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Full text of "Gespräche mit Daemonen, des Königsbuchs, zweiter Band"

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* Ace | 


Geſpraͤche mit Daemonen. 


Des f 
Königs buchs 
aweiter Band 


Bettina Arnim. 


5 
' HARMONIE 


Derlin, 48 7A 


Arnim’s Verl 
1 a g Ze, 
1852. 


Dem Geiſt des Islam, 


vertreten 


durch den großmüthigen 


Abdul - Medſchid - Khan 


Kaiſer der Osmanen. 


2 
sr 
22 


Es iſt ſchon manches Jahr her da ſtand 
ich vor einem König voll huldreichem 
Willen zu mir. Sein guter Daemon 
ſtand neben mir und ſchloß meine Lippen 
vor thörigten Schmeichelreden, aber Ande— 
rer Lobreden verläugneten dieſe Ehrfurcht 
der Pietät die mich ſchweigen hieß. — 
Und nach längerer Zeit — es war 
im Jahr wo alle Huldigungen dem gro— 
ßen Dichter galten, der hundert Jahre 
früher dem deutſchen Volk geboren war 
— da ſammelte auch ich verklungne Laute 
ſeinem Gedächtniß. — Zu derſelben Zeit 
gelangte dieſelbe Königsſtimme zu mir, ſie 
hat aber nicht mehr fo freundlich geklun— 


IV 


gen. — Damals ſtand wieder fein guter 
Daemon neben mir; der nahm die Feder 
mir aus der Hand mit der ich eben den 
fünften Bogen dieſer Goetheserinnerungen 
aufzeichnete, und machte einen Strich da: 
runter. Es kann ihn jeder, Pagina 72 zur 
Beglaubigung meiner Ausſage finden. 
Nun vernahm ich ſein Geſpräch mit 
jenen König — das mußte ich nach ſei— 
nem Willen hier aufzeichnen. Dann hieß 
der Daemon mich alle Stellen ſtreichen die 
ſeinem Geiſt nicht zuſagten. Dies ſind die 
Lücken eigner Cenſur. — Auch dieſe kaun 
jeder wahrnehmen der dieſes Buch durch⸗ 
blättert. — | 
Gegen manche hatte er Nachſicht der 
großmüthiger iſt als der Menſchen Geiſt. 
— Und jetzt — nach geraumer Zeit hörte 
ich wieder des Königs Stimme die redete 
zu mir: früher ſei ich eine Macht geweſen 
deren Theilnahme ihm ſchmeichelte. Aber 
heute? — Ob es da gut ſei daß wir uns 


V. 


wiederſehen? — das ſolle 1 ſelbſt ent⸗ 
ſcheiden. 

Da war ich eilig zu erwiedern: „Jan 
— Herz und Geiſt und Gewiſſen ſagen 
mir es iſt gut.“ — 

Und ich zählte die Stunden — aber 
die Tage vergingen und Einer von beiden 
hielt dem andern nicht Wort. — 

Und ſein guter Daemon ſprach zu mir: 
„Hab ich dich nicht oft gewarnt, mit 
großen Herru iſt nicht gut Kirſchen eſſen? 

Es war der Geiſt des Islam den die 
bedrängten Völker aus dieſem Welttheil 
ſcheidend grüßten und er beſchwichtigte 

ſie. Rede auch du mit ihm. 

Da redete der Islam zu mir: „Suche 
keine Vertheidigung denn das Gute über: 
lebt dich und der Nachlebende wirds er— 
kennen! — Da war ein Sultan, zu dem 
ſagten ſeine Anhänger und Vezire: „Wie 
iſts doch o Kyſar, daß du immerdar den 
Einen nur preiſeſt in deinem Geſang, der 


VI 


nun ſo Mage ſchon verſchollen iſt und ſein 


Staub von den Winden davongetragen. 
Du aber ſammelſt ſeine Erinnerung in 
deinem Buſen, und was damals tadelns— 
werth an ihm dir ſchien das ſcheint heute 
wo er nicht mehr iſt, dir ruhmwürdig; 
und in deinen einſamen Stunden widerhallen 
deine Lobreden von ihm, der ſie ja doch 
nicht mehr hört; wir aber hören da— 
von, was unſre Sinne verwirrt — daß 
er dir lieber ſei heute noch da er tod iſt und 
nichts mehr vermag, als wir, die wir alle 


nur Dir leben. Warum dichteſt du in 


deinen Liedern von ihm: Geliebter ſei er dir 
als Schönheit. Anmuthiger als die Nach— 
tigall flöte dir feine Exinnerung und Ruhe— 
bringender deinen Träumen als der Duft 
der Roſen in deren Schatten du ſchläfſt?“ 
— Der Sultan ſagte: „Sein Gedächtniß 
iſt mein und nichts anders iſt mein. — 
Wenn ich jene Schätze nicht bewachte 
würde ich ſie verlieren. — Wenn ich jener 


VII 


Reiche nicht Gewalt hätte, ſo würden ſie 
fi) empören. — Wenn ich nicht der Herr 
Euch hieß; Ihr würdet Euch nicht mir 
unterwerfen Aber jener der mich immer 
wieder aufſuchte wenn ich ihm verloren 
ſchien, der wird mir Eigenthum bleiben. — 
Der mir wieder zuführte was ich verloren 
gab, der giebt nicht — mich verloren. Hört 
wie feine Treue ſich mir ins Herz pflanzte: 
Auf der Reiſe ſtürzte ein Kameel die La— 
dung zerbrach — Edelſleine und Perlen 
rollten in den Sand. Da winkte ich den 
Sclaven und gab die Schätze preis. — 
Da ſie alles geſammelt hatten fragte ich 
jenen: Nun Selim was haſt du für Beute 
gemacht? — „keine“, ſagte er, „ich hatte die 
Treue meinem Herrn zu bewachen die ich kei— 
nen Augenblick aus den Augen ließ.“ Nun 
aber iſt er nicht mehr für Euch da, daß 
er Euch beſchäme. Warum doch? — wä⸗— 
ret Ihr treu wie er war, Ihr würdet ihn 
nimmer vergeſſen. Mir aber iſt er ewig 


VIII 


da! und ich beweine die Vergangenheit in 
ihm und ich erhoffe die Zukunft durch ihn 
und meine Muſe iſt, daß ich feiner ge: 
denke.“ 

Als ich dies hörte da tröſtete mich, 
daß vielleicht einſt in Liedern mein Ruhm 
noch erſchallen werde von ſeinen Lippen 
dem ich heute keine Macht mehr bin. 


Wie unterſcheiden wir Geiſt von den 
Sinnen? — Wie Leben von Lebensnahrung! 
— Doch iſt Leben nur Mähren ſeiner ſelbſt. 
So geht denn Nahrung auf im Leben. 
So gehn denn die Sinne auf im Geiſt und 
ſind Eins mit ihm. 


4. April 1808. 
Ich will der große Geiſt werden, der Alles um— 
faßt! Iſt das Gebet? — So ſteige auf mein Ge— 
bet zum Wolkendurchflockten Himmel, mit den 
Sinnen ſein zärtlich Licht zu trinken und mit Dir 
Natur, zu reden über Ihn der in Allem erglänzt 
was Du giebſt und Zeugniß giebſt in Form und 
Leben von Ihm. Das Abendroth wärmt den 
Schneegipfel und die Luftwelle durchſchifft das weite 
Blau zu mir, fie kühlt mein Sehnen, ich bin 
nicht allein — mit den verbleichenden Sternen 
winkſt du in der Mondhelle und ich weiß wie 
mit geſchieht Natur, die mich anſtrahlt wo ich 
ſtehe und ſeiner gedenke, und mir den Becher reichſt 
ſeine Fülle zu trinken. 

Die Luft iſt Dein Athem Natur, der elektriſch 
erbebt in der Bruſt. Die Sinne hauchen Deine Feuer 

1 


2 


in Seufzern. Wir zuſammt erglühen mit Dir, 
denn Wir alle find Ein Leben mit Dir in Dei: 
nen Regungen. Und Geiſt iſt verſchloſſener Keim 
in Deinem Willen daß er aufblühe zum eigenen 
Willen und unſre Leidenſchaften ſind höherer 
Begattung Trieb in Dir Natur, und was zum 
Geiſt treibt iſt Deiner Zeugung Gewalt, Lebens— 
flamme von Deinem Hauch entzündet, mein Wol— 
len iſt Stoff Deines Willens, Du regſt ewig die 
Sinne den Geiſt zu umſchwärmen und füllſt Aug 
und Ohr mit ſeinem Licht mit ſeinem Schall. Du 
reifſt für den Einen in des Andern Sinne die 
Frucht und regſt in Allen die Sehnſucht der Zei— 
tigung. Du willſt daß die Sinne aufgehn im Geiſt, 
denn das Leben in Dir iſt Unſchuld in Thun und 
Fühlen. 

Das Schneeglöckchen hier im Kalten blüht 
im Schnee und mag keine Wärme leiden, hängt 
ſelbſt wie eine Schneeflocke am Stiel ſo leicht, der 
Wind könnts verwehen, fein grünbereifter Kelch 
treibt aus der Blumenflocke hervor zum Licht wie 
unterm Schnee das junge Grün. Es wacht zuerſt 
von allen Keimen, wenn es den Frühling ſieht 
kommen dann ſtirbts, was wills auf der Frühlings: 
ſchwelle wenn alles noch ſchläft und keine Lieder 
von den todten Zweigen es grüßen? — Könnt ich 


3 


doch ganz verſtehen was Du giebſt Natur? — 
Was Du dem Schneeglöckchen auf die Lippe legſt, 
warum verſteh ichs nicht? — Verläugne ich Deinen 
Geiſt mit meinen Sinnen? — und iſt Verläug⸗ 
nen was Du im Geiſt erzeugſt nicht Sünde? — 
Und würden wir Dich nicht verſtehen ohne die 
Sünde? — Und könnten wir Deine Sprache als⸗ 
dann nicht erwiedern? — Wie mach ichs doch, 
daß ich nie Dich verläugne bei allem was das 
Leben giebt und nimmt? — Daß ich die Menſchen⸗ 
ſatzung abſtreife mit Deinem Geiſt, und ihren Wider: 
ſinn beſtreite mit Deiner Lehre in meiner Bruſt! 
Ach Du heb mich hinaus über ihre Formen und 
Bräuche. Aber wenn's gilt, dann löſe mich von 
der Gewohnheit heimlicher Umgarnung, der Gifte, 
der Menſchenfurcht. Entkleide mich von ihrer 
Tugendlehre Faſtnacht⸗-Gewanden, hülle mich in Dein 
Erz, laſſe meine Gefühle hineinwachſen in den Har⸗ 
niſch Deiner Wahrheit und laſſe mich nicht muth⸗ 
los werden wenn das Herz ſo voll Sehnſucht iſt! 
— Und des Richtens, was ſie pflegen untereinan— 
der, was ſie Gerechtigkeit nennen, das laſſe mich 
nicht anfechten als ob ich je mich könne bethören 
laſſen von dem Streiten und Wägen ihrer zuſam, 
mengemauerten Weisheit und glauben Zufammen: 
geſetztes ſei Lebendiges. — Und wenn ich nach 
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4 


Großem mich ſehne und es wird mir nicht daß 
auf ihrem Acker auch nur eine kleinſte Blume der 
Heide gedeihe, dann laſſe mich nicht verzweifeln! 
— Denn ſchönere Träume ſind ja mehr Wirklich— 
keit; ſie führen mich und der Zukunft junges 
Morgenlicht einander entgegen und mir träumt 
von ſeiner Umarmung. — 


Heute iſt mein Geburtstag Goethe, da hab ich 
mit der Natur geredet von Dir, ſie ſoll mich heben 
zu Dir hinauf, die ich geboren bin ſo tief unter 
Dir. Sie antwortet mit den Wolkenflocken am 
Himmel, mit der Schneeblume die dem Winter 
trotzt. Ich ſoll nicht von Dir laſſen ſagt ſie, 
ſtumm Deine Dichterſtrahlen einſaugen in meine 
Sinne. Dann werd ich ſie verſtehen lernen, wenn 
ich Dir Gelübde thue, ewige, und in lächelnder Be⸗ 
trachtung mir die Zeiten ſich ſpiegeln, wo aus der 
Begeiſterung Fluthen in jugendlicher Sonne inmitten 
Deiner goldnen Tage Du ſchimmernd aufſteigſt und 
unüberwindlich. 


Ach warum rede ich nur Worte zu Dir, warum 
nicht Flammen die an Dir hinaufhüpfen den Schweiß 
zu küſſen Deiner Stirn, den Thau Deiner Wimper 
der herabrtäufelt auf mich Geſegnete zu Deinen 
Füßen, — Warum nicht? — 


* n err 


5 


Die Sinne eben im Neſt noch bewußtlos des 
Flugs, jetzt Flügelmächtig im Gefühl Deiner Be— 
geiſterung die mir lächelt, Luſtrauſchen um Dich 
wenn Dein Blick aufleuchtet zu den Sternen, zu 
den Geiſtern — ihrer Unſterblichkeit mich zu erziehen, 
und der Muſe, was ſie von Deinen Lippen und 
meinen an füßen Reden ſammelt, lauſcheſt Du ab ihrem 
Flüſtern: Liebſtes Kind Herz einzig Kleinod, 
und anders noch, und leiſer haucht Deine Stimme 
ihr nach wie es mein Sehnen ſtillt, und mehr 
füßer Schall ſtöhnt aus Deiner Bruſt in heiligem 
Gepräg, das mich umwandelt, lorbeererſproſſend und 
wurzelnd Dir im Buſen. — Ja die Sinne werden 
Geiſt, die aufſteigen zum Genius. 


28. Auguſt 1808, 


Die Kloſterbeere. 
Zum Andenken an die Frankfurter Judengaſſe. 


Hier oben am Berg wachſen wilde Stachel— 
beeren, bei uns heißen ſie Kloſterbeeren, als ich 
noch im Kloſter war blieb ich oft bei fo einem 
Strauch an der Kirchmauer ſtehen und beſann mich 
warum ſie Kloſterbeeren heißen. Ich konnt in die 
Frucht hineinſehen, wie ſie von der Sonne durch— 
ſichtig gereift, kleine Zellen bildet mit Bogenfenſterchen 
in deren jedem ein Korn ſich hält, darunter dacht 
ich mir Nönnchen die hier im nährenden Element 
wie in wohnlicher Herberg für ein ſpäteres Leben 
reiften. Ein Kloſter dacht ich mir wie eine Frucht 
die für die Gottheit reife; — da hatt ich Betrachtun— 
gen wie ein Kind hat, die waren zum Lachen. Ich 
ſah mit an wie auf der Glocke Zeichen noch vor Son— 
nenaufgang die Nönnchen in kirchlichem Beruf zu: 
ſammen ſtrömten, dann wieder aus einander rennten, 
jedes in eigener Zelle eigener Betrachtung überlaſſen, 
oder in dunkler Nacht im langen Chormantel in 
Prozeſſion zum Kapitelſaal wallten, Koncilium biel- 


7 


ten pſalmirten Responſalien herlaſen, alles auf 
Latein wovon ſie nichts verſtanden, ſo dumpf ſangen 
ſo matt waren; — und ich dacht: Wie ſauer iſt 
doch die Kloſterbeere und wie unſchmackhaft; aus 
der Frucht wird nichts, fie fällt unreif ab. — Wenn 
ſie aber in ihren häuslichen und Feldangelegenheiten 
umher ſchwirrten, ihre Ernten einthaten, Keller 
und Speiſegewölbe beſorgten, da waren ſie fix und 
plauderten emſig, ſie theilten ihr Einkommen ein 
ihre Gehöfte zu vergrößern, bauten Scheunen und 
Ställe, da wußten ſie guten Rath. — In ſolchen 
ſonnigen Tagen wo ſie die Aepfel und Birnen von 
den Bäumen ſchüttelten, die Bienenſchwärme ein— 
fingen, da war aufgeregt Leben den Laienſchweſtern 
beizuſtehen wenn in blauer Frühlingsluft die friſch 
gewaſchenen Schleier flatterten; da nahmen wir 
Zöglinge uns mit den jüngern Nonnen bei den 
Händen und ſchlüpften tanzend zwiſchen den Luft— 
getragenen naſſen Schleiern durch und hatten unſere 
Luſt wenn ſie herabflogen in den Sand, dann 
hielten wir fie geſpannt unter den Strahl des Spring⸗ 
brunnens und ſpühlten ſie wieder rein und kletterten 
einander auf die Schulter ſie wieder aufzuhängen. 
Am ſchönſten wars bei der Hopfenernte, erſt die 
Freude die bewuchteten Stangen niederzuwerfen und 
ihre duftende Ranken loszumachen die wir anein- 


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ander gehängt auf der Schulter aus dem Maier: 
garten herüber trugen ins Kloſter; ſo kamen wir 
in langen Zügen von dem Ufer der Eder herüber 
quer über die Bergſtraße gezogen zu zwanzigen in 
einem langen Hopfengewinde verflochten; hätte es 
einer geſehen, ihn hätte der Ubermuth, das Lachen 
und Jauchzen mit dem wir unſerer Ernte leichte 
Bürde ſchleppend dieſen einſamen Waldwinkel durch— 
hallten, freudig überraſcht; er hätt gedacht, hier ſei 
lebendig Leben, hier in der liefen Einſamkeit wo 
die Glocke jedes Ungewohnte im Lebensgang ſtreng 
abwies. — 

Kamen wir im Kloſter an, da faßen die Nönn⸗ 
chen in der Vorhalle auf Schemeln umher. Wir 
zogen unſer langes Gewind von Schooß zu Schooß 
und hockten auf der Erde den Hopfen zu pflücken 
und zogen die getheilten Ranken durcheinander 
wie den Aufzug eines künſtlichen Gewebes. Da 
war der Kreuzgang voll Spinnen und Käfer 
die an den weißen Wänden hinaufliefen und die 
Raupen krochen langſam hinter die ſchwarzen Bil— 
derrahmen der Ordensheiligen, dort ſich früher ein— 
zuſargen als wohl im Freien wär geſchehen; weils 
einmal nicht anders ſein konnt, ihr Blüthenrevier 
war eingeriſſen. In freier Luft geboren, waren ſie 
hier mit ihren verwelkten Nahrungszweigen einge— 


9 


ſperrt worden. Ich habe ſie da hängen ſehen in 
Reihen hiuter Bildern, Betaltar und Kniefchemel: 
ich fühlte ſie an, ſie regten ſich in meiner Hand 
ſo raſch und kräftig und wollten ſich wehren. — 
Stör mich nicht bis ich mit unberührtem Flügel⸗ 
ſchmelz bald in der Luft kann tanzen, ſo ſpricht die 
eingeſponnene Raupe in meiner Hand die Milde 
an; bald wird ſie ſtarr und kann nicht mehr ein 
Lebenszeichen geben, ihre göttliche Vorſehung iſt 
das Ungefähr das ſie bewacht, damit ſie unberührt 
bleibe vom Spinnenbeſen der Laienſchweſter. So 
überwintert fie im enggefügten Sarg den fie im Früh— 
ling ſprengt, dann klettre Ich. auf die Leiter zur ho- 
hen Fenſterluke und ene ihr den Weg zur Frei⸗ 
heit — da tanzt ſie hin beflügelt — an mir vorüber 
hinaus ins Meer de Lüfte. 

Auch Ihr Nönnchen, die Ihr ſtarr in Eurer 
Klauſe Euch nicht mehr dreht und wendet, dem 
Leben abgeſtorben, nichts mehr auf Erden vorhabt 
als mit gefaltenen Händen die Paternoſterkugel 
drehn, wenn Ihr die Hülle ſprengt dann werdet 
Ihr ins Meer der Freiheit wieder fliegen. — Ach 
fliegen! — Was wird dann einſt noch aus dem 
Sommervogel werden der ſchon beſchwingt das 
Licht der Welt erblickt? — Und der Menſch der 
Gedankenpfeile ſchnellt von ſtraffgeſpannter Sehne 


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in die Ewigkeit, hat keine Flügel! — Fliegen! — 
himmliſche Kraft die nur der Genius übt! — 

Ich komme mir wie ſchon eingeſponnen vor! 
Was habe ich vor auf Erden was nicht könnt 
ungeſchehen bleiben? — Wie traurig! — Der Früh: 
ling haucht die Fluren an und alle Knöspchen 
brechen auf. — Was hab ich gedacht oder gethan 
was mich zur Blüthe hätt verwandelt, hervor ans 
Licht die braune Alltagshülle mit Farbenglanz zu 
ſprengen. — Schon ſieben Jahre ſinds — ja ſieben 
Jahr, ſeit ich der Kindheit Luſtrevier verließ, wo 
ich auf ſchmalem Weg vorſichtig trippelte weil ich 
kein Würmchen und kein Pflänzchen wollt zertreten. 
Wie reich ſchien mir in jener engen Mauerflucht, 


die Welt! — Blätter Blüthen Wurzeln und die 
Steine und die Mooſe, die redeten mit mir zum 
erſtenmal. — 


Und am Himmelsplan ſah ich dem Flurentanz 
der Muſen zu, und wie aus Wolkenzelten Herden 
hervorſprengten, begleitet von Dämonen, kampfbe— 
geiſtert auf bäumenden Roſſen mit weithinflatternder 
Mähne. — Da ſah ich Helmbüſche wanken und 
mächtige Leiber hinab ins Sternenmeer iu der auf: 
tauchenden Götter Wolkenſchooß. Da hatte ich Welt— 
geſchichte genug Nachts im Mondſchimmer, oft 
verweht wieder vom Windrauſchen oder ſich er— 


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gießend in Fluthen zur durſtigen Erde. Da weiſſagte 
die Nacht mir in Wolkengebilden die ich anſtarrte 
bis mir der Traum die Augen ſchloß und mich 
hinauftrug ins Firmament wo Götter und Helden 
im Nebelmantel, im Wolkenſchiff das tiefe Furchen 
zog, im Wogenglanz der Lüfte forteilten mit mir. 
Und die Seegel in der Sturmnacht brauſten auf 
zwiſchen Schlaf und Wachen. — 

Was mir der Tag gewährte, das veltrünmte 
ich, und in der Nacht weckte mich der Traum 
Weltbegebenheiten mit zu erleben mühelos in der 
Nacht. — 

Die Leute höhnten mich, weil ich vergeſſen war 
am Tag, ich war nicht minder glücklich, denn der 
verſäumt nichts, den Begeiſterung der Phantaſie 
antraut; er ſieht zur rechten Zeit Alles und im 
rechten Licht — und ſpricht mit der Natur, mit 
lautend in ihr Säuſeln, ihre Kühle und lächelnde 
Stille, ſie tönt ihm Verheißungen, denen glaubt 
das Herz willig. Ich durfte nur lauſchen, ſie ſtiegen 
mir auf über Gebirgshöhen, über dem Wald, im 
Geläute der Glocken hinaus in die dämmerige Nacht— 
luft voller Sterne. 

Mir ſind jene Weisheitsmahnungen verſunken, 
doch iſt ihre Zukunft mir gewiß und das Leben 
deucht mir ein Waffentanz in dem der Geiſt ge— 


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ſchmeidig jeder Stellung ſich anſchmiegt das Chaos 
der Zeiten zu ordnen, das in Wechſel und 
Streit über dem dürftigen Geiſt des Volkes da⸗ 
hintoſt. — 

Ach Sorgenfrei ſein das iſt der Freiheit erſte 
Bedingung und meine Gelübde ſind, die Augen 
erheben zum Himmel und ſeine Sprache mir deuten 
die keine Feſſeln anlegt dem Geiſt, — denn was 
iſt Schickſal? — Der Adler wirft die Brut aus 
dem Neſt ſie zum Flug zu erziehen, das nennen 
die Philiſter Schickſal — und mich dauern die un⸗ 
flücken bleiernen Vögel die nicht ſich erheben zur 
Sonne und nicht wie die Vögel des Waldes der 
Sorge ſpottend wegfliegen über dem Geſchlecht 
das hocken bleibt auf Geſetz und Form und 
ſchaudert vor dem Getümmel regſamer Sinne wo 
Zweifel aufſteigen und wieder ſinken wie jene, 
Wolkengebilde, aber nicht Geſetze aufbürden von 
Ewigkeit zu Ewigkeit. Einſt am Morgen hob 
ſich die Sonne und ſank wieder am Abend ins 
Meer und die fernen Eilande waren blau. Wer 
aber der Sonne nachſchwamm, der konnte ſie nicht 
finden in den Wellen und wer die blauen Eilande 
ſuchte, der verlor ſich in Wäldern und grünenden 
Thalen. Und was liegt doch daran, daß der 
Glaube uns Gewißheit verbürge, bald verlaſſen wir 


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die Erde, da werden ihre Documenfe und Eides⸗ 
pflichten uns nicht nachfliegen. — 

Denn Zweifel ſind Schwingungen im Licht, das 
verzehrt ſie wie Nebel oder bricht ſich in ihren 
Farben. Denn wie die Natur, fo auch das Himm⸗ 
liſche über der Natur, ſein Licht bricht ſich in des 
Geiſtes Farben; und unſere Sünde iſt daß wir 
am Buchſtaben hängen der tödtet — der Geiſt 
aber macht lebendig. Der Geiſt iſt eine Stimme 
die an uns gelangt daß wir dem Buchſtaben ab⸗ 
ſagen damit wir Niemand tödten und ſelber fort⸗ 
leben im Geiſt; und nur der Zweifel iſt Sünde, 
der zwiſchen Geiſt und Buchſtaben ſchwankt, denn 
alles Wiſſen umſchließt die Liebe und ob wir in 
dem Einen ſie anerkennen oder in Vielen, im Vater 
oder im Sohn, das iſt alles eins. 


Zweifel find keine Irrthümer und Glaubens: 
gelübde kein Verbrechen an der Liebe, ſie verklären 
den Geiſt und ſcheitern an ihm der das Göttliche 
umſchreibt im Meere der Erzeugungen und taucht 
unter in ihm, alles Gewand abwerfend, frei, nackt, 
unbefleckt zu fein — und alles Forſchen iſt Religion. 
Denn immer zufrieden ſchaut die Unſchuld der 
Wahrheit ins Antlitz und ihr Glaube iſt in den 
lebendigen Geiſt unter allen Gewalten allein und 


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verleiht Flügel über die gewohnten Kreiſe und über 
das Schickſal ſich aufzuſchwingen. 

Und wir alle ſchmachten nach Kühlung im 
Schooß der Natur, denn fie bindet nicht, fie 
löſt die Feſſel und giebt allein nur das Blut zu 
trinken der Liebe und den Leib zu eſſen des Geiſtes, 
und Alle ſind gleich vor Ihr die Gottesgebärerin 
iſt im Menſchengeiſt den ſie nährt wie die Pflanze 
auf ihren Höhen, wo das Auge die Weiten ermißt 
und die Schönheitsblüthe aufduftet im Geiſt daß 
ſie zweifellos aufſteige, geſellig mit andern Blüthen 
der Sonne ſich öffnend. 

Ich will nicht klagen zuſammt Andern, die vom 
Alltäglichen verſchüttet ſich fühlen, und werthlos 
was ſie erlebten; — denn ſchon an der Jugendſchwelle 
trat mir Einer entgegen, der Herrſcher zu ſein gewohnt 
iſt und leicht hinhaucht was die Seele erſchüttert, die 
Großes ahnend einſame Wege ſucht fortan, getragen 
von Hoffnungen wie ein beflügeltes Schiff hin zu 
den Füßen des Meiſters, den ſie mit hellerem Auge 
jetzt erfaßt als einſt in ſchwindelnden Träumen. — 

Du der horchend mich belehrte denn was ich 
Dir ausſprach, da hinein legteſt Du den Samen 
der tröſtend aufkeimt wo auf Scheidewegen jeuer 
glanzvollen Tage Erinnerung mich beſchleicht und 
ihr ſchnelles Verrinnen an Deiner Seite. — Da warſt 


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Du mein freudiger Schutzgeiſt, dem zu vertrauen 
nun meine Seele gewohnt iſt und vollen ehe, 
athem zu trinken bis in den Tod. 

Oft hat Dein Wort mich getroffen und zu 
manchem bewegt, und am letzten Abend, wo wir 
ſprachen von der Weisheit des Nathan, und es ſei 
Heldennatur den Unterdrückten zu lieben, da wollt 
ich Deiner Rede getreu aus feuriger Liebe zu Dir 
ein Held ſein. — — — Weil Du geſagt haſt in 
des Helden Krone ſei der Unterdrückte ein Kleinod 
und das höchſte Ziel ſich ſtecken ſei das Einfachſte, 
denn man könne nie es aus dem Auge verlieren; 
Ich dachte, wäre das mein Ziel, Beſchützer der 
Unterdrückten, das wollt ich ſo gerne ſein; — 
und wo ich ging und ſtand ſann ich auf dieſen 
Juwel ihn an der Stirne zu tragen. — Und Deine 
Weisheit iſt das reife Blut der Traube, ich muß 
es trinken, es rieſelt durch die Sinne und beherrſcht 
den Geiſt. — — — 

In dieſer heißen Sommerzeit nehm ich oft 
durch die Judengaſſe meinen Weg zum Treibhaus, 
dort die Blumen zu betrachten. Nun gehe ich nicht 
mehr gleichgültig ſchüchtern an des weiſen Nathan 
Brüdern vorüber, ich betrachte mit Verwunderung 
die engen dunklen Häuſer; alles wimmelt, kein Plätz⸗ 
chen zum Alleinſein, zum Beſinnen. Manch ſchö⸗ 


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nes Kinderauge und feingebildefe Naſen und blaſſe 
Mädchenwangen füllen die engen Fenſterräume, 
Luft zu ſchöpfen, und die Väter in den Hausthüren 
fallen die Vorübergehenden an mit ihrem Schacher. 
Ein Volksſtrom wogt in der Straße, da laufen 
ſo viele Kinder herum in Lumpen, die lernen Geld 
erwerben und die Alten, Tag und Nacht ſind eifrig 
ſie in Wohlſtand zu bringen, das wehrt man ihnen 
und ſchimpft ſie läſtig. | 

Wie wunderlich iſt's daß alles ſich zankt um 
den Platz auf Erden, ja wie ſchauerlich iſt dies! — 
So grauſam iſt der Dornenweg auf dem die 
Menſchheit ſich ein Eigenthum der Sorge erwirbt — 
und neidens einander! — 

Vom Höchſten bis zum Niedrigſten iſt alles 
eiferſüchtig um den Zankapfel des Lebens — Dort 
im Treibhaus, wo jedem Pflänzchen fein Platz ge⸗ 
gönnt iſt und ſein Name bewahrt, die Heimath 
ſo viel möglich ihm zu erſetzen; und wie da Alles 
in ruhigem Gedeihen zwiſchen edlen Nachbarblüthen 
dem Licht die Kelche öffnet — und der Gärtner, 
wenn die Sonne ſinkt, durch die ausgehobnen Fen— 
ſter ergießt reichlichen Abendthau voll tauſend Perlen 
über ſie der ſie erfriſcht. Da wird mir ſelber ſo 
dumpf, da wird das Herz mir ganz ſchwer, ich muß 
mich verachten daß mir nichts fehlt am Lebensge⸗ 


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nuß, da fühl ich mich beſchämt durch die Judenkinder 
die ſo begierig das Bischen friſche Luft trinken was 
ihnen Abends über die Giebel ihrer qualmenden 
Wohnungen zuſtrömt; dann kränkt mich aller Le: 
bensglanz wie Spott auf meinen unmündigen Willen, 
dann ſchwör ich der vornehmen Welt ab die ihre 
Ahnen zu zählen ſo viel Noth hat, blos um das 
Volk verachten zu können, und dem Geiſt, iſt wie 


dem Auge, von oben herab Berg und Thal eine 


Ebene. — 

Auf dem Heimweg vom Treibhaus nehm ich 
einen großen Strauß mit von allen Blumen, Ro⸗ 
ſenknospen und Drangenblüthen, Granaten Bal: 
ſamnelken und Ranunkel und Myrthen; der ganze 
Drient duftet aus ihren Kelchen, die theile ich 
den Judenkindern aus. Viele Händchen ſtrecken 
ſich mir entgegen, ſie werfen die Bettelſäcke ab die 
reinen Blumen zu erfaſſen, — ſie ſahen nicht nach 
der Münze, zwiſchen den Blumen auf meinen 
Schooß. — Sind ſie nicht dieſelben von denen 
Chriſtus ſagt laſſet ſie zu mir kommen? — Und 
die jungen Mädchen kamen auch herab und ſteckten 
ihre Sträußchen in den Buſen und ſagten voll Ver— 
gnügen, Ach das iſt was Rares. 

Dem Primas hab ichs erzählt von unſern Reden 
über die Juden; und daß du geſagt haſt der Schutz 

2 


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des Unterdrückten fei ein Kleinod in des Helden Krone, 
aber da ſeien keine Helden der Vernunft, denen die 
Weisheit des Nathan ſich warm ans Herz lege. 
Er meint Ihn treffe dieſer Tadel nicht, des Nathan 
Weisheit leuchte ihm ein, und das Elend der 
Juden ſei ihm nicht gleichgültig, aber ob ſie ihre 
Freiheit nicht mißbrauchen und die chriſtliche Un- 
gerechtigkeit, fo wie fie Luft haben mit jüdiſcher 
Keckheit auspariren. Es war neben dem Concert⸗ 
ſaal wo der Primas das ſagte, die einfallenden 
Pauken ſteigerten meinen Muth: 

„Schlechter als ihre Unterdrücker ſind die Juden 
nicht,“ ſagte ich, wem aber Macht gegeben iſt, 
wie kann der es verantworten, wenn er ihre Schnell⸗ 
kraft fürchtet. Sie wird keinen Unfug anrichten, 
wenn ſie als Lebenstrieb ſich aufrichtet in dem 
Stamm, dem die bittre Noth, die von der Religion 
der Milde über ihn verhängt ward, nicht hat können 
das Mark verzehren, um ſo leichter wird er geſund 
werden als durch die offne Wunde der Balſam 
raſcher ins Blut dringt und es reinigt und heilt. 

Sollten Wir beide die Menſchheit regieren, der 
Primas die Chriſten und ich die Juden, wir wollten 
ſehen wer beſſer fertig würde. 

Primas: Nun wie wollten Sie es machen 
mit den Juden? 


19 


„Ich wollte erſt menſchlich mit ihnen reden, 
das iſt bisher nicht geſchehen; ein Hund verſteht 
unſern Willen, weil wir aufrichtig ſind mit ihm; 
unſer Wille richtet aber den Juden nicht auf wie 
den Hund; ich wollte ihren Zuſtand ihnen vorhal⸗ 
ten, eine Moralphiloſophie ihnen darüber leſen und 
alle Mittel ergreifen ſie in ihren ſittlichen Werth 
zu heben; das kann nur durch Ehrgefühl geſchehen 
und durch die Wiſſenſchaft, die gedeiht in dem Be⸗ 

drückten, denn ſie iſt ſein Troſt!“ — 
| Primas: Wie wollten Sie das anfangen? — 

„Die Juden haben Ihnen einen goldnen Becher 
gebracht voll Goldſtücke; Sie haben ſie damit fort⸗ 
gejagt; das hätte ich nicht gethan!“ — 

Primas: Das war eine gute Überſetzung des 
Hebräiſchen ins Deutſche, und die erſte Lection in 
der Moralphiloſophie die Sie zur Grundlage ihrer 
Bildung machen wollen; 

„Nein, das war eine mißverſtandne Überfegung ; 
es war Mißdeutung und Verletzung ihres Ehrge⸗ 
fühls, das man ſchonen muß in jedem, am meiſten 
im Gekränkten. Beſtechung gilt nichts vor dem 
Fürſten, ſo kann er auch keine Abſicht dahinein 
überſetzen!“ — 

Primas: Wie überſetzen Sie denn ein ſo gro⸗ 
teskes Benehmen? 

20 


20 


„So deutlich daß es auch dem muß ein: 
leuchten der ſeiner eignen Abſicht noch nicht bewußt 
iſt. Die Juden wollten mit dieſem Geſchenk fa: 
gen: Du geiſtlicher Fürſt der als Hirt die chrift. 

liche Heerde weidet, o nehm uns mit auf ihre 
| fetten Triften, laß uns neben ihnen gedeihen, ver: 
biete uns nicht das Salz deiner Weisheit zu lecken 
das du ihnen ſtreuſt, und wir geben dir willig 
unſere Wolle hin, die andere uns muth willig aus⸗ 
rupfen und uns mit Schmach bedecken.“ 

Primas: Mit Schmach würde es mich be— 
decken hätte ich ihr Geſchenk angenommen! — 

„Kann man auch groß ſein für ſich, ohne dieſe 
Größe auf andre anzuwenden? und die eigne Ge⸗ 
ſinnung auf allſeitige Wirkung zu berechnen? — 
Heute im Treibhaus hab ich das überlegt. — Wie 
da der Gärtner ein ſcharfes Gewiſſen hat; — wie er 
jedes Stäubchen abwiſcht von ſeinen ausländiſchen 
Pflanzen, wie er ihre Keimchen unter Glasglocken 
hält, von verwelkten Blättern befreit, und die Wucher⸗ 
keime, die nennt er Räuber und bricht ſie gleich 
aus. Und die gefüllten Blumen verwahrt er gegen 
das Aufplatzen mit einem papiernen Kragen, wie 
hier der Stadtpfarrer ihn trägt. — Das erinnert 
mich auch daß einem geiſtlichen Fürſten das Heil 
Aller noch näher liegen muß als Andern. — Das 


21 


friſche Waſſer läßt der Gärtner ſeinen Pflanzen zu⸗ 
fließen und das Sonnenlicht ſpart er ihnen zur 
rechten Zeit auf. — Und die Juden emporbringen 
nach ſo langem Darben, da müſſen ſie auch vor⸗ 
ſichtig und zärtlich behandelt werden, wie die aus⸗ 
ländiſchen Pflanzen, und genährt mit dem was die 
Seele groß macht und muß ihnen keine Laufbahn 
verſchloſſen bleiben als nur die ſie erniedrigen 
kann. — Ich würde das Geſchenk der Juden ver: 
wendet haben zum Beginn ihrer Veredlung, ich 
würde ihre Kinder zur Wiſſenſchaft anleiten, nicht 
zum Schacher, ich würde ihnen die Bildung geben 
die ihre Anſprüche an Geſelligkeit geltend macht, ich 
würde ſie Reiten Fechten Tanzen lernen laſſen, 
Naturwiſſenſchaft Philoſophie Geſchichte, alles was 
ſie über den Stand erhebt, in dem ihre Seelen 
herabgewürdigt, voll Schmach, einen ſchlechten Ein— 
druck uns machten, und das erſte aller Erziehungs⸗ 
elemente müßte ſein die Muſik!“ — N 

Primas: Finden Sie ſo viel muſikaliſchen 
Schmelz im Auern und Seufzen am langen Tag, 
ließen ſich vielleicht mit etwas ökonomiſchem Genie 
Opern-Arieen draus machen? — 

„Vielleicht liegt im Operngeſang weit mehr 
falſches Getön, als im Seufzen und Auern am 
langen Tag. Die Muſik bringt die Skala der 


22 


Seele auf die reinſte Temperatur, die durch chriſt⸗ 
liches Herabſpannen ganz tonlos geworden und 
verſtimmt iſt. Muſik geht nicht allein aus 
Geiſt und Gemüth hervor, weit mehr noch be⸗ 
fruchtet ſie die Sinne und befähigt ſie zu dem 
was der Geiſt noch nicht faßt. — Sie iſt die Wie⸗ 
dergeburt für die geiſtige Natur.“ 

Primas: Wenn ich dieſe muſikaliſche Wieder⸗ 
geburt auch befördere und obenein ſie Reiten 
Tanzen Fechten lernen laſſe, — Naturwiſſenſchaft 
Philoſophie Geſchichte — alles was Sie wollen. — 
Was würde dann daraus werden? — Der Jude 
ließe ſich doch nicht verläugnen? — 

„Was iſt denn da zu verläugnen? — Auch 
im Juden liegt die Offenbarung ſeiner Eigen⸗ 
thümlichkeiten; es iſt nicht die Rede dieſe auszu⸗ 
rotten, vielmehr ſie wiedergegeben in lichteren 
Farben. Die Bildung des Juden hängt ab 
davon, ſeine urſprüngliche Schönheit geltend zu 
machen, ſeine Seele ſpiegelt zum eignen Verſtänd⸗ 
niß ſich in der ihm eingebornen Natur. Was 
unter der Sonne lebt hat gleiche Anſprüche; tränken 
ſich die Schaaren der Halme auf dem Feld mit 
ihrem Licht um Körner zu gewinnen, ſo ſoll auch 
durch der Sonne Geiſt alles ſich befruchten mit 
großen Gedanken! Sie ſollen im Juden ſo gut 


23 


gedeihen wie in andern Menſchen, und wie in den 


Halmen das Korn gedeiht! Der Jude wäſcht die 


Hände nach dem Geſetz, er ſchöpft von der Welle 
des allumfaſſenden Ocean ſich zu reinigen vom 
Staub; der Chriſt ſich von Sünden freizuwaſchen 
ſchöpft aus dem Gnadenmeer! Iſt Gebrauch 
und Geſetz nicht ſinnliches Ahnen geiſtiger Bedürf⸗ 
niſſe, ſind ſie nicht Schranken inner denen eine 
geiſtige Sittlichkeit ſich bewegt? — Der Jude, der 
bei der Heimkehr am Vorſabbath auf der Hausſchwelle 
die Verachtung abſchüttelt von den Tagen des Er⸗ 
werbs und eingeht zu den Seinen als Prieſter der 
den Segen herabfleht auf ihr Geſammtgebet, zum 
Gott ſeiner Väter aufathmend vom Druck der auf 
ihm und ſeinem Volk laſtet, deſſen Gebet ſollte 
nicht ins All der Schöpfung einklingen? und das 
Chriſtenthum iſt ſo ſehr verſtimmt daß es mit den 
Mißtönen der Verfolgung dieſe Harmonie mit dem 
Weltall ſtört?“ 

Primas: Ich will mit keinem Mißton ein⸗ 
greifen in dieſe philoſophiſch-melodiſche Anſicht; ich 
will nicht rügen den Egoismus der jüdiſchen Re⸗ 
ligion, den politiſchen Kitzel als Grundlage ihres 
Charakters, der ſich in tauſend unbequemen Fehlern 
Luft macht, und ihre Eroberungsſucht die nie Pietät 
aufkommen ließ gegen andre Völker; ich frage nur, 


24 


was würde aus einem fo vollkommen gebildeten 
Judenthum, aus dieſen zweideutigen Anlagen her⸗ 
vorgehn, für die Chriſtenheit? für die ich als 
Primas doch einſtehen muß? — 

„Wenn Egoismus ſelbſt in ihrer Religion ſich 
offenbart, ſo muß die Beraubung ihrer einfachen 
Menſchenrechte ihnen doppelt marternd ſein; — 
liegt politiſcher Kitzel in ihrem Charakter, ſo 
iſts nicht zu verargen, daß ſie mit ihm ſich Luft 
zu ſchaffen ſuchen, und ihre Eroberungsſucht 
kann nur denen ein Vorwurf ſein, die ſie ſo hart 
in Feſſeln ſchlugen, aber verantwortlich iſts, dieſen 
natürlichen Trieben kein Feld zu gewähren. — 
Der Vogel kann nicht in der Luft ſich immer hal⸗ 
ten, er muß ſich niederlaſſen! — Der Charakter 
muß eine Baſis haben, auf der er ſich ruhe! Das 
Feld der Freiheit iſt die Baſis Aller. Was aber 
aus jenem gebildeten Judenthum hervorgehe für die 
Chriſtenheit, iſt der Begriff daß fie mit dem Chri⸗ 
ſtenhimmel nicht auch die irdiſche Welt gepachtet habe, 
und die Hölle für Ketzer, Heiden und Juden allein 
übrig bleibe! — Die Juden würden, trotz ihrem Feſthal⸗ 
ten an dem Glauben ihrer Väter einen viel freieren 
Überblick über Anfang und Ende gewinnen, eben 
weil ihre Bedrückung ihnen ihr Anrecht an die Frei: 
heit um ſo fühlbarer macht. — So würde der 


25 


Chriſt durch des Juden freie Bildung Fülle freier 
Anſchauung gewinnen, eine Entwicklung würde die 
andere ſteigern, und endlich durch den goldnen Frie⸗ 
den ſich ins goldne Zeitalter verwandeln, wo 
Jude und Chriſt gemeinſam fühlen Gott ſei un: 
ter ihnen!“ - F 

Primas: Sie würden alfo die Juden nicht 
bekehren wollen? 
„Nein aber ſie bewegen die Wahrheit zu er— 
kennen! i 

Primas: Iſt denn das Chriſtenthum nicht die 
Wahrheit? 

„Für den Primas, aber nicht für den Rabbi.“ 

Primas: Was iſt denn für den Juden die 
Wahrheit? — 

„Daß Chriſtus ein Jude war, das würde ich 
ihnen lehren beherzigen.“ 

Primas: Glauben Sie denn nicht, daß Chriſtus 
Gottmenſch iſt? — . 

„Ja, durch ſeine Beharrlichkeit in der Liebe. 
— Wir aber verachten den Juden den er liebte! 
— Wir nennen uns Chriſten und ſind doch nicht 
bekehrt, den Juden wollte ich bekehren, daß er, wie 
Chriſtus, ſeinen Verfolger lieben lerne. — 

Primas: Das würde nicht gelingen, ſein böſer 
Eigenſinn ließ ihn nicht nachgeben! 


26 


„Ich trachte nicht nach ſeiner chriſtlichen Be⸗ 
kehrung, aber zur Vernunft! Zum Begriff: Mo⸗ 
ſaiſche Satzung ſei nicht Religion, und auch nicht 
anderer Nationen Kirchenverheißungen und Glau⸗ 
bensartikel.“ 8 

Primas: Sie wollen nicht allein den Juden, 
aber nun gar auch den Chriſten von ſeiner poſitiven 
Religion losmachen! 

„Das iſt eben nicht Religionsweisheit den reinen 
Ton des Judaismus anfeinden, der ins All der 
Schöpfung einklingt mit fo frommer Zuverſicht 
über den blauen Himmel hoch über Sonn und 
Mond und goldne Sterne hinauf zu dem Weſen 
aller Weſen!“ 

Primas: Alſo ein ſolches Weſen aller Weſen 
anerkennen Sie doch, da haben wir doch die Spur 
eines Religionskeim! 

„Ja! ein ſolches Weſen anerkenne ich! — und 
ich habe das Gefühl ſeiner Machteinwirkung! die 
mir lehrt, dem Elenden, dem Juden mich zuwenden, 
und mehr noch lehrt ſie mir, denn ich ſchaue fort— 
während nach jenem moraliſchen Firmament, wo 
die heiße Sonne mit dem kühlen Mond mwechfelt, 
und wo der Thau der Nacht wieder erfriſcht, was 
die Sonne ſo heiß durchglühte. — Denn wenn 
das nicht wär würde ich meine Gedanken nicht 


27 


ſammeln können von dem wahren Standpunkt aus 
für ihr Recht zu ſtreiten.“ 0 

Primas: Verwirren Sie nicht durch phanta⸗ 
ſtiſche Vergleiche den ſchönen klaren Standpunkt, 
den ich bis jetzt noch verſtehe. Was nennen Sie 
alſo ein moraliſches Firmament? — 

„Ich verſtehe darunter die Wunderwerke des 
Geiſtes aus dem alle Schöpfung entſteht!“ 

Primas: Was iſt das nun wieder? — 

„Gott ſagte: Es werde! — und da ward! — 
und glauben Sie denn, daß die Schöpfungskraft 
blos in dem Wort lag? — und daß da ſo gleich 
alles geworden, blos aufs Kommandowort?“ — 

Primas: Das müſſen wir allerdings in der 
Allmacht Gottes liegend uns denken. 

„Nein! das denke ich mir nicht ſo! — Und 
das weiß ich auch ganz anders, durch prophetiſches 
Ahnen, durch meinen Scharfſinn; daran zweifeln 
wollen, wäre nicht klug vom Primas.“ 

Primas: Offenbaren Sie Ihre Prophetengabe, 
offenbaren Sie Ihre individuellen Anſichten von 
der Schöpfung der Urwelt, ich bin begierig ſie zu 
vernehmen! — 

„Individuelle Anſichten habe ich nicht, aber 
Bewußtſein wie Alles geworden; damals als erſt 
Alles werden ſollte und daher noch nichts konnte 


28 


ſchief gegangen fein, da erzeugten fich die Dinge 
wie die Natur ſie ausſprach, und ſo ward die 
friſche freie Welt.“ — 

Primas: Dieſe friſche freie Welt iſt alſo ein 
Erzeugniß vorweltlicher Kräfte. 

„Ja, und nach und nach entſtanden, daß man 
ſieht dieſe Kräfte haben ſich an ihr geübt. Gott 
brauchte ſieben Tage der Anſtrengung um ſie zu 
ſchaffen.“ 

Primas: Einer davon war Ruhetag. 

„An dem er ſah, daß alles gut war was er 
gemacht hatte! Dieſer Ruhetag war ein be⸗ 
ſchaulicher der Betrachtung und keine vorweltliche 
Kraft; ſie kam erſt nachdem die Welt geſchaf— 
fen war! — Was aber die Menſchen machen, 
davon haben ſie das Einſehen nicht ob es auch 
gut ſei!“ — 

Primas: Einſehen deucht mich, ſei daſſelbe mit 
Veruunft! . 

„Vernunft des Göttlichen iſt Schöpferkraft; 
Einſehen iſt Faſſungskraft; das iſt ein Unterſchied. 
Aber auch die Vernunft iſt kein urplötzliches eignes 
Selbſt; ſie hat einen ſinnlichen Grund und der iſt 
Urſprung alles Werdens, da der Schöpfer nicht 
aus der Vernunft ſondern aus dem ſinnlichen Ge: 


fühl des Werdens erſchafft! — Denn aus gar 


29 


nichts kann nichts geworden fein. — Der Gott 
unſeres Urſprungs iſt alſo ein ſinnlicher Gott, ein 
fühlender, nämlich das Gefühl iſt die Perſönlichkeit 
Gottes, die unmöglich ohne ſinnliche Natur ein 
Daſein konnte haben! — Gefühl iſt ſinnliches Da⸗ 
ſein Gottes!“ N 

Primas: Das lautet bald als ob es wahr 
ſein könnte. Sie nennen alſo Gott das ſinnliche 
Gefühl aller Schöpfung? 

„Es werde Licht!“ ſagt Gott! Das Gefühl 
des Werdens geht aus ihm hervor in die Schöpfung 
über und wird erſchaffnes Licht; und er ſieht daß 
es gut iſt und er ſchaffet weiter im Licht! — Das 
Gefühl aus dem Alles hervorgeht iſt die Sonne; — 
Die Vernunft, deren Bewußtſein das Werden iſt, 
die iſt der kühle Mond, er hat Einfluß auf alle Weſen. 
Die Gedanken, die von der Vernunft ausgeſtreut 
werden das ſind die Sterne; ſie ſchimmern nach 
allen Seiten und leuchten Einer dem Andern. Das 
iſt das moraliſche Firmament, Sonne Mond und 
Sterne, Firmament göttlich ſchaffender Kräfte, die 
da fortwährend leiten und wirken. Ja, Gefühl 
drängt die Vernunft zu allem Erzeugen! Was wir 
Weisheit nennen iſt Gefühlseingebung. Alle Inſpi⸗ 
ration iſt ſinnlicher Lichtdrang aus dem Urlicht in 


30 


die Vernunft, aus der Gottheit in ihren Begriff, 
aus der Sonne in den Mond!“ — 

Primas: Sie wollen wohl ſagen, daß die 
Natur die ſinnliche Wirkſamkeit Gottes iſt! 

„Nein! Aber daß die Natur aus dem Gefühl 
entſprungen und das Gefühl der Urſprung aller 
Dinge, und daher Gottheit iſt! — und das iſt eben 
Religion worin alle Weſen von ſelbſt einklingen 
wie die Sterne, ſo verſchieden ihre Natur ſein mag; 
haben ſie doch ein gemeinſam Daſein! Dies nur 
iſt Religion, worin alle Gefühle übereinſtimmen. 
Gemeinſchaft des Heiligen ohne innern Widerſpruch 
mit dem Weltall!“ — 

Primas: Was ift uns aber Baſis dieſer Ge⸗ 
meinſchaft des Heiligen, wenn nicht göttliche Ver⸗ 
heißung, wenn nicht Offenbarung und Glaube an ſie? 

„Selbſtbeſinnung iſt der Glaubensheerd auf dem 

der Geiſt hell auflodert um Berge zu verſetzen um 
ſich zu reinigen von der Aſche erlöſchender Triebe 
und Natur, Gefühl und Phanatſie wieder anzufa⸗ 
chen; die im rein geſtimmten Geiſt Prophetengewalt 
haben.“ 
Primas: Sie haben da Chriſtus und ſeine 
göttliche Prinzipien, in die Natur überſetzt! aber 
deswegen ſind die Juden noch nicht befähigt in 
dieſe Natur überzugehen! — 


31 


„Der Chriſt hat einen Götzen des Aberglaubens, 
der ift fein Chriſtus. — Aber nicht jene menſchliche 
— aus göttlichem Gefühl als ſeinem ewigen Er⸗ 
zeuger hervorgehende Urkraft Alle zu erlöſen vom 
Übel! — Der Chriſt hat ſeine poſitive Religion; 
auf der ruht er, geborgen daß ſie ſelbſt ihn vom 
Übel erlöſe, fein eigennütziger Glaube ans Himmel: 
reich raubt ihm das All und Überall ſeiner Unſterb⸗ 
lichkeit. — Schon fühlt er ſich nicht mehr im Ver⸗ 
folgten, er iſt ſich felber abgeſtorben in ihm; ſchon 
fühlt er ſich gleichgültig gegen ſeines Geiſtes Frei⸗ 
ſtätte, ſelbſt zu denken! — er hält ſich an ſeine 
Verheißungen, an ſein Kirchengebot, und das iſt 
ihm einerlei, es mit der Vernunft nicht faſſen zu 
dürfen! Über ſchlechte Witterung klagt er, über 
Hitze und Kälte, über alle Lebensunbequemheiten 
und die Geiſteszermalmungen die alle moraliſche 
Kraft zerſtörende Bedrückungen unter denen der 
Jude ſeufzt, die rühren ihn nicht!“ — | 

Primas: Das jüdiſche Volk ſcheint aber von 
jeher, ſogar bis heute, den reinen Sinn für das 
Höhere im Menſchen nicht gehabt zu haben, der 
alte Reſt ſeiner plumpen Satzungen würde ſonſt 
von ſelbſt von ihm abgefallen ſein! — | 

„Das Anrecht freier Entwicklung feiner gefunden 
Anlagen kann um keiner Vorausſetzung willen einem 


32 


vorenthalten werden, noch weniger iſts denen ab: 
zuſprechen, deren Naturanlagen nicht in heiteren Le⸗ 
bensbächen dahin zu rauſchen vergönnt iſt. Gebt 
erſt Luft, wie bald wird dann Licht leuchten! — 
Dieſe Flamme! — dieſe einfache Himmelermeſſende 
— Natur und Welt durchgreifende Flamme, ſie 
lodert auch im Innern des Juden; er vermags in 
den Abgrund des Denkens und Fühlens ſich zu ver- 
ſenken; im Bann der Erniedrigung, aus dem er 
ſich aufſchwingt, muthiger und freier durch den 
eigenen Geiſt verklärt als ſeine Unterdrücker un⸗ 
ter denen er ſich durcharbeitet. — Er kennt die 
Menſchen, er kennt die Chriſten und fühlt was 
ſie ihm anthun, ſie aber kennen nicht den 
Juden und nicht ſich ſelber, und ihrer Religion 
Verſöhnungsmilde iſt an ihnen verloren gegangen. 
Von ihr haben ſie nichts als blos die Juden an⸗ 
zufeinden. 
Primas: Solche Phänomene der Judenſchaft 
ſind bis jetzt nicht als möglich anerkannt! Moſes 
hat ſie durch harte niederhaltende Satzungen an 
Himmel und Erde gefeſſelt! Die Erkenntnißquelle 
ihrer Vernunft iſt bis heute noch nicht ſo hell hervor⸗ 
geſprudelt um fie von jenen Feſſeln loszuwaſchen! — 
Und treiben ſie mit ihrer Menſchenkenntniß nicht 
auch Handel und Wucher? — Haben ſie nicht wie 


33 


zur Wiſſenſchaft, auch Anlagen zu Jeſuiten, Hof: 
leuten, Diplomatikern und Intriguanten? — Trei: 
ben ſie nicht Schleichhandel mit der Politik und 
achten es als ein aufrichtiges Gewerbe? — 


„Welchen Spielraum haben ihre Talente an— 
dersgefunden, als an dem der elende Geiſt der 
Erde eben zehrt — ſind Hofleute und naturver⸗ 
kümmernde Miniſter und üppige geiſtliche Kurfür- 
ſten nicht Juden, da doch Juden gerade dazu 
Anlage haben?“ 

Primas: Dazwiſchen könnte wohl noch ein 
Drittes liegen was nicht Jude iſt. 

„Der Teufel iſts der dazwiſchen liegt und ihrer 
Herr wird. — Wer die Erkenntniß des Teufels hat, 
der muß ſich mit ihm herumſchlagen. — Die ge⸗ 
ſammte Chriſtenheit drängt die Juden in die 
Hölle. Um jedes weltlichen Vortheils willen läßt 
ſie, über alle heiligen Theorien hinweg, ſich reißen zum 
Meuchelmord an ihren Brüdern! — ſie zerrt den ge— 
feſſelten Juden an der Kette, ſie nennt ihn boshaft 
wenn ihm der Schaum vor den Mund tritt und 
tückiſch, weil er in den Sack nicht ſpringen will, 
den ſie ihm vorhält.“ 


Primas: Unter dem Sack berptges Sie die 
chriſtliche Religion, die Sie für ein Gefängniß an⸗ 
3 


34 


ſehen, der Chriſt erkennt fie aber für die Freiſtätte 
des Geiſtes. Sie werden es ihm doch nicht als 
böſen Willen auslegen die Juden zu martern, wenn 
er verſucht ſie zum Chriſtenthum zu bringen! 


„Die Juden halten an dem Glauben ihrer Vä⸗ 
ter als an dem letzten Pfeiler ihrer Selbſtſtändigkeit, 
und ihre alten Satzungen, Sinn- und Verſtandlos 
wie ein Erdenklos, haben doch Wurzelkraft wie die 
Erde! — Die Blüthen der Empfindung, des Gei⸗ 
ſtes, können aus ſo harten Geſetzen dennoch her⸗ 
vorſprießen, ſie fühlen ſich auf dieſem Fußbreit ih⸗ 
res nationalen Daſeins in der Verbannung geſichert; 
ihr Tempel iſt ihre Ruheſtätte auf ihrer Flüchtlings⸗ 
reife durch die Welt, fie halten an ihrem Herkom⸗ 
men, an ihrer Urſprünglichkeit und achten den 
Chriſten als einen Emporkömmling!“ — ö 
Primas: Die Sonne beleuchtet Recht und 
Unrecht und würde den Juden auch erleuchten, wollte 
er nur feiner beſſern Einſicht folgen. — 

„Wenn auch noch ſo große Gedanken in dem 
Juden könnten Wurzel faſſen man raubt ſie ihm 
mit der Bekehrungswuth!“ — 0 

Primas: Außer dieſen, liegt noch eine 
geiſtige Bekehrungskraft im Weltall; der natür— 
liche Inſtinkt, der den Juden mahnt, daß die 


35 


allgemeine Weltreligion, deren Stifter und Gott 
der Menſchenliebe, von ihnen verflucht wor: 
den war, ſie verfolgen müſſe, ſo lange ſie nicht 
übergehen. 
„Übergehen ſoll der Jude! — Wohin? — 
Alles iſt Dorn und Diſtel — und verborgene Meffer: 
ſtiche der Verachtung! — Dieſen Ekel den wir ge⸗ 
gen ſeinen Stamm hegen, jede Berührung mit ihm 
ſcheuen, geſchweige in Lebensverhältniſſen uns ihm 
verbinden, den Kindern Furcht vor ihnen machen und 
zu böſem Muthwill gegen ſie hetzen! — Dieſer 
Hohn gegen den älteſten Menſchenſtamm, der iſt der 
Ausſatz der Chriſten. So lange ſie dieſe Krank⸗ 
heit haben, iſt nicht gut in Gemeinſchaft mit ihnen 
treten. Alle Heiligung der Kirche iſt Lüge, ſo lange 
ſie Verfolgung übt; Deckmantel des chriſtlichen 
Ausſatzes den der Jude flieht! Unſer Stolz 
duldet nicht, daß er in unſerer Gegenwart menſch⸗ 
lich denke, menſchlich fühle. — Wir ſpotten des 
Patriarchen der auf Dornenwegen eine Zuflucht 
ſucht für die Seinen. Wir drängen ihn hart, un⸗ 
ſer Vertrauen iſt ihm kein erfriſchender Regen, un⸗ 
fer Geiſt iſt ihm kein leitender Stern in der Wüſte; 
hat er ſich verirrt ſo bringen wir ihn auf den ver— 
lornen Pfad nicht wieder zurück. Wir trauen ihm 
alle Verbrechen zu und ahnden ſtreng ſchon den 
3 


36 


Argwohn den wir auf ihn häufen, jeden böſen 
Willen den wir doch ſelbſt ihm einimpften. Wir, die 
Jünger des Gottmenſchen deſſen Joch ſüß iſt, wol— 
len uns dem ſüßen Joch der Menſchlichkeit nicht 
unterwerfen; — aber die Juden im Lande der Ver— 
bannung, der Entſagung, der Mutterangſt, der Ba- 
terſorgen und Verkanntheit, bleiben unerſchüttert treu 
ihrem harten Geſetz! — Was iſt da zu verachten 
am Juden?“ — 
Primas: So würde wohl der Chriſt endlich 
noch Lehre annehmen müſſen von den Juden? — 
„Wenn nicht der Trieb zu gemeinſamer Voll⸗ 
endung die Rechte der Menſchheit auch im Juden 
ihm begreiflich macht, durch die Liebe die Chriſtus 
predigt iſt er dazu nicht gekommen! — Die Kirche 
wähnt ſich die alleinige Braut des Gottmenſchen, 
ſtatt aber ſeinen milden Spuren nachzugehen, baut ſie 
unter Trümmern verlaſſner Lehre einen Richterſitz für 
ihren Bräutigam, was ſie an knechtiſchem Weſen, an 
Bannformel und Flucheslaſt finden kann, legt ſie ihm zu 
Füßen, um damit auf den Untergang loszugehen 
derer, die ſie nach ſeinem Beiſpiel am Herzen ſollte 
tragen. — Wie ſehr betrügt ſich die Braut um 
den Bräutigam!“ — 
Primas: Chriſtus der die Phariſäer bekämpfte, 
der auffuhr gen Himmel, die Nebel zu zertheilen 


37 


des Aberglaubens und boshafter Unwiſſenheit, den 
werden Sie doch nicht dem Schooß der * ab⸗ 
läugnen! 

„Ich läugne ihr nichte ab was r ie in vr 
Schooß empfangen zu haben glaubt; aber wenn 
ſie ein Baſiliskenei ausgebrütet hat, ſo kann ich 
darin das Ideal nicht erkennen der Menſchheit, ſo 
nah verwandt unſerer Seele, daß es unmöglich 
iſt Menſch zu fein, ohne in dies Ideal überzuge⸗ 
hen. — Dieſe Gottheitsflammen, dieſe Friedenergie⸗ 
ßenden Schauungen ins Wort, in die Unſterblich— 
keit, kann in Offenbarung und Kirchengeſetz die das rein 
Menſchliche als Verbrechen verfolgen, denen nicht 
begreiflich werden die an den Hervismus glauben 
großer Geiſter und auch zu Heroen ſich bilden wol— 
len wie ich!“ | 

Primas: Sie wollen eine große politiſche 
Reichsreligion, wo die Götter Nationalgötter ſind, 
und durch Drakel ihr letztes Wort geben zu allem 
Geſchehen. Sie wollen mit dem Heidengott zuſam— 
men ſich auf den Dreifuß ſtellen. — Da werden 
zwei Schiffbrüchige auf einem Brett ſich befinden. 

„Trotz allen Gegenreden iſt des Primas Seele bei 
mir, die meinen Unſinn in den wahren Ginn überträgt. 
In den Heidenkindern die nicht Chriſtum kannten, 
lebte, in jedem auf eigene Weiſe die Seele reifend, 


38 


die Gottbewußtheit und durchzuckte die Heidenländer 
mannigfaltig in Thaten der Tapferkeit und Selbſt⸗ 
verläugnung! — Alle Opfer waren um der 
Größe ihres Geiſtes willen ihnen zum Selbſtge⸗ 
nuß geworden!“ — 

Primas: Ja! Es war jener Zeiten Genius, 
der die milch⸗ und honigreichen Ströme der Lebens: 
weisheit durch die gelobten Lande leitete, die Moſes 
in der Wüſte fern dahinwallen ſah und den ſter⸗ 
benden Blick daran erlabte! — 

„Und mancher Nachkomme der heute nicht 
Chriſt iſt, leitet ſeinen Urſprung aus jener idealiſchen 
Geiſtesnatur, die Lichtdurchdrungen war ohne von 
Chriſtus zu wiſſen; ſollte er für dieſe nicht Sinn 
gehabt haben? — ſollte er ſie verdammt haben, 
ſo war das nicht beſiegelt von Gott noch von den 
Göttern. — Er! die Kindheitsnatur menſchlicher 
Verklärung! hätte er ſie abgeläugnet die göttlichen 
Größen alle, als nicht der Unſterblichkeit geweiht?“ — 

Primas: Und ſtatt deſſen dem gefunden Men⸗ 
ſchenverſtand die Erbſünde eingeimpft, die wie Pech 
anklebt und losgewaſchen muß werden von der 
Kirche. 

„Die neugebornen Kinder vom Teufel beſeſſen, 
dem doch von Chriſtus nur zugeſtanden war, in 
die Schweine zu fahren.“ 


39 


Primas: Dieſe unſchuldige Heerde die der Teu— 
fel wie ein brüllender Löwe umſchreitet und nach 
allem ſchnuppert was nicht mit dem Waſſer der 
Taufe Sündenrein gewaſchen iſt! — N 

„Da wollte ich doch lieber jenen himmliſchen 
Leidenſchaften mich verſchwören, die noch vor der 
Chriſtenlehre ſich rührten im Schooße der Wahr: 


heit.“ | 
| Primas: Die entſprungen waren aus mün⸗ 
dig gewordner Menſchenwürde! — Was haben 


wir davon in den verrinnenden Bächen jener Be: 
geiſtrung mit uns fortgeſchleppt? — Nichts als 
erheuchelte Größe die an uns nicht haften will. — 
Wir haben keine Lebenausprägende Weisheit, kein 
Heldenthum, keine Kunſt! 

„Alles wurde beim Erſcheinen des Chriſtenthums 
vom Schlag gerührt!“ — 

Primas: Nicht das Chriſtenthum aber der Kampf 
mit ſo einfachen Wahrheiten, das Syſtem der 
Kirche nach ihren ſymboliſchen Büchern zu erläu— 
tern und dabei Freiheit in allen Forſchungen zu 
behaupten: Das hat der Kleriſei ganze Denkkraft 
geſchlagen, alles iſt zu Kirchenunſinn geworden. 

„Die Chriſten haben ſich um ihren Heiland be: 
trogen, während die Juden es noch vor ſich haben 
ſich ihm anzueignen!“ 


40 


Primas: Er hat fi) umſonſt gedemüthigt, 
und die Sterblichkeit hat er getheilt mit uns, aber 
aus ihr heraus haben wir ihm nicht folgen lernen. 

„Wie könnten wir ſonſt mit dem Koth des 
Luxus, prahlen vor dem Dürftigen und durch kein 
anderes Verſtändniß mit ihm uns heiligen.“ — 

Primas: Kein Sternenkreis mehr von hohen 
Thaten über dem Haupte herrſchender Männer. 
Kein Sehnen kein Hoffen mehr das fie erfül- 
len? — | 
„Kein Plato kein Socrates, der weiſſage im 
Sonnenfeuer!“ 

Primas: Keine Kampfbegeiſterte Helden für 
Volksrechte die um ſein Blut zu ſparen für Alle 
fechten. Heute fließen Blutſtröme um des Einen 
willen, er ſieht es fließen und appellirt an den Welt⸗ 
richter, nicht an ihren Erlöſer! 

„Die chriſtliche Kirche iſt die Herberge die ihn 
im Schilde führt, aber nicht von ihm bewohnt 
wird. Der Welterlöſer konnte wohl alle Marter 
der Menſchheit zu Lieb ertragen wollen, aber 
nicht die Langeweile der Tugendheuchelei, die des 
Teufels Ruhebank iſt, mitten in der Kirche, auf 
der die Frömmler und Schriftgelehrten heute 
noch ſitzen wie damals und deuteln am Buchſtaben 
von dem er uns zu erlöſen doch gekommen war. 


41 


Wie ſollte er nun unter ihnen ſitzen und fich ge: 
fallen, von ihrer Doppelzüngigkeit ſeine Weisheit 
unnütz machen zu hören!“ 

Primas: Der Dom der Freiheit, der, wo der 
Geiſt auch in ſeinen abſtrakten Bildern ſchwelgt 
ſein Dach über ihm wölbt, der iſt die wahre 
Kirche in dem er wohnt. 

„Aber nicht mit zuſammen geklappten Flügeln 
im engen Pferg und einen ſchwarzen Hund dabei 
der ihn bewacht und immer ihn wieder hineinbellt, 
wenn er hinauf ſich ſehnt ſeine Flugkraft zu üben.“ 

Primas: Ulnd das Geſpenſt der Selbſtquälerei 
was die Furcht ausbrütet die nimmer ins Unge⸗ 
maſſene ſich wagt. — | 

„Was doch überall des Gottes voll ift! Und 
dann der Marterknecht der die Hölle heizt! — Dem 
konnte der Genius nicht dienen wollen der in jeder 
Bruſt ſich regt, ſie freizumachen.“ 

Primas: Und die Ahnung einer höhern Welt 
ihr ans Herz legt, in der Natur und Gottheit zu— 
ſammenſtrömen. 

„Chriſtus der Seelenſchmetterling der voranflog 
dem ängſtlichen Raupengeſchlecht das ſo mühſam 
nachkriecht! — Aber die Religion des eignen Ge— 
wiſſens, die Mittler iſt zwiſchen ihm und dem Gött— 
lichen, die iſt Ueberwinderin aller Religionen.“ 


42 


Primas: Ulnd die Kirche die nicht jede Liebe 
jedes Vertrauen jedes Gelübde in ſich aufnimmt die 
iſt nicht unfehlbar und nicht allgemein. 


„Und die den Stamm ihres eignen Stifters aus 
ihrem Schooß ausſtößt, ein unvermiſcht Geſchlecht, 
von der Natur als eine ihrer edelſten Racen aus⸗ 
gerüſtet mit ſcharfen Sinnen und tiefem Fühlen“ — 


Primas: Von der Kirche verflucht und aus 
dem Schlupfwinkel der Verbannung zu ihrem 
Schlachtopfer hervorgezogen, die iſt nicht wahre 
allgemeine Kirche! — 


„Im Schooß der überirdiſchen Natur, was 
doch die Kirche ſein ſoll — ein Baum nach ſeiner 
Natur Art von ſelbſt aufſtrebend in geläuterte Er- 
kenntniß. Und alles Streben nach Gottheit iſt Sym⸗ 
pathie für alle Religionen die einander berühren, 
wie im Winde die ſchwankenden Bäume des Waldes 
einander ſtützen mit ihren Aſten und mit ihrem Laub 
ineinander flüſtern, und mit ihren Wipfeln ſich nei⸗ 
gen gegen einander.“ 


Primas: Aber doch hat Chriſtus den einen 
Baum verflucht der ihm nicht Früchte bot, obſchon 
es nicht an der Zeit war daß die Feigen reif ſein 
konnten! — Sollte die Kirche nicht in dieſem von 


43 


Chriſtum verfluchten Feigenbaum das Judenthum 
erkannt haben! 

„Alle Feigenbäume ſtammen von dem Einen 
ab im Paradies und alle hängen mit dem zuſam⸗ 
men der den Fluch tragen mußte! — Wie konnte 
der Sohn verfluchen was der Vater gepflanzt hat! 
— Und wie konnte die Kirche ein Volk verflu— 
chen deſſen Stammältern wie der Feigenbaum, Früchte 
trug für alle Nationen! Und wenn der Feigenbaum 
uns nahe geht, daß der den Fluch trägt, wie viel 
näher muß uns der Jude gehen, an dem die Chri⸗ 
ſtenheit täglich den Fluch übt?“ 

Primas: Wenn dem Juden dies Eine ein: 
leuchtet, das Irdiſche zu verlaſſen um dem Himm⸗ 
liſchen nachzugehen, ſo wird der Wald der Eintracht 
ſich genügend belauben um Chriſten und Juden 
Schatten zu geben, allein dazu iſt wenig Hoff— 
nung! — 

„Der Jude kann ſich bekehren ohne daß er ſich 
Chriſt nennt, durch das einzige Gebot: Liebet 
Euch unter einander!“ ö 

Primas: Darum habe ich ſie auch unter ein— 
ander laufen laſſen, da werden die Juden Groß— 
muth üben lernen; — wäre nur auch die Weisheit 
unter ihnen von der Salomon ſagt man finde ſie 
vor der Thür, woraus ich ſchließe, daß die Juden 


14 


damals nicht fo häufig vor der ue lager wie 
hier in der Judengaſſe. 

„Dort hatten ſie Paläſte und Gärten und 
herrliche Springbrunnen und verſahen die höch— 
ſten Staatsämter, und hier haben ſie keine Luft 
zum Athemholen; ich wüßte nicht warum die 
Weisheit ihr Feld nicht auch da bauen dürfte: 
irgend wo müßte man ihr doch begegnen, wenn 
ſie wirklich auf Erden wandelt.“ 

Primas: Auf dem Markt iſt fie auch nicht 
denn heute wo den Juden zum erſtenmal erlaubt 
war zugleich mit den Chriſten ihre Einkäufe zu bes 
forgen find mir ſchlimme Händel zu Ohren gekom— 
men; es iſt da ein Handgemeng entſtanden über das 
Wild um das man ſich zerrte. Der erſte Bericht 
lautet: Blutige Auftritte unter Chriſten und 
Juden auf dem Markt. Der zweite beſchwich— 
tigt: es ſei nur Haſenblut. Aber die gelbe Rüben und 
rothe Rüben und Schwarzwurzeln find da unter einan- 
der geſtürzt, die Hühnerkörbe ſind umgefallen und die 
Milchkrüge; muthwillige Vocativen haben die Span— 
ferkel losgelaſſen, vor denen die Juden Reißaus 
nahmen. Dies Alles hat ſich auf dem Domplatz 
ereignet, viele Flicken jüdiſcher Alterthümer und 
Talare berühmter Rabbiner liegen dort umher und 
geben Zeugniß daß die Juden der chriſtlichen Kirche 


45 


zu nahe getreten; da nun kein Lumpenſammler die 
berühren will, ſo hat der Magiſtrat beſchloſſen die 
Juden in Corpore zu vermögen den Domplatz 
eigenhändig zu reinigen, ſie wehren ſich dagegen 
und haben eine Petition an mich ergehen laſſen dies 
Geſchick von ihnen abzuwenden. Der Kehricht 
ſteigt ſchon die Stufen des Doms hinan; mit jedem 
Augenblick, von allen Seitenwegen, aus allen 
Schlupfwinkeln vermehrt ſich der Ballaſt. Die 
eifrigen Kirchgänger ſind entrüſtet und wollen nicht 
über die Lumpen ſteigen, der Pfarrer Kirchner 
findet es unter aller Würde, ſich da hindurch 
zur Sacriſtei einen Eingang zu wühlen; wie ſoll 
ich da beſchwichtigen. Suchen Sie Mittel, die 
Juden zu dieſem Opfer der Liebe für die Chriſten 
zu bewegen und ich verſpreche Ihnen, das Wohl 
der Juden nach Ihren Rathſchlägen zu fördern. 


Hier endigte ein derber Paukenſchlag der Haidn: 
ſchen Symphonie das Concert und zugleich meine 
Juden verwendung, mit der mich der muthwillige 
Primas in die Enge trieb, es hatte ihm gefal- 
len, denn wenig Tage ſpäter ſagte er mir daß ich 
mich im Judenſcharmützel brav gehalten habe! er 


46 


ſagte: Ich habe alles beherzigt, aber Ungerechtigkeit 
Grauſamkeit und Gewaltſtreiche ſind nicht chriſtliches 
Prinzip. — Wären wir dem Egoismus nicht ſo 
weit verfallen, daß wir mit Gleichgültigkeit die Ver⸗ 
letzung der Menſchenrechte dulden, ſo wäre es leicht 
ein weiſer Mann ſein der Prieſterthum und Politik 
vor ſeinen Richterſtuhl könnte fordern, aber das 
Welten⸗ und Staatenchriſtenthum, das mit ſeiner 
Sündfluth das ganze Menſchengeſchlecht vom Erd— 
ball herabſchwemmte, hetzt den Aberglauben auf ſie 
los und hält die Einfalt davor in Reſpect! — billig 
wärs daß die allein die Schuld tragen, die das 
urſprünglich Göttliche im Chriſtenthum verſtum⸗ 
men machten, doch Chriſtus, dieſer Schirmvogt 
menſchlicher Schwäche für die er in den Tod ging, 
rief noch im letzten Augenblick ſeinen himmliſchen Va⸗ 
ter an: Herr verzeihe ihnen denn ſie wiſſen 
nicht was ſie thun! Die Kirchenväter wußten ſo 
wenig wie die Juden als ſie Chriſtum kreuzigten, was 
ſie thaten mit ihren treuloſen Orakelſprüchen und des— 
potiſchen Kanzelreden, mit denen ſie die letzten römi⸗ 
ſchen Kaiſerlinge vermochten jedes menſchliche Band 
mit den Juden zu zerreiſſen! — 

„Iſt aber dies „Nichtwiſſen was man 
thut“ keiner Gewiſſensmahnung unterworfen? 


47 


— Kann man in dem Orden der Nächſtenliebe 
wollen die Unverantwortlichkeit der wilden Thiere 
erſchleichen?“ — 

Primas: Dummheit iſt nicht verantwortlich, 
denn ihre Krankheit iſt, daß Verantwortung an 
ihr nicht haftet; und epidemiſch iſt ſie auch. 
Wer ſelber ihr nicht kann entfliehen, wie kann der 
andere darum ſtrafen. — Dummheit greift in die 
Hebel die nur der Genius ſoll regieren; ſie ver⸗ 
nagelt der Zukunft das offne Thor, die ſchon zum 
Sprung uns entgegen, gerüſtet war. 

„Dummheit hat Abſcheu vor dem Geiſt, aber 
Geiſt und Gewiſſen lenken einander auf gebahnte 
Wege.“ 

Primas: Gebahnte Wege führen aber nicht 
in das von ihren Propheten verheißene Paradies, 
geiſtliche und weltliche Macht achtet dieſen Nacht: 
verſunkenen Theil der Nationen in allen Landen 
als ein zu verächtlich Volk um es wieder aufzu— 
richten; ſo ganz ohne Gemeinſinn daß es keiner 
Republik kann einverleibt werden und ſo ganz ohne 
Ehrgefühl daß keine Monarchie es auf gleiche Be⸗ 
dingung mit andern Völkern kann aufnehmen. 

„Wie iſt das nur, daß Republiken und Monar⸗ 
chieen das Judenthum als einen Schmutzfleck be⸗ 
trachten, während dieſes die ſtolze Überzeugung 


48 


hegt es ſtehe in feiner Verbannung weit erhaben 
über den Chriſten.“ 


Primas: Wäre dies wahr, ſo würde es die 
Verachtung ſeiner Lage nicht ertragen. 


„Verachtung ertragen iſt noch nicht ehrlos. 
Der Talmud ſagt: Schmückt Euch in der Ber: 
bannung mit dem rothen Sattel der Armuth und 
leuchtet drunter hervor wie die Schimmel!“ 


Primas: Der Purpurſattel den er willig auf 
ſich nimmt iſt der Schacherreichthum, aber nicht 
luſtig umherſpringend wie muntere Schimmel, 
ſondern ſchleichend im Dunkeln wie Katzen. Es iſt 
ein Wunder wie ſie durch alle die babyloniſche, 
ägyptiſche und europäiſche Finſterniß ſich durchge: 
arbeitet haben! — 


„Ein ganzer Menſchenſtrom aus der Menſch— 
heit Schooß ausgeſtoßen, ſich durch die Finſter— 
niſſe wühlend des Fluchs, bei dem Chriſten-gott 
zu ſeinem Untergang verſchworen, blos weil er 
dieſen als ſeinen Heiland nicht anerkennen will. 
So wurde denn die Stimme der Natur durchs 
Chriſtenthum verzaubert?“ 


Primas: Was durch Gewohnheit ſich fo eimwurzelt 
daß kein Gewiſſen mehr darüber erwacht, erſcheint auch 


49 


nicht mehr unerhört, felbft dem Volk nicht auf dem der 
Fluch ewiger Landesverweiſung liegt; ja es würde ihm 
eben ſo empfindlich auffallen, wollte man den Kreis 
ſeiner Satzungen in den es gegen das Chriſtenthum 
ſich verſchanzt hat, durchbrechen um es mit den 
Chriſten zu verbinden, als es uns empfindlich 
fallen würde, über den herabgewürdigten Gegen— 
ſtand unſerer Verfolgung nicht mehr verfügen zu 
können! — Wo bleibt die Erhabenheit des Chri— 
ſtenthums wenn es den Abgrund des Judenthums 
nicht mehr zu ſeinen Füßen hat? — Wo bleibt 
der Religionseifer, wenn wir nicht gegen den Teufel 
mit Declamation, gegen die Ketzer mit Wuth und 
gegen die Juden mit Despotie können losgehen? 
— Wo bleibt die Kirchengeſchichte? — Wo die 
Religionsphiloſophie, ohne die Spiele verborgner 
religiöſer Leidenſchaften die in ihrer Mannig⸗ 
faltigkeit nirgend hinlänglich Genugthuung finden! 
— Das harte Herz, der Hochmuth die Herrſch⸗ 
ſucht der Haß die Verfolgung, die das naturent— 
ſproßne Religionsfundament, dies weite Geiſterreich 
der Triebe und Neigungen hart ankämpfen, um 
ein anderes ihrer Gewalt unterworfnes ihr unter 
zu ſchieben. Die eleuſiniſchen Geheimniſſe dunkler 
Furcht und Hoffnungen, die ſich heuchleriſch über 
ſie herwerfen und die Freiheitsidee ihnen aus 
4 


50 
der Bruſt roffen, und mit erlogner Erhabenheit 
das platteſte Geſchöpf der Convention aus ihnen 
machen! — 

„Und welcher chriſtliche Herkules wird die Welt 
von dieſem Alp befreien?“ 

Primas: Sinn für Alles, nur nicht fürs Mittel: 
mäßige, — das iſt der Heerd, wo der Held den 
Sie chriſtlich nennen, Wunder fhun müßte! Die 
Juden hatten, wie die Bibel lehrt, ein göttliches 
Patent zur Vertilgung aller Völker und zur Er⸗ 
oberung ihrer Länder. Die Chriſten haben die 
Seligkeit, ſich allein zugeſichert. Dies ausſchließende 
Recht auf das zukünftige Leben iſt die Baſis einer 
ſündlichen Politik die alles an ſich reißt und auf 
ihrem Beſitzthum ruht wie ein feuerſpeiender Drache! 
— hätten wir Specialkarten des Himmels ſo würde 
es Streitigkeiten unter den chriſtlichen Machthabern 
ſchon hier auf Erden ſetzen; fo müſſen fie es ab: 
warten bis ſie oben ankommen. Auf Streit — ja 
auf den heftigſten können wir uns gefaßt ma⸗ 
chen denn alles rüſtet ſich noch im Lebensaus⸗ 
gang als Streiter Chriſti und alles hält ſich ver⸗ 
loren was nicht gewappnet gegen Teufel, Ketzer 
und Juden anlangt bei der Himmelsfeſte, die 
ein doppelter Laufgraben umgiebt: Fegfeuer und 
Höllenabgrund um hineinzuſtürzen was fie in 


51 


ihren heiligen Reichen nicht dulden! — Die Yu: 
den haben unvorſichtig ihre Verheißungen in das 
Irdiſche verlegt, deswegen haben die Chriſten auch 
gleich Beſitzthum, Cultur Ind Wiſſenſchaft Ih⸗ 
nen abgeſchnitten wie man dem Feind die Mu⸗ 
nition abſchneidet, die Chriſten haben dagegen 
ihre Anſprüche ins Unerreichbare verlegt und ſich 
ſo gegen allen Unbill verſchanzt. — Obſchon 
nun die Juden ihre Verheißungen bis zum Welt⸗ 
untergang hinaus ſchoben, der dann natürlich 
auch ihren Welterlöſer mit verſchlingt, weil ihr 
Meſſias ſich in unerreichbarer Ferne hält und keine 
Anſtalten macht herbei zu kommen, ſo hat die 
Noth ſie zu paraſitiſchen Pflanzen gemacht an dem 
Stamm der menſchlichen Geſellſchaft, mag der vom 
Sturm erſchüttert, allem moraliſchen Ungemach un: 
terworfen, wanken, ſie ſaugen an ſeinen Wurzeln 
ſich feſt, und ſind nicht mehr ohne beider Untergang 
zu trennen. 

„Ach was kann an dieſem kranken 9 
ihnen noch zu Gut kommen? — ſelbſt Chriſtus 
würde ſchwerlich die Hunde noch auftreiben alle 
die Wunden und Quetſchungen heil zu lecken 
die ſie blos in unſerer Frankfurter Judengaſſe 
durch ihre Schacherwuth bei den Chriſten davon 
tragen, in dem engen Raum ihres Schwarmloches 

42 


52 


in welchem faufend zerlumpter Männer und WWei- 
ber und nackter Kinder ſich um den Platz ſtreiten 
den Fuß darauf zu ſetzen. Im Grab iſt mehr 
Erdenraum. Welch Gedräng in dieſer engen 
Gaſſe, welch lauwarmer Peſtdampf der Unrein— 
lichkeit dieſer Gruppen magerer halbverweſter Is— 
raelskinder, wachend und ſchlafend auf den Stu— 
fen der Hausthüre liegend? wer hat Muth durch 
dies Gewimmel ſich zu drängen wo man auf 
dunkler Wendeltreppe hier und dort in die Haus: 
haltungslöcher guckt, bis hinauf zum Dach wo 
die Fallthür ſich öffnet, wo die Sonne durchs 
Giebelfenſter den erſchacherten Pomp der Chriſten— 
heit beſtrahlt, wo der Jude mit blitzendem Mie- 
nenſpiel mit fixen Fingern und laufender Zunge 
um des zufälligen Gewinnſtes eines Kreuzers hal— 
ber ſich unzähligen Spottreden ausſetzt; auf der 
Straße verhöhnt ihn der Pöbel; er klettert zwan— 
zigmal alle Treppen hinan und wird eben ſo 
oft wieder hinabgeworfen, Elendmüde ſtolpert er 
Abends ins troſtloſe Familienneſt, wirft ſich und 
ſeine Bürde hin, Alt und Jung umringt ihn, hat 
er ein paar Batzen erganft, ſo hat er mehr um 
dieſer Allerweltſünde gelitten, ſich zerlaufen und abge: 
hetzt, als ein geiſtlicher Fürſt für die Sünden der 
Welt je Ablaß ertheilte!“ — 


53 


Primas: Und Chriſten wie Juden arbeiten 
im Laboratorium der Goldmacherkunſt, da geht 
im Rauch auf was die Menſchheit veredelt, was Juver: 
ſicht giebt in ihren höheren Beruf! Der Chriſt vergräbt 
unter Ehrfurcht gebietender Scheinheiligkeit ſein 
Gold, wie der gehöhnte Jude unter dem Kothlager 
des Schachers, von dem er einſt wird auferſtehen 
ſeinen goldnen Fuß den Chriſten in den Nacken zu 
ſetzen! An den ſiebentauſend Juden hier in den 
engen Schmutzwinkel, kann man das Ideal ihrer 
Volks wirthſchaftslehre ſtudieren! Ganze Taſchen in 
zerlumpter Kleidung, iſt ihr politiſcher Standpunkt, 
ihr Vorrecht! — Ihren Gott — dieſen früheren 
Gott als der der Chriſtenheit — der die Juden in 
ſeinen beſonderen Schutz nahm, ſelbſt ihnen Geſetze 
gab — Jahrtauſende lang ſie väterlich erzog — 
vor jeder Gefahr ſie warnte, ſelbſt durchs rothe 
Meer ſie geleitete und endlich das Paladium der 
Menſchheit, die Erkenntniß feiner Einheit, ihnen an: 
vertraute, aus deſſen Schooß der erſte als göttlich 
anerkannte Geſetzgeber hervorging, hat man ſeines 
Tempels beraubt und in dieſen Schmutzwinkel mit 
verbannt; dies bezeichnet feine ſittliche Niederlage! — 
Dieſes Vätervolk der Chriſten deſſen Religion die 
Mutter der ihrigen war: von dem Augenblick als 
ſie die Macht in Händen hatten, blos auf den Grund 


54 

bin, daß es dem Gott ſeiner Geſchichte anhing, iſt 
mit Gewalt und Liſt ſeiner Freiheit, ſeiner Gerecht— 
ſame der Natur und Moral beraubt; — das be⸗ 
zeichnet ſein energieloſes Sclaventhum! ihm iſt das 
Recht auf Landbeſitz, der Gebrauch ſeiner Vermö— 
genskräfte unterſagt, mit Gewalt und Liſt iſt ihm 
fein politiſches Entwicklungsvermögen weggeſtohlen 
und von der Stufe, auf der es vor Jahrtauſenden 
ſtand, tief herabgeſtoßen und ſolcher Geſtalt in einem 
unentfliehbaren Kerker des Verderbniſſes feſtgehalten, 
wo es durch Mangel an Theilnahme, Mangel all: 
gemeiner Veredlungsmittel in die ſchauderhafteſte 
Sclaverei gerieth, das bezeichnet fein Todesurtheil! 
— — Verweſung! — | 


„Der Menſch ſpringt zum Himmel, auf aber 
ihn zu erkämpfen verhindert der Stolz und die 
Eigenſucht; — er macht die Geſtirne ſich unter⸗ 
than und die Geiſter der Natur, die Götter und 
die Götzen, und dann giebt er ihnen die Ober⸗ 
herrſchaft über ſich nur darum, daß ſie um ſein 
Schickſal ſich ſollen kümmern!“ 


Primas: Und er glaubt an Wunder, daß die 
Gottheit am Webſtuhl ſitze ſeinen Lebeuslauf ihm 
anzufertigen, ſo macht ſein Aberglaube ihn zum 
Sclapen feiner eignen Phantaſie, aber ſonderbar 


55 


genug wendet ſich die Theorie derſelben auf Ge: 
waltthätigkeit, Betrügerei und Raub an! — 

„Und noch ſonderbarer kann man des Nächſten 
Magd, Ochs, Eſel und alles was ſein iſt nicht 
ſtehlen ohne dafür gehangen zu werden! hingegen 
einer ganzen Nation Haus, Hof, Acker, Wald und 
Wieſe und alle Ochſen und alle Eſel und allen 
Beſitz rauben das kann man! — und beraubt 
man gar die ganze Menſchheit ſo kann man dafür 
als Genie vergöttert werden!“ — 

Primas: Nur die Begeiſterung in ihrer Selbſt⸗ 
vergeſſenheit kann zu Unſterblichem befähigen, vor 
dem die erworbne Moral die auf hölzernen Beinen 
ſteht, die vernünftelnde Weltklugheit, die ein Tra⸗ 
bant des verſchleierten Despotismus iſt durch leichtes 
dramatiſches Herabſtürzen ihrer Opfer, ihre Trauer⸗ 
ſpiele bemäntelt! — Vieles der Art hat die Zeit begra⸗ 
ben, nach Jahrtauſenden wo andere Sprachen, andere 
Glaubenslehren über ihren entſchwundenen Bewoh⸗ 
nern wieder aufkeimen, wird dieſe Zerſtörerin dem 
patriarchaliſchen Genius keinen Platz auf Erden 
gönnen, ſeine Heerden nach ihrem Bedürfniß zu 
weiden und ihre Entwicklung als heilige Schuld 
zu übernehmen. — Die Sprache der Hirten wird 
kurzgefaßt bleiben, in allgemeinen Ausdrücken über 
die Triften unterhandeln, und die fetten für die 


56 


magern eintauſchen und die Heerde wird müſſen 
ſtumm dabei bleiben. Und ob nun die Völker den 
großen politiſchen Kreis durchlaufen als Sclaven 
oder als ihre Unterdrücker ſo ſind ſie beide gleich 
fern der Wahrheit und dem Recht. — Was ift 
Wahrheit? Warum antwortete Chriſtus nicht auf 
dieſe bittere Spottfrage des Pilatus? 

„Chriſtus wollte den Schreckensgott des alten 
Teſtaments verwandeln in den Vater der Men— 
ſchen, er wollte die freie Cultur eines idealiſchen 
Sinnes in ſie legen. Das war ſeine Wahrheit!“ — 

Primas: Ja das war ſeine Kraft der Magie, 
und darüber ſprach Pilatus dem Chriſtus Hohn, 
daß er meine durch einen erhabnen Traum die 
ſchlechte Wirklichkeit zu überwiegen, weil ihm aus 
dieſer göttlichen Phantaſie in dieſer Verſchmelzung 
mit der ſinnlichen Welt die Schäferſtunde idealiſcher 
Erzeugungen aufging, in denen er zuerſt göttlich 
ſich fühlte. Pilatus meinte, wo der nachſichtige, 
humane Geiſt waltet, da wächſt das Llnferfte 
bald über das Oberſte! und das wollte er rügen 
in ſeiner Frage was iſt Wahrheit! — Und ſo 
möchte Pilatus heute noch die Fragen thun, 
wie bald würden die wurmſtichigen, rachitiſchen, 
galligen, ſalamandriſchen Judenſeelen despotiſch über 
die milzſüchtigen, ſchlaffen, hypochondriſchen, ſchwer— 


57 


athmenden Chriſtenſeelen herfallen, wär keine tückiſche 
Prieſteroppoſition gegen ſie! — und die an den 
Juden Argerniß nehmenden Chriſten ſind um nichts 
beſſer als die um des Gewinnſtes willen ſich aller 
Schmach unterziehenden Juden, und die Herren der 
Welt dieſe nervenloſen empfindſamen Idioten, un: 
heilbar, mondſüchtig, ſchwermüthig und ganz un— 
ſinnig, haſſen und verfolgen jedes menſchliche Prin— 
zip, fie treten auf, gegen die erhabenſten kühnſten Ent: 
wicklungen aller Seelenkräfte, und halten ſich durch 
den Reiz der Freiheit, den ſie beleben ſollten im Volk, 
weit mehr gefährdet als durch ihre ſclaviſche Leiden— 
fehaften. — Was ſoll den Juden Kunſt und Wiſ— 
ſenſchaft, in denen die Chriſten mit ihren prahlenden 
Fortſchritten als Menſchen ſo weit unter ſich ſelbſt 
ſind, da ſie der einzig wichtigen und gemein— 
ſamen Wiſſenſchaft der Geſammtwirkung, gänzlich 
entbehren! Das Glück Aller iſt das meine, 
auf Aller Daſein iſt das meine gegründet! 
— Das iſt Weisheit, die zum Ziele führt! 


„Das iſt Fürſten Tugend, die am Mißver— 
ſtändniß ſcheitert!“ — 


Primas: Und Volks Tugend! Aber es find 
noch mehr Klippen an denen ſo wunderbare Eigen— 
ſchaften ſcheitern! — Der Nationalſtolz — der Ver— 


58 


gleich mit Andern, die es ſchlimmer noch machen, 
die beſchwichtigen das politiſche Gewiſſen der Für⸗ 
ften. — Als ob das Volk eine Schuld an fie zu 
bezahlen habe weil fie es nicht fo ſchlimm be: 
handeln wie der Nachbarſtaat, weil ſie die Geſetz⸗ 
bücher gegenſeitig verglichen und alles hervorhoben 
was einen liberaleren Schein hatte, und unterdrück⸗ 
ten die Fürſprache der Vernunft für reine Natur⸗ 
geſetze für die Einzelnen und für die Nationen! 
— Wer könnte klare Verſtandesbegriffe dahinein: 
legen daß Freiheit darin beſtehe unter dem Schutz 
der Geſetze zu ſtehen! — Als ob der Unterdrückte 
frei werde durch ungerechte Geſetze! Auch der Ein— 
zelne hat Rechte Nationen gegenüber, die nur ge⸗ 
meinſam-widerrechtlicher Gewalt gemeinſam können 
abgerungen werden. Naturrecht! Einzige Straße 
der Menſchheitsverklärung, Berge geſetzlichen und 
ſittlichen Unrechts haben ſie verſchüttet und Zwie⸗ 
tracht durch Gegenſatz der Leidenſchaften künſtlich 
erzeugt. Das Geſetz was nicht wie die Sonne 
Alle erleuchtet, ruht nicht auf dem Gleichgewicht 
Aller; iſt nicht Naturgeſetz. Nationen verſchwiſtern 
wie die Glieder eines Leibes das iſt Volksſchule; 
Geiſt und Heldenkraft erzeugen in Volk, für ſich aber 
die Einfachheit des Kindes bewahren und frei wan— 
deln zwiſchen politiſchen Rechthabern und ſpitzfün— 


. 59 


digen Widerſachern der geſunden Vernunft, das iſt 
deutſche Fürſtenwürde. 

Wir ſehen ja, daß die, welche öffentlich dem Teu— 
fel widerſachen dennoch heimlich in ſeinen Klauen 
ſich befinden. Die Taufe, dieſe magnetiſch⸗ kirchliche 
Kraft, hat keine Wirkung auf die Fürſten; hätte je 
ein Fürſt dies Symbol menſchlicher Berührung mit 
göttlichen Kräften, in ſich bethätigt! Ja nur dies 
einzige erſte kirchliche Gelübde: Ich widerſache 
dem Teufel und gelobe mich dem heiligen 
Geiſt! Hätte er es als Stufe betreten himmliſcher 
Erleuchtung über irdiſche Zweifel und Aberglauben, 
dann wahrlich, hätte er die Taufe empfangen für 
alle Juden und in ihm wären Alle dem Cbhriften: 
thum, nemlich der Menſchheitsempfindung in ihm 
verſchwiſtert; ſo wie die Fürſten mit Chriſtus das 
Ehrenrecht auch theilen, Bruder zu ſein der ins 
Elend Verſtoßenen. 

So lange die Geſchlechter mit immer erneuter 
Einfalt und Vertrauen in ihre Fürſten, dem Schooß 
der Natur entſteigen, ſo lange ſind es auch die 
geiſtigen Blutbande mit dem Volke, auf welche das 
Ideal der Menſchheit in dem Fürſten ſich gründet. 
So lange beruht auch Alles auf ihm was das Volk be: 
darf und verbürgt ihn dafür, alle Zwangsgeſetze zu 
löſen der Prieſter und Kirchenväter; alle gewaltſame 


60 


Knoten der Politik zu zerhauen, um die in jedem 
Einzelnen wiedergeborene Freiheit, dem elenden übel— 
gebildeten Staatskörper aufs Neue wiederzugeben. 

Ein Solcher nur iſt begabt mit unſterblichem 
Einfluß auf die Menſchheit, er wird wiederkehren 
nach kurzer Raſt des Schlafes den wir Tod nennen, 
denn der Geiſt der Wahrheit in ihm wird nicht ge— 
brochen durch Tod, er überwindet ihn mit der 
Macht ſeinen Willen zu verkörpern in dem Volks— 
willen, der nun nicht mehr im Märtyrthum der 
Geſchichte als qualvolles Räthſel ſich ihm entgegen— 
wirft. Das Unausgeſprochene ausſprechen, das 
Unermeſſene erreichen, Zukunft ahnend neue Keime 
erwecken aus der Verweſung: das iſt eines Für— 
ſten Vorbehalt. N 

Denn was könnte doch die Völker bewegen zu 
huldigen Einem der nicht Urſprung iſt ihres eigenen 
Ideals? — Er muß endlich dieſem Schöpfungsheerd 
entſteigen und die Menſchheit in ſich emporrichten 
zum Göttlichen. So iſt es mit den Fürſten: Eine 
Idee, zwar ſelbſtſtändig in ſich, aber noch nicht 
verwirklicht, erzeugt ſie die erſten Typen des Wer— 
dens in dem läuternden Feuer der Geſchichte, 
wiederſtrahlend in Gefühl und Geiſt der Na— 
tionen, in dem Stolz auf ihre Fürſten. Das 
iſt erſter organiſcher Herrſcherberuf. Was küm— 


61 


merfe uns Vergangenheit, wäre fie nicht Organ 
unſerer Zukunft. Reflex des Werdens in uns, dem 
der Geiſt in Träumen die Lockungen des eigenen 
Ideals vorſpiegelt! — Wenn nun die Fürſten weil 
fie das Gute einmal träumten, dafür die Menſch⸗ 
heit als undankbar zur Rechenſchaft ziehen wollen 
und Rechtfertigung und Vorwürfe darum dem Ge— 
ſchick aufladen daß es nicht von ihnen erreicht wor⸗ 
den; wenn ſie für die höchſten Fürſtenrechte denen 
die Völker vertrauten, Andre wollen verantwortlich 
machen und ſo ihrer Gelöbniſſe ſich entbinden? — 
Wenn ſie alſo ihre edlen Anrechte zinslich veräußern, 
und dennoch einen Gehalt eingeborner fürſtlicher 
Geltung in ſich annehmen, und ſonſt Verdienſtlos 
alles Andern ſich begeben: dann geht es abwärts, 
eine Stufe niedriger noch als ihre ſtumme Heerde 
links und rechts treiben oder ſtille ſtehen heißen! — 
Vergeudung königlicher Rechte, iſt Verſchütten 
des heiligen Chriſam der die Fürſtenhäupter ſalbt, 
ſt Entmannen der Fürſtenwürde, der das Volk 
nun nicht mehr traut und ſich erhebt über die 
blutigen Stufen des Richterſtuhls von dem die 
balſamiſchen Oele nicht niederfließen auf verbitterte 
Herzen, ihre Wunden zu heilen. N 
Gewalt ſoll nicht Rache üben, denn weil ſie 
vernichtend iſt, ſo iſt ſie teufliſch! — Welcher iſt 


62 x 


tiefer verletzt als der die Schuld trägt? Wel: 
cher bedarf mehr des Schutzes? — Und der 
ihn beleidigen wollte, dem ſoll er ſeinen Mantel 
öffnen und nicht ihn preisgeben ſeinen Verfolgern! 
zum Wahrzeichen, daß die Würde des Menſchen 
in dem Fürſten unantaſtbar ſei, denn es iſt ein ge⸗ 
fährliches Spiel um fie im Fürſten der Vorbild ihr 
ſein ſoll und den Purpur ſchützend breiten über ſein 
Volk; und die Rache ſoll austilgen aus Menſchen— 
ſchonung und erhabener Heilbringer dem Volk, allem 
zuvorkommende Rettung ſoll ſein, zuerſt im eigenen 
Buſen. Kein Gnadeflehen umſonſt, aber jedem Ber: 
dienſt ſich erneuerndes Dankgefühl! — Alles nur 
Liebe zur Pflicht gegen das Volk, jede Schuld auf 
ſich nehmend, jedes Verbrechen als eigne Schuld 
anerkennend, weil er ihm nicht durch Weisheit zu: 
vorkam. Und hebt den Schuldigen an ſein alles 
Uebel vergütende Herz, ihn zu ſchützen gegen die 
Wiederkehr und gegen die Rache an ihm; — und 
hebt ihn von Stufe zu Stufe zu ſich hinauf, denn 
Er iſt der Bruder von dem Sohne des Menſchen, 
denn aus dem Irrthum ſelbſt erblüht ihm die 
Wahrheit und vereinigt die Vernunft mit dem alten 
und neuen Teſtament! — Denn der Himmel unter⸗ 
zeichnet kein Urtheil für ſclaviſche Unterwerfung un— 
ter geiſtliche und politiſche Tyrannei, und die Vor⸗ 


63 


ſehung miſcht ſich nicht in die Geſchichte die uns 
ſchon lange müßte groß gemacht haben und unſern 
Geiſt befreien von dem was man abſichtlich ihm 
aufladet! — Hätten wir Erleuchtung die den freien 
Blick aufs Ganze richte, und philoſophiſchen — nicht 
theologiſchen — Sinn für die Weltereigniſſe! Dann 
würden auch die Machthaber keiner Staatskrücken 
mehr bedürfen.“) 

„Die Fürſten ſollten beten: Herr bewahre uns 
vor Krücken, mit unſern Beinen wollen wir ſchon 
fertig werden! und ein Geſetz wollt ich machen, 
wer nicht auf eigenen Füßen könne ſtehen, der ſolle 
nicht mit Krücken das Herrſcherauge beleidigen.“ 

Primas: Krücken ſind aber eine Erbſünde 
der Fürſten, Fürſtenkrücken ſind die ganze ihn um⸗ 
gebende Geſellſchaft; ſie kommen von ſelbſt ihm 
unter die Arme zu greifen und lehnen ſich auf ihn 
noch ehe der erſte Schritt gethan iſt! 

„Ein Fürſt braucht nur ſo viel Genie, die 
ſchlechte Umgebung von der guten zu unterſcheiden 
und er würde groß in der Geſchichte genannt 
werden.“ 


*) Bis hier her die Unterhaltung mit dem Primas 
nachgeſchrieben. 


64 


Primas: Ein Fürſt der Freunde braucht ihn 
zu ſtützen, wird nie groß werden, denn ſeine Freunde 
find feine Verräther! — 

„Warum ſollten Alle Verräther ſein!“ — 

Primas: Ein Fürſt kann keine Freunde ſich 
ſchaffen, der Stoff iſt zu ſchlecht den er dazu 
braucht. Gott hat die einfache Erde gebraucht um 
den Menſchen zu ſchaffen! — Einen Freund ſchaf— 
fen wäre ein Ulniverſum erzeugen in der Knopse, 
aus dieſem Sinnlichen ein Geiſtiges emporſteigen 
laſſen. — Alles für einander fühlen für einander 
thun, das Gewiſſen ſein für den Freund, das iſt 
erſt die ſinnliche Wärme für das Erdreich aus dem 
dieſe geiſtige Pflanze hervorſteigen könne, die neu, 
wirkend ſchaffend ins Blühen tritt, dann erzeugt ſie 
tauſendfältige Frühlinge in denen ſie heiligend auf 
den Geiſt des Freundes wirkt. 

„Warum ſollte aber der Fürſt dieſen Freund 
ſich nicht erzeugen können in dem Menſchen der 
aus Erde gemacht iſt, die allen Samen fruchtbar 
machen ſoll!“ | 

Primas: Gott thut keine Wunder mehr, heißt: 
Er verzagt an ſeinen Werkzeugen den Menſchen, das 
Große durch fie hervorbringen zu können. Ein Fürſt 
aber, der mit Gold, mit unnützen Würden und Eh— 
renbezeichungen meint die Freundſchaft in dieſen Bo— 


65 


den zu pflanzen an dem Gottes Inſpiration ver— 
zagte, erzeugt nur verborgne Anſprüche die zuvor— 
kommend wollen befriedigt fein. Ja ein Fürſt der 
Alles nur um der Größe willen ſoll verrichten 
— wie könnte der unter Heuchlern und Schmeich— 
lern, unter eingebildeten übermüthigen Narren die 
mit genügſamſter Überzeugung ihres Verſtandes, 
Natur- und Völkerrechte menſchliche und göttliche 
Geſetze nach ihrem Gutdünken unterdrücken, aus— 
rotten, zermalmen; wie könnte der unter dieſen 
einen Freund finden der nicht zum Verräther würde 
an ihm? — Und wenn er des Volkes Sehnen 
und Hoffen erfüllte, ſo konnten ſie das nur när⸗ 
riſch finden, da ſie ſelber vom Gemeinen zum 
Höheren keinen Beruf fühlen. Ja, ſo müßte ein 
Fürſt auf ſich ſelber nur ſich ſtützen. Aber 
dieſe Geniuskräfte find verſiegt unter chriſtlichen 
Fürſten! ſie pflanzen dem Volke keine Treue ein, 
ſie kreuzigen es und würfeln um ſein Vaterland 
und reißen die Bande los mit denen es an den 
Sürftenffamm gebunden war. Sie reißen feine 
Heimath in Stücken und jeder behält das meiſte 

was er vermag, und meint ſich den mächtigſten, 
und hat nicht Macht des Geiſtes ſondern des 
Wahnſinns, und rottet aus im Volke allen Lebens 
trieb und ſeine Kühnheit und edlen Willen, und 

5 


66 

nennt ſich felber groß, ruhend wie ein Drache in 

der Wüſte auf einem” fodfen Schatz! 
„DO wär ich ein Geiſt! unſichtbar — und 
könnte meine Flügel ſchwingen, fort durch den 
ſtillen Ather, durchs dunkle Gewölk der Nacht, auf 
ſeines Thrones Fußſchemel mich niederlaſſen und 
ihm verkünden die reifenden Zwecke alle auf die 
Gottes Wille hindeutete als er ihn erſchuf!“ 

Primas: Ein guter Daemon wären Sie ihm 
da! — und was könnte der in feiner Unſichtbar— 
keit nicht alles wagen, und ihm ewig wiederholen 
was er mit verſchloſſenen Ohren mit Vorurtheilen 
gepanzert ſchon von weitem abweiſt und als 
Verbrechen ſtraft, wenn das Glaubensbekenntniß 
der Vernunft den irrigreligiöſen den irrigpolitiſchen 
Schleier der die Augen der Fürſten verhüllt, auf: 
hebt! — | 

„Du wagſt nicht Held zu fen unter Hel— 
den? würde ich ihm ins Ohr flüſtern: Du 
nennſt es Übermuth, was im Volk allein noch als 
Schöpfungskraft liegt! — Du trägſt es nicht 
mächtigen Geiſtes zum allliebenden Vater, nicht an 
den Buſen der Natur willſt du es leiten — kein 
ſaatenvolles Grün, nicht ihre Frühlingsbäche, ihre 
Ruhe der Wälder, die reine Luft ihrer Höhen giebſt 
Du Deinem Volk zu trinken und nicht die kühnen 


67 


Gewitter die über ihm hinziehen. Alles bedeutet 
nichts vor Deinen verführten Sinnen; kein Blü⸗ 
thenregen der Hoffnung herabträufelt, reinigt Dei⸗ 
nen verblendeten Geiſt. — Düſteres Grau unter 
dem Brauſen des ungeſtümen Windes umwölkt 
ihn und die ſanfte Luft die jetzt ſpielend über die 
Saiten Deiner Empfindung hinſchwirrt in meinem 
Flüſtern, die willſt Du nicht achten? — Und jetzt 
würde ich ein kleines Weilchen harren daß er dieſe 
einfältige Rede könne bewegen in ſeinem ſchwer— 
müthigen Herzen.“ 

Primas: Und das würde dieſe ſanften luft— 
zerfließenden Klagetöne mit keinem Wiederhall be⸗ 
antworten. 

„Vor liebendem Verlangen ſein Herz zu ſchmel— 
zen rede ich weiter. „Du ſchlummerſt gefeſſelt von 
Trug und Gewalt! Dein trauriger Daemon durch— 
forſcht die Dde! — Die Muſen Deines Thrones! 
O rufe ſie zurück — Weisheit, Muth und 
Mitleid — ſüßes Mitleid mit den Menſchen die 
Dein Volk ſind.“ 

Primas: Da würde der ſchlummernde Fürſt 
plötzlich erwachen bei dieſem ſchwärmeriſchen Flü— 
ſtern. 0 

„Und dann feinen Daemon bitten: bleibe bei 
mir!“ 


5 * 


68 


Primas: Nein — Er wird ſich von feinem 
Ruhepolſter erheben und der kleinen ſummenden 
Mücke die Nachts wie eine Violine ihm vorge— 
zirpt hat, einen Schlag verſetzen. a 

„Aber der Daemon entwiſcht und vo wieder 
zur gelegneren Zeit!“ 

Primas: Da würde ich ihm doch rathen nicht 
wieder ſo fein zu ſummen ſondern etwas derber. 

„Jetzt ziehe ich die Wolken vor Deinem Geiſt 
weg! — horche auf die Geiſter der Finſterniß! 
wie ſie mit derben ungeſchminkten Wahrheiten 
Ball ſpielen, und Deinen Brüdern ſie an den 
Kopf werfen und alles zertrümmern was Ge— 
wohnheit und Sitte heiligt! Indeß Du hier ſchlum⸗ 
merſt, jauchzen verwegen, ſchrecklich Verblendete 
über dem Riß im bebenden Grund vom rauchenden 
Blut, das mit Leichen Deines Volkes ihn füllt!“ 

Primas: Da hätte der Daemon ſchon ſehr 
ſtark geſümmt für ein Mückchen, man wird ihn 
für eine große Brummfliege halten. 

„Ich habe ja ſelbſt ſchon eine Brummfliege für 
eine Baßgeige gehalten und dachte träumend wer 
mir doch dieſe ernſte Muſik bringe!“ 

Primas: Eben ſo wird der Fürſt im Traum 
dieſe feierlich prophetiſche Muſik eines Daemon, der 


69 


ihn bekehren will, für eine Brummfliege * die 
ihn umſchwirrt. 

„Und dann — wie konnt ich nur e verwe— 
gen brummen!“ — 

Primas: Nun ſcheut ſich der Daemon weil 
der durch ſeine eigne Prophetengabe ſich ſelbſt 
in Schrecken geſetzt hat! — 

„Der Mond ſcheint, ich dehne meine Flügel 
und ſchwimme im duftigen Nachtſchimmer! — ich 
wiege mich im Abglanz der Geſtirne und ſammle 
ihr blühend Licht in meinem Geiſt um recht un— 
widerſtehliches ihm zuzuflüſtern!“ 

Primas: Da kommt Satan geflogen, in einer 
ſchwarzen Sturmwolke mit einer Botſchaft, die 
ſchon im Voraus den Fürſten gegen das reine Licht . 
erbittert! und hohnlachend berührt er mit fehlän: 
gelnden Blitzen aus ſeinen Augen die Daemons⸗ 
flügel, daß ſie zu Aſche zerfallen. 

„Dieſe Lichtflügel ſind unverſehrbar, ſie ſind 
Luft die den ganzen Ather bildet, und nachdem 
der finſtere Geiſt mit böſer Botſchaft des Fürſten 
Zorn aufregte, kommt der gute Daemon ſeine Stirn 
zu kühlen.“ 

Primas: Nun mit welchem Getön wird er 
angeſummt kommen? 


70 
„Ach ich weiß es nicht! — — Ja ich weiß 


nicht was er da ſagen wird.“ 

Primas: Ob im Baß oder Diskant! — 

„Und mir wird bange.“ — * 

Primas: Weil Du den Teufel witterſt — der 
in ſeinem Herzen Poſto gefaßt hat! — 

„Nein, weil dies herzliche Streben mich wie 
das wogende Meer dahin trägt und weil ich wie 
im Kampfſpiel, zur Feier eines großen Gelingens, 
alles Bedenken wie einen leichten Blumenkranz in 
Händen ſchwinge — und weil ich das ſo ſehr wollen 
muß, was im Herzen mir die Weisheit je, 
die mich funft fo ficher machte!“ — 

Primas: Muth gefaßt Daemon, feufze jauchze 
donnere! — ſtröme aus, was Sieg zu Sieg Dir 
erſtreitet! 

— — „Du ſchläfſt — der Geiſt der Fin⸗ 
ſterniß hat eben Dir Gräuel vorgeſagt, und ein, 
alles menſchliche Gefühl, verſchlingendes Maal mit 
frechem Finger auf Deine Stirne gezeichnet! Er 
hat Dein Wort Dir abgenommen ſeinem Willen 
Dich zu fügen! — Die Binde der Gnade hat er 
Dir zerriſſen und der vermeſſne Stolz der meiner 
Wahrſagungen ſpottet, hält das Schwert über 
Dir! — Sieh eine neue Welt beginnt, verwirrende 
Räthſel ſind ihrer Auflöſung nah! Du brauchſt 


74 


nur die Hand aufzuheben mit göttermächtigem 
Schwur, das Land nicht dem Verderben, dem die 
eignen Kinder verſchlingenden Gott nicht zu wei⸗— 
hen.“ | 

Primas: Mir ſcheint der Herrſcher dem dieſe 
Pindariſche Hymne gilt, ſchläft ſehr feſt und hört 
gar nichts davon. 

„Laſſe nicht Gewalt des Frevels Dich unter— 
jochen, ertrage mein ſtürmiſches Wehen, unter, mei: 
nem Fittig will ich Dich tragen zu Thaten die 
immer kühn und ſtark Dir im Buſen Licht an⸗ 
fachen!“ — 

Primas: Der Daemon ſchweigt? En. 

„Es iſt meinen Sinnen plötzlich alles un 
was er ſagt!“ — 

Primas: Oder fürchtet vielleicht — er wird 
erwachen! — und im Zorne das Mückchen — — 

„Der Daemon fürchtet nichts, — als die Gluth 
der eigenen Begeiſterung!“ 

Primas: Da Du ihn doch nun beim Fittig hältſt 
Daemon, ſo laſſe ihn nicht ſo ſchnell wieder los, 
der Monarchen Ohr iſt ein Talisman um die Welt 
zu regieren, und der iſt ein Genie, der durch dieſen 
Trichter die Wahrheit filtrirt. — 

„Er ſchläft ſo feſt — fein Ohr iſt feinem gu: 
ten Daemon verſchloſſen.“ 


72 


Primas: Ein König hört Alles nur wie im 
Traum! Schlafend dringt die Wahrheit heller ihm 
ins Ohr als wachend, wo ein Markt voll Unter— 
thanentreue und Tugendideale ſich ihm feilbietet; 
mich ſelbſt regts daemoniſch auf, ſeine Antworten 
auf Tranmwellen Dir herbeizuſchiffen. 

„Er ſoll revolutionär werden.“ 

Primas: So muß das Mückchen Regententu— 
genden in ihm wachſummen, die er im Traum 
ſelbſt für Traum hält, und wenn er auch daran 
glaubt, Wahre Ideen ſind Contrebande für Für⸗ 
ſten, die ſie nie verwirklichen. 

„Wie dem Abas der Schenke den Becher 
heimlich kredenzt wenn die Veziere das Antlitz dem 
vollen Mond zukehren; fo in geräuſchloſer Mit: 
ternacht kredenze ich ihm den vollen Becher der 
Gedanken, ſein Duft zerſtreut die Täuſchung wie 
Norgenluft den Höhenrauch verjagt!“ 

Primas: Fallen Sie ihm nicht mit der Thür 
ins Haus, daß feine magnetiſchen Traumwellen ain 
dieſſeitigen Ufer heraufbrauſen können. — Nun 
rede weiter Daemon. 


® * 
® 


Daemon: Iſts wahr o träumender Fürſt, daß 


73 


Vorurtheile, denen die Menſchheit längſt ſchon den 
Laufpas gab, vor Dir noch Gehör finden? — 


Schlalender König: So rede, wenn Du es 
beſſer weiſt! 


Daemon: Kein Weiſer oder Unweiſer, dem nicht 
der ein Argerniß wär, der es beſſer weiß! — Kei— 
ner, der nicht einen ſolchen als Abenteurer verſchreien 
würde vor Dir, als einen frechen aber unbedeutenden 
Strudelkopf, einen bloßen Brouillon von Menſch, 
auf dem alles verzeichnet iſt, was im Vorüberfliegen 
an ihm hängen blieb! 


Schlatender König: Ja! — man würde ihn als 
einen Verräther ausſchreien. 


Daemon: Und wie der aufgehetzte Saul nach 
dem ſanften Weisheitsſänger, würdeſt Du den Speer 
nach ihm ſchleudern. Eine Mücke will erproben an 
Dir was ſie vermag, und die Seele auf Höheres 
Dir richten, ſo lange Du ihr Dein Ohr leihſt. Nicht 
mehr ſollſt Du auf dem alten Fleck nach Grund 
wühlen in den Krümmungen unfläthiger Verwal⸗ 
tung die jedes Geſchehen mit feiger Lüge bezeichnet 
und dann dem Herrſcher darauf ſchwört, der daran 
glaubt und auch darauf ſchwört und endlich jedes 
furchtloſe freie Gefühl von ſich abweiſt, woraus 


74 


Volkshaß und Fürſtenhaß entſtehen! — Das kann 
Dein guter Daemon nicht dulden. — Die Welt 
die Deiner bedarf kannſt Du nicht verdorren laſſen 
unter Dir, Deine Gedankenfluthen müſſen nieder— 
regnen auf die Menſchen; Du mußt ſie erleuchten 
wie Apoll; wie Zeus ſie erſchüttern und be— 
leben, ſonſt biſt Du Deiner Macht nicht werth. — 
Sieh die ausgeſtoßenen Völker unter dem Bann 
von Machträubern in fremden Welttheilen von 
Sonne Regen und Wind den Tod einathmen — 
ſie ſind nicht ſchlimm, ſie haben Dir nichts zu Leid 
gethan. — Kannſt ſagen: ich ſchäme mich dieſes 
Stoffs? — Kannſt Du nicht das Göttliche in Dir 
über ſie ausbreiten? Zwar Du ſtehſt allein, aber 
Einer der ein Menſch iſt kann mehr als alle die 
Unmenſchen ſind. Mich deucht ich ſehe Dein Volk 
ſchon die Schwungfedern feiner gewaltigen Jugend 
mauſtern und ſein ungeblendet Auge im Glanz der 
Mittagſonne üben! Und als ein Mann der aus 
dem Schlaf erwacht Dein Antlitz erheben über 
Dein Volk, deſſen jeden Tropfen Bluts Du weder 
vergießen wolleſt zu feiner Schmach noch zu Dei— 
ner Rache und an ſeinem großen Stamme keine 
Blüthe brechen. Frei und menſchlich ſollſt Du 
ſelbſt das Böſe zum Guten wenden und alle große 


75 


Genien aus Einfluß des Himmels follen Deine Le: 
bensgeiſter ftügen. ®) 


— — — — — — — — — — 


—— —— — — — — — — — — — — — 
= 
— — — —— —— — — — — — — 
— —— —— —— — — — — — — — 
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— — — —— — — — — — — — —— 
— — — — — — — — — — — — 
—— — — — — — — — — — 


) Lücke eigener Cenſur. 


76 


Schlafender König: Du fprichft von Erbe: 
bung des Volks, von Abfchaffung der Menſchen— 
plagen, von Abſchaffung des Kriegs! Mit welchen 
Mächten willſt du dies Feld ewigen Streites er— 
kämpfen! — 

Daemon: Nicht mit Deinen Staatspfeilern, die 
bedenklich den Finger an die Stirn legen um ihre 
Beſchränkungsgeſetze zum wenigſten ein kleines 
Jahrhundert noch dem Volk auf dem Nacken zu 
laſſen; Du ſiehſt es in der Ferne dahin ſtolpern 
über die Frucht ihrer Unweisheit in die der Wurm 
ſchon mitgeboren war. Die Verewigungsſucht 
ihrer Thorheiten iſt wie ein Räucherkerzchen was 
auf dem Papier über einem Glas Waſſer ſeinen 
Rauch ausduftet! und durchbrennt ins Waſſer, 
Alles glaubt ſich ſchon befreit von dem Gebrechen 
ihrer kleinlichen Geſetzespolitik, da glüht das Kerz— 
chen in vermindertem Maaßſtabe zwar, doch 
wieder auf dem Papier über dem Waſſer, ſein 
guter Geruch verflüchtigt, aber peinlicher noch. 
hat es den papiernen Boden bald wieder durch— 
gebrannt, — Willſt Du noch einmal es aus dem 
Waſſer hervorholen um es noch krüpplicher vor 
dem wachſenden Menſchengeiſt aufzuſtellen, der 
nicht mehr wie müſſige Kinder ſeine Langeweile 
daran zerſtreut, ſondern den ſchon zweimal durch— 


77 


löcherten Boden des Geſetzes mit Füßen ſtampft! 
Und weil dieſe Volksankläger immer erbitterter 
Dich umſtehen, willſt Du Deinem Volk die Zucht— 
ruthe fühlen laſſen? — Könnteſt Du den Geiſt 
der Revolution in Dich aufnehmen, dann wärſt 
Du auch Genius des Volkes der ſich ſelber einſetzt 
und Geſetze ausſtrömt die den Geiſt befruchten! 

Schlakender König: Kannſt Du mich revolutio— 
när machen, ſo ſei es Dir erlaubt. 

Daemon: Das weiß ich, daß es mir dann er⸗ 
laubt ſein würde. Doch flüchtig wie brauſender 
Champagner kann ich Deinen Geiſt nur durch— 
blitzen, wenn der aber wieder einſchläft über den 
Wahrheiten die er mir Traumweiſe zugeſteht, dann 
iſt alles umſonſt! 

Schlakender König: Nein! ich will das hohe 
Pferd Deiner Ideale beſteigen. Du haſt mich 
lüſtern gemacht — hilf mir in den Sattel! 

Daemon: Sitzeſt Du feſt, dann laſſe Deinen 
Wolkenſtampfer durchgehen mit Dir, — ſchleudre 
Deinen alten pergamentnen Staatsverwaltern den 
Nebelſtaub ſeiner Hufen in die trüben Augen und 
ſteige auf wie der Roland den ſie den Raſenden 
nannten als er zu den Sternen hinauf gallopirte, 
um denen abzufordern, was der Menſchheit Heil 
brachte. — 


78 


Schlatender König: Wie? dies Roß ift be 
flügelt! — Und ich ſoll es beſteigen, da es ſchon 
flatternd mit ſeinen Feuerhufen auskratzt — und 
mit ſeinen Nüſtern die Wolkengebirge anſchnaubt 
und die Winde zerpeitſcht mit ſeinen ungeduldigen 
Schwingen — und keinen Augenblick zur Beſin— 
nung mir läßt? — 

Daemon: Zaghafter König! — müſſen Gewit⸗ 
ter nicht raſcher ſich entladen von Winden durch— 
pflügt? und iſts nicht herrlicher, kühn und frei, 
die Stürme mit Sonnenſpeeren durchſchleudern die 
ſich niederlegen zu Deinen Füßen, als Herr ſein 
eines Haufen von Schergen, die mit ihren Mar— 
terwerkzeugen Dich angrinzen und Deine Befehle 
Dir in den Mund legen — und noch ehe Du 
wagſt ſie nachzuſprechen ihnen zuvoreilen und dann 
ihrer Treue bei Dir ſich rühmen? — 
Schlakender König: Nein ich ſetze mich nicht 
auf, wo dies Roß mich über mich vr zu fra: 
gen droht. 

Daemon: Über Dich ſelbſt? — Der Gaul 
muß über Dich ſelbſt Dich tragen! — Wohin ſoll 
er mit Dir? — 

Schlakender König: Du — mich belehren und 
ich will prüfen. — 

* So laſſe nach meinem Dünken Dich 


79 


fragen und antworte Du ohne Rückhalt: — hältſt 
Du Deine erbliche Krone für ein Produkt der Na— 
tur? — hat ſie Kraft zu wirken unabhängig von 
Deinem Volk ſelbſt? — hältſt Du ſie f. ein ge⸗ 
heiligtes Ding? — 

Schlakender König: Es wäre möglich und dar— 
aus viel zu beweiſen was man bisher ableugnen 
wollte. 

Daemon: Hierzu gehört das Recht ſich ſelbſt 
einzuſetzen, glaubſt Du an dies Recht? — 

Schlalender König: Sie muß und kann ſich 
ſelbſt einſetzen, und wenn Widerſpruch da iſt ſo 
muß ſie ihm Trotz bieten können. 

Daemon: Das würden die Menſchen Despo- 
tie nennen! Aber der Begabte iſt das Licht bei 
dem jeder findet was er ſucht. — Dies iſts wo— 
mit der Erleuchtete Trotz bietet, denn ſeine Schritte 
geben dem Bewußtſein Widerhall in Allen; und 
weſſen Schritte dieſen Widerhall nicht geben, der 
kann ſich auch nicht ſelbſt einſetzen. Aber ein ſolcher 
kann ſagen: ich habe die Macht Euch zum Trotz! 
Und es iſt gleichgültig ob es ihm beſtritten 
werde, da Alle fühlen, daß jeden ſeine Macht 
durchdringt. 

Schlakender König: So wäre auch der Herr: 
ſcher nicht unabhängig von dem Volkswillen, da 


80 


nur, indem das Volk in des Herrſchers Willen 
ſich empfindet, es von ihm beherrſcht iſt! Geſetz— 
mäßig wäre dann nur, was vom Volke mitge— 
dacht wird und erbliche Folge wäre dann nicht 
Geſetz! 

Daemon: Erbt denn der Geiſt nicht fort? 

Schlakender König: Das möcht ich von allen 
Erbfolgen am erſten bezweifeln. 

Daemon: Wie? — Du meinſt die Wahrheit 
erbe nicht fort, und aber die von der Staatsbürg⸗ 
ſchaft eingeſetzte Krone? — 

Schlakender König: Träumte ich, fo ließ ich 
mirs eher weißmachen, aber bei wachen Sinnen 
kann michs nicht blenden. Nicht durch Staats— 
bürgſchaft ſondern durch Gotteingebung die meinen 
Willen bildet iſt meine Krone erblich. — 

Daemon: Gotteingebung die Deinen Willen 
bildet iſt Geiſt. — Ein Geſchlecht geht hervor 
aus dem andern und ſchöpft für die Nachkom— 
men aus den Quellen der Vorfahren. Bei 
jeder neuerſcheinenden Kraft der Menſchheit kann 
der nur König ſein der dieſer Kraft Träger iſt. — 
Das Genie wählt ſich ſelbſt weil es der Ausdruck 
iſt dieſer Kraft und ſie als Erbfolge für die Zu— 
kunft in ſich reift! — Dies allein iſt Recht der Volks⸗ 
kraft ſich zu bemächtigen. So bemächtigt die Aus: 


81 


bildung des Leibes fich feiner Kraft zu wachſen, fo 
verwandelt der Geſetzgeber ſich in den Erblaſſer 
deſſen letzter Wille die Erhebung ſeines Volkes iſt; 
es kann dieſem Naturweg der Geſchichte nicht aus— 
weichen wie auch der reifende Jüngling nicht dem 
ausweicht, ein gereifter Mann zu werden. 
Schlakender König: Du denkſt das Volk als 
Phönix der aus eigener Gluth erneut im König 
emporſteigt. Du meinſt Herrſchen ſei allein Ver— 
‚geifligen der Menſchheit. 
Daemon: Du haſts geſagt! 
Schlakender König: Du träumſt Freund! Auch 
der Fürſt iſt gefeſſelt an ein anderes Wirken, 
durch alle Bande der Seele und des Leibes gefeſ— 
ſelt an die Formen der Welt, die keinen Anzie— 
hungspunkt haben für das Volk, dem man ver⸗ 
geblich Empfindung ſeiner Würde und Pflichten 
ſucht einzuflößen! — aber mit Leichtigkeit die Em— 
pörung anfacht in ihm. Findeſt Du dies den 
rechten Zeitpunkt die Ordnung der Dinge umzu⸗— 
wenden? Das Volk, ſo unwiſſend ſo dumm ſo 
fähig jedes übeln Eindruckes, ſo reizbar ſich al— 
len Ausſchweifungen hinzugeben. Iſt unter dieſer 
-fauſtgerechten Schreckenszunft ein Übergang mög: 
lich zu ſeiner Freiheit? — Und der Fürſt der nur 
in der öffentlichen Meinung Entſchädigung findet, 
6 


82 


fo bedachtſam verfolgt durch böfen Leumund! Was 
könnte von dem noch erreicht werden da die Hand 
ie er anlegt ſelbſt Argwohn einflößt! *) 


. 


Daemon: Das beweiſt, wie die Kräfte des 
Volkes auf einen höheren Punkt gerichtet ſind als ſeine 
Peiniger verſtehen. — Daß ein zweckwidriger Unter⸗ 
richt es ablenkte von jenen Pflichten und Würden 
die urſprünglich in ihm liegen, daß die Em⸗ 


) Lücke eigener Cenſur. 


83 


pörung eben nur in Flammen ausbrach gegen das 
Ankämpfen ſeines gelehrigen Geiſtes, der zu den 
edelſten erhabenſten Handlungen aufgelegt iſt ſobald 
die Freiheit ſie ihm zugeſteht, die allein Anarchie 
ertödtet und befreit vom Druck der Formen, denen 
die Herrſcher wie Du ſelbſt ſagſt, Leib und Seele 
aufopfern und nichts davon haben, wie Du ſelbſt 
erkennſt, als böſen Leumund und den Fluch des 
Volkes, wie Du ſelbſt empfindeſt, daß des Staates 
Mißgeſtalt auf Dir lehnt und ſeine böſen Zuckungen 
quer über Dir ausringt. — Den Ruf nach Frei⸗ 
heit, die Brandmale der Gewaltthätigkeit die das 
Volk aufweiſt, will der Staat lieber erſticken als 
der rechtfertigenden Vernunft nachgeben um den 
Lauf des Ungewitters zu hemmen, und doch ſeufzt 
er unter demſelben Druck. Und der Druck des 
Gewiſſens der Berge verſetzen ſollte, ladet Berge 
auf ſich, und den Teufel in die Flucht ſchlagen 
ſollte, ladet den Teufel ein ihm die Zeit der Angſt 
zu vertreiben — zu ſchwach iſt es die Feſſeln 
des Molochs zu brechen aber das Volk ſtark 
und friſch, hat Gefühl von dem was böſe iſt 
und gut, es wird keinen Blutgeboten mehr ge: 
horchen wenn es in die Reihe denkender We: 
fen eintritt, es wird nicht feine Stärke miß— 
6 * 


84 


brauchen, es wird mild fich zeigen und dankbar 
wenn ihm Gerechtigkeit widerfährt mitten in der 
Revolution ſeines Innern, was nur zu Freiheits⸗ 
vulkanen ſich ausbildete weil ihm das Gleichge— 
wicht der Bildung und Anerkenntniß verſagt ward. 
Ja es iſt Revolution der Geiſtesnatur gegen den 

Moloch der Regierungsformen an dem das 
| ganze Regiment zerſchellt. Form ift nur da wo 
der Geiſt nicht iſt. Form iſt Geſpenſterweſen, vom 
Geiſt wie Nebel vom Sonnenlicht zerſtreut. 

Schlakender König: Mir wird wohl, die Heiterkeit 
der Jugend lacht mich an, heraus aus dem Öefpen- 
ſterverließ, mit des Geiſtes Sonnenſtrahlen ſie vor 
mir herzujagen. | 

Daemon: Die Geſpenſter — Die Kleinigkeits⸗ 
krämer! 

Schlalender König: Die fo wichtig thun bei 
Allem was ſie vollführen! — das wär wichtig 
wenn ſie's unterließen. 

Daemon: Dann wär der Begriff doch gerettet 
daß etwas geſchehen müſſe. 

Schlakender König: Herunter erbend auf die 
Zukunft untheilbar unvernichtbar, übergehend in 
Fleiſch und Blut der Geſchichte. 

Daemon: Recht ſoll forterben, es iſt die Gefund: 


85 


heit der Welt. Unrecht iſt re an dem erſter⸗ 
ben die Nationen. 

Schlakender König: Sie iſt das Ungeheuer das 
über den Pfad ſchleicht und aus der Völker Her— 
zen Mördergruben macht. Wer kann die Volks— 
treue wieder herſtellen. 

Daemon: Ha du fragſt? — Du ihr natürli⸗ 
cher Erzeuger? — Du der die Rechte des Volkes 
ſoll erweitern; und hinübertragen in ein Reich des 
Begriffs den es noch nicht hat? Der Geſetze ſoll 
gründen die den Schatten vor ſich herjagen deines 
hellleuchtenden Ruhmes? — 

Schlakender König: Geſetze die keinen Schatten 
werfen? — Wie wär das möglich in dieſer Zeit 
ſtürmiſchwandelnder Wolkenzüge, die herab brauſen 
ſchwarzgeflügelt, und einen Schlund voll Gewitter 
ausſpeien. f 

Daemon: Wenn der Sturm wühlt und mit 
Geſchrei die Rathloſen an knarrenden Tauen ſich 
halten — Wenn das Steuer kracht, und unter 
Wettern der Maſt ſich beugt; dann ſteht der Steuer— 
mann nahe den Göttern und legt ihren donnern— 
den Willen aus. 

Schlakender König: Könnt ich in dieſen Stür— 
men nur mir den donnernden Willen meiner Staats- 
pfeiler auslegen. 


86 


Daemon: Denen wollteſt du Sclave fein müſ— 
ſen? Mißbraucht wie ein Pfeil der auf jeden Beſ⸗ 
ſern losgeſchnellt blindlings dahinfährt und keine 
Gewalt hat und kein Recht ſich zu behaupten? — 

Sıhlafender König: Was iſt Recht das ſich 
behauptet? 

Daemon: Was nicht vom Gemeinwohl ſich 
ablöft! Herrſcherrecht iſt Aller Vermögenheit Quell 
er entſpringt dem Vertrauen des Volkes. — 

Schlakender König: Vertraut mir das Volk? — 
und bin ich ihm Quelle des Heils? — Mir iſt als 
träumt ich ſo ſchwer ſo athemverſetzend! — Es 
iſt doch alles nur Traum! — 

Daemon: Du glaubſt zu träumen beim erſten 
Erwachen aus dem Traum. 

Schlakender König: Nein ich fühle mich ſelbſt 
mitten im Krankſein der Welt und ſuche Hülfe! — . 
Daemon: Ja! — ſuche Hülfe Machthaben⸗ 

der! — 

Schlafender König: Spotte meiner in dieſem 
vom Selbſtdenken Selbſthandeln abgeſchloßnen Ver— 
derben! — 

Daemon: Als jener Ehrenmann feinen Thier— 
garten umzäunte um die Krähen einzuſperren, da 
waren die Krähen nicht klüger als du, aber aus 
Naturtrieb flogen ſie über die Hecke und ahneten 


87 


nicht daß fie eingeſperrt waren und dableiben 
ſollten. - 

Schlakender König: Und der Ehremmaun, — 
was ſagte der? — 

Daemon: Danach fragten die Krähen eben 
nicht! — 

Schlatkender König: Fable mir nichts vor, — 
ich fühle mich leidend! 

Daemon: Ein ſo rarer Vogel wie du! flöge 
der über die Ringmauer der Reſignation das 
wäre Weltenerſchütternd. 

Schlakender König: Und die Bauleute der Staa— 
tenordnung und der Genius der Volksemancipation 
und die Pfeiler der Gottesfurcht — Die alle kämen 
dann mit Erbitterung aus ihren Fugen auf mich 
losgerutſcht; und Europa käm aus dem Gleichgewicht. 

Daemon: Was fürchteſt du, wenn es auf dei— 
ner Seite den Schwerpunkt findet? regne Gedeihen 
auf es herab daß es dir zu Füßen mwurzle; rotte 
den Schulmeiſter-Blödſinn aus, der mit Ruthen der 
Gottesfurcht den Löwengeiſt — den Titanen, den 
Volksgeiſt niederringen will; giebt es einen größe— 
ren Blödſinn als mißgeborne Geſetze die ihrem je— 
desmaligen Lohndiener wie eine Treſſenliverei ganz 
loſe auf dem unterthänigen Leib hängen, auch noch 
auf die unbegriffne Zeit übertragen wollen? 


88 


Schlafender König: Du meinſt Geſetze müſſen 
aus dem Volksgeiſt hervorgehen. 

Daemon: Ein edles Geſetz erblüht aus dem 
Geſammtgeiſt des Volkes, es iſt ſeine emporſtrebende 
Kraft und befruchtet ihn zu der Tugend die ac 
dies Geſetz begründet wird! 

Schlakender König: Was befruchtet den Ab: 
grund trunkner Volksungeduld. 

Daemon: Dem Abgrund iſt das Erhabne die 
Grenze; ihre Klippen tragen über Rache und Ver— 
folgung hinaus die Palme der Verſöhnung, wo 
die Frevler niederknieen ſorgſam ihrer unheiligen 
Tritte Spur verwiſchend, und mit zagendem Herzen 
ſagen, wir wollen es nicht geweſen ſein! 

Schlakender König: Frevel, Bosheit Bermegen- 
heit — wenn die den Weg betreten der Verſöhnung 
dann ſind es nicht reuige Herzen, es ſind Heuchler 
die Gnade belügend um ſie neuem Verrath Preis 
zu geben! — es wäre tollkühn ſolcher Gefahr ſich 
ausſetzen. N 
Daemon: Das Unverhoffte das Gefahrvolle 
das Tollkühnſte ſelbſt kannſt du wagen, das Mittel— 
mäßige allein macht rettungslos elend. — Göttlich 
frei die befleckte Schlangenhaut der Lebensfragen 
abſtreifen mit ſtreitbarer Seele, nie Rettung denkend 
nur Großſeinwollen im Gefühl des Handelns — 


89 


da fliehet Gefahr! — Du aber willſt ficher gehen 
auf dem Weg des Alltäglichen des Gemeinen. Du 
willſt das Große zu thun nicht wagen, offen, mit 
der Kraft des freien Willens! — Wer ſich nicht 
erhebt über den Abgrund der muß ihm den Rachen 
ausfüllen. 


Schlakender König: Nein, ich will das Ge⸗ 
rechte, das Erhabne; ich will die Klippen hinanſtei⸗ 
gen die über Rache und Verfolgung hinaus zum 
Göttlichen den Geiſt heben. 


Daemon: So komm herab von deiner Höh' 
ins niedre Thal, um deiner Völker deiner Brüder 
Noth zu ſehen. Geſchicke ohne Hoffen ohne Wahl! 
Menſchlich groß unter dem bleiernen Joch der 
Geduld. 


Schlalender König: Die iſt ihm geriſſen und 
hat ſich ſelbſt verletzt. Wie Eiſen das glühend 
aus dem Schmelzofen hervorbricht, tauchen wirs 
ins Waſſer und hämmern darauf bis es kalt 
wird! 


Daemon: Und macht es wieder glühend, und 
löſcht es wieder ab, und hämmert wieder drauf 
los und endlich wird's die Feile die das edlere 
Metall zernagt. 


90 
Schlakender König: Jetzt wo die Geſchicke ihm 


den Nacken beugen wär es da zu verantworten 
vor der drohenden Zukunft, ſich zu ihm herabnei⸗ 
gen und nicht erſt ihm die Geißel fühlen laſſen 
der Zucht. 


Daemon: Des Lebens ungeheuern Bogen der 
ein Spiel iſt in Eurer Hand, den hat des Volkes 
Arm gefpannf, und hat gezielt nach Euch Unver⸗ 
lezbaren. So unverſöhnbar ſcheint Euch dies? — 
mir im Gegentheil ſcheint, dies Wagniß hebt das 
Volk aus ſeiner Nichtigkeit und macht es würdi⸗ 
ger deiner Gunſt. Wärs nicht beleidigend für dich, 
wollte das Volk ſich in die Nebelkappe verkriechen 
ſeines Verdruſſes, ſtatt deinen Muth herauszufor⸗ 
dern ſich ſeiner anzunehmen! — denn auch, wenn 
es mit Gedonner aus Klüften hervor an des Ned) 
tes ewigen Veſten angepraſſelt kommt, fo iſt es 
immer des Bedürfniſſes Sprache die der Herrſcher 
verſtehen und achten muß lernen, ſelbſt im wilden 
Ton des Aufruhrs! — durch den Strudel des Ver— 
raths, im Sinken, im Untergang ſelbſt, leitet nur 
der Großmuth Steuer. — m 


Schlafender König: Dieſem Scheuſal — das 


den Wunden entkriecht der lockeren Erde, ausgeſto— 
ßen von der Natur in der Verweſung Schooß — 


91 


geſäugt von kranken Nebeldünſten, — nicht Schön⸗ 
heit fühlend, nicht ſie in ſich tragend; — dieſem Pöbel 
des Aufruhrs, dem ſollen die erhabnen Opfer fallen 
der Verſöhnung der Herablaſſung? — Das iſt 
Daemonen⸗ Wahnſinn. 


Daemon: Gedenkeſt du deſſen der die Ausſätzi— 
gen heilt? — Wo die Großmuth Grenzen hat da 
geht ſie in Verweſung über. So lenke denn nicht 
ihre goldnen Zügel herab zum Volk; — geſchieden 
iſt's ja doch von Euch. — Ihm ward heißer Kampf 
indeß ihr kühl die Atherſtraße wandelt. — Einfan 
will es alles tragen, denn Fluch iſt ihm die Nähe 
Derer die nicht mit ihm fühlen! — Verwandt ſeid 
Ihr ja doch der Verweſung — Ihr wohnet im 
goldnen Haus und die donnernde Axe Euers 
Triumphs die Länder erſchüttert, wirbelt den Staub 
auf, der einſt Eurer Ahnen Seele hat umkleidet. 
Nichtig iſt Alles was nicht Göttliches iſt! — Und 
dieſer Wuſt alter und neuer Zerrüttungen, von dem 
führt keine Straße hinauf zu Ihm auf den du 
dich berufſt. 


Schlakender König: Du ahneſt nicht den Streit 
meiner Gedanken! — Und was ich wähle das 
reuet mich, und dann reuet mich die Reue wieder! 


92 
Zweifel ermüden mich daß ich nicht mehr das Böſe 


von dem Guten unterſcheide! — 


Daemon: Dein eigner Geiſt hat fo verborgne 
Winkel dir ſelber räthſelhaft. Auch dein Volk iſt 
nicht was es dir ſcheint, und wie es von deinen 
Hellſehern angeſchlagen wird; ſie hüten dich vor 
der Gefahr die Wahrheit zu erforſchen. Willſt du 
aber unter dem Schutz göttlicher Gerechtigkeit denen 
Gehör geben die für das Volk ſtreiten, ſo nehme 
mich zum Bürgen daß du nichts ecfahren wirſt, 
was dir beſſer wäre nicht zu wiſſen. 

Schlakender König: Du meinſt der Weltengang 
der erzern iſt, ließ durch Weltverbeſſrung ſich um⸗ 
bilden? — 

Daemon: Ich meine der heilige Bezirk auf 
dem ſtatt des blühenden Anbaus feiner Kräfte, Ver: 
wilderung und düſtere Staubwolken niederer Geſin— 
nung umher ſchweift, — ja ich meine dieſer ſollte 
Erkenntniß dir gewähren daß der edle Überwinder 
keine Berechtigung ſich zuerkennt, als nur den Willen 
des Guten. Oft findet er im Überwundnen das 
was er zu hoffen und zu ſchonen hat, um nicht 
ihn fürchten zu müſſen. 

Schlatender König: Mir gilt das Gute nicht 


93 


weniger als andern das Nothwendige; doch bin ich 
nicht weiſe genug, daß mir Anerkenntniß gleichgül⸗ 
tig wär für das Gute was ich will. 


Daemon: Dann fürchte nichts als was dir 
ſelber dich kann verächtlich machen! — Denn kann 
Einer der über Andre herrſcht, verachtet werden, 
wenn er nicht ſelbſt zuerſt ſich muß verachten? — 
Verächtlich iſt, wenn die Gewalt beleidigend am 
Überwundnen ſich verſucht; Verächtlich, wenn das 
Große vom Gemeinen ſich läßt überwinden. — 
Schlecht iſt, wenn Ehrfurcht und Gehorſam durch 
Schrecken ſoll erzwungen werden. — Die Furcht 
hört auf wenn du verdorben biſt durch ihre Lift, 
die Liebe aber bleibt durch Heilighalten deiner Tha⸗ 
ten. — Bedenke auch daß manches zwar ruhnwol⸗ 
ler, manches aber größer iſt zu thun. Andre mer: 
den dich mehr loben je überlegter deine Schritte 
ſind. Dich ſelber aber muß ich mehr lieben je arg⸗ 
lloſer und raſcher dein Gewiſſen handelt. 


Schlakender König: Der Wiederſpruch der hö— 
heren Willen hemmt, löſcht auch der Begeiſterung 
die Fackel! und wenn die Sterngebilde des Welten: 
ſchickſals ſelbſt mich bei den Haaren herbeizögen, 
das Weſentliche werd ich nie durchſetzen gegen dies 


94 


ſtrafwürdige Bekämpfen des reinen gottgegebenen 
Wirkens der Könige. 


Daemon: Der Feind deiner Ehre allein iſt der 
den du zu ſtrafen haſt weil du Er ſelber biſt! — 
Ein Anderer kann nicht deine Ehre ſchänden und 
kann nicht ſtrafbar dir erſcheinen. 


Schlakender König: Und wenn ein Wunſch 
des Beſſern meine Seele hebt — da hemmen noch 
ehe ſie zum Spiegel des Bewußtſein kam, ſchwarze 
Schattenblitze ihren Flug, die dann den edleren 
Willen am Boden hin muß ſchleppen. 


Daemon: Ein kühner Flug durchbricht die 
finſtere Nacht zum lichten Tag, ihm wird ein klar 
Beſinnen das mit regem Geſchoß gerade zielt und 
in die Weite Machtverbreitend wiederhallt. — Ge— 
gen Tyrannenehrgeiz der dieſe Wogen bäumt und 
blitzt in dieſem Wetterleuchten und an zerriſſuner 
Nationen Leichnam wie Hyänen ſich mäſtet, erhebe 
den hochberufnen Fürſtengeiſt, willſt du ihn unbe— 
fleckt dem Volk erhalten. f 


Schlakender König: Mehr Verwirrung und 
Noth, mehr Gräuel würd ich anrichten, wollt ich 
des Himmels Zurüſtung bekämpfen, der den Auf— 


95 


ruhr der Völker in den flammenden Orkanen feines 
Zorns verbrennt! — Zuerſt das eigne Heil! — 
Zuerſt Rechtfertigung vor dem König der Könige! — 


Daemon: Der Gott im Menſchen, enthebe 
deine Seele verdumpfter Frommheitstyrannei; die 
mit Wolfsgruben Nationen einfängt und Fuchsfal— 
len legt den Schutzflehenden und in der Ode die 
fliehende Todesangſt mit der Fangſchnur ereilt. Und 
an jedem Baum Marterſtätten und in jedem Fels— 
loch Grablöcher ihm bereitet, und Todtenfeuer zuͤn⸗ 
det dem gejagfen Seelenſchmerz, den das Heer der 
Hinrichtungen in langen Trauerzügen nachſchleppt 
dem Siegesheld der ſtolzgekrönt, nicht ahnt ein Ge⸗ 
ſetz der ewigen Liebe die im Sonnenäther der Barm⸗ 
herzigkeit das glühende Schiff der Gnade lenkt, al⸗ 
lein und ohne Beiſtand! Es iſt das Schiff der 
Abſolutheit! 5 


Schlakender König: Glaube daß auch mir der 
frohe Reigen beglückter Menſchen wolluſtvoll im 
Buſen wiederhallt, und daß ichs ſchmerzlich fühle 
wenn ich das Flehen an der Hoffnung Schwelle zu— 
rück muß weiſen. — Heimlich verfügt mein Herz 
anders, und anders öffentlich der Königswille. — 


Daemon: Und da vertraut er lieber als dem 


96 


Gott, der Philiſterwuth, die den Unſchuldigen, dem 
zu helfen die Welt ſich aus den Angeln dreht, ver⸗ 
ſchüttet; und fein bibelfeſt Gewiſſen mahnt ihn nicht, 
daß um des einen Gerechten willen, alle ſollen ver- 
ſchont bleiben. ®) 


— — — — — — — — — ——— 
— — — — — — — — — — 


Schlakender König: Auch gegen uns treibt man 
die Meute an die ins Garn der Irrſale uns hezt; 
und nach dem langen Tag der Mühen, mag wohl 
ein Abend kommen voll Seelenſchmerz der uns erſt 
recht verwundet und betäubt. All' das fliegt wie 
Wolkenflocken mir ums Haupt und in meinen Sie⸗ 
gen frohlocket nicht die Rache. 

Daemon: Nur Furcht, des Sieges ungewiß, 
übt Rache. Dem Muth allein iſt Gnade Sieges⸗ 
trophäe. Wo ſie nicht leuchtet, blitzt der Haß auf. 
Laß ſie dir leuchten ; laß fie dir beiſtehen wider dich 
— dir ſelber mild dich verſöhnen nach fo blutigem 
Kampf, damit der Wahnſinn dich nicht überfalle 
der Blutvergoſſenheit, der ganz den Geiſt zerſtückt 
und Trommel und Trompete ſich ins Ohr läßt dröh— 
nen um nicht zu hören und Siegeskränze ſich ins 


) Lücke eigener Cenſur. 


97 


Auge drückt um nicht zu ſehen Alle, die dem Beil 
und Bleikugel und Strick verfallen in Lüften um⸗ 
hergleiten und Geiſterodem ſchöpfen. — Wo aber 
Mord geſchah um den die Liebe jammert und die 
Blutſpuren ſucht von der Sonne aufgezehrt, da durch⸗ 
läutert der Gott im Born der Gnade den irdiſchen 
Schmerz — und dem Galgen und der Richtſtätte ſtrömen 
Gelübde. — Da küßt der Mund inbrünſtig den 
blutgetränkten Boden und miſcht ihm bittre Thrä⸗ 
nen, die ſind ſo feurig; und was veredelnd iſt 
dem Geiſt, das neigt ſich vor dieſen Geſchicken und 
ſammelt um den Altar der Blutſtätte ſich — und in 
dem Weh an der Verzweiflung Rand, das nicht 
weiß wo ein noch aus, vergeiſtigen ſich die Todes⸗ 
helden und ſpiegeln den Himmel des Erbarmens 
nieder. Dahin wallfahrten die Gedanken, voll ſchüch⸗ 
terner Ehrfurcht umherſpähend wo das Blut floß 
vom geheiligten Leib, von dem der Geiſt hinauf: 
ging zum Schöpfer ſeiner Seele, und wie ſie ſeiner 
würdig das Elend dieſer Wolfszeit wollen tragen. 
— Meinft du fein Weib mit wunden Sinnen könne 
Anderes noch als nur ewig dies Blut küſſen! — und 
der Sohn ſtrebe nach Anderem als nach dem Se— 
gen dieſes Blutes vom Nachrichter vergoſſen? — 
glaube das ja nicht! — Der junge Baum der 
5 7 


98 


dem enfhaupfefen Stamm aus der Wurzel ſproßt, brei- 
tet verlangend die Zweige aus: „Hauptlos bin ich,“ 
ſo klagt er, „keiner Rache kann ich mich unterwegen, 
weil ich mit dir ſterbe mein Vater.“ So ſpricht 
der Sohn und das Waſſer rinnt ihm über die Wan: 
gen und ſchließt die Augen und ſtirbt mit ihm im 
Geiſt. — Nichts bleibt ihm in der Welt, als heilig 
Vaterblut das vom Scharfrichterbeil trieft. — Nicht 
Todtes iſt es — es iſt Lebendes — der reine Magnet der 
Schmerzen der alles Reine an ſich zieht und Geſchlechter 
aufs neue aus ſich erzeugt die das Große dann vollführen 
was ſie beſiegelten mit ihrem Blut, und was fie beſſer nim 
verſtehen lernten, da ſie über den Wolken ſchritten 
und den Ort der Sonne ſahen und die Sterne be— 
rührten und vor Gott ſich demüthigten; — der glüht 
in ihrem Menſchgewordnen Geiſt jetzt wieder auf 
und trägt ſie höher zum Menſchlichen hinan daß 
fie göttlich ſich in ihm bewähren. — Darum fun: 
kelt der Blick den jungen Söhnen ſtolz aus düſte⸗ 
ren Wimpern wenn ſie der Geiſt hinführt zu des 
Vaters Todtenwohnung und fein Blut ſpricht mit 
ihnen und ſteigt in ſie herab, fortzuwirken am Werk 
der Erlöſung, dem Wunderelement unſterblichen Lebens 
das jeden guten Keim aufnimmt in ſeinen Schooß. 
Oder kannſt du ſagen: „Dies Blut war ſchlecht! — 


99 


darum ward es vergoſſen!“ — War kein Tropfen 
des Guten in ihm? — um deſſwillen es nicht ver⸗ 
goſſen werden durfte? — bedenke das! — 
Schlatender König: Bedenk auch du daß aller 
Anfang Kindheit iſt, die verwächſt mit dem Ein: 
druck des Gewaltigen; und daß Gefühle ihr ein⸗ 
geprägt, forterben auf die Geſchlechter, und daß Ge⸗ 
danken, Handlungen und der Trieb dazu, ihren Urs 
ſprung nehmen aus vererbtem Stammcharakter, 
der ſo tief gehend, auch in meinem Geſchlecht 
bis auf mich vererbte, und mich bewacht, mich 
und das Weſen des Staats, vor dem zweideutigen 
Ruhm des Excentriſchen und daß der Zukunft Son⸗ 
nenſtaub der mir im Auge flimmert mich nicht darf 
blenden vor dem Gott der Gegenwart, der den Blut⸗ 
acker den Fürſten anvertraut, aufs neu in grünende 
Gefilde ihn umzuſchaffen. 
Daemon: Wo wollt Ihr das grünende Gefilde 
ihnen anbauen, denen unſterblich doch die jammer⸗ 
volle Meduſe voranſchwebt, die Fittige trägt und 
hinweg fliegt über die verwaiſten Lande, — im 
Hauch des Windes heranbrauſt — auf der Erde 
aufſtampft vor Euch — den Schlaf vom Aug 
ſcheucht dem Frevler und ihn verſteint über das 
was geſchah! — kein vorgeſtreckter Berg, kein en⸗ 
72 


100 


gend Thal, kein Wald, kein Strom zertrennt die 
Schlachtenreihen des tauſendfachen Fluchs, wenn 
die Gorgone Euch anſtarrt. 

Schlakender König: Und wenn auch unter 
ihrem Fittig verruchte Geiſter des Vaterland⸗ 
verrathes ſich ſammeln, ſo werden ſie fliehen 
müſſen vor Gottentſtammten Heldenfürſten denen 
die Gorgone nur Prüfung iſt kühner LUnfterb: 
lichkeit. 

Daemon: Und das ganze Menſchengeſchlecht 
Gelübde in einanderſtrömend mit jenen Opfertodten, 
die neu aufblühen, neu erſchaffend alles Ge⸗ 
dachte Empfundne, alles Erlernte Vorgeſtellte Er⸗ 
fahrne, in der Erinnerung Gegenwart zur Er: 
kenntniß des Göttlichen ſich ausrüſten. Das Un⸗ 
weſentliche ins Weſentliche umwandeln. Schuld⸗ 
los ſich erhebend über Euer Verdammungsur⸗ 
theil, und ihr Blut aufs neue der Hoffnung grü⸗ 
nenden Saaten, herabthauen aus Glanzverhüllendem 
Gewölk. Nur wenn ihr Blut vergeblich floß 
und ihre Hinrichtung nicht gebrochen hat den 
Wahnſinn der Tyrannei, dann ſchreit es um 
Rache. g 

Schlakender König: Du haſt's fo weit gebracht mit 
mir, daß ich mein Inneres möcht erforſchen, Opfer 


101 


zu bringen der ganzen . nicht allein dem 
Vaterland. 

Daemon: [iber alles Opfer gilt die innere 
Stimme die dich erhebt vor dir und vor den 
Göttern! — Mit dir ſelber wetteifre daß nicht im 
Begriff der Menge du größer ſeiſt als in deinem 
Willen; größer und beſſer durch Zufall als durch 
Vernunft und Leitung — größer und beſſer in dei— 
ner Unerfahrenheit als jetzt da du dich ſelber fühlſt. 
— Bewahre dich vor der Kränkung den Ruhm der dir 
voranging zu verletzen. Vor allem aber fürchte nicht 
daß was groß ſein ſoll zu groß ſein könne. — 
Verfolge dieſen Faden den du ſinnlich fortwirkend 
fühlſt in deinem Geſchlecht, und wenn er nicht ans 
Göttliche ſich knüpft, ſo reiß ihn ab. — Und was 
die Fürſten antreibt zu entſcheiden über Leben und 
Tod, — fühle es zurück von heut auf geſtern, vom 
Sohn zum Vater — und weiter und immer wei— 
ter hinauf bis in die Urzeit wo die erſte That ge: 
ſchah. — Sie war Brudermord. — Weite Kluft 
ins Herz geriſſen dem Menſchheitſtamm! — dies 
erſte ſchauerliche Abſchneiden des Lebensfadens. — 
Es war Bruderhaß, und wie du ſagſt: alles trägt 
den Charakter ſeines Urſprungs. Alles gewaltſame 
Tödten iſt Brudermord. — Als Kain die Folgen 
ſah des Bruderhaſſes, da erbleichte er, der Boden 


102 


wollte ihn nicht tragen, er entglitt feinen Füßen. 
Flüchtig ging er über die Erde. 

Schlakender König: Unheil! — grauſender als wo 
auf Schlachtfeldern des Vaterlandes Heldengerippe 
bleichen. — Des Wahnſinns Abgrund erzeugte 
dieſen Mord. 

Daemon: Aus dem wühlt er noch heute ſich 
hervor. — Die Bibel ſagt der Neid ſei es gewe⸗ 
ſen des Kain, daß die Opferflamme des Abel auf— 
ſtieg zum Himmel weil ſeine am Boden hin— 
leckte, und doch wars nur die Flamme ſeines Zorns 
die niederſchlug vor dem Friedeathmenden Abel 
der die feine zum Himmel ließ wallen. — Kaine 
Stirne war des Fluches Zeichen aufgeprägt 
und das Blut des Abel ward lebendig in ihm 
und jagte ihn flüchtig über die Erde und in 
den Geſchlechtern der Erſtgebornen ſchleppt es im 
Gefühl der Rache ſich ihnen nach. — Und in der 
Flucht vor ſich ſelbſt und in Gefangenheit der Reue 
die ſie trennt und feſſelt, ſind Fürſten und Völker 
ſtetig geworden gegen einander. — Und immer noch 
ſchlägt der Kain den Abel todt, weil er ſich rächen will 
am eignen ſtrafenden Gewiſſen. — Haſtig möcht 
er zwar vorüber eilen aber er ſchaudert vor 
dem Gemordeten, vor dem Ruf der Natur! 


103 


Kain Kain! du Erftgeborner, ſieh deinen 
Bruder hier!“ — Mit abgewandtem Blick ruft 
er: „Soll ich etwa trauern um ihn? der mich ſtets 
gehaßt? — Wollt Ihr mit Euerm Fluch mich nie: 
derwerfen? — An der Gurgel will ich Euch faſſen 
und das Knie aufs Herz Euch ſetzen. Verderben 
und Elend über Euch!“ — So fluchte damals der 
erſte Mörder ſeinen Ahnen! — ſo flucht heute noch 
der Herrſcher dem Volk aus dem er hervor ging. — 
Und wie Adam ſpringt das Volk auf und ſtreckt 
die Fauſt nach ihm, und ſtürzt zitternd zurück, und 
fällt nieder mit der Stirn am harten Fels und 
ſchreiet Weh! 

Schlakender König: Du! Du! — greif nicht 
ſo hart in mich! — 

Daemon: Herab Ihr Felsſteine! — rollet nur 
herunter; begrabt die Tritte des Mannes der ſeine 
Hände wäſcht im Bruderblut! — ſo ruft das Volk. 
Aber bald wieder: Nein! Nein! Nein! Wir wollen 
ſeine Knie umfangen und bitten! — Und der En⸗ 
gel Gottes ergreift es und wirft es nieder aufs Ans 
geſicht und der Richter wandelt über ihm, und es 
ſchlagen die Wetter und die Wälder erbeben und 
ihre Wipfel ſauſen hinab ins ſchaudernde Thal. 
Da rollen die Donner im Aufgang. Im ſchlagen— 
den Glanz der Gewitter ruft es: Heilig heilig du 


104 


Jehovah! Du Retter! Du Richter mit entblößtem 
Schwerdt, zu richten das Blut das aus dem Staub 
zu dir ſchreit. | | 

Schlafender König: Wer hat dir gelehrt die 
Saiten meines Innern durchſtöhnen? — Schweige! 
ſchweige! — 

Daemon: Schweigen! Grauenvolles Schweigen! 
durchzittert das Volk im Jammer um den Erſtge⸗ 
bornen, um ſeinen Fürſten. Du Gott und Schöp⸗ 
fer ſäuſelſt Erbarmen nieder und wie damals ent⸗ 
fliehen die Gewitter vor deinem Athem, der du das 
Flehen erhörteſt des erſten Menſchen um feines Soh⸗ 
nes wegen! — Staub zu Staub! — ſie bereiten 
das Grab dem volkgeliebten Leichnam dem Gemor- 
deten! — Daß er verweſe. — Daß Gottes Odem 
ihn herrlicher einſt hervorrufe. — 2170 

Schlakender König: Es ſchweigt! — ja es 
ſchweigt! — — Ich höre nicht Getön der Fittige 
die der Schwan zum Ather hinauf breitet! — Ha! 
ich möchte mit einſtimmen in den Hall feiner Sl: 
gel! — Laut aufſchmettern ins Geſäuſel — im 
Hymnengetön meine Seele mit verſenden! 

Daemon: Dort im Oſten, im Dunkel harren ge— 
meinfam am Ufer, Schwäne im ſanft anwehenden 
Nachthauch, mit Flügelrauſchen den Abſchied zu 
feiern vom grünen Geſtade des Vaterlandſtromes! — 


105 


Eljen a Haza! fo erhebt ſich die tönende Schwinge 
daß der Ather wiederhallt und die Brandung 
durchſchüttert. — Starr horchen die Geſchlechter 
und es ſchmettert der Olymp und die Chariten ‚hal: 
len hinein und die Muſen ſtimmen ein in hohem 
Laut und Staunen ergreift die Herrſcher wie er 
aus purpurnem Todesblut ſich erhub mit reinem 
Gefider! — | 

Sihlafender König: Eljen a Haza! — To- 
deshymne! — Erzerntönende über den Weltenocean 
bin! — — — tiefe Stille! — Schauerverbreitend 
unter den Mördern! — Ach alles Großen entwöhnt 
iſt meine Seele und aller Freude. — Laß den Schlum⸗ 
mer ein Weilchen mein Ohr bergen vor deiner 
Rede. Ihre Wellen ſpühlen kalt mich an und 
böſe Fehle die ich nicht aufhalten kann, ſeh ich 
hinabgleiten in den Bölferocean, — — — 

Daemon: Ja ſchlummere über dem Allkampf 
deiner Sinne! — Du Mann des Glaubens vieler 
leeren Worte, wie ſich nicht ziemt vor Fürſten ſie 
zu reden — die deiner Seele Sicherheit geraubt und 
wie ein ſchneidend Schwert Botſchaft dir brachten, 
die Stärke und Macht über dein Volk dir hat ge: 
brochen. Und riefen Beifall dir zu, und bewegten 
deine Hände zu Werken die dein guter Stern nicht 
mag erwenden. — Und dein Aug ward dunkel, und 


106 


führten dich in eine grauenvolle Höhle voll Schlan⸗ 
gen böſer Nachrede, die ziſchten dir ins Ohr von 
böſen Gedanken der Reinen, die nur Wahrheit hat⸗ 
ten auf der Lippe und deren Sinn nur war, dich 
zu feſten gegen Verrath daß du der Erſte ſollteſt 


ſein im Vertrauen deines Volks — der Wahre, 
und nicht ein Anderer. — — 
Du liegſt ſchlafend — — tief verſunken — 


wo kein Traumreden zu dir hinabreicht. — Ermü⸗ 
det von Blut und böſen Zeichen des Mords in 
deinem Namen verübt, will deine Seele dir ent⸗ 
fliehen. — Könnt' ich den helleren Tag dir herauf 
beſchwören, und in Hoffnung dich baden neuer 
Frühlingsbeginne — und dir lehren wie Gott der 
Sünde lohnt der Haß und Liebe hat geſchaffen 
im rechten Sinn ihrer Macht — und aus ed- 
len Stämmen von Fürſtenrache niedergeſchmettert, 
neue Geſchlechter erzeugt, ſelbſt ſich beherrſchend in 
ſchwerer Stunde die einſt dem Racheübenden 
ſchlägt. — 

Ha, könnte ich das Haupt die heben, daß du 
nicht unkundig ſeiſt wie Gott Kriegsrecht übt! — 
und nicht der Gewalt, aber der Weisheit würdeſt 
du weichen — und rein und feſt dein Wille. — 
Die Zauberer des böſen Rathes — zermalmt von 
denen die reines Rathes ſind und klug deine Schritte 


107 


hüten vor Argliſt, und nicht dich gefangen geben 
dem der ſagt: „Mein Thron iſt höher als alle! 
Tauſendmal Tauſend iſt mein Heer, und fangt 
Ihr Händel an, dann beſchließ ich Züchtigung über 
Euch, aus meines Zornes Brunnen erbrauſt *. 
Quelle, die Euch Alle verſchlingt.“ — 


Wollt ich den Schleier der Geheimniſſe zer⸗ 
reißen vor dir, dann wäre deine Seele in Furcht 
eingeklemmt vor dem reißenden Wolf der alſo dich 
anſchreit. — Und die Zeichen ſeiner Bande an 
deinem Leib, Narben der Schande von ſeinen 
Stricken die deine Glieder zerbrechen! — Noch 
ſchwebt Streit in deinen Sinnen um falſches Ge⸗ 
löbniß nicht vom Volk bekräftigt. Noch haſt du 
ſeine Freiheit verſchworen und deine Freiheit! — 
Uud Geſetze im Widerſpruch ihrer ſelbſt, langſam 
und ſchwermüͤthig dahingleitend vor dem auf Er⸗ 
den erkannten Recht was von allen Seiten zugleich 
den Fuß aufſetzt und mit dem Mächtigen den we⸗ 
niger Mächtigen hinabſtößt. — 


* 


Ja ſo bekämpft der Fluch des Kain das 
rauchende Blut des Abel in der Willkühr der Für⸗ 
geſchlechter, die wie Er, nach der That rufen: 
„Was geht es mich an!“ So brauſt der 
Kainsfluch auf und verhängt neue Thaten ewig 


108 


reuevollen Geſchehens. — Aber heimlicher Klage 
voll, durchrauſcht Abels Blut die Volkverwai⸗ 
ſten Vaterlandſtröme, und durchſauſt die Wäl— 
der und durch den Rauchfang der verlaſſenen 
Hütte findet es den Weg hinab zum Heerd, und 
ſeufzet auf in der erſtorbnen Aſche die es im 
Wirbel umherſtreut. — Das iſt das klagende 
Blut des Abel, dort wo die Gebeine bleichen 
der Vaterlandshelden: Ach kein Ruhebringender 
Tag mehr mit unverdunkeltem Glanz fließt den 
Menſchen dahin, es ſtrudeln nur Ströme des 
Jammers in den Spuren der Verwüſtung — 
Fremde Völker ſollen da einziehen — fremde Laute 
die Mutterlaute erſticken — fremde Sitten die 
Landesſitte untergraben, die Wälder in Ackerland 
umwandeln, die Berge niederdrücken ins Thal, 
gleichwie die großen — den Nationen liebgeworde— 
nen Helden, an denen das Volk ſich hielt, ihr 
Haupt dem Richtbeil müſſen darreichen. — Und ihr 
Blut ſammelt ſich zum unſchludig vergoſſnen Blut 
des Abel, das ſanft war als es noch in ſeinen 
Adern wallte und Verſöhnung wollte mit dem Haße 
des Kain; — es ſammelt ſich zu dieſem als zu 
ſeinem Urſprung, nicht um Rache, aber um den 
Kainsgeſchlechtern die immer wieder zurückprallen 
vor den flammenden Thoren des Labyrinths, den 


109 


Ausweg zu bahnen und den Fluch des Kainszeichen 
von der Stirne ihnen zu löſchen. — Und wie der 
Nil die geborſtnen Riſſe der erſtorbnen Erde aufs 
neue befruchtet, ſo als Weltenſpiegel alles Weh der 
Erde und ſeine verklingenden Laute in einen Brenn 
punkt zu ſammeln und als lebendiger Brunnen der 
Geſchichte ſeine kühlenden Fluthen ergießen überall⸗ 
wo der Zeitenſtrom den Völkern ihr Bett bereitet 
im Namen deſſen zu dem kein Gedanke hinanreicht; 
Herr der Geiſter und der Seele Herr! — — 

Du Schlafender! — nicht deine Seele iſt an 
ihrer Stelle, noch dein Herz an der ſeinen; — immer 
giebft du deinen Feinden Gehör, und läßt den Wil: 
len mit dem Netz ihrer Worte dir fangen. — Reue 
fühlſt du und Zerknirſchung über Alles worin ſie 
Herr wurden über deinen Geiſt! — Du liegſt im 
Staub vor Gott und wenn fie ein neues Werk be- 
ginnen ſo unterliegt dein gerader Sinn ihrem Trug! — 
Thäten ſie Recht ſo ſäheſt du Recht, und lebteſt im 
Frieden, alle Großen dir unterworfen und die Ge⸗ 
krönten zu deinen Füßen, umgeben vom Ringplatz 
deiner Freunde und du ſelber verſtändig wie keiner 
je war auf dem Thron. — — 

Schlakender König: Tief hab ich geſchlafen, noch 
wallt mein Herzblut, daß die Wellen gen Himmel 
ſchlagen, denn mich verfolgte der Traum ausge⸗ 


110 


cotteter Völker und daß Gott frage: Wo ift das 
Löwenherzige Geſchlecht an deffen Sitte und Mann: 
heit ich Wohlgefallen habe? — 

Daemon: Und wo die Helden ſeines Unter⸗ 
gangs? — | 

Schlatender König: Wie der Sclave böfer Ein: 
gebungen fühlte ich mich beſchämt, der des tieferen 
Bewußtſeins ſpottend, Triumphzüge hielt der 
Verachtung, weil es ihm gelungen das Volk 
wieder hinabzuſtoßen in die Erniedrigung. 

Daemon: Dir aber Planet! dem ſie mit Nebel⸗ 
wolken den Stand der Geſtirne verhüllen, ein Heer 
der Verblendungen, der Vorurtheile, des Blödſinns, 
der Thorheit und Bosheit, ja das Allerſchlechteſte 
des Schlechten von deinem Volk dir vormaledeien, 
dir glühte der Zorn auf im Traum, daß der gute 
Stern deines Volkes in deinem Herzen unterging. 

Schlakender König: Ha ich dulde nicht die Be- 
thörung! — ich weiß des Volkes Kräfte ſteigen 
höher als ſeine Beſchwörer ihm nachträumen kön— 
nen, und daß es Zeit iſt, ehe ſie vorgreifen, zu 
höherer Ordnung es zu leiten. 

Daemon: Das Volk emporheben iſt Frucht 
freier furchtloſer Gefühle; des Herrſchers Geiſt 
wird frei in der Volkskraft. — Was kannſt 
du höheres als deine Freiheit begründen, mit 


111 


der Heroeneingebung eines Willens der das 
Göttliche vermag. Und was du deinem Volk an 
freiem Werden nicht gewährſt, das raubſt du dir 
an Weisheit und an Macht es zu beherrſchen. 


g Schlakender König: Soll das Volk feine eigne 
Regierung bilden und ſeinen König erziehen? 
Daemon: Die Wahrheitsfunken ſpringen dir ins 
Antlitz. 
Schlatender König: Kleine Mücke du! — 


Daemon: Ulnd Rechenſchaft verlangt es, wie du 
ſeinen Geiſt und Muth lehrſt Schöpfer werden an 
ſich ſelber. 1 | 

Schlakender König: So wäre meine Krone der 
Volkskraft Allumfaſſung und Einheit beider, des 
Volks und des Königs! 

Daemon: Weisheit und Nothwendigkeit in einan⸗ 
der greifend iſt beider Vortheil, ſagte der Räthſel— 
löſende Sdipus zur Sphinx die ſchon die Pratzen 
ausſtreckte ihn zu würgen. 

Schlakender König: Wie lautet das Räthſel? — 

Daemon: „Ob auch ein Mann mit ſcharfer 
„Art den erhabenen Eichbaum entlaubt; und ſchän⸗ 
„det die herrliche Schöne des Baumes, dennoch giebt 
„er, auch ſeiner Früchte beraubt noch ſeine Kraft 


112 


„ihm, wenn er ein winterlich Feuer ihm ſchürt, 
„oder dem Walde entriſſen, als Pfeiler im Hauſe, 
„ſtützend die laſtende Mauer ihm trägt.“ 

Schlakender König: Wie deutet Ddipus dies 
Räthſel? 8 

Daemon: Drücke dein Volk noch fo tief, be: 
raube es ſeiner Rechte, ſchände ſein Daſein, wie den 
Baum deſſen Belaubung die Art nicht verſchont, 
es wird dennoch den Muth nicht verlieren dir zu 
nützen, und weiter ſagt Sdipus: 

„Der Arzte weiſeſter ſei du ihm! Auf! — 
„lindre mit ſanfter Hand ihm die Wunde, dies 
„ehrt deinen leuchtenden Ruhm! Denn leicht iſts 
„auch dem Schwächeren aus ſicherem Port das 
„Staatsſchiff zu treiben, unter kämpfenden Wet⸗ 
„tern aber zum Hafen es wieder lenken iſt ſchwer.“ 

Schlafender König: Seufze mit mir, denn zwi⸗ 
ſchen mir und dem Volk iſt das Vertrauen erſchüttert. 

Daemon: Dennoch verzweifelt es nicht an der 
Güte des Mannes der den verborgnen Samen 
reiner Herſchertugend ihm hegt. — 

Schlatender König: Glaubſt du daß etwas die 
Liebe des Volks mir kann feſſeln ſo rede! — 

Daemon: Wem Milde die Vernunft reift, dem 
wird auch ein Erntetag der Liebe und demüthiger 
Huldigung des Volkes. 


113 


Schlakender König: Wird es einfehen daß es 
ſein ſelbſt nicht mächtig iſt? — ; 

Daemon: Ob alle Wetter über ihm zuſammen 
ſchlagen: des Schmerzes Andacht um den, der Treue 
ihm bewies, wird noch den kommenden Geſchlechs, 
tern im Auge perlen. Es hat ſo ſchweren Kampf 
für Euch gewagt — . Was zweifelſt du? — 

Schlatender König: Iſt ein fo transcendentaler 
Geiſt, daß er einem verführten Volk ſeines Glückes 
verrauſchenden Quell aus weiter Ferne herbei wie— 


der leite? — 


Daemon: Du ſelber, kein Anderer! — Laß es 
zu deinen Füßen erſt Odem ſchöpfen, ehe es zu 
dir kann reden: „Ich bin ein Armer, flüchtig vor 
des Schickſals dunkeln Loſen, und da ich bei Men— 
ſchen nicht Mitleid finde, fo ſchweifte ich unter wil— 
den Thieren umher, und die Verzweiflung ſtürzte 
aus ihrem Verſteck und jagte den Hunden deiner 
Jäger das Brod ab: das iſt's warum man mit 
Feuer und Schwert ins Elend uns hezt. 

Schlatender König: Was iſt Wohlleben? — 
Seit die Welt ſteht, war ſie dem Darben unter⸗ 
worfen! — Wer darbt nicht? — Auch ich bin 
dem Hungertod ausgeſetzt, tiefer ſchmerzend als 
der nach der Spartaner ſchwarzer Suppe lechzt. 

8 


114 


Daemon: Ja, ich weiß! — Von des Hungers 
Pfeil durchdrungen, regt ſich nach reiner Koft ein 
Weh in dir dem Mann des Glücks, der ihm nie 
ins Antlitz ſah, dem falſche Heuchler wehren den 
Geſunkenen einzuhüllen in deine Huld. 

Schlakender König: Jammernswerther König 
der von einem Abgrund in den andern es ſieht 
ſtürzen und alle Kräfte ertränkt um nur ihm zu 
helfen und alle Gedanken. | 

Daemon: Doch ift es zu beneiden weil du lie— 
bend ſein Weh empfindeſt und auch Du der ſo im 
Verlaſſnen ſich fühlt, über alle Zukunft ſtrahlend 
winkt ihm dein Stern: „Ich bins, geliebtes Volk! 
— dein liebender König ruft dir, der deine Liebe 
ſucht — dein Heil!“ — ſo ſprich zum Volk und 
denk, ein einzig Leben, es iſt der Opfer 
alle werth die ſein hartes Los in ein 
beſſeres ihm wandeln — Aber du wirſt ſo 
nicht zu ihm reden — ſo nicht handeln. 

Schlakender König: Was du mir zumuütheſt, 
werd ich wohl auch mir zutrauen dürfen! — Wa: 
rum ſollt ich mich geringer achten, als ich dir 
ſcheine? — 

Daemon: Manches greift weiter als einer denkt; 


115 


und nur von kühnem Selbſtvergeſſen fort geriſſen, 
kann dirs gelingen das Rechte zu thun! 

Schlakender König: Trunken von eigner That— 
kraft, ihrem Erfolg ſich überlaſſen? — Das wär 
gefrevelt. — Und das Unverantwortliche iſt nicht 
das Rechte! 

Daemon: Unſterbliches iſt nicht Frevel, und 
wo eine Handlung die andere zu Grab muß tragen 
und nichts erzielt als ihrer eignen Bemühung Un— 
werth, da hat, was dieſe niedre Sphäre überbie⸗ 
tet, keine Verantwortung; es iſt göttliches Ge— 
ſchehen! — Du aber fürchte nichts: auch dein 
Wollen wird man anſtändig zu Grab geleiten. 

Schlakender König: Was haft du gegen mei: 
nen Willen das Große zu thun? | 
Daemon: Ich zweifle nicht an deinem Willen, 
aber ich bezweifle ob du ſo unbefangen dich über 
die Hecke würdeſt ſchwingen, wie jene freien Vö— 
gel des Waldes, der umzäunt war ihre Freiheit 
abzuſperren. Ja ich zweifle noch, wo andern 
längſt ihrer Hoffnungen ſchwankender Stern erloſch! 
Schlatender König: ft ihrer Hoffnung Stern 
erloſchen, fo wird die nächſte Morgenröthe fie be: 
ſchämen. Aber deine Zweifel? — Welche meiner 
Handlungen berechtigen dich dazu? — 
Daemon: Nicht dein Vermögen Opfer zu brin: 
8. 


116 


gen, wie reines Wirken fie heiſcht. Aber deine Kro- 
nenwächter — die hindern dich daran. 

SISchlakender König: Was du nicht alles ins 
Spiel bringſt um gegen meine Staatspfeiler mich 
zu reizen. Und mim willſt du, ich ſoll gegen fie 
unternehmen was dir obliegt. 

Daemon: Du meinſt, mir liege ob die ab— 
ſchüſſigen Quellen des Volksglücks wieder herüber— 
zuleiten in deiner Gnade Schooß. — Aber du 
frauft mir nicht! 

Schlakender König: Das mag fein; denn wie 
du willſt daß ich mit dem Volk mich verſtändige, 
das ſcheint mir Thorheit. 

Daemon: Thorheit iſts, daß du ſo geitzig dein 
eigen Herz behandelſt und nicht den Samen der 
Liebe ihm gönnſt der dir doch reiche Erndte würde 
tragen. — Welche Huld kann der von ſeinem 
Freund erwarten der gegen ihn der eignen Hinge— 
bung ſich wehrt? — | 

Schlakender König: — So ſpricht nicht ein 
Staatsmann! — Wär Anfangs gleich das Außer: 
ſte geſchehen, ſo lebte alles Volk in Furcht und 
in Gehorſam. Wenn aber die Frechheit will der 
Freiheit den Hals umdrehen, ſo fang ich ſie und 
beug ſie meinem Willen. 

Daemon: Warum ſagſt du das? — Es iſt ja 


117 


doch nur die Rede des Eiferers der nichts Klügeres 
vermag als die herabgedrückte Menſchheit aufs neue 
der Schule zu überantworten, die aus Selbſt— 
dünkel ſich blind ſtudirte. Das Volk dem im— 
mer auf verkehrte Art und unter Vorbehalt nur 
zugewendet wird, was man ihm mißgönnt und 
heimlich wieder entreißt, es bleibt als blödſinnig 
gewordner Bettler unter einer noch abgeſtumpfteren 
Vormundſchaft jeder übermüthigen Willkühr aus— 
geſetzt. — Und ſo ein König ſpricht: „Ich liebe 
Gott“ — und verachtet das Volk, der lügt. 

Schlakender König: Davor ſei Gott. Ich ver— 
achte nicht mein Volk, es iſt meine ſchlafloſe Sorge, 
wenn es wie ein raſcher Sperlingzug ſich umher— 
ſchwingt, wo es bleibe; und daß es in den Abgrund 
den es unter ſeinen Füßen aufwühlt, nicht ſtürze 
um ihn wieder auszufüllen. 

Daemon: Wer hülfreich je die Hand geliehen, 
der kann fie nicht zurückziehen; er muß retten, nie: 
mals verderben; denn er weiß, es giebt keine Ver— 
dammniß als nur die eigene Ehre. — Alles Han: 
deln was ſie nicht befriedigt, zerreißt die Seele 
und verwirrt den Geiſt der die Urſtoffe neuer 
Welten in ſich trägt. 

Schlakender König: Und nenne du mich Ber: 
räther an mir ſelbſt, ich erkenne, ich bewundre das 


118 


Große — ich haſſe mich felbft um mein Zagen, 
um meinen Wankelmuth. — Da iſt kein Pfad der 
die Höhe hinanleite alle gehen abwärts. 

Daemon: Du magſt beſtändig oder wankelmü— 
thig ſein, den rechten Weg kann der nicht verlieren 
der die eigne Seele beherrſcht. — Wohl kann ſich 
mindern und bis ins Weh verſinken; Weh kann 
in Wolluſt überſtrömen vom Geiſt berathen. — 
Und das Volk das jetzt ein ſinnlos Weſen dir 
ſchaint was deinem Willen ſich muß beugen, kann 
klug, voll Seelenadel durch deine Huld ſich dir 
bekunden. Wohnt nicht der Segen bei Dir der 
Natur dem ihre Geniuskräfte durch die Seele rau— 
ſchen? biſt du ganz einſam muß der Geiſt, der 
immer kühne immer freudige in dir dem Mächtigen 
ſich umnachten und ins Ungewitter hinabſtürzen 
mit dir? — 

Schlakender König: Du beleuchteſt der Seele 
Bettelſtand der ihr den Anblick ihrer ſelbſt ver— 
bittert. 

- Daemon: Im glorreichen Geiſterhof, wo der 
Wahrheit Strahl, wie heut der Mond, den Geiſt 
der Nacht durchglänzt, lernt ſie ſich heben über die 
feigen Geſchlechter die deine Krone mit falſchem Lor— 
beer und vergifteten Mirten täglich friſch bekränzen. 

Schlakender König: Und über Klippen die ihr 


119 


Selbſtdünkel hat ausgewaſchen, tanzen fie keck auf 
der vorragendſten Spitze die dem Herrſcher trotzt. 

Daemon: Und ätzen die Wunde dem Volksun— 
willen und Scholle an Scholle hämmern ſie Härte 
und Kälte zur Eisdecke zuſammen die mit Wuth und 
Gedonner endlich berſtet an den ewigen Ufern des 
Rechts! — 

Schlafender König: Und dann ſchwankt Alles 
in ſeiner Hand, und ſie ſäen heuchleriſch ihm Ent— 
muthigung ins Herz. | 

Daemon: Drum halte deinem edleren Gelbft 
zu lieb dem Volk etwas zu gut, dem ſie ſo 
grauſam die Weinberge des Herrn verwüſten. 

Schlakender König: O Volk das ich des Glü— 
ckes Stufen hinan wollte leiten, deine Felder mit 
des Vaterlandes Blut gedüngt! — gehetzt zu mor— 
den, zu plündern, zu verhungern, zu verderben! — 
vermag ich auch nur irgend dir zu bieten was 
ſeegenvoll nicht dein eigner Fleiß erwirbt? — 

Daemon: Wie im Land der Pumpernickel und 
Schinken, in dem das Volk verhungert, und im 
Land der feurigen Weine von Schweiß getränkt, 
das jährlichen Tribut zahlt an verſchmachteten Un— 
terthanen und im Land der Leinweber, die arbeit— 
müde vom Abfall der Spindel ihr Leichenhemd 
ſich weben. Denn zu viel ſittlich Gefühl hat 


120 


ja der Hemdloſe, um unbehemdet ſeinem göttli— 
chen Richter ſich zu ſtellen, — und der Ritter 
vom eiſernen Kreuz, vom Spinnrocken entlaſſen, 
weil im Arm der das Schwert fürs Vaterland 
einſt führte, ihm nicht Kraft mehr iſt den Faden 
rund zu drehen. Für alle dieſe vermögen deine 
volksärgerlichen Staatspfeiler nichts! 

Schlakender König: Zuviel auf einmal der ve: 
publikaniſchen Wirbelwinde erhoben ſich. — Alles 
ſollte dem Volk geſchehen, ſo lags in meinem Wil— 
len. Aber das Unwetter war mir voraufgezogen; 
es überſtrömte mich, als ich am Platz ſtand es zu 
geloben. 

Daemon: Das war die Morgenröthe deiner 
Vernunft. Um ſie zur Mittagshöhe hinan zu trei— 
ben, brauchts Feuerhufen die leichteren Schwungs 
den Wolkenocean durchrennen und der Sonne 
goldenen Waitzen hinabregnen zum Volk das in 
Euch und Euern Nachkommen die Inhaber gelieb— 
ter Throne anbetet. — 

Schlalender König: Was kann der Herrſcher, 
als ſeiner Entwicklung breiteſte Baſis ihm freige— 
ben? — Denn der Adel meines Geiſtes, bei der 
Frage des Gerechten, will nicht das mit Füßen 
treten, was er nicht vermag zu retten. 

Daemon: Doch die Heerde deines Rathes, weiß 


121 


es anders auszulegen: „Volk ergieb dich nur dem 
Teufel, denn er hat ſich uns verheißen, daß durch 
alle Weltenkriſis deine Kraft für uns ſoll frohnen.“ 

Schlakender König: Packe den ſchlafenden Lö— 
wen nicht bei dem gefpigten Ohr feiner Ehre. 

Daemon: Ich habe ihn ſchon beim Ohr ge— 
packt. 

Schlatender König: Warum haſt du ihn beim 
Ohr gepackt? und hat er dich nicht gebiſſen? 

Daemon: Himmliſch beauftragt wie Demeter 
ins Feuer der Unſterblichkeit dich zu halten, wehrte 
ich aller witzloſen Satanstheorie deiner Schmeichler 
und hab es Gott geklagt daß deine Rathsheerde 
ein ſo ſchwaches Ingenium dir zutraut, um wie 
ein Wickelkind in ſeine Ehrenkränze dich einzuſchnüren. 

Schlakender König: Wie? dem König der Könige 
haſt du Klage geführt über die Rathsherrn der 
Stadt, daß die mir Ehrenkränze wollten flechten? — 

Daemon: Dem Gott hab ichs geklagt der viel 
dem Unſinn nachſieht, aber dem Geiſt beiſteht ihm 
zu wehren, und dem duch gleichgültig . was dich 
angeht. — 

Schlakender König: Was haft du für Rath ein: 
geholt und welche Früchte haſt du davon ge— 
erndtet? | 

Daemon: Mit fanften Mahnungen ihn anzu: 


122 


gehen, war göttlicher Rathſchluß. Schleen und 
Holzäpfel hab ich geerndfef. — 

Schlakender König: Erzähle Alles. 

Daemon: Es war an deiner Bürger Huldigungs— 
feſt. In deines Regierungslöwen Namen eingehüllt 
übermachte ich dem Rathslöwen ein Schreiben. 
„Wie?“ ſchrieb ich dem Rathslöwen „ein thurm— 
artig Gerüſt bemalt mit transparenten Ahnen um 
bürgerliche Huldigung zu vertreten? — Wars nicht 
eure Sorge, der neue Herrſcher werde den Adel 
euch vorziehen? und ſoll nun aus der guten Hoff— 
nung dieſer Zeit nur der fabelhafte Ahnenbaum 
erſprießen, beſäet mit ungeſchickten Bildern der Ver— 
gangenheit? — Wenn Durchſichtigkeit Verklärung 
iſt dem ſchwachen Auge, ſo beweiſt ſie zugleich 
dem ſcharfen Geiſtesblick daß nichts dahinter iſt. 
Bemalt euern Thurm mit Völkern aller Zonen, 
mit Menſchen aus dem Mond, ja aller Sterne 
Weſen, die feines Gcepfers Freiheit huldigend, ih: 
ren Göttern dienen. Malt den Genius der Zei— 
ten, beflügelt über den Abgrund ſetzend des Aber— 
glaubens und der Lüge. Malt den frommen Hel— 
den, der unter Wettern die ganze Welt auf mäch— 
tiger Schulter durch die gepeitſchten Fluthen trägt. 
Malt die Zukunft mit vollen Garben ihrer gottver— 
trauten Saat und alles Glücksgefühl ſeines noch 


123 


im Keim ſchlummernden Berufs aber nicht den 
volkswiderſinnigen, transluciden Baum verblich— 
ner Ahnen.“ 

Schlafender König: Und dies barbariſche Schrei⸗ 
ben, wie ward es aufgenommen? — 

Daemon: Geblendet von deiner Regierungsſon— 
ne aufgehendem Strahl, ſtand die Rathsheerde rath— 
los da! — Da ſagte Einer: „Meine Herren, dies iſt 
nicht eines Staatspfeilers Schreiben, es hat ein 
daemoniſch Weſen.“ — Dennoch hielt der Rath 
für rathſam den Ahnenbaum nicht aufzupflanzen. 
So ward der Anblick dir doch erſpart deiner ölge— 
tränkten Vorfahren. 

Schlatender König: Das war gut. Warum 
aber ſollte das Volk den Adel mißachten? 

Daemon: Wie könnt es ſonſt dem Selbſtgefühl 
ſich retten, wollt es die achten, von denen die Volks— 
verachtung ausgeht, die hochmüthig nach alten Ge: 
ſchlechtern forſchend, jede reine Abkunft bezweifeln, 
die eigne aber aus Jovis Schoos herleiten; doch 
was des Volkes Herz zerſchneidet, grauſam tief, — 
was es duldet, — der Gleichgebornen herbe Qual, 
ihr ſchlagend Daſein, dem von Geſchlecht zu Ge— 
ſchlecht aus kräftiger Wurzel treibend immer wie— 
der das Recht des Beſtehens abgedrungen wird, 


uicht achten. 


124 


Schlakender König: Diefelbe Blüthe der Volks⸗ 
vertretung die fürs Gemeinwohl ſich entfaltet, iſt 
Pflicht und Vorrecht der Adelsbefähigung. Jede 
Bildung ſoll ins Allgemeine übergehen und die 
ſchlummernden Kräfte wecken dieſer Zeit des Be— 
dürfniſſes und der Frage wie ihm zu ſteuern ſei. 

Daemon: Wo Klag und Jammer nicht hinanrei⸗ 
chen, da erliſcht auch das Mitgefühl für Erden— 
weh; da ſtimmt bald nichts mehr für das Volk. 
Da wirft man ihm nur vor, was es zwar voll— 
bringen mußte, was ſein Herz aber nicht erſann, 
was es nimmermehr verſchuldet hat. — Den Schei— 
debrief des Lebens ſtellt ihr ihm aus, wo euer 
Wille zu ihm nicht ausreicht. 

Schlakender König: Ich will in des Adels Bor: 
rechten nicht den Ahneubaum geſchützt wiſſen, aber 
den Stammbaum der Verdienſte, der die Quelle des 
Volks vertrauen ihm zuleite. 

Daemon: Harre nicht darauf. Von Jovis 
Blitzen ungeblendet, wird es bald nichts mehr von 
Euch fordern. In ſchwerer Erdenluft ſteigt keine 
Opferflamme auf. Nur wo die Gottheit den 
Menſchen ſich verwandt fühlt, kann Vertrauen 
Gelübde thun. 

Schlatender König: Ein Volk das Freiheits⸗ 


125 


fahnen aus jedem Lumpen macht, — um repu⸗ 
blikaniſche Luft zu trinken, den Port des Vater— 
lands verläßt und nur irdiſchen Vortheil für gei: 
ſtigen Fortſchritt hält, dem wird ſein Wohl nicht 
leicht begreiflich werden. i 

Daemon: Wirſt du als geiftige Macht dich 
ihm verſtändigen, ſo kann es auch den irdiſchen 
Beſitz als Freiheitsbaſis nicht mehr achten. Gieb die 
Republik des Geiſtes frei, dich ſelber an die Spitze 
ſtellend, und bald wird es dich überbieten. 

Schlatender König: Die Undankbaren! die Thö— 
rigen! im Chorus ihres ſogenannten Bewußtſeins, 
Freunde und Brüder mit Mordgeſchrei überfallend! 
Konnten ſie in geſetzlicher Faſſung es nicht ſtille 
abwarten? — 

Daemon: Werfe nicht Empörung vor dem Mär: 
tyrer, den Fieberwuth befällt nachdem er ſo gelitten; 
nicht Undank werfe ihm vor, für das was man 
ihm zuwider als Wohlthat will aufdringen und nenne 
nicht Trotz den Ernſt des Ringers der unterliegend 

mit keiner Bitte mehr dir kommt, von keinem 
Segen mehr betrogen, mit keiner Hingebung ſich 
Preis will geben —, allein mit ſich in ſeiner Nacht, 
von allem Leben ſcheidend, von allem Glück, von 
allen Klagen und von der Gottheit Lichtgebiet! — 
Vertrauen iſt ihm erſtorben, und in geſetzlicher Faſ— 


126 


fung ftille abwarten konnte es fo wenig als der 
Damm, überfluthet von Wogen die das Erdbeben 
im Schooß tragen. 

Schlakender König: Es ſtürzt ins Elend von 
Freiheitsſucht bewältigt. 

Daemon: Es nimmt neuen Aulauf, und iſt der 
Sprung gelungen, dann gelingt auch was ſo lange 
ihm erſehnt war. 

Schlalender König: Ja! es will das Ideal der 
Weltbürgerſchaft aus ſich erzeugen. 

Daemon: Das über alles Sein und Werden 
ſich erhebt und Dogma iſt der Volksreligion und 
Keim der Gewiſſenspflege. | 

Schlakender König: Ideal wie die Sonne am 
fernen Horizont erleuchtet aber ergießt ſich nicht 
in die Schranken der Erfahrung. 

Daemon: Ideal, unberührt aus der Weisheit 
Schooß aufſteigend, iſt Morgenröthe der Geiſt— 
revolutionen: — fie verkündet der Sonne entſchei— 
dende Gewalt im Volk. Weltenreligion — der 
Seele Eigenthum, Urboden des Poſitiven — nach 
ihr den eignen Schritt abmeſſen, iſt Staatsklugheit 
des Prophetengeiſtes. Kein Vorrecht als nur des 
Muthes, im Ideal dich zu behaupten — und du 
beherrſchſt die Welt! 

Schlatender König: Du willſt die Vernunft 


127 


herausfordern im Volk das doch nicht weniger 
unterdrückungslüſtern als der Bevorrechtigte von 
Geburt nie ſich erleuchten ließ durch ſeine Märtyr⸗ 
helden die ſtets ſeine Lehrſtufen mit ihrem Blut be⸗ . 
ſiegelten. Nicht im Streit, nicht im gegenſeitigen 
Kampf mit Waffen in der Hand, aber auf dem 
Blutgerüſt, verurtheilt von Rechtsformen die das 
Volk unterſtützte, denen es zujauchzte, find die un- 
terlegen, die ſeinen Geſchicken ſich vermählten. 

Daemon: Dieſelben gehäſſigen Leidenſchaften 
die es gegen ſeine weiſen und kräftigen Denker 
aufregen, hat es mit ſeinen Unterdrückern gemein 
die es in ſeiner Unmündigkeit beſtehen laſſen, um 
es aufregen zu können. | 

Schlakender König: Niemand Unrecht thun, 
iſt Grundgeſetz der Mündigkeit des Volkes. Alle 
Menſchen müſſen Organ ſein des Geſetzes, alle 
Handlungen müſſen Geſetz ſchützend, Geſetz übend 
und Geſetz auslegend ſein. — 

Daemon: Wenn aber die Lüge dem ſtummen 
Bedürfniß Verbrechen aufbürdet wozu es blos die 
Handhabe war, wo bleibt da dein Grundgeſetz? 
Wird es nicht ſcheitern an eingebildeten Rechten 
aus denen die Volksunterdrückung hervorgeht? — 

Schlakender König: Das Recht wird nie den 


128 


Volksgeſchicken eine Frucht reifen, wenn das Ge- 
ſetz ſich ihm nicht vermählt! 

Daemon: Volksgeſchicke! — Spiel doppelſinni⸗ 
g ger Gewalt, die das Volk ſtets preisgiebt, vor 
deſſen Kräften ſie immer zittert, deſſen natürlicher 
Verſtand ihr ſtets im Weg, und welches aus dem 
Paradies ſeiner Heimath zu jagen ſie jede Wüſte 
gut genug findet! — 

Schlakender König: Nur Ausdauer, Abhär⸗ 
tung und anſpruchloſe Entbehrung zähmt ſeinen 
unbändigen Charakter, und befruchtet ſeinen Sinn; 
keine Bildung würde ihm anmuthen, die feiner Kräfte 
Maaß nicht ausfülle. Mäßig, billig, unpar— 
teiiſch! — Darüber wird es aber immer hin: 
aus ſtolpern. 

Daemon: Aus ſich ſelber würden dieſe Tugen⸗ 
den den Heroismus der Volksfreiheit entfalten, Ihr 
aber klagt es der Revolutionswuth an; als ob die 
Geburt feiner heroiſchen Anlagen könnte ohne Wer 
hen von Statten gehn? oder weſſen beſchuldigt 
man es noch? — Kann es dafür daß Licht in fei- 
nen Verſteck dringt und die Keime weckt einer Zu: 
kunft die allein auf ſeinen Kräften beruht? 

Schlakender König: Ehe das Volk feine Leiden: 
ſchaften niederkämpft, verblutet es in ihrem Aufruhr! 


129 


Daemon: Verworfen alſo der Kampf gegen 
ſein Mündigwerden, zu dem ſeine Gewaltherren die 
Hand einander bieten, — derem Scharfblick nicht 
die Nebel weichen, deren Rathſchlüſſe nicht von 
guten Geiſtern geleitet werden. Nein! die Geiſter 
haben keinen Verkehr mit Euch, ſonſt würdet Ihr 
nicht die Allmacht des Nothwendigen unterdrücken 
wollen. 

Schlakender König: Den breiten Weg ſeiner 
Entwicklung hat das Volk im Erdbeben ſeiner Lei— 
denſchaften unterwühlt. 

Daemon: Nicht mit Vorbedacht aber aus na: 
türlichem Beruf: und daraus geht hervor, daß un⸗ 
mittelbar auf dieſem von Euch verdammten Volk 
das Gleichgewicht der Staaten beruhe, denn nicht 
politiſche Gewalt, aber ſittliche Größe des Volkes 
ſelber iſt Menſchenführer und Schöpfer der Zu— 
kunft. Wie der Tag die Nacht verſcheucht und 
gegen ihre zweifelhaften Schatten ſein volles Licht 
behauptet, fo wird auch Wahrheit nicht vom Wi: 
derſpruch beſiegt. — Wer kann dem Licht wehren 
daß es die Finſterniß verzehre? — 

Schlakender König: Platon ſchrieb dem Tyran— 
nen von Syracus: „Weisheit und oberſte Gewalt 
ſind für einander geſchaffen und haben immerdar 
einander geſucht.“ 

9 


130 


Daemon: Aber nie haben fie einander gefunden 
weder in der Weltweisheit noch im Pferg der Re— 
ligion die ihrer Heerden Eingeweide dem göttlichen 
Aug zur Prüfung darlegt. Des Geiſtes Brennſtoff 
der wie am harten Kieſel bei jedem Stoß des Wie⸗ 
derſpruchs Funken ſprüht ins ahnungsvolle Dum- 
kel, der wird einſt hervorſpringen und ſelbſt den 
Tag verbreiten um den es ringt. Laſſe nicht 
Furcht dich entſetzen vor ſeinen Gluten, noch Stolz 
dich zum Meuchelmord verleiten dieſer noch in der 
Wiege ſchlummernden Volkskraft die Nahrung 
ſucht; laſſe deinen Willen ihr das Lebensfeuer 
ſchüren, verſage nicht deinem Genius der dich ihr 
vermählt! 

Schlakender König: Sind wir deshalb mit der 
Freiheit in offner Fehde, weil keine Beſchwörungs— 
formel gegen ihr Anſtürmen uns ſchützt? — Sol— 
len wir feige die innerſten Lebensquellen einer geiſt— 
loſen Volksdespotie hinopfern, die ſelber ihrem 
grauſamen Gegenſatz verfallen iſt? 

Daemon: Und doch gebt Ihr die Gewalt dem 
Mißbrauch in die Hand der den Bogen bis zum 
Brechen geſpannt hält? — Wen klagt Ihr an 
daß im Augenblick wo die Sehne riß, ihre Schnell— 
kraft den Bogenführer nicht ſchonte? — O Unvor: 
ſicht, du auch zählſt zu den Rachegöttern! — Siehe 


131 


da den erften Verſuch das Volk blödſinnig zu 
machen: — und er gelingt! — Es ſpricht zu allem 
„Ja! mit Gott für König und Vaterland.“ Und 
wär es mit dem Teufel gegen alle Rechte des 
Menſchlichen; die eingewurzelte Heimathtreue durch 
Machtgebote plötzlich aufheben. — Sind ſie noch 
daſſelbe Volk unter fremden Herrſchern die um 
ſein Kleid würfeln und in drei Stücke es reißen? 
ein Gewand ohne Nath das nicht ſoll zerriſſen 
werden. — Wie? — Soll es mit dem Halsband 
eines Hundes ſich die Kehle zuſchnüren laſſen? ſeine 
Würde ſchänden, ſein Vaterland mit Bruderblut 
beflecken müſſen? — D daß in Euern Adern Erde 
wär ſtatt Blutes! Wie iſts möglich daß Ihr wie 
im Ballſpiel es einander zuſchleudert? — Wie kann 
es losgeriſſen werden von dem, worin es ſittlich 
ſich begründet fühlt! — Und die Schuld ungerech— 
ter Sache werft Ihr aufs Volk? — ſein täglich 
Brod, die Scholle ſeiner Heimath macht Ihr zins— 
bar fremder Hand die ſchwer auf ihm liegt, und 
Treuebruch ſtraft Ihr? — Wenn eine Kraft der 
Treue in ihm war, ſo mußte es ſich losreißen von 
der Politik des Tauſchhandels. — Und aber die 
Macht im Kampf gegen eine freie Nation, die 
bedarf der ganzen Menſchheit; nicht ihres Verſtänd⸗ 
niſſes, — aber ihrer Abgeſtumpftheit. — In der 
a 9 


132 
Entmuthigung frei fein zu können, in feiner Ent: 
würdigung wollt Ihrs bewältigen. — Wärs ſei⸗ 
nes ſittlichen Vermögens nicht beraubt, ſo wär es 
mächtig. — 

Schlakender König: Und wer in den Strudel 
des Unerhörten ſich ſtürzt, um nie wieder zu lan: 
den an den Küſten wo er ſeine Eidſchwüre nieder— 
legte, Trotz zu bieten dem Ringen der Zeit, — 
welchen Fluch würde der auf ſich laden aller 
Mächtigen? — Und die moraliſche Wirklichkeit, 
untergegangen in ſeinen fünf Sinnen! — Von 
welchen Leidenſchaften zerriſſen ſein Volk, aus einer 
Hand in die andere ſtürzend, ſeiner Erlöſung ver— 
geblich harrend! 

Daemon: Ein Gott der Jugendblüthe wär Der, 
alle Lebensfrühlinge in Einen erblühend, alle Sinne 
göttlicher Befruchtung hingebend; geiſtdurchdrin— 
gend das Unſterbliche hier ſchon, was wieder ihn 
durchdringen wird jenfeits. Große kühne Lebens: 
fluthen dahinſtrömend, ein Meer zu Füßen weis— 
heitsvoller Majeſtät. 

Schlakender König: Und die Zeiten — fie find 
nicht Ewiges, die vorübereilen und zerſtören, was 
du meinſt es ſoll alle idealen Lebensfrühlinge her— 
vorrufen. 

Daemon: Was Ihr Menſchen Jahresalter 


133 


nennt, was Ihr an den Fingern herzählt, es ift 
die Samenhülle nur, die abfällt wenn die Blüthe 
zum Licht treibt. Heimlicher Kräfte voll ſetzt ſie 
Fruchtknoten an auch in der Könige Herzen. Aber 
die elend das Große in Händen halten und ſchüch— 
tern es fallen laſſen, ſie ſind nicht Könige, ſie 
ſind Schlacken einer finſtern Zeit die aufs Volk 
niederregnet. — Wo aber die Seele ringt Gött— 
liches zu gebären, Weltgeſchicke im Schooß tra— 
gend: das ſind völkerreinigende Revolutionen, de⸗ 
nen im Kampf Himmelskräfte zujauchzen, in ihren 
Helden, in ihren Lehrern, in ihren Opfergeſtorbnen 
all, die da Göttliches find. *) N 


—— — — — — —— — — — — 


) Lücke eigener Cenſur. 


Schlakender König: Die Höhen, die Allweiten 
die du mir vorzauberſt, die mahnen mich der Tem: 
pelzinne da Chriſtus verſucht ward aus Stein Brod 
zu machen. 5 

Daemon: Möchteſt du nicht groß ſein wol— 
len? — Möchteſt du nicht der Größte ſein von 
allen Menſchen? — oder iſt es Sünde der größte 
Menſch ſein zu wollen? 

Schlakender König: Sünde wär, nicht fein wol: 
len was ich vermag. — 

Daemon: Denn ſie ſagen: in deiner Hand liege 
es, die Zeiten zu lenken auf die Höhe ihres Be— 
rufs. - 

Schlafender König: So muß es fein, denn in 


Lücke eigener Cenſur. 


135 


mir liegt der Trieb zur Erfüllung deſſen was die 
Zeit bedarf. — 

Daemon: Und neunſt du glorreich was deine 
Seele verlangt? — Erprüfe immer ob es Stein 
ſei, was ich dir biete, Brod daraus zu machen. 
Chriſtus, der den Verſucher zurück wies, wußte, 
alles Handeln hat einen Doppelgänger der ihm 
den Geiſt einblaſe der Beſeelung. So hat Muth 
die Kraft der Wahrhaftigkeit; die Seele dieſer Kraft 
iſt, daß fie ſich ſelbſt Lefige, — ſonſt wär er wilde 
Leidenſchaft. 

Schlakender König: So ift denn Muth Selbſt— 
unterwerfung unter eine begeiſtigende Macht. 

Daemon: So iſt Selbſtbekämpfen höherer 
Muth als Anderer Herr werden: ſo iſt Recht ſchüt— 
zen größere Gewalt als Gnade gewähren und ſo 
trägt der voranſchreitende Held auf Geiſterſtufen 
hinan Alle die durch ſeinen Willen handeln. — 
Was nicht die Seele erhebt das zerreißt ſie — 
alle Pfade leiten in den Abgrund die nicht Selbſt— 
heiligend ſind. 

Schlakender König: Und Chriſtus der dem Teu— 
fel widerſachte, that er dies auch aus Selbſtheili— 
gung? bedurfte dies der Sohn Gottes? 

Daemon: Was führte ihn in die Wüſte? — 
Verharrte er nicht vierzig Tage im Gebet? — 


136 


War dies nicht Uugang mit dem Göttlichen? — 
Wars nicht Vorbereitung zum Opfertod für die 
Menſchheit? — Und. jenes Gebet am Delberg: 
„Wende ab den bittern Kelch“, — der Angſtſchweis 
der ſein Antlitz bedeckte, war der nicht Kampf ſich 
zu reifen zum Opfer für das Volk? — 

Schlakender König: Wie hat das Volk ihn 
gewürdigt? — 

Daemon: Wie haſt du ihm gleich gethan, der 
du ihn bekennſt und weißt: es iſt nur groß wer 
das Göttliche vermag und alles iſt Sünde was 
nicht nach Göttlichem ſtrebt. — Chriſtus ſtirbt nicht 
als ſtreitender Held: — ſieggekrönt; — nicht an 
lieblicher Stelle des Oelbergs: — er ſtirbt am ver: 
fluchten Ort der Schädelſtätte. — Ihn führen nicht 
gerüſtete Völker, ihn begleiten nicht gute Geiſter! — 
Er tritt allein die Kelter mit dornumwundnem 
Haupt. — Damals in der Wüſte hatte er es er— 
kämpft mit ſich, die Welt durch ſein Blut zu 
erlöſen. Er legt nicht Hand an ſie: — er leidet für 
Alle und vertraut ſcheidend dem Schooß der Mur: 
ter der Kinder Heil. Was iſt dir dein Volk, daß 
du ſagen kannſt, ſie ſind deine Kinder? — 

Schlakender König: Ja! fie find Frucht meiner 
Angſt und Sorge um ſie. | 

Daemon: Verdorrte Frucht ohne Labung in 


137 


der Hitze der Todtesängſte, — verblüht, vertrocknet, 
unbeſeufzt über ihren erbärmlichen Ausgang! Trium— 
phirt habt Ihr, aber nicht es beklagt. — 

Schlafender König: Gerechtigkeit, über die Men— 
ſchennatur klar entſcheidend und ihren Rechten den 
Triumpf ſichernd, übt nur Recht, wenn ſie im Zorn 
des Waldes Stämme zerſchmettert. 

Daemon: Hat deine Seele nicht mächtigere Flügel 
als der Gewitterſturm der Wälder durchbricht und 
Felsſteine zerbröckelt? — Und wer über Recht ent— 
ſcheidet, der ſoll ſelber ſich nicht Recht ſprechen; — 
was nutzt dies ihm? — Gleich der Gottheit, die nicht 
kommt hinter dem Feuer, nicht hinter dem Donner, 
ſondern die endlich kommt mit lindem Wehen wie die 
Thauwolke der es keiner dankt daß ſie vorüber— 
ziehend auf die lechzenden Fluren träufelt. 

Schlakender König: Würde das Volk dies De: 
greifen das nur ſinnlich erfaßt was ihm geſchieht 
und inuner pocht auf die Verheiſſungen des gelob— 
ten Landes? A 

Daemon: Handle um deiner felbftwillen, er: 
prüfe nicht heimlich die Zeichen deines Wirkens, 
laſſe dein Wirken dich ſelbſt erprüfen von dem Ur— 
theil des Volkes! 

Schlalender König: Wenn das Volk urtheilt, 
fo erwartet es von der Macht zugleich auch Die . 


138 


Erkenntniß deſſen was ihr doch erſt im Einklang 
mit der Geſammtheit muß offenbar werden. 

Daemon: Nun ſo iſt's ein letztes Entſcheiden den 
ſreien Blick in Eure Mißgriffe ihm zu gewähren. 
Denn wolltet Ihr ſie läugnen, ſo wär dies ein Be— 
kenntniß, daß Ihr nie zu der Vernunft kommen 
werdet die ſie beſchwören könne. 

Schlalender König: Wie? dem Volk ſollte man 
die Rathloſigkeit bekennen, in die oft Unvorherge— 
ſehenes aus Gottes Zulaſſung uns ſtürzt? — Dein 
Volk, das nicht beurtheilen kann die Weltſchickun— 
gen, Wagniſſe die es begünſtigt uns zum Vorwurf 
macht, wenn fie nicht gelingen und aus jeder Ir— 
rung die Verſündigungen an ihm heraus buchſtabirt? 

Daemon: Das Volk iſt der Zauberſpiegel Euerer 
Mißgriffe. Es offenbart durch ſein Verzweifeln, 
durch ſein Verwildern und Wildwerden Euere Fehle 
und auch die Gefahren die Ihr damit heranbe— 
ſchworen habt. 

Schlakender König: Weltkemtniß und Erfahrung 
gehen dem Volk ab, und feine Anſprüche find denen 
nicht angemeſſen. 

Daemon: Des Volks Bewußtſein gründet ſich 
freilich nicht auf Weltkenntniß die ihre wankenden 
Verſuche nur berechnet auf den tiefen Schlaf die— 


139 


fer ſouverainen Kraft. Selbſtſtändiges Gewiſſen des 
Volkes entſcheidet aus Naturgefühl des Rechtes. 

Schlakender König: Weltklugheit weiß die Linie 
der Gefahr zu beſchreiten die das Volk aus Über: 
muth überſpringt oder aus Feigheit verläßt und 
nie die Früchte erndtet, die Erfahrung ihm er— 
beutet. 

Daemon: Stolz auf dieſe Früchte vergißt Welt— 
klugheit daß ſie ſelbſt mit dem Verluſt dieſer ſou— 
verainen Kraft erkauft iſt, die das Volk noch un: 
verletzt in ſich trägt. — Sie bildet aus Anlagen 
Fehler und Laſter; ſie lehrt die rechte Hand von 
der linken unterſcheiden, ſie ſtreckt die Waffen vor 
der Gewalt und wendet zur Zeit denen den Rücken 
die auf ſie bauen; ſie regiert Selaven — aber ſie er— 
hebt nicht die Einfalt des Volkes zur Freiheit in 
ſich; aus jeder Leidenſchaft die ſie ihm überſprin— 
gen lehrt, entſteht Schlimmeres als wozu ſie führen 
konnte. 

Schlakender König: Vor allem der Undank, der 
Wohlthaten nicht anerkennen will. 

Daemon: Was hätte das Volk dem zu danken 
der doppelt genießt was er gewährt? 

Schlakender König: Dürfte das Volk des Dan— 
kes nicht achten, wie wenig würde es dann der 
Wohlthat gewahr! 


140 


Daemon: Wird es der Wohlthaten gewahr, fo 
iſt es nur durch die moderigen Lagunen des Nutz— 
loſen in denen ſie vereinzelt und verwittert herum— 
ſchwimmen. Was weißt du vom Volksdank der 
mit jedem heißen Tag der Erndte ſeine Mühen 
verdoppelnd zum Himmel ſteigt, jeden nährenden 
Regen hoffnungsvoll ihm unterbreitet? was weißt 
du von des Volkes Ausdauer, die immer von 
neuem ſich durchreißt, im Schweiß ſeines Angeſichts 
von der Wiege bis zum Tiſch des Herrn ſeine Nach— 
kommen dem Herrſcher erzieht und mit ſegnender 
Mühe den eignen Heerd ihnen baut? — Vaterlos, 
nimmt ſich die Mutter allein ihrer an. — Da hält 
die Unermüdlichkeit Wache. — Einmal die Sonne 
auf und nieder — und fie hat in ihrem Lauf dop— 
peltes Tagwerk vollendet das ihr Brod muß 
ſchaffen für Alle: ſcharfſiunig berechnet fie ihre 
Kräfte auf die Zukunft. — Eine Mutter aus 
dem Volk, die Niemand was zu danken hat. Kei— 
nen Beſitz ſchmälert ihr Erwerb der nur Vortheil 
bringt dem Arbeitgeber und doch ihm den Dank 
zollt, der ihr Hülfsquelle war in Tagen der Noth. 

Schlatender König: Und mehr ſoll das Volk 
auch nicht fordern als ſich erhalten und Allen da— 
durch nützen. 

Daemon: Des Volkes Stolz iſt Selbſter⸗ 


141 


haltung. Ihr entſpringt die glückliche Beſchränktheit 
ſeiner Genüſſe, wie aus der goldnen Sonntagsruhe 
auch die Kraft der ſchaffenden Woche ihm hervor— 
geht mit der es die nachkommenden Geſchlechter 
dem Herrſcher pflegt, der Vater und Mutter ihm 
ſein ſoll, aber grauſam das Unkraut der Verwil— 
derung ihm ins Herz pflanzt und ihm lehrt die 
Waffen richten auf ſeine Pfleger und Gefährten 
der Noth. — Das bedenkt der nicht der Wohl— 
thaten ihm zuzählt und den Dank dafür heiſcht. — 
Weltkenntniß und Erfahrung die leichtſinnig über 
das Unheil was ſie bewirken und tief nachforſchend 
wie ſie es bewirken können, alle reine Beweg— 
gründe verdächtigen, weil ſie etwas ganz anderes 
ſuchen. Sie ſchleichen aus ſich heraus, um ſich in 
Anderer Begriffe zu verſenken und da die Recht— 
fertigung heraus zu fiſchen für das was ſie in ih— 
rem eignen Selbſt beſchloſſen haben. — Weltkennt— 
niß und Erfahrung — Pfeiler aller Vorurtheile 
und Bemäntler ihrer philiſterhaften Unthaten! Mehr 
kannſt du ihnen gegenüber dem Volksbewußtſein 
nicht zuerkennen. Aber es ſteht in den Sternen 
geſchrieben: das Philiſterthum der Weltklugheit iſt 
die Mördergrube des Herrſchergeiſtes. 


Schlakender König: Könnte ich nur heraus ver: 
nehmen was eine Regierung ohne Weltklugheit be: 
ginne mit dem noch in der Wiege ſchlummernden, 
ſchon ſouverainen Volk, aber nicht wie Merkur 
aus den Windeln ſich löſend, bereit ſeine große 
Weltbeamtung anzutreten. 

Daemon: Es würde bald ſeine göttlichen Kräfte 
bethätigen, könnte es wie Er in ſicherem Gleichge— 
wicht ſeiner Anrechte auftreten, unberührt in ſei— 
ner Natur, wohlgezeichnet und ſcharf umſchrieben, 
— ſelbſt in coloſſaler Erſcheinung die ſchönen menſch— 
lichen Verhältniſſe unverſchoben, einfach ausgerüſtet 
vom Vater des Vaterlands, wie Merkur von dem 
der mit der Wimper die Welten bewegt. — Aber 
es hat erſt eine lange ſchmachvolle Geiſtunterjochung 
zu bewältigen — durch Erkenntniß deſſen was es ver— 
mag. — Dies auch war dem Merkur göttlich 


Lücke eigener Cenſur. 


143 


eingeboren, — das Tag- und Nachtbewußtſein def 
ſen was geſchah: er war Staatspfeiler und Bote 
feines Vaters und abſoluten Herrſchers und diente 
ihm unermüdlich, aber er ſelbſt war Volksfreund, 
er geleitete die Seelen in die Unterwelt und war 
der Gott der Beredſamkeit. 

Schlafender König: Des Volkes Beredſamkeit 
hat bisher noch keine Wunder vermocht. Und wie 
erkennſt du dem Volk zu, als Merkur die Seelen 
zum Acheron zu geleiten? — 

Daemon: Wenn ſeine Beredſamkeit nicht Wun— 
der vermöchte, fo würdet Ihr nicht fo ängſtlich 
ihm den Mund verbieten; — und die Seelen führt es 
zum — Acheron: wie der Götterbote wirft es den 
Strick dem um den Hals der nichts vermag, feſt— 
gerannt im Begriff, wie Stein. Der aber dem 
Volk die Zunge löſt, und dem von der Erde ſich tren— 
nend es wehmüthig ſchmeichelt: „Du gehſt und 
läßt uns in Sorgen und Trauer zurück“ 
zu dem der Herrſcher dann wieder ſagt: „Nicht 
aus Luft gehe ich dieſen Weg, ungern ſcheid 
ich von dir, doch es iſt mein Loos alſo vom 
Verhängniß beſtimmt; du denke aber mein 
im Gebet“, — zu dem wird das Volk dann ſa— 
gen: Immer war Gott dein Helfer! — Dieſe 
innigen Wechſelreden zwiſchen Euch beweiſen, das 


144 


Volk fei nicht weniger beredſam als du, und daß 
es wie der Götterbote die Seele zur Unterwelt ge— 
leite und den Strick um den Hals werfe ſeinem 
Verläugner, aber mit ſeinem Segen zurückgeleite 
ſeinen Retter angehaucht von der Sonne auf ſchat— 
tigen Wegen des Lorbeers. 

Schlakender König: Du verherrlichſt das Volk 
mit allen Göttereigenſchaften deines Vergleichs, aber 
läugne auch nicht ſeine zweideutige Natur, in der 
Liſt täuſchender Ueberredung und ſchadenfroher Luſt 
zu vergöttern, zugleich auf Schleichwegen der Ver⸗ 
läumdung ſchlittſchuhlaufend! Läugne nicht das 
göttliche Talent des Uebervortheilens der Verſtellung 
und falſcher Auslegung ſeiner Eide, die auch dem 
Merkur die Verbannuung aus dem Dlymp zuzo— 
gen, wo er die ſchmutzige Rinderheerde mußte 
hüten um gar geringen Lohn und, wie mir nun 
einleuchtet, Vater und Schützer war des pfiffigen 
Volkes. 

Daemon: Und läugne du nicht die göttlichen 
Anlagen der Treue die dein Volk in dieſer Wüſte 
dir bewahrte und daß die dir näher gehen als der 
Kammern Vermittlung auf dem Tüpfel des I's 
auf dem ſie verſteint ohne Strick um den Hals; 
und läugne nicht des Abſchieds rührende Gewalt im 
Volksſegen der dich begleitet, und deine Unſterblich⸗ 


145 


keit nicht geſchieden durch irdiſchen Tod, niederthau— 


end auf dein Volk, wie der Abendthau es reini⸗ 


gend vom Staub der Erde, wie der Morgenthau 
es erfriſchend: — und vom Morgen bis zum Abend 
duftet es ſeinen glühenden Geiſt in die Sonnenlüfte 
deiner verklärenden Bahn! 

Schlakender König: Du ſagſt Unendliches, wie 
die ſchnaubenden Winde an mir dahinfahrend, daß 
ich mich vor ihnen decken möchte, — dann ſanft mic 
an die Bruſt ſpielend, daß das Herz voll Thränen 
mir ſteigt. — Dann dies Hohngeſäuſel im Nacht— 
ſchauer! — — Doch dieſe Stimme — iſt ſie die 
meine? — ſeufzt und raſt ſie aus mir ſelber nicht 
hervor? — iſt es mein Geiſt dort in der Ferne, 
der heranbrauſt auf mich, — auf mein Denken, 
auf mein Wollen und Streiten mit dir? — Du 
biſt treulos. 1 Anmuthvoll wie die Mutter dem 
Kind, ſchmeichelſt du mir, daß ich ein liebend Seh— 
nen wähne in deinem Flüſtern, — ein Anbau: 
chen wie von zitterndem Gefühl dich herüber zu la— 
den in meine Seele. — Es ſchmilzt das Erz in 
meiner Bruſt, — dein Feuerauge ſprüht mich 
an. — Dann wars die Thräne nur im Mond— 
glanz! — Und aufgelöſt im Wind dein Haar das 
mir die Wange ſtreichelt, — ſtreifts nicht dort über 
die Haide — über die Gipfel hinweg, wo Echo 

10 


146 


herüber ſchreit, es ſei alles mir aus der Seele ge: 
redet? 

Daemon: Echo! — ja Scho deiner Ueberein⸗ 
ſtimmung mit dem Weltengeiſt: er wiederhallt aus 
dir was du als Fremdes vernimmſt. 

Schlakender König: Nur Licht in meinen 
Kämpfen für die Menſchheit, wie Ajax in der 
Schlacht, meinen regierenden Stern zu begrüßen; 
denn es iſt mit der Fahrt der Völker wie zwi— 
ſchen Felsklüften die immer enger ſich einbauen: die 
trüben Waſſer murren zwiſchen Bergkerkern unauf— 
haltſam mit den drängenden Schiffen hinab in den 
Schlund den die Tiefe öffnet. 

Daemon: Aber der kühne Schiffer umſteuert 
die Felsecke, und Himmel und Fluren und heitere 
Wohnungen der Menſchen breiten ſich aus, indeß 
im Herzen das wie ein altes finfteres verlaſſnes 
Bergwerk keine Schätze mehr zu Tage fördert, lange 
Sternröhre blaſſe ferne Sternbilder auffangen; über 
deſſen Einfahrt böſe Wetter und Blutgüſſe zu ihm 
hinabrinnen ſtatt Freiheit und Religion und Wie— 
dergeburt. 

Schlalender König: Die Sternröhre ſammeln 
das Licht der Kirche über dem trauernden Herzen, 
und die Blutgüſſe die zu ihm hinabrinnen opfert es 
dem Gott der die Seelen vom Verbrechen reinigt. 


147 


Daemon: So lange die Kirche nicht durch den 
Geiſt iſt wiedergeboren, ringt ſie in Finſternißen, un⸗ 
reif im Leib getragen vom Haufe Jacob'). Der 
Geiſt ſoll ſie reifen den Völkern, ſagt der Prophet; 
und Könige ſollen ihrer pflegen und Fürſten ſol— 
len der Völker Säugammen fein, die Völker fol: 
len geſäugt werden von den Brüſten der Könige, 
ſie ſollen Mutter und Vater ſein dem Volk und 
wie die Mutter ihr Leben einſetzt für des Kindes 
Leben, ſo ſollen die Könige mit eigner Gefahr der 
Freiheit Kirche bauen zur lauteren Nahrung dem 
Volk. — Paulus ruft ſeinen Gallatern zu: „Meine 
lieben Kinder die ich mit Angſten gebäre!“ Gleich— 


wohl treibt ihn ſein heftig Weh, daß er laut ſchreit: 


„D Ihr Unverſtändigen, wer hat Euch verzaubert, 
daß Ihr der Wahrheit nicht gehorcht!“ — Der 
Gemeine zu Corinth ſchreibt er „Milch habe ich 
Euch zu trinken gegeben!“ und den Hebräern: „Ihr 
bedürft daß man Euch Milch gebe.“ — Sind aber 
unter Euch ſäugenden Müttern des Volkes nicht 
ſolche die ihren Kindern einen Scorpion geben ſtatt 
der Milch liebender Weisheit? — Wie werden 


die ſich verantworten die ihre Geſetze mit Menſchen— 


) Jeſaya: 48. 


10 * 


148 


blut ſchreiben und die Säuglinge ihren blutigen An: 
ſchlägen hinopfern ? 

Schlakender König: Gegen was kannſt du die— 
ſen daemoniſchen Unſinn nur aufbringen? 

Daemon: Gegen die frivolen Vergehen an des 
Volkes Ehre, an ſeiner Natur und der im Blut 
der Nationen modernden Geſchichte. 

Schlakender König: Was find dieſe empören— 
den Vergehen an Ehre und Natur und Blut der 
Völker? 

Daemon: Vielleicht unter Anderm — Euer fri— 
voles Kriegführen. 

Schlakender König: Wie? — Hat das auch 
Sinn?. — Welche Kriege bezeichneſt du als frivol? 
und welcher Troſt wärs dem Staat, den eignen 
Leib zu zerfleiſchen? 

Daemon: Alle Kriege gegen Volksempörung 
ſind frivol. 

Schlafender König: „Gerechtigkeit war mein 
Kleid und mein Recht war mein fürſtlicher Hut. — 
Ich zerbrach die Backzähne des Ungerechten und 
riß den Raub aus ſeinen Zähnen. Ich war des 
Blinden Aug und des Lahmen Fuß, und welche 


Sache ich nicht wußte, die erforſchte ich.“ ) 


*) Hiob: 29. 


149 


Daemon: Du fagft es: und dein blindes Aug 
erkannte nicht die Wahrheit, und dein lahmer Fuß 
kam zu ſpät um das Lamm dem Wolf zu entrei— 
ßen. Aber die Boten des Jammers meinen, du 
habeſt auch taube Ohren; und die ſich rüſten wi: 
der ihre Verfolger, wollen bezweiflen ob du den 
Willen habeſt des Gerechten und Verſtändigen; 
und ſo du ihn haſt, ob er nicht von deinen Heuch— 
lern als erſtes Opfer geſchlachtet werde ihrem 
Verrath. 

Schlakender König: Rede bezeichnender, wenn 
du Vorwürfe haſt! — 

Daemon: O Fürſt: warum hat dein fürſtlicher 
Hut dir nicht auch dein Recht gedeckt, ganze Na— 
tionen aus den Zähnen zu reißen ihrer Mörder? — 
Warum haſt dur fie nicht deiner Machtvollkommen⸗ 
heit gerettet — um aller Herzen Gemeinſchaft in das 
Geſchehen deiner Tage einzuweben mit dem Glanz 
ihrer Majeſtät, — des Troſtes, des Mitleids Quel— 
len ſammt den Feuergüſſen des Heldenthums zuſam— 
menſtrömend in der Hoffnung aller Völker zu dei— 
nen Füßen? — Das Weib in der Offenbarung, 
prächtig umkleidet mit der Sonne, ihre Füße ru 
hend auf dem Mond, ihr Haupt funkelnd unter ei— 
ner Krone von zwölf Sternen! — ſie geht ſchwan— 
ger, — ſie ſchmachtet in Kindsnöthen, ſie ahnet den 


150 


lauernden Drachen der ihr Kind verſchlinge. — 
Was iſt die Majeſtät der Könige? — Mutter⸗ 
angſt, durch Sorgen, Schützen, Retten und Opfern 
ihren Glanz ausbreitend und ihre Macht über die 
Völker. — Zwölf Sterne — wie herrlich funkelnd 
über deinem Haupt, wenn jeder ein geſchütztes, ein 
gerettetes, ein angefeuertes; ein verſöhntes Volk dir 
ſpiegell. — Und haben ihre Stimmen nicht alle laut 
geſeufzt — wehmüthig? und geſchrieen — ſchauerlich 
und boffend und verzweiflend und ſchauervoll wi— 
derhallend? und hinabgeſchallt in das finſtere Berg— 
werk durch jene Sternröhre, mit denen du der wah— 
ren Kirche Stern vergeblich ſuchſt? — Haben ſie 
nicht friſche Adern angeſchlagen des reinſten Goldes 
königlicher Treue, — hell erklingend auf erznen Stu— 
fen deines Ruhms? Warum hat ihr Glanz ſich 
gedämpft und durch das Blut der Völker wadend 
bis hinan zu deinem Thron ſeine Stufen mit blu— 
tiger Ferſe bezeichnet? Warum läſſeſt du in dieſem 
Blut den mütterlichen Glanz deiner Majeſtät erlö— 
ſchen? und den abgerißnen Lorbeer zuſammen bin— 
den — unbarmherzig zur Geißel dem verſammel— 
ten Volk zu deinen Füßen das Anderes von dir er— 
wartet hatte. — 

Schlakender König: Und doch — was auch 
des Volks Erwählte für es erſtritten, es verſagte 


151 


feinem Heil. Im böfen Willen gegen ſich ſelbſt 
ſchwirret es umher, wir Feldteufel die einander be: 
gegnen zur Wüſtung des Landes: ſie ſchwören daß 
die Heere des Himmels ſollen verderben, und ſel— 
ber — Igel und Drachen, Strauße und Kobolde 
wollen fortan das Land regieren, und die Majeſtät 
der Könige ſoll welken wie das Blatt am Wein: 
ſtock welkt. — So ſpricht Jeſaias dem der Ges 
raph mit glühender Kohle die Lippen hat gereinigt. 
„Es iſt verzehrend Feuer im Herzen des Volkes, 
es trinkt die Hefe des Taumelkelchs, und ſein 
Schwert iſt trunken vom Fluch des entheiligten 
Landes.“ — | 

Daemon: Wilder Schmerz macht ſchweren Ser: 
thum. — Qualen die nicht tödten, reifen die Em— 
pörung, und die Gewalt die überall Dornen ſäet, 
düngt den Boden dazu. Volksverachtung — die 
zermalmt den Herrſcher. Aber der machtvollkommne 
Geiſt wandelt in Geiſtestreue die Empörung — 
und dies iſt Lebensaufgabe dem weiſen Herrſcher 
der einſt auf ſieben Fuß beſchränkt wird ſein, die 
einen Leichnam halten. 

Schlatender König: Mach mich nicht wahn— 
ſinnig mit deinen Pfeilen, ſo dicht mir am Ohr ab— 
geſchnellt. — Willſt du die Zeitenhallen wanken 
machen? und Altäre verſchütten auf die wir Ge: 


152 


lübde niederlegen Gotteingeborner Herrſcherwürde? 
Willſt du der Welten Ende herbei zerren? Was 
iſt ein Fürſtenleichnam? — Er iſt die ſtarke Wur⸗ 
zel immer, aus der ſein hoher Stamm im Schmuck 
des jungen Grün die Herrſcherkrone emporträgt! 

Daemon: Gotteingeborne Herrſcherwürde be— 
ſpritzt im Kampf mit Völkerblut. — Streu Aſche 
ihr aufs Haupt; ſie haben ihr die Stirne befleckt! 

Schlakender König: Und ſollte fie ihren Schimpf 
nicht rächen? 

Daemon: Herrſcherwürde die ſich nicht rächen 
will iſt unantaſtbar, weil, der ſie beſchimpft, ſich 
ſelbſt nur in ihr verwundet. Königswürde iſt an: 
deres als das Racheſchwert halten über des Ge: 
feſſelten Haupt. — König iſt Ideal der Volksge— 
ſammtheit, das zeigt was das Volk vermag geſtützt 
von einem Mann, und was ein Mann vermag 
getragen von dem Volk. — „Weg du Traum fo 
gold du biſt!“ — Ihr werdet fortfahren zu hem⸗ 
men, zu verbieten, zu verordnen, jeden freien Athem⸗ 
zug zu verpönen und hinzurichten; und dieſem klein— 
lichen Verfahren das nicht zeugt von Macht aber 
von Ohnmacht, wird der Stellvertreter des Ideals 
einer Nation zum Opfer fallen. — Kleinlich iſt 
dies Wettern und Schmettern des Kriegs den Geiſt 
der Verſöhnung nicht begreifend; kleinlich der 


153 


Siegstriumph über vergoſſnes Blut von Henkers— 
hand das Ihr den Verſtand nicht hattet Euch zu 
retten. — Was habt Ihr mit der Erde gemacht? — 
Was mit der Völkerzukunft? Was mit Euerer 
Zukunft? — Jedem Blutstropfen der den Rache— 
göttern fließt, entſprießen der Zwietracht Drachen— 
häupter. — Und die Säuglinge die verſchmachten? — 
Und die Unmündigen die zu den Müttern ſprechen: 
wo iſt Brod und Wein? und wo die Speiſe des 
Unterrichts? — Und die Verzweiflung welche 
ſchreit: gebt mir den Gnadenſtoß! — — Aber 
wann lächelte je die Fürſten Erbarmen an? — 


Schlafender König: Und wann hört je mein 
Schmerz auf zu klagen um mein abtrünnig Volk? — 
D daß meine Augen Thränenquellen wären, Tag 
und Nacht zu beweinen die Erſchlagenen in meinem 
Volk! — Aber des Herrn Zorn iſt ein Dreſchwa⸗ 
gen der die Berge zu Spreu zerſtäubt; und ſeinem 
Schwert ſind wie Staub, ſeinem Bogen wie 
Stoppeln, die Völker die den Eid der Treue haben 
gebrochen. 


Daemon: Haben ſie der Treue Bund gebrochen, 
ſo waren ihre Eide erſtorben, denn Treue iſt lebend 
im Gewähren und Verlangen deſſen worauf ihr 


154 


Eid ſich gründet. Sonſt iſt er gleich dem winter: 
lich untergelegten Weinſtock den man verſäumte im 
Frühling wieder aufzurichten. Wenn nun die Zeit 
kommt Trauben zu leſen, ſo hat er keine Früchte, 
weil Luft und Sonnenſchein ihm abgingen zur Zeit 
des Wachsthums. 


Schlakender König: Was könnte dem Volk 
abgehen an Erleuchtung des Allgemeinen, an Weis: 
heit und Pflege dem es nicht ſelber widerſacht? 


Daemon: David, als ihm zu Ohren kam daß 
die Gemeine von Jabes den ermordeten und be— 
ſchimpften König begraben und beweint hatte, ließ 
ihnen ſagen: „Geſegnet ſeid Ihr dem Herrn, daß 
Ihr ſolche Barmherzigkeit an Eurem Herrn Saul 
gethan und ihn begraben habt. Der Herr thue 
Barmherzigkeit an Euch und ich will Euch Gutes 
thun.“ Das Volk, erleuchtet durch den Segen Die: 
ſer Rede, heiligte ſich fortan im Wohlthun an fei: 
nen Königen. 


Als der große Schlachtenlenker Ruſthm mit 
ſeinen Heeren über die Gebirge von Sabul herab— 
gezogen kam um die gefallnen Streiter zu erſetzen, 
und ihr Anführer den Reinen erblickte, ſtürzte er 
in Unkraft nieder. Da legte Ruſthm des Helden 


155 


Haupt fi) an die Bruſt, und der Geneſene ſagte: 
„D Edler, als ich dein ſchönes Antlitz ſah und 
deine Liebe, da übernahm mich der Schmerz um 
Alle die es nicht mehr ſehen werden; und ich ſtürzte 
in Ohnmacht nieder.“ Ihn tröſtete Ruſthm, und 


das Heer umgab ihn — er wehklagte mit ihnen 
um die edlen Streiter deren Blut die Ebne getrun— 
ken hatte, und weinte um ſie. — „Gott ſei ge— 


dankt“ ſprachen da Alle, „daß du gekommen biſt 
die Völker zu verſöhnen, denn dir beugen ſich 
Alle!“ 


Alſo würdigte der größte Held des Aufgangs 
die Völker, und ſie ſtellten von ſelbſt ſich unter 
den vollblühenden Baum ſeines Schutzes, um 
Freiheit und Liebe und Treue gegenſeitig. Das 
Volk aber das nicht betraut wird von ſeinem 
Herrſcher, und dem es nicht wieder darf vertrauen, 
und nichts weiß von ihm und von ihm nicht ver— 
ſtanden wird, ein ſolches iſt für die Eide der Treue 
nicht verantwortlich! Und die Fürſten die das 
Regiment in Händen halten, die kannſt du nicht 
frei ſprechen. Denn weil ſie die Macht haben, ſo 
ſoll ſie nicht von ihnen geübt werden. 


Schlakender König: Wie iſt das begreiflich? 


156 


Was ſoll Macht, nicht ausgeübt an denen die ihr 
das Meſſer an die Kehle ſetzen? 

Daemon: Du haſt fo viel dich deiner Macht: 
vollkommenheit geachtet und warſt doch ihrer nicht 
bewußt. — Gewalt iſt Sclave der Schwäche, ſie 
flucht dem Volksverrath und hat doch nicht Geiſter— 
hände ihn zu bannen; ihre Diener find Uebelaus— 
brütende Harpyen. Was iſt Machtvollkommenheit 
ſolchen Dienern überantwortet, die alles Mißlingen 
mit der Gewalt decken? — die das Volk verach— 
ten, weil ſein Geiſt ihnen nicht unterthan iſt? 
Machtvollkommen iſt nur Geiſt der den Geiſt durch— 
dringt. — Nationen find tauſendfältiges Abbild 
vom Ebenbild Gottes; — und Könige — jemehr 
aus Machtvollkommenheit hervorgehend, je durch— 
drungner auch vom Geiſt der Nationen. Scheint 
dir dies wahr? — 

Schlakender König: Wahr? — Wie ſoll ich 
dies bezeichnen? — Es ſcheint mir zauberhaft. — 
Da ich dem nicht kann widerſprechen, was doch 
bisher in meinem Begriff nicht lag. Und jetzt 
plötzlich kann ich die Wahrheit nicht mehr läugnen 
von dem, was ich nie vorausgeſetzt haben könnte. 
Wie Geiſtererſcheinungen auch nur dann geglaubt 
werden, wenn Geiſter ſich ſichtbar machen. — Und 


157 


dann ſelbſt find wir unentſchieden, ob es nicht Trug 
fein könne. Ich ſehe was du fügft, — ich fühls 
im Wallen meines Blutes das vorwärts eilt über 
den eignen Begriff hinausfluthend. Ja, wahr iſts, — 
aber ferne in jener Dämmerung liegt es meinem 
Blick, wo wir die Berge nicht unterſcheiden von 
dem Himmelsblau und die Eilande nicht von den 
Wäſſern. ü 

Daemon: Was dich bewegt, es rührt dich an 
wie Sonnenflammen an denen der Aar ſein ſchwarz 
Gefieder durchglüht, der hinauf ſich ſehnt in die 
Sphäre ſeiner Exaltation — Laß mich reden, denn 
nicht leicht kommts noch einmal mir auf die Zunge. 
— Eins iſt des Andern Lebensquelle, jedes hängt 
vom Andern ab, wie von der Mutter das Kind 
abhängt; jedes iſt volle Schöpferkraft des Andern. 
Hat das Volk ein Naturgepräg, ſo hat es auch 
einen Charakter der ſelbſt in den heimathlichen Ge: 
wittern ſich entladet, der in der Natur mit athmet 
in feinen Strömen, in feinen Fluren und Wäldern. 
und Bergen und in den Sternen über ſeinem 
Haupt. — Dem Einen die weite Ebne, dem Andern 
die engen Felskammern; dem der vede Meeresſtrand 
und jenem wieder die fruchtbaren Ufer der ſüßen 
Wäſſer; kalte und warme Zonen, alle von Men— 
ſchen gleich geliebt, — die Sinne eingenommen jedem 


158 


von dem Land, ihm das edelſte worin er geboren. 
Er tränkt es mit ſeinen Thränen, — trunken taumelt 
er von Wehmuth, wenn er es verlaſſen muß, an— 
gehaucht von der Natur, die mit ſeelenlehrender 
Redekunſt in lauten Aſſonanzen das Vergangne an 
ſeine ganze innere Zukunft bindet; ihr Mund iſt 
die Pforte der die Geiſter entſchweben die immer 
wieder zu derſelben Kühnheit ihn entflammen fürs 
Vaterland. — Heimathsgefühl — Wiegen an der 
Mutterbruſt! — Natur — ſinnlich mitlebend, und 
auch Göttliches, Sinnedurchdrungen. Wie Gott 
Daſein hat im Schoß der Natur, ſo hat 
der Herrſcher Daſein im Volk. Wie iſt es nun, 
daß Eins das Andre verletze? — Du zerfleiſcheſt 
die Bruſt der Mutter und wirfſt ſie nieder an der 
ſcharfen Schwelle deines Zorns, du ſetzeſt ihr den 
Fuß auf den heiligen Leib, du ſpeieſt ihr deine 
Wuth ins Antlitz und lachſt ſchadenfroh ihrer, 
ſo niedergeworfen und zerſchmettert in ihren Kindern 
die deine Brüder ſind. 

Schlakender König: Herrſchermacht en Na⸗ 
tionen die in ihr aufathmen und ſtark werden im 
Vertrauen auf ihren gerechten Willen. 

Daemon: Volk und Vaterland begreifen ſich 
einander, aber der Herrſcher der wie ein nebelnd 
Meteor am Himmel hinzieht und das Wettergewölk 


159 


über die Haide wälzt, begreift ſich nicht in beiden. 
— Daß Einer für den Andern in den Tod gehe, das 
beweiſt gemeinſames Anrecht aneinander — der Na: 
tion und des Vaterlandes. Seine Helden laſſen 
nicht an der Kette ſich leiten, denn wie den Göt— 
tern iſt Freiheit ihnen Nothwendiges, und ſie reißen 
gewaltig in das Feuer ihrer Entſchlüſſe hinauf; mit 
Himmelskräften ausgerüſtet bewegen ſie die Welt, 
und nur Weisheit hat die Kraft der Vermittlung 
mit ihnen. Und wenn die Noth die nie Gehör 
fand bei Euch, plötzlich wie ein fliegend Schiff 
aus dem Hafen des finſtern Winters über das ſtür— 
mende Meer dahinſchweift um an blühender Küſte 
zu landen, ſo nenne das nicht Verrath — aber die 
Kraft der Nationen deren innerer und äußerer Adel 
darauf beruht die Stufe zu erſchwingen auf der ſie 
nie ſich empört haben würde. 

Schlakender König: Sie würden ihre Beherr— 
ſcher um dreißig Silberlinge verkaufen, wären ſie 
deſſen mächtig. 

Daemon: Weil es die Kraft der Ueberwindung 
in ſich trägt, woltet Ihr es zu Sclaven machen? 
Wohin die Natur den Baum pflanzte, da wächſt 
er nach ſeiner Höhe und breitet die Zweige aus 
in ſeine Blüthe; wer ihn aber von der Erde ent— 
blößt und Gift an ſeine Wurzeln leitet, der will 


160 


daß er verdorre. Wenn mitten im Vaterland eine 
Nation nicht gedeiht, ſo iſt ihr Gift zugeleitet. Die 
Natur kann aus einem Saamenkorn ein ganz Ge— 
ſchlecht erziehen, aber Nationen vertilgen kann nur 
der Feind des Vaterlandes, und dazu ſind ihre gei— 
ſtigen Anlagen ihr eingeboren ſich zu erheben über 
ſich ſelbſt; ihr darf der Beherrſcher nur mit Ehr— 
furcht nahen, der freien Kraft freie Entwicklung fi: 
chernd. — Oder er muß an die Bruſt ſich ſchla— 
gen und bekennen: Ich habe geſündigt wider den 
heiligen Geiſt der Nationen und war mit Leib 
und Seele des Teufels, denn ich habe Tyrannen 
die Hand geboten, auf überraſchen Wegen der Bos— 
heit beizukommen ihrem mächtigen Wachsthum. 
Abergläubig hab ich ihr angedichtete Laſter ver— 
folgt und ihrer großen Männer ſie beraubt die 
der Schutz waren ihrer Verwaiſung. 

Schlakender König: Was erdichteſt du für 
daemoniſche Gräuel? — Eine Nation vertilgen —, 
das Gepräg der Schöpferkraft in ihr vernichten —: 
dieſe ſtumpfen Pfeile prallen ab an mir! 

Daemon: Dieſe Gräuel, ſie mahnen dich, wie 
nur der höhere Menſch den niedern kann empor— 
tragen, aus dem Grabe des Elends auf den Pfad 
der unbefleckten Ehre. Die erhabnen Opfer die 
den geliebten Boden mit ihrem Blut tränkten, ſeine 


161 


Fülle und Glanz hinopferten, blos um den geweih— 
ten nackten Boden, blos aus brünſtiger Begierde 
ſeine Luft zu trinken: die lehren jetzt dem Volk 
auch dieſem Boden ſich entreißen, um nicht ge— 
zwungen wider ihn ſündigen zu müſſen. Erkenneſt 
du dies nicht erhaben über den Triumph ihrer 
Befieger? | 
Schlakender König: Erhaben mag es ſcheinen 
dem der mit der Begeiſtrung Fackel in dieſen 
Traum hineinleuchtet, aber die Berſerkerwuth er— 
grimmter Völkerſchaften die Gelübde brechen ihren 
Herrſchern — die beleuchtet deine Traumfackel. 
nicht. — 
Daemon: Wenn ſie Gelübde brachen ihren 
lüberwindern, fo haben dieſe fein beſtes Blut ihm 
abgeleitet an der heißen Wuth ungerechter Ur— 
theile! Warum iſt der verachtet der ſie vollſtreckt? 
Warum taucht er nicht in dieſelbe Schüſſel mit 
Euch? — Hat doch Chriſtus mit ſeinem Verrä— 
ther in dieſelbe Schüſſel getaucht! — übt er etwa 
Verrath an Eurer Ehre? — Wo dürfte des Hen— 
kers Fuß fürſtliche Gemächer betreten? Wo dürfte 
er die blutigen Fäuſte gleich nach vollbrachtem 
Abſcheu der Natur in Eure Schüſſel tauchen? — 
Daß er ſich dazu hergab, das hat ſeine Seele 
umd ſeinen Leib geſchändet vor dem fürſtlichen 
11 


162 


Mond der über der kothigen Erde hinter lügen— 
den Wolken dahinſchifft über dem weiten Grab, 
dem eine unehrliche Hand die Biſſen zuwirft. 
Wär es nicht beſſer, der Mond ſelber unterzöge 
ſich der Hinrichtung ſeiner Opfer? — oder — 
meinſt du der Gräuel trat ihm zu nah? 

Schlakender König: Verwunde nicht mit dei— 
ner Erbitterung die duldende Sanftmuth, die fo 
lange trägt als fie nicht ſlrafen muß, und ſchreibe 
lieber den Abſcheu vor dem Vollſtrecker der Strafe 
dem Widerwillen ſie verhängen zu müſſen. Die 
Schickſalswolke brauſt ihre Gewitter mitten in den 
Sonnenſchein und durchwettert auch den, deſſen 
Willen ſie in ihren Donnerſchlägen entladet. Mehr 
will ich hierauf nicht erwiedern, der Schuldloſe 
läßt die Beſchuldigungen auf ſich niederregnen fei, 
ner Handlungen, die zeugen ſollten für ihn und nie 
Sieger werden können über den böſen Willen ſei— 
ner Widerſacher. 

Daemon: Wer in Gott und der Natur ſich 
heiligt, vor dem ſtürzt zuſammen was wider ihn 
iſt. Er iſts der die Nationen dienend erhöht. — 
Das Leben deſſen der in ſeine Hand gegeben iſt, 
hält er als einen Schatz göttlicher Habe. Derſelbe 
von den Geſetzen als Verbrecher bezeichnet — auf 
den legt er die ſegnende Hand und erfühlt in ihm 


163 


die gottgeſchaffne Seele mit Flügeln die fie viel- 
leicht noch nie verſuchte. — Sorgenfrei verſam— 
meln ſich die Völker um ſeinen Thron, denn ſie 
ſehen nichts als Gutes von ihm; Verſtand komm 
durch ihn in die Welt, ſeine Schöne ziert die Erde, 
ſie wird wie er es verlangt. Anders iſt, — dem 
Erbarmen das Herz abgewendet, — der phyſiſche 
Wahnwitz des Blutvergießens, ausſtrömend in alle 
Welt den Märtyrtod der Nationen. — Auf allen 
Straßen wo ihr flüchtiger Fuß ſich hinwendet, die 
reinen Helden umzingelt von der Feigheit ihrer 
Verfolger. f 

D laß mich Athem holen — wie ſoll ich den 
Schleier vor dir lüften daß nicht Ohnmacht deine 
Stirne beflecke, wenn alle die grauſenhaften er: 
thümer plötzlich dir ins Auge ſpringen — die bö— 
ſen Leidenſchaften in Fieberwuth ausbrechend wie 
hungrige Wölfe, — Alles gedeckt mit dem Man: 
tel chriſtlicher Religion. — O wohl, daß es noch 
Leidenſchaften ſind die Euch dahin bringen, denn 
fonft wärs der Teufel; denn ſonſt wärs die Bos- 
heit, nackt und frei von allem Menſchlichen. 

Weißt du der Jude der dem Schuldner ein 
Pfund Fleiſch wollte ausſchneiden, ſelbſt wenn es 
mit ſeiner Seele ſolle aufgewogen werden. Da 
ſprach der Richter: Fleiſch kannſt du nehmen, 

1 


164 

aber Blut darfjt du nicht vergießen und mehr als 
ein Pfund darfſt du nicht nehmen. Da mußte 
der Jude ablaſſen vom Schein des Rechts. Wem 
aber unerleuchtete Geſetze ins Fleiſch ſchneiden dem 
Unmündigen der alles Troſtes baar, rachgierigem 
Blutdurſt fortan ſich hingiebt, ſtrahlt da nicht 
göttliche Weisheit in dich: du ſollſt die Geſetze nie: 
derſchlagen die deinen Stern verdunkeln, und die 
Macht deiner Verheißungen ſollen klar hervortre— 
ten aus ihrer Verſchattung? — 

Schlakender König: Die übereilende Gefahr 
läßt nicht durch, anderes ſich abwenden als was 
dem Königsberuf zur Hand liegt: Kriegszucht ge— 
gen den Meuterer und Geſetze die den böſen Wil— 
len in der Furcht halten. | 
Daemon: Der Muthige empört ſich nicht der 
Gefahr, er hält ſie gelaſſen in der reinen Hand 
und ſauftmüthig entwirrt er die Geſchicke. 

Schlakender König: Alle Erkenntniß über Lei: 
tung meines Volks weicht ab von dein zu was 
die Ungunſt des Schickſals mich zwingt. In Ein: 
tracht mit ihm, billig und beſonnen, gedachte ich 
den Grund zu legen ſeiner freieren Behandlung 
und zugleich der Demokratie, die nur ſich für die 
einzig vernünftige Regierungsweiſe hält und jede 
Herrſchaft des Einzelnen als Tyrannei verurtheilt, 


165 


entgegen zu treten, als ein Fürſt der in der Hei: 
math die Freiheit zwar pflegt, nach Außen aber, 
unter monarchiſcher Herrſchaft den Kriegsſtaat im 
Friedensſtaat widerholend, auf demſelben Grund 
mit ihr ruht. 

Daemon: So warſt du vom Volk auch er: 
kannt, tapferer Schirmherr, Prieſter-König göttli— 
cher und ſittlicher Lehre, im Glanzlicht der Milde, 
erhoffte das Volk von deiner Weisheit gütevollen 
Beſcheid feiner Zukunft. Du aber haſt ſein Zeug⸗ 
uiß verworfen und deinen hohen Beruf, feurig einſt 
von dir erfaßt, hat dein zwieſchlächtiger Sinn die 
entleidet. Gleich Adam warſt du gewillt zu Gött— 
lichem; der aber hat der Schlange ſein Ohr gelie— 
hen und ſo iſt Teufliſches daraus entſtanden. Er 
gedachte nicht wie es ſein werde, wenn ſein Wille 
wider den göttlichen Willen ſich behaupte: daß 
dies das centraliſche Feuer in ihm erlöſche. So 
kann auch der Mondſchatten bei Sonnenfinſterniß 
dahinfliehend, keines Erfolgs ſich ſichern, wenn 
er grünmig ein Volk nach dem andern verdun— 
keit. — 8 

Schlakender König: Nicht der Grimm des 
Herrſchers, aber der Zorn Gottes der über Iſrael 
einſt brannte, vertilgte die Völker in ihrer Bosheit, 
wie Moſes und die Propheten uns lehren, daß er 


166 


in feiner Feuersmacht drohte, er wolle fie alle 


auffreſſen. 
Daemon: 


Der Stachel abſoluter Gewalt iſt 


freilich der Zorn Gottes; der aber iſt nicht das 
Centrum der Liebe, das Gott ſelber iſt. Er prägt 
ſich aus in die Abgötterei die den wahren Gott 
verkennt, in den Geiſt der Raſerei, in den Zerſtö— 


rungshochmuth 


gegen göttliches Erbarmen. — 


— —— — — — — m — 


Lücke eigener Cenſur, 


167 


Es iſt die Todesqual des eignen Willens der 
dem göttlichen Ebenbild abſtirbt, wenn er noch 
vor Einbruch des jüngſten Gerichts den Zorn 
Gottes über ſich nimmt und durch Kriegszucht 
zuſammengekoppelte Sclaven zwingt zur Hinrich— 
tung ihrer Brüder. Frage einen, ob ers laſſen 
würde, wärs ihm frei geſtellt; und iſt er nicht 
Sclave der Furcht, jo wehrt er ſich, aus einem 
menſchlichen Keim ein teufliſches Thier zu wer— 
den das aus dummer Blutgier ſeinen Bruder 
mordet. 

So widerſpricht im Werkzeug deiner Gewalt 
ſelber dir ein göttlich Prinzip das du erſt in ihm 
mußt ertödten, ehe es deinem Willen ſich fügt. 
Geſteht er daß die Todesſchauer ihn überrieſeln, 
wenn er auf Kommando das Gewehr abfeuert 
auf des Kameraden Herz, daß ſeine Gebeine wan— 
ken nach vollbrachter That und Brantwein muß 
ſchlucken und nicht darf denken, weil ihm dann 
Fragen ins Ohr tönen — und nicht lachen, weil 
ein Fluch aus den Lüften ihm widerhallt? — wie 
kannſt du dann noch gegen ſeinen Willen ihn 
zwingen, Gottes Ebenbild im Bruder zu verläug— 
nen? — Mit der Gewiſſensfolter im Herzen das 
früher unbefleckt war, ſchwört er ihm ab, heim— 
lich voll bitterer Galle: „Fänd ich den Augen: - 


168 


blick da ich rächte was mir das Herz abſtößt! — 
den Bruder den ihr durch meine Hand habt ge- 
tödtet und ſein blutig Haupt mit dem Schleier 
des Geſetzes umwunden dargereicht habt dem Vater 
vom Donner gerührt, — der Mutter die ſtumpf— 
ſinnig, vom Jammer den Mund verklemmt um: 
hergeht und nicht hört wenn ich ihr zurede; „D 
Mutter befreie deine Seele vom Trübſinn.“ Sie 
denkt an nichts als nur: „Wo ſind die Gebeine 
meines Kindes? — Sie hört in jeden Windſtoß: 
„Mutter, haft du dein Kind vergeſſen?“ — Ihre 
Augen ſpähen umher nach dem Blutgerüſt, nach 
dem Galgen, nach einſam verbotnen Grabhügeln . 
ohne Wahrzeichen. Sie fragt: „Ob der wohl 
mag dort liegen? — ob er am Galgen ſich 
mußte würgen laſſen?“ — Sie ruft in die Lüfte 
hinaus: „Komm Tod und ſchlag mit deinem 
Hammer auf mein Herz!“ — Das iſts was ſie 
dem Sonnenſchein entgegnet, wenn der ſie tröſten 
will. Im Windſauſen, in der Nacht, lauſcht ſie 
ob das nicht ihres Kindes Stimme ſein mag? 
Da weiß ſie nicht: — „es könnte ja auch des 
Nachbarn Sohn ſein, der iſt ja auch ihm aus— 
geblieben.“ — Oder fort über die Haide ſchweift 
wohl einer übers Feld, den Heerd der Heimath 
ſuchend — und da horcht ſie voll Unruh dem 


169 


ächzenden Sturm: der ſagt ihr nichts als nur ein 
ſchneidend Weh und ihre Seufzer nimmt der Wind 
mit fort. 

Ich könnte mehr dir ſagen, du verſtehſt es 
aber doch wohl nicht oder du längneſt es, weil 
Du wohl verſtehſt wie Du hier weit über das 
vom Geſetz Dir zugeſtandenen Pfund aus dem le— 
bendigen Fleiſch deines Vaterlands haſt geſchnitten 
und Blutstropfen umhergeſprengt die aufgehen in 
ungeheuren Saaten. Langſam kommen ſie herange— 
reift. Drohend ſteht im Zenith ein ſchwarzer Punkt 
am ſchwülen Himmel; immer enger ziehen die Kreiſe 
ſich um ihn, und ehe noch die Erndte eingethan 
war, fährt er wie ein Pfeil von der Sehne abge— 
ſchnellt und verzehrt ſie. 

Schlakender König: Du ſollſt mir nichts ver: 
ſchweigen, denn weil mein Geiſt mir zu hören ge— 
bietet, doch laſſe mich dir entgegnen was ich nicht 
unterdrücken kann, mit dem was Moſes zu dem 
Herrn hat geredet: 

„Erwürge mich lieber, als daß ich noch länger 

dies Volk ertrage das Wohlthaten mit heim— 

licher Feindſchaft vergilt und Gerechtigkeit mit 

Schmach verfolgt; dem die Strenge verhaßt, 

die Milde widerwärtig iſt; das freundlich von 

Angeſicht, von Gemüth aber erbittert, mit Heu— 


170 


chelei mich umfängt und den Fluch err mir 
herſchlendert.“ | 
Aus dieſem tiefen Meer des Vergangnen durch— 
fährt der Moſeseifer noch heut das Mark der Völ— 
kerfürſten, zur Ehre Gottes wider der Völker Ruch— 
loſigkeit. Wie jener Brand den Berg Sinai an— 
flammte bei Ertheilung des Geſetzes, ſo haben Mo— 
ſis Donnerworfe vor feinem Ende in des Volkes 
anhaltender Bosheit ſich entzündet und ſo lange 
forfgeglimmf, bis durch Ankunft der Babylonier, 
Aſſyrer und Römer die mächtig auf Gottes Befehl 
drein geblaſen, ſie in Flammen ausbrach und die 
Republik zum Aſchenhaufen niederbrannte, wozu 
Moſe glühende Weiſſagung die Auslegung giebt: 
„Ihr opfert Geſpenſtern deren keines iſt ein Gott, 
„Ihr ſchlagt aus der Acht den ſtarken Gott der 
Euch zum Volk erzeugte. 
„Der Gott der Euch zur Republik erzog in der 
Wüſte, 
„Der ſagt: Ich will mein Autlitz vor Euch ver: 
hüllen, 
„Da man Euch wird ungeſcheuter Pöbel nennen. 
„Mein Grimm verzehre deine Frucht in der Berge 
Gründen, 
„Deine Trauben ſeien bittre Gall, Galle der Dra— 
chen dein Wein; 


171 


„Mein Schwerdt mache zu freund- und eltern— 
loſen Waiſen 
„Des Landes Jugendſtärke, ſammt Greiſen und 
ſaugendem Kind; 
„Meine Pfeile will ich tränken in ſeinem Blut, 
„Mein Schwerdt ſoll verzehren ſein Fleiſch, 
„Mit der Erſchlagnen Blut will ich den Acker 
düngen ſeiner Feinde, 
„Eure Feinde ſollen einander zurufen: 
„„Fürwahr ein böſes Hausgeſinde! — 
„„Fürwahr mit Recht rächet der Gott der Ver— 
geltung 
„Und ſäubert ganz fein Land vom eignen Volk.““ 
Dieſe Moſisreden erſtrecken ſich bis auf die 
letzte Aſche welche in der Gluth des Tempels zu 
Jeruſalem, Titus ließ zuſammenſcharren und mit 
Thränen benezte, öffentlich bekennend, nicht ſeine 
Hand, ſondern Gottes Zorngericht habe den 
Faden der Selbſtſtändigkeit dem Volk abgeriſſen 
und in das Gewebe der Römer und Mazedonier 
wieder eingeknüpft, bis auf den Trümmern des al⸗ 
ten Bundes das Chriſtenthum ein neu Geſetz erhob. 
Dieſe göttliche Fügung hatte der Geſetzgeber, wohl— 
Eennend das Volk und vorahnend die Verhängniſſe, 
ſelbſt begründet und niedergelegt in ſeinem Penta— 
teuch. Aus Moſis Mund und fenriger Feder hat 


172 


Johannes der Täufer den abgehaunen Baum ins 
Feuer geworfen und Chriſtus ſelbſt das Otternge— 
zücht der Römer Brand übergeben. — Die Apoſtel 
ſammt Johannes bis zum Untergang des Völker— 
gräuels werfen helles Licht auf die ſchwere Hand 
der Geſalbten denen die Geiſſel gegeben iſt über die 
Völker. 

Daemon: D Freund! deine Worte ſchmecken 
bitter dem Mund dem du fie zu koſten giebſt, 
aus dem Abgrund prophetiſcher Bedrohungen, 
ſchöpfſt Du Irrthümer ſtatt erlänfernder Weisheit. — 
Einfach, keuſch und nüchtern, allem Fabelhaften 
abgewendet, in milder ernſter Geſinnung als ge— 
diegner Geſetzgeber ſich offenbarend, gab Moſes der 
Nation Geſtalt und Faſſung und vertraute dem Gott 
mit dem er von Mund zu Mund geredet, — nicht 
in Räthſeln, aber in Wahrheit ihn erkennend. 

Schlakender König: Auch das Chriſtenthum 
anerkennt die prophetiſchen älteſten Urkunden des 
Menſchengeſchlechts, auch die Fürſten vertrauen ihr 
Haus dem Jehova der das Wunderbare früherer 
Ereigniſſe heute durch größere Wunder überbietet 
und aus verworrnen Zeiten, ſpäter das Vertrauen 
zu glanzvollen Perioden führt und Sünde und 
Strafe gegeneinander abwägt. 

Daemon: Welch treffliche Harmonie! Moſis 


are 
Ze 


173 


Herzensfreund, der Propheten vertrauter Hausge— 
noß, Chriſti treuſter Diener, der Apoſtel aufrichti— 
ger Bruder, — was ſie Erhabnes, Herzliches, 
Warnendes, und Belehrendes ihm darbieten, aus: 
breitend über ſein Volk das aus der Heiden Stamm 
unwiderſprechlich erzeugt war, von Moſe, in dem 
eben von dir erwähnten letzten Vermächtniß, ſtatt der 
Juden feurig umarmt, über die er in freudigen 
Geſichten ewiges Heil erblühen läßt. — Nun laſſe 
aus demſelben Vermächtuiß uns auch betrachten, 
weſſen Moſes die Verwilderung des jüdiſchen Volkes 
in feinem Prophetengeſang bedroht, da er ausruft: 
„Es ergieße beim Winterregen ſich mein Geſang, 
Es zerfließe im Sommerthau meine Lehre, 
Wenn Herbſtnebel verdeckt die erſte Saat, 
Wenn Frühlingstropfen ‚fie befruchten, fo lange 
die Welt ſteht.“ 

Damit ſagt Moſes, wie du ſelbſt dich darauf 
berufſt, ſeiner Rede blütenreiche Weiſſagungen wer: 
den durch alle Zeiten ſich verzweigen: 

„O thöricht Volk ohne allen Witz und Klugheit, 
„Die Güte und Macht des Herrn iſt über alles 
Leid; 

„Er hat dich zur Republik trefflich eingerichtet. 

„Erinnere dich deiner Väter verfloſſnen Zeiten 


174 


„Denen Gott ehe der Heiden Länder hat ge: 
| widmet.“ 

Wie denn Moſes beim Auszug aus Aegyptens 
Sclaverei vielfältig wiederholte, Israel ſolle nach 
rechtsüblicher ſchöner Republik Art, die Länder Ka— 
naans beſitzen: 

„Bott hat ihm ſelbſt zum Volk erſehen Jacobs 
Geſchlecht; 

„Er traf es an in der Wildniß Kummerland, 

„Da nur Winde ſtöhnten und der Mangel jam— 
merte.“ 

Der Republik Anfang war kümmerlich, ohne 
Geſetz und Richter in der Wüſte, bis Gott durch 
Moſes allem Elend es enthob. 

„Er hat es umarmt und trefflich unterwieſen, 
„Durch treffliche Geſetze es beſchirmt wie ſeinen 
| Augapfel. 
„Wie der Adler feine Jungen hoch führet, 
„So hat er auf ſeinen Flügeln es hinangeführt 
die ſchönen Berge 

„Mit Korn und blutrothem Saft der Tra uben, 
„Daß es tränke den Wein der Felsberge, 

„Und ſatt ſich labe mit Honigſaft der Palmen, 
„Mit Del der Delbäume aus dem Klippengrund, 


175 


„Mit Milch der Heerden ſamt Fett der ſtarken 
f Lämmer, 

„Die da im Lande Baſan fallen.“ 

Die Schafe in Arabien waren ſo ſtark an Fett, 
daß es ihnen am Rücken bis auf die Knöchel 
herabhing; das waren die Länder jenſeit des Jor— 
dan. Da klagt Moſes: 

„Nun iſt dies Volk geil geworden und ſchlägt 

aus 

„Wie die Rinder ausſchlagen auf fetter Weide, 

„Nun iſt das Volk zu fettgemäſtet und aufge: 
| propft.“ 

Ich enthalte mich fernerer Beweiſe ſeines Wohl— 
lebens. Bedenke nun daß dieſe dem gegyptiſchen 
Frohndienſt entführte Horde, die durch kindiſche Ei— 
telkeit und Ungeduld nach einem König, den Geiſt 
des Geſetzgebers eines freien Staats zu fluchenden 
Sanctionen erbitterte, nicht das Volk iſt, welches 
heute euerer ſtrafenden Geißel unterliegt, ſondern in der— 
ſelben Noth heute ſich befindet, wie damals die in der 
aegyptiſchen Ziegelbrennerei ſchwitzenden Juden, ehe 
dein Freund Moſes auf Gottes Geheiß ſie zu erheben 
ſich anſtrengte, bis ihre Ueppigkeit ihm unerträglich 
ward. Völkerempörung aber, die nicht von Ulebermuth 
ſondern von Darben jeder Art herrührt, beweiſt 
daß die Geißel der Strafgerichte eben ſo blind von 


176 


üppig gewordnen Fürſten heute geführt wird, wie 
damals das republikaniſche Wohlleben aus Leber: 
muth ſich ins Verderben ſtürzte. — Wie das Waſ— 
ſerin feinen Wogen ſich fortwälzt, das Feuer in feiner 
Lohe und die Luft in Windſtrömen aufathmet, wie 
der Keim ſeine Fruchtbarkeit über die Erde hinträgt, 
ſo ſtrebt Seele und Verſtand dahin — wo Weis— 
heit ſie beſchieden, im Suchen und Finden aller Dinge, 
auch im Schlaf in ſteter Bewegung. — Die Be— 
gierden im Volksgeiſt eingewurzelt, ſind nicht weni— 
ger zu erhabnem Beruf ihm eingeboren, den Eure 
Machtvollkommenheit ihm abgeſchnitten hat; und 
nun, ſtatt lebendigem Geiſt, wie ein Klotz dem Strom 
des Weltenlaufs im Weg, an dem er murrend ſich 
bricht aber nicht ihn überwältigt; — eher würde 
dein eignes unſterbliches Selbſt ſich verflüchtigen; — 
dem doch Gott den ſchaffenden Stab in die Hand 
gab und deine Stirne krönte, die böſen Grundtriebe 
der Menſchheit in ihren Niederſchlägen und An: 
würfen ſich durch die Klarheit deiner Weltanſchauung 
in feiner Bildung befruchtende Fülle umzuwandeln. 

Schlakender König: Und ſage du ſelbſt, ob dein 
Weſen nicht mich will ablenken von den Geboten 
der Kirche, von ihren Dogmen und heiligen Regie— 
rungsformen; von der Sittenlehre und von den Ge: 
lübden die Gott vou den Königen fordert. 


177 


Daemon: Nicht Sittenlehre noch Königsgelübde 
und Geſetze der Kirche begründen Harmonie zwi— 
ſchen Fürſten und Völkern. Dogma und Kirchen— 
recht ſind Bildungsanſtalten der Sophiſtik, menſch— 
lich und teufliſch abwechſelnd, nach dem Syſtem 
bewaffneter Toleranz und neutralem Uebergewicht. 
Kirchenweſen und Schulweſen find Mißgeburten 
des Staates und beide ſelber ſo niederträchtig 
zu gemeinſchaftlicher Täuſchung die Vernunft ver— 
rathend, daß ſie um ſo ärgere Mißſtimmung zwiſchen 
Gott und Menſchen bilden, jemehr ein ſpeculatives 
Geſchöpf davon einſchlucken muß. — Und die 
mit der Sclavenſtirn ſchon auf die Welt kommen, 
die können nicht des Volkes Bildungstrieb und fein Be: 
geiſterungsfeuer nähren. — Aber jenen Märtyrern 
engherziger Erbitterung und würgender Strafedikte, 
ſtellt ihr Horoscop eine Bahn erhabnen Flugs 
und obſchon der Arm Euerer Geſetze lang genug 
iſt ſie irdiſch zu vernichten, ſo reicht er nicht an 
ihren Geiſt. Der kriecht nicht an Boden mit dem 
Gewürm unter Euern Füßen; der hebt ſchon beim 
Aufgang ſeines Geſtirus das Aug in den Aether 
und ſaugt den erſten Athem in eine große weite 
Bruſt die nach Freiheit dürſtet; ſein Empfinden iſt 
edelſtes Organ der Offenbarung, ſeine Schauungen 
find innigſte Willensverklärung, fein Wort iſt Gültigkeit 

12 


178 


allen Verträgen; fein Muth iſt fefte Burg ver: 
borgner Wahrhaftigkeit, aller Schickſalswendung 
überlegen jener politiſchen Marktſchreier voll krank— 
haftem Meineid, voll fiebriſchem Hochverrath an 
Fürſtenwürde und Völkerglück. 

Schlakender König: Dieſe Uebel alle können nicht 
die Menſchenliebe hemmen, noch die ſittliche Macht 
ausrotten die als der Weisheit und Güte Geſetz wirkt. 

Daemon: Menſchenliebe iſt Faſelei, die immer 
am unrechten Fleck den Fürſten imponirt und über 
Hoffnung und Erwartung ſich luſtig macht. Und 
iſt ſittliches Vermögen ein Weſen der Moral, das 
als der Weisheit und Güte Geſetz wirkt: ſo iſt 
Weisheit und Güte allein Sittlichkeit, von der du 
nicht weichen ſollſt um nach dem Grimm Moſe 
den Fluch zu verheiſſen über dein Volk, ſondern 
ewig nach deſſen inneren Tiefen forſchend und all— 
gemeines Ubel auch als allgemeine Schuld ſühnend, 
nicht im Zorn ſtrafen am Volk, was du als 
Oberhaupt zu verantworten haſt. — Da ja dein 
Zorn dieſelbe Schwäche iſt, der auch das Volk in 
ſeiner Unbändigkeit unterliegt. Zorn hat nie das 
Edle vermocht, aber immer das Schlechte voll— 
zogen. 

Schlalender König: Es iſt nicht Zorn, es ſind 
königlich begründete Geſetze, um in geſammelter 


179 


Kraft meiner Verantwortung maßlofen Leidenfchaf- 
ten zu begegnen denen meine Liebe, meine Trauer 
weichen muß, obſchon ſie unaufhörlich aus dem 
tiefſten Brunnquell menſchlicher Empfindung her— 
vorſtrömen. 

Daemon: Königlicher Luxus im Geſetz iſt fela: 
viſches Bedürfniß dem Despoten der nicht verſteht 
ſelbſt zu regieren. Und während Erkenntniß den 
Geſetzgrübeleien, wie der Schmetterling dem Rau— 
pengeſpinnſt ſich entſchwingt, hat dein außeror— 
dentlicher Geſchmack am Geſetz, dir die Flügel 
verſchnitten und den Schlüſſel verdreht zu ſeiner 
Beſtimmung daß ſelbſt die nicht hinzukönnen die 
ſich in ihm behaupten und die nicht hinzugelaſſen 
werden die zu ihm gelangen wollen. Gleich dam— 
pfenden Vulkanen ſprüht es ſeine Lohe aus mur— 
renden Eingeweiden gegen den leiſen Menſchenver— 
ſtand und ſchlägt ihn nieder mit dem Donner ſei— 
ner Ausbrüche. Aber der Schöpfer ſeines Volkes 
trägt es im Buſen. — 

Kein Sterblicher kann ſittſamer die Entäußerung 
eines Sittenlehrers betreiben, als womit der Genius 
die Menſchheit zum Verſtändniß mii ſich leitet. 
So lerne von ihm, der dein Freund iſt. Was 
hilfts auf gleicher Höhe mit ihm ſtehen wollen, 
wenn da wo Götterkräfte ihn emportragen, dein 

1 


180 


Blick ſchwindelt? und wahrlich, er war himmliſch 
herabgekommen den verborgnen Adel deiner Seele 
in ſeine Vollendung herüber zu locken. Kennſt du 
den Urſprung des Genies? Sein Bett iſt die Mut: 
tererde der Menſchheit; ſein Herrſchergeiſt wider— 
hallt dem Volksgeiſt; er ſammelt ihn unter ſeinem 
Schild; er löſt dem Gebundenen den Strick und 
legt die Hand auf den Gefährten des Elends. Iſt 
das Volk ſchlecht, ſo iſt der Herrſcher ruchlos; 
läßt es ſich von dir regieren, ſo iſt dein Genie die 
Verklärung des Volkes; dein Athem kann Feuer 
aus ihm wecken; oder auch ſein Feuer iſt was dich 
zur großen Seele macht. Aber nach Grundſätzen 
regieren, göttlicher Eingebung abgewendet, — das 
iſt nicht königlich — das iſt knechtiſch handeln 
und alles ſich erlauben wo das Genie zittert Hand 
anzulegen, da es den Bau der Seele eines Volkes 
in ſich trägt. Unter ſo großen Bedingungen, nie— 
mals dem Widerſpruch unterworfen, geſchieht das 
Einfache. | 

Sich felber fühlend, entzündet der Begeiſterte 
ſich zu heroiſchem Aufwallen, wo der Wahnſinn 
mit Schwert und Strick und Pulver und Blei ihn 
begnadet. Doch der kann ja keines Zweifels ſich 
ſchuldig machen feiner künftig Gottheitnahen Bil— 
dung, ihn hier ſchon durchdringend. Nein! der 


181 


zweifelt nicht, daß der Märtyrertodt des Lichtes 
Schranken ihm öffne. Aus ſchaurigen Quellen ſtei— 
gen die Lebensflammen in ein höheres Element als 
das ſterblicher Erfahrung. Stille-berauſcht — un— 
berühet von theilnahmloſer Grauſamkeit, haucht die 
Seele im friſchen Atherbad die heißen Lebensflu— 
then beredſam durch die pauſirenden Himmel; in 
allumarmenden Fühlungen ſchwingt ſie unterm 
Richtbeil ſich hinauf ins Element der Geiſter. Und 
das Volk ſpricht den Helden frei im Reich der 
Vernunft, es ſpricht ihn ſelig in ſeinem begeiſterten 
Tod und — unabhängig in ſeinen ſittlichen Wahr— 
nehmungen — ſpricht es heilig den Leichnam des 
Hingerichteten. Er iſt ihm die poetiſche Geſtalt, 
das Erhabne in der Körperwelt. In ihm erkennt 
es den unſichtbaren Gott der im Nachklang wil— 
der Kämpfe einer ſündigen Welt entſchwebt. 

Schlalender König: Ich ahne dich —. Ich 
will — ich kann dir nicht widerſprechen. Ja — 
ewig wird von uns der Stein des Syſiphus hin— 
angewälzt, der im Niederrollen das eigne Herz 
zermalmt. a ** 

Daemon: Du ſelbſt weißt es daß der Sim 
deines Willens von jeder dem Geiſt wiederſtreben— 
den Handlung unter dem Schutt ihres Erfolgs 
zerſchmettert wird. Ja, jene Märtyrhelden, mit 


182 


der Verzweiflung Netz umgarnten, du bift ihnen 
blutverwandt. Dieſe Menſchlichen — dieſe Volk— 
fühlenden ſcharfen Denker, unter dem Fluch fürſt— 
licher Gewalt begraben EN umſtänden ſie heute 
deinen Thron, und übte der Zauber ihrer großen 
Seelen ſeine gewohnte Macht auf die Völker, ſo 
würdeſt auch du ſie als die Würdigſten erkennen. 

Schlakender König: Seltſam träumeriſch iſt das 
gefprochen, und nicht gemäß jener Lehre die ge: 
druckt und gepredigt den Fürſten eingeprägt wird. 

Daemon: Es iſt wohl leichter gedruckt und 
gepredigt der Welt ſpenden: Volks-Freiheit müſſe 
allmälig auf dem Weg chriſtlicher Sittlichkeit ſich 
einfinden, als plötzlich den verſchütteten Eingang 
auf ſeinen roſtigen Angeln ihr öffnen. Mir aber 
ſcheint es beſſer, an die Stelle falſcher Königs— 
würde die höchſte Würde deines Charakters herauf 
zu beſchwören, und wie jenes Waldrauſchen, Tag: 
verkündend unzähliger Blätter Flüſtern in ein We— 
hen umfaßt — aller Völker getheilte Stimmen in 
rauſchenden Wellenzügen zu deinen Füßen ſam— 
meln, in dem einen Ruf: „Vermähle dich deinem 
Volk.“ 

Schlakender König: Mir deucht, ich ſchlafe. — 
Wecke mich nicht, mir träumt ſo ſüß — ich höre 
das verfluchte Räderwerk der Regierung nicht 


183 


mehr. — Ja die Vernunft gehorcht ſich ſelbſt! — 
Das iſt Abſolutheit, und nichts ſonſt. — Und dem 
Erhabnen ſich verbünden, ſelbſt in revolutionairer 
Geſtalt, iſt ſchuldloſer als mit Nimrods wilder 
Jagd durchs Weltall raſend, die Völker hetzen. 

Daemon: Der umherwüthend und ihr Ent— 
ſcheidungsrecht an ſich riß: „Mir allein kommt 
es zu, wann und wem und wieviel des 
Guten ich thun werde“ — und läßt ſich dün— 
ken, den Jordan mit dem Mund auszuſchöpfen; — 
Rieſe der Finſterniß, der aufſpringt zornbrennend, 
dem Vertrauen ins Antlitz ſpeit, dem Fliehenden 
den Speer nachſchleudert, aber dem Flehenden, 
dem Hoffenden ihn ins Herz bohrt; Bruderblut 
zu trinken giebt der Erde und fie düngt mit Ber: 
wünſchungen voll freſſender Rachgier die vor den 
Augen der Welt zwar Geltung findet, — vor ſich 
ſelber aber tief den erniedrigt, der die Willenskraft 
der Gottheit in der Einheit des Volkswillen ſicht— 
bar darſtellt. — Volksvertrauen hingerichtet, läßt 
nicht ab den Fluch in ſich wieder zu gebären der 
der Nationen tiefſte Gefühle verſehrt und alle Fu— 
rien der Unbill in ihnen wachruft. 

Schlatender König: „Woher kommt die Weis: 
heit? — Wo iſt die Stärke der Verſtandes? — 
Die Verdammniß und der Tod ſprechen: „Wir 


184 


haben mit unſern Ohren ihr Gericht gehört.“ 
Sie iſt der Baum des Lebens, ſie trägt nicht 
Früchte der Entzückung, ſondern nur ſchmerzliche 
Opfer. | | 
Daemon: Warum wär der Unterſchied zwi— 
ſchen eigner und fremder Beglückung ein ſo großer, 
auch im Verdienſt? — Eben weil die Tugend ein 
Anderes iſt als ihr ſichtbares Wirken; weil eigen— 
nütziges Handeln unweiſe, uneigennütziges aber der 
höchſte Geiſt iſt. Weil jeder verſagte Genuß die 
erhöhte Schöpfung des innern Menſchen bezeich— 
net; weil er ſelbſt das Göttliche wird, was im 
Selbſtverſagen ſeinen Urſprung hat. — Wahrhaſ— 
ter Menſchenliebe gelüſtet nicht nach ſonderlicher 
Heiligkeit; Lüſternheit nach Beſſerſeinwollen iſt der 
Funke zu hölliſchem Aufruhr. — Es giebt über— 
haupt keine Tugend, Alles iſt nur Bedingung neuer 
Schöpfungen des Geiſtes. Iſt das fruchtbare Ge— 
witter nicht Begattung zwiſchen Licht und Finſter— 
niß, aus deſſen transparenten Funken ſich das 
Organiſche erzeugt? Iſt geniales Handeln nicht 
Befruchtung des Sinnenmenſchen der ſich nach ſei— 
nem Gegentheil ſehnt? — Liegt Abſolutheit nicht 
blos im Geiſt, der in gemeinſchaftlicher Sphäre 
das Ganze umſchließt? Was willſt du mit dem 
Wiederſpruch gegen alle Wiederſprüche, wenn er 


185 


nicht alle in ſich vereint? — Abſolutheit des 
Geiſtes löſt alle Räthſel, ſtillt alles Verlangen, 
thront über einer Welt unendlicher, denkender We— 
ſen und alle ſind Organ des abſolut Denkenden, 
auch dein beſonderes Unwiſſen durchdringend und 
endlich in die Einheit des Volkswillens auflöſend. 
Schlakender König: Was nennſt du mein be: 
ſonderes Unwiſſen? | 

Daemon: Die ſelbſt verborgne Disharmonie 
deines Geiſtes mit dir. Sittliches Handeln erzeugt 
höheres Bewußtſein als auf Erfahrung ſich grün— 
det; es iſt Licht. So weit du im Licht dich fühlſt, 
ſo weit weißt du dich in Harmonie mit dir ſelber; 
wo das Licht aufhört, da weißt du nicht mehr, 
da iſt Finſterniß; durchbrichſt du ſie, ſo ſtrömſt 
du mit höherem Wiſſen in Eins. Alles Wiſſen 
iſt Harmonie mit ſich ſelbſt, nichts zu thun deſſen 
man ſich ſchämen dürfe. Nur des Disharmoni⸗ 
ſchen ſchämt man ſich. Indeß der kühne Schiffer 
mit Verlaß auf ſein Bewußtſein das weite Meer 
mit ſtolzem Lauf beherrſcht, wird dies dein beſon— 
deres Unwiſſen wie der Kahn am Ufer angekettet, 
von Knaben hin und her geſchaukelt, bis er los— 
geriſſen von ſturmbrauſenden Orkanen, abwärts 
fluthet in entlegne Gräber deiner Ehre, deiner Ge— 
fühle, deiner Vorhaben; geſchieden von denen fo 


186 


deiner harrelen einft, als des größten Metors — 
des Weltengangs erhabenſter Strom, von gigan⸗ 
tiſcher Mannheit getragen, brauſend zwiſchen Trüm⸗ 
mern alten Wahns, unter dem lichten Himmel da⸗ 
hin wallend. — Salomon ſagt: „Ich habe em— 
pfangen eine feine Seele und fie erwuchs zu einem 
fleckenloſen Leib meines Geiſtes.“ Dieſelben leitet 
bald Furcht bald Hoffnung dich zu allem was deine 
Seele nicht nährt und dein Geiſt nicht gut heißet 
imd beide verzweiflen aneinander, als die Urheber 
jenes nichtigen Plunders der ſo ſchwere Wolken 
über dir ſammelt. 

Schlakender König: Ergieße dich in Mitleid, 
daß ich die ‘Berhängniffe nicht kann abwenden 
vom Volk, daß ich nicht kann die natürlichen 
Quellen ſeiner Wiedergeburt ihm zuleiten. 

Daemon: Laſſe eine Frage mich thun über 
onch unberührtes deiner Natur die auszuwittern ich 
prophetiſchen Beruf habe: — Ob dieſe Irrwege 
einer räthſelvollen Zeit nicht zuſammentreffen mit 
den Wendepunkten fürſtlicher Politik, deren ſtärkſte 
Theorie auf Wiederherſtellung alter Gleiſe ſich be— 
zieht? — Chriſtus war der größte Philoſoph und 
fand es in ſich wie du es in dir kannſt finden 
daß nur der Sinnenmenſch nach Freiheit ſchnauf 
der Geiſt aber ſehnt ſich nach Unterwerfung unter 


187 

die Harmonie der Geſetze die in einander widerhal— 
lend, auch von einander abhängen. Einverſtehen 
mit dieſer Harmonie iſt Übereinftimmen mit Gott, 
— iſt Natur eines imendlichen Bewußtſeins. Es 
muß eben ſo gut eine geiſtige Anſchauung in dir 
möglich ſein, wie auch eine der Erfahrung, und 
wie du die einzig mögliche Theorie dieſer finden 
kannſt, eben ſo liegt die einzig wahre Theorie 
des Göttlichen in dir. Welche Ausſicht! — Welche 
Erhebung, durch Harmonie mit dir ſelber das 
Rechte zu finden! 


Schlakender König: Könnte dieſe Daemonen- 
dichtung zur Wahrheit an mir werden, ſo müßte 
der ganze Weltenzuſtand ein vollkommnerer ſein als 
den wir begreifen. 


Daemon: Es iſt nicht dein Beruf, dies Er⸗ 
denleben gegen ein künftiges geringer zu achten. 
Du mußt Trieb haben dieſe Welt zum Himmel 
umſchaffen zu können. Es iſt magnetiſche Lebens: 
weisheit des Werdens, die höher iſt als die des 
Seins. Du mußt wollen können und in dieſem 
Wollen zum Bewußtſein kommen einer idealen 
Kraft, zwiſchen tauſend ſtreitenden Stimmen gegen 
eine geiſtige Tendenz grade dieſe durchzuführen, 
— angewieſen auf kühnes Erfaſſen des Nothwen— 


188 


digen und auf Opfer, fo groß als ihre unſterbli— 
chen Zwecke. — Haſt du dieſem erhabenſten Er— 
denlos dich entſagt, ſo biſt du betrogen um eine 
Zukunft die deiner Unſterblichkeit zum Erbe war 
gegeben. Wo ſoll ſie Wurzel faſſen fortan? 
Und welche vermittelnde Kraft wird milde ſie 
wieder einpflanzen zwiſchen Zorn und Verzweif— 
lung und Mißtrauen und Furcht beiden — Für: 
ſten und Völkern mit jedem Fordern und Ge— 
währen ſchmähliche, nie vernarbende Wunden ſchla— 
gend. — Das Volk, nur fordernd was dem 
Gewähren ſelbſt zu gute kommt: den Gebrauch 
ſeiner fünf Sinne; einzig Erbtheil des verſtoßnen 


Sohnes bei ſeiner Geburt verſtoßen — ohne 
Zehrpfennig, ohne Wiſſen und Verſtandesgebrauch, 
ausgeſtoßen aus dem Familienverband; — die— 


ſer auch klopft wehmuthvoll an die Pforte, aber 
der Vater geht nicht hervor jauchzend ihn zu 
empfangen. — Nein er verleugnet ihn oder „er— 
gießt ſich in Mitleidſeufzern“ daß der andre Sohn 
Alles bedürfe zur Stütze des Erbes. — Siehe, 
der verßoßne findet auch heute kein Gehör! — 
In welchem Winkel ſoll er feine Heimath ſuchen? 
welcher Aufgabe ſeine Kräfte widmen? da alles 
geſchehen muß für das Erbe, nicht für den Sohn 
des Erbes. — Dieſe Schickſalsfinſterniß fällt mit 


189 


der Verläugnung Fluch auf ihn: „In Mangel 
und Beſchränktheit ſuche dein kärglich Brod, und 
findeſt du es nicht, ſo hüte dich von mir es zu 
verlangen.“ — So muß ich das Bedauern ei⸗ 
nes Königs auslegen der umſponnen von der 
Bevorrechteten überfeinerten Bildung und um⸗ 
ſtrickt von ihrer hartnäckigen Despotenwuth nicht 
ſeine Verbrüderung mit dem Volk darf anerkennen. 
Ich aber ſage dir: Ob ein König die Gleich— 
heit aller Menſchen in ſich trage, fo ift er 
unüberwindlich. Von dieſer Höhe allfruchtba— 
rer Gerechtigkeit iſt Berg und Thal dem Auge 
eine Ebene und heiligt das Daſein aller Weſen; 
Alle müſſen Platz haben des Gedeihens. — Das 
iſt das große Räthſel: daß die Hausgötter nicht 
beſondre Götter ſeien, ſondern Gemeinſchaft des 
Heiligen. 


Schlafender König: Allgemeine Kirche, gleich 
der Sonne, Sammelplatz auserwählter Geiſter, 
freigeſprochen von Sinnentäuſchung — nur Wahr⸗ 
heit ſchauend ewig! — Ihre Zugänge geöffnet 
allen Völkern — die ganze Menſchheit ſegnend, 
und kein Weſen ausgenommen. Ja ſie iſt des 
Menſchengeiſtes Mutterleib. | 


Daemon: Aus der die göttliche Natur allen 


190 


gemein, unvergänglich hervorgeht ganz nahe er: 
ſcheint in ihr der Gott der zur Verſöhnung 
die Seele bewegt und zur Treue Völker und 
Fürſten, die zum Bunde einander die Hand 
wider reichen und neue Thaten heiligkühner Ge⸗ 
danken, gleich Geſtirnen auf zertretnem Feld 
wieder emporblühend, ein Geiſt allen gemein, in 
Schlaf und Wachen und in Tod und Leben ſie 
tränkt. 


Denn immer durchkreiſen der Begeiſtrung Slam: 
men den ſchönen Rauſch des Daſeins in ihr; immer 
hält dies Gottempfinden die Kreatur in ihrem Keim⸗ 
punkt mit ſich gebunden. In ihren Hallen, ſchö⸗ 
ner Deutungen voll, voll begeiſtigender Kräfte, 
allgegenwärtig ihrem innerſten Weſen nach, ſam⸗ 
melt ſie ein liebendes Volk dem Vater, das ver⸗ 
eint hinaufſtrebt zu ihm dem die Höhe gebührt 
der ſtill weilend aus goldner Wolke ſeinen Segen 
hinabträüfelt. 


Aber ohne der Liebe ſegnenden Ddem wandeln 
Unverſöhnliche — unfruchtbar wie die Furien — 
ſchon jetzt wie im Orkus; indeß ein ewiger Früh⸗ 
ling über ihren Häuptern unbefangen feinen hei— 
ligen Lorbeer ſpendet den Unſterblichen die aus 
der Weltſeele hervorgereift wiederkehren einſt, — 


191 


denen hat Gott feinen Athem des Abſoluten einge- 
blaſen. — Das iſt die Lehre des Chriſtenthums: 
In der Beſeelung regiert Gott der Vater, Schöpfer 
aller Weſen; im Kinde regiert der Sohn. Alle Re— 
ligion hat mit Kinderunſchuld begonnen. Im Jüng— 
ling herrſcht der Geiſt — der Lichtſtrahl des Lebens 
ihm eingeflochten. Alle Gegenſätze find von ihm auf— 
genommen, alle Naturen find ihm entgegengeſendet, 
und wie vom Beginn ſein erſtes Sein im Innerſten 
mit der Gottheit ununterbrochen zuſammenhängt, fo 
äußerlich mit allem Daſein. Dann führt ſein Weg ihn 
zurück in ſeinen Urſprung, wie der Nil vom Meer 
verſchlungen, von eteſiſchen Winden auch bald wie— 
der in ſeinen Urſprung zurückgetragen wird. — 
Sieh nun du, ob Krieg oder Hunger und Elend, 
oder endliche Hinrichtung eine glückliche Löſung in 
ſich tragen dieſer Räthſel des Allgemeinen. Db ſie 
einige Argumente der Vertheidigung in ſich trage 
— ob fie ins Geleis der allgemeinen Kirche einlen— 
ken wo alle Theil haben am Leib des Herrn? Db 
die Seele, vom Vater gezeugt, vom Sohn in die 
Welt geboren, vom Geiſt durchleuchtet, von dem 
Menfchen auch könne gerichtet werden, der fie dem 
Verderben ſollte entheben und es nicht vermag. 
Schlatender König: Glaube nicht daß ich für 
Fabel halte, alles was aus urſprünglichem Erken— 


192 


nen hervorgeht. — Und politiſches Berechnen, 
ſchwankender noch als in Sternen Geſchicke erfor— 
ſchen, unfehlbar achte. Ich habe die Schule des 
nichtigen Unſtäten in mir durchgemacht; ſie iſt nicht 
ſpurlos an mir vorübergegangen, aber das Große 
Allerfüllende, hab ich mit allen Sinnen die danach 
verlangen, nicht erfaßt. 

Daemon: Wenn dein Geiſt als Menſch dem 
König Trotz bietet, ſo iſt ſeine Macht in dir — 
umfaſſender als Regierungsformen — Element der 
Abſolutheit; nicht Demokratie, nicht Reaction, aber 
der Menſch ſelbſt, der ſich nicht betäuben läßt 
durch aufgeſtachelte Begierden. Du weißt was 
ich meine. | 

Schlakender König: Du denkſt mich aus eigner 
Tugend über den Kreis politiſcher Berechnungen 
hinaus, der, das Wogen des Weltenganges mit 
der Schnelle ſeiner Reflexionen durchmeſſend, allen 
alten Regierungsformen einen Stoß giebt. Du 
denkſt das Ungeheuere in mir. 

Daemon: Was iſt das Abſolute, wenn es nicht 
das Allumfaſſende iſt. Eine Gottheit nur herrſcht im 
Weltall, eine Religion nur herrſcht in ihm, ein Dienſt 
und eine Weltanſchauung. — Ein lebendiges Buch 
der Weiſſagungen, wachſend wie die Geſchlechter, 
erquillt es in ihre Größe, in ihre Schönheit. 


193 


Ihrer Begeiſtrung rauſcht Jehova Offenbarung 
nieder. Mehr bedeutet dies, als den Buchſtaben 
auslegen nach dem Schlangenbetrug der Sprache; 
— mehr als Rechte durch Verträge erzeugt — 
mehr als phyſiſche Gewalt ſtatt ſittlicher Noth⸗ 
wendigkeit. Denn mit dieſer bekömmt das ganze 
ſpeculative Recht einen Riß und läuft ins höchſte 
Unrecht über bis ans Ende deſſen der zufammen: 
ſtürzt mit dem Erfolg feiner Handlungen vor dem 
glühenden Geiſt, der — Ideal eines Königs, eines 
Kraft⸗ und Wundermenſchen — die Volksſchule 
diurchlaufend fie überflügelt. 


Schlakender König: Ich wäre zufrieden das 
Wohl des Ganzen durch mich gedeckt zu wiſſen. 


Daemon: Selig und menſchlich groß, der 
dies kann! 


Schlatender König: Du machſt mir Vorwürfe, 
und denkſt nicht der Zeit die jedes unverlierbare 
Recht bewältigt. Schnell wie das zaumfreie Roß 
durchjagte ich die Bahn zu Gottbegeiſterten 
Thaten, und wie der beflügelte Tag entſchlüp⸗ 
fen ſie mir ins Dunkel der Fabelgeſchichte und 
nur Grabeshügel unzeitiger Geburten umſtarren 
mich. 

13 


194 


Daemon: Meinſt Du außer dieſer Zeitenbahn 
dich zu halten, da Heils meteore, vorüberfliegend, 
neue Welten anſtrahlen, neue Ahnungen aus der 
Dämmerung hervorrufen und dich verwaiſt im 
Dunkel zurücklaſſen? Welche Schmach ewig ſich 
wiederholender Erfahrungen! Ihr wißt heute ſchon 
aus euren umnebelten Sternen Euch zu prophe— 
zeihen, daß eure Wirkſamkeit Euch ſelbſt unklare 
Verſuche ſind, wie dürres Laub vom Wind dahin⸗ 
getrieben. 

Wenn der Geiſt den Körper flieht wird er 
zu Staub. Wenn der Volksgeiſt den nicht mehr 
trägt, der aus dem Chaos der Geſchlechter von ihm 
als König ward emporgehoben, dann iſt er Staub 
geworden. Der Gehurfam vom Volk dem Herr: 
ſcher gebilligt, iſt der ihn leitende Volksgeiſt und 
das Volk gehorcht in ihm nur den eignen Ge— 
nius; der die volle Gewalt iſt des Volkswillen; 
und die es nicht aufgeben die edlen Bindekräfte 
zwiſchen Dir und deinem Volk immer neu zu 
beleben die allein ſind Träger hellgeiſtiger 
Geſetze, denen iſt der Herrſcher gebunden und 
wenn er abläßt von ihnen, wird er im 
Glauben des Volkes vom Glanz Gottes ver— 
laſſen und geſtraft durch Aufruhr, Krieg und 
Sturz und Tod. 


195 


Daemon: Wo Leidenfchaften dem Geiſt Trotz 
bieten, da deckt Tod und Verweſung den Kampf— 
platz; der ihnen aber obſiegt, den umjauchzt Geſang 
ſeiner Thaten. — Mit begeiſtertem Ruderſchlag über 
die ſchäumenden Meere heran folgt ihm das ſtür— 
mende Volk, es glüht, es eifert für feinen Glanz— 
umblüheten Ruhm und friſch umbrauft ihn der Muth. 

Schlakender König: Ob ich deiner Rede erfri— 
ſchenden Thau auffange, fo muß ich ſeufzen um 
ein verlornes Glück und dein Lächeln, das an mei— 
ner Täuſchung ſich weidet, dein feurig Weſen —- 
ja deine Verwegenheit, die Freiheit wie ein verzau— 
bert Netz mir umzulegen und die thatenreiche Welt, 
ein Revier voll edlem Wild, zur Jagd mir anzu— 
weiſen, die thut mir vollends wohl und weh. 

Daemon: Vergiß was ſchmerzlich dich berührte, 
denn jede Nacht verhüllt den früheren Tag. Die 
Sonne durchleuchtet zwar den Vorhang des Ver— 
gangnen, aber neue Sonnen überweben ihn mit 
ihrem Glanz. So erliſcht alles Betrübende dem, 
der düſtre Erinnerungen in verklärenden Thaten be— 
gräbt. Du! — Der Beſſern Einer. — Iſts wahr? 
biſt du der Beſſern Einer? — Und raſch erglüht 
dein liebender Daemon: „Ja! Du biſt der Beſten 
Einer, vielleicht der Beſte ſelbſt.“ — Wie die Biene 
den honigvollen Kelch in der Ferne ſchon wittert, 

13 * 


196 


jo ahne ich den reinen Honigſeim edler Abſicht in 
dir. O lenke dein Volk und dich — denn beiden 
gebieteſt du ja — zu einem lichtreichen Tag. Frucht⸗ 
bar zu machen die Welt, ergieß deinen Willen wie 
Himmelsthau der ſie reinigt von Tyrannei und allem 
Gräuel der in ihr ſeinen Urſprung nimmt. Vom 
Frühroth warm durchfloſſen, von deinem Athem 
ſanft bewegt, ergrünt das Gewimmel des neu er— 
quickten Lebens; verlaß das Vergangene, Verſöh— 
nung thut noth. — Wie auch mit eiſerner Fauſt 
dein Zorn gegen die Schwingen des Haſſes ſich 
ballt, er überflügelt ihn. Kein Erinnern früherer 
Gelübde, keine Reue über Leiden die ſie dir anthun, 
entwaffnet ſie denen die Frucht des Todes, vom 
Lebensbaum der du ihnen ſein wollteſt, tauſendfäl— 
tig herabſtürzte. — Unverſöhnlich! — fühle den 
Schmerz einmal nur durch; willſt du ihn ertragen? 
— Er wird ein Traum einſt geweſen ſein, aber 
keinen Troſt wird dies dir geben, keine Hoffnung 
wirſt du mehr faſſen können noch mögen. Alles 
Leben wird — ein erſchütternd Grabgeläut — um dich 
verhallen und ein heimlicher Drang dich tod zu 
träumen, wird ſonderbar den Erhalter des Volks 
mit Schauern überkommen und Stille und Troſt 
dich auch von dort nicht anwehen wo jeder Ver— 
gebung und Liebe und Seligkeit hofft. — Und was 


197 


ich dir fein möchte — was ich dir habe werden 
ſollen, das wird wie die untergehende Sonne in 
kalten thränenreichen Nächten dir erſt begreiflich 
werden. 

Schlakender König: Mit dem Gewinn meiner 
Täuſchungen, mit dem Schmerz daß ich nur eiteln 
Hoffnungen nachjagte iſt alles Leid mir doppelt 
zugemeſſen. 

Daemon: Wie denkſt du dir dein Volk? — 
deß niedergefchlagne Gluthen ſich tauſendmal von 
Neuem wieder anfachen? — Wie den Jüngling der 
in erſter Liebe fanfendmal betrogen mit immer neuer 
Hoffnung wiederkehrt. — So war denn ſeine erſte 
Liebe unglücklich; — ſein Traum einer Welt voll 
des reinſten Schönen, nicht einmal als Traum ihm 
gegönnt; wie der Wald aus Mangel an Regen ab— 
ſterbend, — von einem Funken nur berührt, ſteht 
er in hellen Flammen mitten in der Lebenswüſte. 
— Da fühlt er erſt daß er ſei und zu was! Alle 
Nationen eine Freiheitsflamme und jeder von ihr 
ergriffen, weiht ſein raſches Blut dem aus aller Na— 
tionen vergoßnem Blut zuſammenſtrömenden Flam— 
mengeiſt. Ihr unterdeß baut auf der Völker Un— 
ſinn, nicht auf ihren Sinn; Ihr verfolgt den Volks— 
genius, Ihr ertödtet die ſprühenden Funken die mah— 
nend umherfliegen, aber die Zornesflammen die zum 


198 


Himmel lechzen aus Millionen Herzen, die könnt 
Ihr nicht ertödten. Eure Throne, zu eng im kalten 
Nebel beiſammengerückt, umſchweifen Weltzündende 
Drachen; ihre Augen ſind Blutquellen, ihr Athem 
verdunkelt die Luft. Wer ſind die? — doch nicht 
Menſchenſeelen? — Sie fliehen vor dem der das 
Volk ſucht und der Verſöhnung Altäre errichtet 
eingedenk der eignen Fehle; denn in ihm herrſcht 
der Vernunft Recht vor dem Schwerdrecht, denn 
ihn umſtehen die Völker im Kreis, denn ſie lieben 
aus allen Kräften was liebenswerth iſt. Und ſo 
wollte dein Volk dich lieben; gerüſtet mit nervigem 
Arm, gliederraſch, voll freudigem Aufſchwung ſeine 
reichen Kräfte dir zutragend der auf dem Gipfel 
der Weisheit ihm thront. Zu hoch — zu verfloſ— 
ſen ins Göttliche, warſt du mehr ihm geworden 
als ein vergänglich Weſen; und die feigen Knechte 
alle, die es bevormunden und dich bis ans Ende, 
die erſchrecken vor dem jauchzenden Volk und ſeinen 
betäubenden Ehrenkränzen. Iſts denn fo umum: 
gänglich daß Ihr einander haſſen — verachten 
müßt? — Entgeht dir was du ihm gewährſt wenn 
du wirklich es liebſt? und erwirbt dir's nicht fein 
Vertrauen grade: das deiner Fürſorge wieder an— 
heimgiebt was es verlangte von dir? — 
Schlakender König: Mit dem Begriff des Idea⸗ 


199 


len kannſt du leichter fertig werden als ich mit 
den Vorurtheilen dagegen, die als ſo viel borſtige 
Ungeheuer mir auf den Leib rücken. Ungleichheit 
der Menſchen Leibes und der Seele, iſt der gordi— 
ſche Knoten den keine Vernunft auflöſen wird. 


Daemon: Wer ſind die Vernünftigen? — Sind 
es die Rathloſen die das Elend als von Gott ge— 
ſandt beſtehen laſſen und das allgemeine Recht mit 
Mörderdolchen feiger Politik durchbohrt, dem Volk 
vor die Füße werfen? — Aber ich ſage dir: der 
Naturgeiſt hat im Zeitenwandel ſich früherer For— 
men enthoben. Die alten Völkerſtämme lichten 
liche in des Urwalds Mitte ift der Stamm ge⸗ 
dankenvoller Zucht eingepflanzt, und mit den alten 
Formen kann das alte Weſen mit Nichten wieder— 
kehren. Möcht Ihr bewahren was frühere Zeiten 
unterjochte, möcht Ihr die alten Grenzen wieder 
aufdämmen: alle Schleuſen werden die Völkerflu— 
then überſtrömen, alle Irrthümer entwichner und 
verblichner Zeiten in ihren eilenden Wogen be— 
graben. 


Schlatender König: Auch der Irrthum hilft 
dem Schwindelnden über den Abgrund und führt 
das Göttliche zu uns herab. Er ungiebt alles 


200 


Daſein wie die Erde von der Luft umgeben iſt; er 
iſt das irdiſche Erbe der Natur, wie die Wahrheit 
ihr himmliſch Erbtheil iſt; und die Herrſchermacht, 
die auf der Völker Unwiſſen ſich gründet, iſt nicht 
ſündig, denn allgemeines Wiſſen hält gleichen 
Schritt mit allgemeinem Geſchehen. Der Ord— 
nung der Dinge vorgreifen würde Verworren— 
heit erzeugen, die Alles in ihren Untergang ver— 
ſchlingt. 

Daemon: Verworrenheit drängt den ſterblichen 
Menſchen in ſeinen karg gezählten Tagen auf den 
Weltenſtrom hinaus zu unſterblichen Thaten die 
nach der Ordnung der Dinge nicht fragen, aber 
in harmoniſchen Würfen unter bewußtlos geübten 
Geſetzen zu dem Gewinn erweiterter Begriffe ge— 
langen. — Verworrenheit iſt Überfluß an Kraft, 
wenn auch Mangel an Bewußtſein, aber fort— 
ſchreitend und zeugungsfähig. Ruhe und Ordnung 
der Dinge iſt wie jungfräuliche Verzagtheit die 
der Mutterliebe entſagt weil ſie nicht will in 
Schmerzen gebären. Verworrenheit bewegt die 
Himmel ſammt den Göttern und ringt in Schmer— 
zen ſich durch, zum Erhabnen das vom Gemei— 
nen ſich trennt. — Und war es nicht deine Ver— 
worrenheit in der allein noch dein Genius dich 


201 


heimſuchte? haben feine Donner dich nicht wach⸗ 
gerufen in jenen ordnungsloſen Tagen? und ſeine 
Blitze dich durchzückt, und deine Verworrenheit zu 
göttlichem Inſtinkt erhoben? — Aber als deine 
Ordnungsführer an die Reihe kamen da ging deine 
Aufrichtigkeit unter. 

Schlatender König: Tolle Reden führt dein 
Mund und ſchießt mit regelloſer Weife den Faden 
durchs Gewebe das eben noch wie zum Plan des 
Schachs ein geordnet Gebild war. 

Daemon: Und jetzt in ahnungsvoller Verwir— 
rung zu tieferem Beſinnen dich anregt — um das 
Verderben im Schach zu halten; nicht mit Schach— 
figuren aber mit Heldenführern Vaterlandverbannter 
Völker, die ſchutz- und wehrlos umherſchwärmen. 
— Ulngemuthet denkſt du der Zukunft: „Was noch 
wird werden? — denn immerfort dauert das Ge— 
metzel und hilft Gott nicht, dann iſt Alles verloren.“ 
— So leuchtet Verworrenheit prophetiſch in dich: 
Ob du die heimathloſen fluchbeladnen Völker dir 
mögeſt gewinnen, daß ſie dir trauen und ihre Hel— 
den dich umſtehen, wenn fremde Tyrannen deinen 
Willen in die Ordnung der Dinge eingeklemmt, 
halten und dem Teufel dich überantworten der dieſe 
Ordnung der Dinge erfand, und Hand legen 
an Deutſchlands Völker und an dich ſelber, der da— 


202 


ſteht wie ein Götze dem ihr Opferrauch das Ant— 
litz ſchwärzt. Dann geht es an ein Fluchen über 
den Frevel verjagte Völker zu ſchützen, die zu ver— 
derben im gemeinſamen Rath beſchloſſen ward. 
Ha wie ſie dich drängen und zornig dich umtoben: 
„Leicht werden wir fertig mit dir und ge— 
leiten Einen die Stufen hinan der beſſer 
kann Straßentumult bändigen!“ und Feuer 
ſchlägt in dich und deine Verworrenheit ſam— 
melt ſich in Wolken die ein Gewitter im Schooß 
fragen. 

Schlafender König: Welcher Strahl wird ſie 
zertheilen? Welche Werkleute ſollen den Weltenbau 
umzimmern, welcher Rieſengeiſt ſie alle im Schach 
halten? — denn nicht ein perſönlicher König iſt dies 
im Stand. 

Daemon: Das Genie aber iſt ſo dreiſt und 
ſicher deſſen was in ihm vorgeht, daß es die Ruhe 
und Ordnung der Dinge mit einem Fingerſchnalzen 
verabſchiedet, denn fie iſt die Ruhe der Verweſung 
und die Ordnung der Gefängniſſe in der das Leben 
ſeine Blüthen, Früchtelos abſtreift. 

Schlakender König: Mir ziemt nicht ränkevoller 
Trug meiner Worte im gemeinſamen Fürſtenrath 
verpfändet, ſeine Folgen wären daß nicht Erde 
noch Stein unverſehrt bleibe und Wächter würden 


203 


ſie ausſtellen die das Land umzingeln, und wie 
Flammen daherfahren in die Mitte meines Landes 
mit Fluchen und Streiten und Kriegsgeſchrei. Bald 
flöß in Strömen das Blut der Völker, die zu 
retten nicht Mond und Sterne mir leuchten. 
Daemon: Laß fluchen und ſtreiten, Drommeten 
ſchmettern, Heerbanner zerreißen; die Vorſehung 
hält den Schild über dem Unverzagten, die zer— 
ſtreuten Helden ſammeln ſich zu dir; ſie ſtehen den 
eindringenden Haufen, ſie rufen dir zu: 
„D Starker entſchlage dich der Sorgen! Das 
„Herz des Glückes ſteht auf deiner Krone Spitze, 
„das Haupt der Häupter ſtürzt unter deine Füße. 
„— Vertrau der Mannheit verfolgter Völker 
„die dein ſchützender Muth verſammelt um dich. 
„— Unſterbliche Roſen find uns Schlachtfelder 
„in Blutwellen wogend, die wir auf dürrem Fels 
„Tag und Nacht harreten, da nicht Brod noch 
„Waſſer zu uns gelangte den ganzen Tag; und 
„Erde mußten wir kauen und alleſammt zuletzt 
„verderben. Gottes Schatten biſt du uns, Hoff— 
„nung ſtrahlſt du den Völkern die zu dir 
„flüchten.“ 
Schlatender König: Wer wird Muth und Hoff: 
nung und Sicherheit nicht verlieren der den Stoß 
ſchrecklich gegeneinander rollenden Felſen ſich daher— 


204 


wälzen ſieht und gemartert vom Stachel der Ohn— 
macht, vor den Folgen, ſelbſt weiſer und trefflicher 
Thaten muß zittern? 

Daemon: Dies kraftlos ſchwankende Geſchehen— 
laſſen, deinem Bewußtſein zuwider, deucht dir alſo 
weniger verantwortlich als unbedacht deine Macht— 
vollkommenheit treuloſen Fürſtenhäuptern zu verpfän— 
den? — War aber dein Wort und ihres, nicht frü— 
her ſchon den Völkern gebunden? Die Erſchöpfung 
der Millionen unter deinem Scepter, das Übermaaf 
ihrer Verzweiflung macht deinen zagenden Willen 
der Wiedergeburt zur bitterſten Nothwendigkeit. — 
Dieſe alſo muß ſtatt Deiner Alles thun? — Und 
was deine unvolksthümlichen Automaten in ihren 
Kammern beſchnarchen mit prahleriſchem Getön von 
Schutz und Ordnung und ſeuriger Deutſchheit: Wie 
kannſt du nur daraufhin dir Hoffnungen machen? 
und lieber thöricht leiden am Verdruß über deinen 
hohen Beruf, als ſelber dir Recht ſprechen? O 
glaube du! Aller Geiſtesberuf iſt die Welt zu 
beherrſchen und nicht vor dem Ausgang zittern des 
Unvermeidlichen. Thaten die vom Augenblick im 
Weltenſtrom mit fortgeriſſen, nicht an Erfolg und 
an gegebenes Wort ſich binden: es ſind die Thaten 
großer Könige die zuerſt den Vorurtheilen abſchwo— 
ren und die Liebe des Volkes den mörderiſchen An— 


205 


ſchlägen gegen Nationen vorziehen. — Aber unter 
Schwerdtern und donnernden Geſchützen das Volk 
niederhalten, genügt Euch heute ein göttlich Recht 
zu behaupten und Ihr ließt eher den letzten Kopf 
Eurer Unterthanen über die Klinge ſpringen als daß 
Ihr ihm geſtattet, außer ſeiner Unterjochung das 
erſte Volk der Welt zu ſein. 

Schlalender König: Ha! könnte es das ſein, ſo 
wär es Narrheit ein erſtarrtes Sclaventhum einem 
freien Staat vorziehen, der ſtrahlenderen Ruhm und 
kühnere Macht uns ſichern würde. Wo aber falſche 
Anſchläge die Vernunft bekämpfen, und Verläum— 
dung die Geſinnung vergiftet, da muß die Gewalt 
ſie in ihre Schranken zurückdrängen. 

Daemon: Der Staat der mit Gewalt der Ver— 
nunſt Herrſchaft will erzwingen und nicht den freien 
Flug dem Genius ſichert, der iſt nicht kraftvoll, ſon— 
dern nur mächtig; nicht wohlthätig, nur wohlexer— 
zirt und nur auf Sand gebaut. In welchen Ab— 
grund würdeſt du verſinken, wollteſt du der Ge— 
dankeufreiheit Schranken ſetzen? — Meinungen find 
nicht Thatſachen, ihr Ausdruck iſt unendlicher Aus— 
legungen fähig; was Einer dir verdächtigt, ſcheint 
dem Andern weiſe gethan. Feſſeln kannſt du der 
Gedankenfluth nicht anlegen die Alles überſchwenunt. 
Die Freiheit würgen weil die Frechheit dir zu nahe 


206 


tritt, das kann dich nicht unſterblich machen! Doch 
iſt Unſterbliches Beruf dem, welchen der Weltge⸗ 
ſchichte rieſenhafter Strom einherträgt auf brauſen— 
der Woge als Schildhalter des Reichs. In Allem 
wie ein deutſcher Kaiſer gethan, von Fürſten des 
Reichs aus ihrer Mitte, im Namen der Völker er— 
kohren daß er handhabe das Recht öffentlich und 
mit der Großmuth Spende überall ausreiche und 
mit dem Manifeſt ſeines Willens die vor dem 
Machtraub fliehenden Völker um ſich ſchaare zu 
Sturm und Streit wider den Jäger, der trotzig 
daher kommt, dem edlen Wild, nachdem es abge— 
jagt und von Hunden feſtgeſtellt iſt, den letzten Fang 
zu geben. Aber gehetzte Völker ſollſt du nicht wie 
Jagdbeute verenden laſſen; du ſollſt fie retten dei— 
nem Gott und deiner unſterblichen Seele. Der 
Staat in den ihre entblöſten Wurzeln ſich einſenken, 
iſt nicht anf Sand gebaut; die Völker ſchützen 
feinen Hort; im Hymnenſturm unſterblichen Ruhm 
ihm nachjauchzend: 
„Hier wo in ſtürmiſchen Tagen ein Freund der 
„Götter Verſöhnung uns bot, laßt uns ihn prei— 
„ſen! Mächtiger Lande Herrſcher iſt er, und 
„Weisheit ſtrahlt rings ſein Königsauge. Von 
„Freudenſchaaren umgeben, bot er freundlich uns 
„Schutz und redete mit uns wie ein Fremdling 


207 


„um Gaſtfreundſchaft uns anredet. Und wir 
„ergriffen vom Boden das nächſte Gaſtgeſchenk 
„und reichten es hin. — Der Held ſprang hinau 

„und ſtreckte die Hand der Hand entgegen und 

„einpfing die Erdfcholle der Heimath. — Juniger 

„träufeln nun Worte zwiſchen ihm und den Män— 

„nern des Volkes und den mächtigen Lorbeer auf 

„des Parnaſſos Gipfel pflegen wir ihm der mit 

„unzerriſſnem Zügel fortan die Bahn des Frie— 
„deus umkreiſt.“ 

Siehe, ſo feſtet ein deutſcher Kaiſer das Reich; 
ein Hort der Milde jeglichen Völkern denen wechſel— 
ſeitiger Jammer überm Haupt vom Schlummer 
erwacht zur Sühne den Schatten unſchuldig Ge— 
morderter und die Sturmwolke beſchwörend die ihr 
Dahinſcheiden aufjagte. Denken die Völker einſt 
dein: ſo denken ſie dich und du ſelber biſt ihre 
Seele; denken ſie großes von dir, ſo biſt du ſelber 
der Große. — Haſt du Liebe und Weisheit den 
Völkern geſäet, fo iſt die Erndle deiner Saaten 
Weisheit und Liebe der Völker. Sie denken dich 
und für dich und geben reiner dir zurück was du 
aus Willkühr nie konnteſt erreichen. — Wie dem 
Windeswehen das Segel ſich wendet, ſo wendet in 
geläuterter Einheit mit dir, das Volk ſich freudig 
deinem ſteigendem Lauf. Volksvertrauen iſt das 


208 


Sakrament der Könige — Gottesgenuß — es erzieht 
das Göttliche in Euch. — Die Völker bilden das 
Todtengericht: ein böſes Andenken iſt die Hölle, ein 
gutes der Himmel, und ſie rufen den zurück, der 
ihrer Vollendung ſich weiht. 

Schlakender König: Mancher Herrſcher mußte 
despofifch wirken auf das Volk das ihn nicht ver: 
ſtand, und ſo verſteht es heute noch nicht dem 
Fortſchritt gleich ſich fortzubewegen. 

Daemon: Weil es unaufhaltſam einer fündig 
krankhaften Politik zu entſchlüpfen ſich müht. Beim 
Uebergehen vom Despoten zum Freiheitshelden, hat 
auch Er von Feſſeln ſich loszureißen; ſeinem ver— 
wöhnten Ohr deucht der heißere Ruf nach Freiheit 
Empörungsgeſchrei, aber die Menſchheit jauchzt ihm 
Beifall. Er verachtet die Schmäher, aber er heißt 
ſie nicht ſchweigen. Kein flüchtiger Sclave anderer 
Meinungen, ſteht er aufrichtig allen Anſprüchen gegen— 
über, aber mit der Verleumdung klingenden Stimme 
hadert er nimmer; und ſie überbieten oder gar ſie 
verbieten, deß achtet er nicht. Was denkſt du, 
daß beim Umſturz eines veralteten Regiments zu 
thun fei? als nur ungerechten Geſetzen enfjagen und 
die Unwetter vorüberziehen laſſen, das Volk er— 
leuchten, ſeine Eutſagungskraft üben zur Steuer der 
Noth. Aber gegen Begriff und Meinung ihm 


209 


Geſetze aufbürden mitten in den Zuckungen der 
Wiedergeburt, das treibt die Gährung übermäßig. 

Schlatender König: Stumpfer Sinne iſt das 
Volk; wenn auch der Geiſt ihm Lehre giebt, faßt 
es fie doch nur wie feine Thorheit fie ihm vormalt; 
aber mit Rath und That im All wirken, vermag 
es nicht. Ulebermüthig im Glück und kriechend im 
Elend, zerlumpt, häßlich — ſeine Sprache iſt Ge— 
brüll, das Antlitz: Sammelplatz niederer Begierden. 
Aller Spannkraft beim geringſten Widerſtande be— 
raubt, wirft es die Waffe von ſich die es eben 
noch der Umwälzung des Schickſalsrades mit ſeinem 
Eid verbürgte. 

Daemon: Erröthen deine Staatspfeiler nicht, 
fein ſinnlich Elend als Verworfenheit Dir zu be: 
zeichnen, die ja doch nur der Spiegel ihres eignen 
geiſtigen Elends iſt? — Der Unterdrückung Fröhn— 
ling, der nicht das Geſetz, aber des Geſetzes Hand— 
haber fürchtend, unter ſo ſchmäligen Bedingungen 
ſich zum Bewußtſein muß emporringen, — hat der 
Willen? hat er Begriff vom Beſſern? — Oder 
ſoll er flehen den Herrſcher, ſoll er ihm ſchmeicheln, 
der ſeines Volkes Willen vernichtet, weil es umher— 
irrend den Uebergang zum Beſſern vergeblich ſucht? 
— O Zeitenlauf, den es am Fels geſchmiedet, 
verlebte! — Viel der Sonnen und Monde ſah es 

14 


210 


auf- und untergehen, — immer ſprach die weiſſa⸗ 
gende Stimme in ihm: „dulde, damit dein Geiſt 
tapfer werde deine Ehre aus den Trümmern zu 
retten. — Davon tönen Tag und Nacht, ihm die 
Siegesleiden in den Fluch der Erde und in die Ver— 
wünſchungen die ſie ausſtößt, und ſein Herz ſchlägt 
auf Verbrüderung Aller zur Erlöſung der Welt. 
Mit Schwerterſchlag und Schlachtgeſchrei ſtürzt 
ein Volk ums andre und ringt der Verzweiflung 
den Tod ab; aber kein Mann hat ſich noch ge— 
funden der ſeinen Ruhm an die Erhaltung der noch 
übrigen ſetzte. 

Schlatender König: Es wird wild auf Erden 
hauſen und ihre älteſten Geſchlechter vertilgen. Es 
wird in die Welthändel ſich miſchen, es wird wie 
die Bergwäſſer hervorſtürzen und den Hader furcht— 
bar kaltblütig wieder anknüpfen, wenn die Macht 
es nicht gefeſſelt hält. 

Daemon: Es wird zur Reife kommen durch den 
Gott der alle Kreatur ſelbſt im Fehlſchlagen ihrer 
Beſtimmung hebt und trägt. Sieh dort den Balken 
der aus des Thurmes höchſter Luke ragt; — 
ſeinen Schatten wirft der Mond quer über den 
Weg, — er ward am Huldigungstag vom Volk 
dort herausgeſchoben um zu entſcheiden, welches 
das gefährlichſte Handwerk ſei, das ſolle voran— 


211 


gehen bei der Huldigung. — Da ſchritt der Dad): 
decker den behauenen Eichbaum entlang und na— 
gelte mit kecken Hammerſchlägen den Schiefer drei— 
fach an des Balkens Kopf. Unter Jubelgeſchrei 
ſchritt er ſonder Wanken zurück durch die Luke, 
aus der bei Pauken und Trompetenſchall dee Zim— 
mermann mit der Säge den Balken nun beſchritt 
und quer auf dem äußerſten Ende, zwiſchen beiden 
Füßen den Kopf des Balkens abſchnitt, dem er 
nach Zimmermannsgebrauch mit der Ferſe den 
letzten Stoß gab daß er ſammt dem Schiefer her— 
abſtürzte unter die Menge die jetzt entſchied: 
dem Zimmergewerk als dem gefährlichſten Hand: 
werk gebühre, fo lange ein deutſcher Kaiſer “) 
beſtehe, bei der Huldigung voranzugehen. Der 
Kaiſer gab ſich bei dieſem Handwerk in die Lehre 
und richtete mit eigner Hand auf dem Karlſtein in 
Böhmen das kunſtreiche Sparrwerk der Kapelle, wo 
er als Meiſter losgeſprochen ward. Zweifelſt du 
noch ob Muth, ob kaltblütige Entſchloſſenheit und 
Vorſicht — was doch höchſte Regententugenden 
ſind — nicht auch den Errungenſchaften handwerk— 
licher Verdienſte den höchſten Beruf vollendeter 
Meiſterſchaft ſichern? — 


) Karl der IV. 
14® 


212 


Schlatender König: Ich fühle wie du und 
beſſer als Andere das biedre, muthige und zu Zei— 
ten ſelbſt edle Regungen im Volk auftauchen, aber 
richtungslos breiten fie ſich aus, wie die verwil— 
derte Rebe — wenn man ſie nicht anbindet, ſo 
wird ſie keine ſüßen Früchte bringen. Wenn 
du den Volkswillen nicht eng in Feſſeln legſt 
ſo wird fein ſündhaftes Gelüſte ihm alle Be- 
ſinnung rauben. D Traumgebilde mit Blindheit 
geſchlagener Menſchen! Sie beſchweren mir den 
Muth und nimmer werd ich froh! In vielen 
Stufen hatte ichs angelegt mein Volk zu führen 
— abwenden wollte ich von ihm die Strafen des 
Himmels; aber ein Sturmwind jagte es in alle 
Kümmerniſſe der Verfolgung und leiden muß es 
von Geſchicken die es ſelbſt über ſich verhängte. 
Daemon: Ulm über Werth oder Unwerth eines 
Volkes zu entſcheiden, bedarf es einer Reihe Hand— 
lungen deren ſittliche Kraft es durchleuchte. Alles 
was im Volk lebt dringt auf dich ein. Alle Ge— 
danken freudiger und trauriger Menſchen, wohin 
du blickſt: Hoffen und Furcht, Freude und Angſt 
und Sorge, gutes Bewußtſein und unruhiges Ge— 
wiſſen die alle ihr Schickſal dir abfragen. 
Schlakender König: Aber ihre politiſchen Ber: 
irrungen, dieſe Quelle nie zu beſiegender Übel ſtür— 


213 


zen in gewaltigen Katarakten über mich der vergeb— 
lich ſich müht ſie in ihrem Bett einzudämmen. 

Daemon: Das Volk bedarf keines politiſchen 
Bezwingers; es bedarf eines weiſen Erhalters der 
die Staatsökonomie mit ſich ſelber beginnt, der 
Alles was es in ſo kleinen, für es ſelber ſo bedeu— 
tenden Abgaben zuſammenträgt auch wieder für es 
verwendet will haben. Es bedarf eines kühnen 
Bekämpfers ſeiner Gegner und deiner, die in jede 
deiner Schwächen Vorurtheile einſchmelzen. 

Schlakender König: Ein reiner Geiſt zerſchmet— 
tert dieſe Vorurtheile, und Gleichgeſinnte, von de— 
nen wir wiſſen daß ſie unwandelbar daſſelbe mit 
uns wollen und daß nicht Eitelkeit oder Herrſch— 
ſucht unſre Übereinſtimmung mit ihnen gefährde, 
denen übertragen wir mit Zuverſicht das Verſtänd⸗ 
niß zwiſchen uns und den Völkern. 

Daemon: Dieſe Lieblingsweſen die du als 
Gleichgeſinnte bezeichneſt, ſind eben nur Par— 
teiweſen, die unter einem ſchnell wollenden, ſchnell 
ausführenden Herrſcher um Einfluß einander be— 
kämpfen und durch wechſelndes Steigen und Fal— 
leu unaufhörlich dieſe Schwächen des Regenten und 
den Mißbrauch der ihm liſtig entwendeten Macht 
der Welt zur Schau ſtellen. — Jeder dieſer Gleich: 
geſinnten iſt ein ſolcher Parteikämpfer der kein 


214 


anderes Verdienſt in deinen Augen ſoll haben, als 
in der Erfüllung deiner Beſchlüſſe. Dein feſter 
Wille, deine unerſchütterliche Thatkraft die es mit 
ſiegreicher Luſt dir nachempfindet, dieſe ſind die 
maguetiſchen Wechſelwirkungen zwiſchen dir und 
deinem Volk von denen die Sinnenbrauſende 
Welt nichts ahnt. Wenn aber dieſer Sinnen⸗ 
katarakt der ohne Unterlaß über Euch hindon— 
nert einſt plötzlich verſtummt; dann wirſt du fin— 
den zu deinem Erſtaunen daß eine Welt die zu be: 
herrſchen dir nicht gelingen wollte, ihre Lebensele— 
mente allein durch der Völker glühenden Schöpfungs— 
drang verbreite, der durchdrungen von zahlloſen Wir: 
kungen des Geifleralls, mit jedem freien Athemzug 
in kühnen Unternehmungen aufwuchernd, dem Herr— 
ſcher ebenbürtig zur Seite ſtehe und für ſeine 
Seele die wie deine unſterblich iſt, verlaſſe dich auf 
die Quelle alles Guten, Urſprung und Ende, 
Schöpfer des Univerſums, unermeßlich, unendlich 
regierend die Welt, einzig Vermittler zwiſchen dir 
und deinem Volk. — Nur der regiert von dem 
keiner weiß, wer leitenden Einfluß habe auf ihn 
außer Gott! Und am Hofe kann Keiner aus— 
dauern ohne am Volk und am Herrſcher ſchlechte 
Streiche zu begehen. Der Geiſt der frei ſein will 


215 


vom Böſen muß fliehen. So hätte Seneka 
die Agrippina und Nero verlaſſen müſſen, wenn er 
ein Stoiker hätte bleiben wollen. 

Schlakender König: So wären nach deiner 
Anſicht die Männer meines Rathes und trefflicher 
Genievoller Wirkſamkeit, lauter Heuchler, die alle 
Masken tragen? 

Daemon: Und für die ſie eine natürliche Be- 
kleidung geworden ſind, — die einander haſſen, 
weil fie mit gleicher falſcher Münze ſich nicht mol: 
len bezahlen laſſen, und Parteien gegen einander 
bilden, weil ſie den geraubten Schatz nicht heilen 
wollen. | 

Schlakender König: Ich aber meine doch, of 
fen im Denken und Reden und Handeln gegen 
Alle zu ſein. 

Daemon: So lange du dich dazu geſtimmt 
fühlſt. Als Vertreter des Volkes würdeſt du bald 
dich veranlaßt fühlen, die dir ſo verhaßte Heuche— 
lei dem Volk als Pflicht aufzulegen. 

Schlakender König: Ich würde vielmehr von 
ihm verlangen, grade und offen das Schlechte 
nicht allein zu haſſen, ſondern auch ohne Vorbe— 
halt ſeine Mißbilligung darüber auszuſprechen. 

Daemon: Erſt müſſen ſich deine Sinne für 


216 


die Wahrheit ſchärfen um fie von der Weltklugheit 
zu ſichten, denn dieſe iſt doch nur die feinere 
Maske der Heuchelei die Jeder verzeiht ſobald ſie 
wie Weltklugheit ausſieht. Sie iſt das Gewand 
des Gebildeten und du nennſt vielleicht darum das 
Volk roh und un würdig, weil es eben ohne 
dieſe Schminke ſich zeigt. 

Schlakender König: Meinſt du das Volk ſei 
ohne Lüge in ſeinen Neigungen, oder es treffe im— 
mer die Wahrheit in ſeinem Haß? 


Daemon: Das Volk betrügt ſich ſelbſt oft in 
ſeinen Neigungen, aber in ſeinem Haß iſt es wie 
der kluge Hirt der dem ſtößigen Ochſen Heu an 
die Hörner bindet als Merkzeichen ſeinen Geſellen: 
„traut ihm nicht.“ 


Schlakender König: Das Volk irrt in feinen 
Merkzeichen und läßt aus Trotz nicht nach von 
Vorurtheilen die es ſeinem Grimm zum Grunde 
legt. 


Daemon: Weil es die Quelle aller bittern 
Tage endlich entdeckt zu haben glaubt an denen es 
ſich müde gerungen hat. 


:Schlafender König: Und die Quelle der Noth 
ergießt ſich noch bitterer in ſein böſes Gewiſſen das 


217 


fi) abarbeitet in der Wüſte die es ſich ſelber hat 
bereitet und die Tage der Ordnung heimlich wieder 
herbeiſehnt jener gleichgeſinnten charaktervol— 
len Männer die den Imperativ meines Willens 
ausdrücken. 


Daemon: Charakter hat nur der dem das 
Land der Ideale keine Chimäre iſt, ſo ſehr es ihm 
auch geleugnet wird von dieſen Gleichgeſinnten die 
der Imperativ deines Willens ſind und doch dem 
Fürſten der ſelbſt Charakter und Willen zeigt dieſe 
geſchwind unterpflügen, weil er, um ihn nach ih— 
rem Sinn in Kultur zu bringen, von Charakter 
und Wille befreit ſein muß. 


Schlakender König: Die Vernumft läßt ſich 
nicht unterpflügen; ſie die harmoniſch des Lebens 
Ebben und Fluthen bewegt, iſt auch dem Steuer— 
mann ein Lichtgeſtirn zu dem er getroſt im Sturm 
auſblickt. 


Daemon: Wie der ſeiner Sonne entwichene 
Trabant, der kalt und unfruchtbar herableuchtet. 
Indeß geht die Welt kreuz und quer nach deiner 
Imperativen Beſtimmung fort und ſetzt den Beob- 


218 


achter und auch den Mitfpielenden in Erſtaunen, 
da ſie die Hauptintrigue plötzlich eine andere Wen— 
dung nehmen ſehen. Dein gleichgefinnter 
Fährmann ſchiebt es auf das Geſtirn das „ohne 
Rolle am Himmel hängt.“ 


Schlakender König: Welche moraliſche Kräfte 
reichen über Zufall hinaus? — Die Vorſehung 
miſcht ſich drein und heilt endlich das Herz von 
allen Wagniſſen. Ich haſſe den Despotismus, 
aber um das gefährliche Menſchenthier zu zähmen, 
muß es zum Guten gezwungen werden. Wie dort 
die Steppe, Halm an Halm gedrängt in unzähl— 
barer Menge, hervortreibt, aber nicht den Baum 
der köſtliche Früchte reift; ſo treiben Menſchenſaa— 
ten aus gemeinſamem Boden, aber nicht den Ei— 
nen um den die Vielen ſich drängen, deſſen Mund 
Erquickung regnet der durſtigen Menge, deſſen 
Geiſt morgenhell die ungezähmten Boreaden ver— 


ſcheucht. 


Daemon: Nur der Kühne, der über Gewittern 
und ihre Fruchtbarkeit hinaus, auf die leiſen Götter— 
worte horchend, menſchlich die Menſchen lenkt, der 
allein ſchlägt Wurzel im gemeinſamen Boden der rath— 
loſen Menge, die Halm an Halm gedrängt, außer 


a. 


219 


Schrecken und Gewalt bisher nichts erlebt hat. — 
Aus Ihm drängen die erſten kleinen Pulsſchläge 
ſittlicher Kraft aus beiden Herzkammern ſein Lebens— 
blut in Völkerſtrömungen über die ganze Erde. — 
Von Allem trägt er den Keim in ſich was er zu 
erzeugen berufen iſt. Aus ihm ſelber entſchwingt ſich 
der Volksgeiſt in den vollen wogenden Hafen einer 
geiſtigen Welt — die Seele befruchtet von dem was 
er will daß es ſei; — oder du biſt nicht Herr— 
ſcher, oder du ſtehſt — ein Verlaſſener deiner ſelbſt 
— zweifelnd wie Einer der den Proteus will feſſeln 
und in jeder Umwandlung nur die trügeriſche Hülle 
umfaßt und nicht das abſolute Ideal das der Welt: 
geiſt iſt, der auch in der Seele einer Vaterlandflüch— 
tigen Nation als Ebenbild Gottes über Euch hinauf— 
ſchwebt zum Weltenrichter. Oder meinſt du, die 
Hülfe bedürftigen Glieder des großen Weltkörpers 
ſeien verweſende Theile anſteckender Fäulniß die 
man unterbindet und abtrennt weil ſie erſtorben 
ſind? — Aber Völker ſind dem Gott einverleibt 
durch die Auferſtehung in ihm. Die Natur wird 
Geiſt in des Menſchen Sinne, die Sonne im 
Licht der Augen, der Wind im Gefühl, die tönende 
Luft im Gehör, mit der Rede ergießt der Feuergeiſt 
ſich ins Herz und alle Elemente werden Geiſt im 
Menſchen! Dieſen Lebensfaden, aus ſo heiligen 


220 


Gefäßen der Schöpfungen zuſammen gefponnen, ein 
jeder in ſich die Natur vergeiſtigend — wie könnt 
Ihr ihn abſchneiden? — Und die Völker — ſie 
ſind der ſichthare Leib Gottes! — Wie könnt Ihr 
ihn verſchmachten laſſen der ſich hingiebt zum 
Märtyrer eurer verworrenen Leidenſchaften die ſich 
auswüthen an ihm? — Aber wie die Gluthen den 
Geiſt des Stoffes entbinden, ſo der Weltgeiſt in 
den Leiden einer Märtyrernation reinigt ſie von 
Schlacken, die wie Kohlen eines verglühenden In— 
citaments zu Euren Füßen erlöſchen. — An 
dieſen Völkern ſelbſt die jetzt dem böſen Princip in 
Euch uuferliegen ſollt Ihr zum Ideal Euch empor 
ſchwingen, wenn einſt dies böſe Princip in Euch 
ihren erhabnen Eigenſchaften die in ihren Anlagen 
ſchon hervortreten, auch als todte Kohle zu Füßen 
ſinkt. 

Schlafender König: Der Tyrann der die Welt 
als ſeinen Stoff in der Gewalt hätte und ihn mit 
kaltem Blut mißbrauchte, wäre nach deinem Sinn 
der ſich reinigende Weltgeiſt, der eine ganze Gene— 
ration als Schlacke von ſich abwirft? 

Daemon: Große Charakterkräfte an deren Ent 
wicklung das Schickſal ganze Generationen draufgehen 
läßt, verwehen nicht wie Flugſand, immer ſchärfer 
in ſich ausbildend, wozu ſie berufen ſind, werden 


221 


fie der Schwerpunkt von Nationen. Ein organi⸗ 
ſcher Keim der Begeiſterungsflammen ſprüht und 
ſich verzweigt durch alle Völker. Sie ſelber aber 
ſind Weltgeiſter, durch nichts zu erblicken und doch 
da, in allem geiſtig erſtrebend was das Ziel ihres 
Wirkens auf Erden war. 

Schlakender König: Alſo diesmal hätte Napo: 
leon die Weltſchlckſale nur als Schule durchlaufen, 
in der er die Gewalten, die auf ihn übertragen 
waren, erſt brauchen lernte und durch Verhäng— 
niſſe, die den Fluch der Nachwelt auf ihn laden, 
die großen Schickſalsfragen in ſich reifen mußte. 
Und Er wäre der, welcher dieſe Weltfragen, die 
eben auf dem Spiel ſtehen, unter den Nationen 
aufwirft? — Da er nun früher in ſeinem irdiſchen 
Übermuth von den gotteingeſetzten Weltmächten 
gebändigt ward, fo wird dieſer Ubermuth, mit dem 
er in den Völkern jetzt ſpukt, durch dieſelbe Macht 
Gottes, die den Königen übertragen iſt, auch nie: 
dergehalten werden. 

Daemon: Der Geift der ihn auf den Gipfel 
ſeiner Macht ſtellte, und in den ſchauerlichen Ka— 
taſtrophen feiner Erſchütterung untergegangen war, 
aber bald um ſo reiner anf dem einſamen Schick— 
ſalsfels wieder auftauchte, der belehrte ihn erſt 
daß er dieſem erhabnen Trieb zuwider, das Uuver— 


222 


meidliche felbft herbeigeführt hatte und feine innere 
Stimme blieb ihm keine Antwort ſchuldig. 

Schlakender König: Wie? — Er hätte gewagt 
ſein Inneres vor ſich auszubreiten, deſſen Beweg— 
gründe und ihre Folgen ſich deutlich zu machen? — 
Beſinne dich! — Er hat die Übel noch erſchwert 
die auf dem Erdball laſten. Von allem Königli— 
chen, haben allein Kriegszucht und Schlachtenruhm 
ihn beſeſſen; er hat jeglichen beſſern Antrieb ſeinem 
Übermuth geopfert. — 

Daemon: Ich will nicht ſagen: Er war ein 
großer Menſch! — Aber was in göttlicher Er— 
kenntniß dieſem gleich ift: Es war das Menſch— 
liche was ihn durchdrang mitten in dem Ubermuth 
von dem du ſagſt: er habe ihn beſeſſen. 

Schlakender König: Nenne mir eine That, nur 
einen menſchlich guten Willen in ihm, dem dieſer 
ÜÜbermuth hätte weichen müſſen. 

Daemon: Es war in der Frühe, am Tage der 
Hinrichtung jener Erfinder der Höllenmaſchine die 
ihn zerſchmettern ſollte. Einer der ihn beſſer er— 
kannte als du, wagte es eine Bittſchrift ihm dar— 
zureichen: „Wer ift Er?“ — Bei feinem Namen: 
fuhr er auf: „Er iſt der gefährlichſte von 
„Allen! er iſt ſtrafbarer als die Andern!“ 


223 


— „Ich weiß es,“ ſagte jener, „aber feine Lands: 
„leute, die genug ſchon um feine Thorheit leiden 
„mußten, ſeine Familie, ſeine Kinder werden dich 
„ſegnen.“ Einen raſchen Augenblick des Nachden— 
kens und die Bittſchrift war genehmigt: „Ich 
„habe kein Recht an dieſe, eile, daß die 
„Hinrichtung nicht vollzogen werde!“ Er 
gab ihm die Freiheit. Für dieſe und noch andre Re— 
gungen der Menſchenliebe kann ich dir bürgen. 

Schlatender König: Du willſt mich mahnen? — 
Mir kannſt du nicht denſelben Maaßſtab anlegen, 
ich muß es andern überlaſſen das Gift, was ſich 
eingefreſſen hat, von den geſunden Theilen zu 
trennen. 0 

Daemon: Wolle du ſelbſt an deine Machtvoll— 
kommenheit den höheren Maaßſtab legen. — Er— 
habne Entwürfe, große Borfäge, er mußte ſie mit 
ins Grab nehmen; es war keiner der Fürſten mit 
ihm einverſtanden. Alle kämpften gegen der Völker 
Wiedergeburt. Er ſagte: „Vergebens ihre An: 
„ſtrengung, es iſt der Fels des Syſiphus, 
„dem ſie widerſtemmen, er wird ſtürzen 
„und fie zuſammenſchmettern.“ 

Schlakender König: Er ſagte es als Einſiedler, 
St. Helena zu Ehren, unter deren Obhut er ſtand. 


224 


Daemon: Einfiedler, auch mitten im Getümmel 
der Weltgeſchicke. Er konnte nicht was er ver— 
mochte, hättet Ihr hülfreiche Hand ihm gelobt. — 
Und leider! — Keiner war ſo kühn unter Euch, 
ſo von dem Großen in ihm ergriffen, daß er ver— 
ſucht hätte feinem Märtyrerthum ihn zu enfreißen 
und ſeinen erhabnen Ideen ihn ſelbſt zu retten. 

Schlakender König: Hätten wir ihm trauen 
dürfen? — Damals als er noch der Allmächtige 
war, hätte ein einzig edles Wort mehr als ſeine 
Gewaltſtreiche, dieſen idealen Jnſpirationen Eingang 
verſchafft. 

Daemon: Du ſelber biſt überzeugt: dies Wort 
wäre auf unfruchtbaren Boden gefallen. Ihr herrſcht 
auf dem Boden, der tief in den Eingeweiden der Erde 
wurzelt, der ſeine ruhte auf Sand. — Er reinigte den 
Geiſt der Revolution; er ſammelte das Gute in ihm 
und ſchützte es mit energiſchem Willen. Hätte er von 
Euch Beiſtand verlangt, Ihr würdet ihn nicht ver— 
ſtanden haben, da Ihr nicht verſtanden habt was 
in feinem Sturz Euch unterging. Und wenn auch: 
Ihr hättet Euch gefürchtet das Rechte zu thun. 
Auf Einen der Alles dein öffentlichen Wohl auf: 
opfern will, ſind Millionen die von gemeineren 
Trieben beherrſcht, es nicht wollen; und der Eine 
ſein zu wollen, das kommt Euch vor wie Frevel. 


225 


Sıhlafender König: Du vergißt, daß das Alle 
gemeine auch den hindert der vielleicht mit ihm 
empfunden hatte. — Aber was am tiefſten ergreift, 
dem ſind Herkommen und Beſtehen die gewaltigſten 
Feſſeln. 

Daemon: Und wagteſt du fie zu zerreißen, du 
würdeſt erſchrecken daß es nur Spinnweben ſind 
die deinen geringſten Willen umſtricken. 

Schlalender König: Er, der fo oft das Beam: 
theil von dem that, was er für unerläßlich hielt. 
Dieſe Wiedergeburt der Völker — er hat ſie nicht 
durchgeführt; hätte er gewollt wie er gekonnt, ſo 
hätte er die ihm widerſtrebenden Mächte mit ſich 
fortgeriſſen. Sein unſelig Verhängniß war: das 
Schlimme zu thun, wo er das Gute erkannt hatte. 

Daemon: Und er geſtand ſich auch: „Ich habe 
zu viel gethan und zu wenig, — ich konnte meine 
Handlungen nicht meinen Abſichten verſchmelzen. 
Wär ich beſonnen geblieben, ſo mußten ſie gelingen, 
ich hätte die Namen der Geſchichte, ihre ariſto— 
kratiſchen Formen und Rechte den demokratiſchen 
Anforderungen vermält. Es hätte meinen Stolz 
freudig gemacht größre Geſinnungen in den ſchö— 
nen franzöſiſchen Stämmen fortzupflanzen: große 
umfaſſende Entwürfe, alle auf Ausbildung der 
Völker gerichtet; ein europäiſch Geſetzbuch, ein en— 

b 15 


226 


ropäiſch Gericht das alte Irrthümer wieder gut— 
macht und die Revolution war in Einklang gebracht 
mit dem was ſie nicht zerſtört hatte; geſtützt auf dieſe 
reineren Verdienſte als das ihrer Ahnen, waren ſie 
das einzige Mittel die monarchiſche Gewalt in edler 
Umſchränkung zu halten und den neuen Inſti⸗ 
futionen Kraft und Reife des Alters zu ſichern; 
wären ſie nur mit Herz und Seele die unſrigen 
geweſen; aber ſie erriethen mich nicht; eine unglück⸗ 
liche Neigung ſich lieber im Koth zu wälzen als 
mit mir den Gipfel der Ehre zu erſteigen, ließ ſie 
meinen großen Ideen nicht Raum geben. 

Schlakender König: Du? — — Seltſam biſt 
du! Dieſer Mann von ſo umfaſſenden Gewalten! 
— Als wäreſt du Er ſelber, ſo ſprichſt du — ein 
Jüngling in der Monddämmerung der das Haupt 
an die Erde legt und ſie küßt. — 

Daemon: Mit Blut getränkt von Ihm; und 
viele dunkle Tage hat er über ſie gebracht. Aber 
er liebt dieſe Erde, er möchte ſie erhellen, ihre 
Schmerzen ihr abbitten und die Freunde die feinen 
Plänen ſich geopfert haben, die möchte er ihr 
wiedergeben — im Verborgnen die Schlüſſel dar⸗ 
reichen Einem der Freund iſt den Menſchen; — 
ich möchte die Hand dem Einen führen das Große 
zu erringen. Es iſt ſchwieriger nicht als das 


227 


pe Br * Een ng die * 
keit. on 
Schlatender Nu Du ae — Der 
plan iſt goͤttlich, aber es e ren een 
Juſperation ihn auszuführen. 
Daemon: Willſt du auf dem Gipfel der gelt 
ſtehen, fo müffen die Völker dir den Thronſitz bauen. 
Schlakender König: Und dieſe ſollten unter der 
Laſt des Baues ausdauern und ihrer ſelbſt vergeſſen, 
freiwillig der Zukunft ſich opfern? | 
Daemon: Ja! Aus Liebe zu dem der ihnen vertraut 
und ihnen ſelber zumuthet, was er ſich auferlegt. — 
Könnte ein matter, abgedienter, lůͤgenhafter Aufruf dei⸗ 
ner Imperative bei jeder Gefahr die Hingebung deines 
Volkes dir hervorzaubern, läge nicht ein ernſter 
Charakter ihr zum Grund der dem höchſten Gedeihen 
alles will opfern? Was iſt ihm das höchſte Ge⸗ 
deihen? Wenn du Vertrauen ihm ſchenkſt, ſo iſt 
es unwiderruflich zwiſchen zwei Geſchicken das 
deino. Dir ſteht ſchweres bevor; ich leſe in den 
Sternen: — Die Zeit der dare . wird eine — — 
5 werden ah 
Schlakender König: Sf fi ie niche geen eine 
Wolfszeite dies Gewühl von Aufruhr und Betrug 
untereinander, dieſe pfiffigen Anſchläge verzweiflungs⸗ 
voller Pläne, alle gegen mich, jeder Dolch ſcharf 
15 


228 


genug mich zu verwunden? — Und trage ich nicht 

Alles um der Zucht und Ordnung willen und 

geht nicht immer wieder die alte Noth daraus 2 
vor die Alles in Gift umſetzt? 

Daemon: Ja, die Noth der Bosheit die Ader 
Wahrheit den Zugang verſperrt. Wo iſt aber 
der Richter der dem Kläger und dem Ange⸗ 
klagten, gleiches Wohlwollen ſchenkt? — Mit 
Recht wird das Volk tiefen Unwillen empfin⸗ 
den, wenn du ſeinem Gegner geſtatteſt, ohne Schen 
alles Beliebige vorzubringen und mit dieſen falſchen 
Reden, ohne daß es zu Worte komme, dir die 
Ohren verſtopfſt. — Dieſe feigen Wegelagerer, 
erſpähen die Blößen an ihm und die 1 
in dir, um beide einander zu verkaufen. 

Schlalender König: Berläumdung bat tausend 
ggg. der Uleberredung, aber wolle mich nur nicht 
für eine Windmühle halten, die dem 3 
Nees nicht kann widerſtehen. f 

Daemon: Eher für das Ziel nach dem Alle wett⸗ 
r Der gute Wettrenner, ſobald das Schran⸗ 
kenſeil gefallen, rennt grade vorwärts, weil er ſeine 
Hoffnung des Sieges nur auf ſeine Füße ſetzt; der 
ſchlechte ſucht durch Liſt den Mitbewerber im Lauf 
zu hindern. — Immer ſinen ſie auf Ausſagen, 
von denen fie wiſſen, daß ſie den größten Wider: 


229 


willen bei dir erregen, und da du ein gottesfürch— 
tiger Mann biſt, ſo bezeichnen ſie den Unglück— 
lichen als Gottesleugner. Dies trifft wie Brem— 
ſenſtiche dein Ohr, augenblicklich in Feuer und 
Flammen, wendeſt du mit zornigem Abſchen dich 
von dem Verläumdeten. — Immer richten ſie ihre 
Geſchoſſe auf deine verwunderbarſten Stellen, damit 
ſie dich, außer Faſſung geſetzt, zu Ungerechtem ver— 
leiten. Hältſt du mi dieſe Feigen nicht für Mör— 
der deiner beſſern Natur? — Fühlſt du nicht, daß 
ſie des Volkes Liebe zu dir nun auch morden? 
Wie wär's, wenn du gegen alles Recht ihr Ver— 
derben hätteſt zugegeben? Oder wenn jenen, denen 
du Gnade verheißen, weit ärger mitgeſpielt würde 
als du verantworten könnteſt wären ſie nicht be— 
gnadigt? Wer nimmt dein Volk in Schutz gegen 
dich, den Betrogenen und für dich gegen ſeine 
Verderber die deine Würde alſo fälſchen durch 
unabläſſiges Zuſetzen unverſchämter Heuchelei, denn 
gegen dieſe ſchützt dich keine diamantne Bruſt— 
wehr. i 5 

Schlakender König: Und eher laſſe ich noch 
dies über mich ergehen als mir ein Rachegefühl 
dabei unterſchieben. Der Herrſcher ſteht außer 
Bereich der Rache gegen den Einzelnen, was dem 
widerfährt ſtraft das Verderben Aller in — ihm der 


230 


des Unheils Keim war. Ich kann wohl den 
Einzelnen opfern müſſen weil ich der Völker Freund 
bin, aber verderben könnte ich ſie nicht müſſen, 
weil ich des Einzelnen Feind wäre. Wenn du 
nun wähnſt Heuchelei könne aus mir einen leeren 
Kopf machen und mein Herz entwürdigen, ſo be— 
denke, daß ich mich zwar nicht von Fehlern frei 
ſpreche aber daß ſie alle davon herrühren daß 
dies Herz nur zu oft mit meinem Kopf durchgeht 
und mir abſchmeichelt was keine ſophiſtiſchen Re: 
den mir ablocken können.“) 


Daemon: Und wie einfach könnteſt du alles 
löſen, wärſt du geneigt den Volksgeiſt zu würdi— 
gen. — Jeder Trieb in ihm ein Buchſtab ohne 
den du ſeinen Charakter nicht entzifferſt und liegt 
dir ſo dicht vor den Füßen daß jeder deiner 


) Lücke eigener Cenſur. 


231 


Fehltritte an der Wahrheit ſich ſtößt. Des gro: 
ßen Mannes Beruf iſt, den harmoniſchen Gang 
zu finden in dem ſogar die Diſſonanz die noth— 
wendigſte Stufe des Übergangs bildet, er wird 
durch ihr Verſtehen zu noch reineren Ulmriſſen ſei— 
ner Begriffe gelangen und ſein Herz wird noch 
edlere Wohlthaten ihm abſchmeicheln. Fort und 
fort in der Lehre des Nothwendigen iſt ſein Weg 
zwar ein ernſter, aber der glorreichſte aller Welt— 
regenten. K 


Schlakender König: Als dein Schüler der zwar 
Herrſcher iſt, den du aber liſtiger als andere dir 
verdächtigen Freunde zu beherſchen verſtehſt, frage 
ich, ob Heuchelei und Liſt deren du ſie zeihſt nicht 
auch deine Miethlinge ſind? — Zu tief lagerſt 
du in mir, um nicht deine Regungen zu den mei: 
nigen zu machen. 


Daemon: Laſſe ſie dich reinigen von falſcher 
Lobrede und ſei in Wahrheit was im Menſchen 
groß genannt kann werden. Was ja nicht gött— 
liche Kraft, aber menſchliches Gefühl allein kann 
vermögen und daher auch menſchlich wirkend auf 
die, denen du dann wahrhaft ein Göttlicher ſein 
würdeſt. Bezwinge deine Feinde, die ſich deines 
Gefühls bemächtigen wider deinen Geiſt, und 


332 


deinen Witz aufhetzen gegen dein Bewußtſein 
der allein Meiſter ſollte werden dieſer Geſellen 
denen du die Thore des Vertrauens haſt ge— 
öffnet; — ſie hauſen darin wie in einer un— 
terjochten Stadt, wo fie brennen und rauben 
und morden und hinausjagen was ihnen nicht 
gefällt.“) \ 


— | A — 


Schlakender König: Zermalmen will mich ein 
jeder: der Eine weil er ſeine Leidenſchaften an mir 
mäſtet, der Andre weil er die ſeinen an mir will 
rügen. Muß ich da nicht eher gegen dieſen mich 
wehren als gegen jenen der als Beute ſeiner Be— 
gierde mich beſtehen zu laſſen doch einen Grund 


— 


*) Lücke eigener Cenſur. 


233 


hat, da er nicht ficher iſt was über ihn komme 
wenn der Baum geſtürzt iſt der ihm Schatten 
gab. — O ſieh nicht auf dies Geſagte als auf 
mein Evangelium, ich lege es nur auf die Wage 
um als zu leicht es zu verwerfen. 

Daemon: Und willſt du dieſe Freunde genauer 
prüfen? Sie ſind die Argliſt, die Täuſchung, der 
Neid, der Hochmuth die im Sold der Verläumdung 
dich ihr verrathen. Wie kannſt du zweiflen ob 
der welcher dein Gehör eingenommen es nicht auch 
mißbrauchen werde gegen den ſchon in feinen Schlin— 
gen Verwickelten? — Kein größer Verbrechen als 
Verdammung ohne die Vertheidigung dreimal höher 
zu würdigen als die Anklage die deinen Haß aufreitzt 
gegen den der deiner Gnade bedarf. Wie ſind die 
ſtreng genug zu beſtrafen, die für eine trunkne Maje— 
ſtätsbeleidigung, hunderttauſend Volksbewußte zum 
Himmel ſchreiende Verwünſchungen dir erzeugen, ſo 
leiſe ſie auch unter dem Dach des Elends hervorgeflucht 
werden. Ha wie bald würde ein Anderer — dein 
Nachkomme etwa — dieſen Fluch umwandeln ins 
beſte Volksvertrauen daß es wie der Raſen unter 
mildem Regen friſch aufgrüne. Der wird ver— 
zeihen — der wird von Beleidigung nichts 
hören wollen und das Volk wird als ſeinen Schützer 
ihn preiſen. — Ja ihm machen deine Freunde 


234 


leichte Fußtapfen zu dieſem Fels der Volksliebe fo 
ſchroff daß du nimmer hinan wirſt klimmen. — 
Und wenn ſie dies Alles nur aus Unſchuld zum 
Verderben dir bereiten ſo iſt ſie dem Volk weni⸗ 
ger zu dulden als ein Feuerbrand auf dem 
Acker den es im Schweiß des Angeſichts muß 
bauen; er muß gelöſcht werden dieſer Brand der 
Philiſter die du mit einem Eſelskinnbacken über die 
Haide in ihr eignes Feld zurück ſollſt jagen. — 
Haſt du nie verſtanden im Hamlet: wie das Gift 
dem gütigen aber ſchlafenden Herrſcher ins Ohr ge— 
tröpfelt, ihm Tod bringt und dann nicht mehr der 
Schuldenfreie regiert, aber der Argwohntolle der 
überall Feinde ſieht und jedes Wort erlauſcht ob 
es nicht gegen ihn gemünzt ſei? — und nicht 
mehr ſich kann wehren Unrecht zu thun noch es 
geſchehen zu laſſen. 

Schlakender König: Ich ſtoße bei deinen Ber: 
gleichen auf manchen mißlichen Verdacht. Ich 
glaube, es ſteht nicht richtig mit dir und viel 
hab ich von fremden Zungen erfahren müſſen 
daß du nämlich mich mancher Dinge fähig hältſt, 
vor denen mir grauelt. — Aber ich habe deine 
Verläumder abgewieſen. Nein! ich hab nicht be— 
achtet, daß du gleichgültig gegen mein Leben, 
meine Mörder bemitleidet haſt, lange hab ich 


235 


mir geleugnet daß du Könige verabſcheuſt und 
doch den anrufſt der nach deinem Sinn das 
gute ſoll durchſetzen. Hierüber ſtehe mir Rede — 
in dieſem Augenblick wo du ſelber ſo beredſam dich 
zeigſt mein inneres Leben mir darzulegen. 

Daemon: Um wenigſtens es zu retten vor dem 
Untergang deines äußern Wirkens. So glaube du 
von mir. 1 

Schlakender König: Du willſt recht behalten. 
Aber dich verantworten, dazu haſt du nie Zeit — 
und führſt auf Bahnen überraſchender Wendung mich 
hier und dort zum Ufer wo der Schein dir Recht 
ſpricht. Ob ich als Herrſcher dem mich fügen 
könne, danach fragſt du nicht. 

Daemon: Was liegt an mir, den Du wie eine 
Saamenflocke kannſt verwehen mit dem Athem deines 
Mundes, und ſiehe: Schon weit entfernt, tändle 
ich mit den fliehenden Winden; kehr ich zurück, ſo 
ift es dein Athem wieder der mich lockt. — — 
Dort die Dornhecke — ein leichter Hauch jagt 
über ſie mich hinweg die mich nicht wiederkehren 
läßt. — So iſts denn nicht mein Eigenſinn aber 
der deine der mich haſſen will und doch mich 
zwingt auszuharren bei dir. 

Schlakender König: Ich werde gleich dich haſchen 
und deine Flügelkraft lähmen. 


256 


Daemon: Zu deinen Füßen ein kleiner Flaum 
aus deinem Ruhekiſſen — Wende dich ab von 
mir und wandle einen andern Weg, ſo bleib 
ich unbeachtet zurück. 

Schlakender König: Ha! Warum fliegſt du ſchon 
wieder vor mir auf? — 

Daemon: Dein Athen hat mich empor geweht. 

Schlakender König: Und was willſt du mir nun? 

Daemon: Was du ſelbſt wollen mußt; was 
dein bewegter Sinn mir tauſendfach abfordert. 
Sonſt nichts kann ich wollen. 

Schlafender König: Was find dies für Geſtal— 
ten die mir vorſchweben? 

Daemon: Der Verläumder, der Verläumdete 
und der Gefäufchte. 

Schlakender König: Kannſt du fie nicht ab: 
weiſen da du ſelbſt ſie in meine Nähe gezerrt 
haſt? — was mich ganz außer Faſſung bringt. 

Daemon: Wolle du ſelbſt es. Der Erſte — der 
es wagt, Ihm, der Allen ein gerechter Richter 
jedem ein nachſichtiger Freund ſein ſoll — den Bal⸗ 
ſam aus der Hand zu ſchlagen und dafür den 
bittern Trank des Haſſes ihm einzwingt — dieſen 
Schlimmſten — um den rings das Böſe aufwuchert 
und ſeinen Saamen ſtreut hin und her auf allen 
Wegen wo Erbarmen dir aufkeimt — nun — 


237 


um deiner felbft willen wehre ihm ab, mit einem 
Blick — mit Abwenden deines nen — und 
es genügt ihn zu vernichten. 


Schlakender König: Wie? — dieſem einge: 
übten Vertreter öffentlicher Schritte — der jedem 
Sinn ſeine Bedeutung giebt, tief verkettet mit allen 
Weltangelegenheiten! Wie kannſt du meinen der 
ließe ſich entfernen ohne das alles in Trümmern 
ſtürze? — 


Daemon: Laſſe den Verläumdeten ſelber zur 
Quelle feines Verdruſſes dich geleiten, gebe ihm 
Muth feine Fehle dir zu bekennen und laſſe 
deine Milde ihn bekehren, ſo biſt du beide Feinde 
los. 


Schlafender König: Dürfte auch ein ſolcher 
ſeine Rechtfertigung wagen auf Koſten ſeiner An— 
kläger, die von Haus aus ihn kennen und keines— 
wegs hinterm Berg halten mit dem was außer- 
dem noch an ihm haftet. 


Daemon: Und die im Koth wühlen Lebender 
und Verſtorbener, wie es für erprobte Miſt— 
käfer nur erträglich if. — Der Getäuſchte aber 
lauſcht ihnen andächtig als ob fie auf dem Drei— 
fuß ſäßen. Ein geheim Verlangen nach der Schuld 


238 


deſſen über den er mum einmal den Stab muß 
brechen, öffnet dieſen perpeſteten Einflüſterungen 
die Schleuſen zu den klaren Waſſern in denen 
fonft dein Bewußtſein ſich ſpiegelte. So macht 
Verläumdung den ernſten Wahlplatz deiner Er— 
kenntniß zur Gemeinweide für Phariſäergerech— 
ligkeit. a 


Schlakender König: Wäre es fo, dann kränkte 
es mich tief. Aber biſt du deſſen ſo gewiß daß 
viel geprüfte Urtheile die im Allerheiligſten des 
Chriſteuthums die Grundfäden. ihrer Überzeugung 
anknüpfen keine Geltung haben vor Gott? 


Daemon: Ob ich deſſen gewiß bin? — Be— 
ſinne dich auf den Edelſten geprüfteſten deiner 
Lieblinge, ob er nicht blos ein Menſch ſei der 
Galle hat? — der dem einen zugethan iſt — der 
andre aber iſt ihm verhaßt. — Ob ſeine chriſtli— 
chen Verknüpfungen mit dem Allerheiligſten, nicht 
ſeine Beſchränktheit iſt, die allem Widerſpruch 
wehrt. — Beſinne dich ob du dir ſelber kannſt 
trauen, dem dies Alles ſchwer auf dem Herzen 
müßte laſten wärſt du der du fein ſollſt! — 
Du würdeſt in Ketten unwürdiger Ulnterſuchun— 
gen dich verwickeln, ja dich ſelbſt ihnen unterwer— 
fen müſſen und wenn du aufrichtig biſt, dir ein— 


239 


geſtehen daß du eben nicht der Schuldloſeſte biſt. 
Manch irrig Urtheil wird gefällt; Unverantwort⸗ 
liches wird genehmigt, Freunde und Liebende — 
Länder und Staaten hingerichtet — könnteſt du 
ſie wiedergewinnen! — wer erprüft dies? — — 
Du ſchweigſt — und alle ſchweigen. — — Haben 
nicht Aufreizungen ſelbſt mich, den geringſten deiner 
Diener dir verdächtigt? — Kommen nicht Augen⸗ 
blicke wo du deinen guten Daemon verwünſcheſt 
da er dir am nötigſten iſt? — Der tragiſchſte Dae⸗ 
mon und dein ärgſter Feind iſt der des Unverſtan⸗ 
des, von Machthabern ſelbſt gepflegt, der den Geiſt 
zu unterjochen ſich müht. Aber bedacht hat es noch 
keiner, daß: wäre dies möglich, ſo würden frühere 
Zeiten Euch zuvorgekommen ſein. Die ganze 
Staatslehre geht darauf aus ihn zu lähmen. 
Wer erprüft dieſes? warum unterſucht Ihr nur 
was aus dem Gleis ſpringt jenes Tragikers? 
— Warum macht Ihr dieſen ſelber nicht ver: 
antwortlich für Verbrechen, von denen Er der 
Urſprung iſt? — D Ihr habt kein Erinnern 
des Geſchehenen, ſonſt würdet Ihr die Märtyrer 
Euch zurückrufen jener Verfolger mit derſelben 
Wirkung auf den Geiſt die ihn blödſinnig 
machen will. 

Schlakender König: Wie ſoll ich dem Daemon 


240 


des Unverſtandes beikommen oder feinen Uebeln, 
von denen du ſelbſt ſagſt daß ſie ſeit Jahr⸗ 
tauſenden wuchern — der unzugängliche Schlupf— 
winkel hat überall. 

Daemon: Zwinge ihn wieder gut zu machen 
was er angeſtiftet hat, — wie Sanct Bernhard der 
zwiſchen den Glaubenslehrern Friede ſollte machen. 
Das ſah der Teufel ungern, er zerbrach ihm das 
Vorderrad am Fuhrwerk, um ihn zu verhindern 
dort anzukommen wo Mord und Todſchag zwi— 
ſchen den Predigern des Heils war. Der Heilige 
zwang ihn auf der Stelle den Dienſt des Rades 
zu thun, er mußte über Stock und Stein mit den 
drei andern Rädern fortrollen. Durch dieſe fort— 
währende Rotation wurde der Teufel fo mürbe ge: 
macht, daß er zu allem zu brauchen war und auf 
Befehl die wüthigen Streiter ſelbſt auseinander 
brachte. — Die Noth allein macht weiſe. So 
laſſe ſie denn walten dieſe allmächtige Gottheit über 
Schuldige und Unſchuldige; bald wird Alles ein 
Schrei der Wüſte ſein. 

Schlalender König: Nein! — Mein baer 
Wille widerſetzt ſich dem. Ich will das Elend 
nicht dulden müſſen das von der Dummheit ſich 
nährt. Bahne mir den Weg — ich werde ihn 
wandeln, ſo mißlich er iſt. — 


241 


Daemon: Es iſt freilich mißlich feine Fehler be: 
kennen, aber dem Herrſcher iſt es leichter wie Andern, 
denn er bekennt ſich in der Geſammtheit: „Wir 
haben gefehlt!“ da zumal einem Herrſcher auch 
nie einfällt, anders zu wollen, als was Alle thun; 
nicht weil es das Beſte wäre, aber weil euer fragi: 
ſcher Daemon keinen andern Ausweg weiß. 

Schlakender König: Und würde ich nach eignem 
Dünken ſchalten wollen, ich würde vor Widerſpruch 
meiner Sinne beraubt. 

Daemon: Daran würdeſt du nicht ſcheitern, aber 
an dem Eigenſinn jenes Tragikers der noch in Euch 
nicht gebrochen iſt. 

Schlafender König: Wer könnte dem Daemon 
des Unverſtandes ſolche Gewalt über ſich einräumen 
— liegt es nicht an uns ſie zu vernichten? — i 

Daemon: Das wird keinem gelingen, denn Alle 
ſeid Ihr dem Tragiker verſchrieben. 

Schlafender König: Wahrlich — du treibſt mich 
nicht in die Enge, noch iſt meine Seele ihm nicht 
verpfändet. 

Daemon: Ich hoffe, daß dieſe Bande nicht un⸗ 
auflöslich ſind. Aber geheſt du nicht denſelben Weg 
mit denen die dem Teufel verſchrieben ſind? — denn 
der iſt eben jener tragiſche Daemon. Suchſt du 
nicht dieſelben Vortheile? Haſt du ihre Wagniſſe 

16 


242 


gegen das Volk nicht gebilligt? Feſſeln dich nicht 
dieſelben Vorurtheile? 

Schlafender König: Weil ich erkenne, daß kein 
anderer Heilsweg iſt, aber nicht weil ich mich dem 
Teufel verſchrieben habe. 

Daemon: Grade weil du dich ihm verſchrieben 
haſt. Als du dem Volksvertrauen dich entzogſt 
waren es die ſpitzigen Epigramme dieſes Daemons 
die deinen Spott reizten. Er ſchleuderte ſeine Sar⸗ 
kasmen ins Dunkel deiner Seele und beleuchtete mit 
dieſer Höllenfackel die verhaßten Verläumdungen die 
dir Glück und Würde ſollten rauben. So ſtandſt 
du plötzlich mitten im Feuer ſeiner liſtigen An⸗ 
ſchläge auf Macht und Glanz erhabenſter Herr⸗ 
ſcherwürde, während du das Vertrauen des Volkes 
und ſeine Zuverſicht mit Neſſeln zurückpeitſchteſt, 
die Er dir in die Hande gab. 

Schlakender König: Nicht darum habe ich ge: 
buhlt! nicht um meinen Herſcherrglanz zu mehren, 
— aber es liegt im irdiſchen Gedeihen, was noth⸗ 
wendig auch geiſtiges Gedeihen weckt. Sie müſſen 
in einander greifen und dies iſt mein höchſter — 
ja mein einziger Zweck! 

Daemon: Und wenn es ſo iſt, was konnte dich 
anſpornen gegen Beides zu wirken? Wenn nicht 
jener Tragiker dich entfremden will dem menſchen⸗ 


243 

freundlichen Genius der zu feurig kühnen Gedanken 
dich begeiſtert, von muthvollem Vertrauen deines 
Volkes getragen, einem ganzen Geſchlecht vorauf: 
zuleuchten. Jetzt iſts anders. Deine Freunde ſind 
Glücksjäger von böſen Daemonen bewaffnet, die 
— unbekümmert mit welchen Waffen ihre Gegner 
fie bekümpfen — mit Nervenreiz und Fieberhitze 
und ihrem ganzen häßlichen Gefolg des Unmög⸗ 
lichen deine kranke Seele ängſtigen. Alles, was 
ſie dir vorbringen, iſt geheimnißvoller Wiederhall 
ihres Hochmuths daß fie es find in deren Hän⸗ 
den die Weltbegebenheiten ruhen und nicht in deinen. 
Sie halten den Janustempel geſchloſſen, indeß ſeine 
Pforten aus den Angeln ſtürzen. Geiſt! — Volks⸗ 
geift! — Einmal redet das Teſtament von ihm als von 
Göttlichem durchweht, ſie haben ihn zum Babel 
ihrer Verwirrung gemacht, — ſie bändigen ihn 
wie man ein ſtätiges Roß bändigt und zwingen 
ihn zum Glaubensbekenntniß ihrer Unfehlbarkeit, 
von dem ohne Ketzerei kein Buchſtabe auszulaſſen 
iſt, und dieſe Mittel zum Zweck find ihnen Haupt: 
ſache geworden. Nenne du dies Unverſtand oder 
böſes Schickſal oder Verblendung des Teufels, aber 
zweifle nicht, es iſt Bosheit die jede Beſchönignug 
in die Luft ſprengen wird. 

Schlafender König: Du — der nicht ſehen will, 

16* 


244 


daß anders zu handeln unmöglich fein würde ohne 
von den Glaubensartikeln und Gelöbniſſen der Po: 
litik mich loszureißen und dann wenigſtens aus 
ihren Reihen ausgeſtoßen zu werden. 

Daemon: Ha! und fo das Volksvertrauen end— 
lich wieder zu gewinnen das fo muthwillig ver⸗ 
ſchleudert ward. Das würde ein Triumph ſein! — 
Ein Siegesruf — eine Brücke zu der Inſel deiner 
ſelbſt! — Magnetberg allen verjagten Völkern, 
Aus Trümmern des Geiſteszwangs, der Vorurtheile, 
der Vertilgungswuth das alte, echte Metall der 
Volkstreue herausſchmelzen, mit dem du die Schul⸗ 
meiſteranpflanzungen, die mit Ruthen der Goffes: 
furcht den Titanen — den Löwengeiſt des Volkes 
niederhalten wollen, in den Grund bombardirſt. 

Schlakender König: Dir ſind beſtimmte Formen 
zu eng. Aber wollte ich ſie zerſprengen dann würde 
Altes und Neues in Trümmern über mir zuſammen 
ſtürzen. 

Daemon: Alle die großen Fragen von Europas 
Entfaltungsproceß würden freudig unter deinem 
Herrſcherſtab aufwallen. Eine göttliche Erziehung 
des Menſchengeſchlechts! Naturnothwendig — nicht 
Geſammtberathungen unterliegend, zu denen dein 
Genius ſelber ſagt: „Weichet von mir, ich kenne 
Euch nicht!“ 


245 


Schlakender König: Ich bin ein Kind an Geiſt 
und Wirken, der Sporn des Beifalls reizt mich 
nur um der Vollendung mich näher zu ſchwingen. 
Menſchlich fühlend für die Menſchen wirken, das 
iſt mein Ziel und wenn mein Genius auf mehr 
zählt, dann hat er ſich verrechnet. 

Daemon: Es genügt ihm, da Gott ſelbſt im 
Menſchen nur menſchlich wirkt; denn für eines 
Gottes Kraftanſtrengung hat die Erde jetzt nicht 
mehr Raum. 

Schlatender König: Wann und wie hätte Gott 
der Kraftanſtrengung bedurft — ſei es im Himmel 
oder auf Erden? 

Daemon: Damals als er die Völker nach ſei⸗ 
nem Ebenbild erzeugte, da bedurfte er ihrer um 
dem Irdiſchen das Göttliche einzuprägen. 

Schlakender König: — Wie hätte ihm dies fo 
ſchwer gelingen mögen? — und entſprangen nicht 
die Könige ſonder Mühe nach ſeinem Ebenbild, die 
er, ſich ſelber träumend, auch leichter ſich ähnlich 
bilden konnte als die Völker die er mit äußerſter 
Kraftanſtrengung nur, konnte nach ſeinem Ebenbilde 
erſchaffen. | 

Daemon: Hat er die Völker erfchaffen, und 
träumte er die Könige — ſo ſind ſie eben auch dies 
geworden — ein Traum des Lebenſpendenden Gottes 


246 


— ein träumendes Behagen der Sabatruhe die. fein 
ſchirmender Wille aushauchte zur Weihe gefihaffener 
Völker. — Traum nur! — nicht höher beſtehend 
vor Gott als in Träumen leichter das Erhabene 
ſich erzeugt wie im Handeln. 

Schlakender König: So hätte er die Völker er: 
ſchaffen für geträumte Könige. Warum meinſt du 
daß er nicht eben ſo kräftige Selbſtheit dieſen habe 
geben können als dem Volk. 

Daemon: Weil je näher dem Göttlichen, um ſo 
weſentlicher auch im Menſchen das Ideal aus ihm 
ſelbſt erzeugt. — Sonſt nur Traumſchatten ver⸗ 
ſchwebend im Licht. — Du biſt Menſch — und 
geſchaffen in die Wirklichkeit, gehörſt du zum Volk 
— vor Gott nur geltend wie dieſes. Damit ſein 
Traum, der die Könige anhauchte in dir zur Wahr⸗ 
heit werde, mußt du ſelbſt dem Irdiſchen obſiegen 

— dem Volk ein Talisman göttlicher Verheißung 
— Seele die, es empfindend, in Träumen fich 
emporſchwinge zu dem Gott der dein Vater iſt 
und dir gewährt was du bedarfſt, wenn dir man⸗ 
gelt was Vernunft dir nicht kann geben, nemlich 
eben dieſes Gottahnen was der Traum dir gewährt. 

Schlalender König: Ich verſtehe dich nicht. 

Daemon: Armſelige Menſchen find Könige die 
von irdiſcher Vernunft Hülfe betteln, um in der 


Fe. 
„ 
AT a 


247 


Finſterniß vor dem Lichtquell göttlicher Träume ſich 
zu bergen in dem ihr Irrthum ſeinen eignen Schatten 
ihnen hinwirft. Wer kann den Maulwurf von der 
Sonnenwärme überzeugen? So lange ihm genügt 
Maulwurf zu ſein hält er ihr Brennen für unter⸗ 
irdiſches Höllenfeuer ehe er zugeſteht, es ſei die 
Sonne! — So genügt dir heut eine vom Volk 
getrennte U bergewalt, aber unterworfen dem was 
ein Fürſtencongreß ausbrodemt. Höhere Erkennt⸗ 
niß — im Traum geſchöpft — zeigt dir wie 
Machtvollkommenheit nur beruht auf dem Volks⸗ 
geiſt der ſie durchdringt. — Jene Geſetze alſo 
ſtreife ab, die nur Uebel fürſtlicher Geſammtbe⸗ 
rathung ausdünſten. — Nicht als Gut und Bös 
einander gegenüberſtellend was neben einander be⸗ 
ſtehen kann; nicht Religionen dich abwendend 
aber in jeglicher dich ſelber empfindend und ihren 
Geiſt in dich athmend als den Lichthauch jenes Trau⸗ 
mes der zur Wahrheit in dir ſich will verklären. 
So auch in Völkern — mitfühlend den Geiſt 
des Guten und ihn entfaltend; das iſt Triumph 
der Machtvollkommenheit. Aber eine Verfaſſung 
dem Volk anmeſſen das ihrer weder bedarf noch 
fähig iſt, wär eben ſo unſinnig als Revolutionen 
fürchten die doch nur durch ihre Unbeſtimmtheit ein 
Schreckenerregend Phantom ſind; — ſie können 


248 


nur eine Wanderung des Geiftes fein, wobei er felbjt 
den Ballaft eingeroſteter Vorurtheile als überflüſſigen 
Hausrath zurückläßt. 

Schlakender König: Iſt ſie es nicht ie die 
einen gefeßlichen Zuſtand umſtürzt und einem un: 
natürlichen — wilder Geſetzloſigkeit mit Gewalt Platz 
macht? 

Daemon: Es find alſo nicht Revolutionen fon: 
dern das in ihrem Princip den Völkern unangemeſſne 
was du zu verhüten haſt. Und darum ſteht der 
König ſeines Volkes an der Spitze ſeiner Revolutionen. 

Schlakender König: Wenn aber dieſe gemalt: 
ſamen Umwälzungen nothwendige Folgen ſind jener 
excentriſchen ne die du mir aufbürden 
willſt? 

Daemon: Was das Volk wollen muß kann nur 
durch den Volksgeiſt ſich ausſprechen. Biſt du der 
Geiſt eines ſich ſelbſt aufklärenden Volkes, ſo wirſt 
du ſeine letzte Energie ſich Luft zu ſchaffen nicht 
unter die Luftpumpe bringen. Ein Volk greift nicht 
zu Revolutionen weil es klüger geworden, aber 
weil es ſich nicht — kann fügen dem was ihm un— 
natürlich aufgezwungen wird. Dies als Verbre— 
chen zu rügen kann ein Volkskönig nicht eingehen, 
retten muß er ihm das Weſentliche und opfern das 
Unweſentliche ſo geht die Revolution auf in ihm. 


249 


Schlatender König: Wenn aber Völker deß nicht 
achten was die Geſammtheit bedarf, dann mes die 
Macht ſie niederhalten. 

Daemon: Mit welchen Mitteln? Sind es die 
welche, um eine möglichſt lange Zeit ſie zu bewältigen, 
aus Furcht nachgeben im Augenblick der Gefahr? — 
Welche gewaltige Opfer würden ſie fordern? — 
Vornehmlich der Zeit unerſetzbar der Gegenwart die 
das Rechte zu bewirken berufen iſt. Denn Zeit iſt 
Lebensluft dem Geiſt, — was ihm den Athem be— 
engt das ſollſt du aufheben. Du weißt was böſe ift. 
— Der Völker würdeloſe Schmach — wen trifft 
ihr Fluch? Nur den der ihrer Aller Ehre verwirkte 
und der eignen nicht ſchonte die doch fruchtbare Erde 
war der Volksliebe die jetzt in Fäulniß übergeht 
wie von böſen Wettern zermalmte Pflanzen die 
nicht Luft, nicht reiner Thau mehr nährt. — 
Was wollte dies Volk, das du nicht gewähren 
konnteſt? Wie hätte es kein Zutrauen zu dem 
Gärtner der mit ſanften Banden es ſtützte? — 
Hat es ihn wirklich verkannt oder ee beide das 
rechte Gleis verfehlt. 

Schlakender König: Verwirrte Zuſtände der Völ— 
ker als Krankheit behandeln wo man dem am mei— 
ſten Pflege zuwendet der ain gefährlichſten darnieder 
liegt, hat freilich in der Schule der Politik noch 


250 


kein Gleis gemacht; aber was ich fürchte, will ich 
verſchweigen. 

Daemon: Nur für dich fürchte nicht! denn dies 
Eine überwiegt alle Vortheile, daß in dir ſelbſt keine 
Leidenſchaften ſich erheben und dich mit in die Skla⸗ 
verei der Fürſten verwickeln. — Daß dein Inneres 
reine Güte ausdufte und dein Ruhm lichtglänze, 
damit die Verfolgten, in Trübſal Umherirrenden zu 
dir flüchten ſtatt ihren Tyrannen in die Meſſer zu 
ſtürzen. 

Schlakender König: Du bedenkſt nicht daß der 
Einzelne nichts vermag unter ſo Vielen und daß 
in dieſem Wahnſinnstaumel, der Herrſcher wie der 
Völker, ich mein Bewußtſein mir zwar kann retten 
wenn ich Zuſchauer bleibe, aber nicht wenn ich 
mitten hinein geriſſen werde. 

Daemon: Der Einzelne gilt nur, wenn er dem 
Gewaltſamen, was an ſich ſchon Unheil iſt, ent: 
gegenwirkt. Viele find. nichts; wenige ſelbſtver— 
mögend; nur der Eine iſt der Große der dem 
Volk dienend, ſein Heil in ſich trägt. Du biſt 
das Volk und daher Alles und kein Widerſpruch 
mehr in ihm das in dir ſein geläutertes Ideal 
wiederfindet. 

Schlalender König: Dieſe erhabene Seite des 
Herrſchens genügt aber nicht dem Geiſt der Staats— 


251 


verwaltung, — es gehören urſprüngliche Kräfte 
dazu die ſich zwar dem Herrſcher anſchmiegen und 
von ſeiner Machtvollkommenheit ſich nähren, aber 
er ſelber kann ſie nicht ausſtrömen. 

Daemon: Dagegen wolle du von ihrer vr: 
ganiſchen Gliederung, von der abſoluten Noth⸗ 
wendigkeit gewiſſer Regierungsformen und po- 
litiſcher Inſtitutionen dich losſagen. Herrſcher und 
Volk, wie Eiſen und Magnet können nur in Sym⸗ 
pathie für einander geneſen; nicht dem Tod über⸗ 
antworten, aber von ihm erlöſen ſollt Ihr einander. 
Ich denke dich wie du in großer Unruh des Schlafs 
mit einem grauſamen Wolf zu kämpfen träumſt 
und ſpringſt auf vom Lager und ſchlägſt ihn nieder der 
dich wollte zerreißen, und Alle ſammeln ſich in 
ſtaunendem Schrecken wie du dem Ungethüm ge⸗ 
than. Da regt ſichs plötzlich wieder: mit drei: 
fachem Rachen mit gewaltigen Klauen mit grau⸗ 
ſamer Wuth ſpringt es an gegen dich und alle 
fliehen voll Furcht des Kampfes. 

Schlakender König: Wie weißt du von dem 
Traum der Tag und Nacht mich höhnt? — Ich 
ziele in zitternder Wuth — der Wolf ſtürzt — 
ich ſchlage die Zähne ihm aus zum Wahrzeichen 
meinem Sieg. — Ja ich ahne — gleich ſtürzt er 
auf mich ein — dort aus dem Dickicht, oder dort 


252 


vom Berg herab wo eben der Stern nieder: 
geht. — — Ja Traum iſt alles. — Traum alle 
Noth die das Edle dem Gemeinen zur Speiſe 
hinwirft und mit der Geißel unter ihr Joch uns 
zwingt. ü 

Daemon: Huldige ihr nicht — huldige dem 
verſöhnenden Geiſt der ſie entwaffnet und zur Be— 
ſinnung dich weckt die alle Schuld auf ſich 
nimmt. ö 

Schlalender König: Lieber dies Eine ſtehe mir 
Rede; warum von allem Großen was ich je ge— 
wollt, nichts iſt gelungen? 

Daemon: Das ganze Geiſterreich wird mit mir 
einſtimmen daß du allein dies haſt verſchuldet; 
denn nur wo Raum und Zeit vom Geiſt des Gu— 
ten erfüllt ſind kann er Lebenbewegend wirken. 
Sind nun die zerſtäubenden Augenblicke, wo du 
das Große gedacht, zu Stunden, Tagen, Jahren 
zu ſammeln die das Ulnweiſe überwiegen, was 
Jahrtauſende ſich in Euch Fürſten umſchlungen 
hält? — So reichlich fließt nicht der Schuldloſig— 
keit Quell um eure Hände drinn rein zu baden 
vom Ausſatz böſer Geiſter denen Ihr fröhnt. 
Wie ſoll nun noch das Göttliche von ihnen nie— 
derträufeln? — 

Schlatender König: Sieh meinen Willen ge: 


253 


bunden den vorherrſchenden Anſichten der Welt; 
und daß große Herrſcher umſonſt verſuchten wee 
Herr zu werden. 

Daemon: Vorherrſchend find die Anſichten ver: 
ſchwindender Geſchlechter; das aufwachſende Ge: 
ſchlecht hat keine Anſichten dem ſoll der Geiſt hin— 
gegeben ſein, der hat kein Vorbild auf Erden. 
Mitten in Gewittern ſucht er den Entwurf zum 
Ideal. Rechte der Menſchheit, einfach wie es 
ſelber einfach iſt. — Und was ſind deine fromm 
gewillten Unternehmungen? — Wie haben ſie der 
Völker Hoffnungsſaaten niedergemäht — und leg— 
ten Bande der Verfinſterung ihnen an. Und wie 
hat eine vielfach in Neigung und Willen geſpaltene 
Welt ſich daraus entwickelt, — eine Wildniß 
rechtsgültigen Elends — ein Schrecken des Landes 
von Millionen ſeiner Baſtardſöhne deren Bedürf— 
niſſe auf keinen Tag gedeckt ſind; füge hinzu die 
tauſende losgelaſſener Sträflinge und überall fin— 
deſt du ſtatt Volk nur Geſindel das auf den Mo— 
ment der Hetze lauert. O glaube, es find die zer- 
tretenen Hoffnungsſaaten mit Unkraut überwu⸗ 
chert — die ſchlechte Koſt falſcher Belehrung 
die den Volksgeiſt unterdrückt der nach Geſundheit 
trachtet und nun des Staates Krankheit muß aus⸗ 
ringen, was ihm das Antlitz ganz verſchimpft. 


254 


Schlakender König: Es feiner Entwürdigung 
zu entheben dazu iſt mir die Macht noch nicht ge: 
funden und daß ich über Millionen herrſche, be- 
glückt mich nicht. Ich lebe als hätte der Zufall 
mich hingeſchleudert und nicht mein göttlich Recht 
mich hingeſtellt. 

Darmon: Weil das Falſchgebildete, bedeutungs⸗ 
loſe, prahleriſche in Euch ſich wehrt der innern 
Ordnung die der Völker Freiheit bedingt. Weil 
Alles der Harmonie in euch ermangelt; ohne 
Gefühl auf ſich ſelber ruhender Kraft; Hader 
und Streit entbindend wenn die Gefahr ſchon über 
Euch ſchwebt. Alles iſt gegen den Einklang der 
Seele in Euch; Verbindungen, Sitten und Ge⸗ 
brauche — Alles bis zum Ueberdruß läppiſch — 
ſelbſt die öffentliche Meinung wird zaghaft, albern 
und niederträchtig; um Euch herum Lohndiener 
und Feiglinge die da wo groß handeln Männer 
fordert nur dürftige Fertigkeiten darbieten. 

Schlafender König: Wo ragen aus der Verkehrt⸗ 
heit Uleberſchwemmung des Verſtandes grünende 
Inſeln hervor die dem müdem Schwimmer Ret⸗ 
tung bieten ein organiſch Werk zu pflanzen, daß 
von Innen hervor aus dem Mark der Geſchichte 
ſich nährt und dies Wühlen tumultariſcher Völker 
unter deren Tritten das Land erbebt niederhalte ohne 


255 


daß der beſte Wille fie immer aufs Neu in Gäh⸗ 
rung bringe. | 

Daemon: Der befte Wille beruht auf Mäßigung 
und auf Billigkeit fußt ſein Erfolg alles Stürme⸗ 
ſauſen der Völker — alles tobende Geplätſcher lee⸗ 
rer Drohungen durchſchneidet der kundige Lotſe ohne 
in ſeiner ſprunghaften Thätigkeit vom guten Fahr⸗ 
waſſer abzuweichen. 

Schlafeuder König: Selbſt eine jener gewaltigen 
Erſcheinungen nach denen Jahrtauſende in Völker⸗ 
epochen ſich theilen: Zugleich Held im Krieg, Staats⸗ 
mann im Rath, Gebieter als Regent und Heiliger 
im Volksglauben, wollte er auch mit ſeinem Geiſt 
in ihrem Geiſt handeln, würde ſo verworrner Zei⸗ 
ten nicht Meiſter. 

Daemon: Und wenn ein fo mächtiger des Ra: 
thes, ein ſo erhabener Gebieter und Heiliger dem 
Volk dies vermöchte, mahnt dies etwa dich des 
königlichen Geiſtes was der ſoll, was er könnte, 
was er dürfte? — 

Schlakender König: Und du ſiehſt hellen Auges 
wie alte Monarchien zertrümmert werden und neue 
Republiken aus ihrem Wrack gebaut, vom lüder⸗ 
lichen öffentlichen Geiſt der Zeit, wie von einer in⸗ 
wohnenden Seele beſeſſen, vollends jeder erhabenen 
Geſinnung unwirthlich — den königlichen Geiſt mit 


256 


dem Nebel ihrer Verwilderung einhüllen, wo er in 
Triumphſtrahlen ſollte hervorbrechen. 

Daemon: Wenn ein freſſend ſcharfes Element in 
dieſer Zeit gährt ſo laſſe dich nicht täuſchen daß 
nicht auch ein heilſames in ihr treibe, was dieſer 
leidende und triumphirende Sonnengott, wenn auch 
ſchwere Uebel ſeine Strahlen brechen dennoch im 
Kreislauf ſeiner Triumphe und Niederlagen zu pfle— 
gen hat. Was Vergangenheit mit ſich genommen 
iſt ohnehin ſchon feinem Wirken entzogen aber die 
Gegenwart iſt noch ganz ſein; in Ihr kann er die 
Zukunft meiſtern und nachholen was unterblieb. 
Denn alles Verſäumte kann dich nicht ermächtigen 
das möglich Gute auch noch zu vernachläſſigen. Noch 
immer zeitig kommt was heilſam iſt; und da des 
Verwegenen und Gemeinen ſo viel ſchon nach al— 
len Richtungen hin mißlungen iſt, warum ſoll nicht, 
dieſe rauſchende wirbelnde Windsbraut aller Welt⸗ 
gegenden die den ſchnöden Geiſt des Trugs aus 
einer Form in die andere wandelt, vom gewaltigen 
Geſchlecht des Löwen bis zum wedelnden Hundege— 
ſchlecht, jedes in ſeiner Art die Welt verwüſtend, 
vernichtet werden können durch das Ideale was 
dich göttlich begeiſtigt menſchlich die Menſchen zu 
leiten ſtatt des geiſtigen Auges beraubt ſie wie ein 
formlofes Ungeheuer verweſen zu laſſen — Ha! — 


257 


warum nicht mit deiner Kraft und deinem * 
die Welt erfüllen? 8 

Schlakender König: Sage wie ich der re 
heit Erleuchtung erziele. 

Daemon: In den verwüſteten endet ER 
ſcher Völker, die nicht für das Joch und die Gei⸗ 
ßel ſind geboren findeſt du im Urſprung jenen 
Schatz der Mannheit und die Geheimniſſe des 
Herrſchens: den freien Geiſt und feine Staatenver— 
kündiger, die Armaturen geſpannter Kräfte und in 
den Mühen ihrer — ihre 1 ins 
Unendliche. ; 

Schlakender König Wie ſoll die Bildungetraſt 
verwilderter Nationen ſo gefährlich dem eee 
ohne Zügel umherſchweifen? | 

Daemon: Könnt ihr fie hemmen, die von gro⸗ 
ßen Schickſalswürfen entzündet, ein Phönix aus 
eigner Aſche ſich beflügelt? — Und wenn euer 
Geiſt in ihren Gluthen von Schlaken ſich reinigt, ſo 
enthebt er ſelbſt ſich dem Beſtehenden, in Flammen 
die ihn höher tragen als worum ihr ſtreitet. 

Schlakender König: Aber vieles verwirfſt du 
was dem Volk das du gleich dem Prometheus an 
den Fels geſchmiedet mir ſchilderſt, Mittler des 
Göttlichen iſt und mit der Verzweiflung des Un— 
abänderlichen nichts gemein hat. 

17 


258 


Daemon: Mittler des Göttlichen iſt dem kö— 
niglich Geſinnten nur die Menſchheit. 

Schlakender König: Die Menſchheit — zur 
Prüfung der Trübſal in die Welt geboren, Freud 
und Leid Gott opfernd, den Geiſt zum Pfand ihm 
hingegeben — das iſt der Gottes wille den Könige 
zu fördern berufen find; ihm hab ich den feierli⸗ 
chen Dom errichtet mit ſeinen freien Wölbungen, 
wo der Volkschoral, ein Meerſturm der den Wel⸗ 
tenvater preiſt, indeß die Orgel ſeine Fluthen wälzt, 
den kühnſten Ungläubigen erſchüttert. Da beginnt 
Ausgleichung aller irdiſchen Leiden wie der große 
Werkmeiſter uns lehrt: Empfanget den Glau— 
ben und haltet ſeine Geſetze immerdar un— 
verfälſcht die ihr aus meinen Händen der 
Unſterblichkeit Heilkraft habt empfangen. 

Daemon: Du ſcheinſt wie einer der im Dunkeln 
nach dem Aufgang der Sonne umhertappt da doch 
alles Gotterkennen Zweige ſind eines Baumes zum 
Licht aufſtrebend. Alle Religionen ſind Trieb der 
Selbſterhöhung — jede iſt Ergießung der Sinne 
in den Geiſt, jed Gelöbniß dem Herrſcher — die 
vertrauende Einfalt eines ganzen Volkes in dich, 
das fühlt wie ſchlecht man von ihm denkt, wie 
tief man es verachtet, wie man es nicht fürchtet, 
iſt zur Freiheit aufſtrömende Volksreligion; nicht ein⸗ 


259 


deutig gleich der Schriftſprache in geraden Linien 
nur lesbar, aber wie Chriſtallformen nach allen 
Richtungen anſchießend, eine Wurzel allen Reli: 
gionen: Kein anderer Gott, als ein ungebor— 
ner Unſterblicher — ein einzig Band an jedes 
Herz geknüpft: Keiner iſt der wahre König 
er liebe denn ſein Volk mehr als ſeinen Va— 
ter und ſein Kind. 

Schlatender König: Diefer Unterſchied iſt zwiſchen 
mir und dir dem deiſtiſchen Geiſt: Ich glaube ans 
Evangelium Jeſu und nehme ſeine gnadenvolle Lehre 
an in der keine Täuſchung möglich iſt — du aber 
ſetzeſt ein moraliſches Ganze zuſammen aus Gefühl 
und Verſtand die zwar auch mich anregen, aber 
es giebt kein ſo hohes Intereſſe über dem nicht die 
Religion ſtehe. 

Daemon: Du biſt von dem Stoff aus dem 
chriſtliche und heidniſche Könige hervorgehen: 
ein feſtes Bollwerk für große Intereſſen aber 
nur zu oft im einfachen Wirken nicht an 
deinem Platz. — Volksvertrauen! — fühlſt du 
es nicht — es iſt das Centrum eines Tempels in 
dem Könige anbeten, in dem deine Bruſt an gro: 
ßen Hoffnungen ſich ſonnt, in dem alle Pulſe dir 
unter herrlichen Entwürfen einer unendlichen Zukunft 

** 


260 


freudig entgegen wallen; ja Volksvertrauen iſt rei 
nes Erz das endlos ſich läßt dehnen, aber verſetzt 
mit anderem Metall kannſt du kein Waffenkleid aus 
ihm dir ſchmieden. Trotz aller Anſtrengung ge— 
gen Verſchwörungsumtriebe — überall entdeckt, 
ſcheinbar auseinander geſprengt, wüthend ver⸗ 
folgt — lebt der Geiſt dennoch fort der den Lim: 
ſchwung der Dinge betreibt. Aus der Zwietracht 
Quelle langſam dahinrauſchend, mit einem Mal in 
irgend einer ungeahnten Wendung dehnt er leben— 
bewegend ſich aus — was der nicht ahnt der die— 
ſem Vertrauen nicht willfahrte als es zum Schirm⸗ 
herrn ihn aufrief. Ha! er hätte nicht ſollen an die⸗ 
ſem Vertrauen rächen was die Ulmſchweife einer fo 
ſeltſam getheilten Regierung ſelbſt an ihm verſchul⸗ 
det hatten. Bis; | 

Schlakender König: Die Völker? — fie wollten 
nicht mir vertrauen ſie wollten Herr werden über 
den der vom Fürſten⸗Bund losgeriſſen, für ſich und 
alles Beſtehende, Gefahr lief gänzlicher Umwälzung— 

Daemon: Keine größere Gefahr, als Zerſtörung 
von dir genährter Hoffnungen, die geheiligtere 
Macht als des Beſtehenden dir verheißen: Schirm⸗ 
herr allen verfolgten Völkern, Schild an dem die 
Pfeile ihrer Feinde abprallen! Hüter ihrer Geſittung 
und Liebe unter einander. 


261 


Schlalender König: Nationen find nicht unter 
eine Hut zu bringen, je mehr ihre Annährungs⸗ 
punkte ſich erweitern je gehäſſiger werden fie eit: 
ander, jede Annährung ein dauernd Reiben. 

Daemon: Dies Reiben iſt die fortlaufende elektri⸗ 
ſche Kette die alle Einzelweſen organiſch einander 
verbindet. Untergeordneter Magnet der das Far⸗ 
benbild lebendiger Einheit ihnen zuſtrömt. Fürſten 
und Völker bilden und erkennen ſich in einander. 
Wollte ein fremder Koloß feine Botmäßigkeit über 
dich erſtrecken, ſo würden die Völker, zu gegenſei⸗ 
tig lebenvoller Thatkraft einander befeuernd, da wo 
deine Begeiſterung für das Recht ſtreitet, durch ihre 
elektriſche Gewalt dir den Sieg feſthalten. 

Schlakender König: Schwer iſts — ja unmög- 
lich wohl in niederem ſinulichen Boden, der Völker 
Einigkeit erzielen; denn ihre Politik der Nachbar⸗ 
ſchaft iſt: Uns ſo viel Vortheil als möglich, euch 
ſo viel e als möglich, denn wir e 
was ihr verliert. 

Daemon: Einmal iſt dies Wunder zu thun an 
der Zeit. Der Weltengang, wie Lichtdämmerung 
verborgner Gottheit in jedem das Göttliche be⸗ 
zeichnend — in jedem Anders — In dir als Ge— 
fühl innern Adels, weit hinſtrahlendes Wohlwollen 
das dem kühnſten Wager die Hand bietet, Ver⸗ 


262 


ftandreiche Seele bewußt einer höhern Welt und 
ihres Bürgerrechts an fie, haft du gewaltigern Be: 
ruf als die Menſchheit ihrem Elend chriſtlich un: 
terworfen zu halten. Dein Witz, deine Laune und 
Erfindungsgabe, deine umfaſſende Milde die zu 
reichen Fundgruben dich leiten jenes ſtrahlenden 
Geiſtes, den Damascius dein großer Weltweiſer 
den Kosmos nennt, nach dem jeder Himmel ſeine eigne 
Seele hat und ſeinen Geiſt. Wem ſind ſie geweiht 
dieſe Genienkräfte, wenn nicht dem Sohn des Volkes 
dir geboren, der keinen kleinen Theil Liebe zu dir 
hat? — Thöricht aber beherzt umwandelt er den 
Thron, gläubig hoffend die düſtern Hieroglyphen 
zwiſchen dem Herrſcher und ihm beredſam aufzulö⸗ 
ſen. Da redete eines Tags der Teufel Worte zu 
ihm, denen gab er Herz und Seele gefangen, da 
hub der Tenfel an: „laſſe dir rathen: Wozu ein 
Hausregiment bei einem Sohn wie du, dem es 
zukommt Theil zu haben am Rath und ihn zu 
lenken nach deinem Sinn? Willſt du mir folgen 
dann ſollſt du der Höchſte werden auf Erden.“ 
Der Sohn hatte Furcht nud ſagte: „Unziemend iſt 
dies geſprochen, rede was anders.“ Da meinte 
der Teufel: „Wenn du meinem Rath auch nicht 
folgſt, ſo wirſt du mich dennoch nicht los, denn 
deine Seele haſt du mir verheißen.“ — Da wußte 


263 


der unmündige Sohn nicht was ihm gerecht ſei, 
denn es waren Zweifel in ihm. Zum Herrſcher 
aber kam der Teufel in Geſtalt eines Kochs und 
bereitete ihm Speiſe und ſann auf Liſt vom frühen 
Morgen bis die Sonne ihr blaues Zelt mit Pur⸗ 
pur verhängte. Viel Freude hatte der König an 
ihm und ſprach: „ſage deinen Wunſch damit 
ich ihn erfülle.“ Der Koch ſagte: „Mögeſt du 
immer Gebieter mir bleiben, mein Herz iſt voll Liebe 
zu dir; Eins nur vergönne daß ich dein Antlitz 
küſſe.“ Der König hatte kein Arg und vergönnte 
daß er die Schultern ihm küſſe. Da wuchſen — 
unerhört! — zwei ſchwarze Schlangen wohin er 
geküßt hatte. Da wurde der König beſtürzt, ihm 
füllte das Haupt ſich mit Zwieſpalt, das Herz mit 
Haß gegen den Sohn des Volkes, denn der Teufel 
hatte ihm vorgeredet, der wolle ſein Verderben. 
Da kamen viele Aerzte die Schlangen zu tödten, 
aber fie wuchſen nach wie Baumgezweig; dafür 
fanden ſie nicht Rath. — Da kam der Teufel ſelbſt 
als Arzt und ſagte: Das iſt wohl ein möglich Ding 
daß du geſund werdeſt, nähre die Schlangen, das 
iſt das beſte Mittel, aber biete ihnen nur Menfchens 
hirn zur Speiſe denn ſie genießen nichts von Allem 
als nur dieſes. Und der Feind ſprach: „Es iſt 
Aufruhr im Land und Krieg, fo tödte die Gefang— 


204 

nen und nähre damit die Drachen. Da verdun⸗ 
kelte ſich der Glanz Gottes im König. Ein Heer 
hatte ſich geſammelt im Reich, aber der Streiter Herz 
war entleert von Liebe zu ihm. Er warf ſich über 
ſie, da flohen ſie und hielten ſich fern verborgen. 
Er aber dem Winde gleich ſammelte ein Heer aus 
allen Marken und brachte Trübſal über die Völker 
und ließ ihnen nicht Weile des Beſinnens. Und 
die Völker ſtiebten auseinander, deren keines mehr 
einen Niederlaß hatte in der Heimath, und wo ih⸗ 
rer zuſammenkamen zwei oder drei, da fürchtete er 
Unheil, und jede Nacht wurden die Gefangnen, vor⸗ 
nehmen oder geringen Geſchlechts, vom Teufel 
den hungrigen Drachen zur Speiſe bereitet. So 
lebte der unglückliche König; Gutes hatte er voll⸗ 
bringen wollen und Böſes mußte er geſchehen laſſen. 
Die alten ruhmwürdigen Könige hatten nicht die 
Sitte, lange nachzutragen den Haß. Sie ließen 
ſich nicht antaſten von denen die ihr Vertrauen zum 
Volk wollten vergiften. Unbekümmert um Geſche⸗ 
henes, wunderſam erhaben über Bitterkeit und Ver⸗ 
druß, war ihre Verherrlichung, gerecht zu werden 
allen Völkern und ihr Geiſt ſchwebte voll hellbe- 
ſeelter Freude über ihnen. 1 

Schlakender König: Spreche nicht von Himmels: 
leitern, das Schickſal droht fürchterliche Spaltung der Le⸗ 


265 


benswurzel zwiſchen Fürſten und Völkern, der Baum an 
dem die Weltverbefjerer Blüthe um Blüthe zernagen; er 
ſteht entblättert und aller Säfte beraubt Früchte zu fra: 
gen, als nur Akten, beſchmutzt mit hiſtoriſchen Sünden 
gegen der Völker Heil, und jenſeit des Dammes das Wo⸗ 
gengebrüll der Cultur, ein unermeßlicher Orean von 
Schulmeiſterſeelen; ihnen iſt von den Sternen beſchieden 
den Kopf ſich zu zerbrechen ob zweimal zwei vier 
ſein ſoll und mit Sturmlauf auf alles Bedenken 
entſcheiden fie: Ja und noch ein klein we: 
niges mehr. O ſchelte mich nicht Regent. Was 
ſoll ich im flüchtigen Leben noch mich härmen daß 
ſie an Albernem ſich abmühen; mir iſt in dieſer 
Welt zum Zorn nicht Raum. Viel ſchon hat die 
Erde verſchluckt was wird fie noch alles Bin: 
abwürgen? 

Daemon: Sich ſelber leben im Volk, das 
iſt abſolutes Herſchen und Regieren iſt der 
Völker Segnungen theilhaftig, ihnen gebieten. 
Welcher Herrſcher nicht Fleiſch geworden in ihnen, 
der iſt Verwüſter der Nationen, ihre Trümmer 
fremdem Gewürm überlaſſend das an ihrem 
Verderben ſich mäſtet; wie Scorpione kalt ver: 
folgend die Eingebornen; Blutdürſtige Ländergei: 
ßel, den Fuß im Nacken der übrig gebliebe— 
nen. Bruder iſt ihm der Wolf. Gefängniſſe 
und Richtſtätten in ſeiner Nähe, ohne Sporn 


266 


zu edlen Thaten, ohne Kraft Held zu fein den Na⸗ 
tionen, die wie dampfende Brände aus dem Vater⸗ 
land geſchleudert, außen gelöſcht innerlich fortglü⸗ 
hend, die Luft verpeſten mit Brandgeruch verweſen— 
der Völker, gekreuzigt ſtatt geſegnet. — Alſo 
menſchlich iſt es zugegangen, daß es ſo teufliſch 
ausſieht. Kein Lichtgedanke der Rettung dämmert 
ihnen die du fo zuſammengebrochen vor dir er: 
blickſt. Gleich ſcheuem Wild anf der Haide dem 
Tod geboren, mag es ihm nicht entrinnen. Ha! 
und du deckſt fie nicht mit deinem Schild un— 
verzagt gegen die andringenden Haufen die den 
Panzer auf der Bruſt ihm zerklüften? — Wie 
ergötzte mich oft deiner Rede attiſche Feinheit! 
ſie ſpricht ſo wahr, iſt Held im Streit, jeder 
Hieb und Stoß iſt Wunde; und mit gefühliger 
Stimme die das Herz verlockt, heilt ſie wieder wo 
ſie verletzte; ſüß und gelind bei Wohlwollen und 
Liebe, bezaubernd in lächelnder Kühnheit wenn 
Geiſtesfeuer dich anweht; frei umherwallend wie 
die Götter in der freien Natur. Und deiner Groß: 
muth Feuer — das nie ſich noch ſpiegelte in geretteten 
Nationen wie der hell polirte Stahl den Schein 
der Flamme ſpiegelt — deucht es dir nicht göttlich 
begabt, das Große von Fürſten noch nie Gewagte 
zu erringen? 


207 


Schlakender König: O Vernunft breite deinen 
heitern Aether über mir aus und lehre mir von 
Schmeichelreden die Wahrheit ſichten. 

Daemon: Ulnd auch von jener zweizüngigen 
Schlauheit und ſchleichender Hinterliſt die dem Volk 
nichts zu Dank machen mögen, vielmehr deine 
beſten Gaben beim Durchgang durch ihre Hand 
mit eigner Fäulniß beſudeln. Wirſt du ſelber aber 
zur Rettung den Völkern die Hand bieten, dann erhebt 
ſich ein Wehmuthſchauer unter ihnen und ſie verkün⸗ 
den einander mit weinenden Lippen: „Siehel uns 
entgegenkommt Einer, voll wehmüthiger 
Freude uns zu helfen kommt er zur Höhe 
und ſieht das rothe Blut was hinabfloß. 
Wir wollen um Beiſtand ihn flehen.“ 
Da dankt er Gott der dieſe Rachſüchtigen alle in 
ſeine Hände hat gegeben und redet zu ihnen: 
„Eueres Bluts will ich ſchonen unwür- 
dig ſind mir Liſt und Ränke und wortbrü— 
chig Handeln iſt nicht meine Sitte. Darum: 
welch Volk nicht meines Schutzes begehrt 
das gehe in Frieden; mir erwächſt nicht 
Nachtheil daraus, alles geſchehe um euret— 
willen.“ Dann wirſt du ſehen die Tieger zu 
Rehen werden und ſchwören, ſo lange Leben in 
ihnen bleibt ſich ihrem Retter gebunden und ihre 


208 


Liebe überwindet die Erbitterung und die Edeln um 
ihn her ſprechen von Kämpfen: „Gott ſei 
Dank daß der Retter uns kommt den 
Nacken der Feinde zu beugen!“ und gleich 
dunkelm Gewölk ziehen die Feinde gegen den Berg. 
In der Schlachtenlinie Mitte ſchallt Schlachten⸗ 
ruf. Wie Mondeslicht durchbricht ſiegreich ſein 
Stern die Nacht, dem Retter der Völker und von 
ihnen getragen wehen über ihm die Fahnen 
des Kaiſers; ſiegjauchzend alle ein jedes in eigner 
Zunge jubelnd über ſeinen Glanz, und pflanzen 
ſeine Fahnen auf ihre Höhen, Frucht und Fülle 
und das Vaterland ihm dankend. Du aber — 
was weilſt du und zählſt die Sterne am Him⸗ 
mel? — — und ſiehſt die n aufſteigen 
von allen Seiten? — 

Schlakender König: Ich will nicht Unrecht 
thun und nicht es dulden. Ich war was ich bin 
und werde immerdar es ſein: ein edler Geiſt 
den ſein göttlich Urweſen durch alle Zeiten vor 
Niederm bewahrt. O ich weiß daß ewig lebt was 
in mir lebt; daß nicht Geringes das Beſſre kann 
in mir vertauſchen. D wollten Viele wie ich, 
dann würde der Geiſt Gottes wieder verſtändlich 
unter uns. 5 8 

Daemon: Eine einzige That aus ſcharfen Gin: 


269 


nen hervorgeſprengt — und der Zeiten Räthſel ruft 
neuen Schöpfungstrieb aus dir hervor. 

Schlakender König: D Ahnung und Sehn— 
ſucht! — Ihr weckt liebkoſend Urkräfte des Gei⸗ 
ſtes die ſchon lange in den Sinnen mir unterge⸗ 
gangen waren. — — — 

Daemon: Du ſchweigſt! — beklommen über 
dein Geſtirn — und birgſt dein Antlitz? — — 
Und Thränen rinnen? — — — O glaube — die 

Welt iſt voll von unſeligem und die Anſprüche 
der Folgezeit werden Millionen vor dir ver: 
treten. — Wankende Pfeiler kannſt du nicht auf: 
recht halten, ſie ziehen den Einſturz der Andern fich 
nach. Und wie vom Sonnenlicht erwärmt, der 
Schnee in entſtürzenden Gewäſſern vom hohem 
Gipfel ſchimmernd hinabwogt ſo rauſcht hinab 
was die Zeit an großen Thaten dir hatte gehäuft 
und entwurzelt den Gottgepflanzten Ruhm der 
ihnen entkeimte. — Nur was in deines Geiſtes 
Mitte ſich ſammelt bleibt dir unſterblich eigen. Auf 
denn! durchbreche den Damm der Zeiten, halte nichts 
dir unmöglich was Gerechtigkeit ift dem Volk. O 
gewähre in dem Hauch deines Mundes, in deiner 
Augen Licht ihm was Gott hat in dich gelegt. 
In allen Kümmerniſſen bis zur Todesnoth ge— 
rüſtet mit Lebensverſtand und unbeugſamer Wil: 


270 


lenskraft — Mächtig des Großen — iſt ihm vor: 
behalten die alten Götterfabeln in eignen Thaten 
fortzudichten. In friſchem Stammesblut verjüngt, 
ſchreitet es, ein fröhlicher Held, mit keckem Gelbft: 
vertrauen durch ſein Geſchick, das ihm vom Vater 
her vererbt ein heiliges iſt. Erzenen Leibes iſt 
Vaterlandsliebe; mit Zauberſegen die Waffen ge⸗ 
feſtet, des Fluſſes Waſſer ihr über den Scheitel 
geronnen, ſendet ſie kühnes Geſchoß Eins nach dem 
Andern todtbringend dem Feind. Im Herzen alſo 
groß — voll heiliger Weihe uralter Abkunft die 
fein Vaterland ihm verbürgt geht der den ihr Auf: 
rührer nennt auf den Stammeshaß los feines Un: 
terdrückers. Unter Trümmern ſeiner Heimath, im 
blutigem Kampf erliegt er dem Feind über deſſen 
Geſichtskreis weit hinaus ſein Glanzgeſtirn auf dem 
Todespfad ihm voranleuchtet. Seiner Ehre Schutz 
geiſter umſchwärmen ihn. Von Siegesträumen 
geleitet, ſteigt er auf Flügelſchuhen durch Lichtgewölke 
hinan wo Luft und Blüthen auf begrünten Auen, 
der Duft der Höhen und der Waſſerſpiegel, 
der Heimath frühlingsleuchtend Bild ihm malen. 
— So bis der Auferſtehung Tag ihn weckt, 
ſpielen Geiſter in lichten Träumen mit ihm, der 
ſchlummerbetäubt noch, vor den Gott ſchreitet. 
Der fragt: „Was hat man dir du ar— 


271 


mes Kind gethan?“ — Da wird er ſinnend 
ſtehen und fragen: „ja was wars doch?“ — 
und wird der Triften ſich entſinnen wo die 
Heerde weidete, und der Wälder, des blauen 
Flußes und der Glücksſterne die drinn ſich fpiegel- 
ten und im Sonnenſchein die Bienen Honig ſam⸗ 
melnd umherſummten und wird mederſchauen: 
„Ach dort wo zwiſchen Trümmern Dornen blühen, 
„war unſre Hütte. Wo ſind die Lieben alle, 
„der Freund — der Bruder und die Eltern beide 
„die unſrer harrten am Abend bis wir heimkehr⸗ 
„ten? — Da leuchtete des Vaters Auge wenn er 
„die Söhne wiederkehren ſah, und die Mutter voll 
„Sorge um den kommenden Tag war für heute 
„getröſtet. Aber an einem Abend harrten fie lange 
„und wir waren nicht gekommen. Da war große 
„Sorge um uns, und auch wir — nicht getroffen 
„von feindlicher Waffe, in großer Noth des Todes 
„waren gefangen übergeben dem Henker, und wir 
gingen traurig den Todespfad, denn wir gedachten 
„der weinenden Eltern und Freunde, und daß die 
„leiden mußten das Jammervolle die ſo ſehr uns 
„geliebt hatten. — Da überſchattete uns der Tod 
„und wir beſandten die Freunde daß ſie zu uns 
„kämen in ihren Träumen. Da kamen Vater und 
„Mutter und wir umſchlangen einander Herz und 


272 


„Haupt und die Kinder tanzten den Vaterlands⸗ 
reigen auf dem Wolkenplan. Da war es ſchön! — 
„Viel Seufzer und Troſtesworte durchklangen ſüß 
„den Todesſchlaf den wir ſchliefen und der Heimath 
„Höhen ſpiegelten ſich im Traumnebel den wir um— 
„faßten das Antlitz auf ihm gebettet. Das war 
„unſer Geiſterleben: Tief ſchliefen wir am Tag in 
„ungeweihter Erde und in der Nacht tauchten wir 
„auf in die Wonne des Wiederſehens.“ 

Da winkte der Gott dem Knaben der ganz einge⸗ 
hüllt in des Erbarmens Glanz ſanft niederglitt auf 
die Thronesſtufen. Er redete weiter: 

„Ach was kann ein König wiſſen wie es dem Volk 
„thut wenn Wortbruch und harte Geſetze eins nach 
„dem andern der Heimath huldreichen Boden verwü— 
„ſten. Was weiß ein Haynau wenn er das Urtheil 
„fällt über das Haupt des Volksgeliebten, der Tröſter 
„war geweſen dem Einen und die Hand dieſem auf 
„die Schulter gelegt hatte und jenem aufs Haupt, 
„freundlich warnend: „Macht dem Vaterland 
„nicht Schande.“ Ach das war genug. Uufer 
„ganzes Hoffen und die Gelübde die wir thaten ‚ge: 
„rechten Handelns, ſpiegelten ſich in dieſen Wor⸗ 
„ten. Ja was weiß der Henker von den Schreckens⸗ 
„ſchauern des jammernden Volkes, das feines ſtar⸗ 
„ken Tröſters Blut mit Staub vermiſcht, den Leib 


273 


„mit Füßen getreten muß ſehen! — Nein das 

„weiß der Arme nicht.“ 

So ſpricht der Hirtenknabe und rings durch⸗ 
ſchwirren die Luft die Schatten hingerichteter Krie⸗ 
ger; ſie tönt von ihren Seufzern und die Engel⸗ 
ſchaaren verhüllen ſich in ihrer Schwingen Flaum 
daß ſie ungeſehen weinen mögen. Da redete er 
weiter: 5 

„Wir lieben mehr denn alles Gut der Welt 

„das Land wo man die Sprache redet die der 

„ſchaffende Gott uns auf die Zunge hat gelegt. 

„Wir wiſſen auch daß der Tod uns nicht ſchei— 

„det von den Gelöbniſſen die uns dem Va⸗ 

„terland weihen. Wir hoffen ein Wiederſehen 

„und gern kehren wir um von Himmels, 

„ſtraßen, der Thränen Brod mit den Unſern zu 

„theilen.“ — 

So ſprach der Knabe vor dem richtenden 
Gott. Was meinſt du wie das Urrtheil fallen 
werde? — Ich will dir davon ſagen: „Du 
kannſt nicht entſcheiden über die That die Gott 
in ſein Erbarmen hüllt. Vor ihm wiegt die 
Sünde ſchwerer die um Geringes den Anker der 
Ehre in der Schande Grund verſenkt, alſo achte 
deine Fehle nicht gering weil du manches zu thun, 
ſcheuſt was Andre frech ſich gelüſten laſſen. 

18 


274 


Kriegsgeſchicke wechſeln im Streit; grimmig erſehen 
es die Furien: „Blut um Blut! Euch ſoll der Fluch 
geraubter Freiheit treffen. Eure Frauen in Trauer⸗ 
kleidern nach Thränenreichem Brod gehen; eure 
Kinder am Weg eure Verderber anbetteln; auf 
Dornen bittrer einſamer Jahre ſoll euer hungriger 
Leib ſchmachten. Mag euer Herz mit Galle ſich 
füllen, ins Haus der Drachen gebannt könnt Ihr 
den Fluch uns zurückgeben.“ So werden Völker 
vermaledeit die Schutz- und Trutzbündniſſe mit 
Euch machten: „Gebieteſt du Krieg? — unſre 
Häupter ſind dein — und Brüder ſind wir deinem 
Volk verkehrſt du gütlich mit uns und gewähreſt 
dem Vaterland Schutz.“ Und Ihr — ſitzend auf 
goldnen Stühlen und Gott zum Zeugen, gelobtet 
gleich dem Licht eurer Augen der Völker Freiheit 
zu wahren und günſtige Tage habt Ihr ihnen 
verheißen der Erhebung; ſie aber hatten nur Opfer⸗ 
tage feſthaltend am Thron, mit geſchärfter Waffe 
vor ihm ſtehend Tag und Nacht. FE 

Iſt nun heut euer Fluch wahr geworden 
an den Völkern, ſo ward er Verrath an euern 
Verheißungen die Ihr nie erfüllt habt. Traf 
euer Fluch aber nicht die Völker dann habt Ihr 
dem Firmament geflucht das in der Sonne ihnen 
Licht giebt, im Mond Schlaf und Schweigen und 


275 


vorweltliche Erinnerung erhabner Abkunft. Jupiter 
ſtrömt Hoffnung und Zukunftserfüllung ihnen nie⸗ 
der wie im Saturn Gerechtigkeit und Nothwendigkeit 
ihnen herableuchten; aber alle Sterne erleuchten nicht 
den der durch göttliche Salbung dem Volke ange⸗ 
traut, im Schatten ſeiner Liebe nicht mag ruhen. — 
Mit Wehklagen erfüllt es die Luft, daß keiner den 
rechten Weg ihm zeige — und es würde verderben 
wär nicht Hermes, dieſer kraftige Planet, am 
Gipfel des Olympos ihm geboren von der Tod): 
ter des Atlas, unter dem Namen Majesta als 
die fruchtbare Erde verehrt; zum Gedächtniß den 
Königen fruchtbar zu werden den Völkern. — 
Den Windeln entſchlüpft, ſtahl Hermes die Rinder 
dem Helios, der vor dem Gott der Götter ihn 
anklagt indeß er die Pfeile ihm entwendet. Seine 
Liſt erheiterte den Gott und hinderte ihn Rache zu neh⸗ 
men, ſonſt würde er nicht ihm die Lyra erfunden haben 
und die Syrings, noch ſeinen Platz im Speiſeſaal 
der Götter ihm kehren und den Stuhl bereit ſetzen 
und den Krug mit Nektar ihm füllen. Er dem 
die Ruthe wandelnder Geſchicke in den Händen 
bebend, mit freundlicher Rede ſie darbietet dieſem 
gedankenloſen Volk und ihm lehrt in kreiſen⸗ 
den Geſchicken ſeine Stärke bis auf den letzten 
Mann aufbieten, giebt auch dir Weiſung nicht im 
18 * 


276 


ſchweren Panzer der Tugend auf deinen Schwer⸗ 
punkt dich zu ſtellen. Du bedarfſt nicht der Ril⸗ 
ſtung — nur im Augenblick der Noth laſſe erken⸗ 
nen du ſeiſt unter dem Gewand auch gewappnet mit 
dem ſeltnen Geiſt der die große Liſte menſchlicher 
Schwächen überſpringt und höher als gewöhnliche 
Klugheit, dem heroiſchen Geiſt der Völker fi ich ein⸗ 
verleibe. 

Schlakender König: Der Volksgeiſt der nur 
darauf ausgeht Frevel ungeahndt üben zu können, iſt 
nicht berechnet auf die Macht des Herrſchens 
die eine höherer iſt als der Vermittlung und 
Ueberredung⸗ 

Daemon: Dann hängt f ie 405 nicht ab von de⸗ 
nen die gut ſtehn für Alles, ſonſt wär ſie nur ihrer 
Bürgſchaft Erdichtung. — Ich aber rufe verge⸗ 
bens die Geiſter zu Hülfe dein Vertrauen mir zu 
retten; denn weil deine wahrhaftige Natur in dei⸗ 
nem Daemon ſich ſpiegelt fo fürchten fie, du kön— 
neſt durch ihn zu dir ſelber kommen. Was ſoll 
dir da der hellſehende Traum im Nachtdunkel, ob⸗ 
ſchon du nie es beſſer wirſt treffen als ſein kühner 
Flug dir angiebt. 

Schlalender König: Ich habe fo viele Richter: 
ſtühle, als Herzen meiner Unterthanen ſchlagen, die 
alle mich anklagen daß ich nicht die Aepfel ihnen 


277 


darbiete die jenfeit der Meere auf besperifcher Flur 
von feurigen Drachen bewacht werden. 

Daemon: Bis der Alcide die Drachen erlegt 
und die Aepfel davon trägt. — Und du wollteſt der 
nicht ſein der dem Unterjochten die Welt verkläre? 
— und die errungnen Aepfel ihm bringe? — er⸗ 
haben über Gewalthaber und Geſetz die ſchon ſo 
lang in dunkeln Wettern über ſeinem Haupt ſich 
autladen und treuherzig ein Volk verachten was nur 
durch ihre Schuld konnte erniedrigt werden. Eure 
Zärllichkeit reißen ſie an ſich, euern Zorn laden ſie auf 
das Volk, das mehr für Euch gethan hat als für Va⸗ 
ter und Mutter und als es für ſich je thun wird und 
phnedem ein Leben führt das zum Vorſchmack der 
Hölle kann dienen. Wäre ſeine Stimme geltend 
vor dir, du würdeſt bald nicht mehr fiskaliſches 
Regiment mit Regieren verwechſeln. Auch iſt's 
ſchon gewohnt den Monarchen von den eigentlichen 
Gewaltinhabern zu unterſcheiden; es hat ſtets dich 
als einen fo ausgemacht binfergangnen Mann an: 
zeſehen der inmitten feines allmächtigen Hofs fo 
Zaunz ohne Vertheidigung iſt, daß es nicht daran 
denkt das Böſe was unter deinem Herrſcherſtab es 
befällt, dir Schuld zu geben. Sollte dies nicht die 
Augen dir öffnen daß alles Abſolute was nicht aus 


278 


dem Geiſt ift, gegen Herrſcher und Volk zugleich 
ankämpft. 

Schlakender König: Abſolut iſt die Form in 
die der chriſtliche Geiſt ſich fügt aber nicht in die 
republikaniſche Verfaſſung eines heidniſchen Olymps; 
ſie iſt die Macht des Gleichgewichts zwiſchen dem 
Herrſcher und dem großen Geſchehen göttlicher 
Gerechtigkeit. 

Daemon: Ulnd das Volk harrt lange ſchon 
auf Machtvollkommenheit der Könige um der Ge⸗ 
rechtigkeit willen: ob da einer den Schutzmantel 
werfe über vogelfreie Nationen und den Boden 
der Geſchichte mit menſchlich großem wieder befruchte 
und in die Flucht ſchlage die Schemen ſcheinheili⸗ 
ger Gewalten die mit feinen Blüthen ſich kränzen und 
ihm fluchen heimlich daß er ihnen entwachſe. Alle 
hoffnungslechzende Völker gehen zu ſeinen Fahnen 
denn ihm vermählt ſich im Strahlenlicht fürſtlicher 
Machtvollkommenheit der goldne Zeitenſtrom der 
auf ſeinen Wogen die Verträge der Völker arg⸗ 
wohnlos dahin läßt gleiten. Sorge du um dieſe 
Vollkommenheit deiner Macht daß ſie Eigenthum 
werde der Völkerbeglückung und keine Willkühr ſie 
beflecke, dem trunknen Elephant gleich der wüͤthend 
umherſtreift und vor ſich hinjagt und zertrümmert 
was ihm in den Weg kommt. 


279 


Schlakender König: Von Allem kommt mir 
Verderben, und Willkühr haben ſie genannt wenn 
ich den Berg hinanſtieg meinen Willen Gott 
zu unterwerfen; das iſt als hätte ich Drachen 
ihnen zur Speiſe bereitet. Zum Schwerdt mußte 
ich greifen und alles wüſte legen. Welchem 
Rath ſoll ich nun folgen, welcher Stimme Gehör 
geben? — 

Daemon: Nur nicht denen die heimlich dir zu: 
flüftern: „Da ſieh was dich rette.“ Sie zei⸗ 
gen dir nur was ihnen gefällt, ſie zwingen dich 
zu ihren Fehlgriffen und betrügen dich noch in der 
letzten Stunde die ſie ſo leiſe herbeiführten. Und 
wenn nicht der Taumel über ihr Gelingen fie ftol 
pern läßt, ſo biſt du ihr Gefangner der Alles muß 
büßen. Keiner aber wird das Einfache dir rathen, 
das dich zum freien Menſchen mache, der ſelbſt 
umherwandle um leichter und thätiger die Hoff⸗ 
nungen zu erfüllen. Sie werden als einen gefeffel: 
ten Götzen mit Abgötterei dich ſpeiſen und als 
deine Prieſter ohne Scheu ihr Weſen mit der Ge: 
meine treiben. Eine Kluft zwiſchen dir und deinem 
Volk — da wandelt ſichs ſicher und gemüthlich 
am Abgrund; er verſchlingt nur den der ihn über⸗ 
ſpringt. — Ich aber ſage dir: Du wirſt darum nicht 
aufhören Fürſt zu ſein wenn du kräftiger als deine 


280 


Ruhe dich fühlſt; und die gütigen, langentbehr⸗ 
ten Geiſter die trugvollen Nebel zwiſchen Euch 
zerreißen. 

Schlakender König: Die Erde möcht ich reinen, 
ein Denkmal des Erhabnen mir gründen und des Ver⸗ 
ſtändigen und Biedern zumal; — unter die Men⸗ 
ſchen Saamen ſtreuen verborgner Wiſſenſchaft; — 
was nützlich ans Licht bringen, das Lebloſe leben⸗ 
dig machen — was ſchläft in der Bruſt — was 
geiſtergleich die Räume durchzieht und in der Erde 
Grüften vom Sternenſchein getränkt, wie rettende 
Geiſter herbei rufen in die verworrne zerrißne Zeit. 
Aber im Buch des Schickſals kann ich die Blätter 
nicht überſchlagen. 

Daemon: Jachi⸗El: Herr der Lebendigen heißt 
der Planetenfürſt der die Fruchtbarkeit der Sterne 
den Menſchen zuleitet daß ſie durch Vermiſchung 
irdiſcher und himmliſcher Natur zum Erhabnen 
geſchickt werden. Am Himmel Planet, auf Erden 
ajtralifch = elementariſcher Menſch beginnt er nicht 
leichtſinnig was ihm gerathner war daß er ſich 
nicht damit befaſſe. 

Schlakender König: Wie aber der, dem nicht 
die Sternennacht die Geheimniſſe ſeiner Tage auf— 
rollt — ein zerbrochenes Gefäß dem der Goldſchmid 
nur wenige Goldkörner ausſcheidet vom ſchlechtern 


N 


281 


Metall, von Geſchicken wie von Felsbrunnen der 
Wüſte ausgekühlt zum a e an dem die 
Schlachtopfer verbluten. 

Daemon: Die wenigen Goldkörner überlaſſe dem 
heiligen Geiſt der das Licht der Natur mit den 
Greafuren verſchmilzt. Magia naturalis! — jede 
That ein Wetterleuchten des Geiſtes, ſiegend flammt 
er durchs Schattenreich und führt die Hervenmelt 
— und unaufhaltſam wie die Sterne ihrer Bol: 
lendung entgegen. 

Schlafender König: Ha! Ich ſchne mich dem 
Volk zu gewähren was das Licht der Natur im 
Verſtand mir beleuchte. 

Daemon: Wie ein gewährter erſter Kuß der 
Liebe lang verhaltne Gluthen zur Hoffnungsflamme 
anfacht, wird Begeiſterung den entflammen der 
um des Volkes Segen wirbt, und er litte um 
fo mehr an feinem Verderben weil der ihm un: 
tergehen würde. — 

Schlafender König: Deß verſichern mich die 
Wunden vom Volkshaß mir geſchlagen da ich doch 
nur die Wahrheit ſuchte um ihre Rechte zu ver: 
treten. 

Daemon: Dann werden viele zu Hof kommen 
um ihr Recht; und Einer mit betrübtem Autlitz 
wird reden vor dir: „Warum legſt du Hand an 


282 


mein Kind? — biſt du Fürſt dann mußt du Recht 
üben Allen gleich. Mein iſt des Kindes Seele, 
warum haſt du es mir wie einen jungen Frucht⸗ 
baum der Erde, entriſſen. 

Schlalender König: Wer darf der Rachs 
wehren gegen den Verwüſter des Landes, der 
mit dem Schwerd zuckte nach dem Haupt des Ge: 
ſalbten und mit der Keule auf die Pforte des Ver⸗ 
rathes ſchlug bis ſie von einanderſprang. 

Daemon: Der Eine — der immerdar ſich ſelber 
gleich, deine Vernunft durchſtrahlt mit göttlicher 
Lehre; — der Erlöſer, deſſen Brod die Kreuzigung 
ſeines Leibes geweſen; der von Milch ſich nährte 
und Kräutern mit wenigem Del zur Würze. Kei⸗ 
nen Freund hatte er zur Seite als die Juden ihn 
ergriffen der gekommen war vom Tod Euch zu 
löſen. Ihm gehören die Seelen um die er im 
Angſtſchweiß hat gerungen dort am Abhang des 
Golgatha — Zeuge deinem Herzen wie es einſt 
gleich der Lilie Kelch, voll vom Thau ſeines 
Geiſtes — jetzt mit Blut iſt befleckt. 

Schlakender König: Zeuge auch dem Gott des 
böſen Feuers, der nur finſtre Werke vor hat. Von 
ihm nicht mich bezwingen zu laſſen, war Noth des 
Schwerdtes Schärfe anzulegen. — Mein Wille 
war Verſöhnung, durch Büßung der Schuld. 


283 


Daemon: Sorge du nicht um Büßung die um: 
geht wie ein Geiſt durch alle Weſen; ihr entrinnſt 
du ſelbſt im Grab nicht; denn auch dort will die 
Liebe noch aus dem Irrgarten der Sünde, in den 
Boden des Heils dich verpflanzen; wie könnte ſie 
das Beil in die Hand legen dem Zorn, der wie 
ein wilder Reiter ſein Roß auf den Elenden ſpornt 
und iſt er ihm nahe mit einem Hufſchlag auf die 
Bruſt ihn niederwirft. O fühlteſt du welche 
Schwere du auf dein Haupt ſammelſt: „Man 
wird als einen Fremdling Ihn begraben!“ 
Dies Verhängniß ſcheint dir gering — ja thöricht 
zu fürchten; aber es durchdringt mit Froſtſchauern 
ein ganzes Leben das ſeine Schuld nicht mehr der 
Zukunft kann abtragen. 

Schlatender König: Wie foll ich die Schuld 
auf mich nehmen ungezügelter Gewalten die wie 
Meeresſchwärme um die Flotte des Reichs ſich 
aufbäumen und Weltherrſchaft wollen üben an 
mir? — 

Daemon: Was können wilde Meeresſchwärme 
gegen den aufbäumen, den ſeine Bahn überwärts 
ihnen entführt? — Lege das Bekenntniß deiner 
Fehle in deine zukünftige Thaten und laſſe nicht 
den Zorn deine Reue bewältigen über das was er 
gethan. Groß wäre dieß zu nennen alles andre 


284 


iſt nichtig und mißlungne Wohlthaten find gleich 
gelungnen Miſſethaten. — Sorge, Tod und Zu— 
fall verſchlingen ſie wieder. Aber den innern Wil⸗ 
len göttlichen Zwecken hingeben iſt Buße die mit 
Unſterblichem alles erfüllt. — Unterdrückten Völ⸗ 
kern gewährt fie im Untergang des Schlachtengei— 
ſtes Todverachtenden Kaltſinn. Hat nie in Träumen, 
für ihre Rettung die Luſt dich ergriffen zu unſterb⸗ 
lichen Thaten? — hat nie dein Geiſt ſich ermus 
thigt über ſchwindelndem Abhang ein zerſchmettert 
Volk herauf zu heben an deine Seite? — Ein 
Heldenvolk — frei von Entwürdigung, voll dank: 
barem Gefühl deiner Großmuth? — und wenn 
tauſend Stürme wider dich Schlachten um ſich 
ſchütteln — fein Kriegergeiſt wird feines Retters 
Thron in feines Ruhmes Machtvollkommenheit er: 
halten. — Sie ſind die Löwen die auf allen 
Seiten umherſtreifen daß kein Feind dir aufſprin— 
ge. — Auch in der Uuglücksſtunde dir nah, du 
Großmüthiger allen Völkern. — Hat der Feind 
Vortheil über dich, fo weinen darum die Gerech— 
ten; doch trägt dein Muth die Kränkung ruhig 
alles ordnend, ſo werden die Völker feſtgebannt 
deinem Sieg — die Furcht verachten. Dein 
Heil iſt ihre Rettung. — In dir du Einziger 
ruht ihr Triumpf. Die Adler nahen ſich dir 


285 


zu helfen ünd die gierigen Geier fliehen vor 
dir und laſſen den ſchon gefaßten Raub. Wie 
Geſchiebe im Wellenſchlag, glätten Nationen ſich 
in deiner Weisheit ſanftem Wogen, die das 
Vergangne mit Vergeſſenheit überfluthend, auch 
dem Verräther Thränen weiht und aufrichtig 
trägt fie der Völker Geſchirke zugleich dich erhe⸗ 
bend über alle Herrſcher der Welt. | 
Schlafender König: Im Namen deſſen der 
Herr iſt von Geiſt und Verſtand und der Seele 
Führer auf Erden, das wäre klug wie Gottes 
Weisheit iſt. | Birk 
Daemon: „Das Schickſal muß alles thun!“ 
So ſprechen die Schlechten. — Vergiß des Schick⸗ 
ſals und ſei tapfer ſelbſt zu handeln. Denn wie 
das Rad ohne Führer den Wagen nicht lenkt, ſo 
erfüllt ſich nichts ohne des Geiſtes Wille. Denn 
nicht daß Etwas geſchehe iſt Erfüllung dem Gott; 
ſondern daß du dich enthebeſt dem Nichtigen abſo— 
luter Gewalt, und eine ihrem eigentlichen Weſen 
entſprechende Machtvollkommenheit in dir ſich aus⸗ 
bilde die ſelbſt den Verräther zum Sclaven dir 
macht daß er zu dir hinanblicke als zum Retter 
der nicht ſich rächen wollte an ihm. Rache er⸗ 
zeugt Rache. Kommt etwa der Sieger und legt 
lachend den geſpannten Bogen zu Füßen dem getödte⸗ 


286 


ten Feind? — „Räche dich wenn du kannſt.“ 
Er fürchte ſich ſeines Triumphs. — Die Rache bleibt 
unter den Lebenden. Denn ſiehe, es ſind noch 
Trauerbotſchaften die alles beſtürzen wohin ſie ge— 
langen. Jammernd ſtreuen die ſich Erde aufs 
Haupt und ſtoßen Verwünſchungen aus: „Wehe 
der Troſt iſt unſerm Leben entſchwunden 
und die Welt iſt uns nichts mehr als eine 
Hand voll Staub“ und ſie ziehn den Leichnam 
aus der Grube und weinend wäſcht ihn das Salz 
ihrer Thränen. Mit edlem Blut befleckte Hand — wer 
kann ſie unbefleckt wieder machen? — Die Rache aber 
nimmt den Bogen auf den der Hohn hat nieder⸗ 
gelegt. — „Dort hinter dem Baum!“ — Der 
Baum iſt hohl — Der Rächer durchſchießt ihn 
und den Mörder zugleich. Und aller Verſtellung 
vergeffend ruft die Menge: Fluch über ihn daß 
er nicht dahin iſt gefahren noch ehe das junge 
Leben in den Tod ſich ſtreckte. 

Schlakender König: Auch der ban 
flieht von einem Gott bewogen das Jammervolle, 
er ſtarrt zurück vor der Todeswunde und noch 
grauſeren Gefühlen. 

Daemon: Und wenn fie nun von feinem Haß 
hinweggedrängt von irdiſcher Schwelle, tiefſchwei⸗ 
gend dem Vater nahen, ſo weigert er ihnen nicht 


287 
fein himmliſches Haus; und die Nachlebenden die 
den viel geliebten, viel beweinten hinauf zu den Ster⸗ 
nen ſehn wandeln, ſie klagen laut ihr ſchweres 
Leid: „Unſer Schutzgeiſt iſt von uns gegangen, 
ſein großer Vater nimmt ihn an ſeinen Buſen 
er kehrt nimmer uns zurück auf die verlaſſ⸗ 
nen Deden, von edlen Völkerſtämmen ſonſt be- 
wohnt, jetzt Trümmer einer untergegangenen Welt, 
dunkel angeglüht von der Rache ſtrengen Geiſt. 
Sonſt mit Tempeln und geweihten Orten — mit 
Kriegsfeldern und Gräbern jetzt beſäet, inmitten ſchwei⸗ 
gender Geſchlechter haben Ph;ilifter ſich dort angeſiedelt, 
die Thaten und Geſinnungen eines großen Volks 
und feine Lehren des Heils vernichten neue Ge: 
fege, neue Rechte haben fie eingeführt. — Die 
Uebriggebliebenen werden an der Väter Sprache 
kaum erkannt. Ungleich ſind ſie ſich geworden 
und ſchweigend ſehn ſie die Sitte des Landes ver⸗ 
nichten. — Fremde Schwärme zahllos wie Laub 
und Sand, gemein und niedrig gleich Waldeſeln, 
kommen herangezogen daß die Luft aufſeufzt. 
Schreiend gleich Hyänen, belaufen ſie die Länder, 
ſie errichten Mauern und Pforten und umklam⸗ 
mern das Volk das ſeiner Väter Heerden auf die⸗ 
fen Triften ſonſt weidete, und wenn einer mur ef: 


288 


was verſah, nur einige Erde die fein iſt hinweg: 
nimmt, deſſen Leib befällt ein Zittern bis er ſtirbt. 

Wie nennſt du den der, abſolut zu ſein, nieder⸗ 
wirft was Natur dem Gott hatte geboren? — 
Soll die nicht auch weinen, die Mutter iſt den 
Nationen und ſie ſäugt mit ihren Brüſten — ein 
Quell des Heils? — noch durchfluthet ſein Strom 
das Heimathland, aber die Heldenſchaaren, die er 
auf ſeinen Wogen hat getragen, die Hütten glück⸗ 
ſeliger Menſchen an feinen Ufern find verſchwun⸗ 
den. Wilde Eroberer haben das Uranfängliche, 
einer verſtorbnen Welt redend Zeugniß, ausgerot⸗ 
tet, — ihre Leiden, ihre Kämpfe ſind jetzt Geiſt und 
Athem höherer Intelligenzen; denen iſt nicht Ver⸗ 
brechen was Ihr als ſolches ſtraft; — ihnen iſt 
Sträuben gegen Gewalt nicht Aufruhr gegen Gott. 
— Was durch Beil und Strick in organiſchen 
Schlummer war geſunken überträgt ſich indeß in 
neu erwachendes Leben. Angethan aufs Neu mit 
dem Zaubergürtel irdiſcher Natur — Vorläufer 
gewaltiger Entwicklungen, ſtrömen die Geiſter der 
Schlachten wieder herab auf die verlaſſnen Oeden 
und durchmeſſen den Plan mit gewaltigen Blick 
neugeborner Kräfte. 

Schlakender König: Haft du mehr noch zu 
fagen? 


289 


Daemon: Ich weiß du möchteſt gern mich 
haſſen. Dennoch haſſeſt du mich nicht. Du fürdhe 
teſt mich. — Du haſt nichts zu fürchten. Du 
ſträubſt und ſchämſt dich weil du nicht verſtehſt 
was dich beſchämt wenn ich dir ſage daß der 
Richter der dem Geiſt das ſinnliche Leben abſpricht 
ſelbſt hierdurch dem geiſtigen Leben abfällt. — Du 
hörſt verwundert was wie Traum dich mahnt? 
laſſe die Geſchichte dir Egmonts Gedächtniß zufüh⸗ 
ren. Gedenke des ſtumpfen Urtheils das ſein 
edles Leben verkürzte. Sieben Monate Gefangen: 
ſchaft waren eine geraume Zeit dies Urtheil auf: 
zuklären. Mit ſanftem Muth ſchrieb er vorher 
noch ſeinem König: 

„Dir beliebt es den Tod zu verhängen über Ei: 
„nen der nur zu deinem Heil ſich hat verwendet. 
„Daß man dir weis machte woran ich nie ges 
„dacht, darüber ruf ich Gott zum Zeugen Er 
„wolle meiner Seele anrechnen was ich unter⸗ 
„laſſen von Allem worin ich dir getreu zu ſein 
„gelobt habe. Deiner angebornen Barmherzig⸗ 
„keit befehle ich um meiner getreuen Dienſte wil⸗ 
„len meine Hausfrau, eilf Kinder und meine 
„Diener. Alſo ſcheide ich von dir der noch manch: 
„mal in Reue meiner gedenken wird.“ 

Gleich nachher ging er zum Tod, ihm folgten 

19 


290 


in Reuundleidgewanden die fo ſelbſt Schuld da 
tan waren. Aufs Blutgerüſt trat er mit den 
Worten: „Ich hätte wohl mögen für mein 
Vaterland ſterben!“ Hiermit ſchlug der Henker ſein 
edles Haupt hinweg welcher Schwerdtſtreich den 
Niederländern wohl ſo ſcharf ins Herz als ihm 
durch den Hals war gegangen und eben dieſer 
Streich hat dem König das edelſte Kleinod aus 
der Krone geſchlagen. Frankreichs Botſchafter der 
verborgen dieſem ſchauerlichen Geſchehen beiwohnte, 
rief aus: Da fällt das Haupt vor dem Frank⸗ 
reich zweimal hat gezittert. Das Volk drohte 
Angeſichts ſeiner Verräther ihnen Rache. — Die 
Bürger miſchten ihre Thränen mit denen der 
ſpaniſchen Soldaten die in ſein Blut getauchte Tücher 
auf dem Herzen haben getragen und hätteſt du 
auf deinem Herzen eins zu tragen du würdeſt 
nicht unbewehrt gegen Verrath dich fühlen noch 
bewegt von Zweifeln über dein fürſtliches Recht durch 
Begnadigung einem ſo kecken Streich Einhalt zu 
thun. So mächtig iſt Vertrauen in eines großen 
Geiſtes Adel daß es überirdiſche Kräfte ſeinem ver⸗ 
goßnen Blut zuſpricht und es würde auch dich 
bewahrt haben vor Verletzungen — tiefer und ge⸗ 
fährlicher als leibliche Wunden. Du würdeſt im⸗ 
mer des Gewaltſpruchs gedenken müſſen der den 


291 


Schuldloſen niederwarf und die Augen der Edeln 
weinen machte über das Unerhörte was fie ge⸗ 
ſehen: Daß Einer Geiſt und Leib dem Ge⸗ 
ſalbten hatte verpfändet der ſo ihm lohnte. Das 
Volk erkannte das Unrecht dieſer That; die 
Großen des Reichs die ſo frech ihn zum Richt⸗ 
platz führten leiteten was geſchah — der Bot⸗ 
ſchafter einer fremden Nation erkannten den Wahn⸗ 
ſinn dieſes grauſenvollen Urtheils. Der Herrſcher 
allein — von dem es war beſtätigt worden er⸗ 
kannte es nicht. Hätte das Volk ſich ihm wider⸗ 
ſetzt, fo war dies kein Verbrechen vor Gott, aber 
doch wäre ihm Strafe darum geworden und 
ſo mußte es unterlaſſen zu was ſein Herz es 
mahnte. — Siehſt du ein, daß Gewalt der des 
Gewiſſens Trieb muß weichen verfehmt ift? und 
daß Volksaufruhr göttliche Mahnung iſt zu meiden 
was ihn errege? — Dieſe Seufzer — dies heilig 
gehaltne Blut und feurige Gelöbniſſe dem glorrei⸗ 
chen Tod edler Helden — dies Geſäuſel abgeſchied⸗ 
ner Geiſter über erblaßten Blutſpuren, ob auch 
erloſchen durch die Zeit, ſie gelten heute noch 
als Zeugen dem Frevel wo menſchliches Raſen 
der über alle Schickſalsſchläge erhabnen Vergel⸗ 
tung Trotz bot. Da nun ſelbſt Spuren vermoder⸗ 
ten Blutes wirkendes Daſein haben das nicht kann 
19 * 


292 


von Spitzkugeln und Kanonendonner zerſchmet— 
tert werden, ſo mögen eben ſo leiſe Spuren 
die Ihr längſt verwiſcht glaubt — jetzt aber 
als Rechenſchaftfordernde Geiſter wiederkehren, in 
weltbildenden Intelligenzen um Euch her ſich 
niederſchlagen. Sieh dort im blauen Mond⸗ 
licht flimmernd, Wolken wie Lämmerheerden ſich 
zerſtreuend — in einander fließend wieder — 
Geiſter finds auf dem Blufgerüft verſtorbner 
Krieger — — ſie ſchwimmen über den Hütten die 
ein Schild deckt vom Weinſtock — oder vom Dach 
der Linde beſchirmt. Wie Staub des Nebels 
ſenken fie ſich herab über die ſchlummermüden 
hoffnungsloſen Kinder deines Reichs, ehe die frühe 
Dämmerung ſie zum Tagwerk wieder ruft. Sie 
lauſchen den Geiſtern in ihren Träumen, was die 
ihnen in die Seele hauchen das glauben ſie. 
Schlakender König: Dort tritt ſchon einer aus 
der Wolke deutlich hervor. — Die feſtgeſchloſſne 
Lippe — der raſche Blick — wer iſt der? 
Daemon: Athlete — mit nicht ſtaͤrkerm Arm 
als der deine; aber mit ſtärkerer Zuverſicht, — 
dem die Mächte alle mit feiger Ulebergewalt 
entgegneten um ihn zu fällen. Der Nationen 
überirdifcher Feldherr, der wohl den Verrath 
an ihnen vorausſah. Aber auch Geiſter müſſen 


293 


Opfer bringen zu Gunſten dem, was beſſer geſchehe 
als daß es unterbleibe. So hat dieſer jedem Streiter in 
den Buſen gehaucht: Beſſer ſei und größer, irdiſch 
unterliegen mit geiſtigem Muth als Rechtsgefühl 
und Vaterlandsliebe erſticken. 

Schlalender König: Ha, dort ſeh ich viele ihm 
nachſtrömen — und dort der rothe Hengſt aus 
der Nebelwolke hervor — ſieh er beſteigt ihn! — 
Stolzer königlicher Reiter! — keinen edlern Jugend⸗ 
helden ſah die Erde. 

Daemon: Furchtlos ſprengt der Hochgemuthe 
hinan die Wolkenburg — hoch daß des Aares Flug 
ihn nicht erreicht. — Vierfach iſt der Wolkengipfel 
getheilt — vierfach lagern die Völker um ihn her. 

Schlalender König: Die Nacht iſt finſter — 
was wird dabei herauskommen? — Wie ein 
grimmer Elephant heranſtürzt er im Wind — die 
Wolken umdrängen ihn — ſie verſperren ihm den 
Weg. Ha! er ballt die Fauſt! er drängt fie aus⸗ 
einander. — Windſchnell hindurch fliegt er — der 
Reine, der Starke! — wie die Heerde vor dem 
Wolf flieht das Gewölk. — Er kommt heran! 
— Vorbei! — der blaße Tod im Antlitz Vorbei! 
Vorbei mir ſchaudert. — 

Daemon: Nein ſieh doch hin! — nun ſteigt 
er überwärts über Wolkenklippen. 


294 


Schlatender König: Sieh der leuchtende Zorn 
im Aug! — 

Daemon: Die Fackel am hochgewolbten Nacht. 
himmel leuchtet ihm herab. 

Schlakender König: Und der Pfeil mit naſſem 
Gefieder — als hätt er der Wunde ihn eben 
entriſſen — Sieh dort die unzähligen Nach⸗ 
ſchwärme! — | 

Daemon: Er ſchwingt ihn wie zum luſtigen 
Waffentanz und ſprüht weiſſagende Träume auf 
die Stirn den ſchlafenden Völkern. 

Schlafender König: Hinter ihm mit ſchmelzen⸗ 
den Antlitz der Flockenbart, den Kranz auf blon: 
den Locken ſchwebend voll Thauperlen die auf mich 
niederregnen, — das breite Schwerdt, die Fahne 
im Nebel ſchimmernd — hoch hoch — ſie durchgleiſt 
den Wolkenocean. Geiſter ſinds — vor denen 
fürchten ſich die Menſchen. Auch die Fürſten ſind 
Menſchen. 

Daemon: Aber die mit Daemonen umgehn die 
lächeln mit ihnen und der iſt Pole. 

Schlatender König: Er lächelt mir zu! 

Daemon: Warum nicht? — Du haſts wohlge— 
meint mit ihnen. 

Schlafender König: Daß ich nicht wüßte! 

Daemon: O glaube doch an deine eigne 


295 


Seele. Was fie dir zuflüſtert das iſt wahr; auch 
ſie redet ja mit — und vor ihr zerfließen die Ne⸗ 
bel die dein eignes Wollen dir noch verhüllen.! 

Schlatender König: Meine Seele? — ja die 
hat oft flehend die Hände ausgeſtreckt für ſie — 
und meine Seele — ſie hat ſich immer abgewen⸗ 
det von den Racheopfern die meine Krone beſu⸗ 
deln. — Götter dort kommt noch einer! Zwillinge 
— er hat einen Doppelgänger! — 

Daemon: Der Germane iſts. — 

Schlakender König: Den führt der Andre mit 
gewaltiger Fauſt — feine Blicke find Mieſene 
gende Blitze. 

Daemon: Seher und Entfalter ai Tie⸗ 
fen. im Menſchengeiſt. Der Genius! — 

Erde und Himmel umfaßt er, vor Allen be: 
freundet dem Deutſchen, ſein kühnes Aufſtreben 
gewährt erfreuliches Beiſammenſein Beiden. 

Schlakender König: Sieh die Schaaren die ihn 
umdrängen — wie ſie alle ſchmachten nach ihm. 

Daemon: Nach der innigtragenden Liebe in ſei⸗ 
nem Aug ohne die ſein ſcharfer Blick unaushalt⸗ 
bar wäre. — — Ach! — 

Schlakender König: Was athmeſt du tief wie 
Seufzer? — haſt du nicht Worte? oder denkſt du 
was du nicht ſagen willſt? — 


296 


Daemon: Ich denke daß der Berge könnte ver⸗ 
ſetzen der feinen Blick nicht ſcheut. — Spiegel des 
Ewigen dem Seher — fürchterlich nur dem 
Halbweiſen dem ahnt daß ſein Feuerküßender Strahl 
ihn vernichte. 

Schlafender König: Was giebts dort auf dem 
Wolkenplan? — Sage von den Völkern die auf 
Wolkenſitzen dort ſich lagern. — Die erhabne 
Mitte nimmt der Heros ein. — Strahlen wirft 
er bis her zu mir — Sag was das bedeute? 

Daemon: Was kann ich ſagen was du nicht 
ſelber weißt? — Wenige ſind unter ihnen die 
nicht eure Geißel gefühlt — Wenige die nicht das 
Joch eurer Vergöttrung trugen; keines über das Ver⸗ 
nunft Euch zum Sieger hätte gemacht — keines in 
dem das ächt Menſchliche nicht Euch zum Aerger— 
niß geworden und nun umbrauſen Euch Sturm— 
wolken in denen der Feind ſich verborgen hält 
ſtatt Majeſtät umglänzt von Vökkerherrlichkeit. 
— Und wo Triumphgeſang in erhabnen Tönen 
dich wollte einholen, läßt du dich niederdonnern 
vom ſtolzen Antichriſt. Und deine Machtvollkom— 
menheit — wird fie die entwurzelten Völkerſtämme tie: 
der einpflanzen? Dies iſts was ſein Flammenblick über 
die Menge zu dir herüberſtrahlt. Jenuen Schaaren aber 
ſtrömt er geharniſchte Gedanken zu und ihrer Hoff— 


297 


nung tiefverſunkne Gluth belebt ſich wieder. Groß 
iſt ihr Elend, ein Leichenzug was ſonſt ein ſorg⸗ 
los freies Volk geweſen. Nicht auf dem Markt 
nicht auf dem Weg zur Kirche erſcheint es anders 
als im Bettlergewand. 

Schlafender König: Wehrloſes Volk! — herr: 
liches Männerantlitz! Schmachten nach Freiheits⸗ 
wonne auf der Lippe, ſein Waffenſchmuck in Ket⸗ 
ten uingeſchmiedet; und dicht daneben, welches iſt 
das Volk was lechzend voll tobendem u. ihn 
anſtarrtꝰ 

Daemon: Tauſend ſeiner Strahlefpfele durch⸗ 
zittern es; — wild hinüber und herüber — wie 
Meeresbrandung tollgemacht vom Sturm. Aller: 
wägend fein Geſchick, liegt es brütend in der Sonne 
und läßt das Schiff, feſtgefahren auf moraſtigem 
Grund, allmälig wieder durch die Fluth ſich be: 
ben. Der Hoffnung Flagge umſpielt fein Gluthbe⸗ 
ſeelter Hauch, eiſern iſt des Volkes Nacken; zum 
Kampf geboren hebt es die eherne Stirn im Son— 
nenbrand. 

Schlafender König: Herrliches Volk — reich⸗ 
lichen Glanz entſchöpft es des Ruhmes brauſender 
Woge! Und jenes Volk das ſich ihm anſchließt 
voll Ehrfurcht vor dem Genius die Waffen auf— 
richtend ? 


298 


Daemon: Ungemeßne Kraft, ungemeßner Glaube 
an dieſe Kraft. Sich ſelbſt erfaſſend, könnte 
es Welten umſchaffen. — Wunderbares Streben 
von Menſchendurſt und Ehrdurſt. Jedes Alltäg- 
liche in Glanz des Unübertrefflichen umzaubernd. — 
Kann keinen Herrn dulden — will ſelber Herr 
fein — kann doch nicht mit Sclaven leben. Un⸗ 
erſchöpflich an Salzdurchwürzter Laune ſelbſt im 
bitterſten Geſchick; und Rieſenkräfte es zu tragen. — 
Dem Genius beugt es ſich weil es ihn für den 
ſeinen hält. 5 

Schlakender König: Es deucht ſich ſelber auf 
dem Thron zu ſtehen unter den Nationen. — Ein 
Gräuel iſt mir dies Volk das mit unreinem 
Drachenmund den See des Verderbniſſes ausſpeit, 
aber Roſt und Schmutz zerfreſſen es bald wie— 
der — kraftlos zu Nutz und Schaden. 

Daemon: Nationen ſteigen aus der Gottheit 
Schoos in eigner Urform jegliche. Wie der Berg⸗ 
kriſtall in Spitzſäulen ſich bildet, der Kalkſpath in 
Rauten, und in Doppelpyramiden der Diamant, 
fo auch Natur in Völkern ſetzt Schranken, der 
Willkühr die nicht Urformen kaun bilden; der zu 
Gefallen die Biene nicht ihre Zellen fügt noch die 
Spinne ihr Netz, nach deren Rathſchluß auch 
kein Vogel baut. Auch Nationen — büßend in 


299 

Mißgeſchicken was Ihr an der Weltgeſchichte habt 
verſchuldet, können ihre Entfaltung nur in ihres Ge⸗ 
ſammtgeiſtes Mitte hervorſtrömen. Innrer Gram, 
gekränkte Ehre, Thränen die der Zorn vergießt 
ſind nicht fruchtbarer Thau den Geſtaden wo ſie 
unter Nackenbelaſtendem Joch von Klippe zu Klippe 
ſtürzend aufſtampfen. — Ihr unterdeß ſchwimmt 
wie Kork über die Fläche des Meeres dahin. 

Schlatender König: Dort wo der Moeven wil: 
der Schwarm Sturmwolken verkündet dem Völker: 
zug, wie laubloſe Bäume im — ee 
kend — wer ſind die. 

Daemon: Wie um den morſchen pfeler der 
Epheu ſich rankt, ſo ſchlingt von dieſes Volkes 
Vorzeit, fi) wunderbare Sage um großer Schlach— 
ten Heldenpracht. — Stolz iſt ſeine höchſte 
Stärke ſein Schatz ein Haufen alter Pergamente, 
der Scepter ein verroftet altes Schwerdt. Die 
Krone hält es in Schlupfwinkel verborgen, ſeine 
Könige find hin. — An fremder Gnadenfonne 
muß es ſich wärmen. — Es brandet auf am 
ſteinigen Ufer — die See geht hohl — kein Zau⸗ 
berwort die Stürme zu beſchwören — welkes Gras 
weht über Heldengräbern — ſtill iſts im Land — 
es tönt nicht im Thal nicht im Strom. 

Schlalender König: Und der mit dein Sieger— 


300 


ſtrahl im Aug? — ſein Speer wie die Tanne aun 
Fels — ſein Schild wie der aufgehende Mond der 
die Nebel zertheilt? — 

Daemon: König und Feldſchlachtführer! — Er 
pflanzt das Banner auf am Wolkenberg. — 
„Flattre hoch Fahne des Ruhms! Auf! vom 
Fels herab! Vorwärts! heran! Meerwärts! Auf 
in die Schlacht mein Volk! ſtürme wie Brauſen 
des Meeres.“ — Weit auf der Haide ſtrömt 
Blut. — — Ausgelöſcht iſt es aus der König— 
reiche blutbeſchriebner Kronik. 

Schlakender König: Heiliges Volk! — mit 
großen Schickſalswürfen hat es gekämpft für ſei⸗ 
nen Herrſcherſtamm. al: 

Daemon: Sieh jenes Volk gen Oſten das 
raſch ſich durch die Völkerfluthen reißt. Römiſcher 
Heldeuſinn — Aſiens Uleppigkeit — ſtille Tugend⸗ 
größe — ausgelaſſner Leichtſinn und feine Welt— 
ſitte mit hyperboreiſcher Rohheit wunderlich gepaart. 
Ein unbeſtimmtes Etwas giebt ihm poetiſche Eben— 
bürtigkeit die von muthigen Leidenſchaften bewegt, 
ſich maleriſch durch die Geſchichte windet. 

Schlalender König: Unſelige Schwärmer — 
voll Frevel des Verraths, des Mords und der 
Tücke, die den Geiſtern unter und über der Erde 
ſchaudert wahrzunehmen. Der Fuß iſt ibm wan— 


301 


kend geworden. In den Tagen des Stolzes wollte 
es ſich über den Mondkreis 1 dann ua es 
er als die Erde. 

Daemon: Ulmſchwärmt von bösen Daemonen 
die gegen ſein Heil ſich verbünden, erzeugt es ſich 
immer neue Helden die ſeinem Untergang es wie— 
der abringen. — Kosclusko! ſymboliſcher Größe 
wie Alpenhöhen den umringenden Thalen — voll⸗ 
blühende Nationalkraft im Buſen ſchwingt er 
noch einmal die Fackel, daß einmal noch Tiefen 
und Höhen voll brennendſtem Weh ſeinem Volk 
aufleuchte, — ein lyriſcher Sprung durchs Leben, 
dann ſenkt er die Fackel. — Noch raucht die 
Gluth — ein n und hell n ſie wieder 
empor. | | 
Schlakender König: Und jenes Volk ihm 
nah? — Tiefe Wunden trägt es zur Schau? — 
Friſch träufelt ſein Blut in den Wolkenſchnee — 
Blitze funkeln ſeine Blicke! — Des Hauptes lange 
Mähne hebt der Wind! — Die ſtarke Bruſt, die 
leichtgewandte Rippe! Mit ure d ag d ſtreifts 
heran. 

Daemon: Am Ufer ausgeſchifft des gewaltigen 
Zeitenſtroms der heute noch des Staates Arche 
trägt, für die es ihrer Sünden Fluth durchkämpfte. 
Damals verlor ſie Tau und Tackelwerk und die 


302 


Schaluppen riß der Sturmwind los. Der glück 
lich enternde Korſar drang ihr ins Gyneceum und 
Auſtria ſank hinab vom Rang eines Dreimaſters. 
— Zu Hülfe kam ihr dies herrlich ſtarke Volk. 
Die Sturmfackel hat es von der Puppis zurückge⸗ 
ſchleudert und trotz nachbarlicher Brandung, in vol⸗ 
lem Wind und gutem Fahrwaſſer ſie zu halten, 
hat es verſtanden. War dies nicht genügend in 
ſeiner Sündenloſen Einheit es beſtehen zu laſſen? 
— In Sitten und Religion und Wiſſenſchaften 
ein Land der Kontraſte, verträgt es nicht fremde 
Hand an es zu legen. Vorbild der Völker⸗ 
größe, feßfe es Stärke und Ehre an der durch⸗ 
wetterten Arche Rettung und zeugte in gedrängter 
Fülle was es Deutſchland werden konnte. Sieh 
was ihm geworden iſt! Der Wolkenſchnee auf 
dem es eben landet — wie gierig er ſein Blut 
trinkt! wie rothe Roſen würdig im e der 
Götter Schläfe zu kränzen. iq 
Schlakender König: Dort hebt zum Flug ihr 
Adler ſeine Schwingen — purpurn theilt er die 
Nebel, wie Morgenroth die Berge ſchlagend — 
die Welt durchſchimmernd — Ich höre Geſang in 
hallenden Wolken von der Sonne durchblitzt. 
Magiargeiſter: Heil Sonne deiner goldnen 
Fluth! auf der Heimath Fluren haſt du uns ge⸗ 


303 


leuchtet im Sterben noch zum Sieg begeiſternd 

und ſchwebteſt hoch als alle Fahnen ſanken. 
Daemon: O könnteſt du der Völkerrettung 
Sternenkranz dir in die Krone flechten, überſtrah⸗ 
lend allen Fürſtenglanz! — So ſchwingt der Gie: 
ger zu Dlympia mit jugendlicher Hand den or: 
beer! — So flammt gewaltig ſein Aug über der 
toſenden Menge die unabläſſig Heil dem Sieger 
jauchzt. Aber — zu ſteil iſt wohl der Pfad 
dir zum ſeltnen Ziel? zu gewagt, der Götter 
froher Bote — herrlich ſchützend den nervigen Arm 
ausſtrecken über Völker? — — Niedrige Gei⸗ 
ſter ſind die, denen keine Rettleiter ſicher genug iſt 
die Opfer ihrer ſchauervollen Weltklugheit aus 
dem Abgrund wieder heraufzuführen. Und du? — 
was fällſt du nieder vor Gott und bringſt 
ihm Dank, da du doch nicht zu Dankeswer⸗ 
them dich berufen fühlſt und keinen Ausweg be⸗ 
darfſt großem Geſchehen, noch zu liebkoſen den 
Völkern, noch Segen ihnen zu erflehen, vor Ger⸗ 
manias Schweſtern allen bekundend wie Gott zu 
ihrem Heil dich hat beſandt. 

Schlafender König: Deine Beredſamkeit geißelt 
mich nieder als ſollt ich keine Ruhe am Acheron 
finden und meines Lebens verlaſſne Steppen ewig 


304 


betrauern. Du biſt Magier und fängft in Licht⸗ 
geweben deiner Phantaſie der Zukunft Dämmerun⸗ 
gen auf. Auch mich will deine Täuſchung zu Un: 
erreichbarem anreitzen. — Ich weiß: Uns unter⸗ 
worfen ſind Nationen damit auf allen Lebens⸗ 
wegen zum Höhern wir ſie leiten ſollen. Du aber 
willſt nicht verſtehen wie alle Opfer keinen Boden 
finden im wilden Pöbel, wie jede Wohlthat ſchon 
matt gehezt war von ſeiner Wuth, noch eh ſie ſich 
bewähren konnte. Ich kann nicht Monarchien in 
den Gemeingeiſt zuſammenſchmelzen den ein ſo un— 
erhört Beginnen fordert. 

Daemon: Du kannſt nicht? — O hätteſt du 
ein treues Wort für fie geſprochen! — D 
warum thateſt du es nicht? — Dies Einzige! — 
es hätte unſterblich dich gemacht. Siehſt du denn 
nicht? — es haben deinen hohen Geiſt die Geiſtes⸗ 
armen ſich unterworfen. Dies grämt dich zwar; 
denn du weißt ja nicht wo es gebricht. — Sieh 
dort das Land wo Raben und Wölfe über den 
Leichnamen von Heldengeiſtern ſich ſammeln; wo 
Purpurtrauben zwiſchen goldnen Saaten dem Volk 
ſonſt reiften und die Pflugſchaar edle Metalle aus 
dem Boden grub und wo bei Zitterklang und 
Pfeifen der Heimath Sagen harmoniſch ſich inein— 
ander flochten. Wenn einſt der Fremdling auf der 


305 


Verwüſtung Feld, Spuren eines vertilgten Volks 
aufſucht und findet Trümmer der Städte und Tem⸗ 
pel und Schutt der Hütten mit Moos und Kräu⸗ 
tern ſanft umkleidet, wird da Einer von dir 
ſagen. | 
„Er allein unter den Gekrönten fluchte nicht den 
überwundnen Völkern. Er hat, wie hier Natur, 
mit lindernder Hand ſie berührt — mit ſanftem 
Mitleid beſchattete er den Verbannten. Er ließ aus 
friſcher Quelle ihn ſchöpfen und Feuer ihn zün⸗ 
den auf ſeiner Völker Heerd?“ — O dieſem 
Beginnen würde der Nationen Gemeingeiſt von 
ſelbſt ſich einſchmelzen. Sie würden ſegnen den 
du ſegneſt. — Den Heimathsloſen würden ſie 
aufnehmen und dem ein Grab gönnen an ihrer 
Schwelle dem Verzweiflung das Herz brach. — 
Möchten dann beim Würfelſpiel um Völkergeſchicke, 
Fürſten gleich dem raſenden Pöbel dich anfallen 
und ehrlos und namenlos aus ihren Reihen dich 


drängen — wär der harte Boden dein Lager und 


Wetterwolken dein Dach; die Völker würden im 

ſchattenloſen Sand lieber mit dir verſchmachten 

als dich verlaſſen; ſie würden ihren Mantel dir 

unterbreiten — ſie würden vor deinen Augen ſich 

demüthigen; dein trauernder Geiſt zög wie der Magnet 

ſie alle an, der jezt muß betteln gehen und nirgend 
20 


306 


Eingang findet. — Ach bei dir felber nicht. — 
Mächtige Fürſten wären dann nicht mehr; ihre 
Kraft wär gebrochen. — Deiner Begeiſterung 
Talisman blieben die Völker unterworfen und die 
Welt wär dein. — O beklage mich! — verzwei⸗ 
feltes hab ich begonnen, — unaufhaltſam ſtrömt 
die Rede mir, deinem edlen Gegner dich zu gewinnen. 
Sieh drüben in Wolken von Heroengeiſtern Ihn 
umgeben wie er mit weicher Hand Irrthümer ihnen 
abſtreift freundlich lächelnd mit thauigem Fittig ſie 
umhüllt. — Ach wenn auch in Träumen nur — 
dein Herz ihm vermält aufflög über irdiſchen Ge⸗ 
wittern, — bis zum Rande gefüllt den Feuer⸗ 
kelch unſterblicher Thaten würdeſt du trinken. 

Schlakender König: Meine Sinne ſind geſchärft 
von der Nachtluft — ich höre alles im Schall 
der Wolken — ich ſehe Geſtalten durch die Nebel 
ziehen des reinſten Glanzes. — Anmuthig iſt der 
Ort — Waldesgrün des goldnen Lorbeer durch⸗ 
dringt die Nebelberge — flatternde Vögel hör ich 
fingen und Sternengeiſter wie blitzende Pfeile durch- 
ſchießen die Luft. Bäche von Wein und Milch 
gleiten dahin in ſchattigem Gewölk von Amber wo 
ſie ſitzen und ruhen. Eilig kommen die Völker 
heran und fie gleichfalls zur Stelle umarmen ein— 
ander. 


307 


Daemon: Horch! — Es hallt gewaltige Sturm: 

rede zwiſchen Wolkengipfeln. | 

| Genius: „Unſterbliche Mächte wandeln rings 
vergängliches Leben. Wilde Pflanzen, auf wilden 
Grund ſind ſie geſäet. Mein iſt das Feld, ich 
rette ſie mir und hätten ſie bis in den Tartarus 
ſich hinabgelogen.“ 

Volksgeiſt: „Warum verhallt deine Stimme 
dem Einen ſeit ihm das Volk mißfällt? — 

Der wie am heißen Tag der friſche Quell — aus 
Tiefen der Welt ſich ergoß den dürſtenden Men⸗ 

ſchen; der liebend dich geahnt und wie das Herz 

ſich fühlte von einer heilig ſchönen Zeit.“ 
Schlafender König: Ha dies iſt auf mich ge⸗ 

deutet. 

Daemon: Gedenkſt du der Zeit und ſehnſt dich 

nicht nach ihr zurück? 

Volksgeiſt: „Von eigner Flamme tagte es 
ihm und ſein Herz hatte er der ernſten Erde 
geweiht. Der Einklang mit dir o Genius hei⸗ 
ligte ihn den Menſchen denen mitleidvoll er 
ſeinen Segen ſpendete, und ſie hatten ihr Herz 

an ihn gehangen — die jetzt hinweggeänſtigt, 
ſprachlos und betäubt in ihr Elend zurück⸗ 
kehren.“ 


200 


Schlakender König: Hörſt du? — iſt das nicht 
falſch? — ie 

Daemon: Frage deine Prieſter, fie werden fagen 
es iſt falſch. 

Vollsgeiſt: „Alle dieſe dem Volk graufamen 
und dem Herrſcher unwahren Berather haben 
die Noth immer wachſender Verwirrung zur 
Tugend ihm gemacht; in ihrer Mitte ſieht er 
nicht den Abgrund und nur denen mißtraut 

er die deſſelben Verrathes Opfer find gewor— 


den.“ 


Volk: „Und“ — ſagen ſie zu einander: 
„Schade iſt es nicht um ihn ſo wir ihn opfern, 
untergehen muß er ja doch.“ 


Polksgeift: „Furchtlos und offen reiften ſonſt 
aus Liebe ſeine Beſchlüſſe den Völkern. Aber 
ein Schutzbefohlnes Volk verderben iſt nicht 
zu Gunſten dem eigenen Volk. — Es N N 
götterei gegen ſich ſelbſt.“ 

Schlakender König: Wie freſſend Feuer freveln 
dieſe Reden mir ins Herz. 


Daemon: Ulnheilbar wenn nicht Volksliebe die 
Flamme beſchwört. 5 | 
Volk: „Kaum daß ein blinder Rabe an 


309 
der Verweſung die Atzung erkennt; fo kommt 
der ſehende Rabe und ſtiehlt ſie ihm wieder.“ 
Schlakender König: Wen meint der mit den 
Raben? 5 
Daemon: Die Vertreter eurer Macht die alle 
Mittel ergreifen und nicht den Zweck. 
Polengeiſt: „Horcht Geiſter — und Ihr fräu: 
mendes Volk unter dem Baum der eure Hütten 
überdacht. Horcht dem wilden Jammer der 
im Schwanengeſang widerhallt meines Volks. 
Unüberwindlich ſtand der Väter Heldenkraft um: 
ziſchelt vom Meduſenhaar über der Heimath zer⸗ 
fallenem Heerd; Wunden ſammelnd — allverſöh— 
nende Euch die Ihr aufflammen ſaht und in 
Blutbächen ſich ergießen die unbarmherzige 
Rache. Italien, der Donau Strand, Fried⸗ 
land und die Ufer der Moskawa, durchſchauerte 
an gemeinſamen Schickſalstagen das Flehen 
ſterbender Krieger. Das Schutzverheißende Gal⸗ 
lien das von Kriegen nur lebt, fand nicht 
rathſam in fernen Heereszügen das Blut ſeiner 
Vertheidiger zu vergüten. Als wäre ſinnlos 
der Pole und unſterblich begeiſterter Muth nur 
polniſcher Wahnſinn, verſchmähte es den ge: 
flügelten Krieg für ein Volk dem Erinnerung 
herrlicher Tage Triumph mit bittern Thränen 


310 


miſchte. Kaum war uns vergönnt im Schatten 
ſeines Paniers unſre Phalangen zu bilden. — 
Fünf Jahre lang verherrlichten der immer 
trauernden Polonia todverachtende Krieger für 
Italiens Freiheit ſich in ihres Blutes erſchöpfen⸗ 
den Strömen. Wie der Wettrenner des rauchen⸗ 
den Rades nicht achtend, jagten ſeine Legionen 
von Dalmatiens Grenzen zu des Vaterlands 
Stadium zurück, zu ſeiner Wiedergeburt erſtem 
Zeichen mit dem Feind ſich zu meſſen; da — 
plötzlich wie Hagelwetter — zerſchlug der Friede 
unſrer reichgeſäeten Opfer Hoffnungsblüthe. — 
Uns ward zum Lohn die traurige Ehre un: 
ter der Wendekreiſe ſengendem Strahl vor Elend 
umzukommen; aus dem Ather ſtürzte der Be⸗ 
geiſtrung Stern. Am Abend nach des Tages 
Hitze führte Sehnſucht nach dem nordiſchen 
Himmel die verſchmachtenden Polen auf den 
Weg ſich heimzubetteln. Kalt war die Nacht, 
der Pfad voll Leichen Wolkenberittner Helden⸗ 
geiſter. Ulber Schlachtfeldern zogen wir hin wo 
ungleich den Schaaren die dem geſunknen Koloß 
Hohn ſprachen, Waffenbrüder in dichten Reihen 
um ſeine Fahnen ſanken. Dresden, Leipzig, Mon⸗ 
tereau, die Hügel von Montemartre, Fontaine— 
bleau, Elba — bis zum letzten Schwertſtreich 


311 


von Waterloo — und noch die Ufer der Loire 
find Zeugen dem beharrenden Muth für Einen 
der im tobenden Lauf für dieſe Opfer alle, das 
Schickſal des Tantalus uns bereitet hatte. In 
trauernder Stille durchſchifften wir heimwärts 
die Luft. Dort, vom glänzenden Himmelsbogen 
herab, ſahen wir die Knechte der Furien die 
Zähne ans Herz ſetzen den Heimathverbannten 
die mit Narben der Schmach bedeckt — aller 
Hoffnung mit kalter Verzweiflung abwehrend — 
Abſchied nahmen vom Vaterland das ſeinen 
Retter zu Deutſchlands Genius würde erheben. 
Und Trauervoll um Polens jugendkräftige Hel⸗ 
denſöhne, läßt die Geſchichte allmälig ſie in den 
Orkus hinabſteigen.“ 

Völker: „Polen! Heerd des Märtyrthums 
um die Sünden der Welt! Düſteres Gewölk, 
Unglück im Schooß tragend, zieht haſtig über 
dir hin.“ 

Pole: „Ha! Germaniſiren ſtatt Widerher— 
ſtellung unſrer Provinzen — höhnender Verrath 
an eines Volkes lang vertröſteter Hoffnung die 
aus einer Saat von Unglücksthränen ſchüchtern 
empor wuchs! mag die Heimath zur Blutge⸗ 
tränkten Wüſte werden von Feuer und Schwert 
verzehrt — mit jedem Augenblick der uns der 


312 


letzten Stunde näher rückt, verwächſt dies Va⸗ 

terland inniger mit uns. Wie Sterbende den 

fliehenden Athem, hält die Seele an ihm feſt.“ 

Schlakender König: Harte Worte ae. die mir 
den wunden Sinn reizen. 

Daemon: Die Völker dir retten, dein ſie 
fühlen — das würde Geniuskräfte in dir enfflam: 
men und wie Rauchwolken in ſonniger Luft löſte 
die Sorge in Begeiſtrung ſich dir auf. 

Pole: „Geſchieden ſchon auf Erden vom 
Leben, ſchlug die Verlaſſenheit den Sargdeckel 
über uns zu und was wir fürchten das 1 

alles ſchon geworden.“ 
| Ahnengeifter: „Als wärs dem Herzen Ge⸗ 
wohnheit in den gewiſſen Tod zu gehen, ſehen 
wir Kampfgenoſſen voll göttlichen Sinnes Opfer 
zu beſtehen, Abſchied nehmen von der ſchweigen— 
den Erde die verklärter Helden Gebeine um— 
ſchließt.“ | 
Völker: „Nimmer vergeſſen wir eurer eher. 
ſalstage o Heldengeiſter; reifende Ahren ſind ſie 
dem Vaterland die Eure Schmerzen uns zu 
koſten geben. Über blühenden Wipfeln, über 

Fruchtfeldern, auf einſamen Wegen, im Glanz 

der Sterne winkt Ihr * ſüß ſei der Tod 

fürs Vaterland.“ 


313 

Ahnengeifter: „Wie die Luftwelle den Ga: 
men in feine Blüthe herauflockt fo treibt ge— 
waltiges Sehnen uns Geiſter aus verſchüttetem 
Kerker in die Freiheit euch heraufzulocken.“ 

Völker: „Auch wir flehen, wollet uns ganz 
Verlaſſnen bleiben denen wie der Rebe von 
gierigen Räubern die Stütze iſt niedergeriſſen.“ 
Schlakender König: Mache die Bruſt mir frei 
von ihrer Noth; es entwürdigt den königlichen 
Sinn daß er nicht helfe. 
Daemon: Du biſt hier nicht König, du biſt 
lauſchender Geiſt den Geheimniſſen der Nacht. 
Neugierig biſt du und würdeſt nicht wollen daß 
ich aus ihrer Sphäre dich wieder herableite. 
Magyar: „Wie die ſtummen Waldkronen 
zum Fällen bezeichnet hintereinander ſtürzen, ſoll⸗ 
ten wir ſchweigend uns fällen laſſen mit aller 
ſiegeriſchen Kraft im Buſen, mit allen Rechten 
an die Welt.“ | 

Pole: „Wer wird uns nicht freifprechen 
wenn wir uns wehren lebendig begraben zu 
werden um Jahrtauſende noch fortzuleben?“ 

Sombarde: „Könige mähet der Tod wie 
andre Halme des Feldes. Auch die guten Für⸗ 
ſten ſterben noch ehe ihre Gelübde den Völkern 
gelöſt waren, aber Nationen ſind unſterblich in 


314 


den Verwandlungen geflügelter n unter 

einander.“ 

Schlakender König: Geflügelte Freiheit! — 
Schmetterling der Puppe entſchlüpft, ins Luftmeer 
dir nach, ſchlägt mir das Herz aus dieſem Chaos 
heraus wo alles gährt und fault noch ehe es 
reift. — Und keine * und immer voll 
Sehnen des Guten. 

Daemon: Zum erſtenmal im ſchönen Eben: 
maaß deiner epiſchen Heldennatur von Schickſals⸗ 
geiſtern herausgefordert — und alle Herzen wallen 
über von ſeligen Ahnungen dein Geiſt werde durch— 
brechen und zu ihrem milden Prieſter ſich weihen. 

Genius: „Völker! — Heimathloſe! Euer 
aller Gedeihen iſt Vereinbarung eurer Geſchicke. 

Wie die wandelnden Waſſer in einen Strom 

zuſammen rinnend Meerbreit hinausrauſchen. — 

Furchtlos rage der Geiſt über die Woge hinaus 

dem Schwimmer der Eure Rettung wagt — zu 

Tempeln euch wieder lenkt und zu ſeligen Hai: 

nen wo Jugendlüfte gemeinſam Euch tränken 

und geläutert und verherrlicht euerm Element 
euch wiedergiebt.“ | 

Volksgeiſt: „Frei von Parteiwuth ſoll 
nicht mehr den vulkaniſchen Ausbrüchen des 

Haſſes und der Rache die reine Völkertreue er: 


315 


liegen — und deſſen gedenkt wie alle Feſſeln die 
Ihr nicht wolltet dulden noch ärgeres Weh über 
Euch brachten. Wenn ewig der Vergeltung 
Streiche über einander herfallen dann muß eine 
Unglücksſaat der Andern entwachſen. 

Magyar: „Wollten wir Böſes mit mit Bö⸗ 
ſem vergelten wir würden mit Jammer auf 
Jammer häufen nie enden.“ 

Ahnengeiſter: „Und dem Feind wohl thun 
fo weh er Euch thue, das find die Opfer die 
des Vaterlands Märtyrer von Euch fordern.“ 
Volksgeiſt: „Verſöhnung iſt Rache die Gott 
verlangt — das iſt Adel der Volksbildung 
und was jene als idealiſch verwerfen das iſt 
mögliches dem Volk.“ 


Gallier: „Alle Volksſtämme bilden einen 
Völkerwald der gemeinſamen Stürmen wider⸗ 
ſteht. Der Gott iſt mit uns der die Zeit der 
Zerſtörung in die Zeiten der Wiedergeburt um⸗ 
wandelt.“ | 


Germane: „Lange waren wir abgefperrt von 
einander jeder Volksſtamm in ſeinem Käfig von 
Verläumdung, umgittert und wir waren ein 
Spiel der Tücke gegen einander. Tiefer Ernſt 
iſt über uns gekommen voll gemeinſamer 


316 


Kühnheit des Unfterblichen die mit der Verzweif—⸗ 
lung Stachel zur Verbrüderung uns reizt.“ 
PVolksgeiſt: „Völkereinheit iſt ſich ſelber alles 
und will allein was ſie ſich ſelber dankt. Sie 
ift nicht ein gewährtes Recht, fie iſt die ange: 
ſtammte Kraft ſich ſelbſt zu helfen, ſie mißt 
mit üppigem Kraftgefühl die Schlachtfelder. 
Ihr kühnes Aug', wie der Minerva Blick aus 
alten Kriegern Jugendfeuer weckt, ruft aus 
Jünglingen Beſonnenheit hervor die Staats⸗ 
ſyſteme wie Planeten um ihren Schwerpunkt 
ordnet. — Aber die Fürſten, wie zerſplitterte 
Bäume die kein Laub mehr krönt, können mäch⸗ 
tig oder ohnmächtig zu ſein nicht entſcheiden 
ob ſie einer Fruchtbringenden oder Früchte und 
Blüthe hinabſtürzenden Zeit ſich zuwenden.“ 

Germane: „Gut wieder machen was andre 
verdarben, Opfer auf ſich nehmen die andre 
nicht leiſten können, das iſt die ſouveraine Kraft 
des Volkes frei fein zu können; denn nicht um: 
ſonſt iſt harter Lebensweg dem Volk Beruf. 
Denn Schwelger vermögen nichts und bedür— 
fen Alles. Der Entſagende allein vermag aus— 
zugleichen was auf der Zeit laſtet.“ 

Vollksgeiſt: „Denn Rechtsſinn geht nicht ber: 
vor aus Religion noch aus Moral noch aus 


317 


polififchen Syſtemen; er iſt nicht ariſtokratiſch 
noch demokratiſch noch auch despotiſch oder 
monarchiſch. Über Menſchenrechte klar entſchei— 
dent iſt ſouveraine Kraft im Volksgewiſſen.“ 
Pole: „Als plötzlich Begeiſterung Euch 
entflammte für ein Volk, nach dem als ge: 
fährlichſtem Freiheitshelden die Despotien fort⸗ 


während Speere ſchleudern; da widerhallte der 


Ruf für ſeine Freiheit, den Heben des Volks⸗ 
gewiſſen.“ | 

Pölker: „Aber den Herrſcher en 
feine alles verkehrenden Imperative und haben 

ihm hinweggeſchwäzt zu gelegner Stunde was 
aus eigner Tiefe der Geiſt ihm eingab.“ 
Pole: „Und mit ſeinem Fluch ſchreckten 

ſie die Liebe der Völker die ſich ihm kundgeben 
wollte in ihren Thaten. Und die Begeiſtrung 
ward Empörung und der auf den wir unſre 
Hoffnung a war ein Unbarmherziger uns 
geworden.“ 

Polksgeift: Boltsgewiffen im Hatschen ver⸗ 
letzt iſt Verletzung der Majeſtät.“ 

Genius: „Volksgewiſſen, wie Feuer von 
feindlicher Atmſophäre niedergehalten reißt plöß: 
lich in ſiegenden Flammen ſich los. Selig der 
mit ſeinem Athem ſie anfacht — wie mit Windes⸗ 


318 


wehen zu raſtloſem Kampf die Völker entzün⸗ 
dend die Sieg auf Sieg mit blühenden Kronen 
ſein Haupt umlauben dem Völkerkönig. Dann 
birgt des Grabes Staub nicht ſeines Ruhmes 
herrlichen Glanz.“ 

Volk: „Und ein Gott in der Bruſt der ge⸗ 
rechten Sache Richter und Retter wird noch ein: 
mal fragen ob er fühle was es heißt, eine 
gute Ehe mit dem Volk führen.“ 

Sombarde: „Was iſt Volk? — die ganze 
Mienſchheit iſt Volk; alles was nicht zu ihm 

gehört muß ſelbſt ſich ausſcheiden.“ 

Magyar: „Der nicht im Volk ſich mit⸗ 
fühlt iſt nicht Edelmann. Nur im Volk ſteigen 
die Geſchlechter in unbefleckter Linie zu des 
Schöpfers erzeugenden Kraft hinan.“ 

Volk: „Aber nicht die Schmarotzerpflanzen, 
gefallner Engel Fortpflanzung — ausgeſtoßen 
von der Natur verjüngenden Kraft.“ 

Gallier: „Sie find 1 oder 
Maſchinengötzen.“ 

Völker: „Wir wollen keinen Oftarehinengort 
zum Schirmherrn, der Herrſcher fei des Volkes 
Geſammtausdruck, der ſich in ihm offenbarende 
Volkswille und die nach allen Seiten hin ſich 
fühlende Volksnatur.“ 


319 


Volksgeiſt: „König ift erg Volks⸗ 
geſetz, Volksgenie.“ 

Genius: „Alle Macht on Kraft und . 
lichkeit der Völker im * der Volks⸗ 
ſonne iſt König.“ 

Schlakender König: Mir ſchwündelt. 
Daemon: Doch nicht vor der Höhe von die 
fie. dich ſtellen? — | 

Germane: „Alſo Friede init unferm eignen 
Gelbft im Herrſcher fo lange er der 2 will 
ſein und nicht Maſchinengötze.“ 

Volk: „Denn der muß ja geſchehen boſſen 
was ſeine Imperative angemeſſen finden.“ 

Magyar: „Die Philiſterrotte die kein Herz 
hat für der Völker Befreiung hält ee den 
Geiſt gebunden.“ 

Polksgeift: „Ein geiſtig gefürſteter it, der 
den Volkscharakter in ſich trägt. — Frei ſoll er 
handeln im Sinne des Volks. Keine Willkühr, 
keine Gnadenlaune, kein Erdbeben aus Grillen 
die der Wind zuſammen weht.“ ö 

Magyar: „Semel jussit semper paret, 
iſt Naturgeſetz dem Volkskönig.“ — 

Volksgeiſt: „Wie die Sonne Daſeingeberin 
ift, furchtbare Kriegerin, Bekämpferin der Ele: 
mente, Nahrung allem was leben kann, ſo 


320 


die Majeſtät dem Volk geiſtig und leiblich Ur⸗ 
quell ſeiner Kräfte. Die eigne Schönheit will 
es in ihr geſpiegelt ſehen, der eignen Zukunft 
Blüthe in ihr empfinden und fühlt in erhabnen 
Handlungen des Monarchen — die . Begei⸗ 
ſterung ſich Luft machen.“ 

| Volk: „Dem Herrſcher der den Volkscha⸗ 
rakter in ſich verklärt dem jubelt das Volk, denn 
das Gute macht alle freudig und alle nehmen 
Theil am Großen und beten ohne Unterlaß daß 
es ihm gelinge und ſind voll Weh wenn ihm 
Böſes widerfährt. — 

Völker: „Ha könnten wir ihn loßreißen 

von denen die mit ihrer Philiſterwuth das Herz 
ihm entweihen und das Edlere in ihm zerquälen 
mit ihrem ſeelenloſen Knechtsgefühl an dem ſie 
noch gemeinen Todes ſterben werden.“ 
Schlalender König: Das bricht hervor wie 
aus dem Fels der Quell der heut zum erſtenmal 
mich tränkt. 
Daemon: Die Quelle iſts am Scheraltar aus 
dem die Pytbia ſchöpft. 

Germane: „Aber der vermag alles den es 
gelingt das Gemeine zu vertilgen und nimmer 
nehmen die Furien Platz wo das Göttergleiche 
waltet.“ 


321 


Pole: „Auferſtehung von den Todten durch 
Begeiſterung verbrüderter Völkerſtämme. — Da 
regt ſich die Volksſeele im 1 Eine Völ⸗ 

kerblüthezeit. 

Vollsgeiſt: „Alles ift zur r greihei aufblühende 
Volksnatur, jedes Gelöbniß dem Himmel voll⸗ 
kommner zu werden iſt Freiheitsreligion dem 
Volk und macht Herrſcher ſtark in allem 

Geſchehen.“ | TR ; 

Völker: „Aber Volksgewiſſen im Herrſcher 
verletzt legt die Art an die Wurzel feinem Ber: 
trauen. In Wehmuthſchauern fleht es zu ihm: 
„Zärtlich warſt du geliebt der Haupt und Führer 
uns war und du erwiederteſt unſre Liebe! Um 
dich wollen wir zur Blutrache uns gürten, die 
zu vernichten die uns von dir getrennt haben.“ 
Schlalender König: Sie reden als könnten 

ſie in mich fehen. 
Daemon: Sie legen die Hand dir aufs Herz. 

Proletarier: „Das Volk ſehnt ſich nach 
Großem und hoffte es zu finden in dir. In 
der Auferſtehung des Rechts in deiner Bruſt, in 
deiner gleichübenden Menſchlichkeit an Freund 
und Feind ſollte die Volksfreiheit ſich begründen. 
Deutſche Volkswürde, deutſche Freiheit und Treue 
ſollten nicht mehr in leerem Schall aufgehen. 

21 


322 


Auf unſern ſouverainen Platz der Völkereinheit 
wollten wir uns ſchwingen, dann war es dir 
möglich mit ſtarkem Arm und beruhigend die 
Erde zu faſſen und uns zu führen wohin du 
willſt wenn du gewährſt daß wir uns de in 
fühlen. Uns dürſtet nach Ungewöhnlichem; 
die Bande möchten wir zerreißen die ans Elend 
uns feſſeln. Aus dem alten Geleis ſehnt ſich 
der Geiſt. Was wir ererbt, was wir erwor— 
ben kühn zu vergeſſen und die Augen aufheben 
zu dir dem unſre edleren Kräfte — SHeldenbrü- 
dern gleich — als des Glückes geſundheitsvollſten 

Becher wir darbringen. Du ſollſt ihn leeren 

auf deiner Völker Heil.“ 

Volk: „Dann reichen wir die Hände ein: 
ander drauf daß unſre Thaten ſeinen Ruhm 
hochtragen ſollen.“ 

Schlalender König: Und * würden ſie mir 
fluchen der nicht die glücklichen Saturnustage ihnen 
herauf kann beſchwören. 

Daemon: Wollteſt du nur ſegnen ſo lange 
du kannſt. 

Proletarier: „So wollten wir reden zu ihm 
und wie ein Schiff das Sturmwellen treiben, 
alſo jach vor ihn tretend mit der Fauſt ſeine 
Feinde beim Gürtel erwiſchen und aus den 


323 


Faugen reißen daß fie niederfallen vor ihm. Aber 
leider Wehe! Obſchon wir die Stimme erhoben 
über alle Verwirrung hinaus; er verſtand uns 
nicht. Andre nahmen die Plätze ein wo Gehör 
gab der uns der Liebſte war; dieſe nannten ſich 
die Klugen und wir glaubten was ſie ſagten und 
alle glaubten uud wir glaubten beinah auch. — — 


Ach keine Täuſchung überraſcht erſchüttender, als 


wenn Männer mit der Anwartſchaft auf einen 
großen Namen, fo viel Thatkraft der Begeiftruug 
fie. uns verhießen daß wir voll ehrfürchtiger 
Verwundrung wie ſie dazu kamen und dazu 
ſich ausbilden konnten, ſie anſtaunen — auf ein⸗ 
mal öffentlicher Prüfung unterworfen, wie Ne: 
bel verſchwinden; wenn wir den kleinlichen Be⸗ 
weggründen nachgehen die ſie den Gelöbniſſen 
großen und einfachen Geſchehens entfremden — 
daß ſie keinen Charakter haben und nur froh ſind 
eine Rolle, wenn auch die treuloſeſte zu ſpielen.“ 
Gallier: „Sie ahnen nicht den Glückwechſel 
rächender Entwicklungen die ſie mit ihren Staats⸗ 
ſtreichen in die Küche des Teufels bringen.“ 
Germane: „Sie halten ſich für die Genien 
der Welt, ſie ſind ſich das Thema ihres ganzen 
Lebens und ſind nie unglücklich weil ihnen die 
moraliſche Welt nie aufgeht.“ 
21 ® 


- 


Schlakender König: Soll dies — auch mich treffen? 
Daemon: Nein, aber die Macht die ihren 
Schatten auf dich wirft in dem das hoffnungs⸗ 
goldne Licht frohen Lebens dir erliſcht. 
Proletarier: „Sie ſind nicht die großen Män⸗ 
ner die den Mißklang in Harmonie umzaubern 
Ach wer wird zu des Volks Gunſten je die 
Hand aufheben? — So unbewußt ſind wir 
daß ſie unſern brauſenden Unwillen zu Gunſten 
dem lenken was ihn erregt. Aber es ſind nicht 
Rechte noch Vortheile die wir ſuchen, es iſt 
die in alles eingreifende Gewiſſensſtimme des 
Volks, die ruhige Beſonnenheit über eigne 
Fähigkeiten von denen eben ſo viel abhängt wie 
vom entgegengeſetztem Pol, in denen wir uns 
zu entfalten und emporzuſchwingen begehren. 
Davon iſt jenen Imperativen des Staats noch 
keine Ahnung geworden und auch denen nicht 
die von dem erhabnen Standpunkt des Nichts⸗ 
habens und Nichtsbedürfens uns herabzuſtoßen 
ſich mühen.“ 
Volk: „Sie fragen nicht wie nah der Menſch 
dem Menſchen ſtehe, ſie fragen, wie weit man 
könne den Boden unter den Füßen ihm ab⸗ 
graben, wie weit die eigne Schuld auf die 


durch ſie erſchöpfte Menſchheit ſchieben.“ 


‚325 


Proletarier: „Alles ift ungerecht was nicht 
edel iſt. Alles verwirrt die Schickſalsfragen die 
wie gereizte Ungeheuer vertilgen was nicht um: 
ſterblich ſie bekämpft. Sie werfen ihren ſchauer⸗ 
vollen Drohungen die zum Raub hin, an denen 
ihr Unſinn zum grauſamſten Vergehen ſich 
ſteigert. Die Ungeheuer werden ungeſtümer — 
die Furcht wirft noch größere Opfer zum Wür⸗ 
gen hin. Am Ende würgen ſie alles und Der 
deſſen unſtäte zweideutige, ja willenloſe Unum⸗ 
ſchränktheiten mit Verwirrung die Welt über⸗ 
wuchern, ach die Nemeſis erwartet auch ihn. 
Schlatender König: Wie klingt dir der armen 

Volksſeele prophetiſche Stimme. 

Daemon: Wie wenn das Herz der Erde zum 
Ather ſich klagt daß der nicht in ſeinen Feuerarmen 
ſie erwärme. a 

Proletarier: „Wer vor dem Richterſtuhl des 
Völkerglücks, die Macht und die Kraft und Herr: 
lichkeit des Volks könnte offenbar machen, der 
wäre nicht allein der größte Staatsheld, auch 
Genius und Retter der Menſchheit würde er ſein. 
Aber ſo lange der Verachtung allverdächtigender 
Fluch Begleiter uns iſt, werden auch der Völker 
Leidenſchaften nicht in ſittliche Fruchtbarkeit ſich 


übertragen.“ 


326 


Polksgeift: „Alle Völker haben ihr Ideal zu 
dem ihre Begeiſtrung hinauf ringt. Der Macht⸗ 
haber der nicht in ihnen ſich verklärt iſt Macht⸗ 
räuber des Göttlichen am Volk. Revolutionen 
ſind nicht Verbrechen, aber die Folgen davon. 
Der aber in ſeines Volkes Flammengeiſt ſich 
ſpiegelt, der hat abſolute Gewalt über es“ 

Lombarde: „Wenn ein Volk in die Reihen 
der erſten Nationen zu treten die Kraft in ſich 
fühlt — dann wird Er Hüter und Pfleger 
ihm ſein.“ 

Pole: „Und die Nachkommen feiner Hel⸗ 
den wird er aus der Verbannung hervorrufen 
und das blühende Leben wieder zurückführen 
den Geſchlechtern die dem Tod verfallen waren.“ 

Magyar: „Und den Boden mit Großem 
ihnen befruchten und die Tempel ihnen öffnen 
von der Geiſtesſonne durchſtrahlt.“ — 

Germane: „Und behutſam den Boden betre⸗ 
ten den ſeiner Macht die Völker vertrauen. 
Milde und Weisheit wird im Feuer ſeiner Rede 
ihnen aufleuchten und die Hand wird er bieten 
dem tief aufſtrebenden Trieb der Menſchen, in 
kühnen Gedanken und herrlichen Entſchlüſſen wird 
er unſrer Seele begegnen die zärtlichgläubig ihm 
gehorcht der wie ein Gott uns beherrſcht.“ 


327 


Gallier: „Und wenn ein Volk in Verzweiflung 
ringt mit dem Drachen der über die Grenzen 
des Irrſterns hinaus die wilde Bruſt aufbäumt, 
dann wird aus den Tiefen ſeines Weſens der 
Zorn den Verderber überkommen?“ 

Proletarier: „Ach ſchöpft nicht mit lechzen⸗ 
den Eimern! Geblendet iſt jeglicher Blick den 
Herrſchern über das Volk. Sie ſind im Stand 
und ſagens einander wenn es die Rede giebt, 
wie ſie uns fort aus der Heimath ſollen jagen 
und der iſt allemal ihnen der Höchſte dem es 
gelingt in ungleichem Kampf uns niederzuwerfen; 
und die Wuth die plötzlich in Raſerei das Volk 
überſtürzt wenn es nicht wie die Schlachtſchafe 
vom täglichen Geſchrei feiner Verfolger ſich frei: 
ben läßt; nennen ſie Herrſcherkraft, und an dieſen 
Pranger ſchlagen ſie ihre Geſetze und an dieſem 
Pfahl kreuzigen ſie die Völker die voll ſchnellem 
feurigem Wachsthum zu der Sonne hinauflan— 
gen. Und ſie dulden daß ein Fremder voll 
Kälte und natürlicher Herzenshärte, ſpiele mit 
ihrem Schickſal und fie die ſchon fo mancher 
ſtolzer Irrthum demüthigte thun nicht ein gleiches 
mit ihm der ſie beugt wies ihm gefällt. Und ſie 
packen ihn nicht mit deinem Fluch o Begeiſtrung 
— ſtrahlende Heilige deiner Märtyrer die 


328 
nichts ünedles dulden neben dir! O entzünde 
die Völker entzünde die Fürſten für uns. Stürze 
zuſammen was wider dich iſt; nehme uns auf 
in deine verzehrende Herrlichkeit! — Tod und 
Leben durchdringe mit ihr.“ 

Völker: „Wer ſich nicht müht um das 
was durch ſein Ermatten unter muß gehen kann 
nicht den Himmel ſtürmen. Wenn die Welt um 
uns gährt und was irgend verderblich iſt aufregt 
im Buſen der Menſchen; wenn der Aufruhr 
wehklagt, um Mitternacht, auf Straßen der 
Stadt und in weitem Feld, dann laßt uns den 
hellen Morgen wieder heraufbeſchwören daß 
milder werde der Streit der Welt und näher 
der Völker Seele dem Herrſcher komme und 
alle ihm zuſtrömen des Glückes Stufen zu 
hauen in den harten Fels der Noth.“ 
Schlakender König: Mir ahnt — kein Freuden⸗ 
thau wird niederregnen auf die Opfer die meine 
Zeit verlangt. 

Daemon: Schönerer Sieg, den du nie ahnen 
konnteſt zu erreichen, wird Zweige des Ruhms zu 
deines Triumphes Krone an ſich reißen. 

Pole: „Dann fühlt er erſt wie in Gefahr 
der Muth ihm wächſt. Wie ein vollblühender 
Baum beſchatten unſre Thaten ſein Haupt wenn 


329 


unter Schickſalsſchlägen, wie Eiſen unter dem 
Hammer, ſeine Entwürfe ſich bilden. Die Welt 
baut er um. Getragen vom Volksmuth ſchwingt 
er plötzlich ſich auf und nimmt mit Schnelle 
die Faſſung dem Drachen und reizt ihn bis er 
zum Schlag das Haupt ihm reicht.“ 

Proletarier: „Schwinger des raſtloſen Don: 
ners jagt er und wir ihm nach, über die ſchnellen 
Söhne des Boreas hinweg zu Euch Ihr Gal⸗ 
lier die wir im ungleichen Kampf mit dem 
Drachen ſehen fliehen, bis in den Schooß des 
Triumphs zu kämpfen für euch.“ 

Germane: „Oft haben wir nach Krieg mit 
euch uns geſehnt. Oft haben wir im Trunk eure 
Helden gefordert, nimmer iſt der Gedanke an 
euch Streitbare, uns aus der Seele gewichen. 
Aber jetzt iſt Feuer und Seele in uns in den 
Streit für euch zu ſtürzen.“ 

Lombarde: „Auf in die Schlacht! An den 
Drachen laſſet uns Streit gehren. Sind die 
Pfeile verſchoſſen dann ſchnell greifen wir nach 
dem Schwert. Sind die Schwerter verſchroten 
ſo faſſen wir die Keulen.“ 

Völker: „Und ſchwingen Maſſen groß wie 
Berge. Sinnlos fällt er dann nieder und ſein 
Mund wird ſchweigen.“ | 


330 


Pole: „Wir ſchreien ihn an daß er erſtarrt 
als flöge das Herz aus ſeinem Leib.“ 


Germane: „Wie der Wind ſitzen wir auf 

und eilen zum Herrſcher der voll leuchtender 
Glorie uns anſtaunt, vor ihm ſagen wir aus, 
wie einer Pechwolke gleich, der Drache die Welt 
verdunkelt und der Pechdampf wie ein Zelt über 
den Häuptern ſeiner Anhänger ſich ausbreitet, 
und wie alle Edlen Zornes voll ſind über 
ihn.“ 
Lombarde: „Und wie er mit dem Fuß von 
ſich ſtößt die ihm liebkoſen mit Rath des Gu⸗ 
ten. Sein Heer ſchreit er an: Ziehet voran 
ich bleibe dahinten verborgen. Was Euch vor: 
kommt von Jung und Alt das tödtet keiner 
finde Sicherheit vor meinem Grimm.“ 


Magyar: „Und alle Lande rüſtet er; kein 
Namhafter bleibt in ſeinen Grenzen.“ 


Germane: „Von dem Fluchwürdigen kann 
nichts Gutes kommen und Schande wärs auf 
den zu bauen der nach der Krone die unreinen 
Hände ausſtreckt; er hat keinen Gefährten irgend 
des Guten.“ 


Magyar: „Und alle umſtehen wir den 
Herrſcher und flehen daß er den Schuppen⸗ 


331 


panzer berühre dem Drachen der ihm abfällt 
im Angeſicht des ſtaunenden Heeres.“ 

Pole: „Und alle ſtehen wir unter Waffen 
und werfen uns in die Haufen der Feinde und 
greifen mit Nachdruck ſie an.“ 

Lombarde: „Und den Roſſen ſproßen Flügel 
aus den Seiten und bringen uns nah dem 
fliehenden Drachen.“ | 

Germane: „Dem werden wir die Erde eng 
machen Tag und Nacht.“ 

Combarde: „Wir gürten uns im Namen 
des Allerhöchſten, alle Furcht ſchlagen wir aus 
dem Herzen.“ 

Magyar: „Wie ein Löwe ſchrei ich ihn 
an, einen Pfeil ſchieß ich in ſeinen Rachen. — 
Vor ſtaunender Beſtürzung bleibt ihm die Zunge 
aus dem Mund.“ 

Pole: „Noch einmal werf ich den Speer 
auf ihn daß er ſich beugt und krümmt.“ 

Germane: „Ich treffe ihn in die Mitte des 
Rachens daß ein Strom rauchenden Bluts her— 
vorſtürzt. Er wühlt Sturmwogen auf die nur 
Schaum gebären und dann verlaufen ſie ſich 
wieder.“ 

Vollksgeiſt: „Und Gram bleibt denen in 
der Seele die mit ihm in eine Schüſſel tauchten. 


332 


Von Herzweh find ihnen die Augen voll 
Waſſer.“ r | 

Germane: „Aber wir nehmen den Gram 
von ihnen und ſprechen: Iſt Böſes euch im 
Sinn dann werft es von euch wir wollen es 
nicht ans Licht bringen. Alle Schuld haben die 
Unſchuldigen unter Euch gelöſt.“ 

Völker: „Alle eilen wir dann voll muthi⸗ 
ger Freude zum Herrſcher und reden zu ihm 
mit dem Herzen: „Auf den Thron der Welt halte 
dich Gott. Der Völker Vertrauen umkleide dich, 
Ruhm ſei dir die Erde, der Himmel ſei dein 
Freund, das Haupt der Böſen ſei deine Beute. 
— Hoch hebe den Helm in der Schlacht. Du 
biſt rein von Böſem; Gold der Treue ſäen 
wir in deinem Namen unter die Völker in allen 
Landen und Klimen wird es echte Mitkämpfer 
dir werben.“ 

Germane: „Dann ziehen Haufen an Hau— 
fen die Heere an ihm vorüber und widerhallen 
den Ruf der jauchzenden Völker: Viel haſt du 
um uns geduldet. Alles geben wir hin denn 
unſer Trachten haſt du zum Ziel geleitet; Erzeu— 
ger biſt du der Völkereinheit geworden. Nun 
nehme der Schwachen und Waiſen dich an; rufe 
die Städte aus der Aſche wieder hervor und 


333 


die verwüſteten Felder laſſe wieder Frucht brin⸗ 
gen.“ | 

Proletarier: „Dann ſpricht Einer zu ihm: 
„Es ſtehen zwölf Cypreſſen im Kreis um die 
Sonne; manche Zweige entſprießen jeder, nie 
wird ihre Zahl geringer im Lande.“ Dann wird 
er ſagen: „Zwölf Monde ſind im Jahr und 
dreißig Zweige hält jede Cypreſſe.“ Und wir 
erwiedern: „Siehe o König daß du nach der 
Sonne dich richteſt. Die Cypreſſen heben ihr 
Gezweig empor und Leben ſpendet ihnen die 
Sonne. Laſſe auch du, wie die Cypreſſen des 
Jahres die Sonne umwandeln, die Völker dich 
umringen und jedem gewähre gleiches Maaß 
deiner Wärme.“ 

Germane: „Dann ſagen wir: „Wie unſre 
Geſchlechter aufkeimten das war im Sand der 
Wüßſte und keinen grünen Anger fanden wir 
und die wir erzeugten mußten verſchmachten. 
Da waren unſre Herzen in Angſt. Wir ſpra⸗ 
chen, „gleichen Kummer haben wir alle ſo laſſet 
auch ins Elend uns theilen.“ — So entſtand 
das traurige Wort was Ihr bekämpft und ſo 
vieles darunter verſteht was das Licht muß 
ſcheuen. Wir aber erkennen nur des Volkes Ge⸗ 
wiſſen darin, deiner Güte Same ſtreue du hinein 


334 


und pflege im Kreiſe deines großen Jahres fei- 
ner Cypreſſen; ihre Zweige nähre mit der Wärme 
die du ihnen ſtrahlſt. — Den Geiſt den Gottes 
Sonne wärmt, deſſen Same ſeine Winde um— 
herſtreuen, deſſen Wachsthum die Zeiten nähren, 
dem bereite fruchtbaren Acker. Des Vertrauens 
Schutz und Grenze wirft du uns fein und wirſt 
gemeine Sache mit uns machen.“ 
Schlakender König: Alles begreif ich aber Un- 
mögliches deucht mir, gemeine Sachen mit dem 
Volk machen. Horn 
Daemon: Mit dem Deean der die Veſten der 
Welt umfängt kannſt du nicht brechen. Er iſt 
der Odem der dich belebt. In ſeiner Kühnheit 
weit verſchlagnen Kreiſen wird dies Volk durch— 
ſetzen was dir unmöglich ſcheint. 
Volk: „Kein Edler ſcheut den Tod für ihn. 
Ruft er zum Streit, aus dem Schlaf ſpringen 
wir auf — Sturm in der Rechten Feuer in der 
Linken vor uns her das Panner ſeines Reichs. 
Welchem Herrſcher wir nahen dem ſagen wir: 
„Steig herab vom Thron — und wir ſetzen die 
Krone ihm auf.“ 
Sombarde: „Dann ſteht er im Kreiſe der 
Völker und die nehmen das Wort: „Ehe dieſer 
uns war gekommen, waren wir Sclaven und 


335 


keinen Verſtand hatten wir, unſre Gedanken irrten 
unter Trümmern früherer Größe. Die Wahr— 
heit wurde ſchnöde abgewieſen mit e das 
uns beſtürzt machte.“ 

Pole: „Und den Ort hieß man uns ver— 
laſſen da wir geboren waren daß wir vergeſſen 
ſollten welches Landes und welcher Herkunft wir 
ſeien und vergehen ſollten wir wie Nebel von 
der Wüſte verzehrt.“ 

Magyar: „Des Lebens Farben waren uns 
erblaßt. In der Nacht blühte der Wehmuth 
Blume zu unſerm Geſtirn hinauf, unſre Klagen 
trugen Träume zu Ihm. Da erwachte Dieſer und 
rief uns in den Krieg mit dem Drachen der ſich 
bäumte gegen ihn; und nun iſt er die Sonne 
der verbannten Völker und helle wirds wo wir 
ihn ſehen.“ ut 

Germane: „Seine Weisheit erprobten die 
Völker die gebunden waren und die Umherirren⸗ 
den. Aller Kräfte floſſen in einen Strom zu— 
ſammen. Es iſt der Athem des Volks der in 
ihm lebt.“ N 

Völker: Wir ſind der Ocean der ſeine 
Veſten umfängt; wir ſind, die des Reiches 
Krone ihm bringen — der uns gerecht ward 
in unſrer Noth denn unter ſo vielen Herrſchern 


336 


kommt keiner uns ins Gedächtniß als deſſen 
Schwelle die Thräne des Dankes benetzt.“ 

Völker: „Gott iſt uns Zeuge der Hochher: 
zige wird die Erde neu machen im Glanz und 
und wer dem wehrt dem werden wir Schrecken 
ins Herz jagen. Ihn betet der Völker Liebe 
an der aus fernen Welttheilen uns wieder ſam— 
melte und den Armen zu ſich rief weil er des 
Schutzes bedarf; — der die Völker verbrüdert 
— die Räuber und Tyrannen demüthigt. — 
Großer Geſetzgeber! — Großer Bildner der 
Völker — der klug zu geſelliger Ordnung ſie 
führt und zum Streit führt er ſie nur r für die 
gerechte Sache.“ a 

Volker: „Gott iſts der des Thrones ihn 
würdig machte und das Glück ihm gab.“ 

Völker: „Ja Gott und wir verbannten 
verachteten Völker erheben ihn zum Herrſcher 
über uns. Unſern Leib haben wir zum Panzer 
ihm gemacht.“ 

Völker: „Wir alle bilden einen Ringpanzer 
um ihn. Ein Volk kettet ſich ins andre zu 
ſeinem Schutz.“ 

Pole: „Wir ergreifen die alten Chee und 
tragen ſie weit über die Berge hinaus bis wo 
die Wüſte der Geiſtloſen beginnt die trübſelig 


337 


uns anſtarren. Ein Säulengang von ernſten 
Helden, Waffen ſchwingend in der ſtarken 
Fauſt bildet die Grenze. Über ihr weht ſein 
weiß Panier; im ſchwarzen Feld der bäumende 
Drache mit dem Hieb im Nacken den u ihm 
gab. 8 

e „Und mit dem pen den ans 
or die Kehle ihm jagte.“ 


Germane: „Und mit dem Speer im n Rachen 
aus meiner Fauſt.“ 


Gallier: „Aus goldner Röhre ſriogg dann 
der blutrothe Wein plätſchernd nieder zum 
Trankopfer den durſtenden Helden.“ 


Ahnengeiſter: „Unglück verheißen wir dem 
der es anders will wenden. Denn wenige der 
göttlichen Menſchen find, die Völker heilig hal- 
ten weil ſie ausgeſtoßen waren.“ 


Vollsgeiſt: „Und die ſich ber vergeſſen 
um der Gerechtigkeit willen und aus Liebe zu 


ihnen ſich hingeben.“ 
Magyar: „Wer erinnert ſich nicht ſeiner 


Heiligen? — Wer ruft nicht mit Wolluſt ſich 


zurück ihre Liebe zu den Völkern die zu un⸗ 
aufhörlichen Siegen uns führten.“ 
22 


338 

Pole: „Wäre Einer nicht geweſen; wir 
wären Alle nicht mehr. An den Himmel reichte 
ſein Verſtand ihre Rechte ſchützte er den Völ⸗ 
kern. Frei war der Staat und alle nahmen 
Theil an der Freiheit.“ 

Germane: Als Retter zog er ein in die 
deutſche Kaiſerſtadt die ihr Herrſcher verloren 
mußte geben. Retter und Befreier jauchzte ihm 
das Volk, und er pries mit Wonnethränen 
dies ſeinen glorreichſten Tag.“ g 

Völker: „Wie groß und ſchön, der Menſch⸗ 
heit dienen der Sonne gleich von lichtem Glanz 
umfloſſen.“ 

Völker: „Wie herrlich, der vor Gott kann 
ſagen: die Tage find mir vorübergegangen im: 
merdar ſegnend die Völker die du mir haſt 
gegeben.“ 

Volk: „Was hatteſt du verſchuldet ritter⸗ 
licher König — tapferer Johann, daß Bſtreichs 
Hiſtrionen beim Volk dich ſo verhaßt mußten 
darſtellen? — Sag an du großer Sieger bei 
Chozym, Retter des hart bedrängten von ſeinem 
Kaiſer verlaßnen Reichs für das feine Botſchaf⸗ 
ter und päpſtliche Legaten dir waren zu Füßen 
gefallen? — 

Sobieshi: „Ha! — Als die Fürſten wei⸗ 


339 


nend mich umhalsten, die Generale mir Hand 
und Füße küßten und Hurra dem Retter! — 
das Volk aus heiſerer Kehle ſchrie; derweile 
hielt der eiferſüchtige Kaiſer Rath über das Zere⸗ 
monial der Zuſammenkunft mit einem bloßen 
Wahlkönig; deſſen Krieger zerlumpt aber un⸗ 
überwindlich, geſchworen hatten nur in der 
Feinde Gewand einzuziehen in die Kaiſerſtadt. 
Und als das Volk in ihre Retterarme ſich warf, 
da fühlte es vom weiten Türkenärmel ſich um⸗ 
ſchlungen.“ ia 

Volk: „In jedem Einzelnen vor Gott be: 
ſtätigt, löſte jeder Zweifel ſich dir dem Wahl⸗ 
könig, an der Liebe deines Volks.“ 

Sobiesht: „Als ich dem Kaiſer gegenüber 
ſtand, da ſtellte ich den Sohn ihm vor. Er 
grüßte nicht — auch nicht die Senatoren und 
Hetmannen und als ich für die Magyarvölker 
ihm ans Herz redete, da hatte ichs gar verdor— 
ben. Da ritt ich friſch wieder ins Lager zu 
meinen Braven.“ 

Germane: „So haben Glaven die Germa- 
nen, da alles verloren ſchien, gleich wie ein Bru— 
der den andern mit ihrem Blut gerettet.“ 

Sobieski: „Retter iſt der Pole immer im 
Gedräng feindlicher Waffen wo Vertrauen ihn 

22° 


340 


ruft, und wenn ſie dann im Prachtgefolge durch 
des Friedens glanzgeſchmückte Straßen und des 
Triumphes ſtolze Bogen ziehn dann ſehn ſie 
nicht das kleine Häuflein Freunde das ſo zuſam⸗ 
men ſchmolz in ſchwerem Sieg für ihn. 
Pole: „Und kommt Zwieſpalt wieder, dann 
führt in mameriſchem Rhythmus ein kaſtoriſches 
Lied ſie wieder herbei und ihrer Hoffnung tief 
geſunkne Flamme ſprüht auf im Glanz der pol⸗ 
niſchen Fahne.“ | 
Schlafender König: Mir ift als wäre der 
Blitz dort in den Lorbeerhain gefahren. 
Daemon: Der Morgennebel iſts den die auf: 
gehende Sonne durchblitzt. 

Magyar: „So gelobte einſt der tapferen 
Treue meines Volks die junge Königin: wenn 
ich oder meine Nachkommen zu welcher Zeit es 
ſei Eure Rechte überteten; ſo ſei Euch gewährt 
Euch zu vertheidigen ohne als Rebellen geachtet 
zu werden.“ 

Proletarier: „Völkertreue, ſpringt über Bord 
der Gefahr. Aber die Staatskunſt die mit 
derſelben Zunge Eide ſchwört und widerruft; 
die mit ihren offnen Argusaugen nicht ſieht und 
allein lauert mit denen die ſie geſchloſſen zu 
haben vorgiebt, zerſchmetterte einer großen Köni⸗ 


341 


gin Gelübde dem Volk, und ihre Nachkommen 
legen Geſchlecht um Geſchlecht den Blutzoll nie— 
der am Stamme des Weltenbaums der mit Schwer— 
tern wie mit Dornen beſäet, Unglück als Blüthe 
und Tod als Frucht den Völkern trägt.“ 

Sobieski: „Und bekannte dieſe Königin und 
Kaiſerin nicht hiermit: es könne ihr und ihren 
Nachkommen einfallen das Volk auf deſſen 
Treue ſie ſich verließ, als Rebellen zu behandeln 
wenn es ſeine Rechte zu behaupten ſich einfal— 
len laſſe? — Ich könnte nicht ruhig ſtolz in 
dieſen Atherſtraßen wandeln hätte ich ſo gethan. 
Ich! — der Polenkönig aus ihrer Wahl her— 
vorgegangen, der nie ſein Wort brach — keinem 
mißtrante, ſelbſt nicht den frommen Vätern der 
Geſellſchaft Jeſu die meine Beute zwar in 
Empfang nahmen aber nicht dem Teufel, der 
Ich ſei ſich verſchreiben wollten. Ich konnte um 
ſeine Wahl dies Volk — um den Glanz der 
polniſchen Fahne es nimmer betrügen. Wehe 
dem Meineidigen an Ihr durch glorreiche Schlach⸗ 
ten vollmächtig unter allen Völkern.“ 

Pole: „Fluche ihm nicht, der ſelbſt ſich an—⸗ 
klagt bei der Nacht die ihn verbirgt, bei dem Tag 
den er muß fliehen — bei Wind und Wolken denen 
er fleht: Verrathet mich nicht! — In der Erde 


342 


hört ers dröhnen, kalt wehts ihn von oben an. 
Aus des Vaterlandes Trümmern ragen ſeiner 
Ahnen Waffen wo ſie glorreich untergingen. 
Groß war vor der Welt ihr Ringen — größer 
noch als Waffenthaten, ihre ſtolz verſchwiegnen 
Opfer für ein großes Heldenvolk.“ 

Volk: „Ha dies greift ihm in die Glieder. 
Flüchtig vor der Ruheſtätte, wo in rieſigen Ge⸗ 
ſtalten ſeiner Väter ernſte Schatten ſtill an ihm 
vorüberziehn, kann er ſie nicht wieder grüßen.“ 

Ahnengeiſter: „Vom Wahnſinn hingeriſſen 
— ach Armer! — helfen möchten dir die Gei- 
ſter, aber anſehen können ſie dies nicht.“ 

Volk: „Weh! — Wohin auf Erden, Leiden: 
der — jagt dich mit ihrem Stachel die Erinnerung, 
wo nicht der Väter Blut iſt hingedrungen? Oder 
wirſt du ins Meer dich ſtürzen wo du nimmer: 
mehr geſehen biſt.“ 

Sobieski: „Auch die Meeres wogen hat fein 
Purpur gefärbt, uns aber trägt die Geiſter⸗ 
ſchwinge Euch nach Ihr Geſchlechter, wo im 
Glanzesfeuer laut brauſender Arſenale die fun— 
kelnde Bombe die Luft durchpfeift — aufſpringt 
vom Boden — voll leuchtender Kühnheit über 
der Verbannung Erde hinweg in den hallenden 
Ather Euch hebt. — Vorüber dem Sonnenfeld 


343 


auf dem von Sturmwolken getragen, mit ges 

doppelter Stirn mit blitzendem Aug dem Feind 

zugewendet der Adler thront.“ | 

Schlalender König: Mit gedoppelter Stirn 
und blitzendem Aug, dem aus der Kralle der 
Reichsapfel entrollt! — Ich muß des Teufels 
werden über die Viſionen. 

Daemon: Erkennſt du ihn der auf dem Stumf⸗ 
ſchwanz aufrecht ſitzend jedem in die Naſe hackt 
der ihn aufgreifen will? — 

Volksgeift: „Seht dort — Einſam als wär 
die Welt ihm entflohen, Einen ſchlummern. — 
Eingerahmt in ſeines Traumes Spiegel, aus 
tiefer Mitternacht hervor — der Freiheit ganz 
zerfeztes Banner ihm entgegen ſchwanken — ihm 
nach von Kriegesheeren eine Schaar — am Rhein, 
am Tieber, an der Weichſel und der Donau 
Fluthen widerhallt ihrer Trompeten Ruf. — 
Wahnſinn deucht ihm der Traum — Wahnſinn, 
daß des Vaterlandes Geiſt ihn anklage; Wahn⸗ 
ſinn auch daß Städte rauchen, das Volk ihm 

ausweicht und von den Bergen wo keine Freu: 
denfeuer mehr lodern, die Muſen fliehen. Traum 
deutet er alles — Fiebertraum, daß vor der 

Völker Genius, die Bruſt vom Weh geneſen 

ihr König ſich beuge — Nationen voll ſtolzer 


344 


Freude ihn Vater, Schützer, Retter nennen; — 
denn Unmögliches deucht dies ihm ja, ſo reich 
und groß in eigner Welt ſich fühlen.“ 
Schlakender König: Wie die Pulſe mir fiebrifch 
pochen! Ich ſehe alles — ich fühle alles — dort 
das Banner ſchwanken — hinter ihm dunkle Nacht, 
— hell malen ſich die zerrißnen Fetzen auf ihr — 
ſie flattern an mich heran — muß ich ſie faſſen? — 
Dort der blaſſe Geiſt der ſie trägt! — Daemon — 
entfliehe mir nicht, — reich mir die Hand. — — — 
Daemon: Hier bin ich mit dir! — alle Kräfte 
der Erde und des Himmels wenden ſich zu dir! 
Schlakender König: Und die Völkerſchaaren — 
die ſich kreuzen — vorübereilend ſich ordnen — wie 
eine Vögelſchaar zum Abzug bereit ins wärmere 
Land. 
Proletarier: „Heftige Stürme umbrauſen die 
Völker daß keines den rechten Weg mehr fin: 
det. — Hier ſchwingt Eines — dort das Andre 
ſich hin und bezeichnet mit Blut den Pfad. In 
dieſer Wüſte kann es nicht bleiben und wenn es 
Moſchus aus den Wolken regnete. — Auf denn! 
nur die Feigen ergreift die Gefahr. Wer wollte 
nicht die Wonne kühner That auf die Nach— 
kommen vererben. Fort zum Ocean wo Stürme 
mit brauſender Hymne die Seele beſchwingen.“ 


345: 


Völker: „Unter der Atherwüſte fehiffen wir 
hin, auf gluthſchäumender Woge, zum Strand der 
mit der Palme uns winkt. — Wo auf göttlich 
gegründete Freiheit wir Städte erbauen.“ 

Magyar: „Vom Geſchick ein neues Ilium 
iſt uns verheißen. Ulber Bergketten nieder — 
durch Völker ſchlagen wir uns — kämpfende 
Gewitter zerreiſſen wir auf pfadloſem Ocean bis 
zum Strand wo eines weltgewaltigen Volkes 
Same, wie des Orakels reiner Mund verſpricht, 
fruchtbar wieder werde ſeinem Stamm. — Weint 
nicht zurück nach Temeswar, nach Budas und 
Komorneas Ruinen; noch Ihr nach den zerrißnen 
Fetzen Eurer Lande von der Wistula und dem Tyras 
und des Boriſthenes Fluthen umſpühlt die eure 
Könige eure Heroengeſchlechter — tapfer, trotzig, 
freimüthig, prächtig und der Studia gemüßigt, 
heißbrauſend zwiſchen Walachen und Tartaren 
zum Ocean hinab wogten. Schon ſteigen des 
Zwielichts wechſelnde Gebilde herauf. Tief aus 
dem ſchäumenden Meer ſeh ich Weltinſeln her— 
vorragen; die goldgeſchleierte Lacheſis hebet am 
Ufer zum Schwur die Hand: „Gaſtlich ſei dem 
Fremdling der ein Vaterland ſucht dies helle 
Land, wo durch Gewalt der ehernen Axt Pallas 
hoch aus der Stirn des mächtigſten Gottes ent⸗ 


346 


gegen uns ſpringt mit gewaltigem Schrei daß 
Himmel und Erde erzittern.“ f 

Geiſt der Nachkommen: „Uns im Herzen 
ſpricht die Hoffnung, dein Morgen naht. Noch 
ruht die Stunde ſchlummernd uns überm Haupt 
auf beiden Seiten hinabgebreitet die ſchnellen 
Schwingen. Eure hallende Rede ſtrömt Feuer 
uns durch die Adern o Heldengeiſter. In den 
tobenden Deean hinaus jagen wir, der über den 
Tartarus ſich bäumt — fort unter der Himmels⸗ 
veſte die mit ſprühender Fackel uns leuchtet.“ 

Sombarde: „Dort vor allen andern Göttern 
bauen wir glänzende Altäre am Strand der 
ſpeertobenden Jungfrau.“ 

Magyar: „Opfer bringen wir ihr vom 
Thau getränkt des Ruhms, die ihr den Buſen 
mit Wonne durchglühn. Auf! — und wenn 
die Woge an der Seite den Freund uns ver⸗ 
ſchlingt fo wollen wir nicht zagen.“ 

Sombarde: „Und nicht wenn auf verlornem 
Eiland wir den Führer begraben.“ 

Pole: „Und nicht wenn Heimathlüfte im 
Segel ſich blähen und wie Morgenſchatten im 
Nebel wir untergehen, als Rebellen verflucht 
ohne Rückkehr verbannt, unſre Thaten vom 


Schickſal abgeerntet. 


347 


Schlakender König: Hört Geiſter! — Genius 
komme herab zu mir! — | 

Daemon: Du rufſt ihm? — und wenn er zu 
unſterblichen Thaten die Fackel dir zündet, wirſt 
du nicht zagen? — 

Genius: „Leiſes Wehen, wie es den Licht— 
ſtrahl kühlt, löſt die Gewande dem träumenden 
König und eure Rede widerhallt in feinem Bu: 
ſen. — Bald wird ſie mächtig — ein Strom der 
Lüfte, ihn umwehen und wo er weilt ihn drän: 
gen und begleiten wohin er flieht. So wählt denn 
Einen unter Euch der ihm vortrage was die volle 
Seele dem Volk, die zärtliche ihm hat verwildert.“ 

Volk: „Einmal noch laſſet der Begeiſtrung 
Quell ihm aufbrauſen. Auf! laſſet uns eindrin⸗ 
gen, kein Sterblicher ſei zwiſchen uns und ihm.“ 

Völker: „Nicht durch die ſchwarze Traum⸗ 
pforte, von Wächtern beſetzt, die mit trüben 
Gedankenpfeilen in dichten Schauern ihn um⸗ 
praſſeln, und als falle von denen zerſchmettert 
ſein Herrſcherſitz.“ 

Jombarde: „Durch die Elfenbeinpforte laſſet 
uns eingehen wo im Sternenglanz Roſenhecken 
ihn umblühen und mild ſein Daemon den 
Schlummernden anhaucht.“ 

Germane: „Voll edlem Hoffen laßt uns 


348 


ihn grüßen: „Heil dir du Wohlgearteter; du 
biſt der Beſte der je uns ward geboren. Die 
Roſen erblühen uns im Antlitz wenn wir dich 
ſehen.“ 

Völker: „Wir fordern nur von dir, daß 
wir dich ſehen, hören, und reden dürfen mit dir 
was der Geiſt uns eingiebt!“ 

Proletarier: „Flehen wir von den Göttern 
dies Eine nur daß er großmüthig uns vertraue 
auf den Gipfel ihn zu tragen.“ 

Germane: „Und daß fie ihn hüten vor der 
Senſe, von der das Göttergleiche durch das Ge— 
meinſte wird niedergemäht.“ 

Volnksgeiſt: „Heller erglänzt dann im Brechen 
der Völker Sterbeblick die neues Morgenroth 
ihm erkämpften und feſtliche Triumphe feiern in 
verjüngten Städten ihm die neuen Geſchlechter.“ 

Magyar: „Und heilige Kanäle die ſeine 
Völker tränken und Wälder hoher Paläſte bauen 
fie ihm.!“ 

Sombarde: „Und Herolde tragen in die 
Ferne ſeinen Triumph — heilige Haine pflanzen 
ſie dem Völkerſchützer. Als weiſe erkennt ihn 
die Welt. Seligkeitsſchöpfer preiſen die Völker 
ihn wie den hochwolkigen Zeus, der die kro— 
niſchen Hügel bewohnt, dem am breitfließenden 


349 


Alpheus Tempel die Völker erbauten, daß er 
der alten Liebe nimmer vergeſſe.“ 

Völker: „Hinab denn über die Wolkenberge, 
die Heerpauke voran laßt durch die Lüfte ſchal⸗ 
len, und durch die Nebel gedämpfte Todtenklage 
tönen den Helden deren Blut die Erde hat ge⸗ 
trunken.“ 

Germane: „Dem Himmelskreis entlang laſſet 
vom Abend zum Morgen der endloſen Menge 
Schaaren vor ſeinen Blicken ſich ausbreiten und 
laſſet uns ſo zu ihm reden: f 

„Einſt waren ſie dein und in ihren Herzen 
erkannten ſie dich. Reitend auf Geiſterroſſen, 
wie Geſchoſſe vom Bogen geſchnellt durchrennen 
ſie jetzt Himmelsſtraßen und auf dein Feldge— 
ſchrei kehrt keiner um.“ 

Schlalender König: Und auf mein Feldgeſchrei 
kehrt keiner um. j 
Daemon: Keiner kehrt um! — — 

Ahnengeifter: „Jämmerlich war unſer Tod 
— unſre Völker uns im Antlitz erſchla⸗ 
gen. — Von Euch verflucht, von Gott frei: 
geſprochen, bieten wir die Hand dir, vom 
Sclapenjoch dich zu befreien das dem Macht: 
vollkommnen freies Handeln verwehrt; ſo wie 
auch der den Völkern verſagt frei ſich zu fühlen.“ 


* 


350 


Proletarier: „Er wird fagen: Leider brauchen 
wir nur irdiſche Kräfte und nicht die des 
Himmels“ 

Geiſter: „Wir erwiedern: „Nimm von uns 
an daß wir die ſtillen Ahnungen dir bringen 
heiliger Mondnächte und Zauberkräfte der Sterne; 
daß ſie dir leuchten wenn die Noth, die kecke 
Werkmeiſterin des Aufruhrs, in ihre ſchauerlichen 
Pläne dich verſtrickt. Wir helfen dir überwin⸗ 
den was das Unvermeidliche ſein wird, wenn 
du nicht Schützer wirſt hoffnungsberaubten Völ— 
kern denen der Frevel die edleren Kräfte zer⸗ 
malmt!“ 

Germane: „Dann laſſet uns weiter reden: 
„Nichts kann in deiner Völker Mitte den freien 
Flug dir hemmen; es drängt hinweg von dei— 
ner Bahn was dir widerſteht der auch denen 
ſich unterwirft die er beherrſcht. Im Volk fühle 
du dich unſterblich; in ihm bewege dich ſelbſt. 
Denn es iſt leichter mit der Liebe dem Geiſt der 
Völker ſich einverleiben als mit der Gewalt 
fein Unwiſſen beherrſchen.“ 

Schlafender König: Mir fließt das Herz vor 
Wehmuth über — die Luſt iſt mir vergangen zu ſein 
und das Tageslicht zu ſehen. 

Daemon: Ein kräftiger Gegner iſt Volksliebe, 


381 
ſie verfolgt dich wohin du fliehſt und läßt nicht 
nach bis du ihr vertrauſt.“ | 

Sobieski: „Die Zeit hat Flügel aber kühne 
That überholt die Stunden. In Feuer und Flam⸗ 
men ſo kühner Gewitter immer vollkommner in 
ſich werden, alles vollkommner durch ſich machen, 
das iſt die Schwungkraft die Berge kann ver⸗ 
ſetzen und eine höhere Natur im Volk hervor⸗ 
rufen, das Weſentliche in die Seele ihm zaubern, 
ſchier unſichtbar alles verbannen was den Geiſt 
ihm niederhält; das zeigt den Geiſt von hoher 
Schöpferkraft, der ſcheut nicht den Tadel der 
Menge wenn er der Sterne Wink lieber folgt 
als ihrem verwirrten Geſchrei. Den Ruhm aber 
achtet er nur als Hülfstruppe die zit höheren 
Sphären die Wege ihm bahnt.“ 

Volksgeiſt: „Der Ruhm der nicht mit 
jedem Reiz der Volkskraft ſich berührt, wird 
leicht ſelbſt zur Bildſäule auf dem Markt 
und ſo lange nicht ein Sokrates auf offner 
Straße darf lehren was Macht der Freiheit 
iſt, ſo lange ſind Fürſten nicht Schöpfer, 
nur blos Nachahmer der Majeſtät. In immer⸗ 
wührendem Verzweifeln fühlen fie die Größe und 
fühlen deutlich die Ohnmacht ſie zu erreichen. 
Dies iſts was die Völker in unruhige Spannung 


352 


verſetzt, aber nicht die Aufklärung. Das Volk in 
dem die innerliche Gährung jeden Augenblick zum 
fürchterlichſten Ausbruch kann kommen iſt nicht 
zu aufgeklärt aber zu erbittert.“ 

Proletarier: „Könnten ſie daſſelbe von der 
Verbreitung des Lichtes erhoffen was ſie von ſeiner 
Unterdrückung zu erhalten meinen, ſie würden eben 
ſo hitzig mit ſeinen Strahlenblitzen auf uns los⸗ 
wettern. Aber wer den Volksgeiſt gefangen 
hält der iſt ſein Gewaltherrſcher, nur der ihn 
frei macht iſt der Machtvollkommne.“ 

Magyar: „Sokrates ſtand einſt im freien 
Feld den ganzen Tag und die ganze Nacht in 
Zweifeln verſunken, als aber die reine Feuerſphäre 
über die öſtlichen Gipfel wehte, da betete er an. 
— Du kannſt wohl eine Zeitlang von Zwei⸗ 
feln dich bewegt fühlen — doch wenn über 
dem ſteilſten Gipfel das Licht thront, dann 
iſt die Frage ob du Athem habeſt und aus 
dauernden Muth auf halsbrechenden Wegen 
wie jener Sokrates zu ihm dich aufzuſchwin⸗ 
gen. Und dann — überläuft dich der Schau⸗ 
der des Unſterblichen das die kurze Spanne 
deiner Zeit glorreich in die Umwälzungen 
der Geſchichte verwebt, frei wie die Sonne 
die dem Sokrates leuchtete die ganze Welt zu 


353 
erkennen und Sie zu fein und wieder zu werden 
was zum erhabnen, freien, viel umfaſſenden 
Menſchen dich erhebt.“ . 

Proletarier: „Ja ſpannet den Bogen ge⸗ 
waltig ins Herz ihm zu treffen Ihr Generale 
und großen Kapitaine die ihr im purpurnen Tod 
der Erkenntniß Licht habt empfangen und aus 
den Wolken herab zu ſeinen Fahnen die zerſtreu⸗ 
ten Völker aus allen Welttheilen wieder herbei⸗ 
führt. Männer, kühn und fröhlich von Berg 
zu Berg im Dampf der Schlachten jauchzend 
Krone und Scepter Ihm bringen der in ſtarker 
Hand die ſchwankende Wage zu Gunſten der 
Völker läßt ſinken.“ 

Sombarde: „Viel haben wir geſeufzt daß 
doch ein Großherziger uns komme; und wie 
dem Knaben die Luſt ankommt mit dem Bol⸗ 
zen der Berge Herz zu durchbohren ſo ergreift 
oft uns mitten im Weh ein begeiſtert Hoffen, die 
wir bis auf die Hefen den Kelch leerten, daß 
doch ein Sühnender uns komme der einen 
Krieg des Lichts mit der Finſterniß führe und 
überwinde mit der himmliſchen Freiheit die noch 
über dem Schickſal waltet.“ 

Magyar: „Ein großer Hebel iſt nöthig, 
ſtark muß der Arm ſein der ihn regiert, den wir 


23 


354 


zum Retter der Völker berufen. Erfahrungen 
e ihn aufklären, Triumphe ihn befeuern, 
von allem Böſen rein, muß Gottes Glanz ihn 
durchleuchten voll Thatenluſt und voll von 
Liebe zu den Völkern.“ 

SGermane: „Du wirft o Herr und Gelieb— 
ter deinem Volk — jenes Syſtem der Zerſtörung 
freier Sprache und freier Äußerungen der Ge: 
fühle aufgeben und aufrichtig aufgeben und 


dein Ruhm wird glänzend genug ſein böſer Nach— 


rede die Spitze zu bieten wenn du geretteten 
Völkern ihr Vaterland wieder giebſt.“ 
DVolksgeiſt: „Dieſe Bedingniſſe eines gro— 
ßen Volkes würdig, ſind es auch eines großen 
Herrſchers. Sichre Stütze erhabenſter Unterneh— 
mungen — rieſenhaft, gefahrvoll und ſchwer — 
böſe Daemonen werden ſie beſtreiten. Zu Haus: 
fen werden ſie kommen die Krone zu rauben 


die der Völker Vertrauen dir warb.“ 


Germane: „Aber ſie werden ſcheitern an 
deinem Volk das an großen Hoffnungen ſich 
ſonnt, und ernſt ſtehen wir geſammelt und 
die Begeiſtrung gefeſtet deinem Beginnen; daß 
keiner klüger, vielverſuchter, gewandter, erhabner, 
des Krieges kundiger und treuer deinem Wink 
ihn vollziehe. Dein Blick trägt Weisheit in die 


‚355 


Herzen wie die Biene Honig in die Zellen 
einträgt, daß wir menſchlich in allem Thun, 
wie im Rath vorſichtig und tapfer in der 
Schlacht ſelbſt der Feinde Stolz deinem Ruhm 
beugen.“ 

Völker: „Da wird es gelten! — das größte 
Loos iſt dir gefallen! — Das Verwüſtete ordnen, 
die Völkerſtämme in die Muttererde wieder ein— 
pflanzen und die Völker werden wiſſen warum 
du gekommen warſt und daß du ein Gottge— 
ſandter ſeiſt.“ 

Geiſter: „Und die Geiſter alle halten ihre 
Bogen geſpannt, ihre Pfeile rauſchen im Köcher 
und du biſt mitten unter ihnen. Die Rieſen⸗ 
bilder ihrer Thaten mit ihrer ſchreckenden 
Herrlichkeit, groß in der Gefahr dein Herz an- 
ſchwellend, über Menſchenbedenken wie der Berg— 
ſtrom die Furth mit jähem ÜÜberſturz im Bo: 
gen zum Meere nieder, frei in die Pforten der „ 
Weltgegenden einführt. — Und du wirſt der 
erſtaunten Welt zeigen weſſen dein Genius als 
Geſetzgeber und König der mit dem Bannfluch 
belaſteten Völker — fähig ſei. — Spreche 
ein Wort, thue einen Schritt und alle erhe— 
ben ſich dir. Sage zu den zertrümmerten Na⸗ 
tionen „werdet wieder!“ und wie Gott das 


23 


356 


Licht hieß aus der Finſterniß ſich losreißen und 
ſeine Strahlen plötzlich ihn umringten daß er 
ſichtbar ward allen Weſen; ſo werden ſie dich 
umringen und ihre Begeiſtrung wird deine Ver— 
klärung ſein, wie das Licht Gott verklärte ſeinen 


Geſchöpfen.“ | 

Völker: „Wie der Bergkuppe dort die 
Thauwolke ſich neigt, werden die Geiſter Segen 
herabträufeln deinem Willen und zum Gipfel 
werden ſie ihn tragen den der ſchwanke Wurf— 
ſpieß nicht erreicht — er rauſcht durch die zit⸗ 
ternde Luft zu deinen Füßen nieder.“ 
Schlakender König: Dies Saitenſpiel von Gei⸗ 
ſtertönen klingt mir ins Ohr als wolle es Sprache 
und Seele mir geben. — Sage — rede mit mir 
— keine Ruhe iſt in meiner Bruſt. 


Daemon: Alles liegt vor dir — Himmel und 
Meere und die Erde neigen ſich deinem Walten. 


Aber ein Anderes willſt du und genügſt dir ſelbſt 


in deiner Ehre nicht. 

Genius: „Hat einer noch zu reden ehe die: 

ſer Hoffnungstraum auf einen großen Völker⸗ 

herrſcher im Morgennebel zerrinnt.“ — 
Ahnengeifter: „Vier Geiſtervölker umſchwär⸗ 

men deinen Ruhm — ein Strom der Hoffnung und 


357 


der Herrlichkeit. Große Schlachtenführer, die der 


Erde Geſchicke durchgerungen haben unterbreiten dir 
ihre Schwingen; ſie führen die Schutzflehenden 
Völker dir zu und da die Menſchen im Ge⸗ 
dräng, immer nur vom Böſen das Gute tie: 
der erwarten und nie anders als durch zwei⸗ 
deutige Mittel wieder es zu erwerben meinen, 
ſo haben wir dieſe zerißnen Geſchicke alle in 
Einem dir zuſammengetrieben der aller Völker 
Verderben in ſich gefreſſen hat, vor dem die 
Starken zittern wie die Heerde vor dem Wolf. — 
Von der Seite kommt er, nach Beute ſieht er 
nicht um; den Rüffel gerade vorgeſtreckt — ſtürzt 
der Trunkene nach allem was ihm gelüſtet. 
Seine Streitbaren jagt er auf wie Geier zum 
Raub, aber aus ihrem Aufruhr hervorgegan— 
gen wird er in ihm auch wieder untergehn. Wie 
die Granate im Kugelregen ſauſend in den Bo— 
den ſich einwühlt und alle hinzuſpringen ihren 
Brand zu löſchen; ſo wird er in den Abgrund 
einſchlagen und alle werden ihm aufs Haupt 
wettern daß der Tag ihm erdunkelt. Viele 
der Muthigen werden dann kommen, aber kei⸗ 
ner wie du der kühn genug war der Erſte zu 
ſein. Vertraue deinem Heil daß es dir Sieg 
gebe: die Thüre haben wir zu der Völker Ver⸗ 


frauen dir erſchloſſen; ſei wachſam daß ſie nicht 
wieder zuſchlage. Auf deinen Wink werden vie- 
ler Thaten Größe, hoch bis zum Himmel hinan 
zur Wiedergeburt der Nationen aus dieſer Pforte 
hervorſtrömen.“ 

Pole: „Schon kündet die umwölkte Mor: 
genröthe drohende Gewitter für ihre Befreiung 
dir an. — Es wäre möglich daß einmal noch 
die ganze Welt von dem abhänge der an die 
Spitze verdrängter Völker ſich ſtellt. — Und fo 
ſchrecklich die Megäre in die tartariſche Trom— 
pete ſtößt; und fo weit ihre Spürhunde umber: 
wittern das Blut der Nationen zu lecken — 
Schmettert der donnernde Wolkenſammler ſeine 
Blitze herab! — ſo werden ſie ſich verkriechen 
wie der Bär der auf den Tod ſich verwundet 
fühlt — wie der angeſchoßne Eber feine Bor: 
ſten ſträubt und die Hauer ſchleift und aller 
Thiere Blut erſtarrt in ihren Herzen.“ 

Lombarde: „Läſſeſt du aber die Völker fin: 
ken dann werden nicht gute Geiſter deinen Thron 
umwallen. Denn nicht der Sclavenfeſſel bedin— 
gende Macht bieten wir dir; wir zeigen deinen 
Blicken Völker die einen Befreier verlangen, 
der Zeugniß gebe für ihre Rechte. Denn 
die Zeit iſt dir geworden ſie öffentlich an⸗ 


359 


zuerkennen in Nationen die am Bettelſtab man: 
kend langſam den Pfad der eee aus⸗ 
2 —— L n | 
Magyar: „Nun höre was wir dir ſagen. Wir 
alle haben dem gewiſſen Tod in die Augen ge— 
ſehen. Nicht vor Schlachten noch vor Dolch— 
ſtichen, noch vor Blutgerüſten haben wir Furcht. 
Keine Gefahr hält uns auf, durch denſelben Eid 
er gebunden bon demſelben Gedanken durchglüht, 
A wird dein Wille den Völkern Entſcheidung ſein, 
ng viele, Jahre und Monde haben wir getrauert 
und vor den Mauern für unſre Rechte geſtrit⸗ 
a ten. Wir befehlen ſie in deine Hände und 
1 dürfen dir unſre Mitwirkung verbürgen, . wenn 
Du als. Dorian fie deiner Macht ‚voran: 
ſchreiten läßt.“ 

Ahnengeiſter: „Wie unter dunklem Laub die 
goldne Frucht, ſo reife dein Wille, nicht mehr 
von Zweifeln bewegt, den Nationen. Wir 
jr führen ſie zurück aus fremden Welttheilen zu 
deinen Füßen, daß dein irdiſcher Tag himmliſch 
ſich ihnen verkläre die vormals trauerten aber 
nun hell und wach, reineren Feuers voll dir 
jauchzen. Wenn deine Seele über die eigne 
Zeit ſich ſchwingt und ungeſchriebenen Geſetzen 
der Liebe deinem Geiſt Bleiben giebt im Volk 


360 


— zum Leben ein Herz ihm wieder giebt. 
Wo wird dann ein ſterblich Auge der Völker 
Ende je erſehen, noch deiner Macht die der Ge- 
ſchichte räthſelhafteſte Aufgabe zu löſen berufen 


war.“ 


Volksgeiſt: „Und es währt nicht lange ſo 
kommen ſie und ſagen einander ſichs, daß der 
ſtolze Adler — Jovis Liebling nennen wir ihn 
doch — den ſie warnten und lange den Geiſt 
ihm feſſelten und der lange ſich härmte in ihren 
Banden — ſich losgeriſſen habe und ſeiner 
Kraft Zeugniß gebe jetzt dem Gott — und 
den Völkern und dem Teufel ſelbſt. — Und im 
Buſen der Völker ruft eine Stimme: Unter⸗ 


werfe dich ihm.“ 


Genius: „Willſt du um ihre Urkraft deren 
Erzeugniß du biſt die Völker betrügen? — 
Willſt du nicht ihre fruchtbare Fülle von Got⸗ 
tes Gnaden dir eingeboren, herabſtrömen wieder 
zu ihm und wollteſt lieber daß es ſeiner eignen 
Erhebung ſich begebe in dir? und nenneſt auch 
du dies glorreich regieren, bis an dein Ende ſo 
wie du es überkommen, deinen Nachkommen es 
überlaſſen? — Wie? — Iſt deine Seele nicht 
von Unſterblichem entzündet? — und biſt du 


361 


nicht Eins mit deinem Volk — und frei 
in ihm, in dem der Geiſt von Gottes Gna⸗ 
den frei und eigenmächtig ſich dir offenbart? 
— Nein es iſt nicht deinem Volk gethan 
was du gegen deine beſſre Überzeugung nach— 
giebſt.“ 

„Glaubſt du das Netz und die tauſend Schlin— 
gen die jeder hineinknüpft der das Regieren als 
Handwerk nur treibt und nicht aus göttlichem 
Beruf, werde nicht vom mächtigeren Freiheits⸗ 
inſtinkt zerriſſen werden, da ſie ja doch nicht 
mehr dein freies Volk ſind und du nicht ihr 
freier König mehr? — ſondern beide ſeid ihr 
gezwungen in Bande falſcher Liſt! — und beide 
ſeid ihr gezwungen dieſe Bande zu ſprengen 
da ja doch nicht mehr dein Geiſt ihm zu⸗ 
ſtrömt und ſtatt Blüthenzweigen nur Feſſeln 
der Schmach ihm wurden?“ — 


Völker: „Gütig warſt du uns einſt und 
gewährteſt was die Zeit verlangte und wir ver⸗ 
gaßen nie daß des Freundes freiwilliges Geſchenk 
der ſchönſte Gewinn dem Liebenden ſei.“ 


Pole: „Deine Länder vor allen anderen 
waren voll gerechter Städte und ſchimmerten 


weit über anderer Herren Lande und Freuden⸗ 
ſänge ſchallten überall deinem Lob in der heili— 


gen Luft mit ihren Sternen allen die als ein 
Geiſt voll heller Gedanken dich umfing.“ 


| Magyar: „Und nimmer glaubten wir von 
dir, was andre an Unheil über uns brachten.“ 


| Oermane: „Rächend eilten wir deinen ein- 
den entgegen und warfen ſie nieder und hielten 

dich heilig der die Schlüſſel der Volksberathung 
N und der. Kriege ung bewahrte.“ 


Völker: „DO vergönnte uns der Rede 
Flug, deiner Segnungen weite Bahn zu durch— 
ſchweifen; betäuben würde dich dein hallender 
Ruhm auf den die Volksliebe ſchon als Jüng⸗ 
ling dich hatte emporgetragen, jetzt iſt ihr die 
Schwinge gelähmt und die Herzen voll Gluth 
zittern vom Froſt des Unverſöhnlichen in dei— 
nem Buſen.“ 

Völker: „Welcher Stern in Deiner Hand, 
o Glücklicher, war die Liebe der Völker? — Him⸗ 
melsthau waren die Liebesworte von deinen 
Lippen dem Volk.“ — 


Proletarier: „Armuth war unſre Amme, 
aus ihren Brüſten ſogen wir die Liebe zu 


363 
dir. Wir ſcheuten nicht die wilden Schickſals⸗ 
wogen, wir ſetzten hindurch um deinetwil⸗ 
len? — Von welchem Geiſt biſt du ent— 


ſproſſen daß du uns die Fan ver⸗ 
achteſt? — 


Volk: „Das Erdreich zu beherrſchen ſchienſt 
du uns würdig und alles Böſe würdeſt du aus⸗ 
rotten, hofften wir; und wir bewillkommten mit 
Jauchzen deine Zeit und gingen vor den Schöp— 
fer und legten die Wange an die Erde nieder 
mit dankbarer Seele.“ 


Germane: „Wir ſprachen von dir wie von 
dem Baum der Früchte der Liebe und Weisheit 
und Ruhm uns ſpenden werde.“ 


Lombarde: „In ſeinem Schatten wollten 
wir Altäre bauen den höheren Sternen des 
Himmels. Die ſollten dir vergelten für uns.“ 


Pole: Und hatten Hoffnung deiner Gerech— 
tigkeit, daß ſie mächtig ſich ausbreite über 
Schutzflehende. Aber daß wir Knechtſchaft dul⸗ 
den ſollten, jetzt wo die Hoffnung ſchwindet das 
läßt uns nicht länger harren und lieber verlaſſen 
wir die Heimathwiege die über Freude und 
Schmerz uns beruhigte ſonſt. Die Trennungs⸗ 


364 


ſtunde von dir, der geliebt war und irre ward 
an dieſer Liebe, wählten wir um dies alles dir 
zu ſagen.“ a 

Germane: „Noch find wir dir nah! — 
Indeß die Stunde flieht halten wir die Arme 
dir entgegen und uns bethört der alte Traum 
daß dein Segen uns geleite. Nimmer möchten 
wir ſcheidend dich kränken; du haſt Leides genug 
— unſre Klagen widerhalle die Luft freundlich zu 
dir von uns, denn zu traurig iſts gedenken wir 
der Tage deiner Liebe.“ 

Völker: „Fort! die Segel gelichtet der 
Winde günſtigem Wink. Fliehen wir ehe der 
Hoffnung Wahn uns irrt.“ 

Magyar: „Uns gebühret die Ehre, daß 
wir die letzten Opferflammen zünden dem allein 
Gaſtfreien uns, unter allen Herrſchern die in 
ſcheuer Furcht vor einander zagten die Hand uns 
zu bieten. Wir wanderten fort durch die Erbar: 
mungsöde bis her zu Ihm und er ward Retter 
unſern Helden die ſie verfolgten.“ 

Genius: „Horcht! — In dämmriger Luft 
rühren die Glocken ſich zum Gebet. — Von 
Gipfeln der Moſcheen verkündet Geläut den 
kommenden Tag und der Freund unſrer Erde — 
der Mond wandelt grüßend hinab. Es ruft 


365 


der Wächter die Stunde — und jetzt kommt 
ein Wehen über die Haine — heiliger Odem 
durchſtrömt die Luft. — Des Islam Geiſt betet 
über die ſcheidenden Völker.“ 5 
Geiſt des Islam: „Alla! — dein Erbarmen 
ſtrömt den Einfältigen und allen unſchuldigen 
Geſchöpfen. Die Seele der Ewigkeit biſt du, 
die Seele der Welt iſt deine Stätte; ihre Frucht: 
barkeit gebäret dir was du willſt daß es ſei. 
Alles Geſchehen und das Werden aller Dinge 
find Glieder ihres Leibes. Unſterblichkeit und 
der Weisheit Blüthe find deiner Gottheit Glie⸗ 
der und ihrer aller Halt iſt Güte die du biſt 
o Herr! Schutzſuchenden Völkern liehen wir 
unſern Heerd und ihrer Verzweiflung wehrten 
wir in deinem Namen. Alla ha Ackbar! Gelobt 
ſeiſt du der tödtet und wieder auferweckt! — 
Segne dieſe Völker, ſie ſind dein Ebenbild und 
Muhamed der dein Knecht iſt hat uns geheißen 
der Gaſtfreundſchaft Pforten ihnen öffnen. Be⸗ 
freie ſie von den Strafen des Gihanam, erhöhe 
ihre Geburtſtätte wieder und gieb ihnen Genoſſen 
die ihren Feinden ſie entreißen. Kräftige die 
Zungen der Anweſenden und Abweſenden; ohne 
dein reinigendes Feuer hat keiner der Lebendigen 
noch Todten Gewalt der Vertheidigung und ſo wir 


306 


recht an ihnen thaten, laſſe ihre Zukunft glück⸗ 
lich ſein. Ihre Helden die im Kampf den Geiſt 
dir geſpendet haben, laſſe wieder werden, daß ſie 
Kriegszucht üben lehren den Völkern, Feindes 
Land heilig haltend. — Nur das Schlachtfeld 
ſei Wahlſtätte dem Kämpfer, nicht Mauern die 
Wehrloſe ſchützen. Laſſe einen König werden 
der die Straßen der Erkenntniß weit öffne und 
ihre Seelen göttlich ernährt. Und wie der Azzil— 
Bait — Schluß des Verſes — ſich eint 
dem Gadril-Bait — Eingang des Verſes — 
zum Einklang ſie ſtimme mit andern Völkern, 
daß alle freudig ihm zu Füßen den Sieg errin— 
gen über wilde Despoten die drohende Speere 
gegen ihn kreuzen. Alla dein Odem iſt Weisheit, 
du ſpendeſt ihn Königen und Völkern — Amen. 

Volksgeiſt: „Die dich fühlen o Islam in 
deiner Großmuth Glanz — bieten dienende 
Hände dem Genius der große Thaten deinen 
Geſchicken vermählt.“ 

Magyar: „Ilnnter allen Geſchlechtern ertönt 
deinem Ruhm triumphirender Widerhall. So 
lange die Welt wird ſtehen und nimmer ſol— 
len die Schlüſſel deiner Pforte in Feindes Hände 
gelangen.“ 

Volk: „Ha erhaſchen wir einen der Feigen 


367 


der dem Großmüthigen droht fo werden wir 
das Haupt am Fels ihm zerſchmettern.“ 
Magyar: „Im Frühling ſchlage ohne Auf: 
hören die Nachtigall in deinen Gärten und im 
Tann hüpfe luſtig das Wild. Nie ermüde die 
Erde Früchte dir zu ſpenden. Mit Duft die Lüfte 
erfüllend neige die Roſe ſich deinem Schritt. Un⸗ 
zählig wie die Knospen des Fruchtbaums ſeien 
deine Thaten vor Gott. Wir ſcheiden vom gaſt⸗ 
lichen Ufer bevor noch die dämmernde Nacht 
flieht und wenn die Sonne dem Meere entſteigt 
dann gießen wir Trankopfer in die Woge die 
ſchäumend am halbmondförmigen Hornwerk un— 
ſern Dank dir widerhallt. Wir aber ſpähend in 
den regen Wäſſern nach anderm Welteiland — 
die Hand am Ruder peitſchen heiß die Fluthen 
wenn die Straßen in Schatten verſinken.“ 
Oreanos: „Ich ſporne die Roſſe mit wehen— 
den Mähnen ich zerſtreue die Wolken. Ich führe 
die Sonne aus Purpurgezelten Euch hervor 
daß ſie Euch Begleiterin ſei bis zur Küſte wo 
ich der Gabel mich bediene Bahn in den ſeichten 
Sand Euern Schiffen zu machen und ſo fällt 
ſchnell das Meer. Am offnen Himmel meinen 
Roſſen die Zügel verhängt — Eurer gedenkend, 
flieg ich dahin.“ | 


368 
Völker: „Nimm auf deine ſchnellen Schwin⸗ 


gen unſre Grüße eiliger Ocean und in unſerm 
Auftrag rede zu ihm: „Heil vor allen, dem 
mit ſtarkem Willen Gebornen! der mehr als 
Prometheus den Menſchen gewährt. Heil dir 
Islam der die Traurigen tröſtet die Verfolgten 
in ſeinem Schoos birgt und dem entſcheidend 
von der Lippe für uns das Wort tönt. Fromm 
biſt du, und groß iſt der Geiſt deines Prophe- 
ten. Trauriges und was Sterblichen ſchrecklich 
iſt zerrinnt vor deinen Willen. Rede für unſre 
Nachkommen daß unſre Hoffnung nicht ihnen 
verwelken und die tilgenden Götter ſie nicht als 
Opfer davon tragen.“ 

Germane: „Ja, rede! — voll heimlicher Sehn— 
ſucht ſind wir noch heute nach Ihm dem wir 
einſt zum Alleinherrſcher beriefen allen deutſchen 
Gauen aber jetzt eilig ihn verlaſſen. Und wir 
beten daß er nicht die Verweſung ſehe und nicht 
Krankheit noch Schmerz.“ 

Völker: „Und daß die Geiſter feinen Thron 
in den Himmel erheben und die Vögel von einem 
Ende zum andern in Reihen geordnet mit freudi⸗ 
gem Schall ihn umſchweben.“ 

Proletarier: „Und das der Glanz Gottes 
von ihm ſtrahle und Verſtand komme von ſei⸗ 


369 


nem Geiſt den Völkern und daß fie nichts fehen 
als Gutes von ihm und Speiſe und Schlaf und 
Freude ſollen ſie haben von ihm und Kleidung 
und Luft daß alle ihn preifen ewig und die Ge: 
ſetze der Natur in unſer e ere laſſe einge⸗ 
ſchrieben werden von Ihm.“ | 

Geiſt des Islam: „So rede ich denn ins 
Geheim zu ſeiner Seele. Mit dem Schleier 
umhülle ich mein Haupt denn ich ſcheue die 
Thräne vor dem Edlen träufeln zu laſſen: Ich 
rufe dir o König dem unter duftenden Roſen 
im Strahl des heiligen Mondes der Daemon 
Schlummerkörner aufs Haupt ſtreut. Ich rufe 
dich mit dem Segen der das Himmliſche herab— 
ruft auf dich — dein Gang ſei nicht der des 
Elenden und die Dunkelheit der Nacht verhülle 
keiner deiner Thaten. Wenn du eingeheſt durch 
die Pforte des Schlafs ſo laſſe die Schlechten 
ſich entfernen. Preiſe Gott und er wird Ber: 
trauen in dich erwecken den Völkern. Und 
wärſt du auch allein ihnen geblieben, ſie finden 
Hülfe bei dir. Glück folge deinen Fußtapfen und 
laſſe im Winter es grünen und blühen vor dir. 
Segne dein Volk wenn es vor Gott betet, daß 
es dich preiſe mit Lob vor ihm. Sei im: 
merdar werth daß die Liebe deiner gedenke wie 
24 


370 


des edelmüthigen Kaab ben Mame, der reiſte 
mit einem Trupp worunter einer vom Stamme 
Nemir ſich befand. Im heißen Monat verlo— 
ren ſie den Weg und mußten das Waſſer nach 
dem Kieſel vertheilen. Als das Waffer auszu: 
gehen begann, goſſen ſie nur ſo viel ins Gefäß 
daß es den Kieſel bedeckte; ſo bekam jeder das 
gleiche Maaß. — Als das Waſſer an Kaab 
kam, ſah der Mann von Nemir mit geſchärften 
Blicken auf ihn. Da dachte er ihm ſeinen Trunk 
zu und ſprach zum Tränkenden: tränke deinen 
Bruder den von Nemir. So trank der den An⸗ 
theil Kaab's. Als ſie am andern Tag wieder 
Raſt hielten und den Reſt des Waſſers nach 
dem Kieſel theilten, blickte der von Nemir wie 
geſtern und Kaab ſprach auch wie geſtern. — 
Und fie waren ſchon in die Nähe eines Waſſers 
gekommen und ſprachen zu ihm: Steige ein Kaab 
denn du biſt heute Einſteiger; — doch er war 
zu ſchwach. Da ſie nun ſein Leben aufgeben 
mußten deckten ſie ein Tuch über ihn und ließen ihn 
an jenem Ort — da verſchied er. Das Geſchick 
wollte ihn ereilen und konnte nicht anders als 
mit der verlechzenden Glut zu den Menſchen.“ 

„Wenn zum Gericht Gott im Schirm der 
Wolken erſcheint und die Völker umſtehen ihn 


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der die Kreatur richtet und die Odemzüge der 
Welt hat gezählt und dem kein Grab das An— 
vertraute verſagt; ſo hofft auf Erbarmen der 
aus Liebe alles hat gethan und Gottes Gnade 
iſt ſein Troſt da wo ſein Werk ihm Feind iſt.“ 

„Gewähre ſo lange es Zeit iſt. Es wird 
eine Zeit kommen wo du gewähren möchteſt 
aber keinen findeſt du der es annehme.“ 

„Wärſt du geſtern gekommen heute 
bedarf ich nicht.“ 


5 ® 
2) 


„Wo bleibt der Primas?“ — 

Primas: „Hier — im geiſtlichen Ornate 
beſeſſen vom Daemon den ich als heidniſch ver— 
dammen muß, und hingeriſſen von feiner Weis— 
heit die ich als ketzeriſch dem ewigen un 
preißgebe! 

„Ja ewiges Feuer lodert im Buſen dem 
der dieſer Weisheit frönt.“ 


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