November 1189, die Flotten der italienischen Seestädte 
zum entscheidenden Schlage gegen Byzanz beisammenzuhalten; eben 
darum vermochte er Venedig und Pisa zur Erneuerung des Friedens. 
Am 1. September 1196 wurde er auf Grundlage des von Sebastiane 
Ziani geschlossenen Vertrages vereinbart; fünf Tage darauf erhielten 
die pisanischen Konsuln in Eonstantinopel Auftrag, sich mit den 
Venezianern dortselbst zu vergleichen. Der Anspruch Heinrichs 
auf das Gebiet zwischen Durazzo und Thessalonike — ohnehin 
wieder fallen gelassen — widerstritt doch nicht den Bestimmungen 
des Friedens von 1175. Im August 1196 urkundete der Kaiser 
für S. Ilario, am 6. Juni 1197 bestätigte er der Stadt das grolse 
Privilegium seines Vaters vom August 1177. Was freilich geschehen 
würde, wenn einmal die Pläne des Kaisers wirklich reiften, mochten 
die venezianischen Staatsmänner wohl nur mit Grauen bedenken. 
Eine unruhige Bewegung ihrer Politik nimmt man aber nicht wahr. 
Man kam den kaiserlichen Wünschen tunlichst entgegen — Doge 
Dandolo schlofs den Vertrag mit Pisa nicht ohne Opfer, ver- 
weigerte beharrlich die von Alexios III. geforderte Aufnahme einer 
gegen Heinrich VI. gerichteten Bestimmung in das ChrjsobuUon — , 
man war vermutlich entschlossen, sich der Heeresfolge gegen 
Griechenland nach Möglichkeit zu entziehen, und feilschte indessen 
mit dem Griechen um die Erneuerung der Verträge. Sonst blieb 
nichts übrig als zu warten und sich mit der Erwägung zu trösten, 
dafs aller Menschenmacht eine Grenze bestimmt sei. Die Welt- 
geschicke würden, empfand man wohl, von den heimischen Inseln 
her sich nicht bestimmen lassen. 

Da ist Heinrich am 28. September 1197 zu Messina gestorben. 
Die Stimmen der Zeit verraten den ungeheuren Eindruck, den 
die Todesnachricht überall hervorrief. Italien geriet in gärende 
Bewegung; in Sizilien reckte sich unter persönlicher Führung der 
Kaiserin- Witwe alsbald ein nationales Regiment auf, in Mittelitalien 



380 Achtes Kapitel. 

teilten sich Lombardenstädte und römische Kurie in das un- 
geschützte Reichsgut. In Deutschland traten Staufer und Weifen 
zu unseliger Doppel wähl auseinander; im März 1198 wurde Hein- 
richs Bruder Philipp ; der Schwiegersohn des Isaak Angelos, im 
Juni der Sohn Heinrichs des Löwen, Otto, zum Könige gewählt 
In jahrelangem Kriege rangen die beiden Parteien um Geltung. 
Krachend zerbrach das Reich. 

Auch in Venedig mag man die Lösung aus dem Banne der 
übergewaltigen Persönlichkeit Kaiser Heinrichs VI. auf das tiefste 
empfunden haben. Wer sollte die deutschen Doppelkönige fürchten? 
Jetzt mochten die kaiserlosen Tage Konrads III. wiederkehren. 
Noch kurz vor Heinrichs Tode hatte der Doge seine Gesandten 
am griechischen Hofe angewiesen, sich auf keinerlei gegen Deutsch- 
land gerichtete Verbindlichkeiten einzulassen, nunmehr gab er die 
Einrückung eines derartigen Artikels zu. Alexios III. wufste, 
warum er darauf bestand; der deutsche König Philipp war der 
Gemahl der Irene, der Schwester seines von ihm gefangen- 
gehaltenen Neffen Alexios IV. Anderseits verzichtete er auf die 
Erneuerung der venezianischen Hilfsverpflichtung gegen das Nor- 
mannenreich; vom Regimente der Eonstanze war kein Angriff zu 
befurchten. Am 27. September 1198 wurde das Chrysobullon 
von den Gesandten Venedigs beschworen, im November endlich 
ausgefertigt; der Doge hatte dem guten Willen des Griechen doch 
mit der Drohung nachhelfen müssen, sich bei fortgesetzter Weige- 
rung des Thronrechts seines Neffen annehmen zu wollen. Die in 
den Verträgen mit Pisa und Genua durchaus fehlende Klausel, 
dafs selbst der Bann des Papstes die Rechtsgültigkeit des Ver- 
trages nicht berühren könne, findet sich auch hier. Typisch für 
die venezianische Politik überhaupt deutet sie zugleich die Rich- 
tung an, in der sich diese in besonders ausgesprochener Weise 
während der Folgejahre bewegen würde. 



Der Kreuzzug Heinrichs VI., obgleich niemals recht ins Werk 
gesetzt, blieb doch nicht erfolglos ; der Küstenstrich von Antiochien 
bis Jafia kam an die Christen zurück. Diese vielverheifsenden 



Aufruf Innozenzs III. zur Kreuzfahrt. 281 

AnfäDge weiter zu führen, war niemand mehr entschlossen, als der 
neugewählte Papst Innozenz III. Sein Rundschreiben vom 1 5. August 
1198 forderte die abendländische Welt zu neuer Kreuzfahrt im 
kommenden Frühjahr auf; die Eardinallegaten Petrus und Stepha- 
nus (Soffredus) gingen der erste nach Frankreich und England 
zur Herstellung eines Friedens, der andere nach Venedig ab, um 
diese Stadt fiir die heilige Sache zu gewinnen, und in der Tat 
scheinen Doge und Volk guten Willen gezeigt zu haben. Nicht 
minder forderte der Papst den Kaiser Alexios III. auf, dem grofsen 
Beginnen seine Hilfe zu leihen und die Vereinigung der beiden 
Kirchen zu fordern; der Kaiser gab die besten Versicherimgea 
und die Verhandlungen blieben im Flusse. Überall im Abend- 
lande wurde das Kreuz gepredigt; mit wenig Erfolg in Deutsch- 
land, mit besserem in Frankreich. Fürchteten in Deutschland viela 
mit Walter von der Vogel weide, es möchte „das deutsche Silber 
in welsche Schreine fahren'^, so fehlte es doch auch in Frankreich 
nicht an Gegenströmungen sehr weltlicher Art; der herrschende 
Unglaube wird von den Predigern wiederholt beklagt. An die 
Spitze der Bewegung trat als erklärter oder nicht erklärter Führer 
der jugendliche Graf Thibaud von der Champagne; die Grafen 
Balduin und Heinrich von Flandem-Heunegau, Ludwig von Blois 
und Clermont und Hugo von S. Paul nahmen das Kreuz; ebensa 
auch viele Städte und Bischöfe von Piemont, besonders aber der 
Markgraf Bonifacio von Montferrat. Im Februar 1201 — der 
von Innozenz gesetzte Termin war längst überschritten — er- 
schienen sechs Abgesandte der französischen Edlen, gefuhrt von 
Conon de Bethune, dem Vertreter Graf Balduins, und von GeoflFroy 
de Villehardouin, dem Marschall und früheren Vormund Thibauts^ 
in Venedig ; die seegewaltige Republik sollte die Schiffe zur Über- 
fahrt stellen ; denn nur zur See soUte der Zug erfolgen. Innozenz III. 
hätte vielleicht nicht ungern auch Genua und Pisa mit der Ver- 
schiffung betraut gesehen, die aber lehnten ab. Venedig hatte 
überdies im Sommer 1198 gute Gesinnung bekundet. 

Nach langwieriger Verhandlung kam nicht ohne persönliches 
Dazutun des Dogen, der von der Kanzel in San Marco herab 
in befeuernden Worten für das vorgebrachte Verlangen sprach, 
im April 1201 der Überfahrtsvertrag glücklich zustande: die Re- 



:282 Achtes Kapitel. 

publik Venedig habe 4500 Ritter mit ebensoviel Pferden , 9000 
Knappen und 20000 andere Leute überzusetzen und ein Jahr 
hindurch für deren Verpflegung au&ukommen, aufserdem auf 
eigene Kosten 50 Galeeren ebenfalls ein Jahr lang zum Dienste 
des Herrn zu stellen und als Kosten iUr die vom 29. Juni 1202 
anhebende Überfahrt 85000 Mark Silber Kölner Gewichts zu 
fordern, auch wenn das zu übersetzende Kontingent hinter der 
vereinbarten Zahl zurückbliebe; die Kreuzfahrer sollen sich 
im April 1202 in Venedig sammeln und innerhalb des Gebietes 
zwischen Cremona, Bologna, Imola, Faenza einer-, Venedig 
andrerseits Lebensmittel nur im Einvernehmen mit Venedig kaufen. 
Für das Unternehmen selbst ist Teilung der Eroberungen, schieds- 
richterliche Schlichtung von Streitigkeiten vorgesehen; auch sei 
der Beitritt des deutschen Königs Philipp und die Zustimmung 
-des Papstes zu erstreben. 

Der Vertrag war weder ein poUtisches noch ein finanzielles 
Kunststück Venedigs und sollte es auch nicht sein. Er war ein 
Transportgeschäft, wie die Stadt schon viele abgeschlossen, nur 
diesmal in besonders grofsen Verhältnissen. Die Kostenansprüche 
waren nicht übertrieben. Dafs die Republik 50 Galeeren auf 
ihre Kosten stellte, empfahl sich aus kaufmännischen Rücksichten 
imd mufs nicht für ein lauteres Gottesopfer genommen werden; dafs 
sie aber den Vertrag von vornherein in der Absicht gescUossen 
habe, sich der ihr anvertrauten Mannschaft zu Feindseligkeiten 
gegen Ungarn und Griechenland — wie dies später der Fall war — 
zu bedienen, meldet kein glaubwürdiges Zeugnis. Ein Artikel des 
Vertrages mochte allerdings nicht im Sinne der Politik Venedigs 
sein : als Ziel des Kreuzzugs war — nicht öffentlich, sondern ins- 
geheim — Ägypten bestimmt worden. Hierfür waren die fran- 
zösischen Herren, voran der Marschall Villehardouin, der Ge- 
schichtschreiber der vierten Kreuzzugs, vielleicht auch Papst 
Innozenz eingetreten; mit gutem Grunde, denn Ägypten war da- 
mals das eigentliche Herzland des Islam. Aber das Verlangen 
der grofsen Menge der Pilger stand nach einem Zuge nach Syrien 
und Jerusalem, in das wahre heilige Land. Wenn sohin in den 
Verhandlungen vom Frühjahre 1201 endlich doch das ägyptische 
Projekt durchdrang, so empfahl es sich aus praktischen Gründen^ 



Der Überfahrtsvertrag vom April 1201. S8S 

den BeschluTs als Geheimartikel zu fassen. Indem er dann gleich- 
wohl ruchbar wurde, vermieden viele Kreuzfahrer überhaupt nach 
Venedig zu gehen und suchten andere Wege geradeaus nach Je- 
rusalem. Unter den Gegnern des angenommenen Projektes hatte 
sich wohl ohne Zweifel auch die venezianische Regierung selbst 
befunden, die mit Ägypten in lebhaften Beziehungen stand und 
auf deren Andringen Papst Innozenz III. im Dezember 1198 sein 
Verbot, mit Sarazenen Handel zu treiben, fUr den venezianischen 
Handel nach Ägypten aufser Kraft gesetzt hatte. So mochte wohl 
in Venedig von Anfang an eine Disposition vorhanden sein, eine 
nachträgliche Abänderung jener Vertragsbestimmung zu erwirken. 
Aber zunächst herrschte allerseits das beste Einvernehmen, im 
besonderen zwischen der Republik und Papst Innozenz III., der 
am 8. Mai 1201 dem venezianischen Klerus Auftrag gab, dritthalb 
Prozente seiner Einkünfte und sonstige „ freiwillige '^ Gaben für 
das heilige Werk zu widmen. 

Noch im Mai 1201, da die Gesandten Venedig verliefsen und 
auf dem Heimwege sich um den Beitritt auch von Pisa und Genua 
bemühten, starb in Frankreich Graf Thibaut. Es dauerte einige 
Wochen, bis im Juli 1201 zu Soissons auf Villehardouins Vor- 
schlag die Leitung des Unternehmens dem Bruder des ermordeten 
Königs Konrad von Jerusalem, dem Markgrafen Bonifacio von 
Montferrat angeboten wurde. Träger eines im Morgen- und Abend- 
lande berühmten Namens, ein Enkel Friedrich Barbarossas und 
mit dem griechischen Kaiserhause verschwägert, aus einem Ge- 
schlechte hervorgegangen, dem Glück und Glanz im Orient zu 
suchen Tradition war, erschien der neue Führer gut gewählt; 
gerne nahm er an. 

Indessen begann das Zuströmen der Pilger; Hohe und Niedere, 
Bischöfe, Abte und Barone, niederer Adel und Geistlichkeit, 
Knappen und Trofs, vornehmlich Franzosen, viele Flamänder, 
wenig Deutsche. So viele auch andere Wege wählten, im Juni 
1202 war doch auf dem Lido von S. Nicolö eine Menge versammelt, 
deren Verpflegung ernstliche Schwierigkeiten machte. Es kam zu 
«iner Teuerung, anscheinend trat sogar ausgesprochene Lebens- 
mittelnot ein; man klagte — gewifs mit Unrecht — die Stadt 
Venedig absichtlichen UbelwoUens an. Der Abfahrtstermin wurde 



384 Achtes Kapitel. 

nicht eingehalten ; erst am 22. Juli kam der Kardinallegat Petrus, 
gar erst zu Maria Himmelfahrt Markgraf Bonifacio. Die Vene- 
zianer, die vertragsgemäfs ihre Schiffe bereit hielten, kann sohin 
kein Verschulden treffen. Wohl aber erfüllten die Ereuz&hrer 
ihre Verbindlichkeiten nicht; noch im August waren sie mit mehr 
als einem Dritteil der vereinbarten Überfahrtskosten — angeblich 
34 000 Mark — im Rückstand. Es war keine Aussicht, dafs sie 
den vollen Betrag würden bezahlen können. Sollte das grofse 
Unternehmen an dieser Geldfrage scheitern? 

Venedig hätte sich unter allen Umständen bedenken müssen, 
den Vertrag wegen Nichteinhaltung der Bestimmungen für hinfUlig 
zu erklären und die TJberfahrt zu weigern. Aber der Republik kam 
die unerwartete Wendung der Dinge überhaupt nicht ungelegen. Der 
geplante Angriff auf Ägypten konnte niemals ihren Beifall haben ; 
wenn es nicht anders ging, wollte man ja dem Kreuzzugsgedanken 
das Opfer bringen und sich nicht wieder wie im dritten Kreuzzuge 
durch die Konkurrenzstädte beschämen und überflügeln lassen; 
wenn es sich aber jetzt mit kluger Ausnützung der durch den 
Zufall gegebenen Lage umgehen liefs, um so besser. Der Doge 
schlug vor, das Kreuzheer möge ihm bei Unterwerfung der rebel- 
lischen Stadt Zara behilflich sein, dann wolle die Republik sich 
mit ihren Forderungen gerne gedulden. Ein herrlicher Ausweg 
für Venedig und überdies ganz im Sinne der heimischen Tradition. 
Bisher waren die venezianischen Fahrten nach dem Osten immer 
dazu benützt worden, um im Vorbeigehen die Dalmatiner sanft 
oder unsanft an die Herrscherrechte Venedigs zu erinnern. 

Enrico Dandolo gewann fiir seinen Vorschlag zunächst die 
grofsen Herren, in deren Rate die Angelegenheit streng vertrau- 
lich verhandelt wurde. Dann aber — am 25. August, einem 
Sonntage — rief er von der Kanzel in San Marco das Volk von 
Venedig zur Kreuzfahrt auf; er selbst, obwohl alt, schwach und 
der Ruhe bedürftig, sei dazu bereit. Viele Venezianer taten gleich 
ihm ; bisher waren es ihrer nur wenige gewesen. Der greise Doge 
wufste, was er wollte; war die Fahrt einmal auf Zara gerichtet^ 
so hiefs es dem Laufe der Entwickelung sorgsam folgen. Wer 
konnte wissen, wohin diese fuhren würde? 

Denn schon ging es nicht mehr um Zara allein. Im Früh- 



Flucht des Prinzen Alexios. 285 

jähre 1202 war der junge Alexios, der Sohn des abgesetzten und 
geblendeten Kaisers Isaak und Schwager des deutschen Königs 
Philipp, der nicht allzu strengen Haft seines Oheims entsprungen. 
Über Ancona oder auf dem Umwege über Sizilien kam er im 
Spätfrühjahre nach Rom und versuchte, wohl durch das Angebot 
der Kirchenunion, den Papst zu einem Eintreten für sein ver- 
letztes Thronrecht zu bewegen. Innozenz III. aber lehnte jede 
bestimmte Stellungnahme ab und gab eine ausweichende Antwort. 
Nun machte der Prinz sich eilends auf, den Hof König Philipps, 
den eigentlichen Zielort seiner Flucht, zu erreichen. Auf dem 
Wege dahin schickte er nach dem Rat seiner Begleiter von Verona 
aus Gesandte an die in Venedig versammelten Führer des Kreuz- 
zugs ab, um deren Hilfe für seine und seines Vaters Wieder- 
einsetzung in ihre ihnen zu Unrecht entfremdeten kaiserlichen 
Rechte zu erbitten ; das Kreuzheer möge fiir ihn das Griechenreich 
erobern; er werde die Kirchenvereinigung vollziehen und es im 
übrigen an Erkenntlichkeiten allerart nicht fehlen lassen. Die 
hohen Barone erklärten sich hierzu bereit, wenn Alexios alsdann 
den Kreuzzug nach allen Kräften fördern zu wollen verspreche; 
vorerst aber müsse er mit seinem königlichen Schwager eine 
Übereinkunft zu erzielen suchen. So reiste denn der Prinz mit 
seinem Gefolge an den deutschen Königshof; damit trat im Herbste 
1202 auch dieser in das politische Kräftespiel ein. Eine Gesandt- 
schaft der Barone versuchte die Zustimmung des Papstes zur 
allfalligen Umänderung des Kreuzzugplanes zu erwirken. Eine 
ungefähr gleichzeitige Gegenaktion des regierenden griechischen 
Kaisers an der Kurie, und vermutlich auch in Venedig, blieb ohne 
unmittelbare Folgen; in Venedig führte sie zu gar keinem Er- 
gebnisse, in Rom würde sie einen etwa schon gefafsten Beschlufs 
des Papstes, für Alexios IV. Partei zu nehmen, schwerlich um- 
gestofsen haben. Vorläufig benützte Innozenz III. die Lage als 
Pressionsmittel gegenüber dem Byzantiner. 

Was sind nun in diesem Wirrwarr die Wege der vene- 
zianischen Politik? Unmöglich kann der Doge über die Flucht 
des Prinzen und dessen Verhandlungen in Rom ohne Nachricht 
geblieben sein; um so weniger, wenn — wie vorhandene Mel- 
dungen vermuten lassen — Markgraf Bonifacio im Frühjahre 



286 Achtes Kapitel. 

1202 das Anliegen des Alexios an der Kurie zu betreiben ver- 
sucht hat Zur Zeit der Ereuznahme Dandolos mochte sich die 
weitere Entwickelung deutlich voraussehen lassen; der Prinz würde 
Verbindung mit König Philipp, vielleicht mit dem Ereuzheere 
selbst suchen. In der Tat, wenige Tage darauf erschienen die 
Gesandten des Alexios in Venedig. Dafs in den Verhandlungen 
mit diesen dem Staatsoberhaupte der Republik ein entscheiden- 
des Wort zugestanden hat; ist einleuchtend; mit seinem Elinver- 
ständnis, wenn nicht auf seinen Rat, erfolgte die bedingte Hilis- 
zusage und Verweisung des Bittstellers an den deutschen König; 
denn es war für Venedig und die Barone ohne Zweifel vorteil- 
hafter und bequemer, diesem die Urheberschaft des von ihnen 
gewünschten Unternehmens gegen Byzanz zuzuschieben. Den 
Markgrafen und die Barone mögen vor allem ehrgeizige Hoff- 
nungen bewogen haben, für den Prinzen einzutreten, daneben 
aber wohl auch die ehrliche, im Abendlande allgemeine Über- 
zeugung, dafs das irrgläubige Oriechenreich von jeher ftir die 
Kreuzzüge von Übel gewesen sei und dafs, wenn es nunmehr 
dem rechten Glauben zurückgewonnen würde, die heilige Fahrt 
erst recht mit Erfolg durchgeführt werden könne. Die Politik 
Venedigs hat sich von derartigen Erwägungen gewifs nur zum 
geringsten Teile leiten lassen. Aber man war gereizt über die 
feindselige Haltung des Kaisers Alexios IH., der die Verträge 
nicht einhielt, die oftmals zugesicherten Entschädigungsgelder 
nicht bezahlte und Genuesen imd Pisaner bevorzugte. Wurde 
doch die pisanische Konkurrenz immer bedrohlicher. Im Jahre 
1201 mufste eine venezianische Flotte „zur Offiiung des Meeres'^ 
gegen pisanische Schiffe ausfahren, die mit Beihilfe der Stadt 
Brindisi dem venezianischen Handel die Mündung der Adria zu 
versperren unternahmen ; sie bUeb siegreich, Brindisi wurde gründ- 
lich verheert Zu derselben Zeit hatte der Doge noch einmal güt- 
liche Verhandlung mit Griechenland versucht; aber seine Ge- 
sandten, Roger Premarino, der Admiral von 1196, und Pietro 
Michiele wurden am Wege nach Bjzanz von den Zaresen über- 
fallen, beraubt und gefangengehalten. So kamen die Ereignisse 
des Jahres 1202 heran: die Flucht und die Hilfswerbung des 
Alexios. Doge Dandolo hatte immer persönliche RachegefÜhle 



Ziele der venezianischen Politik im September 1202. 2^7 

gegen Griechenland im Herzen getragen. Wie er weiter über die 
griechische Frage dachte, hat der wortkarge Mann niemandem an- 
vertraut; was in den venezianischen Ratsversammlungen darüber 
verhandelt wurde, berichtet keine Quelle. Aber den venezianischen. 
Handelsinteressen konnte mit der Entfernung eines mifsgünstigen 
Herrschers und der Wiedereinsetzung seines Vertragstreuen Vor- 
gängers nur gedient sein. Und durfte denn Venedig eine Ab- 
rechnung mit Griechenland, wie sie sich vorbereitete, jemals ge- 
schehen lassen, ohne selbst dabei mit fester Hand einzugreifen? 
Es konnte gar nicht anders als die Sache des jungen Alexios zu 
der seinen machen. Der Ereuzzug sollte durch einen Umweg 
über Konstantinopel so wenig wie durch den über Zara zu Schaden 
kommen, zumal wenn es gelang, ihn von Ägypten nach Syrien 
abzulenken, was im Hinblick auf die starke syrische Partei 
im Kreuzheere sehr wohl möglich schien. In Ägypten hatte 
Venedig nichts zu gewinnen, während es in Syrien venezianische 
Positionen genug gab, die einmal eine kriegerische Kraftentfaltung 
verlohnten. Vorher aber waren die Angelegenheiten in Dalmatien 
und — wenn es zu einem endgültigen Beschlüsse kam — in 
Griechenland zu erledigen. Zunächst und bestimmt über Zara, 
hernach allenfalls über Konstantinopel sollte die Flotte ins heilige 
Land fahren. Dies war das Leitziel der venezianischen Politik,, 
und so bestimmten es die folgenschweren Entschlüsse vom Sep- 
tember 1202. 

Die bisher geheim gehaltene Übereinkunft wegen Zara wurde 
nunmehr öffentlich bekannt gegeben. Aus den Reihen der Pilger 
erhob sich der heftigste Widerstand. Mit welchem Rechte, wurde 
gefragt, kehre man die Kreuzzugswaffen gegen Zara, die Stadt 
des Königs von Ungarn, der selbst das Kreuz genommen habe? 
Kardinallegat Petrus drang auf sofortige Ausfahrt gegen Alexan- 
drien. Die Barone, scheint es, verwiesen auf die Unmöglichkeit, 
gegen den Willen der Venezianer etwas zu unternehmen. Diese 
aber, der Doge voran, waren nicht gewillt zurückzuweichen ; dem 
Legaten wurde bedeutet, man werde ihm die Mitfahrt nur dann 
gestatten, wenn er sich darauf beschränken wolle, als einfacher 
Kreuzprediger zu wirken; sonst möge er hingehen, wo er her- 
gekommen sei. Das brüske Vorgehen der RepubUk fand schwer- 



1S88 Achtes Kapitel. 

lieh die Billigung der Führer der Kreuzfahrt Der Legat reiste 
nach Rom ab, um — merkwürdig genug — beim Papste zugleich 
Ankläger der venezianischen Rücksichtslosigkeit und Fürsprecher 
^er griechischen Pläne der Kreuzfahrer zu werden. Bonifacio 
yerliefs gleichfalls Venedig, um zuerst nach Rom oder in seine 
Heimat und dann nach Deutschland zu reisen. Die Kreuzfahrt 
hatte offenbar keine Eile. Viele Pilger verliefsen auch Venedig 
und zogen nach Apulien, um vereint mit den dort versammelten 
Scharen des Grafen Walter von Brienne die jährliche Ostermeer- 
fahrt ins heilige Land abzuwarten. Aber die gröfsere Menge liefs 
sich durch die Versicherungen der Venezianer, nach dem Qe- 
-winne von Zara sogleich ihren Christenpflichten nachkommen zu 
wollen, beruhigen; lieber, sagten sie, die venezianische Ungebühr 
ertragen als das heilige Werk selbst gefährden ! Die Ausfahrt der 
Flotte mochte nunmehr statthaben. 

Am 8. Oktober 1202 ging sie in See; je 60 Galeeren und 
grofse Rundschiffe, etwa hundert Transportschiffe für Pferde, dazu 
das Heer der gewöhnlichen Last- und Begleitfahrzeuge ; das Dogen- 
schiff reich ausgestattet, mit Sammet ausgeschlagen. Marschall 
Villehardouin wird nicht müde, die Pracht dieses Schauspieles zu 
schildern : die vielfarbigen Wimpel und Flaggen, die schimmernden 
Schilde einer Brustwehr gleich den Schiffsbord umsäumend, die 
reichgestaltigen Schiffe selbst, alle gemalt und geziert, und über 
allem der Glanz des Sonnenlichtes ! Venedig hatte mit der Stellung 
dieser Flotte — das erkannten Freund und Feind an — seine 
Verpflichtung tadellos erfüllt. Und noch einmal sah man dort eine 
Familie an weithin erster Stelle stehen ; ein Dandolo war ein Doge^ 
sein Sohn Renier führte die stellvertretende Regierung, noch ein 
Dandolo, Vitale, kommandierte die von Venedig besonders gestellten 
Galeeren. 

Am 9. Oktober legte die Flotte in Pirano an; dort empfing 
der Doge Gesandte der Städte Triest und Muggia, die ihre Unter- 
werfung antrugen, und erteilte diesen, den Antrag annehmend, 
Befehl, sich zu seinem Empfang bereit zu halten. Am 27. Oktober 
nahm er, feierlich begrüfst, deren Untertaneneid entgegen ; ihre Ver- 
pflichtungen gegen Venedig wurden urkundlich festgelegt Mag 
sein, dafs auch die Verträge mit anderen istrischen Städten wieder 



Das Kreuzbeer vor Zara. 289 

aufgefrischt wurden; ein Aufenthalt der Flotte wenigstens in Pola 
ist glaubwürdig berichtet. Erst am 10. November landete man 
in Zara, 33 Tage nach der Ausfahrt, während vor zwei Jahr- 
hunderten die Flotte Pietro Orseolos denselben Weg, einschliefslich 
mehrerer Aufenthalte in Istrien, in 13 Tagen zurückgelegt hatte. 
Aber in dieser Langsamkeit — wer anders kann dafür verant- 
wortlich sein als Venedig? — liegt offenbar Methode. Dandolo 
wollte Zara spät genug erreichen, um mit Hinweis auf den bevor- 
stehenden Winter die Fortsetzung der Fahrt verweigern zu können; 
man erwartete die Botschaft König Philipps, an dessen Hof man 
den Prinzen Alexios gewiesen hatte und wohin auch der Mark- 
graf abgegangen war, und man mufste Zeit vergehen lassen, bis 
diese Botschaft, die dann der Anlals zur Betreibung des bisher 
geheimgehaltenen griechischen Projektes — oder auch zu dessen 
Auflassung? — werden sollte, wirklich eintraf. Und augenschein- 
lich ist auch, wie der Doge bereits die leitende Persönlichkeit des 
Unternehmens geworden ist. 

Am 11. November sprengte die Flotte die Hafenkette von 
Zara; die venezianischen Schiffe erfüllten den Hafen, ihre Mann- 
schaften umsäumten im Vereine mit einem Teile der Elreuzfahrer- 
truppen die Mauern der Stadt. Der gröfsere Teil derselben, von 
den strenggläubigen Südfranzosen, Qraf Simon von Montfort und 
Abt Guido von Vaux-Cernay, späterem Bischof von Carcassonne, 
geführt, lagerte abseits der Stadt, weigerte den Kampf, widerriet 
den Belagerten ausdrücklich die schon am 12. November beab- 
sichtigte Übergabe. Ein päpstliches Schreiben verbot bei Strafe 
des Bannes jeden Angriff auf Zara. Abt Guido verlas es. Die 
Venezianer, wird berichtet, hätten ihm dafür ans Leben gewollt 
Dandolo war erbittert; er erklärte, der Bannfluch würde ihn 
wenig kümmern; er werde an den Zaresen Rache nehmen; es sei 
wahrlich ein verdienstvolleres Beginnen, einmal mit diesen See- 
räubern und Mördern ein Ende zu machen, als nach Jerusalem 
zu segeln. Er verlangte in heftigen Worten von den Baronen die 
Einhaltung des Vertrages; er mag mit der Rückführung der Flotte 
ausdrücklich gedroht haben. So nahm die Belagerung ihren Fort- 
gang; umsonst richteten die Stadtbewohner Kruzifixe auf ihren 
Mauern auf; spätestens am 24. November war Zara erobert. Die 

Kretiehmayr, Gea«hicliU tob Venedifc. 19 



290 Achtes Kapitel. 

Venezianer liefsen einen Teil der Mauern und Häuser niederreilsen, 
plünderten selbst die Kirchen und vereinten sich dann mit den 
Führern zur Teilung der Beute. Viele gerade von den ärmeren 
Pilgern glaubten sich dabei benachteiligt, und am dritten Tage 
nach Besitznahme der Stadt fiel man in regelrechter Schlägerei 
übereinander her. Fast eine Woche verging , bis der Zwist be- 
glichen war. Ein schöner Anfang für einen Kreuzzug 1 

Indessen war der Dezember herangekommen. Von einer 
Weiterfahrt ins heilige Land konnte nicht gut mehr die Rede 
sein. Der Doge fCLhrte aus, der Winter sei vor der Tür; setze 
man die Fahrt fort, so werde man die Flotte nicht verpflegen 
können; hier in Zara aber sei man mit allem wohl versehen; 
darum möge man den Winter hier verbringen. Der Vorschlag 
war einleuchtend, fast selbstverständlich. Und die Rechnung 
stimmte : ungefähr nach Monatsfrist kam die ersehnte Botschaft aus 
Deutschland. 

Prinz Alexios war etwa im Oktober am Hofe seines Schwagers 
angelangt VerhältniBmä&ig bald dürfte ihm der Markgraf, der 
Venedig vor der Abfahrt der Flotte verlassen hatte, dorthin nach- 
gekommen sein. Es ist hierüber kein klares 2^ugnis erhalten. 
Aber nichts liegt näher als anzunehmen, dafs Bonifacio, der viel- 
leicht schon im Vorjahre die Eventualität eines Einschreitens in 
Griechenland mit König Philipp erörtert hatte, nunmehr, da 
Alexios selbst in Deutschland, sich an den staufischen Hof be- 
geben und den Spätherbst bis etwa zu Weihnachten 1202 dort- 
selbst verbracht hat. Die beiden Männer, König und Markgraf, 
deren einen die hergebrachte Politik seines Hauses, den anderen 
Familientradition und persönliche Beziehungen den Weg auf By- 
zanz wiesen, mufsten von Anfang über ihre Haltung zu dem An^ 
suchen des Prinzen im reinen sein. König Philipp hat in allen 
Nöten des grofsen Thronkampfes das imperialistische Ideal der 
Staufer nicht preisgegeben; noch in seinem Todesjahre wollte er 
dem Verlangen des lateinischen Kaisers Heinrich I, nach der 
Hand seiner Tochter nur entsprechen, wenn dieser sich entschlösse,, 
ihn als kaiserUchen Oberherm anzuerkennen. Er mochte über- 
dies wohl empfinden, was es bedeute, den griechischen Kaiser- 
knaben, der bereitwillig die Kirchenunion verhiefs, gegen das Papst- 



König Philipp. JS91 

tum auBzuspielen. Aber andere als diplomatische Hilfe konnte 
der bedrängte Fürst seinem Schwager nicht gewähren ; er empfahl 
dessen Sache der Förderung durch Bonifacio und wandte sich 
selbst schriftlich und durch Gesandte an das vor Zara lagernde 
Heer. Er handelte , indem er so tat, durchaus im Sinne der 
venezianischen Pläne. Mochte das griechische Unternehmen auch 
den Interessen der Republik ebenso wie denen des staufischen 
Königtums ; den Aspirationen der fuhrenden Barone so gut wie 
der kirchlichen Überzeugung und vielleicht auch dem Legitimitäts- 
gefühle weiter Kreise des Abendlandes entsprechen , dem Dogen 
konnte es doch nicht passen , nach dem Arrangement von Zara 
auch noch mit dem Vorschlage eines Angriffs auf Konstantinopel 
hervorzutreten. Er überliefs die Initiative hierzu bereitwillig und 
wohlbedacht dem König. Femerstehenden mochte die neue Ab- 
lenkung der Kreuzfahrt immerhin als dessen Werk erscheinen, in 
Wirklichkeit war ihm die Rolle des Urhebers nur zugeschoben. 
Seine eigenen Pläne verfolgend, wurde er zum wertvollsten Vor- 
kämpfer der Politik von Venedig. 

Etwa zu Neujahr 1203 erschien Markgraf Bonifacio vor Zara; 
ein wenig später die Gesandten des Prinzen Alexios und Königs 
Philipp. Sie legten der nunmehr einberufenen Vollversammlung 
der Barone und Herren geistlichen und weltlichen Standes die 
Bitte um Wiedereinführung des Prinzen in sein ihm entfremdetes 
Reich vor, brachten wohl auch gleich den Entwurf eines zwischen 
Alexios und den Kreuzfahrern abzuschliefsenden Vertrages mit 
Das bisher von den obersten Führern, den „sire de Tost'', ge- 
wahrte Geheimnis wurde jetzt weiteren Kreisen offenbar. Sogleich 
ergriff in der Versammlung Dandolo das Wort und verwies, den 
Antrag unterstützend, auf die Reichtümer Griechenlands. Boni- 
facio trat ihm bei. Die anderen hohen Herren, die Grafen Bal- 
duin, Ludwig, Hugo, waren längst einverstanden; unter den 
Bischöfen und Äbten überwogen allem Anschein nach die An- 
hänger des Projektes; den deutschen Herren und Geistlichen hatte 
König Philipp dessen Unterstützung noch besonders auf die Seele 
binden lassen. Gleichwohl kam es zu den schärfsten Konflikten; 
wiederum traten die Südfranzosen an die Spitze der Opposition. 
Der Abt von Vaux-Cemaj führte aus: das Unternehmen auf 

19* 



t9Z Achtes KapiteL 

Byzanz sei sündhaft und obendrein töricht; wie würde ein so 
kleines Heer sich einer so grofsen Stadt bemeistem können? Sei 
das Verbrechen von Zara noch immer nicht genug? Mit ihm 
die Brüder Simon und Goi, Grafen von Montfort, Enguerrand von 
Boves. Sie hatten eine starke Partei hinter sich; im Heere ent- 
stand, als Gerüchte von diesen Verhandlungen in Umlauf kamen, 
eine unruhige Bewegung; viele Pilger verlielsen auf Handels- 
schiffen das Heer, andere kehrten zu Lande in die Heimat zu- 
rück, enteilten in das Gebiet des Königs von Ungarn, darunter 
schliefslich die Führer der Gegenbewegung selbst Wohl mochten 
die Verfechter des griechischen Planes noch einmal wankend 
werden. 

Die venezianische Politik wahrte inmitten dieser Bewegungen 
eine ruhige Festigkeit. Doge Dandolo hatte zwischen den 
Streitenden eine ausgezeichnete Stellung inne: er wollte das Unter- 
nehmen auf Griechenland; wenn es aber darüber weg sogleich 
zum Kreuzzuge kam, dann nach Syrien und nicht nach Ägypten. 
In diesem Falle konnte er mit Sicherheit auf die ajrische Partei 
im Kreuzheere zählen und diese gegen die ihm sonst verbündeten 
Barone, die Anhänger des ägyptischen Projektes, ausspielen. In 
der Tat erscheint schon in den Verhandlungen vor Zara der Plan 
einer Fahrt auf Syrien anstatt auf Ägypten in den Vordergrund 
gestellt. Um so näher rückten darum die Barone an Dandolo 
heran; bei ihm stand es, ob der Weg nach Konstantinopel oder 
unmittelbar ins Morgenland führen würde oder ob er die Flotte 
nach Ablauf des vereinbarten Termins — 29. Juni 1203 — oder 
wegen Nichterfüllung der Zahlungsverbindlichkeiten auch also- 
gleich heimfuhren wollte. Er hat, wenn er auf Widerstand traf, 
offen damit gedroht. Der über ihn und die Seinen verhängte 
Bann des Papstes focht sie nicht an; sie gaben sich keine Mühe, 
ihn abzuwenden. Vielmehr entschied jetzt der Doge durch sein 
energisches Eintreten fiir das griechische Unternehmen. In seiner 
Herberge versammelten sich etwa im März die Führer und die 
übrigen Anhänger des griechischen Projektes — darunter nur 
acht Edelleute, versichert Villehardouin — und fertigten die Prä- 
liminarien eines Vertrages mit Alexios, der vierzehn Tage nach 
den kommenden Ostern beim Kreuzheere erscheinen sollte. Und 



Papst Innozenz III. SM 

noch war es nicht ausgemacht , wie der Papst sich zu dieser 
griechischen Kreuzfahrt stellen werde. 

Innozenz III. hatte im Januar (?) 1203 in heller Entrüstung 
über die Gewalttat gegen Zara die Kreuzfahrer wissen lassen: 
sie hätten sogleich den angerichteten Schaden wieder gutzu- 
machen; als Übeltäter gegen die Stadt eines christlichen Fürsten, 
der zudem selbst das Kreuz genommen, seien sie dem Banne von 
selbst verfallen. Aber er sprach den Bannfluch doch nicht aus. 
Eine Sühnegesandtschaft des Kreuzheeres — nicht der Venezianer I — 
empfing er zwar in voller Ungnade, liefs aber wohl mit sich reden. 
Indem er im März über den reuelosen und unbufsfertigen Dogen 
und sein Heer nun wirklich den Bann verhängte, erteilte er den 
Pilgern, ihre Zwangslage würdigend, doch die Erlaubnis, um der 
frommen Sache willen vereint mit den Gebannten ins heilige Land 
zu ziehen. Die Gesandten brachten die Bannbulle in das Lager 
nach Zara. Aber die hohen Herren, voran Bonifacio, verhinderten 
ihre öffentliche Bekanntgabe; diese würde, schrieben sie an den 
Papst, die sofortige Auflösung des Heeres zur Folge haben; im 
übrigen wollten ihres Wissens die Venezianer durch eine besondere 
Botschaft die päpstliche Verzeihung ansprechen. Ob diese Ab- 
sicht wirklich bestand oder die Mitteilung nur eine Ausflucht war, 
läfst sich nicht sagen. Ein venezianischer Gesandter hat sich 
allerdings in Rom nicht sehen lassen. Die Barone und Pilger 
aber leisteten bereitwillig den verlangten kirchlichen Gehorsamseid 
und empfingen Verzeihung. Hatte sich also der Papst dem Frevel 
von Zara gegenüber nicht unerbittlich gezeigt, so konnte erst recht 
zweifelhaft sein, wie er sich zu dem griechischen Projekte ver- 
halten würde. Reifte damit doch sein Lieblingsgedanke, die 
Kirchen Vereinigung, der Erfüllung entgegen ; denn nichts hatte von 
Anfang an Prinz Alexios eifriger zusichern lassen. Der üble 
Wille des regierenden Kaisers konnte trotz aller Briefwechsel, 
Versprechungen und Phrasen nicht zweifelhaft sein. Man hört 
in der Tat, der Papst, durch eine Meldung des Kardinallegaten 
Petrus von den vor Zara gefafsten Entschlüssen unterrichtet, habe 
sich bedacht; dann aber entschied er sich um so bestimmter. Er 
verbot im Mai 1203 in aller Form den Zug auf Griechenland: 
über die Vergehen der Griechen zu richten, sei nicht Sache der 



294 Achtes Kapitel. 

Pilger; dazu hätten sie nicht das Kreuz genommen; den Vene- 
zianern sei der Bannfluch unverweilt bekannt zu geben. Aber 
man bemerkte wohl^ dafs dieses Verbot doch nur als Ermahnung 
gemeint sei; es enthielt keine Drohung mit erneutem Bann. Der 
Papst empfand, dafs er das Unternehmen nicht autorisieren dürfe, 
aber sein Auftreten liefs erkennen, dafs er eine Übertretung seines 
Verbotes noch leichter verzeihen würde als das Vergehen an Zara. 
Es war eine verhüllte Politik des „laissez faire''. Die anderen 
verstanden es wohL 

Die Gesandten, die den Mahnbrief des Papstes nach Zara 
bringen sollten, kamen zu spät. Die Flotte hatte die Stadt bereits 
verlassen. Gleich nach Ostern (7. April) waren die Transport- 
schiffe und Graf Hugo von S. Paul abgegangen; dann war zur 
vereinbarten Zeit — am 20. oder 25. April — Prinz Alexios in 
Zara erschienen. Auf Grundlage der Präliminarien wurde dem 
unerfahrenen Knaben — er zählte höchstens 19 Jahre — das 
glänzendste Vertragsgeschäft abgedrungen. Er verpflichtete sich 
zur Kirchenunion, zur Stellung von 10000 Mann für ein Jahr 
und von 500 Mann auf seine Lebenszeit zum heiligen Kriege 
— angeblich ausdrücklich gegen Ägypten — , zur Zahlung der 
Verpflegskosten der Kreuzfahrer auf ein Jahr vom Ablauf des 
bestehenden Vertrages mit Venedig, also bis zum 29. Juni 1204, 
zur Schadloshaltung der Venezianer fUr die noch immer nicht be- 
glichenen Verluste unter Manuel und Andronikos, endlich zur 
Leistung der ungeheuren Summe von 200000 Mark Silber nach 
erfolgter Thronbesteigung an Pilger und Venezianer. Man nimmt 
unschwer wahr, mit wie wenig idealen Mitteln hier gearbeitet 
wurde. Der kaiserliche Knabe bewilligte den schlauen Kauf leuten, 
was sie verlangten, und versprach, was er kaum jemals erfüllen 
konnte. In den letzten Apriltagen verliefe nun auch die Haupt- 
flotte, mit Dandolo, Bonifacio und Alexios an Bord, die Stadt 
Zara. Vorher hatten noch die Venezianer deren Befestigungen 
vollständig geschleift. Gleichwohl kam es noch im Frühjahre 1203 
zu einer von Ungarn aus genährten neuen Revolte gegen die 
venezianische Herrschaft, und es bedurfte eines ansehnlichen Auf- 
gebotes, sie niederzuzwingen. Die Unterwerfungsurkunde von 
Zara — sie trägt kein Datum — enthält die charakteristischen 



Das Ereuzheer auf Korfa. JS9S 

Artikel der mit den Untertanstädten geschlossenen venezianischen 
Verträge; ein in beherrschender Stellung auf der Insel Malconsejo 
errichtetes Kastell sollte die Ruhe für alle Zeit verbürgen. 

Die grofse Flotte fuhr mit Berührung der längst wieder griechisch 
gewordenen Stadt Ragusa und von Durazzo nach Eorfn. Überall 
wurde Alexios festlich empfangen und als Kaiser begrüfst. In 
Korfu aber erwartete die Veranstalter der griechischen Kreuzfahrt 
noch die letzte schwere Aufgabe. Der Vertrag mit Alexios mufste 
von der Armee selbst^ dem ^^comun de Tost'', gewissermafsen der 
Vollversammlung des Heeres angenommen werden. Doge Dandolo 
und Markgraf Bonifacio traten mit bekannten Gründen dafür ein : 
man müsse die Griechen für ihre Verbrechen bestrafen, Rache 
nehmen für erlittenes Unrecht, dem jungen Alexios zu seinem 
Herrscherrechte verhelfen; so werde man aller Vorteile des mit 
diesem geschlossenen Vertrages teilhaft werden und das heilige 
Land erst recht mit Leichtigkeit an sich bringen können. Aber 
die grofse Masse wollte von alledem nichts hören; der Ruf ,,nach 
Akkon^' erfüllte das Lager. Zwar die Führer der Opposition im 
Rate der Barone, Simon von Montfort und der Abt von Vaux- 
Oernay, hatten das Heer schon in Zara verlassen, aber andere traten 
an ihre Stelle. Ein grofser Teil der Kreuzfahrer forderte Über- 
fuhr nach Apulien, Vereinigung mit Walter von Brienne und Aus- 
fahrt von dort ab geradeswegs nach Syrien. Von Ägypten war 
kaum mehr die Rede. Vielleicht mehr noch als die Venezianer, 
denen Akkon gegenüber Alexandrien noch immer als ein will- 
kommenes Ziel gelten konnte, waren die hohen Barone, vor allem 
Alexios verblüfft und verzagt. Das ganze wohlausgesonnene Unter- 
nehmen schien aussichtslos verloren. Aber die Drohung mit der 
Auflösung der Flotte zum kommenden Peter- Paulstage durch Venedig, 
die offenbar jetzt noch gesteigerten Anerbietungen des Alexios 
taten endlich ihre Wirkung. Nach langen Beredungen, nicht ohne 
aufrichtige oder unaufrichtige Ergriffenheit der Teilnehmer wurde 
vereinbart, zunächst wenigstens bis zum 29. September beisammen 
2U bleiben: man würde vorerst nach Konstantinopel fahren und 
«ich dort versuchen; innerhalb der ersten Oktoberhälfte sollten 
dann denen, die nach Akkon fahren wollten, die nötigen Schiffe 
l>ereitgestellt werden. Der mit „Strömen von Gt>ld'' erkaufte Ver- 



2M Achtes Kapitel. 

trag mit Alezios wurde vom Heere ratifiziert Am Pfingstabend, 
24. Mai, einem sonnigen Frühlingstage verliefs die Flotte Korfa 
zur Fahrt ins Griechenreich. Der Umsturz des byzantinischen 
Thrones war beschlossene Sache. 

Und nun vergegenwärtige man sich noch einmal die Ab- 
wandlungen der venezianischen Politik in jenen schicksalvollen 
Monaten. Die Republik hatte im April 1201 den Uberfahrtvertrag 
mit den Kreuzfahrern ohne Hintergedanken abgeschlossen, es wäre 
denn etwa, den beabsichtigten Zug von Ägypten auf Syrien ab- 
zulenken. Daneben mag auch der Gedanke, mit dem Zuge irgend- 
wie einen Streich auf Dalmatien zu verbinden, als unklarer Wunsch 
in der Seele des Dogen und seiner Räte geruht haben. Die Zahlungs- 
unfähigkeit der ELreuzfahrer bot die Möglichkeit, ihn bequem zu 
verwirklichen und sich des Pilgerheeres zum Wiedergewinne von 
Zara zu bedienen. Da wurde durch das gleichzeitige, zufällige 
Ereignis der Flucht des Alexios die grofse griechische Frage auf- 
gerollt und alle im Abendlande vorhandenen griechenfeindlichen 
Kräfte entfesselt. Das staufische Königtum aus hergebrachter Politik, 
die kreuzfahrenden Barone und Volksmassen teils aus religiösem 
und Nationalhafs, teils aus Beutegier und Abenteuerlust, die vene- 
zianische Republik aus handelspolitischen Interessen kamen zum 
Beschlüsse, in Griechenland einzugreifen, überein. Die Tendenzen 
des Papsttumes bewegten sich diesem Vorhaben doch nicht durch- 
aus entgegen. Keine dieser Mächte hat das griechische Unter- 
nehmen von langer Hand überlegt und vorbereitet, aber nachdem 
es einmal der Zufall in Gang gebracht, erkannten Venedig und 
sein Doge die Notwendigkeit, die gegen Byzanz ledig werdenden 
Kräfte selbst zu binden und zu lenken. Nach getroffener Ver- 
einbarung wegen Zara und in Voraussicht kommender Entwicke- 
lungen nahm im August 1202 Enrico Dandolo das Kreuz, unter- 
stützte im September das Ansuchen des Alexios, schob dann den 
deutschen König in die erste Reihe vor, arrangierte die Über- 
winterung in Zara, um Philipps Eingreifen zeitUch zu ermög- 
liehen, hielt den Bannflüchen der Kirche ruhig stand. Es war 
dabei niemals sein Wille, die eigentliche Kreuzfahrt unmöglich 
zu machen; wenn nach Syrien abgelenkt, entsprach eine solche 
vielmehr seinem und seines Staates Interesse. Zuerst aber war 



Ankunft vor Eonstantinopel. 1699 

die griechische Angelegenheit auszutragen. Das Weitere würde 
sich finden. 

Die Küsten von Griechenland entlang segelte die Flotte auf 
NegropontCi wo Rast gemacht und Elriegsrat gehalten wurde und 
von wo aus Bonifacio und Balduin mit einem Teile der Schiffe die 
Huldigung der benachbarten Insel Andres für Alexios einholten. 
Die anderen kamen, von glücklichstem Wetter begünstigt, über 
alles Erwarten schnell — angeblich schon am 1. Juni, richtig aber 
doch wohl am 10. Juni — in den Dardanellen an, verweilten acht 
Tage vor Abydos (heute Nagra Boroun), verproviantierten sich 
reichlich mit Getreide und warteten die Wiedervereinigung mit 
den Schiffen der Expedition auf Andres ab. Dann fuhr man in 
das Marmarameer ein; „wie ein breiter Teppich'^, sagt Villehar- 
douin, „bedeckte die Flotte den schmalen Arm des Meeres '^ Am 
23. Juni kam man nach S. Stefano, drei Meilen von Eonstanti- 
nopel. Da zuerst sahen die tatenmutigen Männer die tausend Zinnen 
und Türme der vielberühmten Stadt; keiner so kühn, dafs ihn 
nicht Furcht erfafste; wie würde eine Handvoll Leute die gewal- 
tigste Festung der Erde, die Mutter der Städte gewinnen können? 

Noch am 23. Juni trat man abends zur Beratung zusammen. 
Dandolo empfahl, die Leute streng an Bord zu halten und sich 
von den benachbarten Inseln aus mit Lebensmitteln zu versorgen ; 
so wäre keine Gefahr, dafs sich das Heer zerstreue. Tags darauf, 
am St. Johannistag, fuhr die Flotte in vollem Flaggenschmuck auf 
Pfeilschufsweite an Konstantinopel vorbei an das kleinasiatische 
Ufer nach Chalcedon (heute Kadiköi). Die grofsen Herren be- 
zogen den dortigen Kaiserpalast, die Truppen schafften Proviant 
ein; zwei Tage hernach (26. Juni) gingen Schiffe und Landheer 
nach Skutarion (Skutari) ab, der Hauptstadt gerade gegenüber. 
Die Transportfahrzeuge wurden weiter östlich bei den „zwei Säulen '^ 
unweit der heutigen Vorstadt Beschiktasch verankert. Zugleich 
bezogen die griechischen Truppen am europäischen Ufer vor Galata 
ein ausgebreitetes Lager. Neun Tage — bis zum 4. Juli — lagen 
die Heere sich gegenüber, ohne etwas Ernstliches gegeneinander 
zu beginnen. 

Am 2. Juli erschienen Gesandte des Elaisers im Lager der 
Lateiner: ihr Vorgehen errege sein Befremden , sie mögen ab- 



298 Achtes EapiteL 

ziehen; er sei gewillt| die EjreiufiEdirt zu fördem und Gold und 
Silber nicht zu sparen. Sie lieben durch Conen de Betfanne er- 
widern: das Befremden kleide Alexios III. schlecht; er aoUe das 
Reich dem rechten Herrscher übergeben, der in ihrer Mitte weile; 
wolle er dies nicht, so möge er sich mit Gesandten nnd Geschenken 
nicht bemühen. Am Tage darauf wurde — wie Dandolo emp- 
fohlen — Prinz Alexios IV. in kaiserlichraa Schmuck und fest- 
lichem Aufzuge vor die Mauern der Stadt ge&hren, die StSdter 
mit lautem Zuruf angefordert, ihn fiir ihren Herrn zu nehmen. 
Sie antworteten mit Pfeilschüssen. Alexios UI., wenn auch zu 
Unrecht Kaiser, war doch milde, leutselig und zuging^ch; man 
konnte unter ihm mit Ruhe leben. Das tolle Beginnen der Abend- 
länder nahm kein Mensch in Byzanz ernst Gerade da(s die not- 
wendigsteD Besserungen an den Mauern und den verwahrlosten 
Schiffen im Hafen vorgenommen, die in der Stadt ansässigen La- 
teiner von Griechen und Varangen gründlich mifshandelt worden 
waren. Sonst vertraute man ruhig den schützenden Festungswerken, 
an deren Wällen sich schon ganz andere Stürme gebrochen hatten. 
Und verhiefs überdies nicht eine alte Weissagung, Ronstantinopel 
werde nur durch einen Engel vom Himmel genommen werden 
können? Was sollte da der aufgeputzte Knabe und die theatra- 
lische Parade der Galeeren? 

Die Belagerer traten am 4. Juli zu einem Kriegsrate zu- 
sammen. Die Zeit drängte, schon war das Land ringsum von 
Lebensmitteln entblöfst, und eine Verpflegung des Heeres für längere 
Zeit erschien unmöglich. Der Doge empfahl einen Angriff auf das 
europäische Ufer und entwarf den Plan dafür ; er wollte sich selbst 
an die Spitze seiner Leute stellen. Das Heer, in sechs Treffen 
formiert, wurde zur Überfahrt bereitgestellt Am 5. Juli fuhr die 
Flotte unter Trompetenklängen, jede Galeere ein Frachtschiff 
schleppend, nach dem Ufer von Galata über. Die Griechen leistet^i 
wenig Widerstand ; am Abend war ihr Lager in den Händen der 
Kreuzfahrer. Am 6. Juli wurde die gewaltige Kette, die vom 
Turme von Galata zur Stadtmauer hinüber den Gk>lfhafen des 
Goldenen Homs sperrte, gesprengt und der Turm selbst — nicht 
der heutige, zweihundert Jahre später erbaute, sondern unmittelbar 
am Meere gelegen — nach tapferer Verteidigung durch Varangea 



Erste Belagerung von Eonstantinopel. 809 

und Pisaner im Sturm genommen. Die venezianische Flotte fuhr 
in den Hafen , zerstörte dort die völlig überraschten, von der 
Mannschaft flüchtend verlassenen griechischen Schifl^e, das Land- 
heer hielt in Galata. Während der nächsten Tage wurde eine 
gemeinsame Aktion von Flotte und Landheer vereinbart Dort, 
wo eine solche einzig möglich war, im Norden der Stadt um die 
Mauern des Blachemenpalastes herum sollten die Venezianer zur 
See, die Franzosen und Deutschen zu Lande eng aneinander ge- 
schlossen Aufstellung nehmen. Am 11. Juli begann der Aufbruch 
des Landheeres von Oalata her, in der Nacht wurden nicht ohne 
Widerstand der Griechen die in das Qoldene Hom einmündenden 
FltLsse überschritten. Am 12. Juli standen die sechs Treffen von 
der Nordwestfront des Palastes, der Mauer des Herakleios, bis 
hinüber zu dem alten Kosmaskloster nordwärts der Stadt in der 
Gegend des heutigen Ejoub aufgestellt, die venezianischen Schiffe 
lagen drei Bogenschufsweiten lang im Goldenen Hom. Damit 
begann erst die eigentliche Belagerung. 

Die Venezianer errichteten auf ihren Schiffen die üblichen, 
bis zur Höhe der Stadtmauern emporgefiihrten Holztürme um die 
Mastbäume herum, deren jeder vier bis sechs Leute fafste, ver- 
banden sie durch passierbare Brücken aus Schiffstauen, schützten 
sie durch Überziehen mit Tierhäuten gegen Feuer und führten 
von ihnen aus den Krieg mit Schleuder- und Mauerbrechmaschinen; 
sie hatten den besseren Teil erwählt. Zwar Nahrung war freilich 
auch bei ihnen karg; wenig Brot, wenig Salz, nur das Fleisch 
der getöteten Pferde. Aber die Treffen des Landheeres, immer 
durch Ausfälle beunruhigt, oft sechs- und siebenmal unter Waffen, 
gezwungen, in voller Rüstung zu essen und zu schlafen, mochten 
wohl zu verzagen beginnen. Ein grofser Sturm am 17. Juli wurde 
von Varangen und Pisanern auf der Landseite blutig zurück- 
gewiesen. Glücklicher waren die Venezianer, die unter persönlicher 
Leitung ihres Dogen und unter Vorantragung des Markusbanners 
von ihren Galeeren aus 25 Türme der Stadtmauer zwischen 
Blachernenpalast und Euergeteskloster gewannen. Aber alsbald 
erfolgte nach dem Lande zu ein Gegenangriff mit überlegenen 
Kräften, dieses Mal unter eigener Führung des Eotisers. Der bittere 
Spott seiner Umgebung und bald der ganzen Stadt hatte Alezios lU. 



SOO Achtes Kapitel 

endlich doch vermocht; die Verteidigung nicht einzig seinem ESidam 
TheodoroB Laskaris zu überlassen^ sondern selbst ins Feld zu gehen. 
Er stellte seine, in den lateinischen Berichten zwar übertriebene^, 
aber doch gewifs drei- und vierfache Übermacht vor dem Tore 
der Quelle (TtvXfj ffjg Ttrjyfjg) etwa eine Stunde weit vom Lateiner- 
lager auf. Griff man jetzt , wie Laskaris wollte, ernstlich zu, so 
hätte das verwegene Beginnen der Belagerer wohl ein vorzeitiges 
Ende gefunden. So drohend schien die Gefahr, dafs Doge Dandolo, 
dessen heldenkühne Entschlossenheit die heifse Bewunderung Ville- 
hardouins erregt, eine Reihe gewonnener Positionen räumen lieb 
und seine Venezianer den bedrängten Rittern zu Hilfe sandte. 
Vorher steckten sie noch von den eroberten Türmen aus das be* 
nachbarte Stadtviertel, das Petrion, in Brand; es war ein Feuer, 
so grofs wie die ganze Stadt Arras, versichert Clari, der schrift* 
stellemde Ritter aus der Pikardie. So hielten die Kreuzfahrer 
glücklich stand, und der schwachherzige Alexios führte sein Heer 
durch das goldene Tor wieder in die Stadt zurück, ohne etwas 
Entscheidendes versucht zu haben. Die Lateiner aber verharrten 
in sorgender Furcht; „ermüdet legten sie die Waffen ab und afsen 
und tranken das wenige, was sie zu verzehren hatten ''. In der 
Schilderung Villehardouins spricht sich die resignierte, fast trost- 
lose Stimmung dieses Abends aus. 

Da fand die bange Sorge mit einem Male ein fröhliches Ende. 
Der Kaiser hatte mit dem Treffen vom Tage seine Energie völlig 
verbraucht; heimgekehrt sah er sich verhöhnt, ja bedroht: wenn 
er die Stadt nicht verteidigen könne, so wolle man doch lieber 
seinen Neffen zum Kaiser machen. „Er war grausam blamiert 
vor allen Damen und Jungfräulein '^ Immer war eine Partei för 
die Rechte des entthronten Isaak eingetreten ; nun machte sie sich 
bemerkbar; das Gerücht konnte Glauben finden, sie habe das von 
den Venezianern gelegte Feuer verschuldet. Alexios IIL ent- 
scblofs sich, allen Fährnissen gründlich aus dem Wege zu gehen; 
er nahm seine Tochter oder Geliebte Irene, einiges Gefolge und 
1000 Pfund Goldes mit sich und entwich flugs in der Nacht nach 
Zagora in Bulgarien. 

Es war kaum zweifelhaft, was folgen würde. Einen Herrn 
mufste die Stadt haben ; mit Zustimmung der Varangen wurde Isaak 



Der 18. Juli 1203. SOL 

ADgeloB aus seiner Haft befreit, blind, wie er war, samt seiner Qo- 
mahlin, der ungarischen Königstochter Margareta, in den Blachernen- 
palast gefuhrt und empfing die Huldigung der Hauptstadt. Gesandte 
brachton die unverhoffte Botschaft an den Prinzen Alexios und 
ins Kreuzfahrerlager. Dort empfand man die Wendung der Dinge 
wie eine Himmelsfugung, war aber doch sogleich bedacht, sich 
«las Vertragsgeschäft von Zara und Korfu auch von Kaiser Isaak 
sicherstellen zu lassen. Mathieu de Montmorencj, Villehardouin 
und zwei Venezianer gingen zu diesem Zwecke in die Stadt ab. 
llicht ohne Bedenklichkeiten entsprach der alte Kaiser dem Ver- 
langen; nunmehr wurde unter dem Jubel der Volksmassen der 
junge Prinz von den Baronen in die Stadt geleitet, der Vertrag 
von Zara noch einmal feierlich erneuert, und ein prunkendes Bankett 
im festlich erleuchteten Kaiserschlosse beschlofs den freudenreichen 
18. Juli 1203. Im Herbste sollte, wie vereinbart, die Fahrt ins 
heilige Land statthaben. Die Lateiner entsprachen dem Wunsche 
der neuen Herren, ihre Truppen wieder nach Galata zu ziehen, 
das Heer wurde sorglich verpflegt und das Einvernehmen war 
das allerbeste. Nur einen Teil der Stadtmauer glaubten — auf 
den Rat des Dogen? — die Kreuzfahrer zu ihrer Sicherung nieder- 
legen lassen zu sollen; sonst war es ja sehr wohl mögUch, dafs 
sie eines Tages die Tore verschlossen und sich ausgesperrt fanden. 
Man kannte die Treue der Griechen. 

Am 1. August wurde Alexios IV. feierlich zum Kaiser neben 
«einem Vater gekrönt. Nicht ohne Genugtuung verwiesen die Führer 
der Kreuzfahrt in Briefen an Papst Innozenz auf ihre wunderbai*en Er- 
folge; darunter — jetzt oder später — auch Doge Dandolo. Innozenz 
aber wollte nur befriedigt sein, wenn der junge Regent den Primat 
der römischen Kirche anerkannt und den Patriarchen von Konstanti- 
nopel zur Annahme des Palliums vermocht, die Kreuzfahrer aber ihr 
neubegangenes Unrecht durch sofortige Aufnahme der Fahrt ins 
heilige Land gesühnt haben würden; die Kirchenunion schiene ihm 
nur ein Aushängeschild zu sein, dahinter ihre weltlichen Absichten zu 
bergen. Bald genug wurde er durch das gewünschte Unterwerfungs- 
schreiben Alexios' IV. erfreut. Wenn dieser seinen anderen Ver- 
pflichtungen in gleicher Weise nachkam, dann war noch ein glor- 
reicher Ausgang der abenteuerreichen Kreuzfahrt zu erhoffen. 



SOS Achtes Kapitel. 

Aber schon hatte indessen das gute Einvernehmen der Macht- 
haber vor Eonstantinopel zu schwinden begonnen. Alexios IV. 
mufste sich nach seiner Krönung zur Aufiiahme der versprochenen 
Zahlungen verstehen, hat auch, wenn wir wohl berichtet sind, zu- 
nächst 100 000 Mark Silber zustande gebracht. Wahrlich nicht 
leicht. Mit Empörung erzählt der griechische Geschichtscbreiber 
des ELreuzzuges, Niketas, wie nicht blofs die Bewohner mit schweren 
Steuern geprefst, sondern auch die Kirchen ihrer Schätze beraubt 
worden seien, um die Geldgier der Lateiner zu stillen. Die Auf- 
bringung der Gesamtsumme vor dem vereinbarten Abfahrtstermine 
— St. Michael — schien vollends unmöglich. Noch im August 
mufste Alexios IV. von Dandolo und den Baronen eine Verlänge- 
rung der Zahlungsfrist und Hinausschiebung der Abfahrtszeit er- 
bitten; im März 1204, zur Zeit der Frühlingsmeerfahrt sollte sie 
endlich stattfinden. Vergebens hatte auch jetzt wieder die strengere 
Partei auf Einhaltung der Verbindlichkeiten von Korfu gedrungen. 
Ob man Syrien oder Ägypten, ob man beide Länder aufsuchen 
wollte, darüber wurde nichts Klares gesagt; aber es mochte bereits 
für ausgemacht gelten, dafs das erste Fahrtziel Akkon sein sollte. 
Alexios verpflichtete sich, das Ejreuzheer bis zum 29. September 
1204 zu verpflegen. Dandolo und seine Venezianer verbanden sich 
mit feierlichen Eiden, ihre Kampfgenossen nicht zu verlassen, bevor 
die Feinde Jesu Christi nicht völlig bezwungen wären. 

So hatten die Griechen die verhafsten Fremdlinge noch f&r 
Monate am Halse; und diese taten nichts, sich in besseres Licht 
zu setzen. Mit ingrimmigen Worten klagt Niketas über ihre Hab- 
sucht, Efsgier, Verschwendungssucht Die Ausplünderung der 
Kirchen, darunter der Hagia Sophia selbst, reizte den allgemeinen 
Unwillen noch lebhafter auf. Die in der Stadt ansässigen latm- 
nischen Kolonisten, deren viele doch so tapfer bei deren Verteidi- 
gung mitgeholfen hatten, wurden allerorten bedroht und verfolgt 
Man warf einander die Brandfackel in die Häuser. Ghriechiaohe 
Volksmassen brachen — angeblich am 19. August — räuberiach 
in die Quartiere der Kaufleute von Pisa und Amalfi ein; vide 
von diesen entflohen in das Lager ihrer venezianischen Feind^ 
andere erwiderten gleichfalls mit Gewaltakten. So erwuchs aus 
den von beiden Seiten da und dort versuchten Brandlegungen 



Der grofse Brand vom Aogust 1203. SOS 

erschreckliche Katastrophe der zweitägigen Feuersbrunst vom 22. 
und 23. August^ die, genährt durch einen heftigen Sturm, den süd- 
lichen Teil der Stadt vom Goldenen Hom bis an das Marmarameer 
hinüber auf das furchtbarste verheerte. Es verbrannte ein Teil 
des Hippodroms ; ganze Häuserreihen, selbst Schiffe im Hafen; 
auch der Grofsteil der ohnehin schon verwüsteten abendländischen 
Quartiere wurde ein Opfer der Flammen. Mit Entsetzen sahen 
es Einwohner und Fremde. Zwischen Griechen und Lateinern 
war jede einigende Beziehung dahin. Nahezu die ganze Masse 
der Kolonisten mit Weib und Kind — an die 15 000 Menschen — 
erschien jetzt flüchtend im Lager von Galata. 

Die beiden Kaiser schwankten in diesen Wirren entschlufslos 
hin und her. Weit entfernt etwa die Stimmung der Hauptstadt 
zum Druck auf die Lateiner zu benutzen und ebensowenig gewillt, 
den Feindseligkeiten gegen ihre abendländischen Freunde zu steuern, 
einer dem anderen mifstrauend, ja einander öffentlich lästernd und 
verspottend verloren sie bald ihren Halt von beiden Seiten her. 
Vorerst verhütete noch der Antritt einer mit Unterstützung der 
Barone unternommenen Kriegsfahrt Alexios' IV. durch Thrakien 
und Makedonien den Ausbruch eines offenen Konfliktes. Der junge 
Kaiser verliefs, geleitet von Bonifacio, Hugo von St Paul und 
Heinrich von Flandern, Balduins Bruder, und deren Leuten, etwa 
Ende August die Hauptstadt, zog zuerst vor Adrianopel, wo 
Heinrich das Heer verliefs, kam bis an die bulgarische Grenze, 
empfing die Huldigung der Landschaften und Städte und gewann 
die Widerstrebenden mit Waffengewalt Der Zug brachte den 
besten Erfolg ein, und als Alexios am 11. November festlich emp- 
fangen nach Konstantinopel zurückkam, mochte es scheinen, als 
würde das in der Zwischenzeit immer gespannter gewordene Ver- 
hältnis — Kaiser Isaak hatte jede Zahlung verweigert und die 
Griechen auch das niedergelegte Stück der Stadtmauer wieder 
aufgerichtet — noch einmal verbessert werden können. Aber bald 
genug erklärte auch Alexios, aufgereizt durch den Prinzen Alexios 
Dukas, das Haupt der griechisch-nationalen Partei, und hochmütig 
geworden durch seinen militärischen Erfolg, die Stählungen nicht 
weiter erfüllen zu wollen und liefs den Kreuzfahrern in dürren 
Worten sagen, sich ihres Weges zu scheren und das Land zu 



S04 Achtes Kapitel. 

räumen. In den letzten Novembertagen traten Alexios und Enrico 
Dandolo einander noch in einer letzten Verhandlang an den Ufern 
des Goldenen Homes gegenüber. Der Kaiser möge sich hüten, 
warnte der Doge; sei das die Art, Versprechungen denen zu halten, 
die ihn aus Not und Schmach zum Herrn und Kaiser erhoben 
hätten? Mit rohen Worten der abweisenden Antwort des Jüng- 
lings entgegnend schalt er ihn einen elenden Buben ^ den man in 
den Kot der Strafse stofsen werde, aus dem man ihn gezogen, 
und kündete ihm Feindschaft und Verfolgung an. In feierlicher 
Weise überbrachte tags darauf eine von Villehardouin und Conen 
de Bethune geführte Gesandtschaft den Kaisem die offizielle Kriegs- 
erklänmg nach dem Blachernenpalast Selbstbewufst führte Conen, 
ihr Sprecher, aus: sie seien gekommen, den Kaiser Alexios an 
seine Verheifsungen zu erinnern; wolle er sie einhalten, dann gut 
fiir ihn, wenn nicht, so würden sie ihn hinkünftig weder für einen 
Freund noch Herrn halten; sie sagten ihm dies offen an, denn 
verräterisch zu handeln sei ihres Landes nicht der Brauch. Sie 
dächten, er verstände sie und würde sich bedenken. Damit ver- 
liefsen sie den Saal und die verblüffte Staatsversammlung, bestiegen 
ihre Pferde und ritten eilends heim, bei aller Kühnheit doch froh, 
die Mauern der Stadt hinter sich zu wissen. Der £aieg begann 
aufs neue. 

Alexios IV. wegen seines Wortbruches zu stürzen, war trotz 
aller sogleich eintretenden Feindseligkeiten das Ziel der Lateiner, 
wenigstens der Barone, zunächst nicht. Vielmehr bemühte sich 
namentlich Bonifacio fast bis zur letzten Stunde, zu einem Ver- 
gleich mit ihm zu kommen. Nicht ohne gute Gründe. Die Lage 
der Lateiner war nicht beneidenswert. Von der Stadt aus nicht 
mehr mit Lebensmitteln versorgt, konnten sie sich solche nur durch 
ausgedehnte Requisitionen verschaffen, und die Preise schnellten 
um das fünf- und zehnfache empor; anderseits war die geringe 
Mannschaft auch aufserstande, der Stadt die Zufuhr abzuschneiden. 
In den Kreisen der Ritter mochte die Auflassung des ganzen Unter- 
nehmens erwogen werden; aber schwerlich waren die Venezianer 
hierzu bereit, und wie sollte man ohne ihre Schiffe entkommen? 
Die Venezianerflotte war der stärkste Rückhalt, den das Heer der 
Belagerer hatte, durch sie war es einzig stark. Die Grieohen 



Bevolution in Konfitantinopel. SM 

wafsten es wohl. Um die Mitte Dezember liefsen sie nächtlicher- 
weile Branderschiffe auf sie los; nur die Geistesgegenwart und 
grofsartige Haltung der venezianischen Matrosen retteten Flotte 
und Heer vor sicherem Untergange. ^^Das war'', ruft Villehardouin, 
y,der Lohn des Alexios^ mit dem er unsere Dienste zahlte.'^ Wie 
viel schlimmer war aber dieser daran als die Lateiner selbst 1 Der 
alte Kaiser Isaak, der krank und fiebernd in seinem Palaste da- 
hinlagy war längst nicht mehr zu zählen; soweit er noch konnte, 
arbeitete er seinem y^von Qott verfluchten'^ Sohne in die Quere. 
Alexios selbst war so wenig ein Kriegsmann wie vordem sein 
Oheim; er und die anderen Prinzen fürchteten die Abendländer, 
yywie der Hirsch den Löwen''. Nur der einzige Alexios Dukas, 
von seinen zusammengewachsenen und über die Augen herab- 
schattenden Brauen Murzuphlos genannt, bewährte sich als tapferer 
Kämpfer. Wie aber wollte er, schlecht unterstützt, den Feind mit 
Erfolg bekriegen? In einem Treffen an der Kameelbrücke hätte 
er, von den Seinen verlassen, seinen Kampfesmut beinahe mit dem 
Leben bezahlen müssen. Die gewaltige Stadt mit ihren Menschen- 
und Truppenmassen erschien selbst zu Lande dem kleinen Heere 
der Feinde gegenüber machtlos. 

Um so rascher ging es mit der Herrlichkeit Alexios' IV. zu 
Ende. Die Qeistlichkeit und Hochbeamtenschaft würden ihn nicht 
ungern gehalten haben, wenn er nur bestimmt der Kirchenunion 
abgesagt hätte. Den anderen Volkskreisen aber war das neue 
Regiment mit seinen Tributgeldern an die Fremden allezeit ver- 
hafst gewesen; da hatte man unter dem leutseligen Alexios UI. 
doch besser gelebt. Eine immer stärkere Bewegung drängte zur 
Absetzung der Kaiser. Klerus und Bureaukratie wollten sich, da 
sie ihr doch nicht wehren konnten, zur Wahl des Prinzen Kon- 
stantinos Radinos verstehen, eines Mitgliedes der von Alexios Dukas 
geführten Hofpartei, der das Regiment der beiden Angeli längst 
zu mattherzig geworden war. Aber Konstantinos lehnte ab. Da 
wurde nun über den Widerstand der Geistlichen und Beamten hin- 
weg in tumultuarischer dreitägiger Wahlversammlung am 27. Januar 
in der Hagia Sophia der tapfere junge Offizier Nikolaus Kanabos 
gewissermafsen als Volkskandidat zum Kaiser gewählt. Im ersten 
Schrecken über die Wendung der Dinge versuchte es Alexios IV. 

Krettohmayr, OeaehieliU von Venedig. 20 



t06 Achtes KapiteL 

noch einmal mit den verlassenen lateinischen Freunden. Kr liels 
— wohl am 28. Januar — dem Markgrafen durch Alexios Dokas 
die Wiederaufnahme der Verbandlungen und Überlassung des 
Blachemenpalastes als Faustpfand anbieten. B^erig griff Boni- 
facio den Gedanken einer Verständigung au£ Als aber seine Ge- 
sandten oder er selbst zur Besitznahme des Schlosses erschienen, 
war Alexios IV. schon wieder anderer Meinung und weigerte nicht 
ohne Hohn die Erfüllung seines Angebotes. 

Was war das für eine Lage : hier ein revolutionär zur Kaiser- 
würde erhobener Soldat^ Nikolaus, dort der andere Kaiser, Alexios, 
immer schwankend, ob er sich nicht doch den Abendländern draufseii 
in die Arme werfen solle; beide junge, imer&hrene Männer; die 
Stralsen der Hauptstadt von den Kämpfen ihrer Anhänger erfüllt 
und der Feind vor den Toren. Wie sollte es solchen Jammers 
ein Entrinnen geben? 

In solcher Wirrnis war doch noch ein Mann in Konstantinopel, 
der nicht verzweifelte: Alexios Dukas. E^ hielt nun seine Zeit 
für gekommen. Er machte die Beziehungen Alexios' IV. zu Boni- 
facio offenbar, gewann die Varangen, den kaiserlichen Schatzmeister, 
dazu weite Volksschichten mit der Versicherung, die Feinde binnen 
weniger Tage zu Paaren treiben zu wollen, bemächtigte sich in 
der Nacht vom 28.(29.) zum 29.(30.) Januar der Person Alexios' IV. 
und liefs den zitternden zunächst unter dem Vorwand, ihn vor 
dem revoltierenden Volke zu schützen, in Hafl legen. Der ge- 
schwächte Organismus des alten Kaisers hielt der neuen Schrecknis 
nicht mehr stand; ihn tötete die Angst. Der Kaiser Nikolaus, 
von den Seinen verlassen, wurde festgenommen und umgebracht, 
Alexios Dukas am 5. Februar unter dem Beifall der Menge als 
Alexios V. zum Kaiser gekrönt 

Der neue Herrscher war ein kühner und tapferer Mann; er 
focht mit Schwert und Streitkolben inmitten seiner Soldaten. War 
er auch rauh und unzugänglich, mehr gefärchtet als beliebt, so 
schien doch alles Heil an seiner Person zu haften. Mit unerschrockener 
Entschlossenheit und wägender Umsicht leitete er die Verteidigung. 
Er verbot bei Todesstrafe jede Lebensmittellieferung an die Be- 
^erer, suchte Verbindung mit dem Sultan von Ikonium; die 
Lateiner liels er auffordern abzuziehen; man brauche hier weder 



Alexios Dukas Murzuphlos. SO? 

ihren Rat noch ihre Herrschaft. Zugleich wurden die Festungs- 
werke neu in Stand gesetzt^ die Zahl der Mauertürme namentlich 
nach der Seeseite zu vermehrt, diese mit Schleudermaschinen be- 
wehrt und mit Enterbrücken versehen, die man über die Mauer 
hinauslegen und auf ihnen die Holztürme der feindlichen Schiffe 
sollte erreichen können. Ohne Unterlafs wurden die Belagerer 
durch Aus&lle bedroht. Noch am Tage nach seiner Krönung 
überfiel Alexios die von einem Requisitionszuge nach Philea am 
Schwarzen Meere zurückkehrenden Scharen Heinrichs von Flandern. 
Der Anfall mifsglückte ; die Kaiserstandarte und das siegverheifsen- 
dende Bild der wundertätigen Mutter Gottes , nach uralter Über- 
lieferung das Werk des Evangelisten Lukas , fielen in die Hände 
der Feinde; noch heute prangt das kostbare Beutestück , immer 
von Andächtigen umlagert, an der Ostseite des Nordtranseptes von 
San Marco. Aber alsbald erwartete die Lateiner ein neuer Schrecken. 
Wie es scheint, gleich die Nacht darauf wurden sechzehn Brander 
auf die venezianische Flotte losgelassen. Es gelang auch diesmal, die 
Gefahr abzuwehren und die Brandschiffe aus dem Hafen in den 
Bosporus zu schleppen, wo sie, ohne weiteren Schaden anzurichten, 
verloschen. Die Kreuzfahrer nahmen hierauf ihre kombinierte 
Land, und SeeaufsteUung um die Blachemen wie im JuU wieder 
ein. Alexios V., vielleicht doch herabgestimmt durch die Mifs- 
erfolge der letzten Tage, wollte es noch einmal mit Verhandlungen 
versuchen. Am 8. Februar kam er mit Dandolo beim Kosmaskloster 
zusammen. Aber die Forderungen des Dogen waren unerfüllbar: 
5000 Pfund Goldes, Kirchenunion, Abdankung des Kaisers. Alexios 
erwiderte, ehe er sich Rom unterwerfe, wolle er lieber das Leben 
verlieren und möge Griechenland zugrunde gehen; er lehnte die 
Forderungen ab. In offenbarem Treubruch versuchten nunmehr 
lateinische Ritter, sich seiner Pei*son zu bemächtigen; mit Mühe 
entrann er in die Stadt. Nun gab es fUr ihn kein Vergleichen 
mehr: er liels Alexios IV. in der Nacht erwürgen. 

Die Kreuzfahrer hatten die Erhebung des neuen Kaisers so- 
gleich mit dem Beschlüsse beantwortet, auszuharren und Alexios V. 
als meineidigen Revolutionär und Verächter der römischen Kirche 
zxL bestrafen. Sollten sie auch weiter daran festhalten ? Ihre Lage 
war schlimm genug; sie sahen sich mit des jungen Alexios Tode 

20* 



108 Achtes Kapitel. 

um Geld und Kreuzzug endgültig betrogen. Immer mächtiger 
wuchsen vor ihnen die Befestigungen der Stadt empor, an denen 
der Gegner fortwährend besserte; hoffte man wirklich, sie stürmend 
bezwingen zu können? Im Lager herrschte der Hunger. Das 
herankommende Frühjahr lockte zur Meerfahrt. So mögen wohl 
viele Stimmen zur Abfahrt geraten haben. Ohne Zweifel war es 
der alte Doge, der ihnen entgegen den Ausschlag fUr die Weiter- 
führung des griechischen Unternehmens gab. Er war vollends 
Herr der Situation. In allen zweifelhaften Fällen galt sein Rat, 
er führte die entscheidenden Verhandlungen. Niketas schilt ihn die 
«Seele aller feindlichen Anschläge auf Byzanz. Und nirgends spricht 
sich die Achtung vor seiner grofsen Stellung deutlicher aus, als in 
dem rücksichtsvollen und zurückhaltenden Tone des Schreibens, das 
Innozenz HL am 24. Februar 1204 in Beantwortung des Briefes vom 
Herbst 1203 an ihn — den Gebannten — richtete. Wie er es wollte, 
geschah es: man blieb und arbeitete den Februar und März ebenso 
unermüdlich an Belagerungsmaschinen und kriegsmäfsiger Adap- 
tierung der Schiffe wie Alexios V. an seinen Türmen und Mauern. 

Wenn man aber weiterkämpfte, was sollte der Eampfpreis sein? 
Der legitime Kaiser war tot, von dem regierenden war keine Unter- 
werfung zu erhoffen. So empfahl es sich wohl, mit dem griechischen 
Kaisertum überhaupt ein Ende zu machen. Nach Verhandlungen, 
die wir nicht kennen, sind der Doge und die Barone noch vor 
dem 15. März zu einem Vertrage übereingekommen, dessen Be- 
stimmungen die nach der gebotenen Eroberung der Stadt vor- 
zunehmende Erwählung und Ausstattung eines lateinischen Kaisers 
der Griechen zum Gegenstande haben. Im übrigen erhellt aus 
ihnen die ungeheure Überlegenheit der venezianischen Politik. 
Nach Aufstellung eines Verteilungsschlüssels für die zu erwartende 
Beute, die vor allem die Schuldforderungen der Venezianer decken 
soll, und nach ausdrücklicher Zusicherung des Weiterbestandes der 
venezianischen Privilegien im Griechenreiche wurde verfügt: Je 
sechs erwählte Herren beider Parteien sollen mit Stimmenmehrheit, 
bei Gleichheit durch das Los einen Kaiser wählen ; diesem komme 
aber der unmittelbare Besitz nur eines Viertels des Reiches und 
der Hauptstadt, im besonderen der Besitz der Paläste Bukoleon 
und der Blachernen, über die restlichen drei Viertel nur eine Ober- 



Der ,,Märzrortrag'' des Jahres 1204. S09 

lehenschaft zu; diese drei Viertel seien je zur Hälfte zwischen 
Barone und Venezianer zu teilen. Jene Partei; der die Kaiser- 
krone nicht zukäme — Dandolo mochte gewifs sein, dafs dies 
Venedig sein würde — , solle den Patriarchat von Konstantinopel 
mit einem ihrer Kleriker besetzen und die Hagia Sophia samt 
ihrem Grundbesitz innehaben. Dem Klerus solle von den Kirchen- 
gütern nur so viel verbleiben ^ als für dessen ehrbaren Unterhalt 
nötig sei; das übrige im Verhältnis zu den angewiesenen Reichs- 
teilen an Kaiser, Barone und Venedig kommen. Bis zum 15. März 
1205 müfsten Venezianer und Barone sich dem neuen Herrscher 
zur Verfügung halten; der Kreuzzug war damit wieder um ein 
Jahr hinausgeschoben. Dem Kaiser als Oberlehnsherrn des Qe- 
samtreiches sollen alle künftigen Reichsuntertanen aller vier Viertel 
lehnspflichtig sein ; nur der Doge von Venedig sei für seine Person 
der Lehnspflicht enthoben. Die Untertanen der drei nicht kaiser- 
lichen Viertel stehen im Lehnsverhältnis zu den Baronen oder 
Venedig. Alle Lehen sollen Weiberlehen sein. Eine besondere 
Kommission von 24 Personen — je 12 von beiden Parteien — 
soll zu ihrer Verteilung und Bestimmung der schuldigen Lehn- 
dienste , sowie zur Regelung aller Besitzfragen überhaupt berufen 
werden. Für das Kaisertum sei der Schutz der römischen Kirche 
zu erstreben. Dem Dogen und dem Markgrafen und ihren sechs 
Räten soll es freistehen; die Vertragsartikel noch im einzelnen zu 
ändern. 

Die Absichten der venezianischen Politik bei Abschlufs dieser 
Vereinbarung sind klar: man wird sich vor allem in klingendem 
Gelde schadlos halten lassen; seine Privilegien wahren, die in Aus- 
sicht genommenen drei Achtel Landes mit Beziehung auf die schon 
bestehenden venezianischen Faktoreien und Stützpunkte auswählen, 
überdies Patriarchat und Hagia Sophia und deren ungeheures 
Vermögen an sich bringen. Das lateinische Kaisertum, in wohl- 
erwogener Absicht durchaus als ein schwaches Lehenreich errichtet, 
würde noch weniger imstande sein, der venezianischen Handels- 
Vorherrschaft nahezutreten, als vorher die griechischen Imperatoren. 
Nicht so sehr ein Haltpunkt fUr künftige Kreuzzüge sollte es 
werden; sondern eine für die Ausbeutung Griechenlands durch 
Venedig eigens hergerichtete Institution. 



S10 AchtaB EaiHtflL 

Am 8. April waren die Vorbereitangen sa einem entscheidenden 
Versache auf die Stadt beendet Eine halbe Meile lang lag die 
Venezianerflotte angri£kbereit das Oalataofer des Gbldenen Hernes 
entlang: ein grolsartiger Anblick. Über die Stärke des Heeres 
sind brauchbare Angaben nicht zu finden; aber gewils war es für 
das grofse Unternehmen schwach genug. Der am 9. April unter- 
nommene Sturm — wieder wie am 17. Juli 1203 gegen die dem 
Petrion vorgelagerte Stadtmauer — scheiterte auch völlig. Die 
Belagerer mufsten am Nachmittag mit Zurücklassung ihrer Belage- 
rungsmaschinen nach Oalata zurückweichen. Alexios V., der von 
dem hochgelegenen Kloster ^^des Allsehenden*' die Verteidigung 
geleitet; mochte sich mit Zuversicht erflillen. Im Eri^srate der 
Belagerer wurde noch am Abend ein Vorgehen g^n die un- 
befestigte Südfront der Stadt vom Marmarameere her vorgeschlagen; 
aber die Seekundigen zeigten alsbald, dafs dies unmöglich sei, weil 
die heftige Strömung die Schiffe fortreifsen würde. Man mu&te 
sich zur Wiederholung des Sturmes von derselben Seite her ent- 
schliefsen; um eine gröfsere Anzahl Streiter gegen das jeweils 
angegriffene Einzelobjekt werfen zu können, band man die Schiffe 
je zu zweit aneinander. Nach zweitägiger Waffenruhe wurde der 
Kampf am 12. April wieder aufgenommen. Die Varangen, wieder 
unter persönlichem Befehl des Kaisers, leisteten entschlossenen 
Widerstand. Bis zur Mittagszeit waren sie durchaus im Vorteil; 
dann drängte ein lebhafter Nordwind die Schiffe näher an die 
Mauern heran. Dabei geschah es, dafs von den zwei Schiffen 
Paradisus und Peregrina, welche die Bischöfe Nivelon von Soissons 
und Garnier von Trojes an Bord führten. Bewaffnete in einen 
der Mauertürme einzudringen und dort die bischöflichen Banner 
aufzuziehen vermochten. Gleich darauf gewann der riesenhafte 
Pierre de Bracieux, der im Juli 1203 auch als erster den Turm 
von Galata gestürmt, mit seinen Leuten einen zweiten Turm, Peter 
von Amiens mit etwa siebzig Rittern und Knappen erbrach eines 
der Stadttore, überwand, durch nachdrängende Kamp^enossen so* 
gleich unterstützt, einen Gegenangriff der Varangen; bald war das 
ganze Stadtviertel, das Petrion, von lateinischen Truppen überflutet 
Die Varangen wurden zersprengt, Alexios V. wich südwärts nach 
dem Bakolaonpalaste surück, viele vornehme Griechen suchten 



EroberuDg von EoDStantinopel. 811 

Schutz hinter den festen Mauern der Blachemen, griechische Truppen 
enteilten haufenweise durch das goldene Tor. Graf Balduin bezog 
das verlassene Kaiserzelt Alexios' V.^ sein Bruder lagerte vor den 
Blachemen, die Eriegsleute des Markgrafen suchten ihre weiter 
vorgelegenen Herbergen durch Brandlegung des Petrions zu decken. 
Der dritte grofse Brand seit dem 17. Juli 1203; er legte mehr 
Häuser in Asche, ^^als die drei gröfsten Städte Frankreichs zählten ^^ 
Noch einmal versuchte der unverzagte Kaiser sein demoralisiertes 
Kriegsvolk zum Widerstand zu entflammen ; griffe man jetzt kräftig 
zu, so habe man die in der Stadt eingeschlossenen Feinde erst 
recht gewifs in EÜlnden. Aber niemand hörte auf ihn; überall 
nur drängende, hastende Flucht Da gab auch er die Sache der 
Heimat verloren und entfloh in der Nacht mit Euphrosyne, der 
Gemahlin Alexios' HI., und deren Tochter Eudoxia, seiner Braut 
Einige wenige erhoben in der Sophienkirche Theodoros Laskaris 
zum Kaiser; aber auch sein Aufruf zu Tapferkeit und Treue ver- 
hallte ungehört, und flüchtend wie tausend andere verliefs auch er 
die Stadt. 

Am Morgen des 13. April ergriffen die Lateiner, selbst über- 
rascht durch den Lauf der Dinge, ohne Widerstand Besitz von 
KonstantinopeL Balduin zog in die Blachemen, Bonifacio in 
die Sophienkirche und das Bukoleonschlofs , den Zufluchtsort der 
Witwen der Kaiser Andronikos und Isaak, Agnes und Margarete. 
Greise, Frauen und Kinder zogen mit Eüreuzen und Bildern schutz- 
flehend dem „König-Markgrafen'' entgegen; denn es war der all- 
gemeine Glaube, dafs Bonifacio nunmehr Kaiser werden würde. 
Aber weder er noch die anderen Barone vermochten der entfesselten 
Wut der raubenden und mordenden Soldateska Elinhalt zu tun. 
An die 2000 Menschen jeden Alters und Geschlechtes wurden 
allein von den Kolonisten erschlagen, die erlittene Unbill jetzt 
grimmig rächten. Paläste und Kirchen widerhallten vom tobenden 
Lärm der Plünderer, den Jammerrufen müshandelter Männer und 
igeschändeter Frauen ; die einzige Gnade schien Erlaubnis zur Aus- 
wanderung. Ein entsetzlicher Zug des Elends, diese kaum recht 
in Kleider gehüllten zitternden Menschen, aus Reichtum und Luxus 
hinaus auf die Gasse geworfen und mitleidlos verhöhnt, nicht blols 
von den Feinden, sondern auch den eigenen Landsleuten vor den 



SIS Achtes Kapitel. 

Toren, die das Unglück der verhafsten Städter mit niederer Schaden- 
freude erfüllte. Eine Verordnung der Führer hatte befohlen, alle 
gewonnene Beute in drei Kirchen zusammenzubringen. Soviel 
auch gestohlen und heimlich weggeräumt wurde — besonders die 
Venezianer wollte man darum im Verdachte haben — , es waren 
noch immer unendliche Schätze an Gold und Silber, reichem Tafel- 
geschirr, Edelgestein und kostbaren Gewändern. Vor allem waren 
die Venezianer unermüdlich in der geradezu methodischen Be- 
raubung der Kirchen von Prunkstücken und von Reliquien. Die 
vierzig reichsten Städte der Erde, versichert der Ritter Clari, 
enthielten nicht so viel Reichtümer wie dieses Byzanz allein. 
Soweit die widersprechenden Angaben sich deuten lassen, ist bei 
der späteren Teilung den Franzosen und Deutschen eine Beute 
von 300 000 oder 400 000, den Venezianern von 400 000 oder 
500 000 Mark Silbers allein an barem Gelde zugefallen. £^n jeder 
Mann von einigem Belang gewann sich ein Vermögen. Durch 
Jahre hin führten die Venezianer Reliquien und Kostbarkeiten nach 
Hause, das marmorne Ziborium des Hochaltares von San Marco^ 
die vier vor dem Hippodrom aufgestellten Rosse des Lysippos,. 
denen Doge Pietro Ziani, Enrico Dandolos Nachfolger, den welt- 
bekannten Platz an der Fassade von San Marco wies, ungezählte 
Schätze aus der Hagia Sophia. Und noch mag man ihnen ihre 
Räuberei zum Verdienste rechnen, wenn man wahrnimmt, wie 
hunderte von Kunstwerken von französischen und deutschen Rittern 
aus rohem Unverstand vernichtet wurden. Man braucht nur die 
Liste der vornehmsten zerstörten Objekte bei Niketas zu überlesen, 
um sich davon eine Vorstellung zu machen. In Brand und Blut 
verging die stolze Stadt. 

Das also waren die Bringer des Evangeliums! In den drei 
Tagen vom 13 zum 15. April 1204 wetteiferten abendländische 
Kreuzfahrer in Verbrechen gegen eine uralte Kultur mit den 
wildesten Barbaren. Und wie der Fall der wunderreich^n Stadt 
aufs ungeheuerste Herzen und Meinungen der Zeitgenossen ergriff, 
die Kunde von ihrem Untergange von den fernsten Binden der 
Erde, aus den Jahrbüchern der Chinesen widerklingt, so hallt 
gleich einer furchtbaren Anklage durch die Jahrhunderte der 
jammernde Aufschrei des Niketas: „O Stadt, o Stadt, du aller 



Niketas über den Fall der Stadt. SIS 

Städte Auge; Mutier der Kirchen, Lehrerin alles WissenS; die du 
alle Schönheit und Bildung in dich geschlossen, wie bist du schmutzig 
und besudelt; die du einst so stolz gewesen, wie ist dein Purpur- 
gewand zerrissen, verloschen deiner Augen Licht und deiner Kinder 
Schar zerstreut. Nicht also haben die Ungläubigen Jerusalem 
behandelt, wie die Lateiner dich. Jene waren nicht lüstern nach 
lateinischen Frauen, sie machten die Ruhestätte Christi nicht zur 
Mörderhöhle, den Eingang zum lebenspendenden Grabe nicht zur 
Höllenpforte; diese aber sind gekommen, wie die Wegbereiter des 
Antichrists und seiner Missetaten Vorverkünder." Ein Verzweif- 
lungsruf aus tiefster Herzensnot, mag er uns auch fremdartig klingen 
im Qewande der üblichen stilisierten Phrase griechischen Schrift- 
tumes. Wie schal mutet dagegen die Deklamation Andrea Dan- 
dolos an, dem die Katastrophe der ersten Stadt der Welt nur als 
ein Strafakt erscheinen will, den der Doge von Venedig für seine 
— niemals bewiesene — Blendung durch Kaiser Manuel habe 
vollziehen lassen. 

Am 16. April machte eine Mondfinsternis, das Zeichen gött- 
lichen Zornes, der Plünderung ein Ende. Es war an der Zeit, 
den Märzvertrag zu erfüllen und vor allem zur Wahl eines Kaisers 
zu schreiten. Ernsthaft kamen hierbei, wenn auch vielen „der 
Sinn nach solchem Reiche stehen mochte'^, nur Markgraf Boni- 
iacio und Balduin von Flandern, der vornehmste der Grafen, in 
Betracht. Wenn persönliche Tüchtigkeit entscheiden sollte, konnte 
die Wahl nicht zweifelhaft sein. Der hochbegabte Bonifacio, energisch, 
mit den griechischen Verhältnissen wohlvertraut, nicht ohne Rück- 
halt an seinen Stammlanden, stellte den sittenreinen, aber politisch 
unbefahigten Balduin, den Besitzer eines fernab gelegenen Länd- 
chens, völlig in Schatten. Aber eben darum trat Dandolo für den 
Flamänder ein; für sich selbst wohl niemals ernstlich auf die Ge- 
winnung der Kaiserkrone bedacht, erachtete er es als im Interesse 
seiner Republik gelegen, dafs ein schwaches Reich unter einem 
schwachen Herrscher gegründet werde. Einem allfalligen Wider- 
stände Bonifacios beugte er durch den Antrag vor, die verschiedenen 
Kaiserpaläste der gemeinsamen Obhut des Heeres anzuvertrauen; 
sonst könnte es später wegen deren Überlieferung zu Konflikten 
kommen. Der Antrag konnte füglich nicht abgelehnt weTd&\!L^ ^^x^"^ 



S14 Aohtes Kapitel 

Bonifacio mufste sein Quartier^ den Bukoleonpalast, räumen. Vier- 
zehn Tage stritten die Anhänger beider Fürsten noch hin und her; 
es scheint; dafs Bonifacio selbst die Kandidatur Dandolos gegen 
Balduin ausgespielt habe. Endlich wurde — doch wohl auf Empfeh- 
lung des Dogen, der ohne Zugeständnisse an den Markgrafen kein 
Weiterkommen sah — beschlossen: der unterliegende Kandidat 
solle mit Hellas samt Kreta und dem byzantinischen Asien aus- 
gestattet , die sechs fränkischen Wahlherren aus den Elreisen des 
— dem Markgrafen zuneigenden — Klerus genommen werden. 
Nun erfolgte endlich die Bestellung des Wahlkollegiums und am 
9. Mai die Wahl selbst; in Erfüllung einer Höflichkeitspflicht 
wurde erst die Krone den Venezianern fdr den Dogen, den ersten 
Mann im Lateinerheere , angetragen und — wie vorauszusehen — 
dies Angebot abgelehnt, dann nach langer, bis Mittemacht währen- 
der Beratung Balduin gewählt. Bischof Nivelon von Soissons 
verkündete das Wahlresultat unter dem Jubel der Venezianer und 
Franzosen; Bonifacio überwand sich, dem neuen Kaiser sogleich 
die gebührenden Ehren zu erweisen. Am 16. Mai fand in der 
Sophienkirche die feierliche Krönung statt. 

Ein leichtes Amt war Balduin von Flandern nicht geworden. 
Aufser den Gegensätzen im Kreuzheere und der ungenügenden 
Ausstattung der neuen Krone befand er sich vor allem dem Papste 
gegenüber in peinlicher Lage. Wie würde sich dessen Zustimmung 
zu der dem Märzvertrag gemäfsen Wahl eines venezianischen 
Patriarchen und Auslieferung der kirchlichen Ordnungen an die 
Venezianer und überdies zu der ebendort vereinbarten Säkularisation 
der Kirchengüter erreichen lassen? Gute Beziehungen zur Kurie 
waren so wenig zu entbehren wie zu Venedig. Um den G^fensatz 
beider Mächte herumzukommen und ihn schliefslich auszugleichen 
war keine kleine Aufgabe. Balduin entledigte sich ihrer nicht ohne 
Geschick. In einem ausfuhrlichen Schreiben wohl noch vom Mai 
1204 erneute er nach glücklicher Zusammenstellung aller Momente, 
die für das griechische Unternehmen sprachen, und aller VorteUe, 
die es einbringen werde, das Kreuzzugsgelübde, bot dem Papste 
die Leitung der Unionsverhandlungen an und empfahl mit ein paar 
warmen Worten die „treuen und eifrigen'^ venezianischen „Freunde 
und Genossen'' seiner Nachsicht. Vom März vertrage zunächst kein 



Kaiser Baldain I. S15 

Wort Erst als die päpstliche Antwort überlange auf sich warten 
liefs — Innozenz hat den Brief Balduins verspätet erhalten — , 
schrieben der Kaiser, Bonifacio und die Grafen von Blois und 
St. Paul etwa im August neuerlich an ihn, baten nun offen um 
Bestätigung des in Abschrift beigelegten Vertrages und wieder- 
holten in gesteigertem Tone ihre empfehlenden Worte für die 
Venezianer, da bei weiterer feindlicher Haltung des Papstes, wie 
der Doge gedroht haben mag, auf deren fernere EQlfe nicht zu 
rechnen wäre. Zugleich schrieb Enrico Dandolo selbst an Innozenz III. 
Auch er schildert die Entwicklung der seltsamen Kriegsfahrt, aber 
nicht in Demut, sondern im Tone stolzen Selbstbewufstseins: es 
habe dem Papste gefallen, über ihn und die Seinen den Bann zu 
verhängen, weil sie mit gutem Recht, wie er meine, an der Re- 
bellenstadt Zara Rache genommen hätten; sie sei, wie verlautete, 
unter päpstlichem Schutze gestanden, er aber habe nicht glauben 
können, dafs der Papst Leute schützen wolle, die das Kreuz nicht 
nehmen, um die damit übernommenen Pflichten zu erfUUen, sondern 
um fremdes Eigen rechtlos bei sich zu behalten. Göttliche Ein- 
gebung mehr als Menschenrat habe sie auf Byzanz geftibrt; sie 
haben Alexios IV. gegen das Versprechen der Kirchenvereinigung 
in sein Reich zurückgebracht, nach seinem Untergange die Haupt- 
stadt wider alle Erwartung stürmend erobert Was immer sie 
getan, sei zur Ehre Gottes ausgeschlagen und der heiligen Kirche. 
Vom Banne habe bereits der Legat Petrus sie gelöst; nunmehr 
möge der Papst den Bitten der venezianischen Gesandten Lionardo 
Navagaioso und Andrea da Mulino willfahren. Nichts von Reue 
und Bufse. Die Gesandten hatten das Ansuchen des Dogen um 
Losung vom Kreuzzugsgelübde zu überbringen, denn er sei alters- 
müde und erschöpft von Arbeit — confectus senio et labore con- 
fractus. Etwa gleichzeitig wurde von den bisher ernannten Stift»- 
herren der nunmehr venezianischen Sophienkirche der jugendliche, 
zurzeit in Venedig weilende Tommaso Morosini zum Patriarchen 
gewählt Sei es, dafs auch diese Briefe und aufserdem die Nach- 
richt von der Wahl Morosinis verspätet nach Rom kamen, sei es, 
dafs der Papst vorerst mit Absicht nicht davon Kenntnis nehmen 
wollte, genug, er erwiderte den ersten Brief Balduins am 7. und 
13. November mit dem Ausdrucke der Genugtuung üboc dis^'^«^-- 



S16 Achtes Kapitel. 

dang der Dinge, wiederholte die Aufforderung zum Antritt des 
Ereuzzuges, verlangte den Schutz der Eirchengüter, hüllte sich 
wegen Venedig in Schweigen und verlangte am 7. Dezember die 
Vornahme der Patriarchenwabl. Bald darauf mag Tommaso Moro- 
sini mit einem Empfehlungsbriefe des Vizedogen Renier Dandolo 
und der Bitte um Bestätigung in Rom erschienen sein. Innozenz^ 
nunmehr jedenfalls vollständig über den Sachverhalt aufgeklärt^ 
willfahrte dem Verlangen am 21. Januar 1205, wenn auch in der 
Form einer Kassation der in Eonstantinopel erfolgten Wahl und 
einer Bestätigung derselben aus eigenem Antrieb. Der gewaltige 
Papst, der mächtigste Mann der Welt, wich vor dem Dogen von 
Venedig zurück. In seinem Antwortschreiben an Dandolo vom 

29. Januar 1205 verweigerte er zwar die Bestätigung des kirchen- 
feindiichen März Vertrages, stellte aber seine Zustimmung zu der 
durch den Legaten Petrus vollzogenen Lösung der Venezianer vom 
Banne in sichere Aussicht imd wandte viele Schmeichelworte daran, 
den Dogen beim Kreuzzugswerke festzuhalten. Ahnlich liefs er sich 
am 8. Februar dem Kaiser gegenüber vernehmen. Am 5. März 
1205 wurde Tommaso Morosini zum Diakon, am 26. März zum 
Priester, am Tage darauf zum Bischof geweiht und empfing am 

30. März feierlich das Pallium, dazu in langer Reihe kirchliche 
Rechte, im besonderen das bedeutungsvolle Recht, mit Beiziehung 
seines Rates kirchlichen Besitz ohne Befragung der Kurie zu ver- 
äufsern. Hierauf kehrte er nach Venedig zurück. Einen ihm von 
der venezianischen Regierung abgenötigten Eid, in seiner Provinz 
nur Venezianer zu kirchlichen Würden zu befördern, hat Papst 
Innozenz am 22. Mai 1206(1207?) wie billig kassiert; der gleich- 
artige, auf die geistlichen Personen der Sophienkirche bezogene 
Eid der dortigen Stiftsherren, wie er in den Jahren 1205 — 1208 
wiederholt geleistet wurde, blieb unbeanstandet. Noch im Frühjahre 
reiste Morosini nach seinem Bestimmungsorte ab. Auf dem Wege 
dahin eroberte er — seltsam genug — die Städte Ragusa und 
Durazzo für Venedig; so nahe berührten sich hier kirchliche und 
politische Interessen. Und Papst Innozenz hatte sein grofses Ziel, 
die Kirchenvereinigung, nur durch Zugeständnisse gerade an jene 
Macht erreichen können, der er solche am wenigsten zuzuwendea 
geneigt war. 



Venedig erwirbt Kreta. S17 

Zugleich war die venezianische Politik auch auf politischem 
Oebiete durchaus erfolgreich. Der Qegensatz zwischen Balduin 
und Bonifacio ^ der die Kaiserin- Witwe Margarete geheiratet hatte 
und damit Stiefvater des Manuel Angelos, des Bruders Alexios' IV., 
geworden war, verschärfte sich noch im Frühsommer 1204 bis 
hart an offenen Kampf. Bonifacio , vertragsmäfsig Besitzer von 
Kleinasien, Hellas und Kreta, hatte den Kaiser vermocht, ihm für 
Kleinasien Makedonien mit Thessalonike einzutauschen. Dieser 
stimmte zu; aber der Tausch war nicht aufrichtig gemeint. Als 
im Juni 1204 Balduin zur Besitznahme seines Reiches auszog, 
wandte er sich nach erfolgreichem Feldzuge — er gewann Adria- 
nopel und jagte die beiden geflüchteten griechischen Prätendenten 
Alexios III. und Alexios V. aus ihren Standquartieren in Tschorlii 
imd Mosynopolis auf — geradeswegs eben gegen Thessalonike. 
Bonifacio erwiderte die Feindseligkeit mit dem Versuche, dem 
Kaiser die Stadt Adrianopel abspenstig zu machen. Ein Krieg 
schien unvermeidlich. Aber es gelang der Verwendung namentlich 
Dandolos, die Streitenden zur Austragung des Konfliktes durch 
ein Schiedsgericht zu vermögen. Zusammengesetzt aus dem Dogen, 
dem Grafen von Blois, Conen de Bethune und Villehardouin 
entschied dieses im Herbste, dafs Thessalonike bei Bonifacio ver- 
bleiben solle; dieser nahm die Stadt in Besitz und alles mochte 
zum besten geordnet scheinen. Aber Balduin mufste bald gewahr 
werden, dafs der Schiedspruch nicht frei, sondern eine zwischen 
Venedig und Bonifacio abgekartete Sache gewesen sei. Am 1 2. Au- 
gust 1204 hatte dieser vor Adrianopel in einem Geheimvertrage 
mit den Bevollmächtigten des Dogen die Insel Kreta, seinen An- 
spruch auf 100 OUO Hyperperen, die ihm einst Alexios IV. auf 
Korfu zugesagt, allen Lehnsbesitz, den vordem Kaiser Manuel 
seinem Vater gegeben, und die Stadt Thessalonike der Republik 
Venedig gegen 1000 Mark Silber bar und 10000 Hyperperen 
Bodenrente „diesseits des Bosporus '' (a parte occidentis) abgetreten; 
dieses letzterwähnte Gebiet aber läfst sich nicht gut anders denn als 
eben wieder das von Thessalonike verstehen. Bonifacio hatte die 
Stadt mit der einen Hand verkauft, um sie mit der anderen zu- 
rückzukaufen. Die Rechtsfrage war längst entschieden, bevor das 
Schiedsgericht zusammentrat Es sieht dem Dogen völlig &hs^\3i&Jx.^ 



SIS Achtes Kapitel. 

dafs er mit dieser Förderung des früher bekämpften Markgrafen 
dem Kaiser in die Arme fallen wollte; niemals sollte die neue 
Krone zu mächtig werden dürfen; und aufserdem hatte Bonifacio 
allen auf altgriechischem Reichsboden wohnhaften Venezianern seine 
Waffenhilfe gegen jeden Angriff zusichern müssen. So gewann 
Venedig die Insel Kreta , ein Besitztum, symbolisch für die Qröüse 
der Republik. Es fiel ihr zu im Glänze ihrer ersten Blüte und 
mufste von ihr geopfert werden am Rande ihres Falles. 

Etwa im Oktober 1204 trat die im Märzvertrag vorgesehene 
Kommission zur Verteilung der Lehen und Regelung der Besitz- 
verhältnisse und Pflichtigkeiten zusammen, deren Beratungsergeb- 
nisse uns wenigstens bruchstückweise vorliegen. Dem Kaiser 
wurden aufser den Palästen fUnf Achtel der Hauptstadt, das süd- 
liche Thrakien von Tschorlü bis nach Agathopolis (Achtebolu) am 
Schwarzen Meer, dazu Kleinasien mit den benachbarten Inseln 
zugewiesen, dem Pilgerheere die vor Angriffen meistgesicherten 
Gebiete an der unteren Maritza und Erkene und am Chersones, 
ferner Thessalien samt dem Osten von Mittelgriechenland und 
Makedonien westlich vom Vardar. Das Land zwischen Maritza 
und Vardar kam als Königreich Thessalonike an Bonifacio. Seine 
rechtmäfsigen Ansprüche auf Hellas blieben unberücksichtigt. So- 
weit dieses nicht an die Pilger aufgeteilt wurde, kam es samt den 
jouischen und ägäischen Inseln an die Venezianer, denen auch 
der Grofsteil der europäischen Marmaraküste von der Stadt Hera- 
kleia (Eregli) bis zum Chersones und landeinwärts bis nach 
Adrianopel und endlich drei Achtel der Hauptstadt zufielen. Gleich- 
zeitig wurde auch mit der Verteilung der Lehen begonnen; am 
1. Oktober 1204 hat der Kaiser 600 Ritter schlagen lassen und 
belehnt. Dafs die Grofsvasallen mehr an die verteidigungsbedürf- 
tigen Reichsgrenzen verwiesen wurden, war ein sehr verständiges 
Verfahren. Im übrigen ist der Sinn der Reichsteilung klar; auch 
in ihr kommt der übermächtige Einflufs der venezianischen Politik 
zu deutlichstem Ausdruck. Ihr entsprach die schlechte Ausstattung 
des Kaisertums mit den von Türken und Bulgaren vor allem be- 
drohten Gebieten. Sie hat Bonifacio, nachdem sie sich seiner gegen 
Balduin bedient, um den Besitz des ruhigen Hellas gebracht, da- 
mit er sich in der Verteidigung seines Balkanreiches gegen Bulgaren 



Triumph der veneziaDischen Politik. S19 

und Wallachen erschöpfe; wenn er später durch seine Freunde 
den Peloponnes hat besetzen lassen, so geschah es im Widerstreit 
gegen die Bestimmungen der Teilung. Sie wufste die neuen 
Machthaber im Banne ihrer alten Vorrechte zu halten und hatte 
besonders verstanden , den Anteil Venedigs in zutreffendster An- 
passung an die Bedürfnisse eines Handelsstaates auszuwählen. In 
kaum unterbrochener Beihe folgt von Konstantinopel bis nach 
Venedig ein venezianischer Handelsplatz dem anderen : das Nordufer 
des Marmarameeres entlang bis zu dem wichtigen Gallipoli am 
thrakischen ChersoneS; über die Zykladen hinüber nach Griechen- 
land und um Hellas herum die ionischen Inseln hinauf über Eorfu 
xmd Durazzo in die Adria. Indem Venedig die mit seinen neuen 
Landen übernommenen Lehnsleute gegen weitgehende kommerzielle 
Zugeständnisse willig im Genüsse ihrer Besitzungen liefs, schuf es 
seinem Handel eine weitere Grundlage. Mit bestem Grunde führte 
der Lenker einer so erfolgreichen Politik, Enrico Dandolo, den 
Kamen eines Mitregenten, „Despoten^' des neuen Kaiserreiches 
und trug als erster in der langen Reihe der Dogen bis zum Jahre 
1346 den stolzen Titel eines „Herrn von drei Achtteilen des 
Reiches der Romäer'' (quartae partis et dimidiae totius imperii 
Romanie dominator). Neben den Dogen und an deren Statt haben 
hernach auch die offiziellen Vertreter der venezianischen Regie- 
rungsgewalt in Konstantinopel, die „Potestates in Romania^', diesen 
Namen geführt 

Während so im Herbste 1204 der Versuch einer ersten Ord- 
nung der Besitz- und Verfassungsverhältnisse zum Abschlüsse kam, 
vollendete sich auch das Schicksal des letzten Griechenkaisers, 
Alexios' V. Von seinem Schwiegervater Alexios HL, mit dem er 
Versöhnung gesucht, heimtückisch geblendet und der Gattin be- 
raubt, als heimatloser Flüchtling durch Kleinasien irrend, geriet 
er etwa im November 1204 in die Hände des Grafen Dietrich 
von Loos und wurde von diesem nach der Hauptstadt gesandt 
Die lateinischen Herren ersparten dem Unseligen, der im Grunde 
doch nur seine Heimat in äufserster Not mit den äufsersten Mitteln 
verteidigt hatte, nicht die Schrecken einer Gerichtsverhandlung, 
die sich in umständlicher Erörterung der ihm bevorstehenden 
Todesart gefiel. Demgegenüber war der Vorschlag dfii& Ik^^^gsc^^ 



SSO Achtes Kapitel. 

dem Gefangeuen den altrömischen Verbrechertod durch Sturz von 
einer Höhe zu bereiten ^ noch vornehm und ritterlich. So wurde 
der blinde Fürst die Theodosiussäule auf dem Taurosplatze hinauf- 
geführt und dann herabgestofsen. Auch Alexios III. wurde etwa 
ein Jahr später Gefangener des Königs Bonifacio und endete, seiner 
Haft entkommend, schliefslich wie ein gewöhnlicher Abenteurer 
in einem Kloster ELleinasiens. 

Glücklicher waren die anderen griechischen Prinzen. Michael 
Angelos Komnenos vermochte sich in Epirus unabhängig zu erhalten. 
Theodoros Laskaris, den verzweifelte Patrioten in allerletzter Stunde 
mit der Krone von Bjzanz hatten krönen wollen, organisierte in 
Kleinasien den griecliischen Widerstand gegen die im Spätherbste 
1204 und Frühjahre 1205 unternommenen Versuche der Lateiner, 
das Land ihrem Kaisertum zu unterwerfen. Wer weifs, ob er 
gegen ihre Angriffe hätte bestehen können. Aber schon nahte den 
Schlächtern des unglücklichen Alexios V. die rächende Vergeltung. 
Herbeigerufen von den Griechen und erbittert über die Ablehnung 
seiner Freundschaftsanträge durch die Lateiner brach der Bulga- 
renzar Johannes As^n mit seinen bogen- und keulenbewaffueten 
Scharen über das Reich herein, stand im März 1205 vor der von 
den Venezianern dürftig besetzten Stadt Adrianopel. Zu deren 
Entsatz zog ein Lateinerheer unter Kaiser Balduin heran, dessen 
Vorhut Villehardouin , dessen Nachhut Dandolo kommandierte. 
Verhandlungen des Kaisers mit den griechischen Stadtbewohnern, 
deren gedeihlicher Ablauf die von Anfang an ge&hrliche Lage des 
Heeres wohl hätte verbessern können, scheiterten angeblich am Starr- 
sinne des Dogen. So wurden in grofser Schlacht vor Adrianopel am 
14. oder 15. April 1205 die Abendländer vollständig geschlagen. In 
verzweifeltem Kampf fiel der Graf von Blois mit Hunderten von 
Rittern, der Kaiser wurde gefangen und nahm in der Haft des 
Zaren Johannes ein schreckenvolles Ende. In fluchtartigem Nacht- 
rückzuge brachten Doge und Marschall die Trümmer des Heeres 
in Sicherheit an die Meeresküste nach Rodosto. In aller Eile 
wurde der Bruder des gefangenen Kaisers, der energische Graf 
Heinrich, zum Reichsverweser gemacht (23./29. April); man wandte 
sich mit Hilferufen an das Abendland. Aber die Hoffiiung auf 
Zuzug schlug fehl, und die Kreuzrufe Innozenz' III. verhallten in 



Enrico Dandolos welt^eschichtliohe Stellung. S21 

der von politischen Konflikten zerklüfteten europäischen Welt. 
Und während der Zar Johannes^ der ,,Romäertöter^'y Makedonien 
ausmordete, der Bestand des neuen Reiches sogleich auf das be* 
denklichste erschüttert schien, in Europa die Bulgaren, in Eleinasien 
die Oriechen sich unüberwindlich zeigten, kam am 1. Juni 1205 
das grofse Leben Enrico Dandolos zu Ende. Das Unglück von 
Adrianopel, die Anstrengungen und Entbehrungen des nächtlichen 
Rückmarsches hatten die wunderbar widerstandsfähige Natur des 
Oreises gebrochen; es heifst, er habe sich damals eine schwere 
innere Verletzung zugezogen und sei deren Folgen erlegen. Die 
Leiche wurde in der Sophienkirche beigesetzt; hier ruhte sie nach 
der gangbaren Überlieferung dritthalbhundert Jahre lang, bis der 
türkische Eroberer von Eonstanünopel, Sultan Mohammed II., die 
Asche des Helden den Winden preisgeben liefs. Vielleicht aber, 
dals das Innere der Kirche doch den Sarg noch birgt. Die In- 
schrift „Henricus Dandolo^' in einer Marmortafel am Boden der 
Südgalerie der Kirche wurde erst im Jahre 1865 eingegraben 
und hat nichts zu besagen. 



Es ist den Menschen eigen, das Andenken der Grolsen ihres 
Geschlechtes lieber mit Sünden des Herzens, als des Verstandes 
zu belasten. Der seltsam gewaltige Mann, längst jenseit der ge- 
wöhnlichen Zeitgrenzen menschlichen Daseins, der den Gefahren 
der Schlacht nicht minder mutig trotzte, als der Schrecknis der 
Kirchenfiüche, war er nicht der Vollstrecker eines von der Ge- 
schichte längst verhängten Todesurteils über eine verkommene 
Nation, der Erbauer eines Handelsgrofsreiches, wie die Welt seit 
den Tagen Karthagos keines gesehen? Ist er nicht der National- 
held seines Volkes geworden, dessen Ruhm die heimischen Maler 
verherrlichten, von dessen Taten verloren gegangene Lieder ge- 
meldet haben mögen? Die Geschichte der Stadt kennt keinen 
stolzeren Namen als den seinen. War er seine Wege nicht mit 
wunderbarer Umsicht und Energie gewandelt? Wer wollte es 
leugnen I Durfte er nicht mit Recht und Fug seinen patriotischen 

Kr^tschmayr, 0«8chlolit« Ton Venedig. ^^^ 



ttt AditM Kapitd. 

Pl&nen alle anderen Erwägungen hintansetzen and £uid er nicht 
auch da den richtigen Weg? Das eben ist die Frage. Der latei- 
nische Staat, den sein Wille erschuf, sollte schwach genug sein, 
die Republik in ^hrem neugeschaffisnen Levantereich gewähren lassen 
zu müssen, aber doch stark genug, um sich bdiaupten zu können. 
Darin vergnS sich Enrico Dandolo. Das lateinische Kaisertum 
war nicht lebensfähig. Schon beim Tode seines Begründers war 
es ernstlich bedroht, und als im Jahre 1207 im Kampfe gegen 
die Bulgaren auch König Bonifacio dahinsank, mochte seine letzte 
Stunde gekommen scheinen, und haben wohl soigfUtig gehütete 
Schifie im Hafen der Hauptstadt bereit gestanden, die Flitter la- 
teinischer Kaiserherrlichkeit nach dem Westen zu retten, wenn es 
nur den Feinden einfiel, Ernst zu machen. Enrico Dandolo hat 
die griechenfSaindlichen Kräfte des Abendlandes zu sammeln, zu 
lenken, das alte Heich der Byzantiner zu zerbrechen vermocht 
Als es aber die Summe der so fein und klug gesponnenen Machen- 
schaften zu zi^en, die umgestürzten Verhältnisse n^i zu ordnen 
galt, da versagte dieser reiche, unendlich vielgewandte Geist Im 
Streben, nur ja ein glänzendes Geschäft ftir die heimische Firma 
abzuschliefsen , verschlofs sich der grolse Kaufmann von Venedig 
der Erkenntnis, dafs im Leben der Völker noch höhere Kräfte 
geltend sind, als Bilanzen und Prozente. Wenn weder Griechen 
noch Lateiner aus eigener Kraft am Bosporus zu herrschen ver- 
mochten, dann war dem europäischen Byzanz dasselbe Schicksal 
vorgezeichnet, wie es sich an dem asiatischen schon fiut erf&llt 
hatte: es würde eine Beute der Türken werden. Dem Ruhme 
des Eroberers von Konstantinopel und Begründers der venezianischen 
Weltmacht gesellt sich die schwere Schuld, uraltes Kulturland aus 
kurzsichtiger Augenblickspolitik der asiatischen Barbarei überliefert 
oder doch die Waffen zerbrochen zu haben, es davor zu bewahren. 
Es li^ ein prophetischer Sinn in den Worten des Niketas, die 
Lateiner seien ala die Vorboten des Antichrists gekommen. Auf 
Enrico Dandolo folgte Mohammed H. 



Neuntes Kapitel. 
Verfassungsgründung und Kapitalismus. 

Mag man das 11. Jahrhundert ein Zeitalter der Vorbereitung 
fiir Venedig nennen, so das zwölfte ein solches der ersten Vollendung. 
Im Ghrolsen und im Kleinen. Es zeitigt die offizielle Erschliefsung 
des gesamten westlichen Imperiums fiir den venezianischen Handel, 
die erste Ausbildung einer adriatischen Interessensphäre und im 
Verlaufe der durch die Goldene Bulle des Kaisers Alexios I. an- 
gebahnten Entwickelung ein ostmittelländisches Handelsgrofsreich, 
das Levantereich Enrico Dandolos. Die venezianische Flotten- 
organisation findet in der Erbauung des Arsenals ihren AbschluTs 
und in der Ausrüstung der Flotte von 1202 einen grofsartigen 
Ausdruck. Die antimonarchischen Verfassungstendenzen fuhren zur 
Errichtung der Kollegien des groben und kleinen Rates als Träger 
der staatlichen Gewalt Die Irrungen zwischen Grado und Aqui- 
leja werden durch die Vereinbarung von 1180 endgültig behoben, 
der venezianischen Kirche durch die Zuweisung der dalmatinischen 
Bistümer und das immer stärkere Gravitieren der Patriarchen 
nach Venedig ihre Zukunft vorgezeichnet. Im Zusammenhange 
mit der unvergleichlichen Erhebung des Handels gestaltet sich 
das venezianische Wirtschaftsleben vollständig geldwirtschaftlich 
aus; das 12. Jahrhundert ist die Zeit eines bereits durchgebildeten 
Kapitalismus. Im Kulturleben Venedigs beginnt der schon vorher 
schwach angedeutete laienhafte Zug lebhafter hervorzutreten und 
im Kunstschaffen bricht sich ein lokal-venezianischer Zug zwischen 
griechischen und abendländischen Einflüssen erkenntlich Bahn. 
Jetzt erfolgt ein Zusammenschluls der Gewerbe nach Zünften, jetzt 
wird der bisher nicht fixierte Rechtsbrauch zu einem ältesten Straf- 



S24 Xeontet KjqiiteL 

und bai]geiiicben Rechte verbacht Und endlich: onahfaderlich, 
wie nach dem Walten eines Gtesetaes ToUzieht und voUmidet sich 
die übermichtig alle Kebenintereasen im Seelande bezwingende 
Erhebung Ton Rialto. Der Tenesianiache Staat geht in der Stadt 
au£ Die Neuordnung der VerGuaung gibt die Bichtung in dieaem 
Sinne an, der Patriarch tou Orado verlegt — nicht rechtlich, aber 
finktiach — seinen Sitz nach Rialto, Tor dem Leben der dortigen 
Handelsviertel Tcrschwindet nun auch Torcdlo. In Rialto ist das 
Arsenal, in gewissem Sinne doch das AUerheiligste des Staates, 
dessen eigentliches militärisches Rückenmark. Wir hören von keiner 
gesamtveneidanischen Bauperiode mehr wie im 9. und 11. Jahr- 
hundert Eine rücksichtslose Wasserpolitik vernichtet durch Ab- 
lenkung der Flüsse das Gedeihen namentlich der nördlichen Städte. 
Alles Leben, aller Reichtum strömt nach Rialto, aller Glanz, alles 
was im Staate von Bedeutung, geht von ihm aus. Und wie die 
Stadt mit dem Ende des 12. Jahrhunderts zum Staate geworden 
ist, so übernimmt sie seit dem 13. Jahrhundert wie billig auch 
dessen Namen: Venedig. 



Lange Jahre hat von der Entstehung der voiezianischen 
Staatsverfassung die Lehre gegolten, sie sei in den siebziger 
Jahren des 12. Jahrhunderts in folgender Weise geschaffisn worden: 
Im Jahre 1172 bei Amtsantritt des Dogen Sebastiane Züani sei 
unter dem Eindrucke des an Vitale Michiele 11. verübten Mordes 
die unmittelbare Vornahme der Wahl des Dogen der Volksversamm- 
lung aus den Händen genommen und einem Kollegium von ihr 
ernannter elf Wahlmänner aus den Kreisen der ratsfiLhigen Ge- 
schlechter anvertraut, zugleich auch ein aus 480 gewählten Mit- 
gliedern bestehender, alljährlich sich erneuernder „greiser Rat^' 
als nunmehriger Inhaber der Regierungsgewalt errichtet worden-, 
zwölf Bürger, je zwei aus einem der sechs Stadtbezirke, hätten 
jene 480 zu wählen gehabt Im Jahre 1178, beim Amtsantritte 
Qrio Malipieros sei dessen Wahl zuerst durch vierzig, ihrerseits 
wieder durch vier Vertraueni^>er8onen erwählte Wahlmänner vor- 
mnd « o gifflch sei durch Vermehrung der von den Zeiten 



KoDBQlairerfassQDg. S25 

Domenico Favianicos (1032) her bestehenden zwei Seitenräte des 
Dogen ein aus sechs gewählten Mitgliedern zusammengesetzter, 
gleichfalls jährlich wechselnder ^^ kleiner Rat'' als ein Staatsrat und 
in gewissem Sinne Staatsministerium eingesetzt worden. Im Jahre 
1179 wäre hierauf die Quarantia^ ^^der Rat der Vierzig '', als ein 
oberster Gerichtshof der Republik zusammengetreten und gleich- 
zeitig hätte sich jetzt das Institut der ,, Erbetenen '^ — Pregadi, 
Rogatiy der vom Dogen fallweise zu Beratungen Berufenen — 
irgendwie zu einer behördlichen Formation verdichtet , auf deren 
Grundlage sich alsbald der ^^ Senat'' auszubilden begonnen habe. 
Der monarchischen Herrschgewalt des Dogen ^ dem Einflüsse der 
demokratischen Volksversammlung sei mit einigen wenigen Schlägen 
ein Ende bereitet^ die aristokratische Verfassung der Republik im 
Laufe eines Jahrzehntes fertiggestellt gewesen. 

In dieser Darstellung sind nur die — ungefähr gleichzeitigen — 
Angaben über die Neueinrichtung der Dogenwahl zuverlässig. Alles 
übrige ist von Schriftstellern frühestens des späten 13., vornehm- 
lich aber des 16 und 17. Jahrhunderts^ der Blütezeit der offiziellen 
Staatsgeschichtschreibung Venedigs, aus späteren Verhältnissen nach 
rückwärts übertragen ; in der auch sonst so häufig wahrnehmbaren 
Absicht; wieder einmal die einzigartige Gestaltung der vene- 
zianischen Verbältnisse klarzulegen. Wer wollte ernstlich glauben, 
dafs solche Verfassungsbildungen in solcher Zeit sich mit jener 
Präzision durchzusetzen vermöchten, mit der in modernen Jahr- 
hunderten ein neugeschaffenes Gesetz in Geltung tritt. In Wahrheit 
ist die venezianische Verfassung weder durch plötzliche gesetz- 
geberische Akte noch auch unabhängig von der übrigen italie- 
nischen Entwickelung zustande gekommen. 

Mit dem Ende des 11. Jahrhunderts eröfihen sich die Zeiten 
der italienischen Stadtfreiheit. Fast in denselben Jahren, da die 
unter der laxen griechischen Verwaltung herangebildeten Vorrechte 
der unteritalienischen Städte durch das stramme Regiment der Nor- 
mannen beseitigt wurden, begannen in den Städten Mittel- und Ober- 
italiens verschiedene Stände oder Klassen der Gesamtbewohnerschaft 
sich als eine Bürgergemeine, als ein Com une zu organisieren und 
die schwindende Regierungsgewalt des bisherigen Stadtbeherrschers 
den aus ihrer Mitte gewählten Konsuln zuzuteilen ^ deren. ZahL 



SS6 Neantes Kapitel. 

bald in einem gewissen Verhältnis zur Anzahl der Stadtriertei 
oder sonstiger städtischer Teilungseinheiten zu stehen pflegt. Dies 
geschah fast niemals im Einvernehmen, sondern meist im Wider- 
spruche mit der fürstlichen Obrigkeit Die Konsuln, gewöhnlich 
für ein Jahr gewählt, nahmen derselben die AdministratiT- und 
Militärgewalt aus den Händen und übernahmen vielleicht von den 
ständigen Eönigsboten, die seit Mitte des 11. Jahrhunderts die 
eigentlichen Träger der Gerichtsbarkeit in den Städten geworden 
waren, die richterliche Gewalt, wie denn das Konsulat überhaupt 
an dieses Institut angeknüpft worden sein mag; aus konischen 
Boten wurden städtische Konsuln. Zugleich aber war deren Be- 
fugnis eine sehr beschränkte. Von Anfang an waren ihnen rechts- 
kundige Leute als Gerichtsbeisitzer (iudices) und Verwaltungsräte 
(sapientes, consiliarii, credentiarii) beigegeben, ohne Zweifel den- 
selben Kreisen wie sie selbst entstammend und ebenso wie sie 
meist auf ein Jahr gewählt, und diese schlössen sich rasch zu einem 
die Willensmeinung des Comune als ein Ausschufs vertretenden 
Rate (consilium, credentia) zusammen, ohne dessen Befragung 
den Konsuln die Vornahme jedes wichtigeren Regierungsaktes 
untersagt war. Als eigentlicher Souverän erscheint zunächst noch 
die Volksversammlung (parlamentum, coUoquium, consilium 
generale, concio, arengo), sei es, dafs diese die Gesamtheit der 
Mitglieder des Comune, somit der „ Bürger '^ (cives), oder aber 
darüber hinaus vielleicht auch noch Elemente umfafste, die den- 
selben nicht zugehören. Bei ihr steht die Entscheidung über die 
Souveränitätsrechte der Stadt und über Elrieg und Frieden; sie 
erfolgt tumultuarisch durch Zuruf. 

Diese ursprüngliche, aus den drei Faktoren Konsulat, Rat und 
Volksversammlung zusammengesetzte Form der italienischen Stadt- 
verfassung erfuhr von der Mitte des 12. Jahrhunderts ab eine 
bedeutsame Wandlung. An die Stelle des Kollegiums der Konsuln 
trat im Interesse einer minder schwerfälligen, mehr einheitlichen 
Verwaltung — nachweislich zuerst 1151 in den Städten Bologna, 
Ferrara und Siena — ein einziger Beamter, derPodestk. Gleich 
seinen Unterbeamten von auswärts berufen, damit er vom Partei- 
wesen der Stadt möglichst unberührt bleibe, wurde er meist auf 
ein Jahr und vom grofsen Rate gewählt. Wie bisher die Konsuln 



PodestatsTerfassung (27 

empfing nun der Podestk nach Leistung seines Verfassungseides 
den Gehorsamseid des Volkes, erhielt städtischen Sold, Amtswohnung 
im Palatium und fUhrte den Titel ;, von Gottes Gnaden'' so wie jene. 
Er war durchaus der Erbe der konsularen Gerechtsame, nur noch 
mehr in seinen Willensäufserungen gehemmt und beschränkt, kaum 
etwas anderes als ein oberster bezahlter Beamter des Comune. 
Ein ähnlicher Voi^ang hatte gleichzeitig bei der Volksversammlung 
stattgefunden. Wie im Podestat die Rechte weniger auf einen, 
80 waltet hier das Streben ob, die Rechte vieler auf wenige zu 
beschränken. Es war ein um so natürlicherer Vorgang, als mit 
dem Eintreten weiterer, besonders gewerbetreibender Schichten in 
den Bürgerschaftsverband, das Comune, eine immer wachsende 
Zahl von Leuten zur Teihiahme an der Volksversammlung be- 
rechtigt wurde. War diese schon früher durchaus nicht immer 
die Vereinigung der tatsächlichen Gesamtheit der Bürger gewesen, 
sondern oft nur Vorstände oder Vertreter der Familien, so wurde 
nunmehr die Volksversammlung überhaupt zurückgedrängt zu- 
gunsten einer Erweiterung der Befugnisse des Rates. Das bis- 
herige „Consilium'' differenziert sich in der Regel zu zwei Rats- 
körpern, die ihren Namen vorzugsweise nach der Zahl ihrer 
Mitglieder fuhren: einem grofsen Rate (consilium maius, gros- 
sum, generale), der die Volksversammlung aus ihrer Stellung als 
Träger der städtischen Souveränität drängt und selbst in diese 
eintritt, und einem aus diesem grofsen Rate gewählten kleinen 
Rate (consilium minus, secretum, privatum, speciale), dem sich 
die Aufgaben eines eigentlichen Staatsrates und einer die Befugnisse 
des Staatsoberhauptes ergänzenden Staatsregierung ergaben. Vom 
grofsen Rate strahlt alle Regierungsgewalt auf die anderen Ver- 
fassungsinstitutionen aus, der kleine Rat ist das Bindeglied zwischen 
Staatsoberhaupt und dem im grofsen Rate regierenden Volke selbst 
Die Ratsmitglieder werden auch fernerhin gewöhnlich für ein Jahr 
und verteilt nach Stadteinheiten gewählt Ob es im Zusammen- 
hange mit diesen Umformungen auch zur Ausbildung eines besonderen 
Elreises der ratsfähigen Geschlechter innerhalb des Comune selbst ge- 
kommen ist, läfst sich nicht sagen. Die Volksversammlung sinkt nun 
zusehends an Bedeutung, ihre Einberufung wird mehr eine politische 
als eine Verfassungsfrage. Es ist eine Entwickelung, die sich mit 



KS Neuntes Kapitel. 

Ende des 12. Jahrhunderts in ihren Grondzügen darchgesetzt und 
im 13. Jahrhundert eine weitere Ausbildung erühren, schliefBlich 
aber doch zu entscheidenden Rückschlägen geführt hat Von der 
Mitte des 13. Jahrhunderts ab, in vereinzelten Fällen schon zu 
dessen Beginn ersteht unter dem steten Hineinspielen politischer 
Momente aus Parteiungen des städtischen Adels oder wohl auch 
geradezu auf Grund eines Einverständnisses und Zusammenwirkens 
der durch die angebahnten aristokratisch-republikanischen Ordnungen 
zurückgedrängten Verfassungs&ktoren, Stadtoberhaupt und G^esamt- 
volk die Monarchie der italienischen Signorien. 

In analoger Weise hat sich auch in Venedig die Umbildung 
der Verfassung vollzogen, mögen sich auch die einzelnen Beruh- 
nmgspunkte nicht immer deutlich herausarbeiten lassen ; nur dafs, 
wie jedermann weifs, die monarchischen Gegenstrebungen hier zwar 
nicht ausgeblieben, wohl aber gänzlich mifsglückt sind. 

Unter der R^ierung Pietro Polanis — ausdrücklich zuerst 
im Jahre 1143 — ist der Bestand eines Comune Veneciarum 
bezeugt Die Elemente, aus denen diese Bürgergemeine gebildet 
war, sind nicht mit Sicherheit zu erkennen. Aber alle Wahr- 
scheinlichkeit spricht dafür, dafs das venezianische Commune 
wenigstens zunächst als eine auf das Stadtgebiet von Rialto -Venedig 
beschränkte Zusammenfassung der von altersher richtunggebenden 
Bevölkerungsgruppe des kaufmännischen und grundbesitzenden 
Patriziates, mit anderen Worten der alten ratsf&higen Geschlechter 
im weitesten Sinne anzusehen ist, die sich vor anderen mit Recht 
als Bürger zu fühlen glauben ; keineswegs die gesamte einheimische 
Bewohnerschaft auch nur von Rialto und noch weniger des Dogates. 
Vielmehr bedeutet die mit den vierziger Jahren einsetzende Ver- 
fassungsentwickelung die zunehmende Ausschaltung der anfserhalb 
Rialto gelegenen Gemeinden aus dem politischen Leben. Griff das 
neugebildete Comune — wie etwa auch in Genua — kaum über das 
Weichbild der Hauptstadt hinaus, so schied gleichzeitig auch das 
stärkste gesamtstaatliche Element, die Geistlichkeit, aus der Staats- 
regierung aus. Gerade dafs den Gemeinden ein Mitberatungsrecht 
bei Angelegenheiten, die sie unmittelbar betrafen, gewahrt blieb. 

Zugleich mit dem Comune — urkundlich nachweisbar zu- 
erst 1141 — tritt wie in anderen italienischen Städten als ein 



Comune und Sapientes. (89 

Ausschafs desselben ein Rat mit rechtlich abgesteckten BeAignissen 
der Stadtobrigkeit y dem Dogen, wie dort den Konsuln und her- 
nach dem Podestä zur Seite: die nach Stadtvierteln gewählten 
Sapientes, deren Kollegium schon 1143 wenn auch nicht mit 
klaren Worten als ein Consilium bezeichnet wird. Sie sind nichts 
anderes als die schon bisher zum Dogengericht und Dogenrat und 
damit zur Anteilnahme an der Staatsregierung zugezogenen Personen, 
nur dafs nunmehr ihr bisher nur angesprochenes Recht hierauf 
auch wirklich anerkannt wird, aus herkömmlichem Brauch ein 
verfassungsmäfsiges Recht geworden ist. Eine Errungenschaft, die 
zugunsten der alten ratsiähigen Geschlechter um so mehr in die 
Wagschale &llt, als zu derselben Zeit — das Ergebnis des Investitur- 
streites jener Jahre — die Geistlichkeit aus dem politischen Leben 
scheidet. Wie Comune und Consilium sich in Venedig im einzelnen 
fortgebildet haben, ist nicht erkenntlich und würde sich vielleicht 
auch bei reicherer Überlieferung nicht gut verfolgen lassen, da man 
doch nur ein allmähliches Durchdringen annehmen kann ; aber alle 
vorhandenen Aufzeichnungen sind überdies in späterer Zeit mit wohl- 
erwogener Absicht vernichtet worden. Durchaus verständlich scheint 
jedoch, dafs diese Umbildung in Anpassu^Dg und nach dem Muster 
der in manchen Städten bereits mehrere Jahrzehnte bestehenden 
KonsularverfassuDg vor sich ging, und naheliegend ist auch, 
dafs sie aus dem Widerstreite gegen den nochmaligen Versuch 
einer dynastischen Politik durch die Dogen Domenico Michiele und 
wohl auch Pietro Polani erwachsen und in Zusammenhang mit der 
Bewegung des Investiturstreits gestanden sei. In dem Streben, 
die Macht des bisher souverän herrschenden Dogen zu beschränken, 
mögen in den politisch - kirchlichen Wirren der vierziger Jahre 
geistliche imd weltliche Partei sich begegnet haben und mit gegen- 
seitiger Unterstützung zum Ziele gelangt sein. Ihr Erfolg findet 
einen ersten Ausdruck in der Leistung eines Verfassungseides durch 
die neuantretenden Dogen in den Jahren 1148 und 1156. Den 
venezianischen Geschlechtem winkte in diesem Ringen ein höherer 
Kampfpreis als denen der Süzeränen Lombardenstädte. Indem 
sie die dogale Gewalt zur Seite drängten, traten sie als deren Erben 
in eine vollsouveräne Stellung ein. 

Das Kollegium der Sapientes — auch „preordinaü^' (yv^a\ 



SSO Neantet Kapit^ 

hernach wie in anderen Städten y^consiliatores'' (zuerst 1160) und 
endlich y^sapientes consilii'' (zuerst 1165) genannt — führte zunächst 
keinen offiziellen Titel; ebensowenig stand die Zahl seiner Mit- 
glieder fest oder war deren Kompetenz deutlich begrenzt Gewils 
scheint nur, dafs die Bestellung der Sapientes von Anfang an durch 
Wahl nach den bestehenden Stadtbezirken erfolgt ist. Auch nach 
der Differenzierung des neuen Rates nach italienischem Muster in 
einen grolsen (consilium malus [1187], magnum[ll98])undkleinen 
Rat (consilium minus[l 187], parvum [1198]) ist von einer Kompetenz- 
umschreibung noch keine Rede. Wann diese Scheidung zuerst 
stattgefunden hat und ob sie überhaupt durch einen einmaligen 
Akt geschaffen worden ist, läfst sich so wenig wie sonst in Italien 
feststellen. Ausdrücklich ist der Bestand beider Räte für das Jahr 
1187, mit Wahrscheinlichkeit bereits für 1185 und die Vorjahre 
bezeugt, somit wohl von den ersten Regierungsjahren des auch 
sonst gesetzgeberisch tätigen Dogen Orio Malipiero herzuschreiben. 
Über die Zahl der Mitglieder des grofsen Rates verlautet vorerst 
nichts, während die Sechszahl der „kleinen Räte'' (consiliatores) 
schon 1189 urkundlich begegnet und vermutlich von Anfang an 
fUr den kleinen Rat festgesetzt worden ist Ein Gesetz vom August 
1185 stellt die Nichtannahme einer Wahl zum Rate (officium 
consulendi) unter Strafe. Über die Art dieser Wahlen gibt ein 
Dekret des Dogen Pietro Ziani vom April 1207, dessen Wortlaut 
erkennen läfst, dafs darin — wenn auch schwerlich zum ersten 
Male — ein bereits Jahre hindurch geübter Brauch schriftlich fixiert 
wird, einen allerdings noch lange nicht erschöpfenden AufiK^hluIs. 
Drei Wahlmänner, jeder gewählt aus seiner ,,Trentacia'' (städti- 
scher Dreifsigstbezirk?), wählen aufser verschiedenen höheren 
Beamten auch die sechs „sapientes minoris consilii'% jeden aus 
einem „sextarius^^ (Stadtsechstel, Sestiere) imd die ihrer Zahl nach 
nicht angegebenen „sapientes maioris consilii'^, jeden aus seiner 
Trentacia, immöglich dreifsig — im Jahre 1201 b^egnet uns 
ein vierziggliedriger Ausschufs des grofsen Rates — aber doch 
wohl irgendein VielfEtches von dreifsig; beiderlei Räte je auf 
ein Jahr, die „kleinen'^ mit dem Amtsantritte am 1. Mai, die 
„grolsen '^ am 29. September. Der kleine Rat wächst also nicht 
wie sonst gewöhnlich in Italien aus dem grofsen Rate heraus, 



Grofser und kleiner Rat. SSI 

höchstens mittelbar in dem Falle, als — wie nicht unwahrscheinlich — 
die drei Wahlmänner von diesem gewählt worden ; es kann 
dies aber immerhin auch durch die Gesamtheit des Comune 
geschehen sein. Das Wahldekret teilt hierüber nichts mit und 
läfst nur erkennen, dafs die Wahl nicht durch die Trentacien 
vorgenommen wurde. 

Die zunehmende Erweiterung der von den Räten erworbenen 
Kompetenz und damit das Fortschreiten der Rechte des von ihnen 
vertretenen Comune gegenüber der dogalen Gewalt ergibt sich 
am besten aus der Betrachtung der gleichzeitigen Eompetenzver- 
luste dieser und kommt in dem Verfassungseide des Dogen Enrico 
Dandolo von 1192 unmittelbar zum Ausdruck. In Übereinstim- 
mung mit der italienischen Gesamtentwickelung gilt auch hier, 
dafs dem grofsen Rate die Rolle des eigentlichen Souveräns, 
dem kleinen die der Staatsregierung zufällt. Im Jahre 1192 ist 
bereits prinzipiell anerkannt, dafs ein Beschlufs des kleinen und 
der Majorität des grofsen Rates auch gegen und über den Dogen 
hinweg Verfassungsänderungen herbeiführen kann, mag auch jeder 
einzelne Bewohner und Bürger noch ihm allein zur Leistung des 
Treueides verbunden sein. Dafs zu den Verhandlungen gewöhnlich 
nicht der gesamte grofse Rat, sondern verschieden starke Kom- 
missionen desselben berufen wurden, erhellt aus dem Berichte 
Villehardouins über die Vertragswerbung der französisch-flandrischen 
Gesandten im April 1201. Besondere Bedeutung scheint einer 
Kommission der Vierzig zuzukommen, welche hier als eme die 
Gesamtheit des grofsen Rates repräsentierende Delegation desselben 
entgegentritt Mit ihr wird zuerst verhandelt, dann immer gröfsere 
Kommissionen, hierauf das Plenum des grofsen Rates versammelt — 
ob dabei die angegebenen Zahlen richtig sind, ist freilich sehr die 
Frage — und schliefslich die Volksversammlung berufen. ViUehar- 
douin erzählt weiter, dafs bei der feierlichen Beschwönmg des Uber- 
fahrtvertrages die Zahl der anwesenden Mitglieder beider Räte 46 
betragen habe. Nichts liegt näher als anzunehmen, dafs wir es 
hier mit den Anfängen der späteren Quarantia zu tun haben. 
Denn dafs diese im Jahre 1179 als ein Gerichtshof geschaffen 
worden sei, widerlegt sich schon daraus^ dafs in dem Strafgesetze, 
(promissio maleficiorum) des Dogen Orio Mali^iecQ "^^x^ V\%V 



3SS Neuntes Kapitel. 

und überhaupt bis zum Jahre 1223 von einer derartigen Justiz- 
stelle mit keinem Worte die Rede ist Vielmehr därfie sich die 
eben erwähnte Delegation der Vierzig — die Zahl kommt nicht 
vereinzelt in Venedig vor, auch in Padua und Treviso bestehen 
Kollegien der Vierzig — zunächst zu einer poütischen Zwischen- 
behörde zwischen den beiden Räten umgeformt haben und so zur 
Qrundlage ftir den Gerichtshof der folgenden Jahrhunderte geworden 
sein. Auch das ursprünglich wohl als eine handeis- und zoll- 
politische Behörde ins Leben gerufene „consilium rogatorum'^, der 
Senat^ mag aus einer zu dem bezeichneten Zwecke konstituierten 
Kommission des grofsen Rates hervorgegangen sein^ die man 
nach dem Muster anderer italienischer Städte vielleicht als eine 
^^adiuncta (zonta)'' zu den einschlägigen Beratungen des ,, kleinen 
Rates'' beizog und eben darum — wenn der etwas rätselhafte 
Name schon erklärt sein mufs — das Kolleg der ^, Erbetenen'' 
(rogati) nannte. Übrigens eine Bildung , die wohl durchaus erst 
dem 13. Jahrhundert angehört. 

Zusammenfassend läfst sich sagen: Die Jahre 1192 bis 1207 
bedeuten einen ersten Abschlufs einer im Sinne der patrizischen 
Geschlechter sich vollziehenden Verfassungsentwickelung , die wie 
anderweit in Ober- und Mittelitalien auf eine Machtbeschränkung 
der Stadtobrigkeit; hier des Dogen, und der Vollgemeine der 
Bewohnerschaft; der Volksversammlung, gerichtet ist. 

Die Gründe allgemeiner Art, die zu einer Zurückdrängung 
der Volksversammlung führen mufsten, mögen unwiederholt 
bleiben. Mit dem Emporkommen des Comune setzt aber eine 
bewufat gegen ihre Bedeutung gerichtete Politik ein und findet 
ihren besonderen Ausdruck in der Umgestaltung des Verfahrens 
bei den Dogenwahlen. Der Doge wird nicht mehr unmittelbar 
von der Volksversammlung gewählt, sondern diese wählt aus sich 
elf adelige Wahlmänner (nobiles) und bestätigt den von diesen 
Erwählten durch Zuruf Ob dies wirklich zuerst 1172 geschehen 
ist, wie die Überlieferung von etwa 1300 an als ausgemacht an- 
nimmt, oder etwa schon vorher, läfst sich mit Sicherheit nicht 
ermitteln. Einwandfrei bezeugt ist für die Wahl Orio Malipieros 
1178 ein nochmals geändertes Verfahren: vier Wahlmänner aus 
dem Laienstande (honesti lai'ci) — von wem gewählt| wird nicht 



Die Volksversammlung. tSS 

gesagt, aber doch wohl nicht vom CoDsilium der Sapientes, sondern 
von der Volksversammlang — wählen vierzig andere Wahlmänner, 
Leute von gutem Ruf (viri sine suspicione), und diese hernach den 
Dogen, wieder mit Bestätigung durch den Zuruf der Volksver- 
sammlung. Hiermit war dem Populus, auch wenn er die vier 
Urwahhnänner zu bestimmen hatte, die Dogenwahl faktisch aus 
den Händen gewunden. Durch die Wege einer solchen doppelt 
indirekten Wahl hindurch vermochte sich kein Volksversammlungs- 
wille mehr zur Geltung zu bringen. Die bestätigende Zustimmung 
verflachte immer mehr zum Formalismus; und der Übergang der 
ersten Wahlmännerwahl in das grolse Ratskollegium war nur eine 
Frage der Zeit. Ausgeschaltet war darum die Volksversammlung 
aus der Staatsregierung noch lange nicht Ihre „ laudatio '' kam 
auch noch weiterhin in Betracht bei Abschlufs von auswärtigen 
Verträgen, bei Kriegs- und Friedensbeschlüssen, bei militärischen 
Forderungen, Neukreierungen von Beamtenstellen. Erst zu Anfang 
des 15. Jahrhunderts ist es den herrschenden Geschlechtern möglich 
geworden, sie vollends auch rechtens aus der Staatsordnung zu 
entfernen. Die in anderen Städten frühzeitig üblichen Ausdrücke 
„concio*^ und „arengo'' scheinen sich in Venedig nicht vor dem 
13. Jahrhundert eingebürgert zu haben. Zunächst ist von der 
Volksversammlung noch durchaus als „multitudo^^ oder ,,plenitudo 
populi^' oder kurzweg und zumeist als „populus^^ die Rede. 

Noch entsteht die Frage: sind die Mitglieder der Gewerbe- 
kreise, die sich vornehmlich gerade im 12. Jahrhundert dem 
ursprünglichen Stande ihrer Unfreiheit entringen und in dessen Spät- 
zeit zu Zünften zusammenzuschliefsen beginnen, als voUberechtete 
„cives" in den Verband des Comune aufgenommen worden, wie 
dies in verschiedenen italienischen Städten der Fall war? Und 
wenn, mufste sich innerhalb des Comune nicht alsbald eine 
Schichtung in eine bürgerlich beherrschte und aristokratisch 
herrschende Partei ergeben? Oder sind sie blofs „habitatores^^, 
Bewohner der Stadt ohne Bürgerrecht, geblieben? Hatten sie 
dann nicht wenigstens Zutritt zur Volksversanunlung und stand 
diese nicht auch anderen vom Comune ausgeschlossenen Elementen 
offen? Soll man die „Populäres**, die im Sommer 1177 mit Kaiser 
Friedrich I. in staatsgefährliche Verbindung traten, als eine inner- 



SS4 Neantes KapiteL 

halb des Comune unterdrückte oder von diesem femgehaltene 
Bevölkerungsgruppe erklären? Ich sehe keine Möglichkeit, hierauf 
mit Sicherheit zu erwidern. 

Der eigentliche Verfassungskampf spielte aber nicht zwischen 
dem Rate imd der Volksversammlung , sondern zwischen dem 
Comune und dem Dogen. Es mufste die Tendenz des Comune 
sein, jede wichtigere Amtshandlung des Dogen an die Zustimmung 
des Rates der Sapientes zu binden und weiterhin diese überhaupt 
in den Besitz der souveränen Regierungsgewalt zu bringen. Für 
die Stellung, die dem Dogen angewiesen werden sollte, lag das 
Muster in der gesamtitalienischen Entwickelung deutlich vor: das 
Amt des Podestk. Sehr bezeichnend für diese Bestrebungen ist 
der alsogleich — 1143 — erhobene Anspruch, dals das Volk den 
Sapientes eidUch zum Gehorsam verpflichtet sei; drang er durch, 
so war die selbstherrliche Stellung des Dogen mit einem Schlage 
gebrochen. Es war nicht der Fall. Noch das ganze 12. Jahr- 
hundert hindurch empfängt der Doge den Treueid der geistlichen 
und weltlichen Untertanen (fideles) des Dukats, den zur Wahrung 
der Treue, Leistung der Heeresfolge und Staatsabgaben und Ein- 
haltung der Gesetze verpflichtenden Bürgereid, ausdrücklich auch 
den Eid der Mitglieder beider Räte. 

Um so erfolgreicher griff die neue Richtung anderweit durch. 
Vorzüglich auf dem Gebiete der äufseren Politik. Hier waren ja 
die Wurzeln jeder dogalen Machtstellung. Auf Errungenschaften 
im Kriege hatte Domenico Michiele ein persönliches Regiment zu 
gründen versucht Gleich von den vierziger Jahren ab beginnt es, 
freilich noch mit vielen Ausnahmen, Regel zu werden, dafs der Doge 
ohne Befragen der Sapientes ebensowenig über Krieg und Frieden 
beschliefsen wie Verträge mit auswärtigen Mächten vereinbaren, 
Gesandte dahin abordnen oder von dorther empfangen darf. Und 
bald genug — deutlich von etwa 1160 ab — ging man daran, 
den Dogen des Rückhalts zu berauben, den ihm die freie Verfügung 
über die in den Kreuzzügen gewonnenen Kolonien bot, indem 
man deren Verwaltung der erst teilweisen und dann alleinigen 
Kontrolle des Comune unterordnete. Die Stellung als Heerführer 
im Kriege blieb hingegen dem Dogen zunächst noch durchaus 
imverkümmert Nur wenn er verhindert war, wählte die Volks- 



Der Do;^ als Kriegsherr. SS6 

yersammluDg einen Kommandanten. Ein rechter Doge liefs es sich 
nicht nehmen, selbst das Heer, das ist die Flotte (stolus)^ zum Kampfe 
zu fuhren. Als oberster Flottenchef (dominus, princeps, auch capi- 
taneus, rector stoli; später admiragius) ernennt er die Unterbefehls- 
haber (capitanei; rectores), gewifs auch die Schiflbkapitäne (comites) 
und Steuerleute (naucleri). Dem Flottenkommandanten standen im 
späteren 12. Jahrhundert ^^sapientes^' und ^^iudices stoli'^, ^^consilia- 
tores'* und ^^camerarii'^ zur Seite, die Mannschaft (marinarii, galeoti, 
galeatores) wird gerne als ;,populu8 stoli'^ bezeichnet — ein Abbild 
der heimatlichen Verfassung im kleinen, wie auch anderwärts in 
Italien. Nähere Nachrichten über die Organisierung der Marine 
in dieser Zeit mangeln uns; das erste venezianische Seestatut ent- 
stammt erst dem Jahre 1255. Der Eoiegsdienst (servitium ducis) 
ist von allen, auch den im Auslande lebenden und in solchem Falle 
besonders einberufenen Venezianern zu leisten, die Üntertanstädte 
haben vereinbarte Kontingente zu stellen. Die im Seekriege geübte 
Taktik mag sich von der anderer Seestädte wenig unterschieden 
haben: Angriff imter dem Schutze des gleichzeitig eröffneten Ge- 
schofshagels durch die „balistarii'' von den Schiffsgerüsten, flinkes 
Manövrieren, Fertigkeit im Rammstofs, so selten derselbe auch 
gelingen mochte, Enterversuche der „supersalientes'^ im Einzel- 
kampf der Schiffe; in der Verteidigung eine massige Entwickelung 
der im Halbkreise zum sogenannten „ Meerhafen '^ aneinander- 
gereihten schweren Galeeren (1082 — 1085). Bei Belagerungen 
wachsen die Schiffsgerüste wohl zu riesigen schwimmenden Türmen 
von der Höhe der Stadtmauern empor (1203 — 1204). Gegen 
das griechische Feuer pflegte man sich durch Belegen der 
Schiffe mit „essiggetränkten'' (imprägnierten?) Stoffen oder mit 
Tierhäuten zu schützen. In der Abwehr von Brandschiffen 
zeigten die Matrosen kaltblütige Geschicklichkeit. Die Gediegen- 
heit der venezianischen Marine war für alle Welt eine selbst- 
verständliche Sache. 

Zunächst in geringerem Mafse als in der äufseren Politik, 
dann aber, je weiter in das 12. Jahrhundert hinein, desto mehr 
machte sich der Anspruch des Gomune auch in der inneren 
Politik geltend. Bereits im Jahre 1165 gilt es als durchaus un- 
gehörig, dafs der Doge ohne Zustimmung des Rates Staatsgut ver* 



SS6 Neuntes EapiteL 

äufsere oder eigenmächtig damit Belehnungen vornehme, mag er 
sich auch noch nicht ohne Widerstand in solchen Zwang fiigen. 
Bald sah er sich auch von der freien Verwaltung, wie der Kolonien, 
so der Staatskasse, die als Camera comunis — ausdrücklich zu- 
erst 1175 — von der Camera ducis (ducatus) getrennt wurde, ab« 
gedrängt und auf bestimmte, teils althergebrachte, teils mit den 
Bäten neu vereinbarte, übrigens sehr reichliche Einkünfte ver- 
wiesen. Für das Jahr 1173 sind bereits „advocatores comunis^ 
bezeugt, deren Kompetenz zweifelhaft scheint, die aber doch wohl 
als eine finanzielle und keine richterliche Behörde ins Leben ge- 
rufen wurden. Mindestens vom Jahre 1187 an verwalten die 
1173 eingesetzten „camerarii comunis'^ (Stadtkämmerer) ftlr sich 
allein den Besitz des Comune. Im Jahre 1208 wird zwischen 
dem Einkommen, „quod ad comune Venetie pertinet'S und den 
„regalia, que ad ducatum spectant'^, mit voller Deutlichkeit unter- 
schieden. 

Die richterlichen Befugnisse blieben dem Dogen leidlich un- 
geschmälert, nur dafs er — vermutlich im Jahre 1179 — die Ver- 
tretung des Comune vor Qericht, die er neun Jahre vorher noch 
ausgeübt hatte, an die neugeschaffene Behörde der „iudices co- 
munis^' abgeben mufste, und dafs ihm wohl noch vor 1192 die 
Ernennung sämtlicher Richter aus der Hand genommen und dem 
Rate zugewiesen wurde. Die Richter scheiden sich spätestens von 
1179 ab in „iudices palatii'^ und in die erwähnten „iudices co- 
munis^'. Jene sind nichts anderes als die ursprüngUchen Richter 
der Curia, nunmehr Richter in Rechtssachen der Stadtbewohner 
untereinander und in Strafsachen, hernach vorzugsweise Vermögens- 
richter (iudices de proprio) ; diese sind Richter in Prozessen zwischen 
Fiskus und Privaten und zugleich auch Vertreter des Comune vor 
Gericht, später — zuerst 1207? — auch Fremdenrichter (iudices 
forinsecorum). Unter dem stellvertretenden Dogate des Renier 
Dandolo (1202 — 1205) wurden dann „iudices examinatores'*, 
jedenfalls auch vom Comune ernannt, als eine Uberwachungs- 
behörde fiir die formgerechte Ausstellung der Gerichtsurkunden 
bestellt; sie prüfen dieselben und unterfertigen sie bei deren sonstiger 
Ungültigkeit. Aussteller der Gerichtsurkunden (litterae) bleibt 
allein der Doge, erscheint somit urkundlich noch durchaus als 



Dogale Gerichtsgewalt und Ernennongsrecht. tt7 

Träger der Gerichtsgewalt, im besonderen auch der Marktgerichts- 
barkeii 

Ebenso wie gegen Ende des Jahrhunderts das Emennungs- 
recht der Judices, ist dem Dogen vielleicht schon früher jenes der 
Beamten; zuerst der höheren, nach und nach auch der niederen 
entwunden, deren Ernennung oder wahlweise Bestellung — sei es 
durch das Comune oder die Räte selbst, sei es durch eine von 
ihnen berufene Kommission — spätestens im August 1185, ver- 
mutlich aber schon früher, gesetzmäfsig geregelt und die Nicht- 
annahme eines Amtes wie in anderen Kommunen unter strenge 
Strafe gestellt worden. Die Frage, wem das Recht der Ernennung 
oder Erwählung der Beamten zustehe, wurde um so bedeutsamer, 
als nach dem Muster anderer Städte gleichzeitig mit der Ver- 
fassungsreform in Venedig auch mit der Organisation der Verwal- 
tung — im Mutterlande wie in den Kolonien — begonnen und 
die Grimdlagen zu der reichgegliederten Beamtenhierarchie der 
folgenden Jahrhunderte gelegt wurde; allerdings noch in verstreuten 
Ansätzen, und ohne dafs man über die Einführungszeit, ja selbst 
über die Kompetenz der einzelnen Amter genügende Klarheit ge- 
winnen könnte. Diese neue Ordnung sollte vor allem den Ertrag 
der ordentlichen Staatseinkünfte heben; daher gehören die vor- 
nehmsten und wichtigsten der neugeschaffenen Beamtenposten dem 
Gebiete der Finanzverwaltung an. Ihre Inhaber werden, wie schon 
ihre Namen besagen, gleich von ihrer Einrichtung an vom Comune 
ernannt: die „advocatores und camerarii comunis^' (städtische 
Finanzanwälte und Stadtkämmerer), eingesetzt 1173, im Jahre 
1207 ihrer je drei, die „ camerariorum scriptores" (Kammer- 
schreiber), 1207 ihrer sechs, die „procuratores comunis^', 1207 
ihrer sechs, jedenfalls auch eine Finanzbehörde und aufserdem 
ein Aufsichtsamt für die Instandhaltimg der öffentlichen Bauten 
und Verkehrswege, alle wählbar nach Stadtbezirken und 1207 
durch das schon erwähnte dreigliedrige Wahlkolleg gewählt. 
Ebenso ernennt das Comune von 1166 an die Comites in Dal- 
matien, und nur ausnahmsweise wird etwa die Ernennung des 
Comes von Zara 1203 dem Dogen vorbehalten. Von den 
niederen Beamten ernannte der Doge diejenigen, die innerhalb 
.seines Kompetenzkreises tätig waren, etwa die im Jahre 1173 

ürvttehnayr, Geiehicbte von Yenediir. ^ 



S38 Neuntes Kapitel. 

eingesetzten Markt- und Lebensmittelkommissäre (iusticiarii), wie 
er denn in Marktangelegenheiten noch längere Zeit unabhängig 
blieb, besetzte zunächst auch noch das altherkömmliche lokale Ver- 
waltungs- und Marktaufsichtsamt der Vicedomim. Aber mit der 
zunehmenden Schmälerung des dogalen Geltungsbereiches fallen 
auch diese Ernennungen immer mehr dem Comune zu. Es er- 
nennt 1187 die Verwalter des Salzmonopols (camerarii ad introitus 
salis recipiendos) und die Münzmeister (monetarii), 1192 auch schon 
die Vicedomini, 1219 die Justiciarii. Es dürfte auch schon früh- 
zeitig die 1 187 luerst nachweisbaren ^^capita contratarum'^, die Vor- 
steher der städtischen Teilgebiete, genannt ,,contratae'', ernannt haben. 
Denn die Einteilung der Stadt Venedig nach Bezirken ist um das 
Jahr 1200 bereits durchgeftihrt. Die Stadt zerMlt in sechs Haupt- 
bezirke (sextarii), die „sestieri" von heute, in „trentaciae'^, „con- 
tratae'^ und ,,confinia". Man darf mit einigem Grund vermuten, 
dafs der 1152 zuerst gebrauchte Ausdruck „trentacia'^ ein Stadt- 
dreifsigstel und vielleicht die Zusammenfassung zweier „contratae'^ 
bedeutet, rechtlich abgegrenzter städtischer Bezirke im Gegensatze 
zu der minder bestimmten Bezeichnung „confinium'', die etwa 
besagen mag, was wir heute einen „Grund'' nennen und ohne 
Zweifel mit der Pfarreinteilung der Stadt zusammenhängt 

Gegenüber der weitgehenden Erschütterung der staatsrecht- 
lichen Stellung des Dogen möchte die Einschränkung seiner kirchen- 
rechtlichen Kompetenz geringfügig erscheinen. Bis zum Investitur- 
streit empfing er den weltlichen Treueid jedes einzelnen Geistlichen, 
besafs das Recht der Wahlinitiative und Wahlteilnahme bei allen 
Bischof-, Abt- und Äbtissinnen wählen, das Recht der geistlichen 
und weltlichen Investitur aller genannten geistlichen Würdenträger 
und vermutlich auch der ausdrücklichen Bestätigung der Gewählten, 
das Zustimmungsrecht bei jeder Orts- oder Vermögensveränderung 
von Elirchen und Klöstern und übte die staath'che Jurisdiktion bei 
weltlichen Angelegenheiten oder Vergehen von Geistlichen, wobei 
freilich in Betracht kommt, dafs wichtige Rechtsgebiete, wie die 
des Eherechtes, als eine geistliche Sache betrachtet wurden und 
der geistlichen Gerichtsbarkeit zufielen. Durch den Investiturstreit 
wurde der Doge zur Preisgabe der Rechte der Wahlinitiative, 
Wahlteilnahme, der geistlichen Investitur und Wahlbestätigung 



Die dogale Kanzlei. SS9 

genötigt. Die geistliche Investitur hatte hinkünftig der Primicerius 
von San Marco zu vollziehen, die Bestätigung der Patriarch von 
Grado zu erteilen; beides erweislich im Jahre 1192, aber gewifs 
auch schon früher. Die übrigen Gerechtsame blieben dem Dogen 
erhalten, wie die Bestimmungen der Hechtskodifikation Enrico 
Dandolos von 1195 deutlich erkennen lassen; nur die weltUche 
G^chtsbarkeit über die Geistlichkeit erscheint ebendaselbst in der 
Art normiert, dafs sie nur bei Klagen Geistlicher g^n Laien 
unbedingt, im umgekehrten Falle oder bei Erlagen von GeistUchen 
untereinander nur bei Geldklagen (causa pecuniaria) und auch 
da nur imter dem Vorsitz eines Bischofs statthaben sollte. 

Der rein zeremonielle Vorgang bei den Dogenwahlen hat kaum 
eine Änderung erfahren. Der übliche Titel des Dogen: Dux 
Venetiae Dalmatiae et Croatiae, wurde nach dem vierten Ereuz- 
zuge in der bekannten Weise erweitert : quartae et dimidiae partis 
totius Romanie imperii dominator. Byzantinische Ehrentitel waren 
noch das ganze 12. Jahrhundert hindurch im Brauche; noch 1196 
nannte sich Enrico Dandolo protosebastos. Regierungssitz blieb 
das Palatium, nicht nur für den Dogen, sondern auch für die 
Räte, ähnlich wie in anderen Komunen. Das älteste erhaltene 
Dogensiegel, die bekannte BleibuUe, stammt aus der Zeit des Dogen 
Pietro Polani. Eline organisierte dogale Kanzlei mag von alters her 
bestanden haben; dafs deren Archiv im Jahre 976 ein Raub der 
Flammen geworden sei, wird glaubwürdig überliefert. Die Notare 
der Kanzlei werden nicht vor dem 11. Jahrhundert als „notarii 
palatii'' bezeichnet, von einem Kanzler ist wenigstens in venezia- 
nischen Urkunden vor dem Jahre 1207 nicht die Rede. In den 
dogalen und überhaupt venezianischen Urkunden des 11. — 13. Jahr- 
hunderts ist die Rechnung nach dem 1. März als Jahresanfang 
allgemein, nach dem 1. September als (griechischem) Indiktions- 
anfang überwiegend im Brauche ; nicht minder die Datierung blofs 
nach dem Monat und nicht nach dem Tage desselben. Von den 
oft ungemein zahlreichen Unterfertigungen der Dokumente hat die 
des Dogen wohl von frühen Zeiten her den Platz vor der des 
Patriarchen inne — ausgenommen etwa rein geistliche Angelegen- 
heiten — ; die Namen der Bischöfe gehen denen der übrigen Laien 
voraus. Als äufseres Abzeichen trug der Doge 1174 einen goldenen 

22* 



S40i Neuntes Kapitel. 

Stimreif; 1200 eine edelsteinbesetzte Goldkrone, gewifs auch eine 
goldene Amtskette. Die eigenartige, vielleicht im 13., jedenfalls 
im 14. Jahrhundert in Mode gekommene Kopfbedeckung der 
späteren Dogen, der „Como ducale^', ist wohl eine Abwandlung 
der in frühester Zeit im Seelande heimischen Zipfelhaube der Schiffer, 
die, vorne eingedrückt, die erwähnte charakteristische Form erhält 
Dals man in der dogalen Amtstracht ziemlich konservativ geblieben 
ist, liegt nahe und läfst sich aus den alten Mosaiken der Capeila 
S. demente in San Marco wohl erkennen ; ob freilich roter Mantel 
und Hermelinkragen ein altanfänglicher Bestandteil dieser Amts- 
kleidung gewesen sind, läfst sich nicht erweisen. Das Schiff des 
Dogen wurde als das Admiralschiff besonders ausgestattet; so er- 
scheint es im Jahre 1202 mit Samt ausgeschlagen. Der Bau 
eines eigens fUr den Dogen bestimmten Staatsschiffes, des späteren 
Bucintoro, dürfte erst im 13. Jahrhundert unternommen worden 
sein. Wie sonst in der Geschichte kann man übrigens auch an 
dem venezianischen Dogate wahrnehmen, dafs mit dem Schwinden 
der inneren Bedeutung einer Institution die äufsere Ausstattung 
ihres Trägers wächst. Je machtloser der Doge, desto reich- 
licher die dogalen Prachtgewänder und desto fürstlicher der 
Ho&taat. 

So wandelt sich denn im Laufe des 12. Jahrhunderts die {Ein- 
schränkung der Macht des Dogates zugunsten der organisierten 
patrizischen Geschlechter folgerichtig ab. War Domenico Michiele 
noch souveräner Herr im Staate, wurde Pietro Polani in solcher 
Stellung bereits angegriffen, so kündete sich in dem Verfassungs- 
eide Domenico Morosinis vom Jahre 1148, dem ersten, von dem wir 
wissen, jener staatsrechtliche Prozefs an, den man vom Jahre 1192 
her an der Hand der dem Dogen abgezwungenen Wahlkapitu- 
lationen — „Promissiones^' — mit aller Genauigkeit verfolgen kann. 
Von den Eiden der Vorgänger Enrico Dandolos läfst sich nur 
sagen, dafs sie sich auf politische und auf kirchliche Dinge be- 
zogen, ohne vielleicht Einzelbestimmungen zu enthalten. Wenigstens 
sind solche nicht bekannt. In der Promissio von 1192 aber findet 
die Summe der dogalen Machtverluste und kommunalen Errungen- 
schaften aus den vorangegangenen Jahren den deutlichsten Aus- 
druck. Der Doge wird, versichert die Promissio, gewissenhaft 



Die Promissio ducalis von 1192. (41 

regieren, Recht und Gerechtigkeit üben, die Gesetze treulich voll- 
ziehen und ohne jedes eigennützige Streben die Ehre und das 
Ansehen des Staatswesens fördern. Er darf ohne Zustimmung der 
Mehrheit seines gro&en Rates nicht über Staatsgut verfügen, keinen 
Richter oder Gerichtsbeisitzer ernennen, vielmehr nur den recht- 
mäfsig Gewählten bestätigen, darf ebensowenig mit auswärtigen 
Fürsten verkehren. Auf die Patriarchen-, Bischof- und Abtwahlen 
steht ihm kein Einflufs zu. Es ist als ein Grundsatz ausgesprochen, 
dafs er Beschlüssen der Mehrheit des grofsen Rates nicht entgegen- 
handeln dürfe, und dafs ein einstimmiger Beschlufs des kleinen 
und Mehrheitsbeschlufs des grofsen Rates seine dogalen Befugnisse 
auch weiter verändern könne, ohne dafs ihm ein Widerstand da- 
gegen erlaubt sei. Aber er ist doch noch immer im Besitze an- 
sehnlicher Vorrechte. Ziemlich unabhängig als Heerführer im 
Kriege, obwohl er auch hier seinen Rat um sich hat, nicht 
minder in der Rechtspflege und in seinem durch Vereinbarung 
festgestellten Einkommen; dafs er bei ausbrechendem Ejiege 10 Ga- 
leeren stellen und 2^ Prozent der für die übrige Flotte aufzu- 
bringenden Kosten tragen mufs, ist ein Ausdruck für die noch 
keineswegs völlig gebrochene Bedeutung seines Amtes. Noch ist 
ihm jedermann, auch die Ratsmitglieder selbst, zum Treueid ver- 
pflichtet. Auch dafs zu Beginn des 13. Jahrhunderts die stell- 
vertretende Regierung für den abwesenden Dogen noch immer 
widerspruchslos dessen Sohne zufällt, verdient in diesem Zu- 
sammenhange Erwähnung. Erscheint somit der Doge zur Zeit 
seiner ersten Wahlkapitulation staatsrechtlich noch immerhin wie 
ein auf Lebenszeit erwählter Präsident einer Republik mit beträcht- 
lichen Resten einer ehedem monarchischen Gewalt, so ist ein 
Menschenalter später — in der Wahlkapitulation von 1229 — der 
Dogat schon zu dem geworden, was er von da ab einzig sein 
durfte, wollten seine Träger keine Katastrophe über sich bringen, 
eine besoldete, die gleichzeitig ausgebildete Beamtenhierarchie nach 
oben abschliefsende Amtsstelle. Und wenn es um die Wende des 
12. Jahrhunderts scheinen wollte, als würde eine grofse Person-^ 
lichkeit, vielleicht doch die gröfste der venezianischen G^schichte^ 
die ihr durch die Verfassungsentwickelung gezogenen Schranken 
noch einmal durchbrechen, Enrico Dandolo wie ehedem Domenico 



S4S Neunte« EapiteL 

Michiele von TyruB aus^ so nun von Konstantinopel aus seinem 
Hauae eine überragende Stellung dchem können, so ist dies nicht 
nur unterblieben ; sondern seine Orolistat; der Gewinn der drei 
Achtteile des Romäerreiches wurde erst recht die Grundlage f&r die 
Stärke und den Reichtum des Comune und hat die Ohnmacht 
seiner Nachfolger endgültig besiegelt 



Mit der Organisierung der Staatsverwaltung und Ausbildung 
eines venezianischen Behördenwesens steht die in den Jahren 
1181 — 1195 erfolgte Kodifikation des Rechtes in engem Zusammen- 
hang. Schon die Dogen Domenico Morosini und Vitale Michiele IL 
trafen schriftlich niedergelegte Einzelbestimmungen über das Ge- 
richtsverfahren in bezeichneten Fällen. Unter Doge Orio Malipiero 
erschien dann im März 1181 die erste ; von Enrico Dandolo am 

• ■ 

8. April 1195 mit geringftigigen Änderungen erneute Strafrechts- 
ordnung (promissio maleficiorum) für Rialto (und dessen nächste 
Umgebung?); im Dezember darauf eine solche f&r Chioggia. 
Orio Malipiero war überhaupt ein eifriger Legislator. Er nahm 
augenscheinlich den lebhaftesten Anteil an der Verfassungs- und 
Verwaltungsrefonn. Den Strafrechtsverordnungen von 1181 folgte 
das Wabldekret vom August 1185. In seine Regierung faUen ver- 
mutlich auch Vorarbeiten zur Herstellung eines die bestehenden 
Rechtsbräuche fixierenden bürgerlichen Rechtsbuches. Wohl auf 
Grund derselben hat dann Enrico Dandolo — etwa gleichzeitig 
mit der Erneuerung der Promissio maleficiorum im April 1195 — 
sein Statut für Rialto und nähere Umgebung erlassen, sein 
Sohn Renier Dandolo dieses im September 1204 in veränderter 
und erweiterter Fassung neu gegeben — das erste bürgerliche 
Gesetzbuch von Venedig. Wie in anderen italienischen Rechts- 
satzungen der Zeit ist weder in der ,, Promissio '' noch im ,,Statutum^ 
die Materie nach leitenden Gesichtspunkten geordnet , sondern 
einfach das Herkommen festgelegt, wenn auch zuweilen bessernd 
und ausgestaltend. 

Wir sind keineswegs ohne Nachricht über die Strafrechtspfl^e 
in den L&gnnen vor dem Jahre 1181. Die Arten der verhängten 



strafrecht tM 

Strafen lassen das Einwirken römisch-byzantimBcber und germa- 
nischer (fi-änkisch-langobardischer) Einflüsse nebeneinander deutlich 
erkennen. In der Promissio maleficiorum, einem der ältesten 
Strafrechtstatute Italiens^ sind nun jene die weitaus stärkeren. 
Merkwürdig ist hier nicht so sehr die mit der allgemeinen Ent- 
wickelung in Einklang stehende Strenge der angedrohten Strafen 
als das Überwiegen der körperlichen Strafen in einer Zeit^ da 
Büfsung mit Geld noch das Gewöhnliche war. Unter Strafsatz 
fallen vor allem Vergehen gegen die Sicherheit der Person und 
des Eigentums: Mord, Totschlag , Körperverletzung, Raub, Dieb- 
stahl, Nichtbezahlung von Schulden. Geringfügig oder eigentlich 
gar nicht wird Seeraub geahndet: das geraubte Gut ist zurück- 
zugeben, wenn der Beraubte ein Freund Venedigs war. Von 
Sittlichkeitsdelikten ist so wenig die Rede wie von den verschiedenen 
Arten der Fälschung, etwa Urkundenfälschung, die 1202 in Como, 
oder Münz-, Mafs- und Gewichtsfälschung, die schon 1143 in Genua, 
1188 in Aosta unter Strafe gestellt wurde. Nicht ein Wort über 
Betrug und — wie übrigens auch in den anderen italienischen 
Statuten — von Hochverrat. Von Strafen sind vorgesehen: Tod 
durch Galgen und Feuer, bei Mord und Diebstahl über 100 Solidi; 
Blendung und Verlust von Gliedmafsen bei Hausfriedensbruch, 
Mordversuch, Diebstahl über 20 Solidi und unter 20 SoUdi im 
Rückfall; Auspeitschung und Brandmarkung bei Diebstahl unter 
20 Solidi und Nichterfüllung von Amtspflichten; Haft besonders 
als Schuldhafl und Zerstörung des Besitzes; endlich als Geldstrafen 
der staatliche Bann und fixe Geldstrafansätze, zum Beispiel 50 
Pfund an die Verwandtschaft eines Getöteten vorbehaltlich der 
zukömmlichen Leibesstrafen. Nicht fremd in Italien, aber doch 
besonders ausgedehnt ist hier in Venedig der dem freien Ermessen 
der Richter, der „discretio iudicum" eingeräumte Spielraum — von 
anderem abgesehen etwa bei Bestimmung der Strafe für Totschlag. 
Von richterlichen Gottesurteilen, die doch in Italien nicht vollständig 
fehlten, wenn auch selten waren, ist keine Rede. Im Gegensatze 
zu dieser für das Weichbild von Rialto imd allenfalls dessen nähere 
Umgebung — Torcello, Murano, Malamocco — berechneten Gesetz- 
gebung steht die einige Monate später (Dezember 1181) erlassene 
Verordnung — sie wird ausdrücklich als Capitulare bezeichnet — 



S44 Neuntes Kapitel. 

für Chioggia: alle in Rialto mit Körperstrafen belegten Verbrechen 
und Vergehen werden hier noch mit Geld gebüTsi Der germanische 
Rechtseinschlag ist ebenso augenscheinlich wie dort der römisch- 
griechische. Mag sein, dafs hier die Strafsätze vorliegen, die früher 
auch in Rialto Gültigkeit hatten ; die nunmehrige Differenz derselben 
ist auch ein Beweisstück für den grofsen Kulturunterschied der 
emporgekommenen Kapitale und der zurückgebliebenen Gemeinden 
des übrigen Seelands. 

Bemerkenswert ist an diesen Ordnungen, die im ganzen der 
allgemein italienischen Auffassung nicht widersprechen, im einzelnen 
ihr vorauseilen; aber doch auch hinter ihr zurückbleiben, doch 
vor allem das Fehlen an Bestimmungen gegen Mifsbräuche im 
Handelsleben, ein Mangel, der sich durch die in den Handels- 
urkunden angedrohten Bufssätze aufNichterfullung der eingegangenen 
Verpflichtungen nur unvollständig behebt Damit wendet sich die 
Betrachtung überhaupt der bürgerlichen Gesetzgebung zu. 

Das durch Renier Dandolo im Jahre 1204 erweiterte Statut 
Enrico Dandolos von 1195 spricht zunächst ab Grundsatz aus, 
dafs niemand anderwärts und anderswie als vor den berufenen 
Gerichtshöfen Recht suchen dürfe; der Versuch, sich sein Recht 
eigenmächtig zu verschaffen, solle nur gegen einen Fremden in 
der Form der sogenannten Repressalien und zwar nur, wenn die 
Heimatsbehörde des Beschuldigten die geziemend geforderte Genug- 
tuung weigerte, gestattet, sonst aber bei Strafe verboten sein. 
Über die Gerichtshöfe braucht hier nicht wiederholt zu werden, 
was vorher über die drei Klassen von Richtern (iudices palatii, 
comunis, examinatores) gesagt wurde. Den Vorsitz im Gerichte 
führt nach wie vor der Doge, in Dalmatien in seinem Namen 
Bischof und Comes, in Chioggia der Gastalde, in anderen Orten 
andere Delegierte. Der vorwiegend von modifizierten römischen 
Rechtsanschauungen beherrschte Rechtsgang liegt nach dem 
Statute und erhaltenen Urkunden klar. Als Ellagewerber können 
ebensowohl physische als juristische Personen — das Comune, 
die Klöster, Zünfte, Bruderschaften — auftreten; von phy- 
sischen Personen jeder Mann, auch der Unfreie, nur nicht der 
Minderjährige (unter 12 oder 14 Jahren?) oder sonst Bevor- 
mundete, während die Frau hierzu nicht vollberechtigt ist Auf 



Die Statuten von 1195 und 1204. S45 

die Klage (lameotatio ^ reclamatio) stellt ein dogaler Beamter 
(ministerialis; riparius^ praeco) dem Beklagten gewöhnlich dreimal, 
doch auch, namentlich den auTserhalb Rialtos Wohnenden, nur 
zwei- und einmal die Vorladung (praeceptum) zu. Dem Vorgeladenen 
wird in der Regel zugleich eine meist achttägige Vorbereitungsfrist 
fiir die Verteidigung und Beratung mit seinem Anwalt (induciae 
pro advocatore) zugestanden. Bei Beginn der jetzt wie früher in 
der ,, curia ducis'^ geführten Gerichtsverhandlung (placitum) haben 
zunächst beide Parteien eine Kaution (vadimonium iudicio standi) 
zu erlegen, hierauf erfolgt mündlich die ,yintentio'' des E^ägers 
und „replicatio" des Beklagten, bei unklaren Fällen eine — wieder 
meist achttägige — Vertagung der Verhandlung gegen Erlegung 
einer neuen Kaution (vadimonium probandi et ostendendi) ; ebenso 
kann gegen ein „vadimonium iurandi'' eine Frist zur Ablegung 
eines Eides verlangt werden. Als Beweismittel gelten in erster 
Linie Dokumente. Der Schriftbeweis ist der bedeutsamste und — 
wenigstens seit Domenico Morosini — nahezu obligatorisch. Im 
Einklänge hiermit steht die ungebrochene, ja noch gesteigerte 
Wichtigkeit des Notariates. Zeugenschaft und Eid sind erst Beweis- 
mittel zweiten Ranges. Eideshelfer begegnen sehr selten, richterliche 
Gottesurteile kommen nicht vor. Das Urteil wird mit Majorität und 
unter Dirimierungsrecht des Dogen gefallt, als „carta diiudicatus '^ 
in der protokollarischen Fassung eines „breviariums^^ den Beteiligten 
zugestellt; häufig auch Sicherheitsbriefe (cartae securitatis) über 
die Einhaltung der Urteilsverfügungen zwischen den Parteien aus- 
gewechselt. Der anscheinend überhandnehmenden Prozefssucht sollten 
einige strengere Anordnungen des Statuts von 1204 steuern. 

Seinem Rechtsinhalt nach setzt sich das Statut von 1195 
zu ungefähr gleichen Teilen aus Bestimmungen des Familien-, Sachen- 
und Obligationenrechts zusammen, doch darf man sagen, dafs den 
letzten die vornehmste Bedeutung zukommt. Auf allen diesen 
Rechtsgebieten mischen sich römische und — gerade in Venedig — 
speziell byzantinische Einflüsse mit germanischen und kanonischen 
Grundsätzen, wie sich dies wohl im einzelnen verfolgen lassen 
würde ; doch ist augenscheinlich der römisch rechtliche Einschlag 
der weitaus stärkere. Die Abweichungen von der allgemein 
italienischen Entwickelung sind nicht beträchtlich. 



S46 Neontes KapiteL 

Familienrechtlich sind die Bestimmungen über die Ehe, 
die väterliche Gewalt; Erbfolge und Waisenpflege, wobei die Rechte 
des weiteren Verwandtenkreises, des Qeschlechtesy bedeutsam hervor- 
treten. Im Eherechte gilt der römische Grundsatz : consensus &cit 
nuptias; gesetzlich ist daher gegen die von einem Mädchen getroffene 
Wahl nicht vorzugehen. Die Verlobung (desponsatio) verpflichtet 
nicht. Der Hochzeit geht der Abschlufs eines Ehekontraktes 
voraus ; die Braut erhält eine Mitgift (dos, repromissa, benedictio)| 
in welche die Ausstattung (arcella) nicht eingerechnet wird, der 
Bräutigam emp&ngt häufig von den Brauteltem eine Ehrengabe 
(honorificentia), die er vielfach als ,, Montagsgabe'' (Morgengabe, 
donatio propter nuptias , donus diei Lunae) wieder der Braut ein- 
antwortet. Wertgleichheit von Dos und Donatio war nicht erforderlich. 
Der gewöhnliche Hochzeitstag war, wie aus der Bezeichnung der 
Morgengabe als Montagsgeschenk erhellt, wenigstens ursprünglich 
der Sonntag. Der feierliche — zum Abschlufs der Ehe erforder- 
liehe? — Hochzeitsakt war ein dreifacher: Überführung der Braut 
in das Haus des Bräutigams (transductio), der Kirchenbesuch 
(visitatio) und die Überreichung und Weihe der Ringe (benedictio). 
Heiratsvermittler sind für 1133 bezeugt. Eine Gütergemeinschaft 
in der Ehe bestand nicht. Die Frau besafs ihre Dos ebenso wie 
ihre Donatio zu eigen, der Mann seine Honorificentia, wenn er sie 
nicht etwa als Morgengabe aus der Hand gegeben hatte. Bei 
Auflösung des Ehebandes durch Tod des Gatten kommt der Witwe 
aufser der Donatio rechtens nur ihre — in einem besonderen 
richterlichen Verfahren (restitutio dotis) anzusprechende — Mitgift 
aus der Verlassenschaft (grosina) zu. Bei Gelöbnis der Wahrung 
der Witwenschaft (votum viduitatis) kann sie auch ab lebens- 
längliche Verwalterin des Gesamtnachlasses folgen. 

Die väterliche Gewalt erstreckt sich über alle direkten ehe- 
lichen Nachkommen, Söhne, Töchter und Enkel, die vom Vater 
2,imgeteilt'' (indivisi) leben, das ist, einen vom väterlichen nicht 
getrennten Haushalt fuhren. Adoptionen sind selten, von unehelichen 
Kindern ist nicht die Rede. Der Vater hat das Nutzniefsungs- und 
Verfügungsrecht über Besitz und Erwerb der einzelnen „ ungeteilten^' 
Familienmitglieder. Die Abhängigkeit der Kinder vom väterlichen 
Willen endet mit der „emancipatio'' des Sohnes, der Hochzeit der 



Familienre<"ht. 347 

Tochter. Die Hand gegen den Vater zu erheben, ist — ganz 
nach römischer Auffassung — ein ,, schreckliches Verbrechen '^ 
(orribile facinus) und zieht familienrechtlich Enterbung nach sich. 

Das Erbrecht gibt nach dem Statute Renier Dandolos bei 
Intestatableben (sine lingua, sine ordinatione, inordinatus) den Nach- 
kommen ,, männlicher Linie'' und ^^ ungeteilten '' (unverheirateten) 
Töchtern den Vorrang vor den verheirateten Töchtern und der 
Witwe. Das Statut von 1195 hatte die Ansprüche der ver- 
heirateten Töchter auch noch hinter die der Verwandtschaft (pro- 
pinquitas) zurückgesetzt; das Statut von 1204 verf&gte, daTs nur, 
wenn Kinder und Witwe fehlen, die nächsten Verwandtschaftsgrade 
erben sollen. Die Verwandten übernehmen auch gewöhnlich die 
Waisenpflege und stehen dabei unter Aufsicht des Staates. Den 
drei ersten Verwandtschaftsgraden, Brüdern und Vettern erster und 
zweiter Linie steht nach byzantinischen Muster bei Veräufserung 
von liegenden Besitz jederzeit ein Vorkaufsrecht zu 90 — 96 Pro- 
zent, den entfernteren Verwandten ein solches zu 98 Prozent 
des von den Richtern erkannten Schätzungspreises zu. Das Ver- 
mögen der im Auslande, besonders auf Handelsreisen intestat ver- 
storbenen Venezianer sollte von den Landsleuten gesammelt und 
gegen ein bestimmtes Entgelt — im Jahre 1204 vier Prozent — 
nach Venedig geliefert werden. Ein Testament, dessen Errichter 
geistig gesund sein mufste (non infirmus in mente), hatte die Unter- 
schrift von Zeugen und des Notars zu tragen, die des Errichters 
war nicht notwendig. Der Testant pflegt die Testamentsvollstrecker 
(commissarii) gewöhnlich aus dem Verwandtenkreise zu ernennen ; 
auch Frauen wurden hiermit betraut. Kaum jemals ein Testament 
ohne fromme Stiftung; die letztwillige Widmung eines Zehnten 
an den Bischof von Castello scheint wenigstens ftir Rialto obliga- 
torisch gewesen zu sein. Die Errichtung der Testamentsurkunde 
und — nach Ableben des Testanten — die Eriiillung der darin 
geforderten Verbindlichkeiten bescheinigt der Notar noch in einem 
besonderen Breviarium. 

Bemerkenswert ist in diesen familienrechtlichen Bestimmungen 
die über das römische Recht hinausgehende starke Betonung der 
Rechte der Verwandtschaft. Die Verwandten (propinqui, lateranei) 
haben, wie erwähnt, ein absolutes Vorkauferecht (^tft^\a^^^ \)^ 



S48 NeunteB Kapitel. 

jeder Art Veräufserung von immobilem Familienbesitz, Verwandte 
sind die Vormünder^ Waisenpfleger^ Testamentsvollstrecker. Darum 
die Tendenz y die Frauen tunlichst von der Erbfolge im Immo- 
bilienbesitz auszuschliefsen. Der Grundbesitz des Geschlechts und 
damit dessen Macht soll in keiner Weise durch Besitzentfrem- 
dung geschmälert werden; man könnte von einer vom Staate 
geförderten Fideikommifspolitik der Geschlechter sprechen. Es 
entstehen lokale Zentren von Geschlechtsbesitz^ die dann von den 
Familien auch den Namen annehmen und einer verhältnismälsig 
geringen Anzahl patrizischer Häuser die Fähigkeit bewahren^ durch 
das materielle Gewicht ihres Besitzes auf die oberste Staatsleitung 
entscheidenden Einflufs zu üben. 

Wie im Familienrecht kommt auch im Sachenrecht dem 
Immobilienbesitz (proprietas, possessio, tenuta) die Hauptbedeutung 
zu. Wie hätte dies auf dem beschränkten und daher doppelt 
wertvollen Grunde der Lagunen anders sein können ? Hauptgrund- 
eigentümer sind der Staat, die Kirchen und die tonangebenden 
Familien. Belastung von Grundbesitz mit Servituten, besonders 
Durchgangs-, Landungs-, Holzungsrechten, ist bei der Enge des 
Raumes begreiflicherweise häufig. 

Erwerbung von Grundbesitz kann aufser durch Vererbung 
(Patrimonium) oder Übergabe irgendwelcher Art (traditio) auch 
durch dreifsigjährige Ersitzung (usucaptio) erfolgen, endlich durch 
„accessio^', automatischen Anfall eines auf fremdem Grunde errich- 
teten Gebäudes an den Grundeigentümer. Die Einweisung in den 
Besitz einer Sache wird durch die vom Ministerialis (riparius) 
des Dogen vor Zeugen zu vollziehende Besitzeinweisung (investitio) 
ausgesprochen, erst provisorisch und anfechtbar (sine proprio), 
dreifsig Tage später endgültig und unanfechtbar (ad proprium). 
Innerhalb dieser dreifsigtägigen Frist sind allfällige Einsprüche 
(clamor, proclamatio) gegen provisorische Erkenntnisse, welche 
Rechte an Grund und Boden betreffen, vor den Richtern einzu- 
bringen, die der Ministerialis dem Eingewiesenen (proclamatus) 
zustellt und zu deren Verhandlung dieser bei sonstigem Kontumaz- 
verfahren erscheinen und sein Recht dartun mufste. Die Verwerfung 
des Einspruchs hiefs „evacuatio'^ Unter Strafe verpönt ist jeder 
Akt gewaltsamer Selbsthilfe bei Besitzstreitigkeiten. Der Ministerialis 



Sachenrecht. S49 

hat über ;, investitio ^' und ^^clamor'^ binnen dreifsig Tagen ein 
Breviarium abzufassen. 

Die Veräufserlichkeit sowohl öffentlichen wie privaten Grund- 
besitzes ist eine beschränkte; sie konnte bei Staatsgut nicht ohne 
Zustimmung des Dogen und der Räte, bei kirchlichem Besitz meist 
nicht ohne Willen des Dogen oder auch überhaupt nicht , bei 
Privatbesitz nicht ohne Berücksichtigung des verwandtschaftlichen 
Vorkaufsrechtes erfolgen. Sehr oft begegnet Verpfändung 
(pignoratio) liegenden Besitzes, teils freiwillig, teils — als Sicher- 
stellung fiir Gläubiger — unfreiwillig; in diesem Falle war es 
dem Gläubiger bei Strafe untersagt, sich eigenmächtig in den Besitz 
des angesprochenen Pfandes zu setzen. Mehrfach scheint es, als 
habe man Grundbesitz als Pfand für eine Anleihe gegeben und ver- 
fallen lassen, um die bei regelrechtem Eigentumswechsel ohne Zweifei 
f&llige Ubertragungsgebühr zu umgehen. Bereits in das Gebiet 
des Obligationenrechtes fallen die Verhältnisse von Pacht (libellum) 
und Miete (locatio). Pachtverträge werden häufig eingegangen. 
Der Concessio des Pachtgebers steht die Promissio des Pächters 
gegenüber. Die Pachtdauer ist wie sonst in ItaUen meist auf 29 
Jahre normiert, um die 30 jährige Ersitzungsfrist zu vermeiden. 
Vielfach ist Verpachtung von Salinen oder Weinbergen gegen den 
altherkömmlichen Pachtzins von 1 — 8 „ Salztagen '^ oder von einem 
Drittel des gewonnenen Weines üblich, auch Pacht von Baugründen. 
Vermietet werden Häuser gegen ein „casaticum^^, Land- und Wasser- 
strecken gegen ein „terraticum" oder „ aquaticum '' ; „ripaticum" 
als Zins für fiiefsendes Wasser ist natürlich selten. Der Mieter 
haftet für Schäden des Mietobjektes, ausgenommen durch Feuer. 
Auch Aftermiete kommt vor. Für Einzelbestimmungen läfst die 
Überlieferung ziemlich im Stich; zehnjähriger Mietkontrakt mit 
halbjähriger Zinszahlung am 1. Mai und 1. November ist bezeugt; 
als Ausziehtermin scheint St Michael, der Anfangstag des Amts- 
jahres des grofsen Rates, gebräuchlich gewesen zu sein. 

Das Obligationenrecht ist noch nicht in die festen Formen 
einer Vertragsgesetzgebung gefafsi Eine Scheidung der Verträge 
im Sinne des römischen Rechtes nach solchen, die streng an die 
Formel gebunden (stricti iuris) sind, und solchen, die auf gutem 
Glauben beruhen (bonae fidei), besteht nicht Wahllos werden 



S50 Neuntes KapiteL 

die Ausdrücke ^^stantia'', ,;pactum'', ,,contracta8'' und ^yConventio'' 
nebeneinander gebraucht. Gesetzlich festgelegt ist die strenge wört- 
liche Verbindlichkeit der Vertragsdokumente, das unbedingte Verbot 
der Selbsthilfe^ allgemein üblich ist die Beschwörung der Verträge 
und als Strafsatz itir deren Nichteinhaltung die doppelte Vertrags- 
summe oder ein fixer Satz von 5 bis 100 Pfand Goldes, die Stellung 
von Kautionen (wadia, yadimonium); bei Schuldverhältnissen der 
dreifsigtfigige E^forderungstermin nach Ablauf der Fälligkeitsfrist, 
das Institut der Schuldhaft. Gestattet ist, die Schuld ratenweise 
oder vor dem Endtermine zu begleichen, oder sie statt in die 
Hände des Gläubigers in einer bankmäfsigen Depotstelle (oonmien- 
daria) niederzulegen ; besonders kam hierfür der Fonds von San Marco 
in Betracht. Von den gangbaren Verträgen beanspruchen die 
gewöhnliche Vollmachtserteilung (commissio), die auch an Frauen 
gegeben werden konnte, das einfache Uberweisungsgeschäft (trans- 
missum), Zuweisung von beweglichem Gut an einen örtlich ent- 
fernten Empfänger durch eine dritte Person, die Ausstellung von 
Sicherheitsbriefen und Quittungen (securitas) und Schenkungsbriefen 
(donatio) kein besonderes Interesse. Bemerkenswert sind immerhin 
die Artikel des Statuts von 1195, welche die Übernahme und Aus- 
führung von Geld- und anderen Aufträgen zur Sicherung des Be- 
auftragten in Gegenwart von Zeugen vorzunehmen empfehlen. Von 
Pacht und Miete war bereits die Rede. Bei Kauf und Verkauf 
(venditio, traditio) bedeutete die urkundliche Bescheinigung die 
Erftillung des Geschäftes, auch wenn der Kaufpreis noch nicht 
erlegt war, und war ebenso wie bei Verpachtung und Vei^pftn- 
dung eine Übertragungsgebühr von 5 oder 20 Prozent, das 
Quintellum, zu entrichten. Schuldbriefe weisen fast ausschliefs- 
lich den Darlehensfufs von 20 Prozent auf (prode de quinque 
sex per annum), nur bei riskierten Geschäften sind die Prozent- 
ansätze höher. Die Fixierung eines Maximalzinsfulses bt im Gt^en- 
satze zu den Bestimmungen des römischen Rechtes nicht vor- 
gesehen. Bei Nichteinhaltung des Rückzahlungstermines verdoppelt 
sich vom Fälligkeitstage ab das Kapital (caput, capitanea) samt 
den aufgelaufenen 20 prozentigen Zinsen (prode) und verzinst 
sich diese Summe wieder mit 20 Prozent. Dem Gläubiger steht 
nach Ablauf des erwähnten dreifsigtägigen Termines die Klage 



Das SeedarleheD. 861 

offen, der Schuldner hat bei Zahlungsunfähigkeit Schuldhaft zu 
gewärtigen. 

Verwandte oder gleiche Bestimmungen enthalten die eigent- 
lichen Geld- und Handelsverträge. 

Im 12. Jahrhundert ist in Südfrankreich und Italien zuerst 
und mit vielem Verständnis ein Handelsrecht ausgebildet und im 
folgenden Jahrhundert in verschiedenen Kodifikationen der See- 
rechte — in Venedig 1255 — zu einem ersten Abschlufs gebracht 
worden. Während aber im 13. Jahrhundert immer mehr der vom 
Formalismus der Dokumente losgebundene Handelsgebrauch (con- 
suetudo, usancia) für das Handelsrechtsleben bestimmend wurde, 
war hierfür im Jahrhundert vorher jener Formalismus noch streng 
beobachtetes Grundgesetz. Die fUhrende Rolle unter diesen Ge- 
schäften hat das bereits der antiken und als xQBiayuoivfovia auch 
der byzantinischen Welt wohlbekannte und schon im 10. Jahr- 
hundert in Venedig begegnende Seedarlehensgeschäft inne. 
Der — zunächst meist auf dem Lande zurückbleibende — Dar- 
lehensgeber, häufig auch Schiffsinhaber, der Kapitalist (dominus 
negotii, procertans, commendator) leiht dem — zunächst gewöhn- 
lich selbst als Reeder (nauclerus) auf eigenem oder fremdem Schiffe 
ausfahrenden — Darlehnswerber, dem Unternehmer (tractator, pro- 
certator, accommendatarius) ein Kapital, das bei glücklicher Rück- 
kehr (sana navi redeunte) vom Tractator mit einem entsprechend 
hohen Gtewinnstanteil zurückgegeben wird, bei unverschuldetem 
Verluste — durch Sturm oder Seeraub (periculo maris et gentis) — 
aber ohne irgendwelche Verpflichtung des Genannten verloren sein 
soll. Das Kapital wird dargeliehen für eine mehr oder weniger genau 
nach Ort, Zeit und auch Art bezeichnete Spekulation gegen Ver- 
rechnung zu einem angegebenen Termine, häufig dreifsig Tage nach 
Rückkunft des Schiffes ; die Unterlassung der Verrechnung hat die 
Verpflichtung zur doppelten Zahlung des vom Termintage mit 
20 Prozent verzinslichen Elinlagekapitales an den Verleiher zur 
Folge. Es ist für den Commendator ein gewagtes, aber im Giücks- 
falle einbringliches Geschäft, für den Tractator eine Sicherung 
seiner Spekulation durch das geliehene Geld des Kapitalisten, voll- 
ständig oder teilweise, je nachdem er dieses allein oder auiserdem 
auch eigenes verwendet Danach nun, ob der Commendator allein 



S5S Neuntes KapiteL 

ab Geldgeber erscheint oder ob Commendator und Tractator an der 
Einlage teilhaben, scheiden sich die zwei charakteristischen Formen 
des SeedarlehensgeschäfteSy die Commenda und die Colligantia, ohne 
dafs jedoch beide Bezeichnungen konsequent angewendet würden; in 
Venedig etwa scheint im 12. Jahrhundert der erstgenannte Ausdruck 
überhaupt nicht gebräuchlich gewesen zu sein. Im strengen Sinne 
des Wortes bezeichnet Commenda ein Seedarlehen, zu welchem 
der Commendator alles Kapital gibt, der Tractator somit gar kein 
Geschäftsrisiko trägt — zumal wenn, wie häufig, der Kapitalist 
auch noch das Schiff zur Fahrt stellt — und wobei dann der 
Commendator gewöhnlich mit 75 Prozent, der Tractator mit 25 
Prozent am Reingewinne teilhat, Colligantia ein Seegeschäft, 
zu dem der Commendator den gröfseren Teil, häutig zwei 
Drittel, der Tractator den Rest gegeben hat, also eine Art 
Kompagniegeschäft, wobei beide Teile ein Risiko übernehmen, am 
Reingewinne meist je zur Hälfte partizipieren und bei allfiüligem 
teilweisen Verlust des eingezahlten Kapitals am Reste nach dem 
Verhältnisse ihrer Einlage teilhaben. Indem sich diese Geschäfte 
dann komplizieren, zunächst ein Tractator mit mehreren Commen- 
datores abschliefst, — sei es, dafs deren jeder nach Mafsgabe seines 
Besitzes an Schiffs werteinheiten, „sortes^^, in die man schon im 
frühen 12. Jahrhundert einen Schifiswert zu zerlegen pflegt, am 
Geschäfte teilhat, sei es, dafs sie sich von vornherein zu einer 
spekulierenden Gesellschaft zusammentun, — indem femer das Ver- 
mögen dritter Personen herangezogen wird, setzen sich Commenda 
und Colligantia in die spätere Kommanditgesellschaft um, als deren 
Vorläuferinnen sie anzusehen sind. 

Unklar erscheint der Charakter der im Statut Enrico Dandolos 
mehrfach genannten Rogadia, schwerlich ideütisch mit Colli- 
gantia oder Commenda, sondern vermutlich das Kommissionsgeschäft 
eines „rogatus'^ fiir einen oder mehrere „rogantes^^ auf jenes Risiko 
und gegen bestimmte Zuwendungen dieser. 

Das ganze 12. Jahrhundert blieb das Seedarlehen das wich- 
tigste spekulative Geschäft Seine Bestimmungen fanden später 
auch auf den Binnenverkehr Anwendung und wurden vorbildlich 
für den Abschlufs von Binnendarlehen „auf wohlbehaltene An- 
kunft '^ Aus dem Seegeschäft leiteten sich hernach die Ursprung- 



Commenda, Colligantia, Rogadia, Compania. S5S 

liehe Form der Versicherung als einer unter allen Umständen 
gesicherten Anwartschaft auf eine Prämie und des Wechselbriefes 
als eines vom Gläubiger weiter begebbaren Schuldscheines mit 
genau normierter Verfallsfrist ab. Im Seedarlehen riskierte der 
Darleiher alles, in der Versicherung war ihm die Prämie sicher, 
im Seedarlehen war die Pflicht der Darlehensrückstellung eine 
bedingte, im Wechsel eine unbedingte. Es ist eine Entwickelung, 
von der man vorerst in Venedig nichts zu spüren bekommt. 

Für das 12. Jahrhundert in Venedig ebenfalls nicht nach- 
weislich, aber — wie die ausgeprägten Bildungen des 13. Jahr- 
hunderts erkennen lassen — in ihren Anfängen wohl vorhanden 
ist das Institut der aus dem Industriebetriebe hervorgegangenen 
Compania (compagna) — das ist cum-panis, Brotgemeinschaft — . 
Eine Vereinigung gleichgestellter ,,socii'' (compagni) mit gleich- 
artigen Verpflichtungen gegen die Gesellschaft, die ,, Firma '^, mit 
dem Rechte eines jeden, in deren Namen auf Grund erteilter Voll- 
macht aufzutreten und Geschäfte abzuschliefsen, und mit der Pflicht 
eines jeden, ftLr deren Geschäfte solidarisch (in solidum), aber 
nicht absolut, sondern beschränkt nach dem Vermögen zu haften; 
eben durch die Haftpflicht deutlich von Colligantia und Commenda 
geschieden und ihrer ganzen Anlage nach die Vorläuferin der 
„offenen Handelsgesellschaft'^ unserer Zeit. 

Wie Eommandit- und offene Gesellschaft im Seedarlehen und 
der Compania, so war gegen Ende des 12. Jahrhunderts auch die 
Aktiengesellschaft in der Compera genannten Vereinigung von 
Staatsgläubigem vorgebildet. Etwa von der Mitte des Jahrhunderts 
an sind in Italien — in Venedig zuerst ftir das Jahr 1164 — 
umfangreiche Anleihen des Staates bezeugt, der in der Regel seinen 
Gläubigem ftir ihr Darlehen wie fiir eine im voraus erlegte Pacht- 
summe bestimmte, ihm zukömmliche Abgaben ftir eine angegebene 
Anzahl Jahre verpachtete. So wurden in Venedig im Jahre 1164 
ftir ein Darlehen von 1150 Mark Silber ein Teil der Markteinkünfte 
von Rialto und der Fremdenabgaben auf elf Jahre verpachtet. 
Im Jahre 1187 wurden ftir ein anläfslich des Zuges gegen Zara 
aufgenommenes Anlehen von 40000 Pftmd die G^samteinkünfte 
des genannten Marktes und überdies das Erträgnis der 2|pro- 
zentigen Zollabgabe (quadragesima) und des „Quintuma^^ (HaxnAsW 

Kr«t0ekiD«7r, (?Mohiehte Ton Yenedlg. "^ 



S54 Keimtes Kapitel. 

abgäbe oder UbertragUDgsgebühr?) in Pacht gegeben; auf welche 
Zeit; ist nicht erkenntlich. Für ein in demselben Jahre erhobenes 
Anlehen von 16 000 Pfund verpachtete dann der Staat für 12 Jahre 
so viel von den jährlichen Salz- und Münzeinkünflen und von 
den Pflichtigkeiten der Grafschaft Ossero^ als nötig sei, damit der 
Bezug der Gläubiger zu der von ihnen dargeliehenen Summe in 
demselben Verhältnisse stehe, wie bei dem gleichzeitigen erhobenen 
Darlehen von 40000 Pfund. Auch Zwangsanleihen nach diesem 
Systeme mag es bereits gegeben haben. Immer wieder ist es in 
diesen Zusammenhängen die Kirchenverwaltung von San Marco, 
die als ein mit dem Staate in enger Verbindung stehendes Geld- 
haus sehr bedeutsam hervortritt 

Dafs neben dieser gewissermafsen in Annuitäten stattfindenden 
Schuldentilgung durch Verpachtung von Anfang an auch die mo- 
derne, für Schuldner imd Gläubiger vorteilhaftere Form der vei'- 
zinslichen rückzahlbaren Staatsschuld bestanden hätte, scheint aus- 
geschlossen. Doch hat sich die Wandlung immerhin rasch vollzogen. 
Die Meldung Dandolos von einer Einstellung der Barrückzahlungen 
durch den Staat unter Sebastiane Ziani ist freilich gewifs für eine 
etwas spätere Zeit anzusetzen; noch weniger kann die Nachricht von 
der Einhebung einer verzinslichen Zwangsanleihe und der in Ver- 
bindung damit erfolgten Einrichtung einer staatlichen Anleihebehörde 
(camera imprestiti) im Jahre 117J Glauben oder auch nur Wahr- 
scheinlichkeit beanspruchen. Urkundlich läfst sich das Vorhanden- 
sein einer verzinslichen Staatsschuld und eines Anleiheamtes vor dem 
Jahre 1207 nicht feststellen, ohne dafs damit die Möglichkeit dieser 
Tatsache schon für die Schlufsjahre des 12. Jahrhunderts bestritten 
werden soll Im Mai 1207 erscheinen die Staatsgläubiger, welche 
zu 2 bis 4 Prozent Darlehen gegeben haben, für ihre Zinsen auf 
Einkünfte wieder des Marktes von Rialto gewiesen, und in ein 
bei den Prokuratoren von San Marco und den Vicedomini, den 
Markteinnehmern, erliegendes Staatsschuldbuch (catasticium de com- 
muni) eingetragen. Zugleich mag die Auflegung von niedriger 
als sonst verzinslichen Zwangsanleihen in regelrechte Übung ge- 
kommen sein. Gegen die Mitte des 13. Jahrhunderts enthält ein 
venezianischer Bürgereid die Verpflichtung, sich der Erhebung 
einprozentiger Zwangsanleihen ohne Weigern zu fügen. Auffällig 



Staatsanleihen und Compera. S66 

und nicht gut erklärlich ist dabei der für jene Zeit aufserordentlich 
niedrige Zinsfufs. Es lag dabei nahe, flir die Bezeichnung der 
nach Namen und Höhe eingetragenen Darlehensanteile der einzelnen 
Gläubiger nach dem Beispiele der Einteilung der Schiffe in ^ysortes'^ 
eine normale Einheit zu schaffen und die Gröfse jedes Guthabens 
in solchen Einheiten (loca, luoghi) zum Ausdruck zu bringen. 
Indem sich dann die Staatsgläubiger, die Besitzer dieser ,, luoghi'^, 
als eine Interessengemeinschaft zu einer Compera (societas com- 
perarum) zusammenschlössen — der Name besagt im Sinne des 
ursprünglichen AnleihesystemeS; dafs die Gläubiger durch Gewährung 
von Darlehen bestimmte Staatsabgaben gewissermafsen erkauft 
haben — und indem diese Form von Zusammenschlufs dann auch 
für private Geschäftsuntemehmungen üblich wurde, war der Weg 
zur Ausbildung der Aktiengesellschaft vorgezeichnet. 

Vermutlich aus den arabischen Kaufhäusern {navdoxeiovj ftmdak, 
fondaco), wo ein Verkehr zwischen Einheimischen und Fremden 
immer nur durch Mittelspersonen erfolgte, war vielleicht noch im 
11. Jahrhundert die Institution von ausschliefslich berechtigten 
Geschäftsvermittlern, Maklern, Sensalen in die italienischen Städte 
gekommen, wie denn auch die Kaufhäuser selbst in Namen und 
Einrichtung von den Italienern nachgebildet wurden. Häufig genug 
werden diese Sensale auch das immer notwendigere Geldwechsel- 
geschäft besorgt haben. Eine weitere Entwickelung bedeutete es, 
wenn in Genua und vor allem in Florenz etwa seit der Mitte 
des 12. Jahrhunderts Leute tätig waren, die sich nicht mehr 
darauf beschränkten, als Makler Zahlungen zu vermitteln, an den 
Strafsenplätzen Wechselbänke zu halten und Uberweisungsgeschäffce 
durch Ausstellung von Wechselbriefen zu übernehmen, sondern 
auch zu Spekulationszwecken Einlagen annahmen und Darlehen 
gaben, und denen der spekulative Gelderwerb Selbstzweck wurde. 
Die bankmäfsigen Organisationen des folgenden — 13. — Jahr- 
hunderts begannen sich vorzubereiten. Es ist eine Entwicke- 
lung, wie man sie vorerst wohl in Ligurien, nicht aber in 
Venedig nachweisen kann, ohne dafs doch anzunehmen sein dürfte, 
es seien hier bankmäfsige Ordnungen nicht früher als bevor sie 
ausdrücklich bezeugt sind — im 14. Jahrhundert — in Geltung 
gewesen. 



S56 Neuntes Kapitel. 

Dem mächtigen Aufleben der Geldkultur und der selbstbe- 
wuTsten Politik des Comune entsprach es endlich auch, dals man 
in den sechziger Jahren, die so viele Ansätze zu einer strammeren 
Verwaltung in Venedig und in den Kolonien zeitigen, daran ging, 
sich zunächst in bescheidenen Anfängen von der bisher gebrauchten 
fremden Münze zu emanzipieren. Bis tief in das 12. Jahrhundert 
wurden in Venedig neben griechischen durchaus Münzen der Kaiser 
des Westreichs gebraucht, für deren Prägung der Stadt mindestens 
im Jahre 924/7 die Bewilligung erteilt worden war. Die Münz- 
prägung erfolgte zuerst privat, hernach, etwa von der Mitte des 
10. Jahrhimderts ab, staatlich. Im Jahre 1112 wird diese Staats- 
prägeanstalt als von alters her (antiquitus) bis vor kurzem im Con- 
finium von S. Bartolomeo gelegen bezeichnet Als Münzgewicht ist 
im 12. Jahrhundert für Venedig die Köhier Mark (annähernd 234 
Gramm Feinsilber = etwa 95 Kronen Gold unserer Rechnung) be- 
zeugt, daneben aber die Rechnung nach Veroneser und Venezianer 
Pfunden (libra Veneticorum, libra monete Venecie) und nach 
griechischen Goldschillingen, Perperen {hTtiqnvQOv ^ Byzantinus, 
mancosus) allgemein in Übung. Der Geldwert der beiden angeb- 
lich gleichwertigen Pfunde und der Perpere schwankt beträchtlich; 
nach neueren Forschimgen würden für das 12. Jahrhimdert die 
Pfunde mit etwa 20 Gramm Feinsilber (ungefähr 8 Kronen), die 
Perpere — ursprünglich ^fi^ des römisch - byzantinischen Gold- 
pfundes — auf ungefähr das Doppelte auszusetzen sein. Um das 
Jahr 1000 war das Venezianer Pftmd zwei Perperen gleichwertig 
angesehen worden. In den ältesten Elaiserpakten erscheint es gar 
noch sechs Mancosen gleichgestellt. Man nimmt wahr, wie über- 
aus rasch der Entwertungsprozefs des Pfundes sich vollzogen hat 
Doch waren sowohl die Perperen als auch die Pfunde und ihre 
Unterteilungen, die Schillinge (solidi = V20 Pfund), seit Jahr- 
hunderten nur Rechnungsmünzen. Nur die kleinste Teilmünze 
des Pfundes, der Pfennig (denarius = Vs^o Pfund, Vis Schilling), 
wurde wirklich ausgeprägt und durch Halbierung imd Viertelung 
desselben noch kleinere Münzeinheiten gewonnen. Eben diese 
Pfennige nun, die bisher in Venedig immer den Namen des römisch- 
deutschen Kaisers getragen, wurden als ganze (parvulus), halbe 
(blancus) und viertel Pfennige (quartarolus) zuerst von Vitale 



Münz Wesen. S57 

Micbiele II. und Nachfolgern mit dem Dogennamen ausgeprägt, 
bis Enrico Dandolo vielleicht in teilweiser Nachahmung der etwa 
gleichzeitig in Verona erfolgenden Prägung von Schillingen (solidi 
Veronenses) Silbermünzen (grossi, Groschen) im Werte von 26 
Pfennigen auszuprägen begann und damit einen nicht unbedeut- 
samen Fortschritt in der Münzgeschichte vollziehen half. 



Im 12. Jahrhundert tritt wie in anderen Städten Italiens auch 
in Venedig der Charakter der Handelsstadt allbeherrschend 
hervor 9 durchdringt das Rechtsleben, beherrscht die innere und 
äufsere Politik, drängt zu einer kapitalistischen Entwickelung, der 
schon in dieser frühen Zeit auch schlimme Züge nicht fehlen: 
Lebensmittelspekulation, Spuren einer sozialen Zersetzung in der 
herrschenden Schicht, dem Adel selbst. Die Naturalwirtschaft ist 
vollends in die entlegeneren Orte des Seelands zurückgedrängt, 
Rialto- Venedig zu einem Zentrum der Geldkultur und über die 
längstüberwundene Konkurrenz von Torcello hinweg zum einzigen 
Mittelpunkte des Seelandhandels geworden. 

Von einer Handelsbörse — das Wort „Börse" begegnet 
zuerst im 13. Jahrhundert in Brügge — ist noch nirgends die 
Rede. Die Geschäfte wurden auf Eaufplätzen abgeschlossen, in 
Venedig im eigentlichen Gebiete von Rialto. Der im Jahre 1097 
zuerst ausdrücklich erwähnte Mercatus de Rivoalto hatte Mitte des 
12. Jahrhunderts schon einen grofsen Umfang, zählte zahlreiche 
Kaufläden (staciones, mansiones) und brachte dem Staate erkleckliche 
Markteinkünfte ein. Mehrfach hatten Staatsgläubiger diese ganz 
oder zum Teile in Pacht oder waren für die ihnen zukömmlichen 
Zinsen auf sie verwiesen ; so 1164, 1187,1207. Hier „am Rialto" 
wurden ohne Zweifel schon damals wie in gröfserem Stile in 
späteren Jahrhunderten zur Zeit der Ankunft der aus fremden 
Ländern termingerecht heimkehrenden Handelsflotten die grofsen 
Jahrmärkte abgehalten, gegen die alle anderen städtischen Märkte 
vollends in den Hintergrund traten und meist zu Wochenmärkten 
für Lebensmittel herabgedrückt wurden : so der alte Samstagmarkt 



S58 Neantea EapiteL 

auf OlivoloCastello, der Markt von S. Polo, von S. Giovanni in 
Bragora. Als Ankunftszeiten fUr die erwähnten fahrplanmäÜsigen 
Handelsfahrten (muduae) sind Ostern, September und Weihnachten 
überliefert, als deren Bestimmungsorte wiederholt Eonstantinopel 
(auch schlechtweg Romania, Griechenland) und Alexandrien be- 
zeugt. Ob unter „mudua'' eine an Termine gebundene Hin- und 
Rückreise gemeint ist oder aber, wie wahrscheinlich, nur die Re- 
tourfahrt — denn nur auf eine möglichst fest normierte An- 
kunftszeit in Venedig kam es an — , ist nicht mit Sicherheit zu 
sagen. Im Gegensatze zu „mudua'^ bedeutet „tazegium^^ eine 
an keinen Termin gebundene Handelsreise zu Wasser oder auch 
zu Lande. 

Schon der äufserliche Umstand, dafs vor allem Eonstantinopel 
und Alexandrien als Ziel oder Ausgangspunkt der „muduae'' ange- 
geben werden, läfst erkennen, wohin im Jahrhundert der Chryso- 
bullen und der Ereuzzüge der Handel Venedigs mehr als jemab 
früher gravitierte : nach dem Osten. Im Westen kamen die atlan- 
tischen Eüstenländer Europas für die Stadt noch wenig oder nicht 
in Betracht; in Spanien-Portugal, Holland und England beherrschten 
Genua und Pisa vollkommen den Markt. Vor dem Jahre 1205 
ist hier, soviel man sieht, neben vielen Eaufleuten dieser Städte 
kein einziger aus Venedig aufgeführt. Hingegen ist ein regel- 
mälsiger Schiffsverkehr französischer Eauf leute — doch ohne Zweifel 
vor allem von Marseille — nach Venedig urkundlich bezeugt. Qe- 
wifs hat sonst aber auch in Frankreich der genuesische und pisa- 
nische Handel weitaus überwogen. Für Venedig war im Westen 
noch immer das Imperium, Italien und Deutschland das gröikte und 
wichtigste Aufnahmegebiet fär die Produkte des Ostens. Die in den 
Eaiserpakten niedergelegten Handelsfreiheiten der Venezianer blieben 
nicht blofs in Eraft, sondern wurden im Privilegium Friedrichs I. 
vom August 1177 durch die ausdrückliche Ausdehnung ihres Gtel- 
tungskreises vom Regnum Italiae auf das ganze Staufische Reich 
und die Gewährung vollkommen abgabenfreien Zutritts noch er- 
weitert. Freilich machte sich auch hier überall der Einfluls der 
ghibellinischen Rivalenstädte mächtig geltend, und immer aufii 
neue wiederholen sich die blutigen Auseinandersetzungen zwischen 
Venedig, Pisa und Gbnua, in deren Wechselspiele sich zum ersten 



YeDezianiscbe Interessensphäre. 859 

Male Venedig und Florenz nähergetreten sind und sich zu einem 
— im August 1201 wieder aufgehobenen — Vertrage gegen Pisa 
vereinigt haben. Die genuesische Konkurrenz im westlichen Ober- 
italien und auf den von Pavia und Mailand ausstrahlenden Strafsen 
nach West und Nord, mittelbar auch auf der Po-Strafse^ bedingte 
eine erhöhte Bedeutung der Wasserstrafse der Etsch und des Handels- 
weges über den Brenner für den venezianischen Binnenhandel. 
Verona gewann eine hervorragende Wichtigkeit als Umschlagplatz 
und trat in enge Handelsbeziehungen zu Venedig : zunächst schon 
in dem Handeis- und Militärvertrag vom Mai 1107, dann wieder 
in einem Handels- und Rechtsvertrage vom September 1192 und 
Oktober 1193, in welchem nach vorausgegangenem Konflikte augen- 
scheinlich der Wille Venedigs als der stärkere zur Geltung kommt. 
Ausdrücklich wird hier die Sicherung der Etsch von Verona bis 
nach Cavarzere ausbedungen, alle Praktiken gegen venezianische 
Waren in Verona werden untersagt, bei sonst gegenseitig zugestandener 
Handelsfreiheit doch für den Salzverkehr, das alte Monopol Venedigs, 
eine Ausnahmebehandlung vorbehalten. Verona ist jetzt die wich- 
tigste Wechselstation für den Handel Venedigs nach Deutschland 
geworden, der wohl überhaupt im 12. Jahrhundert, namentlich 
aber seit dem Venezianer Frieden von 1177 einen lebhaften Auf- 
schwung genommen hatte und etwa um die Wende des Jahr- 
hunderts sich zu regelrechten Bereisungen verdichtete. Für das 
Jahr 1228 ist bereits der Bestand des Kaufhauses der Deutschen 
in Venedig bezeugt und die venezianischen Händler werden mit 
dem Besuche der süddeutschen Märkte nicht lässiger gewesen sein 
als die deutschen mit ihren Fahrten nach dem Süden. In der- 
selben Zeit erscheint deutlich das italienische Festlandsgebiet um- 
grenzt, in welchem Venedig nach Tunlichkeit wenigstens das 
Lebensmittelmonopol ausüben möchte: im Uberfahrtsvertrage vom 
April 1201 wird den Kreuzfahrern untersagt, von Cremona oder 
von Bologna, Imola und Faenza herwärts gegen Venedig, also 
ungef&hr im Gebiete der späteren Terra forma der Republik, 
Lebensmittel anders als mit venezianischer Zustimmung einzukaufen. 
Dieses Gebiet beginnt Venedig mit einem Netze von Handelsver- 
trägen zu überziehen: mit Cremona (1173), Mantua (1204) und 
Verona, mit Treviso (1198) und Aquileja (1200), mit Ravenna, 



860 Neuntes Kapitel. 

Cervia (1203) und Rimini (1170). Die Konkurrenz der alten Po- 
handelflstadt Ferrara ist durch Venedig nicht gebrochen, aber immer 
wieder bestritten; als Zeugnis dafür, dafs man sich bei stets wieder- 
holten Zwistigkeiten vorerst doch noch vertragen mufste, liegen 
mehrere in rascher Aufeinanderfolge geschlossene Vereinbarungen 
beider Städte aus der Zeit Enrico Dandolos vor (1191, 1200, 
1204). 

Wie hier eine venezianische Interessensphäre zu Lande zu 
gründen versucht wurde, war eine solche zur See längst abgesteckt 
worden. Wir kennen sie bereits: das gelegentlich als Golf von 
Venedig bezeichnete adriatische Gebiet nordwärts von Ancona 
und Zara, später Ragusa. Für dieses läfst sich Venedig die Heeres- 
folge der istrischen und dalmatinischen Untertanstädte zusichern, 
bedingt sich wohl, wenn auch nicht konsequent, das Monopol 
wenigstens für Getreide- und Gemüsehandel aus; seiner trotz aller 
Zwischenfälle immer wieder aufrechterhaltenen Politik der adria- 
tischen Vorherrschaft dient die strammere Organisation des dal- 
matinischen Besitzes. Die Anerkennung der adriatischen Inter- 
essensphäre in den Jahren 1154 und 1175 durch das Normannen- 
reich wog um so schwerer, weil der Vertrag von 1175 dem vene- 
zianischen Handel das ihm immerfort durch Genuesen und Pisaner 
bestrittene süditalische, namentlich apulische Gebiet nicht blols auf 
zwanzig Jahre hinaus offen hielt, sondern auch die bestehenden 
Zollsätze um die Hälfte ermäfsigte. Das wein- und getreidereiche 
Apulien gewann für Venedig eine um so gröfsere Wichtigkeit, als 
der Seestaat je länger je mehr sich auf Verproviantierung durch Zu- 
fuhr von aufsen — schon im Jahre 1100 sogar von Cypern her — 
angewiesen sah. Der im 13. Jahrhundert literarisch verfochtene 
und politisch aufrechterhaltene Rechtsanspruch Venedigs auf Allein- 
herrschaft in seinem Golfe (culphus noster) war der natürliche 
Abschlufs dieser tatsächlichen Entwicklung. Inmitten der von 
den Rivalenstädten bedrohten Handelsstellung im weiteren Westen 
und auch im Osten sollte hier inselgleich ein Gebiet alleiniger 
venezianischer Handelsherrlichkeit entstehen und erblühen. Denn 
in einseitigster Begünstigung heimischen Handels und heimischer 
Industrie gefiel sich und gipfelte die Wirtschafts- und Handels- 
politik der italienischen Seestädte. 



Die lateiniscben Quartiere in EoDstaDtinopel. S61 

Der Bchwerempfundenen Gegnerschaft von Genua und Pisa 
sah sich Venedig auch in seinen neuen Erwerbungen im Oriente, 
in den späteren Zeiten des 1 2. Jahrhunderts sogar auch im eigentlich 
gelobten Lande seines Handels, im byzantinischen Beiche gegen- 
über. Freilich als Kaiser Alexios I. das erste grofse Chrysobullon 
gab (Mai 1082), konnte von einer ernstlichen Konkurrenz irgend- 
einer Handelsstadt mit Venedig nicht die Rede sein. Während 
hier den Venezianern und im folgenden ChrysobuUon des Kaisers 
Johannes überdies auch jedem Griechen, der mit ihnen Geschäfte 
machte, ftlr das griechische Gesamtreich (omnes partes Romanie) 
vollständig zoll- und abgabenfreier Handel bewilligt wurde, konnten 
die Pisaner erst ein Menschenalter später (Uli) die Minderung 
des Zolles auf 4 Prozent erreichen, bezahlten die Genuesen noch 
im Jahre 1155 10 Prozent, waren die Leute von Amalfi nach einer 
Bestimmung des Chrysobullons selbst gehalten, von ihren griechischen 
Kaufläden Abgaben an San Marco zu leisten. Die Spezialisierung 
der dem venezianischen Handel eröffneten Gebiete nach einzelnen 
Orten, Bezirken und Inseln hat angesichts der ausdrücklichen Ver- 
sicherung, das Chrysobullon gelte für alle Teile des Griechen- 
reiches, keine unmittelbare Bedeutung, und es kann auch nicht 
für eine Erweiterung des Geltungsgebietes des genannten Handels 
erachtet werden, wenn spätere ChrysobuUen diese Liste verlängern. 
Die Goldene Bulle des Kaisers Alexios I. ist filr die folgenden der 
Kaiser Johannes (August 1126), Manuel (Oktober 1147), Isaak 
Angelos (Februar 1187) und Alexios IH. (September 1198) 
vorbildlich geblieben. Sie verfügten aufser jener Grundbestimmung 
im einzelnen : Doge und Patriarch fuhren den Titel Protosebastos 
samt den damit verbundenen Ehren und Einkünften, der Kaiser 
gibt jährlich 20 Pfimd Goldes zur Aufteilung unter die vene- 
zianischen Kirchen. Der Dogat von Venedig erhält aufser anderen 
geringeren Zuerkennungen ein am Goldenen Hom gelegenes 
Handelsviertel (embolus) in Konstantinopel zugewiesen, als dessen 
drei Hauptgrenzpunkte das Tor von „Perama" (am Brücken- 
köpf der nach Pera und Galata führenden Übersetzung, der 
heutigen neuen Sultan - Valide - Brücke) , die „Ebrai'ca" (die 
am Goldenen Hom oberhalb des genannten Tores gelegene alte 
Landungsstätte der Juden, heute nicht mehr mit Sicherheit anzu- 



S62 Neantes Kapitel. 

geben) und endlich die (mehr Btadteinwärts, vermutlich gegen die 
SuleimanmoBchee zu gelegene) ,, Vigla'' (Wache) angegeben werden. 
An dieses venezianische Quartier schlofs sich — immer gegen die 
Mündung des Goldenen Homs gerechnet — zunächst das Handels- 
viertel der Leute von Amalii, an dieses hernach das der Pisaner 
(an der Stelle der heutigen Douane) und an dieses endlich von 
1170 ab das der Genuesen (im Gebiete des heutigen Hauptbahn- 
hofes). Gerade die günstigstgelegenen Stadtteile, dort wo auch heute 
die Hauptverkehrsgebäude stehen, die eine der zwei grolsen Brücken 
nach Galata hinüberführt und die Standplätze der Dampfboote sind, 
machten das Lateinerviertel in Eonstantinopel aus. Dort hatten 
die Eaufleute ihre unter Arkaden untergebrachten Kaufläden 
(ergasteria, solaria) imd Basare — ,,embolus'^ bezeichnet zunächst 
eine derartige Arkadengasse — , ihre Landungsstätten (scalae); 
Wohnhäuser (mansiones) und Kirchen. Das venezianische Handels- 
quartier wurde im März 1148 durch Kaiser Manuel noch beträchtlich 
erweitert und in dieser Ausdehnung von dessen Nachfolgern be- 
stätigt. Über die rechtliche Stellung der Venezianer in Konstanti- 
nopel und im Reiche enthält erst das Privileg Alexios' UI. eine 
klare Bestimmung; es verweist Zivilklagen eines Venezianers g^;en 
einen Griechen und straffällige Vergehen der Venezianer vor das 
griechische, Zivilklagen eines Gbiechen gegen einen Venezianer vor 
das delegierte venezianische Gericht in Konstantinopel und ordnet an, 
dafs die griechischen Gerichte nach der von Kaiser Manuel gegebenen 
neuen Konstitution über das Gerichtsverfahren zwischen Einheimischen 
und Fremden vorangehen hätten. 

Diesen grofsen Privilegien stehen durchaus die von alten Zeiten 
überkommenen und gleichfalls urkundlich niedergel^ten Gt^en- 
verpflichtungen Venedigs zu militärischer Hilfeleistung an das Reich 
gegenüber, die gelegentlich auch ganz speziell ge£afst worden, so 
unter Kaiser Isaak gegen die Normannen, unter Alexios UI. gegen 
den deutschen König. 

Die Überlieferung aller dieser wichtigen Urkunden liegt sehr 
im argen. Zwar die Privilegien (xfvaoßoijila) sind vollständig, 
aber nicht im Urtexte, sondern nur in einer allerdings offiziellen 
lateinischen Übersetzung erhalten; es fehlen jedoch die ohne Zweifel 
von Anfang an gesondert gegebenen Quartiereinweisungsnrkunden 



Chrysobullen und Symphonien. SC 8 

(7tQa/,TiyLd) der Kaiser Alexios I.^ Johannes und Alexios III. und 
von den venezianischen Gegenurkunden (avfiq)(aviai) , auf welche 
in den Chrysobullen immer deutlich verwiesen wird, ist nur eine 
einzige; die von 1187^ erhalten. Die Papiere der venezianischen 
Gesandten, die zum Abschluls der Vertragsemeuerung an den 
griechischen Hof entsendet wurden, sind bis auf die Instruktion 
Enrico Dandolos für Enrico Navagaioso und Andrea Donato vom 
Jahre 1197 sämtlich verloren, sowohl die offiziellen Ereditive mit 
den darin enthaltenen Forderungen als die Instruktionen samt den 
darin bewilligten Zugeständnissen. Aber bei aller Unvollständig- 
keit der Überlieferung wird doch klar, dafs die alte Vorzugsstellung 
Venedigs im Griechenreiche durch die Chrysobullen in eine erst 
im späteren 12. Jahrhundert ernstlicher angefochtene Monopol- 
stellung umgewandelt worden ist. Als besondere Geltungsposten 
venezianischen Einflusses erscheinen aufser der Hauptstadt selbst 
Abydos an den Dardanellen und Rodosto am Marmarameer, Adria- 
nopel und Halmyros. In die Beherrschung des Marktes von Thessa- 
lonike, der mit der Hauptstadt wetteifernden luxusreichen Handels- 
zentrale, mulsten sich die Venezianer mit anderen Lateinern teilen. 
Man findet sie in Kleinasien, auf den ägäischen Inseln, im eigent- 
lichen Hellas. Zur Zeit der Angeli erscheinen ihre Handelsver- 
treter bereits am Schwarzen Meere und in der Krim und drängen 
die griechischen Eaufleute aus dem letzten bisher behaupteten 
Felde, der Verproviantierung Eonstantinopels mit den Getreide- 
schätzen Rufslands. Ein grofser Teil des staatlichen, kirchlichen 
und privaten Vermögens von Venedig war in und auf griechischen 
Gründen angelegt. Schon zu Beginn des 12. Jahrhunderts zog 
der Patriarchat von Grado ansehnliche Renten aus Besitzungen in 
Eonstantinopel. Der seit der Mitte des Jahrhunderts durch eigene 
Prokuratoren verwaltete Fonds von San Marco, namentlich aber das 
Kloster S. Giorgio Maggiore, in der Hauptstadt, auf Lemnos, in Ro- 
dosto und Halmyros einflufsreich und begütert, sind Grofsbesitzer auf 
griechischem Boden und an griechischen Einkünften. Im Jahre 1157 
erhielt der Patriarch von Grado die später von Alexander HI. be- 
stätigte päpstliche Erlaubnis, in den griechischen Städten mit starken 
venezianischen Kolonien Bischöfe einzusetzen. Der innere Verkehr 
Griechenlands, die Grundlage des öfFentlichen Wohlstands, war 



S64 Neuntes Kapitel. 

vollends an Fremde ausgeliefert. Und nichts natürlicher als dafs 
diese sich der einheimischen Bevölkerung gegenüber rücksichtslos 
und hochmütig erzeigten. Umsonst versuchte Kaiser Manuel, der 
unermüdliche Kämpfer gegen das venezianische Übergewicht, die 
lateinischen Kaufleute als ßovqyiaioi (burgenses) in eine Art 
Vasallenverhältnis mit Zins- und Kriegspflichten gegen die griechische 
Krone herabzudrücken. Die vollständige kommerzielle Erschlaffung 
des Griechentums, die unbeschränkte Handelsherrschaft der Lateiner 
und vor allem Venedigs war nicht mehr aufzuhalten. Vergebens 
die immer wiederholten Versuche des Reiches, sich von dieser Ab- 
hängigkeit freizumachen, mochten diese allerdings auch die vene- 
zianische Politik das ganze 12. Jahrhundert hindurch fast ununter- 
brochen in Atem halten. 

Solche Widerstände der Reichsgewalt waren nun in den 
orientalischen Geltungsbezirken von Venedig nicht zu überwinden, 
wohl aber anstatt ihrer die sehr fühlbare Konkurrenz der Rivalen- 
städte Genua und Pisa. Überall — auf afrikanischem und asi- 
atischem Boden — war deren mächtiger Einflufs zu spüren, be- 
sonders in den zu ihrer eigentlichen Interessensphäre gehörigen 
Ländern Tunis und Tripolis, wohin im 12. Jahrhundert die 
Wege des venezianischen Verkehres fast gar nicht mehr geführt zu 
haben scheinen; doch auch in Ägypten, ohne hier allerdings den 
venezianischen Handel aus seiner beherrschenden Stellung drängen 
zu können. Spätestens im 12. Jahrhundert ist in Venedig der 
regelmäfsige Jahresverkehr der „muduae^' nach Alexandrien ein- 
gerichtet Hier ist der „öffentliche Markt ^^ für beide Welten 
(forum publicum utrique orbi), der grofse Trefiplatz der über Aden 
und von Mekka durch das Rote Meer nilabwärts herangeführten 
indischen und arabischen Waren und der von den italienischen 
Kauf leuten zugebrachten Naturprodukte der Westländer, besonders 
Holz und Eisen. Das religiöse Empfinden des Zeitalters, die kirch- 
liche Stellungnahme gegen den Sarazenenhandel vermochte diese 
italienisch- ägyptischen Handelsbeziehungen wohl zu stören, nicht 
aber zu unterbinden. Namentlich während der Regierung Saladins 
bestand ein ausgezeichnetes Einvernehmen mit Venedig, Pisa und 
Genua. Im Winter 1187/88 sind gelegentlich 38 Kau£bhrer 
aus den drei Städten im Hafen von Alexandrien gelegen. Die 



Handel nach Ägypten und der Levante. 865 

Gewinnsucht y welche die Eaufleute dieser Städte immer wieder 
antrieb; Waffen und anderes Kriegsmaterial zum Vorteil des Islam 
und Schaden der Christenheit nach Ägypten zu bringen und hin- 
wiederum, wenn irgend angängig , die wenig einbringliche Rück- 
verschiffung armer christlicher Pilger abzuweisen, diente den Musel- 
manen zu geringschätzigem Spotte. Man hört auch, dafs der 
Q-ouvemeur von Alexandrien von jedem ankommenden Handels- 
schiffe die Segelstangen und Steuerruder in Verwahrung zu nehmen 
pflegte, um deren — wohl öfter versuchte? — Abfahrt vor Er- 
füllung der Zahlungsverbindlichkeiten zu verhindern. Unter den 
in Alexandrien handeltreibenden 28 Nationen und Städten aber 
nennt der vielgereiste Jude Benjamin von Tudela um die Wende 
zum 13. Jahrhundert Venedig an erster Stelle, und die venezia- 
nische Politik läfst deutlich genug erkennen, was die ägyptischen 
Beziehungen der Stadt wert waren. 

Das grofse handelsgeschichtliche Ereignis der Kreuzzugszeit 
ist die Erschliefsung der Levante für den europäischen Handel. 
Dessen eigentliche Träger, die italienischen Seestädte, dazu das 
kräftig heranwachsende Marseille, setzten sich im Gebiete der Ereuz- 
fahrerstaaten , vornehmlich im Königreiche Jerusalem fest. Auch 
hier hatte ja wie in Ägypten ein grofser Tauschmarkt zwischen 
Morgen- und Abendland statt, dessen Hauptorte Akkon und Tyrus 
sind. Aus Warenlisten des 12. Jahrhunderts erhellt, dafs in Akkon 
der ostasiatische Rhabarber, der tibetanische Moschus, der indische 
Pfeffer, Zimt, Muskat, Aloe, Kampfer, Elfenbein, arabische und 
libysche Datteln und arabischer Weihrauch, endlich mancherlei 
afrikanische Produkte verhandelt wurden; dazu Südfrüchte, Öle, 
Baumwolle und Zucker, Seide, Glas und Farbstoffe, die Natur- und 
Kunstprodukte der Kreuzfahrerländer selbst und hingegen wieder 
die schon mehrfach aufgezählten Hervorbringungen und Erzeugnisse 
des Abendlandes. Hielt in Akkon der Einflufs der Konkurrenz- 
städte sich die Wage, so herrschte in Tyrus Venedig weitaus vor. 
Tyrus war die reichste und wichtigste venezianische Kolonie in 
Syrien; hier hatte diese ihr volles Stadtdrittel inne, ausgedehnte 
Fabriken, mehrere grofse Kirchen, vor allem die noch in ihren 
Trümmern imposante Markuskirche, die der gleichbenannten Mutter- 
kirche in Venedig, die Kirchen S. Niccolö und S. Jacopo, die den 



S66 Neuntes Kapitel. 

Bistiimem Jesolo und Torcello unterstellt waren. Aller übrige 
Besitz und Rechte , zum Teile sehr ansehnlich; wie in Antiochien, 
tritt davor zurück : in Haifa und Sidon^ in Tripolis, in Jerusalem 
selbst ; in Antiochien und Jerusalem hatte Genua, in Tripolis Pisa 
augenscheinlich den Vorrang. Dafs venezianische Kaufleute über 
die Ereuzfahrerstaaten hinaus unmittelbar in das grofse vorder- 
asiatische Gebiet des Islams eingedrungen sind, ist wenigstens ftir 
die Spätzeit des 12. Jahrhunderts wahrscheinlich. Unter dem 
Dogen Sebastiane Ziani ist ein fester Vertrag mit dem Kalifen 
Almustadhi von Bagdad geschlossen worden. Bagdad, an der 
Kreuzung der Wege von Persien, Zentralasien und China am Tigris 
gelegen imd durch einen Kanal auch der Wasserstrafse des nahen 
Euphrat unmittelbar teilhaftig, war noch immer der Sammelplatz 
für alle asiatischen Waren. Diese gingen von hier auf dem Haupt- 
wege nach Haleb; dem späteren Haupthandelsquartier Venedigs für 
Vorderasien, wurden dann entweder über Antiochien oder über das 
industriereiche Damaskus nach dem Westen gebracht und trafen 
in Damaskus mit den über Arabien herangeführten indischen 
und ägyptischen Waren zusammen. Indem die Venezianer etwa 
gleichzeitig sich in Tana, dem heutigen Asow, festsetzten; wurde 
ihre Aufmerksamkeit auch auf die von Indien her durch die 
Bucharei ziehende alte Landhandelsstrafse gelenkt, die im 13. Jahr- 
hundert von ihren Kaufleuten so gut wie der Seeweg über das 
Persische Meer nach Mesopotamien oder über das Rote Meer nach 
Ägypten und Syrien begangen wird. Das küstenländische Klein- 
asien war griechisch, und venezianische Handelsreisen nach den 
altjonischen Städten seiner ägäischen Ufer sind zahlreich bezeugt. 
Aber auch im Inneren Kleinasiens liefs sich im Zeitalter Enrico 
Dandolos der Sultan von Ikonium, Ghajaseddin Keichosrew I.; 
bestimmen; von den Venezianern nicht mehr als 2 Prozent Handels- 
abgaben zu fordern. König Leo II. von Armenien erschlols ihnen 
in einem Vertrage mit Enrico Dandolo vom Dezember 1201 sein, 
das östlichste Kleinasien mit der kilikischen Meeresküste um- 
fassendes Reich nahezu abgabenfrei und wies ihnen zu Mamistra 
— dem antiken Mopsuestia — eine Kirche, ein Kaufhaus und einen 
Bauplatz zu. 

Die Verleihung weitgehender oder vollständiger Handels- und 



Dio Veueziauerkolonion im heiligen I^nde. S67 

Abgabenfreiheit; im besonderen der Freiheit vom Strandrechte und 
die Zuweisung eines ^^ Quartiers'' mit eigener Gerieh tsbai*keit und ge- 
wissen landesherrlichen Einkünften gegen die Übernahme militärischer 
Verteidigungspflicht kennzeichnen fast durchweg den Inhalt der 
von den Kreuzfahrerfürsten — den Königen von Jerusalem ^ den 
Herren von Tripolis und Antiochien — mit den abendländischen 
Kaufmaunstaaten abgeschlossenen Verträge. Die Handelsquartiere 
erscheinen wie Immunitätsbezirke^ in deren Umfang sich vorzugs- 
weise Angehörige der besitzenden Nation niederliefsen^ und fanden 
vor der Schaffung einer behördlichen Organisation zunächst ihren 
Mittelpunkt in den Kirchen. Besonders war dies in den venezia- 
nischen Quartieren der Fall, deren Kirchen meist San Marco unter- 
stellt wurden und davon den Namen trugen ; so in Konstantinopel^ 
in Tyrus, Akkon, Berytus und anderweit. Der das „Quartier" 
bildende Häuserkomplex (ruga, vicus), eine Strafse oder ein Stadt- 
viertel, gelegentlich mit einem Marktplatz (campus) und freiem 
Baugrund (platea), enthielt das Amtshaus für die Kolonialbehörden 
(palatium, domus)^ das den arabischen Einrichtungen erst hier und 
hernach in den Mutterstädten nachgebildete Waren- und Kaufhaus 
(fundicum, fonticus, fundicium), die vermietbaren Kaufstände der 
Budenhändler (stationes, apothecae), endlich Mühlen, Backöfen^ 
Schlachthäuser, Badeanstalten; in späterer Zeit zwischen den Bäusern 
auch Fruchtfelder und Gärten, um kleine Gehöfte (casalia) gruppiert. 
Im Jahre 1240 sind achtzig venezianische casalia bei Tyrus nach- 
weisbar. Man wollte Getreide, Gemüse, Obst, Zucker, Wein, Oliven 
und Feigen, was immer das Land an Pflanzenfrüchten hervor- 
brachte, selbst ziehen können. Alles dieses gehört gewissermafsen 
zur regelrechten Ausstattung eines Quartieres. Neben den bevor- 
rechteten Nationsangehörigen hatten auch Einheimische in den 
Quartieren ihren Sitz und fanden als Industriearbeiter lohnende 
Beschäftigung; syrische Seiden weber arbeiteten in Tripolis, und 
besonders im venezianischen Quartier in Tyrus wurden Einhei- 
mische — Syrer und Juden — in der Seidenweberei, Stofiärbung 
und Glasbereitung verwendet und gesucht. 

Eine staatlich geordnete Verwaltung der venezianischen Kolo- 
nien im Griechenreiche und im heiligen Laude wurde nicht vor 
der Spätmitte des 12. Jahrhunderts, ungefähr gleichzeitig mit 



368 Neuntes Kapitel. 

den Anfängen behördlicher Organisierung in der Mutterstadt zu 
schaffen unternommen. Hierin sind Genua und Pisa^ damals 
nicht mehr durch den Gegensatz von Stadtobrigkeit und Bürger- 
gemeine gespalten und geschwächt wie Venedig; der Neben- 
buhlerin lange vorangegangen. In den Kolonien Venedigs war 
zunächst noch Jahre hindurch die Kirche und die um sie ge- 
bildete kirchliche Gemeinde der Mittelpunkt der Organisation. 
Earchen und Klöster nahmen Kolonien in Pacht, und nur zum 
geringsten Teil — etwa in Konstantinopel — oder noch gar nicht 
waren Regierungsbeamte tätig. Noch im Jahre 1157 bestand für 
Tyrus keine Gerichtsbehörde, erst etwa von 1170 an wirkten in 
einzeben syrischen und dann auch griechischen Städten — zuerst 
in Akkon (1176, 1183) — „vicecomites" als Vorsitzende des Ge- 
richtes und wohl auch der lokalen Verwaltung, später auch be- 
sondere Organe der Finanzverwaltung. Zu Ende des Jahrhunderts 
erscheint dann ein Ba'ilo (bajulus) mit dem Sitze in Akkon, den 
in Syrien gesetzten Beamten übergeordnet Gleichzeitig ist das Ver- 
fügungsrecht über die Besitzungen und Einkünfte der orientalischen 
und griechischen Kolonien dem Dogen entfremdet und in den 
Bechtskreis des Comune einbezogen worden. Die gewaltige Aus- 
dehnung des griechischen Kolonialbesitzes im Griechenreiche durch 
die Ereignisse von 1204 hat dann alsbald die Bestellung einer 
obersten Behörde, des Podestk (potestas) in Konstantinopel, not- 
wendig gemacht. 

Im Zeitalter Enrico Dandolos ist somit die ganze Küstenwelt 
des östlichen Mittelmeeres bis tief hinein nach Vorderasien in den 
Bereich der Handelsherrschaffc von Venedig gezogen, die es zwar 
fast überall mit gleich starken Rivalen teilen muls, dabei aber 
doch in den weiten Gebieten des ägäischen Meeres und griechischen 
Kelches, gewifs auch in Ägypten eine vorwaltende Stellang ein- 
nimmt. Mit der Erlassung des ersten Chrysobullons (1082) hatte 
eine Zeit kommerzieller Grofs macht sich für Venedig zu eröffiien 
begonnen. Mit der Begründung des Levantereiches (1204) setzte 
die Entwickelung der Stadt zur Handels weit macht ein. 



Venezianische Gewerbe und Industrien. S69 

Über die von Osten nach Westen und umgekehrt verhandelten 
Produkte und deren stets wachsende Vielartigkeit mag mehrfach 
Gesagtes nicht wiederholt imd ebenso eine allgemeine statistische 
Aufzählung der nunmehr auch aus dem weiten Osten^ vornehmlich 
aus Indien einströmenden Handelswaren unterlassen werden, zumal 
keine genügenden Angaben über die Intensität des Handels in dem 
einen oder anderen Artikel bekannt sind. Zwei Gruppen der- 
selben erheischen aber ein besonderes Interesse: die Lebens- 
mittel und die Erzeugnisse der heimischen Industrie. 

Auffallend ist die bedeutende Rolle, die die Gewürze im 
Handel des Mittelalters spielen; das Bedürfnis nach solchen mufs 
aufserordentlich grofs gewesen sein. Man würzte nicht nur Speisen, 
sondern auch Getränke; die Menge seltsamer Gewürze im Deutsch- 
land schon des 10. Jahrhunderts nimmt wunder. Bei solcher 
Geschmacksrichtung kann man verstehen, wie etwa der Pfeffer 
zu einem Haupthandelsartikel der mittleren Jahrhunderte werden 
konnte, und läfst sich auch ermessen, welch ungeheure Bedeutung 
dem Salzhandel Venedigs innewohnte. Die Stadt war bemüht, wie 
dieses heimische Produkt so auch andere Lebensmittel, vor allem 
Getreide zu einem Staatsmonopol zu machen und seinen Eaufleuten 
einen etwa die spätere Terra forma und die nordadriatischen Küsten- 
länder umfassenden Monopolbezirk fiir den Lebensmittelhandel zu 
schaffen. Ein eigenartiges Denkmal fortgeschrittener Wirtschafts- 
politik ist das vom Dogen Sebastiane Ziani im November 1173 
erlassene Lebensmittelgesetz. Es verfügt die Einrichtung einer dem 
Schutze der Konsumenten dienenden Markt- und Lebensmittel- 
polizei, der „iusticiarii'^; diese haben die Einhaltung der zugleich 
nach Maximalsätzen normierten Lebensmittelpreise, die Anwendung 
der vorgeschriebenen Mafse zu überwachen, jede Fälschung \md 
jede spekulative Aufhäufung oder Wiederverkauf vornehmlich von 
Getreide, Geflügel, Obst und Ol hintanzuhalten und zu strafen. 
Eingehende Bestimmungen stellen allen Getreidehandel von und 
nach dem Gebiete des Dukates unter staatliche Aufsicht und Be- 
willigung. Der tägliche Markt soll vor den Preistreibereien der 
Lebensmittelspekulanten gesichert bleiben. 

Unter den heimischen Industrien bleibt die altüberkommene 
Holz- und Metallindustrie in Blüte; Goldarbeiter sind wiodfit n&sA 

Kreta eh majr, Oeiehielifte ron Venedig. ^^ 



S70 Neuntes Kapitel. 

wieder bezeugt Bei der hohen Aasbildang der SchifiPsbaukunst 
und der grolaen Menge hölzerner Hausbauten müssen namentlich 
die Zimmerleute zahlreich gewesen sein^ aber merkwürdigerweise 
mangelt darüber jede nähere Nachricht. Seide liefs man wohl 
fast ausschlielslich noch in den Quartieren der orientalischen Kolo- 
nien fertigen, ebenso dürfte sich auch die Glasbereitung noch auf 
diese allein beschränkt haben. Die Färberei hingegen, besonders 
in Tyrus heimisch, wurde auch schon in Venedig selbst betrieben; 
von Färbern (tinctores) ist mehrfach die Rede. Die Bekleidungs- 
industrie mag sich nun dem noch immer starken hausindustriellen 
Betriebe zu entringen begonnen haben, ohne dals darum entfernt 
an eine kapitalistische Gewerbeorgamsation von der Art zu denken 
wäre, wie sie gleichzeitig in Florenz, der Meisterstadt der Woll- 
weberei, einsetzt Namentlich Pelzwaren wurden eifrig gefertigt 
— man denke an die urkundlich bedungenen Feilieferungen der 
dalmatinischen Städte — und die Kürschner (pelliparii, pilizarii) 
bilden 1213 bereits eine angesehene Zunft 

Im Marktgesetze Sebastiane Zianis erscheint eine ganze Reihe von 
Lebensmittelgewerben genossenschaftlich zusammengefafst: Wein-, 
Getreide-, Fruchthändler ; Bäcker, Fleischhauer, Wirte ; Oel-, Geflügel-^ 
Fischhändler. Von einer zunftmäfsigen Organisation dieser Gewerbe 
kann mit Sicherheit noch nicht die Rede sein. Gewifs ist jedoch, 
dafs im späteren 12. Jahrhundert in verschiedenen Städten Italiens 
gleich anderen Berufen auch die Handwerker zu Zünften (artes» 
scolae) zusammengeschlossen erscheinen, dafs je nach Art der aus- 
geübten Berufe diese „artes^^ in maiores (freie, qualifizierte Berufe: 
Richter, Notare, Kaufleute, feinere Handwerker und Künstler) und 
minores (mehrfach noch halbfreie Berufe : Handwerker schlechtweg) 
auscinandertraten, die Mitglieder der ersteren ohne viel Schwierig- 
keiten Eingang in das Comune fanden, die „ minores '' in gröfserem 
oder geringerem Mafse oder auch ganz davon ausgeschlossen blieben 
und dafs diese Zünfte dann im 13. Jahrhundert sich unter eigenen 
Statuten (matricolae, mariegolae) vollends ausgestalteten. Ebenso 
ohne Zweifel auch in Venedig. Der Prozefs, der zur Bildung der 
Zünfte führte, die Vereinigimg der hofrechtlichen Innung und der 
nachbarlichen Laienbruderschaft ist hier nicht undeutlich erkennbar. 
Die Innungen lösen sich aus dem Bande des Hofrechts los und 



Schlchtang der Bevölkerung. (71 

die 80 entstehenden halb oder ganz freien Handwerksvereinigungen 
schieben sich in die Scolae in der Art hinein, dafs ihre Angehörigen 
sich in dieser oder jener Pfarre geschlossen ansiedeln und die Scola 
dieser Pfarre sich damit von selbst zur Scola des betreffenden 
Handwerks umwandelt; ein Vorgang, der durch die in allen euro- 
päischen Städten des Mittelalters zu beobachtende Zusammensiedelung 
der Handwerker und danach erfolgte Benennung bestimmter Plätze 
imd Strafsen noch anschaulicher gemacht wird. Damit soll nicht 
gesagt sein, dafs sich nicht manche der so entstehenden zünftigen 
Genossenschaften, für welche neben „scola'' und „ministerium'' 
(mestiere) der Ausdruck „ars'' besonders in Übung kam, durchaus 
neu gebildet und andrerseits nicht auch Laienbruderschaften im alten 
Sinne (congregationes) fortbestanden haben. Ein Testament vom 
Dezember 1213 läfst jene Entwickelung ganz deutlich erkennen, 
wenn es die Scola von Santa Maria dei Crociferi erklärend als 
die der Kürschner bezeichnet (schola Sanctae Mariae Cruclferorum 
videUcet de pellipariis). Mit dem Eintritt des neuen Jahrhunderts 
ist der geschilderte Umwandlungsprozefs im vollen Gange und der 
Abschlufs der Zunftorganisation eine Frage der nächsten Zukunft. 
In der Schichtung der Bevölkerung nach Freien, Halbfreien 
und Unfreien tritt durch das Emporstreben der Handwerkerkreise 
in den Stand der Freien naturgemäfs eine bedeutsame Veränderung 
ein. Die Zahl der Freien und Halbfreien erfuhr eine wesentliche 
Vermehrung. Die freien Bewohner der Stadt Rialto sind seit dem 
Aufkommen der neuen Verfassung scharf nach „Bürgern'' (cives), 
den Mitgliedern des Comune, und „Bewohnern" (habitatores) ge- 
schieden, mögen diese nun freie, aber des Bürgerrechts entbehrende 
Untertanen des Dukates oder schlechtweg Fremde (forinseci) sein. 
Civis war, wer von einem bürgerlichen Vater und auch — wenn 
der Vater unbekannt war — wer von einer bürgerlichen Mutter 
abstammte ; aufserdem konnte das Bürgerrecht durch dogale Urkunde 
verliehen werden. Der Bürgereid verpflichtete zur Treue gegen 
den Staat, zur sorgfältigen Beobachtung der Handelsgepflogen- 
heiten der Republik, zur Leistung der Heeresfolge und Tragung 
der staatlichen Lasten, auch der aulserordentlichen Auflagen (ad- 
vetaticum); sonst solle der Schwörende nicht weiter für einen Vene- 
zianer gelten können. Die Bezeichnung „habitator" mag vielleicht 



372 NcuDtes Kapitel. 

an eine gewisse Dauer des Aufenthalts geknüpft gewesen sein; 
wenigstens sind in dem Fremdenausweisungsbefehle Enrico Dandolos 
von 1192 die seit zwei Jahren in der Stadt ansässigen Leute aus- 
genommen. Vielleicht dals nach Ablauf dieser Frist die Fremden 
(forinseci) zu ;, Bewohnern'' wurden. Im übrigen waren gerade 
die Fremden in Venedig von alters her durch strenge Gesetze ge- 
schützt und späterhin einem besonderen Frerodengerichte unterstellt. 

Die freiwerdenden Handwerker werden nun nur zum geringsten 
Teile oder auch gar nicht zu „Bürgern" geworden, sondern vom 
Comune ausgeschlossen geblieben sein. Aber innerhalb der Bürger 
selbst machte sich doch bald genug auch wieder eine Schichtung 
geltend. Der altadeligen eigentUch herrschenden Gruppe, der, wie es 
scheint; allein die Dogenwähler und wohl auch die sonstigen höheren 
Würdenträger entnommen sein sollten, den Nobiles, stand eine 
mehr bürgerliche Gruppe gegenüber, die jünger emporgekommenen 
nicht für adelig angesehenen Geschlechter und überhaupt die An- 
gehörigen jener Kreise, die später die „artes maiores'' fiillten, die 
wohl auch weitere niedrigere Bevölkerungsschichten hinter sich 
wissen mochten, vielleicht die im Jahre 1177 begegnenden Popu- 
läres. Nach deren gründlicher Zurückdrängung im 13. Jahrhundert 
begannen sich im Adel selbst zwei Richtungen geltend zu machen, 
die man gemeinhin als konservativ- oligarchische und liberal-demo- 
kratische auseinanderzuhalten liebt, die sich aber gewils auch als 
wirtschaftlich Starke und wirtschaftlich Schwache, Reiche und minder 
Reiche geschieden und einander, die einen durch ihr überlegenes 
Kapital, die anderen durch ihre überlegene Zahl, den Vorrang ab- 
zugewinnen versucht haben. Mit welchem Endergebnis, ist bekannt; 
die Grofskapitalisten behielten den Sieg. 

Der Kapitalismus beherrscht von der Mitte des 12. Jahr- 
hunderts her die staatlichen und gesellschaftlichen Ordnungen so wie 
in den anderen italienischen Handelsstädten, auch in Venedig und 
vor allem Leben und Auffassung der oberen Schichten. Schon muls 
die Approvisionierung der Hauptstadt gegen Übergriffe der Lebens- 
mittelspekulation geschützt werden. Schon treten auch die üblen 
Erscheinungen der kapitalistischen Entwickelung deutlich hervor: 
einerseits Anhäufung unverhältnismäfsig grolser Vermögen in einer 
Hand — das Haus Ziani besafs ganze Stralsenzeilen in Venedig — 



Kapitalismus und Laientum. S7t 

und Verarmung auch sozial höberstehender Kreise andrerseits; 
schon fallen verarmte Adelige zu Ende des Jahrhunderts der Mild- 
tätigkeit von Bischöfen, Kirchen und reichen Laien zur Last. Geist- 
lichkeit und Laientum wetteifert imStreben, sich im reichentwickelten 
Handelsleben der Zeit zur Geltung zu bringen. Der venezianische 
Klerus verstand sich sehr wohl auf kaufmännischen Geschäftsbetrieb. 
Geistliche beteiligten sich an Spekulationen. Klöster und ELirchen, 
voran S. Giorgio Maggiore, nahmen orientalische und griechische 
Kolonien in Pacht und Verwaltung. San Marco war die vor- 
nehmste Depotstelle (commendaria) nicht blofs für private Gelder, 
sondern auch fiir die vom Staate entlehnten Kapitalien. Fast gleich- 
zeitig mit dem Tiefergreifen der neuen Verfassungs- und Ver- 
waltungsbewegung, nachweislich zuerst 1152 begegnen Prokuratoren 
der Fonds von San Marco, erst einer, mindestens von 1187 an 
zwei; Bauverwalter der Kirche zugleich und Leiter von finanziellen 
Transaktionen mit dem Kirchenvermögen. Aber das grofse Heer 
der Kaufleute und Spekulanten stellen doch die Laienkreise. 
Laien erscheinen in den erhaltenen Anleihebriefen als Staatsgläu- 
biger, darunter gerade jene Männer, die dann in leitender Stellung, 
als Dogen selbst wieder begegnen: Sebastiano Ziani, Orio Malipiero, 
Enrico Dandolo, Pietro Ziani. Diese Verschuldung des Staates 
konnte nicht ohne Einflufs auf die Stellung bleiben, die die Staats- 
gläubiger in den Regierungsbehörden einnahmen. Nicht als ob 
sich etwa daraus Impulse für die Verfassungsänderung ergeben 
hätten! Eine solche lag im Sinne des Jahrhunderts. Vielmehr 
erscheinen die Staatsschulden wenigstens zum Teile wie eine Folge 
der neuen Ordnungen, indem — ganz abgesehen von den schweren 
Situationen der äufseren Politik — schon aus der neuen Behörden- 
organisation dem Staate beträchtliche Mehrauslagen erwachsen 
mufsten. Aber ohne Rückwirkung auf die persönliche Stellung 
der darleihenden Kapitalisten in den entscheidenden Räten wird 
dieses staatliche Schuldverhältnis nicht geblieben sein. 

Die Handelstätigkeit war nun freilich von jeher eine Domäne 
des Laienstandes gewesen. Aber man nimmt auch anderweitig wahr, 
wie das venezianische Kulturleben des 12. Jahrhunderts den ein- 
seitig geistlichen Charakter gründlich abstreift. Gewifs haben 
Kirche und Kierus auch jetzt noch eine höchst bedeutende Rolle 



374 Neontes Kapitel. 

darin gespielt; gerade in Venedig kommt den kirchlichen Ordnungen 
— man kann dies bei der Bildung der Zünfte, bei Betrachtung 
des Lebens in den Kolonien verfolgen — mehr Bedeutung zu als 
in anderen Städten , und in manchem Sinne ist es bis zum Ende 
der Republik so geblieben. Aber das Laientum war daneben nicht 
blofs emporgekommen, sondern hat eben im 1 2. Jahrhundert, durch 
den ganzen Gang der allgemeinen Entwickelung nachdrücklich 
unterstützt, auch in Venedig dem Leben seinen Charakter auf- 
zuprägen begonnen. Mit der Verdrängung des ELlerus aus dem 
politischen Leben, mit der Neuordnung der Verfassung und Schaffung 
eines rein laienhaften Beamtenstandes stellte sich die Notwendigkeit 
eines gewissen Bildungskreises ftir weitere Kreise der Laien von 
selbst ein. Lesen und Schreiben konnte nicht mehr ein Kunst- 
stück weniger bleiben, das Durchdringen der kapitalistischen 
Richtung und in enger Verbindung damit die erhöhten Forderungen 
im weltlichen Dasein kamen vorerst den Laien zugute. In Slleidem 
hat man in den italienischen Seestädten, vor allem aber in Venedig 
wohl von jeher besonderen Luxus getrieben; das byzantinische 
Beispiel hatte eine werbende Kraft. Man trug sich, wie die ältesten, 
noch dem 12. Jahrhundert entstammenden Mosaiken anschaulich 
machen, in langen Talaren mit Armein (brazales), um die Mitte 
gegürtet, über den Schultern von Agraffen gehalten, vielfach reich 
ausgestattet mit Seide, Samt oder kostbarem Pelzwerk. Pelze — 
gewöhnlich im Werte von 50 Pfund — waren ein Bestandteil 
jeder besseren Heiratsausstattung. Das Alltagsgewand war aus 
Leinen- und Wollstoffen gefertigt; der Ausdruck „crispus^^ bezeichnet 
sowohl einen gekrausten Wollstoff wie das daraus gefertigte Kleid. 
Auch die Kopfbedeckung, ob nun in Form der alteinheimischen 
Zipfelhaube oder des Baretts, war häufig aus wertvollem Stoff ge- 
arbeitet. Wie hätte in dem Zentrum des Juwelenhandels, dem 
Sitze einer blühenden Edelmetallindustrie, nicht auch in Schmuck- 
sachen grofser Aufwand getrieben werden sollen? Es gab edel- 
steinbesetzte Stirnbänder, Perlenketten, Gold- und Silberzier aller- 
art; nicht allein in der Kleidung, auch im Haushalt überhaupt: 
prunkvolle Efsbestecke, Silbergefäfse. Von seidenem Bettgewand 
ist mehrfältig die Rede. Wie man bedacht war, die Wohnung zu- 
sehends bequemer und behaglicher auszustatten, lehren die formel- 



Venezianisches Leben im 12. Jahrhundert. S7& 

haften Beschreibungen der Häuser in Urkunden. Um das Jahr 
1200 galt für wohlhabend; wer aufser seinem liegenden Besitz mit 
zugehörigem Personal ein Vermögen von 5000 — 6000 Pfund und 
mehrere Schiffe sein eigen nannte. Die Lebensbedingungen waren 
nicht billig; die Maximalsätze, die das Marktgesetz von 1173 für 
Rind- und Schweinefleisch, aber auch für Fische und Seetiere an- 
setzt, sind erstaunlich hoch. Venedig war reich geworden, ab 

• ■ 

eine „reiche Stadt, die an allem Uberflufs hat'% wurde sie 1177 
zum Eongrefsort gewählt, und als eine Stadt der reichen Feste 
kam sie von da an in aller Mund und blieb es durch die Jahr- 
hunderte. Festlichkeiten waren hier von jeher heimisch; uralte 
Darstellungen auf Vasen erzählen von den festlichen Aufzügen der 
alten Veneter. Die Epigonen wollten dahinter nicht zurückbleiben. 
Ob es einen Ehrentag der vaterländischen Heiligen, vor allen des 
heiligen Markus und heiligen Nikolaus zu begehen oder die Elr- 
innerung an grofse Momente der heimischen, sagenverklärten 
Gescliichte zu feiern galt, es fehlte niemals an Anlässen für immer 
wiederholte Feste. Näheres läfst sich über diese erst aus späterer 
Zeit berichten; nur über die älteste Form des am Lichtmefs- 
tage durch feierlichen Gondelumzug begangenen Festes der „ Marie ^' 
liegt in Form einer Verordnung des Dogen Pietro Polani eine 
deutliche Mitteilung vor. Aber wie dieses werden auch die anderen 
der späteren grofsen Nationalfeste schon vorgebildet gewesen sein. 






Die höheren Bildungserfordemisse, welche die neue Staats- 
ordnung wenigstens an die herrschenden Laienkreise stellte, mögen 
in denselben auch literarische Interessen — allerdings gewifs recht 
einfacher Art — gezeitigt haben, und auch in der bildenden Kunst 
kommt der laienhafte Zug des Zeitalters ' zum Ausdruck; der 
Profanbau tritt bedeutsam hervor. Im übrigen sind wir über das 
geistige und künstlerische Schaffen im 12. Jahrhundert in Venedig 
recht dürftig unterrichtet Über Pflege der Musik verlautet gar 
nichts; blofs eine unsichere Tradition läfst um die Wende des Jahr- 
hunderts die ersten längst wieder verklungenen politischen Volks- 



S76 Neuntes Kapitel. 

lieder als Nachklang der grofsen Ereignisse von 117 7 — 1 204 entstehen. 
Ein literarisches Denkmal von der Art und dem Werte der Chronik 
des Diakons Johannes ist nicht erhalten und schwerlich auch ent- 
standen. Man wird nur gewifs sein dürfen , dafs die Ausbildung 
einer venezianischen Vulgärsprache weitere Fortschritte gemacht 
hat, und vermag urkundlicher Überlieferung zu entnehmen , dab 
es in Venedig schon Büchersammlungen gab, allerdings wohl nur 
von Mefs- und liturgischen Büchern, und dafs an fahrenden Sängern 
und Schauspielern (ioculatores), als deren Heimat vorzugsweise 
Chioggia erscheint, kein Mangel war. Sollte Chioggia, die Heimat 
der Eleonore Düse, schon damals reich in der Hervorbringung 
solcher Talente gewesen sein? Auch die Nachrichten über die 
bildende Kunst sind so unklar und unvollständig als mög- 
lich. Man darf wohl sagen, dafs die Verhältnisse des 11. Jahr- 
hunderts insofern eine Änderung erfahren, als die Mosaikkunst, 
Vorläuferin und Stellvertreterin der Malerei, immer mehr auch 
von geborenen Venezianern ausgeübt wird, in der Plastik zwischen 
den sich kreuzenden griechischen und abendländischen Kunst- 
einflüssen der lokale Betrieb immer stärker emporkommt, in der 
Baukunst mit griechischen sich abendländische und arabische 
Kunstmomente mischen, endlich der vornehmlich byzantinischen 
Mustern nacheifernde Profanbau eine besondere Bedeutung gewinnt 
und schier den Kirchenbau und das Interesse daran zurückdrängt 
Jetzt entstand allem Anscheine nach ein grofser Teil der 
Mosaiken von San Marco. Die ältesten — vielleicht noch auf das 

11. Jahrhundert zurückgehenden — in der Vorhalle und der das 
Presbyterium überwölbenden Kuppel; jünger, wohl aus dem späteren 

12. Jahrhundert, sind die Mosaiken in der West- und Mittelkuppel 
und an den Haupt wänden der beiden Seitenschiffe. Alle in der 
Technik ihrer Ausführung als rein byzantinische, von byzantinischen 
Künstlern geschaffene Arbeit wohl erkennbar; ebenso vermutlich 
die erhaltenen Mosaiken im Dome von Torcello. Aber schon zeigen 
die dem Ende des 12. und dem beginnenden 13. Jahrhundert 
entstammenden Darstellungen hauptsächlich in der rechten Seiten- 
kuppel und dem rechten Querschiffe — nahezu die Hälfte sämt- 
licher Mosaiken der Kirche — über griechische und andere Be- 
einflussung hinaus einen besonderen heimisch -venezianischen Cha- 



Venezianische Kunst des 12. Jahrhunderts. S79 

rakter und sind zugleich vielleicht das reichste Zeugnis fiir die 
Renaissance byzantinischer Kunst auf italienischem Boden. 

Charakteristisch für das plastische Schaffen des 12. Jahrhunderts 
sind schwach reliefierte runde oder längliche Zierplatten, die in 
Hanswände eingelassen werden. Die plastischen Darstellungen dienen 
fast nur rein dekorativen Zwecken und entnehmen ihre Motive 
vorzugsweise der byzantinischen Kunst Tiere wurden im Gegen- 
satz zum übrigen Oberitalien verhältnismäfsig selten dargestellt 
Auch jene Arbeiten, die unter dem Einflüsse der abendländisch- 
lombardischen Plastik stehen, zeigen byzantinische Stileinfliisse; die 
vornehmsten darunter drei von den vier Engeln an den Pfeilern 
der Mittelkuppel und eine Engelsbüste in der Tauf kapelle von 
San Marco. Werke eines Künstlers, dessen Spuren man auch sonst 
in Oberitalien verfolgen zu können glaubt. Bedeutungsvolle Denk- 
male romanischer Kunst! Dazwischen aber macht sich bereits 
ein selbständig venezianischer Stil deutlich geltend und bringt im 
13. Jahrhundert in den Skulpturen der Bronzetüre von San Marco 
sein Hauptwerk hervor. 

In der Baukunst läfst sich ein ähnliches nicht sagen. Hier 
herrscht noch immer der byzantinische Stil vor, nur mannig- 
faltig durchkreuzt von romanischen und namentlich von arabischen 
Motiven, welche sich schon im 11. Jahrhundert vereinzelt geltend 
gemacht haben und in dem überhöhten und nach oben ausgereckten 
Rundbogen, dem Vorläufer des gotischen Eselsrückens, zum Ausdruck 
kommen. Noch nahezu ein volles Jahrhundert geht dahin, bis aus 
der Gotik heraus ein nationaler venezianischer Baustil sich begründet. 
Dabei ist das Urteil durch den ungenügenden Bestand an Monu- 
menten sehr erschwert. Von den vielen Kirchen, die nach frühen 
und späten Berichten dazumal erbaut wurden , ist so gut wie 
nichts auf uns gekommen und was davon noch erhalten sein 
mag, ist unter Zutaten und Umbauten späterer Zeit schier unauf- 
findbar begraben. Ist für dieselben noch der Typus der griechisch 
dekorierten Basilika, als deren letztes grofses Beispiel zu Anfang 
des Jahrhunderts der Dom von Murano neu gebaut wurde, mals- 
gebend gewesen? Die zärtlichste Sorgfalt wurde auf die Aus- 
schmückung von San Marco verwendet ; man begann ihre Innen- 
räume mit Mosaiken zu schmücken und mit geraubten ScbL&tai^cw 



S78 Neuntes Kapitel 

aus Gbdechenland und Morgenland zu füllen; wohl kein Doge, 
der hierin nicht seinen Eifer bezeigte. Eine geschriebene Über- 
lieferung besteht hierüber nicht; aber ihre Herkonfl verraten in 
deutlicher Sprache die hier angesammelten Denkmale selbst Zu- 
gleich mit den Reichtümern, die venezianische Schiffe im Jahre 
1204 der geplünderten Hauptstadt des Griechenreichs entführten, 
scheint auch ein geflügelter Löwe von dort herübergebracht worden 
zu sein, der vielleicht einmal ab Beutestück aus einem Sassaniden- 
kriege, etwa als Überrest eines assyrisch-babylonischen Palastes, 
dorthin gekommen sein mag und nun allgemach zum weltbekannten 
Sinnbild der Stadt und Bepublik des heiligen Markus geworden 
Ist Im Profanbau bildet sich immer in Anlehnung an das griechische 
Muster der Typus des venezianischen Hauses, wenigstens der Innen- 
anlage nach, zusehends mehr heraus; man vermag dies freilich 
fast mehr aus den Formeln der erhaltenen Urkunden zu schlielsen 
als aus den kärglichen, durch spätere Zutat veränderten Bauüber- 
resten. Immerhin wird eine Anzahl noch bestehender Paläste in 
ihrer ursprünglichen Anlage auf das 12. Jahrhundert zurück- 
geschrieben und scheint die Urform der äufseren Anlage sich doch 
mit einiger Treue erhalten zu haben. Charakteristisch möchte 
dafUr die, das Unter- und Obergeschofs in der Gesamtlänge der 
Fassade begleitende Bogenstellung, unten immer wesentlich weiter 
geöffnet als oben, und der arabisch beeinflufste Stil dieser Bogen 
erscheinen: so in den Palästen Dandolo-Farsetti und Loredano, 
dem heutigen Rathause, und — trotz einer verunglückten Restau- 
ration noch immer deutlich kennbar — im Museo civico Coner, 
dem vormaligen Eaufhause der Türken (fondaco dei Turchi). 
Aufser diesen hervorragendsten Denkmalen wird für die Zeit vom 
Ende des 11. bis zum Anfang des 13. Jahrhunderts mit Recht 
oder Unrecht noch der Bau der folgenden allesamt mehr oder minder 
um die Rialtobrücke herum gruppierten Häuser und Paläste an- 
beraumt : der Case Businello und Tiepolo in der Nähe des Pala2szo 
Grimani am Canale grande und eines Hauses diesem gegenüber, der 
Casa Rio Foscari nahe dem gleichbenannten Palaste, des Palazzo 
Madonetta am gleichnamigen Traghetto, auch der Paläste Prioli und 
Molin im Sestiere von San Marco; dann ein angeblich noch fast 
völlig im ursprünglichen Zustande erhaltener Palazzo Andriolo, 



StadtbUd von Rialto -Venedig. S9f 

endlich das bekannte schmale Haus im grofsen Kanal, das einst- 
mals Enrico Dandolo beherbergt haben soll, und Teile eines Hauses 
in S. Silvestro, in denen man Stücke des alten Patriarchenpalastes 
erkennen will. 

Das Weichbild von Rialto -Venedig hat im 12. Jahrhundert 
gewüs eine gründliche Änderung erfahren. Venedig war nicht 
blo& eine wirkliche Stadt geworden, sondern ein reich mit Kirchen 
und Palastbauten geschmücktes Emporium. Ein brauchbarer Stadt- 
plan ist freilich so wenig erhalten, wie taugliche Angaben über 
die Bevölkerungsziffer der Stadt Die Holzbauten machen zusehends 
Steinbauten Platz; schon die vielen grofsen Brände lielsen dies 
ratsam erscheinen. Nur die äufseren Bauzutaten, Liagö, LiOggia, 
Treppe, werden noch Jahrhunderte hindurch aus Holz hergestellt 
Im Jahre 1170 ist auch bereits eine steinerne Brücke bezeugt; 
über den grofsen Kanal hinüber führte noch kein fester Verbindungs- 
weg. Die Strafsen, überhaupt als Verkehrswege zweiten Ranges 
wenig berücksichtigt, nicht minder die Plätze — vielleicht die 
Piazza von San Marco ausgenommen — blieben noch auf lange 
2^t ungepflastert, Stroh- und Schindeldach war durchaus die Regel 
Die mosaikenreiche Kirche S. Salvadore war noch im 14. Jahr- 
hundert mit Stroh eingedeckt Eine späte Tradition will wissen, 
dafs mit der Organisierung einer genauen städtischen Verwaltung 
auch eine Wegbeleuchtung zur höheren Sicherheit der Passanten 
eingeführt worden sei; man habe an den zahkeichen öffentUchen 
Heiligenbildern und -statuen Lampen anbringen lassen und, indem 
man diese entzündete, Vorsorge fUr das öffentliche Wohl und religiöse 
Gesinnung zugleich bekundet Das Zentrum der Stadt, der Markus- 
platz, erlebte imter den Dogen Vitale Michiele IL und Sebastiane 
Ziani eine bedeutsame Umgestaltung. Der denselben durchquerende 
Rio Batario wurde verschüttet, der Garten des Klosters S. Zaccaria 
dahinter aufgelassen und zum Platze geschlagen, der damit ungefähr 
die heutige Tiefe erhielt, der Platz angeblich auch gepflastert und 
mit Laubengängen versehen, die Kirche S. Geminiano, bisher am 
Ufer des trockengelegten Kanales, abgebrochen und in der Front 
des heutigen Quertraktes der beiden Prokurazien neu aufgebaut. 
Der Campanile war im Jahre 1152 in seiner ersten Anlage voll- 
kommen fertig gestellt und vermutlich, wie auch späterhin, nach 



SSO Neantes Kapitel 

Westen und Süden von Gebäuden flankiert. Sebastiano Ziani 
renovierte den Dogenpalast ; man will die Spuren seiner Tätigkeit 
noch im Gebäude von heute nachweisen können. Im Jahre 1202 
preist Villehardouin den Palast als ,;Sehr reich und schön ^'. Un- 
ermüdlich wurde an der Schmückung von San Marco gearbeitet 
Im festlichen Sommer von 1177 erhoben sich wohl auch schon 
die beiden; vermutlich 1172 aus Griechenland mitgebrachten Stön* 
Säulen der Piazzetta. Eine alte Überlieferung läfst vermuten , dati 
ihre Aufrichtung der Technik jener Zeit eine schwer bezwingliche 
Aufgabe gestellt hat Zu Trägem des geflügelten Liöwen und des^ 
heiligen Theodor sind sie erst in viel späterer Zeit geworden. 
Neben San Marco wahrte und mehrte der Bezirk von Rialto seine- 
Bedeutung als Handelsviertel; der von Olivolo-Castello hatte von 
der seinen bereits viel abgeben müssen, mochte auch sein Bistum 
noch reich genug sein, herabgekommene Adelige zu unterstützen 
und seine alte Stellung als geistliches Zentrum der Stadt noch 
mehrfach, unter anderem in der Widmung eines Pflichtzehnten 
bei Verlassenschaften, zum Ausdruck kommen. 

Auch im Rahmen dieser Betrachtung erscheinen die beiden 
Jahre 1177 und 1204 als bedeutsame Epochejahre. Wie in jenem 
die Republik ihre bedeutende Stellung im Westen, in diesem ihre 
Weltstellung im Osten begründete, so gewann die reiche festliche 
Stadt, die Papst und Kaiser beherbergt, die mächtigste Anziehungs* 
kraft für die gebildete Menschheit des Abendlandes und wurde 
mit der Eroberung von Eonstantinopel die vornehmste Erbin der 
Schätze und Kulturstellung der grofsen kaiserlichen Stadt Der 
byzantinische Kunsteinflufs macht von nun ab langsam, aber stetig^ 
einem neuen, nationalvenezianischen Kunstschaffen Platz. 



So war nun die allgemeine Lage beim Tode Enrico Dandolos: 
allerlei Einflüsse im künstlerischen Schaffen, in der Plastik auch 
schon Ansätze eines eigenartigen heimischen Stiles, aber noch keine 
nationale venezianische Kunst. Im Rechts- und Wirtschaftsleben 
schon eine erste Kodifikation des bürgerlichen und des Straf- 



Venedig im Zeitalter Enrico Dandolos 



S81 



rechtes ; eine energische Emanzipation von fremder Münze ^ aber 
keine Vollendung weder da noch dort; die Rechtsbücher noch 
unvollständig; manches der wichtigsten Rechtsbereiche — etwa 
das Seerecht — noch ohne schriftliche Fassung; noch keine Air 
«ine Handelsstadt unumgängliche Prägung einer höheren Münz- 
einheit Die Behördenorganisation im Mutterlande und in den 
Kolonien zwar in Angriff genommen, aber längst nicht ab- 
geschlossen. Der Sieg der kommunalen Bürgergemeine über die 
alte absolute Dogenmacht zwar so gut wie entschieden, aber noch 
nicht ausgestritten, und die Verfassungsordnung so wenig aus- 
gebaut wie die Verwaltungsreform; dazu das Geldbedürfnis des 
Staates in ungeheurer Steigerung, und die jugendliche kapitali- 
stische Entwickelung bereits nicht ohne ihre charakteristischen 
Schattenseiten. Die adriatische Vorherrschaft trotz aller Erschütte- 
rungen behauptet, und der Alleinherrschaftsanspruch im „Golfe 
von Venedig'' bereits deutlich, wenn auch nicht mit ausdrück- 
lichen Worten, erhoben, aber noch durchaus nicht durchgesetzt. 
Das gewaltige Levantereich, die grofse Beute des vierten Ereuz- 
zuges, zwar vertragsmäfsig zugewiesen, aber zum grofsen Teile 
noch nicht einmal erobert, geschweige denn organisiert. Der 
kommenden Geschlechter wartete ein Erbe voll Verheifsung und 
voll Verhängnis. 



->-<{J>-a- 



Anmerkungen. 



I. 

über die Quellen zur älteren Geschichte von Venedig 0* 



Dafs die Qaellen — zumal die einheimischen — zur älteren Geschichte Ve- 
nedigs spärlich und dahei nidit ungetrübt flielsen, ist mehr&ch bemerkt worden* 
Keine zeitgenössische yenezianische Chronik, die Aber das 10. Jahrhundert zurück- 
und über die Erstlingsjahre des 11. Jahrhunderts hinausgriffe; nur einige Hei- 
ligengeschiditen aus dem frühen 12. Jahrhundert, die über die ersten vater- 
ländiBchen Kreuzfahrten ein recht gedämpftes licht yerbreiten. Sonst durchaus 
Quellen späterer Zeit, die frühesten ans dem Beginn des 13. Jahrhunderts. Dabei 
die ganze Überlieferung yon Konstruktionen durchsetzt, die eine und andere 
gerade der ältesten Chroniken oder Chronikenstücke wohl yon Anfang als be- 
dachte Fälschung niedergeschrieben. Fremde Gesohichtswerke füllen die yor- 
handenen Lücken wohl da und dort, yomehmlidi yom späteren 11. Jahrhundert 
ab, aber doch recht unyollkommen. Über yiele der widitigsten Ereignisse alt- 
yenezianischer Geschichte audi der späteren Jahrhunderte, den Normannenkrieg, 
selbst über den yierten Kreuzzug sind wir ohne belangreidiere heimische Quellen- 
nachrichten. Günstiger ist noch der Stand der urkundlichen Überlieferung : ein 
ungemein wertyolles Dokument aus dem 6. Jahrhundert, das den Mangel einer 
die yenezianische Urzeit yerläfslich beschreibenden Quelle fast yerschmerzen labt, 
mehrerlei — echte und unechte — Urkunden des 7. und 8. Jahrhunderts zur 
Anfangsgeschichte des Patriarchats yon Grado, nicht überreiches, aber wertyolles 
Urkundenmaterial rar Geschidite des 9. und 10. und wieder des 12. Jahr- 
hunderts. Die so bedtatsame Übergangsentwickelung des 11. Jahrhunderts wird 
weder durcb beschreibende noch durch urkundliche Quellen genügend beleuchtet *). 



1) Ich yerstehe hierunter immer den in dem yorliegenden Bande behandelten 
Zeitraum. 

2) Im allgemeinen zur älteren yenezianischen Quellenkunde : Ceccbstti, Delle 
fonti della storia Yeneziana fino al sec. XIII. Veneria 1867. — Cifolla., Fonti 
edite della storia della regione Veneta dalla cadnta dell* impero sino al fine 
del sec. X. Ifiscellanea der B. Deputarione Yeneta dl storia patria IL Im 
übrigen haben sidi das gröfste Verdienst um die Klärung des Zustandes der 
älteren yenezianischen Quellen Sbconsfelo und Momicolo in ihren noch an- 
zuführenden Arbeiten erworben. 

Kreise hmayr, Oesehichte ron Venedig. ^ 



S86 Anmerkung I. 

Beschreibende Quellen. 

Venezianische Chroniken und Geschichten. Di» 

älteste, teilweise hoch in das 10. Jahrhundert zurückreidiende Tenezianisdie 
Chronik ist die nachweislich zuerst im Jahre 1718 als „Chronik Ton Altino*^ 
hezeichnete und unter diesem Namen (Chronioon Venetum qnod Altinate nun- 
cupatur), vermengt mit späteren Zusätzen, ron A. Rossi im Jahre 1845 im 
Yin. Bande des Archivio storico Italiano S. 1 — 228 herausgegebene Zusammen- 
stellung von Erzählungen und Verzeichnissen aus dem 10. und 11. Jahr* 
hundert, die 1878 durch Simonsfeld eine gründliche Untersuchung er&hren hat 
und von ihm im XIY. Bande der Scriptores der *Monumenta Germaniae S. 1 
(5)— 69^) als Chronlcon Venetum veröfiFentlicht worden ist*). Die 
Chronik liegt nicht in originaler Fassung des 10. und 11. Jahrhunderts, sondern 
vermischt mit willkürlichen Zusätzen in drei Handschriften (nach Simonsfeld 
S [Venedig], D [Dresden] und V [Rom]) vor. Von diesen Zusätzen gewinnen 
das gleich zu erwähnende Chronicon Gradense und namentlich die je in einer 
dieser Handschriften enthaltenen venezianischen Annalen (Hs. V.) und venezia- 
nische Chronik (Hs. S.) als im 13. Jahrhundert entstandene, zum Chronicon Ve- 
netum in keiner Weise gehörige Geschichtsquelle eine hesondere Bedeutung und 
sind von Simonsfeld als Annales Venetid hreves und Historia ducum Veneti- 
corura von jenem gesondert herausgegeben worden (MG. SS. XTV, 69—72 und 
72 — 97). Dafs die Erstanlage des Chronicon Venetum in das frühe 10. Jahr- 
hundert zurückgeht, scheint daraus zu erhellen, dafs darin dem Gfeschlechte der 
Parteciaci, das vom Jahre 932 an seine Vorrangstellung an die Cüandiani ab- 
gegeben hat, noch eine erste Holle zugewiesen wird. Ein Versuch, ihre Ent- 
stehung in das 6. (!) und 9. Jahrhundert zurückzuverweisen, ist mit Becht ab- 
gelehnt worden"). Dem 10. Jahrhundert entstammen als eigentlicher „Kem*^ 
des Chronicon Venetum: 1) Eine Gründungsgeschichte von Grado und TorceUo 
(SiMONSFSLD 5 — 16, Rossi, unvollständig, Buch II, 53 — 61) und 2) eine etwas 
später entstandene, von einem anderen Autor verfafste Geschichte des Patri- 
archats von Grado und Beschreibuog der dortigen Einrichtungen (Simonsfeld VII, 
37—43 = Rossi III, 96—103 und 776—781). Jene Gründungsgeechichte hat 
dann in dem vielleicht von Johannes Diaconus, dem Verfasser der berühmten 
Chronik, vielleicht von dem Patriarchen von Grado, Vitale Candiano, dem Sohne 
des Dogen Pietro IV., angelegten, aber augenscheinlich nicht zu Ende gearbeiteten, 

1) Die Ausgaben, nach denen ich zitiere, sind mit Sternchen (*) versehen. 

2) Dazu Simonsfeld, Venezianische Studien I. Das Chronicon Altinate 1878 
(Hauptarbeit). Monticolo in BulL Ist. Ital. IX, 219 — 246 und im Arch. Ven. 
XV, If. (s. S. 388, A. 1.). CiPOLLA, Ricerche sulle tradizioni intomo alle immigra- 
zioni nello lagune. Arch. Veneto 28, 297—324. 29, 391 f. 31, 441—442 n. a. a. 0. 
Vgl. auch Anm. 12. 

3) Galu, La storia di Venezia dal principio del VI alla fine del Xu sec. 
linnovata 1886. Dagegen Simonsfeld in Arch. Ven. 35, 117 — 134. Neuestens 
wieder, aber ebensowenig überzeugend Galu, Venezia e Roma in nna cronadia 
del sec. VI. Arch. Ven. Nuovo. Nuova Ser. II, 259—372. 



Anmerkung I. S87 

der Hs. S des Chron. Yen. einverleibten Chronlcon Gradense (gedr. 
von Eossi als Buch lY des Chr. Altinate 116—129, yon Pebtz in MG. SS. YII, 
39 — 47 und neuestens von '"Monticolo in Fonti per la storia d'Italia, Scrittori, 
Borna 1890, Chronache Yeneziane antichissime 1, 19 — 51) eine stilistisch bessernde 
und teilweise inhaltlich erklärende Neubearbeitung erfahren, in der auTserdem 
auch ein Stück der ebenfalls um die Jahrtausendwende sehr wahrscheinlich als 
ein Bestandteil der rechtstheoretischen Fälschungen der Gradenser Kirche (s. Anm. 
4/1) entstandenen, in einem Kodex des 11. Jahrhunderts erhaltenen Cronlca 
de singulls patriarchls nove Aqnilele (gedr. von ^Monticolo 
in chron. Yenez. antich. I, 3 — 16) enthalten ist ^). Das Chronicon Yenetum ent- 
hält femer 3) bis 5) Yerzeichnisse (Kataloge) der Patriarchen von Grado (Sfd. 
n, 16—18 « Rossi 11, 41—44), der Bischöfe von Torcello (Sfd. IU, 18—21 
= Rossi n, 45 — 47) und Oüvolo-Castello (Sfd. IY, 21 — 26 = Rossi n, 
47 — 53), alle im 10. Jahrhundert zuerst angelegt, dann ins 11., schliefslich bis 
ins 13. Jahrhundert weitergeführt; femer 6) bis 7) ein Yerzeichnis der ältesten 
venezianischen Familien und ihrer Kirchengründungen (Geschlechterkataloge; 
Sfd. Y und YI, 26—36 = Rossi IU, 81—96). AuÜBer diesen sieben Teilen dürfte 
der im Chron. Yen. enthaltene Papstkatalog (Sfd. XI, 57 — 59, fehlt bei Bossi) 
und die — nicht mehr vorhandene — ursprüngliche Anlage des Dogenkatalogs 
(die bei Monticolo chron. Yen. ant. I, 177 — 178 und Sfd. Xu, 60—61 == Rossi 
I, 20 — 22 gedruckten Listen stellen bereits spätere Fassungen derselben dar, 

8. Schema S. 400) auf das 10. Jahrhundert und vielleicht auf den Autor der 
Bischofskataloge zurückgehen. Die Geschichten von Longinus, Narses und Kaiser 
HerakleioB, das sog. Longinus- und Heradiusfragment (Sfd. IX, 44—49, 49—52 
^ Rossi YU, 204 — 216), sind nach Simomsfeld das erste auf das 10. Jahr- 
hundert, das zweite auf das 11. Jahrhundert, nach Monticolo (Bull. Ist. Ital. 

9, 244—246) jenes auf die Jahre 1008—1056/65, dieses auf das Jahr 1071 an- 
zusetzen ; in dieselbe Zeit wie das Heradiusfragment gehört wohl auch die ganze 
konfuse trojanisch -persische Greschichte (Sfd. Ylll, 43 — 44, fehlt bei Rossi). 
Die Geschichte von Karls des GroDsen Krieg gegen Yenedig und von des Kaisers 
Nachfolgem bis auf Heinrich HL (Sfd. X, 52 — 57 =» Rossi YIÜ, 220 — 228) 
setzt SmoNSFELD auf die Jahre 1056 — 1065, die Abfassung des Yerzeichnisses 
der byzantinischen Kaiser (Sfd. XIH, 61 — 69, fehlt bei Rossi) auf das Ende 
des 11. Jahrhunderts, vielleicht schon das 12. Jahrhundert an. — Über Inhalt 
und Quellenwert des Chronicon Yenetum ist vor allem Simonsfeld, Yenez. Studien 
l, 77—121 einzusehen. Das Latein ist barbarisch, die Ausdrucksweise so dunkel 
und undeutlich wie möglich, die Ereignisse fast unentwirrbar bunt durcheinander 
geworfen. Die Ergebnisse, die sich für den Ablauf der politischen Creschehnisse 
daraus gewinnen lassen, sind geringfügig, um so mehr ist die Chronik für die 

1) Über das Chron. Grad. Waitz im Neuen Archiv f. alt. deutsche Gkde. II, 
375 f. CiPOLLA, Arch. Yen. 28, 307 f. Pertz in d. EinL zu MG. SS. YII. Simons- 
feld, Andrea Dandolo 56—58 und besonders Monhcolo in Chron. Yenez. ant. I, 
XIII— XXYII und Bull. Ist. Italiano IX, 162—175. Über die Cronica Monticolo 
ebenda YIII— XIII (m. E. nicht emwandfirei) und IX, 176—177. 



S88 AnmerkuDg I. 

ältere venezianische Wirtschafta- und Kalturgeschichte eine reiche, wenn auch 
getrühte Nachrichtenquelle. Schon Filusi (Anm. 1) und Wüstenfeld (Anm. 3) 
haben gezeigt, dafs man mit Kritik und Vorsicht sehr wohl aus derselben 
schöpfen könne. 

Gleichfalls um die Wende des Jahrtausends und in den Anfangsjahren des 
11. Jahrhunderts hat der Diakon Johannes seine berühmte Chronik ge- 
schrieben, um deren Würdigung sich Monticolo ähnlich wie Simonbfeld um 
Chronicon Venetum und Andrea Dandolo verdient gemacht hat ^). Die vielleicht 
in der Originalniederschrift (?) des Verfassers, jedenfaUs einer i^eichzeitigen 
Kopie (Cod. Urbinate 440, Bom) erliegende, von den Anfängen Venedigs bis zum 
Jahre 1008 reichende Chronik wurde dreimal herausgegeben, zuerst 1765 als 
Cronicon Venetum Johanni Sagomino vulgo tributum von ZA^'Bm (unzulänglich), 
dann durch Pertz in MG. SS. VII, 4 — 38 und schliefslich von *MoifTiooLO in 
Chronache Veneziane antichissime 1, 59 — 171. Für die Ausgabe konunt aofser Cod. 
Urbin. 440 noch die sonst minderwertige Überlieferung des aus dem 13. Jahr- 
hundert stammenden Kodex 5269 der Vaticana in Betracht, weil sich der erste 
bis zum Jahre 864 reichende Teil (ed. Monticolo 59—98) nur hier findet. Die 
vornehmlich aus Dokumenten, nicht aus dem Werke des Schriftstellers selbst 
erhellenden biographischen Daten über ihn stellt Monhcolo in der Einleitung 
zu seiner Edition S. XXIX—XXXV zusammen. Johannes Diaconus wird zuerst 
in dem Schreiben Kaiser Ottos III. an Pietro Orseolo 11. vom 1. Mai 995 er- 
wähnt. In den Folgejahren ging er vielfach in diplomatischen Sendungen zu 
den abendländischen Kaisem (Frühjahr 995 nach Aachen, April 996 nach Ba- 
venna, Dezember 998 bis Januar 999 nach Bom, Juni 1(X)0 nach (}omo, März 
1001 ist er Begleiter Ottos III. bei dessen Besuch in Venedig, Dezember 1001 
nach Pavia, Herbst 1(X)2 nach Begensburg) und wird als ,diaoonus capellanns 
duds* in der Urkunde Heinrichs U. für S. Zaocaria 1018 zum ersten Male ge- 
nannt. Für die Zeit bis auf Pietro Gandiano IV. schöpft er aus geschriebenen 
erzählenden Quellen, nachweislich aus Beda, De sex aetatibus mundi, Paulus 
DucoNus, Chron. Ven., vielleicht auch (Uhron. Grad, und Cronica de sing. patr. 
novo Aquil. und überdies aus unbekannten Chroniken (z. B. für die Geschichte 
des Kinderstreites zwischen Doge ürsus I. und Patriarch Petrus, ed. MoimcoLO, 
121 — 122); für die Zeit von Pietro Oindiano IV. an berichtet er, wie sich wohl 
erkennen läfst, teils nach den Mitteilungen anderer Augen- und Ohrenzeugen, teils 
— vornehmlich für die Orseolerzeit — als solcher Zeuge selbst Urkunden 
scheint er prinzipiell nicht zur Verarbeitung herangezogen zu haben. Er ist 



1) Monticolo, Intomo alla cronaca di Giovanni Diacono. Ardh Ven. XV, 1 f. 
Debs., La cronaca di Diacono Giovanni. Arch. Ven. XVII, 35 f. Dan s., La cronaca 
di D. G. e la storia politica di Venezia sino al 1009. Arch. Ven. XXV, If. — 
Hauptwerk: Debs., I manoscritti e le fonti della cronaca del D. G. Bnllettino 
dell' istituto storico Italiano IX. Hier auch die frühere Literatur (vgL besonders 
Pertz in seiner Vorrede MG. SS. VII und Simonsfeld, Andrea Dandolo 62—79) 
verzeichnet. Kachträge dazu durch Monticolo in Spigolature d*aidiivio, Ardi. 
Ven. Nuovo 3, 365-379, 381—384. 



AnmerkuDg I. S89 

der HauBchronist des Orseoloschen Hauses und augenscheinlich voreingenommen 
gegen Pietro Candiano IV. In der Hauptsache yerläfslich und gewissenhaft, iüt 
seine Darstellung der ältesten venezianischen Geschichte doch mannigfiach ent- 
steUt. Obrigens ist der erste (bis 864 reichende) Teil der Chronik nicht end- 
gültig verarbeitet und erliegt nur als eine Art Materialiensammlung, in der 
sehr wenig (ed. Monticolo 59 — 60, 63 — 66, 90 — 91) von Venedig unmittelbar 
die Bede ist. Auch im zweiten Teile (864 — 1008) f&llt ein starker Wechsel von 
reichgegliederter Einzeldarstellung und trockener Tatsachenaufe&hlung auf, je 
nachdem eben die Vorlagen eingehende Berichte oder dürre Kataloge gewesen 
waren. In den Partien, wo Johannes als Zeitgenosse und aus unmittelbarer An- 
schauung erzählt, etwa in der Schilderung der dalmatinischen Eriegsfahrt Pietro 
Orseolos H., des Besuches Kaiser Ottos m. in Venedig, steigert sich die Dar- 
stellung zu hoher poetischer Schönheit. S. auch Darstellung S. 200—201. 

Mit dem Abbruche der Chronik des Johannes (1008) beginnt eine grofse 
Lücke in der venezianischen Cfeschichtschreibung. Während voller 200 Jahre, 
des ganzen 11. und 12. Jahrhunderts, sind als zeitgenössische venezianische 
Quellen einzig die der Anfangszeit des 12. Jahrhunderts entstammenden Heiligen- 
übertragungsgeschichton — Translationes — venezianischer CreisÜicher 
zu vermerken^), die über ihren religiösen Hauptzweck hinaus doch einiges 
schätzenswerte Material für die Cfeschichte der ersten venezianischen Kreuzzugs- 
untemehmungen (1099—1100, 1122-1125) beibringen ^). So besonders die älteste 
dieser Translationes, die von einem Mönche des Klosters S. Nicolö di lido 
unmittelbar oder bald nach 1100 verfaÜBte Translatio S. Nicolai 
(Monachi anonymi littorensis historia de translatione sanctorum magni Nicolai 
terra marique miraculis gloriosi eiusdem avunculi alterius Nicolai Theodorique 
martyris pretiosi de civitate Mirea in monasterium S. Nicolai de Littore Vene- 
tiarum); gedr. (schlecht) bei Ughelli-Coleti, Italia sacra V, und Corneb, Eocl. Ven. 
dec. XU (s. S. 398); neuerlich in ^Becceil des historiens des croisades. Historiens 
occidentaux V, Paris 1895, S. 253 — 292. Minder belangvoll sind die unmittelbar 
oder bald nach 1100 bzw. 1125 verfaTste Translatio S. Stephan! 
archimartyrls, geschrieben vermutlich von einem Mönch von S. Giorgio 
maggiore (schlecht gedr. * Corner, Eccl. Ven. dec. XI/2, 96—119; eine Neu- 
ausgabe bereitet MoNncoLo für den 2. Band der Chronache Veneziane anti- 
chissimo vor), und Translatio S. Isidori (T. mirifid martyris Isidori 
a Chio insula in dvitatem Venetam), verfafst von Cerbano Cerbaki, dericus Ve- 
netus, vermutlich einem Creistlichen von San Marco (gedr. in *Rec. des bist. d. 
croisades. Hist. occ. V. 321—334) *). 



1) Ein zeitgenössischer Bericht des Dominions Tinus über die Dogenwahl 
von 1071 (s. Anm. 24/1) ist doch wolü mehr als rechtshistorisches Dokument 
denn als erzählende Quelle anzusehen. 

2} Die ungefähr gleichzeitige Translatio S. Marci (gedr. Acta Sanc- 
torum in, 25. April), mit Benutzung der Chronik des Johannes verfafst und 
allem Anscheine nach teilweise Vorli^e der Translatio S. Isidori, ist historisch 
ohne Wert; vgl. Anm. 11/3. 



(90 Anmerkung L 

Erst aus dem Beginn des 13. Jahrhunderts liegen wieder zeilgenössisdie 
venezianische Geschichtswerke Tor: die Annale^ Venetici breves, 
gleich der sofort zu erwähnenden Historia ducum Venetioorum ehedem ffir einen 
zugehörigen Teil der „Chronik von Altino" angesehen, jetzt durch Simonbfeld 
gedruckt im N. Arch. f. ä. d. Gkde. I, 400—410 und *M6. SS. XIV, 69—72; sie 
enthalten, von einigen unhedeutenden Notizen abgesehen, durchaus Naofarichteo 
aus der Zeit von 1094 — 1095, gewinnen durch ihre genauen, wenn auch nicht 
immer gesicherten Datenansätze besonderen Wert und sind nach der Historia 
ducum die wichtigste, in der Hauptsache wohl verläfsliche heimische Quelle flir 
das 12. Jahrhundert Die Historia dncnm Veneticorum (gedr. von 
Bosäi als V. und VL Buch des Ghronicon Altinate, 152-169, 192—198, *MG. 
SS. XIV, 72—89, 94—97) ist die einheimische Hauptquelle ftlr das 12. und be- 
ginnende 13. Jahrhundert; sie umfabt die Zeit von 1102 — 1229, wobei aber 
eine der wichtigsten Partien, die Zeit vom Tode Sebastiane Zianis bis zur ersten 
Eroberung Konstantinopels im vierten Ereuzzuge (1178 — 1203), fehlt und nur 
zur Not aus einer späteren Quelle, dem nach 1358 geschriebenen Chronioon Jn- 
stiniani, das vielfach wörtlich auf die Historia ducum zurückgeht, ergänzt werden 
kann (s. MG. SS. XIV, 89 — 94). Der Verfasser der Historia ducum ist ein Zeit- 
genosse des Dogen Pietro Ziani und schrieb um oder nach 1230; genau und 
auch recht verläfslich berichtet er über den Dogat Vitale Michieles U. und den 
Venezianerfrieden. Becht dürftig sind die Angaben über den vierten Kreuzzug. 
Die Quellen, aus denen die Historia ducum nach ilirer Angabe (73, 74, 76, 83) 
geschöpft hat, Annalen und eine Chronik, sind verloren^). Urkundliches Ma- 
terial scheint ihr Verfasser nicht herangezogen zu haben. 

Sind somit die Nachrichten der ältesten zeitgenössisi^lien Chroniken Vene- 
digs flir lange Zeitabfolgen ungenügend und fehlen sie etwa für das 11. Jahr- 
hundert nahezu ganz, so läfst sich auch aus den späteren Chroniken nur 
wenig dafür gewinnen. Der Spätzeit des 13. Jahrhunderts entstammen zwei in- 
haltlich einander sehr nahestehende (Chroniken: dieCronique deaVe- 
niciens des Maitre Martin da Canal (Martine da CJanale), gedr. 
von *Bo8Si in der französischen Originalsprache und in italienischer Übersetzung 
im Archivio stör. Italiano VIH, 1845, S. 268—766. Der Verfasser — ob Fran- 
zose, ob Venezianer? — ist zu Anfang des 13. Jahrhunderts geboren und be- 
gann 1267 in französischer Sprache („weil diese Sprache durch die Welt läuft 
und am liebsten zu lesen und zu hören ist**) eine Geschichte Venedigs zu 
schreiben, die er bis zum Jahre 1275 geführt hat. Canale ist mehr Bomancier 
als Historiker, für seine Zeit (Mitte und Spätmitte des 18. Jahrhunderts) eine 



1) Über die ,, kurzen Venezianer Annalen** Simonsfelo im Neuen Archiv f. 
ä. d. Gkde. I, 395-410 und in „Andrea Dandolo** 90 f. Über die Historia du- 
ciun, namentlidi das Überlieferungsverhältnis, eingehend ebenfalls SncoNsnaj), 
Venez. Studien 131 f. Mit diesen Annalen aufs engste verwandt, meist ihnen 
wörtlich gleichlautend, sind die von Saukbland im Arch. Ven. Nuovo 7, 5—8 
mitgeteilten Annales Veneti saeculi XII. Dazu Monhcolo im Arch. Bomano 
17, 237-245. 



Anmerkung I. S91 

namentlich kolturhifitorisch bedeutsame Quelle, aber für die ältere Zeit trotz der 
nachweislichen Benutzung des Chron. Yen., der Annales Venetid und Historia 
ducum (aber nicht des Johannes?) wenig brauchbar. Sobald er über seine 
Quellen hinausgeht, gerät er ins Fabulieren. Das Stück Ton 1172 — 1178 fehlt 
überdies, wie sich denn manche der späteren vaterländischen Legenden bei ihm 
zuerst auszubilden beginnen^). Hauptsächlich als eine Kompilation aus Chro- 
nicon Yenetum, Historia ducum und Tomehmlich Martine da Ganalb wurde im 
Jahre 1292 das Chronicon Marcl (lateinisch) begonnen oder vollendet 
(Marciana d. IX cod. 124, einzelne Bruchstücke gedruckt von *Bossi in Arch. stör. 
ItaL Ym, 1845, 257—267, Simonsfkld, Yenez. Stud. 163—168), das vereinzelt 
auch originelle oder doch aus diesen Quellen nicht zu belegende Nachrichten 
zur älteren Geschichte von Yenedig enthält (etwa die Geschichte vom See- 
räuber Gaiolo), ohne aber sonst für diese neues Material von Belang zu bieten. 
Auf dem Umwege über das Ghronicon Maroi ist für das 13. Jahrhundert die 
Chronik Canales dann auch eine der Yorlagen der Annalen Andrea Dandolos 
geworden *). 

Über die Geschichtswerke des Dogen Andrea Dandolo (geb. 
1307A0, 1331 Prokurator von 8. Marco, 1333 Podestä von Triest, 1336 Prowe- 
ditore in Gampo gegen Mastino della Scala, 4. Januar 1343 bis 7. September 
1354 Doge) hat Simonsfeld, Andrea Dandolo und seine Greschichtswerke (1876), 
eingehend und in der Hauptsache erschöpfend gehandelt. Zur kritischen Wür^ 
digung seiner Nachrichten ist auch Lensl, Zur Kritik Andrea Dandolos (1897)*), 
einzusehen. Das schlechthin als (Jhronicon Danduli bekannte Hauptwerk des 
Dogen sind die bis zum Jahre 1280 reichenden Annalen ((;edr. in *Müratobis 
Scriptores rer. Italic. XH, 14 — 398 als Ghronicon Yenetum Andreae Danduli 
in längst nicht mehr genügender Weise ; es wäre an der Hand der wertvollsten, 
MuRATOBi unbekannten Überlieferung in dem der Zeit Dandolos entstammenden 
und anscheinend mit Anmerkungen von ihm selbst versehenen Kodex Zaneth 
400 der Mardana eine Neuherausgabe zu veranstalten ; die wichtigsten Yarianten 
und Besserungen des Kodex Zanbtti 400 gegenüber dem Druck Muratobis sind 
zusammengestellt von Simonsfeld in N. Arch. f. ä. d. G. 18, 336 f.) ^). Die sog. 



1) Über Canale Hossi in der Einleitung zu seiner Edition 229-267; Simons- 
FBLD, Yenez. Stud. 110 — 114; Bonqioannini, Sulla cronaca dei Yeneziani di Mar- 
tine da (}anale, Torino 1898 war mir nicht zugänglich. Über das Ghron. Marei 
Simonsfeld, Yenez. Stud. 53—76. 

2) Yon den angeblich im 13. Jahrhundert gsschriebenen „Memoriali*' eines 
Mabsilio Gioroi ist nur bekannt, dafs A. Morosini sie im 17. Jahrhundert be- 
nutzt haben soll. Simonsfeld, A. Dandolo 109. 

3) Seite 85—103 seines Buches „Die Entstehung der Yorherrschaft Yenedigs 
in der Adria (1897)**. — AuTserdem auch Montioolo an verschiedenen Stellen 
seiner bereits angeführten Schriften und in den Bemerkungen zu seiner Sanudo- 
ausgäbe. 

4) Die überlieferten Handschriften beginnen mit dem 4. Bache (älteste (be- 
schichte des Patriarchates Aquileja, 14—66); die ersten drei Bücher enthalten 
nach Muratobis ohne Zweifel riditiger Yermutung im Sinne der Zeit eine für 



S92 Anmerkung I. 

Kleine Chronik Dixdolos, in ihren Angaben mit denen der AnniJw 
mehrfach differierend, ist wohl nichts anderes als eine Vorarbeit ffir die AnnaVw 
nnd hat wenigstens bis zum Jahre 1280, dem SchluHsjahre der Annalen, keinn 
sachlichen Wert In Mi:ba.tori XII, 399 — 416 sind als „tomus secundiiB'* des 
Chronicon Danduli Zusätze zu dieser kleinen Chronik, nicht diese selbst ab- 
gedruckt 0. 

Dafs Dandolo för seine Annalen auÜBer den beschreibenden auch nrkuncU 
liehe Quellen reichlich benutzt hat, lehrt tut jedes Blatt seines Werkes. Geht 
doch auch die Anlage der zwei grofsen Urkundensammlungen des liber albus 
(Verträge Venedigs mit dem Morgenland) und Liber blancus (Verträge mit dem 
Abendland) auf seine Anregimg zurück. Von Tenezianischen C3ironiken benutzte 
er nachweislich alle genannten, mehrfach in anderen Handschriften als den er- 
haltenen, und auch deren — heute verlorene — Vorlagen; unmittelbar Ghxon. Ven. 
und Grad., Ann. Ven. breves, Historia ducum und Johannes, mittelbar und nur f&r 
das 13. Jahrhundert Canale durch das Ghron. Marci. Dazu die ihm ungefthr gleidi> 
zeitigen Heiligengeschichten (Legendae de tempore et de Sanctis) des Prediger- 
mönchs Petrus Calo von Chioggia (Mardana cL 21 ood. 128—133, un- 
gedruckt), das Geschichtswerk (verschiedene Namen) des Frater Pauli» 
nu8 von Venedig, späteren Bischofs von Pozzuoli (ungedruckt) und die beiden 
Werke von Marino Sanuto Torsello: liber secretomm fid»- 
lium sancti Crucis (gedr. Bonoass, Gesta Dei per Francos II., Hannover 1611) 
und — für das 13. Jahrhundert — Historia regni Komaniae (in italienisdier 
Übersetzung; das lateinische Original ist bis auf einige Bruchstücke verloren; 
gedruckt von Hopf, Chroniques Greco-Komanes, Berlin 1833, 99 — 174)*). Mancher- 
lei aus aufservenezianifichen Quellen, z. B. Romuald von Salbbno (s. unten) 
für die normannischen, Thomas von Spalato, Historia Salonitana (gedr. in lUiKif 
Monumenta spectantia historiam Slavorum meridionalium , 26. Bd.) fftr die dal- 
matinischen Angelegenheiten. Andere seiner beschreibenden Quellen (etwa Pbibus 
Damiani) nennt er selbst Die bisher nicht durch Quellen zu belegenden, aber 
darum nicht sicher originellen Teile seines Werkes sind von Sdionsfbld, Andrea 
Dandolo 133 — 136 zusammengestellt. Dandolo Übt an seinen Quellen in der 
Regel keine Kritik, nur gelegentlich hat er sich nicht ohne Glück namentlich 
in chronologischen Richtigstellungen versucht. Wo Johannes und Historia du- 
cum versagen, versagen gewöhnlich auch seine Annalen. Immerhin bringt er 



Venedig natürlicli ganz belanglose Chronik von der Erschaffung der Welt her; 
auch das 4. Buch kann für venezianische Geschischte nahezu gans aolser Be- 
tracht bleiben. 

1) Näher darüber Simonsfeld, Andrea Dandolo 39 f. 

2) Über Petrus Calo Simonsfeld, Andrea Dandolo 120 f. — Über Marino 
Sanuto-Torsello den „Älteren" Simonsfeld, Studien zu M. S. d. Älteren. Neues 
Archiv 7, 57 ff., (ital. Arch. Ven. 24, 251 f.). Eunstmann, Studien über IL 
8. d. Ä. Abb. bayer. Akad. Wiss. hist El. I (1885). Siehe audi Hoff in 
der Einl. zur Herausgabe der „Historia'' XV— XXIII. — Über den Frater 
Paulinus bes. Simonsfeld in „Andrea Dandolo" 115—120 und IZeitschr. f. Gesdi.- 
Wissensch. 10 (1893) 120 f. 



Anmerkung L S9S 

für das 11. Jahrhundert wenigstens einiges, wenn auch recht dürftiges Material 
hei. Andrerseits hat er aher seine Vorlage durch Einschfibe und kleine Verände- 
rungen im Interesse des Buhmes der vaterlfindischen Geschichte tendenziös zu- 
rechtgerichtet. Indem Lenel seine Nachrichten namentlich über die ungarischen 
Beziehungen Venedigs nach dieser Richtung überprüfte, ist er wohl zu einem 
allzu harten Urteil über den grofsen Schriftsteller gekommen % Aber der Grund- 
gedanke der Studie Lenels ist durchaus richtig, and die bewufste Entstellung 
der Vorlagen durch Dandolo ist besonders dort leicht nachweisbar, wo er die 
Chronik des Johannes benutzt hat. Hat dieser sich schon von tendenziöser i%r- 
bung der heimischen Geschichte nicht freizuhalten vermocht, so konstruierte 
dann Dandolo, durch seine Stellung gebunden und in politischen Vorurteilen 
befangen, noch viel eigenmächtiger. „Es ist leider nicht anders; je genauer wir 
den Zustand überblicken, in dem die ältere venezianische Geschichtsforschung 
uns überkommen ist, um so trümmerhafter und einseitiger erscheint sie." 

Neben Andbea Dandolo treten die anderen derzeit bekannten venezianischen 
Chroniken des 14. Jahrhunderts in den Hinteigrund. Der Werke Marino Sandto 
Tobsellos, des Petrus Calo von Chioggia und des Frater Faxtlinus, der Zeit- 
genossen Dandolos, wurde schon gedacht. Das gleichfalls dem 14. Jahrhundert 
angehörige Chronlcon Jnstlnlani (Mardana cod. lat X, 36a, das 
Stück von 1178—1203 gedruckt in MG. SS. XIV, 89—94) ist für unsere Zeit 
wertvoll, weil es, vornehmlich auf der Historia ducum beruhend, deren Lücke 
von 1178 — 1203 mit einiger Wahrscheinlichkeit ausfüllt*). Von weiteren — un- 
gedruckten — Chroniken des 14. und 15. Jahrhunderts, die da und dort eine 
brauchbare Nachricht zur älteren venezianischen Geschichte enthalten, führt 
MoNTicoLO (in seiner Neuheransgabe des Sanudo 99 A. 2 und 4, 102 A. 4 und 
in Arch. Bomano 17 [1894], 526) als die vornehmsten die folgend erwähnten auf: 
Aus dem 14. Jahrhundert: 1) Chron. anon. Marciannm cod. lat X, 
137 (Mitte des 14. Jahrhunderts). 2) Chronik des N i c o 1 o T r e y 1 8 a n (it) 
(t 1369) (Marc. cod. it. VU, 519). 3) Chronik des Enrico Dandolo (it.) 
(gleichzeitig mit Trevisan) (cod. Cicogna 3423 Venedig Museo civico). 4) Chron. 
anon. Mnseo clylco, cod. 1499 (iht). Im November 1377 schrieb 
Franciscns de Gratla ein Chronicon monasterii sancti Salvatoris, gedr. 
Venedig 1766, zu Anfang des 15. Jahrhunderts veifafste der 1429 verstorbene 
Grolskanzler von Kreta, Lorenzo de Monacl (Lanrentins de 
Monachls), sein Chronicon de rebus Venetorum ... ad 1354, gedr. 1758 ; 
ein geistvoller Kopf, dessen Darstellung für späte Zeit, namentlich für Kreta sehr 
wertvoll, für die frühere Zeit nicht ohne Interesse, aber ohne historischen Wert 
ist Aus dem 15. Jaarhundert nennt Monticolo: 1) Cron. anon. Mar- 
clana cod. it VII, 2051. 2) Cron. an. Marc. Cod. Zanxtti, 18. 3) 
Cron. an. Marc. cod. it. Vn, 2034. 4) Die Chronik des Giorgio Dol- 
lin (Marc. cod. it VII, 794) in der Spätzeit und 5) die Chronik des Pietro 

1) Vgl SmoNSFKLD in Histor. Zeitschr. 84, 437—442. 

2) Vgl. über das Chron. Just Simonsfeld, Andrea Dandolo 109—110 und 
Venez. Studien 151—160. 



ZM Anmerkung I. 

Doli in (t 1505) (Mnseo dv., cod. Cicogna 2608) am Aasgang des 15. Jahr- 
honderts. Etwa gleichzeitig mit den Dolfins verfafste der Proknrator Ton San 
Maroo, Bernardns Jastiniamis, eine Historia de origine urbia Vene- 
tiarum ad 1400 (gedr. lat 1492, II. A. 1534, ital. fibersetzt 1545, II. A. 1606), 
mit Benutzung fast aller einschlägigen Quellen, auch der kritLschen Erörtenmgea 
über die Anfange Venedigs in der Italia illustrata (1481) des Plaviat 
Blondu0 (t 1468), dabei selbst nicht ohne kritischen Blick; das hindert 
aber nicht, dafs hier das ganze Fabelsystem von der Gründung und Entwicke- 
lung der uranf&nglich freien Bepublik in aller Breite ausgesponnen ist, ein yo^ 
bild für viele Nachschreiber. Zugleich eröffnet sich mit der 1487 zuerst er- 
Bchienenen durchaus minderwertigen Historia Venetiana des Marcantonlo 
Sabelllco die Reihe jener „per decreto publice" verfafsten StaatachronikeD, 
welche den vaterländischen Buhm von Amts wegen zu besorgen haben. Iigend- 
eine halbwegs belangvolle Erweiterung unserer Kenntnis des venezianischen Alter- 
tums darf man aus diesen Greschichten , namentlich des späten 15. und der fol- 
genden Jahrhunderte nicht erwarten. Sie alle, auch die besten von ihnen, sind 
für unsere Zeit durchaus von den Historikern der früheren Jahrhunderte, vor 
allem von Danbolo abhängig, und wo sie darüber hinausgehen, geschi^t es auf 
immer gröfsere Kosten der oft schon von jenen wenig geachteten historischen 
Wahrheit Nur für die Ausbildung der vaterländischen Legendenbildung mögen 
sich aus ihnen Beiträge ergeben, obwohl auch diese in der Zeit des Bkbnabdvs 
JusTLNiANiTB uahozu fertiggestellt ist. Man kann somit ihrer Überlieferung ohne 
Sorge en traten. Wenn hier der für spätere Jahrhunderte ungemein wertvollen 
Titae ducum Yenetioorum des Marino Sanndo (gedr. Mubatobi XXÜ; 
Neuherausgabe von '"Monticolo in SS. Ber. Ital. im Erscheinen) besonders ge- 
dacht wird, geschieht es nicht um der bedeutungslosen Nachrichten dieser Chronik 
willen, sondern wegen der überaus sorgfältigen und für die quellenmäfsige Er- 
kenntnis auch der älteren Gleschichte Venedigs ungemein verdienstvollen Kom- 
men tierung durch den Herausgeber^). 

1) Von den Greschichten und C!hroniken des 16. und 17. Jahrhunderts seien 
als angeblich für die ältere Zeit besser unterrichtet die folgenden aufgeführt: 
TJngedruckte: Danbelr Baubabo (1511 — 1570). — Caboldo (in vielen Über- 
lieferungen) 16. Jahrhundert — Chronica Savina (17. Jahrhundert). — Ober 
zwei Arbeiten (eine ungedruckt, die andere nicht im Buchhandel) des 1702 
verstorbenen Muazzo zur venez. Verfassungsgeschichte s. Claab, Die £ntwi<^e- 
lung der venez. Verfassung (1895) 141—147. Gedruckt: Sanudo (b. oben); 
Andbea Nauoebio, Historia Veueta ab origine urbis usque ad 1498. Murat. SS. 
XXIU, 921—1216; Paolo Pabuta, Storia Vinitiana, Venetia 1605; Andbia 
MoBOSiNi, Historia Veneta, Venetiis 1623. Eine — lückenlose? — Aufzählong 
der (gedruckten) venez. Cfesamtgeschichten bis 1847 in Cicognas Saggio dl biblio- 
grafia Veneziana (1847) S. 75— 91. Bei dieser (relegenheit sei die Bemerkung 
erlaubt, dafs es für eine gedeihliche Bearbeitung der späteren venez. G^esdiichte, 
für die alle diese Quellen einen ganz anderen Wert gewinnen, wohl notwendig 
scheinen möchte, in die unübersehbare Menge der Chroniken vom ffp&teren 
14. Jahrhundert herwärts zunächst System durch die Anlegung einer Konkor- 
danz derselben zu bringen; der „Wust der Überlieferung** würde sich nL K 
hierdurch sehr wesentUdi verringern lassen. 



Anmerkang L S95 

Fremde (zeltgendsslsche) Chroniken. Die Lücke, welche 
die Tenezianischeii Chroniken für die Erkenntnis der älteren venezianischen Ge- 
schichte offen lassen, lälst sich teilweise dnrch fremde Chroniken ergänzen. Im 
Bahmen dieser allgemeinen Übersicht kann die Aufmerksamkeit nicht jeder ver- 
einzelten Qaellenstelle, sondern nur jenen Geschichtswerken zugewendet sein, die 
f&r eine bestimmte Zeit oder doch für ein einzelnes grofses Ereignis der vene- 
zianischen Geschichte za einer Hauptquelle werden. Dies ist der Fall vor allem 
bei byzantinischen, dann auch bei französischen und normannischen, 
in geringerem MaCse bei morgenländischen, italienischen und deut- 
schen Quellen. 

Von den byzantinischen Schriftstellern bietet zunächst Kaiser EoNSTAyiiN 
PoBPHYBOGKNNETOs in seiuor Schrift: De administrando imperio (122 — 125) einen 
bedeutsamen Beitrag zur ältesten venezianischen Topographie und Geschichte. 
Die drei grofsen historischen Schriftsteller der Komnenenzeit , die geistvolle 
Kaisertochter Anna Komnena (geb. 1083, gest. nach 1148), die Verfasserin der 
liUS&äg, der nüchterne Militär Johannes Einnamos (geb. nach 1143, gest. nach 
1185), Verfasser der ^Emrofiij (1118 — 1176), einer Geschichte der Kaiser Jo- 
hannes und Manuel, und der rhetorische Hochbureaukrat Nieetas Akominatos 
aus dem kleinasiatischen Chonä (geb. um 1140, gest. nach 1210), Verfasser 
einer XQwixii ^nf/ijaig {latogia) 1118—1206, einer Geschichte gleichfalls der 
konmenischen Zeit und der wirrenvollen Folgejahre bis 1206, sind auch Haupt- 
quellen für drei der wichtigsten Ereignisse venezianischer Geschichte : den Krieg 
gegen Bobert Guiscard, die Beziehungen der Bepublik Venedig zu Kaiser Manuel 
und den vierten Kreuzzug ^). 

Die französischen Quellen beziehen sich ausnahmslos auf Kreuzzugs- 
geechichten. Die Historia Hierosolymitana des gleichzeitig lebenden Kanonikus 
Albebt von Aix (Albertus Aquensis) (gedr. Bec. bist, crois. bist. ocdd. IV, 
265 £) ergänzt den Bericht der Translatio S. Nicolai über die erste venezianische 
Kreuzfahrt (1099—1100), die Historia Hierosolymitana des 1058 geborenen, 1127 
oder bald darauf verstorbenen Priesters Foucher ton Chabtbes (Fulcherius 
Camotensis) (gedr. Bec. bist, crois. bist, occid. HI, 311 f.) ist eine Hauptquelle 
für den Kreuzzug Domenico Michieles (1122 — 1125), die vielberühmte Con- 
qudte de Constantinople des Marschalls Geoffroi de Villehabdoüin ') ist die 
abendländische Hauptquelle für den vierten Kreuzzug, dessen Geschichte auch 



1) Für alles Nähere über die aufgeführten griechischen Schriftsteller ver- 
weise ich auf KsüBiBACHER, Geschichte der byzantinischen Literatur (1897), 252 f., 
274 f., 279 f., 281 f. Ich zitiere sie alle nach der *Editio Bonnensis (Corpus scr. 
historiae Byzantinae). Die Alezias der Anna Komnena auch nach der Neuausgabe 
von Beifferscheid (1884) in der BibUotbeca scriptorum Graecorum et Bomanorum 
Teubneriana, neben welcher aber die Bonner Ausgabe noch immer einzusehen 
bleibt Der glänzende Aufsatz Karl Neümanns, Griechische Geschichtschreiber 
und Geschichtsquellen im 12. Jahrhundert, 1888, sei aus der einschlägigen lite- 
ratur besonders hervorgehoben. 

2) Über ihn , sein Werk und die ganze verwickelte Quellen&age zur Ge- 
.flchichte des 4. Krenzzuges siehe Anm. §8, 



SM Anmerkung I. 

noch durch eine andere franzöaische Quelle eines Augen- und Ohraueogeo, die^ 
Prise de Constantinople des Pikarden Bobert de Claby (gedr. von Hoff in 
Chroniquee Greoo-Bomanes, 1 — 86), besondere Bedeutung gewinnt. 

Auch die morgenländischen Quellen kommen Tomefamlich Ar KreniiDgi- 
geschichte und die venezianischen Beziehungen zu den Kreuzzugsliadem in Be- 
tracht. Die Historia rerum in partibus Transmarinis gestarum des Erilnscfaofr 
Wilhelm von Ttrus (geb. 1127, gest nach 1184) (gedr. in Bec hiat erat, 
bist, ocddentaux I, Iff.) — wenn man sie unter die moigenlfadiscben (}nelkn 
zählen will — ist neben Foucher von Chartres Hauptquelle ftir die Kreos&hrt 
Ton 1122—1125. 

Unter den normannischen Quellen nehmen das zwischen 1099 und 
1111 yerünfste lateinische Gfedicht, die Cresta Boberti Wiseardi Wilhelms you 
Afulien (Guillermus Apuliensis) (MG. SS. XIV, 241 — 298), als zweite Hauptr 
quelle neben Anna Komnena für den Guiskardkrieg und die Annalen des Augen- 
und Ohrenzeugen Erzbischofs Bomuald von Salerno (gedr. MG. SS. XIX, 398 
bis 461) als einer der wichtigsten Berichte Qber den Yenezianerfnedeii den 
ersten Bang ein. 

Aus deutschen und italienischen Quellen ist wohl manche wertvolle 
Einzelnachricht für venezianische Dinge zu erheben, aber eine Bedeutung im 
Sinne der vorstehend angegebenen gewinnt — wenn man etwa von den kaigen^ 
aber hochwichtigen Notizen des Papstbuches und Einhards (s. Anm. zu 
den ersten drei Kapiteln) absieht — kaum eine von ihnen. 

FOr alles übrige muTs auf die Einzelanmerkungen verwiesen werden. 

Urkundliche Quellen. 

Ein staatliches (dogales) Archiv bestand in Yenedig von alters her, ist aber 
immer wieder durch Brände — ftir 976 ist dies ausdrücklich bezeugt — ver- 
wüstet und zerstört worden. So ist der Bestand an Originalurkunden der vene- 
zianischen Kanzlei bis ins 13. Jahrhundert unbeträchtlich; die filteete derselbeo 
stammt aus dem Jahre 1090 (gedr. Fontes Ber. Austriac II, 12, Nr. 25, S. 56) ^). 
Beicher ist die Zahl der Privaturkunden, deren angeblieh älteste aus dem Jahre - 
999 stammt (gedr. in Ceccuktti, Programma della scuola di paleogr. di Yenezia, 
1862, 46 — 47). Ein Yerzeichnis der vielfach noch nicht durchgearbeiteten Be- 
stände des venezianischen Staatsarchivs, die originales und äbschriftlidies ür- 
kundenmaterial zur älteren Geschichte Yenedigs enthalten oder erhoffen lassen,, 
bringt Monhcolo im Nuovo Arch. Yeneto XYIII, 118—120 bei*). 

1) Ygl. Lazzarim , Original! antichissimi delle (»noelleria Yeneuana. A. Ye- 
neto Nuovo. N. S. 8/2. 

2] Aufser den „Ducali'', „Documenti restituiti dall' Austria*', .»Atti Mis- 
collanea" und den Urkunden der Zimeliensammlung vorzüglich „lumimorte*',. 
Bestände der ehemaligen Kirchen und Klosterarchive (S. Gregorio, Sw Zaooffia, 
S. Giorgio maggiore, S. Maria di Carita, 8. Salvadore, S. Giovanni di Torodlo, 
S. Trinita di Brondolo), dann der „Mensa patriarcale" und der Frokuratoren 
von San Marco und „de dtra" und „de supra". Urkunden zur älteren Zeit 



Anmerkmig I. S97 

Die fortwährenden Verlaste an Originalurkunden durch Br&nde mögen der 
Hauptanlab zur Zusammenstellung einer offiziellen Urkundensammlung geworden 
.«ein. Eine solche ist anscheinend zuerst im späteren 12. Jahrhundert in dem 
— Terloren gegangenen — sog. Liber Egnatii angelegt und nachweislich 
dann Vorlage für die späteren Sammlungen dieser Art geworden. Diese sind: 
der vermutlich zu Anfang des 13. Jahrhunderts entstandene Liber primus 
pactorum, ein verloren gegangener Liber comunis Venetie, in quo 
pacta scribuntur, que comune Venede cum aliis terris fadt, aus derselben Zeit, 
die auf Anregung des Dogen Andrea Dandolo im 14. Jahrhundert zusammen- 
gestellten Codices Liber Albus, die Verträge mit dem Osten, Byzanz, Kreuz- 
fahrer- und sarazenischen Staaten, und Liber Blanous, die Verträge mit dem 
Begnum Italiae, Sizilien und italienischen Kommunen enthaltend, und endlich 
der um 1400 (zwischen 1394 — 1419) verfalste, nur in recht inkorrekter Kopie 
erliegende Liber Trevisaneus (Series litterarum privilegiorum et pacto- 
rum pontificum, imperatorum et aliorum prindpum ad Venetorum ducatum et 
eodesiam spectantium ab 700 ad 1400), der den Namen nach seinem Besitzer 
im 17. Jahrhundert, Bemardo Trevisano, führt. Während das Material der 
▼oigenannten Sammlungen wenigstens in Auszügen durchaus bekannt und meist 
verwertet ist, hat der Liber Trevisaneus noch keine wissenschaftlich befriedigende 
Bearbeitung erfahren. Uirem Inhalte nach sich mehrfach deckend, enthalten 
diese vier in Original im Venezianer Staatsarchiv verwahrten Sammlungen den 
Hauptstock der Staatsurkunden der älteren Jahrhunderte der Republik^). 

Von einer irgendwie erschöpfenden Zusanmienfassung des urkundlichen Ma- 
terials zur älteren Geschichte von Venedig zu einem gedruckten ürkundenbuche 
sind wir noch weit entfernt. Ich mufs mich bescheiden , auf jene Stellen zu 
verweisen, an denen gröfsere Gruppen venezianischer oder für venezianische Ge- 
schichte bemerkenswerter Urkunden veröffentlicht sind. Material vorzüglich zur 
Handelsgeschichte, aber auch zur politischen Geschichte, namentlich mit Be- 
ziehung auf Byzanz und die Levante , findet sich im ersten Bande (814 — 1205) 
der dreibändigen Sanmilnng von Taeel und Thomas, Urkunden zur älteren 
Handels- und Staatsgeschichte der Bepublik Venedig; Fontes Ber. Austriacar. II 

enthalten aufserdem die Cknld. X, 278. 279 und XIV, 71. 72 der Mardana. 
Zu Kloster S. Trinita di Brondolo siehe auch das in Arch. Ven. 32 mitgeteilte 
Material. 

1) Der „liber pactorum secundus** ist nichts als eine Kopie des „primus" 
in anderer Anordnung. Die „Libri pactorum III. — VIL" (7 Bände hält die 
Sammlung) enthalten Material des 13. und 14. Jahrhunderts und sind ent- 
sprechend später zusammengestellt. Kopien der Libri pactorum, des liber Blancus 
und Albus erliegen im Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchive. Im 13. Jahrhundert 
erfolgte die AnLige von offiziellen ürkundensammlungen auch in anderen italie- 
nischen Städten (Florenz 1215/6, Crenua 1229). Literatur hierüber: Tafel und 
Thomas, Der Doge Andrea Dandolo und die von ihm angelegten Urkunden- 
sanmilungen, Abhandlungen der bayerischen Akademie der Wiss. histor. Kl. III, 
8 (1855), Iff.; Fertz im Archiv f. ä. d. Gk. 3, 576 f. und 4, 170 f.; Montioolo, 
Bull. Ist. Ital. 9, 204 ff. mit weiteren literaturangaben; Lenix, Vorherrschaft, 
9—10 Anm. (wichtig). 



Sf 8 Anmerknog I. 

(Diplomataria), 12.— 14. (1856—1858) Bd. (ohne Kagister). Die Edition ist nidit 
mehr ganz einwandfrei; besonders die griechischen Chiysobullen sind korr^ter 
gedmckt bei Zachabiae-Linoenthal, los Graeco-Bomanmn UI. FOr die staat- 
lichen Beziehungen Venedigs zum Westreich kommen vornehmlich die Dhk^ 
der Kaiserpakta und Kaiserurkunden in den Monnmeiita Germanlae 
in Betracht: Abt. Leges, Constitutiones I und C!apitularia IE; Diplomat» 
Ottos L bis m. Zur ältesten (jeschichte Venedigs MG. Epistolae III. (Codex 
Carolinus und Ep. Langobardicae selectae). Mehrere der adten veneziamscheD 
Urkunden des 9. Jahrhunderts und ün übrigen vorzugsweise ürkandendmde 
zur Kirchengeschichte bei Globia, Codioe diplomatico Padovano I, bis llOD 
(1877), n, 1101 — 1183 (1900). Ebenes zur Kirchengeschichte Cobser (Fla- 
minius Cornelius), Ecdesiae Venetae et Torcellanae, 18 Bände, Yenezia 1749. 
Hauptsächlich zur Wirtschaftsgeschichte: Baracchi und Fülin, Le carte del 
mille e del milleoento che si conservano nel B. Archivio notarile in Yeneiia. 
Archivio Veneto 6, 293 f., 7, 80 f., 352 f., 8, 134 f., 9, 99 f., 10, 832 £, 20, ölt, 
314 f., 21, 106 f., 22, 313 f. Endlich kommen noch die BeiLigen zu den zwei 
ersten Bänden von Eomanixs Storia di Venezia in Betracht (üiooona, Delle 
iscrizioni Veneziane (Venezia 1824 — 1853, 6 Bände) ist mehr eine Notizen- als 
Urkundensammlung. Auf die vereinzelt in darstellenden Werken verstreuten, 
oft sehr bedeutsamen Veröffentlichungen kann in diesem Zusammenhange nicht 
eingegangen werden. 

Eonstmonumente. 

Darüber in den einschlägigen Partien der Darstellung und den zugehörigen 
Anmerkungen (S. 79—83, 86—87, 376—380, Anm. 15/2 und 15/3, 80/3 u. 43). 



Ein Wort noch über die jüngeren Gesamtdarstellungen venezianischer Ge- 
schichte. Bis ins 18. Jahrhundert war es unbestrittenes Sonderrecht der Vene- 
zianer, die Geschichte ihrer Stadt selbst zu schreiben, natürlich nach den Normen, 
die die vaterländische Überlieferung langer Jahrhunderte dafür angab. Auch die 
im einzelnen, namentlich für spätere Zeit tüchtigen Werke von Sandi, Prindpii 
di storia civile della rcpublica di Venezia (Venezia 1758 — 1772, 10 toL) und 
Tentori, Saggio sulla storia della republica di Venezia (Venezia 1785 — 1786, 
12 voL), stehen noch durchaus unter diesem Banne. Die Abfassung des Werkes 
des Franzosen Amelot de la Hoüssaie: Histoire du gouvemement de Venise 
(1795), der ersten von einem Fremden geschriebenen venezianischen (jeschichte, 
wurde von der Bepublik wie eine Beleidigung empfunden. Ihr (jesandter Con- 
tarini in Paris verlangte dafür formliche Grenugtuung von der französischen Be- 
gierung. Im übrigen hat das Werk Amelots, aus dem Napoleon Bonaparte sidi 
über venezianische Geschichte belehrte, und die Histoire de la republique de 
Venise von L'Aüoieb (ital. Ausgabe von 1778), den kritischen Ansprüchen sdion 



ADmerkung I. S90 

des 18. Jahrhunderts nicht mehr genQgt (s. Ls Bebt in der Einleitung zu seiner 
gleich anzuführenden Geschichte). Die Histoire de la repuhlique de Yenise von 
Daru (1821) hat längst aufgehört, für eine ernste historische Arheit genommen 
zu werden. Bei einer Beihe anderer „Geschichten von Venedig" war dies nie- 
mals der Fall. Bisher noch immer die einzige wissenschaftlich brauchbare Ge- 
samtgeschichte von Venedig in deutscher Sprache ist die „Staatsgeschichte 
der Bepuhlik Venedig** von Le Bbet (drei Teile, Leipzig und Riga 1769—1777). 
Eine für jene Zeit ganz vorzügliche Arbeit. Aber auf Grund l&ngst nicht mehr 
zureichender Hilfsmittel und mit allerlei Voreingenommenheiten des 18. Jahr- 
hundorts verfafst, wie sollte sie — namentlich für die ältere Zeit — noch den 
Ansprüchen von heute genügen können? Auch das modernste und tüchtigste 
aller dieser Werke: Bomanins Storia documentata die Venezia (10 Bände, Venedig 
1853 — 1861), hat sich von den Einflüssen der heimischen Legende nicht frei- 
gehalten und — allzuviel auf die Ausführungen der späteren Chroniken ge- 
stützt — namentlich die Entstehungsgeschichte Venedigs arg verzeichnet; gegen 
die späteren Jahrhunderte zu gewinnt es auch für die ältere Zeit an Wert und 
Gehalt, doch sind seine Forschungsergebnisse auch hier vielfach überholt In 
viel höherem Mafse ist dies von der fleifsigen, aber lange veralteten Storia 
civile e politica del commercio dei Veneziani von Mabin der Fall, und auch die 
verdienstliche, bis 1847 reichende Bibliographie (Saggio di Bibliografia Veneziana, 
acht Bände, 1798 f.) Cicoonas , fortgeführt von Soranzo bis 1884, ist lange nicht 
mehr ausreichend. 

Nach Romanin ist kein Versuch einer wissenschaftlich begründeten vene- 
zianischen Cresamtgeschichte mehr unternommen worden. „Venedig als Welt- 
macht und Weltstadt" von H. v. Zwiedineck- Südenhobst (Monogr. zur Welt- 
geschichte, herausgegeben von Velhagen & Elassing, VIII) beabsichtigt doch 
nur eine ungefähre, für die frühere Zeit nicht fehlerlose Orientierung. Hingegen 
ist — soviel ich sehe — zweimal ein ernster Versuch gemacht worden, die 
ältere venezianische Creschichte zusammenfassend darzustellen. Aber beide Male 
ohne rechten Erfolg. Gfrörers Geschichte Venedigs von seiner Gründung bis 
zum Jahre 1084 (Byzantinische Geschichten I , Graz 1872) ist so sehr von will- 
kürlichen Konstruktionen, ja Phantasmen überwuchert, dafis das sonst mit Creist 
und Intuition geschriebene Buch für ernste Forschung nahezu unbrauchbar wird 
und weit hinter Romanin und selbst Lebbet zurücktreten mufs, und Hodosons 
The Early history of Venioe from the foundation to the conquest of Gonstanti- 
nople (London 1901), in vielem glücklich und brauchbar, scheiterte an der un- 
genügenden Kenntnis des Urkundenmaterials und der Detailliteratur ^). 



1) Eine regelmäfsig fortlaufende Bezugnahme auf die Darstellung der Werke 
von Ij£bret, Romanin, Gfböbeb und Hodoson, die sich von Seite zu Seite hätte 
wiederholen müssen, ist in den folgenden Amnerkungen als zwecklos vermieden 
worden. 



II. 

Verzeichnis 

der Dogen, Patriarclien von Grado und Bischöfe von 

Caorle , Heracliana , Torcello , Malamocco - Chic j^gia, 

Jesolo und Olivolo - Castello bis zum Jahre 1205. 



Die nachfolgenden Verzeichnisse sind als Nachschlagebehelf gedadit und 
machen keinen Ansprach auf Yollst&ndigkeit oder erschöpfende Behandlong der 
chronologischen Fragen, denen eine besonders zu führende kritische üntrasodiniig 
nSherzutreten h&tte. literator : Simonsfeld, Venez. Studien L Das Cämmioon Altir 
nate; Monticolo in BuUettino dell. istitnto Italiano IX; Cipolla, Bicerche BuUe 
tradizioni intorao alle immigrazioni nelle lagune. Arch. Yen. 27 — 29, 31. 

Dogen *). 

Für die Bestimmung der Amts- beziehungsweise Bogierungszeiten der einaelnen 
Dogen sind EQiuptquelle die auf uns gekommenen Dogenkataloge des 11. — 18. Jahr- 
hunderts. Deren Verh&ltnis zueinander veranschaulicht folgendes (von Montioolo 

entworfenes) Schema: 

A (ältester Katalog; Saec. X; Terloren). 

B C (▼ezloren). 

(Saec XI *i endet mit Tribunus Menius ; I 

erhalten; gedruckt von Monticolo in ^^ (Saec. XI — XIII; er- 

Chron. Venez. antich. I. 177—178). halten ;gedracktM(m.G«im. 

SS. XIV, 6(X-61). 
I 
CS (Saec Xni; erhalten). 

Die Angaben der Kataloge sind nicht fehlerlos, die des Johannes sind 
es noch weniger, (jelegentlich hat Dandolo nicht ohne Glück korrigiert 
Mancherlei ist an der Hand der erhaltenen Dokum^te riGfatigzusteUen. Im 



1) Die Namen bis einschliefslich Tribunus Menius nach Katalog B, hernach 
nach Cl wiedergegeben. Abweichende Namengebungen und Moderniaienuigen 
der Namen in runder, bzw. eckiger Klammer. 



19 



Anmerkong IL 401 

ektzelnen sei auf die Vermerke ao Ort und Stelle in den Anmerkongen Ter^ 
wiesen und nur noch gesagt, dafs die nicht ausdrücklich bezeugten Monats- 
oder Tagesdaten in eckiger Klammer mitgeteilt werden. 

Paulioius (Paolutius) 697—717, Anm. 7/1. 

Marcellus 717—726, Anm. 7/1. 

Urs US 726—737, Anm. 7/1. 

Magister militum (Dominicus) Leo 

„ Felix Cornicula 

„ Deusdedi(t) J . . . 737—742, Anm. 7/1. 

Jubianus Tpatus 
Johannes Fabriacus 

Deusdedi(t) Tpatus 742—755, Anm. 8. 

Galla (Gaulus) 755—756, Anm. 8. 

Dominicus (Monegarius) 756—764, Anm. 8. 

Mauricius 764—787, Anm. 9/1. 

Johannes 787—804, Anm. 9ß. 

Obilierius und Beatus 804— 811, Anm. 10/1 o. 10/4. 

Agnellus (Particiacus) 811— 827, Anm. 11/2. 

Justinianus (Partidacus) 827— 829, Anm. 11/2. 

Johannes (Partidacos) (I.) 829— 836, Anm. 11/2. 

Petrus (Trandenicus) 836—13. September 864, Anm. 16/1. 

Urs US (Particiacus) (I.) . . . [September] 864 — [Herbst?] 881, Anm. 16/1. 

Johannes (Particiacus) (IL) [Herbst?] 881 — [April] 887. 

[September] 887 — [Frühjahr ?] 888, Anm. 18/1. 
Petrus (Candianus) (I.) . . . 17. April 887—18. September 887, Anm. 18/1. 

Petrus (Tribunus)*) [Frühjahr?] 888— 911, Anm. 18/L 

Ursus (Paureta), (Particiacus) (IL) 911—932, Anm. 18/1. 

Petrus Candiano (IL) 932-939, Anm. 19/1. 

Petrus Badoario 939—942, Anm. 19A- 

Petrus Candiano (III.) 942—959, Anm. 19/L 

Petrus Candiano (IV.) . . [Sommer?] 959—11. August 976, Anm, 19/1. 
Petrus Ursoyolo [Or8eolo](I.) . 12. August 976— 1. September 978, Anm. 20/1. 
Vitalis Candiano . . . [September] 978 — [November] 979, Anm. 20/L 
Tribunus Meni(u8) .... [November] 979 — [März] 991, Anm. 20/1. 
Petrus Ursyulo [Orseolo] (n.)| . [März]991 — [September] 1009, Anm. 21/1. 
1 n i [Otto Orseolo] . . . [September] 1009 — [September] 1026, Anm. 23/1. 
PetrusCentranicus. . [September] 1026 — [Frühjahr ?] 1031, Anm. 23/1. 
Ursus patriarcha .... [Frühjahr?] 1031 — [Sommer?] 1032, Anm. 23/1. 

Dominicus Ursyulus [Orseolo] [Sommer?] 1032, Anm. 23/1. 

Dominicus Flabianus . [Sommer?] 1032 — [Herbst?] 1042/3, Anm. 24/L 
Dominicus Contarenus [Contarini] . [Herbst?] 1042/3 - [Frühjahr?] 1071, 
Anm. 24/1. 

1) B: Petrus Trondominico. 
Kretiehmajr, OeMhiehta Toa Venedig. 26 



40S AnmerkoDg IL 

Dominicas SilTai[SUYio]. [Frfihjahr?] 1071 — [Dezember?] 1084, Anm. 24/1. 
Yitalis Faletro [Faliero] Deodoni . [Dezember?] 1084 — Deiember 1096, 

Anm. 28/8. 
Yitalis Michael [Mkhiele] (L) . [Dezember?] 1096— [Frttlgahr ?] 1102, Amn. 32/1. 
OrdeUfo Faletro [Faliero] . [Frahjahr?]1102—[Frülgahr?] 1118, Amn. 32/1. 
Dominions Michael [Michiele] . . . [FrQl^ahr?] 1118— [Frfiligahr?] 1130, 

Anm. 32/1. 
Petro Polano [Polani] . . [Frühjahr?] 1130— [Sommer ?] 1148, Anm. 38A. 
Dominions Manrooeni[MoroBini] . [Sommer?] 1148— Februar 1156, Anm. 33/1. 
Yitalis Michael [Michiele](IL) . [Febmar—M&rz] 1156— 27./28. Mai 1172, 

Anm. 35/1. 
Sebastianns giani [Ziani] . [Mai- Joni] 1172— 9./13. April 1178, Anm. 35/1. 
Anrio MaBtropetro[Malipiero] . [April] 1178 — spätestens M&rz 1192, Anm. 36. 
Henricns Dandalo[Dandolo] . SpätestensAprilll92 — l. Juni 1205, Anm. 36. 



.. 



Patriarchen Yon Grado. 

Hauptquelle : Der in der ersten Anlage aus dem 10. Jahrhundert stammende 
und dann bis ins 18. Jahrhundert fortgesetzte Patriarchenkatalog des G^bonioon 
Yen-etuh (MG. SS. XI Y, 16—18) mit Angaben der Begierungszeiten, die mehr- 
fach offenbar fehlerhaft sind. Weitere Angaben Itir die früheren Jahrhunderte 
in der Cronica de smavus fatbiabchis noyae Aquileiae 14—16 (katalogmiüsig 
von Antoninus bis Orso Orseolo, eng verwandt mit Katalog MG. XIY, 16 — 18) 
und in den Chroniken des Paulus Diaconus und Johaiwes. Mancheriei ans 
Dokumenten. Die im Katalog angegebenen Begierungsjahre sind in Klammer 
den Namen beigesetzt Die gesicherten Daten sind mit einem Sternchen tot- 
sehen. 

Paulus (Paulinus) (12 J.) (560) 568*— 572. 

Probinus (1 J.) 572. 

Elias (14 J. 10 M.) 572-586. 

Severus (21 J.) 586—607? 

Marcian^) (3 J. 5 T.) 607? (607?— 610?) 

Candidianus (5 J.) 607? -612?, 610?— 615? 

Epiphanius(5J.4M.10T.) 1 612? (615?)-626/7. 

CyprianuB (25 J. 3 M. 20 T.) j ^ ' ' 

Fortunatus') 626/7. 

Primogenius (20 J. 3 M. 6 T.) 18. Februar 628*— 647. 

Maiimus (20 J.) 647—667. 

Stephanus (5 J.) 667—672. 

1) Siehe hierzu MG. Epp. III, 693, Anm. 1. 

2) Nicht im Katolog. 



AnmerkoDg IL 40S 

Agathon (10 J.) 672—682, 680* urkdl. 

ChristophoruB (35 J.) 682—717. 

Donatus (7 J.) 717— [Februar] ♦ 725. 

1. Dez. 723 * urkdl., 1. M&rz 725 * tot nach ürkde. 

Antoninus (22 J. 10 M. 11 T.) [März] 725*-747. 

EmilianuB (8 J. 25 T.) 747-755. 

VitalianuB (12 J. 15 T.) 755-767. 

JohanneB (35 J.) 767-802»^). 

FortunataB (Katalog MG. XIV: 10 J. , Cron. sing. patr. 

27 J.) eiosdem JohaniuB patriaroha oonBangoineoB . . *802/3— 825*. 
YeneriaB . . pater Transmondus appellataB*) (25 J. 4 M.) . . *825— 851/2. 
Victor I. filiuB BeUi AuBibiad (6J. 3M. 4T.) . ♦l. April 852 (urk.)- 858»). 
y i tali B I. fiUuB Janaceni Fartidaci (19 J. 1 M. 6 T.) *30. M&rz 858(ark.) — ? 
PetruB filioB JohanniB Martorio (4^ J. 8 T.) . . . ? — *877 [De- 

zember] oder 878 Januar. 
Yictor II. iunior nepoB anteceBBoriB VictoriB patriarche et 
YitaliB patriarche, filiuB ürxonis Fartidaci duz (17 J. 

11 M. 13 T.) •25. Januar 878 (urk.)-? 

GeorgiuB filiuB Geoiga Andradi (1| J. 22 T.) .... ? 

YitaliB II. iunior filiuB Joaceni Faureta (3J. 3M. 13T.) . ? 

P m i n i c u B filiua Fetri Tribuni Dominid (7 J. 11 M. 3 T.) . »Febr. 919 (urk.). 
LaurentiuB fiUuB Fetri Mastalid (12 J. 9 M. 24 T.) . . ? 

MarinuB filiuB TheodoBÜ Contareni (34 J. 3 M. 7 T.) . * 12. März 933 (urk.), 

13. M&rz 944* (urk.)— ? 
Bonus filiua Creorgii Blancanioo (9 J.) . . . ? — Juni 960* (urk.) — ? 
YitaliB m.«) fiHus LeoniB Barbolani (1 J. 5 M.) . . ? 

Y i t a 1 i B lY. filiuB Fetri Gandiani dudB interfecti (50 J. 6 M.) . *yor 976 AuguBt 

— Dezember 982 — 1013 ?»). 
UrBUB filiuB Fetri olim dud ürayoli (37 J. 45 T.; nach Dan- 

dolo 236: 27 J. 1 M. 15 T.) . . . 1013») ? — 1044, 1040* (urk.). 

DominicuB filiuB Gipriani Bul^ani (7 T.) (1044?). 

Dominien B filiuB Johanni Marango (7 J.) 1044? — ?^. 



1) Siehe Anm. 9/3. 

2) YeneriuB iat nach dem Kataloge der erste aus „Nova Yenetia*' gebürtige 
Fatriarch. 

3) Im Testamente des Bischofs Orso von Olirolo (Febr. 854) ist ein Fatriarch 
EuAS unterfertigt. Die Urkunde li^ erst in Kopie des 10. Jahrhunderts vor 
und es dürfte ein Lesefehler anzunehmen sein (Elias anstatt Yictor). Die An- 
gaben des Kataloges stimmen gerade hier gut mit den bdden Falliumverleihungs- 
daten für die Fatriarchen Yictor I. und Yitalis I. überein. 

4) Siehe Simonsfeld, Yen. Stud. I, 25. 

5) Siehe liste der Bischöfe yon Toroello: Orso Orseolo. 

6) Ob der „Dominicus patriarcha Yenetus" in dem Briefe Gregors YII. vom 
9. Juli 1073 (JAFFt, BibL rer. Germ. II, 31) Dominicus Marango oder (3erbano 
ist, kann ich nicht entscbdden. 

26» 



Mi Anmerkong II. 

Dominicus filius Johanni Cerbani (10 J.) . ? — *dl. Dez. 1074— * 9. Jani 

1077 — ? 

Johannes Saponarias (— ) ? 

Petrus filios BadoFarii Noelis (12 J.) . . *1092 (urk.) ~ *1105 (Dand.)^). 
Johannes filios Johannis Crradonici (8J. 5M.) 1105 — ^September 1106 

und 1112 (urk.) — 1129'). 
Henricus Dandulus (61 J.) . . 1129 (* 1130 chron.) — '*' 1188 (Dandolo). 

Johannes Signolus (—) 1188 — 1200. 

Benedictus Faletro (— ) 1200 — ?,* Mai 1205 (urk.). 



Venezianische Episkopate. 

Für die Bistümer Toroello und OÜFolo-Castello liegen die in erster Anlage 
dem 10. Jahrhundert entstammenden und bis in das 13. Jahrhundert fortgesetzten 
BiscHOFSEATALOOE dos Chrou. Yen. (19—21 , 21—26) ^or. Dazu Nachrichten 
aus anderen Chroniken und Urkunden. Die Angaben über die anderen Bistümer 
ans verstreuten urkundlichen und literarischen Notizen, besonders aus CJorneb, 
Ecd. Yen. et Toroell. YgL auch Yianelli, Yescovi di Malamoooo e di Chioggia, 
Yenezia 1790 und Obsoni, Dei piovani di Yenezia promossi alhi dignita TesooYÜe 
dal principio del nono seoolo fino al presente. Serie istor.-cronologica. Yenezia 
1815. Derselbe, Cronologia storica dei vescovi Olivolensi detti dappoi CJastel- 
lani e sucoessivi patriarchi di Yenezia. Yenezia 1828. — Die gesicherten Daten 
sind mit Sternchen bezeichnet. Für die Bischöfe von Toroello und Olivolo- 
Castello sind die in den Katalogen angegebenen (oftmals fehlerhaften) Jahres- 
zahlen in Klammer beigesetzt. 

Caorle. 

Gegründet 598/99-615/18. 

Aufgehoben 1818 (verlegt nach Cüoncordia-Portogruaro). 

Johannes (?) 598—599. 

Leo *1. Dezember 876— "^ 27. Mai u. Oktober 877 (urk. u. chron.). 

Marin US ♦Februar 919 (urk.). 

Johannes *1043 (urk.). 

Bonus ♦1074-1076 (urk.). 

Johannes Trevisanus ♦März 1116; ♦lUS (urk.). 

Dominicus Aurius ? 

Petrus 1127. 

Johannes 1152. 

Dominicus Sagomino ♦1172-^ Juli 1180 (urk.). 

Johannes de Tumba electus ♦M&rz 1197. 



1) Stimmt mit Angabe des Kataloges (12 Jahre). 

2) Nach Dand. 276 abgesetzt im Todesjahre Honorius' II. (Febr. 1129— 
Febr. 1130). 



AnmerkoDg IL 4M 

Heracliana (Civitas Nova). 

Gegründet 640 (?). 
Angehoben 1440. 

Magnus 640? 

Johannes *27. Mai 877 (electas) (urk.) — ? 

ürsus ♦Februar 919. 

Petrus ♦Juni 960 (urk.). 

Petrus ♦1074/75 (urk.). 

Johannes Julianus 1108. 

Andreas 1119. 

Aurius 1127. 

Clemens ♦1189. 

Torcello 0. 

Gegründet 635-640. 
Aushoben 1818. 

Maurus(6J.) (635-640?). 

Julianus (48 J.) ? 

Paulus«) (fehlt im Katalog) ♦ 680 (urk.). 

Deusdedit Aurii filius (24 J.) ? 

Honoratus (7 J.) . . . ? 

Vitalis filius Frauduni (9 J.) ? 

Severinus (2 J.) ? 

Dominicus (37 J.) ? 

Johannes filius Laurentii Crardocus (2| J.) ? 

Maximus (3 J.) ? 

Just US filius Angeli Partidacus dux (7 J.) um 840? 

Anseimus (12 J.) ? 

Deusdedit fiUus Stefani Jubianid (6 J. 7 M.) . . . . —864/5? (diron.). 
Senator filius Johannis Senatori (6 J. 3 M.) .... —Herbst? ♦876. 
Dominicus filius Leonis Goloprini (37 J.) . ♦ 1. Dez. 876 (electus) (urk.) — ? 

Benatus (8 J.) ? 

Johannes filius Ursoni Luduitu (6 J.). ? 

Giselbertus (GUisberto) filius Kalemanus (17 J.) ^901 (urk.). 

Dominicus filius Aurii maiori tribuni (16 J.) ? 

Petrus filius tribuni Andreadi (12 J.) ♦Februar 919 (urk.). 

Dominicus filius Petri dud Gandiani [UL] (13 J.) . . . . —959. 

Mineus (1 J.) 959—960. 

Johannes fiüus Petri Aurii tribuni (30 J.) . ♦Juni960— ♦De2.982(?)— 990?. 



1) Namensliste mit in Klammer beigesetzter Jahreszahl nach Katalog des 
Chron. Venetum. 

2) I^hlt im Katalog. Vgl. Gipolla, Bicerche, Arch. Yen. 27, 357. 



406 Anmerkung n. 

y a 1 e r i u 8 filios Aurii tribani eiosdem Johann! consangoineuB (20 J.) 990 ? — 1010?. 
Urs US filius Petri duda UrBynH [Orso Oweolo] (3 J.) . . . 1010?— 1013?. 

Vitalis frater eins (35 J.) 1018?— 1048?. 

Yitalis filius Marinum Miohaelia J.) 1048?— 1063?. 

Johannes Bobizo (5 J.) 10&3?— 1058?. 

Urs US Bado?arins (28 J.) 1058?— 1074* (urk.)— 1086?. 

StephanuB Gapellesns (10 J.) 1066—1096?. 

Johannes Mauro (— )^) 1117**). 

Stephanus Silvus (10 J.) ? 

Octavianus ()uirinas ( — ) ? 

Angelus da Mulino (— ) 1158— 1172 (nach CJobnebL 22—25). 

Martinus Ursus (— ) 1172—1177 „ 

Leonardus Donata8(— ). •17. August 1177 (urk.)— 1197 „ „ 

Bonus Balbi (— ) 1197— • September 1215 (urk.) 

Malamocco-Chioggia. 

(begründet 640?. 

Verlegt nach Clhioggia 1110. 

Paulus (Priddius)? 640? 

Felix *24. Noyember 876 und ♦27. Mai 877 (urk.). 

Leo ♦27. Mai 877 (electus) (urk.) — ? 

Johannes? ♦April 912 (urk.). 

Marin US ♦Februar 919 (urk.). 

Dominicus ♦Februar 924 (urk.). 

Petrus? 960? 

Leo ♦lOOS und ^1007 (urk.). 

Dominicus ^1046 (urk.). 

Henricus ♦1074—1075 (urk.). 

Stephanus Badoero ♦Juni 1107 (electus) (urk.). 

Henricus Grancarolus (fibersiedelt nach Chioggia) 1110. 

Felix ? 

Dominicus ? 

Johannes Faletro 1162. 

Marinus Euibulus . . . ? — ♦August 1177 (urk.) — ♦Juli 1180 (urk.)— ? 

Araldus ♦nach Juli 1192 (urk.). 

Dominicus ♦3. August 1205. 

J e B 1 o. 

Gregründet 670 (?). 

Ausgehoben 1466. 

Petrus ? — ♦864 — ^27. Mai 877 (urk.) — ? 

Bonus (später Patriaoch) *vor Juni 960 (urk.). 

1) Nach CoBMXR IV, 72 ist för 1117 ein Bisdiof Aurius (wohl Mauros!) 
urkundlich bezeugt 



Anmerkimg IL 407 

Leo 1010. 

Leo *1040 (urk.). 

Stephanus ♦1074— 1075 (urk.). 

Stephanus Delphinus *1084 (urk.). 

Johannes GradonicoB (später Patariarch) . . vermaÜidi yor 1105, gewiOi vor 

♦September 1108. 

Vitalis 1112. 

Johannes 1131. 

Eobertus 1140. 

Dominicas 1152. 

Petras ? 

Pascalis «Herbst 1171 (Chronik). 

Felix ? 

Stephanas ? 

Tivianas ♦1188—1189. 

Andreas 1200. 

Ifatthaeas 1209. 

Olivolo-Castello*), 

(kgrOndet 774/775. 
Angehoben (in den Patriarchat Ton Venedig aa^gegangen) 8. Oktober 1451. 

Obeliebatas (22 J.) 774/75—796/97. 

Christophoras f rater Longinom Bavennae p[rae]fectam (12 J.) . 796/97—806. 

Christophoras..frater Narsetis (— ) 808— 822(?). 

Ursas fiUas Johanni Particiacas (32 J.) . 822 — mindestens Febr. «854 (ark.). 

Haurus filias Grermani Basignati (10 J.) ? 

Johannes filius magni Candiani (5 J.) ? 

Dominicas filias Johanni Apoli (12 J.) . . ♦l. Dezember 876? — ♦l&ngstens 

Mai 877 (ark.). 
Oraasas .. filias Grasani . . cancellarias dads et notarias pa- 

triarchae (12 J.) ? 

Johannes filias Tribani Matatari (11 J.) ? 

Laarentias filias Barba TaareUi (6 J.) . . ♦Mai 883 (ork.)— Mai 893/908 '). 
Dominicas filias Barbaromani Yilinioas (1 J. 6 M.) .... ? 

Dominicas Orcianicas ( — ) / . . . . ? 

Johannes (fehlt im Katalog) ♦Februar 919 (urk.). 

Petras . . filius Petri dud Dominid Tribani (8 J.) . . . . ? 

Ursus .. filius Petri Magadisi (12 J.) ? 

Dominions filius Johannis Tanolicos (7 J.) ? 

Petras filias Theodosio Marturio (8 J.) ♦Juni 960 (urk.). 

Oeorgius filius Andreadi Geoigii (1 J. 6 M.) ? 

1) Namen und in Klammer beigesetzte Jahreszahlen nach Katalog des Ghro- 
oicon Yenetum. 

2) Nach Katalog: obiit in mense madii p e rc o rrente ind. XI*. 



408 Anmerkung II. 

Marinas filias Petrus Caveranicos (20 J. 2 M.) . . . . *Juli 971 (ark.). 

* Dezember 982 (urk.). 
Dominions filias Dominicas Gradonicus (33 J. 2 M.) . . . * 1006/7 (urk.). 
Dominions filius Johanni Gradonicus (10 J.) . . um 1026 — 1032 (chron.). 
Dominicus Contarenus (qui fuit frater domini Dominid du- 

cis[?]) (16 J.) ? 

Henricus filius Dominid Gontareni dud nepus Dominid epi- 

soopi superioris ( — ) *107i — 1075 (urk.). 

t angeblidi 15. Noyember 1108 (Gormer). 

Yitalis Michael (I.) (—) *11. M&rz 1116 (urk.). 

t angeblich Desember 1190. 

Bonifacius Ealetro (fehlt im Katalog) *1125 (urk.). 

Johannes Polani ( — ) .... * Juni 1138 (urk.) — * November 1155 (urk.). 

Vi talis Michael (H.) (—) 1162(?)— 19. Januar 1182 (?). 

Philippus Gasolus (1 J. 4 M.) 1182—1183. 

Marcus Nicola (52 J. 11 M.) .... 1184 (ClooeNA) — 1225 (Gobneb). 



Anmerkungen zu den einzelnen Kapiteln. 



Zum ersten Kapitel. 



1) Zu Seite 3—7. Allgemeine Topographie. 

Zar Topographie der oberitalienischen Tiefebene und der Lagunengebiete 
(Seevenetien) im allgemeinen: Hshn, Y., Italien, Berlin 1879; Nissnf, H., It»- 
Usche Landeskunde, 2 Bände, Berlin 1902, I, 176-196; 202—207; II, 211 bis 
225. Dazu im besonderen: Fujasi, G. C^-, Memorie storiche de* Veneti primi 
e secondi, 8 Bände, Yenezia 1796—1798, 2. ed. Padua 1811; für Besiedelungs- 
geschichte und topographische Forschung noch immer das Hauptwerk und fast 
unerschöpflich an wertvollen Notizen verschiedenster Art; dazu mehrere andere 
Aufsätze topographischen Inhalts über die Lagunen von demselben Yerfasser (in 
den Jahren 1794 — 1828). — Beiches Material jeder Art enthält Gallicciolu, 
Memorie Yenete antiche, Yenezia 1795, 8 Bände (mit Berichtigungen und Besse- 
rungen durch Tentobi vom Jahre 1796). Femer die unübersehbare italienische 
Einzelliteratur; endlich neuestens Schlosses, I. t.. Die Entstehung Yenedigs, 
Beilage zur Münchener Allg. Ztg. 1897, Nr. 6, 7, 8. — Die Scheidung zwischen 
Land- und Seevenetien beginnt von der byzantinischen Besitzergreifung ab deut* 
lieber zu werden. Ausdrücklich auseinandergehalten werden beide Gebiete erst 
im 8./9. Jahrhundert, doch scheint dabei nur ein langher bestehender, schon 
durch die verschiedene politische Zugehörigkeit der beiden Gebiete bedingter Zu- 
stand zum Ausdruck gebracht zu sein. Paulus Diaconus, II, 14: VeneUa ... 
non aoltim in paw^is inmUi gwM nunc Venedaa dicimus constat, sed etus 
termintAS a Panonuu finibus usque ad Ädduam fluvium protdatur. Danach 
Johannes Diaconus 59 : Venetie due Btmt Prima est iUa guae in antiquitatum 
hystoriia continetur, que a Pcmonie terminia usque ad Adda fkmum pro- 
Ulatur, cuius et Aquilegia civittts extitit caput ... Secunda vero Venecia 
est üla, quam apud instHas scimus, que Ädriatici maris coUeda sinu tnter- 
fhtentibus tmdis posiHone mirahili muititudine populi feliciter habitant. Siehe 
auch Chbon. Yen. (Longinaalragment), 46. 



410 AnmerkoDg 2 za Seite 7—16. 

2) Zu Seite 7—16. Die Venetcr. 

1. Hauptwerk über Herkunft und Sprache der Veneter: Paüu, C, Alt- 
italische Forschungen, UI. Die Veneter und ihre Schicksale, Leipzig 1891. Dssu 
auch Pknka, Zur Faläoethnologie Mittel- und SQdeuropas, MitteiL d. anthrop. 
Gesellschaft, Wien, 17, 18—52; Kisskn, Italische Landeskunde I, 488— 49L 
Aulserdem sind einige freundliche persönliche Mitteilungen Prof. Paul Kbetschmibs 
▼erwertet Die illyrische Abstammung der Veneter wird zurzeit nidit mehr ernst- 
lich bezweifelt. Dafs die lUyriker und damit die Veneter Tor den keltiscfaeD 
Italikem auf der Halbinsel ausgewandert sind, sagen richtig schon Polybios und 
Linus. — Zur Geschichte der Veneter bis in die augusteische Zeit sind Haupt- 
quelle: Polybios U (für die ältere Zeit) und Strabo IV und V (ßi die jüngere 
Zeit). Über die Fenezianischen Beziehungen zu den Hellenen: Nisskk, Italische 
Landeskunde I, 174—175, 491—493; s. ebenda I, 91 A. 5, H, 215, A. 8 und 
bei Ed. Meter, Greschlchte des Altertums H, § 424 über den Namen Adria. Die 
Nachricht von der Landung des Kleomenes bei Liyitjs X, 2; hierzu I^uasi, Me- 
morie IH, 199 f. Zur Geschichte Venetiens in der Bomerzeit aulser zahlreichen 
Nachrichten bei Filusi I, III und IV vor allem Nissen I, 74—81, 176, 492 bis 
493, II, 194—223. Über den Einfall der Veneter in Gallien (382/381) Pöltbios 
II, 183; vgl. Ed. Meyer, Altertum V, 157. Über den Anfall an Born in der 
hannibalischen Zeit Strabo U, 22—23. Dafs die Ostgrenze von Gallia dsalpina 
nicht bis zur Arsia reichte. Jung, (reographie von Italien (Müller, Handbuch 
der klassischen Altertumswissenschaft UI, 3, 1), 61. Über die Begionaleinteilong 
des Augustus Marquardt, Bomische Staatsverwaltung I, 2, 218, 221; Mommsen, 
Corpus Inscr. I^at. V/1. Über Venetien und Istrien auch Mommsen im Neuen 
Archiv f. ä. d. Gk. 5 (1879) ; vgl. auch Tomasin, Jahresber. d. deutschen Staatsgymn. 
in Triest, XLV (1895), 3 ff. Über die älteste Veneterkultur eine leidlich brauch* 
bare Zusammenstellung bei Czoernio, C. y.. Die alten Völkerschaften Italiens, 
Wien, 1885, S. 92—96; Schlosser, Entstehung Venedigs, Nr. 6. — Über ven»- 
tische Stadtgründungen Nissen, II, 211 — 225. Über die Städte Venetiens in 
der Bomerzeit im allgemeinen Filiasi, Schlosser, Nissen. Im besonderen Über 
Aquileja Nissen H, 229—237. Padua ebenda I, 491, U, 109, 218—221. Con- 
cordia ebenda I, 228—229; die Stadt bestand noch in der (jotenzeit (Harucamn, K, 
(jeschichte Italiens im Mittelalter, €k>tha 1903, U/2, 119, Anm. 28) und war noch im 
10. Jahrhundert von Bedeutung (Konstantin Porphtrooennetos 121). Über Oderso 
Filiasi VI, 72—98; das alte Opiteigium war weiter vom Meere entfernt als das 
heutige. Über Adria und Spina Nissen I, 205, II, 213 — 216; über Bavenna 
Schlosser Nr. 7. Für den Verkehr von Bavenna nach Altino kommt aoTaer der 
Tabula Peutingeriana die Stelle bei Herodian VUI, 6. 5 (ed. BibL Teabn. 200): 
„^Unlivaav xdg re UfAvag xal xä Teväyrj fiira^b ^Alxivov xal *Paovitnnig** in 
Betracht Über Altino aufser Schlosser besonders Fujasi HI, 244 — 827; über 
Handelsbeziehungen von dort nach Dalmatien vgL Gifolla, C., Btcerdie soUa 
tradizioni intomo alle immigrazioni nelle lagune (Arch. Ven. 27 — ^29 » 81) 
28, 110. 



Asmerkong 2 zu Seite 7—16; 3 za Seite 16-21. 411 

2« Ober die Torhistorische Besiedelang der eigentlichen yenezianiBchen Lagune 
haben die Aasgrabangen des als ein Opfer seiner Forschungen früh verstorbenen 
Nicolö Battaglini in Toroello einiges licht verbreitet (Battaolini, Scoperta di 
oggetti di epoche preistoriche nel estnario di Yenezia, 1885. S. auch Pebl in BeiL 
z. Münch. Allg. Ztg. 1903, Nr. 134). Die Besiedelung in der Bomerzeit erhellt 
aus der Boutenbeschreibung der Peutingerschen Tafel. Dieselbe ist eine Art 
Verkehrskarte (itinerarium piotum) aus der Zeit des Kaisers Alexander Severus 
(222 — 235), aber nur in Kopie des 13. Jahrhunderts erhalten; s. Nissen I, 24—25. 
Die Beute führt von Bavenna über BtUrium (bei Spina) und ein wohl in der Gegend 
von Comaochio zu suchendes August a nach Sacis ad Padum, einer Haupt- 
station, die an dem Sagis (Sacis) genannten, vom Po Yolano abzweigenden und 
jtof Comaochio zu flieüsenden ehemaligen Arme des Po lag, der die Grenze der 
augusteischen Begio dedma nach Süden bildete und welchen aufwärts man von 
der Station Sacis auch in die Emilia fahren konnte. Hierauf fehlt ein Name 
(Comaochio?); dann folgt Nerania, ein von Sagis nordwärts gegen die spätere 
Pomposa führender Kanal, Camiculanum, Batrianum (Ariane), die „septem 
Maria^' (darüber Anm. 5), Fossis (»- Fossone), Edron (» Chioggia), Medoacus 
minor (Albiola ?), Medoacus maior ad partum (Malamocco ?), endlich ÄUinum. 
Dazu NissBN I, 214; Filiasi III, 51, 55, 105 u. a. a. 0. Über die „cura litorum'* 
8. Hartmann, Geschichte Italiens U/2, 103 u. 119 A. 26. Nach einem in Venedig 
selbst gefundenen Steine der Tribus Fabia (Padua) scheint die venezianische La- 
gune im Norden dem Stadtbezirk von Altino (ager Altinensis), im Süden dem von 
Padua (ager Patavinorum) angehört zu haben, die Grenzscheide gerade durch 
•das heutige Viertel von Bialto gelaufen zu sein. Gloria, L*agro Patavino. Atti 
Istituto Veneto, Ser. 5, Bd. 7, 555 f. Cipolla, Bicerche, Arch. Ven. 27, 344. 
Ob der von Martialis epigr. 2, 48 u. 4, 55 gebrauchte Ausdruck Bitunee auf 
•die venezianischen Inseln zu beziehen sei (Galiiociolli I, 79—81), mufs noch 
dahingestellt bleiben. Über die Skelettfunde auf Toroello 1904 bin ich nur 
durch Zeitungsnotizen unterrichtet. 

3) Zu Seite 16—21. Crrfindung (568) und Chründungs- 
legende. 

Zur Geschichte des Seelandes im 5. und 6. Jahrhundert und zur Geschichte 
der venezianischen Gründungslegende kommen als Quellen in Betracht: 
Für die erste die Briefe des ostgotischen Ministers Cassiodor (Cassiodori sena- 
toris variae X, 27; Xu, 24 und 26, gedruckt in Mon. Germ. Auct. antiq. xn 
•ed. Mommsen) und die Geschichte des Prokopios an verschiedenen Stellen. Für 
die erste und zweite: Chron. Vknstüm 11 — 12, 23; Chron. Gradense 37—38; 
Konstantin Porphyrog. 123; Johannes diao. 63, 70; Chron. Danduu 69—76; 
Chron. des Canale 274/275 und die einschlägigen Partien der späteren Chro- 
niken (vgl. besonders Bernahdo Giüsiiniano 29—36, 174—178 und Sanudo in 
der neuen Ausgabe von Monticolo 1—2). Die Fabel, dafs der Exarch Longinus 
584 die Venezianer zum Eingehen eines Vertrages bewogen, worin sie sich ohne 



412 Anmerkung 3 zu Seite 16—21 ; 4 su Seite 21—29. 

Treueid ^iwillig zu guten Dienern des oströmischen Imperiums erklären und 
dafür Handelsvorteile erhalten, in Chron. Yenetüm 44 — 52 (sog. Longinusfrag^ 
ment). Bomamin, Storia di Yen. I, 82 entschliefst sich, dieselbe zu glauben und 
hiermit den ersten Handelsvertrag mit dem Ostreich anzusetzen (!). Über diese 
Dinge am ausführlichsten und noch immer wertvoll Wüstenfeld, Yenetomm bi- 
storia ab antiquissimis temporibus usque ad ducum sedem Rivoalto fixum de- 
dncta, Gottingen, Diss. 1846 (besonders S. 17—30, 38—41) und desselben Ye^ 
fassers scharfsinnige Bemerkungen zu Bomanin I in den (jöttinger Crd. An- 
zeigen 1854, 1121 — 1174. — DaCs die Lagunengebiete ostgotischer Beichs- 
besitz waren, schon Gibbon, History of the dedine and fall of the Boman Empire, 
London 1776, III, 422 (neuherausgegeben von Bttby 1896 f.); Wüstsnfeld, Yen. 
bist. 38 — 39. Neuerlich darüber und zum folgenden Cohn, Die Stellung der 
byzantinischen Statthalter in Ober- und Mittelitalien, Berlin 1889, 10 — 12; 
Hartmann, L., Untersuchungen zur Creschichte der byzantinischen Yerwaltnng in 
Italien, 540—750, Leipzig 1889. Die Deklamationen über die ursprüngliche Un- 
abhängigkeit des Seelands, die man u. a. auch auf den Ausdruck „devotio*' in 
Cassiod. Yar. XII, 24 gründen wollte, sind hinfällig. Selbst Bomanin I, 70—71, 
sonst ein Anwalt dieser Auffassung, mufs zugeben, es sei unwahrscheinlich, 
dafs die Ostgoten, Herren von Bavenna und Aquileja und überdies einer Flotte, 
sich nicht auch in Besitz der alten WasserstrafBO zwischen beiden Stfidten ge- 
setzt hätten. — Dafs Seevenetien 539 griechisch wurde, zu schlieCsen aus 
Prokop, De hello Gothico, ed. Bonuensis, II (1833), 271; s. auch 586 (Besitz- 
Verhältnisse in Yenetien im Jahre 547/8: röT&oii filv noXCofiata dUya iv 
BivijCatg diifAHve. Tä filv y&Q In id-alaaaCdta xa>Q(a 'Ptofiaioi,, 
rä <f^ älXa {>noxiCQia a(f>(aiv &navta nino(rivxo ^^gäyyoi); endlich 600 — 602 
über das Unternehmen des Narses 551. Die gewaltsame und unwahrscheinliche 
Yerrenkung seines Berichtes durch Galli, B., Yenezia e Boma in una cronaca 
del secolo YI, Arch. Yen. Nuovo N. Serie II, 266—305 ist augenscheinlich ab- 
zuweisen. Der Oberst Johannes, Sohn des einst allmächtigen Mag. mil. Yitalianus^ 
der Narses den Yorschlag macht, über die unter byzantinischer Herrschaft stehen- 
den Lidi zu ziehen (xaTTjxötov a(pia*v [Griechen] örrtov . . . Tfi>v r^Se dv^^noir), 
stand schon 538 unter Belisar im Felde (Habtmann, Creschichte Italiens I, 210 
bis 215, 276, 279). — Ober den Langobardeneinfall in Italien im allgemeinen 
Hartmann, Geschichte Italiens II/l, 19, 34 f. Ober die Flucht des Fätriarcheii^ 
Paulin US nach Grado 568 Quellenzusammenstellung ebenda 11/2, 119, A. 27, 
120, A. 30. Für die älteste Geschichte von Grado (als Fatriarchensitz) sind 
CkRON. Yenetum 11, 13, 15, 39, Gradense 37—41 und (}bonica de sinqüus 
FATRiARcms NOVE Aquilejae Hauptquolle; alle teils konfus, teils verfiUsefat. 

4) Zu Seite 21—29. Konstituierung des Seelandes. 

1. Ober die Gesamtbesiedelung Quellen wie oben; Bearbeitungen Cüepolla, 
Bicerche (s. Anm. 2) und Habtmann, Gfeschichte Italiens II/l n. 11/2, 101—110 
mit zugehörigen Bemerkungen (auch über die gleichzeitige langobardiadie CkK 



Anmerkung 4 zu Soito 21—29. 41 S 

schichte). Über den Anfall Lupos auf Grado: Johannes 87 nach Paulus duc. 
5, 17, der denselben vor den Zug Grimoalds nach Mittel- und Süditalien 663 
ansetzt. Dandolo 120 bestimmt ihn für die allerdings auch nicht wohl an- 
zugebende Zeit des Gradenser FatriarcJien Maximus (vermutlich 647—667). Das 
€hron. Yen., immer konfus, verwechselt (56) den Herzog Lupus mit einem gleich- 
namigen Bischof, der um 800 Grado geplündert haben soll. Ober die Befestigung 
der Inseln Johannes 63 ; Chr. Grad. 32 — 33. Hierzu auch Wüstenfeld , Yen. 
hist. 73—74. Die „Bomanorum incursio'* (S. 25) aus Paul. diac. 6, 51. 

2. Zur Geschichte der ältesten venezianischen Kirche und besonders über die 
Ausbildung der Rechtstheorien der streitenden Patriarchate von Grado und Aqui- 
leja ist das Hauptwerk W. Meyer, Die Spaltung des Patriarchates Aquileja ia 
Abhandlungen der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften, N. F. II, 1898. 
Aufser Wüstenfeld und (mit Yorsicht) Gfrörer auch Hartsiann, Geschichte Italiens 
n/1, 85—98, 201, 209 und a. a. 0.; siehe hier besonders II/l, 119—120, A. 2 
über die Synode von 579. — Die (vollständige?) Aufzählung der italienischen 
Sufifraganete von Grado- Aquileja nach Johannes 74 (nach Dokument?); die ge- 
fälschte laste von 579 kann natürlich nicht in Betracht kommen. 680 figurieren 
auf dem Konzil von Eonstantinopel auüser Patriarch Agathen von Grado (eps. 
Aquilejensis) die Bischöfe von Pola, Parenzo, Geneda, Andreas episcopus 0)leianae 
(Cilii?), Trieat, Oderzo, Padua und Paulus episcopus Altinensis (Mansi, Gon- 
ciliorum collectio XI, 311). Eine Beschreibung des Sprengeis bietet das Chron. 
Yen. 13 — 14, Grad. 42 — 43 (lO./ll. Jahrhundert); aus etwa derselben Zeit 
stammt auch die Liste der Unterschriften von 579. Über die erhaltenen Patri- 
archenlisten wäre noch eine chronologische Untersuchung zu führen. — Quellen 
zur ältesten Kirchengeschichte Yenedigs: Die vornehmlich hierfür in Betracht 
kommenden (echten und gefälschten) Urkunden von 607—772 jetzt gedruckt 
von Gündlach in Mon. Germ. Epistolae III, £p. Langobardicae collectae 
691—715. Davon sind sicher gefälscht n. 11 (der Papst an Doge Orso 726 bis 
735) und 14 (Synodaldekret von 731). Yon n. 9 (Papst Gregor II. intimiert sein 
gleichzeitig an Patriarch Serenus erlassenes Gebot, die Kirche von Grado nicht 
zu bedrängen, dem Patriarchen Donatus von Grado, Dogen Marcellus und den 
Bischöfen von Yenetien) wenigstens die Adresse „Marceüo duci", wahrschein- 
lich aber der ganze Brief; denn die Gegenüberstellung von FaraitUiensis antistea 
und Gradensis patriarcha wie hier begegnet sonst nur in dem zweifellos ge- 
fälschten Synodaldekret von 731 (n. 14); im Briefe an Serenus selbst (n. 8) ist nur 
von Gradensis presul die Bede und auch sonst wird die Bezeichnung Gradensia 
patriarc?M nicht gebraucht. Dafs der Brief n. 9 schon in der Gronica de sinqülis 
PATRiARCHis NOVE Aquileie vorkommt , ist nicht beweisend; denn diese enthält 
auch die gefälschten Synodalakten von 579 und ist — wie wohl auch Brief 
n. 9 — kaum anders denn als ein Bestandteil der rechtstheorotischcn Kon- 
struktionen des lO./ll. Jahrhunderts anzusehen (Meyer, Spaltung von Aquileja 
29—31 ; Hartmann, Unters. 129, Geaoh. It II/2, 153-154, A. 8. Montigolo in 
seiner Sanudoausgabe 101 — 103, A. 3; Gü^irard in Melanges d^archeologie et 
d'histoire 10, 44 — 60). Das (Ihronicon Yenetüm, ungemein reich an Angaben 



414 Anmerkimg 4 zu Seite 21—29; 5 su Seite 29S1. 

für die Konstituienmg der yenezianischen Sdrchen im einzelnen (s. Amn. 5 bei 
den einzelnen Inseln), enth&lt 11—12 und 14 eine über die gradensiache üieoiia 
noch weit hinausgehende Legende ; es schiebt die Übersiedelung der FatriardieD 
nach Grado in die Zeit Attilas hinauf und macht aus dem Patriarchen Eliu 
nicht blofs den vom Papste ernannten Begründer des Patriarchates yon Grado, 
sondern auch den Organisator der sechs venezianischen Bistümer (auch des erst 
774 gegründeten Olivolo) und der yenezianischen Kirchen überhaupt. In geist- 
lichen Kreisen blieb die Legende unbekannt oder unbeachtet, und auch Dabdolo 
liefe sie fidlen, so verlockend es h&tte scheinen mögen, dem politiachen Geburts- 
jahre 421 die Jahre 452 und 579 als Geburtsjahre der venezianischen Kirche, 
des venezianischen Patriarchates und der venezianischen Hierarchie zur Seite zu 
stellen. 

5) Zu Seite 29—37. Topographie der Lagunen. Siehe 
Kartenskizze I. 

!• Über die ältesten Inselbeschreibungen (Chron. Yen. 7—9, 15, 16, 39; 
Konstantin Pobfhtboo., ed. Bonn. 122—125; Johannes diac. 63 - 66) mein Aufsatz: 
„Die Beschreibung der venezianischen Inseln bei Konst. Porphyrog." in Byzant 
Zeitschr. 1904, S. 482 — 489. — Ober den Namen Yenetia (Yenetiae) ebenda 
S. 484, A. 3 nach Monticolo, Arch. Yen. 17, 63 — 64 und Arcfa« Yen. Nuovo 
3, 379—386; hierzu sei richtigstellend bemerkt, dafs auf der Weltkarte dos 
Edrisi (1154) in der neuen Ausgabe der Accadebiia du Lincei Atti 274, Ser. II, 
voL 8 Yenedig nicht als „Benadek" (Lklewel, Geogr. de moyen i^pe), sondern 
die Stadt (Bialto) als Fann-rü, das Gebiet als Bunduqijah eingetragen erscheint 

2« Zur historischen Topographie der einzelnen Lsgunenorte beeonders 
Schlosser, Entstehung Yenedigs, und Fujasi, MeuL YI u. YII; femer die un- 
geheure italienische Detailliteratur. — Im einzelnen zu Grado: Feliasi YI/1, 
12—54; HART3iANN, Gesch. Ital. II/2, 119, A. 27; Btz. Zeitschb. 1904, 485, 
A. 3. Dafs ein Gradus in der Bedeutung „Landungstreppe" auch bei Aries 
nachweisbar ist, Dellaqiacoma , Fortunato da Trieste patriarca di Grado (803 
bis 825); Archeografo Triestino, N. S. 3, 317 f. Über die sagenhafte Bolle der 
Gradolici (Gratici) als Begründer und Erbauer von Grado Ghbon. Yen. 33, 37. 
AuMhlung der lidi von Grado bis Caorle Guron. Yen. 15, 39; Grad. 46 — 47. 
Dazu FnjAsi YI/1, 38f. — Über Bibiones Byz. Zeitsohr. 1904, 485, A. 1. — 
Zu Caorle: Filiasi m, 361, YI/1, 63—71; Byz. Zeitschr. 1904, 485, A. 3 
und ebenda 485 — 486 auch über die Lidi von Caorlo bis Jesolo. Johannes 64 
setzt die Gründung des Bistums Caorle von Concordia aus auf 615—618 an. In 
einem Briefe Papst Gregors I. von 598/99 (Beg. IX, 155) ist aber sofaon von 
einem Bistum Capritana in der Nähe eines Kastells Kovas die Bede (Caatellum 
Novas, cui insula Capritana quasi per dioeoesim coniuncta). PInton, Della ori- 
gine della sede vescovile di Caorle, Arch. Yen. 27, 283 — 292 erkl&rt mit be- 
achtenswerter Begründung Novas für Nova Aemona, Capritana für Capodistria 
und hält für Caorle am Ansätze des Johannes fest; HABiKAiOi, Gesch. ItaL II/2, 



Anmerkang 5 za Seite 29—37. 415 

119, A. 28 will unter Capritana nur Caorle verstanden wissen. Ich vermag 
mich zwischen beiden Anschauungen nicht zu entscheiden. — Zu Heracliana: 
Johannes 64; Chron. Yen. 33. Dazu Piliasi VI/1, 72—98; Wüstenfkld, Ven. 
hist 74 und Gott. Anz. (1854), 1157, 1163. Gegßn Hashiann II/2, 104 u. 

120, A. 28 bin ich doch der Meinung, daTs schon die erste Zerstörung von 
Oderzo noch unter Kaiser Herakleios' Zeit Anlafs för die Stadtgründung wurde 
und mit der dichteren Besiedelung nach der zweiten Zerstörung von Oderzo 
unter Kaiser Konstans der Anbau einer Neustadt (dvitas nova) notwendig wurde, 
derart, dafs wohl von langher beide Namen nebeneinander gebraucht wurden. 
Vom 9. Jahrhundert ab ist „Givitas nova*' überwiegend im Brauche, doch ist 
auch „Heracliana" noch durchaus üblich (Mon. Gebm. DD., Otto m., n. 100, 
165), gelegentlich auch „Melidissa** (Cifolla, Fonti edite della storia della re- 
gione Yeneta sino al fine del secolo X. B. Deput. Yeneta di storia patria, 
Misoellanea ir/3, A. 97, 277). S. auch Byz. Zeitschr. 1904, 488, A. 1. — Zu 
Jesolo: Über Gründung und Kämpfe mit Heracliana: Chron. Yen. 34 — 40. 43. 
Auzolo (CuRON. Yen. 33, 34, 43) wird wohl als Asolo zu deuten sein. Dürftig 
Johannes 65. Dazu Filiasi YI/1, 162 f., YH, 28—30. Die Stelle auf S. 33 
(aus dem Jahre 1446) nach Gallicciolli I, 71. Über S. Giorgio in Pineta s. 
MoNTicoLo in seiner Sanudoausgabe 217, A. 3. Über Lidi von Jesolo Btz. 
Zeitschb. 1904, 486, A. — Zu Torcello: Über Besiedelung und Kirchen- 
begründung: Chron. Yen. 5 — 11; Grad. 19—34; Johannes 65 (Torceüus . . ., 
qui licet urhium menihua minime clarescat, tarnen dliarum insularum munt- 
tiane circumscepta in medio tutissima poüet), 84—85; Konstant. Forphyroo. 
124: ifATiÖQiov fjifya ToQrCeXeiv. Zur Geschichte der torcellanischen Kirchen: 
Corner (Flaminius Cornelius), Ecclesiae Torcellanae antiquis monumentis . . . 
illustratae, 3 Bände, Yenetiis 1749 ; enthält ungemein reiches Material. S. femer 
FnjASi YI, 181 ff., sehr eingehend ; CIIipolla, Eioerche, besonders über den Bischof 
Paulus von Altino 680. Arch. Yen. 27, 356—370 u. a. and. 0. Über die Lidi 
von Torcello: Chron. Yen. 7—9; Grad. 24—30; Konst. Porphyroo. 123. Dazu 
Byz. Zeitschr. 1904, 486. Dafs die beiden Inseln Ammiana und C!ostantiaca 
schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts verlassen zu werden begannen, bezeugt 
nach der Chronik des Daniele Barraro die (echte?) Bede des Dogen Pietro 
Ziani 1221 betr. die Forderung nach Übertragung des Dogensitzes von Yenedig 
nach Konstantinopel. Dazu Gallicciolu I, 53. — Zu Murano: Filiasi YT, 
225 ff. Dafs die Errichtung von S. Maria e Donato auf die Anfänge des Bis- 
tums von Torcello zurückgehe, vermutet wenigstens Corner, Eccl. Tore. II, 
48 — 49. — Zu Malamocco: Chron. Yen. 14, 34; Grad. 45; Johannes 65: 

. . . Metamaucus . . ,, quae non indiget aliqua urbium muniHone, sed pfUchro 
Utore pene ex omni parte cingitur, Dandolo 106 — 107. Dazu Feliasi YI/1, 
326—333. Über die Lidi Nissen U, 211—225. — Pupilia (Poveglia) nach 
Johannes 65; das Chron. Yen. 15 erwähnt ein Pupiliola auch in der Nähe von 
Caorle. — Zu Chioggia: Filiasi YI/2, 14 ff. Yerschiedene Arbeiten von 
Y. Bellemo und C. Büllo im Archivio Yeneto. — Über die südlidi von Chioggia 
gelegene Lagune und die festlandwärts gelegenen Inseln Filiasi IH, 73 — 82 und 



41< Anmerkang 5 zu Seite 29—37; 6 za Seite 38—43. 

TI/2, 81 ff. — Über die Tielomstrittenen „Septem maria*' {inra nildyfi) 
(PuNiüB 3, 119; Herodian 8, 7. 1; Pomfonius Mell II, 62; Tab. Pkdtinokbiaka 
8. Anm. 2/2). Nissen, ItaL LaDdeskunde Il|l, 214—215. YgL aach Hodoson, 
The early history of Yeuioe, London 1901, S. 6, A. 1. Plintüs sagt aelbat, dab 
er die Lagunen Ton Adria daranter verstehe. Sie begannen nach Nisscr in der 
frfihen Kaiserseit am Sagis (s. Anm. 2) und endeten an der Etadi. Später 
wurde der Ausdruck auch för die „sieben Mündungen*' des Po angewendet So 
von Hebodian. Eine genauere topographische Bestimmung der „sieben Meere 
Ton Adria'* oder „sieben Mündungen des Po" ist bei der groCsen Yerioderung 
des Bodens ausgeschlossen. Dals „Septem maria" jemals — wenigstens in 
genauerem topographischen Sinne — das Gesamtgebiet Ton Barenna bia Altino 
beseichnet habe, läfst sich durch nichts erweisen. YgL Mm. Inst, j, östbbb. 
Geschichtsforschuno (MIÖG.) 25 (1904), 147, A. 3. 



Zum zweiten Kapitel. 
6) Zu Seite 38—43. Das ^Tribunat'^ 

1. Zur Geschichte der byzantinischen Yerwaltnng im allgemeinen 
und in Italien im besonderen: Wüstenfeld, Yen. bist. 30—32, 70 — 71; Gott 
Anz. 1854, S. 1144—1155. Simonsfeld, Yenezian. Studien L Das Ghronicon AI- 
tinate, 1878 (an verschiedenen Orten). Calissk, H goremo dei Bisantini in 
Italia; Rivista stör. Ital. II (1885), 265 — 335 (mit Einwendungen). Dbbbl, 
Etudes sur Tadministration Byzantine dans Texarchat de Bavenne, 1888. 
Habtmann, Untersuchungen (s. Anm. 3). Gohn, Byz. Statthalter in Ober- und 
Mittelitalien (s. Anm. 3). Lentz, Das Yerhältnis Yenedigs zu Byzanz nach dem 
Fall dos Exarchats bis zum Ausgang des 9. Jahrhunderts, Diss., Berlin 1891. 
Lentz, Der Übergang Yenedigs von faktischer zu nomineller Abh&ngigkeit von 
Byzanz, Byz. iZeitschr. 3 (1894), 64 f., 112 f. Gelzeb, Die Geneeis der byz. 
Themenverfassung, Abb. d. sächs. Gesellsch. d. Wiss. phil.-hist. Kl. 18 (1899X 
Hartmann, Gesch. IUI. II/l, 124-136, 156-157, A. 3—6; 11/2, 64—69, 100. 
Die S. 41 angegebenen Militärbezirke sind namentlich nachweisbar; ea hat aber 
gewifs deren mehrere gegeben. 

2. Ober die Yereinigung von Yenetien-Istrien (regio decima des Augustus?) 
im 6. und 7. Jahrhundert unter einem Magister militum Paulus diac. II, 14: 
Venetiae etiam Histriae . . . pro una provincia Juihentur. Die sog. Tri- 
bunenzeit Yenedigs (150 Jahre nach Johannes 90) ist mit der Zeit der Yer- 
waltung Yenetien-lstriens durch einen Magister militum identisch. Dafs dieser 
erst in Oderzo, dann nach dessen zweiter Zerstörung in Heradiana regierte, 
Wüstenfeld, Yen. bist. 74 und Gott Anz. 1854, 1141. Die Darstellung dieser 
Zeit bei Bomantn I, 76 — 84 beruht ganz auf den Konstruktionen sp&terer vene- 
zianischer Chroniken und ist vollends abzuweisen. Über die Tribunen von Tor- 
cello (tribunus princeps Torcellanus) und den umliegenden Inseln (maiori tribuni 



Anmerkimg 6 zu Seite 38—43; 7 zu Seite 43—49. 417 

Borianenflis iudioe, triboni minores auf Ammiaiia und Maszorbo) Chron. Vzn. 
^^7, 10, 20: Grad. 22—23, 33, 35. Von einem alten Tribunenpalast auf Bialto 
ai>geblich neben SS. Apostoli meldet Filiasi VII, 257. 

Über das Anfangsjahr des Dogates: Dals der Dakat von Heradiana 
nach 680 errichtet wurde, erbellt daraas, dab 680 yenezianische Bischöfe noch 
als „provinciae Istriae'* gefertigt sind. Hartmann, Gesch. Ital. n/1, 278, A. 18; 
n/2, 120, A. 29. Die Stellen über die erste Dogenwahl Johannes 91, Dandolo 
127. Über die Einflalsnahme des Patriarchen von Grado znerst Bernardo 
GnisTiNiANO 314. Das Jahr 706 als Anfangsjahr haben Chron. Enrioo Dandolo, 
Saec. XIV und mehrere Chroniken des 15. Jahrhunderts. YgL auch Monticolo 
in seiner Sanudoausgabe 99, A. 4 u. 5 und Bullettino dell* istituto Italiano 9, 
148—150. Ob Faulutius wirklich der erste Dux war, l&fst sich natürlich nicht 
mit Sicherheit behaupten. Ich sehe aber nicht ein, warum den Angaben der 
Quellen schon des 10. Jahrhunderts hierüber besondere Zweifel entgegengesetzt 
werden sollten (vgl. Hartmann, Unters. 126, Gesch. Ital. n/2, 120, A. 29). Das 
Anfangsjahr 697 ist von Dandolo nicht willkürlich erfunden; denn dafs 726 ein 
Amtswechsel im Dukate stattfand, geht aus dem Papstbuche hervor (Vita Grb- 
GORii in liber Pontificalis ed. Duchesne I, 404); davon die in den erhaltenen 
Katalogen überlieferten Amtszeiten abgezogen, ergibt in der Tat 697. 

7) Zu Seite 43—49. Jahre 697?— 742. 

1, Begierungszeit des Faulutius: 20 Jahre 6 Monate 9 Tage nach 
dem ältesterhaltenen Dogenkatalog (B; siehe Anm. II, S. 400); nach Johannes 
20 J. 6 M.; Marcellüs 9 J. 21 T. nach B (18 J. 20 T. nach Johannes; un- 
möglich); Urscs 11 J. 5 M. B und Johannes. Über Grabstätten (in Heradiana) 
vgl. Dandolo 130, 134. Zur Geschichte dieser drei : Johannes 91 — 97 ; Dandolo 
127 — 138. Dafs Faulutius in den Kämpfen zwischen Heracliana und Jesolo um- 
gekommen sei (und zwar, wie dies für den Feldzng von 1171/72 später auch von 
den Giustiniani erdichtet wurde, mit seinem ganzen (reschlechte bis auf einen 
Creistlichen , dem dann die Eingehung einer — natürlich kindergesegneten — 
Ehe gestattet worden) Chron. Ven. 34, 40. Dazu Hartmann, Gresch. Ital. U/2, 
109. Die Beinamen Anafestus (Dir Faulutius) und Tegallianus (f&r Maicellas) 
zuerst in der Chronik Nicolo Trevisan (Monticolo in seiner Sanudoausgabe 99, 
A. 2). ürsus heifst hypatus bei Johannes 97. Dafs in den Fapstbriefen Mon. 
Germ. Ep. m, epp. Langob. n. 9 (699—700) und 11 (702), jAFri-LoEWENFELD, 
Reg. Font. 1, 2167 und 2178 (vgl. Anm. 4) die Namen des Maroellas und ürsus 
gefälscht sind, ist kaum zweifelhaft; doch kann ich mich darum doch nicht 
mit CoHN 30, Hartmann, Unters. 126, Lentz, Diss. 4, A. 1 anzunehmen ent- 
sefaliefsen, man habe in den beiden nur Fabelgestalten zu ersehen, und halte 
mich eher zu den im Texte geäufserten Anschauungen berechtigt. — Die 
Magistri militum führen Katalog B und Johannes 95/96 übereinstimmend 
in dieser Reihenfolge an: Leo (C 1: Dominicus Leo) 1 J., Felix (Johannes: 
Cornicula) 1 J., Deusdedi(t) 2 J. nach B, 1 J. nach Johannes, Jubianus 

Kretselimayr, Gtoschielite von Venedig. 27 



418 Anmerkung 7 zu Seite 43—49. 

hjpatuB 1 J., Johannes Fabriacus 1 J. Die Verschleierung des Sach- 
verhaltes bei Johannes 95 und erst recht und dabei wenig geschickt bei Dakdolo 
136 (—138) ist augenscheinlich ; die spätere Überlieferung l&(st im Gregensats zu 
Johannes und Dandolo die Magistri militum bereits in Malamoooo gewählt 
werden. Von Jubianus, später mit dem Spottnamen Geparius bedacht, be- 
hauptet zuerst Chron. Marc. Ital. VU, 2034, er sei in Malamooco bestattet 
worden. 

2. Ober die Kämpfe zwischen Heracliana und Jesolo und das Ver- 
hältnis der ersten Dogen zu den vorhandenen Tribunengewalten Chron. Ven. 
33—40 ; teilweise auch Johannes 87—88. Hierzu die scharfsinnigen Ansföhrungen 
Wüstenfelds, Ven. bist 59 f., 72 — 81 und Gott Anz. 1854, 1157 — 1163. 
Wfistenfeld unterscheidet vier Phasen des Kampfes der beiden Städte: 1) Etwa 
von 660—670, die zur Gründung des Bistums Jesolo ftihrt 2) unter den ersten 
Duces (etwa erste Hälfte des 8. Jahrhunderts), wobei Duz Faulutius seinen Tod 
findet und (der spätere Duz?) Egilius Gaulus auftritt; diese Kämpfe stehen im 
Zusammenhange mit den Bewegungen in Ravenna (darüber und über den Un- 
ruhestifter Georgios Joannacenus auch Hartmann II/2, 71 — 93) und enden mit 
der Auswandenmg vieler Geschlechter nach Malamocco. 3) Unter den Duoee 
der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts (Mauritius und Johannes). 4) Zu An- 
fang des 9. Jahrhunderts Niederbrennung von Heracliana durch König Pippin. 
Weiterer Ezodus. Endgültige Verödung zunächst von Heracliana. 

3. Der Grenzvertrag von 713/4—716/7 (über die Zeit seines Absdilusses 
MoMicx)LO, Arch. Ven. 15, 326) ist nicht erhalten; erst im Faktum Lothars I. 
(840) (MG. Capit. H, n. 233, 130—136) wird darauf verwiesen: De fimbus 
autem Civitatis Nove stcUuimtis, ut sicut a tempore Luitprandi reffte ter- 
minatio facta est inter Paulutionem ducem et MarceUum magistro miUU, ita 
permanere debeant secundum quod AisttUfus ad vos Cititatinos Navos largitus 
est. Die Fassung ist allerdings derartig, dafs man auf eine zwischen Duz und 
Magister militum vollzogene Grenzabsteckung ihrer Bezirke und nicht auf einen 
Vertrag zwischen Byzanz (durch Magister militum und Duz) und Langobarden- 
könig raten möchte. So verfahren auch Cohn 20 — 25, Hartuann, Unters. 53^ 
Gesch. Ital. n/2, 120—121, A. 33, Lentz 3—4. Hingegen hält Fanta, Die Ver- 
träge der Kaiser mit Venedig bis zum Jahre 983, M. Ist. öst. GF., Ergbd. I 
(51—128), 85—89, 122 die Fassung im Faktum von 840 (dasselbe hier S. 124 
bis 128 abgedruckt) für korrumpiert und nimmt einen Vertrag zwischen Byzanz 
und Luitprand an. Ich schliefse mich dieser Auffassung mit der Begründung 
an, dafs die schon im Faktum 840 kurz nach der oben zitierten Stelle an- 
gegebene und dann in den späteren Pakten danach wiederholte, besonders genau 
im Diplom Ottos lU. vom 1. Mai 995, wiederholt 7. Januar 999 (MG. DO III, 
n. 165. 307) angegebene Grenze, wie eine Prüfung der Karte lehrt, nur einen 
Sinn gegen das Regnum hat, niemals aber gegen Istrien (Grenze nach Plict 
840: terminum, quem posuit Paulutius dux cum Civitatinis novie eicut in 
pacta legitwr, de Plavi maiore usque in Plave sicca, quod est termmus et 
proprietas vestra). Vgl. auch Johannes 91, Dandolo 130. Die Erwähnung des. 



Anmerkang 7 zu Seite 43—49. 419 

Magister militum in einem Vertrage mit liatprand ist wohlverständlich ; er war 
der eigentliche byzantinische Bevollmächtigte. Auch in Gomachio schlieüst am 
10. Mai 715 ein Magister militum mit zwei Gomites Vertrag mit liutprand. 
Druck : Hartmann, Zur Wirtschaftsgeschichte Italiens im frühen Mittelalter 1904, 
123—124; vgl. auch Kohlschütter, Venedig unter dem Herzog Peter II. Or- 
seolo, 1868. 23—24. 

4. Zur Geschichte der italienischen Revolution von 726 und der 
Folgejahre bis 741: Wüstenfeld, Gott. Anz. 1854, 1151 — 1152; Hartmann, 
Unters. 126, Gesch. Ital. n/2, 93—95, 110—114, 122 ff. Zur Chronologie im 
besonderen: Pinton, Veneziani e Langobardi a Ravenna, Arch. Ven. 38, 369 — 384; 
MoNncoLo im Bullettino istit. Itahano 9, 184 — 199 und in seiner Sanudo- 
ausgabe 101 — 102, A. 3. Für den Anteil Venetiens konmien folgende Quellen- 
stellen in Betracht: 1) Vita Gregorh II. in Liber pontif. ed. Dnchesne I, 404 
(zum Jahre 726). 2) Aonellus, Liber pontif. ecdesie Ravennatis, MG. SS. Ber. 
Langobard. 376. 378 (enthält S. 376 die Nachricht, dafs der Erzbischof von Ba- 
venna [737?] nach Venetien flüchtete — war also die Provinz schon wieder 
loyal geworden? — , femer S. 378 die Stelle: civUas (Bavenne) vexabatur a 
Langohardis et Veneticia; darüber weiter unten). 3) Brief Gregors IE. 
(nicht U.; dazu Monticolo in Bullettino dell' ist. Ital. 9, 184 f.) an Patr. 
Antontn von Grado (gedr. mit m. E. falscher Datierung — richtig 740/741 — 
MG. Ep. III, 702, n. 12; dafs der gleichlautende Brief an den Dogen Orso ebenda 
n. 11 gefälscht ist, Hartmann, Unters. 129; dagegen Monticolo, ed. Sanudo 
101—102, A. 3, jedoch nicht überzeugend). 4) Paltus diac. VI, 54 (3 und 
4 zur griechischen Eroberung von Bavenna 741 mit venetischer Hilfe). Nach 
Paulus dla.c. noch ziemlich korrekt Johannes duc. 95, bereits verfälscht Danbolo 
135. Die Zeitfrage nach der Eroberung Bavennas durch die Langobarden 
und der Zurückeroberung der Stadt durch den Exarchen mit Hilfe der vene- 
tischen Dukatflotte ist strittig. Doch scheint mir der Ansatz dieser Ereignisse 
durch PiNTON 372—380 auf die Jahre 739—741 hinreichend begründet; damit 
ist auch das Datum des Papstbriefes an Patriarch Antonin gegeben. Auch Cous 
31 und Hodgkin, Italy and her invaders, Oxford 1895, VI, 505—508 setzen den- 
selben auf 740/741 an. Zusammenfassend hierüber Monticolo, ed. Sanudo 101, 
A. 3. Der umstand, dafs von Paulus diaconus dem Hildebrand nicht der im 
Juli — Dezember 735 ihm verliehene Eönigstitel beigelegt wird, kann gegenüber 
dem ausdrücklichen Ansätze der Wiedereroberung Ravennas auf das Amtsjahr 
des Magister militum Jubianus durch Johannes doch nicht bestimmend sein, die 
Möglichkeit eines Ansatzes dieser Begebenheit nach 735 in Abrede zu stellen. 
Die Stelle bei Aonellus 378: citntos vexdbatt/ir a Langobardis et Veneticis 
bezieht sich wohl auf die Eroberung durch die Langobarden und die Wieder- 
eroberung im Jahre 741. Eine Fassung, wie sie hier bei Agnellus vorliegt, 
mag die Grundlage für die spätere venezianische Überlieferung abgegeben haben, 
die das ravennatische unternehmen immer mehr zu einer Privatsache des 
venezianischen Dogen und der venezianischen Bepublik gemacht hat. So zuerst 
Dandolo 1. c. 

27* 



480 ADmerknng 8 za Seit« 49—51 ; 9 zu Seite 51—55. 

8) Zu Seite 49—61. Jahre 742—764. 

Begierungszeit des Deii8dedi(t) 13 J. nach Katalog B (ebenda als Ypatos 
bezeichnet), des Gaalas 1 J. 2 M. nach B, 1 J. nach Johannes. Katalog B 
und Johannes 98 nennen den Dux Galla; ich glaube ihn nach Chron. Yen. 
Gaul US nennen und mit dem dort aufgeftihrten Egilius Gaulns (s. Anm. 7/2) 
identifizieren zu dürfen. YgL auch Simonsfeld, Venez. Studien I, 110. Die 
Gauli nennt das Chron. Yen. unter den aus Jesolo nach Bialto einwandernden 
Geschlechtem. Dals Gaulus von Byzanz aufgedrängt worden wäre (Lentz 14), 
ist reine Yennutung ; ebenso wahrscheinlich könnte man sagen, er sei eine Kreatur 
Aistulfs gegenüber dem loyalen Deusdedit gewesen. Dominicus (Beiname 
Monegarius nach Johannes 98) regierte 8 J. nach B und Johannes. Ober 
die demselben beigegebenen Tribunen s. die beachtenswerten AusfCihrongen von 
liENTZ 15 — 20. — Quellen zur Geschichte dieser Jahre: ChffiON. Yen. 84. 40; 
JoHANN>:s 97—98; Dandolo 138—143. Über die allgemeinen italienischen Yer- 
hältnisse Habtmann, Gesch. Ital. II/2, 183 f. Im einzelnen : Dafs Brondolo (Bren- 
tola) nicht an derselben Stelle, wo es im 10. Jahrhundert stand, sondern am 
Südufer der Brenta angelegt wurde, Johann'es 97—98; vgl. die verworrene Nach- 
richt darüber im Chbon. Yen. 34. Die Gründung ganz richtig beurteilt bei 
Bernakdo Giustiniano 366; unzutreffend bei Damx)lo 141. — Die Bestätigung 
des Liutprandvertrags durch Aistulf (Dandolo 140) erhellt aus den Kaiser- 
pakten. — Die merkwürdige, bisher m. W. unbeachtete Nachricht über die 
Yereinbarung des Papstes Stephan II. mit Yenetien bei Aon^ellüs, lib. pont 
eccl. Bayennatis 380 — 381: post hatc (Yertrag von Quierzy 754) cwUunxiU 
foedus pantifex cum Veneticis^ ut ne deterius quod ei contigerat pasimodum 
veniret, quia fefeüit ei Langobardorum rex et iHira tum fuü credfdm HH; 
et destributa pecunia in Veneticis 7 balancias per nobilissimos viras omtmiii 
expendit. — Blitteilung der griechischen Eroberungsabsichten auf den Ex- 
arcbat (S. 51): Cod. Cakolinus, ed. Gundlach in MG. Epp. DI, 81, 537 (zu 
761-766). 

9) Zu Seite 51—55. Jahre 764—804. 

1. Begierungszeit des Mauricius nach B 23 J., des Johannes 25 J. 
Die Ansätze des Johannes 99 sind nicht braudibar ; die (Chronologie hat Dandolo 
147, 153 in Ordnung gebracht. Der Beiname Calbaiono zuerst in den Chro- 
niken des NicoLO Thevisan und Enrico Dandolo, Saec. XI Y (Montigolo, ed. Sa- 
nn to 105). Den Titel Magister roilitum führt Mauricius nach Gloru, Godice 
diplomatico Padovino (fino al 1100), 1877, S. 13 n. 7. Über die Mitr^gierung 
Dandolo 147. Über die Kämpfe zwischen Heracliana und Jesolo s. Anm. 7/2; 
die Stellen, in denen die Leute von Jesolo und C^rle mit Tieren yeiglichen 
werden, die wie Schweine essen und eine unverständliche Sprache reden (also 
Barbaren? vgl. Filia8i YII, 128), im Chron. Yen. 42, 43. Über das goldene 
Zeitalter von Malamooco Chbon. Yen. 36; vgl. Simonsfeld, Yenezianische Studien 
I, 84, 115. Die Liste der Bischöfe von Olivolo s. S. 407—408. 



AnmerkaDg 9 zu Seite 51—65; 10 zu Seite 55—60. 4SI 

2. Über das Verhältnis Venetiens zu Desiderins Vita Hadruni in üb. pont. 
ed. Dachesne I, 491 ; auch Dandolo 144. Vgl. Wüstenfeld, Ven. bist 95—97 ; 
8. auch Anm. 9/3. Die Teilnahme der venetischen Flotte an der Eroberung 
von Pam 774 finde ich zuerst bei Lorenzo Monaci 21, doch geht die Nachricht 
wohl schon auf das 14. Jahrhundert zurück. Bernardo Giusteoano 405 — 406 
hat daraus schon eine breit ausgesponnene Fabel gemacht. Über das Verhältnis 
zu Karl dem Grofsen: Harnack, Das karolingische und byzantinische Beich 
in ihren Wechselbeziehungen, Gott Diss. 31—32; Lentz 23; Fanta, Verträge, 
MIOG. Ergbd. I, 73, 122 — 123. Der Brief Papst Hadrians I. an Karl wegen 
Vertreibung der venezianischen Kaufleute aus dem Exarchat: Codex Carolinus, 
ed. Gundlach MG. Epp. UI, 622—623, n. 86; auf 787 angesetzt von Harnack 
32, A. 3. Der S. 53 erwähnte Brief des Patr. Johannes an Papst Hadrian lief 
bei diesem am 27. Oktober 775 ein und wurde von ihm „eeidem hora eodem- 
que momento " an Kaiser Karl abgesendet (Codex Carolinus, MG. Epp. III, 576, 
n. 54). 

3. Über das Verhältnis der Bischöfe von Istrien zur Kirche vonGrado, 
zugleich auch über die Ansprüche der römischen Kirche auf Venetien und Istrien 
MG. Epp. III, 711—713, n. 19, 715, n. 21; Böhmer -Mühlbacher, Begesta im- 
perii I, n. 400; Dandolo 144 u. 154; vgl. Harnack 10, A. 2, 31. Zur Geschichte 
des Patriarchen Johannes, seines Unterganges und der Anfänge seines Nach- 
folgers Fortunatus: Johannes 100—102; Dandolo 151 — 153; Einhard, MG. 
SS. I, 191 (zu 803); Cronica de stnqcus patriaiichis (continuatio) 15; Chron. 
Ven. 56—57; Böhher-Mühlbacher, Begesta imperii I, 400, 401 (beide zu 803); 
Jaffe, Beg. Pont. 2512. Literatur: Wüstenfeld, Ven. bist 99—101; Harnack 
45 — 46; GuNNONi, Paulinus 11., Patriarch von Aquileja, 1896, 23 — 24; 
Dell-voucoma , Fortunat. Archeogr. Triestino N. S. 8, 343—349, 354; Altel- 
SmsoN, Jahrbücher des fränkischen Reichs unter Karl dem Grolisen II (1883), 
292, 333—336. Das Todesjahr 802 des Johannes (nach Giannoni und Dellaqiacoma) 
stimmt auch genau mit den Angaben des Patriarchenkatalogs des Chron. Vf.n. 17. 

4. Hauptquelie zur Greschichte der Bevolution von 804: Johannes 101 
bis 102; als Verschworene sind angeführt: tribunus Obelieriua nomine Meta- 
maucensia, Felix tril>unu8, Dimitrius, Marinianus seu Fwcarus Gregorii 
et nonnuüi cUii Veneticarum maiorea, ex quibus soltu patriarcha in Fron- 
dam ivit, S. auch Einhard 191; Ann. Mettenses bei BicfiiER, Annalen der 
deutschen Geschichte im Mittelalter I, 167, 805 d. — Eine Beziehung zwischen 
Obelierius und Fortunat und das Vorhandensein einer fränkischen Partei in 
Venetien scheint mir nach der Darstellung des Johannes aufser Zweifel ; so auch 
Gfrörer I, 80, 101; s. dagegen Harnack 45—46; SmsoN II, 296. 

10) Zu Seite 55—60. Obelierius und Beatus. 

1. Begierungszeit des Obelierius (Obilierius) und Beatus 5 J. nach B 
(kann nicht richtig sein; s. unten Anm. 10/4). Obelierius („Willeri" bei Elnhard 
193; „Beienger** bei Canale 280) ist nach Bomanin I, 137, A. 2 ein in Pftdua 



422 Anmerkung 10 zu Seite &ö— 60. 

gebräuchlicher Name. Dafs Obelierius fränkisch gesinnt ist und Venetien unter 
fränkische Herrschaft bringen wollte, kehrt in vielfachen Variationen wieder. 
Vgl. Begino von Prüm bei Simsox U, 336, A. 1 ; s. auch Boscamn I, 140, A. 1. 

2. Zur Gesciiichte der Jahre 804 — 809: Einhaed, MG. SS. I, 193—194; 
JoHANNKS 102 — 105; Dam>olo 152—158; Böhmer -Mühlbacheb, Beg. Imp. I, 
n. 414b, 429a, auch 433, 441a. Dazu auch Bichteb, Annalen I, 167, 805d; 
178, 807e; 181,809a. Literatur: Wübtenteld, Yen. bist. 101—106; Mühlbacher, 
Deutsche Greschichte unter den Karolingern 1895, 215 — 216; Habnack 38 — 50; 
SiMsON U, 333 f., 357—360, 394 f.; Dellagiacobia 364 — 368; besonders auch 
Lentz 28 — 37; Dölunger, Das Kaisertum Karls des Grofsen, Mündiener bist. 
Jahrb. 1865, 299 f.; Ostermann, Karl der Grofse und das byzantinische Beich, 
Gymn.-Progr. Luckau 1895. Über die Ordinatio von 806 Fanta, Verträge 73, 
122 — 123. Dafs die zweimalige Zerstörung Heradianas 810 (Johannes 102—103) 
irrig ist, Wüstenfeld 106. Das istrische Placitnm von 804 gedr. von üghelu- 
CoLETi, Italia sacra V, 1097 f., teilweise in Dellagiacoma 365 — 367. 

3. Über den Krieg und die Eroberung von Venetien 810 siehe vor 
allem Boehmer- Mühlbacher, Beg. Imp. I, 447a. Die Hauptquelle für die An- 
nahme einer Eroberung, die von den venezianischen Quellen erst verschleiert, 
dann geleugnet, schliefslich zu einem venezianischen Siege verkehrt wird, ist 
Einhard, MG. SS. I, 195, in zweiter Linie Konstantin Forfhyrog., De admin. 
imp., ed. Bonn, 123 — 125. Dafs Malamocco erobert wurde, sagt auch das 
Chron. Ven. 52—56. Eine alte Tradition weifs zu melden, dafs bei dieser Ge- 
legenheit die Venezianer gegenüber den Ansprüchen König Pippins ihre byzan- 
tinische Loyalität bekundet hätten (Konstantin P. 124). Johan'N'es 104 berichtet 
schon von einem Siege der Venezianer über den bei Albiola stehen gebliebenen 
König Pippin. Gleichzeitig oder etwas später begegnet im Chbon. Ven. 52 — 66 
zuerst die mehrfach recht drollige fabelhafte Ausgestaltung der ganzen Affäre: 
Der Versuch „Karls des Grofsen", nach Eroberung von Malamocco über eine 
hölzerne Schiffsbrücke nach Bialto vorzudringen, führt zur Vernichtung der Brücke 
und zum Untergänge aller, die darauf waren. Der gedemütigte Kaiser versöhnt 
sich mit dem Dogen Beatus und bestätigt die venezianischen Privilegien. Obe- 
lierius als Anstifter des ganzen Zuges wird getötet. Die Erzählung wird von 
Canale 280/1 — 286/7 weiter aufgeputzt, von Dandolo 158 ein wenig rationali- 
siert — wenigstens Pippin wird an den rechten Platz gestellt — , im 15. Jahr- 
hundert dann die Erzählung Einhards als „Gallica vanitas" kritisiert und ab- 
gelehnt (LoRENZo MoNACi 20 — 25) und darauf die Fabel voll ausgebaut (z. B. 
Bernaroo Giustiniano 472 — 494). Sogar der siegreiche General der Vene- 
zianer in jener Brückenschlacht wird genannt — Vettere, nach Vettore Pi- 
sani? — , und am Canal d*Orfano hat er den Sieg errungen. Flaviüs Blondus 
lib. L, der an der Unterwerfung Venetiens festhält (eo bdlo fadam VeneUae 
subiectionem) hat in den Kaufläden des Bialto schon ein Bild der Brücken- 
schlacht gesehen. 

4. Zum Abschlufs des Aachener Friedens Böhmer -Mühlbachkr, Beg. 
Imp. I, n. 459, 459 a, 470 b, 476, 476 a, 515 a. Die Nachricht Dandolos 151 



ADmerkuDg 10 zu Seite 55—60; 11 zu Seite 60—66. 488 

Ton einem fränkisch • byzantinischen Teilangsyertrage im Jahre 803 ist durch 
MüHLBACiiKR, Beg. Imp. I, n. 398 b und 470 a endgültig beseitigt. Agnellns ist 
nicht 809, sondern 811 bestellt worden (Habnack 53, A. 1 gegen Gfböreb 113 
bis 116). Lehrreich ftir die venezianische Geschichtsmache ist die von Johannes 
105 und Dandolo 159 gegebene Darstellung der Absetzung des Obelierins und 
Beatus und Bestellung des Agnellus durch Arsaffios (Ebersapius). Die Annahme 
Fantas 77, 82, es sei 812 ein Sondervertrag Karls des Grofsen mit Venetien 
geschlossen, entbehrt einer Begründung. Hingegen wird seiner Annahme, dafs 
die Ordinatio von 806 Vorlage der Venetien belangenden Friedensbestinmiungen 
von 812 und der späteren Eaiserpakten gewesen sei, wie dies auch die Eapitu- 
larienform des ersterhaltenen Faktums lehre (76 — 77, 100, 122), beizupflichten 
sein. Dafs der venezianische Friedensartikel von 812 auch eine Besitzbestätignng 
und Grenzbestimmung für Venetien enthielt, erhellt aus den folgenden Besitz- 
bestätigungsnrkunden der Kaiser (zuerst 841) ; vgl. auch Fanta 80 nach Ghhon. 
Ven. 52 — 53. Dafs damals ein von Venetien an das Westreich zu leistender 
Tribut von 36 Pfunden vereinbart wurde und im 10. Jahrhundert noch fort- 
bestanden habe, Konstantin 125; es wird aber darunter wohl nur der aus 
den Pakten bekannte — somit hernach abgeänderte ~ Tribut zu verstehen sein. 

11) Zu Seite 60—66. Die ersten Parteciaci. 

1. Hauptquellen: Aufser den später anzuführenden Dokumenten 
Johannes 106—112; Dandolo 161—174 (stark entstellend). Literatur: Lentz 
6. Anm. 6/1, dem ich hier in der Hauptsache folge, ohne in eine detaillierte 
Begründung einzugehen. Dafs die dem Agnellus beigegebenen Tribunen nur „in 
civilibtu et criminalibus" gewesen wären, ist eine willkürliche Behauptung 
Dandolos 161. Die Fassung des Titels der Dogen „per divinam gratiam" in 
der Schenkungsurkunde f&r S. Ilario (s. unten) ist Fälschung. Der Befehlston 
byzantinischer Eaiserurkunden an venezianische Dogen ist kein Beweis für eine 
tatsächliche Abhängigkeit; noch im 10. Jahrhundert ist für den griechischen 
Verkehr mit Venedig der Ton der xekivatg im Brauche (Konst. PoBPHYBoa., De 
ceremoniis aulae c. 48). 

2. Begierungszeit des A gn e 1 1 u s (, Particiacus ' hier wie bei den zwei folgenden 
Namen im Katalog Cl) 18 J. nach B, des Justinianus 1 J. 2M. nachB, 1 J. 
nach Johannes, des Johannes 8 J. nach B, 7 J. nach Johannes; die beiden 
ersten begraben in S. Ilario (Dandolo 169, 172 ; dazu Anm. 15 [S. Ilario]). Die 
Verschleierung des Sachverhaltes im Familienstreite i) dieser ersten Parte- 



1) Stammtafel der ersten Parteciaci: 

Agnellus Dnx 



Justinianus Dux Johannes Dux 
<jemablin Felizitas 

I I 

Agnellns Ursus (Orso) 

Gemahlin Bomana Bischof von Olivolo. 



424 AnmerkuDg 11 zu Seite 60—66. 

ciad durch Johannes 106 — 107 und noch mehr durch Dandolo 164 würde ein 
prächtiges Stück für historisch-kritische Übungen abgeben. — Über die Chrono- 
logie der Seeezpedition gegen die Sarazenen, Lentz 63, A. 5. OaCs Kaiser 
Michael U. zum Danke dafür die „cathedra Felri" gespendet, begegnet erst 
spät (u. a. bei Sakudo 115), ist aber nicht unmöglich. — Über die erste Ver- 
schwörung gegen die Partedad (Teilnehmer nach Johannes: Johannes Tof> 
naricus, Bonus Bradanisso, Johannes Monetarius) Johannes 108, Dandolo 16^. 
Über die zweite Verschwörung und den Versuch des Obelierius: Johannes 110, 
Dandolo 173. Es ist zugleich das letzte bedeutsame Herrortret^i von Malar 
mocco. Der Tribun Bonus von Malamocco, der anläfslich der Translatio Marei 
genannt wird, ist der letzte bekannte Tribun der Stadt. Über die dritte Ver- 
schwörung und den Aufstand des Carosus auTser der tollen Geschichte, die das 
Chron. Ven. 24, 33 darüber erzählt, Johannes 111 — 112, Dandolo 173 — 174. 
Den Ansatz dieser Verschwörung auf 827 (Boehmeb- Mühlbacher, Beg. Imp. I, 
n. 1027c) mufs ich ablehnen. — Über die Slawen s. Anm. 22 zum fünften 
KapiteL 

3« Zur yenezianischen Kirchengeschichte der Zeit: Über die Patri- 
archen Fortunat und Venerius und die Synode von Mantua aufser Boehmeb- 
MtJHLBACHEB, Beg. Imp. I, 793a, 838, 840, das Testament Fortunats (s. Anm. 
13) Johannes 105, 107, 108. Dazu Habnack 63—65. Dellaoiacoma 384—397. 
— Gründungsurkunde für S. Ilario (Mai 819), gedr. bei Gloioa, ood. dipL 
Padov. I, n. 5. S. 6—8. Dieselbe ist mindestens an drei Stellen verfälscht 
(„per divinam gratiam", „et Aquilegiensis", episcopus „BivocUiensiB"), 
Dafs die Bestattung der zwei ersten Partedad dort tatsächlich erfolgt ist, 
lehrt die Auffindung der Sargdeckel. Darüber Cattaneo, L*architettura in 
Italia dal sec. VI fino al M. Venezia 1889, 235 — 237. — Stiftbrief für 
S. Zaccaria (829) gedr. in Fontes herum Austbiacarum. Dipl. et Acta XII 
(Urkunde zur älteren Handels- und Staatsgeschichte der Bepublik Venedig, 
herausgegeben ?on Tafel und Thomas I) 1856, n. 1, S. 2 — 3, Bomanin I 347, 
Beilage n. 1. — Das Testament des Dogen Justinian (Juni 829) gedr. 
GLORLi I n. 7, S. 12—16, Bomanin I, 348—350, Beilage 2. — Das Testa- 
ment des Bischofs Orso von Olivolo (Febr. 854) gedr. Gloria I n. 11, 
S. 22 — 25. — Über die Bauten s. Anm. zum dritten Kapitel. — Dafs die 
Translatio Marci unter Doge Justinian stattgefunden hat, ist nnbestritten. 
Haupt quelle ist Johannes 109—110, der darüber ganz einfach tatsächlich be- 
richtet. Die in den Acta Sanctorum Aprilis lU , 353 — 355 gedruckte Trans- 
latio s. Marci (darüber Monticolo in Bull. Ist. Ital. IX, 252—255) ist zu An- 
fang des 12. Jahrhunderts nach dem Muster anderer Translationen yerfafst and 
enthält bereits die Translationsfabel, wie sie sich bei Canale 286/87—290/91 und 
dann besonders bei Dandolo 170—171 findet. Das Translationsfest wurde schon 
nach der Translatio am 31. Januar (pridie Kalendas Februarii) begangen 
und setzen danach auch die Annales Ven. Breves 70 dieses Datum fest. Di» 
den Bau der Basilika von SanMarco anordnende Stelle des Testamentes Justinian» 
lautet: De corpus vero heaii Marfci impono Felicitajti uxorfij mee, ui hedi' 



Anmerbmg 11 zu Seite 60—66; 12 zu Seite 67^87. 4S6 

ficet bcuilicam ad 9uum honorem infra tenitorio S, Zacharie. Die VoU- 
endoDg des Baaes unter Doge Johannes bezeugt Dandolo 172. Über die Aof- 
bewahmng des Leichnams an yerborgenem Orte Dai>idolo 172, 212, 251. Zar 
WGrdigang des Ereignisses der Translatio ziemlich zutreffend Gfbörer 164 — 171. — 
Über S. Teodoro s. Longinusfiragment des Chron. Ykn. Dazu Saocabdo, L*an- 
tica chiesa di S. Teodoro in Yenezia. Arch. Yen. 34, 91 ff. und Monticolo 
in BuUettino Istit. Italiano 9, 226—236. Dafs S. Teodoro die erste Dogen- 
kapelle in Bialto war, scheint mir gegen Neumaxn, Die Markuskirche. PreuTs. 
Jahrbücher 69, 626 nicht zweifelhaft. Da nun eine Dogenkapelle nachweislich 
im Mai 819 bestand (die Grfindungsurkunde von S. Bario spricht von einem 
„primioerins nostre capello"), der Bau von S. Teodoro aber „iuxta pslatium" 
erfolgte, kann die Errichtung der Kirche nur zwischen 811-819 erfolgt sein. 
Über den Gründer Narses s. Saccaiu)o 94—101. 



Zum dritten Kapitel. 
12) Zu Seite 67—87. Älteste Kultur im allgemeinen. 

1. Quellen: Für die älteste Tenezianische Kulturgeschichte ist der be- 
rühmte Brief des Cassiodor an die tribuni maritimorum von Venetien (Yariae 
XII, 24, gedr. von Mommsen in Mon. Germ. Auct antiqu. XII, 379—380) eine 
Quelle von um so höherer Bedeutung, als die hier geschilderten Zustände 
des frühesten Lagunenlebens sonst nahezu keine Beleuchtung erfahren. Das 
reiche Material, das im Chron. Ven. verarbeitet ist (Chron. Ven. ö — 7 , 9 — 10 
15 — 16, 28 — 35 [Geschlechterkataloge] 38 — 39, 42 — 49 [Longinus&agment, 
44—49]; Chron. Grad. 19—23, 28—34) ist zum gröfsten Teile nur für das 10. und 
9. Jahrhundert von Belang, wenn auch bei der Stetigkeit der naturalwirtschaft- 
lichen Verhältnisse mancherlei noch auf frühere Zeit, kaum aber über das späte 
7. Jahrhundert zurück wird bezogen werden dürfen. Vgl. Hartmann, Gesch. 
Ital. II/2, 120, A. 31. Sonst läfst sich das Wirtschaftsbild des ältesten Venedig 
mühselig, unzuverlässig und unvollständig nur aus vereinzelten Notizen und Ur- 
kunden zusammensetzen; hieraus seien aufgeführt Ann. Sanoallenses , MG. SS. 
II 752, 760, 762; Einhard, Ann. MG. SS. I, 214—215; Vita Zachariae in 
über pontif. I 433; Johannes 105 — 108, von Urkunden die in Anm. 11/3 
angegebenen (Gründungsurkunde für S. Ilabio, Stiftbrief für S. Zaccaria, Testa- 
mente des Dogen Jüstinian und des Bischofs Orso von Oliyolo), femer das 
Kaiberpaxtum von 840 (s. Anm. 17) und besonders das Testament des Patri- 
archen FoRTüNAT von Grado (nur in Kopie im Cod. Treyisaneus fragmentarisch 
und inkorrekt erhalten, daraus womöglich noch inkorrekter gedr. in üohelli- 
CoLEü, V 1101—1103, Marin, storia di commerdo [s. unten] I 273—278, Beil., 
teilweise von Dellagtacoma 394 — 397 ; vgl. dazu Monticolo in Bendiconti della 
B. Aocad. dei lincei Koma IX (1900), 102 A. 1, ein sorgfältiger Neudruck wäre 



486 Anmerkimg 12 zu Seite 67—87; 13 zu Seite 67—74. 

dringend geboten); es ist ein Kulturdenkmal ersten Banges, wohl das bedeu- 
tendste nach dem Cassiodorbrief, gleich reich an Anhaltspunkten für die grie- 
chischen und abendländischen Kulturbeziehungen Venetiens, wie für die Kirchen- 
und besonders Kunstgeschichte der Zeit 

2. Bearbeitungen: AuTser den einschlägigen Partien in den oft er- 
wähnten Werken von Filiasi, Wüstenteld, Simonsfeld (Venez. Stad. I) und 
Habtmann, Geschichte Italiens II/2 siehe besonders Hastmann, Die wirtschaft- 
lichen Anfänge Venedigs in Vierteljahrsschrift f. Soc und Wirtschaftsgesehldite 
(herausgegeben von Bauer -Below- Hartmann), Leipzig 1904, 434—442; Kas> 
MANN, Zur Wirtschaftsgeschichte Italiens, 1904 (s. Anm. 7/3). Weitere literatoi 
an Ort und Stelle. 



13) Zu Seite 67—74. Besitz- und Rechtsverhältnisse. 

1. Ober älteste Daseins- und Besitzverhältnisse (Naturalwirt- 
schaft) Cassiodor, Chron. Ven. 1. c. Dazu Wüstenfeld 3B, 39, 66—67, 88—89. 
Habtmann, Gesch. Ital. II/2, 105—110 und Hartmann, Anfänge. Vielerlei bei 
GALLicaoLU und Fujasi. Über „angariae'* und „angaridiae" bes. Chron. 
Ven. 43. Dazu Filiasi VI/2, 6, 95; Simonsfeld I, 119; Rossi in Archiv, stör. 
Ital. 8 (1845), 77 A. 2. Die Geschichte von Narses im Longinasfragment 
44—49. Dazu Wüstenfeld 42—45. (Dafs aber nicht dieser Narses, sondern «n 
anderer S. Teodoro gegründet, Saccardo Anm. 11/3); Ders., Götl Ans. 1854, 
1146 — 1147; SmoNSFFXD 119 — 120. Zusammenstellung von technischen Aus- 
drücken für Lagunen und Lagunenbauten bei Gallicciolli I, 72 f. 198 f. Über 
Mühlen s. Tf^manza, Antica pianta dell' inclita citta di Venezia. Venezia 
1781, 87 — 90, nochmals publiziert von Cameaina, Wien 1876 (unkritisdi). 
FiLusi VI/2, 136 — 144 und urkundL Material. Über Jagd und Fischerei 
Galucciolu I, 65—69, Filiasi VI/2, 171—175, Nissen, Ital. Ldkde. I, 109—113. 
Über Brunnen Filiasi VI/2, 149 — 155; erst im 18. Jahrh. hat man 8QIäwas8e^ 
quellen auf dem Lido gefunden (ebenda 155). Über Salinen Hehn, Das Salz, 
Berlin 1873. Nissf^, Ital. Ldkde. I, 107 — 119. Cecchetti, Programma della 
scuola di paleografia in Venezia. Venezia 1862, 36 — 37, 43 — 46; Dess., La 
vita dei Veneziani fino al 1200. Arch. Ven. 2, 75, A. 2, 96, 103. Vielerlei in 
Corner, Ecclesiae Venetae et Toroellanae (s. unten Anm. 15). 

2. Zur Geschichte des ältesten venezianischen Bechtslebens: Chbon. 
Ven. 9 und 36; hier die bemerkenswerten Stellen über Führung eines kom- 
binierten Urkunden- und Zeugenbeweises in den Lagunen und über das römisdbe 
und ft'änkische Recht : de Bomana autem sive de Salliea traxerunt [Venetiani] 
legem, Johannes 108 : Hochverratstrafe durch Galgen ; s. Besta, Jaoopo Bertaldo 
e lo splendor Venetorum civitatis consuetudinum. N. Arch. Ven. 18, 111 — 112 
und besonders Ders., II diritto e le leggi dvili di Venezia fino al dogado di 
Enrico Dandolo. Atti dell Ateneo Veneto XX und XXII (1897 und 1899); auch 
separat S. 13—21. Über das Gastaldiat Hartmann, Geschichte Italiens II/2, 
37 — 38. 



AnmerkoDg 14 zu Seite 74—79; 15 zu Seite 79—83. 4S7 

14) Zu Seite 74—79. Handel und Geldwirtschaft 

1. Qaellon z. alt. yenez. HandeUgeschichte: Cassiodor; Ans, Sanoall. 
<8. Anm. 12) betr. venez. Handel in Pavia; Lm. pont. I 433, betr. Sklavenloa- 
kaof des Papstes Zacharias; Chron. Yen. 44—49 (Longinnsiragment ; daraus 
45 — 46 die S. 77 angef&hrte Stelle) ; Placitum in Istrien von 804 (Ughelu-GoI. V 
1097 f. s. Anm. 10/2): ambtüamtu navigio in Venetuu, Bavennam, Dahnatiam 
et per flumina, qw>d nunquam fuimua; JAFFt-LoswKNFELD, Beg. Pont. I, 2526, 
betr. venez. Sarazenenhandel; Testamente Jcstdoans und Obsos tou Olivolo; 
Eaisebpaktum von 840 (betr. Holzungsrechte und Sklavenhandel) s. Anm. 17. 
Dals Toroello Haupthandelsort ist, Konstantin Porfhtbog. 124. — Literatur. 
Hauptwerk (sehr veraltet) : Marin, Storia civile e politica del commercio dei 
Yeneziani. Yenezia 1798. Über die „Gegenstände des morgenländ. Handels" 
eine noch immer wohl brauchbare Zusammenstellung bei Hüllbiann, Creschichte 
<les byzant. Handels, Frankfurt 1808. S. ferner die einschlägigen Partien in 
FiLiASi, Wüstenfeld; Hartmann, Gesch. Ital. II/2, 102 — 103. Über venezianische 
Ansiedelungen in Rimini und Sinigaglia s. Fantuzzi, Monumenti Ravennati, 
6 Bde., Yenezia 1801 — 1804, I, 31, 37; hier wird sich bei genauer Durchsicht 
wohl noch mancherlei über venezianische Handelsbeziehungen finden lassen. Über 
Comaochio s. Hartmann, Anfllnge 439 und Zur Wirtschaftsgeschichte Italiens 
74—90. Über den Sklavenhandel Lazari, Del trafico e delle oondizioni degli 
schiavi in Yenezia nei tempi del mezzo. Miscellanea di Storia Italiana, I, 22 f. 
Das nir die Handelsgeschichte der späteren 2ieit so bedeutsame Buch von Heyd, 
Zur Geschichte des Levantehandels im Mittelalter, 1877, 2. (französ.) Auflage 
L'histoire de commerce du Levant au moyen äge, 1885 (2 Bde.) nimmt nur 
I, 122 (110) auf diese alten Zeiten venezianischen Handels Bezug. 

2. Über die ersten geld wirtschaftlichen Ansätze s. Testabiente For- 
TUNATS, JüSTiNiANs, Orsos. Über die Flechtindustrie und die ältesten heimischen 
Gewerbe Chron. Yen. 42 — 43. Über den Orgelmacher Georgios Einhard Ann. 
214—215 ad 826 (venit cum Bäldrico presbiter quidam de Venetia nomine 
Georgxus gui se Organum facere posse cuserebat, quem imperator Aquasgrani 
cum Thanccifo sacellario misit et, ut ei omnia ad instrumenium efjficiendum 
necesearia praeberentur, imperavit). 

15) Zu Seite 79—83. Entstehung von Venedig. 

1. Quellen zur ältesten venezianischen Geisteskultur s. Anm. 12. 
Literatur (im allgem.): Galucciolu I, (Jorner (s. unten), Temanza (s. Anm. 
13/1); besonders C^ecchetti, La vita dei Yenez. Arch. Yen. 2, Monticolo in 
Archivio Yeneto 25, 3 ff., Schlosser, Entsthg. Ydgs. 

2. Die kunsthistorische Darstellung nach Cattaneo, L*architettura 
in Italia del sec. YI al M. Yenezia 1888 (mit Hervorhebung des byzantinischen 
Einflusses als mafsgebend in der italienischen Kunst); Zimmermann , Ober- 
italienische Plastik im frühen und hohen Mittelalter, 1897 (mit Betonung der 
^, germanischen Note" in der italienischen Kunst); Gabelentz, Mittelalterlidie 



488 Anmerkung 15 za Seite 79—83. 

Plastik in Venedig, 1903; Ventubi, Storia deir arte Italiana, 8 Bde., 1904». 
IL Hierzu die instruktiven Besprechungen von Swabzenski (Gabelentz) und; 
Dyorax (Yenturi) in „Kunstgesch. Anzeigen", Wien 1904, 41 — 45 und 1905^ 
6—23. Dazu freundliche Mitteilungen von DvoBAX-Wien. Im allgemeinen gut,, 
dals die Scheidung in alt- und neubjzantinischen Stil (Cattaneo) ebenso an- 
fechtbar ist, wie ii^ndwelche Feststellung über die Art der Aufeinanderfdge» 
in der sich byzantinische und abendlandische Kunst in der früheren Zeit in 
Venetien ablösen. Man kann mit Bestinmitheit nur sagen, daTs sidi Einflüsse 
Ton beiden Seiten her geltend machen. — Kunst in Grado: Chbon. Yen. 
11, 13, 38; Grad. 36—37; Testam. des Fortunat; Johannes 105; Dam). 157, 
170. Dazu Cattaneo 47—61, 239—267. — Kunst in Torcello: Ghron. Yen. 
7—11; Grad. 23, 30—36; Yenturi O, 148—149, 167— 158. — Über den Wieder- 
aufbau der 810 zerstörten Städte besonders Dand. 163; ygL auch die Ghioggia 
betr. Klausel im Kaiserpaettjm von 840. — Über Bauterminologie im allgem. 
Galucciolu I, 202—208, 228 — 235; über „jaglatio** und „transjaglado" im 
besonderen Boni in Arch. Yen. 31, 275—280. 

3« Zur Entstehung von Bialto-Yenedig: Über den Namen Bislto- 
Gallicciolli I 136—148. Über den Grund der Yerlegung des Begierungssities 
nach Rialto am besten Konstantin Porphyr., vgl. Bjz. Ztschr. XTTT (1904),. 
484—485, 487 — 488. Über die das heutige Yenedig zusammensetzenden Inseln 
(etwa 80 Namen) reichliches Material bei Galucciolli I, 91 — 154. Über den 
Gang der Besiedelung Gecchetti, Arch. Yen. 2, 68^ — 69. — Das Yerzeichnis 
der aus Heracliana, Jesolo und Malamocco direkt oder indirekt eingewanderten 
Familien im Chron. Yen. 28 — 33. Dazu Cipolla, Bicerche Arch. Yen. 31,. 
423 — 441. Zur Familiengeschichte Ton Yenedig kommen auCser diesem 
und den Familienverzeichnissen anderer Chroniken (besonders ausführlich im 
Chron. Justinuni cod. Marc lat. X 36 a 170—188) die oft erstaunlich langen 
ünterschriftenreihen in venezianischen Urkunden in Betracht (so 368 Unter- 
schriften unter dem Dokumente Domenico Michieles fllr Bari 1122); Sanudo- 
17—47 enthält eine allerdings vielfach unrichtige alphab. liste dor im Jahre 
1522 noch existierenden grofsen Ratsgeschlechter und der ausgestorbenen H&user.- 
Ygl. hierüber Monticolo in N. Arch. Yen. 18, 114 f. (über die oberw&hnten 
Unterschriften von 1122), in Rendiconti della B. Accad. doi linoei VJJl (1899), 
162 — 177, in seiner Sanudoausgabe 196—216, 278 — 281. Eine zusammen- 
fassende Arbeit von wissenschsftlichem Belange über Alter und Daner der 
venezianischen Patriziergeschlechter ist m. W. bisher noch nicht versucht wor- 
den. — Üher die Kirchengründungen und anderen Bauten der Geschlechter- 
Chron. Yen. 26—28. Zur Greschichte der einzelnen Kirchen ist das Hauptwerk 
die ungeheure Materialiensammlung von Corner (Flaminius Cornelius), Ecdeeiae- 
Yenetae et Torcellanae, antiquis monumentis nunc etiam primum editis illustratae 
et in decades distributae, 18 Bde. Yenetüs 1749 (18 Bde. —i 16 Dekaden zur 
Gesch d. Yenez., 3 zur Gresch. der torcell. Kirchen, 1 Bd. Index, 1 Bd. Supple- 
ment). — Über Steinbauten im ältesten Yenedig (9. Jahrhundert) (}attaneo- 
234—235. DaCs S. Salvadore eine der frühesten steingebauten Kirchen war,. 



Anmerkung 15 zu Seite 79—83; 16 zu Seite 91—100. 439 

«chlieTse ich aus Chron. Yen. 27, welche Beschreibung schon auf eine ziemlich 
Teiche Ausstattung schlief sen l&Tst. Über S. Ilario Cattaneo 235—237, s. auch 
Anm. 12/3. Dafs der Bau 829 nicht fertig war, lehrt die Stelle im Testamente 
Justinians : Dt petra que habemtu in Equilo campkatur htdifficia moncaterii 
J3. llarii. Über S. Zaccaria (s. Anm. 12/3) Catta>'eo 237—238. Über S. Teo- 
doro s. Anm. 12/3; die Kirche war 822 als Dogatkapelle und Kathedrale im 
Brauche (Saccardo 1. c). Über S. Piero di Castello das Testament Orsos 
Yon Oliyolo (s. Anm. 12/3). Femer Chron. Yen. 19, Johahkes 108, Dahd. 168. 
tTber die „Cathedra Marci*' und „Cathedra Petri*' Cattaiteo 67 — 68. 
tTber erstere auch Secchi, La cattedra Alessandrina di S. Marco oonservata in 
Yenezia, Yenezia 1853. Pasini, II tesoro di S. Marco, Venezie 1887 (beide mit 
Abbildungen), über letztere Cobneb, Eccl. Yen. dec. XII/2 » tom. 'X^TTT 191 bis 
196 (auch mit Abbildung). — Eine auch nur annähernd erschöpfende Zusammen- 
stellung der Literatur über San Marco kann hier nicht beabsichtigt sein. Die 
Stelle über den vorzunehmenden Bau der gleichzeitig begründeten Kirche im 
Testamente Justinians lautet: Quicquid exinde remttnserit de lapidib%M [vom 
Baue von S. Ilario s. oben] et quicquid circa Jianc [?] et [?] iacet et de casa 
Theophilacto de TorceUo hedifficetwr baxilicha heati Marci evangeliste sicut 
imperavimiM, Über den Einbau von San Marco zwischen S. Teodoro und dem 
Falatium und die spätere Yerbauung von S. Teodoro in San Marco hinein 
Saccardo 101 — 113. Über den Bau der ältesten Markuskirche am besten 
Cattanbo 242-251. Weiteres über San Marco in Anm. 30/3. — Die älteste 
urkundliche Erwähnung des Dogenpalastes im Privileg Ottos I. für S. Zac- 
«caria vom 26. August 963 (sittMtum prope palacium Bivoalto), MG. DO. I n. 
1258. Über den Bau durch Agnellus Johankes 106; Dakd. 161. Spuren dieses 
ältesten Dogenpalastes will Galli (Una scoperta del primo palazzo ducale di 
Yenezia. Nuova Antologia 3, 23 [September 1889] gefunden haben (?). 



Zum vierten Kapitel. 
16) Zu Seite 91—100. Jahre 836—881. 

1« Hegierungszeit des Petrus (Trandenicus) 29 J. Eat. B. Der Bei- 
name Trando(e)nicus nach Dandolo 174. In den Katalogen B und C 1 ist er 
einfach als Petrus gef&hrt. Der Beiname Trondominico ist darin dem späteren 
Dogen Petrus (Tribunus) (888 — 911) zugeteilt; dafs aber unser Doge gemeint 
ist, erhellt aus der Bemerkung des Katalogs C 1 : itUerfectus eat intra cenobium 
S. Zacchariae in die vigilia exaitatiane sande cruds ara vespertina. Signum 
des Dogen im Testament Orsos von Olivolo 854, Glokia c. d. Päd. I, n. 11. 
Begierungszeit des Ursus 17 J. Kat. B; Beiname Partidacue in Kat. C 1. — 
Hauptquellen zur Geschichte beider Dogen: Chbon. Yen. 23 — 24; Johannes 112 
bis 126; Dandolo 174 — 191. Literatur: Vor allem die zwei in Anm. 6/1 an- 
geführten Aufsatze von Lentz. Für die byzantinischen Verhältnisse im allgemeinen 



4S0 Anmerkong 16 zu Seite 91->100. 

verweise ich eio fUr allemal auf Hopf, Greschichte Griechenlands vom Beginn des 
Mittelalters bis auf unsere Zeit , Ersch und Gbuber, Enzyklopädie I (1867), 85, 
67 f. und 11 (1868), 86, 1 ff. und namentlich Krümbachers Geschichte der byzan- 
tinischen Literatur und den hier S. 911 ff. enthaltenen „Abrifs der byzantini- 
schen Eaisergeschichte** von Gelzer. In den urkundlichen und anderen Foi^ 
malismen spricht sich übrigens noch bis ins 11. Jahrhundert ein nidit an- 
erkannter, aber geduldeter Oberherrschaftsanspruch und ein anerkannter Ehrenr 
Vorrang des griechischen Imperiums aus, wie ein solcher von Otto II. an auch 
vom abendländischen Kaisertum gefordert wurde. Hierfiber die gl&ckliche Bemer- 
kung von MoNTicoLO im Bull. Ist Ital. 9, 86—88. Vgl auch Anm. 11/1. — Der Titel 
„gloriosus dux'* findet sich auch für Bavenna (878) und Ferrara (885). Fantuzzz, 
Monum. Ravenn. II, 14, V, 239. — Über die Kaiserpakta s. Anm. 17. — 
Über die Slawenkriege s. Anm. 22. 

2. Dafs anläfslich des Eaiserbesuchs 856/7 eine Erneuerung des Faktums 
(und der Besitzbestätigung ?) stattgefunden habe, Fanta 69. — Der von Dandolo 
180 — 181 berichtete Besuch des Papstes Benedikt HI. in Venedig, daXs er 
im Kloster S. Zaccaria Wohnung nahm, von der dortigen Äbtissin Agnes Mo. 
rosini feierlich empfangen wurde und dann dem Kloster die Beliquien von 
S. Pancratius und S. Sabina schenkte, ist von Bomanin I, 183 — 184 als Fabel 
erwiesen. — Was aber Bomanin I, 179 — 180 über die Normannengefahr sagt, 
entspringt einem Miüsverständnis der Stelle Johannes 116 — 117, dab Norman- 
norum gentea (russische Wikinger) 860 Konstantinopel heimsuchten. — Die von 
Bomanin I, 186 akzeptierte, von Wüstenfeld, €rott. Anz. 1854, 1127—1128 für 
ein Jahrhundert später angesetzte Nachricht der ambrosianischen Notiz zu 
Dandolo 181 — 182, dafs die Venezianer (849?) unter Pietro Trandenico die 
Yeronesen gegen die Bewohner der Ufer des Gardasees unterstfitzt, beide 
zusammen einen grofsen Triumph davongetragen und viele Gefangene gemacht 
hätten, die dann in Poveglia angesiedelt worden wären, hat für diese 2ieit gar 
keinen Sinn ; sie beruht m. E. auf einer Verwechselung dieses Dogen mit dem 
Dogen Pietro Gradenigo 1289 — 1311 und wurde mit der Nachricht des Chron. 
Ven. 24 über die Ansiedelung der Leibwächter des ermordeten Trandenico auf 
Poveglia verquickt Vgl. auch Monticolo in seiner Sanudoausgabe 117, A. 9. — 
Den Tag der Ermordung (13. September) gibt das Ghbon. Ven. 23 an. Über 
die Teilnahme am Morde und deren Bestrafung am genauesten Johannes 117 bis 
118. Über die Nachgeschichte des Mordes Chbon. Ven. 24. Einen Grund der 
Empörung geben Johannes und Dandolo nicht an; sie verzeichnen blofis den 
Mord als einen Akt der Nichtswürdigkeit. Das Ghron. Ven. gibt als Ursache 
die Übelgriffe der Leibwächter an, die unter anderem den dem Dogen nicht be- 
quemen Bischof Dominions von Olivolo hätten abfangen lassen. Über diesen 
Dominicus Widerspruch zwischen Chbon. Ven. 23 und Dandolo 181, dessen Dar- 
stellung viel deutlicher ist Dafs der Doge die Geschlechter gegeneinander aus- 
spielte, ist nach dem Tone des Chron. Ven. wahrscheinlich und galt wenigstens 
der späteren Überlieferung für feststehend (vgl. Ambros. Zusatz su Dandolo 
175-176). 



AnmerkuDg 16 zu Seite 91—100; 17 zu Seite 95, 97, 100—102 usw. 4St 

3. Über das Verwandtschaftsverhfiltnis des Dogen Ursas Partedacas zu Jo- 
hannes Parteciacus erhellt nichts. Nach Chron. Ven. 17, Johannes 125, 127, 
Idd und Dandolo 188, 194, 195, 198 stellt sich die Stammtafel der späteren 
Parteciaci (die der früheren s. Anm. 11/2) folgend dar: 

ürsus I. Dux 

Johannes (II.) Dux Petrus Ursus Badoario Victor Johanna Felizitas 

Mitdoge Mitdoge (S.IOO) Patr.y. Äbt.yon Cremahlin d. Bo- 

Grado ^) S. Zao- doald, Sohnes d. 
caria Hzgs. Johannes 
▼on Bologna. 
Der sonst bezeugte Zusammenhang der Panreta (Badoero) mit den Parteciaci 

ist genealogisch nicht nachweislich. Nach obigen Quellen ergibt sich: 

Joannaoenus (Bomaoe nus) dictus Paureta 

tJrsus (IL) Paureto Dvl VitaUs (II.) 

911-932 Patr. ▼. Grado 

I 
Petrus Paureta Duz 

939—942. 
Wie die Mitregentschaft den anerkannten Anspruch auf die Nachfolge 
im Dogate bedingt , erhellt besonders deutlich aus Johannes 126 : Mortuo . . . 
domno ürso duce (881) digniUu in Johanne suo ßio remansit — Der Ver- 
trag mit Walpert von Aquileja (880) bei Uoheuj-Coleti, It. sacra 6, 41 f., bei 
Dandolo 188 nach Urkunde. Vgl. Filiasi 7, 395—397; CJipolla, Fonti 84, n. 92; 
Lenel, Vorherrschaft 6. — Das Sklavenhandels?erbot erhellt aus Fontes 
rer. Austr. II, 12, 19, und darauf bezieht sich das „repromiaistia** im Paktum 
von 880 (cap. 3). — Quellen zum Eirchenkonflikt: Neun Briefe des Papstes 
Johann VIII. vom 24. November 876 bis 19. Juli 877, gedr. von Monticolo, 
Bull. Ist Ital. 9, 317 — 328; Johannes 121 — 122. Dazu Monticolo a. a. 0. 
109—130. 

17) Über die ,,Kaiserpakta'< Seite 95, 97, 100—102, 112,, 

122—123, 130, 134—135, 155, 166, 170—172, 221, 231, 240, 

255, 279, 358. 

Die (erhaltenen) Verträge Venedigs mit den abendländischen Kaisern von 
Lothar L bis Friedrich II. sind sämtlich gedruckt in den Monümenta Germaniae- 
Legüm Sectio II, Cafititlaku (regum Francorum) U, 1 (1890), 129 — 151 und 
CoNSTTTUTiONEs et acta publica imperatorum et regum I (1893) und II (1896); 
die Ottonischen Verträge sind überdies in der Abteilung Diplomata der Mon. 
Grerm. gedruckt. Es sind — in chronologischer Aufeinanderfolge aufzählt — 
ihrer folgende: 

1) Paktum Lothars I., 840 Februar 22, Pavia: Capitulabia EL, n. 233,. 
130—136. 



1) Dessen „frater uterinua" und Nachfolger Greorgius (Gregorius) von Grado» 
Chbon. Ven. 17. 



4S3 Anmerkung 17 zu Seite 95, 97, 100—102, 112, 122-123, 180, 184-186 niw. 

2) BesitzbestätiguDg (Praeceptum) Lothan I., 841 September 1, ThionTÜle: 

Capit. II, n. 234, 136-137. 

3) Besitzbestätigang (Praeceptum) Ludwigs IL, 856 März 23, Mantua: 

Capit. II, n. 235, 137. 

4) Faktum Karls III., 880 Januar 11, Bavenna: Cafit. U, n. 236, 138— 14L 

5) Praeceptum (Besitzbestätigung und Privileg) Karls UL, 883 Mai 10, 

Mantua: Cafit. U, n. 237, 141—143. 

6) Paktum Berengars, 888 Mai 7, Olona: Cafit. II, n. 238, 143—147. 

7) Praeceptum (Besitzbestätigung und Privileg) K. Guidos, 891 Juni 20, 

Pavia: Cafh. II, n. 239, 147—148. 

8) Praeceptum (Besitzbestätigung und Privileg) K. Budolfe, 924 Februar 

29, Pavia: Capit. II, n. 240, 148—150. 

9) Praeceptum (Bositzbestätigung und Privileg) K. Hugos, 927 Februar 

26, Pavia: Capit. II, n. 241, 150—151. 

10) Paktum Ottos L, 967 Dezember 2, Bom: Constitütiones I, n. 14, 

32—36; Diflomata Ottonis I (DO. I), n. 350, 478—488. 

11) Besitzbestätigung Ottos I., 967 Dezember 2, Rom: Constr. I, n. 15, 

36-37; DO. I, n. 351, 483-484. 

12) Paktum und BesitzbestätiguDg (vereinigt) Ottos IL, 987 Juni 7, Verona: 

CoNSTiT. I, n. 19, 40-44; DO. II, n. 300, 352—356; dazu Cön-sot. 
I, n. 17 u. 18, 38-40, DO. ü, n. 298 u. 299, 350-352: Beechlufs 
des F&rsteurates , dem Gresuebe der Venezianer um Frieden und 
Bündnis Folge zu geben, und offizielle Verkündigung der Herstellung 
dieses Friedens und Bündnisses; gleichzeitig. 

13) Paktum (Praeceptum) Ottos in., 992 Juli 19, Mühlbausen: Constr. I, 

n. 20, 45-46, DO. Ill, n. 100, 511-512; dazu DO. XU, n. 397, 
830: Erlassung von Pallium und „Census** über 50 Pfund durch den 
Kaiser, April 1001. 

14) Paktum (Praeceptum) Heinrichs IL, 1002 November 16, Bßgensbuig: 

CoNSTiT. I, n. 27, 57—58. 

15) Paktum (Praeceptum) Heinrichs HL: verloren (s. unten). 

16) Paktum Heinrichs IV., 1095 : Constit. I, n. 72, 121—124. 

17) Paktum Heinrichs V., 1111 Mai 22, Verona: Coxstit. I, n. 102, 152-156. 

18) Paktum Lothars IIL, 1136 Oktober 3, Correggio -Verde bei Guastalla: 

Constit. I, n. 119, 171—175. 

19) Paktum Friedrichs I, 1154 Dezember 22, Novara: <}on8TIt. I, n. 150, 

209—213. 

20) Paktum Friedrichs L, 1177 August 17, Venedig: Constit. I, n. 274, 

374—377; dazu Constit. I, n. 273, 373—374 von demselben Datum: 
wiederholte feierliche Friedensbestätigung. 

21) Faktum Heinrichs VI., 1197 Juni 6, Castro Giovanni: Constr. I, n. 378, 

526-530. 

22) Paktum Ottos IV., 1209 August 18, Valeggio: Onstr. II, n. 32, 

38—42. 



Anmerkang 17 zu Seite 95, 97, 100—102, 1 12, 122—123, ISO, 134-185 usw. 4SS 

23) Paktom Friedrichs 11., 1220 September 20, Mantaa: Ck)y8TiT. II, n. 76, 
93—97. 

Literatur: Über die älteren Kaiserpakta handelt scharfsinnig nnd ein- 
l^hend, aber doch vorwiegend nach der formalen Seite hin Fanta, Die Vertrage 
der Kaiser mit Venedig bis zum Jahre 983, MIÖ6. Erganzongsband I (1885), 
51—128; bisher die einzige Sonderabhandlang über die Verträge. Was Mabin, 
Storia del commerdo II und Bomanin, Storia doc di Venezia I darüber bringen, 
ist dorchaus überholt; auch die Inhaltserl&uterung der ftlteren Pakta durch 
Kohlschütter, Venedig unter dem Herzog Peter IL Orseolo (1868) 75 — 83 
(Exkurs: Zu den Staats- und Handels?ortragen Venedigs mit dem italienischen 
Eeiche vor 991) ist vielfach unzutreffend und hat durch Baeb, Die Beziehungen 
Venedigs zum Kaiserreiche in der staufischen Zeit (1888), 1 ff. (Inhaltsangabe des 
Faktums von 1154 S. 5 — 12) eine gründliche Korrektur erfahren. Für die 
karolingischen Pakten und Präzepten liegen die mustergültigen Begesten von 
MiJHLBACHER Yor (Beo. Imp. I, 2. Aufl., n. 1067. 1088. 1205. 1596. 1659). 
Einiges gegen Fanta bei Lentz, Übergang Venedigs von faktischer zu nomineller 
Abhängigkeit von Bjzanz, Bjzant. Zeitschr. 3 (1894), 64 f., 112 f.; belangreicher 
sind die gehaltvollen Ausführungen Lenels, Vorherrschaft in der Adria 1 — 11, 
die aber von einer starken Unterschätzung der Bedeutung der Kaiserpakta nicht 
freizusprechen sind. EQerzu bemerkt mit Becht Simonsfeld, Hist Zeitschr. 84, 
432: „Mag unter den beiden ersten Ottonen der venezianische Kaufmann in 
bezug auf Handelsfreiheit und Verkehrsgebühren seinem Nachbar im Begnum 
Italiae lediglich gleichgestellt worden sein; mag Venedig unter Heinrich IV. 
nur das Stapelrecht erworben haben; mag die von Friedrich dem Botbart ver- 
liehene Abgabenfreiheit tatsächlich nicht überall durcJifUhrbar gewesen sein, 
Lenel verkennt, dafs diese kaiserlichen Privilegien für Venedig eine Lebens- 
bedingung waren." Ist hierfür nicht der beste Beweis, dafs die Handelssperren 
der abendländischen Kaiser in Venedig immer krisenhafte Erscheinungen ge- 
zeitigt haben ? Vgl. auch Baer, 1, Hkyd I, 122. Zu den ottonischen Verträgen 
noch insbesondere Sciimeidlek, Venedig und das deutsche Beich im Jahre 983, 
MIÖG. 25, 545 — 575; dazu Anm. 20/3. Zu den staufischen Verträgen Baeb 
a. a. 0. 5 — 13, 58, 66, 84, 87—88 (merkwürdigerweise kennt Baer die Arbeit 
Fantas nicht). Endlich kommen noch die einleitenden Bemerkungen in den Aus- 
gaben der MoN. Germ, in Betracht. — Eine Gresamtwürdigung vor allem nach 
der noch lange nicht genügend und immer nur mehr gelegentlich behandelten 
inhaltlichen, aber auch nach der formellen Seite hin steht noch aus, und wäre 
hierbei wohl die schon von Fanta (besonders 89—97, 112—123) begonnene Prü- 
fung der Beziehungen der ältesten Pakta zum langobardischen ürkundenwesen 
fortzusetzen und davon auszugehen. In meiner Darstellung konnte nur die 
Heraushebung der bedeutsamsten Inhaltsmomente versucht werden. 

Die Überlieferung der Pakta ist keine günstige: nicht eine einzige der 
aufgezählten Urkunden ist im Original erhalten, nur von ganz wenigen erliegen 
gleichzeitige Kopien, die meisten sind uns erst aus Abschriften des 14. Jahr- 
hunderts (Liber Blancus) oder gar erst des 15. (Liber Trevisaneus) erhalten. 

Krettchmayr, Geschiclite Ton Tenedig. ^ 



4S4 Amnerkimg 17 zu Seite 95, 97, 100—102, 112, 122-123, 130, 18i— 136 uw. 

Dafs der Inhalt der Pakta and Praecepta auf die Zeit Karls des GroIiBen nnd 

der Langobarden zarückzubeziehen ist, wird in denselben unmittelbar gesagt; 

inwieweit dies der Fall Ist, läfst sich im einzelnen nicht mit Sicherheit sagen. 

Ihr wahrscheinliches Verhältnis zu den vorhergehenden Verträgen veranschaulidit 

folgendes Schema: 

Vertrag liutprands (713—716) 

I 
Bestätigung Aistulfs (749—756) 

I 
Ordinatio Karls des Grofsen (806) 

I 
Artikel des Friedens von Aachen (812) betr. Venetien 

I 
Faktum von 840. 

Hierbei dürfte aus dem Faktum ?on 840 der Bückschlufs erlaubt sein, daß 
auch im Frieden von Aachen den Venezianern kein grofseres Handelsabsatzgebiet 
im Begnum zugestanden wurde als das im Faktum Lothars L umschriebene; 
warum auch hätte Karl der Grofse entgegenkommender sein sollen als sein Sohn 
Lotbar? 

Über die topographische Bedeutung der Aufzählung von Seelandsorten 
in den Pakta s. Byzant. Zeitscub. 13 (1904), 482, A. 1. — Dafs in den erhal- 
tenen Abschriften der Fakten ?on 840 und 880 der erst in der Kopie des Fak- 
tums Berengars 888 erhaltene Artikel über Zahlung des Jahrestributs (Et 
promisistis nohis cum cuncto ducatu Veneticarum annuaUter inferre de de- 
nariis Papiensibus librtM vigintiquinque) herausgefalscht wurde, einleuchtend 
naih Fanta 63. — Dafs viele der allfünfjährigen Vertragserneuerungen 
nicht auf uns gekommen sind, ist gewifs; dafs dabei die fünQährige Emeuerongs- 
frist nicht immer genau eingehalten wurde, sehr wahrscheinlich. Näheres hier- 
über sowie auch über die mutmafsliche Eraouerung des Faktums durch Ludwig II. 
bei seinem Aufenthalte in Venedig 856/857 (verloreij) bei Fanta 69. — Das Zu- 
geständnis der Abgabenfreiheit für Geschäfte des Dogen im Frä- 
zeptum von 883 ist rein persönlich für das Haus des Dogen gemeint (dux sim- 
qtie heredes, nicht 8ucce88(yre9)\ hierzu Gfrörer, Byzant. Gesch. 1, 209 — 213, 
korrigiert von Hasnack, Karolingisches Beich 89, A. 1. — Die von Dandolo 204 
zum Jahre 948/949 gemeldete Faktumsbestätigung durch Berengar yonlvrea 
beruht augenscheinlich auf Verwechslung mit dem Faktum Berengars von Friaul 
von 888 : im übrigen ist eine Vertragsemeuerung auch durch Berengar von Ivrea 
nach dem Wortlaute des Faktums Ottos I. nicht unwahrscheinlich. — Die 
Fakten Ottos I. und Ottos U. sind in gleichzeitigen Kopien (B) und in 
Abschriften im Liber Blancus (C) und Liber Trevisaneus (D) enthalten ; die Ver- 
sionen von B einer- und C und D anderseits weichen voneinander ab. — Wäh- 
Fanta 54 — 59 und Sickel, DO. I, 478—480 die dem Faktum von 840 nach- 
gebildete Fassung B für die bessere, C und D in den abweichenden Partien 
durchaus für verunechtet halten, tritt Lenel 1 — 2, A. 1 m. E. mit Becht zu- 
gunsten der nach den Pakten von 880 und 888 gefafsten Überlieferung von C 
und I> ein. Dafs besonders der Zusatz ,yet ioHus rtgni nostri** (der in & 



Anmerlraiig 17 zu Seite 95, 97, 100 -102, 112, 122-123, 130, 134—135 usw. 4S5 

fehlt, in C and B sich findet) im Paktom Ottos L gef&lscht sei, und dafs somit 
Otto I. dem venezianischen Handel wieder nur das ungefähr im Faktum von 840 
imischriebene Grehiet zugestanden hahe, scheint mir schon aus äuTserlichen Grün- 
den nicht halthar. Warum sollte Otto II., der sich zur Ausstellung des Fak- 
tums nicht leicht verstand und gleich seinem Vater den Artikel üher die dogale 
Gerichtsharkeit der im Beiche weilenden Venezianer nicht erneute, in der £r- 
Streckung des Handelsabsatzgehietes für die halbfeindliche Stadt so viel ent- 
gegenkonmiender gewesen sein als der Vater, der zu ihr und ihrem Dogen in 
besten Beziehungen gestanden hatte? Über das Faktum Ottos IL auch Fanta 
60 — 61, 64—66, 115. — Dafs Venedig vor dem Jahre 992, vorzugsweise doch 
unter Otto II. Gebiet verloren habe, erhellt u. a. auch urkundlich aus dem Fak- 
tum Ottos UI. von 992: itibemus ut [Venetici] . . . perditaa [terras] recupe- 
rmt. — Dafs Konrad II. die Bestätigung des Faktums verweigerte, Hein- 
rich in. sie gewährte: Dand. 245: [Dominicus Contarenus duz] ab Hewrico 
atAffusto approbationem foederis, quod pater eius renuerat, per Dominicwn 
Sylvo et Bonum Dandulo legaios stMS ohHnuit. Überdies spricht das Faktum 
Heinrichs IV. ausdrücklich von „precepto patris nostri*' im Gregensatze zu 
„pacio Ottonis imperataris" wonach anzunehmen sein dürfte, dafs die Urkunde 
Heinrichs HI. nach dem Muster des kurzgefaCsten Fräzeptes Heinrichs II , viel- 
leicht unmittelbar nach Vorlage desselben verfafst war. — Über die stau- 
fi sehen Fakta s. Baer a. a. 0. König Konrad HI. hat kein Faktum aus- 
gestellt; so ist aus dem Wortlaute des Faktums Friedrichs I. vom Jahre 1154 
zu schliefsen, welches die venezianischen Freiheiten nur nach dem Wortlaute 
„in pacto Ottonis et Henrici et Lotharii" bestätigen zu wollen erklärt. Merk- 
würdig ist inmierhin, dafs etwa auf dem Beichstage von Begensburg 1151 
(s. Anm. 33), auf welchem venezianische Gesandte erschienen und der König die 
Frivilegien von S. Nicolo di lido bestätigte, nicht auch eine Neubestätigung des 
Faktums stattgefunden hat. Der höchst bedeutsame Artikel des Faktums von 
1177 über die abgabenfreie Eröffnung des staufischen Gesamtreiches (seit Hein- 
rich VI. also auch Siziliens!) für den venezianischen Handel ist bisher wohl zu 
wenig berücksichtigt worden. Er lautet: . . . Veneti per totam terram, quam vel 
nunc hahemus vel in posterum auctore deo habituri sumus, liberi sint ab 
omni exactione et dadone. 



18) Zu Seite 100—104. Jahre 881—932. 

1. Begierungszeit des Johannes (Farticiacus) nach Kat B 5 J. 6 M. ; 
seine zweite Regierung bestimmt Santjdo 123 auf 6 M. 13 T., was vom Todes- 
tage Fietro Candianos L gerechnet 19. September 887 bis 31. März 888 ergeben 
würde. — Fetrus (Candianus): 6 M. Kat. B. Die Tagesdaten (17. April 
und 18. September) und eine persönliche Charakteristik nach Johannes 128 — 129. 
Über seinen Tod auch Fiuasi 7, 408-409. ~ Fetrus Trondominico (über 
die Namensverwechselung s. Anm. 16/1): 23 J. 28 T. Kat B; 23 J. Johannes. 
Tribunns filius Dominid Tribuni nach Johannes 129. Mutter Agnella ebenfalls 



436 AnmerkuDg 18 zu Seite 100—104; 19 zu Seite 104—115. 

Dach JoHANXEs 129. Regiert jedenfallB schon im Mai 888 (s. Faktum Beren- 
gars). Daxd. 198, dafs die persönliche Tüchtigkeit des Dogen „authenUeis 
scripturis manifeste" erhelle. Man 7gl. auch Ro3Ianins gute Kritik (I, 215 bis 
222) an dem arg entstellten und heillos verworren datierten Dokumente l&r 
Chioggia (S. 103 ; gedr. Gloria I, n. 28, 42—44), dessen Wortlaut einen Dogen 
Dominicus Tribunus annehmen lafst und damit die Überlieferung über Petrus 
Tribunus in Unordnung gebracht hat (s. etwa Filiasi 7, 411—415). — ür8UB(B) 
Particiacus (Jouannes 132) oder Paureta (C 1) 20 J. nadi Eat B. 

2. Quellen zur Geschichte: Johannes 128—132; Dand. 191 — 201; über 
die S. 104 vermerkten Elementarereignisse Johannes 126 — 128. Das von 
RoMAMN I, Beil. n. 21, 398 — 400 vermutungsweise zu Februar 934 mitgeteilte 
Stück ist für Februar 919 anzusetzen (Indiktion VIII würde zu 904, 919 und 
934 stimmen; 904 ist ausgeschlossen, weil der 911 verstorbene Doge Petrus 
Tribunus bereits als verstorben bezeichnet wird , 934 , weil da bereits Ma- 
rinus, der Nachfolger des im Dokumente genannten Dominicus, Patriarch von 
Grado ist). — Über den Ungarnein fall aulser Johannes 130 — 131 die 
stark entstellte Urkunde vom Februar 901 für das Kloster S. Stefano in Altino 
vom Februar 901 (gedr. von Monticolo edit. Johannes 130, A. 6); darin wird 
der Einfall als bereits vorübergegangen bezeichnet; einen Terminus a quo gibt 
die vom Chron. Nonantthae (bei Richter, Annalen II , 230 d) gemeldete grofse 
Schlacht an der Brenta vom 24. September 899. 

19) Zu Seite 104—115. Candianen (932—976). 

1. Stammtafel der Candianen nach Ghkon. Yen. 20; Johannes 136; 
Dandolo 201, 203, 205; DO. I, n. 257, 407; DO. III, n. 293: 

Petrus I. Dux (887) 



Petrus II. Dux (932-939) 

I 
Petrus lU. Dux (939—959) 



Dominicas Petrus IV. Dux Vitalis genannt Ugo Stephanus 

Bischof V.Tor- 959—976 Graf von Padua 

coUo (bis 959) a) Johanna (wahrscheinlich identisch mit 

b) Waldrada dem späteren Dogen Vitalis 978/9) 



DO.I,n.257,407 
aus Ehe a: (?) 

Vitalis (IV.) Patr. Dominicus „filius Vitalis Candiani*' 
V. Grado (bis über 1000) (nicht „ducis") DO. HI, n. 293. 

Hegierungszeit des Petrus (II.) Candiano 5 J. nach Kat. B. Petrus 
6adoario3J. nach Kat. B. ürsonis ducis filio Johannes 133. — Petrus (111.) 
Candiano 17 J. nach B „iunior" Cl. — Petrus (IV.) Candiano 18 J. 
B ; 18 non plenos C 1 ; richtig 17. Wahrscheinlich von 959, jedenfalls vor Juni 
960 bis August 976. — Über die Gräber der drei ersten Dogen positive An- 
gaben erst aus dem 14. Jahrhundert, für Pietro IV. gibt Johanmis 140 S. Uario 
als Grabstätte an. 



AnmerkoDg 19 zu Seite 100—104. 4S7 

2, Quellen zur Geschichte Petrus* IL und Petrus Badoarios: 
Sehr wenig bei Joh. 132—134; Chron. Marci 265 — 267 Ober den Seeräuber 
Gaiolo; Dand. 201 — 203. ürkundendrucke : Vertrag mit Capodistria (14. Januar 
932): 1) FRA. II, 12, n. 10, 6 — 10; dazu Lenkl 5, A. 2. 2) Vertrag mit 
Günther von Istrien u. a. (12. März 933): FRA. II, 12, n. 11, 10 — 16. 
3) Pietro Gandiano II. u. a. an Kg. Heinrich I. u. a.: Dümmler, Gesta Beren- 
garii 157-158; dazu 74—75. — Über die Brautraubsage und die Festa 
delle Marie: Filusi 7, 327—350; Wüstenfeld, Venet bist 48—49; Ro- 
manin I, 234 f.; Cecchetti, Arch. Ven. 31, 64—69. Hauptarbeit: Monticolo, La 
costituzione del doge Pietro Polani 1142/3. (Sie enthält die älteste bekannte Fest- 
ordnung der Festa delle Marie, den Ordo processionis scolarum.) Rendiconti dell* 
accad. dei Linoei V, 9 (1900) 122 f., Druck des Ordo: 124-128. Hier auch die 
Darlegung, dafs unter den scoUie (scaukte) nicht Genossenschaften, sondern 
Barken zu verstehen seien. Siehe auch Monticolo in seiner Sanudoausgabe 128, 
Anm. 10, 15; 128, Anm. 2, 224-228 (Druck des Ordo). 

3. Quellen zur Geschichte Petrus' HL und IV. (939 — 976). 
Chroniken: Chbon. Ven. 18, 20; Johannes 134—140; Petbus Damiani vita S. 
Romualdi c 15 bei Dand. 215—217; Dand. 203—211. Über die durch die fehler- 
hafte Herausgabe Dandolos bei Muratobi (s. 206: electionem [Petri IV.] statt 
richtig eiectionem) verursachte Eonfusion (namentlich Gfböbeb 250, 259) s. u. a. 
Monticolo edit. Sanudo 137, Anm. 2. Über die Sendung des Dominicus durch 
K. Otto I. LiuTPBAND c. 31 bei Richteb Ann. 3, 104a— b. — Urkundendrucke: 
1) Vertrag mit Lupus von Aquileja (13. März 944): Kandleb, God. dipl. Istriano I 
(944). Vgl. Dand. 204. — 2) Dekret vom Juni 960: FRA. U, 12 n. 13, 
17—25. Die Konstruktionen Gfböbers 259 f. hierzu und zum folgenden Stück 
sind unmöglich; aber auch Hetd I 124/125 (112/113) kann ich nicht bei- 
pflichten. Den Zusatz „pro taii causa . . . palatii" (S. 21 ganz oben) im 
ersten Teile (Sklavenhandelsverbot) kann ich nur im Sinne eines dogalen Mono- 
pols verstehen. Denn wer sonst soll bestimmen, ob etwas Staatssache sei, als 
der Doge. Aber auch der Zusatz „nigi tantum üUts, que cansuetudo est de 
nostro palatio*' im zweiten Teile (S. 21, unten) scheint mir so zu erklären. 
Die „ illas " sind doch wohl nicht Briefe überhaupt, sondern Briefe aus Deutsch- 
land und dem Regnum, von denen bisher ein Teil durch da? Palatinm versendet 
wurde, während nunmehr alle diesen Weg gehen sollen. — 3) Waffen- und Holz- 
ausfuhrverbot vom Juli 97iTFRA. II, 12, n. 14 , 25—30. — 4—10) Urkunden 
Ottos I.: Das Faktum und die Besitzbestätigung, s. Anm. 17. — Otto I. für 
Grado (2. Januar 968) nach DO. E (2. April 974 Otto IL für Grado) n. 71, 
8. 84-88. Otto I. für Cavarzere (13. Aug. 968): Druck: Globia C. D. Padov. 
I, 86 n. 60; dazu Sickel DO. I, 480. Uhliez, Jahrbücher der deutschen Ge- 
schichte, Otto U. (1902), 195, A. 27. Die Echtheit des Stückes wird nicht ohne 
Grund bestritten. S. Monticolo in Arch. Ven. 25, 134—135. — Ottol. für Vitale 
Gandiano (26. August 963 und 8. Januar 972) DO. I, n. 257, n. 407. — Otto I. 
für S. Zaccaria (26. August 963): DO. I, n. 258. — Die Verwandtschaft Petnis' IV. 
mit dem sächsischen Eaiserhause veranschaulicht folgende Tabelle: 



4S8 Anmerkung 19 zu Seite 104—115; 20 zu Seite 115-125. 

Könip^ Hugo v. d. Provence 
(der 927 den Venezianern das Praeoeptum gab) 



Markgraf Hubert von Tuszien Adelheid 

G«mahl: E. Otto L 

I I 

Waldrada K. Otto ü. 

Gemahl Petrus IV. 

Candianus. 

Über Patriarch Yitalis, vielleicht den Verfasser des Chrom. Gradkhbi 
s. MoHTicoLo, Chron. Ven. antich. I, XXTTT — XXVI. DaTs Mineus von Toroello 
von Pietro IV. geblendet wurde, Chbon. Veh. 20; da im Juni 960 (s. Urkunde) 
schon dessen Nachfolger Johannes im Amte ist, mufs die Blendung gleich nadi 
Antritt der Begierung erfolgt sein. Über den Untergang des Dogen kommen 
aufser Chsoh. Vbh. 18, Johaknes 139—140, Petb. Damiaki (s. oben und Ver- 
merk dazu Anm. 20) noch die Urkunden: Glosia I, 95, n. 66 und FRA. H, 
12, n. 15, 31— 35 in Betracht Von neuesten Darstellungen am besten Uhlikz, 
Otto II. 189—191. Das Datum 11. August ergibt sich durch RfLckberechnung 
vom Endtermine (1. Sept. 978) der für 2 Jahre 20 Tage angegebenen Begierungs- 
zeit Pietro Orseolos I. Dafs der Mord „in mense augtisti" erfolgte, auch 
Chbon. Ven. 18. 



20) Zu Seite 115—125. Jahre 976—991. 

1. Eegierungszeit des Petrus Orseolus (I) 2 Jahre 20 Tage nach 
B, 2 Jahre 1 Mon. nach Johannes. Das Fluchtdatum (1./2. September 978) 
bezeugt von Johannes 142; dazu auch Bomanin I, 278, Beil. n. 11. Vitalis 
Candiano 1 J. 2 M. nach B und C 1 (wäre also 2. September £f. 878 
bis 2. November ff. 979). Tribunus Menius (Moni nach B) Jahre fehlen, 
4 M. nach B (bricht nun ab); 14 J. 4 M. C 1; 13 J. 5 M. Johannes. Die 
Jahresangabeu können nicht richtig sein, es mufs vielmehr 11 J. heifsen. Über 
die Dogonchronologie von 976—991 Uhlibz, Otto II. 191, A. 16. Tribunus 
cognomento Menius Johannes 143, Memmo Dand. 218. 

2. Quellen. Chroniken: Johannes 140—148. Die chronologisdie Veiv 
wirrung bei Schilderung des Handelskrieges mit Otto IL löst sich, wenn man 
mit Uhlibz, Otto II. 195, A. 27 eine Umstellung der Stelle „ad quem TVibunus 
... tndtdsit" von S. 144 auf S. 146 (nach „. . . Verofuan odüt'*) vornimmt 
Der Bericht des Petbus Damiani vita S. Bomualdi c. 15 (Dand. 215 — 217) ist 
gänzlich „zurechtgestutzt und verschoben": Neumann, Markuskirche in Preufo. 
Jahrb. 69 (1892), 615 Anm. Dand. 212 — 222. Die Vita Obsboli in 
Mabillon Acta SS. Ord. Bcned. VII, 874—888 ist wertlos. Pietro Orseolo I. 
ist „beatus**: Gbotefend, Ohronol. (2. Aufi.) U/2 152. — Urkundendrucke: 
1) Verzicht der Waldrada (Sept. 976) und Hofgerichtsurkunde (25. Okt. 976): 
FicKEB, Forsch, z. Reichs- u. Bechtsgesch. Italiens (1874) IV, n. 29, 38 — 41 
(ein höchst bemerkenswertes Stück). — 2) Vertrag mit Clapodistria (12. Oktober 
977): FRA. II, 12 n. 15, 31—35, dazu Lenel 5, A. 3. — 8) Zehnten- 



Anmerkung 20 zu Seite 115—125. 489 

Urkunden von 978 und 979: Bomanin I, 378 — 378, BeiL n. 11 und 12. — 
4) Ausgleich mit den Candianen (15. Juni 981): Gloria CD. Päd. I, 95 n. 66; 
teilw. Uhlibz, Otto U. 194 A. 24. — 5) Griindung von S. Giorgio magg. (982): 
Dakdolo 218 — 219; üghhlli-Colbti , V, 1200; Cicoona, Iscriz. Yenez. IV, 284 
bis 288; Cobkeb dec. Vni 205—206. — 6—9) Urkunden Ottos IL: für S. Ilario 
2. Januar 981) DO. H, n. 240, 269—271 (dazu ühlibz, Otto II. 145—146) und 
drei Urkunden zur Paktumsemeuerung (s. Anm. 17). 

3« In meiner Darstellung besonders des Sjunpfes Ottos 11. gegen 
Venedig folge ich den scharfsinnigen Au&fÜhrungen von Uhlirz, Otto 11. 191 
bis 193, 194 — 197 und glaube dieses Buch nicht mit der Wiederholung der von 
ihm vorgebrachten Argumente belasten zu sollen. Neuestens hat Schmsidleb 
(Venedig und das deutsche Beich im Jahre 983, MlÖG. 25, 545—575) den Ver- 
such gemacht, aus formellen Merkmalen und dem Bechtsinhalt der vorhandenen 
Eaiserurkunden die tatsächliche Unterwerfung des Seelandes unter das römisch- 
deutsche Kaisertum im Jahre 983 und die Fortdauer tatsächlicher Untertänigkeit 
wenigstens auf mehrere Jahre hinaus zu erweisen. In Wirklichkeit scheint mir 
aber nur ein durch Otto III. und Heinrich IE. ebenso wie durch Otto 11. mnd 
hernach wieder durch Salier und Staufer erhobener Oberherrlichkeitsanspruch 
des abendländischen Imperiums über Venedig, nicht die tatsächliche Eroberung 
und mehrjährige Beherrschung der Stadt nachgewiesen. Von den angeführten 
Beweiegründen ist nur der auf DO. lü, n. 192, 600 — 601 gestützte belangvoll, 
aber auch nicht zwingend. Das Übrige, die Umdeutung der Darstellung des 
Joliaunes und die Weitung formeller Wendungen gewissermaÜBen als staats- 
rechtlicher Enunziationen kann m. E. nicht überzeugen. Venedig hat nach 
Ottos II. Tode im Jahre 983 die Aufhebung der Handelssperre vermutlich 
mit Opfern erkauft (Zurücknahme der Verbannten, erhöhte Tributzahlung), die 
römisch- deutsche Eeichsregierung hielt an den Ansprüchen Ottos IL fest und 
brachte sie urkundlich zum Ausdruck. Was sollte Venedig tun, als sich gefallen 
lassen, was es sich auch von Bjzanz her gefallen liefs, und dort wo es möglich 
war, diese Ansprüche sehr bestimmt abzulehnen, wie denn etwa im Mai des 
Jahres 1000 den Leuten von Cavarzere die Berufung auf die kaiserliche Ober- 
hoheit als hochverräterisch verwiesen wird. Wie Schmsidleb diese Urkunde (gedr. 
ebenda 573 — 575) für seine Beweisf^ihrung verwenden will, ist mir nicht klar 
geworden. Im übrigen gibt er selbst zu, dafs sich die tatsächliche Untertänig- 
keit des Seelandes von 983 ab mindestens schon unter Heinrich II. in eine 
nominelle verwandelt hat und dafs auch diese dann unter Konrad IL abge- 
schüttelt worden sei. Abgesehen von anderem erscheint mir nun auch aus all- 
gemeinen Erwägungen sehr unwahrscheinlich, dafs gerade ein Pietro Orseolo 11. 
ein Untertan des Beiches gewesen sei und gerade einem Konrad 11. die untsr 
der schwächeren Herrschaft seiner Vorgänger geduldete Oberherrschaft ent- 
wunden worden sei; wie wäre übrigens die „ Abschüttelung *' einer nominellen 
Oberherrsdiaft zu verstehen? Konrad n. wiederholte m. E. den — schliefslich 
mifsglückten — Versuch Ottos n., die seit dessen Tagen vom Beich als Unter- 
tanland beanspruchte Stadt tatsächlich zu bezwingen, ebenfalle ohne endlichen 



440 Anmerkung 20 zu Seite 115—125; 21 zu Seite 126—143. 

Erfolg. Ich sehe keine Veranlassung, von der Darstellung der Ereignisse unter 
Otto und Eonrad bei ühlibz 1. c. und Bbesslau, Jahrb. d. deutschen Beiebes, 
Konrad ü., I, 149—150, Exkurs 456—459 abzugehen. 



Zum ffinften Kapitel. 
21) Zu Seite 126—143. Pi^tro Orseolo II. 

1. Begierungszeit Pietro Orseolos IL (Petrus Orseolus, Ursinlus) 
17^ J. nach Sjit. C 1; 18f J. richtiggestellt bei Sxmudo 9; damadi von Min 
991 bis September 1009. Vgl. ühlibz, Otto 11., 191, A. 16. — Monographie &ber 
Pietro n.: Eohlscuütteb , Venedig unter dem Herzoge Peter Orseolo 11. 991 
bis 1009 (1868). 

Stammtafel der Orseoler nach JouAmrEs 171, Dahd. 234. 

Petrus I. Dux 976—978 
Felizitas 

I 
Petrus II. Dux 991—1009 

Maria 



.«"^ 



Johannes Ursus Otto Duz Vitalis Henricus Hioela Felizitas Zwei andere 

tl007? (Orso) 1009-26 Bischof | Gemahl Äbtvon geistb'che 

(jemahlin Bischof tl032 ?on Dominicus?Stephanus S.Giov. IViiter. 

Maria von Toroello Duz 1032 Sohn Eyang. 

tl007? Torcello (Vermutung des inTor- 

I dann Hodgsons Surigna oello 

Basileios Patr.v. 201) 
1 1007 ? Grado 
tl044? 

2. Quellen zur Geschichte Pietro Orseolos. S. Kohlsghüttss 
61—72. Chroniken: Hauptquelle Johannes 148—171, dessen Chronik hier 
den Höhepunkt ihrer Darstellungskraft erreicht, Dand. 223 — 235. Über die 
NOBMANN. Quellen zum unternehmen auf Bari und zu dessen Chronologie : HnscH, 
Jahrb. d. deutschen Beiches. Heinrich H. 3, 145, A. 2. Kohlschütteb 52, 
n. 2. Zu den muhammed. Beziehungen des Dogen (Johannes 129 — 130, Dahix 
223): Heyd, Levantehandel I, 126 (114). Die geringfügigen Angaben dbutschse 
Quellen zu den Beziehungen zwischen Otto HI. und dem Dogen sind in der 
Ausgabe des Johannes von Monticolo vermerkt DaTs Otto HI. „inter duh» 
annos" (s. S. 134) gestorben sei, Johannes 165. Zur Vermählung des Johannes 
mit Maria (s. S. 142) aufser Johannes 167->170 auch Kedbenos 2vvto\i*ig lato- 
(H(öv ed. Bonn. 2, 452. — Urkunden: 1) Vertrag mit Byzanz (Mz. 992 =« 
ind. V; ühlibz, Otto 11. 191, A. 16 nimmt nach Dand. 223, ich glaube mit 
Unrecht, 991 an; daTs Tribunus Menius seinen Sohn deshalb nach Eonstanti- 
nopel geschickt hatte, Johannes 148): gedr. FBA. 11, 12, n. 17, 36—39; dazu 
Kohlschütteb 66; Neuhann, Byz. Ztschr. I, 371, dem ich nicht durchaus zu- 
stimme; Hetd, Levantehandel I, 126—127 (114—115). — 2) Paktum von WM- 



Anmerkung 21 zu Seite 126—143 ; 22 zu Seite 62—63, 93, 96, 101 usw. 441 

hausen (19. Jali 992) 8. Anm. 17. — 3) Grenzurkunde Ottos UI. für Heradiana 
(1. Mai 995; wiederholt 7. Januar 999): DO. m, n. 165, 577 — 578, n. 307, 
734. — 4) Marktverleihungsurkunde Ottos UI. (1. Mai 996): DO. UI, n. 192, 
600 — 601; die Bestimmung der Orte an der Piave und am Sile durch Filiasi 
8, 80—82 als Terzo und Campalto ist willkürlich. Ich kann mich, obwohl der Wert- 
laut der Urkunde dazu einlädt, doch nicht (mit Schhsidleb) entschlietsen, darum 
an eine faktische Ausübung kaiserlicher Gerechtsame im Seeland zu glauben. 
5—7) Zur (jeschichte der Wirren mit Johannes von Belluno die urk. Beilagen 
n. 1—3 bei Kohlschüttbr 84-93 (25. März 996, 3. Mai 998, 18. Juli 998). — 
8) Handelsvertrag mit Sieghart Ton Ceneda (März 997): üohelli-Coleti , Italia 
Sacra 5, 177. Dazu Eohlscuüttsr, Peter Orseolo 30— 31; Lekel, Vorherrschaft 
6, A. 3. — 9) Garantiedekret (Febr. 998): gedr. EoifAimv I, 385 — 387, Beil. 
n. 15. — 10) Urkunde für Cavarzere (Mai 1000): Miöa 25, 573 — 575, dazu 
Anm. 20/3. — 11) Handelsvertrag mit Eozo von Treviso (Sept 1000 bis Mai 
1001): ÜGHELLi-CoLETi 5, 507. Dazu Kohlschütter 32, 70; Lenel, 6, A. 2. — 
12) Verzicht Ottos KL auf das Pallium (Frühjahr 1001) : DO. m, n. 397, 380, 
vgl. Anm. 17. — 13) Handelsvertrag mit Grauso von Ceneda (Juli 1001): Druck 
wie oben 8. — 14) Paktum Heinrichs H. (16. November 1002): Anm. 17. — 
16) Die Einwohner von Pieve di Saoco beschweren sich beim Dogen wegen un- 
rechtmälsig auferlegter Zölle (1006 — 1007): Gloria, cod. d. Päd. I, n. 82, 
S. 114—115. — 16) Legat des Dogen (Januar 1006): Eohlschütter 93—94; 
MoNTicoLo, Chron. Ven. ant. I, 169, A. 1. — Über die Fahrt nach Dalmatien 
(Johaknes 149, 153, 155—160) s. die folgende Anmerkung. 

22) Über Dalmatien, Seite 62—63, 93, 96, lOl, 106—109, 
135—141, 156; vgl. Anm. 25/3. 

1. Für die Beziehungen Venedigs zu den Slawen Dalmatiens und ICroatiens 
seit etwa 885 bis ins 11. Jahrhundert sind Hauptquellen Johannes (110, 
113, 115, 118, 122 — 123, 125, 128 — 129, 136, 149, 153, 155 — 160) und 
Dani)Olo(172, 175, 177, 182, 186-187, 191 — 192, 204, 227—230, 244); 
von dalmatinischen Chronisten vor allem TuosfAs, Archidiakon von Spalato, 
Historia Salonitana (herausgegeben von Ba6ki in Monumenta spoctantia histo- 
riam Slavorum meridionalium , vol. 26 [1894]), der teilweise auch Vorlage f&r 
Dandolo war; über die Anfänge der südslawischen Siedlungen auch Konstantin 
PoRPinnoo., De admin. imp. 125—164. Wie hierbei Dandolo seine Vorlage Jo- 
hannes durch geringfügige Veränderungen im Sinne des vaterländischen Buhmes 
zurechtrichtet , ist unschwer zu erkennen; während z. B. Johannes 118 den 
Slawenftirsten Domagoi einen Kampf wegen der „multitudo*' (Übermacht) der 
Venezianer vermeiden läfst, fehlt bei Dand. 182 diese Begründung, wohl aber 
ist bei der Bückkehr des Dogen ein „cum gloria" eingeschaltet. Das ein- 
schlägige Urkundenmaterial für diese und die Folgezeit ist vorzüglich im 
1. und 7. Bande der Monumenta spectanÜa historiam Slavorum meridionalium 
durch Ljübic und Baöki und in KiTKUUEVic-SAKOiNBia, Codex diplomaticua re^ 



442 Anmerkung 22 zu Seite 62-63, 93, 96, 101, 106-109, 135-Ul, 156. 

Oroatiae, Dalmatiae et SlaToniae (1874) (1. Band) yeröfientlicht; mancherlei auch 
in MoNTJMENTA Hungariae historica, Diplomataria 11. Vgl. auch die SlawenartUnl 
der „ Kaiserpak ta**. 

2. Im einzelnen: Über den Brantraub s. Anm. 19/2. — Zar Datieraog 
des Zages Feter Orseolos für das Jahr 1000 s. Momticolo, Chron. Venes. 
antich. 156, A. 1. Ober Dahdolos Behauptang, das unternehmen em. „pet' 
missione . . . imperatorum ConstantinopcHitanorum" erfolgt, Lehbl 98, n. 102, 
A. 2. — Die ünterwerfangseide von Arbe, Yeglia and Ossero, gedr. von Ljubic, 
Mon. Slar. merid. I, n. 2 — 3, Raökx, ebenda VII, n. 24 — 26, Kttkuljsyi^- 
Sakcinski, Cod. dipl. I, n. 108, 109, 111, Mon. Hang. bist. dipl. 11, n. 14, 33. 
Ebenfalls aus dieser Zeit ein Unterwerfungseid von Calsolo : Baöki (der mit Un- 
recht die Echtheit der Urkunde bezweifelt) n. 27; EuKULjEvid n. 110. — Die 
angeblich im Jahre 1000 eingesetzten venezianischen Sektoren (Otto Oraeob 
in Kagusa!) sind zuerst aufgeführt in Chron. lat. Marc. X, 137 saec. XIY 
(MoMTicoLo, edit. Sanudo 142, A. 9). — Die Wiedereroberung von Zara durch 
Domenico Contarini wird für 1050 angesetzt von Dahd. (OhI. Zanetti 400) und 
Chbok. Marci 259, für 1062 in den Anmalbs Yen. breyks 70 und Caxajlb 293. 
Ygl. Lenel, Yorherrschaft 15, A. 1. 

3. Eine wissenschaftlich gegründete Gesamtgeschichte von Dalmatien 
fehlt. Man mufs noch immer auf das tüchtige, aber natürlich neueren Anforde- 
rungen nicht mehr entsprechende alte Buch von Lucius, De regno Dalmatiae et 
Oroatiae, Amsterdam 1668 (italienisch übersetzt durch Favissich, Triest 1896) 
zurückgeben. Detailliteratur: Dümiclee, Oher die älteste Geschichte der 
Slawen in Dalmatien, SB. d. Wiener Akad. 20 (1856), 353—429. — BöDraaBB, 
Ein Buch ungarischer Geschichte 1058 — 1100 (1866). — Mibcse, Yenedig and 
Ungarn, Wien 1878 (wenig brauchbar). — Scharfsinnig und wertvoll die Aus- 
führuDgen Lenels in Yorherrschaft 13 ff., aber mit Unterschätzung des Ereig- 
nisses vom Jahre 1000. Dagegen mit Recht Simonsfeld, Hist. 2^it8chr. 84, 
433—434. — JiBECEK, Die Bedeutung von Bagusa in der Handelsgeschichte des 
Mittelalters, Yortrag, Wien 1899. — Jirecek, Die Bomanen in den Städten Dal- 
matiens während des Mittelalters, Wiener Akad. Denkschriften 48 (1901). — 
E0HAE16, Das Ende des kroatischen Nationalkönigtums, Agram 1904 (Peter Ere- 
simir IL wird hier S. 16—17 als Sohn der Hicela, somit als Enkel Pietro 0^ 
seolos angenommen ; aber aus urkundlichen Quellen erhellt seine mütterliche Ab- 
stammung aus einer Zareser Familie; 5. Lekel, 16, A. 3). — Hübsch nnd zu- 
treffend über den Zug von 1000 Hodoson, 181 f. — Ygl. auch die Bemerkungen 
MoNTicoLos, edit. Sanudo 142. 

4« Die Frage nach der Entstehung des Festes der Yermählung des 
Dogen mit dem Meere („Sposalizio", später nach dem Begängniatage As- 
censio Domini auch dialektisch „ S e n s a '* genannt) ist nicht geklärt. Die Feier 
wird in dieser Form und in Yerbindang mit der zum Yenezianerfrieden (1177) 
ausgebildeten Fabel zuerst im Chron. Mabci 262 erwähnt. Yermutlich fand sich 
schon in der gerade hier unvollständigen CJhronik von Cahale (312/3, 314/5). 
Dafs also das „ Sposalizio '* schon vor dem Jahre 1177 begangen worden 



ÄDmerkung 22 zu Seite 62-63, 93, 96, 101 usw.; 23 za Seite 133-148. 448 

wäre (u. a. aucii Ranke, Weltgeschichte 8, 201), kann ich nicht glauben. Ein 
festliches Begängnis des Himmelsfahrtstages von alters her ist aber durchaus 
wahrscheinlich; auch deshalb, weil in dieser Zeit die grofse Frühlingsmesse 
— für das 12. Jahrhundert vollständig deuÜich bezeugt — stattgefunden hat 
and ohne Zweifel Anlafs zu feierlichen Veranstaltungen geworden ist. Die Dar- 
stellung bei BoMANDr I, 281 — 282, 11 , 110 ist gewiHs unzutreffend. S. auch 
LnncL, Vorherrschaft 12, A. 3 und 13, A. 1 u. 2. 

23) Zu Seite 143—148 (149). Spätere Orseoler, Poppo 
und Orso. 

1. Begierungszeit Otto Orseolos: Cl Otani 15 J., richtiggestellt bei 
Sakitdo 9: 17 J. — Petrus Centranicus 4 J. 4 M. Cl Chbon. Ven. 25. 
Barbolanus, urk. Chbon. Ven. ant. I, 175. Dominions Barbolanus 
sive Centranicus Dand. 239. — Ursus patriarcha 1 J. 2 M. Cl. — Do- 
minions Ursyulus ... unum diem ... Cl. 

2. Quellen. Chroniken: Chbon. Ven. 25, 60; Dand. 235 — 240. — 
Urkunden: 1) Bischof und Stadt Adria (7. Juni 101 7): gedr. Speboni, Adrien- 
sium episcoporum series, Padova 1788, 57 — 58. Dazu u. a. Hodgson 194 bis 
195. — 2) Die Unterwerfungseide der dalmatinischen Inseln von 1018 s. Anm. 
22/2. — 3) Urkunde des Grobschmieds Johannes Sagomino : gedr. von Monticolo, 
Chron. Ven. Antich. I, 175 — 176; als Beleg, dafs Doge Barbolano die Hand- 
werker schlecht gehalten. — 4 — 7) Zur Geschichte der Angriffe Poppos von 
Aquileja sind aufser Petbus Calo (zitiert bei Monticolo, N. Arch. Ven. 3, 
152) und Dandolo 235 — 242 Hauptqnelle die PapstbuUen vom Dezember 
1024, September 1027 und April 1044 (Jafei6, Beg. Pont. I, n. 4063, 
4085, 4114 und die Urkunde Konrads II. vom 8. März 1034 (Stumpf 2053, 
Beg. 196). Die Bulle JAFFi: n. 4063 (Dezember 1024), die die Rechte von 
Grado anerkennt, enthält auch den Verweis auf die Bulle vom Herbst 1024, 
worin Grado dem Patriarchen Poppo mit den Worten zugesprochen wird: 
ConfirmamuB vohis tnaulatn Gradensem cum pertinentiia sicut itiste et ca- 
fumice per antiqua privüegia vohis et eccUsie vestre pertinere dinoscitfM' et 
sicut tu ipse probare omni tempore potes et promittis. Bulle Jaff^ n. 4085 
(September 1027) bestätigt im schärfsten Tone gegen Grado die Rechte Poppos 
darauf: Cor^rmamtu vobis vestrisque successoribus insulam, quae Gradua 
vocatur, cum omnibus suis pertinenciis, quae barbarico impetu de eadem Äqui" 
legiensi ecdesia sttbtracta fuerat et falso patriarchali nomine utebatur. Bulle 
Jaff£ n. 4114 (April 1(^), widerruft die darin bezogene, kurz vorher ergangene 
Bestätigung der Entscheidung Jaff£ n. 4085. Die Urkunde ist Vorlage für die Dar- 
stellung Dandolos 242. — Die S. 149 zitierte Stelle im Privileg Konrads II. vom 
8. März 1034 für Poppo lautet : . . . Venetici vero cum semper imperio nostro 
rebeUes extiterint et Gradum pJebem per vim tenuerint, Hauptdarstellung dieser 
Wirren: Bbesslau, Eonrad IL 1, 150ff., 456—459 (Exkurs). Eirchengeschicht- 
iich auch W. Msteb, Spaltung von Aquileja. Über den Reliqnienzaab P<^^\a% 



444 Anmerkung 23 zu Seite 143— li8 ; 24 zu Seite 149—157. 

MoMTicoLo, Kinventio e la tranalatio dei SS. Ermagora e Fortnnato, N. Aicli. 
Yen. 3 (1892), 117—156. Vgl. auch Lehkl, Vorherrschaft 7—8. — Die Über- 
lieferung späterer Zeiten, dafs im Jahre 1032 die Orseoler verbannt worden oder 
gar ausgestorben wären, ist ein Märchen. Nicht blofs, dals Orseoler 1041, 1061, 
1065, 1067, 1071—1072, 1090 und noch oftmals genannt sind; es blieben dodi 
vor allem die zwei Kirchenfürsten Bischof Vitale und Patriarch Orso im Amte. 
Die Legende mag sich aus der unseres Wissens zuerst im Chbon. JüSTonAn be- 
gegnenden Nachricht entwickelt haben, daÜB unter der Begiemng Domenioo FU- 
banicos mehrere Orseoler verfolgt worden seien (Chbom. Jüst. bei Mohtioolo, 
edit. Sanudo 149, A. 12: hU dux graves proeessus (idvenus quosdam dt 
prole üraiula promidgavit). 

24) Zu Seite 149—157. Jahre 1032—1081. 

1. Begierungszeiten: Dominicus Flabianus Ol: 10 J. 4 M. 12 T. 11 J. 
4 M. 12 T. Sanudo 9, 151. Flabanico nach Dakd. 240. Chboh. Just. 
über ihn bei Monticolo, edit. Sanudo 149, A. 10; begraben in S. Zaocaria nach 
Daio). 242. — Dominicus Contarenus: 33J. 3M. Cl (unmöglich); 27 J. 
9 M. nach Dajxd. 246; Samudo 153 verzeichnet verschiedene Angaben, ohne sich 
entscheiden zu wollen. Dandolos Angabe läfst sich mit den erhaltenen Daten 
am leichtesten in Einklang bringen. — Dominicus Silvus nach €1, Silvins 
nach Tdius (s. unten), Sylvo nach Dand. 247, regiert nach Cl 12 J. 6 M.^ 
nach Ann. Ven. Bb. 70 und Dand. 249 12 J. Bichtig ist wohl 13 J. 6 M. 
(etwa Frühjahr 1071 bis Spätherbst 1084). Über seine Wahl liegt der Bericht 
eines Augenzeugen , des Dominicus Tinus vor (gedr. Gallicciolli , Bfemorie VI, 
124 — 125), s. Anm. 29. Dafs er „praiedecessore needum sepuUo" gewählt 
wurde, Dand. 247. Er führt den Titel nQtoTongoi^Qog in Urkunde von 1076^ 
Baöki n. 102. Dafs der Doge nicht abgesetzt {deciatus Ann. Veh. Bb. 70 v 
txptüitwr Dand. 249) wurde, sondern bis zum Tode im Amte geblieben sei, Chbox. 
Just. 47 a (ungedr.). — Hauptquelle für iaS2— 1081: Dand. 240—249. Überdie 
Gremahlin Domenico Silvios : Petrus Damiani bei Dand. 247 — 248 (unvollständig)» 
Über das Verhalten Konrads IL 1032—1039 Bsesslau, Eonrad TL 2, 260—265. 
Heinrich verweilte wahrscheinlich im Frühjahre 1038 in Venedig; s. Stbihdobff^ 
Jahrbücher des deutschen Beiches, Heinrich 111. 1, 41, A. 6, 91, A. 4; dafs 
er in diplomatischer Sendung nach Venedig gegangen sei (Bbbsslau), ist m. £. 
abzuweisen. Konrad für S. Zaccaria und S. Ilario: Globia I, n. 110, 116, 133^ 
134. Die Grehässigkeiten gegen Konrad H. und Heinrich lil. im Chbom. Vsx. 
57. Über dos mutmafsliche Faktum Heinrichs EI. von 1055 s. Anm. 17. Vgl. 
STBUiDOBFF, Heiurich UI. 2, 314-315; Lenel, Vorherrschaft 8, A. 2. ~ Dals. 
uuler Domenico Flabiano wieder zwei Tribunen eingeführt worden seien und ana 
diesem Tribunate das Institut der späteren Pregadi erwachsen sei, ist spätere 
Mache. Schade, dafs Bomanin I, 301 (vgl. aber auch II, 90!) sich dadurch irre- 
führen läTst 

2« Kirchliches Leben im 11. Jahrhundert S. auch Anm. 34/1^ 



Anmerkung 24 zu Seite 149-157. 445 

namentlich über Reliquien. Quellen werke Tomehmlich zur Kloster- und Kir- 
•chengeschichte : Cicoona, Iscrizioni und Corner, Ecdesio Venetae. Die älteren 
Urkunden für S. Zaccaria, S. Dario, S. Giorgio und S. Nicolö di Lido (Grön- 
-dungsurkunde gedr. bei üohelli-Coleti, Italia sacra Y, 1216 und Corner IX, 
Dec. XII, 2 — 4) sind jetzt, soweit sie abendländisches (paduanisches) Beichs- 
^biet betreffen, vereinigt in Gloria, Cod. d. Padovano. Über den Besitz von 
S. Giorgio im Morgenlande Urkunden in FRA.. II, 12. — Über S. Marco 
8. Anm. 30/3. Hier sei neuerlich kurz auf Necmann, Die Markuskirche (Prenfs. 
Jahrb. 69) verwiesen; hier auch vielerlei Bemerkungen allgemeiner Art über 
das kirchliche Leben; daraus das Zitat auf S. 152. Über die im späteren 
13. Jahrhundert zuerst ausgebildete Legende von der „Inventio (apparitio) Mann** 
a. MoNTicoLo, Uapparitio S. Marci ed i suoi manoscritti, Nuovo Arch. Yen. 9, 
111—177, 475—482. Über die Proknratoren von S. Marco: Molmenti, I pro- 
curatori di San Marco in dem grofsen Werke „La Basilica di S. Marco" 1888 
(anfechtbar); vgl. MIÖG. 25, 148. — Urkunden zur allgemeinen Kir- 
chengeschichte: 1) Eirchengesetz von 1040 (nicht erhalten): Auszug bei 
Dand. 241. — 2) Constitutio Leos IX. vom April (?) 1053: Jaff^-Loewenfeld, 
Reg. Pont I, n. 4295: . . . iudicio toiius sanctae sf^nodi hoc definiium 
fuit: ut Nova Äquüeia totitM Venetiae et Istriae caput et metropolia per^ 
petuo Jiaberettir ac .., Foroiuliensis . . . antütes tantummodo finibus Lango- 
bardorum esset contenttM. Dazu Steindorff, Heinrich III. 235 — 236, A. 7; 
Meyer, Aquileja 35. Dafs Leo IX. Yenedig besucht hat (Dand. 244), ist immer- 
hin möglich. S. Lenel, 7, A. 4; Monticolo, edit Sanudo 152, A. 7. — 
3) Brief Gregors YII. vom 31. Dezember 1074: Jaff£-Loewbnfeld, Reg. Pont. I, 
n. 4913. Druck: Javv±, Bibliotheca rerum Germanirarum II, Monumenta 
Gregoriana, 1865, 152 — 153. Hier die Stelle: . . . tarn ab ineunte aetate terram 
vestram et Ubertatem huius gentis valde dileximus atque ob id nonnulhrum 
principum et nobilium personarum inimidtias sustinuimtis. Femer: Scitis 
enitn, quoniam prae multis terrarum partibus divina dispensatio terram ve- 
stram patriarchattis honore sublimavit; cuitis dignitatis eminentia ex ipsa 
sui nominis et officii praerogativa adeo augusta et rara est, ut non amplitM 
quam quatuor in toto mundo reperiantur. Endlich heifst es hier: Nos me- 
minimus, Dominicum patriarcham beatae memoriae antecessorem huitu propter 
nimiam egestatem locum [Gradum] deserere voluisse. Et hie quidem pari ne- 
cessitate dicit se circumventum esse, Dafs Orso Orseolo als letzter Patriarch 
in Grado residiert, sagt Hodgson 206 ohne Beleg. Einiges über den zeitweisen 
Aufenthalt der Patriarchen in Rialto bei Gallicciolli, Memorie lY, 40. Im 
übrigen spricht Papst Gregor YII. in seinem Briefe an Kaiser Michael YII. 
Dukas vom 9. Juli 1073 offiziell von Dominicus patriarcha „Venetiae", Jaff£, 
Bibliot. II, 31. Die Bezeichnung Rialto (Rivoaltensis) für das Bistum Olivolo 
urkundlich 1006/7 (Gloria, ed. Päd. I, n. 82) und im Statut Enrico Dandolos von 
1195 (Nuovo Arch. Yen. N. S. I, 210). „ Episcopus Rivoaltensis*' in Urk. von 819 
ist eine Fälschung, s. Anm. 11/3. — 4) Ausstattungsgesetz für Grado vom Sep- 
tember 1075: MuRATORi, Antiquitates I, 243 — 245; Cicoona, Iscrizioni lY, 



446 Amnerkung 24 zu Seite 149-157; 25 zu Seite 157—168. 

290 — 291 (beide Versionen stark abweichend; Neuheraasg^abe notwendig). — 
5) bis 7) Briefe Gregors vom 9. Juni 1077 (zwei, einer an den Patriardieo, 
einer an den Dogen) und 8. April 1081 in Jaffi^-Loewenfeld, Bog. Pont. I, 
n. 5037, 5038 und 5210, Druck: Jaffa, BibHot II, 281 — 288, 482-483; 
S. 282 (n. 5038) die Stelle: ... gavisi [sumus] pro . . . libertaU, quam 
a5 antiqua stirpe Romanae nobilitixtis acceptam conservastis, — 8) bii 
9). Patriarch Dominicus (Marango oder Gerbano?) von Grado an Patriarch 
Petrus von Antiochien (o. D.) und dessen Antwort : Druck (griechisch und latei- 
nisch): CoTELiEB (Johannis Gotelerii), Ecclesiae Graecae monumenta, P^s 
1681, II, 108 — 135. Dominicus {JofiCvutog j^a^r* d-ioO rffg r^arSiatig xak 
^AxvUag (xxXrja^as nuTQi^äQxVi) erklart, dafs seine Kirche sich vom heiligen 
Markus herleite und er die Patriarchenwürde von S. Petrus her besitze (109); 
Petrus entgegnet ihm (uy&onaTip aQx^^nujxönip Fgav^^ffiis fftoi IdxvXiag): er 
sei von Jugend auf mit den heiligen Schriften wohl vertraut, habe aber nie ge- 
hört oder gelesen, dafs der Kirchen vorstand von Aquileja oder Venedig {n^ 
tdQov ^ixvUag ijroi Btvfjias) den Titel eines Patriarchen führe. Es gebe nur 
fünf Patriarchen, wie fünf Sinne des menschlichen Körpers: von Rom, Konstan- 
tinopel, Alezandrien, Jerusalem und Antiochien; es gebe doch so viele grödBere 
Kirchenprovinzen als die des Dominikus, ohne dafs darum ihre Vorstände Patri- 
archen hiefsen (113—116). — Die von Meter, Spaltung des Patriarchats Aqui- 
leja zitierte Stelle aus dem Gregorbriefe (Jaff£-Loewenfeld n. 4913): „Veneti 
. . . post apoatolicam sedem omnibuB, quae sunt in occidente, genHbus dariores 
extiterunt', findet sich im Drucke Jaff£, Bibliot. II, 152 — 153 nicht vor. 

25) Zu Seite 157—168. Normannenkrieg und Vitale 
Falieri (1081—1096). 

1. Zur Geschichte der Normannen im allgemeinen: v. Heihemanx, (jo- 
schichte der Normannen in ünteritalien und Sizilien bis zum Aussterben des 
normannischen Königshausos, 1894, I. S. auch Anm. 33/2. ÜberByzanz im 
11. Jahrhundert auTser ERuifBACHER-GELZEB und Hertzbbeo, (jeschichte der 
Byzantiner und dos osmanischen Beiches bis Ende des 16. Jahrhunderts, 1883 
besonders Neumahn (Karl), Die Weltstellung des byzantinischen Reiches vor den 
Kreuzzügen, 1894; Neumann, Die byzantinische Marine, ihre Verfassung und ihr 
VerfaU, Histor. Zeitschr. N. F. 45. 

2. Quellen zur Geschichte der Normannenkriege 1081 — 1108: 
1) Krieg mit Guiskard 1081— 1085: Guillebmus de Apuua, Gresta Boberti 
Wiscardi, MG. SS. IX, 281—298, Bücher 4 und 5 (normannische Hauptquelle) ; 
Anna Komnena, Alexias III, 2flF.; IV, 6 und 8; V, 1; VI, 5ff.; XI, 10; XII, 1; 
XIII, 7 (griechische Hauptquelle). — Quellen zweiten Banges: Galbfed von 
Malatebba (Gaufredi Malaterrae monachi Benedictini), Historia Sicnla. Mubatobi 
SS. rer. Ital. V, 576 — 589: Buch 3 (norm.). — Lupüs Pbotospata, Herum in 
regno NeapoUtano gestarum, MG. SS. V, 60—61 (norm.). — ANoimnTS Babbhsis 
(Ignoti dvis Barends sive Lupi Protospatae [?] Chronioon), Mttbatori SS. rer. ItaL 



ADmerkuDg 25 zu Seite 157—168. 447 

V, 153—154 (norm.). — Ankalbs Venbt. bbevbs, MG. SS. XIX, 70 (dürftig). — 
Dandolo 248, 249 (sehr dürftig) ; hier (248) die Nachricht, dafs der Doge seihst 1081 
aasgefahren sei. Eine Zusammenstellang tod Quellenstellen auch hei Lucius, De 
regno Dalmatiae et Chroatiae 106 — 111; hier auch 110—111 die Behauptung, 
dals in der venezianischen Flotte viele Dalmatiner gedient hätten. Gewifs aher 
auch unter Guiskard! Die Urkunde der dalmatinischen Städte vom Fehrnar 
1076, gedr. FRA. U, 12, n. 21, 40—42; Bomami» I, Beü. n. 18, 391 — 392; 
LjUBic, Mon. spect. Slav. merid. I, n. 4, 2^3; Ba6ki ehenda YII, n. 86, 101 
bis 103; Kukuljeyic-Sakcinski, Cod. dipl. I, n. 183, 149 — 150. Es heilst hier: 
promittimtM . . . vohia Dominico Silvio dud Venetiae et Dodmtxtiae et seniori 
naatro, ut ab heu: die in antea nuXlus nostrorwn civium audeat cidducere 
Nartmannos atU extraneoa in DcdmcUiatn aut per se i^ßsum vel guovis tn- 
genio, — Über das Chrysobullon von 1082 s. Anm. 26/3. — Von neueren Be- 
arbeitungen kommt aufser v. Heihbmann besonders in Betracht Souwabtz, 
Die Feldzüge Bobert Guiskards gegen das byzantinische Beich, Gjmn.-Progr. 
Fulda 1854 und Chalandom, Essai sur le regne d* Alexis I' Gomnene, Me- 
moires et documents publ. par la societe de Tecole des chartres, IV, 1900. 
Die sehr verworrene Chronologie (darüber schon Lebbet, Geschichte von Venedig 
I, 279, A. 18) und die widerspruchsvolle Darstellung der Quellen überhaupt wäre 
trotz der fleifsigen Studie von Scuwabtz noch einmal besonders zu prüfen. Ich 
sehe keinen Grund, die Meldung der AmfA Eommena ed. Bonn., I, 286, ed. 
BeifTerscheid II , 143 über den letzterrungenen Seesieg der Venezianer (bestritten 
von ScHwABTz 43 A., Chalandon 93, A. 31; angenommen von Hebtzbebg 270, 
Gelzeb 1016) zu bezweifeln. Über das Ende Domenico Silvios s. Anm. 24/1. — 
2) Anfall Boemunds auf Durazzo 1107 — 1108: Ahna Komnena ed. 
Bonn, n, 132, Beiff. II, 197; Ann. Ven. bbev. 70 ; Dand. 261. Dazu Chalandon 
243—249 und Ebbeea, I crociati Veneziani in terra santa, Arch. Ven. 38, 271 
bis 272. 

3. Begierungszeit Vitale Falieris: Vitalis Faletro Deodoni 11 J. 
7 M. 10 T. Cl, 11 J. 3 M. nach Ann. Ven. bbev. 70. Am 25. Dezember (die 
natimtatis domini) in S. Marco bestattet nach Dand. 255. Nach €1 wäre sein 
Begierungsbeginn auf den Mai 1085 zurückzurechnen, was sich mit den Angaben 
über die früheren Dogen nicht vereinigen läfst. Dand. 255 sagt, Vitale Faliero 
sei „duoattM anno XII" gestorben; dies schliefst einen Amtsantritt um Neu- 
jahr 1085 (Dezember 1084?) nicht aus. Beiname Dodonis urk. (^bneb dec 
IX, 31. Dedonis in der Urkunde für Loreo von 1094; diese gedr. u. a. bei 
BoMANDf I, Beil. 19, 392—396; teilweise auch von Montioolo, edit. Sanudo 159, 
A. 10—12. — Über die luven tio S. Marci Ann. Ven. bbev. 70 und Dand. 
251—252 (nach Petbus Cälo in Acta SS. Aprilis III, 356). — Über die dal- 
matinischen Verhältnisse (s. Anm. 22 und 32/2): Büdinoeb, Ein Buch un- 
garischer Geschichte 114 — 126. Lenbl 18, 100—102, der die Bichtigkeit der 
Meldungen Dandolos 250 und der Anna Eomnena I, 286, dafs Kaiser Alexios 
dem Dogen ein „crusobölium Dalmatiae et Oroatiae" erteilt habe, m. £. mit^ 
Unrecht bezweifelt; vgl. dazu Nobdbn, Der vierte Ereuzzug im Bahmen der Be- 



448 AnmerkiiQg 25 za Seite 157—168; 26 zu Seite 169—181. 

Ziehungen des Abendlandes zu Byzanz, 1898, 28, A. 2 und 4. Der Doge heifirt 
zuerst Venetiae (Venetiarum) , DcUmaUae aique Oroatiae in der ürkuDde ftr 
Loreo von 1094. Der Protosebastosütel , von dem Dand. 250 in obigem Zu- 
sammenhange auch berichtet, kommt dem Dogen nach dem Chiysobullon tod 
1082 zu. — Die HUfsyerpflichtungsurkunde der Stadt Spalato und die anvoll- 
ständige (wahrscheinlich gleichlautende und gleichzeitig ausgestellte) Urkunde 
der Stadt Trau (1097) gedr. FRA. II, 12, n. 26; Ljubic I, n. 5 und 6; lUixi 
VI, n. 138 und 139; es heifst in der Urkunde von Spalato: pramittimus vabii 
... diici, ut cum venerit aiolus vertus SpaJatwn, nos preparare debeamus 
unam saginam vel ducu gaüeas alias ad veniendum vdbiacum, Mohticolo, 
ed. Sanudo 161, A. 3 bestreitet (gegen Ebbeba, I crodati Veneziani in tem 
Santa, Arch. Yen. 38, 249, A. 1 und Lknel, Vorherrschaft 20), da[s die ü^ 
künden für Spalato und Trau analoge Versprechungen enthielten und daft man 
aus dem Datum dos Urkundenfragments für Trau (Mai 1897) auf das der Ur- 
kunde far Spalato schliefsen dürfe (?) — Über den Besuch K. Heinrichs IV.: 
Dand. 251 — 252. Dazu Giesebbecht, Kaiserzeit 3, 673; Meteb y. Ehohau, 
Jahrb. d. deutschen Reiches, Heinrich IV., 4, 453 — 454. Über das Faktum 
s. Anm. 17. — Die romanhafte Nachricht von der Sch&ndung des Grabes Vitale 
Falieris in der ambrosianischen Notiz zu Dakd. 256. Über den Sarkophag 
Pbedelli in dem grofsen Werke von Omgania über die Basilika von S. Marco 
443 — 448. Das Epitaph mehrfach gedruckt, jüngstens von Mohticolo, ed. Sa- 
nudo 160, A. 6. 



Zum sechsten Kapitel. 
26) Zu Seite 169—181. Handel (im 9.— 11. Jahrhundert). 

1. Vgl. Anm. 12/2, 14/1 und 17 (Eaiserpakta). AuOser den Anm. li^ und 
14/1 angeführten Bearbeitungen (besonders Habtmanm, Wirtscfa. Anfänge) 
kommt nir die Geschichte des venezianischen Handels im 9. bis 
11. Jahrhundert im allgemeinen das Werk von Heyd, C^eschichte des Levante- 
handels I und Schulte, Geschichte des mittelalterlichen Handels und Verkehrs 
zwischen Westdeutschland und Italien, 1900, 1, für die Orseolerzeit Koklschüttbb, 
Peter II. Orseolo 10 ff. in Betracht. Vgl. auch Lenel, Vorherrschaft 6—9 und 
a. a. 0. 

2. Quellen. Chroniken: Johannes, bes. 127, 132, 137, 139, 149. — 
Chbon. Ven. 14. — Chbok. Gbad. 43 — 44 (über den Markt von Olivolo). — 
CiiBON. Ven., Longinusfragment 48. — Chbon. Cavense (venezianische Schiffe 
987 in Salerno) bei Fxliasi 6/2, 199. — Liütpbakd, Antapodosis und Belatao 
de legatione Constantinopolitana, MG. SS. III, 337—338, 350, 357, 359. Dazu 
Bbesslau, Konrad II., 2, 195, A. 7. — Thietmab von Mersebuig, MG. SS. EI, 
860. — Die Sendung des Bischofs Werner von Strafsburg durch K. Konrad ü. 
wegen Vermählung seines Sohnes König Heinrich HI. mit der byzantinischen 



Anmerkimg 26 zu Seite 169—181; 27 zu Seite 181—185. 44t 

Kaisertochter Theodora yon Eonstantinopel (Herbst 1027) meldet WiPo, Vita 
Chaonradi c. 22, MG. SS. XI, 267 {Werner ... mulium circa fines Veronae 
morcOus icmdem cum tnaximo Jahore per Venetiam mare ÄdriaHcum tn- 
greasus navigio calamitoso CkmstanUnopoUm pervenit). Vgl. Bbbsslaü, Kon- 
rad n. 1, 236, A. 3. — Qaellenyermerke aber den deutschen Handel bei Hetd 
I, 97 (86) and Gfböbeb, (j^eschichte Venedigs 594—599. 

8. Urkunden: Aufser den in Anm. 17 (Kaiserpakta), 19/2 und 19/3 
1), 2) und 3) (Brief an Heinrich I., Vertrag mit Walpert, Dekrete Tom Juni 
960 FBA. n, 12, n. 13 und Juli 971 FBA. n, 12, n. 14, hier ist auch von 
Schiffsverkehr nach Tunis und Tripolis die Bede), 21/2, n. 4, 8, 11 und 13 
(DO. m, n. 192 und Verträge mit Ceneda und Treviso, über welche genauer 
KoHLscHüTTEB 30—32 einzusoheu ist), Anm. 22 (Dalmatien) und den für Istrien 
in Betracht kommenden Urkunden FRA. 11, 12, n. 10, 11, 15 sind zu nennen: 
1) MüHLBACHEB, KL, u. 1149 (Ludwig U. jfur Cremona: Venetici etenim auum 
censum siciU consueti sunt, reddere debent). Besuch von Cremona s. auch Bbesslau, 
Konrad n., 2, 195, A. 7. 2) DO. I, n. 364 (in loco et dbhatia . . . Monasteriolo 
partum et statümem navium scilicet venientium ex Venetiis et Cumaclis Fer- 
rariensis partibus sive undecumque venientium), 3) ürkundenfragment betr. 
den Seidenhandel in Otto Orseolos Zeit: Druck Monticolo in Chron. Ven. antich. 
I, 178 — 179 (quod in nMis partibus Italiae debuissent paüia partare nee 
venundare niei a Papia et a mercati sancti Martini et OUvo). Filiasi 7/2, 
236, 304 — 306 nimmt für die beiden anderen Orte Martine di Strata zwischen 
C^ampalto und Tessera am Bande der Lagune und Olivolo an ; letzteres bestreitet 
HsTD I, 129 (116), wie ich glaube ohne zureichenden Grund. Dafs etwa ein 
Martinus- und Palmsonntagmarkt in Pavia gemeint sind, ist wohl nicht anzu- 
nehmen? — 4) Exzerpt bei Bubeis, Historia Bayennatis 1590, 290 (nach 
Steimdobff, Jahrbücher Heinrichs III. 2, 303, A. 3: Heinrich lU. [1055] usum 
aquae dedit amnium Siclae et Scultennae episcapo et civitati Mutinemi fa- 
cuUatemque largitus est alvei excavati ad merces in Padum Venetiaa et Ba- 
vennam deferendas). — 5) Heinrich IH. für Ferrara (25. August 1055): Beg. 
Stumpf, Beichskanzler 2478. Druck in Mubatobi, Antiquitates 5, 753. Dazu 
Steindobff, Heinrich HI. 2, 315, A. 2—3. — 6) Das Chbtsobullon von 1082 
ist gedruckt FBA. II, 12, n. 23, 51—54 und Zachabiae-Lhioenthal, Ius Graeco- 
Bomanum HI (1857) als Insert. in n. LIV, 434—439 ; verzeichnet unter n. XXXIT, 
538. Dazu Heyd I, 132—133 (118—120). Bei einer genaueren Durcharbei- 
tung des urkundlichen Materials namentlich aus der kaiserlichen Kanzlei dürfte 
sich wohl noch mancher Beitrag für die venezianische Handelsgeschichto dieser 
Jahrhunderte gewinnen lassen. 

27) Zu Seite 181-185. Schiffahrt. 

!• Eine den heutigen Ansprüchen der historischen und techmschen Wissen- 
schaft entsprechende Geschichte der Schiffahrt namentlich des Mittel- 
alters gibt es nicht. Das Beste ist noch immer Jal, Archeologie navale, 2 Bde., 

Kretschmayr, Oesckiehta tos Venedig. 29 



450 Amnerkuog 27 zu Seite 181—185. 

1840. Eine brauchbare Zasammenstellang der verschiedenen Versuche enthält 
RüHLMAmf, Allgemeine Maschinenlehre, 5. B. : Beiträge zur Geschichte der Kultur 
und Technik der Schiffahrt, 1891, 9—12, A. 1; 178, A. 1. Die Aasföhrungco 
im Buche selbst (178 — 184) sind für uns unzureichend. Verschiedene neuere, 
namentlich franzosische Literatur zur Schiffsgeschichte auch bei Enlabt, Archi- 
tecture dvile et militaire (Manuel d'archeologie Fran^iuse, Architecture U, 1904) 
im Anhange zu seiner Darstellung der Architecture navale 567 — 622. 

2« Über die Frühzeit der Entwickelung der yenezianischen Sehiff- 
fahrt ist keine Bearbeitung von wirklichem Belange vorhanden. Mancherlei 
Bemerkungen dazu in Filiasi VI/2, 156 — 308; Mabin, Storia di oommerdo 11 
und in. Eine auf Grundlage einer Ausarbeitung aus dem Jahre 1838 Yerüalste 
sehr brauchbare Beschreibung und Zusammenstellung der venezianischen SchÜB- 
tjpen bietet Caboni in dem grofsen Werke Venezie e le sue Lagune, 1847, 1/2, 
189 — 209. Hier (84 — 165) auch eine kurze Creschichtei des venezianischen Ar- 
senals von Demselben. Wertvoll, aber doch in erster jLinie f&r die lignrische 
Marine ist Hetck, Genua und seine Marine im Zeitalter der Ereuzzüge, 1886. 
Für Venedig bleibt hier wohl noch so gut wie alles zu tun übrig. Urkondlidie 
Belege zur Erkenntnis der Ausstattung und Einrichtung der Schiffe des 12. Jahr- 
hunderts in dem von Baracciii besonders im Arch. Ven. 20—22 veröffentlichten 
Material. Das Illustrationswerk Omoania, Barche e navi antiche Veneziane, 1886 
kommt erst für spätere Zeit in Betracht, wie denn wirklich brauchbare Abbil- 
dungen von Mittelmeerschiffon nicht über das späte 15. Jahrhundert zurück- 
gehen (s. Kühlmann 194—197). Levi, Navi Venete (Vengia, Ongania) ist mir 
zur Zeit nicht erreichbar. Die auf S. 181 hervorgehobenen drei Stellen : Jo- 
hannes 115, 136; Anna Eomnena I, 192. — Die auf S. 185 bezogene Stelle 
aus Dante, La divina Comedia, Tlnfemo XXI, v. 4—18: 

Bistemmo per veder VdlUra fessura 4 

Di Malebolge e gli dltri pianti vani; 
E vidila miräbilmenU oscwra. 

Quäle neir Ärsenä de 'Veneziani 7 

BoUe Vinvemo la ienctce pece 
A rimpalmar U legni Jor non sani, 

Che navicar non ponno; ^n q^A^Uk vece 10 

Chi fa 8%u> legno nuavo, e chi ristoppa 
Le coste a quel che piü viaggi fece; 

Chi ribatte da proda e chi da poppa; 19 

Altri fa remi, ed altri volge sarte; 
Chi terzeruolo ed artinum nntoppa: 

Tal, non per fuoco, ma per divina arte, K 

BöUia laggiuoso una pegola spessa 
Che 'nviscava la ripa d'ogni parte. — 



Anmerkung 28 zu Seite 185—190; 29 zu Seite 190—197. 461 

28) Zu Seite 185—190. Geld- und Naturalkultur im 
9.— 11. Jahrhundert. 

1« Das Quellenmaterial zur lUuBtration des geld- und naturalwirt- 
schaftlichen Charakters des 9. — 11. Jahrhunderts ist durchaus unzureichend, 
und man ist vielfach gezwungen, ein Bild nur auf Grundlage von Analogieschlüssen 
zu entwerfen. Es kommen in Betracht die Angaben des Chbon. Yen. (vgl. Anm. 
13), der Eaiserpakta (Anm. 17), endlich aus dem dürftigen urkundlichen Material 
aufser einigen in Anm. 21/2 und 22/2 vermerkten Urkunden besonders: 1) Yer- 
zichturkunde der Waldrada, September 976, Druck: Fickeb, Forschungen IV, 
n. 29, 38—41 (s. Anm. 20/2, 1); hier S. 40: „me liberastis... de omni coüe- 
gcmtia rogadia commendatiane preatüo atque negociü." — 2) UrL Bomakin I., 
Beü. 17, 388-391 (1009). — 3) Ausstattungsdekret Ton 1075 (Anm. 24/2, 4). — 
4) Urkunde für Loreo (1094), s. Anm. 25/3. Einiges wenige ist zusammen- 
gestellt von Cecchetti, Vita dei Yeneziani, Arch. Yen. 2, auch Fujasi YI/2 und 
Mabis III. 

2. Über Wollen- und Seidenweberei im allgemeinen Schttlte, 
Handel von Westdeutschland nach Italien 129, 131, 185 f.; im besonderen 
Bhoglio d'Ajano, Die venezianische Seidenindustrie und ihre Organisation bis 
Ende des Mittelalters, Münchener yolkswirtschaftl. Studien (hg. von Brestano- 
LoTz) n. 2. — Über Scola und Ministerium Calissb, H govemo dei Bi- 
santini in Italia, Ri?. stör. 2, 323—826; besonders Monticolo in Bendiconti 
dell' accad. dei Lincei IX (101 — 105 Zusammenstellung der wichtigsten Quellen- 
steUen über „Scola"); Bboolio 11—15; Psbtile, Storia dei diritto ItalianoII/1 
(1897), 178—186, 191—200. Im Gegensatze zu Pertilb und Hartmakh (Zur 
Wirtschaftsgeschichte Italiens 16—41) kann ich mich nicht entschliefsen , an 
eine Kontinuität in der Entwickelung des Zunftwesens aus der spätrömischen 
Zeit herüber ins italienische Mittelalter zu glauben, wenigstens nicht für das 
langobardische Ober- und Mittelitalien ; ich halte vielmehr dafür, dafs dieser Gedanke 
wie für Deutschland, so auch für dieses Crebiet aufzugeben sei. Dort trat an die 
Stelle des verblassenden spätrömischen Begriffes derSchola der hofrechtliche Yerband 
der Handwerker (ministerium) ; die Schola bürgerte sich in Bjzanz ein, ist wohl 
von dorther vielleicht mit Unterstützung gewisser römischer Traditionen in Ober- 
und Mittelitalien bekannt geworden und in eine (im einzelnen nicht aufzuklärende) 
Yerbindung mit dem Institut der langobardischen Innung getreten, woraus sich 
dann — volle Sicherheit ist hierüber freilich nicht zu gewinnen — die Zünfte 
entwickelt haben. Damit wäre bei mancherlei Differenzen im einzelnen doch 
auch auf diesem Gebiete die Annahme einer Gleichartigkeit der venezianischen 
und gesamtitalienischen (ober- und mittelitalienischen) Entwickelung nicht von 
der Hand zu weisen. 

29) Zu Seite 190—197. Rechts- und Verfassungsleben. 

Zur Geschichte des Bechts- und Yerfassungslebens des 9. — 11. Jahr- 
hunderts sind heranzuziehen : Hain, Der Doge von Yenedig seit dem Sturze der 

29* 



453 Anmerkung 29 zu Seite 190—197; 30 za Seite 197—210. 

Orseoler 1032 bis zar Ermordung Vitale Michieles II. 1172, Beiträge zur Ver- 
fassungsgeschiübte des 11. und 12. Jahrhunderts, 1883; Lkhbl, Vorherrschaft, 
besonders 111—123; Bbsta, Jacopo Bertaldo, Arch. Ven. 13, 111—112, II 
diritto ed i leggi civili di Venezia, Atti dell* Ateneo Ven. 20—22 (s. Anm. 13/2), 
10-31, 110-112, 168—174 und N. Arch. Ven. 14, 222—239 (Über die 
Volksyersammlung) ; Schmeidlsb , Der Dux und das Comune Venetiamm von 
1141 — 1229, Beiträge zur Verfassungsgeschichte Venedigs, vornehmlich im 12. Jahr- 
hundert, Historische Studien, herausgegeben Ton Ebebiso 35, 1—5, 1902. Über 
die Boni homines auch (stark bestritten) HErarKMAim, Zur Entstehung der Stadt- 
▼erÜBissung in Italien, 1896. Von den einschlägigen Quellen hebe ich nur den 
Bericht des Tinus über die Wahl von 1071 (Dominid Tini narratio de electione 
Dominici Silvii ducis Venetiarum anno 1071; Druck: Gallicciolli VI, 124 — 125; 
übersetzt bei Hain 18—23) und die Urkunden Bomanin I., Beil. 21, 398—400 
(Februar 934, richtig 919, s. Anm. 18/2), I. Beü. n. 22 (400-402) = Globia 
C. D. Padov. I, n. 193 (1065) und das mehrerwähnte „Sagomin'*dokument 
(Ghron. Ven. ant. I, 175—176) besonders hervor und verweise für das übrige 
auf die reichen Quellenbelege in den angeführten Werken. — Siehe übrigens 
auch Anm. 39 und 40. 



30) Zu Seite 197—210. Gesellschafts- und Geisteskultur. 

1. über die venezianische Lebensführung dieser Jahrhunderte im 
allgemeinen Monticolo in Arch. Ven. 25, Iff.; hier im besonderen auch über 
Missi und Advocati. Das vielgelesene Buch von Molmenti, La storia di Venezia 
nella vita privata (3. Auflage, 1885, auch ins Französische und Deutsche [1885] 
übersetzt), wertvoll für spätere Zeit, kommt far diese Jahrhunderte nur wenig 
in Betracht. Einiges aus der Zusammenstellung von Cecchbtti in Archivio 
Veneto 2 ; urkundliches Material besonders aus Cobnbb, Eocl. Ven. und Babacchi 
im Arch. Ven. Über die gesellschaftliche Gliederung im Seelande, Halb- und 
Unfreie Lazabi, Del trafico e delle condizioni degli schiavi (Anm. 14/1); Bbsta, 
Diritto 47 — 63. Für die Eulturdifferenz zwischen Venedig und Begnum ist die 
von Dandolo 247 — 248 willkürlich verändert mitgeteilte Stelle aus Petbus Da- 
MiANi, Institutio Monialis, c. 11 (vollständig abgedrukt von Abmixoaud, Venise 
et le Bas -Empire; Archives des missions scientifiques et litteraires, 2. Serie 
4, 443 [Beil. 3]) von Interesse. Sie lautet: Veracis itaque et honesti viri didici 
relatione quod narro: Dux Venetiarum Constantinopolitanae urbis civem 
JMbehat uxorem, qucLe nimirum tarn tenere, tarn ddicaU vinebat, et non modo 
superstitiosa sed artificiosa, ut ita hquar, seae iucunditate mtUcebat, ut etiam 
commimihus se aquis dedignaretur äbluere, sed eins servi rorem coeU satitgebant 
u/ndecumque colligere, ex quo sibi laboriosum 8(Ui8 bcUneum procurarenL 
Cibos quoque suoa manibua non tangebat, sed ab eu^uchis eiua alimenia 
quaeque minutiuA conddebantur in firusta: quae mox iUa quibtudam fusci- 
nuUs aureis atque bidentibu8 ori euo, ligtmens, adhibd>at Eius porro eubi' 
ctdum tot thi/miamatum aramatumque generibus redolebat, ut et nobis narrare 



AnmerkaDg 30 zu Seite 197—210. 46S 

tantum dedecus foetecU, et auditor forte non credat, Sed omnipotenH Deo 
quantum liuiue feminae fuerit exosa superbia, tnanifeeta docuit ukiscendo 
censurci, Vibrato quippe super eam divini mucrone iudieii, corpus eius omne 
computruit, ita ut tnembra corporis undique cuncta marcescerent totumque 
cubiculum intolerabüi prorsus foetore compJerent: nee quispiam tantam per- 
ferre narium iniuriam potuit, non cosmetOy non servulus, vix una dumtaxat 
ancÜla, non sine speciei redokntis auxilio, in eius obsequii sedulitate per- 
mansit Eadem tarnen rapUm accedebat; et protinus fugiens abscedebcU. 
Diutius hoc igitur Umguore decoda et miserabiliter crucuUa, amicis quoque 
laetantibus, diem dausit extremum. 

2. Literatur. Über Johaiineb und Chbon. Yen. s. Anm. I. — Musik. 
JoHANHES 126, 169: dedaiico instrumento. Chbon. Yen. 48: 1) cum campanis 
tarn tibiis et cytharis et Organa musicorum fortes erunt prestoüantes, ita ut 
tonum celi non atidisset per totum duds palatium . . . ; 2) ad eccUsiam 
S. Theodori quinquaginta cUricorum . . invenit cum aUis vocibus canentes. 
Dom. Tinus (s. oben Anm. 29): in.. processione tarn maximus clericorum cantus 
aUisonis vocibus decantatus, ut moenia eiusdem ten^li a multis contremisci 
ptUarent. 

8« Bildende und Baukunst. Hierzu die in Anm. 15/2 aufgeführten 
Werke ; Selyatico, Sulla architettura e sulla scultura in Yenezia dal medio evo 
sino ai nostri giomi, 1847 und Mothss, Geschichte der Baukunst und Bildnerei 
Yenedigs, 2 Bde., 1859 sind überholt ; Buskins geistvolle Stones of Venice, 3 Bde., 
1851—1853 mit Yorsicht zu benutzen und kunstwissenschaftlich namentlich für 
die ältere Zeit nicht sehr in Betracht fallend. AuTserdem : Schlosbeb, Die Ent- 
stehung Yenedigs (s. Anm. 1), Bitoiba, Le origini della architettura Lombarda, 
Boma 1901 (dazu Bebbb in S. B. der bayer. Ak. d. Wiss. bist. Kl. 1902, 463f.); 
Beyu^, L'habitation Byzantine, Paris 1902 und 1903. — Für die Baugeschichte 
Ton San Marco, vor allem das grofse Prachtwerk La basilica di San Marco, 
herausgegeben unter Leitung von Boito bei Onqania, Yenezia 1878 ff. (ein monu- 
mentales Werk mit reichen Bilderbeigaben, teilweise ins Französische und Eng- 
lische übersetzt). Die mehrfach zitierte Studie Neumaiüis, Die Markuskirche, 
Preufs. Jahrb. 69, 612 ff. ist eigentlich ein Bericht über dieses grofse Werk. 
Einzeln daraus: Cattanbo, Storia architettonica di Basilica, 1888; Cecchbtti, 
Documenti per la storia di San Marco (1886); Pasini, 11 tesoro di San Marco, 
1878. Daraus wieder Yeludo, La Pala d*oro della basilica di San Marco in 
Yenezia, 1887; hier Bl. XY— XX eine Chromolithographie der Pala. Über die- 
selbe auch Eitelbebgbe im Bepertorium für Kunstwissenschaft X, 235—253. 
Über die Mosaiken Saccabdo, I mosaici di San Marco, Yen. 1897; Dyobax in 
Kunstgeech. Anzeiger, 1905, 16—17. Die Stelle bei Johahnes 169 über den 
Bau der mosaiken- und marmorgeschmückten Kapelle durch Pietro Orseolo U. 
(ceptique palatii opus ad unguem perduxit, ubi inter cetera decoritaiis opera 
dedaiico instr%tmento capeüam construere fecit quam non modo marmoreo 
verum awtto mirifice comsit omatu) ist nicht ganz klar; ausdrücklich ist nur 
vom Anbau einer Kapelle an den Dogenpalast die Bede, doch ist, wie auch 



454 Anmerkung 30 zu Seite 197—210. 

Dandolo 235 anzunehmen scheint, damit doch auch zugleich eine Kapelle der 
Markuskirche (oder diese selbst?) gemeint. — Über den Campanile von 
San Marco Boni, I fundamenti del campanile di San J^Iarco di Yenezia ün 
grofsen Werke von Omgamia, 1887; Debs., ü muro di fondazione del campanile 
di San Marco, Arch. Yen. 29, 355 — 368; Schlosses , Entstehung Ton Yenedig. 
Über Campanili im aUgemeinen Cattameo, Architettura 217 f. Wirklich ver- 
lafsliche Nachrichten über den Baubeginn des Turmes fehlen; die ältesten gehen 
ins 14. Jahrhundert zurück. Für die ältere Baugeschichte wertyoll und eigent- 
lich der einzige brauchbare urkundliche Beleg dafür ist die von Mohticolo in 
seiner Neuausgabe des Sanudo 238 — 256 gedruckte Urkunde des Dogen Da- 
menico Morosini für die Brüder Petrus und Johannes Basilius vom Januar 1152, 
worin er beide einer Schuld von 1375 venezianischen Pfund an den Staat ledig 
spriciit, u. a. weil „[ihr, beide Brüder] campanile [S. Mard] .,, de ipso habere 
a viginti duobus pavUibus („Salite^S Treppabsätze) in aUum de omni suo optrt 
rMque ad capeUam perfecistis cum Ulis duobue miUibtui libria denarionm 
nostrae monetae, quaa nobia adiunxit Otto Bttsüiua proctMrator operis ecdetie 
rnncti Mard de habere operis eiusdem ecclesie" (S. 241). 1192 heifst es ur- 
kundlich (Arch. Yen. 2, 98): Actum Venecia in domo ubi dux mortUus fuit 
scilicet apud campanile S. Mard, — Über den Dom und S. Fosca von 
Torcello, die Dome von Caorle, Jesolo und Murano Cattameo 263 bis 
294; Gabelentz 109—158 und Yentubi U; über den Dom von Jesolo besonders 
Gabelemtz 113 — 114; über den von Murano: Rathoems, Der Dom von Murano 
(Gublitt, Beiträge z. Bauwissensch., 1904). — Über den Profanbau dieser Zeit 
besonders Temanza, Antica pianta (s. Anm. 15/1) 17 ff.; Cecchetti, Arch. Yen. 2, 
besonders 72—74; CATTAinso 254—257, 278—279; MoLMBNTia. a. 0.; Sohlossbb, 
Entstehung Venedigs; Beyliä (s. oben). Dazu einige gefällige Mitteilungen 
von Ing. Julius Hamann. Über den Typus des Lagunenhauses läfst sich 
auch aus den Pertinenzformeln der Urkunden des 11. und 12. Jahrhunderts 
ein leidlich klares Bild gewinnen und würde eine Zusammenstellung der hier 
enthaltenen Nachrichten (ein noch unzureichender Anfang hierzu ist schon von 
Ceccuetti, Arch. Yen. 2, gemacht worden) wohl nicht ohne hübsche Ergebnisse 
bleiben. Der Portio m. W. urkundlich zuerst erwähnt 1085, „Solarium" 1038 
(Arch. Yen. 2, 100). Über Fundamentierung u. a. Boni, Arch. Yen. 29, 365 f. 
Über Liago: Tkmanza 30— 31 ; Cecchetti, Arch. Yen. 2, 72—74, 101—102; Mol- 
menti (deutsch übersetzt) 163 — 164; dazu freundliche persönliche Mitteilungen Prof. 
v. SoHLossEBs. Solarium und Liagö (vom griechischen i^Uaxov) scheinen aber 
nicht blofs die Dachterrasse, sondern gelegentlich auch einen gegen die Sonnen- 
seite aufgeführten terrassenartigen Hauszubau zu bedeuten (liagö quod est iuxta 
tuum murum, urkundlich bei Cecchetti, Arch. Yen. 2, 102), woraus sich dann 
wenigstens für den Liago die spätere Bedeutung von Erker, Yeranda ausgebildet 
haben mag. Über den Dogenpalast des 10. und 11. Jahrhunderts: Cheon. 
Yen. 47; Johannes 162, 169; Tinus bei Gallicciolli 6, 125; vgl. dazu Mohti- 
colo in Bull. Istit. Ital. 9, 227, Anm. 1. Zur Geschichte des Dogenpalastes 
überhaupt: aufser der einschlägigen Partie in Ruskins Stones of Yenice Zanotto, 



AnmerkoDg 30 zu Seite 197—210; 31 zu Seite 213-219, 224—228. 455 

II palazzo ducale di Venezia, 4 Bde., 1853 — 1863 ; Lobemzi, Memorie per servire 
alla storia del palazzo ducale, 1868. — Im allgemeinen über das Aussehen der 
Stadt und im besonderen des Markusplatzes: Tkmamza, Molmsnti (deutsche Über- 
setzung) 180 — 186; Cecchetti, Arch. Yen. 2, 69—70; hübsch Hodoson, Earlj 
history of Venice, 130 f. Eine Bekonstruktion des Markusplatzes für das 9. bis 
11. Jahrhundert versucht Pallanda in dem erwähnten grofsen Werke über die 
Baailica di San Marco; sie ist abgedruckt in Zwiedineck, Venedig. Monogr. z. 
Weltgesch. VIII, 7, Abb. 6. 



Zum siebenten Kapitel. 

31) Zu Seite 213—^219, 224—228. KreuzzÜge. 

1. AuTser den üblichen Handbüchern zur Ereuzzugsgeschichte kommen 
besonders in Betracht: Hetd, Geschichte des Levantehandels I; Böhbicht, Ge- 
schichte des Königreichs Jerusalem (1898); Röhricht, Eegesta regni Hierosoly- 
mitani (1893) und Additamentum hierzu (1904) und andere Schriften desselben 
Autors zur Ereuzzugsgeschichte; Ebbeba, I crociati Veneziani in terra Santa, 
ArchiT. Veneto 38, 238 ff. Zur Kreuzzugspolitik Domenico Michieles Sohmeidleb, 
Der Dux und das Comune Venetiarum von 1141—1229, Blistor. Studien heraus- 
gegeben von Ehering, 35 (1902), besonders S. 52. 

2» Zur Geschichte der ersten venezianischen Kreuzfahrt (1099 bis 
1100) ist Hauptquelle Tbamslatio S. Nicolai (s. Anm. I), Becueil des historiens 
de croisades, Hist. occidentaux V (1895), 255 ff. (gleichzeitig); ihre Angaben 
werden bedeutsam ergänzt durch Albebt vom Aiz (Albertus Aquensis), Historia 
Hierosoljmitana, Rec. d. hist. d. crois., Hist. ocdd. IV (1879), 519—522 (gleich- 
zeitig). Unbeträchtlich sind die Nachrichten in Ann. Ven. bbey. 70, Dand. 256 
bis 258. — Die Vereinbarung der Venezianer mit Grottfried (Beg. Hieros. n. 31) 
ist nicht im Originalwortlaute erhalten, sondern nur auszugsweise in der 
Tbanslatio Nicolai 272 wiedergegeben. Dafs die „Franken" zwei, die Vene- 
zianer nur ein Drittel von jeder zu erobernden Stadt erhalten sollen, wird mit 
der einleuchtenden Begründung motiviert, „quod [Frand] pecttniosi nan ercmt 
et pliM et diutiua in dei aervitio desudarent [quam Venetiani]'^ 

3. Zur Geschichte der zweiten venezianischen Kreuzfahrt des 
Dogen Domenico Michiele (1122 — 1124/5) sind Hauptquellen: Fouchbb von 
Chabtbeb (Fulcherius Gamotensis), Historia Hierosolymitana , Bec. d. hist. d. 
crois., Hist. occid. III, 449 — 467 und Wilhelm von Ttbus, Historia rerum in 
partibus Transmarinis gestarum, Bec. d. hist. d. crois., Hist. occid. I, 545 bis 
576; Wilhelm, obwohl nicht eigentlich Zeitgenosse — er ist 1127 geboren — , 
ist doch für die Ereignisse vom Juni 1123 an, also besonders für die Belagerung 
von l^rus, genauer als der gleichzeitig im heiligen Lande weilende Fouoheb, 
der vom Sommer 1123 ab in Jerusalem blieb und nur die dorthin gelangten 
Nachrichten wiedergibt. Die venezianischen Quellen treten gegen Wilhelm und 



456 Anmerkung 31 zu Seite 213-219, 224—228. 

FoucHER in den Hintergrund; die Aw, Vem. bbev. 71 bringen ganz wenig, die 
Eist. duc. Yen. 73 — 74 enthält schon bedenkliche Nachrichten (so, dafs die 
„Franken** den Dogen zum König machen wollten u. a. m.), bei Cajiale 304 bis 
306 ist aus der Belagerung von Tyrus schon ein ganzer Boman geworden, und 
ebenso unTerläfslich ist die vornehmlich aus Frater Paulikus, Satirica historia 
(speculum), teilweise auch aus Sanudo, über secr. fid. crucis ed. Bongars Gesta 
dei per Francos II, 158 — 160 ausgeschriebene Darstellung DA3ax>L08 269—271. 
In noch höherem Mafse gilt dies von den späteren venezianischen Quellen (zu- 
sammengestellt von MoMTicoLo, ed. Sunudo 184 — 190). Weitere Quellenbelege 
im Bec. d. bist. d. crois. ocdd. V, 323, Anm. a — c. Die Geschichte von den 
Ledermünzen — an sich nicht unmöglich (vgl. Luschin, Allgemeine MQnzkunde 
und Geldgeschichte, 1904, S. 136—138) — und dazu gehörige Fabelei im Chboh. 
«TusTiM. 157; hierzu Momticolo, ed. Sanudo 182 — 183, A. 3. Die Mitnahme des 
Felsens, wo Christus gepredigt, nach Daio). 271 (aus Fbateb Paulimus 233 a). — 
Die Urkunde für Bari vom Mai 1122 ist in gleichzeitiger Kopie erhalten und 
gewinnt für die innere, besonders Familiengeschichte Venedigs eine besondere 
Bedeutung durch die grofse Anzahl der Unterschriften (368), die sie trägt 
Druck: Monticolo, ed. Sanudo 196 — 216 mit wertvollen Anmerkungen; hierzu 
femer auch Momticolo in Nuovo Arch. Yen. 18, 96 — 140 und in Bendiconti 
della B. Aocad. dei Lincoi Vin (1899), 158—188. Vgl auch Anm. 15/3. — 
Der Präliminarvertrag in Akkon (1123) und dessen Bestätigung durch den König 
(1125) gedr. in FBA. II, n. 40 und n. 41 (8. 79—94), Beg. Hieros. 102 (nicht 
korrekt, aber wertvoll durch reiche Quellenangaben) und 105. In der Bestä- 
tigungsurkunde ist der Präliminarvertrag aufser durch die Aufnahme des Ar- 
tikels über die militärische Hilfsverpflichtung der Venezianer (wurde eine vene- 
zianische Gegenurkunde nach dem Muster einer griechischen avfi(f>fav(a aus- 
gestellt?) auch anderweit veräodert werden; darüber Hetd I, 160 (145), dessen 
Ausführungen 157 — 160 (143 — 145) überhaupt sehr belangvoll sind. Über Tjrms 
s. Lucas, Geschichte der Stadt Tyrus zur Zeit der Kreuzzüge (1895) und Fsirra, 
Aus Phönizien, 1876 (269, 303 f.). 

4« Über das sonstige Verhalten der Venezianer zum heiligen 
Lande sei im allgemeinen auf Böubichts allerdings öfter unzuverlässige Begesta 
regni Hierosolymitani hingewiesen ; im besonderen hebe ich die folgenden Quellen- 
stellen hervor: 1) Über die Transportgeschäfte der italienischen Seestädte ins 
heilige Land: Baudbi (Bischof) vom Dol (Baldrici ep. Dolensis) Hist. lerosolj- 
mitana, Becueil occid. IV, 18 (gleichzeitig). — 2) Über den schwachen See- 
verkehr ins heilige Land nach dem ersten Kreuzzuge: Foucueb (zu 1101) 383: 
Via [maris] . . . impedita . . . tarn Franci quam Angli sive Itali et Venetid in 
una tantum navi seu tribiis aut quatiK)r inter piratas hostiles et ante dd- 
tates Sarracenorum velificantes wilde timide usqiie ad loppen . . . jp^rvenie- 
bant ... — 3) Venezianer und Griechen verproviantieren die (christlichen) Be- 
lagerer der Feste Archados bei Tripolis (1099): Baimumd de Aquilers (Kano- 
nikus von Notre Dame de Pny), Hist. Fraiicoruni qui cpponiut Jerusalem, Be- 
cueil ocdd. III, 276 (gleichzeitig). — 4) ... loppitae invenes, quum ktrandi 



Anmerkung 31 zu Seite 224—228; 32 zu Seite 219-224, 228—230. 457 

%m$no ludendi gratia haud proctil a maris littore mergerenitir, reperitmt qua» 
dam die in ipso arenarum saliqtAe confligio manticas magnis auri ponderibu8 
plenas, quas amiserant Venetii, quoa ibi canstiterat f regisse carinas. Quae 
regi delatite cwnctis mirac\dum ineffabile regi pene desperaio et novae Chri- 
siianitati praebuere solatium. Guibebt von Beauyaib (Abt von Nogent-sous- 
Concj), Gesta dei per Francos, Becaeil ocdd. IV, 259 (gleichzeitig). — 5) Vene- 
zianer vor Sidon August 1108 und 1110: Albebt von Aix, Becueil oodd. IV, 
652 ; FBA. 11 , 12 , n. 41 , 91 (urkundlich). Die Einwände Lenels 35 , A. 2 
scheinen mir nicht überzeugend. — 6) Dafs die Venezianer den Ton Raimund 
de 8. Gilles belagerten Moslim von Tripolis 1109 Lebensmittel zuführten: die 
muhammedanischen Schriftsteller Ibn el-Athib 254, Ibn Khaldün 66 nach 
Ebeeba 276 — 277. — 7) Entsendung venezianischer Truppen (magnum aitxi- 
lium) imter Giovanni Polani nach dem Falle von Edessa (1144): Samuto, Lib. 
secr. fid. cruds in Bongars Gesta dei per Francos 11, 167. — 8) Sebastiano 
Ziani und die Sultane: Hist. duc. Ven. 81. — 9) Venezianer 1183 gegen Sa- 
ladin: Wilhelm vom Ttbus, Recucil occid. I, 1121. — 10) Venezianer im 3. Kreuz- 
zuge s. Anm. 36/2. 

32) Zu Seite 219—224, 228—230. Die Dogen von 1096— 1130» 

1. Begierungszeiten: Vitalis Michael 5 J. Ol; 5 J. 4 M. Damd. 259; 
begraben in atrio ducalis capellae Damd. 259; dazu Momticolo, ed. Sanudo 
166, A. 15. Zur Geschichte des Dogen im allgemeinen Damd. 256 — 259. — 
Ordelafo dux filiusVitaUs Faletri duci(s) 15 J. Cl Damd. 267; 15 J. 6 M. 
13 T. Samudo 9. Über das Todesjahr (1118) s. Momticolo, ed. Sanudo 175,. 
A. 3. Dafs der Doge das Jahr 1118 noch erlebt hat, scheint aus der Urkunde 
KüKULjETic n, n. 27 hervorzugehen. Ordelaf Faledro (der Name Or- 
delaf ist nur eine Umkehrung von Faledro) Dodoni urkundlich in Cbcchetti, 
Frogramma di Paleografia n. 4, 34. Zu seiner Geschichte im allgemeinen: 
Eist, duc Vem. 73 (danach vir iüiMtris et preclarus licet iuvenis) ; Amn. Vem. 
BBEV. 70-71; Damd. 259—267. — Dominions Michael 12 J. Cl; anna 
sui ducatus XIII f, Damd. 274; 13 J. 11 T. Samudo 9. Dafs er pknu» 
dierum gestorben Hist. duc. 74. Begraben in S. Giorgio in einem von seiner 
Witwe Wita gesetzten Marmorgrabmal, Damd. 274 — 275. Die bei Cioogna, 
Iscrizioni IV, 515 und neuerlich von Momticolo, ed. Sanudo 194 — 195 gedruckte 
Grabschrift (Terror Grtucorum iacet hie et laus Venetorum ete.), übrigens 
erst später verfafst, gibt MCXXVIU ind, VII -« Januar— Februar 1129 ala 
Todesjahr an ; es ist aber richtig wohl MCXXVIIII ind, VIII anzunehmen. 
Zusammenfassend über ihn Hist. duc 73—74; Amm. Ven. bbev. 71; Damd. 267 
bis 275. Stammtafel der Michielo und Polani s. Anm. 33/1. 

2. Venedig und Ungarn in Dalmatieu. Hierüber vor allem die 
scharfisinnigon Erörterungen von Lemel, Vorherrschaft 11 — 34, 86—102. Hier 
ist auch das gesamte wichtigere Quellenmaterial zusammengestellt bzw. darauf 
verwiesen. Venezianische Hauptquellen sind Amm. Vem. bbev. 71 ; Hist. duc. 



458 Anmerkung 32 zu Seite 219—224, 228—230. 

73— -74; Da&'d. 259, 265 — 267. Zerstörung von Belgrad© auch nach Thomas, 
Spalat. Historia Salonit ed. Backi, Mon. spect. hist Slay. merid. 26 , 45. Un- 
garische Hauptquelle: Keza (Simonis de Eeza), Gesta Hungarorum (Anfang des 
14. Jahrhunderts), gedr. in MG. SS. 29 und Ber. Hung. mov. Abpaolaha, ed. 
Endlicukr I. Über weitere ungarische Quellen s. Lbnsl 89, A. 1 bzw. Hubes 
in MIOG. IV, 128—137 (Besprechung von Mabczali, Ungarns (leBchicfatsqnellen 
im Zeitalter der Arpaden, 1882). Weitere Quellenangaben bei Mohticolo 174 
bis 175, A. 11 (spätere venezianische Chroniken) und 177, A. 1 (urkandlidie 
<iuellen). Von älteren Darstellungen kommt noch immer Lucius, De regne Dal- 
matiae et Chroatiae 114 ff. in Betracht, von neueren besonders die einschlägigen Par- 
tien in HuBEK, Greschichte Österreichs (1885) I. Das urkundliche Material in 
ilen mehrfach erwähnten Sammlungen von Ljubic, Backi und Kukuueyic- 
Sakcinski (s. Anm. 22 und 25/3). Der Brief Kolomanns an Vitale Michiele 
gedr. in Ljubic (Monum. spect. bist. Slav. merid.) I, n. 7 »» Baöki VII, n. 230 
IM EuKULjEvic II, n. 1; im besonderen kommen f&r die Zeit bis 1130 noch 
KuKULjEvic II, n. 4, 8, 16, 21, 27, 35, 42 und 44 in Betracht Dals Zara 
und Zaravecchia 1116 venezianisch waren, geht aus der von MonicoLo, ed. Sa- 
nudo 177 — 179 gedruckten Urkunde Ordelafo Falieris für das Kloster S. Gio- 
vanni Evang. in Belgrado (Zaravecchia) hervor. DaCs nach dem Tode OrdeUfos 
Friedensverhandlungen mit Ungarn folgten, erhellt ziemlich deutUch aus der 
Aussage eines Michiele di S. Zuliano vom Jahre 1119: dum in legaüone regis 
Hungariae pro rogatione ducis et pro utilitaie patriae VeneUae ewndi ordi- 
natus fuissem (urk. nach Cecchetti, Arch. Ven. 2, 111). 

3. Domenico Michiele gegen Griechenland (1125). Über den 
Kreuzzug s. Anm. 31/3. — Hauptquelle ist: Cebbanus, Translatio S. Isidori, 
Becueil d. bist. d. crois. occid. V, 322 — 334 (s. Anm. I). Femer Fouchsr 470 
bis 471; Eiknamos, ^Ennofiii (s. Anm. I) 281 (nur ganz kurz); Hist. dug. 74 
<8tatt Mytilene Mediolanum !) ; Amn. Ven. beev. 71; Canale 308; Damd. 269, 
271, 273—274. — Kaiser Johannes an die Päpste Galixtus (Juni 1124) und 
Honorius U. (April 1126) in Tueimeb und Miklosich, Monumenta ad unionem 
eccl. Graecorum et Bomanorum, Vindob. 1872. Das Chiysobullon von 1126 
(Insert im Chrysobullon von 1147) gedr. FBA. II, 12, n. 43, 95 — 98; verz. 
Zachaeiae, Ius Graeco-Bomanum UI, n. 38. Zum Ganzen Stbeit, Venedig und 
die Wendung des vierten Kreuzzuges gegen Konstantinopel, Gym.-Progr. Anklam 
1877, 8-9. 

4. Venedig zumBegnum 1101 — IUI. — Krieg gegen Ferrara (1101): 
Ovebmanm, Gräfin Mathilde von Tuscien (1895) 169, Beg. 69 b. — Krieg g^gen 
Treviso und Padua (1107—1110) Ann. Ven. bbev. 70—71; Canale 296; Dahd. 
263—264; Chbon. Enb. Dand. 21a/b; dazu Monticolo, ed. Sanudo 172, A. 4. 
Der Vertrag zwischen Venedig und Verona (Mai 1107) ist gedr. von Cipoixa in 
N. Arch. Ven. 15, 294 — 299. Faktum von Uli s. Anm. 17; Präzepte f&r 
S. Dario (Dezember 1110) und S. Cipriano di Murano (Mai Uli) gedr. in 
Globia, Cod. d. Padov. 1101—1183, n. 49 und 51. 

5» Brände und Elementarereignisse zu Anfang des 12. Jahr- 



Anmerkung 32 zu Seite 228—230; 33 zu Seite 230-241. 469 

hunderts in Venedig: Ann. Vbn. brev. 70—71; Dand. 260, 261, 266; Chronicon 
S. Salt ADOBE bei Monticolo, ed. Sanudo 179—180. Die Meldung des Sabellico 
(Anm. I), dafs im Jahre 1105 anläfslich einer Überschwemmung hundert Mönche 
in der Krypta von S. Zaccaria ertrunken seien, ist gewifs spätere Fabel. Vgl. 
Cattaneo, Architettura 238. Über den Untergang von Malamocco wechseln 
die Zeitansätze zwischen 1104 — 1110. Urkundliche Angaben hierzu: Ordelafo 
Falieri f. Cipriano di Murano, September 1108: Corner, Ecd. Ven. dec. XVI, 
192—194. — Abt Petrus von S. Dario fiir die Benediktinerinnen von S. Basso 
und S. Leone auf Mahunocco: Corner, Eccl. Ven. dec. VII, 107—108. — Verlegung 
des Bistums nach Chioggia (10. April 1110): Uqhelli-Coleti , Italia sscra V, 
1344 — 1346. — Eingehend über den Untergang von Malamocco Federioo, Del 
Veneto estuario e speciahnente del litorale di Malamocco (1869) und Cecchetti 
in Arch. Ven. I, 395—400 (Besprechung des Buches von Federigo). 

33) Zu Seite 230—241. Pietro Polani und Domenico 
Morosini (1130— U56). König Roger IL 

1. Begierungszeiten : Petro Pol an o 18 J. 4 M. C 1. Petrus Polano 
dux latidatur anno domini MCXXX, quia gener cUis concio ducia, gut re* 
nunciaverat, de 8u0cientiori promovendo consilium exquirens hunc ducis 
generum, senem virtutifms licet aetate iuvenem, laitdatum in ducem promovit. 
Dand. 275 — 276. Charakteristik des Dogen Hist. duc. 74: Petms Polantis 
vir sirenutM et sapiens ,. ,, qui Venetos sapienter gubemans ei regens cum 
Omnibus Juibuit pacem. Fmt autem vir curialis et largus . . . B^raben in 
S. Cipriano di Murano: Dand. 283; Sanudo 223—224. — Absetzung des Pa- 
triarchen Johannes von Grado durch Papst Honorius: Dand. 256. — Do- 
minicus Mauroceni 7 J. Cl; 7 J. 7 M. Dand. 286; gestorben im Februar 
1156 (Februar 1155 ind. IV) nach Epitaph (dazu Monticolo, ed. Sanudo 237 bis 
238); nach Dandolos Ansatz kommt man, vom Februar 1156 zurückrechnend, 
wohl ganz zutreffend auf Juli 1148 für das Ableben Pietro Polanis. Venezia- 
nische Hauptquellen über ihre Regierung: Ann. Ven. bbev. 71; Hist. duc. 
74—76; Dand. 275—286. 

Stammtafel der Michiele und Polani (nach Hist. duc. 74, Dand. 275, 280 

und urkundlichen Quellen): 

Domenico Michiele, Doge ? 

Wita (Dand. 215) 

EinMichiel Leachino Domenico Tochter | Johannes Polani 

1124 Iudex Vizedoge Vizedoge Crem. Pietro Polani, Doge — Gesandter an Lothar III. 

A.V.NU0V0 ys.rr::::^. """TT?^. 1136 (MG. Ck)nstit. I, 

19, 63f. p Naymenus Guido ^^^j nicht identisch 

ComesvonArbe Comes von Ossero „it dem vom Bischofs- 
katalog aufgeführten 
gleichnamigen Bischof 
von Castello. 

2, Literatur. Zur politischen Geschichte Venedigs im Zeitalter König 
Bogers 11. und in der Folgezeit: Amari, Storia di Musulmani di Sidlia, Firenze 



460 Anmerkung 33 za Seite 230—241. 

1854 — 1872 (3 Bände). — de Blasiis, La insarrezione Poglieee e la oonqnista 
Normanna, Napoli 1876, 3. Band. — Sibaocsa, U rcgno di Gnglielmo I in Sicilia. 
Palermo, 1885/86, 2 Bde. — Holzach, Die aaswärtige Politik des König- 
reiches Sizilien vom Tode Rogers IL bis zum Frieden von Venedig, 1892. — 
Caspab, Boger II. und die Gründung der normannisch -siziliacbeD Monarchie, 
Innsbruck 1904 (hier auch alle wichtigere Spezialliteratur zur normanniacfaen Ge- 
schichte der Zeit). — Für die byzantinischen Beziehungen aulser den genanntm 
allgemeinen Werken von Hopf, Hsbtzbkbo, Ebcmbachkb-Gslkeb und der un- 
kritischen Studie von Abmisoal^, Venise et le Baa-empire, Archivee des misaions 
seien tifiques et litteraires IV (1867), 299 ff. besonders Kap-Hebb, Die abendlän- 
dische Politik Kaiser Manuels (1891) und Neümakn, Über die urkundlichen 
Quellen zur Geschichte der byzantinisch-venezianischen Beziehungen im Zeitalter 
der Komnenen, Byzant. Zeitschr. I (1892), 306 f. Für die Beziehungen zum 
deutschen Reiche und besonders zu den Staufem auÜBer Giesbbbbcht, Creaefaichte 
der deutschen Kaiserzeit IV und V Bebhhabdi, Lothar von Supplinburg (1879) 
und Bebnuabdi, Konrad HI. (1883), beides in den Jahrbüchern der deutadien 
Geschichte ; Baeb, Die Beziehungen Venedigs zum Kaiserreiche in der ataufisdien 
Zeit, Innsbruck 1888. Aufserdem Hetd, Levantehandel I und Stbeit, s. Anm. 32/3. 
3. Quellen zur Geschichte der normannischen und griechi- 
schen Beziehungen Venedigs: In den Jahren 1134 — 1143: 1) Haltung 
Venedigs gegenüber dem Plane Lothars HI. 1134: Falco vom Bshbtsht, Chro- 
nicon, gedr. Del Re, I cronisti sincroni deir epoca Normanna I, 222. — 2) Ve- 
nezianische Gesandte auf dem Reichstage von Merseburg 1135: Ahhalbs Ebphbsfubt. 
MG. SS. 6, 540. — 3) Faktum s. Anm. 17. — 4) Niederlage vor Trani 1137: Axh. 
Saxon., mg. SS. 6, 773. — 5) Venezianer 1140 in Palermo: ürkundennotiz bei 
RosABio Dl Gbeqobio, Discorsi intomo alla Sicilia, Palermo 1821, H, 202. — 
6) Ober Robert von CJapua und Alexander von Gravina: Epp. Wibaldi (Abtes 
von Stablo und Korvey), n. 147, 228 — 229 und n. 243, 365 in Jaffi^, Bibl. 
rer. Germanic. I, Monum. Orbeiensia. — 7) Über die Vermittlerrolle Pietro Po- 
lanis : Otto v. Fbeisino, Gesta Friderid I, 24, MG. Sohulausg. H, 40 (Johannes 
an Konrad HL: Quia vero prudentissimus dux Venetiae Petrus Polanus me- 
diator a nMUtate Tua in hü causts assumptus est sicut vir banus et fideUs 
amhabiM partihus et hoc ndbis placere dignum visum est). — Quellen zum 
Kriege 1147 — 1149 (s. Darstellung von Caspab 385 f., soweit Venedig be- 
treffend, m. £. nicht einwandfrei): Kinmamos (91) 96 — (102) 101; Nikbtas (96 
bis 131), 103, 113—115; Romuald von Salebko, MG. SS. XIX, 424, 428 bis 
429; Annales Pisani, MG. SS. XIX, 342—344; Sioibebt Abt von Gbmbloux, 
Ck)ntinuatio MG. SS. VI, 453—456; Hist. duc. 75; Canale 308—310; Dakd. 
282—283. Über die Entwickelung der venezianischen Legende über diesen Krieg 
MoNTicoLo, ed. Sanudo 228—231. — Das Chiysobullon (Oktober 1147; Datum 
korrigiert von Neumann, Byzant. Zeitschr. I, 367) und die Quartiereinweisung 
(März 1148) Manuels für die Venezianer sind gedruckt in FRA. II, 12, n. 51 
(113—124) und n. 50 (109 — 113) und Zachabi ae. Ins Graeco-Romanum IH 
(1857), n. 54 (433—440) und n. 88 (als Insert; verz. n. 57). — Zur Ge- 



Anmerkang 33 zu Seite 230—241. 4C1 

schichte der Jahre 1151 — 1154 besonders Kinnamos 102 (er sagt hier 
InCvHov dl *ItaX(ag latCv ö *AyxQv und weiter: Manuel wollte ivteOd-iv re &g 
i$ dQfjiTiTriQ^ov xara rfjg ^ItaUag Uvai), 170 (Manuel „dvavoOv xal dvargonov 
zd Ovew^jütv xaravoi^aag td^og" beschlofs, den Übermut der Venezianer durch 
Besetzung von Ancona zu bändigen — dipQÖog n rfjg Oviwinav t6 nokii xara- 
7tava€u); Hist. duc. 76; Dand. 285. Über den Gegensatz zwischen Venedig 
und Ancona vgl. die Stelle der Historia obsidionis civitatis Anconitanae von 
BuoNCAMFAQNo, ueu herausgegebeu von Gaudenzi in Bullettino istit. Italiano 15, 
167 : ... Venetis qui semper quodam specicdi odio Änchonam oäerunt. Die 
Vertragsurkunden vom Juni und August 1152 sind gedr. von Momticolo, ed. 
Sanudo 235, A. 2. Heyd I, 289 (262) meint, die Anconitaner hätten ein Quar- 
tier in Konstantinopel bekommen, das im Jahre 1195 ziemlich deutlich nach- 
weisbar sei; vielleicht sei dies auch mit Bagusa der Fall gewesen. — Der Ori- 
ginalwortlaut der Friedensurkunde von 1154 (1155?) ist nicht erhalten, 
sondern nur ein Auszug bei Dand. 286. Hat nun Dandolo den Vertrag selbst 
vor sich gehabt oder konstruiert er aus dem (erhaltenen) Vertrage mit König 
Wilhelm 11. vom Jahre 1175 zurück? Dann hätte er aber nicht genau kon- 
struiert und dem Vertrage von 1175 willkürlich nur einige Bestimmungen ent- 
nommen. Der Artikel wegen Ragusa scheint gerade für die Zeit der Schaffung 
der venezianischen Interessensphäre in der Adria einleuchtend, und ebenso ist 
(gegen Schmeidleb, Duz und Comune 90 — 91) die griechenfeindliche Tendenz 
dieses Artikels augenscheinlich. Ich glaube also, daTs der Vertrag von 1154/55 
« bei Dandolo richtig mitgeteilt ist, womit allerdings die Argumentation 
ScHHEiDLEBS 89 — 91 hinfällig würde. Holzach 15 findet mit Recht bezeich- 
nend, dafs der erste Sieg der Normannen über die Griechen nach AbschluTs 
dieses Friedens ein Seesieg gewesen sei. — Genua undPisa. Dazu vor allem 
Hbtd, (reschichte des Levantehandels I, 211 — 216, 221 — 238(192 — 198, 202 
bis 216). — Langer, Politische Geschichte Genuas und Pisas im 12. Jahrhundert, 
Ehering, Hist. Stud. VII (1882). Auch Stbeit 14, A. 110, 111. — Die Annales 
PisANi und die Annales Ianuenses des Cafabo (beide gleichzeitig) sind gedruckt in 
MG. SS. XIX und XVIII. Über die ältere Pisaner AnnaUstik Scheffeb-Boichobst 
in Forschungen zur deutschen Geschichte 11, 506 f. Urkunden zur Geschichte 
der Beziehungen Pisas zum Griechenreich: Mülleb, Documenti sulle relazioni 
delle citta Toscane coli* Oriente, 1879 (hier n. 34 die Urkunde des K. Alexios 
für die Pisaner in Konstantinopel vom Oktober 1111). Die wichtigsten Ur- 
kunden zur genuesischen Greschichte im Libeb iubium beifublicae Genuensis 
in Historiae patriae monumenta, Leipzig 1836 ff. Hier u. a. gedr. die Urkunde 
K. Manuels für Grenua vom 12. Oktober 1155 (183 — 186), K. Friedrichs I. für 
Genua vom 9. Juni 1162 (207 — 213) und K. Heinrichs VL für Grenua vom 
30. Mai 1191, Bestätigung der obigen (369—373). 

4» Nachbarkriege Venedigs. Gegen Treviso: Urkunde Globlh, 
Cod. d. Padov. 1101—1183 I, n. 419. — Gegen Ravenna: Otto von Fbeisino, 
Ohronioon VH, 29, MG. Schulausg. I, 329 (Veneti .., cic Ravennatensea plu" 
rima mala terra marique Merutrum intiUere). — Gegen Päd na: Bei Otto 



463 Anmerkung 33 zu Seite 230—241 ; 34 zu Seite 241—247. 

VON Fbeisino, Chronicon VlI, 27, Schulausg. I, 328 (Oirca idem tempus Ve- 
ronenses, qui longo tempore cum Paduanis dissenaionem häbuercmt amnem- 
que, qui civitatem eorum praeter fluit, a& (Hveo dertvaverant , congressu cmm 
eis Jiabito plurimis captis cruentissima poHuntur vidoria) liegt, wie Bsbhhakdi, 
Konrad III. 365, A. 22 m. £. ganz mit Becht annimmt, eine Yerwechslang yoo 
Veronensea und (richtig) Venetici vor. Eine Vergleichaurkunde zwischen Venedig 
und Padua vom Oktober 1144, aus der erhellt, data wiederum das Kloster San 
Ilario hart mitgenommen wurde, gedr. bei Globia, Cod. d. Padov. 1101 — 118& 
I, n. 440, 326 — 327. Ober die inmier strittige Abgrenzung der Grebiete von 
Chioggia und Padua s. ebenda n. 312, 327, 587, 619 (1137, 1153, 1154) u. a. m. 
Die Ausgestaltung der Überlieferung über diesen Krieg mit Padua beginnt mit 
dem CuBON. Mabci 259; hierauf Dand. 280. Weiteres s. Mohticolo, ed. Sanndo 
221—222, A. 2. • 

5* Adriatische Interessensphäre. Hierfiber vor allem Lensl 27 
bis 30, der zuerst hierauf deutlich aufmerksam gemacht hat Die Bezeichnung 
culphu8 Venetiarum zuerst auf der 1154 hergestellten Weltkarte des Arabers 
Edrisi am Hofe von Palermo (neuherausgegeben in Atti Accad. Ldicei 274, 
Ser. II, Bd. 8) mit bemerkenswerten, aber meist konfusen Nachrichten über 
Fano (Fanü), Ravenna (Babnnah), Comacchio (Qumälqah), Venedig (Bondaquljah 
und Fann rü; dürftig), Torcello oder, wie ich gegen den Herausgeber ffir wahr- 
scheinlicher halte, Treviso (Trblah, Trglah); viel reicher sind die Angaben über 
Genua (Ganwah) und Pisa (Bis). — Urkunde für Fano (1. März 1141): gedr. 
CoBNER, Ecd. Ven. 10, 218—219; Amiasi, Memorie istor. della dtti di Fano, 
1751, 2, VII. Dafs ein venezianischer Gesandter Johannes Badoero 28. Februar 
1141 zwischen Fano und Pesaro Frieden vermittelt hat, Monticolo, ed. Sanudo 
219, A. 3, nach Atti dipl. restit n. 365 des Venezianer Staatsarchives. ür^ 
kundendrucke der Verträge mitCapodistria FRA. U, 12, n. 48, 106—107, 
KuKULjEvic II, n. 54; mit Pola Kukuljevic II, n. 55 und n. 63; mit Ko- 
vigno Kukuljevic U, n. 61; mit ümago ebenda n. 59, Parenzo ebenda 
n. 60, Cittanuova ebenda n. 62 und Kasdlee (1153 April 2), Cod. d. Istriano; 
auTserdem fast alle in Cobneb, Eccl. Ven. dec X, 215 — 217. — Zum „Ba- 
gusa^artikel des Normannenfriedens s. oben Anm. 33/3. Über die Organisation 
Dalmatiens in den 40er und 50er Jahren sei auf die reichen Quellenbelege bei 
Lenel 23 — 27 verwiesen. 



34) Zu Seite 241—247. Investiturstreit. 

1. Zur Greschichte des religiösen Lebens in Venedig im 12. Jahr- 
hundert verweise ich auf die in Anm. 24/2 und 30/3 angegebene Literatur. 
Reliquien : Über die Translationen s. Anm. I. Zahlreiche Nachrichten über 
Beliquienübertragungen bei Dandolo. Über die in späterer Zeit in Venedig vor- 
handenen Beliquienschätze s. die Notizen und Anführungen der spfitersn Chro- 
niken, etwa Sanüdo 78—79, 96—98, 143; dazu Monticolo (ed. Sanudo) 96, A. 2. 
Eine genaue Zusammenstellung der aus Konstantinopel übertragenen Reliquien» 



Anmerkong 34 zu S«ite 241—247. 46S 

bzw. der QaelleDstellen darüber enthält Biant, Exaviae sacrae Constantinopoli- 
tanae, 1877, I, 179 f., u. a. aad. 0., II, 261—274. — Hospize und Spitälen 
Dand. 279, 281, Corner, Eccl. Ven. dec. XU, 173 f., 225 f., 268 f. Hierzu 
MoMTicoLo ed. Sanudo 217, A. 6 ; besonders auch Besta, Diritto 45 — 46. — Ein Be- 
clusus Venetianus ist für das 11. Jahrhundert erwähnt in der Vita S. Guidonis,. 
Acta SS. Ord. Bened. ed. Mabillon I (Steindorff, Heinrich III. 250, A. 1); für 
spätere Zeiten, namentlich das 14. Jahrhundert sind Beklusen zahlreich nach- 
weisbar. Corner, Eccl. Ven. dec. II, 201, V, 243—244, VII, 243—244. 

2» Kirche von Grado- Venedig. „Patriarcha Venetits" 1073 s. Anm. 
24/2; Johannes patriarcha Venetus auf der Lateransynode 1112 (Gallicciolli 
IV, 40—41); patriarcha Venetus 1177: Stumpf, Beichskanzler II, n. 4207; 
MoNTicoLo ed. Sanudo 309—310; Marin, Storia del commercio I, Beil. 2, 279* 
bis 283. Das Schreiben Alexanders m. aus Tusculum vom 21. Januar (1171 
bis 1181 ?) an den Dogen, worin der Papst für die Verlegung des Patriarchaten 
nach Venedig eintritt , Jaff£ - Loewenfeld , n. 14247. Es heifst darin t 
Non sine contemptu et improperio terrae tuae venerahilis frcUer Henricu» 
Cfradensis patriarcha tanta necessitate laborat, qttanta non videmus nee 
audivimus episcapos positos .tn minartbus civitatibus laborare. Sane cum 
terra Venetiae inter alias terras tuae iuriditianis maior sit et celebrior, honor 
tibi est et eidem terrae, si ad terram ipsam patriarchalis sedes, sicut pluri- 
mum expedit, transfercUur, praesertim quia inter praedictum patriarcham et 
episcopos Casteüanos frequenter sicut nosti emergebat materia iurgionem. Ist 
es echt? Die Papstbullen wegen der Unterstellung der istrischen Bistümer 
unter Aquileja (24. April und 29. Juni 1132, 30. Juli 1180) Jaff£ Loewenfeld- 
n. 7567, 7576, 13687. DaTs Alexander HI. im Jahre 1164 das aufgehobene 
Bistum von C!apodistria auf Bitte des Dogen von Venedig wiederhergestellt habe, 
Dandolo 290. Ob man aus dem Umstände, dafs Patriarch Ulrich von Aquileja 
auf dem Paktum von 1177 vor dem weitaus amtälteren Heinrich von Grado- 
Venedig unterfertigt ist, eine Anerkennung der Aquilejenser Kirche als der rang- 
höheren folgern darf, ist die Frage; in der gleichzeitig ergangenen Urkunde K. 
Friedrichs I. für Torcello unterfertigt wieder Heinrich von Grado vor Ulrich voa 
Aquileja an erster Stelle. Hadrian IV. für die Becbte der venez. Kirche im. 
Griechenreiche (13. Juni 1157): Jaff^- Loewenfeld n. 10296. Druck dieser und 
der Bestätigungsurkunde Alexanders lU. (ohne Datum) nach über Pactorum IV^ 
bei Arminoaud 427 — 429 A. Die in Betracht kommende Stelle lautet: ut in 
Canstantinapolitana urbe et in aliis itidem civitatibus in Constantinopolitano 
duntaxat imperio constitutis, in quibus Veneti complures habent eccUsiaSy 
ubi videlicet ipsorum multitudo cansitevit assidue convenire, licecU vchis epi- 
scopum ordinäre et absque alictUus contradictione munus ei consecrationis 
impendere. Die Papstbullen betr. Dalmatien: 27. Mai 1154 : Corner, Eccl. Ven. IH,. 
129 (fehlt bei Jaff£ Loewenfeld) ; 17. Oktober 1154 und Februar 1155: Jaffät 
Loewenfeld n. 9928 und 9998. Über das die süddalmatinischen Inseln um- 
fassende Bistum Fara- Lesina, entstanden im 12. Jahrhundert, und über die 
Kämpfe zwischen den Erzbistümern Zara und Spalato um die kirchliche Ober- 



464 Anmerkung 34 zu Seite 241—247; 35 zu Seite 248—268. 

hoheit dortselbst Thomas von Spalato, Historia Salonitana ed. Baiki in Monnm. 
spect. bist. Slavorum meridionalium 26 (1894), c. 20-22, 65—78. 1154 sind 
wenigstens einige der grofsen Inseln südlich von Spalato, des Eirchenbezirkes 
also von Lesina, vom venez. Gomes von Zara besetzt (cum Venetia occupaverai 
dominium insularum); auch die beiden ersten Bischöfe von Lesina waren aus 
zaresischem Geschlecht. Lange scheint die immer bestrittene kirchliche Ober- 
hoheit von Zara über diese Inseln nicht vorgehalten zu haben. Der Titel Dal- 
matiae primas des Patriarchen von Grado- Venedig ist urkundlich erweislich 
(z. B. CoRNBB, Eccl. Ven. IV, 76 [1182] u. a. m.). 

S, Investiturstreit. Die Quellen darüber sind ungemein spärlich; die 
Hauptsache enthält der die Chronik des Dandolo einleitende Brief des venez. 
Kanzlers Benintendi Mubatori SS. XII, 10 und das Epitaph des Dogen Domenioo 
Morosini (Monticolo ed. Sanudo 237); dazu konmien Ann. Ven. bb. 71, Dabd. 
Ann. 284 und Version Cod. Zanetti bei Simonsfeld, N. Arch. £ &. d. Gk. 18, 
842 und Chbon. Breve bei Monticolo ed. Sanudo 218, A. 4. Ebenda und 223, 
A. 4 wertvolle Zusammenstellung über den Investiturstreit. S. weiter Hain, 
Der Doge 37—50, Kap-hkbb 48—49, Lbnel 143—144, Bbsta in N. Arch. Ven. 
N. Serie I, 26 f., endlich Caspab, Boger IE., 399 — 400 (teilweise unzutreffmd, 
gibt aber m. £. das Anfangsjahr des Streites richtig mit 1148 an). — Über 
Sapientes und Comune s. Anm. 39/2. 



35) Zu Seite 248—268. Vitale Michiele 11. und Sebastlano 
Ziani (US6— U78). 

1. Begierungszeiten: Vitalis Michael, 18 J. Postea interfectus fuü 
in coenobio S. CachaHe 1. Vir egregiua aapientia et pulcrittuline deco- 
ratus . . . Qui cum prospere fuisset fortwne et prcteclarus ingenio ab omni' 
hu8 reverebatur. Uist. duc. 76. — Todestag 27./28. Mai, Hist. duc. 80, Dand. 
296. Spätere Berichte zusammengestellt von Monticolo ed. Sanudo 267, A. 7. 
Nach Dand. 293 stand Vitale Michiele 11. im März 1171 in seinem 10. Amts- 
jahre, was mit dem Todesdatum für Domenico Morosini (Februar 1156) ganz 
gut im Einklang steht. — SebastTanus ^i^ni) 6 J. Ol... virum pro- 
vidum et discretum, sapientem et henignum et diviciis infinitiaexuberafUem.,., 
gui . . . tarn septuaginta [erat] annorum et honeste conver8<xtioni8 et magne hu- 
militatis. Hist. duc. 80. Todestag: ... PMche... festo celebrato pcUaÜum 
reliquit et petiit sibi Sancti Georgii monasterium; ubi tantum die [. .] tivem 
migravit ad dominum . . . 1178 memis Aprilis. Hist. duc. 89. 12. April Ab- 
dankung, 13. April Todestag nach Dand. 308. Aber das vermutlich wörtlich 
aus der — hier verlorenen — Hist. duo. schöpfende Chbon. Justin., MG. 88. 
XIV 89, gibt den 14. April, Wahltag des Dogen Orio Malipiero, als tertia die 
post duds ohitum Sebastiani an und wäre demnach der Todestag auf den 
12. April anzusetzen. Über das Grabmal Hist. duc. 89: SepuUua ,.. in sepul- 
cro marmoreo . . ., quod ipse vivens sibi fecit parari. Die (spätere) Grabsdirift 



Anmerkung 35 zu Seite 248—268. 465 

neuerlich gedruckt von Monticolo ed. Sanudo 300 — 301. Über das Testament 
Sebastiane Zianis enthält die Hist. duc. 89 nur den Vermerk, der Doge sei 
gestorben, ßiorum catisis optitne stabilitü et hene campoHtü; dagegen 
enthalten Chboh. Mabc, It VII, 2051, Chbom. Marc. It. VII, 788 und danach 
Sahüdo 298 — 299, endlich Chbon. La.t. Qubbini Stampaglia 504 in Abchxyio 
Yenbto 24, 130 — 131 anscheinend nach urkundlicher Vorlage (S. Z. bedenkt S. Gi- 
orgio mit totis damibfM quae stmt in civitate ab eccksia 8, luliani ab utro- 
que latere usque ad pontem S, Saivataris; weiter heilst es domos qwie plcUeam 
circumibant, ecclesie S. Marci legavit, ut edifficationi et eccltne essent oma- 
mento, ultra alias domos ecclesie propinquas, quibus capellani S, Marci ute- 
rentur) eine Aufzählung der Stiftungen. Der Reichtum der Familie Ziani, die 
nicht mit der der Zane zu verwechseln ist (Cicoona, Iscrizioni IV, 564/5, 
A. 1), erhellt u. a. auch aus den verschiedenen Anleihedokumenten des 12. Jahr- 
hunderts, die immer wieder den Namen Sebastiane Zianis als Staatsgläubiger 
enthalten und aus dem Testamente Pietro Zianis im September 1228 (teilweise 
gedruckt von Monticolo in Eendioonti deir Accad. dei lincei IX. (1900) 106, 
A. 4). S. auch Anm. 42/2. 

2. Quellen (Hauptquellen) und Literatur. Eist. duc. 76—89; 
Ann. Vbn. bb. 71—72; Canale 310—316; Mabcus 259 — 264; Dandolo 287 
bis 308; Kinnamos 229—231, 237—239, 263, 280—286, 288—289; Niketas 
222—226, 261—264; Romuald von Sai.ebno, MG. SS. XIX, 441, 446—458. 
Vertrag zwischen Venedig und Wilhelm IL (2 Urkunden) vom September 1175 : 
FBA. U, 12, n. 75 und 76, 172—175. Cababellese und Zambleb, Le rela- 
zioni commerciali fra la Puglia e la Bepublica di Venezia dal sec. X alXV, 
1897, 8 — 10, Beil. 1 und 2. Weitere Quellenangaben namentlich zur Belagerung 
von Ancona und zum Venezianerfrieden s. unten. — Literatur s. Anm. 33/2, 
vor allem Baeb 13 ff. , femer Vionati , Storia diplomatica della lega Lombarda, 
1866. FicKEB, Zur Gesch. des Lombardenbundes. S.B. Wiener Akad. Phil. hist. 
Kl. 60 (1869). Besta, La cattura dei Veneziani in Oriente per ordine dell* 
imporadore £. Comneno e le sue consequenze nella politica ed estema dei comune 
di Venezia. Antologia Veneta I (1900) (war mir nur im Auszug zugänglich). 
Vabbentbafp, Erzbischof Christian von Mainz, 1867. — Zum Venezianerfrieden 
aulser den vorzüglichen Ausführungen von Baeb s. Beüteb, Greschichte Alexanders 
III. , 1860—1864 , 3. Band (mit wertvollen Vermerken S. 728—764). Petbbs, 
Untersuchungen z. Geschichte des Friedens von Venedig 1879. Pbutz, Friedrich I. 
1871—1873, 2. Band. Eiohneb, Beiträge zur Gesch. d. Venez. Friedenskongresses 
1886. Simonsfeld, Histor.-diplom. Forschungen. Abb. bayr. Akad. hist. Kl. 
1897, n, 173-185. 

3* Zum Einzelnen. Geschichte von 1157 — 1167. 1) Venez. Cresandt- 
schaft 1157 in Besangon: Baqewin MG. SS. 20, 420. — 2) Venedig, Zufluchts- 
ort der Anhänger Alexanders HI.: Eaiserl. Notar Burchard an Abt Nikolaus 
von Siegburg (Unde letata est Bolandina cardinalitM , quae tbi [Venetiis] 
habitare cansuevit) bei Bau 16, A. 2. Die Hist. duc 77 läTst Venedig fär 
die Wahl Alexanders DI. eintreten, quia canonice fuerat ceUhrata, Dazu Baeb 

Kretgehmayr, Geiahiclit« Ton Venedig:. ^ 



466 AmnerkuBg 35 zu Seite 248—268. 

16, A. 1. — 3) Lehrreich för die AufikssoDg der Tendenzen Kaiser Fried- 
richs auf venezianischer Seite: Hist. duc. 76 (ducem et Venedas 9uo labo- 
ravit »ubitAgare imperio) und 77 (minabatur imperator, guod totam dettrueret 
Oraeciam et Crraecoe 8%u> aupponeret dominio). Vgl. hierzu den Wortlaut der 
Urkunde E. Friedrichs für Genua Tom 9. Juni 1162 (Druckangahe Anm. 33/3): Con- 
cedimus . . . comuni lamme liberam potestatem expeüendi provineidUs Frtmei" 
genas euntee per mare et redeuntes a negotiatione . . . omnis prineipatut 
Venetonun etiatn, nisi ipsi Veneti gratiam noitram et honam vohmtatem 
fuerint conseciUi und des Kaiserlichen Privilegs für Ferrara, vom 24. Mai 1164, 
quia [Ferrarienses] pro tnotiane et guerra Venetorum, Paduanorum, Vicenti' 
norum et Venmensivm, qui cornua rebeütama et superbie contra not et im- 
perium erexerunt, damnia fortassis et laboribus sttbiacebunt Mubatobi, An- 
tiquit. 4, 257; Stumpf, Beichsk. n. 4015. — 4) Genua und Pisa, s. Anm. 
33/3. Friedrich I. für Pisa (April 1162): Stumpf, Beichsk. n. 3936—3938.-5) 
Quellen zur Geschichte des Abschlusses des Veroneser Bundes s. auch bei Baeb, 
S. 21. — 6) Venez. Anleihe von 1164: gedr. bei Monticolo ed. Sanudo 277 
bis 281 ; es heiÜBt hier von den Darleihern, nostro canntni in maxima necesntate 
subvenistia. — 7) Über den mifsglückten Handstreich Ulrichs von Aqaileja 
auf Grado und die daran sich schlielsende Legendenbildung s. die instruktive 
Zusammenstellung von Mokticolo ed. Sanudo 257—259. Das Jahr ist strittig; 
ich entscheide mich mit Baer 23—24, Giesebbecht 5, 405 und Simobsfeld, 
MG. SS. 14, 77, A. 6 für 1164 (gegen KapHebb 82 und Monticolo ed. Sanudo 
259, die für 1162 eintreten). — 8) Venezianer auf dem Beichstage von Parma 
(März 1164): Stumpf, Beichskanzler Beg. 4009—4013. 

4* Geschichte von 1167 — 1176. Über die Beziehungen Venedigs zu 
Manuel die obangeführten venez. und griechischen Quellen. Im Mai 1167 weilte 
noch Peter Orseolo als venez. Gresaudter in Konstantinopel. Abch. Vbn. 8, n. 
42, 146. Über die Zeitfolge der ungarischen Ehen der beiden DogensShne 
lionardo und Nicolo Michiele und der Bückeroberung von Zara durch Doge 
Vitale Michiele II. besteht ebenso wie über die ZeitArage der Bückoroberung von 
Zara durch Doge Domenico Contarini (Anm. 22/2) ein Widerspruch zwischen 
den Aknales. Ven. bbev. 71 einerseits und dem Cubon. Mabci 259 und Dabdolo 
292 anderseits. Erstere setzen die Eroberung Zaras in das Jahr 1159 vor den 
Abschlufs der Ehen (1167) und hierzu stimmt auch die — ohne Jahreszahlen 
gegebene — Darstellung der Hist. duc. Ven. 76. Letztere setzen die Ehen (1167) 
vor die Eroberung (1170). So beachtenswert die Ausführungen Lbbels 94—97 
hierzu sind, glaube ich doch aus Wahrscheinlichkeitserwägungen allgemeiner Art 
der jüngeren Quelle, also Mabcus-Dakdolo, gegenüber der älteren folgen zu sollen. 

— Die venez. Quellen zur Geschichte der Ereignisse von 1171 — 1172 
zusammengestellt von Monticolo ed. Sanudo 263 — 264, A. 2; ebenda 265—866, 
A. 2 über die zuerst in Chbon. Mabc. X, 137 begegnende Giustinianifabel. 

— Zur Frage der Blendung Enrico Dandolos Bomabin II, 97. Die älteste 
Quelle, die Hist. duc 81 hat kein Wort davon: [Sebastianus Ziani] . . . duoe 
nuncios, quos dtix Vitalis miserat ad imperatorem, aanos recepit. Villb- 



AomerkuDg 35 za Seite 248—268. 467 

HABDouiN c 36 ed. Bouchet 1, 46 schreibt Dandoloa Blindheit von einer Yerwondang 
her: [Enrico Dandolo] . . . n avoit Ui aüz en la teste biaua et si n'en vioit 
gote gue perdue avait la veue par une plaie qyi il ot en chief. Nikstas 
713 sagt nur, dafs £. D. blind inrigdg fihv rag öipHs) war. Gumthsb von Paris 
(Exuviae sacrae Conatantinop. I, 91) sagt mehr rhetorisch caecus in fade sed 
perspicacissimiM in mente. Die erste ausgesprochene Meldung von Dandolos 
Blendung enthält die gleichzeitige, aber oft recht konfuse Chbonik von Novoobod 
(herausgegeben von Hopf, Chroniques Greco-Bomaines, 1873, 98): Imperator 
. . . oculos eius vitro (Blendspiegel) caecari iussit; itaque dux, quamvie ocuU eius 
non fuerint effossi, non ampHius cemebat quioquam, Dand. 298: Emanud 
. . . tn legatos iniuriose prorupit. Cui H. D, pro saiute patrie constanter 
resistens visu aliqtialiter obtenebratus est, Qui iUatam iniuriam sub dissi- 
mukUione secretam Habens una cum socio Venetias rediit; 322: dux ... visu 
debiUs; 330: Emanuelis sceltus . . . per eum, quem, dum legationis fimgeretur 
officio, coecum facere concupivit ..., punitum est. Hier ist also nur von 
einem Blendungsversuche die Rede. Erst den späteren venez. Quellen galt die 
tatsächliche Blendung für ausgemacht. — Zur Belagerung von Anco na 
1173 ist Hauptquelle Buoncaiifaqno (Professor in Bologna ungef. 1215 — 1235), 
Ystoria obsidionis civitatis Anchonitane. Neuestens herausgegeben von Gaudenzi 
in Bullettino Istit Ital. 15 (1895), 157 ff. Bs. Schrift ist auf Wunsch des Po- 
desta von Ancona verfaTst , eine Art lokales Erinnerungsbuch , voreingenommen 
gegen Christian von Mainz. Näher darüber Yabbentbapp, Christian von Mainz 
113 — 119 und Gaudenzi in Bull. Istit. Ital. 14, 85 ff. AuJberdem Einnahos, 
NiKETAs , HisT. Duc, Ann. Pisani uud RoMUALD VON Salerno ; im Chbon. Mabci 
und in Dandolos Chbon. Bbeve ist die historische Wahrheit dazu verkehrt, dafs 
diese Belagerung Änconitanorum arrogantiam de maris custodia contendentittm 
confregit, s. Gaudenzi, BulL Ist. Ital. 14, 90—97; Monticolo ed. Sanudo 285, 
A. 5. Über das Schiff „Kosmos** („Totus Mundus**) Chbon. Mabci 260; Buon- 
campaono 168 (die hier gegebene Beschreibung ist auch für Schiffsgeschichte 
interessant); Niketas 714. — DaCs unter Sebastiano Ziani ein Vertrag Venedigs 
mit Pisa geschlossen und der venezianische Verkehr nach Grenua, der pisanische 
nach Ancona untersagt wurde, geht aus dem erhaltenen Vertrage der beiden 
Städte vom Oktober 1180 hervor (gedr. Müller, Documenü relaz. Toscane coli* 
Oriente, n. 18, 20 — 23). Vermutlich wurde jener wie dieser auf 5 Jahre, somit 
im Jahre 1175 gesciilossen. Das im Vertrage ?on 1180 au^hobene Verkehrs- 
verbot für Venezianer nach Genua und für Pisaner nach Ancona wurde in dem 
von E. Heinrich VI. erzwungenen, in den übrigen Bestimmungen dem von 1180 
gleichgefafsten Vertrage vom 1. September 1196 (ungedruckt. Pisa, Archivio di 
State, Atti publici 1196, n. 8) wieder und vermutlich in wörtlicher Treue (wie 
1175) erneuert; er lautet: Item statutum est inter nos [Venetos] propter dis- 
cordiam, quae inter Pisanos et lanuenses et nos et Änconitanos est, et quia 
galeae nostrae semper in partibus Anconitanis pro ipsis capiendis frequen- 
tant et ne forte ab eisdem galeis nostris Pisanorum naves eorumque merca- 
totes aliquando impediantur, unde inter nos statttta concordia turbaretur 



468 AnmerkuDg 35 zu Seite 248—268. 

et diminueretar : nee ipsi Pisani Ancanam nee noa lanuam ire deheamya 
quousque inter eos et lanuenses et nos et Änoonitanoa discordia fuerit, Si 
vero äliquis Pisanorum Ancanam vadens aliquod dampnum vel molestiam 
aliquam ab hominibiM nostrü paastis fuerit, danec discordia inter nos et An- 
conitanos duraverit, nullam iustitiam facere d^amus iUi, qui dampnum vel 
iniuriam pcutsus fuerit. Et si aliquis Pisanus Anconam vadens offenderit 
aJiguem nostrum in persona vel rebus, totam iUius possessionem destrumt, 
et si possessionem non habuerit, de persona iUius, si fuerit inventa, vindic- 
tarn Pisani fatient, Quod si persona iUius inventa non fuerit, cum tUterius 
pro cive nee recipient neque habebunt. lüud idem fatiemus nostris, si lanuam 
iverint vel si euntes lanuam Pisanos offenderint. (Ich danke die Abschrift 
der Gefälligkeit der Herren Riccabdo Pbedelli in Venedig und Gilbebto Mioki 
in Pisa.) — Vertrag mit Wilhelm ü. s. oben 35/2 und dazu 33/3. Unzu- 
treffend ist die Darstellung der Vorgeschichte des Friedens bei Holzach, 8. 79 
bis 80; dafs dabei Enrico und Andrea Dandolo durcheinandergebracht werdeo, 
ist ein arger Verstofs. Herstellung der Verträge mit Manuel (nach dem Nor- 
mannenfrieden; die gegenteilige Anschauung Schiceidlebs, Duz und Comune 89 
bis 91, mufs ich, weU auf Grundlage einer m. £. irrigen Deutung der Friedens- 
artikel Ton 1175 fufsend, ablehnen): Niketas 226: ngdg rag ngoriQag fjt^tä tOp 
Bevitixiüv ^wd^xas änißlixpiv. 

5, Venezianer friede 1177. Literatur s. oben. Eine eingehende Dar- 
stellung der Friodensereignisse erachte ich hier nicht am Platze. Die ältesten 
Quellen zum Frieden zusammengestellt von Monticolo ed. Sanudo 327 — 329, 
A. 1. Es sind: Brief Alexanders lU. an EB. Boger von York, 26. Juni 1177. Mioke, 
Patrol. lat. 200, 1130 — 1131. — Bericht der drei Canonici von S. Peter in Rom 
aus dem — verlorenen — Libeb Malokus ; gedruckt von Monticolo ed. Sanudo 
326 f. — BosoKis Vita Alexahdri LEI. in Liber Pontif. ed. Duchesne 11, 437 
bis 443. — EoMüALD von Salerno (Hauptquelle), 446 — 458. — Bblatio de 
PAGE Veneta ed. Balzani, BuUettino Ist. Ital. 10, 3 — 12 (ca. 1200—1210 ver- 
fafst, nach Balzani von einem Engländer aus zweiter Hand nach dem Berichte 
eines engl. Augenzeugen). — Ann. Ven. bbev. 72. — Histob. dücum (enthält 
das ungemein reichhaltige und genau spezialisierte Fremdenverzeichnis) 83 bis 
89. — Die Urkunden Friedrichs für Venedig (aufser dem Faktum s. Anm. 17): 
Stumpf, Reichskzler, n. 4207, 4208, 4211. Alexander Hl. für Venedig: Jaff^- 
Loewenfeld n. 12880, 12890; Monticolo ed. Sanude 305—309. Über die ge- 
fälschte Ablafisbulle für San Marco Simonsfeld, SB. bayr. Akad. bist. EL 1897, 
II, 183—189; Monticolo ed. Sanudo 304—308 A. — Über die Anleihe Fried- 
richs im März 1177 in Venedig (Friedrich an Ulrich von Aquileja: DiUcHonem 
t%M,m attentissime commonitam et exoratam esse volumus, quatenus quanium' 
cumque pecuniae apud Venetos accredere potes, nobis intuitu amoris nosiri 
accredi facias.) Fez, Thesaurus anecdot. 6, 413—414; Petebs, 53—57. Über 
die „Populäres" s. Eichneb, 46—49, besonders Baeb 121 — 126; darüber 
noch Anm. 39/2. — Die Gresamtzahl der Fremden berechnet die Hisx. duc. 89 
auf 8420; aber die Angabe ist m. E. gerade wegen ihrer Crenauigkeit mit Vor- 



Anmerkaog 35 za Seite 248-268; 36 zu Seite 269—275. 469 

behalt aufzunehmen; die Chronik Quebini Stamp. 504 sagt ad undecim miüia 
ferunt traditiones, qtias plurts vidimus scriptas in diariis (Arch. Yen. 24, 
123). — Die Fabel über den Venezianerfrieden (darüber sehr gut schon Le Bbet, 
I, 367—375 und besonders Bomanin II, 110—117) fand ihre Ausbildung im 
14. Jahrhundert; zwar wird schon bei Canale 312 — 314 und Marcus 261 etwas 
fabuliert, aber die ausgebildete Fabel begegnet zuerst in dem lateinischen Cre- 
dichte Castellani Bassiakensis, Venetianae pacis inter ecdesiam et imperatorem 
libri duo, herausgegeben von Hobtis, Archeogr. Triestino 15 (1890), 1—52 und 
bei Petbus Calo von Chioggia; danach dann Dahdolo 301 — 304 und die späteren 
Chronisten. Vgl. hierzu Momticolo ed. Sanudo 296 — 297, A. 5 u. 6. Über die 
„Sensa" s. Anm. 22/4. 



Zum achten Kapitel. 
36) Zu Seite 269—275. Orio Malipiero. 

!• Aurio Mastropetro 14 J. C 1. Aurio MastroPetro, Aureus 
Magisterpetrus urkdl. Cecchetti, Frogramma, n. 5, S. 87, Eukuljeyic II, 
n. 298, 230 — 233. Die 40 Dogonwähler aufgeführt im Chbon. Just. 89 (nach 
HisT. DUO.?), in Dand. 315 sind die Namen erst später beigefQgt; in der Hand- 
schrift des Cod. Zanetti 400 finden sie sich nicht. Abdankung jedenfalls vor 
April 1192, weil im April 1201 urkundlich schon Tom 10. Begierungsjahr des 
Dogen Enrico Dandolo die Rede ist (im Üborfahrtsvertrage FBA. II , 12 , n. 92 
u. 93). Als Todestag gibt Chbon. Just. 90 den 13. Juni 1192 an. Über seine 
Regierung Amm. Ven. beev. 72 zusanunenfassond Chbon. Justin. 89—90 (ganz oder 
teilweise = Hist. ducum?) und Dand. 308 — 314. Literatur. Von den be- 
reits aufgeführten Darstellungen (Anm. 33/2) bes. Stbeit 18—20; Heyd I, 251 
bis 267 (228—242), 346—347 (314); femer Tafel, Eomnenen und Normannen, 
Ulm 1870; Toecue, Jahrbücher d. deutschen Geschichte, K. Heinrich VI., 1867. 

2. Vertrag mit Pisa, s. Anm. 35/4. Chbon. Just. 90; Dani>. 311; 
vgl. ToEcuE, Heinrich VI., 462, A. 4. — Zur Grescbichte der Zeit des Kaisers 
Andronikos aufser Niketas vor aUem Eustathios (Erzbischof von Thessa- 
lonike). De Thessalonica a Latinis capta. Edit. Bonn. 29. Über den Lateiner- 
mord Eustathios 394—396, 415—417 und Wilhelm von Tybus 1079—1085; 
keiner von beiden Autoren bringt etwas über eine Ermordung oder Schädigung 
von Venezianern. Dafs Andronikos die venez. Kaufleute ans den Kerkern ent- 
lassen (in die sie Kaiser Manuel eingesperrt ?) und die Entscbädigungsgelder zu- 
rückzuzahlen versprochen habe, die Manuel immer wieder schuldig geblieben, 
Chbon. Just. 90, 92; Dand. 309. Die Nachricht ist offenbar konfus und beruht 
in ihrem zweiten Teile wohl nur auf einer Verwechslung mit der Entschädigungs- 
urkunde Kaiser Isaaks vom Juni 1189. Bemerkenswert ist bei dem Mangel 
jeder anderen auf Venedig bezüglichen Quelle aus dem Jahre 1182 die urkdl. 
verbürgte Aussage zweier Venezianer (Andronicus Lugnanus de Canaledo und 



470 Anmerkoog 36 zu Seite 269—275. 

Johannes Michael de S. Ger?a8io) vom Juni 1182, dafo dem Schiffe, worauf sie 
waren, auf der Fahrt nach Griechenland am Cap Malea mehrere venez. Schiffe 
begegnet seien und zu sofortiger Umkehr geraten hätten; sonst würden alle den 
Tod finden; die Lateiner in Eonstantinopel seien discammissi (Abch. Ybx. 2, 118 
bis 119). Über die Erhebung des Isaak Angelos ygL die etwas fabolose 
Geschichte im Cubon. Just. 92 — 93. Chrysobullon , Quartiereinweisong Isaaks 
und die venez. Gegenurkunde, alle vom Februar 1187, endlich die Entschfidigungs- 
urkunde Isaaks vom Juni 1189 gedruckt FBA. ü, 12, n. 70—72 und 74 (179 bis 
203, 206—211); ZACHABiAE,IusGraeco-Eom.m,n.87— 90(517— 538). —Venedig 
und Ungarn in Dalmatien (1183 — 1192). Ahh. Vem. bbev. 72; Daxd. 
309 — 312, 314; Cubon. Just. 90. — Doge an die Stadt Zara (vor 1186): 
EuKULjEvic n, n. 161, S. 116 (. . , iüttd quod Jwmines de nostris gaieis nuper 
fecerunt, non fecerunt per noghrum preceptum nee per nagtram volunUttem, 
sed 9xcut . . . dicunt per illud, quod prius homines ipeius civiUitis sagütas 
evecerini ei süperbe tnulta mala verba dicebant severiter). F&r die Zeit- 
bestimmung des venez. Feldzuges gegen Zara: Anleiheurkunde vom Juni 1187, 
Romanin II, Beil. n. 7, 421—423 (cum stolo Veneciae ad obsidionem ladrae 
ire vel mittere debetia. Si in via eundo ,.. ad ladram vel inde huc redeundo 
aliguod damnum vobia advenerit, ...). Urk. vom Oktober 1187, Abch. Yen. 
10, n. 75, 346—347 (Petrus Marco iverat ad laderam cum exercitu Veneiiae). 
Dafs der Krieg mit Ungarn in den Winter 1187 hinein fortdauert: Anleihe- 
urkunde vom 7. Nov. 1187, gedruckt Mon. Hung. Hist Dipl. 11, n. 107, 170 
bis 173, EuKULjEvic II, n. 298, 230—233 (.., pro guerra quam cum Am- 
garie rege habemus ad galeaa in obaidionem Jadre mittendas . . . ; ob diese 
beabsichtigte zweite Belagerung von Zara stattfand, wird nicht berichtet). 
Die Berichterstattung der Ann. Yen. bbev. 72 und Dand. 311 über das mils- 
glückte Unternehmen gegen Zara vom Sommer 1187 ist sehr bezeichnend. Man 
lese sie einmal nach! Waffenstillstand 1188 und 1190 nach Dand. 312 u. 314. 
Im Mai 1190 heifst es in einer zaresischen Urkunde: poat beUum cum VentUa 
habüum et poat victoriam de caateüo in promontorio jTreni quondam erecto. 
EuKULJEvic n, n. 209, S. 157. — Ob Arbe und Pago noch von Orio Malipiero 
oder erst von Enrico Dandolo genommen wurden, wird nicht ganz klar. Jeden- 
falls setzte Dandolo in Pago einen Gomes ein. Dand. 811, 316; Chbok. Just. 
90. Enr. Dandolo 1192/3 gegen Zara (S. 276—277): Urk. 1193 September 24, 
gedr. MoN. Huno. histob. Dipl. 11, n. 117, 185 — 186. Ygl. auch Urk. Eukul- 
jEvic n, n. 225, 258, 272. — Der dritte Ereuzzug. Aufgebot des Dogen 
vom November 1188: FRA. II, 12, n. 73, 204—205; Reo. Hiebos. n. 679. — 
Yenezianer nach Syrien: Ann. Yen. bbev. 72 (^Et Venetici cum magno navigio 
et militea et magna muUitudo populorum ivit in adiutorium aancti septdcri). 
Dand. 312 — 314. Dafs Yenezianer vor Akkon lagen, geht aus £eo. Hibbns. 
n. 705 hervor. — E. Friedrich I. an E. Heinrich YI. (16. Nov. 1189): rogcanua..., 
quatenua . . . legatoa lanuam VeneUaa Anchonam atque Piaam et ad aUa 
loca pro galearum et fiocellarum transmittaa praeaidio, ut ConstantinopoHi 
circa Martium nobia occurrentea ipai per mare, noa vero per terram civitatem 



Anmerkung 36 zu Seite 269—275; 37 zu Seite 275—280. 



471 



oppugnemus. Stumpf, Beichsk. n. 4529; Ansbert, Historia de exped. Friderici 
imp. FKA. I (Scriptores), 5, 30. — Dafs ürban III. Venedig als Zufluchtsort 
ins Auge gefafst hat, Tneche 85 (ohne Beleg). — Coelestin m. fordert den 
Dogen von Venedig (ohne Namen) zur Hilfeleistung für den dritten Ereuzzug 
auf (23. März 1192): FRA. II, 12, n. 75, 211—212. — Bestätigung der venez. 
Freiheiten durch Konrad von Montferrat Yom 7. Mai 1191 : FRA. U, 12, n. 76, 
212—215; Rko. Hieros n. 705. — Über die Rolle von Genua und Pisa im 
dritten Ereuzzug bes. Hetd I, 251 — 267. Vgl. auch die zahlreichen Urkunden 
für beide Städte in Reo. Hierosol. — Heinrich VI. für Pisa: Stumpf, Reichs- 
kanzler n. 4686 und Acta n. 184 (grofse Privilegbestätigung) femer n. 4660, 
4745, 4883, 4886, 5088. — Heinrich VI. för üenua (30. Mai 1191): Iiber 
lüRiuM REiP. Genüensis 369—373. Chrysobullen Isaaks f&r Pisa (Februar 1 192) : 
Zachariae, Ius Graeco-Rom. HI, n. 92, S. 539—552. — Abkommen mit Ferrara 
(26. Oktober 1191) gedr. Minotto, Documenta adFerrariam, Rhodigium, Polidnum 
ac Marchiones Estenses spectantia. Ul, 1 (1873), S. 7. 

37) Zu Seite 275—280. Jahre U92— 1198. 

1. Henricus Dandulo, 13 J. C 1. Henricus Dandnlus und Dan- 
dulo urkundl. Von den Namen der 40 Dogen Wähler (Chr. Just. 90—91; 
Dand. 333) gilt dasselbe wie oben Anm. 36/1. 

Stammbaum der Dandoli im 12. Jahrhundert (nach Streit, Beil., Anm. 

48, dem ich die Verantwortung für die Richtigkeit überlassen mufs): 

Domenico Dandolo 
Gesandter 1084, Zeuge 1107 



Vitale 
1122 



Carlo 



Pietro 



Enrico, Patriarch 
von Grado 
1130-1188 



Enrico 

Doge 

1192-1205 

I 



Andrea 
Zeuge 1153 
Judex 1175 



I 



Marino 
Zeuge 1192 



Vitale 

Judex 1161 

Gesandter 1175 

I 
Giovanni 

nachweisbar in 

Konstantinopel 

1184 



Marco 
Prokurator 1160 
nicht zu verwechseln 
mit Marco, dem Her- 
zoge von Gallipoli 
1205— 1240, anderer 
Verwandtschaft. 



Renier 
Vizedoge 1198—1205 
Nach Sanudo 527 hätte Herr v. Andres 
der Doge aulser Renier 1207—1233. 
noch einen Sohn Fan- 
ti no , späteren Patriar- 
chen von Konstantinopel, 
(irrig) und eineT c h t e r 
gehabt, deren Gemahl 
BoNiFACio von Mont- 
ferrat gewesen sei (ge- 
wifs auch nicht richtig). 

Ein im Museo cirico Correr erhaltener Siegelstempel Enrico Dandolos 
dürfte vermutlich unecht sein, Ceochetti, Doge 296. — Über die Persönlich- 
keit Enrico Dandolos: Nketas 713, 790. Brief des Gfn. Huoo von S. Paul: 
FRA. U, 12, S. 307. Villehardoijin ed. Beuchet c. 12, 15, 18, 36, S. 12, 18, 



473 Anmerkung 37 zu Seite 275—280. 

20, 46 u. a. a. 0. Günther von Paris in Exuviae sacrae ConBtantinopolitanae (s. 
unten) I, 91, 99; Eist. dug. 94. Cubon. Novgoeod 98. Ibn el Athir inFRA. ü, 
12, 461. Thomas Spal. ed. Kacki, 84. Daxd. 316. Chron. Just. 90. Über seine 
Blindheit s. Anm. 35/4. ürk. 16. Aug. 1192, Cecchetti, Programraa 57 und 
andere tragen ein Signum des Dogen; konnte er nicht schreiben (?) oder war 
es, weil er blind war? Sein hohes Alter ist allgemein bezeugt; spezielle An- 
gaben über seine Lebensjahre liegen erst in der späteren Überlieferung vor. So 
ist er nach Sanudo 527, der dies wohl schon aus früheren Nachrichten &be^ 
nimmt, 85 jährig zum Dogat gekommen, 97 jährig gestorben. Auch Streit 21 
folgt dieser Nachricht Ihre Richtigkeit ist aber doch sehr fraglich. Als Todes- 
tag gibt Dand. 333 den 1. Juni an; nach Villehardouin ed. Beuchet, c. 210, 
272 starb er um Pfingsten (29. Mai). Über die Todesursache eingehend Niketas 
813—814. Dafs die Todesnachricht am 20. Juli nach Venedig kam, u. a. 
Sanüdo 535. Über die Beisetzung der Leiche in S. Sophia in Konstantinopel 
ViLLEU. c. 210, 272; Hist. duc. 94; Dam). 333. Eingehend in Raxntjsius, De 
hello Ck)nstantinopolitano 1624, 214—215. Darüber Paspah, Arch. Yen. 19, 
358—359 und Barozzi, Sulla tomba di doge Enrico Dandolo a Ck>8tantinopoli 
Arch. Ven. Nuov. 3 (1892), 213. 

2. Anfänge von Dandolos Regierung. A^of. Ven. br. 72. — Daxd. 
315—320. — CJhron. Just. 90 — 92. Literatur wie Anm. 36/1, besonders 
Baer 63—67, Streit 20—23, Heyd I, 260—262 (236-238); Norden. Der vierte 
Kreuzzug 30—32 und überdies die Literatur zum vierten Kreuzzug. Vertrag mit 
Verona (21. September 1192 und 4. Oktober 1193): Druck von CJn*OLLA, Nuovo 
Arch. Ven. 15, 307—318. Dafs die Feindschaft zwischen beiden Städten im 
Dezember 1191 noch voll bestand: Urk. vom 6. Dez. 1191. Nuovo A. V. 15, 
303. — Fremden aus Weisung (6. August 1192): Cecchetti, Programma 
S. 56—57. Der Charakter des adriatischen Grebietes nordwärts von Ancona- 
Ragusa als venezianische Interesseusphäro tritt auch in dieser Urkunde deutlicfa 
hervor. — Pisanerkrieg 1195 — 1 196: Ann. Ven. hr. 72; CtaioN. Just 91; 
Dand. 317; dazu die Anleiheurkuude von Abjdos vom März 1196: Romanin U, 
Beil. n. 6, 415—421 ; FRA. II, 12, n. 78, 216—225. Vertrag vom 1. September 
1196, 8. Anm. 35/4. Für das siegreiche Venedig war der AbschluTs des Vertrages, 
der nur die Herstellung des Status quo von 1175 (?) bedeutete, ein Opfer; aber 
wenigstens hatte es vertragsgemäfs in Ancona vor den Pisanem Ruhe. Die 
Quellen über den Krieg sind unklar und widersprechen sich, die vorhandenen 
Darstellungen m. E. keine ganz zutreffend. — Heinrich VI. für San Marco 
in Palermo (Januar 1195): Stumti' n. 4899. Druck Toecue 630, n. 39; dazu 
671. Für S. Michele di Murano (Mai 1195) und S. Ilario (August 1196): 
Stumpf n. 4935, 5027. Über das Paktum s. Anm. 17. — Alexios III. Über 
die Verhandlungen Enrico Dandolos mit ihm Dand. 318 — 319. Über die 
Stellung der Pisaner in Konstantinopel, unter ihm: Niketas 713. Sehr be- 
merkenswert ist die in Original im Venezianer Staatsarchive Canoelleria Secreta 
Ck)mmissioni Busta 1, n. 15 erliegende, bei Arminoaud 426—427 A. unkorrekt 
gedruckte Instruktion Enrico Dandolos für seine Gesandten Henrico Navagaiosa 



ADmerkuQg 37 zu Seite 275—280. 47S> 

und Andrea Donato am griechischen Hofe vom Jahre 1197; das einzige Stück 
dieser Art. Ich veröffentliche es neuerlich nach einer mir von Riccardo Predelli 
gütigst zur Verfügung gestellten Abschrift. Es lautet: Nob Henricus Danda- 
lu8 dei gratia Venetiae Bcdmatiae atque Chroatiae dux commiUimtM vdbis 
H. Navigaioso et A, Donato legatis nostris, ut facta salutettiane domino im- 
peratori et nostria lüteris preaentatis factoque sermonis veatri exordio de 
introitu eins, sicut vobis Providentia vestra suaserit, cum vener itis ad Uga- 
tionis radicem : Si ipee voluerit, quod simphonia, sicut facta fuit, iurari de' 
beat, fiat Si vero de capitulo regis Sicilie, quod continetur in ea, verbum 
moveret et diceret, quod tempua iüud iam transiit et teilet ponere nominatim, 
quod contra Siciliam et Apuliam deberemus eum iuvare: dicite, quod no» 
super verbo illo non cogitavimus et nichil inde vobis dedimus in commissum, 
wnde non possetie inde aliquid facere. Set si vult eam postposito verbo illo 
de facto Sicüie et Apulie, fiat. Aliter autem non. Et si non aliter eam 
veüet, sapienter curetis irahere nuntios suos ad nos. Si autem et de capi- 
tulo imperatoris Alamannie faceret mentionem et veüet capitulum Ulud sub- 
trahere, dicetis quod pure vos misimus et sine fraude nee posuimus men-- 
tem ad ista nee inde vobis aliquid diximus, Quare non aUter possetis facere^ 
nisi sicut diciiur, et si non eafm) aliter vellet nisi capitulo extracto, non fa- 
ciatis, set curetis trahere ad nos missos stws. Si vero conscenserit et 
voluerit eam, sicut est dictum, iurate vos verbo nostro et nuntii alii, si ibi 
erunt, et si non, vos soli, quod nos simphoniam ipsam per homines Veneticos 
fatiemus, sicut solet, iurari bona fide et öbservabimus iUam, Si tamen ipse 
miserit vobiscum nuntios suos et miserit nobis per eos chrisobula siia ad hoc, 
quod ea debeamus habere continentia ea, que alia continent, qup habemus, 
et dederit vobis vd miserit pariter per nufUios illos st*os quadringen-- 
tas librcu yperperorum, qup nobis dari debent pro annis duöbus, et si nollet 
mitiere aut dare quadringentas , si saltem ducentca dederit cel miserit, fa- 
tiatis. Quod si nee etiam ipsas ducentas dare vellet nee mittere, si nobis 
crisohula miserit ad hoc, quod ea debeamus habere, nee remaneat propter 
hoc. Freterea comittimus vobis, ut si pro facto Pisanorum apparuerit ne- 
cessarium aUquid expensare, cum conscilio prudentum virorum, qui erunt 
in Constantinopoli , qtii sacramenio districti sint super facto iUo fideliter 
et sine fraude tractare, expeiidite de introitu dati veteris et novi, quod ap- 
paruerit vobis et Ulis. Et si verbum fieret de concordia fatienda inter nos 
et ipsos, stantibus capitaneis stoli adhuc in servitio nostro, cum eorum con- 
scilio et aliorum prudentum virorum, qui districti sint sacramento super facto 
ülo, sicut apparuerit vobis in quantitcUe numeri ') postestatem Jiabeatis fa- 
tiendi cum eis, quod visum fuerit nobis et illis. Si vero capitanei ipsi iam 
recessissent et verbum fieret de fatienda concordia, vos sicut bonum vobis 
videbitur et illis, quos districtos habueritis ad conscilium, facite. Vgl. dazu 



1) Original : . . . prudentum virorum sicut apparuerit vobis in quantitate 
numeri qui districti sittt sacramento super facto iUo potestatem Jutbeatis . . . 



474' 5 ÄDmerkuDg 37 zu Seite 275—280; 38 zu Seite 280—322. 

D-\ND. 318. Das ChrysobuUon vom 27. September 1198 gedr. in FRA. II, 12, 
n. 85, 246—280 und Zaciuriae, Ius Graeco-Rora. III, n. 95, 553—565. — 
Treyiso und Aquileja. Dafs es in den Jahren 1198—1200 zu Konflikten 
zwischen Venedig und TreFiso gekommen ist (Dam). 320), erhellt aus den im 
Liber pactorum primus (Venedig f^ 143—144, Wien f<>. 231—232) enthaltenen 
Vertrage beider Städte vom 11. August 1199 und besonders aus dem auch 
sonst bemerkenswerten Vertrage Venedigs mit Patriarch Peregrin von Aquileja 
vom Juni 1200 (Liber pactorum primus, Venedig 133—134, Wien 214 — 216), 
-den auch Dand. 320 im Auszuge mitteilt S. auch Anm. 41/2. i 

^8) Zu Seite 280—322. Der vierte Krenzzug. Siebe 
Kartenskizze IL 

Quellen. 

Klimke, Die Quellen zur Geschichte des vierten Kreuzzugs, Breslau 1875. 
Scharfsinnig und tüchtig; gleichwohl weder formell noch sachlich einwandfrei 
Es fehlt jede Übersichtlichkeit; nicht einmal über die Ausgaben kann man sich 
rasch orientieren, und die persönliche Meinung des Verfassers ist oft von der 
-der Quelle kaum auseinanderzuhalten. Aufserdem sind die Quellen keinesw^ 
vollzählig gewürdigt, nicht einmal aufgezählt. Kein Wort über die Korrespon- 
denz Innozenz* UI., Villehardouin ist nicht genügend behandelt, die yeneiiani- 
schen Quellen fehlen ganz. Wertvolle Bemerkungen und Ergänzungen in Riakt, 
Exuviae sacrae Constantinopolitanae , 2 Bde., Grenf 1877, I, xxrn — xxxyn u. a. 
^nd. 0. und Riant in der Revue des questions histor. 23, 73 — 78. Wenig zu- 
reichend ist HoDosoNS Excursus on the souroes for the histoiy of the fonrth 
Crusade (The early history of Venice 428—438). — Die empfindlichste Lücke in 
der Überlieferung ist der Mangel an venezianischen Quellen. Wir besitzen aufser 
einigen, nicht sehr zahlreichen Dokumenten keine gleichzeitigen venezianischen 
Berichte über das gröfste Elreignis der heimischen Geschichte. Sonst ist das 
Quellenverhältnis ein zufriedenstellendes, wenn auch die vorhandenen Nachrichten, 
oft einander widersprechend, keineswegs hinreichen, über viele gerade der wich- 
tigsten Fragen volle Sicherheit zu gewinnen. Ob die erhaltenen Quellen voll- 
ständig bekannt sind, ist sehr die Frage. Auf Grund unserer derzeitigen Quellen- 
kenntnis aber wird eine entscheidende Losung aller Streitfragen über die Ge- 
schichte des Kreuzzuges sich nicht erzielen lassen. Eine eingehende Gesamt- 
geschichte mit Berücksichtigung der Forschungsergebnisse der letzten Jahre wäre 
noch zu schreiben. Bisher ist in dieser Hinsicht noch immer die Darstellung 
im 5. Bande der „Geschichte der Kreuzzüge" von Wilken (7 Bde., Leipzig 1807 
bis 1832) das Beste, was wir haben, und dem glänzend geschriebenen, aber doch 
«igentlich unwissenschaftlichen Buche von Peabs (s. unten) an innerem Werte 
überlegen. 

Urkunden. Zum gröfsten Teile zusammengestellt von Tafel und Thomas in 
FRA. n, 12, n. 80 bis n. 160, 227-574. Dazu „Addenda" in FRA. H, 14, 463 
bis 466. Darunter von hohem Werte auch als beschreibende Quellen: Epistola 



Anmerkung 38. Der vierte Kreuzzug. Quellen. 475 

baronum crucesignatorum (Herbst 1203) FRA. II, 12, n. 111, 428—431, 
über die Ereignisse vor Zara und die erste Belagerung von Konstantinopel. — 
Epistola Hugonis comitis S. Pauli (Ende 1203) FRA. U, 12, n. 88, 304 
bis 311, besonders über die erste Belagerung von Konstantinopel. — Epistola 
Balduini imp. ad Papam (nach Mai 1204) FRA. II, 12, n. 122, 501 bis 
^11, besonders über die zweite Belagerung von Konstantinopel. — Die Korre- 
spondenz Innozenz' III. ist nirgends vollständig veröffentlicht. Die wich- 
tigeren Stücke zur Kreuzzugsgeschichte sind in FRA. II, 12 und 14 gedruckt. 
Im übrigen sind die Briefsammlungen in Miqne, Patrologia Latina 214 und 215 
und Baluze, Innocentii epistolae einzusehen; dazu Potthast, Regesta Ponti- 
£cum. Vieles gerade zur Kreuzzugsgeschichte wird verloren gegangen sein. Wie 
es an der Kurie eine Spezialregistratur „super negotio Romani imperii** (1198 
bis 1209) gegeben hat, so wohl auch über die Kreuzzugssache und das Kirchen- 
vereinigungsprojekt ; aber nichts davon ist erhalten. Wohl möglich, dafs auch 
^e erhaltenen Briefe von und an Innozenz III. noch nicht vollzählig bekannt 
geworden sind. 

Schriftsteller. — Griechen: Niketas, Historia, ed. Bonn. 10, 710 
bis 868. Griechische Hauptquelle. Im allgemeinen verläfslich. Voll HaTs gegen 
<lie Lateiner und besonders Dandolo, den er die Seele aller gegen Griechenland 
gerichteten Machenschaften nennt, aber auch den Angeli und besonders Alexios 
Dukas, dessen Bild er aus persönlicher Feindseligkeit arg verzeichnet, nicht hold. 
Die Darstellung bei allem Schwulste pathetischer Rhetorik gelegentlich doch von 
ergreifender Kraft und Schönheit. Vgl. Klimkb 67—70. — Georgios Akro- 
polites, XQovufii avyyQa(fii (lebt 1217—1282), ed. Bonn. 29; neuherausgegeben 
von Heisenbebg, Bibliotheca Teubneriana, 2 Bde., 1903. Schon mit Sagen durch- 
setzt, hat aber einige von Niketas unabhängige Nachrichten und ist Über die 
Schicksale der vertriebenen Kaiser gut unterrichtet. S. Klimke 70 — 71. — 
Spätere griechische Quellen (Nikephobos Gbegobas, Laonikos Cualkomdtlbs, 
Geobgios Phbantzes) aufgeführt in FRA. II, 12, 454—456. Ihre Nachrichten 
sind ohne Bedeutung. — Franzosen und Flamänder: Villehardouin, 
Geoffroi de, La conquete de Ck)nstantinople. Vielfach herausgegeben; dar- 
unter die Ausgaben von Du Camoe und von Wailly w^en der beigegebenen 
Noten wichtig. Verzeichnis der hauptsächlichsten Ausgaben (auch in neu&an- 
zösischer , englischer und deutscher Sprache) in der Edition von Bouchet (Paris 
1891, 2 Bde., II, 317—329), nach der ich zitiere. Abendländische Hauptquelle. 
Eines der gröfsten Denkmale romanischer Erzählungsliteratur. Villehardouin, 
einer der „sire de Vost*', der Eingeweihten des vierten Kreuzzuges, ist mehr Di- 
plomat als Soldat. Seine Sympathien gelten vor allem Dandolo und hernach 
Bonifacio. Weil Partei, als Quelle nicht durchaus verläfslich; in jüngerer Zeit 
aber m. E. in bezug auf seine Glaubwürdigkeit doch zu gering eingeschätzt. 
DaTs er ein Eingeweihter war, mag wohl bedingen, dafs er mancherlei ver- 
schweigt, aber doch noch viel mehr, dafs er vor allen anderen gut unterrichtet 
ist. Klimke 3—6 ist m. E. mehrerenorts zu korrigieren. — Clary(Clari), 
Robert de, La prise de Constantinople. Gedr. von Hopp, Chroniques Greoo- 



476 AumerkuDg 38. Der vierte Kreuzzug. Quellen. 

Romanes, Berlin 1873, 1—85. Dazu Hopf in der Einleitung YU — XTTI ; eingehend 
Elimke G— 18 ; auch Rambaud in Memoires de Tacademie de Caen, 1873. Quelle 
ersten Hanges. Der Verfasser ist ein ärmerer Bitter aus der Pikardie, Teilnehmer 
am Kreuzzuge, guter Erzähler und guter Kenner der Stimmung und Meinungen der 
Nichteingeweibten ; chronologisch wenig zuverlässig. — Peter von Yanx- 
Cernay (Fe tri Yallicernensis), Historia Albigensium, gedr. Boüqubt- 
Delisle, Recueil des historiens des Gaules et de la France XIX, 23 ff. Y^ 
RiANT, Exuviae I, xxv, lxii. Über die Ereignisse vor Zara nach Angaben des 
Teilnehmers und Augenzeugen Abtes Guido von Yaux-Cemay, eines Führers der 
intransigenten Kreuzzugspartei, Onkels des Yerfassers. — Anonymus Sues- 
sionensis (Soissons), gedr. Riant, Exuviae I, 3—9; dazu Riaht ebenda uv 
bis LY. Kurz zusammenfassend. Nach Angaben des Bischofee Niveion von 
Soissons, eines der Hauptteilnehmer der Kreuzfahrt, noch bei dessen Lebseiten, 
also vor 13. September 1207 verfafst. — Chronicon Alberici monachi Trium 
Fontium (Trois -Fontaines, Diöz. Chalons) a monacho Novi Monasterii 
Uoiensis (Neomoutier bei Huy, Diöz. Lüttich) interpolata. Alter Druck: 
Leibniz, Acoessiones ad bist. Scr. rer. Grerm. 11 (1698). Neuer Druck: MG. SS. 
23, 674-950. Ygl. Klimkk 25-32; Böhmeb-Wilhslm , Register zu Reg. Imp. 
Y (1901), Lxxxvn. Bericht eines namentlich über griechische Dinge gut unter- 
richteten Augenzeugen. — Rigordus, De gestis Philippi Augusti regis, gedr. 
Bouquet-Delisle XYn, 56. Gleichzeitig. Kurze, aber nicht unwichtige Nach- 
richt. — Balduin Constantinopolitanus. Druck: FRA. ü, 12, 293 bis 
304. Geschrieben nach 1219. Der Yerfasser ist ein vlämischer Geistlicher, dw 
die Reste einer offiziellen lateinisch - kaiserlichen Reichsgeschichte zu einer Dar- 
stellung verwertet, die sich mit der des syrischen Schriftstellers Ebnoul (s. unten) 
und der gleich zu erwähnenden anderen französisch-flamändischen Chronik enge be- 
rührt; voll Sagen und Legenden. YgL Klimke 36 — 42; Norden (s. unten) 23, 
80, 97; Hakotauz (s. unten) 77. — Chbonicon Gallicum iüeditum (alias 
BouDouiN d'Avesnes), ^edr. FRA. II, 12, 328—358. Greschrieben um 1220 bis 
1230. Teils nach Yillehabdouim, teils nach denselben Quellen wie Bald. Cobst. 
und Ernoul gearbeitet. Kommt kaum in Betracht. Noch weniger ist dies bä 
den in FRA. II, 12, 315 — 328 bruchstückweise gedruckten Livbe db la cox- 
QUE8TE de LA MoB^E uod Croisade DE CoNSTANTiNOPLB dor Fall, dlo boldo aas 
denselben Quellen wie Boudouin d'Avesnes schöpfen. — Yon geringem Belange 
sind auch die in FRA. II, 14, 453—458 mitgeteilten Stellen aus den Chroniken 
Wilhelms von Nanois (Chronicon Guilelmi de Nangis, gedr. Bouquet - Dblislb, 
Recueil des bist, des Gaules de la France XX, 750 f. ; geschr. 13. Jahrhundert), 
Roberts von Auxerre (Roberti Altissiodorensis ad S. Mariannm canonici Prae- 
monstratensis chronologia, gedr. Bouquet-Delisle XYIII, 247 ff.; geschr. im 
frühen 13. Jahrhundert), des Anomtmus von Laon (Anonymi chronicon Laudo- 
nense, gedr. Bouquet-Delisle XYIII, 702 ff.; MG. SS. 16, 443—457; geschr. An- 
fang des 13. Jahrhunderts) und des Abtes Johannes yon S. Bebtib ih Ypebb 
(Joannis Iperii chron. Sythiense sive Sancti Bertini, gedr. Bouquet-Delisle XYHI, 
601 ff.; Johannes ist Abt ?on 1366-1383). — Yenezianer: Historia du- 



AnmerlniDg 38. Der vierte Kreuzzug. Quellen. 477 

cum 94. Ist nur flir die letzte Zeit der Belagerung Eonstantinopels erhalten; 
für den früheren Verlauf sind wir auf das Chbonicon Justiniani 92 — 94 an- 
gewiesen, wobei es freilich recht fraglich ist, wie weit dieses wörtlich aus der 
Historia ducum geschöpft hat und deren Wortlaut wiedergibt. — Canale 
318/319 — 344/345, augenscheinlich schon mit romanhaftem Detail versetzt. — 
Sanuto Torsello, Lib. fid. crucis; die einschlägige Stelle gedr. FEA. ü, 12, 
287. — Petrus Calo, hauptsächlich über Beliquien ; einschlägige Partie gedr. 
von RiANT, Exuviae I, 179—182. — Dandolo 320-333 (FRA. U, 287-293); 
wenig beträchtlich. — Die weitere Entwickelung der venezianischen Überliefe- 
rung ist eine Frage für sich und wird wohl von Monttcolo im Fortgange seiner 
Sanudoausgabe mit gewohnter Gründlichkeit behandelt werden. Für die Dar- 
stellung des tatsächlichen Ablaufes der Ereignisse von 1202—1204 ist sie gleich- 
gültig. Zwei der spätvenezianischen Quellen verdienen übrigens einige Aufmerk- 
samkeit: 1) Paulus Bannusius (über die Familie s. Cicoona, Iscriz. II, 310 
bis 337), De hello Constantinopolitano et imperatoribus Comnenis per Gallos et 
Yenetos restitutis historia, Yenetiis 1576, 1609, 1634 (mit bemerkenswerten 
Nachrichten über die Beute, namentlich in Beliquien), von Girol. Bannusio ins 
Italienische übersetzt (1604) und von Andrea Morosini als Kimprese ed espe- 
dizioni di terra Santa 1627 umgearbeitet, und 2) Paolo Morosini, Historia 
di Yenetia, 1637, mit Nachrichten aus einer unbekannten, von Niketas differieren- 
den Quelle, vgl. Biant, Exuviae I, ccxv— ccxn. — Andere Italiener und 
Dalmatiner: Gesta Innocentii III. papae (1198 — 1207). Gedr. an 
verschiedenen Orten, hier zitiert nach Mione, Patrologia Latina 214. Quelle 
ersten Banges. Eigentlich doch nur eine Kompilation aus den Briefen des Papstes, 
und wo sie darüber hinausgehen, vielfach — namentlich chronologisch — nicht 
verläfslich. Elkan, Die Gesta Innocentii III. im Yerhältnis zu den Begesten 
desselben Papstes, Diss. Heidelberg 1876 war mir nicht zugänglich. — De- 
vastatio Constantinopolitana. Gedr. von Hopf, Chrom'ques Greco-Bo- 
manes 86 — 92. Quelle ersten Banges. Nach Klimke 61 — 64 Werk eines süd- 
deutschen Klerikers, nach Tessiers (s. unten) einleuchtender Begründung (15 — 27, 
241 — 243) eine von einem Begleiter Bonifacios von Montferrat verfafste Chronik, 
vielleicht das Fragment einer offiziellen piemontesischen Darstellung. — Chro- 
nicon Tolosani canonici Faventini (Faenza), gedr. in Documentx di storia 
Itauana, herausgegeben von der Deputatione sugli studi di storia di Toscana eoc. 
6, 589 ff. (682—684). Ungefähr gleichzeitig. Bedeutsam für die Ereignisse auf 
Korfu. — Yon geringer Bedeutung sind die Chroniken des Bischofs Siccard 
VON Cremona (Sicardi Cremonensis ep. chronicon, gedr. Muratori, Scr. B. Ital. 
YH, 529—642; neuestens MG. SS. XXXI; einschlägige SteUe in FBA. U, 14, 
459 ; Yerf. wurde Bischof im Jahre 1185, starb 1215), des Bicobald von Ferraba 
(Bicobaldi Grervasii Ferrariensis Pomarium Bavennatis ecclesie seu historia im- 
peratorum, gedr. Mitratori IX, 107 — 144 [262]; lebt im späten 13. Jahr- 
hundert) und des Predigermönches Pifik von Bologna (Chronicon fratris Fran- 
dsci Pipini Bononiensis, gedr. Muratori IX, 587—752; geschr. um 1320). — 
Yon groüserem Belange ist Thomas von Spalato, Historia Salonitana, ed. 



478 Anmerkung 38. Der vierte Kreuzzog. Qaellen. 

Racki (3Ionum. spect bist. Slav. merid. 26), 82 — 85 über die Geechehnisee vor 
Zara. — Deutsche: Guntber von Paris (Gontberi Pansiensis), Uistoria 
Constantinopolitana , gedr. von Rllnt in Exaviae I, 57 — 126; bierra ebenda 
LxxY— xciv; EuMKE 47 ff. Quelle ersten Banges, nacb dem Diktate des Abtes 
Martin des Klosters Paris (im Oberelsafs, westlicb von Kolmar), eines Teilnebmers 
der Kreuzfabrt, gescbrieben. — Gesta episcoporum Halberstadensium 
(alias Cbronicon Halberstadense, Anonymus Halberstadensis), gedr. MG. SS. 23,, 
78 — 123. Das auf den vierten Ereuzzug Bezug babende Stück als Anonymus 
Halberstadensis gedr. von Biant in Exuviae I, 10 — 21. Hervorragende Quelle 
namentlich für die Ereignisse bis zum Mai 1203. Nach Au&eichnungen und 
Mitteilungen des Bischofs Konrad (Krosigk) von Halberstadt, eines der vor- 
nehmsten deutschen Teilnehmer der Kreuzfahrt, verfafst, ähnlich wie der Ano- 
nymus SuESSioNKNsis uach Angaben Nivelons von Soissons. YgL Kldike 59 — 61, 
RiANT, Exuviae I, lv-lx. — Godefridus Coloniensis (alias Annales 0>- 
lonienses maximi), gedr. MG. SS. 17, 729—847. Ungefähr gleichzeitig. Kurz, 
aber nicht unwichtig. S. Klimke 42. Die anderen deutschen Quellen, die mit 
einigen Worten des grolsen Ereignisses gedenken, können füglich aufser Betracht 
bleiben. — Engländer: Radulphi Coggheshalae abbatis (seit 1207 
Abt von C!oggeshall bei Colchester in Essex) Cbronicon Anglicanum, teüweise 
gedr. Bouquet-Delisle XVIII, 59 ff. Das einschlägige Stuck auch in FRA. II, 
14, 452 — 453; geht vermutlich auf persönliche Mitteilungen eines Teilnehmers 
zurück. RiANT, Exuviae I, xxvi. — Russen: Chronista Novgorodensis 
(ein Stück der Chronik von Novgorod). In lateinischer Übersetzung des russi- 
schen Originals gedr. von Hopf, Chron. Greco-Romanes 93—98 ; dazu Einldtung 
XTV-XY. Wichtige, aus Nachrichten eines Augenzeugen fliefsende Quelle; nicht 
griechischen (Klimke 71 — 76, der als Verfasser einen Kleriker von 8. Sophia 
vermutet), sondern russischen Ursprungs. Hopf 1. c. , Riant, Exuviae I, xxn. 
Ob nicht noch mancher solche russische Bericht, unbekannt oder unzugänglich, 
vorhanden ist? — Syrer: Continuation de Guillaume de Tyr 1184 bis 
1277 (Ucstoire de Eracles empereur e la conqueste de la terre d*outremer). (xe- 
druckt in Recueil des uist. de croisades, Hist. oocidentaux II, 1859. Ver- 
fasser nicht mit Gewifsheit zu ermitteln. Als Verfasser des bis 1230 reichendeD 
älteren Teiles wird u. a. der Syrer Ernoul (Amoldus de Ibelino) bezeichnet, 
doch ist ein sicheres urteil kaum zu flUlen. Ernoul ist Zeitgenosse des vierten 
Kreuzzuges, hat die letzten schweren Zeiten des Königreichs Jerusalem mit- 
gemacht, gehört zur eigentlichen Kreuzzugspartei und ist voll Feindselig- 
keit gegen die Venezianer. Die ihm zugeschriebene (mit dem älteren Teile 
der „Continuation** jedenfalls engst verwandte) Chronik ist gedruckt als 
Chroniqüe d*Ernoul von Mas Latrie in den Schriften der Sodete de Thistoiie 
de France 1871. Vgl. dazu Streit 3, Hetd I, 441—445 (400—404), Kumke 
32—36. — Araber: Ihn el-Athir, Cbronicon. Gredr. Recueil des hist. 
CR0I8. , Hist. orientaux I. Die einschlägigen Stellen mitgeteilt in FRA. Hy 
14, 459—462. Nach einer griechischen Quelle etwas flüchtig gearbeitet. Dazu 
Kllmke 76—79. 



Anmerkuiig 38. Dez vierte Kreuzzug. Literatur. 479^ 



Literatur. 

Aolker den mehrfach genannten Ereazzagswerken allgemeiner Art, aus denen 
die grundtüchtige Darstellung Wilkens (s. oben) noch einmal hervorgehoben' 
sei, nnd den später gelegentlich zu nennenden Arbeiten kommen in Betracht: 
Medowikoff, Die lateinischen Kaistr in Konstantinopel, Moskau 1849 (russisch). — 
La Farina, Studi del secolo XIII, Bastia 1857. — Mas-Latrie, Histoire de 
Tile de Chypre I, Paris 1861. — Hopf, Geschichte Griechenlands im Mittel- 
alter: Der vierte Kreuzzug. Enzyklopädie von Ersch und Gruber 85, Leipzig 
1867. — WiNKELXANN, Jahrbücher der deutschen Geschichte: Philipp von 
Schwaben und Otto von Braunschweig I, Leipzig 1873, Beil. XI. — Wailly, de, 
Geoffiroi de Villehardouin : Eclaircissements, Paris 1874. — Riant, Comte de,^ 
Innocent III, Philippe de Souabe et Boniface de Montferrat Revue des question» 
bistor. 17 u. 18, Paris 1875. Dazu Winkelhann in der Jenaer Literaturzeitung 

1876, n. 1. — Klimke, Die Quellen zur Geschichte des vierten Kreuzzugs, Breslau 
1875. — Thomas, Der Doge Heinrich Dandolo und der Lateinerzug gegen Eon- 
stantinopel, Münch. AUg. Ztg. 1875, Beil. n. 356. — Streit, Venedig und die^ 
Wendung des vierten Kreuzzuges gegen Konstantinopel, Anklam 1877. — Hopf,. 
Bonifaz von Montferrat und der Troubadour Rambaut von Vaqueiras, Berlin 

1877. — RiANT, Exuviae sacrae Constantinopolitanae, Genf 1877 (2 Bde.), Ein- 
leitung zum ersten Bande. — Hanotaux, Les V^nitiens ont-ils trahi la ehre- 
tiente en 1202 ? Revue historique IV, 1877. — Riant, Le changement de direc- 
tion de la quatri^me croisade. Revue des questions histor. 23, Paris 1878. — 
Hetd, (beschichte des Levantehandels, 1. u. 2. Auflage (1879 und 1885), I. — 
Wasiljewskij, Kritische und bibliographische Notizen, Monatschr. d. Minist. fUr 
Volksaufklarung 204, Petersburg 1879 (russisch). — Tessier, Quatri^me croisade. 
La di Version sur Zara et Onstantinople, Paris 1884. — Cerone, II papa ed i 
Veneziani nella quarta crociata, Arch. Yen. 36, 57 f., 287 f. — Pears, The M\ 
of Constantinople, London 1885. — Baer, Die Beziehungen Venedigs zum Kaiser- 
reiche in der staufischen Zeit, Innsbruck 1888, S. 69—83. — Mitrofanoff, de, 
Die Veränderung in der Richtung des vierten Kreuzzngs, Byzant. Annalen, herausg. 
von der Kais. Akad. der Wissensch. in Petersburg, 4, 1897, S. 461 — 523. — 
GüLDNER, Über die Versuche Papst Innozenz' III., eine Union zwischen der 
abendländischen und morgenländischen Kirche herbeizuführen, Diss., Tübingen 
1893. — Norden, Der vierte Kreuzzug im Rahmen der Beziehungen des Abend- 
landes zu Byzanz, Berlin 1898. Hierzu die einscblägigt n Partien aus des- 
selben Verfassers Boche „Das Papsttum und Byzanz", Berlin 1902, worin er 
seine Auffassung über den Kreuzzug nicht unwesentlich modifiziert. — Hodqson, 
The early history of Venice, London 1901, S. 347—427 und Excursus on the 
sources for the history of the fourth Crusade (S. 428—438). — Gbrland, Der 
vierte Kreuzzug und seine Probleme, Nene Jahrbücher für das klass. Altertum, 
herausg. von Ilberg und Gerth, Jahrg. 1904, I, 13, 505—514. — Gerland, 
Geschichte des lateinischen Kaiserreiches von Konstantinopel. Vorläufig der An-^ 



480 AnmerkuDg 38. Der vierte Kreuzzug. 

fang des 1. Teiles (Geschichte der Kaiser Baldain I. und Heinrich 1204—1216) 
gedr. Gymn.-Progr. Homburg 1904 (Programm n. 461). 



1. Aus der Fülle von Einzelproblemen, welche die Geschichte des vierten 
Krenzzngs aufweist, lassen sich unschwer einige Hauptprobleme herausheben, die 
mit der wichtigsten Frage seiner Geschichte, der nach der Urheberschaft seiner 
Ablenkung nach Konstantinopel, im Zusammenhange stehen. Sie wurde von 
jeher verschieden beantwortet. Während die einen Forscher, der hergebrachten 
gewissermafsen populären Anschauung folgend, von Anfang, also schon vom Ab- 
schlüsse des Überfahrt Vertrages an, in Venedig die bewufst hierzu treibende 
Kraft sehen wollen (Thomas, Stbeit), haben andere die Urheberschaft dem deut- 
schen Könige Philipp zugewiesen, dem Venedig nur gefolgt sei (Winkelmank, 
RiANT, Baer), während einer dritten Gruppe (Wailly, mit Modifikationen Tbssieb, 
Norden, Mitrofanoff) das zufällige Ereignis der Flucht des Alexios als wir- 
kende Ursache gilt. Diesen verschiedenen Auffassungen gemäTs hat man wohl 
von einer venezianischen, deutschen und Zufallstheorie gesprochen. 
Soviel ich erkennen kann, ist der entscheidende Antrieb zu der — vorher nicht 
beabsichtigten — Ablenkung der Kreuzfahrt nach Konstantinopel die Flucht des 
Alexios, Urheber also der Zufall gewesen. Aber war dieser Antrieb einmal ge- 
geben, so setzte auch sogleich eine zielbewudBt gegen Griechenland arbeitende 
Politik ein, wobei Venedig alsbald fahrend wurde und sich die staufischen und 
franzosischen Aspirationen diensam machte. M. E. wäre, im Sinne der obigen 
Terminologie zu sprechen, eine modifizierte Zufallstheorie anzunehmen, die deut- 
sche Theorie vollständig abzulehnen und die Antwort auf die Problemfrage der 
Ablenkung des vierten Kreuzzugs auf Griechenland in die Formel zu fassen: 
Auetor casus actrix Venetia. 

Als Hauptfragepunkte ergeben sich nun: Hat Venedig den Oberfahrt- 
vertrag vom April 1201 in loyaler Absicht geschlossen? Mit der Bejahung 
dieser Frage ist die „venezianische Theorie'* nahezu beseitigt. Hat König 
Philipp vor dem Herbste 1202 unmittelbar in gedachtem Sinne in die Slrenz- 
zngsfrage eingegriffen? Mit der Verneinung dieser Frage fällt die „deutsehe 
Theorie''. Nicht mehr die Frage der Urheberschaft als vielmehr der Ausf&hrung 
des halb oder ganz beschlossenen Projektes berühren die Fragen nach den 
Wegen der venezianischen Politik vom Sommer 1202 ab und nach 
dem Verhalten des Papstes Innozenz III. gegenüber Kreuzfahrern und Venezia- 
nem. Die Frage nach der Ablenkung des Zuges nach Zara ist neben der 
Hauptfrage der Ablenkung nach Griechenland durchaus von sekundärer Bedeu- 
tung. — Wenn ich in der Folge diese Fragen berühre, kann es doch nur In 
übersichtlich-skizzierender Art geschehen. 



AnmerkoDg 38. Der vierte Kreuzzug. Zu Seite 280—283. 481 

2. Vorgeschichte und Überfahrtvertrag (S. 280—283). — Kreuz- 
zagbrief Innozenz' III. : FRA. II, 12, n. 81, 228-234. Dazu Gbsta, c. 46, 90. — 
Innozenz III. an Venedig (3. Dezember 1198): FRA. II, 12, n. 82, 234—235. — 
AlexioB III. an Innozenz III. (Februar 1199): beglaubigt den Venezianer Johannes 
Georgio als seinen Gesandten au päi)6tlichcn Hofe. FRA. II, 12, n. 83, 236 bis 
241. — Ob Innozenz III. lieber Pisa und Genua mit der Verschiffung betraut 
hätte, als Venedig, ist strittig zvrischen Riant (ja) und Tessieb (nein). Aus 
einem Briefe des Papstes vom 30. August 1198 (Ep. I, 198) geht nur hervor, 
dafs er wegen des Kreuzzugs Gesandte nach allen drei Städten entsandt habe. — 
Innozenz III. an den venez. Klerus (8. Mai 1201): gedr. Tessieb 259—260. — 
Der Überfahrtvertrag ist gedruckt in FRA. II, 12, n. 92 u. 93, 363—373 
und (mit Bemerkungen) von Tessieb 252 — 254. Die einander gleichlautenden 
Kredenz- und Vollmachtbriefe für die Gesandten: FRA. 11, 12, n. 89—91, 358 
bis 362. Hierzu die Zusätze aus Villehabdouin c. 14 u. 18 und Clabi 6 — 9, 
darunter, dafs die Venezianer ihre 50 Galeeren sana U coust de harons (Vill.) 
bzw. tout a son (des Dogen) coit (Clabi) stallen. Die Überfahrtsumme berechnet 
Wailly mit etwa \\ Millionen, Luschin (in freundl. persönlicher Mitteilung) mit 
etwas mehr als 8 Millionen österr. Kronen ; Luschin findet sie nicht übertrieben 
hoch, aber auch nicht billig, wenn man die gröfäere Kaufkraft des Geldes bcrfick- 
fiichtigt. — Zu dem Vertrage melden nun die Gesta c. 83, 131 : . . . Franci et 
Veneti , , , ad sedem apostolicam nuntios destinarunt peientes^ ut summus 
pofUifex pactianes huiusmodi inter se factas pro eubiidio terre sanctae aiic- 
toritaU apostolica confirmaret, Ipse vero, quod futurorum esset praesagiens, 
4Mute respondit, quod conventiones ilUw ita duceret confirmandcu, %U vi- 
delicet ipsi Christianos non laederent, nm forsan iter eorum Uli nequiter 
impedirent aut alia causa iusta rel necessaria forsan occurreret, propter 
quam aliud agere non possent, apostolicae sedis legati consilio acce- 
dente. Veneti autem confirmationem sub hoc tenore recipere noluerunt. 
ünde pro certo coniicitur, qualis fuerit eorum intentio per effedum operis 
postea declarata. Diese Angabe, deren Tcndenziosität ganz augenscheinlich 
ist, wird von Tessieb 93—110 mit vollem Rechte abgelehnt. Will man schon 
den Mangel einer solchen Nachricht bei Villehabdouin für nichts gelten 
lassen und annehmen, dieser habe mit Absicht verschwiegen — warum frei- 
lich soll der Schreiber der „Gesta*' vor der historischen Kritik besser be- 
stehen als der Marschall? — , so spricht dagegen ganz deutlich der Wortlaut 
des Schreibens Innozenz* an £. Dandolo vom 24. Februar 1204 (FRA. II, 12, 
n. 118, 442-443): Credimus , . ., te novisse, qualiter nuntiis tuis, qui ad 
sedem apostolicam cum crucesignatorum nuntiis accesserunt, petentibus pac- 
tiones inter vos initas oonfWmari, et per eos tibi et Venetis duocerimus in- 
hibendum, ne terrae regis ipsus [Hungariae] dliquatenus laederetis. Hieraus 
erhellt nur, dafs der Papst von den Venezianern um Bestätigung des Vertrages 
angegangen wurde und ihnen dabei verbieten liefs, etwas ,, gegen den König von 
Ungarn '* (d. i. gegen Zara) zu unternehmen. Das war aber von ihnen nach 
früherem Muster wohl zu erwarten, und der König mag nicht ohue Grund den 

Kretichmayr, Oeschichte Toa Venedig. 31 



483 Anmerkimg 38. Der vierte Kreuzzug. Zu Seite 283—288. 

besonderen päpstlichen Schatz (specialiter) aufgesucht haben. Vgl. dazu Dandolo 
an Innozenz FRA. II, 12, 522. Die Aufforderung des Papstes, „nichts gegen 
Christen" zu unternehmen und zwar wörtlich so, wie die „Gesta" sie för April 
1201 wiedergeben, erfolgte erst im März 1203 (FRA. II, 12, 411), als das Ereuz- 
heer Tor Zara lag und das griechische Projekt schon bekannt war. Es liegt zu- 
tage, wie die „Qesta" hier den Sachverhalt verfälscht haben. Venedig liat den 
Überfahrtvertrag loyal geschlossen; höchstens, dafs man daran dachte, die 50 
venezianischen Galeeren nebenbei eine Diversion gegen Zara machen zu lassen. 
Aber auch dies ist reine Vermutung. Völlig abzuweisen ist die .Ansicht Streits 
28—29, als sei im Vertrage absichtlich nicht von Ungläubigen (pagani), soodem 
blofs von Gegnern (advenarii crucis) die Rede, und noch weniger wird die Mei- 
nung Mas-Latries 165, dafs der Vertrag einen Geheimartikel wegen Griechen- 
land enthalten habe, Anspruch auf Beachtung machen können. Dazu Riant^ 
Revue 17, 352; 23, 86—86. Die von Hopf (Ersch und Gruber 85, 188) für den 
13. Mai 1202 präzisierte Meldung Ernovls und anderer von ihm abhängiger 
oder gleich ihm aus offiziell lateinisch -kaiserlicher Quelle schöpfender Berichte, 
Venedig hätte im Jahre 1202 einen Vertrag mit dem Sultan Malek-el-Adel von 
Ägypten geschlossen und sich gegen Handelsvorteile zur Ablenkung der Kreuz- 
fahrt von Ägypten verpflichtet, ist durch Hanotaux (s. oben) endgültig besei- 
tigt. — Dafs als Fahrtziel insgeheim (coiement) Ägypten, öffentlich (en oiance) 
nur das Land Über Meer (oltremer) bestimmt wurde, Villeuabdouin c. 18; dafs 
beschlossen wurde, ein Teil solle nach Syrien, einer nach Ägypten gehen, Gesta 
c. 83, 131. Über die syrische und ägyptische Partei Tessieb 47 — 72, der — m. E. 
ohne Grund — eine Parteinahme des Papstes für Ägypten leugnet; Mitbo- 
FANOFFs Einspruch gegen den Bestand einer syrischen Partei kann mich nicht 
überzeugen. 

3. Zara, Alezios IV. und König Philipp (S. 283-288). — Die 
Anklagen gegen Venedig, es habe die Pilger am Lido absichtlich drangsaliert, 
um sie für die vencz. Pläne mürbe zu machen (Clari 8, Anon. Svess. 5, Chbon. 
Halberstad. 12, Chbon. Albebici 425), ist Kreuzfahrerklatsch. Man kann der 
Republik nicht verdenken, dals sie die Zehntaubende von Bewaffneten am Lido 
gewissermafsen internierte und nicht auf die Stadt selbst loslieüs. Es hätte zu 
unberechenbaren Irrungen kommen können. Vgl. Tessieb 111—134. Ober die 
Geldnot der Pilger bes. Villehabdouin c. 32—33. Der Ansicht Riants, dafs 
der unbezahlte Rest von 34 000 Ji für Venedig eine Bagatelle war und das Be- 
harren auf ihrer Bezahlung ein Shylockstreich , steht die nicht minder berech- 
tigte Auffassung Waillys gegenüber, dafis die Republik den Vertrag überhaupt 
hätte lösen und die 51000 Ji als verfallen erklären können. Über eine Schuld 
Balduins von Flandern im Betrage von 118 marcas sterlinarum et itncias tre$ 
an vier genannte Venezianer FRA. II, 12, n. 95, 385—386. — Zara. Ob das 
Unternehmen auf Zara als ein rein zufälliges betrachtet werden darf (Tessieb 133, 
Mitbofanoff), ist doch die Frage; s. oben Anm. 38/2. Pafs es beschlossen war, 
bevor die Gesandten des Alexios in Venedig erschienen, erhellt aus Villeuabdoutk 
c. 35—38. — Flucht des Alexios IV. Absolute Sicherheit läfst sich über 



Anmerkung 38. Der vierte Kreuzzng. Zu Seite 283—288. 48S 

das Jahr der Flucht (nach Niketas 711 wäre sie 1201 und über Sizilien, nach 
der — unklaren — Angabe Yillehardouins c. 37 über Ancona-Yerona und 1202 
erfolgt) nicht gewinnen, doch scheint nach der eindringlichen Beweisführung 
Wasiljewskijs das Jahr 1202 nahezu gewifs. Gewifs ist, dafs der Prinz geraume 
Zeit vor dem November 1202 (also doch wohl im Frühjahr) am päpstlichen Hofe 
weilte (FRA. U, 12, 404) und dafs er sich im September 1202 in Verona auf- 
hielt und von dort Gesandte nach Venedig schickte (Villeharpouin c. 38). Dafs 
Bonifacio im Frühjahr 1202 an der Kurie weilte, ist nach Gbsta c. 83, 132 zu 
vermuten. — Über die Gegenaktionen Alexios' III. an der Kurie: FRA. II, 12, 
403—405; in Venedig: erst in der Chronik Giorgio Dolfins (Münchener Sitz- 
Ber. 1864, II, 71); woher hat aber Dolpin die Nachricht? — König Philipp. 
Die Verfechter der „deutschen Theorie" (wie sie Winkelmann zuerst ausgespro- 
chen, der geistvolle Riant zu einer Art Geheimgeschichte des Kreuzzugs er- 
weitert, Baer eingehend zu begründen versucht hat) nehmen an, dals bereits im 
Jahre 1201 und zwar zu Weihnachten in Hagenau (Riant) eine Vereinbarung 
zwischen Philipp, Bonifacio und Alexios, der sog. Weihnachtsvertrag, 
wegen Rückführung des Alexios nach Konstantinopel durch das Kreuzheer be- 
schlossen worden sei, und stützen sich dabei auf folgende Quellen: 1) Gesta 
c. 83, 132: Bonifacio , . , de Francia per Alemanmam tranaitum fecit, ubi 
cum Philippo duce Sueviae, qui se regem gerebat, dicehatur hahuisae trac- 
tatum, ut Alexium »ororium suum cul se de captivitatis ergastulo fugientem 
reduci faceret ad ConstcMtinopoUm ab exercitu Christiane ad obtinendum 
Bomani imperii, — 2) Clari 12: Bonifacio sagt vor Zara: Je fui an tan au 
noel en Älemaingne a le caurt tnonseigneur Vempereour. Hluegues si vi un 
vasUt qui estoit freres a le femme Vemperewr d* Älemaingne, Chus vaslea 8i 
fii fix Vempereur Kyrsac de Coustantinoble que uns siens freres li avoit tolu 
Vetnpire de Caustantinoble par traison. Qui chu vaslet porroit avoir, fist li 
marchis, il porroit bien aler en le tere de Constantinoble et prendre viandes 
et autres coses; car li vasHes en est drois oirs. — 3) Godefr. Coloniensis 
(Ann. Colon, max.) 840 : Als Siegfried in Rom das Pallium erhielt, kam Alexios. — 
Die wichtigste dieser drei Quellen ist Clari; denn die Gesta verzeichnen ihre 
Nachricht selbst als Gerücht, und die Meldung der Kölner Annalen kann, je 
nachdem der Erzbischof von Mainz oder von Magdeburg gemeint ist, ebensogut 
auf 1202 wie auf 1201 angesetzt werden. Aber auch Clari würde unwiderleg- 
lich nur dann gegen das Jahr 1202 zeugen, wenn das „an tan au noel" 
unbedingt auf Weihnachten 1201 bezogen werden müfste. Das ist aber keines- 
wegs der Fall. Die Rede Bonifacios kann ganz gut im Januar 1203 gehalten 
worden sein und nimmt dann doch wohl auf das vergangene Weihnachten Bezug 
und nicht auf das vorvergangene. Da der Jahresanfang mit 1. Januar im 
bürgerlichen Leben des Mittelalters immer üblich war, kann auch ein Verweis 
auf den Weihnachts- oder andere Jahresanfänge nichts hiergegen besagen. LäCst 
sich somit aus diesen drei Quellen kein zwingender Beweis für die historische 
Realität des Weihnachtsvertrages von 1201 führen, so scheint andrerseits auch 
aus dem Briefe des Papstes vom 16. November 1202 (FRA. II, n. 98, 403—407) 

31* 



484 Anmerkung 38. Der vierte Kreuzzug. Zu Seite 283—288. 

keineswegs zu entnehmen, daCs Alexios vor dem darin bezogenen Besuche an der 
Kurie im Frühjahre 1202 in Deutschland gewesen, sondern viel eher, dafs er auf 
dem Wege dahin gewesen sei. Zugleich aber bietet gerade der Wortlaut dieses 
Briefes die m. E. entscheidende Schwierigkeit dar. Innozenz schreibt darin (405): 
Alexius . . . recessit a nobia et ad ... Philippum 8orarium 8uum concitus pro- 
peravit; cum quo deliberato consilio sie effecit, quod idem Philippus 
nuntio8 8U08 ad principes exercitu8 Christiani sine qua- 
libet dilatione transmisit, rogans eos et petens, ut, quia pater suus 
et ipse fuerant iure suo et imperio nequiter spoliati, cum eo Canstantinopo- 
litanum deberent regnum intrare ac ad iUud recuperandum eidem praestare 
consüium et favorem, promittens eisdem, quod tarn in subsidium terrae sanc- 
tae quam in expensis et donativis eis magnifice responderet; parattu etiam 
in Omnibus et per omnia nostris stare mandatis et quod sacrosanctam Bama" 
nam ecclesiam vellet ivata posse suum modis omnibus Honorare . . . Die 
Fürsten aber hätten daraufhin die Wohlmeinung des Papstes durch den Kardinal- 
legaten Petrus einholen lassen. Diese Angabe, dafs Philipp schon im Sommer 
1202 unmittelbar in Venedig eingegriffen hätte, steht in geradem Widerspruche 
zur Darstellung Yillehabdouins c. 37 u. 38 : Äkxis . . . ^enfui en un vaissel 
trosque ä une dti sor mer qui a nom Äncone. I^enqui s'en ala al roi 
Phelippe d' Alemai gne qui avoit sa seror ä ferne; si vint ä Verone 
en Lombardie et herberja en la viU et trova des peterins asses et des gern 
qui s'en aloient en Vost; et eil qui Vavoient aidii ä eschaper , qui estoient 
avec lui, li distrent: „Sire, viez-ci une ost en Venise, prhs de nos, de la 
meiUor gent et des meülors Chevaliers del monde qui vont oUre mer; cor hr 
crie merci que ü aient de toi pitii et de ton pere, qui ä td tort estes deshe- 
riti . . . Espoir il lor en prendra pitii.** Et ü dist gu« il le fera muit 
volentiers et que eis conseils est bons, Ensi prist ses messages; si le entoia 
al marchis Boniface de Monferrat , , , et as altres barons . , . et, qua$U li 
baron les virent, . . . respondirent . . . : „ Nos . . . envoierons al roi PheUppe 
avec lui, oii il ^en va. Se eis nos volt aidier la terre d'oltremer ä reeovrer, 
nos li aiderons , , .", Ensi furent li message envoU en Älemaigne avec le 
valet de Costantinoble al roi Phelippe ä^ Älemaigne, Auch sonst weils keine 
Quelle von einem Eingreifen Philipps in dieser Zeit zu melden (vgl. EIldikb 45, 
Tessier 135—154). So gewagt ein Beweisverfahren sein mag, das den Wort- 
laut eines Dokumentes gegen sich hat, ich kann mich doch nicht entschlieisen, 
gegenüber Villehardouin dem Papstbbiefe zu folgen. Innozenz hat die — m. E. 
irrige — Nachricht, dab Philipp (im August— September 1202) Gesandte nach 
Venedig geschickt habe, augenscheinlich durch den Legaten Petrus erfahren, der 
die Gresandten des Alexios, die nach dem 25. August nach Venedig kamen, ffir die 
Gesandten Philipps gehalten haben mag. Dafs Alexios zwischen seinem Besuche 
in Born und der Sendung nach Venedig in Deutschland gewesen sei, heilst dem 
Berichte Villehabdoüins Gewalt antun. Auch wenn man dessen Glaubwürdig- 
keit nicht allzuhoch veranschlagt, wird man zugeben müssen, dals der Marschall 
hier ein gewichtigerer Zeuge ist, als der entfernte Papst und der schlechteingeweihte 



AnmerkuDg 38. Der yierte Kreazzug. Zu Seite 288—297. 485 

Legat, tun so gewichtiger, als man nicht einzusehen yermag, warum er gerade 
diese Verhältnisse hätte verschleiern sollen. Wenn aber Gesta, Clabi und 
EöLNEB Annalen fÜr die Tatsäcblichkeit des Weihnachtsvertrages von 1201 
keinen zwingenden Beweis enthalten, fttr die Darstellung der Ereignisse ?om 
Augnst und September 1202 der Bericht Villehabdouins den Angaben des 
Papstbbibfes vorzuziehen ist, fallt die „deutsche Theorie", und Venedigs leitende 
Stellung in der durch Zufall herao^ref&hrten Verwickelung ist aulser Frage. — 
Venedig 1201 nnd 1202. Besonders (aber mit vielen Einwendungen) Stbeit; 
sehr gut Hbtd I, 293-294 (265/66). Die Bedeutung des syrischen Projektes 
für Venedig zuerst glücklich und deutlich hervorgehoben von Norden, Ereuz- 
zug 86—92. — Krieg mit Pisa 1201 : Dandolo 319—320. — Gefangennahme 
der venez. Gesandten durch Zaresen 1201 : ürk. bei Ljubic in Mon. bist. Slavor. 
merid. 1, n. 32; dazu Stbeit 24, A. 206; Biant, Bevue 23, 86, A. 2. — Über 
den Sturm nach Verlautbarung des Zaresischen Projektes in Venedig und die 
Stellung des Legaten Petrus: Guntheb 70—72; Gesta c. 85, 138; FBA. II, 12, 
405—406; Ann. Halbebst. 12. 

4. Ereuzheer vor Zara und Eorfu (S. 288—297). — Hierüber das 
Beste noch immer Biant, Bevue 17, 18 u. 23. Über die Wege der vene- 
zianischen Politik glaube ich mich in der Darstellung hinreichend ge- 
äulsert zu haben. Die Stellung des Papstes Innozenz zu den Unternehmungen 
auf Zara und Eonstantinopel ist durch Tessieb, Cebone und Güldneb in der 
Hauptsache wohl genügend geklärt; s. besonders den Nachweis bei Güldneb 56 
bis 58, dals der Papst nach der Einnahme von Zara nur über die Venezianer, 
nicht aber über die Ereuzfahrer den Bann verhängt hat. — Im einzelnen sei be- 
merkt: Datum der Flottenausfahrt: Villehabdouin c. 40; 1. Oktober nach Ann. 
Halbebst. 12. Beschreibung der Flotte: Gesta c. 85, 318; Villehabdouin 
c. 31, 40, 66; Clabi 9; Nikbtas 715. Vitale Dandolo capitaneiis exercitus 
Venetiarum Stbeit A. 206 nach Dokument. Triest und Muggia: FRA. II, 12, 
n. 96 u. 97; Dandolo 320; Chbon. Just. 92. Flotte in Pola: Clabi 10. Über 
die Belagerung und Ereignisse vor Zara: Hauptquelle Villehabdouin c. 41ff. ; 
dann Clabi 9—12; Hist. Albigens., Bouquet XIX, 23; Gesta c. 87 u. 93; 
GcNTHEB74f.; Devastatio 87 — 88; Ann. Halbebst. 12 f. ; Albebich 425 — 426. 
DaljB NiKETAs 715 sagt, Philipp und der Papst hätten das Ereuzheer zur Wieder- 
herstellung des Alexios aufgefordert, sei als Euriosum vermerkt Hierzu und zur 
SteUung des Papstes die Briefe FBA. II, 12, n. 100—105 und FBA. II, 14, 464. 
Dazu Tessieb 281—283. Die Bezeichnung Zaras als „urbs transgressionis** in 
FBA. II, 12, n. 111, 428. Über den Vertrag mit Alexios vor Zara Hauptquelle 
Villehabdouin c. 48. Abfahrt der Flotte von Zara: Villehabdouin c. 57; 
Clabi 23; Ann. Halbebst. 14. Über die neue Erhebung und neue Unterwerfung 
der Zaresen durch Venedig: Thojias Spalat. 85; Dandolo 321 — 322; Chbon. 
Just. 93. ünterwerfungsurkunde FBA. II, 12, n. 106. Über die Ereignisse auf 
Eorfu: Ep. Hugonis 304—305; Villehabdouin c. 57—60 (hier auch das Ab- 
fahrtsdatum); Clabi 23 f.; Chbon. Tolosani 683; Ann. Halbebst. 14; Albebich 
426. — Eönig Philipp und Kaiser Heinrich I. (S. 290): Anon. Laudun. 714. — 



486 Anmerkung 38. Der vierte Kreuzzug. Zu Seite 297—301. 

Über das Zusammenwirken der verschiedenen griecbenfeindlicben Momente im 
Abendlande s. besonders Günther 85. 

5. Erste Eroberung (S. 297—301). — Für den Verlauf von nun ab ist 
das Hauptwerk Wilken; daneben Pbabs, auch Hodgson, f&r die Chronologie 
Klimke. — Überfahrt von Korfu nach S. Stefano (24. Mai bis 23. Juni): Villk- 
HA&DOUiN c. 60 — 64 ; Ep. Hugonib 306 (doch wird das octavo die [nach Abfahrt 
von Korfu] als Ankunftstag vor Abydos richtig wohl decimo octavo die heüsen 
müssen); Ann. Halberst. 14—15; ALssmcH 426—427. Über die auTserordent- 
liehe Raschheit der Überfahrt FRA. II, 12, 429 ; Niketas 717. — 23. Jnni bis 
4. Juli: ViLLEHARDOüiN c. 65—73; Niketas 715, 717, 718, 724; Clabi 35-36; 
Ep. Huqonis 306; Johannes Iperius, FRA. II, 14, 458; Sicc. Cremon., Murat. 
VII, 619. Über die Topographie von Konstantinopel s. die Zusammenstellung 
von Krumbachbr 1111—1112. Ich nenne besonders Paspates, BvCamvai fitU- 
tat TonoyQtttfixal xal laxoQixaC, Konstantinopel 1877; Mordtmann, Esquisse 
topograpbique de Constantinople, Lille 1892 und van Millingen, Bjzantine 
Constantinople (besonders benutzt von Hodgson, dessen Darstellung dadurch 
topographisch sehr brauchbar wird). — Belagerung und Eroberung (4. bis 18. Juli): 
Villehardouin c. 74—96 (c. 77 besonders über Enrico Dandolo); Ep. Hugonis 
306—311; Ep. crucesion. 429—431; Niketas 717—728; Clari 36— 44. (Hier 
die Nachricht [44], daHs Isaak bei seiner Erhebung den 7 Jahre gefangen ge- 
haltenen Prinzen Murzupblos freigegeben, femer dafs der rechtmäfsige, von seinem 
Bruder verdrängte Sultan von Ikonium den Kreuzfahrern reiche Schätze für ihre 
Hilfe zu seiner Wiedereinsetzung geboten habe, diese aber ablehnten.) Da(s die 
grofse Hafenkette durch das Schiff Aquüa gesprengt wurde, Dandolo 322. Vgl. 
hierüber auch Wilken V, 219, A. 73. Über die Kampfgerüste auf den Schiffim 
sind die Stellen bei Günther 99, Clari 37 — 38, Ep. Hügonis 308 und Devasta- 
Tio 89 instruktiv. Über die Flucht des Alexios III. gehen die Versionen bunt durch- 
einander. Das Gerücht wegen der Brandlegung durch Anhänger Isaaks (S. 300) 
verzeichnet Ibn el Atuir, FBA. II, 14, 460. Die venez. Quellen (Chbok. Jübt. 
94, Canale 328 — 330 [ganz romanhaft] und Dandolo 322) sind recht un- 
zureichend. 

6. Vom 19. Juli 1203 bis 8./9. Februar 1204 (S. 301—306). — 
Hauptquellen Villehardouin c. 97 ff. und Niketas 728 ff. — Niederlegung 
eines Teils der Mauer: Clari 46. — Krönung des Alexios (Datum): Ville- 
hardouin c. 97. Erneuerung des Vertrages mit ihm: Ep. crucesion. 431. — 
Verhältnis des Papstes zur ersten Eroberung: FRA. II, 12, n. 110—115; dazu 
Tessier 287 — 297. — Zahlungsschwierigkeiten der Kaiser: AuTser 
Villehardouin und Niketas bes. Clari 46, Günther 89, wo ebenso wie bei 
RiooRDus, Bouquet 17, 56 die zunächst abgezahlte Summe mit 100000 JH an- 
gegeben wird. Dafs die Kaiser wohl die Ansprüche der Pilger, nicht aber der 
Venezianer befriedigt hätten (ui m eorum continetur hiatoria, Dandolo 322), 
glaube wer will. — Aufschiebung der Kreuzfahrt auf März 1204: ViiiLK- 
hardouin c. 88-89; Devastatio 89; Ep. crucesion. 431; Ep. Hugonis 311; 
RiGORDus 56. — Der Brand vom (22./ 23.) August und seine Folgen : Niketas 



Anmerkung 38. Der vierte Krouzzug. Zu Seite 301—306. 487 

730-735; ViLLEHABDOuiN c. 103—104; Chron Novgorod. 94. Die Zeitfrage 
ist nicht ganz einfach; jedenfalls erfolgte der Brand noch vor dem Kriegszage 
des Alezios. Dafs auch nach dem Brande noch Kolonisten in der Stadt zurück- 
bliehen, erhellt aus Niketas 777, Günther 102. Dafs die Quartiere der Vene- 
zianer nicht verbrannten, vermutet nach den erhaltenen Angaben Paspates, AIM- 
rat 190. Der Volkshafs der Griechen gegen die Lateiner äufserte sich unter 
anderem in dem ungeheuerlichen Beginnen, die grofse Statue der Athene auf dem 
Eonstantinforum zu zerstören, weil sie, gegen Abend gewendet, durch den Blick 
ihrer Augen die fremden Barbaren zum Unheil der Stadt herangerufen hätte; 
Niketas 738 — 740. — Kriegszug Alezios* IV.: Villehardouin c. 101, 
102, 106; Clari 47; Devastatio 90; Niketas 735. Über das Verhalten der 
Kaiser in den späteren Monaten : Niketas 735—738; Ep. Balduini 504; Günther 
89—90; Anon. Suession. 6 u. a. Für den endlichen Konflikt ist die Haupt- 
quelle Clari 47—49. Hier ist auch das vielangefdhrte Zwiegespräch zwischen 
Alezios IV. und Enrico Dandolo überliefert. Es lautet : Doge : Alexe g^ie cuides 
tu faire? Preng toarde; que notM favons gete de grant caiHvete; si favans 
fait seigneur et corone a em^pereur; ne nous tenraa tu mie nos convenenches, 
ne 81 n'en feras plus? Alezios: Note, je n'en ferai plus que fait en ai. 
Doge: Non? garchon malvais; nous favons gete de le merde et en le tnerde 
ie remeterons ; et je te desfi et bien saches tu , que je te poiircacherai mal a 
men pooir de ches pas en avant. Die Kriegserklärung bei Villehardouin c. 108. 
Zeitpunkt des offenen Konflikts nach Clari „zwischen Allerheiligen und Weih- 
nachten'', nach Devastatio 90 am 1. Dezember. — Feindseligkeiten im 
Dezember 1203 und Januar 1204. Die Stelle bei Günther 82— 84, dafs 
die Kreuzfahrer Konstantinopel wegen der „zahllosen griechischen Schiffe" nicht 
verlassen konnten, hat nur einen Sinn, wenn man annimmt, die Franken hätten 
allein ohne Hilfe der Venezianer zurückfahren wollen. Über die Teuerung im 
Lager: Clari 49; Alberich 433 — 434. Branderangriffe fanden jedenfalls zwei statt, 
einer Mitte Dezember oder 1. Januar (Ep. Balduini 503; Clari 49; Devastatio 
91; Villehardouin c. 111), ein zweiter, gröliser angelegter ((terato) unter 
Alezios V. (Ep. Balduini 505); vgl. auch £. Dandolo an Innozenz III. FBA. 
II, 12, 523. Günther, seit 1. Januar sehr genau, sagt 98—99, daljs griechische 
Schiffe die lateinischen öfter angefallen hatten. Treffen an der Kamelbräcke: 
Niketas 741 — 743. — Revolution in Konstantinopel (25. Januar bis 
9. Februar). Hierzu besonders Kumke (Bemerkungen über Niketas und Angaben 
zur Chronologie). Hauptqaellen : Niketas 743 — 752 (hier 748—751 die parteiische 
Charakteristik des Alezios Dukas Murzuphlos) und Ep. Balduini 503 — 506 ; auch 
Chron. Novgorod. 94 — 95. Von minderem Belange Villehardouin c. 113 — 115 ; 
Clari 53 — 55 und Devastatio 91. Dads Alexios IV. durch Murzuphlos dejn 
Markgrafen den Blachernenpalast anbieten liefs, Ep. Baldlhni 503; die Richtig- 
keit der Nachricht wird von Hodoson 389, A. 2 m. E. ohne Grund bezweifelt. 
Dafs Alezios V. Verbindung mit dem Sultan von Ikonium gesucht habe. Ihn 
EL Atihr, FRA. II, 14, 460—461. 

7* Zweite Belagerung und Eroberung von Konstantinopel 



488 ÄDmerkuDg 38. Der vierte Kreuzzug. Zu Seite 307—313. 

(S. 307 — 313). — Über die prekäre Lage der Kreuzfahrer bezeichnend Günther 
92 — 93 (Sie sind bereit vel ad recedendutn, 8i se honesta et utUis prd)eret 
occasio, vel ad cedendos hostes et subeundam ab eis et cum eis mortem . . . 
Nam de victoria . . . sive de expugnatione ttrhis nuüa eis spes poterat arri- 
dere), 94 (ahsque uUa spe eiusdem (urbis) expugnande) , 97 (, , . obsederani 
metgis . . . odio . . . quam uüa spe obtinende victorie, pro eo quod ipsa in- 
expugndbilis videbatur). — Über die Stadtbefestigungen and Belagemngsarbeiten: 
£p. Baldthni 504; Niketas 749; Clabi 49, 56; Villehabdouim c 118; Gcmther 
93-95, 99. — Innozenz und Dandolo: PRA. II, 12, n. 117 u. 118. — Dafe der 
Bulgarenzar Johannes den Kreuzfahrern seine Hilfe zur Bezwingung der Stadt 
angeboten habe, wenn sie ihn als König anerkennen wollten, die KreozCabrer 
dies unklugerweise abgelehnt hätten, Clari 51 — 53. — Der Märzvertrag ist 
gedruckt in FBA. II, 12, n. 119—120. Der Teilungsschlüssel f^r die Beute ist 
dahin zu verstehen: Zuerst wird aufgeteilt, was Alexios IV. noch schuldet; da- 
von fallen drei Viertel an die Venezianer, ein Viertel an die Kreuzfahrer. Dieser 
Schlüssel gilt natürlich auch für den Fall, als die Beute den schuldigen Betrag 
nicht erreichen sollte. Das übrige sei zur Hälfte zu teilen. — Fall der Stadt 
(8.— 15. AprU): NiKETAs 752—787 (die SteUe auf S. 312—313 ist zusammen- 
gezogen aus 758 u. 763 — 764), 854—868 (Liste der zerstörten Kunstwerke); 
ViLLEHARDOuiN c 120—131 (dauach die Daten); Ep. Balduini 506 — 507; Claei 
58—64 (Beschreibung der Sehenswürdigkeiten 65—71); Chron. Novoorod. 97 — 98. 
Die übrigen Quellen treten zurück. Die Erzählung bei Günther 98—103 klingt 
teilweise merkwürdig an die Ereignisse bei der ersten Belagerung an. Die venez. 
Quellen sind bedeutungslos. Die S. 313 erwähnte Stelle aus Dandolo 329—330. 
Über die Plünderung auch Innozenz III. an Bonifacio FRA. II, 12, 563. Dafs 
sie drei Tage dauerte, auch Ibn el Athir, FBA. II, 14, 461. Über die Teilung 
der Beute bemerkenswert Clari 83, der sich beklagt, dafs die Grolaen die Armen 
betrogen hätten; s. auch Chron. Rad. Cogohbshalae abb., Bouquet Dölisle 18, 
97 u. 101. Über den Gesamtbetrag der Beute s. Geriand, Gesch. d. lai 
Kaiserreiches 18; dagegen MIÖG. 26, 363—364. Über die venez. Beute liegen 
sehr wenig unmittelbare Nachrichten vor. Über die Reliquien Zusammenstellung 
in RiANTs Eiuviae sacrae Constantinopolitanae. Von den anderen Wertstücken 
sind viele erst im Laufe der Folgejahre nach Venedig geschafft worden. Auf 
einiges werde ich im Folgebande zurückzukommen haben. Näheres über die vier 
Rosse des Lysippos besonders bei Rannubivs, De hello Consi 129 — 131. Dafs 
noch Enrico Dandolo selbst das Ziborium von S. Marco nach Venedig gesendet» 
ist alte, aber unbewiesene Tradition. 

8. Das lateinische Kaisertum (Zeit vom 16. April 1204 bis 1. Juni 
1205), S. 313—322. — Hierzu im allgemeinen die auf Grundlage der HoPFBchen 
Materialien überaus genau gearbeitete Darstellung von Gerland (b. oben). 
Kaiserwahl und Krönung. Hauptquellen: £p. Balduini 507 (gibt die 
sechs fränkischen Wahlherren an, während die venezianischen erst von RANNUsiua 
136 genannt werden); Villehardoüin c. 132 — 135 (berichtet von den Ein- 
wirkungen Dandolos nichts); Niketas 789 — 790 (besonders scharf über die 



AnmerkuDg 38. Der vierte Kreuzzag. Zu Seite 313—322. 48^ 

EinflnDsnahroe Dandolos); Clabi 71 — 75 (sehr ninstandlich ; auch üher die 
Schachzfige Dandolos). — Innozenz III., der Fall der Stadt und die neuen 
kirchlichen Ordnungen: FRA. II, 12, n. 122-145; besonders bedeutsam n. 128^ 
(Dandolo an Innozenz, vielleicht das für die Persönlichkeit des Dogen bezeich- 
nendste Dokument); auch Gesta c. 90, 98 n. 99. Über die Person des Patriarchen« 
Tommaso Morosini sehr böswillig Niketas 824, 854. Dals er am Wege nach. 
Eonstantinopel Ragusa und Durazzo erobert, Dakdolo 332. — Politische 
Anfänge des lateinischen Kaisertums: Niketas 791 ff.; Villeuabdocin c. 137 ff.; 
Clabi 75—85. Dafe Graf Hugo anfangs 1205 an der Gicht gestorben, Tille- 
HABDouiN c. 181. Ober Johannes, Zar der Bulgaren, Jibböek, Gesch. d. Bulgaren, 
1876, S. 229—243. Über den Untergang Alexios' III. und Alexios' V. Niketas 
803-805, 818-819; Villbhabdoüin c. 162, 163; Clabi 80—81; Guntheb 10» 
bis 111. Adrianopelschlacht : Villehabdouin c. 184 — 197; Niketas 811—815. 
DaCB der Starrsinn des Dogen das Unglück verschuldet, meldet allerdings keine 
lautere Quelle: Ebnoul 1. 29, c. 5. — Über Dandolos Tod s. Anm. 37/1. — 
Der Kietavertrag (12. August 1204) ist gedr. FRA. II, 12, n. 123. Das hier 
n. 121, S. 452—501 unter dem Titel „Partitio Regni" gedruckte Stück ist ein 
Fragment der Arbeiten der im Märzvertrage vorgesehenen und im Herbste 1204 
zusammengetretenen Lehens- und Verteilungskommission (s. Gbbland a. a. 0. 28). 
Der Titel „Quarttte et dimidiae partis totius Botnani<u imperii daminator" 
wird von den Dogen bis zum Jahre 1346 tatsachlich geführt und bestand staats- 
rechtlich noch bis 1540 fort; in diesem Jahre wurde er überhaupt fallen ge- 
lassen. S. Claab, Venez. Verfassung 109, Anm. 3 mit weiteren Angaben. 



Zum neunten Kapitel. 
39) Zu Seite 324—342. Verfassung^ und Verwaltung. 

!• Literatur. Vor allem Lenel, Verfassungsgeschichtliche Studien. Die^ 
Anfänge dos grofsen Rates (Nachhang zu dessen „Vorherrschaft"), 107 £f. 
ScmcEiDLEB; Der dux und das comune Venetiarum tou 1141 — 1229; Beitr. zur 
Verfassungsgeschichte Venedigs yomehmlich im 12. Jahrhundort, Berlin 1902. 
Eherings Eist. Stud. 35. Hauptsächlich auf diesen beiden Torzüglichen Arbeiten, 
ist meine Darstellung der Verfassungsgeschichto des 12. Jahrhunderts aufgebaut. 
Siehe auch die eingehenden und in der Hauptsache durchaus zustimmenden Be- 
sprechungen der Arbeit Lenels durch Sdconsfeld (Histor. Zeitschr. 84) und 
Besta (Nuovo Arch. Ven. 14), welcher letztere namentlich die Analogie der 
venezianischen und gesamtitalienischen Entwickelung betont Eben darauf glaube 
auch ich besonderes Gewicht legen zu sollen, wozu freilich bemerkt sein möge,. 
da(s eine eindringliche Untersuchung hierüber noch zu führen wäre. Mancherlei 
auch aus Bestas anderen Schriften mehr privatrechtlichen Inhalts (s. Anm. 40/1). 
Teilweise überholt, aber noch immer wertvoll Cecchetti, II doge di Venezia, 1864 
und Hain, Der Doge von Venedig 1032—1172, 1883. Wenig in Betracht kommt 



490 Anmerkung 39 zu Seite 324—342. 

die für spätere Zeit sehr belangvolle Arbeit von Claar, Die Entwickelang der 
venezianischen Verfassung von der Einsetzung bis zur SchlieCsung des groCsen Bates, 
1895. Claar hält an der traditionellen Bedeutung des Jahres 1172 als GrQn- 
dungsjahres der venezianischen Verfassung und an den überwundenen alten An- 
«chanongen über die Einsetzung der venezianischen Verfassungskörper in den 
Jahren 1172 — 1179 fest. Spezialarbeit über die „Promissionen" der Dogen 
MusATTi, Storia della promissione ducale, 1888. Über die Dogenbullen : CisocHETn, 
Bolle dei dogi di Venezia, 1888. Ober die dogale Kanzlei: Lazzabini, Originali 
antichissimi della cancelleria Veneziana, Nuovo Arch. Ven., Nuova Serie VIIl, 
Ifif. Über den Senat: Besta, II senato Veneziano, Miscellanea della deput. Ve- 
neta di storia patria, II. Serie, 5. Bd., 1 — 39 ; hier anch eine reichhaltige biblio- 
graphische Zusammenstellung. Die Ausfuhrungen bei Lebbxt und Bomaion sind 
vollends überholt, auch Hodgsons Darstellung ist ganz in den alten Vorarteüen 
beengen. — Zur Darstellung der allgemein italienischen Verfassungsverhältnisse: 
Hegel, Geschichte der Städteverfassung in Italien U. Handloicke, Die Lom- 
bardenstädte und die Entstehung der Comimen. Haüllevilll, Histoire des com- 
munes Lombardes. Ficker, Forschungen zur Reichs- imd Bechtsgeschichte 
Italiens II und III. Heinemann, Zur Entstehung der Städteverfassung in Italien 
{dagegen Carabellese, II sorgere del commune marittimo Puglieee nel medio 
evo). Hanauer, Das Berufspodestat im 13. Jahrhundert, MIÖG. 23. Vor allem 
Pertile, Storia del diritto Italiano dalla caduta dell' impero Romano alU codi- 
ficazione, 2. ediz. (besorgt von del Giudice), Torino 1896 ff. (I, H/l nnd 11/2 
Diritto pubblico e fonti, HI ff. Diritto private); besonders H/i und 11/2, § 45 
bis 51, 53, 68. Die H/l, § 53, 250—252 von Pertile angeführten Analogien 
zwischen den venezianischen und den sonstigen italienischen Institutionen scheinen 
mir allerdings nicht durchaus zutreffend. Das italienische consiUum speciale ent- 
spricht schwerlich den venezianischen pregadi und die venezianischen consiHo' 
tores ducis (consüium mintM) gewifs nicht den italienischen amianu Viel- 
mehr werden trotz mancher Unterschiede pregadi und anziani und ooneiUum 
speciale und consUium tnintM für analog zu halten sein. Die Frage wäre nodi 
zu prüfen. 

2. Comune, Räte und Volksversammlung (S. 828 — 334). Die u^ 
kundlichen Belegstellen finden sich durchaus in den obbezeichneten Buchen. 
Hier seien in der Folge nur einige der bemerkenswertesten angeführt. — Co- 
mune. Die Wendung et comune in der Urkunde Eonrads IL für S. Hario vom 
1. November 1025 (Stumpf, Acta 392, n. 381) ist, wie schon Bbesslau, Konrad IL, 
I, 98, A. 1 bemerkt, spätere Einschaltung. — Sapientes. Sapientes in Gaeta 
1091—1109 (Heinemann 1. c. 51—52); in Pisa 1115 (Pertile H/l, 46, A, 80); 
in Venedig 1143: Congregatis . . . sapientibus, qui preerant consiUo, guod ... 
pro honore et utüitate seu et salvatione nostre patrie Jhobebatur, guarum etm- 
süio Venetie populus ohedire sacramento est astricttts (Rendiconti dell' aooad. 
dei Lincei 9, 126); 1147 zwerst preordinati (Arch. Ven. 7, n. 19, 353); pr^ 
ordinati in Chioggia 1183 (Cecchetti, Doge 253—257); consüiarii (consiiiatarei) 
in Genua 1157, Pisa 1164, Savona 1179, Pistoia 1200 (Pertile Il/l, 48, A. 86 



Anmerkung 39 zu Seite 324—342. 491 

und 90; 47 A. 83); consiliatores in Venedig zuerst 1160 (Lenel 125, A. 1); 
sapientes consiUi zuerst 1179 und 1180 (Cecciietti, Programma 37; Mülleb, 
Itelaz. d. citta Toscane coli* Oriente n. 18, S. 20); dux . . . cum maiori 
parte consilii 1183 (Cecchbtti, Doge 253—254); comune consilium sapientum 
in Vercelli 1170 (Pebtile 47, A. 85). — Käte. ConsiUutn maiw et miniM 
1187 (LruBic in Mon. spect. bist. Slav. merid. I, n. 12); consilium magnum et 
parvum 1198 (FRA. II, 12, 250). Drei consüiatores 1187 (Kukuljevic, Cod. 
dipl. II, 233), sechs coruiluUores 1189 (Schmeidler 58, A. 74). Zur Zahl der 
Häte 8. auch Yillehardouin c. 15 (Fendemain al tierz jor manda li dux, qui 
muU ere aages et proz, son grant conseil; et li canseüs ere de quarante 
h am es des plus sages de la terre) und c. 18, dafs die Gesandten den besiegelten 
Vertrag (vom April 1201) bringen devant le dux el grant plais, ou li granz 
-conseils ere e li petiz; der Doge beschwört die Einhaltung des Vertrages und 
«benso tuit ses conseils alsi, gut ere de quarante-six. Auch sonst ist für 
die Anfange der venezianischen Verfassung und besonders der Eäte Villeharoouin 
€. 12 — 18 von Interesse. Das Wahldekret vom August 1185 erhellt aus einer 
Urkunde Orio Malipieros vom Juni 1189, gedr. bei Scumeidleb 58, A. 74. Das 
Wahldekret von 1207 gedr. bei Lenel 137 — 138. — Die Ausführungen Claabs 
Ö9ff. über Quarantia und Bogati (Senat) sind abzulehnen. Für die Ent- 
stehung der Quarantia ist die eben aufgeführte Stelle aus Villehabdouin c. 15 
und 18 ein Fingerzeig. Auch die von Claab 78, A. 3 für 1202 angeführte 
Stelle: Uli qui sunt de Quadraginta hoc anno widerstreitet der in der Dar- 
stellung S. 331 — 332 niedergelegten Auffassung nicht. Vocati ad consilia in 
Genua 1229 (Pebule U/1, 121, A. 197). — Volksversammlung. Hierüber 
4sehr eingehend Besxa, Nuovo Arch. Ven. 14, 222—239. Über die Neueinrich- 
tung der Dogenwahlen : Hist. duc. 80, 89 ; Chbon. Mabci 261 ; Daxd. 298, 308, 
315. Die HiBT. duc. 80 stellt den Wahlmodus von 1172 in einer Art dar, als 
ob daran nichts Neues wäre; Curon. MABa und Dand. bezeichnen dann den- 
selben als damals neu eingeführt. Ob man danach mit Sihonsfeld (Hist Zeitschr. 
84, 445) und Besta (Senate 33) das Jahr 1172 als Anfangsjahr festhalten oder 
mit Lenel 107 — 110 dessen Bichtigkeit in Zweifel setzen soll, ist die Frage. 
Wenn Dand. 287 den Dogen Vitale Michiele 11. noch ausdrücklich more solito 
(also in der Art wie 1071) gewählt werden läfst, so ist dies wohl mit Absicht 
gesagt, um den Gegensatz zu dem neuen Wahlmodus von 1172 deutlicher zu 
veranschaulichen, und beruht schwerlich auf besonderer Information. Dafs die 
Dogen wähl im Jahre 1172 den „nobiles" reserviert wird, scheint doch auf das 
Vorhandensein einer Oberschicht (nobiles) und Unterschicht (populäres ?) im Co- 
mune hinzuweisen; sonst wäre wohl „dves" zu setzen gewesen. Übrigens heilst 
«8 1178 schon „honesti laici", beziehungsweise „viri sine suspidone** , Ist 
also der adligen Oberschicht ein 1172 durchgesetztes Vorrecht sechs Jahre später 
wieder entwunden worden? Der Bericht über die Dogen wähl von 1178 (Hisi. 
DUO. 89) ist nicht anfechtbar. Dafs seit 1192 die Anordnung der Dogen wählen 
in den Händen der sechs consiliatores gelegen habe (Dand. 315 und danach 
Claar 20), wird durch nichts sonst erwiesen und ist in dieser Form gewifis 



492 Anmerkung 39 zu Seite 324—342. 

irrig. — Dafs wie in Venedig die Stadt (Hauptstadt) grenzen die Grenzen dea 
„parlamentums** und nur die hauptstädtische Bevölkerung zur Teilnahme an 
der Volksversamralung berufen war, scheint auch für Genua zu gelten (imtra 
fines parlamenii nan portdbo arma, non exeam foras civitatem vel fines pat" 
lamenti: PzRnLE II/l, 51, A. 108). — Ccncio finde ich zuerst 1162 (Genua)^ 
Arengo 1183 (Parma) genannt (Pertile U/l, 53, A. 120 und 124). 

3. Doge und Comune(S. 334—342). Über den Fidelitätseid der Unter- 
tanen Hain 30—36. Ein Bürgereid von 1188 gedr. bei Bomamn II , Beil. 4, 
412—413. — AuTsere Politik: Schmeidler 23—28. — Kriegswesen: Hain 116 
bis 124; Heyck, Genua und seine Marine 105 ff. Dazu Urkunden FRA. H, 
12, 198, 217—225; Cecchetti, Arch. Veneto 2, 118—119; Cbcchetti, Progr. 34. 
Vgl. auch Anna Kohnkva über den Normannenkrieg (Anm. 25/2) und Amn. 38/5 
und 38/7 über die Schiffsgerüste und Sicherung der Schiffe gegen Fener. Dafs 
die Organisation des Marinepersonals im Sinne der heimischen Beratongskörper 
auch anderweit in Italien üblich war, Pertile U/l , 397 , A. 42. — Stellvertre- 
tung des Dogen durch seinen Sohn oder auch Söhne (z. B. 1122—1125 Leachino 
und Domenico Michiele für den abwesenden Dogen Domenioo Michiele, Abch. Yen. 
NuoYO 19, 73 und 75) ist im 12. Jahrhundert durchaus die Begel. Ganz mit 
Unrecht sagt Hop^', Geschichte Griechenlands 189, Renier Dandolo sei 1202 
„wider alles Herkommen** stellvertretender Doge geworden. — Staatseinkünfte 
und Finanzen: Schmeidler 28 — 33, teilweise auch 33 — 53. VgL weiter unten 
über Advocatores. — Bichterliche Behörden: Besta, U diritto ecc 168 — 174; 
Hain 62 — 70; Schmeidler 63 — 61. Die späteren Angaben über die Einsetzung 
der Judices de proprio unter Doge Vitale Faliero als aufserordentlichen Gerichts- 
hofes anläfslich der Hungersnot 1095/96 und die Eompetenzangaben hierzu, wie 
sie Sanl^o und andere Schriftsteller bieten, sind anachronistisch und durchaus 
unbrauchbar. Über Judices ezaminatores s. das Statut Renier Dandoloa (s. Anm. 
40/1) c. Iff. — Beamtenernennung und Behördenorganisation: 
Schmeidler teilw. 33—53, 57—63, 64—67. — Die Advocatores erklart der 
ambrosianische Kommentar des Dandolo 307—308 : 8üb hoc principe (Sebastiana 
Ziani) primum creatos tres advocatoa pttblioos nannulli tradunt, qtU ratüh 
cinaiionem expensarum comunis tarn beUorum praeteritorum quam praesm- 
tium indagarent, gut postea advocatores comunis sunt dicH. Sie sind m. E. 
in der Tat eine Finanzbehörde, keine Staatsanwälte in unserem Sinne; es wire 
sonst auch nicht klar, wie die Kompetenz der Judices comunis und Advocatores 
gegeneinander abzugrenzen wäre. Was Hodgson 343 — 345 darüber meint, ist 
nicht zutreffend, wie ich noch in MIÖG. 25, 152 äuTserte, sondern ganz un- 
zutreffend. Im Jahre 1200 sind ihrer sechs (Vertrag mit Aquileja, Lib. paci. I, 
133 — 134), im Jahre 1207 ihrer drei überliefert — Die Wählbarkeit gewisser 
Beamtenkategorien kann nicht etwa erst durch das Wahldekret vom Angost 
1185 geschaffen worden sein, da schon 1173 Beamte gewählt werden. Sollte sie 
— wie auch Schmeidler annehmen möchte — etwa 1172 statuiert worden sein? 
Dies wäre eine merkwürdige Übereinstinunung mit der späteren Überlieferang» 
dem Dogen sei in diesem Jahre das Emennungsrecht der Beamten entzogen 



Anmerkung 39 zu Seite 342—342; 40 zu Seite 342—356. 49S 

worden. — Als ein Marktamt wären auTser den Yicedomini und Justidarii nach 
der Note von Ducanoe in der Bonner Ausgabe der Anna Komnexa ü, 603—605 
«uch die sehr verschieden gedeuteten Exeu sati anzusehen; nach Ducange sind 
aie Mitglieder der Schiffergilde, die, wie auch in Rom, gewisse Privilegien ge- 
nossen (daher ,, excusat!'*) und deren Hauptverpfiichtung die Sorge um die 
städtische Verproviantierung war. — Ober die Anfänge der städtischen Ein- 
teilung von Venedig läfst sich nichts Sicheres sagen; eingehender äufsert sich 
darüber Besta, II diritto 38—41. — Doge und Klerus: Hain 37—50; Bksta, 
II diritto 70 — 71. Über die Veräufserung geistlichen Eigentums verfügen die 
Kapitel 1—5 des Statuts Enrico Dandolos, daÜB liegendes Kloster-, Bischof- und 
Patriarcheneigentum , sofern nicht überhaupt unveräuTserlich , nur mit Zustim- 
mung des Dogen (Kap. 1, 3, 4), liegendes Pfarreigentum nur mit Zustimmung 
der Nachbarn und des Bischofs veräuisert werden darf. Kap. 5 enthält Yer- 
jährungsbestimmungen , Kap. 6 handelt von der (jerichtsbarkeit über den 
Klerus. — Äufsere Ausstattung des Dogen: Bomanin I, 98-102, 184—185; 
CECCiiETn 19—24, 43; Hain 25—29, 110. Vielerlei, aber fast nur für spätere 
Zeit in FnjASi VH und Molmenti, La vita privata. Im einzelnen s. Zanetti, Di»- 
sertazione suUa beretta ducale ; CECCHEm, Bolle dei dogi dl Venezia, 1888. Über 
die Kanzlei Lazzabini s. oben Anm. 39/1. — Verfassungseide der Dogen (Pro- 
missiones): 1148 Schmeidler 15, A. 15 (nach Urkunde für Ancona vom 25. Juni 
1152); 1172 und 1178 Dand. 297 (de libertaU eccksie conservanda) und 308 
(de servanda promissione) ; 1192 gedr. Arch. stör. Ital. IX, 327 — 329; vgl. 
Claar 110 — 111. Im allgemeinen Müsatti (s. oben Anm. 39/1). 

40) Zu Seite 342—356. Rechtsleben. 

!• Literatur. Vor allem die verschiedenen Arbeiten von Brsta, Jacopo 
Bertaldo e lo splendor Venetorum civitatis consuetudinum , Arch. Ven. Nuovo 
13 (1897). — Derselbe, DelF indole degli statui locali del Dogado Veneziano 
e di quelli di Chioggia in particolare, 1898. — Derselbe, Appunti per la storia 
del diritto pönale nel Dogado Veneziano innanzi al 1232. II Filangeri 1899, 
n. 5. — Derselbe, II diritto e le leggi dvili di Venezia fino al dogado di En- 
rico Dandolo. Ateneo Veneto 20 — 22, 19(X). (Hauptarbeit; vorzüglich). — 
Derselbe, Gli statuti dvili di Venezia anteriori al 1242. Arch. Ven. Nuovo, 
Nuova Ser. 1; enthält S. 205—242 und 242—258 den Druck der Statuten 
Enrico Dandolos von 1195 (in 74 Paragraphen) und Benier Dandolos von 1204 
(in 30 Paragraphen). — Femer Pebtile, Storia del diritto Italiano, besonders II/2, 
§ 68 und an verschiedenen Stellen von m und IV. — Kohler, Studien aus dem 
Strafrecht II— VI. Das Strafrecht der italienischen Statuten vom 12.— 16. Jahr- 
hundert, 1895 — 1897 (nimmt nur auf das Strafrecht des Dogen Tiepolo von 
1232 Bezug). — Goldschmidt, Handbuch des Handelsrechts I/l. Universal- 
geschichte des Handelsrechts; 8. Aufl., Stuttgart 1891. — Einiges in Lenel, 
Vorherrschaft und Sohmxidler, Dux und Comune. — Besonderen Dank schulde 
ich Herrn Dr. Karl Przibram, der mich bei der Abfassung dieser Partien meines 



494 Anmerkang 40 zu Seite 342—366. 

Baches durch fireundlicheu Bat unteretötzt hat — Eüizellitenitar w«ter 
unten. 

2. Über die gesetzgeberische Tätigkeit Domenico Morosinis Dand. 286, 
Vitale Michieles II. Stattt 1195, c. 11 and Chron. Just, (nach Besta, Gli 
statuti 25). — Orio Malipiero: Die Promissio maleficioram ist ge- 
druckt von Teza, Carta di promissione del doge Orio Mastropiero (Per le nozze 
di Pietro Ellero e di Maria Deciani), Bologna 1863. Da dieser Druck onxog&ng- 
lieh ist — mir war er nur durch die persönliche Liebenswürdigkeit Prof. Bestas 
erreichbar — , halte ich für meine Pflicht, das bedeutsame Stück hier zum 
Abdruck zu bringen. Es lautet: 

Proinisaio malefteiarum den Dogen OHo MoHpiero^ 

Bialto 1181 März. 

In nomine domini Dei et scUvataris nostri Jesu ChrisU amno tnear- 
nationis eiusdem miUesimo centenmo octuttgesimo primo mense martii indictione 
quartadecima. RivoalH, 

Cwn rdms publicis presideamus, hiis quae ad honorem et saHutem taüut 
Venetiae regimini nostro creditae imminere videantur, diUgenter providere 
debemus. Quapropter noa quidem Aureus Mastrapetrus dei gratia Venetiae 
Dalmatiae aique Oroatiae dux cum iudicibus et sapientibus nostris coUau- 
datione atque canfirmatione populi Venetiae etabilientee per hanc noetram 
publicam promissionem stabüimtui: 

[Straf idraub.] Ut ei a modo in antea in aliquo casu aUgua navis 
tarn Venetorum quam forinsecorum in toto districtu Venetiae naufragium 
passa fuerit, tunc quicumque ad ipsam navim iverit et aliquid de honie vet 
habere aut rebus ipsius fiavis violenter vel 8u5 occasione a'uxUii abstülerit, 
statim reddere debeat omnia quae ah stuierit itti cuius causa fuerit vd 
domui eius aut eam in commendatione mittere ad procuratorem sancU Marci 
ad opus illius cuius fuerit causa. Quod si ita non fecerit et causam quam 
abstulerit renuerit aut in aliam partem ipsam portaverit, tunc totum quod 
abstulerit in duplum emendare debeat iüi cuius fuerit catua et msuper 
nostrum bannum nobis emendare debeat ; et üle qui causam perdiderit, poste- 
statem habeat comprobandi ilH qui causam sibi abstulerit, quantum exinde 
ipsi comprobare potuerit et insuper potestatem hdbeat ipsum caJuwwiandi, 
si de causa plus Jiabuit; et ipse per sacramentum quantum inde habuit, 
tnanifestare debeat et per sacramentum etiam manifestare debeat omnes iOos 
liomines quos sciverit de bonis navis habuisse, et totum quod iüi eompro^ 
batum fuerit vel ipse per sacramentum se habuisse manifestaverit, in duplum 
reddere debeat iüi cuius causa fuerit et nobis nostrum bannum, ui dictum 
est. Quod si non habuerit unde causam reddat, tunc tota dom/us eius ad 
terram ruinari debeat et insuper cum tantum in vincuUs habere debeawws 
quousque universa quae habuit reddat et nostrum bannum ncbis similiter. 
Vere si iüi qui ad auocüium dandum iverint, convenientiam aUquam cum eis 



Anmerkung 40 zu Seite 342—356. 49& 

fecerint, quod nuUa convenientia cum eis facta, quae sit a quatuor partibus 
et infra, teneri debeat 

[Mttub bei JFeuersbrüfMten.] Stabilimus quoque simUem legem 
st^per illos homines, qui ad ignem vadunt et vioUnter t-el sub occasione 
auxilii aliqtiid ibi subripiunt et statim non reddunt. 

[I>f4fb8tahl.] Stabilimua autem de latronibus, ut iUe qui depre-^ 
hensus fuerit in furto a viginti solidis et infra, frustetur et bulUtur. Si 
rero post verberationem et bullationem aecundo in furto a viginti solidis et 
infra fuerit deprehefisus, eins oculi eruantur, Si quis autem a viginti solidis^ 
et supra i^ue ad centum solidos furtum commiserit, eius oculi eruantur. 
Si quidem furtem ultra centum solidos quis commiserit, suspendattir. 

[Hausfriedensbruch,] Si autem latro aliquis in domo alterius 
inventus aliquo defensibili gladio se defendere attentaverit aut fugiens percus- 
serit aliquem aliquo defensibili gladio, eius manus dextera abscidatur et 
eius oculi extrcthantur, Si ocuUaverit se quis in domi alterius [et] depi'e- 
Jiensus in nocte fuerit, frustetur et bulletur, si tamen in consciewtiii iudicum 
fuerit, quod pro furto faciendo in domo intraverit. Si vero aliquis latro- 
deprehensus fuerit fodiens alicuius domum, eius ociüi eruantur. 

[Unbefugte Ffändung.] Decemimus quoque, ut nüllus pig- 
norationem super aliqxiem forinsecum sifie nostra vel successorum nostrorum 
licentia facere presumat Quum vero presumpserit, potestatem habeat ilUy 
qui fuerit pignoratus, tenendi se de pignoratione sibi facta, Uli qui pigno^ 
rcUionem fecit vel cuicumque voluerit de his qui secum fuerunt; et ille pig^ 
nora restituat universa et nostrum bannum emendet et alium bannum emen- 
det nostro communi : et causa, pro q\ia pignorationem fecit, contra in nostra 
et nostri communis potestate deveniat. Et si fugerit et in conscientia iudi- 
cum fuerit, quod pignorationem fecerit, debeat stridari domui eius. Et si 
ad terminum non venerit et de bonis eius inventa fueritit, tantum de botiis 
illius debeatur intromitti quantum fuerit pignoratio, quam fecit, et bannte 
noster qui in nos venire debet: et cetera intromissa debeant dari iüi, super 
quem pignorationem fecit. Et si de bonis illius non invenerimus, tunc per- 
sonam illius vel heredum eius masculortim dare debeamus iüi, super quem 
pignoratio facta fuerit: et nobis bannum nostrum dare debeat. 

[Itaub und Maubmord»] Raubariam sive predam quicumque in 
districtu Venetiae a Chradu usque ad Caput aggeris super aliquem, qui in 
Venetiam veniat vel a Venetia exeat, fecerit, restituat cum iniuria universa 
nostroque banno subiaceat et eius manus dextera abscidatur: et si fugerit 
et in conscientia iudicum fuerit, quod rat*bariam vel predam fecerit et de 
bonis eius inventa fuerint, quod tantum de bonis illius debeatur intromitti, 
quantum fuerit preda vel raubaria, quam fecit et bannus noster, qui in nos 
venire debeat: et cetera intromissa debeant dari iüi, super quem preda vel 
raubaria facta fuerit. Et si fugerit, absque manu abscisa, quandocumque 
inventus fuerit, manum dexteram perdere debeat. Et si percusserit aliquem 
gladio faciendo raubariam vel predam et sanguinem effuderit, debeat stupendi.. 



496 Anmerkung 40 zu Seite 342—356. 

[Seeraub.] De hü vero aancimuSt qui cum galea vd alio ligno 
a Venetia exeuntes atnicos Vtnetiarum offenderint, omnes iüi gut iüiiu prede 
sive raubarie partem habuerint, universa reddere cogantur; et tue qui deprae- 
datus fuerit, super unum de Ulis quem voluerit vel plures, qui exinde partem 
hdbuerinty de illaio sibi damno se tenere liceat ei; si tarnen se per 9ficramenium 
defendere non poterit, quod nesciverit ülos quos ceperit esse amicos Veneüae. 

[Schulden.] Statuimus praeter ea, ut quicumque de debito fatto 
alicuius forinseci iudicatus in curia nostra fuerit, quod debeat reddere dM- 
tum, quod si non reddiderit, persona iüius trcutatur forinseco qui de iüo 
fuerit nobis conquestus, sine omni occasiotie. Si autem absens fuerit et contra 
mandatum nostrum debiium non soherit, quod similiter eius persona tradatwr 
forinseco, ut dictum est. 

[Nichterfttilung vath Amt^pflichteti.] Stäbüimus quoque, ut qui- 
cumque rogam comtnunis accipiens, sive fugicU sive non fugiat, serviUum 
non expleverit, pro quo rogam accepit, quandocumque fuerit inventus, copt 
debeat et tandiu in carcere retifieri quousque rogam commums restituat in 
duplum et nobis bannum nostrum, Si autem infra odo dies non soherit 
pretium, frustetur et bulletur. 

[Urkundeti.] Porro de publids promissiontbus communi deereto 
sancimus, ut si exemplum alicuius promissionis apparuerü dehmc inantea 
factum, ctiius mater nequaquam appareat, si videbitur iudicibus exemplum 
illud de bona matre fuisse, sie absque sacramento recipi debeat et audiri 
sicut mater si presens adesset 

[Mordf Totschlag und schwere Kärpet^erletzung*] Item 
statuimus, ut quicumque violentas manus in alium eiiciens percusserit eum, 
duos bannos emendet; unum fwbis et aliud Uli quem percusserit. Quod si 
percusserit eum gladio et sanguinem effuderit, subiaceat nostro banno et 
emendet Uli libras Veronenses viginti quinque. Et si aliter eum percusserit 
et sanguinem fecerit, hoc sit in discretione iudicum. Si autem percutiens 
interfecerit eum sine occasione cum voluntate, debeat suspendi et tantum de 
bonis illius debeat intromitti, si fuerit inventum, quantum sunt librae Vero- 
nenses quinquaginta et noster bannus, qui in nos venire debet; et praedietae 
quinquaginta librae dari debeant Jieredibus vel propinquis ülius, qui mortmu 
fuerit. Et si fugerit et inveniri non poterit, quatidocumque redierit et fuerit 
inventus, suspendi debeat. Si vero aliter eum interfecerit, pendeat iudieiwn 
in discretione iudicum: tarnen quinquaginta libras Veronenses emendet here- 
dibus vel propinquis illius qui fuerit mortuus et nobis nostrum bannum. 

[Vergiftung.] Item statuimus, ut si aliquis vir vel muUer aiiquod 
maleficium dederit alicui comedere aut bibere vd fecerit, per quod perire 
deberet vel memoriam perderet, su^endi debeat aut comburi vd exoculari 
aut manibus vel manu detruncari, secundum discretionem iudicum. 

[Bedenklicher Erwerb.] Item stäbilimus, ut si aliquis taber- 
narius vel tabemaria aliquam causam receperit quae sit de furto, quod ipsam 
causam totam sine ullo pretio et sine omni occasione reddere debeant. 



Anmerkang 40 zu Seite 342—356. 497 

[Steuerverweigerung.] StahiUmus quoque, ut quando stattOum 
et ordinatum fuerit, quod hominea Venetiae faciant adwtatictim et steterit 
aUquis quod non fecerit, tempore atatuto, quandocumque inventus fuerit, 
cogatur facere advetaticum, aecu^dum quod inventua fuerit aui aecundum 
quod fuit inventiM tempore quo ordinatum fuit (idvetaticum fcicere, prout 
nöbia et noatro communi placuerit. 

Et haec noatrae publicae promiaaionia Charta in aua firmitate permaneat, 

Ego Äurio Maatropetro Bei gratia 
dux manu proprio. 
Folgen weitere Unterschriften- 

Die Promissio maleficiorom wurde am 8. April 1195 (s. Pebtile II/2, 158, 
A. 6) durch Enrico Dandolo unverändert und 1232 durch Doge Tiepolo mit 
einigen Erweiterungen erneut. — Das Eapil^iare för Chioggia vom Dezember 
1181 ist gedruckt von Cecchetti, II Doge 257—260. 

8« Die ältesten bürgerlichen Bechtskodifikationen entstammen 
den Jahren 1195 (Statut Enrico Dandolos), 1204 (Benier Dandolo), 1214 (Pietio 
Ziani), 1226 (Pietro Ziani) und 1242 (Jacopo Tiepolo). Vgl. Besta, Gli statuti 
5 — 8. Druck der beiden ersten s. oben Anm. 40A* — Über Bechtsgang: 
Statut Enr. Dand. c. 6—8, 27—29, 66, 73; Ben. Dand. a 1—4, 7—9, 28—30; 
MoN. HüNG. msT. Dipl. XI, n. 66, 83, 100. — Familienrecht: Enr. Dand. 
c. 16, 17, 42-52, 68—72, 74; Ben. Dand. c. 5, 10—15, 17-21, 23-25. Über 
Eheschliefsung und -recht: Besta, Gli antichi usi nuziali del Veneto e gli sta- 
tuti di Chioggia. Biv. Ital. per le sdenze giuridiche 26. — Sachenrecht: 
Enr. Dand. c. 9—15, 53—57, 63—65; Ben. Dand. c. 22, 23, 25. Dazu zahl- 
reiche Beispiele von Investitions- und Proklamationsurkunden sowie Pachtbriefen 
unter den von Baracchi veröffentlichten Urkunden im Arch. Yen. 7, 8, 9, 10, 
20, 21, 22. — Obligationenrecht. Schuldbriefe: Enr. Dand. c. 36—41, 
51, 52, 71. Überweisung: Enr. Dand. c. 60, 62. Yollmachterteilung : Enr. Dand. 
c. 59—62. Quittung: Beispiele ebenso wie für die anderen Arten Verträge zahl- 
reich bei Baracchi a. a. 0. Über die bei Verweigerung der Ausstellung von 
Quittungen vorgesehenen Bestimmungen s. Enr. Dand. c. 39 — 41. Schenkungs- 
briefe: s. Baracchi. Der römische Bechtsgrundsatz ut cum aemel donatum 
fuerit nuüo modo revocetur ist nicht blofs in Venedig, sondern überhaupt in 
Italien in Geltung. Besta, II diritto 148. Über das Quintellum bei Kauf und 
Verkauf s. Enr. Dand. c. 4. — Über das Seedarlehnsgeschäft und seine 
verschiedene Art wie überhaupt über die (xeldverträge sind vor allem die ein- 
schlägigen Partien in Goldschmidts Handelsrecht I/l einzusehen. Beispiele für 
Seedarlehen (Commenda und Colligantiaj u. a. Baracchi, Arch. Veneto 7, 
n. 25, 29, 30; 8, n. 33; 9, n. 58, 64; 20, n. 86, 90, 91, 93; Arch. Ven. Nuovo 
19, 70—72 mit m. E. teilweise unzutreffenden Erläuterungen von Monticolo (57 — 62). 
Über CoUigantia Enr. Dand. c. 30 — 32, Ben. Dand. c. 16; s. besonders auch 
Sacerdoti, Le colleganze nella pratica degli affari e nella legislazione Veneta. Atti 
dell* istit. Veneziano 1899. Die Klausel in tuo perictUo de mari et gente (z.B, 

Kretsehmayr, Qeschiehte Ton Venedig. 32 



498 Anmerkung 40 zu Seite 342—856. 

Bar^cchi in Arcfa. Yen. 7, n. 29, ganz ähnlich 20, n. 90) kann ich nur mit Seestorm 
und Seerauh als Fällen erklären, die den Traktator jeder Haftung entbinden. 
Ffir Gegenstände auf dem Scbiffideck, die — abgesehen von den Tertragsmäfsig 
vorgesehenen Fällen — Schaden nehmen, haftet der Traktator, f&r Gegenstände 
unter Deck nicht (Urkunde von 1161 nach Bbsta, II diritto 154). Die „Sortes** 
finde ich zuerst 1119 urkundlich erwähnt (Abch. Yeneto Nüovo 19, 70—72. 
Über Bogadla Enr. Dand. c 35, 60, 62; dazu Besta 165—166 m. E. mit 
Becht im Gegensatze zu Pebtile und Goldscumidt. — Über die Campania 
Goldschmidt 271 — 290. Über die Compera und das älteste venezianische 
Anleihesjstem auTser Goldschmidt besonders Lenel 40 — 46. Die anzu- 
trefiende, zuerst in der Chronik Trevisans 41 a begegnende Nachricht von einer 
Zwangsanleihe und Errichtung einer staatlichen Anleihebehörde im Jahre 1171 
und der weiterhin daraus entstandene gründliche Irrtum, als wäre damals die 
„erste Nationalbank Europas** ins Leben getreten (Bomakin II, 85), sind schon 
durch Lattes, La liberta delle bauche a Yenezia dal secolo XIII al XYU (1869) 
und Febrara, Gli antichi banchi di Yenezia; Nuova Antologia 16 (1871) be- 
seitigt worden. Dazu auch Goldschmidt I/l, 293; Ehrenbero, Das Zeitalter der 
Fugger (1896) I, 35 f. und Lenel 41, A. 1, woselbst auch der S. 354 erwähnte 
Bürgereid aus dem 13. Jahrhundert mitgeteilt wird. Die Stellung von S. Marco 
als staatliches Geldhaus erhellt aus zahlreichen urkundlichen Yermerken (siehe 
unten); siehe übrigens auch Dand. 297—298; Statut Ben. Dand. c. 14. — An- 
leihen: Juni 1164, Anleihe bei zwölf Grenannten, darunter Sebastiano Ziani 
und Orio Malipiero. Druck: Sanüdo, ed. Monticolo 277 — 281 (mit Bemer- 
kungen). — Juni 1187 (nur ein anleiheähnlicher Yertrag). (jenannte stellen 
(gleichsam leihweise) Schiffe, offenbar in einem höheren Yerhältnis, als ihnen 
nach den bestehenden Yerpflichtungen zu leisten zukäme, und erhalten dafür in 
angegebener Weise teilweisen Bückersatz des allfällig dabei erlittenen Schadens 
aus dem Yermögen von S. Marco zugesichert. Druck: Ljubic, Mon. spect. bist. 
Slavor. merid. 1, n. 18 ; Kukuljevic, C. D. II, n. 297 ; Bomanin II, BeiL 7, 421 
bis 423. ^ November 1187: Anleihe bei Genannten, darunter Jacopo und Pietro 
Ziani, Söhne wld. Sebastiano Zianis, Enrico Dandolo. Druck: Mon. Hun&. bist. 
DIPL. 11, n. 107; Kukuljevic II, n. 298. — März 1196: Anleihe an Bord einer 
Flotte vor Abydos; Genannte stoli Venetiarum capiianei cnm suis tudieänu 
et sapientibiM et conlaudatione poptUi stoH sichern jedem Darlehnsgeber für 
eine Perpere nach Btickkehr nach Yenedig 40 Solidi Bückgabe vom Comune so. 
Druck: FBA. II, 12, n. 78; Bomanin II, BeiL, n. 6, 415—421. — 1198: An- 
leihe bei S. Marco für 2871 Pf. (Arch. Yen. 2, 213 nach Urkunde). — April 1207: 
Anleihe, vermerkt nach Urkunde bei Lenel 42, A. 1. — Mai 1207: Anleihe. 
Druck: Bomanin II, Beil., n. 9, 428-429; Cecchetti, Doge 238—240. — Über 
die Anfange bankmäfsiger Organisation Ferrara (der dieselben in Yenedig nidit 
vor dem 14. Jahrhundert gelten lassen will), Goldschmidt, auch Dayidsohn, Ge- 
schichte von Florenz I (1896), 795—802. 

4. Münze: Hauptwerk Papadopou, Le Monete di Yenezia, 1893; ein- 
gehend besprochen von Barozzi, Arch. Yen. Nuovo 6, 493 — 502; hier auch 



Anmerkuog 40 zo Seite 342-356; 41 in Seite 857—368. 4M 

Überblick über das Stadiom der venez. Numismatik vom 18. Jahrhundert her- 
wärts und eine kurze Bibliographie. Im allgemeinen s. besonders y. Lüscucr, 
Allgemeine MQnzkonde nnd Geldgesohichte, 1904. Anch Itir einige personliche 
Mitteilungen habe ich Prof. t. Lüsohin Dank za sagen. Einiges über das älteste 
venezianische Münzwesen auch bei Lentz, Byz. Ztschr. 3, 89. Über die älteste 
„Zeoca** Urkunde vom Sept. 1112; gedr. von Cecchstti, Progranuna 33—36; 
daraus erhellt aber nicht ein Verkauf der Münze (Lenkl 40, A. 2), sondern nnr 
der Verkauf des Grundes, auf dem die Zecca früher gestanden. Dafs die Kölner 
Mark seit 1123 in Venedig in Rechnung war: Goldschidt I/l, 311, A. 51. Im 
Überfahrts vertrage vom April 1201 heilst es ausdrücklich „marcarum pwri ar- 
genii ad pondus Colonie quo utüur terra nostra^'. Eine libra Venetioorum 
» 6 Mancusen : Kaiserpakta 840, 880, 888, c. 35. Eine Libra — 2 Byzantiner: 
Vertrag Peter Orseolos 11. mit Treviso, Anm. 21/2. DaTs im 12. Jahrhundert 
eine Libra = Vt ^erpere, läfst sich sowohl rechnungsmäCng als urkundlich er- 
mitteln. Doch sind die Wert- und daher Belationsschwankungen nicht unbe- 
trächtlich. Über das Schwanken des Wertes der Perpere u. a. Jisecek, Die 
Bedeutung von Ragusa. Vortrag Ak. d. Wiss., Wien 1899, 64—65, A. 53. Be- 
schreibungen , Abbildungen und Münzwertberechnungen der in Venedig gang^ 
baren Münzen im Akch. Veneto 2, 121—122, 12, 85—93, 21, 124-128 und 
bei Papadopou 41 ff. Wenn Canale 320 sagt, man habe unter Enrico Dandolo 
in Venedig les nobles medaüles d^argent que Ven apde ducat, qui cort partni 
le monde por sa bonte zu prägen begonnen, so können darunter nur die „grossi** 
(matapani Dand. 216, Chron. Just. 91) verstanden werden. — Dafs Patriarch 
und Vizedoge Orso Orseolo 1030/31 Münzen mit seinem Namen hätte schlagen 
lassen (Dand. 240 mit dem ausdrücklichen Beisatz ut fndimus) , ist durch kein 
Beispiel belegt; ebensowenig die Mitteilung gleichen Inhalts über den Dogen 
Pietro Polani (ZA>'ETn, Di una moneta antichissima del doge Pietro Polani 
1769). Noch weniger ist die Nachricht von der Prägung der „redende" (ro- 
tondae) als Vorläufer des späteren Goldpfundes durch Doge Pietro Badoero 
(939-942) (s. Marin II, 141) glaubhaft oder auch nur ernst zu nehmen; Gold 
wurde damals in Europa überhaupt nicht geschlagen, über die „Michelati" 
s. Anm. 31/3. DaTs Orio (Aureus) Malipiero Aureoli (also doch wohl Goldstücke) 
prägen liefe (Curon. Just. 90), ist schon wegen des Wortspiels verdächtig nnd 
sonst nicht nachweisbar. Es mögen wohl ebenso die von ihm geprägten Pfennige 
und Pfennigstücke gemeint sein, wie mit den Dukaten Canales die „Grossi" 
Enrico Dandolos. 



U) Zu Seite 357—368. Handel. 

1. Hierzu vor allem Anm. 14 und 26 und die dort angegebenen Quellen 
und Literatur. — Märkte: Mansiones und stationes in Rialto: Stat Enb. 
Dand. c. 1, Urk. Sanudo ed. Monticolo 277—281. Über die Märkte au£Ber 
Rialto die freilich schon etwas antiquierten Bemerkungen von Galucciolu I, 
281—284; Mabin in, 242—252. — Die Ausdrücke Mudua und Tazegium 

82* 



600 AnmerkoDg 41 zu Seito 357—368. 

erklärt Monhcolo, Arch. Yen. Naovo 19, 60—61 m. £. dorch&as irrig. Material 
hierzu bei Babacchi, Arch. Yen. 7, n. 29, 9, n. 58, 64, 20, d. 86, 90, 91 und 93. — 
Dafs bei Edsisi (s. Anm. 33/5) Trblah » Torcello (oder TreTiso?) noch als 
sehr bedeutender Handelaort erscheint, hat wenig za besagen, weil Edrisi über 
Yenetien ungenügend unterrichtet ist. Nicht unbezeichnend för das Zurücktreten 
▼on Torcello: N. N. de Torceüo habitatar in BivoaUo (Februar 1119). Arch. 
Yen. Nuovo 19, 70. 

2. Handel nach Westen. — Handel nach Westeuropa: Goldschmidt 
I/l, 185—188, A. 151; Faoniez, Documents relatifs a Thistoire de Tindustrie 
et du commerce en France, I. Französischer Schiffsverkehr nach Yenedig: 
s. S. 249, Anm. 33/3. — Handel nach Deutschland: Faktum von 1177, s. Anm. 
17; HüLLiCANN, Byz. Handel und Schulte, Handel zw. Westdeutschland and 
Italien a. verschied. 0., Erdmannsdörfeb, De commercio quod inter Yenetos et 
(jermaniae dvitates medio aevo intercessit, 1859 ; endlich Simonsfeld , Der Fon- 
daco dei Tedeschi in Yenedig und die deutsch-venezianischen Handelsbeziehungen, 
1887, 6 — 9. Wenn Canale 310 berichtet, Yenedig sei schon zu Domenico Moro- 
sinis Zeit ein reichbesuchtes Stelldichein deutscher Eaufleute gewesen, so hat 
er damit Yerbältnisse seiner Zeit auf ein Jahrhundert zurückübertragen. — 
Yenedig und Florenz (1201, August 14.): Davidsohn, Cresch. v. Florenz I, 
634, A. 1 nach Santini, Docc. della antica costituzione del comune di Firenze. 
1895, 59. — Yenedig und Genua: Yerträge vom April 1136 und Oktober 1177 
nach Lenel 40, A. 1 im Staatsarchiv Genua, Materie politiche 1 (Wortlaut mir 
nicht bekannt). — Yenedig und Pisa: s. Anm. 35/4. — Yenedig und Yerona 
(Mai 1107, 21. September 1192, 4. Oktober 1193): Druck von Cipolla in Arch. 
Yen. Nuovo 15, 294—299, 307—318. Über die Stellung von Yerona auch 
Lrnel 39, A. 3. — Yenedig, Fano und Ancona: s. Anm. 33/3 u. 5. — Yertrag 
mit Rimini, Juli 1170; Kopie nach Original in Yenedig, Staatsarchiv, Ducali 
Besta 5; ungedruckt. Wenn Leute von Bimini und Yenedig einander ein Dar- 
lehen geben, tun si dies auf eigene Gefahr und haben auf eine Intervention der 
städtischen Behörden zugunsten des Gläubigers nicht zu rechnen. Inhaltlich 
nahezu gleich Yertrag mit Cromo na, 28. März 1173; gedr. von Pbutz, Fried- 
rich I. 2, 373. In den Yerträgen mit Ferrara vom 7. April 1204 (teilw. 
gedr. von Minotto, Documenta ad Ferrariam Khodigium Policinum ac Mar- 
chiones Estenses spectantia. Yol. 3, Sect. 1 [1873], 13—14) und mit Mantua 
vom 10. Juli 1204 (Liber primus pactorum, Staatsarchiv Yenedig 163, Staats- 
archiv Wien 253, ungedruckt) wird in solchem Falle eine bedingte städtische 
Intervention (nur gegen den unmittelbaren Schuldner) zugesichert Die Yerträge 
Yenedigs mit Ferrara vom 26. Oktober 1191 (Minotto a. a. 0. 7 — 8) und 
Treviso vom 11. August 1198 (Liber primus pact, Yenedig 143 — 144, Wien 
281 — 282) enthalten eingehende Bestimmungen vornehmlich über das Bechts- 
verfabren in Schuldangelegenheiten der beiderseitigen Angehörigen und lauten 
einander nahezu wörtlich gleich. Der Yertrag mit Ferrara vom 5. Juni 12(X) 
(l^IiNOTTo, a. a 0. 13) legt Streitigkeiten wegen Handelsabgaben Ferrareaischer 
Kaufieute an Yenedig bei. Der in Anwesenheit von Yertretern der Stadt Ba- 



AnmerkuDg 41 zu Seite 357—368. 601 

venna geschlossene Vertrag zwischen Venedig und Cervia (Venedig, Museo 
civico Correr, Cod. Cicogna MMCXXXII, 2835/4; ungedruckt) vom 8. Juli 1203 ent- 
hält Vergleichsbestimmungen wegen der von den Leuten von Cervia an Venezianern 
begangenen Schiffsberaubungen (wichtig hierzu auch Minotto a. a. 0. 9 — 13) ; 
darin ist auf eine zwischen Venedig und Bavenna bestehende gleichartige 
Vereinbarung (. . . fiat, ut inter Veneticos et Ravennaies statutum apparet) 
Bezug genommen. Sehr bemerkenswert ist der Vertrag Venedigs vom Juni 
1200 mit dem Patriarchen Peregrin von Aquileja (Liber primus pact., Venedig 
133-134, Wien 214—216; ungedruckt); vgl, auch Dand. 320. Beide Teüe 
schliefsen Bündnis gegen Treviso, der Patriarch wird Bürger von Venedig und 
verpflichtet sieh, für die ihm zugesagte venezianische Hilfe gegen die Feindselig- 
keiten der Trevisaner u. a. zu Anfang der kommenden Fasten (23. Februar 
1201) den Bau eines Hauses auf zu erkaufendem Eigengrund in Rialto zu be- 
ginnen, dieses alljährlich 30 Tage ununterbrochen zu bewohnen und sein Land 
dem venez. Handel offen und den Trevisanem verschlossen zu halten. Ich denke 
übrigens auf diese Verträge noch an anderer Stelle zurückzukommen und die 
ungedruckten ihrem Wortlaute nach mitzuteilen. Hier sei mir gestattet, für 
wertvolle Abschriften zu danken, die mir Giuseppe dalla Santa aus Venedig 
hat zukommen lassen. — Venedig, I Strien und Dalmatien. Über die adri- 
atische Interessensphäre und die Verträge mit den istrischen Städten von 1145 
bis 1152/53 s. Anm. 33/5. Die Interessengrenze Ancona-Pola erscheint auch im 
Status Hemer Dand. c. 29. Ein Vertrag mit Capodistria 1182 (Staats- 
archiv Venedig Ducali 6; ungedruckt) liegt mir nicht im Wortlaute vor. Ver- 
träge mit Triest und Muggia, Oktober 1202: FRA. II, 12, n. 96 und 97. 
Vgl. auch den Eid des Comes von Veglia vom April 1199 (Kukuljevic-Sak- 
ciNSKi, 2, n. 272). Unterwerfung von Zara (1203): FRA U, 12, n. 106; Mon. 
HuNG. HisT. Dipl. 11, n. 166; Ljubic, Mon. spect. bist. Slav. merid. 1, n. 30. — 
Über den Handel nach Unteritalien s. Anm. 35/2. Über die venezianische 
Kolonie in Palermo im 12. Jahrhundert Rasseona Puouese, 17. Dez. 1900. — 
3. Handel nach Osten. — Byzanz. Dazu Kartenskizze IL Drucke 
der erhaltenen CbrysobuUen , Quartiereinweisungen und Symphonien: FRA U, 
12, n. 23, 43, 50, 51, 70—72, 85; Zaciiaiuae-Linqenthal, Ius Graeco-Romanum 
III, n. 54, 87-90. Instruktion E. Dandolos von 1197: Anm. 37/2. Über die 
Überlieferung dieser Urkunden Neuhann, Über die urkundlichen Quellen z. Gesch. 
d. byzant. venez. Beziehungen i. Zeitalter der Komnenen, Byz. Ztschr. 1 (1892) 
366 ff. Im allgemeinen Hüllmann, Gesch. d. byzant. Handels, 1808 besonders 
Heyd, Geschichte des Levantehandels I, 191-264 (209-291) und Schmeid- 
LER, Dux und Comune 33—53; auch Lenel 34—37. Im besonderen über 
die Stellung der Venezianer als ßovQy^aioi Heyd I, 200—201 (219-220); 
zum Chrysobullon von 1198 Thomas im Münchener gelehrten Anzeiger 39, 19 
bis 28. Urkundliches Material über die venez. Besitzungen im Griechenreiche 
besonders in FRA. II, 12. Venezianer in der Krim: Hüllmann 44—45; Aiöon- 
üAUD 421 nach Benjamin von Tudela (Pardessus, Lois maritimes 2, XI— XII, 
XXIV). — Venez. Handelsreise 1083 nach Tripolis: Cecchetti Arch. Ven. 



S02 ADmerkung 41 za Seite 857-368; 42 zn Säte 868—875. 

2, 118. — Ägypten: Ueyd I, 378—426 (417-~469). Die regelmiCuge Ver- 
kehrBverbindaDg mit Aleundrien erhellt aus zahlreichen Urkunden. Über 
die 38 italienischen Kauffahrer im Hafen von Alezandrien and die Praxis 
der dortigen GouYemeure Contin. du Guillauue de Tyr., Bbc. eist, cbois. 
occiD. II, 102 — 103. Verträge von Pisa und Genua mit Alezandrien (1173 
und 1177): Streit 41, A. 124. Die Lesart bei Benjamin von Tddela, die unter 
den Alezandrien besuchenden Kauf leuten an erster Stelle Yalentia (statt Yenetia) 
nennt, ist mit Heyd I, 388, A. 4 (428, A. 4) abzuweisen. — Levante: 
HsYD I, 128—190 (145—208); Schmeidleh, Duz und Ck)mune 33—53. Über 
lyrus s. auch Lucas, Geschichte der Stadt l^rus 58—66; Prittz, Aus Phönizien, 
258—266, 303 f. Urkundliches und Begestenmaterial für den venez. Besitz im 
heil. Lande in Böhricht, Begesta Hierosolymitana und FBA. II, 12. — Yertrag 
Sebastiano Zianis mit Bagdad: Hist. duc Yen. 81; dazu Streit, 41, A. 123. — 
Ikonium: Yermerk FBA. II, 12, n. 116, S. 438—439. — Armenien: Yei^ 
trag mit Leo II, Dez. 1201: Druck FBA. II, 12, n. 94; dazu Heyd I, 366 bis 
371 (403-409). 

42) Zu Seite 368—375. Materielle Kultur. 

1« Lebensmittel. Hauptquelle das Lebensmittelgesetz vom November 
1173, gedruckt von Cecchetti, Programma 48—54 (mit Bemerkungen), ein über- 
aus wertToUes und interessantes Dokument, das noch eine gesonderte Betrach- 
tung und Überprüfung verdient. Dazu — auch über Lebensmittelspekulation — 
die Salz- und Getreidehandelsverordnungen vom Dezember 1181 und Februar 
1183 für Chioggia; gedruckt von Cecchetti, Doge 258—257 u. 259. Über die 
Jnsticiarii Monticolo in MisceUanea della depnt. Yeneta di storia patria I, 12 
(1892), 5—7, 11—12. — Yorliebe des Mittelalters für Gewürze: Schulte, Handel 
72. Lebensmittelroonopol : Yertrag mit Capodistria 1145 (Anm. 33/5); Über- 
fabrtYertrag April 1201. — Industrie. Ygl. Anm. 28. Hierzu wäre das ur- 
kundliche Material erst noch zusammenzustellen. Einiges bei Cecchetti in Arch. 
Yen. 2, 112 und a. and. 0. Mancherlei in den Drucken von Baracghi im Archivio 
Yeneto. S. auch Marin 3, 222—231 (mit Yorbehalt); Schulte 71, 129, 131, 
135 f.; Bkoolio, Seidenindustrie. — Material zur Geschichte der Anfänge der 
Zünfte in Anm. 28/2. Ich vermerke überdies Pertile II/l, 178—200; Mokti- 
coLO in Rendiconti deir accad. dei Lincei IX, 101—109; Broolio 11 — 17. Auch 
sei mir erlaubt, an dieser Stelle Herrn Prof. Karl Grünbero für freundlichen 
Beirat Dank zu sagen. 

2. Schichtung der Bevölkerung. S. Anm. 30/1 und Besta, 11 
diritto 64 — 70. — Fremdenausweisungsgesetz 1192, Anm. 37/2. Dafs auch 
Auswärtige das Bürgerrecht von Yenedig erhalten konnten, bezeugt der Yertrag 
mit Aquileja vom Juni 1200 (Anm. 41/2). — Kapitalismus: Über den Reich- 
tum der Ziani s. Anm. 35/1; auch Lenel 42, A. 2; vor allem Hist. duc. Yen. 
96 — 97. Über San Marco slU Geldhaas s. Anm. 40/3. Die ?on Corner, Eccl. 
Yen. dec. 13/1 , 312—315 mitgeteilte Liste der Prokuratoren von San Mareo 



ÄDmerkuDg 42 zu Seite 368—375; 43 zu Seite 375—381. SOS 

vom Jabre 811 (!) ab ist nach Corners eigener Aussage bis zum Jabre 1114 
ex fdbülosis eJironiciß geschöpft; 1131 3. Juli ist nach Corner ein Justinus 
Baduarius de confinio S. Justine als Prokurator nachweisbar; ich finde einen 
solchen (Otto Basilius procurator operis ecclesie S. Marci) zuerst aus- 
drücklich 1152 bezeugt (Urkunde betr. den Caropanile, Sanudo, ed. Monticolo 
241). 1187 — 1192 zuerst zwei Prokuratoren (Dominicus Memmo und Petrus 
Justinianus) urkundlich nachweislich bei Ljübic, Mon. spect. bist. Slav. merid. I, 
n. 12. Arch. Vexeto 20, 73, 76. Die Ausführungen Molmentis über die Pro- 
kuratoren im grofsen von Onoania herausgegebenen Werke über S. Marco sind 
mehrfach zu korrigieren. - Ober Laientum und Lebensführung nur 
einiges wenige bei Cecchetti, Arch. Ven. 2, 85—88, 90—91, 113—117; auch 
Cecchetti, Programroa 37 — 38, 42—43. Dürftige Angaben in Molmentts Vita 
privata dei Yeneziani. — Venezianische Feste: Benier-Michiel, Origine della 
feste Veneziane, 5 Bde., 1817—1827. Graf, Die Feste der Republik Venedig, 
Gymn.-Progr., Klagenfurt 1865 — 1866. Beides für die Ursprungsfragc ohne 
wesentlichen Belang. 

43) Zu Seite 375—381. Geisteskultur. 

Bücherpflege und Schauspielerei: Arcil Ven. 2, 112. Einiges auch 
in der amtlichen Beschreibung des venez. Staatsarchives (II r. archivio di Stato 
di Venezia) vom Jahre 1873, 7. — Bildende Kunst: S. Anm. 30/3. Die 
Anschauung Venturis II, 540 — 544, dafs der Markuslöwe persisch- sassanidisch 
sei, wird neuerlich mit Grund bezweifelt. PERVANoaLü im Archeoorafo Triestino 
4, 119 — 133 hält ihn für assyrisch -babylonischen Ursprungs. Ich mu(s mich 
bescheiden, diese Ansichten einfach wiederzugeben. Zusammenstellung der Profan- 
bauüberreste aus dem 12. Jahrhundert in Buskins Stones of Venice 2, 120 — 151, 
390 — 392. — DaCs der von Temanza yeröffentlichte älteste venezianische Stadt- 
plan (Un antlca pianta di Venezia) nicht, wie der sonst wohlunterrichtete Heraus- 
geber annahm, dem 12., sondern vielmehr dem 14. Jahrhundert entstammt, ist 
heute nicht mehr zweifelhaft. Über die Erweiterung des Markusplatzes im 
12. Jahrhundert liegt eine gleichzeitige Nachricht im Berichte der drei Kano- 
niker über den Frieden von 1177 (s. Anm. 35/5) vor. Dort heilst es : in pkUea 
beaii Marci magna nimia et spaeiosa (Sanudo, ed. Monticolo 302, A. 4). 
Detaillierte Angaben über die Platzregulierung entstammen erst späterer Zeit. 
Ebenso begegnet die Nachricht von dem Bau der Rialtobrücke unter den Dogen 
Sebastiano Ziani uud Orio Malipiero nicht vor dem 14. Jahrhundert und ist ab- 
zulehnen. Nach Temanza, Antica pianta 16 wurde die erste (hölzerne) Rialto- 
brücke unter dem Dogen Renier Zen im mittleren 13. Jahrhundert errichtet. 
Über die Renovierung des Dogenpalastes unter Sebastiano Ziani (Dandolo 308) 
8. AcQUA GiusTi, La loggia del doge Ziani, 1880. Villehabdoüin über den Dogen- 
palast in c. 13. Erste Steinbrücke 1170: Arch. Ven. 2, 68; hier 69 auch über 
älteste Pflasterung. Im übrigen sind die Belege aus den früheren Anmerkungen 
heranzuziehen. 



r 




Die nahezu yon Seite zu Seite zu wiederholenden Schlagworte Byzanz^^^ 
Beich (Kaisertum), Bialto» Stadt und Venedig sind als eine überflQssige Be- 
lastung des Begisters weggelassen. Die Dogen, Patriarchen und Exarchen 
sind gleich allen regierenden Personen unter ihrem Bufnamen, Bischöfe und 
Äbte unter dem Namen ihrer Sitze, andere Personen, soweit möglich, unter 
ihrem Familiennamen aufgeführt. Eine Spezialisierung der sachlichen Schlagworte 
unterbleibt im Hinblick auf die detaillierten Angaben des Inhaltsverzeichnisses. 



Aachen, Friede von 58 — 60. 77. 

170. 422—423. 
Abydos 128. 297. 363. 
Adalbero, Herzog von Kärnten 149. 
Adaloald, König der Langobarden 

24—25. 
Adelheid, römische Kaiserin 112. 

113. 117. 124—125. 130. 
Adria, Bistum und Stadt 8. 9. 13. 

143. 249. 410. 
— , passim. 

— , Venez. Interessensphäre und Vor- 
herrschaft in der 237—239. 359 

bis 360. 
A d r i a n p e 1 303. 317. 320 (Schlacht). 

205. 363. 
Advocati 80. 198. 
Advocatores comunis 336. 337. 
Agilulf, König der Langobarden 

23. 24. 
Agnella, Nichte des Dogen Petrus 

Trandenicus 101. 
AgnellusParteciacus, Doge 32. 59 

bis 61. 64. 83. 86. 98. 208. 423 

bis 424. 429. 






Agnellus, dessen Enkel 61. 
Ägypten 61. 76. 130. 177. 219. 225. 

228. 282—284. 292. 294. 364 bis 

365. 481 f. 502. 
A i s t u 1 f , König der Langobarden 

49-50. 95. 420. 
Akkon 217. 218. 225—227. 259. 272. 

274. 278. 295. 302. 365. 367. 456. 
Alarich, König der Westgoten 15. 
Albiola (am lido di Pelestrina) 35. 

57—58. 103. 422. 
Alboin, König d. Langobarden 18—20. 
Alexander III., Papst 151. 243. 

249. 252-253. 262-268. 463w 

465. 468. 
Alexandrien 61. 65. 77. 261. 287. 

364. 
Alexios I ,Komnenos, byzantinischer 

Kaiser 160—166. 168. 179. 213 

215. 222—223 323. 

— ni., Angelos, byz. Kaiser 277 - 281. 

285—286. 297—300. 305. 320. 
362. 

— IV., Angelos, byz. Kaiser 277. 

285-307. 480—487. 



«•6 



Begitter. 



Alezios V., Dukas (BCurzapblos), byz. 

Kaiser 305—311. 319—320. 486 

big 489. 
AUia, Schlacht aa der 10. 
Almas, Neffe König Ladislaas' yoii 

Ungarn 165. 
Altin 0, Bistum und Stadt 11. 13-14. 

18. 21. 24—25. 33—34. 410-411. 
— , Maurus, Bischof von 25. 33—34. 
Amalfi 76. 130. 158. 169. 178. 214. | 

218. 231. 360. 361. i 

A mal rieh, König von QTpem 278. . 
Amiens, Peter von, Bitter 310. 
Ammiana 33. 69. 72. 
— , S. Feiice auf 101. 108. 152. 
Anagni, FriedenspriUiminarien 262. 
Anastasi US IV., Papst 244. l 

Ancona 18. 21. 41. 93. 139. 173. j 

231. 235—241. 248. 253. 259. | 

260. 269. 273. 285. 461. 467. 
Andreas I., König von Ungarn 156. ; 
Andria, Graf Boger von 262. 
Andronikos Konmenos, byz. Kaiser 

269. 469—470. 
Andres 229. 297. I 

Angilberga, Kaiserin 95. ' 

Anleihen, venezian. Staats- 353. 498. | 
Anna, griech. Prinzessin 112. 
— Komnena, Kaisertochter und Schrift- ; 

steUerin 157. 165. 195. 395. 446 

bis 447. 
Antiochien 215. 217. 224. 228. 280. | 
Antivari 244. | 

Antonin, Patriarch von Grado 419. 
Apulien, venezianischer Handel nach ■ 

75. 175. 360. 
Aquila, Schiff 486. 
Aquileja, Kirche (Patriarchat) von 

21-29. 53-54. 64-65. 112. 

144—151. 155. 175. 244-245. 

251. 263. 266. 359. 413. 431. 

443-446. 474. 501. 
— , Patriarchen (s. auch „Grado") unter 

deren Namen. 



Aquileja, Stadt 10—12. 15. 18—20. 

25. 30. 80. 145. 175. 
Arbe, Bistum, Stadt und Gebiet 

137—138. 144. 165. 189. 220. 223. 

230. 239. 244. 470. 
Architektur, inByzanx, Italimund 

Venedig 79—83. 85—87. 202 bis 

209. 377—380. 427—429. 453 bis 

455. 503. 
Ariane, Stadt 249. 
A r i a 1 d , König der Langobarden 25. 
Arles 249. 
Armenien s. „Leo**. 
A r r i u 8 , Grfinder von Torcello 33 — 34. 
Arsaffios, griech. Diplomat 58—59. 

423. 
Arsenal, venezianisches 185. 222. 323. 
Askalon 225—226. 
Asolo, Stadt 9. 415. 
Attila 15—16. 19-20. 34. 414. 
Augsburg, Bischof Adalbert von 174. 
August US, Kaiser 11. 18» 
Aulona 160. 
Au thari, König der Langobarden 23. 

Bacchiglione, flufs 5. 
Badoero, Johannes, Diplomat 462. 
— , Orso, Flottenführer 108. 
Bagdad 130. 219. 502. 

— Kalif Almustadhi von 365. 
Balduin L, König von Jerusalem 

213. 217. 224. 

— II., König von Jerusalem 224 — 228. 

— I. von Flandern, latein. Kaiaer 

291. 297. 311-320. 475. 488 bis 

489. 
Bardas, griechischer Prinz 92. 
Bari 76. 97. 129. 152. 158. 169. 

175. 177. 214. 225. 231. 440. 456. 
Basileios I., byzant. Kaiser 97—98. 

— II. (Bulgaroktonos), byzant. Kaiser 

111. 127-128. 142. 159. 
Basilius (Baseggio), Petrus und Jo- 
hannes 454. 



Begister. 



507 



Beat US, Doge 55—59. 421—423. 

Bebbe, Schlacht bei, 221. 

Behördenorganisation, venezia- 
nische 337—338. 492—493. 

Bela n., König v. Ungarn 270. 272. 

Belgrad 0, s. „Zara vecchia'*. 

Belisar 17. 

Belluno, Bistum und Stadt 9. 11. 
21. 123. 130 — 132. 175-176. 
245. 268. 

— Bischof Johannes von 131 — 132.441. 
Benedikt m., Papst 430. 
Benevent 47. 231. 
Benjamin von Tudela 364. 
Berengar (I.) von Friaol, Kaiser 101. 

102. 109. 

— (IL) von Ivrea 109—112. 434. 
Bergamo 252. 

Bernhard von Olairvaux 231. 241. 

245. 
Berta von Sulzbach, Prinzessin und 

byzantinische Kaiserin 232. 
Besannen, Beichstag zu 240. 248. 
Bethune, Conen de '281. 298. 304. 

317. 
Biandrate 253. 
Bibiones, Laguneninsel 30. 414. 
Blois, Graf von, s. „Ludwig". 
Boemund L, Herzog von Antiochien, 

Sohn des Guiskard 160-165. 213. 

220. 447. 

— UL, Herzog von Antiochien 278. 
Bologna 263. 282. 237. 359. 

B n i f a c i , Markgraf von Montferrat 

und König von Thessalonike 281. 

283—285. 288. 290-322. 482 

bis 489. 
Borna, KroatenfUrst 62. 
Boves, Enguerrand von 292. 
Bracieux, Pierre de 310. 
Bragadino, Badoero 136. 
B r a n a s Alexios, griechischer General 

271. 
Brautraubsage 104. 106. 437. 



Brazza, Insel 97. 

Brenta, Flufs 5. 8. 20. 75. 221. 237. 

Brescia 233. 252. 

Brienne, Graf Walter von 288. 295. 

Brindisi 286. 

Brondolo 5. 35 — 36. 49. 57. 420. 

— , S. Michiele di 83. 95. 

— , S. TrinitÄ di 152. 154. 

Bruno, deutscher Edler 131. 

Bulgaren 91-92. 274. 318—322. 

Burano 33. 

Butrinto 163. 164. 

Byzanz, Stadt s. „Konstantinopel". 

Cal'solo, Insel 442. 
Calixtus U., Papst 458. 
Caloprino, Familie 85. 96. 119. 123. 
— , Stephane 123. 125. 
Campanile von S. Marco 142. 204. 

209. 379. 454. 
Candiani 84. 96. 101. 104—105. 

118—119. 125. 435—438. 
— , Dogen s. „Petrus" I., II., III. u. 

IV. „VitaUs". 
— , Patriarch s. „Vitalis". 
— , Stammtafel der 436. 
Canale, Martine de, Chronist 240. 390. 

391. 
Caorle, Bistum und Stadt 9. 16. 19. 

24. 31. 52. 69-70. 106-107. 147. 

189. 205. 233. 251. 414—415. 

454. 
— , Bischofsliste 404. 
Capodistria, Bistum und Stadt 

105. 116. 117. 154. 189. 238. 245. 

463. 501. 
Capua 122. 158. 231. 
Cariroanus, Dominicus, venez. Ge- 
sandter 117. 
Carosus, Tribun 62. 424. 
Carpaccio 268. 
Case, nuove e vecchie 85. 
Cassiodor 21. 41. 67. 68. 71. 74. 

75. 425. 



50S 



Register. 



Gasöl 0, Marco 257. 
Gas teile ■» Olivolo. 
Gathedra Marci 30. 86. 429. 

— Petri 86. 424. 429. 
Gatallus 12. 

Gavarzere 36. 103. 124. 130. 131. 

249. 359. 439. 
Gazza, Insel 137. 
Gene da, Bistum und Stadt 124. 176. 

245. 
— , Bischof Grauso 132. 176. 
— , Bischof Sieghart 131. 132. 175. 

176. 
Gervia 74. 359. 501. 
Ghalcodon, Konzil von 22. 
Ghioggia, Bistum und Stadt 4—5. 

20. 23. 35. 36. 57. 64. 69. 72 bis 

75. 78. 83. 103. 237.' 264. 375. 

415. 
— , Bischofliste 406. 
Ghios 229. 256. 
Ghronicon Venetum 19-21. 30. 92. 

201. 386-388. 425. 
Ghrysobullen 163. 168. 179. 271. 

224. 229. 233. 280. 360-362. 
Gittanuova auf Istrien, Bistum und 

Stadt 96. 117. 124 .142. 147. 239. 

245. 
— , = Horacliana. 
Gividale 27. 
Givita vocchia 249. 
Glairvaux s. „Bernhard'*. 
Glary (Glari), Robert de, Ghronist 

300. 312. 396. 475-476. 483. 
Glassis 13. 47. 
Godroipo 12. 
Golonne, Schlacht bei 121. 
Gomacchio 5. 41. 57. 66. 74—76. 

100. 105. 114. 170. 173. 419. 427. 
Gomo 78. 245. 
Gomune (Bürgergemeine) in Italien 

325. 

— Veneciarum 247. 328—342. 490 bis 

498. 



Goncordia, Bistum und Stadt 11. 

12. 19. 21. 24. 245. 410. 
— , Bischof Johannes von 31. 
Gonstantiaca 33. 
Gordova 130. 
Gormons 24. 
Grema 248-249. 
G r e m n a , Bistum und Stadt 75—76. 

173. 252. 282. 359. 500. 
— , Bischof Liutprand von 113. 159. 

178. 437. 
Gurzola 138. 
Gusa in den Pyrenäen, Abt Gnannns 

von 118. 
Gypern 225. 360. 

Dalmatien 13. 55—58. 62—63. 75 

bis 76. 93. 96. 97. 101. 106 bis 

109. 133. 135—141. 144. 156. 

165—167. 177. 215. 218—224. 

229. 237-241. 244—245. 250. 

253-255. 272. 288-294. 837. 

344. 360. 441-443. 447—448. 

457-458. '463—464. 470. 501. 
Damaskus 130. 177. 
D a m i a n i , Petrus 152. 156. 452—453. 
Dandolo, Andrea, Geschichtachrei- 

her 19. 21. 28. 136. 143. 147. 

165. 313. 391—393. 
— , Enrico, Doge s. „Enrico". 
— , Enrico, Patriarch s. „Enrico". 
— , Renier, Vizedoge 288. 316. 342. 

344. 
— , Vitale, Admiral 288. 
— , Stammtafel der 471. 
Dante 185. 450. 
Desiderius, König der Langobarden 

50. 52-53. 421. 
Deusdedit, Magister militum und 

Doge 48-50. 420. 
Deutschland, Handel nach 174. 

358. 500. 
Dionys I. 7. 8. 
Dirzislaw, Kroatenkönig 137. 138. 



Begister. 



60» 



Doge (Dogat) 38-41. 69—70. 94. 

193 — 195. 324. 332. 334—342. 

417. 492-493. 
Dogenliste 400—402. 
Dogenpalast 64-65. 86. 87. 141. 

208. 222. 373. 429. 454—455. 
D m ag i , Kroatcoherzog 96. 
Domenico (Dominicas) Centra- 

n i c (Barbolano), Doge 146—148. 

443—444. 

— Cerbano , Patriarch von Grado 446. 

— Contarini, Doge 153. 155. 204. 

442. 444. 454. 

— Flabiano (Favianico), Doge 148. 

151. 155. 325. 444. 

— Marango, Patriarch von Grado 
446. 

— Michiele, Doge 183. 223—230. 

237. 329. 334. 342. 457-459. 

— Monegario, Doge 51. 420. 

— Morosini, Doge 218. 238—240. 

340. 342. 459-462. 

— Orseolo, Doge 148. 162. 443. 

— Silvio, Doge 153. 156. 164. 204. 

444. 

Donato, Andrea 362. 473. 

Donatus, Patriarch von Grado 413. 

Dorsodnro, venezianisches Stadt- 
viertel 84. 98. 206. 208. 

Dreikapitelschisma 21 — 27. 

Drogo, Normannengraf 157. 

Drosaich, NarentanerfÜrst 93. 

Dulcigno 229. 

Durazzo 160—165. 270. 279. 295. 
316. 319. 

Bdessa 218. 457. 

Edrisi, Weltkarte des 414. 642. 

Elias, Patriarch von Grado -Aqnileja 

20. 22. 28. 30. 414. 
Enrico Dandolo, Doge 257—258. 

260. 272. 276 — 322. 839. 341. 

342. 344. 356. 380—381. 466 bis 

467. 471—489. 



Enrico Dandolo, Patriarch von Grado 

244. 246. 276. 493. 
Etsch 4—5. 75. 123. 275. 358. 
Eaböa 256. 

Eudoxia, Braut des Alexios V. 311. 
Euphrosyne, Gemahlin Alexios* ÜI. 

311. 
Eutychios, Exarch von Bavenna 

47-48. 419. 
Excusati 493. 

Paenza 282. 359. 
Falieri (Faletro) 34. 69. 85. 96. 
— , Dogen 8. „Ordelafo", „Vitale". 
Familien, älteste venezianische 84 

bis 85. 428. 
Fano 109. 173. 238. 
Fara- Lesina 244. 463—464. 
Felix, Tribmi 56. 

Felizitas, Gemahlin des Dogen Ju- 
stin ian Parteciaco 65. 
— , Gemahlin des Dogen Petrus Or- 

seolo I. 126. 
Feltre, Bistum und Stadt 9. 11. 21. 

245. 
Ferra ra, Stadt 41. 105. 113. 173. 

220. 249. 251. 263. 273. 276. 

359. 500. 
Florenz, Stadt 186. 237. 277. 358. 

500. 
Fogolana bei Chioggia 119. 
Fondaco dei Tedeschi 359. 
Fortunatus, Patriarch von (Grado-) 

Aquileja 24. 413. 
— , Patriarch von Grado 54 — 64. 78. 

79. 82. 87. 169. 199. 421. 424. 

425. 
Foscarini, Pietro, venez. Gesandter 

276. 
Fossone, Lagunenort 36. 
Foucherv. Chartres, Chronist 395. 455. 
Friedrich L, römischer Kaiser 20. 

140. 240. 248 — 253. 258—267. 

273. 274. 283. 466—469. 



61« 



Begister. 



Gaiolo, Seeräuber 106. 
Gallipoli am Hellespont 274. 818. 
Gastalden 71. 187. 193. 
Gaulus (Galla), Egplius, Doge 50. 

418. 420. 
Geldwirtschaft 71. 78. 169—210 

(VI. Kapitel). 323-381 (IX. Ka- 
pitel). 427. 451. 497-499. 503. 
Genua 11. 165. 170. 177. 181. 214 

bis 217. 224. 228-231. 235. 236. 

241. 248. 249. 253-254. 270 bis 

274. 277. 280-283. 328. 358. 

360—361. 364. 365. 461. 466 bis 

467. 471. 500. 
Georgio, Jobannes, griech. Diplomat 

481. 
Georgios, Sohn des Johannakes 43. 

418. 
— , Orgelmacher 78. 
Gewerbe und Industrie, venezianische 

78-79. 185—188. 369-371. 427. 

502-503. 
Geysa, König von Ungarn 156. 
Giovinazzo, Amicus von, Graf 159. 
Gisulf, Herzog von Friaul 28. 158. 
Gottfried, Kaiserl. Kanzler 117. 
— von Bouillon, Herzog und König 

213. 216-217. 455. 
Gradenigo, Marco 238. 
Grado, Kirche (Patriarchat) von 21 

bis 29. 43. 53. 55. 60. 64. 112. 

150. 167. 241. 244. 245. 263. 

266. 323. 324. 339. 363. 413. 414. 
— , Kirchen, einzelne 81 — 82; darunter 

besonders S. Euphemia 23. 30. 80. 

82. 101 ; S. Agatha 30. 82 ; S. Pere- 

grino 57. 82. 
— , Patriarchen unter deren Namen. 
— , — liste 402—404. 
— , Stadt 12. 30. 43. 54. 63. 69—70. 

80—81. 87. 96. 97. 145. 146. 149. 

150. 215. 412. 414 
Gravina, Alexander von 235. 
Greco, Philippe 256-260. 



Gregor L der Grofse, Pftpat 22. 23w 

— n., Papst 28. 46-47. 419. 

— lU., Papst 47—48. 

— Vn., Papst 150. 151. 153. 154. 

156. 158. 163. 245. 445. 
Gregorios, Katapan von Bari 129. 
Grimoald, König der Langobarden 

20. 25-26. 46. 
— , Herzog von Benevent 57. 
Guido von Spoleto, Kaiser 101. 102. 

109. 163. 
G&nter, Markgraf von Istrien 106. 

Hadrian U., Papst 99. 

— IV., Papst 244. 463. 
Haifa am Karmel 216. 217. 
Haleb 130. 177. 

— , Emir von 255. 226. 

Halmyros 256. 363. 

Handel, venezianischer 74 — 77. 169 

bis 181. 357. 368. 427. 448—449. 

499-502. 
Heinrich I., deutscher König 107. 

174. 177. 

— IL, römischer Kaiser 135. 174. 

— III., röm. Kaiser 149. 150. 155. 448. 

— IV., römischer Kaiser 149. 150. 

161. 162. 166. 195. 448. 

— V., römischer Kaiser 221 — 223. 

— VI., römischer Kaiser 271. 273. 

275-280. 

— der Stolze, Herzog 231. 

— der Zänker, Herzog 131. 

— von Flandern, Graf und lateinischer 

Kaiser 281. 303. 307. 320. 
Helena, Witwe König Zwonimirs 165. 
Heracliana, Bistum und Stadt 25 

bis 26. 31—32. 39-49. 72. 80. 

82. 84. 85. 98. 131. 154. 189. 

206. 415. 422. 
— , Bischofliste 405. 
— , Kampf mit Jesolo 43-44. 49. 50. 

51. 52. 57. 64. 70. 83. 103. 415. 

418. 420. 



Eegister. 



611 



Heracliana, Kirche S. Piero 32. 
Herakleia (Eregli) 318. 
Herakleios, byzantinischer Kaiser 

25. 26. 30—32. 86. 
Hermagoras, hl. 136. 244. 
Hezilo, Bayemherzog 133. 
Hicela, Tochter Piet. Orseolos II. 137. 
Hildebert von Tuszien 117. 
Hildebrand, Herzog oder König der 

Langobarden 48. 419. 
Honorins L, Papst 24. 
Honorins IL, Papst 229. 458. 
Hugo von S. Paul, Graf 281. 291. 

294. 303. 315. 475. 489. 

— von Tuszien, Graf 125. 

— von Vienne, König von Italien 101. 

102. 105. 106. 113. 117. 

Ignatios, Patriarch von Konstanti- 
nopel 99. 

Ikon i um« Sultan (Emir) von 255. 
306. 366. 486. 

Imola 282. 359. 

Industrie s. „Gewerbe**. 

Innozenz IL, Papst 150. 230—232. 
244-246. 

— m. , Papst 281-285. 293. 301. 

315. 320. 480-482. 485. 489. 
Interessensphäre, venezianische, zu 

Land 359. 
— , zur See 237—239. 359—360. 
Investiturstreit in Venedig 246. 

247. 829. 338. 462—464. 
Irene, Greliebte oder Tochter Alexios' IQ. 

300. 
— , Gremahlin König Philipps, Schwester 

des Alexios IV. 280. 
I s aa k Komnenos, byzantinischer Kaiser 

160. 

— Angelos, byzant. Kaiser 270—275. 

280. 300—306. 470. 
Isonzo 6. 
Istrien IL 23. 24. 27. 28. 37. 53 

bis 56. 58. 64. 75. 77. 96. 106. 



113. 185. 137. 144. 150. 151. 167. 
176. 179. 204. 501. 
Ithaka 23L 

Jaffa 216. 225. 280. 

Japygor 7. 

Jerusalem, Königreich und Stadt 

178. 216. 224. 226. 272. 373. 282. 
Jesolo, Bistum und Stadt 31. 33. 71. 

72. 80. 84. 85. 92. 136. 142. 152. 

189. 205. 365. 
— , BischofsUste 406—407. 
— , Bischof Pascal von 256. 
— , Kampf mit Heracliana 43—44. 49.. 

50—52. 57. 64. 70. 83. 103. 415. 

418. 420. 
— , Kirche S. Giorgio in Pineta 32. 71. 
Johanna, Gemahlin des Dogen Pietro- 

Candiano IV. 113. 
Johannes Äsen, Zar der Bulgaren 320 

bis 322. 
— . Doge 51—54. 420. 

— Diaconus, Geschichtschreiber 19. 28w 

29ff. 92. 100. 110. 114. 115. lia. 
126. 131. 133. 134. 136. 143. 147. 
200. 388-389. 441. 

— Gradenigo, Patriarch von Grado- 
115. 118. 222. 

— , kaiserl. Oberst 18. 412. 

— Komnenos, byzant. Kaiser 224. 228> 

bis 232. 

— VIU., Papst 99. 

— XIX., Papst 27. 145. 

— Parteciacus, Doge 61—65. 8& 

bis 87. 92. 423—425. 
— , Patriarch von Aquileja 24. 25. 27. 

413. 
— , Patriarch von Grado 53—54. 421. 

— Rizokopos, Exarch von Ravenna 46. 
— , Verweser des Bistums Olivolo und 

des Patriarchates Grado 55 — 58. 
64. 82. 

— Zimiskes, byzant. Kaiser 111. 121. 

159. 



61S 



Begister. 



Jordanes 13. 20. 33. 

Jabianus, Magister militum von Ve- 

netien 48. 
Juden in Venetien 108. 
Judices 80. 192—196. 336. 342 f. 
Justinian I., byzant. Kaiser 17. 21. 

71. 

— 11., byzant Kaiser 45 — 46. 
Jastinianus Parteciacus, Doge 

61. 64-65. 72. 77. 78. 423—425. 

Kaid Safi, Renegat 129. 

Kaiserpakta (Verträge mit dem 
Westreich) 95. 97. 100-102. 112. 
122—123. 130. 134-135. 155. 
166. 170-172. 221. 231. 240. 255. 
279. 358. 431-435. 

Kalabrien, Handel nach 175. 360. 

Kaluphes, Nikophoros, gricch. Di- 
plomat und Feldherr 250. 255. 

Kapitalismus 323. 372—374 und 
überhaupt IX. Kapitel; 502—503. 

Karl ra., Kaiser 97. 100. 

— der Grofse 50. 53-60. 63. 76 bis 

77. 95. 105. 170. 421. 422. 434. 
Kartausen 242. 
Kassiope, Treffen bei 164. 
Kephallenia 58. 163. 229. 234. 270. 
Kinnamos, griech. Geschichtschreiber 

236. 261. 395. 
Kirche, venezian. (s. auch „Grado") 

69—70. 80-81. 149-155. 194. 

197—199. 241—247. 338-339. 

372—374. 428-429. 444-446. 

462 — 464. 493. Die wichtigeren 

der einzelnen Kirchen und Klöster 

Venedigs unter ihrem Namen ; die 

der anderen Seelandsorte unter den 

Namen dieser. 
Kleomenes, König von Sparta 8 — 9. 
Köln 254. 

— , Erzbischof von 266. 
Koloman, König von Ungarn 195. 

219-223. 



Kolonen in Venetien 40. 70. 73. 
Kolonien, venezianische 136. 363 bis 

368. 
Konrad U., römischer Kaiser 27. 145. 

174. 176. 435. 439. 448. 

— IIL, deutscher König 232—237. 435. 
— , Pfalzgraf bei Bhein 267. 

— von Montferrat, Markgraf 270. 273. 

274. 
Kons tan s, byzant Kaiser 26. 31. 32. 
Konstantin VII., Porphyrogennetos, 

byzant. Kaiser 19—21. 29. 34 bis 

36. 58. 395. 
Konstantinopel, Stadt 45. 63. 76. 

92. 103. 146. 160. 163. 178. 204. 

213. 228. 231. 234. 256—260. 269 

bis 274. 280. 297-321. 360—363. 

469—470. 472. 484—489. 501. 
Kon stanze, römische Kaiserin 271. 

280. 
Konsuln 325—326. 
Korfu 160. 163. 164. 225. 233. 234. 

236. 271. 295. 301. 319. 485—486. 
Korinth 233. 
Kos, Insel 229. 
Kosmos, Schiff 259. 
Kreta 234. 317. 318. 
Kriegsverfassung 334. 335. 
Krim, Halbinsel 363. 
Kroatien und Kroatisches König- 
tum 62. 93. 96. 135—140. 156. 

165. 250. 219. 220. 
Kultur, venezianische, geistige 80 bis 

83. 85-87. 197—210. 375—381. 

421—422. 453-455. 503. 

— Geld- s. „Geldwirt8chaft*^ 

— , materielle ((resellschafts-) 67—80. 

197—200. 368—375. 452-453. 

502-503. 
— , Natural-, s. „ Naturalwirtschaft '*. 
Kuruphes, Michael Palaeologos 234. 

Ladislaus, König von Ungarn 165. 
Lagost a 138. 



Begister. 



51S 



Lagunenhaas, Typus 207. 
Laien tum in Venedig 81. 199. 373 

bis 374. 503. 
Langobarden 16. 18-20. 23-27. 

41-53. 170. 412. 
Laodicea 215. 
Lebensmittel in Venedig 179. 368 

bis 370. 502. 
Legnano, Schlacht bei 262. 
Lemnos 257. 363. 
Leo IL, König von Annenien 278. 366. 

— m., Papst 56. 

— VUL, Papst 112. 

— IX., Papst 28. 150. 445. 
Leon III. , byzant. Kaiser 45—47. 

— V., byzant. Kaiser 59. 64. 9L 
Leopold V., Herzog von Österreich 

267. 
Lesbos 229. 257. 
Levante, Handel nach der 179. 365 

bis 3G7. 502. 
Liago 208. 378. 
Lissa 136. 
Literatur (schöne) in Venedig 200 bis 

201. 376. 453. 503. 
Liudewit, Slowenenberzog 63. 78. 
Liudolfingen 107. 
Lintprand, König der Langobarden 

28. 44. 46—49. 95. 418-419. 
Livefiza 6. 147. 149. 176. 
Livius 8. 12. 
Lodi 252. 
Lombardei 3. 4. 173 und unter 

„Regnum Itaüao". 
Longinus, Exarch von Ravenna 411. 
Longobardia, griech. Thema 129. 
Loos, Dietrich von 319. 
Loreo 36. 72. 103. 113. 124. 130. 

131. 143. 167. 189. 198. 447. 
Lothar I., Kaiser 94—95. 43L 

— in., römischer Kaiser 230—232. 
Lucca 186. 237. 

Lucius IL, Papst 235. 

L u d w i g L, der Fromme, Kaiser 59. 63. 

Kralsehmftyr, GMohicht« Ton Yen«dig. 



Ludwig IL, Kaiser 27. 95. 97. 112. 

— Vn., König von Prankreich 233. 

— von Blois, Graf 281. 291. 315. 317. 

820. 
Lupo, Herzog von Friaul 25. 413. 
Lupus, Patriarch von Aquileja 108. 
Lysippos, vier Rosse des 312. 

JULacarsca 101. 

Magdeburg, Erzbischof Wichmann 

von 262—266. 

Magistri militum 38—41. 

— in Venetien 48-49. 417-419. 
Mailand, Erzbischof von 266. 
— , Stadt 15. 248. 249. 252. 
Mainz, Erzbisc^.of Christian von 254. 

258. 260—266. 
— , Erzbischof HUdebert 107. 
Mai ran US, Romanus 259. 
Malamocco, Bistum und Stadt 5. 

20. 23. 25. 34-35. 49-57. 61. 

72. 80. P2-85. 104. 189. 221. 

222. 415. 420. 422. 459. 
— , Bischofsliste 406. 
— , Bischof Dominicus von 103. 
— , Tribun Bonus von 424. 
Malconsejo, Insel bei Zara 295. 
Malea, Kap 234. 
Malek el Adel, Sultan von Ägypten 

482. 
Malerei s. „Mosaikenkunst**. 
Maniakes, Georgios 157. 
Mantua, Bistum und Stadt 245. 252. 

359. 500. 
— , Synode (827) zu 27. 64. 112. 
Mantzikert, armenische Grenzstadt 

159. 
Manuel, Angelos, byzant. Prinz 317. 
— Komnenos, byzant. Kaiser 232 bis 

261. 276. 313. 363. 460—461. 

466—468. 
Marano, Lagune von 6. 30. 
Marcellus, Magistermilitumv.lstrien, 

Dux von Heracliana 44. 418. 417. 



514 



Register. 



Marco, Petrus 272. 
Margarete, byzant Kaiserin, Ge- 
mahlin des Isaak Angelos 271. 

301. 317. 
Margaritone, Admiral 270. 271. 
Maria, Nichte Basileios' IL, Gremahlin 

des Johannes Orseolo 127. 142. 
— , Tochter Kaiser Manuels 127. 142. 

260. 
Marin US, Graf von Comacchio 100. 
— , Patriarch von Grado 106. 107. 108. 
Markus, hl. 20. 27. 29. 65. 150. 

152. 153. 424. 445. 447. 
Markusbanner 136. 299. 
Markuskirche 65—66.80. 86—87. 

104. 115. 116. 120. 140. 153. 

155. 166—167. 202. 204. 222 bis 

223. 228. 242. 263—267. 281. 

284. 307. 339. 363. 366. 372 bis 

373. 377 — 379. 424—425. 429. 

445. 453—454. 
— , Synode in der 151. 
Markuslöwe 377. 378. 
Markusplatz 87. 208. 267. 378. 

379-380. 455. 
Marseille 218. 358. 
Martial 13. 
Mathilde, Markgräfin von Tuszion 

220. 262. 264. 
Maurikios, byzant. Kaiser 22 — 23. 
Mauritius (1.), Doge 51. 420. 
~ (II.), Doge 51. 54. 420. 
Mau rix, griech. Admiral 163. 
Mazzorbo 33. 
Melus 157. 

Moni US, Maurikios, Dogensohn 128. 
Merceria, Strafse in Venedig 267. 
Merseburg, Beiclistag zu 231. 
Mestre 72. 123. 
Messina 279. 
Michael II., byzant. Kaiser 91. 

— III., byzant. Kaiser 86. 91. 92. 

— VII., Dukas, byzant. Kaiser 156. 

160. 227. 



Michiele Domenioo, Doge, s. „Do- 
menioo". 

— Domenioo, Sohn dieses Dogen, Ad- 
miral und Comes von Zarm 225. 239. 

— Giovanni, Sohn Vitale Michielee I., 
Admiral 215. 

— Leachino, Sohn des Dogen Domenioo 
Michiele 225. 

— Lionardo Michiele, Sohn des Dogen 
Vitale Michiele D. 253. 256. 466. 

— Nicolo, Sohn desselben 253. 466. 

— Pietro 286. 

— Vitale L u. IL, Dogen, s. „Vitale". 
— , Stammtafel der 459. 
Ministeria 187. 188. 370. 451. 
Miss! 198. 

Mo de na 173. 203. 237. 
Modon auf Morea 229. 278. 
Mohammed II. 321. 322. 
Monaco 249. 
Monselice 18. 23. 
Montecassimo, Abt Desiderius von 

158. 

Montferrat s. „Bonifado", „Kon- 
rad", „Wilhelm". 

Montfort, Gui und Simon, Grafen von 
289. 292. 295. 

Montmorency, Mathieu de 301. 
\ Morosini Domenioo, Doge, s. „Do- 
menico". 

— Domenico 120—125. 

— Giovanni (Johannes), Admiral 278. 

, Abt unter „S. Giorgio maggiore". 

— , Pietro 120. 122. 

— Tommaso, Patriarch, s. „Tommaso". 
Mosaikenkunst in Venedig 85. 86. 

203. 376-377. 453—454. 503. 
Mosynopolis 317. 
Moyenmoutier, Abtei 54. 63. 
Muggia 288. 

Muisclav, Kroatenfürst 93. 
Mulino, Andrea da 315. 
Münzen u. Münz wesen in Venedig 71. 

78. 102. 356-357. 456. 498-499. 



B^gister. 



SU 



Murano, Bistom and Stadt 83—34. 

74. 202. 205. 377. 415. 454. 
~, EirGhen: San Cypriano di (ehed. 

am Rande der Lagune) 55. 221. 

234; Santa Maria e Donato 34. 

83; San Michiele di 279. 
Marazzi 36. 

Murzuphlos b. AlezioB Y. Dokas. 
Musik in Venedig 201. 375. 453. 
Myra, Stadt in Kleinasien 216. 

Narentaner 62—63. 93. 96. 101. 
106. 

Narses, Eunuch und Feldherr 17 bis 
18. 68—69. 

— , Gründer von S. Teodoro 65. 425. 

Naturalwirtschaft 67— 87 (III. Ka- 
pitel), 189—190. 324. 344. 426. 
451. 

Navagaioso, Enrico 362. 

— , Lion 315. 

Neapel 41. 275. 

Negroponte 233. 297. 

Nepi, Dukat 41. 

Nepos, Cornelius 12. 

Nikephoros I., byzant Kaiser 54. 
58—59. 

— II., Phokas, byzant Kaiser 111. 

159. 178. 

— in., Botoniates, byzant Kaiser 160. 
Niketas, griech. Patrizius 56. 

— , Akominatos , Geschichtsschreiber 
302. 308. 312. 322. 895. 475. 

Nikolaus!., Papst 98. 

— , hl. 152. 242. 

— , Kanabos, byzant Kaiser 805—306. 

Nobiles 332. 372. 

Normannen 139. 157 — 165. 220. 
225. 230—237. 249. 260—265. 
270—272.275.446—447.460—461. 

Obelierius, Tribun von Malamocco 
und Doge 54—59. 61. 62. 71. 421 
bU 424. 





























derzo, Bistum und Stadt 11. 12. 

18. 19. 21. 24. 25. 42. 80. 113. 

410. 
-, Bischof Magnus von 25. 
livolo (» Castello), Bistum und 

venez. Stadtviertel 51 — 52. 84. 

104. 136. 152 — 154. 180. 188. 

209. 379. 445. 

Bischofsliste 407-408. 

Bischof Christophorus 54 — 56. 

— Dominicus 93. 96. 

— Enrico Contarini von 215. 216. 

— Orso Parteciaco 52. 62. 64. 
76. 86. 424. 

-, Kirche S. Piero di Castello 52. 62 

bis 63. 86—87. 106. 115. 120. 

266. 429. 
rdelafo Falieri, Doge 208. 221 

bis 223. 242. 457—458. 
rio Malipiero (Mastropiero), Doge 

255. 260. 269. 273. 275. 824. 880. 

331. 332. 342. 373. 464. 469 bis 

471. 
rseolo, Dogen und Patriarchen aus 

dem Hause der, s. „Domenioo**, 

„Orso", „Otto", „Petrus". 
-, Johannes, Mitdoge 127. 142. 
-, Peter, venez. Gresandter 466. 
-, Vitale, Bischof von Torcello 127. 
-, Stammtafel der 440. 
rso, Doge 44. 48. 49. 413. 417 bis 

419. 

- Orseolo, Patriarch von Grado 127. 

144-151. 443—445. 

- Parteciaco I., Doge 96—100. 429 

bis 430. 

- Parteciaco II. (Paureta), Doge 

101. 104. 436. 
ssero, Bistum und SUdt 93. 137. 

138. 144. 165. 189. 220. 230. 

239. 244. 
stgoten 15—18. 412. 
tto I., römischer Kaiser 112. 113. 

135. 434. 

aa* 



Sl« 



Otto II., r5miicfaer KaiBer 112. 113. 
117—125. 130. 434. 439-440. 

— HL, römischer Kaiser 124. 126. 

127. 130—135. 439. 

— Orseolo, Doge 127. 132. 139. 142 

bis 148. 443--444. 
— , angeblicher Sohn Friedrichs I. 267. 
268. 

— von Freising, Geschichtschreiber 241. 

Paderborn, Bischof Meinwerk von 

146. 
Padua, Bistom und Stadt 8. 11. 12. 

15. 18. 20. 21. 23. 35. 68. 123. 

221. 237. 245. 249. 250. 410—411. 

461—462. 
— , Bischof Paulos Ton 25. 
P a g a n n 8 , Kanzler ?on Jerusalem 226. 
Pago, Insel 277. 
Pala-d'oro von San Marco 116. 197. 

203. 
Paleologos, Georgios, griech. Feld- 
herr 161—162. 
Palermo 158. 232. 260. 277. 279. 
— , Kanonikus ügo von S. Gioranni in 

240. 
Pandulf von Capua 157. 
Paradisus, Schiff 310. 
Parenzo, Bistum und Stadt 239. 245. 
— , Bischof Andreas Ton 137. 
Parma 252. 
Parteciaci 60-66. 83—87. 95. 100. 

198. 246. 
— , Dogen und Bischöfe aus dem Hause 

der, s. „Agnellus**, „Johannes*', 

„Justinianus*S „Olivolo", „Orso", 

„Petrus". 
— , Stammtafel der 423. 431. 
Passari, Hafen von 163. 164. 
P a u 1 i n u s , Patriarch von Aquileja 19. 
Paulus Diaconus, Geschichtschreiber 

18. 
— , Dux von Zara 56. 
— , Exarch von Bavenna 46. 



Paulas, griech. Patrixias 57. 
-, Prifekt von KqihaUenia 56. 
Paalntias, Doge 43—44. 417 bis 

419. 
Pa via 50. 53. 75. 76. 173. 174. 249. 

253. 421. 449. 
Pedena in Istrien 245. 
Pelagins L, Pkpst 22. 

— n., Papst 22-23. 28. 
Pelestrina 35. 57. 61. 
Pentapolis 45-47. 173. 
Peredeo, Herzog von Vicenza 48. 
Peregrina, Schiff 310. 
Peregrinus, Patriarch von Aquileja 

198. 
Perugia 41. 
Pesaro 238. 
Peter Kresimir IL, König von Kroatien 

139. 156. 
Petrus (Pietro) Candianus I., 

Doge 101. 435. 

— Candianus DL, Doge 104—106. 

436-438. 

— Candianus lU., Doge 106. 106 

bis 109. 436-438. 

— Candianus IV., Doge 105. 109 

bis 115. 436-438. 

— Centranicus, Doge s. „Dome- 



nico 



it 



I 



— , Kardinallegat 281. 284. 287. 293. 
315. 

— Orseolo I., Doge 115—119. 126. 

208. 438—439. 

— Orseolo H., Doge 30. 32. 109. 

125. 126 — 143. 161. 176. 177. 
203. 268. 440—442. 

— Parteciaco (Badoario), Doge 106. 

436. 

— Patriarch von Antiochien 446. 

— Patriarch von Grado 99. 

— Polani, Doge 230-234. 237— 239. 

246. 329. 375. 459—462. 

— Trandenicus, Doge 83. 92 -96. 

198. 206. 






517 



Petras Tribanas, Doge 101—104. 
206. 435-436. 

— Ziani, Doge 312. 330. 373. 465. 
Peutingersebe Tafel 411. 
Pbilea am PontoB 307. 
Philipp von Schwaben , deutscher 

König 282-286. 289-291. 480 

bis 485. 
Phokas, byzant. Kaiser 24. 
Photios, Patriarch ?on Koostantinopel 

91. 99. 200. 
Piacenza 252. 

Piaye 6. 31. 44. 75. 147. 149. 176. 
Pilo, Hafen von 175. 
P i p p i u , König, Sohn Karls des Grofsen 

32. 36. 54. 56-58. 83. 422. 

— der Kleine, König, Vater Karls des 

Grofsen 49. 

Pirano 288. 

Pisa 165. 170. 177. 181. 214. 215. 
218. 220. 224. 228. 230. 231. 235. 
237. 240. 241. 249. 254. 259 bis 
261. 269—283. 360. 361. 364. 365. 
461. 466-468. 471—472. 500. 

Plastik, in Byzanz, Italien und Ve- 
nedig 81. 202-206. 377. 427 bis 
428. 453—454. 503. 

Plinius 12. 

Po 4. 173. 

Podestii 326-327. 368. 

Pola, Bistum und Stadt 56. 58. 63. 
64. 92. 239. 245. 277. 278. 289. 

— , Bischof Bertaldus von 137. 

— , — Johannes von 106. 

Pol an i, Doge s. „Pietro**. 

— Guido, dessen Sohn, Comes von 

Ossero 239. 

— Johannes, des Dogen Bruder 234. 

457. 

— Naymerius, des Dogen Sohn, Comes 

von Ossero 239. 

— Stammtafel der 459. 
Pomposa, Kloster 36. 133. 134. 151. 
Poppe, Patriarch von Aquileja 27. 



28. 30. 144—151. 175. 245. 44$ 

bis 445. 
Populäres 264. 333. 372. 
Portogruaro 31. 
Portovenere 235. 249. 
Poveglia 34. 96. 415. 430. 
Premarino, Roger, venez. Admiral 

278. 286. 
Primogenius, Patriarch von Grado 

24. 30. 86. 
Procurators comunis 337. 
Procuratores S. Marci 153. 242. 

363. 373. 445. 502-503. 
P r m i s s i maleficiorum 342—344. 

494-497. 

Quarantia 325. 331. 

Quartiere, venezianische in Grie- 
chenland und im Orient 361 — 362. 
366-368. 491. 

Quellen, venez. Goschichts-, Anm. I, 
385—399. 

— zur Geschichte des 4. Kreuzzuges 
474—480. 

Quirini, Jacopo, venezian. Admiral 
278. 

Radinos, Konitantinos, griechisdier 

Prinz 305. 
Ragusa, Bistum und Stadt 62. 138. 

139. 159. 235. 238. 244. 245. 261. 

272. 277. 295. 316. 461. 
Rainald v. Antiochien, Graf 255. 
Rat, kleiner und grofser, in Italien 

247, — , in Venedig 247. 330 AT. 

491 ff. 
Ravenna Bistum und Stadt 4—5. 

13. 17—18. 21-24. 26. 45-49. 

76. 77. 97. 99. 100. 109. 120. 128. 

133. 134. 148. 173. 221. 237. 238. 

262. 263. 273. 359. 410. 419. 

461-462. 
— , Erzbischof von 46. 51. 266. 
— , Erzbischof Friedrich 133. 



S16 



Bigitter. 



Bayenna, Enbiichof Johaimes 46. 
Beoht and Biohter in Venedig 70. 

71. 190—193. 277. 328-324. 842 

bis 351. 426. 461-452. 492—499. 
Begensburg, Beichstag za 174.235. 
Begnam Italiae 29. 59—60. 77. 95. 

97. 105. 111. 174—176. 859 bis 

860. 458. 
Beichenaa, Kloster 65. 152. 
Beklusen 242. 463. 
Beliquien 152. 242—243. 445. 462 

bis 463. 
Bhodos 215. 216. 228. 229. 
Bialto, Name 84. 
— , Stadtbüd 87. 208—210. 379—380. 
— , Stadtviertel und Markt 84. 180. 

209. 857-358. 878-379. 
Bibuga, Sttmpfe der 31. 
Bicbard, König von England 277. 
— , Normanne 158. 
Bimini 41. 76. 360. 500. 
Bobert Guiskard 157. 160-165. 446 

bis 447. 

— von Capua 235. 
Bodosto 320. 363. 

Boger, Herzog, Sohn des Gniskard 
163. 164. 

— 11. von Sizilien, König der Nor- 

mannen 230—237. 240. 459—461. 
Rom 38. 118. 122. 252 und unter den 

Papstnamen. 
Bomana, Gemahlin des Dogen Ag- 

nellus Farteciacus 61. 
Bomanos U. byzant. Kaiser 112. 

— in., byzant. Kaiser 146. 

— lY., byzant. Kaiser 159. 
— 4 Exarch von Bavenna 23. 
Boncaglia, Reichstag zu 248. 
BoBolo, Pietro 108. 

B 1 h a r i , König der Langobarden 25. 46. 

Bovigno 96. 239. 

Budolf von Burgund, König Ton 

ItaUen 101. 102. 105. 
Sa [Bland 179. 



Sacile, Bistum 21. 

S&ben, Bistum 21. 

Saladin, Sultan 219. 272. 273. 261 

364.. 
Sa lerne 157. 160. 175. 178. 231. 

277. 
— , Erzbischof Bomuald von 262. 396. 
Salisbury, Johann von 250. 
Salomon, König von Ungarn 156. 
Salona-Spalato 244. 
S al V re. Angebliche Schlacht bei 267. 

268. 
Salzburg, Erzbischof von 266. 
Samos 220. 
S. Geminiano, Kirche 209. 267. 

379. 
S. Giorgio maggiore, Kirche und 

Kloster 72. 152. 154. 188. 189. 

223. 230. 242. 265. 267. 363. 372. 
— , Abt Johannes Morosini von, 118. 

120. 
S. Ilario am Bande der Lagune, 

£[irche und Kloster 64. 80. 86. 

109. 115. 120. 149. 152. 154. 

188. 221. 237. 279. 424. 429. 
S. Marco s. Markuskirche. 
S. Martine, Ortschaft 62. 449. 
S. Michel e del Quarte, Ort 132. 176. 
S. Monas teriolo am oberen Po, Klo- 
ster 173. 
S. Nicolö di Lide, Kirche und Klo- 
ster 152. 155. 222. 242. 
— , Abt Dominicus von, 235. 
S. Panachia, Lisel 257. 
Sansego bei Lussin 93» 
S. Paul, Graf Hugo von, s. „Hugo". 
S. Salvadore, Kirche 85. 266. 378. 

428. 
S. Teodoro, Kirche 65. 86—87. 115. 

203. 425. 
S. Zaccaria Gl. 64—65. 78. 86—87. 

96. 99. 104. 109. 113. 120. 125. 

133. 149. 152. 153. 223. 246. 

257. 265. 37& 379. 424. 429. 459. 



Begistw. 



U» 



Sapientes 247. 826. d28ff. 490f. 
Sarazenen 97. 158. 283. 864. 

— in Ägypten 111. 121. 

— in SiziUen 61. 91. 92. 94. 96. 98. 

130. 157. 177. 

— in Unteritalien 129. 
Sardinien 235. 
Saseno bei Anlona 164. 
Schauspieler (iocolatoree) 375. 
Schiffahrt 68. 75 — 78. 93 — 94. 

161—162. 181—185. 449-451. 
Flottentaktik 335. 
Schiffstypen 182—184. 
Schwarzes Meor 179. 254. 366. 
Scola, Barke 184. 437^ 
— , Laien brudorschaft und Zunft 187. 

188. 370—371. 451. 
Sebastiane Ziani, Doge 219. 255. 

258—268. 324. 369. 373. 464—469. 
Sebenico 223. 
Sedesclav, Eroatenfürst 96. 
Seedarlehensgeschäftel88. 351. 

bis 353. 497—498. 
Seldschuken in Kleinasien 159. 

261. 271. 
Senat (Rogati) 325. 332. 491. 
Sonsa, Fest der 268. 
Septem maria 36. 416. 
Serben s. „Narentaner"' und 261. 274. 
Seren US, Patriarch von Aquileja 28. 

413. 
Sergius, Papst 45. 
Settimo, Ort 176. 
Sidon 218. 227. 457. 
Sien a 287. 268. 
Sigelgaita, Gemahlin des Guiskard 

160. 164. 
Sigurd, König der Normannen 218. 
Sikeler 7. 
Sile, FluTs 5. 75. 176. 
Silvester IL, Papst 118. 
Sinigaglia 76. 427. 
Sizilien 76. 130. 158. 264. 277 bis 

279. 



Sklayen in Venedig 36. 76—77. 95. 

97. 177. 199. 
Smaragdos, Exarch von Bavenna 

22—23. 
Soissons, Bischof Nivolon von 810. 

314. 
Spalato, Erzbistum und Stadt 62. 

138. 139. 159. 165. 220. 223. 229. 

448. 
Spezia 235. 

Spina, Stadt 8. 12-13. 410. 
Spinell di Luoca d'Arezzo 268. 
Spoleto, Herzog von 47. 48. 101. 

102. 109. 
Stadteinteilung, venezianische 84. 

338. 
Städtobund, lombardischer 252 bis 

260. 262-263. 
Stephan, Erzmärtyrer 222. 242. 

— (Soffredus) Kardinallegat 281. 

— U., König von Ungarn 222 bis 

224. 

— IT., Papst 49. 420. 

— , Neffe Peter Kresimirs 157. 165. 
— , Sohn des Sürinja 137. 
Strafsen , Römer-, in Venetien 11—12. 
Strafe bürg, Bischof Werner von 448. 
Sürinja, Kroatenkönig 137. 
Symeon, Bulgarenzar 103. 
Syrakus 277. 
Syrien (heiliges Land) 61. 178—179. 

213—219. 272—275. 282 ff 366 bis 

367. 455-457. 

Tagliamento 6. 
Tana (Asow) 366. 
Tankred von Lecoe, Graf und König 

270. 275. 277. 
— , Neffe Herzog Boemunds 217. 
Theben 233. 

Theia, König der Ostgoten 18. 
Themen Verfassung, byzantinische 88 

bis 41. 159. 
Theodebert, Köni^ d«t ^tÄ»5M8ö.N\ 



MO 



Regiitffr. 



Theoderich, König der Ostgoten 

15—17. 67. 
Theodora, griech. Kaiserprinzessin 

449. 
Theodoros, Laskaris, byzantinischer 

Feldherr und Kaiser 300. Sil. 820. 
Thoodosios, griech. Patrizius 93. 
Theophann, römische Kaiserin 124. 

156. 
Theophilos, byzant. Kaiser 91 — 94. 
Theophylaktos, Exarch von Ra- 

venna 46. 
Thessalonike 160. 162. 235. 270. 

279. 317-318. 
Thibaud, Graf von der Champagne 

281. 283. 
Thietmar von Merseburg, Geschicht- 
schreiber 174. 
Timavo 6. 8. 
Tintoretto 268. 
Tinus, Dominicus 193. 452. 
Tizian 268. 

Togtekin, Emir von Damaskus 228. 
Tommaso Morosini, Patriarch von 

Konstantinopel 139. 315. 816. 
Torceilo, Bistum und Stadt 25. 29. 

33-34. 41. 64. 69— 70. 77. 80. 

83. 85. 152-154. 169. 180. 188. 

189. 265. 324. 415. 500. 
— , Bischofsliste von 405—406. 
— , Bischof Mineus 114. 
— , — Orso Orseolo 127. 
— , — Senator 99. 
— , — Vitale Orseolo 127. 
— , Kirche S. Fosca 34. 142. 202. 205. 
— , — 8. Giovanni battista 83. 
— , — S. Maria (Dom) 33. 83. 98. 142. 

202. 205. 376. 454. 
Totila, König der Ostgoten 16. 17. 

18. 
Trandenicus, Johannes, Mitdoge 

93 f. 
Translationes (Heiligenübertrag- 

uDgen) 242—248. 889. 



Trau, Bistum und Stadt 159. 165. 

220. 223. 229. 231. 245. 256. 272. 
Treviso, Bistum und Stadt 16. 21. 

124. 130. 176. 176. 237. 245. 251. 

264. 359. 
— , Bischof Gotpul von 221. 
— , — Rozo 131. 132. 176. 
Tribunen (Tribunat) 14. 16. 38. 

41—42. 44. 49. 51. 52. 61. 69. 

70. 71. 195. 416-417. 423. 444. 
Tribunus Menius, Doge 118— 126. 

128. 198. 438—440. 
Tribunus, Dominicus 101. 
Trient, Bistum 21. 245. 
Trier, Erzbischof von 266. 
Tri est, Bistum und Stadt 16. 245. 

288. 
— , Bischof Dietmar von 198. 
Tripolis (Afrika), Handel nach 177. 

364. 

— (Syrien) 216. 228. 456-457. 
Troyes, Bischof Garnier von 310. 
Tschorlü 317. 

Tudela s. „Benjamin**. 
Tunis, Handel nach 364. 
Topographie der Lagunen 4—7. 

29-37. 409. 414—416. 
Tyrus 76. 180. 186. 228. 273. 274. 

865. 367. 369. 456. 

Ulrich, Patriarch von Aquiloja 245. 

251. 263. 266. 463. 466. 468. 
Umago, Stadt 96. 239. 
Ungarn 138. 165. 166. 218-223. 

229. 244. 253-255. 272. 273. 436. 

457-458. 470. 
Urban IL, Papst 166. 

— IIL, Papst 273. 
Ursus s=a Orso. 

Valentidus, Doge 57. 
Varangen 298. 299. 300. 306. 
Vaux-Cernay, Abt Guido von 289. 
291. 295. 



L^bfliiHm. HAU 



Begister. 



5S1 



Veglia, BlBtam und Stadt 137. 138. 

144. 165. 189. 198. 220. 230. 239. 

244. 
Venerius, Patriarch von Grado 64. 

82. 424. 
Yenetia (Venetiae), Name 7. 29. 

324. 414. 462. 
Veneter, Geschichte und Knltur der 

7—14. 410. 
Ventimiglia 235. 
Vercelli 118. 
Vorfassung, Italienische Konsulats- 

325-326. 
— , Italieniscbe Podestats- 326-328. 
— , Venezianische 193-197. 324—325. 

328-342. 451-452. 489-493. 
Vergada, Insel bei Zlara 137. 
Vergilius 12. 
Verona, Bistum und Stadt 11. 16. 

21. 118. 122. 123. 174. 221. 245. 

250. 275. 358. 359. 430. 472. 

500. 
Veronese, Paolo 268. 
Verträge: 
(inristisch) 349—355. 
mit den röm. • deutsch. Kaisern s. 

„ Kaiserpakta '*. 
mit den byzant. Kaisern s. ,, Chryso- 

bullen ". 
Grenzvertrag von 713/716 44. 418. 

Vicenza, Bistum und Stadt 9. 11. 

21. 48. 245. 250. 

Vienne, Erzbischof von 266. 
Vigilius, Papst 22. 

Viktor IL, Patriarch von Grado 99. 

Villehardouin, Geo£froy de 281 bis 

283. 288. 292. 297. 300. 304. 305. 

317. 320. 379. 395. 475. 481. 

484-485. 
Vitale Candiano, Doge 118—119. 

436-438. 
— Candiano, Patriarch von Grado 

24. 27. 113. 117. 118-119. 137. 

438. 



Vitale Palieri, Doge 164 — 167. 
204. 209. 446-448. 

— Michiele I., Doge 215— 221. 457. 

— Michiele U., Doge 240.241.248 

bis 257. 267. 324. 342. 356. 464 

bis 467. 
Vivarini, Luigi 268. 
Volksversammlung 196. 197. 

247. 326—334. 327. 332. 491 bis 

492. 

W^aimar, Herzog von Salemo 157. 
Waldrada von Tuszien, Gemahlin des 

Dogen Pietro Candiano IV. 113. 

114. 115. 117. 125. 188. 
W a 1 p e r t , Patriarch von Aquileja 97 . 

102. 108. 175. 
Walter von der Vogel weide 281. 
Warmund, Patriarch von Jerusalem 

226. 
Wilhelm, Sohn Tankreds von Haute- 

viUe 157. 

— von Apulien, Geschichtschreiber 
209. 396. 

— von Bures, Reichsverweser von Je- 

rusalem 226. 

— vou Montferrat, Herzog 253. 

— I. vou Sizilien, König 239. 241. 461. 

— II. von SizUien, König 258. 260. 

262. 271. 461. 

— von Tyrus, Erzbischof und Geschicht- 

schreiber 273. 396. 455. 

Wirtschaft, venezianische s. „Geld- 
wirtschaft**, „Naturalwirtschaft". 

Witiges, König der Ostgoten 17. 

Worms, Bischof Konrad von 262. 
263. 

Zacharias, Protospathar 45. 76. 

Zagora in Bulgarien 300. 

Zakynthos 270. 271. 

Zara, (Erz)bistum und Stadt 136—139. 
156. 159. 165. 220. 230. 238. 244 
bis 245. ^^— *ßfe, ^^^. ^^.^£V^, 



683 



Begister. 



276-277. 284. 287—291. 293 bis 

294. 301. 464. 466. 470. 480 bis 

485. 
Zara, £rzbi8chof Eagabinoa von 272. 
— yeochia 137. 156. 159. 165. 223. 

229. 
Zenki, Imadeddin, Emir von Mossul 

218. 



Ziani, Familie der 372. 465. 

— , Dogen 8. „Pietro", „Sebastiane". 

Zisterzienser 242. 

Zünfte 187—188. 323. 370-371. 451. 

502. 
Zwonimir (Sainimir, Demetrios), König 

der Kroaten 156. 165. 






Berlchtlgnngen. 



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Seite 448 
Seite 471 
Seite 498 



richtig „Primogenius" statt „Primigenius". 

(in Klammer) richtig „742** statt „741". 

(in Klammer) richtig „755" statt „756". 

richtig „Primogenius" statt „Primigenius". 

richtig „IV." stett „III." 

(in Klammer) richtig „842" statt „841". 

richtig „Mnisclav" statt „Muischav". 

richtig „Longobardia" {AoyYißaQdta) statt „Langobardia". 

(zweiter Absatz) richtig „Oheim" statt „Vater". 

(Mitte) richtig „Söhne Pietro Polanis" sUtt „Söhne Vitale 

Michieles U." 

ist zu Ende der viertletzten Zeile ein „Regenten- und hernach" 

ausgefallen, femer heifst es ebenhier richtig „Vetter" statt „Oheim". 

(vierte Zeile von unten): richtig „abgetan" statt „vertilgt". 

(oben) richtig „Margarete" statt „Maria". 

(Anm. 23/2) richtig „ J-utä-Lgewenfrld " statt „Jaff^". 

(zweite Zeile oben): ergänze „dux", 

richtig „Toechk" statt „Tneciie". 

richtig „Compania" statt „Campania". 



>-sß^ 



Druck von Friedrich Andreas Perthes, AYW^im^vik^X^c^'^^^ ^^X2&.v.