* Ace |
Geſpraͤche mit Daemonen.
Des f
Königs buchs
aweiter Band
Bettina Arnim.
5
' HARMONIE
Derlin, 48 7A
Arnim’s Verl
1 a g Ze,
1852.
Dem Geiſt des Islam,
vertreten
durch den großmüthigen
Abdul - Medſchid - Khan
Kaiſer der Osmanen.
2
sr
22
Es iſt ſchon manches Jahr her da ſtand
ich vor einem König voll huldreichem
Willen zu mir. Sein guter Daemon
ſtand neben mir und ſchloß meine Lippen
vor thörigten Schmeichelreden, aber Ande—
rer Lobreden verläugneten dieſe Ehrfurcht
der Pietät die mich ſchweigen hieß. —
Und nach längerer Zeit — es war
im Jahr wo alle Huldigungen dem gro—
ßen Dichter galten, der hundert Jahre
früher dem deutſchen Volk geboren war
— da ſammelte auch ich verklungne Laute
ſeinem Gedächtniß. — Zu derſelben Zeit
gelangte dieſelbe Königsſtimme zu mir, ſie
hat aber nicht mehr fo freundlich geklun—
IV
gen. — Damals ſtand wieder fein guter
Daemon neben mir; der nahm die Feder
mir aus der Hand mit der ich eben den
fünften Bogen dieſer Goetheserinnerungen
aufzeichnete, und machte einen Strich da:
runter. Es kann ihn jeder, Pagina 72 zur
Beglaubigung meiner Ausſage finden.
Nun vernahm ich ſein Geſpräch mit
jenen König — das mußte ich nach ſei—
nem Willen hier aufzeichnen. Dann hieß
der Daemon mich alle Stellen ſtreichen die
ſeinem Geiſt nicht zuſagten. Dies ſind die
Lücken eigner Cenſur. — Auch dieſe kaun
jeder wahrnehmen der dieſes Buch durch⸗
blättert. — |
Gegen manche hatte er Nachſicht der
großmüthiger iſt als der Menſchen Geiſt.
— Und jetzt — nach geraumer Zeit hörte
ich wieder des Königs Stimme die redete
zu mir: früher ſei ich eine Macht geweſen
deren Theilnahme ihm ſchmeichelte. Aber
heute? — Ob es da gut ſei daß wir uns
V.
wiederſehen? — das ſolle 1 ſelbſt ent⸗
ſcheiden.
Da war ich eilig zu erwiedern: „Jan
— Herz und Geiſt und Gewiſſen ſagen
mir es iſt gut.“ —
Und ich zählte die Stunden — aber
die Tage vergingen und Einer von beiden
hielt dem andern nicht Wort. —
Und ſein guter Daemon ſprach zu mir:
„Hab ich dich nicht oft gewarnt, mit
großen Herru iſt nicht gut Kirſchen eſſen?
Es war der Geiſt des Islam den die
bedrängten Völker aus dieſem Welttheil
ſcheidend grüßten und er beſchwichtigte
ſie. Rede auch du mit ihm.
Da redete der Islam zu mir: „Suche
keine Vertheidigung denn das Gute über:
lebt dich und der Nachlebende wirds er—
kennen! — Da war ein Sultan, zu dem
ſagten ſeine Anhänger und Vezire: „Wie
iſts doch o Kyſar, daß du immerdar den
Einen nur preiſeſt in deinem Geſang, der
VI
nun ſo Mage ſchon verſchollen iſt und ſein
Staub von den Winden davongetragen.
Du aber ſammelſt ſeine Erinnerung in
deinem Buſen, und was damals tadelns—
werth an ihm dir ſchien das ſcheint heute
wo er nicht mehr iſt, dir ruhmwürdig;
und in deinen einſamen Stunden widerhallen
deine Lobreden von ihm, der ſie ja doch
nicht mehr hört; wir aber hören da—
von, was unſre Sinne verwirrt — daß
er dir lieber ſei heute noch da er tod iſt und
nichts mehr vermag, als wir, die wir alle
nur Dir leben. Warum dichteſt du in
deinen Liedern von ihm: Geliebter ſei er dir
als Schönheit. Anmuthiger als die Nach—
tigall flöte dir feine Exinnerung und Ruhe—
bringender deinen Träumen als der Duft
der Roſen in deren Schatten du ſchläfſt?“
— Der Sultan ſagte: „Sein Gedächtniß
iſt mein und nichts anders iſt mein. —
Wenn ich jene Schätze nicht bewachte
würde ich ſie verlieren. — Wenn ich jener
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Reiche nicht Gewalt hätte, ſo würden ſie
fi) empören. — Wenn ich nicht der Herr
Euch hieß; Ihr würdet Euch nicht mir
unterwerfen Aber jener der mich immer
wieder aufſuchte wenn ich ihm verloren
ſchien, der wird mir Eigenthum bleiben. —
Der mir wieder zuführte was ich verloren
gab, der giebt nicht — mich verloren. Hört
wie feine Treue ſich mir ins Herz pflanzte:
Auf der Reiſe ſtürzte ein Kameel die La—
dung zerbrach — Edelſleine und Perlen
rollten in den Sand. Da winkte ich den
Sclaven und gab die Schätze preis. —
Da ſie alles geſammelt hatten fragte ich
jenen: Nun Selim was haſt du für Beute
gemacht? — „keine“, ſagte er, „ich hatte die
Treue meinem Herrn zu bewachen die ich kei—
nen Augenblick aus den Augen ließ.“ Nun
aber iſt er nicht mehr für Euch da, daß
er Euch beſchäme. Warum doch? — wä⸗—
ret Ihr treu wie er war, Ihr würdet ihn
nimmer vergeſſen. Mir aber iſt er ewig
VIII
da! und ich beweine die Vergangenheit in
ihm und ich erhoffe die Zukunft durch ihn
und meine Muſe iſt, daß ich feiner ge:
denke.“
Als ich dies hörte da tröſtete mich,
daß vielleicht einſt in Liedern mein Ruhm
noch erſchallen werde von ſeinen Lippen
dem ich heute keine Macht mehr bin.
Wie unterſcheiden wir Geiſt von den
Sinnen? — Wie Leben von Lebensnahrung!
— Doch iſt Leben nur Mähren ſeiner ſelbſt.
So geht denn Nahrung auf im Leben.
So gehn denn die Sinne auf im Geiſt und
ſind Eins mit ihm.
4. April 1808.
Ich will der große Geiſt werden, der Alles um—
faßt! Iſt das Gebet? — So ſteige auf mein Ge—
bet zum Wolkendurchflockten Himmel, mit den
Sinnen ſein zärtlich Licht zu trinken und mit Dir
Natur, zu reden über Ihn der in Allem erglänzt
was Du giebſt und Zeugniß giebſt in Form und
Leben von Ihm. Das Abendroth wärmt den
Schneegipfel und die Luftwelle durchſchifft das weite
Blau zu mir, fie kühlt mein Sehnen, ich bin
nicht allein — mit den verbleichenden Sternen
winkſt du in der Mondhelle und ich weiß wie
mit geſchieht Natur, die mich anſtrahlt wo ich
ſtehe und ſeiner gedenke, und mir den Becher reichſt
ſeine Fülle zu trinken.
Die Luft iſt Dein Athem Natur, der elektriſch
erbebt in der Bruſt. Die Sinne hauchen Deine Feuer
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in Seufzern. Wir zuſammt erglühen mit Dir,
denn Wir alle find Ein Leben mit Dir in Dei:
nen Regungen. Und Geiſt iſt verſchloſſener Keim
in Deinem Willen daß er aufblühe zum eigenen
Willen und unſre Leidenſchaften ſind höherer
Begattung Trieb in Dir Natur, und was zum
Geiſt treibt iſt Deiner Zeugung Gewalt, Lebens—
flamme von Deinem Hauch entzündet, mein Wol—
len iſt Stoff Deines Willens, Du regſt ewig die
Sinne den Geiſt zu umſchwärmen und füllſt Aug
und Ohr mit ſeinem Licht mit ſeinem Schall. Du
reifſt für den Einen in des Andern Sinne die
Frucht und regſt in Allen die Sehnſucht der Zei—
tigung. Du willſt daß die Sinne aufgehn im Geiſt,
denn das Leben in Dir iſt Unſchuld in Thun und
Fühlen.
Das Schneeglöckchen hier im Kalten blüht
im Schnee und mag keine Wärme leiden, hängt
ſelbſt wie eine Schneeflocke am Stiel ſo leicht, der
Wind könnts verwehen, fein grünbereifter Kelch
treibt aus der Blumenflocke hervor zum Licht wie
unterm Schnee das junge Grün. Es wacht zuerſt
von allen Keimen, wenn es den Frühling ſieht
kommen dann ſtirbts, was wills auf der Frühlings:
ſchwelle wenn alles noch ſchläft und keine Lieder
von den todten Zweigen es grüßen? — Könnt ich
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doch ganz verſtehen was Du giebſt Natur? —
Was Du dem Schneeglöckchen auf die Lippe legſt,
warum verſteh ichs nicht? — Verläugne ich Deinen
Geiſt mit meinen Sinnen? — und iſt Verläug⸗
nen was Du im Geiſt erzeugſt nicht Sünde? —
Und würden wir Dich nicht verſtehen ohne die
Sünde? — Und könnten wir Deine Sprache als⸗
dann nicht erwiedern? — Wie mach ichs doch,
daß ich nie Dich verläugne bei allem was das
Leben giebt und nimmt? — Daß ich die Menſchen⸗
ſatzung abſtreife mit Deinem Geiſt, und ihren Wider:
ſinn beſtreite mit Deiner Lehre in meiner Bruſt!
Ach Du heb mich hinaus über ihre Formen und
Bräuche. Aber wenn's gilt, dann löſe mich von
der Gewohnheit heimlicher Umgarnung, der Gifte,
der Menſchenfurcht. Entkleide mich von ihrer
Tugendlehre Faſtnacht⸗-Gewanden, hülle mich in Dein
Erz, laſſe meine Gefühle hineinwachſen in den Har⸗
niſch Deiner Wahrheit und laſſe mich nicht muth⸗
los werden wenn das Herz ſo voll Sehnſucht iſt!
— Und des Richtens, was ſie pflegen untereinan—
der, was ſie Gerechtigkeit nennen, das laſſe mich
nicht anfechten als ob ich je mich könne bethören
laſſen von dem Streiten und Wägen ihrer zuſam,
mengemauerten Weisheit und glauben Zufammen:
geſetztes ſei Lebendiges. — Und wenn ich nach
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Großem mich ſehne und es wird mir nicht daß
auf ihrem Acker auch nur eine kleinſte Blume der
Heide gedeihe, dann laſſe mich nicht verzweifeln!
— Denn ſchönere Träume ſind ja mehr Wirklich—
keit; ſie führen mich und der Zukunft junges
Morgenlicht einander entgegen und mir träumt
von ſeiner Umarmung. —
Heute iſt mein Geburtstag Goethe, da hab ich
mit der Natur geredet von Dir, ſie ſoll mich heben
zu Dir hinauf, die ich geboren bin ſo tief unter
Dir. Sie antwortet mit den Wolkenflocken am
Himmel, mit der Schneeblume die dem Winter
trotzt. Ich ſoll nicht von Dir laſſen ſagt ſie,
ſtumm Deine Dichterſtrahlen einſaugen in meine
Sinne. Dann werd ich ſie verſtehen lernen, wenn
ich Dir Gelübde thue, ewige, und in lächelnder Be⸗
trachtung mir die Zeiten ſich ſpiegeln, wo aus der
Begeiſterung Fluthen in jugendlicher Sonne inmitten
Deiner goldnen Tage Du ſchimmernd aufſteigſt und
unüberwindlich.
Ach warum rede ich nur Worte zu Dir, warum
nicht Flammen die an Dir hinaufhüpfen den Schweiß
zu küſſen Deiner Stirn, den Thau Deiner Wimper
der herabrtäufelt auf mich Geſegnete zu Deinen
Füßen, — Warum nicht? —
* n err
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Die Sinne eben im Neſt noch bewußtlos des
Flugs, jetzt Flügelmächtig im Gefühl Deiner Be—
geiſterung die mir lächelt, Luſtrauſchen um Dich
wenn Dein Blick aufleuchtet zu den Sternen, zu
den Geiſtern — ihrer Unſterblichkeit mich zu erziehen,
und der Muſe, was ſie von Deinen Lippen und
meinen an füßen Reden ſammelt, lauſcheſt Du ab ihrem
Flüſtern: Liebſtes Kind Herz einzig Kleinod,
und anders noch, und leiſer haucht Deine Stimme
ihr nach wie es mein Sehnen ſtillt, und mehr
füßer Schall ſtöhnt aus Deiner Bruſt in heiligem
Gepräg, das mich umwandelt, lorbeererſproſſend und
wurzelnd Dir im Buſen. — Ja die Sinne werden
Geiſt, die aufſteigen zum Genius.
28. Auguſt 1808,
Die Kloſterbeere.
Zum Andenken an die Frankfurter Judengaſſe.
Hier oben am Berg wachſen wilde Stachel—
beeren, bei uns heißen ſie Kloſterbeeren, als ich
noch im Kloſter war blieb ich oft bei fo einem
Strauch an der Kirchmauer ſtehen und beſann mich
warum ſie Kloſterbeeren heißen. Ich konnt in die
Frucht hineinſehen, wie ſie von der Sonne durch—
ſichtig gereift, kleine Zellen bildet mit Bogenfenſterchen
in deren jedem ein Korn ſich hält, darunter dacht
ich mir Nönnchen die hier im nährenden Element
wie in wohnlicher Herberg für ein ſpäteres Leben
reiften. Ein Kloſter dacht ich mir wie eine Frucht
die für die Gottheit reife; — da hatt ich Betrachtun—
gen wie ein Kind hat, die waren zum Lachen. Ich
ſah mit an wie auf der Glocke Zeichen noch vor Son—
nenaufgang die Nönnchen in kirchlichem Beruf zu:
ſammen ſtrömten, dann wieder aus einander rennten,
jedes in eigener Zelle eigener Betrachtung überlaſſen,
oder in dunkler Nacht im langen Chormantel in
Prozeſſion zum Kapitelſaal wallten, Koncilium biel-
7
ten pſalmirten Responſalien herlaſen, alles auf
Latein wovon ſie nichts verſtanden, ſo dumpf ſangen
ſo matt waren; — und ich dacht: Wie ſauer iſt
doch die Kloſterbeere und wie unſchmackhaft; aus
der Frucht wird nichts, fie fällt unreif ab. — Wenn
ſie aber in ihren häuslichen und Feldangelegenheiten
umher ſchwirrten, ihre Ernten einthaten, Keller
und Speiſegewölbe beſorgten, da waren ſie fix und
plauderten emſig, ſie theilten ihr Einkommen ein
ihre Gehöfte zu vergrößern, bauten Scheunen und
Ställe, da wußten ſie guten Rath. — In ſolchen
ſonnigen Tagen wo ſie die Aepfel und Birnen von
den Bäumen ſchüttelten, die Bienenſchwärme ein—
fingen, da war aufgeregt Leben den Laienſchweſtern
beizuſtehen wenn in blauer Frühlingsluft die friſch
gewaſchenen Schleier flatterten; da nahmen wir
Zöglinge uns mit den jüngern Nonnen bei den
Händen und ſchlüpften tanzend zwiſchen den Luft—
getragenen naſſen Schleiern durch und hatten unſere
Luſt wenn ſie herabflogen in den Sand, dann
hielten wir fie geſpannt unter den Strahl des Spring⸗
brunnens und ſpühlten ſie wieder rein und kletterten
einander auf die Schulter ſie wieder aufzuhängen.
Am ſchönſten wars bei der Hopfenernte, erſt die
Freude die bewuchteten Stangen niederzuwerfen und
ihre duftende Ranken loszumachen die wir anein-
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ander gehängt auf der Schulter aus dem Maier:
garten herüber trugen ins Kloſter; ſo kamen wir
in langen Zügen von dem Ufer der Eder herüber
quer über die Bergſtraße gezogen zu zwanzigen in
einem langen Hopfengewinde verflochten; hätte es
einer geſehen, ihn hätte der Ubermuth, das Lachen
und Jauchzen mit dem wir unſerer Ernte leichte
Bürde ſchleppend dieſen einſamen Waldwinkel durch—
hallten, freudig überraſcht; er hätt gedacht, hier ſei
lebendig Leben, hier in der liefen Einſamkeit wo
die Glocke jedes Ungewohnte im Lebensgang ſtreng
abwies. —
Kamen wir im Kloſter an, da faßen die Nönn⸗
chen in der Vorhalle auf Schemeln umher. Wir
zogen unſer langes Gewind von Schooß zu Schooß
und hockten auf der Erde den Hopfen zu pflücken
und zogen die getheilten Ranken durcheinander
wie den Aufzug eines künſtlichen Gewebes. Da
war der Kreuzgang voll Spinnen und Käfer
die an den weißen Wänden hinaufliefen und die
Raupen krochen langſam hinter die ſchwarzen Bil—
derrahmen der Ordensheiligen, dort ſich früher ein—
zuſargen als wohl im Freien wär geſchehen; weils
einmal nicht anders ſein konnt, ihr Blüthenrevier
war eingeriſſen. In freier Luft geboren, waren ſie
hier mit ihren verwelkten Nahrungszweigen einge—
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ſperrt worden. Ich habe ſie da hängen ſehen in
Reihen hiuter Bildern, Betaltar und Kniefchemel:
ich fühlte ſie an, ſie regten ſich in meiner Hand
ſo raſch und kräftig und wollten ſich wehren. —
Stör mich nicht bis ich mit unberührtem Flügel⸗
ſchmelz bald in der Luft kann tanzen, ſo ſpricht die
eingeſponnene Raupe in meiner Hand die Milde
an; bald wird ſie ſtarr und kann nicht mehr ein
Lebenszeichen geben, ihre göttliche Vorſehung iſt
das Ungefähr das ſie bewacht, damit ſie unberührt
bleibe vom Spinnenbeſen der Laienſchweſter. So
überwintert fie im enggefügten Sarg den fie im Früh—
ling ſprengt, dann klettre Ich. auf die Leiter zur ho-
hen Fenſterluke und ene ihr den Weg zur Frei⸗
heit — da tanzt ſie hin beflügelt — an mir vorüber
hinaus ins Meer de Lüfte.
Auch Ihr Nönnchen, die Ihr ſtarr in Eurer
Klauſe Euch nicht mehr dreht und wendet, dem
Leben abgeſtorben, nichts mehr auf Erden vorhabt
als mit gefaltenen Händen die Paternoſterkugel
drehn, wenn Ihr die Hülle ſprengt dann werdet
Ihr ins Meer der Freiheit wieder fliegen. — Ach
fliegen! — Was wird dann einſt noch aus dem
Sommervogel werden der ſchon beſchwingt das
Licht der Welt erblickt? — Und der Menſch der
Gedankenpfeile ſchnellt von ſtraffgeſpannter Sehne
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in die Ewigkeit, hat keine Flügel! — Fliegen! —
himmliſche Kraft die nur der Genius übt! —
Ich komme mir wie ſchon eingeſponnen vor!
Was habe ich vor auf Erden was nicht könnt
ungeſchehen bleiben? — Wie traurig! — Der Früh:
ling haucht die Fluren an und alle Knöspchen
brechen auf. — Was hab ich gedacht oder gethan
was mich zur Blüthe hätt verwandelt, hervor ans
Licht die braune Alltagshülle mit Farbenglanz zu
ſprengen. — Schon ſieben Jahre ſinds — ja ſieben
Jahr, ſeit ich der Kindheit Luſtrevier verließ, wo
ich auf ſchmalem Weg vorſichtig trippelte weil ich
kein Würmchen und kein Pflänzchen wollt zertreten.
Wie reich ſchien mir in jener engen Mauerflucht,
die Welt! — Blätter Blüthen Wurzeln und die
Steine und die Mooſe, die redeten mit mir zum
erſtenmal. —
Und am Himmelsplan ſah ich dem Flurentanz
der Muſen zu, und wie aus Wolkenzelten Herden
hervorſprengten, begleitet von Dämonen, kampfbe—
geiſtert auf bäumenden Roſſen mit weithinflatternder
Mähne. — Da ſah ich Helmbüſche wanken und
mächtige Leiber hinab ins Sternenmeer iu der auf:
tauchenden Götter Wolkenſchooß. Da hatte ich Welt—
geſchichte genug Nachts im Mondſchimmer, oft
verweht wieder vom Windrauſchen oder ſich er—
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gießend in Fluthen zur durſtigen Erde. Da weiſſagte
die Nacht mir in Wolkengebilden die ich anſtarrte
bis mir der Traum die Augen ſchloß und mich
hinauftrug ins Firmament wo Götter und Helden
im Nebelmantel, im Wolkenſchiff das tiefe Furchen
zog, im Wogenglanz der Lüfte forteilten mit mir.
Und die Seegel in der Sturmnacht brauſten auf
zwiſchen Schlaf und Wachen. —
Was mir der Tag gewährte, das veltrünmte
ich, und in der Nacht weckte mich der Traum
Weltbegebenheiten mit zu erleben mühelos in der
Nacht. —
Die Leute höhnten mich, weil ich vergeſſen war
am Tag, ich war nicht minder glücklich, denn der
verſäumt nichts, den Begeiſterung der Phantaſie
antraut; er ſieht zur rechten Zeit Alles und im
rechten Licht — und ſpricht mit der Natur, mit
lautend in ihr Säuſeln, ihre Kühle und lächelnde
Stille, ſie tönt ihm Verheißungen, denen glaubt
das Herz willig. Ich durfte nur lauſchen, ſie ſtiegen
mir auf über Gebirgshöhen, über dem Wald, im
Geläute der Glocken hinaus in die dämmerige Nacht—
luft voller Sterne.
Mir ſind jene Weisheitsmahnungen verſunken,
doch iſt ihre Zukunft mir gewiß und das Leben
deucht mir ein Waffentanz in dem der Geiſt ge—
12
ſchmeidig jeder Stellung ſich anſchmiegt das Chaos
der Zeiten zu ordnen, das in Wechſel und
Streit über dem dürftigen Geiſt des Volkes da⸗
hintoſt. —
Ach Sorgenfrei ſein das iſt der Freiheit erſte
Bedingung und meine Gelübde ſind, die Augen
erheben zum Himmel und ſeine Sprache mir deuten
die keine Feſſeln anlegt dem Geiſt, — denn was
iſt Schickſal? — Der Adler wirft die Brut aus
dem Neſt ſie zum Flug zu erziehen, das nennen
die Philiſter Schickſal — und mich dauern die un⸗
flücken bleiernen Vögel die nicht ſich erheben zur
Sonne und nicht wie die Vögel des Waldes der
Sorge ſpottend wegfliegen über dem Geſchlecht
das hocken bleibt auf Geſetz und Form und
ſchaudert vor dem Getümmel regſamer Sinne wo
Zweifel aufſteigen und wieder ſinken wie jene,
Wolkengebilde, aber nicht Geſetze aufbürden von
Ewigkeit zu Ewigkeit. Einſt am Morgen hob
ſich die Sonne und ſank wieder am Abend ins
Meer und die fernen Eilande waren blau. Wer
aber der Sonne nachſchwamm, der konnte ſie nicht
finden in den Wellen und wer die blauen Eilande
ſuchte, der verlor ſich in Wäldern und grünenden
Thalen. Und was liegt doch daran, daß der
Glaube uns Gewißheit verbürge, bald verlaſſen wir
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die Erde, da werden ihre Documenfe und Eides⸗
pflichten uns nicht nachfliegen. —
Denn Zweifel ſind Schwingungen im Licht, das
verzehrt ſie wie Nebel oder bricht ſich in ihren
Farben. Denn wie die Natur, fo auch das Himm⸗
liſche über der Natur, ſein Licht bricht ſich in des
Geiſtes Farben; und unſere Sünde iſt daß wir
am Buchſtaben hängen der tödtet — der Geiſt
aber macht lebendig. Der Geiſt iſt eine Stimme
die an uns gelangt daß wir dem Buchſtaben ab⸗
ſagen damit wir Niemand tödten und ſelber fort⸗
leben im Geiſt; und nur der Zweifel iſt Sünde,
der zwiſchen Geiſt und Buchſtaben ſchwankt, denn
alles Wiſſen umſchließt die Liebe und ob wir in
dem Einen ſie anerkennen oder in Vielen, im Vater
oder im Sohn, das iſt alles eins.
Zweifel find keine Irrthümer und Glaubens:
gelübde kein Verbrechen an der Liebe, ſie verklären
den Geiſt und ſcheitern an ihm der das Göttliche
umſchreibt im Meere der Erzeugungen und taucht
unter in ihm, alles Gewand abwerfend, frei, nackt,
unbefleckt zu fein — und alles Forſchen iſt Religion.
Denn immer zufrieden ſchaut die Unſchuld der
Wahrheit ins Antlitz und ihr Glaube iſt in den
lebendigen Geiſt unter allen Gewalten allein und
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verleiht Flügel über die gewohnten Kreiſe und über
das Schickſal ſich aufzuſchwingen.
Und wir alle ſchmachten nach Kühlung im
Schooß der Natur, denn fie bindet nicht, fie
löſt die Feſſel und giebt allein nur das Blut zu
trinken der Liebe und den Leib zu eſſen des Geiſtes,
und Alle ſind gleich vor Ihr die Gottesgebärerin
iſt im Menſchengeiſt den ſie nährt wie die Pflanze
auf ihren Höhen, wo das Auge die Weiten ermißt
und die Schönheitsblüthe aufduftet im Geiſt daß
ſie zweifellos aufſteige, geſellig mit andern Blüthen
der Sonne ſich öffnend.
Ich will nicht klagen zuſammt Andern, die vom
Alltäglichen verſchüttet ſich fühlen, und werthlos
was ſie erlebten; — denn ſchon an der Jugendſchwelle
trat mir Einer entgegen, der Herrſcher zu ſein gewohnt
iſt und leicht hinhaucht was die Seele erſchüttert, die
Großes ahnend einſame Wege ſucht fortan, getragen
von Hoffnungen wie ein beflügeltes Schiff hin zu
den Füßen des Meiſters, den ſie mit hellerem Auge
jetzt erfaßt als einſt in ſchwindelnden Träumen. —
Du der horchend mich belehrte denn was ich
Dir ausſprach, da hinein legteſt Du den Samen
der tröſtend aufkeimt wo auf Scheidewegen jeuer
glanzvollen Tage Erinnerung mich beſchleicht und
ihr ſchnelles Verrinnen an Deiner Seite. — Da warſt
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Du mein freudiger Schutzgeiſt, dem zu vertrauen
nun meine Seele gewohnt iſt und vollen ehe,
athem zu trinken bis in den Tod.
Oft hat Dein Wort mich getroffen und zu
manchem bewegt, und am letzten Abend, wo wir
ſprachen von der Weisheit des Nathan, und es ſei
Heldennatur den Unterdrückten zu lieben, da wollt
ich Deiner Rede getreu aus feuriger Liebe zu Dir
ein Held ſein. — — — Weil Du geſagt haſt in
des Helden Krone ſei der Unterdrückte ein Kleinod
und das höchſte Ziel ſich ſtecken ſei das Einfachſte,
denn man könne nie es aus dem Auge verlieren;
Ich dachte, wäre das mein Ziel, Beſchützer der
Unterdrückten, das wollt ich ſo gerne ſein; —
und wo ich ging und ſtand ſann ich auf dieſen
Juwel ihn an der Stirne zu tragen. — Und Deine
Weisheit iſt das reife Blut der Traube, ich muß
es trinken, es rieſelt durch die Sinne und beherrſcht
den Geiſt. — — —
In dieſer heißen Sommerzeit nehm ich oft
durch die Judengaſſe meinen Weg zum Treibhaus,
dort die Blumen zu betrachten. Nun gehe ich nicht
mehr gleichgültig ſchüchtern an des weiſen Nathan
Brüdern vorüber, ich betrachte mit Verwunderung
die engen dunklen Häuſer; alles wimmelt, kein Plätz⸗
chen zum Alleinſein, zum Beſinnen. Manch ſchö⸗
16
nes Kinderauge und feingebildefe Naſen und blaſſe
Mädchenwangen füllen die engen Fenſterräume,
Luft zu ſchöpfen, und die Väter in den Hausthüren
fallen die Vorübergehenden an mit ihrem Schacher.
Ein Volksſtrom wogt in der Straße, da laufen
ſo viele Kinder herum in Lumpen, die lernen Geld
erwerben und die Alten, Tag und Nacht ſind eifrig
ſie in Wohlſtand zu bringen, das wehrt man ihnen
und ſchimpft ſie läſtig. |
Wie wunderlich iſt's daß alles ſich zankt um
den Platz auf Erden, ja wie ſchauerlich iſt dies! —
So grauſam iſt der Dornenweg auf dem die
Menſchheit ſich ein Eigenthum der Sorge erwirbt —
und neidens einander! —
Vom Höchſten bis zum Niedrigſten iſt alles
eiferſüchtig um den Zankapfel des Lebens — Dort
im Treibhaus, wo jedem Pflänzchen fein Platz ge⸗
gönnt iſt und ſein Name bewahrt, die Heimath
ſo viel möglich ihm zu erſetzen; und wie da Alles
in ruhigem Gedeihen zwiſchen edlen Nachbarblüthen
dem Licht die Kelche öffnet — und der Gärtner,
wenn die Sonne ſinkt, durch die ausgehobnen Fen—
ſter ergießt reichlichen Abendthau voll tauſend Perlen
über ſie der ſie erfriſcht. Da wird mir ſelber ſo
dumpf, da wird das Herz mir ganz ſchwer, ich muß
mich verachten daß mir nichts fehlt am Lebensge⸗
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nuß, da fühl ich mich beſchämt durch die Judenkinder
die ſo begierig das Bischen friſche Luft trinken was
ihnen Abends über die Giebel ihrer qualmenden
Wohnungen zuſtrömt; dann kränkt mich aller Le:
bensglanz wie Spott auf meinen unmündigen Willen,
dann ſchwör ich der vornehmen Welt ab die ihre
Ahnen zu zählen ſo viel Noth hat, blos um das
Volk verachten zu können, und dem Geiſt, iſt wie
dem Auge, von oben herab Berg und Thal eine
Ebene. —
Auf dem Heimweg vom Treibhaus nehm ich
einen großen Strauß mit von allen Blumen, Ro⸗
ſenknospen und Drangenblüthen, Granaten Bal:
ſamnelken und Ranunkel und Myrthen; der ganze
Drient duftet aus ihren Kelchen, die theile ich
den Judenkindern aus. Viele Händchen ſtrecken
ſich mir entgegen, ſie werfen die Bettelſäcke ab die
reinen Blumen zu erfaſſen, — ſie ſahen nicht nach
der Münze, zwiſchen den Blumen auf meinen
Schooß. — Sind ſie nicht dieſelben von denen
Chriſtus ſagt laſſet ſie zu mir kommen? — Und
die jungen Mädchen kamen auch herab und ſteckten
ihre Sträußchen in den Buſen und ſagten voll Ver—
gnügen, Ach das iſt was Rares.
Dem Primas hab ichs erzählt von unſern Reden
über die Juden; und daß du geſagt haſt der Schutz
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des Unterdrückten fei ein Kleinod in des Helden Krone,
aber da ſeien keine Helden der Vernunft, denen die
Weisheit des Nathan ſich warm ans Herz lege.
Er meint Ihn treffe dieſer Tadel nicht, des Nathan
Weisheit leuchte ihm ein, und das Elend der
Juden ſei ihm nicht gleichgültig, aber ob ſie ihre
Freiheit nicht mißbrauchen und die chriſtliche Un-
gerechtigkeit, fo wie fie Luft haben mit jüdiſcher
Keckheit auspariren. Es war neben dem Concert⸗
ſaal wo der Primas das ſagte, die einfallenden
Pauken ſteigerten meinen Muth:
„Schlechter als ihre Unterdrücker ſind die Juden
nicht,“ ſagte ich, wem aber Macht gegeben iſt,
wie kann der es verantworten, wenn er ihre Schnell⸗
kraft fürchtet. Sie wird keinen Unfug anrichten,
wenn ſie als Lebenstrieb ſich aufrichtet in dem
Stamm, dem die bittre Noth, die von der Religion
der Milde über ihn verhängt ward, nicht hat können
das Mark verzehren, um ſo leichter wird er geſund
werden als durch die offne Wunde der Balſam
raſcher ins Blut dringt und es reinigt und heilt.
Sollten Wir beide die Menſchheit regieren, der
Primas die Chriſten und ich die Juden, wir wollten
ſehen wer beſſer fertig würde.
Primas: Nun wie wollten Sie es machen
mit den Juden?
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„Ich wollte erſt menſchlich mit ihnen reden,
das iſt bisher nicht geſchehen; ein Hund verſteht
unſern Willen, weil wir aufrichtig ſind mit ihm;
unſer Wille richtet aber den Juden nicht auf wie
den Hund; ich wollte ihren Zuſtand ihnen vorhal⸗
ten, eine Moralphiloſophie ihnen darüber leſen und
alle Mittel ergreifen ſie in ihren ſittlichen Werth
zu heben; das kann nur durch Ehrgefühl geſchehen
und durch die Wiſſenſchaft, die gedeiht in dem Be⸗
drückten, denn ſie iſt ſein Troſt!“ —
| Primas: Wie wollten Sie das anfangen? —
„Die Juden haben Ihnen einen goldnen Becher
gebracht voll Goldſtücke; Sie haben ſie damit fort⸗
gejagt; das hätte ich nicht gethan!“ —
Primas: Das war eine gute Überſetzung des
Hebräiſchen ins Deutſche, und die erſte Lection in
der Moralphiloſophie die Sie zur Grundlage ihrer
Bildung machen wollen;
„Nein, das war eine mißverſtandne Überfegung ;
es war Mißdeutung und Verletzung ihres Ehrge⸗
fühls, das man ſchonen muß in jedem, am meiſten
im Gekränkten. Beſtechung gilt nichts vor dem
Fürſten, ſo kann er auch keine Abſicht dahinein
überſetzen!“ —
Primas: Wie überſetzen Sie denn ein ſo gro⸗
teskes Benehmen?
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20
„So deutlich daß es auch dem muß ein:
leuchten der ſeiner eignen Abſicht noch nicht bewußt
iſt. Die Juden wollten mit dieſem Geſchenk fa:
gen: Du geiſtlicher Fürſt der als Hirt die chrift.
liche Heerde weidet, o nehm uns mit auf ihre
| fetten Triften, laß uns neben ihnen gedeihen, ver:
biete uns nicht das Salz deiner Weisheit zu lecken
das du ihnen ſtreuſt, und wir geben dir willig
unſere Wolle hin, die andere uns muth willig aus⸗
rupfen und uns mit Schmach bedecken.“
Primas: Mit Schmach würde es mich be—
decken hätte ich ihr Geſchenk angenommen! —
„Kann man auch groß ſein für ſich, ohne dieſe
Größe auf andre anzuwenden? und die eigne Ge⸗
ſinnung auf allſeitige Wirkung zu berechnen? —
Heute im Treibhaus hab ich das überlegt. — Wie
da der Gärtner ein ſcharfes Gewiſſen hat; — wie er
jedes Stäubchen abwiſcht von ſeinen ausländiſchen
Pflanzen, wie er ihre Keimchen unter Glasglocken
hält, von verwelkten Blättern befreit, und die Wucher⸗
keime, die nennt er Räuber und bricht ſie gleich
aus. Und die gefüllten Blumen verwahrt er gegen
das Aufplatzen mit einem papiernen Kragen, wie
hier der Stadtpfarrer ihn trägt. — Das erinnert
mich auch daß einem geiſtlichen Fürſten das Heil
Aller noch näher liegen muß als Andern. — Das
21
friſche Waſſer läßt der Gärtner ſeinen Pflanzen zu⸗
fließen und das Sonnenlicht ſpart er ihnen zur
rechten Zeit auf. — Und die Juden emporbringen
nach ſo langem Darben, da müſſen ſie auch vor⸗
ſichtig und zärtlich behandelt werden, wie die aus⸗
ländiſchen Pflanzen, und genährt mit dem was die
Seele groß macht und muß ihnen keine Laufbahn
verſchloſſen bleiben als nur die ſie erniedrigen
kann. — Ich würde das Geſchenk der Juden ver:
wendet haben zum Beginn ihrer Veredlung, ich
würde ihre Kinder zur Wiſſenſchaft anleiten, nicht
zum Schacher, ich würde ihnen die Bildung geben
die ihre Anſprüche an Geſelligkeit geltend macht, ich
würde ſie Reiten Fechten Tanzen lernen laſſen,
Naturwiſſenſchaft Philoſophie Geſchichte, alles was
ſie über den Stand erhebt, in dem ihre Seelen
herabgewürdigt, voll Schmach, einen ſchlechten Ein—
druck uns machten, und das erſte aller Erziehungs⸗
elemente müßte ſein die Muſik!“ — N
Primas: Finden Sie ſo viel muſikaliſchen
Schmelz im Auern und Seufzen am langen Tag,
ließen ſich vielleicht mit etwas ökonomiſchem Genie
Opern-Arieen draus machen? —
„Vielleicht liegt im Operngeſang weit mehr
falſches Getön, als im Seufzen und Auern am
langen Tag. Die Muſik bringt die Skala der
22
Seele auf die reinſte Temperatur, die durch chriſt⸗
liches Herabſpannen ganz tonlos geworden und
verſtimmt iſt. Muſik geht nicht allein aus
Geiſt und Gemüth hervor, weit mehr noch be⸗
fruchtet ſie die Sinne und befähigt ſie zu dem
was der Geiſt noch nicht faßt. — Sie iſt die Wie⸗
dergeburt für die geiſtige Natur.“
Primas: Wenn ich dieſe muſikaliſche Wieder⸗
geburt auch befördere und obenein ſie Reiten
Tanzen Fechten lernen laſſe, — Naturwiſſenſchaft
Philoſophie Geſchichte — alles was Sie wollen. —
Was würde dann daraus werden? — Der Jude
ließe ſich doch nicht verläugnen? —
„Was iſt denn da zu verläugnen? — Auch
im Juden liegt die Offenbarung ſeiner Eigen⸗
thümlichkeiten; es iſt nicht die Rede dieſe auszu⸗
rotten, vielmehr ſie wiedergegeben in lichteren
Farben. Die Bildung des Juden hängt ab
davon, ſeine urſprüngliche Schönheit geltend zu
machen, ſeine Seele ſpiegelt zum eignen Verſtänd⸗
niß ſich in der ihm eingebornen Natur. Was
unter der Sonne lebt hat gleiche Anſprüche; tränken
ſich die Schaaren der Halme auf dem Feld mit
ihrem Licht um Körner zu gewinnen, ſo ſoll auch
durch der Sonne Geiſt alles ſich befruchten mit
großen Gedanken! Sie ſollen im Juden ſo gut
23
gedeihen wie in andern Menſchen, und wie in den
Halmen das Korn gedeiht! Der Jude wäſcht die
Hände nach dem Geſetz, er ſchöpft von der Welle
des allumfaſſenden Ocean ſich zu reinigen vom
Staub; der Chriſt ſich von Sünden freizuwaſchen
ſchöpft aus dem Gnadenmeer! Iſt Gebrauch
und Geſetz nicht ſinnliches Ahnen geiſtiger Bedürf⸗
niſſe, ſind ſie nicht Schranken inner denen eine
geiſtige Sittlichkeit ſich bewegt? — Der Jude, der
bei der Heimkehr am Vorſabbath auf der Hausſchwelle
die Verachtung abſchüttelt von den Tagen des Er⸗
werbs und eingeht zu den Seinen als Prieſter der
den Segen herabfleht auf ihr Geſammtgebet, zum
Gott ſeiner Väter aufathmend vom Druck der auf
ihm und ſeinem Volk laſtet, deſſen Gebet ſollte
nicht ins All der Schöpfung einklingen? und das
Chriſtenthum iſt ſo ſehr verſtimmt daß es mit den
Mißtönen der Verfolgung dieſe Harmonie mit dem
Weltall ſtört?“
Primas: Ich will mit keinem Mißton ein⸗
greifen in dieſe philoſophiſch-melodiſche Anſicht; ich
will nicht rügen den Egoismus der jüdiſchen Re⸗
ligion, den politiſchen Kitzel als Grundlage ihres
Charakters, der ſich in tauſend unbequemen Fehlern
Luft macht, und ihre Eroberungsſucht die nie Pietät
aufkommen ließ gegen andre Völker; ich frage nur,
24
was würde aus einem fo vollkommen gebildeten
Judenthum, aus dieſen zweideutigen Anlagen her⸗
vorgehn, für die Chriſtenheit? für die ich als
Primas doch einſtehen muß? —
„Wenn Egoismus ſelbſt in ihrer Religion ſich
offenbart, ſo muß die Beraubung ihrer einfachen
Menſchenrechte ihnen doppelt marternd ſein; —
liegt politiſcher Kitzel in ihrem Charakter, ſo
iſts nicht zu verargen, daß ſie mit ihm ſich Luft
zu ſchaffen ſuchen, und ihre Eroberungsſucht
kann nur denen ein Vorwurf ſein, die ſie ſo hart
in Feſſeln ſchlugen, aber verantwortlich iſts, dieſen
natürlichen Trieben kein Feld zu gewähren. —
Der Vogel kann nicht in der Luft ſich immer hal⸗
ten, er muß ſich niederlaſſen! — Der Charakter
muß eine Baſis haben, auf der er ſich ruhe! Das
Feld der Freiheit iſt die Baſis Aller. Was aber
aus jenem gebildeten Judenthum hervorgehe für die
Chriſtenheit, iſt der Begriff daß fie mit dem Chri⸗
ſtenhimmel nicht auch die irdiſche Welt gepachtet habe,
und die Hölle für Ketzer, Heiden und Juden allein
übrig bleibe! — Die Juden würden, trotz ihrem Feſthal⸗
ten an dem Glauben ihrer Väter einen viel freieren
Überblick über Anfang und Ende gewinnen, eben
weil ihre Bedrückung ihnen ihr Anrecht an die Frei:
heit um ſo fühlbarer macht. — So würde der
25
Chriſt durch des Juden freie Bildung Fülle freier
Anſchauung gewinnen, eine Entwicklung würde die
andere ſteigern, und endlich durch den goldnen Frie⸗
den ſich ins goldne Zeitalter verwandeln, wo
Jude und Chriſt gemeinſam fühlen Gott ſei un:
ter ihnen!“ - F
Primas: Sie würden alfo die Juden nicht
bekehren wollen?
„Nein aber ſie bewegen die Wahrheit zu er—
kennen! i
Primas: Iſt denn das Chriſtenthum nicht die
Wahrheit?
„Für den Primas, aber nicht für den Rabbi.“
Primas: Was iſt denn für den Juden die
Wahrheit? —
„Daß Chriſtus ein Jude war, das würde ich
ihnen lehren beherzigen.“
Primas: Glauben Sie denn nicht, daß Chriſtus
Gottmenſch iſt? — .
„Ja, durch ſeine Beharrlichkeit in der Liebe.
— Wir aber verachten den Juden den er liebte!
— Wir nennen uns Chriſten und ſind doch nicht
bekehrt, den Juden wollte ich bekehren, daß er, wie
Chriſtus, ſeinen Verfolger lieben lerne. —
Primas: Das würde nicht gelingen, ſein böſer
Eigenſinn ließ ihn nicht nachgeben!
26
„Ich trachte nicht nach ſeiner chriſtlichen Be⸗
kehrung, aber zur Vernunft! Zum Begriff: Mo⸗
ſaiſche Satzung ſei nicht Religion, und auch nicht
anderer Nationen Kirchenverheißungen und Glau⸗
bensartikel.“ 8
Primas: Sie wollen nicht allein den Juden,
aber nun gar auch den Chriſten von ſeiner poſitiven
Religion losmachen!
„Das iſt eben nicht Religionsweisheit den reinen
Ton des Judaismus anfeinden, der ins All der
Schöpfung einklingt mit fo frommer Zuverſicht
über den blauen Himmel hoch über Sonn und
Mond und goldne Sterne hinauf zu dem Weſen
aller Weſen!“
Primas: Alſo ein ſolches Weſen aller Weſen
anerkennen Sie doch, da haben wir doch die Spur
eines Religionskeim!
„Ja! ein ſolches Weſen anerkenne ich! — und
ich habe das Gefühl ſeiner Machteinwirkung! die
mir lehrt, dem Elenden, dem Juden mich zuwenden,
und mehr noch lehrt ſie mir, denn ich ſchaue fort—
während nach jenem moraliſchen Firmament, wo
die heiße Sonne mit dem kühlen Mond mwechfelt,
und wo der Thau der Nacht wieder erfriſcht, was
die Sonne ſo heiß durchglühte. — Denn wenn
das nicht wär würde ich meine Gedanken nicht
27
ſammeln können von dem wahren Standpunkt aus
für ihr Recht zu ſtreiten.“ 0
Primas: Verwirren Sie nicht durch phanta⸗
ſtiſche Vergleiche den ſchönen klaren Standpunkt,
den ich bis jetzt noch verſtehe. Was nennen Sie
alſo ein moraliſches Firmament? —
„Ich verſtehe darunter die Wunderwerke des
Geiſtes aus dem alle Schöpfung entſteht!“
Primas: Was iſt das nun wieder? —
„Gott ſagte: Es werde! — und da ward! —
und glauben Sie denn, daß die Schöpfungskraft
blos in dem Wort lag? — und daß da ſo gleich
alles geworden, blos aufs Kommandowort?“ —
Primas: Das müſſen wir allerdings in der
Allmacht Gottes liegend uns denken.
„Nein! das denke ich mir nicht ſo! — Und
das weiß ich auch ganz anders, durch prophetiſches
Ahnen, durch meinen Scharfſinn; daran zweifeln
wollen, wäre nicht klug vom Primas.“
Primas: Offenbaren Sie Ihre Prophetengabe,
offenbaren Sie Ihre individuellen Anſichten von
der Schöpfung der Urwelt, ich bin begierig ſie zu
vernehmen! —
„Individuelle Anſichten habe ich nicht, aber
Bewußtſein wie Alles geworden; damals als erſt
Alles werden ſollte und daher noch nichts konnte
28
ſchief gegangen fein, da erzeugten fich die Dinge
wie die Natur ſie ausſprach, und ſo ward die
friſche freie Welt.“ —
Primas: Dieſe friſche freie Welt iſt alſo ein
Erzeugniß vorweltlicher Kräfte.
„Ja, und nach und nach entſtanden, daß man
ſieht dieſe Kräfte haben ſich an ihr geübt. Gott
brauchte ſieben Tage der Anſtrengung um ſie zu
ſchaffen.“
Primas: Einer davon war Ruhetag.
„An dem er ſah, daß alles gut war was er
gemacht hatte! Dieſer Ruhetag war ein be⸗
ſchaulicher der Betrachtung und keine vorweltliche
Kraft; ſie kam erſt nachdem die Welt geſchaf—
fen war! — Was aber die Menſchen machen,
davon haben ſie das Einſehen nicht ob es auch
gut ſei!“ —
Primas: Einſehen deucht mich, ſei daſſelbe mit
Veruunft! .
„Vernunft des Göttlichen iſt Schöpferkraft;
Einſehen iſt Faſſungskraft; das iſt ein Unterſchied.
Aber auch die Vernunft iſt kein urplötzliches eignes
Selbſt; ſie hat einen ſinnlichen Grund und der iſt
Urſprung alles Werdens, da der Schöpfer nicht
aus der Vernunft ſondern aus dem ſinnlichen Ge:
fühl des Werdens erſchafft! — Denn aus gar
29
nichts kann nichts geworden fein. — Der Gott
unſeres Urſprungs iſt alſo ein ſinnlicher Gott, ein
fühlender, nämlich das Gefühl iſt die Perſönlichkeit
Gottes, die unmöglich ohne ſinnliche Natur ein
Daſein konnte haben! — Gefühl iſt ſinnliches Da⸗
ſein Gottes!“ N
Primas: Das lautet bald als ob es wahr
ſein könnte. Sie nennen alſo Gott das ſinnliche
Gefühl aller Schöpfung?
„Es werde Licht!“ ſagt Gott! Das Gefühl
des Werdens geht aus ihm hervor in die Schöpfung
über und wird erſchaffnes Licht; und er ſieht daß
es gut iſt und er ſchaffet weiter im Licht! — Das
Gefühl aus dem Alles hervorgeht iſt die Sonne; —
Die Vernunft, deren Bewußtſein das Werden iſt,
die iſt der kühle Mond, er hat Einfluß auf alle Weſen.
Die Gedanken, die von der Vernunft ausgeſtreut
werden das ſind die Sterne; ſie ſchimmern nach
allen Seiten und leuchten Einer dem Andern. Das
iſt das moraliſche Firmament, Sonne Mond und
Sterne, Firmament göttlich ſchaffender Kräfte, die
da fortwährend leiten und wirken. Ja, Gefühl
drängt die Vernunft zu allem Erzeugen! Was wir
Weisheit nennen iſt Gefühlseingebung. Alle Inſpi⸗
ration iſt ſinnlicher Lichtdrang aus dem Urlicht in
30
die Vernunft, aus der Gottheit in ihren Begriff,
aus der Sonne in den Mond!“ —
Primas: Sie wollen wohl ſagen, daß die
Natur die ſinnliche Wirkſamkeit Gottes iſt!
„Nein! Aber daß die Natur aus dem Gefühl
entſprungen und das Gefühl der Urſprung aller
Dinge, und daher Gottheit iſt! — und das iſt eben
Religion worin alle Weſen von ſelbſt einklingen
wie die Sterne, ſo verſchieden ihre Natur ſein mag;
haben ſie doch ein gemeinſam Daſein! Dies nur
iſt Religion, worin alle Gefühle übereinſtimmen.
Gemeinſchaft des Heiligen ohne innern Widerſpruch
mit dem Weltall!“ —
Primas: Was ift uns aber Baſis dieſer Ge⸗
meinſchaft des Heiligen, wenn nicht göttliche Ver⸗
heißung, wenn nicht Offenbarung und Glaube an ſie?
„Selbſtbeſinnung iſt der Glaubensheerd auf dem
der Geiſt hell auflodert um Berge zu verſetzen um
ſich zu reinigen von der Aſche erlöſchender Triebe
und Natur, Gefühl und Phanatſie wieder anzufa⸗
chen; die im rein geſtimmten Geiſt Prophetengewalt
haben.“
Primas: Sie haben da Chriſtus und ſeine
göttliche Prinzipien, in die Natur überſetzt! aber
deswegen ſind die Juden noch nicht befähigt in
dieſe Natur überzugehen! —
31
„Der Chriſt hat einen Götzen des Aberglaubens,
der ift fein Chriſtus. — Aber nicht jene menſchliche
— aus göttlichem Gefühl als ſeinem ewigen Er⸗
zeuger hervorgehende Urkraft Alle zu erlöſen vom
Übel! — Der Chriſt hat ſeine poſitive Religion;
auf der ruht er, geborgen daß ſie ſelbſt ihn vom
Übel erlöſe, fein eigennütziger Glaube ans Himmel:
reich raubt ihm das All und Überall ſeiner Unſterb⸗
lichkeit. — Schon fühlt er ſich nicht mehr im Ver⸗
folgten, er iſt ſich felber abgeſtorben in ihm; ſchon
fühlt er ſich gleichgültig gegen ſeines Geiſtes Frei⸗
ſtätte, ſelbſt zu denken! — er hält ſich an ſeine
Verheißungen, an ſein Kirchengebot, und das iſt
ihm einerlei, es mit der Vernunft nicht faſſen zu
dürfen! Über ſchlechte Witterung klagt er, über
Hitze und Kälte, über alle Lebensunbequemheiten
und die Geiſteszermalmungen die alle moraliſche
Kraft zerſtörende Bedrückungen unter denen der
Jude ſeufzt, die rühren ihn nicht!“ — |
Primas: Das jüdiſche Volk ſcheint aber von
jeher, ſogar bis heute, den reinen Sinn für das
Höhere im Menſchen nicht gehabt zu haben, der
alte Reſt ſeiner plumpen Satzungen würde ſonſt
von ſelbſt von ihm abgefallen ſein! — |
„Das Anrecht freier Entwicklung feiner gefunden
Anlagen kann um keiner Vorausſetzung willen einem
32
vorenthalten werden, noch weniger iſts denen ab:
zuſprechen, deren Naturanlagen nicht in heiteren Le⸗
bensbächen dahin zu rauſchen vergönnt iſt. Gebt
erſt Luft, wie bald wird dann Licht leuchten! —
Dieſe Flamme! — dieſe einfache Himmelermeſſende
— Natur und Welt durchgreifende Flamme, ſie
lodert auch im Innern des Juden; er vermags in
den Abgrund des Denkens und Fühlens ſich zu ver-
ſenken; im Bann der Erniedrigung, aus dem er
ſich aufſchwingt, muthiger und freier durch den
eigenen Geiſt verklärt als ſeine Unterdrücker un⸗
ter denen er ſich durcharbeitet. — Er kennt die
Menſchen, er kennt die Chriſten und fühlt was
ſie ihm anthun, ſie aber kennen nicht den
Juden und nicht ſich ſelber, und ihrer Religion
Verſöhnungsmilde iſt an ihnen verloren gegangen.
Von ihr haben ſie nichts als blos die Juden an⸗
zufeinden.
Primas: Solche Phänomene der Judenſchaft
ſind bis jetzt nicht als möglich anerkannt! Moſes
hat ſie durch harte niederhaltende Satzungen an
Himmel und Erde gefeſſelt! Die Erkenntnißquelle
ihrer Vernunft iſt bis heute noch nicht ſo hell hervor⸗
geſprudelt um fie von jenen Feſſeln loszuwaſchen! —
Und treiben ſie mit ihrer Menſchenkenntniß nicht
auch Handel und Wucher? — Haben ſie nicht wie
33
zur Wiſſenſchaft, auch Anlagen zu Jeſuiten, Hof:
leuten, Diplomatikern und Intriguanten? — Trei:
ben ſie nicht Schleichhandel mit der Politik und
achten es als ein aufrichtiges Gewerbe? —
„Welchen Spielraum haben ihre Talente an—
dersgefunden, als an dem der elende Geiſt der
Erde eben zehrt — ſind Hofleute und naturver⸗
kümmernde Miniſter und üppige geiſtliche Kurfür-
ſten nicht Juden, da doch Juden gerade dazu
Anlage haben?“
Primas: Dazwiſchen könnte wohl noch ein
Drittes liegen was nicht Jude iſt.
„Der Teufel iſts der dazwiſchen liegt und ihrer
Herr wird. — Wer die Erkenntniß des Teufels hat,
der muß ſich mit ihm herumſchlagen. — Die ge⸗
ſammte Chriſtenheit drängt die Juden in die
Hölle. Um jedes weltlichen Vortheils willen läßt
ſie, über alle heiligen Theorien hinweg, ſich reißen zum
Meuchelmord an ihren Brüdern! — ſie zerrt den ge—
feſſelten Juden an der Kette, ſie nennt ihn boshaft
wenn ihm der Schaum vor den Mund tritt und
tückiſch, weil er in den Sack nicht ſpringen will,
den ſie ihm vorhält.“
Primas: Unter dem Sack berptges Sie die
chriſtliche Religion, die Sie für ein Gefängniß an⸗
3
34
ſehen, der Chriſt erkennt fie aber für die Freiſtätte
des Geiſtes. Sie werden es ihm doch nicht als
böſen Willen auslegen die Juden zu martern, wenn
er verſucht ſie zum Chriſtenthum zu bringen!
„Die Juden halten an dem Glauben ihrer Vä⸗
ter als an dem letzten Pfeiler ihrer Selbſtſtändigkeit,
und ihre alten Satzungen, Sinn- und Verſtandlos
wie ein Erdenklos, haben doch Wurzelkraft wie die
Erde! — Die Blüthen der Empfindung, des Gei⸗
ſtes, können aus ſo harten Geſetzen dennoch her⸗
vorſprießen, ſie fühlen ſich auf dieſem Fußbreit ih⸗
res nationalen Daſeins in der Verbannung geſichert;
ihr Tempel iſt ihre Ruheſtätte auf ihrer Flüchtlings⸗
reife durch die Welt, fie halten an ihrem Herkom⸗
men, an ihrer Urſprünglichkeit und achten den
Chriſten als einen Emporkömmling!“ — ö
Primas: Die Sonne beleuchtet Recht und
Unrecht und würde den Juden auch erleuchten, wollte
er nur feiner beſſern Einſicht folgen. —
„Wenn auch noch ſo große Gedanken in dem
Juden könnten Wurzel faſſen man raubt ſie ihm
mit der Bekehrungswuth!“ — 0
Primas: Außer dieſen, liegt noch eine
geiſtige Bekehrungskraft im Weltall; der natür—
liche Inſtinkt, der den Juden mahnt, daß die
35
allgemeine Weltreligion, deren Stifter und Gott
der Menſchenliebe, von ihnen verflucht wor:
den war, ſie verfolgen müſſe, ſo lange ſie nicht
übergehen.
„Übergehen ſoll der Jude! — Wohin? —
Alles iſt Dorn und Diſtel — und verborgene Meffer:
ſtiche der Verachtung! — Dieſen Ekel den wir ge⸗
gen ſeinen Stamm hegen, jede Berührung mit ihm
ſcheuen, geſchweige in Lebensverhältniſſen uns ihm
verbinden, den Kindern Furcht vor ihnen machen und
zu böſem Muthwill gegen ſie hetzen! — Dieſer
Hohn gegen den älteſten Menſchenſtamm, der iſt der
Ausſatz der Chriſten. So lange ſie dieſe Krank⸗
heit haben, iſt nicht gut in Gemeinſchaft mit ihnen
treten. Alle Heiligung der Kirche iſt Lüge, ſo lange
ſie Verfolgung übt; Deckmantel des chriſtlichen
Ausſatzes den der Jude flieht! Unſer Stolz
duldet nicht, daß er in unſerer Gegenwart menſch⸗
lich denke, menſchlich fühle. — Wir ſpotten des
Patriarchen der auf Dornenwegen eine Zuflucht
ſucht für die Seinen. Wir drängen ihn hart, un⸗
ſer Vertrauen iſt ihm kein erfriſchender Regen, un⸗
fer Geiſt iſt ihm kein leitender Stern in der Wüſte;
hat er ſich verirrt ſo bringen wir ihn auf den ver—
lornen Pfad nicht wieder zurück. Wir trauen ihm
alle Verbrechen zu und ahnden ſtreng ſchon den
3
36
Argwohn den wir auf ihn häufen, jeden böſen
Willen den wir doch ſelbſt ihm einimpften. Wir, die
Jünger des Gottmenſchen deſſen Joch ſüß iſt, wol—
len uns dem ſüßen Joch der Menſchlichkeit nicht
unterwerfen; — aber die Juden im Lande der Ver—
bannung, der Entſagung, der Mutterangſt, der Ba-
terſorgen und Verkanntheit, bleiben unerſchüttert treu
ihrem harten Geſetz! — Was iſt da zu verachten
am Juden?“ —
Primas: So würde wohl der Chriſt endlich
noch Lehre annehmen müſſen von den Juden? —
„Wenn nicht der Trieb zu gemeinſamer Voll⸗
endung die Rechte der Menſchheit auch im Juden
ihm begreiflich macht, durch die Liebe die Chriſtus
predigt iſt er dazu nicht gekommen! — Die Kirche
wähnt ſich die alleinige Braut des Gottmenſchen,
ſtatt aber ſeinen milden Spuren nachzugehen, baut ſie
unter Trümmern verlaſſner Lehre einen Richterſitz für
ihren Bräutigam, was ſie an knechtiſchem Weſen, an
Bannformel und Flucheslaſt finden kann, legt ſie ihm zu
Füßen, um damit auf den Untergang loszugehen
derer, die ſie nach ſeinem Beiſpiel am Herzen ſollte
tragen. — Wie ſehr betrügt ſich die Braut um
den Bräutigam!“ —
Primas: Chriſtus der die Phariſäer bekämpfte,
der auffuhr gen Himmel, die Nebel zu zertheilen
37
des Aberglaubens und boshafter Unwiſſenheit, den
werden Sie doch nicht dem Schooß der * ab⸗
läugnen!
„Ich läugne ihr nichte ab was r ie in vr
Schooß empfangen zu haben glaubt; aber wenn
ſie ein Baſiliskenei ausgebrütet hat, ſo kann ich
darin das Ideal nicht erkennen der Menſchheit, ſo
nah verwandt unſerer Seele, daß es unmöglich
iſt Menſch zu fein, ohne in dies Ideal überzuge⸗
hen. — Dieſe Gottheitsflammen, dieſe Friedenergie⸗
ßenden Schauungen ins Wort, in die Unſterblich—
keit, kann in Offenbarung und Kirchengeſetz die das rein
Menſchliche als Verbrechen verfolgen, denen nicht
begreiflich werden die an den Hervismus glauben
großer Geiſter und auch zu Heroen ſich bilden wol—
len wie ich!“ |
Primas: Sie wollen eine große politiſche
Reichsreligion, wo die Götter Nationalgötter ſind,
und durch Drakel ihr letztes Wort geben zu allem
Geſchehen. Sie wollen mit dem Heidengott zuſam—
men ſich auf den Dreifuß ſtellen. — Da werden
zwei Schiffbrüchige auf einem Brett ſich befinden.
„Trotz allen Gegenreden iſt des Primas Seele bei
mir, die meinen Unſinn in den wahren Ginn überträgt.
In den Heidenkindern die nicht Chriſtum kannten,
lebte, in jedem auf eigene Weiſe die Seele reifend,
38
die Gottbewußtheit und durchzuckte die Heidenländer
mannigfaltig in Thaten der Tapferkeit und Selbſt⸗
verläugnung! — Alle Opfer waren um der
Größe ihres Geiſtes willen ihnen zum Selbſtge⸗
nuß geworden!“ —
Primas: Ja! Es war jener Zeiten Genius,
der die milch⸗ und honigreichen Ströme der Lebens:
weisheit durch die gelobten Lande leitete, die Moſes
in der Wüſte fern dahinwallen ſah und den ſter⸗
benden Blick daran erlabte! —
„Und mancher Nachkomme der heute nicht
Chriſt iſt, leitet ſeinen Urſprung aus jener idealiſchen
Geiſtesnatur, die Lichtdurchdrungen war ohne von
Chriſtus zu wiſſen; ſollte er für dieſe nicht Sinn
gehabt haben? — ſollte er ſie verdammt haben,
ſo war das nicht beſiegelt von Gott noch von den
Göttern. — Er! die Kindheitsnatur menſchlicher
Verklärung! hätte er ſie abgeläugnet die göttlichen
Größen alle, als nicht der Unſterblichkeit geweiht?“ —
Primas: Und ſtatt deſſen dem gefunden Men⸗
ſchenverſtand die Erbſünde eingeimpft, die wie Pech
anklebt und losgewaſchen muß werden von der
Kirche.
„Die neugebornen Kinder vom Teufel beſeſſen,
dem doch von Chriſtus nur zugeſtanden war, in
die Schweine zu fahren.“
39
Primas: Dieſe unſchuldige Heerde die der Teu—
fel wie ein brüllender Löwe umſchreitet und nach
allem ſchnuppert was nicht mit dem Waſſer der
Taufe Sündenrein gewaſchen iſt! — N
„Da wollte ich doch lieber jenen himmliſchen
Leidenſchaften mich verſchwören, die noch vor der
Chriſtenlehre ſich rührten im Schooße der Wahr:
heit.“ |
| Primas: Die entſprungen waren aus mün⸗
dig gewordner Menſchenwürde! — Was haben
wir davon in den verrinnenden Bächen jener Be:
geiſtrung mit uns fortgeſchleppt? — Nichts als
erheuchelte Größe die an uns nicht haften will. —
Wir haben keine Lebenausprägende Weisheit, kein
Heldenthum, keine Kunſt!
„Alles wurde beim Erſcheinen des Chriſtenthums
vom Schlag gerührt!“ —
Primas: Nicht das Chriſtenthum aber der Kampf
mit ſo einfachen Wahrheiten, das Syſtem der
Kirche nach ihren ſymboliſchen Büchern zu erläu—
tern und dabei Freiheit in allen Forſchungen zu
behaupten: Das hat der Kleriſei ganze Denkkraft
geſchlagen, alles iſt zu Kirchenunſinn geworden.
„Die Chriſten haben ſich um ihren Heiland be:
trogen, während die Juden es noch vor ſich haben
ſich ihm anzueignen!“
40
Primas: Er hat fi) umſonſt gedemüthigt,
und die Sterblichkeit hat er getheilt mit uns, aber
aus ihr heraus haben wir ihm nicht folgen lernen.
„Wie könnten wir ſonſt mit dem Koth des
Luxus, prahlen vor dem Dürftigen und durch kein
anderes Verſtändniß mit ihm uns heiligen.“ —
Primas: Kein Sternenkreis mehr von hohen
Thaten über dem Haupte herrſchender Männer.
Kein Sehnen kein Hoffen mehr das fie erfül-
len? — |
„Kein Plato kein Socrates, der weiſſage im
Sonnenfeuer!“
Primas: Keine Kampfbegeiſterte Helden für
Volksrechte die um ſein Blut zu ſparen für Alle
fechten. Heute fließen Blutſtröme um des Einen
willen, er ſieht es fließen und appellirt an den Welt⸗
richter, nicht an ihren Erlöſer!
„Die chriſtliche Kirche iſt die Herberge die ihn
im Schilde führt, aber nicht von ihm bewohnt
wird. Der Welterlöſer konnte wohl alle Marter
der Menſchheit zu Lieb ertragen wollen, aber
nicht die Langeweile der Tugendheuchelei, die des
Teufels Ruhebank iſt, mitten in der Kirche, auf
der die Frömmler und Schriftgelehrten heute
noch ſitzen wie damals und deuteln am Buchſtaben
von dem er uns zu erlöſen doch gekommen war.
41
Wie ſollte er nun unter ihnen ſitzen und fich ge:
fallen, von ihrer Doppelzüngigkeit ſeine Weisheit
unnütz machen zu hören!“
Primas: Der Dom der Freiheit, der, wo der
Geiſt auch in ſeinen abſtrakten Bildern ſchwelgt
ſein Dach über ihm wölbt, der iſt die wahre
Kirche in dem er wohnt.
„Aber nicht mit zuſammen geklappten Flügeln
im engen Pferg und einen ſchwarzen Hund dabei
der ihn bewacht und immer ihn wieder hineinbellt,
wenn er hinauf ſich ſehnt ſeine Flugkraft zu üben.“
Primas: Ulnd das Geſpenſt der Selbſtquälerei
was die Furcht ausbrütet die nimmer ins Unge⸗
maſſene ſich wagt. — |
„Was doch überall des Gottes voll ift! Und
dann der Marterknecht der die Hölle heizt! — Dem
konnte der Genius nicht dienen wollen der in jeder
Bruſt ſich regt, ſie freizumachen.“
Primas: Und die Ahnung einer höhern Welt
ihr ans Herz legt, in der Natur und Gottheit zu—
ſammenſtrömen.
„Chriſtus der Seelenſchmetterling der voranflog
dem ängſtlichen Raupengeſchlecht das ſo mühſam
nachkriecht! — Aber die Religion des eignen Ge—
wiſſens, die Mittler iſt zwiſchen ihm und dem Gött—
lichen, die iſt Ueberwinderin aller Religionen.“
42
Primas: Ulnd die Kirche die nicht jede Liebe
jedes Vertrauen jedes Gelübde in ſich aufnimmt die
iſt nicht unfehlbar und nicht allgemein.
„Und die den Stamm ihres eignen Stifters aus
ihrem Schooß ausſtößt, ein unvermiſcht Geſchlecht,
von der Natur als eine ihrer edelſten Racen aus⸗
gerüſtet mit ſcharfen Sinnen und tiefem Fühlen“ —
Primas: Von der Kirche verflucht und aus
dem Schlupfwinkel der Verbannung zu ihrem
Schlachtopfer hervorgezogen, die iſt nicht wahre
allgemeine Kirche! —
„Im Schooß der überirdiſchen Natur, was
doch die Kirche ſein ſoll — ein Baum nach ſeiner
Natur Art von ſelbſt aufſtrebend in geläuterte Er-
kenntniß. Und alles Streben nach Gottheit iſt Sym⸗
pathie für alle Religionen die einander berühren,
wie im Winde die ſchwankenden Bäume des Waldes
einander ſtützen mit ihren Aſten und mit ihrem Laub
ineinander flüſtern, und mit ihren Wipfeln ſich nei⸗
gen gegen einander.“
Primas: Aber doch hat Chriſtus den einen
Baum verflucht der ihm nicht Früchte bot, obſchon
es nicht an der Zeit war daß die Feigen reif ſein
konnten! — Sollte die Kirche nicht in dieſem von
43
Chriſtum verfluchten Feigenbaum das Judenthum
erkannt haben!
„Alle Feigenbäume ſtammen von dem Einen
ab im Paradies und alle hängen mit dem zuſam⸗
men der den Fluch tragen mußte! — Wie konnte
der Sohn verfluchen was der Vater gepflanzt hat!
— Und wie konnte die Kirche ein Volk verflu—
chen deſſen Stammältern wie der Feigenbaum, Früchte
trug für alle Nationen! Und wenn der Feigenbaum
uns nahe geht, daß der den Fluch trägt, wie viel
näher muß uns der Jude gehen, an dem die Chri⸗
ſtenheit täglich den Fluch übt?“
Primas: Wenn dem Juden dies Eine ein:
leuchtet, das Irdiſche zu verlaſſen um dem Himm⸗
liſchen nachzugehen, ſo wird der Wald der Eintracht
ſich genügend belauben um Chriſten und Juden
Schatten zu geben, allein dazu iſt wenig Hoff—
nung! —
„Der Jude kann ſich bekehren ohne daß er ſich
Chriſt nennt, durch das einzige Gebot: Liebet
Euch unter einander!“ ö
Primas: Darum habe ich ſie auch unter ein—
ander laufen laſſen, da werden die Juden Groß—
muth üben lernen; — wäre nur auch die Weisheit
unter ihnen von der Salomon ſagt man finde ſie
vor der Thür, woraus ich ſchließe, daß die Juden
14
damals nicht fo häufig vor der ue lager wie
hier in der Judengaſſe.
„Dort hatten ſie Paläſte und Gärten und
herrliche Springbrunnen und verſahen die höch—
ſten Staatsämter, und hier haben ſie keine Luft
zum Athemholen; ich wüßte nicht warum die
Weisheit ihr Feld nicht auch da bauen dürfte:
irgend wo müßte man ihr doch begegnen, wenn
ſie wirklich auf Erden wandelt.“
Primas: Auf dem Markt iſt fie auch nicht
denn heute wo den Juden zum erſtenmal erlaubt
war zugleich mit den Chriſten ihre Einkäufe zu bes
forgen find mir ſchlimme Händel zu Ohren gekom—
men; es iſt da ein Handgemeng entſtanden über das
Wild um das man ſich zerrte. Der erſte Bericht
lautet: Blutige Auftritte unter Chriſten und
Juden auf dem Markt. Der zweite beſchwich—
tigt: es ſei nur Haſenblut. Aber die gelbe Rüben und
rothe Rüben und Schwarzwurzeln find da unter einan-
der geſtürzt, die Hühnerkörbe ſind umgefallen und die
Milchkrüge; muthwillige Vocativen haben die Span—
ferkel losgelaſſen, vor denen die Juden Reißaus
nahmen. Dies Alles hat ſich auf dem Domplatz
ereignet, viele Flicken jüdiſcher Alterthümer und
Talare berühmter Rabbiner liegen dort umher und
geben Zeugniß daß die Juden der chriſtlichen Kirche
45
zu nahe getreten; da nun kein Lumpenſammler die
berühren will, ſo hat der Magiſtrat beſchloſſen die
Juden in Corpore zu vermögen den Domplatz
eigenhändig zu reinigen, ſie wehren ſich dagegen
und haben eine Petition an mich ergehen laſſen dies
Geſchick von ihnen abzuwenden. Der Kehricht
ſteigt ſchon die Stufen des Doms hinan; mit jedem
Augenblick, von allen Seitenwegen, aus allen
Schlupfwinkeln vermehrt ſich der Ballaſt. Die
eifrigen Kirchgänger ſind entrüſtet und wollen nicht
über die Lumpen ſteigen, der Pfarrer Kirchner
findet es unter aller Würde, ſich da hindurch
zur Sacriſtei einen Eingang zu wühlen; wie ſoll
ich da beſchwichtigen. Suchen Sie Mittel, die
Juden zu dieſem Opfer der Liebe für die Chriſten
zu bewegen und ich verſpreche Ihnen, das Wohl
der Juden nach Ihren Rathſchlägen zu fördern.
Hier endigte ein derber Paukenſchlag der Haidn:
ſchen Symphonie das Concert und zugleich meine
Juden verwendung, mit der mich der muthwillige
Primas in die Enge trieb, es hatte ihm gefal-
len, denn wenig Tage ſpäter ſagte er mir daß ich
mich im Judenſcharmützel brav gehalten habe! er
46
ſagte: Ich habe alles beherzigt, aber Ungerechtigkeit
Grauſamkeit und Gewaltſtreiche ſind nicht chriſtliches
Prinzip. — Wären wir dem Egoismus nicht ſo
weit verfallen, daß wir mit Gleichgültigkeit die Ver⸗
letzung der Menſchenrechte dulden, ſo wäre es leicht
ein weiſer Mann ſein der Prieſterthum und Politik
vor ſeinen Richterſtuhl könnte fordern, aber das
Welten⸗ und Staatenchriſtenthum, das mit ſeiner
Sündfluth das ganze Menſchengeſchlecht vom Erd—
ball herabſchwemmte, hetzt den Aberglauben auf ſie
los und hält die Einfalt davor in Reſpect! — billig
wärs daß die allein die Schuld tragen, die das
urſprünglich Göttliche im Chriſtenthum verſtum⸗
men machten, doch Chriſtus, dieſer Schirmvogt
menſchlicher Schwäche für die er in den Tod ging,
rief noch im letzten Augenblick ſeinen himmliſchen Va⸗
ter an: Herr verzeihe ihnen denn ſie wiſſen
nicht was ſie thun! Die Kirchenväter wußten ſo
wenig wie die Juden als ſie Chriſtum kreuzigten, was
ſie thaten mit ihren treuloſen Orakelſprüchen und des—
potiſchen Kanzelreden, mit denen ſie die letzten römi⸗
ſchen Kaiſerlinge vermochten jedes menſchliche Band
mit den Juden zu zerreiſſen! —
„Iſt aber dies „Nichtwiſſen was man
thut“ keiner Gewiſſensmahnung unterworfen?
47
— Kann man in dem Orden der Nächſtenliebe
wollen die Unverantwortlichkeit der wilden Thiere
erſchleichen?“ —
Primas: Dummheit iſt nicht verantwortlich,
denn ihre Krankheit iſt, daß Verantwortung an
ihr nicht haftet; und epidemiſch iſt ſie auch.
Wer ſelber ihr nicht kann entfliehen, wie kann der
andere darum ſtrafen. — Dummheit greift in die
Hebel die nur der Genius ſoll regieren; ſie ver⸗
nagelt der Zukunft das offne Thor, die ſchon zum
Sprung uns entgegen, gerüſtet war.
„Dummheit hat Abſcheu vor dem Geiſt, aber
Geiſt und Gewiſſen lenken einander auf gebahnte
Wege.“
Primas: Gebahnte Wege führen aber nicht
in das von ihren Propheten verheißene Paradies,
geiſtliche und weltliche Macht achtet dieſen Nacht:
verſunkenen Theil der Nationen in allen Landen
als ein zu verächtlich Volk um es wieder aufzu—
richten; ſo ganz ohne Gemeinſinn daß es keiner
Republik kann einverleibt werden und ſo ganz ohne
Ehrgefühl daß keine Monarchie es auf gleiche Be⸗
dingung mit andern Völkern kann aufnehmen.
„Wie iſt das nur, daß Republiken und Monar⸗
chieen das Judenthum als einen Schmutzfleck be⸗
trachten, während dieſes die ſtolze Überzeugung
48
hegt es ſtehe in feiner Verbannung weit erhaben
über den Chriſten.“
Primas: Wäre dies wahr, ſo würde es die
Verachtung ſeiner Lage nicht ertragen.
„Verachtung ertragen iſt noch nicht ehrlos.
Der Talmud ſagt: Schmückt Euch in der Ber:
bannung mit dem rothen Sattel der Armuth und
leuchtet drunter hervor wie die Schimmel!“
Primas: Der Purpurſattel den er willig auf
ſich nimmt iſt der Schacherreichthum, aber nicht
luſtig umherſpringend wie muntere Schimmel,
ſondern ſchleichend im Dunkeln wie Katzen. Es iſt
ein Wunder wie ſie durch alle die babyloniſche,
ägyptiſche und europäiſche Finſterniß ſich durchge:
arbeitet haben! —
„Ein ganzer Menſchenſtrom aus der Menſch—
heit Schooß ausgeſtoßen, ſich durch die Finſter—
niſſe wühlend des Fluchs, bei dem Chriſten-gott
zu ſeinem Untergang verſchworen, blos weil er
dieſen als ſeinen Heiland nicht anerkennen will.
So wurde denn die Stimme der Natur durchs
Chriſtenthum verzaubert?“
Primas: Was durch Gewohnheit ſich fo eimwurzelt
daß kein Gewiſſen mehr darüber erwacht, erſcheint auch
49
nicht mehr unerhört, felbft dem Volk nicht auf dem der
Fluch ewiger Landesverweiſung liegt; ja es würde ihm
eben ſo empfindlich auffallen, wollte man den Kreis
ſeiner Satzungen in den es gegen das Chriſtenthum
ſich verſchanzt hat, durchbrechen um es mit den
Chriſten zu verbinden, als es uns empfindlich
fallen würde, über den herabgewürdigten Gegen—
ſtand unſerer Verfolgung nicht mehr verfügen zu
können! — Wo bleibt die Erhabenheit des Chri—
ſtenthums wenn es den Abgrund des Judenthums
nicht mehr zu ſeinen Füßen hat? — Wo bleibt
der Religionseifer, wenn wir nicht gegen den Teufel
mit Declamation, gegen die Ketzer mit Wuth und
gegen die Juden mit Despotie können losgehen?
— Wo bleibt die Kirchengeſchichte? — Wo die
Religionsphiloſophie, ohne die Spiele verborgner
religiöſer Leidenſchaften die in ihrer Mannig⸗
faltigkeit nirgend hinlänglich Genugthuung finden!
— Das harte Herz, der Hochmuth die Herrſch⸗
ſucht der Haß die Verfolgung, die das naturent—
ſproßne Religionsfundament, dies weite Geiſterreich
der Triebe und Neigungen hart ankämpfen, um
ein anderes ihrer Gewalt unterworfnes ihr unter
zu ſchieben. Die eleuſiniſchen Geheimniſſe dunkler
Furcht und Hoffnungen, die ſich heuchleriſch über
ſie herwerfen und die Freiheitsidee ihnen aus
4
50
der Bruſt roffen, und mit erlogner Erhabenheit
das platteſte Geſchöpf der Convention aus ihnen
machen! —
„Und welcher chriſtliche Herkules wird die Welt
von dieſem Alp befreien?“
Primas: Sinn für Alles, nur nicht fürs Mittel:
mäßige, — das iſt der Heerd, wo der Held den
Sie chriſtlich nennen, Wunder fhun müßte! Die
Juden hatten, wie die Bibel lehrt, ein göttliches
Patent zur Vertilgung aller Völker und zur Er⸗
oberung ihrer Länder. Die Chriſten haben die
Seligkeit, ſich allein zugeſichert. Dies ausſchließende
Recht auf das zukünftige Leben iſt die Baſis einer
ſündlichen Politik die alles an ſich reißt und auf
ihrem Beſitzthum ruht wie ein feuerſpeiender Drache!
— hätten wir Specialkarten des Himmels ſo würde
es Streitigkeiten unter den chriſtlichen Machthabern
ſchon hier auf Erden ſetzen; fo müſſen fie es ab:
warten bis ſie oben ankommen. Auf Streit — ja
auf den heftigſten können wir uns gefaßt ma⸗
chen denn alles rüſtet ſich noch im Lebensaus⸗
gang als Streiter Chriſti und alles hält ſich ver⸗
loren was nicht gewappnet gegen Teufel, Ketzer
und Juden anlangt bei der Himmelsfeſte, die
ein doppelter Laufgraben umgiebt: Fegfeuer und
Höllenabgrund um hineinzuſtürzen was fie in
51
ihren heiligen Reichen nicht dulden! — Die Yu:
den haben unvorſichtig ihre Verheißungen in das
Irdiſche verlegt, deswegen haben die Chriſten auch
gleich Beſitzthum, Cultur Ind Wiſſenſchaft Ih⸗
nen abgeſchnitten wie man dem Feind die Mu⸗
nition abſchneidet, die Chriſten haben dagegen
ihre Anſprüche ins Unerreichbare verlegt und ſich
ſo gegen allen Unbill verſchanzt. — Obſchon
nun die Juden ihre Verheißungen bis zum Welt⸗
untergang hinaus ſchoben, der dann natürlich
auch ihren Welterlöſer mit verſchlingt, weil ihr
Meſſias ſich in unerreichbarer Ferne hält und keine
Anſtalten macht herbei zu kommen, ſo hat die
Noth ſie zu paraſitiſchen Pflanzen gemacht an dem
Stamm der menſchlichen Geſellſchaft, mag der vom
Sturm erſchüttert, allem moraliſchen Ungemach un:
terworfen, wanken, ſie ſaugen an ſeinen Wurzeln
ſich feſt, und ſind nicht mehr ohne beider Untergang
zu trennen.
„Ach was kann an dieſem kranken 9
ihnen noch zu Gut kommen? — ſelbſt Chriſtus
würde ſchwerlich die Hunde noch auftreiben alle
die Wunden und Quetſchungen heil zu lecken
die ſie blos in unſerer Frankfurter Judengaſſe
durch ihre Schacherwuth bei den Chriſten davon
tragen, in dem engen Raum ihres Schwarmloches
42
52
in welchem faufend zerlumpter Männer und WWei-
ber und nackter Kinder ſich um den Platz ſtreiten
den Fuß darauf zu ſetzen. Im Grab iſt mehr
Erdenraum. Welch Gedräng in dieſer engen
Gaſſe, welch lauwarmer Peſtdampf der Unrein—
lichkeit dieſer Gruppen magerer halbverweſter Is—
raelskinder, wachend und ſchlafend auf den Stu—
fen der Hausthüre liegend? wer hat Muth durch
dies Gewimmel ſich zu drängen wo man auf
dunkler Wendeltreppe hier und dort in die Haus:
haltungslöcher guckt, bis hinauf zum Dach wo
die Fallthür ſich öffnet, wo die Sonne durchs
Giebelfenſter den erſchacherten Pomp der Chriſten—
heit beſtrahlt, wo der Jude mit blitzendem Mie-
nenſpiel mit fixen Fingern und laufender Zunge
um des zufälligen Gewinnſtes eines Kreuzers hal—
ber ſich unzähligen Spottreden ausſetzt; auf der
Straße verhöhnt ihn der Pöbel; er klettert zwan—
zigmal alle Treppen hinan und wird eben ſo
oft wieder hinabgeworfen, Elendmüde ſtolpert er
Abends ins troſtloſe Familienneſt, wirft ſich und
ſeine Bürde hin, Alt und Jung umringt ihn, hat
er ein paar Batzen erganft, ſo hat er mehr um
dieſer Allerweltſünde gelitten, ſich zerlaufen und abge:
hetzt, als ein geiſtlicher Fürſt für die Sünden der
Welt je Ablaß ertheilte!“ —
53
Primas: Und Chriſten wie Juden arbeiten
im Laboratorium der Goldmacherkunſt, da geht
im Rauch auf was die Menſchheit veredelt, was Juver:
ſicht giebt in ihren höheren Beruf! Der Chriſt vergräbt
unter Ehrfurcht gebietender Scheinheiligkeit ſein
Gold, wie der gehöhnte Jude unter dem Kothlager
des Schachers, von dem er einſt wird auferſtehen
ſeinen goldnen Fuß den Chriſten in den Nacken zu
ſetzen! An den ſiebentauſend Juden hier in den
engen Schmutzwinkel, kann man das Ideal ihrer
Volks wirthſchaftslehre ſtudieren! Ganze Taſchen in
zerlumpter Kleidung, iſt ihr politiſcher Standpunkt,
ihr Vorrecht! — Ihren Gott — dieſen früheren
Gott als der der Chriſtenheit — der die Juden in
ſeinen beſonderen Schutz nahm, ſelbſt ihnen Geſetze
gab — Jahrtauſende lang ſie väterlich erzog —
vor jeder Gefahr ſie warnte, ſelbſt durchs rothe
Meer ſie geleitete und endlich das Paladium der
Menſchheit, die Erkenntniß feiner Einheit, ihnen an:
vertraute, aus deſſen Schooß der erſte als göttlich
anerkannte Geſetzgeber hervorging, hat man ſeines
Tempels beraubt und in dieſen Schmutzwinkel mit
verbannt; dies bezeichnet feine ſittliche Niederlage! —
Dieſes Vätervolk der Chriſten deſſen Religion die
Mutter der ihrigen war: von dem Augenblick als
ſie die Macht in Händen hatten, blos auf den Grund
54
bin, daß es dem Gott ſeiner Geſchichte anhing, iſt
mit Gewalt und Liſt ſeiner Freiheit, ſeiner Gerecht—
ſame der Natur und Moral beraubt; — das be⸗
zeichnet ſein energieloſes Sclaventhum! ihm iſt das
Recht auf Landbeſitz, der Gebrauch ſeiner Vermö—
genskräfte unterſagt, mit Gewalt und Liſt iſt ihm
fein politiſches Entwicklungsvermögen weggeſtohlen
und von der Stufe, auf der es vor Jahrtauſenden
ſtand, tief herabgeſtoßen und ſolcher Geſtalt in einem
unentfliehbaren Kerker des Verderbniſſes feſtgehalten,
wo es durch Mangel an Theilnahme, Mangel all:
gemeiner Veredlungsmittel in die ſchauderhafteſte
Sclaverei gerieth, das bezeichnet fein Todesurtheil!
— — Verweſung! — |
„Der Menſch ſpringt zum Himmel, auf aber
ihn zu erkämpfen verhindert der Stolz und die
Eigenſucht; — er macht die Geſtirne ſich unter⸗
than und die Geiſter der Natur, die Götter und
die Götzen, und dann giebt er ihnen die Ober⸗
herrſchaft über ſich nur darum, daß ſie um ſein
Schickſal ſich ſollen kümmern!“
Primas: Und er glaubt an Wunder, daß die
Gottheit am Webſtuhl ſitze ſeinen Lebeuslauf ihm
anzufertigen, ſo macht ſein Aberglaube ihn zum
Sclapen feiner eignen Phantaſie, aber ſonderbar
55
genug wendet ſich die Theorie derſelben auf Ge:
waltthätigkeit, Betrügerei und Raub an! —
„Und noch ſonderbarer kann man des Nächſten
Magd, Ochs, Eſel und alles was ſein iſt nicht
ſtehlen ohne dafür gehangen zu werden! hingegen
einer ganzen Nation Haus, Hof, Acker, Wald und
Wieſe und alle Ochſen und alle Eſel und allen
Beſitz rauben das kann man! — und beraubt
man gar die ganze Menſchheit ſo kann man dafür
als Genie vergöttert werden!“ —
Primas: Nur die Begeiſterung in ihrer Selbſt⸗
vergeſſenheit kann zu Unſterblichem befähigen, vor
dem die erworbne Moral die auf hölzernen Beinen
ſteht, die vernünftelnde Weltklugheit, die ein Tra⸗
bant des verſchleierten Despotismus iſt durch leichtes
dramatiſches Herabſtürzen ihrer Opfer, ihre Trauer⸗
ſpiele bemäntelt! — Vieles der Art hat die Zeit begra⸗
ben, nach Jahrtauſenden wo andere Sprachen, andere
Glaubenslehren über ihren entſchwundenen Bewoh⸗
nern wieder aufkeimen, wird dieſe Zerſtörerin dem
patriarchaliſchen Genius keinen Platz auf Erden
gönnen, ſeine Heerden nach ihrem Bedürfniß zu
weiden und ihre Entwicklung als heilige Schuld
zu übernehmen. — Die Sprache der Hirten wird
kurzgefaßt bleiben, in allgemeinen Ausdrücken über
die Triften unterhandeln, und die fetten für die
56
magern eintauſchen und die Heerde wird müſſen
ſtumm dabei bleiben. Und ob nun die Völker den
großen politiſchen Kreis durchlaufen als Sclaven
oder als ihre Unterdrücker ſo ſind ſie beide gleich
fern der Wahrheit und dem Recht. — Was ift
Wahrheit? Warum antwortete Chriſtus nicht auf
dieſe bittere Spottfrage des Pilatus?
„Chriſtus wollte den Schreckensgott des alten
Teſtaments verwandeln in den Vater der Men—
ſchen, er wollte die freie Cultur eines idealiſchen
Sinnes in ſie legen. Das war ſeine Wahrheit!“ —
Primas: Ja das war ſeine Kraft der Magie,
und darüber ſprach Pilatus dem Chriſtus Hohn,
daß er meine durch einen erhabnen Traum die
ſchlechte Wirklichkeit zu überwiegen, weil ihm aus
dieſer göttlichen Phantaſie in dieſer Verſchmelzung
mit der ſinnlichen Welt die Schäferſtunde idealiſcher
Erzeugungen aufging, in denen er zuerſt göttlich
ſich fühlte. Pilatus meinte, wo der nachſichtige,
humane Geiſt waltet, da wächſt das Llnferfte
bald über das Oberſte! und das wollte er rügen
in ſeiner Frage was iſt Wahrheit! — Und ſo
möchte Pilatus heute noch die Fragen thun,
wie bald würden die wurmſtichigen, rachitiſchen,
galligen, ſalamandriſchen Judenſeelen despotiſch über
die milzſüchtigen, ſchlaffen, hypochondriſchen, ſchwer—
57
athmenden Chriſtenſeelen herfallen, wär keine tückiſche
Prieſteroppoſition gegen ſie! — und die an den
Juden Argerniß nehmenden Chriſten ſind um nichts
beſſer als die um des Gewinnſtes willen ſich aller
Schmach unterziehenden Juden, und die Herren der
Welt dieſe nervenloſen empfindſamen Idioten, un:
heilbar, mondſüchtig, ſchwermüthig und ganz un—
ſinnig, haſſen und verfolgen jedes menſchliche Prin—
zip, fie treten auf, gegen die erhabenſten kühnſten Ent:
wicklungen aller Seelenkräfte, und halten ſich durch
den Reiz der Freiheit, den ſie beleben ſollten im Volk,
weit mehr gefährdet als durch ihre ſclaviſche Leiden—
fehaften. — Was ſoll den Juden Kunſt und Wiſ—
ſenſchaft, in denen die Chriſten mit ihren prahlenden
Fortſchritten als Menſchen ſo weit unter ſich ſelbſt
ſind, da ſie der einzig wichtigen und gemein—
ſamen Wiſſenſchaft der Geſammtwirkung, gänzlich
entbehren! Das Glück Aller iſt das meine,
auf Aller Daſein iſt das meine gegründet!
— Das iſt Weisheit, die zum Ziele führt!
„Das iſt Fürſten Tugend, die am Mißver—
ſtändniß ſcheitert!“ —
Primas: Und Volks Tugend! Aber es find
noch mehr Klippen an denen ſo wunderbare Eigen—
ſchaften ſcheitern! — Der Nationalſtolz — der Ver—
58
gleich mit Andern, die es ſchlimmer noch machen,
die beſchwichtigen das politiſche Gewiſſen der Für⸗
ften. — Als ob das Volk eine Schuld an fie zu
bezahlen habe weil fie es nicht fo ſchlimm be:
handeln wie der Nachbarſtaat, weil ſie die Geſetz⸗
bücher gegenſeitig verglichen und alles hervorhoben
was einen liberaleren Schein hatte, und unterdrück⸗
ten die Fürſprache der Vernunft für reine Natur⸗
geſetze für die Einzelnen und für die Nationen!
— Wer könnte klare Verſtandesbegriffe dahinein:
legen daß Freiheit darin beſtehe unter dem Schutz
der Geſetze zu ſtehen! — Als ob der Unterdrückte
frei werde durch ungerechte Geſetze! Auch der Ein—
zelne hat Rechte Nationen gegenüber, die nur ge⸗
meinſam-widerrechtlicher Gewalt gemeinſam können
abgerungen werden. Naturrecht! Einzige Straße
der Menſchheitsverklärung, Berge geſetzlichen und
ſittlichen Unrechts haben ſie verſchüttet und Zwie⸗
tracht durch Gegenſatz der Leidenſchaften künſtlich
erzeugt. Das Geſetz was nicht wie die Sonne
Alle erleuchtet, ruht nicht auf dem Gleichgewicht
Aller; iſt nicht Naturgeſetz. Nationen verſchwiſtern
wie die Glieder eines Leibes das iſt Volksſchule;
Geiſt und Heldenkraft erzeugen in Volk, für ſich aber
die Einfachheit des Kindes bewahren und frei wan—
deln zwiſchen politiſchen Rechthabern und ſpitzfün—
. 59
digen Widerſachern der geſunden Vernunft, das iſt
deutſche Fürſtenwürde.
Wir ſehen ja, daß die, welche öffentlich dem Teu—
fel widerſachen dennoch heimlich in ſeinen Klauen
ſich befinden. Die Taufe, dieſe magnetiſch⸗ kirchliche
Kraft, hat keine Wirkung auf die Fürſten; hätte je
ein Fürſt dies Symbol menſchlicher Berührung mit
göttlichen Kräften, in ſich bethätigt! Ja nur dies
einzige erſte kirchliche Gelübde: Ich widerſache
dem Teufel und gelobe mich dem heiligen
Geiſt! Hätte er es als Stufe betreten himmliſcher
Erleuchtung über irdiſche Zweifel und Aberglauben,
dann wahrlich, hätte er die Taufe empfangen für
alle Juden und in ihm wären Alle dem Cbhriften:
thum, nemlich der Menſchheitsempfindung in ihm
verſchwiſtert; ſo wie die Fürſten mit Chriſtus das
Ehrenrecht auch theilen, Bruder zu ſein der ins
Elend Verſtoßenen.
So lange die Geſchlechter mit immer erneuter
Einfalt und Vertrauen in ihre Fürſten, dem Schooß
der Natur entſteigen, ſo lange ſind es auch die
geiſtigen Blutbande mit dem Volke, auf welche das
Ideal der Menſchheit in dem Fürſten ſich gründet.
So lange beruht auch Alles auf ihm was das Volk be:
darf und verbürgt ihn dafür, alle Zwangsgeſetze zu
löſen der Prieſter und Kirchenväter; alle gewaltſame
60
Knoten der Politik zu zerhauen, um die in jedem
Einzelnen wiedergeborene Freiheit, dem elenden übel—
gebildeten Staatskörper aufs Neue wiederzugeben.
Ein Solcher nur iſt begabt mit unſterblichem
Einfluß auf die Menſchheit, er wird wiederkehren
nach kurzer Raſt des Schlafes den wir Tod nennen,
denn der Geiſt der Wahrheit in ihm wird nicht ge—
brochen durch Tod, er überwindet ihn mit der
Macht ſeinen Willen zu verkörpern in dem Volks—
willen, der nun nicht mehr im Märtyrthum der
Geſchichte als qualvolles Räthſel ſich ihm entgegen—
wirft. Das Unausgeſprochene ausſprechen, das
Unermeſſene erreichen, Zukunft ahnend neue Keime
erwecken aus der Verweſung: das iſt eines Für—
ſten Vorbehalt. N
Denn was könnte doch die Völker bewegen zu
huldigen Einem der nicht Urſprung iſt ihres eigenen
Ideals? — Er muß endlich dieſem Schöpfungsheerd
entſteigen und die Menſchheit in ſich emporrichten
zum Göttlichen. So iſt es mit den Fürſten: Eine
Idee, zwar ſelbſtſtändig in ſich, aber noch nicht
verwirklicht, erzeugt ſie die erſten Typen des Wer—
dens in dem läuternden Feuer der Geſchichte,
wiederſtrahlend in Gefühl und Geiſt der Na—
tionen, in dem Stolz auf ihre Fürſten. Das
iſt erſter organiſcher Herrſcherberuf. Was küm—
61
merfe uns Vergangenheit, wäre fie nicht Organ
unſerer Zukunft. Reflex des Werdens in uns, dem
der Geiſt in Träumen die Lockungen des eigenen
Ideals vorſpiegelt! — Wenn nun die Fürſten weil
fie das Gute einmal träumten, dafür die Menſch⸗
heit als undankbar zur Rechenſchaft ziehen wollen
und Rechtfertigung und Vorwürfe darum dem Ge—
ſchick aufladen daß es nicht von ihnen erreicht wor⸗
den; wenn ſie für die höchſten Fürſtenrechte denen
die Völker vertrauten, Andre wollen verantwortlich
machen und ſo ihrer Gelöbniſſe ſich entbinden? —
Wenn ſie alſo ihre edlen Anrechte zinslich veräußern,
und dennoch einen Gehalt eingeborner fürſtlicher
Geltung in ſich annehmen, und ſonſt Verdienſtlos
alles Andern ſich begeben: dann geht es abwärts,
eine Stufe niedriger noch als ihre ſtumme Heerde
links und rechts treiben oder ſtille ſtehen heißen! —
Vergeudung königlicher Rechte, iſt Verſchütten
des heiligen Chriſam der die Fürſtenhäupter ſalbt,
ſt Entmannen der Fürſtenwürde, der das Volk
nun nicht mehr traut und ſich erhebt über die
blutigen Stufen des Richterſtuhls von dem die
balſamiſchen Oele nicht niederfließen auf verbitterte
Herzen, ihre Wunden zu heilen. N
Gewalt ſoll nicht Rache üben, denn weil ſie
vernichtend iſt, ſo iſt ſie teufliſch! — Welcher iſt
62 x
tiefer verletzt als der die Schuld trägt? Wel:
cher bedarf mehr des Schutzes? — Und der
ihn beleidigen wollte, dem ſoll er ſeinen Mantel
öffnen und nicht ihn preisgeben ſeinen Verfolgern!
zum Wahrzeichen, daß die Würde des Menſchen
in dem Fürſten unantaſtbar ſei, denn es iſt ein ge⸗
fährliches Spiel um fie im Fürſten der Vorbild ihr
ſein ſoll und den Purpur ſchützend breiten über ſein
Volk; und die Rache ſoll austilgen aus Menſchen—
ſchonung und erhabener Heilbringer dem Volk, allem
zuvorkommende Rettung ſoll ſein, zuerſt im eigenen
Buſen. Kein Gnadeflehen umſonſt, aber jedem Ber:
dienſt ſich erneuerndes Dankgefühl! — Alles nur
Liebe zur Pflicht gegen das Volk, jede Schuld auf
ſich nehmend, jedes Verbrechen als eigne Schuld
anerkennend, weil er ihm nicht durch Weisheit zu:
vorkam. Und hebt den Schuldigen an ſein alles
Uebel vergütende Herz, ihn zu ſchützen gegen die
Wiederkehr und gegen die Rache an ihm; — und
hebt ihn von Stufe zu Stufe zu ſich hinauf, denn
Er iſt der Bruder von dem Sohne des Menſchen,
denn aus dem Irrthum ſelbſt erblüht ihm die
Wahrheit und vereinigt die Vernunft mit dem alten
und neuen Teſtament! — Denn der Himmel unter⸗
zeichnet kein Urtheil für ſclaviſche Unterwerfung un—
ter geiſtliche und politiſche Tyrannei, und die Vor⸗
63
ſehung miſcht ſich nicht in die Geſchichte die uns
ſchon lange müßte groß gemacht haben und unſern
Geiſt befreien von dem was man abſichtlich ihm
aufladet! — Hätten wir Erleuchtung die den freien
Blick aufs Ganze richte, und philoſophiſchen — nicht
theologiſchen — Sinn für die Weltereigniſſe! Dann
würden auch die Machthaber keiner Staatskrücken
mehr bedürfen.“)
„Die Fürſten ſollten beten: Herr bewahre uns
vor Krücken, mit unſern Beinen wollen wir ſchon
fertig werden! und ein Geſetz wollt ich machen,
wer nicht auf eigenen Füßen könne ſtehen, der ſolle
nicht mit Krücken das Herrſcherauge beleidigen.“
Primas: Krücken ſind aber eine Erbſünde
der Fürſten, Fürſtenkrücken ſind die ganze ihn um⸗
gebende Geſellſchaft; ſie kommen von ſelbſt ihm
unter die Arme zu greifen und lehnen ſich auf ihn
noch ehe der erſte Schritt gethan iſt!
„Ein Fürſt braucht nur ſo viel Genie, die
ſchlechte Umgebung von der guten zu unterſcheiden
und er würde groß in der Geſchichte genannt
werden.“
*) Bis hier her die Unterhaltung mit dem Primas
nachgeſchrieben.
64
Primas: Ein Fürſt der Freunde braucht ihn
zu ſtützen, wird nie groß werden, denn ſeine Freunde
find feine Verräther! —
„Warum ſollten Alle Verräther ſein!“ —
Primas: Ein Fürſt kann keine Freunde ſich
ſchaffen, der Stoff iſt zu ſchlecht den er dazu
braucht. Gott hat die einfache Erde gebraucht um
den Menſchen zu ſchaffen! — Einen Freund ſchaf—
fen wäre ein Ulniverſum erzeugen in der Knopse,
aus dieſem Sinnlichen ein Geiſtiges emporſteigen
laſſen. — Alles für einander fühlen für einander
thun, das Gewiſſen ſein für den Freund, das iſt
erſt die ſinnliche Wärme für das Erdreich aus dem
dieſe geiſtige Pflanze hervorſteigen könne, die neu,
wirkend ſchaffend ins Blühen tritt, dann erzeugt ſie
tauſendfältige Frühlinge in denen ſie heiligend auf
den Geiſt des Freundes wirkt.
„Warum ſollte aber der Fürſt dieſen Freund
ſich nicht erzeugen können in dem Menſchen der
aus Erde gemacht iſt, die allen Samen fruchtbar
machen ſoll!“ |
Primas: Gott thut keine Wunder mehr, heißt:
Er verzagt an ſeinen Werkzeugen den Menſchen, das
Große durch fie hervorbringen zu können. Ein Fürſt
aber, der mit Gold, mit unnützen Würden und Eh—
renbezeichungen meint die Freundſchaft in dieſen Bo—
65
den zu pflanzen an dem Gottes Inſpiration ver—
zagte, erzeugt nur verborgne Anſprüche die zuvor—
kommend wollen befriedigt fein. Ja ein Fürſt der
Alles nur um der Größe willen ſoll verrichten
— wie könnte der unter Heuchlern und Schmeich—
lern, unter eingebildeten übermüthigen Narren die
mit genügſamſter Überzeugung ihres Verſtandes,
Natur- und Völkerrechte menſchliche und göttliche
Geſetze nach ihrem Gutdünken unterdrücken, aus—
rotten, zermalmen; wie könnte der unter dieſen
einen Freund finden der nicht zum Verräther würde
an ihm? — Und wenn er des Volkes Sehnen
und Hoffen erfüllte, ſo konnten ſie das nur när⸗
riſch finden, da ſie ſelber vom Gemeinen zum
Höheren keinen Beruf fühlen. Ja, ſo müßte ein
Fürſt auf ſich ſelber nur ſich ſtützen. Aber
dieſe Geniuskräfte find verſiegt unter chriſtlichen
Fürſten! ſie pflanzen dem Volke keine Treue ein,
ſie kreuzigen es und würfeln um ſein Vaterland
und reißen die Bande los mit denen es an den
Sürftenffamm gebunden war. Sie reißen feine
Heimath in Stücken und jeder behält das meiſte
was er vermag, und meint ſich den mächtigſten,
und hat nicht Macht des Geiſtes ſondern des
Wahnſinns, und rottet aus im Volke allen Lebens
trieb und ſeine Kühnheit und edlen Willen, und
5
66
nennt ſich felber groß, ruhend wie ein Drache in
der Wüſte auf einem” fodfen Schatz!
„DO wär ich ein Geiſt! unſichtbar — und
könnte meine Flügel ſchwingen, fort durch den
ſtillen Ather, durchs dunkle Gewölk der Nacht, auf
ſeines Thrones Fußſchemel mich niederlaſſen und
ihm verkünden die reifenden Zwecke alle auf die
Gottes Wille hindeutete als er ihn erſchuf!“
Primas: Ein guter Daemon wären Sie ihm
da! — und was könnte der in feiner Unſichtbar—
keit nicht alles wagen, und ihm ewig wiederholen
was er mit verſchloſſenen Ohren mit Vorurtheilen
gepanzert ſchon von weitem abweiſt und als
Verbrechen ſtraft, wenn das Glaubensbekenntniß
der Vernunft den irrigreligiöſen den irrigpolitiſchen
Schleier der die Augen der Fürſten verhüllt, auf:
hebt! — |
„Du wagſt nicht Held zu fen unter Hel—
den? würde ich ihm ins Ohr flüſtern: Du
nennſt es Übermuth, was im Volk allein noch als
Schöpfungskraft liegt! — Du trägſt es nicht
mächtigen Geiſtes zum allliebenden Vater, nicht an
den Buſen der Natur willſt du es leiten — kein
ſaatenvolles Grün, nicht ihre Frühlingsbäche, ihre
Ruhe der Wälder, die reine Luft ihrer Höhen giebſt
Du Deinem Volk zu trinken und nicht die kühnen
67
Gewitter die über ihm hinziehen. Alles bedeutet
nichts vor Deinen verführten Sinnen; kein Blü⸗
thenregen der Hoffnung herabträufelt, reinigt Dei⸗
nen verblendeten Geiſt. — Düſteres Grau unter
dem Brauſen des ungeſtümen Windes umwölkt
ihn und die ſanfte Luft die jetzt ſpielend über die
Saiten Deiner Empfindung hinſchwirrt in meinem
Flüſtern, die willſt Du nicht achten? — Und jetzt
würde ich ein kleines Weilchen harren daß er dieſe
einfältige Rede könne bewegen in ſeinem ſchwer—
müthigen Herzen.“
Primas: Und das würde dieſe ſanften luft—
zerfließenden Klagetöne mit keinem Wiederhall be⸗
antworten.
„Vor liebendem Verlangen ſein Herz zu ſchmel—
zen rede ich weiter. „Du ſchlummerſt gefeſſelt von
Trug und Gewalt! Dein trauriger Daemon durch—
forſcht die Dde! — Die Muſen Deines Thrones!
O rufe ſie zurück — Weisheit, Muth und
Mitleid — ſüßes Mitleid mit den Menſchen die
Dein Volk ſind.“
Primas: Da würde der ſchlummernde Fürſt
plötzlich erwachen bei dieſem ſchwärmeriſchen Flü—
ſtern. 0
„Und dann feinen Daemon bitten: bleibe bei
mir!“
5 *
68
Primas: Nein — Er wird ſich von feinem
Ruhepolſter erheben und der kleinen ſummenden
Mücke die Nachts wie eine Violine ihm vorge—
zirpt hat, einen Schlag verſetzen. a
„Aber der Daemon entwiſcht und vo wieder
zur gelegneren Zeit!“
Primas: Da würde ich ihm doch rathen nicht
wieder ſo fein zu ſummen ſondern etwas derber.
„Jetzt ziehe ich die Wolken vor Deinem Geiſt
weg! — horche auf die Geiſter der Finſterniß!
wie ſie mit derben ungeſchminkten Wahrheiten
Ball ſpielen, und Deinen Brüdern ſie an den
Kopf werfen und alles zertrümmern was Ge—
wohnheit und Sitte heiligt! Indeß Du hier ſchlum⸗
merſt, jauchzen verwegen, ſchrecklich Verblendete
über dem Riß im bebenden Grund vom rauchenden
Blut, das mit Leichen Deines Volkes ihn füllt!“
Primas: Da hätte der Daemon ſchon ſehr
ſtark geſümmt für ein Mückchen, man wird ihn
für eine große Brummfliege halten.
„Ich habe ja ſelbſt ſchon eine Brummfliege für
eine Baßgeige gehalten und dachte träumend wer
mir doch dieſe ernſte Muſik bringe!“
Primas: Eben ſo wird der Fürſt im Traum
dieſe feierlich prophetiſche Muſik eines Daemon, der
69
ihn bekehren will, für eine Brummfliege * die
ihn umſchwirrt.
„Und dann — wie konnt ich nur e verwe—
gen brummen!“ —
Primas: Nun ſcheut ſich der Daemon weil
der durch ſeine eigne Prophetengabe ſich ſelbſt
in Schrecken geſetzt hat! —
„Der Mond ſcheint, ich dehne meine Flügel
und ſchwimme im duftigen Nachtſchimmer! — ich
wiege mich im Abglanz der Geſtirne und ſammle
ihr blühend Licht in meinem Geiſt um recht un—
widerſtehliches ihm zuzuflüſtern!“
Primas: Da kommt Satan geflogen, in einer
ſchwarzen Sturmwolke mit einer Botſchaft, die
ſchon im Voraus den Fürſten gegen das reine Licht .
erbittert! und hohnlachend berührt er mit fehlän:
gelnden Blitzen aus ſeinen Augen die Daemons⸗
flügel, daß ſie zu Aſche zerfallen.
„Dieſe Lichtflügel ſind unverſehrbar, ſie ſind
Luft die den ganzen Ather bildet, und nachdem
der finſtere Geiſt mit böſer Botſchaft des Fürſten
Zorn aufregte, kommt der gute Daemon ſeine Stirn
zu kühlen.“
Primas: Nun mit welchem Getön wird er
angeſummt kommen?
70
„Ach ich weiß es nicht! — — Ja ich weiß
nicht was er da ſagen wird.“
Primas: Ob im Baß oder Diskant! —
„Und mir wird bange.“ — *
Primas: Weil Du den Teufel witterſt — der
in ſeinem Herzen Poſto gefaßt hat! —
„Nein, weil dies herzliche Streben mich wie
das wogende Meer dahin trägt und weil ich wie
im Kampfſpiel, zur Feier eines großen Gelingens,
alles Bedenken wie einen leichten Blumenkranz in
Händen ſchwinge — und weil ich das ſo ſehr wollen
muß, was im Herzen mir die Weisheit je,
die mich funft fo ficher machte!“ —
Primas: Muth gefaßt Daemon, feufze jauchze
donnere! — ſtröme aus, was Sieg zu Sieg Dir
erſtreitet!
— — „Du ſchläfſt — der Geiſt der Fin⸗
ſterniß hat eben Dir Gräuel vorgeſagt, und ein,
alles menſchliche Gefühl, verſchlingendes Maal mit
frechem Finger auf Deine Stirne gezeichnet! Er
hat Dein Wort Dir abgenommen ſeinem Willen
Dich zu fügen! — Die Binde der Gnade hat er
Dir zerriſſen und der vermeſſne Stolz der meiner
Wahrſagungen ſpottet, hält das Schwert über
Dir! — Sieh eine neue Welt beginnt, verwirrende
Räthſel ſind ihrer Auflöſung nah! Du brauchſt
74
nur die Hand aufzuheben mit göttermächtigem
Schwur, das Land nicht dem Verderben, dem die
eignen Kinder verſchlingenden Gott nicht zu wei⸗—
hen.“ |
Primas: Mir ſcheint der Herrſcher dem dieſe
Pindariſche Hymne gilt, ſchläft ſehr feſt und hört
gar nichts davon.
„Laſſe nicht Gewalt des Frevels Dich unter—
jochen, ertrage mein ſtürmiſches Wehen, unter, mei:
nem Fittig will ich Dich tragen zu Thaten die
immer kühn und ſtark Dir im Buſen Licht an⸗
fachen!“ —
Primas: Der Daemon ſchweigt? En.
„Es iſt meinen Sinnen plötzlich alles un
was er ſagt!“ —
Primas: Oder fürchtet vielleicht — er wird
erwachen! — und im Zorne das Mückchen — —
„Der Daemon fürchtet nichts, — als die Gluth
der eigenen Begeiſterung!“
Primas: Da Du ihn doch nun beim Fittig hältſt
Daemon, ſo laſſe ihn nicht ſo ſchnell wieder los,
der Monarchen Ohr iſt ein Talisman um die Welt
zu regieren, und der iſt ein Genie, der durch dieſen
Trichter die Wahrheit filtrirt. —
„Er ſchläft ſo feſt — fein Ohr iſt feinem gu:
ten Daemon verſchloſſen.“
72
Primas: Ein König hört Alles nur wie im
Traum! Schlafend dringt die Wahrheit heller ihm
ins Ohr als wachend, wo ein Markt voll Unter—
thanentreue und Tugendideale ſich ihm feilbietet;
mich ſelbſt regts daemoniſch auf, ſeine Antworten
auf Tranmwellen Dir herbeizuſchiffen.
„Er ſoll revolutionär werden.“
Primas: So muß das Mückchen Regententu—
genden in ihm wachſummen, die er im Traum
ſelbſt für Traum hält, und wenn er auch daran
glaubt, Wahre Ideen ſind Contrebande für Für⸗
ſten, die ſie nie verwirklichen.
„Wie dem Abas der Schenke den Becher
heimlich kredenzt wenn die Veziere das Antlitz dem
vollen Mond zukehren; fo in geräuſchloſer Mit:
ternacht kredenze ich ihm den vollen Becher der
Gedanken, ſein Duft zerſtreut die Täuſchung wie
Norgenluft den Höhenrauch verjagt!“
Primas: Fallen Sie ihm nicht mit der Thür
ins Haus, daß feine magnetiſchen Traumwellen ain
dieſſeitigen Ufer heraufbrauſen können. — Nun
rede weiter Daemon.
® *
®
Daemon: Iſts wahr o träumender Fürſt, daß
73
Vorurtheile, denen die Menſchheit längſt ſchon den
Laufpas gab, vor Dir noch Gehör finden? —
Schlalender König: So rede, wenn Du es
beſſer weiſt!
Daemon: Kein Weiſer oder Unweiſer, dem nicht
der ein Argerniß wär, der es beſſer weiß! — Kei—
ner, der nicht einen ſolchen als Abenteurer verſchreien
würde vor Dir, als einen frechen aber unbedeutenden
Strudelkopf, einen bloßen Brouillon von Menſch,
auf dem alles verzeichnet iſt, was im Vorüberfliegen
an ihm hängen blieb!
Schlatender König: Ja! — man würde ihn als
einen Verräther ausſchreien.
Daemon: Und wie der aufgehetzte Saul nach
dem ſanften Weisheitsſänger, würdeſt Du den Speer
nach ihm ſchleudern. Eine Mücke will erproben an
Dir was ſie vermag, und die Seele auf Höheres
Dir richten, ſo lange Du ihr Dein Ohr leihſt. Nicht
mehr ſollſt Du auf dem alten Fleck nach Grund
wühlen in den Krümmungen unfläthiger Verwal⸗
tung die jedes Geſchehen mit feiger Lüge bezeichnet
und dann dem Herrſcher darauf ſchwört, der daran
glaubt und auch darauf ſchwört und endlich jedes
furchtloſe freie Gefühl von ſich abweiſt, woraus
74
Volkshaß und Fürſtenhaß entſtehen! — Das kann
Dein guter Daemon nicht dulden. — Die Welt
die Deiner bedarf kannſt Du nicht verdorren laſſen
unter Dir, Deine Gedankenfluthen müſſen nieder—
regnen auf die Menſchen; Du mußt ſie erleuchten
wie Apoll; wie Zeus ſie erſchüttern und be—
leben, ſonſt biſt Du Deiner Macht nicht werth. —
Sieh die ausgeſtoßenen Völker unter dem Bann
von Machträubern in fremden Welttheilen von
Sonne Regen und Wind den Tod einathmen —
ſie ſind nicht ſchlimm, ſie haben Dir nichts zu Leid
gethan. — Kannſt ſagen: ich ſchäme mich dieſes
Stoffs? — Kannſt Du nicht das Göttliche in Dir
über ſie ausbreiten? Zwar Du ſtehſt allein, aber
Einer der ein Menſch iſt kann mehr als alle die
Unmenſchen ſind. Mich deucht ich ſehe Dein Volk
ſchon die Schwungfedern feiner gewaltigen Jugend
mauſtern und ſein ungeblendet Auge im Glanz der
Mittagſonne üben! Und als ein Mann der aus
dem Schlaf erwacht Dein Antlitz erheben über
Dein Volk, deſſen jeden Tropfen Bluts Du weder
vergießen wolleſt zu feiner Schmach noch zu Dei—
ner Rache und an ſeinem großen Stamme keine
Blüthe brechen. Frei und menſchlich ſollſt Du
ſelbſt das Böſe zum Guten wenden und alle große
75
Genien aus Einfluß des Himmels follen Deine Le:
bensgeiſter ftügen. ®)
— — — — — — — — — —
—— —— — — — — — — — — — — —
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) Lücke eigener Cenſur.
76
Schlafender König: Du fprichft von Erbe:
bung des Volks, von Abfchaffung der Menſchen—
plagen, von Abſchaffung des Kriegs! Mit welchen
Mächten willſt du dies Feld ewigen Streites er—
kämpfen! —
Daemon: Nicht mit Deinen Staatspfeilern, die
bedenklich den Finger an die Stirn legen um ihre
Beſchränkungsgeſetze zum wenigſten ein kleines
Jahrhundert noch dem Volk auf dem Nacken zu
laſſen; Du ſiehſt es in der Ferne dahin ſtolpern
über die Frucht ihrer Unweisheit in die der Wurm
ſchon mitgeboren war. Die Verewigungsſucht
ihrer Thorheiten iſt wie ein Räucherkerzchen was
auf dem Papier über einem Glas Waſſer ſeinen
Rauch ausduftet! und durchbrennt ins Waſſer,
Alles glaubt ſich ſchon befreit von dem Gebrechen
ihrer kleinlichen Geſetzespolitik, da glüht das Kerz—
chen in vermindertem Maaßſtabe zwar, doch
wieder auf dem Papier über dem Waſſer, ſein
guter Geruch verflüchtigt, aber peinlicher noch.
hat es den papiernen Boden bald wieder durch—
gebrannt, — Willſt Du noch einmal es aus dem
Waſſer hervorholen um es noch krüpplicher vor
dem wachſenden Menſchengeiſt aufzuſtellen, der
nicht mehr wie müſſige Kinder ſeine Langeweile
daran zerſtreut, ſondern den ſchon zweimal durch—
77
löcherten Boden des Geſetzes mit Füßen ſtampft!
Und weil dieſe Volksankläger immer erbitterter
Dich umſtehen, willſt Du Deinem Volk die Zucht—
ruthe fühlen laſſen? — Könnteſt Du den Geiſt
der Revolution in Dich aufnehmen, dann wärſt
Du auch Genius des Volkes der ſich ſelber einſetzt
und Geſetze ausſtrömt die den Geiſt befruchten!
Schlakender König: Kannſt Du mich revolutio—
när machen, ſo ſei es Dir erlaubt.
Daemon: Das weiß ich, daß es mir dann er⸗
laubt ſein würde. Doch flüchtig wie brauſender
Champagner kann ich Deinen Geiſt nur durch—
blitzen, wenn der aber wieder einſchläft über den
Wahrheiten die er mir Traumweiſe zugeſteht, dann
iſt alles umſonſt!
Schlakender König: Nein! ich will das hohe
Pferd Deiner Ideale beſteigen. Du haſt mich
lüſtern gemacht — hilf mir in den Sattel!
Daemon: Sitzeſt Du feſt, dann laſſe Deinen
Wolkenſtampfer durchgehen mit Dir, — ſchleudre
Deinen alten pergamentnen Staatsverwaltern den
Nebelſtaub ſeiner Hufen in die trüben Augen und
ſteige auf wie der Roland den ſie den Raſenden
nannten als er zu den Sternen hinauf gallopirte,
um denen abzufordern, was der Menſchheit Heil
brachte. —
78
Schlatender König: Wie? dies Roß ift be
flügelt! — Und ich ſoll es beſteigen, da es ſchon
flatternd mit ſeinen Feuerhufen auskratzt — und
mit ſeinen Nüſtern die Wolkengebirge anſchnaubt
und die Winde zerpeitſcht mit ſeinen ungeduldigen
Schwingen — und keinen Augenblick zur Beſin—
nung mir läßt? —
Daemon: Zaghafter König! — müſſen Gewit⸗
ter nicht raſcher ſich entladen von Winden durch—
pflügt? und iſts nicht herrlicher, kühn und frei,
die Stürme mit Sonnenſpeeren durchſchleudern die
ſich niederlegen zu Deinen Füßen, als Herr ſein
eines Haufen von Schergen, die mit ihren Mar—
terwerkzeugen Dich angrinzen und Deine Befehle
Dir in den Mund legen — und noch ehe Du
wagſt ſie nachzuſprechen ihnen zuvoreilen und dann
ihrer Treue bei Dir ſich rühmen? —
Schlakender König: Nein ich ſetze mich nicht
auf, wo dies Roß mich über mich vr zu fra:
gen droht.
Daemon: Über Dich ſelbſt? — Der Gaul
muß über Dich ſelbſt Dich tragen! — Wohin ſoll
er mit Dir? —
Schlakender König: Du — mich belehren und
ich will prüfen. —
* So laſſe nach meinem Dünken Dich
79
fragen und antworte Du ohne Rückhalt: — hältſt
Du Deine erbliche Krone für ein Produkt der Na—
tur? — hat ſie Kraft zu wirken unabhängig von
Deinem Volk ſelbſt? — hältſt Du ſie f. ein ge⸗
heiligtes Ding? —
Schlakender König: Es wäre möglich und dar—
aus viel zu beweiſen was man bisher ableugnen
wollte.
Daemon: Hierzu gehört das Recht ſich ſelbſt
einzuſetzen, glaubſt Du an dies Recht? —
Schlalender König: Sie muß und kann ſich
ſelbſt einſetzen, und wenn Widerſpruch da iſt ſo
muß ſie ihm Trotz bieten können.
Daemon: Das würden die Menſchen Despo-
tie nennen! Aber der Begabte iſt das Licht bei
dem jeder findet was er ſucht. — Dies iſts wo—
mit der Erleuchtete Trotz bietet, denn ſeine Schritte
geben dem Bewußtſein Widerhall in Allen; und
weſſen Schritte dieſen Widerhall nicht geben, der
kann ſich auch nicht ſelbſt einſetzen. Aber ein ſolcher
kann ſagen: ich habe die Macht Euch zum Trotz!
Und es iſt gleichgültig ob es ihm beſtritten
werde, da Alle fühlen, daß jeden ſeine Macht
durchdringt.
Schlakender König: So wäre auch der Herr:
ſcher nicht unabhängig von dem Volkswillen, da
80
nur, indem das Volk in des Herrſchers Willen
ſich empfindet, es von ihm beherrſcht iſt! Geſetz—
mäßig wäre dann nur, was vom Volke mitge—
dacht wird und erbliche Folge wäre dann nicht
Geſetz!
Daemon: Erbt denn der Geiſt nicht fort?
Schlakender König: Das möcht ich von allen
Erbfolgen am erſten bezweifeln.
Daemon: Wie? — Du meinſt die Wahrheit
erbe nicht fort, und aber die von der Staatsbürg⸗
ſchaft eingeſetzte Krone? —
Schlakender König: Träumte ich, fo ließ ich
mirs eher weißmachen, aber bei wachen Sinnen
kann michs nicht blenden. Nicht durch Staats—
bürgſchaft ſondern durch Gotteingebung die meinen
Willen bildet iſt meine Krone erblich. —
Daemon: Gotteingebung die Deinen Willen
bildet iſt Geiſt. — Ein Geſchlecht geht hervor
aus dem andern und ſchöpft für die Nachkom—
men aus den Quellen der Vorfahren. Bei
jeder neuerſcheinenden Kraft der Menſchheit kann
der nur König ſein der dieſer Kraft Träger iſt. —
Das Genie wählt ſich ſelbſt weil es der Ausdruck
iſt dieſer Kraft und ſie als Erbfolge für die Zu—
kunft in ſich reift! — Dies allein iſt Recht der Volks⸗
kraft ſich zu bemächtigen. So bemächtigt die Aus:
81
bildung des Leibes fich feiner Kraft zu wachſen, fo
verwandelt der Geſetzgeber ſich in den Erblaſſer
deſſen letzter Wille die Erhebung ſeines Volkes iſt;
es kann dieſem Naturweg der Geſchichte nicht aus—
weichen wie auch der reifende Jüngling nicht dem
ausweicht, ein gereifter Mann zu werden.
Schlakender König: Du denkſt das Volk als
Phönix der aus eigener Gluth erneut im König
emporſteigt. Du meinſt Herrſchen ſei allein Ver—
‚geifligen der Menſchheit.
Daemon: Du haſts geſagt!
Schlakender König: Du träumſt Freund! Auch
der Fürſt iſt gefeſſelt an ein anderes Wirken,
durch alle Bande der Seele und des Leibes gefeſ—
ſelt an die Formen der Welt, die keinen Anzie—
hungspunkt haben für das Volk, dem man ver⸗
geblich Empfindung ſeiner Würde und Pflichten
ſucht einzuflößen! — aber mit Leichtigkeit die Em—
pörung anfacht in ihm. Findeſt Du dies den
rechten Zeitpunkt die Ordnung der Dinge umzu⸗—
wenden? Das Volk, ſo unwiſſend ſo dumm ſo
fähig jedes übeln Eindruckes, ſo reizbar ſich al—
len Ausſchweifungen hinzugeben. Iſt unter dieſer
-fauſtgerechten Schreckenszunft ein Übergang mög:
lich zu ſeiner Freiheit? — Und der Fürſt der nur
in der öffentlichen Meinung Entſchädigung findet,
6
82
fo bedachtſam verfolgt durch böfen Leumund! Was
könnte von dem noch erreicht werden da die Hand
ie er anlegt ſelbſt Argwohn einflößt! *)
.
Daemon: Das beweiſt, wie die Kräfte des
Volkes auf einen höheren Punkt gerichtet ſind als ſeine
Peiniger verſtehen. — Daß ein zweckwidriger Unter⸗
richt es ablenkte von jenen Pflichten und Würden
die urſprünglich in ihm liegen, daß die Em⸗
) Lücke eigener Cenſur.
83
pörung eben nur in Flammen ausbrach gegen das
Ankämpfen ſeines gelehrigen Geiſtes, der zu den
edelſten erhabenſten Handlungen aufgelegt iſt ſobald
die Freiheit ſie ihm zugeſteht, die allein Anarchie
ertödtet und befreit vom Druck der Formen, denen
die Herrſcher wie Du ſelbſt ſagſt, Leib und Seele
aufopfern und nichts davon haben, wie Du ſelbſt
erkennſt, als böſen Leumund und den Fluch des
Volkes, wie Du ſelbſt empfindeſt, daß des Staates
Mißgeſtalt auf Dir lehnt und ſeine böſen Zuckungen
quer über Dir ausringt. — Den Ruf nach Frei⸗
heit, die Brandmale der Gewaltthätigkeit die das
Volk aufweiſt, will der Staat lieber erſticken als
der rechtfertigenden Vernunft nachgeben um den
Lauf des Ungewitters zu hemmen, und doch ſeufzt
er unter demſelben Druck. Und der Druck des
Gewiſſens der Berge verſetzen ſollte, ladet Berge
auf ſich, und den Teufel in die Flucht ſchlagen
ſollte, ladet den Teufel ein ihm die Zeit der Angſt
zu vertreiben — zu ſchwach iſt es die Feſſeln
des Molochs zu brechen aber das Volk ſtark
und friſch, hat Gefühl von dem was böſe iſt
und gut, es wird keinen Blutgeboten mehr ge:
horchen wenn es in die Reihe denkender We:
fen eintritt, es wird nicht feine Stärke miß—
6 *
84
brauchen, es wird mild fich zeigen und dankbar
wenn ihm Gerechtigkeit widerfährt mitten in der
Revolution ſeines Innern, was nur zu Freiheits⸗
vulkanen ſich ausbildete weil ihm das Gleichge—
wicht der Bildung und Anerkenntniß verſagt ward.
Ja es iſt Revolution der Geiſtesnatur gegen den
Moloch der Regierungsformen an dem das
| ganze Regiment zerſchellt. Form ift nur da wo
der Geiſt nicht iſt. Form iſt Geſpenſterweſen, vom
Geiſt wie Nebel vom Sonnenlicht zerſtreut.
Schlakender König: Mir wird wohl, die Heiterkeit
der Jugend lacht mich an, heraus aus dem Öefpen-
ſterverließ, mit des Geiſtes Sonnenſtrahlen ſie vor
mir herzujagen. |
Daemon: Die Geſpenſter — Die Kleinigkeits⸗
krämer!
Schlalender König: Die fo wichtig thun bei
Allem was ſie vollführen! — das wär wichtig
wenn ſie's unterließen.
Daemon: Dann wär der Begriff doch gerettet
daß etwas geſchehen müſſe.
Schlakender König: Herunter erbend auf die
Zukunft untheilbar unvernichtbar, übergehend in
Fleiſch und Blut der Geſchichte.
Daemon: Recht ſoll forterben, es iſt die Gefund:
85
heit der Welt. Unrecht iſt re an dem erſter⸗
ben die Nationen.
Schlakender König: Sie iſt das Ungeheuer das
über den Pfad ſchleicht und aus der Völker Her—
zen Mördergruben macht. Wer kann die Volks—
treue wieder herſtellen.
Daemon: Ha du fragſt? — Du ihr natürli⸗
cher Erzeuger? — Du der die Rechte des Volkes
ſoll erweitern; und hinübertragen in ein Reich des
Begriffs den es noch nicht hat? Der Geſetze ſoll
gründen die den Schatten vor ſich herjagen deines
hellleuchtenden Ruhmes? —
Schlakender König: Geſetze die keinen Schatten
werfen? — Wie wär das möglich in dieſer Zeit
ſtürmiſchwandelnder Wolkenzüge, die herab brauſen
ſchwarzgeflügelt, und einen Schlund voll Gewitter
ausſpeien. f
Daemon: Wenn der Sturm wühlt und mit
Geſchrei die Rathloſen an knarrenden Tauen ſich
halten — Wenn das Steuer kracht, und unter
Wettern der Maſt ſich beugt; dann ſteht der Steuer—
mann nahe den Göttern und legt ihren donnern—
den Willen aus.
Schlakender König: Könnt ich in dieſen Stür—
men nur mir den donnernden Willen meiner Staats-
pfeiler auslegen.
86
Daemon: Denen wollteſt du Sclave fein müſ—
ſen? Mißbraucht wie ein Pfeil der auf jeden Beſ⸗
ſern losgeſchnellt blindlings dahinfährt und keine
Gewalt hat und kein Recht ſich zu behaupten? —
Sıhlafender König: Was iſt Recht das ſich
behauptet?
Daemon: Was nicht vom Gemeinwohl ſich
ablöft! Herrſcherrecht iſt Aller Vermögenheit Quell
er entſpringt dem Vertrauen des Volkes. —
Schlakender König: Vertraut mir das Volk? —
und bin ich ihm Quelle des Heils? — Mir iſt als
träumt ich ſo ſchwer ſo athemverſetzend! — Es
iſt doch alles nur Traum! —
Daemon: Du glaubſt zu träumen beim erſten
Erwachen aus dem Traum.
Schlakender König: Nein ich fühle mich ſelbſt
mitten im Krankſein der Welt und ſuche Hülfe! — .
Daemon: Ja! — ſuche Hülfe Machthaben⸗
der! —
Schlafender König: Spotte meiner in dieſem
vom Selbſtdenken Selbſthandeln abgeſchloßnen Ver—
derben! —
Daemon: Als jener Ehrenmann feinen Thier—
garten umzäunte um die Krähen einzuſperren, da
waren die Krähen nicht klüger als du, aber aus
Naturtrieb flogen ſie über die Hecke und ahneten
87
nicht daß fie eingeſperrt waren und dableiben
ſollten. -
Schlakender König: Und der Ehremmaun, —
was ſagte der? —
Daemon: Danach fragten die Krähen eben
nicht! —
Schlatkender König: Fable mir nichts vor, —
ich fühle mich leidend!
Daemon: Ein ſo rarer Vogel wie du! flöge
der über die Ringmauer der Reſignation das
wäre Weltenerſchütternd.
Schlakender König: Und die Bauleute der Staa—
tenordnung und der Genius der Volksemancipation
und die Pfeiler der Gottesfurcht — Die alle kämen
dann mit Erbitterung aus ihren Fugen auf mich
losgerutſcht; und Europa käm aus dem Gleichgewicht.
Daemon: Was fürchteſt du, wenn es auf dei—
ner Seite den Schwerpunkt findet? regne Gedeihen
auf es herab daß es dir zu Füßen mwurzle; rotte
den Schulmeiſter-Blödſinn aus, der mit Ruthen der
Gottesfurcht den Löwengeiſt — den Titanen, den
Volksgeiſt niederringen will; giebt es einen größe—
ren Blödſinn als mißgeborne Geſetze die ihrem je—
desmaligen Lohndiener wie eine Treſſenliverei ganz
loſe auf dem unterthänigen Leib hängen, auch noch
auf die unbegriffne Zeit übertragen wollen?
88
Schlafender König: Du meinſt Geſetze müſſen
aus dem Volksgeiſt hervorgehen.
Daemon: Ein edles Geſetz erblüht aus dem
Geſammtgeiſt des Volkes, es iſt ſeine emporſtrebende
Kraft und befruchtet ihn zu der Tugend die ac
dies Geſetz begründet wird!
Schlakender König: Was befruchtet den Ab:
grund trunkner Volksungeduld.
Daemon: Dem Abgrund iſt das Erhabne die
Grenze; ihre Klippen tragen über Rache und Ver—
folgung hinaus die Palme der Verſöhnung, wo
die Frevler niederknieen ſorgſam ihrer unheiligen
Tritte Spur verwiſchend, und mit zagendem Herzen
ſagen, wir wollen es nicht geweſen ſein!
Schlakender König: Frevel, Bosheit Bermegen-
heit — wenn die den Weg betreten der Verſöhnung
dann ſind es nicht reuige Herzen, es ſind Heuchler
die Gnade belügend um ſie neuem Verrath Preis
zu geben! — es wäre tollkühn ſolcher Gefahr ſich
ausſetzen. N
Daemon: Das Unverhoffte das Gefahrvolle
das Tollkühnſte ſelbſt kannſt du wagen, das Mittel—
mäßige allein macht rettungslos elend. — Göttlich
frei die befleckte Schlangenhaut der Lebensfragen
abſtreifen mit ſtreitbarer Seele, nie Rettung denkend
nur Großſeinwollen im Gefühl des Handelns —
89
da fliehet Gefahr! — Du aber willſt ficher gehen
auf dem Weg des Alltäglichen des Gemeinen. Du
willſt das Große zu thun nicht wagen, offen, mit
der Kraft des freien Willens! — Wer ſich nicht
erhebt über den Abgrund der muß ihm den Rachen
ausfüllen.
Schlakender König: Nein, ich will das Ge⸗
rechte, das Erhabne; ich will die Klippen hinanſtei⸗
gen die über Rache und Verfolgung hinaus zum
Göttlichen den Geiſt heben.
Daemon: So komm herab von deiner Höh'
ins niedre Thal, um deiner Völker deiner Brüder
Noth zu ſehen. Geſchicke ohne Hoffen ohne Wahl!
Menſchlich groß unter dem bleiernen Joch der
Geduld.
Schlalender König: Die iſt ihm geriſſen und
hat ſich ſelbſt verletzt. Wie Eiſen das glühend
aus dem Schmelzofen hervorbricht, tauchen wirs
ins Waſſer und hämmern darauf bis es kalt
wird!
Daemon: Und macht es wieder glühend, und
löſcht es wieder ab, und hämmert wieder drauf
los und endlich wird's die Feile die das edlere
Metall zernagt.
90
Schlakender König: Jetzt wo die Geſchicke ihm
den Nacken beugen wär es da zu verantworten
vor der drohenden Zukunft, ſich zu ihm herabnei⸗
gen und nicht erſt ihm die Geißel fühlen laſſen
der Zucht.
Daemon: Des Lebens ungeheuern Bogen der
ein Spiel iſt in Eurer Hand, den hat des Volkes
Arm gefpannf, und hat gezielt nach Euch Unver⸗
lezbaren. So unverſöhnbar ſcheint Euch dies? —
mir im Gegentheil ſcheint, dies Wagniß hebt das
Volk aus ſeiner Nichtigkeit und macht es würdi⸗
ger deiner Gunſt. Wärs nicht beleidigend für dich,
wollte das Volk ſich in die Nebelkappe verkriechen
ſeines Verdruſſes, ſtatt deinen Muth herauszufor⸗
dern ſich ſeiner anzunehmen! — denn auch, wenn
es mit Gedonner aus Klüften hervor an des Ned)
tes ewigen Veſten angepraſſelt kommt, fo iſt es
immer des Bedürfniſſes Sprache die der Herrſcher
verſtehen und achten muß lernen, ſelbſt im wilden
Ton des Aufruhrs! — durch den Strudel des Ver—
raths, im Sinken, im Untergang ſelbſt, leitet nur
der Großmuth Steuer. — m
Schlafender König: Dieſem Scheuſal — das
den Wunden entkriecht der lockeren Erde, ausgeſto—
ßen von der Natur in der Verweſung Schooß —
91
geſäugt von kranken Nebeldünſten, — nicht Schön⸗
heit fühlend, nicht ſie in ſich tragend; — dieſem Pöbel
des Aufruhrs, dem ſollen die erhabnen Opfer fallen
der Verſöhnung der Herablaſſung? — Das iſt
Daemonen⸗ Wahnſinn.
Daemon: Gedenkeſt du deſſen der die Ausſätzi—
gen heilt? — Wo die Großmuth Grenzen hat da
geht ſie in Verweſung über. So lenke denn nicht
ihre goldnen Zügel herab zum Volk; — geſchieden
iſt's ja doch von Euch. — Ihm ward heißer Kampf
indeß ihr kühl die Atherſtraße wandelt. — Einfan
will es alles tragen, denn Fluch iſt ihm die Nähe
Derer die nicht mit ihm fühlen! — Verwandt ſeid
Ihr ja doch der Verweſung — Ihr wohnet im
goldnen Haus und die donnernde Axe Euers
Triumphs die Länder erſchüttert, wirbelt den Staub
auf, der einſt Eurer Ahnen Seele hat umkleidet.
Nichtig iſt Alles was nicht Göttliches iſt! — Und
dieſer Wuſt alter und neuer Zerrüttungen, von dem
führt keine Straße hinauf zu Ihm auf den du
dich berufſt.
Schlakender König: Du ahneſt nicht den Streit
meiner Gedanken! — Und was ich wähle das
reuet mich, und dann reuet mich die Reue wieder!
92
Zweifel ermüden mich daß ich nicht mehr das Böſe
von dem Guten unterſcheide! —
Daemon: Dein eigner Geiſt hat fo verborgne
Winkel dir ſelber räthſelhaft. Auch dein Volk iſt
nicht was es dir ſcheint, und wie es von deinen
Hellſehern angeſchlagen wird; ſie hüten dich vor
der Gefahr die Wahrheit zu erforſchen. Willſt du
aber unter dem Schutz göttlicher Gerechtigkeit denen
Gehör geben die für das Volk ſtreiten, ſo nehme
mich zum Bürgen daß du nichts ecfahren wirſt,
was dir beſſer wäre nicht zu wiſſen.
Schlakender König: Du meinſt der Weltengang
der erzern iſt, ließ durch Weltverbeſſrung ſich um⸗
bilden? —
Daemon: Ich meine der heilige Bezirk auf
dem ſtatt des blühenden Anbaus feiner Kräfte, Ver:
wilderung und düſtere Staubwolken niederer Geſin—
nung umher ſchweift, — ja ich meine dieſer ſollte
Erkenntniß dir gewähren daß der edle Überwinder
keine Berechtigung ſich zuerkennt, als nur den Willen
des Guten. Oft findet er im Überwundnen das
was er zu hoffen und zu ſchonen hat, um nicht
ihn fürchten zu müſſen.
Schlatender König: Mir gilt das Gute nicht
93
weniger als andern das Nothwendige; doch bin ich
nicht weiſe genug, daß mir Anerkenntniß gleichgül⸗
tig wär für das Gute was ich will.
Daemon: Dann fürchte nichts als was dir
ſelber dich kann verächtlich machen! — Denn kann
Einer der über Andre herrſcht, verachtet werden,
wenn er nicht ſelbſt zuerſt ſich muß verachten? —
Verächtlich iſt, wenn die Gewalt beleidigend am
Überwundnen ſich verſucht; Verächtlich, wenn das
Große vom Gemeinen ſich läßt überwinden. —
Schlecht iſt, wenn Ehrfurcht und Gehorſam durch
Schrecken ſoll erzwungen werden. — Die Furcht
hört auf wenn du verdorben biſt durch ihre Lift,
die Liebe aber bleibt durch Heilighalten deiner Tha⸗
ten. — Bedenke auch daß manches zwar ruhnwol⸗
ler, manches aber größer iſt zu thun. Andre mer:
den dich mehr loben je überlegter deine Schritte
ſind. Dich ſelber aber muß ich mehr lieben je arg⸗
lloſer und raſcher dein Gewiſſen handelt.
Schlakender König: Der Wiederſpruch der hö—
heren Willen hemmt, löſcht auch der Begeiſterung
die Fackel! und wenn die Sterngebilde des Welten:
ſchickſals ſelbſt mich bei den Haaren herbeizögen,
das Weſentliche werd ich nie durchſetzen gegen dies
94
ſtrafwürdige Bekämpfen des reinen gottgegebenen
Wirkens der Könige.
Daemon: Der Feind deiner Ehre allein iſt der
den du zu ſtrafen haſt weil du Er ſelber biſt! —
Ein Anderer kann nicht deine Ehre ſchänden und
kann nicht ſtrafbar dir erſcheinen.
Schlakender König: Und wenn ein Wunſch
des Beſſern meine Seele hebt — da hemmen noch
ehe ſie zum Spiegel des Bewußtſein kam, ſchwarze
Schattenblitze ihren Flug, die dann den edleren
Willen am Boden hin muß ſchleppen.
Daemon: Ein kühner Flug durchbricht die
finſtere Nacht zum lichten Tag, ihm wird ein klar
Beſinnen das mit regem Geſchoß gerade zielt und
in die Weite Machtverbreitend wiederhallt. — Ge—
gen Tyrannenehrgeiz der dieſe Wogen bäumt und
blitzt in dieſem Wetterleuchten und an zerriſſuner
Nationen Leichnam wie Hyänen ſich mäſtet, erhebe
den hochberufnen Fürſtengeiſt, willſt du ihn unbe—
fleckt dem Volk erhalten. f
Schlakender König: Mehr Verwirrung und
Noth, mehr Gräuel würd ich anrichten, wollt ich
des Himmels Zurüſtung bekämpfen, der den Auf—
95
ruhr der Völker in den flammenden Orkanen feines
Zorns verbrennt! — Zuerſt das eigne Heil! —
Zuerſt Rechtfertigung vor dem König der Könige! —
Daemon: Der Gott im Menſchen, enthebe
deine Seele verdumpfter Frommheitstyrannei; die
mit Wolfsgruben Nationen einfängt und Fuchsfal—
len legt den Schutzflehenden und in der Ode die
fliehende Todesangſt mit der Fangſchnur ereilt. Und
an jedem Baum Marterſtätten und in jedem Fels—
loch Grablöcher ihm bereitet, und Todtenfeuer zuͤn⸗
det dem gejagfen Seelenſchmerz, den das Heer der
Hinrichtungen in langen Trauerzügen nachſchleppt
dem Siegesheld der ſtolzgekrönt, nicht ahnt ein Ge⸗
ſetz der ewigen Liebe die im Sonnenäther der Barm⸗
herzigkeit das glühende Schiff der Gnade lenkt, al⸗
lein und ohne Beiſtand! Es iſt das Schiff der
Abſolutheit! 5
Schlakender König: Glaube daß auch mir der
frohe Reigen beglückter Menſchen wolluſtvoll im
Buſen wiederhallt, und daß ichs ſchmerzlich fühle
wenn ich das Flehen an der Hoffnung Schwelle zu—
rück muß weiſen. — Heimlich verfügt mein Herz
anders, und anders öffentlich der Königswille. —
Daemon: Und da vertraut er lieber als dem
96
Gott, der Philiſterwuth, die den Unſchuldigen, dem
zu helfen die Welt ſich aus den Angeln dreht, ver⸗
ſchüttet; und fein bibelfeſt Gewiſſen mahnt ihn nicht,
daß um des einen Gerechten willen, alle ſollen ver-
ſchont bleiben. ®)
— — — — — — — — — ———
— — — — — — — — — —
Schlakender König: Auch gegen uns treibt man
die Meute an die ins Garn der Irrſale uns hezt;
und nach dem langen Tag der Mühen, mag wohl
ein Abend kommen voll Seelenſchmerz der uns erſt
recht verwundet und betäubt. All' das fliegt wie
Wolkenflocken mir ums Haupt und in meinen Sie⸗
gen frohlocket nicht die Rache.
Daemon: Nur Furcht, des Sieges ungewiß,
übt Rache. Dem Muth allein iſt Gnade Sieges⸗
trophäe. Wo ſie nicht leuchtet, blitzt der Haß auf.
Laß ſie dir leuchten ; laß fie dir beiſtehen wider dich
— dir ſelber mild dich verſöhnen nach fo blutigem
Kampf, damit der Wahnſinn dich nicht überfalle
der Blutvergoſſenheit, der ganz den Geiſt zerſtückt
und Trommel und Trompete ſich ins Ohr läßt dröh—
nen um nicht zu hören und Siegeskränze ſich ins
) Lücke eigener Cenſur.
97
Auge drückt um nicht zu ſehen Alle, die dem Beil
und Bleikugel und Strick verfallen in Lüften um⸗
hergleiten und Geiſterodem ſchöpfen. — Wo aber
Mord geſchah um den die Liebe jammert und die
Blutſpuren ſucht von der Sonne aufgezehrt, da durch⸗
läutert der Gott im Born der Gnade den irdiſchen
Schmerz — und dem Galgen und der Richtſtätte ſtrömen
Gelübde. — Da küßt der Mund inbrünſtig den
blutgetränkten Boden und miſcht ihm bittre Thrä⸗
nen, die ſind ſo feurig; und was veredelnd iſt
dem Geiſt, das neigt ſich vor dieſen Geſchicken und
ſammelt um den Altar der Blutſtätte ſich — und in
dem Weh an der Verzweiflung Rand, das nicht
weiß wo ein noch aus, vergeiſtigen ſich die Todes⸗
helden und ſpiegeln den Himmel des Erbarmens
nieder. Dahin wallfahrten die Gedanken, voll ſchüch⸗
terner Ehrfurcht umherſpähend wo das Blut floß
vom geheiligten Leib, von dem der Geiſt hinauf:
ging zum Schöpfer ſeiner Seele, und wie ſie ſeiner
würdig das Elend dieſer Wolfszeit wollen tragen.
— Meinft du fein Weib mit wunden Sinnen könne
Anderes noch als nur ewig dies Blut küſſen! — und
der Sohn ſtrebe nach Anderem als nach dem Se—
gen dieſes Blutes vom Nachrichter vergoſſen? —
glaube das ja nicht! — Der junge Baum der
5 7
98
dem enfhaupfefen Stamm aus der Wurzel ſproßt, brei-
tet verlangend die Zweige aus: „Hauptlos bin ich,“
ſo klagt er, „keiner Rache kann ich mich unterwegen,
weil ich mit dir ſterbe mein Vater.“ So ſpricht
der Sohn und das Waſſer rinnt ihm über die Wan:
gen und ſchließt die Augen und ſtirbt mit ihm im
Geiſt. — Nichts bleibt ihm in der Welt, als heilig
Vaterblut das vom Scharfrichterbeil trieft. — Nicht
Todtes iſt es — es iſt Lebendes — der reine Magnet der
Schmerzen der alles Reine an ſich zieht und Geſchlechter
aufs neue aus ſich erzeugt die das Große dann vollführen
was ſie beſiegelten mit ihrem Blut, und was fie beſſer nim
verſtehen lernten, da ſie über den Wolken ſchritten
und den Ort der Sonne ſahen und die Sterne be—
rührten und vor Gott ſich demüthigten; — der glüht
in ihrem Menſchgewordnen Geiſt jetzt wieder auf
und trägt ſie höher zum Menſchlichen hinan daß
fie göttlich ſich in ihm bewähren. — Darum fun:
kelt der Blick den jungen Söhnen ſtolz aus düſte⸗
ren Wimpern wenn ſie der Geiſt hinführt zu des
Vaters Todtenwohnung und fein Blut ſpricht mit
ihnen und ſteigt in ſie herab, fortzuwirken am Werk
der Erlöſung, dem Wunderelement unſterblichen Lebens
das jeden guten Keim aufnimmt in ſeinen Schooß.
Oder kannſt du ſagen: „Dies Blut war ſchlecht! —
99
darum ward es vergoſſen!“ — War kein Tropfen
des Guten in ihm? — um deſſwillen es nicht ver⸗
goſſen werden durfte? — bedenke das! —
Schlatender König: Bedenk auch du daß aller
Anfang Kindheit iſt, die verwächſt mit dem Ein:
druck des Gewaltigen; und daß Gefühle ihr ein⸗
geprägt, forterben auf die Geſchlechter, und daß Ge⸗
danken, Handlungen und der Trieb dazu, ihren Urs
ſprung nehmen aus vererbtem Stammcharakter,
der ſo tief gehend, auch in meinem Geſchlecht
bis auf mich vererbte, und mich bewacht, mich
und das Weſen des Staats, vor dem zweideutigen
Ruhm des Excentriſchen und daß der Zukunft Son⸗
nenſtaub der mir im Auge flimmert mich nicht darf
blenden vor dem Gott der Gegenwart, der den Blut⸗
acker den Fürſten anvertraut, aufs neu in grünende
Gefilde ihn umzuſchaffen.
Daemon: Wo wollt Ihr das grünende Gefilde
ihnen anbauen, denen unſterblich doch die jammer⸗
volle Meduſe voranſchwebt, die Fittige trägt und
hinweg fliegt über die verwaiſten Lande, — im
Hauch des Windes heranbrauſt — auf der Erde
aufſtampft vor Euch — den Schlaf vom Aug
ſcheucht dem Frevler und ihn verſteint über das
was geſchah! — kein vorgeſtreckter Berg, kein en⸗
72
100
gend Thal, kein Wald, kein Strom zertrennt die
Schlachtenreihen des tauſendfachen Fluchs, wenn
die Gorgone Euch anſtarrt.
Schlakender König: Und wenn auch unter
ihrem Fittig verruchte Geiſter des Vaterland⸗
verrathes ſich ſammeln, ſo werden ſie fliehen
müſſen vor Gottentſtammten Heldenfürſten denen
die Gorgone nur Prüfung iſt kühner LUnfterb:
lichkeit.
Daemon: Und das ganze Menſchengeſchlecht
Gelübde in einanderſtrömend mit jenen Opfertodten,
die neu aufblühen, neu erſchaffend alles Ge⸗
dachte Empfundne, alles Erlernte Vorgeſtellte Er⸗
fahrne, in der Erinnerung Gegenwart zur Er:
kenntniß des Göttlichen ſich ausrüſten. Das Un⸗
weſentliche ins Weſentliche umwandeln. Schuld⸗
los ſich erhebend über Euer Verdammungsur⸗
theil, und ihr Blut aufs neue der Hoffnung grü⸗
nenden Saaten, herabthauen aus Glanzverhüllendem
Gewölk. Nur wenn ihr Blut vergeblich floß
und ihre Hinrichtung nicht gebrochen hat den
Wahnſinn der Tyrannei, dann ſchreit es um
Rache. g
Schlakender König: Du haſt's fo weit gebracht mit
mir, daß ich mein Inneres möcht erforſchen, Opfer
101
zu bringen der ganzen . nicht allein dem
Vaterland.
Daemon: [iber alles Opfer gilt die innere
Stimme die dich erhebt vor dir und vor den
Göttern! — Mit dir ſelber wetteifre daß nicht im
Begriff der Menge du größer ſeiſt als in deinem
Willen; größer und beſſer durch Zufall als durch
Vernunft und Leitung — größer und beſſer in dei—
ner Unerfahrenheit als jetzt da du dich ſelber fühlſt.
— Bewahre dich vor der Kränkung den Ruhm der dir
voranging zu verletzen. Vor allem aber fürchte nicht
daß was groß ſein ſoll zu groß ſein könne. —
Verfolge dieſen Faden den du ſinnlich fortwirkend
fühlſt in deinem Geſchlecht, und wenn er nicht ans
Göttliche ſich knüpft, ſo reiß ihn ab. — Und was
die Fürſten antreibt zu entſcheiden über Leben und
Tod, — fühle es zurück von heut auf geſtern, vom
Sohn zum Vater — und weiter und immer wei—
ter hinauf bis in die Urzeit wo die erſte That ge:
ſchah. — Sie war Brudermord. — Weite Kluft
ins Herz geriſſen dem Menſchheitſtamm! — dies
erſte ſchauerliche Abſchneiden des Lebensfadens. —
Es war Bruderhaß, und wie du ſagſt: alles trägt
den Charakter ſeines Urſprungs. Alles gewaltſame
Tödten iſt Brudermord. — Als Kain die Folgen
ſah des Bruderhaſſes, da erbleichte er, der Boden
102
wollte ihn nicht tragen, er entglitt feinen Füßen.
Flüchtig ging er über die Erde.
Schlakender König: Unheil! — grauſender als wo
auf Schlachtfeldern des Vaterlandes Heldengerippe
bleichen. — Des Wahnſinns Abgrund erzeugte
dieſen Mord.
Daemon: Aus dem wühlt er noch heute ſich
hervor. — Die Bibel ſagt der Neid ſei es gewe⸗
ſen des Kain, daß die Opferflamme des Abel auf—
ſtieg zum Himmel weil ſeine am Boden hin—
leckte, und doch wars nur die Flamme ſeines Zorns
die niederſchlug vor dem Friedeathmenden Abel
der die feine zum Himmel ließ wallen. — Kaine
Stirne war des Fluches Zeichen aufgeprägt
und das Blut des Abel ward lebendig in ihm
und jagte ihn flüchtig über die Erde und in
den Geſchlechtern der Erſtgebornen ſchleppt es im
Gefühl der Rache ſich ihnen nach. — Und in der
Flucht vor ſich ſelbſt und in Gefangenheit der Reue
die ſie trennt und feſſelt, ſind Fürſten und Völker
ſtetig geworden gegen einander. — Und immer noch
ſchlägt der Kain den Abel todt, weil er ſich rächen will
am eignen ſtrafenden Gewiſſen. — Haſtig möcht
er zwar vorüber eilen aber er ſchaudert vor
dem Gemordeten, vor dem Ruf der Natur!
103
Kain Kain! du Erftgeborner, ſieh deinen
Bruder hier!“ — Mit abgewandtem Blick ruft
er: „Soll ich etwa trauern um ihn? der mich ſtets
gehaßt? — Wollt Ihr mit Euerm Fluch mich nie:
derwerfen? — An der Gurgel will ich Euch faſſen
und das Knie aufs Herz Euch ſetzen. Verderben
und Elend über Euch!“ — So fluchte damals der
erſte Mörder ſeinen Ahnen! — ſo flucht heute noch
der Herrſcher dem Volk aus dem er hervor ging. —
Und wie Adam ſpringt das Volk auf und ſtreckt
die Fauſt nach ihm, und ſtürzt zitternd zurück, und
fällt nieder mit der Stirn am harten Fels und
ſchreiet Weh!
Schlakender König: Du! Du! — greif nicht
ſo hart in mich! —
Daemon: Herab Ihr Felsſteine! — rollet nur
herunter; begrabt die Tritte des Mannes der ſeine
Hände wäſcht im Bruderblut! — ſo ruft das Volk.
Aber bald wieder: Nein! Nein! Nein! Wir wollen
ſeine Knie umfangen und bitten! — Und der En⸗
gel Gottes ergreift es und wirft es nieder aufs Ans
geſicht und der Richter wandelt über ihm, und es
ſchlagen die Wetter und die Wälder erbeben und
ihre Wipfel ſauſen hinab ins ſchaudernde Thal.
Da rollen die Donner im Aufgang. Im ſchlagen—
den Glanz der Gewitter ruft es: Heilig heilig du
104
Jehovah! Du Retter! Du Richter mit entblößtem
Schwerdt, zu richten das Blut das aus dem Staub
zu dir ſchreit. | |
Schlafender König: Wer hat dir gelehrt die
Saiten meines Innern durchſtöhnen? — Schweige!
ſchweige! —
Daemon: Schweigen! Grauenvolles Schweigen!
durchzittert das Volk im Jammer um den Erſtge⸗
bornen, um ſeinen Fürſten. Du Gott und Schöp⸗
fer ſäuſelſt Erbarmen nieder und wie damals ent⸗
fliehen die Gewitter vor deinem Athem, der du das
Flehen erhörteſt des erſten Menſchen um feines Soh⸗
nes wegen! — Staub zu Staub! — ſie bereiten
das Grab dem volkgeliebten Leichnam dem Gemor-
deten! — Daß er verweſe. — Daß Gottes Odem
ihn herrlicher einſt hervorrufe. — 2170
Schlakender König: Es ſchweigt! — ja es
ſchweigt! — — Ich höre nicht Getön der Fittige
die der Schwan zum Ather hinauf breitet! — Ha!
ich möchte mit einſtimmen in den Hall feiner Sl:
gel! — Laut aufſchmettern ins Geſäuſel — im
Hymnengetön meine Seele mit verſenden!
Daemon: Dort im Oſten, im Dunkel harren ge—
meinfam am Ufer, Schwäne im ſanft anwehenden
Nachthauch, mit Flügelrauſchen den Abſchied zu
feiern vom grünen Geſtade des Vaterlandſtromes! —
105
Eljen a Haza! fo erhebt ſich die tönende Schwinge
daß der Ather wiederhallt und die Brandung
durchſchüttert. — Starr horchen die Geſchlechter
und es ſchmettert der Olymp und die Chariten ‚hal:
len hinein und die Muſen ſtimmen ein in hohem
Laut und Staunen ergreift die Herrſcher wie er
aus purpurnem Todesblut ſich erhub mit reinem
Gefider! — |
Sihlafender König: Eljen a Haza! — To-
deshymne! — Erzerntönende über den Weltenocean
bin! — — — tiefe Stille! — Schauerverbreitend
unter den Mördern! — Ach alles Großen entwöhnt
iſt meine Seele und aller Freude. — Laß den Schlum⸗
mer ein Weilchen mein Ohr bergen vor deiner
Rede. Ihre Wellen ſpühlen kalt mich an und
böſe Fehle die ich nicht aufhalten kann, ſeh ich
hinabgleiten in den Bölferocean, — — —
Daemon: Ja ſchlummere über dem Allkampf
deiner Sinne! — Du Mann des Glaubens vieler
leeren Worte, wie ſich nicht ziemt vor Fürſten ſie
zu reden — die deiner Seele Sicherheit geraubt und
wie ein ſchneidend Schwert Botſchaft dir brachten,
die Stärke und Macht über dein Volk dir hat ge:
brochen. Und riefen Beifall dir zu, und bewegten
deine Hände zu Werken die dein guter Stern nicht
mag erwenden. — Und dein Aug ward dunkel, und
106
führten dich in eine grauenvolle Höhle voll Schlan⸗
gen böſer Nachrede, die ziſchten dir ins Ohr von
böſen Gedanken der Reinen, die nur Wahrheit hat⸗
ten auf der Lippe und deren Sinn nur war, dich
zu feſten gegen Verrath daß du der Erſte ſollteſt
ſein im Vertrauen deines Volks — der Wahre,
und nicht ein Anderer. — —
Du liegſt ſchlafend — — tief verſunken —
wo kein Traumreden zu dir hinabreicht. — Ermü⸗
det von Blut und böſen Zeichen des Mords in
deinem Namen verübt, will deine Seele dir ent⸗
fliehen. — Könnt' ich den helleren Tag dir herauf
beſchwören, und in Hoffnung dich baden neuer
Frühlingsbeginne — und dir lehren wie Gott der
Sünde lohnt der Haß und Liebe hat geſchaffen
im rechten Sinn ihrer Macht — und aus ed-
len Stämmen von Fürſtenrache niedergeſchmettert,
neue Geſchlechter erzeugt, ſelbſt ſich beherrſchend in
ſchwerer Stunde die einſt dem Racheübenden
ſchlägt. —
Ha, könnte ich das Haupt die heben, daß du
nicht unkundig ſeiſt wie Gott Kriegsrecht übt! —
und nicht der Gewalt, aber der Weisheit würdeſt
du weichen — und rein und feſt dein Wille. —
Die Zauberer des böſen Rathes — zermalmt von
denen die reines Rathes ſind und klug deine Schritte
107
hüten vor Argliſt, und nicht dich gefangen geben
dem der ſagt: „Mein Thron iſt höher als alle!
Tauſendmal Tauſend iſt mein Heer, und fangt
Ihr Händel an, dann beſchließ ich Züchtigung über
Euch, aus meines Zornes Brunnen erbrauſt *.
Quelle, die Euch Alle verſchlingt.“ —
Wollt ich den Schleier der Geheimniſſe zer⸗
reißen vor dir, dann wäre deine Seele in Furcht
eingeklemmt vor dem reißenden Wolf der alſo dich
anſchreit. — Und die Zeichen ſeiner Bande an
deinem Leib, Narben der Schande von ſeinen
Stricken die deine Glieder zerbrechen! — Noch
ſchwebt Streit in deinen Sinnen um falſches Ge⸗
löbniß nicht vom Volk bekräftigt. Noch haſt du
ſeine Freiheit verſchworen und deine Freiheit! —
Uud Geſetze im Widerſpruch ihrer ſelbſt, langſam
und ſchwermüͤthig dahingleitend vor dem auf Er⸗
den erkannten Recht was von allen Seiten zugleich
den Fuß aufſetzt und mit dem Mächtigen den we⸗
niger Mächtigen hinabſtößt. —
*
Ja ſo bekämpft der Fluch des Kain das
rauchende Blut des Abel in der Willkühr der Für⸗
geſchlechter, die wie Er, nach der That rufen:
„Was geht es mich an!“ So brauſt der
Kainsfluch auf und verhängt neue Thaten ewig
108
reuevollen Geſchehens. — Aber heimlicher Klage
voll, durchrauſcht Abels Blut die Volkverwai⸗
ſten Vaterlandſtröme, und durchſauſt die Wäl—
der und durch den Rauchfang der verlaſſenen
Hütte findet es den Weg hinab zum Heerd, und
ſeufzet auf in der erſtorbnen Aſche die es im
Wirbel umherſtreut. — Das iſt das klagende
Blut des Abel, dort wo die Gebeine bleichen
der Vaterlandshelden: Ach kein Ruhebringender
Tag mehr mit unverdunkeltem Glanz fließt den
Menſchen dahin, es ſtrudeln nur Ströme des
Jammers in den Spuren der Verwüſtung —
Fremde Völker ſollen da einziehen — fremde Laute
die Mutterlaute erſticken — fremde Sitten die
Landesſitte untergraben, die Wälder in Ackerland
umwandeln, die Berge niederdrücken ins Thal,
gleichwie die großen — den Nationen liebgeworde—
nen Helden, an denen das Volk ſich hielt, ihr
Haupt dem Richtbeil müſſen darreichen. — Und ihr
Blut ſammelt ſich zum unſchludig vergoſſnen Blut
des Abel, das ſanft war als es noch in ſeinen
Adern wallte und Verſöhnung wollte mit dem Haße
des Kain; — es ſammelt ſich zu dieſem als zu
ſeinem Urſprung, nicht um Rache, aber um den
Kainsgeſchlechtern die immer wieder zurückprallen
vor den flammenden Thoren des Labyrinths, den
109
Ausweg zu bahnen und den Fluch des Kainszeichen
von der Stirne ihnen zu löſchen. — Und wie der
Nil die geborſtnen Riſſe der erſtorbnen Erde aufs
neue befruchtet, ſo als Weltenſpiegel alles Weh der
Erde und ſeine verklingenden Laute in einen Brenn
punkt zu ſammeln und als lebendiger Brunnen der
Geſchichte ſeine kühlenden Fluthen ergießen überall⸗
wo der Zeitenſtrom den Völkern ihr Bett bereitet
im Namen deſſen zu dem kein Gedanke hinanreicht;
Herr der Geiſter und der Seele Herr! — —
Du Schlafender! — nicht deine Seele iſt an
ihrer Stelle, noch dein Herz an der ſeinen; — immer
giebft du deinen Feinden Gehör, und läßt den Wil:
len mit dem Netz ihrer Worte dir fangen. — Reue
fühlſt du und Zerknirſchung über Alles worin ſie
Herr wurden über deinen Geiſt! — Du liegſt im
Staub vor Gott und wenn fie ein neues Werk be-
ginnen ſo unterliegt dein gerader Sinn ihrem Trug! —
Thäten ſie Recht ſo ſäheſt du Recht, und lebteſt im
Frieden, alle Großen dir unterworfen und die Ge⸗
krönten zu deinen Füßen, umgeben vom Ringplatz
deiner Freunde und du ſelber verſtändig wie keiner
je war auf dem Thron. — —
Schlakender König: Tief hab ich geſchlafen, noch
wallt mein Herzblut, daß die Wellen gen Himmel
ſchlagen, denn mich verfolgte der Traum ausge⸗
110
cotteter Völker und daß Gott frage: Wo ift das
Löwenherzige Geſchlecht an deffen Sitte und Mann:
heit ich Wohlgefallen habe? —
Daemon: Und wo die Helden ſeines Unter⸗
gangs? — |
Schlatender König: Wie der Sclave böfer Ein:
gebungen fühlte ich mich beſchämt, der des tieferen
Bewußtſeins ſpottend, Triumphzüge hielt der
Verachtung, weil es ihm gelungen das Volk
wieder hinabzuſtoßen in die Erniedrigung.
Daemon: Dir aber Planet! dem ſie mit Nebel⸗
wolken den Stand der Geſtirne verhüllen, ein Heer
der Verblendungen, der Vorurtheile, des Blödſinns,
der Thorheit und Bosheit, ja das Allerſchlechteſte
des Schlechten von deinem Volk dir vormaledeien,
dir glühte der Zorn auf im Traum, daß der gute
Stern deines Volkes in deinem Herzen unterging.
Schlakender König: Ha ich dulde nicht die Be-
thörung! — ich weiß des Volkes Kräfte ſteigen
höher als ſeine Beſchwörer ihm nachträumen kön—
nen, und daß es Zeit iſt, ehe ſie vorgreifen, zu
höherer Ordnung es zu leiten.
Daemon: Das Volk emporheben iſt Frucht
freier furchtloſer Gefühle; des Herrſchers Geiſt
wird frei in der Volkskraft. — Was kannſt
du höheres als deine Freiheit begründen, mit
111
der Heroeneingebung eines Willens der das
Göttliche vermag. Und was du deinem Volk an
freiem Werden nicht gewährſt, das raubſt du dir
an Weisheit und an Macht es zu beherrſchen.
g Schlakender König: Soll das Volk feine eigne
Regierung bilden und ſeinen König erziehen?
Daemon: Die Wahrheitsfunken ſpringen dir ins
Antlitz.
Schlatender König: Kleine Mücke du! —
Daemon: Ulnd Rechenſchaft verlangt es, wie du
ſeinen Geiſt und Muth lehrſt Schöpfer werden an
ſich ſelber. 1 |
Schlakender König: So wäre meine Krone der
Volkskraft Allumfaſſung und Einheit beider, des
Volks und des Königs!
Daemon: Weisheit und Nothwendigkeit in einan⸗
der greifend iſt beider Vortheil, ſagte der Räthſel—
löſende Sdipus zur Sphinx die ſchon die Pratzen
ausſtreckte ihn zu würgen.
Schlakender König: Wie lautet das Räthſel? —
Daemon: „Ob auch ein Mann mit ſcharfer
„Art den erhabenen Eichbaum entlaubt; und ſchän⸗
„det die herrliche Schöne des Baumes, dennoch giebt
„er, auch ſeiner Früchte beraubt noch ſeine Kraft
112
„ihm, wenn er ein winterlich Feuer ihm ſchürt,
„oder dem Walde entriſſen, als Pfeiler im Hauſe,
„ſtützend die laſtende Mauer ihm trägt.“
Schlakender König: Wie deutet Ddipus dies
Räthſel? 8
Daemon: Drücke dein Volk noch fo tief, be:
raube es ſeiner Rechte, ſchände ſein Daſein, wie den
Baum deſſen Belaubung die Art nicht verſchont,
es wird dennoch den Muth nicht verlieren dir zu
nützen, und weiter ſagt Sdipus:
„Der Arzte weiſeſter ſei du ihm! Auf! —
„lindre mit ſanfter Hand ihm die Wunde, dies
„ehrt deinen leuchtenden Ruhm! Denn leicht iſts
„auch dem Schwächeren aus ſicherem Port das
„Staatsſchiff zu treiben, unter kämpfenden Wet⸗
„tern aber zum Hafen es wieder lenken iſt ſchwer.“
Schlafender König: Seufze mit mir, denn zwi⸗
ſchen mir und dem Volk iſt das Vertrauen erſchüttert.
Daemon: Dennoch verzweifelt es nicht an der
Güte des Mannes der den verborgnen Samen
reiner Herſchertugend ihm hegt. —
Schlatender König: Glaubſt du daß etwas die
Liebe des Volks mir kann feſſeln ſo rede! —
Daemon: Wem Milde die Vernunft reift, dem
wird auch ein Erntetag der Liebe und demüthiger
Huldigung des Volkes.
113
Schlakender König: Wird es einfehen daß es
ſein ſelbſt nicht mächtig iſt? — ;
Daemon: Ob alle Wetter über ihm zuſammen
ſchlagen: des Schmerzes Andacht um den, der Treue
ihm bewies, wird noch den kommenden Geſchlechs,
tern im Auge perlen. Es hat ſo ſchweren Kampf
für Euch gewagt — . Was zweifelſt du? —
Schlatender König: Iſt ein fo transcendentaler
Geiſt, daß er einem verführten Volk ſeines Glückes
verrauſchenden Quell aus weiter Ferne herbei wie—
der leite? —
Daemon: Du ſelber, kein Anderer! — Laß es
zu deinen Füßen erſt Odem ſchöpfen, ehe es zu
dir kann reden: „Ich bin ein Armer, flüchtig vor
des Schickſals dunkeln Loſen, und da ich bei Men—
ſchen nicht Mitleid finde, fo ſchweifte ich unter wil—
den Thieren umher, und die Verzweiflung ſtürzte
aus ihrem Verſteck und jagte den Hunden deiner
Jäger das Brod ab: das iſt's warum man mit
Feuer und Schwert ins Elend uns hezt.
Schlatender König: Was iſt Wohlleben? —
Seit die Welt ſteht, war ſie dem Darben unter⸗
worfen! — Wer darbt nicht? — Auch ich bin
dem Hungertod ausgeſetzt, tiefer ſchmerzend als
der nach der Spartaner ſchwarzer Suppe lechzt.
8
114
Daemon: Ja, ich weiß! — Von des Hungers
Pfeil durchdrungen, regt ſich nach reiner Koft ein
Weh in dir dem Mann des Glücks, der ihm nie
ins Antlitz ſah, dem falſche Heuchler wehren den
Geſunkenen einzuhüllen in deine Huld.
Schlakender König: Jammernswerther König
der von einem Abgrund in den andern es ſieht
ſtürzen und alle Kräfte ertränkt um nur ihm zu
helfen und alle Gedanken. |
Daemon: Doch ift es zu beneiden weil du lie—
bend ſein Weh empfindeſt und auch Du der ſo im
Verlaſſnen ſich fühlt, über alle Zukunft ſtrahlend
winkt ihm dein Stern: „Ich bins, geliebtes Volk!
— dein liebender König ruft dir, der deine Liebe
ſucht — dein Heil!“ — ſo ſprich zum Volk und
denk, ein einzig Leben, es iſt der Opfer
alle werth die ſein hartes Los in ein
beſſeres ihm wandeln — Aber du wirſt ſo
nicht zu ihm reden — ſo nicht handeln.
Schlakender König: Was du mir zumuütheſt,
werd ich wohl auch mir zutrauen dürfen! — Wa:
rum ſollt ich mich geringer achten, als ich dir
ſcheine? —
Daemon: Manches greift weiter als einer denkt;
115
und nur von kühnem Selbſtvergeſſen fort geriſſen,
kann dirs gelingen das Rechte zu thun!
Schlakender König: Trunken von eigner That—
kraft, ihrem Erfolg ſich überlaſſen? — Das wär
gefrevelt. — Und das Unverantwortliche iſt nicht
das Rechte!
Daemon: Unſterbliches iſt nicht Frevel, und
wo eine Handlung die andere zu Grab muß tragen
und nichts erzielt als ihrer eignen Bemühung Un—
werth, da hat, was dieſe niedre Sphäre überbie⸗
tet, keine Verantwortung; es iſt göttliches Ge—
ſchehen! — Du aber fürchte nichts: auch dein
Wollen wird man anſtändig zu Grab geleiten.
Schlakender König: Was haft du gegen mei:
nen Willen das Große zu thun? |
Daemon: Ich zweifle nicht an deinem Willen,
aber ich bezweifle ob du ſo unbefangen dich über
die Hecke würdeſt ſchwingen, wie jene freien Vö—
gel des Waldes, der umzäunt war ihre Freiheit
abzuſperren. Ja ich zweifle noch, wo andern
längſt ihrer Hoffnungen ſchwankender Stern erloſch!
Schlatender König: ft ihrer Hoffnung Stern
erloſchen, fo wird die nächſte Morgenröthe fie be:
ſchämen. Aber deine Zweifel? — Welche meiner
Handlungen berechtigen dich dazu? —
Daemon: Nicht dein Vermögen Opfer zu brin:
8.
116
gen, wie reines Wirken fie heiſcht. Aber deine Kro-
nenwächter — die hindern dich daran.
SISchlakender König: Was du nicht alles ins
Spiel bringſt um gegen meine Staatspfeiler mich
zu reizen. Und mim willſt du, ich ſoll gegen fie
unternehmen was dir obliegt.
Daemon: Du meinſt, mir liege ob die ab—
ſchüſſigen Quellen des Volksglücks wieder herüber—
zuleiten in deiner Gnade Schooß. — Aber du
frauft mir nicht!
Schlakender König: Das mag fein; denn wie
du willſt daß ich mit dem Volk mich verſtändige,
das ſcheint mir Thorheit.
Daemon: Thorheit iſts, daß du ſo geitzig dein
eigen Herz behandelſt und nicht den Samen der
Liebe ihm gönnſt der dir doch reiche Erndte würde
tragen. — Welche Huld kann der von ſeinem
Freund erwarten der gegen ihn der eignen Hinge—
bung ſich wehrt? — |
Schlakender König: — So ſpricht nicht ein
Staatsmann! — Wär Anfangs gleich das Außer:
ſte geſchehen, ſo lebte alles Volk in Furcht und
in Gehorſam. Wenn aber die Frechheit will der
Freiheit den Hals umdrehen, ſo fang ich ſie und
beug ſie meinem Willen.
Daemon: Warum ſagſt du das? — Es iſt ja
117
doch nur die Rede des Eiferers der nichts Klügeres
vermag als die herabgedrückte Menſchheit aufs neue
der Schule zu überantworten, die aus Selbſt—
dünkel ſich blind ſtudirte. Das Volk dem im—
mer auf verkehrte Art und unter Vorbehalt nur
zugewendet wird, was man ihm mißgönnt und
heimlich wieder entreißt, es bleibt als blödſinnig
gewordner Bettler unter einer noch abgeſtumpfteren
Vormundſchaft jeder übermüthigen Willkühr aus—
geſetzt. — Und ſo ein König ſpricht: „Ich liebe
Gott“ — und verachtet das Volk, der lügt.
Schlakender König: Davor ſei Gott. Ich ver—
achte nicht mein Volk, es iſt meine ſchlafloſe Sorge,
wenn es wie ein raſcher Sperlingzug ſich umher—
ſchwingt, wo es bleibe; und daß es in den Abgrund
den es unter ſeinen Füßen aufwühlt, nicht ſtürze
um ihn wieder auszufüllen.
Daemon: Wer hülfreich je die Hand geliehen,
der kann fie nicht zurückziehen; er muß retten, nie:
mals verderben; denn er weiß, es giebt keine Ver—
dammniß als nur die eigene Ehre. — Alles Han:
deln was ſie nicht befriedigt, zerreißt die Seele
und verwirrt den Geiſt der die Urſtoffe neuer
Welten in ſich trägt.
Schlakender König: Und nenne du mich Ber:
räther an mir ſelbſt, ich erkenne, ich bewundre das
118
Große — ich haſſe mich felbft um mein Zagen,
um meinen Wankelmuth. — Da iſt kein Pfad der
die Höhe hinanleite alle gehen abwärts.
Daemon: Du magſt beſtändig oder wankelmü—
thig ſein, den rechten Weg kann der nicht verlieren
der die eigne Seele beherrſcht. — Wohl kann ſich
mindern und bis ins Weh verſinken; Weh kann
in Wolluſt überſtrömen vom Geiſt berathen. —
Und das Volk das jetzt ein ſinnlos Weſen dir
ſchaint was deinem Willen ſich muß beugen, kann
klug, voll Seelenadel durch deine Huld ſich dir
bekunden. Wohnt nicht der Segen bei Dir der
Natur dem ihre Geniuskräfte durch die Seele rau—
ſchen? biſt du ganz einſam muß der Geiſt, der
immer kühne immer freudige in dir dem Mächtigen
ſich umnachten und ins Ungewitter hinabſtürzen
mit dir? —
Schlakender König: Du beleuchteſt der Seele
Bettelſtand der ihr den Anblick ihrer ſelbſt ver—
bittert.
- Daemon: Im glorreichen Geiſterhof, wo der
Wahrheit Strahl, wie heut der Mond, den Geiſt
der Nacht durchglänzt, lernt ſie ſich heben über die
feigen Geſchlechter die deine Krone mit falſchem Lor—
beer und vergifteten Mirten täglich friſch bekränzen.
Schlakender König: Und über Klippen die ihr
119
Selbſtdünkel hat ausgewaſchen, tanzen fie keck auf
der vorragendſten Spitze die dem Herrſcher trotzt.
Daemon: Und ätzen die Wunde dem Volksun—
willen und Scholle an Scholle hämmern ſie Härte
und Kälte zur Eisdecke zuſammen die mit Wuth und
Gedonner endlich berſtet an den ewigen Ufern des
Rechts! —
Schlafender König: Und dann ſchwankt Alles
in ſeiner Hand, und ſie ſäen heuchleriſch ihm Ent—
muthigung ins Herz. |
Daemon: Drum halte deinem edleren Gelbft
zu lieb dem Volk etwas zu gut, dem ſie ſo
grauſam die Weinberge des Herrn verwüſten.
Schlakender König: O Volk das ich des Glü—
ckes Stufen hinan wollte leiten, deine Felder mit
des Vaterlandes Blut gedüngt! — gehetzt zu mor—
den, zu plündern, zu verhungern, zu verderben! —
vermag ich auch nur irgend dir zu bieten was
ſeegenvoll nicht dein eigner Fleiß erwirbt? —
Daemon: Wie im Land der Pumpernickel und
Schinken, in dem das Volk verhungert, und im
Land der feurigen Weine von Schweiß getränkt,
das jährlichen Tribut zahlt an verſchmachteten Un—
terthanen und im Land der Leinweber, die arbeit—
müde vom Abfall der Spindel ihr Leichenhemd
ſich weben. Denn zu viel ſittlich Gefühl hat
120
ja der Hemdloſe, um unbehemdet ſeinem göttli—
chen Richter ſich zu ſtellen, — und der Ritter
vom eiſernen Kreuz, vom Spinnrocken entlaſſen,
weil im Arm der das Schwert fürs Vaterland
einſt führte, ihm nicht Kraft mehr iſt den Faden
rund zu drehen. Für alle dieſe vermögen deine
volksärgerlichen Staatspfeiler nichts!
Schlakender König: Zuviel auf einmal der ve:
publikaniſchen Wirbelwinde erhoben ſich. — Alles
ſollte dem Volk geſchehen, ſo lags in meinem Wil—
len. Aber das Unwetter war mir voraufgezogen;
es überſtrömte mich, als ich am Platz ſtand es zu
geloben.
Daemon: Das war die Morgenröthe deiner
Vernunft. Um ſie zur Mittagshöhe hinan zu trei—
ben, brauchts Feuerhufen die leichteren Schwungs
den Wolkenocean durchrennen und der Sonne
goldenen Waitzen hinabregnen zum Volk das in
Euch und Euern Nachkommen die Inhaber gelieb—
ter Throne anbetet. —
Schlalender König: Was kann der Herrſcher,
als ſeiner Entwicklung breiteſte Baſis ihm freige—
ben? — Denn der Adel meines Geiſtes, bei der
Frage des Gerechten, will nicht das mit Füßen
treten, was er nicht vermag zu retten.
Daemon: Doch die Heerde deines Rathes, weiß
121
es anders auszulegen: „Volk ergieb dich nur dem
Teufel, denn er hat ſich uns verheißen, daß durch
alle Weltenkriſis deine Kraft für uns ſoll frohnen.“
Schlakender König: Packe den ſchlafenden Lö—
wen nicht bei dem gefpigten Ohr feiner Ehre.
Daemon: Ich habe ihn ſchon beim Ohr ge—
packt.
Schlatender König: Warum haſt du ihn beim
Ohr gepackt? und hat er dich nicht gebiſſen?
Daemon: Himmliſch beauftragt wie Demeter
ins Feuer der Unſterblichkeit dich zu halten, wehrte
ich aller witzloſen Satanstheorie deiner Schmeichler
und hab es Gott geklagt daß deine Rathsheerde
ein ſo ſchwaches Ingenium dir zutraut, um wie
ein Wickelkind in ſeine Ehrenkränze dich einzuſchnüren.
Schlakender König: Wie? dem König der Könige
haſt du Klage geführt über die Rathsherrn der
Stadt, daß die mir Ehrenkränze wollten flechten? —
Daemon: Dem Gott hab ichs geklagt der viel
dem Unſinn nachſieht, aber dem Geiſt beiſteht ihm
zu wehren, und dem duch gleichgültig . was dich
angeht. —
Schlakender König: Was haft du für Rath ein:
geholt und welche Früchte haſt du davon ge—
erndtet? |
Daemon: Mit fanften Mahnungen ihn anzu:
122
gehen, war göttlicher Rathſchluß. Schleen und
Holzäpfel hab ich geerndfef. —
Schlakender König: Erzähle Alles.
Daemon: Es war an deiner Bürger Huldigungs—
feſt. In deines Regierungslöwen Namen eingehüllt
übermachte ich dem Rathslöwen ein Schreiben.
„Wie?“ ſchrieb ich dem Rathslöwen „ein thurm—
artig Gerüſt bemalt mit transparenten Ahnen um
bürgerliche Huldigung zu vertreten? — Wars nicht
eure Sorge, der neue Herrſcher werde den Adel
euch vorziehen? und ſoll nun aus der guten Hoff—
nung dieſer Zeit nur der fabelhafte Ahnenbaum
erſprießen, beſäet mit ungeſchickten Bildern der Ver—
gangenheit? — Wenn Durchſichtigkeit Verklärung
iſt dem ſchwachen Auge, ſo beweiſt ſie zugleich
dem ſcharfen Geiſtesblick daß nichts dahinter iſt.
Bemalt euern Thurm mit Völkern aller Zonen,
mit Menſchen aus dem Mond, ja aller Sterne
Weſen, die feines Gcepfers Freiheit huldigend, ih:
ren Göttern dienen. Malt den Genius der Zei—
ten, beflügelt über den Abgrund ſetzend des Aber—
glaubens und der Lüge. Malt den frommen Hel—
den, der unter Wettern die ganze Welt auf mäch—
tiger Schulter durch die gepeitſchten Fluthen trägt.
Malt die Zukunft mit vollen Garben ihrer gottver—
trauten Saat und alles Glücksgefühl ſeines noch
123
im Keim ſchlummernden Berufs aber nicht den
volkswiderſinnigen, transluciden Baum verblich—
ner Ahnen.“
Schlafender König: Und dies barbariſche Schrei⸗
ben, wie ward es aufgenommen? —
Daemon: Geblendet von deiner Regierungsſon—
ne aufgehendem Strahl, ſtand die Rathsheerde rath—
los da! — Da ſagte Einer: „Meine Herren, dies iſt
nicht eines Staatspfeilers Schreiben, es hat ein
daemoniſch Weſen.“ — Dennoch hielt der Rath
für rathſam den Ahnenbaum nicht aufzupflanzen.
So ward der Anblick dir doch erſpart deiner ölge—
tränkten Vorfahren.
Schlatender König: Das war gut. Warum
aber ſollte das Volk den Adel mißachten?
Daemon: Wie könnt es ſonſt dem Selbſtgefühl
ſich retten, wollt es die achten, von denen die Volks—
verachtung ausgeht, die hochmüthig nach alten Ge:
ſchlechtern forſchend, jede reine Abkunft bezweifeln,
die eigne aber aus Jovis Schoos herleiten; doch
was des Volkes Herz zerſchneidet, grauſam tief, —
was es duldet, — der Gleichgebornen herbe Qual,
ihr ſchlagend Daſein, dem von Geſchlecht zu Ge—
ſchlecht aus kräftiger Wurzel treibend immer wie—
der das Recht des Beſtehens abgedrungen wird,
uicht achten.
124
Schlakender König: Diefelbe Blüthe der Volks⸗
vertretung die fürs Gemeinwohl ſich entfaltet, iſt
Pflicht und Vorrecht der Adelsbefähigung. Jede
Bildung ſoll ins Allgemeine übergehen und die
ſchlummernden Kräfte wecken dieſer Zeit des Be—
dürfniſſes und der Frage wie ihm zu ſteuern ſei.
Daemon: Wo Klag und Jammer nicht hinanrei⸗
chen, da erliſcht auch das Mitgefühl für Erden—
weh; da ſtimmt bald nichts mehr für das Volk.
Da wirft man ihm nur vor, was es zwar voll—
bringen mußte, was ſein Herz aber nicht erſann,
was es nimmermehr verſchuldet hat. — Den Schei—
debrief des Lebens ſtellt ihr ihm aus, wo euer
Wille zu ihm nicht ausreicht.
Schlakender König: Ich will in des Adels Bor:
rechten nicht den Ahneubaum geſchützt wiſſen, aber
den Stammbaum der Verdienſte, der die Quelle des
Volks vertrauen ihm zuleite.
Daemon: Harre nicht darauf. Von Jovis
Blitzen ungeblendet, wird es bald nichts mehr von
Euch fordern. In ſchwerer Erdenluft ſteigt keine
Opferflamme auf. Nur wo die Gottheit den
Menſchen ſich verwandt fühlt, kann Vertrauen
Gelübde thun.
Schlatender König: Ein Volk das Freiheits⸗
125
fahnen aus jedem Lumpen macht, — um repu⸗
blikaniſche Luft zu trinken, den Port des Vater—
lands verläßt und nur irdiſchen Vortheil für gei:
ſtigen Fortſchritt hält, dem wird ſein Wohl nicht
leicht begreiflich werden. i
Daemon: Wirſt du als geiftige Macht dich
ihm verſtändigen, ſo kann es auch den irdiſchen
Beſitz als Freiheitsbaſis nicht mehr achten. Gieb die
Republik des Geiſtes frei, dich ſelber an die Spitze
ſtellend, und bald wird es dich überbieten.
Schlatender König: Die Undankbaren! die Thö—
rigen! im Chorus ihres ſogenannten Bewußtſeins,
Freunde und Brüder mit Mordgeſchrei überfallend!
Konnten ſie in geſetzlicher Faſſung es nicht ſtille
abwarten? —
Daemon: Werfe nicht Empörung vor dem Mär:
tyrer, den Fieberwuth befällt nachdem er ſo gelitten;
nicht Undank werfe ihm vor, für das was man
ihm zuwider als Wohlthat will aufdringen und nenne
nicht Trotz den Ernſt des Ringers der unterliegend
mit keiner Bitte mehr dir kommt, von keinem
Segen mehr betrogen, mit keiner Hingebung ſich
Preis will geben —, allein mit ſich in ſeiner Nacht,
von allem Leben ſcheidend, von allem Glück, von
allen Klagen und von der Gottheit Lichtgebiet! —
Vertrauen iſt ihm erſtorben, und in geſetzlicher Faſ—
126
fung ftille abwarten konnte es fo wenig als der
Damm, überfluthet von Wogen die das Erdbeben
im Schooß tragen.
Schlakender König: Es ſtürzt ins Elend von
Freiheitsſucht bewältigt.
Daemon: Es nimmt neuen Aulauf, und iſt der
Sprung gelungen, dann gelingt auch was ſo lange
ihm erſehnt war.
Schlalender König: Ja! es will das Ideal der
Weltbürgerſchaft aus ſich erzeugen.
Daemon: Das über alles Sein und Werden
ſich erhebt und Dogma iſt der Volksreligion und
Keim der Gewiſſenspflege. |
Schlakender König: Ideal wie die Sonne am
fernen Horizont erleuchtet aber ergießt ſich nicht
in die Schranken der Erfahrung.
Daemon: Ideal, unberührt aus der Weisheit
Schooß aufſteigend, iſt Morgenröthe der Geiſt—
revolutionen: — fie verkündet der Sonne entſchei—
dende Gewalt im Volk. Weltenreligion — der
Seele Eigenthum, Urboden des Poſitiven — nach
ihr den eignen Schritt abmeſſen, iſt Staatsklugheit
des Prophetengeiſtes. Kein Vorrecht als nur des
Muthes, im Ideal dich zu behaupten — und du
beherrſchſt die Welt!
Schlatender König: Du willſt die Vernunft
127
herausfordern im Volk das doch nicht weniger
unterdrückungslüſtern als der Bevorrechtigte von
Geburt nie ſich erleuchten ließ durch ſeine Märtyr⸗
helden die ſtets ſeine Lehrſtufen mit ihrem Blut be⸗ .
ſiegelten. Nicht im Streit, nicht im gegenſeitigen
Kampf mit Waffen in der Hand, aber auf dem
Blutgerüſt, verurtheilt von Rechtsformen die das
Volk unterſtützte, denen es zujauchzte, find die un-
terlegen, die ſeinen Geſchicken ſich vermählten.
Daemon: Dieſelben gehäſſigen Leidenſchaften
die es gegen ſeine weiſen und kräftigen Denker
aufregen, hat es mit ſeinen Unterdrückern gemein
die es in ſeiner Unmündigkeit beſtehen laſſen, um
es aufregen zu können. |
Schlakender König: Niemand Unrecht thun,
iſt Grundgeſetz der Mündigkeit des Volkes. Alle
Menſchen müſſen Organ ſein des Geſetzes, alle
Handlungen müſſen Geſetz ſchützend, Geſetz übend
und Geſetz auslegend ſein. —
Daemon: Wenn aber die Lüge dem ſtummen
Bedürfniß Verbrechen aufbürdet wozu es blos die
Handhabe war, wo bleibt da dein Grundgeſetz?
Wird es nicht ſcheitern an eingebildeten Rechten
aus denen die Volksunterdrückung hervorgeht? —
Schlakender König: Das Recht wird nie den
128
Volksgeſchicken eine Frucht reifen, wenn das Ge-
ſetz ſich ihm nicht vermählt!
Daemon: Volksgeſchicke! — Spiel doppelſinni⸗
g ger Gewalt, die das Volk ſtets preisgiebt, vor
deſſen Kräften ſie immer zittert, deſſen natürlicher
Verſtand ihr ſtets im Weg, und welches aus dem
Paradies ſeiner Heimath zu jagen ſie jede Wüſte
gut genug findet! —
Schlakender König: Nur Ausdauer, Abhär⸗
tung und anſpruchloſe Entbehrung zähmt ſeinen
unbändigen Charakter, und befruchtet ſeinen Sinn;
keine Bildung würde ihm anmuthen, die feiner Kräfte
Maaß nicht ausfülle. Mäßig, billig, unpar—
teiiſch! — Darüber wird es aber immer hin:
aus ſtolpern.
Daemon: Aus ſich ſelber würden dieſe Tugen⸗
den den Heroismus der Volksfreiheit entfalten, Ihr
aber klagt es der Revolutionswuth an; als ob die
Geburt feiner heroiſchen Anlagen könnte ohne Wer
hen von Statten gehn? oder weſſen beſchuldigt
man es noch? — Kann es dafür daß Licht in fei-
nen Verſteck dringt und die Keime weckt einer Zu:
kunft die allein auf ſeinen Kräften beruht?
Schlakender König: Ehe das Volk feine Leiden:
ſchaften niederkämpft, verblutet es in ihrem Aufruhr!
129
Daemon: Verworfen alſo der Kampf gegen
ſein Mündigwerden, zu dem ſeine Gewaltherren die
Hand einander bieten, — derem Scharfblick nicht
die Nebel weichen, deren Rathſchlüſſe nicht von
guten Geiſtern geleitet werden. Nein! die Geiſter
haben keinen Verkehr mit Euch, ſonſt würdet Ihr
nicht die Allmacht des Nothwendigen unterdrücken
wollen.
Schlakender König: Den breiten Weg ſeiner
Entwicklung hat das Volk im Erdbeben ſeiner Lei—
denſchaften unterwühlt.
Daemon: Nicht mit Vorbedacht aber aus na:
türlichem Beruf: und daraus geht hervor, daß un⸗
mittelbar auf dieſem von Euch verdammten Volk
das Gleichgewicht der Staaten beruhe, denn nicht
politiſche Gewalt, aber ſittliche Größe des Volkes
ſelber iſt Menſchenführer und Schöpfer der Zu—
kunft. Wie der Tag die Nacht verſcheucht und
gegen ihre zweifelhaften Schatten ſein volles Licht
behauptet, fo wird auch Wahrheit nicht vom Wi:
derſpruch beſiegt. — Wer kann dem Licht wehren
daß es die Finſterniß verzehre? —
Schlakender König: Platon ſchrieb dem Tyran—
nen von Syracus: „Weisheit und oberſte Gewalt
ſind für einander geſchaffen und haben immerdar
einander geſucht.“
9
130
Daemon: Aber nie haben fie einander gefunden
weder in der Weltweisheit noch im Pferg der Re—
ligion die ihrer Heerden Eingeweide dem göttlichen
Aug zur Prüfung darlegt. Des Geiſtes Brennſtoff
der wie am harten Kieſel bei jedem Stoß des Wie⸗
derſpruchs Funken ſprüht ins ahnungsvolle Dum-
kel, der wird einſt hervorſpringen und ſelbſt den
Tag verbreiten um den es ringt. Laſſe nicht
Furcht dich entſetzen vor ſeinen Gluten, noch Stolz
dich zum Meuchelmord verleiten dieſer noch in der
Wiege ſchlummernden Volkskraft die Nahrung
ſucht; laſſe deinen Willen ihr das Lebensfeuer
ſchüren, verſage nicht deinem Genius der dich ihr
vermählt!
Schlakender König: Sind wir deshalb mit der
Freiheit in offner Fehde, weil keine Beſchwörungs—
formel gegen ihr Anſtürmen uns ſchützt? — Sol—
len wir feige die innerſten Lebensquellen einer geiſt—
loſen Volksdespotie hinopfern, die ſelber ihrem
grauſamen Gegenſatz verfallen iſt?
Daemon: Und doch gebt Ihr die Gewalt dem
Mißbrauch in die Hand der den Bogen bis zum
Brechen geſpannt hält? — Wen klagt Ihr an
daß im Augenblick wo die Sehne riß, ihre Schnell—
kraft den Bogenführer nicht ſchonte? — O Unvor:
ſicht, du auch zählſt zu den Rachegöttern! — Siehe
131
da den erften Verſuch das Volk blödſinnig zu
machen: — und er gelingt! — Es ſpricht zu allem
„Ja! mit Gott für König und Vaterland.“ Und
wär es mit dem Teufel gegen alle Rechte des
Menſchlichen; die eingewurzelte Heimathtreue durch
Machtgebote plötzlich aufheben. — Sind ſie noch
daſſelbe Volk unter fremden Herrſchern die um
ſein Kleid würfeln und in drei Stücke es reißen?
ein Gewand ohne Nath das nicht ſoll zerriſſen
werden. — Wie? — Soll es mit dem Halsband
eines Hundes ſich die Kehle zuſchnüren laſſen? ſeine
Würde ſchänden, ſein Vaterland mit Bruderblut
beflecken müſſen? — D daß in Euern Adern Erde
wär ſtatt Blutes! Wie iſts möglich daß Ihr wie
im Ballſpiel es einander zuſchleudert? — Wie kann
es losgeriſſen werden von dem, worin es ſittlich
ſich begründet fühlt! — Und die Schuld ungerech—
ter Sache werft Ihr aufs Volk? — ſein täglich
Brod, die Scholle ſeiner Heimath macht Ihr zins—
bar fremder Hand die ſchwer auf ihm liegt, und
Treuebruch ſtraft Ihr? — Wenn eine Kraft der
Treue in ihm war, ſo mußte es ſich losreißen von
der Politik des Tauſchhandels. — Und aber die
Macht im Kampf gegen eine freie Nation, die
bedarf der ganzen Menſchheit; nicht ihres Verſtänd⸗
niſſes, — aber ihrer Abgeſtumpftheit. — In der
a 9
132
Entmuthigung frei fein zu können, in feiner Ent:
würdigung wollt Ihrs bewältigen. — Wärs ſei⸗
nes ſittlichen Vermögens nicht beraubt, ſo wär es
mächtig. —
Schlakender König: Und wer in den Strudel
des Unerhörten ſich ſtürzt, um nie wieder zu lan:
den an den Küſten wo er ſeine Eidſchwüre nieder—
legte, Trotz zu bieten dem Ringen der Zeit, —
welchen Fluch würde der auf ſich laden aller
Mächtigen? — Und die moraliſche Wirklichkeit,
untergegangen in ſeinen fünf Sinnen! — Von
welchen Leidenſchaften zerriſſen ſein Volk, aus einer
Hand in die andere ſtürzend, ſeiner Erlöſung ver—
geblich harrend!
Daemon: Ein Gott der Jugendblüthe wär Der,
alle Lebensfrühlinge in Einen erblühend, alle Sinne
göttlicher Befruchtung hingebend; geiſtdurchdrin—
gend das Unſterbliche hier ſchon, was wieder ihn
durchdringen wird jenfeits. Große kühne Lebens:
fluthen dahinſtrömend, ein Meer zu Füßen weis—
heitsvoller Majeſtät.
Schlakender König: Und die Zeiten — fie find
nicht Ewiges, die vorübereilen und zerſtören, was
du meinſt es ſoll alle idealen Lebensfrühlinge her—
vorrufen.
Daemon: Was Ihr Menſchen Jahresalter
133
nennt, was Ihr an den Fingern herzählt, es ift
die Samenhülle nur, die abfällt wenn die Blüthe
zum Licht treibt. Heimlicher Kräfte voll ſetzt ſie
Fruchtknoten an auch in der Könige Herzen. Aber
die elend das Große in Händen halten und ſchüch—
tern es fallen laſſen, ſie ſind nicht Könige, ſie
ſind Schlacken einer finſtern Zeit die aufs Volk
niederregnet. — Wo aber die Seele ringt Gött—
liches zu gebären, Weltgeſchicke im Schooß tra—
gend: das ſind völkerreinigende Revolutionen, de⸗
nen im Kampf Himmelskräfte zujauchzen, in ihren
Helden, in ihren Lehrern, in ihren Opfergeſtorbnen
all, die da Göttliches find. *) N
—— — — — — —— — — — —
) Lücke eigener Cenſur.
Schlakender König: Die Höhen, die Allweiten
die du mir vorzauberſt, die mahnen mich der Tem:
pelzinne da Chriſtus verſucht ward aus Stein Brod
zu machen. 5
Daemon: Möchteſt du nicht groß ſein wol—
len? — Möchteſt du nicht der Größte ſein von
allen Menſchen? — oder iſt es Sünde der größte
Menſch ſein zu wollen?
Schlakender König: Sünde wär, nicht fein wol:
len was ich vermag. —
Daemon: Denn ſie ſagen: in deiner Hand liege
es, die Zeiten zu lenken auf die Höhe ihres Be—
rufs. -
Schlafender König: So muß es fein, denn in
Lücke eigener Cenſur.
135
mir liegt der Trieb zur Erfüllung deſſen was die
Zeit bedarf. —
Daemon: Und neunſt du glorreich was deine
Seele verlangt? — Erprüfe immer ob es Stein
ſei, was ich dir biete, Brod daraus zu machen.
Chriſtus, der den Verſucher zurück wies, wußte,
alles Handeln hat einen Doppelgänger der ihm
den Geiſt einblaſe der Beſeelung. So hat Muth
die Kraft der Wahrhaftigkeit; die Seele dieſer Kraft
iſt, daß fie ſich ſelbſt Lefige, — ſonſt wär er wilde
Leidenſchaft.
Schlakender König: So ift denn Muth Selbſt—
unterwerfung unter eine begeiſtigende Macht.
Daemon: So iſt Selbſtbekämpfen höherer
Muth als Anderer Herr werden: ſo iſt Recht ſchüt—
zen größere Gewalt als Gnade gewähren und ſo
trägt der voranſchreitende Held auf Geiſterſtufen
hinan Alle die durch ſeinen Willen handeln. —
Was nicht die Seele erhebt das zerreißt ſie —
alle Pfade leiten in den Abgrund die nicht Selbſt—
heiligend ſind.
Schlakender König: Und Chriſtus der dem Teu—
fel widerſachte, that er dies auch aus Selbſtheili—
gung? bedurfte dies der Sohn Gottes?
Daemon: Was führte ihn in die Wüſte? —
Verharrte er nicht vierzig Tage im Gebet? —
136
War dies nicht Uugang mit dem Göttlichen? —
Wars nicht Vorbereitung zum Opfertod für die
Menſchheit? — Und. jenes Gebet am Delberg:
„Wende ab den bittern Kelch“, — der Angſtſchweis
der ſein Antlitz bedeckte, war der nicht Kampf ſich
zu reifen zum Opfer für das Volk? —
Schlakender König: Wie hat das Volk ihn
gewürdigt? —
Daemon: Wie haſt du ihm gleich gethan, der
du ihn bekennſt und weißt: es iſt nur groß wer
das Göttliche vermag und alles iſt Sünde was
nicht nach Göttlichem ſtrebt. — Chriſtus ſtirbt nicht
als ſtreitender Held: — ſieggekrönt; — nicht an
lieblicher Stelle des Oelbergs: — er ſtirbt am ver:
fluchten Ort der Schädelſtätte. — Ihn führen nicht
gerüſtete Völker, ihn begleiten nicht gute Geiſter! —
Er tritt allein die Kelter mit dornumwundnem
Haupt. — Damals in der Wüſte hatte er es er—
kämpft mit ſich, die Welt durch ſein Blut zu
erlöſen. Er legt nicht Hand an ſie: — er leidet für
Alle und vertraut ſcheidend dem Schooß der Mur:
ter der Kinder Heil. Was iſt dir dein Volk, daß
du ſagen kannſt, ſie ſind deine Kinder? —
Schlakender König: Ja! fie find Frucht meiner
Angſt und Sorge um ſie. |
Daemon: Verdorrte Frucht ohne Labung in
137
der Hitze der Todtesängſte, — verblüht, vertrocknet,
unbeſeufzt über ihren erbärmlichen Ausgang! Trium—
phirt habt Ihr, aber nicht es beklagt. —
Schlafender König: Gerechtigkeit, über die Men—
ſchennatur klar entſcheidend und ihren Rechten den
Triumpf ſichernd, übt nur Recht, wenn ſie im Zorn
des Waldes Stämme zerſchmettert.
Daemon: Hat deine Seele nicht mächtigere Flügel
als der Gewitterſturm der Wälder durchbricht und
Felsſteine zerbröckelt? — Und wer über Recht ent—
ſcheidet, der ſoll ſelber ſich nicht Recht ſprechen; —
was nutzt dies ihm? — Gleich der Gottheit, die nicht
kommt hinter dem Feuer, nicht hinter dem Donner,
ſondern die endlich kommt mit lindem Wehen wie die
Thauwolke der es keiner dankt daß ſie vorüber—
ziehend auf die lechzenden Fluren träufelt.
Schlakender König: Würde das Volk dies De:
greifen das nur ſinnlich erfaßt was ihm geſchieht
und inuner pocht auf die Verheiſſungen des gelob—
ten Landes? A
Daemon: Handle um deiner felbftwillen, er:
prüfe nicht heimlich die Zeichen deines Wirkens,
laſſe dein Wirken dich ſelbſt erprüfen von dem Ur—
theil des Volkes!
Schlalender König: Wenn das Volk urtheilt,
fo erwartet es von der Macht zugleich auch Die .
138
Erkenntniß deſſen was ihr doch erſt im Einklang
mit der Geſammtheit muß offenbar werden.
Daemon: Nun ſo iſt's ein letztes Entſcheiden den
ſreien Blick in Eure Mißgriffe ihm zu gewähren.
Denn wolltet Ihr ſie läugnen, ſo wär dies ein Be—
kenntniß, daß Ihr nie zu der Vernunft kommen
werdet die ſie beſchwören könne.
Schlalender König: Wie? dem Volk ſollte man
die Rathloſigkeit bekennen, in die oft Unvorherge—
ſehenes aus Gottes Zulaſſung uns ſtürzt? — Dein
Volk, das nicht beurtheilen kann die Weltſchickun—
gen, Wagniſſe die es begünſtigt uns zum Vorwurf
macht, wenn fie nicht gelingen und aus jeder Ir—
rung die Verſündigungen an ihm heraus buchſtabirt?
Daemon: Das Volk iſt der Zauberſpiegel Euerer
Mißgriffe. Es offenbart durch ſein Verzweifeln,
durch ſein Verwildern und Wildwerden Euere Fehle
und auch die Gefahren die Ihr damit heranbe—
ſchworen habt.
Schlakender König: Weltkemtniß und Erfahrung
gehen dem Volk ab, und feine Anſprüche find denen
nicht angemeſſen.
Daemon: Des Volks Bewußtſein gründet ſich
freilich nicht auf Weltkenntniß die ihre wankenden
Verſuche nur berechnet auf den tiefen Schlaf die—
139
fer ſouverainen Kraft. Selbſtſtändiges Gewiſſen des
Volkes entſcheidet aus Naturgefühl des Rechtes.
Schlakender König: Weltklugheit weiß die Linie
der Gefahr zu beſchreiten die das Volk aus Über:
muth überſpringt oder aus Feigheit verläßt und
nie die Früchte erndtet, die Erfahrung ihm er—
beutet.
Daemon: Stolz auf dieſe Früchte vergißt Welt—
klugheit daß ſie ſelbſt mit dem Verluſt dieſer ſou—
verainen Kraft erkauft iſt, die das Volk noch un:
verletzt in ſich trägt. — Sie bildet aus Anlagen
Fehler und Laſter; ſie lehrt die rechte Hand von
der linken unterſcheiden, ſie ſtreckt die Waffen vor
der Gewalt und wendet zur Zeit denen den Rücken
die auf ſie bauen; ſie regiert Selaven — aber ſie er—
hebt nicht die Einfalt des Volkes zur Freiheit in
ſich; aus jeder Leidenſchaft die ſie ihm überſprin—
gen lehrt, entſteht Schlimmeres als wozu ſie führen
konnte.
Schlakender König: Vor allem der Undank, der
Wohlthaten nicht anerkennen will.
Daemon: Was hätte das Volk dem zu danken
der doppelt genießt was er gewährt?
Schlakender König: Dürfte das Volk des Dan—
kes nicht achten, wie wenig würde es dann der
Wohlthat gewahr!
140
Daemon: Wird es der Wohlthaten gewahr, fo
iſt es nur durch die moderigen Lagunen des Nutz—
loſen in denen ſie vereinzelt und verwittert herum—
ſchwimmen. Was weißt du vom Volksdank der
mit jedem heißen Tag der Erndte ſeine Mühen
verdoppelnd zum Himmel ſteigt, jeden nährenden
Regen hoffnungsvoll ihm unterbreitet? was weißt
du von des Volkes Ausdauer, die immer von
neuem ſich durchreißt, im Schweiß ſeines Angeſichts
von der Wiege bis zum Tiſch des Herrn ſeine Nach—
kommen dem Herrſcher erzieht und mit ſegnender
Mühe den eignen Heerd ihnen baut? — Vaterlos,
nimmt ſich die Mutter allein ihrer an. — Da hält
die Unermüdlichkeit Wache. — Einmal die Sonne
auf und nieder — und fie hat in ihrem Lauf dop—
peltes Tagwerk vollendet das ihr Brod muß
ſchaffen für Alle: ſcharfſiunig berechnet fie ihre
Kräfte auf die Zukunft. — Eine Mutter aus
dem Volk, die Niemand was zu danken hat. Kei—
nen Beſitz ſchmälert ihr Erwerb der nur Vortheil
bringt dem Arbeitgeber und doch ihm den Dank
zollt, der ihr Hülfsquelle war in Tagen der Noth.
Schlatender König: Und mehr ſoll das Volk
auch nicht fordern als ſich erhalten und Allen da—
durch nützen.
Daemon: Des Volkes Stolz iſt Selbſter⸗
141
haltung. Ihr entſpringt die glückliche Beſchränktheit
ſeiner Genüſſe, wie aus der goldnen Sonntagsruhe
auch die Kraft der ſchaffenden Woche ihm hervor—
geht mit der es die nachkommenden Geſchlechter
dem Herrſcher pflegt, der Vater und Mutter ihm
ſein ſoll, aber grauſam das Unkraut der Verwil—
derung ihm ins Herz pflanzt und ihm lehrt die
Waffen richten auf ſeine Pfleger und Gefährten
der Noth. — Das bedenkt der nicht der Wohl—
thaten ihm zuzählt und den Dank dafür heiſcht. —
Weltkenntniß und Erfahrung die leichtſinnig über
das Unheil was ſie bewirken und tief nachforſchend
wie ſie es bewirken können, alle reine Beweg—
gründe verdächtigen, weil ſie etwas ganz anderes
ſuchen. Sie ſchleichen aus ſich heraus, um ſich in
Anderer Begriffe zu verſenken und da die Recht—
fertigung heraus zu fiſchen für das was ſie in ih—
rem eignen Selbſt beſchloſſen haben. — Weltkennt—
niß und Erfahrung — Pfeiler aller Vorurtheile
und Bemäntler ihrer philiſterhaften Unthaten! Mehr
kannſt du ihnen gegenüber dem Volksbewußtſein
nicht zuerkennen. Aber es ſteht in den Sternen
geſchrieben: das Philiſterthum der Weltklugheit iſt
die Mördergrube des Herrſchergeiſtes.
Schlakender König: Könnte ich nur heraus ver:
nehmen was eine Regierung ohne Weltklugheit be:
ginne mit dem noch in der Wiege ſchlummernden,
ſchon ſouverainen Volk, aber nicht wie Merkur
aus den Windeln ſich löſend, bereit ſeine große
Weltbeamtung anzutreten.
Daemon: Es würde bald ſeine göttlichen Kräfte
bethätigen, könnte es wie Er in ſicherem Gleichge—
wicht ſeiner Anrechte auftreten, unberührt in ſei—
ner Natur, wohlgezeichnet und ſcharf umſchrieben,
— ſelbſt in coloſſaler Erſcheinung die ſchönen menſch—
lichen Verhältniſſe unverſchoben, einfach ausgerüſtet
vom Vater des Vaterlands, wie Merkur von dem
der mit der Wimper die Welten bewegt. — Aber
es hat erſt eine lange ſchmachvolle Geiſtunterjochung
zu bewältigen — durch Erkenntniß deſſen was es ver—
mag. — Dies auch war dem Merkur göttlich
Lücke eigener Cenſur.
143
eingeboren, — das Tag- und Nachtbewußtſein def
ſen was geſchah: er war Staatspfeiler und Bote
feines Vaters und abſoluten Herrſchers und diente
ihm unermüdlich, aber er ſelbſt war Volksfreund,
er geleitete die Seelen in die Unterwelt und war
der Gott der Beredſamkeit.
Schlafender König: Des Volkes Beredſamkeit
hat bisher noch keine Wunder vermocht. Und wie
erkennſt du dem Volk zu, als Merkur die Seelen
zum Acheron zu geleiten? —
Daemon: Wenn ſeine Beredſamkeit nicht Wun—
der vermöchte, fo würdet Ihr nicht fo ängſtlich
ihm den Mund verbieten; — und die Seelen führt es
zum — Acheron: wie der Götterbote wirft es den
Strick dem um den Hals der nichts vermag, feſt—
gerannt im Begriff, wie Stein. Der aber dem
Volk die Zunge löſt, und dem von der Erde ſich tren—
nend es wehmüthig ſchmeichelt: „Du gehſt und
läßt uns in Sorgen und Trauer zurück“
zu dem der Herrſcher dann wieder ſagt: „Nicht
aus Luft gehe ich dieſen Weg, ungern ſcheid
ich von dir, doch es iſt mein Loos alſo vom
Verhängniß beſtimmt; du denke aber mein
im Gebet“, — zu dem wird das Volk dann ſa—
gen: Immer war Gott dein Helfer! — Dieſe
innigen Wechſelreden zwiſchen Euch beweiſen, das
144
Volk fei nicht weniger beredſam als du, und daß
es wie der Götterbote die Seele zur Unterwelt ge—
leite und den Strick um den Hals werfe ſeinem
Verläugner, aber mit ſeinem Segen zurückgeleite
ſeinen Retter angehaucht von der Sonne auf ſchat—
tigen Wegen des Lorbeers.
Schlakender König: Du verherrlichſt das Volk
mit allen Göttereigenſchaften deines Vergleichs, aber
läugne auch nicht ſeine zweideutige Natur, in der
Liſt täuſchender Ueberredung und ſchadenfroher Luſt
zu vergöttern, zugleich auf Schleichwegen der Ver⸗
läumdung ſchlittſchuhlaufend! Läugne nicht das
göttliche Talent des Uebervortheilens der Verſtellung
und falſcher Auslegung ſeiner Eide, die auch dem
Merkur die Verbannuung aus dem Dlymp zuzo—
gen, wo er die ſchmutzige Rinderheerde mußte
hüten um gar geringen Lohn und, wie mir nun
einleuchtet, Vater und Schützer war des pfiffigen
Volkes.
Daemon: Und läugne du nicht die göttlichen
Anlagen der Treue die dein Volk in dieſer Wüſte
dir bewahrte und daß die dir näher gehen als der
Kammern Vermittlung auf dem Tüpfel des I's
auf dem ſie verſteint ohne Strick um den Hals;
und läugne nicht des Abſchieds rührende Gewalt im
Volksſegen der dich begleitet, und deine Unſterblich⸗
145
keit nicht geſchieden durch irdiſchen Tod, niederthau—
end auf dein Volk, wie der Abendthau es reini⸗
gend vom Staub der Erde, wie der Morgenthau
es erfriſchend: — und vom Morgen bis zum Abend
duftet es ſeinen glühenden Geiſt in die Sonnenlüfte
deiner verklärenden Bahn!
Schlakender König: Du ſagſt Unendliches, wie
die ſchnaubenden Winde an mir dahinfahrend, daß
ich mich vor ihnen decken möchte, — dann ſanft mic
an die Bruſt ſpielend, daß das Herz voll Thränen
mir ſteigt. — Dann dies Hohngeſäuſel im Nacht—
ſchauer! — — Doch dieſe Stimme — iſt ſie die
meine? — ſeufzt und raſt ſie aus mir ſelber nicht
hervor? — iſt es mein Geiſt dort in der Ferne,
der heranbrauſt auf mich, — auf mein Denken,
auf mein Wollen und Streiten mit dir? — Du
biſt treulos. 1 Anmuthvoll wie die Mutter dem
Kind, ſchmeichelſt du mir, daß ich ein liebend Seh—
nen wähne in deinem Flüſtern, — ein Anbau:
chen wie von zitterndem Gefühl dich herüber zu la—
den in meine Seele. — Es ſchmilzt das Erz in
meiner Bruſt, — dein Feuerauge ſprüht mich
an. — Dann wars die Thräne nur im Mond—
glanz! — Und aufgelöſt im Wind dein Haar das
mir die Wange ſtreichelt, — ſtreifts nicht dort über
die Haide — über die Gipfel hinweg, wo Echo
10
146
herüber ſchreit, es ſei alles mir aus der Seele ge:
redet?
Daemon: Echo! — ja Scho deiner Ueberein⸗
ſtimmung mit dem Weltengeiſt: er wiederhallt aus
dir was du als Fremdes vernimmſt.
Schlakender König: Nur Licht in meinen
Kämpfen für die Menſchheit, wie Ajax in der
Schlacht, meinen regierenden Stern zu begrüßen;
denn es iſt mit der Fahrt der Völker wie zwi—
ſchen Felsklüften die immer enger ſich einbauen: die
trüben Waſſer murren zwiſchen Bergkerkern unauf—
haltſam mit den drängenden Schiffen hinab in den
Schlund den die Tiefe öffnet.
Daemon: Aber der kühne Schiffer umſteuert
die Felsecke, und Himmel und Fluren und heitere
Wohnungen der Menſchen breiten ſich aus, indeß
im Herzen das wie ein altes finfteres verlaſſnes
Bergwerk keine Schätze mehr zu Tage fördert, lange
Sternröhre blaſſe ferne Sternbilder auffangen; über
deſſen Einfahrt böſe Wetter und Blutgüſſe zu ihm
hinabrinnen ſtatt Freiheit und Religion und Wie—
dergeburt.
Schlalender König: Die Sternröhre ſammeln
das Licht der Kirche über dem trauernden Herzen,
und die Blutgüſſe die zu ihm hinabrinnen opfert es
dem Gott der die Seelen vom Verbrechen reinigt.
147
Daemon: So lange die Kirche nicht durch den
Geiſt iſt wiedergeboren, ringt ſie in Finſternißen, un⸗
reif im Leib getragen vom Haufe Jacob'). Der
Geiſt ſoll ſie reifen den Völkern, ſagt der Prophet;
und Könige ſollen ihrer pflegen und Fürſten ſol—
len der Völker Säugammen fein, die Völker fol:
len geſäugt werden von den Brüſten der Könige,
ſie ſollen Mutter und Vater ſein dem Volk und
wie die Mutter ihr Leben einſetzt für des Kindes
Leben, ſo ſollen die Könige mit eigner Gefahr der
Freiheit Kirche bauen zur lauteren Nahrung dem
Volk. — Paulus ruft ſeinen Gallatern zu: „Meine
lieben Kinder die ich mit Angſten gebäre!“ Gleich—
wohl treibt ihn ſein heftig Weh, daß er laut ſchreit:
„D Ihr Unverſtändigen, wer hat Euch verzaubert,
daß Ihr der Wahrheit nicht gehorcht!“ — Der
Gemeine zu Corinth ſchreibt er „Milch habe ich
Euch zu trinken gegeben!“ und den Hebräern: „Ihr
bedürft daß man Euch Milch gebe.“ — Sind aber
unter Euch ſäugenden Müttern des Volkes nicht
ſolche die ihren Kindern einen Scorpion geben ſtatt
der Milch liebender Weisheit? — Wie werden
die ſich verantworten die ihre Geſetze mit Menſchen—
) Jeſaya: 48.
10 *
148
blut ſchreiben und die Säuglinge ihren blutigen An:
ſchlägen hinopfern ?
Schlakender König: Gegen was kannſt du die—
ſen daemoniſchen Unſinn nur aufbringen?
Daemon: Gegen die frivolen Vergehen an des
Volkes Ehre, an ſeiner Natur und der im Blut
der Nationen modernden Geſchichte.
Schlakender König: Was find dieſe empören—
den Vergehen an Ehre und Natur und Blut der
Völker?
Daemon: Vielleicht unter Anderm — Euer fri—
voles Kriegführen.
Schlakender König: Wie? — Hat das auch
Sinn?. — Welche Kriege bezeichneſt du als frivol?
und welcher Troſt wärs dem Staat, den eignen
Leib zu zerfleiſchen?
Daemon: Alle Kriege gegen Volksempörung
ſind frivol.
Schlafender König: „Gerechtigkeit war mein
Kleid und mein Recht war mein fürſtlicher Hut. —
Ich zerbrach die Backzähne des Ungerechten und
riß den Raub aus ſeinen Zähnen. Ich war des
Blinden Aug und des Lahmen Fuß, und welche
Sache ich nicht wußte, die erforſchte ich.“ )
*) Hiob: 29.
149
Daemon: Du fagft es: und dein blindes Aug
erkannte nicht die Wahrheit, und dein lahmer Fuß
kam zu ſpät um das Lamm dem Wolf zu entrei—
ßen. Aber die Boten des Jammers meinen, du
habeſt auch taube Ohren; und die ſich rüſten wi:
der ihre Verfolger, wollen bezweiflen ob du den
Willen habeſt des Gerechten und Verſtändigen;
und ſo du ihn haſt, ob er nicht von deinen Heuch—
lern als erſtes Opfer geſchlachtet werde ihrem
Verrath.
Schlakender König: Rede bezeichnender, wenn
du Vorwürfe haſt! —
Daemon: O Fürſt: warum hat dein fürſtlicher
Hut dir nicht auch dein Recht gedeckt, ganze Na—
tionen aus den Zähnen zu reißen ihrer Mörder? —
Warum haſt dur fie nicht deiner Machtvollkommen⸗
heit gerettet — um aller Herzen Gemeinſchaft in das
Geſchehen deiner Tage einzuweben mit dem Glanz
ihrer Majeſtät, — des Troſtes, des Mitleids Quel—
len ſammt den Feuergüſſen des Heldenthums zuſam—
menſtrömend in der Hoffnung aller Völker zu dei—
nen Füßen? — Das Weib in der Offenbarung,
prächtig umkleidet mit der Sonne, ihre Füße ru
hend auf dem Mond, ihr Haupt funkelnd unter ei—
ner Krone von zwölf Sternen! — ſie geht ſchwan—
ger, — ſie ſchmachtet in Kindsnöthen, ſie ahnet den
150
lauernden Drachen der ihr Kind verſchlinge. —
Was iſt die Majeſtät der Könige? — Mutter⸗
angſt, durch Sorgen, Schützen, Retten und Opfern
ihren Glanz ausbreitend und ihre Macht über die
Völker. — Zwölf Sterne — wie herrlich funkelnd
über deinem Haupt, wenn jeder ein geſchütztes, ein
gerettetes, ein angefeuertes; ein verſöhntes Volk dir
ſpiegell. — Und haben ihre Stimmen nicht alle laut
geſeufzt — wehmüthig? und geſchrieen — ſchauerlich
und boffend und verzweiflend und ſchauervoll wi—
derhallend? und hinabgeſchallt in das finſtere Berg—
werk durch jene Sternröhre, mit denen du der wah—
ren Kirche Stern vergeblich ſuchſt? — Haben ſie
nicht friſche Adern angeſchlagen des reinſten Goldes
königlicher Treue, — hell erklingend auf erznen Stu—
fen deines Ruhms? Warum hat ihr Glanz ſich
gedämpft und durch das Blut der Völker wadend
bis hinan zu deinem Thron ſeine Stufen mit blu—
tiger Ferſe bezeichnet? Warum läſſeſt du in dieſem
Blut den mütterlichen Glanz deiner Majeſtät erlö—
ſchen? und den abgerißnen Lorbeer zuſammen bin—
den — unbarmherzig zur Geißel dem verſammel—
ten Volk zu deinen Füßen das Anderes von dir er—
wartet hatte. —
Schlakender König: Und doch — was auch
des Volks Erwählte für es erſtritten, es verſagte
151
feinem Heil. Im böfen Willen gegen ſich ſelbſt
ſchwirret es umher, wir Feldteufel die einander be:
gegnen zur Wüſtung des Landes: ſie ſchwören daß
die Heere des Himmels ſollen verderben, und ſel—
ber — Igel und Drachen, Strauße und Kobolde
wollen fortan das Land regieren, und die Majeſtät
der Könige ſoll welken wie das Blatt am Wein:
ſtock welkt. — So ſpricht Jeſaias dem der Ges
raph mit glühender Kohle die Lippen hat gereinigt.
„Es iſt verzehrend Feuer im Herzen des Volkes,
es trinkt die Hefe des Taumelkelchs, und ſein
Schwert iſt trunken vom Fluch des entheiligten
Landes.“ — |
Daemon: Wilder Schmerz macht ſchweren Ser:
thum. — Qualen die nicht tödten, reifen die Em—
pörung, und die Gewalt die überall Dornen ſäet,
düngt den Boden dazu. Volksverachtung — die
zermalmt den Herrſcher. Aber der machtvollkommne
Geiſt wandelt in Geiſtestreue die Empörung —
und dies iſt Lebensaufgabe dem weiſen Herrſcher
der einſt auf ſieben Fuß beſchränkt wird ſein, die
einen Leichnam halten.
Schlatender König: Mach mich nicht wahn—
ſinnig mit deinen Pfeilen, ſo dicht mir am Ohr ab—
geſchnellt. — Willſt du die Zeitenhallen wanken
machen? und Altäre verſchütten auf die wir Ge:
152
lübde niederlegen Gotteingeborner Herrſcherwürde?
Willſt du der Welten Ende herbei zerren? Was
iſt ein Fürſtenleichnam? — Er iſt die ſtarke Wur⸗
zel immer, aus der ſein hoher Stamm im Schmuck
des jungen Grün die Herrſcherkrone emporträgt!
Daemon: Gotteingeborne Herrſcherwürde be—
ſpritzt im Kampf mit Völkerblut. — Streu Aſche
ihr aufs Haupt; ſie haben ihr die Stirne befleckt!
Schlakender König: Und ſollte fie ihren Schimpf
nicht rächen?
Daemon: Herrſcherwürde die ſich nicht rächen
will iſt unantaſtbar, weil, der ſie beſchimpft, ſich
ſelbſt nur in ihr verwundet. Königswürde iſt an:
deres als das Racheſchwert halten über des Ge:
feſſelten Haupt. — König iſt Ideal der Volksge—
ſammtheit, das zeigt was das Volk vermag geſtützt
von einem Mann, und was ein Mann vermag
getragen von dem Volk. — „Weg du Traum fo
gold du biſt!“ — Ihr werdet fortfahren zu hem⸗
men, zu verbieten, zu verordnen, jeden freien Athem⸗
zug zu verpönen und hinzurichten; und dieſem klein—
lichen Verfahren das nicht zeugt von Macht aber
von Ohnmacht, wird der Stellvertreter des Ideals
einer Nation zum Opfer fallen. — Kleinlich iſt
dies Wettern und Schmettern des Kriegs den Geiſt
der Verſöhnung nicht begreifend; kleinlich der
153
Siegstriumph über vergoſſnes Blut von Henkers—
hand das Ihr den Verſtand nicht hattet Euch zu
retten. — Was habt Ihr mit der Erde gemacht? —
Was mit der Völkerzukunft? Was mit Euerer
Zukunft? — Jedem Blutstropfen der den Rache—
göttern fließt, entſprießen der Zwietracht Drachen—
häupter. — Und die Säuglinge die verſchmachten? —
Und die Unmündigen die zu den Müttern ſprechen:
wo iſt Brod und Wein? und wo die Speiſe des
Unterrichts? — Und die Verzweiflung welche
ſchreit: gebt mir den Gnadenſtoß! — — Aber
wann lächelte je die Fürſten Erbarmen an? —
Schlafender König: Und wann hört je mein
Schmerz auf zu klagen um mein abtrünnig Volk? —
D daß meine Augen Thränenquellen wären, Tag
und Nacht zu beweinen die Erſchlagenen in meinem
Volk! — Aber des Herrn Zorn iſt ein Dreſchwa⸗
gen der die Berge zu Spreu zerſtäubt; und ſeinem
Schwert ſind wie Staub, ſeinem Bogen wie
Stoppeln, die Völker die den Eid der Treue haben
gebrochen.
Daemon: Haben ſie der Treue Bund gebrochen,
ſo waren ihre Eide erſtorben, denn Treue iſt lebend
im Gewähren und Verlangen deſſen worauf ihr
154
Eid ſich gründet. Sonſt iſt er gleich dem winter:
lich untergelegten Weinſtock den man verſäumte im
Frühling wieder aufzurichten. Wenn nun die Zeit
kommt Trauben zu leſen, ſo hat er keine Früchte,
weil Luft und Sonnenſchein ihm abgingen zur Zeit
des Wachsthums.
Schlakender König: Was könnte dem Volk
abgehen an Erleuchtung des Allgemeinen, an Weis:
heit und Pflege dem es nicht ſelber widerſacht?
Daemon: David, als ihm zu Ohren kam daß
die Gemeine von Jabes den ermordeten und be—
ſchimpften König begraben und beweint hatte, ließ
ihnen ſagen: „Geſegnet ſeid Ihr dem Herrn, daß
Ihr ſolche Barmherzigkeit an Eurem Herrn Saul
gethan und ihn begraben habt. Der Herr thue
Barmherzigkeit an Euch und ich will Euch Gutes
thun.“ Das Volk, erleuchtet durch den Segen Die:
ſer Rede, heiligte ſich fortan im Wohlthun an fei:
nen Königen.
Als der große Schlachtenlenker Ruſthm mit
ſeinen Heeren über die Gebirge von Sabul herab—
gezogen kam um die gefallnen Streiter zu erſetzen,
und ihr Anführer den Reinen erblickte, ſtürzte er
in Unkraft nieder. Da legte Ruſthm des Helden
155
Haupt fi) an die Bruſt, und der Geneſene ſagte:
„D Edler, als ich dein ſchönes Antlitz ſah und
deine Liebe, da übernahm mich der Schmerz um
Alle die es nicht mehr ſehen werden; und ich ſtürzte
in Ohnmacht nieder.“ Ihn tröſtete Ruſthm, und
das Heer umgab ihn — er wehklagte mit ihnen
um die edlen Streiter deren Blut die Ebne getrun—
ken hatte, und weinte um ſie. — „Gott ſei ge—
dankt“ ſprachen da Alle, „daß du gekommen biſt
die Völker zu verſöhnen, denn dir beugen ſich
Alle!“
Alſo würdigte der größte Held des Aufgangs
die Völker, und ſie ſtellten von ſelbſt ſich unter
den vollblühenden Baum ſeines Schutzes, um
Freiheit und Liebe und Treue gegenſeitig. Das
Volk aber das nicht betraut wird von ſeinem
Herrſcher, und dem es nicht wieder darf vertrauen,
und nichts weiß von ihm und von ihm nicht ver—
ſtanden wird, ein ſolches iſt für die Eide der Treue
nicht verantwortlich! Und die Fürſten die das
Regiment in Händen halten, die kannſt du nicht
frei ſprechen. Denn weil ſie die Macht haben, ſo
ſoll ſie nicht von ihnen geübt werden.
Schlakender König: Wie iſt das begreiflich?
156
Was ſoll Macht, nicht ausgeübt an denen die ihr
das Meſſer an die Kehle ſetzen?
Daemon: Du haſt fo viel dich deiner Macht:
vollkommenheit geachtet und warſt doch ihrer nicht
bewußt. — Gewalt iſt Sclave der Schwäche, ſie
flucht dem Volksverrath und hat doch nicht Geiſter—
hände ihn zu bannen; ihre Diener find Uebelaus—
brütende Harpyen. Was iſt Machtvollkommenheit
ſolchen Dienern überantwortet, die alles Mißlingen
mit der Gewalt decken? — die das Volk verach—
ten, weil ſein Geiſt ihnen nicht unterthan iſt?
Machtvollkommen iſt nur Geiſt der den Geiſt durch—
dringt. — Nationen find tauſendfältiges Abbild
vom Ebenbild Gottes; — und Könige — jemehr
aus Machtvollkommenheit hervorgehend, je durch—
drungner auch vom Geiſt der Nationen. Scheint
dir dies wahr? —
Schlakender König: Wahr? — Wie ſoll ich
dies bezeichnen? — Es ſcheint mir zauberhaft. —
Da ich dem nicht kann widerſprechen, was doch
bisher in meinem Begriff nicht lag. Und jetzt
plötzlich kann ich die Wahrheit nicht mehr läugnen
von dem, was ich nie vorausgeſetzt haben könnte.
Wie Geiſtererſcheinungen auch nur dann geglaubt
werden, wenn Geiſter ſich ſichtbar machen. — Und
157
dann ſelbſt find wir unentſchieden, ob es nicht Trug
fein könne. Ich ſehe was du fügft, — ich fühls
im Wallen meines Blutes das vorwärts eilt über
den eignen Begriff hinausfluthend. Ja, wahr iſts, —
aber ferne in jener Dämmerung liegt es meinem
Blick, wo wir die Berge nicht unterſcheiden von
dem Himmelsblau und die Eilande nicht von den
Wäſſern. ü
Daemon: Was dich bewegt, es rührt dich an
wie Sonnenflammen an denen der Aar ſein ſchwarz
Gefieder durchglüht, der hinauf ſich ſehnt in die
Sphäre ſeiner Exaltation — Laß mich reden, denn
nicht leicht kommts noch einmal mir auf die Zunge.
— Eins iſt des Andern Lebensquelle, jedes hängt
vom Andern ab, wie von der Mutter das Kind
abhängt; jedes iſt volle Schöpferkraft des Andern.
Hat das Volk ein Naturgepräg, ſo hat es auch
einen Charakter der ſelbſt in den heimathlichen Ge:
wittern ſich entladet, der in der Natur mit athmet
in feinen Strömen, in feinen Fluren und Wäldern.
und Bergen und in den Sternen über ſeinem
Haupt. — Dem Einen die weite Ebne, dem Andern
die engen Felskammern; dem der vede Meeresſtrand
und jenem wieder die fruchtbaren Ufer der ſüßen
Wäſſer; kalte und warme Zonen, alle von Men—
ſchen gleich geliebt, — die Sinne eingenommen jedem
158
von dem Land, ihm das edelſte worin er geboren.
Er tränkt es mit ſeinen Thränen, — trunken taumelt
er von Wehmuth, wenn er es verlaſſen muß, an—
gehaucht von der Natur, die mit ſeelenlehrender
Redekunſt in lauten Aſſonanzen das Vergangne an
ſeine ganze innere Zukunft bindet; ihr Mund iſt
die Pforte der die Geiſter entſchweben die immer
wieder zu derſelben Kühnheit ihn entflammen fürs
Vaterland. — Heimathsgefühl — Wiegen an der
Mutterbruſt! — Natur — ſinnlich mitlebend, und
auch Göttliches, Sinnedurchdrungen. Wie Gott
Daſein hat im Schoß der Natur, ſo hat
der Herrſcher Daſein im Volk. Wie iſt es nun,
daß Eins das Andre verletze? — Du zerfleiſcheſt
die Bruſt der Mutter und wirfſt ſie nieder an der
ſcharfen Schwelle deines Zorns, du ſetzeſt ihr den
Fuß auf den heiligen Leib, du ſpeieſt ihr deine
Wuth ins Antlitz und lachſt ſchadenfroh ihrer,
ſo niedergeworfen und zerſchmettert in ihren Kindern
die deine Brüder ſind.
Schlakender König: Herrſchermacht en Na⸗
tionen die in ihr aufathmen und ſtark werden im
Vertrauen auf ihren gerechten Willen.
Daemon: Volk und Vaterland begreifen ſich
einander, aber der Herrſcher der wie ein nebelnd
Meteor am Himmel hinzieht und das Wettergewölk
159
über die Haide wälzt, begreift ſich nicht in beiden.
— Daß Einer für den Andern in den Tod gehe, das
beweiſt gemeinſames Anrecht aneinander — der Na:
tion und des Vaterlandes. Seine Helden laſſen
nicht an der Kette ſich leiten, denn wie den Göt—
tern iſt Freiheit ihnen Nothwendiges, und ſie reißen
gewaltig in das Feuer ihrer Entſchlüſſe hinauf; mit
Himmelskräften ausgerüſtet bewegen ſie die Welt,
und nur Weisheit hat die Kraft der Vermittlung
mit ihnen. Und wenn die Noth die nie Gehör
fand bei Euch, plötzlich wie ein fliegend Schiff
aus dem Hafen des finſtern Winters über das ſtür—
mende Meer dahinſchweift um an blühender Küſte
zu landen, ſo nenne das nicht Verrath — aber die
Kraft der Nationen deren innerer und äußerer Adel
darauf beruht die Stufe zu erſchwingen auf der ſie
nie ſich empört haben würde.
Schlakender König: Sie würden ihre Beherr—
ſcher um dreißig Silberlinge verkaufen, wären ſie
deſſen mächtig.
Daemon: Weil es die Kraft der Ueberwindung
in ſich trägt, woltet Ihr es zu Sclaven machen?
Wohin die Natur den Baum pflanzte, da wächſt
er nach ſeiner Höhe und breitet die Zweige aus
in ſeine Blüthe; wer ihn aber von der Erde ent—
blößt und Gift an ſeine Wurzeln leitet, der will
160
daß er verdorre. Wenn mitten im Vaterland eine
Nation nicht gedeiht, ſo iſt ihr Gift zugeleitet. Die
Natur kann aus einem Saamenkorn ein ganz Ge—
ſchlecht erziehen, aber Nationen vertilgen kann nur
der Feind des Vaterlandes, und dazu ſind ihre gei—
ſtigen Anlagen ihr eingeboren ſich zu erheben über
ſich ſelbſt; ihr darf der Beherrſcher nur mit Ehr—
furcht nahen, der freien Kraft freie Entwicklung fi:
chernd. — Oder er muß an die Bruſt ſich ſchla—
gen und bekennen: Ich habe geſündigt wider den
heiligen Geiſt der Nationen und war mit Leib
und Seele des Teufels, denn ich habe Tyrannen
die Hand geboten, auf überraſchen Wegen der Bos—
heit beizukommen ihrem mächtigen Wachsthum.
Abergläubig hab ich ihr angedichtete Laſter ver—
folgt und ihrer großen Männer ſie beraubt die
der Schutz waren ihrer Verwaiſung.
Schlakender König: Was erdichteſt du für
daemoniſche Gräuel? — Eine Nation vertilgen —,
das Gepräg der Schöpferkraft in ihr vernichten —:
dieſe ſtumpfen Pfeile prallen ab an mir!
Daemon: Dieſe Gräuel, ſie mahnen dich, wie
nur der höhere Menſch den niedern kann empor—
tragen, aus dem Grabe des Elends auf den Pfad
der unbefleckten Ehre. Die erhabnen Opfer die
den geliebten Boden mit ihrem Blut tränkten, ſeine
161
Fülle und Glanz hinopferten, blos um den geweih—
ten nackten Boden, blos aus brünſtiger Begierde
ſeine Luft zu trinken: die lehren jetzt dem Volk
auch dieſem Boden ſich entreißen, um nicht ge—
zwungen wider ihn ſündigen zu müſſen. Erkenneſt
du dies nicht erhaben über den Triumph ihrer
Befieger? |
Schlakender König: Erhaben mag es ſcheinen
dem der mit der Begeiſtrung Fackel in dieſen
Traum hineinleuchtet, aber die Berſerkerwuth er—
grimmter Völkerſchaften die Gelübde brechen ihren
Herrſchern — die beleuchtet deine Traumfackel.
nicht. —
Daemon: Wenn ſie Gelübde brachen ihren
lüberwindern, fo haben dieſe fein beſtes Blut ihm
abgeleitet an der heißen Wuth ungerechter Ur—
theile! Warum iſt der verachtet der ſie vollſtreckt?
Warum taucht er nicht in dieſelbe Schüſſel mit
Euch? — Hat doch Chriſtus mit ſeinem Verrä—
ther in dieſelbe Schüſſel getaucht! — übt er etwa
Verrath an Eurer Ehre? — Wo dürfte des Hen—
kers Fuß fürſtliche Gemächer betreten? Wo dürfte
er die blutigen Fäuſte gleich nach vollbrachtem
Abſcheu der Natur in Eure Schüſſel tauchen? —
Daß er ſich dazu hergab, das hat ſeine Seele
umd ſeinen Leib geſchändet vor dem fürſtlichen
11
162
Mond der über der kothigen Erde hinter lügen—
den Wolken dahinſchifft über dem weiten Grab,
dem eine unehrliche Hand die Biſſen zuwirft.
Wär es nicht beſſer, der Mond ſelber unterzöge
ſich der Hinrichtung ſeiner Opfer? — oder —
meinſt du der Gräuel trat ihm zu nah?
Schlakender König: Verwunde nicht mit dei—
ner Erbitterung die duldende Sanftmuth, die fo
lange trägt als fie nicht ſlrafen muß, und ſchreibe
lieber den Abſcheu vor dem Vollſtrecker der Strafe
dem Widerwillen ſie verhängen zu müſſen. Die
Schickſalswolke brauſt ihre Gewitter mitten in den
Sonnenſchein und durchwettert auch den, deſſen
Willen ſie in ihren Donnerſchlägen entladet. Mehr
will ich hierauf nicht erwiedern, der Schuldloſe
läßt die Beſchuldigungen auf ſich niederregnen fei,
ner Handlungen, die zeugen ſollten für ihn und nie
Sieger werden können über den böſen Willen ſei—
ner Widerſacher.
Daemon: Wer in Gott und der Natur ſich
heiligt, vor dem ſtürzt zuſammen was wider ihn
iſt. Er iſts der die Nationen dienend erhöht. —
Das Leben deſſen der in ſeine Hand gegeben iſt,
hält er als einen Schatz göttlicher Habe. Derſelbe
von den Geſetzen als Verbrecher bezeichnet — auf
den legt er die ſegnende Hand und erfühlt in ihm
163
die gottgeſchaffne Seele mit Flügeln die fie viel-
leicht noch nie verſuchte. — Sorgenfrei verſam—
meln ſich die Völker um ſeinen Thron, denn ſie
ſehen nichts als Gutes von ihm; Verſtand komm
durch ihn in die Welt, ſeine Schöne ziert die Erde,
ſie wird wie er es verlangt. Anders iſt, — dem
Erbarmen das Herz abgewendet, — der phyſiſche
Wahnwitz des Blutvergießens, ausſtrömend in alle
Welt den Märtyrtod der Nationen. — Auf allen
Straßen wo ihr flüchtiger Fuß ſich hinwendet, die
reinen Helden umzingelt von der Feigheit ihrer
Verfolger. f
D laß mich Athem holen — wie ſoll ich den
Schleier vor dir lüften daß nicht Ohnmacht deine
Stirne beflecke, wenn alle die grauſenhaften er:
thümer plötzlich dir ins Auge ſpringen — die bö—
ſen Leidenſchaften in Fieberwuth ausbrechend wie
hungrige Wölfe, — Alles gedeckt mit dem Man:
tel chriſtlicher Religion. — O wohl, daß es noch
Leidenſchaften ſind die Euch dahin bringen, denn
fonft wärs der Teufel; denn ſonſt wärs die Bos-
heit, nackt und frei von allem Menſchlichen.
Weißt du der Jude der dem Schuldner ein
Pfund Fleiſch wollte ausſchneiden, ſelbſt wenn es
mit ſeiner Seele ſolle aufgewogen werden. Da
ſprach der Richter: Fleiſch kannſt du nehmen,
1
164
aber Blut darfjt du nicht vergießen und mehr als
ein Pfund darfſt du nicht nehmen. Da mußte
der Jude ablaſſen vom Schein des Rechts. Wem
aber unerleuchtete Geſetze ins Fleiſch ſchneiden dem
Unmündigen der alles Troſtes baar, rachgierigem
Blutdurſt fortan ſich hingiebt, ſtrahlt da nicht
göttliche Weisheit in dich: du ſollſt die Geſetze nie:
derſchlagen die deinen Stern verdunkeln, und die
Macht deiner Verheißungen ſollen klar hervortre—
ten aus ihrer Verſchattung? —
Schlakender König: Die übereilende Gefahr
läßt nicht durch, anderes ſich abwenden als was
dem Königsberuf zur Hand liegt: Kriegszucht ge—
gen den Meuterer und Geſetze die den böſen Wil—
len in der Furcht halten. |
Daemon: Der Muthige empört ſich nicht der
Gefahr, er hält ſie gelaſſen in der reinen Hand
und ſauftmüthig entwirrt er die Geſchicke.
Schlakender König: Alle Erkenntniß über Lei:
tung meines Volks weicht ab von dein zu was
die Ungunſt des Schickſals mich zwingt. In Ein:
tracht mit ihm, billig und beſonnen, gedachte ich
den Grund zu legen ſeiner freieren Behandlung
und zugleich der Demokratie, die nur ſich für die
einzig vernünftige Regierungsweiſe hält und jede
Herrſchaft des Einzelnen als Tyrannei verurtheilt,
165
entgegen zu treten, als ein Fürſt der in der Hei:
math die Freiheit zwar pflegt, nach Außen aber,
unter monarchiſcher Herrſchaft den Kriegsſtaat im
Friedensſtaat widerholend, auf demſelben Grund
mit ihr ruht.
Daemon: So warſt du vom Volk auch er:
kannt, tapferer Schirmherr, Prieſter-König göttli—
cher und ſittlicher Lehre, im Glanzlicht der Milde,
erhoffte das Volk von deiner Weisheit gütevollen
Beſcheid feiner Zukunft. Du aber haſt ſein Zeug⸗
uiß verworfen und deinen hohen Beruf, feurig einſt
von dir erfaßt, hat dein zwieſchlächtiger Sinn die
entleidet. Gleich Adam warſt du gewillt zu Gött—
lichem; der aber hat der Schlange ſein Ohr gelie—
hen und ſo iſt Teufliſches daraus entſtanden. Er
gedachte nicht wie es ſein werde, wenn ſein Wille
wider den göttlichen Willen ſich behaupte: daß
dies das centraliſche Feuer in ihm erlöſche. So
kann auch der Mondſchatten bei Sonnenfinſterniß
dahinfliehend, keines Erfolgs ſich ſichern, wenn
er grünmig ein Volk nach dem andern verdun—
keit. — 8
Schlakender König: Nicht der Grimm des
Herrſchers, aber der Zorn Gottes der über Iſrael
einſt brannte, vertilgte die Völker in ihrer Bosheit,
wie Moſes und die Propheten uns lehren, daß er
166
in feiner Feuersmacht drohte, er wolle fie alle
auffreſſen.
Daemon:
Der Stachel abſoluter Gewalt iſt
freilich der Zorn Gottes; der aber iſt nicht das
Centrum der Liebe, das Gott ſelber iſt. Er prägt
ſich aus in die Abgötterei die den wahren Gott
verkennt, in den Geiſt der Raſerei, in den Zerſtö—
rungshochmuth
gegen göttliches Erbarmen. —
— —— — — — — m —
Lücke eigener Cenſur,
167
Es iſt die Todesqual des eignen Willens der
dem göttlichen Ebenbild abſtirbt, wenn er noch
vor Einbruch des jüngſten Gerichts den Zorn
Gottes über ſich nimmt und durch Kriegszucht
zuſammengekoppelte Sclaven zwingt zur Hinrich—
tung ihrer Brüder. Frage einen, ob ers laſſen
würde, wärs ihm frei geſtellt; und iſt er nicht
Sclave der Furcht, jo wehrt er ſich, aus einem
menſchlichen Keim ein teufliſches Thier zu wer—
den das aus dummer Blutgier ſeinen Bruder
mordet.
So widerſpricht im Werkzeug deiner Gewalt
ſelber dir ein göttlich Prinzip das du erſt in ihm
mußt ertödten, ehe es deinem Willen ſich fügt.
Geſteht er daß die Todesſchauer ihn überrieſeln,
wenn er auf Kommando das Gewehr abfeuert
auf des Kameraden Herz, daß ſeine Gebeine wan—
ken nach vollbrachter That und Brantwein muß
ſchlucken und nicht darf denken, weil ihm dann
Fragen ins Ohr tönen — und nicht lachen, weil
ein Fluch aus den Lüften ihm widerhallt? — wie
kannſt du dann noch gegen ſeinen Willen ihn
zwingen, Gottes Ebenbild im Bruder zu verläug—
nen? — Mit der Gewiſſensfolter im Herzen das
früher unbefleckt war, ſchwört er ihm ab, heim—
lich voll bitterer Galle: „Fänd ich den Augen: -
168
blick da ich rächte was mir das Herz abſtößt! —
den Bruder den ihr durch meine Hand habt ge-
tödtet und ſein blutig Haupt mit dem Schleier
des Geſetzes umwunden dargereicht habt dem Vater
vom Donner gerührt, — der Mutter die ſtumpf—
ſinnig, vom Jammer den Mund verklemmt um:
hergeht und nicht hört wenn ich ihr zurede; „D
Mutter befreie deine Seele vom Trübſinn.“ Sie
denkt an nichts als nur: „Wo ſind die Gebeine
meines Kindes? — Sie hört in jeden Windſtoß:
„Mutter, haft du dein Kind vergeſſen?“ — Ihre
Augen ſpähen umher nach dem Blutgerüſt, nach
dem Galgen, nach einſam verbotnen Grabhügeln .
ohne Wahrzeichen. Sie fragt: „Ob der wohl
mag dort liegen? — ob er am Galgen ſich
mußte würgen laſſen?“ — Sie ruft in die Lüfte
hinaus: „Komm Tod und ſchlag mit deinem
Hammer auf mein Herz!“ — Das iſts was ſie
dem Sonnenſchein entgegnet, wenn der ſie tröſten
will. Im Windſauſen, in der Nacht, lauſcht ſie
ob das nicht ihres Kindes Stimme ſein mag?
Da weiß ſie nicht: — „es könnte ja auch des
Nachbarn Sohn ſein, der iſt ja auch ihm aus—
geblieben.“ — Oder fort über die Haide ſchweift
wohl einer übers Feld, den Heerd der Heimath
ſuchend — und da horcht ſie voll Unruh dem
169
ächzenden Sturm: der ſagt ihr nichts als nur ein
ſchneidend Weh und ihre Seufzer nimmt der Wind
mit fort.
Ich könnte mehr dir ſagen, du verſtehſt es
aber doch wohl nicht oder du längneſt es, weil
Du wohl verſtehſt wie Du hier weit über das
vom Geſetz Dir zugeſtandenen Pfund aus dem le—
bendigen Fleiſch deines Vaterlands haſt geſchnitten
und Blutstropfen umhergeſprengt die aufgehen in
ungeheuren Saaten. Langſam kommen ſie herange—
reift. Drohend ſteht im Zenith ein ſchwarzer Punkt
am ſchwülen Himmel; immer enger ziehen die Kreiſe
ſich um ihn, und ehe noch die Erndte eingethan
war, fährt er wie ein Pfeil von der Sehne abge—
ſchnellt und verzehrt ſie.
Schlakender König: Du ſollſt mir nichts ver:
ſchweigen, denn weil mein Geiſt mir zu hören ge—
bietet, doch laſſe mich dir entgegnen was ich nicht
unterdrücken kann, mit dem was Moſes zu dem
Herrn hat geredet:
„Erwürge mich lieber, als daß ich noch länger
dies Volk ertrage das Wohlthaten mit heim—
licher Feindſchaft vergilt und Gerechtigkeit mit
Schmach verfolgt; dem die Strenge verhaßt,
die Milde widerwärtig iſt; das freundlich von
Angeſicht, von Gemüth aber erbittert, mit Heu—
170
chelei mich umfängt und den Fluch err mir
herſchlendert.“ |
Aus dieſem tiefen Meer des Vergangnen durch—
fährt der Moſeseifer noch heut das Mark der Völ—
kerfürſten, zur Ehre Gottes wider der Völker Ruch—
loſigkeit. Wie jener Brand den Berg Sinai an—
flammte bei Ertheilung des Geſetzes, ſo haben Mo—
ſis Donnerworfe vor feinem Ende in des Volkes
anhaltender Bosheit ſich entzündet und ſo lange
forfgeglimmf, bis durch Ankunft der Babylonier,
Aſſyrer und Römer die mächtig auf Gottes Befehl
drein geblaſen, ſie in Flammen ausbrach und die
Republik zum Aſchenhaufen niederbrannte, wozu
Moſe glühende Weiſſagung die Auslegung giebt:
„Ihr opfert Geſpenſtern deren keines iſt ein Gott,
„Ihr ſchlagt aus der Acht den ſtarken Gott der
Euch zum Volk erzeugte.
„Der Gott der Euch zur Republik erzog in der
Wüſte,
„Der ſagt: Ich will mein Autlitz vor Euch ver:
hüllen,
„Da man Euch wird ungeſcheuter Pöbel nennen.
„Mein Grimm verzehre deine Frucht in der Berge
Gründen,
„Deine Trauben ſeien bittre Gall, Galle der Dra—
chen dein Wein;
171
„Mein Schwerdt mache zu freund- und eltern—
loſen Waiſen
„Des Landes Jugendſtärke, ſammt Greiſen und
ſaugendem Kind;
„Meine Pfeile will ich tränken in ſeinem Blut,
„Mein Schwerdt ſoll verzehren ſein Fleiſch,
„Mit der Erſchlagnen Blut will ich den Acker
düngen ſeiner Feinde,
„Eure Feinde ſollen einander zurufen:
„„Fürwahr ein böſes Hausgeſinde! —
„„Fürwahr mit Recht rächet der Gott der Ver—
geltung
„Und ſäubert ganz fein Land vom eignen Volk.““
Dieſe Moſisreden erſtrecken ſich bis auf die
letzte Aſche welche in der Gluth des Tempels zu
Jeruſalem, Titus ließ zuſammenſcharren und mit
Thränen benezte, öffentlich bekennend, nicht ſeine
Hand, ſondern Gottes Zorngericht habe den
Faden der Selbſtſtändigkeit dem Volk abgeriſſen
und in das Gewebe der Römer und Mazedonier
wieder eingeknüpft, bis auf den Trümmern des al⸗
ten Bundes das Chriſtenthum ein neu Geſetz erhob.
Dieſe göttliche Fügung hatte der Geſetzgeber, wohl—
Eennend das Volk und vorahnend die Verhängniſſe,
ſelbſt begründet und niedergelegt in ſeinem Penta—
teuch. Aus Moſis Mund und fenriger Feder hat
172
Johannes der Täufer den abgehaunen Baum ins
Feuer geworfen und Chriſtus ſelbſt das Otternge—
zücht der Römer Brand übergeben. — Die Apoſtel
ſammt Johannes bis zum Untergang des Völker—
gräuels werfen helles Licht auf die ſchwere Hand
der Geſalbten denen die Geiſſel gegeben iſt über die
Völker.
Daemon: D Freund! deine Worte ſchmecken
bitter dem Mund dem du fie zu koſten giebſt,
aus dem Abgrund prophetiſcher Bedrohungen,
ſchöpfſt Du Irrthümer ſtatt erlänfernder Weisheit. —
Einfach, keuſch und nüchtern, allem Fabelhaften
abgewendet, in milder ernſter Geſinnung als ge—
diegner Geſetzgeber ſich offenbarend, gab Moſes der
Nation Geſtalt und Faſſung und vertraute dem Gott
mit dem er von Mund zu Mund geredet, — nicht
in Räthſeln, aber in Wahrheit ihn erkennend.
Schlakender König: Auch das Chriſtenthum
anerkennt die prophetiſchen älteſten Urkunden des
Menſchengeſchlechts, auch die Fürſten vertrauen ihr
Haus dem Jehova der das Wunderbare früherer
Ereigniſſe heute durch größere Wunder überbietet
und aus verworrnen Zeiten, ſpäter das Vertrauen
zu glanzvollen Perioden führt und Sünde und
Strafe gegeneinander abwägt.
Daemon: Welch treffliche Harmonie! Moſis
are
Ze
173
Herzensfreund, der Propheten vertrauter Hausge—
noß, Chriſti treuſter Diener, der Apoſtel aufrichti—
ger Bruder, — was ſie Erhabnes, Herzliches,
Warnendes, und Belehrendes ihm darbieten, aus:
breitend über ſein Volk das aus der Heiden Stamm
unwiderſprechlich erzeugt war, von Moſe, in dem
eben von dir erwähnten letzten Vermächtniß, ſtatt der
Juden feurig umarmt, über die er in freudigen
Geſichten ewiges Heil erblühen läßt. — Nun laſſe
aus demſelben Vermächtuiß uns auch betrachten,
weſſen Moſes die Verwilderung des jüdiſchen Volkes
in feinem Prophetengeſang bedroht, da er ausruft:
„Es ergieße beim Winterregen ſich mein Geſang,
Es zerfließe im Sommerthau meine Lehre,
Wenn Herbſtnebel verdeckt die erſte Saat,
Wenn Frühlingstropfen ‚fie befruchten, fo lange
die Welt ſteht.“
Damit ſagt Moſes, wie du ſelbſt dich darauf
berufſt, ſeiner Rede blütenreiche Weiſſagungen wer:
den durch alle Zeiten ſich verzweigen:
„O thöricht Volk ohne allen Witz und Klugheit,
„Die Güte und Macht des Herrn iſt über alles
Leid;
„Er hat dich zur Republik trefflich eingerichtet.
„Erinnere dich deiner Väter verfloſſnen Zeiten
174
„Denen Gott ehe der Heiden Länder hat ge:
| widmet.“
Wie denn Moſes beim Auszug aus Aegyptens
Sclaverei vielfältig wiederholte, Israel ſolle nach
rechtsüblicher ſchöner Republik Art, die Länder Ka—
naans beſitzen:
„Bott hat ihm ſelbſt zum Volk erſehen Jacobs
Geſchlecht;
„Er traf es an in der Wildniß Kummerland,
„Da nur Winde ſtöhnten und der Mangel jam—
merte.“
Der Republik Anfang war kümmerlich, ohne
Geſetz und Richter in der Wüſte, bis Gott durch
Moſes allem Elend es enthob.
„Er hat es umarmt und trefflich unterwieſen,
„Durch treffliche Geſetze es beſchirmt wie ſeinen
| Augapfel.
„Wie der Adler feine Jungen hoch führet,
„So hat er auf ſeinen Flügeln es hinangeführt
die ſchönen Berge
„Mit Korn und blutrothem Saft der Tra uben,
„Daß es tränke den Wein der Felsberge,
„Und ſatt ſich labe mit Honigſaft der Palmen,
„Mit Del der Delbäume aus dem Klippengrund,
175
„Mit Milch der Heerden ſamt Fett der ſtarken
f Lämmer,
„Die da im Lande Baſan fallen.“
Die Schafe in Arabien waren ſo ſtark an Fett,
daß es ihnen am Rücken bis auf die Knöchel
herabhing; das waren die Länder jenſeit des Jor—
dan. Da klagt Moſes:
„Nun iſt dies Volk geil geworden und ſchlägt
aus
„Wie die Rinder ausſchlagen auf fetter Weide,
„Nun iſt das Volk zu fettgemäſtet und aufge:
| propft.“
Ich enthalte mich fernerer Beweiſe ſeines Wohl—
lebens. Bedenke nun daß dieſe dem gegyptiſchen
Frohndienſt entführte Horde, die durch kindiſche Ei—
telkeit und Ungeduld nach einem König, den Geiſt
des Geſetzgebers eines freien Staats zu fluchenden
Sanctionen erbitterte, nicht das Volk iſt, welches
heute euerer ſtrafenden Geißel unterliegt, ſondern in der—
ſelben Noth heute ſich befindet, wie damals die in der
aegyptiſchen Ziegelbrennerei ſchwitzenden Juden, ehe
dein Freund Moſes auf Gottes Geheiß ſie zu erheben
ſich anſtrengte, bis ihre Ueppigkeit ihm unerträglich
ward. Völkerempörung aber, die nicht von Ulebermuth
ſondern von Darben jeder Art herrührt, beweiſt
daß die Geißel der Strafgerichte eben ſo blind von
176
üppig gewordnen Fürſten heute geführt wird, wie
damals das republikaniſche Wohlleben aus Leber:
muth ſich ins Verderben ſtürzte. — Wie das Waſ—
ſerin feinen Wogen ſich fortwälzt, das Feuer in feiner
Lohe und die Luft in Windſtrömen aufathmet, wie
der Keim ſeine Fruchtbarkeit über die Erde hinträgt,
ſo ſtrebt Seele und Verſtand dahin — wo Weis—
heit ſie beſchieden, im Suchen und Finden aller Dinge,
auch im Schlaf in ſteter Bewegung. — Die Be—
gierden im Volksgeiſt eingewurzelt, ſind nicht weni—
ger zu erhabnem Beruf ihm eingeboren, den Eure
Machtvollkommenheit ihm abgeſchnitten hat; und
nun, ſtatt lebendigem Geiſt, wie ein Klotz dem Strom
des Weltenlaufs im Weg, an dem er murrend ſich
bricht aber nicht ihn überwältigt; — eher würde
dein eignes unſterbliches Selbſt ſich verflüchtigen; —
dem doch Gott den ſchaffenden Stab in die Hand
gab und deine Stirne krönte, die böſen Grundtriebe
der Menſchheit in ihren Niederſchlägen und An:
würfen ſich durch die Klarheit deiner Weltanſchauung
in feiner Bildung befruchtende Fülle umzuwandeln.
Schlakender König: Und ſage du ſelbſt, ob dein
Weſen nicht mich will ablenken von den Geboten
der Kirche, von ihren Dogmen und heiligen Regie—
rungsformen; von der Sittenlehre und von den Ge:
lübden die Gott vou den Königen fordert.
177
Daemon: Nicht Sittenlehre noch Königsgelübde
und Geſetze der Kirche begründen Harmonie zwi—
ſchen Fürſten und Völkern. Dogma und Kirchen—
recht ſind Bildungsanſtalten der Sophiſtik, menſch—
lich und teufliſch abwechſelnd, nach dem Syſtem
bewaffneter Toleranz und neutralem Uebergewicht.
Kirchenweſen und Schulweſen find Mißgeburten
des Staates und beide ſelber ſo niederträchtig
zu gemeinſchaftlicher Täuſchung die Vernunft ver—
rathend, daß ſie um ſo ärgere Mißſtimmung zwiſchen
Gott und Menſchen bilden, jemehr ein ſpeculatives
Geſchöpf davon einſchlucken muß. — Und die
mit der Sclavenſtirn ſchon auf die Welt kommen,
die können nicht des Volkes Bildungstrieb und fein Be:
geiſterungsfeuer nähren. — Aber jenen Märtyrern
engherziger Erbitterung und würgender Strafedikte,
ſtellt ihr Horoscop eine Bahn erhabnen Flugs
und obſchon der Arm Euerer Geſetze lang genug
iſt ſie irdiſch zu vernichten, ſo reicht er nicht an
ihren Geiſt. Der kriecht nicht an Boden mit dem
Gewürm unter Euern Füßen; der hebt ſchon beim
Aufgang ſeines Geſtirus das Aug in den Aether
und ſaugt den erſten Athem in eine große weite
Bruſt die nach Freiheit dürſtet; ſein Empfinden iſt
edelſtes Organ der Offenbarung, ſeine Schauungen
find innigſte Willensverklärung, fein Wort iſt Gültigkeit
12
178
allen Verträgen; fein Muth iſt fefte Burg ver:
borgner Wahrhaftigkeit, aller Schickſalswendung
überlegen jener politiſchen Marktſchreier voll krank—
haftem Meineid, voll fiebriſchem Hochverrath an
Fürſtenwürde und Völkerglück.
Schlakender König: Dieſe Uebel alle können nicht
die Menſchenliebe hemmen, noch die ſittliche Macht
ausrotten die als der Weisheit und Güte Geſetz wirkt.
Daemon: Menſchenliebe iſt Faſelei, die immer
am unrechten Fleck den Fürſten imponirt und über
Hoffnung und Erwartung ſich luſtig macht. Und
iſt ſittliches Vermögen ein Weſen der Moral, das
als der Weisheit und Güte Geſetz wirkt: ſo iſt
Weisheit und Güte allein Sittlichkeit, von der du
nicht weichen ſollſt um nach dem Grimm Moſe
den Fluch zu verheiſſen über dein Volk, ſondern
ewig nach deſſen inneren Tiefen forſchend und all—
gemeines Ubel auch als allgemeine Schuld ſühnend,
nicht im Zorn ſtrafen am Volk, was du als
Oberhaupt zu verantworten haſt. — Da ja dein
Zorn dieſelbe Schwäche iſt, der auch das Volk in
ſeiner Unbändigkeit unterliegt. Zorn hat nie das
Edle vermocht, aber immer das Schlechte voll—
zogen.
Schlalender König: Es iſt nicht Zorn, es ſind
königlich begründete Geſetze, um in geſammelter
179
Kraft meiner Verantwortung maßlofen Leidenfchaf-
ten zu begegnen denen meine Liebe, meine Trauer
weichen muß, obſchon ſie unaufhörlich aus dem
tiefſten Brunnquell menſchlicher Empfindung her—
vorſtrömen.
Daemon: Königlicher Luxus im Geſetz iſt fela:
viſches Bedürfniß dem Despoten der nicht verſteht
ſelbſt zu regieren. Und während Erkenntniß den
Geſetzgrübeleien, wie der Schmetterling dem Rau—
pengeſpinnſt ſich entſchwingt, hat dein außeror—
dentlicher Geſchmack am Geſetz, dir die Flügel
verſchnitten und den Schlüſſel verdreht zu ſeiner
Beſtimmung daß ſelbſt die nicht hinzukönnen die
ſich in ihm behaupten und die nicht hinzugelaſſen
werden die zu ihm gelangen wollen. Gleich dam—
pfenden Vulkanen ſprüht es ſeine Lohe aus mur—
renden Eingeweiden gegen den leiſen Menſchenver—
ſtand und ſchlägt ihn nieder mit dem Donner ſei—
ner Ausbrüche. Aber der Schöpfer ſeines Volkes
trägt es im Buſen. —
Kein Sterblicher kann ſittſamer die Entäußerung
eines Sittenlehrers betreiben, als womit der Genius
die Menſchheit zum Verſtändniß mii ſich leitet.
So lerne von ihm, der dein Freund iſt. Was
hilfts auf gleicher Höhe mit ihm ſtehen wollen,
wenn da wo Götterkräfte ihn emportragen, dein
1
180
Blick ſchwindelt? und wahrlich, er war himmliſch
herabgekommen den verborgnen Adel deiner Seele
in ſeine Vollendung herüber zu locken. Kennſt du
den Urſprung des Genies? Sein Bett iſt die Mut:
tererde der Menſchheit; ſein Herrſchergeiſt wider—
hallt dem Volksgeiſt; er ſammelt ihn unter ſeinem
Schild; er löſt dem Gebundenen den Strick und
legt die Hand auf den Gefährten des Elends. Iſt
das Volk ſchlecht, ſo iſt der Herrſcher ruchlos;
läßt es ſich von dir regieren, ſo iſt dein Genie die
Verklärung des Volkes; dein Athem kann Feuer
aus ihm wecken; oder auch ſein Feuer iſt was dich
zur großen Seele macht. Aber nach Grundſätzen
regieren, göttlicher Eingebung abgewendet, — das
iſt nicht königlich — das iſt knechtiſch handeln
und alles ſich erlauben wo das Genie zittert Hand
anzulegen, da es den Bau der Seele eines Volkes
in ſich trägt. Unter ſo großen Bedingungen, nie—
mals dem Widerſpruch unterworfen, geſchieht das
Einfache. |
Sich felber fühlend, entzündet der Begeiſterte
ſich zu heroiſchem Aufwallen, wo der Wahnſinn
mit Schwert und Strick und Pulver und Blei ihn
begnadet. Doch der kann ja keines Zweifels ſich
ſchuldig machen feiner künftig Gottheitnahen Bil—
dung, ihn hier ſchon durchdringend. Nein! der
181
zweifelt nicht, daß der Märtyrertodt des Lichtes
Schranken ihm öffne. Aus ſchaurigen Quellen ſtei—
gen die Lebensflammen in ein höheres Element als
das ſterblicher Erfahrung. Stille-berauſcht — un—
berühet von theilnahmloſer Grauſamkeit, haucht die
Seele im friſchen Atherbad die heißen Lebensflu—
then beredſam durch die pauſirenden Himmel; in
allumarmenden Fühlungen ſchwingt ſie unterm
Richtbeil ſich hinauf ins Element der Geiſter. Und
das Volk ſpricht den Helden frei im Reich der
Vernunft, es ſpricht ihn ſelig in ſeinem begeiſterten
Tod und — unabhängig in ſeinen ſittlichen Wahr—
nehmungen — ſpricht es heilig den Leichnam des
Hingerichteten. Er iſt ihm die poetiſche Geſtalt,
das Erhabne in der Körperwelt. In ihm erkennt
es den unſichtbaren Gott der im Nachklang wil—
der Kämpfe einer ſündigen Welt entſchwebt.
Schlalender König: Ich ahne dich —. Ich
will — ich kann dir nicht widerſprechen. Ja —
ewig wird von uns der Stein des Syſiphus hin—
angewälzt, der im Niederrollen das eigne Herz
zermalmt. a **
Daemon: Du ſelbſt weißt es daß der Sim
deines Willens von jeder dem Geiſt wiederſtreben—
den Handlung unter dem Schutt ihres Erfolgs
zerſchmettert wird. Ja, jene Märtyrhelden, mit
182
der Verzweiflung Netz umgarnten, du bift ihnen
blutverwandt. Dieſe Menſchlichen — dieſe Volk—
fühlenden ſcharfen Denker, unter dem Fluch fürſt—
licher Gewalt begraben EN umſtänden ſie heute
deinen Thron, und übte der Zauber ihrer großen
Seelen ſeine gewohnte Macht auf die Völker, ſo
würdeſt auch du ſie als die Würdigſten erkennen.
Schlakender König: Seltſam träumeriſch iſt das
gefprochen, und nicht gemäß jener Lehre die ge:
druckt und gepredigt den Fürſten eingeprägt wird.
Daemon: Es iſt wohl leichter gedruckt und
gepredigt der Welt ſpenden: Volks-Freiheit müſſe
allmälig auf dem Weg chriſtlicher Sittlichkeit ſich
einfinden, als plötzlich den verſchütteten Eingang
auf ſeinen roſtigen Angeln ihr öffnen. Mir aber
ſcheint es beſſer, an die Stelle falſcher Königs—
würde die höchſte Würde deines Charakters herauf
zu beſchwören, und wie jenes Waldrauſchen, Tag:
verkündend unzähliger Blätter Flüſtern in ein We—
hen umfaßt — aller Völker getheilte Stimmen in
rauſchenden Wellenzügen zu deinen Füßen ſam—
meln, in dem einen Ruf: „Vermähle dich deinem
Volk.“
Schlakender König: Mir deucht, ich ſchlafe. —
Wecke mich nicht, mir träumt ſo ſüß — ich höre
das verfluchte Räderwerk der Regierung nicht
183
mehr. — Ja die Vernunft gehorcht ſich ſelbſt! —
Das iſt Abſolutheit, und nichts ſonſt. — Und dem
Erhabnen ſich verbünden, ſelbſt in revolutionairer
Geſtalt, iſt ſchuldloſer als mit Nimrods wilder
Jagd durchs Weltall raſend, die Völker hetzen.
Daemon: Der umherwüthend und ihr Ent—
ſcheidungsrecht an ſich riß: „Mir allein kommt
es zu, wann und wem und wieviel des
Guten ich thun werde“ — und läßt ſich dün—
ken, den Jordan mit dem Mund auszuſchöpfen; —
Rieſe der Finſterniß, der aufſpringt zornbrennend,
dem Vertrauen ins Antlitz ſpeit, dem Fliehenden
den Speer nachſchleudert, aber dem Flehenden,
dem Hoffenden ihn ins Herz bohrt; Bruderblut
zu trinken giebt der Erde und fie düngt mit Ber:
wünſchungen voll freſſender Rachgier die vor den
Augen der Welt zwar Geltung findet, — vor ſich
ſelber aber tief den erniedrigt, der die Willenskraft
der Gottheit in der Einheit des Volkswillen ſicht—
bar darſtellt. — Volksvertrauen hingerichtet, läßt
nicht ab den Fluch in ſich wieder zu gebären der
der Nationen tiefſte Gefühle verſehrt und alle Fu—
rien der Unbill in ihnen wachruft.
Schlatender König: „Woher kommt die Weis:
heit? — Wo iſt die Stärke der Verſtandes? —
Die Verdammniß und der Tod ſprechen: „Wir
184
haben mit unſern Ohren ihr Gericht gehört.“
Sie iſt der Baum des Lebens, ſie trägt nicht
Früchte der Entzückung, ſondern nur ſchmerzliche
Opfer. | |
Daemon: Warum wär der Unterſchied zwi—
ſchen eigner und fremder Beglückung ein ſo großer,
auch im Verdienſt? — Eben weil die Tugend ein
Anderes iſt als ihr ſichtbares Wirken; weil eigen—
nütziges Handeln unweiſe, uneigennütziges aber der
höchſte Geiſt iſt. Weil jeder verſagte Genuß die
erhöhte Schöpfung des innern Menſchen bezeich—
net; weil er ſelbſt das Göttliche wird, was im
Selbſtverſagen ſeinen Urſprung hat. — Wahrhaſ—
ter Menſchenliebe gelüſtet nicht nach ſonderlicher
Heiligkeit; Lüſternheit nach Beſſerſeinwollen iſt der
Funke zu hölliſchem Aufruhr. — Es giebt über—
haupt keine Tugend, Alles iſt nur Bedingung neuer
Schöpfungen des Geiſtes. Iſt das fruchtbare Ge—
witter nicht Begattung zwiſchen Licht und Finſter—
niß, aus deſſen transparenten Funken ſich das
Organiſche erzeugt? Iſt geniales Handeln nicht
Befruchtung des Sinnenmenſchen der ſich nach ſei—
nem Gegentheil ſehnt? — Liegt Abſolutheit nicht
blos im Geiſt, der in gemeinſchaftlicher Sphäre
das Ganze umſchließt? Was willſt du mit dem
Wiederſpruch gegen alle Wiederſprüche, wenn er
185
nicht alle in ſich vereint? — Abſolutheit des
Geiſtes löſt alle Räthſel, ſtillt alles Verlangen,
thront über einer Welt unendlicher, denkender We—
ſen und alle ſind Organ des abſolut Denkenden,
auch dein beſonderes Unwiſſen durchdringend und
endlich in die Einheit des Volkswillens auflöſend.
Schlakender König: Was nennſt du mein be:
ſonderes Unwiſſen? |
Daemon: Die ſelbſt verborgne Disharmonie
deines Geiſtes mit dir. Sittliches Handeln erzeugt
höheres Bewußtſein als auf Erfahrung ſich grün—
det; es iſt Licht. So weit du im Licht dich fühlſt,
ſo weit weißt du dich in Harmonie mit dir ſelber;
wo das Licht aufhört, da weißt du nicht mehr,
da iſt Finſterniß; durchbrichſt du ſie, ſo ſtrömſt
du mit höherem Wiſſen in Eins. Alles Wiſſen
iſt Harmonie mit ſich ſelbſt, nichts zu thun deſſen
man ſich ſchämen dürfe. Nur des Disharmoni⸗
ſchen ſchämt man ſich. Indeß der kühne Schiffer
mit Verlaß auf ſein Bewußtſein das weite Meer
mit ſtolzem Lauf beherrſcht, wird dies dein beſon—
deres Unwiſſen wie der Kahn am Ufer angekettet,
von Knaben hin und her geſchaukelt, bis er los—
geriſſen von ſturmbrauſenden Orkanen, abwärts
fluthet in entlegne Gräber deiner Ehre, deiner Ge—
fühle, deiner Vorhaben; geſchieden von denen fo
186
deiner harrelen einft, als des größten Metors —
des Weltengangs erhabenſter Strom, von gigan⸗
tiſcher Mannheit getragen, brauſend zwiſchen Trüm⸗
mern alten Wahns, unter dem lichten Himmel da⸗
hin wallend. — Salomon ſagt: „Ich habe em—
pfangen eine feine Seele und fie erwuchs zu einem
fleckenloſen Leib meines Geiſtes.“ Dieſelben leitet
bald Furcht bald Hoffnung dich zu allem was deine
Seele nicht nährt und dein Geiſt nicht gut heißet
imd beide verzweiflen aneinander, als die Urheber
jenes nichtigen Plunders der ſo ſchwere Wolken
über dir ſammelt.
Schlakender König: Ergieße dich in Mitleid,
daß ich die ‘Berhängniffe nicht kann abwenden
vom Volk, daß ich nicht kann die natürlichen
Quellen ſeiner Wiedergeburt ihm zuleiten.
Daemon: Laſſe eine Frage mich thun über
onch unberührtes deiner Natur die auszuwittern ich
prophetiſchen Beruf habe: — Ob dieſe Irrwege
einer räthſelvollen Zeit nicht zuſammentreffen mit
den Wendepunkten fürſtlicher Politik, deren ſtärkſte
Theorie auf Wiederherſtellung alter Gleiſe ſich be—
zieht? — Chriſtus war der größte Philoſoph und
fand es in ſich wie du es in dir kannſt finden
daß nur der Sinnenmenſch nach Freiheit ſchnauf
der Geiſt aber ſehnt ſich nach Unterwerfung unter
187
die Harmonie der Geſetze die in einander widerhal—
lend, auch von einander abhängen. Einverſtehen
mit dieſer Harmonie iſt Übereinftimmen mit Gott,
— iſt Natur eines imendlichen Bewußtſeins. Es
muß eben ſo gut eine geiſtige Anſchauung in dir
möglich ſein, wie auch eine der Erfahrung, und
wie du die einzig mögliche Theorie dieſer finden
kannſt, eben ſo liegt die einzig wahre Theorie
des Göttlichen in dir. Welche Ausſicht! — Welche
Erhebung, durch Harmonie mit dir ſelber das
Rechte zu finden!
Schlakender König: Könnte dieſe Daemonen-
dichtung zur Wahrheit an mir werden, ſo müßte
der ganze Weltenzuſtand ein vollkommnerer ſein als
den wir begreifen.
Daemon: Es iſt nicht dein Beruf, dies Er⸗
denleben gegen ein künftiges geringer zu achten.
Du mußt Trieb haben dieſe Welt zum Himmel
umſchaffen zu können. Es iſt magnetiſche Lebens:
weisheit des Werdens, die höher iſt als die des
Seins. Du mußt wollen können und in dieſem
Wollen zum Bewußtſein kommen einer idealen
Kraft, zwiſchen tauſend ſtreitenden Stimmen gegen
eine geiſtige Tendenz grade dieſe durchzuführen,
— angewieſen auf kühnes Erfaſſen des Nothwen—
188
digen und auf Opfer, fo groß als ihre unſterbli—
chen Zwecke. — Haſt du dieſem erhabenſten Er—
denlos dich entſagt, ſo biſt du betrogen um eine
Zukunft die deiner Unſterblichkeit zum Erbe war
gegeben. Wo ſoll ſie Wurzel faſſen fortan?
Und welche vermittelnde Kraft wird milde ſie
wieder einpflanzen zwiſchen Zorn und Verzweif—
lung und Mißtrauen und Furcht beiden — Für:
ſten und Völkern mit jedem Fordern und Ge—
währen ſchmähliche, nie vernarbende Wunden ſchla—
gend. — Das Volk, nur fordernd was dem
Gewähren ſelbſt zu gute kommt: den Gebrauch
ſeiner fünf Sinne; einzig Erbtheil des verſtoßnen
Sohnes bei ſeiner Geburt verſtoßen — ohne
Zehrpfennig, ohne Wiſſen und Verſtandesgebrauch,
ausgeſtoßen aus dem Familienverband; — die—
ſer auch klopft wehmuthvoll an die Pforte, aber
der Vater geht nicht hervor jauchzend ihn zu
empfangen. — Nein er verleugnet ihn oder „er—
gießt ſich in Mitleidſeufzern“ daß der andre Sohn
Alles bedürfe zur Stütze des Erbes. — Siehe,
der verßoßne findet auch heute kein Gehör! —
In welchem Winkel ſoll er feine Heimath ſuchen?
welcher Aufgabe ſeine Kräfte widmen? da alles
geſchehen muß für das Erbe, nicht für den Sohn
des Erbes. — Dieſe Schickſalsfinſterniß fällt mit
189
der Verläugnung Fluch auf ihn: „In Mangel
und Beſchränktheit ſuche dein kärglich Brod, und
findeſt du es nicht, ſo hüte dich von mir es zu
verlangen.“ — So muß ich das Bedauern ei⸗
nes Königs auslegen der umſponnen von der
Bevorrechteten überfeinerten Bildung und um⸗
ſtrickt von ihrer hartnäckigen Despotenwuth nicht
ſeine Verbrüderung mit dem Volk darf anerkennen.
Ich aber ſage dir: Ob ein König die Gleich—
heit aller Menſchen in ſich trage, fo ift er
unüberwindlich. Von dieſer Höhe allfruchtba—
rer Gerechtigkeit iſt Berg und Thal dem Auge
eine Ebene und heiligt das Daſein aller Weſen;
Alle müſſen Platz haben des Gedeihens. — Das
iſt das große Räthſel: daß die Hausgötter nicht
beſondre Götter ſeien, ſondern Gemeinſchaft des
Heiligen.
Schlafender König: Allgemeine Kirche, gleich
der Sonne, Sammelplatz auserwählter Geiſter,
freigeſprochen von Sinnentäuſchung — nur Wahr⸗
heit ſchauend ewig! — Ihre Zugänge geöffnet
allen Völkern — die ganze Menſchheit ſegnend,
und kein Weſen ausgenommen. Ja ſie iſt des
Menſchengeiſtes Mutterleib. |
Daemon: Aus der die göttliche Natur allen
190
gemein, unvergänglich hervorgeht ganz nahe er:
ſcheint in ihr der Gott der zur Verſöhnung
die Seele bewegt und zur Treue Völker und
Fürſten, die zum Bunde einander die Hand
wider reichen und neue Thaten heiligkühner Ge⸗
danken, gleich Geſtirnen auf zertretnem Feld
wieder emporblühend, ein Geiſt allen gemein, in
Schlaf und Wachen und in Tod und Leben ſie
tränkt.
Denn immer durchkreiſen der Begeiſtrung Slam:
men den ſchönen Rauſch des Daſeins in ihr; immer
hält dies Gottempfinden die Kreatur in ihrem Keim⸗
punkt mit ſich gebunden. In ihren Hallen, ſchö⸗
ner Deutungen voll, voll begeiſtigender Kräfte,
allgegenwärtig ihrem innerſten Weſen nach, ſam⸗
melt ſie ein liebendes Volk dem Vater, das ver⸗
eint hinaufſtrebt zu ihm dem die Höhe gebührt
der ſtill weilend aus goldner Wolke ſeinen Segen
hinabträüfelt.
Aber ohne der Liebe ſegnenden Ddem wandeln
Unverſöhnliche — unfruchtbar wie die Furien —
ſchon jetzt wie im Orkus; indeß ein ewiger Früh⸗
ling über ihren Häuptern unbefangen feinen hei—
ligen Lorbeer ſpendet den Unſterblichen die aus
der Weltſeele hervorgereift wiederkehren einſt, —
191
denen hat Gott feinen Athem des Abſoluten einge-
blaſen. — Das iſt die Lehre des Chriſtenthums:
In der Beſeelung regiert Gott der Vater, Schöpfer
aller Weſen; im Kinde regiert der Sohn. Alle Re—
ligion hat mit Kinderunſchuld begonnen. Im Jüng—
ling herrſcht der Geiſt — der Lichtſtrahl des Lebens
ihm eingeflochten. Alle Gegenſätze find von ihm auf—
genommen, alle Naturen find ihm entgegengeſendet,
und wie vom Beginn ſein erſtes Sein im Innerſten
mit der Gottheit ununterbrochen zuſammenhängt, fo
äußerlich mit allem Daſein. Dann führt ſein Weg ihn
zurück in ſeinen Urſprung, wie der Nil vom Meer
verſchlungen, von eteſiſchen Winden auch bald wie—
der in ſeinen Urſprung zurückgetragen wird. —
Sieh nun du, ob Krieg oder Hunger und Elend,
oder endliche Hinrichtung eine glückliche Löſung in
ſich tragen dieſer Räthſel des Allgemeinen. Db ſie
einige Argumente der Vertheidigung in ſich trage
— ob fie ins Geleis der allgemeinen Kirche einlen—
ken wo alle Theil haben am Leib des Herrn? Db
die Seele, vom Vater gezeugt, vom Sohn in die
Welt geboren, vom Geiſt durchleuchtet, von dem
Menfchen auch könne gerichtet werden, der fie dem
Verderben ſollte entheben und es nicht vermag.
Schlatender König: Glaube nicht daß ich für
Fabel halte, alles was aus urſprünglichem Erken—
192
nen hervorgeht. — Und politiſches Berechnen,
ſchwankender noch als in Sternen Geſchicke erfor—
ſchen, unfehlbar achte. Ich habe die Schule des
nichtigen Unſtäten in mir durchgemacht; ſie iſt nicht
ſpurlos an mir vorübergegangen, aber das Große
Allerfüllende, hab ich mit allen Sinnen die danach
verlangen, nicht erfaßt.
Daemon: Wenn dein Geiſt als Menſch dem
König Trotz bietet, ſo iſt ſeine Macht in dir —
umfaſſender als Regierungsformen — Element der
Abſolutheit; nicht Demokratie, nicht Reaction, aber
der Menſch ſelbſt, der ſich nicht betäuben läßt
durch aufgeſtachelte Begierden. Du weißt was
ich meine. |
Schlakender König: Du denkſt mich aus eigner
Tugend über den Kreis politiſcher Berechnungen
hinaus, der, das Wogen des Weltenganges mit
der Schnelle ſeiner Reflexionen durchmeſſend, allen
alten Regierungsformen einen Stoß giebt. Du
denkſt das Ungeheuere in mir.
Daemon: Was iſt das Abſolute, wenn es nicht
das Allumfaſſende iſt. Eine Gottheit nur herrſcht im
Weltall, eine Religion nur herrſcht in ihm, ein Dienſt
und eine Weltanſchauung. — Ein lebendiges Buch
der Weiſſagungen, wachſend wie die Geſchlechter,
erquillt es in ihre Größe, in ihre Schönheit.
193
Ihrer Begeiſtrung rauſcht Jehova Offenbarung
nieder. Mehr bedeutet dies, als den Buchſtaben
auslegen nach dem Schlangenbetrug der Sprache;
— mehr als Rechte durch Verträge erzeugt —
mehr als phyſiſche Gewalt ſtatt ſittlicher Noth⸗
wendigkeit. Denn mit dieſer bekömmt das ganze
ſpeculative Recht einen Riß und läuft ins höchſte
Unrecht über bis ans Ende deſſen der zufammen:
ſtürzt mit dem Erfolg feiner Handlungen vor dem
glühenden Geiſt, der — Ideal eines Königs, eines
Kraft⸗ und Wundermenſchen — die Volksſchule
diurchlaufend fie überflügelt.
Schlakender König: Ich wäre zufrieden das
Wohl des Ganzen durch mich gedeckt zu wiſſen.
Daemon: Selig und menſchlich groß, der
dies kann!
Schlatender König: Du machſt mir Vorwürfe,
und denkſt nicht der Zeit die jedes unverlierbare
Recht bewältigt. Schnell wie das zaumfreie Roß
durchjagte ich die Bahn zu Gottbegeiſterten
Thaten, und wie der beflügelte Tag entſchlüp⸗
fen ſie mir ins Dunkel der Fabelgeſchichte und
nur Grabeshügel unzeitiger Geburten umſtarren
mich.
13
194
Daemon: Meinſt Du außer dieſer Zeitenbahn
dich zu halten, da Heils meteore, vorüberfliegend,
neue Welten anſtrahlen, neue Ahnungen aus der
Dämmerung hervorrufen und dich verwaiſt im
Dunkel zurücklaſſen? Welche Schmach ewig ſich
wiederholender Erfahrungen! Ihr wißt heute ſchon
aus euren umnebelten Sternen Euch zu prophe—
zeihen, daß eure Wirkſamkeit Euch ſelbſt unklare
Verſuche ſind, wie dürres Laub vom Wind dahin⸗
getrieben.
Wenn der Geiſt den Körper flieht wird er
zu Staub. Wenn der Volksgeiſt den nicht mehr
trägt, der aus dem Chaos der Geſchlechter von ihm
als König ward emporgehoben, dann iſt er Staub
geworden. Der Gehurfam vom Volk dem Herr:
ſcher gebilligt, iſt der ihn leitende Volksgeiſt und
das Volk gehorcht in ihm nur den eignen Ge—
nius; der die volle Gewalt iſt des Volkswillen;
und die es nicht aufgeben die edlen Bindekräfte
zwiſchen Dir und deinem Volk immer neu zu
beleben die allein ſind Träger hellgeiſtiger
Geſetze, denen iſt der Herrſcher gebunden und
wenn er abläßt von ihnen, wird er im
Glauben des Volkes vom Glanz Gottes ver—
laſſen und geſtraft durch Aufruhr, Krieg und
Sturz und Tod.
195
Daemon: Wo Leidenfchaften dem Geiſt Trotz
bieten, da deckt Tod und Verweſung den Kampf—
platz; der ihnen aber obſiegt, den umjauchzt Geſang
ſeiner Thaten. — Mit begeiſtertem Ruderſchlag über
die ſchäumenden Meere heran folgt ihm das ſtür—
mende Volk, es glüht, es eifert für feinen Glanz—
umblüheten Ruhm und friſch umbrauft ihn der Muth.
Schlakender König: Ob ich deiner Rede erfri—
ſchenden Thau auffange, fo muß ich ſeufzen um
ein verlornes Glück und dein Lächeln, das an mei—
ner Täuſchung ſich weidet, dein feurig Weſen —-
ja deine Verwegenheit, die Freiheit wie ein verzau—
bert Netz mir umzulegen und die thatenreiche Welt,
ein Revier voll edlem Wild, zur Jagd mir anzu—
weiſen, die thut mir vollends wohl und weh.
Daemon: Vergiß was ſchmerzlich dich berührte,
denn jede Nacht verhüllt den früheren Tag. Die
Sonne durchleuchtet zwar den Vorhang des Ver—
gangnen, aber neue Sonnen überweben ihn mit
ihrem Glanz. So erliſcht alles Betrübende dem,
der düſtre Erinnerungen in verklärenden Thaten be—
gräbt. Du! — Der Beſſern Einer. — Iſts wahr?
biſt du der Beſſern Einer? — Und raſch erglüht
dein liebender Daemon: „Ja! Du biſt der Beſten
Einer, vielleicht der Beſte ſelbſt.“ — Wie die Biene
den honigvollen Kelch in der Ferne ſchon wittert,
13 *
196
jo ahne ich den reinen Honigſeim edler Abſicht in
dir. O lenke dein Volk und dich — denn beiden
gebieteſt du ja — zu einem lichtreichen Tag. Frucht⸗
bar zu machen die Welt, ergieß deinen Willen wie
Himmelsthau der ſie reinigt von Tyrannei und allem
Gräuel der in ihr ſeinen Urſprung nimmt. Vom
Frühroth warm durchfloſſen, von deinem Athem
ſanft bewegt, ergrünt das Gewimmel des neu er—
quickten Lebens; verlaß das Vergangene, Verſöh—
nung thut noth. — Wie auch mit eiſerner Fauſt
dein Zorn gegen die Schwingen des Haſſes ſich
ballt, er überflügelt ihn. Kein Erinnern früherer
Gelübde, keine Reue über Leiden die ſie dir anthun,
entwaffnet ſie denen die Frucht des Todes, vom
Lebensbaum der du ihnen ſein wollteſt, tauſendfäl—
tig herabſtürzte. — Unverſöhnlich! — fühle den
Schmerz einmal nur durch; willſt du ihn ertragen?
— Er wird ein Traum einſt geweſen ſein, aber
keinen Troſt wird dies dir geben, keine Hoffnung
wirſt du mehr faſſen können noch mögen. Alles
Leben wird — ein erſchütternd Grabgeläut — um dich
verhallen und ein heimlicher Drang dich tod zu
träumen, wird ſonderbar den Erhalter des Volks
mit Schauern überkommen und Stille und Troſt
dich auch von dort nicht anwehen wo jeder Ver—
gebung und Liebe und Seligkeit hofft. — Und was
197
ich dir fein möchte — was ich dir habe werden
ſollen, das wird wie die untergehende Sonne in
kalten thränenreichen Nächten dir erſt begreiflich
werden.
Schlakender König: Mit dem Gewinn meiner
Täuſchungen, mit dem Schmerz daß ich nur eiteln
Hoffnungen nachjagte iſt alles Leid mir doppelt
zugemeſſen.
Daemon: Wie denkſt du dir dein Volk? —
deß niedergefchlagne Gluthen ſich tauſendmal von
Neuem wieder anfachen? — Wie den Jüngling der
in erſter Liebe fanfendmal betrogen mit immer neuer
Hoffnung wiederkehrt. — So war denn ſeine erſte
Liebe unglücklich; — ſein Traum einer Welt voll
des reinſten Schönen, nicht einmal als Traum ihm
gegönnt; wie der Wald aus Mangel an Regen ab—
ſterbend, — von einem Funken nur berührt, ſteht
er in hellen Flammen mitten in der Lebenswüſte.
— Da fühlt er erſt daß er ſei und zu was! Alle
Nationen eine Freiheitsflamme und jeder von ihr
ergriffen, weiht ſein raſches Blut dem aus aller Na—
tionen vergoßnem Blut zuſammenſtrömenden Flam—
mengeiſt. Ihr unterdeß baut auf der Völker Un—
ſinn, nicht auf ihren Sinn; Ihr verfolgt den Volks—
genius, Ihr ertödtet die ſprühenden Funken die mah—
nend umherfliegen, aber die Zornesflammen die zum
198
Himmel lechzen aus Millionen Herzen, die könnt
Ihr nicht ertödten. Eure Throne, zu eng im kalten
Nebel beiſammengerückt, umſchweifen Weltzündende
Drachen; ihre Augen ſind Blutquellen, ihr Athem
verdunkelt die Luft. Wer ſind die? — doch nicht
Menſchenſeelen? — Sie fliehen vor dem der das
Volk ſucht und der Verſöhnung Altäre errichtet
eingedenk der eignen Fehle; denn in ihm herrſcht
der Vernunft Recht vor dem Schwerdrecht, denn
ihn umſtehen die Völker im Kreis, denn ſie lieben
aus allen Kräften was liebenswerth iſt. Und ſo
wollte dein Volk dich lieben; gerüſtet mit nervigem
Arm, gliederraſch, voll freudigem Aufſchwung ſeine
reichen Kräfte dir zutragend der auf dem Gipfel
der Weisheit ihm thront. Zu hoch — zu verfloſ—
ſen ins Göttliche, warſt du mehr ihm geworden
als ein vergänglich Weſen; und die feigen Knechte
alle, die es bevormunden und dich bis ans Ende,
die erſchrecken vor dem jauchzenden Volk und ſeinen
betäubenden Ehrenkränzen. Iſts denn fo umum:
gänglich daß Ihr einander haſſen — verachten
müßt? — Entgeht dir was du ihm gewährſt wenn
du wirklich es liebſt? und erwirbt dir's nicht fein
Vertrauen grade: das deiner Fürſorge wieder an—
heimgiebt was es verlangte von dir? —
Schlakender König: Mit dem Begriff des Idea⸗
199
len kannſt du leichter fertig werden als ich mit
den Vorurtheilen dagegen, die als ſo viel borſtige
Ungeheuer mir auf den Leib rücken. Ungleichheit
der Menſchen Leibes und der Seele, iſt der gordi—
ſche Knoten den keine Vernunft auflöſen wird.
Daemon: Wer ſind die Vernünftigen? — Sind
es die Rathloſen die das Elend als von Gott ge—
ſandt beſtehen laſſen und das allgemeine Recht mit
Mörderdolchen feiger Politik durchbohrt, dem Volk
vor die Füße werfen? — Aber ich ſage dir: der
Naturgeiſt hat im Zeitenwandel ſich früherer For—
men enthoben. Die alten Völkerſtämme lichten
liche in des Urwalds Mitte ift der Stamm ge⸗
dankenvoller Zucht eingepflanzt, und mit den alten
Formen kann das alte Weſen mit Nichten wieder—
kehren. Möcht Ihr bewahren was frühere Zeiten
unterjochte, möcht Ihr die alten Grenzen wieder
aufdämmen: alle Schleuſen werden die Völkerflu—
then überſtrömen, alle Irrthümer entwichner und
verblichner Zeiten in ihren eilenden Wogen be—
graben.
Schlatender König: Auch der Irrthum hilft
dem Schwindelnden über den Abgrund und führt
das Göttliche zu uns herab. Er ungiebt alles
200
Daſein wie die Erde von der Luft umgeben iſt; er
iſt das irdiſche Erbe der Natur, wie die Wahrheit
ihr himmliſch Erbtheil iſt; und die Herrſchermacht,
die auf der Völker Unwiſſen ſich gründet, iſt nicht
ſündig, denn allgemeines Wiſſen hält gleichen
Schritt mit allgemeinem Geſchehen. Der Ord—
nung der Dinge vorgreifen würde Verworren—
heit erzeugen, die Alles in ihren Untergang ver—
ſchlingt.
Daemon: Verworrenheit drängt den ſterblichen
Menſchen in ſeinen karg gezählten Tagen auf den
Weltenſtrom hinaus zu unſterblichen Thaten die
nach der Ordnung der Dinge nicht fragen, aber
in harmoniſchen Würfen unter bewußtlos geübten
Geſetzen zu dem Gewinn erweiterter Begriffe ge—
langen. — Verworrenheit iſt Überfluß an Kraft,
wenn auch Mangel an Bewußtſein, aber fort—
ſchreitend und zeugungsfähig. Ruhe und Ordnung
der Dinge iſt wie jungfräuliche Verzagtheit die
der Mutterliebe entſagt weil ſie nicht will in
Schmerzen gebären. Verworrenheit bewegt die
Himmel ſammt den Göttern und ringt in Schmer—
zen ſich durch, zum Erhabnen das vom Gemei—
nen ſich trennt. — Und war es nicht deine Ver—
worrenheit in der allein noch dein Genius dich
201
heimſuchte? haben feine Donner dich nicht wach⸗
gerufen in jenen ordnungsloſen Tagen? und ſeine
Blitze dich durchzückt, und deine Verworrenheit zu
göttlichem Inſtinkt erhoben? — Aber als deine
Ordnungsführer an die Reihe kamen da ging deine
Aufrichtigkeit unter.
Schlatender König: Tolle Reden führt dein
Mund und ſchießt mit regelloſer Weife den Faden
durchs Gewebe das eben noch wie zum Plan des
Schachs ein geordnet Gebild war.
Daemon: Und jetzt in ahnungsvoller Verwir—
rung zu tieferem Beſinnen dich anregt — um das
Verderben im Schach zu halten; nicht mit Schach—
figuren aber mit Heldenführern Vaterlandverbannter
Völker, die ſchutz- und wehrlos umherſchwärmen.
— Ulngemuthet denkſt du der Zukunft: „Was noch
wird werden? — denn immerfort dauert das Ge—
metzel und hilft Gott nicht, dann iſt Alles verloren.“
— So leuchtet Verworrenheit prophetiſch in dich:
Ob du die heimathloſen fluchbeladnen Völker dir
mögeſt gewinnen, daß ſie dir trauen und ihre Hel—
den dich umſtehen, wenn fremde Tyrannen deinen
Willen in die Ordnung der Dinge eingeklemmt,
halten und dem Teufel dich überantworten der dieſe
Ordnung der Dinge erfand, und Hand legen
an Deutſchlands Völker und an dich ſelber, der da—
202
ſteht wie ein Götze dem ihr Opferrauch das Ant—
litz ſchwärzt. Dann geht es an ein Fluchen über
den Frevel verjagte Völker zu ſchützen, die zu ver—
derben im gemeinſamen Rath beſchloſſen ward.
Ha wie ſie dich drängen und zornig dich umtoben:
„Leicht werden wir fertig mit dir und ge—
leiten Einen die Stufen hinan der beſſer
kann Straßentumult bändigen!“ und Feuer
ſchlägt in dich und deine Verworrenheit ſam—
melt ſich in Wolken die ein Gewitter im Schooß
fragen.
Schlafender König: Welcher Strahl wird ſie
zertheilen? Welche Werkleute ſollen den Weltenbau
umzimmern, welcher Rieſengeiſt ſie alle im Schach
halten? — denn nicht ein perſönlicher König iſt dies
im Stand.
Daemon: Das Genie aber iſt ſo dreiſt und
ſicher deſſen was in ihm vorgeht, daß es die Ruhe
und Ordnung der Dinge mit einem Fingerſchnalzen
verabſchiedet, denn fie iſt die Ruhe der Verweſung
und die Ordnung der Gefängniſſe in der das Leben
ſeine Blüthen, Früchtelos abſtreift.
Schlakender König: Mir ziemt nicht ränkevoller
Trug meiner Worte im gemeinſamen Fürſtenrath
verpfändet, ſeine Folgen wären daß nicht Erde
noch Stein unverſehrt bleibe und Wächter würden
203
ſie ausſtellen die das Land umzingeln, und wie
Flammen daherfahren in die Mitte meines Landes
mit Fluchen und Streiten und Kriegsgeſchrei. Bald
flöß in Strömen das Blut der Völker, die zu
retten nicht Mond und Sterne mir leuchten.
Daemon: Laß fluchen und ſtreiten, Drommeten
ſchmettern, Heerbanner zerreißen; die Vorſehung
hält den Schild über dem Unverzagten, die zer—
ſtreuten Helden ſammeln ſich zu dir; ſie ſtehen den
eindringenden Haufen, ſie rufen dir zu:
„D Starker entſchlage dich der Sorgen! Das
„Herz des Glückes ſteht auf deiner Krone Spitze,
„das Haupt der Häupter ſtürzt unter deine Füße.
„— Vertrau der Mannheit verfolgter Völker
„die dein ſchützender Muth verſammelt um dich.
„— Unſterbliche Roſen find uns Schlachtfelder
„in Blutwellen wogend, die wir auf dürrem Fels
„Tag und Nacht harreten, da nicht Brod noch
„Waſſer zu uns gelangte den ganzen Tag; und
„Erde mußten wir kauen und alleſammt zuletzt
„verderben. Gottes Schatten biſt du uns, Hoff—
„nung ſtrahlſt du den Völkern die zu dir
„flüchten.“
Schlatender König: Wer wird Muth und Hoff:
nung und Sicherheit nicht verlieren der den Stoß
ſchrecklich gegeneinander rollenden Felſen ſich daher—
204
wälzen ſieht und gemartert vom Stachel der Ohn—
macht, vor den Folgen, ſelbſt weiſer und trefflicher
Thaten muß zittern?
Daemon: Dies kraftlos ſchwankende Geſchehen—
laſſen, deinem Bewußtſein zuwider, deucht dir alſo
weniger verantwortlich als unbedacht deine Macht—
vollkommenheit treuloſen Fürſtenhäuptern zu verpfän—
den? — War aber dein Wort und ihres, nicht frü—
her ſchon den Völkern gebunden? Die Erſchöpfung
der Millionen unter deinem Scepter, das Übermaaf
ihrer Verzweiflung macht deinen zagenden Willen
der Wiedergeburt zur bitterſten Nothwendigkeit. —
Dieſe alſo muß ſtatt Deiner Alles thun? — Und
was deine unvolksthümlichen Automaten in ihren
Kammern beſchnarchen mit prahleriſchem Getön von
Schutz und Ordnung und ſeuriger Deutſchheit: Wie
kannſt du nur daraufhin dir Hoffnungen machen?
und lieber thöricht leiden am Verdruß über deinen
hohen Beruf, als ſelber dir Recht ſprechen? O
glaube du! Aller Geiſtesberuf iſt die Welt zu
beherrſchen und nicht vor dem Ausgang zittern des
Unvermeidlichen. Thaten die vom Augenblick im
Weltenſtrom mit fortgeriſſen, nicht an Erfolg und
an gegebenes Wort ſich binden: es ſind die Thaten
großer Könige die zuerſt den Vorurtheilen abſchwo—
ren und die Liebe des Volkes den mörderiſchen An—
205
ſchlägen gegen Nationen vorziehen. — Aber unter
Schwerdtern und donnernden Geſchützen das Volk
niederhalten, genügt Euch heute ein göttlich Recht
zu behaupten und Ihr ließt eher den letzten Kopf
Eurer Unterthanen über die Klinge ſpringen als daß
Ihr ihm geſtattet, außer ſeiner Unterjochung das
erſte Volk der Welt zu ſein.
Schlalender König: Ha! könnte es das ſein, ſo
wär es Narrheit ein erſtarrtes Sclaventhum einem
freien Staat vorziehen, der ſtrahlenderen Ruhm und
kühnere Macht uns ſichern würde. Wo aber falſche
Anſchläge die Vernunft bekämpfen, und Verläum—
dung die Geſinnung vergiftet, da muß die Gewalt
ſie in ihre Schranken zurückdrängen.
Daemon: Der Staat der mit Gewalt der Ver—
nunſt Herrſchaft will erzwingen und nicht den freien
Flug dem Genius ſichert, der iſt nicht kraftvoll, ſon—
dern nur mächtig; nicht wohlthätig, nur wohlexer—
zirt und nur auf Sand gebaut. In welchen Ab—
grund würdeſt du verſinken, wollteſt du der Ge—
dankeufreiheit Schranken ſetzen? — Meinungen find
nicht Thatſachen, ihr Ausdruck iſt unendlicher Aus—
legungen fähig; was Einer dir verdächtigt, ſcheint
dem Andern weiſe gethan. Feſſeln kannſt du der
Gedankenfluth nicht anlegen die Alles überſchwenunt.
Die Freiheit würgen weil die Frechheit dir zu nahe
206
tritt, das kann dich nicht unſterblich machen! Doch
iſt Unſterbliches Beruf dem, welchen der Weltge⸗
ſchichte rieſenhafter Strom einherträgt auf brauſen—
der Woge als Schildhalter des Reichs. In Allem
wie ein deutſcher Kaiſer gethan, von Fürſten des
Reichs aus ihrer Mitte, im Namen der Völker er—
kohren daß er handhabe das Recht öffentlich und
mit der Großmuth Spende überall ausreiche und
mit dem Manifeſt ſeines Willens die vor dem
Machtraub fliehenden Völker um ſich ſchaare zu
Sturm und Streit wider den Jäger, der trotzig
daher kommt, dem edlen Wild, nachdem es abge—
jagt und von Hunden feſtgeſtellt iſt, den letzten Fang
zu geben. Aber gehetzte Völker ſollſt du nicht wie
Jagdbeute verenden laſſen; du ſollſt fie retten dei—
nem Gott und deiner unſterblichen Seele. Der
Staat in den ihre entblöſten Wurzeln ſich einſenken,
iſt nicht anf Sand gebaut; die Völker ſchützen
feinen Hort; im Hymnenſturm unſterblichen Ruhm
ihm nachjauchzend:
„Hier wo in ſtürmiſchen Tagen ein Freund der
„Götter Verſöhnung uns bot, laßt uns ihn prei—
„ſen! Mächtiger Lande Herrſcher iſt er, und
„Weisheit ſtrahlt rings ſein Königsauge. Von
„Freudenſchaaren umgeben, bot er freundlich uns
„Schutz und redete mit uns wie ein Fremdling
207
„um Gaſtfreundſchaft uns anredet. Und wir
„ergriffen vom Boden das nächſte Gaſtgeſchenk
„und reichten es hin. — Der Held ſprang hinau
„und ſtreckte die Hand der Hand entgegen und
„einpfing die Erdfcholle der Heimath. — Juniger
„träufeln nun Worte zwiſchen ihm und den Män—
„nern des Volkes und den mächtigen Lorbeer auf
„des Parnaſſos Gipfel pflegen wir ihm der mit
„unzerriſſnem Zügel fortan die Bahn des Frie—
„deus umkreiſt.“
Siehe, ſo feſtet ein deutſcher Kaiſer das Reich;
ein Hort der Milde jeglichen Völkern denen wechſel—
ſeitiger Jammer überm Haupt vom Schlummer
erwacht zur Sühne den Schatten unſchuldig Ge—
morderter und die Sturmwolke beſchwörend die ihr
Dahinſcheiden aufjagte. Denken die Völker einſt
dein: ſo denken ſie dich und du ſelber biſt ihre
Seele; denken ſie großes von dir, ſo biſt du ſelber
der Große. — Haſt du Liebe und Weisheit den
Völkern geſäet, fo iſt die Erndle deiner Saaten
Weisheit und Liebe der Völker. Sie denken dich
und für dich und geben reiner dir zurück was du
aus Willkühr nie konnteſt erreichen. — Wie dem
Windeswehen das Segel ſich wendet, ſo wendet in
geläuterter Einheit mit dir, das Volk ſich freudig
deinem ſteigendem Lauf. Volksvertrauen iſt das
208
Sakrament der Könige — Gottesgenuß — es erzieht
das Göttliche in Euch. — Die Völker bilden das
Todtengericht: ein böſes Andenken iſt die Hölle, ein
gutes der Himmel, und ſie rufen den zurück, der
ihrer Vollendung ſich weiht.
Schlakender König: Mancher Herrſcher mußte
despofifch wirken auf das Volk das ihn nicht ver:
ſtand, und ſo verſteht es heute noch nicht dem
Fortſchritt gleich ſich fortzubewegen.
Daemon: Weil es unaufhaltſam einer fündig
krankhaften Politik zu entſchlüpfen ſich müht. Beim
Uebergehen vom Despoten zum Freiheitshelden, hat
auch Er von Feſſeln ſich loszureißen; ſeinem ver—
wöhnten Ohr deucht der heißere Ruf nach Freiheit
Empörungsgeſchrei, aber die Menſchheit jauchzt ihm
Beifall. Er verachtet die Schmäher, aber er heißt
ſie nicht ſchweigen. Kein flüchtiger Sclave anderer
Meinungen, ſteht er aufrichtig allen Anſprüchen gegen—
über, aber mit der Verleumdung klingenden Stimme
hadert er nimmer; und ſie überbieten oder gar ſie
verbieten, deß achtet er nicht. Was denkſt du,
daß beim Umſturz eines veralteten Regiments zu
thun fei? als nur ungerechten Geſetzen enfjagen und
die Unwetter vorüberziehen laſſen, das Volk er—
leuchten, ſeine Eutſagungskraft üben zur Steuer der
Noth. Aber gegen Begriff und Meinung ihm
209
Geſetze aufbürden mitten in den Zuckungen der
Wiedergeburt, das treibt die Gährung übermäßig.
Schlatender König: Stumpfer Sinne iſt das
Volk; wenn auch der Geiſt ihm Lehre giebt, faßt
es fie doch nur wie feine Thorheit fie ihm vormalt;
aber mit Rath und That im All wirken, vermag
es nicht. Ulebermüthig im Glück und kriechend im
Elend, zerlumpt, häßlich — ſeine Sprache iſt Ge—
brüll, das Antlitz: Sammelplatz niederer Begierden.
Aller Spannkraft beim geringſten Widerſtande be—
raubt, wirft es die Waffe von ſich die es eben
noch der Umwälzung des Schickſalsrades mit ſeinem
Eid verbürgte.
Daemon: Erröthen deine Staatspfeiler nicht,
fein ſinnlich Elend als Verworfenheit Dir zu be:
zeichnen, die ja doch nur der Spiegel ihres eignen
geiſtigen Elends iſt? — Der Unterdrückung Fröhn—
ling, der nicht das Geſetz, aber des Geſetzes Hand—
haber fürchtend, unter ſo ſchmäligen Bedingungen
ſich zum Bewußtſein muß emporringen, — hat der
Willen? hat er Begriff vom Beſſern? — Oder
ſoll er flehen den Herrſcher, ſoll er ihm ſchmeicheln,
der ſeines Volkes Willen vernichtet, weil es umher—
irrend den Uebergang zum Beſſern vergeblich ſucht?
— O Zeitenlauf, den es am Fels geſchmiedet,
verlebte! — Viel der Sonnen und Monde ſah es
14
210
auf- und untergehen, — immer ſprach die weiſſa⸗
gende Stimme in ihm: „dulde, damit dein Geiſt
tapfer werde deine Ehre aus den Trümmern zu
retten. — Davon tönen Tag und Nacht, ihm die
Siegesleiden in den Fluch der Erde und in die Ver—
wünſchungen die ſie ausſtößt, und ſein Herz ſchlägt
auf Verbrüderung Aller zur Erlöſung der Welt.
Mit Schwerterſchlag und Schlachtgeſchrei ſtürzt
ein Volk ums andre und ringt der Verzweiflung
den Tod ab; aber kein Mann hat ſich noch ge—
funden der ſeinen Ruhm an die Erhaltung der noch
übrigen ſetzte.
Schlatender König: Es wird wild auf Erden
hauſen und ihre älteſten Geſchlechter vertilgen. Es
wird in die Welthändel ſich miſchen, es wird wie
die Bergwäſſer hervorſtürzen und den Hader furcht—
bar kaltblütig wieder anknüpfen, wenn die Macht
es nicht gefeſſelt hält.
Daemon: Es wird zur Reife kommen durch den
Gott der alle Kreatur ſelbſt im Fehlſchlagen ihrer
Beſtimmung hebt und trägt. Sieh dort den Balken
der aus des Thurmes höchſter Luke ragt; —
ſeinen Schatten wirft der Mond quer über den
Weg, — er ward am Huldigungstag vom Volk
dort herausgeſchoben um zu entſcheiden, welches
das gefährlichſte Handwerk ſei, das ſolle voran—
211
gehen bei der Huldigung. — Da ſchritt der Dad):
decker den behauenen Eichbaum entlang und na—
gelte mit kecken Hammerſchlägen den Schiefer drei—
fach an des Balkens Kopf. Unter Jubelgeſchrei
ſchritt er ſonder Wanken zurück durch die Luke,
aus der bei Pauken und Trompetenſchall dee Zim—
mermann mit der Säge den Balken nun beſchritt
und quer auf dem äußerſten Ende, zwiſchen beiden
Füßen den Kopf des Balkens abſchnitt, dem er
nach Zimmermannsgebrauch mit der Ferſe den
letzten Stoß gab daß er ſammt dem Schiefer her—
abſtürzte unter die Menge die jetzt entſchied:
dem Zimmergewerk als dem gefährlichſten Hand:
werk gebühre, fo lange ein deutſcher Kaiſer “)
beſtehe, bei der Huldigung voranzugehen. Der
Kaiſer gab ſich bei dieſem Handwerk in die Lehre
und richtete mit eigner Hand auf dem Karlſtein in
Böhmen das kunſtreiche Sparrwerk der Kapelle, wo
er als Meiſter losgeſprochen ward. Zweifelſt du
noch ob Muth, ob kaltblütige Entſchloſſenheit und
Vorſicht — was doch höchſte Regententugenden
ſind — nicht auch den Errungenſchaften handwerk—
licher Verdienſte den höchſten Beruf vollendeter
Meiſterſchaft ſichern? —
) Karl der IV.
14®
212
Schlatender König: Ich fühle wie du und
beſſer als Andere das biedre, muthige und zu Zei—
ten ſelbſt edle Regungen im Volk auftauchen, aber
richtungslos breiten fie ſich aus, wie die verwil—
derte Rebe — wenn man ſie nicht anbindet, ſo
wird ſie keine ſüßen Früchte bringen. Wenn
du den Volkswillen nicht eng in Feſſeln legſt
ſo wird fein ſündhaftes Gelüſte ihm alle Be-
ſinnung rauben. D Traumgebilde mit Blindheit
geſchlagener Menſchen! Sie beſchweren mir den
Muth und nimmer werd ich froh! In vielen
Stufen hatte ichs angelegt mein Volk zu führen
— abwenden wollte ich von ihm die Strafen des
Himmels; aber ein Sturmwind jagte es in alle
Kümmerniſſe der Verfolgung und leiden muß es
von Geſchicken die es ſelbſt über ſich verhängte.
Daemon: Ulm über Werth oder Unwerth eines
Volkes zu entſcheiden, bedarf es einer Reihe Hand—
lungen deren ſittliche Kraft es durchleuchte. Alles
was im Volk lebt dringt auf dich ein. Alle Ge—
danken freudiger und trauriger Menſchen, wohin
du blickſt: Hoffen und Furcht, Freude und Angſt
und Sorge, gutes Bewußtſein und unruhiges Ge—
wiſſen die alle ihr Schickſal dir abfragen.
Schlakender König: Aber ihre politiſchen Ber:
irrungen, dieſe Quelle nie zu beſiegender Übel ſtür—
213
zen in gewaltigen Katarakten über mich der vergeb—
lich ſich müht ſie in ihrem Bett einzudämmen.
Daemon: Das Volk bedarf keines politiſchen
Bezwingers; es bedarf eines weiſen Erhalters der
die Staatsökonomie mit ſich ſelber beginnt, der
Alles was es in ſo kleinen, für es ſelber ſo bedeu—
tenden Abgaben zuſammenträgt auch wieder für es
verwendet will haben. Es bedarf eines kühnen
Bekämpfers ſeiner Gegner und deiner, die in jede
deiner Schwächen Vorurtheile einſchmelzen.
Schlakender König: Ein reiner Geiſt zerſchmet—
tert dieſe Vorurtheile, und Gleichgeſinnte, von de—
nen wir wiſſen daß ſie unwandelbar daſſelbe mit
uns wollen und daß nicht Eitelkeit oder Herrſch—
ſucht unſre Übereinſtimmung mit ihnen gefährde,
denen übertragen wir mit Zuverſicht das Verſtänd⸗
niß zwiſchen uns und den Völkern.
Daemon: Dieſe Lieblingsweſen die du als
Gleichgeſinnte bezeichneſt, ſind eben nur Par—
teiweſen, die unter einem ſchnell wollenden, ſchnell
ausführenden Herrſcher um Einfluß einander be—
kämpfen und durch wechſelndes Steigen und Fal—
leu unaufhörlich dieſe Schwächen des Regenten und
den Mißbrauch der ihm liſtig entwendeten Macht
der Welt zur Schau ſtellen. — Jeder dieſer Gleich:
geſinnten iſt ein ſolcher Parteikämpfer der kein
214
anderes Verdienſt in deinen Augen ſoll haben, als
in der Erfüllung deiner Beſchlüſſe. Dein feſter
Wille, deine unerſchütterliche Thatkraft die es mit
ſiegreicher Luſt dir nachempfindet, dieſe ſind die
maguetiſchen Wechſelwirkungen zwiſchen dir und
deinem Volk von denen die Sinnenbrauſende
Welt nichts ahnt. Wenn aber dieſer Sinnen⸗
katarakt der ohne Unterlaß über Euch hindon—
nert einſt plötzlich verſtummt; dann wirſt du fin—
den zu deinem Erſtaunen daß eine Welt die zu be:
herrſchen dir nicht gelingen wollte, ihre Lebensele—
mente allein durch der Völker glühenden Schöpfungs—
drang verbreite, der durchdrungen von zahlloſen Wir:
kungen des Geifleralls, mit jedem freien Athemzug
in kühnen Unternehmungen aufwuchernd, dem Herr—
ſcher ebenbürtig zur Seite ſtehe und für ſeine
Seele die wie deine unſterblich iſt, verlaſſe dich auf
die Quelle alles Guten, Urſprung und Ende,
Schöpfer des Univerſums, unermeßlich, unendlich
regierend die Welt, einzig Vermittler zwiſchen dir
und deinem Volk. — Nur der regiert von dem
keiner weiß, wer leitenden Einfluß habe auf ihn
außer Gott! Und am Hofe kann Keiner aus—
dauern ohne am Volk und am Herrſcher ſchlechte
Streiche zu begehen. Der Geiſt der frei ſein will
215
vom Böſen muß fliehen. So hätte Seneka
die Agrippina und Nero verlaſſen müſſen, wenn er
ein Stoiker hätte bleiben wollen.
Schlakender König: So wären nach deiner
Anſicht die Männer meines Rathes und trefflicher
Genievoller Wirkſamkeit, lauter Heuchler, die alle
Masken tragen?
Daemon: Und für die ſie eine natürliche Be-
kleidung geworden ſind, — die einander haſſen,
weil fie mit gleicher falſcher Münze ſich nicht mol:
len bezahlen laſſen, und Parteien gegen einander
bilden, weil ſie den geraubten Schatz nicht heilen
wollen. |
Schlakender König: Ich aber meine doch, of
fen im Denken und Reden und Handeln gegen
Alle zu ſein.
Daemon: So lange du dich dazu geſtimmt
fühlſt. Als Vertreter des Volkes würdeſt du bald
dich veranlaßt fühlen, die dir ſo verhaßte Heuche—
lei dem Volk als Pflicht aufzulegen.
Schlakender König: Ich würde vielmehr von
ihm verlangen, grade und offen das Schlechte
nicht allein zu haſſen, ſondern auch ohne Vorbe—
halt ſeine Mißbilligung darüber auszuſprechen.
Daemon: Erſt müſſen ſich deine Sinne für
216
die Wahrheit ſchärfen um fie von der Weltklugheit
zu ſichten, denn dieſe iſt doch nur die feinere
Maske der Heuchelei die Jeder verzeiht ſobald ſie
wie Weltklugheit ausſieht. Sie iſt das Gewand
des Gebildeten und du nennſt vielleicht darum das
Volk roh und un würdig, weil es eben ohne
dieſe Schminke ſich zeigt.
Schlakender König: Meinſt du das Volk ſei
ohne Lüge in ſeinen Neigungen, oder es treffe im—
mer die Wahrheit in ſeinem Haß?
Daemon: Das Volk betrügt ſich ſelbſt oft in
ſeinen Neigungen, aber in ſeinem Haß iſt es wie
der kluge Hirt der dem ſtößigen Ochſen Heu an
die Hörner bindet als Merkzeichen ſeinen Geſellen:
„traut ihm nicht.“
Schlakender König: Das Volk irrt in feinen
Merkzeichen und läßt aus Trotz nicht nach von
Vorurtheilen die es ſeinem Grimm zum Grunde
legt.
Daemon: Weil es die Quelle aller bittern
Tage endlich entdeckt zu haben glaubt an denen es
ſich müde gerungen hat.
:Schlafender König: Und die Quelle der Noth
ergießt ſich noch bitterer in ſein böſes Gewiſſen das
217
fi) abarbeitet in der Wüſte die es ſich ſelber hat
bereitet und die Tage der Ordnung heimlich wieder
herbeiſehnt jener gleichgeſinnten charaktervol—
len Männer die den Imperativ meines Willens
ausdrücken.
Daemon: Charakter hat nur der dem das
Land der Ideale keine Chimäre iſt, ſo ſehr es ihm
auch geleugnet wird von dieſen Gleichgeſinnten die
der Imperativ deines Willens ſind und doch dem
Fürſten der ſelbſt Charakter und Willen zeigt dieſe
geſchwind unterpflügen, weil er, um ihn nach ih—
rem Sinn in Kultur zu bringen, von Charakter
und Wille befreit ſein muß.
Schlakender König: Die Vernumft läßt ſich
nicht unterpflügen; ſie die harmoniſch des Lebens
Ebben und Fluthen bewegt, iſt auch dem Steuer—
mann ein Lichtgeſtirn zu dem er getroſt im Sturm
auſblickt.
Daemon: Wie der ſeiner Sonne entwichene
Trabant, der kalt und unfruchtbar herableuchtet.
Indeß geht die Welt kreuz und quer nach deiner
Imperativen Beſtimmung fort und ſetzt den Beob-
218
achter und auch den Mitfpielenden in Erſtaunen,
da ſie die Hauptintrigue plötzlich eine andere Wen—
dung nehmen ſehen. Dein gleichgefinnter
Fährmann ſchiebt es auf das Geſtirn das „ohne
Rolle am Himmel hängt.“
Schlakender König: Welche moraliſche Kräfte
reichen über Zufall hinaus? — Die Vorſehung
miſcht ſich drein und heilt endlich das Herz von
allen Wagniſſen. Ich haſſe den Despotismus,
aber um das gefährliche Menſchenthier zu zähmen,
muß es zum Guten gezwungen werden. Wie dort
die Steppe, Halm an Halm gedrängt in unzähl—
barer Menge, hervortreibt, aber nicht den Baum
der köſtliche Früchte reift; ſo treiben Menſchenſaa—
ten aus gemeinſamem Boden, aber nicht den Ei—
nen um den die Vielen ſich drängen, deſſen Mund
Erquickung regnet der durſtigen Menge, deſſen
Geiſt morgenhell die ungezähmten Boreaden ver—
ſcheucht.
Daemon: Nur der Kühne, der über Gewittern
und ihre Fruchtbarkeit hinaus, auf die leiſen Götter—
worte horchend, menſchlich die Menſchen lenkt, der
allein ſchlägt Wurzel im gemeinſamen Boden der rath—
loſen Menge, die Halm an Halm gedrängt, außer
a.
219
Schrecken und Gewalt bisher nichts erlebt hat. —
Aus Ihm drängen die erſten kleinen Pulsſchläge
ſittlicher Kraft aus beiden Herzkammern ſein Lebens—
blut in Völkerſtrömungen über die ganze Erde. —
Von Allem trägt er den Keim in ſich was er zu
erzeugen berufen iſt. Aus ihm ſelber entſchwingt ſich
der Volksgeiſt in den vollen wogenden Hafen einer
geiſtigen Welt — die Seele befruchtet von dem was
er will daß es ſei; — oder du biſt nicht Herr—
ſcher, oder du ſtehſt — ein Verlaſſener deiner ſelbſt
— zweifelnd wie Einer der den Proteus will feſſeln
und in jeder Umwandlung nur die trügeriſche Hülle
umfaßt und nicht das abſolute Ideal das der Welt:
geiſt iſt, der auch in der Seele einer Vaterlandflüch—
tigen Nation als Ebenbild Gottes über Euch hinauf—
ſchwebt zum Weltenrichter. Oder meinſt du, die
Hülfe bedürftigen Glieder des großen Weltkörpers
ſeien verweſende Theile anſteckender Fäulniß die
man unterbindet und abtrennt weil ſie erſtorben
ſind? — Aber Völker ſind dem Gott einverleibt
durch die Auferſtehung in ihm. Die Natur wird
Geiſt in des Menſchen Sinne, die Sonne im
Licht der Augen, der Wind im Gefühl, die tönende
Luft im Gehör, mit der Rede ergießt der Feuergeiſt
ſich ins Herz und alle Elemente werden Geiſt im
Menſchen! Dieſen Lebensfaden, aus ſo heiligen
220
Gefäßen der Schöpfungen zuſammen gefponnen, ein
jeder in ſich die Natur vergeiſtigend — wie könnt
Ihr ihn abſchneiden? — Und die Völker — ſie
ſind der ſichthare Leib Gottes! — Wie könnt Ihr
ihn verſchmachten laſſen der ſich hingiebt zum
Märtyrer eurer verworrenen Leidenſchaften die ſich
auswüthen an ihm? — Aber wie die Gluthen den
Geiſt des Stoffes entbinden, ſo der Weltgeiſt in
den Leiden einer Märtyrernation reinigt ſie von
Schlacken, die wie Kohlen eines verglühenden In—
citaments zu Euren Füßen erlöſchen. — An
dieſen Völkern ſelbſt die jetzt dem böſen Princip in
Euch uuferliegen ſollt Ihr zum Ideal Euch empor
ſchwingen, wenn einſt dies böſe Princip in Euch
ihren erhabnen Eigenſchaften die in ihren Anlagen
ſchon hervortreten, auch als todte Kohle zu Füßen
ſinkt.
Schlafender König: Der Tyrann der die Welt
als ſeinen Stoff in der Gewalt hätte und ihn mit
kaltem Blut mißbrauchte, wäre nach deinem Sinn
der ſich reinigende Weltgeiſt, der eine ganze Gene—
ration als Schlacke von ſich abwirft?
Daemon: Große Charakterkräfte an deren Ent
wicklung das Schickſal ganze Generationen draufgehen
läßt, verwehen nicht wie Flugſand, immer ſchärfer
in ſich ausbildend, wozu ſie berufen ſind, werden
221
fie der Schwerpunkt von Nationen. Ein organi⸗
ſcher Keim der Begeiſterungsflammen ſprüht und
ſich verzweigt durch alle Völker. Sie ſelber aber
ſind Weltgeiſter, durch nichts zu erblicken und doch
da, in allem geiſtig erſtrebend was das Ziel ihres
Wirkens auf Erden war.
Schlakender König: Alſo diesmal hätte Napo:
leon die Weltſchlckſale nur als Schule durchlaufen,
in der er die Gewalten, die auf ihn übertragen
waren, erſt brauchen lernte und durch Verhäng—
niſſe, die den Fluch der Nachwelt auf ihn laden,
die großen Schickſalsfragen in ſich reifen mußte.
Und Er wäre der, welcher dieſe Weltfragen, die
eben auf dem Spiel ſtehen, unter den Nationen
aufwirft? — Da er nun früher in ſeinem irdiſchen
Übermuth von den gotteingeſetzten Weltmächten
gebändigt ward, fo wird dieſer Ubermuth, mit dem
er in den Völkern jetzt ſpukt, durch dieſelbe Macht
Gottes, die den Königen übertragen iſt, auch nie:
dergehalten werden.
Daemon: Der Geift der ihn auf den Gipfel
ſeiner Macht ſtellte, und in den ſchauerlichen Ka—
taſtrophen feiner Erſchütterung untergegangen war,
aber bald um ſo reiner anf dem einſamen Schick—
ſalsfels wieder auftauchte, der belehrte ihn erſt
daß er dieſem erhabnen Trieb zuwider, das Uuver—
222
meidliche felbft herbeigeführt hatte und feine innere
Stimme blieb ihm keine Antwort ſchuldig.
Schlakender König: Wie? — Er hätte gewagt
ſein Inneres vor ſich auszubreiten, deſſen Beweg—
gründe und ihre Folgen ſich deutlich zu machen? —
Beſinne dich! — Er hat die Übel noch erſchwert
die auf dem Erdball laſten. Von allem Königli—
chen, haben allein Kriegszucht und Schlachtenruhm
ihn beſeſſen; er hat jeglichen beſſern Antrieb ſeinem
Übermuth geopfert. —
Daemon: Ich will nicht ſagen: Er war ein
großer Menſch! — Aber was in göttlicher Er—
kenntniß dieſem gleich ift: Es war das Menſch—
liche was ihn durchdrang mitten in dem Ubermuth
von dem du ſagſt: er habe ihn beſeſſen.
Schlakender König: Nenne mir eine That, nur
einen menſchlich guten Willen in ihm, dem dieſer
ÜÜbermuth hätte weichen müſſen.
Daemon: Es war in der Frühe, am Tage der
Hinrichtung jener Erfinder der Höllenmaſchine die
ihn zerſchmettern ſollte. Einer der ihn beſſer er—
kannte als du, wagte es eine Bittſchrift ihm dar—
zureichen: „Wer ift Er?“ — Bei feinem Namen:
fuhr er auf: „Er iſt der gefährlichſte von
„Allen! er iſt ſtrafbarer als die Andern!“
223
— „Ich weiß es,“ ſagte jener, „aber feine Lands:
„leute, die genug ſchon um feine Thorheit leiden
„mußten, ſeine Familie, ſeine Kinder werden dich
„ſegnen.“ Einen raſchen Augenblick des Nachden—
kens und die Bittſchrift war genehmigt: „Ich
„habe kein Recht an dieſe, eile, daß die
„Hinrichtung nicht vollzogen werde!“ Er
gab ihm die Freiheit. Für dieſe und noch andre Re—
gungen der Menſchenliebe kann ich dir bürgen.
Schlatender König: Du willſt mich mahnen? —
Mir kannſt du nicht denſelben Maaßſtab anlegen,
ich muß es andern überlaſſen das Gift, was ſich
eingefreſſen hat, von den geſunden Theilen zu
trennen. 0
Daemon: Wolle du ſelbſt an deine Machtvoll—
kommenheit den höheren Maaßſtab legen. — Er—
habne Entwürfe, große Borfäge, er mußte ſie mit
ins Grab nehmen; es war keiner der Fürſten mit
ihm einverſtanden. Alle kämpften gegen der Völker
Wiedergeburt. Er ſagte: „Vergebens ihre An:
„ſtrengung, es iſt der Fels des Syſiphus,
„dem ſie widerſtemmen, er wird ſtürzen
„und fie zuſammenſchmettern.“
Schlakender König: Er ſagte es als Einſiedler,
St. Helena zu Ehren, unter deren Obhut er ſtand.
224
Daemon: Einfiedler, auch mitten im Getümmel
der Weltgeſchicke. Er konnte nicht was er ver—
mochte, hättet Ihr hülfreiche Hand ihm gelobt. —
Und leider! — Keiner war ſo kühn unter Euch,
ſo von dem Großen in ihm ergriffen, daß er ver—
ſucht hätte feinem Märtyrerthum ihn zu enfreißen
und ſeinen erhabnen Ideen ihn ſelbſt zu retten.
Schlakender König: Hätten wir ihm trauen
dürfen? — Damals als er noch der Allmächtige
war, hätte ein einzig edles Wort mehr als ſeine
Gewaltſtreiche, dieſen idealen Jnſpirationen Eingang
verſchafft.
Daemon: Du ſelber biſt überzeugt: dies Wort
wäre auf unfruchtbaren Boden gefallen. Ihr herrſcht
auf dem Boden, der tief in den Eingeweiden der Erde
wurzelt, der ſeine ruhte auf Sand. — Er reinigte den
Geiſt der Revolution; er ſammelte das Gute in ihm
und ſchützte es mit energiſchem Willen. Hätte er von
Euch Beiſtand verlangt, Ihr würdet ihn nicht ver—
ſtanden haben, da Ihr nicht verſtanden habt was
in feinem Sturz Euch unterging. Und wenn auch:
Ihr hättet Euch gefürchtet das Rechte zu thun.
Auf Einen der Alles dein öffentlichen Wohl auf:
opfern will, ſind Millionen die von gemeineren
Trieben beherrſcht, es nicht wollen; und der Eine
ſein zu wollen, das kommt Euch vor wie Frevel.
225
Sıhlafender König: Du vergißt, daß das Alle
gemeine auch den hindert der vielleicht mit ihm
empfunden hatte. — Aber was am tiefſten ergreift,
dem ſind Herkommen und Beſtehen die gewaltigſten
Feſſeln.
Daemon: Und wagteſt du fie zu zerreißen, du
würdeſt erſchrecken daß es nur Spinnweben ſind
die deinen geringſten Willen umſtricken.
Schlalender König: Er, der fo oft das Beam:
theil von dem that, was er für unerläßlich hielt.
Dieſe Wiedergeburt der Völker — er hat ſie nicht
durchgeführt; hätte er gewollt wie er gekonnt, ſo
hätte er die ihm widerſtrebenden Mächte mit ſich
fortgeriſſen. Sein unſelig Verhängniß war: das
Schlimme zu thun, wo er das Gute erkannt hatte.
Daemon: Und er geſtand ſich auch: „Ich habe
zu viel gethan und zu wenig, — ich konnte meine
Handlungen nicht meinen Abſichten verſchmelzen.
Wär ich beſonnen geblieben, ſo mußten ſie gelingen,
ich hätte die Namen der Geſchichte, ihre ariſto—
kratiſchen Formen und Rechte den demokratiſchen
Anforderungen vermält. Es hätte meinen Stolz
freudig gemacht größre Geſinnungen in den ſchö—
nen franzöſiſchen Stämmen fortzupflanzen: große
umfaſſende Entwürfe, alle auf Ausbildung der
Völker gerichtet; ein europäiſch Geſetzbuch, ein en—
b 15
226
ropäiſch Gericht das alte Irrthümer wieder gut—
macht und die Revolution war in Einklang gebracht
mit dem was ſie nicht zerſtört hatte; geſtützt auf dieſe
reineren Verdienſte als das ihrer Ahnen, waren ſie
das einzige Mittel die monarchiſche Gewalt in edler
Umſchränkung zu halten und den neuen Inſti⸗
futionen Kraft und Reife des Alters zu ſichern;
wären ſie nur mit Herz und Seele die unſrigen
geweſen; aber ſie erriethen mich nicht; eine unglück⸗
liche Neigung ſich lieber im Koth zu wälzen als
mit mir den Gipfel der Ehre zu erſteigen, ließ ſie
meinen großen Ideen nicht Raum geben.
Schlakender König: Du? — — Seltſam biſt
du! Dieſer Mann von ſo umfaſſenden Gewalten!
— Als wäreſt du Er ſelber, ſo ſprichſt du — ein
Jüngling in der Monddämmerung der das Haupt
an die Erde legt und ſie küßt. —
Daemon: Mit Blut getränkt von Ihm; und
viele dunkle Tage hat er über ſie gebracht. Aber
er liebt dieſe Erde, er möchte ſie erhellen, ihre
Schmerzen ihr abbitten und die Freunde die feinen
Plänen ſich geopfert haben, die möchte er ihr
wiedergeben — im Verborgnen die Schlüſſel dar⸗
reichen Einem der Freund iſt den Menſchen; —
ich möchte die Hand dem Einen führen das Große
zu erringen. Es iſt ſchwieriger nicht als das
227
pe Br * Een ng die *
keit. on
Schlatender Nu Du ae — Der
plan iſt goͤttlich, aber es e ren een
Juſperation ihn auszuführen.
Daemon: Willſt du auf dem Gipfel der gelt
ſtehen, fo müffen die Völker dir den Thronſitz bauen.
Schlakender König: Und dieſe ſollten unter der
Laſt des Baues ausdauern und ihrer ſelbſt vergeſſen,
freiwillig der Zukunft ſich opfern? |
Daemon: Ja! Aus Liebe zu dem der ihnen vertraut
und ihnen ſelber zumuthet, was er ſich auferlegt. —
Könnte ein matter, abgedienter, lůͤgenhafter Aufruf dei⸗
ner Imperative bei jeder Gefahr die Hingebung deines
Volkes dir hervorzaubern, läge nicht ein ernſter
Charakter ihr zum Grund der dem höchſten Gedeihen
alles will opfern? Was iſt ihm das höchſte Ge⸗
deihen? Wenn du Vertrauen ihm ſchenkſt, ſo iſt
es unwiderruflich zwiſchen zwei Geſchicken das
deino. Dir ſteht ſchweres bevor; ich leſe in den
Sternen: — Die Zeit der dare . wird eine — —
5 werden ah
Schlakender König: Sf fi ie niche geen eine
Wolfszeite dies Gewühl von Aufruhr und Betrug
untereinander, dieſe pfiffigen Anſchläge verzweiflungs⸗
voller Pläne, alle gegen mich, jeder Dolch ſcharf
15
228
genug mich zu verwunden? — Und trage ich nicht
Alles um der Zucht und Ordnung willen und
geht nicht immer wieder die alte Noth daraus 2
vor die Alles in Gift umſetzt?
Daemon: Ja, die Noth der Bosheit die Ader
Wahrheit den Zugang verſperrt. Wo iſt aber
der Richter der dem Kläger und dem Ange⸗
klagten, gleiches Wohlwollen ſchenkt? — Mit
Recht wird das Volk tiefen Unwillen empfin⸗
den, wenn du ſeinem Gegner geſtatteſt, ohne Schen
alles Beliebige vorzubringen und mit dieſen falſchen
Reden, ohne daß es zu Worte komme, dir die
Ohren verſtopfſt. — Dieſe feigen Wegelagerer,
erſpähen die Blößen an ihm und die 1
in dir, um beide einander zu verkaufen.
Schlalender König: Berläumdung bat tausend
ggg. der Uleberredung, aber wolle mich nur nicht
für eine Windmühle halten, die dem 3
Nees nicht kann widerſtehen. f
Daemon: Eher für das Ziel nach dem Alle wett⸗
r Der gute Wettrenner, ſobald das Schran⸗
kenſeil gefallen, rennt grade vorwärts, weil er ſeine
Hoffnung des Sieges nur auf ſeine Füße ſetzt; der
ſchlechte ſucht durch Liſt den Mitbewerber im Lauf
zu hindern. — Immer ſinen ſie auf Ausſagen,
von denen fie wiſſen, daß ſie den größten Wider:
229
willen bei dir erregen, und da du ein gottesfürch—
tiger Mann biſt, ſo bezeichnen ſie den Unglück—
lichen als Gottesleugner. Dies trifft wie Brem—
ſenſtiche dein Ohr, augenblicklich in Feuer und
Flammen, wendeſt du mit zornigem Abſchen dich
von dem Verläumdeten. — Immer richten ſie ihre
Geſchoſſe auf deine verwunderbarſten Stellen, damit
ſie dich, außer Faſſung geſetzt, zu Ungerechtem ver—
leiten. Hältſt du mi dieſe Feigen nicht für Mör—
der deiner beſſern Natur? — Fühlſt du nicht, daß
ſie des Volkes Liebe zu dir nun auch morden?
Wie wär's, wenn du gegen alles Recht ihr Ver—
derben hätteſt zugegeben? Oder wenn jenen, denen
du Gnade verheißen, weit ärger mitgeſpielt würde
als du verantworten könnteſt wären ſie nicht be—
gnadigt? Wer nimmt dein Volk in Schutz gegen
dich, den Betrogenen und für dich gegen ſeine
Verderber die deine Würde alſo fälſchen durch
unabläſſiges Zuſetzen unverſchämter Heuchelei, denn
gegen dieſe ſchützt dich keine diamantne Bruſt—
wehr. i 5
Schlakender König: Und eher laſſe ich noch
dies über mich ergehen als mir ein Rachegefühl
dabei unterſchieben. Der Herrſcher ſteht außer
Bereich der Rache gegen den Einzelnen, was dem
widerfährt ſtraft das Verderben Aller in — ihm der
230
des Unheils Keim war. Ich kann wohl den
Einzelnen opfern müſſen weil ich der Völker Freund
bin, aber verderben könnte ich ſie nicht müſſen,
weil ich des Einzelnen Feind wäre. Wenn du
nun wähnſt Heuchelei könne aus mir einen leeren
Kopf machen und mein Herz entwürdigen, ſo be—
denke, daß ich mich zwar nicht von Fehlern frei
ſpreche aber daß ſie alle davon herrühren daß
dies Herz nur zu oft mit meinem Kopf durchgeht
und mir abſchmeichelt was keine ſophiſtiſchen Re:
den mir ablocken können.“)
Daemon: Und wie einfach könnteſt du alles
löſen, wärſt du geneigt den Volksgeiſt zu würdi—
gen. — Jeder Trieb in ihm ein Buchſtab ohne
den du ſeinen Charakter nicht entzifferſt und liegt
dir ſo dicht vor den Füßen daß jeder deiner
) Lücke eigener Cenſur.
231
Fehltritte an der Wahrheit ſich ſtößt. Des gro:
ßen Mannes Beruf iſt, den harmoniſchen Gang
zu finden in dem ſogar die Diſſonanz die noth—
wendigſte Stufe des Übergangs bildet, er wird
durch ihr Verſtehen zu noch reineren Ulmriſſen ſei—
ner Begriffe gelangen und ſein Herz wird noch
edlere Wohlthaten ihm abſchmeicheln. Fort und
fort in der Lehre des Nothwendigen iſt ſein Weg
zwar ein ernſter, aber der glorreichſte aller Welt—
regenten. K
Schlakender König: Als dein Schüler der zwar
Herrſcher iſt, den du aber liſtiger als andere dir
verdächtigen Freunde zu beherſchen verſtehſt, frage
ich, ob Heuchelei und Liſt deren du ſie zeihſt nicht
auch deine Miethlinge ſind? — Zu tief lagerſt
du in mir, um nicht deine Regungen zu den mei:
nigen zu machen.
Daemon: Laſſe ſie dich reinigen von falſcher
Lobrede und ſei in Wahrheit was im Menſchen
groß genannt kann werden. Was ja nicht gött—
liche Kraft, aber menſchliches Gefühl allein kann
vermögen und daher auch menſchlich wirkend auf
die, denen du dann wahrhaft ein Göttlicher ſein
würdeſt. Bezwinge deine Feinde, die ſich deines
Gefühls bemächtigen wider deinen Geiſt, und
332
deinen Witz aufhetzen gegen dein Bewußtſein
der allein Meiſter ſollte werden dieſer Geſellen
denen du die Thore des Vertrauens haſt ge—
öffnet; — ſie hauſen darin wie in einer un—
terjochten Stadt, wo fie brennen und rauben
und morden und hinausjagen was ihnen nicht
gefällt.“) \
— | A —
Schlakender König: Zermalmen will mich ein
jeder: der Eine weil er ſeine Leidenſchaften an mir
mäſtet, der Andre weil er die ſeinen an mir will
rügen. Muß ich da nicht eher gegen dieſen mich
wehren als gegen jenen der als Beute ſeiner Be—
gierde mich beſtehen zu laſſen doch einen Grund
—
*) Lücke eigener Cenſur.
233
hat, da er nicht ficher iſt was über ihn komme
wenn der Baum geſtürzt iſt der ihm Schatten
gab. — O ſieh nicht auf dies Geſagte als auf
mein Evangelium, ich lege es nur auf die Wage
um als zu leicht es zu verwerfen.
Daemon: Und willſt du dieſe Freunde genauer
prüfen? Sie ſind die Argliſt, die Täuſchung, der
Neid, der Hochmuth die im Sold der Verläumdung
dich ihr verrathen. Wie kannſt du zweiflen ob
der welcher dein Gehör eingenommen es nicht auch
mißbrauchen werde gegen den ſchon in feinen Schlin—
gen Verwickelten? — Kein größer Verbrechen als
Verdammung ohne die Vertheidigung dreimal höher
zu würdigen als die Anklage die deinen Haß aufreitzt
gegen den der deiner Gnade bedarf. Wie ſind die
ſtreng genug zu beſtrafen, die für eine trunkne Maje—
ſtätsbeleidigung, hunderttauſend Volksbewußte zum
Himmel ſchreiende Verwünſchungen dir erzeugen, ſo
leiſe ſie auch unter dem Dach des Elends hervorgeflucht
werden. Ha wie bald würde ein Anderer — dein
Nachkomme etwa — dieſen Fluch umwandeln ins
beſte Volksvertrauen daß es wie der Raſen unter
mildem Regen friſch aufgrüne. Der wird ver—
zeihen — der wird von Beleidigung nichts
hören wollen und das Volk wird als ſeinen Schützer
ihn preiſen. — Ja ihm machen deine Freunde
234
leichte Fußtapfen zu dieſem Fels der Volksliebe fo
ſchroff daß du nimmer hinan wirſt klimmen. —
Und wenn ſie dies Alles nur aus Unſchuld zum
Verderben dir bereiten ſo iſt ſie dem Volk weni⸗
ger zu dulden als ein Feuerbrand auf dem
Acker den es im Schweiß des Angeſichts muß
bauen; er muß gelöſcht werden dieſer Brand der
Philiſter die du mit einem Eſelskinnbacken über die
Haide in ihr eignes Feld zurück ſollſt jagen. —
Haſt du nie verſtanden im Hamlet: wie das Gift
dem gütigen aber ſchlafenden Herrſcher ins Ohr ge—
tröpfelt, ihm Tod bringt und dann nicht mehr der
Schuldenfreie regiert, aber der Argwohntolle der
überall Feinde ſieht und jedes Wort erlauſcht ob
es nicht gegen ihn gemünzt ſei? — und nicht
mehr ſich kann wehren Unrecht zu thun noch es
geſchehen zu laſſen.
Schlakender König: Ich ſtoße bei deinen Ber:
gleichen auf manchen mißlichen Verdacht. Ich
glaube, es ſteht nicht richtig mit dir und viel
hab ich von fremden Zungen erfahren müſſen
daß du nämlich mich mancher Dinge fähig hältſt,
vor denen mir grauelt. — Aber ich habe deine
Verläumder abgewieſen. Nein! ich hab nicht be—
achtet, daß du gleichgültig gegen mein Leben,
meine Mörder bemitleidet haſt, lange hab ich
235
mir geleugnet daß du Könige verabſcheuſt und
doch den anrufſt der nach deinem Sinn das
gute ſoll durchſetzen. Hierüber ſtehe mir Rede —
in dieſem Augenblick wo du ſelber ſo beredſam dich
zeigſt mein inneres Leben mir darzulegen.
Daemon: Um wenigſtens es zu retten vor dem
Untergang deines äußern Wirkens. So glaube du
von mir. 1
Schlakender König: Du willſt recht behalten.
Aber dich verantworten, dazu haſt du nie Zeit —
und führſt auf Bahnen überraſchender Wendung mich
hier und dort zum Ufer wo der Schein dir Recht
ſpricht. Ob ich als Herrſcher dem mich fügen
könne, danach fragſt du nicht.
Daemon: Was liegt an mir, den Du wie eine
Saamenflocke kannſt verwehen mit dem Athem deines
Mundes, und ſiehe: Schon weit entfernt, tändle
ich mit den fliehenden Winden; kehr ich zurück, ſo
ift es dein Athem wieder der mich lockt. — —
Dort die Dornhecke — ein leichter Hauch jagt
über ſie mich hinweg die mich nicht wiederkehren
läßt. — So iſts denn nicht mein Eigenſinn aber
der deine der mich haſſen will und doch mich
zwingt auszuharren bei dir.
Schlakender König: Ich werde gleich dich haſchen
und deine Flügelkraft lähmen.
256
Daemon: Zu deinen Füßen ein kleiner Flaum
aus deinem Ruhekiſſen — Wende dich ab von
mir und wandle einen andern Weg, ſo bleib
ich unbeachtet zurück.
Schlakender König: Ha! Warum fliegſt du ſchon
wieder vor mir auf? —
Daemon: Dein Athen hat mich empor geweht.
Schlakender König: Und was willſt du mir nun?
Daemon: Was du ſelbſt wollen mußt; was
dein bewegter Sinn mir tauſendfach abfordert.
Sonſt nichts kann ich wollen.
Schlafender König: Was find dies für Geſtal—
ten die mir vorſchweben?
Daemon: Der Verläumder, der Verläumdete
und der Gefäufchte.
Schlakender König: Kannſt du fie nicht ab:
weiſen da du ſelbſt ſie in meine Nähe gezerrt
haſt? — was mich ganz außer Faſſung bringt.
Daemon: Wolle du ſelbſt es. Der Erſte — der
es wagt, Ihm, der Allen ein gerechter Richter
jedem ein nachſichtiger Freund ſein ſoll — den Bal⸗
ſam aus der Hand zu ſchlagen und dafür den
bittern Trank des Haſſes ihm einzwingt — dieſen
Schlimmſten — um den rings das Böſe aufwuchert
und ſeinen Saamen ſtreut hin und her auf allen
Wegen wo Erbarmen dir aufkeimt — nun —
237
um deiner felbft willen wehre ihm ab, mit einem
Blick — mit Abwenden deines nen — und
es genügt ihn zu vernichten.
Schlakender König: Wie? — dieſem einge:
übten Vertreter öffentlicher Schritte — der jedem
Sinn ſeine Bedeutung giebt, tief verkettet mit allen
Weltangelegenheiten! Wie kannſt du meinen der
ließe ſich entfernen ohne das alles in Trümmern
ſtürze? —
Daemon: Laſſe den Verläumdeten ſelber zur
Quelle feines Verdruſſes dich geleiten, gebe ihm
Muth feine Fehle dir zu bekennen und laſſe
deine Milde ihn bekehren, ſo biſt du beide Feinde
los.
Schlafender König: Dürfte auch ein ſolcher
ſeine Rechtfertigung wagen auf Koſten ſeiner An—
kläger, die von Haus aus ihn kennen und keines—
wegs hinterm Berg halten mit dem was außer-
dem noch an ihm haftet.
Daemon: Und die im Koth wühlen Lebender
und Verſtorbener, wie es für erprobte Miſt—
käfer nur erträglich if. — Der Getäuſchte aber
lauſcht ihnen andächtig als ob fie auf dem Drei—
fuß ſäßen. Ein geheim Verlangen nach der Schuld
238
deſſen über den er mum einmal den Stab muß
brechen, öffnet dieſen perpeſteten Einflüſterungen
die Schleuſen zu den klaren Waſſern in denen
fonft dein Bewußtſein ſich ſpiegelte. So macht
Verläumdung den ernſten Wahlplatz deiner Er—
kenntniß zur Gemeinweide für Phariſäergerech—
ligkeit. a
Schlakender König: Wäre es fo, dann kränkte
es mich tief. Aber biſt du deſſen ſo gewiß daß
viel geprüfte Urtheile die im Allerheiligſten des
Chriſteuthums die Grundfäden. ihrer Überzeugung
anknüpfen keine Geltung haben vor Gott?
Daemon: Ob ich deſſen gewiß bin? — Be—
ſinne dich auf den Edelſten geprüfteſten deiner
Lieblinge, ob er nicht blos ein Menſch ſei der
Galle hat? — der dem einen zugethan iſt — der
andre aber iſt ihm verhaßt. — Ob ſeine chriſtli—
chen Verknüpfungen mit dem Allerheiligſten, nicht
ſeine Beſchränktheit iſt, die allem Widerſpruch
wehrt. — Beſinne dich ob du dir ſelber kannſt
trauen, dem dies Alles ſchwer auf dem Herzen
müßte laſten wärſt du der du fein ſollſt! —
Du würdeſt in Ketten unwürdiger Ulnterſuchun—
gen dich verwickeln, ja dich ſelbſt ihnen unterwer—
fen müſſen und wenn du aufrichtig biſt, dir ein—
239
geſtehen daß du eben nicht der Schuldloſeſte biſt.
Manch irrig Urtheil wird gefällt; Unverantwort⸗
liches wird genehmigt, Freunde und Liebende —
Länder und Staaten hingerichtet — könnteſt du
ſie wiedergewinnen! — wer erprüft dies? — —
Du ſchweigſt — und alle ſchweigen. — — Haben
nicht Aufreizungen ſelbſt mich, den geringſten deiner
Diener dir verdächtigt? — Kommen nicht Augen⸗
blicke wo du deinen guten Daemon verwünſcheſt
da er dir am nötigſten iſt? — Der tragiſchſte Dae⸗
mon und dein ärgſter Feind iſt der des Unverſtan⸗
des, von Machthabern ſelbſt gepflegt, der den Geiſt
zu unterjochen ſich müht. Aber bedacht hat es noch
keiner, daß: wäre dies möglich, ſo würden frühere
Zeiten Euch zuvorgekommen ſein. Die ganze
Staatslehre geht darauf aus ihn zu lähmen.
Wer erprüft dieſes? warum unterſucht Ihr nur
was aus dem Gleis ſpringt jenes Tragikers?
— Warum macht Ihr dieſen ſelber nicht ver:
antwortlich für Verbrechen, von denen Er der
Urſprung iſt? — D Ihr habt kein Erinnern
des Geſchehenen, ſonſt würdet Ihr die Märtyrer
Euch zurückrufen jener Verfolger mit derſelben
Wirkung auf den Geiſt die ihn blödſinnig
machen will.
Schlakender König: Wie ſoll ich dem Daemon
240
des Unverſtandes beikommen oder feinen Uebeln,
von denen du ſelbſt ſagſt daß ſie ſeit Jahr⸗
tauſenden wuchern — der unzugängliche Schlupf—
winkel hat überall.
Daemon: Zwinge ihn wieder gut zu machen
was er angeſtiftet hat, — wie Sanct Bernhard der
zwiſchen den Glaubenslehrern Friede ſollte machen.
Das ſah der Teufel ungern, er zerbrach ihm das
Vorderrad am Fuhrwerk, um ihn zu verhindern
dort anzukommen wo Mord und Todſchag zwi—
ſchen den Predigern des Heils war. Der Heilige
zwang ihn auf der Stelle den Dienſt des Rades
zu thun, er mußte über Stock und Stein mit den
drei andern Rädern fortrollen. Durch dieſe fort—
währende Rotation wurde der Teufel fo mürbe ge:
macht, daß er zu allem zu brauchen war und auf
Befehl die wüthigen Streiter ſelbſt auseinander
brachte. — Die Noth allein macht weiſe. So
laſſe ſie denn walten dieſe allmächtige Gottheit über
Schuldige und Unſchuldige; bald wird Alles ein
Schrei der Wüſte ſein.
Schlalender König: Nein! — Mein baer
Wille widerſetzt ſich dem. Ich will das Elend
nicht dulden müſſen das von der Dummheit ſich
nährt. Bahne mir den Weg — ich werde ihn
wandeln, ſo mißlich er iſt. —
241
Daemon: Es iſt freilich mißlich feine Fehler be:
kennen, aber dem Herrſcher iſt es leichter wie Andern,
denn er bekennt ſich in der Geſammtheit: „Wir
haben gefehlt!“ da zumal einem Herrſcher auch
nie einfällt, anders zu wollen, als was Alle thun;
nicht weil es das Beſte wäre, aber weil euer fragi:
ſcher Daemon keinen andern Ausweg weiß.
Schlakender König: Und würde ich nach eignem
Dünken ſchalten wollen, ich würde vor Widerſpruch
meiner Sinne beraubt.
Daemon: Daran würdeſt du nicht ſcheitern, aber
an dem Eigenſinn jenes Tragikers der noch in Euch
nicht gebrochen iſt.
Schlafender König: Wer könnte dem Daemon
des Unverſtandes ſolche Gewalt über ſich einräumen
— liegt es nicht an uns ſie zu vernichten? — i
Daemon: Das wird keinem gelingen, denn Alle
ſeid Ihr dem Tragiker verſchrieben.
Schlafender König: Wahrlich — du treibſt mich
nicht in die Enge, noch iſt meine Seele ihm nicht
verpfändet.
Daemon: Ich hoffe, daß dieſe Bande nicht un⸗
auflöslich ſind. Aber geheſt du nicht denſelben Weg
mit denen die dem Teufel verſchrieben ſind? — denn
der iſt eben jener tragiſche Daemon. Suchſt du
nicht dieſelben Vortheile? Haſt du ihre Wagniſſe
16
242
gegen das Volk nicht gebilligt? Feſſeln dich nicht
dieſelben Vorurtheile?
Schlafender König: Weil ich erkenne, daß kein
anderer Heilsweg iſt, aber nicht weil ich mich dem
Teufel verſchrieben habe.
Daemon: Grade weil du dich ihm verſchrieben
haſt. Als du dem Volksvertrauen dich entzogſt
waren es die ſpitzigen Epigramme dieſes Daemons
die deinen Spott reizten. Er ſchleuderte ſeine Sar⸗
kasmen ins Dunkel deiner Seele und beleuchtete mit
dieſer Höllenfackel die verhaßten Verläumdungen die
dir Glück und Würde ſollten rauben. So ſtandſt
du plötzlich mitten im Feuer ſeiner liſtigen An⸗
ſchläge auf Macht und Glanz erhabenſter Herr⸗
ſcherwürde, während du das Vertrauen des Volkes
und ſeine Zuverſicht mit Neſſeln zurückpeitſchteſt,
die Er dir in die Hande gab.
Schlakender König: Nicht darum habe ich ge:
buhlt! nicht um meinen Herſcherrglanz zu mehren,
— aber es liegt im irdiſchen Gedeihen, was noth⸗
wendig auch geiſtiges Gedeihen weckt. Sie müſſen
in einander greifen und dies iſt mein höchſter —
ja mein einziger Zweck!
Daemon: Und wenn es ſo iſt, was konnte dich
anſpornen gegen Beides zu wirken? Wenn nicht
jener Tragiker dich entfremden will dem menſchen⸗
243
freundlichen Genius der zu feurig kühnen Gedanken
dich begeiſtert, von muthvollem Vertrauen deines
Volkes getragen, einem ganzen Geſchlecht vorauf:
zuleuchten. Jetzt iſts anders. Deine Freunde ſind
Glücksjäger von böſen Daemonen bewaffnet, die
— unbekümmert mit welchen Waffen ihre Gegner
fie bekümpfen — mit Nervenreiz und Fieberhitze
und ihrem ganzen häßlichen Gefolg des Unmög⸗
lichen deine kranke Seele ängſtigen. Alles, was
ſie dir vorbringen, iſt geheimnißvoller Wiederhall
ihres Hochmuths daß fie es find in deren Hän⸗
den die Weltbegebenheiten ruhen und nicht in deinen.
Sie halten den Janustempel geſchloſſen, indeß ſeine
Pforten aus den Angeln ſtürzen. Geiſt! — Volks⸗
geift! — Einmal redet das Teſtament von ihm als von
Göttlichem durchweht, ſie haben ihn zum Babel
ihrer Verwirrung gemacht, — ſie bändigen ihn
wie man ein ſtätiges Roß bändigt und zwingen
ihn zum Glaubensbekenntniß ihrer Unfehlbarkeit,
von dem ohne Ketzerei kein Buchſtabe auszulaſſen
iſt, und dieſe Mittel zum Zweck find ihnen Haupt:
ſache geworden. Nenne du dies Unverſtand oder
böſes Schickſal oder Verblendung des Teufels, aber
zweifle nicht, es iſt Bosheit die jede Beſchönignug
in die Luft ſprengen wird.
Schlafender König: Du — der nicht ſehen will,
16*
244
daß anders zu handeln unmöglich fein würde ohne
von den Glaubensartikeln und Gelöbniſſen der Po:
litik mich loszureißen und dann wenigſtens aus
ihren Reihen ausgeſtoßen zu werden.
Daemon: Ha! und fo das Volksvertrauen end—
lich wieder zu gewinnen das fo muthwillig ver⸗
ſchleudert ward. Das würde ein Triumph ſein! —
Ein Siegesruf — eine Brücke zu der Inſel deiner
ſelbſt! — Magnetberg allen verjagten Völkern,
Aus Trümmern des Geiſteszwangs, der Vorurtheile,
der Vertilgungswuth das alte, echte Metall der
Volkstreue herausſchmelzen, mit dem du die Schul⸗
meiſteranpflanzungen, die mit Ruthen der Goffes:
furcht den Titanen — den Löwengeiſt des Volkes
niederhalten wollen, in den Grund bombardirſt.
Schlakender König: Dir ſind beſtimmte Formen
zu eng. Aber wollte ich ſie zerſprengen dann würde
Altes und Neues in Trümmern über mir zuſammen
ſtürzen.
Daemon: Alle die großen Fragen von Europas
Entfaltungsproceß würden freudig unter deinem
Herrſcherſtab aufwallen. Eine göttliche Erziehung
des Menſchengeſchlechts! Naturnothwendig — nicht
Geſammtberathungen unterliegend, zu denen dein
Genius ſelber ſagt: „Weichet von mir, ich kenne
Euch nicht!“
245
Schlakender König: Ich bin ein Kind an Geiſt
und Wirken, der Sporn des Beifalls reizt mich
nur um der Vollendung mich näher zu ſchwingen.
Menſchlich fühlend für die Menſchen wirken, das
iſt mein Ziel und wenn mein Genius auf mehr
zählt, dann hat er ſich verrechnet.
Daemon: Es genügt ihm, da Gott ſelbſt im
Menſchen nur menſchlich wirkt; denn für eines
Gottes Kraftanſtrengung hat die Erde jetzt nicht
mehr Raum.
Schlatender König: Wann und wie hätte Gott
der Kraftanſtrengung bedurft — ſei es im Himmel
oder auf Erden?
Daemon: Damals als er die Völker nach ſei⸗
nem Ebenbild erzeugte, da bedurfte er ihrer um
dem Irdiſchen das Göttliche einzuprägen.
Schlakender König: — Wie hätte ihm dies fo
ſchwer gelingen mögen? — und entſprangen nicht
die Könige ſonder Mühe nach ſeinem Ebenbild, die
er, ſich ſelber träumend, auch leichter ſich ähnlich
bilden konnte als die Völker die er mit äußerſter
Kraftanſtrengung nur, konnte nach ſeinem Ebenbilde
erſchaffen. |
Daemon: Hat er die Völker erfchaffen, und
träumte er die Könige — ſo ſind ſie eben auch dies
geworden — ein Traum des Lebenſpendenden Gottes
246
— ein träumendes Behagen der Sabatruhe die. fein
ſchirmender Wille aushauchte zur Weihe gefihaffener
Völker. — Traum nur! — nicht höher beſtehend
vor Gott als in Träumen leichter das Erhabene
ſich erzeugt wie im Handeln.
Schlakender König: So hätte er die Völker er:
ſchaffen für geträumte Könige. Warum meinſt du
daß er nicht eben ſo kräftige Selbſtheit dieſen habe
geben können als dem Volk.
Daemon: Weil je näher dem Göttlichen, um ſo
weſentlicher auch im Menſchen das Ideal aus ihm
ſelbſt erzeugt. — Sonſt nur Traumſchatten ver⸗
ſchwebend im Licht. — Du biſt Menſch — und
geſchaffen in die Wirklichkeit, gehörſt du zum Volk
— vor Gott nur geltend wie dieſes. Damit ſein
Traum, der die Könige anhauchte in dir zur Wahr⸗
heit werde, mußt du ſelbſt dem Irdiſchen obſiegen
— dem Volk ein Talisman göttlicher Verheißung
— Seele die, es empfindend, in Träumen fich
emporſchwinge zu dem Gott der dein Vater iſt
und dir gewährt was du bedarfſt, wenn dir man⸗
gelt was Vernunft dir nicht kann geben, nemlich
eben dieſes Gottahnen was der Traum dir gewährt.
Schlalender König: Ich verſtehe dich nicht.
Daemon: Armſelige Menſchen find Könige die
von irdiſcher Vernunft Hülfe betteln, um in der
Fe.
„
AT a
247
Finſterniß vor dem Lichtquell göttlicher Träume ſich
zu bergen in dem ihr Irrthum ſeinen eignen Schatten
ihnen hinwirft. Wer kann den Maulwurf von der
Sonnenwärme überzeugen? So lange ihm genügt
Maulwurf zu ſein hält er ihr Brennen für unter⸗
irdiſches Höllenfeuer ehe er zugeſteht, es ſei die
Sonne! — So genügt dir heut eine vom Volk
getrennte U bergewalt, aber unterworfen dem was
ein Fürſtencongreß ausbrodemt. Höhere Erkennt⸗
niß — im Traum geſchöpft — zeigt dir wie
Machtvollkommenheit nur beruht auf dem Volks⸗
geiſt der ſie durchdringt. — Jene Geſetze alſo
ſtreife ab, die nur Uebel fürſtlicher Geſammtbe⸗
rathung ausdünſten. — Nicht als Gut und Bös
einander gegenüberſtellend was neben einander be⸗
ſtehen kann; nicht Religionen dich abwendend
aber in jeglicher dich ſelber empfindend und ihren
Geiſt in dich athmend als den Lichthauch jenes Trau⸗
mes der zur Wahrheit in dir ſich will verklären.
So auch in Völkern — mitfühlend den Geiſt
des Guten und ihn entfaltend; das iſt Triumph
der Machtvollkommenheit. Aber eine Verfaſſung
dem Volk anmeſſen das ihrer weder bedarf noch
fähig iſt, wär eben ſo unſinnig als Revolutionen
fürchten die doch nur durch ihre Unbeſtimmtheit ein
Schreckenerregend Phantom ſind; — ſie können
248
nur eine Wanderung des Geiftes fein, wobei er felbjt
den Ballaft eingeroſteter Vorurtheile als überflüſſigen
Hausrath zurückläßt.
Schlakender König: Iſt ſie es nicht ie die
einen gefeßlichen Zuſtand umſtürzt und einem un:
natürlichen — wilder Geſetzloſigkeit mit Gewalt Platz
macht?
Daemon: Es find alſo nicht Revolutionen fon:
dern das in ihrem Princip den Völkern unangemeſſne
was du zu verhüten haſt. Und darum ſteht der
König ſeines Volkes an der Spitze ſeiner Revolutionen.
Schlakender König: Wenn aber dieſe gemalt:
ſamen Umwälzungen nothwendige Folgen ſind jener
excentriſchen ne die du mir aufbürden
willſt?
Daemon: Was das Volk wollen muß kann nur
durch den Volksgeiſt ſich ausſprechen. Biſt du der
Geiſt eines ſich ſelbſt aufklärenden Volkes, ſo wirſt
du ſeine letzte Energie ſich Luft zu ſchaffen nicht
unter die Luftpumpe bringen. Ein Volk greift nicht
zu Revolutionen weil es klüger geworden, aber
weil es ſich nicht — kann fügen dem was ihm un—
natürlich aufgezwungen wird. Dies als Verbre—
chen zu rügen kann ein Volkskönig nicht eingehen,
retten muß er ihm das Weſentliche und opfern das
Unweſentliche ſo geht die Revolution auf in ihm.
249
Schlatender König: Wenn aber Völker deß nicht
achten was die Geſammtheit bedarf, dann mes die
Macht ſie niederhalten.
Daemon: Mit welchen Mitteln? Sind es die
welche, um eine möglichſt lange Zeit ſie zu bewältigen,
aus Furcht nachgeben im Augenblick der Gefahr? —
Welche gewaltige Opfer würden ſie fordern? —
Vornehmlich der Zeit unerſetzbar der Gegenwart die
das Rechte zu bewirken berufen iſt. Denn Zeit iſt
Lebensluft dem Geiſt, — was ihm den Athem be—
engt das ſollſt du aufheben. Du weißt was böſe ift.
— Der Völker würdeloſe Schmach — wen trifft
ihr Fluch? Nur den der ihrer Aller Ehre verwirkte
und der eignen nicht ſchonte die doch fruchtbare Erde
war der Volksliebe die jetzt in Fäulniß übergeht
wie von böſen Wettern zermalmte Pflanzen die
nicht Luft, nicht reiner Thau mehr nährt. —
Was wollte dies Volk, das du nicht gewähren
konnteſt? Wie hätte es kein Zutrauen zu dem
Gärtner der mit ſanften Banden es ſtützte? —
Hat es ihn wirklich verkannt oder ee beide das
rechte Gleis verfehlt.
Schlakender König: Verwirrte Zuſtände der Völ—
ker als Krankheit behandeln wo man dem am mei—
ſten Pflege zuwendet der ain gefährlichſten darnieder
liegt, hat freilich in der Schule der Politik noch
250
kein Gleis gemacht; aber was ich fürchte, will ich
verſchweigen.
Daemon: Nur für dich fürchte nicht! denn dies
Eine überwiegt alle Vortheile, daß in dir ſelbſt keine
Leidenſchaften ſich erheben und dich mit in die Skla⸗
verei der Fürſten verwickeln. — Daß dein Inneres
reine Güte ausdufte und dein Ruhm lichtglänze,
damit die Verfolgten, in Trübſal Umherirrenden zu
dir flüchten ſtatt ihren Tyrannen in die Meſſer zu
ſtürzen.
Schlakender König: Du bedenkſt nicht daß der
Einzelne nichts vermag unter ſo Vielen und daß
in dieſem Wahnſinnstaumel, der Herrſcher wie der
Völker, ich mein Bewußtſein mir zwar kann retten
wenn ich Zuſchauer bleibe, aber nicht wenn ich
mitten hinein geriſſen werde.
Daemon: Der Einzelne gilt nur, wenn er dem
Gewaltſamen, was an ſich ſchon Unheil iſt, ent:
gegenwirkt. Viele find. nichts; wenige ſelbſtver—
mögend; nur der Eine iſt der Große der dem
Volk dienend, ſein Heil in ſich trägt. Du biſt
das Volk und daher Alles und kein Widerſpruch
mehr in ihm das in dir ſein geläutertes Ideal
wiederfindet.
Schlalender König: Dieſe erhabene Seite des
Herrſchens genügt aber nicht dem Geiſt der Staats—
251
verwaltung, — es gehören urſprüngliche Kräfte
dazu die ſich zwar dem Herrſcher anſchmiegen und
von ſeiner Machtvollkommenheit ſich nähren, aber
er ſelber kann ſie nicht ausſtrömen.
Daemon: Dagegen wolle du von ihrer vr:
ganiſchen Gliederung, von der abſoluten Noth⸗
wendigkeit gewiſſer Regierungsformen und po-
litiſcher Inſtitutionen dich losſagen. Herrſcher und
Volk, wie Eiſen und Magnet können nur in Sym⸗
pathie für einander geneſen; nicht dem Tod über⸗
antworten, aber von ihm erlöſen ſollt Ihr einander.
Ich denke dich wie du in großer Unruh des Schlafs
mit einem grauſamen Wolf zu kämpfen träumſt
und ſpringſt auf vom Lager und ſchlägſt ihn nieder der
dich wollte zerreißen, und Alle ſammeln ſich in
ſtaunendem Schrecken wie du dem Ungethüm ge⸗
than. Da regt ſichs plötzlich wieder: mit drei:
fachem Rachen mit gewaltigen Klauen mit grau⸗
ſamer Wuth ſpringt es an gegen dich und alle
fliehen voll Furcht des Kampfes.
Schlakender König: Wie weißt du von dem
Traum der Tag und Nacht mich höhnt? — Ich
ziele in zitternder Wuth — der Wolf ſtürzt —
ich ſchlage die Zähne ihm aus zum Wahrzeichen
meinem Sieg. — Ja ich ahne — gleich ſtürzt er
auf mich ein — dort aus dem Dickicht, oder dort
252
vom Berg herab wo eben der Stern nieder:
geht. — — Ja Traum iſt alles. — Traum alle
Noth die das Edle dem Gemeinen zur Speiſe
hinwirft und mit der Geißel unter ihr Joch uns
zwingt. ü
Daemon: Huldige ihr nicht — huldige dem
verſöhnenden Geiſt der ſie entwaffnet und zur Be—
ſinnung dich weckt die alle Schuld auf ſich
nimmt. ö
Schlalender König: Lieber dies Eine ſtehe mir
Rede; warum von allem Großen was ich je ge—
wollt, nichts iſt gelungen?
Daemon: Das ganze Geiſterreich wird mit mir
einſtimmen daß du allein dies haſt verſchuldet;
denn nur wo Raum und Zeit vom Geiſt des Gu—
ten erfüllt ſind kann er Lebenbewegend wirken.
Sind nun die zerſtäubenden Augenblicke, wo du
das Große gedacht, zu Stunden, Tagen, Jahren
zu ſammeln die das Ulnweiſe überwiegen, was
Jahrtauſende ſich in Euch Fürſten umſchlungen
hält? — So reichlich fließt nicht der Schuldloſig—
keit Quell um eure Hände drinn rein zu baden
vom Ausſatz böſer Geiſter denen Ihr fröhnt.
Wie ſoll nun noch das Göttliche von ihnen nie—
derträufeln? —
Schlatender König: Sieh meinen Willen ge:
253
bunden den vorherrſchenden Anſichten der Welt;
und daß große Herrſcher umſonſt verſuchten wee
Herr zu werden.
Daemon: Vorherrſchend find die Anſichten ver:
ſchwindender Geſchlechter; das aufwachſende Ge:
ſchlecht hat keine Anſichten dem ſoll der Geiſt hin—
gegeben ſein, der hat kein Vorbild auf Erden.
Mitten in Gewittern ſucht er den Entwurf zum
Ideal. Rechte der Menſchheit, einfach wie es
ſelber einfach iſt. — Und was ſind deine fromm
gewillten Unternehmungen? — Wie haben ſie der
Völker Hoffnungsſaaten niedergemäht — und leg—
ten Bande der Verfinſterung ihnen an. Und wie
hat eine vielfach in Neigung und Willen geſpaltene
Welt ſich daraus entwickelt, — eine Wildniß
rechtsgültigen Elends — ein Schrecken des Landes
von Millionen ſeiner Baſtardſöhne deren Bedürf—
niſſe auf keinen Tag gedeckt ſind; füge hinzu die
tauſende losgelaſſener Sträflinge und überall fin—
deſt du ſtatt Volk nur Geſindel das auf den Mo—
ment der Hetze lauert. O glaube, es find die zer-
tretenen Hoffnungsſaaten mit Unkraut überwu⸗
chert — die ſchlechte Koſt falſcher Belehrung
die den Volksgeiſt unterdrückt der nach Geſundheit
trachtet und nun des Staates Krankheit muß aus⸗
ringen, was ihm das Antlitz ganz verſchimpft.
254
Schlakender König: Es feiner Entwürdigung
zu entheben dazu iſt mir die Macht noch nicht ge:
funden und daß ich über Millionen herrſche, be-
glückt mich nicht. Ich lebe als hätte der Zufall
mich hingeſchleudert und nicht mein göttlich Recht
mich hingeſtellt.
Darmon: Weil das Falſchgebildete, bedeutungs⸗
loſe, prahleriſche in Euch ſich wehrt der innern
Ordnung die der Völker Freiheit bedingt. Weil
Alles der Harmonie in euch ermangelt; ohne
Gefühl auf ſich ſelber ruhender Kraft; Hader
und Streit entbindend wenn die Gefahr ſchon über
Euch ſchwebt. Alles iſt gegen den Einklang der
Seele in Euch; Verbindungen, Sitten und Ge⸗
brauche — Alles bis zum Ueberdruß läppiſch —
ſelbſt die öffentliche Meinung wird zaghaft, albern
und niederträchtig; um Euch herum Lohndiener
und Feiglinge die da wo groß handeln Männer
fordert nur dürftige Fertigkeiten darbieten.
Schlafender König: Wo ragen aus der Verkehrt⸗
heit Uleberſchwemmung des Verſtandes grünende
Inſeln hervor die dem müdem Schwimmer Ret⸗
tung bieten ein organiſch Werk zu pflanzen, daß
von Innen hervor aus dem Mark der Geſchichte
ſich nährt und dies Wühlen tumultariſcher Völker
unter deren Tritten das Land erbebt niederhalte ohne
255
daß der beſte Wille fie immer aufs Neu in Gäh⸗
rung bringe. |
Daemon: Der befte Wille beruht auf Mäßigung
und auf Billigkeit fußt ſein Erfolg alles Stürme⸗
ſauſen der Völker — alles tobende Geplätſcher lee⸗
rer Drohungen durchſchneidet der kundige Lotſe ohne
in ſeiner ſprunghaften Thätigkeit vom guten Fahr⸗
waſſer abzuweichen.
Schlafeuder König: Selbſt eine jener gewaltigen
Erſcheinungen nach denen Jahrtauſende in Völker⸗
epochen ſich theilen: Zugleich Held im Krieg, Staats⸗
mann im Rath, Gebieter als Regent und Heiliger
im Volksglauben, wollte er auch mit ſeinem Geiſt
in ihrem Geiſt handeln, würde ſo verworrner Zei⸗
ten nicht Meiſter.
Daemon: Und wenn ein fo mächtiger des Ra:
thes, ein ſo erhabener Gebieter und Heiliger dem
Volk dies vermöchte, mahnt dies etwa dich des
königlichen Geiſtes was der ſoll, was er könnte,
was er dürfte? —
Schlakender König: Und du ſiehſt hellen Auges
wie alte Monarchien zertrümmert werden und neue
Republiken aus ihrem Wrack gebaut, vom lüder⸗
lichen öffentlichen Geiſt der Zeit, wie von einer in⸗
wohnenden Seele beſeſſen, vollends jeder erhabenen
Geſinnung unwirthlich — den königlichen Geiſt mit
256
dem Nebel ihrer Verwilderung einhüllen, wo er in
Triumphſtrahlen ſollte hervorbrechen.
Daemon: Wenn ein freſſend ſcharfes Element in
dieſer Zeit gährt ſo laſſe dich nicht täuſchen daß
nicht auch ein heilſames in ihr treibe, was dieſer
leidende und triumphirende Sonnengott, wenn auch
ſchwere Uebel ſeine Strahlen brechen dennoch im
Kreislauf ſeiner Triumphe und Niederlagen zu pfle—
gen hat. Was Vergangenheit mit ſich genommen
iſt ohnehin ſchon feinem Wirken entzogen aber die
Gegenwart iſt noch ganz ſein; in Ihr kann er die
Zukunft meiſtern und nachholen was unterblieb.
Denn alles Verſäumte kann dich nicht ermächtigen
das möglich Gute auch noch zu vernachläſſigen. Noch
immer zeitig kommt was heilſam iſt; und da des
Verwegenen und Gemeinen ſo viel ſchon nach al—
len Richtungen hin mißlungen iſt, warum ſoll nicht,
dieſe rauſchende wirbelnde Windsbraut aller Welt⸗
gegenden die den ſchnöden Geiſt des Trugs aus
einer Form in die andere wandelt, vom gewaltigen
Geſchlecht des Löwen bis zum wedelnden Hundege—
ſchlecht, jedes in ſeiner Art die Welt verwüſtend,
vernichtet werden können durch das Ideale was
dich göttlich begeiſtigt menſchlich die Menſchen zu
leiten ſtatt des geiſtigen Auges beraubt ſie wie ein
formlofes Ungeheuer verweſen zu laſſen — Ha! —
257
warum nicht mit deiner Kraft und deinem *
die Welt erfüllen? 8
Schlakender König: Sage wie ich der re
heit Erleuchtung erziele.
Daemon: In den verwüſteten endet ER
ſcher Völker, die nicht für das Joch und die Gei⸗
ßel ſind geboren findeſt du im Urſprung jenen
Schatz der Mannheit und die Geheimniſſe des
Herrſchens: den freien Geiſt und feine Staatenver—
kündiger, die Armaturen geſpannter Kräfte und in
den Mühen ihrer — ihre 1 ins
Unendliche. ;
Schlakender König Wie ſoll die Bildungetraſt
verwilderter Nationen ſo gefährlich dem eee
ohne Zügel umherſchweifen? |
Daemon: Könnt ihr fie hemmen, die von gro⸗
ßen Schickſalswürfen entzündet, ein Phönix aus
eigner Aſche ſich beflügelt? — Und wenn euer
Geiſt in ihren Gluthen von Schlaken ſich reinigt, ſo
enthebt er ſelbſt ſich dem Beſtehenden, in Flammen
die ihn höher tragen als worum ihr ſtreitet.
Schlakender König: Aber vieles verwirfſt du
was dem Volk das du gleich dem Prometheus an
den Fels geſchmiedet mir ſchilderſt, Mittler des
Göttlichen iſt und mit der Verzweiflung des Un—
abänderlichen nichts gemein hat.
17
258
Daemon: Mittler des Göttlichen iſt dem kö—
niglich Geſinnten nur die Menſchheit.
Schlakender König: Die Menſchheit — zur
Prüfung der Trübſal in die Welt geboren, Freud
und Leid Gott opfernd, den Geiſt zum Pfand ihm
hingegeben — das iſt der Gottes wille den Könige
zu fördern berufen find; ihm hab ich den feierli⸗
chen Dom errichtet mit ſeinen freien Wölbungen,
wo der Volkschoral, ein Meerſturm der den Wel⸗
tenvater preiſt, indeß die Orgel ſeine Fluthen wälzt,
den kühnſten Ungläubigen erſchüttert. Da beginnt
Ausgleichung aller irdiſchen Leiden wie der große
Werkmeiſter uns lehrt: Empfanget den Glau—
ben und haltet ſeine Geſetze immerdar un—
verfälſcht die ihr aus meinen Händen der
Unſterblichkeit Heilkraft habt empfangen.
Daemon: Du ſcheinſt wie einer der im Dunkeln
nach dem Aufgang der Sonne umhertappt da doch
alles Gotterkennen Zweige ſind eines Baumes zum
Licht aufſtrebend. Alle Religionen ſind Trieb der
Selbſterhöhung — jede iſt Ergießung der Sinne
in den Geiſt, jed Gelöbniß dem Herrſcher — die
vertrauende Einfalt eines ganzen Volkes in dich,
das fühlt wie ſchlecht man von ihm denkt, wie
tief man es verachtet, wie man es nicht fürchtet,
iſt zur Freiheit aufſtrömende Volksreligion; nicht ein⸗
259
deutig gleich der Schriftſprache in geraden Linien
nur lesbar, aber wie Chriſtallformen nach allen
Richtungen anſchießend, eine Wurzel allen Reli:
gionen: Kein anderer Gott, als ein ungebor—
ner Unſterblicher — ein einzig Band an jedes
Herz geknüpft: Keiner iſt der wahre König
er liebe denn ſein Volk mehr als ſeinen Va—
ter und ſein Kind.
Schlatender König: Diefer Unterſchied iſt zwiſchen
mir und dir dem deiſtiſchen Geiſt: Ich glaube ans
Evangelium Jeſu und nehme ſeine gnadenvolle Lehre
an in der keine Täuſchung möglich iſt — du aber
ſetzeſt ein moraliſches Ganze zuſammen aus Gefühl
und Verſtand die zwar auch mich anregen, aber
es giebt kein ſo hohes Intereſſe über dem nicht die
Religion ſtehe.
Daemon: Du biſt von dem Stoff aus dem
chriſtliche und heidniſche Könige hervorgehen:
ein feſtes Bollwerk für große Intereſſen aber
nur zu oft im einfachen Wirken nicht an
deinem Platz. — Volksvertrauen! — fühlſt du
es nicht — es iſt das Centrum eines Tempels in
dem Könige anbeten, in dem deine Bruſt an gro:
ßen Hoffnungen ſich ſonnt, in dem alle Pulſe dir
unter herrlichen Entwürfen einer unendlichen Zukunft
**
260
freudig entgegen wallen; ja Volksvertrauen iſt rei
nes Erz das endlos ſich läßt dehnen, aber verſetzt
mit anderem Metall kannſt du kein Waffenkleid aus
ihm dir ſchmieden. Trotz aller Anſtrengung ge—
gen Verſchwörungsumtriebe — überall entdeckt,
ſcheinbar auseinander geſprengt, wüthend ver⸗
folgt — lebt der Geiſt dennoch fort der den Lim:
ſchwung der Dinge betreibt. Aus der Zwietracht
Quelle langſam dahinrauſchend, mit einem Mal in
irgend einer ungeahnten Wendung dehnt er leben—
bewegend ſich aus — was der nicht ahnt der die—
ſem Vertrauen nicht willfahrte als es zum Schirm⸗
herrn ihn aufrief. Ha! er hätte nicht ſollen an die⸗
ſem Vertrauen rächen was die Ulmſchweife einer fo
ſeltſam getheilten Regierung ſelbſt an ihm verſchul⸗
det hatten. Bis; |
Schlakender König: Die Völker? — fie wollten
nicht mir vertrauen ſie wollten Herr werden über
den der vom Fürſten⸗Bund losgeriſſen, für ſich und
alles Beſtehende, Gefahr lief gänzlicher Umwälzung—
Daemon: Keine größere Gefahr, als Zerſtörung
von dir genährter Hoffnungen, die geheiligtere
Macht als des Beſtehenden dir verheißen: Schirm⸗
herr allen verfolgten Völkern, Schild an dem die
Pfeile ihrer Feinde abprallen! Hüter ihrer Geſittung
und Liebe unter einander.
261
Schlalender König: Nationen find nicht unter
eine Hut zu bringen, je mehr ihre Annährungs⸗
punkte ſich erweitern je gehäſſiger werden fie eit:
ander, jede Annährung ein dauernd Reiben.
Daemon: Dies Reiben iſt die fortlaufende elektri⸗
ſche Kette die alle Einzelweſen organiſch einander
verbindet. Untergeordneter Magnet der das Far⸗
benbild lebendiger Einheit ihnen zuſtrömt. Fürſten
und Völker bilden und erkennen ſich in einander.
Wollte ein fremder Koloß feine Botmäßigkeit über
dich erſtrecken, ſo würden die Völker, zu gegenſei⸗
tig lebenvoller Thatkraft einander befeuernd, da wo
deine Begeiſterung für das Recht ſtreitet, durch ihre
elektriſche Gewalt dir den Sieg feſthalten.
Schlakender König: Schwer iſts — ja unmög-
lich wohl in niederem ſinulichen Boden, der Völker
Einigkeit erzielen; denn ihre Politik der Nachbar⸗
ſchaft iſt: Uns ſo viel Vortheil als möglich, euch
ſo viel e als möglich, denn wir e
was ihr verliert.
Daemon: Einmal iſt dies Wunder zu thun an
der Zeit. Der Weltengang, wie Lichtdämmerung
verborgner Gottheit in jedem das Göttliche be⸗
zeichnend — in jedem Anders — In dir als Ge—
fühl innern Adels, weit hinſtrahlendes Wohlwollen
das dem kühnſten Wager die Hand bietet, Ver⸗
262
ftandreiche Seele bewußt einer höhern Welt und
ihres Bürgerrechts an fie, haft du gewaltigern Be:
ruf als die Menſchheit ihrem Elend chriſtlich un:
terworfen zu halten. Dein Witz, deine Laune und
Erfindungsgabe, deine umfaſſende Milde die zu
reichen Fundgruben dich leiten jenes ſtrahlenden
Geiſtes, den Damascius dein großer Weltweiſer
den Kosmos nennt, nach dem jeder Himmel ſeine eigne
Seele hat und ſeinen Geiſt. Wem ſind ſie geweiht
dieſe Genienkräfte, wenn nicht dem Sohn des Volkes
dir geboren, der keinen kleinen Theil Liebe zu dir
hat? — Thöricht aber beherzt umwandelt er den
Thron, gläubig hoffend die düſtern Hieroglyphen
zwiſchen dem Herrſcher und ihm beredſam aufzulö⸗
ſen. Da redete eines Tags der Teufel Worte zu
ihm, denen gab er Herz und Seele gefangen, da
hub der Tenfel an: „laſſe dir rathen: Wozu ein
Hausregiment bei einem Sohn wie du, dem es
zukommt Theil zu haben am Rath und ihn zu
lenken nach deinem Sinn? Willſt du mir folgen
dann ſollſt du der Höchſte werden auf Erden.“
Der Sohn hatte Furcht nud ſagte: „Unziemend iſt
dies geſprochen, rede was anders.“ Da meinte
der Teufel: „Wenn du meinem Rath auch nicht
folgſt, ſo wirſt du mich dennoch nicht los, denn
deine Seele haſt du mir verheißen.“ — Da wußte
263
der unmündige Sohn nicht was ihm gerecht ſei,
denn es waren Zweifel in ihm. Zum Herrſcher
aber kam der Teufel in Geſtalt eines Kochs und
bereitete ihm Speiſe und ſann auf Liſt vom frühen
Morgen bis die Sonne ihr blaues Zelt mit Pur⸗
pur verhängte. Viel Freude hatte der König an
ihm und ſprach: „ſage deinen Wunſch damit
ich ihn erfülle.“ Der Koch ſagte: „Mögeſt du
immer Gebieter mir bleiben, mein Herz iſt voll Liebe
zu dir; Eins nur vergönne daß ich dein Antlitz
küſſe.“ Der König hatte kein Arg und vergönnte
daß er die Schultern ihm küſſe. Da wuchſen —
unerhört! — zwei ſchwarze Schlangen wohin er
geküßt hatte. Da wurde der König beſtürzt, ihm
füllte das Haupt ſich mit Zwieſpalt, das Herz mit
Haß gegen den Sohn des Volkes, denn der Teufel
hatte ihm vorgeredet, der wolle ſein Verderben.
Da kamen viele Aerzte die Schlangen zu tödten,
aber fie wuchſen nach wie Baumgezweig; dafür
fanden ſie nicht Rath. — Da kam der Teufel ſelbſt
als Arzt und ſagte: Das iſt wohl ein möglich Ding
daß du geſund werdeſt, nähre die Schlangen, das
iſt das beſte Mittel, aber biete ihnen nur Menfchens
hirn zur Speiſe denn ſie genießen nichts von Allem
als nur dieſes. Und der Feind ſprach: „Es iſt
Aufruhr im Land und Krieg, fo tödte die Gefang—
204
nen und nähre damit die Drachen. Da verdun⸗
kelte ſich der Glanz Gottes im König. Ein Heer
hatte ſich geſammelt im Reich, aber der Streiter Herz
war entleert von Liebe zu ihm. Er warf ſich über
ſie, da flohen ſie und hielten ſich fern verborgen.
Er aber dem Winde gleich ſammelte ein Heer aus
allen Marken und brachte Trübſal über die Völker
und ließ ihnen nicht Weile des Beſinnens. Und
die Völker ſtiebten auseinander, deren keines mehr
einen Niederlaß hatte in der Heimath, und wo ih⸗
rer zuſammenkamen zwei oder drei, da fürchtete er
Unheil, und jede Nacht wurden die Gefangnen, vor⸗
nehmen oder geringen Geſchlechts, vom Teufel
den hungrigen Drachen zur Speiſe bereitet. So
lebte der unglückliche König; Gutes hatte er voll⸗
bringen wollen und Böſes mußte er geſchehen laſſen.
Die alten ruhmwürdigen Könige hatten nicht die
Sitte, lange nachzutragen den Haß. Sie ließen
ſich nicht antaſten von denen die ihr Vertrauen zum
Volk wollten vergiften. Unbekümmert um Geſche⸗
henes, wunderſam erhaben über Bitterkeit und Ver⸗
druß, war ihre Verherrlichung, gerecht zu werden
allen Völkern und ihr Geiſt ſchwebte voll hellbe-
ſeelter Freude über ihnen. 1
Schlakender König: Spreche nicht von Himmels:
leitern, das Schickſal droht fürchterliche Spaltung der Le⸗
265
benswurzel zwiſchen Fürſten und Völkern, der Baum an
dem die Weltverbefjerer Blüthe um Blüthe zernagen; er
ſteht entblättert und aller Säfte beraubt Früchte zu fra:
gen, als nur Akten, beſchmutzt mit hiſtoriſchen Sünden
gegen der Völker Heil, und jenſeit des Dammes das Wo⸗
gengebrüll der Cultur, ein unermeßlicher Orean von
Schulmeiſterſeelen; ihnen iſt von den Sternen beſchieden
den Kopf ſich zu zerbrechen ob zweimal zwei vier
ſein ſoll und mit Sturmlauf auf alles Bedenken
entſcheiden fie: Ja und noch ein klein we:
niges mehr. O ſchelte mich nicht Regent. Was
ſoll ich im flüchtigen Leben noch mich härmen daß
ſie an Albernem ſich abmühen; mir iſt in dieſer
Welt zum Zorn nicht Raum. Viel ſchon hat die
Erde verſchluckt was wird fie noch alles Bin:
abwürgen?
Daemon: Sich ſelber leben im Volk, das
iſt abſolutes Herſchen und Regieren iſt der
Völker Segnungen theilhaftig, ihnen gebieten.
Welcher Herrſcher nicht Fleiſch geworden in ihnen,
der iſt Verwüſter der Nationen, ihre Trümmer
fremdem Gewürm überlaſſend das an ihrem
Verderben ſich mäſtet; wie Scorpione kalt ver:
folgend die Eingebornen; Blutdürſtige Ländergei:
ßel, den Fuß im Nacken der übrig gebliebe—
nen. Bruder iſt ihm der Wolf. Gefängniſſe
und Richtſtätten in ſeiner Nähe, ohne Sporn
266
zu edlen Thaten, ohne Kraft Held zu fein den Na⸗
tionen, die wie dampfende Brände aus dem Vater⸗
land geſchleudert, außen gelöſcht innerlich fortglü⸗
hend, die Luft verpeſten mit Brandgeruch verweſen—
der Völker, gekreuzigt ſtatt geſegnet. — Alſo
menſchlich iſt es zugegangen, daß es ſo teufliſch
ausſieht. Kein Lichtgedanke der Rettung dämmert
ihnen die du fo zuſammengebrochen vor dir er:
blickſt. Gleich ſcheuem Wild anf der Haide dem
Tod geboren, mag es ihm nicht entrinnen. Ha!
und du deckſt fie nicht mit deinem Schild un—
verzagt gegen die andringenden Haufen die den
Panzer auf der Bruſt ihm zerklüften? — Wie
ergötzte mich oft deiner Rede attiſche Feinheit!
ſie ſpricht ſo wahr, iſt Held im Streit, jeder
Hieb und Stoß iſt Wunde; und mit gefühliger
Stimme die das Herz verlockt, heilt ſie wieder wo
ſie verletzte; ſüß und gelind bei Wohlwollen und
Liebe, bezaubernd in lächelnder Kühnheit wenn
Geiſtesfeuer dich anweht; frei umherwallend wie
die Götter in der freien Natur. Und deiner Groß:
muth Feuer — das nie ſich noch ſpiegelte in geretteten
Nationen wie der hell polirte Stahl den Schein
der Flamme ſpiegelt — deucht es dir nicht göttlich
begabt, das Große von Fürſten noch nie Gewagte
zu erringen?
207
Schlakender König: O Vernunft breite deinen
heitern Aether über mir aus und lehre mir von
Schmeichelreden die Wahrheit ſichten.
Daemon: Ulnd auch von jener zweizüngigen
Schlauheit und ſchleichender Hinterliſt die dem Volk
nichts zu Dank machen mögen, vielmehr deine
beſten Gaben beim Durchgang durch ihre Hand
mit eigner Fäulniß beſudeln. Wirſt du ſelber aber
zur Rettung den Völkern die Hand bieten, dann erhebt
ſich ein Wehmuthſchauer unter ihnen und ſie verkün⸗
den einander mit weinenden Lippen: „Siehel uns
entgegenkommt Einer, voll wehmüthiger
Freude uns zu helfen kommt er zur Höhe
und ſieht das rothe Blut was hinabfloß.
Wir wollen um Beiſtand ihn flehen.“
Da dankt er Gott der dieſe Rachſüchtigen alle in
ſeine Hände hat gegeben und redet zu ihnen:
„Eueres Bluts will ich ſchonen unwür-
dig ſind mir Liſt und Ränke und wortbrü—
chig Handeln iſt nicht meine Sitte. Darum:
welch Volk nicht meines Schutzes begehrt
das gehe in Frieden; mir erwächſt nicht
Nachtheil daraus, alles geſchehe um euret—
willen.“ Dann wirſt du ſehen die Tieger zu
Rehen werden und ſchwören, ſo lange Leben in
ihnen bleibt ſich ihrem Retter gebunden und ihre
208
Liebe überwindet die Erbitterung und die Edeln um
ihn her ſprechen von Kämpfen: „Gott ſei
Dank daß der Retter uns kommt den
Nacken der Feinde zu beugen!“ und gleich
dunkelm Gewölk ziehen die Feinde gegen den Berg.
In der Schlachtenlinie Mitte ſchallt Schlachten⸗
ruf. Wie Mondeslicht durchbricht ſiegreich ſein
Stern die Nacht, dem Retter der Völker und von
ihnen getragen wehen über ihm die Fahnen
des Kaiſers; ſiegjauchzend alle ein jedes in eigner
Zunge jubelnd über ſeinen Glanz, und pflanzen
ſeine Fahnen auf ihre Höhen, Frucht und Fülle
und das Vaterland ihm dankend. Du aber —
was weilſt du und zählſt die Sterne am Him⸗
mel? — — und ſiehſt die n aufſteigen
von allen Seiten? —
Schlakender König: Ich will nicht Unrecht
thun und nicht es dulden. Ich war was ich bin
und werde immerdar es ſein: ein edler Geiſt
den ſein göttlich Urweſen durch alle Zeiten vor
Niederm bewahrt. O ich weiß daß ewig lebt was
in mir lebt; daß nicht Geringes das Beſſre kann
in mir vertauſchen. D wollten Viele wie ich,
dann würde der Geiſt Gottes wieder verſtändlich
unter uns. 5 8
Daemon: Eine einzige That aus ſcharfen Gin:
269
nen hervorgeſprengt — und der Zeiten Räthſel ruft
neuen Schöpfungstrieb aus dir hervor.
Schlakender König: D Ahnung und Sehn—
ſucht! — Ihr weckt liebkoſend Urkräfte des Gei⸗
ſtes die ſchon lange in den Sinnen mir unterge⸗
gangen waren. — — —
Daemon: Du ſchweigſt! — beklommen über
dein Geſtirn — und birgſt dein Antlitz? — —
Und Thränen rinnen? — — — O glaube — die
Welt iſt voll von unſeligem und die Anſprüche
der Folgezeit werden Millionen vor dir ver:
treten. — Wankende Pfeiler kannſt du nicht auf:
recht halten, ſie ziehen den Einſturz der Andern fich
nach. Und wie vom Sonnenlicht erwärmt, der
Schnee in entſtürzenden Gewäſſern vom hohem
Gipfel ſchimmernd hinabwogt ſo rauſcht hinab
was die Zeit an großen Thaten dir hatte gehäuft
und entwurzelt den Gottgepflanzten Ruhm der
ihnen entkeimte. — Nur was in deines Geiſtes
Mitte ſich ſammelt bleibt dir unſterblich eigen. Auf
denn! durchbreche den Damm der Zeiten, halte nichts
dir unmöglich was Gerechtigkeit ift dem Volk. O
gewähre in dem Hauch deines Mundes, in deiner
Augen Licht ihm was Gott hat in dich gelegt.
In allen Kümmerniſſen bis zur Todesnoth ge—
rüſtet mit Lebensverſtand und unbeugſamer Wil:
270
lenskraft — Mächtig des Großen — iſt ihm vor:
behalten die alten Götterfabeln in eignen Thaten
fortzudichten. In friſchem Stammesblut verjüngt,
ſchreitet es, ein fröhlicher Held, mit keckem Gelbft:
vertrauen durch ſein Geſchick, das ihm vom Vater
her vererbt ein heiliges iſt. Erzenen Leibes iſt
Vaterlandsliebe; mit Zauberſegen die Waffen ge⸗
feſtet, des Fluſſes Waſſer ihr über den Scheitel
geronnen, ſendet ſie kühnes Geſchoß Eins nach dem
Andern todtbringend dem Feind. Im Herzen alſo
groß — voll heiliger Weihe uralter Abkunft die
fein Vaterland ihm verbürgt geht der den ihr Auf:
rührer nennt auf den Stammeshaß los feines Un:
terdrückers. Unter Trümmern ſeiner Heimath, im
blutigem Kampf erliegt er dem Feind über deſſen
Geſichtskreis weit hinaus ſein Glanzgeſtirn auf dem
Todespfad ihm voranleuchtet. Seiner Ehre Schutz
geiſter umſchwärmen ihn. Von Siegesträumen
geleitet, ſteigt er auf Flügelſchuhen durch Lichtgewölke
hinan wo Luft und Blüthen auf begrünten Auen,
der Duft der Höhen und der Waſſerſpiegel,
der Heimath frühlingsleuchtend Bild ihm malen.
— So bis der Auferſtehung Tag ihn weckt,
ſpielen Geiſter in lichten Träumen mit ihm, der
ſchlummerbetäubt noch, vor den Gott ſchreitet.
Der fragt: „Was hat man dir du ar—
271
mes Kind gethan?“ — Da wird er ſinnend
ſtehen und fragen: „ja was wars doch?“ —
und wird der Triften ſich entſinnen wo die
Heerde weidete, und der Wälder, des blauen
Flußes und der Glücksſterne die drinn ſich fpiegel-
ten und im Sonnenſchein die Bienen Honig ſam⸗
melnd umherſummten und wird mederſchauen:
„Ach dort wo zwiſchen Trümmern Dornen blühen,
„war unſre Hütte. Wo ſind die Lieben alle,
„der Freund — der Bruder und die Eltern beide
„die unſrer harrten am Abend bis wir heimkehr⸗
„ten? — Da leuchtete des Vaters Auge wenn er
„die Söhne wiederkehren ſah, und die Mutter voll
„Sorge um den kommenden Tag war für heute
„getröſtet. Aber an einem Abend harrten fie lange
„und wir waren nicht gekommen. Da war große
„Sorge um uns, und auch wir — nicht getroffen
„von feindlicher Waffe, in großer Noth des Todes
„waren gefangen übergeben dem Henker, und wir
gingen traurig den Todespfad, denn wir gedachten
„der weinenden Eltern und Freunde, und daß die
„leiden mußten das Jammervolle die ſo ſehr uns
„geliebt hatten. — Da überſchattete uns der Tod
„und wir beſandten die Freunde daß ſie zu uns
„kämen in ihren Träumen. Da kamen Vater und
„Mutter und wir umſchlangen einander Herz und
272
„Haupt und die Kinder tanzten den Vaterlands⸗
reigen auf dem Wolkenplan. Da war es ſchön! —
„Viel Seufzer und Troſtesworte durchklangen ſüß
„den Todesſchlaf den wir ſchliefen und der Heimath
„Höhen ſpiegelten ſich im Traumnebel den wir um—
„faßten das Antlitz auf ihm gebettet. Das war
„unſer Geiſterleben: Tief ſchliefen wir am Tag in
„ungeweihter Erde und in der Nacht tauchten wir
„auf in die Wonne des Wiederſehens.“
Da winkte der Gott dem Knaben der ganz einge⸗
hüllt in des Erbarmens Glanz ſanft niederglitt auf
die Thronesſtufen. Er redete weiter:
„Ach was kann ein König wiſſen wie es dem Volk
„thut wenn Wortbruch und harte Geſetze eins nach
„dem andern der Heimath huldreichen Boden verwü—
„ſten. Was weiß ein Haynau wenn er das Urtheil
„fällt über das Haupt des Volksgeliebten, der Tröſter
„war geweſen dem Einen und die Hand dieſem auf
„die Schulter gelegt hatte und jenem aufs Haupt,
„freundlich warnend: „Macht dem Vaterland
„nicht Schande.“ Ach das war genug. Uufer
„ganzes Hoffen und die Gelübde die wir thaten ‚ge:
„rechten Handelns, ſpiegelten ſich in dieſen Wor⸗
„ten. Ja was weiß der Henker von den Schreckens⸗
„ſchauern des jammernden Volkes, das feines ſtar⸗
„ken Tröſters Blut mit Staub vermiſcht, den Leib
273
„mit Füßen getreten muß ſehen! — Nein das
„weiß der Arme nicht.“
So ſpricht der Hirtenknabe und rings durch⸗
ſchwirren die Luft die Schatten hingerichteter Krie⸗
ger; ſie tönt von ihren Seufzern und die Engel⸗
ſchaaren verhüllen ſich in ihrer Schwingen Flaum
daß ſie ungeſehen weinen mögen. Da redete er
weiter: 5
„Wir lieben mehr denn alles Gut der Welt
„das Land wo man die Sprache redet die der
„ſchaffende Gott uns auf die Zunge hat gelegt.
„Wir wiſſen auch daß der Tod uns nicht ſchei—
„det von den Gelöbniſſen die uns dem Va⸗
„terland weihen. Wir hoffen ein Wiederſehen
„und gern kehren wir um von Himmels,
„ſtraßen, der Thränen Brod mit den Unſern zu
„theilen.“ —
So ſprach der Knabe vor dem richtenden
Gott. Was meinſt du wie das Urrtheil fallen
werde? — Ich will dir davon ſagen: „Du
kannſt nicht entſcheiden über die That die Gott
in ſein Erbarmen hüllt. Vor ihm wiegt die
Sünde ſchwerer die um Geringes den Anker der
Ehre in der Schande Grund verſenkt, alſo achte
deine Fehle nicht gering weil du manches zu thun,
ſcheuſt was Andre frech ſich gelüſten laſſen.
18
274
Kriegsgeſchicke wechſeln im Streit; grimmig erſehen
es die Furien: „Blut um Blut! Euch ſoll der Fluch
geraubter Freiheit treffen. Eure Frauen in Trauer⸗
kleidern nach Thränenreichem Brod gehen; eure
Kinder am Weg eure Verderber anbetteln; auf
Dornen bittrer einſamer Jahre ſoll euer hungriger
Leib ſchmachten. Mag euer Herz mit Galle ſich
füllen, ins Haus der Drachen gebannt könnt Ihr
den Fluch uns zurückgeben.“ So werden Völker
vermaledeit die Schutz- und Trutzbündniſſe mit
Euch machten: „Gebieteſt du Krieg? — unſre
Häupter ſind dein — und Brüder ſind wir deinem
Volk verkehrſt du gütlich mit uns und gewähreſt
dem Vaterland Schutz.“ Und Ihr — ſitzend auf
goldnen Stühlen und Gott zum Zeugen, gelobtet
gleich dem Licht eurer Augen der Völker Freiheit
zu wahren und günſtige Tage habt Ihr ihnen
verheißen der Erhebung; ſie aber hatten nur Opfer⸗
tage feſthaltend am Thron, mit geſchärfter Waffe
vor ihm ſtehend Tag und Nacht. FE
Iſt nun heut euer Fluch wahr geworden
an den Völkern, ſo ward er Verrath an euern
Verheißungen die Ihr nie erfüllt habt. Traf
euer Fluch aber nicht die Völker dann habt Ihr
dem Firmament geflucht das in der Sonne ihnen
Licht giebt, im Mond Schlaf und Schweigen und
275
vorweltliche Erinnerung erhabner Abkunft. Jupiter
ſtrömt Hoffnung und Zukunftserfüllung ihnen nie⸗
der wie im Saturn Gerechtigkeit und Nothwendigkeit
ihnen herableuchten; aber alle Sterne erleuchten nicht
den der durch göttliche Salbung dem Volke ange⸗
traut, im Schatten ſeiner Liebe nicht mag ruhen. —
Mit Wehklagen erfüllt es die Luft, daß keiner den
rechten Weg ihm zeige — und es würde verderben
wär nicht Hermes, dieſer kraftige Planet, am
Gipfel des Olympos ihm geboren von der Tod):
ter des Atlas, unter dem Namen Majesta als
die fruchtbare Erde verehrt; zum Gedächtniß den
Königen fruchtbar zu werden den Völkern. —
Den Windeln entſchlüpft, ſtahl Hermes die Rinder
dem Helios, der vor dem Gott der Götter ihn
anklagt indeß er die Pfeile ihm entwendet. Seine
Liſt erheiterte den Gott und hinderte ihn Rache zu neh⸗
men, ſonſt würde er nicht ihm die Lyra erfunden haben
und die Syrings, noch ſeinen Platz im Speiſeſaal
der Götter ihm kehren und den Stuhl bereit ſetzen
und den Krug mit Nektar ihm füllen. Er dem
die Ruthe wandelnder Geſchicke in den Händen
bebend, mit freundlicher Rede ſie darbietet dieſem
gedankenloſen Volk und ihm lehrt in kreiſen⸗
den Geſchicken ſeine Stärke bis auf den letzten
Mann aufbieten, giebt auch dir Weiſung nicht im
18 *
276
ſchweren Panzer der Tugend auf deinen Schwer⸗
punkt dich zu ſtellen. Du bedarfſt nicht der Ril⸗
ſtung — nur im Augenblick der Noth laſſe erken⸗
nen du ſeiſt unter dem Gewand auch gewappnet mit
dem ſeltnen Geiſt der die große Liſte menſchlicher
Schwächen überſpringt und höher als gewöhnliche
Klugheit, dem heroiſchen Geiſt der Völker fi ich ein⸗
verleibe.
Schlakender König: Der Volksgeiſt der nur
darauf ausgeht Frevel ungeahndt üben zu können, iſt
nicht berechnet auf die Macht des Herrſchens
die eine höherer iſt als der Vermittlung und
Ueberredung⸗
Daemon: Dann hängt f ie 405 nicht ab von de⸗
nen die gut ſtehn für Alles, ſonſt wär ſie nur ihrer
Bürgſchaft Erdichtung. — Ich aber rufe verge⸗
bens die Geiſter zu Hülfe dein Vertrauen mir zu
retten; denn weil deine wahrhaftige Natur in dei⸗
nem Daemon ſich ſpiegelt fo fürchten fie, du kön—
neſt durch ihn zu dir ſelber kommen. Was ſoll
dir da der hellſehende Traum im Nachtdunkel, ob⸗
ſchon du nie es beſſer wirſt treffen als ſein kühner
Flug dir angiebt.
Schlalender König: Ich habe fo viele Richter:
ſtühle, als Herzen meiner Unterthanen ſchlagen, die
alle mich anklagen daß ich nicht die Aepfel ihnen
277
darbiete die jenfeit der Meere auf besperifcher Flur
von feurigen Drachen bewacht werden.
Daemon: Bis der Alcide die Drachen erlegt
und die Aepfel davon trägt. — Und du wollteſt der
nicht ſein der dem Unterjochten die Welt verkläre?
— und die errungnen Aepfel ihm bringe? — er⸗
haben über Gewalthaber und Geſetz die ſchon ſo
lang in dunkeln Wettern über ſeinem Haupt ſich
autladen und treuherzig ein Volk verachten was nur
durch ihre Schuld konnte erniedrigt werden. Eure
Zärllichkeit reißen ſie an ſich, euern Zorn laden ſie auf
das Volk, das mehr für Euch gethan hat als für Va⸗
ter und Mutter und als es für ſich je thun wird und
phnedem ein Leben führt das zum Vorſchmack der
Hölle kann dienen. Wäre ſeine Stimme geltend
vor dir, du würdeſt bald nicht mehr fiskaliſches
Regiment mit Regieren verwechſeln. Auch iſt's
ſchon gewohnt den Monarchen von den eigentlichen
Gewaltinhabern zu unterſcheiden; es hat ſtets dich
als einen fo ausgemacht binfergangnen Mann an:
zeſehen der inmitten feines allmächtigen Hofs fo
Zaunz ohne Vertheidigung iſt, daß es nicht daran
denkt das Böſe was unter deinem Herrſcherſtab es
befällt, dir Schuld zu geben. Sollte dies nicht die
Augen dir öffnen daß alles Abſolute was nicht aus
278
dem Geiſt ift, gegen Herrſcher und Volk zugleich
ankämpft.
Schlakender König: Abſolut iſt die Form in
die der chriſtliche Geiſt ſich fügt aber nicht in die
republikaniſche Verfaſſung eines heidniſchen Olymps;
ſie iſt die Macht des Gleichgewichts zwiſchen dem
Herrſcher und dem großen Geſchehen göttlicher
Gerechtigkeit.
Daemon: Ulnd das Volk harrt lange ſchon
auf Machtvollkommenheit der Könige um der Ge⸗
rechtigkeit willen: ob da einer den Schutzmantel
werfe über vogelfreie Nationen und den Boden
der Geſchichte mit menſchlich großem wieder befruchte
und in die Flucht ſchlage die Schemen ſcheinheili⸗
ger Gewalten die mit feinen Blüthen ſich kränzen und
ihm fluchen heimlich daß er ihnen entwachſe. Alle
hoffnungslechzende Völker gehen zu ſeinen Fahnen
denn ihm vermählt ſich im Strahlenlicht fürſtlicher
Machtvollkommenheit der goldne Zeitenſtrom der
auf ſeinen Wogen die Verträge der Völker arg⸗
wohnlos dahin läßt gleiten. Sorge du um dieſe
Vollkommenheit deiner Macht daß ſie Eigenthum
werde der Völkerbeglückung und keine Willkühr ſie
beflecke, dem trunknen Elephant gleich der wüͤthend
umherſtreift und vor ſich hinjagt und zertrümmert
was ihm in den Weg kommt.
279
Schlakender König: Von Allem kommt mir
Verderben, und Willkühr haben ſie genannt wenn
ich den Berg hinanſtieg meinen Willen Gott
zu unterwerfen; das iſt als hätte ich Drachen
ihnen zur Speiſe bereitet. Zum Schwerdt mußte
ich greifen und alles wüſte legen. Welchem
Rath ſoll ich nun folgen, welcher Stimme Gehör
geben? —
Daemon: Nur nicht denen die heimlich dir zu:
flüftern: „Da ſieh was dich rette.“ Sie zei⸗
gen dir nur was ihnen gefällt, ſie zwingen dich
zu ihren Fehlgriffen und betrügen dich noch in der
letzten Stunde die ſie ſo leiſe herbeiführten. Und
wenn nicht der Taumel über ihr Gelingen fie ftol
pern läßt, ſo biſt du ihr Gefangner der Alles muß
büßen. Keiner aber wird das Einfache dir rathen,
das dich zum freien Menſchen mache, der ſelbſt
umherwandle um leichter und thätiger die Hoff⸗
nungen zu erfüllen. Sie werden als einen gefeffel:
ten Götzen mit Abgötterei dich ſpeiſen und als
deine Prieſter ohne Scheu ihr Weſen mit der Ge:
meine treiben. Eine Kluft zwiſchen dir und deinem
Volk — da wandelt ſichs ſicher und gemüthlich
am Abgrund; er verſchlingt nur den der ihn über⸗
ſpringt. — Ich aber ſage dir: Du wirſt darum nicht
aufhören Fürſt zu ſein wenn du kräftiger als deine
280
Ruhe dich fühlſt; und die gütigen, langentbehr⸗
ten Geiſter die trugvollen Nebel zwiſchen Euch
zerreißen.
Schlakender König: Die Erde möcht ich reinen,
ein Denkmal des Erhabnen mir gründen und des Ver⸗
ſtändigen und Biedern zumal; — unter die Men⸗
ſchen Saamen ſtreuen verborgner Wiſſenſchaft; —
was nützlich ans Licht bringen, das Lebloſe leben⸗
dig machen — was ſchläft in der Bruſt — was
geiſtergleich die Räume durchzieht und in der Erde
Grüften vom Sternenſchein getränkt, wie rettende
Geiſter herbei rufen in die verworrne zerrißne Zeit.
Aber im Buch des Schickſals kann ich die Blätter
nicht überſchlagen.
Daemon: Jachi⸗El: Herr der Lebendigen heißt
der Planetenfürſt der die Fruchtbarkeit der Sterne
den Menſchen zuleitet daß ſie durch Vermiſchung
irdiſcher und himmliſcher Natur zum Erhabnen
geſchickt werden. Am Himmel Planet, auf Erden
ajtralifch = elementariſcher Menſch beginnt er nicht
leichtſinnig was ihm gerathner war daß er ſich
nicht damit befaſſe.
Schlakender König: Wie aber der, dem nicht
die Sternennacht die Geheimniſſe ſeiner Tage auf—
rollt — ein zerbrochenes Gefäß dem der Goldſchmid
nur wenige Goldkörner ausſcheidet vom ſchlechtern
N
281
Metall, von Geſchicken wie von Felsbrunnen der
Wüſte ausgekühlt zum a e an dem die
Schlachtopfer verbluten.
Daemon: Die wenigen Goldkörner überlaſſe dem
heiligen Geiſt der das Licht der Natur mit den
Greafuren verſchmilzt. Magia naturalis! — jede
That ein Wetterleuchten des Geiſtes, ſiegend flammt
er durchs Schattenreich und führt die Hervenmelt
— und unaufhaltſam wie die Sterne ihrer Bol:
lendung entgegen.
Schlafender König: Ha! Ich ſchne mich dem
Volk zu gewähren was das Licht der Natur im
Verſtand mir beleuchte.
Daemon: Wie ein gewährter erſter Kuß der
Liebe lang verhaltne Gluthen zur Hoffnungsflamme
anfacht, wird Begeiſterung den entflammen der
um des Volkes Segen wirbt, und er litte um
fo mehr an feinem Verderben weil der ihm un:
tergehen würde. —
Schlafender König: Deß verſichern mich die
Wunden vom Volkshaß mir geſchlagen da ich doch
nur die Wahrheit ſuchte um ihre Rechte zu ver:
treten.
Daemon: Dann werden viele zu Hof kommen
um ihr Recht; und Einer mit betrübtem Autlitz
wird reden vor dir: „Warum legſt du Hand an
282
mein Kind? — biſt du Fürſt dann mußt du Recht
üben Allen gleich. Mein iſt des Kindes Seele,
warum haſt du es mir wie einen jungen Frucht⸗
baum der Erde, entriſſen.
Schlalender König: Wer darf der Rachs
wehren gegen den Verwüſter des Landes, der
mit dem Schwerd zuckte nach dem Haupt des Ge:
ſalbten und mit der Keule auf die Pforte des Ver⸗
rathes ſchlug bis ſie von einanderſprang.
Daemon: Der Eine — der immerdar ſich ſelber
gleich, deine Vernunft durchſtrahlt mit göttlicher
Lehre; — der Erlöſer, deſſen Brod die Kreuzigung
ſeines Leibes geweſen; der von Milch ſich nährte
und Kräutern mit wenigem Del zur Würze. Kei⸗
nen Freund hatte er zur Seite als die Juden ihn
ergriffen der gekommen war vom Tod Euch zu
löſen. Ihm gehören die Seelen um die er im
Angſtſchweiß hat gerungen dort am Abhang des
Golgatha — Zeuge deinem Herzen wie es einſt
gleich der Lilie Kelch, voll vom Thau ſeines
Geiſtes — jetzt mit Blut iſt befleckt.
Schlakender König: Zeuge auch dem Gott des
böſen Feuers, der nur finſtre Werke vor hat. Von
ihm nicht mich bezwingen zu laſſen, war Noth des
Schwerdtes Schärfe anzulegen. — Mein Wille
war Verſöhnung, durch Büßung der Schuld.
283
Daemon: Sorge du nicht um Büßung die um:
geht wie ein Geiſt durch alle Weſen; ihr entrinnſt
du ſelbſt im Grab nicht; denn auch dort will die
Liebe noch aus dem Irrgarten der Sünde, in den
Boden des Heils dich verpflanzen; wie könnte ſie
das Beil in die Hand legen dem Zorn, der wie
ein wilder Reiter ſein Roß auf den Elenden ſpornt
und iſt er ihm nahe mit einem Hufſchlag auf die
Bruſt ihn niederwirft. O fühlteſt du welche
Schwere du auf dein Haupt ſammelſt: „Man
wird als einen Fremdling Ihn begraben!“
Dies Verhängniß ſcheint dir gering — ja thöricht
zu fürchten; aber es durchdringt mit Froſtſchauern
ein ganzes Leben das ſeine Schuld nicht mehr der
Zukunft kann abtragen.
Schlatender König: Wie foll ich die Schuld
auf mich nehmen ungezügelter Gewalten die wie
Meeresſchwärme um die Flotte des Reichs ſich
aufbäumen und Weltherrſchaft wollen üben an
mir? —
Daemon: Was können wilde Meeresſchwärme
gegen den aufbäumen, den ſeine Bahn überwärts
ihnen entführt? — Lege das Bekenntniß deiner
Fehle in deine zukünftige Thaten und laſſe nicht
den Zorn deine Reue bewältigen über das was er
gethan. Groß wäre dieß zu nennen alles andre
284
iſt nichtig und mißlungne Wohlthaten find gleich
gelungnen Miſſethaten. — Sorge, Tod und Zu—
fall verſchlingen ſie wieder. Aber den innern Wil⸗
len göttlichen Zwecken hingeben iſt Buße die mit
Unſterblichem alles erfüllt. — Unterdrückten Völ⸗
kern gewährt fie im Untergang des Schlachtengei—
ſtes Todverachtenden Kaltſinn. Hat nie in Träumen,
für ihre Rettung die Luſt dich ergriffen zu unſterb⸗
lichen Thaten? — hat nie dein Geiſt ſich ermus
thigt über ſchwindelndem Abhang ein zerſchmettert
Volk herauf zu heben an deine Seite? — Ein
Heldenvolk — frei von Entwürdigung, voll dank:
barem Gefühl deiner Großmuth? — und wenn
tauſend Stürme wider dich Schlachten um ſich
ſchütteln — fein Kriegergeiſt wird feines Retters
Thron in feines Ruhmes Machtvollkommenheit er:
halten. — Sie ſind die Löwen die auf allen
Seiten umherſtreifen daß kein Feind dir aufſprin—
ge. — Auch in der Uuglücksſtunde dir nah, du
Großmüthiger allen Völkern. — Hat der Feind
Vortheil über dich, fo weinen darum die Gerech—
ten; doch trägt dein Muth die Kränkung ruhig
alles ordnend, ſo werden die Völker feſtgebannt
deinem Sieg — die Furcht verachten. Dein
Heil iſt ihre Rettung. — In dir du Einziger
ruht ihr Triumpf. Die Adler nahen ſich dir
285
zu helfen ünd die gierigen Geier fliehen vor
dir und laſſen den ſchon gefaßten Raub. Wie
Geſchiebe im Wellenſchlag, glätten Nationen ſich
in deiner Weisheit ſanftem Wogen, die das
Vergangne mit Vergeſſenheit überfluthend, auch
dem Verräther Thränen weiht und aufrichtig
trägt fie der Völker Geſchirke zugleich dich erhe⸗
bend über alle Herrſcher der Welt. |
Schlafender König: Im Namen deſſen der
Herr iſt von Geiſt und Verſtand und der Seele
Führer auf Erden, das wäre klug wie Gottes
Weisheit iſt. | Birk
Daemon: „Das Schickſal muß alles thun!“
So ſprechen die Schlechten. — Vergiß des Schick⸗
ſals und ſei tapfer ſelbſt zu handeln. Denn wie
das Rad ohne Führer den Wagen nicht lenkt, ſo
erfüllt ſich nichts ohne des Geiſtes Wille. Denn
nicht daß Etwas geſchehe iſt Erfüllung dem Gott;
ſondern daß du dich enthebeſt dem Nichtigen abſo—
luter Gewalt, und eine ihrem eigentlichen Weſen
entſprechende Machtvollkommenheit in dir ſich aus⸗
bilde die ſelbſt den Verräther zum Sclaven dir
macht daß er zu dir hinanblicke als zum Retter
der nicht ſich rächen wollte an ihm. Rache er⸗
zeugt Rache. Kommt etwa der Sieger und legt
lachend den geſpannten Bogen zu Füßen dem getödte⸗
286
ten Feind? — „Räche dich wenn du kannſt.“
Er fürchte ſich ſeines Triumphs. — Die Rache bleibt
unter den Lebenden. Denn ſiehe, es ſind noch
Trauerbotſchaften die alles beſtürzen wohin ſie ge—
langen. Jammernd ſtreuen die ſich Erde aufs
Haupt und ſtoßen Verwünſchungen aus: „Wehe
der Troſt iſt unſerm Leben entſchwunden
und die Welt iſt uns nichts mehr als eine
Hand voll Staub“ und ſie ziehn den Leichnam
aus der Grube und weinend wäſcht ihn das Salz
ihrer Thränen. Mit edlem Blut befleckte Hand — wer
kann ſie unbefleckt wieder machen? — Die Rache aber
nimmt den Bogen auf den der Hohn hat nieder⸗
gelegt. — „Dort hinter dem Baum!“ — Der
Baum iſt hohl — Der Rächer durchſchießt ihn
und den Mörder zugleich. Und aller Verſtellung
vergeffend ruft die Menge: Fluch über ihn daß
er nicht dahin iſt gefahren noch ehe das junge
Leben in den Tod ſich ſtreckte.
Schlakender König: Auch der ban
flieht von einem Gott bewogen das Jammervolle,
er ſtarrt zurück vor der Todeswunde und noch
grauſeren Gefühlen.
Daemon: Und wenn fie nun von feinem Haß
hinweggedrängt von irdiſcher Schwelle, tiefſchwei⸗
gend dem Vater nahen, ſo weigert er ihnen nicht
287
fein himmliſches Haus; und die Nachlebenden die
den viel geliebten, viel beweinten hinauf zu den Ster⸗
nen ſehn wandeln, ſie klagen laut ihr ſchweres
Leid: „Unſer Schutzgeiſt iſt von uns gegangen,
ſein großer Vater nimmt ihn an ſeinen Buſen
er kehrt nimmer uns zurück auf die verlaſſ⸗
nen Deden, von edlen Völkerſtämmen ſonſt be-
wohnt, jetzt Trümmer einer untergegangenen Welt,
dunkel angeglüht von der Rache ſtrengen Geiſt.
Sonſt mit Tempeln und geweihten Orten — mit
Kriegsfeldern und Gräbern jetzt beſäet, inmitten ſchwei⸗
gender Geſchlechter haben Ph;ilifter ſich dort angeſiedelt,
die Thaten und Geſinnungen eines großen Volks
und feine Lehren des Heils vernichten neue Ge:
fege, neue Rechte haben fie eingeführt. — Die
Uebriggebliebenen werden an der Väter Sprache
kaum erkannt. Ungleich ſind ſie ſich geworden
und ſchweigend ſehn ſie die Sitte des Landes ver⸗
nichten. — Fremde Schwärme zahllos wie Laub
und Sand, gemein und niedrig gleich Waldeſeln,
kommen herangezogen daß die Luft aufſeufzt.
Schreiend gleich Hyänen, belaufen ſie die Länder,
ſie errichten Mauern und Pforten und umklam⸗
mern das Volk das ſeiner Väter Heerden auf die⸗
fen Triften ſonſt weidete, und wenn einer mur ef:
288
was verſah, nur einige Erde die fein iſt hinweg:
nimmt, deſſen Leib befällt ein Zittern bis er ſtirbt.
Wie nennſt du den der, abſolut zu ſein, nieder⸗
wirft was Natur dem Gott hatte geboren? —
Soll die nicht auch weinen, die Mutter iſt den
Nationen und ſie ſäugt mit ihren Brüſten — ein
Quell des Heils? — noch durchfluthet ſein Strom
das Heimathland, aber die Heldenſchaaren, die er
auf ſeinen Wogen hat getragen, die Hütten glück⸗
ſeliger Menſchen an feinen Ufern find verſchwun⸗
den. Wilde Eroberer haben das Uranfängliche,
einer verſtorbnen Welt redend Zeugniß, ausgerot⸗
tet, — ihre Leiden, ihre Kämpfe ſind jetzt Geiſt und
Athem höherer Intelligenzen; denen iſt nicht Ver⸗
brechen was Ihr als ſolches ſtraft; — ihnen iſt
Sträuben gegen Gewalt nicht Aufruhr gegen Gott.
— Was durch Beil und Strick in organiſchen
Schlummer war geſunken überträgt ſich indeß in
neu erwachendes Leben. Angethan aufs Neu mit
dem Zaubergürtel irdiſcher Natur — Vorläufer
gewaltiger Entwicklungen, ſtrömen die Geiſter der
Schlachten wieder herab auf die verlaſſnen Oeden
und durchmeſſen den Plan mit gewaltigen Blick
neugeborner Kräfte.
Schlakender König: Haft du mehr noch zu
fagen?
289
Daemon: Ich weiß du möchteſt gern mich
haſſen. Dennoch haſſeſt du mich nicht. Du fürdhe
teſt mich. — Du haſt nichts zu fürchten. Du
ſträubſt und ſchämſt dich weil du nicht verſtehſt
was dich beſchämt wenn ich dir ſage daß der
Richter der dem Geiſt das ſinnliche Leben abſpricht
ſelbſt hierdurch dem geiſtigen Leben abfällt. — Du
hörſt verwundert was wie Traum dich mahnt?
laſſe die Geſchichte dir Egmonts Gedächtniß zufüh⸗
ren. Gedenke des ſtumpfen Urtheils das ſein
edles Leben verkürzte. Sieben Monate Gefangen:
ſchaft waren eine geraume Zeit dies Urtheil auf:
zuklären. Mit ſanftem Muth ſchrieb er vorher
noch ſeinem König:
„Dir beliebt es den Tod zu verhängen über Ei:
„nen der nur zu deinem Heil ſich hat verwendet.
„Daß man dir weis machte woran ich nie ges
„dacht, darüber ruf ich Gott zum Zeugen Er
„wolle meiner Seele anrechnen was ich unter⸗
„laſſen von Allem worin ich dir getreu zu ſein
„gelobt habe. Deiner angebornen Barmherzig⸗
„keit befehle ich um meiner getreuen Dienſte wil⸗
„len meine Hausfrau, eilf Kinder und meine
„Diener. Alſo ſcheide ich von dir der noch manch:
„mal in Reue meiner gedenken wird.“
Gleich nachher ging er zum Tod, ihm folgten
19
290
in Reuundleidgewanden die fo ſelbſt Schuld da
tan waren. Aufs Blutgerüſt trat er mit den
Worten: „Ich hätte wohl mögen für mein
Vaterland ſterben!“ Hiermit ſchlug der Henker ſein
edles Haupt hinweg welcher Schwerdtſtreich den
Niederländern wohl ſo ſcharf ins Herz als ihm
durch den Hals war gegangen und eben dieſer
Streich hat dem König das edelſte Kleinod aus
der Krone geſchlagen. Frankreichs Botſchafter der
verborgen dieſem ſchauerlichen Geſchehen beiwohnte,
rief aus: Da fällt das Haupt vor dem Frank⸗
reich zweimal hat gezittert. Das Volk drohte
Angeſichts ſeiner Verräther ihnen Rache. — Die
Bürger miſchten ihre Thränen mit denen der
ſpaniſchen Soldaten die in ſein Blut getauchte Tücher
auf dem Herzen haben getragen und hätteſt du
auf deinem Herzen eins zu tragen du würdeſt
nicht unbewehrt gegen Verrath dich fühlen noch
bewegt von Zweifeln über dein fürſtliches Recht durch
Begnadigung einem ſo kecken Streich Einhalt zu
thun. So mächtig iſt Vertrauen in eines großen
Geiſtes Adel daß es überirdiſche Kräfte ſeinem ver⸗
goßnen Blut zuſpricht und es würde auch dich
bewahrt haben vor Verletzungen — tiefer und ge⸗
fährlicher als leibliche Wunden. Du würdeſt im⸗
mer des Gewaltſpruchs gedenken müſſen der den
291
Schuldloſen niederwarf und die Augen der Edeln
weinen machte über das Unerhörte was fie ge⸗
ſehen: Daß Einer Geiſt und Leib dem Ge⸗
ſalbten hatte verpfändet der ſo ihm lohnte. Das
Volk erkannte das Unrecht dieſer That; die
Großen des Reichs die ſo frech ihn zum Richt⸗
platz führten leiteten was geſchah — der Bot⸗
ſchafter einer fremden Nation erkannten den Wahn⸗
ſinn dieſes grauſenvollen Urtheils. Der Herrſcher
allein — von dem es war beſtätigt worden er⸗
kannte es nicht. Hätte das Volk ſich ihm wider⸗
ſetzt, fo war dies kein Verbrechen vor Gott, aber
doch wäre ihm Strafe darum geworden und
ſo mußte es unterlaſſen zu was ſein Herz es
mahnte. — Siehſt du ein, daß Gewalt der des
Gewiſſens Trieb muß weichen verfehmt ift? und
daß Volksaufruhr göttliche Mahnung iſt zu meiden
was ihn errege? — Dieſe Seufzer — dies heilig
gehaltne Blut und feurige Gelöbniſſe dem glorrei⸗
chen Tod edler Helden — dies Geſäuſel abgeſchied⸗
ner Geiſter über erblaßten Blutſpuren, ob auch
erloſchen durch die Zeit, ſie gelten heute noch
als Zeugen dem Frevel wo menſchliches Raſen
der über alle Schickſalsſchläge erhabnen Vergel⸗
tung Trotz bot. Da nun ſelbſt Spuren vermoder⸗
ten Blutes wirkendes Daſein haben das nicht kann
19 *
292
von Spitzkugeln und Kanonendonner zerſchmet—
tert werden, ſo mögen eben ſo leiſe Spuren
die Ihr längſt verwiſcht glaubt — jetzt aber
als Rechenſchaftfordernde Geiſter wiederkehren, in
weltbildenden Intelligenzen um Euch her ſich
niederſchlagen. Sieh dort im blauen Mond⸗
licht flimmernd, Wolken wie Lämmerheerden ſich
zerſtreuend — in einander fließend wieder —
Geiſter finds auf dem Blufgerüft verſtorbner
Krieger — — ſie ſchwimmen über den Hütten die
ein Schild deckt vom Weinſtock — oder vom Dach
der Linde beſchirmt. Wie Staub des Nebels
ſenken fie ſich herab über die ſchlummermüden
hoffnungsloſen Kinder deines Reichs, ehe die frühe
Dämmerung ſie zum Tagwerk wieder ruft. Sie
lauſchen den Geiſtern in ihren Träumen, was die
ihnen in die Seele hauchen das glauben ſie.
Schlakender König: Dort tritt ſchon einer aus
der Wolke deutlich hervor. — Die feſtgeſchloſſne
Lippe — der raſche Blick — wer iſt der?
Daemon: Athlete — mit nicht ſtaͤrkerm Arm
als der deine; aber mit ſtärkerer Zuverſicht, —
dem die Mächte alle mit feiger Ulebergewalt
entgegneten um ihn zu fällen. Der Nationen
überirdifcher Feldherr, der wohl den Verrath
an ihnen vorausſah. Aber auch Geiſter müſſen
293
Opfer bringen zu Gunſten dem, was beſſer geſchehe
als daß es unterbleibe. So hat dieſer jedem Streiter in
den Buſen gehaucht: Beſſer ſei und größer, irdiſch
unterliegen mit geiſtigem Muth als Rechtsgefühl
und Vaterlandsliebe erſticken.
Schlalender König: Ha, dort ſeh ich viele ihm
nachſtrömen — und dort der rothe Hengſt aus
der Nebelwolke hervor — ſieh er beſteigt ihn! —
Stolzer königlicher Reiter! — keinen edlern Jugend⸗
helden ſah die Erde.
Daemon: Furchtlos ſprengt der Hochgemuthe
hinan die Wolkenburg — hoch daß des Aares Flug
ihn nicht erreicht. — Vierfach iſt der Wolkengipfel
getheilt — vierfach lagern die Völker um ihn her.
Schlalender König: Die Nacht iſt finſter —
was wird dabei herauskommen? — Wie ein
grimmer Elephant heranſtürzt er im Wind — die
Wolken umdrängen ihn — ſie verſperren ihm den
Weg. Ha! er ballt die Fauſt! er drängt fie aus⸗
einander. — Windſchnell hindurch fliegt er — der
Reine, der Starke! — wie die Heerde vor dem
Wolf flieht das Gewölk. — Er kommt heran!
— Vorbei! — der blaße Tod im Antlitz Vorbei!
Vorbei mir ſchaudert. —
Daemon: Nein ſieh doch hin! — nun ſteigt
er überwärts über Wolkenklippen.
294
Schlatender König: Sieh der leuchtende Zorn
im Aug! —
Daemon: Die Fackel am hochgewolbten Nacht.
himmel leuchtet ihm herab.
Schlakender König: Und der Pfeil mit naſſem
Gefieder — als hätt er der Wunde ihn eben
entriſſen — Sieh dort die unzähligen Nach⸗
ſchwärme! — |
Daemon: Er ſchwingt ihn wie zum luſtigen
Waffentanz und ſprüht weiſſagende Träume auf
die Stirn den ſchlafenden Völkern.
Schlafender König: Hinter ihm mit ſchmelzen⸗
den Antlitz der Flockenbart, den Kranz auf blon:
den Locken ſchwebend voll Thauperlen die auf mich
niederregnen, — das breite Schwerdt, die Fahne
im Nebel ſchimmernd — hoch hoch — ſie durchgleiſt
den Wolkenocean. Geiſter ſinds — vor denen
fürchten ſich die Menſchen. Auch die Fürſten ſind
Menſchen.
Daemon: Aber die mit Daemonen umgehn die
lächeln mit ihnen und der iſt Pole.
Schlatender König: Er lächelt mir zu!
Daemon: Warum nicht? — Du haſts wohlge—
meint mit ihnen.
Schlafender König: Daß ich nicht wüßte!
Daemon: O glaube doch an deine eigne
295
Seele. Was fie dir zuflüſtert das iſt wahr; auch
ſie redet ja mit — und vor ihr zerfließen die Ne⸗
bel die dein eignes Wollen dir noch verhüllen.!
Schlatender König: Meine Seele? — ja die
hat oft flehend die Hände ausgeſtreckt für ſie —
und meine Seele — ſie hat ſich immer abgewen⸗
det von den Racheopfern die meine Krone beſu⸗
deln. — Götter dort kommt noch einer! Zwillinge
— er hat einen Doppelgänger! —
Daemon: Der Germane iſts. —
Schlakender König: Den führt der Andre mit
gewaltiger Fauſt — feine Blicke find Mieſene
gende Blitze.
Daemon: Seher und Entfalter ai Tie⸗
fen. im Menſchengeiſt. Der Genius! —
Erde und Himmel umfaßt er, vor Allen be:
freundet dem Deutſchen, ſein kühnes Aufſtreben
gewährt erfreuliches Beiſammenſein Beiden.
Schlakender König: Sieh die Schaaren die ihn
umdrängen — wie ſie alle ſchmachten nach ihm.
Daemon: Nach der innigtragenden Liebe in ſei⸗
nem Aug ohne die ſein ſcharfer Blick unaushalt⸗
bar wäre. — — Ach! —
Schlakender König: Was athmeſt du tief wie
Seufzer? — haſt du nicht Worte? oder denkſt du
was du nicht ſagen willſt? —
296
Daemon: Ich denke daß der Berge könnte ver⸗
ſetzen der feinen Blick nicht ſcheut. — Spiegel des
Ewigen dem Seher — fürchterlich nur dem
Halbweiſen dem ahnt daß ſein Feuerküßender Strahl
ihn vernichte.
Schlafender König: Was giebts dort auf dem
Wolkenplan? — Sage von den Völkern die auf
Wolkenſitzen dort ſich lagern. — Die erhabne
Mitte nimmt der Heros ein. — Strahlen wirft
er bis her zu mir — Sag was das bedeute?
Daemon: Was kann ich ſagen was du nicht
ſelber weißt? — Wenige ſind unter ihnen die
nicht eure Geißel gefühlt — Wenige die nicht das
Joch eurer Vergöttrung trugen; keines über das Ver⸗
nunft Euch zum Sieger hätte gemacht — keines in
dem das ächt Menſchliche nicht Euch zum Aerger—
niß geworden und nun umbrauſen Euch Sturm—
wolken in denen der Feind ſich verborgen hält
ſtatt Majeſtät umglänzt von Vökkerherrlichkeit.
— Und wo Triumphgeſang in erhabnen Tönen
dich wollte einholen, läßt du dich niederdonnern
vom ſtolzen Antichriſt. Und deine Machtvollkom—
menheit — wird fie die entwurzelten Völkerſtämme tie:
der einpflanzen? Dies iſts was ſein Flammenblick über
die Menge zu dir herüberſtrahlt. Jenuen Schaaren aber
ſtrömt er geharniſchte Gedanken zu und ihrer Hoff—
297
nung tiefverſunkne Gluth belebt ſich wieder. Groß
iſt ihr Elend, ein Leichenzug was ſonſt ein ſorg⸗
los freies Volk geweſen. Nicht auf dem Markt
nicht auf dem Weg zur Kirche erſcheint es anders
als im Bettlergewand.
Schlafender König: Wehrloſes Volk! — herr:
liches Männerantlitz! Schmachten nach Freiheits⸗
wonne auf der Lippe, ſein Waffenſchmuck in Ket⸗
ten uingeſchmiedet; und dicht daneben, welches iſt
das Volk was lechzend voll tobendem u. ihn
anſtarrtꝰ
Daemon: Tauſend ſeiner Strahlefpfele durch⸗
zittern es; — wild hinüber und herüber — wie
Meeresbrandung tollgemacht vom Sturm. Aller:
wägend fein Geſchick, liegt es brütend in der Sonne
und läßt das Schiff, feſtgefahren auf moraſtigem
Grund, allmälig wieder durch die Fluth ſich be:
ben. Der Hoffnung Flagge umſpielt fein Gluthbe⸗
ſeelter Hauch, eiſern iſt des Volkes Nacken; zum
Kampf geboren hebt es die eherne Stirn im Son—
nenbrand.
Schlafender König: Herrliches Volk — reich⸗
lichen Glanz entſchöpft es des Ruhmes brauſender
Woge! Und jenes Volk das ſich ihm anſchließt
voll Ehrfurcht vor dem Genius die Waffen auf—
richtend ?
298
Daemon: Ungemeßne Kraft, ungemeßner Glaube
an dieſe Kraft. Sich ſelbſt erfaſſend, könnte
es Welten umſchaffen. — Wunderbares Streben
von Menſchendurſt und Ehrdurſt. Jedes Alltäg-
liche in Glanz des Unübertrefflichen umzaubernd. —
Kann keinen Herrn dulden — will ſelber Herr
fein — kann doch nicht mit Sclaven leben. Un⸗
erſchöpflich an Salzdurchwürzter Laune ſelbſt im
bitterſten Geſchick; und Rieſenkräfte es zu tragen. —
Dem Genius beugt es ſich weil es ihn für den
ſeinen hält. 5
Schlakender König: Es deucht ſich ſelber auf
dem Thron zu ſtehen unter den Nationen. — Ein
Gräuel iſt mir dies Volk das mit unreinem
Drachenmund den See des Verderbniſſes ausſpeit,
aber Roſt und Schmutz zerfreſſen es bald wie—
der — kraftlos zu Nutz und Schaden.
Daemon: Nationen ſteigen aus der Gottheit
Schoos in eigner Urform jegliche. Wie der Berg⸗
kriſtall in Spitzſäulen ſich bildet, der Kalkſpath in
Rauten, und in Doppelpyramiden der Diamant,
fo auch Natur in Völkern ſetzt Schranken, der
Willkühr die nicht Urformen kaun bilden; der zu
Gefallen die Biene nicht ihre Zellen fügt noch die
Spinne ihr Netz, nach deren Rathſchluß auch
kein Vogel baut. Auch Nationen — büßend in
299
Mißgeſchicken was Ihr an der Weltgeſchichte habt
verſchuldet, können ihre Entfaltung nur in ihres Ge⸗
ſammtgeiſtes Mitte hervorſtrömen. Innrer Gram,
gekränkte Ehre, Thränen die der Zorn vergießt
ſind nicht fruchtbarer Thau den Geſtaden wo ſie
unter Nackenbelaſtendem Joch von Klippe zu Klippe
ſtürzend aufſtampfen. — Ihr unterdeß ſchwimmt
wie Kork über die Fläche des Meeres dahin.
Schlatender König: Dort wo der Moeven wil:
der Schwarm Sturmwolken verkündet dem Völker:
zug, wie laubloſe Bäume im — ee
kend — wer ſind die.
Daemon: Wie um den morſchen pfeler der
Epheu ſich rankt, ſo ſchlingt von dieſes Volkes
Vorzeit, fi) wunderbare Sage um großer Schlach—
ten Heldenpracht. — Stolz iſt ſeine höchſte
Stärke ſein Schatz ein Haufen alter Pergamente,
der Scepter ein verroftet altes Schwerdt. Die
Krone hält es in Schlupfwinkel verborgen, ſeine
Könige find hin. — An fremder Gnadenfonne
muß es ſich wärmen. — Es brandet auf am
ſteinigen Ufer — die See geht hohl — kein Zau⸗
berwort die Stürme zu beſchwören — welkes Gras
weht über Heldengräbern — ſtill iſts im Land —
es tönt nicht im Thal nicht im Strom.
Schlalender König: Und der mit dein Sieger—
300
ſtrahl im Aug? — ſein Speer wie die Tanne aun
Fels — ſein Schild wie der aufgehende Mond der
die Nebel zertheilt? —
Daemon: König und Feldſchlachtführer! — Er
pflanzt das Banner auf am Wolkenberg. —
„Flattre hoch Fahne des Ruhms! Auf! vom
Fels herab! Vorwärts! heran! Meerwärts! Auf
in die Schlacht mein Volk! ſtürme wie Brauſen
des Meeres.“ — Weit auf der Haide ſtrömt
Blut. — — Ausgelöſcht iſt es aus der König—
reiche blutbeſchriebner Kronik.
Schlakender König: Heiliges Volk! — mit
großen Schickſalswürfen hat es gekämpft für ſei⸗
nen Herrſcherſtamm. al:
Daemon: Sieh jenes Volk gen Oſten das
raſch ſich durch die Völkerfluthen reißt. Römiſcher
Heldeuſinn — Aſiens Uleppigkeit — ſtille Tugend⸗
größe — ausgelaſſner Leichtſinn und feine Welt—
ſitte mit hyperboreiſcher Rohheit wunderlich gepaart.
Ein unbeſtimmtes Etwas giebt ihm poetiſche Eben—
bürtigkeit die von muthigen Leidenſchaften bewegt,
ſich maleriſch durch die Geſchichte windet.
Schlalender König: Unſelige Schwärmer —
voll Frevel des Verraths, des Mords und der
Tücke, die den Geiſtern unter und über der Erde
ſchaudert wahrzunehmen. Der Fuß iſt ibm wan—
301
kend geworden. In den Tagen des Stolzes wollte
es ſich über den Mondkreis 1 dann ua es
er als die Erde.
Daemon: Ulmſchwärmt von bösen Daemonen
die gegen ſein Heil ſich verbünden, erzeugt es ſich
immer neue Helden die ſeinem Untergang es wie—
der abringen. — Kosclusko! ſymboliſcher Größe
wie Alpenhöhen den umringenden Thalen — voll⸗
blühende Nationalkraft im Buſen ſchwingt er
noch einmal die Fackel, daß einmal noch Tiefen
und Höhen voll brennendſtem Weh ſeinem Volk
aufleuchte, — ein lyriſcher Sprung durchs Leben,
dann ſenkt er die Fackel. — Noch raucht die
Gluth — ein n und hell n ſie wieder
empor. | |
Schlakender König: Und jenes Volk ihm
nah? — Tiefe Wunden trägt es zur Schau? —
Friſch träufelt ſein Blut in den Wolkenſchnee —
Blitze funkeln ſeine Blicke! — Des Hauptes lange
Mähne hebt der Wind! — Die ſtarke Bruſt, die
leichtgewandte Rippe! Mit ure d ag d ſtreifts
heran.
Daemon: Am Ufer ausgeſchifft des gewaltigen
Zeitenſtroms der heute noch des Staates Arche
trägt, für die es ihrer Sünden Fluth durchkämpfte.
Damals verlor ſie Tau und Tackelwerk und die
302
Schaluppen riß der Sturmwind los. Der glück
lich enternde Korſar drang ihr ins Gyneceum und
Auſtria ſank hinab vom Rang eines Dreimaſters.
— Zu Hülfe kam ihr dies herrlich ſtarke Volk.
Die Sturmfackel hat es von der Puppis zurückge⸗
ſchleudert und trotz nachbarlicher Brandung, in vol⸗
lem Wind und gutem Fahrwaſſer ſie zu halten,
hat es verſtanden. War dies nicht genügend in
ſeiner Sündenloſen Einheit es beſtehen zu laſſen?
— In Sitten und Religion und Wiſſenſchaften
ein Land der Kontraſte, verträgt es nicht fremde
Hand an es zu legen. Vorbild der Völker⸗
größe, feßfe es Stärke und Ehre an der durch⸗
wetterten Arche Rettung und zeugte in gedrängter
Fülle was es Deutſchland werden konnte. Sieh
was ihm geworden iſt! Der Wolkenſchnee auf
dem es eben landet — wie gierig er ſein Blut
trinkt! wie rothe Roſen würdig im e der
Götter Schläfe zu kränzen. iq
Schlakender König: Dort hebt zum Flug ihr
Adler ſeine Schwingen — purpurn theilt er die
Nebel, wie Morgenroth die Berge ſchlagend —
die Welt durchſchimmernd — Ich höre Geſang in
hallenden Wolken von der Sonne durchblitzt.
Magiargeiſter: Heil Sonne deiner goldnen
Fluth! auf der Heimath Fluren haſt du uns ge⸗
303
leuchtet im Sterben noch zum Sieg begeiſternd
und ſchwebteſt hoch als alle Fahnen ſanken.
Daemon: O könnteſt du der Völkerrettung
Sternenkranz dir in die Krone flechten, überſtrah⸗
lend allen Fürſtenglanz! — So ſchwingt der Gie:
ger zu Dlympia mit jugendlicher Hand den or:
beer! — So flammt gewaltig ſein Aug über der
toſenden Menge die unabläſſig Heil dem Sieger
jauchzt. Aber — zu ſteil iſt wohl der Pfad
dir zum ſeltnen Ziel? zu gewagt, der Götter
froher Bote — herrlich ſchützend den nervigen Arm
ausſtrecken über Völker? — — Niedrige Gei⸗
ſter ſind die, denen keine Rettleiter ſicher genug iſt
die Opfer ihrer ſchauervollen Weltklugheit aus
dem Abgrund wieder heraufzuführen. Und du? —
was fällſt du nieder vor Gott und bringſt
ihm Dank, da du doch nicht zu Dankeswer⸗
them dich berufen fühlſt und keinen Ausweg be⸗
darfſt großem Geſchehen, noch zu liebkoſen den
Völkern, noch Segen ihnen zu erflehen, vor Ger⸗
manias Schweſtern allen bekundend wie Gott zu
ihrem Heil dich hat beſandt.
Schlafender König: Deine Beredſamkeit geißelt
mich nieder als ſollt ich keine Ruhe am Acheron
finden und meines Lebens verlaſſne Steppen ewig
304
betrauern. Du biſt Magier und fängft in Licht⸗
geweben deiner Phantaſie der Zukunft Dämmerun⸗
gen auf. Auch mich will deine Täuſchung zu Un:
erreichbarem anreitzen. — Ich weiß: Uns unter⸗
worfen ſind Nationen damit auf allen Lebens⸗
wegen zum Höhern wir ſie leiten ſollen. Du aber
willſt nicht verſtehen wie alle Opfer keinen Boden
finden im wilden Pöbel, wie jede Wohlthat ſchon
matt gehezt war von ſeiner Wuth, noch eh ſie ſich
bewähren konnte. Ich kann nicht Monarchien in
den Gemeingeiſt zuſammenſchmelzen den ein ſo un—
erhört Beginnen fordert.
Daemon: Du kannſt nicht? — O hätteſt du
ein treues Wort für fie geſprochen! — D
warum thateſt du es nicht? — Dies Einzige! —
es hätte unſterblich dich gemacht. Siehſt du denn
nicht? — es haben deinen hohen Geiſt die Geiſtes⸗
armen ſich unterworfen. Dies grämt dich zwar;
denn du weißt ja nicht wo es gebricht. — Sieh
dort das Land wo Raben und Wölfe über den
Leichnamen von Heldengeiſtern ſich ſammeln; wo
Purpurtrauben zwiſchen goldnen Saaten dem Volk
ſonſt reiften und die Pflugſchaar edle Metalle aus
dem Boden grub und wo bei Zitterklang und
Pfeifen der Heimath Sagen harmoniſch ſich inein—
ander flochten. Wenn einſt der Fremdling auf der
305
Verwüſtung Feld, Spuren eines vertilgten Volks
aufſucht und findet Trümmer der Städte und Tem⸗
pel und Schutt der Hütten mit Moos und Kräu⸗
tern ſanft umkleidet, wird da Einer von dir
ſagen. |
„Er allein unter den Gekrönten fluchte nicht den
überwundnen Völkern. Er hat, wie hier Natur,
mit lindernder Hand ſie berührt — mit ſanftem
Mitleid beſchattete er den Verbannten. Er ließ aus
friſcher Quelle ihn ſchöpfen und Feuer ihn zün⸗
den auf ſeiner Völker Heerd?“ — O dieſem
Beginnen würde der Nationen Gemeingeiſt von
ſelbſt ſich einſchmelzen. Sie würden ſegnen den
du ſegneſt. — Den Heimathsloſen würden ſie
aufnehmen und dem ein Grab gönnen an ihrer
Schwelle dem Verzweiflung das Herz brach. —
Möchten dann beim Würfelſpiel um Völkergeſchicke,
Fürſten gleich dem raſenden Pöbel dich anfallen
und ehrlos und namenlos aus ihren Reihen dich
drängen — wär der harte Boden dein Lager und
Wetterwolken dein Dach; die Völker würden im
ſchattenloſen Sand lieber mit dir verſchmachten
als dich verlaſſen; ſie würden ihren Mantel dir
unterbreiten — ſie würden vor deinen Augen ſich
demüthigen; dein trauernder Geiſt zög wie der Magnet
ſie alle an, der jezt muß betteln gehen und nirgend
20
306
Eingang findet. — Ach bei dir felber nicht. —
Mächtige Fürſten wären dann nicht mehr; ihre
Kraft wär gebrochen. — Deiner Begeiſterung
Talisman blieben die Völker unterworfen und die
Welt wär dein. — O beklage mich! — verzwei⸗
feltes hab ich begonnen, — unaufhaltſam ſtrömt
die Rede mir, deinem edlen Gegner dich zu gewinnen.
Sieh drüben in Wolken von Heroengeiſtern Ihn
umgeben wie er mit weicher Hand Irrthümer ihnen
abſtreift freundlich lächelnd mit thauigem Fittig ſie
umhüllt. — Ach wenn auch in Träumen nur —
dein Herz ihm vermält aufflög über irdiſchen Ge⸗
wittern, — bis zum Rande gefüllt den Feuer⸗
kelch unſterblicher Thaten würdeſt du trinken.
Schlakender König: Meine Sinne ſind geſchärft
von der Nachtluft — ich höre alles im Schall
der Wolken — ich ſehe Geſtalten durch die Nebel
ziehen des reinſten Glanzes. — Anmuthig iſt der
Ort — Waldesgrün des goldnen Lorbeer durch⸗
dringt die Nebelberge — flatternde Vögel hör ich
fingen und Sternengeiſter wie blitzende Pfeile durch-
ſchießen die Luft. Bäche von Wein und Milch
gleiten dahin in ſchattigem Gewölk von Amber wo
ſie ſitzen und ruhen. Eilig kommen die Völker
heran und fie gleichfalls zur Stelle umarmen ein—
ander.
307
Daemon: Horch! — Es hallt gewaltige Sturm:
rede zwiſchen Wolkengipfeln. |
| Genius: „Unſterbliche Mächte wandeln rings
vergängliches Leben. Wilde Pflanzen, auf wilden
Grund ſind ſie geſäet. Mein iſt das Feld, ich
rette ſie mir und hätten ſie bis in den Tartarus
ſich hinabgelogen.“
Volksgeiſt: „Warum verhallt deine Stimme
dem Einen ſeit ihm das Volk mißfällt? —
Der wie am heißen Tag der friſche Quell — aus
Tiefen der Welt ſich ergoß den dürſtenden Men⸗
ſchen; der liebend dich geahnt und wie das Herz
ſich fühlte von einer heilig ſchönen Zeit.“
Schlafender König: Ha dies iſt auf mich ge⸗
deutet.
Daemon: Gedenkſt du der Zeit und ſehnſt dich
nicht nach ihr zurück?
Volksgeiſt: „Von eigner Flamme tagte es
ihm und ſein Herz hatte er der ernſten Erde
geweiht. Der Einklang mit dir o Genius hei⸗
ligte ihn den Menſchen denen mitleidvoll er
ſeinen Segen ſpendete, und ſie hatten ihr Herz
an ihn gehangen — die jetzt hinweggeänſtigt,
ſprachlos und betäubt in ihr Elend zurück⸗
kehren.“
200
Schlakender König: Hörſt du? — iſt das nicht
falſch? — ie
Daemon: Frage deine Prieſter, fie werden fagen
es iſt falſch.
Vollsgeiſt: „Alle dieſe dem Volk graufamen
und dem Herrſcher unwahren Berather haben
die Noth immer wachſender Verwirrung zur
Tugend ihm gemacht; in ihrer Mitte ſieht er
nicht den Abgrund und nur denen mißtraut
er die deſſelben Verrathes Opfer find gewor—
den.“
Volk: „Und“ — ſagen ſie zu einander:
„Schade iſt es nicht um ihn ſo wir ihn opfern,
untergehen muß er ja doch.“
Polksgeift: „Furchtlos und offen reiften ſonſt
aus Liebe ſeine Beſchlüſſe den Völkern. Aber
ein Schutzbefohlnes Volk verderben iſt nicht
zu Gunſten dem eigenen Volk. — Es N N
götterei gegen ſich ſelbſt.“
Schlakender König: Wie freſſend Feuer freveln
dieſe Reden mir ins Herz.
Daemon: Ulnheilbar wenn nicht Volksliebe die
Flamme beſchwört. 5 |
Volk: „Kaum daß ein blinder Rabe an
309
der Verweſung die Atzung erkennt; fo kommt
der ſehende Rabe und ſtiehlt ſie ihm wieder.“
Schlakender König: Wen meint der mit den
Raben? 5
Daemon: Die Vertreter eurer Macht die alle
Mittel ergreifen und nicht den Zweck.
Polengeiſt: „Horcht Geiſter — und Ihr fräu:
mendes Volk unter dem Baum der eure Hütten
überdacht. Horcht dem wilden Jammer der
im Schwanengeſang widerhallt meines Volks.
Unüberwindlich ſtand der Väter Heldenkraft um:
ziſchelt vom Meduſenhaar über der Heimath zer⸗
fallenem Heerd; Wunden ſammelnd — allverſöh—
nende Euch die Ihr aufflammen ſaht und in
Blutbächen ſich ergießen die unbarmherzige
Rache. Italien, der Donau Strand, Fried⸗
land und die Ufer der Moskawa, durchſchauerte
an gemeinſamen Schickſalstagen das Flehen
ſterbender Krieger. Das Schutzverheißende Gal⸗
lien das von Kriegen nur lebt, fand nicht
rathſam in fernen Heereszügen das Blut ſeiner
Vertheidiger zu vergüten. Als wäre ſinnlos
der Pole und unſterblich begeiſterter Muth nur
polniſcher Wahnſinn, verſchmähte es den ge:
flügelten Krieg für ein Volk dem Erinnerung
herrlicher Tage Triumph mit bittern Thränen
310
miſchte. Kaum war uns vergönnt im Schatten
ſeines Paniers unſre Phalangen zu bilden. —
Fünf Jahre lang verherrlichten der immer
trauernden Polonia todverachtende Krieger für
Italiens Freiheit ſich in ihres Blutes erſchöpfen⸗
den Strömen. Wie der Wettrenner des rauchen⸗
den Rades nicht achtend, jagten ſeine Legionen
von Dalmatiens Grenzen zu des Vaterlands
Stadium zurück, zu ſeiner Wiedergeburt erſtem
Zeichen mit dem Feind ſich zu meſſen; da —
plötzlich wie Hagelwetter — zerſchlug der Friede
unſrer reichgeſäeten Opfer Hoffnungsblüthe. —
Uns ward zum Lohn die traurige Ehre un:
ter der Wendekreiſe ſengendem Strahl vor Elend
umzukommen; aus dem Ather ſtürzte der Be⸗
geiſtrung Stern. Am Abend nach des Tages
Hitze führte Sehnſucht nach dem nordiſchen
Himmel die verſchmachtenden Polen auf den
Weg ſich heimzubetteln. Kalt war die Nacht,
der Pfad voll Leichen Wolkenberittner Helden⸗
geiſter. Ulber Schlachtfeldern zogen wir hin wo
ungleich den Schaaren die dem geſunknen Koloß
Hohn ſprachen, Waffenbrüder in dichten Reihen
um ſeine Fahnen ſanken. Dresden, Leipzig, Mon⸗
tereau, die Hügel von Montemartre, Fontaine—
bleau, Elba — bis zum letzten Schwertſtreich
311
von Waterloo — und noch die Ufer der Loire
find Zeugen dem beharrenden Muth für Einen
der im tobenden Lauf für dieſe Opfer alle, das
Schickſal des Tantalus uns bereitet hatte. In
trauernder Stille durchſchifften wir heimwärts
die Luft. Dort, vom glänzenden Himmelsbogen
herab, ſahen wir die Knechte der Furien die
Zähne ans Herz ſetzen den Heimathverbannten
die mit Narben der Schmach bedeckt — aller
Hoffnung mit kalter Verzweiflung abwehrend —
Abſchied nahmen vom Vaterland das ſeinen
Retter zu Deutſchlands Genius würde erheben.
Und Trauervoll um Polens jugendkräftige Hel⸗
denſöhne, läßt die Geſchichte allmälig ſie in den
Orkus hinabſteigen.“
Völker: „Polen! Heerd des Märtyrthums
um die Sünden der Welt! Düſteres Gewölk,
Unglück im Schooß tragend, zieht haſtig über
dir hin.“
Pole: „Ha! Germaniſiren ſtatt Widerher—
ſtellung unſrer Provinzen — höhnender Verrath
an eines Volkes lang vertröſteter Hoffnung die
aus einer Saat von Unglücksthränen ſchüchtern
empor wuchs! mag die Heimath zur Blutge⸗
tränkten Wüſte werden von Feuer und Schwert
verzehrt — mit jedem Augenblick der uns der
312
letzten Stunde näher rückt, verwächſt dies Va⸗
terland inniger mit uns. Wie Sterbende den
fliehenden Athem, hält die Seele an ihm feſt.“
Schlakender König: Harte Worte ae. die mir
den wunden Sinn reizen.
Daemon: Die Völker dir retten, dein ſie
fühlen — das würde Geniuskräfte in dir enfflam:
men und wie Rauchwolken in ſonniger Luft löſte
die Sorge in Begeiſtrung ſich dir auf.
Pole: „Geſchieden ſchon auf Erden vom
Leben, ſchlug die Verlaſſenheit den Sargdeckel
über uns zu und was wir fürchten das 1
alles ſchon geworden.“
| Ahnengeifter: „Als wärs dem Herzen Ge⸗
wohnheit in den gewiſſen Tod zu gehen, ſehen
wir Kampfgenoſſen voll göttlichen Sinnes Opfer
zu beſtehen, Abſchied nehmen von der ſchweigen—
den Erde die verklärter Helden Gebeine um—
ſchließt.“ |
Völker: „Nimmer vergeſſen wir eurer eher.
ſalstage o Heldengeiſter; reifende Ahren ſind ſie
dem Vaterland die Eure Schmerzen uns zu
koſten geben. Über blühenden Wipfeln, über
Fruchtfeldern, auf einſamen Wegen, im Glanz
der Sterne winkt Ihr * ſüß ſei der Tod
fürs Vaterland.“
313
Ahnengeifter: „Wie die Luftwelle den Ga:
men in feine Blüthe herauflockt fo treibt ge—
waltiges Sehnen uns Geiſter aus verſchüttetem
Kerker in die Freiheit euch heraufzulocken.“
Völker: „Auch wir flehen, wollet uns ganz
Verlaſſnen bleiben denen wie der Rebe von
gierigen Räubern die Stütze iſt niedergeriſſen.“
Schlakender König: Mache die Bruſt mir frei
von ihrer Noth; es entwürdigt den königlichen
Sinn daß er nicht helfe.
Daemon: Du biſt hier nicht König, du biſt
lauſchender Geiſt den Geheimniſſen der Nacht.
Neugierig biſt du und würdeſt nicht wollen daß
ich aus ihrer Sphäre dich wieder herableite.
Magyar: „Wie die ſtummen Waldkronen
zum Fällen bezeichnet hintereinander ſtürzen, ſoll⸗
ten wir ſchweigend uns fällen laſſen mit aller
ſiegeriſchen Kraft im Buſen, mit allen Rechten
an die Welt.“ |
Pole: „Wer wird uns nicht freifprechen
wenn wir uns wehren lebendig begraben zu
werden um Jahrtauſende noch fortzuleben?“
Sombarde: „Könige mähet der Tod wie
andre Halme des Feldes. Auch die guten Für⸗
ſten ſterben noch ehe ihre Gelübde den Völkern
gelöſt waren, aber Nationen ſind unſterblich in
314
den Verwandlungen geflügelter n unter
einander.“
Schlakender König: Geflügelte Freiheit! —
Schmetterling der Puppe entſchlüpft, ins Luftmeer
dir nach, ſchlägt mir das Herz aus dieſem Chaos
heraus wo alles gährt und fault noch ehe es
reift. — Und keine * und immer voll
Sehnen des Guten.
Daemon: Zum erſtenmal im ſchönen Eben:
maaß deiner epiſchen Heldennatur von Schickſals⸗
geiſtern herausgefordert — und alle Herzen wallen
über von ſeligen Ahnungen dein Geiſt werde durch—
brechen und zu ihrem milden Prieſter ſich weihen.
Genius: „Völker! — Heimathloſe! Euer
aller Gedeihen iſt Vereinbarung eurer Geſchicke.
Wie die wandelnden Waſſer in einen Strom
zuſammen rinnend Meerbreit hinausrauſchen. —
Furchtlos rage der Geiſt über die Woge hinaus
dem Schwimmer der Eure Rettung wagt — zu
Tempeln euch wieder lenkt und zu ſeligen Hai:
nen wo Jugendlüfte gemeinſam Euch tränken
und geläutert und verherrlicht euerm Element
euch wiedergiebt.“ |
Volksgeiſt: „Frei von Parteiwuth ſoll
nicht mehr den vulkaniſchen Ausbrüchen des
Haſſes und der Rache die reine Völkertreue er:
315
liegen — und deſſen gedenkt wie alle Feſſeln die
Ihr nicht wolltet dulden noch ärgeres Weh über
Euch brachten. Wenn ewig der Vergeltung
Streiche über einander herfallen dann muß eine
Unglücksſaat der Andern entwachſen.
Magyar: „Wollten wir Böſes mit mit Bö⸗
ſem vergelten wir würden mit Jammer auf
Jammer häufen nie enden.“
Ahnengeiſter: „Und dem Feind wohl thun
fo weh er Euch thue, das find die Opfer die
des Vaterlands Märtyrer von Euch fordern.“
Volksgeiſt: „Verſöhnung iſt Rache die Gott
verlangt — das iſt Adel der Volksbildung
und was jene als idealiſch verwerfen das iſt
mögliches dem Volk.“
Gallier: „Alle Volksſtämme bilden einen
Völkerwald der gemeinſamen Stürmen wider⸗
ſteht. Der Gott iſt mit uns der die Zeit der
Zerſtörung in die Zeiten der Wiedergeburt um⸗
wandelt.“ |
Germane: „Lange waren wir abgefperrt von
einander jeder Volksſtamm in ſeinem Käfig von
Verläumdung, umgittert und wir waren ein
Spiel der Tücke gegen einander. Tiefer Ernſt
iſt über uns gekommen voll gemeinſamer
316
Kühnheit des Unfterblichen die mit der Verzweif—⸗
lung Stachel zur Verbrüderung uns reizt.“
PVolksgeiſt: „Völkereinheit iſt ſich ſelber alles
und will allein was ſie ſich ſelber dankt. Sie
ift nicht ein gewährtes Recht, fie iſt die ange:
ſtammte Kraft ſich ſelbſt zu helfen, ſie mißt
mit üppigem Kraftgefühl die Schlachtfelder.
Ihr kühnes Aug', wie der Minerva Blick aus
alten Kriegern Jugendfeuer weckt, ruft aus
Jünglingen Beſonnenheit hervor die Staats⸗
ſyſteme wie Planeten um ihren Schwerpunkt
ordnet. — Aber die Fürſten, wie zerſplitterte
Bäume die kein Laub mehr krönt, können mäch⸗
tig oder ohnmächtig zu ſein nicht entſcheiden
ob ſie einer Fruchtbringenden oder Früchte und
Blüthe hinabſtürzenden Zeit ſich zuwenden.“
Germane: „Gut wieder machen was andre
verdarben, Opfer auf ſich nehmen die andre
nicht leiſten können, das iſt die ſouveraine Kraft
des Volkes frei fein zu können; denn nicht um:
ſonſt iſt harter Lebensweg dem Volk Beruf.
Denn Schwelger vermögen nichts und bedür—
fen Alles. Der Entſagende allein vermag aus—
zugleichen was auf der Zeit laſtet.“
Vollksgeiſt: „Denn Rechtsſinn geht nicht ber:
vor aus Religion noch aus Moral noch aus
317
polififchen Syſtemen; er iſt nicht ariſtokratiſch
noch demokratiſch noch auch despotiſch oder
monarchiſch. Über Menſchenrechte klar entſchei—
dent iſt ſouveraine Kraft im Volksgewiſſen.“
Pole: „Als plötzlich Begeiſterung Euch
entflammte für ein Volk, nach dem als ge:
fährlichſtem Freiheitshelden die Despotien fort⸗
während Speere ſchleudern; da widerhallte der
Ruf für ſeine Freiheit, den Heben des Volks⸗
gewiſſen.“ |
Pölker: „Aber den Herrſcher en
feine alles verkehrenden Imperative und haben
ihm hinweggeſchwäzt zu gelegner Stunde was
aus eigner Tiefe der Geiſt ihm eingab.“
Pole: „Und mit ſeinem Fluch ſchreckten
ſie die Liebe der Völker die ſich ihm kundgeben
wollte in ihren Thaten. Und die Begeiſtrung
ward Empörung und der auf den wir unſre
Hoffnung a war ein Unbarmherziger uns
geworden.“
Polksgeift: Boltsgewiffen im Hatschen ver⸗
letzt iſt Verletzung der Majeſtät.“
Genius: „Volksgewiſſen, wie Feuer von
feindlicher Atmſophäre niedergehalten reißt plöß:
lich in ſiegenden Flammen ſich los. Selig der
mit ſeinem Athem ſie anfacht — wie mit Windes⸗
318
wehen zu raſtloſem Kampf die Völker entzün⸗
dend die Sieg auf Sieg mit blühenden Kronen
ſein Haupt umlauben dem Völkerkönig. Dann
birgt des Grabes Staub nicht ſeines Ruhmes
herrlichen Glanz.“
Volk: „Und ein Gott in der Bruſt der ge⸗
rechten Sache Richter und Retter wird noch ein:
mal fragen ob er fühle was es heißt, eine
gute Ehe mit dem Volk führen.“
Sombarde: „Was iſt Volk? — die ganze
Mienſchheit iſt Volk; alles was nicht zu ihm
gehört muß ſelbſt ſich ausſcheiden.“
Magyar: „Der nicht im Volk ſich mit⸗
fühlt iſt nicht Edelmann. Nur im Volk ſteigen
die Geſchlechter in unbefleckter Linie zu des
Schöpfers erzeugenden Kraft hinan.“
Volk: „Aber nicht die Schmarotzerpflanzen,
gefallner Engel Fortpflanzung — ausgeſtoßen
von der Natur verjüngenden Kraft.“
Gallier: „Sie find 1 oder
Maſchinengötzen.“
Völker: „Wir wollen keinen Oftarehinengort
zum Schirmherrn, der Herrſcher fei des Volkes
Geſammtausdruck, der ſich in ihm offenbarende
Volkswille und die nach allen Seiten hin ſich
fühlende Volksnatur.“
319
Volksgeiſt: „König ift erg Volks⸗
geſetz, Volksgenie.“
Genius: „Alle Macht on Kraft und .
lichkeit der Völker im * der Volks⸗
ſonne iſt König.“
Schlakender König: Mir ſchwündelt.
Daemon: Doch nicht vor der Höhe von die
fie. dich ſtellen? — |
Germane: „Alſo Friede init unferm eignen
Gelbft im Herrſcher fo lange er der 2 will
ſein und nicht Maſchinengötze.“
Volk: „Denn der muß ja geſchehen boſſen
was ſeine Imperative angemeſſen finden.“
Magyar: „Die Philiſterrotte die kein Herz
hat für der Völker Befreiung hält ee den
Geiſt gebunden.“
Polksgeift: „Ein geiſtig gefürſteter it, der
den Volkscharakter in ſich trägt. — Frei ſoll er
handeln im Sinne des Volks. Keine Willkühr,
keine Gnadenlaune, kein Erdbeben aus Grillen
die der Wind zuſammen weht.“ ö
Magyar: „Semel jussit semper paret,
iſt Naturgeſetz dem Volkskönig.“ —
Volksgeiſt: „Wie die Sonne Daſeingeberin
ift, furchtbare Kriegerin, Bekämpferin der Ele:
mente, Nahrung allem was leben kann, ſo
320
die Majeſtät dem Volk geiſtig und leiblich Ur⸗
quell ſeiner Kräfte. Die eigne Schönheit will
es in ihr geſpiegelt ſehen, der eignen Zukunft
Blüthe in ihr empfinden und fühlt in erhabnen
Handlungen des Monarchen — die . Begei⸗
ſterung ſich Luft machen.“
| Volk: „Dem Herrſcher der den Volkscha⸗
rakter in ſich verklärt dem jubelt das Volk, denn
das Gute macht alle freudig und alle nehmen
Theil am Großen und beten ohne Unterlaß daß
es ihm gelinge und ſind voll Weh wenn ihm
Böſes widerfährt. —
Völker: „Ha könnten wir ihn loßreißen
von denen die mit ihrer Philiſterwuth das Herz
ihm entweihen und das Edlere in ihm zerquälen
mit ihrem ſeelenloſen Knechtsgefühl an dem ſie
noch gemeinen Todes ſterben werden.“
Schlalender König: Das bricht hervor wie
aus dem Fels der Quell der heut zum erſtenmal
mich tränkt.
Daemon: Die Quelle iſts am Scheraltar aus
dem die Pytbia ſchöpft.
Germane: „Aber der vermag alles den es
gelingt das Gemeine zu vertilgen und nimmer
nehmen die Furien Platz wo das Göttergleiche
waltet.“
321
Pole: „Auferſtehung von den Todten durch
Begeiſterung verbrüderter Völkerſtämme. — Da
regt ſich die Volksſeele im 1 Eine Völ⸗
kerblüthezeit.
Vollsgeiſt: „Alles ift zur r greihei aufblühende
Volksnatur, jedes Gelöbniß dem Himmel voll⸗
kommner zu werden iſt Freiheitsreligion dem
Volk und macht Herrſcher ſtark in allem
Geſchehen.“ | TR ;
Völker: „Aber Volksgewiſſen im Herrſcher
verletzt legt die Art an die Wurzel feinem Ber:
trauen. In Wehmuthſchauern fleht es zu ihm:
„Zärtlich warſt du geliebt der Haupt und Führer
uns war und du erwiederteſt unſre Liebe! Um
dich wollen wir zur Blutrache uns gürten, die
zu vernichten die uns von dir getrennt haben.“
Schlalender König: Sie reden als könnten
ſie in mich fehen.
Daemon: Sie legen die Hand dir aufs Herz.
Proletarier: „Das Volk ſehnt ſich nach
Großem und hoffte es zu finden in dir. In
der Auferſtehung des Rechts in deiner Bruſt, in
deiner gleichübenden Menſchlichkeit an Freund
und Feind ſollte die Volksfreiheit ſich begründen.
Deutſche Volkswürde, deutſche Freiheit und Treue
ſollten nicht mehr in leerem Schall aufgehen.
21
322
Auf unſern ſouverainen Platz der Völkereinheit
wollten wir uns ſchwingen, dann war es dir
möglich mit ſtarkem Arm und beruhigend die
Erde zu faſſen und uns zu führen wohin du
willſt wenn du gewährſt daß wir uns de in
fühlen. Uns dürſtet nach Ungewöhnlichem;
die Bande möchten wir zerreißen die ans Elend
uns feſſeln. Aus dem alten Geleis ſehnt ſich
der Geiſt. Was wir ererbt, was wir erwor—
ben kühn zu vergeſſen und die Augen aufheben
zu dir dem unſre edleren Kräfte — SHeldenbrü-
dern gleich — als des Glückes geſundheitsvollſten
Becher wir darbringen. Du ſollſt ihn leeren
auf deiner Völker Heil.“
Volk: „Dann reichen wir die Hände ein:
ander drauf daß unſre Thaten ſeinen Ruhm
hochtragen ſollen.“
Schlalender König: Und * würden ſie mir
fluchen der nicht die glücklichen Saturnustage ihnen
herauf kann beſchwören.
Daemon: Wollteſt du nur ſegnen ſo lange
du kannſt.
Proletarier: „So wollten wir reden zu ihm
und wie ein Schiff das Sturmwellen treiben,
alſo jach vor ihn tretend mit der Fauſt ſeine
Feinde beim Gürtel erwiſchen und aus den
323
Faugen reißen daß fie niederfallen vor ihm. Aber
leider Wehe! Obſchon wir die Stimme erhoben
über alle Verwirrung hinaus; er verſtand uns
nicht. Andre nahmen die Plätze ein wo Gehör
gab der uns der Liebſte war; dieſe nannten ſich
die Klugen und wir glaubten was ſie ſagten und
alle glaubten uud wir glaubten beinah auch. — —
Ach keine Täuſchung überraſcht erſchüttender, als
wenn Männer mit der Anwartſchaft auf einen
großen Namen, fo viel Thatkraft der Begeiftruug
fie. uns verhießen daß wir voll ehrfürchtiger
Verwundrung wie ſie dazu kamen und dazu
ſich ausbilden konnten, ſie anſtaunen — auf ein⸗
mal öffentlicher Prüfung unterworfen, wie Ne:
bel verſchwinden; wenn wir den kleinlichen Be⸗
weggründen nachgehen die ſie den Gelöbniſſen
großen und einfachen Geſchehens entfremden —
daß ſie keinen Charakter haben und nur froh ſind
eine Rolle, wenn auch die treuloſeſte zu ſpielen.“
Gallier: „Sie ahnen nicht den Glückwechſel
rächender Entwicklungen die ſie mit ihren Staats⸗
ſtreichen in die Küche des Teufels bringen.“
Germane: „Sie halten ſich für die Genien
der Welt, ſie ſind ſich das Thema ihres ganzen
Lebens und ſind nie unglücklich weil ihnen die
moraliſche Welt nie aufgeht.“
21 ®
-
Schlakender König: Soll dies — auch mich treffen?
Daemon: Nein, aber die Macht die ihren
Schatten auf dich wirft in dem das hoffnungs⸗
goldne Licht frohen Lebens dir erliſcht.
Proletarier: „Sie ſind nicht die großen Män⸗
ner die den Mißklang in Harmonie umzaubern
Ach wer wird zu des Volks Gunſten je die
Hand aufheben? — So unbewußt ſind wir
daß ſie unſern brauſenden Unwillen zu Gunſten
dem lenken was ihn erregt. Aber es ſind nicht
Rechte noch Vortheile die wir ſuchen, es iſt
die in alles eingreifende Gewiſſensſtimme des
Volks, die ruhige Beſonnenheit über eigne
Fähigkeiten von denen eben ſo viel abhängt wie
vom entgegengeſetztem Pol, in denen wir uns
zu entfalten und emporzuſchwingen begehren.
Davon iſt jenen Imperativen des Staats noch
keine Ahnung geworden und auch denen nicht
die von dem erhabnen Standpunkt des Nichts⸗
habens und Nichtsbedürfens uns herabzuſtoßen
ſich mühen.“
Volk: „Sie fragen nicht wie nah der Menſch
dem Menſchen ſtehe, ſie fragen, wie weit man
könne den Boden unter den Füßen ihm ab⸗
graben, wie weit die eigne Schuld auf die
durch ſie erſchöpfte Menſchheit ſchieben.“
‚325
Proletarier: „Alles ift ungerecht was nicht
edel iſt. Alles verwirrt die Schickſalsfragen die
wie gereizte Ungeheuer vertilgen was nicht um:
ſterblich ſie bekämpft. Sie werfen ihren ſchauer⸗
vollen Drohungen die zum Raub hin, an denen
ihr Unſinn zum grauſamſten Vergehen ſich
ſteigert. Die Ungeheuer werden ungeſtümer —
die Furcht wirft noch größere Opfer zum Wür⸗
gen hin. Am Ende würgen ſie alles und Der
deſſen unſtäte zweideutige, ja willenloſe Unum⸗
ſchränktheiten mit Verwirrung die Welt über⸗
wuchern, ach die Nemeſis erwartet auch ihn.
Schlatender König: Wie klingt dir der armen
Volksſeele prophetiſche Stimme.
Daemon: Wie wenn das Herz der Erde zum
Ather ſich klagt daß der nicht in ſeinen Feuerarmen
ſie erwärme. a
Proletarier: „Wer vor dem Richterſtuhl des
Völkerglücks, die Macht und die Kraft und Herr:
lichkeit des Volks könnte offenbar machen, der
wäre nicht allein der größte Staatsheld, auch
Genius und Retter der Menſchheit würde er ſein.
Aber ſo lange der Verachtung allverdächtigender
Fluch Begleiter uns iſt, werden auch der Völker
Leidenſchaften nicht in ſittliche Fruchtbarkeit ſich
übertragen.“
326
Polksgeift: „Alle Völker haben ihr Ideal zu
dem ihre Begeiſtrung hinauf ringt. Der Macht⸗
haber der nicht in ihnen ſich verklärt iſt Macht⸗
räuber des Göttlichen am Volk. Revolutionen
ſind nicht Verbrechen, aber die Folgen davon.
Der aber in ſeines Volkes Flammengeiſt ſich
ſpiegelt, der hat abſolute Gewalt über es“
Lombarde: „Wenn ein Volk in die Reihen
der erſten Nationen zu treten die Kraft in ſich
fühlt — dann wird Er Hüter und Pfleger
ihm ſein.“
Pole: „Und die Nachkommen feiner Hel⸗
den wird er aus der Verbannung hervorrufen
und das blühende Leben wieder zurückführen
den Geſchlechtern die dem Tod verfallen waren.“
Magyar: „Und den Boden mit Großem
ihnen befruchten und die Tempel ihnen öffnen
von der Geiſtesſonne durchſtrahlt.“ —
Germane: „Und behutſam den Boden betre⸗
ten den ſeiner Macht die Völker vertrauen.
Milde und Weisheit wird im Feuer ſeiner Rede
ihnen aufleuchten und die Hand wird er bieten
dem tief aufſtrebenden Trieb der Menſchen, in
kühnen Gedanken und herrlichen Entſchlüſſen wird
er unſrer Seele begegnen die zärtlichgläubig ihm
gehorcht der wie ein Gott uns beherrſcht.“
327
Gallier: „Und wenn ein Volk in Verzweiflung
ringt mit dem Drachen der über die Grenzen
des Irrſterns hinaus die wilde Bruſt aufbäumt,
dann wird aus den Tiefen ſeines Weſens der
Zorn den Verderber überkommen?“
Proletarier: „Ach ſchöpft nicht mit lechzen⸗
den Eimern! Geblendet iſt jeglicher Blick den
Herrſchern über das Volk. Sie ſind im Stand
und ſagens einander wenn es die Rede giebt,
wie ſie uns fort aus der Heimath ſollen jagen
und der iſt allemal ihnen der Höchſte dem es
gelingt in ungleichem Kampf uns niederzuwerfen;
und die Wuth die plötzlich in Raſerei das Volk
überſtürzt wenn es nicht wie die Schlachtſchafe
vom täglichen Geſchrei feiner Verfolger ſich frei:
ben läßt; nennen ſie Herrſcherkraft, und an dieſen
Pranger ſchlagen ſie ihre Geſetze und an dieſem
Pfahl kreuzigen ſie die Völker die voll ſchnellem
feurigem Wachsthum zu der Sonne hinauflan—
gen. Und ſie dulden daß ein Fremder voll
Kälte und natürlicher Herzenshärte, ſpiele mit
ihrem Schickſal und fie die ſchon fo mancher
ſtolzer Irrthum demüthigte thun nicht ein gleiches
mit ihm der ſie beugt wies ihm gefällt. Und ſie
packen ihn nicht mit deinem Fluch o Begeiſtrung
— ſtrahlende Heilige deiner Märtyrer die
328
nichts ünedles dulden neben dir! O entzünde
die Völker entzünde die Fürſten für uns. Stürze
zuſammen was wider dich iſt; nehme uns auf
in deine verzehrende Herrlichkeit! — Tod und
Leben durchdringe mit ihr.“
Völker: „Wer ſich nicht müht um das
was durch ſein Ermatten unter muß gehen kann
nicht den Himmel ſtürmen. Wenn die Welt um
uns gährt und was irgend verderblich iſt aufregt
im Buſen der Menſchen; wenn der Aufruhr
wehklagt, um Mitternacht, auf Straßen der
Stadt und in weitem Feld, dann laßt uns den
hellen Morgen wieder heraufbeſchwören daß
milder werde der Streit der Welt und näher
der Völker Seele dem Herrſcher komme und
alle ihm zuſtrömen des Glückes Stufen zu
hauen in den harten Fels der Noth.“
Schlakender König: Mir ahnt — kein Freuden⸗
thau wird niederregnen auf die Opfer die meine
Zeit verlangt.
Daemon: Schönerer Sieg, den du nie ahnen
konnteſt zu erreichen, wird Zweige des Ruhms zu
deines Triumphes Krone an ſich reißen.
Pole: „Dann fühlt er erſt wie in Gefahr
der Muth ihm wächſt. Wie ein vollblühender
Baum beſchatten unſre Thaten ſein Haupt wenn
329
unter Schickſalsſchlägen, wie Eiſen unter dem
Hammer, ſeine Entwürfe ſich bilden. Die Welt
baut er um. Getragen vom Volksmuth ſchwingt
er plötzlich ſich auf und nimmt mit Schnelle
die Faſſung dem Drachen und reizt ihn bis er
zum Schlag das Haupt ihm reicht.“
Proletarier: „Schwinger des raſtloſen Don:
ners jagt er und wir ihm nach, über die ſchnellen
Söhne des Boreas hinweg zu Euch Ihr Gal⸗
lier die wir im ungleichen Kampf mit dem
Drachen ſehen fliehen, bis in den Schooß des
Triumphs zu kämpfen für euch.“
Germane: „Oft haben wir nach Krieg mit
euch uns geſehnt. Oft haben wir im Trunk eure
Helden gefordert, nimmer iſt der Gedanke an
euch Streitbare, uns aus der Seele gewichen.
Aber jetzt iſt Feuer und Seele in uns in den
Streit für euch zu ſtürzen.“
Lombarde: „Auf in die Schlacht! An den
Drachen laſſet uns Streit gehren. Sind die
Pfeile verſchoſſen dann ſchnell greifen wir nach
dem Schwert. Sind die Schwerter verſchroten
ſo faſſen wir die Keulen.“
Völker: „Und ſchwingen Maſſen groß wie
Berge. Sinnlos fällt er dann nieder und ſein
Mund wird ſchweigen.“ |
330
Pole: „Wir ſchreien ihn an daß er erſtarrt
als flöge das Herz aus ſeinem Leib.“
Germane: „Wie der Wind ſitzen wir auf
und eilen zum Herrſcher der voll leuchtender
Glorie uns anſtaunt, vor ihm ſagen wir aus,
wie einer Pechwolke gleich, der Drache die Welt
verdunkelt und der Pechdampf wie ein Zelt über
den Häuptern ſeiner Anhänger ſich ausbreitet,
und wie alle Edlen Zornes voll ſind über
ihn.“
Lombarde: „Und wie er mit dem Fuß von
ſich ſtößt die ihm liebkoſen mit Rath des Gu⸗
ten. Sein Heer ſchreit er an: Ziehet voran
ich bleibe dahinten verborgen. Was Euch vor:
kommt von Jung und Alt das tödtet keiner
finde Sicherheit vor meinem Grimm.“
Magyar: „Und alle Lande rüſtet er; kein
Namhafter bleibt in ſeinen Grenzen.“
Germane: „Von dem Fluchwürdigen kann
nichts Gutes kommen und Schande wärs auf
den zu bauen der nach der Krone die unreinen
Hände ausſtreckt; er hat keinen Gefährten irgend
des Guten.“
Magyar: „Und alle umſtehen wir den
Herrſcher und flehen daß er den Schuppen⸗
331
panzer berühre dem Drachen der ihm abfällt
im Angeſicht des ſtaunenden Heeres.“
Pole: „Und alle ſtehen wir unter Waffen
und werfen uns in die Haufen der Feinde und
greifen mit Nachdruck ſie an.“
Lombarde: „Und den Roſſen ſproßen Flügel
aus den Seiten und bringen uns nah dem
fliehenden Drachen.“ |
Germane: „Dem werden wir die Erde eng
machen Tag und Nacht.“
Combarde: „Wir gürten uns im Namen
des Allerhöchſten, alle Furcht ſchlagen wir aus
dem Herzen.“
Magyar: „Wie ein Löwe ſchrei ich ihn
an, einen Pfeil ſchieß ich in ſeinen Rachen. —
Vor ſtaunender Beſtürzung bleibt ihm die Zunge
aus dem Mund.“
Pole: „Noch einmal werf ich den Speer
auf ihn daß er ſich beugt und krümmt.“
Germane: „Ich treffe ihn in die Mitte des
Rachens daß ein Strom rauchenden Bluts her—
vorſtürzt. Er wühlt Sturmwogen auf die nur
Schaum gebären und dann verlaufen ſie ſich
wieder.“
Vollksgeiſt: „Und Gram bleibt denen in
der Seele die mit ihm in eine Schüſſel tauchten.
332
Von Herzweh find ihnen die Augen voll
Waſſer.“ r |
Germane: „Aber wir nehmen den Gram
von ihnen und ſprechen: Iſt Böſes euch im
Sinn dann werft es von euch wir wollen es
nicht ans Licht bringen. Alle Schuld haben die
Unſchuldigen unter Euch gelöſt.“
Völker: „Alle eilen wir dann voll muthi⸗
ger Freude zum Herrſcher und reden zu ihm
mit dem Herzen: „Auf den Thron der Welt halte
dich Gott. Der Völker Vertrauen umkleide dich,
Ruhm ſei dir die Erde, der Himmel ſei dein
Freund, das Haupt der Böſen ſei deine Beute.
— Hoch hebe den Helm in der Schlacht. Du
biſt rein von Böſem; Gold der Treue ſäen
wir in deinem Namen unter die Völker in allen
Landen und Klimen wird es echte Mitkämpfer
dir werben.“
Germane: „Dann ziehen Haufen an Hau—
fen die Heere an ihm vorüber und widerhallen
den Ruf der jauchzenden Völker: Viel haſt du
um uns geduldet. Alles geben wir hin denn
unſer Trachten haſt du zum Ziel geleitet; Erzeu—
ger biſt du der Völkereinheit geworden. Nun
nehme der Schwachen und Waiſen dich an; rufe
die Städte aus der Aſche wieder hervor und
333
die verwüſteten Felder laſſe wieder Frucht brin⸗
gen.“ |
Proletarier: „Dann ſpricht Einer zu ihm:
„Es ſtehen zwölf Cypreſſen im Kreis um die
Sonne; manche Zweige entſprießen jeder, nie
wird ihre Zahl geringer im Lande.“ Dann wird
er ſagen: „Zwölf Monde ſind im Jahr und
dreißig Zweige hält jede Cypreſſe.“ Und wir
erwiedern: „Siehe o König daß du nach der
Sonne dich richteſt. Die Cypreſſen heben ihr
Gezweig empor und Leben ſpendet ihnen die
Sonne. Laſſe auch du, wie die Cypreſſen des
Jahres die Sonne umwandeln, die Völker dich
umringen und jedem gewähre gleiches Maaß
deiner Wärme.“
Germane: „Dann ſagen wir: „Wie unſre
Geſchlechter aufkeimten das war im Sand der
Wüßſte und keinen grünen Anger fanden wir
und die wir erzeugten mußten verſchmachten.
Da waren unſre Herzen in Angſt. Wir ſpra⸗
chen, „gleichen Kummer haben wir alle ſo laſſet
auch ins Elend uns theilen.“ — So entſtand
das traurige Wort was Ihr bekämpft und ſo
vieles darunter verſteht was das Licht muß
ſcheuen. Wir aber erkennen nur des Volkes Ge⸗
wiſſen darin, deiner Güte Same ſtreue du hinein
334
und pflege im Kreiſe deines großen Jahres fei-
ner Cypreſſen; ihre Zweige nähre mit der Wärme
die du ihnen ſtrahlſt. — Den Geiſt den Gottes
Sonne wärmt, deſſen Same ſeine Winde um—
herſtreuen, deſſen Wachsthum die Zeiten nähren,
dem bereite fruchtbaren Acker. Des Vertrauens
Schutz und Grenze wirft du uns fein und wirſt
gemeine Sache mit uns machen.“
Schlakender König: Alles begreif ich aber Un-
mögliches deucht mir, gemeine Sachen mit dem
Volk machen. Horn
Daemon: Mit dem Deean der die Veſten der
Welt umfängt kannſt du nicht brechen. Er iſt
der Odem der dich belebt. In ſeiner Kühnheit
weit verſchlagnen Kreiſen wird dies Volk durch—
ſetzen was dir unmöglich ſcheint.
Volk: „Kein Edler ſcheut den Tod für ihn.
Ruft er zum Streit, aus dem Schlaf ſpringen
wir auf — Sturm in der Rechten Feuer in der
Linken vor uns her das Panner ſeines Reichs.
Welchem Herrſcher wir nahen dem ſagen wir:
„Steig herab vom Thron — und wir ſetzen die
Krone ihm auf.“
Sombarde: „Dann ſteht er im Kreiſe der
Völker und die nehmen das Wort: „Ehe dieſer
uns war gekommen, waren wir Sclaven und
335
keinen Verſtand hatten wir, unſre Gedanken irrten
unter Trümmern früherer Größe. Die Wahr—
heit wurde ſchnöde abgewieſen mit e das
uns beſtürzt machte.“
Pole: „Und den Ort hieß man uns ver—
laſſen da wir geboren waren daß wir vergeſſen
ſollten welches Landes und welcher Herkunft wir
ſeien und vergehen ſollten wir wie Nebel von
der Wüſte verzehrt.“
Magyar: „Des Lebens Farben waren uns
erblaßt. In der Nacht blühte der Wehmuth
Blume zu unſerm Geſtirn hinauf, unſre Klagen
trugen Träume zu Ihm. Da erwachte Dieſer und
rief uns in den Krieg mit dem Drachen der ſich
bäumte gegen ihn; und nun iſt er die Sonne
der verbannten Völker und helle wirds wo wir
ihn ſehen.“ ut
Germane: „Seine Weisheit erprobten die
Völker die gebunden waren und die Umherirren⸗
den. Aller Kräfte floſſen in einen Strom zu—
ſammen. Es iſt der Athem des Volks der in
ihm lebt.“ N
Völker: Wir ſind der Ocean der ſeine
Veſten umfängt; wir ſind, die des Reiches
Krone ihm bringen — der uns gerecht ward
in unſrer Noth denn unter ſo vielen Herrſchern
336
kommt keiner uns ins Gedächtniß als deſſen
Schwelle die Thräne des Dankes benetzt.“
Völker: „Gott iſt uns Zeuge der Hochher:
zige wird die Erde neu machen im Glanz und
und wer dem wehrt dem werden wir Schrecken
ins Herz jagen. Ihn betet der Völker Liebe
an der aus fernen Welttheilen uns wieder ſam—
melte und den Armen zu ſich rief weil er des
Schutzes bedarf; — der die Völker verbrüdert
— die Räuber und Tyrannen demüthigt. —
Großer Geſetzgeber! — Großer Bildner der
Völker — der klug zu geſelliger Ordnung ſie
führt und zum Streit führt er ſie nur r für die
gerechte Sache.“ a
Volker: „Gott iſts der des Thrones ihn
würdig machte und das Glück ihm gab.“
Völker: „Ja Gott und wir verbannten
verachteten Völker erheben ihn zum Herrſcher
über uns. Unſern Leib haben wir zum Panzer
ihm gemacht.“
Völker: „Wir alle bilden einen Ringpanzer
um ihn. Ein Volk kettet ſich ins andre zu
ſeinem Schutz.“
Pole: „Wir ergreifen die alten Chee und
tragen ſie weit über die Berge hinaus bis wo
die Wüſte der Geiſtloſen beginnt die trübſelig
337
uns anſtarren. Ein Säulengang von ernſten
Helden, Waffen ſchwingend in der ſtarken
Fauſt bildet die Grenze. Über ihr weht ſein
weiß Panier; im ſchwarzen Feld der bäumende
Drache mit dem Hieb im Nacken den u ihm
gab. 8
e „Und mit dem pen den ans
or die Kehle ihm jagte.“
Germane: „Und mit dem Speer im n Rachen
aus meiner Fauſt.“
Gallier: „Aus goldner Röhre ſriogg dann
der blutrothe Wein plätſchernd nieder zum
Trankopfer den durſtenden Helden.“
Ahnengeiſter: „Unglück verheißen wir dem
der es anders will wenden. Denn wenige der
göttlichen Menſchen find, die Völker heilig hal-
ten weil ſie ausgeſtoßen waren.“
Vollsgeiſt: „Und die ſich ber vergeſſen
um der Gerechtigkeit willen und aus Liebe zu
ihnen ſich hingeben.“
Magyar: „Wer erinnert ſich nicht ſeiner
Heiligen? — Wer ruft nicht mit Wolluſt ſich
zurück ihre Liebe zu den Völkern die zu un⸗
aufhörlichen Siegen uns führten.“
22
338
Pole: „Wäre Einer nicht geweſen; wir
wären Alle nicht mehr. An den Himmel reichte
ſein Verſtand ihre Rechte ſchützte er den Völ⸗
kern. Frei war der Staat und alle nahmen
Theil an der Freiheit.“
Germane: Als Retter zog er ein in die
deutſche Kaiſerſtadt die ihr Herrſcher verloren
mußte geben. Retter und Befreier jauchzte ihm
das Volk, und er pries mit Wonnethränen
dies ſeinen glorreichſten Tag.“ g
Völker: „Wie groß und ſchön, der Menſch⸗
heit dienen der Sonne gleich von lichtem Glanz
umfloſſen.“
Völker: „Wie herrlich, der vor Gott kann
ſagen: die Tage find mir vorübergegangen im:
merdar ſegnend die Völker die du mir haſt
gegeben.“
Volk: „Was hatteſt du verſchuldet ritter⸗
licher König — tapferer Johann, daß Bſtreichs
Hiſtrionen beim Volk dich ſo verhaßt mußten
darſtellen? — Sag an du großer Sieger bei
Chozym, Retter des hart bedrängten von ſeinem
Kaiſer verlaßnen Reichs für das feine Botſchaf⸗
ter und päpſtliche Legaten dir waren zu Füßen
gefallen? —
Sobieshi: „Ha! — Als die Fürſten wei⸗
339
nend mich umhalsten, die Generale mir Hand
und Füße küßten und Hurra dem Retter! —
das Volk aus heiſerer Kehle ſchrie; derweile
hielt der eiferſüchtige Kaiſer Rath über das Zere⸗
monial der Zuſammenkunft mit einem bloßen
Wahlkönig; deſſen Krieger zerlumpt aber un⸗
überwindlich, geſchworen hatten nur in der
Feinde Gewand einzuziehen in die Kaiſerſtadt.
Und als das Volk in ihre Retterarme ſich warf,
da fühlte es vom weiten Türkenärmel ſich um⸗
ſchlungen.“ ia
Volk: „In jedem Einzelnen vor Gott be:
ſtätigt, löſte jeder Zweifel ſich dir dem Wahl⸗
könig, an der Liebe deines Volks.“
Sobiesht: „Als ich dem Kaiſer gegenüber
ſtand, da ſtellte ich den Sohn ihm vor. Er
grüßte nicht — auch nicht die Senatoren und
Hetmannen und als ich für die Magyarvölker
ihm ans Herz redete, da hatte ichs gar verdor—
ben. Da ritt ich friſch wieder ins Lager zu
meinen Braven.“
Germane: „So haben Glaven die Germa-
nen, da alles verloren ſchien, gleich wie ein Bru—
der den andern mit ihrem Blut gerettet.“
Sobieski: „Retter iſt der Pole immer im
Gedräng feindlicher Waffen wo Vertrauen ihn
22°
340
ruft, und wenn ſie dann im Prachtgefolge durch
des Friedens glanzgeſchmückte Straßen und des
Triumphes ſtolze Bogen ziehn dann ſehn ſie
nicht das kleine Häuflein Freunde das ſo zuſam⸗
men ſchmolz in ſchwerem Sieg für ihn.
Pole: „Und kommt Zwieſpalt wieder, dann
führt in mameriſchem Rhythmus ein kaſtoriſches
Lied ſie wieder herbei und ihrer Hoffnung tief
geſunkne Flamme ſprüht auf im Glanz der pol⸗
niſchen Fahne.“ |
Schlafender König: Mir ift als wäre der
Blitz dort in den Lorbeerhain gefahren.
Daemon: Der Morgennebel iſts den die auf:
gehende Sonne durchblitzt.
Magyar: „So gelobte einſt der tapferen
Treue meines Volks die junge Königin: wenn
ich oder meine Nachkommen zu welcher Zeit es
ſei Eure Rechte überteten; ſo ſei Euch gewährt
Euch zu vertheidigen ohne als Rebellen geachtet
zu werden.“
Proletarier: „Völkertreue, ſpringt über Bord
der Gefahr. Aber die Staatskunſt die mit
derſelben Zunge Eide ſchwört und widerruft;
die mit ihren offnen Argusaugen nicht ſieht und
allein lauert mit denen die ſie geſchloſſen zu
haben vorgiebt, zerſchmetterte einer großen Köni⸗
341
gin Gelübde dem Volk, und ihre Nachkommen
legen Geſchlecht um Geſchlecht den Blutzoll nie—
der am Stamme des Weltenbaums der mit Schwer—
tern wie mit Dornen beſäet, Unglück als Blüthe
und Tod als Frucht den Völkern trägt.“
Sobieski: „Und bekannte dieſe Königin und
Kaiſerin nicht hiermit: es könne ihr und ihren
Nachkommen einfallen das Volk auf deſſen
Treue ſie ſich verließ, als Rebellen zu behandeln
wenn es ſeine Rechte zu behaupten ſich einfal—
len laſſe? — Ich könnte nicht ruhig ſtolz in
dieſen Atherſtraßen wandeln hätte ich ſo gethan.
Ich! — der Polenkönig aus ihrer Wahl her—
vorgegangen, der nie ſein Wort brach — keinem
mißtrante, ſelbſt nicht den frommen Vätern der
Geſellſchaft Jeſu die meine Beute zwar in
Empfang nahmen aber nicht dem Teufel, der
Ich ſei ſich verſchreiben wollten. Ich konnte um
ſeine Wahl dies Volk — um den Glanz der
polniſchen Fahne es nimmer betrügen. Wehe
dem Meineidigen an Ihr durch glorreiche Schlach⸗
ten vollmächtig unter allen Völkern.“
Pole: „Fluche ihm nicht, der ſelbſt ſich an—⸗
klagt bei der Nacht die ihn verbirgt, bei dem Tag
den er muß fliehen — bei Wind und Wolken denen
er fleht: Verrathet mich nicht! — In der Erde
342
hört ers dröhnen, kalt wehts ihn von oben an.
Aus des Vaterlandes Trümmern ragen ſeiner
Ahnen Waffen wo ſie glorreich untergingen.
Groß war vor der Welt ihr Ringen — größer
noch als Waffenthaten, ihre ſtolz verſchwiegnen
Opfer für ein großes Heldenvolk.“
Volk: „Ha dies greift ihm in die Glieder.
Flüchtig vor der Ruheſtätte, wo in rieſigen Ge⸗
ſtalten ſeiner Väter ernſte Schatten ſtill an ihm
vorüberziehn, kann er ſie nicht wieder grüßen.“
Ahnengeiſter: „Vom Wahnſinn hingeriſſen
— ach Armer! — helfen möchten dir die Gei-
ſter, aber anſehen können ſie dies nicht.“
Volk: „Weh! — Wohin auf Erden, Leiden:
der — jagt dich mit ihrem Stachel die Erinnerung,
wo nicht der Väter Blut iſt hingedrungen? Oder
wirſt du ins Meer dich ſtürzen wo du nimmer:
mehr geſehen biſt.“
Sobieski: „Auch die Meeres wogen hat fein
Purpur gefärbt, uns aber trägt die Geiſter⸗
ſchwinge Euch nach Ihr Geſchlechter, wo im
Glanzesfeuer laut brauſender Arſenale die fun—
kelnde Bombe die Luft durchpfeift — aufſpringt
vom Boden — voll leuchtender Kühnheit über
der Verbannung Erde hinweg in den hallenden
Ather Euch hebt. — Vorüber dem Sonnenfeld
343
auf dem von Sturmwolken getragen, mit ges
doppelter Stirn mit blitzendem Aug dem Feind
zugewendet der Adler thront.“ |
Schlalender König: Mit gedoppelter Stirn
und blitzendem Aug, dem aus der Kralle der
Reichsapfel entrollt! — Ich muß des Teufels
werden über die Viſionen.
Daemon: Erkennſt du ihn der auf dem Stumf⸗
ſchwanz aufrecht ſitzend jedem in die Naſe hackt
der ihn aufgreifen will? —
Volksgeift: „Seht dort — Einſam als wär
die Welt ihm entflohen, Einen ſchlummern. —
Eingerahmt in ſeines Traumes Spiegel, aus
tiefer Mitternacht hervor — der Freiheit ganz
zerfeztes Banner ihm entgegen ſchwanken — ihm
nach von Kriegesheeren eine Schaar — am Rhein,
am Tieber, an der Weichſel und der Donau
Fluthen widerhallt ihrer Trompeten Ruf. —
Wahnſinn deucht ihm der Traum — Wahnſinn,
daß des Vaterlandes Geiſt ihn anklage; Wahn⸗
ſinn auch daß Städte rauchen, das Volk ihm
ausweicht und von den Bergen wo keine Freu:
denfeuer mehr lodern, die Muſen fliehen. Traum
deutet er alles — Fiebertraum, daß vor der
Völker Genius, die Bruſt vom Weh geneſen
ihr König ſich beuge — Nationen voll ſtolzer
344
Freude ihn Vater, Schützer, Retter nennen; —
denn Unmögliches deucht dies ihm ja, ſo reich
und groß in eigner Welt ſich fühlen.“
Schlakender König: Wie die Pulſe mir fiebrifch
pochen! Ich ſehe alles — ich fühle alles — dort
das Banner ſchwanken — hinter ihm dunkle Nacht,
— hell malen ſich die zerrißnen Fetzen auf ihr —
ſie flattern an mich heran — muß ich ſie faſſen? —
Dort der blaſſe Geiſt der ſie trägt! — Daemon —
entfliehe mir nicht, — reich mir die Hand. — — —
Daemon: Hier bin ich mit dir! — alle Kräfte
der Erde und des Himmels wenden ſich zu dir!
Schlakender König: Und die Völkerſchaaren —
die ſich kreuzen — vorübereilend ſich ordnen — wie
eine Vögelſchaar zum Abzug bereit ins wärmere
Land.
Proletarier: „Heftige Stürme umbrauſen die
Völker daß keines den rechten Weg mehr fin:
det. — Hier ſchwingt Eines — dort das Andre
ſich hin und bezeichnet mit Blut den Pfad. In
dieſer Wüſte kann es nicht bleiben und wenn es
Moſchus aus den Wolken regnete. — Auf denn!
nur die Feigen ergreift die Gefahr. Wer wollte
nicht die Wonne kühner That auf die Nach—
kommen vererben. Fort zum Ocean wo Stürme
mit brauſender Hymne die Seele beſchwingen.“
345:
Völker: „Unter der Atherwüſte fehiffen wir
hin, auf gluthſchäumender Woge, zum Strand der
mit der Palme uns winkt. — Wo auf göttlich
gegründete Freiheit wir Städte erbauen.“
Magyar: „Vom Geſchick ein neues Ilium
iſt uns verheißen. Ulber Bergketten nieder —
durch Völker ſchlagen wir uns — kämpfende
Gewitter zerreiſſen wir auf pfadloſem Ocean bis
zum Strand wo eines weltgewaltigen Volkes
Same, wie des Orakels reiner Mund verſpricht,
fruchtbar wieder werde ſeinem Stamm. — Weint
nicht zurück nach Temeswar, nach Budas und
Komorneas Ruinen; noch Ihr nach den zerrißnen
Fetzen Eurer Lande von der Wistula und dem Tyras
und des Boriſthenes Fluthen umſpühlt die eure
Könige eure Heroengeſchlechter — tapfer, trotzig,
freimüthig, prächtig und der Studia gemüßigt,
heißbrauſend zwiſchen Walachen und Tartaren
zum Ocean hinab wogten. Schon ſteigen des
Zwielichts wechſelnde Gebilde herauf. Tief aus
dem ſchäumenden Meer ſeh ich Weltinſeln her—
vorragen; die goldgeſchleierte Lacheſis hebet am
Ufer zum Schwur die Hand: „Gaſtlich ſei dem
Fremdling der ein Vaterland ſucht dies helle
Land, wo durch Gewalt der ehernen Axt Pallas
hoch aus der Stirn des mächtigſten Gottes ent⸗
346
gegen uns ſpringt mit gewaltigem Schrei daß
Himmel und Erde erzittern.“ f
Geiſt der Nachkommen: „Uns im Herzen
ſpricht die Hoffnung, dein Morgen naht. Noch
ruht die Stunde ſchlummernd uns überm Haupt
auf beiden Seiten hinabgebreitet die ſchnellen
Schwingen. Eure hallende Rede ſtrömt Feuer
uns durch die Adern o Heldengeiſter. In den
tobenden Deean hinaus jagen wir, der über den
Tartarus ſich bäumt — fort unter der Himmels⸗
veſte die mit ſprühender Fackel uns leuchtet.“
Sombarde: „Dort vor allen andern Göttern
bauen wir glänzende Altäre am Strand der
ſpeertobenden Jungfrau.“
Magyar: „Opfer bringen wir ihr vom
Thau getränkt des Ruhms, die ihr den Buſen
mit Wonne durchglühn. Auf! — und wenn
die Woge an der Seite den Freund uns ver⸗
ſchlingt fo wollen wir nicht zagen.“
Sombarde: „Und nicht wenn auf verlornem
Eiland wir den Führer begraben.“
Pole: „Und nicht wenn Heimathlüfte im
Segel ſich blähen und wie Morgenſchatten im
Nebel wir untergehen, als Rebellen verflucht
ohne Rückkehr verbannt, unſre Thaten vom
Schickſal abgeerntet.
347
Schlakender König: Hört Geiſter! — Genius
komme herab zu mir! — |
Daemon: Du rufſt ihm? — und wenn er zu
unſterblichen Thaten die Fackel dir zündet, wirſt
du nicht zagen? —
Genius: „Leiſes Wehen, wie es den Licht—
ſtrahl kühlt, löſt die Gewande dem träumenden
König und eure Rede widerhallt in feinem Bu:
ſen. — Bald wird ſie mächtig — ein Strom der
Lüfte, ihn umwehen und wo er weilt ihn drän:
gen und begleiten wohin er flieht. So wählt denn
Einen unter Euch der ihm vortrage was die volle
Seele dem Volk, die zärtliche ihm hat verwildert.“
Volk: „Einmal noch laſſet der Begeiſtrung
Quell ihm aufbrauſen. Auf! laſſet uns eindrin⸗
gen, kein Sterblicher ſei zwiſchen uns und ihm.“
Völker: „Nicht durch die ſchwarze Traum⸗
pforte, von Wächtern beſetzt, die mit trüben
Gedankenpfeilen in dichten Schauern ihn um⸗
praſſeln, und als falle von denen zerſchmettert
ſein Herrſcherſitz.“
Jombarde: „Durch die Elfenbeinpforte laſſet
uns eingehen wo im Sternenglanz Roſenhecken
ihn umblühen und mild ſein Daemon den
Schlummernden anhaucht.“
Germane: „Voll edlem Hoffen laßt uns
348
ihn grüßen: „Heil dir du Wohlgearteter; du
biſt der Beſte der je uns ward geboren. Die
Roſen erblühen uns im Antlitz wenn wir dich
ſehen.“
Völker: „Wir fordern nur von dir, daß
wir dich ſehen, hören, und reden dürfen mit dir
was der Geiſt uns eingiebt!“
Proletarier: „Flehen wir von den Göttern
dies Eine nur daß er großmüthig uns vertraue
auf den Gipfel ihn zu tragen.“
Germane: „Und daß fie ihn hüten vor der
Senſe, von der das Göttergleiche durch das Ge—
meinſte wird niedergemäht.“
Volnksgeiſt: „Heller erglänzt dann im Brechen
der Völker Sterbeblick die neues Morgenroth
ihm erkämpften und feſtliche Triumphe feiern in
verjüngten Städten ihm die neuen Geſchlechter.“
Magyar: „Und heilige Kanäle die ſeine
Völker tränken und Wälder hoher Paläſte bauen
fie ihm.!“
Sombarde: „Und Herolde tragen in die
Ferne ſeinen Triumph — heilige Haine pflanzen
ſie dem Völkerſchützer. Als weiſe erkennt ihn
die Welt. Seligkeitsſchöpfer preiſen die Völker
ihn wie den hochwolkigen Zeus, der die kro—
niſchen Hügel bewohnt, dem am breitfließenden
349
Alpheus Tempel die Völker erbauten, daß er
der alten Liebe nimmer vergeſſe.“
Völker: „Hinab denn über die Wolkenberge,
die Heerpauke voran laßt durch die Lüfte ſchal⸗
len, und durch die Nebel gedämpfte Todtenklage
tönen den Helden deren Blut die Erde hat ge⸗
trunken.“
Germane: „Dem Himmelskreis entlang laſſet
vom Abend zum Morgen der endloſen Menge
Schaaren vor ſeinen Blicken ſich ausbreiten und
laſſet uns ſo zu ihm reden: f
„Einſt waren ſie dein und in ihren Herzen
erkannten ſie dich. Reitend auf Geiſterroſſen,
wie Geſchoſſe vom Bogen geſchnellt durchrennen
ſie jetzt Himmelsſtraßen und auf dein Feldge—
ſchrei kehrt keiner um.“
Schlalender König: Und auf mein Feldgeſchrei
kehrt keiner um. j
Daemon: Keiner kehrt um! — —
Ahnengeifter: „Jämmerlich war unſer Tod
— unſre Völker uns im Antlitz erſchla⸗
gen. — Von Euch verflucht, von Gott frei:
geſprochen, bieten wir die Hand dir, vom
Sclapenjoch dich zu befreien das dem Macht:
vollkommnen freies Handeln verwehrt; ſo wie
auch der den Völkern verſagt frei ſich zu fühlen.“
*
350
Proletarier: „Er wird fagen: Leider brauchen
wir nur irdiſche Kräfte und nicht die des
Himmels“
Geiſter: „Wir erwiedern: „Nimm von uns
an daß wir die ſtillen Ahnungen dir bringen
heiliger Mondnächte und Zauberkräfte der Sterne;
daß ſie dir leuchten wenn die Noth, die kecke
Werkmeiſterin des Aufruhrs, in ihre ſchauerlichen
Pläne dich verſtrickt. Wir helfen dir überwin⸗
den was das Unvermeidliche ſein wird, wenn
du nicht Schützer wirſt hoffnungsberaubten Völ—
kern denen der Frevel die edleren Kräfte zer⸗
malmt!“
Germane: „Dann laſſet uns weiter reden:
„Nichts kann in deiner Völker Mitte den freien
Flug dir hemmen; es drängt hinweg von dei—
ner Bahn was dir widerſteht der auch denen
ſich unterwirft die er beherrſcht. Im Volk fühle
du dich unſterblich; in ihm bewege dich ſelbſt.
Denn es iſt leichter mit der Liebe dem Geiſt der
Völker ſich einverleiben als mit der Gewalt
fein Unwiſſen beherrſchen.“
Schlafender König: Mir fließt das Herz vor
Wehmuth über — die Luſt iſt mir vergangen zu ſein
und das Tageslicht zu ſehen.
Daemon: Ein kräftiger Gegner iſt Volksliebe,
381
ſie verfolgt dich wohin du fliehſt und läßt nicht
nach bis du ihr vertrauſt.“ |
Sobieski: „Die Zeit hat Flügel aber kühne
That überholt die Stunden. In Feuer und Flam⸗
men ſo kühner Gewitter immer vollkommner in
ſich werden, alles vollkommner durch ſich machen,
das iſt die Schwungkraft die Berge kann ver⸗
ſetzen und eine höhere Natur im Volk hervor⸗
rufen, das Weſentliche in die Seele ihm zaubern,
ſchier unſichtbar alles verbannen was den Geiſt
ihm niederhält; das zeigt den Geiſt von hoher
Schöpferkraft, der ſcheut nicht den Tadel der
Menge wenn er der Sterne Wink lieber folgt
als ihrem verwirrten Geſchrei. Den Ruhm aber
achtet er nur als Hülfstruppe die zit höheren
Sphären die Wege ihm bahnt.“
Volksgeiſt: „Der Ruhm der nicht mit
jedem Reiz der Volkskraft ſich berührt, wird
leicht ſelbſt zur Bildſäule auf dem Markt
und ſo lange nicht ein Sokrates auf offner
Straße darf lehren was Macht der Freiheit
iſt, ſo lange ſind Fürſten nicht Schöpfer,
nur blos Nachahmer der Majeſtät. In immer⸗
wührendem Verzweifeln fühlen fie die Größe und
fühlen deutlich die Ohnmacht ſie zu erreichen.
Dies iſts was die Völker in unruhige Spannung
352
verſetzt, aber nicht die Aufklärung. Das Volk in
dem die innerliche Gährung jeden Augenblick zum
fürchterlichſten Ausbruch kann kommen iſt nicht
zu aufgeklärt aber zu erbittert.“
Proletarier: „Könnten ſie daſſelbe von der
Verbreitung des Lichtes erhoffen was ſie von ſeiner
Unterdrückung zu erhalten meinen, ſie würden eben
ſo hitzig mit ſeinen Strahlenblitzen auf uns los⸗
wettern. Aber wer den Volksgeiſt gefangen
hält der iſt ſein Gewaltherrſcher, nur der ihn
frei macht iſt der Machtvollkommne.“
Magyar: „Sokrates ſtand einſt im freien
Feld den ganzen Tag und die ganze Nacht in
Zweifeln verſunken, als aber die reine Feuerſphäre
über die öſtlichen Gipfel wehte, da betete er an.
— Du kannſt wohl eine Zeitlang von Zwei⸗
feln dich bewegt fühlen — doch wenn über
dem ſteilſten Gipfel das Licht thront, dann
iſt die Frage ob du Athem habeſt und aus
dauernden Muth auf halsbrechenden Wegen
wie jener Sokrates zu ihm dich aufzuſchwin⸗
gen. Und dann — überläuft dich der Schau⸗
der des Unſterblichen das die kurze Spanne
deiner Zeit glorreich in die Umwälzungen
der Geſchichte verwebt, frei wie die Sonne
die dem Sokrates leuchtete die ganze Welt zu
353
erkennen und Sie zu fein und wieder zu werden
was zum erhabnen, freien, viel umfaſſenden
Menſchen dich erhebt.“ .
Proletarier: „Ja ſpannet den Bogen ge⸗
waltig ins Herz ihm zu treffen Ihr Generale
und großen Kapitaine die ihr im purpurnen Tod
der Erkenntniß Licht habt empfangen und aus
den Wolken herab zu ſeinen Fahnen die zerſtreu⸗
ten Völker aus allen Welttheilen wieder herbei⸗
führt. Männer, kühn und fröhlich von Berg
zu Berg im Dampf der Schlachten jauchzend
Krone und Scepter Ihm bringen der in ſtarker
Hand die ſchwankende Wage zu Gunſten der
Völker läßt ſinken.“
Sombarde: „Viel haben wir geſeufzt daß
doch ein Großherziger uns komme; und wie
dem Knaben die Luſt ankommt mit dem Bol⸗
zen der Berge Herz zu durchbohren ſo ergreift
oft uns mitten im Weh ein begeiſtert Hoffen, die
wir bis auf die Hefen den Kelch leerten, daß
doch ein Sühnender uns komme der einen
Krieg des Lichts mit der Finſterniß führe und
überwinde mit der himmliſchen Freiheit die noch
über dem Schickſal waltet.“
Magyar: „Ein großer Hebel iſt nöthig,
ſtark muß der Arm ſein der ihn regiert, den wir
23
354
zum Retter der Völker berufen. Erfahrungen
e ihn aufklären, Triumphe ihn befeuern,
von allem Böſen rein, muß Gottes Glanz ihn
durchleuchten voll Thatenluſt und voll von
Liebe zu den Völkern.“
SGermane: „Du wirft o Herr und Gelieb—
ter deinem Volk — jenes Syſtem der Zerſtörung
freier Sprache und freier Äußerungen der Ge:
fühle aufgeben und aufrichtig aufgeben und
dein Ruhm wird glänzend genug ſein böſer Nach—
rede die Spitze zu bieten wenn du geretteten
Völkern ihr Vaterland wieder giebſt.“
DVolksgeiſt: „Dieſe Bedingniſſe eines gro—
ßen Volkes würdig, ſind es auch eines großen
Herrſchers. Sichre Stütze erhabenſter Unterneh—
mungen — rieſenhaft, gefahrvoll und ſchwer —
böſe Daemonen werden ſie beſtreiten. Zu Haus:
fen werden ſie kommen die Krone zu rauben
die der Völker Vertrauen dir warb.“
Germane: „Aber ſie werden ſcheitern an
deinem Volk das an großen Hoffnungen ſich
ſonnt, und ernſt ſtehen wir geſammelt und
die Begeiſtrung gefeſtet deinem Beginnen; daß
keiner klüger, vielverſuchter, gewandter, erhabner,
des Krieges kundiger und treuer deinem Wink
ihn vollziehe. Dein Blick trägt Weisheit in die
‚355
Herzen wie die Biene Honig in die Zellen
einträgt, daß wir menſchlich in allem Thun,
wie im Rath vorſichtig und tapfer in der
Schlacht ſelbſt der Feinde Stolz deinem Ruhm
beugen.“
Völker: „Da wird es gelten! — das größte
Loos iſt dir gefallen! — Das Verwüſtete ordnen,
die Völkerſtämme in die Muttererde wieder ein—
pflanzen und die Völker werden wiſſen warum
du gekommen warſt und daß du ein Gottge—
ſandter ſeiſt.“
Geiſter: „Und die Geiſter alle halten ihre
Bogen geſpannt, ihre Pfeile rauſchen im Köcher
und du biſt mitten unter ihnen. Die Rieſen⸗
bilder ihrer Thaten mit ihrer ſchreckenden
Herrlichkeit, groß in der Gefahr dein Herz an-
ſchwellend, über Menſchenbedenken wie der Berg—
ſtrom die Furth mit jähem ÜÜberſturz im Bo:
gen zum Meere nieder, frei in die Pforten der „
Weltgegenden einführt. — Und du wirſt der
erſtaunten Welt zeigen weſſen dein Genius als
Geſetzgeber und König der mit dem Bannfluch
belaſteten Völker — fähig ſei. — Spreche
ein Wort, thue einen Schritt und alle erhe—
ben ſich dir. Sage zu den zertrümmerten Na⸗
tionen „werdet wieder!“ und wie Gott das
23
356
Licht hieß aus der Finſterniß ſich losreißen und
ſeine Strahlen plötzlich ihn umringten daß er
ſichtbar ward allen Weſen; ſo werden ſie dich
umringen und ihre Begeiſtrung wird deine Ver—
klärung ſein, wie das Licht Gott verklärte ſeinen
Geſchöpfen.“ |
Völker: „Wie der Bergkuppe dort die
Thauwolke ſich neigt, werden die Geiſter Segen
herabträufeln deinem Willen und zum Gipfel
werden ſie ihn tragen den der ſchwanke Wurf—
ſpieß nicht erreicht — er rauſcht durch die zit⸗
ternde Luft zu deinen Füßen nieder.“
Schlakender König: Dies Saitenſpiel von Gei⸗
ſtertönen klingt mir ins Ohr als wolle es Sprache
und Seele mir geben. — Sage — rede mit mir
— keine Ruhe iſt in meiner Bruſt.
Daemon: Alles liegt vor dir — Himmel und
Meere und die Erde neigen ſich deinem Walten.
Aber ein Anderes willſt du und genügſt dir ſelbſt
in deiner Ehre nicht.
Genius: „Hat einer noch zu reden ehe die:
ſer Hoffnungstraum auf einen großen Völker⸗
herrſcher im Morgennebel zerrinnt.“ —
Ahnengeifter: „Vier Geiſtervölker umſchwär⸗
men deinen Ruhm — ein Strom der Hoffnung und
357
der Herrlichkeit. Große Schlachtenführer, die der
Erde Geſchicke durchgerungen haben unterbreiten dir
ihre Schwingen; ſie führen die Schutzflehenden
Völker dir zu und da die Menſchen im Ge⸗
dräng, immer nur vom Böſen das Gute tie:
der erwarten und nie anders als durch zwei⸗
deutige Mittel wieder es zu erwerben meinen,
ſo haben wir dieſe zerißnen Geſchicke alle in
Einem dir zuſammengetrieben der aller Völker
Verderben in ſich gefreſſen hat, vor dem die
Starken zittern wie die Heerde vor dem Wolf. —
Von der Seite kommt er, nach Beute ſieht er
nicht um; den Rüffel gerade vorgeſtreckt — ſtürzt
der Trunkene nach allem was ihm gelüſtet.
Seine Streitbaren jagt er auf wie Geier zum
Raub, aber aus ihrem Aufruhr hervorgegan—
gen wird er in ihm auch wieder untergehn. Wie
die Granate im Kugelregen ſauſend in den Bo—
den ſich einwühlt und alle hinzuſpringen ihren
Brand zu löſchen; ſo wird er in den Abgrund
einſchlagen und alle werden ihm aufs Haupt
wettern daß der Tag ihm erdunkelt. Viele
der Muthigen werden dann kommen, aber kei⸗
ner wie du der kühn genug war der Erſte zu
ſein. Vertraue deinem Heil daß es dir Sieg
gebe: die Thüre haben wir zu der Völker Ver⸗
frauen dir erſchloſſen; ſei wachſam daß ſie nicht
wieder zuſchlage. Auf deinen Wink werden vie-
ler Thaten Größe, hoch bis zum Himmel hinan
zur Wiedergeburt der Nationen aus dieſer Pforte
hervorſtrömen.“
Pole: „Schon kündet die umwölkte Mor:
genröthe drohende Gewitter für ihre Befreiung
dir an. — Es wäre möglich daß einmal noch
die ganze Welt von dem abhänge der an die
Spitze verdrängter Völker ſich ſtellt. — Und fo
ſchrecklich die Megäre in die tartariſche Trom—
pete ſtößt; und fo weit ihre Spürhunde umber:
wittern das Blut der Nationen zu lecken —
Schmettert der donnernde Wolkenſammler ſeine
Blitze herab! — ſo werden ſie ſich verkriechen
wie der Bär der auf den Tod ſich verwundet
fühlt — wie der angeſchoßne Eber feine Bor:
ſten ſträubt und die Hauer ſchleift und aller
Thiere Blut erſtarrt in ihren Herzen.“
Lombarde: „Läſſeſt du aber die Völker fin:
ken dann werden nicht gute Geiſter deinen Thron
umwallen. Denn nicht der Sclavenfeſſel bedin—
gende Macht bieten wir dir; wir zeigen deinen
Blicken Völker die einen Befreier verlangen,
der Zeugniß gebe für ihre Rechte. Denn
die Zeit iſt dir geworden ſie öffentlich an⸗
359
zuerkennen in Nationen die am Bettelſtab man:
kend langſam den Pfad der eee aus⸗
2 —— L n |
Magyar: „Nun höre was wir dir ſagen. Wir
alle haben dem gewiſſen Tod in die Augen ge—
ſehen. Nicht vor Schlachten noch vor Dolch—
ſtichen, noch vor Blutgerüſten haben wir Furcht.
Keine Gefahr hält uns auf, durch denſelben Eid
er gebunden bon demſelben Gedanken durchglüht,
A wird dein Wille den Völkern Entſcheidung ſein,
ng viele, Jahre und Monde haben wir getrauert
und vor den Mauern für unſre Rechte geſtrit⸗
a ten. Wir befehlen ſie in deine Hände und
1 dürfen dir unſre Mitwirkung verbürgen, . wenn
Du als. Dorian fie deiner Macht ‚voran:
ſchreiten läßt.“
Ahnengeiſter: „Wie unter dunklem Laub die
goldne Frucht, ſo reife dein Wille, nicht mehr
von Zweifeln bewegt, den Nationen. Wir
jr führen ſie zurück aus fremden Welttheilen zu
deinen Füßen, daß dein irdiſcher Tag himmliſch
ſich ihnen verkläre die vormals trauerten aber
nun hell und wach, reineren Feuers voll dir
jauchzen. Wenn deine Seele über die eigne
Zeit ſich ſchwingt und ungeſchriebenen Geſetzen
der Liebe deinem Geiſt Bleiben giebt im Volk
360
— zum Leben ein Herz ihm wieder giebt.
Wo wird dann ein ſterblich Auge der Völker
Ende je erſehen, noch deiner Macht die der Ge-
ſchichte räthſelhafteſte Aufgabe zu löſen berufen
war.“
Volksgeiſt: „Und es währt nicht lange ſo
kommen ſie und ſagen einander ſichs, daß der
ſtolze Adler — Jovis Liebling nennen wir ihn
doch — den ſie warnten und lange den Geiſt
ihm feſſelten und der lange ſich härmte in ihren
Banden — ſich losgeriſſen habe und ſeiner
Kraft Zeugniß gebe jetzt dem Gott — und
den Völkern und dem Teufel ſelbſt. — Und im
Buſen der Völker ruft eine Stimme: Unter⸗
werfe dich ihm.“
Genius: „Willſt du um ihre Urkraft deren
Erzeugniß du biſt die Völker betrügen? —
Willſt du nicht ihre fruchtbare Fülle von Got⸗
tes Gnaden dir eingeboren, herabſtrömen wieder
zu ihm und wollteſt lieber daß es ſeiner eignen
Erhebung ſich begebe in dir? und nenneſt auch
du dies glorreich regieren, bis an dein Ende ſo
wie du es überkommen, deinen Nachkommen es
überlaſſen? — Wie? — Iſt deine Seele nicht
von Unſterblichem entzündet? — und biſt du
361
nicht Eins mit deinem Volk — und frei
in ihm, in dem der Geiſt von Gottes Gna⸗
den frei und eigenmächtig ſich dir offenbart?
— Nein es iſt nicht deinem Volk gethan
was du gegen deine beſſre Überzeugung nach—
giebſt.“
„Glaubſt du das Netz und die tauſend Schlin—
gen die jeder hineinknüpft der das Regieren als
Handwerk nur treibt und nicht aus göttlichem
Beruf, werde nicht vom mächtigeren Freiheits⸗
inſtinkt zerriſſen werden, da ſie ja doch nicht
mehr dein freies Volk ſind und du nicht ihr
freier König mehr? — ſondern beide ſeid ihr
gezwungen in Bande falſcher Liſt! — und beide
ſeid ihr gezwungen dieſe Bande zu ſprengen
da ja doch nicht mehr dein Geiſt ihm zu⸗
ſtrömt und ſtatt Blüthenzweigen nur Feſſeln
der Schmach ihm wurden?“ —
Völker: „Gütig warſt du uns einſt und
gewährteſt was die Zeit verlangte und wir ver⸗
gaßen nie daß des Freundes freiwilliges Geſchenk
der ſchönſte Gewinn dem Liebenden ſei.“
Pole: „Deine Länder vor allen anderen
waren voll gerechter Städte und ſchimmerten
weit über anderer Herren Lande und Freuden⸗
ſänge ſchallten überall deinem Lob in der heili—
gen Luft mit ihren Sternen allen die als ein
Geiſt voll heller Gedanken dich umfing.“
| Magyar: „Und nimmer glaubten wir von
dir, was andre an Unheil über uns brachten.“
| Oermane: „Rächend eilten wir deinen ein-
den entgegen und warfen ſie nieder und hielten
dich heilig der die Schlüſſel der Volksberathung
N und der. Kriege ung bewahrte.“
Völker: „DO vergönnte uns der Rede
Flug, deiner Segnungen weite Bahn zu durch—
ſchweifen; betäuben würde dich dein hallender
Ruhm auf den die Volksliebe ſchon als Jüng⸗
ling dich hatte emporgetragen, jetzt iſt ihr die
Schwinge gelähmt und die Herzen voll Gluth
zittern vom Froſt des Unverſöhnlichen in dei—
nem Buſen.“
Völker: „Welcher Stern in Deiner Hand,
o Glücklicher, war die Liebe der Völker? — Him⸗
melsthau waren die Liebesworte von deinen
Lippen dem Volk.“ —
Proletarier: „Armuth war unſre Amme,
aus ihren Brüſten ſogen wir die Liebe zu
363
dir. Wir ſcheuten nicht die wilden Schickſals⸗
wogen, wir ſetzten hindurch um deinetwil⸗
len? — Von welchem Geiſt biſt du ent—
ſproſſen daß du uns die Fan ver⸗
achteſt? —
Volk: „Das Erdreich zu beherrſchen ſchienſt
du uns würdig und alles Böſe würdeſt du aus⸗
rotten, hofften wir; und wir bewillkommten mit
Jauchzen deine Zeit und gingen vor den Schöp—
fer und legten die Wange an die Erde nieder
mit dankbarer Seele.“
Germane: „Wir ſprachen von dir wie von
dem Baum der Früchte der Liebe und Weisheit
und Ruhm uns ſpenden werde.“
Lombarde: „In ſeinem Schatten wollten
wir Altäre bauen den höheren Sternen des
Himmels. Die ſollten dir vergelten für uns.“
Pole: Und hatten Hoffnung deiner Gerech—
tigkeit, daß ſie mächtig ſich ausbreite über
Schutzflehende. Aber daß wir Knechtſchaft dul⸗
den ſollten, jetzt wo die Hoffnung ſchwindet das
läßt uns nicht länger harren und lieber verlaſſen
wir die Heimathwiege die über Freude und
Schmerz uns beruhigte ſonſt. Die Trennungs⸗
364
ſtunde von dir, der geliebt war und irre ward
an dieſer Liebe, wählten wir um dies alles dir
zu ſagen.“ a
Germane: „Noch find wir dir nah! —
Indeß die Stunde flieht halten wir die Arme
dir entgegen und uns bethört der alte Traum
daß dein Segen uns geleite. Nimmer möchten
wir ſcheidend dich kränken; du haſt Leides genug
— unſre Klagen widerhalle die Luft freundlich zu
dir von uns, denn zu traurig iſts gedenken wir
der Tage deiner Liebe.“
Völker: „Fort! die Segel gelichtet der
Winde günſtigem Wink. Fliehen wir ehe der
Hoffnung Wahn uns irrt.“
Magyar: „Uns gebühret die Ehre, daß
wir die letzten Opferflammen zünden dem allein
Gaſtfreien uns, unter allen Herrſchern die in
ſcheuer Furcht vor einander zagten die Hand uns
zu bieten. Wir wanderten fort durch die Erbar:
mungsöde bis her zu Ihm und er ward Retter
unſern Helden die ſie verfolgten.“
Genius: „Horcht! — In dämmriger Luft
rühren die Glocken ſich zum Gebet. — Von
Gipfeln der Moſcheen verkündet Geläut den
kommenden Tag und der Freund unſrer Erde —
der Mond wandelt grüßend hinab. Es ruft
365
der Wächter die Stunde — und jetzt kommt
ein Wehen über die Haine — heiliger Odem
durchſtrömt die Luft. — Des Islam Geiſt betet
über die ſcheidenden Völker.“ 5
Geiſt des Islam: „Alla! — dein Erbarmen
ſtrömt den Einfältigen und allen unſchuldigen
Geſchöpfen. Die Seele der Ewigkeit biſt du,
die Seele der Welt iſt deine Stätte; ihre Frucht:
barkeit gebäret dir was du willſt daß es ſei.
Alles Geſchehen und das Werden aller Dinge
find Glieder ihres Leibes. Unſterblichkeit und
der Weisheit Blüthe find deiner Gottheit Glie⸗
der und ihrer aller Halt iſt Güte die du biſt
o Herr! Schutzſuchenden Völkern liehen wir
unſern Heerd und ihrer Verzweiflung wehrten
wir in deinem Namen. Alla ha Ackbar! Gelobt
ſeiſt du der tödtet und wieder auferweckt! —
Segne dieſe Völker, ſie ſind dein Ebenbild und
Muhamed der dein Knecht iſt hat uns geheißen
der Gaſtfreundſchaft Pforten ihnen öffnen. Be⸗
freie ſie von den Strafen des Gihanam, erhöhe
ihre Geburtſtätte wieder und gieb ihnen Genoſſen
die ihren Feinden ſie entreißen. Kräftige die
Zungen der Anweſenden und Abweſenden; ohne
dein reinigendes Feuer hat keiner der Lebendigen
noch Todten Gewalt der Vertheidigung und ſo wir
306
recht an ihnen thaten, laſſe ihre Zukunft glück⸗
lich ſein. Ihre Helden die im Kampf den Geiſt
dir geſpendet haben, laſſe wieder werden, daß ſie
Kriegszucht üben lehren den Völkern, Feindes
Land heilig haltend. — Nur das Schlachtfeld
ſei Wahlſtätte dem Kämpfer, nicht Mauern die
Wehrloſe ſchützen. Laſſe einen König werden
der die Straßen der Erkenntniß weit öffne und
ihre Seelen göttlich ernährt. Und wie der Azzil—
Bait — Schluß des Verſes — ſich eint
dem Gadril-Bait — Eingang des Verſes —
zum Einklang ſie ſtimme mit andern Völkern,
daß alle freudig ihm zu Füßen den Sieg errin—
gen über wilde Despoten die drohende Speere
gegen ihn kreuzen. Alla dein Odem iſt Weisheit,
du ſpendeſt ihn Königen und Völkern — Amen.
Volksgeiſt: „Die dich fühlen o Islam in
deiner Großmuth Glanz — bieten dienende
Hände dem Genius der große Thaten deinen
Geſchicken vermählt.“
Magyar: „Ilnnter allen Geſchlechtern ertönt
deinem Ruhm triumphirender Widerhall. So
lange die Welt wird ſtehen und nimmer ſol—
len die Schlüſſel deiner Pforte in Feindes Hände
gelangen.“
Volk: „Ha erhaſchen wir einen der Feigen
367
der dem Großmüthigen droht fo werden wir
das Haupt am Fels ihm zerſchmettern.“
Magyar: „Im Frühling ſchlage ohne Auf:
hören die Nachtigall in deinen Gärten und im
Tann hüpfe luſtig das Wild. Nie ermüde die
Erde Früchte dir zu ſpenden. Mit Duft die Lüfte
erfüllend neige die Roſe ſich deinem Schritt. Un⸗
zählig wie die Knospen des Fruchtbaums ſeien
deine Thaten vor Gott. Wir ſcheiden vom gaſt⸗
lichen Ufer bevor noch die dämmernde Nacht
flieht und wenn die Sonne dem Meere entſteigt
dann gießen wir Trankopfer in die Woge die
ſchäumend am halbmondförmigen Hornwerk un—
ſern Dank dir widerhallt. Wir aber ſpähend in
den regen Wäſſern nach anderm Welteiland —
die Hand am Ruder peitſchen heiß die Fluthen
wenn die Straßen in Schatten verſinken.“
Oreanos: „Ich ſporne die Roſſe mit wehen—
den Mähnen ich zerſtreue die Wolken. Ich führe
die Sonne aus Purpurgezelten Euch hervor
daß ſie Euch Begleiterin ſei bis zur Küſte wo
ich der Gabel mich bediene Bahn in den ſeichten
Sand Euern Schiffen zu machen und ſo fällt
ſchnell das Meer. Am offnen Himmel meinen
Roſſen die Zügel verhängt — Eurer gedenkend,
flieg ich dahin.“ |
368
Völker: „Nimm auf deine ſchnellen Schwin⸗
gen unſre Grüße eiliger Ocean und in unſerm
Auftrag rede zu ihm: „Heil vor allen, dem
mit ſtarkem Willen Gebornen! der mehr als
Prometheus den Menſchen gewährt. Heil dir
Islam der die Traurigen tröſtet die Verfolgten
in ſeinem Schoos birgt und dem entſcheidend
von der Lippe für uns das Wort tönt. Fromm
biſt du, und groß iſt der Geiſt deines Prophe-
ten. Trauriges und was Sterblichen ſchrecklich
iſt zerrinnt vor deinen Willen. Rede für unſre
Nachkommen daß unſre Hoffnung nicht ihnen
verwelken und die tilgenden Götter ſie nicht als
Opfer davon tragen.“
Germane: „Ja, rede! — voll heimlicher Sehn—
ſucht ſind wir noch heute nach Ihm dem wir
einſt zum Alleinherrſcher beriefen allen deutſchen
Gauen aber jetzt eilig ihn verlaſſen. Und wir
beten daß er nicht die Verweſung ſehe und nicht
Krankheit noch Schmerz.“
Völker: „Und daß die Geiſter feinen Thron
in den Himmel erheben und die Vögel von einem
Ende zum andern in Reihen geordnet mit freudi⸗
gem Schall ihn umſchweben.“
Proletarier: „Und das der Glanz Gottes
von ihm ſtrahle und Verſtand komme von ſei⸗
369
nem Geiſt den Völkern und daß fie nichts fehen
als Gutes von ihm und Speiſe und Schlaf und
Freude ſollen ſie haben von ihm und Kleidung
und Luft daß alle ihn preifen ewig und die Ge:
ſetze der Natur in unſer e ere laſſe einge⸗
ſchrieben werden von Ihm.“ |
Geiſt des Islam: „So rede ich denn ins
Geheim zu ſeiner Seele. Mit dem Schleier
umhülle ich mein Haupt denn ich ſcheue die
Thräne vor dem Edlen träufeln zu laſſen: Ich
rufe dir o König dem unter duftenden Roſen
im Strahl des heiligen Mondes der Daemon
Schlummerkörner aufs Haupt ſtreut. Ich rufe
dich mit dem Segen der das Himmliſche herab—
ruft auf dich — dein Gang ſei nicht der des
Elenden und die Dunkelheit der Nacht verhülle
keiner deiner Thaten. Wenn du eingeheſt durch
die Pforte des Schlafs ſo laſſe die Schlechten
ſich entfernen. Preiſe Gott und er wird Ber:
trauen in dich erwecken den Völkern. Und
wärſt du auch allein ihnen geblieben, ſie finden
Hülfe bei dir. Glück folge deinen Fußtapfen und
laſſe im Winter es grünen und blühen vor dir.
Segne dein Volk wenn es vor Gott betet, daß
es dich preiſe mit Lob vor ihm. Sei im:
merdar werth daß die Liebe deiner gedenke wie
24
370
des edelmüthigen Kaab ben Mame, der reiſte
mit einem Trupp worunter einer vom Stamme
Nemir ſich befand. Im heißen Monat verlo—
ren ſie den Weg und mußten das Waſſer nach
dem Kieſel vertheilen. Als das Waffer auszu:
gehen begann, goſſen ſie nur ſo viel ins Gefäß
daß es den Kieſel bedeckte; ſo bekam jeder das
gleiche Maaß. — Als das Waſſer an Kaab
kam, ſah der Mann von Nemir mit geſchärften
Blicken auf ihn. Da dachte er ihm ſeinen Trunk
zu und ſprach zum Tränkenden: tränke deinen
Bruder den von Nemir. So trank der den An⸗
theil Kaab's. Als ſie am andern Tag wieder
Raſt hielten und den Reſt des Waſſers nach
dem Kieſel theilten, blickte der von Nemir wie
geſtern und Kaab ſprach auch wie geſtern. —
Und fie waren ſchon in die Nähe eines Waſſers
gekommen und ſprachen zu ihm: Steige ein Kaab
denn du biſt heute Einſteiger; — doch er war
zu ſchwach. Da ſie nun ſein Leben aufgeben
mußten deckten ſie ein Tuch über ihn und ließen ihn
an jenem Ort — da verſchied er. Das Geſchick
wollte ihn ereilen und konnte nicht anders als
mit der verlechzenden Glut zu den Menſchen.“
„Wenn zum Gericht Gott im Schirm der
Wolken erſcheint und die Völker umſtehen ihn
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der die Kreatur richtet und die Odemzüge der
Welt hat gezählt und dem kein Grab das An—
vertraute verſagt; ſo hofft auf Erbarmen der
aus Liebe alles hat gethan und Gottes Gnade
iſt ſein Troſt da wo ſein Werk ihm Feind iſt.“
„Gewähre ſo lange es Zeit iſt. Es wird
eine Zeit kommen wo du gewähren möchteſt
aber keinen findeſt du der es annehme.“
„Wärſt du geſtern gekommen heute
bedarf ich nicht.“
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2)
„Wo bleibt der Primas?“ —
Primas: „Hier — im geiſtlichen Ornate
beſeſſen vom Daemon den ich als heidniſch ver—
dammen muß, und hingeriſſen von feiner Weis—
heit die ich als ketzeriſch dem ewigen un
preißgebe!
„Ja ewiges Feuer lodert im Buſen dem
der dieſer Weisheit frönt.“
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