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Full text of "Gesunde Jugend: Zeitschrift für Gesundheitspflege in Schule und Haus"

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GESUNDE JUGEND 

ZEITSCHRIFT FÜR GESUNDHEITSPFLEGE 
m SCHULE UND HAUS 



ORGAN DES ALLGEMEINEN DEUTSCHEN VEREINS 
FÜR SCHÜLGESUNDHEITSPFLEGE 



IM AUFTRAG DES VOBSTANDES ITND UNTER MITWIRKUNG VON 
D. FISKLE& r. A. SCHMIDT A. WINGXN 

0. PBOF. DB. XBD. SAjriTlTBBAT PBOTUIOR DB. »D. KÖBKILtCHaB BADBAT 

DIRBKTOB DBS KSIt. HTOI». IKtTITCTS Hl BOBB l> BOXB 

DBB UBITBBSITXt BOBB 

HEEAÜSGEGEBEN VON 

H. SELTER K. ROLLER 

DR. MKD., PRIVATDOZBNT FÜR HTaiENE GR08SHRRZ0GL. HESS. OBERLEHRER 

IN BON» IN DARMSTADT 



V. JAHRGANG 



LEIPZIG UND BERLIN 

DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEÜBNER 

1906 



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ALLE RKCHTE, EINSCHLölSSLICH DES ÜBERSETZüNGSRECHTS, VORBEHALTEN. 



Inhalt des Y. Jahrganges. 

Seite 

Nekrolog für Hofrat Dr. med. Paul Schubert. Von Griesbach . 49 
An unsere Mitglieder * 97 

Originalaufsätse. 

Die Überbürdung der Oberlehrer. Von Oberlehrer Karl Roller 1 

Des Lehrers hygienisches Wirken in der Aufnahmeklasse. Von 

Oberlehrer Karl Roller 3 

Einiges über die Stuttgarter Jahresversammlung. Von Privatdozent 

Dr. Seiter 51 

Die Schulbank. Von Konrad Stetter 55 104 

Bemerkungen zu der Erwiderung und Abwehr des. Herrn Abel in 
Heft 9 der Zeitschrift für Schulgesundheitspflege den Deutschen 
Verein für Schulgesundheitspflege betreffend. Von dem Vor- 
sitzenden 97 

Schulhygienische Mitteilungen vom internationalen Tuberkulose- 
kongreß in Paris vom 2. bis zum 7. Oktober 1905. Von 

Dr. med. Ernst Feltgen 149 

Schule und Armee. Von Oberstabsarzt Dr. Neumann . . . . 169 
Schülerwanderungen. Von Prof. R. Kissinger, Oberlehrer ... 177 
Wann soll das Schuljahr beginnen? Von Prof. Dr. J. Miller. . 245 
Schulhygienische Randbemerkungen zur Dresdner Schulausstellung 

1905. Von Hermann Graupner 254 

Mitteilungen aus dem Zentralyerein. 
Einladung zur 6. Jahresversammlung des Allgemeinen Deutschen Vereins 
für Scbulgesundheitspflege im Landesgewerbemuseum in Stuttgart am 

14. und 16. Juni 1905 6 

Leitsätze 8 

Neue Mitglieder 13 62 115 271 

Zusammensetzung des Vorstandes HS 

II, Internationaler Kongreß für Schulhygiene, London 6. bis 10. Aug. 1907 112 
Deutsches Hauptkomitee für den IL Internationalen Schulhygienekongreß 

in London 5. bis 10. August 1907 113 191198 

Schulhygrienische Bibliothek 114 

Vorläufige Tagesordnung der VII. Jahresversammlung des Allgemeinen 
DeutBchen Vereins für Schulgesundheitspflege am 6. und 7. Juni 1906 

in Dresden 188 

a* 



rV Inhalt des V. Jahrganges. 

Seite 
Landesorganisationäkomitees für den IL Internationalen Schulhvgieue- 

kongreß in London 1907: 

— Großherzogtum Hessen 193 

— Herzogtum Braunschweig 268 

— Provinz Brandenburg 269 

— Provinz Sachsen 269 

— Provinz Hessen-Nassau 269 

— Unterfranken (Bayern) 270 

— Großherzogtum Sachsen- Weimar 270 

Programm und Tagesordnung der VII. Jahresversammlung des Deutschen 

Vereins für Schulgesundheitspflege am 6. und 7. Juni 1906 in Dresden 263 

Leitsätze 266 

Schulhjgienische Ausstellung 271 

Aus den Zweigvereinen und den Sohwestervereinen des Auslandes. 
Einladung zum U. Congr^s fran^ais d*Hygi^ne scolaire et de Pddagogie 

physiologique durch die „Ligue des Mddecins et des familles pour 

l'Hygi^ne scolaire'* und Programm 14 

Gruß des Vorsitzenden des Deutschen Vereins für Schulgesimdheitspflege 

zu der Jahresversammlung der Ligue des M^decins et des familles . C3 
Gründung einer schulhygieni&chen Bibliothek des Berliner Vereins für 

Schulgesundheitspflege 115 

Aus Kongressen und Vereinen. 

Inwieweit bedarf die schulärztliche Einrichtung noch der Erweiterung? 
Aus einem Vortrag von Schularzt Dr. med. Schulte auf der General- 
versammlung des Niederrheinischen Vereins für öffentliche Gesund- 
heitspflege in München-Gladbach (24. Oktober 1904) 15 

Gesuch des Deutschen Vereins abstinenter Lehrerinnen an die Magistrate 
zur Bekämpfung des Alkoholgeuusses in den Schulen durch Verbreitung 
eines Alkoholmerkblattes 16 

IV. Jahresversammlung des V. E. 0., Vereins für Vereinfachung und Ver- 
besserung des Examens und des Unterrichts am 22. April 1905 im 
Hotel de witte Brug zwischen dem Haag und Scheveningen .... 64 

Die Frage der Hausaufgaben der Gymnasiasten. Aus einem Vortrag von 
Rektor May er -Eßlingen auf der 16. Landesversammlung des württem- 
berg^schen Gymnasiallehrervereins am 20. Mai 1905 in Stuttgart . . 69 

Die Schwerhörigkeit in der Schule. Aus Vorträgen von Professor Arthur 
Hartmann und Professor P a s s o w - Berlin auf der Versammlung der 
Deutschen Otologischen Gesellschaft am 9. und 11. Juni in Homburg 71 

VU. Deutscher Kongreß für Volks- und Jugendspiele in Frankfurt a/M., 

15. bis 17. September 1906 116 

Wieweit hat sich das humanistische Gymnasium gegenüber den neuer- 
lichen schulhygienischen Aufstellungen und Ansprüchen zu verhalten? 
Aus einem Vortrag von Physikus Dr. Pfeiffer auf der 14. General- 
versammlung des deutschen Gymnasial Vereins am 3. Oktober in Hamburg 121 

Von dem Bericht der Unterrichtskonmiission der Gesellschaft deutscher 
Naturforscher und Ärzte auf der 77. Versammlung deutscher Natur- 
forscher und Ärzte in Meran vom 24. bis 30. September 1906 . . . 124 



Inhalt des Y. Jahrganges. Y 

Seite 

Die Bedeutung öffentlicher Spiel- und Sportplätze. Aus Yorträgen von 
Sanitätsrat Dr. Schmidt und Oberbaurat Klette auf der 30. Jahres- 
versammlung des Deutschen Yereins für öffentliche Gesundheitspflege 
in Mannheim vom 13. bis 16. September 1905 125 

Yon der 77. Yersammlung deutscher Naturforscher und Ärzte in Meran 
vom 24. bis 30. September 1905. Aus den Yorti^gen: 

— Ergebnisse und Leistungen des Schularztsjstems. Yon Dr. med. Seit er VH 

— Über Art und Ziele derTätigkeit des Schulkinderarztes. YonDr.Göppert 195 

— Tuberkulose im schulpflichtigen Alter. Yon Dr. Röder 195 

— Über Schule und Haus. Yon Dr. Flachs 195 

— Alkohol und Schulkind. Yon Dr. Heck er 195 

Die Unterrichtszeit im Lichte der modernen Schulhygiene. Aus einem 

Yortrag von Bürgerschullehrer Herrn. Graupner im Yerein für Yolks- 
hygiene in Dresden 196 

Gesundheitspflege und Schulwesen. Aus einem Yortrag von Seminar- 
direktor Dr. Pabst im Bealschulmännerverein in Frankfurt .... 198 

Der Erlaß des Rheinischen Provinzialschulkollegiums über den Schul- 
anfang an den höheren Lehranstalten. Aus einem Referat von Pro- 
fessor Schnitze im Liberalen Bürgerverein in Bonn 199 

Über die Einrichtung von Schülerreisen, eine Aufgabe des Alpenvereins. 
Aus einem Yortrag von Oberlehrer Fritz Eckardt in der Sektion 
Dresden des Deutsch-Östreichischen Alpenvereins 200 

Die Aufgabe des höheren Lehrers — eine Kunst auf gelehrter Grundlage. 
Aus einem Yortrag von Direktor Dr. Keller auf dem deutschen Ober- 
lehrertag in Eisenach am 18. April 1906 271 

Tuberkulose und Jugendspiele. Aus einem Yortrag von Dr. Pauli im 

Posener Yerein für Schulgesundheitspflege am 14. März 1906. . . . 272 

Schule und Kurzsichtigkeit. Aus einem Yortrag von Hofrat Professor 
Dr. Schnabel in einer Yersammlung des Wiener medizinischen 
Doktorenkollegiums am 2. April 1906 273 

Leitsätze für die körperliche Ausbildung der Mittelschüler, aufgestellt von 

der Schulkommission des ärztlichen Yereins in München 274 

Amtliches. 

Einführung von Körperübungen an den städtischen Yolksmädchenschulen. 
Erlaß des preufi. Min. der geistlichen usw. Angelegenheiten vom 
20. März 1905 73 

Abhaltung von Fortbildungstumkursen bezw. Wanderkursen für Yolks- 
schullehrer und Lehrerinnen in der Leitung von Yolks- und Jugend- 
spielen. Erlaß des preuß. Min. der geistl. usw. Angelegenheiten vom 
10. Mai 1905 77 

Die Größe der Fenster in den Klassenräumen bei Schulneubauten. Erlaß 

des preuß. Min. der geistl. usw. Angelegenheiten vom 17. Mai 1905 . 80 

Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben. Erlaß des preuß. Min. der geist- 
lichen usw. Angelegenheiten vom 4. Februar 1904 81 

Führung von Listen der gewerblich beschäftigten Schulkinder. Rund ver- 
fugung des Regierungspräsidenten von Arnsberg vom 26. April 1906 81 

Anweisung über die Gesundheitspflege in den Schulen. Verfügung der 

königl. Regierung in Minden i/W 201 



VI Inhalt des V. Jahrganges. 

SchulärstlioheB. 

Tageegeschichtliche Nachrichten. ^ 

Ablehnung von Schulärzten in MeMenbnrg 19 

Schulärzte und Schnlärztin in Hannover 19 

Schulzahnklinik in Wiesbaden 19 

Schulärzte für die höheren Lehranstalten in Breslau 84 

Schulzahnklinik in Straßburg 84 

Anstellung eines Arztes als besoldeter Beigeordneter in Köln 85 

Schulzahnklinik in Mülhausen i. Eis 86 

Schularzt in Heilbronn 128 

Vermehrung der Schulärzte in Berlin 128 276 

Anstellung von Schulärzten in Elberfeld 128 

in Spandau 128 

in Köpenik 128 275 

in Ludwigshafen 202 

Anstellung des Assistenten des Stadtarztes als Schularzt in Dortmund 202 
Anstellung von 18 Schulärzten, einem Spezialaugcnarzt und einem Spezial- 

ohrenarzt in München 202 

Schulärzte in Budapest 203 

Anstellung eines Schulzahnarztes in Ulm 276 

Anstellung von Schulärzten in Hildesheim 275 

Dienstordnungen und Berichte. 

Dienstordnung für die Schulärzte der Königl. Haupt- und Residenzstadt 

Hannover 19 

Bericht über die Resultate der schulärztlichen Tätigkeit an den Bürger- 
schulen in Weimar, sowie die Erfolge des in Weimar an den Bürger- 
schulen eingeführten orthopädischen Turnunterrichts und des be- 
sonderen Sprechunterrichts an stotternde, stammelnde und lispelnde 
Kinder för das Schuljahr 1903/1904. Von Oberbürgermeister Pabst 23 

Aus dem Jahresbericht über die schulärztliche Tätigkeit in den Mittel- 
schulen und Stadtschulen der Stadt Darmstadt im Schuljahr 1904/05. 
Von Sanitätsrat Dr. Buchhold 129 

Au8 dem Jahresbericht des Schularztes Dr. Langsdorf über seine Tätig- 
keit in der Hilfsschule in Darmstadt im Schuljahr 1904/05 130 

111. Jahresbericht der städtischen Schulzahnklinik in Straßburg i. Eis. 

1904/05. Von Professor Dr. Jessen 204 

Aus dem Bericht über die Tätigkeit der Berliner Schulärzte im Jahre 

1904/05. Von Prof. Arthur Hartmann 211 

Aus dem IV. Jahresbericht über den schulärztlichen Überwachungsdienst 
an den Volksschulen zu Breslau für das Schuljahr 1904,05 nebst Be- 
richt des Hilfsschularztes Privatdozent Dr . T h i e m i c h . Herausgegeben 
von Stadtarzt Dr. öbbeke 216 

Besprechungen. 

Berninger, Pädagogik und Hygiene (Roller) 36 

Laser, Zur Verhütung der Übertragung der Infektionskrankheiten durch 

Trinkbecher in den Schulen (Seiter) 37 



Inhalt des Vt Jahrganges. YII 

Seite 

Moses, Die Gliederung der Schuljugend nach ihrer Veranlagung und das 

Mannheimer System (Seiter) 87 

Schleich, Die Augen der Schüler und Schülerinnen der Tübinger Schulen 

(Seiter) 37 

Schmid-Monnard, Soziale Fürsorge für Kinder im schulpflichtigen 

Alter (Seiter) 38 

Suck, Fürsorge für die schulentlassene Jugend (Seiter) 39 

Speidel, Die Augen der Theologie Studierenden in Tübingen (Seiter) . 39 

Sakaki, Ermüdungsmessungen in vier japanischen Schulen (Seiter) . . 40 

Ingerslev, Skolelaegevaesenet i Danmark (Seiter) 41 

Schneider, Zur Schulbankfrage (Seiter) 42 

Mathien, P^dagogie physiologique (Boller) 86 

Wichmann, Über die Lage und Höchstzahl der täglichen Unterrichts- 
stunden an Mädchenschulen (Roller) 86 

Heller, Oberbürdungspsychosen bei minderwertigen Kindern (Seiter). . 132 
Burmeister, Ober die Verwendung von staubbindenden Fußbodenölen 

in Schulen (Seiter) 132 

von Ziegler, Die Kurzsichtigkeit der Schüler höherer Lehranstalten, eine 

Gefahr für die Landesverteidigung, und ihre Bekämpfung (Seiter). . 133 

Schröer, Die Dispensationen vom Turnunterricht (Seiter) 133 

Domitrovich, Der Hygieniker und die Schulbank (Seiter) 134 

Burgerstein,!. Gesundheitsregeln für Schüler und Schülerinnen aller Lehr- 
anstalten. 2. Zur häuslichen Gesundheitspflege der Schuljugend (Roller) 135 
Hartmann, Die höhere Schule und die Gesundheitspflege (Roller) ... 136 

Maren se. Die geschlechtliche Aufklärung der Jugend (Seiter) 219 

Lischnewska, Die geschlechtliche Belehrung der Kinder (Seiter) ... 219 

Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele (Seiter) 220 

Hueppe, Unterricht und Erziehxmg vom sozialhygienischen Standpunkt 

(Seiter) 220 

Neuendorf f. Die Turnlehrer an den höheren Lehranstalten Preußens und 

der Geist des Tumlehramt« (Baiser) 22*2 

Heimann, Über einige neue Apparate zur Bestimmung der Helligkeit auf 

Arbeitsplätzen (Seiter) 279 

Maennel, Vom Hüfsschulwesen (Seiter) 276 

Günther, Zur Zahnpflege in der Schule (Seiter) 276 

Lange, Schule und Korsett (Seiter) 278 

Fischer, Zur Schulbankfrage (Seiter) 277 

Moses, Zur Hygiene der Schulbank in den Hilfsschulen für Schwach- 
befähigte (Seiter) 277 

Kleinere Mitteilungen. 

Die schulhygienische Ausstellung des Leipziger Lehrervereins 43 

Jugendspiele 43 

Die zahnärztliche Poliklinik für Volksschulkinder in Darmstadt .... 44 

Vierteljahrsschrift für körperliche Erziehung 45 

Sonderschulen für hervorragend Befähigte 87 

Der Abstinentenbund an deutschen Schulen „Germania" 87 

Reform des Abiturienten examens 88 

Gesundheitszustand des Jenaer Kindes 88 



Vm Inhalt des V. Jahrganges. 

Seite 

Erhebungen über den Alkoholgennß der Schulkinder 89 

Schulhygiene auf neuer Grundlage in Nizza 89 

Erlaß des österreichischen Ministeriums über Schulhygiene 90 

22 Yersammlung des Hannoverschen Provinzial-Lehrervereins 90 

Gemeinschaftlicher Unterricht von Knaben und Mädchen in höheren Schulen 91 

Jugendspiele 91 

Der Schularzt für höhere Lehranstalten, eine notwendige Ergänzung 

unserer Schulorganisation , 138 

Gewährung von warmem Frühstück für Schulkinder von Landgemeinden 139 

Anleitung der Jugend zum Schneeschuhlauf 140 

Eine Epidemie von Tremor hystericus 141 

Ausstellung für Schulhygiene in Hannover 141 

Orthopädischer Unterricht in den Schulen 142 

Untersuchung der Zähne der Schulkinder in Saarburg und Niederweiler 142 

Ferienwanderungen der Volksschüler 142 

Ansteckung von Krankheiten durch Schulbücher, 227 

Eingabe an den Rat der Stadt Leipzig wegen Einführung eines obligato- 
rischen Spielnachmittages 227 

Errichtung einer Waldschule in München-Gladbach 227 

Stiftung des Berliner Vereins für Schulgesundheitspflege 227 

Organisation für Kinderausflüge in Charlottenburg. . > 228 

Kurzsichtigkeit und Schule 228 

Schülerreisen 229 

Versammlung des internationalen Alkohoigegnerbundcs in Lüneburg . . 230 

Klagen über Überbürdung der Schüler 230 

Mahnungen an das Elternhaus seitens der Schule 231 

Waschgelegenheit in den Schulen 232 

Das Frauenmerkblatt der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der 

Geschlechtskrankheiten 232 

Reform der Abiturientenprüfung 236 

Messung der Sehleistung der hannoverschen Volksschüler 279 

Schulsanatorium im Ostseebad Kolberg 281 

Eingabe des Ausschusses zur Schaffung dauernder öffentlicher Spielplätze 

in Leipzig 281 

Ermittlungen des Gesundheitsausschusses in Braunschweig über den Alko- 
holgenuß der Kinder 282 

Unterbringung schwächlicher Kinder von Schöneberg in Ferienkolonien . 282 

Verabreichung von Mahlzeiten an die Schulkinder in London 282 

Kurs für Kinderfürsorge in Frankfurt a. M 283 

ZeitfloliTiftenraiidBohau 46 91 143 288 

Bibliographie 17 94 144 240 

Berichtigung 50 284 



MAY 25 192 

I. Originalanfsätze. 



Die Überbürdung der Oberlehrer. 

Von Karl Boller, Oberlehrer. 

In dem Anhang zu seiner kürzlich erschienenen Ausgabe Ton 
Maria Ton Manaceine: Die geistige Überbürdung in der 
modernen Kultur (Leipzig 1905, Verlag von Johann Ambrosius 
Barth [Natur- und Kulturphilosophische Bibliothek Bd. II]) be- 
spricht Dr. med. L. Wagner die Überbürdungsfrage des Ober- 
lehrerstandes. Den Ausführungen Ws. entnehmen wir hierüber 
folgendes: ,,In manchen Beziehungen entsprechen die Lebensyerhält- 
nisse der Oberlehrer denen der Beamten mit sitzender Lebensweise; 
sie weichen aber yielfach zuungunsten der Oberlehrer ab. Der 
Bureaubeamte kann im einzelnen nach jeweiliger Disposition arbeiten, 
z. B. etwas langsamer, wenn er weniger gut disponiert ist. Der 
Lehrer dagegen, der Tor der Klasse steht und yon ihr scharf kon- 
trolliert wird, muß immer tätig sein, da jedes Nachlassen Ton den 
Schülern sofort empfunden und zu ünaufinerksamkeit benutzt würde. 
Außerdem ist der Lehrer durch seinen Beruf vielen Gemütserregungen 
ausgesetzt. Hierdurch erfolgt ein großer Verbrauch an Energie. 
Besonders aufreibend wirkt die erforderliche stete Anspannung der 
Aufmerksamkeit nach zwei Richtungen, nämlich in bezug auf die 
Schüler und in bezug auf die Behandlung des Stoffes. Dazu kommt 
die Notwendigkeit, laut und yemehmlich zu sprechen, imd die auch 
bei guter Ventilation bald hochgradig verdorbene Luft des Schul- 
zimmers, wenn die Klassen stark besetzt sind. 

Eine Schulstunde zwei Arbeitsstunden gleichzusetzen, die auf 
dem Bureau in ruhiger Umgebung und in guter Luft, ohne Auf- 
regungen und ohne lautes Sprechen, verbracht werden, ist daher ge- 
wiß eine bescheidene Anrechnung dieser umstände. Da ein Ober- 
lehrer im Durchschnitt vier Stunden täglich zu erteilen hat, ergibt 
sich schon hiernach ein geistiger Arbeitstag von acht Stunden. Hier- 
zu kommen aber die oft sehr zahlreichen und durch ihre Eintönig- 

Gesunde Jugend. V. 1/2. 1 



S Karl Roller i 

keit höchst nervenaufreibenden Korrekturen von schriftlichen Arbeiten, 
ferner die Vorbereitung fiir den Unterricht, der bei der neuen Lehr- 
methode unumgänglich ist, dann amtliche Nebengeschäfte, sowie 
die wissenschaftliche Weiterbildung durch Lesen von Zeitschriften, 
Büchern usw. Rechnet man für dies alles im täglichen Durchschnitt 
nur vier Stunden, so kommt man auf eine geistige Arbeitszeit von 
zwölf Stunden. In Wirklichkeit sind aber viel längere Arbeitszeiten 
die Regel, meistens veranlaßt durch massenhafte Korrekturen. In 
manchen Fällen muß außerdem noch Privatunterricht gegeben werden. 
Die neue Lehrmethode, der fragende Unterricht, wirkt zudem viel 
aufreibender als ein einfacher Vortrag, denn unaufhörlich muß der 
Lehrer nach dem Gange des Unterrichtes passende Fragen zu bilden 
suchen, eine sehr anstrengende Arbeit, welche die vollste Konzen- 
tration erfordert. Die Pensen sind ferner fast durchweg so reich- 
lich bemessen, daß Unruhe und Hast in den Unterricht kommt, was 
bekanntlich für die Nerven ganz besonders nachteilig ist. Die An- 
strengung des Unterrichtes wächst gewaltig mit der Schülerzahl der 
IQasse. Sogar die freie Verfügung über den Sonntag wird hier und 
da den Oberlehrern beschränkt, indem sie bei dem Kirchgang der 
Schüler die Aufsicht zu führen haben. Bei Berücksichtigung aller 
angegebenen Momente ist eine Verpflichtung der Oberlehrer zu täg- 
lich drei Unterrichtsstunden eine vollauf genügende Belastung. 

Abgesehen von Nervosität, wie allgemein bekannt, leiden die 
Lehrer häufig an Erkrankungen des Kehlkopfes, der Luftröhre und 
der Lungen, offenbar infolge des vielen Sprechens, des Schulstaubes 
und der schlechten Schulluft. Tuberkulose ist bei Oberlehrern eine 
auffallend häufig vorkommende Todesursache. 

Der Beruf der Oberlehrer ist also nicht leicht und Entlastung 
dringend erforderlich, aber nicht nur nach der äußeren Seite der 
Stundenzahl, sondern auch in innerer Beziehung. Die deutsche Regle- 
mentiersucht hat auch die Bewegungsfreiheit des Lehrers im Unter- 
richt immer mehi- eingeschränkt. Und doch beruht der wahre Wert 
des Untenichtes ganz auf der Macht der Persönlichkeit. Im Zeit- 
alter der Technik liegt es nahe, von einem technischen Mittel, von 
der Methodik des Unterrichts sich viel zu versprechen. Aber diese 
Methode, der fragende Unterricht, ist nur ein äußerliches mecha- 
nisches Verfahren, die Schüler zur Aufmerksamkeit zu zwingen. Den 
Unterricht interessant zu machen und die Schüler zu nicht nur 
äußerlich erzwungener, sondern von innen kommender, freiwilliger 
und hingebender Anteilnahme zu bringen, das vermag der Lehrer 
nur, wenn er selbst mit innerer Anteilnahme und Begeisterung unter- 



Die Überbürdung de? Oberlebrer. Des Lehrers bygieniscbes Wirken etc. 3 

richtet. Die erste Bedingung für einen anregenden Unterricht ist 
nicht die Methode^ sondern Frische des Geistes. — Natürlich soll 
der Unterricht auch nicht unmethodisch sein^ und für die Ausbildung 
der Lehrer sind die Seminare eine sehr nützliche Einrichtung. — 
Wer überbürd^et ist, kann auf die Dauer aber geistige Frische sich 
nicht bewahren. Das wesentliche Mittel also, um einen anregenden 
Unterricht möglich zu machen, ist nicht das Herumsteigen auf Formal- 
stufen, sondern gründliche Entlastung der Oberlehrer. Dann erst 
kommt der Oberlehrer in die Lage, sich wissenschaftlich fortzubilden 
und dadurch sich zu erhalten und zu vermehren, was die wahre 
Grundlage seiner Tätigkeit bilden mag: Reichtum an Wissen und 
an Bildung. Bei der jetzigen Überlastung besteht Gefahr, daB der 
Lehrer sich in einen Unterrichtshandwerker und Einpauker ver- 
wandelt, der den Schülern kritiklos beibringt, was in diesem oder 
jenem Lehrbuch zufallig gedruckt steht. Was der Oberlehrerstand 
jetzt bedarf, ist also nicht in erster Linie mehr Methodik, sondern 
Entlastung durch Herabsetzung der viel zu hohen Pflichtstundenzahl 
und dadurch die Möglichkeit, sich geistige Frische zu bewahren und 
in beständiger Fühlung zu bleiben mit der Kultur unserer Zeit und 
mit den Quellen geistigen Lebens.'^ 



Des Lehrers hygienisches Wirken in der Anfnahmeklasse. 

Von Karl Roller, Oberlehrer. 

Über diesen für die Lehrerschaft und Schule so äußerst wich- 
tigen Gegenstand handelt Johannes Berninger in seiner bei 
Leopold Voß in Hamburg erschienenen Schrift „Pädagogik und 
Hygiene". Nach seiner Ansicht hat der Lehrer in seinem eigenen, 
sowie im Interesse des Schülers sich sobald als möglich darüber zu 
informieren, ob und woran die neuaufzunehmeuden Kleinen schon 
erkrankt waren, welche Fol^^en einer Krankheit etwa zurückgeblieben 
sind, ob vielleicht der eine oder andere fehlende Eiternteil der Tuber- 
kulose oder einer sonstigen vererbbaren Erkrankung erlegen ist usw. 
Kann der Aufnahmelehrer wegen der großen Zahl der Eintretenden 
nicht schon bei der Schüleranmeldung oder am ersten Schul tag die 
hierzu wünschenswerte Information erhalten, dann lasse er möglichst 
bald die Mütter zu dieabetreffenden Unterredungen noch einmal in 
die Schule bitten. Weil nun die mit den Eltern resp. mit den 



4 Karl Roller: 

Müttern zu führenden Unterredungen von großem Werte sein können^ 
ist im Interesse der Schule und des Elternhauses der Wunsch am 
Platze y es möchten bei den Anmeldui^en der Schulneulinge stets 
auch die Lehrer zugegen sein^ denen jene nunmehr zugewiesen wer- 
den^ die bloße Anwesenheit des Lokalschulinspektors ^ Hauptlehrers 
oder Rektors dürfte nach Meinung Bemingers nicht genügen. 

Wir können der Ansicht Bemingers ^ daß die Schule über den 
Gesundheitszustand der Schulneulinge informiert sein müsse^ in jeder 
Hinsicht nur beipflichten. Sollte indessen seine soeben ausgesprochene 
Forderung; betreffs Zuziehung der die Neulinge unterrichtenden Lehrer 
bei deren Aufiiahme zum Zwecke hygienischer Informationen^ nicht 
neben einem beträchtlichen Zeitaufwand mit gewissen Schwierigkeiten 
vermischt sein, die sich eventuell aus der Menge der aufzunehmen- 
den Schüler und der in den ersten Schultagen unvermeidlichen 
Häufung, von Ordinariatsgeschäften und außer dem eigentlichen Unter- 
richte liegenden anderen Verpflichtungen des Lehrers ergeben , und 
die vielleicht sogar ein gewissenhaftes Herantreten an das von Ber- 
ninger so wünschenswert Erachtete kaum möglich machen dürften? 
Wir halten es sogar für fraglich, daß die Mütter immer imstande 
sind und, wenn dies der Fall ist, tatsächlich immer willens sind, 
gesundheitliche Defekte ihrer Kinder oder ihrer Familie dem Lehrer 
mitzuteilen. Wir möchten uns lieber dem schon so oft gemachten 
Vorschlage namhafter Arzte und Pädagogen anschließen, daß man 
es für die Eltern obligatorisch mache, bei den Anmeldungen ein 
nach allen Richtungen hin ausführliches und nach einem bestimmten 
Formular anzufertigendes Gesundheitsattest der Schulneulinge 
vorzulegen. Dr. Friedrich Falk, der schon vor nahezu 40 Jahren 
für diesen Vorschlag eintritt, fügt in seiner Schrift: Die sanitäts- 
polizeiliche Überwachung höherer und niederer Schulen 
und ihre Aufgaben (Leipzig 1868, pag. 101) zu seinen diesbezüg- 
lichen Ausführungen noch folgendes hinzu: ,ßfan mag nicht diesem 
Verschilfe die Frage entgegenhalten: wer soll die Ärzte bezahlen, 
da diese doch nicht verpflichtet werden können, jene Zeugnisse ohne 
Entgelt anzufertigen? Ich sehe nicht ein, warum dies nicht für 
Unbemittelte zu der Verpflichtung der Armen- oder anderer Korpo- 
rationsärzte hinzutreten soll, bei den Wohlhabenden wird es ent- 
weder sich den Leistungen der Hausärzte anreihen, oder die Ange- 
hörigen werden das dazu notwendige Honorar als eine kleine Zulage 
zum ersten Schulgelde ansehen müssen.'^ — Da wo schulärztliche 
Einrichtungen bestehen, ist ja der Schularzt die berufenste Person, 
um mit Hilfe der bei den Untersuchungen beizuziehenden Eltern 



Des Lehrers hygienisches Wirken in der Aufnahmeklasse. 5 

einen solchen Gesundheitsschein auszustellen. Diese Scheine müßten 
selbstTerständlich der jederzeitigen Einsicht der beteiligten Lehrer 
zugänglich sein; und dann wäre es immer noch Zeit für die letzteren^ 
auf Grund dieser Zeugnisse mit den Eltern des einen oder anderen 
Schülers besondere Rücksprache zu nehmen. 

Doch fahren wir mit Beminger fort: ,^ der Aufnahmeklasse 
findet der Lehrer reichlich Gelegenheit^ sein hygienisches Wissen und 
auch sein Können zu verwerten. Schon die Art und Weise^ wie er 
seine Neulinge zum erstenmal empföngt, wie er den Übergang vom 
Elternhaus zur Schule^ vom freien Spielplatze auf die ihnen ganz 
bestimmt angewiesenen Sitzplätze in den Schulbänken ^ vom unge- 
zwungenen^ gemütTollen Spiel zur immer ernster werdenden Schul- 
arbeit zu gestalten weiß^ legt Zeugnis ab Ton seinem hygienischen 
Können oder Nichtkönnen. Leider wird es durch allerlei Anord- 
nungen und durch die immer noch wachsende Masse des zu be- 
handelnden Lehrstoffes nur zu oft dem Lehrer mehr*und mehr un- 
möglich gemacht^ sich dauernd bewußt zu bleiben^ welche große 
Anforderungen an Körper und Geist des seither meistens frei handeln- 
den Schulneulings der Schuleintritt stellt; und wie schwer, es den 
Kleinen oft werden mag; sich selbst und all ihr Tun und Treiben 
auf Stunden dem Willen und den Anordnungen einer Person unter- 
zuordnen; die ihnen bis dahin meist völlig fremd geblieben war. 
Wie auf allen Stufen^ so sollte insbesondere in der Aufiiahmeklasse 
es niemals übersehen werden^ daß nicht nur die Erledigung der Forde- 
rung; betreffend die Durchnahme des vorgeschriebenen; häufig über- 
reichen Lehr- und Lernstoffes; sondern auch die Schonung und Weiter- 
forderung des gesundheitlichen Befindens der Schüler eine recht 
wesentliche Aufgabe der Schule ist und bleiben muß/' Beminger 
warnt nachdrücklich vor einem allzuraschen Eingewöhnenwollen in 
die neuen Verhältnisse: ;;Der Schulneuling''; so sagt er, ,;Soll sich 
schon in den ersten Schultagen absolut an eine ihm bis dahin viel- 
leicht gänzlich fremd gebliebene Sprache und Ausdrucksweise ge- 
wöhnen; er soll sich über Gegenstände aussprechen; die ihm viel- 
leicht seither gänzlich gleichgültig waren. Vielleicht schon am ersten 
oder zweiten Schultag werden die A-B-C-Schützen schon mit Schreib- 
und Rechenübungen oder mit ihrem kindlichen Gemüte durchaus 
nicht entsprechenden Sprechübungen geplagt." Eine wichtige Auf- 
gabe des Lehrers ist eS; die kleinen Schüler durch liebevolles und 
vertrauliches Entgegenkommen von der Schulfurcht zu heilen, die 
dank unbesonneren Redensarten seitens der Eltern oder der älteren 
Geschwister schon wochenlang vor dem Eintritt in die Schule die 



6 Mitteilungen aus dem Zentralverein. 

IQeinen befangen hält. „Wenn der Schulhygieniker beobachtet," so 
sagt Berninger an einer anderen Stelle, „wie die Aufnahmeschüler 
schon in den ersten Schultagen eine volle Stunde, von der zweiten 
Schulwoche an schon bis zu zwei, und nach Ablauf von vier bis 
fünf Wochen gar schon bis zu drei Stunden hintereinander in den 
Schulbänken festgehalten werden, kann er die körperlich und geistig 
noch schwachen Kleinen und — auch deren Lehrer — nur bemit- 
leiden. Ist irgendwo, so ist ganz besonders beim Beginn der Schul- 
arbeit in den Aufnahmeklassen die alte Mahnung: >Eile mit Weüe^^ 
zu beherzigen. Jede körperliche und geistige Überanstrengung rächt 
sich hier mitunter recht bitter. Das scheinbar Versäumte ist bald 
nachgeholt, und weder den Kleinen noch deren Lehrer wird es etwas 
schaden, wenn in der ersten Zeit nur 7^ bis y^ Stunde den unter- 
richtlichen Unterweisungen dient, der verbleibende Rest der Schul- 
stunde aber dem Spiel und dem Ergehen auf dem Schulhofe ge- 
widmet wird.'' 

Der Klage vieler Lehrer gegenüber, daß namentlich in den 
ersten Schulwochen manche Kinder zum Unterricht zu spät kommen, 
mahnt .Berninger zur Nachsicht. Desgleichen wendet er sich gegen 
jegliche körperliche Züchtigung der Kleinen, außerdem verwirft er 
die Unsitte, dieselben mit aufgeschnallten Schulranzen zur Strafe 
längere Zeit stehen zu lassen. Was die Lehrkräfte anlangt, die den 
Anfangsunterricht zu erteilen haben, so dürfte es sich nach Berninger 
empfehlen, nur ältere erprobte Lehrer und Lehrerinnen heranzuziehen, 
nicht aber solche, die im Schuldienste noch Neulinge sind und sich 
noch wenig Erfahrungen und praktisches Lehrgeschick aneignen 
konnten. 



IL Mitteilungen aus dem Zentralverein, 
a) Einladung 

zur sechsten Jahresversammlung des Allgemeinen Deutschen Vereins 
für Schulgesundheitspflege im Landesgewerbemuseum in Stutt- 
gart am 14. und 15. Juni 1U05. 

Tagesordnung: 

Dienstag, den 13. Juni abends von 8 Uhr ab: Empfang im Stadt- 
garten (Terrasse und Terrassensaal). 
§0^ Die Mitgliedskarte muß am Eingang vorgezeigt werden. ^Ml 



Mitteilungen aus dem Zentralverein. ^ 

Mittwoch, den 14. Juni, morgens 9 Uhr präzis: EröflFnung der 
Versammlung im Landesgewerbemuseum (Vortragssaal). 
I. Offizielle Begrüßungsansprachen. 

II. Morgens 9% Uhr Vortrag: Anfang und Anordnung des fremd- 
sprachlichen Unterrichts. 

Pädagogischer Referent: Dr. phil. Victor, Professor an der 
Uniyersität Marburg. 

Medizinischer Referent: Dr. med. Jäger, Arzt in Schwäbisch- 
HaU. 
TU. Nachmittags: Ausflug oder Festlichkeit, näheres im Spezial- 
programm, welches am Morgen des Verhandluugstages aus- 
gegeben wird. 
Donnerstag, den 15. Juni 

I. Geschäftssitzung, Morgens 8 Uhr im Landesgewerbemuseum 
(Vortragssaal). 

a) Satzungen; b) Neuwahl des Vorstandes; c) Antrag der 
Ortsgruppe Stuttgart die Schulbankfrage betreffend; d) Un- 
vorhergesehenes. 
IL Vorträge, Morgens 9 Uhr. 

1. Über Schüleruntersuchungen. Arztliches Referat: Dr. med. 
Gastpar, Stadtarzt in Stuttgart. 

2. Der ungeteilte Unterricht (Kürzung der einzelnen Unterrichts- 
stunden und Verlegung des wissenschaftlichen Unterrichts 
auf den Vormittag). 

Pädagogische Referenten.: a) für höhere Schulen Oberreal- 
schuldirektor Dr. Hintzmann-Elberfeld; b) für Volks- 
schulen Lehrer J. Baß -Stuttgart. 

Medizinischer Referent: Dr. med. et phil. Willy Hell- 
pach, Nerveuarzt in Karlsruhe. 

III. Nachmittags von 4 Uhr ab: Besichtigungen unter sachver- 
ständiger Führung. 

IV. Abends 7 Uhr: Festessen auf der Silberburg; das trockene 
Couvert 3 Mk. 

Am Freitag, den 16. Juni werden bei genügender Beteiligung 
Ausflüge in die Umgebung von Stuttgart (Lichtenstein, Nebelhöhle, 
Olgahöhle) gemacht. Am Dienstag, den 13. Juni von morgens 
10 Uhr ab ist das Empfangsbureau im Wartesaal I. Klasse des Bahn- 
hofes geöfi&iet. Am Mittwoch, den 14. Juni von morgens 8 Uhr 
ab befindet sich das Empfangsbureau im Landesgewerbemuseum, 



8 Mitteilangen aus dem Zeniiralverein. 

Ecke ScUoB- and EanzleistraSe (Eingang: Kanzleistraße 19). Für 
die Führung der Damen auswärtiger Teilnehmer wird ein Damen- 
auBSchuß Sorge tragen. Behufs rechtzeitiger Vermitthing von Hotel- 
zimmern wende man sich an das Bureau der wissenschaftlichen ärzt- 
lichen Vereine in Stuttgart. 

Um zahlreiche Beteiligung an der Versammlung bitten: 

Der AuBBchuß des Der OrtsausBchuß. 

Allgemeinen Dentschen Vereins 
für Schulgesundheitspflege. 

Zusammensetzung des Ortsausschusses: 
Baudirektor Dr. von Bach. Gemeinderat Dr. Bauer. Ministerialrat 
Dr. Balz. Rektor Bonhöffer. Landtagsabgeordneter Gieß. Hof- 
rat Dr. Deahna. Hofrat Dr. Distler. Professor Dr. Eibern. 
Medizinalrat Dr. Engelhorn-Göppingen. Sanitätsrat Dr. Fauser. 
Fräulein Fetzer. Frau Bankier Frank. Stadtarzt Dr. Gastpar. 
Oberbürgermeister Gauß. Professor Dr. Hacker. Dr. med. Hauler. 
Rektor Hils. Professor Dr. Hoffmann. Ministerialrat Jehle. 
Rektor Dr. Kap ff. Professor Keßler. Landtagsabgeordneter Kloß. 
Professor Königshöfer. Medizinalrat Dr. Köstlin. Bürgeraus- 
schußobmann Lehrer Löchner. Professor Lüpke. Oberbaurat 
Mayer. Professor J. Miller. Schulrat Dr. Mosapp. Präsident 
von Mosthaf. Stadtdirektor Reg.-Rat Nickel. Geh. Hofrat Dr. 
von Pfeiffer. Gemeinderat Reif. Dr. Reihlen. Schulrat Dr. Salz- 
mann. Ober-Medizinalrat Dr. Scheurlen. Professor Dr. Schleich- 
Tübingen. Professor Dr. Schwend. Dr. Stähle. Gemeinderat 
Stockmayer. Privatier Ulrich. Geh. Hofrat Leo Vetter. Rektor 
Vogel. Dr. L. Weil. Sanitätsrat Dr. Wildermuth. Gemeinde- 
rat Würz. 



Leitsätze. 

A. Zu dem Vortrag: Anfang und Anordnung des fremdsprachlichen Unterrichts. 
1. Pädagogischer Referent: Dr. phil. Viötor, Professor. 

1. Es ist wünschenswert, daß dem fremdsprachlichen Unterricht eine län- 

' gere Beschäftigung mit der Muttersprache vorausgeht, wobei nicht auf den 

grammatischen Betrieb, sondern auf die Erweckung und Festigung des Sprach- 

I gefahls — in Verbindung hiermit auch auf die lautliche Schulung an der Hand 

\ der Mundart — das Hauptgewicht zu legen ist. 

( 2. Die gewonnene Zeit ist nur zum Teil auf den Unterricht im Deutschen, 

, zum anderen Teil auf Erholung, Spiel und freie BeUltigung, sowie auf die An- 

leitung zum Beobachten und auch zeichnerischen Darstellen des Beobachteten 
zu verwenden. 



Mitteilungen aus dem Zentralverein. 9 

3. Das Hinaufschieben des firemdsprachlichen Unterrichte darf' der über- 
haupt zu fordernden Verkürzung der täglichen Unterrichtszeit keinen Eintrag 
tun, also keine spätere Vermehrung der fremdsprachlichen Stunden herbei- 
führen. 

2. Medizinischer Referent: Dr. med. Jäger: 

Mit der Frage des Themas ist die Grundfrage xmseres gesamten heute 
bestehenden höheren Schulwesens angeschnitten. In dieser Beziehung ist in 
erster Linie zweierlei zu wünschen. 

1. Der Unterricht ist im ganzen und seinen Teilen zeitgemäßer zu ge- 
stalten. Die Schule muß die, vornehmlich mit dem alten klassischen Unter- 
richt beschrittenen Bahnen weltfremder Ideologie verlassen und sich mit ihren 
Zielen auf den Boden der Bedürfnisse des Lebens und der Forderungen der 
Zeit stellen. 

2. Der Unterricht ist im ganzen und seinen Teilen naturgemäßer zu 
gestalten. Er muß den Gesetzen der Biologie und Physiologie des jugendlichen 
Organismus, insonderheit des Gehirns angepaßt werden. Die Schule muß die, 
namentlich mit dem grammatikalisch - fremdsprachlichen Unterricht beschritte- 
nen Bahnen des einseitigen Intellektualismus und Formalismus verlassen und 
eine naturgemäße, auf der Grundlage der Sinne und ihrer Tätigkeit aufgebaute 
möglichst gleichmäßige und harmonische Ausbildung aller Geistes- und Körper- 
kräfte ins Auge fassen. Unter Berücksichtigung dieser Punkte ergibt sich für 
den Sprachunterricht im besonderen: 

1. Die Muttersprache ist in den Mittelpunkt dieses Unterrichts zu stellen: 

2. Die Frage nach dem Beginn des fremdsprachlichen Unterrichts ist in 
zwei zu zerlegen, da es zwei Wege der Erlernung gibt: 

a) den Weg, wie das Eind die Muttersprache erlernt. 

b) den Weg der Grammatik. 

Der erstere ist der natürliche, physiologisch -biologische Weg. Er ent- 
spricht dem erwerbenden, stoifsammelnden Denken der Jugend und der all- 
mählichen Entwicklung des Gehirns an der Hand der Sinne und der Anschauung. 
Diese Art kann einsetzen , so früh sie will. Der andere Weg, der der Gramma- 
tik, entspricht dem ordnenden Denken des Erwachsenen, dem fertig-entwickelten, 
für den verwickelten Prozeß abstrakt- philosophischer Denkoperaüonen aus- 
gereiften Gehirn. Für diese Art gilt deshalb: so spät als möglich. 

Der fremdsprachliche Unterricht ist jedenfalls auf der Unterstufe, soweit 
es irgend die Eigenart des Massenbetriebs der Schule ermöglicht, der ersten 
Art zuzuweisen. 

Hieraus ergibt sich für die Reihenfolge der Fremdsprachen: 

1. Zunächst lebende Sprachen, da sie allein der Forderung der natürlichen 
Erlernung genügen können. 

2. Ihre Folge müßte sein : erst Englisch, dann Französisch, weil der Gang 
vom Näherstehenden und damit Leichteren zum Femstehenden und Schwieri- 
geren der natürlichen Entwicklung der jugendlichen Kräfte mehr entspricht. 

3. Der ausschließlich grammatikalische Betrieb der toten Sprachen (Latein, 
Griechisch und Hebräisch) ist den höheren und höchsten Altersstufen zuzu- 



10 Mitteilungen aus dem Zentral verein. 

B. Zu dem Vortrag: Über Schüleruntersuchungen. 
Referent: Dr. med. Gastpar: 

1. Unser modernes Leben mit dem raschen Verbrauch der Kräfte^ wie er 
namentlich in unsem großen Städten nachweisbar ist, zwingt uns, unsere Sorge 
der heranwachsenden Jugend mehr als seither zuzuwenden. 

2. Es ist insbesondere notwendig, daß wir sowohl die körperlichen Ver- 
hältnisse unserer Jugend in der Stadt und auf dem Lande kennen lernen, als 
auch die hereditären, häuslichen und sozialen Verhältnisse, in denen sie auf- 
wächst, erfassen. Alle die normale Entwicklung hemmenden Einflüsse, mögen 
sie ausgehen, Ton welcher Seite sie wollen, sind dabei besonders zu berück- 
sichtigen. 

3. Alle die Untersuchungen wären sinnlos, wenn ihnen nicht der Gedanke 
der energischen Abhilfe der gefundenen Schäden zugrunde liegen wiirde, möge 
der Schwerpunkt im einzelnen Fall nun mehr auf allgemein hygienischem, rein 
ärztlichem oder pädagogischem Gebiet liegen. 

C. Zu dem Vortrag: Der ungeteilte Unterricht. 

1. Pädagogischer Referent für höhere Schulen: Dr. Hintzmann, Oberreal- 
schuldirektor: 

1. Die Unterrichtszeit, welche die preußischen Lehrpläne von 1901 für die 
mittleren und oberen Klassen fordern, ist zu groß. Die Zahl der UnterrichtR- 
stunden steigt unter Einschluß von 3 Tum-, 2 Chorgesang-, 1 Schreib-, 2 wahl- 
freien Zeichen- und 2 wahlfreien englischen oder hebräischen Stimden bis auf 
39 ; die Schüler müssen also durchschnittlich bis zu 6 y. Stunde täglich, d. h. an 
mehreren Tagen bis zu 7, ja an einzelnen Tagen sogar 8 Stunden in der Schule 
zubringen. 

2. Daraus folgt, daß die Schüler zum Anfertigen der häuslichen Schul- 
arbeiten weder die notwendige oder geeignete Zeit noch die erforderliche 
geistige Kraft und Frische haben. 

3. Den Schülern fehlt weiter erst recht die Zeit und darum auch die 
Möglichkeit, für ihre körperliche Ertüchtigung zu sorgen, ihrer Individualität 
entsprechenden wissenschaftlichen oder künstlerischen Neigungen nachzugehen 
oder größere selbständige Arbeiten anzufertigen. 

4. Die Erziehung zu selbständiger geistiger Tätigkeit ist aber die vor- 
nehmste Aufgabe der höheren Schulen. 

5. Um jene U beistände zu beseitigen und diese Aufgabe sicherer lösen 
zu können, erscheint es geboten, abgesehen vom Turnen, den gesamten in den 
Lehrplänen genannten Unterricht auf den Vormittag, als die für geistige Arbeit 
geeignetste Zeit, zu verlegen, die Nachmittage also tür Turnen und andere 
körperliche Übungen (Spielen, Schwimmen, Rudern) und für die häusliche Arbeit 
und selbstgewählte Beschäftigungen freizuhalten. 

6. Das ist nur möglich, wenn jede Unterrichtsstunde auf 46 Minuten be- 
schränkt wird. Es können dann an den 6 Wochentagen bis zu 36 Unterrichts- 
stunden vormittags erteilt werden, etwa nach folgendem Plan: 

1. Stunde 7—7" (45 Min.) 

1. Pause 7"— 7*^® (5 Min.) 

2. Stunde 7»«— 8" (46 Min.). 

2. Pause 8"— 8^* (15 Min.). 



Mitteilungen aus dem Zentral verein. H 

3. Stunde 8*»— 9»^^ (45 Min.). 

3. Pause e"'»— 9*« (6 Min.). 

4. Stunde g*«»— 10" (45 Min.). 

4. Pause 10"— 10*^ (20 Min.). 
6. Stunde lO^'^— 11»° (45 Min.). 

6. Pause 11»«— 11" (15 Min.). 
6. Stunde 11"— IS»« (45 Min.). 

7. Derartige Pläne sind jahrelang erprobt und haben sich nicht nur als 
durchführbar, sondern als anderen Plänen überlegen erwiesen. Die Schüler 
sind im Unterricht frischer und lebendiger, im Hause arbeitsfreudiger. 

8. Die Schulverwaltungen sind zu bitten, zunächst wenigstens Versuche 
mit derartigen Lehrplänen machen zu lassen. 

2. Pädagogischer Referent für Volksschulen: Lehrer J. Baß: 

1. Die für die ungeteilte Unterrichtszeit im allgemeinen geltend gemachten 
sanitären und sozialen Gründe treffen für die Schüler der Volksschule eben- 
falls^ teilweise sogar in verstärktem Maße zu. 

2. Wenn auch die t^berbürdung der Schüler durch die Anforderungen 
dos Lehrplans und die Zahl der Unterrichtsstunden hier nicht so bedeutend 
ist wie in den höheren Schulen, so ist doch auch für die Volksschülcr ein 
Gegengewicht gegen die geistige Anstrengung und eine zusammenhängende 
schulfreie Zeit im Interesse einer günstigen körperlichen und somit auch 
geistigen Entwicklung wünschenswert. 

3. Eine pädagogisch und psychologisch begründete Notwendigkeit für 
die ungeteilte Unterrichtszeit besteht nicht. Doch ist die Minderwertig- 
keit des Nachmittagsunterrichts nicht nur experimentell nachgewiesen, 
sondern auch erfahrungsgemäß anerkannt. Die Gründe gegen den reinen Vor- 
mittagsunterricht bieten manches Beachtenswerte, bilden aber bei einer rich- 
tigen Regelung dieser Einrichtung kein absolutes Hindernis für dieselbe. 
Persönliche Interessen der Lehrer kommen bei dieser Frage nur in geringem 
Maße in Betracht. 

4. Die praktische Durch fi\hrung der ungeteilten Unterrichtszeit ist 
wegen der geringen wöchentlichen Stundenzahl und der größeren Mannigfaltig- 
keit der Unterrichtsfächer in der Volksschule leichter möglich als in den 
höheren Schulen. 

5. Eine Verringerung der wöchentlichen Stundenzahl müßte nur 
in Oberklassen städtischer Volksschulen, sowie in mittleren und oberen Klassen 
der Bürger- und Mildchenmittelschulen eintreten; durch die Verlegung der 
technischen Fächer auf den Nachmittag könnte eine solche ganz umgangen 
werden. Eine Verminderung auf 30 Stunden wöchentlich dürfte keinerlei 
Schädigung der allgemeinen Volksbildung mit sich bringen, falls durch eine 
richtige Verteilung der Stunden auf die einzelnen Fächer, durch eine psycho- 
logisch begründete Methode und durch Vermeidung der nur äußeres Wort- 
wissen Termittelnden Stoffe eine Vertiefung der Schularbeit eintritt. 

6. Einer durch einen höchstens 5 stündigen Vormittagsunterricht be- 
fürchteten Ermüdung der Schüler soll durch zweckmäßige Aufeinanderfolge 
der Fächer, besonders aber auch durch genügende Pausen nach jeder Stunde 
begegnet werden. 



12 Mitteilungen aus dem Zentralverein. 

7. £b empfiehlt sich, zunächst im Sommer, einen Versuch mit der un- 
geteilten Unterrichtszeit in deigenigen Orten zu machen, in denen die Eltern 
nach vorausgegangener Belehrung dieser Einrichtung zustimmen. In vielen 
Städten hat der Versuch zur dauernden Einrichtung geführt und den Beweis 
erbracht, dafi, wenn das Problem der durchgehenden Arbeitszeit einmal im 
breiten Volksleben durchgeführt wird, es fiir die Volksschule nur wünschens- 
wert und förderlich sein kann. 

3. Medizinischer Referent: Dr. med. et phil. Hellpach. 

1. Die Aufgabe der geistigen Gesundheitspflege gegenüber dem Problem 

der Unterrichtsverteilung kann nicht in der Einmischung in materielle Unter- \ 

richtsreformfragen gesucht werden, wofern nicht gerade Zustände vorliegen, ^ 

die mit dem Postulat der Gesunderhaltung der Jugend absolut unvereinbar 
sind. Vielmehr ist es unsere Sache, mit dem bestehenden Unterricht nach 
Umfang und Inhalt, ja selbst mit einer weiteren Verschiebung in der Richtung 
wachsender Vielgestaltigkeit (z. B. durch Einfuhrung neuer Disziplinen, etwa 
der Biologie) zu rechnen und auf dieser Basis eine hygienisch möglichst 
einwandfreie Unterrichtsverteilung anzustreben. 

2. Die Unterrichts Verteilung darf nicht eine für das gesamte Schulwesen 
schematiBche sein. Sie hat sich zu orientieren nach dem wichtigsten Mark- 
steine im jugendlichen Leben: der Pubertät. 

3. Für die Schulstufen bis zur Pubertät, also Volksschule und Unter- und 
Mittelstufe der höheren Schule, ist es hygienisch und psychologisch in gleichem 
Maße zweckmäßig, die einzelne Unterrichtsstunde auf 45 Minuten zu nor- 
mieren und unter Einfügung einer 15 minutigen und mehrerer 10 minutigen 
Pausen den gesamten wissenschaftlichen Unterricht auf den Vormittag 
zu konzentrieren. 

4. a) Für die Oberstufe ist weitgehende fakultative Unterrichtsge- 

staltung anzustreben. 

b) Die Ausdehnung der Unterrichtsstunde auf 80 Minuten 
ist für solche Fächer, welche keine unausgesetzte einseitige oder 
maximale AufmerksamkeitsBpannung fordern'), als psychologisch 
vorteilhaft und hygienisch unbedenklich ins Auge zu fassen. 

c) Der Unterricht soll an 8 Wochentagen nur vormittags und zwar in 
vier Zeitstunden (= fünf Unterrichtsstunden), an den 3 anderen Tagen 
vor- und nachmittags in je 3 Zeitstunden (s= 2 Unterrichts -Doppel- 
stunden) erteilt werden. 

d) Dabei ist der Nachmittagsunterricht aus hygienischen wie psycho- 
logischen Gründen auf den Spätnachmittag (4 — 7 Uhr) zu 
verlegen. 

e) Während der Zeit vom 1. Juni bis 31. August ist, soweit nicht Ferien 
sind, der Stundenplan dahin abzuändern, daß unter Kürzung des- 
selben um mindestens 3 Stunden der wöchentliche Unterricht in 6 
Vormittagen zu je 4 Zeitstunden und 2 Nachmittagen zu je ly, 
Zeitstunden erledigt werden kann. 



1) Z. B. Deutsch, Geschichte, experimentierende und beschreibende Natur- 
wissenschaften. Ungeeignet sind Mathematik, mathemat. Physik und gramma- 
tische Fächer. 



Mitteilungen ans dem Zentralverein. 



13 



6. Die gymnaBtisohe Betätigung ist auf der Oberstufe fakul- 
tativ, und die Teilnahme aller an ihr durch möglichst vorzügliche Organisa- 
tion seitens der Schule ohne Zwang zu sichern. 

6. Für Springstunden, wie sie bei einer hinreichend fakultativen Un- 
terrichtsgestaltung unvermeidlich werden, sind Arbeitsräume (nach dem Muster 
der seminaristischen und ähnlichen Räume an Hochschulen) bereitzustellen. 

Oberprima einer OberreaLsohule. 



Montag 



Dienstag 



8 —9" Mathematik 
9«o_ii Deutsch 



4 _5«o Französisch 
ö*®— 7 Geschichte 



8 —8" Mathematik 
9»_io»» Physik 

i46 19 SO Zeichnen 



11«— 12» 



Nachmittag 
frei! 



Mittwoch 



8 —9" Mathematik 
9*«— 11 Physik 



4 —5" Chemie 
4"— 7 Englisch 



Donnerstag 



8 —8« Mathematik 

g6o__986 Physik 

9fto_io" Französisch 
10"— 11»« Englisch 
11"— 12»« Deutsch 

Nachmittag 
frei! 



Freitag 



8 —9*« Englisch 
9"_ii Französisch 



4 _6W Deutsch 
5**^—7 Geschichte 



Sonnabend 



göo_98ö) Religion 
900 10»* 1 

11"— 21'« Gesang 

Nachmittag 
frei! 



Es entfallen auf je ein Fach wöchentlich: 



Religion 

Deutsch 

Geschichte 

Französisch 

Englisch 

Mathematik 

Physik 

Chemie 

Zeichnen 

Gesang 

Summa 



nach dem 
(z. B. I 


alten Plan: 
Karlsruhe) 


nach vorstehendem Plan: 


100 Minuten 


90 Minuten 


200 




206 


160 




160 


200 




806 


200 




206 


260 




260 


200 




216 


100 




80 


200 




180 


60 




46 



1650 



1635 



b) Neue Mitglieder. 

lö^d „K. K. Iiandes-Sanitäts-Bat«, Czernowitz. 

Sohnlfonds der JaoobsohulB; a. H. des Herrn Schulrat Mosoff, 
Stuttgart. 



14 Aus den Schwestervereinen des Auslandes. 

Sohulfonds der JohaimesBohiile, z. H. des Herrn Schulrat Mosoff, 

Stuttgrart. 
M&dchenmittelschule I. b. H. des Herrn Rektor Salzmann ^ Stattg^art. 

Beißwanger, Dr., Zahnarzt, Stuttgart, Büchsenstr. 22. 
Bockholdt, Paul, Zahnarzt, Stuttgart, Liudenstr. 12. 
Hirtz, Oberrealschullehrer, Devant-les-Ponts bei Metz. 
Marmignat, Henri, Zahnarzt, Stuttgart, Olgastr. 
zur Nedden, Dr., Privatdozent für Augenheilkunde, Bonn. 
Reif, Dr., Zahnarzt, Stuttgart, Königstr. 
Hechel, Zahnarzt, Stuttgart, Paulinenstr. 50. 
1640 Kos 1er, Zahnarzt, Ludwigsburg bei Stuttgart. 



Seit er, Dr., Hugo, Privatdozent für Hygiene, Bonn. j 

c) Bericlitigimg des Mitgliederverzeiclmisses. 

Finkler, Professor, Bonn. 

Prinz von li atibor ist nicht mehr in Wiesbaden, sondern Regierungspräsi- 
dent in Aurich. 

Wolmangsweclisel. 

Weil, Dr., Ludwig, jetzt Paulinenstr. 19. 



III. Aus den Schwestervereinen des Auslandes. 



Der zweite Congrds fran^ais d'Hygldne soolaire et de Fedagogie 

physiologique 
(z. vergl. Heft 5/6 des letzten Jahrg.) findet am 11., 12. u. 13. Juni d. J. in 
Paris statt. Die „Ligue des Medecins et des Familles pour THygii^ne 
scolaire ladet die Mitglieder des Allgem. Deutsch. Vereins f. Seh. zur Teil- 
nahme freundlichst ein. 

Programm. 
I. a) Inspection medicale des dcolcs. 

b) Education speciale des medecins des ecolcK. 

Kaijporteur: M. le D. H. Mery, professeur agrege, medecin des höpitaux 
de Paris. 
IL La tuberculose des membres de Tenseignement. 

liapporteur: M. le Dr. Weill-Mantou, Secretaire gen<^ral de la „Ligue de 

preservation antituberculeuse^^ 
Corapporteur: M. le Dr. Brocard. 

III. L'education des familles en hygiene scolaire. 

Rapporteur: M. Chabot, professeur a la Facultt* des lettres de Lyon. 

IV. llepartition des vacances et des cong^e. 

Rapporteur: MM. Engäraud, deput«^ et Bougier, professeur au coUt'j^e 
Kollin. 



Mitteilnngen aus Kongreasen und Veieinett. 15 

V. Eevision de Thoraire du travail, du repos et de T^ducation physique dans 
renseignement secondaire. 
Rapporteura: MM. les D" Alb. Mathieu et Mosny. 



IV. Mitteilnngen aus Kongressen und Vereinen. 



— Auf der am 24. Oktober 1904 in München - Gladbach abge- 
haltenen GtoneralverBammlung des Niederrheinischen Vereins f(ir 
öffentliche Gesundheitspflege hielt Schularzt Dr. med. Schulte-Cöln 
einen Vortrag mit dem Titel: Inwieweit bedarf die schulärztliche Ein- 
richtung noch der Erweiterung? Der Vortrag ist abgedruckt im Zentral- 
blatt für allgemeine Gesimdheitspflege, 24. Jahrg. 1. u. 2. Heft. 

Im ersten Teil des Vortrages bespricht Beferent, inwieweit eine staatliche 
Regelung der Schularztfrnge in Betracht kommt. Auf dem Lande ist eine 
solche unbedingt erforderlich, während in den Städten die kommunale Ein- 
richtung des Schularztsystems genügen wird. Bei einem Vergleich des Wies- 
badener Systems (kommunale Regelung) mit den Prinzipien der Schulärzte 
in Bulgarien (staatliche Regelung) lasseh sich folgende unterschiedliche Merk- 
male aufstellen: 

,4- Bulgarien hat Schulärzte für alle, auch die mittleren und höheren 
Schulen. 

2. Die Ärzte sind vorgebildete Spezialschulärzte bezw. -ärztinnen und mit 
dieser Funktion unter dem Titel Professeurs mddecins bezw. Professeurs docto- 
resses eingeordnet dem Lehrkörper, teilnehmend an dessen Beratungen und 
avancierend, wie die Professoren der sogenannten Mittelschulen (Gymnasien, 
Realgymnasien usw.). 

3. Die Schulärzte haben Sitz und Stimme in den Kommissionen zur Aus- 
wahl des Ortes der Gebäude; sie haben ihre Ratschläge zu erteilen bezuglich 
Einrichtung der Schulgebäude, z. B. der Wasserversorgung, Heizung, Ventila- 
tion, Schulhofanlage usw. 

4. Die Schülerkontrolle wird ausgeführt: 

a) durch Führung von Personalbogen, ähnlich wie bei uns; 

b) durch Belehrung und Unterricht. Es stehen dem Arzt allgemeine 
Prüfungen zu über Hygiene, welche zu verschärfen sind im Falle 
von Epidemien. Im einzelnen erstreckt sich der sanitäre Unterricht 
auf: 1. allgemeine und Schulhygiene, Anthropologie und Physiologie; 
2. die Lehre von den Symptomen ansteckender Krankheiten; 3. Rat- 
schläge bezüglich Reinlichkeit und guter Führung an die einzelnen 
Schüler; 

c) durch Abhaltung von Sprechstunden. Dieselben finden in einem 
besonders eingerichteten Saale statt, welcher ausgerüstet ist mit den 
nötigen Instrumenten, Medikamenten für dringende Fälle, unter an- 
deren mit Dynamometer, Desinfektionsmitteln, Verbandstoifen, einem 



16 Mitteilungen aus Kongtössen und Veieineli. 

Apparat zur Bestimmung des Eohlensäuregehaltes der Luft, Hygro 
meter, Thermometer usw.; 

d) bei ansteckenden Krankheiten hat der Schularzt für Isolierung und 
Desinfektion zu sorgen. Letztere kann sich erstrecken auf die Gebäude- 
teile, die Schüler selbst und deren Unterrichtsmaterialien; 

e) dem Schularzt liegt die Überwachung der Entwicklimg der Schul- 
jugend in physischer, intellektueller und moralischer Beziehung ob. 
Der Schularzt nimmt teil an den gemeinsamen Ausflügen und wohnt 
den Kommissionen zur Ausarbeitung der Schulprogramme bei. Er 
gibt seine Ratschläge bezüglich Schülerbestrafungen; 

f) der Schularzt behandelt die armen Schüler in der Schulsprechstunde 
ohne Entgelt, ebenso in deren Hause, wo dies erforderlich. Nahrung 
und Medikamente werden durch die Schulkasse (caisse scolaire) zur 
Verfügung gestellt. 

Der Schularzt hat die Impfung nicht geimpfter Schüler vor- 
zunehmen. 

5. Dort, wo mehrere Schulärzte sich befinden, müssen dieselben einmal 
im Monat zu einer Besprechung zusammentreten unter Beteiligung der Stadt-, 
Kreis- oder Bezirksärzte. Die Beschlüsse dieser Versammlungen werden an die 
Direktoren unter der Bezeichnung: »Desiderata« eingereicht. Die Brechte 
und Pflichten dieser Beratungen werden durch eine spezielle Instruktion ge- 
regelt." 

Im weiteren Teil des Vortrages geht Redner auf die Frage ein: „Wer 
wird Schularzt?" Er fordert die Schaffung einer spezial-schulärztlichen 
Stellung, deren Ausbildung durch entsprechende Kurse in der Schulhygiene 
während des Universitätsstudiums oder auf dem Wege ärztlicher Fortbildung 
oder auf beide Arten erfolgen könnte. In größeren Städten müfite ein Spezial- 
hygieniker an der Spitze der Schulärzte stehen, der sein Amt nicht als Neben- 
amt bekleidet, sondern das Grebiet der Schulhygiene beherrscht, in direktem 
Verkehr mit der leitenden Behörde steht, Sitz und Stimme in den Schuldepu- 
tationen hat, und dem daneben die Aus- und Fortbildung neuer Schulärzte zu- 
fallen würde. Betreffs der Zahl der aufzustellenden Schulärzte muß man 
fordern, daß auf einen praktizierenden Schularzt nicht mehr als 1600 Kinder 
entfallen. 

Noch heute gilt bei den meisten Schulhygienikem der Grundsatz, daß 
dem Schularzt keine Form der Behandlung zusteht. Da aber nachweislich die 
armen und verwahrlosten Kinder infolge ihrer Wohnungs- und Familienver- 
hältnisse die größten „Infektionsträger^^ darstellen, so fordert Redner, „daß dem 
Schularzt die Möglichkeit geschaffen wird, für arme Kinder überall da behan- 
delnd tätig zu sein, wo auf anderem Wege eine Behandlung nicht durchzu- 
setzen ist". Für etwa erforderliche Verordnungen müßten die Mittel auf irgend 
einem Wege unentgeltlich bereit gestellt werden. Eine hieraus sich entwickelnde 
Forderung wäre die Anstellung besonderer Spezialisten, vor allem von Schul- 
augenärzten, die überall da, wo es nötige Verordnungen treffen können. In 
jedem Schulhaus müßte ein Raum zu einem Sprech- und Untersuchungs- 
zimmer hergerichtet werden. 

— Der Deutsche Verein abstinenter Lehrerinnen hat folgendes An- 
schreiben an die Magistrate von 300 deutschen Städten geschickt: 



Mitteilungen ans Kongressen und Vereinen. l7 

An den Wohllöblichen Magistrat 



Der unterzeichnete Vorstand des Deutschen Vereins abstinenter Lehre- 
rinnen erlaubt sich, dem WohllObL Magistrat nachfolgende Vorstellung und Bitte 
zu unterbreiten. 

Angesichts der großen Gefahr, die der Alkoholismus mit seinen er- 
schreckenden Folgen unserm deutschen Volke bringt, hat es der ^^Deutsche 
Verein abstinenter Lehrerinnen'* versucht, ein Mittel zu seiner Bekämpfung in 
der Abfassung seines Alkoholmerkblattes vorzubereiten. 

Die Erlasse des Preußischen Kultusministers vom 31. Januar 1902 und 
1903 an die Kgl. Prov. SchulkoUegien weisen nachdrücklich auf eine Aufkl&xung 
der heranwachsenden Jugend über die Folgen des Alkoholismus hin. 

Nun sind an manchen Orten, besonders im Auslande, vor allem in Öster- 
reich, Holland und in der Schweiz^ zuletzt auch in Deutschland, namentlich 
in folgenden St&dten: Bonn, Braunschweig, Gera, Köln, Münster i. W., Nord- 
hausen, Posen, Schöneberg, Ulm Statistiken über den Alkoholgenuß der Kinder 
in einzelnen Schulen und Schulbezirken aufgenommen worden, von denen wir 
nur einige im folgenden erwähnen. 

Gera: 515 Knaben, 554 Mädchen, aus 2 oberen, 2 mittleren, 2 unteren 
Klassen. Von diesen hatten nur 4 Knaben und 8 Mädchen überhaupt noch 
keinen Alkohol getrunken. Schnaps hatten 250 Knaben, 270 Mädchen; Wein 
236 Knaben und 267 Mädchen; Bier tranken täglich 109 Knaben, 130 Mädchen. 
— Die KörperkonstitutioD war bei 65 Knaben, 87 Mädchen gut, bei 325 Knaben, 
406 Mädchen mittel, bei 127 Knaben, 61 Mädchen schlecht. 

Nordhausen: Dort hatten in der 7. Klasse (siebenjährige Kinder) einer 
Volksschule von 49 Kindern 38 schon Wein, 40 schon Schnaps und alle schon, 
zum Teil regelmäßig, Bier getrunken. In einer 4. Klasse hatten von 28 Mädchen 
27 schon Wein, 24 schon Schnaps und alle schon Bier getrunken. 

Schöneberg: In einer Knabenschule tranken 66,2%, in einer Mädchen- 
schule 48,7 7<, regelmäßig Bier, 30% der Knaben gegen 32,2 7^ der Mädchen 
tranken zeitweise sonstige Spirituosen. 

Kein besseres Resultat wurde auch an höheren Schulen festgestellt. Wir 
geben kurz die Zahlen an, die Dr. Keesebiter in einer Realschule im Osten 
Berlins ermittelt hat (veröffentlicht in: Gesunde Jugend 1904). Danach tranken 
durchschnittlich mittags 43 y^ der Schüler regelmäßig Bier, abends 64%. Die 
krassesten Fälle sind folgende: abends erhielten 84 7o d^' Sextaner, mittags 
64«/^ der Quintaner Bier. Diese Schüler sind durchschnittlich 10—11 Jahre alt. 

Um nun auch ein Bild zu geben, wie der mehr oder weniger regelmäßige 
Alkoholgenuß die Leistungen der Kinder beeinflußt, erlauben wir uns folgende 
Statistik zu geben, die Schuldirektor Br. Bayer in einer Wiener Volksschule 
mit 691 Knaben und Mädchen feststellte: 

Es hatten von den Schülern die Zensur 

gut 
die nie alkoholische Getränke genossen . . 41,8 7o 

die nur gelegentlich tranken ^^^l % 

die täglich einmal Bier usw. bekamen . . 27,8 7o 
die täglich zweimal Bier usw. bekamen. . 24,9% 
die täglich dreimal Bier usw. bekamen . . — 
G«8Uiide Jagead. Y. 1/2. 



genügend 


ungenügend 


49,2 7. 


9 % 


66,6»/, 


9,5% 


58,4«/. 


13,7"/« 


67,7% 


18,3"/, 


33,37, 


66,6% 



18 Mitteilungen aus Kongressen und Vereinen. 

Nicht minder unheilbringend sind die Wirkungen des Alkohols auf den 
jugendlichen Organismus, besonders auf das Nervensystem. 

So wächst durch den regelmäßigen Alkoholgenuß während der Schulzeit 
ein alkoholisiertes Geschlecht heran, dem in der gefährlichen Übergangszeit 
vom 14. — 18. Jahre die physische und moralische Widerstandskraft fehlt, und 
das oftmals in der späteren Lebenszeit seinem körperlichen und sittlichen Unter- 
gänge entgegengeht. 

An dieser Tatsache wird nichts geändert werden, solange die Mütter, 
welche das heranwachsende Geschlecht in körperlicher, sittlicher und hygieni- 
scher Beziehung überwachen, von der Gefährlichkeit dieses Giftes nicht unter- 
richtet sind. 

Darum möchten wir in die Hand jeder Mutter ein Alkohol merkblatt 
gelegt wissen. 

Wir sprechen daher die ergebene Bitte aus: 

Ein wohllöblicher Magistrat wolle bei allen Neu- 
einschulungen in höhere, mittlere und Volksschulen zu 
Ostern, bezw. Michaeli den Müttern ein Alkoholmerk- 
blatt für das Haus mitgeben. 

Wif erlauben uns beizulegen 
das von dem Deutschen Verein abstinenter Lehrerinnen entworfene Alkohol - 

merkblatt, 
eine Broschüre: „Sollen Kinder geistige Getränke als Gonußmittel erhalten?**, 
ein Gutachten von 65 Baseler Ärzten, die sich gegen den Alkoholgenuß in 
den Kindheitsjahren aussprechen. 

Alle Bestellungen auf das Alkoholmerkblatt bitten wir zu richten an 
E. Höhn, Berlin N. ö4, Lothringers tr. 112. 

I. A.: G. Streichhau. 

Pankow, Wollankstraße IG 1. 

1. Vorsitzende. 

Ein Mahnwort an die Mütter! 
Alkoholmerkblatt. 

1. Alkohol ist in geistigen Getränken ^Bier — Weiß- und Braunbier 
— Wein, Branntwein usw.) enthalten. 

2. Der Alkohol ist ein Z eil gif t. 

3. Er schädigt leicht alle Organe und verui'sacht daher viele Krankheiten: 
Leber-, Nieren-, Lungen- und Herzkrankheiten, Gicht, Katarrhe und Geistes- 
krankheiten. Er raubt dem Körper meistens seine Widerstandsfähigkeit 
gegen ansteckende Krankheiten, z. B. Tuberkulose. 

4. Alle Gelehrte sind sich darin einig, daß für die heranwachsende Jugend 
der Alkoholgenuß stets und in jeder Menge schädlich ist. 

5. Durch Alkoholgenuß leiden die Kinder in ihrem Wachstum; ihr Appetit 
wird von der ihnen zuträglichen Nahrung — Milch, Fleisch, Gemüse, Obst, 
süße Speisen «^ abgelenkt. Kinder, die Alkohol trinken, verschmähen er- 
fahrungsgemäß die Milch. 

6. Der Alkohol hat keinen Nährwert» Er stärkt und wärmt deshalb 
auch nicht. Im Gegenteil, er orschlafi't die Muskeltätigkeit und setzt die 



Scliülärzttichefl. 19 

Arbeitskraft herab, dem ersten tauschenden Gefühl der Wärme folgt oald 
eine Verringerung der Körperwarme. 

7. In erster Linie vermindert der Alkohol die Nervenarbeit. Er macht 
denkfaul und dumm. Die Kinder, die Alkohol genießen, lernen schwerer 
und langsamer. 

8. Der Alkohol beeinflußt auch das Gemüt und den Willen. Die Kinder 
werden durch Alkoholgenuß reizbar, 8treit;iüchtig, leichtsinnig und nach- 
lässig. Sie verlieren die Herrschaft über sich selbst. Auch ihre Sittlich- 
keit erleidet Gefahr. 

U. Kinder, die von Jugend auf an Alkoholgenuß gewöhnt worden sind, ver- 
fallen oft der Trunksucht, die wiederholt zu Verbrechen führt. 

10. Der Genuß von Alkohol macht den einzelnen und das ganze Volk arm. 

11. Prof. Dr. Kraepelin- München sagt: Am verheerendsten aber verwüstet der 
Alkohol das Nervensystem des Kindes. Wissen wir doch heute, daß es 
kein sichereres Mittel gibt, Idioten zu erzengen, als die dauernde Dar- 
reichung des Alkohols. Tausende von Müttern vergiften in regel- 
rechter Weise ihre Lieblinge durch ein Mittel, welches sie verdummt, 
schlaff und energielos und nach Umständen zu körperlichen und geistigen 
Krüppeln macht. 

12. Darum, ihr Frauen und Mütter^ schützt eure Kinder vor dem Alkohol- 
gift! Wendet das Geld für eine dem Kindesalter angemessene Nahrung 
an! Dann werdet ihr ein nüchternes und sittliches Geschlecht heranziehen, 
das ihr beruhigt in das Leben entlassen könnt. 



Y. Schulärztliches. 



a) SclLulärztliclie Nachrichten. 

— Der Meoklenbnrgisohe Lajidtag hat einen Antrag bebreffend An- 
stellung von Schulärzten abgelehnt. 

— - HannoTer. Neben dem seit 1902 an den Hilfsschulen für schwach- 
befähigte Schulkinder angestellten Nervenarzte sind seit Beginn des Schul- 
jahres 1905/6 noch 11 Schulärzte und 1 Schulärztin an den hiesigen Volks- 
schulen tätig. Die Vergütung für die Schulärzte, deren Tätigkeit sich in erster 
Linie auf die sogenannten Lemanfänger erstrecken soll, beträgt jährlich 
500 Mark. 

— In Wiesbaden haben auf Anregung der Zahnärzte die Schulärzte die 
Errichtung einer Zahnklinik für Schulkinder bei Magistrat und Stadtverordneten 
beantragt. 

b) Schulärztliche Dienstordnungen und Berichte. 

— XHenstordnung für die Schulftrate der KönigUohen Haupt- und 
Besidensustadt Hannover. § 1. Die Schulärzte haben in den ihnen über- 
wiesenen Scjiulen den Gesundheitszustand der Schüler zu überwachen. Sie 
sollei^ ferner der Schulverwaltung und den Lehrpersonen in Fragen der Schul- 
gesundheitspflege ^Auskunft erteilen. 



20 SchulärztlicheB. 

Insbesondere liegt den Schulärzten folgendes ob: 

§ 2. Die Schulärzte haben in der ersten Woche des Schuljahres festzu- 
stellen, ob unter den Lemanfängem sich solche befinden, die wegen mangel- 
hafter körperlicher oder geistiger Entwicklung oder wegen Krankheiten und 
Gebrechen noch ein Jahr vom Schulbesuch befreit werden müssen. Über jedes 
zurückgestellte Kind hat der Schularzt dem Eektor einen Zurückstellungsschein 
einzuhändigen, der die Gründe der Zurückstellung enthält. Die Mitteilung an 
die Kltam geschieht durch den Rektor. 

§ 3. Die gründliche Untersuchung der Lernanfänger hat innerhalb sechs 
Wochen nach Beginn des Schuljahres zu erfolgen. Die Untersuchung geschieht 
in der Weise, daß jedesmal in der letzten Unterrichtsstunde zwei Drittel der 
Kinder einer Klasde nach Hanse entlassen w^erden, und ein Drittel in Gegen- 
wart des Lehrers — bei Mädchen in Gegenwart einer Lehrerin — untersucht 
wird. Durch die Untersuchung soll festgestellt werden: 

1. der Gesundheitszustand eines jeden Schülers, 

2. ob das Kind einer dauernden ärztlichen Überwachung bedarf, 

3. ob ihm besondere Berücksichtigung beim Unterrichte (z. B. Anweisung 
eines besonderen Platzes wegen Gesichts- und Gehörfehler, Befreiung 
von einzelnen UnterrichtsiUchem, wie Schreiben, Zeichnen, Handarbeit, 
Turnen und Singen oder Beschränkung in der Teilnahme am Unter- 
richte) zuteil werden muß. 

Kinder mit auffallenden körperlichen Gebrechen sind nicht in Gegenwart 
von anderen Kinder zu untersuchen. 

Den Eltern ist durch die Rektoren die Zeit der Untersuchung früh genug 
bekannt zu machen und mitzuteilen, daß sie dabei anwesend sein dürfen. Sie 
sind auch aufzufordern, daß sie, wenn bie die Untersuchung durch den Schul- 
arzt nicht wünschen, den erforderlichen ärztlichen Nachweis durch einen ärzt- 
lichen approbierten Arzt nach dem vorgeschriebenen Formular, welches von 
den Schulärzten unentgeltlich verabfolgt wird, erbringen. 

Die Untersuchungen werden im 3., 5. und 8. Schu^ahr wiederholt. Den 
im letzten Schuljahre stehenden Kindern ist aui' ihren Wunsch ärztlicher Rat 
in bezug auf die Wahl ihi'es Berufes zu erteilen. 

Jedem Lernanfanger wird ein „Fragebogen an die Eltern'* mit nach 
Hause gegeben. 

§ 4. Über jeden Lernanfanger wird ein Gesundheitsschein vom Schul- 
arzt angelegt und während der Schulzeit weitergeführt. Bei Umschulungen 
werden die Gesundheitsseheine vom Rektor in geschlossenen Umschlägen an 
den Rektor der künftigen Schule des Kindes geschickt. Die Gesundheitsscheine 
sämtlicher Schüler einer Klasse werden in einer besonderen Mappe im Klassen- 
schranke auibewahrt. 

§ 6. Die zu Anfang eines jeden Halbjahrs vorzunehmenden Körper- 
wägungen und -messuugen werden vom Schulvogt unter Aufsicht des Klassen- 
lehrers ausgeführt; die Ergebnisse sind auf 1 cm und y^ kg abzurunden. Der 
Klassenlehrer fuhrt die in der besonderen Mappe aufzubewahrande Wägungs- 
und Messungstabelle und trägt die Ergebnisse in die Gesundheitsscheine 
ein. Die Messung des Brustumfanges geschieht nur bei Kindern, die 
einer Lungenerkrankung verdächtig sind, und wird stets durch den Schularzt 
vorgenommen. 



Schulärztliches. 21 

§ 6. Über jedes Kind, das dauernd der tirztlichen Üherwachnng unter- 
stellt wird, ist während der ganzen Schulzeit ein t^erwachungsschein 
zu fi'ihren. Sämtliche ÜberwachungsBcheine befinden sich in den Händen des 
Schularztes, während der Klassenlehrer ein vom Schularzt aufgestelltes Ver- 
zeichnis der in seiner Klasse vorhandenen Überwachungsschüler besitzt, um 
darnach die Überwachungsschüler dem Schularzte in seinen dienstlichen 
Sprechstunden vorzustellen. 

Wird ein Kind aus der ärztlichen tlTberwachung entlassen, so ist dicR in 
der Liste der tTberwachungsschüler vom Schularzt zu vermerken und der Über- 
wachungsschein dem Klassenlehrer zur Aufbewahrung einzuhändigen. 

Der Rektor hat dem Schularzt am Ende eines jeden Monats die Namen 
der abgegangenen tTberwachungsschüler mitzuteilen. 

§ 7. Der Schularzt hat alle zwei Monate in jeder ihm überwiesenen 
Schule an einem mit dem Rektor verabredeten Tage während der Unterrichts- 
zeit eine Sprechstunde abzuhalten, soweit es angängig ist, in Gegenwart des 
Rektors, falls Mädcheii in Frage kommen, in Anwesenheit einer Lehrerin. 

Der erste Teil der Sprechstunde dient zu einem Besuche mehrerer Klassen 
während des Unterrichts und zwar in Begleitung des Rektors. Der Unterricht 
wird während des Besuches unterbrochen. Jede Klasse soll einmal in jedem 
Halbjahr besucht werden. Bei diesen Besuchen ist auf den allgemeinen Ge- 
sundheitszustand der Klasse zu achten, besondere Beobachtungen des Klassen- 
lehrers sind zu besprechen und solche Schüler auszuwählen, die einer genaueren 
Untersuchung bedürftig erscheinen und vielleicht in die Liste der Über- 
wachungsschüler aufzunehmen sind. 

In dem zweiten Teile der Sprechstunde sind dem Schularzte die Über- 
wachungsschüler, die in den besuchten Klassen zu genauerer Untersuchung 
ausgewählten Kinder und in dringlichen Fällen auch kranke Kinder aus an- 
dern, an dem Tage nicht besuchten Klassen vorzustellen. 

Die ärztliche Behandlung erkrankter Schulkinder ist, abgesehen von der 
ersten Hilfeleistung in Notföllen, nicht Sache des Schularztes. Wird die ärzt- 
liche Behandlung eines Kindes für notwendig oder wünschenswert gehalten, so 
sind die Eltern durch den Rektor mittels eines vorgedmckten Formulars, das 
vom Schularzt und Rektor zu unterschreiben ist, zu benachrichtigen. Die 
Wahl des Arztes bleibt den Eltern überlassen. Erforderlichenfalls ist die Be- 
handlung durch einen Spezialarzt anzuraten. 

§ 8. In der Sprechstunde hat der Schularzt auf Antrag des Rektors zu 
begutachten: 

1. ob eine nachgesuchte Befreiung von einzelnen Unterrichtsfächern vom 
ärztlichen Standpunkte zu empfehlen ist, 

2. ob ein Kind wegen Schwächlichkeit oder aus andern gesundheitlichen 
Gründen von der Benutzung des Schulbesuches auszuschließen ist, 

3. ob für ein Kind wegen Schwachsinns die Aufnahme in eine Hilfsschule 
oder wegen Stottems die Zulassung zu einem Sprachheilkurse in Aus- 
sicht zu nehmen ist, oder ob ein schwächliches Kind dem Verein für 
Ferienkolonien zur Berücksichtigung empfohlen werden soll, 

4. ob ein Kind wegen Ungeziefer und ansteckender Hautkrankheiten zeit- 
weise vom Unterrichte auszuschließen ist, oder wegen Fallsucht 
dauernd, 



22 Scbnlärztliches. 

5. ob eine vorzeitige Entlassung eines Kindes ans Gesundheitsrücksichten 
geboten erscheint. 

§ 9. Die ministeriellen Anordnungen über die Yerhütnng der Aus- 
breitung ansteckender Krankheiten werden selbstverständlich durch diese 
Dienstordnung nicht berührt. Es darf jedoch erwartet werden, daß der Schul- 
arzt die Schul- und Medizinalbehörden bei der Ausführung dieser Anordnungen 
in zweckdienlicher Weise unterstützt. 

§ 10. Der Magistrat bestellt für die Dauer von drei Jahren einen Obmann 
der Schulärzte, der sie vierteljährlich mindestens einmal zu einer Konferenz 
zusammenberufb und dort den Vorsitz führt. Die Konferenz ist beschlußfähig, 
wenn zwei Drittel der Schulärzte anwesend sind; sie faßt ihre Beschlüsse mit 
einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gilt der Antrag als ab- 
gelehnt. 

§ 11. Ein Becht unmittelbarer Anordnung oder Anweisung an Rektoren, 
Lehrer, Lehrerinnen oder Schul vögte steht dem Schularzt nicht zu. Er hat 
vielmehr, sofern er Mißstände wahrnimmt, die nicht ohne weiteres vom Rektor 
abgestellt werden können, oder wenn er sonst in Beziehung auf die Behand- 
lung der Kinder Maßnahmen für erforderlich erachtet, diese in der schulärzt- 
lichen Konferenz zur Sprache zu bringen. 

Auf Beschluß der Konferenz hat der Obmann hierüber schriftlichen Bericht 
an den Magistrat zu erstatten. In dringlichen Fällen ist es dem Schularzt 
gestattet, sich durch den Rektor an die Stadtschulinspektion zu wenden. Er 
hat jedoch gleichzeitig dem Obmann eine entsprechende Mitteilung zu machen. 

§ 12. Der Schularzt hat für jede ihm überwiesene Schule folgende 
Listen, Formulare usw. zu führen und aufzubewahren: 

1. Ein Tagebuch, in das sämtliche Ein- und Ausgänge unter fortlaufender 
Numerierung einzutragen sind. 

2. Ein Revisionsbuch, in welches kurze Niederschriften über die bei den 
Schulbesuchen gemachten Beobachtungen einzutragen sind. 

3. Zurückstellungsscheine. 

4. Gesundheitsscheine. 

5. Fragebogen an die Eltern 

6. Überwachungsscheine. 

7. Überwachungslisten. 

8. Mitteilungen an die Eltern. 

9. Wägungs- und Messungstabellen. 

Diese und sonstige amtlichen Niederschriffcen sind Eigentum der Stadt 
und müssen bei etwaiger Amtsniederlegung des Schularztes zurückgegeben 
werden. 

§ VS, Der Schularzt darf die in dieser Eigenschaft gemachten Beobach- 
tungen nur mit Genehmigung des Magistrats veröffentlichen. 

§ 14. Der Schularzt hat alljährlich bis zum 16. Mai über seine Tätig- 
keit im vergangenen Schuljahr einen Bericht an den Obmann einzureichen, 
dieser versieht die Einzelberichte mit einem übersichtlichen kurzen Gesamt- 
bericht und reicht sie bis Ende Mai der Stadtschulinspektion ein, die sie an 
den Magistrat weitergabt. Die Einzelberichte sollen enthalten: 

1. Die tabellarisch zusammengestellten Ergebnisse der Aufhahmeunter- 
suchungen. 



Schulärztliches. ^3 

2. Zahl der abgehaltenen Sprechstunden bezw. ärztlichen Besuche der 
Klassen. 

3. Anzahl und Art der Erkrankungsf&lle , die in den Sprechstunden zur 
Untersuchung gekommen sind. 

4. Anzahl der an die Eltern gesandten schriftlichen Mitteilungen. 
6. Anzahl der Überwachungsschuler. 

§ 16. Verla Bt ein Schularzt außerhalb der Schulferien auf länger als 
eine Woche die Stadt, oder ist er durch Krankheit oder andere zwingende 
Gründe an der Wahrnehmung seiner Obliegenheiten verhindert, so hat er den 
Obmann und die Rektoren der ihm überwiesenen Schulen rechtzeitig hiervon 
zu benachrichtigen und fax kostenlose Vertretung zu sorgen. 

Hannover, den 18. April 1905. 

Der Magistrat der Königlichen Haupt- und Residenzstadt. 

Eist. 

— Die Besultate der Bchulärztlichen Tätigkeit an den Bürger- 
Bchulen in Weimar, sowie die Brfol^re des In Weimar an den Bürger- 
schulen eingefOhrten orthopädischen Turnunterrichts und des beson- 
dem Bprechunterriohts ah stotternde, stammelnde und lispelnde 
Kinder für das Schuljahr Ostern 1908/1904. L Für die seit mehreren 
Jahren, insbesondere durch den Verein für Schulgesundheitspflege im Deutschen 
Reiche und dessen Versammlungen und die von demselben herausgegebene 
Zeitschrift in das Leben gerufenen und energisch betriebenen Bestrebungen, alle 
Gesundheitsschädlichkeiten, die mit dem Schulbesuch der Kinder zusammen- 
hängen und bzw. durch letztere hervorgerufen werden, zu beseitigen und die 
Kinder vor Schädigungen ihrer Gesundheit durch die Schule möglichst zu be- 
wahren, dürfte es von Interesse und Bedeutung sein, die Berichte der Schul- 
ärzte an den Bürgerschulen in Weimar über ihre Beobachtungen an den Kin- 
dern und ihre Wirksamkeit kennen zu lernen. Ich lasse daher zunächst den 
Bericht der beiden Schulärzte, welcher auch einen genauen Einblick in die 
Gesundheitsverhältnisse unserer Jugend bei ihrer ersten Aufnahme in die 
Schule gewährt, selbst folgen, welcher also lautet: 

Bericht der Schulärzte in Weimar, 
umfassend den Zeitraum des Schuljahres 1908/04. 

1. Tabellarische ziffernmäßige Zusammenstellung der Resultate 
bei den Aufnahmeuntersuchungen. 

Aufgenommen wurden 281 Mädchen und 234 Knaben, davon waren guter 
Konstitution 144 Mädchen und 116 Knaben, mittlerer Konstitution 132 Mäd- 
cheh und 115 Knaben, schwächlicher Konstitution 5 Mädchen und 3 Knaben. 

Zurückgestellt wurden auf 1 Jahr 10 Mädchen, davon 3 vor der Auf- 
nahme; von diesen eine zum zweitenmal wegen hochgradigen Veitstanzes, 
die beiden andern wegen Rachitis. Von den übrigen wurde eine zum zweiten- 
mal wegen Schwachsinns, von den 6 anderen 4 wegen Bachitis, eine wegen 
allgemeiner Körperschwäche und eine wegen mangelhafter geistiger Entwick- 
lung zurückgestellt. 

Von den Knaben wurden 5 auf 1 Jahr zurückgestellt, davon 3 wegen 
mangelhafter körperlicher und geistiger Entwicklung, einer wegen Knochen- 
tuberkulose und einer wegen Rachiti«, Schwerhörigkeit und mangelhafter gci- 



24 Schulärztliches. 

stiger und körperlicher Entwickluiig. Bei den Untersuchungen der übrigen 

Inzipienten zeigten sich folgende Mängel: 

Mädchen Knaben 

DrüBcnan Schwellungen leichten Grades l'^i* Vo ^^^^Vo 

Kurzsichtigkeit 13,6 „ 8,0 „ 

flache Brust 4,6 „ 6,0 „ 

Rachitis (rachitische Brust etc.) 5,3 „ 5,5 „ 

Lidrandentzüudung 2,8 „ 1,3 „ 

Augenbindehautkatarrh ^,7 „ 0,8 „ 

hypertrophische Mandeln und adenoide Wucherungen . 6,7 „ 8,1 „ 

chronischer Schnupfen 3,6 „ 6,1 „ 

verengter Nasenrachenraum i Kind 3,0 „ 

Schielen 1,0 7^ 0,8 „ 

Sattelnase 1 Kind — „ 

Ohrkatarrhe und Schwerhörigkeit 13 7o 2,1 „ 

Hängebauch 1 Kind — „ 

Rückgratsyerkrfimmungen 4,6 7© 1 J „ 

Gesichtsgrind * 1 Kind 0,8 „ 

Leistenbruch 1 „ 1 Kind 

Hornhauttrübungen 0,7 ° '„ 1 „ 

Herpes labialis 1 Kind 2,6 7^ 

Warze auf der Zungenspitze 1 „ — 

hochgradig blutarm 1 „ 1,3 7o 

hochgradig nervös 1 „ — 

geistig schwerfällig — 2,1 7© 

stark schuppende Haut — 1 Kind 

Stottern — 0,8 7o 

Ekzem — 1 Kind 

schlechte Aussprache und schwerfällige Sprache .... 1 Kind 2,6 7o 

1 Auge blind — 1 Kind 

heisere Sprache — 0,8 7o 

asymmetrischer Schädel — 1 Kind 

abnorm großer Schädel — 2 Kinder 

Homhautgeschwüre — 1 Kind 

Herzfehler — 1 „ 

An die Eltern wurden Mitteilungen gesandt mit dem Anraten, 
ihre Kinder in ärztliche Behandlung zu geben bei den neuauf- 
genommenen und zwar 20 Mädchen und 16 Knaben 

Mädchen Knaben 

wegen Lidrandentzündung 7 2 

wegen hypertrophischer Mandeln und adenoider Wucherungen 5 6 

wegen Mittelohrkatarrhs 2 2 

wegen Bindehautkatarrhs und Hornhauterkrankungen ... 2 2 

wegen Blutarmut 1 2 

wegen Rachitis 1 — 

wegen schlechter Ernährung 1 — 

wegen einer Warze auf der Zungenspitze 1 — 

wegen Drüsenanschwellung und chronischen Schnupfens . . — 1 



Schulärztliches. 25 

2. Zahl der abgehaltenen Sprechstunden bezw. ärztlichen Besuche 

der Klasaen: 
Sprechstunden: 29. 
Ärztliche Besuche: 33. 

3. Anzahl und Art der wichtigeren Erkrankungsfälle, die zur 

Untersuchung in den Sprechstunden gekommen sind: 

Bei den Mädchen: 

nervöse Kopfschmerzen mit Blutarmut verbunden. . . 6 

Kopfschmerzen mit Übelkeit 6 

Kopfschmerzen 18 

Bindehautkatarrhe 9 

Lidrandentzündungen 2 

Tränenträufeln und Flimmern vor den Augen .... 5 

Skoliose . 1 

Kropfanlage 6 

häufiges Nasenbluten 6 

chronische Heiserkeit 3 

chronischer Schnupfen 3 

hypertrophische Mandeln 2 

Krätze 1 

Läuse (Kopf) 8 

Kopfgrind 1 

Homhautgeschwüre 2 

Herzfehler 5 

Krämpfe, leichte 1 

Krämpfe, schwere 1 

Schwerhörigkeit 7 

Mittelohrkatarrhe 6 

Magenkatarrhe 2 

Rachenkatarrhe 1 

nervöses Herzklopfen 4 

zu starke Menstruation 4 

chronischer Rheumatismus 2 

chronische Blinddarmentzündung 1 

Nervositöt 1 

Kurzsichtigkeit 8 

Bronchialkatarrhe 4 

Übersichtig 1 

Geienksteifigkeit 1 

Blutarmut 14 

Bei den Knaben: 

eitrige Mittelohrkatarrhe 13 

Schielen 6 

blind auf einem Auge 8 

geistig schwach 3 

undeutliche Sprache 2 

Stottern 5 

Kurzsichtig 27 



26 Schul&Eztliches. 

Veitstanz (leichte Form) 3 

Kopfweh 3 

Herzschwäche 1 

Unterleibsent Zündung '. 1 

Augenzwinkern 2 

Bindehautentzündung 10 

Blutarmut 2 

Schwerhörig *. 6 

eingesunkene Brust 1 

Nasenpolyp 8 

Hühnerbrust 1 

häufiges Nasenbluten 5 

Leberleidend 1 

geschwollene Mandeln 4 

adenoide Wucherungen 2 

Epilepsie 6 

Leistenbruch 6 

Krämpfe 1 

Übersichtig 1 

skrofulöse Lidrandentzündung 4 

Herzhypertrophie 1 

Ecthyma-Pusteln 1 

X-Beine 1 

Homhautgeschwüre 3 

chronischer Schnupfen 2 

geschwollene Drüsen 1 

Hautausschlag 1 

Skoliose 1 

Herzfehler 2 

Geschwüre im Ohr 1 

Schuppenflechte 1 

Ekzem 1 

Knochentuberkulose 2 

Schiefwuchs 3 

4. Etwa erfolgte besondere ärztliche Anordnungen 

Bei den Mädchen: 

Dauernd wurden vom gesamten Schulunterricht und im Interesse der 
anderen Schulkinder 3 Mädchen ausgeschlossen, das eine wegen einer eiternden 
übelriechenden Fistel einer tuberkulösen Hüftgelenkentzündung. Die Woh- 
nung dieses Mädchens wurde im August 1903 daraufhin revidiert, ob in der- 
selben ein Privatunterricht möglich sei. Die Revision ergab die Unmöglich- 
keit eines häuslichen Unterrichts. Da das Kind zu schwach war, wurde bis 
auf weiteres vom Sonderunterricht abgesehen. Das zweite Mädchen wurde 
wegen einer Lungentuberkulose von der Schule entfernt. Auch die Wohnung 
dieses Kindes erwies sich zur Unterrichtserteilung als unbrauchbar, das Kind 
selbst aber als kräftig genug zur mäßigen Unterrichtsaufnahme. 

Das dritte Mädchen mußte wegen häufiger schwerer hystero-epileptischer 
Krämpfe mit intermittierenden Lähmungen von der Schule ausgeschlossen 



Hchnlftrztiiches. 27 

werden. Bis heute ist ein Unterrichten dieses Mädchens noch nicht empfeh- 
lenswert. 

4 Mädchen mit Kopfläusen mußten, da die Mütter die Entfernung des 
Ungeziefers trotz wiederholten Mahnens nicht vollständig fertig hrachten, zur 
Reinigung ihrer Köpfe dem Krankenhaus überwiesen werden. 

2 Mädchen, des Schulschwänzens verdächtig , wurden auf Wunsch der 
Schulleitung vom Schularzte in ihrer Wohnung aufgesucht, um die angebliche 
Krankheit derselben festzustellen. 

Wenn den Kindern auch nicht direkt Simulation nachgewiesen war, hatte 
der Besuch doch zur Folge, daß die Mädchen schnellstens wieder zur Schule 
kamen. 

Im Oktober 1903 war ein Mädchen in der Karl August- Schule auf dem 
Abort ausgeglitten und hatte sich eine Fnßverletzung zugezogen, die es hin- 
derte, den Heimweg anzutreten. Der in die Schule gerufene Schularzt stellte 
eine Fußverstauchung fest und ordnete die Überführung des Kindes in die 
elterliche Wohnung an. 

Es machten sich im Laufe des Jahres mehrere Dispensationen notwendig. 
Vom gesamten Schulunterricht wurden auf längere Zeit 6 Mädchen dispen- 
siert, das eine wegen zu starker Menstruation und Blutarmut, das andere 
wegen Nervosität und Blutarmut, das dritte wegen hochgradiger Blutarmut, 
das vierte wegen Schwindelanfdilen und Appetitlosigkeit und das fünfte wegen 
unregelmäßiger zu starker Menstruation und eitriger Ohxkatarrhe. 

Von einzelnen Fächern, wie Turnen, Handarbeit, Singen, Zeichnen, Nach- 
mittagsunterricht und häuslichen Schularbeiten, wurden eine größere Anzahl 
zeitweise dispensiert aus folgenden Ursachen: häufige Kopfschmerzen, Blut- 
armut, Nervosität, Kropf anläge, Herzfehler^ nervöses Herzklopfen, zu starke 
Menstruation, Übelkeit und Erbrechen nach dem Turnen und Blinddarment- 
zündung. 

Bei den Knaben: 

Ein Epileptiker wurde unter besondere Aufsicht des Schularztes gestellt 
nach Beschluß des Schul Vorstandes und bekam vom Oktober 1908 bis Ostern 
1904 Sonderunterricht in die Schule. Da der Knabe stotterte, bekam er auch 
Unterricht bei Herrn KnÖfler. Der Erfolg dieser Maßregel war sowohl in bezug 
auf die Epilepsie, als auch auf das Stottern ganz vorzüglich, und da infolge 
davon vom 8. September 1903 bis Ende April 1904 kein Krampfanfall mehr 
vorkam, auch das Stottern ganz gering war, wurde er wieder zum allgemeinen 
Unterricht zugelassen. 

1 Knabe wurde wegen fortwährender Versäumnis der Schule in der 
Wohnung besucht und, da er entgegen der Angabe nicht krank war, zur 
Schule geholt. 

1 Knabe wurde wegen langdauemder Epilepsie in der Wohnung kontrol- 
liert und dabei festgestellt, daß er geistig völlig unterrichtsunfahig war. 

1 anderer Knabe, der sehr lang^ in der Schule fehlte, wurde in seiner 
Wohnung untersucht und es wurde festgestellt, daß er an Knochentuberkulose 
verschiedener Extremitätengelenke mit starker, übelriechender, profuser Eiter- 
absonderung litt, welche ihn dauernd unfähig macht, die Schule zu besuchen. 
Auch der häusliche Unterricht ist aus diesen Gründen und wegen eventueller 
Ansteckungsgefahr für den Lehrer nicht geboten. 



28 Scbulärztliches. 

5. Anzahl der an die Eltern gesandten schriftlichen Mitteilungen: 

Bei den Mädchen: 56, bei den Knaben: 27, ausschließlich der bereits 
oben erwähnten Mitteilungen an die Eltern über die Inzipienten. 

6. Anzahl der unter „ärztlicher Eontrolle" stehenden Schulkinder: 

Bei den Mädchen: 3, bei den Knaben: 4. 

Zum Schlüsse möchten wir die Erfüllung des öfters geäußerten Wunsches, 
den ärmeren Kindern der 11. Bürgerschule, die vielfach ohne Frühstück in die 
Schule kommen und mit nüchternem Magen den ganzen Vormittag darin zu- 
bringen, unentgeltlich in der Schulpause ein Glas Milch verabfolgen zu lassen, 
dem hochwohllöbl. Schulvorstand auch unsererseits als durchaus zweckmäßig 
und gewinnbringend empfehlen. 

gez. Dr. E. Münzel. gez. Dr. Kreiß. 

Dieser Bericht ergibt im allgemeinen einen zufriedenstellenden Gesund- 
heitszustand der in die Bürgerschulen mit dem schulpflichtigen Alter aufzu- 
nehmenden Kinder und wird aber auch allen denen, die den Nutzen der An- 
stellung von Schulärzten etwa heute noch bezweifeln sollten, diese Zweifel 
nehmen; welcher Nutzen liegt schon darin, daß die Eltern, die oft von Krank- 
heitsanlagen, körperlichen Fehlem usw. ihrer Kinder gar nichts wissen, durch 
die Schulärzte hierüber in Kenntnis gesetzt und in die Lage gesetzt werden, 
ihre Kinder ärztlich behandeln zu lassen und selbst entsprechend zu pflegen 
und zu beobachten, welcher Segen liegt aber auch f&r die Lehrer darin, daß 
sie nicht nur bei der ersten Aufnahme der Kinder, sondern auch während der 
ganzen Schulzeit fortwährend über den Gesundheitszustand, bezw. über die 
Krankheitsanlagen der ihnen anvertrauten Kinder bestimmte Mitteilung er- 
halten und dadurch in die Lage versetzt werden, die Kinder im Unterricht 
demgemäß behandeln und richtig beurteilen zu können. Ebenso ist es für die 
Gesundheit der Schulkinder und damit unserer ganzen Jugend von der größten 
Bedeutung^ daß die Eonder alljährlich und öfters im Jahre von den Schul- 
ärzten wieder untersucht und beobachtet werden und so festgestellt werden 
kann, ob spezielle ärztliche Behandlung usw. notwendig wird. Auch ist es 
von größter Bedeutung, daß als zu schwächlich erkannte Kinder bei der ersten 
Aufnahme nach vollendetem 6. Lebensjahre überhaupt vom Schulbesuch noch 
für längere Zeit zurückgestellt werden, was fQr eine spätere günstige Entwick- 
lung von der allergrößten Bedeutung ist, wie ich überhaupt immer mehr in 
meiner Ansicht befestigt werde, daß es im Interesse der gesundheitlichen und 
geistigen Entwicklung des Kindes von größtem Vorteil sein würde, wenn das 
schulpflichtige Alter vom vollendeten 6. auf das vollendete 7. Lebensjahr er- 
höht vnirde. 

Der Anregung der Schulärzte hier ist es auch zu danken, daß von jetzt 
ab die armen Kinder, die vor Beginn der Schule zu Hause kein warmes Ge- 
tränk bekommen, in der Schule auf Kosten der Stadt warme Milch erhalten. 

n. 

Der orthopädische Turnunterricht^ der unter Leitung des einen ortho- 
pädisch sehr ausgebildeten Schularztes in Gemeinschaft mit einem Turnlehrer 
Beit einigen Jahren an die Schulkinder, die zu Difformitäten neigen, oder deren 
Körper, insbesondere deren Brustkasten sehr mangelhaft entwickelt sind, ge- 



Schulftrztliehefl. 29 

geben wird, hat auch den besten Erfolg, so daB dieser orthopädische Tom- 
Unterricht jetzt obligatorisch für solche Kinder an Stelle des gewöhnlichen 
Turnunterrichts vom Schulvorstande hier eingeführt worden ist. Der Bericht 
des betreffenden Herrn Schularztes lautet darüber so: 

Die bisher mit dem orthopädischen Unterricht erzielten Erfolge sind als 
recht gute zu bezeichnen, besonders seit Bestehen der neuen Turnhalle und 
seit Beschaffung der orthopädischen Übungsgeräte im Oktober 1902. 

Im Laufe dieses Sonuners war die Anzahl der Mädchen auf 46, die der 
Knaben auf 31 angestiegen. 

Am 21. Oktober d. Js. konnten von den Mädchen 20, Ton den Knaben 9 
aus dem orthopädischen Unterricht entlassen und dem gewöhnlichen Turn- 
unterricht wieder überwiesen werden. — Die Mehrzahl hatte von Anfang an 
am Unterricht teilgenommen, mehrere 1—1 Vi Jahr. 

Zu der weiteren normalen Körpereatwicklung dieser Kinder reicht nun 
der gewöhnliche Turnunterricht aus. — Auch bei den schweren und schwereren 
Difformitäten ist durchweg Besserung erzielt, sei es in bezug auf die Schwere 
der Verkrümmungen, sei es in bezug auf die systematische Entwicklung der 
Brustorgane oder der allgemeinen Körperentwicklung. Für diese Kinder ist die 
weitere Teilnahme am orthopädischen Unterricht unbedingt nötig. 

Im Laufe der Zeit seit Unterrichtsbeginn schieden verschiedene Kinder 
aas dem Unterrichte aus, der orthopädische Unterricht war nur fakultativ, ein 
Unterrichtszwang unmöglich. 

Durch Einführung des orthopädischen Unterricht als Teil des allgemeinen 
Turnunterrichts ist diesem Übelstand gesteuert. 

Jedenfalls läßt sich nach den bisherigen Erfahrungen sagen, daß die Ein- 
führung des orthopädischen Turnunterrichts als eine durchaus segensreiche 
Einrichtung anzusehen ist. 

Von der größten Bedeutung für die körperlich mangelhaft entwickelten 
Kinder ist es, daß auf diese Weise ihre Leiden frühzeitig erkannt und früh 
behandelt werden. 

Weimar, den 22. Oktober 1904. 

gez. Dr. med. Ed. Münzel, 

fr. Direktor der orthopädischen Heilanstalt 

Wüdbach- Schreber- Leipzig/. 

m. 

Endlich haben wir ja hier an unseren Volksschulen, worüber auf dem 
hier vor drei Jahren gehaltenen Schulbygienekongreß unter Abhaltung einer 
Probelektion mit stotternden Kindern berichtet worden ist, nun schon seit 
mehreren Jahren für stotternde, stammelnde und lispelnde Kinder, überhaupt 
für sprachgebrechliche lünder einen besonderen Sprachunterricht durch einen 
an der hiesigen Taubstummenanstalt angestellten Lehrer eingeführt und damit 
recht gute Resultate erzielt, die nicht nur für das spätere Fortkommen der 
Kinder, sondern auch für die Entwicklung deren Lungen von recht großer 
Bedeutung sind; ein stotternder Mensch hat infolge dieses Fehlers nicht 
nur von seinen Mitmenschen und geseUig oft infolge Spottens und Hänseliis 
schwer zu leiden, sondern es bleiben ja einem stotternden Menschen, selbst 
wenn er sonst recht befähigt ist, eine Anzahl von Berufen verschlossen, so daß 
ihm sein Fortkommen recht erschwert und sein Leben oft zur Qual gemacht 



3 SckuläEzÜickefl. 

wird. Also ein großer Segen ist mit der Beseitigung solcher Sprachgebrechen 
in der frühen Jugend, in welcher die Beseiiigung auch am leichtesten ist, für 
die damit behafteten Kinder jedenfalls verbunden. 

Wir erachten daher die Einführung des orthopädischen Turmmterrichtes 
und dieses besonderen Sprachunterrichts an unseren Volksschulen für einen 
recht segensreichen Fortdchritt Der betreffende Herr Lehrer hat sich über 
seine Tätigkeit und Erfolge im Schuljahre 1908/4 in folgender Weise geäußert: 

Die Heilkurse für sprachgebrechliche Schulkinder in Weimar. 

Ein genaues Zahlenbild über die hier eingerichteten Sprachheilkurde gibt das 
Schuljahr IQOii/i^ da in demselben die Teilnahme mit steter Regelmäßigkeit 
und allseitigem Interesse erfolgte. 

Von der H. Bürgerschule nahmen am Kursus von 2139 Schulkindern 28 
sprachgebrechliche Kinder teil «s i,32 %• 

Von diesen 28 Kindern waren 17 Stotterer, 4 Lispler, 2 Stammler und 
4 Stotterei* und Lispler zugleich. Hiervon wurden 10 Stotterer geheilt, 4 ge- 
bessert, 1 nicht geheilt. Von den Lisplem wurden 2 geheilt, 2 gebessert. Von 
den Stotterer und Lisplem wurden 1 geheilt und 4 gebessert. Bei den beiden 
Stammlern wurde das Übel gehoben. 

Insgesamt waren von den 28 sprachgebrechlichen Kindern, die am Kursus 
teilgenommen, 18 geheilt, 9 gebessert und 1 nicht geheilt. 

Wie anderwärts, so war auch hier das männliche Geschlecht bei den 
Sprachgebxechlichen das überwiegende. Es befanden sich im Kursus 22 Knaben 
imd 6 Mädchen. Von den 22 Knaben konnten 13 als geheilt, 8 als gebessert 
imd 1 als nicht geheilt, und von den G Mädchen konnten 3 als geheilt und 8 
als gebessert entlassen werden. 

NB. Der Knabe, der als erfolglos aus dem Kursus hervorgegangen ist, 
hat nur sehr wenig teilgenommen, da die sehr weite Entfernung seiner Wohnung 
von der Schule, in welcher der Kursus abgehalten wurde, ihm oft das Kommen 
bei schlechtem Wetter an den Tagen, an denen der Unterricht stattfand, un- 
möglich machte. 

Aus der I. Bürgerschule nahmen am Kursus teil 11 Kinder und zwar 7 
stotternde, 3 lispelnde und 1 mit beiden Sprachgebrechen behaftetes Kind. 
Diese 11 Kinder bestanden aus 6 Knaben und 5 Mädchen. Von den Knaben 
waren 5 Stotterer und 1 Lispler, von den Mädchen stotterte und lispelte 1, 

2 stotterten und 2 lispelten. 

Die Gesamtzahl der die L Bürgerschule im Jahre 1903/4 besuchenden 
Kinder belief sich auf 1288 (662 Kuaben, 626 Mädchen). Der Prozentsatz der 
sprachgebrechlichen Kinder betrug also auf diese Gesamtzahl 0,85 7o- ^o^ den 
den Heilkursus besucht habenden stotternden Kindern wurden bei der Prüfung 

3 als geheilt, 4 als gebessert, von den liäpelnden 1 als geheilt, 2 als gebessert 
und das eine Kind, welches beide Gebrechen hatte, als geheilt entlassen. 

Auch hier erhielten die Gebesserten bis gegen Ende des Jahres hin in 
größeren Zwischenräumen wieder Übungsstunden. In dem gegenwärtigen Schul- 
jahre 1904/6, in dem der Heilkursus noch im Gange und noch keine Abschluß- 
prüfung erfolgt ist, sind die Zahlenverhältnisse folgende. 

Die U. Bürgerschule besuchen gegenwärtig 2129 Kinder (989 Knaben und 
1140 Mädchen), unter denen sich 33 sprachgebrechliche Kinder be6nden und 
zwar sind 18 Lispler (10 Knaben, 8 Mädchen), 15 Stotterer (^13 Knaben, 2 



SchamrzÜichea. 31 

Madeben). Unter den IS Lisplem sind 8 Inzipienten und nnter den Stotterern 2, 
also bald der dritte Teil der ans dieser Schule am Kursns teilnehmen* 
den Kinder. Die Prozentzahl der sprachgebrechlicben Kinder betnlgt hier 
über l7o (1,6%). 

Die L B.-Schnle umfaßt gegenwärtig 1288 Kindern (676 Knaben, 612 
Mädchen). Von diesen sind 2ü Hprachgebrechlich, nämlich 11 Lispler (6 Knaben, 

5 Mädchen), 2 Stammler (2 Knaben), davon 10 Inzipienten — und femer 

7 stotternde Knaben. Die Prozentzahl beträgt hier ebenfalls über l^o (l>&Vo)* 

Bei Betrachtung der Gesamtaahlen der die beiden Bürgerschulen besuchen- 
den sprachgebrechlichen Kinder, welche den Torjährigen und diesjährigen Heil- 
kursus besuchten, ergibt sich, daß die Anzahl der Teilnehmer aus der IL Bürger- 
schule im ganzen etwas größer ist, als die aus der erst^i. (Im Voi^jahre nahmen 
aus der II. Bürgerschule 28, aus der ersten nur 11 Kinder teil, also aus jener 
ly, mal mehr als aus dieder. In diesem Jahre waren, wie angegeben, 33 
Kinder aus der IL, 20 aus der I. Bürgerschule, also über y, mehr.) 

£s tritt auch hier die Tatsache in Erscheinung, daß sich der größere Teil 
der sprachgebrechlichen Schulkinder aus den breiteren Schichten der Bevölke- 
rung zusammensetzt. Tatsächlich war meistens der Grund zu dem Vorhanden- 
sein des Stottems und Lispelns in einer Vernachlässigung während der Sprach- 
entwicklung und in Ermangelung eines sprachlichen Vorbildes festzustellen. 
Vielen Eltern ist es ganz gleich, ob ihre Kinder lautrein oder schlecht sprechen, 
finden sogar noch Gefallen daran, wenn die heranwachsenden schulpflichtig 
werdenden Kinder ihre tätschelnde und stammelnde Kindersprache fortsetzen. 

Im Vorjahre waren bei 6 Stotterfällen allgemeine Nervosität, bei einem 
erbliche Belastung die Ursache, 2 waren die Folge von Diphtheritis, bei 3 Lispel- 
fdllen war mangelhafte Zahnbildung, bei 1 schwere Zunge als Ursache fest- 
zustellen. Die übrigen Fälle waren aber insgesamt auf Sichgehenlassen, An- 
gewöhnung, Nachahmung und mangelhafte Überwachung zurückzufuhren. Wenn 
nun auch der erste Lautier- und Leseunterricht selbstverständlich auf laut- 
reines Sprechen Bücksicht nimmt und auf unbedingt klare und deutliche Aus- 
sprac^he dringt, so ist er aber doch nicht imstande, bei lispelnden Inzipienten 
die von Jugend auf festgewurzelte fehlerhafte Aussprache der Zungenspitzlaute 
zu beseitigen. 

Diese Schwachen bedürfen eben einer besonderen Hilfe, die ihnen im 
Klassenunterricht bei großer Schülerzahl nicht noch gewährt werden kann. 
Bei vielen Kindern war der Lispelfehler so tief eingewurzelt, daß sie sich gar 
nicht bewußt waren, die S Laute falsch ausgesprochen zu haben, und bei ihnen 
muß zuerst das Gehör für ein rein artikuliertes „S'' durch laatreines Vor- 
sprechen des Lehrers geschärft werden. Hieran reihten sich die Übungen vor 
dem Spiegel. Der Lehrer zeigt dem Kinde an seinem Munde die zum Aus- 
sprechen des „S'* erforderliche Stellung. Die Lippen haben die Stellung wie 
beim Aussprechen des „i^^ einzunehmen, die Zahnreihen sind einander genähert, 
die Zunge ist nach unten gewölbt, die Zungenspitze liegt am unteren Rand 
der unteren Schneidezähne, so daß sich zwischen denselben und dem untersten 
Teile der Zunge eine Enge bildet, durch die der hervorbrechende schallbildende 
Luftetrom genau hinter der Mitte der Schneidezähne sich bricht und das 
Beibegeräusch verursacht, das wir mit dem Laut ^,S" bezeichnen Gewöhnlich 
machen die Kinder den Fehler, daß sie die Zunge zwischen den Zähnen her- 
ausstecken, so daß ein Laut wie das englische „th" hörbar wird, oder sie legen 



32 Schnlfiiztliohes. 

die Zunge im Innenraum des Mundes an falscher Stelle an, und es entsteht 
das sog. innere Lispeln, und anstatt des „S"-Lautes erklingt ein „Ich'^ Hier- 
auf bringt der Lehrer die Zunge des Sprechenlemenden in richtige Lage und 
läfit ihn vor dem zur Eontrolle dienenden Spiegel Spreehyersuche machen. 
Sie gelingen bei dem einen Kinde früher, bei dem anderen später, je nachdem 
die nötige Energie angewandt wird und sich sonst nicht mangelhafte Zahn- 
bildungen vorfinden. Nach gewonnener Fertigkeit reihen sich Silbenübungen 
mit dem „S'* als An-, Aus- und Innenlaut an, denen Wörter und Sätze folgen, 
die viele „S^^ enthalten. Es wird femer das „s^^ in Eonsonantenhäufungen, 
wie z. B. Igst, rkst, sehst usw. geübt, ans einem Lesestück werden alle Wörter, 
in denen der „S*^-Laut vorkommt, einzeln und dann das Lesestück im Zu- 
sammenhang gelesen und daran Besprechungen geknüpft. Wortspiele, in denen 
viele ^,S*'-Laute gehäuft sind, werden geübt. 

Dia Unterweisung der Stotterer gründet sich auf das von A. Gutzmann 
für die Hand der Yolksschüler bearbeitete Lehrbuch , in dem an einer großen 
Auswahl von Übungen Beispiele für Atmung, Yokalisation und Artikulation 
gegeben sind, und an denen die Schüler in anschaulicher Weise zu dem Be- 
folgen der angegebenen unbedingten Sprachregeln angehalten werden. 

Der Erfolg des Unterrichts hängt lediglich davon ab, daß der zu Unter- 
weisende zur klaren Erkenntnis der Fehler, die er beim Aussprechen der Silben 
begeht, aufmerksam gemacht wird. Willenseinfluß, Nervenreiz und Muskel- 
tätigkeit mit ihrem gleichzeitigen Neben- und Nacheinander müssen durch sy- 
stematische Übungen der Atmungs-, Stimmbildungs- und Artikulationsorgane 
zu einem regelrechten Auslösen gebracht werden. Durch die in seinem Übungs- 
buche hierüber ganz sach- imd erfahrungsgemäß aufgestellten Forderungen 
leitet A. Gutzmann den sprachkranken Schüler zum genauen Beobachten und 
bewußten Innenwerden aller beim Sprechen tätigen Organe hin, wobei er zum 
richtigen Erkennen und zur Kontrolle den Gebrauch des Spiegels der fehlenden 
Hand am ' Kehlkopf, vor dem Mund, an der Brust hinweist. 

Er zeigt anschaulich in den Übungen, wie die Atmungsübungen zu be- 
treiben sind, wie man zum Stimmton kommt, welche Klangfarbe er durch die 
verschiedenen Gestaltungen des Ansetzrohres erhält und wie der Ausatmungs- 
strom in den Artikulationsgebieten seine naturgemäßen Hemmungen erhält. 
Durch kurze Belehrung hierüber und Vorsprechen des Lehrers soll der Schüler 
gleich von vornherein zum Aussprechen eines kleinen Satzes, einer Sprach- 
einheit, gebracht werden, damit sein gesunkenes Selbstvertrauen wieder ge- 
hoben wird. Das fehlerfreie Gängen eines solchen gesprochenen Redesatzes 
erhöht seinen Mut, stärkt seinen Willen und fördert seinen Fleiß. 

Die Prüfung der im Heilkursus gestandenen Stotterer findet gesondert 
von der der Lispler statt. Zur weiteren Überwachimg derselben finden bis 
gegen Ende des Schuljahres einzelne, in bestimmten Zeiträumen angesetzte 
Kevisionsstunden statt. 

Mögen diese als zweckmäßig erwiesenen Heilkurse auch fernerhin sich 
segensreich erweisen. gez. E. Knöfler. 

Ich hoffe und wünsche, daß die vorstehenden Mitteilungen für die Schulen 
tmd Schulmänner anderer Städte, sowie für alle Eltern schulpflichtiger Kinder 
von Interesse sein und manchen Eltern und Lehrern Anregung geben werden, 
die Kinder genau nach den verschiedenen Richtungen zu beobachten und in 



AmtliclieB* 33 

geeigneter Weise in der Schule und sonst zu behandeln und für Heilung der 
ühei besorgt zu sein. 

Weimar, 7. II. 05. Der Oberbürgermeister 

Pabst, 
Geheimer Regierungsrat. 



VI. Amtliches. 



Die im yeigangenen Jahr wieder in größerem Maße in Deutschland auf- 
getretenen Pockenerkrankungen zeigen auf das deutlichste, wie nötig der Impf- 
zwang ist und was wir der Einführung desselben zu verdanken haben, da vor- 
wiegend solche Personen erkrankten, die nicht oder zu lange Zeit nicht mehr 
geimpft waren. Um so mehr muß es verwundem, daß es immer noch Leute 
gibt, ja selbst in Ärztekreisen ^ die sich gegen den Impfzwang sträuben und 
denselben als einen unberechtigten Eingriff in die persönliche Freiheit be- 
trachten. Im Interesse dieser Zeitschrift dürfte es daher sein, folgendes Gut- 
achten der Königlichen Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinal wesen 
in Preußen zur allgemeinen Kenntnis zu bringen (aus den „Veröffentlichungen 
des Kaiserlichen Gesundheitsamtes'', XXIX. Jhrg., Nr. 9, S. 202 und 203). 

Gutachtliche Äußerung der Königlichen Wissenschaftlichen Depu- 
tation für das Medizinalwesen, betr. die Aufnahme ungeimpfter 
Kinder in Lehranstalten, deren Besuch nicht obligatorisch ist. 
Vom 28. November 1904. (Min.-Bl. f. Mediz. usw. Angel. 1905, S. 17.) 

Der praktische Arzt N. in hat unter dem 26. November 1908 eine 

Eingabe an den Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal- 
Angelegenheiten gerichtet, in welcher er eine grundsätzliche Entscheidung da- 
hin erbittet, daß nicht geimpfte Kinder von der Aufnahme in eine höhere Lehr- 
anstalt nicht auszuschließen seien, daß sie vieiraehr aufgenommen und an der 
Anstalt geduldet würden. Anlaß zu der Eingabe hat der Umstand gegeben, 
daß der Gymnasialdirektor X. in ... . dem Gesuchsteller, als dieser Ostern 1903 
seinen zweiten Sohn für das Gymnasium anmeldete, die Aufnahme desselben 
wegen fehlenden Impfungsnachweises abgelehnt hat. Der Gesuchsteller hält 
dieses Verfahren für ungerechtfertigt und auch mit den Vorschriften des Reichs- 
impfgesetzes vom 8. April 1874 nicht vereinbar, was er durch längere Aus- 
fuhrungen sowie durch Hinweis auf eine von ihm verfaßte — der Eingabe 
beigefügte — Abhandlung aus der Zeitschrift „Der Impfgegner ^^ des näheren 
zu begründen versucht. 

Der Herr Minister hat Veranlassung genommen, die diese Angelegenheit 
behandelnden Vorgänge der Wissenschaftlichen Deputation für das Medizinal- 
wesen zur Kenntnisnahme und mit dem Auftrage zugehen zu lassen; sich gut- 
achtlich dar&ber zu äußern, 

ob die Aufnahme von Kindern in höhere Lehranstalten — also in solche, 
deren Besuch nicht obligatorisch ist — von dem Nachweis der erfolgten 

^■nnde Jagend. V. 1/S 8 



34 Amtliches. 

Impfung bezw. Wiederimpfung, wie dies bisher durch die diesseitigen 
Erlasse vom 31. Oktober 1871, 7. Januar 1874 und 18. März 1885 — 
ZentralbL für die gesamte Unternchtsverwaltung in Preußen 1871 S. 706, 
1874 S. 201 und 1885 S. 387 — geschehen ist, auch fernerhin abhängig 
zu machen sein wird. 
Der Herr Minister hat seinem Ersuchen nachstehende Bemerkxmg bei- 
gefügt: 

„Nach § 13 des Irapfgesetzes vom 8. April 1874 — R.-G.-Bl. S. 31 u. fg. — 
sind die Leiter der Lehranstalten bei der Aufnahme von Zöglingen nur 
zu der Feststellung verpflichtet, ob dieselben geimpft sind. Ist dies 
nicht der Fall, so haben die Anstaltsleiter auf die nachträgliche Impfung 
zu dringen und etwaige Nichtimpfung der Polizeibehörde anzuzeigen/' 

Was zunächst die Persönlichkeit des Beschwerdeführers betrifft, so ist 
hervorzuheben, daß derselbe nach dem Berichte des Königlichen Provinzial- 
Schulkollegiums in . . . seit dem Jahre 1891 als homöopathischer Arzt in . . . 
praktiziert, daß er bei wiederholten Gelegenheiten in Wort und Schrift seine 
Gegnerschaft gegen die Pockenimpfung zum Ausdruck gebracht und wegen 
Nichtimpfenlassens seiner Kinder eine viermalige Bestrafung erlitten hat. 

In der Sache selbst sind, was zunächst die rechtliche Seite der Angelegen- 
heit betrifft, die für die Beurteilung maßgebenden Vorschriften in den Mini- 
sterialerlassen vom 31. Oktober 1871, 7. Januar 1874 und 8. März 1886 sowie 
in dem Reichsimpfgesetze vom 8. April 1874 enthalten. 

In dem Erlasse vom 31. Oktober 1871 bemerkte der Herr Minister, daß 
die große Ausdehnung der Pockenepidemie dazu nötige, auf schützende Maß- 
regeln für die die öffentlichen Schulen besuchende Jugend Bedacht zu nehmen, 
und ordnet zu diesem Zwecke an, 

daß von seiten der Provinzial -Aufsichtsbehörden die Direktoren resp 
Rektoren derjenigen öffentlichen Schulen, deren Besuch nicht obliga- 
torisch ist, angewiesen werden, hinfort die Aufnahme der Knaben resp. 
Mädchen u. a. auch von der I^eibringung eines Attestes über die statt- 
gehabte Impfung resp. Revaccination abhängig zu mechen. 

In dem Erlasse vom 7. Januar 1874 präzisiert der Herr Minister die Ver- 
fügung vom 31. Oktober 1871 näher dahin: 

daß bei der Aufnahme von Kindern, welche das zwölft« Lebensjahr bereits 
überschritten haben, nicht bloß der Nachweis der ersten Impfung, son- 
dern auch der stattgehabten Revaccination zu fordern ist. 

Das Reichsimpfgesetz vom 8. April 1874 beschäftigt sich im § 13 
mit der uns hier interessierenden Angelegenheit des Impfwesens. Derselbe 
schreibt vor: 

„Die Vorsteher deijenigen Schulanstalten, deren Zöglinge dem Impfzwange 
unterliegen (^§ 1 Ziffer 2), haben bei Auj&ahme von Schülern durch Einfordern 
der vorgeschriebenen Bescheinigungen festzustellen, ob die gesetzliche Impfung 
erfolgt ist. 

Sie haben dafür zu sorgen, daß Zöglinge, welche während des Besuches 
der Anstalt nach § 1 Ziffer 2 impfpflichtig werden, dieser Verpflichtung ge- 
nügen. 



Amtliches. 35 

Ist eine Impfung ohne gesetzlichen Grund unterblieben, so haben sie auf 
deren Nachholung zu dringen. 

Sie sind verpflichtet, vier Wochen yor Schluß des Schuljahres der zu- 
ständigen Behörde ein Verzeichnis derjenigen Schüler vorzulegen, fiir welche 
der Nachweis der Impfung nicht erbracht ist.^' 

Der Erlaß vom 18. MBxz 1885 endlich, an die Königliche Regierung zu 
.... gerichtet, beschäftigt sich mit der von dieser Regierung angeregten 
Frage, ob nicht das Reichsimpfgesetz als erschöpfende Kodifikation alle über 
die §§ 1 und 13 des Gesetzes hinausgehenden weiteren Kontroll- und Zwangs- 
maßregeln, insbesondere auch die genannten Ministerialerlasse vom 31. Oktober 
1871 und 7. Januar 1874 aufgehoben habe. Der Minister verneint die Frage 
und bemerkt: 

daß die Zirkularerlasse vom 31. Oktober 1871 und 7. Januar 1874 als 
durch das Reichsimpfgesetz vom 8. April 1874 aufgehoben nicht an- 
gesehen werden können, daß ich mich auch nicht veranlaßt finden kann, 
die im Interesse der Gesundheitspflege in der Schule durch jene Erlasse 
getroffenen Anordnungen . . . außer Kraft zu setzen. 

Der Auffassung, daß das Reichsimpfgesetz in bezug auf schulpflichtige 
Kinder als vollständige Kodifikation alle weiteren Kontroll- und Zwangsmaß- 
regeln, als in den §§ 1 und 13 daselbst angegeben, als unzulässig erscheinen 
lasse, kann nicht beigetreten werden. Die Anordnung, daß ungeimpfte Kinder 
in Schulanstalten nicht aufgenommen werden sollen, fällt nicht in den Bereich 
der durch das Reichsimpfgesetz geregelten Materie, sondern ist ein davon un- 
abhängiger, im Interesse der Gesundheit der Schüler gegebener Schulauf- 
sichtsakt. Weder der Wortlaut des § 13 des Reichimpfgesetzes noch auch 
die parlamentarischen Verhandlungen über dieses Gesetz bieten Anhaltnpunkte 
für die Annahme, daß durch das Gesetz in die Befugnißse der Schul- und 
Unterrichtsanstalten, hinsichtlich der Gesundheitsverhältnisse in der Schule die 
für zweckmäßig erachteten Maßregeln zu treffen, habe eingegriffen werden 
sollen. Der gleichen Auffassung hat auch das Kammergericht in dem Urteile 
vom 7 Juni 1886 Ausdruck gegeben, und ausgesprochen, daß die Nichtaufnahme 
eines Kindes in eine zur Auüiahme von Schülern gesetzlich nicht verpflichtete 
Lehranstalt wegen fehlenden Nachweises der Impfung nicht gegen die Be- 
stimmungen des Reichsimpfgesetzes, insbesondere nicht gegen den § 13 des- 
selben, verstoße (vgl. Jahrb. d. Kammergerichts Bd. 6 S. 287). 

Sind hiemach die Erlasse des Herrn Ministers vom 31. Oktober 1871 und 
7. Januar 1874 auch heute noch für rechtsbeständig zu erachten, so fragt es 
sich weiter, ob Gründe vorliegen, welche ohne Verletzung sonstiger gesundheit- 
licher Interessen es als zulässig und angezeigt erscheinen lassen, von der Be- 
fugnis der Anstaltsleiter, nicht geimpfte Kinder von der Aufnahme in eine 
höhere Lehranstalt auszuschließen, in Zukunft abzusehen und die Nachhol ung 
der Impfung des aufzunehmenden Kindes lediglich der Sorge und Kontrolle der 
Polizeibehörde zu überlassen. Wir müssen uns auch hiergegen aussprechen. Die 
Schutzpockenirapfung ist die wichtigste Schutzmaßregel gegen die Pocken, und 
Wissenschaft und Praxis sind, von vereinzelten Ausnahmen abgesehen, einig 
in der Anerkennung ihres heilsamen Einflusses auf die öffentliciie Gesundheits- 
pflege. Aus der Erkenntnis dieser Tatsache ist das Reichsimpfgesetz hervor- 
gegangen. Vom Standpunkte der öffentlichen Gesundheitspflege muß jedes 

3* 



S6 Besprecbungen. 

Mittel, welches die Dorchführang der Impfang mittelbar oder unmittelbar 
fördert, willkommen geheißen und begrüßt werden, gleichviel, ob es dem 
Polizei- oder dem Aufsichts- und Disziplinargebiete der Schule angehört. Der 
Verzicht auf das Recht, ungeimpfte Kinder von der Aufnahme in eine höhere 
Lehranstalt zurückzuweisen, würde auf dem Gebiete der Schntzpockenimpfnng 
die Verwaltung eines der wirksamsten Zwangsmittel berauben und auch inso- 
fern nicht unbedenklich sein, als er seitens der Impfgegner als ein behörd- 
liches Entgegenkommen aufgefaßt und nur geeignet sein würde, die zur Zeit 
schon ohnehin sehr lebhaften Agitationen gegen die Schutzpockenimpfung in 
unerfreulicher Weise noch mehr zu steigern. 

. Wir geben hiemach unser Gutachten dahin ab: 

daß die Aufnahme von Kindern in höheren Lehranstalten, deren Besuch 
nicht obligatorisch ist, von dem Nachweise der erfolgten Impfung bezw. 
Wiederimpfung auch fernerhin abhängig zu machen sein wird. 

Berlin den 23. November 1904. 

(Unterschriften.) 



VIL Besprechungen. 



Berninger, Johannes: Pädagogik und Hygiene (Schul- und Volksgesund- 
heitspflege in der praktischen Berufstätigkeit des Lehrers). Verlag von 
Leopold Voß, Hamburg und Leipzig 1904. 8^ VIII u. 80 S. Preis 
M. 1,20. 

Verfasser wendet sich in warmen Worten an die Lehrerschaft mit der 
Bitte, neben dem wissenschaftlichen Unterrichte auch dem körperlichen Wohl- 
befinden der Schulzöglinge gebührende Beachtung zuteil werden zu lassen. 
Er gliedert die hygienische Tätigkeit des Lehrers nach zwei Richtungen: 
1) innerhalb der Schule und 2) außerhalb derselben. In dem ersten Teile be- 
schäftigt er sich mit dem Unterricht in den Aufnahmeklassen, den höheren 
Klassen, mit der Subsellienfrage , mit der Hygiene der einzelnen Lehrfächer 
der Volksschule und kritisiert im weiteren Mißstände allgemeiner Art, wie sie 
vielfach in den Einrichtungen der Schulen zu finden sind. Pädagog und 
Mediziner müssen in hygienischen Fragen Hand in Hand gehen. Auch die 
Freiluftschule findet Erörterung. Der zweite Abschnitt ist eine Aufforderung 
an die Lehrerschaft, sich den schulhygienischen und volkshygienischen Be- 
strebungen unserer Zeit anzuschließen und dieselben tatkräftig zu unterstützen. 
Aus allen Zeilen der Schrift tritt neben der Begeisterung für die Sache die 
wärmste Liebe zu unserer Schuljugend hervor. Wir wollen nicht unterlassen, 
die Lektüre derselben jedem Schulmanne auf das Dringendste zu empfehlen. 



Besprechungen. 37 

Lafler^ HngOy Dr. med., Schularzt in Königsberg: Zur Verhütung der Über- 

tragmxg der Infektionskrankheiten durch Trinkbecher in den 

Schulen. Zentralbl. f. allgemeine Gesundheitspflege. 24. Jahrg, S. und 

i. Heft. 

Daß Infektionskrankheiten durch Benutzung eines Trinkbechers seitens 

vieler Schüler übertragen werden können, kann wohl nicht geleugnet werden, 

zumal die Becher in den wenigsten Fällen beim Wechseln ordentlich gereinigt 

werden. Deshalb will der Verfasser, daß jedes Schulkind seinen eigenen 

Trinkbecher haben soll. Er schlägt flache, zusammenklappbare Becher von 

Papier vor, die von der Fabrik Schmidt & Ko. in Elberfeld zum Preise von 

3—5 Pf. pro Stflck geliefert werden und bei guter Behandlung 2—8 Monate 

haltbar sind. Für das Geeignetste hftlt er, daß jeder Becher in einem Kuvert, 

mit dem Namen des Kindes versehen, aufbewahrt wird. Diese Kuverts sollen 

in einer Klasse alphabetisch geordnet und auf Wunsch den Kindern, die 

Wasser trinken wollen, von dem Lehrer oder einem Schulkind, das die Becher 

in Verwahrung hat, ausgeliefert werden. 



Moses 9 JalluSy Dr. med., Mannheim: Die Gliederung der Schuljugend 
nach ihrer Veranlagung und das Mannheimer System. Inter- 
nationales Archiv für Schulhygiene. 1. Bd., Heft 1, S. 7. 
Verfasser tritt den Bedenken und Mißverständnissen entgegen, die viel- 
fach in pädagogischen Kreisen noch gegen das Mannheimer System geltend 
gemacht werden, während medizinerseits einmütige Zustimmung besteht. 
Unter Veranlagung will er die Befähigung der Schülerindividuen, die An- 
forderungen des Unterrichts zu erfüllen, verstehen. Eine Reduktion des Lehr- 
stoffes wird aUgemein als nötig anerkannt, doch wird man mit einer quanti- 
tativen Einschränkung desselben nicht alle Mißstände beseitigen. Wie man 
für die Schwachsinnigen Hilfsklassen errichtet hat, so muß man auch ftir die 
Schwachbefähigten besondere Klassen errichten. Dies wird erreicht in dem 
von Dr. Sickinger in Mannheim eingeführten Klassensystem der Förder- 
klassen, die den Hauptklassen parallel laufen und durch die Einrichtung der 
Abschlußklassen einen individuell abgestuften kompletten Lehrgang bieten. 
Das Bedenken, daß die Kinder sich zurückgesetzt fühlen, dadurch, daß sie 
aus der Gemeinschaft der Volksklassen herausgerissen werden, wird durch die 
mehljährigen Erfahrungen in Mannheim hinfällig. Die Sonderung der Schule 
kann außerdem auch nicht auffallen, da die Förderklassen als Parallelklassen 
der Hauptklassen geführt werden. Wir können uns nur auf Seite des Ver- 
fassers stallen und der Einführung des Mannheimer Systems eine baldige 
weite Verbreitung wünschen. 



Sehleleta) Professor Dr., Tübingen: Die Augen der Schüler und Schülerinnen 
der Tübinger Schulen, Internationales Archiv für Schulhygiene. I. Bd., 
Heft 1, S. 19. 

Verfasser untersuchte von 2126 Schülern 2098. Er fand von 1163 männ- 
lichen Schülern normale Augen 729 = G3,2 %, anormale 414 = 36,8 %. 



38 Besprechungen. 

Von 945 weiblichen Schülern normale Angen 639 ^=^ 67,6 %^ anormale 
306 = 32,4 %. 

Nach den einzelnen Schulen zusammengestellt fand er 

Schuler I normal anormal 



238 Gymnasium 117 = 49,2 % 121 = 50,8 % 

278 Realschule : 1 78 = 64,0 „ 100 = 36,0 „ 

86 Elementarschule 65 = 75,6 „ 21 = 24,4 „ 

294 höhere Mädchenschule . . ' 205 = 69,7 „ 89 = 80,3 „ 

1202 Volksschule 803 = 66,8 „ i 399 « 38,2 „ 

Eine Zusammenstellung der einzelnen Gruppen der verschiedenen Schulen 
nach Jahrgängen geordnet ergab die günstigsten Verhältnisse bei den jüngsten 
Jahrgängen IV. Gruppe (2. und 1 Schuljahr) der höheren Mädchenschule mit 

87.5 7o normalen Augen; ihnen folgen IV. Gruppe der Elementarschule mit 

75.6 %; weiter die III. Gruppe (7.-3. Schuljahr) der höheren Mädchenschule 
mit 71,1 %, dann IV. Gruppe der Volksschule mit 71 7oi m« Gruppe der 
Realschule mit 69,3 %, III. Gruppe der Volksschule mit 64,6 %, III. Gruppe 
des Gymnasiums mit 59,1 °'oi ^' Gruppe (10. — 8. Schuljahr) der Realschule 
mit 52,3 %, II. Gruppe der höheren Mädchenschule mit 45,6 7'^, II. Gruppe 
des Gymnasiums mit 40,3 %. Am schlechtesten stellen sich die höchsten 
Schuljahre (12. und 11) des Gymnasiums mit 28,2 7o- 

Aus einer Zusammenstellung betreffs der Häufigkeit der kurzsichtigen 
Augen fand Verfasser, daß die Kurzsichtigkeit sowohl zunimmt mit den Schul- 
jahren, als auch mit der Zunahme der Ansprüche, die in den verschiedenen 
Schulen an die Schüler gemacht werden. Am geringsten war die Zahl der 
kurzsichtigen Augen in den 2 jüngsten Schulklassen der höheren Mädchen- 
schule; dann folgten die jüngsten Schulklassen der höheren Mädchenschulen 
und die Elementarklassen. Für die höheren Schuljahre ergab sich im all- 
gemeinen eine höhere Zahl der kurzsichtigen Augen. Ein Vergleich mit 
anderwäi-ts gewonnenen Ergebnissen zeigte, daß die Verhältnisse in den Tübinger 
Schulen keine ungünstigen sind. 



Schmid-Monuard, Dr. med.: Soziale Fürsorge für Kinder im schulpflich- 
tigen Alter. Mit einem Beitrag von Prof. Dr. A. Hartmann. Hand- 
buch der Hygiene, IV. Supplementband 1905. 
In 26 Kapiteln behandelt der um die Schulhygiene hochverdiente, leider 
schon gestorbene Verfasser die Fürsorge innerhalb des Schulbetriebes, welche 
durch Einführung des Handarbeits- und Haushaltungsuntemchts Auge und 
Hand zu bilden sucht und den Mädchen Gelegenheit gibt, die Kenntnisse zur 
Führung eines bürgerlichen Haushalts zu erwerben. Die Arbeit gibt eine zu- 
sammenfassende Übersicht über die Maßnahmen, die in den verschiedenen 
Ländern, vor allem Deutschland, zur Förderung der Knabenhandarbeit, des 
Haushaltungsunterricht« in den Mädchenschulen, in der Fürsorge für Stotterer 
und schwachbefäbigte Kinder usw. getroffen sind. Außerhalb der Schule 



Besprechongen. 39 

weiden als Maßnahmen zur erziehlichen Weiterbildung der Schulkinder Schüler- 
bibliotheken und Schülervorstellungen behandelt. Eine Reihe von Kapiteln 
Bind den Schulbädem, dem unentgeltlichen Schwimmunterricht in Volks- und 
Bürgerschulen, dem Eislauf, Jugendspielen und Schüleransflügen gewidmet. 
Was zur Fürsorge für arme und sozial schlecht gestellte Kinder bisher ge- 
schehen ist, findet man in 'den Kapiteln über Speisung, Kleidung, wohltatige 
Vereine, Kinderhorte, Waisen- und Krüppclpflege. Die einzelnen Kapitel 
können hier nicht alle einzeln aufgeführt werden. Jedem, der sich über den 
heutigen Stand der sozialen Fürsorge für Schulkinder orientieren will, yird die 
Arbeit willkommen sein. 



Snek, Hans: Fürsorge für die schulentlassene Jugend. Handbuch der 
Hygiene, hrsg. von Th. Weyl, IV. Supplementband 1905. 
Verfasser gibt eine zusammenfassende Übersicht über die Einrichtungen, 
die von Privaten und amtlichen Organen im In- und Auslande zur Förderung 
der sozialen Wohlfahrt der schulentlassenen Jugend getroffen sind. 

Nach Festsetzung des Begriffes „schulentlassene Jugend^^, der in den 
verschiedenen Ländern zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr beginnt und mit 
dem 18. Lebenjahr abschließt (Suck möchte als obere Grenze das 20. Lebens- 
jahr festgesetzt haben), und nachdem er mit Hilfe der Statistik den für die 
Wohlfahrtstätigkeit in Betracht kommenden Teil der Bevölkerung bestimmt 
hat, begründet Verfasser die Notwendigkeit der Jugendfürsorge. Diese ergibt 
sich durch Schädigung der Jugendlichen an der Gesundheit durch den Beruf 
und die Lebensführung, weiterhin durch Verschlechterung der wirtschaftlichen 
Verhältnisse durch Wahl eines ungeeigneten Berufs und Lockerung des 
Familienlebens, endlich durch Vernachlässigung der geistigen Fortbildung und 
Gefährdung der Sittlichkeit. 

Die Fürsorgetätigkeit teilt er ein in 1. Unterstützung bei der Berufswahl, 
2. Sorge für gute berufliche Ausbildung, 3. allgemeine Fortbildung der Jugend- 
lichen, 4. Schutz und Beaufsichtigung der schulentlassenen Jugend durch be- 
sondere Schutzbestimmungen für jugendliche Arbeiter und Arbeiterinnen 
und Fürsorge für wirtschaftliche Kräftigung, 5. Wohnungsf ursorge , 6. Be- 
strebungen für Belehrung und Unterhaltung der Schulentlassenen, 7. Verhütung 
sittlicher Gefährdung. In besonderen Kapiteln werden die Fürsorge für be- 
sondere Gruppen der Jugendlichen — Waisen, Jugendliche mit körperlichen 
und geistigen Defekten, umherwanderndc Schulentlassene — und die Behand- 
lung der verwahrlosten Jugendlichen — Gefährdete und Verbrecher — erörtert. 

Die Arbeit stellt einen wertvollen Beitrag für die Entwicklung und Kennt- 
nis des heutigen Standes der sozialen Hygiene dar. 



Speidely Dr. med., Tübingen: Die Augen der Theologie Studierenden 
in Tübingen. Internationales Archiv für Schulhygiene, 1. Bd. Heft 1 
S. 28. 
Speidel untersuchte 566 Studierende mit 1132 Augen, davon 310 Zöglinge 

des katholischen Seminars mit 620 Augen und 256 Zöglinge des evangelischen 



40 



Besprechungen. 



Seminars mit 512 Augen. Die bei der Refraktionsbesiimmung gefundenen Re- 
sultate stellt er in eine Tabelle zusammen, die wir seiner Arbeit entnehmen. 



I Zusammen 
'Anzahl j % 



Katholische 
Anzahl j % 



Evangelische 
Anzahl' % 



Sämtliche untersuchten Augen m 1182 

Augen der beiders. Emmetropischen || 210 

„ „ „ Myopischen.. .| 638 

„ ;, „ Hyperopisohen . il 116 

„ ,, einseitig Emmetropischen l| 65 

„ „ „ Myopischen 'i 64 

,, „ „ Hyperopischen . 'i 39 



100.0 


620 


18,6 


128 


66,4 


340 


10,3 


60 


6,7 


37 


6,7 


32 


3,4 


23 


24,8 


165 


62,1 


872 


13,7 


83 



54,8 
20,6 
64,8 



612 

82 
298 



9,7 


66 1 


6,0 


28 


6,2 


32 


3,7 


16 


26,6 


110 


60,0 


330 


13,4 


72 



45,2 

16,0 

68,2 

11,0 

5,5 

6,2 

3,1 



Summe aller emmetropischen Augen i 275 
„ „ myopischen Augen . . . || 702 
„ „ hyperopischen Augen .. | 156 



21,5 
64,4 
14,1 



In dem weiteren Teil der Arbeit geht Verfasser auf die verschiedenen 
Refraktions- und Akkommodationsanomalien sehr eingehend ein, wobei auch die 
Erblichkeits Verhältnisse berücksichtigt werden. Für ein kurzes Referat nicht 
geeignet, dürfte dieser Teil auch wohl nur Spezialisten interessieren. 



SakakI) Yasadabaro, Dr. med., Professor der Universität Fukuoka: Ermü- 
dungsmesBimg^en in vier japaniBohen Sohulen. Internationales Archiv 
für Schulhygiene. 1. Bd. Heft 1 S. 58. 

Verfasser stellte in vier Schulen mit 206 Schülern mit dem Ästhesiometer 
von Griesbach am obem Rand des lateralen Jochbogens die physiologische 
Normale fest. Seine gewonnenen Resultate stellt er im wesentlichen in den 
Sätzen zusammen: 

„Die physiologische Normale beträgt durchschnittlich in der Mädchen- 
elementarschule 11,8 mm, in der Knabenelementarschule 12,3 mm^ in der 
höheren Töchterschule 12,1 mm, im Gymnasium 13,2 mm. 

Die Untersuchungen über den Einfluß des väterlichen Berufes hatten kein 
bestimmtes Ergebnis. Kinder von Bankiers haben eine höhere physiologische 
Normale, Kinder von mittleren Kaufleuten und Beamten eine geringere. 

Kinder, welche zur Schule fahren, also ziemlich lange in frischer Luft 
gewesen sind, hatten eine geringe physiologische Normale. Bei diesen war 
durch die Erfrischung die morgendliche Stumpfheit der Geistestätigkeit be- 
seitigt. Zu Fuß wirkt eine Wegstrecke von 1500 m erholend auf die Kinder 
ein. Die näher wohnenden zeigen oft noch Schläfrigkeit. Eine Wegstrecke 
von mehr als 1600 m wirkt ermüdend. 

Alle Schüler müssen möglichst lange schlafen. Mädchen im Alter von 
9 Jahren 6 Monat bis 11 Jahren 6 Monat müssen wenigstens neun Stunden 
15 Minuten schlafen, Mädchen im Alter von 8 Jahren 6 Monat und je ein Jahr 
jüngere müssen um so viel halbe Stunden länger schlafen, als sie an Jahren 
jünger sind. Knaben müssen überhaupt eine halbe Stunde länger schlafen als 



Besprechungen. 41 

Mädchen; auch darf ihnen keine fo große Anstrengung zugemutet werden, als 
e» in der Regel geschieht. 

Wenn in der UnterrichtsBtunde ein schwerer Lehrstoff behandelt wird, so 
steigt die Kurve hoher als bei leichterem Lehrstoff. Bis zur vierten Stunde 
steigt sie mehr oder weniger steil. 

Die einstfindige Mittagspause wirkt mehr oder weniger erholend. 

Die Nachmittagsstunde beider Elementarschulen ermüdet beinahe ebenso 
sehr wie zwei Vormittagsstunden. Bei jüngeren Kindern beträgt der Ermü- 
dungswert einer Nachmittagsstunde beinahe y^ der Ermüdungsdifferenz von 
vier Yormittagsstunden. 

In den Elementarschulen bringen Bechnen, Lesen und Diktat die gröfite 
Ermüdung hervor, Zeichnen wirkt gleich 0, Physik erholend, und Naturkunde, 
wenn sie im Yormittagslehrplane liegt, gleichfalls erholend. Die größten Er- 
müdungswerte in den Elementarschulen betragen nur die Hälfte von denen im 
Gymnasium und in der höheren Töchterschule. 

In der höheren Töchterschule ermüdet die Prüfung in Geographie doppelt 
so stark als jede andere Lehrstunde, im übrigen sind Rechnen und japanische 
Literatur als stark ermüdende Lehrfächer zu bezeichnen; Singen und Zeichnen, 
Nähen und Schreiben wirken im Vergleich zu ihnen erholend. 

Im Gymnasium wirkt die Geschichte als Nachmittagsstunde stark er- 
müdend; sie wurde weniger ermüdend wirken, wenn man sie in den Vormittags- 
unterricht Terlegte. Physik wirkt am meisten ermüdend (Unterschied zwischen 
Elementarschule und Gymnasium). Daran reihen sich Rechnen, Geometrie, 
Algebra und Tarnen. Naturkunde und japanische Literatur zeigen keine er- 
müdende Wirkung. Singen und Alljapanisch wirken erholend.'* 



Ingersler, Dr. med., Schularzt in Randers, Dänemark: BkolelaegeTaesenet 
i Danmark. Internationales Archiv für Schulhygiene. 1. Bd. Hfb. 1, S. 123. 
Dieser Arbeit über das Schularztwesen in Dänemark können wir im wesent- 
lichen folgendes entnehmen: „Der Schularzt ist ausschließlich als der Ratgeber 
der Schulbehörden, sowie der Lehrerschaft in allen die Schule und Schüler in 
hygienischer Hinsicht betreffenden Fragen zu betrachten. Gewöhnlich erstreckt 
sich die schulärztliche Aufsicht über 2 — 8000 Schüler^ in den kleineren Städten 
sinkt diese Zahl jedoch auf etwa 600. 

Die jährliche Besoldung beträgt 260— uOO Kronen (in Kopenhagen 400 
Kronen). Der Schularzt wacht darüber, daß die Regeln und Vorschriften, die 
mit Rücksicht auf die hygienischen Verhältnisse in der Schule gegeben worden 
sind, eingehalten werden. Er soll sich öfters, wenigstens jede zweite Woche, 
bei Epidemien auch häufiger, in jeder der ihm zugeteilten Schulen Tormittags 
und nachmittags einfinden. Er untersucht in der Regel nur diejenigen Kinder, 
die ihm von der Schule aus zugewiesen werden. Die ärztliche Behandlung 
der kranken Kinder ist nicht Sache des Schularztes. Alle in die jüngste Klasse 
neu eingetretenen Kinder sollen vom Schularzte auf ihren Gesundheitszustand 
untersucht werden Das Ergebnis dieser Untersuchung wird in gedruckte Karten 



42 Besprechungen. 

eingetragen, die in der Schule aufbewahrt werden nnd jedem Lehrer zugang- 
lich sind. Wenigstens einmal jährlich ruft der Schuldirektor alle Schulärzte 
zu einer Sitzung zusanmien, wozu auch die Vizeschuldirektoren oder ein Aus- 
schuß dieser eingeladen werden. In dieser Sitzung wählen die Schulärzte aus 
ihrer Mitte drei Mitglieder, welche einen permanenten Ausschuß bilden, mit 
welchem der Schuldirektor sich beraten kann. Die Kopenhagener Schulärzte 
werden von der Schuldirektion ernannt mit gegenseitiger Kündigungsfrist Ton 
8 Monaten. In den Provinzialst&dten ist das Schularztwesen im großen und 
ganzen nach Kopenhagener Muster geordnet. Doch gehört in einigen Orten 
die Behandlung kranker Schüler zu den Pflichten des Schularztes, in anderen 
Orten wird ausdrücklich die Untersuchung der Schüler in regelmäßigen zeit- 
lichen Zwischenräumen gefordert. In mehreren Städten sind auch die Klein- 
kinderschulen den Schulärzten unterstellt. Schulzahnärzte sind seit Dezember 
1896 in einigen Städten angestellt. Der im Oktober 1908 gebildete dänische 
Verein zur Förderung der Schulhygiene ist die einzige Institution^ durch welche 
auf schulbjgienische Verhältnisse ein Einfluß ausgeübt werden kann. 



Schneider 9 Dr., Kreisarzt in Arnsberg: Zur Bohulbankfrage. Zeitschrift 
für Medizinalbeamte 1904, S. 22. 
Die Schulbankfrage kann trotz der großen Fortschritte der Technik auf 
diesem Oebiete noch lange nicht als gelöst betrachtet werden. Die erste For- 
derung bei dieser Frage ist, daß die Bankgrößen den Körpergrößen der Kinder 
entsprechen. Es sollen deshalb in jedem Schulhalbjahr die Schulkinder ge- 
messen und danach auf die Bänke verteilt werden. Für abnorm große und 
abnorm kleine Kinder müßten Beservebänke vorhanden sein, ebenso müßten 
für abnorm gestaltete Kinder, z. B. rachitische, Bänke mit verstellbaren Teilen 
angeschafft werden. Bei einer Vergleichung der verschiedenen in letzter Zeit 
konstruierten Schulbänke findet Verfasser, daß es keine einzige gibt, die man 
als die beste zur Anschaffung empfehlen könnte. Jedoch bei dem Hochstand 
unserer Technik glaubt er, wenn auch nicht auf eine endgültige Lösung, so 
doch auf weitere Fortschritte in der Schulbankfrage rechnen zu können. 



Kleinere Mitteilungen. 43 



VIII. Kleinere Mitteilungen. 



— Die Bohulhygienische AuBStellung des Leipaiser Lehrervereins. 
Eine höchst bedeutungsvolle Ausstellung plant der Leipziger Lefarerverein durch 
seine Abteilung für Schulgesundheitspflege. Sie erstreckt sich auf die Lehr- 
mittel aus dem Gebiete der Menschenkunde und Gesundheitslehre. Der Kat 
der Stadt Leipzig unterstutzt die Ausstellung durch Bereitstellung des Saales 
im städtischen Meßpalaste und durch finanzielle Beihilfe. Die Ausstellung soll 
vom 5. — 18. Juli stattfinden und eine möglichst lückenlose Vorführung aller 
auf diesem Gebiete vorhandenen Lehrmittel darbieten. Verleger, Fabrikanten 
und Lehrmittelhändler mögen in ihrem eigenen Interesse sich rechtzeitig melden, 
zumal da eine Ausstellungsgebühr nicht erhoben wird. Aber auch Erfinder 
und Lehrer, welche im Besitze derartiger Lehrmittel sind, die noch gar nicht 
in die Öffentlichkeit gelangten, werden auf diese Ausstellung aufmerksam ge- 
macht. Über sämtliche AusHtellungsgegenstände wird ein mustergültiger Katalog 
mit Angabe aller Bezugsquellen geschaffen. Alle Anmeldungen und Anfragen 
wolle man an die Geschäftsstelle Dr. Scheffer, Leipzig, Nostitzstraße 9, 
richten. Die Schulbehörden aller Bundesstaaten und Städte werden zur Abord- 
nung von Vertretern zum Besuche ersucht werden. 

— Jugendspiele. Die neuen Hessischen Volksblätter vom 6. Mai 1905 ent- 
halten folgende auf Darmstadt bezügliche Mitteilung: Im Interesse einer regeren 
Teilnahme an den seit 1901 an den städtischen Schulen (Mittel und Stadt- 
schulen) eingeführten Jugendspielen hat die Schule durch ein zur Verteilung 
gekommenes Flugblatt beherzigenswerte Worte an die Eltern der Schüler ge- 
richtet, damit diese mehr als seither die Kinder zur Teilnahme an den Jugend- 
spielen anhalten. Denn, so wird darin ausgeführt, gerade die meisten älteren 
Schüler, für welche die Beteiligung besonders wichtig wäre, werden durch die 
Eltern zurückgehalten, entweder um in den schulfreien Stunden einen kleinen 
Verdienst zu suchen oder zu Hause im elterlichen Haushalte oder Geschäfts- 
betrieb sich nützlich zu machen. Um nun die Eltern über die hohe Bedeutung 
des Jugendspieis für die Erziehung ihrer Kinder aufzuklären, wird auf die 
Wichtigkeit der Jugendspiele mit folgenden Sätzen hingewiesen: 1. Es ist ein 
seit alters anerkannter Satz, daß in einem gesunden Körper ein gesunder Geist 
wohnt. 2. Das richtig geleitete Spiel stärkt Herz und Lungen, macht den 
Körper gewandt und geschmeidig und kräftigt ihn für die Kämpfe des Lebens» 

3. Durch Abhärtung des Körpers wird Krankheiten am besten vorgebeugt. 

4. Das Spiel gewährt reine Freuden, erfrischt den Geist und erzieht zu rascher 
Auffassung, Mut und Entschlossenheit. 5. Die Liebe zum Spiel wirkt schäd- 
lichen Einflüssen entgegen und ist in diesem Sinn ein Schutzmittel gegen die 
Verführung der Großstadt. 



1 



44 Kleinere Mitteilungen. 

— Die Bahnftntliche Foliklinik fOr Volkssohulkinder in Darmetadt. 
In dem n. JahreBberichte des Leiters der Klinik (Zahnarzt Köhler -Darmstadt) 
lesen wir folgendes: 

Im Jahre 1904 wurden in der zahn&rztlichen Poliklinik im ganzen 1106 
Kinder behandelt mit 2868 Konsultationen, und zwar 649 M&dchen und 467 
Knaben (im Yoijahr 1876 Kinder mit 2688 Konsultationen). 

Durch Füllungen wurden erhalten: 1806 Zähne (gegen 1661 Zähne im 
Voijahr), während 1660 (im Yoijahr 1871) Zähne ausgezogen werden mußten. 
Von diesen 1660 ausgezogenen Zähnen waren 1236 Wechselzähne (Milchzähne) 
und 326 bleibende Zähne. Eine grofie Zahl Zahnfleisch- und Kiefererkran- 
kungen kamen auch in diesem Jahre zur Behandlung und Heilung. 

Im ganzen wurden an 286 Tagen Sprechstunden abgehalten (gegen 271 
im Voijahr). 

Wie aus obigen Zahlen hervorgeht, ist die Zahl der Patienten imd der 
ausgezogenen Zähne etwas gesunken, während die Zahl der durch Füllungen 
erhaltenen Zähne beträchtlich gewachsen ist. Es läßt sich das hauptsächlich 
dadurch erklären, daß durch die Tätigkeit der zahnärztlichen Poliklinik für 
Volksschulkinder die Zahnpflege eine bessere geworden ist. Die Zahl der 
schweren Kiefererkrankungen etc. ist merklich geringer geworden. 

Daß durch die Einrichtung der zahnärztlichen Poliklinik die Zahnpflege 
eine bessere geworden ist, beweist auch die Gegenüberstellung der Besuchsziffer 
der vier Quartale der beiden Jahre: 

Zahl der Besucher im 1. Quartal 663 in 1903, 476 in 1904, 

„ „ „ „ 2. „ 247 „ 1903. 217 „ 1904, 

„ „ „ „ 3. „ 283 „ 1903, 226 „ 1904, 

„ „ „ „ 4. „ 183 „ 1903, 188 „ 1904. 

Während namentlich das 1. Quartal 1903 die fast ly, fache Patientenzahl 
aufweist wie der gleiche Zeitabschnitt 1904, bleiben die übrigen Zahlen sich 
ziemlich gleich. Es wäre dieser Umstand femer auch noch als ein Beweis für 
das dringende Bedürfnis der Einrichtung zu betrachten. Denn naehdem das 
Allemotwendigste behandelt worden war, konnte etwas mehr Gleichmäßigkeit 
in der Frequenz eintreten. 

Bei der Errichtung der zahnärztlichen Poliklinik war auf Grund gegebe- 
ner Verhältnisse (Straßburg) als Besuchsziffer fünf bis sechs Prozent der 
Gesamtzahl aller Volksschulkinder angenommen, die sich jedoch als viel zu 
niedrig ergab. 

Durch diesen Umstand kam es, daß bei der Durchführung der wechsel- 
weisen Behandlung durch die Darmstädter Mitglieder des Vereins Hessischer 
Zahnärzte sich eine Bieihe von Übelständen ergab. Vor allen Dingen wurde 
die Übersicht über den Betrieb und die Möglichkeit einer zweckmäßigen, ein- 
heitlichen Durchführung außerordentlich erschwert. Die Kinder und Angehüri- 
gen sahen allabendlich andere Gesichter als Behandelnde auftauchen, und so 
drohte durch diesen Wechsel das Wichtigste geschädigt, wenn nicht gar ge- 
stört zu werden, ohne das die Tätigkeit der Anstalt außerordentlich erschwert 
— wenn nicht wirkungslos werden mußte — das Vertrauen der zu behandeln- 
den Kinder und ihrer Angehörigen. Solche und noch viele andere Nachteile 
drängen auf eine rasche Änderung des Systems. 



Zeitechrifbenrahdschau. 45 

Da sich aus diesen Gründen die abwechselnde Behandlung der Kinder 
durch di& einseinen hiesigen Mitglieder des Vereins Hessischer Zahnilrzte im 
Interesse der Einrichtung selbst auf die Dauer nicht durchfuhrbar herausstellte, 
übernahm Zahnarzt Köhler Ende April 1^3 dieselbe und ließ sie durch seinen 
Assistenten einheitlich durchführen. Es wurde außer der offiziell um 6 Uhr 
abends beginnenden Sprechzeit meist schon um dV« bis 6y, Uhr abends mit 
der Behandlung bestellter Kinder begonnen und nach 7 Uhr ebenfalls (nach 
Bedürfnis oft bis 8 Uhr) fortgesetzt. Denn während der allgemeinen Sprechzeit 
war es nicht angängig, länger dauernde Behandlungen (z. B. Füllen von Zähnen) 
durchzuführen. 

Außerdem konnte die Zahl der Tage, an denen Sprechstunden abgehalten 
wurden, von 271 auf 286 erhöht werden. Diese Anordnungen ermöglichten es, 
die recht beträchtliche Zahl von 1806 Zähnen zu füllen. 

— Vierteljahrssohnit für körperliche Eraiehung. Unter der Leitung 
der Herren Professor Dr. Leo Burgerstein und Bürgerschullehrer Dr. Viktor 
Primmer in Wien erscheint seit März eine neue Zeitschrift: die Viertel- 
jahrschrift für körperliche Erziehung, als Organ des Vereines zur 
Pflege des Jugendspieles in Wien (Verlag des Vereines zur Pflege des 
Jugendspieles, Wien; im Buchhandel durch F. Deuticke, Wien). Die Zeitschrift 
hat die Behandlung folgender Gegenstände in ihr Programm aufgenommen: 
Jugendspiel, leichte Athletik, Turnen im Freien, Baden, Schwimmen, 
Eislaufen, Fechten, Budern, Schülerausflüge, Schülerreiaen, Hy- 
giene des Schulhauses, des Elternhauses und des Unterrichtes, 
Schularztfrage, Landerziehungsheime, Tageserholungsstätten, 
Waldschulen, Handfertigkeitsunterricht, KoSdukationssjstem, 
Unterricht in Hygiene, Ferienfürsorge. Die Vierteljahrschrift erscheint 
je im März, Mai, Oktober und Dezember in der Stärke von 3—4 Bogen und 
kostet im Buchhandel 3,60 Mark jährlich. 



IX. Zeitschriftenrnndschan. 



Zeitaohrift fOr BehulgeaundlieitBpflege (Leopold Voß- Hamburg) 
Nr. 3 und 4 1906 Doppelheft: Dr. med. Eduard Quirsfeld: Zur physischen 
und geistigen Entwicklung des Kindes während der ersten Schuljahre; K. Ba- 
sedow: Die Schulbank in den Hilfsklassen für Schwachbefähigte. 

Der Schularzt (Leopold Voß- Hamburg): Dr. med. Koppe: Wie be- 
stimmen wir die Konstitution der Schüler? 

Internationales ArehlT für Schulhygiene (Engelmann -Leipzig): 1905 
Bd. I, 1. Heft: Albert Mathieu: Pedagogie physiologique ; Julius Moses: 
Gliederung der Schuljugend nach ihrer Veranlagung und das Mannheimer 



46 Zeitschriftenrundschaü. 

System; Schleich: Die Augen der Schüler und Schülerinnen der Tübinger 
Schulen; Speidel: Die Augen der Theologiestudierenden in Tübingen; Sakaki: 
£rmüdungBme88ungen in vier japanischen Schulen; PatricioBorobioyDiaz: 
Les colonies scolairee ou colonies de yacances k Saragosse; A. v. Domitrovich: 
Der Hygieniker und die Schulbank; Grancher: Pr^servation soolaire conire 
latnberculose; ßoBquillon, Hygiene deT^ducation et de lap^dagogie. — 2.Hft. 
Bridou: Le r61e de la gaiet^ dans IMducation; Thomas: Some forms of con- 
genital Aphasia in their educational aspects; Burmeister: Über die Ver- 
wendung von staubbindenden FußbodenOlen in Schalen; Bndnik: Zur Fra^^e 
der Verbreitung des Kropfes unter den Schulkindern; Haunstrup: Scbulbauten 
in Dänemark; Hellpach: Die Hysterie und die moderne Schule; Mathieu: 
Neurasthenie et Dyspepsie chez les jeunes gens; Jean Philippe et Paul 
Boncour: A propos de TExamen mädico-p(§dagogique des ^coliers ^pilepti- 
ques; Baraf: Funcion de la Alegria en la Higiene escolar; Magelssen: Über 
das Kopfweh — hauptsächlich Migräne — an der Mittelschule; Ralf Wich- 
mann: Über die Lage und Höchstzahl der täglichen Unten-ichtsstunden an 
Mädchenschulen. 

Das Sohulsimmer (Verlag Jobs. Müller -Berlin) 3. Jahrgang Nr. 1, 1905: 
Lindemann: Das Schulzimmerfenster; Lehmann: Künstlerischer Wand- 
schmuck; Otto Hack-Berlin: Über Zeichenmaterial für die neue Methode; 
Albis-Zeichentisch mit Sitzbank. 

Gfresiindheits warte der Schule (Verlag Otto Sem nich- Leipzig) III. Jahr- 
gang, 1905, Nr. 5. Baldrian: Angewandte Theoretik im Volksschulunterricht; 
Delius: Über die Behandlung der Wandflächen in den ünterrichtsträumen 
unserer Schulen; Baur: Die künstliche Atmung. 

Sohweiaerisohe Blätter für Schulgesundheitspflegre und Kinder- 
schuts (III. Jahrgang, No. 5, 1905. Einladung zur VI. Jahresversammlung der 
Schweiz. Gesellschaft für Schulgesundheitspflege — Thesen der Referenten — 
Zur Frage der Orientierung der Schulzimmer. 

Vierteljalinselt Schrift f(ür körperliche Eraiehung (Organ des Vereins 
zur Pflege des Jugendspieles in Wien (im Selbstverlag des Vereins): Hergel: 
Ideal, Wirklichkeit und der goldene Mittelweg, die Möglichkeit; Hinträger: 
Kritische Betrachtungen über österreichische Schulbauten; Stratz: Das Kind 
als Erzieher; Tluchof; Eltemkonferenzen imd Elternabende; Pimmer: Das 
Eislaufen der Wiener Volks- und Bürgerschüler. 

Das Sohulsimmer (Verlag Karl Vanslow, Berlin-Tempelhof) 1905, T.Jahr- 
gang, Heft 3: Engelbrecht: Zur Beleuchtung der Schulklassen; Rein icke: 
Die neue Weißfrauenschule in Frankfurt a. M.; Boden stein: Wandfriese; 
Staiger; Schulhaus für LaufPen a. N.; Heizung und Lüftung von Klassen- 
zimmern in dem Neubau der Schule am Lietzensee in Charlottenburg; 
Dr. Köttgen: Über Reinigung von Schulzimmem mit besonderer Berücksichti- 
gung staubbindender Fußbodeuöle. 



Bibliographie. 47 



X. Bibliographie. 



Altschul, Theodor, Dr.: Die Schularztfrage in Österreich. Soiiderabdruek aus 
der Prag. med. Wochenschrift, 1905, Bd. XXX, Nr. 4—5. 

Bayer, Ferdinand: Die Wichtigkeit der Tumspiele in der Volks- und Bürger- 
schule. Troppau. Berieht des Tumlehrervereius, 1904. 

Benn stein, Alexander: Des Kindes Spiel und Beschäftigung. Ein Ratgeber 
für Eltern. I. Teil. Berlin 1904, G. Winkelmann. M. 0,60. 

Bösbauer, Hans; Miklas, Leopold, und Schiner, Hans: Handbuch der 
Schwachsinnigenfürsorge. Leipzig 1905, B. G. Teubner. 

Brand eis, Arnold, Dr. med.: Beiträge zur Erziehungshygiene. Prag 1905, 
G. Neugebauer. Mk. 0,70. 

Burgerstein, Leo, Dr.: Zur häuslichen Gesundheitspflege der Schuljugend. 
Bemerkungen für die Eltern und Pfleger von Kostzöglingen. . 10. Aufl. 
Leipzig 1905, B. G. Teubner. M. 0,10. 

Ders.: Gesundheitsregeln für Schüler und Schülerinnen aller Lehranstalten. 
19. Aufl. Leipzig 1905, B. G. Teubner. M. 0,10. 

Cohn, Dr. Hermann, Professor: Truc und Chavernacs Augenuntersuchungen 
der Schulkinder in Montpellier. Separatabdruck aus der Wochenschrift für 
Therapie und Hygiene des Auges. Vül. Jahrgang, Nr. 15. 

Ders.: Die von dem Stadtarzte Herm. Dr. öbbecke herausgegebenen Berichte 
über den schulärztlichen Überwachungsdienst für die Schuljahre lliOl, 1902 
und 1903. Sonderabdruck: aus Jahrg. VIII Nr. 1« d. Wochenschrift für The- 
rapie und Hygiene des Auges. 

Domitrovich, Arnim v.: Systematisierung der Schulbankfrage. Gesundheits- 
ingenieur, 1905. 2. 

Dörnberger, Dr.: Arbeit und Erholung an den höheren Lehranstalten. Se- 
paratabdruck aus Deutsche Praxis, Zeitschr. für i^rakt. Arzte und mediz. 
Neuigkeiten, 1904. 12. 

Dreyfuß, Dr.: Das neue Volksschulhaus „Barbarossa-Schule^^ in Kaiserslautern 
in hyg. Beziehung aus d. Vereinsblatt für pfälz. Ärzte. XX. Sept. 1904. 

Eulenburg, A., Prof. Dr.: Die Hysterie des Kindes. Berlin, Leonhard Simion 
Nachf. 

Filtgen, Ernst, Dr.: Schulhygienisches. Luxemburg 1904, Schamburger. 

Hartmann, Martin, Prof. Dr.: Alkoholismus und höhere Schulen a. d. Bericht 
über die XXI. Jahresversammlung d. deutschen Vereins gegen Mißbrauch 
geistiger Getränke. Mäßigkeitsverlag, 1905. 

Hausmann, Jul.: Die körperliche Ausbildung als be.stes Vorbeugungsmittcl 
gegen Tuberkulose. Separatabdruck aus der „Freien Schulzeitung'', 
Reichenberg. 

Hercod, R., Dr.: Die Schule und der Kampf gegen den Alkoholismus. Basel 
1904. 

Jessen, Ernst: Die Aufklärung des Volkes über die Bedeutung der Zahnpflege 
für die Gesundheit. Korrespondenzblatt für Zahnärzte. Bd. 29, Hefb 2. 

Kümmel, Hermann, Dr.: Die progressive Zahnkaries in Schule und Heer und 
die zahnhygienischen Aufgaben der Sanitätsbehörden im Interesse der 
Volkswirtschaft. Leipzig, Krüger & Co. 1903. M. 1,—. 



48 fiibliogttiptii^. 

Lay, Dr., u. Seumann, Prof. Dr.: Die experimentelle P&dagogik. Organ der 
Arbeitsgemeinschaft fOr experimentelle Pädagogik mit bes. Berflcksich- 
tigung d. experimentellen Didaktik und der Erziehung Schwachbegabter 
und abnormer Kinder. Bd. I. 1 u. 2. Wiesbaden 1906, Semnich. 

Lotz, Heinrich: Notwendigkeit und Möglichkeit des pflichtmäßigen Schwimm- 
unterrichtes in der Volksschule, vornehmlich in der Industrie- und Groß- 
stadt. Verlag Deutsche Schwimmerschaft, Elberfeld. 

Moritz, M.: Über die Tagesbeleuchtung der Schulzimmer. Aus d. Klin. Jahr- 
buch 14. Jena 1906, Fischer. M. 0,60. 

Neumann, Dr., Oberstabsarzt: • Zur Gesundheit. Ärztl. Ratschläge zur Ver- 
hütung von Krankheiten. Bromberg 1905, Erich Hecht. 

Petzoldt, J.: Sonderschulen fdr hervorragend Befähigte. Leipzig und Berlin 
1906, B. G.Teubner. M. 1,—. 

Schubert, Paul, Dr.: Das Schularztwesen in Deutschland. Hamburg u. Leipzig 
1905, Leopold Voß. 

Sickinger, A., Dr.: Mehr Licht und Wärme den Sorgenkindern unserer Volks- 
schule. Zürich 1905, Orell Füßli. M. 0,50. 

Stelz, Ludw., Prof.: Über die Beleuchtimg von Schulräumen. Elektrotecbn. 
Zeitschr., 1906. Heft 7. 

Weygandt, Dr. phil. et med.: Alkoholismus und höhere Schulen. Siehe vor- 
her unter Hartmann. 

Wichmatin, Ralf, Dr. med.: Geistige Leistungsfähigkeit und Nervosität bei 
Lehrern und Lehrerinnen. Halle a. d. Saale 1905, Marhold. M. 1,50. 

Win gen, A.: „Das Wingensche Photometer*', Entgegnung auf einen Vortrag 
d. Herrn Dr. Bier, Krakau. Sonderabdruck aus d. Journal für Gasbeleuch- 
tung und Wasserversorgung, 1906. 

Wolpert, A. u. H.: Theorie und Praxis der Ventilation und Heizung. Die 
Heizung, Bd. IV. Red. Berlin, W. u. S. Löwenthal. 




IN MEMüBIAM. 

Ein hervorragendes Mitglied des Deutschen Vereins 
fär Schnlgesuiidheitspflege, ein um die schulhygienische 
Wissenschaft und Praxis hochverdienter Gelehrter, der 
Generalsekretär des I. Internationalen Kon^esses für Schul- 
hygiene in Nürnberg 

HOFRAT DR. MED. PAUL SCHUBERT 



weilt nicht mehr unter den Lebenden. 

Paul Schubert wurde im Jahre 1849 als Sohn eines 
Landmannes in Neiße geboren. Nach Absolvierung des 
Gymnasiums seiner Vaterstadt studierte er in Berlin, 
Breslau und Würzburg Medizin und widmete sich nament- 
lich der Augen- und Ohrenheilkunde. Nach längerem 
Aufenthalt in Rom ließ er sich 1879 als Augen- und 
Ohrenarzt in Nürnberg nieder. Neben seiner Praxis be- 
schäftigte er sich eingehend mit der hygienischen Wissen- 
schaft, und insbesondere die Schulhygiene verdankt ihm 
bahnbrechende Arbeiten. Als Schulhygieniker, als Mit- 
glied des Kollegiums der Gemeindebevollmächtigten in 
Nürnberg und als Mann von starker Initiative, von prak- 



tischem Sinn und Blick gelang es ihm der Stadt Nürnberg zu schul- 
hygienisehen Einrichtungen zu verhelfen, die in vieler Hinsicht muster- 
gültig sind. Speziell das Nürnberger Schularztwesen ist durch ihn 
ins Leben gerufen worden und unter seiner Führung erstarkt. Die 
stadtische Kommission für Schulgesundheitspflege stand bis zu seinem 
Tode unter seiner Leitung. Als Arzt war Schubert bei seinen Kollegen 
und Patienten hoch geschätzt, als Mensch war er von seltener Herzens- 
gute und bestrickender Liebenswürdigkeit. — Inmitten einer rast- 
losen Tätigkeit, Arbeitsfreudigkeit und erfolgreichen Schaffenskraft 
befiel ihn im Januar dieses Jahres eine tückische Krankheit, der er 
am 21. August erlag. Der Deutsche Verein für Schulgesundheits- 
pflege hat in Schubert eines seiner tätigsten Mitglieder, die schul- 
hygienische Wissenschaft hat in ihm einen ihrer bedeutendsten 
Führer verloren. 

Griesbach. 



<^0^ l^iEO/o" 



MAY 25 l'^2I 



liB^:^^^ 



Berichügung. 

Durch ein Versehen wurden in der letzten Nummer dieser Zeitschrift die 
Aufsätze: „Die überbürdungsfrage der Oberlehrer" und „Des Lehrers 
hygienisches Wirken in der Aufnahmeklasse" unter die Rubrik Ori- 
ginalabhandlungen gesetzt und als von Oberlehrer Roll er- Darmstadt her- 
rührend bezeichnet. Die Sache ist dahin richtig zu stellen, daß beide Auf- 
sätze, wie ja bei der Lektüre derselben ersichtlich wird, Referate sind; der 
erste ein solches über ein Kapitel aus dem Anhang von Manac^ine: Die 
geistige Überbürdung in der modernen Kultur. Übersetzung, Bear- 
beitung und Anhang besorgt von Dr. med. Wagner (Natur- und kulturphilo- 
sophische Bibliothek, Bd. II, Leipzig 1905, Johann Ambrosius Barth) ; der zweite 
Aufsatz schließt sich an einen Abschnitt aus Johannes Berninger: Päda- 
gogik und Hygiene (Leopold Voß, Hamburg) an. 

Die Redaktion. 



I. Originalanfsätze. 



Einiges tlber die Stuttgarter Jahresversammlung. 

Von Privatdozent Dr. Seit er, Bonn. 

Der Allgemeine Deutsche Verein für Schulgesundheitspflege 
kann mit Stolz und Befriedigung auf die diesjährige 6. Versammlung 
in Stuttgart zurückblicken. Schon die Zahl der Teilnehmer zeigte 
von dem wachsenden Interesse, welches die beteiligten Kreise, Ver- 
waltung, Arzte und Lehrer der Schulhygiene entgegenbringen. Er- 
freulich war die überaus zahlreiche Beteiligung seitens der Lehrer; 
waren doch auch gerade für sie die behandelten Fragen von Wichtig- 
keit. Insofern war es günstig, daß kurz vor der Versammlung der 
Württembergische Volksschullehrerverein in Stuttgart tagte, dessen 
Mitglieder gi'ößtenteils den Sitzungen unseres Vereins beiwohnten. 

Weit über die württembergischen Lande hinaus, ja in ganz 

Deutschland haben die Verhandlungen in Stuttgart in der Presse 

I Widerhall gefunden. Viele Zeitungen und Zeitschriften, vornehm- 



52 Dr. Seiter: 

lieh die wissenschaftlichen, brachten eingehende, auch meist sehr 
wohlwollende Besprechungen. Der Bericht der Zeitschrift für Schid- 
gesundheitspflege (1905 Heft 7) hat wegen seines Gehaltes au per- 
sönlichen Angriffen uud gehässigen Entstellungen einen üblen Bei- 
geschmack. Eine vornehme Zeitschrift kämpft nicht mit solchen 
Waffen. Durch seine Unkenntnis über die Arbeiten des Vereins 
richtet sich der Artikel selbst. 

Was das Ergebnis der Versammlung in Stuttgart anbetrifft, 
so empfehlen wir dem Berichterstatter der eben genannten Zeit- 
schrift neben dem weitern Studium der älteren Jahrgänge der 
„Fliegenden Blätter" einen Artikel der Neckarzeitung vom 29. Juni 
1905. Unter anderem findet er dort: „Was will der ganze Kongreß 
und was hat er bis jetzt erreicht? Antwort: Erreicht ist bis jetzt 
ein gewaltiges Pronunciamento zugunsten einer dreifachen Forderung, 
die zusammenhängend mit dem ganzen Zuge der Zeit auch auf dem 
Gebiet der Schule sich nicht mehr zurückhalten läßt: mehr Libe- 
ralismus, mehr Nationalismus, mehr Naturalismus.'' 

Einen großen Anklang in der Tagespresse, für und wider, fand 
das Referat von Dr. Gastpar, besonders die Forderung „Schularzt 
auch für die höheren Schulen". So bringen die „Post", die „Südwest- 
deutsche Korrespondenz" und der „Rheinische Kurier" übereinstimmend 
einen Artikel, der in viele andere Zeitungen übergegangen ist und 
auch für unsere Leser von Literesse sein wird. 

„In einer Sitzung des »Deutschen Vereins für Schulgesundheits- 
pflege« zu Stuttgart wurde mit großer Mehrheit der Antrag eines 
Arztes angenommen, daß den Regierungen nahegelegt werden solle, 
die ärztliche Überwachung auf sämtliche Schulen, auch auf die 
höheren Knaben- und Mädchenschulen, auszudehnen. Dieser Be- 
schluß ist zweifellos nur von Ärzten und Schulmännern gefaßt wor- 
den, ohne Zuziehung eines Faktors, der hierbei in erster Linie hätte 
mitwirken müssen, nämlich der Eltern, deren Kinder man ärztlich 
überwachen will. Es soll hier durchaus nicht bestritten werden, daß 
die Schulgesundheitspflege unter Umständen sehr nützlich sein kann, 
sie aber ohne weiteres auf alle Schulen auszudehnen, scheint uns 
unnötig und viel zu kostspielig zu sein. In der hessischen Zweiten 
Kammer zum Beispiel ist vor mehreren Jahren geltend gemacht 
worden, daß man für Landgemeinden keine Schulärzte brauche. In 
früheren Jahrzehnten ist unsere Jugend auch ohne Schulgesundheits- 
pflege gesund und kräftig gewesen. Vor allen Dingen ist zu be- 
streiten, daß die Regierungen, ohne die Schüler und deren Eltern zu 
fragen^ ärztliche Untersuchungen der ersteren anordnen dürfen: recht- 



Einiges über die Stuttgarter Jahresversammlung. 53 

lieh kann das unmöglich begründet werden. Solche Untersuchungen 
kennzeichnen sich als Zwangsuntersuchungen und bedeuten einen 
schweren EingriflF in die persönliche Freiheit. Alle ärztlichen Zwangs- 
untersuchungen^ wie sie z. B. von den Eü-ankenkassen und beim Militär 
Torgenommen werden, sind für den, der davon betroflPen wird, eine 
peinliche Sache. Sie dürften eigentlich nur von Männern vorgenommen 
werden, deren humane Gesinnung und deren Taktgefühl über allen 
Zweifel erhaben ist, und nur da in Anwendung kommen, wo es un- 
bedingt nötig ist. Das Erziehungsrecht und die Pflege der leiblichen 
und geistigen Gesundheit des Kindes steht nur den Eitern zu, und 
wenn man Kinder ohne die Einwilligang der Eltern ärztlich über- 
wachen läßt, so liegt das nicht im Sinne einer freiheitlichen Ent- 
wicklung, sondern fühlt zum Polizeistaate mit seiner die Rechte des 
Individuums nicht achtenden Willkür. Man versetze sich nur in die 
Lage eines heranwachsenden jungen Menschen, der mit einem körper- 
lichen Defekte behaftet ist. Er wird ängstlich darauf bedacht sein, 
diesen Defekt vor seinen Mitschülern zu verbergen, und wird, wenn 
er durch eine rücksichtslose öffentliche Untersuchung gezwungen 
wird, seinen Fehler zu offenbaren, seelisch hart gequält werden. 
Überhaupt droht die Agitation, die in der Gegenwart von manchen 
Ärzten betrieben wird, eine Gefahr für die Allgemeinheit zu werden. 
Beispielsweise hat ein Arzt vor zwei Jahren auf dem Kongreß der 
Arzte und Naturforscher zu Kassel den allerdings von ihm selbst 
als utopistisch bezeichneten Antrag gestellt, darauf hinzuwirken, daß 
regelmäßig alle erwachsenen Individuen staatlich angeordneten ärzt- 
lichen Untersuchungen unterworfen würden, um dadurch die Mittel 
an die Hand zu bekommen, die Yolksgesundheit zu heben. Nötige 
man niemandem Wohltaten auf, die er nicht wünscht und nicht als 
solche ansieht! Der ärztliche Beruf ist ein freier, wissenschaftlicher 
Beruf und genießt deshalb großes Ansehen, weil weitaus die meisten 
seiner Vertreter in echt humaner Gesinnung ihren schweren Pflichten 
nachkommen. Wenn aber die Arzte heute nach der Staatsgewalt 
rufen, um unter Mißachtung der persönlichen Freiheit auf den Staats- 
bürger und seine Familienangehörigen einzuwirken, so schaden sie 
dem eigenen Stande am allermeisten. In unserer Zeit, da die meisten 
Krankenkassen freie Arztwahl zulassen, können Eltern es nicht dulden, 
daß ihre Kinder anstatt von dem Hausarzte, der infolge jahrelanger 
Tätigkeit der Familie lieb und wert ist, von irgend einem anderen 
untersucht werden. Es ist wirklieh dringend zu wünschen, daß sich 
die Öffentlichkeit mit der Schulgesundheitspflege beschäftigt, ehe 
diese ausartet.^^ 



54 I^r* Seiter: Einiges über die Stuttgarter Jahresyersammlung. 

Man muß sich eigentlich wundem^ wenn heute noch gesa^ 
wird: Warum Schulärzte? In früheren Jahrzehnten ist unsere 
Jugend auch ohne Schulgesondheitspflege gesund und kräftig ge- 
wesen. 

Jedoch wir wollen hier nicht auf die Frage eingehen, ob und 
warum Schulärzte nötig sind, dies ist von berufener Seite schon oft 
erörtert worden und darf för uns als im positivem Sinne entschieden 
gelten. Schreiber obiger Zeilen scheint es nh einen besonders 
schweren Eingriff in die persönliche Freiheit aufzufassen, daß die 
ärztlichen Überwachungen auch auf die höheren Knaben- und Mädchen- 
schulen ausgedehnt werden sollen. Sind denn die höheren Knaben 
und Mädchen andere Menschen wie die Volksschüler, und sind in 
den höheren Schulen keine Mißstände vorhanden? Wo Schnlärzte 
eingeführt sind, ist von einsichtsvollen Leuten längst anerkannt, daß 
die Schulärzte schon viel Gutes gestiftet haben, und daß noch ein 
großes Feld zur Bearbeitung auf sie wartet. 

Daß die Schüler- Untersuchungen mit allem Takt auszuführen 
sind, ist selbstverständlich; auch wird es jedem Schularzt nur lieb 
sein, wenn die Eltern möglichst zahlreich bei den Untersuchungen 
zugegen sind. Haben die Regierungen einmal das Recht, die Eitern 
zu zwingen, ihre Kinder zur Schule zu schicken (und dies wird ihnen 
doch wohl keiner mehr streitig machen, wenngleich nicht geleugnet 
werden kann, daß es ein schwerer Eingriff in die persönliche Frei- 
heit der Eltern ist, denen dadurch nicht mehr allein das Erziehungs- 
recht und die Pflege der geistigen Gesundheit der Kinder zugestanden 
wird), so wird man wohl nur noch von einer Pflicht der Regierung 
reden können, auch für die leibliche Gesundheit zu sorgen. Und 
hierfür ist der Schularzt dringend nötig. 

Mit Freuden ist es daher zu begi-üßen, daß die württembergische 
Regierung als erste den Entschluß gefaßt hat, das Schularztwesen 
staatlich zu organisieren und Schulärzte auch für die höheren Schulen 
anzustellen. 



Konrad Stetter: Die Schulbank. 55 

Die Schulbank. 

(Nach einem Vortrag, gehalten in der Ortsgruppe Stuttgart des 

Allgemeinen Deutschen Vereins fQr Schulgesundheitspflege.) 

Von Eonrad Stetter, Stuttgart. 

Die Tatsache, daß ich heute vor einer so ansehnlichen Ver- 
sammlung über die Schulbankfrage sprechen kann, ist ein erfreu- 
liches Zeichen dafür, daß diesem Teil der Schulhygiene neuerdings 
ein größeres, seiner Bedeutung entsprechendes Interesse entgegen- 
gebracht wird, als es bis vor kurzem der Fall war. Nicht daß ich 
etwa sagen und behaupten wollte, es sei bislang nichts oder nicht 
viel geschehen auf diesem Gebiete; die mehr als 200 Schulbank- 
konstruktionen, die zurzeit existieren, und die diese Zahl noch weit 
übersteigenden einschlägigen literarischen Veröffentlichungen könnten 
eher das Gegenteil beweisen. Allein es ist doch unverkennbar, daß 
durch die beiden schulhygienischen Kongresse des Jahres 1904 das 
allgemeine Interesse für die Schulbankangelegenheit mehr rege ge- 
macht und — was besonders wertvoll ist — auch in Kreise hinein- 
getragen worden ist, die ihr eigentümlicherweise immer noch fremd 
gegenüber standen. Ich meine den Kreis der gebildeten Eltern, die 
sich bisher fast ausschließlich nur für das Zensurheft ihrer Kinder 
interessierten und dabei vergaßen, sich auch um deren, durch schlechte 
Schulbänke und ungeeignete Lokale gefährdete Gesundheit zu 
kümmern. Ist es doch eine ebenso traurige, als jederzeit nachweis- 
bare Tatsache, daß gerade die Kinder der sogenannten besseren 
Kreise in dieser Beziehung am schlechtesten daran sind, weil sie des 
guten Tones wegen in Privatschulen geschickt werden, die in bezug 
auf die hygienischen Bedürfnisse in 90 von 100 Fällen der ärmsten 
Dorfschule noch nachstehen. Das wäre natürlich sofort anders, wenn 
die Herren Väter für das teure Schulgeld, das ihr Liebling kostet, 
nicht nur guten Unterricht, sondern auch gute Luft, gutes Licht 
und gute, d. h. nach hygienischen Grundsätzen gebaute Schulbänke 
beanspruchen, bzw. die Beschickung einer solchen Anstalt abhängig 
machen würden von der Anschaffung einer, der naturgemäßen Körper- 
entwicklung des Kindes forderlichen Schuleinrichtung. Wenn dies 
bisher nicht oder nur in Ausnahmefällen geschehen ist, so liegt die 
Schuld lediglich an der Unkenntnis der Gefahren, die ein schlechtes 
Gestühl für Leben und Gesundheit der Schüler im Gefolge hat, und 
gerade hier kann unser Verein segensreich wirken, indem er nicht 



56 Konrad Stetter: 

nur die Leute vom Fache, sondern auch die Eltemkreise för die 
Schulhygiene, speziell für die Hygiene der Schulbank interessiert. 

Es würde zu weit führen, wenn ich Ihnen die schädlichen 
Folgen einer schlecht gebauten Schulbank nach Ursache und Wirkung 
vorführte, ich möchte vielmehr bitten, daß sich einer der Herren 
Ärzte der interessanten und dankbaren Aufgabe unterzieht, später 
einmal in einem besonderen Vortrage über die durch schlechte 
Schulbänke hervorgerufenen oder geforderten Schulkrankheiten zu 
sprechen. Ganz kurz nur sei daher heute auf die im direkten und 
teilweise ursächlichen Zusammenhange mit dem Schulgestühl stehende 
Kurzsichtigkeit, auf die Rückgratverkrümmung, auf die imheilvoUe 
Beeinflussung der Lungen- und Herztätigkeit und auf die vielfachen 
Störungen der Verdauung und des Allgemeinbefindens hingewiesen. 

Durch die verdienstvollen Untersuchungen Hermann Gohns 
wurde die rapide Zunahme der Myopie in den Schulen erstmals 
nachgewiesen und zwar zeigten diese Untersuchungen, daß die Zahl 
der emmetropischen Schulkinder von Klasse zu Klasse kleiner wird. 
Myopische Schüler fanden sich nach Desing in der 

I. II. HI. IV. V. VI. Klasse: 

in den Volksschulen 1,4 1,5 2,6 — — — Prozent. 

„ „ Elementarschulen 3,5 9,8 9,8 — — — „ 

„ „ Realschulen 9,0 16,7 19,2 25,1 26,6 44,0 „ 

„ „ Gymnasien 12,5 18,2 23,7 31,1 41,3 55,8 „ 

Ebenso schädlich ist der Einfluß eines schlechten Schulgestühls 
auf die Entwicklung der Wirbelsäule. Wenn die Rückgratsver- 
krümmung neuerdings auch nicht mehr ganz auf Rechnung der 
schlechten Schulbank gesetzt, sondern auf eine vorhandene Anlage 
zurückgeführt wird, so steht es doch außer Frage, daß die Ent- 
wicklung der Skoliose durch ein nach hygienischen Grundsätzen 
gebautes Subsell ebenso wirksam hintangehalten, wie durch ein 
schlechtes gefördert werden kann. 

Sicher ist auch, daß eine ganze Reihe von Gesundheitsstörungen, 
die man gemeinhin als „Schulkrankheiten'' bezeichnet, auf das Sitzen 
in unhygienischen Schulbänken zurückzuführen ist. Hat man eine 
Einrichtung aber einmal als schädlich erkannt, so heißt es, sie 
raschmöglichst zu entfernen und durch eine bessere zu ersetzen. 

Es gilt somit in erster Linie sich darüber zu informieren, wie 
eine gute Schulbank beschaffen sein soll. Demzufolge ist zu unter- 
suchen, welche Anforderungen gestellt werden müssen an ein nach 
hygienischen Gesichtspunkten konstruiertes Subsellium, nebenbei ist 



Die Schulbank. 57 

aber darauf zu achten^ daß die vom Theoretiker aufgestellten 
Forderungen auch praktisch durchführbar sind. Wir haben uns 
also Klarheit darüber zu verschaflFen, ob es sich empfiehlt, eine den 
hygienischen Anforderungen vollkommen entsprechende Schulbank 
zu suchen und demgemäß dahin zu streben, die technischen, finan- 
ziellen und persönlichen Hindernisse, welche bislang als unüber- 
windbar galten, mit Aufwendung erhöhter Kräfte zu bemeistem, 
oder aber, ob es nicht zweckmäßiger wäre, eine relatiy toII- 
kommene Schulbank zu ermitteln, das heißt eine Bank, deren all- 
gemeinere Anwendung in allen Neubauten möglich erscheint. Von 
den meisten Hjgienikern ist im Verlaufe des letzten Vierteljahr- 
hunderts der erstere Weg beschritten worden, nach den erzielten 
Erfolgen muß er aber entschieden als „Holzweg" bezeichnet werden. 
Komplizierte Schulbankeinrichtungeu, wie sie z. B. Burgerstein 
empfiehlt, kosten nicht nur dreimal mehr Geld, als bislang für diese 
Zwecke verfügbar war und ist, sondern es kostet auch die Instand- 
haltung dreimal mehr; ferner muß der geeignete Gebrauch durch 
sachverständige Personen überwacht werden. 

Es gilt daher meines Erachtens, mit den verfügbaren, bezw. 
erreichbaren Mitteln das relativ Vollkommene in ganz vor- 
züglicher Ausführung zu beschaffen, nicht aber etwa das denkbar 
Idealste und Vollkommenste mit unzureichenden Mitteln in mangel- 
hafter Ausführung! Demzufolge wird in erster Linie festzustellen 
sein, was unter allen Umständen von einer Schulbank zu verlangen 
ist und wieweit diese Anforderungen mit den heute zu Gebote 
stehenden Mitteln zu erreichen sind. Am ehesten wird man hierbei 
zum Ziele kommen, wenn man sich den Zweck der Schulbank vor 
Augen hält. Nach Domitrovich ist die Schulbank 

„ein gemeinnützigen Zwecken dienendes Möbelstück, das einer 
nach Körpergröße und Körperproportion heterogenen Vielheit zu 
dienen und außerdem noch hygienischen, pädagogischen, techni- 
schen und ökonomischen Anforderungen, die im Wesen des Schul- 
instituts, bezw. des sozial-wirtschaftlichen Lebens liegen, zu ge- 
nügen hat. Die Schulbank ist nicht als Einzelding zu bewerten, 
sondern als das Glied einer Kette, das zu den andern Gliedern, 
zu der ganzen Kette, zur Bestimmung derselben in enger Wechsel- 
beziehung steht, indem es einesteils von diesen Faktoren abhängt, 
anderenteils aber diese auch wieder beeinflußt. Der Begriff 
„Schxdbank" umfaßt sonach eine Einheit, die nur in der Vielheit 
und im Bereiche der Anforderungen des Schulzimmers zur Geltung 
kommt. Man kann deshalb nicht endgültig über den Wert eines 



58 Konrad Stetter: 

Gestühls als Schulgestühl entscheiden, wenn dieses einzeln und 
an einem beliebigen Ort aufgestellt worden ist; das Resultat einer 
solchen Prüfung ist absolut wertlos, weil hierbei eine Anzahl von 
Momenten außer Betracht blieb, die erst in Wirksamkeit treten, 
wenn ein Klassenraum mit der entsprechenden Anzahl von Ge- 
stühlen ordnungsgemäß ausgestattet wird und hierbei auch noch 
die gesundheitlichen, technischen und schulwirtschaftlichen Mo- 
mente in Erwägung gezogen werden, die nun Tag für Tag ihre 
Anforderungen an das Gestühl stellen." 

Bei einem Hausschülerpult handelt es sich um die Beschaffung 
eines, einem einzelnen Kinde angepaßten Gestühls, es kommt also 
nur die Anpassung an die Körpergröße dieses einen Schülers 
in Betracht, wogegen es sich bei einer Schulbank nicht darum 
handelt, 

„wie ein einzelnes Kind, sondern wie die Gesamtheit der Kinder, 
auf die auch noch andere Schädlichkeiten als jene einer schlechten 
Anpassung der Bestuhlung einwirken, am relativ vollkommensten 
hygienisch beschützt werden kann. Es handelt sich hier darum, 
jenen Kompromiß der verschiedenen Anforderungen zu finden, 
bei dem sich die Gesamtheit der Kinder noch am relativ wohlsten 
fühlt. Das Wohlbefinden des einzelnen soll zwar auf das höchste 
gesteigert werden, muß sich aber dem Wohlbefinden der Gesamt- 
heit unterordnen, und der Schutz des einzelnen darf sich nur 
90 weit erstrecken, als dadurch der Schutz der Gesamtheit noch 
am relativ vollkommensten erreichbar ist — ähnlich wie sich in 
der Gesellschaft der Schutz der subjektiven Freiheit dem Schutz 
der allgemeinen Freiheit unterorduen muß. Denn die Schulbank 
steht nicht im Dienste des Individuums, sondern im Dienste der 
Allgemeinheit.^^ 

Diese Sätze führen zwanglos zu dem Schlüsse, daß die gene- 
rellen Eigenschaften eines Schulsubsells vor den speziellen 
festzustellen und zu berücksichtigen sind. Die generellen An- 
forderungen schließen das Wohlbefinden der Allgemeinheit ein; sie 
bilden die Summe der hygienischen, pädagogischen, wirtschaftlichen 
und technischen Anforderungen, welche im Bereiche des Klassen- 
raumes auftreten, sie stehen demnach in unmittelbarem Zusammen- 
hang mit dem System. Die speziellen Anforderungen beziehen 
sich auf die Körpergröße, Körperproportion und Körperform des 
Individuums, also auf die Abmessung der Bank. Schulbank- 
system und Schulbankabmessung sind sonach als zwei verschie- 
dene Begriffe auseinanderzuhalten, und wenn in manchen hygie- 



Die Schulbank. 59 

nischen Handbüchern immer noch nicht zwischen System und 
Abmessung unterschieden, sondern das System nach den Abmessungen 
bewertet wird, so beweist das eben nur die Rückständigkeit und 
Oberflächlichkeit dieser Publikationen. 

Bezüglich der generellen Anforderungen an das Schulgestühl 
läßt sich nun erfreulicherweise konstatieren, daß sich in den letzten 
zwei Jahrzehnten die Ansichten der Fachmänner immer mehr ge- 
nähert haben, eine Tatsache, die durch die Ergebnisse des inter- 
nationalen Kongresses für Schulgesundheitspflege Nürnberg April 
1904 und der XII. Jahresversammlung der schweizerischen Gesell- 
schaft für Schulgesundheitspflege Bern Juni 1904 auf das beweis- 
kräftigste dokumentiert worden ist. Auf beiden Veranstaltungen 
zeigte sich hinsichtlich der generellen Anforderungen an ein Schul- 
gestühl die größte Meinungsgleichheit und wurde fast von allen 
Referenten verlangt: 

„Die Bauart der Bank soll: 1) nicht mehr als zweisitzig sein; 
2) keine beweglichen Teile haben; 3) ein geschlitztes oder gerilltes 
Fußbrett haben, mindestens von der Breite der Fußlänge; 4) einen 
für das Schreibsitzen bemessenen Lehnenabstand haben; 5) so be- 
schaffen sein, daß das Aufstehen durch Heraustreten aus dem 
Gestühl erfolgt (als Folge von Leitsatz 2 und 4); 6) das Auf 
stehen ohne hygienische Beanstandung leicht und bequem ermög- 
lichen; 7) eine möglichst vollkommene Freilegung des Fußbodens 
gestatten', 8) eine Auswechslung der Bankgrößen leicht ermög- 
lichen; 9) eine willkürliche Änderung der Aufstellungsordnung 
der Bestuhlung unmöglich machen; 10) die sogenannte „deutsche*' 
sein (Pult mit zugehörigem Sitz fest verbunden); 11) Einzellehnen 
für jeden Sitz haben; 12) ein sich der Sitzfläche des Körpers 
anpassendes Sitzbrett haben; 13) eine an das Sitzbrett voll an- 
schließende Lehne haben, deren unterster Teil für das Gesäß aus- 
gerundet, deren mittlerer Teil für den Kreuzwirbel nach vorn 
gebauscht und deren oberer, über dem Lehnenbausch gelegener 
Teil etwas nach hinten geneigt ist; 14) eine geneigte Pultplatte 
haben und 15) darf die Möglichkeit der Herstellung und Ein- 
ftihrung der Bauart nicht durch geldliche oder andere Hindernisse 
erschwert oder gar hinfällig gemacht werden." 

Diese Forderungen befinden sich in Übereinstimmung mit den 
ministeriellen Bestimmungen verschiedener Länder und Staaten, so 
daß sich jetzt also in dieser Richtung bereits ein festes Programm 
für ein relativ vollkommenes Schulbanksystem aufstellen läßt. 

Die speziellen Forderungen hingegen sind noch nicht in der 



60 Eonrad Stetter: 

wünschenswerten Weise festgestellt, sondern stehen als oflFene Frage 
noch zur Erörterung. Es handelt sich hier zunächst um die An- 
passung des Gestühls an die Körpergröße, Körperproportion und 
Körperform des Schulkindes. 

„In dem Bestreben, diese Anpassung möglichst vollkommen vor- 
zunehmen, sind zwei verschiedene Prinzipien zu unterscheiden, 
nämlich das Prinzip der Individualisierung des Gestühls 
(Universalbank) und jenes der Generalisierung des Gestühls 
(feste Gxuppenbank). Das erstere Prinzip trachtet ein und das- 
selbe Gestühl für jede Körpergröße anpaßbar zu bauen, während 
bei letzterem die Anpassung dadurch bewerkstelligt wird, daß man 
den Unterschied zwischen der Körpergröße des kleinsten und des 
größten Schulkindes des schulpflichtigen Alters in eine ent- 
sprechende Anzahl von Größengruppen teilt und dann für jede 
Größengruppe je ein Gestühl nach der mittleren Körpergröße 
dieser Gruppe herrichtet." 

Da von mancher Seite immer wieder die Individualisierung 
der Schulbank (Prinzip der universalbank) gegen die Generali- 
sierung (Prinzip der Gruppenbank) empfohlen wird, so dürfte es 
am Platze sein, zur Herbeiführung einer endgültigen Entscheidung 
hierüber eingehendere Betrachtungen anzustellen. Dabei gelangt 
man nach A. v. Domitrovich zu folgenden Fragen: 

I. Wodurch wurde die Bestrebung zu individualisieren 
eigentlich hervorgerufen? 

Die alte vielsitzige Schulbank wurde kaum in zwei Größen fÖr 
eine Schule hergestellt und es saßen in ihr 8 und auch mehr Kinder. 
Dies hatte die Notwendigkeit eines sehr großen Lehnenabstandes 
zur Folge, der sich nicht bloß für das Aufstehen in der Bank, 
sondern auch für das aneinander Vorbeipassieren der Kinder beim 
Ein- und Austreten eignen mußte. Diese alte Schulbank war der 
Körpergröße und Proportion der Kinder nicht besser angepaßt, als 
es die Kinderkleider der Biedermeier-Zeit waren, die mit Rücksicht 
auf das Wachstum für längere Zeit voraus bemessen wurden. Nicht 
allein die Vielsitzigkeit, sondern auch noch der Umstand, daß neben 
dem Siebenjährigen auch noch der Zehn- oder gar Fünfzehnjährige 
sitzen mußte, hatten zur Folge, daß die Schulbank auf einige 
Jahre voraus, d. h. daß sie mit Rücksicht auf die größeren Bank- 
iiisassen bemessen werden mußte. Mit der praktischen Durchführung 
der allgemeinen Schulpflicht wurden dann immer mehr Kinder 



Die Schulbank. 61 

gleichen Alters in den einzelnen Klassen zusammengeführt^ infolge- 
dessen bewegten sich dann auch die Größenunterschiede der Kinder 
in engeren Grenzen. Als dann bei dem auch länger andauernden 
Unterricht Schädlichkeiten an dem kindlichen Körper zutage 
traten^ da wurde man auf die höchst unvollkommene Anpaßbarkeit 
der allzu reichlich bemessenen alten Schulbänke aufmerksam, und 
die Theorie glaubte nunmehr einzig nur in der dem Individuum 
entsprechenden absolut vollkommenen Anpassung das Heil erblicken 
zu müssen. Damit ist aber die Theorie ins Extreme verfallen, die 
Praxis hingegen schlug mit Rücksicht auf die beiden hier vorwalten- 
den Umstände folgenden, zweifellos richtigeren Weg ein: 

1) Da infolge der allgemeinen Schulpflicht in den Klassen die 
Größenunterschiede der Kinder sich jetzt in engeren Grenzen be- 
wegten als ehedem, so wurden die Abmessungen des Gestühls ent- 
sprechend reduziert, und da 

2) der Unterricht andauernder und die Schreibtätigkeit der 
Kinder langwieriger geworden war als vordem, so wurde der 
Lehnenabstand jetzt demgemäß bemessen. 

Beides ist mit der Gruppenbank erfüllt worden, die einerseits 
für je um 10 cm diflferierende Größengruppen eine nach der mitt- 
leren Körpergröße der Gruppe bemessene Bankgröße bietet, wobei es 
sich also im ungünstigsten Falle nur um einen Größenimterschied 
der Kinder von 5 cm handelt, dessen Wirkung in den Abmessungen 
des Gestühls, da diese nur Prozentsätze der Körpergröße betragen, 
noch herabgemindert wird; andererseits hat die Gruppenbank den 
unveränderlichen für das Schreibsitzen bemessenen Lehnen- 
abstand eingeführt. Die Argumente, die in den schulhygienischen 
Handbüchern und vereinzelten Schulbankschriften vorgebracht werden, 
wo man Kinder schreibend abgebildet sieht, die an der Kante eines 
ihnen fast unter das Kinn reichenden Tisches hängen, hat mit den 
Abmessungen der Gruppenbank absolut nichts zu schaflFen; solche 
Abbildungen beziehen sich nur auf die unvollkommenen Abmessungen 
der alten Schulbänke längst vergangener Zeit und es ist ganz un- 
berechtigt, auf Grund von Darstellungen, die mit den Abmessungen 
der Gmppenbank in gar keinem Zusammenhange stehen, heute auf 
die Notwendigkeit des Individualisierens hinzuweisen. Wer aber 
vermag nachzuweisen, daß die nach den Angaben von Dr. Spieß - 
Frankfurt bemessene Gruppenbank Schädlichkeiten fiir die Ent- 
wicklung des kindlichen Körpers im Gefolge hat? Mit der Gruppen- 
bank ist die hygienische Anpaßbarkeit der Schulbank erfüllt, ja sie 
ist vollkommener erreicht, als sie mit der sogenannten Individuali- 



62 Mitteilungen aus dem Zentralverein. 

sienmg erreicht werden kann, wie dies die nachfolgenden Betrach- 
tungen erweisen werden. 

II. Ermöglicht die Individualisierung (Universalbank) 
eine genauere Anpassung als die Generalisierung 
(Gruppenbank)? 
Es sind z\^'ei Arten der Individualisierung zu unterscheiden: 

1) Die vollkommene Individualisierung, welche ermöglichen 
würde, daß alle Abmessungen und zwar unabhängig voneinander 
angepaßt werden können, also vor allem: Sitzhöhe, Differenz, 
Lehnenabstand, Dimension und Form des Sitzbrettes, sowie 
auch der Lehne. Ein derartiges Gestühl würde aber eine so kom- 
plizierte Konstruktion, so große Herstellungs- und Unterhaltungs- 
kosten erfordern, daß es nach menschlichem Ermessen niemals als 
Schulbank Verwendung finden könnte, selbst wenn es schon erfunden 
wäre, was aber noch gar nicht der Fall ist. 

2) Die teilweise Individualisierung, bei der voneinander nach 
einer gewissen Gesetzmäßigkeit abhängig nur Sitzhöhe, Differenz 
und Lehnenabstand geändert werden können, während Sitzbrett und 
Lehne ihrer Form und Abmessung nach stets gleich bleiben. 

(Schluß folgt.) 



IL Mitteilungen aus dem Zentralverein. 



Verstorben. 

Schuldirektor Dr. Beyer-Leipzig, früher erster Schriftführer der Vereine. 

Hofrat Dr. med. Paul Schubert, Augenarzt, Nürnberg, Generalsekretär des 

ersten Internationalen Kongresses für Schulgesundheitspflegc. 

Neue Mitglieder. 

1642 Königin Olgastift, Stuttgart, Johannesstraße 18. 
Magistrat Kattowitz, Oberschlesien. 

Rektorat der I« Bürger-Knabenschule z. H. des Herrn Dr. H. Greiner, 
Magdeburg. 

Breul, Dr. med., städt. Schularzt, Hannover. 
Deutsch mann, Dr., Meiderich, Niederrhein. 
Freund, Dr., G., Stettin, Königs tor 8. 

Gallewski, Dr., M., prakt. Arzt und Nervenarzt, Kempen (Posen). 
Jäger, Profe&sor Dr. med., Generaloberarzt, Straßburg i. Eis. 
1550 Langhorst, Dr., Delmenhorst. 

Maurer, Dr., Tb., Mülhausen i. Eis. 

Pt*e, Dr. med., Ad., Frauenarzt, Altenburg, S.-A., Lindenau-Straße 19. 



Nachrichten aus den Schwestervereinen des Auslandes. 63 

Raydt, Studiendirektor und Professor, Leipzig. 

Schiller, Dr., Karlsruhe, Baden. 

Schmidt, Dr., Bastian, Zwickau i. S. 

Sikinger, Dr., Stadtschulrat, Mannheim. 

Silber Schmidt, Priv.-Doz. an der Universität Zürich. 

Staats, Dr., Friedrich, Oberlehrer am Gymnasium zu St. Maria Magdalena, 

Breslau XYI, Piastenstraße 8. 
Ullrich, Dr., Aug., Rektor der städt. höheren Mädchenschule in Nürnberg. 
1560 Vetter, G., Medizinalrat, Waldkirch, Breisgau Baden. 

Weiskorn, Dr. med., prakt. Arzt, Bonn-Poppelsdorf, Friedrichstraße. 
Wernicke, Dr., Alex, Direktor der Oberrealschule und Professor an der 

techn. Hochschule, Braunschweig. 
Wortmann, Dr., prakt. Ar/t, Hagen i. W. 

Ehrenmitglieder. 
Kalle, Prof. Stadtrat Dr., Wiesbaden. 
Obertüschen, Dr. med., G., Sanitätsrat, Wiesbaden. 

Zusammensetzung des Vorstandes. 

Vorsitzender: Prof. Dr. med. et phil. H. üriesbach, Mülhausen i. E. 

Beisitzer: Dr. med. Ludwig Bauer, Arzt und Dozent für Hygiene a. d. 
techn. Hochschule in Stuttgart; Geh. Oberbaurat Delius, Vortragender Rat 
im Egl. Preuß. Ministerium der öffentlichen Arbeiten Berlin, erster stellver- 
tretender Vorsitzender ; Prof. Dr. Arthur Hart mann -Berlin; Dr. med. M. Kor- 
man, Arzt, Leipzig (übernimmt die Schriftfühmng in den JahresTersammlungen 
und den Vorstandssitzungen); Oberbürgermeister Müller, Mitglied des preuß. 
Herrenhauses, Kassel; Sanitätsrat Dr. F. A. Schmidt- Bonn; Gemeinderat 
Stockmeyer-Stuttgart; Stadtschulrat Dr. Wehr h ahn -Hannover, zweiter 
stellvertretender Vorsitzender. 

Schatzmeister: R. Quelle, Prokurist der Verlagsbuchh. B. G. Teubner, 
Leipzig. 

Geschäftsführer: A. Diemunsch- Mülhausen i. E. 



IIL Nachricliten aus den Schwestervereinen des 

Auslandes. 



Zu der Jahresversammlung der Ligue des medecins et des familles, zu 
der ein Delegierter seitens des deutschens Vereins leider nicht gesandt werden 
konnte, schickte der Vorsitzende des deutschen VereiuH für Schulgesundheits- 
pflege folgenden Gruß: L'association generale allemande de Thygiene scolaire 
envoie ä la sociäte affilit^e, Ligue des medecins et des familles pour Thygiene 
scolaire, les meilleures salutations ä roccasion de son deuxieme Congres et 
lui exprime ses vceux pour que son travail soit couronne de succes. 



64 Mitteilungen auB KongreBsen und Vereinen. 



IV. Mitteilungen aus Kongressen und Vereinen. 



— Aus Holland. V. E. O. Verein für Vereinfachung und Ver- 
besserung der Examen und des Unterrichts. Am 22. April fand die 
vierte Jahresversammlung des V. £. 0. statt. Auf schönes warmes Wetter 
hoffend, hatte man das herrlich gelegene Hotel de witte Brug, zwischen 
dem Haag und Scheveningen, zur Zusammenkunft gewählt. 

Dem Jahresberichte entnehmen wir folgendes : Die Hauptarbeit des Vereins- 
vor8tan<les sollte sein, die ünterrichtsprogrammo der Elementarschulen zu 
sammeln, zu untersuchen und zu beurteilen. Nicht so wie in Deutschland ist 
der Lelirstoff gesetzlich vorgeschrieben; bei uns wird den verschiedenen Ge- 
meinden darin eine große Freiheit gelassen, und diese setzen den Lehrstoff fest, 
indem sie sich nach den Bedürfnissen der Bevölkerung richten. £ine Kom- 
mission wurde damit beauftragt, das dazu erforderliche Material zu sammeln. 
Es gelang ihr jedoch nicht, sich der benötigten Lehrprogramme zu bemäch- 
tigen. Die Kommission wird einen erneuten Versuch anstellen, ihre Aufgabe 
in diesem Jahre zu lösen. 

Die Abteilungen des V. E. 0. sandten ausführliche Berichte ein über den 
Zustand des Elementarunterrichts und fügten ihre motivierten Wünsche und 
VorscbUige zur Verbesserung hinzu. Der Hauptvorstand hatte ihnen sieben 
Fragen zur Beantwortung vorgelegt. Sie lauteten: 

L Aus wieviel Schülern dürfen höchstens die Klassen der Elementar- 
schule, der Vorbereitungsschule und der Schule für fortgesetzten 
Unterricht bestehen, wenn der Untericht und die Erziehung das ver- 
langte Ziel erreichen sollen? 
n. Welche Anforderungen dürfen an die Lage der Schule gestellt werden 
hinsichtlich der erwünschten Huhe und Spielgelegenheit? Wie sollen 
die Spielplätze eingerichtet werden? 
Iir. Was ist Ihre Meinung über Schulwanderungen und Schulausflüge? 
Sollen erstere einen integrierenden Teil des Unterrichts bilden und 
gesetzlich eingeführt werden? Gilt dasselbe für die Ausflüge: 
IV. Wieviel Stunden sollen die Kinder während jeder Schulzeit tatsäch- 
lich Unterricht empfangen? Soll man dabei einen Unterschied 
machen zwischen den oberen und den unteren Klassen? Wie lange 
soll jede Unterrichtsstunde dauern? Sollen die verschiedenen Fächer 
und Klassen dabei in Betracht gezogen werden? Halten Sie Ihre 
Vorschläge zur Verbesserung für ausführbar ohne Beschränkung der 
Quantität des Lehrstoffes und der Schülerzahl per Klasse? 
V. Werden bei der jetzigen Einrichtung der Schulen die Körperübungen 

genügend berücksichtigt? Welche Änderungen wünschen Sie? 
VI. Ist Einschränkung des Lehrstoffes erwünscht hinsichtlich des Umfangs 

und der Anzahl der Lehrfächer? 
VII. Können die Elementarschulen die Hausarbeit ganz entbehren, oder 
soll sie in einigen Fächern beibehalten werden? Was für Aufgaben 
sollen alsdann zu Hause gemacht werden? 



MitteiluDgen aus Kongressen und Vereinen. 05 

Die Antworten machten den Hanptvorstand mit den Wünschen der Mit- 
glieder bekannt und zeigten ihm, wo Abhilfe zu allererst nötig ist. Der Haupt- 
vorstand zog aus den Abteilungsberichten folgende Konklusionen, welche dem- 
nach das Ziel seines Strebens für die nächsten Jahre enthalten: 

1. Herabsetzung der Schülerzahl in jeder Klasse. (Diese Zahl beträgt in 
den öffentlichen Schulen jetzt 45 — 66 ungefähr für die Elementar- 
schulen, 26 oder weniger für Gymnasium und Realschule.) 

2. Eine bessere Einrichtung der Spielplätze, so daß das Freiluftspiel 
häufiger geübt werden kann. 

3. Eine zweckmäßige Einrichtung der Schulgebäude, so daß Licht und 
Luft freien Zutritt haben und ruhestörende Einflüsse beseitigt werden 
können. 

4. Einführung von Schulwanderungen. 

6. Eine Einschränkung der Unterrichtszeit, ohne Verkürzung der Schul- 
zeit überhaupt; erstere schafft Zeit für längere Pausen und Spielzeiten. 
Der Unterrichtsstoff braucht dabei nicht eingeschränkt zu werden. 
Besonders in den unteren Klassen sollen die Unterrichtsstunden kürzer 
sein (20 — 40 Minuten). 

6. Bewegungsspiele in freier Luft für alle Schüler. 

7. Abschaffung der Hausaufgaben für die unteren Klassen, bedeutende 
Herabsetzung für die höheren Klassen der Vorbereitungsschule. 

Zunächst wird der Verein danach streben, 6. und 7. zu erreichen; dieses 
wird seine Aufgabe im Winter 1906—1906 bilden. 

Über folgende Gegensfönde wurden im Winter in den Abteilungen Vor- 
träge und Vorlesungen gehalten: 

1. In welcher Weise und wo soll der Unterricht vereinfacht und ver- 
bessert werden? 

2. Das Französisch bei den Aufnahmeprüfungen für das Gymnasium und 
die Höhere Bürgerschule. 

3. Schule und Familie: Verbündete oder Feinde? 

4. Der Einfluß der Eltern auf den Erfolg des Unterrichts in den fremden 
Sprachen und ihre Mitwirkung. 

6. Schulideale! 
C. Schulhygiene. 

7. Schulärzte. 

8. Körperübungen. 

9. Der Elementarunterricht und der fortgesetzte Unterricht. 

10. Die Ventilation der Klassenzimmer. > 

11. Die Hausaufgaben. 

Als Erfolg seiner Bemühungen im vergangenen Jahre kann der Verein 
folgende Resultate aufweisen: In zwei Städten wurden die Aufnahmeprüfungen 
abgeschafft, so daß die Schüler, welche die Elementarschule absolviert haben, 
in die Realschulen und das Gymnasium eintreten, nachdem der Direktor der 
Elementarschule schriftlich die genügende Vorbereitung der betreffenden Schüler 
bestätigte. Der Rat der Stadt Zaandam fügte eine Klasse zu den sechs be- 
stehenden Klassen der Elementarschule, so daß die Berufswahl um ein Jahr 
hinaufgerückt wird. 

In der Stadt ZwoUe bekam das Gymnasium neue Bänke, und Schulpausen 
wurden eingeführt. 

Otttnnde Jugend. V. 8/4 6 



66 Mitteilungen aus Kongressen und Vereinen. 

Die Diskussionen waren dieses Jahr weder interessant noch umfangreich, 
weil die Versammlung einstimmig auf der Ausführung der yorgeschlagenen 
Anträge bestand. 

Nach einer Pause fand eine öffentliche Sitzung statt; als Redneriu trat 
Fräulein Ida Heyermans auf, die einen fesselnden freien Vortrag hielt über: 
Über das Zuviel und Zuwenig in unserem Unterricht. Nur ganz 
gedrängt will Rednerin dieses Thema behandeln und ausschließlich ihre 
eigene Meinung vertreten. 

Keine Idee steht ganz vereinzelt da; obgleich vieles unerklärlich ist, be* 
steht augenscheinlich ein gewisser Zusammenhang zwischen Ideen und gesell- 
schaftlichen Verhältnissen, infolgedessen ebenfalls zwischen der Schule und 
der Gesellschaft, zwischen Unterricht und ökonomischen Zuständen. Redneriu 
beleuchtete diesen Satz mit einigen Beispielen: Der Unterricht in Sparta, oder 
vielmehr die Erziehung in diesem agrarischen, kriegerischen Staate zielte 
einzig und allein auf Kraftentwicklung; in Athen, wo der Handel mehr in den 
Vordergrund trat, im Mittelalter, wo das Christentum zur Gewalt gelangte, 
wurden dem Unterrichte andere Ziele gesetzt. Nach der französischen Revo- 
lution trat wieder eine bedeutende Änderung ein: die feudale Gesellschaft 
stürzte und eine neue, auf den Besitz, auf die Konkurrenz gegründete, ent- 
stand. Die Wissenschaft nahm einen hohen Schwung und glaubte alles er- 
klären zu können. Diese Gesellschaft prägte ihr Siegel auf die Schule: in der 
Klasse herrscht die Konkurrenz zwischen den Schülern ebenso wie außerhalb 
der Schule zwischen den Erwachsenen. Der Unterricht bereitet vor auf den 
Kampf und nicht auf gegenseitige Hilfe. Ein Beispiel: In einer neu ein- 
getretenen Klasse sieht Rednerin junge Mädchen schreiben mit vorgehaltener 
Hand: sie beschützen ihre Arbeit gegen andere; andere schreiben heimlich ab 
und finden dies natürlich; nach ihrer Meinung gehört das zum Unterricht. 
Beide müssen einsehen lernen, daß die Arbeit einzig und allein bezweckt, sie 
tüchtiger und kräftiger zu machen. Der Geist der Konkurrenz herrscht natür- 
licherweise in der Schule, weil er außerhalb der Schule vorherrscht; die 
Prüfungen dienen ja dazu, die Schwächeren zu eliminieren, und die Lehrer 
und Erzieher sollen dazu mitwirken. Wer lehren will, verrichtet eine soziale 
Arbeit, denn die Schüler von heute werden morgen die Führer sein, welche 
dem Strom des Lebens eine neue Richtung geben werden. 

Das Zuviel bezieht sich nicht bloß auf die Examen und die Konkurrenz, 
die Überschätzung der Wissenschaft führte zur geistigen Überladung. Zuviel 
Kenntnisse und Wissenschaft brachten wir in die Schule und versäumten, die 
im Menschen schlummernden Kräfte zu entwickeln. Durch unsere einseitige 
Verstand esbildung konnte sich das Originelle, das Geniale auf den Schul- 
bänken nicht äußern. Unser System eignete sich nur für diejenigen, die 
hineinpaßten, eine Minderzahl, weil der Unterricht positives Wissen bezweckte 
und seine Hauptaufgabe übersah: das Wecken der schlafenden Kräfte des 
Kindes. 

Das Ziel des Sprachunterrichtes in der Elementarschule soll sein, das 
Kind zu lehren, seine Gedanken auszudrücken, die von andern zu verstehen, 
seinen Wortvorrat zu erweitem; aber die Kinder lernen jetzt noch viele ver- 
altete Wortformen; bei der Aufnahmeprüfung für die Fachschule (13 Jahre) 
schreiben sie schlechte Aufsätze, mit schlechter Interpunktion, in altmodischer 
Sprache; im Rechnen können sie Fässer sich entleeren lassen und besitzen 



Mitteilungen aus Kongressen und Vereinen. 67 

wenig praktische Kenntnisse; in der Geographie kennen sie die Karte des 
Landes auswendig, geben sich jedoch nicht über die sie umgebenden Sachen 
Rechenschaft; in der Geschichte wissen sie einige Begebenheiten, kennen das 
Leben von ein paar hervorragenden Personen und wissen nichts von den 
Sachen, die ihnen zunächst liegen. 

Wäre die Vorbereitung der Lehrer auf ihren künftigen Beruf nur anders! 
Sie ist ganz verfehlt. In der Aufnahmeprüfung für Seminarschüler (14 Jahre) 
wurde gefragt: „Was geschah unter den Regierungen dei; Könige Wilhelm L 
und Wilhelm IIL, um den Handel von Amsterdam und Rotterdam zu fördern? 
In welchem Familienverhältnisse stand Karl V. zu Philipp 11., Philipp dem 
Schönen, dem Kaiser Maximilian, Ferdinand von Arragonien?" Rednerin führte 
eine Menge Proben an, um zu zeigen, wie auf dem Gebiete der Pädagogik 
jungen Lehrern (18 Jahre) in den Examen eine Weisheit abgefragt wird, als 
hätten sie schon Jahre vor der Klasse gestanden. 

Glücklicherweise verschwindet der größte Teil des Unterrichtsstoffes aus 
unserem Gedächtnis, sonst bliebe kein Raum übrig für die Vernunft, ohne 
welche wir den Unterricht nicht vereinfachen und verbessern könnten. 

Obiges ist etwas über das Zuviel, nun folgt das Zuwenig im Unterricht. 
Zuerst weist Rednerin auf die Vernachlässigung des Unterrichts seitens der Obrig- 
keit hin. Manchmal wird für Schwachsinnige besser gesorgt als für normale 
Kinder, man betrachtet nur den künftigen Beruf als das zu erreichende Ziel, 
nicht die Ausbildung zum Menschen; arme Kinder werden mit minimalen 
Kenntnissen ins Leben hin ausgeschickt, andere lernen alles, was sie möglicher- 
weise zum künftigen Berufe brauchen könnten. Es wäre richtig, wenn der 
Mensch bloß ein Arbeiter im engeren Sinne wäre. Von der Schule wird jetzt 
ein politisches Ballspiel gemacht: wer das Kind hat, hat die Zukunft; man 
beachtet mehr das zukünftige Parteimitglied, als den Menschen in verschiedenen 
Lebensstellungen. Das Interesse der Autoritäten äußert sich in einer über- 
mäßigen Beaufsichtigung: 6 oder 9 Lehrer in einer Schule, darüber das Haupt, 
darüber die Inspektion der Gemeinde, des Reiches usw. Zuwenig Geld steht 
zur Verfügung für den eigentlichen Unterricht. „Die Verbesserung des Unter- 
richts fordert Millionen,'* sagt man. Freilich, und die Millionen müssen dazu 
gefunden werden ! 

Den Eltern fehlt es ebenfalls an Interesse; den technischen Teil des 
Unterrichts haben sie aus den Händen gegeben und lassen nun ruhig ge- 
schehen, daß die Kinder sich überarbeiten. Der im vorigen Jahre vom Haupt- 
vorstand dieses Vereins verfaßte Bericht bestätigt dieses genügend. 

Dieselbe Gleichgültigkeit zeigen z. B. Medici und andere Personen, wenn 
man sie zur Teilnahme an der Erziehungsarbeit auffordert. Man wollte z. B. in 
Rotterdam ein Komitee bilden, um den Kunstsinn beim Unterricht zur Geltung 
zu bringen. Daraus wurde nichts. Es zeigte sich, daß auch die Künstler 
nichts mit der Schule zu schaffen haben wollten; bloß eine Aufführung geben 
zur Förderung des genannten Zwecks, dazu verstanden sie sich. Was tun wir 
für die körperliche Erziehung, was für die Tausende von Kindern, die nicht 
gehörig ernährt und gekleidet werden? Wie ist es möglich, die Kinder zu 
erziehen „zu christlichen und gesellschaftlichen Tugenden", solange wir sie 
frieren und hungern lassen! Wir vernachlässigen die körperliche Erziehung; 
sie besteht aus etwas Gymnastik in staubigen Sälen. Dem Spielbedürfnis des 
Kindes genügen wir noch nicht; wir gehen mit ihnen spazieren, hübsch ordent- 



68 Mitteilungen ans Kongressen nnd Vereinen. 

lieh, Hand in Hand, denn Spielpl&tze gibt es noch nicht. Unser Unterricht ist 
nicht allseitig, harmonisch. Zwar können wir die Talente, die nicht vorhanden 
sind, nicht hervorrufen, aber was schläft, können wir wecken. Zuviel löschen 
wir aus durch die von uns darauf geworfene Asche. Nicht die echte, den 
Geist bildende Handarbeit ist in die Schule eingeführt worden; Gehimi&üg' 
keit ist Hauptsache in den meisten Schulen und diese wird in den Fachschulen 
vernachlässigt, wo nur die Hände geübt werden. Das Handwerk ist für die- 
jenigen, die sonst nicht begabt sind, die nicht lernen können, denn es wird 
als etwas Minderwertiges betrachtet. Was die Sonne und die Erde für die 
Pflanzen sind, ist unser Unterricht noch nicht für die Kinder 

Was tun wir für die Charakterbildung der Schüler? Kleine Klassen sind 
dazu unerläßlich. Die Schule fördert sie auf zwei Weisen: durch die Tat und 
durch das Wort. Solange aber die Individualität der Lehrer, durch ihre 
mangelhafte Ausbildung z. B., unterdrückt wird, werden keine Menschen von 
Charakter vor der Klasse stehen, und Charaktere bilden sich nur, indem sie 
mit Charakteren in Berührung kommen. Auch die Arbeit, die mit Liebe aus- 
geführt wird, wirkt charakterbildend; leider vergessen die Lehrer dieses häufig 
und geben den Kindern zu schwere oder zu ausführliche Aufgaben auf, so daß 
sie zur Unehrlichkeit oder Nachlässigkeit getrieben werden. Jedes Kind soll 
nur die für dasselbe geeignete Arbeit verrichten. 

Das Wort wirkt charakterbildend; Förster weist in seiner Jugendlehre 
darauf hin, wie die Kinder zur Einsicht gelangen sollen, warum sie arbeiten 
sollen, warum sie gewisse Sachen tun oder lassen sollen, daß die Kinder an- 
gehalten werden sollen, mit ihren Lehrern zu arbeiten an der Heranbildung 
aller ihrer geistigen und körperlichen Kräfte. 

Der einfachsten, primitivsten Sachen lassen wir die Kinder unkundig. 
Was tun wir für die Ausbildung der künftigen Mütter? Bednerin betrachtet 
es als ein Glück, daß es jetzt weibliche Ärzte und Advokaten gibt; segens- 
reicher wäre es jedenfalls, wenn wir alle Mädchen lehrten, Kinder zu pflegen. 
Keinem Mädchen, keiner Schülerin des Gymnasiums, der Realschule, keiner 
Studentin beweisen wir einen schlechten Dienst, wenn wir sie lehren mit 
Kindern umzugehen. Eine ganz andere Mütterlichkeit als jetzt wird in der 
werdenden Gesellschaft von der Frau verlangt. 

Der Unterricht soll innerlich ergreifen, nur dann wird das Seelenleben 
wachsen. 

Bednerin erinnerte zuletzt an Helen Keller, das blinde, taubstumme 
Mädchen, dessen Seelenleben so reichhaltig ist, dank der Erziehung, welche 
ihr zuteil wurde. Was machen wir aus den Tausenden von Kindern, die 
Augen haben zum Sehen, Ohren zum Hören? 

Die Versammlung brachte der Bednerin ihren Dank für die suggestive 
Bede, welche jedoch in manchem Punkte Bedenken bei den Hörern erregte. 
In der daraujßfolgenden Diskussion wurde z. B. gesagt, daß Bednerin, wie das 
gewöhnlich der Fall ist, zuviel die Übelstände und nicht die Mittel zur Ver- 
besserung betont habe. Sie sehe zu schwarz, denn niemals sei für die Kinder 
der Armen so viel geschehen wie heute, in der kapitalistischen Gesellschaft. 
Wenn immer nur die Fehler hervorgehoben würden, raube man den Lehrern 
den Mut. Lehrer und Lehrerinnen arbeiten ja mit großer Hingabe an der 
Charakterbildung der Schüler; neue Methoden werden eingeführt. Was die 
Examenfrage betrifft, diese sei noch nicht erledigt. Ein Lehrer, der 30 Jahre 



MitieiluDgen aus Kongressen und Vereinen. 69 

examiniert hat, sagte, er habe immer yersucht, die Examen zu verbessern; die 
Schwierigkeit liege nicht darin, individuell die Fähigkeiten der Kandidaten zu 
beurteilen, sondern darin, ihnen gegenüber objektiv das urteil zu begründen. 
Was soll zur Richtschnur bei der Beurteilung genommen werden? Man dürfe 
denen gegenüber, die sich jahrelang um die Verbesserung der Examen be- 
müht haben, nicht über dem Examen den Stab brechen, ohne die Mittel zur 
Verbesserung anzugeben. Eine der anwesenden Lehrerinnen gab an, wie die 
Kandidaten im Staatsexamen für Lehrer der Elementarschulen in Geschichte 
und Geographie geprüft werden sollten. 

Rednerin erwiderte: der Hauptfehler der Examen sei, daß von den Kan- 
didaten an einem bestimmten Tage Kenntnisse gefordert werden, die sie jeden 
Augenblick, außer an jenem Tage, in Büchern nachschlagen können. Die zu- 
künftigen Lehrer sollen angeregt werden, aus eigener Kraft das Beste zu 
lernen, was zu finden ist, ihnen soll der Weg zu den besten Büchern ge- 
wiesen werden. 

Bevor der Vorsitzende, Herr Prof. H. P. Bense, die Versammlimg 
schloß, wurde ihm von einem der Mitglieder, Herrn van Nieuwenbarg, 
herzlichster Dank gebracht für alles, was er seit 4 oder 5 Jahren für den 
Verein wirkte. Er erinnerte daran, wie der Vorsitzende eine gediegene Schrift 
über die Überbürdungsfrage verfaßte, und wie seiner Initiative die Gründung 
des Vereins zu verdanken ist, dessen treibende Kraft er seitdem war. Von 
Schwestervereinen im Auslande hatten wir damals noch keine Ahnung. Herr 
Prof. Bense tritt nun ab als Mitglied des Vorstandes; Redner wünscht, daß 
die Trennung nicht von langer Dauer sein möge. 

Die Versammlung zeigte ihre herzliche Znstinmiung durch laute Beifalls- 
bezeugungen. 

Mit einem Dankeswort schloß der Vorsitzende die 4. Jahresversammlung. 

Arnheim, im Mai 1905. S. M. Maronier. 

Sekr. V. E. 0. 

— Die Frage der Hausaufgaben der Gymnasiasten wurde auf der 
16. Landesversammlung des württembergischen Gymnasiallehrer- 
vereins am 20. Mai 1. J. in Stuttgart in einem Vortrage von Rektor Mayer- 
Eßlingen erörtert. Die Thesen des Referenten gipfelten in folgenden Sätzen: 

1. In den Überbürdungsklagen der Gegenwart ist ein berechtigter Kern. 

2. Die Organisation unserer Schulen hat große Schwierigkeiten, aus 
denen nur zu leicht Überbürdungen der Schüler im Unterricht und 
mit Hausaufgaben erwachsen. 

3. Diese Schwierigkeiten können zum Teil durch Verbesserung der Me- 
thode überwunden werden. 

4. Zum Teil erfordern sie Änderungen in der Organisation: 

a) Die griechische Komposition möge als Prüfungsfach in Klasse VII 
(Obersekunda) und als Hausaufgabenfach in Klasse VII— IX (Ober- 
sekunda bis Oberprima) wegfallen. 

b) Geboten erscheint die Wiederentfernung der Mathematik aus IV 
und V (Unter- und Obertertia). 

c) Wünschenswert wäre eine Ermäßigung der Ansprüche im obligato- 
rischen Mathematikunterricht unter Einrichtung eines weitergehenden 
fakultativen Unterrichts in der Mathematik. 



70 Mitteilungen aus Kongressen und Vereinen. 

0. Prinzipiell festzuhalten sind Hausaufgaben. 

6. Prinzipiell festzuhalten sind Hausaufgaben in den bisher üblichen 
Formen, insbesondere auch schriftliche Hausaufgaben. 

7. Zn beschränken ist die Hausaufgaben zeit in Klasse IV — V (Unter- und 
Obertertia). 

8. Von besonderer Wichtigkeit ist die Kontrolle der Zeit, welche der 
Schüler tatsächlich auf seine Hausaufgaben verwendet. 

Das gleiche Thema war schon im vorigen Jahre auf der Jahresversamm- 
lung des württembergischen Gymnasiallehrervereins in Stuttgart 
von Prof. Dr. Eiben behandelt worden, dabei hatte Redner folgende Leit- 
sätze aufgestellt: 

1. Eine Überschreitung der Bestimmnngen des Erlasses vom 19. März 1896 
über die auf den einzelnen Alterstufen zulässige Arbeitszeit kann nur 
dadurch dauernd verhütet werden, daß das zu diesem Zwecke vor- 
geschriebene Schema bei jeder Änderung des Stundenplanes, also zu 
Beginn jedes Halbjahres neu angefertigt wird. 

Aus diesem Schema muß deutlich zu ersehen sein, auf welche 
Weise in den für jeden Tag vorgeschriebenen zeitlichen Rahmen die 
regelmäßigen Hausaufgaben von Tag zu Tag sich zu teilen haben, 
bezw. an welchem Wochentag die über mehrere Tage aufgegebenen 
Arbeiten am zweckmäßigsten untergebracht werden. 

2. Die im Erlaß vom 19. März 1896 für die frühere VII. Klasse (Ober- 
sekunda) angeordnete Rücksichtnahme auf die fakultativen SchulfUcher 
bei Bemessung der täglichen Hausaufgabenzeit sollte auf alle £[la8sen 
ausgedehnt werden und durch folgende Fassung des betreffenden Ab- 
satzes deutlicher zum Ausdruck kommen: 

Für die übrigen Klassen (d. h. von Klasse V [fr. Bez. Obertertia] 
an aufwärts) wird als Höchstmaß der auf die Hansaufgaben zu ver- 
wendenden Zeit festgesetzt: nach 4 stündigem Unterricht 3 Stunden, 
nach 5 stündigem 2y2, nach 6 stüudigem 2, nach 7 stündigem 1, nach 
8 stündigem y, Stimde. In die Unterrichtszeit sind die fakultativen 
Schulfäclier einzurechnen, doch ist eine außerordentliche Belastung 
einzelner Wochentage durch Unterrichtsstunden bei Anlegung des 
Stundenplanes tunlichst zu vermeiden. 

3. Die Anforderungen der einzelnen Fächer an die häusliche Arbeit 
können in dem vorgeschriebenen zeitlichen Rahmen nur dann unter- 
gebracht werden, wenn sie gemäß dem Erlaß vom 26. April 1883 
durch einheitliche Regelung mehrerer Punkte möglichst beschränkt 
werden. Zu diesem Zweck empfiehlt sich: 

a) die grundsätzliche Abschaffung der Prüfung und Bezeugnissung in 
griechischer Komposition, behufs Entlastung des griechischen Unter- 
richts von der fortgesetzten, hemmenden Rücksichtnahme auf den 
Zweck, den Schülern die Fähigkeit eines korrekten schriftlichen 
Gebrauchs des attischen Dialekts beizubringen bezw. zu erhalten; 

b) das Verbot des Vorheransagens von Explorationen zur Ermittlung 
des in einzelnen Fächern erreichten Kenntnisstandes ; 

c) die Anordnung, daß alle nicht regelmäßig jede Woche sich wieder- 
holenden Hausaufgaben, wie z. B. Hausaufsätze, nur über solche 



Mitteilungen aus Kongressen und Vereinen. 71 

Tage gegeben werden, an denen eine regelmäßige schriftliche Haus- 
arbeit etwa infolge einer Elassenarbeit ausfällt. 

In bezng auf die interessante Debatte, die die Vorschläge der beiden 
Thesensteller nach sich zog, verweisen wir auf Prof. Wund er- Heilbronn: „Die 
16. JahresTersammlnng des württembergischen Oymnasiallehrervereins 1*J06^* 
(Sildwestdeutsche Schulblätter 1905, Nr. 6, Karlsruhe, Friedrich Gutsch). 

— Die Versammlung der deutschen otologisohen Gtosellsohaft 
fand am 9. und 11. Juni in Homburg statt. Als Referat stand auf der 
Tagesordnung: Die Schwerhörigkeit in der Schule. Referenten hierfür 
waren Professor Arthur Hartmann, Berlin, und Professor Passow, 
Berlin. Die Frankfurter Zeitung schreibt hierüber: 

Ausgehend von der Tatsache, daß wirklich Taubstumme in verhältnis- 
mäßig geringer Anzahl vorhanden sind und daß nach der Münchener Erfahrung 
hochgradig Schwerhörige durchaus nicht, wie bisher, als total taubstumm zu 
behandeln seien, erörterte der Vortragende an der Hand seiner reichen Er- 
fahrungen die Erfolge seiner wissenschaftlichen Beobachtungen in den letzten 
26 Jahren. Das Resultat — die im Jahre 1880 in einem Beruf tätigen 43,6 % 
aller sogenannten Taubstummen haben sich 1900 auf 70,2 ^/^ gesteigert — ist 
gewiß überzeugend. Aus der Münchener Schule für Schwerhörige werden jetzt 
sogar 86 **'^ berufstauglich entlassen. War es doch auch Professor Bezold da- 
selbst, welcher an der Jahrhundertneige die epochale Entdeckung gemacht, 
daß die meisten in Taubstummenanstalten untergebrachten Zöglinge in der 
Skala der Töne sogenannte „Gehörin sein' ^ also auch eine gewisse Höriähigkeit, 
besitzen. Mit Ausnutzung dieser mehr oder weniger vorhandenen Gehörreste 
ist es gelungen, eine ganz neue erfolgreiche Taubstummen-Unterrichtsmethode 
auszubilden, mit anderen Worten, durch „Sprechübung vom Ohr aus" kann 
man mit der geringen Hörfähigkeit eine große Hörfähigkeit entwickeln. Der 
moderne Staat hat sich die iJ'ürsorge für die Schwachen und Gebrechlichen zu 
einer seiner Aufgaben gemacht. Es ist sehr lobenswert, daß von den Augen- 
ärzten und auf deren Drängen von den Behörden heutzutage für die Augen- 
kranken so viel geschieht. In manchen Städten, wie Straßburg und Daniistadt, 
wird sogar für die zahnkranken Kinder in ausreichender Weise gesorgt. 
Während aber die augenkranken Kinder an sich geistig reger und fort- 
bildungsfähigcr sind, als die ohrenkranken, geschieht leider für die letzteren 
immer 'noch nichts. Und doch sind sie gerade die hilfsbedürftigsten. Vom 
Ohr aus lernt das Kind die Sprache, lernt es Begriffe, lernt es denken. Das 
Gehör vermittelt den Umgang mit seinesgleichen, die Hörfähigkeit ist die Vor- 
bedingung zu einem Beruf. Um einer seiner idealsten und praktischsten Auf- 
gaben gerecht zu werden, ist der Staat nach Ansicht des Vortragenden ver- 
pflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß 

1. alle heilbaren Ohren kranken zu heilen sind, 

2. für die unheilbaren Ohrenkranken die zweckmäßigste Ausbildung zu 
ennöglichen ist. 

Nach übereinstimmender Statistik verschiedener Kliniker an mehreren 
100 000 Schulkindern ist ein Viertel dieser ohrenkrank. Davon ist die Hälfte 
schwachhörig infolge einfach heilbarer Kachenalfektionen; Ohreiterungen können 
und sollten gleichfalls zur Ausheilung gebracht werden. Wenn man sich ver- 
gegenwärtigt, welcher ungerechten ja oft falschen Behandlung die ohrenkranken 
Kinder durch die Lehrer ausgesetzt sind, erscheint diese Forderung gewiß bc- 



72 Mitteilungen ans EongreAsen und Vereinen. 

gründet. YerhängnisvoU aber geradezu ist das Los eines geistig normal bean- 
lagten, schwachhörigen Kindes, welches in der Schule für Schwachsinnige aus- 
gebildet wurde; der Makel haftet ihm fürs Leben an. Nur angedeutet soll 
hier werden, daß sogar schon in Idiotenanstalten gehörkranke Kinder auf- 
genommen worden sind — infolge mangelhafter Untersuchung. Der Vortragende 
exemplifizierte auf einen Fall in seiner jüngsten Praxis: ein lij&hriges Kind 
galt als taub; er exstirpierte ihm die adenoiden Vegetationen, und das Kind 
hörte bald darauf. Aber es fehlten ihm in seinem Wortschatz die allerein- 
fachsten Begriffe, und es machte den hilflosen Eindruck eines zweijährigen 
Kindes. Es war also trotz normaler Veranlagung in seiner geistigen Entwick- 
lung um mehr als zehn Jahre zurückgeblieben. 

Daß diese Momente der Volksentwicklung und Volkserziehung auch bei 
der Wehrkraft eines Staates mitsprechen, wurde durch ein reiches statistisches 
Material aus den Akten des Kriegsministeriums erhärtet. 

Mit ungeteiltem Beifall aller Praktiker wurden die Forderungen auf- 
genommen, daß von den Schulärzten dahin zu wirken sei, daß alle Kinder 
mit Ohrenfluß und Trommelfelldefekten von den jetzt vielfach in Gebrauch 
gekommenen Brausebädern auszuschließen sind; auch baden dürfen sie nur in 
Gegenwart von Lehrern, die das Schwimmen zu beaufsichtigen vermögen und 
das Untertauchen verhindern. Das Eindringen von Wasser in das innere Ohr 
gefährdet das Leben. 

Auch in der Frage, was für die unheilbaren Ohrenkranken geschehen 
soll, hat der in der Reichshauptstadt in verantwortlicher Stellung befindliche 
Vortragende reiche Erfahrung gesammelt und folgende Fürsorgemaßregeln zur 
allgemeinen Einführung empfohlen: 

1. Kinder unter zwei Meter Hörweite müssen einen dem Lehrer besonders 
nahen Platz angewiesen erhalten. 

2. Sie bedürfen einer öfteren Kontrolle, ob das Gesagte gehört bezw. ver- 
standen worden ist. 

3. Vor allem dürften Hörfehler im Diktat nicht mehr ungünstig zensiert 
werden. 

4. Empfehlenswert ist es, wenn ihnen fortgeschrittene, intelligente Mit- 
schüler als Sitznachbam und Spielkameraden beigegeben werden, und 

6. wenn sich nicht nur die Lehrer, sondern auch die Angehörigen sprach- 
lich recht viel mit ihnen beschäftigen. Einzelunterricht wäre natür- 
lich das Ideal, aber eine Geldfrage und für die Allgemeinheit nicht 
diskutabel. 
Wie groß muß nun eine Stadt bezw. ein Bezirk sein, um an die Aufgabe 
heranzutreten, Sonderschulen für die bisher als taubstumm gegoltenen Schwer- 
hörigen zu errichten? Nach der Münchener und Berliner Erfahrung kommen 
auf je 10 000 Schulkinder 10 speziell Unterrichtsbedürftige. Für Frankfurt 
würde das eine Anstalt von ca. 30 — 36 Schülern erfordern, je 10 in einer Klasse 
mit einem Lehrer. Um die Ausgaben kommt eine Gemeinde nicht herum; denn 
wer nicht in solchen Erziehungsheimen untergebracht ist, fällt später den Ver- 
sorgungsanstalten anheim. Bei richtiger Auswahl durch den Schul- und Ohren- 
arzt und zweckmäßigere Ausbildung durch den Lehrer befinden sich die bisher 
als taubstumm betrachteten Schwerhörigen im späteren Leben sehr wohl. 
Sie üben den Beruf als Schreiber, Buchhalter, Architekt, Maler usw. sehr 
gut aus. 



Amtliches. 73 

Von ähnlicher Bedenbuig für die Staatswirtschaft und Yolkserziehnng 
war der Vortrag des Geheimrats Dr. Pas so w- Berlin. In anschaulicher Weise 
suchte er aus seinem jahrzehntelangen Verkehr mit Taubstummen heraus den 
Beweis zu erbringen, daß die heutige Methode der Taubstummenausbildung 
eine total verkehrte sei, und in dieser Auffassung stimmten ihm die hervor- 
ragendsten Kliniker und Ohrenärzte bei. Die heutige Methode zeitige Resultate, 
die „zum Erbarmen'* wären. Kaum seien unsere bedauernswertesten Mitbürger 
ein Jahr lang aus der Anstalt entlassen, so hätten sie die so unendlich mühsam 
erlernte Lautiersprache wieder vergessen. Neben den „Sprechübungen vom 
Ohr aus'' nach Bezold und den sprachgjmnastischen Übungen müsse auch die 
Gebärdensprache geübt werden, und zwar von den weniger talentierten Taub- 
stummen allgemein und nach einheitlichen Grundsätzen. Wie der Arzt die 
Aufgabe habe, für den bestmöglichen Ersatz eines verloren gegangenen Gliedes 
zu sorgen, so sei er auch berufen, die sprachlichen Mängel nach Möglichkeit 
zu ersetzen. Die Taubstummen selbst forderten inständig den Gebärden- 
unterricht, haben aber bisher nur bei den Ärzten Verständnis für ihre hilflose 
Lage gefunden und rechneten auf deren tätige Unterstützung. — Diese Aus- 
fuhrungen blieben indes nicht ohne Widerspruch, und auch ein als Gast 
anwesender Taubstummenlehrer plädierte für die reine Lautiermethode. 

Da diese Frage über kurz oder lang die Öffentlichkeit beschäftigen wird, 
motivierte Passow in seinem Schlußwort seine Forderungen noch einmal durch 
Beispiele und Belege in ausführlichster Weise. Er präzisierte sie, um nicht 
mißverstanden zu werden, wiederholt als eine größere Individualisierung des 
Unterrichts. Nach dem vorhandenen Intellekt und Gehörrest des einzelnen 
müsse sich die Methode richten: die Gebärdensprache sei allen leicht zugäng- 
lich; den Forderungen des Lautierunterrichts würden nur die Bestbegabten 
gerecht. 



V. Amtliches. 



Einffilirnng von Eörperfibnngen an den städtischen 
Volksmädchenschnlen. 

DaQ eine geregelte körperliche Erziehung im Rahmen der Schule den 
Mädchen mindestens so nottut, wie den Knaben, steht außer Zweifel. Durch 
Erlaß vom 31. Mai 1894 ist denn auch an den höheren Mädchenschulen Preußens 
das Turnen allgemein verbindlich eingeführt. Es sind dort wöchentlich zwei 
volle Turnstunden für die Mittel- und Oberstufe, zwei halbe Stunden für die 
Unterstufe vorgeschrieben. Ein neuer Erlaß (vom 20. März 1905) verfügt nun 
auch die Einführimg des Turnens an den Volksmädchenschulen wenigstens in 
Städten und stadtähnlichen Ortschaften. 

Wie wir den ganzen Erlaß als beachtungswerten Fortschritt auf einem 
wichtigen Gebiete der Schulhygiene begrüßen, so heben wir als Verbesserung 
gegenüber früheren Vorschriften hervor, daß die beiden Turnstunden nun auch 
auf vier Tumzeiten von je einer halben Stunde an vier verschiedenen Wochen- 
tagen verteilt werden können. Täglich eine kurze Zeit für die Leibesübungen 



74 Amtliches. 

anKUsetzen, wenn es auch nur 20 Minuten wären, hielten wir allerdings für 
noch ersprießlicher. £beuso erfreulich ist die Betonung der Spiele und Übungen 
im Freien, sowie das Verbot einschnürender Beeidung und besonders des Kor- 
setts beim Turnen. 

Der Erlaß lautet: 

Aus den Berichten der Königlichen Regierungen über den Stand des 
Mädchentumens in den Städten habe ich mit Befriedigung ersehen, wie die 
gesundheitliche und erziehliche Bedeutung des Turnunterrichtes für die weib- 
liche Jugend in immer weiteren Kreisen die gebührende Würdigung findet. 
Insonderheit habe ich gern auch Kenntnis genommen, daß in einer Anzahl von 
Städten dieser Unterricht nicht nur für die höheren Mädchenschulen, sondern 
für alle Schülerinnen, auch für diejenigen der Volksschule eingerichtet worden 
ist. Die hierbei gewonnenen günstigen Erfahrungen, die augenfölligen segens- 
reichen Wirkungen, welche eine sachgemäß geleitete, der Eigenart des Mädchens 
angepaßte turnerische Betätigung für die betreffenden Schülerinnen gehabt hat, 
lassen es angezeigt erscheinen, dem Mädchentumen tunlichste Verbreitung 
zu geben. 

Zu diesem Zwecke ist anzustreben, daß in den Städten und stiidtähn- 
lichen Ortschaften — von letzteren kommen namentlich solche mit vorwiegend 
industrieller Beschäftigung der Bewohner in Frage — auch in den Volks- und, 
soweit dies nicht bereits geschieht, den Mittelschulen, und zwar auf der Mittel- 
und der Oberstufe, in wöchentlich zwei Stunden verbindlicher Turnunterricht 
erteilt wird. Wo es ohne Schwierigkeiten und Zeitverlust möglich ist, kann 
derselbe statt in zwei ganzen auch in vier halben Stunden gegeben werden. 
Wünschenswert ist, daß auch auf der Unterstufe Turnspiele und Vorübungen 
stattfinden. Daneben ist tunlichst auch außerhalb der Schulstunden Anregung 
und Gelegenheit zur Teilnahme an Jugendspielen im Freien zu geben. 

Da zur sofortigen Durchführung einer bezüglichen allgemeinen Anord- 
nung in vielen Städten die notwendigen Vorbedingungen mehr oder weniger 
noch fehlen so ist zur Erreichung des bezeichneten Zieles nach Maßgabe der 
örtlichen Verhältnisse allmählich vorzugehen und hierbei folgendes zu 
beachten: 

1. Wo bereits neben Turnplätzen auch Turnhallen zur Mitbenutzung ver- 
fügbar und geeignete Lehrkräfte vorhanden oder unschwer zu beschaffen sind, 
hat die Einführung des verbindlichen Mädchentumens für das ganze Jahr als- 
bald zu erfolgen. 

2. Wo zwar noch keine Turnhallen, aber geeignete Turnplätze oder als 
solche brauchbare Schulhöfe und die erforderlichen Lehrkräfte vorhanden sind, 
ist das Mädchentumen für das Sommerhalbjahr verbindlich zu machen. Dem- 
nächst ist behufs Ausdehnung dieses Unterrichtes auch auf das Winterhalbjahr 
für allmähliche Beschaffung von Turnhallen Sorge zu tragen. 

3. Soweit der Mangel brauchbarer Turnplätze oder einer ausreichenden 
Zahl geeigneter Lehrkräfte das Mädchenturnen zur Zeit überhaupt noch nicht 
gestattet, sind die einleitenden Schritte zu tun, um möglichst bald die er- 
forderlichen Voraussetzungen für die verbindliche Einführung desselben zu- 
nächst für das Sommerhalbjahr zu schaffen. Hierbei wird es sich in einigen 
Bezirken besonders auch darum handeln, in größerem Umfange als bisher an 
den städtischen Mädchenvolksschulen Lehrerinnenstellen einzurichten und ihit 
solchen Lehrerinnen zu besetzen, welche auch für den Turnunterricht befähigt 



AmtlicheB. 75 

sind. Ob und wie weit dieser Unterriclit in der Übergangszeit auch geeigneten 
Lehrern übertragen werden kann, bleibt dem pflichtmäßigen Ermessen der 
Schulaufsichtsbehörde überlassen. 

4. Sofern die Befreiung von der Teilnahme an dem verbindlich einge- 
führten Turnunterrichte aus Gesundheitsrücksichten nötig erscheint, ist ein ärzt- 
liches Zeugnis beizubringen. 

5. Bezüglich des Stundenplanes ist daran festzuhalten, daß über die in 
den Allgemeinen Bestimmungen vom 16. Oktober 1872 — B 2311 — festgesetzte 
Gesamtzahl wöchentlicher Unterrichtsstunden für die Oberstufe nicht hinaus- 
zugehen ist. Um die für den Turnunterricht erforderlichen Stunden zu ge- 
winnen, kommt in erster Linie der Wegfall der für mehrklassige Volksschulen 
angesetzten zwei Raumlehrestunden oder, wo die letzteren auf Grund des Er- 
lasses vom 6. März 1873 (Z.-Bl. 1873 S. 294) bisher durch vermehrten Hand- 
arbeitsunterricht ersetzt w^erden, der Wegfall dieser beiden Handarbeitsstunden 
in Frage. Sollten hiergegen Bedenken bestehen, so sind anderweite Vorschläge 
zu machen und vorzulegen. 

6. Die Grundsätze und methodischen Bemerkungen über das Turnen in 
höheren Mädchenschulen, welche in den Lehrplänen vom 31. Mai 1894 sich 
finden, sind unbeschadet der vorstehend im Schlußsatze von Ziffer 3 einstweilen 
zugelassenen Ausnahme bis auf weiteres auch für das Turnen in den übrigen 
Mädchenschulen maßgebend. Ein Obermaß von Ordnung- und Reigenübungen 
ist ebenso zu vermeiden wie die übertriebene Inanspruchnahme der Aufmerk- 
samkeit und des Gedächtnisses bei Gestaltung der Freiübungen. Auf Be- 
wegungs-, namentlich Laufspiele im Freien ist besonderer Wert zu legen. 

Tumsprache und Befehlsformen richten sich nach dem amtlichen Leitfaden 
für den Tumuuterrieht in den preußischen Volksschulen von 1895. Die Heraus- 
gabe eines besonderen Leitfadens für das Mädchentumen bleibt vorbehalten. 

7. Unter Bezugnahme auf die in den Lehrplänen vom 31. Mai 1894 über 
den Anzug der Schülerinnen gegebene Anordnung weise ich wiederholt nach- 
drücklich auf die schwere gesundheitliche Schädigung hin, welche dem sich 
entwickelnden weiblichen Körper durch einschnürende Kleidung zugefügt wird. 
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Zweck des Turnunterrichts bei 
solchen Schülerinnen, welche im Korsett turnen, nicht erreicht werden kann, da 
es die ausgiebige und wirkungsvolle Ausführung der wichtigsten Übungen, in- 
sonderheit auch derjenigen Rumpfübungen hindert, welche der Gesundheit be- 
sonders dienlich sind und eine freie, aufrechte, schöne Körperhaltung fördern. 
Das Tragen einschnürender Kleidung beim Turnen ist daher nicht zu dulden. 

Ich vertraue, daß die Königlichen Regierungen der Pflege und Förderung 
dieses Unterrichtsgegenstandes , welcher zur Erhaltung und Kräftigung der 
Volksgesundheit beizutragen in hervorragendem Maße geeignet ist, besondere 
Fürsorge zuwenden werden. 

Über das binnnn drei Jahren in dieser Beziehung Erreichte ist ein näherer 
Bericht in Gestalt einer Nachweisung über den Stand des Mädchenturnens am 
1. Mai 1908 nach dem beifolgenden Formulare vorzulegen. 

Berlin, den 20. März 1905. 

Der Minister der geistlichen usw. Angelegenheiten, 
gez. Studt. 

An sämtliche Königliche Regierungen und das Königl. Provinzial-Schul- 
koUegium in Berlin. 



76 



AmilicheB. 



Nachweiflung über den Stand des Mädchenturnens in den Städten und stadt- 

ähnlichen Oitechaften des Regierungsbezirks 

am 1. Mai 1908. 



I. 


IL 


III. 


IV. 


V. 


VI. 


vn. 






Zahl 


Zahl derjenigen 


Zahl derjenigen 


Zahl derjenigen 








der in den 


unter den nach 


unter den nach 


unter den nach 








Spalte III Tor- 


Spalte ni Tor- 


Spalte in Tor- 








Städten usw. 


handenon 


handenen 


handenen 








unter A-bis E 


Mädoheneohulen, 


Midchenschnlen, 


Mädchenschulen, 


Be- 
merkungen. 


Regierungs- 


Zahl 


vorhandenen 


in welchen im 
Sommer und 


in welchen nur 
im Sommer 


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Preußen. Erlaß, betr. die Besiohtigungen der den ProvinBial-Soliul- 

kollegien unterstellten höheren Lehranstalten durch die Kreisärzte. 

Vom 16. März 1906. (Min.-Bl. f. Med.- usw. Angel. S. 167.) 

Die Dienstanweisung für die Kreisärzte vom 23. März 1901 ^) (Zentral- 
blatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung von 1902 S. 217 ff.) bestimmt im 
§ 94 Abs. 7, daß die den Provinzial-SchulkoUegien unterstellten höheren Lehr- 
anstalten nur auf Grund besonderen Auftrags einer Besichtigung zu unterziehen 
sind. In Ausführung dieser Bestimmung wird folgendes angeordnet: 

1. Der Auftrag zu solchen Besichtigungen ist den Kreisärzten auf Ersuchen 
des Königlichen Provinzial- Schulkollegiums durch den Regierungspräsidenten 
zu erteilen. In dringenden Fällen ist der Anstaltsleiter, bei nichtstaatlichen 
Anstalten auch der Patron befugt, den Kreisarzt um eine gutachtliche Äußerung 
über hygienische Angelegenheiten der Schule zu ersuchen. Trägt dieser Be- 
denken, dem Ersuchen zu entsprechen, so hat er dem Regierungspräsidenten 
Bericht zu erstatten, welcher erforderlichen Falles nach Benehmen mit dem 
Königlichen Provinzial- Schulkollegium das weitere veranlaßt. 



1) Veröff, 1902 S. 974. 



Amtliches. 77 

2. Bei der Ausarbeitung von Neubau- und Umbauplänen ist dem Kreisarzt 
in der Regel Gelegenheit zur Äußerung zu geben, am zweckmäßigsten in der 
Weise, daß der Anstaltsleiter, mit welchem der Baubeamte in jedem Falle in 
Verbindung tritt, eine gemeinsame Besprechung unter Zuziehung des Kreis- 
arztes veranlaßt. 

3. Im übrigen ist es mir erwünscht, daß mit der hygienischen Unter- 
suchung der Verhältnisse der höheren Lehranstalten durch die Kreisärzte an- 
gefangen und diese in einem Zeitraum von 5 Jahren allmählich durchgeführt, 
wird. Die Berichte über das Ergebnis dieser Untersuchungen sollen die in 
hygienischer Hinsicht sich ergebenden Beanstandungen enthalten und sind durch 
den Regierungspräsidenten dem Königlichen Provinzial-Schulkollegium zu über- 
mitteln. 

Bis zum 1. April 1910 sehe ich einer Anzeige über die Ausführung dieses 
Erlasses und die dabei gemachten Erfahrungen entgegen. 

(Unterschrift.) 
An die Königlichen Provinzial-SchulkoUegien. 



Preußen. Erlaß ^ betr. die Abhaltung von Fortbüdungstumkursen, 

bezw. Wanderkursen für YolksBchullehrer und Lehrerinnen in der 

Leitung von Volks- und Jugendspielen. 

Vom 10. Mai 1906. 

(Minist.-Bl. f. Mediz.- usw. Angel. S. 271.) 

In den letzten Jahren sind von einigen Regierungen mit diesseitiger 
Unterstützung Fortbildungstumkurse für Volksschullehrer und Lehrerinnen 
bezw. Wanderkurse zur Ausbildung von Lehrern in der Leitung von Volks- 
und Jugendspielen veranstaltet worden. Der günstige Ausfall dieser Versuche, 
über welche sich aus zwei im Auszuge zur Kenntnisnahme beigefügten Be- 
richten das Nähere ergibt, läßt es angezeigt erscheinen, ähnliche Veranstal- 
tungen, dem vorhandenen Bedürfnisse entsprechend, auch in anderen Bezirken 
ins Leben zu rufen. 

Hierbei wird es einerseits darauf ankommen, durch geeignete Kursus- 
leiter praktisch zeigen zu lassen, daß und wie sich auch bei einfachen Tum- 
einrichtungen ein anregender und wirksamer Turnunterricht erteilen läßt. 
Andererseits ist im Hinblick auf den von der Unterrichtsverwaltung wiederholt 
hervorgehobenen hohen gesundheitlichen und erziehlichen Wert der Jugend- 
und Volksspiele, namentlich der Bewegungsspiele im Freien, Wert darauf zu 
legen, zu einer anregenden Pflege dieser Spiele gemäß der Vorschrift des 
Leitfadens für den Turnunterricht in den preußischen Volksschulen anzuleiten. 

Ich veranlasse die Königliche Regierung, zunächst im laufenden Schul- 
jahre einen entsprechenden Fortbildungskursus durch eine hierzu geeignete 
Persönlichkeit abhalten zu lassen. Für den Fall, daß die besonderen Bedürf- 
nisse des dortigen Bezirkes die Beschränkung auf nur einen der vorbezeich- 
neten Zwecke erwünscht machen sollten, weise ich bezüglich der Anleitung 
zur Pflege der Jugendspiele darauf hin, daß sich in Wanderkursen mit etwa 
gleichem Kosten aufwände eine erheblich größere Zahl von Lehrern ausbilden 
läßt als durch solche, welche an demselben Orte wiederkehren. 



78 Amtliches. 

Ich bin geneigt, die Kurse durch mäßige Beihilfen unter der Voraus- 
Betznng zu unterstützen, daß auch die in Frage kommenden Gemeinden sich 
nach Möglichkeit finanziell beteiligen. 

Den bezüglichen Antragen sehe ich baldigst, spUtestena binnen S Wochen 
entgegen. 

Berlin, den 10. Mai 1906. 

Der Minister der geistl. usw. Angel. 
I. A.: gez. von Bremen. 

An die Königlichen Regierungen, mit Ausnahme von Minden, Münster, 
Wiesbaden und Oppeln. 

Infolge der von der Königlichen Regierung gegebenen Anregung ist von 
mir in der Zeit vom 4. Mai bis 21. Juli d. J. für die meiner Aufsicht unter- 
stellten Lehrpersonen der Gemeiden N. N. ein Fortbildungskursus im Turnen 
hier am Orte veranstaltet worden. 

Was die Kosten des von mir veranstalteten Turnkursus anbetrifft, so 
haben dieselben rund 180 Mk. betragen, davon an Honorar für den Turnlehrer 
150 Mk.; der Rest war demselben als Entschädigung für Reisekosten von N. 
nach N. zu zahlen. Die Kosten sind von den Vertretungen der drei beteiligten 
Gemeinden in entgegenkommender Weise bewilligt und mit je einem Drittel 
gezahlt worden. 

Als Lehrer wurde für den Kursus der Turnlehrer N. aus N. gewonnen, 
welcher sich seiner Aufgabe mit großem Geschick und lebhaftem Eifer ent- 
ledigt hat. 

Die Zahl der teilnehmenden Lehrpersonen betrug insgesamt 53, und zwar 
45 Lehrer und 8 Lehrerinnen; von denselben entfielen auf die Stadt N. 
20 Lehrer, auf die Landgemeinde N. 15 Lehrer, 5 Lehrerinnen und auf die 
Gemeinde N. 10 Lehrer und 3 Lehrerinnen. Die Lehrerinnen nahmen nur an 
denjenigen Kursusstunden teil, in welchen das Mädchenturnen zur Behandlung 
kam. Allen Lehrpersonen kann bezeugt werden, daß sie mit freudigem Eifer 
an dem Kursus teilgenommen und insbesondere auch an den turnerischen 
Übungen sich in reger und straffer Weise beteiligt haben. 

Die Übimgen selbst fanden in der Zeit von Anfang Mai bis Ende Juli 
an 12 Tagen und zwar jeden Mittwoch Nachmittag von 4 Uhr ab auf dem 
Tum- und Spielplatze der evangelischen Schule statt; nach Beendigung der 
zweistündigen praktischen Übungen, zu welchen wiederholt auch Schüler- 
abteilungen hinzugezogen wurden, fanden sich die Kursusteilnehmer regel- 
mäßig zu theoretischer Unterweisung in dem Saale des nahegelegen Gasthofes 
zusammen. 

Mit Rücksicht darauf, daß bei den sämtlichen Schulen, an welchen die 
Kursusteilnehmer tätig sind, Turnhallen nicht vorhanden sind, wurde auch fiir 
den Kursus selbst die Verwendung einer Turnhalle grundsätzlich ausgeschlossen; 
ebenso wurden nur diejenigen Geräte benutzt, auf deren Vorhandensein für 
einen ordnungsmäßigen Tumbetrieb auch unter einfachen Verhältnissen ge- 
rechnet werden muß. Es sollte gezeigt werden, daß auch unter solchen Ver- 
hältnissen günstige Ergebnisse im Turnunterricht erreicht werden können. 
Ein Aussetzen des Kursus wegen widrigen Wetters ist nicht vorgekommen. 

Im Laufe des Kursus wurden bei der theoretischen Unterweisung der 
Teilnehmer behandelt: Die wichtigst<in Erscheinungen aus der Geschichte des 



Amtliches. 79 

Turnens, namentlich der letzten Zeit, die zweckmäßige Beschaffenheit von 
Turn- und Spielplätzen nebst Gerätekunde, die Aufgaben und das Lehrver- 
fahren des Knaben- und Mädchentumens, mit besonderer Berücksichtigung der 
Jugend- und Volksspiele, und die Verteilung des Tumstoffes auf die verschie- 
denen Altersstufen und Geschlechter. 

Der während des Kursus erledigte praktische Lehrstoff umfaßte folgende 
Qbungsarten: 

1. Frei-, Ordnungs-, Stab- und Langstabübungen. 

2. Volkstümliche Übungen: Laufen, Springen und Werfen. 

3. Übungen am Reck, Barren, am langen Schwingseil und an Schwebe- 
stangen. 

4. Tum- bezw. Jugend- und Volksspiele. 

Vor jeder Übungsgruppe wurden die nötigen Belehrungen über die Art 
und Weise und deren Ausführung und Mannigfaltigkeit gegeben. Die einzelnen 
Frei- Stab- und Langstabübungen wurden zunächst von allen Kursisten gleich- 
zeitig und dann nacheinander, oder erst gleichzeitig und dann widergleich 
oder sie wurden in Verbindung und Wechsel mit Ordnungsübungen gebracht, 
Letztere Übungen wurden mit Rücksicht auf ihren geringen körperlichen 
übungswert auf das notwendigste beschränkt, dagegen die Gerätübungen be- 
sonders bevorzugt. In jeder Stunde wurde sowohl der Ober- wie der Unter- 
körper durch ausreichende Übungen gleichmäßig ausgebildet. 

Jede Übung wurde zunächst möglichst musterhaft vorgeturnt und hierauf 
auf Befehl oder nach dem Takte von 4 bezw. 8 Kursisten, je nachdem die 
erforderliche Anzahl gleichartiger Geräte vorhanden war, in guter Ausführung 
nachgetumt. Auch das Hintreten zum Gerät und das Wegtreten von dem- 
selben war besonders geregelt. Ebenso wurde den Kursisten Anweisung über 
Hilfssteliung bei solchen Übungen erteilt, bei deren Ausführung Unglücksfälle 
vorkommen können. 

Mit einigen Knaben- und Mädchenklassen wurde vom Turnlehrer wieder- 
holt gezeigt, wie bei den meisten Übungen dafür zu sorgen ist, daß durch Ver- 
bindungen derselben miteinander das Interesse der Kinder stets rege erhalten, 
der Unterricht selbst belebt und die Lust am Turnen geweckt und gewahrt 
werde. 

Auf die Ausbildung der Kursisten für das Turnspiel wurde besonderer 
Wert gelegt, damit ein jeder derselben befähigt werde, auf den von den Ge- 
meinden bereits eingerichteten oder noch einzurichtenden größeren Spielplätzen 
als Spielleiter der Jugend- und Volksspiele zu fungieren. Zum Schlüsse einer 
jeden Kursusstunde wurden deshalb regelmäßig Spiele eingeübt und zwar in 
erster Linie solche, welche unsere Jugend nachhaltig zu fesseln vermögen. 

Um auch einem weiteren Kreise von Lehrpersonen eine Förderung durch 
den stattgehabten Fortbildungskursus zuteil werden zu lassen, wurde der A)»- 
schluß des Tumkursus in N. mit der diesjährigen Kreislehrerkonferenz ver- 
bunden. Bei demselben waren außer den Kursisten 127 Lehrer und Lehrerinnen 
und 8 Ortsschulinspektoren zugegen. Außerdem wohnten den Vorführungen bei 
als Vertreter der Königlichen Regierung die Herren Oberregierungsrat N. und 
Regierungdrat N., ferner die Herren Landrat N., Bürgermeister N. usw. 

Auch bei dem Abschluß des Kursus wurde zunächst ein theoretischer Vor- 
trag von dem Kursuslniter vorausgeschickt. Sein Thema lautete: „Zur Methodik 
des Turnunterrichts**. 



80 Amtliches. 

Nach diesem Vortrage folgten praktische TamvorführaDgen, durch welche 
die gegebenen theoretischen Ausführungen zur Darstellung kamen. 

An den sechs Spieikursen fär Lehrer zur Unterweisung in Tum- und 
Jugendspielen, die in der Zeit Tom 11. April bis 20. Mai d. J. abgehalten wor- 
den sind, haben teilgenommen: 



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zusammen 186 Lehrer, 



die sich sämtlich mit großem Interesse der Sache hingegeben haben. In N. N. 
und in N. N. haben die Kurse dazu geführt, daß sich die Lehrer zu Spielver- 
einigungen zusammengeschlossen haben, die ihre Aufgabe darin erkennen, die 
Spiele in der Lehrerschaft regelmäßig zu pflegen und im Herbste Spielfeste mit 
den Schülern zu veranstalten. Nach unserer Ansicht ist die Veranstaltung von 
Wanderspielkursen der geeignetste Weg, die Lehrerschaft und damit auch die 
Jugend far das Spiel zu gewinnen. 

Die für den Kursus zur Verfugung gestellten 300 und 200 Mk. sind yer- 
braucht; dem Turnlehrer N. sind wie verfügt 300 Mk. ausgezahlt und von den 
verbleibenden 200 Mk. haben 40 Teilnehmer je nach der Höhe der gehabten 
Ausgaben Beihilfen erhalten. 

' An den Herrn Minister der geistl. usw. Angel, zu Berlin. 



Preußen. Erlaß, betr. die Größe der Fenster in den ElaAsenräumen 

bei Sohulneubauten. Vom 17. Mai 1905. 

(Minist. Bl. f. Mediz.- usw. AngeL S. 274.) 

Bei den Verhandlungen des Herrenhauses ist neuerdingn wiederum darüber 
Klage geführt worden, daß bei Schulneubauten die Fenster in den Klassen- 
räumen vielfach zu groß angelegt würden und infolgedessen die g^ehörige 
Heizung der Schulzimmer erschwert oder gar unmöglich gemacht werde. 

Ich nehme deshalb Veranlassung, die Vorschriften des Runderlasses vom 
20. Dezember 1902 *) (Zentralblatt für die ges. ünterrichtsverwaltung 1903 
S. 224 ff. und von Bremen, Die Preußische Volksschule, Berlin 1905 S. 494) ins- 
besondere im Absatz 4 in Erinnerung zu bringen und deren genaue Beachtung 
den Königlichen Regierungen zur Pflicht zu machen. 

Berlin, den 17. Mai 1905. 

Der Minister der geistl. usw. Angel. 
J. A.: gei. von Bremen. 

An die Königlichen Regierungen. 



1) Veröff. 1903 S. 104. 



Amtliches. g 1 

Preußen. Erlaß des Ministers der g^eistlichen usw. Angelegenheiten, 

betr. Kinderarbeit in gewerbliohen Betrieben. 

Vom 4. Februar 1904. 

Das Reichflgesetz vom 30. März v. J.*), betr. Kinderarbeit in gewerblichen 
Betrieben, R.-Ges.-Bl. S. 113, ist am 1. Januar d. J. in Kraft getreten. Die zu 
diesem Gesetze erlassene Ausführungsanweisung vom 30. November v. J.*) — 
J.-Nr. Illa 8659. I. 8585 M. f. H. u. G./ü. HI D 3215. M. d. g. A./IIb 4405. M. 
d. J. — wird inzwischen in dem Amtsblatte des dortigen Verwaltungsbezirkes 
zur Veröffentlichung gekommen sein. 

Im Hinblicke auf die wesentlichen Befugnisse, die bei der Ausführung des Ge- 
setzes den Schulanf Sichtsbehörden eingeräumt sind, veranlasse ich -y- ,_- ,r^ - 

^ das Königliche 

H — : — . , -, , — ~\z — : - die Schulinspektoren und Lehrer auf das Inkraft- 
Provinzial - SchulkoUegium , 

treten des Gesetzes und auf die zu seiner Ausführung ergangenen näheren Be- 
stimmungen noch besonders aufmerksam zu machen. Die Lehrer sind dabei 
namentlich darauf hinzuweisen, daß sie sich derjenigen Kinder, die in gewerb- 
lichen Betrieben beschäftigt werden und denen zu diesem Zwecke eine Arbeits- 
karte ausgestellt worden ist, mit besonderer Sorgfalt anzunehmen und unge- 
säumt dem vorgesetzten Schulinspektor Anzeige zu erstatten haben, sobald bei 
einer derartigen Beschäftigung eines Kindes erhebliche Mißstände zu Tage 

die Königliche Regierung 
das Königliche Provinzial- Schulkollegium ^ * 

ob es sich nicht empfiehlt, für jede Schulklasse hinsichtlich derjenigen Kinder, 
fiir die eine Arbeitskarte ausgestellt worden ist, die Anlegung und regelmäßige 
Fortführung eines Verzeichnisses anzuordnen, das gelegentlich der Schulrevi- 
sionen den Inspektoren zur Einsichtnahme vorzulegen sein würde. 

gez. Studt. 
An die Königlichen Regierungen und an das Königliche Provinzial-Schul- 
kollegium in Berlin. 



Preußen. Begr.-Bez. Arnsberg. Bundverfügung:, betr. Führung von 
Listen der gewerblich beschäftigten Schulkinder. 

Vom 26. April 1906. 

In Ergänzung unserer Rundverfügung vom 20. Februar v. J. — B. II. 1054 '^) 
— bestimmen wir hierdurch noch ausdrücklich, daß über die gewerblich be- 
schäftigten Schulkinder in jeder Klasse eine genaue Kontrolle ausgeübt wird. 

Zu diesem Zwecke ist eine besondere Liste zu führen, welche zum 
wenigsten die Angaben der Anlage enthalten muß. 

1) Veröff. 1903 S, 412. 2) Desgl. 1904 S. 3. 3) Diese Bundverfügung 
teilt den Kreisschulinspektoren den Erlaß des Ministers der geistlichen usw. 
Angelegenheiten, betr. Kinderarbeit in gewerblichen Betrieben vom 4. Febiniar 
1904 mit und ersucht sie, sich über die Anlegung von Verzeichnissen der aus- 
gestellten Arbeitskarten zu äußern. 

Oesttstle Jnf^end. V. 3 4. 



82 Amtliches. 

Die KreiBschulinspektoren haben bei ihren Schulre Visionen diese Listen 
regelmäßig zu prüfen, die vorliegenden Fälle von Mißständen in der Beschäfti- 
gung von Schulkindern mit den Lehrern und Schulleitern zu erörtern und 
wegen ihrer Abstellung sich mit den Gewerbeinspektoren in Verbindung zu 
setzen oder gebotenen! alls der Polizeibehörde Anzeige zu erstatten. 

Anderseits erwarten wir von den Lehrern, daß sie jede Gelegenheit ws.lrr- 
nehmen werden, die Eltern über die Notwendigkeit und die Segnungen der 
Kinderschutzgesetzgebung zu belehren und so das Mißtrauen zu beseitigen, 
welches noch an manchen Orten die Eltern abhält, die vorgeschriebenen Arbeits- 
karten nachzusuchen und dadurch die gewerbliche Arbeit ihrer Kinder unter 
die Kontrolle der Schule zu stellen. 

Die Durchführung des Gesetzes verlangt vom Lehrer auch ein näheres 
Studium des Gesetzes. Dieserhalb bestimmen wir, daß die Listen der gewerb- 
lich beschäftigten Kinder zum wenigten die auf der Anlage unter „Bemer- 
kungen'' zusammengestellten wesentlichen Bestimmungen des Gesetzes vom 
30. März 1903 ^) enthalten müssen. 

Dergleichen Listen können von der F. W. Beckerschen Hofbuchdruckerei 
hier bezogen werden. 

Bei Umschulungen ist auf den Abmeldescheinen künftig für die gewerb- 
lich beschäftigten Kinder ein Vermerk entsprechend den Angaben der Liste eu 
machen. 

Nebenexemplare für die Ortsschulinspektoren liegen bei. 

gez. Freiherr von Goels. 
gez. Gisevius. 
An die sämtlichen Herren Kreisschulinspektoren des Bezirks. 

Liste der gewerblich beschäftigten Schulkinder. 

Schule 

Klasse 

Bemerkungen. 

Das Gesetz unterscheidet eigene und fremde Kinder. Als eigene 
Kinder, die keiner Arbeitskarte bedürfen, gelten: 

1. die mit dem Arbeitgeber oder dessen Ehegatten bis zum dritten Grade 
verwandten, 

2. die von dem Arbeitgeber oder dessen Ehegatten an Kindesstatt ange- 
nommenen oder bevormundeten, 

3. die dem Arbeitgeber oder dessen Ehegatten zur gesetzlichen Zwangs- 
erziehung (Fürsorgeerziehung) überwiesenen Kinder, die mit den unter Ziflfer 1 
oder 2 bezeichneten gleichzeitig beschäftigt werden. 

Die Kinder unter 1 bis 3 müssen zum Hausstand dessen gehören, der sie 
beschäftigt. 

Als fremde Kinder gelten alle übrigen; für sie ist eine Arbeitskarte 
zu lösen. 

1) Veröif. 1903 S. 412. 



Amtlicheg. 83 

Für Kinder, welche in der Wohnnng oder Werkstätte der Eltern, Ver- 
wandten, Pflegeeltern usw., zu deren Hansstande sie gehören, für Dritte be- 
schäftigt werden, gelten die Vorschriften über die Beschäftigung eigener Kinder; 
eine Arbeitskarte ist also nicht erforderlich. 



Fremde Kinder. 

1. Sie dürfen nur beschäftigt werden, wenn sie 12 Jahre alt und mit einer 
Arbeitskarte yersehen sind. Von jeder Ausstellung einer Arbeitskarte hat die 
Ortspolizeibehörde dem Vorsteher der Schule, die' das Kind besucht, Mitteilung 
zu machen. 

2. Der Arbeitgeber darf die Kinder nicht beschäftigen zwischen 8 Uhr 
abends und 8 Uhr morgens und nicht länger als drei Stunden in der Ferien- 
zeit vier Stunden — täglich. Den Kindern muß eine Mittagspause von zwei 
Stunden gegeben werden, und nachmittags darf die Arbeit erst eine Stunde 
nach beendetem Schulunterricht beginnen. An Sonn- und Festtagen dürfen 
Kinder nur mit Austragen von Waren und sonstigen Botengängen zwei Stunden 
lang vor 1 Uhr mittags, doch nicht y. Stunde vor dem Hauptgottesdienst und 
nicht während desselben beschäftigt werden. 

3. Mädchen dürfen in Gast- und Schankwirtschaften keine Gäste bedienen. 



Eigene Kinder. 

1. Sie dürfen überhaupt nicht beschäftigt werden, wenn sie unter 10 Jahre 
alt sind, und wenn sie noch nicht 12 Jahre zählen — in der Wohnung oder 
Werkstätte der Eltern, Verwandten, Pflegeeltern usw. — , nicht für Dritte, 

2. nicht von 8 Uhr abends bis 8 Uhr morgens, nicht vor dem Vormittags- 
unteiricht, nicht in der 2 stündigen Mittagspause, nicht in der ersten Stunde 
nach dem Nachmittagsunterricht und nicht an Sonn- und Festtagen. 

3. nicht in Gast- und Schankwirtschaften, bevor die Kinder 12 Jahre alt; 
Mädchen nicht beim Bedienen der Gäste. Ausnahmen kann die zuständige 
Verwaltungsbehörde gestatten für Betriebe, in denen ausschließlich zur Familie 
des Arbeitgebers gehörige Personen zur Bedienung beschäftigt werden. 

Die Beschäftigung eigener Kinder beim Austragen von Waren und son- 
stigen Botengängen ist ohne Einschränkung gestattet. — Wenn die Beschäfti- 
gung aber für Dritte geschieht, gelten bezüglich der Arbeitszeit die obigen 
Vorschriften für fremde Kinder. 

Bei theatralischen Vorstellungen und sonstigen öfiPentlichen Schaustellungen 
dürfen weder eigene noch fremde Kinder beschäftigt werden; Ausnahmen 
können von der zuständigen Behörde zugelassen werden, wenn ein höheres 
Interesse der Kunst und Wissenschaft obwaltet. 

Verbotene Beschäftigungsarten sind für fremde und eigene Kinder die 
Beschäftigungen in Fabriken (Gewerbeordnung!) und Motorwerkstätten, bei 
Bauten, beim Ziegeln, beim Steineklopfen, im Schornsteinfeger- und Speditions- 
fuhrgewerbe, beim Mischen und Mahlen von Farben, in Kellereien und in den 
vom Gesetze genau bezeichneten Werkstätten (vgl. Schulblatt 1004 S. 12 und 13). 

Die Einziehung oder Einschränkung einer Arbeitskarte hat der Lehrer 
unter näherer Begründung im Instanzenwege beim Kreisschulinspektor zu be- 
antragen (§ 20 des Gesetzen). 



84 



Schulärztliches. 



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Des Vaters 


Des 
Arbeitgebers 


Des 


Kindes 


(Vormundes, gesetz- 






lichen Vertreters) 




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Beschäftigung des 

Kindes 
Art, Dauer, Sonntags- 
arbeit, Pausen 
— Arbeitskarte 



Schädigungen 
für den regelmäßigen 
Schulbesuch, die unterricht- 
liche Förderung, die häus- 
lichen Schularbeiten, für 
Erziehung und Gesundheit. 



VI. Schulärztliches. 



Tagesgesohichtliohe Naohrichten. 

— In Breslau hat die Stadtverordnetenversammlung die Anstellung zweier 
Schulärzte mit je 500 ^H Honorar für die höheren Lehranstalteii genehmigt. 

— Die Straßburger Post schreibt unter dem 23. Juli 1906: 
Straßburg: hat — dank dem unermüdlichen Wirken des Zahnanstes Prof. 

Dr. Jessen im Dienste der Aufklärung über die Bedeutung einer rationellen 
Zahnpflege für die Volksgesundheit, und dank der Förderung durch die Ge- 
meindeverwaltung — als erste Stadt in Deutschland eine städtische Schulzahn- 
klinik erhalten, die unter Leitung des Professors Dr. Jessen steht. Um die 
Kenntnis der schweren Schädigungen der allgemeinen Gesundheit durch kranke 
Zähne namentlich in den Kreisen der Erzieher der Jugend zu verbreiten imd 
zu zeigen, wie Schule und Gemeindeverwaltung Hand in Hand gehen müssen, 
um den Gefahren zu steuern, die aus einer kranken Mundhöhle für den ein- 
zelnen wie die Allgemeinheit durch Ansteckung hervorgehen, haben Professor 
Dr. Jessen, Kreisschuiinspektor Motz und Beigeordneter Eegierungsassessor 
Dominicas eine verdienstvolle Schrift herausgegeben: „Die Zahnpflege in 
der Schule vom Standpunkt des Arztes, des Schulmannes und des 
Verwaltungsbeamten.'^ (Straßburg, L. Beust.) Professor Jessen gibt darin 
eine Einführung in die Zahnpflege, in der er die Forderung der Unterweisung 
der Kinder in der Bedeutung der Zähne, über die Krankheiten und Erhaltung 
durch den Lehrer aufstellt. Er gibt ferner eine ausführliche Anleitung Eur 



Schulärztliches. 85 

praktischen DDrchiuhrung der Zahnpflege in der Schale und schlugt in Dber- 
einstimmung mit Kreisschulinspektor Motz vor, diese Zahnpflege zunächst obli- 
gatorisch in den Kleinkinderschulen einzuführen. Daran reiht sich die Not- 
wendigkeit der kostenlosen zahnärztlichen Behandlung der Volksschulkinder iu 
einer städtischen Schulzahnklinik, wie sie Straßburg besitzt. Kreisschulinspektor 
Motz gibt im zweiten Teile der Schrift den Lehrern eine Anleitung, wie die 
Zahnpflege im Unterricht zu behandeln ist. Der dritte Teil schildert die Ge- 
schichte der Errichtung der städtischen SchuUahnklinik , deren Verhältnis zur 
Schule Kreisschulinspektor Motz im folgenden Teile behandelt. Auf Grund der 
Erfahrungen kommt er zu dem Schlüsse, daß die Summe der durch die Unter- 
suchungen und den Besuch der Klinik versäumten Schulstunden geringer als 
die Summe ist, die der Ausfall von Schulstunden infolge der Zahnschmerzen 
und der Begleiterscheinungen erkrankter Zähne beträgt. Der erfahrene Schul- 
mann folgert, daß die Untersuchungen der Zähne der Schulkinder, sowie die 
Errichtung von Schulzahnkliniken im Interesse der Schule, der Kinder und der 
Lehrer sowohl als des Unterrichtserfolges liegen und die Bestrebungen auf 
dem Gebiete der Zahnhygiene seitens der Schulbehörde weitestgehende und 
nachdrücklichste Unterstützung erfahren sollten. Nachdem durch Professor 
Jessen in dem Kapitel „Die Errichtung städtischer Schulzahnkliniken, eine 
internationale volkshygieuische Forderung unserer Zeit'* vom Standpunkt des 
Arztes der Beweis der Notwendigkeit einer besseren Fürsorge für die Zahn- 
pflege des Volkes geliefert worden ist, schildert Beigeordneter Dominicas die 
Einrichtung der hiesigen städtischen Schulzahnklinik, ihre Bedeutung und ihren 
praktischen Nutzen. Dem hübsch ausgestatteten Buche sind fünf Tafeln mit 
Text beigegeben: Grundriß und Plan der neuen Schulzahnklinik, kranke Zähne 
und ihre Behandlung, Krankheiten der Zähne und des Mundes. 

— Die Stadt Köln hat auf Betreiben des ärztlichen Vereins in Köln die 
Stelle eines Beigeordneten beim Magistrat an einen Arzt vergeben, dem folgende 
Aufgaben vom Oberbürgermeister übertragen wurden: 

1. Hygienische Anregungen auf allen Gebieten der städtischen Verwaltung; 

2. Wohnungs- und Gesundheitspoiizei, Abgabe der nötigen ärztlichen Gut- 
achten mit Vorsitz in der Gesundheitskommission und stellvertretendem 
Vorsitz in der Kommission für Polizei- und Wohnungsaufsicht; 

3. Impfsachen; 

4. Schulgesundheitspflege, ansteckende Krankheiten unter den 
Schulkindern und bei den Lehrpersonen, Schulärzte; 

5. Nahrungsmittel- Untersuchungsanstalt; 

6. Begutachtung von Schul-, Krankenhaus- und sonstigen geeigneten Bauten 
in hygienischer Beziehung; 

7. Beisitz in der Armendeputation, im Waisenamt, in der Deputation für 
die städtischen Krankenanstalten, in der Deputation für das Kinder- 
hospital, Armenärzte, Armenapotheke, Desinfektionsanstalt, bakterio- 
logisches Laboratorium ; 

8. Beisitz in der Schuldeputation; 

9. Beisitz in der Kommission für Schlacht- und Viehhofsachen und in der 
Marktkommission, Trichinen- und Fleischbeschau, Lebensmittelpolizei auf 
den Märkten; 

10. Städtische Bäder mit Vorsitz in der Deputation; 

11. Beisitz in der Kommission für Statistik, Mediziualstatistik; 



gg Besprechungen. 

12. Ärztliche Untersuchung von Beamten, Angestellten, Kopisten und Ar- 
beitern bei der Annahme, bei Beurlaubungen und bei der Versetzung in 
den Ruhestand. 

— In Mülhausen i. Eis. soll fOr etwa 10000 Volksschüler und 4000 Kinder 
aus den Kleinkinderschulen eine Schulzahnklinik eingerichtet werden. Als 
Lokal ist eine freiwerdende Schule ausersehen. Als Jahresgehalt für den Zahn- 
arzt sollen für das erste Jahr 3000 JL bewilligt werden, dieses Gehalt soll in 
den nächsten Jahren erhöht werden. Die Kosten der Einrichtung der Klinik 
einschließlich der baulichen Veränderungen werden auf 1000 M. geschätzt. 
Für einen Diener ist ein Monatsgehalt Ton 50 Jt ausgesetzt.' 



VII. Besprecliungen. 



Mathieii, Albert, Dr., Fädagogie physiologique. Internationales Archiv für 
Schulhygiene, Bd. I. Heft 1. pag. 1. Leipzig, Engelmann 1905. 

Unter physiologischer Pädagogik versteht Verfasser ein auf wissenschaft- 
licher, experimenteller Basis beruhendes Handinhandgehen der physischen 
und intellektuellen Erziehung. Wichtig für die letztere ist die Bestimmung 
der Grenzen der geistigen Ermüdung, die nicht überschritten werden dürfen; 
ebenso wichtig ist das Studium derjenigen Erziehungsmethoden, die bei einem 
Minimum geistiger Anstrengung die größten Lehrerfolge zu erzielen imstande 
sind. Die Lehrpläne müssen sich der geistigen Fassungskraft der Schüler an- 
passen, müssen aber auch Schritt halten mit den Anforderungen, die das prak- 
tische Leben für den Schüler im Gefolge hat. 

Die Ausführungen des Verfassers bilden einen wertvollen Beitrag zur 
Ünterrichtshygiene. 

Wichmaniiy Ralf, Dr. med., Über die La;ge und Höohstzahl der täglichen 
Unterrichtsstunden an MädchenschiQen. Internationales Archiv für 
Schulhygiene. Bd. I. Heft 2 pag. 301. Leipzig, Engelmann 1905. 
Auf Grund eines reichhaltigen statistischen Materials behandelt Verfasser 
eines der wichtigsten Kapitel der Schulorganisation. Zurzeit ist noch nicht an 
allen Volks- und höheren Mädchenschulen die Unterrichtszeit den Anforde- 
rungen der Hygiene entsprechend geregelt. Auf Volks- und höheren Mädchen- 
schulen wird nach Ansicht vieler Lehrerinnen viel überflüssiger wissenschaft- 
licher Ballast gelehrt, was eine Einschränkung des Lehrstoffes in manchen 
Fällen erforderlich erscheinen läßt. Im gesundheitlichen Interesse der Lehren- 
den und der Schulkinder sollte nachmittags kein wissenschaftlicher Unterricht 
erteilt werden. Die Nachmittage dienen ausschließlich den technischen Fächern, 
besonders dem Turnen und den Tumspielen. Fünf wissenschaftliche Lehr- 
stunden am Vormittage hintereinander sind für Lehrende und Schulkinder zu 
viel. Die fünfte wissenschaftliche Stunde ist unnütz und schädlich. Es ist 
empfehlenswert, die Schulzeit für die Mädchen der Volksschule bis zum fünf- 
zehnten Jahre zu verlängern. Für die Gesundheit und die Moral der Mädchen 



Kleinere Mitteilungen. 87 

wäre es Tiel besser, sie blieben noch ein Jahr, ja noch zwei weiter in der 
Schulzucht. Sie würden körperlich und geistig den größten Nutzen dayon 
haben können. Dies sind die Schlußsätze, in die Verfasser seine in jeder Hin- 
sicht klaren und sachlichen Ausführungen zusammengefaßt hat. 



VIII. Kleinere Mitteilimgen. 



— Sondersohulen für hervorrag^iid Beffthigte. Oberlehrer Dr. J. 
Petzol dt- Spandau hat über dieses Thema eine Broschüre bei B. G. Teubner- 
Leipzig erscheinen lassen und in der Februarsitzung des Berliner Gymnasial- 
lehrervereins folgende darauf bezügliche Thesen zur Diskussion gestellt: 

1. Wir fördern die Schüler von mittlerer Begabung namentlich die 
untersten dieses Mittelgutes auf Kosten der geistigen Entwicklung und der 
Charakterbildung der hervorragend Befähigten und zum Schaden des Gemein- 
wesens. 

2. Der gesonderten Erziehung der hervorragend Beföhigten stehen för 
diese selbst keine unüberwindlichen psychologischen und pädagogischen Be- 
denken entgegen. 

8. Das beste Mittel, jene Schäden zu mildern, ist daher die Gründung 
von Sonderschulen für hervorragend Befähigte. Die Entnahme solcher Schüler 
aus den gegenwärtigen Mittelschulen hat für den richtigen Unt^rrichtsbetrieb 
in diesen keine nachteiligen Folgen. (Mitteilungen des Vereinsverbandes aka^ 
demisch gebildeter Lehrer Deutschlands, Eisenach 1906 S. 2.) 

— Der Abstinentenbund an deutschen Sohulen ,,Germania<^. Der 
Abstinenten-Bund an deutschen Schulen „Germania" setzt sich nach seinem 
im Juni 1. J. herausgegebenen Mitgliederverzeichnis aus 21 Ortsgruppen mit 
im ganzen 452 Mitgliedern zusammen. Die Zahl der ordentlichen Mitglieder 
beträgt 298. Ordentliches Mitglied des Bundes kann jeder Besucher einer 
deutschen Schule werden, die ordentliche Mitgliedschaft von Mädchen ist an 
das Alter von 14 — 19 Jahren geknüpft. Die ordentlichen Mitglieder werden 
beim Verlassen der Schule Altmitglieder. Jedes Mitglied verpflichtet sich zur 
völligen Enthaltsamkeit von allen berauschenden Getränken. Eine Ausnahme 
ist nur statthaft auf Grund ärztlicher oder kirchlicher Vorschriften. Die Mit- 
gliedschaft erlischt von selbst mit dem Aufgeben der Abstinenz. Zur Grün- 
dung einer Gruppe sind mindestens 5 ordentliche Mitglieder nötig, dm den 
Bundesvorstand zu entlasten, können sich drei und mehr benachbarte Gruppen 
zu einem Gauverband vereinigen, der dem Bund gegenüber die Vertretung der 
einzelnen Gruppen übernimmt. Alljährlich findet eine Bundesversammlung 
statt, auf der die Bundesangelegenheiten erledigt werden und der Ort und die 
Zeit der Tagung im folgenden Jahre festgesetzt wird. Offizielles Organ des 
Bundes ist die Zeitschrift „Germania'' (Druck von Dr. L. Nonnes Erben 
[Druckerei der Dorfzeitung] in Hildburghausen). Gruppen befinden sich an 
folgenden Plätzen: Nürnberg (gegründet 1901), Haubinda (1902), Stutt- 



88 Kleinere Mitteilungen. 

gart I (1903), Altona I (1003), Hamburg I (1903), Ulm I (1903), Lübeck 
(1903), Eßlingen (1908), Hildburghausen (1903), Göppingen (1904), 
Bieberstein (1903), Altona E (1904), Husum (1904), Stuttgart H (1904), 
Ulm II (1906), Darmstadt (1904), Höxter a. d. Weser (1904), Frankfurt a. M. 
(1904), Hamburg II (1903), Lübeck 11 (1905), Ellwangen (1905). Diese 
Gruppen sind in drei Gaue zusammengefaßt, die Gaue „Norddeutsehlaud", 
„Schwaben" und „Mitteldeutschland". Besondere Mädchengruppen befinden 
sich in Stuttgart, Ulm und Hamburg. 

— Beform des Abiturientenexamens. Die deutsche Warte (am 7. IV. 
1905) bezeichnet als die Krone unzeitgemäßer Einrichtungen die Abiturient^n- 
prüfung. Durch den Regierungskommissar werde nicht nur der Abiturient, 
sondern zugleich der den Unterricht ert-eilende Lehrer geprüft, deshalb werde 
vor dem Examen ungebührlich „gepaukt und gedrillt". Die Anforderangen an 
den Schüler seien zu vielseitig und würden ohne Rücksicht auf seine Indivi- 
dualität geltend gemacht, die Prüfungen würden zu lang ausgedehnt. In Rück- 
sicht darauf stellt der ungenannte Verfasser des Artikels folgende Forderungen 
auf: Schärfere Begrenzung der Zielforderungen der Schule, Befreiung aller 
zweifellos reifen Schüler von der mündlichen Prüfung, Vorsitz des Anstalts- 
direktors bei der Prüfung. Die Abschaffung der Abiturientenprüfung wurde 
in der Aprilversammlung des Vereins für Schulreform vom Reichs- und Land- 
tagsabgeordneten Eickhof angeregt. (Mitteilungen des Vereinsverbandes 
akademisch gebildeter Lehrer Deutschlands, Eisenach 1906, Nr. 2.) 

— In der Jenaer Gesellschaft für Urg^soMohte hielt Oberstabsarzt 
a. D. Dr. Fi e big einen Vortrag über den Gesundheitszustand des Jenaer 
Kindes. Wir entnehmen darüber der Jenaer Zeitung vom 15. Juli 1905: 
Dr. Fiebig stellte u. a. fest, daß in den unteren 4 Klassen der ihm als Schul- 
arzt unterstellten Westschule 20% etwa 1 — 6 Jahre gegen das Normale zu- 
rückgeblieben waren, und als Ursache dafür bei 75 % ungenügende geistige 
Leistungsfähigkeit, während z. B. 8,4 % offenbar zu früh in die Schule ge- 
kommen waren. Mit der intellektuellen war häufig auch eine ethische Schwäche 
verbunden; als Ursache ermittelte Vortragender unter 112 Kindern bei 20 ®'^, 
Belastung der Eltern durch Nervenkrankheiten, bei 17 % durch Herzfehler, 
Fettsucht, Zuckerkrankheit usw., bei 8 % durch Alkoholismus. In Wirklichkeit 
kommen auf letzteren aber viel mehr Fälle, da auch die erstgenannten Krank- 
heiten vielfach erst auf diesen zurückzuführen sind. Die Kinder selbst litten 
zu 28 ®/^ noch an englischer Krankheit (Rachitis), zu 15 *'o an Skrofulöse usw. 
Die Konstitution im Alter von 7 — 11 Jahren war nur bei 22 % gut, bei 54 7© 
mittel, dabei waren die Mädchen durchweg — zum Teil sogar erheblich — 
schlechter gestellt als die Knaben, was Dr. F. auf größeren Lerneifer, mehr 
Stunden und Hausarbeit schiebt. Sein Ideal wäre ausschließlich Vormittags- 
unterricht mit V4 stündigen Pausen, nachmittags höchstens Gartenarbeit mit 
naturkundlichem Unterricht und Spielen; das erhalte auch den Lehrer frischer 
und komme damit ebenfalls den Kindern zugute. Auch wünschte er den Be- 
ginn der Schulzeit für alle Kinder mit nicht guter Konstitution auf ein Jahr 
später verlegt zu sehen, da heute etwa 44 ^/^ durch zu frühen Eintritt nach 
den verschiedensten Seiten hin geschädigt würden. Redner ging dann näher 
auf die englische Krankheit ein, deren Symptome — darunter u. a. auch die 
meisten Krampfarten — sich auch in Thüringen bei 80 — 90% der Säuglinge 
steigen dürften. Alle bisherigen Hypothesen für die Entstehung dieser Krank- 



Kleinere Mitteilungen. 89 

heit hielten Tor der Kritik nicht stand, nur die Alkoholisation habe man bis- 
her nicht beachtet und doch treten beide nur gleichzeitig auf; bei Völkern, 
wo diese fehlt, kennt man auch die Rachitis nicht. Und andrerseits läßt sie 
sich, dank der enormen natürlichen Regenerationskrafb, die unserm Körper 
innewohnt, durch Mäßigkeit wieder zurückdämmen. Ein Beispiel dafür bietet 
Norwegen, wo die englische Krankheit immer mehr verschwindet und zugleich 
mit der zunehmenden Enthaltsamkeit auch das verlorene Stillungsvermögen 
wiederkehrt. Mit ihr weicht aber auch die Disposition zu vielen anderen 
Krankheitsformen. Redner schloß mit dem warmen Aufruf angesichts der 
schweren Aufgaben, die unsres Volkes harren, an der praktischen Gesundheits- 
förderung, zumal der Kinder, eifrig mitzuarbeiten. An der Aussprache betei- 
ligt« sich besonders Schulrat Stier- Apolda der die große Bedeutung der ge- 
wissenhaften Untersuchungen würdigte und der Hofibung Ausdruck gab, daß 
die Ergebnisse weiteren Kreisen, besonders den maßgebenden Schulbehörden, 
zuf^glich gemacht würden. Doch machte er gegen den 5 stündigen Vormit- 
tagsunterricht einige Bedenken geltend, so vor allem, ob er nicht zu große 
Anforderungen an die geistige Leistungsföhigkeit stelle; auch wies er darauf 
hin, daß das gemeinsame Mittagsmahl der Familie oft darunter leiden werde 
und daß das Ideal der Landleute die „ Halbtagsschule ** sei, bei der die 
größeren Kinder allerdings nur vormittags, die kleineren nachmittags unter- 
richtet wurden. Dr. Fiebig führte demgegenüber u. a. die guten Erfolge in 
Elberfeld an. Bürgerschullehrer Schmid gab noch dem Wunsch Ausdruck, 
die Schulärzte möchten öfter dem Unterricht beiwohnen, so noch mehr mit 
dem Lehrer in Verbindung treten und ihn auf diese oder jene Krankheits- 
erscheinung aufmerksam machen. Dann würde es auch immer seltener vor- 
kommen, daß der Lehrer Kinder, die nach den Ausführungen des Vortragenden 
vielleicht krank seien, nur filr faul halten könne. — Im Einklang mit dem 
hier Gesagten hatte Dr. Fiebig schon im vorigen Sommer beantragt, den 
Schulkindern solle, um ihnen eine praktische Lehre für das Leben zu geben, 
am Sedanfest gelegentlich der Spiele im Paradies nicht mehr Wurst und 
Bier, sondern Gebäck und Limonade gegeben werden. Der Antrag wurde 
aber leider noch in der letzten Schulvorstandssitzung wieder abgelehnt, da die 
Mehrheit der Anwesenden an dem alten Thüringer Kirmesfest halten zu sollen 
glaubte. Der Vortragende hoffte aber, daß hier wie in den anderen Fragen 
der heute noch bestehende Widerstand allmählich besiegt werden wird. 

— Erhebungen über den Alkoholgenuß der Sohullunder wurden 
auf eine Verfügung der Regierung zu Königsberg i. Pr. hin in allen 
Schulen der Stadt- und Landgemeinden angestellt. Die Regierung hat infolge 
der Berichte die Schulaufsichtsbeamten und Lehrer veranlaßt, der Alkohol- 
frage ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden und besonders dem Branntweingenuß 
unter den Schulkindern zu steuern. Der Hüteschein ist überall zu entziehen, 
wenn feststeht, daß die Arbeitgeber den Hütekindern Schnaps verabfolgen. 
In Fällen gewohnheitsmäßiger Verabreichung von Schnaps oder Bier seitens 
der Eltern an Schulkinder ist der Antrag auf Fürsorgeerziehung zu stellen. 
Fälle von Trunkenheit bei einem Schulkinde sind sofort an die Regierung zu 
berichten. (Germania Berlin, 3. Juli 1905.) 

— Sohulhygiene auf neuer Grundlage wird am 1. Oktober von der 
Munizipalität in Nizza zur Einführung gelangen. Der Erfinder der neuen 
Methode^ ein Doktor Roux, glaubt, daß man nur dann zu einem sicheren Re- 



90 Kleinere Mitteilungen. 

sultate über den Gesundheitszustand der Schüler kommen kann, wenn man die 
Schüler selbst an der Statistik teilnehmen läßt. Zu diesem Behufe werden 
am 1. Oktober an 6000 Kinder Tabellen verteilt werden, in die sie Ein- 
tragfungen über ihr Alter, über Eintritt in die Schule, über Krankheiten und 
Dauer derselben, über Eltern, Wohnung, Impfung, Gewicht und Leibesübungen 
machen müssen. Diese Statistik der Kinder kann natürlich jeden Augenblick 
von den Lehrern auf ihre Richtigkeit hin geprüft werden. Eine zweite Kon- 
trolle übt der Schularzt, der ein nur ihm zugängliches Journal führt, in dem 
die Hauptsache genaue Eintragungen bilden über das Resultat der eingehend- 
sten Körperuntersuchungen der Schüler, die zweimal in jedem Jahre stattfinden. 
Endlich müssen auch Lehrer und Lehrerinnen an der Statistik mitarbeiten. 
Sie haben Fragen zu beantworten über Luft, Licht und Größe der Klassen- 
zimmer sowie über die Anzahl der Schüler in den einzelnen Klassen. Femer 
ist das Lehrpersonal angewiesen, darauf zu achten, daß die Schüler stets rein- 
gewaschen sind, namentlich die Ohren, daß die Haare der Knaben kurz ge- 
schnitten sind, und daß die Kinder weder auf die Erde speien, noch auch 
Stahl- und Bleifedem in den Mund nehmen. Die Erdböden der Klassenzimmer 
müssen stets feucht aufgewischt sein. Auch das dichte Haar der Schülerinnen 
soll von Zeit zu Zeit untersucht werden, ob es nicht Krankheitskeime in sich 
birgt. (Berliner Lokalanzeiger, 7. Juli 1905.) 

— Bemerkenswert ist ein Erlaß des österreichischen Ministeriums 
über Schulhygiene^ den wir der Bozener Zeitung (26. September 1905) ent- 
nehmen. Das „Verordnungsblatt fiir den Dienstbereich des Ministeriums für 
Kultus und Unterricht** veröffentlicht einen Erlaß des Herrn Ministers for 
Kultus und Unterricht an die Direktionen der wissenschaftlichen Prüfungs- 
kommissionen für das Lehramt an Gymnasien und Realschulen betreffend die 
Unterweisung der Lehramtskandidaten für Mittelschulen in der Schulhygiene, 
in dem auf die großen Fortschritte der Schulhygiene als Wissenschaft hinge- 
wiesen und die Direktionen der Prüfungskommissionen gehalten werden, 
diesem Gegenstande erhöhte Aufmerksamkeit zuzumessen. Der Erlaß enthält 
eine Reihe von Bestimmungen über den Besuch der Vorlesungen über Schul- 
hygiene und bezeichnet die Einführung von Kursen über dieses Thema im 
Rahmen der Perialfortbildungskurse als sehr wünschenswert. Schließlich er- 
klärt sich das Unterrichtsministerium bereit, einzelnen Lehrpersonen zum 
Zwecke des Besuches von hygienischen Kongressen Unterstützungen nach Maß- 
gabe der vorhandenen Mittel zu gewähren. 

— In Hannover fand vom 3. bis 5. Oktober die 22. Versammlung^ 
des Hannoverschen Provinsial-Lehrervereins statt. Mit diesen Versamm- 
lungen waren bisher stets Ausstellungen verbunden, die das gesamte Schul- 
wesen umfaßten, aber neben dem Neuen auch schon oft Gesehenes boten. 
Statt dessen veranstaltete der Lehrerverein Hannover-Linden in diesem Jahre 
für die Versammlung eine umfangreiche Ausstellung für Schulgesundheitspflege, 
die für Hannover völlig neu war. Es sollte auf diesem Sondergebiete ein mög- 
lichst vollständiges und treues Bild der modernen Bestrebungen gegeben 
werden. Die Ausstellung umfaßte das gesamte weite Gebiet der Schulhygiene 
mit Ausschluß des Blinden-, Taubsturamen- und Idiotenwesens; das gesunde 
und das kranke Kind, das nicht normale Kind; die Schularztfrage; den Unter- 
richt (Turnen, Spiel und Sport, Handfertigkeitsunterricht, Alkoholfrage u. a.) 
und die Lehrmittel; das Schulgebäude — unter anderem Pläne und Binrich- 



Zeitschriftenrundschau. 91 

tungen Ton mustergültigen Schulen in Hannover — , ein Muster-Klassenzimmer, 
Heizung, Lüftung, Beleuchtung, Inventar; Fachliteratur. Die Ausstellung war 
nicht nur den Teilnehmern an der Versammlung, sondern auch dem größeren 
Publikum geöffnet. 

— Qemeinsohaftlioher Unterricht Yon Knaben und Mftdohen in 
höheren Schulen. Der Stadtrat in Delmenhorst (Oldenburg; hat den Be- 
schluß gefaßt, in die dortige Realschule auch Mädchen aufzunehmen. Das 
Ministerium will den gemeinschaftlichen Unterricht bis Untertertia genehmigen, 
hält aber daran fest, daß in den höheren Klassen der Unterricht getrennt er- 
teilt werden muß. (Mitteilungen des Vereinsverbandes akademisch gebildeter 
Lehrer Deutschlands 1905, Nr. 2.) 

— Jugendspiele: Zu der in Heft 1 und 2, 1905 V. Jahrgang, S. 43, 
gegebenen Notiz über Jugendspiele fügt Herr Lehrer H. Sames-Darmstadt 
noch folgendes hinzu: Auch in diesem Frühjahr fanden in Darmstadt unter 
Leitung eines spielkundigen Lehrers wieder 2 Spielkurse statt, um die Teil- 
nehmenden mit den wichtigsten Jugendspielen vertraut zu machen. Der 
1. Kursus war von 30 Lehrern, der 2. von 15 Lehrerinnen besucht. Jeder 
Kursus umfaßte 12 Spielstunden. Gespielt wurden u. a. Reifspiele, Tag und 
Nacht, Fahnendieb, Diebsehlagen, Schlaglaufen, Barlaufen, Haschen in Gassen 
und mit Ruhemal und Ballspiele wie Jagd-, Netz-, Burg-, Steh-, Neck-, Kreia- 
wurf-, Kreisfuß-, Fuß-, Schlag-, Tamburin-, Hohl-, Roll-, Grenz-, Faust-, Feld-, 
Ratfball. Die Teilnehmer der Spielknrse leiten während des Sommers die an 
den hiesigen Stadt- und Mittelschulen eingerichteten Jugendspiele. Die Be- 
teiligung der Schuljugend ist freiwillig, aber im ganzen eine recht gute. 
Gespielt wird 2 Stunden pro Woche. Anzuerkennen ist, daß die Stadt Darm- 
stadt die Spielleiter angemessen bezahlt. Doch wäre zu wünschen, daß in der 
Nähe jedes Schulhauses ein geeigneter Spielplatz angelegt würde. Bis jetzt 
haben nur einige Schulhäuser eigene Spielplätze. 



IX. Zeitschriftenrundscliau. 

Die mit * bezeichneten wurden der Redaktion zugesandt. 

*" Zeitschrift fQr Sohulgesundheitspflege (Leopold Yoß- Hamburg) 
Nr. 6 1905: Originalabhandlungen: Dr. Gr. Rostowzeff- Moskau: Die prak- 
tischen Schwierigkeiten bei der Befriedigung der hygienischen Forderungen 
an die Subsellien; Direktor Emanuel Bayr-Wien: Vierter Kechenschafts- 
bericht des Vereins „Kinderschutzstationen** Vereinsjahr 1904. Aus Versamm- 
lungen und Vereinen: Über Krampfkrankheiten im schulpflichtigen Alter (nach 
einem Vortrag von Prof. Dr. Ziehen); die Hygiene des Schulkindes «nach 
einem Vortrag von Med.-Rat Dr. Hirsch); die Behandlung der sexuellen Frage 
im naturwissenschaftlichen Unterricht (nach einem Vortrag von Prof. Dr. v. 
Sigmund). — Nr. 6 1906: Originalabhandlungen: Dr. Alexander Koch- 
Hesse: Ein Beitrag zur Wachstumphysiologie des Menschen; Dr. med. Moritz 
Fürst und Lehrer Gerken: Zur Schularztfrage in Hamburg. Aus Versamm- 



92 ZeitscliriftenruniUchau. 

luugen und Vereinen: Die Schweizerische Konferenz für das Idiotenwesen (in 
St. Gallen); der Schwimmunterricht in den Schulen (nach einem Vortrag 
Ton Schulinspektor Fr icke). — Nr. 7 1906: Originalabhandlungen: Die 
sechste Jahresversammlung des Allgemeinen deutschen Vereins für Schul- 
gesundheitspflege am 14. und 16. Juni 1906 in Stuttgart. Bericht von Dr. 
Rudolf Abel, Regierungs- und Medizinalrat in Oppeln. Hermann Cohn, 
Erinnerung an gemeinsam mit Prof. t. Mikulicz gemachte schulhygienische 
Beobachtungen. Dr. Alexander Koch-Hesse: Fortsetzung. Aus Versamm- 
lungen und Vereinen: Dr. Friedrich Stocker-Luzem: Die Schularztfrage 
auf Grund bisheriger Erfahrungen. Vortrag an der sechsten Jahresversammlung 
der schweizerischen Gesellschaft für Schulgesundheitspflege, 14. u. 15. Mai in 
Luzem. — Nr. 8 1906: Originalabhandlungen: Dr. Alexander Koch- Hesse: 
Fortsetzung. Aus Versammlungen und Vereinen: Joh. Spüh 1er- Zürich: Die 
Pflege der körperlichen Übungen im nachschulpflichtigen Alter. Vortrag an 
der sechsten Jahresversammlung der schweizerischen Gesellschaft für Schul- 
gesundheitspflege, 14. u. 15. Mai in Luzern. Di. Weill-Menton: Über die 
Verbreitung der Tuberkulose in der Schule. Vortrag auf dem diesjährigen 
Kongresse für Schulhygiene in Paris. 

•Der SohiQarzt (Leopold Voß-Hamburg): Nr. 5 1905: Dr. Altschul- 
Prag: Zur Schularztfrage in Österreich. — Nr. 6: Dr. S am o seh -Breslau: Be- 
trachtungen über schulärztliche Statistik und Vorschlage zur Herbeifühnmg 
einer Einheitlichkeit in derselben. — Nr. 7: Dr. Samosch: Fortsetzung. — 
Nr. 8: Dr. Samosch: Fortsetzung und Schluß. 

*Monatssohrlft fQr das Tumwesen (Weidmann sehe Buchhandlung, 
Berlin): Nr. 6 1906: Originalabhandlungen: H. David: E. v. SchenckendorfFs 
Antrag zur Tuminspektion. Oberturnlehrer Kloß: Die Entwicklung des Tum- 
wesens in den städtischen Schulen Posens in den letzten '26 Jahren. — Nr. 7 
1906: Originalabhandlungen: Fritz Eckhardt -Dresden: Worauf ist beim Be- 
trieb der „Volkstümlichen Übungen" im Turnunterricht zu achten? Die 
Jugend- und Volksspiele in Oberschlesien. Dr. Neuendor ff -Haspe: Gedanken 
über Erziehung u. Unterricht. — Nr. 8 1905: Originalabhandlungen: H. Schröer 
Die Dispensationen vom Unterricht. Hauptmann a. D. v. Ziegler-Rummels- 
burg-Berlin: Die Kurzsichtigkeit der Schüler höherer Lehranstalten, eine Ge- 
fahr für die Landesverteidigung, und ihre Bekämpfung. 

♦Körper und Qeist. Zeitschrift für Turnen, Bewegungsapiel und ver- 
wandte Leibesübungen. \B. G. Teubner, Leipzig und Berlin) 14. Jahrg. 1905. 
Nr. 1. Minna Radczwill-Hamburg: Kunst u. Leibeserziehung; Dr. Siebert- 
Steglitz: Das Turnen an den höheren Schulen; Dr. F. A. Schmidt- Bonn: 
Die Spielbewegung in Schweden. — Nr. 2. J. Sparbier-Hamburg-Eimsbüttel: 
Turnspiel und Methodik; Dr. Meisner, Generalarzt a. D.: Schulturnen und 
Jugendspiel; Minna Radczwill-Hamburg: Fortsetzung. — Nr. 3. Rud. Hart- 
stein-Leipzig: Ein Rückblick auf unsere Sommertumfahrten. — Nr. 4. Dr. F. 
A. Schmidt-Bonn: Spiel- u. Leibesübung auf der Weltausstellung in St. Louis 
1904; F. Misselwitz-Bautzen: Zur Tumlehrerfrage an den höheren Schulen. 
— Nr. 5 u. 6. W. Reese -Hamburg: Hygienische und ästhetische Prinzipien 
als Grundlagen der Leibeserziehung; H. Wickenhagen -Schöneberg -Berlin: 
Wassersport und Schule; J. Sparbier- Hamburg: Spielbetrieb und Spielfertig- 
keit: Dr. F. A. Schmidt: Amtliche Spiel kurse; Dr. F. A. Schmidt: Spiel- 
und Leibesübung . . . Fortsetzung; Prof. Pawel 1: Der internationale Kongreß 



ZeitschriftenmndBchaa. 93 

für Sport und körperliche Erziehung in Brüssel. — Nr. 7. Prof. Dr. M artin - 
Erlangen: Leibesübungen an der Universität Erlangen vor lüO Jahren; Dr. F. 
A. Schmidt- Bonn: Die Tagung der American Phjsical Education Association 
in New-York vom 17.— 19. April lüOo; Dr. H. Wehlitz- Greifs wald: Dritte 
Jahresversammlung des Pommerschen Tumlehrervereins in Greifswald am 8., 
9., 10. Juni; Ernst Fischer-Hamburg: Dritter Spielkurs für Lehrerinnen in 
Hamburg; Dr. F. A. Schmidt- Bonn: Der zwölfte Spielkursus für Lehrerinnen 
in Bonn; Dr. F. A. Schmidt- Bonn: Der fünfzehnte Spielkursus für Lehrer. — 
Nr. 8. H. Wickenhagen: Schluß; Dr. F. A. Schmidt-Bonn: Zur Pflege des 
Tanzes in der amerikanischen Schulgymuastik. — Nr. 9 u. 10. Prof. Baum- 
garten-Kiel: Physische Kraft; Dr. Alice Prof^-Charlottenburg: Die körper- 
liche Erziehung unserer Mädchen; E. Weber- Hamburg: Die Rekruten; W. 
Lott ig- Hamburg: Wie ich in der Schule mit den Kleinsten turne; Minna 
Radczwill- Hamburg: Was die kleinen Mädchen in der Turnstunde treiben 
können. 

Internationales Archiv für Sohulhygiene (Engel mann -Leipzig) 1905 
Bd. I 8. Heft: Prof. H. Griesbach: Weitere Untersuchungen über Beziehungen 
zwischen geistiger Ermüdung und Hautsensibilität. 

Bas Sohulhaus (Karl Yanselow, Schulhausverlag, Berlin-Tempelhof) 
1905. 7. Jahrgang Heft 4: F. Lindemann: Die Farbe im Schulzimmer; K. W. 
Diefenbach: Aus dem Kinderfries Per aspera ad astra; Baurat Herrnring: 
Neubau der Viktoria Luisenschule in Wilmersdorf; das neuzeitliche Schulhaus. 
— Heft 5. Hans Suck: Brunnen in Schulhäusem; Architekt Otto Schulz; 
Fachschule für Glasindustrie in Zwiesel; Architekt S. Langenberger: Land- 
wirtschaftliche Winterschule in Wolfratshausen; Samskola: Schulen für blinde 
und taube Kinder. — Heft 6. Hans Suck: Sinnsprüche in Schulräumen: 
Architekt Franz Thyriot: Neubau des Gymnasiums mit Direktorwohnhaus 
in Zehlendorf bei Berlin. 

^'Bas 8ohul2Ünmer (Verlag Jobs. Müller-Berlin) 1905. Heft 2. Dr. 
Spanier: Moderne Anschauungsbilder; A. Bennstein: Die Aufbewahrung 
der Lehrmittel. 

Ble Gtosiindheitswarte der Schule (Otto Nemnich- Leipzig) 1905 
Nr. 6. Sanitätsrat Dr. Altschul -Prag: Die Mitwirkung der Lehrer bei Ge- 
winnung einer brauchbaren Morbiditätsstatistik in Schulen ; Lehrer K. Schwarz: 
Unsere Schulluft; Ein altes Mittel gegen frischen Schnupfen. 

YierteljahrsBohrift für körperliche Ersiehung (Organ des Vereins 
zur Pflege des Jugendspiels in Wien, im Selbstverlag des Vereins). L. Burger- 
stein: Vorbeugendes gegen sexuelle Verirrungen der Kinder im Schulalter; 
Lotz: Der Schwimmunterricht in der Elberf eider Volksschule; Myron: Spar- 
tanische Erziehung; Prof. Glas: Über die Anlage der Schulturnräume; Prof. 
Dr. Stanger: Winter- und Frühjahrsausflüge; Siegel: Wesen und Wirken 
der Leipziger Schreber -Vereine; Dr. Pimmer: Merksätze aus den Verhand- 
lungen des ersten internationalen Kongresses für Schulhygiene 1904. 



94 Bibliographie. 

X. Bibliographie. 



Die mit * bezeichneten Bücher usw. wurden der Redaktion zur Besprechung' 

eingesandt. 

Abhandlungen, pÄdagog. 8^ 1905. Bielefeld, A. Helmich. Heft 94. Schenk: 
Die Fürsorge für die aus der Hilfsschule entlassenen Kinder in unterricht- 
licher und praktischer Beziehung. Vortrag. M. 0,40. 

Appell an die Lehrerschaft zur Mitarbeit an einer der wichtigsten Kulturauf- 
gaben durch Aufklärung der Jugend über die Gefahren des Alkohol- 
genusses 4*. (4: S. m. 2 Fig.) 1905. Wien, Brüder Suschitzky. 

Arzt, der — als Erzieher: Sammlung gemeinverständlicher Abhandlungen- 
München, Otto Gmelin 1906. Heft 19. Dr. Baur: Gesundheitspflege. 

Baur, Gesundheitsregeln für Eltern bei Erziehung der Schulkinder. 8^ (42 S. 
mit Abbild.) 1905. München, Seitz u. Schauer. 

Bibliothek, pädagogische. 8^ 19U6. Hannover, C.Meyer. 23. Bd. Lehr: Die 
Psychologie, als Fundamentalwissenschaft der Pädagogik, in ihren Grund- 
zügen dargestellt. Mit einem Begleitwort von Sem.-Dir. Bauckmann. (XII, 
252 S.) M. 3,—, geb. M. 3,60. 

Bibliothek für Sport u. Spiel. 8». 29. Bd. Robl: Der Radrennsport. (VII, 
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Werkenthin, Zahnarzt Alb.: Die Zähne in hygienischer und ästhetischer 
Beziehung. Gemeinverständliehe Aufsätze. 8<'. 3. Aufl. (VIU, 131 S.) 1905. 
Berlin, Berliner Verlagsanstalt. M. 2,—. 

Wortmann, H.: Das Keulenschwingen in Wort und Bild. 4. Aufl. Voll- 
ständig neubearbeitet von Paul Hentschel. 8«. (286 S. mit 100 Abbild.) 
1906. Hof, Lion. M. 2,80. 

♦Zahn, Th., Dr.: Bemerkungen über die Prognose und Behandlung des 
Stottems. Separatabdruck aus Württemb. Mediz. Correspondenz-Blatt 1905. 

♦Ziegler, Th.: Allgemeine Pädagogik. (147 S.) 1905. Leipzig und Berlin, 
B. G. Teubner. M. 1,—, geb. M. 1,25. 

♦Zwiedineck-Südenhorst, 0. v.: Arbeiterschutz und Arbeiterversicherung. 
(147 S.) 1905. Leipzig u. Berlin, B. G. Teubner. M. 1,—, geb. M. J,25. 
NB. Die für die Leser der „Gesunde Jugend" interessanten Bücher werden 

seitens der Redaktion an die Herren Mitarbeiter zur Besprechung versandt. 

Referate hierüber werden in dieser Zeitschrift abgedruckt. Eine Verpßichtung 

zur Besprechung oder Rücksendung der nicht besprochenen Werke wird in 

keinem Falle übernommen. Es muß in Fällen, wo keine Besprechung erfolgt, 

die Aufnahme des ausführlichen Titels, Umfangs, Verlegers und Preises den 

Herren Einsendern genügen. Die Redaktion. 



An unsere Mitglieder. 

Trotz des beständigen erftrenliehen Zuwachses^ den der Deutselie 
Verein für Sehnigesnndheitspflege in den wenigen Jahren seines Bestehens 
aufzuweisen hat, mttssen wir doeh bestrebt sein, diJBsen Mitgliederkreis 
immer grdßer zu gestalten. Jedes unserer Mitglieder sollte es sich 
znr Pflicht machen, in den Kreisen, die mit unseren Bestrebungen in 
irgendwelcher Beziehung stehen, also die Schulbehörden und Lehrer 
aller Anstalten, die Sanitätsbehörden, Hygieniker und Irzte, 
die Baubehörden, Architekten und Ingenieure, die Täter und 
Mütter unserer Schuljugend und alle diejenigen, welche sich 
für Jugenderziehung und Kinderschutz interessieren, eifk*igst 
zu werben und dem Yerein neue Mitglieder zuzufahren. Erst, wenn 
unser Yerein über einen größeren alle Gebiete Deutschlands umfassen- 
den Mitgliederkreis yerfttgt, kann es uns gelingen, unsere Aufgaben in 
ausgiebiger Weise zu erfttllen und unseren Zielen in absehbarer Zeit näher 
zu kommen. 



L Originalaufsätze. 



Bemerkungen 
zu der Erwiderung und Abwehr des Herrn Abel in 
Heft 9 der Zeitschrift für Schnlgesnndheitspflege den 
Deutschen Verein für Schnlgesnndeitspflege betreffend. 

Von dem Vorsitzenden. 

Der Bericht des Herrn Abel über die Stuttgarter Jahresver- 
sammlung des Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege in 
Heft 8 der Zeitschrift für Schulgesundheitspflege gab dem Vereins- 
Yorstand zu einer Entgegnung in Heft 9 Anlaß. In demselben 
Heft hat Herr Abel in der Angelegenheit sein Schlußwort ge- 
sprochen. Man könnte über dieses Schlußwort mit Schweigen hin- 
weggehen, wenn dadurch nicht der Schein erweckt würde, daß Herr 
Abel im Rechte sei. Um dem vorzubeugen, kann ich nicht umhin, 

Gesunde Jugend. Y. 5/6. 7 



98 Von dem Vorsitzenden: 

unser Schlußwort dem des Herrn Abel hinzuzufügen. Da die Zeit- 
schrift f&r Schulgesundheitspflege uns^ den Angegriffenen^ ein Schluß- 
wort verweigert hat, so benutzen wir dafür das Vereinsoi^an. 
Herr Abel teilt seine Erwiderung in acht Abschnitte, auf die ich 
einzugehen für nötig erachte. 

1. Der Verein hätte sich bemühen sollen, diejenigen Personen 
als Mitglieder zu gewinnen, in deren Berufsarbeit die Schulhygiene 
einen wesentlichen Bestandteil ausmacht. „Das sind", nach Herrn 
Abel, «„neben den Schulärzten die Lehrer der Hygiene an den 
Hochschulen, die beamteten Arzte (Kreisärzte), denen die Förderung 
der Schulhygiene z. B. in Preußen als besondere Aufgabe amtlich 
übertragen ist, die Schulmänner femer, denen der Staat diis Beauf- 
sichtigung des Schulwesens anvertraut hat." 

Aus diesen Kreisen haben die Schulärzte infolge ihrer Berufs- 
tätigkeit unstreitig die innigste Fühlung mit der Schulhygiene. 
Von ihnen gehören denn auch über hundert zurzeit dem Vereine an. 

Obwohl die gesundheitliche Beaufsichtigung der Schulen zu 
den besonderen Aufgaben der beamteten Ärzte z. B. in Preußen 
gehört, kann von einer Förderung der Schulhygiene seitens der- 
selben nur in beschränktem Sinne die Rede sein. Die periodischen 
Revisionen einer Schule werden in der Regel nur innerhalb eines 
fün^ährigen Zeitraumes ausgeführt und erstrecken sich überdies nur 
auf Volks-, Mittel-, höhere Mädchenschulen, Fortbildungs- und 
Fachschulen. 

Die den ProvinzialschulkoUegien unterstellten höheren Lehr- 
anstalten sind nur auf Grund besonderen Auftrages einer Besich- 
tigung zu unterziehen. Von solchen Schulen, ja sogar von Volks- 
schulen, gab es, wie durch eine Umfrage meinerseits festgestellt 
worden ist, noch im Jahre 1903 in Preußen viele, die vom be- 
amteten Arzte innerhalb einer Zeit von fünf und mehr Jahren nie 
betreten waren. Überdies beziehen sich diese kreisärztlichen Re- 
visionen fast ausschließlich auf die Schulgebäude und deren Ein- 
richtung, wozu ein bestimmtes Schema ausgefüllt wird. Der Medi- 
zinalbeamte nimmt das „zu den Akten'^ Inwieweit seine Bemänge- 
lungen den Erfolg einer Abhilfe haben, kümmert ihn zumeist 
wenig. Sein Einfluß auf die Exekutive ist ein recht geringer in 
diesen Dingen. Das Unzulängliche der kreisärztlichen Beaufsichti- 
gung scheint übrigens in Preußen, insbesondere auch an leitender 
Stelle, empfunden zu werden, sonst wäre man dort wohl nicht so 
warm für die Einsetzung städtischer Schulärzte an den niederen 
und neuerdings — Vorschläge aus Breslau — auch an den höheren 



Bemerkungen zu der Erwiderung und Abwebr des Herrn Abel usw. dd 

Schulen eingetreten. Es ist auffallend^ daß in der schulhjgienisclien 
Literatur von den Fachhygienikem an deutschen UniYersitäten ein 
Drittel ungenannt bleibt. Studiert man die Schriften der übrigen 
zwei Drittel, so ergibt sich, daß diese Schriften nur in lockerem 
Zusammenhange mit der Schulhygiene stehen, so daß die Schul- 
hygiene nicht als ein wesentlicher Bestandteil der Berufsarbeit der 
Genannten betrachtet werden kann. Es handelt sich bei letzterer 
vielmehr um allgemeine hygienische Gesichtspunkte und Fragen 
der öffentlichen Gesundheitspflege. Wo die Erörterungen auf die 
Schule übergreifen, betreffen sie hauptsächlich Heizung, Ventilation 
und Beleuchtung, Wärmestrahlung, Wasserversorgung, Wasser-, Luft- 
und Bodeninfektion, Übertragung von Infektionskrankheiten, Schutz- 
impfung, Abfuhrwesen und Desinfektion. Arbeiten auf unterrichts- 
hygienischem Gebiete, welches eines der wichtigsten der ganzen 
Schulhygiene bildet, fehlen fast vollständig. Ebenso sind solche 
Arbeiten aus den Kreisen der Medizinalbeamten recht selten. Diese 
auffallende Tatsache erklärt sich ohne Zweifel aus dem Umstände, 
daß die Bearbeitung dieses Gebietes eine große Vertrautheit mit 
allen den Unterrichtsbetrieb berührenden Fragen erheischt, die bei 
den Medizinalbeamten und Fachhygienikem aus Mangel an Fühlung 
mit den internen Verhältnissen der Schule nicht vorausgesetzt 
werden kann. 

Auch unter den von Herrn Abel genannten Aufsichtsbeamten 
im Schulwesen gibt es bis jetzt verhältnismäßig wenige, denen man 
einen fordernden Einfluß auf schulhygienische Fragen zuerkennen 
kann. Daß die Schulhygiene lq den leitenden Kreisen der Schul- 
männer vorläufig nicht zur Berufsarbeit zu rechnen ist, daß sie in 
denselben überhaupt nur wenig Berücksichtigung findet, lassen die 
im Jahre 1900 in Berlin gepflogenen Verhandlungen über Fragen des 
höheren Unterrichts, sowie die Toleranz mancher Aufsichtsorgane 
gegen hygienisch unzulängliche Eiurichtungen im Schulbetriebe zur 
Genüge erkennen. In diesen Kreisen fehlt es zweifelsohne an 
einer physiologischen und hygienischen Durchbildung. — In 
welchem Umfange Aufforderungen zum Eintritt in den Verein an 
die genannten Kreise ergangen sind, läßt sich augenblicklich nicht 
übersehen. Tatsache ist aber, daß von solchen Personen, die durch 
ihre Arbeiten in der Schulhygiene bahnbrechend gewirkt haben, be- 
ziehungsweise in derselben eiue führende Stellung einnehmen, viele 
dem Vereine angehören, was Herr Abel ja nicht bestreitet. Alle 
Interessenten aufzufordern dürfte schwer sein, auch ist zu 
wünschen, daß solche sich unaufgefordert dem Vereine anschließen. 



100 Von dem Vowiteenden: 

Ist es übrigens wirklich nur Mangel an Abkömmlicli- 
keit, wenn aus Preußen, trote weitgehender Aufforderung, von 
den von Herrn Abel genannten 580 Medizinalbeamten nur fünf, 
von den Fachhygienikem nur drei und von den Provinzialschul- 
räten nur einer — falls ich recht gezählt habe — auf dem rund 
1600 Mitglieder und Teilnehmer der ganzen Welt umfassenden, 
wohlgelungenen und höchst lehrreichen Nürnberger Kongreß für 
Schulhygiene vertreten waren? Nach der Mitgliederliste fehlte so- 
gar Herr Abel dort. 

Am Schlüsse des ersten Abschnittes, bemißt Herr Abel die 
schulhygienische Bedeutung der Vereinsmitglieder nach der Ein- 
wohnerzahl der Provinzen. Ein merkwürdiger Maßstab! Daß 
übrigens die Gesamtmitgliederzahl des Vereins bei der Größe des 
Deutschen Reiches noch eine verhältnismäßig geringe ist, mag ge- 
wiß damit zusammenhängen, daß der Verein bei seinem kurzen Be- 
stehen noch nicht überall mit seinen Werbungen und seinen Jahres- 
versammlungen hingekommen ist. — 

2. Herr Abel bemißt die tätige Mitarbeit unserer „hervor- 
ragenden Kräfte" lediglich nach ihrer Beteiligung an den Jahres- 
versammlungen. Ganz mit Unrecht. Der Verein ist in der glück- 
lichen Lage, sich der dankenswerten tatkräftigen Mitwirkung zahl- 
reicher solcher Mitglieder zu erfreuen, die noch keine der Jahres- 
versammlungen besucht haben. 

Das Fembleiben der Mitglieder von den Versammlungen kann 
also durchaus nicht als Mangel an tätiger Mitarbeit an den Inter- 
essen und Bestrebungen des Vereins betrachtet werden. 

3. Für diejenigen Leser, welche unsere Zeitschrift nicht voll- 
ständig zur Hand haben, setzen wir die* Themata hierher, über 
welche in den bisherigen Versammlungen referiert wurde. 

Aachen. 

1. Psychologie in bezug auf Pädagogik und Schulhygiene. 

2. Samaritereinrichtungen im Dienste der Schule. 

3. Die Ursachen der Minderbegabung von Schulkindern. 

Wiesbaden. 

4. Die neue preußische Schulreform in Beziehtmg zur Schul- 
hygiene. 

6. Über Einführung einer einheitlichen Schreib- und Druckschrift, 
6. Die schulhygienischen Einrichtungen der Stadt Wiesbaden, 



Bemerkungen zu der Erwiderong und Abwehr des Herrn Abel nsw.' 101 

Weimar. 

7. Schulhygiene und Schwindsuchtbekämpfung. 

8. Was können die Volksschulseminare tun, um die zukünftigen 
Lehrer hygienisch auszubilden? 

9. Stellungnahme der Stadtverwaltungen zur Schulgesundheits- 
pflege. 

10. Die schulärztliche Tätigkeit in Städten und auf dem Lande. 

11. Behandlung beginnender Skoliose in der Schule. 

12. Messung der Helligkeit von Tischplätzen in der Schule. 

13. Moderne Strömungen auf dem Gebiete der Schule im Lichte 
der Gesundheitspflege. 

14. Die Beseitigung des Stotterns bei schulpflichtigen Kindern 
mit Demonstrationen an stotternden Knaben. 

Bonn. 

15. Der Lehrplan der höheren Schulen in Beziehung zur ünter- 
richtshygiene. 

16. Der Schulunterricht und die Bewegungsspiele. 

17. Zweck, Arten, Ausführung und Mittel zur Verbreitung der 
Jugend- und Volksspiele. 

18. Skoliose und Schule. 

19. Der hygienische Unterricht in der Schule. 

20. Deutsche und englische Schulerziehung. 

21. Schule und Kleidung. 

Stuttgart. 

22. Anfang und Anordnung des fremdsprachlichen Unterrichts. 

23. Über Schüleruntersuchungen. 

24. Der ungeteilte Unterricht. 

Mit Ausnahme der Skoliosebekämpfung (11 und 18) — ein 
Gebiet, für welches seinerzeit besonderes Interesse erweckt werden 
sollte — bringen die Referate nach Form und Inhalt neue Gesichts- 
punkte, wenn sie auch in der Mehrzahl die Unterrichtshygi.ne be- 
treffen. Es entspricht also nicht den Tatsachen, wenn Herr Abel 
angibt, die einzelnen Gegenstände kämen in kaum Yeränderter Ge- 
stalt fast alle Jahre wieder auf die Tagung. 

4. Für die in Stuttgart behandelten Fragen war die starke Be- 
teiligung seitens erfahrener Pädagogen ganz besonders erwünscht. 

Gerade einsichtsvolle und vorurteilsfreie Schulmänner sind in 
der Lage, die hygienischen Mängel im Unterrichtsbetrieb am 



102 Voß dem Vorsitzenden: 

besten zu beurteilen. Auch trat in Stuttgart die gemeinsame Ar- 
beit der Pädagogen imd Arzte recht deutlich hervor, und der Vor- 
stand schritt daher zur Abstimmung über die eingebrachten An- 
träge. — 

Herr Abel befindet sich sehr im Irrtum, wenn er glaubt, daß 
die Antiqua- sowie die Pausen- und Ferienfrage ad acta gelegt 
worden seien. Bei der schon in Weimar betonten, in dieser An- 
gelegenheit erforderlichen Vorsicht heißt es: das Abwarten günstiger 
Zeiten vermindert die Schwierigkeiten. Aus seinem Irrtum heraus 
konstruiert Herr Abel dann den Mangel an Stetigkeit des Vereins. 

Herr Abel negiert die Erfolge des Vereins. Wenn derselbe 
bei seinem kurzen Bestehen wirklich weiter nichts fertiggebracht 
hätte als die von ihm ausgegangene Organisation des Ersten Inter- 
nationalen Kongresses für Schulhygiene in Nürnberg innerhalb einer 
Zeit von dreiviertel Jahren, so dürfte hierin wohl mit Recht eine 
„bemerkenswerte Tat" erblickt werden. 

In 5 greift Herr Abel auf frühere Verhandlungen des Vereins 
zurück. Wir haben es absichtlich vermieden, die Angriffe aus 
früheren Jahren zurückzuweisen, und es soU auch jetzt nur bemerkt 
werden, daß die verschiedenen Vereinsbeschlüsse keine Widersprüche 
sondern Einschränkungen oder Erweiterungen, kurz Ergänzungen, 
enthalten. 

Im übrigen stimmen die Angaben des Herrn Abel mit denen 
des Sitzungsprotokolls nicht überein. Auch fühlt der unbefangene 
Leser leicht heraus, wie allerhand Dinge an den Haaren herbei- 
gezogen werden, um den Verein in Mißkredit zu bringen. 

6. Wer den Wunsch hegt, daß seine Kritik ernst genommen 
werden soU, muß subjektive Eindrücke beiseite lassen. 

Wenn es der Wunsch und die Absicht des Vereins ist, durch 
seine Jahresversammlungen die Lösung schulygienischer Fragen zu 
fördern, so erblickt er die Möglichkeit hierzu in der Meinungs- 
äußerung und dem Gedankenaustausch der Beteiligten. Hierdurch 
werden schulhygienische Kenntnisse verbreitet, gepflegt und ge- 
festigt, hierdurch wird zu wissenschaftlichen Arbeiten innerhalb und 
außerhalb des Vereins angeregt, auf solche Weise werden aus Inter- 
essenten — Abels „Amateuren" — Fachmänner, ähnlich wie Studierende 
durch Unterweisung und selbständige Arbeit zu. solchen werden. 

Man kann die Jahresversammlungen des Vereins eine Wander- 
schule nennen, in welcher durch Vorträge und Diskussionen das 
gelehrt wird, was die deutschen Hochschulen bis jetzt in ihren Lehr- 
plan nicht aufgenommen haben. Daß dabei die Lehrer häufig wechseln. 



Bemerkungen zu der Erwiderung und Abiwehr des Herrn Abel usw. 103 

und der Lehrstoff in der verschiedensten Art und unter den ver- 
schiedensten Gesichtspunkten angefaßt und behandelt wird, während 
die Lehrziele an Stetgkeit nichts zu wünschen übrig lassen, 
kann bei dieser Art von Lehrmethode gewiß nicht als unvorteil- 
haft bezeichnet werden. Die Bemessung der wissenschaftlichen und 
praktischen Bedeutung schulhygienischer Fragen, die Ausarbeitung 
und Verwendung von Anträgen und die Bewertung ihrer Tragweite 
bleibt dem Yereinsvorstande und solchen Kommissionen vorbehalten, 
deren Mitglieder sich auf dem zu behandelnden Gebiete als erfahrene 
Fachmänner bewährt haben. Wünschenswert wäre es, wenn durch 
die Verhandlungen und Veröffentlichungen des Vereins das Inter- 
esse an der Schulhygiene auch in den eingangs dieser Mitteilimgen 
genannten Kreisen gefordert würde. 

Wenn Herr Abel als hierher gehöriges Beispiel auch die Lehrer 
der höheren Lehranstalten zitiert, so muß ich hierzu bemerken, daß 
in diesen Kreisen — wenn das Interesse in ihnen sich auch noch 
reger gestalten könnte — neuerdings bereits Fortschritte zu ver- 
zeichnen sind. 

Hat doch die 14. Hauptversammlung des sächsischen Gymna- 
siallehrervereins auf ihre Tagesordnung ein schulhygienisches Thema 
gesetzt, wurde doch in Leipzig vor kurzem die Schularztfrage für 
höhere Schulen unter lebhafter Beteiligung ihrer Vertreter von 
einem sächsischen Gymnasialprofessor behandelt. 

In 7 hat Herr Abel die Freundlichkeit gehabt, seine irrtüm- 
lichen Angaben zu korrigieren. Korrekter wäre es gewesen, wenn 
er sich vorher genau informiert hätte. 

8. Das Recht, frei und offen zu reden, muß jeder ehrlichen 
und wohlmeinenden Kritik unbedingt zugestanden werden. Eine 
solche hat sich aber mit dem Gegebenen innerhalb der durch 
Wollen und zeitliches Können des Gebers gesteckten 
Grenzen abzufinden. 

Solche Kritik hat Herr Abel, trotz aller gegenseitigen 
Versicherungen seinerseits, weder jetzt noch früher geübt, 
und er hat daher auch den Interessen des Deutschen Vereins 
für Schulgesundheitspflege nicht gedient. Die möglichen 
Gründe, die Herrn Abel seit Jahren zur Bekämpfung des Vereins 
veranlaßt haben, sollen hier nicht erörtert werden, für denjenigen, 
der mit der Entwicklung des Vereins und seiner Zeitschrift be- 
kannt ist, liegen sie offen zutage. 

Und nun noch ein Wort: 

Nur dadurch, daß sich Pädagogen und Mediziner die Hand 



104 Konrad Stetter: 

reichen und gemeinsam schulhygienische Bestrebungen verfolgen, 
ohne daß der eine dem anderen gegenüber auf einen Vor- 
sprung seines Bildungsganges bedacht ist, laßt sich auf dem 
Gebiete der Schulhygiene etwas erreichen. Dazu möchte der Verein 
beitragen. Daß diese Harmonie, wie die Verhaltnisse liegen, nicht 
Yon heute auf morgen, nicht in fünf Jahren, ja vielleicht nicht ein- 
mal in zehn und mehr Jahren erreicht wird, kann dem Verein nicht 
zum Vorwurf gamacht werden. Aber jeder, der es mit den hygi- 
enischen Einrichtungen im Schulbetrieb und mit der Förderung der 
Gesundheit der Nation ernst meint, sollte sine ira et studio zur 
Erreichung dieses Zieles beitragen. 



Die Schulbank. 

(Nach einem Vortrag, gehalten in der Ortsgruppe Stuttgart des 

Allgemeinen Deutschen Vereins für Schulgesundheit^pflege.) 

Von Eonrad Stetter, Stuttgart. 

(Schluß.) 

Nach dem gegenwärtigen Stand unserer sozial -wirtschaftlichen 
Verhältnisse ist auch die Anwendung dieses Systems — es handelt 
sich um die eine teilweise Individualisierung ermöglichende üni- 
versalbank — , dessen Kosten doppelt so hoch als jene der zwei- 
sitzigen Gruppenbank kommen, ausgeschlossen. Gegenwärtig glaubt 
man noch nicht einmal die Mittel für die zweisitzige Gruppenbank 
an allen Orten erschwingen zu können. 

Sieht man trotzdem von dem Kostenpunkt ab und erwägt nur, 
wie sich die Anpaßbarkeit der teilweise individualisierten Universal- 
bank zu jener der Gruppenbank verhält, dann gelangt man zu fol- 
genden Ergebnissen: 

Als Grundlage für die Gesetzmäßigkeit, nach welcher die Ab- 
und Zunahme der Dimensionen der Universalbank erfolgt, können 
natürlich nur die Körper Verhältnisse des normal gewachsenen 
Kindes dienen. Erwägt man nun, daß von den 5 Millionen Kindern 
der deutschen Volksschule alles in allem etwa 100000 Kinder ge- 
messen wurden, also erst nur 2 Prozent, die Messungen sich aber 
erst auf die Körpergröße, nicht aber auf die Proportion beziehen, 
die in den einzelnen Reichsgebieten sehr verschieden sein werden, 
so ergibt sich, daß zur Zeit eine Grundlage für die Individualisierung 
noch gar nicht gegeben ist. 



Die Schulbank. 105 

Aber selbst wenn eine fehlerfreie Grundlage bereits vorhanden; 
d. h. die genaue Eörperproportion des normal gewachsenen Kindes 
für die verschiedenen Orte und die verschiedenen Lebensalter bekannt 
wäre, dann würden die danach bestimmten Abmessungen allen anor- 
mal gewachsenen Kindern (worunter nicht etwa Krüppel zu verstehen 
sind) — also der weitaus überwiegenden Mehrzahl — gar nicht 
passen. Während bei der Generalisierung durch die Gruppenbank^ 
da letztere nach dem mittleren Maß der Größengruppe bemessen 
wird, ein Spielraum für den Ausgleich der durch die Anormalität 
des Körperwuchses bestehenden Fehler gegeben ist; ist bei der 
Individualisierung ein Ausgleich der Fehler ausgeschlossen. Nun ist 
aber der Fehlerausgleich ein Grundprinzip .aller Genauigkeits- 
bestrebungen und deshalb ist mit der Generalisierung eine größere 
Genauigkeit der Anpassung verbürgt als mit der Individualisierung; 
die im besten FaUe eigentlich nur eine Individualisierung für die 
nach dem Kanon Gewachsenen sein kann, für alle außerhalb des 
Kanons Stehenden dagegen ein Zwang ist. Allein nicht einmal die 
nach dem Kanon Gewachsenen kommen ganz auf ihre Rechnung; 
weil ja der Kanon in den verschiedenen Lebensaltem des Ent- 
wicklungsstadiums ein verschiedener ist, und weil bei der Universal- 
bank Sitzbrett und Lehne der Form und Abmessung nach nicht 
geändert werden können oder doch nur mit einem so komplizierten 
Mechanismus; daß er sich für die Praxis von selbst verbietet. In der 
Tatsache aber, daß man die Universalbank in mehreren Größen 
herstellt (Schenk sehe Bank in 4 Größen), daß man also zu dem 
Prinzip der Gruppenbank greift; liegt zugleich das Eingeständnis 
der Unvüllkommenheit der Anpassung. 

III. Ist es überhaupt möglich, stets gleichwertig einzu- 
stellen? 
Wollte man aber trotzdem der Individualisierung das Wort 
reden und läßt man alle daran hängenden anderen Fragen außer 
acht, so bleibt doch noch eine Frage übrig, ob es überhaupt mög- 
lich ist, stets gleichwertig einzustellen? Wird dieser Lehrer, 
Schularzt oder wer sonst die Einstellung besorgen soll, für ein und 
dasselbe Kind ebenso einstellen, wie jener? Ja, wird denn selbst 
ein und dieselbe Person morgen ebenso einstellen, wie sie heute 
oder gestern einstellte? Es kann wohl mit Bestimmtheit ange- 
nommen werden, daß bei den Einstellungen Abweichungen vor- 
kommen werden; allein da es für die Schulbank- Angelegenheit sehr 
wichtig ist, diese Annahme mit voller Bestimmtheit zu konstatieren. 



106 Konrad Stetter: 

sowie auch nachzuweisen, wie groß jene Abweichungen sein werden, so 
wird der Vorschlag kaum auf Gegner stoßen^ bei der nächsten Oeneral- 
Versammlung des Allgemeinen Deutschen Vereins für Schul- 
gesundheitspflege anzuregen, daß im Plenum von mehreren 
Personen der Versammlung an einem bis dahin zur Verfügung 
stehenden Apparate Einstellungen vorgenommen uud die dabei ge- 
wonnenen Resultate untereinander verglichen werden. Es ist ja 
uns allen darum zu tun, die Wahrheit zu finden, um die Schulbank- 
angelegenheit so vollkommen, als es nur möglich ist, zu fordern, 
deshalb erwirbt sich jeder ein Verdienst, wenn er dazu beiträgt,, 
eine Sache zu klären, die immer wieder aufs Tapet gebracht wird 
und bei vielen fortdauernd Verwirrung anstiftet. Was könnte aber 
selbst die vollkommenste üniversalbank nützen, wenn wir nicht im- 
stande sind, sie stets gleichwertig einzustellen? 

Die üntauglichkeit des Systems der Individualisierung für den 
Schulgebrauch, das die Verwendung verstellbarer Schulbänke zur 
Voraussetzung hat, ist übrigens auch durch 15jährige, namentlich 
in der Schweiz betätigte Experimente zur Evidenz nachgewiesen, 
und es hat sich auch die über die Schulbankfrage verhandelnde 
XIT. Jahresversammlung der schweizerischen Gesellschaft für Schul- 
gesundheitspflege zugleich unter Verneinung der Bedürfnisfrage mit 
Entschiedenheit gegen verstellbar eingerichtete SubseUien ausge- 
sprochen. 

Für den Praktiker kann vorläufig also nicht die üniversal- 
bank, sondern nur die feste Gruppenbank in Betracht kommen und 
auf diese beziehen sich auch die bereits abgehandelten generellen 
Schulbankforderungen. 

Wie schon erwähnt, handelt es sich bei Feststellung der spe- 
ziellen Anforderungen an eine Schulbank darum, die Dimensionierung 
und Form des Schulgestühls mit der Körpergröße, Körperproportion 
und Körperform des Schülers in Einklang zu bringen. Die Lösung 
dieser Frage hängt daher von der Durchführung allgemeiner Messun- 
gen der Schüler ab. Es wäre also in erster Linie anzustreben, daß 
zwecks Erreichung eines zuverlässigen Zahlenmaterials möglichst 
sämtliche Schüler Deutschlands gemessen werden und zwar jeder 
einzelne während seiner ganzen Schulzeit mindestens einmal im Jahr. 
Zweckmäßigerweise müßten diese Messungen stets im zweiten Drittel 
des Schuljahrs ausgeführt werden, denn zu Anfang desselben ergäben 
sich zu kleine Maße für die zu wählende Bankgröße. Nach Verfluß 
von 8 Jahren wäre man dann im Besitze von Tabellen, die eine 
hinreichend sichere Unterlage bieten würden sowohl für die Fest- 



Die Schnlbank. 107 

stellang der Abmessungen selbst, als aacli für die Bestimmang der er- 
forderlichen Schalbank-Größennummem, wobei selbstredend die aus 
den MaBlisten sich ergebenden, darch verschiedeDe Einflüsse bedingten 
Unterschiede — Gebirgsbewohner und Flachländer, Land- und Stadt- 
bewohner — berücksichtigt werden müßten und könnten. Diese all- 
gemeinen, sich auf sämtliche Schulkinder über die ganze Dauer 
ihres Schulbesuchs erstreckenden Messungen sind zur Erlangung 
verläßlicher Durchschnittszahlen unbedingtes Erfordernis, denn nur 
dann kann mit Sicherheit ermittelt werden, mit welchem niedrigsten 
und höchsten Körpermaße die Gesamtgrößengruppen nach unten, 
bezw. nach oben abzugrenzen und wieviel Bankgrößen hiernach 
erforderlich sind, nur dann kann festgestellt werden, welche Ab- 
messungen jede einzelne Bankgröße aufweisen muß, um den ver- 
schieden großen Schülern jeder Größengruppe eine gesundheits- 
gemäße Sitz- und Schreibhaltung zu gewährleisten. 

Für die Feststellung der speziellen Anforderungen kommen fol- 
gende Hauptmomente in Betracht (siehe hierfür die Figur): 

a) Die Sitzhöhe, d. i. der vertikale Abstand zwischen der hori- 
zontalen Fläche, auf der die Füße des Sitzenden aufstehen, und der 
vorderen, oberen Kante des Sitzbrettes; 

b) die Sitzraumtiefe oder der Lehnenabstand, ^ JJ7 "TZr. f. 777711 

d. i. der horizontale Abstand zwischen der j i ; | w^^^^^ 
inneren, oberen Pultkante und der vertikalen ^ ■ y ^ *^^^i|*^^ 
Tangente an den Lehnenbausch; c) die Sitz- 1 f ^ " | ^ 

raumhöhe oder Differenz, d. i. der verti- If'^*^''^ t 
kale Abstand zwischen der inneren, oberen n ^ * 
Pultkante und der vorderen, oberen Sitz- U ö 

brettkante; d) die Länge der Pultplatte; 

e) die Breite der Pultplatte in der hori- iMiMAfl' 

zontalen Projektion gemessen; f) der Nei- 
gungswinkel der Pultplatte mit der Horizontalen; g) die Sitzbretttiefe, 
d, i. der horizontale Abstand zwischen der vorderen, oberen und 
hinteren, oberen Sitzbrettkante; h) die Länge des Sitzbrettes für den 
Doppelsitz bemessen: i) der vertikale Abstand zwischen der vorderen, 
oberen und hinteren, oberen Sitzbrettkante; k) der Vorsprung des 
Lehnenbausches, d. i. der horizontale Abstand zwischen der vertikalen 
Tangente an die Ausrundung der Lehne für das Gesäß und der ver- 
tikalen Tangente an den Lehnenbausch; 1) die Höhe des Lehnen- 
bausches, d. i. der vertikale Abstand zwischen der vorderen, oberen 
Sitz brettkante und jenem Punkte des Lehrenbausches, an dem die 
Vertikale tangiert; m) der Neigungswinkel der Rückenlehne mit der 



108 Eoniad Stetter: 

Vertikalen; n) die Höhe der Lehne, d. i. der vertikale Abstand 
zwischen der vorderen, oberen Sitzbrettkante und der obersten 
Lehnenkante; o) die Breite der Lehne, in der Richtung von der 
rechten zur linken Schulter des Sitzenden gemessen; p) der vertikale 
Abstand zwischen der unteren Fläche des Bücherbrettes und der 
vorderen oberen Sitzbrettkante; q) der horizontale Abstand zwisdien 
der inneren, oberen Pultplattenkante und der dem Sitzenden zu- 
gekehrten Kante des darunter liegenden Bücherbrettes; r) die Breite 
des Fußbrettes; s) die Länge des Fußbrettes. 

Die Abmessung der Sitztiefe durch die „Distanz'' (d. i. der hori- 
zontale Abstand der inneren Sitzbrettkante vom Lote der inneren 
Pultkante) zu normieren, ist unrichtig, weil für ein hygienisch 
richtiges Schreibsitzen nur der Lehnenabstand maßgebend ist, von 
dem die „Distanz'' nur als eine, für Folgerungen sehr unzuverlässige 
Begleiterscheinung abhängt. Es läßt sich nämlich sehr wohl ein 
Gestühl mit Plus-Distanz konstruieren, in dem der Schreibende noch 
hygienisch richtig sitzt, während man hing^en ein solches mit 
Minus -Distanz herstellen kann, in welchem er (trotz „Minus") um 
10 cm von der Lehne abgerückt sitzt. Wenn also für die Subsellien 
„Null- oder besser Minus -Distanz" gefordert wird, so heißt das nichts 
anderes als: die Subsellien sollen einen für das Schreibsitzen be- 
messenen Lehnenabstand haben. Die „Distanz" aber ist ein terminus 
technicus, dem in seiner jetzigen Deutung kein bestimmendes Moment 
für die Schulbank anhaftet und der deshalb als wertloser Begriff 
aus der Schulbank -Terminologie gestrichen werden muß. 

Verehrte Anwesende! Wie ich Ihnen dargetan zu haben glaube, 
und zwar, wie ich nicht unerwähnt lassen kann, wiederholt gestützt 
auf die vortrefflichen Abhandlungen von Domitrovichs, handelt es 
sich bei der Schulbankangelegenheit um eine gemeinnützige Frage 
von höchstcF Wichtigkeit, denn die gesamte Nation ist Jahre hin- 
durch den Einflüssen der Schulbestuhlung preisgegeben, zur Zeit des 
Wachstums und der körperlichen Entwicklung, wo Schädigungen 
doppelt schwer wiegen. 

Die vitalen Interessen der Nation verlangen daher gebieterisch 
die Lösung der Schulbankfrage und wenn eine Organisation dazu 
berufen und geeigenschafket ist, hier fördernd einzugreifen, so sind 
es die Vereine für Schulgesundheitspflege. Daß in denselben die 
Wichtigkeit der Frage anerkannt und der gute Wille zur Mitarbeit 
vorhanden ist, das haben die beiden Kongresse des vergangenen 
Jahres gezeigt. Sowohl auf dem Internationalen Kongreß in Nürn- 
berg, als auf der Berner Jahresversammlung der schweizerischen Ge- 



Die Schulbank. 109 

Seilschaft für Schalgesnndlieitspflege wurde die Schnlbankfrage ein- 
gehend erörtert, letzterenfalls sogar mit einem positiyen Ergebnis: 
Der von dem Referenten Wipf eingebrachte Antrag: 

„Der Vorstand der schweizerischen Gesellschaft für Schulgesund- 
heitspflege richtet sich an die Konferenz der Erziehungsdirektoren 
mit dem Gesuch; es möchten in allen Kantonen den unteren 
Schulbehörden genaue Instruktionen erteilt werden über die Her- 
stellung rationeller Schulbänke'' 
wurde in dem Sinne angenommen, daß der Vereinsvorstand den Auf- 
trag erhielt, Normalien für die Erstellung von Schulbänken auszu- 
arbeiten. (Ist inzwischen geschehen.) 

Der Nürnberger Kongreß war insofern von unleugbarem Nutzen 
für unsere Sache, als er für die nächste Veranstaltung wertvolle 
Fingerzeige gegeben hat. Man weiß jetzt, wie man es nicht machen 
soll, und das ist schon ein großer Gewinn. Es soll dem Organisa- 
tions-Komitee kein Vorwurf gemacht werden, es fehlte eben jeder 
Vorgang und somit jede Erfahrung, aber das muß ausgesprochen 
werden: eine direkte Förderung hat die Schulbankfrage in Nürnberg 
nicht erfahren, viel eher das Gegenteil, denn durch die hier betätigte 
Behandlungsweise wurde nur eine heillose Verwirrung angerichtet, 
das war der allgemeine Eindruck, den die Veranstaltung zurückließ. 
Dessenimgeachtet darf und muß diesem Kongreß eine große Bedeu- 
tung zugemessen werden, denn er bezeichnet einen Markstein auf 
unserem Gebiet und wenn auch weiter nichts erreicht worden ist, 
als daß die breiteren Volksschichten auf die Bedeutung der Schul- 
bankfrage für das Nationalwohl hingewiesen worden sind, so ist das 
ein nicht hoch genug zu schätzender Erfolg. Und wie wertvoll 
sind die hier gemachten Erfahrungen erst für die nächsten Jahres- 
versammlungen und Kongresse, deren Programm nach diesem Vor- 
gange ja leicht so zusammengesetzt werden kann, daß etwas Posi- 
tives herauskommt. 

Und wie soll nun weiter gearbeitet werden? Meiner Ansicht 
nach dürfte es für die Zukunft das Richtige sein, wenn zunächst in 
kleineren Vereinigungen, in Lehrer- und Ärztevereinen, ganz besonders 
aber in den Ortsgruppen des Allgemeinen Deutschen Vereins für 
Schulgesundheitspflege, diese Frage ventiliert würde. Die hierbei 
gewonnenen Gesichtspunkte müßten dann zu Anträgen verdichtet 
und diese selbst in gi'ößeren Verbänden, den Jahresversammlungen 
der sohulhygienischen Land es vereine, und zuletzt in den internatio- 
nalen Kongressen weiter behandelt werden. Dadurch würde die zur 
Lösung der Frage unumgänglich nötige Klärung und Ausscheidung 



110 Konrad Stetter: 

des UnweBentlichen und Nebensächlichen vom Wesentlichen und 
Hauptsächlichen bewirkt und es ließe sich zweifellos ein in die 
Praxis umsetzbares Resultat erzielen^ d. h. die Schulbankfrage end- 
gültig lösen. Um diese Verhandlungen aber möglichst fruchtbar zu 
gestalten, muß zur Anschauung gegriffen, müssen Schulausstellungen 
damit verbunden werden, Schulausstellungen, nicht Jahrmärkte, auf 
denen neben Schulbänken und physikalischen Apparaten auch die 
in keiner Küche fehlen dürfende Rübenschnitzmaschine ange- 
priesen wird. 

Bei Aufstellung des Programms für die nächste Schulausstellung 
wird man nun, falls diese, wie zu erhoffen, in den Dienst der Schul- 
bankfrage gestellt werden soll, sich vor allem daran erinnern, daß 
die Schulbank nicht im Dienste des Individuums, sondern im Dienste 
der Allgemeinheit, dabei aber zugleich im innigen, untrennbaren Zu- 
sammenhange mit allen im Klassenraum auftretenden Anforderungen 
steht; daß denmach die Schulbank nicht einzeln, außerhalb des 
Klassenraumes, sondern nur in der entsprechenden Mehrheit im 
Klassenraum aufgestellt , also einer nach Körpermaß und -pro- 
portion heterogenen Vielheit dienend richtig beurteilt werden kann. 
Demgemäß kann der Sache nur durch Vorführung ganzer Schulklassen 
gedient werden, man wird daher den seitherigen Brauch, einzelne 
Schulbänke verschiedener Bauart in einem Raum nebeneinader zu 
stellen, verlassen müssen und nur ganze Schulklassen zur Ausstellung 
zulassen dürfen, die außerdem zu gewissen Zeiten voll mit Schülern 
zu besetzen wären. Dadurch, und nur dadurch könnte die Schul- 
bankfrage ihrer Lösung zugeführt werden, weil hier die Möglichkeit 
sowohl zur Prüfung einzelner Systeme auf ihre Brauchbarkeit im 
Klassenbetriebe, als auch zum Vergleich der verschiedenen Systeme 
unter sich geboten wäre. Ich habe diesen Vorschlag schon anläß- 
lich der Nürnberger Ausstellung gemacht, wurde aber abgewiesen 
unter der Begründung, die verschiedenen anderen Schulbankfabrikanten 
würden dagegen sein. Nun handelt es sich doch hier nicht um 
einen Wohltätigkeitsbazar für Schulbankfabrikanten, sondern um die 
Klärung und Förderung der Schulbankangelegenheit, es kann daher 
auch die Rücksicht auf die geschäftlichen Interessen der ausstellen- 
den Fabriken nicht maßgebend sein. Ich halte es daher auch für 
eine Notwendigkeit, daß bei künftigen Schulausstellungen nur ganze 
Klassenzimmer vorgeführt w^erden. Nebenbei könnte ja für neue 
Erfindungen, die aber nicht älter als zwei Jahre sein dürften, eine 
besondere Abteilung eingerichtet werden, so daß dem Erfinder 
Gelegenheit geboten wäre, seine Idee vorzuführen, und dem interes- 



Die Schulbank. 111 

sierien Publikum, sie kennen zu lernen und über ihren Wert zu 
urteilen. 

Meine Damen und Herren, es wäre unbescheiden, woUte ich 
Ihre Aufmerksamkeit noch länger in Anspruch nehmen, daher schließe 
ich, erlaube mir aber noch in kurzer Zusammenfassung des Vor- 
getragenen der hochgeehrten Versammlung nahezulegen, daß sie dem 
Deutschen Verein für Schulgesundheitspflege nachstehende 
Resolution unterbreite: 

Die Ortsgruppe Stuttgart des Deutschen Vereins für 
Schulgesundheitspflege hält es für wünschenswert, 

1) daß der Deutsche Verein für Schulgesundheitspflege 
reichsgesetzlich angeordnete allgemeine, jährlich vorzunehmende 
Schülermessungen für die Volks- und höheren Schulen des Deutschen 
Reiches veranlaßt, 

2) daß auf der nächsten Jahresversammlung die Schulbank- 
angelegenheit zur eingehenden Behandlung kommt und daß hiezu 

8) eine ständige Kommission gewählt wird, bestehend aus 
Ärzten, Pädagogen, Technikern und Verwaltungsbeamten, die mit den 
Vorarbeiten zu der zu erstrebenden Festlegung der an die Schul- 
bank zu stellenden generellen und speziellen Anforderungen zu be- 
trauen wäre. 

Literatur. 

Dr. L. fiurgeistein und Dr. A. Netolitzky ,;Handbuch der Schulhygiene'^ 

Dr. De sing: „Die Schulbankfrage". 

A. V. Domitrovich: „Festlegung der generellen Anforderungen an ein relativ 
vollkommenes SchulbaDksj^stem^' (Vortrag auf dem I. internationalen Kon- 
greß fOr Schulhygiene, Nürnberg 1904). 

— „Der Hygieniker und die Schulbank". 

— „Der Techniker und die Schulbank". 

— „Systematisierung der Schulbank". „Über die Prinzipien, mit welchen man 

zurzeit die Lösung der Schulbankfrage anstrebt". 

P. Jobs. Müller: „Moderne Schulbänke". „Untersuchungen über die Einrich- 
tung ländlicher Volksschulen". 

K. Stetter: „Quer durch die Schulbankfrage". 



112 Mitteilnngen ans dem ZentralTßxein. 

n. Mitteilnngen ans dem Zentralverein. 



IL Internationaler Kongreß Ar Sclinlliygiene. 

London 6. bis 10. August 1907. 
Bureau: Parkes Museum, Margaret Street, W. 

Präsident: Sir Länder Brunton, L. L. D., M. D., D. Sc, F. R. C. P., F. R. S. 

Obmann des Organisations-Komitees: Sir Edward Brabrook, C.B. 
M. A., F. S. A. 

Schatzmeister: Sir Richard Biddulph Martin, Bart., M. P. 

Generalsekretäre: James Kerr, M. A., M. D., D.P.H., Medical Ofticer, 
Education London County Council. E. White Wallis, F. S. S., Director, The 
Royal Sanitary Institute. 

Der bemerkenswerte Erfolg des ersten Litemationalen Kongresses in Nürn- 
berg 1904, Mitarbeiter aller Länder zusammengeführt und das gemeinsame 
Interesse für ein derartiges Unternehmen geweckt zu haben, hat sich schon 
durch die zunehmende literarische Tätigkeit in fast allen Landen zu erkennen 
gegeben. Diese Tatsache erleichtert es, sowohl die Wichtigkeit des Gegen- 
standes allen denjenigen klarzulegen, welche sich durch andauernde Tätigkeit 
bemühen, die körperliche und geistige Erziehung zu fördern, als auch zu zeigen, 
daß darin eine der wichtigsten Quellen der nationalen Macht, der Wohlfahrt 
und des Glückes enthalten ist. Zu den glücklichsten Erfolgen des Nürnberger 
Kongresses gehört deijenige, daß Angehörige der Terschiedensten Berufsarten, 
Lehrer, Ärzte, Architekten, Ingenieure, Yerwaltungs- und andere Beamte, sowie 
Großindustrielle sich bewußt wurden, wie innig ihre Arbeit und Pflichten ver- 
wandt sind, und daß sie erkannten, wie sehr einer dem andern verbunden, und 
wie den Interessen aller durch Förderung solcher Kongresse gedient wird. 
Eines der Ziele des Kongresses war, die Bemühungen der verschiedenen Mit- 
arbeiter gleich zu stellen und es jedem einzelnen Forscher zu ermöglichen, die 
Resultate und Erfahrungen kennen zu lernen, welche von verschiedenen Völkern 
unter den mannigfaltigsten Bedingungen von Rasse, Wohnsitz, Land, Klima 
und sozialer Stellung gesammelt wurden. 

Ortskomitees. Vor allem ist die Bildung eines Ortsausschusses f^ 
jede einzelne Stadt oder jeden Bezirk anzustreben, um in Verbindung zu treten 
mit den Behörden des Unterrichtswesens, den Finanz-Ministerien, mit den 
führenden Elementen der Schulfragen in Stadt und Land, den Vorsitzenden 
der Erziehungs-Kommissionen und solchen erfahrenen Lehrern und Erziehern, 
welche imstande sind, die Schulhygiene zu fördern, sowie mit Menschen- 
freunden, welche sich für die Erziehungs-Bewegung interessieren, und Kinder- 
ärzten, Ingenieuren und Architekten und allen andern Bürgern, deren Mithilfe 
wünschenswert erscheinen könnte. 

Sobald sich ein Ortskomitee gebildet hat, möge es sogleich Namen und 
Adressen seines Vorsitzenden, seiner Schriftführer und seiner Mitglieder dem 
Bureau in London mitteilen. Diese Ortsausschüsse werden von London aus 
National-Komitees beigeordnet; ihr Ziel muß sein, alles Mögliche zu tun, um 
den Erfolg des Kongresses herbeizuführen durch Vorbereitungen, Korrespon- 



Mitteilungen ans dem Zentralverein. 113 

denzen, BundBchreibsn , Ankündigungen in wissenschaftlichen und technischen 
Zeitschriften und in der Tagespresse. Gleichzeitig mögen sie sich bemühen, 
die Mitwirkung und Unterstützung der Regierungen, Stadtverwaltungen oder 
Schul behörden, sowie der Vorstände von Instituten und gelehrten Gesellschaften 
zu gewinnen und diese zu veranlassen, sich an dem Kongresse zu beteiligen, 
sei es durch Entsendimg von Delegierten, sei es durch Einreichung von Aus- 
stellungsgegenständen lokalen Interesses oder lokaler Industrie oder durch Bei- 
bringung wissenschaftlicher Apparate oder Erfindungen für die schulhygienische 
Ausstellung, welche mit dem Kongresse verbimden sein wird. 

Femer erbitten wir sowohl von den Vertretungen der Regierungen, Be- 
hörden, Gesellschaften oder Akademien als auch von den Einzelmitgliedem eine 
Mitwirkung bei den wissenschaftlichen Arbeiten und Verhandlungen des Kon- 
gresses durch Übernahme von Vorträgen, Referaten oder Besprechungen ver- 
schiedener in den Sektions - Sitzungen angeworfener Fragen. Es besteht die 
Absicht au£er den Abteilungs-Verhandlungen und Vorträgen wenigstens drei 
gemeinsame Hauptsitzungen über Gegenstände allgemeineren Interesses abzu- 
halten. Die Themata hierfür werden so früh bekannt gegeben, daß hin- 
reichend Zeit übrig bleibt für kollektive Investigation und Observation, für 
gemeinsame Forschung und Beobachtung. Das englische Komitee erbittet Vor- 
schläge hierfür bis Ende des Jahres 1905. 

Das erste Programm des Kongresses mit einer Liste der verschiedenen 
Landeskomitees und der Verhandlungsgegenstände für die allgemeinen Sitzungen, 
sowie der Einzelanordnungen des Kongresses wird zu Beginn des Jahres 1906 
erscheinen. Spezial-Komitees werden die nötigen Vorbereitungen für die wissen- 
schaftlichen Veröffentlichungen, sowie für Wohnung, Beköstigung und Ver- 
gnügungen treffen. Der Mitgliedsbeitrag für den Kongreß (1 Guinee für das 
Britische Reich, 6 Dollars für Amerika, 20 Mark oder 26 Franken für den 
europäischen Kontinent) ist an den englischen Schatzmeister einzusenden. Für 
Mitglieder außerhalb Englands geschieht die Beitrags-Entrichtung am besten 
bei dem Landesschatzmeister, welcher die eingegangenen Summen an den 
Generalschatzmeister überfährt. Ortsausschüsse bedürfen eines Garantiefonds 
für Lokalkosten, der unabhängig von den geleisteten Mitglieder -Beiträgen ist, 
welche ganz und voll nach London zur Deckung der Zentralkosten geschickt 
werden müssen. Die Lokalkosten, wenn solche vorhanden sind, erfordern es, 
einen besonderen Garantiefonds anzulegen. — Die Namen der verschiedenen 
Landeskomitees und ihrer Mitglieder sind bis zum 31. Januar 1906 bekannt 
zu geben, desgleichen alle Vorschläge in betreff der Referate für die drei 
Uauptsitzungen, und zwar an die Generalsekretäre, Parkes Museum London W, 
ebenfalls Ankündigungen aller Vorträge und wissenschaftlichen Beiträge zu 
den Verhandlungen des Kongresses. 

Alle Anfragen über die Ausstellung für Schulhygiene, für welche im Ein- 
klang mit dem Royal-Sanitary-Institute Vorkehrungen getroffen werden, sind 
zu richten an den Sekretär des Instituts, Margaret Street. 



Deutsclies Hauptkomitee für den II. Internationalen Schulliygiene- 
kongreß in London 5. bis 10. August 1907. 

Der Deutsche Verein für Schulgesundheitspfiege hat die Organisation des 
Kongresses in Deutschland übernommen, welche bis Ende Januar 1906 fertig- 

Gesunde Jugend. Y. 5/6. 8 



114 Mitteilungen atts denDZentralverein. 

gestellt werden mufi. Für das Hanptkomitee sind folgende Persönlichkeiten 
ansersehen: 

Vorsitzender: Prof. Dr. med. et phil. H. Griesbach, YorsitKender des 
Deutschen Yereins für Scholgesundheitspflege in Mülhausen i. Eis. 

Stellvertretende Vorsitzende: Geh. Oberbaurat Delins, Vortragen- 
der Bat im Egl. Preuß. Ministerium für öffentliche Arbeiten in Berlin, erster 
stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege. 
Dr. med D. Finkler, o. ö. Prof. der Hygiene und Direktor des hjg. Universitäta- 
Instituts in Bonn. Geh. Med. -Rat Dr. med. C. Flügge, o. ö. Prof. der Hygiene 
und Direktor des hyg. Universitäts-Instituts in Breslau. Stadtschulrat Dr. Wehr- 
hahn, zweiter stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Vereins für Schul- 
gesundheitspflege. 

Schatzmeister: R. Quelle von der Firma B. G. Teubner, Verlagsbuch- 
handlung in Leipzig. 

Sekretär: August Diemunsch, Lehrer, Mülhausen, Geschäftsführer des 
Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege. 

Mitglieder: Prof. Dr. med. A. Baginsky, Direktor des Kaiser- und Kaiserin- 
Friedrich Kinder-Krankenhauses und Vorsitzender des Berliner Vereins far 
Schulgesundheitspflege in Berlin. Dr. med. Ludw. Bauer, Dozent für Hygiene 
an der technischen Hochschule in Stuttgart, Vorsitzender des Stuttgarter Vereins 
für Schulgesundheitspflege. Hofrat Dr. med. Friedr. Bezold, Prof. der Ohren- 
heilkunde an der Universität München. Dr. med. E. Blasius, Prof. der Hygiene 
und Mitglied des Landesmedizinalkollegiums in Braunschweig. Dr. med. E, 
von Esmarch, o. ö. Prof. der Hygiene und Direktor des hyg. Universitäts-Instituts 
in Göttingen. Geh. Med.-Rat Prof. Dr. med. A. Eulenburg in Berlin. Dr. med. 
Arthur Hartmann, Prof. an der Universität zu Berlin. Dr. med. M. Korman, 
Vorsitzender der schulhygienischen Abteilimg des Vereines für Volkshygiene 
in Leipzig. Geh. Beg.- und Med.-Rat Prof. Dr. Leubuscher, Med.-Referent im 
herzogl. Ministerium Meiningen. Oberbürgermeister Müller, Mitglied des preuß. 
Herrenhauses Kassel. Geh. Ober-Med.-Rat Dr. med. Neidhardt, Vortragender 
Rat im Großherzogl. Hessischen Ministerium in Darmstadt. Dr. med. G. Schleich, 
o. ö. Prof. der Augenheilkunde und Direktor der königlichen Augenklinik an 
der Universität Tübingen. Sanitätsrat Dr. med. R. A. Schmidt in Bonn. Stadt- 
schulrat Dr. Sickinger in Mannheim. Gemeinderat Stockmeyer in Stuttgart. 
Geh. Reg. -Rat Dr. med. Wutzdorfi, Direktor im Kaiserl. Gesimdheitsamt in 
Berlin. Dr. phil. M. Hartmann, Professor am König Albert-Gymnasium in Leipzig. 



Sohnlliygieiüsclie Bibliothek. 

Der Deutsche Verein für Schulgesundheitspflege partizipiert an 
der gleichzeitig mit dem Internationalen Archiv für Schulhygiene gegründeten 
Bibliothek. 

Werke dieser Bibliothek, die von Zeitschriften, Separatabdrücken, Einzel- 
werken (Broschüren und Büchern), schulärztlichen Berichten xmd Dienstord- 
nungen z. Z. gegen tausend Bände besitzt, stehen jedem Mitgliede des Vereins 
leihweise zur Verfügung gegen Übernahme der Versendungskosten seitens der 
Entleiher. — Der Deutsche Verein für Schulgesundheitspflege richtet an 
alle Autoren schulhygienischer Arbeiten, sowie an alle Verleger und Heraus- 
geber von Zeitschriften und Einzelwerken medizinischen, pädagogischen, psycho- 



Mitteilungen ans den Zweigvereinen. 115 

logischen, bautechnischen, TerwaltongsbehOrdlichen und historischen Inhalts die 
Bitte, ein bis zwei Freiexemplare der Veröffentlichungen, sofern darin irgend- 
welche die gesundheitlichen Verhältnisse der Schulgebäude und ihrer Einrich- 
tungen, der Schüler und Schülerinnen, des Unterrichts und der Lehrmittel, 
sowie der Lehrerschaft berührt werden, der Bibliothek zu übermitteln. Über 
die eingesandten Werke wird in dem „Internationalen Archiv for Schulhygiene'^ 
und der „Gesunden Jugend^' Bericht erstattet. 

Literarische Zusendungen für die Bibliothek, Anfragen und Ent- 
leihungswünsche werden erbeten an den derzeitigen Vorsitzenden des Deutschen 
Vereins for Schu]ge8undheitspflt.ge und geschäftsfübrenden Redakteur des Inter- 
nationalen Archivs. Adresse: Prof. Dr. med. et phil. Griesbach, Mülhausen, 
Eis., Ludwigstr. 3. 

Nene Mitglieder. 

1564 Liberaler Verein für NeumtUüen, Dietrichsdorf, Wellin^^dorf und Um- 
gegend, WeUingdorf. 

Deutzer, Prof. Dr., Vorstand der Ohrenkliniken, Erlangen. 

Flachs, Dr., A.. Moinesti Rumänien. 

Flatt, Dr., Rob., Rektor der Oberen Realschule und Universitätsdozent, Basel. 

Flügge, Prof Dr. med., C, Geh. Med.- Rat, Direktor des Egl. hygien. Univer- 

sitäts-Institutee, Breslau. 
Grofie-Brauckmann, Ewald, Teklenburg. 
1570 Wehmer, Dr., R., Reg.- u. Geh. Med.-Rat, Berlin W. 50, TauenzienstraÖe 8, III. 



An die Mitglieder des Vereins gelangte auch in diesem Jahre das (Stutt- 
garter) Verhandlungsheft zur Versendung. Die Mitglieder erhalten dasselbe 
far den Vorzugspreis von 1 JL^ welcher Betrag an den Schatzmeister einzu- 
senden ist, falls nicht vorgezogen wird, denselben mit dem nächsten Mitglieds- 
beitrag einzuschicken. 



III. Mitteilungen ans den Zweigvereinen. 



Der Berliner Verein für Schulgesundheitspflege beabsichtigt die 
Begründung einer schulhjgienischen Bibliothek in Berlin. Derselbe bittet 
daher alle Autoren, die über schulhygienische und verwandte (pädagogische, 
psychologische, hygienische usw.) Fragen Arbeiten veröffentlicht haben, diese 
dem Verein einzusenden, resp. ein Verzeichnis ihrer Arbeiten zu geben zur 
eTentuellen Anschaffung. 

Auch werden die Herren Verleger gebeten, ein Verzeichnis der in ihrem 
Verlage erschienen einschlägigen Werke einzusenden. 

Sendungen sind zu richten an R. Schulz, Bibliothekskustos des Vereins 
für innere Medizin, Schöneberger Ufer 11. 



116 Aus Kongressen und Vereinen. 

IV, Ans Kongressen nnd Vereinen. 

VIL Dentsclier KongreB für Volks- und Jugendspiele. 

L 

Frankfurt a. M., den 15. September 1905. 

Unter dem Leitwort der Einladung „Gesund und Msch sein ist besser 
denn Geld, und ein gesunder Leib ist besser denn groß GxiV\ trat der 7. Deutsche 
Kongreß für Volks- und Jugendspiele in Frankfurt a. M. am Freitag den 
15. September zusammen. Am Nachmittag und Abend fanden Sitzungen des 
Vorstandes und des Zentralausschusses und eine gemeinsame Sitzxmg des Orts- 
ausschusses mit dem Zentralausschuß statt. Sitzungen des technischen Aus- 
schusses gingen nebenher. 

Am Samstag, den 16. Sept., nahm dann der Öffentliche Kongreß im großen 
Saale des Zoologischen Gartens seinen Anfsuig. Aus allen Teilen Deutschlands 
waren sehr zahlreiche Vertreter von Ministerien, Begiemngen, vielen Städten 
und Vereinen erschienen. Auch viele Einzelpersonen, besonders Lehrer aus 
Frankfdrt, waren gekommen, da ihnen dies durch die Schließung der Schulen 
an diesem Tag ermöglicht war, so daß der große Saal des Zoologischen Gartens 
voll besetzt war. 

Der Vorsitzende, Abgeordneter von Schenckendorff -Görlitz, begrüßte 
die Versammlung mit herzlichen Worten. Er beantwortete sodann die Frage, 
was der Zentralausschuß will, und erläuterte näher dessen umfassende Tätig- 
keit nach der werbenden und aufbauenden Richtung und nach der ganzen 
Aufstellung größerer anzustrebender positiver Ziele, wie der Förderung 
der Erhöhung der Wehrkraft durch die Erziehung und der Einführung des 
allgemein verbindlichen Spielnachmittags, und schloß mit den Worten: Was 
wir also wollen, das ist, daß die Jugend künftig in wirklich harmonischer 
Entwicklung erblühe und daß das Volk sich mehr und mehr in allen seinen 
Teilen aufraffe, um den gesundheitschädlichen Einflüssen der einseitig ange- 
spannten Erwerbstätigkeit, des engen Zusammenlebens in großen Städten und 
der übermäßig verhandenen Genußsüchtigkeit durch planmäßige und geordnete 
Leibesübungen, besonders in freier Luft ei-f olgreich entgegenzuarbeiten, zum 
Heil des Einzelnen und des Vaterlandes. (Lebhafter Beifall.) 

•' Es fanden dann zahlreiche Begrüßungen statt, die das lebhafte Interesse 
weiter Kreise bekundeten. Seitens des preußischen Kultusministeriums sprach 
Geh. Begierungsrat Dr. Hinze, als Vertreter des Oberpräsidenten der Provinz 
Geh. Oberregierungsrat Dr. Paehler, für die Regierung in Wiesbaden Regie- 
rungs und Schulrat Flebbe, für die Regierung in Kassel Regierungs- und 
Schulrat Mühlmann. Im Namen der Stadt Frankfurt a. M. begrüßte Ober- 
bürgermeister Dr. A dickes mit herzlichen Worten den Kongreß. Für die 
deutsche Turnerschatt sprach der Großherzoglich Hessische Landestuminspektor 
Schmuck, für den Deutschen Turnlehrerverein der Tuminspektor Böttcher, 
für den Deutschen Verein für Volkshygiene Dr. med. Dornblüth, für den 
Deutschen Verein für Schulgesundheitspflege Direktor Dörr und für den 
Deutschen Zentral verein für Jugendfürsorge Gewerbeschuldirektor Back. 






Aus Kongressen und Vereinen. 117 

Vor Eintaitt in die Tagesordnung wurden unter allgemeinster Zustimmnng 
folgende Depeschen einstimmig beschlossen: 

An den Deutschen Kaiser, Berlin. 
Eurer Majestät sendet der 7. Deutsche Kongreß fSr Volks- und Jugend- 
spiele ehrerbietigen Gruß, unsere Arbeit gilt der Erhaltung und Mehrung der 
deutschen Volks- und Wehrkraft durch Volks- und Jugendspiele und verwandte 
Leibesübungen in freier Luft. In diesem Ziele Terehren wir dankerfüllt Eure 
Miy'estät als unseren tüchtigsten Förderer. 

An den Deutschen Kronprinzen, Berlin. 
Eurer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit senden die beim Kongreß für 
Volks- und Jugendspiele aus allen deutschen Ländern Versammelten ehrer- 
bietigsten Gruß als dem ersten mannhaften Vertreter des jungen Deutschlands. 

Sodann spricht Generalarzt a. D. Dr. Meisn er- Berlin über die Be- 
ziehungen zwischen Schule und Heer. 

Er gibt an der Hand Ton statistischen Unterlagen zunächst eine Ober- 
sicht über den Ausfall an Tauglichen in den einzelnen Berufsschichten, an dem 
die Schüler der höheren Schulen in großem Maße beteiligt sind. Als Abhilfe 
empfiehlt er u. a. für die Bekämpfung der Fehler der Augen, besonders der 
Kurzsichtigkeit, die Entfernung der Kleindrücke und Herrichtung günstiger 
Beleuchtung bei den Arbeiten außerhalb der Schule und Üben des Auges im 
Femsehen; für die der Lungen und des Herzens Entlastung aller äußerlich 
angebrachten Hindernisse. Die beste Vorbereitung für den Heeresdienst aber 
ist die Verlegung der körperlichen Übungen ins Freie und Spiel und Wande- 
rung, bei denen das im eigentlichen Turnen Erlernte im freien Gelände zur 
praktischen Verwertung kommt. Dieser Art von Übungen sollte darum wöchent- 
lich ein Nachmittag gehören, an dem die Schüler pflichtmäßig teilzunehmen 
haben. (Lebhafter Beifall,) 

Sodann sprachen Professor Dr. Koch -Braunschweig als Hauptreferent und 
Studiendirektor Rajdt- Leipzig als Korreferent unter mehrfacher Zustimmung 
der Versammlung über die Erziehung zur Selbständigkeit. Der erste 
Bredner führte etwa folgendes aus: 

Das Verlangen nach Erziehung zur Selbständigkeit, das jetzt von vielen 
Seiten geäußert wird, erscheint voll berechtigt im Hinblick auf die großen Auf- 
gaben, denen sich das deutsche Volk gegenüber sieht. Die Leibesübungen er- 
scheinen besonders geeignet, die Erziehung zur Selbständigkeit zu fördern; 
wenn die Schule sie in ihren Erziehungsplan aufnimmt, so wird sie nicht mehr 
die Verstandskräfte allein ausbilden, sondern auch die sittlichen Kräfte ent- 
wickeln. Von den Leibesübungen sind vor allem diejenigen zu betreiben, die 
Selbständigkeit entwickeln, so die Kriegsspicle und längere Übungsmärsche. 
Freie Schülervereine, besonders die Rudervereine, haben sich schon trefflich 
bewährt. Auch die Spielnachmittage, die der Zentralausschuß an allen Schulen 
einrichten will, fördern die Selbständigkeit in hohem Grade, wenn sie zweck- 
entsprechend eingerichtet werden. 

Studiendirektor Professor Raydt-Leipzig besprach im einzelnen die folgen- 
den von den beiden Referenten gemeinsam aufgestellten und von der Versamm- 
lung angenommenen Leitsätze und belegte sie mit vielen Beispielen aus seiner 
Erfahrung. 



118 Aus Kongressen und Vereinen. 

1. Leibesübungen sind besonders geeignet, die Jugend zur Selbstän- 
digkeit zu erziehen. 

2. Der Betrieb der Leibesübungen ist so zu gestalten, daß der Jugend 
mögliebst viel Selbstiindigkeit gelassen wird. 

3. Di^enigen Übungen sind besonders zu berücksichtigen, die möglichst 
selbsUlndige Leistungen erfordern. 

4. Es ist darauf Bedacht zu nehmen, daß die Jugend gelegentlich in 
solche Lagen versetzt wird, wo sie Selbständigkeit und Initiative be- 
währen kann. 

5. Von der Schule sind längere Übungsmärsche und Kriegsspiele regel- 
mäßig und möglichst oft zu veranstalten. 

6. Spielnachmittage sind an allen Schulen allgemein verbindlich einzu- 
richten. 

7. Selbständige Vereine von Schülern einer Anstalt, die sich gemeinsamen 
Leibesübungen widmen, sind unter Oberaufsicht der Schule zu ge- 
statten und tunlichst zu fördern. 

Sodann sprach Tuminspektor Weidenbusch -Frankfurt a. M. über die 
frühere und jetzige Schwimmethode in Frankfurt a. M. In kurzen 
Zügen wies er auf die Entwicklungsgeschichte des Schwimmens in Frank- 
furt a. M. hin und zeigte, daß die Stadt schon seit dem Jahre 1842 diese 
überaus wichtige Körperübung in ihren Schulen eingeführt hat. Heute werden 
von 45 Schulen die vier obersten Jahrgänge unterrichtet. Die Schülerzahl ist 
auf 8100, Knaben und Mädchen, gestiegen. Die verursachten Kosten betragen 
37000 Mark. Mit der Zunahme der Schülerzahl hat sich gleichmäßig die 
Methode weiterentwickelt. Der Einzelunterricht räuipte dem Massenunterricht 
das Feld. Das Schwimmen selbst wird durch das Trockenschwimmen vor- 
bereitet und so das gesteckte Ziel schneller und leichter erreichbar gemacht. 
(Beifall.) 

Zum Schluß stellte der Redner als Leitsatz unter dem zustimmenden Bei- 
fall der Versammlung folgendes hin: 

Das Schwimmen ist nicht nur wegen seiner gesundheitfördemden Ein- 
wirkungen auf den Körper, sondern auch wegen der Herrschaft über das Wasser 
in Lebensgefahr von allergrößter Wichtigkeit fürs Leben und sollte deshalb 
überall da, wo die Möglichkeit vorhanden ist, in den Knaben- und Mädchen- 
schulen gefördert werden. 

An die Vorträge schloß sich eine lebhafte Debatte, an der sich die Herren 
Oberbürgermeister Cunow-Hagen, der Vorsitzende v. Schenckendorff, Geh. 
Begierungsrat Hinze, Landes-Turninspektor Schmuck -Darmstadt, Oberlehrer 
Heinrich -Charlottenburg, Professor Wickenhagen -Berlin und Sanitätsrat 
Dr. Schmidt- Bonn beteiligten. 

Der Nachmittag war ganz den Jugendspielen selbst gewidmet. Auf dem 
großen Exerzierplatz bei Griesheim a. M. fanden bei prächtigstem Wetter die 
verschiedenartigsten körperlichen Spiele von Schülern und Schülerinnen aller 
Schulen Frankfurts statt. Es war ein herzerfreuender Anblick, die mehr als 
4000 Knaben und Mädchen betragende frische Jugend sich unter den milden 
Strahlen der herbstlichen Sonne in kräftigen Jugendspielen tummeln zu sehen. 
Der Vorsitzende des Zentral ausschusses nabm die Preisverteilung vor und 
sprach dabei sehr anerkennende Worte über die Vorführungen und die Schul- 
verwaltung. 



Aus Kongressen und Vereinen. 119 

Am Abend fand im Hippodrom zu Ehren des Zentralausschusses ein 
Kommers der Frankfurter Tum-, Spiel- und Sportvereine statt, der von mehr 
als tausend Personen besucht war, der eine stattliche Teilnehmerschar in Be- 
geisterung und Frohsinn viele Stunden zusammenhielt. Den Vorsitz führte der 
Stadtechuirat Dr. L flu gen- Frankfurt a. M. Ausgezeichnete Turnübungen der 
Frankfurter Turnvereine und des Fechtklubs „H^'i^niannia'* wechselten mit ge- 
meinsamen Liedern und Vorträgen der Gksangsriegen der Frankfurter Turner- 
Schaft in anregendster Weise ab. 

n. 

Frankfurt a. M., Sonntag den 17. September. 

Nach der Eröffnung der Verhandlungen durch den Vorsitzenden 
von Schenckendorf hielt der dniversitätsprofessor Dr. Finkler -Bonn, 
Direktor des dortigen hygienischen Instituts, einen mit größtem Beifall auf- 
genommenen Vortrag über „Die körperlichen Anlagen, ihre Entwick- 
lung und Ausbildung'^ 

Der Redner nimmt Gelegenheit, die Prinzipien hervorzuheben, welche an 
den Funktionen der Organe des Körpers gelegen sind; wie diese Tätigkeiten 
untereinander in Systemen bestehen, wie sie mit der Zeugung und dem Wachs- 
tum der Organe sich ausbilden. Das ganze komplizierte Getriebe der Körper- 
teile folgt gewissen Gesetzen, welche insbesondere alle dem Prinzip der höchsten 
Zweckmäßigkeit dienen. Diese Zweckmäßigkeit erstreckt sich auf die Erhal- 
tung der Art und die des Individuums. 

Eine Ausbildung aller Tätigkeiten und der dafür vorhandenen Organe 
ist gewährleistet durch die Gesetze der Vererbung und der Zähigkeit des Art- 
charakters sowie das Bestreben des Körpers zur naturgemäßen Vervollkomm- 
nung. Sie ist zu fördern durch Übung und Anforderungen an den Körper und 
seine Teile. Die Zellen des menschlichen Körpers arbeiten und verbrauchen 
Kraft und Stoffe, auf Grund der ihnen innewohnenden Eigenschaften des 
lebendigen Eiweißes. Die verbrauchten Stoffe werden wieder ersetzt und 
zwar mit der Neigung, mehr zu ersetzen, als verloren ging: Verbrauch — 
Wiederersatz — Stärkung resp. Vergrößerung und Wachstum. Speziell das 
Muskelsystem erreicht in der Übung hier viele Erfolge, nicht nur in der Ver- 
stärkung der Muskeln und der morphologischen Grundlage, sondern auch in 
der Erhöhung des Nutzeffektes, Verminderung der Mitbewegungen, Ersparung 
von Kraft. 

Die Übung erhöht die Spannung der Muskeln, verbessert damit die 
Haltung, die Schlagfertigkeit, die Selbständigkeit, sie wirkt auch auf die 
Zentralorgane des Nervensystems, erhöht deren Gebrauchsfähigkeit und geht 
deshalb auch mit einer kräftigenden Einwirkung auf Gehirn imd Psyche 
einher. 

Grefahren der Übung auf das Herz sind vermeidbar durch richtige Be- 
urteilung der Ermüdung und individualisierende Beobachtung der Kinder. 
Der IHimlehrer muß deshalb der Beobachter des gesamten Befindens der 
Kinder sein. 

Eine Übertragung der durch Übung erreichten Vorteile durch Vererbung 
ist nicht so einfach zu erwarten; aber die Erziehung gesunder und kraftvoller 
Individuen muß in günstigem Sinne auf spätere Generationen einwirken, schon 



120 Aus Kongressen und Yereinen. 

durch Vermeidung der Krankheiten, Erhöhung der Widerstandskraft. Die neue 
Generation muß selbst arbeiten und sich erwerben, was sie als gut und der 
Vervollkommnung fähig ererbt hat. (Lebhafter Beifall.) 

Der Vorsitzende des Zentralausschusses, Abgeordneter von Schenckendorff. 
sprach dann über den gegenwärtigen Stand der Frage des allgemeinen 
obligatorischen Spielnachmittags. 

Er bezeichnete seinen Vortrag ausdrücklich als ein Referat, indem er Ton 
dem Beschluß der im vorigen Jahre in Quedlinburg stattgehabten, vom Zentral- 
ausschuß und dem Verein deutscher Turnlehrer einberufenen öffentlichen Ver- 
sammlung ausging, durch welchen der Zentralausschuß für Volks- und Jugend- 
spiele beauftragt wurde, für die Durchfahrung eines allgemein verbindlichen 
Spielnachmittags in allen deutschen Schulen einzutreten. Dennoch sei 
heute das Ziel der verbindlichen Spielanstalten, daß 1. jedem Schulkinde, ob 
Knabe, ob Mädchen, ob sechsjährig oder zwanzigjährig, in jeder Woche, neben 
dem Turnunterricht, ein Nachmittag für schulseitig eingerichtete Leibesübungen 
freigemacht werde; daß 2. dieser Nachmittag völlig &ei auch von häuslichen 
Schularbeiten sei, und daß 8. die an diesen Nachmittagen ausfallenden Unter- 
richts- und Arbeitsstunden nicht an anderen Stellen wieder eingesetzt würden. 
Er machte auf die Beschlüsse der vom Kaiser nach Berlin im Jahre 1890 ein- 
berufenen Schulkonferenz aufmerksam, die in Sachen der besseren leiblichen 
Erziehung der Jagend Beschlüsse faßte, die bislang nur in der dritten Turn- 
stunde in Preußen Verwirklichung gefunden haben. 

Diese und die ganze Frage seien in der kürzlich von dem Geschäfts- 
führer des Zentralausschusses, Studiendirektor Professor Ray dt, Leipzig, her- 
ausgegebenen trefflichen Broschüre „Spielnachmittage'' so klar dargelegt, daß 
er hier nicht weiter darüber zu sprechen brauche. Wenn aber einmal der 
allgemein verbindliche Spielnachmittag sich durchgerungen hat, so wird er 
eine segensvolle Einrichtung für das deutsche Volk bleiben für alle Zeiten 
(Lebhafter Beifall.) 

An das Referat des Redners schloß sich eine eingehende, die Forderung 
befürwortende Debatte, an der sich der Geh. Oberregierungsrat Dr. Paehler- 
Kassel, Sanitätsrat Dr. Schmidt -Bonn, Professor Dr. Kohlrausch -Hannover, 
Professor Dr. Koch- Braunschweig, Rektor Dickerhoff-Dortmund, Regierungs- 
rat Mühl mann- Kassel, Dr. med. Dornblüth -Frankfurt a. M., Turn-Inspektor 
Möller- AI tona, Spielinspektor Münzer-Bismarckhütte und Lehrer Edelhoff- 
Barmen beteiligten. 

In seinem Schlußworte gibt der Vorsitzende bekannt, daß ein Danktele- 
gramm des Kronprinzen für die gestrige Begrüßung schon eingegangen ist, und 
spricht sodann seine Befriedigung über den Verlauf der Verhandlungen aus 
und dankt insbesondere den Rednern und allen denen, die zum Gelingen des 
Kongresses beigetragen haben. Gegen den Grundgedanken des allgemein ver- 
bindlichen Spielnachmittags sei kein Widerspruch erfolgt und der Gedanke 
würde siegreich weiter gehen. 

Nach Schluß durch den Vorsitzenden spricht Herr Geh. Oberregierungsrat 
Dr. Paehler unter allgemeinster Zustimmung der Versammlung den herz- 
lichsten Dank für die vortreffliche Leitung des Kongresses aus. 

Um 4 Uhr nachmittags begannen dann wieder, vom schönsten sonnigen 
Herbstwetter begünstigt, die Spielvorführungen auf dem Exerzierplatze bei 
Griesheim« Der Hauptsache nach waren die Veranstalter die Frankfurter Tum- 



Aus Kongressen und Yereinen. 121 

vereine, die Spielvereine und der Verband für Tumsport (Diskus- und Sctleuder- 
ballwerfen, Springen, Laufen, Seilziehen usw.). Außerdem fanden ein Wett- 
rudern am Obermain und Tennisjipiele an der Forsthausstraße statt. Die körper> 
liehen Übungen fanden dann ihren Abschluß durch höchst interessante Vor- 
führungen des I. Frankfurter Schwimmklubs und der Schwimmerriege des 
Frankfurter Turnvereins im städtischen Schwinmibad. Am Abend traf das 
folgende Kaiserliche Telegramm ein: ,,Seine Majestät der Kaiser und König 
lassen dem VII. Deutschen Kongreß für Volks- und Jugendspiele für den treuen 
Gruß vielmals danken. Auf Allerhöchsten Befehl der Geheime Kabinetsrat 
von Lucanus.*^ 

Am folgenden Tage fand der Kongreß seinen Abschluß durch eine Turn- 
fahrt nach Homburcr, der Saalburg und dem Feldberg. 

Wohl alle Kongreßteilnehmer werden den Eindruck haben, daß der 
7. Deutsche Kongreß für Volks- und Jugendspiele nach allen Eichtungen gut 
gelungen ist und die Bestrebungen des Zentralausschusses wieder um ein gut 
Teil gefördert hat. 



— Auf der 14. General versammluDg des deutsohen Gymnasial- 
vereins am 3. Oktober in Hamburg sprach Physikus Dr. Pfeiffer- Hamburg 
über die Frage: Wie hat sich das humanistische Gymnasium gegen- 
über den neuerlichen schulhygienischen Aufstellungen und An- 
sprüchen zu verhalten? Den ,,Hamburger Nachrichten" entnehmen wir 
hierüber folgendes: 

Dr. Pfeiffer steht auf dem Boden der gemeinschaftlichen Arbeit zwischen 
Ärzten und Pädagogen, sobald und soweit gesundheitliche Fragen in Betracht 
kommen, aber nur in der Form, daß der Arzt der Berater der Schule ist ohne 
Befugnis zu selbständigen Anordnungen und ohne Recht zu Eingriffen in den 
inneren Betrieb der Schule. Die Hygieneüberwachung habe sich auf Schüler 
und Lehrer gemeinsam zu erstrecken. Für erstere insofern, als der Schule oder 
den Eltern durch die Schule Mitteilungen zu machen seien, sobald körperliche 
und geistige Besonderheiten des Schülers beim Unterricht in Erscheinung treten. 

Die Sorgfalt der Schule habe sich in der Hauptsache zu erstrecken auf 
eine durchdachte gesundheitliche Beobachtung durch die Lehrer, welche aber 
nur zu erreichen sei, wenn die Lehrer anders als bisher in Jem Erkennen imd 
Beobachten der hauptsächlich in der Schule vorkommenden oder sich ent- 
wickelnden Erscheinungen vorgebildet sind. 

Um das zu erreichen, könne ein Schularzt oder Vertrauensarzt der Schule, 
wie man ihn nennen möge, durch Unterweisung der Lehrer und Beraten der- 
selben in schulgesundheitlichen Fragen viel Gutes stiften. Eine Prüfung der 
Lehramtskandidaten in Hygiene oder die Einführung des Hygieneunterrichts 
in der Schule sei nicht unbedingt nötig, vielleicht sogar schädlich, auch sei 
eine organische Einreihung des Arztes in die Schule nicht als erstrebenswertes 
Ideal zu betrachten.*) Bei gegenseitigem guten Willen und Respektierung der 
Stellung und Rechte des einzelnen sei mehr ersprießliche Arbeit zu erwarten, 



1) Dom gegenüber verweisen wir auf die vortrefflich bewährte Einrich- 
tung in Ungarn, wo der Schularzt zugleich Prof. der Hygiene an der Schule 
ist. [Die Red.] 



122 Aus Kongressen und Vereinen. 

vor allem können auch die Ärzte wiederum von den Pädagogen lernen. Die 
Ermüdungsmessungen haben bisher fClr die Schule brauchbare Resultate nicht 
gezeitigt *) ; ob von der geplanten internationalen Zahlensammlung mehr zu er- 
warten sei, sei höchst zweifelhaft. Man habe sich überhaupt bisher immer mit 
der Schule beschäftigt; es dürfte wohl an der Zeit sein, einmal die Hygiene 
der Häuslichkeit des Schülers unter die Lupe zu nehmen. Wie stehe es denn 
da mit der Bankfrage, mit der Erziehung zum Geradesitzen, mit den Ab- 
lenkungen durch Vergnügungen, mit der genauen Abmessung für Schlaf, Licht, 
Luft, Bad, Lektüre u. dergl. mehr? Die Überbürdungsfrage werde von ein- 
zelnen Eltern schneller betont als die Erkenntnis komme, daß das Kind eben 
nicht besonders begabt sei. In vielen Fällen läge auch zu schnelles Wachstum 
der Kinder vor, die Kräfte des Körpers reichen nicht aus, um gleichen Schritt 
mit den anderen Kindern halten zu können. 

Das vielfach vorgehaltene Beispiel der englischen Schulbildung möchte er 
nicht eingeführt sehen, da sei ihm die gediegene deutsche Arbeit doch lieber;* 
wohl aber sei von den Engländern die Protektion von Jugendspiel zu über- 
nehmen. Das Jugendspiel müsse von besonders honorierten Lehrern geleitet 
werden, aber im Rahmen der Schule; dadurch werde gleichzeitig ein Auswaohsen 
desselben zum wilden Sport verhindert und der Betätigungsdrang der Jugend 
nach bestimmten, ihr zuträglichen Bahnen gelenkt. 

Über die Verschiebung des Beginns des fremdsprachlichen Unterrichts, 
geteilte oder ungeteilte Schulzeit, beste Auswahl der Ferien seien die Meinungen 
im pädagogischen Lager selbst noch nicht zur vollen Klarheit gelangt, den 
Arat interessieren diese Fragen erst in zweiter Linie.*) 

Für das Gymnasium speziell würde es ihm persönlich höchst bedauerlich 
sein, wenn als Kompensation für Hinzunahme einiger anderer Fächer der grie- 
chische Unterricht in Wegfall kommen sollte. Die schönste Erinnerung für das 
Kind wären die Kinderstube und die Stunden der Märchenerzählung auf dem 
Schoß der Mutter, far den Jüngling wäre das Aufgehen des Verständnisses für 
die Wunder der griechischen Poesie und Prosa ein ähnlicher Schatz für die 
reiferen Jahre. Wenn man die Leistungen des deutschen Volkes betrachte, 
speziell die der Abiturienten höherer Schulen, so könne man doch gar nicht 
von einer Schwächung der Nation durch Überbürdung in der Schule reden, 
wenigstens nicht in der Form, wie es vielfach heute beliebt sei. Man solle 
sich auch sehr in acht nehmen und nicht zur Belebung der Kongresse und 
Vereinigungen eine degenerierte, neurasthenische Schuljugend beschreiben, 
welche gar nicht vorhanden sei.*) 



1) Dem Vortragenden scheinen die Untersuchungen in den Pariser Schulen 
(z. V. A. Binet in „Ann^e psychologique Tom. XI") und die Beobachtungen 
Schlesingers (Archiv für Kinderheilkunde 1905 H. 8), die durchaus brauch- 
bare Resultate erzielt haben, nicht bekannt zu sein. [Die Ked.] 

2) Gerade in dieser Angelegenheit ist die Mitarbeit der Ärzte besonders 
wünschenswert. [Die Red.] 

3) Wir efinnern daran, daß die Abnahme der Brauchbarkeit von Schülern 
höherer Lehranstalten für den Militärdienst Tatsache ist. Daß die viel- 
besprochene Überbürdung in allen höheren Lehranstalten wirklich vorhanden 
ist, geht aus den Schriften namentlich von Schulmännern in überzeugender 
Weise hervor. [Die Red.] 



AuB EongresBen und Vereinen. 123 

An der lebhaften DiskusBion beteiligten Bich neun Anwesende, die aber 
durchweg in dem Dank übereinstimmten für das mehrfach durch Beifalls- 
äußerungen begleitete Referat, das in glücklicher Weise den Extravaganzen 
gewisser Schulhygieniker entgegentrat. Wir heben hervor, daß Geheimer 
Medizinalrat Waldeyer aus Berlin, der dem Vereine seit Jahren angehört, zu 
den Beistimmenden gehörte und nur einige wesentliche Zusätze im Interesse 
der vom Gymnasium gleicherweise zu pflegenden körperlichen Ausbildung seiner 
Zöglinge machte. Speziell wies er auf die Notwendigkeit hin, die Maximal- 
zahl der Schüler einer Gymnasialklasse ebenso zu beschränken wie das an 
Eadettenhäusem geschähe, und hob hervor, wie erwünscht die Einführung von 
Badeeinrichtungen, ja Badeverpflichtungeu auch in den höheren Schulen sei. 

Von Medizinern sprach nocn der Hamburger Spezialist für Nervenkrank- 
heiten Dr. Saenger und führte in lolehrenden Beispielen aus, welche speziellen 
Kenntnisse ein mit der Beobachtung und Behandlung von Schülern betrauter 
Arzt haben müsse, um in den einzelnen Fällen ein richtiges Urteil abzugeben, 
und daß nicht jeder Arzt dazu befähigt sein würde. Gymnasialdirektor Aly 
von Marburg meinte, daß ein besonderer Schularzt doch wohl nicht nötig sei, 
sondern dem Kreisarzt die betreffenden Funktionen übertragen werden könnten, 
und sprach außerdem für Unterweisung der künftigen Lehrer durch Vorträge 
an den Universitäten und in Ferienkursen. Der Hinweis auf die, welche, wie 
der Eedner und unzählige andere, sich bei ungleich weniger hygienischen Maß- 
regeln zu widerstandsfähigen Männern entwickelt hätten, fand ein Echo auch 
in dem Votum des Universitätsprofessors Hildebrand von Breslau. Weiter be- 
teiligten sich an der Diskussion auch Prof. Wotke von Wien, der die letzten 
bezüglichen Anordnungen des soeben zurückgetretenen Ministers^ von Hartl 
mitteilte, Direktor Kuthe aus Parchim, der sich nähere Belehrung über das Wie 
der hygienischen Überwachung erbat, Direktor Lück aus Steglitz, der das Segens- 
reiche einer ärztlichen Untersuchung der Schüler bei ihrer Aufnahme betonte 
und als hygienisches ceterum censeo ebenfalls die Forderung kleinerer Klassen 
und zugleich der Herabsetzung der Pflichtstundenzahl für die Lehrer aussprach. 
Sehr interessant waren endlich die Mitteilungen des Stadtschulrats Michaelis 
in bezug auf das Wirken von Schulärzten bei Berliner Gemeindeschulen, ins- 
besondere die Sonderung der normalen und der Schwachbegabten Schüler, und 
was Prof. Martens von Elberfeld über die sexuellen Belehrungen und Ermah- 
nungen berichtete, welche ein Arzt an die Abiturienten des dortigen Gymnasiums 
gerichtet hat. Von einer Abstimmung über die Thesen oder einer Resolution 
wurde bei der erfreulich zutage getretenen Übereinstimmung der Anwesenden 
abgesehen. 

Dr. Pfeiffer hatte zu seinem Thema folgende Leitsätze aufgestellt: 

I. Es ist anzustreben, daß geplante Neuanlagen sowie Umbauten von 
Schulhäusem gemeinsam von Schulmännern, von Baumeistern und ärztlichen 
Sachverständigen beraten werden. Diese Kommission muß fernerhin Einfluß 
erhalten auf die Wahl des Klassen- und Lehrerzimmer- Inventars, des Anstrichs 
der Räume, der Heizungs- und Lüftungsanlagen, des Fußbodenbelages und 
dessen Behandlung, der Abortanlagen, sowie der Spiel- und Turnplätze. 

IL Die hygienische Überwachung der Schüler ist von Lehrern und Ärzfcen 
gemeinsam auszuführen. Hierbei hat der Arzt der Schule als Berater zu dienen 
ohne Befugnis zu selbständigen Anordnungen. Diese Beratung hat sich zu er- 
strecken: 1. a) auf das Erkennen von körperlichen Besonderheiten der Schüler, 



124 Aus Kongressen und Vereinen. 

wie Blutarmut, Kurzaichtigkeit, Schwerhörigkeit, Haar- und Hauterkrankungen, 
Lungenschwäche, Schiefwuchs u. dergl., b) auf Erkennen von geistigen Be- 
sonderheiten der Schüler, wie leichter Ermüdung z. B. durch schnelles Wachs- 
tum, zerstreutes Wesen durch krankhafte Veranlagung oder Masturbation oder 
häusliche oder überhaupt außerhalb der Schule erworbene schädliche Momente, 
femer auf die Feststellung ?on Simulation sowie von angeborener geistiger 
Minderwertigkeit; 2. a) auf die hygienische Beratung der Lehrer in bezug auf 
Benutzung und Schonung der eigenen Stimmmittel sowie der der Schüler, 
b) auf die Frage, wie die Unterrichtsstunden am besten auf die verschiedenen 
Tageszeiten verteilt werden, c) auf die Lage der Ferien, d) auf die Maximal- 
und Minimalforderungen von Arbeit, Ruhe und körperlichen Übungen für die 
verschiedenen ünterrichtsstufen , sowie auf die empfehlenswerten Arten von 
Leibesübung, e) auf die Stellungnahme zu den von Zeit zu Zeit auftretenden 
Forderungen nach Beschränkung oder Erweiterung des Lehrplaues des Gym- 
nasiums, soweit hygienische Gesichtspunkte angeblich oder in Wahrheit in 
Frage kommen; 3. auf Unterweisung der Lehter in hygienischen und speziell 
schulhygienischen Fragen und auf Anleitung derselben zu selbständiger gesund- 
heitlicher Beobachtung der Schüler.*) 

— Von der 77. Versammlung deutscher Ärzte und Naturforscher 
in Meran vom 24. bis 30. September 1905 sind für unsere Leser folgende 
Vorträge von Interesse. 

Erster Gegenstand der Verhandlungen der gemeinsamen Sitzung am 
27. September war der Bericht der Unterrichtskommission der Gesell- 
schaft deutscher Naturforscher und Ärzte. Die „Vossische Zeitung** 
schreibt hierüber: 

Dieser Unterrichtskommission kommt eine große Bedeutung zu. Sie soll 
eine Reform des Schulunterrichtes nach der Richtung hin vorbereiten, daß mehr 
als bisher im Unterricht die mathematisch -physikalischen Wissenschaften und 
die Biologie berücksichtigt werden sollen. Die Kommission ist aus der glück- 
lichen Vereinigung der Vorkämpfer zweierlei Richtungen hervorgegangen. Die 
eine hatte sich die Hebiing der naturwissenschaftlich -mathematischen Fächer 
im Schulunterricht zum Ziele gesetzt, ausgehend von der Erkenntnis, daß ge- 
mäß der großen Bedeutung der Naturwissenschaften im modernen Leben die 
Mathematik und Naturwissenschaften ein kräftigeres Element in der Allgemein- 
bildung sein müssen. Die andere Richtung, welche die Förderung der Biologie 
betrieb, wurde bei ihren Bestrebungen von der Anschauung geleitet, daß ohne 
biologisches Wissen das Verständnis von Natur und Kultur unmöglich ist. 

Prof Gutzmer, der Vorsitzende der Kommission, hob in seinem Berichte 
zunächst hervor, daß die Kommission die Bedeutung der sprachlich-geschicht- 
lichen Bildung voll anerkennt. Darüber darf aber nicht zweierlei außer acht 
gelassen werden. Einmal, daß die Eignung für geschichtlich -sprachliche 
Schulung nicht ganz allgemein ist. Zweitens, daß ein Mißstand zuungunsten 
der Mathematik, Naturwissenschaften und Biologie dadurch zustande kommt, 
daß das humanistische Gymnasium diejenige Stätte ist, auf welcher die meisten 
Studierten ihre Ausbildung erhalten. Die Kommission hat sich zunächst auf 
die Erörterung derjenigen Beformen beschränkt, welche far die Gymnasien, Real- 

1) Ein Teil dieser Leitsätze widerspricht geradezu den Ausführungen des 
Redners, wie sie von den „Hamburger Nachrichten" gebracht werden. 



Aus EongresBen und Vereinen. 125 

gymnasien und Oberrealschulen anzustreben sind. Ihre allgemeinen leitenden 
Sätze faßt die Kommission dahin zusammen: 1) Auf den höheren Lehranstalten 
sollen weder die Naturwissenschaften und die Mathematik noch die Sprachen 
und die Geschichte einseitig gepflegt werden. 2) Aber die Naturwissenschaften 
und die Mathematik sind an bildendem Werte gleichwertig dem Sprach- und 
Geschichtsunterricht 3) Die drei preußischen Schularten, Gymnasium, Real- 
gymnasium, Oberrealschule, müssen in Hinsicht auf den mathematisch-natur- 
wissenschaftlichen Unterricht gleichgestellt werden. Die Kommission hat sich 
über die Hauptforderungen geeinigt, zunächst was den Unterricht in der Mathe- 
matik angeht. Die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden braucht nicht 
vermehrt zu werden. Der Mathematikunterricht muß aber von manchem Ballast 
befreit werden. Er muß vor allem darauf gerichtet sein, beim Schüler das 
Verständnis für räumliche Anschauung zu stärken und ihm die Befähigung 
zum funktionalen Denken zu verschaffen. Das Mathematikpensum der Gym- 
nasien und der Realgynmasien soll gleich groß sein. Es soll bis an die Schwelle 
der Infinitesimalrechnung hinanreichen. In der Oberrealschule soll der Unter- 
richt weiter gehen. Neben gründlicher Behandlung der Elementarmathematik 
sollen in der Oberrealschule noch analytische Geometrie und die Grundzüge der 
Infinitesimalrechnung gelehrt werden. Die biologischen Fächer sind bei der 
Ordnung des Unterrichts in Preußen schlecht weggekommen. In den oberen 
Klassen wird Biologie überhaupt nicht vorgetragen, in den anderen unzureichend. 
Nach der Anschauung der Kommission ist bei der Reform des Biologieunter- 
richtes zuerst bei den Realgymnasien Hand anzulegen, und zwar weil Zeit für 
seine Vermehrung auf den Gymnasien schwerlich zu gewinnen sein wird. 
Sicher wird von den Sprachstunden keine abgegeben werden. Das humanistische 
Gymnasium in seiner heutigen Verfassung braucht sie eben unerläßlich. Aber 
unsere Schulbehörden müssen laut anf die klaffende Lücke in der biologischen 
und naturwissenschaftlichen Ausbildung aufmerksam gemacht werden. Aber 
auch der biologisch -naturwissenschaftliche Unterricht auf den Realgymnasien 
entspricht nicht den billigen Anforderungen. Unsere Realgymnasien sind leider 
allzusehr Sprachanstalten geworden. Eine Änderung wird darin erst eintreten, 
wenn auch die Mathematiker und Naturwissenschaftler zu leitenden Stellen be- 
rufen werden, und zwar nicht nur an den Realgymnasien, sondern auch in der 
Schulverwaltung. Bei den Erörterungen über die Reform des biologischen 
Unterrichtes wurde auch die Frage erörtert, ob in den biologischen Schulunter- 
richt die Unterweisung über die sexuelle Frage eingeschlossen werden soll. 
Die Kommission hat dies abgelehnt, weil oft ein Arzt oder der Direktor der 
Anstalt die geeignetere Persönlichkeit für diesen Unterricht sind. Zum Schlüsse 
dankte Gutzmer der preußischen Unterrichtsverwaltung für die Unterstützung 
der Kommissionsarbeiten, dadurch, daß sie Versuche in der Richtung der Kom- 
missionsvorschläge veranlaßte und unterstützte. 

— Auf der 30. Ja^iresversammlung des Deutsohen Vereins für 
öffentUohe Gesundheitspflege in Mannheim vom 13. bis 16. September 
1905 sprachen Sanitätsrat Dr. Schmidt- Bonn und Oberbaurat Klette -Dresden 
über das Thema: Die Bedeutung öffentlicher Spiel- und Sportplätze 
für die Volksgesundheit. Der Münchener Mediz. Wochenschrift 1905 Nr. 40 
entnehmen wir hierüber folgendes: Schmidt hebt einleitend die Bedeutung 
der Schulärzte für die Gesundheitspflege in der Schule hervor. Sachsen- 
Meiningen dehnte die Anstellung der Schulärzte bis auf die letzten Landschulen 



126 Au» Kongressen und Vereinen. 

aus und ist dadurch yorbildlich für die ganze Institution geworden. Der Grund 
für die Anstellung ist, daß die heranwachsende Jugend körperlich minder- 
wertig ist. Referent teilt im genaueren die diesbezüglichen Prozentverhältnisso 
von verschiedenen Ländern mit. Der Grund für diese schlechten Verhältnisse 
ist auf verschiedenen Gebieten zu suchen, es gehören hierher einerseits soziale 
Mißstände, unzweckmäßige Ernährung^ schlechte Wohnungen, andrerseits das 
unzweckmäßige Schulsystem, das mit seinem vielen Stillsitzen zu wenig Körper- 
bewegung gewährt. Die hauptsächlichsten Erkrankungen der Schulkinder sind 
Blutarmut, Bleichsucht, Kopfschmerzen, mangelnder Appetit; auch die Kinder 
mit Rückgratsverkrümmungen nehmen erschreckend zu. Schmidt bringt seine 
Erfahrungen über den sogen. Gesundheitsbogen, welcher das Kind durch die 
ganze Schule begleitet, und teilt die auf demselben gemachten geforderten 
Notizen mit. 

Unsere Aufgabe ist, die vorhandenen Schäden zu mildern und soweit als 
möglich ihnen vorzubeugen; hierher gehört der Gebrauch von Seebädern, die 
Einführung der Schulspaziergänge, Übungsmärsche und der Ferienkolonien, 
Der Trieb nach reichlicher Bewegung ist den Kindern ebenso eingepflanzt wie 
der nach Speise und Trank. Reichliche und regelmäßige Bewegung in frischer 
Luft ist für die Jugend ein unersetzliches Lebensbedürfnis zum vollen Wachs- 
tum des Körpers. 

Neben der Ausbildung der Bewegungsorgane selbst ist vor allem die Ent- 
wicklung eines kräftigen Herzens, einer atemtüchtigen und widerstandsfähigen 
Lunge, sowie einer gesunden Blutfälle, entsprechende Ernährung vorausgesetzt, 
gebunden an ein reichliches Maß von Bewegung im Freien. 

Die Pflege geeigneter Leibesbewegung und Leibesübung ist grundlegend 
für die gesamte spätere Lebensfülle und Arbeitskraft des Individuums und 
anderswie nicht ersetzbar. 

Eine Jugend, der das Austummeln im Freien, in frischer Luft und Sonnen- 
schein verwehrt oder verkümmert wird, wird blaß, welk, blutarm und sucht 
ihrem Erholungstrieb auf unhygienischen und meist bedenklichen Wegen Ge- 
nüge zu tun. 

Es ist im Sinne der Volksgesundheitspflege eine unabweisbare Pflicht der 
Gemeinden, in allen Stadtgebieten und ganz besonders in den dichter be- 
wohnten Arbeiter- und Geschäftsvierteln Plätze frei zu halten, welche der be- 
wegungsbedürtigen Jugend ungehindert zur Benutzung stehen. Nach dieser 
Richtung hin muß namentlich auch der Sucht mancher städtischen Bauver- 
waltungen Einhalt geschehen, alle und jede freien Plätze mit umgitterten 
Schmuckanlagen zu bedecken; die Rasenflächen müssen teilweise benutzbar 
bleiben. 

Neben diesen bescheidenen Plätzen für die Kleinsten und Kleineren sind 
weiterhin, möglichst auf die Haupt-Stadtgebiete verteilt, größere Spiel- und 
Sportplätze anzulegen für die gesamte Schuljugend, sowie für die Leibesübungen 
und Spiele der mehr herangewachsenen jungen Leute; bei der heranwachsen- 
den Jugend wandelt sich das Spiel in die Kampfspiele um, es ist dies wichtig 
für die spätere Arbeitsfreudigkeit des Mannes. Wie ein Kind spielt, wird es 
einst arbeiten. Die Einrichtung besonderer Spielnachmittage ist zu empfehlen, 
die Jugend muß jedoch zwangsweise zu deren Besuch veranlaßt werden; ein 
ungeordnetes Treiben darf herbei nicht stattfinden, eine Einteilung und eine 
Beaufsichtigung muß vorhanden sein. Der richtige Spielleiter wird mitspielen. 



Aus Kongressen und Vereinen. 127 

Am zweckmäßigsten ist es, wenn die Spielplätze sich inmitten größerer 
städtischer Anlagen oder Parks befinden. 

Da, wo eine Stadtgemeinde ein größeres Waldgebiet als ,,Stadtwald^' a. dergl. 
eingerichtet hat, ist eine mit Wald umgebene Fläche mit besonders weiten 
Abmessungen empfehlenswert, um größere Schal-, Jngend- oder Volksfeste im 
Freien abzuhalten. 

Es sollten in solchen größeren öffentlichen Anlagen aber alle Haupt- 
Rasenplätze so gehalten sein, daß sie unbedenklich einem jeden aus dem Volke 
zur Erholung zugänglich sind. 

Der 2. Referent, Klette- Dresden, beschreibt die zweckmäßige Einrichtung 
der Spiel- und Sportplätze. Das Liegen der Plätze muß sich danach richten, 
ob der Besuch zwangsweise gefordert wird oder nicht. Je näher der Spielplatz, 
desto lieber wird er besucht. 

Alle Spielplätze in Städten sollen so liegen, so angelegt, ausgestattet und 
unterhalten sein, daß sie viel und gern aufgesucht und benutzt werden; sie 
müssen daher den Wohnungen der Spielbedürftigen nahe in freier und ge- 
sunder Gregend liegen und bequem zugängig sein. 

Der Sicherheit für die Kinder halber seien die Spielplätze, besonders auch 
ihr Zugang, abseits vom Verkehr, runde Spielplätze sind zu empfehlen. In 
der Mitte der Plätze ist Sand anzufahren, außen umgeben von einer niedrigen 
Bretterplanke. Der Sand ist rein zu halten und eventuell zu erneuern. Wege 
dürfen diese Spielplätze nicht durchschneiden. Das Mitbringen von Hunden 
ist strengstens zu untersagen. 

Auch für noch nicht schulpflichtige Kinder sollen Spielplätze in reich- 
licher und jedenfalls ausreichender Zahl tunlichst in allen öffentlichen An- 
lagen vorgesehen und eingerichtet werden. Die Wohnungen müssen den 
Spielplätzen möglichst nahe liegen, damit sie bei Regenwetter leicht erreich- 
bar sind. 

Für die schulpflichtige Jngend sollen die Schulhöfe für geleitete und be- 
aufsichtigte Bewegungsspiele zu bestimmten Zeiten geöffnet werden. Es ent- 
wickelt sich dann leicht ein gutes Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler, 
der Ort der Schule ist gleichzeitig ein Ort der Erholung und der Freude ; aller- 
dings haben viele Schulhöfe den Nachteil, daß sie nicht genügend Raum für 
Jugendspiele haben. Fuß- und Schlagball dürften nicht gespielt werden. Auf 
den Schulhöfen müssen die Schüler entsprechend eingeteilt werden, und zwar 
am besten in tumpflichtige und nicht turnpflichtige; vor allem ist den Kleinen 
der Schulhof zu überlassen. Die Großen sind auf entferntere Spielplätze zu 
verweisen. Die Schulhöfe sind for die Spiele entsprechend einzurichten. Die 
Bäume gehören an die Seite, nach der Mitte zu ist zu entwässern. Der Platz 
sei eben. Die Oberfläche ist richtig zu befestigen, so daß die Decke kehrbar 
ist. Nur die Kinder dürfen zugelassen werden, welche die betreffende Schale 
besuchen. 

Für die tumpflichtige Jugend sollen möglichst große Rasenflächen, wenn 
nicht in, so doch nahe der Stadt angelegt bezw. eingerichtet werden. Diese 
sollen an der Oberfläche frei, eben und möglichst horizontal liegen und so ge- 
halten sein, daß jede Staubentwicklung, sowie alle Schlamm- und Pfützen- 
bildung ausgeschlossen bleibt; sie müssen für die Spielenden in anmitbelbarer 
Nähe ünterkunftsräume mit Gelegenheit zur Kleiderablage, Verrichtung der Not- 
durft, Aufbewahrung der Spielgeräte, sowie zum Waschen und Trinken, und für 



128 Schulärztliches. 

die Zuschauer freie Übersicht, Schatten und Sitzgelegenheit bieten. Fluß- 
niederungen sind besonders zur Einrichtung von Spielplätzen zu empfehlen. 

Letztgenannte Spielplätze mögen Sonnabend und Sonntag für Erwachsene 
reserviert werden. Die Fußballspieler dürfen den Rasen nicht benutzen. Alle 
Spielplätze bedürfen einer fortwährenden Pflege, bei trockenem Wetter des Be- 
sprengens. Gespielt soll das ganze Jahr hindurch werden. Im Winter einmal 
in der Woche. Grundsätzlich sind die Spielplätze für den Sommerbetrieb ein- 
zurichten und haben dann für die Winterspiele mit zu genügen. 

Plätze für Lawntennis, Radfahren, Rudern und Schwimmen usw. brauchen 
nicht mit den Spielplätzen in unmittelbarer Verbindung zu stehen. 



V. Schulärztliches. 



A. TagesgescUclitliclie Nachricilten. 

Heilbronn hat eine Schularztstelle eingerichtet, welche dem jeweiligen 
Oberarzt der inneren Abteilung des städtischen Krankenhauses übertragen wird. 

Berlin. Die Schuldeputation hat beschlossen, die Zahl der Schulärzte 
um 8 zu erhöhen. 

BlberfelcL Die Stadtverordnetenversammlung hat die Anstellung von 
Schulärzten vom 1. April 1U06 ab genehmigt. Bemerkenswert ist das System 
der Anstellung. Zu den neun Armenärzten sollen noch aus der Zahl der an- 
deren praktischen Ärzte neun und von den Augen- und Halsspezialisten je drei 
genommen werden. Die ersteren 18 Ärzte untersuchen zweimal jährlich die 
Kinder der 54 Volksschulen, so daß auf jeden Arzt drei Schulen kommen. Die 
Spezialisten werden in besondeien Fällen zugezogen. Daneben hat noch jeder 
Arzt die Kinder zu untersuchen, die alljährlich neu in seine drei Schulen auf- 
genommen werden. Gleichzeitig wird den Eltern ein Fragebogen zugestellt, 
auf dem sie über den Gesundheitszustand des Kindes in den sechs ersten 
Lebensjahren Aufschluß geben sollen. Dieser Gesundheitsbericht wird dann 
ständig durchgeführt, bis das Kind aus der Schule entlassen wird. Wenn sich 
bei der halbjährlichen Untersuchung Krankheitserscheinungen zeigen, wird es 
den Eltern mitgeteilt. Der Schularzt kann keine Kinder behandeln, er hat nur 
die Krankheit festzustellen. Die Stadt wendet für die Schularzteinrichtung 
jährlich 6 — 6000 M. auf. Für jedes neu eintretende Kind werden dem Arzt 
0,50 M., für jede Klasse jährlich 7,50 M. vergütet. Der Spezialarzt bekommt 
fär jeden Fall 1 M. 

In Hildesheim wurde der Antrag der Schuldeputation auf Anstellung 
von Schulärzten für die Volksschule durch die Stadtverordnetenversammlung 
angenommen. 

In Spandau werden an den Gemeindedchulen Schulärzte angestellt. Diese 
erhalten für ihre Mühewaltung 0,3ü M. pro Kopf und Jahr. 

In Köpenick werden vom 1. April 1906 ab sechs Schulärzte für die 
Volksschulen angestellt. 



Scilul&iztliches. 



129 



B. SclmlUrztliclie Berichte. 

Der Jahresberioht über die sohulärztliohe T&tigkeit in den Mittel- 
und Stadtschulen der Stadt Darmstadt im Sohuljahr 1904/05, verfaßt 
Yon Sanitätsrat Dr. med. Buchhold- Darmstadt, gibt das folgende Gesamt- 
resnltat der Untersuchungen im ersten, dritten, fünften und achten Schuljahre 
aus elf Mittel- und Volksschulen Darmstadts. 



Erg:ebnis der XJntersuoliune^en der 



a) Anf- 
Bahme- 
klassen 



Kl. VIII 



b) übrigen Klassen 



Kl. VI T^Kl. IV I Kl. I 



u 
s 



S 





fflrnt 


392 


387 


295 


249 


1323 


37,54 


Allgememe Konstitution { mittel 


679 


580 


556 


290 


2104 


69,71 


[ schlecht 


40 


26 


19 


12 


97 


2,75 




3524 






Blutarmut 


116 


111 


116 


67 


409 


11,60 


CS 


Skrofulöse 


25 


14 


3 


7 


49 


189 


e 


Rachitis 


43 


22 


18 


10 


93 


2,64 


Wirbelsäule u. Extremitäten 


24 


16 


23 


6 


68 


1,92 


^ 


Mund — Nase — Hals 


72 


60 


48 


42 


222 


6,29 


^ 


Bronchien — Lungen — Pleura 


20 


6 


12 


6 


43 


121 


5 


Herz und Herzbeutel 


6 


7 


13 


11 


37 


1,05 


•^ 
1 


Baucheingeweide 


— 


— 


5 


1 


{'6 


0,16 


ünterleibsbrflche 


3 


8 


7 


4 


22 


0,62 


Ü 


Hauterkrankungen 


20 


19 


12 


6 


67 


1,61 


w 


Parasiten 


70 


65 


54 


7 


196 


5,56 


£ 


Augen 


58 


74 


64 


64 


260 


7,87 


& 


Ohren 


18 


25 


27 


7 


77 


2,18 


:s 


Sprachfehler 


14 


15 


8 


5 


42 


i;i9 


.1 


Geistige Schwäche 


13 


3 


2 


— 


18 


0,50 


^ 


Epilepsie 


— 


1 


— 


— 


1 


0,08 




Sonstige Erkrankungen 


6 


3 


9 
421 


9 


27 


0,76 


Summe 


507 1 


252 


1627 


1 46,08 



Anzahl der abgehaltenen Sprechstunden bezw. Schulbesuche in 

sämtlichen Klassen 

Anzahl der unter dauernder ärztlicher Überwachung stehenden 

Kinder in sämtlichen Klassen 

Anzahl der beim Unterricht besonders zu berücksichtigenden 

Kinder in sämtlichen Klassen 

Anzahl der an die Eltern gesandten schriftlichen Mitteilungen 

in sämtlichen Klassen 



264 
548 
279 
441 



Die Gesamtsumme der Blutarmen betrug danach 409 = 11,60 7^ (im 
Voijahre 12,46) und setzt sich zusammen aus 178 Knaben = 5,05 % (im Vor- 
jahre 5,38) und 231 Mädchen = 6,65 % (7,13). 

Die zweithöchste Ziffer der aufgezählten Gesundheitsstörungen finden wir 
diesmal unter den Augenerkrankungen, wovon im ganzen 260 = 7,37 7o (7,66), 
und zwar 148 = 4,20 7^ (4,67) bei Knaben und 112 = 3,17 7^ (3,08) bei Mädchen 
bemerkt worden sind. 

Gesunde Jugend. V. 6/6. 9 



130 Schulärztliches. 

In dritter Linie hinsichtlich der Häufigkeit des Vorkommens stehen die 
Erkrankungen von Mund, Nase, Hals, welche mit 222 Fällen oder 6,29% 
(im Yoijahre 7,22) aufgezählt sind. Hierzu stellen die Mädchen 125 ^ S,54 % 
(4,26), die Knaben 97 = 2,76 V^ (2,96). 

In der Reihe 11 sind die mit Parasiten behafteten Kinder aus den 
untersuchten Klassen aufgeführt, und zwar 101 Mädchen == 6,42 % (6,63) und 
6 Knaben = 0,14 7o (0,88), im ganzen 196 = 6,66% (6,06). Mehrmals wurde 
zwangsweise Reinigung im städtischen Hospital beantragt und durchgeführt. 
Von ansteckenden Krankheiten traten in der zweiten Hälfte des Schul- 
jahres Masern und Keuchhusten in verschiedenen Stadtteilen auf und gaben 
öfter Veranlassung zu Schulversäumnissen. Im allgemeinen kann der Gresund- 
heitszustand im Berichtsjahr als gut bezeichnet werden. Die Benutzung der 
Schulbrausebäder war insbesondere in den Knabenschulen einerecht rege; 
dagegen läßt sie in den Mädchenschulen noch zu wünschen übrig. 

Durch Beschluß der Stadtverordnetenversammlung vom 19. Januar 1905 
wurde der älteste Schularzt zum Mitglied des Schulvo'rstandes für 
die Volksschulen gewählt, wodurch die Betrebungen der Schulärzte in ehren- 
voller Weise anerkannt wurden. Im Laufe des Schuljahres Ixat das Schularzt- 
kollegium zu 12 Sitzungen zusammen. 

Von der segensreichen Einrichtung der zahnärztlichen Poliklinik 
wurde auch im letzten Schuljahr von vielen Kindern Grebrauch gemacht und 
bei jedem Schulbesuch von den Schulärzten auf die Wichtigkeit einer rationellen 
Zahnpflege hingewiesen. 

Der Austausch der Jahresberichte gegen diejenigen anderer Städte gab 
auch im abgelaufenen Schuljahr den Schulärzten manche Anregnug und Ge- 
legenheit zum Vergleich verschiedener Methoden des schulärztlichen Dienstes. 
Der auf dem Nürnberger Internationalen Kongreß für Schulhygiene 1904 be- 
gründeten Kommission zwecks Feststellung gewisser Fragen des schulärztlichen 
Dienstes ist auf besondere Aufforderung hin auch der Vorsitzende des Darm- 
städter SchularztkoUegiums beigetreten. 

Aus dem Jahresbericht des Schularztes Dr. Langsdorf über seine 
Tätigkeit im Schuljahr 1904A)o in der Hilfsschule für schwach bean- 
lagte, körperlich oder geistig zurückgebliebene Kinder zu Darm- 
stadt entnehmen vm* folgendes: 

Die städtische Hilfsschule mußte im sechsten Jahre ihres Bestehens 
wiederum um eine Klasse vergrößert werden, so daß sie nunmehr fünf Klassen 
zählt. Aus der stetig steigenden Zahl der Schüler geht wohl mit Sicherheit 
hervor, daß das Verständnis für diese segensreiche Einrichtung in den Eltern- 
kreisen zugenommen hat, und daß die Vorurteile gegen eine Aufnahme in die 
Hilfsschule im Schwinden begriffen sind. Auch durch eigene Beobachtung 
sowie Mitteilung aus Lehrerkreisen wird dies bestätigt. Von den am Anfange 
des Schuljahrs neueintretenden Schülern hatte die Mehrzahl bereits mindestens 
zwei Jahre die unteren Klassen einer Schule besucht ohne entsprechende Fort- 
schritte zu zeigen. Die Aufnahme dieser Kinder in die Hilfsschule erfolgte 
dann auf Vorschlag des seitherigen Klassenlehrers gemeinschaftlich mit dem 
betreffenden Schulleiter und dem Schularzt. Ausdrücklich wird zu jeder Auf- 
nahme die Zustimmung der Eltern gefordert, die in fast allen Fällen nach einer 
entsprechenden Aufklärung ohne besondere Schwierigkeiten zu erlangen war. 
Die Zuteilung der Kinder zu den einzelnen Klassen erfolgte, wie seither üb- 



Schulärztliches. 



131 



lieh, aus praktischen Bücksichten auf den Unterricht in erster Linie nach der 
Entwicklung der geistigen Fähigkeiten, während das Alter und der verschieden 
lange Schulbesuch dabei weniger in Betracht kamen. Knaben und Mädchen 
wurden gemeinsam unterrichtet. 

Die Untersuchungen der Kinder führten zu folgendem Ergebnis: 

Ergebniü der UnterBuchongen der 




'S 
5 



I Blutarmut 
1 Skrofulöse 

Rachitis 

Wirbelsäule u. Extremitäten 

Mund — Nase — Hals 

Bronchien — Lungen — Pleura 

Herz und Herzbeutel 

Baucheingeweide 

Unterleibsbrüche 

Hauterkrankungen 

Parasiten 

Augen 

Ohren 

Sprachfehler 

Geistige Schwäche 

Epilepsie 

Sonstige Erkrankungen 



Summe 



3 I 6 

- 1 

- I 3 
8 3 

- ! 1 



- ! 3 

4 6 
2 3 

5 I 6 



12 

4 
1 

4 

20 

3 



12,24 
4,08 
1,02 
4,08 

19,40 
8,0« 



2,04 



9,18 



9 
18 

10 ! 10,20 
19 i 18,38 



17,86 



bei allen in verschiedenen Graden 



23 16 



27 



27 I 10 



1,02 



103 



Anzahl der abgehaltenen Sprechstunden bezw. Schulbesuche in 

sämtlichen Klassen 

Anzahl der unter dauernder ärztlicher Überwachung stehenden 

Kinder in sämtlichen Klassen 

Anzahl der beim Unterricht besonders zu berücksichtigenden Ejnder 

in sämtlichen Klassen 

Anzahl der an die Eltern gesandten schriftlichen Mitteilungen in 

sämtlichen Klassen 



11 

aUe 

16 



Zwei Schüler wurden zu einem von der Stadt veranstalteten Stotterer- 
kursus für den Sommer 1905 ausgewählt. 

Besucht wurde die Schule während der Unternchtsmonate einmal monat- 
lich, im ganzen 11 mal. Im Schulbad wurde wöchentlich einmal, im ganzen 
44 mal gebadet, und zwar war die Frequenz des Bades eine günstige, wenn 
man berücksichtigt, daß bei dem schlechten Gesundheitszustand viele der Kinder 
(infolge von Ohren-, Nasen- und Augenleiden usw.) ärztlich vom Baden be- 
freit waren und einige wegen Lähmung nicht teilnehmen konnten. 

Am Milch frühstück nahmen während der Wintermonate 32 Schüler 
unentgeltlich und weitere 9 gegen Bezahlung teil. Mehrere Schüler wurden 

9* 



1 32 BeBprechungen . 

zur Teilnahme an einem Badeaufenthalt in Bad Nauheim sowie einem 
Landaufenthalt im Odenwald vorgeschlagen. 

Die bis jetzt erzielten £rfolge der Hilfsschule sind nach Angaben der 
Lehrer und nach eigenen Beobachtungen bei den meisten Kindern als befriedi- 
gende zu bezeichnen. Allerdings muB hervorgehoben werden, daß sich bei 
mehreren Kindern, selbst bei den geringen Anforderungen der Hilfsschule, 
irgendwelche Resultate nicht erzielen ließen, so daß ihre Aufnahme in eine 
Idiotenanstalt beantragt werden mußte. 



VI. Bespreclnmgeii. 



Heller: Überbürdungspsyehosen bei minderwerti£:en Kindern. Zeit- 
schrift für Schulgesundheitspflege. 1906. No. 10. 

Immer stärker wird die Forderung, daß die Schwachbegabten einer be- 
sonderen individuellen Behandlung beim Untenicht bedürfen und daß gerade 
hier geistige Überbürdung leicht zu Psychose führen kann. Verfasser teilt 
einige solcher Fälle (aus seiner Praxis) mit, welche er durch eine geeignete 
Beschäftigungs- und Arbeitstherapie unter sachverständiger Aufsicht zur Hei- 
lung bringen konnte. 



Burmeister: Über die Verwendung: von staubbindenden Fußbodendien 
in Schulen. Internationales Archiv für Schulhygiene I, 2. 1905. 

Schon seit einer Reihe von Jahren haben sich die Fußbodenöle zur Be- 
seitigung der Staubplage in den Schulen bewährt, indem der Keimgehalt der 
Luft um das Drei- bis Vierfache herabgesetzt wurde. Am meisten Verwen- 
dung hatte bisher das Dubtleßöl (Dustleßgesellschaft in Mainz) gefunden. 
Verfasser untersuchte die staubbindende Kraft eines neuen Fußbodenöles von 
der Firma J. A. Wilke in Burg bei Magdeburg, dessen Preis bedeutend nie- 
driger ist als der des Dustleßöles. Die experimentellen Untersuchungen er- 
gaben, daß ein Unterschied in der Wirkung der beiden öle nicht bestand. 
Im Vergleich zu nicht geölten Zimmern zeigte sich eine Herabsetzung der 
Keimzahl um das Drei- bis Vierfache. Nach sieben Wochen hatte die Wir- 
kung der Fußbodenöle erheblich nachgelassen. Verfasser untersuchte auch, 
ob in dem Schulstaub sich Tuberkelbazillen nachweisen ließen, indem er 
mit kleinen sterilisierten Schwämmchen den Staub von verschiedenen Stellen 
aufwischte, und zwar vom Katheder, von einer Schulbank, vom Schrank, vom 
Kleiderständer und vom Fußboden. 

Eine Verimpfung des in Bouillon aufgeschwemmten Staubes in Meer- 
schweinchen ergab stets ein negatives Besultut. Tuberkelbazillen ließen sich 
also nicht nachweisen. Die Ergebnisse seiner Versuche faßt der Verfasser in 
folgendem zusammen: 

„Die Pußbodenöle sind vorzügliche Mittel zur Verminderung der Staub- 
plage in den Schulen, in denen wegen mangelnder Mittel eine tägliche feuchte 
Reinigung nicht möglich ist. Die Dauer der staubbindendeu Kraft der Fuß- 
bodenöle ist verschieden, sie hängt von der Beschaffenheit der Fußböden, der 



Bespreclraiigen. 133 

Häufigkeit der Benutzung der Zimmer und der Anzahl der Schüler ab; bei 
Volksschulen mit Elassenzimmem von 40 — 60 Schülern und schlechtem Fuß- 
boden muß eine Impr&gnierung mit dem Fußbodenöl alle sechs Wochen er- 
folgen. Das Wilkesche Fußbodenöl ist dem Dustleßöl vollkommen gleich- 
wertig; es ist daher dem beinahe um die Hälfte billigeren Fußbodenöl der 
Firma Joh. Arnold Wilke in Burg der Vorzug zu geben." 



Ton Ziegler: Die Kumslohtigkelt der Schüler höherer Lehranstalten, 
eine Gefahr fQr die Landesverteidigung, und ihre Bekämpfung. 
Monatsschrift fSr das Tumwesen. 1906. Heft 8. 
Sich stützend auf die Untersuchungen von Cohn-Breslau über die Kurz- 
sichtigkeit der Studenten rechnet Verfasser aus, daß der Landesverteidigung 
lediglich wegen Kurzsichtigkeit ca. 3000 Einjährig-Freiwillige jährlich ent- 
gehen. Um die gerade unter den Schülern der höheren Schulen so sehr ver- 
breitete Kurzsichtigkeit zu mindern, müßten die Schulen eine regelmäßige 
Gjnmastik des Auges, Übung im Erkennen kleiner Gegenstände in der Ferne 
und Einprägen bestinmiter Entfernungen einfiihren, wie sie im Forstfach und 
beim Militär schon lange mit Erfolg betrieben werden. Auf dem Turnplatz, 
während der Schülerwanderungen und vor allem an den Spielnachmittagen 
ließen sich derartige Übungen mit Leichtigkeit einschieben. Sehr wertvoll für 
die Augen sind Schätzen größerer Distanzen, Geradeausgehen auf weite 
Strecken und die militärischen Rieht- und Deckübungen. Die Einführung von 
Schießübungen, wie sie Korman auf der zweiten Jahresversanunlung des 
Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege in Wiesbaden 1901 vorschlug, 
um die Augen der Kinder wieder für weite Entfernungen einzustellen, hält 
Verfasser von seinem Standpunkt aus nicht füi angebracht. Er glaubt, daß 
diese Schießübungen einmal wegen der damit verbundenen Gefahr und Ver- 
antwortung bedenklich seien und vom militärischen Standpunkt nicht empfeh- 
lenswert, da leicht Fehler angezogen werden, die später schwer beseitigt 
werden können. 



Soliröer: Die Dispensationen vom Turnunterricht. Monatsschrift für das 
Tumwesen. 1906. Heft 8. 

Der obligatorische Charakter des Turnunterrichts ist besonders an den 
höheren Schulen doch sehr illusorisch, da an einzelnen Gymnasien nach des 
Verfassers Angaben im Sommer bis zu 27,1, im Winter bis zu 28,7 ^^^ der 
Schüler vom Turnen dispensiert waren. An der Hand des Jahresberichts des 
Friedrich Wilhelm -Realgymnasiums in Stettin 1903/4 zeigt Verfasser, daß von 
der Obertertia an aufwärts nicht die Hälfte, von Prima und Obersekunda nicht 
einmal ein Drittel aller Schüler am Turnunterricht voll teilnimmt. Um diesem 
Übelstand abzuhelfen, sind folgende Vorschläge ins Auge zu fassen: 

1. An den Tagen, an denen die Schüler nachmittags turnen, erhalten die 
betreifenden Klassen keine neuen Schulaufgaben; 

2. der Schuldirektor wird ermächtigt, bei beantragten Dispensationen 
nach seinem Ermessen ein Physikatsattest zu verlangen; 

3. die deutsche Wehrordnung wird dahin ergänzt, daß die Berechtigung 
zum einjährigen Heeresdienste in Zukunft nicht allein von wissenschaftlichen, 



134 Besprechungen. 

sondern auch von genügenden körperlichen Leistungen in der Schule ab- 
hängig ist. 

Funkt 1 und 2 halten auch wir für angebracht, nur wäre bei 2 zu setzen 
ffPhysikatsattest oder Schularztattest*'. Punkt 3 scheint doch zu weit zu 
gehen, denn erstens kann man doch denen, die wegen körperlicher Gebrechen 
oder Schwächen dem Turnunterricht beim besten Willen nicht beizuwohnen ver- 
mögen, denBerechtigungsschein nicht verweigern, und zweitens können sich die 
Schüler, die während der Schulzeit vom Tumunteiricht dispensiert werden 
mußten, nach derselben so entwickeln, daß sie zum Heeresdienst tauglich sind. 
Allerdings sind auch wir der Ansicht, daß die Ärzte bei vielen Dispensationen 
zu leichtgläubig sind und sich nicht nur von dem positiven Befund leiten 
lassen. Leider gilt ja heute noch vielfach die Meinung, eine Dispensation 
vom Turnunterricht kann dem Schüler weder schaden noch nützen, und 
nehmen es die Ärzte mit einer solchen deshalb nicht so genau. 



BomitroTlcli: Der Hygieniker und die Schulbank. Internationales Archiv 
fOr Schulhygiene. Bd. I. Heft 1. 

Die Anforderungen, welche die Hygiene an die Schulbank stellen muß, 
teilt Verfasser in zwei Gruppen ein: 

1. In Anforderungen, die in direkter Beziehung zum Körper der Schul- 
kinder stehen; 

2. in solche, durch die indirekt auf die Gesundheit der Kinder ein- 
gewirkt wird. 

In der ersten Gruppe ist das Prinzip der Individualisierung des Gestühls 
(Qniversalbank) von dem der Generalisierung (Feste Gruppenbank) zu unter- 
scheiden. Eine vollkommene Anpassung in allen Teilen ist nur mit der 
Gruppenbank zu erzielen, um hiermit den Anforderungen der Hygiene gerecht 
zu werden, ist aber zuerst der Unterschied in den Körpergrößen des größten 
und kleinsten Kindes dabei festzustellen. Um ein hinreichend genaues Ver- 
hältnis der Extremitäten zur Körpergröße zu erhalten, sind an möglichst 
vielen Orten Messungen vorzunehmen. Für die Höhe des Sitzes der Schulbank 
ist allein die Länge des Unterschenkels maßgebend; der Fuß des Sitzenden 
soll bei vertikaler Lage des Unterschenkels auf der Unterlage voll aufruhen. 
Für die Tiefe des Sitzes ist die noch mögliche maximale Sitzfläche des Kör- 
pers zu ermitteln^ wobei man außer der genügenden Flächentiefe auch die 
genügende Flächenbreite berücksichtigen muß. Die Tiefe soll niemals gleich 
der ganzen Länge des Oberschenkels sein^ sondern nur mit '/s ^^s höchstens 
^4 desselben angenommen werden. Für die Form des Sitzbrettes ist es am 
besten, wenn dasselbe sich der Sitzfläche des Körpers anpaßt und dement- 
sprechend ausgehöhlt ist. Die Höhe des Sitzraumes (Differenz) soll gleich dem 
vertikalen Abstand der Ellenbogenspitze, bei lotrecht herabhängendem Arm, 
von der vorderen Kante des Sitzbrettes -f- ^ ^^^ 3 cm für die zum Schreiben not- 
wendige Drehung des Armes nach vom sein. Der Lehnenabstand (große Differenz 
nach Schenk) muß so bemessen sein, daß es dem Schreiber möglich ist, zu 
schreiben, ohne die Kreuzstütze zu verlassen. Die Lehne soll sich unterhalb 
des Kreuzstützpunktes mit einer dem oberen G^säßteil angepaßten Höhlung 
fest an das Sitzbrett anschließen. Für jeden Schüler ist eine besondere Lehne 
anzubringen. Der Sitzraum soll für jeden Schüler so breit bemessen sein, daß 



Besprechmigen. 135 

beim Auflegen der Unterarme auf die Tischplatte, parallel zur Tischkante, die 
Spitzen der ausgestreckten Finger einer Hand die Handwurzeln der anderen 
berühren. Die Tischplatte ist in der Neigung von y^ anzubringen. 

Die zweite Gruppe der hygienischen Anforderungen bezieht sich auf 
die sonstigen Momente, welche auf die Gesundheit des Kindes einwirken 
können. Hier sind folgende Punkte in den Yorderg^rund zu stellen: 

1. Die Möglichkeit zur gründlichen Reinigung des Fußbodens muß ge- 
geben sein. Ein gleichzeitiges Hochheben der gesamten Subsellien wäre das 
Ideale, läßt sich aber wegen der technischen Schwierigkeiten nicht möglich 
machen. Es genügt jedoch auch das Umlegen der einzelnen Bank ; 

2. das Schulgestühl soll mit einem geschlitzten oder gerillten Fußrost 
versehen sein, um den Schmutz von dem Schuhwerk der Kinder entfernen zu 
können, und um im Winter ein Naß- und Kaltwerden der Füße zu verhüten; 

3. das Schulgestühl soll nicht mehr als zweisitzig sein, um eine gleich- 
mäßige Verteilung der Kinder zu bewirken und dadurch einer Stagnation der 
schlechten Luft vorzubeugen; 

4. die für die Tagesbeleuchtung ungünstig gelegenen Arbeitsplätze, d. h. 
die der innersten Sitzreihen, müssen an die Fenster herangerückt werden 
können. Erforderlich für diesen Zweck sind zweisitzige Bänke mit verkürztem 
Sitz, wodurch der Zwischenraum zwischen den Bänken eingeengt werden kann ; 

5. zum Aufstehen soll das Kind ganz aus der Bank heraustreten. Hier- 
bei tritt der Fuß des Aufstehenden auf den tiefer als das Fußbrett liegenden 
Boden, wozu ein geringerer Kräfkeaufwand nötig ist, als wenn das Kind sich 
auf dem Fußbrett aufrecht erheben muß. Ein den hygienischen Anforderungen 
entsprechendes Gestühl soll in allen Teilen fest sein, mit einem für das 
Schreibsitzen bemessenen Lehnenabstand. Gestühle mit beweglichem Lehnen- 
abstand sind zu verwerfen, einmal wegen des unvermeidlichen Geräusches, 
dann wegen der den Kindern gegebenen Gelegenheit zum Unfug und zuletzt 
wegen der Möglichkeit einer körperlichen Verletzung der Kinder. 



Br. Leo Bargerstein: 1. Gesundheitsregeln für Schüler und Schülerinnen 
aller Lehranstalten. Zehnte, durchgesehene Auflage. Leipzig. Für das 
Deutsche Reich in Kommission bei B. G. Teubner, 1905. 16 Seiten. 8*^. 
Preis 10 Pfennige. 2. Zur h&uslichen Gesundheitspflege der Schul- 
jugend. Bemerkungen für die Eltern und die Pfleger von Kostzöglingen. 
Zehnte, durchgesehene Auflage. Leipzig. Für das Deutsche Reich in 
Kommission bei B. G. Teubner, 1905. 16 Seiten. 8^ Preis 10 Pfennige. 
Zwei ausgezeichnete Schriftchen sind es, die der Verfasser, der als Schul- 
hygieniker in seiner Heimat und im ganzen gebildeten Ausland durch bahn- 
brechende literarische Tätigkeit sich einen wohlverdienten Namen erworben 
hat, hier der Öffentlichkeit übergibt. Beide Broschüren sind im amtlichen 
Auftrage zum erstenmal in Wien herausgegeben und haben innerhalb Jahres- 
frist nicht weniger als zehn Auflagen erlebt (die zehnte in Kommission bei 
B. G. Teubner, Leipzig). In derselben Zeit sind sie in neun Sprachen übersetzt 
worden, und von zwei solchen Ausgaben ist schon die zweite Auflage vorhanden. 
In maßgebenden wissenschaftlichen Kreisen haben die beiden Werkchen eine 
glänzende Beurteilung und Würdigung gefunden, die dem Verfasser zu aller 
Ehre gereichen. 



136 Besprechniigen. 

Die erste der kleinen Broschüren richtet sich an die Schüler nnd Schule 
rinnen und behandelt folgende Gegenstände : Tagesordnung, Bett, Klei- 
dung, Essen und Trinken, Genußmittel, Zahnpflege, Atmung, 
körperliche Bewegung, Hautpflege, Gesicht und Gehör, Körper- 
haltung bei derLernarbeit und Vorsichten in bezug auf ansteckende 
Krankheiten. 

Die zweite Broschüre enthält beherzigenswerte Winke für das Elternhaus 
in bezug auf die körperliche Förderung seiner Pflegebefohlenen und bietet eine 
wertvolle Ergänzung des ersten Werkchens. 

Verfasser hat es in geschickter Weise verstanden, nach Darstellungsweise 
und Inhalt sich den Kreisen anzupassen, für die in erster Linie seine Rat- 
schläge bestimmt sind. Schulleiter und Lehrerschaft sollten nicht versäumen, 
ihre Zöglinge und das Elternhaus auf die beiden Broschüren aufmerksam zu 
machen. 



Dr. Martin Hartmanu: Die höhere Schule und die Gtosundheitspfleg^e. 
Leipzig, B. G. Teubner, 1905. IV + 66. 8". Preis 1 Mk. 

Verfasser gehört erfreulicherweise zu denjenigen Vertretern des akademisch 
gebildeten Lehrerstandes, die, bei aller Inanspruchnahme durch die Fachwissen- 
schaft und bei einer außerordentlich vielseitigen Wirksamkeit in derselben 
auch nach außen hin, dennoch Zeit gefunden haben, den modernen Be- 
strebungen auf dem Gebiete der Schulhygiene sich zuzuwenden. Seine kleine 
Broschüre (als Vortrag gehalten am 6. April 1904 auf der 14. Hauptversamm- 
lung des Sächsischen Gymnasiallehrervereins) ist ein Programm zu einer Schul- 
reform im hygienischen Sinne, das so maßvoll gehalten ist, daß wir ihm im 
Prinzip unsere Zustimmung ohne Bedenken erteilen können. Nach Ansicht 
des Verfassers muß es als eine dringende Aufgabe bezeichnet werden, bald- 
möglichst Veranstaltungen dafür zu treffen, daß die Lehrerschaft mit dem 
Rüstzeuge der modernen Schulhygiene versehen werde, damit der Geist dieser 
Wissenschaft den ganzen ünterrichtsbetrieb durchziehe und bei Schülern wie 
Lehrern zur Erhöhung der Arbeitsfähigkeit, wie der Arbeitsfreudigkeit beitrage. 
Vor allem ist es am Platze, schon den das Lehrfach Studierenden nachdrück- 
lich nach dieser Seite hin zu lenken, und darum muß er im letzten Teile 
seines Studium^ eine schulhygienische Vorlesimg hören, damit er wenigstens 
die Elemente dieser so ungemein wichtigen Disziplin kennen lernt. Ernsthafte 
Ergebnisse dieses Studiums werden allerdings nur erzielt werden, wenn auch 
in der Staatsprüfung ein Ausweis über die Beschäftigung mit Schulhygiene 
verlangt wird, denn was nicht geprüft wird, das scheint vielen Studierenden 
nur zu leicht als quantit^ nägligeable. Femer würde es gut sein, auch die 
im Amte befindlichen Lehrer in Kursen durch Wort und Scbrift für die Sache 
zu interessieren. Neben solchen Kursen ist aber auch das Privatstudium von 
Wichtigkeit, und dazu ist vor allem durch die Lehrerbibliotheken Gelegenheit 
zu geben. 

So dringend notwendig es auch sein mag, die Lehrerschaft durch die 
Schulhygiene zu interessieren, darüber darf man sich nicht täuschen, daß das 
Wirken auch des hygienisch gebildeten Lehrers allein noch nicht ausreicht, 
darum muß diesem der Arzt (Schularzt) zur Seite treten als der berufsmäßige 
Hüter und Wächter der Gesundheit. Die höhere Schule hat alle Ursache, die 



Besprechnngen. 137 

Einrichtung des Schularztes herbeizuwünschen und dafür einzutreten. In erster 
Linie hätte es dieser mit der Revision der Schulbaulichkeiten und ihrer 
neueren Einrichtung zu tun, einschließlich der Turnhallen, und hier könnte er 
für uns ein äußerst wertvoller Bundesgenosse werden. Abgesehen davon hat 
es der Schularzt auch mit der sanitären Überwachung der Schüler zu tun. 
Von ganz besonderer Wichtigkeit erscheint Verfasser die hygienische Belehrung, 
die der Schularzt in gewissen Dingen besonders den Schülern der oberen 
Klassen wirksam erteilen könnte. Verf. denkt hier namentlich an hygienishe 
Belehrung über die verhängnisvollen Gefahren, die der Jugend durch sexuelle 
Ausschreitungen irgendwelcher Art drohen. Femer könnte dem Schularzt die 
Ausbildung älterer Schüler im Samariterdienste übertragen werden. 

Auch seitens der Lehrerschaft müßte den Schülern hygienische Unter- 
weisung zuteil werden und zwar auf allen Klassenstufen von unten angefangen. 
Verfasser will nicht der Einfügung eines neuen Faches in den Lehrplan der 
höheren Schulen das Wort reden, er verlangt nur eine gelegentliche Belehrung 
im Anschluß an besondere Vorkommnisse oder an besonders geeignete Unter- 
richtsstoffe. Die Ordinarien, namentlich die der unteren Klassen könnten hier 
eine sebr fruchtbare Tätigkeit entfalten. Daß die Lehrer selbst in ihrem 
ganzen Handeln und Verhalten hygienisch möglichst vorbildlich auf die Schüler 
einwirken sollen, braucht nicht erst bewiesen zu werden. 

Besonders dringend nötig ist es, daß die Jugend der höheren Schulen 
über die Gefahren des Alkoholismus aufgeklärt werde. 

Daß bei der hygienischen Erziehungsfrage nicht bloß die Schule in Betracht 
kommt, sondern daß hier auch das Haus ein schwerwiegender Faktor ist, ist 
selbstverstän dlich. 

Ein weiteres Glied in der Kette der so dringend benötigten Reformen 
würde die Anstellung eines vortragenden schulhygienischen Rates am Sitze der 
Zentralbehörde sein. Er wäre gleichsam ein Zentralorgan der Gesundsheits- 
pflege, von dem bedeutsame Anregungen nach allen Seiten ausgehen würden. 
Jede Lehr- und Prüfungsordnung hätte er vor ihrer Veröffentlichung vom 
schulhygienischen Standpunkte aus zu begutachten und die im Texte dieser 
Ordnungen von ihm gegebenen Hinweise würden für die gesamte Lehrerschaft 
eine gewichtige Mahnung zu sorgsamer Beachtung der gesundheitlichen Ge- 
sichtspunkte sein. Auch die Stundenpläne der einzelnen Schulen würde er 
vom hygienischen Standpunkte aus zu prüfen und Änderungen da zu verlangen 
haben, wo es angezeigt wäre. Ein anderer wichtiger Teil der Funktionen 
dieses Rates würde ferner die periodisch vorzunehmende hygienische Inspektion 
der Schulen sein. Auch zu den Plänen neuer Schulbauten würde er gutacht- 
lich sich zu äußern haben. Dem hygienischen Rate würden natürlich auch 
die Schulärzte unterstellt sein. Endlich würde der Rat auch die berufene 
Persönlichkeit sein, der man die Leitung schulhygienischer Fortbildungskurse 
für die Lehrer unserer höheren Schulen anvertrauen könnte. 

So weit die Vorschläge des Verfassers. 

Wir wollen nicht versäumen, der akademisch gebildeten Lehrerschaft die 
Lektüre der Hartmannschen Arbeit aufs wärmste zu empfehlen. 



138 Kleinere Mitteilungen. 

YII. Kleinere Mitteilnngen. 



— Der Sohularst tdr höhere Lehranstalten, eine notwendige ISr- 
gänzung unserer Sohulorganisation. Auf Einladung des Vorstandes des 
Leipziger Vereins fiir Schulgesundheitspflege wird Prof. M. Hartmann dem- 
nächst einen Vortrag über obiges Thema halten. Im Hinblick darauf ver- 
öffentlicht er schon jetzt im Pädagog. Wochenblatt, 1906, Nr. 47 die dazu ge- 
hörigen Leitsätze, und wurde es im Interesse der Sache sehr begrüßen, wenn 
man sie der öffentlichen Erörterung für wert halten wollte. Der Vortrag selbst 
erscheint in Qerths Neuen Jahrbüchern für Pädagogik (B. G. Teubner). 

Leitsätze: 
I. 
Die Schularzteinrichtung, die sich für Volksschulen als heilsam er- 
wiesen hat, so sehr sie auch noch weiter vervollkommnet werden muß, ist 
auch für höhere Lehranstalten als ein Bedürfnis anzuerkennen. 

U. 
Die Schüler der höheren Lehranstalten, die länger und stärker in 
Anspruch genommen werden müssen als die Volksschüler, überdies aber 
zum großen Teile in dem so kritischen Lebensalter der Pubertätsentwick- 
lung stehen, sind nicht minder schwerwiegenden, wenn auch oft anders ge- 
arteten Störungen der Gesundheit ausgesetzt als die Volksschüler, und 
genießen durchaus nicht regelmäßig vorbeugende ärztliche Überwachung. 

m. 

Eltern sowohl als Lehrer haben ein großes Interesse an der Eingliede- 
rung des Schularztes in den Organismus der höheren Lehranstalt, als an einer 
Beform, die nicht nur dazu dient, die Gesundheit unserer Jugend zu 
bewahren und zu fördern, sondern die auch die Arbeit der Lehrer 
überaus wirksam unterstützen würde und schließlich nicht ohne Einfluß auf 
die Hebung der allgemeinen Lage des höheren Lehrerstandes 
bleiben könnte. 

IV. 
Die Stellung des Schularztes an der höheren Lehranstalt ist aufzufassen 
als die eines unter der Autorität der Schulleitung wirkenden sachver- 
ständigen Beraters in allen mit der Hygiene zusammenhängenden Fragen des 
Schullebens. 

V. 

Die allgemeine Aufgabe des Schularztes an der höheren Lehranstalt be- 
steht nicht in der ärztlichen Behandlung der Schüler, die nach wie vor Sache 
des Haus- oder Sache des Spezialarztes bleibt, sondern in der hygienischen 
Förderung der gesamten Schulgemeinschaft. 

Seine Tätigkeit erstreckt sich besonders auf folgende Pxmkte: 



Kleinere Mitteilungen. 139 

a) die hygienische Überwachung des Schulgebäudes und seiner Ein- 
richtungen, 

b) die Überwachung des Gesundheitsstandes der Schüler, unbeschadet der 
dem Bezirks- oder Kreisarzte zustehenden Befugnisse, 

c) die Begutachtung Ton Gesuchen um Dispens von einzelnen Unterrichts- 
fUchem und yon Gesuchen um Ferienverlängerung, sowie in zweifelhaften 
Fällen die Begutachtung von Gesuchen um Zulassung zum fakultativen 
Unterricht. 

Als wünschenswert und überall da berücksichtigenswert, wo die Aus- 
führung möglich ist, erscheint eine Tätigkeit des Schularztes auch nach folgen- 
den Seiten: 

d) die hygienische Belehrung der Schüler, namentlich der älteren, in 
allen für ihre Entwicklung bedeutsamen Fragen, 

e) die hygienische Anregung und Aufklärung der Erziehungspfiichtigen, 
auf deren tätige Mitwirkung und Unterstützung nicht verzichtet werden kann. 

Über seine Amtsführung erstattet der Schularzt alljährlich einen Bericht. 

VI. 
So wie die Verhältnisse zur Zeit liegen, ist nicht zu wünschen, daß die 
Schularzteinrichtung mit einem Male für alle höheren Lehranstalten eines 
Bezirkes ins Leben tritt, vielmehr sollten zunächst einzelne Anstalten, 
bei denen günstige Bedingungen für den Erfolg gegeben sind, gleichsam als 
Pioniere vorangehen, und erst auf Grund ihrer Eifahrungen würde später eine 
allgemeine Organisation zu schaffen sein. Für den Anfang ist es vor allem 
wichtig, daß einerseits die Einrichtung zuerst an solchen Schulen zur Einfüh- 
rung kommt, wo das Lehrerkollegium sich freundlich dazu stellt und 
geneigt ist, sie nach Kräften zu fördern, und daß andererseits die Persön- 
lichkeit des Schularztes alle wünschenswerten Bürgschaften für ein ge- 
deihliches Zusammenwirken mit der Lehrerschaft bietet. Je harmonischer 
Schularzt und Lehrer zum Wohle der Jugend zusammenarbeiten, um so wert- 
vollere Dienste wird die Einrichtung leisten. 

VII. 
Die Einfuhrung des Schularztes an höheren Lehranstalten bedeutet nicht 
nur für diese selbst, sondern für das Volkswohl überhaupt einen wich- 
tigen Fortschritt, insofern sie ein Mittel ist, die auf diesen Schulen vor- 
gebildeten Kreise von vornherein für die Sache der Gesundheitspflege zu 
interessieren und durch sie wiederum auf weitere Volksschichten hygienisch 
einzuwirken. 

— Gl^w&hrang von warmem Frühstüok für Sohulkinder von Land- 
gemeinden. Die Neuen Hess. Volksblätter erhalten aus Gießen (Oberhessen) 
folgende Mitteilung (vom 28. Sept. 1905). Die in der Stadt Gießen seit 
mehreren Jahren erfolgte Gewährung von warmem Frühstück — je V* Liter 
Milch und 1 Brödchen — an bedürftige Schulkinder scheint auch auf das 
Land ausgedehnt werden zu sollen. Die Kreisschulkommission des Kreises 
Gießen hat die Schulvorstände der Landgemeinden zum Bericht mittels Frage- 
bogen aufgefordert, das etwa nötige Material einzusenden, um danach prüfen 
zu können, ob für die Landgemeinden ein Bedürfnis für diese Einrichtung 



140 Kleinere Mitteilnngen. 

Yorlie^. In Gießen wnrden die Mittel bisher dnrch private Wohltätigkeit 
aufgebracht. 

— Anleitung der Jugend zum Schneesohuhlauf. Der Thüringer 
Wintersport -Verband zu Oberhof hat folgende Leitsätze, betreffend ' die Ein- 
führung des Schneeschuhlaufens bei der Jugend, beschlossen: 

I. Zur körperlichen Erziehung und gesundheitlichen Erfrischung unserer 
Jugend bedarf es in Hinblick auf die hohen Anforderungen, welche die Neu- 
zeit an die Gesundheit und zumal an die Nerventätigkeit stellt, einer immer 
weiteren Ausbildung auch der winterlichen Leibesübungen und bei uns im 
Gebirge insbesondere der Pflege des Schneeschuhlaufens. Es genügt 
nicht, daß in den Sommermonaten geturnt, gespielt, gerudert und ge- 
schwommen wird, der jugendliche Körper muß auch im Winter durch 
Leibesübungen im Freien gestärkt und gestählt werden. Hierzu eignet sich 
in hervorragender Weise das Schneeschuhlaufen. Es bietet Gelegenheit zu 
weiten Wanderungen in die winterliche Pracht unserer herrlichen Wälder, er- 
hebt das Gemüt, schult die leiblichen und geistigen Kräfte und läßt den Körper 
den gesundheitlichen Wert der frischen, Haut- und Nerventätigkeit anregenden 
Winterluft wohltuend empfinden. Das Schneeschuhlaufen ist bei verständiger 
Anleitung und richtiger Übung mit keinen Gefahren für die Gesundheit ver- 
bunden. 

n. Es ist daher dringend erwünscht, daß seitens des Thüringer 
Winter- Sport-Verbandes die thüringische und die Thüringen benachbarte Jugend 
und zwar sowohl die Schuljugend als die schulentlassene Jugend zum 
Schneeschuhlaufen angeregt wird. 

Hierzu sind geeignet: 

1. Die Aufforderung in den Tagesblättem und Zeitschriften und speziell 
an die Schulbehörden, die Schulleiter, sowie an die Turn-, Sport- und Spiel- 
vereinigungen, die Vorstände der Vereine zur Pflege der Jugendfürsorgebestre- 
bungen usw., das Schneeschuhlaufen, soweit irgend tunlich, in die Reihe der 
im Literesse der körperlichen Erziehung der Jugend und bei der schulent- 
lassenen Jugend auch im Interesse einer rechten imd echten Ausfüllung ihrer 
Mußestunden zu pflegenden Leibesübungen aufzunehmen bezw. zu empfehlen. 

2. Die Bezeichnung der Stellen, welche Auskunft erteilen über alle Fragen 
des Schneeschuhlaufens, insbesondere über die Bezugsquellen fSr billige und 
zweckmäßige Schneeschuhe. 

3. Die Ausarbeitung einer kurzen Anleitung, betreffend die Anforderungen, 
welche an einen guten Schneeschuh je nach Zweck und Gelände zu stellen 
sind, sowie die Erlernung des Schneeschuhlaufens, und eine Massenverteilung 
dieser Anleitung. 

4. Die Entsendung geeigneter Mitglieder des Verbandes oder der von 
diesem angenommenen Lehrmeister nach Bedarf behufs Belebung des Schnee- 
schuhlaufens durch persönliche Einwirkung. 

5. Die Angliederung von beitragsfreien Jugendabteilungen an die 
Ortsgruppen des Verbandes. 

6. Die Veranstaltung kleinerer lokaler Winterfeste mit Schneeschuhlaufen 
für die Jugend. 

7. Die Zulassung der Jugend zu Preislaufen bei dem Wintersportfeste des 
Verbandes unter sachgemäßer Erleichterung der Anforderungen. 



Kleinere Mitieiliuigen. 141 

8. Die Wahl von dauerhaften und zweckmäßigen Schneeschuhen bei Aus- 
Betzung von Prämien bezw. Preisen bei Schulfeiern und Tum- und Spielfesten 
der Jugend. 

— Über eine Epidemie von Tremor hystericus unter Mädchen einer 
Töchterschule schreibt der Basler Schularzt Professor Dr. Burkhardt: ,,Die 
Epidemie entstand im Februar 1904 in der Töchterschule und erlosch erst 
nach verschiedenen Schwankungen gegen Ende des Jahres. Es wurden im 
ganzen etwa 200 Mädchen befallen, die Mehrzahl davon sehr leicht. In der 
Mädchensekundarschule zeigten sich die ersten Fälle im Juni, aber schon am 
16. Juli war die Epidemie ganz und für immer zu Ende. Es waren im ganzen 
27 Fälle. Die Yenchiedenheit der Intensität und die Dauer der Epidemie in 
den beiden Schnlanstalten mag zum Teil darin ihren Grund haben, daß die 
Mädchen der Töchterschule mehr zu Nervosität und Verzärtelung geneigt sind 
als die etwas robusteren und einfacheren Sekundarschülerinnen. Vielleicht 
werden an die Mädchen der Töchterschule auch etwas höhere Anforderungen 
gestellt. Wichtiger ist es, daß in der Sekundärschule von Anfang entschiedener 
und ohne alle Nebenrücksichten eingeschritten werden konnte als in der 
Töchterschule. Vor allem war es in der Sekundärschule von durchschlagendem 
Erfolge, daß diejenigen Mädchen, welche über die Zeit ihrer Eürankheit zu 
Hause geblieben waren, bei ihrer Rückkehr in die Schule nicht in die gewöhn- 
liche Klasse unter die gesunden Kinder aufgenommen vnirden, sondern zu be- 
sonderen Sammelklassen vereinigt wurden, woselbst die häufig vorkommenden 
Rückfälle durch eine zweckdienliche Beeinflussung im Keime erstickt und 
die intakt gebliebenen Mädchen nicht durch physische Kontagion gefährdet 
wurden. Der Schularzt hat auch in der Töchterschule von Anfang an ge- 
wünscht, daß die Rekonvaleszenten in derartigen Isolierklassen vereinigt würden. 
Allein es standen keine Lokalitäten zur Verfügung. Erst später (im Juni) trans- 
ferierte man die am schwersten betroffenen Klassen in toto in das Schwarzsehe 
Schulhaus, was einen entschieden günstigen Erfolg hatte. Man wird sich die 
Erfahrung zunutze machen müssen, wenn sich je vrieder ähnliche Erkrankungs- 
fälle zeigen sollten.*^ (Basler Zeitung.) 

— Die Ausstellung für Sohulhygiene in Hannover, welche durch 
den Ausschuß für Schulhygiene in Hannover fertig gestellt und am 3. Oktober 
eröffnet wurde, umfaßt das gesamte Gebiet der Schulhygiene. Sie ist in 
folgende Gruppen eingeteilt: A. Das Schulgebäude und seine Nebenanlagen. 

1. Schulbauten der Stadt Hannover (Schulbezirke, Ansichten und Grundrisse, 
Schulhof, Vorgarten, Treppen, Gänge, Aborte, Heizung, Brausebad, Bewässerung 
und Entwässerung). IL Schulpavillons und Schulbaracken. 111. Heizung 
(1. Lokalheizung, 2. Zentralheizung, 3. Allgemeines). IV. Verschiedenes (Matten, 
Trinkbecher, Spucknäpfe usw.). B. Das Schulzimmer. I. Das Musterschul- 
zimmer. IT. Lüftung (1. Beschaffenheit der atmosphärischen Luft. 2. Luftkubus. 
3. Luftprüfer. 4. Untersuchungen. 5. Messungen). 3. Beleuchtung (1. Orien- 
tierung Hannoverscher Schulen und Klassen. 2. Boden- und Fensterfläche. 
3. Öfinungswinkel. 4. Beleuchtungsmesser. 6. Messungen). IV. Bänke und 
Zeichentische. V. Bakteriologische Untersuchungen. VI. Infektionskrankheiten. 
C. Der Unterricht. I. Hygiene des Unterrichts. 1. Das normale Kind (Größe, 
Gewicht, körperliche und geistige Entwicklung, Krankheit und Sterblichkeit). 

2. Kind und Unterricht (Einfluß des Unterrichts, Ermüdungsmessungen, unge- 



142 Kleinere Mitteilongem. 

teilte Schulzeit, Stundenplan, Schädigung durch Sitzarbeit, Sehleistungen). 
3. Leibesübungen (Turnen und Spiel, Ferienspiele, Schwimmen). 4. Erste Hilfe- 
leistung. 5. Heilpädagogik. 6. Das anormale Kind. 7. Schularzt. H. Unter- 
richt in der Gesundheitslehre. 1. Modelle und Wandtafeln für den Unterricht 
in der Menschenkunde. 2. Tafel für die erste Hilfeleistung. 8. Nahrungs- 
mittel- und Haushaltskunde. 4. Frauenbekleidung. 6. Alkoholfrage. 6. Ver- 
suche zur Menschenkunde und Gesundheitslehre (dargestellt in Apparaten und 
Ergebnissen YOn Oskar Prasse, Lehrer in Leipzig). 

— Orthop&disoher Tumunterriolit in den Schulen. Eine wichtige 
sozialhjgienische Einrichtung wird an den Schöneberger Gemeinde- 
schulen getroffen werden. Auf Anregung der Schulärzte ist von der Schul- 
deputation sowie vom Magistrat die Einführung des orthopädischen Turnunter- 
richts für solche Kinder beschlossen worden, die namentlich Bückgratsver- 
krmnmungen aufweisen, deren Leiden sich aber noch im Anfangsstadium be- 
findet, so daß eine Heilung zu erwarten steht. Der Koltusminister hat der 
Einführung des orthopädischen Turnunterrichts im Prinzip zugestimmt und ge- 
nehmigt, dafi dafür nach Bedarf einige andere technische Unterrichtsfächer 
gekürzt werden dürfen. Um den Unterricht, der bereits mit dem 1. April n. J. 
aufgenommen werden soll, erteilen zu können, werden zwei Lehrer und eine 
Lehrerin bei Prof. Dr. Joachimsthal, dem Dozenten far orthopädische Chirurgie 
an der Universität, ausgebildet werden. (Berliner Morgenpost.) 

— Bei einer vom Kaiserl. Bezirkspräsidenten angeordneten UnterBUohiing 
der Zähne der Sohulkinder in den Gemeinden Saarburg und Nieder- 
weiler stellte der untersuchende Arzt fest, daß 96 Proz. der Schulkinder in 
Saarburg und 90 Proz. derjenigen in Niederweiler kranke Gebisse hatten. In- 
folge dieses Ergebnisses wird nun in Saarburg eine Zahnklinik errichtet, die 
die Zähne der Schulkinder auf Gemeindekosten regelmäßig untersuchen soU. 

(Saarbrückener Zeitung.) 

— Ferienwanderungen der VolksBohüler, die in diesem Sommer zum 
erstenmal versuchsweise der Deutsche Verein für Volkshygiene, Orts- 
gruppe Berlin (e. V.), durchgeführt hat, haben in jeder Beziehung einen aus- 
gezeichneten Erfolg gehabt. Es wanderten 100 Schüler im Alter von 12 bis 
14 Jahren in Gruppen von 20 unter Führung je eines Lehrers, und in sechs- 
tägiger Wanderfahrt besuchten die Knaben die Sächsische Schweiz, die Meck- 
lenburgischen Seen, Hamburg und seine Umgebung (wo durch die Güte des 
Norddeutschen Lloyd eine Seefahrt gemacht wurde) und die heimische Mark 
bis hinauf zur Seeküste. Mit Ausnahme von Mecklenburg fanden die Knaben 
bei der Bevölkerung freundliche Aufnahme und mancherlei Unterstützung, und 
sie sind trotz fast täglichen Marsches körperlich und geistig gekräftigt und 
erfüllt mit neuen Eindrücken nach Berlin zurückgekommen. Sie haben unter- 
wegs durch ihr bescheidenes und kameradschaftliches Verhalten, aber auch 
durch ihre offene Heiterkeit und durch ihre Berliner Schlagfertigkeit überall 
den besten Eindruck zurückgelassen und ihren führenden Lehrern für deren 
aufopferungsvolle Mühe den aufrichtigsten Dank gezeigt. 

(Berliner Börsenkurier.) 



ZeitschrifbeDrundschau. ^ j^^S 

Vin. Zeitschriftenrnndschan. 

Die mit * bexeichneten Zeitschriften wurden der Bedaktion mgeeandt. 



* Internationales Arohiv für Schulhygiene (Engel mann -Leipzig): 

1905, Bd. I, 4. Heft: Dr. Carlo Ferrai: Ricerche comparative di Psicologica 
sperimentale sni Sordomuti; Domitrovich: Le banc dMcole en Allemagnev 
et 8on ätat actuel; Dr. med. Lann: Soll man die SteilBchrift aus der Praxis 
verbannen? ZoUinger: Sechste Jahresversammlong' der schweizerischen Ge- 
sellschaft für Schulgesundheitspflege in Luzem, 14. und 16. Mai 1905. Zol- 
linger: Fünfte Schweizerische Konferenz für das Idiotenwesen in St. Gallen. 

Das SohulhauB (Karl Vanselow, Schulhausverlag, Berlin -Tempelhof) 

1906. 7. Jahrgang. Heft 7/8: Beermann, Sicherung der Bremischen Schulen 
gegen Feuersgefahr; Neubau einer Volksschule für Lockwitz (Bez. Dresden); 
Lindemann: Die Lehrwerkstätte an den gewerblichen Bildungsanstalten; 
De lins: Über die Behandlung der Wandflächen in den Unterrichtsräumen 
unserer höheren Schulen; Über die Anlage der Schultumräume (nach einem 
Vortrage von Prof. Glas -Wien); Sechste Jahresversammlung der Schweizerischen 
Gesellschaft für Schulgesundheitspflege. Heft 9: Fintelmann: Über den Wert 
imd die Entwicklung von Schulgärten; Neubau eines Zentralschulhauses zu 
Weißenburg i. B.; Bernhard i: Herzogliches Lehrerseminar zu Altenburg. 
Heft 10: Lux: Über das Schulhaus in Österreich; Handwerker- und Eunst- 
gewerbeschule in Bromberg; Ein neues Schulgebäude in Büdingen (Oberhessen); 
Entwürfe eines neuen Schulgebäude« für Friedrichshafen am Bodensee; Schul- 
bäder in Basel. 

*Da8 Sohulzimmer (Verlag Jobs, Müller-Berlin) 1905, Heft 3: Ab- 
handlungen von Otto Hack: Der Zeichensaal in neuzeitlicher Ausstattung; 
Nohl: Phjsikklasse mit ansteigendem Fußboden; Zollinger: Sechste Jahres- 
versammlung des Allgemeinen Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege in 
Stuttgart; Ausstellung moderner Schulzimmereinrichtungen; Eine Schulbank- 
geschichte von 1781. 

Schweizerisohe Blätter für Schulgesundheitspflege und Kinder- 
schutz (UI. Jahrgang. 1905). Heft 6: Jugendfürsorge in Dänemark; Enseigne- 
ment antialcoolique ; Amtliche Erlasse. Heft 7: Siebente Jahresversammlung 
der SchweizeriBchen Gesellschaft für Schulgesundheitspflege ; Amtliche Erlasse. 
Heft 8: Sechste Jahresversammlung des Allgemeinen Deutschen Vereins für 
Schulgesundheitspflege in Stuttgart; zwei schweizerische Versanmilungen zur 
Behandlung von Fragen der Blinden- und Taubstummenfürsorge; Zur Kritik 
meines Referates „Die Schul arztfrage auf Grund bisheriger Erfahrungen" von 
Dr. Fr. Stocker. Heft 9: Conclusions et Voeux vot^s par le deuxi^me Con- 
grha d'Hygi^ne scolaire et de Pedagogie physiologique ä Paris 11 — 13 Juin 
1905; Sechste Jahresversammlung des Allgemeinen Deutschen Vereins für 
Schulgesundheitspflege in Stuttgart (Schluß). Erwiderung (von Dr. Kraft). 

Die Qesundheits warte der Schule (Otto Nemnich- Leipzig). No. 7: 
Stadtschulinspektor Müll er- Wiesbaden: Was können Lehrer und Lehrerinnen 
tun, um die Entwicklung und das Fortschreiten der Kurzsichtigkeit bei ihren 



144 Bibliographie. 

Kindern zu verhüten und die Augen derselben au echäifen?; Oberbürger- 
meister Geheimrat P ab et- Weimar: Fiirsorge der Städte für kränkliche bezw. 
mit fehlerhaften Anlagen behaftete Schulkinder; Die Sophienhöhe bei Jena 
vom Schriftleiter. No. 8: Stadtachulinspektor Müller- Wiesbaden (Fort- 
setzung und Schluß); Große Männer, kleine Rekniten, vom Redakteur; Der 
Sechste Kongreß des Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege in Stutt- 
gart, vom Schriftleiter; Karl Schwarz-Chemnitz: Waldschulen. No. 9: 
Baur: Der Handfertigkeitsunterricht an Schulen im Dienste der Samariter- 
hilfe; Krumholz -Wien: Die Infektion durch Tuberkulose in den Lehrsälen 
der Normalschulen. Otto Majer-Mannheim: Die Stellung des Handarbeita- 
Unterrichts in der Hilfsschule. No. 10: Thierak- Nordhausen: Sprack- 
gebrechen. Karl Schwarz- Chemnitz: Die Bestrebungen des Lebensheimer 
Erziehungs Vereins; Georg Büttner -Worms: Beobachtungen über körperliche 
Rückständigkeit bei geistiger Schwäche; Ed. Schulze-Halle a. S.: Eine Aus- 
stellung von Lehrmitteln für Menschenkunde und Gesundheitslehre. No. 11: 
Medizinalrat Dr. Hensgen- Siegen: Wie kann die Schule mitwirken zum 
Schutze gegen die Verbreitung der Tuberkulose? Dr. Kali scher- Schlachten- 
see-Berlin: Über tik-artige Bewegungen bei Kindern; Ohnmacht, Hitzschlag, 
Fallsucht und elementare Schläge, vom Redakteur. 

Vierteljahrsschrift für körperliohe Erziehung (Organ des Vereins 
zur Pflege des Jugendspiels in Wien, im Selbstverlag des Vereins). 1906. 
Heft 3. Dr. L. Burgerstein: Ho&at Dr. med. Paul Schubert; Hans Wehr: 
Tumpädagogik und wissenschaftliche Pädagogik; Dr. V. Pimmer: Die Ferien; 
J. Hausmann: Über das Bedürfnis einer fachmännischen Tuminspektion; 
Rickmers: Der Skilauf; Theodor Fischer: Rundball; Dr. V. Pimmer: Die 
Verwendung von Armeezelten bei Schülerausflügen und Reisen. 



IX. Bibliograpliie. 



Die mit * bezeichneten Bücher usw. wurden der Redaktion zur Besprechung 
eingesandt. 
Ammon, D.: Geheime Sünden unter der Jugend beiderlei Geschlechts. 

1905. Ascona, C. v. Schmidtz. M. 0,60. 

Axenfeld, Prof.: Blindsein und Blindenfürsorge. Prorektorats-Rede. 1906. 

Freiburg i. B., Universitätsbuch dr. ü. Hochreuter. M. 1, — . 

Baldrian, K., Hauptl.: Entwurf eines Planes für Spaziergange, Ausflüge usw. 

mit taubstummen Zöglingen. Jahresbericht der niederösterr. Landes-Taub- 

stunmienanstalt Wien-Döbling. 1905. 20 S. 
Baur, A. , Dr. u. E. Fischer: Anatomisch-hygienisches ünterrichtswerk. 1906. 

Leipzig, Leipziger Schulbilderverlag u. F. E. Wachsmuth. M. 1,40. 

Baur, A., Dr.: Gesundheitspflege fürs Haus. 13.— 18. Lfg. 1905. Eßlingen, 

Schreiber. Je M. 0,60. 

*Ders.: Schulgesundheitsregeln für Lehrer. 1906. München, Seitz & Schauer. 

M, 0,60. 
*Ders.: Schulgesundheitsregeln für Eltern bei Erziehung der Schulkinder. 

1905. München, Seitz & Schauer. M. 0,60. 



Bibliographie. 145 

^Ders.: GresuDdheitsregeln für Schnlkinder. 1906. München, Seitz & Schauer. 

M. 0,60. 
Bausteine, pädagogische. Flugschriften zur Kenntnis d. pädag. Bestrebungen 
d. Gegenwart. 26. Heft. Köhler, Dr.: Zur Einführung in die experi- 
mentelle Psychologie. 2 Vorträge. 1906. Berlin, Gerdes & Hödel. M. 0,60. 

Beiträge zur Einderforschnng und Heilersiehung. Beihefte zur Zeitschrift für 
Einderforschung. 12. Heft. Polligkeit: Strafrechtsform und Jugend- 
fürsorge. 1906. Langensalza, H. Beyer u. Söhne. M. 0,60. 

Bericht üb. d. 6. Yerbandstag der Hilfsschulen Deutschlands zu Bremen am 
26.-27. April 1906; erstattet von Stadtschulrat Dr. Wehrhahn und Rektor 
Henze. 1906. M. 2,— 

Bondi, Dr., Augenarzt: Schule und Auge [Wiener Klinik XXXI; 1. Heft], 
1906. Berlin u. Wien, Urban & Schwarzenberg. M. 1, 

Borchardt, Julian: Wie sollen wir unsere Kinder ohne Prügel erziehen? 1906. 
Berlin, Buchh. Vorwärts. M. 0,30. 

^Buchhold, Otto, Dr. Sanitätsrat: Jahresbericht über die schulärztliche 
Tätigkeit in den Mittel- und Stadtschulen dei* Haupt- und Residenzstadt 
Darmstadt im Schuljahr 1904/06. 

Canon, Dr.: Die Bakteriologie des Blutes bei Infektionskrankheiten. 1905. 
Jena, G. Fischer. M. 6,—, geb. M. 6,—. 

•Chemnitz. Vierter Bericht der Schulärzte der Stadt Chemnitz. Sonder- 
abdruok ans dem Verwaltungsbericht der Stadt Chemnitz vom Jahre 1904. 

Cohn, Hermann: Erinnerungen an gemeinsam mit Prof. y. Mikulicz gemachte 
schulhygienische Beobachtungen. Sonderabdruck aus „Allg. Med. Central- 
zeitung*' 1906, Nr. 26. 

Deuxi^me Congr^s international de T^ducation physique de la 
jennesse. Liäge, du 28 aoüt au 1 ' Sept. 1906. Reglement et Rapports 
pr^eminaires. Liäge 1906. 

Diokmann, Agnes, u. Helene Löhr, Tumlehrerinnen: Der Turnunterricht für 
Mädchen der ersten beiden Schuljahre. S6 Sing- und Bewegungsspiele er- 
probt und zusammengestellt. 1906. Hannover, C. Meyer. M. 0,60.. 

Dietz, Ludw., Ingen.: Über Heizung und Lüftung der Schulräume. [Aus „Das 
Schuhsimmer.] 1906. Charlottenburg, P. J. Miller & Co. M. 0,60. 

Domitrovich, Armin ▼., Dr. Rieh. Greef: Augenärztliche und hygienische 
Schuluntersnchungen. Sonderabdruck aus dem techn. Gemeindebl. 1906. 
Nr. 9 u. 10. 

♦Dreyfuß, J., Dr.: Das Wesentliche der Schularztfrage. 1906. Frankenthal, 
L. Göhring & Co. M. 0,60. 

Dubois, Paul, Dr. Prof.: Über den Einfluß des Geistes auf den Körper. 1905. 
Bern, A. Franke. 

Eckardt, Fritz: ünterrichtsformen für das Turnen, insbesondere für den Be- 
trieb der Yolkstümlichen Übungen. Monatsschrift für das Tumwesen. 
XXIV Jahrg., Heft 7—9. 

Engelsperger, Alf., u. Ziegler, Dr.: Beiträge zur Kenntnis der physischen 
und psychischen Natur des sechsjährigen in die Schule eintretenden Kindes. 
I. Anthropometr. Teil. Die experimentelle Pädagogik, herausgeg. von Lay 
u. Meumann. 1906. I. Bd., Heft S/4. 

Fricker, Turnlehrer: Reigen für Knaben und Mädchen. 1906. Aarau, E. Wirz. 

M. 1,60. 

*Gaadig., Prof. Dr.: Ein Fortbildungsjahr für die Schülerinnen der höheren 
Mädchenschule. Bemerkungen zu der diesjährigen in Leipzig abgehaltenen 
Versammlung des Vereins für das höhere Mädchenschulwesen im König- 
reich Sachsen. [Aus: „Frauenbildung**.] 1906. Leipzig, B. G. Teubner. 

M. 1,60. 
Gesunde Jngend. Y. 5/6. 10 



146 Bibliographie. 

Gesandheitsbücfalein. Gemeinfafiliche Anleitung snr Gesondheitflpflege. 
Bearb. im Eaiserl. Gesundheitsamt. Mit Abbild, im Text u. 3 färb. Taf. 
11. Ausg. 1906. Berlin, Springer. Kart. M. 1, — , geb. in Leinw. M. 1,25. 

Gesundheitsregeln f. d. Schuljugend. Plakat. Berlin, K. Schoetz. M. 0,10. 

Graf, W., Dr.: Die Hustenkrankheiten. Bachen-, Kehlkopf-, Bronchialkatarrh, 
Lungenentzündung, Keuchhusten, nervöser Husten, Influenza. Ihre Ursachen, 
Wesen und Behandlung. Allgemeinverständlich dargestellt. 1906. Berlin, 
H. Steinitz. M. 1,50. 

Greef, Bich., Dr.: Augenärztliche und hygienische Schulnntersuchungen. 
Sonderabdruck aus dem Klein. Jahrb, 1904, Bd. 13. 

Grittner, H. u. F. Schmale: Praxis des Turnunterrichts. AusgefcLhrter Lehr- 
plan mit zahlreichen Übungsgruppen u. Abbildungen. Für Volksschulen, 
sowie für untere und mittlere Klassen höherer Lehranstalten auf Grund der 
neuesten amtlichen Bestimmungen in Preußen. 2. Aufl. 1905. Biele- 
feld, Yelhagen & Klasing. Geb. M. 2,40. 

Grub er, Ob.-Med.-R. Prof. Dr.: Schulärzte. Sammelreferat, hervorgeg. aus d. 
Tätigkeit der Schularztkomm. d. ärztl. Bezirksvereins München. 1905. 
München, Seitz & Schauer. M. 1, — . 

Gurlitt^ Ludw : Der Deutsche und seine Schule. Erinnerungen, Beobach- 
tungen und Wünsche eines Lehrers. 1905. Berlin, Wiegandt & Grieben. 

M. 2,—, geb. M. 3,-. 

Hagmann, J. G.: Zur Reform eines Lehrplanes der Volksschule. 2. Aufl. 

1904. St. Gallen, Fehr. M. 1,—. 
Hamm, Dr.: Zur Staubbeseitigung in Schulen u. and. öffentlichen Gebäuden. 

1905. Monatsbl. f. öff. Gesundheitspfl. Nr. 7 u. 8. 

Hermann, A.: Handbuch der Bewegungsspiele für Mädchen. Kleine Schriften 
des Zentralausschusses zur Förderung der Volks- und Jugendspiele in 
Deutschland. Bd. 3. 1905. Leipzig, B. G. Teubner. M. 1,80. 

^Hofmann, Otto, Oberlehrer Dr.: Schu^ugend und Elternhaus. Programm- 
abhandlung des Katherineums in Lübeck. 1904. 

.Hübner, Dr.: Die Aufgaben des Schularztes in augenhjgienischer Hinsicht. 

1906. Reichs-Mediz.-Anz. Nr. 5. 

Hughes, Henry, Dr.: Lehrbuch der Atmungsgymnastik. 1905. Wiesbaden, 

J. F. Bergmann. M. 4,—. 

Igl, Dr. med.: Vierter Bericht über die Tätigkeit der städtischen Bezirksärzte 

in Brunn als Schulärzte für das Jahr 1904. 1905. Brunn. 
* Jessen, Dir. Prof. Dr., Kreisschulinsp. Th. Motz u. Beigeordn. Reg.- Ass. 

Dominions: Die Zahnpflege in der Schule vom Standpunkt des Arztes, 

des Schulmannes und des Verwaltungsbeamten. Strafiburg, L. Beust. 

M. 2,—. 
Kerr, James, Dr.: Mentally Defective Ghildren. Ingleby Lectures. 1906. 

Birmingham. 
Kleidungsheft: 5. Heft d. Volksbibliothek für Körperkultur. 1905. Berlin, 

Verlag von Kraft und Schönheit. M. 0,50. 

Kraft, Dr. med.: Die gesundheitlichen Erfolge der Ferienkolonien. 1905. 

Zeitschr. f. Schweiz. Statistik, I. Bd., 3. Liefg. 
*Kraft und Schönheit. 4. Sonderheft. Das Sportlichtbad. Ij905. Berlin, 

Verlag von Kraft und Schönheit. M. 0,50. 

Legel, L. Otto, Hilfssch.: Die Sprache und ihre Störungen mit besonderer 

Berücksichtigung der geistig Zurückgebliebenen. 1905. Potsdam, A. Stein. 

M. 3,50, geb. M. 4,—. 
Lensch, Prof. Dr.: Der Bau des menschlichen Körpers mit Rücksicht auf die 

Gesundheitepflege. 3. Aufl. 1906. Groß-Lichterfelde, B. W. Gebel. M. 1,20. 
*Leubu8cher, Prof. Dr.: Schulhygienische Erwägungen. Verhandlungen der 



Bibliographie. 147 

Breslauer Naturforscher-Yenaininlung über den naturwissenschaftliclien und 
mathematischen (Jnteiricht an den höheren Schulen. Herausgeg. yon 
A. Wangerin. 1906. Leipzig, Vogel. 

"^LeuBchner^B., Rektor: Der Schulstuhl und die Gruppenbank. 1905. Breslau, 
Ferd. Hirt. M. 0,40. 

Liebe, Georg, Dr. med.: Körperliche Erziehung [„Werde gesund'', Nr. 8/9]. 

Liebing, B. H.: Hygiene des Schulkindes im Eltemhause. Nr. 661 u. 6ü2 
der Miniatur-Bibliothek. 1906. Leipzig, A. 0. Paul. Preis jeder Nr. M. 0,10. 

Liebmann. Alb., Dr.: Vorlesungen über Sprachstörungen, 6. Heft: Kinder, 
die schwer lesen, schreiben und rechnen lernen. 1906. Berlin, 0. Coblentz. 

M. 2,40. 

*Lischnewska, Maria: Die geschlechtliche Belehrung der Kinder. Zur Ge- 
schichte und Methode des Gedankens. Vortrag [aus: „Mutterschutz"]. 
1906. Frankfurt a. M., J. D. Sauerländer. M. 0,60. 

Lobedank, Stabsarzt Dr.: Der physiologische Schwachsinn des Menschen. 
Eine medizinisch-philosoph. -soziale Studie f. Ärzte, Juristen, Pädagogen u. 
alle Gebildeten. 1906. München, Seitz & Schauer. M. 1,60. 

^Marcuse, Max, Dr.: Die geschlechtliche Aufklärung der Jugend. 1906. 
Leipzig, Felix Dietrich. M. 0,30. 

Munk, Maximilian, Dr.: Die Hygiene des Schulgebäudes. 1906. Brunn, 
Karafiat & Sohn. M. 2,60. 

Ders.: Die Schulkrankheiten; I. Heft. Die Schulkurzsichtigkeit; Verkrümmung 
der Wirbelsäule. 1906. Bi*ünn, Karafiat & Sohn. M. 1,60. 

Ders.: Die Zahnpflege in Schule und Haus. 1906. Brunn, Karafiat & Sohn. 

M. 0,80. 

•Neuendorf f, Edm., Realsch.-Dirig. : Die Turnlehrer an den höheren Lehr- 
anstalten Preußens und der Geist des Tumlehramts. 1906. Berlin, Weid- 
mann. M. 2,40. 

Nie den, J., Dir. Dr.: Allgemeine Pädagogik auf psychologischer Grundlage 
und in systematischer Darstellung, n^st einem Anhang Gesundheitsregeln 
und Figuren-Tafeln. 6. Aufl. 1906. Straßburg, Straßburger Druckerei und 
Verlagsanstalt. M. 2,60. 

Quensel, Heinrich: Der Alkohol und seine Gefahren. Gemeinverständlich 
dargestellt. 28. Aufl. Berlin W. 16. Mäßigkeitsverlag. M. 0,20. 

Ray dt, H., Prof.: Spielnachmittage. 1906. Leipzig, B. G. Teubner. M. 1,60. 

Rösler, Hugo, Lehr.: Der menschliche Körper, sein organischer Aufbau 
und seine zweckentsprechende Pflege. Dresden, Holze & Pahl. 

M. 1,—, geb. 1,40. 

Sammlung von Abhandlungen aus dem Gebiete der pädagogischen 
Psychologie und Physiologie. Herausgeg. von Prof. Ziegler u. Prof. 
Ziehen. VIE. Bd. Beriin, Reuther & Reichard. 3. Heft: Fauth: Der 
fremdsprachl. Unterricht auf unsern höheren Schulen vom Standpunkt der 
Physiologie und Psychologie beleuchtet. — 4. Heft: Kluge: Über das 
Wesen und die Behandlung der geistig abnormen Fürsorgezöglinge. — 
6. Heft: Binswanger: über den moralischen Schwachsinn m. besond. 
Berücksichtigung der kindlichen Altersstufe. 

Schilling, Hofr. Dr.: Die Zahnpflege in der Schule, Armee, Strafanstalt und 
Krankenkasse. 1906. München, Verlag der ärztl. Rundschau. M. 0,60. 

Schlesinger, Eug., Dr.: Ästhesiometrische Untersuchungen und Ermüdungs- 
messungen an Schwachbegabten Schulkindern. Archiv für Kinderheilkunde, 
Bd. XLI, Heft 3/4. 1905. Stuttgart, Ferdinand Enke. 

Schmidt, Alf., Sem.-Lehr. Dr.: Aufbau und Entwicklung des menschlichen 
Geisteslebens, ein Grundproblem der pädagogischen Psychologie. Zugleich 
eine Darstellung der Psychologie Strümpells nach ihrer historischen Stellung 

10* 



148 Bibliographie. 

und ihrem wissenschaftlichen und pädagogischen Werte. 1906. Langen- 
salza, H. Beyer u. Söhne. M. 3,—. 

Schröer, H.: Die Dispensationen vom Turnunterricht. Monatschr. f. d. Tum- 
wesen 1905, Heft 8. 

Schuh, Ad., Prof.: Für Schule und Haus. (Hygienische Abhandlung.) Sonder- 
abdruck aus dem XXXY. Jahresbericht der k. k. Staats-Oberrealschule in 
Marburg a. d. Drau 1904/05. 

Schulte, Max, Dr. med.: Inwieweit bedarf die schulärztliche Einrichtung 
noch der Erweiterung? Gentralblatt f. allg. Gesundheitspfl. XXI 7 Jahrg., 
1. u. 2. Heft. 1905. 

Schwarz, Rektor: Zur Verminderung des Schreibwerks in der Schule. Die 
Jugendfürsorge 1905. 

♦Siebzehnter Jahresbericht des Vereins Ferienhort für bedürftige 
Gymnasial- und Realschüler für das Jahr 1904. 1905. Wien, 
Selbstverlag des Vereins. 

Trüper, J.: Ein Kongreß für Einderforschung und Jugendfürsorge. Eine 
Sammlung brieflicher Äußerungen. 1905. Langensalza, Hermann Beyer 
& Söhne. 

Unser Kind. Halbmonatsschrift für Kinderpflege und Erziehung. IH. Jahrg. 
Heft 4—11. Wien 1905. 

Volks tu rnbücher, deutsch herausgeg. von Dr. Rud. Gasch. Heft 27 — 34. 
Leipzig, M. Hesse. 

Wehrkraft durch Erziehung. Herausgeg. von E. v. Schenckendorff und 
Dr. Lorenz. 1905. Leipzig, B. G. Teubner. M. 3,—. 

*Weigl, Franz: Zur Orientierung über die Grundfragen der Schulbank- 
konstruktion. Mit 4 Abbild, u. 3 Tabellen üb. d. Messung von 3167 Kindern 
an Münchener Volksschulen. Pädagog. Zeitfragen, Heft 2. 1905. München, 
J. J. Leutnersche Buchhandlung. 

Wentzel, C. A., Rekt.: Repetitorium der Psychologie. Als Anhang; Des 
Volksschullehrers Aufgabe hinsichtlich der körperlichen Erziehung der 
Jugend. 5. Aufl. 1905. Langensalza, Schulbuchhandlung. M. 1,50. 

Wohlrat h, Turnlehrer: Spielbuch für Turnvereine und Schulen. I. Teil, 1905; 
n. Teil 1905/06; HI. Teil 1905/06. Je M. 0,65. 

Zschommler, Lehr.: So sollst du leben, um gesund und glücklich zu werden. 
Goldene Lebensregeln für die heranwachsende Jugend. 1905. Leipzig, 
Borggold. M. 0,80. 

NB. Die fCir die Leser der „Gesunde Jugend^^ interessanten Bücher werden 
seitens der Redaktion an die Herren Mitarbeiter zur Besprechung versandt. 
Referate hierüber werden in dieser Zeitschrift abgedruckt. Eine Verpflichtung 
zur Besprechung oder Rücksendung der nicht besprochenen Werke wird in 
keinem Falle übernommen. Es muß in Fällen, wo keine Besprechung erfolgt, 
die Aufnahme des ausführlichen Titels, Umfangs, Verlegers und Preises den 
Herren Einsendern genügen. Die Redaktion. 



Internationales Archiv für Schulhygiene 
Archives internationales d'hygiene scolaire 
International Magazine of School Hygiene 

[Willielm Engelinann, Verlag, Leipzig, Hittelstraße 2] 
unter Mitwirkung von zahlreichen Gelehrten herausgegeben Ton 

Le Doctenr Alb. Mathieu Sir Lander Brnnton 

M«decin de« höpitanx de Paris L. L. D.; MD.; D. S. So.; F. B.C. P. ; F. B. S. Consul- 

ting physician to St. Bartholomew's Hospital 
and College in London 

Dr. med. Axel Johannessen 

Uniyersitfttsprofessor in ChrisÜania 

Dr. med. et phil. Herm. Griesbach 

Professor nnd üniTersit&tsdozent Mtllhansen-Basel 
Oescbftftsfflhrendem Bedaktenr 

Einladung zum Abonnement auf das Internationale Archiv 

für Schulhygiene. 

Der erste Band des Internationalen Archivs fnr Schulhygiene ist abge- 
schlossen. Mit jedem der herausgegebenen Hefte stellte sich immer mehr 
heraus, daß das Erscheinen der Zeitschrift bei der Entwicklung der schulhy- 
gienischen Wissenschaft einem dringenden Bedürfnis auf dem Gebiete der 
Hygiene entspricht. Viele Regierungen, Schulverwaltungen und städtische Be- 
hörden Deutschlands und des Auslands, insbesondere diejenigen mit schulärzt- 
lichem Dienst, sowie zahlreiche Bibliotheken, Institute und gelehrte Gesell- 
schaften erachten das Archiv als ein willkommenes und unentbehrliches Fachorgan 
und sind darauf abonniert. Ganz besonderer Beachtung erfreuen sich die im 
Archiv veröffentlichten schulhygienischen Jahresberichte, welche, von hervor- 
ragenden Fachmännern verfaßt, ein übersichtliches Bild der schulhygienischen 
Literatur aller Nationen darbieten. Aus allen Ländern Europas und vielen 
außereuropäischen Staaten, insbesondere Nord- und Südamerikas, sind bei der 
Redaktion Zuschriften eingegangen, welche das Archiv als eine der dankens- 
wertesten und bedeutendsten literarischen Unternehmungen auf dem Gebiete 
der medizinischen und pädagogischen Wissenschaft betrachten. Die Verlags- 
buchhandlung von Wilhelm Engelmann in Leipzig beehrt sich zum Abonne- 
ment auf das Archiv einzuladen. 

Das Archiv erscheint in Heften von etwa 10 Bogen Umfang; die zeitliche 
Aufeinanderfolge der Hefte ist von der Menge des zu verarbeitenden Manuskript- 
materials abhängig. Der Preis eines 40 Bogen starken Bandes des Archivs 
beträgt 30 Mark; einzelne Hefte sind zu erhöhten Preisen käuflich. Einzelne 
Hefte werden auf Wunsch franko zur Einsicht versandt, müssen aber, wenn 
sie nicht behalten werden, innerhalb acht Tagen nach Empfang franko an die 
Verlagsbuchhandlung zurückgesandt werden. Den Mitgliedern des „Deut- 
schen Vereins für Schulgesundheitspflege" und seiner Kartellvereine 
außerhalb Deutschlands wird das Archiv für 25 Mark für den Band geliefert. 
Alle Anfragen sind an den geschäftsführenden Redakteur des Archivs zu richten. 
Adresse: Dr. med. et phil. H. Griesbach, Professor und Universitätsdozent, 
Mülhausen-Basel. Wohnsitz: Mülhausen (Elsaß), Ludwigstraße H. 



Inhalt des ersten Bandes des „Archivs". 

No. I. (18. I. 1906.) 
H. Griesbach, Einführung und Ausblicke. 
Albert Mathieu, Pedagogie physiologique. 
Julius Moses, Gliederung der Schuljugend nach ihrer Veranlagung und das 

Mannheimer System. Mit 1 Figur im Text. • 
G. Schleich, Die Augen der Schüler und Schülerinnen der Tübinger Schulen. 
K. Speidel, Die Augen der Theologiestudierenden in Tübingen. Untersuchungen 

aus der Tübinger üniversitätsaugenklinik. 
Y. Sakaki, Ermüdungsmessungen in yier japanischen Schulen. Mit 25 Figuren 

im Text. 
Patricio Borobio y Diaz, Les colonies scolaires ou colonies de yacances ä 

Saragosse (Espag^ne). 
Armin von Domitrovich, Der Hygieniker und die Schulbank. 
F. Ingersley, Skolelsegevsesenet i Danmark. Mit deutschem R^sume. 
Grancher, Pr^seryation scolaire contre la tuberculose. 
Emile Bocquillon, Hygiene de T^ducation et de la pädagogie. 

No. n. (14. IV. 1906.) 
Victor Bridou, Le röle de la gaietd dans l'^ducation. 
C. J. Thomas, Some forms of congenital Aphasia in their educational aspects. 

(With 3 figures in text.) 
Euno Burraeister, Über die Verwendung von staubbindenden Fußbodenöleu 

in Schulen. Aus dem königl. hygienischen Institut zu Posen. 
M. A. Budnik, Zur Frage der Verbreitung des Kropfes unter den Schulkindern. 
A. Haunstrup, Schulbauten in Dänemark. (Mit 4 Figuren im Text.) 
Willy Hellpach, Die Hysterie und die moderne Schule. 
Albert Mathieu, Neurasthenie et Dyspepsie chez des jeunes gens. 
Jean Philippe et G. Paul Boncour, A propos de TExamen mädico-peda- 

gogique des Ecoliers epileptiques. 
Cervera Barat, Funcion de la Alegria en laHigiene escolar. Avec un Resum<^ 

francais. 
A. Magelssen, Über das Kopfweh — hauptsächlich Migräne — an der Mittelschule. 
Ralf Wichmann, Über <üe Lage und Höehstzahl der taglichen Unterrichts- 
stunden an Mädchenschulen. 
F. Ingersley, Jahresbericht f. 1904 über die schulhy^enische Literatur Dänemarks. 
Ernst Feltgen, Bericht über die zur Schulhygiene in Beziehung stehenden 

Veröffentlichungen in Luxemburg yom Jahre 1904. 
Ley, La litt^rature d'hygi^ne scolaire eu Belgique en Tannöe 1904. 
John A. Bergström, The American School Hygiene Literature for the year 1904. 
Bibliographie. 

No. m. (16. VI. 1906.) 
H. Griesbach, Weitere Untersuchungen über Beziehungen zwischen geistiger 

Ermüdung und Hautsensibilität. (Mit 7 Figuren im Text.) 
Bibliographie, 

No. IV. (8. IX. 1906.) 
Carlo Ferrari, Ricerche comparatiye diPsicologia sperimentale sui Sordomuti. 

(Con 12 figure nel teste.) Conclusione italiana e tedesca. 
Armin de Domitrovich, Le banc d'äcole en Allemagne et son ^tat actuel. 
L. J. Lans, Soll man die Steilschrift aus der Praxis verbannen? 
F. Zollinger, VI. Jahresversammlung der schweizerischen Gesellschaft für 

Schulgesundheitspflege in Luzern, 14. und 16. Mai 1906. 
F. Zollinger, V. Schweizerische Konferenz für das Idiotenwesen in St. Gallen, 

6. und 6. Juni 1905. 
Berichtigung von Dr. Gustav Hergel. 
Giuseppe Badaloni, Rivista annuale della letteratura italiana sulla igieue 

scolastica per V anno 1904. 
C. J. Thomas, The Literature of School Hygiene in Great Britain during 1904. 
Bibliographie. 
Errata. 



L Originalaufsätze. 



Schulhygienische Hitteilnngen vom internationalen 
Tnberknlosekongrefi, 

Abgehalten in Paris vom 2. bis zum 7. Oktober 1905. 

Von Dr. med. Ernst Feit gen, Luxemburg. 

(Nach peiBÖnlichen Notizen und mit einigen Bemerkungen.) 

Auf dem vom 2. bis zum 7. Oktober 1905 in Paris statt- 
gefundenen internationalen Taberkulosekongreß befaßte man sich mit 
verschiedenen Fragen aus dem Gebiete der medizinischen and chi- 
rurgischen Pathologie, mit Tuberkuloseabwehr dem Kinde, sowie dem 
Erwachsenen gegenüber und mit sozialer Hygiene. 

Die Arbeiten der Sektion , welche sich ausschließlich mit der 
Hygiene des Kindes, besonders in bezug auf Tuberkuloseabwehr 
des Schulkindes, beschäftigte, wurden durch eine bemerkenswerte 
Ansprache an die zu gemeinsamem Tun versammelten Fachgenossen 
eingeleitet, in welcher der Redner, Professor Grancher-Paris, kurz 
und bündig, mit wahrhaft hei*zlicher, warm fühlender Ausdrucks- 
weise unsere Aufgaben dem Kinde gegenüber definierte und zwar 
in betreff des Familienlebens und bezüglich des Schulwesens. 

Was letzteren Punkt angeht, der uns an dieser Stelle speziell 
interessiert, so wurde mit Nachdruck hervorgehoben, daß das Kind, 
wenn es glücklich einer tuberkulösen Ansteckung in der Familie 
entgangen ist, in der Schule nun in dieser Beziehung in der Regel 
mehr oder weniger sicher sich weiter entwickeln darf, denn die An- 
steckung von Kind zu Kind in der Schule ist nicht gerade häufig. 

Ist das Kind einmal bis zum schulpflichtigen Alter herange- 
wachsen, ohne als Säugling oder später, in der Zeit vom Säuglings- 
alter bis zum Schuleintritt, von der Tuberkulose befallen worden zu 
sein, so erlaubt ihm sein, unter günstigen Verhältnissen, schon etwas 
widerstandsfähiger gewordener Organismus eventuell jetzt, drohende 
Tuberkel bazilleninvasionen erfolgreich abzuwehren; führt dasselbe je- 

Gestmde Jug«nd. V. 7—10 11 



150 Ernst Feltgen: 

doch eine latente Tuberkulose mit sich, die, wie dies gewöhnlich zu- 
triöt, vor der Schulperiode in den Bronchialdrüsen, seltener auch 
in den Lungen selbst sich eingenistet hat, so kommt ihm im Kampf 
mit dem Übel die natürliche Wachstumsenergie zugute, die nun 
den Körper in seiner Gesamtheit streitbarer und resistenter macht. 

Diese Wachstumsenergie, diese jugendliche, frische Kraft, die 
den Organismus während dieser Lebensperiode beseelt, dieses natür- 
liche, physiologische Wirkungsvermögen, diese körperliche Tatkraft 
ist es, die wir unter allen Umständen zu fordern haben, soviel wir 
dies zu tun imstande sind und indem wir uns leiten lassen von den 
festen Gesetzen einer vernünftigen Gesundheitslehre. 

Nach den Untersuchungen Granchers und anderer Forscher be- 
trägt in Paris der Prozentsatz solcher mit latenter, also nicht an- 
steckender Tuberkulose behafteten Schulkinder 14 bis 15. Erfahrungs- 
gemäß ist, wie eben hervorgehoben wurde, die Einwirkung der 
jugendlichen Körperkräfte auf den gefährlichen Gast, der sich in den 
Organismus eingeschlichen hat, für den Wirt eine sehr günstige. 
Alle Statistiken aus den verschiedenen Ländern bekunden dies auf 
überzeugende Weise: die Sterblichkeit an Tuberkulose ist verhältnis- 
mäßig selten zwischen dem 6. und dem 15. Lebensjahr. Selten ist 
sie allerdings; doch, und dies ist von kapitaler Wichtigkeit, sie be- 
steht, was ja genügt, um unsere volle Aufmerksamkeit auch während 
dieser Lebensperiode auf das Übel zu lenken, wollen wir als Schul- 
hygieniker eine ganze Arbeit leisten, wollen wir unseren Schul- 
kindern einen zuverlässigen Schutz bieten, wollen wir unserer Liebe 
und Anhänglichkeit zur Jugend, der Zukunft der Rasse, einen prak- 
tischen Anstrich gewähren, wollen wir aus unseren Bemühungen um 
die Schuljugend einen greifbaren Nutzen ziehen. 

Man erkennt das Auftreten des Übels an seinen Frühsymptomen, 
doch diese treten meist sehr undeutlich hervor, eben wegen der, 
unter normalen Verhältnissen, immer fortschreitenden Körperent- 
wicklung des Kindes und dokumentieren sich erst auf unzweideutige 
Weise und mit gewisser Schärfe „nach'' der Schulperiode, wenn un- 
günstige Lebensbedingungen sich geltend machen, so beispielsweise 
in den Werkstätten, in den Kasernen, in unhygienischen Wohnungen, 
beim Mißbrauch von Genußmitteln, besonders des Alkohols, bei 
geistiger Uberbürdung, bei anhaltend einwirkenden moralischen 
Affekten, oft bloß nach Erkältungen, nach überstandenen Erkran- 
kungen, als Influenza, Lungenentzündung usw. 

Ist die während der Schulperiode latent gebliebene Tuberkulose 
nun nach der Schulzeit zum Ausbruch gelangt, d. h. eine offene ge- 



Schnlhygienische Miiteüimgen vom intern ationalen TnberknloBekoDgreß. 151 

worden^ dann kann durch die in verschiedenen Ländern , besonders 
in Deutschland, so zahlreich vorzufindenden und gut funktionieren- 
den Yolkssanatorien, Unterstützungskassen u. dergl. Einrichtungen 
mehr des Guten ungemein viel gestiftet werden, doch vorteilhafter 
wäre es jedenfalls und ohne allen Zweifel vernünftiger, das Kind, als 
Trager einer latenten Tuberkulose während der Schulzeit oder in 
diesem Alter als der Tuberkulose verdächtig, näher ins Auge zu 
fassen und zweckentsprechend zu behandeln, zu einer Zeit, wo in 
vielen Fällen noch mit Erfolg eingesprungen werden kann. 

Auf welche Weise wäre in diesem Moment therapeutisch und, 
was wichtiger ist, prophylaktisch Hand anzulegen, um wenigstens 
einen guten Teil der tuberkulös Infizierten und der vom Übel Be- 
drohten zu retten? Vor allem dadurch, daß man dem Schulkinde 
in reichlichstem Mafie gesunde, frische Luft zukommen läßt, draußen 
im Freien, in Flur und Wald, auf den Bergen, am Meere und daß 
man demselben eine genügende, physiologisch richtig zusammen^ 
gestellte Nahrung biete. Grancher zitiert das Wort Michelets: La fleur 
humaine est de toutes les fleurs celle qui a le plus besoin 
de soleil, von allen Blüten ist es das Kind, die junge menschliche 
Blüte, welche zu ihrer Entfaltung und Entwicklung am meisten der 
Sonne, des ungetrübten, hellen Lichtes, der unverdorbenen, frischen 
Luft bedarf. Gewähren wir deshalb unseren Kindern etwas Sonne, 
wir werden somit diejenigen, welche von der Tuberkulose bedroht 
sind, gegen das heimtückische Übel in Schutz nehmen, wir werden 
manche auch heilen können, die der Seuche bereits zum Opfer ge- 
fallen sind, wir werden der Menschenrasse eine bessere und glück- 
lichere Zukunft bereiten. 

Ganghofher-Prag betont, daß bei dem Kampf gegen die Tuber- 
kulose in der Schule es in erster Linie darauf ankomme, die Krank- 
heitsanlage nach Möglichkeit zu verhüten oder sich derselben ent- 
gegenzustellen, d. h. das Augenmerk auf die Disposition des Orga- 
nismus zur Annahme des Tuberkulosegiftes zu richten und die 
erforderlichen Mittel gegen dieselbe ins Feld zu führen. In zweiter 
Linie erst seien die nötigen Maßregeln gegen die Infektionsgefahr 
anzuwenden, d. h. sei der Kampf gegen den Krankheitserreger, den 
Tuberkelbazillus, aufeunehmen. Auch er hebt hervor, daß er- 
fahrungsgemäß die Zahl der an offener Lungentuberkulose erkrankten 
Schulkinder eine kleine sei, im Verhältnis zu der Tuberkulosemorbididät 
im allgemeinen und zu der großen Zahl der an Skrofulöse leiden- 
den Kinder, jener Form von Tuberkulose, die bekanntlich eine häufige 
Erscheinung auf dem Gebiete der Kinderkrankheitslehre ist. 

11* 



152 Ernst Feltgen: 

Mit Recht wird auf die wichtige Tatsache hingewiesen^ daB bei 
vielen Kindern im schulpflichtigen Alter latente Tuberkulose be- 
steht und daß die natürliche Widerstandsfähigkeit des kindlichen 
Organismus durch gewisse schädliche Einflüsse sehr an Intensität 
einbüßt. Diese schädlichen Faktoren entspringen zum großen Teil 
aus einem unzweckmäßig gestalteten ünterrichtswesen. Leider mangelt 
es noch allenthalben sehr an nach gesundheitlichen Prinzipien ge- 
troffenen Schuleinrichtungen. Die in Frage kommenden Schädlich- 
keiten sind dazu angetan^ entweder die Anlage zur Tuberkulose zu 
schaffen oder, bei bereits bestehender Disposition, diese zu steigern 
und mehr zur Geltung zu bringen. Allen Schulhygienikern sind diese 
schlimmen Faktoren wohl bekannt, es kommen vor allem in Betracht 
der hygienisch mangelhafte Unterhalt der Schulräumlichkeiten, die 
unzweckmäßigen Lehrmethoden, die unvernünftige Unterrichts- 
einteilung. Was den ersten Punkt betrifft, so sei besonders hinge- 
wiesen auf die Luftverschlechterung in den Klassenzimmern als Folge 
der Überfüllung mit Schülern, auf die meist ungenügenden oder gar 
total fehlenden Yentilationseinrichtungen, auf die mangelhafte oder 
ganz vernachlässigte Reinigung der Schulzimmer, des Schulmobiliars, 
der Schulhausdependenzien, auf die schlecht konstruierten und daher 
schlecht funktionierenden Heizungsanlagen und die Heizungssysteme, 
die aus vorhygienischer Zeit datieren. In bezug auf die unzweck- 
mäßigen Lehrmethoden und unvernünftige Unterrichtseinteilung sei 
hervorgehoben, daß beim Feststellen des Lehrzweckes und des Lehr- 
planes fast allgemein noch, mit Ausnahme weniger Länder, die 
körperliche Erziehung neben der geistigen Bildung allzusehr 
vernachlässigt wird. 

Um die Schädlichkeiten für die Gesundheit der Schulkinder und 
die aus denselben resultierende Verminderung der Widerstandskraft 
so viel wie tunlich zu umgehen, ist es unbedingt erforderlich, die 
Prinzipien der Hygiene streng zu beachten, vor allem was die zweck- 
mäßige Einrichtung und die Reinhaltung der Schulräumlichkeiten 
angeht und speziell auch in betreff der Unterrichtseinteilung, so daß 
Zeit genug übrig bleibe für die körperliche Erziehung und für die 
nötigen Erholungs- und Ruhepausen. Von nicht gering zu schätzen- 
der Bedeutung ist es femer, unter den Schulkindern eine Auslese 
vorzunehmen, zu individualisieren, so zwar, daß diejenigen von über- 
mäßiger geistiger und körperlicher Arbeit entlastet werden, welche 
den betreffenden Anforderungen nicht gewachsen sind. Zu diesem 
Zweck ist es notwendig, daß die Jugenderzieher und alle diejenigen, 
die sich auf diese oder auf jene Weise mit der Schuljugend zu be- 



Schulhygienische Mitteilungen vom internationalen Tuberkulosekongreß. 153 

fassen haben^ pädalogisch vorgehen, d. h. die ihnen anvertrauten 
Kinder zuvor durch und durch in geistiger und in körperlicher Eün- 
sicht durchmustern, damit sie wissen, wie es mit dem Individuum 
bestellt ist, das sie erzieherisch zu behandeln haben. Es hat sich 
durch die Erfahrung herausgestellt, was übrigens nicht befremden 
kann, daß die gleichmäßig, streng durchgeführte, nach einem be- 
stimmten Schema vorgenommene Behandlung aller Schulkinder un- 
erwünschte Resultate zur Folge hat. 

So lange es keine eigenen Anstalten gibt, die sich speziell der 
Tuberkuloseverdächtigen oder im Anfangsstadium der Tuberkulose 
sich befindenden Schulkinder annehmen, kann die theoretisch wich- 
tige Forderung der Einzelbehandlung von Schülergruppen nicht ge- 
setzlich bestimmt werden. Die Gründung solcher Anstalten drängt 
sich also auf. 

Diejenigen Kinder, welche an offener Lungentuberkulose oder 
an äußeren, sekretierenden tuberkulösen Affektionen, beispielsweise 
der Haut, der Knochen, der Ohren leiden, dürfen mit den gesunden 
Kindern die Schule nicht besuchen, bevor der krankhafte Zustand 
durch geeignete Behandlung so weit rückgängig gemacht wurde, 
daß derselbe den öffentlichen Verkehr wieder erlaubt. Am 
besten ist es jedenfalls, den mit offener Lungentuberkulose behafteten 
Schulkindern von dem Besuch der Schule reinweg abzuraten. Solches 
wird den Schulärzten schon gelingen, wenn sie wissen, mit dem 
nötigen Takt und mit der nötigen Schonung der empfindsamsten 
Seiten der Kinder und Eltern vorzugehen. 

Können aus irgend welchen triftigen Gründen tuberkulös in- 
fizierte Schulkinder oder solche, die tuberkuloseverdachtig sind, nicht 
aus der Schule entfernt werden, so soi^e man dafür, daß mit einer 
geeigneten desinfizierenden Flüssigkeit gefüllte Spucknäpfe ^) im 
Schulzimmer aufgestellt und zweckmäßige diesbezügliche Mahnungen 
und Belehrungen an die Kinder gerichtet werden. Diese Mahnungen 
und Unterweisungen sollen sich nicht nur auf die Übertragbarkeit 
der Tuberkulose erstrecken, sondern sollen auch auf die Entwicklung 
des Reinlichkeitssinnes bei den Kindern überhaupt, auf Hygiene im 
allgemeinen, hinzielen. 

Tuberkulöse Lehrer sind ohne weiteres aus dem Schuldienst 



1) Nach A. B. Marfan sollen die Spucknäpfe nie Substanzen in Palverform 
enthalten, wie Sand, Kleie, Asche, sondern stets eine antiseptische Flüssigkeit, 
beispielsweise eine 5 ^/^ gefärbte Karbolsäurelösung, zum mindesten etwas 
Wasser. Vergl. Marfan, Pr^servation de Tenfant contre la tuberculose dans sa 
famille, 8. 19. Paris, 6. Steinheil. 



154 Ernst Feltgen: 

ZU entfernen^ zumal^ wenn es sich bei denselben nachgewiesenermaßen 
um o£fene Tuberkulose der Luftwege handelt. Man kann sehr 
zweckmäßig in dieser Beziehung vorbeugend eintreten, wenn bei der 
Anmeldung der Lehramtskandidaten für die Normalschulen auf das 
gewissenhafteste nach vorhandener latenter oder offener Tuberkulose 
von Seiten des betreffenden Arztes, der das Gesundheitszeugnis aus- 
zustellen hat, gefahndet wird. Den tuberkulösen Lehrern soll man 
zu Hilfe kommen, und zwar vor allem durch das freigebige Erteilen 
eines genügend langen Urlaubes, durch die Aufnahme in ein Sana- 
torium, wenn nötig, und bei voller Auszahlung des durch den Be- 
amten bis dahin bezogenen Gehaltes. 

Damit eine fruchtbringende Prophylaxe in den Schulen durch- 
geführt werden könne, ist es notwendig, daß die Schulärzte unter 
sich und diese mit dem Lehrerpersonal und den Pädagogen zusammen- 
gehen. Wo noch kein Schularztdienst besteht, dies bezieht sich so- 
wohl auf die Volksschule als auf die höheren Unterrichtsanstalten, 
da soll man in Hinsicht auf die Bekämpfung der Tuberkulose speziell 
und aller anderen ansteckenden und sogenannten Schulkrankheiten 
ohne Verzug eine genügende Anzahl von Schulärzten, die zweck- 
mäßig ausgebildet sind, anstellen. 

Die detaillierte Mitteilung Merys (Paris) über die Tuberkulose- 
abwehr und -bekämpfung in den Schulen hat, dem Sinne nach und 
summarisch dargestellt, folgenden Inhalt: Die Bestrebung, die Schul- 
jugend gegen die Seuche in Schutz zu nehmen, datiert nicht von 
sehr lange her, seit acht bis neun Jahren erst ist man der hoch- 
wichtigen Frage näher getreten. Vor allem heißt es, festzustellen, 
ob die Fälle von Tuberkulose, welchen man in der Schule begegnet, 
wirklich hier, in der Lehranstalt, ihren Anfang genommen haben, 
oder ob dieselben von draußen stammen, d. h. außerhalb der Schule 
von den Kindern kontraktiert wurden, in der Familie oder sonstwo. 

Mery fragt sich, welche Bedeutung der Übertragung in der 
Schule beizumessen sei und wie dieselbe zustande komme. Drei 
verschiedene Hauptquellen der Übertragung der Seuche sind: 

1) die an offener, also ansteckender Tuberkulose leidenden Lehrer, 

2) die an offener Tuberkulose erkrankten Schüler, 3) die tuberkulösen 
Schuldiener und die der Schule fremden Personen , deren ärzt- 
lich-hygienische Durchmusterung schwer durchzufahren oder ganz 
unmöglich ist. Ferner kommen als Ausgangspunkte des Leidens die 
unhygienischen Zustände in Betracht, die man in den Schullokalen 
und in deren nächsten Umgebung, leider muß es gesagt sein, nicht 
gar selten und mühelos aufzudecken vermag. 



Schulhygienische Mitteilungen vom internationalen Tnberknlosekongrefi. 15Ö 

Allenthalben werden die Schulräumlichkeiten hin und wieder 
zu ganz anderen Zwecken benutzt, als zu solchen, welchen sie 
prinzipiell dienen sollen: es wird beispielsweise nicht selten in den- 
selben nach Sehulschluß oder während der Ferienzeit Unterricht für 
Erwachsene abgehalten, deren Gesundheitszustand schwer zu kon- 
trollieren ist, es finden in den Schulen allzu häufig öffentliche Zu- 
sammenkünfte statt, so bei Volksversammlungen, bei Wahlen usw., 
und es dienen dieselben wohl auch während der schulfreien Zeit zu 
Einquartierungen von Truppen, zu Sammelplätzen, ja zu improvi- 
sierten Schlafstätten für Teilnehmer an Festlichkeiten u. dergl. Be- 
sonders die größeren Volksversammlungen sind es, welche zur In- 
fizienmg der Schulräume mit dem Tuberkulosegift sehr viel beitragen 
können. Werden die Lokale hinterher nicht gehörig desinfiziert, 
was leider die Regel ist, oder betraut man die Schulkinder selbst 
mit dem Reinigen der Lokale, wie solches bekanntlich häufig der 
Fall, so kann die Ansteckungsgefahr sehr groß werden, zumal wenn 
das Reinigen auf trockenem Wege vor sich geht. 

Mery ist der Meinung, die Verbreitung der Tuberkulose in 
der Schule durch die Lehrer sei nicht nur verhältnismäßig häufig, 
sondern wohl auch recht gefährlich, was nicht in dem Maße in be- 
treff der Verbreitung der Seuche durch die Schulkinder zutrifft. 
Die meisten Lehrer kommen bereits infiziert in die Schule, die große 
Mehrzahl der tuberkulösen Lehrer hat den Keim der Krankheit 
draußen, meist in der Familie, in sich aufgenommen. Es steht je- 
doch außer Zweifel, daß auch manche erst in der Schule selbst der 
Tuberkulose anheimfallen und zwar in vielen Fällen durch einen 
tuberkulösen Vorgänger im Amt, nach dessen Entfernung an eine 
Desinfektion der Räume, in denen er sich aufhielt, einfach nicht ge- 
dacht würde. Nicht zu leugnen ist es femer, daß schwächliche 
Lehrer, solche, die in ungünstigen Lebensbedingungen sich befinden, 
durch die geistige Überbürdung für das Leiden sehr empfänglich ge- 
macht werden. Zu dieser geistigen Überbürdung gesellt sich oft, 
besonders auf dem Lande, eine körperliche Überbürdung wegen der 
Notwendigkeit, in die sich der Landlehrer nicht selten, durch 
knappes Gehalt, versetzt sieht, Nebenbeschäftigung aller Art zu über- 
nehmen, imi sich und die Seinen halbwegs anständig durch das 
Leben zu bringen. 

Was die Sterblichkeit der Angehörigen des Lehrerstandes 
angeht, so weichen die Angaben in dieser Beziehung bei den ver- 
schiedenen Autoren nicht wenig voneinander ab. So wird beispiels- 
weise angegeben, in Frankreich sei 7^ bis y^ der Lehrer tuberkulös. 



156 Ernst Feligen: 

bei anderen beträgt der Prozentsatz mehr. Auf dem letzten Kongreß 
für Schulhygiene in Paris haben die ärztlichen Schulinspektoren 
gegen die im allgemeinen zu hoch gegriffenen Prozentsätze protestiert. 
Gourichon hat in 16 Jahren in seinem Amtskreis nur zwei Lehrer 
vorgefunden^ welche an Tuberkulose litten, andere konnten im Zeit- 
raum Yon sechs Jahren bei zwei Lehrern das Leiden konstatieren. 
Delobel und Roblot haben im Seine-Departement von 2862 Lehrern 
50 als tuberkulös bezeichnen können, das macht zirka 27o- 

Dieser Unterschied in den Zahlen hängt von verschiedenen 
Ursachen ab. Li erster Linie ist hervorzuheben, daß die Schulärzte 
nicht alle Lehrer zu Gesicht bekommen, um dieselben auf Tuber- 
kulose zu untersuchen, da bis jetzt eine solche Untersuchung nicht 
obligatorisch ist; sodann herrscht wahrscheinlich eine gewisse Ver- 
wirrung in betreff Feststellung offener und latenter Tuberkulose. 
Zuverlässige Statistiken werden erst dann zur Verfügung stehen, 
wenn die Lehreruntersuchung einmal obligatorisch geworden 
sein wird. Sicherlich auch ändert der Prozentsatz sich mit den ver- 
schiedenen Länderstrichen und den einzelnen Städten. 

Wie schon verschiedentlich betont wurde, ist die offene Lungen- 
tuberkulose bei Schulkindern nur ganz ausnahmsweise zu kon- 
statieren. Grancher hat eine offene tuberkulöse Lungenaffektion nur 
zwei- bis dreimal bei zirka 3000 Kindern vorgeftinden. Offene 
Knochen- und Gelenktuberkulose, Tuberkulose der Drüsen mit Fisteln, 
Ohrentuberkulose mit Ausfluß werden viel häufiger diagnostiziert, als 
die Lungenschwindsucht oder die offene tuberkulöse Erkrankung 
anderer Abschnitte der Respirationswege. 

Die Kinder, welche an tuberkulösen Affektionen leiden, die 
einige Bedeutung haben, kommen gewöhnlich nicht zur Schule, ist 
dies jedoch der Fall, so drängt sich die Isolierung, die Entfernui^ 
derselben auf. 

Auch M^ry hebt die wichtige Tatsache hervor, daß durch die 
klinischen Erfahrungen und durch die Leichenbefunde bei sehr vielen 
Kindern, welche an anderen Krankheiten leiden oder gestorben sind, 
latente Tuberkulose nachgewiesen wird. Gewöhnlich handelt es 
sich um tuberkulöse Lymphdrüsen im Mediastinum. Wie bereits an- 
gegeben wurde, hat Grancher eingehend über diesen Punkt an anderer 
Stelle referiert und in einer Mitteilung an die Academie de m^decine 
sich folgendermaßen ausgedrückt: Die Mehrzahl der Kinder, welche 
ins Spital kommen und dort an irgend einer Krankheit zugrunde 
gehen, zeigen neben den pathologisch -anatomischen Befunden, auf 
die man von vornherein gefaßt war, tuberkulös entartete Lymph- 



SoholhjgieniBche Mitteilungen vom internationalen Tuberkulosekongreß. 157 

drüsen, besonders Tracheobronchialdrüsen. Diese latente Tuberkulose 
kann bis zum Jünglingsalter und noch darüber hinaus fortbestehen^ 
ohne Anlaß zur tuberkulösen Erkrankung irgend eines anderen Or- 
ganes zu geben. Bei einer günstigen Gelegenheit bricht das Leiden 
aus und setzt sich an einer Stelle des Organismus, die einen locus 
minoris resistentiae bietet, fest. Alle diese tuberkulösen Affektionen 
bestehen meist schon, ehe das Kind in das schulpflichtige Alter ein- 
getreten ist, und die Ursache dazu muß dieserhalb außerhalb der 
Schule gesucht werden, in der Familie vor allem. Diese ätiologischen 
Erfahrungen beweisen einerseits, daß eine Tuberkuloseinfektion in 
der Schule selbst zu den Ausnahmen gehört, andererseits, wie häufig 
latente Tuberkulose bei den Kindern auftritt, ohne daß auffallende 
Symptome auf das Bestehen derselben hinweisen. 

Eine jede Form von Tuberkulose erheischt eigene Bekämpfungs- 
maßregeln: gegen die offene Tuberkulose kann man nur durch 
Isolierung der Erkrankten und durch Desinfektion einer Ver- 
breitung vorbeugen, während solche Maßregeln einer latenten Affektion 
gegenüber keinen Wert besitzen. Hier muß individuell vorgegangen 
werden, eine kollektive Prophylaxe ist in diesen Fällen weder nötig 
noch irgendwie angezeigt. 

Wie der ministerielle Erlaß vom Jahre 1901 lehrt, hat man 
sich bis dahin meist nur mit kollektiver Prophylaxe befaßt, um 
sich der Tuberkulose Verbreitung in der Schule entgegenzustellen; 
sicherlich sind diese Bestrebungen nicht von der Hand zu weisen, doch 
sie sind nicht der wichtigste und der einzige Faktor bei der Be- 
kämpfung der Seuche, da im allgemeinen von 100 mit Tuberkulose 
behafteten Kindern kaum ein oder zwei ansteckende Affektionen 
aufweisen. Die an latenter Tuberkulose Leidenden sind keine Gefahr 
für die anderen, sondern nur für sich selbst. 

Der Arzt soll seine ganze Aufinerksamkeit auf diese Tatsache 
richten, um die Keime des Übels, die in den Lungen und auch in 
anderen Organen des Körpers schlummern, an ihrer Entfaltung zu 
verhindern; glücklicherweise ist ein solches Entgegentreten gerade 
bei der Tuberkulose in diesem Stadium und in dieser Form ganz 
gut möglich und es geschieht meist mit positivem Resultat, es gibt 
wohl keine chronische Krankheit, welche in dieser Periode so leicht 
und so sicher einer Heilung fähig ist, später trotzt sie allerdings 
allen unseren Bemühungen. 

Mery hebt hervor, daß es vor allen Forschem Grancher ist, 
welcher diesen hochwichtigen Teil des Kampfes gegen die Tuberku- 
lose in den Schulen zur vollen Geltung brachte, indem er auf die 



158 Ernst Feltgen: 

individuelle Behandlung derjenigen Kinder, die mit latenter Tu- 
berkulose behaftet sind, energisch hinwies. Um eine solche Behand- 
lung einschlagen zu können, muß das Frühstadium dieser latenten 
Formen der Tuberkulose mit der größten Präzision aufgedeckt 
werden. Das methodisch ausgeführte Ausspüren der tuberkulösen 
Affektioneh und hauptsächlichst der Erkrankungen der Respirations- 
organe ist die erste Bedingung, um mit Erfolg eine Abwehr in den 
Schulen ins Werk zu setzen. Diese minutiöse Untersuchung wird 
es ermöglichen, einen großen Teil der Schulkinder vor dem Übel zu 
bewahren, das in ihnen sich verborgen hält und auf eine günstige 
Gelegenheit wartet, um seine Fesseln zu sprengen. 

Die Untersuchung der Schulkinder soll im Schulhause in 
einem eigens dazu bestimmten Baum vorgenommen werden. Vor 
allem ist das Gewicht der Kinder und ihre Körpergröße zu notieren. 
Um richtig vorzugehen, darf dies nur geschehen, nachdem dieselben 
das Schuhwerk und die Überkleider abgelegt haben: die Knaben 
sollen bloß die Beinkleider und das Hemd, die Mädchen den Unter- 
rock und das Hemd als einzige Bekleidung beibehalten. Für die 
Messungen am Thorax müssen Brust und Rücken vollkommen un- 
bedeckt sein. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in ein 
sogenanntes Gesundheitsbuch einzutragen, damit zu jeder Zeit die 
anthropometrischen Kennzeichen des betreffenden Kindes, näm- 
lich Gewicht, Größe, Thoraxumfang, nachgesehen werden können. Der 
Schularzt muß sein Augenmerk sodann auf die Wachstumsanomalien, 
auf ein dem Alter und der Körpergröße nicht entsprechendes Körper^ 
gewicht, auf das Ausbleiben von Gewichtszunahme beim Wachsen 
richten, denn dies sind Zeichen, die bekanntlich von nicht geringer Wich- 
tigkeit sind, wenn es heißt, frühzeitig die Tuberkulose auszuspüren. 

Besonders haben die Messungen am Thorax großen Wert, denn 
die Arzte waren schon lange in der Lage, ein gewisses Verhältnis, 
das zwischen der Enge des Thorax und der Entwicklung der Tuber- 
kulose hesteht, zu konstatieren. Bei dem Kinde, welches später der 
Tuberkulose zum Opfer fallen soll, welches die Anlage zu dem Übel 
besitzt, behält die Brust auch beim Wachsen meist den Typus einer 
Kinderbrust bei, der Thorax bleibt eng nach oben und schließt 
rasch nach unten ab, er bleibt schmal und in transversaler Richtung 
wenig ausgedehnt. 

Bekanntlich hat man diese Thoraxmessungen als ungenügend 
qualifiziert, indem der äußere Umfang nur über „eine" Dimension 
Aufschluß gebe, nicht aber beispielsweise auch über das Volumen 
der Brusthöhle und der Lungen. Gewiß sind diese Messungen nicht 



Schulhygienische Mitteilangen vom internationalen Tuberkulosekongreß. 159 

ganz befriedigend und auch wohl etwas schwierig auszuführen^ doch 
sie geben jedenfalls annähernd richtige Aufschlüsse, was immerhin 
nicht gering zu schätzen ist. 

Wie sind die Messungen yorzunehmen? Immer muß eine und 
dieselbe Methode des Messens beibehalten werden^ denn sonst erhält 
man ganz voneinander abweichende^ unrichtige Resultate. 

Wann sind die Messungen vorzunehmen? Am vorteilhaftesten 
während der Atmungsruhe. Zum Vergleich sind die Messungsresultate 
während des Einatmens sodann eigens zu notieren. Bei den Mädchen 
ist das Messen des Thoraxumfanges etwas mißlich. Bei den Knaben 
ist es leicht, den Mammillarumfang zu nehmen, bei den Mädchen 
wird man wohl etwas tiefer, im Niveau des Schwertfortsatzes, das 
Zentimetermaß anlegen. Man nehme stets die Messungen mit herab- 
hängenden Armen vor. 

Sehr zweckmäßig ist es, das sogenannte ^,symmetrische 
Zentimetermaß^' anzuwenden, d. h. ein biegsames Maß, welches 
statt von 1 bis 100 graduiert zu sein, aus zwei symmetrischen 
Hälften besteht, die beide von 1 bis 75 graduiert sind, so zwar, daß 
die Separationsstelle der beiden Ziffern 1 genau in der Mitte des 
ganzen Zentimetermaßes sich befindet. Diese Stelle wird bei den 
Brustmessungen auf den Kamm der Domfortsätze der Wirbelsäule 
gebracht und nun die beiden bis auf 75 graduierten Enden beider- 
seits nach vom über die Brust geführt. Auf diese Weise ist es 
möglich, die anatomische Entwicklung beider Brusthälften mitein- 
ander zu vergleichen und zwar bei einer einzigen Messung, während 
einer und derselben Operation. Läßt man das Kind atmen, so ist 
leicht zu konstatieren, ob die Zunahme des Umfanges auf beiden 
Seiten dieselbe ist, oder ob die eine Seite während der Inspiration 
sich mehr ausdehnt, als die andere, die dann als anormal angesehen 
werden muß. Bei Individuen, die eine Prädisposition zu Lungen- 
tnberkulose besitzen, oder bereits in diesem Sinne erkrankt sind, 
kommt es vor, daß der Umfang auf der einen oder auf der anderen 
Seite, d. h. auf der kranken Seite, bei der Einatmung gar nicht, oder 
nur unbedeutend zunimmt. Mery hatte Gelegenheit, in den von 
6rancher gesammelten Dokumenten bezüglich der Untersuchung auf 
Tuberkulose in den Schulen den Wert des Verhältnisses zwischen 
Thoraxumfang und Körpergröße näher zu prüfen. Es hat sich dabei 
herausgestellt, daß diejenigen Kinder, die als der Tuberkulose ver- 
dächtig galten, einen sogenannten „indice de vitalite''^) besaßen, der 



1) Verhältnis zwischen Thoraxnmfang und Körpergröße. 



160 Emßt Feltgen: 

bedeutend niedriger war, als dies normalerweise der Fall ist. Die 
Untersuchungen erstreckten sich auf 2300 Kinder. Mery will aus 
diesen seinen Erfahrungen einstweilen noch keine festen Schlüsse 
ziehen, sondern vorher noch mehr statistische Angaben abwarten. 
Er begnügt sich für jetzt, zu zeigen, daß es einen gewissen Paral- 
lelismus zwischen dem Thoraxumfang und der Körpergröße gibt, 
dessen Prüfung von hervorragender Bedeutung für die frühzeitige 
Diagnose der Lungentuberkulose ist. 

Ist das Spirometer, der Atemmesser, eher imstande, genaue 
Angaben über die Funktionsfähigkeit der Lungen zu geben, als die 
besprochenen Messungen am Thorax? 

Vom theoretischen Standpunkt aus, so behauptet Mery, muß mit 
ja geantwortet werden, da mit dieser Untersuchungsmethode die ver- 
schiedenen Grade der Vitalkapazität der Lungen am sichersten nach- 
gewiesen werden können, ob aber die Methode in der Praxis ihren 
Wert behält, das dürfte zweifelhaft sein, wenn man bedenkt, daß 
man es, in unseren speziellen Fällen, mit Kindern zu tun hat, die 
entweder absichtlich, aus Leichtsinn, oder aus Furcht oder aus sonst 
einem Grunde das Ein- und Ausatmen meist nicht nach Wunsch aus- 
führen. Die Spirometrie sowohl als die anthropometrischen Messungen 
können also bei der Feststellung der Diagnose auf Lungentuberkulose 
nur als Hilfsmittel angesehen werden, die allerdings oft sehr kostbar 
sind; die genaue Untersuchung der Luftwege auf klinischem Wege 
bleibt, im Grunde genommen, die Hauptsache bei der Ausspürung 
des Leidens. 

Man beginne mit dem Untersuchen auf Lymphdrüsen in der 
Unterkiefergegend, in der Zervikalgegend, in der Carotisgegend, in 
der subklavikularen Region, in der Achselhöhle. Bekanntlich setzen 
sich in der Regel die Bazillen in diesen Drüsen fest, ehe sie in die 
Tracheobronchialdrüsen und in die Lungen weiterwandem. Hierauf 
inspiziere man den Thorax und sehe zu, ob die Entwicklung des 
subkutanen Venengeflechtes in den subklavikularen Regionen eine 
abnorme ist. Nach Derecq ist die abnorme Entwicklung und An- 
füllung dieser Venen ein sicheres Zeichen für das Vorhandensein 
von Drüsenschwellungen im Mediastinum und für die ersten Keimungs- 
vorgänge der Tuberkel in den Lungen. 

Schließlich kommt als der wichtigste, aber auch der schwierigste 
diagnostische Faktor die Untersuchung der Lungen selbst in Be- 
tracht. Mery möchte die diesbezügliche Methode Granchers befolgt 
sehen, über welche dieser in seiner Abhandlung „Preservation scolaire 
contre la tuberculose" des Näheren berichtet. Die Abhandlung schließt 



SchnlhygieniBche Mitteilnngen vom internationaleii TnberkulogekoDgreß. 161 

mit dem Resnm^: Diese üntersnchungsmetfaode, welche sich einzig 
und allein auf das Studium der Anomalien bei der Inspiration 
stützt, hat für die Kranken den unschätzbaren Vorteil, die Diagnose 
der tuberkulösen Affektion der Lungen monate- und selbst jahrelang 
früher feststellen zu können, als es möglich ist, den sogenannten 
ersten „klassischen^^ Orad der Krankheit zu erkennen. Der Arzt 
kann demgemäß der Entfaltung des Krankheitskeimes in den Lungen- 
bläschen beiwohnen. Die Behandlung der Tuberkulose wird auf 
diese Weise sich viel wirksamer gestalten.*) 

Die chemischen Untersuchungen im Laboratorium lohnen sich 
zum Nachweis der Tuberkulose in der Schule kaum, desgleichen 
wird man hier auch keinen Gebrauch yon den Tuberkulininjektionen 
machen können. Komplementarisch kann die Radioskopie von Nutzen 
sein, besonders weil durch sie das Vorhandensein von Tracheo- 
bronchialdrüsen mehr oder weniger leicht nachzuweisen ist. Nicht 
zu unterschäzen ist das Hilfsmoment zur Feststellung einer Diagnose, 
welches dem Arzte dadurch in die Hand gegeben wird, daß er sich 
über den Gesundheitszustand der Familienangehörigen, besonders des 
Vaters und der Mutter des zu untersuchenden Schulkindes, genau 
informieren und persönlich überzeugen kann. Die Familienangehörigen 
werden sich wohl nicht weigern, dem Arzt auf diese Weise behilf- 
lich zu sein, falls sie durch zweckentsprechende und taktvoll bei- 
gebrachte Aufklärung von der Bedeutung einer solchen Maßnahme 
durchdnmgen wurden. 

Wem soll die individuelle Untersuchung der Schulkinder an- 
vertraut werden? Amtlich angestellten Schulärzten, nachdem 
eine ärztliche Schulinspektion gesetzlich geregelt und eine individu- 
elle Schüleruntersuchung obligatorisch gemacht wurden. Um 
regelrecht vorzugehen und um gewünschte Resultate aufweisen zu 
können, ist es unbedingt notwendig, daß alle Schulärzte auf eine 
und dieselbe Weise bei diesen Untersuchungen vorgehen, denn nur 
unter dieser Bedingung wird es möglich sein, zur allgemeinen Zu- 
friedenheit das Werk Granchers weiter auszudehnen und zu vul- 
garisieren. 

Mery glaubt, die Wiederholung der Untersuchung könne 
wohl alle zwölf Monate geschehen, andere sprechen sich für eine 
Untersuchung aller Schulkinder alle drei oder sechs Monate aus. 
Würde man sich diesbezüglich für einen Zeitraum von einem Jahr 



1) Vergleiche: Internationales Archiv für Schulhygiene, 1. Band, 190ö, 
8. 181—144. 



162 EniBt Feltgen: 

einigen, so dürfte eine supplementäre Untersuchung jedesmal 
dann eingeschoben werden können, wenn die Kinder eine ansteckende 
Krankheit, wie Masern, Scharlach, Keuchhusten, Influenza, Lungen* 
entzündung, durchgemacht haben, oder wenn bei denselben eine Ge- 
wichtsabnahme oder ein krankhaftes Aussehen konstatiert wird, 
ohne daß man eine streng definierbare Krankheit für diese Yor^nge 
anzuschuldigen in der Lage ist. 

Die prophylaktischen Maßregeln, die in der Schule ange- 
wandt werden sollen, sind zweierlei Art, kollektive zur Verhütung 
der Verbreitung der offenen Tuberkulose, individuelle zur Ver- 
hinderung der Entwicklung der latenten Tuberkulose. Die kollek- 
tiven prophylaktischen Maßregeln, von welchen schon weiter oben 
die Bede ging, umfassen vor allem diejenigen, durch welche be- 
zweckt wird, die Hygiene der Schulräumlichkeiten zu reali- 
sieren. Li erster Linie muß dafür gesorgt werden, daß soviel Licht 
wie möglich in die Klassenzimmer und in die Schulhöfe hinein- 
dringe, daß die Lüftung der Räume eine gehörige sei, daß jedes 
Schulkind über wenigstens 1,25 Quadratmeter Fläche im Schulraum 
verfügen könne, daß ein Maximum von Reinlichkeit in betreff der 
Lokale und des Mobiliars angestrebt werde, daß der Maueranstrich 
wasserdicht und die Mauerbekleidung waschbar sei, daß die Fuß- 
böden fugenlos und nötigenfalls mit Paraffin oder dergleichen Stoffen 
bestrichen seien, daß das Kehren und Abwischen auf feuchtem Wege 
geschehe, daß das Spucken auf den Boden streng verboten werde, 
und Spucknäpfe zur Verfügung seien, daß eine allgemeine Des- 
infektion der Räumlichkeiten der Schule selbst und der Dependenzien 
wenigstens einmal im Jahre stattfinde, daß eine ausgiebige Reini- 
gung, ja eine regelrechte Desinfektion, wenn es sein muß, jedesmal 
dann vorgenommen werde, wenn in den Schulen Volksversammlungen 
und dergleichen abgehalten wurden. 

Die Frage, ob die Schulkinder angehalten werden sollen, sich 
an der Reinigung der Räume zu beteiligen, wird von Mery ver- 
neinend beantwortet. Die meisten antituberkulösen Vereine, unter 
diesen auch die bekannte Ligue des medecins et des familles pour 
l'hygiene scolaire, haben sich energisch dagegen ausgesprochen. 
Die ständige Tuberknlosekommission hat sich jedoch nicht in diesem 
Sinne geäußert und will in der Beteiligung der Schulkinder am 
Reinhalten der Schulräume einen Reinlichkeitsunterricht, eine Er- 
ziehung zur Reinlichkeit sehen. Doch es müßte in diesem 
Falle das Kehren und Staubabwischen wirklich nach hygienischen 
Prinzipien vor sich gehen, also nie anders, als auf feuchtem Wege. 



Schulhygienische Mitteilungen vom internationalen Tnberkulosekongreß. 163 

Was die Bücher imd anderen Gegenstände betrifffc, die an an- 
steckender Tuberkulose leidenden Schulkindern gehörten^ so ist es 
klar, daß dieselben am vorteilhaffcesten durch das Feuer zu zer- 
stören sind. Wenn in den Schulen selbst Angestellte, also Schul- 
diener, oder Lehrer und Lehrerinnen wohnten, die an offener 
Tuberkulose erkrankt waren, so muß die Desinfektion der be- 
treffenden Wohnräume durch Neuanstrich der Wände und Tapeten- 
wechsel kompletiert werden. 

Welches sind die Maßregeln, die zu treffen sind, wenn in einer 
Schule Lehrer, Schüler oder Schuldiener an offener Tuberkulose 
leidend angetroffen werden? Die Frage wurde bereits teilweise an 
anderer Stelle beantwortet. Es sei nochmals darauf hingewiesen, 
daß vor allem der Betreffende, ob Lehrer oder Schüler oder Diener, 
gleich zu entfernen ist, um in seiner Familie oder in einer Anstalt 
einer gehörigen Pflege teilhaftig zu werden, mit fortlaufendem Ge- 
haltsbezug, insofern es sich um Beamte handelt. Was die Schul- 
kinder betrifft, so wäre es zu wünschen, daß dieselben in Sanatorien 
am Meere, auf dem Lande, auf den Bergen, je nach den Ortsver- 
hältnissen, verbracht würden, wenn man es mit offener Knochen- 
pder Drüsentuberkulose usw. zu tun hat. Kommen mit an offener 
Lungentuberkulose leidende Kinder in Betracht, die Fälle sind 
bekanntlich in der Schule selten, so sind dieselben, wenn möglich, 
in ihren Familien oder in Spitälern zu behandeln. Grancher tritt 
dafür ein, daß Kinder mit geschlossener Tuberkulose am besten in 
Sanatorien am Meere oder in Privathäusem, in Familien, unter- 
zubringen sind, falls sie ein lymphatisches, ruhiges Temperament 
haben, den leicht reizbaren Kindern, den nervösen Naturen, soll 
man einen Aufenthalt auf dem Lande, wenigstens 15 bis 20 Kilo- 
meter weit vom Meere entfernt, anweisen, da der direkte Kontakt 
mit der Meerluft diesen nicht förderlich ist. Grancher teilt die an 
Tuberkulose leidenden Kinder ein in solche, die eine leichte Affek- 
tion aufweisen und in der Schule selbst behandelt werden können, 
und in solche, deren Krankheitszustand den Landaufenthalt erheischt. 
Für die ersteren schlägt Grancher eine Überernährung vor, sowie 
methodisch ausgeführte Atemgymnastik und das regelmäßige Ver- 
abreichen von Fleischpulver und Lebertran im Winter, von Jod- 
präparaten im Sommer und zwar zu Lasten der Schulkassen, wenn 
es sich um unbemittelte Kinder handelt. Daß daneben auch für 
genügend langen Aufenthalt in frischer Luft gesorgt werden muß, 
ist wohl selbstverständlich. 

Von großer prophylaktischer Wichtigkeit ist auch die indirekte 



164 Einst Feltgen: 

Maßregel, die darin besteht, die Lehrer und Schüler durch einen 
zweckmäßigen Unterricht in der Hygiene besonders auf die 
Gefahr der Tuberkuloseübertragbarkeit aufmerksam zu machen. 
In Frankreich ist, nach M^ry, eine solche hygienische Erziehung in 
den Lehramtskandidatenschulen und in den Volksschulen bereits 
ins Werk gesetzt worden, und zwar dank der Initiative einiger 
opferwilliger Leute. Der Inspektor der Primärschulen, Baudrillard, 
hat ein Handbuch veröflFentlicht, welches über die Verbreitung der 
Tuberkulose eingehend handelt und den Schulkindern Stoff bietet 
zur Unterrichtung in den Schulen und zu Aufgaben. Die anti- 
tuberkulösen Lehren müssen in den Schulen gleichzeitig mit den 
antialkoholischen Lehren verbreitet werden, zumal Tuberkulose 
und Alkoholismus Hand in Hand gehen und erstere nur allzu oft 
durch den Alkoholmißbrauch eingeleitet wird. 

Unter die indirekten Maßregeln zur Bekämpfung der Tuber- 
kulose in der Schule und zur Abwehr des Übels ist noch die 
Gründung von Vereinen zu zahlen, die sich den edlen Zweck des 
Kämpfens gegen den Erbfeind der Menschheit auf die Fahne 
schreiben. 

Mery wünscht die Weiterentwicklung der „Mutualite scolaire", 
auch redet er den Schulkantinen das Wort, weil diese ein wirk- 
sames Hilfsmittel zur Bekämpfung der Tuberkulose in den Schulen 
darbieten. Zu diesen Kantinen können nur solche Kinder zugelassen 
werden, welche ärztlich untersucht wurden. Der Hauptzweck dieser 
Einrichtungen besteht darin, den Hilfsbedürftigen in der Schule 
eine kräftige Nahrung zu reichen, ja, bei denselben eine Über- 
ernährung zustande zu bringen, was beispielsweise durch das Ver- 
abreichen von Milch und von rohen Eiern erzielt werden könnte. 

Nach Grancher wäre es sehr angezeigt, Land- oder Wald- 
schulen (nach dem Muster der Charlottenburger Anstalt) zu 
gründen, wie eine solche bei St. Etienne ins Leben gerufen wurde. 
Durch das Leben in gesunder, frischer Luft, bei zweckmäßig ge- 
regelter Ernährung und methodisch geleitetem Schulunterricht, 
würden sicherlich die meisten kranken Kinder geheilt werden, die 
man in den Städten und größeren Ansiedlungen vergebens ärzt- 
lich behandelt. Alle Bestrebungen, die auf ein solches Leben draußen 
hinzielen, um tuberkulöse oder der Tuberkulose verdächtige Kinder 
in Schutz zu nehmen, sind als äußerst nützlich und empfehlenswert 
anzusehen. Diese Anstalten sollen jedoch den betreffenden Kindern 
nicht einen kurzen, vorübergehenden Aufenthalt gewähren, sondern 
sie müssen denselben während der ganzen Schulperiode ihre 



SchnlhygieniBche Mitteilnngen vom iniemationalen TuberkulosekongreB. 165 

yorteilhaften Einwirkungen auf die Gesundheit zugute kommen 
lassen. 

Auch die Ferienkolonien sind segensreiche Einrichtungen. 
Leider behält man auch hier die Kinder nicht lange genug in 
Pflege. Gewöhnlich bleiben dieselben nicht über einen Monat und 
deshalb können die meisten nicht in genügendem Maße Vorteile 
für ihr Wohlbefinden gewinnen. In die Pariser Schul- uud Ferien- 
kolonien werden im Durchschnitt höchstens 10 von 500 Kindern 
geschickt, auch nimmt man keine Kinder unter zehn Jahren an. 
Anfangs ging man gar so weit, nur gesunde Schüler und solche, 
die sich durch Fleiß und Betragen auszeichneten, in diesen An- 
stalten aufzunehmen, was natürlich als ein recht verkehrtes Handeln 
angesehen werden mußte. 

Die Ansichten, ob die Schulkinder in Privatfamilien oder in 
Anstalten verbracht werden sollen, wenn es heißt, denselben die 
Vorteile des Landaufenthaltes zu bieten, gehen bei den verschiedenen 
Fachleuten weit auseinander: Übereinstimmung herrscht jedoch in 
betreflF des Punktes, daß in allen Fällen ein Arzt die Kinder über- 
wache, damit sie ausgiebigen Nutzen aus der Behandlung, die in 
den Ferienkolonien angestrebt wird, ziehen dürfen. 

Als wichtigste Punkte der auf diese Auseinandersetzungen fol- 
genden Diskussion seien nachstehende herausgegriffen: 

Bezüglich der Kreierung von Landschulen wurde bemerkt, 
daß bereits in einigen Departementen solche bestehen, und zwar 
für Kinder mit offener und mit geschlossener Tuberkulose. 

Es wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, den antituber- 
kulösen Unterricht för Lehrer und Schüler sobald wie möglich 
und überall obligatorisch zu machen. Der Unterricht in der 
Hygiene soll durch Schulärzte erteilt werden. 

Die Atemgymnastik sei imumgänglich notwendig, um den 
Kämpfern um die gute Sache zum Siege zu verhelfen. Eine erste 
Bedingung zur fruchtbringenden Atemgymnastik sei natürlich die 
Untersuchung und die eventuell erforderliche Behandlung der oberen 
Luftwege, speziell der Nase, des Rachens, der Nasenrachenräume. 
Die Atemgymnastik habe ihre Gefahren, zumal bei fortgeschrittener 
Lungenaffektion, und deshalb, weil sie ein zweischneidiges Schwert 
sei, dürften nur Ärzte, Schulärzte, mit den Übungen betraut werden, 
wie dies auch für die orthopädische Gymnastik der Fall ist. 

Die besprochene antituberkulöse Prophylaxe in den Schulen 
sei allenthalben in Frankreich noch sehr mangelhaft organisiert, 
man habe es nur mit fragmentarischer Arbeit zu tun, eine Grup- 

Gesunde Jugend. V. 7—10. 12 



166 Ernst Feltgen: 

pierung derjenigen, die dasselbe Ziel verfolgen , sei höchst er- 
wünscht. 

Eine recht bedeutsame Bemerkung wurde bezüglich des Yer- 
häl&isses zwischen geistiger und körperlicher Erziehung gemacht: 
Die Schule im Vormittag für das Gehirn, im Nachmittag 
für die Lungen! Der mit den modernen Reformbestrebimgen ganz 
und gar in Einklang stehende Vorschlag fand ungeteilten Beifall. 

In Südwestfrankreich wurde die Gymnastik im richtigen Ver- 
hältnis zu den geistigen Arbeiten, besonders die schwedische 
Gymnastik mit gutem Erfolg in verschiedenen Schulen eingeführt. 
Vergleicht man dort, so heißt es, das Notizbuch des Arztes mit 
dem des Ökonomen (in den Internaten), so findet man beispiels- 
weise für die Mädchenschule in Pau, daß seither die Aufiiahmen in 
das Krankenhaus von Jahr zu Jahr an Zahl heruntergegangen sind, 
von 36 auf 16 und schließlich auf 8, während die Ausgaben für 
Beschaffung von Nahrungsmitteln in dem Haushaltungsbuch be- 
deutend gestiegen sind. Dieselben erfreulichen Resultate sind an 
der Knabenschule von Sarlat zu konstatieren. 

In betreff der Tuberkulosemorbidität bei Lehrern wird her- 
vorgehoben, daß die besprochenen hohen Prozentsätze der Wirklich- 
keit keineswegs entprechen, sowohl was Paris, als auch die anderen 
großen Städte angeht. Den Schulärzten sind solche hohe Zahlen 
nicht bekannt. Die Gesellschaft der wechselseitigen Unterstützimg 
der Lehrer des Seine-Departements, welche im Verlauf der letzten 
zehn Jahre von 185 bis 265 Mitglieder zählte, hatte nur 
12 Fälle von Tuberkulose zu verzeichuen. In Paris und im Seine- 
Departement sind nur 60 Fälle von Tuberkulose unter 7163 Mit- 
gliedern des Lehrerstandes der Primärschulen nachgewiesen worden. 
Alle Statistiken zeigen übrigens, daß die Mortalität an Tuberku- 
lose unter den Pariser Lehrern um die Hälfte niedriger ist, als 
die Gesamtmortalität. 

Daß durch die Bücher ansteckende Krankheiten, unter diesen 
auch die Tuberkulose, verschleppt werden können, beweist fol- 
gender Fall: Ein gesimdes Kind brachte ein Buch mit nach Hause, 
welches von dem tuberkulösen Vater während längerer Zeit zur 
Lektüre benutzt wurde. Der Mann bediente sich regelmäßig beim 
Wenden der Blätter seiner mit Speichel augefeuchteten Finger. Die 
am meisten auf diese Weise beschmutzten Blätter wurden während 
genügend langer Dauer in Wasser getaucht, und mit diesem voll- 
führte man bei Meerschweinchen Injektionen in die Peritonealhöhle: 
alle auf diese Weise inokulierten Tiere erwarben Tuberkulose. 



Schnlhygienische Mitteilungen vom internationalen Tnberknlosekongreß. 167 

Es wnrde bemerkt, der Unterricht in der Hygiene, speziell 
für die Lehrer, sei aus dem Gh-unde allein schon höchst wichtig, 
weil der Schnlarzt mit dem Lehrer Hand in Hand gehen maß und 
dieser also über hygienische Prinzipien genügend aufgeklärt sein 
müsse, nm die ärztlichen Anordnungen und Vorschläge richtig be~ 
urteilen zu können. 

Es wurde beschlossen, einen solchen Unterricht überall in den 
Normalschulen einzuführen, wo derselbe gewünscht wird. (Viel- 
leicht wäre es besser, denselben einfach obligatorisch zu machen, 
ohne einen diesbezüglichen Wunsch von Seiten der betreffenden Be- 
hörden abzuwarten.) 

Hinsichtlich der Schulkantinen wird deren Notwendigkeit 
von allen Seiten streng betont. Es genüge, sich einmal die Nah- 
rung anzusehen, welche die ärmeren Kinder mit zur Schule bringen, 
um sich Yon der Bedeutung der Installierung von Kantinen zu 
überzeugen. Es sei sehr zu wünschen, daß Staat und Gemeinden 
hier eingreifen und ihre MithiKe an diesem Werk in yoUem 
Maße denjenigen zugute kommen lassen, welche die Frage angeregt 
und zur Lösung derselben schon einiges beitragen dürften. 

Springer-Paris vertritt die Ansicht, die Wachstumsvorgänge 
beim Kinde würden beim Kinde im größten Maße von lebhaften 
Reizungen der in den Gelenken sich gegenüberstehenden Knorpel 
eingeleitet und diese Entwicklungsvor^nge könnten bei den zu 
Tuberkulose prädisponierten Kindern bestimmend in bezug auf das 
Aufblühen der Krankheit einwirken. 

Die natürliche Entwicklung des Knochensystems ziehe eine 
Menge von mineralischen Stoffen an und fixiere dieselben an be- 
stimmten Punkten. Wenn die Ernährung der Kinder aus irgend- 
welchem Grunde nicht hinreichend sei, um dieses Bedür&is an 
mineralischen Stoffen zu decken, so bilde sich zugunsten der 
Knochen eine Demineralisation derjenigen anatomischen Elemente, 
die am meisten Mineralsalze, insbesondere Phosphate, bergen. Aus 
diesem Ausgleich von Emährungssubstanzen folge eine Dystrophie, 
die sich über den ganzen Organismus geltend machen könne, und 
so würde die Entwicklung des TuberkelbaziUus bei den Prädisponierten 
sehr begünstigt werden. 

Um gegen diese Wirkung zu kämpfen, schlägt Referent vor, 
das Wachstum im richtigen Maße, soviel es angeht, zurückzuhalten, 
sowie dem Organismus diejenigen Stoffe, die er assimilieren kann, 
zuzuführen. Wie kann solches bewerkstelligt werden? Durch das 
Vermeiden aller Ursachen, welche die Aktivität des Knorpels zu 

12* 



168 SniBt Feltgen: 

reizen imstande sind, das heißt also^ in erster Linie^ durch das Ver- 
meiden der gymnastischen Übungen bei den Prädisponierten^ durch 
das Umgehen jeder größeren Muskelarbeit^ sodann durch Enthaltung 
Ton allen reizenden Wasserbehandlungen, besonders von kalten 
Übergießungen; femer durch das Meiden aller reizenden Genußmittel, 
als da sind Kaffee^ Bier, Wein und Alkohol unter einer anderen 
Form. Angezeigt sind Buhe, beruhigende innere und äußere Mittel, 
die statische Elektrizität, lokale Applikationen von Kompressen auf 
die Gelenke mit Stoffen, denen man eine beruhigende und blut- 
ableitende Wirkung mit Recht zuschreibt, sodann die Darreichimg 
Yon organischen Phosphaten, die nicht chemisch behandelt wurden, 
von Eiern, von Milch und Fleisch, von letzterefti jedoch nur sehr 
kleine Quantitäten, schließlich von Arsen- und Jodpräparaten, von 
kakodjlsaurem Natron. 

Es würde uns zu weit führen, wollten wir über die Behandlung 
tuberkulöser Schulkinder und solcher, welche der Tuberkulose ver- 
dächtig sind, in „Luftkuranstalten'', in den sogenannten „Dis- 
pensaires antituberculeux" usw., des Näheren an dieser Stelle 
mitteilen, welche prophylaktischen und therapeutischen Einrichtungen 
auf dem Pariser Kongreß eingehend zur Sprache kamen, denken jedoch, 
zum Schluß die wichtigsten Wünsche hier wiedergeben zu sollen, 
welche in betreff Tuberkuloseabwehr dem Schulkinde gegenüber so- 
wie hinsichtlich des Beistandes des Kindes formuliert wurden: 

1. Die Hygiene der Schullokale und des Schulmobiliars muß 
gesichert werden. 

2. Die Schulkantinen sind an Zahl zu vermehren, zu verall- 
gemeinem, nach dem Muster der bereits bestehenden und tadellos 
funktionierenden Anstalten dieser Art, so auch 

3. die Ferienkolonien. 

4. Dem Kinde sind die Prinzipien der Hygiene beizubrigen, es 
soll verstehen lernen, daß der Aufenthalt in frischer, reiner Luft vor 
allem notwendig ist, es soll die Körperübungen liebgewinnen, sowie 
insbesondere die Atemgymnastik, es soll auf Körperreinlichkeit 
bedacht sein. 

5. Hinsichtlich der Internate muß dahin gewirkt werden, daß 
neben der geistigen Beschäftigung eine genügend lange Zeit für das 
Leben in freier Luft übrig bleibe, sowie für in vernünftigen Grenzen 
gehaltene körperliche Übungen.' 

6. In den Schulen soU das Ausspüren der Tuberkulose durch 
gründliche ärztliche Untersuchung vorgenommen werden und zwar 
nach der Methode Granchers und seiner Schüler. 



Schulhygienische Mitteilungen vom internationalen Tuberkulosekongreß. 169 

7. Man mnß dafür sorgen; daß diejenigen Kinder^ welche der 
Tuberkulose verdächtig sind; oder solche^ die bereits au dem Übel 
leiden, so lange wie möglich in bessere Lebensbedingungen; be- 
sonders was Ernährung angeht; gesetzt und daß für sie Landschulen 
gegründet werden. 

Diese Abwehrmaßregeln sind durch die verschiedensten Werke 
der Unterstützung des kranken KindeS; vor allem durch HöhekureU; 
zu ergänzen. Es ist in erster Linie angezeigt; in reichlichem 
Maße die Meersanatorien zu benutzen, deren Einwirkung bei ;;Prä- 
tuberkulose**; bei äußeren Tuberkulosen und bei der tuberkulösen 
Erkrankung der Lymphdrüsen ungemein günstig ist. 



Schnle und Armee. 

Von Oberstabflarzt Dr. Nenmann in Bromberg. 

Li früheren Arbeiten habe ich dem Bedauern Ausdruck gegeben; 
daß die Ergebnisse der Bekrutierungsstatistiken nicht überall in einer 
dem allgemeinen Wohle zuträglichen Weise veroflFentlicht; ausgenutzt, 
und zur Warnung und Belehrung benutzt werden können. Aus den 
Ergebnissen derselben würde sich auf mannigfachen Gebieten der 
allgemeinen und personlichen Hygiene ein Schluß ziehen lassen, so 
halte ich nach meinen Erfahrungen vor allem die Beziehungen der 
Berufe zur Militärtauglichkeit für wichtig und man ist neuerdings 
darangegangen, wenigstens für die Klasse der Einjährig-Freiwilligen 
sichere statistische Unterlagen zu gewinnen, die sich meines Er- 
achtens auch auszudehnen hätten auf alle Wehrpflichtigen. Neben 
der Berufsstatistik ließen sich meines Erachtens wichtige Schlüsse 
ziehen, wenn die Art der Schule, ihr Einfluß; Art des Unter- 
richts; Pflege der körperlichen Tätigkeit in der Schule untersucht 
werden könnte in bezug auf die Militärtauglichkeit. Auch hierin 
ist insofern jetzt ein Anfang gemacht; als wenigstens bei uns 
in Deutschland bei allen sich freiwillig Meldenden, also auch bei den 
Mehrjährig- Freiwilligen in den Untersuchungsmustern ein Vermerk 
über die Schulbildung gemacht werden muß. Einer Anregung 
des Herrn Professor Dr: Griesbach folgend, möchte ich in den folgen- 
den Zeilen die Beziehungen zwischen Schule und Armee aus- 
einanderzusetzen versuchen. Ich habe in früheren Arbeiten den Zu- 
sammenhang betont zwischen Yolkshygiene und Militärhygiene und 
habe gesagt; daß die Errungenschaften der Militärhygiene der Volks- 



170 Nemnaim: 

hygiene zugute kommen. Einmal ist die Militärhygiene vorbildlich 
gewesen^ weil sie den statistisch-sichem Nachweis erbracht hat, daß 
ein zielbewußtes hygienisches Arbeiten imstande ist, die Kranken- 
Ziffer herabzusetzen. Nach der einwandfreien Statistik von Hiller 
(Die Gesundheitspflege des Heeres) ist in dem 21jährigen Zeitraum 
von 1881 — 1902 die jährliche Krankenzahl bei der deutschen Armee 
um rund 3007© und die Sterblichkeit um 2,1 7qq oder um die Hafte 
zurückgegangen. Das sind Errungenschaften, die noch von keiner 
anderen Armee erreicht sind Zweitens habe ich gesagt, daß der 
Soldat das, was er als Soldat hygienisch lernt, mit hinaus nimmt in 
srein bürgerliches Leben. Der Soldat erhält bei uns hygienischen 
Unterricht und es wird ihm gezeigt und gelehrt, wie eine rationelle 
Gesundheitspflege imstande ist, Krankheiten zu verhüten; er ist also 
^in der Lage, jene Lehren später im Zivilleben zu betätigen. Die Armee 
ist mithin, bei uns wenigstens, eine Schule der Erziehung auch in 
hygienischer Beziehung. Diese hygienische Erziehung des Volkes, 
wie sie die Armee bietet als Schule, sollte nur früher einsetzen, 
nämlich in der Schule selbst. Ich bin der Ansicht und habe ihr an 
anderer Stelle Ausdruck gegeben, daß die Schulen verpflichtet 
sind, einen systematischen hygienischen Unterricht zu erteilen. 
Also ein Unterricht nicht bloß in der Schulhygiene, sondern Unter- 
richt in der Hygiene als obligatorischem Unterrichtsgegenstand. 
Meines - Erachtens gehören die GrundzQge der Gesundheits- und 
Krankhei^slehre zur allgemeinen Bildung; da die Schule diese 
Grundlagen geben muß, so gehört dieser Unterricht in die Schule. 
Geschieht dies aber, so würde es besser stehen mit der Yolksgesund- 
heit. Vor allem liegt das Gebiet der persönlichen Gesundheitspflege 
im argen. Will man mm im speziellen Schule und Armee in Be- 
ziehungen setzen, die sich zwischen ihnen spinnen lassen, so kann 
man zunächst sagen, daß die Schulzeit gerade das Alter umfaßt, 
welches der Militärzeit vorangeht, bei den höheren Schulen pflegt 
sich die Dienstzeit fast unmittelber anzuschließen, bei den Volks- 
schulen ist zwischen Schulzeit und Militärzeit eine Pause von fünf 
bis sechs Jahren. Die Militärtauglichkeit ist bei den Armeen der 
meisten Kulturstaaten ein feststehender Begriff, wenigstens hat er 
sich zu einem solchen im Lauf der Zeit bei den Nationen, die auf 
dem Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht fußen, verdichtet. Ich kann 
mich auf das Geschichtliche der Heeresergänzung hier nicht ein- 
lassen. In Betracht kommt ja auch nur das System der allgemeinen 
Wehrpflicht, da nur diese eine gerechte Auswahl des Ersatzes, eine 
Beteiligung des ganzen wehrfähigen Volkes verbürgt. Auf die 



Schule und Armee. 171 

Verschiedenheit der Altersgrenze für den Beginn der aktiven Dienst- 
zeit und auf die Dauer derselben kann ich nicht eingehen, bei den 
meisten Armeen ist der Beginn der Dienstzeit auf das 20. Jahr fest- 
gesetzt Alle Versuche , die Militärtauglichkeit in Ziffern auszu- 
drückeU; sind als gescheitert anzusehen. Militartauglich ist bei ims 
derjenige^ wie ich dies seiner Zeit in Reißigs Arztlichem Hausbuch 
naher auseinander gesetzt habe, der eine feste, elastische Haut, 
starken Nacken, breite Schultern, eine regelrecht gebaute Brust, gut 
gebauten Kücken, wohl angesetzte Schulterblätter, starke Ejiochen, 
kräftig entwickelte Muskulatur, gelenkige Arme und Hände, gesunde 
Beine und Füße und ein entsprechendes Körpergewicht besitzt. Ein 
langer schmaler Brustkorb, herabhängende Schülern, stark vor- 
springende Schlüsselbeine versprechen einen kräftigen zum Dienst 
geeigneten Körper nicht; auf die Einzelheiten gehe ich nicht ein. 

Die Bedingungen, die an die Militärtauglichkeit gestellt werden, 
hängen aber nicht bloß vom rein körperlichen Befinden ab, sie wer- 
den gemodelt durch die Bedarfsziffer, sie hängen ab von der Frucht- 
barkeit usw., so daß in denjenigen Ländern, in denen das Zwei- 
kindersystem obligat ist, auch auf Minderwertige zurückgegriffen 
werden muß, um den Bedarf zu decken. Die Frage, ob die städtische 
oder ländliche Bevölkerung die militärtauglichsten Rekruten liefert, 
ist ungelöst, weil der Begriff Stadt und Land infolge der Freizügig- 
keit gar nicht feststeht. Kruse hat bekanntlich gesagt: „Wenn wir 
auch keinen Grund gefunden haben, der uns zwänge, an die fort- 
schreitende physische Degeneration unserer und der übrigen euro- 
päischen Völker zu glauben, so ist damit natürlich noch nicht ge- 
sagt, daß die körperliche Beschaffenheit der heutigen Bevölkerung 
überall und in jeder Beziehung eine vortreffliche sei.'' Das wäre 
ein verhängnisvolles Mißverständnis. Wenn es auch an einzelnen 
statistischen Erhebungen von Bindewald, Eiben, Dade, Vogl u. a. 
nicht gefehlt hat, so fehlt es bei uns noch an der Ausnutzung des 
Materials, welches bei den Aushebungen gewonnen wird, wie dies 
u. a. (Jrotjahn in Weyls Handbuch der Hygiene (soziale Hygiene 
und Entartungsproblem) fordert. Die Volkshygiene muß aber ein 
ausgiebiges Interesse an der Kenntnis von der allgemeinen Körper- 
beschaffenheit haben. Die Ergebnisse der Aushebung sind, wie ich 
das in meiner Prophylaxe des Militärsanitätswesens naher aus- 
einandergesetzt habe, eine Kritik der Volksgesundheit. Ohne mit 
Zahlen zu ermüden, die deshalb unsicher in ihrer Wertung sind, weil 
ihre Grundlagen zu verschieden sind, gilt die Annahme als fest- 
stehend, daß die Hälfte der Wehrpflichtigen dienstuntauglich ist. 



172 Nemnann: 

Was die Wertung der Zahlen anbetrifft^ die natürlich in der Haupt- 
frage gipfelt: Hat die körperliche Brauchbarkeit des Volkes zu- 
genommen, oder nicht, so stimme ich Frölich in seiner „Militar- 
medizin^' bei, der sagt, daß man, um sich dieser Frage zu nahern, 
ganze Menschenalter gebrauche, daß aber in dieser Zeit die militä- 
rischen Bedürfnisse und die Wehrpflichtsbestimmungen der Völker 
sich derart geändert haben, daß eine zeitliche Vergleichung gar nichts 
verspricht. Ich will nur einige ganz kurze Zahlen bringen: In Nor- 
wegen wurden 1890 68 7o für tauglich erachtet, in Frankreich 1892 
51%, in Schweden 1893 747^, in England 1898 407o, in Japan 
1902 45 7o- Alle diese Zahlen besitzen nur einen relativen Wert. 
In Italien erhält jeder Wehrpflichtige ein Sanitätsblatt, auf welchem 
die für die Statistik wichtigen Zahlen, Beruf, Rasse, Geburtsort usw. 
verzeichnet sind, für Freiwillige sind auch bei uns solche Zählkarten 
neuerdings eingeführt; das ist aber nur ein Anfang. 

Ich möchte nun ganz kurz einen Blick auf die Erkrankungen 
werfen, welche hauptsächlich die üntauglichkeit bedingen. Ich 
schließe mich der Kürze halber, da ein weiteres Eingehen nicht 
nötig ist, der schon vorhandenen Darstellung von Generalarzt Meißner 
in Schenckendorff und Lorenz: Wehrkraft durch Erziehung an, im 
übrigen hatte ich in Beißigs Ärztlichem Handbuch die Erkrankungen 
schon kurz charakterisiert gehabt. Ergänzend füge ich hinzu, daß 
die Herzkrankheiten und Geisteskrankheiten von der preußischen 
Militärmedizinabteilung in ihren Wirkimgen auf die Militärtauglich- 
keit neuerdings gewürdigt worden sind. Beide Erkrankungen haben 
zugenommen, beim Volk imd bei der Armee. Von den Dienst- 
unbrauchbarkeit bedingenden Fehlem sind nach der Heerordnimg be- 
sonders hervorzuheben Kurzsichtigkeit und Schwachsichtigkeit. Ihre 
Beziehungen zur Schulhygiene sind zu bekannt, als daß ich sie hier 
noch weiter erörtern müßte. Wir sind durch unzweckmäßige Schul- 
hygiene zum Teil entartet und was die mangelnde Hygiene der 
Schule und des Elternhauses verabsäumt hat, kann der Militärdienst 
nur zum Teil wieder gut machen. Ich habe die Erfahrung gemacht, 
daß ein großer Teil der Rekruten erst wieder sehen lernen muß, 
sei es mit, sei es ohne Augenglas. Wir erziehen unsere Rekruten 
erst wieder zur Sehleistung, denn viele haben durch Beruf und 
Mangel persönlicher Augenhygiene das Sehen verlernt. Weiterhin 
sind es die Fehler der Zähne, die Dienstunbrauchbarkeit bedingen, 
die Ohrenleiden, meistens chronische Prozesse, deren Entstehung auf 
mannigfache Ursachen in der Entwicklungszeit zu schieben ist. Von 
ganz besonderer Bedeutung ist die Tuberkulose. Sie von der Armee 



Schule und Armee. 173 

schon bei der Aushebung fem zu halten, ist unser eifrigstes Be- 
streben und es ist durchaus charakteristisch, daß in Preußen die 
Abwehr der ja längst als ansteckend bekannten Tuberkulose von der 
Armee durch Bestimmungen geregelt war, ehe Robert Koch den 
Tuberkelbazillus als Träger der Infektion proklamierte! Schule und 
Tuberkulose sind nicht ohne Zusammenhang, ich kann aber darauf 
hier nicht näher eingehen, ebensowenig auf den Zusammenhang der 
Tuberkulose mit dem Alkoholismus. Die Disposition zu Erkältungs- 
krankheiten, %\x denen hauptsächlich die des Rachens und der Atmungs- 
organe rechnen, beruht meines Erachtens lediglich auf der Ver- 
weichlichung und mangelhaften Abhäiining. Dasselbe gilt auch zum 
Teil Yon den rheumatischen Erkrankungen. Die ganz im argen 
liegende Fußhygiene führt zu den Fußfehlem, die die Dienstunbrauch- 
barkeit bedingen. Zu den Fehlem allgemeiner Art rechnen wir die 
Nervenschwäche unserer entarteten Jugend, die männliche Hysterie, 
die in der Steigerung begriffen ist, die allgemeine Körperschwäche, 
ein Ausdruck der allgemeinen Degeneration. 

Wenn auch ein Teil der Ursachen der Dienstunbrauchbarkeit 
im Beruf, in Unfällen usw. liegt, so liegt doch zweifellos die tiefere 
Ursache in den mangelnden gesundheitlichen Verhältnissen, in den 
Mängeln der Schulhygiene, auf die ich als Nichtfachmann nicht näher 
eingehen will, soweit sie die Überbürdungsfrage, die Art des Unter- 
richts usw. betreffen; eine weitere Ursache liegt in der Vernach- 
lässigung der Körperpflege, in der Vorherrschaft des Alkoholismus, 
der Ausschweifungen, des zum Fanatismus getriebenen Sports, im 
Tabakmißbrauch (Zigaretten rauchen) usw. Die Zunahme der Herz- 
krankheiten, sagt Generalarzt Stricker, ist aus der ^zunehmenden 
Degeneration und Nervosität der Jugend zu erklären. Daher auch 
die Steigerung der Nervenkrankheiten und Geisteskrankheiten. Daß 
eine unzweckmäßige Schulhygiene ihre Mitschuld trägt, steht außer 
Zweifel. Will man also eine leistungsfähige, wehrkräftige Jugend 
erziehen, so ist es notwendig, auf dem Gebiet der Schulhygiene noch 
mehr zu tun als bisher, auch hier leiden wir noch an einem Zu- 
wenig an Hygiene, wie Grober von der allgemeinen Hygiene sagt. 
Schule und Armee haben also das gemeinsame Ziel, die Wehrkraft 
zu erhöhen. Wir brauchen eine kräftige Generation, hat unser Kaiser 
gesagt, und diese Erziehung zur Kraft muß schon in der Schule be- 
trieben werden. Die Schule soll die natürliche Bundesgenossin der 
Armee sein auch auf dem Gebiete der gesundheitlichen Erziehung. 
Die Schule kann unendlich viel tun zur Hebung der Wehrkraft. 
Einmal kann sie das erfüllen, was der Zentralausschuß zur Förde- 



174 Nei 

rung der Volks- und Jugeudspiele in Deutschland will, auf dessen 
Leitsätze ich hier verweise. Hebung der Widerstandskraft körper- 
lich und geistig; Hebung der Freude der Jugend an körperlicher 
Betätigung der Leibesübungen durch TumeU; Schwimmen^ Spiele, 
Bergsteigen, Rudern, Eislauf usw. — kurzum das notwendige körper- 
liche Gegengewicht gegen die geistige Ermüdung und Überbürdung. 
Für die Mädchen gilt das gleiche, denn nur eine gesunde Mutter 
bringt wehrkräftjge Sprößlinge zur Welt. Die Schule sollte vor 
allem eins pflegen, ein Einfaches, das eine Binsenwahrheit darzubieten 
scheint: die Reinlichkeit. Sie ist die Grundtugend jeder Hygiene. 
Ein großer Teil unserer Rekruten muß erst zur Reinlichkeit erzogen 
werden. Es muß einer schon ein sehr schmieriger Mensch sein, 
wenn er es nötig hat, sich jeden Tag zu waschen, sagte ein Rekrut, 
wie Sonderegger in seinem trefflichen Buche: Vorposten der Gesund- 
heitspflege berichtet. Gerade diese körperliche Reinlichkeit als 
Quelle der Gesundheit sollte die Schule pflegen. Mit der Unrein- 
lichkeit hängen die Infektionskrankheiten aller Art eng zusammen, 
in der Schule, wie in der Kaserne, wie im Hause! Wenn ich es 
als eine notwendige Forderung hinstelle, daß die Schule ihren 
Schülern einen systematischen hygienischen Unterricht durch 
Arzte, durch die als Forderung gebotenen Schulärzte oder durch 
vorgebildete hygienische Lehrer erteilen läßt, wie ich solchen Unter- 
richt bei Truppenteilen und bei Schulen als einer der ersten durch- 
gesetzt habe, so muß sich ein solcher Unterricht auch auf die über- 
aus wichtige, von Exzellenz von Haeseler, von Suck, von Eerschen- 
steiner ganz besonders gewürdigte, wichtige Zeit zwischen Schule und 
Waffendienst erstrecken. Ja ich möchte gerade diese Zeit als die 
wichtigste und gefahrvollste hinstellen. Wichtig, weil in ihr 
— bei beiden Geschlechtem — das Wachstum vom Kind zum Er- 
wachsenen sich vollzieht, gefahrvoll, weil hier besondere Gefahren 
lauem. In dieser Zeit wird oft genug der Grund gelegt zu späterem 
Siechtum durch Ausschweifungen usw. Zu dem notwendigen Unter- 
richt, der der schulentlassenen Jugend vom 15. bis 19. Jahre zu- 
teil werden muß in Fortbildungsschulen, Haushaltungsschulen usw., 
rechne ich ganz besonders einen systematischen hygienischen Unter- 
richt. Zu jener Zeit ist das Gemüt noch bildungsfähig, der Ge- 
sichtskreis hat sich schon etwas erweitert, so daß ich die EinfÜhmng 
der hygienischen Unterweisung in Gestalt systematischer Uuterrichts- 
kurse an diesen Schulen für Halberwachsene für absolut not- 
wendig halte. Ich habe an einer solchen Schule Erfolge erzielt und 
das Gebotene wurde dankbar aufgenommen. Zu dem hygienischen 



Schule und Annee. 176 

Unterricht gehört hierher die volle Aufklärung über die Nachteile 
der sexuellen Krankheiten, über die erste Hilfe, über die Grundzüge 
der Krankenpflege, die in den weiblichen Schulen ganz besonders 
gelehrt werden muß. Es fehlt nicht an Unterweisungsbüchern, ich 
nenne die Bücher von Baur, Siebert im Verlag von Seitz und Schare 
in München, die Bibliothek der Gesundheitspflege von Buchner- 
ßubner im Verlag von Ernst Heinrich Moritz in Stuttgart. Zu 
diesem Unterricht gehört auch die Warnung vor der Kurpfuscherei, 
vor der sogenannten, dieser nahestehenden Naturheilmethode, vor der 
Selbstbehandlung, vor dem Geheimmittel- und Heilmittelschwindel! 
Ich habe den mir besonders sympathischen Gedanken der Verbindung 
von Volkshygieue und Miliiarhygiene, dem ich u. a. in Breslau auf 
der Ärzte- und Naturforscherversammlung Ausdruck geben durfte, 
der auf Zustimmung stieß, bestätigt gefunden in einem äußerst 
lesenswerten Buche von Beminger : Pädagogik und Hygiene. Beminger 
stellt es als eine Pflicht der Pädagogen hin, für Nahrung und Förde- 
rung der geistigen und körperlichen Gesundheit der Schüler und 
Schülerinnen zu sorgen. Er weist nach, weshalb unsere heutige 
Jugend sich keines günstigen Gesundheitszustandes erfreut, und seine 
Behauptungen decken sich mit den Ergebnissen der Aushebung. In 
beredten Worten schildert Beminger Art und Wesens des hygie- 
nischen Wirkens des Lehrers. Er tritt für eine Erweiterung des 
naturkimdlichen Unterrichts ein, den ich einen systematischen hygie- 
nischen Unterricht genannt wissen will. Der große Wert einer 
durchaus zeitgemäßen Schulgesundheitspflege wird aber noch trotz 
aller Hygiene unterschätzt und Hueppe hat recht, wenn er sagt, 
der Staat, der den Schulzwang schuf, ist auch verpflichtet, die ge- 
simdheitlichen Folgen dieses Zwangs zu tragen und aufzuheben. 
Schularzt und Pädagoge gehören m. A. als Freunde organisch zu- 
sammen, den Segen dieser Freundschaft trägt Haus, Volk und Heer; 
dann wird der Zweck jeder Erziehung erreicht: Menschen zu bilden; 
gesunde Menschen als nützliche Mitglieder menschlicher Gemein- 
schaft. Griesbach sagt: Je größer die Erfolge sind, die Hygiene 
und Pädagogik gemeinsam erzielen, desto lebhafter der Fortschritt! 
Auch die Schule und gerade die Schule muß zum hygienischen 
Denken erziehen; diese Erziehung wird in der Armee fortgesetzt. 
Der Jahresbericht über die Fortschritte und Leistungen auf dem Ge- 
biet der sozialen Hygiene und Demographie von Grotjahn imd Kriegel 
empflehlt die Bemingersche Schrift ganz besonders seinen Berufs- 
genossen, den Pädagogen, mit der Begründung, daß ein Teil von ihnen 
bis jetzt für Schulhygiene noch nicht das erforderliche Verständnis 



176 Neumium: ScHule und Aimee. 

besitze. Wenn nach dem Urteil von Lay die Unnatur des Schul- 
unterrichts in der Vernachlässigung der körperlichen Betätigung 
liegt, wenn nach Griesbachs Worten (Der Stand der Schulhygiene 
in Deutschland) die Vernachlässigung der Hygiene der Schule vor- 
zuwerfen ist, so ist es im Interesse der Wehrkraft notwendig, diese 
Schäden zu beseitigen, denn nur im gesunden Körper kann ein ge- 
sunder Geist wohnen! Gerade in den höheren Schulen liegt die 
Hygiene im argen, gerade die Einjährig-Freiwilligen sind es, die 
ceteris paribus einen hohen Anteil an der Dienstuntauglichkeit haben, 
wie nachgewiesen von Werner u. a. Die körperliche Pflege, die 
persönliche Gesundheitspflege sind daher in erster Linie zu beachten 
und gerade dort, wo eben die geistige Anstrengung, wie in den 
höheren Schulen, größer ist, als in den Volksschulen, muß ein Gegen- 
gewicht stattfinden. Dann arbeitet die Schule mit an der Erziehung 
zur Wehrkraft. 

Schule und Armee gehen gleichartigen Aufgaben nach, sie sind 
organisch verbündet. Ihre Berührungspunkte finden sich hauptsäch- 
lich auf gesundheitlichem Gebiete. Die Gesundheit fällt den Menschen 
nicht als ein Almosen des Allerhalters in den Schoß, sie will er- 
kämpft und errungen sein. Der Satz: Was du ererbt von deinen 
Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen, muß auch in hygienischem 
Sinne gelten. Wir haben auf Erden nichts umsonst — am aller- 
wenigsten Leben und Gesundheit. Nur wer an sich gesundheitlich 
arbeitet, kommt zum Ziel. 

Die Erziehung zur Gesundheit muß frühzeitig beginnen; sie be- 
ginnt mit der Erziehung des Menschen im Elternhause, vorausgesetzt, 
daß die Erziehung — ein schweres bedeutsames Wort — richtig 
ist. Die Erziehung zur Gesundheit soll sich in Zukunft fortsetzen 
in der Schule, sie soll anhalten in der Zeit zwischen Schule und 
Waffendienst, sie soll auch nach dieser Zeit weiter gepflegt werden 
in der Armee, die nach vollendeter Dienstzeit den Soldaten leistungs- 
fähiger und widerstandsfähiger abgeben soll an das Volk, aus dem 
er entsprossen. So lassen sich Beziehungen mancherlei Art knüpfen 
zwischen Volkshygiene und Militärhygiene, zwischen Schule und 
Armee, beides Bildungsstätten erster Ordnung für Erziehung und fär 
Gesundheit; beides Grundpfeiler, auf denen die Größe und der Glanz 
der Nation beruhen. 



R. Eisflinger: Schülerwftndenmgen. 177 

ScMlerwandernngen. 

Von Prof. R. Kissinger, Oberlehrer am Ludwig-Georgs-Gymnasium in Darmstadt. 

Ein lebhafter Wandertrieb lockt mich zeitweilig aus dem Schul- 
staub hinaus in Berg und Wald, die Lust am Verkehr mit der 
Jugend veranlaßt mich, bei solchen Märschen auch wanderfrohe 
Schüler mitzunehmen. Seit einer Reihe von Jahren unternehme 
ich regelmäßig derartige Wanderungen mit Schülern des Ludwig- 
Georgs-Grymnasiums in Darmstadt, und die Erfahrungen, die ich 
seither dabei gemacht habe, bestärken mich in der Hoffnung, noch 
recht oft solch fröhliche Wanderfahrten mit marschfreudiger Jugend 
ausführen zu können. Sie sind ein Gewinn für Lehrer und Schüler, 
und die verhältnismäßig geringe Mühe, die ihre Veranstaltung be- 
reitet, wird reichlich durch die Freude mancherlei Art aufgewogen, die 
aus diesen gemeinschaftlichen Wanderungen erwächst. 

unsere Ausflüge sind freiwillig. Sie haben mit den Klassen- 
ausflügen nichts zu tun; an ihnen beteiligen sich Schüler der ver- 
schiedensten Klassen, wenn auch gewöhnlich ein Kreis guter Kame- 
raden einer Klasse die Kemtruppe bildet. Die Schule unterstützt 
unser Unternehmen dadurch, daß eine stets gern gewährte amtliche 
Bescheinigung unserer Zugehörigkeit zur Anstalt durch den Direktor 
der Schule uns nötigenfalls Fahrpreisermäßigung bei Benutzung der 
Bahn erwirkt Im übrigen herrscht der Grundsatz, daß die Ver- 
pflichtimgen gegen die Schule unter unseren Fahrten nicht leiden 
dürfen. Es gilt als selbstverständlich, daß kein Schüler unter Hin- 
weis auf seine Beteiligung an der geplanten Tour vorher um Er- 
lassen der Aufgaben für den nächsten Schultag bitten oder nachher 
sich damit entschuldigen soll. Ebenso muß jeder dafür sorgen, 
daß er nicht etwa an dem der Wanderfahrt folgenden Tage in der 
Schule fehlt. Hierüber wird nicht viel geredet, aber die Jungen 
fühlen selbst, daß ein Verfehlen gegen diesen Grundsatz mich als 
den Unternehmer der Tour in eine nicht gerade angenehme Lage 
den Herren Kollegen gegenüber bringen könnte. Die Ausflüge finden 
an den schulfreien Tagen statt; meist sind es also Sonntage, die 
dazu zur Verfügung stehen. Etwa alle 4—6 Wochen wandern wir. 
Bei größeren Fahrten rücken wir bereits am Samstagnachmittag 
ans. Doch hat dies seine Schwierigkeiten, da nicht in allen Klassen 
die Stunden so verteilt sein können, daß der Schüler in der Lage 
ist, sich am Tage vorher schon für den Montagsunterricht vorzu- 
bereiten. Manchmal bleibt allerdings bei anderthalbtägigen Touren 



178 R- Kissinger: 

den Jungen nichts anderes übrig, als — so gut es geht — ein 
Stück voraus zu präparieren. Doch wissen wir Lehrer gar wohl, 
daß doch auch an anderen Tagen nicht immer jeder Schüler muster- 
haft vorbereitet ist. G^eme benutzen wir zu solchen Ausflügen die 
ersten Ferientage; zu größeren Wanderungen natürlich auch unter 
Umständen den größeren Teil der Ferien. So bin ich im ver- 
gangenen Herbst mit einer Anzahl Jungen zehn Tage lang im 
Pfalzer Wald marschiert; im allgemeinen aber sollen die Wanderungen 
uns Erholung während der eigentlichen Schulzeit bieten. Für die 
Beteiligung der Schüler ist die Jahreszeit gleichgültig; einerlei ob 
Sommer oder Winter, stets ist eine Schar zur Wanderschaft bereit. 
Hitze und Kälte wird ruhig ertragen, und mit besonderer Freude 
gedenken die Teilnehmer eines Ausflugs, den wir am 22. und 23. De- 
zember bei klarem Frostwetter in den Hochspessart unternommen 
haben. Gerne ist die Jugend auch dann dabei, wenn einige Stunden 
in der Dämmerung marschiert werden muß. Einige besondere 
Schwierigkeiten erhöhen die Spannkraft und befriedigen durch die 
Freude am Gelingen, wie mir u. a. ein strammer Marsch im ver- 
gangenen August bewies. Wir hatten den seit Tagen vorbereiteten 
Ausflug wegen eines am Samstagvormittag stundenlang nieder- 
gehenden Regens wieder aufgegeben; als aber mittags plötzlich die 
Sonne durchdrang, erschienen kurz vor Abgang eines späteren Zuges 
mehrere Schüler in meiner Wohnung mit der Bitte, doch noch mit 
ihnen auszurücken. Ich war bereit; innerhalb einer ganz knappen 
Zeit mußten freilich die Kameraden erst benachrichtigt werden. 
Die Räder sausten durch die Stadt. Ein Teilnehmer wurde gar 
aus dem Wasser geholt, nur ein einziger erhielt die Nachricht zu 
spät, die zwanzig anderen standen rechtzeitig am Bahnhof marsch- 
bereit. Um 5 Uhr waren wir in AschaflFenburg, von wo wir telegra- 
phisch Abendessen und Nachtquartier in Rohrbrunn bestellten. Dann 
ging es den Bergen zu. Unser Marsch führte uns über die Hohe 
Warte und an dem Schlößchen Mespelbrunn vorbei 25 Kilometer 
weit; aber gerade die letzte Strecke wurde zwischen 9 und 10 Uhr 
unter dem Gesang fröhlicher Wanderlieder oder dem Pfeifen eines 
Marsches flott zurückgelegt. 

An unseren Ausflügen beteiligen sich Schüler der verschieden- 
sten Klassen unserer Anstalt, von Tertia bis Prima; hie und da 
wagt sich auch ein kräftiger Quartaner mit Erfolg hinzu. Jeder 
ist willkommen, der tüchtig laufen kann. Ich teile gewöhnlich zwei 
Tage vor dem Marsche einem Schüler, der schon früher an ähn- 
lichen Gängen teilgenommen hat, mit, daß ich beabsichtige 



Schlilerwftndeningen. 179 

wieder eine Wanderung zu unternehmen. Er kennt nun schon seine 
Leute und weiß, wem er die Aufforderung weiter zu geben hat. 
Rasch hat sich die Nachricht im, Schülerkreis verbreitet, und bald 
laufen die Meldungen ein. Wird eine mehrtägige Tour in Aussicht 
genommen, dann arbeite ich den Plan vorher aus und stelle eine 
Kostenberechnung auf, die vervielfältigt und den Jungen eingehändigt 
wird. Grundsatz ist, daß die Wanderung nicht viel Geld kosten 
darf. Daran wird festgehalten, um einer großen Anzahl von Schülern 
die Teilnahme an solchen Wanderfahrten zu ermöglichen und um 
den Jungen zugleich zu zeigen, daß man sich auch mit geringen 
Ausgaben edle Freuden bereiten kann. Wenn sich eine den bahn- 
gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Anzahl Teilnehmer findet, 
erhalten wir für eine notwendig werdende Fahrt die übliche Preis- 
ermäßigung. Sehr günstig sind in unserer Gegend für Wanderungen 
von der Bergstraße quer durch den Odenwald zum Maintal die so- 
genannten Touristenkarten. Sie ermöglichen die Benutzung der 
Schnellzüge, haben dreitägige Gültigkeit und sind recht billig. 
Können wir von diesen beiden Vergünstigungen keinen Gebrauch 
machen, so benutzen wir eben die vierte Wagenklasse. Wir haben 
dann die' Annehmlichkeit, daß alle Teilnehmer zusammenfahren und 
nicht auf verschiedene Abteilungen verteilt sind; außerdem ist zumal 
in der Sommerzeit die Fahrt in den luftigen Wagen weit ange- 
nehmer als in den engen Abteilungen der höheren Klassen. Wir 
wurden gelegentlich einer Tour bei heißem Wetter mit Karten 
vierter IQasse an einer Übergangsstation, da der Zug vollständig 
besetzt war, plötzlich in die erste Klasse gesetzt. Anfangs gefiel 
das den Jungen. „Hurrah, vierte Klasse bezahlen, erste Klasse 
fahrenl Das ist feinl'^ Aber es dauerte gar nicht lange, da machten 
die bequemen Polster doch zu warm, und bald waren die Jungen 
darüber einig: „in vierter IQasse war es schöner." 

Die Ausrüstung zu unseren Märschen ist sehr einfach; die 
Jungen ziehen sich so bequem als möglich an. Der bei der heutigen 
Jugend sonst so beliebte hohe Kragen ist dabei hinderlich, entweder 
haben die Jungen ungestärkte Umlegkragen, die den Hals offen 
lassen, oder der Kragen wird sofort vor der Stadt abgeknöpft. Natür- 
lich wird nicht der beste Anzug von den Wanderern getragen, 
sondern nur solche Kleidungsstücke werden angelegt, die auch etwas 
auszuhalten vermögen, und die es dem Träger u. a. gestatten, sich 
ohne Rücksicht auf etwaige Staubflecken bei einer Rast auf dem 
Boden auszustrecken. Die meisten Jungen bevorzugen wollene 
Wäsche, die auch am geeignetsten für Märsche sein dürfte. Auf 



180 R- KiBsinger: 

dem Marsche wird oft auch der Rock noch ausgezogen und im 
Rucksack verpackt. Bequeme, ausgetretene Schuhe sind ein Haupt- 
erfordemis, um die Leistungsfähigkeit der jungen Wanderer zu er- 
höhen. Neulinge werden daher regelmäßig vorher hierüber belehrt, 
da ein Fußkranker natürlich die ganze Gesellschaft auflialten kann. 
Die eleganten, spitzen Stiefel oder Halbschuhe taugen zu unseren 
Wanderungen nicht, am besten sind Schnürschuhe, die den Knöchel 
fest umschließen und so breit angelegt sind, daß sie den Füßen ge- 
nügend Spielraum geben. Nötigenfalls werden Sohlen aus Bast, 
Stroh oder Filz eingelegt. Da unsere Ausflüge uns auch oft über 
steinige Wege führen, haben viele Jungen sich bequem ausgetretene 
Schuhe mit Nägeln beschlagen lassen, weil sich bei zu dünnen Sohlen 
leicht die Steinchen fühlbar machen, was bei den Nagelschuhen 
nicht der Fall ist. Über die Fußpflege, Beschneiden der Nägel in 
richtigem Maße vor Antritt des Marsches, Behandlung der Füße 
nach dem Tagemarsch muß natürlich gelegentlich eine geeignete 
Belehrung gegeben werden. Baumwollene Strümpfe sind bei weiten 
Märschen nicht besonders geeignet; hier ist der Wolle entschieden 
der Vorzug zu geben, da die wollenen Strümpfe nicht so leicht 
hart werden und den Fuß wund reiben. Die meisten Jungen laufen 
in Kniehosen; ist dies nicht der Fall, so werden die Beinkleider 
umgekrempelt oder in Gamaschen geschnürt. Diese sind aus Segel- 
tuch zu billigem Preis zu haben. Besser aber empfehlen sich die 
zwar teueren, aber bei schlechtem Wetter durchaus vorteilhaften 
Ledergamaschen, die eingefettet werden und so dem Eindringen der 
Feuchtigkeit wehren. Sehr angenehm ist auch schon bei einfachen 
Tagemärschen die Mitnahme eines weiteren Paares Strümpfe, um 
nötigenfalls nach einem Regenguß oder am Ende der Tour wechseln 
zu können. Da wir meist die Tagesausflüge so einrichten, daß wir 
am Abend an einer Bahnstation eintreffen, nehmen erfahrene Jungen 
meist noch ein Paar leichte Schuhe mit, die sie dort gegen die 
schwereren Schnürstiefel vertauschen. Gibt sich gar noch die gern 
benutzte Gelegenheit, dort ein Bad zu nehmen, so wird zugleich 
auch ein Wechsel der Leibwäsche vorgenommen, was die Behaglich- 
keit wesentlich erhöht. Bei jeder mehrtägigen Tour müssen leichte 
Hausschuhe mitgenommen werden, damit sofort nach dem Eintreffen 
im Quartier die Füße ausruhen können. Auf die Fußpflege muß 
eben hinreichend geachtet werden, soU der Reiseplan ausgeführt 
werden. Für alle Fälle ist es gut, wenn wenigstens ein Rucksack 
mit Leinwand, Vaselin oder Hirschtalg ausgestattet ist. Außerdem 
ist bei längeren Touren dafür zu sorgen, daß ein Schuhlöffel zur 



Schülerwandemogen. Igl 

Yerfagung steht^ da nach eiDigen Tagen die feuchtgewordenen 
Schuhe manchmal schwieriger anzuziehen sind; ebenso muß Nadel und 
Zwirn vorhanden sein, nach denen bald verlangt wird. Seife^ Bürste 
und Kamm gehören natürlich in jeden Bucksack Jeder Schüler 
nimmt einen leichten Mantel mit. Hier empfiehlt sich zum Schutz 
gegen Regen wasserdichter Loden; doch darf dies Kleidungsstück 
nicht so lang sein^ dafi es beim Gehen hindert. Die meiste Zeit 
freilich wird der Mantel oder Umhang über oder im Rucksack ge- 
tragen, aus dem er hervorgeholt wird^ wenn Rast gehalten werden 
solL Dann dient er als willkommene Unterlage und verhindert jene 
bekannte Erkältung, die als „Wolf' leicht dem Unvorsichtigen die 
Freude am Marsche verdirbt. 

Mehrfach wurde bereits der Rucksack erwähnt. Er ist allen 
übrigen Taschen und Täschchen vorzuziehen, da er viel in sich auf- 
nehmen kann und infolge seiner Bauart die Last so verteilt, daß 
sie nicht drückt. Selten wird er unangenehm empfunden, dagegen 
bietet er so viel Annehmlichkeiten, daß auch bei eintägigen Aus- 
flügen die Wanderer selten ohne ihn erscheinen. Bei größeren 
Touren aber zeigt sich erst sein Vorzug recht deutlich, haben wir 
doch auch bei einer zehntägigen Tour alles, was wir brauchten, bis 
auf die Reservestiefel bequem in ihm unterbringen können. Natür- 
lich will auch das Packen gelernt seiiL Der Mantel, Kleidungs- 
stücke und ähnliche nachgiebige Gegenstande werden auf die Rück- 
seite gelegt, was öfters gebraucht wird, kommt oben hin, das Essen 
wird meist in den Außentaschen untergebracht Ein leichtes Hüt- 
chen wird meist draußen im Walde an Rock oder Hosenträger an- 
geknöpft, so daß es leicht zur Hand ist, wenn es gegen Regen oder 
allzuheftige Sonnenstrahlen schützen soll. Ein derber, gewöhnlich' 
eisenbeschlagener Eichenstock vollendet die Ausrüstimg. 

Seit einiger Zeit bringt mancher Schüler auch eine Flasche mit 
auf die Wanderung. Die bei dem deutschen Heere eingeführten 
großen Aluminiumflaschen verdienen den Vorzug. Sie sind mit 
dichtem Filz bedeckt und erhalten die Flüssigkeit außerordentlich 
kühl. Grundsätzlich wird während der Wanderung nicht eingekehrt; 
Alkohol wird auf dem Marsche nicht genossen. Es bedurfte hier 
keines Verbotes. Die Jungen verstehen, daß jeder Genuß von 
Alkohol die Leistungsfähigkeit mindert. Da die meisten Radfahrer 
sind, wissen sie dies schon oder lassen sich leicht belehren. Wir 
kühlen gerne an den Quellen unseres Odenwaldes oder Spessarts, wo 
sich so viele laufende Brunnen befinden, unsere Hände und das Ge- 
sicht und trinken einige Schluck Wasser. Darum halten wir mit 

Genmde Jagend. V. 7—10. 13 



182 R. Eiflsinger: 

Vorliebe an solchen Platzen unsere Rast. Wer Getränke aus dem 
Elternhaus mitnimmt^ wählt hierzu kalten Ea£Fee, Tee oder Zitronen- 
limonade. Müssen wir im Winter einmal in einem Wirtshaus rasten, 
dann werden nur solche zur Einkehr gewählt, in denen Apfelwein 
zu haben ist. Sind wir am Abend am Ziele angelangt, dann habe 
ich nichts dagegen einzuwenden, daß die Jungen zu ihrem Essen 
Bier trinken. Doch habe ich die Beobachtung gemacht, daß viele 
Yon ihnen auch dabei Selterswasser bevorzugen. Jedenfalls habe 
ich schon gar manchmal festgestellt, daß bei recht strammen 
Leistungen Primaner abgesehen von dem Fahrgeld sage und schreibe 
zehn Pfennige ausgegeben haben. Eine unserer letzten Touren 
führte uns an einem recht heißen Tage über zum Teil schattenlose 
Strecken von AschafiPenburg nördlich nach dem „Hahnenkamm^. 
Brunnenwasser war dort nicht zu haben; in der Bergwirtschaft 
tranken wir Selterswasser. Auf dem noch 22 Kilometer weiten Heim- 
wege faßte uns die Sonne tüchtig. Die letzte Strecke war außer- 
ordentlich staubig. Da war der Durst groß. Die Primaner wußten, 
daß das Bayerische Bier in Aschaffenburg berühmt ist. Sie sprachen 
auf dem heißen Marsche von den bevorstehenden Genüssen, und als 
wir nun nach einem Schwimmbade im Main zuletzt einen Brauerei- 
ausschank aufsuchten und dort nahezu zwei Stunden rasteten, da 
hatte derjenige, der am meisten getrunken hatte, für 24 Pfennige 
Bier verzehrt. 

Unser Essen wird im Rucksack aus dem elterlichen Hause mit- 
genommen, ist doch unser Grundsatz, die Touren möglichst billig zu 
gestalten. Die Jungen sollen eben lernen, daß man mit wenigem 
Geld auskommen kann. Femer kommt dabei noch der Gesichts- 
punkt in Betracht, daß der Vater natürlich viel lieber seinem Sohn 
die Erlaubnis zur wiederholten Beteiligung gibt, wenn die Kosten 
gering sind. Auch für zweitägige Touren* nehmen wir die Lebens- 
mittel von daheim mit. Am Abend wird natürlich im Quartier ein 
warmes Essen eingenommen. Bei größeren Ausflügen muß morgens 
vor dem Abmarsch eingekauft werden. Auch hierbei haben die 
Jungen im Laufe der Zeit manches gelernt. Zuerst hat jeder ftlr 
sich eingekauft, allmählich kamen wir jedoch zu genossenschaftlichem 
Betrieb. Der Einkauf geschah im ganzen und wurde dadurch etwas 
billiger. Natürlich wurden dann vor den Toren sofort die Portionen 
in die verschiedenen Rucksäcke verteilt. Sehr viel Abwechslung bietet 
eine so erworbene Mittagsmahlzeit zwar nicht, aber nach einem 
mehrstündigen Marsche schmeckt es ganz vorzüglich, auch wenn es 
mehrere Tage hintereinander nur Wurst gibt. Wenn aber nun gar 



Schfilerwanderongeii. 183 

nocli — wie wir dies auf dem Drachenfels hatten — ein Feuer ange- 
zündet werden kann und Kartoffeln gebraten werden, dann herrscht 
eitel Freude. Bei solch einfacher Lebensweise sind die Kosten selbst 
mehrtatiger Ausflüge nicht groß. Auch das Nachtquartier verursacht 
nicht allzu große Ausgaben. Wo es möglich ist, bestelle ich die 
Betten voraus und verabrede zugleich den Preis für ein ausreichendes, 
kräftiges Abendessen, für Quartier und Frühstück. Bei einer größe- 
ren Anzahl von Gästen gewahrt man wohl überall Preisermäßigung. 
Läßt sich die Frage des Übernachtens nicht vorher regehi, so machen 
wir gewöhnlich vor dem Orte, an dem wir zu bleiben gedenken, 
eine Zeit lang Halt. Zwei dazu geeignete Schüler werden nun als 
Quartiermacher vorausgeschickt. Sie besichtigen die Zimmer und 
Betten, unterhandeln mit dem Wirt über den Preis, wobei sie rasch 
forderliche Gewandtheit entwickeln, und bestellen einstweilen das 
Abendessen zu einer bestimmten Zeit Wenn alles Nötige von ihnen 
geordnet ist, rückt auf ihre Benachrichtigung die ganze Reisegesell- 
schaft ein. Gewöhnlich richten wir uns so ein, daß wir kurz vor 
dem Zeitpunkte des Abendessens erst eintreffen, damit die Jungen 
nicht der Aufforderung ausgesetzt sind, vorher etwas zu trinken. 
Ln Quartier ist natürlich die gründliche Reinigung vom Staub 
der Wanderung das erste Geschäft. Wie ich schon früher erwähnte, 
benutzen wir am liebsten am Schlüsse der Tagesfahrt eine Bade- 
anstalt. Ist diese nicht da, aber doch hinreichend Wasser vorhanden, 
so scheuen wir selbstverständlich auch ein Bad unter freiem Himmel 
nicht; für solche FäUe haben wir stets eine Badehose im Rucksack. 
Leibwäsche, Strümpfe und Schuhe werden gewechselt, die Kleider 
in Ordnung gebracht, und so einigermaßen erfrischt erscheinen die 
Jungen mit beachtenswertem Himger am Abendtisch. Falls der Ort 
etwas Sehenswertes bietet, so haben wir uns meist schon vorher 
damit bekannt gemacht. Zuweilen auch schlendern wir nach Tisch 
noch in der Dämmerung durch die Straßen hinaus vor die Tore, 
wo wir mit Scherz und Gesang die Zeit behaglich vertreiben. Recht- 
zeitig ist ein Schüler auf der Post gewesen, um die Briefe und 
Karten aus dem Eltemhause abzuholen. Gewöhnlich werden dann 
nach dem Essen die meist gemeinschaftlich gekauften Ansichtskarten 
geschrieben. Die Jungen finden gar bald heraus, daß sie auch hier 
bei gemeinsamen Einkäufen wesentlich sparen können. Nachdem 
die Karten geschrieben sind, ziehen bald die jüngeren Wanderer ab; 
der Körper verlangt seine Ruhe. Wir andern bleiben noch eine 
Weile beisammen, meist mit den übrigen Gästen und untereinander 
in regem Gespräch über den zurückgelegten oder noch geplanten 

13* 



184 ^' Kissinger: 

Weg. Dabei dürfen die Jungen auch rauchen. Bei solchen Ausflügen, 
die ja durchaus freiwillig yon mir unternommen werden, und die 
mit den pflichtmäßigen Schulausflügen nichts zu tun haben, betrachte 
ich mich den jugendlichen Wanderern gegenüber als Stellvertreter 
ihres Vaters. Dies bestimmt den Ton des freundschaftlichen Ver- 
kehrs während der Wanderfahrt, und von diesem Gesichtspunkt aus 
behandle ich unter anderem auch die Frage des Rauchens. Ich bin 
freilich selbst leidenschaftlicher Raucher und rücke nie ohne kurze 
Pfeife aus; ich gestatte den größeren Jungen das Rauchen, wenn es 
ihnen vom Vater erlaubt wird. Dabei habe ich durchaus keine üblen 
Erfahrungen gemacht. Mancher ist überhaupt schon in dem Selbst- 
bewußtsein des Primaners 'dadurch befriedigt, daß er rauchen darf. 
Ist eine Renommierzigarette erledigt, stellt er das Rauchen wieder 
ein. Daß man beim Bergsteigen nicht rauchen soll, sehen die Jungen 
selbst alle ein, und daß es ihrem Führer nicht angenehm sein kann, 
beim Einzug in einen durch größeren Verkehr belebten Ort durch 
eine Schar von 20—25 rauchenden jungen Leuten aufeufallen, sagt 
ihnen das Taktgefühl. Auch hierbei habe ich die Beobachtung ge- 
macht, daß es meist das Verbot ist, das mehr lockt als der wirk- 
liche Genuß. Eine kurze Pfeife, die so männlich aus der Joppe des 
Primaners hervorragt, oder der in bunten Farben gehaltene Tabaks- 
beutel mit dicken Quasten dient mehr dem Renommisten als dem 
Raucher. Kurzum, ich bin der Ansicht, daß man älteren Schülern 
— einem jüngeren habe ich kurzerhand die Zigarette aus dem 
Munde genommen und mit einem kräftigen Scherzworte beseitigt — 
das Rauchen draußen freigeben kann. Überschreitungen sind mir 
hier nicht bekannt geworden. Auch beim Trinken nach dem Abend- 
essen habe ich die Jungen durchaus bescheiden gefunden; sie haben 
bei unseren Märschen gelernt, daß Mäßigkeit die Leistungsfähigkeit 
erhöht. Um VjB Uhr früh wecke ich die Gesellschaft, um 6 Uhr 
sind die Rucksäcke fertig gepackt beim Frühstückstisch. Die Rech- 
nung wird gemeinsam beglichen, und der Betrag bei der nächsten 
Rast ausgeschlagen. Auf diese Weise kommt auch der Anteil an 
den Trinkgeldern für den einzelnen nicht zu hoch; die Stiefel haben 
wir natürlich den Abend vorher schmieren, nicht wichsen lassen. 
Daß bei solchen Wanderungen die Ausgaben nicht die Grenzen über- 
steigen, zeigte unser letzter Herbstausflug durch den Pfälzer Wald. 
Wir fuhren von Darmstadt über Mannheim nach Neustadt a. d. Haardt, 
wanderten über Annweiler nach Weißenburg, dann westlich nach der 
Wegeinburg, nördlich bis Dürkheim a. d. Haardt, von wo wir am 
10. Tage mit der Bahn heimkehrten, und die ganze Tour kostete 



Schülerwanderungen. 185 

insgesamt zwischen 40—45 Mk., dabei hatten wir uns noch einige 
Stunden auf dem in der Pfalz berühmten ^^Derkemer Worschtmarkt'^ 
aufgehalten. Das Reisegeld tragen die Jungen, wie wir es von den 
Soldaten lernen, gewöhnlich im ledernen Brustbeutel; nur der Tages- 
betrag befindet sich in der Tasche. 

Auf den Wanderungen wird manches frische Marschlied an- 
gestimmt; leider hapert es meist mit dem Text. Den ersten Vers 
können die Jungen wohl alle singen^ bei dem zweiten fallen schon 
einzelne Stimmen aus. Um diesem Übelstande abzuhelfen, führt jeder 
ein kleines Liederbuch mit sich, das auf ebenen Wegen herausgeholt 
wird. Auch vor der gelegentlichen Einübung neuer Weisen hufen 
wir nicht zurück; wenn ein strammer Gesang die Schritte beflügelt, 
geht es munter Torwarts. An die Spitze der Marschabteilung sende 
ich gewöhnlich zwei mit der Richtung, der Wegmarkierung und dem 
Kartenlesen vertraute Schüler; doch muß man darauf achten, daß 
sie nicht zu sehr ausreißen. Damit keiu Wanderer zurückbleibt, 
marschiere ich als letzter. Die anderen Teilnehmer gruppieren sich 
nach Belieben, je nachdem sie der ünterhaltungsstoff, das Sammeln 
von Gestein, Pflanzen oder Tieren zusammenführt. Will ich die 
Schar auf etwas aufinerksam machen, so ertönt ein Pfiff, und der 
erhobene Stock gibt das Zeichen zum Halten. Es ist für den Führer 
unbedingt nötig, daß er vor Antritt des Ausfluges einen genauen 
Reiseplan entworfen und sich mit den Sehenswürdigkeiten, mit der 
Geschichte der Landschaft bekannt gemacht hat. Femer wird es 
ratsam sein, dafür zu sorgen, daß auch die Schüler schon eiuiger- 
maßen damit vertraut sind; die meisten sind wohl im Besitze der 
zum verhältnismäßig billigen Preis zu erstehenden Karten. Natürlich 
wird an bemerkenswerten Orten ein kurzer Vortrag das Interesse 
der Jungen fesseln. Viele Schüler führen Tagebücher, in die ge- 
wöhnlich am Abend die Erlebnisse eingetragen werden. Einzelne 
haben dann daheim in Muße die Wanderungen regelmäßig schriftlich 
ausgearbeitet und in ihren Text die von den Eltern aufbewahrten 
Ansichtskarten eiugeklebt. Auf diese Weise haben sie sich ein 
Büchlein geschaffen, das ihnen zeitlebens eine schöne Erinnerung 
bieten kann. Eine größere Reise habe ich selbst für eines unserer 
Tagesblätter beschrieben. Als Vei^tung ließ ich mir dafür eine 
entsprechende Anzahl von Abzügen geben, die ich den Teilnehmern 
zum Andenken an unsere Wanderschaft zuwies. Wie ich weiß, 
haben diese sich das Heft binden lassen und zum Teil mit ihren 
Aufzeichnungen, Bildern und Karten ergänzt. Daß die Jungen durch 
solche Märsche Freude am Wandern bekommen, beweist die Tatsache, 



186 R. KiBflinger: 

daß ein kleiner Kreis von Schülern unserer Anstalt^ die den Kern 
bei unseren Ausflügen bilden ^ seit etwa zwei Jahren fast jeden 
Samstag hinauswandert. Einen Kameraden betrauen sie dabei ab- 
wechselnd mit der Führung; er hat dann auch die Aufgabe, vorher 
sich mit Geschichte und Eigenart ihres Reisezieles vertraut zu 
machen und darüber auf dem Wege einen Vortrag zu halten. Ebenso 
benutzen diese Jungen die Ferien zu größeren selbständigen Wander- 
fahrten, wie denn auch jetzt wieder, während ich dies niederschreibe, 
eine Karte vor mir liegt, durch die sie ihrem diesmal während der 
Ferien an die Heimat gefesselten Lehrer einen Gruß von fröhlicher 
Ausfahrt senden. 

Unsere Ausflüge geben dem Schüler natürlich auch reiche Ge- 
legenheit, für seine Sammlungen zn sorgen. Wir entdecken dabei 
in manchem Jungen ein Interesse, das wir nicht bei ihm vermutet 
haben, wie denn überhaupt solch gemeinsame Wanderungen uns 
Einblicke in die Welt des Schülers gestatten, wie wir sie sonst im 
Unterricht wohl kaum tun, kommen doch Lehrer und Jungen ein- 
ander hier menschlich viel näher, als dies der Schulbetrieb er- 
möglicht. Daß viele Schüler eine Zähigkeit entwickeln, die wir 
ihnen nicht immer von vornherein zutrauen^ zeigte u. a. ein Quarta- 
ner, der 9 Tage eine Anzahl in unserer Gegend unbekannter Mauer- 
eidechsen in einem unterwegs erstandenen Kistchen mit sich trug, 
die er im elterlichen Garten aussetzen wollte. Er hat sie auch trotz 
mancherlei Fährlichkeiten wohlbehalten heimgebracht. Daß der Ge- 
sichtskreis der jungen Wanderer wesentlich erweitert wird auf solchen 
Märschen, die sie mit Land und Leuten in unmittelbare Beziehungen 
bringen, ist einleuchtend und — notwendig. Es ist überraschend, 
wie arm oft die Stadtjungen an Kenntnissen aus dem Anschauungs- 
kreis der Landleute sind, wie schwer es ihnen ofb fällt, sich mit 
diesen auch nur in eine längere Unterhaltung einzulassen. Was in 
Feld und Wald geschieht, die Beschäftigungen des Landwirts und 
Waldarbeiters, die Arten der Bäume und Früchte, Aussaat oder 
Emtearbeit, Mühlenbetrieb, Sägewerk usw., dies alles bringt vielen 
Jungen etwas Neues und regt sie an. Ebenso ist es schon mit der 
Sprache der Landbevölkerung; auch die Bauart der Häuser, die Reste 
alter Volkstrachten, Volksgebräuche und viele ähnliche Dinge fesseln 
ihr Interesse und locken zu Vergleichen mit den Sitten ihres Hauses 
oder ihrer Gesellschaft. Dabei gehen die Jungen auf solchen Wande- 
rungen aus sich heraus; mancher weiß recht lebhaft zu schildern, 
wenn er etwas gefunden hat, was bei ihm verwandte Saiten anklingen 
läßt. Erinnerungen von früheren Reisen oder Reisebeschreibungen, 



Schülerwandenmgen. 187 

Erzählungen aus dem persönlichen Leben^ aus der Familiengeschichte 
werden vorgetragen^ so daß es selten an ünterhaltungsstoff fehlt. 
Sehen wir dazu noch^ wie die Freude an der Schönheit der Natur 
wach wird^ dann wächst der Lohn für die übernommene Mühe aus 
dem Verkehr mit der Jugend reichlich hervor. Die Aufrechterhaltung 
der Disziplin hat mir bis jetzt keine Schwierigkeiten gemacht. Dar- 
über habe ich nicht zu klagen. Natürlich finden sich auch einmal 
Jungen ein, die solche Ausflüge sich mehr als bequeme Märsche 
mit Eneipstationen vorstellen. Sie kommen nur ein Mal und bleiben, 
durch die Erfahrung enttäuscht^ für die Zukunft fem. Muß eine 
größere Anyjihl in einem Saale schlafen, was leicht zu jugendlichen 
Neckereien verlockt^ so schlafe auch ich regelmäßig in diesem Baum^ 
und die Sache rqrelt sich von selbst. Im übrigen kommen gewöhn- 
lich Altersgenossen oder Freunde bei Verteilung auf die zur Ver- 
fügung stehenden Zimmer zusammen. 

Unternehmen wir nur einen Tagesmarsch^ dann muten wir uns 
dabei etwas Anstrengung zu. Die Marschleistung betragt in aoldiem 
FaU bei einem Gting in die Bei^e 9 — 10 Stunden; dies scheint 
manchem zu viel, aber ich habe noch nicht erlebt^ daß ein Schüler 
zurückgeblieben ist. Da meine Wandergefahrten ja auch schon ein 
bis zwei Tage vorher unser Ziel und die Anforderungen kennen^ die 
es stellt^ sind sie selbst in d«r L^ge zu entscheiden, ob sie eine 
derartige Leistung übernehmen können. Bei diesen Ausflügen wird 
in Zvrischenräumen yon 3 Stunden gerastet. Ziehen wir aber auf 
mehrere Tage hinaus, dann wird natürlich die Marschzeit wesentlich 
kfiner bemessen, etwa auf 6 — 7 Stunden täglich. Eonmien wir am 
4. oder 5. Tag an einen Ort, der reich an Sehenswürdigkeiten ist, 
wie z. B. die Städtchen Wertheim, Miltenberg am Main oder Rothen- 
burg an der Tauber, so werden Rasttage eingeschoben. Mit tüchtigen 
Läufern lasse ich mich gelegentlich auch auf längere Märsche ein, 
doch müssen es Jungen sein, die bereits ihre Ausdauer bewiesen 
haben. So sind wir in einer Julinacht um 1 Uhr morgens auf- 
gebrochen, um den etwa 14 Stunden weiten Weg von Darmstadt 
bis EUrschhom am Neckar zu bewältigen. Um 6 Uhr saßen wir in 
der Nähe von Lindenfels an der Landstraße, das erste Frühstück 
einzunehmen, zu dem wir uns von einer Bauersfrau süße Milch er- 
worben hatten. Von 11 — 1 Uhr mittags lagen wir nach dem Genuß 
kühler Sauermilch auf der Höhe von Waldmichelbach und schliefen, 
vom treuen Spitz bewacht Um 6 Uhr trafen wir in Hirschhorn 
ein. Es war eine anstrengende Tour, zu der ich die Schüler nicht 
auffordere, aber es war eine Leistung, die uns besser bekam, als 



188 Mitteilungen ans dem Zentralyerein. 

einer Gesellschaft junger Leute^ die am selben Tage mit der Bahn 
und auf dem Leiterwagen den Odenwald yon Darmstadt zum gleichen 
Ziele durchquerte^ und yon der ich noch ein junges Mitglied unter- 
wegs aufgriff^ dem das wiederholte Einkehren iu den am Wege ge- 
legenen Wirtshäusern bei dem heißen Wetter nicht gut bekommen 
war. Bei all seinem üblen Zustand hatte ihn sein ^^Yergnügen'^ über 
zehn Mark gekostet^ wir hatten für Getränke^ die Milch^ noch nicht 
50 Pfg. ausgegeben. Wohl waren wir rechtschaffen müde, aber im 
übrigen nicht eiumal fußkrank. Solche Gewaltmärsche sind natür- 
lich nicht anzuraten, aber gesunde Jungen fürchten sich davor nicht, 
wie meine auch in dieser Art von Wanderungen nicht arme Er- 
fahrung zeigt. Natürlich können sie nur in den Ferien unternommen 
werden, doch übt der Wunsch, auch einmal die Nacht hindurch zu 
marschieren, auf kräftige Burschen im Alter von 16—19 Jahren 
große Anziehungskraft aus, zumal ihre Ausführung an die Umsicht, 
Gewandtheit und Zähigkeit besondere Anforderungen stellt. 

Die gemeinsamen Ausflüge mit Schülern bereiten ohne Zweifel 
dem Lehrer mancherlei Mühe schon mit der Vorbereitung, sie legen 
ihm unter Umständen auch Unbequemlichkeiten und gewisse Ver- 
antwortung auf, aber sie tragen für den Freund froher Wander- 
fahrten und Freund fröhlicher Jugend reichen Lohn in sich; und 
wenn die Jungen auch mit dem Danke nur unbeholfen zuwege 
kommen, sie sind dem Lehrer, der sie auf solchen Ausflügen mit- 
nimmt, doch auch dankbar dafür, sie und ihre Eltern; ich weiß es. 



Mitteilungen aus dem Zentralverein. 



Vorläufige TageBordnnng 

der Vn. Jahresversammlung des Allgemeinen Deutschen Vereins für 
Schulgesundheitspflege am 6. und 7. Juni 1906 in Dresden. 

Dienstage den 5. Juni: Von morgens 8 Uhr an ist das 
Empfangsbureau in der Technischen Hochschule geöffiiet. Dort 
werden Anmeldungen entgegengenommen und Mitgliederkarten aus- 
gefertigt. Für den Besuch der Versammlung wird eine Teilnehmer- 
karte im Betn^e yon 3 Mk. ausgefertigt; dieselbe berechtigt auch 
zum freien Eintritt in die Kunstgewerbe-Ausstellung. Das Personal 



Mitteilungen ans dem Zentral verein. Igg 

des Empfangsbureans ist ebenso wie das Komitee durch grünweiße 
Rosetten kenntlich gemacht. 

Abends von 8 Uhr ab Empfang im Weißen Saale des Restau- 
rants „Drei Raben^. Mitgliederkarten müssen am Eingang Tor- 
gewiesen werden. 

Mittwoch, den 6. Juni, vormittags 8 — 9 Uhr: Besichtigungen, 
vormittags 9 Uhr: Eröffnung der Versammlung in der Aula der 
Technischen Hochschule. 

a) Offizielle Begrüßungsansprachen. 

b) Vorträge. 

1. Die Waldschulen. Ref.: Stadtschulrat Dr. Neufert-Char- 
lottenburg. 

2. Der Stand der akademisch gebildeten Lehrer und die Hygiene. 
Medizinischer Ref.: Nervenarzt Dr. med. R. Wichmann- 
Bad Harzburg. Pädagogischer Ref.: Realgymnasial-Ober- 
lehrer Dr. Le Mang in Dresden. 

4 Uhr: Festessen im Egl. Belvedere auf der Brühischen Terrasse. 
(Das trockene Kuvert 4 Mk.) 

Des Abends: Theatervorstellung oder etwas Ähnliches. 

Donnerstag, den 7. Juni, vormittags 8 — 9 Uhr: Besichti- 
gungen. Vormittags 8 Uhr: Geschäftssitzung in der Aula der Tech- 
nischen Hochschule. Vormittags 9 Uhr: Vorträge daselbst. 

1. Hausaufgaben. Medizinischer Ref.: Medizinalrat Dr. Berger- 
• Hannover. Pädagogischer Ref. für höhere Schulen: Ober- 
lehrer Karl Roller-Darmstadt, pädagogischer Ref. für 
Volksschulen: Lehrer Schanze-Dresden. 

2. Waschgelegenheiten in den Schulen, eine Forderung der Schul- 
und Volksgesundheitspflege. Referent: Stadtverordneter Dr. med. 
Hopf- Dresden. 

Nachmittags: Besichtigungen und Ausflüge. Abends 8 Uhr: 
Abschiedsfestlichkeit, dargeboten von d^r Stadt Dresden. 

Vorschriften für die Herren Diskussionsredner. 

Jeder der Herren, welche sich an der Diskussion beteiligen 
wollen, ist gehalten, zugleich mit der Meldung zum Worte seine 
Karte dem Herrn Vorsitzenden zu überreichen. Er wird dringend 
aufgefordert, sofort nach Beendigung seiner Rede seine Worte auf 
einem ihm überreichten Blatt Papier aufzuzeichnen und dem Schrift- 
führer zu übergeben. 



190 Mitteilungen aus dem Zentralverein. 

Ein Redner, der sich ftir die Diskussion zum ersten Male 
meldet y soll nicht mehr als 10 Minuten, ein solcher, der sich zum 
zweiten Male meldet, nicht mehr als 5 Minuten sprechen. 

Mit der Jahresversammlung ist eine schulhygienische Aus- 
stellung verbunden. 

Der Vorstand des Allgemeinen Deutschen Vereins für 
Schulgesundheitspflege. 
Vorsitzender: Prof. Dr. med. et phil. HL Griesbach, Mülhausen i. Eis. 
Beisitzer: Dr. med. Ludwig Bauer, Arzt und Dozent für Hygiene 
a. d. techn. Hochschule in Stuttgart; Geh. Oberbaurat Delius, Vor- 
tragender Bat im Kgl. Preuß. Ministerium der öffentlichen Arbeiten, 
Berlin, erster stellvertretender Vorsitzender; Prof. Dr. Arthur Hart- 
mann-Berlin; Dr. med. M. Eorman, Arzt, Leipzig (übernimmt die 
Schriftführung in den Jahresversammlungen und den Vorstands- 
sitzungen); Oberbürgermeister Müller, Mitglied des preuß. Herren- 
hauses, E^sel; Sanitatsrat Prof. Dr. F. A. Schmidt-Bonn; Gemeinderat 
Stockmeyer- Stuttgart; Stadtschulrat Dr. Wehrhahn-Hannover, 
zweiter stellvertretender Vorsitzender. Schatzmeister: B. Quelle, 
Prokurist der Verlagsbuchh. B. G. Teubner, Leipzig. Geschäftsführer: 
A. Diemunsch-Mülhausen i. Eis. 

Der Ortsausschuß. 
Oberbürgermeister Geh. Finanzrat a. D. Beutler als Ehrenvorsitzen- 
der; Stadtrat Fischer als Vorsitzender; Stadtrat Dr. May, als steUv. 
Vorsitzender; Ministerialdirektor Geh. Rat Dr. Dr. ing. Waentig im 
Kgl. Kultusministerium; Ministerialdirektor Geh. Bat Merz im KgL 
Ministerium des Innern; Geh. Schulrat Dr. Kühn im Kgl. Kultus- 
ministerium; Geh. Schulrat Dr. Müller im KgL Kultusministerium; 
Geh. Schulrat Dr. Seeliger im KgL Kultusministerium; Generalarzt 
Dr. Müller, Chef der Medizinalabteilung im KgL Kriegsministerium; 
Oberbaurat Karl Schmidt im KgL Finanzministerium; Geh. Medi- 
zinalrat Prof. Dr. Renk; Regierungsrat Dr. Fischer, KgL Polizei- 
direktion; Oberschulrat Dr. Preil, Direktor des KgL Lehrerseminars 
in Dresden-Fr.; Geh. Medizinalrat Dr. Niedner, Stadtbezirksarzt; 
Obermedizinalrat Dr. Hesse, Bezirksarzt; Schulrat Fink, KgL Be- 
zirksschulinspektor; Schulrat Dr.Prietzel, KgLBezirksschulinspektor; 
Schulrat Dr. Lange, KgL Bezirksschulinspektor; Stadtrat Friedrich; 
Stadtrat Plötner; Stadtbaurat Erlwein; Stadtverordneten-Vizevor- 
steher Hofrat Dr. med. Battmann; Stadtverordneter Dr. med. Opitz, 
Stadtverordneter Dr. med. Hopf; Stadtverordneter Dr. med Graupner; 



Mitteiltingen auB dem Zentral verein. 191 

Stadtrerordneter Dr. phil. Vogel; Stadtverardneter Hofrat Dr. Haenel; 
Geh. Eommerzienrat Lingner; Oberstadienrat Prof. Dr. Örtel, Rek- 
tor an der Annenschule; Stadtschulrat Prof. Dr. Lyon; Direktor Prof. 
Dr. Schöpke; Direktor Prof. Dr. Döhler; Direktor Dr. Friedrich, 
Freimaurer-Institut; Gymnasial -Oberlehrer Prof. Dr. Weidenbach; 
Prof. Dr. Nowack, Wohlfahrtspolizeiarzt; Hofrat Dr. med. Behrens; 
Oberarzt Dr. Fritz Förster; Oberarzt Dr. Flachs; Professor Dr. 
med. Schloßmann; Dr. med. Otto Kaiser; Dr. med. 0. Eretsch- 
mar, Vorsitzender des ärztlichen Bezirksvereins; Direktor Knöfel, 
I. Bürgerschule; Direktor Eberth, H. Bürgerschule; Direktor Berg- 
mann, 4. kathol. Bezirk^schule; Oberlehrer Lohmann; Lehrer 
Sattler, Vorsitzender des Dresdner Lehrervereins; Lehrer ZüUchner, 
Vorsitzender des Dresdner TumlehrerTereins; Lehrer Theodor 
Fischer; Lehrer Hermann Graupner; Lehrer Oskar Lehmann; 
Lehrer Gustav Schanze; Redakteur Irrgang; Oberlehrer Laube; 
Lehrer Dr. Richard Laube; Lehrer Arthur Ulrich; Kgl. Baurat 
Trautmann; Stadtbauinspektor Schmidt; Realgymnasial-Oberlehrer 

Fleischer. 



Deutsches Hauptkomitee zur Vorbereitung des zweiten Internationalen 
Sohulhygienekongresses, London 1907 

organisiert vom Deutschen Verein für Schnlgestindheitspflege. 

Yoraitzender: 
Professor Dr. med. et phil. H. Griesbach, Vorsitzender des Deutschen 
Vereins für Schnlgesnndheitspflege — Mülhausen-Els. 

Stellvertretende Vorsitzende: 

Geheimer Oberbaorat De lins, Vortragender Rat im Kgl. preuß. Ministerium 
der öffentlichen Arbeiten, erster stellTertretender Vorsitzender des Deutschen 
Vereins für Schulgesundheitspflege — Berlin. 

Geheimer Medizinalrat Dr. med. D. Finkler, o. ö. .Professor der Hygiene 
und Direktor des Kgl. hygienischen üniversitätsinstitutes — Bonn. 

Geheimer Medizinalrat Professor Dr. med. Biedert, Medizinalreferent im 
Elsaß-Lothringenschen Ministerium — Straßburg-Els. 

Stadtschulrat Dr. phil. Wehrhahn, zweiter stellvertretender Vorsitzender 
des Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege — Hannover. 

Mitglieder: 
Prof. Dr. med. A. Baginsky, Direktor des Kaiser- und Kaiserin-Friedrich- 
Kinder-Krankenhauses und Vorsitzender des Berliner Vereins fürSchulgesundheits- 
pflege — Berlin. 



192 Mitteilungen aus dem Zentral?erein. 

Di. med. Ludwig Bauer, Dozent für Hygiene an der technischen Hoch- 
schule — Stuttgart, Vorsitzender des Stuttgarter Vereins für Schulgesundheite- 
pflege. 

Dr. med. B. Blasius, o. ö. Professor der Hygiene und Mitglied des 
Landesmedizinalkollegiums — Braimschweig. 

Geheimer Medizinalrat Dr. med. et phiL Herm. Gohn, Professor der 
Augenheilkonde — Breslau. 

Geheimer Medizinalrat Dr. med. £. von Esmarch, o. ö. Professor der 
Hygiene und Direktor des Kgl. hygienischen Universitätsinstitutes — GCt- 
tingen. 

Geheimer Medizinalrat Dr. med. A. Eulenburg, Professor der Neurologie — 
Berlin. 

Geheimer Medizinalrat Dr. med. G. Flügge, o. 0. Professor der Hygiene 
und Direktor des Egl. hygienischen Universitätsinstitutes — Breslau. 

Obermedizinalrat Professor Dr. med. von Grashey, Medizinalreferent im 
Kgl. bayr. Ministerium des Innern und erster Vorsitzender im Obeimedizinal- 
ausschuß für Bayern — München. 

Professor Dr. med. Arthur Hartmann, Ohrenarzt — Berlin. 

Dr. phil. Martin Hartmann, Professor am König Albert-Gymnasiom — 
Leipzig. 

Dr. med. et phil. Willy Hellpach, Nervenarzt — Karlsruhe. 

Dr. med. M. Kor man, Vorsitzender der schulhygienischen Abteilung 
des Vereins für Volkshygiene — Leipzig. 

Geheimer Medizinalrat Professor Dr. med. Leubusoher, Medizinalreferent 
im Herzoglichen Ministerium — Meiningen. 

Oberbürgermeister Müller, Mitglied des preuß. Herrenhauses — Kassel. 

Geheimer Obermedizinalrat Dr. med. Neidhart, Vortragender Rat im 
Großherzogl. hessischen Ministerium — Darmstadt. 

Dr. med. G. Schleich, o. 0. Professor der Augenheilkunde und Direktor 
der Kgl. Üniversit&ts-Augenklinik — Tübingen. 

Sanit&tsrat Professor Dr. med. F. A. Schmidt — Bonn. 

Dr. med. K Seggel, Generalarzt z. D. -- München. 

Stadtechulrat Dr. phil. Sickinger — Mannheim. 

Regienmgs- und Geheimer Medizinalrat Dr. med. R. Wehmer, stell- 
vertretender Vorsitzender des Berliner Vereins für Schulgesundheitspflege und 
Vorsitzender des Deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege — Berlin. 

Geheimer Hofrat Dr. phil. Weygoldt, Großherzogl badischer Ober- 
schulrat — Karlsruhe. 

Geheimer Regierungsrat Dr. med. Wutzdorff, Direktor im Kaiserl. 
Gesundheitsamte — Berlin. 

Schatzmeister: 
R. Quelle von der Verlagsfirma B. G. Teubner — Leipzig. 

Sekretärt 
A. Diemunsch, Lehrer und Geschäftsführer des Deutschen Vereins für 
Schulgesundheitspflege — Mülhausen-Els. 



Mitteilungen aus dem Zentnlverein. 193 

Landesorganisatioiiskomitee des ßroßherzogtums Hessen fftr den zweiten 
Internationalen Schnlliygienekongreß in London 1907. 

Vorsitzender: 
Dr. med. Neidhart, Geheimer Obermedizinalrat, Vortragender Bat 
im Ministerium des Innern. Abteilang für öflfentliche Gesundheitspflege — 
Darmstadt. 

Geschäftsführer: 
Karl Roller, Großherzogl. Oberlehrer — Darmstadt. 

Mitglieder: 

Backes, Rektor, Oberlehrer, Obmann des hess. Landes-Lehrervereins — 
Darmstadt. 

Block, Realschuldirektor, Vorsitzender des hess. Oberlehrervereins — 
Wimpfen. 

BOtticher, Dr. med., Gr. Ereisassistenzarzt und Schalarzt in Gießen. 

Buchhold, Dr. med., Sanitätsrat, Schularzt — Darmstadt. 

Forbach, Dr. phil., Direktor des neuen Gymnasiums — Darmstadt. 

Fresenius, Dr. med., Gr. Kreisassistenzarzt, Schularzt — Worms. 

Haus er, Dr. med.. Geh. Obermedizinalrat. Vortragender Rat im Ministerium 
des Innern, Abteilung für öff. Gesundheitspflege — Darmstadt. 

Hoff mann. Geh. Oberbaurat, Vortragender Rat im Ministerium der 
Finanzen, Ord. Professor der Baukunst a. d. Gr. Technischen Hochschule — 
Dannstadt. 

Huff, Hauptlehrer — Darmstadt. 

Köhler, Gr. Oberbürgermeister — Worms. 

Lösch, Hauptlehrer — Darmstadt. 

Lucius, Dr. Professor, Gr. Ereisschulinspektor — Dannstadt. 

Morneweg, Gr. Oberbürgermeister — Darmstadt. 

Münch, Geh. Schulrat, Direktor des Realgymnasiums — Darmstadt. 

Nodnagel, Geh. Oberschulrat, Vortragender Rat im Ministerium des 
Innern, Abteilung ftlr Schulangelegenheiten — Darmstadt. 

Schmuck, Gr. Tuminspektor — Darmstadt. 

Zinsser, Dr. med., Gr. Ereisassistenzarzt und Schularzt — Offenbach. 



Neue Hitglieder. 

1571 Königl. Freuß. Auskiinftsstelle für höheres TJnterriohts'wesen. 

Stadtgemeinde Ansbach, Bayern. 

Band au, Dr., prakt. Arzt, Wilhelmshöhe bei Kassel. 

Buchhold, Dr. med., Sanitätsrat, Schularzt, Darmstadt, Victoriastr. 66. 

Epstein, Dr. med., Schidarzt, Mülhausen i. Eis., Kolmarstraße 42. 

Eyles, Dr. med., Medizinalrat, Mülhausen-Eis., Sinnenstr. 

von Grashey, Dr., Professor, Egl. bajr. Obermedizinalrat, München, Medizinal- 
referent im Kgl. bayr. Ministerium des Innern und erster Vorsitzender im 
ObermedizinalausBchuß für Bayern. 



194 Ans Kongressen und Vereinen. 

Hopf, Dr. med., Spezialarzt für Hautkrankheiten, Kgl. Stabsarzt d. Res., Stadt- 
verordneter, Dresden, Striesener Platz 16. 

Hösch, Paul, Dr. med., Arzt, München, Landwehrstr. 72ÜIr. 
1680 Lange, Prof. Dr. med., Augenarzt, Braunschweig, Adolfstr. 7. 

Massen, Dr. med., Arzt, Bonn. 

Schröder, Fr. Obertumlehrer, Bonn. 

Seggel, Dr. med., Egl. bayr. Generalarzt z. D., München. 

St^envall, G., Dr. med., Stadtarzt, Schweden. 

Ullmann, Karl, Dr., Doz. für Hygiene a. d. Exportakademie Wien I, Juden- 
platz 5. 

WolmnngsweGliBel. 

Bleymüller, Bürgermeister, Ilmenau, von Februar ab Bürgermeister der 
Stadt Eettwig a. d. Ruhr. 



Unserem Mitglied Sanitätsrat Dr. F. A. Schmidt, Bonn, wurde in An- 
betracht seiner Verdienste um die Schulgesundheitspflege der Professortitel 
verliehen. 



in. Aus Kongressen und Vereinen. 



— Auf der 77. Yersammluxig deutsoher Naturforaoher und Ante 
in Meran vom 24. bis 30. September 1906 war in der Abteilung für Kinder- 
heilkunde als eins der Referatthemata „Die Stellung der Einderheil- 
kunde zur Schulhygiene" aufgegeben. Der von beiden Referenten gemein- 
sam aufgestellte Leitsatz lautete: Die neuere Entwicklung der Schulgesundheits- 
pflege gipfelt in der allgemeinen Einrichtung der ärztlichen Überwachung der 
Schüler. 

Herr Seit er- Solingen besprach zunächst „Ergebnisse und Leistungen 
des Schularztsystems *V Es ergab sich, daß sowohl bei der Einschulung der 
Kinder, wie bei ihrer Überwachung während der ganzen Schulzeit dem Schul- 
arzt zu wenig Zeit und Gelegenheit gegeben ist, um gründlich untersuchen zu 
können. Die wertvollen wissenschaftlichen Resultate der Schularzttätigkeit sind 
in erster Linie freiwilliger Arbeit, nicht dem schulärztlichen Dienste zu 
danken. Seit er f afite die hauptsächlichen Ergebnisse seines Referates in 
6 Leitsätze zusammen: 

1. Die Einstellung der SchulneuUnge nach Maßgabe der ärztlicherseits 
festzustellenden körperlichen und geistigen Schulreife und unter Be- 
rücksichtigung der ärztlicherseits zu konstatierenden Gebrechen ist in 
allen ärztlich beaufsichtigten Schulsystemen zwar eingeführt, aber 
nicht vollkommen genug gehandhabt und ausgebildet. 

2. Die schulärztlichen Sprechstunden imd Revisionen bisherigen Musters 
ermöglichen nur einen oberflächlichen Überblick über die gesundheit- 

' liehen Verhältnisse der Schule und Schüler, und sind als Mittel zur 
Bekämpfung der Infektionskrankheiten nicht geeignet. 



AoB Kongressen und Vereinen. 195 

8. Die direkte hygienische Einwirkung des Scholarztes auf die Schüler 
nnd die direkte Teilnahme an der hygienischen Gestaltung des CTnter- 
richtes nnd der ünterrichtsgegenstöjide ist durch das bisherige Schul- 
arztsystem nicht erreicht. 

4. Die jeteige schulärztliche Eontrolle kann die notwendige Vermehrung 
und Verbesserung der wissenschaftlichen Grundlage für die Schüler- 
beurteilong in ausreichendem Maße nicht erzielen. 

5. Die schulärztliche Beaufsichtigung (Wiesbadener Muster) bedeutet je- 
doch eine wesentliche Verbesserung gegenüber der früher gänzlich 
fehlenden Kontrolle. 

„Über Art und Ziele der Tätigkeit des Schulkinderarztes^^ ver- 
breitete sich danach Herr GOppert-Kattowitz in sehr eingehender Weise. Es 
ist an dieser Stelle nur möglich, seine Leitsätze zu referieren: 

1. Die Aufgabe des Schularztes erstreckt sich der Schule gegenüber 
auf Feststellung der körperlichen und geistigen Schulfähigkeit und 
auf eine sanitätspolizeiliche Überwachung der Schüler. 

2. Dem Schüler gegenüber muß sich seine Tätigkeit im wesentlichen 
auf Feststellung des Krankseins, nicht der Krankheit beschränken. 

3. Zur Aufklärung der zahlreichen Fälle chronischen Nichtgedeihens 
und der Frühformen der Tuberkulose ist er nicht imstande. 

4. Wissenschaftlich kann er nur grob statistisches Material liefern, von 
dem jedoch namentlich die Angaben über Gewicht und Körpermaße 
Ton Bedeutung sind. 

6. Da die Schule das einzige Gegengewicht gegen die zunehmende ner- 
vöse Haltlosigkeit bietet, soll der Schuliozt jede Bestrebung unter- 
stützen, die erziehliche Wirkung der Schule durch Verkleinerung der 
Klassen und Individualisierung des Unterrichtes zu vertiefen. 

6. Es muß versucht werden, die Institutionen des Schularztes zu be- 
nutzen, um auf die allgemeine Volksemähmng einzuwirken. 

Herr R öd er- Berlin (Tuberkulose im schulpflichtigen Alter) betonte, 
daß sich bei den schulärztlichen Untersuchungen neben wenigen Fällen von 
offener Tuberkulose eine große Zahl latenter Tuberkulosen finde, und wünscht 
frühzeitige Entfernung solcher Kinder aus der Schule und Familie, Überweisung 
in eine Kindererholungsstätte oder in ein Seehospiz, erst nach erfolgter Genesung 
Wiederauftiahme in den Unterricht oder in eine Waldschule. 

Herr Flachs -Dresden (Über Schule und Haus) schilderte die Wechsel- 
beziehungen zwischen der Häuslichkeit und der Schule und betonte vor allem 
die Fragen der Abhärtung, der Kleidung der weiblichen Jugend und der Be- 
rücksichtigung der sexuellen Sphäre. 

Herr Hecker-München (Alkohol und Schulkind) stellte durch Frage- 
bogen, die an etwa 4000 Schüler hinausgegeben wurden, den Einfluß des Al- 
kohols auf die geistigen Qualitäten und das Längenwachstum der Schüler fest. 
Merkwürdigerweise zeigt sich bezüglich der geistigen Qualitäten (Fortgang, 
Fleiß) kein wesentlicher Unterschied zwischen Abstinenten und Alkoholtrinkenden, 
soweit die I. und ü. Note in Betracht kommt. Nur die wirklichen Trinker sind 
weniger an ihnen beteiligt. Bei der m. und IV. Note dagegen erweisen die 
Zahlen einen Einfluß des Alkohols. Bezüglich des Längenwachstums ergibt sich 
bei den Alkoholtrinkenden erst ein Zurückbleiben, das aber mit liy, Jahren 
sich wieder ausgleicht. 



196 Aus EongresBen and Vereinen. 

An diese 6 Schulvorträge schloß sich eine sehr ausgedehnte Diskussion 
an, deren Einzelheiten unmöglich berichtet werden können. 

Herr Biedert- Straßburg warnte vor zu exzessiven Forderungen der Schul- 
ärzte und wünschte eine Präzision dessen, was dringend gewünscht wird und 
womit man durchdringen kann. 

Herr Ganghofner-Prag verlangte pädiatrisch geschulte Ärzte zur Über- 
wachung der Schüler und ein gutes Einvernehmen zwischen Schularzt und 
Lehrer; ein solches werde durch den Besuch der schulhygienischen Kongresse 
und den hierbei ermöglichten Gedankenaustausch gefördert. Lungenschwind- 
sucht sei selten in der Schule; nur von ihr gingen Weiterinfektionen aus. Die 
Aufgabe der Schule in der Prophylaxe der Tuberkulose bestehe nicht im Ver- 
hüten der Infektion in der Schule, sondern in der Berücksichtigung der latent 
tuberkulösen Kinder durch Herbeischaffung für sie möglichst günstiger Be- 
dingungen, welche verhüten, daß die Krankheitsanlage durch die Schule ge- 
steigert wird. 

Herr Lugenbühl, einer der 8 Wiesbadener Schulärzte, erklärte einen 
einzigen beamteten Schularzt für besser als eine größere Anzahl von solchen 
im Nebenamt; Therapie sei aber keineswegs Sache des Schularztes; in Wies- 
baden würden nur Sprachstörungen, Augen- und Ohrenkrankheiten durch die 
Schule behandelt. 

Herr Gutzmann- Berlin wünschte auch Behandlung der Lnbezillen vom 
Schularzt. Gehörprüfungen können nach seiner Ansicht durch die instruierten 
Lehrer vorgenommen werden. Ein Verderben der Stimmen durch Singen wäh- 
rend der Mutation lasse sich durch Verständigung mit dem Lehrer verhüten. 

Herr Trumpp- Berlin verlang^, daß man die Eltern dazu anhalte, die 
Kinder wenigstens einmal in der Woche nackt zu inspizieren. 

(Münch. med. Wochenschrift. 1906, Nr. 41.) 

— Im Verein für Volkshygiene in Dresden sprach Bürgerschullehrer 
Herrn. Graupner über „Die Unterrichtszeit im Lichte der modernen 
Schulhygiene *\ Der Bedner führte nach der Dresdener Zeitung etwa fol- 
gendes aus: 

Die Frage nach dem Alter, in dem die Kinder in die Schule aufgenommen 
werden sollen, wird aus pädagogischen und hygienischen Gründen vielfach da- 
hin beantwortet, daß das Kind erst mit dem 7. Jahre aufgenommen werden 
solle, vereinzelt wird sogar aufgefordert, daß die Schulpflicht erst mit dem 
8. Leben^ahre beginnen möge. Die Entwicklung der Sinne und des Gehirns 
gibt uns keinen Anlaß, den Beginn des Unterrichts für ein späteres Lebens- 
alter zu fordern, mit Bücksicht auf die gesamte körperliche Entwicklung 
der Kinder ist also gegen den Eintritt der Schulpflicht mit dem 6. Lebensjahre 
nichts einzuwenden. Selbst bei körperlich zurückgebliebenen Kindern sträuben 
sich die Eltern meist dagegen, ihr Kind ein Jahr länger zu Hause zu behalten, 
und doch sollte man die Anforderungen, die der Elementarunterricht an die 
Kinder stellt, nicht unterschätzen, bleiben doch solche Kinder, die die Schule 
mit 6 Jahren besuchen, um ein halbes Jahr in der Entwicklung gegenüber 
jenen Kindern zurück, die später zur Schule geschickt werden, was um so auf- 
fallender ist, als die Kindheit die Zeit des Wachstums ist Die außerordent- 
liche Wichtigkeit der körperlichen Entwicklung erhellt daraus, daß die körper- 
lich g^t entwickelten Kinder besser veranlagt sind, ein besseres Gedächtnis und 
eine größere Aufnahmefähigkeit besitzen, schwachsinnige Kinder aber meist 



Aus EongreBsen und Vereinen. 197 

auch in der körperlichen Entwicklang snr&ckgeblieben sind. In Dresden hat 
die ünterBuchiing der neneintretenden Kinder dnreh die Schnl&nste zn dem 
Resultate geführt, daß 60 Prozent der in die Bezirksacholen aufgenommenen 
Kinder schwächlich sind. Auch haben weitere Untersuchungen gelehrt, daß 
die Kinder um so öfter sitzen bleiben, je kleiner sie sind. 

Infolge der bedeutenden Anforderungen, die die Schale an die Kinder 
stellen muß, wird das Nervensystem vieler Kinder geschwächt, während die 
Schule doch gerade die Pflicht hat, das Nervensystem der Kinder zu stärken, 
wobei durchaus nicht gefordert werden soll, daß von den schwächlichen Kindern 
jede Anstrengung fem gehalten werden möchte. Eltern und Lehrer müßten 
die Grenze der Leistungsfähigkeit der Kinder zu beurteilen vermögen, die 
Kinder dann aber auch bis zu dieser Grenze belasten. Das würde für den 
Lehrer aber nur dann möglich sein, wenn in einer Klasse nicht mehr als 
40 Schüler sitzen. Um die Sehweite beim Lesen und Schreiben einhalten zu 
können, dürften Kinder unter 110 cm Größe nicht in die Schule aufgenommen 
werden, da infolge ihrer Kleinheit bei ihnen das Auge nicht 85 cm vom Lese- 
buch oder Schreibheft entfernt sein kann. 

Bei der Feststellung der Unterrichtsf&higkeit ist neben der körperlichen 
Entwicklung des Kindes auch eine gewisse geistige Fähigkeit zu fordern; 
denn auch in geistiger Beziehung sind die Kinder sehr verschieden entwickelt. 
Die Natur und die sozialen Verhältnisse lassen große Verschiedenheiten auf- 
kommen, und es fragt sich, ob man von diesen verschiedenartig entwickelten 
Kindern dasselbe fordern soU, oder ob es geraten erscheint, die weniger ent- 
wickelten Kinder besonders zu behandeln. Ein späteres Eintreten der Schul- 
pflicht ist nicht zu befürworten. Die minderwertigen Kinder sollten vielmehr 
in besonderen Klassen mit höchstens 26 Schülern unterrichtet werden. Die 
Dresdner Lehrer hoffen, daß die zwei Stunden geistiger Unterricht, die seit 
Ostern vorigen Jahres für die Elementarklassen in Wegfall gekommen sind, 
wieder in den Lehrplan angenommen werden, um diese beiden Wochenstunden 
mit Körperübungen auszufOllen. 

Recht wenig Verständnis herrscht bezüglich der Arbeitspausen und der 
Arbeitsdauer. Die Arbeitsdauer soll nicht zu kurz sein, sollte aber nicht 
mehr als ununterbrochen 74 Stunde betragen, worauf eine Pause einzutreten 
hätte. Die Arbeitszeit von 46 Minuten sollte auch von den Eltern bei Anfer- 
tigung der Hausaufgaben als Norm eingeführt werden. Die Ökonomie des Ler- 
nens fordert die Einfahrung von Pausen nach obiger Arbeitszeit. Bei 6 Stunden 
Schulunterricht sollten zwei Pausen zu je 10 Minuten imd zwei Pausen von je 
20 Minuten eintreten, bei jüngeren Kindern müssen dagegen die Pausen ein 
Viertel der Arbeitszeit betragen. In den Pausen sollten keine Körperübungen 
vorgenommen werden, die Kinder sollten aber auch nicht toben. Am besten 
ist es, die Kinder sich selbst eine ruhige Bewegung verschaffen zu lassen. Der 
fünfstündige Vormittagsunterricht mit insgesamt einer Stunde Pause ist nicht 
ideal, aber doch besser als der Nachmittagsunterricht, der hygienisch und 
pädagogisch wertlos und deshalb zu beseitigen ist. Dresden hat den Wegfall 
des Nachmittagsunterricht mit zuerst und in ausgedehnter Weise durchgefShrt. 
Hygienisch bedenklich ist der Nachmittagsunterricht vor allem, wenn er bald 
nach der Hauptmahlzeit beginnt. Nach dieser Mahlzeit driUigt das Blut nach 
dem Magen und fördert dessen Tätigkeit. Wenn gleichzeitig das Gehirn ar- 
beiten soll und deshalb große Blutmengen beansprucht, dann müssen sich Magen 

Oeiunde Jugend. Y. 7^10. 14 



19^^ Ans Kongpressen und Vereinen. 

nnd Gehirn in ihrer T&tigkeit gegenseitig hemmen. Man sollte deshalh die 
Kinder nicht zn geistiger T&tigkeit zwingen, wenn sie verdauen müssen, da 
dies eine Schädigong des Nervensystems im Grefolge haben mnß. Kinder, die 
Nachmittagsunterricht haben, zeigten tatsächlich eine gprößere Kränklichkeits- 
ziffer, als Kinder, die freie Nachmittage haben. Die freien Nachmittage sind 
von hohem hygienischem Vorteile. Weim Kinder nach dem Nachmittagsunter- 1 

rieht gar noch Hausaufgaben anfertigen sollen, dann wird das überangestrengte i 

Gehirn die Kinder auch nachts nicht zum gesunden Schlafe kommen lassen. 
Der Nachmittag ist so viel als mOglich vom wissenschaftlichen Unterrichte frei 
zu halten. Wo der Nachmittagsunterricht nicht ganz zu beseitigen ist, sollte 
er nicht vor 8 Uhr beginnen und sich nur auf technische Fächer erstrecken. 

— Im BealBchnlmännerverein in Frankfurt sprach Seminardirektor 
Dr. Pabst-Leipzig über „Gesundheitspflege und Schulwesen'*. Den | 

Frankfurter Neuesten Nachrichten entnehmen wir hierüber folgendes: Redner I 

wünscht zuerst die völlig irrige Anschauung zu entkräften, als ob wir auf dem 
Gebiet des Schulwesens noch immer auf der unnahbaren Höhe marschierten, 
auf der einstens die deutsche Pädagogik die übrige Welt blendete. Heute seien j 

wir von dem aufstrebenden Amerika und auch von England in vielem über- 
flügelt. Namentlich aber in bezug auf Schulhygiene, wo wir direkt von diesen I 
Nationen lernen müßten. Die äußere Ausstattung der Schulräume sei nicht 1 
palastartig, Spiel- tmd Erholungsplätze seien in voller Zahl vorhanden. Doch 
wo bleibe der praktische Erfolg? Man sehe sich nur die Schulklassen 
der höheren und Volksschulen an. Eine nicht fröhliche, kümmerliche, bleich- 
süchtige, nervöse, sehschwache Jugend finde man dort. Statistisch nachgewiesen 
seien 60—70 Prozent der höheren Schüler untauglich für den Militärdienst. In 
der Volksschule sei das Verhältnis allerdings geringer, aber auch hoch genug, 
etwa 25 Prozent. Die Hauptfrage müsse stets die sein: was muß der Unter- 
richt tun, um die Gesundheit zu fördern? Und da sei es die erschreckende 
Tatsache, daß unsere Schulkrankheiten so ungemein verbreitet sind. Diese 
zeigten sich auch bei den kraftigsten Individuen, im 18. Lebensjahre bei den 
höheren Schülern bis auf 70 Prozent anwachsend. Im ersten und zweiten Schul- 
jahr steige Nervosität und Kopfweh aufs siebenfache. Die Kurzsichtigkeit sei 
bei 48 Prozent der Primaner zu konstatieren. Es gäbe sogar Seminarien mit 
86 — 90 Prozent. Die Zahl der Stotterer verdoppelte sich infolge des vielen 
Sprachunterrichtes und der Grammatik aufs doppelte. Worin liege nun dies 
alles? Bei uns. in Deutschland hänge der Unterricht zu viel vom Wissen, vom 
Gedächtnis ab, eine Methode, die im ersten Schuljahre völlig falsch sei. Hier 
müsse die hygienische Reformation einsetzen. Eedner empfiehlt in den ersten 
Schuljahren mehr Ausbildung der Bewegung, Bewegung der Hand und des 
Körpers; keine Lemschule sondern Arbeitsschule, keine Sitzschule, eine Be- 
wegungsschule sei von nöten. Diese erreicht man durch bessere Schulverhält- 
nisse, kürzere Dauer der Unterrichtsstunden, etwa von 45^86 Minuten. Es 
stelle direkt eine Unmöglichkeit dar, die Kinderseele volle 60 Minuten auf 
einen Lehrpunkt zu konzentrieren. Größere Pausen mit Spielen tmd Umher- 
tumme^ würden die nötige Elastizität des Körpers beleben und so zur Be- 
wegung führen. Die Abschaffung des Nachmittagsunterrichts müsse 
gebieterisch gefordert werden, vor allem aber eine Herabsetzung der Lehrziele 
nnd Verminderung des Unterrichtsstoffes, unbeschadet des tatsächlichen Wissens 
und Könnens. 



Aufl Kongressen und Vereinen. 199 

» Im Liberalen Bürgerver^in in Bonn besprach Geh. Med. -Bat 
Prof. Dr. Schnitze den Erlaß des FroTinsialkolleginms über den 
Schnlanfang an den höheren Lehranstalten. Der Erlaß lautet: 

„Yom n&chsten Schu^ahre ab ist an allen höheren Lehranstalten der 
fünfstündige Yormittagsanteiricht, falk er auch im Winterhalbjahre durch- 
geführt werden soll, in dieser Jahreszeit um 8 Uhr (statfc wie bisher S'/^ Uhr) 
zu beginnen und um 1 Ohr zu schließen. An denjenigen Tagen, an welchen die 
evangelischen Schüler an einer Morgenandaoht teilzimehmen haben, die katho- 
lischen Schüler einer Schulmesse beizuwohnen gehalten sind, wird der Unter- 
richt um sy, Uhr begonnen und entfallen auf den Vormittag vier, auf den 
Nachmittag in der Regel zwei Unterrichtsstonden. Voraussetzung dafür, 
daß der Vormittagsunterricht während des Winterhalbjahrs um 8 Uhr be- 
gonnen werde, ist die Möglichkeit, die Klassenzimmer künstlich zu be- 
leuchten. Wo diese Möglichkeit nicht gegeben ist, hat, wenn nicht für 
das ganze Winterhalbjahr, so doch für die Zeit vom 16. November bis 
16. Februar an Stelle des fOnfstündigen Vormittagsunterrichts durchweg 
der vierstündige Vormittagsunterricht in Verbindung mit dem in 
der Regel zweistündigen Nachmittagsunterricht zu treten.^* 
Gleheimrat Schnitze sprach den Erlaß im einzelnen durch. Zun&chst sei 
es bedenklich, daß nach dem Erlaß fortan der Unterricht das ganze Jahr hin- 
durch um 8 Uhr morgens beginnen solle. Das habe seine großen Nachteile, 
besonders für Bonn. Die Schwer seien dadurch gezwungen, in den dunkelsten 
Wintermonaten bei völliger Dunkelheit einen oft halb- und mehrstündigen Weg 
zu machen, was nicht nur vom sanitären Standpunkt, sondern auch für die 
Sicherheit de^enigen Kinder, die aus den Vororten zum Unterricht nach Bonn 
müssen, höchst bedenklich sei. Ein weiterer Nachteil des Erlasses bestehe in 
dem Beginn des Unterrichts vor Tagesanbruch während der Wintermonate. Die 
Kinder seien genötigt, bei künstlicher Beleuchtung zu sitzen und zu arbeiten. 
Wenn auch für ausreichendes Licht gesorgt werden könne — sofern die Gelder 
dafür zur Verfügung stehen — , so ^erde die ungesunde Lichtarbeit selbst doch 
nicht beseitigt. Dann aber kommt dazu, daß nun auch — wenigstens für be- 
stimmte Tage in der Woche — der Nachmittagsunterricht wieder eingeführt 
werden soll. Am städtischen Gymnasium wurden an den Nachmittagen bisher 
nur einige Stunden, wie Chorgesang, Turnen usw. gegeben. Wenn dieser Nach- 
mittagsunterricht, ^ie anfangs von uns angenommen wurde, für das ganze Jahr 
eingeführt würde, so müßte dagegen auf das schärfste Front gemacht werden. 
Aber auch für die Wintermonate allein bedeutet der Nachmittagsunterricht eine 
Beeinträchtigung der Gesundheit. Die Schüler müssen morgens in der Dunkel- 
heit fort und bei künstlichem Licht die Unterrichtsstunden beginnen, dann 
haben sie zwischen Vor- und Nachmittagsunterricht meistern nur eben Zeit 
zum Essen, dann heißt es wieder zum Unterricht. Wir Älteren unter uns haben 
das ja nicht anders gekannt, wir wissen aber auch, wie schwer es uns und 
unseren Eltern oftmals angekommen ist. In richtiger Erkenntnis der gesundheit- 
lichen Nachteile ist von den Ärzten auch immer gegen den Nachmittagsunter- 
richt angetömpft worden. Es steht heute statistisch fest, daß in Schulen mit 
Nachmittagsunterricht der Gtesundheitszustand der Schüler um 12 v. H. schlechter 
war, als in solchen ohne Nachmittagsunterricht. (Bewegung. Hört, hört!) Im 
ganzen ist doch nur das eine Prinzip richtig: An den Vormittagen die volle 
geistige Arbeit, an den Nachmittagen neben den notwendigen Hausarbeiten vor 

14* 



200 AuB Kongressen und Vereinen. 

allem Erholung, AufenÜhalt im Freien, Spielen u. dgl. Es iragt sich nun: Aus 
welchem Grunde soll die Neuordnung des Scbuluntenichts — wenigstens für 
gewisse Monate — beginnen? Zweifellos doch aus Rücksicht auf gewisse kirch- 
liche Interessen. Ich gehöre nicht zu denen, die der Kirche das Recht auf ge- 
wisse Forderungen abstreiten, in unserem Falle aber handelt es sich um einen 
Widerstreit der Interessen von Schule und Kirche, um die Interessen Ton Eltern 
und Kindern, die geschützt werden müssen. Auch dem Staate kann es nicht 
gleichgültig sein, in welcher Weise der Schulunterricht' gehandhabt wird. Er 
braucht für seine Wehrkraft die körperliche Tüchtigkeit der jungen Leute und 
muß darauf sehen, dafi diese Tüchtigkeit nicht beeinträchtigt wird. 

Nach längerer Diskussion, in deren Verlauf eine Kommission gewählt 
wurde, um eine Eingabe an das ProvinzialschulkoUegium vorzubereiten, wurde 
auf Vorschlag des Referenten folgende Erklärung von der Versammlung ein- 
stimmig angenommen: 

Der liberale Bürgerverein spricht sein lebhafbes Bedauern darüber aus, 
daß durch den Erlaß des Königl. ProvinzialkoUegiums in Koblenz die 
Schüler in den hiesigen höheren Lehranstalten infolge allzufrühen An- 
fangs des Unterrichts im Winter und infolge der Wiedereinführung eines 
häufigen' Nachmittagsunterrichts in ihrer Gesundheit geschädigt 
werden, und wünscht die Beibehaltung des jetzigen Zustandes 
der Unterrichtserteilung. 

— Über die Einriohtung von Schülerreisen, eine Aufgabe des 
Alpenvereins, sprach am 21. Februar in der Sektion Dresden des Deutsch- 
Österreich ischen Alpenvereins Oberlehrer Fritz Eckardt vom Dresdner Annen- 
realgynmasium. Ausgehend von der gesundheitlichen Bedeutung einer zweck- 
mäßigen Ausnutzung der Ferienzeit und unter Hinweis auf die auch in Deutschland 
sich mehr und mehr regende Bewegung für Schülerwanderungen stellte der Vor- 
tragende, welcher auch die vorbildlichen seit Jahrzehnten bestehenden Schüler- 
reisen des Club alpin firan9ai8 in den Bereich seiner Betrachtungen zog, folgende 
Leitsätze auf: 

1. Der Wert der Schülerausflüge und -reisen wird sicherlich von nie- 
mandem bestritten. Vor allen modernen Bestrebungen für körperliche und 
geistige Ertüchtigung unserer Jugend haben sie den Vorzug, daß sie sich im 
wesentlichen auf die Ferien beschränken. 

2. Wenngleich bei Schülerreisen (von Dresden aus) zunächst nur unser 
Mittelgebirge und nicht die Alpen in Frage kommen können, so sind diese 
Reisen, richtig angelegt, dennoch eine Schule des Wandems und damit eine 
Vorschule des Alpinismus. 

8. Die Sektion Dresden des D. 0. A.V. ist daher bereit, einem Beschlüsse 
der Gt.Y. Bamberg entsprechend, die Einrichtung von Dresdner Schülerreisen 
(Dr. S. R.) zu fördern. 

4. Die Teilnehmer an den Dr. S. R. haben im allgemeinen für die Kosten 
ihrer Reisen selbst aufzukommen, unser Unternehmen hat den Zweck, die 
Reisen auf mannigfaltige Art zu erleichtem, zweckmäßiger und genußreicher 
zu machen. Reisestipendien oder Freistellen können, wenigstens vorläufig, nicht 
gewährt werden. 

5. Zu den Dr. S. R. werden Schüler zumeist Dresdner Schulen vom voll- 
endeten 16. Lebensjahre ab zugelassen, zu Ostern auch die Abiturienten. Stu- 
denten können sich nur dann beteiligen, wenn sie befähigt und gewillt sind, 



Amiliches. 201 

eine FtOuong zn übernehmen. Die Teilnehmer wandern in kleinen Gmppen 
von etwa 4 Mann. Die Führong hat zumeiet ein älterer, wandererÜBkhrener 
Genosse. 

6. Die Dr. S. B. sind zn fördern dnrch AufsteUnng von Beisen für alle 
Ferien (mit vorläufiger Ausnahme der Weihnachtsferien) ^ durch Bearbeitong 
praktischer Beisepläne, durch Einrichtung von Gesellschaftsfahrten, durch an- 
dere Ermäßigungen, durch AuÜBtellung einer Wanderordnung mit entsprechender 
Tageseinteilung (antialkoholische Tendenz! Ausrüstung!), durch Verwertung der 
Erfahrungen vorhergegangener Beisen auf den späteren. 

7. Die Dr. 8. B. sind femer zu fördern durch Ausleihung von BeisefShrem, 
Karten, Ausrüstungsgegenständen, durch Zuschüsse zur Yerproviantierung, durch 
Anleitung der Führer und Vergünstigungen für dieselben. 

8. Die Sektion stellt dem hierorts begründeten Freien Ausschuß für Dr. 
S. B. jährlich 800 Mk. für die genannten Zwecke zur Verfügung. Die Summe 
kann erhöht, vermindert oder in Wegfall gestellt werden. Weitere Verpflich- 
tungen und Verbindlichkeiten, insbesondere etwaige Haftung bei Schäden oder 
Unfällen übernimmt die Sektion nicht. 

Solange eine Unterstützung gezahlt wird, hat der Freie Ausschuß gegen- 
über der Sektion die Pflicht der Berichterstattung, der Bechnungslegung , der 
Zuziehung des Sektionsvorsitzenden zu den Beratungen. 



IV. Amtliches. 



Die königliche Begierung in Minden i./Westf. hat eine ausführ- 
liche Anweisung über die Gesundheitspflege in den Schulen bekannt gegeben, 
in welcher Maßnahmen zur Verhütung der mit dem eigentlichen Schulbetrieb 
verbundenen gesundheitlichen Gefahren für die Schulkinder sowohl als auch 
für die Lehrer getroffen werden. Als zur Erhaltung und Förderung der Gesund- 
heit der Schulkinder erforderliche Maßnahmen werden in einer Anlage solche, 
die sich auf die den Schulzwecken dienenden Bäumlichkeiten und Einrichtungen, 
solche, die sich auf die Lehr- und Lernmittel, und solche, die sich auf den 
körperlichen und geistigen Zustand der Schulkinder selbst erstrecken, im ein- 
zelnen aufgeführt. Auf der nächsten Ereislehrerkonferenz hat die Anweisimg 
den einzigen Beratungsgegenstand zu bilden. Zu dieser Konferenz ist der zu- 
ständige Ej-eisarzt einzuladen, damit er die zu einzelnen Punkten der Anweisung 
etwa noch erforderlichen Erläuterungen geben oder sonstige gesundheitliche in 
der Konferenz angeregte Fragen beantworten kann. Um die Schulkinder mit 
den für sie hauptsächlich in Betracht kommenden Grundsätzen bekannt zu 
machen, sind diese in einer Anlage von 16 knapp gefaßten Geboten, bezw. Ver- 
boten aufgestellt. Diese Belehrung soll den Lesebüchern aller über 10 Jahre 
alten Schulkinder angefügt werden. Da die leider in sehr vielen Fällen noch 
immer mangelhafte Beinigung der Schulzimmer, Aborte usw. mit Becht 
darauf zurückgeführt wird, daß diese Arbeit sehr häufig ungeeigneten und über 



202 SchuUbztliciies. 

ihre Obliegenheiten sohlecht nnterrichteten Personen fibertragen sei, so werden 
die Landräte ersucht, for möglichste Abhilfe dieses Mißstandes zn sorgen. In 
einer Anlage wird ein Entwarf zn einer Dienstanweisung fdr die mit der Rei- 
nigung und Heizung der Schulr&ume usw. beauftragten Personen ge- 
geben. Lehrern soll die Besorgung der Reinigungsarbeiten und der Heizung 
gegen Entschädigung nicht übertragen werden, da ihnen die Aufsicht dieser 
Arbeiten obliegt. Ebenso sollen Schulkinder nicht dazu herangezogen werden. 
Eine weitere Anlage enthält Vorschriften über die Beschaffenheit der 
Schulbänke nebst Zeichnungen. Schließlich ist noch eine Zusammenstellung 
von Ministerial- bezw. Regierungsrerordnungen bezüglich Bedienung der sog. 
Füllreguliermantelöfen, Verhütung der Übertragung tmd Verbreitung anstecken- 
^der Krankheiten, besonders Augenkrankheiten durch die Schulen usw. beigefSgt. 
Die Ereisschulinspektoren, Landräte bezw. Oberbürgermeister der Stadtkreise 
sowie Kreisärzte sollen bis zum 1. Oktober 1908 über die Durchfuhrung der 
getroffenen Anordnungen sowie darüber, ob und inwieweit sie sich bewährt 
haben, an die Regierung berichten. Sonderabdrücke der Verfügung nebst 
Anweisung und von den Gbsundheitsregeln für die Schulkinder sind durch die 
Hofbuchdruckerei J. G. C. Bruns in Minden zu beziehen. 



V, Schulärztliches. 



A. TagesgescMclitliclie Nachricliten. 

— In Lndwigshafen wurden ab 1. März dieses Jahres neun Schulärzte 
angestellt. Das Honorar wurde auf 40 Pfg. pro Kopf und Jahr festgesetzt. 
Demnach würden die Ausgaben bei den vorhandenen 11000 Schülern 4400 Mk. 
betragen. Für die Einrichtung der Institution wurden 1600 Mk. festgesetzt. 

— In Dortmund ist, wie die Rheinisch -Westfälische Zeitung mitteilt, 
das frühere System der Schulärzte bei den Volksschulen seit dem 1. Dezember 
vorigen Jahres in Wegfall gekommen. Die ärztlichen Untersuchungen bei den 
Volksschulen werden von dem Assistenten des Stadtarztes ausgeführt, bei dem 
alle von den Lehrern und Lehrerinnen als krank bezeichneten Kinder sehr 
eingehend untersucht werden. Auch erstreckt sich die Untersuchung auf die 
Zahnbildung und hierbei hat sich ergeben, daß etwa 80 Proz. der hiesigen 
Kinder krankhafte Zähne haben. Um diesem Übel abzuhelfen, will die Stadt- 
verwaltung einen Zahnarzt anstellen, der die Behandlung der Schulkinder un- 
entgeltlich vorzunehmen hat 

— Münohen. Die Münchener Medizinische Wochenschrift schreibt 
unter dem 18. Februar: Die Anstellung von Schulärzten für die 
städtischen Schulen Münchens darf jetzt als unmittelbar bevorstehend 
bezeichnet und der prinzipiell entscheidende Beschluß bereits in den nächsten 
Tagen erwartet werden. Über die geplante Organisation des schulärztlichen 
Dienstes im einzelnen liegt jetzt ein eingehendes Referat des städtischen Schul- 
rates Dr. Kerschensteiner vor. Hiemach sollen nach dem Vorbilde der 



SchulftrztlJcheB. 203 

Berliner Dienstanweisimg für Schulärzte den künftigen Münchener Schalärzten 
folgende Angaben zugewiesen werden: Die üntersnchnng des körperlichen 
Zufitandes aller in die Schale eintretenden Kinder, eine Wiederholang dieser 
Untersnchang am Ende des 3., 7. and 8. Schuljahres, Überwachung der aus 
der Untersuchung als überwachungsbedürftig hervorgehenden Kinder, Abgabe 
eines Gutachtens über Kinder, die einer besonderen Berüchsichtigung im 
Unterricht bedürfen, auf dem Gesundheitsbogen des Kindes, Prüfung der für 
die Hilfsschule vorgeschlagenen Kinder, (Jntersuchung der Kinder während des 
Schuljahres, die vom Oberlehrer als besonders krankheitsverdächtig bezeichnet 
werden, und mindestens, viermalige Visitation der dem Schularzt zugewiesenen 
SchulM.user für öffentliche und private Unterrichts- und Erriehungseinrichtungen. 
Dr. Kerschensteiner berechnet, daß hiemach rund 18600 Kinder zur Unter- 
suchung durch die Schulärzte übrig bleiben. Er beantragt, vorerst 18 Schul- 
ärzte, einen Spezialaugenarzt und einen Spezialohrenarzt im Nebenamte an- 
zustellen, die einem aus ihrer Mitte zu wählenden Obmanne zn unterstellen 
wären. Jeder Schularzt soll ein Honorar von 1000 Mk. erhalten, der Obmann 
eine Zulage von 600 Mk., die Spezialärzte je 260 Mk. Die erforderlichen 
Mittel sollen in den Etat für 1907 eingestellt werden und die amtliche Tätig- 
keit der Schulärzte mit der Einschreibung 1907 beginnen. Außer den Schul- 
ärzten ist die Aufstellung eines städtischen Amtsarztes in Aussicht genommen, 
der als Berater dem Magistrat zur Seite stehen soll in bezug auf Gresundheits- 
pflege, Abgabe von Gutachten für Bauwesen, Aufnahme in den Gemeindedienst. 
Er soll Sitz und eventuell Stimme im Kollegium haben, seine Gehalts- und 
Pensionsverhältnisse sollen entsprechend der Stellung der BrechtsiUte geregelt 
werden. Im übrigen wird die Organisation des schulärztlichen Dienstes im 
Einvernehmen mit der Ärzteschaft zu regeln sein, an welche ohne Zweifel die 
Gemeinde bald herantreten wird. Abgesehen von wichtigen Standesinteressen 
werden es die Ärzte Münchens jedenfalls als eine Ehrensache ansehen müssen, 
an der gedeihlichen Entwicklung dieser zum guten Teil auf ihre Anregung 
ins Leben gerufenen Einrichtung von Anfang an mitzuwirken; hierzu wird 
unseres Erachtens neben den beiden Standesvereinen auch der ärztliche Verein 
berufen sein. — Wie wir hören, hat der Magistrat am 18. Februar sich mit 
den Anträgen des Schulreferenten Dr. Kerschensteiner, vom 1. Januar 1907 ab 
18 Schulärzte, einen Spezialaugenarzt und einen Spezialohrenarzt anzustellen« 
einverstanden erklärt. 

— In Budapest hat Unterrichtsminister Georg Lukäos im Interesse 
der Erhaltung der Gesundheit der Elementarschulkinder die Institution der 
Schulärzte auch auf die Volksschulen ausgedehnt. Für jede über mindestens 
zehn Unterrichtssäle verfügende und von mindestens 600 Schülern besuchte 
Schule sind bis zum 1. Juli dieses Jahres Ärzte in Vorschlag zu bringen, 
welche zur Annahme von Schulärztestellen geneigt sind. Der Unterrichts- 
minister hat den Entwarf der einschlägigen Verordnung dem Minister des 
Innern und dem Landessanitätsrate zugeschickt und wird im Einvernehmen 
mit diesen beiden Foren das Nötige veranlassen. Im Sinne der Verordnung 
wird es Pflicht der Schulärzte sein, über die Gesundheit der Elementarschüler 
zu wachen und sie vor den mit dem Lernen und dem Schulbesuch verbundenen 
Gefahren zu bewahren, die körperliche Entwicklung der Schulkinder mit Auf- 
merksamkeit zu verfolgen, öfter ärztliche Visiten vorzunehmen und eventuelle 
Verfügungen vorzuschlagen. Laut der Verordnung sind alle Schulkinder vor 



204 SolnilftnEtiiohee. 

Beginn de« Unterrichts eu untersuchen und bezüglich etwaiger Befreiungen 
vom Turnen, Singen, Handarbeit Vorschl&ge zu erstatten. Die Schulärzte 
werden yerpflichtet sein, die einzelnen Erlassen öfter zu besuchen und im Not- 
falle auch erste Hilfe zu leisten. Das Honorar der SchulAxzte beträgt pro 
Elasse 40 Kronen jährlich. Diese Verordnung des Unterrichtuninisters ist der 
Ausgangspunkt einer hochbedeutsamen Beform, welche berufen sein wird, 
einem in Fachkreisen seit langem schon gefühlten Bedürfiiisse in radikaler 
Weise abzuhelfen. 

B. SohnlärztUolie Berichte. 

— m. Jahresberioht der städtischen Sohulaahnklmik in Straß - 
bürg i. E. 100^/^5. „Könnte man alle üblen Folgen, welche die Vernach- 
lässigung des G-ebisses bei einem Individuum nach sich zieht, in ein 
akutes Leiden zusammendrängen, die schläfrigsten Eltern und Lehrer, die für 
solche Dinge nur ein Lächeln der Geistesabwesenheit haben, müßten erwachen.*' 
Das ist ein Ausspruch des bekannten Pädagogen Prof. Dr. Leo Burgerstein in 
Wien, den wir an die Spitze unseres Berichtes stellen wollen. 

Die Richtigkeit dieses Satzes zeigt z. B. die folgende Statistik der Darm- 
städter Schulärzte: 

Die Darm Städter Schulärzte untersuchten 1901/02 2968 Schüler der 
Volks- und Mittelschulen und zwar 148d £jiaben und 1476 Mädchen. Es 
wurden 1293 Gesundheitsstörungen bemerkt, darunter 676 so ernstliche, daß 
eine dauernde Überwachung für geboten erachtet wurde. Die häufigsten Er- 
krankungen waren Blutarmut (176 Knaben und 212 Mädchen), Skrofulöse, 
Rachitis. Etwa 80 Proz. aller Kinder hatten schlechte Zähne. 

Li Darmstadt werden somit unter 1293 Gesundheitsstörungen 387 Fälle 
von Blutarmut nachgewiesen, und das ist kein Wunder, da 80 Proz. aller 
Kinder kranke Zähne haben. Wer die kranken Zahnverhältnisse unserer Volks- 
schulkinder kennt, kann sich höchstens wundem, daß die Zahl der Blutarmen 
nicht noch viel größer ist. Aus dieser Erkenntnis heraus erwächst denn auch 
an immer weiteren Orten das Bestreben der Errichtung besonderer Schul- 
zahnkliniken. In Wiesbaden haben die Schulärzte beantragt, eine städtische 
Schulzahnklinik zu errichten; in Mül hausen i. E. hat der Gemeinderat 'be- 
schlossen, am 1. Oktober 1906 eine städtische Schulzahnklinik zu eröffnen; die 
Kosten belaufen sich für das erste Jahr auf 18000 Mk. Der Etat der Straß- 
burger Schulzahnklinik betrug für das Rechnungsjahr 1906 6400 Mk. 

Dio Leistungen der hiesigen Schulzahnklinik sind seit ihrem Bestehen 
folgende: 

Im ersten Jahre wurden vom 16. Oktober 1902 bis zum 1. August 1908 
untersucht 6848 Kinder, 
behandelt 2666 „ 

mit 699 Füllungen 
und 2912 Extraktionen. 
Im zweiten Jahre vom 1. Oktober 1908 bis zum 30. September 1904 
wurden 

untersucht 6900 Kinder, 
behandelt 4967 „ 

mit 4822 Füllungen 
und 6680 Extraktionen. 



Schnl&rsiliohes. 



205 



Im dritten Jahre vom 1. Oktober 1904 bis zum 80. September 1905 

wurden 

untersucht 4872 Kinder, 

behandelt 6828 ,, 

mit 7066 Füllungen 
und 7986 Extraktionen. 
Die Arbeit des leisten Jahres verteilt sich auf die einsselnen Monate, 
wie folgt: 

Tabelle I. 

Übersicht der Arbeiten in der Schulzahnklinik 190^05. 



Monat 





I 



Behandelt 



& 




g 

1 



Oktober 1904 
November „ 
Dezember „ 
Januar 1906 
Februar ,, 
März „ 

April „ 

Mai 

Juni „ 

Juli 

August „ 
September „ 

Summa: 



166 



480 
891 
1884 
1126 
148 
188 



694 
636 
641 
603 
776 
764 
483 
489 
616 
611 
367 
899 



4872 



6828 



606 
638 
464 
449 
612 
603 
878 
819 
428 
498 
249 
316 



1148 

1162 

1160 

873 

1889 

1495 

947 

920 

982 

1160 

668 

897 



686 
742 
676 
561 
899 
1065 
664 
691 
604 
684 
379 
434 



6368 



12691 



7986 



443 
898 
706 
782 
690 
662 
616 
600 
667 
747 
469 
666 



7065 



. Im letzten Jahre wurde ganz besonders Wert darauf gelegt, den Unter- 
richt möglichst wenig zu stören, und das Lehrpersonal so wenig wie möglich 
zu belästigen. Deshalb wurden besondere Schemata gedruckt, damit der 
Lehrisr nur Name und Alter der Kinder einzutragen hatte. Die Listen wurden 
dann der Schulzahnklinik zugestellt, und hier wurden die Karten ausgefüllt. 
Der Diener besorgte die nötigen Instrumente und Desinfektionsmittel in die 
Schule, der Zahnarzt nahm die Karten mit und hatte nur das Resultat der 
Untersuchung, die Zahl der kranken Zähne doppelt einzutragen. Jedes der 
Elinder erhält sofort seine Karte. Die Duplikate werden in der Klinik ge- 
sammelt, um die Statistik aufzustellen, die Kinder zur Behandlung zu bestellen, 
diese zu kontrollieren usw. Es soll den Eltern der Kinder, die mehr als zehn 
kranke Zähne im Munde haben, eine Aufforderung aus der Schule, vom Lehrer 
unterzeichnet, zugehen, dafi sie ihr Kind zu bestimmter Stunde in die Schul- 
zahnklinik zur Behandlung schicken. Nur durch ein Zusammenarbeiten der 
Klinik mit der Lehrerschaft ist es möglich, eine rationelle zahnärztliche Be- 
handlung durchzuführen, zunächst die schlimmsten Schäden zu heilen und 
allmählig die Mundverhältnisse der Kinder zu sanieren. 



206 Schnl&TzÜiohes. 

Durch die Vereinfachung der ünteraachung war es möglich, 
durchschnittlich in einer Stunde 80 Kinder zu untersuchen, und auf diese Weise 
die Störung im Unterricht auf ein Minimum zu beschriUiken. An 44 ünter- 
suchimgstagen wurden im ganzen 4372 Kinder untersucht. 2108 Kinder waren 
im Alter von 6—8 Jahren, und 2269 besuchten die Kleinkinderschule. 

Die Ausdehnung der Tätigkeit der Schulzahnklinik auf die Kleinkinder- 
schulen war ein wesentlicher Fortschritt gegenüber den Yorjahren. 

Vor der Untersuchung wurden die Kinder aufgefordert, ihre Zähne täglich 
dreimal zu bürsten und besonders sorgfältig abends vor dem Schlafengehen. 
Der Zahnarzt zeigte die Handhabung der Bürste an sich selbst und an Kindern 
mit Bürsten, die von der Schul Verwaltung zur Verfügung gestellt und noch 
nicht zur Verteilung gekommen waren. Selbstverständlich erhielt jedes Kind 
die von ihm benutzte Bürste zu fernerem Gebrauch mit nach Hause. Gleich- 
zeitig wurde gezeigt, wie man hartes Roggenbrot kauen muß, um die Zähne 
zu kräftigen und gesund zu erhalten. Zwei Boggenbrote werden jede Woche 
von der Armenverwaltung in die Schulzahnklinik zur Verteilung an die Kinder 
geschickt und von diesen mit gutem Appetit verzehrt. 

Wie vdchtig in diesem Punkt eine bessere Belehrung der Bevölkerung 
ist, um so dem schädlichen Genuß des Weißbrotes entgegenzuarbeiten« war 
bereits in dem vorjährigen Jahresbericht ausgeführt. 

Von 2269 untersuchten Kindern im Alter von 8—6 Jahren hatten nur 362, 
also 16,96 Proz., ein gesundes Gebiß. 

Von 2103 Eändem im Alter von 6—8 Jahren dagegen hatten nur 160, 
also 7,02 Proz., ein gesundes Gebiß. 

Die Zunahme der Karies bei den älteren Kindern ist ganz 
natürlich. 

Das genaue Resultat der Untersuchung in den Kleinkindersohulen 
zeigt Tabelle H. 

Die Kinder der Vororte zeigen durchschnittlich etwas bessere Zähne als 
die der inneren Stadt. Die Zahl derjenigen Kinder, deren Zähne schon früher 
behandelt waren, ist einstweilen noch sehr gering, wie ja ohne weiteres daraus 
verständlich wird, daß erst in diesem Jahr mit der systematischen Behandlung 
in den Kleinkinderschulen begonnen wurde. 9427 kranke Zähne, wovon 1666 
schon gangränös zerfallen, also vollkommene Jaucheherde sind, bei 2269 Kindern 
ist wohl ein Beweis, daß eine Behandlung dringend notwendig ist. Sie ist bei 
den kleinen Kindern natürlich besonders schwierig durchzuführen, erfordert 
sehr viel Zeit und Geduld und wird noch erschwert durch die notwendige 
Führung der Kleinen. Sie muß aber mit allen Mitteln erstrebt werden, denn 
178 Kinder haben schon mehr als 10 kranke Zähne und bei 88 Kindern sind 
schon 63 bleibende Molaren, die sich erst wenige Monate im Munde befinden, 
krank, 86 Kinder haben eiternde Fisteln. Das ist neben der Behandlung 
der Ferienkolonisten zunächst die wichtigste Aufgabe der Schul- 
zahnklinik, in den Kleinkindersohulen die Mundverhältnisse zu 
sanieren. Es muß ein Modus gefunden werden, die kleinen Kinder klassen- 
weise in Begleitung ihrer Lehrerin zur Behandlung in die Klinik zu schicken. 
Die Erlaubnis der Eltern muß vorher eingeholt sein und die ganze Sache 
amtlich geregelt werden, da sich ein durchschlagender Erfolg sonst nicht er- 
zielen läßt. Um in den Vororten überhaupt die schlimmsten Schäden zu 
heilen, soll im nächsten Jahre der Zahnarzt mit Zustimmung der Behörde 



Sclialftrztliches. 



207 






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208 



SohuiaiztUches. 



an bestimmten Tagen sich zur Behandlung in die Schulen begeben, weil bei 
dem weiten Weg die Kindei, besonders im Winter, gar nicht in die Klinik 
kommen. Es handelt sich um' die Vororte Neuhof, Buprechtsau, Niederau, 
Gliesberg, Elsau, Eönigshofen, Ejronenburg, welche der Reihe nach je 
einmal im Monat besucht werden sollen, damit die Kinder wenigstens von 
Schmerzen befreit werden können. Wie notwendig das ist, ersehen wir aus 
Tabelle HI. 

Tabelle IIL 
Resultate der Untersuchung Ton 6 — 8jährigen Kindern in den 

Vororten. 



^1 



li 

! 

|1 



Bfthandolt 






darantor 



b1 




II 






SoUatlifeld. 
Neadozf . . 
Muaa . . . 
Neahof. . . 
Kronenbarg 
KOnigshofen 
aUMbexg. . 
BlMa . . . 
Bapreohlsaa 
Niedwaa. . 



168 
536 
164 
149 
416 
984 
119 

67 
182 

36 



Sosnina 



6i 



»103 160 



4,17 
8,66 

10,39 
7,38 
8,19 
7,04 

10,6i 
5,97 

i,8g 



7,60 17 



70 



187 



1830 

9966 

i>69 

|889 

9110 

1491 

691 

391 

1133 

185 



97 
78 
99 

30 
41 
33 
16 

S 
80 

6 



11701 



36 494 



984 



Aus den Vororten Neuhof und Niederau ist noch kein Kind zur Be- 
handlung gekommen, weil der Weg eu weit ist, die Kinder nicht allein gehen 
können und die Eltern, meistens Arbeiter, keine Zeit haben, mit ihnen in die 
Klinik zu gehen. In Gliesberg fanden wir im vorigen Jahre bei der Unter- 
suchung aller Kinder 9,7 Proz. mit gesundem Gebiß, in diesem Jahr bei 
6 — 8j&hrigen £[indern 10,6 Proz. Warum in Niederau nur 2,8 Proz. gesunde 
Gebisse sind, entzieht sich unserer Beurteilimg. Im Übrigen ist das Bild natur- 
gen^ß noch trostloser als bei den Kleinkinderschulen. 210S Kinder haben 
11701 kranke Z&hne und darunter 8892 Jaucheherde, gangränöse Zähne und 
Wurzeln, 284 Kinder haben mehr als 10 kranke Zähne. Behandelt waren bei 
70 Kindern 187 Zähne. 

Die eigentliche Behandlung lernen wir aus der Tabelle I ge> 
nauer kennen: 

Im ganzen wurden behandelt 6828 Kinder in 12 691 Sitzungen. 

1476 Kinder waren im vergangenen Jahre schon in der Klinik gewesen 
und 6363 wurden neu eingetragen. Von diesen waren 769 aus den Klein- 
kinderschulen und 4684 schulpflichtig. 

7066 Füllungen wurden gemacht gegen 4822 im Voijahr. 

Am 1. Dezember 1904 wurde ein zweiter approbierter Zahnarzt angestellt, 
und seine Tätigkeit äußert sich besonders in der Zunahme der Füllungen, 
welche von 398 im November auf 706 im Dezember und 732 im Januar stiegen. 
Im August wurden nur 469 Füllungen gelegt, weil der erste Assistent drei 
Wochen beurlaubt war. Im September stieg die Zahl dann wieder auf 666. 



Schulärztliches. 



209 



— Es kommen zu wenig Eänder im Alter von zwölf Jahren in die Klinik. Es 
dürfte sich empfehlen, dafi die Lehrer ihre Kinder rechtzeitig vor der Ent- 
lassung aus der Schule darauf auftnerksam machen, wie wichtig gesunde Zähne 
far ihre künftige Lebensstellung sind. Es wird ebenfalls vermißt, daß die 
Kinder rechtzeitig und regelmäßig zur Revision wiederkommen. Das ist aber 
unbedingt nötig, damit sie ihren gesunden Mund behalten. 

Um noch bessere Resultate bei der Behandlung zu erzielen, wird sich 
die Klinik mit Hilfe von neu eingeführten Formularen für Anfragen und 
Mitteilungen in Zukunft mit Eltern und Schule in engerer Verbindung halten. 

Extrahiert wurden im ganzen 7985 Zähne, meistens wegen einer Ent- 
zündung der Wurzelhaut. Die große Zahl der Extraktionen im Monat März, 
1065, ist hervorgerufen durch die Behandlung der Ferienkolonisten ^ deren 
Mund vor ihrer Abreise vollständig zu sanieren war. Sonst sehen wir in 
manchen Monaten die Zahl der Füllungen die der Extraktionen überragen, 
und das ist selbstverständlich das zu erstrebende ZieL 

Tabelle IV zeigt uns die Zahl der Kinder, welche in den einzelnen 
Monaten wegen Zahnschmerzen die Klinik aufgesucht haben. Es sind im ganzen 
2377, d. h. ungeföhr ein Drittel der Behandelten überhaupt. 

Tabelle IV. 
Kinder, welche wegen Zahnschmerz die Klinik aufsuchen mußten. 







Summa 


Aus 
Kleinkinderschulen 




Monat 


der 


Schulpflichtige 






Kinder 


Knaben 1 Mädchen 


Knaben | Mädchen 




1904 


57 






Oktober 


8 


49 


November 


11 


196 


15 


181 


Dezember 


11 


249 


42 


807 


Januar 


1905 


188 


12 15 


87 


74 


Februar 


11 


289 


20 


5 


111 


153 


März 


11 


190 


11 


7 


92 


80 


April 


n 


126 


2 


— 


67 


67 


Mai 


11 


155 


5 1 7 


84 


69 


Juni 


11 


253 


21 ' 23 


103 


106 


Juli 


11 


223 


7 , 2 


93 


121 


August 


»1 


201 


24 23 


60 


94 


September 


11 


237 


31 1 30 


96 


80 




2364 


8] 


LO 


20 


54 



NB. Diese Statistik datiert erst vom 24. Oktober 1904 inkl. 



Interessant ist auch die Tabelle V. Sie zeigt uns den Besuch der Klinik 
an den schulfreien Donnerstagen. Die höchste Ziffer beträgt 159, die niedrigste 
in den Ferien 21. 

Im übrigen sind die gleichen Grundsätze wie früher befolgt worden. 
Untersuchung der Kinder in den Schulen, um sie, die Lehrer und Eltern auf 
die Schäden aufmerksam zu machen und einen Besuch in der Klinik zu ver- 
anlassen, freundliche, möglichst schonende Behandlung der Kinder, um ihr 
Vertrauen zu gewinnen, vollständige Sanierung des kranken Mundes durch 



210 




Sohulärztliches. 










Tabelle V. 








Patienten 


an den einz 


einen 


Donnerata 


gen. 


Oktober 


1904 


61 


89 


112 


167 


November 


11 


50 


90 


140 


84 


Dezember 


11 


62 


169 


103 


38 


Januar 


1906 


33 


106 


70 


60 


Februar 


11 


98 


146 


168 


117 


März 


11 


74 


131 


127 


92 


April 
Mai 


11 


87 


91 


24 


49 


11 


89 


43 


84 


78 


Juni 


11 


goBetiUchex 
Feiertftg 


76 


84 


88 


Juli 


11 


84 


78 


102 


67 


August 


11 


68 


30 


20 


28 


September 


11 


88 


36 


62 


71 



44 
104 

127 
21 



möglichst konservative Behandlung, um die Gesundheit zu fördern, das All- 
gemeinbefinden zu heben und dadurch die Leistungen in der Schule grfinstig 
zu beeinflussen. Die Unterstützung von Seiten der Lehrer, der Schul- 
behOrde und der Stadtverwaltung 'bei Verfolgung dieser Ziele ist dankbar 
anzuerkennen. 

Am 80. Oktober 1904 wurde unter dem Vorsitz des Ereisschulinspektors 
eine Lehrerversammlung mit etwa 400 Lehrpersonen im großen Saal der 
Aubette abgehalten. Mit einer Klasse von elf- bis zwölQ&hrigen Knaben wurde 
eine Probelektion über Zahnpflege mit praktischen Demonstrationen vorgefahrt, 
wobei sich zeigte, daß die Knaben ganz ausgezeichnete Kenntnisse über den 
Bau der Mundhöhle, der Zähne, deren Krankheiten, Pflege und Behandlung 
besaßen. Daran schloß sich ein Vortrag über die Zahnpflege in der Schule 
mit einer sehr interessanten Diskussion, was im ganzen etwa zwei Stunden in 
Anspruch nahm. Es würde die Zahnpflege im Volk sich mächtig heben, wenn 
solche Versammlungen der Volksschullehrer in allen Städten abgehalten 
würden und wenn — als ceterum censeo — überall Schulzahnkliniken er- 
richtet würden. 

Sehen wir nun, ob und welche Erfolge unsere Schulzahnklinik erzielt 
hat: Herr Kreisschulinspektor Motz behauptet, „daß die Summe der durch die 
Untersuchungen und den Besuch der Klinik versäumten Schulstunden geringer 
als die Summe war, welche der Ausfall von Schulstunden infolge der Zahn- 
schmerzen und der Begleiterscheinungen erkrankter Zähne früher betrug**. 
Er zieht daraus die Schlußfolgerung, „daß die Untersuchungen der Zähne der 
Schulkinder, sowie die Errichtung von Schulzahnkliniken im Interesse der 
Schulen liegen und die Bestrebungen auf dem Gebiete der Zahnhygiene 
seitens der Schulbehörde weitestgehende und nachdrückliche Unterstützung 
erfahren sollten^\ 

Wir können unzählige Fälle anführen, in denen übler Mundgeruch ver- 
gangen ist, der Appetit sich gehoben hat, Kopfweh, Ohrenweh, Magenweh, 
Müdigkeit und Fieber nach der Behandlung verschwunden sind. Nr. 2606 
unseres Behandlungsjournals, 17. Vm. 04 sagt: Johanna F., 8 Jahre alt, blut- 
arm, übler Mundgeruch, Kopfweh^ Appetitmangel, schmales Gesicht mit blasser 
Farbe, hat vier gangränöse Milchmolaren und drei an Pulpitis erkrankte bleibende 
Molaren. Die vier gangränösen Milchzähne wurden entfernt, die übrigen ge- 
fallt. Vier Wochen nach der Behandlung erschien das Kind mit einem Briefe 



Schulärztliches. 211 

von der Mntter wieder, in dem diese behauptet, Kopfweh und Fänlnisgeruch 
ans dem Munde seien verschwunden, der Appetit habe sich bedeutend ge- 
hoben. Das Kind sieht viel besser und gesünder aus. Nr. 4369: 21. XII. 04, 
Johanna M, 11 Jahre alt, sehr nervös, hatte stets Kopfweh, beiderseitig starke 
Drüsenanschwellung, schwächlicher KOrperzustand, ein kariöser Milchmolar, 
drei gangränöse und vier schmerzhafte bleibende Zähne. Die drei eiternden 
Zähne wurden entfernt, die anderen gefüllt. Am 21. April 1906 erschien das 
Kind mit einem Briefe der Mutter, daß es sich wohler befinde. Es sah auch 
in der Tat viel besser aus, Kopfweh und Drüsenanschwellung verschwunden, 
Gewichtszunahme 1,2 kg. 

Von den Schulärzten waren 964 Kinder für die Ferienkolonien zur Aus- 
wahl vorgeschlagen und die Listen der Schulzahnklinik zugestellt worden. 
673 von diesen Kindern kamen zur Behandlung, 17 hatten ein gesundes Gebiß, 
265 wurde die Mundhöhle vollkommen saniert, 176 wurden soweit abgefertigt, 
daß nur chronisch kariöse, der Gesundheit unschädliche Zähne unbehandelt 
blieben, 68 Kinder mußten, ohne daß die Behandlung zu Ende geführt werden 
konnte, in die Kolonie entlassen werden. Bei 111 Kindern, welche zur Be- 
handlung wiederkommen sollten, aber nicht wiederkamen, wäre eine Be- 
handlung wünschenswert, bei 47 unbedingt nötig gewesen. 291 Kinder sind 
überhaupt nicht zur Behandlung gekommen. Zu berücksichtigen ist dabei, 
daß die Ferienkolonisten im letzen Jahr zum erstenmal in rationelle zahn- 
ärztliche Behandlung genommen wurden. Ohne die Unterstützung der Vor- 
sitzenden der Ferienkolonievereine und ohne amtliche Unterstützung wäre selbst 
dieses Resultat nicht zu erzielen gewesen. Es wurde angeordnet, daß jedes 
Kind vor seiner Abreise ein Zeugnis aus der Schulzahnklinik vorzuweisen habe, 
daß sein Mund gesund sei, aber in voller Strenge ließ diese dankenswerte 
Maßregel sich doch nicht durchführen. Ob aus der zahnärztlichen Behandlung 
ein bestimmter Erfolg für die Ferienkolonisten nächzuweisen ist, läßt sich in 
diesem Jahre noch nicht feststellen, da die ärztlichen Karten zur Einsicht noch 
nicht vorliegen. 

Wir schließen unseren Bericht mit einem Wort, welches Wal de y er im 
Deutschen Verein für Volkshygiene gesprochen hat: 

„Eines der wichtigsten Besitztümer des Menschen zu seiner Gesundheit 
sind die Zähne und zum Heil der Menschheit hat die Zahnheilkunde die 
größten Fortschritte gemacht. Es ist Aufgabe aller hygienischen Vereine, ja 
sogar des Staates, dafar zu sorgen, auch den ärmeren Klassen die zahnärztliche 
Pflege möglich zu machen, wie dies ja in Universitätsstädten heute schon der 
FaU ist." 

Der Direktor der städtischen Schulzahnklinik, 
Prof. Dr. Jessen. 

— Aus dem Bericht über die Tätigkeit der Berliner Bohulärste im 
Jahre 1904/05, von Prof. Arthur Hartmann erstattet, sei folgendes hier 
angeführt: Im Jahre 1900 wurden zuerst versuchsweise 10 Schulärzte in Berlin 
angestellt, jedem Schularzte wurden zwei Schulen für seine Tätigkeit zuge- 
wiesen. Da sich die versuchsweise Einrichtung bewährte, wurde im Jahre 1903 
die Zahl der Schulärzte um 26 vermehrt und dabei jedem Schularzte 7—8 Schulen 
überwiesen. Bei einer Gesamtzahl von 223 297 Kindern waren jedem Schularzt 
6200 Kinder unterstellt. Berlin nimmt bezüglich der Anzahl von Schulen, welche 
einem Arzte unterstehen, eine Ausnahmestellung gegenüber allen anderen GroC- 



212 SeholäntlicheB. 

Städten des Reiches ein. Nach einer Zasammenstellnng dea kfiizlioh verstorbenen 
Dr. Schubert in seinem Buche ,,Das Schularztwesen des Deutschen Reiches'^ 
steht Berlin mit der Zahl der Klassen, welche einem Schularzte zugeteilt sind, 
mit 127 an der Spitze. In Aachen sind 30, in Breslau 40, Kassel 44, Charlotten- 
burg 36, Frankfurt a. M. 32, Hannover 12, Königsberg 50, Magdeburg 18, Nürn- 
berg 40, Schöneberg 37, Wiesbaden 26 Klassen einem Schularzte zugewiesen. 

In Berlin fuhren wir nur Scheine über gesundheitlich minderwertige Kinder. 
In manchen Städten müssen sämtliche Kinder jährlich untersucht werden, vräh- 
rend wir uns in Berlin darauf beschränken, daß die mit krankhaften Zuständen 
behafteten Kinder, welche bei den Schulbesuchen vorgefunden werden oder auf 
Krankheitsmeldung des Lehrers untersucht werden, einen Überwachungsschein 
erhalten und dauernd beobachtet werden. 

Am meisten werden die Schulärzte in Anspruch genommen durch die 
Untersuchung der Schulrekruten. Diese Untersuchungen fanden während der 
versuchsweisen Einrichtung in der Weise statt, dafi die Kinder vor der Ein- 
schulung zum Arzte gebracht wurden. Es wurde Wert darauf gelegt^ daß diese 
Untersuchungen in Gegenwart der Mutter oder des Vaters stattfinden, damit 
der Schularzt von diesen Auskunft über den Zustand des Kindes erhalten kann 
und nötigenfalls in der Lage ist, den Eltern Ratschläge zu erteilen. 

Da es sowohl für die Schule als für die Eltern mit Unannehmlichkeiten 
verbunden ist, wenn Kinder, die bereits eingeschult sind und bereits die Schule 
besucht haben, als untauglich zurückgestellt werden, hat sich die Mehrzahl der 
Schulärzte trotz der Mehrbelastung bereit erklärt, die Untersuchungen vor dem 
Eintritt in die Schule vorzunehmen. Mit 7 Schulen, die anfänglich jedem Schul- 
arzte zufielen, ließ sich die Arbeit noch bewältigen, als aber mit der Neueröff- 
nung von Schulen den einzelnen 8 und sogar 9 Schulen zugeteilt wurden, ließen 
sich diese Untersuchungen nur mit großen Unzuträglichkeiten ausfahren. 

Um die Untersuchungen wieder in zweckmäßigster Weise vor der Ein- 
schulung ausführen zu können, ist eine Vermehrung der Schulärzte nicht zu 
umgehen. 

Bei der Einschulung wurden untersucht: 

17 236 Knaben, 17 826 Mädchen, zusammen 34662 Schüler, so daß auf 
jeden Schularzt 960 Untersuchungen kamen. 

Von den Untersuchten wurden zurückgestellt: 

1306 Knaben, 1622 Mldohen, zusammen 2927 Kinder, 8,6 %. 

Über die bei der Einschulung in Überwachung genommenen Kinder und 
über diejenigen, bei welchen sich bei späteren Untersuchungen krankhafte Zu- 
stände herausstellen, werden Überwachungsscheine ausgestellt. Die Über- 
wachungsscheine werden in der Klasse aufbewahrt, und werden die mit Über- 
wachungsscheinen versehenen Kinder vom Schularzte fortlaufend beobachtet. 
Ist die Überwachung nicht mehr erforderlich, so werden die Scheine zurück- 
gezogen. Es werden nur solche Kinder in Überwachung genommen, bei welchen 
der krankhafte Zustand Fürsorge erfordert und von selten der Eltern diese Für- 
sorge nicht geleistet wird, oder wenn eine besondere Berücksichtigung von selten 
der Schule notwendig erscheint. 

Von den bei der Einschulung untersuchten Kindern wurden in Überwachung 
genommen 3696 Knaben und 3446 Mädchen, zusammen 7041 = 20,4 7« der Unter- 
suchten. 



Schnläiziliches. 



213 



Im ganzen standen wählend des BezichtsjahreB 24 226 Kinder in Über- 
wachung der Schulärzte, so daß jeder Schalarzt durchschnittlich .678 Kinder 
zu überwachen hatte. 

Grund der Überwachung war: 
1. Ungenügender fiLr&ftezustand 



2. Rachitis 

3. Skrofulöse 

4. Knochentuberkulose 

6. Lungentuberkulose 

6. Sonstige Lungenleiden ' 

7. Herzleiden 

8. Nierenleiden • 

9. Nervenleiden 

10. Epilepsie •.-...•..... 

11. Mangelhafte geistige Entwicklung * . . . . 

12. Sprachstörungen . . . . . 

13. Nasen — Bachenleiden 

14. Augenleiden (inkl. Befraktionsstörungen) . 

15. Ohienleiden 

16. Hautkrankheiten 

17. Verkrümmungen der Wirbelsäule 

18. Bruchschäden 

19. Bildungsfehler 

20. Sonstige Krankheiten 

Summe 



3117 oder 13,0% 


627 , 


, 2,6 „ 


1023 , 


, 4,« ,, 


235 , 


, 1,0 „ 


890 , 


, 3,7 „ 


462 , 


, 1,» „ 


1588 , 


, «,* ,1 


152 , 


, 0,6 „ 


1113 , 


. 4t« „ 


220 , 


, 0,9 „ 


770 , 


. 8,2 „ 


814 , 


1 8,* « 


1682 , 


, 6.8 » 


5889 , 


, 82,4,, 


2686 , 


, IM,. 


499 , 


, 2,1 „ 


1872 , 


, 6,7 „ 


1078 , 


, M „ 


209 , 


, 0,8 „ 


349 , 


, 1,8 ,. 



24 225 



Es ist anzunehmen, daß sich die Zahl der Überwachten, je mehr sich die 
Schulärzte eingearbeitet haben, noch steigern wird. 

Zahl der Untersuchungen auf Veranlassung: 





in der Schule 


in der 
Sprechstunde 


in der Wohnung 
der Kinder 


A. der Schuldeputation 

B. der Rektoren 

C der Schulkommission .... 


12 
3078 


468 

14 690 

2923 


40 

119 

40 


zusammen 


8090 


18 076 


199 



21 865 

Für jeden Schularzt 593 Untersuchungen. 

Für die Nebenklassen wurden 423 Knaben und 279 Mädchen, zusammod 
702 £[inder untersucht. 

Für die Stottererkurse wurden untersucht 235 Knaben und 85 Mädchen, 
zusammen 820 Kinder. 

Von jedem Schularzte wurden somit durchschnittlich 28 Sander für Neben- 
klassen und Stotteierkurse untersucht 

Für jeden Schularzt läßt sich demnach berechnen, daß von ihm unter- 
sucht resp. beobachtet werden 

Oesundtt Jugend. Y. 7 — 10. 15 



214 Schul&nstUohes. 

• 1. bei der Emsclmliuig 960 

2. für NebenUassen imd BtotftererkuxBe 88 

8. auf besondere VersnlaBsnng der Schnldeputation, 
der Bektoren and SchnlkommisBionen in Schule, 

Sprechetunde oder Wohnung 593 

4. dauernd in Überwachung stehend 673 

2264 . 

Nicht gezählt sind die bei den Schulbesuchen angestellten zahlreichen 
Untersuchungen. 

Neue Schulen sind eingerichtet worden: 

im Etatjahre 1908 7 mit 187 Klassen 

1904 8 „ 136 „ 

1906 8 „ 147 „ 

Gegenwärtig sind 2 Schulärzten 9 Schulen zugewiesen 

23 „ 8 „ „ 

Als wtbischenswert erscheint es, daß einem Schularzte nicht mehr als 
6 Schulen flbertragen werden, damit er seine Tätigkeit mit Befriedigung und 
mit vollem Erfolge ausüben kann. 

Das Verhältnis der Schulärzte zu den Rektoren und Lehrern war fast 
ausnahmslos ein recht günstiges. Von Seiten des Lehrpersonals wird die für 
den Gesundheitszustand der Schüler günstige Einwirkung der Schulärzte immer 
mehr anerkannt. 

Während das Publikum bei Einführung der Schularzteinrichtung dem 
Schularzte nicht selten mit Mißtrauen entgegenkam, sind solche Fälle schon 
jetzt nur sehr vereinzelt vorgekommen. Allerdings stößt der Schularzt bei der 
Beratung häufig auf die Anschauung, als ob die schulärztliche Einrichtung da- 
zu geschafiPen sei, den Eltern auch die pekuniäre Sorge für das leibliche Wohl- 
ergehen der Kinder abzunehmen. 

Ein Teil der Berliner Ärzteschaft stand der Schularzteinrichtnng besonders 
im Anfänge sehr argwöhnisch gegenüber. Es wurden in einem ärztlichen Standes- 
organe mehrere Beschwerden gegen die Schulärzte verö£fentlicht. Die Nach- 
forschung ergab in allen Fällen, daß es sich um irrtümliche Auffassung oder 
auch um unwahre Darstellung handelte. Da bei der Anstellung der Schulärzte 
von den sich meldenden Ärzten nur der kleinste Teil berücksichtigt werden 
konnte, ist es begreiflich, daß die Zahl der Unzufriedenen eine sehr große ist, 
und daß Stimmen laut wurden, als ob bei der Anstellung Protektion und Ne- 
potismus eine Bolle gespielt habe. Wer sich die Mühe nimmt, kennen zu 
lernen, wie bei diesen Anstellungen vorgegangen wird, kann erfahren, daß von 
dem zu diesem Zwecke gebildeten Ausschuß die Auswahl auf das gewissenhaf- 
teste getroffen wird, um geeignete Kräfte zu finden. 

Aus dem Kapitel über allgemeine hygienische Einrichtungen sei 
folgendes hervorgehoben. 

Von mehreren Seiten werden die Barackenschulen besonders günstig be- 
urteilt. Sie liegen sehr frei, sind gut yentiliert und lassen sich gut heizen; 
durch ihre freie Lage besitzen sie manche Vorteile der sog. Waldschulen. 

In den alten Berliner Schulen besteht bezüglich der Schulbänke noch 
die Einrichtung, daß in jeder Klasse sich nur eine Bankgröße befindet, daß 



Schal&rztlioheB. 215 

8- und iflitsige B&nke mit großer Plusdistanz benutzt werden. Es kamen £rüher 
überhaupt nur 3 verschiedene Bänke zur Aufstellung, solche mit 84 cm Sitz- 
höhe für die Unterstufe, mit 88 cm Sitzhöhe fOr die Mittelstufe und mit 
48 cm Sitzhohe für die Oberstufe. Seit dem Jahre 1901 kommen nur noch 
2 sitzige Bänke mit Null- oder Minusdistanz zur Aufstellung (Lehnenabstand 
28 — 34 cm). Den früheren Größen wurde noch eine kleinere mit 81,6 cm Sitz- 
höhe und eine größere mit 46 cm Sitzhöhe hinzugefügt, so daß jetzt fünferlei 
Bänke zur Aufstellung kommen. Das Verhältnis der Sitzhöhe zur Tischkante, 
das bei der alten Berliner Schulbank 100:174, 171, 167 betrug, wurde auf 
100 : 165—163 herabgesetzt. Die angestellten Versuche und Berechnungen er- 
gaben, daß es genügt, um allen Eindem einen bequemen, der Größe entspre- 
chenden Sitz zu geben, wenn in jeder Klasse zwei rerschiedene Größen auf- 
gestellt werden und außerdem noch einzelne Bänke dazu kommen, welche leicht 
ausgewechselt werden können für besonders große oder besonders kleine Kinder. 
Bei allen Neuanschaffungen koiomt jetzt die Zahn' sehe Bank neuer Konstruk- 
tion zur Anwendung. 

Interessant sind die Erhebungen über den Alkoholmißbrauch der 
Schulkinder. 

Nach den in einer Knabenschule und in einer Mädchenschule angestellten 
Erhebungen nahmen alkoholische (JetiAnke zu sich 

1. Nie oder nur selten 16,6 7o Mädchen, 18,67« ^aben 

2. Wöchentlich mindestens einmal Bier . . . 38,s „ „ 39,9 „ „ 

„ „ „ Schnaps . 10,»,, „ 11,© „ „ 

8. Täglich Bier 81,» „ „ 34,4 „ „ 

Schnaps 1,8 „ „ 4,a „ „ 

Mehr als *l^ sowohl der Ejuaben als der Mädchen nehmen somit gewohn- 
heitsmäßig alkoholische Getränke zu sich, so daß der gewohnheitsmäßige Genuß 
alkoholischer Getränke als Volkssitte zu betrachten ist. Gegen diese Volkssitte 
anzukämpfen ist eine der wichtigsten Aufgaben der Volksgesundheitspflege. 
Aufgabe der Schulärzte und der Lehrer ist es, in diesen Kampf einzutreten. 

Schon in der Schule ist die ungünstige Einwirkung alkoholischer Getränke 
besonders bezüglich des Schnapses nachweisbar. 

Von 100 Kindern, die nie oder nur selten alkoholische Gettftnke zu sich 
nehmen, haben 

die Zensur weniger als genügend 8,3 Mädchen, 24,» £[naben 

die wöchentlich mindestens einmal Schnaps trinken. 16,5 „ 36,6 „ 

die täglich Schnaps trinken 66,5 „ 60,5 „ 

Was die Bekämpfung der Infektionskrankheiten betrifft, so ist 
folgendes bemerkenswert. 

Von schwereren Infektionskrankheiten wie Diphtherie und Scharlach waren 
die Berliner Schulen im Berichtq'ahre im allgemeinen yerschont, die Zahl der 
Klassenschlüsse war eine wesentlich geringere als im Bericht^ahre 1902/03. 
Wegen Masern wurden 11 Klassen, wegen Scharlach 3, wegen Diphtherie keine, 
wegen Stickhusten 2 und wegen Ziegenpeter 1 Klasse geschlossen. 

Bezüglich des Klassenschlusses bei Scharlach und Diphtherie wird Yon 
selten der Schulärzte ein 14tägiger Schluß beantragt: 1. wenn . leichtere 
Erkrankungsfälle in größerer Anzahl Torkommen, 2. wenn schwere vereinzelte 

16* 



216 Schal&rztlicheB. 

Fälle vorkommen, S. wenn einzelne Fälle immer wieder von neuem in derselben 
Klasse zeitlich getrennt auftreten. 

Von mehreren Schulärzten wird in den Berichten besonders betont die 
vorteilhafte Wirkung der Desinfektion der Klassen, daß nach der Desinfektion 
entweder gar keine oder nur sehr wenige Erkrankungen aiifgetreten seien« 

Nach der Zusammenstellung der unter Überwachung stehenden Kinder 
litten in den Berliner Gemeindeschulen 886 an Knochentuberkulose, 890 an 
Lungentuberkulose. 

Die meisten der im Anfangsstadium der Tuberkulose befindlichen Kinder 
besuchen die Schule, ohne daß die Eltern oder der Lehrer Verdacht hegen, 
daß es sich um ein krankes Kind handelt. Bei der Untersuchung findet man 
Lungenspitzen- oder Lufiröhrenkatarrh, Drfisenschwellungen. 

Die Bekämpfung der Tuberkulose, der wichtigsten Krankheit der Schüler, 
wurde in der Vereinigung der Schulärzte eingehend beraten und wurde der- 
selben von Seiten der Schulärzte volle Aufinerksamkeit geschenkt. Bei der Ein- 
schulung sowohl als bei den späteren Untersuchungen wurde auf die Verände- 
rungen in den Lungen besonders geachtet und wurden die verdächtigen oder 
erkrankten Kinder zurückgestellt oder in Überwachung genommen und fElr 
Besserung der hygienischen Verhältnisse Sorge getragen. 

Für die Verbringung der Kinder in günstige hygienische Verhältnisse und 
für die Anbahnung der Heilung, welche im Kindesalter viel günstigere Aus- 
sichten hat als bei Erwachsenen, hat sich die Fürsorgestelle für Lungenkranke 
in der Charit^ als sehr wertvoll erwiesen. Von der Fürsorgestelle werden 'die 
Wohnungsverhältnisse untersucht und nötigenfalls durch Geldunterstützung 
bessere Verhältnisse geschaffen. Besonders konnte durch die Vermittlung der 
Fürsörgestelle eine recht große Anzahl von Kindern in Erholungsstätten, in 
die Kinderheilstätte in Ljchen und in die Seehospize gebracht werden. Von 
einem Schularzt wird besonders hervorgehoben, daß es stets gelingt, die Kinder 
zweckmäßig unterzubringren. 

Die Erholungsstätten vom roten Kreuz für Kinder wurden im Sommer 1904 
von gegen 1500 Kindern besucht. Die Kosten werden für arme Kinder von der 
Armendirektion übernommen. Von der Schuldeputation wurden fär den Sommer 
1905 zwei Lehrkräfte für diese Erholungsstätten zur Verfügung gestellt 

Von mehreren Schulärzten wird über außerordentlich günstige nachhaltige 
Erfolge bei den verschickten Kindern berichtet. Von einem Schularzte wurden 
24 Kinder an die See geschickt, immer „mit glänzendem Erfolge^S Li einer 
Schule, in welcher sich eine größere Anzahl von Lungentuberkulösen vorfand, 
war ein Lehrer tätig, der längere Zeit in einer Lungenheilstätte gewesen war. 
Dem Schularzt erscheint ein^ Zusammenhang zwischen der auffallend hohen Zahl 
der tuberkulösen Schülerinnen und der Erkrankung des Lehrers nicht unmöglich. 
Die Zahl der tuberkulösen Kinder kann ungefähr mit SOOO angenommen wer- 
den. Es muß als wünschenswert bezeichnet werden, daß far diese Kinder be- 
sondere Maßregeln getroffen werden durch Errichtung einer Kinderheilstätte 
und durch Weiterentwicklung und Neubegründung von Erholungsstätten fOr 
die einzelnen Stadtviertel. 

Durch die Schuldeputation wurden die mit Tuberkulose behafteten Lehrer 
beurlaubt. 

— Vierter Jahresberioht über den sohul&rstliohen XTberwaohungs- 
dienst an den Volkssohulen au Breslau für das Bchuljahr 1904/06 nebst 



Schnlärztliches. 217 

Bericht des HilfBSchalarztes Priyatdozent Dr. Thiemich. Herausgegeben von 
Stadtazzt Dr. Oebbecke. Wir entnehmen demselben folgendes: Die Zahl der 
Schniante erhöhte sich von 26 auf 27 entsprechend der Zxmahme der Schnl- 
kinderzahl in hiesiger Stadt. Unter den Nengei^hlten befindet sich anch eine 
Bchnl&rztin, die ansschliedlich Mädchenschulen erhielt, während alle anderen 
Schnlarztbeurke gemischt Knaben nnd Mädchen umfassen. 

Der Anto&g der Schnldeputation, das Gehalt der Schulärzte in der Weise 
zu erhöhen, daß zweimal nach je drei Jahren eine Alterszulage von 160 Mk. 
eintritt, so daß der Anfangsgehalt von 500 Mk. bis auf 800 Mk. nach 6 Jahren 
steigt, fand die Zustimmang der städtischen Behörden. Die bisherigre Dienst- 
zeit wird hierbei in Anrechnung gebracht. Beginn dieser Gehaltsordnung vom 
1. IV. 06. 

Was das VerhftltnjjB zur Lehrerschaft betrifft, so wurde in diesem Jahre 
eine Kommission gebildet, welche aus Mitgliedern der Schuldeputation nebst 
Stadtarzt nnd aus Rektoren und Lehrern zusammengesetzt war. Es sollte zu- 
nächst die Frage untersucht werden, ob der schulärztliche Dienst Bektoren und 
Lehrer mit überflüssigem und übermäßigem Schreibwerk belastet. Es ließ sich 
feststellen, daß die Schreibarbeit eine sehr geringe ist, wenn man das Sehreib- 
werk, welches durch sanitätspolizeiliohe Yorschriften verlang^ wird, in Abzug 
bringt. Letzteres hat aber mit dem schulärztlichen Dienst gar nichts zu tun 
und bildet eine selbständige Forderung der staatlichen Aufsichtsbehörde. Diese 
Kommission wurde zugleich zu einer permanenten erklärt nnd soll bei beson- 
deren Gelegenheiten über etwaige Schwierigkeiten im schulhygienischen Betriebe 
sich gutachtlich änßem. 

Hinsichtlich des eigentlichen Schuldienstes kam zunächst die ungeteilte 
Unterrichtszeit, d. h. 6 stündiger maximaler Vormittagsunterricht in diesem Jahre 
voll zur Durchführung. Wenn auch manche Lehrer bei den Kindern in der 
6. Unterrichtsstunde Ermüdungserscheinungen beobachten, so waren diese Fälle 
doch sehr vereinzelt und beruhen wohl meist auf einem zu späten Schlafen- 
gehen. Die Vorteile des freien Nachmittags, des einmaligen Wegs zur Schule, 
welcher namentlich auch den Lehrern gestattet, an der gesünderen Peripherie 
der Stadt Wohnung zu nehmen, überwiegen diesen Nachteil bedeutend. 

Bezüglich der Schulbankhyg^ene erging eine VerfÜgrung der Schuldepu- 
tation, daß sämtliche alten Schulbänke, welche keine Größennummer besitzen, 
gemessen werden sollten und zwar einheitlich so, daß die Höhe der vorderen, 
d. h. der Brust anliegenden Tischkante bestimmt wurde. Jeder Klassenlehrer 
erhielt, um die in seiner Klasse vorhandenen Bankgrößen feststellen zu können, 
einen Maßstab geliefert, femer eine Tabelle, welche die für die verschiedenen 
Tischhöhen passenden Längenmaße der Schüler in Gruppen von 10 cm Differenz 
angabt. Nach und nach soll passender Austausch von Bänken zwischen den 
Klassen stattfinden, weshalb es sich empfiehlt, wenn über die verschiedenen 
Bankgrößen der Klassen dauernd Liste geführt wird. 

Für Neuanschaffungen von Schulbänken wurde von einer besonders ge- 
wählten Schulbankkomission ein neues ModeU festg^etzt. Es ist im wesent- 
lichen der alte Breslauer Zweisitzer mit Nulldistanz ohne bewegliche Teile. 
Die Sitztiefe wurde größer gemacht, um den Druck des Körpergewichts auf 
das Gesäß durch eine größere Sitzfläche mehr zu verteilen und zu vermindern. 
Die Lehne wird zweisitzig in der Höhe der gegenüberliegenden Tischkante an- 
grelegt, mit einem in der Höhlung der Wirbelsäule sich anlegenden Lehnen- 



218 Sohnlftrztliches. 

wxilst, doch so, daß der Oberkörper bei Sitz nach hinten (Ruhesitz) Reklination 
hat, d. h. mit seiner Richtongslinie hinter der Senkrechten liegt. Nur so ist 
eine wirkliche RnhesteUtmg mit Entspannung der antagonistischen Mnskel- 
gruppen möglich. Die Sitzfläche ist femer leicht ausgehöhlt, so daß der Körper 
sowohl bei Sitz nach rorn (Schreibsitz) wie bei Sitz nach hinten (Ruhesitz) 
Gegenhalt hat. Dmnit der Körper sich bei Ruhesitz noch fiber die Lehne hin- 
ausstrecken kann und die Schulterblätter Stütze an der Hinterbank finden, ist 
die entsprechende Vordeirfläche der Hihterbank abgeschrägt. 

Es wurde femer ein Versuch gemacht mit einem Schulbankmodell, welches 
Rektor Leüschner hierselbst konstruiert hat Dasselbe bezweckt durchgehende 
Pultplatten mit Einzelsitzen (Stuhl sitzen) zu verbinden. Zwei- und dreisitzige 
Pulte werden mit ihren glatten seitlichen Fußflächen aneinandergeechraubt, 
wodurch jede beliebige gerade und ungerade Plätzezahl möglich ist Die Zwischen- 
gänge der ZweisitNT^ welche die Bänke in ungünstiger Weise von der Licht- 
quelle, dem Fenster entfernen, fallen hier also weg. Die Einzelsitze sind so 
konstruiert, daß sie mit dem Fußbrett der Bank, welches dem Fußboden fest 
aufsitzt, derart gelenkige Verbindung haben, daß die Sitze unter den Tisch 
geschoben werden können. Dadurch bildet sich ein Gang hinter den Sitzen 
zum Austreten der Schulkinder. Zwischen den nebeneinanderstehenden Sitzen 
ist genügend Platz, daß der Schüler während des Unterrichts dazwischen stehen 
kann. Bei untergeschobenem Sitz, dessen Lehne die Tischkante nicht Überragen 
darf, wird es auch durch den frei werdenden Gang dem Schüler ermöglicht, stehend 
zu zeichnen, wie auch Raum geschafPen wird, um ein drehbares Grestell für 
Zeichenobjekte an dem Hintertisch anzubringen. Die Vorteile des Stuhlsystems 
für größere Schüler namentlich auch an höheren Mädchenschulen sind unbe- 
streitbar, weshalb Erfindungen in dieser Richtung unterstützt werden sollen. 
Die Mängel der Leuchnerschen Bank, welche sich bis jetzt herausgestellt haben, 
sind folgende: Die (Gelenkverbindung des Stuhls mit dem Fußbrett des Tisches 
ist zu schwach. Der Staub, welcher sich unter dem am Fußboden festauf- 
sitzenden Fußbrett ansammelt, läßt sich nicht entfernen. Beim HintenÜbemeigen 
der Schüler über die Lehne rutscht der Stuhl nach unten. Der Erfinder hofft 
aber diese nicht prinzipiellen Fehler beseitigen zu közmen. Die Bank ist pa- 
tentiert. 

Auf Grund von Untersuchungen der stiUltischen Abteilung des hiesigen 
hygienischen Universitätsinstituts wurde festgestellt, daß die zugfreie Venti- 
lation durch die Wandkanäle nicht ausreicht zur Auffrischung der Luft wäh- 
rend des Unterrichts und daß deshalb in den Pausen noch Zuglüftung durch 
öffnen von Tür und Fenster hinzutreten muß. Es wurden deshalb diesbezüg- 
liche Verfügungen an die Schulen erlassen. 

In alten Klassen, wo Ventilationsklappfenster nur mit übermäßigen Kosten 
anzubringen sind, sollen Statt dessen äußere Jalousiescheiben im oberen Fenster 
angebracht werden. 

Für die Desinfektion der Klassen wurde im Interesse der Beschleunigung 
die Bestimmung getroffen, daß die Rektoren bei Diphtheriefällen selbst sofort 
den Antrag an das städtische Desinfektionsamt stellen können. Der Schularzt 
erhält hiervon aber möglichst bald nachher Mitteilung. 



Besprechungen. 219 



VI. Besprechungen. 



MaroiiBey Max; Die gesohleohtliohe Aufklärung; der Ju^nd. Leipzig, 

Felix Dietrich. 
Lisehnewska) Maria: Pie gesohleohtliche Belehrung der Kinder. Frank- 
furt a./M., J. D. Sauerl&nders Verlag. 

Beide vorliegende Aufsätze^) haben dasselbe Ziel im Auge, nämlich eine 
geschlechtliche Belehrung und Aufklärung der Schulkinder. Vor allem die 
Jugend bedarf der Aufklärung, da sie am meisten durch geschlechtliche Ver- 
irrungen gefährdet ist, gegen deren Gefahren sie bei ihrer Unkenntnis nichts 
schützen kann. Bisher herrscht bei der Erziehung in Schule und Haus nur 
das Prinzip, „alle das (Geschlechtsleben betreffenden Fragen zu ignorieren und 
alles, was daran erinnern könnte, daß Mann und Weib sich nicht völlig gleichen, 
mit einem aus Heuchelei und Prüderie gewobenen Schamtüchlein zu bedecken'^ 
Es ist höchste Zeit, daß mit diesem Prinzip gebrochen wird, welches dazu fShxt, 
dem Kind allerdings auch eine Auf klärang über geschlechtliche Dinge zu geben, 
aber nur auf die schmutzigste Weise, im dunklen Winkel und verschwiegenen 
Versteck, von klügeren Schulkameraden u. a. Eltern und Erzieher müssen die 
Pflicht anerkennen, die geschlechtliche Belehrung der Kinder in die Hand zu 
nehmen. Marcuse schildert in überzeugender Weise des Näheren die Grefahren, 
denen die Kinder auf der Schule, in sonstigen Erziehungsinstituten und später 
im Leben ausgesetzt sind, und mit wie großem Elend sich die ünwahrhaftig- 
keit in der Erziehung rächt. Das Vertuschungssystem und die Geheimnis- 
krämerei, welche den Kindern die Unbefangenheit rauben und die Neugier reizen, 
müssen aus der Erziehung verschwinden. Das Kind muß zu „gesunder Freude 
an allem Schönen, mag es Kunst oder Natur, nackt oder angezogen sein, und 
zum gesunden Abscheu vor allem, was wirklich unschön ist^\ erzogen werden. 
Die Mittel und Wege hierzu gibt uns Lischnewska an. Sie weist auf die 
Tatsache hin, daß Schulknaben mit Prostituierten und in Bordellen verkehren, 
und daß nach Äußerungen von Ärzten und Lehrern auf dem Internationalen 
Schulhyg^enekongreß in Nürnberg 90 7^ aller Schuld der höheren Lehranstalten 
geschlechtlichen Verirrungen ergeben sind. Um ein gesundes, reines Geschlechts- 
leben wieder in unserem Volk zu schaffen, muß der Kampf gegen Schmutz und 
Entartung des Geschlechtslebens aufgenommen werden. Der Kulturmensch muß 
lernen, die Natur mit reinen Augen anzuschauen. Schon in der Schule muß 
das Kind an der Hand des naturwissenschaftlichen Unterrichts mit der Kenntnis 
seines Leibes, seiner Organe und deren Funktionen vertraut gemacht werden. 
Die Verfasserin gibt uns einen methodisch aufgebauten Lehrplan, der, vom 
dritten Schuljahr beginnend, das Kind vor der Schulentlassung zur vollen natur- 
wissenschaftlichen Klarheit, aber auch zur ehrfurchtsvollen Auffassimg der Quelle 
des Lebens fuhren soll. Betreffs der interessanten Einzelheiten verweisen wir 
auf die Originalarbeit. Jedem, der sich der Gefahren, welche der bisherige 
Erziehungsmodus in bezug auf das G^chlecfatsleben hat, bewußt ist, und der 



^ Vorträge, welche am 6. April 1906 zu Berlin im Bund für Mutterschutz 
gehalten wurden. 



220 Besprecliangen. 

ernstlich bestrebt ist, »n einer Besserong mitzuarbeiten, werden die vorliegenden 
Aufsätze willkommen sein. 



Jahrbuch für Volks- und Jugendspiele. 14. Jahrgang 1906. Im Verein mit 
£. von Schenckendorff und Dr. med. F. A. Schmidt, Vorsitzenden des 
ZentralausschuBses, herausgegeben von Professor H. Wickenhagen, kart. 
3 Mk. Leipzig, B. G. Teubner. 

Der 14. Band des Jahrbuches leg^ in einer Yortrefflichen Ausstattung und 
in seinem reichen und mannigfaltigen Programm Zeugnis davon ab, daß die 
Arbeiter nicht müde geworden sind, zu sinnen und zu schaffen. Schon seit 
geraumer Zeit geht der rührige Verband über die engeu Grenzen des Spiels 
hinaus und setzt sich die allgemeine Volksgesundung durch einfach-natürliche 
Lebensführung zum Ziele. Daß er damit das Rechte trifft, zeigt die Zuneigung, 
die ihm von Jahr zu Jahr in erhöhtem Maße zuteil wird. — In dem Inhalts- 
verzeichnis finden wir eine Reihe gediegener Abhandlungen von Mftnnem 
wie Dr. Prof Vollert (Volkslied), Prof Dr. Koch (Wohnungsgesetz und Spielplatz- 
frage), Dr. G^rstenberg (Leibesübungen im Dienste der sozialen Arbeit), Rossow 
(Leibesübungen an den preußischen Seminaren), Dr. Neubert (Die Charlotten- 
burger Waldschule), Dr. P. A. Schmidt (Weltausstellung von St. Louis) usw. — 
Der praktische Teü behandelt in einzelnen Abschnitten das Spiel, Wandern, 
Schwimmen und Rudern und zwar immer zu dem Zwecke, aus der Vergangenheit 
für die Zukunft anregend zu wirken. Es sei hingewiesen auf Arbeiten wie „Der 
Spielplatz in Insterburg^^ (Dir. Dr. Hoffmann), „Wie unser Spielplatz entstand^* 
(Prof Dr. Deipser); „Der Wandervogel" (Dir. Dr. Siebert); „Der militärische 
Gang" (Generalarzt Dr. Meisner). Über die Entwicklung des Schwimmbetriebs 
liegen eine ganze Reihe von Einzelberichten aus deutschen Großstädten vor; 
das Rudern ist durch zwei vortreffliche Aufsätze von Dir. Dr. Wagner (Das 
Schüler-Ruderheim iu Königsberg) und Dr. Euhse (Meine letzte Schülerfahrt im 
Boot durch ostdeutsche Gewässer) vertreten. 

Im Interesse einer guten Sache wünschen wir dem Buche die weiteste 
Verbreitung! 

Haeppe, Ferd«, Prof Dr.: Unterrioht und Ersiehung vom sosial-hygie- 
nischen und soBial-ajithropologIsohen Standpunkt. Zeitschrift für 
Sozialwissenschaft. Herausgegeben von Professor Dr. Julius Wolf in Bres- 
lau. 1905, August. Verlag Georg Reimer, Berlin. 
In diesem sehr lesenswerten Aufsatze geht der Verfasser scharf den Ge- 
brechen unser heutigen Unterrichtsmethode in Volks-, Mittel- und Hochschule 
zu Leibe und bricht mit ebenso viel kluger Besonnenheit wie edlem Feuer eine 
Lanze für die Erziehung der deutschen Jugend zu Gesundheit, Arbeit und 
Wissen. Wenn man auch nicht in allen einzelnen Punkten den in der Arbeit 
zum Ausdrucke kommenden Anschauungen vollkommen beizutreten vermag, 
sondern sich hier und da zu kritischen Einwendungen gedrungen fühlt, so muß 
doch jeder Mensch, der sich seinen gesunden Menschenverstand und so viel 
freien Blick bewahrt hat, daß er nicht in einem Wust von einseitigen Vor- 
urteilen, hilflos in einen engen Kreis gebannt, stecken bleibt, der ganzen Grund- 
tendenz der Arbeit von Herzen beistimmen. An Unterricht fehlt es uns wahr- 
lich nicht, wohl aber an Erziehung und an der rechten Methode an allen Ecken 



Besprechungen. 221 

nnd Kanten. Nicht mechanische geistige Dressuranstalten für Mnsterzensuren 
nnd einen beschränkten Kreis von Fertig- und Fixigkeiten, Schulen fOür das 
Leben, Schulen, die Qeist und Körper zur möglichst vollen Entfaltung ent- 
wickeln, sind uns nötig. Das Fehlen des Erziehungsmomentes im Unterrichte 
als Mittel zur höheren Bildung macht einen recht trostlosen Eindruck, hebt 
Professor Hueppe sehr treffend hervor. Mit Klagen darüber allein ist es nicht 
getan, die geistigen Führer des Volkes, das ganze Volk selbst mit seinem jetst 
so erfreulichen' Bingen nach besserer Bildnng müssen hierin zu den einsichts- 
vollen Erziehern stehen, die fühlen, wo uns der Schuh drückt, und den Finger 
auf die Wunde legen. Die einseitige) Pflege des bloß Intellektuellen tut es 
nicht, sie ist ein Krebsschaden, der an der wahren Natur unseres Yolkstnmes 
frißt. Die bloße Wertun>^ des rein äußerlichen Wissensballastes ist den arischen 
Völkern von Natur fremdartig. Kraft, Entschlossenheit, Mut, Umsicht, Taten- 
lust und Selbstzucht waren unserem Volke in seinen besten Zeiten eigen, vor 
dem bloßen Wissen hatte das zielbewußte Wollen und Ejßnnen bei den arischen 
Kulturvölkern immer den Vorzug. Unsere Helden und Staatsmänner, die Bahn- 
brecher auf dem Gebiete des Geistes in Wissenschaft und Kunst waren keine 
Intellektuellen, keine wandelnden Konversationslexika, wie Treitschke zu sagen 
pflegte, sondern freie, in jeder Hinsicht entwickelte Persönlichkeiten und schöp- 
ferische Naturen. In dieser Beziehung scheiden sich scharf die Arier von den 
semito-hamitischen Völkern, bei denen der Priesterstand die Quelle alles Wissens 
war, sowie von den Chinesen, bei denen die bloß voU toten Wissens gestopften 
Gelehrten durch eine Reihe mechanischer Prüfungen in braver Anecho-Arbeit 
sich bis zu den höchsten Stellen und Würden emporarbeiten. Die Engländer 
spotten, wie Treitschke zu sagen pflegte, über uns und unser schon viel zu 
sehr auf ein rein form^es Prüfnngswesen aufgebautes Schul- und Bildungs- 
sjstem, indem sie sagen, bei den Deutschen sei immer die eine Hafte damit 
beschäftigt, die andere Hälfte zu prüfen. Wir sind damit schon auf dem besten 
Wege, uns dem Chinesentume noch mehr zu nähern. Eine gewisse Ähnlichkeit 
zwischen Deutschen und Chinesen ist schon früher in Deutschland empfunden, 
denn Goethe erzählt, daß er auf einem alten Globus aus der Zeit Karls V. bei 
China zur Erläuterung eingetragen fand: „Die Chinesen sind ein Volk, das sehr 
viel Ähnlichkeit mit den Deutschen hat.^' Und doch ist das ganze Wesen des 
Ariers dem des Chinesen von Natur entgegengesetzt, denn der Chinese mit 
seinem reinen Nützlichkeitsstandpunkte steht unserer Auffassung in Art und 
Mehrung des Wissens und Könnens vollständig verständnislos gegenüber. 

Nur durch die arischen Charaktereigenschaften kann, so hebt Professor 
Hueppe sehr richtig und eindringlich hervor, unser Volk in Zukunft zu einer 
führenden Rolle kommen, nachdem in unserer Vergangenheit die schönsten Ge- 
legenheiten dazu wiederholt versäumt waren, so daß selbst das lebendige ge- 
sprochene Hochdeutsch trotz seiner Kulturhöhe nicht einmal in Mitteleuropa 
die unbedingte Führung der Vermittlungssprache besitzt, welche den West- 
slawen ebenso nötig ist, wie den deutschen Dialekten. Um zum Ziele zu kom- 
men, muß der Unterricht vom Gesichtspunkte der aufbauenden Hygiene aus- 
gehen. Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, stellt sich die Schule heute 
vom ersten Tage an dem Körper des Kindes geradezu feindlich gegenüber. 
Dabei ist die Mehrzahl mit der Einbuße an Nervenkraft bedroht und der ner- 
vige Mensch ist heute schon vielfach von dem nervösen abgelöst. 

Der Verfasser setzt in dem umfangreichen Aufsatze eingehend auseinander, 



222 BesprechungQiL 

wie eine Abhilfe der gegenwärtigen Gebrechen seiner Ansieht nach am besten 
zu erreichen ist. Im wesentlichen muß man ihm auch hier nur durchaus bei- 
pflichten, wenn man auch in einzelnen Punkten, wie z. B. Ersatz des Lateins 
als Anfangssprache durch eine moderne Sprache, z. B. das FnmzßsiMlie, anderer 
Meinung sein kann. Jedenfieblis hat die sehr flexionsreiche lateinnche yor der 
flezionsarmen französischen Sprache doch die Erziehung zur sdiarfen Exaktheit 
und Logik voraus. Doch aufs einzelne kann hier nicht weiter eingegangen 
werden auf begrenztem Baume. Wir möchten hier nur die Aufmerksamkeit 
auf die im ganzen höchst verdienstiichen Ausführungen hinlenken. 

I (Die Post Berlin.) 



Neuendorff: Die Turnlehrer an den höheren I«ehnuuitalten PreaBens 
und der Geist des Tumlehramts. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung. 
1906. 8 ^ 181 S. Mk. 2,40 geh. 
Die Yorliegende Schrift bespricht nach kurzer geschichtlicher Einleitung 
die Aufbahme des Spiels und der sogenannten yolkstümlichen Übungen 
in den Lebrplan der höheren Schulen und schildert in fesselnder Weise die 
Spielbewegung als Ausfluß der Reformbestrebungen auf dem gesamten Gebiet 
des Unterrichts und der Erziehung. Die Erkenntnis von der veredelnden 
Wirkung des Spiels, von seiner wohltätigen Anregung von Lungen- und Herz- 
tätigkeit hat ihm einen Platz in der Schule gesichert. In Preußen wurde 
eine dritte Turnstunde eingesetzt, aber trotzdem genügt die Zeit nicht, um 
den der leiblichen Erziehung gesteckten Aufgaben auch nur einigermaßen 
gerecht zu werden, zumal auch Wassersport jeder Art und Tum&Lhrten vor- 
gesehen waren. Kein Wunder, daß vielfach die Gerätübungen über Ge- 
bühr eingeschränkt wurden. Die Tum^higkeit nahm ab und mit ihr die 
Tumlust bei Schülern wie bei Lehrern. Dazu kam, daß bie preußischen 
Lehrpläne keine Klassenziele angeben und es dem Turnlehrer überlassen, 
selbst die Wahl der Übungen zu treffen. Wie schwer mußte das sein för 
jemanden, der das Tumlehramt nicht zum Lebensberuf gewählt hat, wenn 
selbst die Fachleute in ihren Ansichten über Stoffverteilung und Me- 
thode nicht unerheblich auseinandergehen? Nach und nach scheint aber die 
allgemeine Unsicherheit der Erkenntnis zu weichen, daß das systematische 
Turnen, vor allem das Geräteturnen den Kern bilden muß, während die reinen 
„Freilichtübungen^^ ihre notwendige Ergänzung bilden. Das Geräteturnen, 
dessen Betrieb der Turnunterricht seine Erfolge verdankt, hat nur dann 
Sinn und Zweck, wenn es dem Schüler ein gewisses Turnkönnen ver- 
mittelt, wenn es ihn befähigt, eine Anzahl von Übungen sicher, gewandt und 
in tadelloser Körperhaltung auszufahren. Hierzu aber muß der Unter- 
richt nach bestimmtem Lehrplan und nach methodischen Grund- 
sätzen erteilt werden, und e» muß ihm hinreichende Zeit zur Verfügung 
stehen. 

Aber auch das Spiel läßt sich ohne erheblichen Zeitaufwand nicht 
betreiben, und es müssen neue Mittel, neue Zeiten zur Verfügung gestellt 
werden. Dies ist von der preußischen Regierung anerkannt, und Verhand- 
lungen sind im Gang. Aber — so sagt der Yer&sser — sind die Lehrer ge- 
rüstet für die neuen Aufgaben, ist die Vorbildung unserer Turnlehrer gründ- 
lich und einheitlich genug? 



Besprechnng^n. 223 

Man kann in Preußen auf drei yenchiedene Arten in den Besitz eines 
Tnrnlehrerzeug nisBes gelangen: 

1. Dnrcli den erfolgreichen Besa^di eines halbjährigen Kursus an der 
Turnlehr er- Bildungsanstalt in Berlin. Die Bewerber müssen die wissen- 
schaftliche Präfong f&r das höhere Lehramt oder die zweite Lehrerprüfung 
bestanden haben. 

2. Durch den erfolgreichen Besuch eines der etwa halbjährigen Kurse, 
die jedoch nur in einzelnen Universitätsstädten abgehalten werden. (In 
Berlin z. B. wird kein solcher Kursus abgehalten.) Hier werden auch Stu- 
denten nach Yollendetem vierten Sementer zugdaesen. 

8. Durch Bestehen der Turnlehrerprüfung vor einer staatlichen Kom- 
mission; solche Prüfungen werden alljährlich in Berlin an der Tnmlehrer- 
bildungsanstalt sowie an den mit Tnmkurs ausgestatteten Universitäten ab- 
gehalten. 

Zur Prüfung werden zugelassen: 

a) Bewerber, welche bereits die Befähigung zur Erteilung von Schul- 
unterricht vorschriftsmäßig nachgewiesen haben; 

b) Studierende, jedoch nicht vor vollendetem fünften Semester (nur in 
Berlin zugelassen). 

c) Ausnahmsweise auch andere Bewerber, die das 23. Lebensjahr über- 
schritten haben und das Einjährigenzeugnis beibringen (nur in Berlin zu- 
gelassen). Die Prüfung ist eine theoretisch -schriftliche und mündliche und 
eine praktische (Tumfertigkeit und Lehrgeschick). 

Diese hier nur auszugsweise wiedeigegebenen Bestimmungen werden von 
dem Verfasser einer scharfen, aber keineswegs ungerechtfertigten oder über- 
triebenen Kritik unterzogen und wohl oder übel wird man sich vor der logisch 
einwandfreien Beweisführung und besonders vor der Wucht der Tatsachen 
beugen müssen, die mit großem Fleiß zusammengetragen und, soweit es mög- 
lich war, in Zahlen ausgedrückt sind. Den vom Staat getroffenen 
Maßnahmen fehlt jede Einheitlichkeit. Dies gilt schon von den 
Bedingungen für die Teilnahme an den verschiedenen Kursen und für die Zu- 
lassung zur Tumlehrerprüfting. An manchen Universitäten fehlen die Tum- 
kurse ganz, so z. B. in Berlin; gleichwohl bleibt die Tumlehrerbildungsanstalt 
daselbst den Studenten verschlossen. Auch steht die Besoldung der Lehr- 
kräfte an den Universitäten in keinem Verhältnis zu den Aufwendungen für die 
Berliner Anstalt, während doch beide Einrichtungen demselben Zweck dienen. 
Sollte man nicht an allen Universitäten Kurse halten und in Berlin eine Zen- 
trale schaffen, durch die die Kurse in organische Verbindung träten, die all- 
gemeine Richtlinien für ihren Lehrgang und für die Prüfungsanforderungen 
aufstellte? Wie grundsätzlich verschieden man heute an verschiedenen 
Orten verfährt, wird durch zahlreiche Beispiele nachgewiesen; diese Ver- 
schiedenheit muß sich auf die Schule übertragen, da der Turnlehrer wenig- 
stens im Anfang das im Kurs geübte Lehrverfahren als vorbildlich ansehen 
wird und muß, solange nicht eigene Erfahrung ihn zu Abweichungen veran- 
laßt. Übrigens wird auch die Tumfertigkeit von den verschiedenen Kom- 
missionen mit ganz verschiedenem Maße gemessen. 

Am bedenklichsten erscheint die Prüfung der Ex träne er, der so- 
genannten „Wilden^^ Mit Fug und Recht fordert der Verfasser, daß man es 
nur Lehrern und Studenten als künftigen Lehrern ermöglichen sollte, 



224 Besprechungen. 

sich der Tnmlelirerprüfang zu unterziehen (nicht aber allen denen, die im 
Besitze eines Eiigäbrigenzeugnisses sind) und zwar nur nach Durchlaufen 
eines staatlichen Kursus. Die Anstellungsf&higkeit sollte schließlich 
erst nach Ableistung eines Probejahrs zuerkannt werden. Nur wenn 
der Staat die Ausbildung seiner Lehrer überwacht, kann er die Verantwortung 
für deren späteren Unterricht übernehmen. Dies gilt für die Turnlehrer so 
gut wie fär jeden anderen Lehrer. Kenntnisse in der turnerischen Literatur 
kann man sich durch Studium, turnerische Fertigkeiten in jedem guten Turn- 
verein privatim erwerben; zum Lehrer wird man erst durch gute Vorbilder 
und durch eigene Erfahrung. Die Abneigung der Lehrer gegen den Turn- 
unterricht, und die Arbeitsverdrossenheit unserer Turnlehrer hat ihren Haupt- 
grund in der Zerfahrenheit des Schultumwesens; und doch, Liebe und Be- 
geisterung für seine Sache braucht vor allem der Turnlehrer, wenn sein 
turnerischer Geist auf die Jugend überströmen soll. Deshalb ist von ihm ein 
tieferes Eindringen in seine Berufspflichten zu fordern. Er muß ein 
Lehrverfahren kennen lernen, das ihm vorbildlich sein kann, und muß all- 
gemeine Richtlinien für seinen CTnterricht erhalten, um festen Boden unter 
die Füße zu bekommen. Alles das leistet das jetzt bestehende Prü- 
fungssystem nicht, ganz abgesehen von der Unmöglichkeit, auf Grund 
desselben ein sicheres Urteil über die Kenntnisse, die turnerischen Fähig- 
keiten und über das Lehrgeschick der Bewerber zu erhalten. Die Prüfungen 
sind auch seinerzeit nur als Notbehelf eingeführt worden in der Hoffiiung, 
den Tumlehrermangel zu beseitigen, und jetzt nach 89 Jahren besteht dieser 
Notbehelf noch und der Tumlehrermangel auch. Kann man dem Verfasser unrecht« 
geben, wenn er fordert, daß man Wandel schaffe und andere Wege einschlage? 

Wer soll nun den Turnunterricht an höheren Schulen 
erteilen? 

Fielen in Zukunft die Prüfungen der Extraneer weg, so hätte man nur 
noch Volksschullehrer und Oberlehrer mit Tumlehrerzeugnis. Der Ober- 
lehrer, der seiner wissenschaftlichen Fakultas entsprechend beschäftigt ist, 
wird stets nur wenige Turnstunden übernehmen können; soll man ihm die 
leibliche Erziehung anvertrauen, oder dem Volksschullehrer, der das 
Turnen zu seinem Hauptfach erwählt hat und dabei noch einige Ele- 
mentarf&cher unterrichtet? Seitdem man im Prinzip zum Klassenlehrer- 
system übergegangen war, mußte man auch das Turnen diesem zuweisen. 
A. Spieß hat diesen Standpunkt mit aller Entschiedenheit vertreten^ und das 
preußische Ministerium hat seit Einführung der Leibesübungen alles ge- 
tan, um die ideale Forderung zu verwirklichen, daß jeder Klassen- 
lehrer auch Turnlehrer sei. Man suchte Studenten, Kandidaten und 
Oberlehrer zur Erwerbung der Turnfakultas zu bewegen, und sparte auch 
nicht an staatlichen Unterstützungen; die Errichtung von Universitätskursen 
ist ein Glied in der Kette dieser zielbewußten Bestrebungen. Und doch war, 
das muß man zugeben, alles umsonst. Während der zwölf Jahre von 1892 
bis 1904 sind in Berlin jährlich durchschnittlich 10, in den Universitätskursen 
jährlich 28 akademisch gebildete Lehrer ausgebildet worden und auch unter 
den „Wilden" ist die Zahl der seminaristischen Lehrer um y, größer als die 
der Akademiker. 

Was nun die Verteilung des Turnunterrichts unter die Lehrer anlangt, 
so wurde nach Berechnungen des Verfassers im Winterhalbjahr 1908/04 nur 



Bespzechungen. 225 

wenig mehr als ein Drittel des Tnrnnnterrichts von akademisch ge- 
bildeten Lehrern erteilt und es kamen anf jeden solchen Lehrer durch- 
schnittlich 4,47 Stunden wöchentlich. Von den Tarnfaknltas besitzenden 
Akademikern — nnd nur etwa ein Achtel aller Akademiker besitzt sie — 
erteilte die fiälfte keinen Turnunterricht und von den Akade- 
mikern, die ihn erteilten, können etwa 407o keine Lehrbefähigung 
für Turnen besessen haben. 

Die häufige Kombination der verschiedensten Klassen und die 
Tatsache, dafi durchschnittlich rund 60 Schüler zu einer Turnabtei- 
lung vereinigt werden, ist wohl in erster Linie aus dem Lehrermangel 
zu erklären. Entweder «rar es also ein unerreichbares Ideal, dem man zu- 
strebte, oder die Wege, die man einschlug, waren falsch. Nun haben andere 
Staaten ganz die gleichen Erfahrungen gemacht, insbesondere auch die, 
daß die Oberlehrer mit Lehrbefähigung im Turnen dieses Fach im prak- 
tischen Dienst abzuschütteln wissen. Daher ist vielleicht der Schluß erlaubt, 
daß der Turnunterricht seiner Natur nach wenig Anziehungskraft ausübt auf 
die wissenschaftlichen Lehrer, daß er der Mehrzahl der Oberlehrer nicht liegt. 
Es wird daher nötig sein, Volksschullehrer in größerem Maße heranzu- 
ziehen, und man wird sie für die Sache gewinnen können, wenn man den 
seminaristisch gebildeten Turnlehrer in Bang und Besoldung dem 
Zeichenlehrer gleichstellt. Dazm wird es sogar möglich werden, eine 
etwa einjährige Ausbildungszeit von ihm zu fordern. Man hätte dann Fach- 
tumlehrer neben Oberlehrern, die im allgemeinen Turnstunden in geringer 
Zahl erteilen. Über die gegen den Fachtumlehrer erhobenen Bedenken und 
ihre Widerlegung möge man die Schrift selbst lesen. Ein gutes Teil ihres 
eigenartigen Reizes liegt gerade hier, wo der Verfasser ein Ideal, dem er 
selbst mit ganzem Herzen zustrebt, als unerreichbar erkennt und nun mit 
wahrer Selbstverleugnung zur Abkehr von dem betretenen Wege mahnt 

Trotz alledem will der Verfasser mit Recht nicht auf die Mitwirkung 
der Oberlehrer verzichten und schlägt vor, an die Universitätsknrse die 
bessernde Hand anzulegen. Die Stundenzahl f^r einen solchen Kurs ist auf 
„etwa 18*^ festgesetzt; das ist gewiß nicht viel, wenn man theoretische 
Kenntnisse, turnerische Fertigkeit und ünterrichtspraxis übermitteln will. 
Aber trotzdem müssen die Studenten während des Kursus erfahrungsgemäß 
ihre Studien mehr oder weniger unterbrechen. Zudem wird auf die Kursisten 
ein Zwang ausgeübt, der sich mit der studentischen Freiheit schwer ver- 
trägt, und dieser Zwang wird so lange fortbestehen müssen, als man fertige 
Turnlehrer auf der Universität ausbilden will. Man verlege deshalb die 
„Turnpädagogik'* auf den Vorbereitungsdienst, auf allen Univer- 
sitäten aber richte man geeignete Vorlesungen, Turnkurse und eine 
Prüfung für Tumlehrer ein. Die Anerkennung als Tumlehrer mache man 
abhängig von dem erfolgreichen Besuche eines etwa vierwÖchentlichenTurn- 
kursus ander Turnlehrerbildungsanstalt, der an den Schluß des zweiten 
Probejahresgelegt werden kann. (Näheres lese man in der Schrift selbst nach.) 

Die Erörterungen über die Turnlehrerbildungsanstalt sind vor- 
wiegen«L technischer Natur; nur das Prinzipielle möchte ich hier berühren. 
Die Aufnahmebedingungen sollen verschärft, und der Hauptnach- 
druck auf die methodische Seite der Ausbildung gelegt werden. Der 
ganze Tumplan einer Knabenschule wäre in Umrissen durchzutumen und alle 



226 Bespreohimgen. 

Seiten tnnieiiiiidier Tätigkeit dabei gleiclunftßig zur Geltung tä bringen. In 
diesem Zasämmenhang wird nochmak die Aufstellung eines allgemeinen 
Lefaiplans gefordert. Endlich schlägt der Verfasser neben den • seither allein 
ablieben halbjährigen Kursen, die fortan die Ausbildung der T ach turn - 
lehrer zu übernehmen litten, die Einrichtung ^on Monatskursen für 
Akademiker ror, deren Aufgabe oben skizziert ist 

Je unvollständiger die Ausbildung der Turnlehrer ist, desto nötiger wäre 
ihre Weiterbildung im Beruf. Dafi diese durch Beteiligung an tur- 
nerischen Obnngoi am nachhaltigsten gefördert wird, ist klar, und wo sollte 
man besser Qelegenheit finden, unter sachkundiger Leitung zu turnen, immer 
neue Obungen in tadelloser Ausfahrung zu sehen, als innerhalb der Deut- 
schen Turnerschaft? In der Tat ein „Tumkränzchen^* ist demgegenfiber 
nur ein Notbehelf; wer das am eignen Leibe erfahren hat, wird es mit dem 
Verfasser tief bedauern, daß nur so sehr wenige Lehrer sich an der nationalen 
Kulturarbeit beteiligen, die die Deutsche Tumerschalt mit ihrer gewaltigen 
Organisation leistet. Nur wer in dem frisch pulsierenden Leben des Tum- 
bodens steht, wird auch in der Jugend echten turnerischen Qeist erwecken 
können. Doch die Zugehörigkeit zu einem Tumverein ist Priyatsache, und ea 
ist Pflicht des Staates, fär die Weiterbildung seiner Turnlehrer zu sorgen, 
die Einrichtung Ton Wiederholungskursen ist unabweislich. Turn- 
inspektoren hätten den Tumunterticht zu besichtigen und dem Lehrer mit 
Rat und Tat zur Hand zu gehen ; sie könnten am sichersten auf eine Ver- 
einheitlichung des Turnunterrichts hinwirken, und so schliefilich eine preu- 
ßische Tumschule begründen helfen. 

In einem Schlußwort wird noch einmal die Notwendigkeit bal- 
digen und energischen Eingreifens betont. Man gebe dem Turnlehrer 
feste Ziele und eine gründliche Ausbildung. Der Verfasser empfiehlt da- 
bei Anlehnung an das Ton A. Maul eingeschlagene Verfahren, das 
sich ja ganz zweifeUos bewährt hat und mit dem Neuendorff durch Teilnahme 
an zwei Kursen yeitraut wurde« Dem Mauischen Turnen gelingt es, bei 
gleichmäßiger körperlicher Durchbildung der Klassen herrorragende Leistungen, 
bewundernswerte Begeisterung der Lehrer und aufrichtige Tumfreudigkeii 
aller Schüler bis in die obersten Stufen zu erzielen. Da durch das Geräte- 
turnen wie durch kein anderes eine harmonische .Körperausbil- 
dung des Einzelnen und der großen Masse unserer Schüler zu erreichen 
ist, so stellen wir das Geräteturnen in den Mittelpunkt des Turn- 
unterrichts, betrachten daneben aber Spiele und volkstümliche- 
Übungen, und auf den Unter- und Mittelstufen Frei- und Ordnungs- 
übungen als seine unentbehrlichsten Bestandteile. Was hier über 
die Stellung der turnerischen Tätigkeiten gesagt wird, erscheint dem Iteferenten 
als äußerst beachtenswert. 

Überhaupt ist die Schrift reich an allgemein interessanten Ausföhrungen, 
getragen von glühender Begeisterung für die Tumsache und die Jugenderzie- 
hung. Die Kritik, die der Verfasser an den bestehenden Verhältnissen übt, 
ist überall streng sachlich, rerliert sich niemals in nutzlose Klagen oder in 
undurchführbare Forderungen, sondern sie kommt zu positiyen Verbessiirungs- 
vorschlägen, die zum allermindesten eine wohlwollende und genaue Prüfung 
verdienen und sie, so hoffen wir, in Fachkreisen und seitens der Behörde 
wohl auch erfahren wird. Professor L. Baiser-Dannstadt. 



Kleinere Mitteilungen, 227 



Vn. Kleinere Mitteilungen. 



— AüBteolraiis Ton Kftoikheiten daroh Bohiübüoher. In Frankmch 
scheint man zu der Annclit gekommen zu sein, daß Schulbflcher, welche nach 
Ablauf eines Schuljahres dazu bestimmt sind, auf andere Schfller überzugehen, 
in bezug auf ansteckende Krankheiten yerdächtig erscheinen. Bei seinem Be- 
richt in der firans(toischen Akademie der Medizin stellt Josias im Anschluß 
an eine Arbeit von Lop die Forderung auf, daß solche Bücher einer allgemeinen 
Desinfektion am Schluß des Jahres unterworfen werden soUten, die Bücher, 
welche von einer ansteckenden Krankheit be&Uenen SchfQem gehörten, einer 
sofortigen. — Man kann dieses Verlangen nur gerechtfertigt finden, wenn die 
Bücher dabei nicht geschädigt werden. Deshalb schlftgt Josias die Methode 
von Miquel vor, nach welcher J*ormaldehyddULmpfe zu dieeem Zwecke zur An- 
wendung kommen. (Leipziger Tageblatt) 

— An den Rat der Stadt Leipsdg war vom ärztlichen Bezirksverein und von 
der Ortsgruppe Leipzig des Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege eine Ein- 
gabe wegen Einführung eines obligatorischen Spielnachmittags an 
den städtischen Schulen gerichtet worden. Der Rat hat sich darauf in ab- 
lehnendem Sinne entschieden. Er betont die Schwierigkeit der Beschaffung 
der für 40000 Kinder erforderlichen Spielplätze und bemerkt, daß zwei Spiel- 
stunden in der Woche und zwar nur im Sommer von keinem großen Erfolg 
sein kOnnen, wenn das Kind sonst unter schlechter Nahrung und schlechter 
Wohnung leidet. Sollte die Stadt einmal so große Summen (etwa 200 000 Mk.) 
ausgeben, so würde es richtiger sein, sie für eine Speisung armer Volks- 
schüler zu verwenden. (Magdeburgische Zeitung.) 

— Li Münohen- Gladbach ist aus Anlaß der silbernen Hochzeit des 
Kaiserpaares eine Waldschule im Walde bei Hardt nach Charlottenburger 
Muster auf Beschluß des Verwaltuugsrates der Gueury Stiftung errichtet worden. 
Die genannte Stiftung besitzt in dem Hardter Fichtenwald schoo eine Lungen- 
heilstätte. Die Baukosten der Waldschule sind auf 17 000 Mk. veranschlagt. 
Li der besseren Jahreszeit sollen in derselben jedesmal 50 Kinder auf zwei Mo- 
nate untergebracht werden. Die Beköstigung erfolgt seitens der Küche der 
Lungenheilstätte zum Preise von 60 Pf. pro Kind und Tag. Unterricht findet 
nur für 2 bis, 3 Stunden statt, im übrigen werden Spaziergänge unternommen 
und Spiele veranstaltet, um die angegriffene Gesundheit der Kinder zu stärken. 
Die Straßenbahn befördert die Bänder jeden Tag hin und zurück. 200 Kinder 
können im Jahre der Wohltat der Einrichtung teilhaftig werden. 

— Der Berliner Verein für Sohulgesundheitspflege hat zur silbernen 
Hochzeit des Kaiserpaares eine Stiftung für die Berliner Schulen ge- 
macht und dabei das Nützliche mit dem Angenehmen verbunden. Die Stiftung 
besteht in künstlerisch ausgestatteten Plakaten, auf denen die Hauptlehren 
der Gesundheitspflege in kurzen Sätzen verzeichnet sind. Die Schuldeputation 
hat hierzu ihre Genehmigung erteilt und besUmmi, daß die Plakate an ge- 
eigneten Stellen in den Schulen anzubringen sind. 



228 Kleinere Mitteilungen. 

— In Charlottenburg, das mit manchen gemeinnützigen Einrichtongen, 
z. B. den Waldschulen, Torangegangen ist, besteht auch eine Organisation für 
fijnderansfiüge, die in weiteren Kreisen Nachahmung verdient. Dr. M. Cohn 
macht darfiher in der Medizinischen Beform interessante Mitteilungen. Es han- 
delte sich um einen Verein für fionderausflüge, der allwöchentlich einmal nach- 
mittags Yolksschulkinder von 8 bis 14 Jahren auf einige Stunden in die Um- 
gebung fiShzt. Die Kinder werden für die Ausflüge von den Rektoren und 
Schulärzten ausgewfiMt; zum Vorschlag kommen solche Kinder, ffir deren 
körperliches Befinden ein öfterer Aufenthalt im Freien wohltuend erscheint, 
oder solche, deren Eltern es durch ihre wirtschaftliche Lage oder ihre Berufs- 
arbeit unmöglich ist, ihre Kinder hinauszuführen. Für die Ausflüge werden 
die Kinder in Gruppen von 12 bis 15, Knaben und Mädchen, gemeinsam ge- 
sondert. Jede Gruppe wird von zwei sogenannten Helferinnen geführt. Meist 
ist der Grunewald das Ziel, das mit der Stadtbahn erreicht wird. Es folgt ein 
Spaziergang, dann wird im Freien gelagert und der Proviant — belegte Brote^ 
Obst, Milch (wozu jedes Kind eine eigene Flasche hat) — verzehrt; gemeinsame 
Spiele folgen; manch Lied wird gesungen, Pflanzen werden gesucht und erklärt, 
zuweilen wird auch aus einem Buche vorgelesen, und so vergehen die Stunden 
bis zur Heimkehr sehr schnell. Jede Abteilung hat in den Monaten April bis 
Oktober etwa 80 Ausflüge unternommen; im ganzen waren bisher 180 Kinder 
daran beteiligt. Der Verein, den die städtischen Behörden durch einen nam- 
haften Jahresbeitrag unterstützen, will nach Maßgabe der vorhandenen Mittel 
die Zahl seiner Schutzbefohlenen al^ ährlich vermehren, so dafi schließlich aus 
jeder der 24 Charlottenburger Gemeindeschulen etwa 30 Kinder berücksichtigt 
werden können. Die bisherigen Ergebnisse sind durchaus zufriedenstellend. 
Auch im Winter werden alle 14 Tage Spaziergänge unternommen und bei An- 
bruch der Dunkelheit in privaten Schulräumen, nach eingenommener Erfrischung, 
allerhand nützliche Beschäftigungen gepflegt. (Dresdener Anzeiger.) 

— Kursaiolitlgkelt und Schule. Professor Schmidt-Bimpler (Halle) 
legt im Februarhefb der Deutschen Bundschau dar, welchen Anteil die Schule 
an der Kurzsichtigkeit hat. Der genannte Autor untersuchte im Jahre 1886 
auf Veranlassung des damaligen Kultusministers v. Goßler die Augen der Schüler 
mehrerer Gymnasien und Realgymnasien, wiederholte seine Untersuchung im 
Jahre 1888 und kann sich auf die Ergebnisse von Hunderttausenden metho- 
discher Befiraktionsbestimmungen beziehen. Es ergab sich, daß die Prozent- 
zahl der Kurzsichtigen in den Schulen mit der Höhe der Klassen, dem Schul- 
und dem Lebensalter zunimmt. Ebenso steigert sich der Grad der Kurz- 
sichtigkeit mit den Schuljahren; die Zahl der sehr hochgradig Kurzsichtigen 
ist in den Schulen allerdings gering. Keinem Zweifel, meint Schmidt-Bimpler, 
dürfte es jetzt mehr unterliegen, daß diese Form der Kurzsichtigkeit (Schul- 
myopie) die Folge der übertriebenen Anstrengung der Augen durch Nahe- 
arbeit ist. Diese Nahearbeit, wie das Lesen und Schreiben sie erfordert, be- 
dingt eine stärkere fortgesetzte einheitliche Bewegung der Augen, die sich, 
etwas nach unten gerichtet, dabei schnell von einer Seite zur anderen be- 
wegen. Besonders die den Augapfel nach innen ziehenden Muskeln treten bei 
dieser Bewegung in Tätigkeit und bewirken, daß die äußeren Muskeln gezerrt 
werden und dem Augapfel fest anliegen. Dadurch wird zugleich der Druck 
im Auginnem gesteigert; die Folge hiervon ist ein Nachgeben der Augenhüllen: 
Aus einem runden Augapfel wird ein mehr eiförmig gestalteter. Die Form- 



Kleinere Mitteilongen. 229 

Ter&adenug tritt um so leichter ein, je nachgiebiger das Gewebe ist, also am 
ehesten im jugendlichen Lebensalter. Dafi auch die ursprüngliche Beschaffenheit 
der Lederhaut in Betracht kommt, daß die Erblichkeit bei den Kurzsichtigen 
eine Bolle spielt^ daß innere Augenerkrankungen mit Kurzeichtigkeit verknüpft 
sind, kann an dieser Stelle nur beiläufig erwähnt werden. Nachdrücklich aber 
sei mit Schmidt-Bimpler auf die Notwendigkeit hingewiesen, jene Nahearbeit 
soweit irgend möglich einzuschränken und sie unter möglichst günstigen Be- 
dingungen ausführen zu lassen. Manches ist durch gesundheitliehe Maßnahmen 
nach dieser Seite hin schon erreicht. Dahin gehören Neuerungen in bezug auf 
die Beleuchtung der Klassenzimmer und der Plätze, die Art der Tbche und 
Bänke, die Schreibmaterialien, Schriftfozmen und Bücherdruck. Außerdem aber 
bedarf es Maßnahmen pädagogischer Natur: keine übermäßige Ausdehnung 
der Schulzeit, Einengung des G-edächtnisstoffes auch für die unteren Klassen 
und Elementarschulen. Was endlich die Therapie der Kurzsichtigkeit betrifft, 
die freilich von individueller Beurteilung der Verhältnisse ausgehen muß, so 
empfiehlt Schmidt-Bimpler, auch schwächere Formen der Kurzsichtigkeit durch 
Konkavgläser zu verbessern und diese Gläser beständig tragen zu lassen« 

(Frankfurter Zeitung.) 

— SohtQerreisexi. Ein- und mehrtägige Ausfiüge erwachsener Schüler 
unter Aufsicht und Leitung von Lehrern an schulfreien Tagen, hauptsächlich 
in den größeren Ferien sind nichts Neues; und doch ist ihre Einrichtung nicht 
allgemein bekannt. Verschiedene größere Wandervereine (der Erzgebirgsverein, 
der Vogtländische Touristenverein, der Eifelverein u. a.) haben regelmäßige 
Ferienwanderungen für Schüler aus den Oberklassen höherer Lehranstalten ins 
ins Leben gerufen. Das gleiche haben besondere Vereinigungen (in unserer 
Nachbarstadt Mainz der Verein für Volkshygiene) untemonmien, die sich aus- 
schließlich diesem Zwecke widmen und das Wandern allerdings auf eine breitere 
Basis stellen. Endlich haben sich vielfach auf Veranlassung von Natur- und 
Wanderfreunden aus dem Lehrerstande frische, gesunde junge Leute aus den 
Oberklassen höherer Lehranstalten zusammengefunden, um unter Führung jener 
Lehrer, so oft es angeht und namentlich in den Ferien, gemeinsam fröhlich 
hinauszuwandem. Bei allen diesen Veranstaltungen gilt es, den Körper zu 
stählen, in leiblichen Genüssen bescheiden Maß zu halten, die unverg^Uiglichen, 
wechselnden Schönheiten der Natur immer erneut auf sich wirken zu lassen, 
die Pflanzen- und Tierwelt näher kennen zn lernen, den Sinn für historische 
Überlieferungen, für Volkskunde, Volkstrachten und Volkssitten zu wecken u. a.m. 
G^wiß ein schöner Zweck, eine dankbare Aufgabe und der Beachtung weiter 
Kreise der Bevölkerung werti In Darmstadt sind die vorstehenden Bestrebungen 
bisher nur privatim gepflegt worden. An einigen höheren Schulanstalten, vor- 
nehmlich an dem Ludwigs-Georgs-Gynmasium, werden schon seit einigen Jahren 
ein- und mehrtägige Schülerwanderungen (nicht zu verwechseln mit den vor- 
geschriebenen Klassenausflfigen der Schulen) unternommen. Die jugendlichen 
Teilnehmer an diesen Wanderungen sind voll Begeisterung für die Sache; sie 
sind voll des Lobes über die schönen und genußreichen Wanderfahrten, und 
sie sind ihren Führern dankbar für die mitunter recht große Mühe, der sich 
diese Herren zu unterziehen hatten. 

Nunmehr möchte auch der Odenwaldklub die Veranstaltung solcher Schüler- 
reisen in sein Arbeitsprogramm aufnehmen. In dankenswerter Weise haben sich 
die Herren Lehrer, die bisher schon solche Wanderungen mit Schülern untcr- 

Oeionde Jagend. Y. 7—10. 16 



230 Kleinere Mitteüungen. 

nommen haben, dem Klub mit Bat und Tat zur YerfÜgui^ gestellt, tmd bo 
wird es bei dem zunächst anzustellenden Versuch an dem Erfolg wohl nicht 
fehlen, zumal für die Verabstaltung von Wanderfahrten in und durch den Oden- 
wald dem Klub in seinen nahezu 70 Sektionen weitere sehr beachtenswerte Hilfs- 
kräfte zur YerfOgung stehen. Selbstrerständlich wird der Odenwaldklub f9r 
solche Schülerwandemngen nicht ausschliefilich den Odenwald in Berücksich- 
tigung ziehen, wenn er auch mit diesen Einrichtungen den Zweck yerfolgt, in 
den jungen Wanderern dem Odenwald neue Freunde und — für künftige Jahre — 
sich selbst treue Förderer der Yereinssache zu gewinnen. Die erste Wanderung 
geht in den Odenwald; sie ist vorläufig auf 8 Tage bemessen und für den An- 
fang der diesjährigen Osterferien vorgesehen. Wegen der Beteiligung an der 
Wanderung wird der Klub demnächst mit den Direktionen der Darmstädter 
höheren Enabenlehranstalten in Verbindung treten und dabei auch ein Ausfiugs- 
programm zur Veröffentlichung bringen. 

(Neue Hessische Volksblätter vom 8. Febr. 1906.) 

— Lüneburg. (Vom Alkoholgegnerbund.) Hier hielt der internationale 
Alkoholgeguerbund eine öffentliche Versammlung ab, deren Mittelpunkt ein 
ebenso interessanter, wie lehrreicherVortrag des Herrn Rechtsanwalt Dr. Egg er s 
aus Bremen über das aktuelle Thema „Trinksitten und Alkoholverbrauch*' bil- 
dete. An der Hand zuverULssigsten historischen Materials wies der Vortragende 
klar und deutlich nach^ daß zu keiner Zeit der Weltgeschichte der Alkohol- 
verbrauch sowohl absolut als auch relativ solche ungeheuere Dimensionen 
angenommen, wie in der Gegenwart, und daß selbst unsere, wegen ihrer 
Trinkleidenschafb verschrieenen germanischen Altvordern weniger Alkohol zu 
sich nahmen, als das heutige Geschlecht. Der fesselnde Vortrag machte eine 
tiefe und eindringliche Wirkung auf alle Zuhörer und hat wohl dem oder jenem, 
der noch nicht ganz belehrt war, die Augen geö£Enet über die große und ernste 
Gefahr, die der immer mehr überhand nehmende Alkoholmißbrauch für uns 
Lebende, wie für unsere Nachkommen bedeutet. 

— Die Klagen über die Überbürdung der Sohüler sind noch immer 
nicht verstummt; so schreibt ein Vater: „Wie viele Männer haben es im 
späteren Leben zu hohen und sehr hohen Stellungen gebracht und waren in 
der Jugend von langsamem Begreifen! Wie mancher Knabe ist reich begabt, 
hat aber für ein oder das andere Fach eben gar kein Talent und kommt in- 
folgedessen nur mühsam mit. Da muß eben der Erzieher und der Menschen- 
kenner einsetzen. Wirklich unfähige Kinder gehören freilich nicht auf die 
höhere Schule. Ich bleibe aber bei meiner Behauptung stehen, die Tausende 
von Vätern mir bestätigen können: Die Jungens sind im Gymnasium und ins- 
besondere zu Haus mit Aufgaben überbürdet und werden zum großen Teil 
systematisch nervös gemacht. Man frage doch z. B. die Ärzte, welche junge 
Leute vor ihrem Eintritt in die Armee als Fahnenjunker oder als Einjährig- 
Freiwillige zu untersuchen haben. Ich kann mit Zahlen dienen. Von 100 Pro- 
zent sind knapp 20 Prozent tauglich, und wie viele davon tragen Augengläser, 
wie viele von diesen 20 Prozent können nur genommen werden, wenn man ein 
Auge zudrückt. Wie viel daran Schuld nicht der Lehrer, sondern das Pensum 
trägt, weiß ich auch.^* 

Zur Abhilfe dieser Überbürdung wurde auf dem ersten internationalen 
Kongreß für Schulhygiene in Nürnberg Abschaffung des Nachmittagsunterrichtes, 



Kleinere ICtteilungeii. 231 

Yerkfirzung der Unterrichtsstunden auf 45 Minuten, BeschriUikung der häus- 
Hellen Arbeiten und endlich Beseitigung aller Prüfungen yorgeschlagen. 

Auch von anderer Seite wird die Einfährung des ungeteilten Unterrichtes 
empfohlen. Fest steht jedenfalls durch viele Beobachtungen, daß auch die 
unter den ungunstigsten Bedingungen erteilte fünfte Yormittagsstunde immer 
noch besser ist als jede Nachmittagsstunde, die außerdem den Schüler seelisch 
bedrückt und das Gefühl der Freiheit nicht aufkommen läßt. Der ungeteilte 
Yormittagsunterricht in Yerbindung mit der Befreiung der Nachmittage von 
jedem Unterricht wird auch schon deshalb kommen, weil die ganze soziale 
und wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands zur Einföhrung der englischen 
Arbeitszeit zwingt. 

Eine Anzahl anderer Yorschl&ge, um der Überbürdung abzuhelfen, möchten 
wir gleichfalls mitteilen, ohne ihre Durchführbarkeit zu untersuchen, es sind: 
Herabsetzung der Wochenstundenzahl auf höchstens dreißig, Beschränkung auf 
zwei fremde Sprachen, Hinausschiebung des Anfangsunterrichtes in der ersten 
fremden Sprache, größere Freiheit im Unterrichtsbetrieb der Oberstufe, Ab- 
schaffung der Abiturientenprüfong. 

(Mitteilungen des Yereinsrerbandes akademisch gebildeter Lehrer 
Deutschlands 1905, Nr. 3, pag. 5.) 

— Mahnungen an das Elternhaus seitens der Soliiile. Eeoht 
beherzigenswerte Mahnungen läßt der Direktor der Bingener Real- 
schule Dr. Helm in seinem Jahresbericht über das Schuljahr 1904/6 an die 
Eltern seiner Schüler ergehen. In dem Berichte heißt es: Es sind auffallend 
viele blutarme und nervöse Kinder in unserer Schule; dann wieder 
starke Gruppen von solchen, die zwar an sich gesund sind, aber doch nur 
ganz tmgleichmäßig mitarbeiten können, weil sie zeitweise von einer hoch- 
gradigen Abgespanntheit, Zerstreutheit und Unlust befallen sind. Es muß 
deswegen zunächst im Familienleben nach Kräften alles hintenangehalten 
werden, was erfahrungsgemäß gesundheitsschädliche Folgen nach sich zieht. 
Und dies um so mehr im Elternhaus^ weil unsere Schule nur in beschränktem 
Maße dazu in den Stand gesetzt ist. Die Eltern wissen so gut wie ich, daß 
viele unserer Schulräume ungesund, eng, unfreundlich sind, ja 
einzelne für jedes bessere Empfinden widerwärtig, und daß den 
Forderungen der Gesundheitspflege in diesen Bäumen leider nicht 
hinreichend entsprochen zu werden vermag, geschweige denn, daß 
Lust und Antrieb den richtigen Nährboden finden können. Es wäre seltsam, 
wenn die ungesunden und unfreundlichen Bäume nicht eine ebensolche Bück- 
wirkung äußerten. Das erklärt aber nur manches, nicht alles. Es unterliegt 
für mich nicht dem geringsten Zweifel, daß sehr viele Schüler durch allzu 
frühzeitigen oder übermäßigen Weingenuß ihrer Gesundheit und der 
für die Lernarbeit nötigen Frische des Geistes ganz erheblich schaden. Auch 
daher rühren die erwähnten Störungen und Erschlaffungszustände der Kinder. 
Der Lehrer tut sein möglichstes, aber der Schüler versagt und muß versagen, 
weil Gehirn und Geist durch allzu frühzeitigen Weingenuß, der irrtümlicher- 
weise oft gar als Kräftigungsmittel betrachtet wird, geschwächt und unfähig 
sind zu längerem Anschauen und Denken. Meine inständige Bitte geht also 
dahin, daß die Eltern in der Yerabreichung von alkoholhaltigen Getränken an 
ihre Kinder recht vorsichtig und sparsam sein und wenigstens diejenige Grenze 
einhalten möchten, deren Beachtung man selbst in einem gesegneten Weinland 

16* 



232 Kleinere Mitteilmigen. 

vom Standpunkt der Schulgesundheitslehre auB mit gutem Becht yerlangen 
kann und muß. 

— Wa^ohgelegenheit in den Solmlen. Die im Mai und Juli 1906 in 
München abgehaltenen Hauptversammlungen der „Deutschen Gesellschaft für 
Yolksbader** wie des „Deutschen Vereins für Yolkshygiene*^ beschäftigten sich 
u. a. auch mit einer Anregung des Arztes Dr. Hopf-Dresden: Wie steht es 
mit der Gelegenheit, sich die Hände zu waschen, in Deutschland? Dr. Hopf 
stellte folgende Thesen auf, welche sich zum Teil auch mit der Waschgelegenheit 
in den Schulen beschäftigen: 

1. Ein häufiges Waschen der Hände ist nicht allein aus ästhetischen GMnden 
zu befürworten, sondern auch hauptsächlich aus gesundheitlichen Rück- 
sichten, da gerade die Hand den Hauptüberträger der ansteckenden 
Krankheiten des Menschen bildet. Durch Verbreitung der Gelegen- 
heit zum Händewaschen wird das große Publikum unmerklich, 
aber sicher hygienisch erzogen, zumal, wenn entsprechende 
Aufklärung in Schule und Presse mitwirkend einsetzt. Eine 
günstige Bückwirkung auf das allgemeine Badebedürfiiis wird die un- 
mittelbare Folge sein. 
- 2. Die Behörden sind zu ersuchen, in allen behördlichen Neu- 
bauten für ausreichende Waschgelegenheit besorgt zu bleiben 
und jedenfalls keine Abortanlage einzurichten ohne die ent- 
sprechende Gelegenheit zum Händewaschen unter fließendem 
Wasser (mit Seife und Handtuch). Auch werden die Behörden ge- 
beten, auf dem Wege baupolizeilicher Handhabung im obigen Sinne bei 
der Baugenehmigung für Privathäuser zu verfahren. Das gilt besonders 
für Lokale, in denen viele Menschen verkehren, wie Gasthäuser, 
Hotels usw. 

8. In der Schule ist seitens der Lehrer oder Schulärzte die 
Wichtigkeit des Badens sowohl wie häufiger Händereinigung 
systematisch zu betonen. 

(Pädagogisches Wochenblatt v. 17. Januar 1906.) 

— Deutsohe GtosellBohaft Bur Bekftmpfimg der Gtoaohleohts- 
krankheiten. Dem Merkblatt der Deutschen Gesellschaft zur Be- 
kämpfung der Geschlechtskrankheiten, das, vor zwei Jahren heraus- 
gegeben, jetzt in zirka einer Million Exemplaren durch Behörden, Ärzte, 
Krankenkassen, Vereine und fast sämtliche Truppenteile des deutschen Heeres 
unter jungen Leuten aller Gesellschaftsschichten über ganz Deutschland ver- 
breitet ist, hat diese Gesellschaft soeben ein zweites, ähnliches, aber speziell 
für Frauen und Mädchen bestimmtes, ein „Frauenmerkblatt*^ an die Seite 
gestellt. Dieses neue Merkblatt „wendet sich besonders an Mädchen, welche 
noch jung in das Erwerbsleben eintreten und keine geeigneten Berater haben*'. 
Es ist deshalb, seinem Publikum entsprechend, in einem ganz persönlichen, 
eindringlichen und volkstümlichen Tone abgefaßt; durch Aufklärung und 
Warnung will das „Frauenmerkblatt*' den jungen Mädchen — Arbeiterinnen, 
VerlAuferinnen, Dienstmädchen usw. — , die ganz unerfahren und ohne Obhut 
allzu früh in den harten Lebenskampf hinaustreten müssen, die mangelnde 
Erfahrung und den mangelnden Schutz naoh Möglichkeit ersetaen. 

Interessenten erhalten das Blatt auf Wunsch von der G^ohäftsstelle der 



Kleinere Mitteilungen. 233 

DentBchen Gesellschaft znr fiek&mpfong der GFeschlechtskrankheiten, Berlin W. 86, 
PotsdBmerstr. 106 a, nnentgelÜlöh zugesandt. Vereine, Krankenkassen nsw. 
können von ebendaher größere Posten beziehen. 



Merkblatt fOr Franen und MädobeB. 

Dieses Blatt wendet sich besonders an Mädchen, welche noch jung in 
das Erwerbsleben eintreten nnd keine geeigneten Berater haben. 

Zu den schwersten Gefahren, die diesen Mädchen drohen, gehört der 
auBereheliche Geschlechtsverkehr, dem sie oft durch scheinbar harmlose Freuden, 
z. B. auf dem Tanzboden, zugeführt werden. 

Der Verkehr mit jungen Männern, deren leichtsinnigen, oft sogar un- 
redlichen Versprechungen die unerfahrenen Mädchen zu viel Glauben schenken, 
die VeifOhrung durch leichtfertige Freundinnen, sowie der Genuß berauschender 
Getränke, das sind die Verlockungen, denen tausende von Mädchen zum Opfer 
fallen. 

Für die Mädchen enthält der Geschlechtsverkehr vor der Ehe eine 
doppelte Gefahr, die Gefahr der Schwangerschaft und die der Ge- 
schlechtskrankheit. 

Schwangerschaft. 

Das schwangere Mädchen ist in der Arbeit behindert. Es verliert viel- 
fach seine Stelle. Es gerät in Schande und Not. Die Not steigert sich, wenn 
ein Kind zur Welt gekommen ist. Das Mädchen sinkt dann oft genug bis zur 
Dirne und Verbrecherin. 

Obgleich der Vater verpflichtet ist, für den Unterhalt seines außerehelichen 
Kindes bis zu dem vollendeten 16. Lebensjahr zu sorgen, so entzieht er sich 
doch oft durch Schliche aller Art dieser Pflicht oder ist wirtschaftlich an der 
ErfOllung derselben verhindert. 

Außer allen anderen Lasten fallen dann auch die Unterhaltungskosten 
für das Kind der jungen Mutter zu, deren geschwächte Gesundheit eine ge- 
steigerte Arbeitsleistung meistens unmöglich macht. 

Geschlechtskrankheiten. 

Männer, die außerehelichen Gesclilechtsverkehr suchen, verkehren der 
Regel nach mit mehreren Mädchen, insbesondere auch mit Prostituierten. Dies 
hat zur Folge, daß der größte Teil dieser Männer an einer Geschlechtskrankheit 
leidet oder gelitten hat. Der einmal geschlechtlich Erkrankte steckt aber oft 
noch an, wenn er auch äußerlich gesund erscheint, in vielen Fällen sogar dann, 
wenn er selbst sich fOr bereits geheilt hält. 

Bei der großen Verbreitung der Geschlechtskrankheiten unter den Männern 
ist jedes Mädchen, das auch nur einmal mit einem Manne geschlechtlich ver- 
kehrt, der Gefahr der Ansteckung ausgesetzt: Mädchen, die den Liebhaber 
öfter wechseln, erkranken fast ausnahmslos. 

Die beiden hauptsächlich in Betracht kommenden Geschlechtskrankheiten 
sind die Syphilis und der Tripper (Gonorrhöe). Letzterer schädigt den Körper 
der Frau weit mehr als den des Mannes. 



234 Kleinere Mitteilungen. 

Der Tripper dringt bei der Frau in die inneren Teile des Unterleibs bis 
zum Bauchfell und erzeugt dort schwere Entzündungen und Yereitemngen. 
Der Tripper schafft bei der Frau oft dauerndes Siechtum, dauernde Arbeite- 
unfähigkeit. Das Erankheitsgift kann auch bei der Gebuzt in die Augen des 
Neugeborenen eindringen und kann zur Erblindung des Kindes f&hren. 

Die Syphilis ist eine meist jahrelang währende Krankheit, welche den 
ganzen Körper durchseucht und nicht selten zu den schwersten Verunstaltungen 
und Nachkrankheiten führt. Auch Totgeburten sind eine häufige Folge der 
Syphilis. 

Selbst wenn die Kranke nichts mehr von ihrem Leiden gewahr wird, 
kann dasselbe noch auf die Nachkommenschaft; übertragen werden und erzeugt 
da schwere £j»nkheitsformen. 



Daher sind die folgenden Ratschläge in höchstem Maße beherzigenswert: 

L 

Seid stete auf Eurer Hut, daß nicht eine einzige Stunde des Bausches 
Euch um Ehre, (Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und Lebensglück bringt 1 

Verschließt Euer Ohr dem Zureden kupplerischer Frauen. Diese Frauen 
finden ihren Vorteil in Eurem Verderben I 

Seid mäßig beim Qenuß von Bier und anderen berauschenden (Getrilnken, 
oder vermeidet sie besser ganz, insbesondere bei jedem Zusammensein mit 
Männern, vor allem beim Tanzl 

n. 

Solltet Ihr Euch doch einmal einem Manne hingegeben haben, so müßt 
Ihr auf nachteilige Folgen, die daraus erwachsen können, stets gefaßt sein. 

Beobachtet alsdann Euren Körper lange Zeit auf das Sorgfältigste. 

Stellen sich Zeichen der Schwangerschaft ein, so offenbart Euch so- 
fort einer wohlgesinnten Frau. In allen größeren Städten gibt es auch 
Vereine, die einem Mädchen in dieser Lage helfend zur Seite stehen, die 
auch zwischen ihr und ihren Eltern, sowie dem Verführer vermitteln. 

Ein Brennen und Jucken in den Geschlechtsteilen, vor allem ein vordem 
nicht beobachteter Ausfluß lassen auf eine Erkrankung an Tripper (Gonor- 
rhöe) schließen. Bei jeder Hautabschlürfung und jedem Knötchen oder Ge- 
schwür an den Geschlechtsteilen, bei allen Hautausschlägen und Halsent- 
zündungen ist an Ansteckung mit Syphilis zu denken. 

Bei diesen Anzeichen, die oft erst nach 3 — 4 Wochen auftreten, geht 
sofort zum Arzt (und zwar zu einem staatlich approbierten Arzt, oder einer 
Ärztin, zu keinem Naturheilkundigen oder Kurpfuschern). 

Kommen diese Leiden sofort in die richtige Behandlung, so ist 
ihr Verlauf gewöhnlich ein günstiger. Es tritt dann, aber nur dann, meist 
sogar vollständige Genesung ein. 

Es genügt selbstverständlich nicht, daß Ihr den Arzt aufsucht. Ihr müßt 
auch seine Verordnungen, insbesondere seine Anweisungen über die peinlichste 
Sauberkeit in allen Punkten streng befolgen. 



Kleinere MitteilungeD. 235 

Mitglieder von KxankeiikasBen haben übrigens anöh bei Geschlechts- 
krankheiten Ansprach auf anentgeltliche Behandlong daich den Kassenarzt, 
and, solange sie am Arbeiten yerhindert sind, anch aof Krankengeld. 

m. 

Seid Ihr von einer Geschlechtskrankheit befallen, so habt Ihr weiter 
folgendes za beachten: 

1. Bis Euch der Arzt fELr ToUständig genesen erklärt hat, ist jeder weitere 
Geschlechtsverkehr streng verboten. Yerstofit Ihr hiergegen, so verliert Ihr 
jeden Ansprach aaf Teilnahme, so handelt Ihr verbrecherisch and verfallt anter 
ümst&nden hohen Strafen. 

2. Ihr dürft dann anch erst heiraten, wenn es Euch der Arzt erlaubt hat. 
Andernfalls kann Euer Mann durch Euch erkranken, könnt Dur kranke Sünder 
in die Welt setzen. 

Jedes Mädchen sollte aber auch sich davon zu vergewissern sachen, daß 
ihr künftiger Gatte an keiner Geschlechtskrankheit leidet. 

3. Bei jeder späteren Erkrankung, bei jeder Schwangerschaft, bei jeder 
Erkrankung eines Eondes mußt Ihr in Eurem eigenen oder des Kindes Interesse 
dem behandelnden Arzt Mitteilung von der früheren Geschlechtskrankheit 
machen. Der Arzt ist gesetzlich zur strengsten Yerschwiegenheit ver- 
pflichtet; Ihr könnt Euch rückhaltlos ihm au vertrauen. Die Mitteilung wird 
aber dem Arzt in vielen Fällen erst die richtigen Wege zur Erkennung des 
neuen Leidens, zur Behandlung der Schwangerschaft zeigen. 

IV. 
Ist ein Geschlechtsverkehr für Euch ohne Schwangerschaft und ohne 
Krankheit verlaufen, so laßt Euch dadurch nicht in Sicherheit wiegen. Die 
Warnung dieses Merkblattes bleibt trotzdem begründet. 



Syphilitische Ansteckung kann auch ohne Geschlechtsverkehr 
zustande 'kommen. Z. B. kann eine gesunde Amme durch eine syphilitisches 
Kind, ein gesundes Kind durch eine syphilitische Ammo angesteckt werden; 
darum müssen vor Annahme einer solchen Stellung Amme und Kind zu beider- 
seitigem Schutz ärztlich untersucht werden. 

Syphilis kann auch durch einen Kuß, durch den gemeinschaftlichen 
Gebrauch von Efl- und Trinkgefäflen, der Tripper durch Handtücher, Leib- 
binden, Bettwäsche, Schwämme, Irrigatoren und dergl. Übertragen werden. 

Deshalb seid auch hier auf Eurer Hut. Übt immer die peinlichste 
Sauberkeit, 

Beherzigt die Ratschläge, die Euch dies Merkblatt gibt. Euer Glück 
und Eure Gesundheit ruht in Eurer eigenen Hand! 



Mitglied der Gesellschaft wird mau durch Einzahlung eines Jahresbeitrages 
von 3 Mark an die Geschäftsstelle. 



286 Kleinere Mitteiltmgen. 

— Beforin der AbitarientanpTfifang. a) Über das Alter nnd die 
Entstehung des Abitnrientenexamens berichtet eine Berliner Tageeseitang : 

Yqt 1788 hatten die Mnli leichtes Spiel, da branchten sie nach über- 
standenem Pennälertoxn nur eine Anfhahmeprflfdng an der Universität zu 
machen, und die war eigentlich eine ungeffthrliche Plauderei, bei der das 
Durchfallen eine fast unbekannte Sache war. Die Universitäten waren damals 
sehr eifersüchtig, und die Professoren nahmen, um ihren Hochschulen zu einer 
möglichst großen Frequenz zu verhelfen, jeden auch nur halbwegs beschlagenen 
Jüngling gern auf. Da kam aber der Direktor G^dicke vom Berliner Grauen 
Elostergynmasium auf den Gedanken, den Gymnasiasten das Leben etwas 
schwieriger zu gestalten; er machte der Regierung den Vorschlag, ein großes 
Schlußexamen abzuhalten, und als sich die Regierung damit einverstanden er- 
klärte, arbeitete er im Verein mit dem Direktor des Joachimsthalschen Gym- 
nasiums Meierolto den Entwurf zu einer Verordnung aus, durch die im Jahre 
1788 eine allgemeine Prüfung aUer zur Universität Abgehenden durch das 
Lehrerkollegium des Gymnasiums unter Aufsicht eines Regierungskommissars 
festgesetzt wurde; aber erst im Jahre 1834 wurde das Abiturientenexamen an 
allen Gymnasien obligatorisch, und seitdem bleibt jedem, der die Annehmlich- 
keit des akademischen Lebens genießen will, nichts anderes Übrig, als in den 
sauren Apfel zu beißen, den man Abiturientenexamen nennt. 

b) Zahlreiche Gründe zur Abschaffung oder doch Umgestaltung des 
Abiturientenexamens werden angefOhrt, von denen wir nur folgende hervor- 
heben: 

I. Die Reifeprüfung trägt den Stempel des Mißtrauens dem Lehrerkollegium 
gegenüber. Den Lehrern wird unbestritten das Recht zuerkannt, die 
Schüler bis in die höchste Klasse zu versetzen. Dort indessen hOren die 
Befugnisse auf. Es erscheint ein Mann, der manchmal die Schule, die 
Lehrer und die Schüler zum allererstenmal in seinem Leben sieht, ar- 
beitet mit einem Materiale, das mehr als jedes andere das Eingehen 
auf die Individualität erfordert, und trifft die Entscheidung über das 
Wohl und Wehe unserer Jugend. Kann diese nicht dem Direktor und 
den Lehrern der Oberprima überlassen bleiben? 

n. Das letzte Schu^'ahr sollte eigentlich zu einer Zusammenfassung des auf 
dem langen zurückgelegten Wege Gebotenen, zu einer vertiefenden Rück- 
schau auf die bedeutsamsten der gewonnenen Begriffe und wissenschaft- 
lichen Vorstellungen ausgearbeitet werden, es müßte in ihm die Grund- 
lage einer einheitlichen Welt- und Lebensanschauung aufgebaut werden, 
aber das am Ende drohende Examengespenst, gegen dessen Schrecken 
man die jungen Leute doch nach Kräften ausrüsten, widerstandsfähig 
machen mOchte, verhindert solche politisch, sozial und sittlich gleich 
wichtige Aufgabe. 

m. Das Abiturientenexamen schließt eine Ungerechtigkeit gegen den Schüler 
in sich. Ln Schulleben wird ein junger Mensch nach seinen Fähigkeiten, 
nach seinem Fleiße und seinen Leistungen beurteilt, im Examen fast 
ausschließlich nach diesen. Er hat vielleicht Jahre hindurch treu ge- 
arbeitet, berechtigt nach seinem Charakter zu den besten Hoffnungen, 
hat aber in den betreffenden Tagen Pech oder ist überhaupt kein 
Examensmensch, so fällt er bei allem Wohlwollen seiner Lehrer durch. 



Kleinere Mitteilungen. 237 

während sein träger, nnznyerlässiger, aber geistesgewandterer nnd dreisterer 
Nachbar mit Eleganz durchs Ziel geht, 
c) BeformTorschläge. 

1) Der bisherige Wissensstoff der Lehrpläne ist zn beschränken. 

2) Die Unterrichtsmethode muß verbessert werden, um das Interesse der 
Schüler zn heben. 

3) Der Primannterricht mnB zu einer genaueren Kenntnis der Verhält- 
nisse des praktischen Lebens führen (Grundzüge des Staatsrechtes, 
der nationalen Wirtschaftslehre, Besuch yon Museen, Fabriken, Kauf- 
häusern, Parlamenten, der Börse, eines Hafens). 

4) Den Abiturienten muß eine gewisse Wahlfreiheit der Fächer ge- 
stattet sein. 

Die letzte Forderung scheint auch regierungsseits gebilligt zu werden, 
denn Herr Geh. Oberregierungsrat Matthias hat bei der schlesischen Direktoren- 
konferenz geäußert: Unsere Schüler leiden darunter, daß in allen Fächern 
volle Forderungen gestellt werden; darum kann es unter Umständen zulässig 
scheinen, daß die Prima in eine mathematische und eine sprachliche Gruppe 
geteilt wird. An jene würden nicht so hohe grammatische Forderungen ge- 
stellt, und dafür würde sie mit Mathematik mehr beschäftigt werden. Bei 
der sprachlichen Gtoppe dürfte nur das mathematische Pensum der Ober- 
sekunda präsent gehalten werden, und etwas Stereometrie hinzukommen. Dem- 
entsprechend könnte auch bei der Reifeprüfung verfahren werden. Für die 
mathematische Gruppe würden schwierigere Aufgaben in der Mathematik ge- 
stellt; dafür könnte an die Stelle der Übersetzung in das Latein eine solche 
aus dem Latein ins Deutsche treten. Die philologische Gruppe hätte höheren 
Anforderungen in den alten Sprachen zu genügen, während bei ihr die mathe- 
matischen Aufgaben nicht über die Ansprüche der mittleren Klassen hinaus- 
gehen würden. 

Auch einzelne Wünsche werden noch betreffs des Abituriums laut, so ein 
Seufzer darüber, daß für die württembergischen Schulen die Prüfung in die Zeit 
der größten Sonnenhitze föUt, so eine Klage über das unglückliche Listitut 
der Extraneer, die mit den Worten schließt: Ihr Eltern tut alles, damit 
Eure Söhne nicht auf die Extraneusbrücke zu treten brauchen. Die wenigsten 
kommen glücklich hinüber. Ich habe nicht davon gesprochen, und ich will es 
auch lieber nicht, welche unfruchtbare Arbeit der Schulverwaltung, welche 
kein Mittel der Abwehr hat, erwächst, welche Last den prüfenden Lehrern 
aufgebürdet werden muß, eine Last, welche um so drückender ist, weil in so 
vielen Fällen Persönliches und Sachliches den Mißerfolg auch für solche vor- 
auserkennen lassen, welche keine Propheten sein wollen. 
(Mitteilungen des Vereinsverbandes akademisch gebildeter Lehrer Deutschlands. 

Nr. 8, 1906, pag. 3/4.) 



238 Zeitschriftennrndschau. 



Vni. Zeitscliriftenrundscliau. 



*Intematioziales AtoMt fOr Schulhygiene (£ n g e Im an n- Leipzig) 
1906. Bd. n. Heft 1 n. 2: Andres Martinez Yargas: Nntzlosigkeit und (Ge- 
fahren der Züchtigang in der Schule; Ang. Ley etF. Chrstiaens, G.Demenle- 
meester, B. Dezuttere, J. Jaecks, H. van Denn: La collaboration du m^- 
decin et du p^dagogue d. T^cole; Alfred Denker: Über die Verwendung von 
Lehrern bei der Untersuchung dbs Gehörorgans von Schulkindern; Robert 
Dinet: Compte-rendu r^sumd du Deuxi^me Congr^s Franfais d*Hygi&ne Sco- 
laire et de P^dagogie physiologique; L. Eufestel: Les Bäsultats de la Nou- 
velle Methode de Gjmnastique dans les Ecoles de la YiUe de Paris; Georges 
Rouma: Enquete scolaire sur les troubles de la parole chez les ^coHers beiges; 
Ernst Feltgen: Mitteilungen über den 2. internationalen Kongreß fSr kOiper- 
liche Erziehung der Jugend, abgehalten in Lüttich, Ende August 1906, mit be- 
sonderer Berücksichtigung schulhygienischer Fragen; Armin von Domitro- 
vich: Ist bei der Gruppenbank die Bereithaltung von Reservebänken notwendig? 
L. J. Lans: Jahresbericht über die schulhygienische Literatur in Holland; 
R. Blasius und Alex. Wer nicke: Jahresbericht ftlr 1904 über die schul- 
hygienische Literatur Deutschlands. 

*Zeit8ohrift fOr Schulgesundheitspflege (Yoß-Hamburg) 1906 Nr. 10: 
Portrat von Paul Schubert; Nachruf für Hofrat Dr. Paul Schubert, den 
Nürnberger Schulhygieniker von Hermann Gohn; Aufsätze und Schriften von 
Hofrat Dr. Schubert, zusammengestellt von H. Cohn, ergänzt von F. Eris- 
mann. Yon der Redaktion: Zum Andenken Schuberts. Originalabhand- 
lungen: TheodorHeller: Überbürdungspsychosen bei minderwertigen Kindern; 
Emanuel Bayr-Wien: Ergebnisse der im Schu^ahre 1904/6 an den Schülerinnen 
der 1. Klasse vorgenommenen ärztlichen Augenuntersuchungen. Aus Yersamm- 
lungen und Yereinen: Die Bedeutung öffentlicher Spiel- und Sportplätze fOr 
die Yolksgesundheit (SO. Yersammlung des Deutschen Yereins für öffentliche 
Gesundheitspflege (Mannheim 12.~ 16. Sept.). Der Schularzt. Nr. 10. Origi- 
nalabhandlungen: Bericht über die Leistungen der in Königsberg i. Pr. 
tätigen zehn Schulärzte in den Jahren 1900 — 1904. Yon Dr. Hugo Laser. 
Nr. 11. Dr. Otto Ranke- München: Anthropometrische Untersuchungen an 
gesunden imd kranken Kindern mit besonderer Berücksichtigung des schul- 
pflichtigen Alters; Dr. E. Pfeiffer -Hamburg: tJljer Yersuche mit indirekter 
Gasbeleuchtung in einigen Hamburger Yolksschulen ; Dr. Mos es- Mannheim: 
Zur Hygiene der Schulbank in den Hilfsschulen für Schwachbefähigte. 
Nr. 12. Dr. A. Juba: Die sog. „Eisenbahn-Schüler**; Schulinspektor A. Opper- 
mann- Braunschweig: Erste Untersuchimg der Sehkraft der Augen bei den 
neueingeschulten Kindern; Dr. Otto Ranke -München: Fortsetzung und Schluß. 
1906 Nr. 1: Oberlehrer K. Roll er -Darmstadt: Erhebungen über das Maß 
der häuslichen Arbeitszeit. Der Schularzt: Dr. Genersich-Budapest: 
Über die Tätigkeit der Sektion des „Hygienischen Landesvereins** für Schul- 
ärzte und Lehrer der Hygiene im Jahre 1908—1904. Nr. 2. Dr. Rietz- Berlin: 
Körperentwicklung und geistige Begabung. Der Schularzt: Dr. Samosch- 
Breslau: Schulärztliche Statistik. 



Zeitschriftenrandschau. 239 

Das SehulhauB (Karl Van 8 elow- Berlin -Tempelhof) 1905. Heft 11: 
Schulhaasneubau in München-Laim von Baurat Hans Grässel; Ausstellung für 
Schulgesundheitspflege in Hannoyer; Schulgebäude in Kötzschenbroda-Dresden 
von Gebrüder Eießling, Architekten. Heft 12: Stettiner Stadtgymnasien seit 
400 Jahren; Die Schiller-Schule in Karlsruhe; Über Maßnahmen zur Verhütung 
der Tuberkulose in der Schule von Prof. Ganghofner. 1906. Heft 1: Hygie- 
nisches Idealsohulhaus Ton Dr. med. Paul Frank; Städtisches Realgymnasium 
zu Naumburg a. S. von Architekt W. Wagner; Schulhaus in Binsdorf von Prof. 
Theodor Fischer. 

Die Gtosundheltswarte der Sohule (Otto Nemn ich -Leipzig) 1905, 
Nr. 12. Prof. K alle -Wiesbaden: Zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit 
durch die Schule; Georg Büttner-Worms: Schwere Sorgenkinder fQr Schule 
und Haus; Das Museum für Schulgesundheitepflege am SchuUehrerseminar 
Schwab. Gmünd vom Redakteur. 

SohweiaeriBolie Blätter für SohtQgesmidlieitBpflege (IV. Jahrgang) 
1906 Nr. 1. J. Eehrer: Das neue Zentralschulhaus in Reinach, Aargau; 
Henchoz: Les ad^noldiens; Sitzung des Vorstandes der Schweiz. Gesellschaft 
für Schulgesundheitspflege. Nr. 2: Rückblick auf die zwanzigjährige Tätigkeit 
der zürcherischen Heilstatte für skrofulöse und rachitische Kinder in Ägeri; 
Un äloquent appel en faveur de l'institution de m^decins scolaires. 

* Körper und Gtoist (B. G.Teubnar- Leipzig), 14. Jahrgang, 1906 Nr. 11. 
Dr. Siebert: Das Turnen an den höheren Schulen; Oberlehrer Binting: Der 
akademische Tumerbund und sein 4. Turnfest in Dessau; Minna Radczwill: 
Vom Spielkurs in Nääs (Schweden). Nr. 12. Lottig: Wie ich in der Schule 
mit den Kleinsten turne. Nr. 13—15: Siebenter Deutscher Kongreß für Yolks- 
und Jugendspiele vom 15.—18. September 1905 zu Frankfurt a.M. Nr. 16: Fort- 
setzung und Schluß. Nr. 17/18. Eckardt: Sport und Deutschtum ; Strohmeyer: 
Der Turnunterricht auf dem Lande; Mathilde Möller: Die Bedeutung der 
We^^spieleför die Spielübung der Mädchen. 1906 Nr. 19/20. Dr. F. A. Schmidt- 
Bonn: Schönheit und Gymnastik; AugustWitt: Sport und Schönheit in der 
Entwicklung des Schvirimmens; Zum 3. deutschen Kunsterziehungstag in Ham- 
burg; Otto Plaumann: Für die Praxis (Weitere Bemerkungen zu den neu be- 
arbeiteten Schlagballregeln); Max Fricke: Der Zählapparat beim Schlagball- 
spiel. Nr. 21. Zander: Schwimmunterricht durch Turnlehrer und Tumlehre- 
rinnen ;Weideut8ch: Hockey ; G o ep e 1 : Das zehnte Barlaufwettspiel der höheren 
Schulen Berlins; Fischer: Schwimmvorführungen beim Kongreß des Zentral- 
ausschusses in Frankfurt a. M. Nr. 22. Hüppe-Schmldt: Über Unterricht und 
Erziehung vom sozial -hygienischen und sozial-anthropologischen Standpunkte; 
Möller: Vom 3. deutschen Kunsterziehxmgstag in Hamburg, H.; Ray dt: Fuß- 
ball-Städtewettkampf Berlin-Leipzig. 

*Yierte]jalir88ehrift f&r körperliche Ersiehimg (Organ des Vereins 
zur Pflege des Jugendspiels in Wien, im Selbstverlag des Vereins) 1905 Nr. 4. 
Dr. Pi mm er: Dr. Bamado, der Pflegevater von „niemandes Kindern"; Dr. 
Jessen: Die zahnärztliche Behandlung der Volksschulkinder; Hauptvogel: 
Die höhere Schule und die Körperpflege; Dr. v. Filek Egyd: Sport und Cha- 
rakter; Kem^ny: Das körperliche Erziehungswesen in den Vereinigten Staaten; 
Dr. Th um 8 er: Elternabend am Mariahilf er Gymnasium; Dr. P immer; Kri- 
tische Betrachtungen. 



240 Bibliographie. 

*Da8 Sohulaiinmer (Verlag Jobs. Müller-Gharlottenlmrg) 1905 Heft 4. 
Ingenieur Dietz-Charlottenbnrg: Über Heiisung und Lüftong der SohuLAome; 
Dr. Zollinger-Züricb: Heizung und Ventilation Ton SchulhäuBem und Turn- 
hallen; Dr. Kocb-HeBse-Ghroßlicbterfelde: Übertriebene Schwierigkeiten fOr die 
Gruppenbank. 1906, Heft 1. Dr. Berger-Hannoyer: Trockene Foßbekleidang 
für die Kinder in der Schule; Eonrad Agahd: Über nordische Schuleinrich- 
tungen; H. Th. Math. Meyer: Aus Nürnberg der Stadt der Schulen; Dr. Leh- 
mann-Dresden: Vom künstlerischen Wandschmuck und seiner Betrachtung. 

* MonatSBohrift fOr das Tumwesen (Weidmannsche Buchhandlung, 
Berlin). Nr. 9. Eckhardt-Dresden: Unterrichtsformen fOr das Turnen, ins- 
besondere für den Betrieb der volkstümlichen Übungen; Oberlehrer Binting- 
Grofilichterfelde: Das Jubüäum der Berliner Schülerwettk&mpfe um den Bismark- 
schild; Nr. 10. Dr. Kur th -Lissa : Gtebhard Eckler. Ein Lebensbild; Böttcher- 
Hanno ver : Tumbefreiungen ; Nr. 11. Dr. Stürenburg- Dresden : Tumbefreiungen. 
U.: Aus dem Königreich Sachsen; Schink- Breslau: Deutsches oder schwedisches 
MSdchentumen . 25. J ahrgang, Nr. 1. Schröer- Berlin : Persönlichkeit oder Me- 
thode. Tumbe&eiungen. HI. Äußerungen der Presse. Nr. 2. Dr. Zander- 
Königsberg: Wie sollen schwächliche Knaben und Mädchen im Turnunterricht 
behandelt werden ? Bosse w-Berlin : Tumbefreiungen. IV. Professor Woldemar 
Bier f. 



IX. Bibliograpliie. 



Die mit * bezeichneten Bücher usw. wurden der Bedahtion zur Besprechung 
eingesandt. 

*Abel, G.: Chemie in Küche und Haus. 126 S. 1906. Leipzig, B. G. Teubner. 

M. 1,25. 
*Annalen der Schweizerischen Balneolog^schen Gesellschaft. Herausgegeben Ton 

Dr. Hermann Keller in Rheinfelden. 160 S. Aarau, H. B. Sauerländer & Co. 
Beiträge zur Kinderforschung und Heilerziehung. Beihilfe zur „Zeitschrift für 

Kinderforschung*\ Langensalza; Beyer u. Söhne. 18. Heft. Tögel: 16 Monate 

Kindersprache. 86 S. M.0,50. 14. Heft. Neter: Die Bedeutung d. chronischen 

Stuhlverstopfung im Kindesalter. 27 S. M. 0,45. 1906/6. 
Benda, Th. Dr. med.: Besonderheiten in Anlage und Erziehung der modernen 

Jugend. Berlin, Walther. 1905. 8«. 29 S. 
*Bericht der auf Veranlassung des deutschen Vereins von Gas- und Wasser- 

fachmännem gebildeten Kommission über Indirekte Beleuchtung von 

Schul- und Zeichensälen mit Gas- und elektrischem Bogenlicht. 1906. 

München und Berlin, B. Oldenbourg. 
Bruns, Oberarzt Prof. Dr.: Die Hysterie im Kindesalter. 2. Aufl. 85 S. 8^ 

Halle, G. Marhold. 1906. 
*Burgerstein, Leo, Dr. Prof.: Schulhygiene. Leipzig, B. G. Teubner. 1906. 

V, 186 S. 
Glu0, Prof. Dr.: Die Alkoholfrage vom physiologischen, sozialen und wirtschafb- 

lichen Standpunkte. VI, 206 S. 8^ Berlin, Parey. 1906. M. 2,60. 



Bibliographie. 241 

*Correas, Hermann: Der Mensch. Lehrbuch der Anthropologie. I. Teil. 6. Anfl. 
166 S. M. 1,20. n. Teil. AnatomiBche Pathologie. 2. Aufl. 84 S. M. 1,—. 
1906. Berlin, L. Oehmigkes Verlag (R. Appelius). 

Dietz, Ludw., Ing. : Über Heizung und Lüftung der Schulrftume. Mit 7 Ab- 
bild. Sond.-Abdr. aus „Daa Schulzimmer^'. 1906. Hefb 4. Charlottenburg, 
J. Müller & Co. 8^ 28 S. M. 0,60. 

*DomitroYich, A. V.: Ist bei der Gruppenbank die Bereithaltung von Beserve- 
bänken notwendig? Sonderabdruck aus „Internationales Archiv für Schul- 
hygiene'', n. Bd. 1. u. 2. Heft. 1906. Leipzig, Wilhelm Engelmann. 

Fay, B.: Hantel-System. Eine Methode zur harmon Ausbüd. d. Eörpermusku- 
latur nach schönheitl. Prinzipien als Quelle wahrer Jugend- und Lebens- 
freude. Leipzig, Maier. 1906. Sl S. 8^ M. 0,76. 

«Fischer, Albert, Dr. Direktor: Zur Schulbank&age. 26 S. Großlichterfelde, 
B. W. Gebeis Verlag. M. 0,40. 

Forel, Dr. Aug.: Die sexuelle Frage. 11.— 16. Tausend. 687 S. München, 
Reinhardt. 1906. M. 8,—. 

Frank el, C, Prof.: Das Wesen und die Bekämpfung der Tuberkulose. Her- 
ausgegeben V. Deutsch. Zentralkomitee zur Einrichtung von Heüsifttten f. 
Lungenkranke. Berlin 1906. 8^ 24 S. 

*Frey, 0., Dr. med.: Atlas der Anatomie des Menschen. Für Schule und Haus. 
29 Farbendnicktafeln mit 67 Abbildungen und ein zerlegbares Phantom 
des menschlichen Körpers. Eßlingen u. München, J. J. Schreiber. M. 6, — . 

Fürst, San.-Eat Dr. L.: Die Genickstaxie gemeinfaßlich dargestellt. 49 S. 1906. 
(In Schumanns med. Volksbücher. 8®. Leipzig, Schumann Nachf.) 1906. 

Galandauer, K. S.: Sexuelle Jugendauf kl&rung (Sozialer Fortschritt, Nr. 40). 
2. Tausend. 16 S. Leipzig 1906, Felix Dietrich. M. 0,16. 

Gärtner, A., Dr. Prof.: Leitfaden d. Hygiene. Berlin, Karger. 1906. 4. Aufl. 

Gastpar, J., Stadtarzt: Gutachten über die Schularztpflege in Stuttgart, zu- 
gleich Bericht Über die informatorische Untersuchung der Schulkinder im 
Jahre 1904, erstattet im Auftrage des Gemeinderats Stuttgart. Stuttgart, 
Kotehanmier. 1906. 8^ 82 S. M. 1,—. 

Grawitz, Prof., und J. Trumpp: Gesunde Jugend. Ärzü.-hygien. Batschläge. 
2 Teile in 1 Bd. 164 u. 140 S. 8<». Stuttgart, Montz. 1906. geb. M. 2,—. 

^Griesbach, Prof. Dr. med. et phil.: Schule und Haus. Separatabdruck aus 
„Der Arzt als Erzieher''. 1906. Heft 1. 

Gündel, Idiotenanst.-Dir. Dr. A.: Zur Organisierung der Geistesichwachen- 
farsorge. Halle, Marhold. 8». 1906. 1906. M. 4,—. 

Ha ab, D., Prof. Dr.: Krankheitsursachen und Krankheitsverhütung. 19 S. 8®. 
Zürich, Orell Füßli. 1906. M. 0,60. 

Hagmann, Prof. Dr.: Zur Schulreform HI. Das Sonderklassensystem in neuer 
Beleuchtung. 60 S. %\ St. Gallen, Fehr. 1906. M. 0,80. 

Hamm, Dr.: Ober künstliche Beleuchtung von Schulzimmem, Fabriksälen usw. 
Gasglühlicht oder elektrisches Licht? Monatsbl. f. öffenÜ. Gesundheitspflege. 
1906. Nr. 9. 

*Hartmann, Arthur, Prof.: Bericht über die Tätigkeit der Berliner Schulärzte 
im Jahre 1904/6. Berlin 1906. 4^ 13 S. 

^Hartmann, A. Martin, Prof.: Die Aufgaben der Schule im Kampf gegen den 
Alkoholismus. Sonderabdruck aus „Der Alkoholismus, seine Wirkungen und 
seine Bekämpfung''. Aus Natur u. Geisteswelt. B. G. Teubner, Leipzig. 

Her gel, G., Dr.: Winke zur Erhaltung körperlicher und geistiger Gesundheit 



242 Bibliographie. 

Sonderabdrack a. d. Jahresberichte XW^^jb d. E. K. Franz Josephs -Staats- 
gymnaeiumB aa Aussig. 1906. 5 S. 

^Hermann, A.: Batgeber zur EinfQhrung der Volks- and Jugendspiele. 91 S. 
1906. Leipzig, B. Q. Teubner. M. 0,80. 

Jaerschky, Paul, Dr. med.: Körperpflege durch Gymnastik, Licht und Luft. 
Bibl. d. Qesundheitspfl. 17. Bd. Stuttgart, Moritz. 1906. 8*. 188 S. M. 1,—. 

^Jahrbuchftlr Volks -und Jugendspiele. In Gemeinschaft mit E.v. Sohencken- 
dorff und Dr. med. F. A. Schmidt herausgegeben von Prof. H. Wicken- 
hagen. 14. Jahrgang. 846 S. 1906. Leipzig, B. G. Teubner. M. 8,— . 

^Jahresbericht des M&dchen-Lyceums in M&hriich-Ostrau über das 8chu^ahr 
1904—1906, erstattet von Direktor A. Schwarz. 1906. M&hrisch-Ostrau, 
Verlag des M&dchen-Lyceums. 

Jastrow, Lehrer Jobs.: Das (besetz vom 30. m. 1903 betr. Kinderarbeit in ge- 
werblichen Betrieben u. d. Mitwirkung d. Lehrer u. Lehrerinnen bei d. Durch- 
fahrung desselben. Berlin^ Zillessen. 1906. 86 S. %^, M. 0,60. 

^Jessen, Ernst, Prof. Dr.: Die Krankheiten der Zähne und des Mundes. Sonder- 
abdruck aus „Die Gesundheit^^ 

*Kley, W., Dr. Direktor: Kanftnannsberuf, kaufoi&nnische Lehre und kauf- 
männische Fortbildungsschule bezw. einjährige Handelsschule. 88 S. 1906. 
Hannover, C. Meyer (G. Prior). M. 1,—. 

Klo 6, Moritz, Dr.: Leitfaden der Tumkunst. Bearb. v. Otto Schlenker, Ober- 
lehrer, Dresden. 105 Abbild. Leipzig, Weber. 1906. M. 4,—. 

Kraft, Dr. 0.; Die Temperaturverhältnisse in zürcherischen Schulbaracken. 
Schweiz. Zentralblatt f. Staats- und Gemeindeverwaltung. VI. Jahrgang. 
1906/06. Nr. 19. 

Kraepelin^ Emil, Prof.: Die akademische Jugend und die Alkoholfrage. Verl. 
d. Schriftstelle d. Alkoholgegnerbundes BaseL 8^ 16 S. M. 0,10. 

^Kraepelin, Karl, Dr. : Naturstudien in der Sommerfrische. Beiseplaudereien. 
Ein Buch für die Jugend. 176 S. 1906. Leipzig, B. G. Teubner. M. 8,80. 

*Kregenow u. Semel: Gerätkunde. Für Turnlehrer und Turnvereine. 184 S. 
1906. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung. M. 3,60. 

^Kühner, A., Dr. med.: Die häusliche Krankenpflege. 188 S. Leipzig, Konrad 
Grethleins Verlag. M. 1,—. 

Kall, G.: Über die Trennung der taubstummen Schüler nach ihren geistigen 
Fähigkeiten. (Separatabdruck aus „Eos 'S Vierte^ahrsschrift für die Er- 
kenntnis und Behandlung jugendlicher Abnormer. Heft 8. 1906.) 7 S. 
Wien, Pichlers Witwe und Sohn. 

Lay, Dr. W.: Experimentelle Didaktik. Ihre Grundlegung mit besond. Rück- 
sicht auf Muskelsinn, Wille und Tat. Allgemeiner Teil. II. Aufl. XXII, 
696 S. 8«. Leipzig, Nemnich. 1906. M. 10,—. 

^LeuBchner, Bruno, Hektor: Der Schulstuhl in der Gruppenbank. D. B. P. 
168 831. 1906. Breslau, Ferdinand Hirt. 

Liebmann, Dr. med.: Vorlesungen über Sprachstörungen. Heft; 6: Kinder, die 
schwer lesen, schreiben und rechnen lernen. 8^ Berlin, Coblenz. 1906. 

M. 8,40. 

Lobsien, Marx: Über das Wachstum der Muskelkraft bei Schülern während 
eines Schuljahres. Zeitschr. f. Philosophie und Pädagogik. Langensalza, 
Bayer & Söhne. 1906. XH. Jahrg., Heft 6. 

Lotz, Heinrich, Rektor: Notwendigkeit und Möglichkeit des pflichtmäßigen 
Schwimmunterrichts in der Volksschule, vornehmlich der Industrie- und 
Großstädte. Elberfeld, Deutsche Schwimmerschaft. 1906. 



Bibliographie. 243 

^Lutz, M., Oberlehrer: Welche Aufnahme die Mannheimer Schulorganisation 

bisher gefunden hat. 1905. Mannh^m, J. Bensheimer. 
Mann, Dr. H.: Die Kunst der sexuellen Lebensführung. Ein Leitfaden d. prakt. 

Geschlechtehygiene f. d. erwachsene Großstadtjugend, sowie f. Eltern und 

Erzieher. 167 S. 8«. Oranienburg, Orania -Verlag. 1906. M. 3,—. 

Meyer, P., Dr. med.: Die Nervenkrankheiten der Schulkinder. Berlin, Klin. 

Wochenschr. 1906. Nr. 17. 
Moses, J., Dr.: Zur Hygiene der Schulbank in den Hilfsschulen für Schwach- 

befähigte. Sonderabdruck aus „Zeitschrift für Schulgesundheitspflege'^ 1905. 
^Oebbecke, Dr. med. Stadtarzt: Vierter Jahresbericht über den schulärztlichen 

Überwachungsdienst an den Volksschulen zu Breslau für das Schuljahr 

1904/06. 
Oppel, Dr. Karl: Das Buch der Eltern. Prakt. Anleitg. zur häusl. Erziehung 

der Kinder vom frühesten Alter bis zur Selbständigkeit. 6. Aufl. XVH, 

891 S. 8®. Frankfurt a./M., Diesterweg 1906. M. 4,—. 

^Portugall, A. von: Friedrich Fröbel, sein Leben und Wirken. 164 S. 1905. 

Leipzig, B. G. Teubner. M. 1,25. 

Ranke, Otto, Dr.: Anthropometrische Untersuchungen an gesunden und kranken 

Kindern. Zeitschrift für Schulgesundheitspflege. XVIlI. Jahrg., Hefb 11—12. 

46 S. 

* Ray dt, H. Prof: Verhandlungen des VH deutschen Kongresses für Volks- 

und Jugendspiele zu Frankfurt v. 16.— 18. Sept. 1906. Leipzig u. Berlin, 

B. G. Teubner. 1906. 8». 106 S. 
Reich, Karl, Dr. med.: Über die seitens der städtischen (Breslauer) Behörden 

beschlossene Einführung von Schulärzten in unseren höheren Schulen. All- 

gem. med. Zentr.-Zeitung. 1906. Nr. 89/40. 
Reinfelder, D.: Der Artikulationsunterricht in Hilfsschulen. Sep.- Abdruck 

a. d. Deutschen Schulzeitung 1906. Berlin, Oehmigke. 1906. 8^ 12 S. 

M. 0,80. 

* Roller, Karl, Oberlehrer: Erhebungen über das Maß der häuslichen Arbeits- 

zeit, veranstaltet in einer Oberrealschulklasse. Separat-Abdr. aus Zeitschrift 

für Schulgesundheitspflege. 1906. 19. Jahrg., Nr. 1. 8®. 28 S. 
^Samosch, Dr.: Schularzt und Hausarzt, ihre Stellung in und zur Schulhygiene 

und ihre Beziehungen zueinander. Sonderabdruck aus der Schlesischen 

Ärztekorrespondenz, Nr. 8 u. 4, November 1905. 
Schaff er, 0., u. J. Trumpp, DDr.: Mutter und Kind. Ärztl.-hygien. Rat- 
schläge. 2 Teile in 1 Bd. 123 und 119 S. 8^ Stuttgart, Montz. 1906- 

M. 2,-. 
^Schilling, E., Dr.: Indirekte Beleuchtung von Schul- und Zeichensälen mit 

Gas- und elektrischem Bogenlicht. Sonderabdruck aus dem „Journal für 

Gasbeleuchtung und Wasserversorgung*'. 1905. 
^Schmidt, F. A., Dr. med.: Physiologie der Leibesübungen. 155 S. 1905. 

Leipzig, R. Voigtländers Verlag. M. 8,—. 

Sinapius, Dr.: Geist u. Körper in ihrer Wechselbeziehung. Ein Beitrag zur 

Erhaltung und Wiedergewinnung geist. und leibl. Gesundheit. 11 S. 8^. 

Schweidnitz, Theosoph. Verlag P. Frömsdorf. 1905. M. 0,20. 

Spielregeln des Rugby-Fußballspiels f. 1905—1906. Im Auftrag des 6. deutsch. 

Rugby-Tages. Aus d. Engl. v. Oberrealschul-Prof. Dr. Edward Ullrich. 29 S. 

16^ Heidelberg, Groos. 1906. M. 0,80. 

S taiger, Dr. E.: Ober staubfreie Reinigung mit dem Vacuum-Reiniger. Med. 

Korrespondenzbl. d. Württemberg, ärztl. Landesvereins vom 26. Aug. 1905. 

Herausgeg. von Hofrat Dr. Deahna in Stuttgart. 



244 Bibliographie. 

Stocker, Fr., Dr. med. : Die Schalanstfrage auf Qrand bishreiger Ezfahmngen. 

Sep.-Abdr. a. d. Jahrb. der Schweiz. GeaeÜBchaft für Scholgesondheitspflege. 

VL Jahrg. 1905. I. Teil Zürich, Zürcher u. Furrer. 1906. B\ 68 S. 
Salzer, Gebr.: Heizung und Ventilation von SchuIhftDsem und Turnhallen- 

Sep.-Abdr. a. d. Jahrb. d. Schweiz. G^sellschafb für Schulgesundheitepflege* 

VI. Jahrg. 1906. I. Teil. Zürich, Zürcher u. Furrer. 1906. S\ 22 S. 
Ulimann, Hugo: Jngendspiele f. Volks- u. Bürgerschulen. 2. Aufl. X, 110 S- 

16». Wien, Pichlers Witwe u. Sohn. 1906. M. 0,90. 

Ullrich, A., Dr. Rektor: Über Koedukation. Aus Frauenbildung. IV. Jahrg., 

9. Heft. 1906. 
^Verhandlungen des Vereins für Volks- und Schulhygiene w&hrend des Ver- 

einsjahres 1906. 2. Jahrgang. 1906. Luxemburg. 
Weber, Ernst: Experimentier-Pädagogik. Der Sftemann. I. Jahrg. 1906. I.Heft. 
Weigl, J., Dr. med.: Jugenderziehung und Genußgifte. 4. Aufl. Pädag. Zeitschr. 

von Franz Weigl, München. München 1006. 8^ 29 S. M. 0,40. 

Weygandt, Dr. Prof.: Die geistige Minderwertigkeit im Schulpflicht. Alter. 

OfBz. Bericht über die H. Landes versamml. d. Bayer. Med. Beamten -V. zu 

Würzburg am 2. u. 8. Juni 1906. 
Wilhelm, Th.: Das sexuelle Leben u. seine Bewertung in der Erziehung der 

Kinder. 8^ 68 S. Donauwörth, L. Auer. 1906. M. 0,60. 

Winkler, Realsch.-Dir. Wilh.: Atemgymnastik, ihre Pflege im Leben u. in d. 

Schule. Vortrag. Aus Ost. Mittelschule. 16 S. 8^ Wien, Holder. 
Ziegler, V., y.: Zur Schulhygiene. Die Physiologie d. Faulheit. 



I. Originalanfsätze. 

Wann soll das Schuljahr beginnen? 

Von Professor Dr. J. Miller- Stuttgart, 

Vorbemerkung des Verfassers. Der hier abgedruckte Vortrag 
wurde in einer Ausschußsitzung des Stuttgarter Zweigvereins für 
Schulgesundheitspflege gehalten. Der Ausschuß hat den Wunsch 
ausgesprochen, daß der Vortrag in dieser Zeitschrift veröflFentlicht 
werden sollte, trotz dem von mir erhobenen Bedenken, daß meine 
Ausführungen die besonderen württembergischen Schulverhältnisse 
betreffen. Vielleicht werfen doch auch nichtwürttembergische Leser 
gern einmal einen Blick auf unser SchuJwesen. Für diese muß ich 
vorausschicken, daß in Württemberg für die Versetzung eines Schü- 
lers neben dem Halbjahrszeugnis auch die Zeugnisse einer schrift- 
lichen Prüfung in Betracht kommen, die in mehreren Hauptfächern 
vorgenommen wird, in der Regel nicht von dem an der Klasse 
unterrichtenden Lehrer. Sollten auswärtige Kollegen geneigt sein, 
mir Erfahrungen mitzuteilen, die sie in Sachen des Schuljahranfangs 
gemacht haben, so würden sie mich zu großem Dank verpflichten. 

Geehrte Anwesende! 

In den heißen Sommern der beiden letzten Jahre ist lebhaft, 
auch in der Presse, darüber geklagt worden, daß unsere Versetzungs- 
prüfungen gerade in die heißeste Zeit des Jahres fallen; man hat 
Abhilfe verlangt und die Verlegung des Schuljahranfangs auf Ostern 
als das geeignetste Hilfsmittel angegeben. Unser Verein ist auf- 
gefordert worden, die Sache in die Hand zu nehmen. 

Was ist zunächst der Tatbestand? Beeinträchtigt die Hitze 
wesentlich die Leistungen der Schüler? macht sie die Vorbereitung 
schwerer, aufregender? 

Wir werden hier zwischen der Reifeprüfung und den Versetzungs- 
prüfnngen zu unterscheiden haben. Die schriftliche Reifeprüfung 
fällt in die Mitte des Juni, eine Zeit, in der nur selten die Hitze 

Gesunde Jugend. V. 11/12. 17 



246 J. Müler: 

lästig wird. Die mündliche Reifeprüfung allerdings fällt leicht 
in die heiße Zeit von Anfang oder Mitte Juli. Indessen hat die 
mündliche Prüfung viel von ihren Schrecken verloren, seitdem die 
Dispensation von allen oder einem Teil der Fächer erleichtert wor- 
den ist. Außerdem liegt die Sache so^ daß ein Schüler höchstens 
dreimal auf 8 — 10 Minuten mit kürzerer oder längerer Unterbrechung 
zur Prüfung kommt; daß alle drei Prüfungsfächer auf den Nach- 
mittag fallen^ wird eine seltene Ausnahme sein. Ein 18 — 19jähriger 
Schüler wird die 24 Minuten mit zweimaliger Unterbrechung ohne 
Schaden für Gesundheit und Erfolg durchmachen können; in der 
Tat habe ich auch bei Mißerfolgen nie den Eindruck gehabt, daß 
die Schuld der Hitze zuzuschreiben war. 

Anders liegt die Sache bei den Versetzungsprüfungen. Zwar 
die Monate der Vorbereitung, Mai und Juni, sind selten, man möchte 
sagen zu selten reich an heißen Tagen; die Prüfungen selbst aber 
fallen auf Anfang Juli, wo die Hitze mit Macht einsetzt. Noch 
schlimmer daran sind die Konkursprüfungen für die Aufnahme in 
die niederen und höheren theologischen Seminare, die auf Mitte und 
Ende Juli anberaumt werden. Wie schwierig es ist, an einem 
schwülen Nachmittag z. B. ganz einfache Rechenaufgaben zu er- 
ledigen, hat mir einmal die Schlußsitzung einer Reifeprüfung gezeigt, 
wo bei dem Zusammenrechnen der Noten fortwährend sich verschie- 
dene Resultate ergaben und ein wiederholtes Nachprüfen nötig war. 
Ein beim evangelischen „Landexamen" (Konkursprüfung 14jähriger 
Schüler für die Aufnahme in ein theologisches Seminar) beteiligter 
Kollege erzählte mir einen Fall, wo ein tüchtiger Schüler von aus- 
wärts offenbar unter dem Einfluß der Stuttgarter Hitze im Münd- 
lichen ganz versagt habe. Es ist endlich Tatsache, daß am Ende 
des Sommersemesters nicht selten Gesuche um frühere Entlassung 
der Schüler einlaufen, die mit Nervosität der Schüler begründet wer- 
den. Ich möchte auf diesen letzten Punkt jedoch kein zu starkes 
Gewicht legen; solche Gesuche würden auch kommen, wenn das 
Schuljahr Ostern abschlösse, sie kommen ja, soviel ich weiß, auch 
bei den Mädchenschulen im Sommer vor, und zuweilen soll die 
eigentliche Ursache für sie nicht die Nervosität des Schülers sein, 
sondern die der Eltern, die sich ärgern, wenn sie nicht zu der ihnen 
passenden Zeit in die Sommerfrische gehen können. Was aber den 
Erfolg der Versetzungsprüfung betrifft, so kann ich nach langjäh- 
riger Erfahrung sagen: es ist mir kein Fall vorgekommen, wo ein 
Schüler, der sich im Lauf des Jahres, insbesondere im Winter gut 
gehalten, wegen der Sommerhitze in der Versetzungsprüfung durch- 



Wann soll das Schuljahr beginnen? 347 

gefallen ist; nicht selten der entgegengesetzte^ daß ein Schüler, der 
den Durchfall nach seinen Gesamtleistungen redlich verdient hatte, 
durch die Versetzungsprtifung gerettet wurde (nicht immer zu sei- 
nem wirklichen Vorteil). Es ist endlich durch die neue Bestimmung 
noch besonders eingeschärft, daß die Semester- oder Jahreszeugnisse 
neben der Prüfung für die Versetzung wesentlich ins Gewicht fallen 
sollen. Trotzdem bleibt bei der jetzigen Ordnung der Dinge ein 
Ubelstand, und wir haben zu fragen 

1) sind Umstände anderer Art vorhanden, die diesen Grund für 
eine Verlegung des Schuljahrs unterstützen? 

2) sind Gründe gegenteiliger Art da, nach denen die bisherige 
Ordnung doch als das geringere Übel erscheint? 

Als ein Grrund für die Verlegung des Schuljahranfangs auf Früh- 
jahr wird die wünschenswerte Übereinstimmung mit der Volksschule 
angeführt. Die Volksschule ist durch die Verhältnisse der Land- 
wirtschaft an den^ Frühjahrsanfang gebunden. Da Übergänge von 
der Volksschule zur Elementarschule vorkommeij, auch von der 
Volks- oder Bürgerschule zu den höheren Schulen, so kann der Fall 
eintreten, daß ein Schüler statt 2 bzw. 3 Jahre 2% oder Sy, Jahre den 
vorbereitenden Unterricht genießt. Da aber die Elementarschule gegen- 
über der Volksschule ein etwas rascheres Tempo befolgt, so kann dieses 
Mehr von einem halben Jahr nicht als ein eigentlicher Nachteil an- 
gesehen werden. Ahnlich liegt die Sache bei dem Übergang von unsern 
kleineren Latein- und Realschulen in den Landstädten, wo meist im 
Frühjahr begonnen wird, an die Oberklassen einer größeren Anstalt. 
Wenn hier größere Schwierigkeiten nicht entstehen, so ist dagegen 
bedauerlich, daß das Schuljahr der Vollanstalten in den verschiedenen 
deutschen Staaten nicht übereinstimn^t. Li Preußen und ganz Nord- 
deutschland überwiegt weit der Anfang zu Ostern, ebenso beginnt 
Sachsen zu Ostern; die süddeutschen Staaten dagegen, einschließlich 
Hessen^), im Herbste. Schüler, die aus einer norddeutschen Anstalt 
in eine süddeutsche übergehen oder umgekehrt, verlieren daher in 
der Regel ein halbes Jahr. Die Wahrscheinlichkeit, daß Preußen 
dem Beispiel von Süddeutschland folgt, ist nicht sehr groß; ebenso 
gering indessen die, daß unsere Nachbarstaaten sich unserem Vor- 
gange anschließen würden, wenn wir in Württemberg unseren Schul- 
anfang verlegten. Die von dem württembergischen Kultusminister 



1) Ist insofern nicht ganz richtig, als in Hessen allgemein zu Ostern an- 
gefangen wird, und nur ganz wenige Anstalten das Schuljahr erst im Herbst 
beginnen. Anm. d. Red. 

17* 



248 J. MiUer: 

in dieser Beziehung angestellte Umfrage hat ein verneinendes Er- 
gebnis gehabt. Ein weiterer Vorteil des Osterbeginns wäre endlich 
der, daß man in bezug auf die Zeit der Sommerferien unabhängiger, 
würde. Die jetzige Ordnung hat den Nachteil, daß fQr jüngere 
Schüler die Sommerferien von Cy^ Wochen zu lang werden, ebenso 
aber die Zeit vom 7. (bzw. 15.) September bis Weihnachten eine zu 
länge Arbeitszeit ist. Auf der anderen Seite ist gerade von den 
Ärzten der Wunsch nach einer langen zusammenhängenden Erholimgs- 
zeit aufs entschiedenste geäußert worden. Es ist endlich bei den 
Klagen im letzten Sommer gesagt worden, das Winterhalbjahr gebe 
für die Beurteilung der Schüler einen besseren Anhalt als das Sommer- 
semester. Ein Dr. E. sagt in einer Einsendung des Tageblattes: 
^,Ausgedehnte Untersuchungen an Kraftmessern haben gezeigt, daß 
die Kraft der Aufmerksamkeit beständig von Oktober an zunimmt, 
im März ihren Höhepunkt erreicht und dann wieder abfällt. Den 
Tiefstand in der geistigen Tätigkeit muß man auf den Juli verlegen. 
Hieraus geht klar hervor, wie man es bei wissenschaftlichen Arbeiten 
mit dem Studium halten soll, und wir verstehen es, daß es viele 
Gelehrte gibt, die behaupten, daß sie im Winter bei dem traulichen 
Lampenschein, jetzt bei Gaslicht oder der elektrischen Glühlampe, 
besser arbeiten können als im Sommer. Wir verstehen es dann aber 
auch, daß man besser tut, die verschiedenen Schulprüfimgen auf 
den Monat März und vielleicht noch auf den Monat April zu ver- 
legen, weil in dieser Zeit die Leistungsfähigkeit noch auf ihrem 
Höhepunkte steht." Ich kann nicht beurteilen, ob die Ergebnisse 
dieser Untersuchungen einwandfrei sind. Bei den Prüfungen handelt 
es sich aber gar nicht darum, ein Höchstmaß der Leistungen fest- 
zustellen, sondern einen brauchbaren, unparteiischen Wertmesser zu 
erhalten. Es würde also gar nichts schaden, wenn das Durchschnitts- 
maß im Sommer etwas niederer ausfiele als im Frühjahr. Das ist 
aber gar nicht der Fall. Im Gegenteil werden Sie finden, daß die 
Zeugnisse im Sommer meist etwas höher sind als im Frühjahr. 
Der Grund ist einfach: der Hauptteil des Pensums ist bis Ostern 
erledigt, im Sommer wird mehr das bisher Erlernte wiederholt; so 
fiind die Kenntnisse am Ende des zweiten Halbjahrs besser befestigt 
als am Ende des ersten, und der Fall, daß ein Zeugnis, das zu Ostern 
ein „genügend" im Durchschnitt aufweist, im Sommer auf „imge- 
nügend" lautet, wird kaum vorkommen. 

Überblicken wir noch einmal die Gründe, die für die Verlegung 
des Schuljuhrbeginns angeführt werden, so bleibt außer der Zeit der 
Yersetzungs- und Konkursprüfungen nicht viel übrig, und dies Er- 



Wann soll das Schuljahr beginnen? 249 

gebnis stiramt diuiiit zusammen, daß im übrigen Süddeutschland, wo 
diese Prüftmgen nicht stattfinden, auch der Ruf nach Verlegung des 
Schuljahrs nicht oder kaum gehört wird. Im Gegenteil, es scheint, 
daß in Norddeutschland vielfach unsere Einteilung als die gesün- 
dere angesehen wird und daß sich die dortigen Sachverständigen 
hüten, in diesem Fall ihre Einrichtung als vorbildlich zu empfehlen 

Sie sehen daraus jedenfalls, daß es nicht die tlbergangsschwierig- 
keiten allein sind, die unsere Unterrichtsverwaltung bisher abgehalten 
haben und voraussichtlich auch künftig abhalten werden, diesen 
Schritt zu tun, wenngleich man diese Schwierigkeiten auch nicht zu 
leicht zu nehmen hat. Man dürfte nicht erwarten, daß für unsere 
Schüler der Übergangszeit in der Regel eine Verkürzung der Schul- 
zeit um Vg Jahr erfolgen würde. Die Erteilung des Einjährigen- 
Zeugnisses z. B. ist an den einjährigen Besuch der Untersekunda ge- 
bunden, ähnlich liegt die Sache bei der Reife für Prima und bei 
dem Reifezeugnis für die Universität. Indessen, hier ließe sich schließ- 
lich ein Weg finden oder es müßte eben im allgemeinen Interesse 
die gegenwärtige Schülergeneration ein Übel auf sich nehmen, wie 
wir dies z. B. jetzt unsem Schülerinnen im Mädchengymnasium nicht 
ersparen können. 

Ein Bedenken äußerer Ali gegen den Osterbeginn liegt in dem 
schwankenden Ostertermin selbst. Da wir an Ostern vier kirchliche 
Feiertage haben, müssen wir uns, schon mit Rücksicht auf die aus- 
wärtigen Schüler, mit den Ferien nach dem Ostertermin richten. 
Daraus ergibt sich, daß das an Ostern beginnende Schuljahr ver- 
schiedene Länge hat, ein Umstand, der für die Verteilung der Pensen 
nachteilig ist. Die Aussichten auf eine Festlegung des Ostertermins 
sind wohl gering, so sehr man auch diese höchst einfache Änderung 
wünschen möchte, die niemand schaden, vielen nützen würde. — 
Die Tübinger Universität hat sich in einem Gutachten für den Fort- 
bestand der gegenwärtigen Ordnung ausgesprochen. Das Gutachten 
ist nirgends veröflFentlicht worden, aber, wie man hört, wünschen die 
Mediziner, daß der Student mit der Anatomie beginne — die Übun- 
gen auf der Anatomie können nur im Winter vorgenommen werden; 
die Vertreter der Naturwissenschaften halten es für angemessen, daß 
der Student im Winter den theoretischen Unterricht genieße, um im 
Sommer von den Exkursionen Nutzen zu haben. Ich halte dieses 
Gutachten nicht für entscheidend. Es ist doch nur ein kleiner 
Bruchteil der Schüler unserer höheren Lehranstalten, die sich jenen 
Studien zuwenden. Der Student der Medizin kann im Sommer dem 
Dienst mit der Waffe genügen oder sich theoretisch für das Studium 



250 J- Miller: 

der Anatomie vorbereiten. Auch für die Studenten der Naturwissen- 
schaften ist mit einigem Organisationstalent gewiß ein Weg zu fin- 
den, der ihnen den Beginn im Sommersemester nutzbringend werden 
läßt. So hat sich auch der gegenwärtige Vertreter der Zoologie an 
der hiesigen technischen Hochschide mir gegenüber dahin ausgespro- 
chen, daß seiner Ansicht nach seine Fakultät eine ernstliche Ein- 
wendung gegen den Osterbeginn nicht mehr erheben würde. Indessen 
ist zu beachten, daß bis jetzt die technischen Hochschulen in allen 
Zweigen den Anfang im Herbst voraussetzen. 

Berechtigt ist das Widerstreben des Militärs gegen den Früh- 
jahrsabschluß. Der Gang der militärischen Ausbildung des Einjäh- 
rigen ist durch das Manöver bestimmt, das naturgemäß der Abschluß 
der militärischen Ausbildung, nicht ein Intermezzo sein soll. Der 
Eintritt im Frühjahr führt daher leicht zu überhastetem und über- 
angestrengtem Dienst im Sommer, zur Bummelei im Winter. Es 
nehmen eben deswegen nur wenige Truppenteile und nur solche der 
Infanterie Einjährige im Sommer an. Wir in Württemberg könnten 
nur das eine dagegenhalten, daß, was Preußen für erträglich hält, auch 
uns erträglich sein kann, daß wir nicht preußischer zu sein brauchen als 
die Preußen. Und ich glaube, das Entscheidende muß in der Tat 
nicht durch solche äußere Umstände, sondern durch den Gang des 
Unterrichts selbst gegeben sein. Was ist das Gesündere — im 
weiteren Sinne des Wortes — der Beginn im Frühjahr oder im 
Herbst? 

Ein Einsender im Schwab. Merkur (17. Juli 1905) meint, im 
größten Teil Deutschlands beginne das Schuljahr „naturgemäß^' im 
Frühjahr. Er hat vergessen zu sagen, warum das gerade natur- 
gemäß ist. Das Sommerhalbjahr, das öfter ziemlich spät beginnt, 
durch Himmelfahrtsfest, Pfingsten, den größeren Schulausflug unter- 
brochen wird, das an seinem Ende die 6 — 7 wöchentliche Ferienzeit 
hat, eignet sich, könnte man sagen, naturgemäß weniger zur Ein- 
führung in einen neuen Unterrichtsgegenstand als das Winterhalb- 
jahr nach den großen Ferien, wo die Kräfte frisch, die Gefahren 
der Ablenkung weniger groß sind als im Sommer. Das ist nicht 
bloß theoretische Erwägung. Hören Sie hier eine Stimme aus 
Preußen. Graf von Kospoth, Kurator der Liegnitzer Ritterakademie, 
äußerte sich im preußischen Herrenhaus am 31. März 1905: „ . . . Das 
jetzige Schulsemester fängt zu Ostern an. Der Junge kommt von 
den Ferien zurück. In den ersten Tagen sieht er sich die neue 
Klasse, die neuen Bücher und die neuen Lehrer an, aber er lernt 
nichts. Zwischen Pfingsten und den großen Ferien lernt er etwas, 



Wann soll das Schuljahr beginnen? 251 

aber das verlernt er wieder in den großen Ferien. Er kommt so 
nach Hause, wie er zu Ostern gegangen ist. . . . Nun kommt die 
schwierige Zeit bis Ostern, die Angst vor der Versetzung. Der Junge 
kommt nicht zum Spazierengehen, er sitzt den geschlagenen Tag in 
einer überheizten Stube bei einer schlecht brennenden Petroleum- 
lampe. Ich wünsche nun, daß bei dem Gymnasium mit Jahresver- 
setzung der Schulschluß vor den großen Ferien und der Schulanfang 
nach diesen eintritt. . . . Körper und Geist der Kinder werden bei 
dieser Einteilung frischer sein als bei dem jetzigen Zustand. . . . 
Ich wünschte, ich hätte tausend Zungen und die Beredsamkeit eines 
Demosthenes, um den Minister für meine Wünsche gefügig zu machen. 
Eines hoffe ich wenigstens, daß ich eine Fackel angezündet habe, 
die weithin einen großen Brand entflammen wird, und daß die Fach- 
presse sich dieser Sache bemächtigen wird.'' 

Unter diesen Umständen verstehen Sie, daß unsere Schulverwal- 
tung keine große Eile hat, den Schuljahranfang zu verlegen. Wer 
bürgt dafür, daß diese Worte des Grafen K. nicht an hoher Stelle 
Eindinick machen und Preußen zum Herbstanfang zurückkehrt? 
Preußen ist in Schulsachen weniger schwerfällig als unsere kleinen 
Staaten, und wir könnten erleben, daß nach kurzer Zeit Württem- 
berg ebenfalls wieder zum alten System sich bekehren müßte, wollte 
es jetzt den Übergang wagen ; und ich glaube, nach dem Angeführten 
hat auch dieser Verein keinen Anlaß, für eine Veränderung des 
Schulanfangs sich ins Mittel zu legen. 

Es bliebe ein Ausweg, um dem anerkannten Mißstand abzuhelfen, 
die Abschaffung der Versetzungsprüfung. Diese Abhilfe scheint um 
so einfacher, als eine derartige Einrichtung in den andern Staaten 
Deutschlands nicht besteht. Unser Kultusminister hat ^sich am 
13. Mai V. J. für die Beibehaltung der Versetzungsprüfung ausgesprochen, 
mit dem Hinweis darauf, daß die Prüfung mehr die Überzeugung 
von einem objektiven Verfahren geben und in der Mehrzahl der 
Fälle zugunsten, nicht zuungunsten des gefährdeten Schülers ent- 
scheide, daß endlich die Zahl der nicht vorrückenden Schüler in 
Norddeutschland im Durchschnitt größer sei als bei uns. Wenn 
man nun weiß, wie verschieden die Aufsicht gehandhabt wird bei 
den Prüfungen (manche Lehrer sind zu unpraktisch, um Betrügereien 
der Schüler zu verhindern), wie, namentlich da, wo Parallelklassen 
vorhanden sind, die Schüler einer Klasse oft dadurch gegenüber 
denen der anderen im Vorteil oder Nachteil sind, daß sie auf diese 
oder jene Regel gedrillt oder nicht gedrült worden sind, so ist man 
versucht, die Objektivität der Prüfung für leeren Schein zu erklären. 



252 J. MiUer: 

Die andern Gründe aber verdienen Beachtung. Es ist nicht zu 
wünschen, daß das Durchschnittsalter für den Übertritt zur Univer- 
sität sich erhöht. Und das scheint doch die Folge, wenn auch viel- 
leicht nicht die notwendige Folge des preußischen Systems zu sein. 
Gerade der gewissenhafte Lehrer wird oft Bedenken tragen, einen 
zweifelhaften Schüler vorrücken zu lassen, dem mit Hilfe der Prüfung 
der Sprung noch gelingt. Und nun liegt bei uns die Sache noch 
heikler als in Preußen. Dort ist es üblich, daß ein Lehrer in einem 
oder mehreren Hauptfächern dieselben Schüler mehrere Jahre hinter- 
einander behält; bei uns ist es sehr häufig, an einzelnen Klassen 
die Regel, daß der Lehrer seine Schüler nach einem Jahr an den 
Lehrer der nächst höheren Klasse übergibt. Bei dem preußischen 
System ergibt sich eine natürliche Regulierung insofern, als ein 
Lehrer weder einen entschiedenen Nichtskenner weiterschleppen, 
noch sich selbst ein Armutszeugnis ausstellen will, indem er zu viele 
als nicht genügend bezeichnet. Bei unserem System könnte, ohne 
das Regulativ der Prüfung, leicht der gewissenhafte Lehrer, bzw. 
seine Schüler, in Nachteil kommen gegenüber dem, dessen Ehrgeiz 
der äußere Erfolg ist, der Ruhm, daß „ihm'' keiner sitzen ge- 
blieben ist, und gerade bei Parallelklassen könnte dies zu wider- 
wärtigen Verhältnissen führen. Ich halte nun das preußische System 
für das bessere — man mag es Fachlehrersystem nennen, doch erweckt 
der Name leicht falsche Vorstellungen — insbesondere unter der 
Voraussetzung, daß dem Direktor für die Verteilung der Lehrauf- 
träge freie Hand gelassen ist und er mehr nach der Befähigung des 
Lehrers als der Ancieiüiität zu 8<Bhen hat. Ich glaube aber nicht, 
daß unsere Unterrichtsverwaltung sehr geneigt ist, das preußische 
System anzunehmen. Und solange dies nicht geschieht, werden 
wir wohl auch die Versetzungsprüfungen behalten, vielleicht mit 
Beschränkung auf wenige Fächer. — Man könnte noch die Möglich- 
keit erwägen, das Schuljahr etwas früher abzuschließen — Mitte, 
statt Ende Juli — , dann vierwöchentliche Ferien eintreten zu lassen, 
und im Herbst noch 14tägige Ferien einzuschalten. Das hätte 
manchen Vorteil, aber den großen Mißstand, daß dann für die Abi- 
turienten die ohnehin schon zu lange Pause zwischen Abgang vom 
Gymnasium und Eintritt beim Militär noch vergrößert würde. 
Darüber, daß wir zu unserer alten Einrichtung — Prüfung nach 
den Sommerferien — nicht zurückkehren dürfen, brauche ich kein 
Wort zu verlieren. 

So bleibt glaube ich, uns nichts übrig, als den Wunsch zu 
äußern, daß, falls die Versetzungsprüfungen auf heiße Tage fallen. 



Wann soll das Schuljahr beginnen? 253 

die Nachmittage unbedingt frei gegeben werden, auch wenn dadurch 
der schönste Prüfungsplan über den Haufen geworfen würde, ein 
WuDsch, der indes in der Mehrzahl der Fälle auch bisher schon er- 
füllt worden ist. 

Im Zusammenhang mit unserem Gegenstand ist auch schon die 
Frage aufgeworfen worden, ob es sich nicht für die Anstalten mit Pa- 
rallelklassen empfehle, einen doppelten Schuljahranfang einzuführen. 
Preußen hat an einigen seiner großen Anstalten diese Einrichtung 
der sogenannten Wechselcöten. Man sieht es als einen Vorteil dieser 
Einrichtung an, daß ein für das Vorrücken nicht geeigneter Schüler 
nicht gleich um ein ganzes Jahr, sondern nur um ein halbes zurück- 
versetzt werden muß. Aber auch hier widerspricht die Praxis die 
Theorie. Als ganz unpraktisch hat es sich erwiesen, die Klassen 
alle Halbjahre neu zu verteilen, was eine fortwährende Beunruhigung 
der Schüler und Störung des Unterrichtsgangs zur Folge hatte. 
Aber auch bei Festhaltung der Jahreskurse sind die Ergebnisse 
offenbar nicht günstig gewesen. Noch in einem Bericht des Jahres 
1897 lese ich, daß die Versetzimg namentlich in Anstalten mit 
Wechselcöten zu wünschen übrig lasse. Die Versuchung, die Zu- 
rückversetzung um Vj Jahr leicht zu nehmen, scheint für Lehrer 
und Schüler zu groß zu sein. Interessant waren mir hierüber 
auch die Mitteilungen eines Kollegen von Kassel, wo gegenwärtig 
der Wechselcötus erlischt: es habe sich die eigentümliche Erschei- 
nung ergeben, daß der eine der beiden Cöten die geringeren Ele- 
mente auf die Dauer angezogen habe; für Schüler, die wegen 
mangelnder Kenntnisse — nicht wegen zufälliger Unterbrechung 
des Unterrichts durch Krankheit — zurückversetzt werden mußten, 
habe in der Regel das halbe Jahr zur Befestigung der Kenntnisse 
nicht genügt. 

So ergeben sich also bei dieser Einrichtung Vorteile nur für 
Ausnahmsfälle, und sie erscheint nicht als nachahmungswert. Man 
beachte auch, daß die Wechselcöten die Geschäftslast der Direktoren 
nicht wenig vermehren; es ist gar nicht von Vorteil für die Schule, 
wenn die Vorstände ihrer eigentlichen Aufgabe, der Überwachung 
des Unterrichts, durch Bureaugeschäfte noch mehr entzogen werden. 



254 Hermann Granpner: 

SchnlliygieiLisclie Randbemerkungen zur Dresdner 
Sclinlansstellnng 1905. 

Von Hermann Graupner in Dresden. 

Gelegentlich der Hauptversammlung des Sächsischen Lehrer- 
vereius Michaelis 1905 in Dresden veranstaltete das Schulmuseum 
in Dresden in den Räumen der prächtigen städtischen Ausstellungs- 
halle eine Schulausstellung unter der Leitung des Lehrers 0. Leh- 
mann. Es ist bei einer solchen Veranstaltung selbstverständlich, 
daß eine Reihe beachtenswerter Erscheinungen auf unserm Gebiete 
zutage treten müssen, wenn sie modern genannt werden soll. Die 
Abteilung Schulhaus und Schulausstattung war bearbeitet von Ober- 
lehrer B. Lohmann und Lehrer H. Graupner. Das Dresdner Hochbauamt 
hatte in freundlichster Weise die Pläne für die neu zu errichtende 
24. Bezirksschule an der Haydnstraße zur Verfügung gestellt, um die 
Anforderungen an eine moderne Großstadtschule zu veranschaulichen. 
Waren nach den Plänen auf der L Deutschen Städteausstellung 11)03 
in den allermeisten Volksschulen unseres Reiches die Enabenhand- 
arbeitsräume, die Kochlehrküche und die Heizer wohnung im Keller- 
geschoß untergebracht, so hat man diese Räume und dazu den 
Zeichensaal bei der 24. Bezirksschule in das Dachgeschoß verlegt. 
Dadurch soll verhindert werden, daß die unvermeidlichen Dünste 
aus den genannten Räumen sich der Atemluft in den Schulzimmern 
beimengen. Infolge des reichlichen Platzes im Dachgeschoß können 
die Räume groß und bequem angelegt werden, zumal man Licht in 
Hülle und Fülle zur Verfügung hat, ein wesentlicher Vorteil für den 
Zeichensaal. Dieser kann nun zweckmäßig mit Oberlicht erhellt 
werden. Wie jedes andere Stockwerk hat auch das Dachgeschoß 
seine Abortanlagen, ebenso wenig fehlen selbstverständlich die erforder 
liehen anderen Nebenräume, Auf Waschküche, Vorratskammern usw. 
Durch den Ausbau erhält das Dach eine herrliche Gliederung, aber 
Erker und Giebel sind nicht nur äußerlich als Renommierflächen an- 
geklebt, nein, sie sind aus innerer Notwendigkeit hervorgewachsen. 
Solche Wahrheit ist gewiß bei einem Schulhaus auch ein erzieh- 
liches Moment! — Der Vorteil des ausgebauten Daches kommt den 
Anlagen im Keller zugute. Da dort jetzt nur die Lüftungs- und 
Heizungseinrichtungen und das Brausebad eingebaut werden, kann 
man diese groß und hell anlegen. In den düsteren Heiz- und Luft- 
räumen, wie wir sie noch bei den meisten Schulneubauten im Keller 
finden, ist die Reinigung sehr erschwert, so daß die Staubmengen mit 



Schulhygieniscbe liandbemerkangcn zur Dresdner Schulansstellung 1905. 255 

in die Luftschächte und Lehrzimmer gerissen werden. Ein anderer 
Teil des Staubes liefert auf den überhitzten Heizflächen ätzende 
Destillationsprodukte, welche dem Lehrer die Schleimhäute derart 
reizen, daß das Sprechen außerordentlich erschwert wird. Für Lehr- 
zimmer sind im Keller nicht die erforderlichen 10 Meterkerzen Licht 
zu schaflFen, da zwar der Einfallswinkel weit über 27® beträgt, da- 
für aber der Ofl&iungswinkel der sichtbaren Himmelsfläche tief unter 
das Minimum von 4® sinkt. Und Handfertigkeitsräume sind keine 
Werkstätten, sondern eben Lehrzimmer. — Die Turnhalle muß als 
Doppelhalle aus äußeren Gründen zum Teil ins Haus eingebaut 
werden. Durch eine Korkschicht wird sie schallsicher isoliert. Da 
alle Decken aus Eisenbeton hergestellt werden, wird das ganze Ge- 
bäude feuersicher. Die Schalleitung wird auch hier durch Kork- 
platten verhindert. Auf diese wird eine Zementschicht als fugen- 
lose Unterlage für das Linoleum aufgetragen. 

Um den Schülern den Sinn für das Schöne zu schärfen, erhält 
das Innere eine farbenfreudige Ausgestaltung. Kindlich naive Wand- 
friese sollen dem Schüler die Räume heimisch machen. Welch ein 
Gegensatz zu den Schulzimmem der früheren Zeit, wo man sich 
kaum getraute, einen Kantenstrich um die Wände zu ziehen, weil 
man glaubte, die Kinder zu zerstreuen. Heute aber ist unsere Lehr- 
weise so ausgebaut, daß jeder Lehrer gern mit seiner kleinen Schar 
in ein mit bunten Bildern geschmücktes Zimmer zieht. Je mehr 
man den düsteren Geist aus der Schularbeit verbannte, um so mehr 
gewann man den Mut, das lebensfrohe Element auch äußerlich in 
den Schulräumen zum Ausdruck zu bringen. Als Beleuchtimg ist 
gemischtes indirektes Gasglühlicht gewählt. 

Der ausgestellte Schulplan ist der erste, der unter der Leitung 
des Herrn Stadtbaurates Erlwein entworfen worden ist. Dieser 
Name ist der Öffentlichkeit durch die Bamberger Bauten schon hin- 
reichend bekannt geworden. Es ist hochinteressant, wie die bei 
früheren Dresdner Schulbauten gesammelten guten Erfahrungen ver- 
schmolzen und durchgeistigt sind mit den Ideen des neuen Künstlers. 
Den Vorteil dieser glücklichen Verknüpfung hat die Schule, wir 
freuen uns des von ganzem Herzen! 

Eine Anzahl preisgekrönter Baupläne von Landschulen zeigte 
uns, daß auch diesen unsere modernsten Erfolge in Bautechnik, 
Hygiene und Ästhetik zugute kommen können, ohne daß die Kosten 
wesentlich höhere werden, wenn die Erbauer wirkliche Meister auf 
ihrem Gebiete sind. Dazu gehört aber erstens ein gründliches 
Studium und zweitens umfangreiche, praktische Erfahrung. Bei 



256 Hermann Graupner: 

einem großen Teil der neuen Dorfschulhäuser treten alte Mängel 
immer wieder auf^ weil man aus Sonderinteressen ^ denen eine ge- 
wisse Berechtigimg oft gar nicht abzusprechen ist^ Bauleute mit 
dem Schulbau betraut, die der Aufgabe nicht gewachsen sind. Es 
fehlt an der Routine. Ein paar Generationen des gesamten Ortes 
haben dann im zarten Alter die hygienischen Mängel und imprak- 
tischer Einrichtungen auszukosten. Und nicht selten wird durch 
das unschöne Äußere auch noch das ästhetische Empfinden der Be- 
wohner abgestumpft. Um so freudiger ist es darum zu begrüßen, 
wenn gewisse Baufirmen den Schulbau zu ihrer Spezialität wählen, 
wie die Architekten Gebr. Kießling in Kötzschenbroda. Sie hatten 
die Pläne der Schulen von Kötzschenbroda, Naundorf, Lockwitz und 
Neugersdorf ausgestellt. Diese verrieten deutlich die Meisterschaft, 
mit der die genannte Firma die hygienischen, pädagogischen und 
ästhetischen Probleme gelöst und verschmolzen hatte. Beifall fand 
auch der Schulplan der Stadtgemeinde Hartha, wegen der reich- 
lichen Zumessung von Land zum Turnplatz, Spielplatz, Schulgarten 
mit Teich und Reliefnachbildung des heimatlichen Bodens. 

In den Kießlingschen Schulen sind die Aborte außerhalb des 
Gebäudes angelegt und mit überdecktem Gang verbunden. Die 
Dresdner Schulaborte sind dagegen ins Innere eingebaut. Darum 
erheischen sie eine ganz besondere Pflege. Die Wasserspülung 
ist häufig unzureichend, denn Wasser fließt in einzelnen Strähnen 
von oben herab und läßt zwischen denselbeo Felder, wo der Harn 
auf der großen Oberfläche schnell verdunstet und zerföUt, also 
stinkende Zwischenprodukte liefert. Dazu ist das Wasser kostspielig. 
Auch wenn für 1 cbm nur 12 Pfennige gezahlt werden, steigen doch 
die Unterhaltungskosten auf 80 —100 Mark im Jahre für ein Pissoir, 
denn auf 1 m Spülrohr muß man pro Stunde durchschnittlich 50 1 
Wasser rechnen. In Dresden hat man sehr gute Erfahrungen ge- 
macht mit den Pissoirölen. Gebrüder Beck, Dresden, hatten ein 
solches ausgestellt, eine Postsendung zu vier Mark. Nach umfang- 
reichen Versuchen mit Urinol hat sich gezeigt, daß die Pissoiröle 
nicht nur den Geruch besser beseitigen als Wasser, sondern auch 
nicht einmal 50% der Kosten verursachen. In einer Dresdner Schule 
sind in einem Jahre 740 Mk. durch Ol- statt Wasserverbrauch ge- 
spart worden. Je 1 qm Fläche kostet durchschnittlich drei Mark 
im Jahre im Anstrich zu unterhalten. Wo man keine Wasser- 
spülung hat, sind Pissoiröle natürlich erst recht am Platze. Einen 
anderen modernen Anstrich bieten die Fußbodenöle mit ihren 
verschiedenen Namen. Den Besuchern veranschaulichte ich ihre 



SchulhygieniBche Handbemerkungen zur Dresdner SchulauBstellung 1905. 257 

Wirkung an einem Reißbrett aus Lindenholz^ das zur Hälfte geölt, 
zur Hälfte trocken war. Jede Seite wurde mit 4 gr Schulstaub be- 
streut, imd nun konnte jedermann den trocknen Staub bei der Be- 
rührung mit einem Pinsel in Wolken aufsteigen sehen, während die 
Staubteile von der geölten Fläche unter sich verbunden schwer auf 
dem Boden lagen. Wie lange diese Bindung anhält, zeigten zwei 
Petrischalen mit Kehrichtproben aus zwei Zimmern, welche vor 
6 und 12 Wochen geölt waren. Zum Vergleiche stand eine Schale 
mit Kehricht aus einem Zimmer, das man vor 6 Wochen mit Firnis 
gestrichen hatte. Dieser Staub zeigte vollständig mehlige Struktur, 
ganz wie der aus Zimmern ohne jeden Anstrich. Dazu kommt, 
daß der Preis für viermaliges Bestreichen mit Öl im Jahre pro qm 
nur 12 Pfennige beträgt, gerade soviel wie einmal Streichen mit 
Firnis. Wir verwenden das Fußbodenöl von Kohl, Dresden-A. Ich 
beschreibe etwas ausführlich die Art, wie man die Wirkung ver- 
anschaulichen kann, da ich nach langen methodischen Beobach- 
tungen und bakteriologischen Versuchen zu der Meinung kommen 
mußte, daß der tatsächliche Wert des Staub -Öles nicht genau am 
Bakteriengehalt der Luft gemessen werden kann. Letzterer ist zu 
einem großen Teil abhängig von den sehr keimreichen Staubmassen 
aus den Kleidern der Kinder und aus den toten Winkeln und Ritzen 
der Bänke usw. Das Öl aber übt seine Wirksamkeit nur an dem 
bakterienärmeren Fußbodenstaub aus. Dieser ist aber durch seine 
scharfkantigen und spitzen mineralischen Bestandteile der ftlr die 
Schleimhäute gefährlichere. 

Die Wichtigkeit des Schulbades wurde durch einen bakte- 
riologischen Versuch des Herrn Schularztes Prof. Dr. Nowack illu- 
striert. Je nachdem das Kind täglich, wöchentlich oder nur selten 
einmal geduscht wurde, fanden sich im Badewasser 1,4 — 8,2 — 32,0 
Millionen Keime. Diese müssen wir doch mindestens als Luftver- 
derber bezeichnen, da sie Fäulnisprozesse auf der Haut und so den 
„Menschengeruch", „Armeleutegeruch" verursacheu. 

Neben einer Zahl bekannter Apparate zur Bestimmung der 
Kohlensäure und Feuchtigkeit der Schulluft hatte A. Rodenstock, 
Dresden (Schloßstr.), ein Humidometer ausgestellt, ein Haarhygro- 
meter, welches direkt ablesen läßt, wieviel Gramm Wasser in 1 cbm 
Luft enthalten sind, also die absolute Feuchtigkeit. Der „Taupunkt- 
messer" zeigt direkt den Taupunkt an, also den Temperaturgrad, von 
welchem an die vorhandene Feuchtigkeit ausfallen würde. Außer- 
dem baut die Firma Hygrometer auch zur Feststellung der relativen 
Feuchtigkeit nach Laniprechts Prinzip. Die.se Apparate werden in 



258 Hermann Graupner: 

den näcbsten Jahren um so mehr Bedeutung erlangen, als Flügge und 
Nußbaum imd ihre Anhänger recht behalten, daß die Schädlichkeit 
der Zimmerluft weniger von den ausgeatmeten Gasen, als von der 
hohen Temperatur und dem großen Feuchtigkeitsgehalt der Luft ab- 
hängig ist. Die neue Ansicht ist zwar fiir die Beurteilung der Luft 
von hoher Bedeutung, aber ventiliert muß nach wie vor reichlich 
werden. Georg Rosenmüller, Dresden (Hauptstr.), hatte sehr empfind- 
liche Anemometer ausgestellt, von denen manche eine Luftströmung 
von 7 m Geschwindigkeit in der Minute schon anzeigten. Andere 
sind so konstruiert, daß man die Luftbewegung innerhalb des Schachtes 
messen kann, die Ablesung aber außen erfolgt. 

Zur Beurteilung der Platzhelligkeit auf den Schultischen 
haben wir heute ein prächtiges Hilfsmittel im Wingenschen „Hellig- 
keitsprüfer'^, der sich in den Dresdner Schulen infolge seiner ein- 
fachen Handhabung viele Freunde erworben hat und auch auf der 
Ausstellung allenthalben imponierte. Er ermöglicht, daß man in 
wenig Minuten feststellen kann, welche Kinder mit unzureichendem 
Licht unter 10 Meterkerzen (in Rot) arbeiten müssen, und welche 
die wünschenswerte LichtstiLrke von 50 Meterkerzen auf ihrer Schreib- 
unterlage haben. Durch Verbesserung der Fenster, Umstellung der 
Bänke, Nichtbesetzung der gefährlichen Plätze, durch häufigeren 
Wechsel der Kinder von den hellen und dunklen Reihen usw. könnte 
viel Unheil auch in alten Schulen vermieden werden, wenn man sich 
auf exakte Weise einmal von der Minderwertigkeit der Beleuchtung 
überzeugt hätte. Darum kein Schularzt und keine hygienische Schul- 
revision ohne Helligkeitsprüfer! Das optische Institut von A. Krüß, 
Hamburg, liefert den Apparat für 31 Mk. Von gleicher Dauerhaftig- 
keit und Handlichkeit ist auch der nach Wingen gebaute „Be- 
leuchtungsmesser" derselben Firma (60 Mk.). Durch Einschiebung 
von Rauchgläsern kann die Helligkeit der Arbeitsplätze von 10 — 500 
Met^rkerzen festgestellt werden, und zwar in der roten und grünen 
Quote. Eine einfache Berechnung läßt dann die Gesamthelligkeit 
auffinden. 

Die Benzinmaßlampe ist mit einem optischen Flammenmesser 
versehen. Die Arbeit mit dem Apparat ist äußerst bequem und 
einfach, und das ist notwendig, wenn das praktische Leben wirk- 
liche Vorteile ziehen soll aus den wissenschaftlichen Errungenschaften 
auf dem Gebiete der Photometrie. 

Die Schulbänke waren geliefert von P. Jobs. Müller & Co. in 
Charlottenburg und Lickroth & Co., Niedersedlitz. Lickroth hat eine 
neue Mittelholmbank mit Holz und Eisengestell konstruiert, die 



Schulhygienische Randbemerkungen zur Dresdner Schul ausstellung 1905. 259 

„seh wellenlose Kombinationsschulbank". Es ist interessant, wie 
schnell das Prinzip^ welches Zahn in Deutschland vor einigen Jahren 
eingeführt hat, praktisch und ästhetisch ausgebaut wurde. Der ge- 
schweifte eiserne Mittelholm ist ganz unauffällig und läßt eine Aus- 
wechslung der Banknummem nach Bedarf zu. Obgleich ganz auf 
die Seitenstollen verzichtet ist, hat die Bank einen durchaus festen 
Stand. Der Boden wird durch möglichste Weglassung aller ver- 
deckenden Teile dem Auge und dem Besen zugänglich. Auch das 
Pußbrett, das nach Wunsch angebracht wird, ist aufklappbar. Die 
kleinsten Banknummem machen die Benutzung des Fußbrettes 
wünschenswert, da gerade der Lehrer sich zu den kleinsten Kindern 
am häufigsten hinabbeugen muß, was sehr beschwerlich bei Nr. I, 
für Kinder unter 110 cm, ist. Die Tischfläche ist dort nur 46 cm 
über dem Fußboden. Die Kinder haben dann unter mittlen Ver- 
hältnissen den Blick zum Auge des Lehrers nach meinen Fest- 
stellungen ca. 32^^) zu heben, bei Verwendung eines Fußbrettes von 
20 cm Höhe aber nur ca. 26®. Voraussetzung ist ein Lehrer von 
168 cm Größe, dessen Auge 175 cm horizontal vom Auge des Schülers 
entfernt ist, und der auf einem Tritt von 25 cm steht. Der Blick 
steil nach oben ist aber als Dauerhaltung sehr lästig. Lickroth hat 
nach Patent Christa eine andere Bank zum Umlegen eingerichtet, 
so daß die Bänke durch ein Chamier nicht am Boden, sondern unter 
sich befestigt sind. Das System Rettich (P. Jobs. Müller & Co.) 
hatte als Neuheit die Wechselschiene, welche ebenfalls die Bänke 
nur unter sich verbindet, also nicht mehr an den Boden angeschraubt 
wird. Die Bänke sind leicht auswechselbar, und die Kolonnen können 
beliebig verlängert und verschoben werden. Auch eine schweUen- 
lose Bank „Albis" hatte diese Firma ausgestellt, bei der Sitz und 
Tisch durch einen Holm, nicht aber die Bänke untereinander ver- 
bunden sind. 

In vielen Schulen muß der Zeichensaal auch zu Schulfeiern, 
Chorsingen, Lichtbildervorführungen usw. verwendet werden, für diese 
Verhältnisse hat P. Jobs. Müller die Zeichentische so gebaut, daß 
sie in Sitzgelegenheiten umgewandelt werden können. Statt 60 Kinder 
würden z. B. dann 160 einen Sitzplatz finden. Großer Zustimmung 
konnte sich sein Stuhl mit Armlehne erfreuen, der auf der rechten 
Seite eine Schreibstütze für den Arm bietet und einen überaus be- 
quemen Sitz gewährt; für Zuhörer im Unterricht wichtig. 

Wie in den Dresdner Schulen die Bankgrößen auf die einzelnen 

1) Also % der Maxiuialleistung deB Auges von ca. öO**. 



260 



Hermann Giaupner: 



Schuljahre zu verteilen sind, zeigten graphische Darstellungen^ die 
wir auf Grund einer Messung von 57000 Schulkindern entworfen 
hatten. In den Bürgerschulen sitzt das vornehmere Fünftel der 
Kinder ; in Bezirksschulen die minderbemittelten vier Fünftel, und 
diese sind im Durchschnitt ein Jahreswachstum hinter den ersteren 
zurück. Darum brauchen beide Schularten verschiedene Zusammen- 
setzung, wenn jedem Kinde ein geeigneter Sitz gewährt werden soll. 
Die nachstehenden Tabellen sind nicht die reinen Durchschnitte, sondern 
sie sind auch aus praktischen Rücksichten mit aufgestellt. Es ist 
nicht zu umgehen, daß dann und wann eine Bankgröße je nach dem 
Bedürfnis ausgetauscht werden muß. Warnen möchte ich aber vor 
direkter Annahme unserer Zusammensetzung in anderen Städten, 
die Verhältnisse sind nach Ilasse, sozialer Schicht usf. immerhin 
recht verschieden und können nur lokal durch eine besondere Messung 
klar gelegt werden. Bank Nr. I, für Kinder unter 110 cm, existiert 
in den meisten Schulen nicht, und doch sind über 307o ^^^ Kinder 
in der Mitte des ersten Schuljahres noch unter 110 cm groß. 



Verteilung der Bänke auf die einzelnen Sohuljahre (in om) 

a) in Bürgerschulen (ä Klasse 40 Kinder). 



Schul- 



I 



n 



m 



IV 



jähr '; —109 jllO— 119 j 120— 129 130— 139 
1. 2 9 



3. 

4. 
5. 
6. 

7. 
8. 



6 

' 9 
9 
6 

I 2 



VI 



140- 149 



VII 



150—169, 160- 



b) in Bezirksschalcn (ä Klasse 50 Kinder). 



3. 

4. 
5. 
6. 
7. 
8. 



4 


15 


6 








1 2 


12 


10 


1 






4 


15 


6 








2 


10 


11 


2 








4 


15 


6 








2 


10 


11 


2 








6 


12 


7 








2 


9 


11 



Als wichtige Neuheit ist die „Schulbank für gebrechliche Kinder'* 
zu bezeichnen, die von Lickroth & Co. in Niedersedlitz nach An- 
gaben der Dresdner Abt. für Schulgesundheitspflege ausgeführt worden 
ist. Jene unglücklichen Kinder sind jetzt meist auf Bänken unter- 
gel)racht, die ihren Kiirperproportiouen gar nicht entsprechen. Diese 



Schulhygienische Randbemerkungen zur Dresdner Schulausstellung 1905. 261 

einsitzige Schulbank bemüht sich, dem Übelstand zu begegnen, in- 
dem sie eine Verstellbarkeit in all ihren Abmessungen zuläßt. Die 
Distanz wird durch horizontale Verschiebung der Seitenstollen und 
des Sitzes, sowie durch Aufklappen der Tischplatte verändert. Die 
senkrechten Änderungen vollziehen sich am Tisch, am Sitz, am Fuß- 
brett und an der Lehne. Durch Radmuttem können die Teile dann 
bequem festgestellt werden. Ist kein gebrechliches Kind in der be- 
treffenden Schule, so wird die Bank von einem gesunden Kinde be- 
nutzt, denn sie bietet Sitzgelegenheit für Kinder von 100 — 170 cm 
Größe. Der Preis betragt 45 Mk. Da die Bank nur in wenigen 
Exemplaren für eine Schule anzuschaffen ist, also nicht als einträg- 
licher Massenartikel angesehen werden kann, hat sich die Firma 
Lickroth ein Verdienst um die praktische Schulhygiene durch ihre 
Herstellung erworben. 

Um den ersten Leseunterricht möglichst zu erleichtern, hat 
E. Klemm in Chemnitz eine kleine Handlesemaschine (3 Mk.) und 
ein Schullesekästchen (65 Pfg.) gebaut. Die Buchstaben haben eine 
Orundstrichhöhe von 28 mm. Jeder von ihnen ist für das Kind 
nicht ein bloßes Zeichen, sondern ein Gegenstand, mit dem es han- 
tieren kann. Das Zusammensetzen und Auseinandernehmen der Buch- 
staben braucht es nun nicht bloß im Kopfe vorzunehmen, sondern 
die Analysen und Synthesen werden mit den eignen Fingern aus- 
geführt. Diese Betonung des motorischen, manuellen Elementes ist 
ganz besonders für schwache Schüler von Wichtigkeit. Sie müssen 
erst mit den Händen „begreifen^', ehe sie im Geiste einen „Begriff** 
von der Tätigkeit bekommen. Dabei wird das starre Fixieren mit 
den Augen auf ein Minimum reduziert. Eine wesentliche Verminde- 
rung der Naharbeit gewähren auch die zahlreichen Anschauungs- 
mittel filr die weiblichen Handarbeiten, ich greife nur die Drever- 
hoffschen heraus. Den Schülerinnen werden die Gewebe aus Fäden 
von 14 mm Dicke vorgeführt; an ihnen lernen sie das gegenseitige 
Lagenverhältnis der Fäden kennen, wie es sich darstellt beim Stricken, 
Flicken, Stopfen, Wächezeichnen, Nähen usw. In den meisten Schulen 
werden die Mädchen heute veranlaßt, ihre ersten oft zu wiederholen- 
den Übungen an Stoffen vorzunehmen von 0,28 mm Fadendicke. Was 
ist da das Lesen, gegen eine derartige, stundenlang fortgesetzte Tätigkeit. 

Auch alle übrigen Abteilungen zwangen dem Beschauer die 
Überzeugung auf, daß trotz der Steigerung, die unser Kulturleben 
täglich erfährt, die Schule auch in Zukunft in der Lage sein wird, 
den Schüler zu befähigen, daß er sich auch an diese verwickelten 
Verhältnisse anzupassen versteht, ohne körperlich und geistig zu- 

Gesunde Jagend. V. 11/12. 18 



262 Herrn. Graupner: Schnlhyg. Randbem. z. Dresdner SchnlauBstellnng 1906. 

sammenbrechen zu müssen. Erhielt der Schüler früher fast nur Ge- 
hörseindrücke im Unterrichte; so erfahren diese heute eine sehr wichtige 
Er^nzung durch das Auge. Methodik und Technik haben billige 
Bilder von hohem künstlerischen Wert geschaffen und Apparate von 
oft verblüffender Einfachheit. Wie spielend heute auch dem unter- 
mittelmäßigen Kinde die physikalischen Gesetze nahe gebracht wer- 
den können, zeigte die Apparatensammlung von Oberlehrer Frey er. 
Der größte Teil der Versuche kann zu Hause nachgemacht werden. 
Die Apparate reizen dazu, denn Kinderspielzeuge, Glasstücken, Kon- 
servenbüchse, Fahrradpumpe und ähnliches bilden einen wesentlichen 
Bestandteil. — Bei der Entwicklung der Kreisformeln hat man z. B. 
heute für die Schwächlinge keine großen Beweise und Konstruktionen 
mehr nötig, sondern das Kind kann spielend die Fläche eines hölzernen 
Kreises in die eines Rechteckes verwandeln, mit dem halben Umfang 
als Grundlinie und dem Radius als Höhe (Brauns, Kreisberechner). 
An die herrlichen Lehrmittel für den natur- und menschen- 
kundlichen Unterricht sei nur kurz erinnert. Bei dem Thema 
„Frosch" z. B. wird das Tier nicht nur lebendig und in verschiedenen 
Entwicklungsstadien prächtig präpariert zur Yeranschaulichung heran- 
gezogen, sondern auch die Tiere und Pflanzen, die für sein Leben 
von Wichtigkeit sind. Der Unterricht selbst zeigt nun, wie Form 
imd Lebensäußerungen des Tieres vollkommen abhängig sind von 
der umgebenden Natur. Diese Wechselbeziehung bringen auch die 
vielen billigen, zum größten Teil künstlerisch wertvollen Abbildungen 
zum Ausdruck. Auf den früheren Bildern sind meist eine große 
Anzahl Objekte nebeneinander gestellt, die in der Natur nichts mit- 
einander zu tun haben. Wenn beim heutigen Verfahren aber die 
Anschauungsmittel selbst energische Anstöße zu psychischen Ver- 
bindungen geben, so ist das wichtig für die Hygiene des Seelen- 
lebens, denn je fester und verzweigter das Gewebe der einzelnen Vor- 
stellungsmassen gewirkt ist, um so schwerer kann es von den Stürmen 
des Lebens zerrissen werden. 



Mitteilungen ans dem Zentralverein. 263 

IL Mitteilungen aus dem Zentralverein. 



Programm und Tagesordnung 

der VII. Jahresversammlung des Deutschen Vereins für Schulgesund- 
heitspflege am 6. und 7. Juni 1906 in Dresden. 

Für den Besuch der Versammlung wird eine Teilnehmerkarte im 
Betrage von 3 Mk. ausgefertigt, die auch zum einmaligen freien Ein- 
tritt in die Kunstgewerbe-Ausstellung berechtigt. 

Dienstag, den 5. Juni: Von morgens 8 Uhr an ist das 
Empfangsbureau in der Realschule Seevorstadt (Vitzthumstraße 4) 
geöfiiiet. Dort werden Anmeldungen entgegengenommen und Mit- 
gliederkarten ausgefertigt. Das Personal des Empfangsbureaus ist, 
ebenso wie das Komitee, durch grünweiße Rosetten kenntlich gemacht. 

Abends von 8 Uhr ab Empfang im Weißen Saale des Restau- 
rants „Drei Raben", Marienstraße 20. Mitgliederkarten müssen am 
Eingang vorgewiesen werden. 

Mittwoch, den 6. Juni, vormittags 8 — 9 Uhr: Besichti- 
gungen der neuesten Schulgebäude, der I. Bürgerschule und der be- 
nachbarten 9. Bezirksschule. Treffpunkt am Gebäude der L Bürger- 
schule, Georgplatz 5. 

Vormittags 97^ Uhr: Eröffnung der Versammlung in der Aula 
der Realschule Seevorstadt, Vitzthumstraße 4. 
. a) Begrüßungsansprachen, 
b) Vorträge. 

1. Die Waldschulen. Ref.: Stadtschulrat Dr. Neuf er t- Char- 
lottenburg. 

2. Der Stand der akademisch gebildeten Lehrer und die Hygiene. 
Medizinischer Ref.: Nervenarzt Dr. med. R. Wichmann- 
Bad Harzburg. Pädagogischer lief: Realgymnasial-Ober- 
lehrer Dr. Le Mang -Dresden. 

Abend 77^ Uhr: Festessen im Kgl. Belvedere auf der Brühischen 
Terrasse. (Das trockene Kuvert 4 Mk.) 

Donnerstag, den 7. Juni, vormittags 8 — 9 Uhr: Besichti- 
gung des Güntzbades, Eibberg 3. 

Vormittags 8 Uhr: Geschäftssitzung in der Aula der Realschule 
Seevorstadt, Vitzthumstraße 4. 

a) Jahresbericht. 

b) Rechnungsablage. 

18* 



264 Mitteilnngen aus dem Zentralverein. 

c) Arbeiten der Kommissionen. 

d) Unvorhergesehenes. 

Vormitt^s 9^4 Uhr: Vortrage daselbst. 

1. Hausaufgaben. Medizinischer Ref.: Medizinalrat Dr. Berger, in 
Remscheid. Pädagogischer Ref. für höhere Schulen: Ober- 
lehrer Karl Roller-Darmstadt, pädagogischer Ref. ffir 
Volksschulen: Lehrer Schanze-Dresden. 

2. Waschgelegenheiten in den Schulen. Eine Forderung der Schul- 
und Volksgesundheitspflege. Referent: Stadtverordneter Dr. med. 
Hopf- Dresden. 

Nachmittags 3 Uhr: Besichtigung des staatlichen Fernheiz- 
werkes; des Haideparkes und des Volkswohls. 

Nachmittags 5 Uhr: Führung durch die Kunstgewerbe -Aus- 
stellung. Auf Wunsch kann auch unter Führung des Herrn Oberarztes 
Dr. med. Flachs eine Besichtigung des Säuglingsheims stattfinden. 

Abends 8 Uhr: Abschiedsfestlichkeit, dargeboten von der 
Stadt Dresden im Restaurant des Ausstellungsgebäudes. 

Vorschriften für die Herren Diskussionsredner. 

Jeder der Herren, die sich an der Diskussion beteiligen wollen, 
wird gebeten zugleich mit der Meldung zum Worte seine Karte 
dem Vorsitzenden zu überreichen. Er wird dringend aufgefordert, 
sofort nach Beendigung seiner Rede den Inhalt derselben aufzu- 
zeichnen und dem Schriftführer zu übergeben. 

Ein Redner, der sich für die Diskussion zum ersten Male 
meldet, soll nicht mehr als 10 Minuten, ein solcher der sich zum 
zweiten Male meldet, nicht mehr als 5 Minuten sprechen. 

Während der Versammlung findet in dem Gebäude der 9. Be- 
zirksschule (Georgplatz 4) eine Ausstellung von schulhjgienischen 
Gegenständen statt. 

Die Generaldirektion der Königlichen Sammlungen für Kunst 
und Wissenschaft gewährt den Teibiehmern an der VII. Jahres- 
versammlung des Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege für 
die Tage vom 5. bis mit 7. Juni gegen Vor weis der Teilnehmerkarte 
freien Zutritt in die Königlichen Sammlungen, mit Ausnahme des 
Grünen Gewölbes, wo ein um die Hälfte ermäßigter Eintrittspreis 
von 50 Pfg. zu erlegen ist, und jedesmal zwei Personen eine Karte 
zu 1 Mk. zu lösen haben. 

Vorausbestellung von Wohnungen für die Teilnehmer der Ver- 
sammlung wird, bei dem starken Fremdenverkehr in Dresden, dringend 



Mitteilungen aus deiu Zentral verein. 265 

angeraten. Der Vorstand des Dresdener Ortsausschusses (zu adres- 
sieren: Herrn Stadtschulrat Professor Dr. Lyon, Dresden-A., Breiten- 
straße 7, 11) wird hierauf bezügliche Anfragen und BesteUungen er- 
ledigen. Anmeldungen werden bis zum 26. Mai erbeten. 

Hotelzimmer sind für den Preis von 2 Mk. 50 Pfg. an zu haben. 

Der Vorstand des Deutschen Vereins fär Schulgesund- 
heitspflege. 
Vorsitzender: Prof. Dr. med. et phil. H. Griesbach, Mülhausen i. Eis. 
Beisitzer: Dr. med. Ludwig Bauer, Arzt und Dozent für Hygiene 
a. d. techn. Hochschule in Stuttgart; Geh. Oberbaurat Delius, Vor- 
tragender Rat im Kgl. Preuß. Ministerium der öffentlichen Arbeiten, 
Berlin, L stellvertretender Vorsitzender; Prof. Dr. med. Arthur Hart- 
raann-Berlin; Dr. med. M. Eorman, Arzt, Leipzig, Schriftführer in den 
Jahresversammlungen; Oberbürgermeister Müller, Mitglied des preuß. 
Herrenhauses, Kassel; Sanitätsrat Prof. Dr. F. A. Schmidt-Bonn; Ge- 
meinderat Stockmeyer- Stuttgart; Kgl. Schulrat und Stadtschulrat 
Dr. Wehrhahn-Hannover, IL stellvertretender Vorsitzender. Schatz- 
meister: R. Quelle, Prokurist der Verlagsbuchh. B. G. Teubner, 
Leipzig. Geschäftsführer: A. Diemunsch- Mülhausen im Elsaß. 

Der Ortsausschuß. 
Oberbürgermeister Geh. Finanzrat a. D. Beutler als Ehrenvorsitzen- 
der; Stadtrat Fischer als Vorsitzender; Stadtrat Dr. May als steUv. 
Vorsitzender; Stadtschulrat Professor Dr. Lyon, Vorsitzender des ge- 
schäftsführenden Ausschusses; Ministerialdirektor Geh. Rat Dr. Dr. 
ing. Waentig im Kgl. Kultusministerium; Ministerialdirektor Geh. Rat 
Merz im Kgl. Ministerium des Innern; Geh. Schulrat Dr. Kühn im 
Kgl. Kultusministerium; Geh. Schulrat Dr. Müller im Kgl. Kultus- 
ministerium; Geh. Schulrat Dr. Seeliger im Kgl. Kultusministerium; 
Generalarzt Dr. Müller, Chef der Medizinalabteilung im Kgl. Kriegs- 
ministerium; Oberbaurat Karl Schmidt im Kgl. Finanzministerium; 
Geh. Medizinalrat Prof. Dr. Renk; Regierungsrat Dr. Fischer, Kgl. 
Polizeidirektion; Kgl. Baurat Trautmann; Oberschulrat Dr. Preil, 
Direktor des Kgl. Lehrerseminars in Dresden -Fr.; Geh. Medizinalrat 
Dr. Niedner, Stadtbezirksarzt; Obermedizinalrat Dr. Hesse, Bezirks- 
arzt; Schulrat Fink, Kgl. Bezirksschulinspektor; Schulrat Dr. Prietzel. 
Kgl. Bezirksschulinspektor; Schulrat Dr. Lange, K^l. Bezirksschul- 
inspektor; Stadtrat PI ö tue r; Stadtbaurat Erl wein; Stadtverordneten- 
Vize Vorsteher Hofrat Dr. med. Battmann; Stadtverordneter Dr. med. 
Opitz, Stadtverordneter Dr. med. Hopf; Stadtverordneter Dr. med. 



266 Mitteilungen ans dem Zentralverein. 

Graupner; Stadtverordneter Dr. phil. Vogel; Stadtverordneter Hof- 
rat Dr. Haenel; Geh. Kommerzienrat Lingner; Oberstudienrat Prof. 
Dr. Örtel, Rektor an der Annenschule; Direktor Prof. Dr. Schöpke; 
Direktor Prof. Dr. Döhler; Direktor Dr.Friedrich, Freimaurer-Institut; 
Gymnasial- Oberlehrer Prof. Dr. Weidenbach; Prof. Dr. Nowack, 
Wohlfahrtspolizeiarzt; Hofrat Dr. med. Behrens; Oberarzt Dr. Fritz 
Förster; Oberarzt Dr. Flachs; Professor Dr. med. Schloßmann; 
Dr. med. Otto Kaiser; Dr. med. 0. Kretschmar, Vorsitzender des 
ärztlichen Bezirks Vereins; Realgymnasial - Oberlehrer Fleischer; 
Direktor Knöfel, I. Bürgerschule; Direktor Eberth, H. Bürgerschule; 
Direktor Bergmann, 4. kathol. Bezirksschule; Oberlehrer Lohmann; 
Lehrer Sattler, Vorsitzender des Dresdner Lehrervereins; Lehrer 
Züllchner, Vorsitzender des Dresdner Tumlehrervereins; Lehrer 
Theodor Fischer; Lehrer Hermann Graupner; Lehrer Oskar 
Lehmann; Lehrer Gustav Schanze; Redakteur Irrgang; Ober- 
lehrer Laube; Lehrer Dr. Richard Laube; Lehrer Arthur Ulrich. 

Leitsätze 
zu den Vortrag: Die Waldschulen*) 
Referent: Stadtechulrat Dr. Neufeit-Charlottenburg. 

Zu dem Vortrag: „Der Stand der akademisch gebildeten Lehrer und 

die Hygiene". 

1. Medizinischer Referent: Dr. med. Wichmann-Harzburg. 

,,Die Schulhygiene muß für alle Kandidaten des höheren Schulamtes ein 
Fach des akademischen Studiums bilden.'' 

"2. Pädagogischer Referent: Dr. Le Mang-Dresden. 

1. Durch die neue Welt«tellung Deutschlands und den Gang seiner kultu- 
rellen Entwicklung, die bedeutende Veränderungen in unserer höheren Schule 
hervorgerufen haben, sind auch ihre erzieherischen Aufgaben und damit die 
pädagogischen Pflichten der akademisch gebildeten Lehrer gewachsen. 

2. Die Erfüllung dieser Aufgaben und Pflichten ist dem Lehrer ohne 
Kenntnis der Sehniges undheitslehre nicht möglich, die ihn in doppelter Weise 
auf seine Beruf vorbereitet. 

3. Die Schulgesundheitslehre befähigt den Lehrer, die geistige und körper- 
liche Entwicklung der Jugend wirksam zu fördern, Schäden ihr fernzuhalten, 
krankhafbe seelische und körperliche Zustände zu erkennen und richtig zu be- 
handeln. 

4. Ihre Kenntnis ermöglicht es dem Lehrer, sich selbst vor Schädigungen 
zu schützen, die Berufskrankheiten zu meiden und zu bekämpfen und wichtige 
Standesforderungen zu begründen. 



1) Die Leitsätze waren der Redaktion bis zur Fertigstellung des Heftes 
zuireffanKen. Red. 



nicht zugegangen. Red. 



MitteiluDgen aas dem Zentralyerein. 267 

5. Ans allen diesen Gründen muß die Schalgesundheitslehre als not- 
wendiger Bestandteil der Berufsbildung für den akademisch gebildeten Lehrer 
in das Universitätsstadium aufgenommen werden. 

Es müssen besondere Lehrstühle für dieses Fach errichtet werden, deren 
Inhaber medizinisch und pädagogisch geschult sind und in der Schulpraxis 
stehen. 

Zu dem Vortrag: ,,Hau8aufgaben^^ 

1. Medizinischer Referent: Medizinalrat Dr. Berger- Remscheid.') 

2. pädagogischer Referent für die höheren Schulen: Karl Roller, Ober- 
lehrer in Darmstadt. 

1. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß die Hausaufgaben ge- 
eignet sind, gesundheitliche Schädigungen der Schuljugend herbeizuführen. 

2. Desgleichen ist nicht zu lengnen, daß sie auch den Charakter der 
Kinder ungünstig zu beeinflussen vermögen. 

3. Trotz dieser Tatsachen darf die höhere Schule nicht auf Hausaufgaben 
verzichten. 

4. Pädagogik and Hygiene müssen deshalb in geeigneterer Weise, als dies 
gegenwärtig vielfach der Fall ist, darauf bedacht sein, den durch die Haus- 
aufgaben möglichen Schädigungen vorzubeugen. 

5. Zur Erreichung dieses Zieles vermögen Pädagogik und Hygiene Mittel 
zu bieten, die als Grundlage für eine Regulierung der Hausaufgabenfirage im 
Sinne von These 3 dienen können. 

3. pädagogischer Referent für Volksschulen: Lehrer Schanze- Dresden. 

1. Hausaufgaben in Volksschulen sind vom onterrichtlichen Standpunkte 
aus als entbehrlich anzusehen. 

2. Vom erziehlichen Standpunkt aus betrachtet, können sie ebenso sehr 
schaden als nützen. 

8. Ihre Beseitigung ist daher aus hygienischen Gründen zunächst für die 
vier ersten Schuljahre zu erstreben. 

4. Für die vier oberen Schulstufen ist die Beschränkung der Aufgaben 
auf ein sehr geringes Maß (täglich nicht über */, Stunde") wünschenswert. 

5. Dringend zu fordern ist die gänzliche Beseitigung sämtlicher Ferien- 
aufgaben. 

Zu dem Vortrag: „Waschgelegenheiten in den Schulen". 
Referent: Stadtverordneter Dr. med. Hopf- Dresden. 

1. Die Hygiene hat die Aufgabe, neben der Gelegenheit zum Baden auch 
für weitestgehende Einfflhrung von Gelegenheit zum Reinigen der Hände ein- 
zutreten. 

2. Ein häufiges Waschen der Hände ist eine Forderung der Ästhetik. 
Außerdem aber ist es eine grundlegende, gebieterische Forderung der Gesund- 
heitspflege, da die Hand des Menschen eines der hauptsächlichsten Dber- 
tragungsmittel ansteckender Ejrankheiten darstellt. 

8. Die Schaffung reichlicher Gelegenheit zum Händewaschen wird das 
Volk allmählich und unmerklich, aber um so sicherer hygienisch denken und 

1) Die Leitsätze waren der Redaktion bis zur Fertigstellung des Heftes 
nicht zugegangen. Red. 



268 Mitteilungen aus dem Zentralverein. 

empfinden lehren, vor allem, wenn Schule und Presse aufklärend, mithelfend 
einspringen. 

4. Die Behörden sind zu ersuchen, in allen behördlichen Neubauten 
^Schulen u. a.) f&r ausreichende Waschgelegenheit besorgt zu bleiben und jeden- 
falls keine Abortanlage ohne die entsprechende Gelegenheit zum Händewaschen 
unter fließendem Wasser (mit Seife und Handtuch) einzurichten. Auch werden 
die Behörden gebeten, auf dem Wege baupolizeilicher Handhabung in obigem 
Sinne, wenn angängig, auch bei der Baugenehmigung für PriTathäuser zu ver- 
fahren. Dies gilt besonders für Lokale, in denen viele Menschen verkehren, 
wie Gasthäuser, Hotels, Herbergen usw. 

5. In der Schule ist seitens der Lehrkräfte und der Schulärzte die Wich- 
tigkeit sowolil des Badens wie auch der häufigen Reinigung der Hände den 
Kindern eindringlich und systematisch vor Augen zu führen. 



Landesorganisationskomitees 

tur den IL Internationalen Schulhygienekougreß in London 1907. 

Herzogtum Braunschweig. 

I. Vorsitzender: Dr. Blasius, R., Professor, Braunschweig. 
U. Vorsitzender : Dr. W e r n i c k e , Professor, Oberrealschul direktor, Braunschweig. 

Mitglieder, 
von Aschen, Professor, Braunschweig. 
Dr. Beckhaus, Sanitätsrat, Physikus, Königslutter. 
Dr. Berkhan, Sanitiltsrat, Braunschweig. 
Dr. Clemens, Sanitätsrat, Schöppenstedt. 
Dr. Creite, Sanitätsrat, Physikus, Schöningen. 
Dr. Dahl, Professor, Gymnasialdirektor, BraunHchweig. 
Dr. Dahn, Professor, Braunschweig. 
Dr. Drewes, Schulrat, Gymnasialdirektor, Helmstedt. 
Dr. Ehrlich, Stadtoldendorf. 
Dr. Henking, Sanitätsrat, Braunschweig, 
von Horsten, Professor, Schuldirektor, Wolfenbüttel. 
Dr. von Holwede, Sanitätsrat, Braunschweig. 
Dr. Kaselitz, Schuldirektor, Gandersheim. 
Kielhorn, Hauptlehrer, Braunschweig. 
Dr. Klöppel^ Sanitätsrat, Physikus, Blankenburg a. H. 
Dr. Köhler, Sanitätsrat, Physikus, Hasselfelde i. H. 
Dr. Koch, K., Professor, Braunschweig. 

Dr. Koldewey, Oberschulrat, Gymnasialdirektor, Braunschweig. 
Dr. Koldewey, Lizentiat, Progymnasialdirektor, Bad Harzburg. 
Kremp, Direktor der berechtigten landwirtschaftlichen Schule mit Real- 
abteilung, Helmstedt. 
Krüger, Professor, Schuldirektor, Braunschweig. 
Dr. Lentz, Professor, Gymnasialdirektor, Holzminden. 
Oster loh, Stadtbaumeister, Braunschweig. 
Peters, Professor, Schuldirektor, Braunschweig. 



Mitteilungen aus dem Zentral verein. 269 

Pfeifer, Regierungs- und Banrat, Braunschweig. 

Philippson, Professor, Schuldirektor, Seesen a. K. 

Schaarschmidt, Professor, Schuldirektor, Braunschweig. 

Dr. Schütte, Abt, Konsistorialrat, Wolfenbuttel. 

Dr. Seulcke, Sanitätsrat, Physikus, Eschershauscn. 

Dr. T ach au, Professor, Schuldirektor, Wolfenbuttel. 

Dr. Viereck, Professor, Braunschweig. 

Dr. Wahnschaffe, Professor, Wolfenbüttel. 

Dr. Wichmann, Nervenarzt, Bad Harzburg. 

Wicke, Seminardirektor, Wolfenbüttel. 

Provinz Brandenburg. 
Vorsitzender; Prof. Dr. A. Baginsky, Direktor des Kaiser- und Kaiserin 
Friedrich-Kinderkrankenhauses, Berlin. 

Mitglieder. 
Prof. Dr. Eulenburg, A., Geheimer Medizinalrat, Berlin. 
Dr. med. Benda, Th., Nervenarzt, Berlin. 
Delius, Geheimer Baurat, vortragender Hat im Kgl. Preuß. Ministerium der 

öffentlichen Arbeiten Berlins. 
Dr. Ewald, Geheimer Medizinalrat, Berlin. 
Prof. Dr. Hartmann, Arthur, Berlin. 
Herzberg, Baurat, Berlin. 
Dr. Kemsies, Direktor, Berlin. 
Dr. Neufert, Stadtschulrat, Charlottenburg. 
Prof. Dr. med. Pagel, Berlin. 
Dr. Wehmer, Geheimer Medizinalrat, Berlin. 
Prof. Dr. Wychgram, Berlin. 

Provinz Sachsen. 
Vorsitzender: Pietzker, Gymnasialprofessor, Nordhausen. 

Mitglieder. 
Dr. Forstmann, Schularzt, Nordhausen. 

Dr. med. Kremser, Chef- Arzt des Sanatoriums für Lungenkranke, Sülzhagen. 
Neumann, Rektor, Teuchem. 

Provinz Hessen-Nassau. 
Vorsitzender: Dr. Heinemann, Medizinalrat, Kassel. 
Schriftfühler: Dr. med. Aisberg, Adolf. 

Mitglieder. 
Dr. Ahlborn, Schularzt, Kassel. 
Berninger, Lehrer, Wiesbaden. 
Bornmann, Stadtschulrat, Kassel. 
Dr. Cuntz, Fr., Wiesbaden. 
Dr. Dornblüth, Otto, Prankfurt a. M. 
Prof. Dr. Edinger, Frankfurt a. M. 
Dr. Hagen, Landrat, Schmalkalden. 
Prof. Dr. Kalle, Wiesbaden. 



270 Mitteilungen auB dem Zentralverein. 

Y. Kästner, Fräulein Julie, Eassel. 

Dr. Knabe, Oberrealschuldirektor, Marburg. 

Dr. Kölschtzky, Schularzt, Kassel. 

Dr. La quer, B., Wiesbaden. 

Dr. La quer, Leopold, Frankfurt a. M. 

Dr. med. Lieb ig, Hünfeld. 

Dr. Med er, Schularzt, Kassel. 

Prof. Dr. Müller, C. H., Frankfurt a. M. 

Müller, Oberbürgermeister, Kassel. 

Oberstadt, Medizinalrat, Langenschwalbach. 

Dr. Reuffurth, Schularzt, Kassel. 

Rosenzweig, Frau Adele, Kassel. 

Rotfeld, Frau Justizrat, Kassel. 

Dr. Rockwitz, Regierungs- und Medizinalrat, Kassel. 

Dr. Schwartzkopf, Sanitätsrat und Schularzt, Kassel. 

Prof. Dr. Victor, Marburg. 

Prof. Vo eller, KasseL 

Waesche, Frau Johanna, Kassel. 

Unterfranken (Bayern). 
Vorsitzender: von Gumppenberg, Freiherr, k. Kämmerer und Hegierungsrat, 

Würzburg. 
Schriilführer: Griebl, kgl. Kreisschulinspektor, Kreissoholarch. 

Mitglieder. 
Dr Dehlee, k. Hofrat, prakt. Arzt, Würzburg. 
Hammer, k. Gymnasialrektor, Würzburg. 

Dr. Hofmann, kgl. Bezirksarzt und Oberstabsarzt der Landwehr, Würzburg. 
Königsbauer, kgl. Seminardirektor, Würzburg. 

Krück, k. Oberstudienrat und Rektor des k. Realgymnasiums, Würzburg. 
Dr. Lehmann, ö. o. Professor der Hygiene an der Universität Würzburg und 

Vorstand des hygien. Instituts. 
Ringelmann, rechtsk. Bürgermeister der Stadt Würzburg. 
Dr. Schmitt, k. Kreismedizinalrat, Würzburg. 
Ullrich, städt. Schul rat, k. Gymnasialrektor, Würzburg. 
Dr. Zipperer, Wilh., k. Gymnasialrektor, Würzburg. 

Großherzogtum Sachsen-Weimar. 
Vorsitzender: Dr. med. Kreiß, Schularzt, Weimar. 

Mitglieder. 
Dr. med. Drossel, Saalfeld. 
KnÖfler, Taubstummenlehrer, Weimar. 

Langlotz, Direktor der Blinden- und Taubstummenanstalt, Weimar. 
Leder er, Bürgermeister, Ruhla. 
Dr. med. Michael, Schularzt, Ilmenau. 
Dr. med. Münzel, Schularzt, Weimar. 
Pabst, Geh. Reg.-Rat, Oberbürgermeister, Weimar. 
Steinmetz, Rektor, Weimar. 
Trüper, Direktor der Sophienhöhe, Jena. 



Aus Kongresflen und Vereinen. 271 

Nene Mitglieder. 

1586 Darmstädter Pädagogium, Direktion M. Elias, Darmstadt, Hochstraße. 

Fahrenbach, Dr. med., Arzt, Rixheim, Oberelsaß. 
Kaupe, Dr. med., Kinderarzt, Bonn. 
Kraft, Dr., A., Zürich, Zeltweg 64. 
1590 Hietz, Dr., Schularzt, Berlin W., Dennewitzstraße 10. 
RoBenbauer, Prof. Dr., Essen, Gustavstraße 2. 

Schrattenholz, Joseph, Schriftsteller, Reinickendorf-Berlin, Raschdorfstr. 108. 
Werner, Dr. med., Schularzt, Blase witz-Dresden, Schillerplatz 5. 
von Westphalen, Dr. med., Arzt, Vemy bei Metz. 
Wich mann, Dr., Bad Harzburg. 



ScliTilliygieiiisclie Ausstellung. 

Bei Gelegenheit der 7. Jahresversammlung des Allgemeinen Deutschen 
Vereins für Schulgesundheitspflege in der Pfingstwoche in Dresden am 6. und 
7. Juni soll eine Ausstellung schulhygienischer Neuheiten stattfinden. Pro- 
spekte und Kataloge sind umgehend an die Geschäftsstelle: Schulmuseum in 
Dresden (Sedanstraße) einzusenden. 



III. Aus Kongressen und Vereinen. 



— Auf dem deutschen Oberlehrertag in Eisenaoh am 18. April 
sprach Direktor Dr. Keller- Frankfurt a. M. über: Die Aufgabe des höheren 
Lehrers — eine Kunst auf gelehrter Grundlage. 

Das höhere Schulwesen, so führte der Redner nach der Post-Berlin aus, 
sei in eine neue Phase getreten. Die Reform des höheren Schulwesens^ wo- 
nach Leib und Seele gleichmäßig ausgebildet werden sollen, wird nicht nur 
die Verantwortung, sondern auch die Berufs&eudigkeit steigern. Man hält ja 
vielfach das Unterrichten für das Leichteste. Jeder Mann, der eine Frau hei- 
ratet, die ihm Kinder schenkt, glaubt die vollste Befähigung als Erzieher zu 
haben. Nein, der Unterricht und die Erziehung ist die größte Kunst. Wir 
sind nicht in der Lage, das, was wir geschaffen haben, öffentlich vorzuführen. 
In jedem Menschen ruht ein reicher Schatz geistiger Ejräfte. Das Beste, das 
wir haben, dem Kinde mitzuteilen, und das Beste aus dem Kinde heraus- 
zulocken, ist unsere Kunst. 

Wir müssen dem Jugendübermut seinen Lauf lassen. Wenn wir letzteren 
einzwängen, dann bricht er eben in ungesetzlicher Weise durch. Wenn Goethe 
noch lebte und weimarischer Minister wäre, dann wäre er ja zweifellos unter 
uns. Gerade Goethe hat aber die Notwendigkeit der vollsten Freiheit der 
Jugend betont. Wir müssen nicht bloß die geistige, sondern auch die phy- 
sische Kraft des Schülers zu stärken suchen. Dem Zeichnen und Turnunter- 
richt muß ein weites Feld eingeräumt werden. Der Lehrer erfüllt erst dann 
seine Pflicht, wenn er der Schulhygiene volle Aufmerksamkeit zuwendet. So- 
lange der größte Teil der Primaner noch Brillen tragenfmuß, steht die Lehrer- 



272 Ans Kongressen und Vereinen. 

Bchaft noch nicht auf dem H()hepnnkt ihrer Aufgabe. Der Schüler muß zum 
Selbfltschaffen erzogen werden, entsprechend dem Dichterwort: ,,Wa8 du ererbt 
von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen.*^ Der Schüler muß zur 
vollen Selbständigkeit und vollsten Freiheit im Handeln und Denken erzogen 
werden. Möge das Dichterwort beherzigt worden : „Wenn Knechte die Erzieher 
sind, verdirbet manches edle Kind/^ Der Redner rügte im weiteren die in 
England noch bestehende Prügelstrafe in der Schule und die Zeitvergeudung, 
die durch das Präparieren usw. geschehe. Auch der zum Studium bestimmte 
Schüler muß im Handfertigkeitsunterricht ausgebildet werden, damit er nicht 
ein bloßer Bücherwurm werde und sich im praktischen Leben betätigen könne. 
Mögen die akademisch gebildeten Lehrer stets im Auge haben, daß sie die 
Bildner des zukünftigen Geschlechts und daß sie berufen sind, in vorderster 
Reihe an der Zukunft des deutschen Volkes mitzuarbeiten. 

Professor Dr. Hartmann-Leipzig sprach über: Die Hygiene und die 
höhere Schule.*) 

Direktor Dr. Block-Wimpfen betonte in längerem Vortrage die Not- 
wendigkeit, den höheren Lehrerstand mit anderen akademisch gebildeten Be- 
rufast änden nach Rang und Gehalt in staatlicher Beziehung gleich zu bewerten. 

— Der Fosener Verein f&r SohulgeBundheitspflege befaßte sich in 
einer Versammlung am 14. März mit dem Thema Tuberkulose und Jugend- 
spiele. 

Herr Dr. Pauli hatte für die Besprechung das grundlegende Referat 
übernommen, in dem er in ausgiebiger Weise die Schädigungen der Tuber- 
kulose kennzeichnete und durch ein übersichtliches Zahlenmaterial belegte. 
Heute weiß man, daß die Tuberkulose durch Ansteckung erworben wird, und 
danach haben sich auch die Maßnahmen, welche zur Bekämpfung der Tuber- 
kulose führen sollen, zu richten. Die Tuberkulose erfordert am meisten Opfer 
von allen Krankheiten, besonders jenseits des 15. Lebensjahres, am meisten 
in Rußland (40 auf 10000 Lebende), am wenigsten in England (18,6). In 
Lübeck ist die Tuberkulosesterblichkeit keine sehr große (es wurden nach den 
Angaben des hiesigen statistischen Amtes vom Verfasser berechnete graphische 
Tafeln vorgelegt), sie beträgt im Durchschnitte der Jahre 1900—1904 nur 13,.S3 
auf 10000 Lebende, 7,78 Prozent der Todesfälle überhaupt; Stadt und Land 
liaben gleiche Sterblichkeit (sonst ist die der Städte größer), das männliche 
Geschlecht ist nur um 1 Proz. mehr betroffen. Ebenso wie überall aber zeigt 
sich auch hier, daß die Tuberkulose der Lungen jenseits des 16. Lebei\jahres 
dreimal so häufig auftritt, als vor dem 1. — 14. Lebensjahr. Die Tatsache, daß 
Menschen mit gutem Brustbau und großer Ausdehnungsfähigkeit der Lungen 
fast gar nicht befallen werden von der Erkrankung, weist darauf hin, alles zu 
tun, was diese und damit auch Kräftigung des Herzens sowie Besserung der 
Beschaffenheit des Blutes zustande bringt. Singen, Schwimmen, Radfahren, 
Rudern, Turnen können alle dazu dienen, aber nur bis zu einem gewissen 
(irade (beim Turnen muß gesehen werden auf Besserung der stauberfallten 
Luft durch unbedingte allgemeine Verwendung von Turnschuhen), denn es ge- 
hört dazu Bewegung in frischer Lufl. Tum- und Schülerwanderungen, Zu- 
bringen der Ferien auf dem Lande wirken günstig; ebenso die Ferienkolonien. 
Leider hat das Rundschreiben des Vereins für Ferienkolonien ein sehr un- 

1) Der Vortrag wird im nächsten Heft dieser Zeitschrift erscheinen. Red. 



AuB EongreBsen und Vereinen. 273 

günstiges Resnltat ergeben, nur 3000 Mk. wurden gezeichnet, d. h. ein Drittel 
der zur Erweiterung des Hauses auf dem Priwall nötigen Bausumme. Allein 
dies alles kommt nur wenigen zugute. Nur Jugendspiele im Freien werden 
das Gute erreichen, wenn als Spielplätze BaBenflächen, die gegen scharfe Winde 
geschützt, der Jugend zur Verfügung stehen. Jedoch um Übertreibungen, 
welche eine Gesundheitsschädigung nach sich ziehen, vorzubeugen, muß eine 
sachverständige Aufsicht vorhanden sein. Seine Forderungen faßte der Vor- 
tragende in die nachfolgenden Leitsätze zusammen; 1. Die Lungentuberkulose 
ist eine Volkskrankbeit , welche von allen Krankheiten die meisten Opfer 
fordert. 2. Hauptkampfmittel gegen die Tuberkulose der Lungen ist Erhöhung 
der Ausdehnungsfähigkeit der Lungen, besonders im jugendlichen Alter. 3. Die 
Ausdehnungsfähigkeit der Lungen kann bei der Schuljugend am besten erreicht 
werden durch Jugendspiele im Freien. 4. AUen Schulen einer Stadt sind ge- 
eignete Plätze anzuweisen, auf deneb sie unter sachverständiger Leitung wöchent- 
lich mindestens einmal nachmittags im Freien spielen können. An den Vor- 
trag schloß sich eine rege Aussprache, in der die Notwendigkeit der Haft- 
pflichtversicherung der Lehrkräfte besonders noch hervorgehoben wurde. Nach 
der Aussprache beschloß die Versammlung einstimmig, daß an die Bürger- 
schaft eine Eingabe gerichtet werden soll, mit der Bitte, den Platz zwischen 
Eisenbahndanmi und Wallanlagen als Spielplatz zu reservieren. Eine Eingabe 
an die Oberschulbehörde soll dem Wunsche Ausdruck geben, in sämtlichen 
Volks- und Mittelschulen Spielnachmittage einzufuhren, dazu die die Aufsicht 
führenden Lehrkräfte zu honorieren und gegen Haftpflicht zu versichern. 

(Posener Neueste Nachrichten.) 
— Li einer wissenschaftlichen Versammlung des Wiener medizini- 
schen DoktorenkollegiuniB am 2. April hielt, wie wir dem Wiener 
Extrablatt entnehmen, der Vorstand der ersten Wiener Augenklinik Hof- 
rat Professor Dr. Schnabel einen Vortrag über Schule und Kurzsichtig- 
keit. Redner vertrat die Ansicht, daß die Schule in erster Linie und fast 
ausschließlich für die Produktion von Kurzsichtigen verantwortlich zu machen 
sei. Dem Vortragenden stand für seine Untersuchung das wertvolle stati- 
stische Material von mehr als löOOO Fällen zur Verfügung, die ambula- 
torisch in der Klinik untersucht wurden. Dies ist zwar keine bedeutende Zahl, 
doch kam der Vortragende, dank seiner klassischen Untersuchungsmethode, zu 
überaus interessanten, ja überraschenden Resultaten. Danach ist die hoch- 
gradige Kurzsichtigkeit in den seltensten Fällen auf eine Veränderung in der 
Refraktionsfähigkeit des Auges zurückzuführen, wie bei der mittleren und bei 
der geringen Kurzsichtigkeit. Die hochgradige Kurzsichtigkeit ist vielmehr 
hauptsächlich eine Folge einer krankhaften Veränderung im Linem des Aug- 
apfels, die als Staphyloma posticum bekannt ist. Für diese Art der Kurz- 
sichtigkeit kann weder der Beruf, noch die dem Auge aufgebürdete Arbeit ver- 
antwortlich gemacht werden und sie stellt wohl das Hauptkontingent zu den 
kurzsichtigen Kindern, Arbeitern und anderen Personen, bei denen die Kurz- 
sichtigkeit kaum auf Überanstrengung der Augen zurückgeführt werden kann. 
Tatsache ist jedoch, daß die Schule viel mehr Kurzsichtige verlassen, als darin 
aufgenommen wurden. Das gilt hauptsächlich von den Mittelschulen. Es ist 
jedoch fraglich, ob diese erworbene Kurzsichtigkeit als ein Fehler, als unbe- 
dingt nachteilig zu bezeichnen sei und ob darin namentlich in den Fällen von 
geringer und in den leichteren Fällen von mittlerer Kurzsichtigkeit nicht bloß 



274 Aus Kongressen nnd Vereinen. 

eine Anpassungsfähigkeit des Auges zu erblicken sei. Wenn man — dies gilt 
namentlich von den Anten — bei der nach dem 60. Lebensjahre gewöhnlich 
eintretenden Weitsichtigkeit die Wahl hätte, ob man nicht der Weitsichtigkeit, 
ja sogar der Normalsichtigkeit, eine geringe Kurzsichtigkeit vorziehen wolle, 
würden sich gewiß viele, die anstrengende Augenarbeit zu leisten haben, für 
die Kurzsichtigkeit entscheiden. Diese sei, abgesehen von der durch das 
Staphyloma posticum hervorgerufenen, keine Krankheit des Auges, wie das auch 
der Befund an der Leiche ergebe. Das Auge eines Kurzsichtigen unterscheidet 
sich anatomisch nicht von dem eines normalsichtigen Menschen. Wenn daher 
die Schulhygiene helle Beleuchtung der Schulzimmer, Bänke, welche den 
Schülern nicht gestatten, das Auge allzusehr an ihre Arbeit heranzurücken, 
femer mattes Papier und deutlichen, tiefschwarzen Druck vorschreibe oder 
anstrebe, so seien zwar alle diese hygienischen Maßregeln sehr anerkennens- 
wert, beruhen jedoch auf einer unrichtigen' Grundlage. Wäre die Schule, be- 
sonders aber die Mittelschule und nicht die mehrfach erwähnte Erkrankung 
der Augapfel wand für die hochgradige Kurzsichtigkeit verantwortlich zu 
machen, dann müßte man sie als eine kulturfeindliche, weil augenmörderische 
Institution bekämpfen. Dies sei aber nach dem Ausgeführten durchaus un- 
richtig. Die Mehrzahl der hochgradig Kurzsichtigen erklärte, „von Geburt aus" 
kurzsichtig zu sein, oder wenigstens soweit sie sich erinnern können. 

— Die SchulkommisBion des ärztliohen Vereins in München hat 
folgende Leitsätze für die körperliche Ausbildung der Mittel- 
schüler aufgestellt: 

Durch den Ministerialerlaß, der die Förderung der Jugend- und Turn- 
spiele empfiehlt, ist eine neue Ära in der körperlichen Ausbildung der Mittel- 
schüler eingeleitet. Damit dieser Erlaß aber tatsächlich die wünchenswerte 
Wirkung erziehlt, sind folgende Forderungen (für beide Geschlechter) zu er- 
füllen: 

1. Die körperliche Ausbildung unserer Mittelschüler soll erfolgen durch 
Turnen, Tumspiele, Wanderungen, Eislauf, Schwimmen usw. 

2. Der körperlichen Ausbildung ist als Mindestmaß täglich eine Stunde, 
wenn irgend angängig im Freien, zu widmen. Und auch im Winter soll keine 
Unterbrechung stattfinden. Für ausreichende Tum- und Spielplätze muß bal- 
digst von Seiten des Ministeriums gesorgt werden. 

8. Die körperliche Betätigung stellt nur unter gewissen Bedingungen eine 
Erholung und Kräftigung dar. Auch sie nimmt Körper und Geist in Anspruch. 
Die Stunden für die körperliche Ausbildung dürfen daher nicht einfach in den 
bisherigen Stundenplan eingefügt werden. Das würde eine Neubelastung der 
Schüler bedeuten, die absolut unzulässig ist. Die nötige Zeit muß vielmehr 
durch Einschränkung anderweitiger Anforderungen gewonnen werden. Nach 
dem Turnen und den Tumspielen dürfen geistige Anstrengungen durch Unter- 
richt oder Hausaufgaben nicht ohne genügende Pause verlangt werden. 

4. Am besten wird der gesamte Unterricht auf den Vormittag verlegt. 
Jedenfalls müssen die anstrengenden Lehrgegenstände vormittags erledigt wer- 
den, den leichteren Fächern und der körperlichen Ausbildungen soll der Nach- 
mittag gewidmet sein. Hausaufgaben sollen nach Möglichkeit eingeschränkt 
werden. 

ö. Die Beteiligung an den Turnspielen usw. ist obligatorisch zu machen. 
Die Wahl der Spiele soll den Schülern freigestellt sein. 



Schnlärztiiches. 275 

6. Beanfsichtigang dnrch Fachlehrer ist nur zur Yerhütnng gesundheit- 
licher Schäden bezw. zur Einfuhrung in die Spiele wünschenswert. 

7. Der von obligatorischen Stunden freizuhaltende Sonntag soll ausschließ- 
lich der körperlichen und geistigen Erholung gewidmet werden. 

In einer ausführlichen Begründung der Leitsätze sollen alle Leitmotive, 
die zu der endgültigen Fassung der Leitsätze geführt haben, auseinander ge- 
setzt werden und diese nebst den Leitsätzen in einer Broschüre zusammen- 
gefaßt den interessierten Kreisen zugeschickt werden. 

Die Schulkommission hatte am 13. März eine gemeinschaftliche 
Sitzung mit verschiedenen Professoren von Miftelschulen und ein- 
zelnen Landtagsabgeordneten veranstaltet, um gemeinsam über die hygie- 
nischen Forderungen in der Schule zu beraten und vor allem über die von der 
Schulkommission aufgestellten Leitsätze zu diskutieren. Dem ausführlichen Be- 
rieht hierüber in der Münchener Medizinischen Wochenschrift (1906 Nr. 13) 
entnehmen wir folgendes: Im allgemeinen war man einig, daß vom Stunden- 
plan der humanistischen Gymnasien manches gestrichen werden könnte. In 
den oberen Klassen könnte der lateinische und griechische Stil eingeschränkt 
und in den unteren Klassen die lateinische und griechische Grammatik ver- 
einfacht werden. Die Hausaufgaben seien zwar notwendig, könnten jedoch 
reduziert werden, wenn ein Lehrer auf den andern Bücksicht nähme ; dreiviertel 
derselben könnten wegfallen. Das Absolutorium müsse abgeschafft werden, da 
man gut darauf verzichten könne; es würde dadurch viel Zeit gewonnen wer- 
den. Größere Hausaufgaben sollten nie am Montag eingesammelt werden, 
sondern stets Ende der Woche, um nicht den Begriff der für die Schüler ge- 
botenen Sonntagsruhe illusorisch zu machen. Bezüglich des Vormittagsunter- 
richts wurde hervorgehoben, daß der gesamte Yormittagsunterrichts sich nicht 
für die Praxis festlegen lasse, der wissenschafbliche Unterricht müsse aber ganz 
auf den Vormittag gelegt werden. Von seiten der Schulmänner erklärte man 
sich bereit, über folgende zwei Punkte einen Entwurf auszuarbeiten: 

1. Was kann man im Schulbetriebe ausschalten, ohne das Ziel der Schule 
zu schädigen? 

2. Was wird durch diese Ausschaltung gewonnen? Wie würde sich ein 
neuer Stundenplan gestalten? 



IV. Schalärztliches. 



TagesgeschlclitliclLe Nachricliten. 

— In Köpenick wurden mit Beginn des neuen Schuljahres für die Ge- 
meinde- und höheren Schulen der Stadt sechs Schulärzte mit einem Houorar 
von 35 Pfennig pro Jahr und Kind angestellt. 

— In HlldeBheim wurden zum 1. April vier Schulärzte für die Volks- 
schulen angestellt. 

— In Berlin ist die Vermehrung der Schulärzte jetzt beim Schluß des 
Schuljahres erfolgt. Die Zahl dieser Ärzte ist von bisher 36 auf nun 44 er- 
höht worden. Während im letzten Jahre die Zahl der Schulen, die den ein- 
zelnen Ärzten zugewiesen waren, zwischen sieben und neun geschwankt hatte. 



276 Besprechungen. 

weiden fortan 24 Ärzte je sechs Schulen nnd 20 Ärzte je sieben Schulen zu 
versorgen haben, um diese annähernd gleiche Verteilung der Schulen zu er- 
reichen, sind sämtliche Schularztbezirke neu abgegrenzt worden, so daß von den 
jetzigen Bezirken keiner mehr sich völlig mit einem der früheren deckt. Da- 
bei hat der bisher beobachtete Grundsatz, daß jeder Schularztbezirk immer nur 
innerhalb eines der zwölf Schulkreise Berlins liegen soll, zum ersten Male 
preisgegeben werden müssen. Mehrere der neuen Schularztbezirke bestehen 
aus Teilen zweier einander benachbarter Schulkreise. 

— Ulm will zum Zwecke der Zahnpflege in den Schulen einen Schul- 
zahnarzt mit AusschlielSung der Frivatpraxis anstellen. 



V. Besprechungen. 



Vom HilfBBchiüwesen. Sechs Vorträge. Von Dr. B. Maennel. („Aus Natur 
und Geisteswelt." Sammlung wissenschaftlich-gemeinverständlicher Dar- 
stellungen aus allen Gebieten des Wissens. 73. Bändchen.) Verlag von 
B.G.Teubner in Leipzig. [VIII u. 140 S] Preis geh. Mk. 1.-, geb. Mk. 1.25. 
Eine der schwierigsten, zugleich aber auch dankbarsten Aufgaben, vor die 
sich die moderne Volksschul-Pädagogik gestellt sieht, ist die Ausbildung der 
körperlich und geistig zurückgebliebenen Kinder. Immer stärker bricht sich 
die Überzeugung Bahn, daß die unter der Durchschnittszahl zurückbleibenden 
Kiemente einer besonderen nach eigenen Grundsätzen verfahrenden Erziehung 
bedürfen. Diese soll ihnen die Hilfsschule vermitteln. Wer sich in Kürze über 
alle hierfür in Betracht kommenden Fragen orientieren will, dem sei ein soeben 
in Teubners Sammlung „Aus Natur und Geisteswelt" erschienenes Bändchen 
„Vom Hilfsschulwesen" wärmstens empfohlen. Der Verfasser, Dr. Maennel, 
schildert auf Grund seiner langjährigen Erfahrungen und unter Benutzung der 
gesamten Literatur in knapper aber erschöpfender Weise alle das Hilfsschul- 
wesen betreffenden Probleme. Er behandelt u. a. das Aufnahmeverfahren, die 
Eltern und die Lebensverhältnisse der Hilfsschüler vor und während der Schul- 
zeit, die Gesundheitsverhältnisse der Hilfsschüler, das Hilfsschulhaus, den Lehr- 
plan, das Lehrverfahren usw. Das Bändchen dürfte nicht nur das Interesse 
aller der Kreise erwecken, die im Dienste der öffentlichen und privaten Volks- 
wohlfahrt stehen, sondern auch die Auftnerksamkeit der Geistlichen, Ärzte, 
Juristen, Offiziere und Verwaltungsbeamten erregen, die bisher dem Hilfsschul- 
wesen mehr oder weniger fremd gegenüberstanden. 

Günther: Zur Zahnpflege in der Schule. Zentralblatt für allgemeine Ge- 
sundheitspflege. 25 Pfg. 1 u. 2. 
Um der Zahnfäulnis und dem geradezu seucheartig verbreiteten Zahn- 
veriall der Kinder wirksam entgegen zu treten, bedarf es nicht allein der Unter- 
suchungen und Statistiken über die Erkrankungen der Zähne, und dann der 
Zahnkliniken, obwohl letztere außerordentlich viel Gut^s schaffen können, 
sondern allgemeinerer Maßregeln. Verfasser schlägt vor, die Kinder die Mund- 
und Zahnreinigung in der Schule gemeinsam vornehmen zu lassen, und zwar 
nach dem Frühstück etwa in der zweiten Pause, und nachmittags vor dem 



Beeprechnngen. 277 

Unterricht. Hierzu müßte wanueB Wasser beschafft werden, was ja in den 
neueren mit Badeeinrichtongen versehenen Schulen keine Schwierigkeit be- 
reiten wurde; wo dieee nicht vorhanden, müßte auf andere Weise för warmes 
Wasser gesorgt werden. Für jedes Kind sei eine Bürste, ein Becher, etwas 
Kreide und für die Allgemeinheit eine Karboliösung in Alkohol unter der 
nötigen Aufsicht erforderlich. Für die Kosten der Anschaffung dieser Uten- 
silien müßten Staat und Gemeinde aufkommen. Die Reinigung der Zähne 
könnte in den Baderäumen oder andern mit Blechrinnen versehenen R&umen 
vorgenommen werden. Wir schließen uns dem Verfasser an, daß diese Ein- 
richtung, wenn sie auch anfangs auf Schwierigkeiten stoßen sollte, sich doch 
ihre Berechtigung und Anerkennung erringen würde. 



Fischer, Albert: Zur Schulbankfrage. B. W. Geh eis Verlag, Großlichter- 
felde. 40 Pfg. 
Bei Vergleich ung der Kettig-, Zahn- und ü h Im an n sehen Bank kommt 
Verfasser nach Abwägen der Vor- und Nachteile der verschiedenen Systeme zu 
dem Schluß, daß die Uhlmannsche Bank den Vorzug verdient. Obwohl mit 
Pendelsitz ausgerüstet lauten doch alle Auskünfte von Schulmännern über diese 
Bank giinstig. Um die Reinigung der Klasse noch zu erleichtern, veranlaßte 
Verfasser, daß die Bänke auf halbrunde Eisenschienen von 6 mm Höhe gestellt 
wurden, auf welchen die Bänke vermittels der unter den Schwellen angebrachten 
Rollen leicht hin und her geschoben werden können. Vom werden die Bänke 
durch einen Hebel, der nur durch den Schuldiener zu lösen ist, festgehalten. 
Beim Reinigen löst der Schuldiener den Hebel, zieht die Bank durch leichtes 
Heben nach vom und setzt sie nieder. Die hinteren Bänke kann er dann nach 
Belieben nach vom schieben. 

Moses: Zur Hygiene der Schulbank in den Hilfssohulen für Schwach- 
befähig^te. Zeitschrift für Schulgesuudheitspflege 1905, Nr. 11. 
Bei der Schulbankfragc in den Hilfsklassen müssen gewisse hygienische 
Grundforderungen festgehalten werden. Eine dieser ist die Freilegung des 
Fußbodens behufs gründlicher Reinigung. Keine Methode erfüllt diese Forde- 
rung besser als das Umkippen der Schulbank, was bei der Rettigbank geschieht. 
Verfasser hält deshalb entgegen den Ansichten von Otto Schmidt, F. Weigl 
und K. Basedow die Rettigbank als die für Hilfsschulen geeignetste. Eine 
weitere Forderung ist das Fußbrett, welches neben den gesundheitlichen Vor- 
teilen auch für den Lehrer dadurch wertvoll ist, daß den Schülern ein höheres 
Sitzen ermöglicht wird. In den Hilfsklassen variieren die Größenunterschiede 
allerdings mehr als in andem Klassen, so daß man, wenn man an dem Prinzip 
der individuellen Gruppierung unbedingt felthalten will, mit den für eine 
Klasse vorgesehenen drei Bankgrößen der Rettigbank nicht auskommt. In 
einer Hilfsklasse in Mannheim würde man fünf ßankgrößen notwendig haben. 
Abgesehen nun davon, daß man ohne Schädigung des Kindes ruhig 4 cm über 
das exakte Gruppenmaß nach oben und unten hinausgehen kann, würde doch 
die Verschiedenheit der notwendigen Bankgrößen in den Hilfsklassen nicht ein 
Verlassen eines Systems der Schulbank mit fixen Teilen, das sonst hygienische 
Vorteile bietet, bedingen zugunsten einer verstellbaren Bank, selbst wenn man au 
der Forderung, daß jedes "Kind genau die seiner Größe entsprechende Bank be- 
kommt, festhält. Denn, wo Hilfsklassen sind, hat man es in der Regel mit 

Gesunde Jugend. Y. 11/13. 19 



278 Besprechungen . 

einem größeren yolksBchnlorganismus zu tun, and hier ist es leicht, aus dem 
Bestand an Bettigbänken die notwendigen BankgrOßen zusammenzustellen. 



Lange, Fritz: Sohiüe und Korsett.') Münchener Mediz. Wochenschrift, 

1906, Nr. 13. 

Darin stimmen die Ansichten aller Ärzte überein, daß jedes starke 
Schnüren in hohem Maße gesundheitsschädlich und unter allen Umständen zu 
verwerfen ist. Es gibt aber viele Frauen und Mädchen, die ihr Korsett nicht 
im eigentlichen Sinne schnüren, sondern dasselbe nur benutzen, um eine Stütze 
für den Rücken zu finden und den Druck der Rockbänder zu verteilen. Doch 
auch hiergegen muß man einwenden, daß ein Korsett nie so lose angelegt wer- 
den kann, wie z. B. die Weste des Mannes, daß es nicht die Ein- und Aus- 
atmung behindert. Nach Beobachtungen, die Verfasser in seiner Praxis als 
orthopädischer Chirurg auch bei ganz lose sitzenden, von ihm selbst aus- 
gesuchten Korsetten machen konnte, ergab sich, daß im Korsett die Bewegung 
der unteren Brustkorbhälfte fast ganz unmöglich war. Aus dem Tragen des 
Korsetts erklärt sich daher nach Oberzeugung des Verfassers und anderer 
Autoren die kostale Atmungsweise der Frauen. Denn während im ersten Jahr- 
zehnt die Mädchen nicht anders atmen wie die Knaben, tritt alsbald nach An- 
legen des Korsetts und Binden der Rockbänder in der Taille der kostale At- 
muxigstypus auf. Diese Ruhigstellung der unteren Brustkorbhälfle hat aber 
gesundheitsschädliche Folgen für den weiblichen Körper. Zunächst ist eine 
Wachstumshemmung der unteren Thoraxpartie zu konstatieren, die, abgesehen 
davon daß sie ein Schönheitsfehler ist, aber auch noch weitere Schädigungen 
zur Folge hat. Die Atmung wird oberflächlicher, der Gasaustausch in den 
Lungen nicht mehr genügend. Dadurch entstehen Störungen in der Blutbildimg, 
vor allem die Chlorose. Völker, die kein Korsett tragen, kennen nach den 
Beobachtungen vieler Forscher keine Chlorose. 

Durch den kostalen Atmungstypus ist die Einschränkung der Zwerchfell- 
bewegung bedingt, auf deren Ausbleiben die Häufigkeit der Magen- und Darm- 
störungen bei Frauen und Mädchen zurückzuführen ist. Auch ftir die bei 
Frauen öfter als bei Männern auftretenden Leberleiden, Bildung von Qallen- 
steinen und Wanderniere ist das Korsett verantwortlich zu machen. Eine 
Folge der durch das Korsett hervorgerufenen Schwächung der Rückcnmuskeln 
sind die vielen Haltungsanomalien, vor allem die Skoliose, bei jungen Mädchen. 
Bevor man nun dazu übergeht bei den Mädchen das Korsett zu beseitigen, 
muß man die durch Tragen desselben geschwächten Rückenmuskeln wieder 
stärken. Hierzu dienen gymnastische Übungen, die zu Hause an einfachen 
Apparaten durchgeführt werden können. Sodann muß man für einen richtigen 
Ersatz des Korsetts Sorge tragen. Gut bewährt hat sich das Münchener 
Leibchen. Die Unterkleider werden an vier Laschen angeknöpft, welche der- 
artig befestigt sind, daß der Zug der Unterkleider nicht über die Brust, son- 
dern hinter derselben zu den Achselträgern führt. Die Strumpfbänder sollen 
nicht an dem Leibchen, sondern, an der Innenseite der Oberschenkel vorlaufend, 
au einem ringförmigen Gurt, der wie ein Bruchband oberhall» des Trochanter, 

1) Referat, erstattet auf eine Anfrage des Lehrerinnenvereins in München 
im Ärztlichen Verein daselbst. 



Kleinere Mitteilungen. 279 

hinten etwa in der Höhe der Spina posterior superior und vorne auf der Sym- 
phyBe aufliegt, befestigt werden. Verfasser ist der Meinung, daß auch in 
Deutschland die Bewegung gegen das Korsetttragen nicht aussichtslos sein 
würde, wenn sie von den Ärzten nach Kräften unterstützt und von verständigen 
Frauen praktisch durchgeführt würde. In Norwegen sei, dank der eifrigen Be- 
teiligung der Mädchenwelt am Sport, das Korsett unter der weiblichen Jugend 
fast verschwunden. 



Heimann: Über einige neue Apparate aur Bestimmung der Helligkeit 
auf ArbeitsplAtaen. ' Dissertation, Kiel 1906. 

Verfasser vergleicht Webers Photometer, Webers Baumwinkelmesser, 
Cohns Lichtprüfer, den Zinkschen Apparat und Wingens Helligkeitsprüfer be- 
züglich ihrer Brauchbarkeit zu Helligkeitsbestimmungen auf Arbeitsplätzen. 
Soweit es Billigkeit, Einfachheit und Handlichkeit anbetrifft, ist dem 
Wingenschen Helligkeitsprüfer der Vorzug zu geben. Aber auch bezüglich der 
Zeitdauer ist der Wingensche Apparat über die von Cohn und Zink zu stellen. 
Eine Untersuchung nach Zink beansprucht 15 Sekunden, nach Cohn 95 Sekunden 
mehr Zeit. Eine Vergleichung der Resultate nach Zink und Wingen ver- 
glichen mit dem Weberschen Photometer ergab für Wingen eine etwa doppelt 
größere Genauigkeit. Verfasser sthlägt deshalb vor, bei Lichtmessungen in 
Schulen den Wingenschen Helligkeitsprüfer anzuwenden.*) 



VI. Kleinere Mitteilungen. 



— Der AuBBchuß für Sohulgesundheitspflege des Lehrervereins 
Hannover-Linden hat eine Messung der Sehleistung der hannoverschen 
Volksschüler mit Hilfe der vom Geheimrat Cohn konstruierten Prüfungstafel 
veranlaßt, auch Fragen nach der Zahl und Sehleistung der Brillenträger, nach 
der Farbe der Augen usw. in die den einzelnen Schulen vorgelegten Frage- 
bogen aufgenommen. Im ganzen ist, wie wir der „Hannov. Schulztg." ent- 
nehmen, die Sehleistung (Sl.) von 18324 Schülern festgestellt. Bei einer so 
hohen Zahl Untersuchter ist das Ergebnis wohl unanfechtbar. Sollten hie und 
da sich kleine Fehler eingeschlichen haben, so dürften sie das Endergebnis 
doch kaum merklich beeinflussen. Die 18324 Schüler lesen 230839 Meter weit; 
die Durchschnittsleistung ist also 12,698 Meter. Unter den Untersuchten sind 
9145 Knaben und 9181 Mädchen. Die ICnaben haben eine Gesamt-Sl. von 
121969 Meter, also eine Durchschnitts-Sl. von 13,340 Meter. Die Mädchen 
weisen eine Gesamt-Sl. von 108870 Meter, also eine Durchschnitts-Sl. von 
11,858 Meter auf. Es ist danach unleugbare Tatsache, daß jeder Knabe der 
Stadt Hannover im Durchschnitt um 1,482 Meter weiter sieht, als jedes Mädchen. 



1) Wingen hat nach dem Prinzip seines Helligkeitsprüfers einen neuen 
Apparat konstruiert, der in seiner Handhabung noch bequemer für Licht- 
messungen in Schulen ist und als „Beleuchtungsmesser^* von der Firma Krüß- 
Hamburg hergestellt wird. Red. 

19» 



280 Kleinere Mitteilungen. 

Die Knaben der 2. Klassen haben sogar ein Plus von 1,91 Meter. In einzelnen 
Schalen ist der Unterschied noch erheblich größer. Zum Beispiel sehen die 
Knaben der Bflrgerschnle 45 um 2,30 Meter, die Knaben der Bürgerschule 1-2 
um 2,60 Meter, die der Kestnerstraße um 2,71 Meter und die Knaben der 
Schule am Kleinen Felde gar um 3,04 Meter weiter als die Mädchen derselben 
Schule. Woran liegt das auffallende Ergebnis? Schwankungen im Tageslicht 
können den Unterschied nicht hervorgerufen haben ; denn die Beleuchtung war 
bei Untersuchung der Mädchen sogar etwas günstiger als bei der der Knaben. 
Die Knaben und Mädchen hatten 102 mal bedeckten Himmel, 47 mal Sonne und 
Wolken wechselnd, die Knaben 33 mal bellen Sonnenschein, die Mädchen jedoch 
38 mal. Daß femer die Mädchen von Natur geringere Sl. hätten, ist wohl nicht 
auszunehmen, ist auch noch von keiner Seite behauptet worden. Also muß der 
Grund in der verschiedenen Erziehung der Gesohlechter liegen. Und in der 
Tat müssen die Mädchen weit mehr Naharbeit als die Knaben leisten. Während 
die Mädchen schon früh und anhaltend zu weiblichen Handarbeiten und anderen 
häuslichen Verrichtungen herangezogen werden, tummeln sich die gleichaltrigen 
Knaben im Freien und erhalten unbewußt dadurch ihr Auge akkommodations- 
f ähig. Nach der Statistik sind in den hannoverschen Yolhsschuleu 073 Knaben 
gleich 7,3 Prozent, und 1066 Mädchen gleich 11,6 Prozent, die die Hakentafel 
nicht bis auf 6 Meter erkennen konnten. Ihre Sl. blieb also unter der Norm, 
die von den Ärzten fürs Zimmer gefordert wird. Auch in dieser Gruppe sind 
es wieder die Mädchen, die eine weit höhere Zahl von schlechten Sehleistungen 
aufweisen, als die Knaben. Ihre Zahl übertrifft die der Knaben um 392. Die 
Mehrzahl der 1738 Kinder mit mangelhafter Sl. ist kurzsichtig, einzelne sind 
übersichtig, andere augenkrank. Alle diese Kinider aber werden, auch wenn 
man sie in die Nähe der Schultafel setzt, den Anforderungen des Unterrichts 
nicht immer gerecht werden können. Die Sehleistung der allermeisten kann 
aber zweifellos durch geeignete Brillen gebessert werden. Das haben jedoch 
nur 112 Knaben oder 1,2 Prozent aller Knaben, und 201 Mädchen, das sind 
2,2 Prozent aller Mädchen, die schon jetzt eine Brille tragen, erkannt. Den 
OVj Prozent Schülern mit ungenügender Sl. stehen mithin nur 1,7 Prozent 
Brillenträger gegenüber. Nach der von Geheimrat Dr. Cohn in Breslau, der be- 
kannten Autorität in Augenhygiene, vorgenommenen Prüfung war die Zahl der 
Brillenträger unter den Breslauer Yolksschülem nur halb so groß, nämlich 
0,9 Prozent. Das scheint zugunsten der Breslauer Jugend zu sprechen. In 
Wirklichkeit ist es aber gerade umgekehrt. Die Zahl der Abnormen beträgt 
nämlich in Breslau 9,3 Prozent, in Hannover 9,6 Prozent; beide Zahlen sind 
also annähernd gleich. Mithin haben die hannoverschen Volksschüler nicht 
schlechtere Augen, sondern die hannoverschen Eltern und Lehrer haben weit 
mehr als die Breslauer den Wert der Brille erkannt. Das wird sicherlich 
günstig auf die Augen der Jugend wirken. Es muß aber auch hier in Hannover 
noch mehr in dieser Beziehung geschehen. Soll die Messung der Sl. auch 
nach dieser Seite einen praktischen Erfolg haben, so müßten die übrigen 
1425 Anormalen von den Lehrern veranlaßt werden, sich in der Poliklinik von 
einem Augenarzte oder vom Schularzte untersuchen zu lassen. Das Tragen von 
geeigneten Brillen würde nicht nur ihren Augen, sondern auch dem Unterrichte 
zugute kommen. Die Brillenträger vert<jilen sich, wie folgt, auf die einzelnen 
Klassen: Alle 7. Klassen haben 8 Brillen = 0,28 Prozent. Alle 6 Klassen haben 
29 Brillen » 1,06 Prozent. Alle 5. Klassen haben 80 Brillen ^ 1,32 Prozent. 



Kleinere Mitteilungen. 281 

Alle 4. Klassen haben 60 Brillen = 2,19 Prozent. Alle 3. Klasnen haben 
62 Brillen = 2,38 Prozent. Alle 2. KlaBsen haben 68 Brillen = 268 Prozent. 
Alle 1. Klassen haben 65 Brillen = 2,42 Prozent. 

Hannover hat 5 Schulen, unter deren Schülern nicht ein einziger Brillen- 
träger sich findet. Das wäre gewiß sehr erfreulich, wenn nicht dieser Tat- 
sache die andere gegenüberstände, daß dieselben 5 Schulen 72 Schüler mit 
einer 81. von 6 Metern und weniger haben. Eine dieser Schule ohne Brillen- 
träger hat sogar allein 44 Schüler mit mangelhafter Sl. Unter den 1738 Kin- 
dern mit mangelhafter Sl. wurden noch 38 ICnaben und 88 Mädchen gezählt, 
die eine SL von nur 1 Meter und darunter haben. Daß die Augen dieser 121 
Kinder einer besonders eingehenden Untersnohimg von seiten eines Arztes be- 
dürfen, ist wohl selbstredend. 

— In dem Ostseebad Kolberg soll Mitte April ein Schulsanatorium er- 
öffnet werden, in welchem Kindern, far die aus irgend welchen Gründen längerer 
Aufenthalt an der See äi-ztlicherseits erwünscht ist, Abhärtung, ärztliche Be- 
handlung und gleichzeitig individuell angepaßter Schulunterricht geboten wird. 
Das Schulsanatorium „Kinderheil" ist das ganze Jahr geöffnet. An der Spitze 
des Unternehmens steht der bekannte Berliner Orthopäde Dr. Georg Müller. 

— Der AuBBchuß Bur 8oha£fang dauernder öffentlloher Spielpl&tEe 
in LeipBig, bestehend aus den Herren Oberlehrer Erbes, Justizrat Dr. Gensei, 
Dr. med. Korman, Oberlehrer Dr. Tesmer, Privatmann Ulbricht und Lehrer 
Zschommler, hat eine Angabe an den Rat der Stadt Leipzig veranlaßt, in der 
unter Beruiung auf eine im Jahre 1903 vom hiesigen Tumlehrerverein einge- 
reichte Petition der Rat darum gebeten wird, sich grundsätzlich für Her- 
stellung und lDstandhQ.ltung dauernder öffentlicher Spielplätze von genügender 
Größe und entsprechender Zahl zu entscheiden und diese Angelegenheit mit 
den übrigen städtischen Verwaltungszweigen organisch zu verbinden. Diese 
Eingabe trägt die Unterschriften folgender Vereine: Allgemeiner Deutscher 
Verein für Schulgesundheitspflege, vertreten durch die Ortsgruppe Leipzig; 
Ärztlicher Bezirksverein Leipzig- Stadt; Ärztlicher Bezirks verein Leipzig-Land; 
Deutscher Verein für Volkshygiene, Ortsgruppe Leipzig; Gemeinnützige Gesell- 
schaft; Verein für Volkswohl; Hygienische Gesellschaft; Abteilung für Schul- 
gesundheitspflege des Leipziger Lehrervereins; Allgemeiner Turnverein zu 
Leipzig; Turnverein der Südvorstadt; Tumgau des Leipziger Schlachtfeldes; 
Tumlehrerverein zu Leipzig und Verband Mitteldeutscher Ballspielvereine, Orts- 
gruppe Leipzig. Außerdem hat sich dieser Petition der Verband Leipziger 
Schrebervereine angeschlossen und zwar in dem Sinne, daß er vor allem um 
Erhaltung seiner Schreberanlagen bittet, weil diese die ersten und jahrzehnte- 
lang die einzigen Spielplätze Leipzigs waren, weil sie auch heute noch für 
manche Stadtteile die einzigen brauchbaren Spielplätze sind und bleiben wer- 
den, da in diesen Gegenden keine anderen zu beschaffen sind, und weil end- 
lich nach langjähriger Erfahrung die Seh reberspielpl ätze infolge ihres fami- 
liären und ländlichen Charakters am besten geeignet sind, Kinder und Er- 
wachsene anzuziehen und zur Erholung im Freien zu veranlassen. Gleiche 
oder ähnlich lautende Eingaben sind von sämtlichen hier angeführten Ver« 
bänden und Vereinen gerichtet worden: an das Leipziger Stadtverordneten- 
kollegium, die Königliche Amtshanptmannschaft zu Leipzig, die Königliche 
Kreishauptmannscbafk zu Leipzig, die Ständeversammlung des Königreichs 
Sachsen und eui die Königlich Sächsische Staatsregierung. 



282 Kleinere Mitteilnngen. 

— Auf Ersuchen des GteBundheitsaussoliusses in Braunsohweig hat 
der Magistrat durch Yermittlung der Lehrer Ermittelungen üher den Alkohol- 
genuß der die städtischen Bürgerschulen besuchenden Kinder anstellen lassen, 
deren Ergebnis jetzt vorliegt. 

Damach trinken yon den die Bürgerschulen besuchenden 17858 Kindern 
gelegentlich Wein 6771 oder 88,2 Prozent, Bier 11497 (66,2 Prozent), Brannt- 
wein 2019 (11,6 Prozent); Arak, Rum, Kognak u.dgl. 4707 (27,1 Prozent); täg- 
lich trinken Wein 140 (0,8 Prozent), Bier 1617 (8,7 Prozent), Branntwein 70 
(0,4 Prozent), Arak, Rum, Kognak o. dgl. 191 (1,1 Prozent). Die Zahlen sind 
verhältnismäßig am höchsten in den unteren Bürgerschulen (Volksschulen). 
Dort trinken gelegentlich oder täglich Wein 28,9 bzw. 0,5 Prozent, Bier G7,8 
und 8,8 Prozent, Branntwein 14,1 und 0,5 Prozent, Arak, Rum, Kognak u. dgl. 
25,7 und 1,2 Prozent. Von den sämtlichen Kindern trinken 78 (0,4 Prozent) 
schon vor Beginn des Unterrichts alkoholische Getränke. Zum Mittag- oder 
Abendessen trinken alkoholische Getränke 4826 (24,9 Prozent). Die Frage, ob 
sie gern alkoholische Getränke möchten, bejahten 6294 Kinder oder 36,8 Prozent. 
In vielen Fällen haben Kinder mit den Eltern bis nach Mittemacht, hier und 
da bis 4, 5, ja 6 Uhr morgens an Lustbarkeiten in Gasthäusern teilgenommen, 
so daß sie beim Unterrichte dann schlaff, müde und unaufmerksam waren. 

Vielfach wird über Nachlässigkeit und geringe Fortschritte derjenigen 
Kinder geklagt, die häufig Alkohol trinken. Eine Lehrerin berichtet, daß diese 
Kinder mit wenigen Ausnahmen zu den dümmsten, nervösesten, zerstreutesten 
der Klasse gehören. Ähnlich lauten die Mitteilungen aus einer großen Reihe 
von Mädchen- und Knabenklassen in den mittleren wie in den unteren Bürger- 
schulen. Die betreffenden Kinder werden als geistig nicht rege, zerstreut, matt, 
zerfahren, wenig leistungsfähig geschildert; sie nehmen überwiegend die unteren 
Plätze der Klasse ein. Auch zeigt sich nicht selten moralische Minderwertig- 
keit. Die geistige Spannkraft läßt gegen Ende der Unterrichtsstunden oder 
des Schuljahres bei ihnen erheblich nach; ihr Auffassungsvermögen und ihr 
Gedächtnis sind mangelhaft, was sich beim Rechnen besonders unangenehm 
bemerkbar macht. Die besser befähigten Kinder zeigen beim Alkoholgenuß 
oft ungleichmäßige Leistungen. (Magdeburgische Zeitung.) 

— Der Magistrat in Sohöneberg hat in seinen diesjährigen Etat außer 
den für die Unterbringung schwächlicher Kinder in Ferienkolonien bewilligten 
17560 Mark zum ersten Male noch far Schülerausflüge 6200 Mark besonders 
eingesetzt. Dieses Geld soll dazu dienen, den Volksschülem jeden Sonnabend 
in den Ferien die Mittel zu einem Ausfluge zu gewähren. Auch die Schüler 
und Schülerinnen der Hilfsklassen für Schwachsinnige sollen daran teilnehmen. 

— Der Londoner Qrafschaftsrat beschäftigt sich sehr eingehend mit 
der Frage der Verabreichung von Mahlzeiten an die Schulkinder in den 
öffentlichen Volksschulen, und es ist eine diesbezügliche Gesetzes vorläge 
in Vorbereitung. Um die Grundlage für die Vorlage zu finden, wurden in fünf 
dieser Schulen, mit denen eine Kochschule verbunden ist. Versuche angestellt, 
die sehr befriedigend verlaufen sind. An jeder Schule wurden täglich 50 Mit- 
tagsmahlzeiten verabreicht, und die Kosten von Wohltätigkeitsanstalten und 
freiwilligen Beiträgen, sowie auch Zahlung seitens der Eltern bestritten. Die 
Kosten der Mahlzeit von drei Unzen Fleisch nebst Beilage von Pudding und 
Gemüse, und einem nachfolgenden Pudding mit Pflaumenmus oder Marmelade 
stellten sich auf 12 Pfennige pro Kopf. Das Kochen und die Bedienung hinzu 



Kleinere Mitteilungen. 283 

gerechnet, erhöht diesen Betrag um B Pfennige, so daß sich die Gesamtkosten 
pro Kopf und Tag auf 20 Pfennige stellen. Die Mahlzeiten wurden in einer 
der Vorhallen auf Tischen aufgetragen, die mit Tischtüchern hedeckt waren, 
auf denen auch Blumen standen, und viele Kinder, sagt der Bericht, haben 
wohl zum ersten Male in ihrem Leben da in einer anständigen Weise ihr Mahl 
eingenommen. Für etwa 80 Prozent der Kinder trugen die Eltern die Kosten und 
nur für 20 Kinder mußten die Mahlzeiten unentgeltlich beigestellt werden. 
Dieses System auf alle Kinder in den Londoner öffentlichen Volksschulen an- 
gewendet, würde jährlich für die Anschaffung der Nahrungsmittel einen Betrag 
von 18 752Ö20 Mark und für das Kochen 12 541700 Mark, zusammen 31294220 
Mark, erfordern. Die zur Prüfung der Frage eingesetzte Kommission glaubt 
jedoch, daß nur etwa 100000 Kinder mit Mahlzeiten versehen werden müßten, 
was täglich einen Kostenaufwand von 20820 Mark verursachen würde. Da 
aber für 80 Prozent die Eltern die Zahlung übernehmen, so würden sich die 
von der Gemeinde zu tragenden Kosten nur auf 4180 Mark täglich stellen. Die 
Gesamtkosten für die 48 wöchige Schulzeit kämen daher auf etwa 900000 Mark; 
da Wohltätigkeitsanstalten einen Beitrag von 200000 M. zugesichert haben, so 
würde zur Deckung des Fehlbetrages nur eine Erhöhung der Umlagen pro 
Pfund Sterling (20 Mark) um 2 Pfennige erforderlich sein. Die Wahrschein- 
lichkeit liegt vor, daß der Antrag der Kommission, diese Verabreichung 
von Mahlzeiten an den öffentlichen Volksschulen einzufuhren, angenommen und 
das diesbezügliche Gesetz noch in der diesjährigen Tagung eingebracht wer- 
den wird. 

— Kurs für Kinderfürsorge in Frankfurt a. M. Die Zentrale für 
private Fürsorge in Frankfurt a. M. veranstaltet vom 28. April bis 6. Mai d. J. 
einen Kurs, deren Zweck sachgemäße Schulung freiwilliger wie besoldeter 
Hilfskräfte in der Fürsorge ist; Organisation und Technik unserer modernen 
Fürsorgebestrebungen bilden deshalb den Hauptgegenstand des Kurses. Dabei 
werden die wichtigsten Anstalten, wie sie in Frankfurt und dessen Umgebung 
die vielseitig entwickelte gemeinnützige Tätigkeit bietet, besucht und von den 
Leitern eingehend erläutert. Im speziellen beschäftigt sich der diesjährige 
Kurs mit folgenden Fragen: 

1. Säuglings fürsorge: Säuglingssterblichkeit, Wöchnerinnenfürsorge, 
Ammenwesen, Milchbeschaffung, Säuglingsheime und Säuglingsberatungsstelien, 
Küstkinderwesen , Pflegestellenvermittlung, ärztliche und polizeiliche Aufsicht. 

2. Vormundschaftswesen: Uneheliche Kinder: Ihre Rechtsverhältnisse, 
Einzel- und Bemfsvormundschaft, Gemeindewaisenrat, Fürsorge und Aufsicht 
des Vormundschaftsgerichts, Berufsausbildung nnd Kriminalität. 

Elterliche Gewalt: Recht des Kindes auf Erziehung, Einschränkung der 
Sorge für die Person, Erziehungs verfahren nach dem B. G.-B. und der Armen- 
gesetzgebung, Vormundschaft und Zwangserziehung nach Reichs- und Landes- 
recht. 

3. Fürsorge für gefährdete, verwahrloste und schwachbe- 
fähigte Kinder. Berufs Vormundschaft im Kampfe gegen Verwahrlosung und 
Verbrechen, Zusammenarbeit des Vormundschafts- und Strafrichters, Mitwirkung 
von Gemeindewaisenrat und Schule. Beobachtungsstationen für Zwangszöglinge. 
Kinderherbergen, Anstalts- und Familienpflege, Rechte und Pflichten des Für- 
sorgers. Berufsbildung der Zwangszöglinge, Lebrlingsheime. Erziehbarkeit 
sichtlich verderbter Jugendlicher, Magdalenenasyle , Fürsorge für jugendliche 



284 Kleinere IGtieüungen. 

Gefangene. Kindergärten und Hüfdschulen ftix Schwachbefähigte. Unter- 
bringung und Beaufsichtigung von Schwachbefähigten in Arbeitskolonien und 
Familien. Geistige Minderwertigkeit und Zwangserziehung. 

Zur Teilnahme an dem Kursus sind berechtigt Damen und Herren, 
1. die praktisch in der Fürsorgearbeit, üreiwillig oder besoldet, tätig sind, 
2) andere, soweit sie eine höhere Schule besucht haben. 
Die Einschreibegebühr für den Kursus beträgt 10 Mk. Außer den 
Kosten für den Aufenthalt in Frankfurt a. M. und die Ausflüge erwachsen den 
Teilnehmern keine Ausgaben. Bei größerer Teilnehmerzahl werden Gruppen 
unter besonderer Führung gebildet, damit Gelegenheit zu persönlicher Aus- 
sprache stets geboten bleibt. Die Kursleitung legt besonders Gewicht darauf, daß 
die Teilnehmer mit den Leitern und Mitarbeitern der besuchten Anstalten und 
Vereine in nähere Berührung kommen und immittelbar dort alle Auskunft er- 
halten. (Schweizerische Blätter für Schulgesundheitspflege 1904, Nr. 4.) 



Berichtigimg. 

S. 170, 7. Zeile von oben muß es heißen 800 7oo; S. 178, 8. Zeile von unten 
Graber statt Grober; S. 175, 5. Zeile von oben statt Schare Schauer. 



► 



I. Allgemeine Sitzung. 

Mittwoch, den 14. Juni morgens 9 Uhr im Vortragssaal 
des Landesgewerbemaseums. 

Der Vorsitzende Professor Dr. med. et phil. Griesbach eröffnet 
die Versammlmig. 

Staatsminister des Kirchen- und Schulwesens Dr. von Weiz- 
säcker, Exzellenz: 

Seine Majestät der König, mein allergnädigster Herr, hat mir den 
ehrenvollen Auftrag erteilt, den Verein bei seiner 6. Jahresversammlung 
in Seinem Namen zu begrüßen und Ihren Verhandlungen besten Erfolg 
zu wünschen. Wenn so in wohlwollender Weise an höchster SteDe 
I Interesse Ihren Bestrebungen entgegengebracht wird, so hat dies seinen 

I Grund darin, daß das Ziel gerichtet ist auf die Hebung und Förderung 

der Kraft unserer Jugend, des größten Schatzes der Nation. Im Besitz 
dieses Schatzes können wir der Zukunft ruhig entgegensehen. Nicht 
ein Hemmnis, sondern eine Förderung der Entwicklung zu tatkräftigen 
Menschen soll die Schule unserer Jugend bieten. Man sagt bei diesem 
allem so oft: mens sana in corpore sano. Gestatten Sie mir, auf die 
umgekehrte Wechselwirkung hinzuweisen, auf die Stählung des Körpers, 
welche durch einen allseitig gebildeten, in strengster Pflichterfüllung ge- 
wöhnten Geist bewirkt wird. In Württemberg hat man den schulhygie- 
nischen Fragen stets Interesse entgegengebracht. Wir sind entschlossen, 
' auf dieser Bahn weiterzugehen. Die beteiligten Ministerien verfolgen 

I mit voller Würdigung die Bewegung der modernen Schulhygiene, und 

I so kann ich Sie auch im Namen der Regierung herzlich wiUkonmien 

1 heißen. Mögen Ihre Verhandlungen stets das Richtige treffen und so 

zum Wohl des Ganzen dienen! 

Geh. Oberbaurat Delius, Berlin, vortragender Rat im kgl. 
preuß. Ministerium der öffentlichen Arbeiten: 
Meine Damen und Herren! 
Ich habe den ehrenvollen Auftrag, den Teilnehmern an der sechsten 
j Jahres versanunlung des Allgemeinen Deutschen Vereins für Schulgesund- 

I heitspflege die herzlichsten Grüße aus Berlin zu überbringen. — Im ver- 

gangenen Jahre, auf dem I. Internationalen Kongreß für Schulgesundheits- 
I pflege in Nürnberg, hatte ein besonderer Vertreter aus dem Kgl. Preuß. 

! Kultusministerium die Ehre, der hohen Versanmilung die Grüße des 

Herrn Ministers und aufrichtigen Wünsche für ein reiches Erträgnis 
Ihrer Arbeiten und Verhandlungen zu übermitteln. Wenn Sie in diesem 

Verhandlungen 1905. 1 



2 Verhandl. d. VI. JaLresversammlung d. Allgem. Dentscb. Vereins etc. 

Jahre einen Vertreter dieses Ministeriums hier nicht sehen, so hat dies 
seinen Grund nicht etwa in einem Nachlassen des Interesses an Ihren 
Bestrebungen, sondern lediglich in rein äußerlichen, hier nicht näher zu 
erörternden dienstlichen Behinderungen der betreffenden Beamten. Ich 
darf yersichem, daß das Interesse der preußischen ünterrichtsverwaltung 
an den jetzt wieder beginnenden Arbeiten dieser kenntnis- und erfahrungs- 
reichen Versammlung ein ungeschmälertes ist, und wenn ich auch als 
Bautechniker nur in beschränktem Maße und in ganz bestimmter Rich- 
tung hier . mitraten und -taten kann, so werde ich doch nicht verfehlen, 
Ihren Vorträgen auch auf das schul- und medizinisch-technische Gebiet 
möglichst zu folgen und über das jedenfalls wieder reiche Ergebnis ge- 
hörigen Orts zu berichten. 

Mögen Ihre Arbeiten und Beratungen gesegnet sein; mögen sie wert- 
volle Güter für unsere Schuljugend zeitigen! 

Präsident von Nestlen vom Medizinalkollegium: 
Hochansehnliche Versammlung! 

Namens des K. MedizinalkoUegiiuns habe ich die Ehre, für die unserm 
Kollegium (seitens der Herren Vorsitzenden Ihres Vereins und des Stutt- 
garter Ortsausschusses) zugekommene freundliche Einladung zur Teilnahme 
an Ihrer Versammlung verbindlichst zu danken, Ihnen die Grüße des 
Medizinalkollegiums und Wünsche für Ihre Tagimg auszusprechen und 
das Interesse zu bekunden, welches wir den Bestrebungen Ihres Vereins 
entgegenbringen. 

In Württemberg wird schon lange von seiten der Medizinalverwal- 
tung im Zusammenwirken mit der Schulbehörde den hygienischen Ver- 
hältnissen der Schule besondere Beachtung geschenkt; ich begnüge mich, 
auf die seit Jahrzehnten bestehenden und wohlbewährten Gemeinde- und 
Bezirksmedizinal Visitationen hinzuweisen, bei welchen von jeher den 
Schulen nach verschiedener Richtung alle Aufmerksamkeit zugewendet 
wird. Auch zurzeit sind die Schulverwaltungen und die Medizinal- 
verwaltungen in gemeinsamer Arbeit bemüht, den anerkannten Hygiene- 
anfordenmgen durch weiteren Ausbau der Fürsorge für die Schule und 
die Schüler gerecht zu werden. 

Aber wie es unrecht wäre, der Schule alle Schuld oder auch nur 
die hauptsächliche Schuld zuzumessen an den Mängeln und Schäden, 
welche bei der heranwachsenden Jugend wahrgenommen werden, so töricht 
wäre es, von der Durchführung einzelner Besserungsvorschläge allzuviel 
zu erhoffen, wenn nicht gleichzeitig denjenigen Faktoren außerhalb der 
Schule Beachtung geschenkt wird, von welchen der Jugend meines Er- 
achtens zweifellos größere Gefahr droht und mehr Schaden zugefügt 
wird, so insbesondere — um nur das eine zu erwähnen — durch vorzeitige 
Heranziehung der Jugend zur Teilnahme an leiblichen und geistigen Ge- 
nüssen und Vergnügungen in der Familie und im gesellschaftlichen Leben. 
Fast ist zu befürchten, daß, je mehr die Inanspruchnahme der Jugend 
in der Schule und für die Schule in bester Absicht beschränkt wird, 
um so mehr Gefahr von Seiten jener anderen Faktoren erwächst, indem 
die hier freiwerdende Zeit für jene anderen Dinge in Anspruch zu nehmen 
versucht werden wird. 



Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. AUgem. Deutsch. Vereins etc. 3 

Weit entfernt, die Berechtigung und den Wert der Bemühungen zur 
Besserung auf dem Gebiet der Schule bestreiten zu wollen, möchte ich 
nur darauf hinweisen, wie auch hier das eine zu tun und das andere 
nicht aus dem Auge zu lassen ist; ich wünsche aufrichtig, daß Ihre be- 
vorstehenden Verhandlungen, daß der Austausch Ihrer aus dem Leben 
geschöpften reichen Erfahrung und die Mitteilung der Ergebnisse ernster 
gründlicher Forschung berufener Fachmänner dazu beitragen möchte, 
Mittel und Wege zu finden, damit das heranwachsende Geschlecht, dank 
der der Jugend zugewendeten Fürsorge, körperlich erstarkt und geistig 
wohlausgerüstet, beim Eintritt in das Mannesalter seiner Pflichten sich 
bewußt das, was die Zeit von ihm fordert, zu leisten vermöge, zum 
Wohl unseres deutschen Volkes und Vaterlandes. 

Professor Dr. von Weyrauch, Prorektor der techn. Hoch- 
schule, Stuttgart: 

Auch die techn. Hochschule zu Stuttgart freut sich, Ihren Verein 
bei seiner Tagung in unserer Stadt herzlich begrüßen zu können. Wie 
der Zweck der gesamten Technik dahin geht, di« Gesundheits- und Lebens- 
verhältnisse und damit die geistige Befreiung der Menschen zu fördern, 
so haben wir stets auch der Hygiene besondere Aufmerksamkeit zuge- 
wandt. Sie bildet nicht nur einen Lehrgegenstand imserer mathematisch- 
naturwissenschaftlichen Abteilung, an der mehrere Mitglieder dieser Ver- 
sammlung und Ihres Vereines über die verschiedenen Zweige der Hygiene 
vortragen; ihre Ergebnisse werden auch sofort in die Tat umgesetzt, in- 
dem sie bei den Bauten unserer Architekten wie bei den industriellen 
und Verkehrsanlagen der Ingenieure eine immer weitergehende Berück- 
sichtigung finden. Der Entwurf neuer Bestimmungen für die Staats- 
prüfungen auf diesen Gebieten setzt ausdrücklich fest: In allen ein- 
schlägigen Fächern wird Wert auf die Kenntnis der Anfordenmgen der 
Gesundheitspflege gelegt. Wir haben also ein sehr greifbares Interesse 
an Ihren Bestrebungen und wünschen Ihnen um so mehr besten Erfolg 
der bevorstehenden Verhandlungen und fröhliche Tage in Stuttgart. 

Medizinalrat Dr. Engelhorn-Göppingen, namens des Württemb. 
ärztlichen Landesvereins: 

Es gereicht mir zu ganz besonderer Freude die Teilnehmer an der 
6. Jahresversammlung des Allgemeinen Deutschen Vereins für Schul- 
gesundheitspflege im Namen der wüi^tembergischen Ärzte in unserer 
schönen Landeshauptstadt begrüßen zu dürfen. Kommen Sie doch nicht 
als Fremde zu Fremden, sondern als Freunde zu Freunden, die das 
Band der gemeinsamen Arbeit an der gleichen Aufgabe verknüpft. Denn 
die württerabergischen Ärzte sind hinter den übrigen Kollegen des Reiches 
nicht zurückgeblieben, wenn es sich um die Förderung der Schulgesund- 
heitspfleg« handelte. Dies haben sie jederzeit bewiesen, in letzter Zeit 
durch ihre offizielle Vertretung auf dem ersten Internationalen Schul- 
hygienekongreß in Nürnberg, durch ihre Verhandlungen über die Schul- 
arztfrage auf ihrer vorjährigen Landes Versammlung und insbesondere durch 
die große Zahl von Männern, welche in Wort, Schrift und Tat für die 
Entwicklung unserer Lehre eingetreten sind. So können wir uns heute 
der freudigen Zuversicht hingeben, daß auch Ihre diesjährigen Verhand- 

1* 



4 Verhandl. d. VI. Jahresvenammlung d. AUgem. Deutsch. Vereins etc. 

lungen auf einen wohlvorbereiteten Boden fallen und auf alle unsere 
scbulhygienischen Bestrebungen ebenso eine befruchtende Wirkung aus- 
üben als auf die Pflege freundschaftlicher und kollegialer Beziehungen, 
denen wir so manche nutzbringende Anregung verdanken. Mit dem 
Wunsche für einen gedeihlichen Verlauf Ihrer Tagung rufe ich Ihnen 
im Namen der württembergischen Ärzte ein herzliches „Willkommen in 
Schwaben" zu. 

Dr. Bauer, namens des Stuttgarter Vereins für Schulgesundheits- 
pflege: 

Gestatten Sie auch dem hiesigen Zweigrerein des Allgemeinen 
Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege einige Worte der Be- 
grüßung. 

Und da lassen Sie mich mit einem Geständnis beginnen. Als in 
Nürnberg die Frage erörtert wurde, ob die nächstjährige Tagung nach 
Stuttgart verlegt werden solle, da habe ich mit ziemlich gemischten Ge- 
fühlen einige einladende Worte gestammelt. Nicht als ob wir uns nicht 
gefreut hätten, Sie hier zu begrüßen, nicht als ob wir Ihr Kommen 
nicht als hohe Ehre fär unsern Verein empfunden hätten. Wir waren 
uns auch wohl bewußt, daß aus Ihrer Tagung unser Verein und unsere 
Bestrebungen großen Nutzen ziehen würden. Aber wir fürchteten, der 
Aufgabe, die uns gestellt wurde, nicht gewachsen zu sein. War doch 
unser Verein, einer Anregung Ihres Herrn Vorsitzenden folgend, erst 
wenige Monate zuvor ins Leben getreten, allerdings mit der für eine 
Vereinsgründung nicht gerade kleinen Zahl von etwas über 40 Mit- 
gliedern. Denn wir hatten einen günstigen Zeitpunkt gewählt. Durch 
mancherlei Preßäußerungen, nicht in letzter Linie durch eine breit an- 
gelegte Agitation für Verminderung der Hausaufgaben war das Interesse 
für die Schule wieder reger geworden. Man hatte sich darauf besonnen, 
daß die Erziehung, eine geistige und körperliche Ausbildung unserer 
Jugend, nicht ausschließlich Sache der Behörden und der Schule, daß die 
Schulhygiene nicht nur ein Gegenstand rein akademischer Erörterung 
auf Kongressen sei, sondern daß hier Fragen erörtert werden, an deren 
endgültiger Lösung das Elternhaus in ei^ster Linie interessiert ist, daß 
dem Elternhaus die Pflicht und damit auch das Recht erwächst, an der 
Lösung dieser Frage aktiv mitzuwirken. Wo aber bietet sich diese 
Gelegenheit, wenn nicht in den Vereinen für Schulgesundheitspflege? 

Es haben die Lokal vereine die großen Fragen, welche im Haupt- 
vereine zur Erörterung stehen, zu verfolgen und das Verständnis für sie 
zu wecken, sie haben vor allem an der Hauptaufgabe unseres Erziehungs- 
wesens mitzuarbeiten, in der Groß betrieb- Schule der Individualität des 
Schülers zu ihrem Rechte zu verhelfen. Sie haben aber auch noch die 
zwar kleinere, aber doch dankenswerte Spezialaufgabe, der Individualität 
des Ortes Geltung zu verschaffen. Schien uns so auch unsere Existenz- 
berechtigung erwiesen, so bezweifelten wir; doch, ob wir nicht zum 
Empfang einer so großen Versammlung eines mehrjährigen Trainings in 
Vereinstätigkeit bedurft hätten. Und wenn Ihnen bei unseren Vorberei- 
tungen manches unvollkommen dünkt, so vergessen Sie nicht eines, das 
Kind, das zu konfirmieren Sie sich in Ihrer übergroßen Güte heute an- 



Verhandl. d VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 5 

schicken wollen, ist erst 1% Jahre alt. Es ruft aber, so laut es ihm sein 
Alter und seine Krftfte gestatten, ein „herzlich willkommen in Stuttgart^S 

Oberlehrer Krieg-Stuttgart, namens des Deutschen Lehrer- 
vereins : 

Sehr geehrte Versammlung! 

Es ist mir eine besondere Ehre, Sie im Namen des Deutschen Lehrer- 
vereins zu Ihrer heutigen Tagung begrüßen zu dürfen. Der Verein, in 
dessen Auftrag ich das tue, umfaßt Lehrer aus allen deutschen Staaten 
und zählt gegenwärtig weit über 100 000 Mitglieder. Es ist ja ganz 
begreiflich, wenn die Aufmerksamkeit der Lehrer mit in erster Linie 
auf die hier abzuhaltenden Verhandlungen gerichtet ist; sind sie es doch, 
welche vor allen anderen interessiert sind an den Fragen, deren Lösung 
der Deutsche Verein für Schulgesundheitspflege als seine Aufgabe be- 
trachtet. Wer sollte mehr Interesse haben an Schulbauten, Schuleinrich- 
tungen, Schulreinigung^ Schulferien und allem, was mit der Gesundheits- 
pflege der Schüler zusammenhängt, als eben die Lehrer? Der Deutsche 
Lehrerverein sieht darum in den Bestrebungen des Vereins für Schul- 
gesundheitspflege nichts anderes als eine Förderung seiner eigenen Ziele, 
und er hofft auf Ihre kräftige Unterstützung in seinen Bemühungen um 
immer bessere Gestaltung des Schulwesens und der Schuleinrichtungen. 
In diesem Sinne wünsche ich Ihren Verhandlungen in unserer schönen 
schwäbischen Hauptstadt den besten Erfolg. 

Studiendirektor Professor Dr. Raydt, Leipzig, namens des 
Zentralausschusses zur Förderung der Volks- und Jugendspiele in 
Deutschland: 

Der Zentralausschuß zur Förderung der Volks- und Jugendspiele in 
Deutschland und insbesondere dessen Vorsitzender, der in gemeinnütziger 
Tätigkeit unermüdliche Abgeordnete von Schenckendorff-Görlitz haben 
mich beauftragt, Ihnen zu Ihrer heutigen Tagung die herzlichsten Grüße 
zu überbringen und Ihren Arbeiten besten Erfolg zu wünschen. Wir 
betrachten uns als einen Ihrer engsten Verbündeten. Was unsere Tätig- 
keit in der Schule anlangt, so bildet sie freilich nur einen kleinen Teil 
Ihrer umfassenderen Tätigkeit; es ist aber ein besonders wichtiger, denn 
wenn wir die Leibesübungen in freier Luft immer mehr in unser Schul- 
leben einführen, so machen wir unsere Jugend widerstandsfähig gegen 
die Schädigungen, die mit dem Schulbesuch trotz aller hygienischen 
Sfihutzmaßregeln immer verbunden sein werden. 

Der Zentralausschuß bittet Sie, meine Herren vom Deutschen Verein 
für Schulgesundheitspflege, dieses Sondergebiet der Leibesübungen in 
freier Luft, insbesondere der Jugendspiele ebenfalls mit fördern zu helfen. 
Wir sind ja in dem Bestreben einig, in allen deutschen Schulen ein 
körperlich und geistig gesundes Geschlecht zu erziehen, zum Glück jedes 
einzelnen im Volke und zum Segen für unser geliebtes Vaterland. 

Professor Dr. Hartmann-Leipzig, namens des Verbands akad. 
gebildeter Lehrer: 

Der geschäftsfiührende Ausschuß des Verbands der Vereine akad. 
gebildeter Lehrer Deutschlands hat mich beauftragt, dieser Versammlung 
seine aufrichtigsten Grüße und Wünsche zu überbringen. 



6 Verhandl. d. VI. JahresverBaminluiig d. Allgem. Deutsch. VereioB etc. 

Indem ich mich dieses ehrenvollen Auftrags entledige, möchte ich 
xngleich meiner Freude darüher Ausdruck gehen, daß unser Verband, 
dem bereits über 30 Landes- und Provinzialvereine mit mehr als 
12 000 Mitgliedern angehören, bereits im Anfang seines Bestehens der 
Schulhygiene sein Interesse zugewandt hat, nicht nur durch seine Dele- 
gierten, sondern, was noch mehr sagen will, dadurch, daß er für seine 
nächste große Tagung 1905/1906 in Eisenach die Schulhygiene als einen 
Hauptverhandlungsgegenstand in Aussicht genommen hat. Wenn es ein 
Gebiet gibt, das allen Lehrern, allen Ärzten, allen Schulorten gleich- 
mäßig angehört, so ist es zweifellos die Schulhygiene, denn sie hat es 
mit den grundlegenden Voraussetzungen jeder gedeihlichen geistigen 
Arbeit zu tun. Freilich wird das noch nicht allgemein erkannt und an- 
erkannt, namentlich noch nicht allgemein in dem Stande, der dabei meist 
vor allem interessiert ist, dem Lehrerstande, aber die Zeichen deuten 
doch in verheißungsvoller Weise darauf hin, daß ein Wandel zum Bessern 
sich vorbereitet, und im besonderen steht zu hoffen, daß der Verband 
akademisch gebildeter Lehrer Deutschlands, der die Forderungen der ge- 
meinsamen Angelegenheiten des höheren Lehrerstandes auf seine Fahne 
gezeichnet hat, mehr und mehr dazu kommen wird, in der Schulgesund- 
heitspflege eine im eminenten Sinne gemeinsame Angelegenheit des ge- 
samten höheren Lehrerstandes zu erkennen, daß er ein Werkzeug werden 
wird, um die Erkenntnis der Schulgesundheitspflege in alle seine Landes- 
und Provinz] alvereine hineinzutragen. Darin wird er sich auf das engste 
mit den Bestrebungen dieses Vereins berühren und so sieht unser ge- 
schäftsfELhrender Ausschuß dieser Versammlung mit dem regsten Interesse 
entgegen und wünscht ihr den besten Erfolg. 

Dr. phil. F. Zollinger, Sekretär des Unterrichts- und Er- 
ziehungswesens des Kantons Zürich, namens der Schweizerischen 
Gesellschaft für Schulgesundheitspfiege: 

Grüße bringe ich Ihnen aus dem Schweizerland, herzliche Grüße 
von der Schweizerischen Gesellschaft für Schulgesundheitspflege. Als bei 
Anlaß unserer 6. Jahresversammlung, die am 14. imd 15. Mai dieses 
Jahres in Luzern stattgefunden, die Einladung zu Ihrer Jahresversanmi- 
lung uns kundgegeben wurde, da waren wir sofort entschlossen, dem 
Kufe zu folgen und eine Delegation nach Stuttgart abzuordnen. So sind 
wir denn unser zwei über die Marken unseres Landes gezogen, um an 
Ihrer Tagung teilzunehmen. 

Zwei Gründe sind es, warum wir gerne der Einladung Folge ge- 
geben haben. Einmal weil wir wissen, daß wir bei Ihnen lernen können. 
Ihre Verhandlungsgegen stände interessieren auch uns; da Ihnen ein 
größeres Wirkungsfeld zu Gebote steht, verfügen Sie auch über reichere 
Erfahrungen; diese nehmen wir gerne auf, um sie ffir unser kleines 
Land nutzbar zu machen. Wenn es auch wahr ist, daß die Großen von 
den Kleinen lernen können, so wird es doch Regel bleiben, daß die 
Kleinen zu den Großen in die Schule gehen müssen. 

Dann sind wir besonders gern hierher nach Württembergs Haupt- 
stadt gekommen. Denn diesem Lande verdanken wir eine Reihe hervor- 
ragender Männer, Pädagogen, die den Pestalozzischen Geist, der einst 



Yerhandl. d. VI. Jahresverflammlung d. AUgem. Deutsch. Vereins etc. 7 

von Yverdon ausgegangen ist, in praktischen Formen in die Heimat 
Pestalozzis zurückgetragen haben. Ich erinnere an Dr. Thomas Scherr, 
der in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nach Zürich ge- 
kommen, erst der Lehrer der Taubstummen war, dann als erster Seminar- 
direktor das zürcherische Lehrerseminar und die Lehrerbildung in geist- 
voller Weise organisierte, und an der Schaffung des neuen Yolksschul- 
gesetzes in den dreißiger Jahren hervorragenden Anteil nahm, eines 
Gesetzes, das im wesentlichen nahezu während 70 Jahren in Kraft war 
und in seinen Grundzügen noch jetzt in Kraft besteht. 

Dann nenne ich drei Männer unserer Tage, die in ausgezeichneter 
Weise sich der Anormalen annehmen, bezw. angenommen haben: die 
beiden Brüder KöUe, von denen der eine der Erziehungsanstalt ftti* 
schwachsinnige Kinder auf Schloß Regensberg seit deren Gründung über 
22 Jahre vorsteht, und der andere, der vor wenig Monden dahingegangen, 
mit eben demselben Erfolg die schweizerische Anstalt fßr Epileptische 
bei Zürich während nahezu 20 Jahren geleitet hat. Der dritte im Bunde 
ist der derzeitige Leiter der Blinden- und Taubstummenanstalt in Zürich, 
Direktor Kuli, der Nachfolger Schiebeis, eines andern Württembergers, 
der ein ganzes Menschenalter dieser Anstalt vorgestanden hat. 

und wie könnten wir eines Mannes vergessen , der zwar nie den 
Boden des Schweizerlandes betret-eu, der aber das Schweizertum in seinem 
Geiste erfaßt und ihm ein unvergänglich Denkmal gesetzt hat: Friedrich 
Schiller! Es darf wohl behauptet werden, daß Schiller in keinem 
Lande von einem ganzen Volke im Mai dieses Jahres so treu und wahr 
und begeistert gefeiert worden ist, als wie bei uns. Schiller hat sich 
das Ehrenbürgerrecht erworben im Schweizerland, das nicht auf Papier 
noch Pergament geschrieben steht, das vielmehr eingegraben ist in jedem 
Schweizerherzen und das bestehen wird, solange es Schweizer gibt! 

Der Vorsitzende verliest folgende Adresse: 

Le deuxieme Congres fran9ai8 d'hygiene scolaire salue cor- 
dialement la Societe allemande pour Thygiene scolaire, et lui 
envoie a Toccasion de sa sixieme assemblee generale annuelle, 
ses voeux les plus sinceres. 

Le President de la L. M. F. 
11. VI 05 Dr. Albert Mathieu. 

Professor Dr. med. et phil. Griesbach: 
Exzellenz, meine Damen und Herren! 

Im Namen des Vereins und seines Vorstandes danke ich den Herren 
Vorrednern für die freundlichen Begrüßungsworte, sowie für das Inter- 
esse und die Anerkennung, welche die von ihnen vertretenen hohen Be- 
hörden, insbesondere das kgl. württembergische Staatsministerium und 
das kgl. preußische Ministerium der öffentlichen Arbeiten und des Kultus, 
unseren Bestrebungen zuteil werden lassen. Die Anwesenheit der Dele- 
gierten zahlreicher Vereine, namentlich auch von Lehrervereinen, zeigt 
uns, daß man dem Deutschen Verein für Schulgesundheitspflege überall 
wohlwollend entgegenkommt. Ich glaube die Versammlung schon einmal 



8 Verhandl. d. VI. Jahres verBammlting d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

voller gesehen zu haben, sie war auch schon leerer, aber so voller Lehrer 
war sie noch niel (Große Heiterkeit.) 

Hoffen wir, daß die Teilnehmerzahl von Jahr zu Jahr wftchst, und 
daß uns neben den Ärzten die Lehrer auch künftighin nicht fem bleiben. 
Gestatten Sie, daß ich, auch im Hinblick auf die Ausführungen einiger der 
Herren Vorredner, hier in kurzen Worten einzelne Gebiete der Schul- 
hygieae streife und darauf hinweise, wo am meisten zu tun übrig bleibt. 
£s gibt sehr viele Schulmänner und auch noch Mediziner, die glauben, 
daß das Schulgebäude und seine Einrichtungen den Hauptgegenstand der 
Schulhygiene bilden. 

Zweifellos ist die bauhygienische und bautechnische Seite unserer 
Wissenschaft ein wichtiges Gebiet, und wir sind dankbar dafür, daß Staat 
und Stadt demselben überall die größte Aufmerksamkeit zuwenden. Ja, 
verehrte Anwesende, überall entstehen heute herrliche Schulpaläste 
mit allem modernen Komfort ausgestattet, und wo es immer die Geld- 
mittel zulassen, wird an den Gebäuden und ihren Einrichtungen nicht 
gespart. Aber die Gebäudefrage ist doch noch nicht die Hauptsache, 
und mir klang es fast wie Hohn, als ich in der gestrigen Nummer des 
„Schwäbischen Merkur" einen Artikel las, der sich anderen Zweigen der 
Schulhygiene gegenüber sehr kühl, um nicht zu sagen abweisend, 
verhielt. 

Unser heutiges Programm zeigt, daß noch andere Dinge Berück- 
sichtigung verlangen. 

Ich meine den schulärztlichen Dienst und die Unterrichtshygiene, 
d. h. Dauer der Schulzeit, dienstliche Beanspruchung der Lehrer, Aufbau 
und Methode des Unterrichts, Art und Anordnung der geistigen Arbeit 
und Bemessung der Lehrpensa und Lebi'ziele nach physiologischen, psy- 
chologischen und hygienischen Grundsätzen. 

Es wird wirklich Zeit, daß wir nach dieser Richtung hin uns 
einigen, daß Ärzte und Lehrer sich fragen: in welcher Weise ist hier 
vorzugehen zum Heil und zum Segen der Jugend? Auch die Eltern 
müssen wir für unterrichtshygienisclie Bestrebungen gewinnen. Sie dürfen 
nicht die Hände in den Schoß legen und alles vom grünen Tisch der 
Scbulverwaltung her über sich und ihre Kinder ergehen lassen. Unser 
französischer Schwesternverein nennt sich Ligue des medecins et des 
„familles", damit soll gesagt sein, daß er bestrebt ist, auch die Ansicht 
der Eltern in unterrichtshygienischen Dingen zu hören. Die meisten 
Eltern sagen zu alle dem, was die Schule von ihren Kindern verlangt. 
Ja und Amen. Selbst di^ oberen Zehntausend sehen schweigend zu, wie 
man ihre Kinder überbürdet. 

Zwar ballen viele Väter die Faust in der Tasche, aber sie hüten 
sich, ungesunde Systeme zur Sprache zu bringen, weil sie fürchten, 
daß durch eine freimütige Äußerung ihren Kindern in der Schule Un- 
gunst und Zurücksetzung zuteil werden könnte. 

So zweifellos es auch ist, daß, wie Herr von Nestlen, der Präsi- 
dent und Vertreter des württembergischen Medizinalkollegiums, bemerkte, 
Gefährdung der jugendlichen Gesundheit im Hause, in der Familie, im 
gesellschaftlichen Leben zu suchen ist, so muß ich mich bei meiner guten 
Bekanntschaft mit dem Schulorganismus doch dahin aussprechen, daß der 



Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 9 

ünterrichtsbetiieb ganz wesentlich an den Mängeln und Schäden der Ge- 
sundheit unserer Jugend Schuld trägt. Wenn wir bei dem älteren 
Schüler der höheren Lehranstalten eine Neigung zu Ausartungen, ein 
Haschen nach Vergnügungen und gesellschaftlichen Genüssen wahrnehmen, 
so beruht dies nicht selten auf der sehr begreiflichen physiologischen 
Erscheinung, daß sich Körper und Geist aus dem Zustande chronischer 
Ermüdung zu befreien trachten, in welchen der Schulbetrieb beide 
öfters versetzt. Und wenn das Streben nach einer derartigen Befreiung 
auf der Schule nicht gelingt, so wird dazu später eine falsche Ausnützung 
der akademischen Freiheit verwendet, eine falsche Ausnützung, die ebenso 
schädlich ist als die engherzige Beschränkung, wie wir sie vor kurzem 
im Deutschen Beich erleben mußten. 

Am Himmel der Unterrichtshygiene hängen manche dunkle Wolken. 
Zum Ausgleich der geistigen Beanspruchung und der täglichen vielstün- 
digen Sitzzeit, welche der Schulbetrieb mit sich bringt, fehlt es der 
Jugend an genügender geistiger Erholung und ausreichender körperlicher 
Betätigung. Wenn die Überbürdung schon gelegentlich in der Volks- 
schule zu finden ist und dort. zum Teil durch allerhand ermüdende Be- 
schäftigungen der Kinder vor und nach dem Unterricht hervorgerufen 
wird, so erreicht sie in den höheren Lehranstalten einen viel höheren 
Grad. Hierzu trägt wohl die weitgehende Arbeitsteilung, wie sie die 
höhere Schule heute darbietet, nicht unbedeutend bei. Ich verkenne 
nicht, daß durch die Arbeitsteilung eine Vermehrung und Vertiefung 
insbesondere in denjenigen Fächern erreicht wird, welche den einzelnen 
Schulgattungen ihr charakteristisches Gepräge verleihen, leider aber auf 
Kosten der Gesundheit des Arbeitenden. Die Konzentrationsbestrebungen 
in den alten Sprachen einerseits, in den neueren Sprachen, in der Mathe- 
matik und den Naturwissenschaften andererseits sind vom Übel. Die 
Schule soll ihre Zöglinge doch mit allgemeiner Bildung ausrüsten, aber 
nicht mit Spezial wissen, wie es der Fachmann benötigt. Sie soll den 
Geist schulen, aber ohne ihn mit zu umfangreichem und detailliertem 
Wissen zu überladen. Statt die Lehrziele und Lehrpensa herabzusetzen 
und sie zu vereinfachen, schraubt man sie immer höher und baut das 
Lehrgebäude immer weiter aus ohne von überflüssigem Ballast abzulassen. 
Ich erinnere an die Bestrebungen mathematischer und Naturforscher, für 
ihre Gebiete im Schulbetrieb mehr Raum zu gewinnen, ich erinnere aber 
auch daran, daß die Philologen von- ihren grammatischen Methoden nicht 
abweichen und von ihren Pensen nicht ablassen wollen, ja letztere neuer- 
dings noch wieder zu verstärken suchen. So kommt denn in unseren 
höheren Lehranstalten inklusive der häuslichen Schularbeit in den mitt- 
leren und oberen Klassen eine Arbeitssumme . von 9 — 12 Stunden täglich 
heraus. Das hält kaum ein arbeitsgeübter Erwachsener aus, geschweige 
denn ein Schüler zwischen 15 und 20 Jahren. Für Lieblingsbeschäfti- 
gungen, für Teilnahme am Familienleben, für Erholimg, Spiel und Sport 
im Freien läßt die höhere Schule keine Zeit. Unsere heutige Tages- 
ordnung wird hoffentlich dazu beitragen, daß hierfür Zeit erübrigt wird. 
Die Sitzzeit und die Belastung des jugendlichen Gehirns ist in Deutsch- 
land erheblich größer als in irgend einem anderen zivilisierten Lande 
und das gereicht der Gesundheit der deutschen Jugend sicher nicht zum 



10 Verhandl. d. VI. Jahreaversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

Vorteil. Wir dürfen nicht nur mit der jetragen und der nächsten Gene- 
ration rechnen, nein, die Schäden, die diesen zugefügt werden, unter- 
liegen der gehäuften Vererhung und tragen dazu hei, die Nation immer 
mehr zu schwächen. Es handelt sich also um den Lehensnerv der 
Nation; wollen wir noch länger mit ansehen, daß die Schule fortfährt, 
nekrotisierend auf ihn zu wirken, statt ihn zu kräftigen? Man erhoffte 
von der letzten Berliner Schulkonferenz eine erhehliche Reduktion des 
Unterrichtsstoffes, allein diese Hoffnung ist durch das Erscheinen der 
neuen preußischen Lehrpläne gründlich getäuscht worden. Die Konferenz 
hat eine Befriedigung in unterrichtshygienischer Beziehung nicht gehracht, 
ja sie konnte sie gar nicht bringen, da keine Vertreter der modernen 
Medizin und der Schulhygiene zugezogen wurden. Das Vertrauen eines 
großen Teiles des deutschen Volkes zu solchen Konferenzen wird durch 
den vorwiegend altphilologischen Charakter derselben erschüttert. Die 
Sympathien für die leitenden Organe im Schulwesen gehen immer 
mehr zurück. 

Wenn die Lehrziele herabgesetzt und der Unterrichtsstoff richtig be- 
schnitten wird — das kann natürlich geschehen ohne die Zahl der 
Fächer zu reduzieren — , dann läßt sich, wie wii' es heute hören werden, 
auch der Unterricht der Hauptsache nach auf den Vormittag beschränken. 
Dann wird Zeit gewonnen teils zur Erholung, teils zur häuslichen Arbeit. 
Ich habe zahlreiche Fälle gesammelt, in denen Schüler der mittleren und 
oberen Klassen, um nachmittags nach der Schule einige Stunden freie 
Zeit zu gewinnen, morgens um 5 oder 6 Uhr aufstanden, um ihre 
Schularbeiten vor dem Beginn des Unterrichts zu erledigen. Wie ver- 
kehrt dies Verfahren ist, braucht wohl kaum erwähnt zu werden, ver- 
kehrt, weil die Schüler oft in Ungewißheit schweben, ob die Zeit zur 
Anfertigung noch ausreichen wird, verkehrt auch, weil die Schüler nach 
der häuslichen Früharbeit bereits ermüdet in die Schule kommen. — 
Einen recht wunden Punkt im Schulbetrieb bilden das Abiturium und 
andere Prüfungen. Ich gestatte mir bei dieser Gelegenheit auf das be- 
berüchtigte württembergische Landezamen hinzuweisen, dessen Wesen hier 
ja genügend bekannt ist. 

Durch die über Wochen und Monate sich erstreckenden Vorberei- 
tungen zum Abiturientenexamen, die gelegentlich durch tägliche Repeti- 
tionen in der Wohnung der Lehrer noch kompliziert werden, tritt nicht 
selten eine geistige und körperliche Erschöpfung ein, die schwere Folgen 
nach sich ziehen kann. Die Anforderungen in der Prüfung werden seit 
der wenigstens nominellen Gleichberechtigung der höheren Lehranstalten 
noch erhöht, damit die neu bedachten auch zeigen, daß sie der erweiterten 
Berechtigungen würdig sind. Besonders schwer haben es die Abiturienten 
der Oberrealschulen und Realgymnasien, weil sich ihre schriftliche Prü- 
fung über fünf beziehungsweise sechs Fächer erstreckt, während die 
G3nDinasiasten nur in drei Fächern schriftliche Arbeiten anfertigen. 
Manches Mitglied der Prüfungskommission würde nicht imstande sein, 
den an die Abiturienten gestellten Anforderungen Genüge zu leisten. 

Behufs einheitlicher Regelung und Durchführung unterrichtshygieni- 
scher Prinzipien wäre es wünschenswert, das Schulwesen zur Reichssache 
zu machen. Die engherzige Scheidung in den Reglements der Einzel- 



Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. AUgem. Deutsch. Vereins etc. H 

Staaten ist für den Schulbetrieb gewiß kein Vorteil. Vom pädagogischen, 
hygienischen und sozialen Standpunkte aus betrachtet, wäre eine einheit- 
liche Volksschule ohne konfessionelle Abbröckelung und eine einzige 
höhere Schulgattung, eine Einheitsschule, in welcher jeder, der höherer 
Bildung zustrebt, Befriedigung fände, der Verzettelung und Zersplitterung 
des höheren Unterrichtswesens vorzuziehen. Möge sich im deutschen 
Volke die Überzeugung bahnbrechen, daß nicht philologische Einseitigkeit, 
Engherzigkeit und Tradition die Schule zu regieren haben, SQndem daß 
das innere Wesen und die Aufgabe der Schule darin bestehen, die 
Zeichen der Zeit richtig zu erfassen und ihre Aiisprüche zu befriedigen. 
Hoffen vnr, daß unsere Jahresversammlungen helfen, an solchen Aufgaben 
vom hygienischen Standpunkte aus mitzuarbeiten; hoffen wir, daß unsere 
Jahresversammlungen dazu dienen, die unterrichtshygienischen Anforde- 
rungen an das Schulwesen zu klären und die Einführung hygienischer 
Maßregeln zu erleichtern. 

Bevor wir in die Verhandlungen eintreten, möchte ich darauf hin- 
weisen, daß den Herren Vortragenden eine Zeit von ca. 30 Minuten 
zur Verfügung steht, und daß die Herren Diskussionsredner beim ersten- 
mal 10 Minuten, beim zweitenmal 5 Minuten sprechen dürfen. Die 
druckfertigen Manuskripte bitte ich die Herren Referenten auf den Tisch 
des Hauses zu legen. An jeden der Herren Diskussionsredner werden 
Zettel verteilt, auf welche wir den Inhalt seiner Diskussionsbeiträge so- 
fort niederzuschreiben bitten. 

Ich erteile jetzt das Wort Herrn Dr. Victor, Professor an der 
Universität Marburg, zu seinem Vortrage. 

Anfang nnd Anordnung des fremdspracUlclien Unterriclits. 

LeitBätae. 

1. Es ist wünschenswert, daß dem fremdsprachlichen Unterricht eine 
längere Beschäftigung mit der Muttersprache vorausgeht, wobei nicht auf 
den grammatischen Betrieb, sondern auf die Erweckung und Festigung 
des Sprachgefühls und in Verbindung damit auf die lautliche Schulung 
das Hauptgewicht zu legen ist. 

2. Die gewonnene Zeit ist nur zum Teil auf den Unterricht in der 
Muttersprache, zum andern Teil auf Erholung, Spiel und freie Betätigung, 
auf die Anleitung zum Beobachten und zu zeichnerischen Darstellungen 
des Beobachteten zu verwenden. 

3. Das Hinaufschieben des fremdsprachlichen Unterrichts darf der 
überhaupt zu verlangenden Verkürzung der täglichen Unterrichtszeit keinen 
Eintrag tun, auch keine spätere Vermehrung der fremdsprachlichen Stunden 
herbeiführen. 

Hochansehnliche Versammlung! 
Zu einer kurzen erklärenden Bemerkung erbitte ich vor allem Ihre 
freundliche Erlaubnis. Vielleicht hat es Sie befremdet, daß zwischen 
dem vorgeschriebenen Thema der heutigen Vorträge und den von mir 
aufgestellten Thesen kein rechter Zusammenhang besteht. Durch ein ja 
nicht gerade schwerwiegendes Mißverständnis bei der brieflichen Ver- 



12 VerhancU. d. YI. JahresverBammliiDg d. Allgem. Dentech. Vereins etc. 

abreduog habe ich bis vor wenigen Tagen des Glaubens gelebt, daß nicht 
allgemein der Anfang und die Anordnung des fremdsprachlichen Unter- 
richts, sondern sogleich positiv das Hinanfsehieben des fremdsprachlichen 
Unterrichts um ein Schuljahr zu behandeln sei. Damit ist denn auch 
meine Stellung zu der Frage ohne weiteres bezeichnet. 

So dankbar ich nun die Bedeutung des mir gewordenen Auftrags 
empfinde, so fühle ich andererseits eine gewisse Beschämung — nicht 
allein, weil ich Ihrem ehrenden Vertrauen nur unvollkommen zu ent- 
sprechen imstande bin^ sondern auch, weil ich mich, wo es so viel zu 
verlangen gibt, in meinem Vortrag mit so geringem begnüge. In diesem 
Dilemma zwischen Unbescheidenheit und Bescheidenheit tröstet mich der 
Gedanke, daß die m. E. ungleich wichtigere Frage des ungeteilten Unter- 
richts auch pädagogisch morgen von berufenster Seite beleuchtet werden 
und, wie ich hoffe, zu einer befriedigenden Lösung kommen wird. Jede 
der beiden Sonderfragen föUt unter die große, allgemeine, die uns alle 
bewegt: Wie begegnen wir der in unseren Schulen trotz alledem herr- 
schenden Überbürdung? 

Trotz alledem — trotz den von Jahrzehnt zu Jahrzehnt in Preußen 
erneuerten Lehrplänen, trotz dem Fortschritt in der Vorbildung und in 
der Methode — besteht sie auch auf den höheren Schulen noch fort, ja 
sie ist von 1891 zu 1901 schon durch die Vermehrung der Stunden 
gewachsen. Die neue Regelung der Pläne bedeutet im preußischen 
Gymnasium 7, im Eealgymnasium 3, in der Oberrealschule 4 wöchent- 
liche Stunden mehr, so daß wieder die Zahlen 259, 262, 262 erreicht 
sind. Für die einzelnen Klassen von Sexta bis Prima ergeben sich 25 
bis 31, mit Turnen und Singen 30 bis 36, die wahlfreien Fächer ein- 
gerechnet, bis 38 Stunden die Woche, also täglich mehr als 6; alles 
ohne die zur häuslichen Arbeit erforderte, nochmals Stunden währende Zeit. 

Freilich: die Menge der Fächer scheint die hohe Stundenzahl zu be- 
dingen. Der verbindlichen Fächer gibt es 13, der wahlfreien 3; somit 
kommen im Durchschnitt nur zwei Wochenstunden auf ein Fach. Schon 
in Sexta — der untersten Klasse — 9 verbindliche Fächer, und fast 
alles von Fachlehrern mehr oder weniger fachmäßig gelehrt! In diesem 
Fächer- und Fachwesen ist die Überbürdung zu Hause. 

Gleich der Ausdruck „Fach^^ ist mir zuwider. Er hat etwas 
Schablonenhaftes, Äußerliches, Hölzernes, Starres, Hohles und Leeres. 
Andere Nationen haben ihi*e „Gegenstände", wir unsere „Fächer", als 
käme bei jenen der Inhalt, bei uns nur die Form in Betracht, als wäre 
es dort auf die innere, hier in der Tat allein auf die so gepriesene 
„formale Bildung" abgesehen. 

Aber — „was ist ein Name?" Sagten wir aoders, es wären der 
Gegenstände und der Spezialisten dennoch zuviel. Wohin kommen wir? 
Die Bühne, die zum Spezialitätentheater wird, ist keine „moralische 
Anstalt". 

Sie wundem sich, hochverehi-te Anwesende, daß ich als Akademiker 
gegen das Fachlehrertum, vielleicht gar die fachmännische Vorbildung 
zu reden scheine. — Auch meine eigene „Spezialität" soll mir den Blick 
für das Allgemeine nicht trüben. Mit dem Straßburger Philosophen 
Theobald Ziegler bedauere ich, daß der Philologe meist nur durch 



Verhandl. d. Vf. Jahresyersaxumlung d. AUgem. Deutsch. Vereins etc. 13 

das Studium selbst, das Wissen und die Wissenscliaft gelockt wird, da- 
gegen itir den künftigen Beruf eines Lehrers nur selten allzu große 
Neigung hat. „Und daher schließt auch die philosophische Fakultät" — 
um mit Zieglers eignen Worten zu reden — „von allen allein die 
direkte Rücksicht auf den künftigen Beruf, die Einführung in die Praxis 
fast grundsätzlich von sich aus . . . Und der preußische Staat" — heißt 
es weiterhin — „hat sich dieser Auffassung neuerdings ausdrücklich an- 
geschlossen, indem er das Seminarjahr als Vorbereitungszeit auf den 
Beruf zwischen Universität und Probejahr eingeschoben und von der 
Universität weg an die Gymnasien verlegt hat." 

Was sollten wir zu einer medizinischen Vorbildung sagen, die zwar 
Geschichte der Medizin, Hygiene, Pharmakologie, Stoffwechsel und Er- 
nährung, auch Physiologie, systematische und pathologische Anatomie, 
Histologie, Osteologie, Syndesmologie usw. in rein theoretischer Behand- 
lung umfaßte, dem künftigen Arzt aber niemals ein Seziermesser in die 
Hand gäbe, niemals einen Kranken vor Augen führte, bis dieser künftige 
Arzt etwa nach vollendetem Studium an eine Klinik zum Übungsjahr 
überwiesen wird? 

Von dem künftigen Lehrer der Sprachen oder der Mathematik und 
Naturwissenschaft ist im allgemeinen Teil der preußischen Staatsprüfung 
neben Religion und Deutsch nur zu fordern, daß er von der Philosophie 
die wichtigsten Tatsachen ihrer Geschichte sowie die Hauptlehren der 
Logik und Psychologie, auch eine der bedeutenderen philosophischen 
Schriften, von der Pädagogik ihre philosophischen Grundlagen sowie die 
wichtigsten Erscheinungen seit dem 16. Jahrhundert kennt, und daß er 
„bereits einiges Verständnis für die Aufgaben seines künftigen Berufes 
gewonnen hat". Wie dieses letztere geschehen soll, darüber wird er 
weder in der Prüfungsordnung, noch während des regulären Studienganges 
belehrt. 

Ist da der einzelne zu tadeln, wenn er die Aufgaben seines künf- 
tigen Berufes wesentlich dahin versteht, daß er die auf der Universität 
erworbene Wissenschaft in ihrem elementareren Teil auf der Schule in 
vorschriftsmäßigen Portionen wieder auszugeben habe? Wenn er sich 
vor der Wahl des äußeren Berufes nicht fragt, ob auch der innere vor- 
handen ist? Wenn er als Lehrer nicht merkt, wie der jugendliche Or- 
ganismus unter dem Druck körperlicher und geistiger Anstrengung trotz 
Zorn und Strafe erlahmt und zusammensinkt, längst vielleicht ehe das 
Ende der fünften Vormittagsstunde oder der vorgeschriebenen Arbeitszeit 
zu Hause erreicht ist? Wenn er, bis ihm der Himmel etwa eigene 
Söhne und Töchter beschert, keine Ahnung hat, was in einer Kindes- 
seele, den „Hauptlehren" seiner gedruckten Psychologie entrückt, schüch- 
tern sich regt, sich sehnt oder aufschreit, verkümmert und stirbt? 

Sie erwidern mir, daß ich zu schwarz male, daß dergleichen nicht 
die Regel, sondern die Ausnahme sei. Wie viele Schüler aber gibt es, 
die tagtäglich mit Freuden zur Schule ziehen, denen der Unterricht nicht 
als leidige Quälerei erscheint? Und woran liegt es, wenn nicht daran, 
daß wir unsere Jugend mit äußeren und inneren Anforderungen, durch 
Stoff und auch Methode über ihre Kräfte belasten? 

Die Lehrpläne im engern Sinn schließen das gleichwohl verbindliche 



14 Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Dentach. Vereins etc. 

Tarnen und Singen sowie die wahlfreien Fächer aus. Die Zahl der 
Wochenstunden schwankt sodann von Sexta bis Prima zwischen 25 und 
30 im Gymnasium oder 31 im Realgymnasium und in der Oberreal- 
schule. Von den 25 bis 30 Stunden des Gymnasiums fallen 11 bis 19, 
in den Mittel- und Oberklassen 60 bis 63 7o) ^^^ Sprachunterricht zu. 
Im Realgymnasium und in der Oberrealschule sind die höchsten Ziffern 

15 und 14, das sind im Maximum 51 und 46%. Den Löwenant«il 
an den Sprachstunden erhält schon in der Anfängerklasse der fremd- 
sprachliche Unterricht, der in der Sexta des Gymnasiums und des Real- 
gymnasiums den Unterricht in der Muttersprache um das Doppelte, in 
der folgenden Klasse um mehr als das übertrifft, während in den mitt- 
leren Klassen des Gymnasiums gar nur 2 oder 3 von 18 oder 11) Sprach- 
stunden auf das Deutsche entfallen. In der Oberrealschule bewegt sich 
das Verhältnis von fremden Sprachen zu Deutsch zwischen 6 zu 5 und 
11 zu 3, immer mit dem Schwerpunkt auf der fremdsprachlichen Seite. 

Diese Begünstigung des Sprachunterrichts könnte man noch ver- 
stehen, käme der Vorteil der Muttersprache zu gute. Weshalb aber 
nimmt der fremdsprachliche Unterricht im Gymnasium schon auf der 
untersten Stufe diese erstaunliche Menge von Stunden in Anbruch? Es 
ist, wir wissen es alle, das Erbteil der Vergangenheit, dessen innere 
Berechtigung man übrigens noch immer zu begründen versucht. Das 
allgemeine Lehrziel im Lateinischen ist für das preußische Gymnasium: 
Verständnis der bedeutenderen klassischen Schriftsteller Roms und da- 
durch Einführung in das Geistes- und Kulturleben des Altertums. Aber 
dieses Verständnis wird nach den Lehrplänen nur auf sicherer Grundlage 
grammatischer Schulung gewonnen. Damit ist die Grammatik als erste 
Etappe gerettet. In den „Methodischen Bemerkungen" heißt es bei der 
unteren Stufe: „Hauptsache ist die systematische Sprachunterweisung zur 
sicheren Einprägung und Handhabung der Vokabeln und Formen^' — 
man merke wohl: Handhabung, obgleich der lateinische Aufsatz als Ziel- 
leistung gefallen ist — „und zur klaren Erkenntnis der Satzteile". 
Freilich wird das induktive Verfahren nicht ausgeschlossen, soweit es 
geeignet sei, das Verständnis zu fördern und die Schüler ziur Selbsttätig- 
keit anzuregen. Auch ist auszugehen vom Satz; und der Wortschatz, 
den die Schüler sich anzueignen haben, ergibt sich aus dem Gelesenen. 
Allein das Gelesene und Grelemte ist fort und fort durch umfassende 
Übersetzungen teils in das Deutsche, teUs aus dem Deutschen mündlich 
oder schriftlich zu verarbeiten, und — Hauptsache ist und bleibt die 
„systematische Sprachunterweisung zur sicheren Einprägung und Hand- 
habung" usw. — wie vorher. 

In den neueren Sprachen ist zwar das allgemeine Lehrziel von der 
Grammatik abgerückt, und die Grammatik der Lektüre untergeordnet. 
Jedoch fällt an den lateinlosen Schulen dem Französischen bezüglich 
der grammatischen Schulung dieselbe Aufgabe zu wie an den latein- 
lehrenden dem Latein, womit das entscheidende Wort dann wieder ge- 
sagt ist. 

Grammatik und Übersetzungen, das ist trotz aller dankenswerten 
Reform in den Lehrplänen auch heute noch die Losung des fremdsprach- 
lichen Unterrichts, zumal in der untersten Klasse. Noch ist zu ver- 



Verhandl. d. VI. Jahresvenammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 15 

spüren, daß die Zeit kein Vierteljahrhundert zurückliegt, da der Sextaner 
— ich zitiere mich selbst — um des nächsten Extemporales willen zu 
wissen hatte, „daß der Fluß Elaver Neutrum und %o, die Hacke, Mas- 
kulinum ist, daß der Plural zu re», die Niere, gewöhnlich rems heißt, 
ob der Dativ und Ablativ der Mehrzahl von veru, der Bratspieß, -ubus 
oder -ibus hat u. dgl. m.". Was sage ich? Die allemeueste Auflage 
von 1905 eines vielgebrauchten Übungsbuches enthält nach wie vor — 
gereimte Geschlechtsregeln wie diese: 

Als Neutra man sich merken muß 

Die Wörter auf ar, ur und us, 

Die Wörter mit der Endung e 

Und die auf a, c, J, n, /, 
bringt dazu vor dem Inhaltsverzeichnis als Variante, die an einigen 
höheren Lehranstalten gelernt wird: 

Die a, e, c, 
die ly n, t, 
die ar^ ur^ us 
sind neuirlus (!), 
und im Vorwort eine dritte Fassung, gleichfalls aus praktischem Ge- 
brauch: 

Als Neutra man sich merken muß 

Die Wörter auf e, /, mew, ws. 

Auch Caput, ccUcar, lac zum Schluß. 
Nach wie vor muß ich meinerseits glauben, daß unsere lateinische 
Schulgrammatik mit dergleichen Mitteln die erziehliche Wirkung aus- 
schließt. 

Der Herausgeber dieses Übungsbuches ist der Ansicht, auf der An- 
fangsstufe sei das Einüben, auch „Einpauken" dürfe man es nennen, 
die Hauptsache. Daß der Schüler von vornherein in den Geist der 
Sprache eingeführt werden müsse, hält er fCb* wenig mehr als ein schön 
klingendes Wort. Es kommt ihm vor, als wenn man zurzeit Gefahr 
laufe, in pädagogischem Übereifer den Zweck des Lateinlemens aus dem 
Auge zu verlieren. Und der wäre denn eben auf dieser Stufe, die 
Schüler in der Formenlehre und im Konstruieren sicher zu machen. 

Nach meiner festen Überzeugung ist auf keiner Stufe des Sprach- 
unterrichts das mechanische, auf das Gedächtnis spekulierende „Ein- 
pauken" ein möglicher Zweck. „Was man nicht versteht, besitzt man 
nicht", meint Goethe. Das Verständnis der bedeutenderen klassischen 
Schriftsteller Roms, das zur Einführung in das Geistes- und Kulturleben 
des Altertums dienen soll, kann nur auf dem Verständnis der Sprache 
beruhen, und der Unterricht muß vom ersten Anfang eine Einführung 
in den Geist der Sprache sein, eine Anleitung, diese aus sich heraus zu 
verstehen. Auch im Sprachunterricht hat das induktive Verfahren nicht 
als Ausnahme, sondern als Begel zu gelten. 

Selbstzweck ist die Sprache in der Schule so wenig wie im Leben. 
Gleich einer Eisenbahn, sagt in einem realistischen Bilde Jespersen, 
der dänische Sprachgelehrte, dient sie zur Verbindung, als Mittel des 
Verkehrs. 



16 Verhandl. d. VI. Jahresversammlnng d. Allgem. Deutsch. Yereins etc. 

Konkret, fast als lebendiges Wesen, wird sie dem Kinde begreiflich 
in Frage und Antwort, in Scherzen und Rätseln, in Gedichten und Ge- 
schichten, auch mit ihren typischen Formen durch die Übung vertraut. 
Was wir Grammatik nennen, ist Reflektieren, ist Abstraktion. Unsere 
pseudo-logische und oft pseudo-philologische Art des Grammatisierens 
entspricht dem kindlichen Bedürfnis nicht. Wieder denke ich an Aus- 
sprüche Goethes. „Wer sich mit reiner Erfahrung begnügt und darnach 
handelt, der hat Wahres genug. Das heranwachsende Kind ist weise in 
diesem Sinne." — „Alles Abstrakte wird durch Anwendung dem Menschen- 
verstand genähert, und so gelangt der Menschenverstand durch Handeln 
und Beobachten zur Abstraktion." — «Wer viel mit Kindern lebt, wird 
finden, daß keine äußere Einwirkung auf sie ohne Gegenwirkung bleibt . . . 
Deshalb leben Kinder in Schnellurteilen, um nicht zu sagen, in Vorur- 
teilen; denn bis das schnell, aber einseitig Gefaßte sich auslöscht, um 
einem Allgemeinem Platz zu machen, erfordert es Zeit. Hierauf zu 
achten, ist eine der größten Pflichten des Erziehers.^ 

Wollten wir uns doch diese Mahnimg des größten unserer deutschen 
Erzieher auch im Punkte der Grammatik gegenwärtig halten, deren bloßer 
Name bei den meisten die bitterste Erinnerung an die Schule erweckt! 
Keine Form oder Vokabel, keine Regel oder Ausnahme um ihrer selbst 
willen! Alles nicht wirklich Bedeutsame aus dem Unterricht jeder Stufe, 
alles nicht Einleuchtende,* Greifbare aus dem Anfangsunterricht weg! 
Dann verbürge ich mich — und ich rede auch aus eigener Erfahrung 
als Lehrer — , „daß das Erregen des Interesses, das Suchen- und Finden- 
wollen und das Selbstsuchen und Selbstfinden (unter verständiger Leitung) 
auch dieses als öde verrufene Gebiet in ein ergötzliches und fruchtbares 
Gefilde verwandelt"; kurz, mir steht es sicher, „daß erst die wesentlich 
induktiv behandelte Grammatik sachlich und erziehlich wertvoll ist". 

Mit Ruhe können wir dann auf einen Teil unserer sprachlichen 
Stunden verzichten, uns damit zufrieden geben, daß der fremdsprachliche 
Unterricht erst in der zweiten Klasse beginnt. Meine Wünsche ftlr die 
Anordnung der fremdsprachlichen Fächer will ich, als fürs Erste zu weit 
gehend, sozusagen nur in Parenthese erwähnen. Im höchsten Grade un- 
natürlich ist es für jede Art höherer Schulen, daß eine tote, einer fernen 
Zeit angehörige Sprache als Kulturvermittlerin an die vorderste Stelle 
tritt. Aus äußeren und inneren Gründen gehört das Englische dahin; 
dem Französischen gebührt der zweite Platz; wo der dritte und vierte 
vorhanden sind, rücken Lateinisch und Griechisch hinzu: alles nach dem 
Grad der Schwierigkeit imd Bedeutung. 

Hiermit ist der Anschluß an meine Thesen cireicht. Ihre Begrün- 
dung im ganzen sehe ich in dem Gesagten. Alles Einzelne sei der 
Erörterung anheimgestellt. Wert hat es nur so weit, als seine Verwirk- 
lichung dazu beitragen kann, die körperliche und geistige Erziehung 
unserer Jugend zu fördern. Nicht die Schule gilt es, sondern das Leben! 

Der Vorsitzende, Prof. Griesbach: 

Ich danke Herrn Prof. Vietor für seinen hochinteressanten und für 
die Frage nach dem Anfang des fremdsprachlichen Unterrichts wichtigen 
Voi-trag und möchte jetzt die Diskussion eröffnen. 



Verhandl. d. VI. JahreBversaimnluDg d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 17 

Ein Herr zur Greschäftsordnung: 

Ist es nicht angebrachter, zunächst den Vortrag des medizinischen 
Referenten zu hören? 

Die Versammlung erklärt sich damit einverstanden, und der Vor- 
sitzende erteilt Herrn Dr. med. Jäger- Seh wäbisch-Hall das Wort: 



Leitsätze. 

Mit der Frage des Themas ist die Grundfrage unseres gesamten heute 
bestehenden höheren Schulwesens angeschnitten. In dieser Beziehung ist 
in erster Linie zweierlei zu wünschen. 

1. Der Unterricht ist im ganzen und seinen Teilen zeitgemäßer 
zu gestalten. Die Schule muß die, vornehmlich mit dem alten klassischen 
Unterricht beschrittenen Bahnen weltfremder Ideologie verlassen und sich 
mit ihren Zielen auf den Boden der Bedürfnisse des Lebens und der 
Forderungen der Zeit stellen. 

2. Der Unterricht ist im ganzen und seinen Teilen naturgemäßer 
zu gestalten. Er muß den Gesetzen der Biologie und Physiologie des 
jugendlichen Organismus, insonderheit des Gehirns angepaßt werden. 
Die Schule muß die, namentlich mit dem grammatikalisch-fremdsprach- 
lichen Unterricht beschrittenen Bahnen des einseitigen Intellektualismus 
und Formalismus verlassen und eine naturgemäße, auf der Grundlage der 
Sinne und ihrer Tätigkeit aufgebaute möglichst gleichmäßige und har- 
monische Ausbildung aller Geistes- und Körperkräfte ins Auge fassen. 
Unter Berücksichtigung dieser Punkte ergibt sich für den Sprach- 
unterricht im besonderen: 

1. Die Muttei-sprache ist in den Mittelpunkt dieses Unterrichts zu 
stellen; 

2. Die Frage nach dem Beginn des fremdsprachlichen Unterrichts 
ist in zwei zu zerlegen, da es zwei Wege der Erlernung gibt: 

a) den Weg, wie das Kind die Muttersprache erlernt, 

b) den Weg der Grammatik. 

Der erstere ist der natürliche, physiologisch -biologische Weg. Er 
entspricht dem erwerbenden, stoffsammelnden Denken der Jugend und 
der allmählichen Entwicklung des Gehirns an der Hand der Sinne und 
der Anschauung. Diese Art kann eintreten, so früh sie will. Der andere 
Weg, der der Grammatik, entspricht dem ordnenden Denken der Er- 
wachsenen, dem fertig-entwickelten, für den verwickelten Prozeß abstrakt- 
philosophischer Denkoperationen ausgereiften Gehirn. Für diese Art gilt 
deshalb: so spät als möglich. 

Der fremdsprachliche Unterricht ist jedenfalls auf der Unterstufe, 
soweit es irgend die Eigenart des Massenbetriebs der Schule ermöglicht, 
der ersten Art zuzuweisen. 

Hierau.s ergibt sich für die Reihenfolge der Fremdsprachen: 

1. Zunächst lebende Sprachen, da sie allein der Forderung der na- 
türlichen Erlernung genügen können. 

2. Ihre Folge müßte sein: erst Englisch, dann Französisch, weil 
der Gang vom Näherstehenden und damit Leichteren zum Femstehenden 

YerhandlunRen 1906. 2 



18 Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutach. Vereins etc. 

und Schwierigeren der natürlichen Entwicklung der jugendlichen Kräfte 
mehr entspricht. 

3. Der ausschließlich grammatikalische Betrieb der toten Sprachen 
(Latein, Griechisch und Hebräisch) ist den höheren und höchsten Alters- 
stufen zuzuweisen. 

Als mir seinerzeit die ehrende Aufforderung zuging, heute über 
das Thema „Anfang und Anordnung des fremdsprachlichen Unterrichts" 
zu Ihnen zu reden, da bin ich erst ernstlich in mich gegangen und habe 
mich gefragt, was ich als Mediziner mit dieser Frage eigentlich zu 
schaffen habe. Ich war mir der ungeheuren Schwierigkeit des Stoffes 
wohl bewußt und bin es heute, nachdem ich mich in der Fülle der dies- 
bezüglichen Literatur umgesehen, vielleicht noch mehr und das Sprich- 
wort vom Schuster, der bei seinem Leisten bleiben soll, hat mir viel- 
leicht mehr als sonst vorgeschwebt. Wenn ich es trotzdem wage, heute 
mit meinen Ausführungen vor Sie zu treten, so bin ich weit entfernt 
zu glauben, der Größe meiner Aufgabe auch nur halbwegs erschöpfend 
gerecht werden zu können. Ich habe vielmehr nur die Hoffnung, in 
meinem bescheidenen Teil doch den einen oder anderen vielleicht brauch- 
baren Gedanken zur Lösung dieses Problems beitragen zu dürfen. 

Die Frage des Themas stellt uns in den Kernpunkt unseres ganzen 
höheren Unterrichts. Sie ist die Grundfrage für unser gesamtes höheres 
Bildungswesen überhaupt. So müssen Sie mir gestatten, dieselbe ei*st 
auf diese etwas breitere Grundlage zu stellen und zunächst mit einem 
kurzen geschichtlichen Exkurs etwas weiter auszuholen. Derselbe lehnt 
sich im wesentlichen an die Ausführungen des Prof. Dr. Hugo Müller, 
Oberlehrer am Ludwigs-Georgs-Gjmnasium in Darmstadt, an, wie er sie 
in seinem Buch „Das höhere Schulwesen Deutschlands am Anfang des 
20. Jahrhunderts" niedergelegt hat, sowie an eine Jahresberichtbeilage der 
Realschule mit Bealprogjmnasium zu Mannheim von Dr. Friedrich 
Blum: ,,Der gemeinsame Unterbau der höheren Schulen in seiner ge- 
schichtlichen Entwicklung." 

Für die Zwecke der höheren Bildung und als alleinige Vorberei- 
tungsanstalt für die Universitätsstudien hatten wir bis zum Anfang der 
70er Jahre des vorigen Jahrhunderts, da dem 1859 aufgetauchten Real- 
gymnasium „für gewisse Fächer der Zutritt zur philosophischen Fakultät 
der Universität gestattet wurde", nur eine Schulgattung: das huma- 
nistische Gymnasium — die direkte Fortsetzung der zur Zeit der 
Reformation von Philipp Melanchthon gegründeten protestantischen huma- 
nistischen Gelehrten schulen, der „Fürsten- und Landesschulen". Müller 
schreibt darüber: „Sie bereiteten in 5 — 6 jährigem Kursus zur Universität 
vor. Ihr Fremdsprachenbetrieb erstreckte sich auf Lateinisch, Griechisch 
und Hebräisch, daneben Mathematik und Physik, die man aber in der 
Hauptsache durch die Lektüre der alten Schriftsteller nebenher erlernte. 
Der ganze Betrieb drehte sich um die Aneignung der lateinischen Be- 
redsamkeit, worüber alles andere verkümmerte. Der Grund war klar 
genug: Sichere Beherrschung der lateinischen Sprache, der Weltsprache 
des Abendlandes, der Sprache des diplomatischen Verkehrs und der Ge- 
setze, der ausschließlichen Sprache der Wissenschaft und des üniversi- 



Verhandl. d. VF. Jabreflversammlang d. Allgem. Deutsch. Yereins etc. 19 

tätsunterriebts war für jeden, der eine höhere Stelle bekleiden wollte, 
unerläßlich. Aus demselben Grunde ging es auch in den Jesuitenschulen, 
die in den katholischen Ländern zwei Jahrhunderte lang die Jugend der 
höheren Stände erzogen haben, gerade so her, um so mehr, als das Latein 
die Sprache der Kirche blieb/^ 

Trotz der verschiedensten Anstürme, wie sie sich, vom 17. Jahrhundert 
an, an die Namen eines Job. Amos Comenius, eines Job. Peter 
Müller, Job. Gottfried Herder, Ernst Christ. Trapp und anderer 
knüpfen, .ist dank der Bestrebungen eines Mattb. Geßner, eines Aug. 
Friedr. Wolff und eines Johannes Schulze eine wesentliche Ände- 
rung in dieser Ordnung der Dinge nicht erzielt worden. „Noch heute 
gibt es in allen deutschen Landen eine nicht geringe Zahl von Gym- 
nasien, die seit 3 — 4 Jahrhunderten ohne jeden Wandel Pfiegestätten 
jener humanistischen Studien geblieben sind, wie die sächsischen Fürsten- 
schulen und die niederen Seminarien in Württemberg. In Sachsen, 
Württemberg und Bayern ist bis weit ins .19. Jahrhundert hinein der 
althumanistische Betrieb der Beformationszeit wirksam und maßgebend 
gewesen^^ (Müller). Die Gymnasien Preußens hatten durch den 1734 
aufgekommenen Neuhumanismus unter Wilhelm von Humboldt eine 
geringe Modifikation erfahren. 

So hat sich unser gesamtes zurzeit bestehendes höheres Schulwesen 
auf dem fremd- und zwar zunächst altsprachlichen Unterricht aufgebaut, 
und so ist der Fremdsprachenbetrieb der Angelpunkt geworden für den 
gesamten höheren Unterricht. 

Nachdem das stürmische Jahr 1848 mit Ladenbergs Vorschlag 
der Einführung von Realgymnasien abermals einen vorübergehenden Ver- 
such gemacht hatte, an dem Bestehenden zu rütteln^ begann der eigent- 
liche Sturm auf das Gymnasialmonopol in den 70 er Jahren. Seine Mark- 
steine sind die Schulkonferenzen von 1873, 1890 und 1900. Ihre Re- 
sultate das, was wir heute haben: 

l) das altsprachliche Gymnasium, aus der Beformationszeit, mit 
geringen Änderungen in Beziehung auf das Griechische aus der Zeit des 
Neuhumanismus und einem zum Teil auch a,us früherer Zeit datierenden, 
im wesentlichen von der Dezemberkonferenz 1890 herstammenden Ein- 
bau von modernen Bildungsstoffen, 2) die lateinlose, ausschließlich neu- 
sprachliche Oberrealschule, 3) die Mischung dieser beiden im latein- 
neusprachlichen Realgymnasium und 4) eine Anzahl — jetzt etwa 
73 — Reformgymnasien und Reformrealgymnasien, die neben 
anderem besonders auch in der Anordnung der Fremdsprachen den 
modernen Anforderungen sich anzupassen suchen. 

Steht so unser gesamtes Schulwesen, wie oben gezeigt, unter dem 
Zeichen des fremdsprachlichen Unterrichts, so mußten auch alle Bestre- 
bungen nach Umgestaltung und Änderung, alle Vorwürfe und Anklagen 
gegen dasselbe in ihrem innersten Kern immer wieder auf diesen Punkt 
sich richten. 

Diese Vorwürfe sind trotz der Änderungen in der jüngsten Zeit 
noch nicht erledigt und stehen mit dem vorliegenden Thema auch heute 
wieder zur Erörterung. Sie lassen sich im wesentlichen unter zwei Ge- 
sichtspunkten zusammenfassen. 



20 Verhandl. d. VI. JabresverBammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

Den einen hat Kaiser Wilhelm 11. in seiner Bede auf der Dezember- 
konferenz 1890 in die Worte gefaßt: Die Schule hat den Zusammen- 
hang mit dem Leben verloren. 

Dem zweiten Gesichtspimkt möchte ich die Fassung geben: Der 
Schule fehlt der Zusammenbang mit der Natur, der Natui 
ihres Objekts. 

Der erste Gesichtspunkt föllt streng genommen aus meinem medi* 
zinischen Referat als solchem heraus, berührt aber den andern so nahe, 
daß Sie mir auch hierauf einige Streiflichter gestatten müssen. 

War die Schule als Gymnasium von Anfang an mit dem Leben und der 
Wirklichkeit in einem sehr losen Zusammenhange infolge ihres dem weitabge- 
wandten, mittelalterlichen Kloster wesen entnommenen altklassiscfaen Fremd- 
sprachenbetriebes, so wurde dieser Zusammenhang später noch lockerer. Es 
geschah dies einmal, als das Lateinische als Weltsprache des Abendlandes 
und als Sprache der Wissenschaft und des üniversitätsunterrichts immer 
mehr zurücktrat und schließlich ganz aufhörte. Hiermit hatte für die 
Mehrzahl der Studierenden die Erlernung des Lateinischen seinen prak- 
tischen Zweck verloren. Als Ersatz dafür kam das Dogma von dem 
unersetzlichen Wert der lateinischen Grammatik als geistiger Dressur- 
anstalt auf und von der ünentbehrlichkeit des Studiums seines sprach- 
lichen und philosophischen Baues für die Schulung des Denkens. Zum 
anderen lockerte sich der Zusammenhang der gelehrten Bildung mit dem 
Leben, als man zur Zeit der Erniedrigung unseres Vaterlandes aus der 
traurigen Zerrissenheit der Gegenwart ins Griechentum, als die verkör- 
perte Idee des Menschentums, sich flüchtete und die Erhaltung und 
Pflege des „An-sich-Schönen" und „An-sich-Wertvollen'* als das Endziel 
aller höheren Büdung aufstellte (Priedr. Aug. Wolff 1806, Wilhelm 
V. Humboldt 1809): An Stelle praktischer, auf das Leben oder den 
Beruf abhebender Ziele und Zwecke waren zwei abstrakt-philosophische 
Begriffe gesetzt, die Schule war mit ihrer Gruppierung um die beiden 
alten Sprachen Selbstzweck geworden. Damit war hier di*eierlei fest- 
gelegt: 1. in ihren Haupt- und Endzielen kein lebendiger Zusammen- 
hang mit dem Leben, fürs 2. eine absolute Wert- und Überschätzung 
fremdsprachlichen, insbesondere altsprachlich-grammatikalischen Unterrichts 
und Studiums für Geistes- und Verstandesbildung und 3) als Folge da- 
von eine Aschenbrödelstellung unserer Muttersprache, die schließlich nur 
noch dazu da zu sein schien, um Latein und Griechisch zu lernen. Die 
gesamte höhere Bildung war beschlossen darin, daß man wie Hoff mann 
von Fallersieben singt: 

„fest den Knaben hält. 
Wie in einem Zauberbanne, 
In der fremden toten Welt! 
Seinen deutschen Geist zu bilden 
Und zu schärfen den Verstand 
Muß er seine Jugend teilen 
Zwischen Born und Griechenland! 

Und so mußte schon Herder vor mehr als 100 Jahren klagen, 
daß „man in der lateinischen Schule für die ganze Welt zu wenig 



Verhandl. d. AHl. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 21 

Sachen lernt" und die Frage stellen: „Ist die lateinische Sprache Haupt- 
werk der Schule?" und antworten: „Nein, die wenigsten haben sie nötig, 
die meisten lernen sie nur, um sie wieder zu vergessen. Die Welt 
braucht hundert tüchtige Mftnner und einen Philologen; hundert Stellen, 
wo Bealwissenschaften unentbehrlich sind, eine, wo eine gelehrte und 
grammatische Kenntnis des alten Roms gefordert wird." 

Ein Goethe seufzt: „Könnte man nur den Deutschen etwas weniger 
Philosophie und mehr Tatkraft, etwas weniger Theorie und mehr Praxis 
beibringen. Was sie am meisten bedürfen, haben sie in der Erziehung 
eingebüßt." und herb und scharf fiaßt es im oben angezogenen Gedicht 
Hoffmann von Fallersleben mit den Worten: 

„Und er tritt ins deutsche Leben 
Als ein fremder Ignorant!" 

So haben die Großen und Größten unserer Nation damals schon 
ihre Stimmen gegen diese Art erhoben. 1890 auf der Dezemberkonferenz 
hat Kaiser Wilhelm gesagt: „Wir müssen von der Basis abgehen, die 
jahrhundertelang bestanden hat, von der klösterlichen Erziehung des 
Mittelalters, wo das Lateinische maßgebend war und ein bißchen Grie- 
chisch dazu." Aber es hat noch lange gebraucht, bis diesen Worten 
auch aus dem Lager der Altphilologen ein Zugeständnis folgte, wie ich 
es im folgenden der oben bereits angefiihrten Schrift Müllers entnehme, 
in der es heißt: „Vor allen Dingen müssen wir uns klar machen, daß 
aller Unterricht, vom elementarsten bis zum höchsten, in erster Linie 
praktische Zwecke verfolgt; seine unmittelbarste Aufgabe kann keine 
andere sein, als den Zöglingen die Fertigkeiten und Kenntnisse zu ver- 
leihen, die sie brauchen, um ihren irdischen Beruf auszuüben und sich 
im Leben zu behaupten . . . Wir wollen doch so gerecht sein, einzu- 
gestehen, daß der Jurist, der Geistliche, der Gelehrte des 16. und 17. 
Jahrhunderts sein Lateinisch lernte, wie heutzutage der Techniker und 
Kaufmann neuere Sprachen, nämlich, weil er es zur Ausübung seines 
Berufes brauchte . . . Die Schule hat nicht die Macht, den Kultur- 
strömungen den Weg zu weisen, die vielmehr aus viel tieferen und stär- 
keren Quellen fließen, sondern ihre Sache ist es nur, das heranwachsende 
Geschlecht zu befähigen, den durch die Kulturentwicklung der Zeit ge- 
stellten Anforderungen gerecht zu werden. Heute verlangt die Teilnahme 
am wirtschaftlichen Leben der Zeit eine gründliche Beherrschung der 
Naturwissenschaften, die Teilnahme am Weltverkehr eine tüchtige Kennt- 
nis der modernen Fremdsprachen und eine größere Vertrautheit mit der 
Art und den Einrichtungen der anderen Völker. Und ganz abgesehen 
davon bedarf ein Geschlecht, das mehr zum praktischen Handeln, als zu 
abstrakter Betrachtung zu erziehen eine Pflicht der nationalen Selbst- 
erhaltung ist, einer mehr harmonischen Entwicklung von Leib und Seele, 
einer tüchtigeren körperlichen Erziehung, einer sorgfältigeren Ausbildung 
der Sinne, einer gesteigerten Handfertigkeit, einer größeren Fähigkeit 
das wirkliche Leben zu beobachten und entschlossen zu handeln." 

Mit diesem Zeugnis, denke ich, können wir diesen Teil unserer Er- 
örterung schließen und in folgender Forderung zusammenfassen: 

Der Unterricht ist im Ganzen und in seinen Teilen zeitgemäßer zu 



22 Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

gestalten, die Schale muß die, vornehmlich mit dem altklassischen Unterricht 
eingeschlagenen Bahnen wirklichkeitsfremder Ideologie verlassen imd sich 
mit ihren Zielen auf den Boden der Bedürfnisse des Lebens und der 
Forderungeu der Zeit stellen. 

Zum Schlüsse möchte ich noch anfügen, daß ich natürlich überzeugt 
bin, daß zu ihrer Zeit wohl auch diese Art des Unterrichts ihre Be- 
rechtigung und ihren guten Zweck hatte, ja vielleicht ebenso eine ge- 
schichtliche Notwendigkeit war, wie fast alles, was in der Welt und 
ihrer Geschichte einmal geworden ist und bestanden hat. Auch das 
Mönchstum und das Klosterwesen hatte seine geschichtlichen und kul- 
turellen Aufgabe. 

Wir kommen zum zweiten Punkt. Ist ihr Ursprung aus dem 
Klosterwesen unserer höheren Schule in Beziehung auf ihren Zusammen- 
hang mit dem Leben und auf das Verständnis für die Forderungen der 
Zeit verhängnisvoll geworden, so wird er es zum zweitenmal in Be- 
ziehung auf die Forderungen derNatur, wiederum insbesondere dureh 
seinen Fremdsprachenbetrieb und zwar so: 

Es gibt zwei Arten der Erlernung fremder Sprachen. Die eine ist 
die natürliche, lebendige Art, in der wir unsere Muttersprache erlernt 
haben. Es ist die Art, wie sie in der Geschichte der Sprachentwick- 
lung der jugendlichen Phase derselben entspricht, der Zeit der Sprach- 
schöpfung und Spracherschaffung an der Hand der Sinne und auf der 
Grundlage des Bedürfnisses der Verständigung. Es ist der Weg durch 
die Sinne, insonderheit durchs Ohr, Hand in Hand mit der Erkenntnis 
der Dinge der Außenwelt, — wie sich das aus folgenden Ausfahrungen 
noch klarer ergeben wird: Sachvorstellung und Lautbild in engster 
Verschmelzung. 

Man hat die Sinne schon die Torwege genannt, die in die Stadt 
des Geistes fuhren (Hemprich). Durch die Tätigkeit der Sinne er- 
wirbt sich das Kind die Kenntnis der Dinge. Die Sinne verschaffen das 
Material für den Geist und damit den Vorstellungsinhalt für das Denken. 
So steht das ganze Geistesleben des Kindes und der Jugend unter dem 
Zeichen der Sinnestätigkeit und der Anschauung, sein ganzes Wesen ist 
darauf gerichtet und angelegt. So ist auch der Weg durch die Sinne für 
die Spracherlernung die natürliche Art, wie sie dem so vermittels der 
Sinne Stoffe sammelnden, erwerbenden Denken der Jugend, wie 
er dem an der Hand der Sinne allmählich sich entwickelnden und sich auf- 
bauenden jugendlichen Gehirn entspricht. Und so sehen wir denn auch 
in den sprachlichen Grenzbezirken, oder in Ehen zwischen verschieden- 
sprachlichen Eltern schon kleine Kinder ohne jede geistige Anstrengung 
oder gar Schädigung neben ihrer Muttersprache noch 1 — 2 Fremdsprachen 
mit erstaunlicher Gewandtheit handhaben. Die diesbezüglichen Erlebnisse 
während eines mehrmonatlichen AufenÜialts in Budapest, meine Erfah- 
rungen in diese]* Richtung auf einer Orientreise in Kairo haben mir 
einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen. Dabei ist ganz erstaunlich, 
wie rasch und leicht das geht, wie besonders befähigt also das Kind 
ist für die Erlernung fremder Sprachen, falls hiedurch nur der ent- 
sprechende lebendig-natürliche Weg eingeschlagen wird. Wie das auch 
schon Herder sagt: „Die Jugend der menschlichen Seele ist Neugierde, 



yerbandl d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 23 

unersättliche Begierde, Dinge zu sehen, insonderheit Wunderdinge, die 
Gabe Sprachen zu lernen, sofern sie nur an Begriffen und Dingen 
hängen" (Reisejournal). 

Die Schule betritt in ihrem gesamten fremdsprachlichen Unterricht 
— denn der neusprachliche wurde bis vielleicht in die allerjüngste Zeit 
genau nach dem Muster des altsprachlichen betrieben — den künst- 
lichen Weg der Grammatik. 

In der historischen Entwicklung der Sprache — um bei dieser 
Parallele zu bleiben — würde diese Art der Phase derselben entsprechen, 
die wir etwa als die senile bezeichnen könnten. Sie entspringt dem Be- 
dürfnis des Alters, wenn die Periode des Erwerbens vorüber ist, rück- 
schauend seinen Besitzstand zu ordnen. So ist sie der Weg, wie er dem 
stoffgesättigten, ordnenden Denken des Erwachsenen, wie er 
dem Interesse des Sprachforschers, des im weltabgeschiedenen Kloster 
Pergamente und Handschriften studierenden Mönches entspricht. Es ist 
der Weg des Studiums des abstrakt-logischen, des philosophischen Auf- 
baues einer Sprache. Diese Art, dem fremdsprachlichen Unterricht 
von 8 — 9 Jährigen zugrunde gelegt, ist wider alle Natur derselben. 
Scharf in seiner temperamentvollen Art föllt hierüber sein Urteil eben 
wieder Job. Gottfr. Herder in seinem „Reisejoumal" mit den Worten: 
„Man lobt das Kunststück, eine Grammatik als Grammatik, als Logik 
und Charakteristik des menschlichen Geistes zu lernen. Schön 1 sie 
isfs und die lateinische, so sehr ausgebildete Granmiatik ist dazu die 
beste I Aber für Kinder? Die Frage wird stupide I Welcher Qum- 
taner kann ein Kunststück aus Casibus, Deklinationen, Konjugationen, 
Syntaxis philosophisch überschauen? Er sieht nichts als ein totes Ge- 
bäude, das ihm Qual macht, ohne einen materiellen Nutzen, ohne eine 
Sprache zu lernen. So quält er sich hinauf und hat nichts gelernt. 
Man sage nicht, die toten Gedächtniseindrücke, die er hier von der phi- 
losophischen Form einer Sprache bekommt, bleiben in ihm und werden 
sich zeitig genug einmal entwickeln. Nicht wahr! Kein Mensch hat mehr 
Anlage zur Philosophie der Sprache als ich, und was hat sich aus mei- 
nem Donat je in mir entwickelt?" «Der erste unverstandene abstrakte 
Begi-iff ist ihnen (den Kindern) Gift, ist wie eine Speise, die durchaus 
nicht verdaut werden kann und also, wenn die Natur sich ihrer nicht 
entledigt, schwächt und verdirbt. Was würden wir, wenn die Natur 
nicht die Güte hätte, uns dessen durch Vergessenheit zu entledigen?' 
„0, gebt mir eine unverdorbene, mit Abstraktionen und Worten 
unerstickte Jugendseele her, so lebendig, wie sie ist, und setzet mich 
dann in eine Welt, wo ich ihr alle Eindrücke geben kann, die ich will, 
wie soll sie leben." So weit Herder. 

Man braucht nicht gerade auf dem Standpunkt Häckel sehen Mo- 
nismus zu stehen, auch als Dualist wird man nicht über die Tatsache 
hinwegkommen, die ich oben schon gestreift, daß auch unser Geist und 
unser Geistesleben eben an den Stoff gebunden ist, und daB alle seine 
Fähigkeiten und Tätigkeiten auf den Punktionen eines köiperlichen Or- 
gans, des Gehirns mit seinen Hilfsorganen des Bückenmarks, des Ner- 
vensystems und der Sinne beruhen und mit ihm stehen und fallen. Das 
beweist uns täglich die Geschichte der Gehimverletzungen und Gehirn- 



24 Verhandl. d. VL JahresYersammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

erkrankungen, der SchlaganfäUe und Geisteskrankheiten. Bei Verletzungen 
oder Erkrankungen hestimmter Gehimteile fallen ganz bestimmte geisüge 
Funktionen aus. Aus demselben Grunde ist dieses Gehirn auch den Ent- 
wicklungsgesetzen alles Stofflichen unterworfen und so hat mit ihm 
auch der Geist seine Entwicklungsphasen. 

Es ist nicht möglich, in dem mir zur Verfügung stehenden Rahmen 
ausführlich auf die Anatomie und Physiologie dieser Organe einzugehen. 
Ich muB mich begnügen, hier auf die diesbezüglichen Ausführungen Dr. 
Th. Ziehens in seinem „Leitfaden für die physiologische Psychologie", 
Dr. H. Schillers in seiner „Praktischen Pädagogik^^, Dr. Gerhardis in 
seiner „Physiologie in Beziehung auf Pädagogik und Schulgesundheits- 
pflege" und Rektor Hemprichs in seiner „Kinderpsychologie" zu ver- 
weisen. Hier soll nur kurz in Anlehnung an diese Arbeiten folgendes 
ausgeführt werden: 

Das Organ des Geistes im engeren Sinne sind die beiden Halb- 
kugeln des Großhirns mit ihren durch Fältelungen hervorgebrachten 
V^indungen. Auf dem Durchschnitt unterscheidet man eine graue und 
eine weiße Substanz. Die erstere überzieht als Rinde die Halbkugeln 
des Großhirns mit allen seinen Windungen und Vertiefungen und bildet 
innerhalb derselben eine Anzahl mächtiger zentraler Kerne. Die übrige 
Masse bildet die weiße Substanz. Mikroskopisch erweist sich die graue 
Substanz als aus einer Menge miteinander durch Verästelung verknüpfter 
Nerven-, sogenannter Ganglienzellen, die weiße Substanz als aus 
vorzugsweise unverzweigten Nervenfasern bestehend. Die Lücken 
dieser Grundelemente werden durch den Nervenkitt, die sogenannte Neu- 
roglia ausgefüllt. Jede Ganglienzelle ist xiußer mit ihren Nachbarn noch 
mit einer Nervenfaser verbunden. Ganglienzellen mit zugehöriger Nerven- 
faser bilden zusammen ein sogenanntes Neuron. Was die physiologische 
Bedeutung dieser drei Gewebsarten angeht, so stellen die Fasern die 
leitenden und verknüpfenden Elemente dar, während die Ganglienzellen 
die empfangenden und umwandelnden Organe des Empfindens, Denkens, 
WoUens und des Bewußtseins sind. 

Von besonderer Wichtigkeit ist im weiteren die Faserung in der 
weißen Substaiz, die die Verknüpfung der einzelnen Ganglienzellenherde 
untereinander und mit den Außenorganen der Sinne, des Rückenmarks 
und des Nervensystems darstellt. 

Nach den Forschungen Meinerts laufen sämtliche von der Rinde 
der Großhirnhalbkugeln radiär ausgehenden, die weiße Substanz bildenden 
Fasern zunächst nach den großen zentralen Gehimganglien der betreffen- 
den Halbkugel und bilden so die Stabkranzfaserung oder das Projek- 
tionssystem erster Ordnung. Von dieser zu dem Ganglienherd des 
Höhlengraus der dritten Himkammer und des Rückenmarkskanals ziehen 
die Fasern des Projektionssystems zweiter Ordnung, wo sie 
in verschiedener Höhe zum Teil schon im verlängerten Mark — ^ oberes 
Ende des Rückenmarks — endigen. Im zentralen Höhlengrau schließlich 
selbst entspringen die nach der Peripherie des Körpers laufenden Bahnen 
des, für die Kopfsinne nicht in Betracht kommenden Projektions- 
systems dritter Ordnung. Sämtliche Bahnen enthalten einesteils 
empfindende (zentripetale), andernteils erregende (zentrifugale J Nerven- 



Verhandl. d. VI. JahreBversammlung d. AUgem. Deutsch. Yereins etc. 25 

fasern. Neben diesen haben wir noch zu unterscheiden Kommissuren- 
fasern, die Halbkugel und Halbkugel verbinden, und Assoziations- 
fasern, die die verschiedenen Gebiete ein und derselben Großhirnhalb- 
kugel verbinden. Dieses anatomische Gehimbild ist durch folgendes 
physiologische zu erg&nzen. 

Wenn der aus der Außenwelt kommende Reiz in unseren Sinnes- 
organen auf die Endigungen der sensiblen und sensorischen Nerven trifft, 
wird aus dem äußeren Beiz eine Nervenerregung, ein physiologischer, 
d. h. ein physikalischer oder genauer ein chemischer Vorgang, der sich 
nun zentripetal der Nervenbahn entlang fortpflanzt und schließlich in 
der Hirnrinde eine Erregung auslöst. Parallel mit dieser materiellen 
Erregung zeigt sich dann auch ein psychisches Element, die Empfin- 
dung, welche bewußt ist. Der dem Gehirn mitgeteilte Eindruck einer 
Beizung durch Sinnes- und Empfindungsnerven schwindet aber in dem- 
selben nicht so schnell wieder, wie seine erregende Ursache, sondern es 
bleibt ein unbewußtes Nachempfinden, ein Erinnerungsbild zurück, 
eine materielle Spur der stattgehabten Himrindenerregung in der Gehim- 
substanz, die wir als eine bestimmte Anordnung in bestimmter Weise 
zusanmiengesetzter Moleküle der betreff'enden in Erregung befundenen 
Ganglienzellen des Gehirns uns denken können. Wenn wir denselben 
Gegenstand zum zweitenmal z. B. sehen, so wird die bisher lediglich 
materielle Spur nun auch psychisch als Erinnerungsbild oder vielmehr 
als Vorstellung wieder lebendig (Ziehen). 

Schon oben wurde die graue Großhirnrinde als das Organ des be- 
wußten Denkens im allgemeinen angeführt. Sie ist das Projektionsorgan 
für alles, was über die Schwelle des Bewußtseins gelangen soll. Hier 
werden die Erinnerungsbilder niedergelegt. Deren Verknüpfungen und 
Verbindungen auf den Bahnen der Kommissuren- und Assoziationsfasern 
sind die wesentlichsten Grundlagen unserer Denkprozesse. Und hier 
haben insbesondere die Forschungen Flechsigs ergeben, daß den ver- 
schiedenen geistigen Funktionen verschiedene bestinmit umgrenzte Gehirn- 
abschnitte, Großhimrindenbezirke entsprechen. So wurden neben manchem 
noch Strittigen in durchaus einwandfreier Weise folgende erregende oder 
motorische und empfindende oder sensible Zentren oder Bezirke festge- 
stellt. Das Zentrum für die bewußte und gewollte Bewegung der Arme 
und Beine in der zentralen und der oberen Schläfen windung; das moto- 
rische Zentrum für die Sprache in der dritten linken Schläfen windung; 
das sensible Zentrum für das bewußte Sehen im Hinterhauptslappen; das 
sensible Zentrum für das bewußte Hören im Schläfenlappen; das sen- 
sible Zentrum für den Geruch an der Himbasis usw. — So ungefähr stellt 
sich in großen Zügen anatomisch und physiologisch das fertig entwickelte 
Gehirn der Erwachsenen uns dar. 

Als ein noch wenig ausgebildetes Organ bringt das Kind sein 
Gehirn mit auf die Welt. Seine Masse im ganzen ist noch gering, seine 
Konsistenz weich imd wasserreich, die einzelnen Abschnitte sind noch 
mehr oder weniger unentwickelt. Alles ist mehr oder weniger erst in 
seinen Anlagen vorhanden und muß erst allmählich und zwar von 
außen her entwickelt werden. So sind z. B. die Stimlappen, die im 
besonderen die Organe des bewußten Denkens darsteUen, während der 



26 Verhandl. d. VI. JahresYersammlung d. Allgem. Deutsch. Vereinfl eic. 

Kindheit nur sehr unvollkommen entwickelt. Die Nervenleitongen , die 
faserigen Verbindungen zwischen den höchsten Zentren im Großhirn 
sind noch nicht fertig gestellt. Die Nervenzellen der Sinneszentren und 
insbesondere der Großhirnrinde sind nodi unentwickelt (He mp rieh, 
Kinderpsjchologie). Die Sinne selbst müssen sich erst allmählich ent- 
wickeln. So ist z. B. das Farbenunterscheidungsvermögen vor dem 
4. Jahre selten vorhanden und klar entwickelt. Langsam und all- 
mählich werden in der frühesten Kindheit zwischen den Sinnesorganen 
und den entsprechenden Gehirnzentren die Bahnen wegsam gemacht. Lang- 
sam und allmählich werden dann auf diesem Wege die Außenwelt und 
ihre Eindrücke in Gehirn aufgenommen, als Vorstellungen aufgespeichert 
und in Erinnerungsbildern den entsprechenden Gehimteilen einverleibt; 
schließlich dieselben unter sich (Assoziation) zu Begriffen verknüpft und 
so die ersten Denkakte vermittelt. Verhältnismäßig spät und jedenfalls 
erst wenn, oder wahrscheinlich erst nachdem das übrige Wachstum 
des Körpers zu einem gewissen Abschluß gekommen ist — wie das im 
Durchschnitt mit dem Eintritt der Pubertät stattfindet — hat sich so 
allmählich das kindliche Gehirn zu jenem hochentwickelten Organ des 
Erwachsenen ausgebaut, das zu den verwickelten und höchsten Geistes- 
funktionen, dem abstrakt-logischen Denken beHlhigt. — In diesem Alter 
hat eine Gymnasiast bereit« drei, ein Bealgymnasiast und Oberrealschüler 
(neben ebenso abstrakt betriebener Mathematik) bereits zwei Fremdsprachen 
seit Jahren schon in grammatikalischer Bearbeitung. — So hängt die Entr 
Wicklung und der Werdeprozeß der geistigen Fähigkeiten auf engste zu- 
sammen mit dem Wachstum und der gleichmäßigen und naturgemäßen 
Ausbildung des Gehirns. 

Auf diese natürliche Basis der Gehirnphysiologie und -bio- 
logie wird sich jede brauchbare Pädagogik stellen müssen. Man kann 
die Geistes- und Verstandestätigkeit nicht aus diesem Zusammenhang 
reißen und für sich behandeln, ohne in falsche und naturwidrige Bahnen zu 
kommen. Eine diesen Zusammenhang vergessende philosophische Pädagogik 
einer Zeit, da man im Hexenprozeß den Leib verbrannte, um „die Seele'^ 
— alias Geist — zu retten, und da man im Kloster ihn zum selben Zweck 
durch Martern und Kasteiungen abtötete, mutet mit dem gi*anunatikali- 
schen Unterricht dem Kinde etwas zu, was dem Erwachsenen gehört. 
Das fühi-t, sobald diese Methode das Übergewicht hat, zu einer einseitigen 
Inanspruchnahme einzelner diesen Funktionen dienenden Gehirnpartien. 
Dies bedingt bei der Jugendlichkeit und Unreife des Gehirns einerseits 
die Gefahr der Überlastung und dauernden Schädigung dieser Teile, 
andererseits geschieht es auf Kosten der übrigen noch unentwickelten 
Gehimpartien , deren Verkümmerung infolge Vernachlässigung um so 
größer wird, je jugendlicher und unentwickelter sie noch sind. Ein 
Punkt, auf den besonders auch Prof. Griesbach in seiner Broschüre 
„Gesundheit und Schule" hinweist. 

Das ist das eine. Das andere habe ich oben in anderem Zusammenhang 
schon gestreift und ist folgendes. In seinem Handbuch der praktischen 
Pädagogik schreibt Dr. Hermann Schiller: „Unser geistiger Reichtum 
wird, außer dem Kapital, das jeder einzelne von seinen Vorfahren ererbt 
hat, durch das Empfinden, d. h. durch das Aufnehmen von Sinnesein- 



Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereine etc 27 

drücken bedingt; denn dieses liefert das Material, aus welchem die Vor- 
stellungen hervorgehen. Darum beruht auch die richtige Geistesbildung 
auf Übung und zweckmäßigem Gebrauch der Sinne. Erst mit dem Er- 
wachen derselben kann sich beim Kind der Geist ausbilden und zwar 
um so besser, je vollkommener die Sinnesorgane eingerichtet sind und je 
sorgfältiger Sinnesübungen vorgenommen wurden; um so schwächer, je 
geringer die Sinnesorgane entwickelt sind und je weniger die Sinnes- 
tätigkeit geübt wird." Von dem Gebrauch der Sinne hängt jede rich- 
tige Kenntnis der Gegenstände ab. Die ganze Entwicklung des 
Verstandeslebens wird durch die Tätigkeit der Sinne bedingt. 
Diesem Naturgesetz entsprechend ist das ganze Wesen des Kindes auf 
Anschauung, sein ganzes Geistesleben dahin veranlagt, vermittels seiner 
Sinne die Außenwelt, die Dinge zu erkennen und so seinen Geist mit 
konkretem Wissen, sein Gehirn mit S ach Vorstellungen zu fallen, 
und bei so allmählich fortschreitender Erkenntnis mit seinen stereotypen 
Fragen: „Warum und wozu ist das?" und „Wie kommt das?" in dieser 
realen Welt der Sachen und Dinge den Zusammenhang zu finden und 
ihren Zweck zu ergründen. 

Was bietet diesem natürlichen Trieb und Weg der Geistesbildimg und 
Verstandesentwicklung der grammatikalische Fremdsprachenunterricht? In 
„Kritische Untersuchungen über Denken, Sprechen und Sprachunterricht" 
von Dr. Aug. Messer, Oberlehrer und Privatdozent der Philosophie in 
Gießen (Sammlung von Abhandlungen aus der pädagogischen Psychologie 
und Physiologie) lesen wir: „Mit dem Studium der fremden Sprache an 
und für sich, d. h. mit der Aneignung ihrer Grammatik und ihres Wort- 
schatzes ist eine Erwerbung neuen geistigen Inhalts und Besitzes noch 
gar nicht gegeben. Das fremdsprachliche Wort ist zunächst ein bloßer 
Lautkomplex, mit dem sich etwa noch die optische Vorstellung 
des geschriebenen oder gedruckten Wortes verbindet. Auch damit, daß 
die fremdsprachlichen Worte mit Hilfe unserer Muttersprache oder durch 
Anschauungen, welche unsere Kulturwelt liefert, verdeutlicht werden, ist 
noch gar keine inhaltliche Bereicherung unseres Geistes ge- 
geben. Erst das Studium der fremdsprachlichen Literatur, die uns in 
die fremde Kulturwelt einführt, gewährt uns eine solche, besonders, wenn 
eine reichliche, sachliche Belehrung sich damit verbindet (die aber, wie 
nachher gesagt wird, streng genommen aus dem Bereich des fremdsprach- 
lichen Unterrichts als solchem hinausfällt). Einen Zuwachs an Vor- 
stellungen liefert uns das bloße Übersetzen so wenig, als das einfache 
Erlernen solcher Vokabeln." Ein weiterer begeisterter Verfechter alt- 
sprachlichen grammatikalischen Unterrichts, Oberlehrer Keller, „Denken 
und Sprechen und Sprachunterricht", betont, „daß das Wort mehr und 
mehr die Vorstellimg vertritt (d. h. auf Physiologisch: daß das Wortbild 
an die Stelle der Sachvorstellung tritt), imd muß zugeben, daß 
beim Studium der alten Sprachen nur das Objektivste an der Sprache, 
das Gedankenmäßige, der reine Denkinhdlt bleibt: „Alles Seelische, 
Gefühlsmäßige, was dem Römer und Griechen im Klang seiner lebendi- 
gen Sprache lebte, fällt uns so gut wie aus." Also auch nach den Zeug- 
nissen von dieser Seite: Rein gedankenmäßiges, vom Stofflichen, Seelischen, 
Gefühlsmäßigen losgelöstes, abstraktes Denken; Worte, Namen und 



28 Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. DentsQh. Vereins etc. 

Zeichen an SteUe von Dingen und Sachen für die hungrigen Sinne, 
Wortvorstellnng statt Sachvorstellung, tote Wortformen statt lebendigen 
Denkinhalts. So wird es zur Unnatur, so werden die Sinne yernach- 
lässigt, und das in einer Zeit, da sie die Grundlagen aller Erkenntnis 
und alles Denkens sind, da sie ganz besonderer Rücksicht und Pflege 
bedürfen. So verkümmern sie auf Kosten einer einseitigen Verstandes- 
bildung. Und diese selbst verfehlt ihren Zweck, weil auf falscher Bahn 
und zu früh einsetzend. 

Und schließlich: Wie stellt sich der Schüler zu dieser Art? Der 
grammatische Unterricht widerstrebt der ganzen Natur der lernbegierigen 
Jugend, deshalb verhält sie sich widerwillig dagegen, er wird zur 
Plage. Das ertötet das Interesse, die Grundbedingung jeder ersprießlichen 
Arbeit und wirkt verstimmend und verbitternd. So führt er zum Schul- 
ekel; so führt er zum Arbeitsekel überhaupt. 

Auf diesen Linien im ersten und letzten Punkt sind all die Anklagen 
und Vorwürfe zu suchen, die unserm heutigen Schulsystem gemacht 
werden. Auf der Linie der einseitigen und übermäßigen Inan- 
spruchnahme von Gehirnpartien zu einer Zeit, da dieselben 
dazu noch nicht stark und entwickelt genug sind, liegen die 
Klagen über Überbürdung mit ihren Folgen der körperlichen und geistig^i 
Schädigungen und der trotz aller gegenteiligen Versicherungen steigenden 
Nerven- und Konstitutionsschwäche unserer Jugend. Auf der Linie der 
Vernachlässigung und Verkümmerung der Sinne liegt der Voi> 
wurf des Mangels an Beobachtungsgabe, an praktischem Blick und an 
praktischer Brauchbarkeit unserer Jugend fürs Lebens. Auf der Linie 
des Zurücktretens des Inhalts endlich gegenüber der Form, 
dem Formellen und Formalen liegt die Überschätzung des Buch- und 
Wortwissens und der Mangel an Verständnis für den Wert des Könnens, 
bewegen sich die Vorwürfe der Blasiertheit, des mangelnden Idealismus, 
der Erziehung zu früher Greisenhaftigkeit, der Züchtung von Schablonen- 
menschen und Bureaukraten, usf , wie wir das in den verschiedensten Er- 
örterungen über diese Fragen lesen können (Gerhardi, Fahrenbruch, 
Parrow, Pabst usw.). So kommt es, daß — wie H. Schiller in der Ein- 
leitung zu seiner Abhandlung „Zur Schularztfrage^' (Abhandlungen aus den 
Gebieten der physiol, Pädagogik) anführt — schon Luther klagt: „Daß 
die Knaben von dem vielen Sitzen in der Schule dumm würden^^ und 
daß schon vor 150 Jahren Ernesti von der eigentümlichen Krankheit 
des „Stupor scholasticus^* redet. So muß wieder Herder in seinem „Reise- 
joumal" wettern: „Man verliert seine Jugend, wenn man seine Sinne 
nicht gebraucht. Man quält die Seele eines Kindes, wenn man sie in 
eine Lage von Abstraktionen ohne lebendige Welt, von Lernen ohne 
Sachen, von Worten ohne Gedanken gleichsam hineinquält. Für die Seele 
eines Kindes ist keine größere Quäl als diese; denn Begriffe zu erweitem 
wird nie eine Qual sein, aber etwas als Begriff einzubilden, was kein 
Begriff ist, ein Schatten von Gedanken ohne Sachen ... ein abstrakter 
Satz ohne Datum, Sprache ohne Sinne — das ist Qual, das altert die Seele." 

Auf dasselbe Konto wird es zu setzen sein, wenn das Gutachten 
der medizinischen Sachverständigenkommission zu Straßburg in den 80 er 
Jahren des vorigen Jahrhunderts sich dahin ausspricht: „Wir können auf 



Verhandl. d. VL Jahresyersammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 29 

Grund unserer Erfahrungen versichern, daß nicht wenige der Medizin- 
studierenden trotz 10 jähriger Vorbereitung auf gelehrten Schulen un- 
fähig sind, einfache Erscheinungen schnell und genau aufzufassen, das 
Beobachtete sprachlich richtig wiederzugeben und mit der nötigen 
Sicherheit und Gewandtheit Urteile und Schlüsse zu bilden. Man erlebt 
es nur zu häufig, daß 20jährige Jünglinge, deren Gehirne 10 Jahre lang 
mit humanistischem Wissen vollgepfropft wurden, nicht imstande sind, 
auf kurze und nicht mißzuverstehende Fragen, die jeder Mensch mit ge- 
sundem Verstand und guter Elementarbildung sofort begreift, eine 
treflFende, kurze und bündige Antwort zu geben" (Fahrenbruch, „Auf 
dem Holzweg^^). Es wird kein Zufall sein, daß eine ganze Anzahl Uni- 
versitätslehrer, auch aus anderen Fakultäten, dieselben Klagen führen, 
deren gemeinsamer Grundton die Klage über Mangel an sinnlicher 
Auffassung ist und — Hand in Hand damit — die geringe Fähigkeit 
der klaren sprachlichen Wiedergabe des Beobachteten (Fah- 
renbruch, ebendort). 

Mit diesem Punkt kommen wir zu der Wertung und den Wirkungen 
dieser Methode für unsere Muttersprache. Hierbei möchte ich noch 
einen Augenblibk verweilen und Sie da zuerst wieder mit einem per- 
sönlichen Erlebnis behelligen. Nachdem ich als Student die ersten 
Briefe nach Hause geschrieben, kam bald von dort ein Brief, der lautete: 
„Lieber Sohn, wenn Du des weiteren fortfährst. Deine Briefe in lateini- 
schem Periodenstil abzufassen, so muß ich meinerseits darauf verzichten, 
sie zu lesen. Dein Vater.^^ Dabei hatte mir die Abfassung dieser Briefe 
meist keine kleine Mühe gemacht, und dabei war ich nie ein hervor- 
ragender Lateiner und Grieche gewesen, und ein Jahr vorher hatte ich 
im Abiturientenexamen im deutschen Aufsatz eine Sieben erhalten. 
Leider bin ich mit dieser ünbeholfenheit im Gebrauch meiner Mutter- 
sprache keine Ausnahme. Dieser schlimme Einfluß der durch ihre Länge 
und ihre Ineinanderschachtelung gekennzeichneten lateinischen Perioden 
auf unseren deutschen Stil ist geradezu die Regel und des grammatika- 
lischen Studiums eigenstes Werk. Dafür bringt Fahrenbruch in seiner 
oben schon angezogenen Broschüre „Auf dem Holzwege" interessante und 
unwiderlegliche Beweise, die er dort S. 25 ff. folgendermaßen belegt: 

„Daß der sprachliche Ausdruck durch den lateinischen Stil und Satz- 
bau einerseits, den granmiatokratischen Unterricht andererseits Schaden er- 
leidet, steht für jeden vorurteilslosen Philologen außer Zweifel. Bau- 
meister z. B. schreibt: 4:Daß die Übertreibung des grammatischen Unter- 
richts in jüngeren Jahren die Sprechfähigkeit schwächt und abmindert, 
ist keine Frage; die Flüssigkeit und Geläufigkeit des Gedankenausdrucks 
leidet unter dem fortwährenden Eiertanz zwischen Hemmnissen und Fuß- 
angeln.» Und von der Lektüre sagt er: «Es kann gar keine Frage sein, 
daß das tägliche Badebrechen aus den alten Schriftstellern die höchste 
Schädigung der Ausdrucksfähigkeit in der Muttersprache herbeiführen 
und gerade die besten Schüler zu Stümpern verkrüppeln mußj» 

„Was hier direkt von den Wirkungen des Lateinischen auf den 
Schüler gesagt wird, das bestätigt gewissermaßen ein Ausspruch Wies es, 
des früheren Leiters des preußischen Unterrichtswesens, also eines gewiß 
einwandfreien Zeugen — für die Lehrer: «Es ist mir oft auffallend gewesen, 



30 Verhandl. d. VI. Jahresvenammlang d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

wie wenig bei manchen ausgezeichneten Philologen die fortdanemde Be- 
schäftigung mit den alten Sprachen auf ihren eigenen Stil und ihr 
Sprachgefühl bildend einwirkt.» Ein Wort, das sich durch ein anderes 
von Paulsen ergänzen Iftßt: <^Daß auch die vollkommenste Herr- 
schaft über die lateinische Sprache nicht vor arger Mißhandlung der 
deutschen Sprache bewahrt, sondern vielleicht eine gewisse Neigung hat, 
ein eigentümliches Verderbnis des deutschen Stils hervorzubringen, 
dürfte aus deutschen Schriften der Philologen wahrscheinlich gemacht 
werden können»" Dasselbe beklagt ein Gutachten der medizinischen 
Fakultät zu Celle: „Es ist auffallend, wie wenig die Studenten der Jetzt- 
zeit ihre Muttersprache beherrschen und wie oft das, was sie in deut- 
scher Sprache schreiben, stilistisch und logisch einen schülerhaften Ein- 
druck raacht.^ Dazu klingt wie ein Hohn, was Müller S. 74 sagt: 
„Unter formaler Bildung versteht man eine durch fortgesetzte Übung 
erzielte Fähigkeit, scharf und folgerichtig zu denken und das Gedachte 
klar auszusprechen!^^ Dabei haben wir noch ganz geschwiegen von den 
Greueltaten, die dem Stil unserer Muttersprache in den Texten der Ar- 
gumente und Übersetzungsstücke angetan w^erden, um grammatische 
Regeln und Fußangeln aller Art darin unterzubringen. Diese Tatsachen 
bestätigt ims weiter Tag für Tag unser Juristendeutsch. Diese Klagen 
erklingen, wie Fahrenbruch mitteilt, viceversa aus der romanischen 
Schweiz und aus Italien. 

Betreffend die Resultate bezüglich der auf diese Art erzielten Be- 
herrschung der fraglichen Fremdsprachen, so. hat ein Franzose einmal 
über den französischen Unterricht bei uns gesagt, „es sei uns Deutschen 
gelungen, aus der französischen Grammatik ein unübersteigliches Hindernis 
zu machen" und in seiner kleinen Broschüre „Der Sprachunterricht muB 
umkehren" von Quousque Tandem weiß ein Neuphilologe zu berichten: 
„Unsere Realschulabiturienten können so wenig einen französischen oder 
englischen Brief schreiben, als sie sich in London oder Paris in ihrem 
Jargon ohne Stocken imd Hacken um die nächste Straßenecke fragen 
können." Und, wenn ich abermals mit Persönlichem konunen darf, so 
bin ich wohl nie sonst im Leben so unwissend und kläglich, so gründ- 
lich ungebildet mir vorgekonmien, als wenn ich, auf meinen Reisen, 
draußen stand in fremden Landen mit meinem 6jährigen Französisch 
und meinem 2jährigen Englisch: hilflos wie ein verlorengegangenes 
Kind. Fassen wir diesen Punkt bezüglich der alten Sprachen, so. weiß 
wohl ein jeder von uns, der eine gymnasiale Laufbahn hinter sich hat, 
wie es am Schlüsse derselben mit der Beherrschung dieser Sprachen und 
der Geläufigkeit im Lesen und Verstehen der alten Klassiker bestellt ist. 
So spinnt sich die große, lateinisch-grammatikalische Sünde 
wider die Natur mittelalterlichen Angedenkens, wie ich sie 
nennen möchte, durch den ganzen Sprachunterricht, ja durch unser ganzes 
Schulwesen hindurch: denn die realistischen Schulen schlagen neben 
ihrem abstrakt-grammatikalischen Neusprachenunterricht mit ihrem ebenso 
abstrakt und einseitig betriebenen Mathematikunterricht so ziemlich 
dieselben Bahnen ein. 

Aus alldem ergibt sich für uns bezüglich dieser zweiten Seite unserer 
Frage folgendes: 



Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 31 

Der Unterricht ist im Ganzen und in seinen Teilen naturge- 
mäßer zu gestalten und den Gesetzen der Bioligie und Physiologie des 
jugendlichen Organismus, insonderheit des Gehirns und seiner Organe 
anzupassen. Die Schule muß die vornehmlich mit dem grammatikalisch- 
fremdsprachlichen Unterricht betretenen Bahnen des einseitigen Intellek- 
tualismus und Formalismus verlassen und eine naturgemäße, auf der 
Grundlage der Sinne imd ihrer Tätigkeit aufgebaute, möglichst gleich- 
mäßige und harn[H>nische Ausbildung der Geistes- und Körperkräfte ins 
Auge fassen, nach dem Ausspruch des Altmeisters Pestalozzi: „Aller 
Unterricht des Menschen ist nichts als die Kunst, dem Haschen der 
Natur nach ihrer eigenen Entwicklung Handbietung zu leisten. ^^ 

Für den Sprachunterricht im besonderen ergibt sich aus diesen 
Ge.sichtspunkten : 

1. Die Muttersprache muß als die natürliche in den Mittelpunkt 
dieses Unterrichts gestellt werden. 

2. Die Frage nach dem Beginn des fremdsprachlichen Unterrichts 
ist in zwei Fragen zu zerlegen, weil es zweierlei Wege der Erlernung 
fremder Sprachen gibt: 

a. den, wie das Kind die Muttersprache lernt, b. den Weg der 
Grammatik. 

Der erstere ist der natürliche, physiologisch-biologische Weg. Er 
entspricht dem jugendlichen, erwerbenden, Stoff sammelnden Denken und 
der allmählichen Entwicklung des Gehirns an der Hand der Sinne und 
der Anschauung. Diese Art kann ohne Schädigung einsetzen so früh 
sie will. 

Der andere Weg, der der Grammatik, entspricht dem ordnenden 
rückschauenden Denken des Erwachsenen, dem fertig entwickelten, für 
den schwierigen Prozeß abstrakt logischer Denkoperationen ausgereiften 
Gehirn. Er schädigt das jugendliche Gehirn und Denken. Für diese 
Art gilt deshalb: So spät als möglich. 

3. Der Unterricht in den Fremdsprachen ist auf der Unterstufe 
jedenfalls der ersten Art zuzuweisen. Sie dürfen nicht gelehrt und ge- 
lernt werden nach Art der lateinischen und griechischen Grammatiken 
von heute; nicht Sprache aus der Grammatik, sondern Grammatik 
aus der Sprache, vornehmlich durchs Ohr an der Hand der Sinne, 
nicht durchs Auge allein und aus Büchern, nicht unter dem Gesichts- 
punkt der Grammatik als geistiger Tumanstalt, sondern mit dem aus- 
gesprochenen Zweck des praktischen Gebrauchs und als Schlüssel für 
die Einführung in die Literatur des betreffenden Volkes. Inwieweit die 
Art der einzelnen Sprache und die Eigenart des Massenbetriebs der 
Schule diese Forderung zu erfüllen imstande ist, ist eine schultechnische 
Frage und außerhalb des Bereichs meiner Zuständigkeit. Ich habe hier 
nur zu sagen: je weniger dies im einzelnen Fall möglich ist, um so 
weiter muß die betreffende Fremdsprache im Lehrplan hinansgecückt 
werden. Im übrigen kann ich mich auch hier wieder auf die pädago- 
gische Autorität Herders berufen, der in seinem „Reisejoumal" sagt: 
„Weg Grammatiken und Grammatiker. Mein Kind soll jede tote Sprache 
lebendig und jede lebendige so lernen, als ob es sie sich selbst er- 
finde. Das erste Gesetz also, die Sprache soll nicht aus Grammatik, 



32 Verhandl d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

sondern lebendig gelehrt werden, nicht fürs Auge und durchs Auge 
gelesen, sondern fürs Ohr und durchs Ohr gesprochen, ein Gesetz, das 
nicht zu übertreten ist. Ich weiß, was ich mir für Schwierigkeiten 
in den Weg gelegt, aus Büchern mit dem Auge ohne Schall und Festig- 
keit sie zu verstehen und zu verstehen glauben: da bin ich mehr als 
ein Unwissender. Die erste Sprache ist also eine Plapperstunde." 

4. Betreffend die Anordnung, so stehen in erster Reihe natürlich 
die lebenden Sprachen, da sie allein die Forderung der natürlichen 
Erlernung erfüllen können. Ihre Folge unter den f^ uns in Betracht 
kommenden müßte sein: erst Englisch, dann Französisch, weil der 
Gang vom Näherstehenden und damit Leichteren zum Fernerstehenden 
und Schwierigeren der natürlichen Entwicklung der kindlichen Krftfte 
mehr entspricht. 

5. Der ausschließlich grammatikalische Betrieb der toten Sprachen 
ist jedenfalls auf die höheren und höchsten Altersstufen zu verlegen. 
Es dürfte das umsoweniger auf ernstliche Schwierigkeiten stoßen, als, 
wie oben gezeigt, diese alten Sprachen als ein unentbehrlicher Bestand- 
teil allgemeiner Bildung heutzutage kaum mehr . anzusehen sind, und 
sie deshalb am besten dem Studium der«r vorbehalten bleiben, wie Theo- 
logen, Spi achforscher usw., die sie für die Zwecke ihres Berufs brauchen. 
Es sind doch wohl vergangene Zeiten, da „Bildung" und „gelehrtes 
Wissen" gleichbedeutend waren? Unsere Zeit muß das Können über 
das Wissen stellen. 

So kommen wir auch vom biologisch-phjsic^ogischen Standpunkt 
aus fär unsere Frage zu dem allgemeinen Endergebnis, wie es Hidebrand 
in seinem „Vom deutschen Sprachunterricht" in die Worte faßt: 

„Es ist für eine frische Zukunft unserer Jugend eine große 
Umkehr nötig, ein durchgreifender Bruch mit der noch herr- 
schenden Gedankenrichtung." 

LitteratorverBeiolmiB. 

1. Sammlung von Abhandlungen aus dem Gebiete der pädagog. Psy- 

chologie und Physiologie von H. Schiller und Th. Ziehen. 

a. „Über Sach- und Sprech Vorstellungen" von Ganzmann. Bd. IV. 
Heft 6. 

b. „Die Schularztfrage, ein Wort z. Verständigung" von H. Schiller. 
Bd. m. Heft I. 

c. „Die Ideenassoziation des Kindes" von Dr. Th. Ziehen. Bd. I. 
Heft 6. 

d. „Kritische Untersuchungen über Denken, Sprechen und Sprach- 
unterricht" von H. Aug. Messer. Bd. III. Heft 6. 

2. „Leitfaden für die phjsiolog. Psychologie" von Dr. Th. Ziehen. 

2. Aufl. Jena 1893. 

3. „Die Kinderpsychologie und ihre Bedeutung fttr Unterricht und Er- 

ziehung" von K. Hemprich, Rektor der Bürgerschule in Freiburg. 
Dessau, Anhaltische Verlagsanstalt. 

4. „Gesundheit und Schule" von Prof Dr. Griesbach, B. G. Teubner 1902. 

5. „Hyg. Schulreform, ein Wort an die Gebildeten aller Stande" von 

Prof. Dr. Griesbach, Verlag von Leopold Voß, Hamburg-Leipzig. 



Yerhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 33 

6. „Bas höhere Schulwesen Deutschlands am Anfang des 20. Jahr- 

hunderts" von Prof. Dr. Hugo Müller, Oberlehrer am Ludwigs- 
Georg-Gymnasium in Darmstadt. Verlag Christ. Beiner, Stuttgart 
1904. 

7. Handbuch der prakt. Pädagogik von Dr. H. Schiller. Verl. Reis- 

land, Leipzig 1894. 

8. „Res, non verba" von Th. Walther Parrow, Prof. an der Friedrich- 

Werderschen Oberrealschule in Berlin. Verlag Rieh. Sattler, Braun- 
schweig-Leipzig 1904. 

9. Zeitschrift fOr lateinlose höhere Schulen: 

a „Das Genie und seine Beziehungen zum altsprachlichen Unter- 
richt'* von Dr. med. Gerhardi Jahrg. 1898/99. 

b. „Psychologie in bezug auf Pädagogik und Schulgesundheitspflege** 
von Dr. med. Gerhardi. XII. Jahrgang 1900/01. 

10. ,J)er Sprachunterricht muß umkehren", ein Beitrag zur Überbüi'dungs- 

frage von Quousque Tandem. Heilbronn, Gebr. Henninger 1882. 

11. „Die Notwendigkeit der Einheitsschule", ein Mahn wort an alle Freunde 

erziehlicher Jngendbildung von Dr. W. Parrow. Verlag von R. Sattler, 
Braunschweig-Leipzig 1 904. 

12. „Auf dem Holzwege", ein kritischer Beitrag zur Frage des höheren 

Unterrichts, von Prof. A. Fahrenbruch. Straßburg i/E., Verlag 
von Ed. V. Hauten 1899. 

13. „Kind und Kunst", Monatsschrift für die Pflege der Kunst im Leben 

des Kindes. Verlag von Alex. Koch, Darmstadt, Jahrg. I, Heft I 
1904. 

a. „Kunst und Spiel in ihrer erzieherischen Bedeutung" von Dr. 
R. Lange in Tübingen. 

b. „Einige Grundfragen der Erziehung" von Direktor A. Pabst, 
Leipzig. 

14. „Unsere Schätze — unsere Kinder*' von Dr. med. Krisowski, 

Kinderarzt in Berlin. Berlin: Emil Streisand 1899. 

15. „Jugenderziehung im Jugendstil*' v. F. Schmidt, Hanau. 

16. „Der gemeinsame Unterbau der höheren Schulen in seiner geschicht- 

lichen Ent Wickelung** von Dr. Fr. Blum. Beilage zu dem Jahres- 
bericht der Realschule mit Realprogymnasium zu Mannheim fCLr das 
Schuljahr 1903/04. 

Vorsitzender, Prof. Griesbach: 

Ich danke dem Herrn Vortragenden für sein hübsches und sehr 
eingehendes Referat. Wenn auch die in Betracht gezogene Neuronen- 
lehre manchen Nichtmediziner etwas überrannt haben mag, so war sie 
doch erforderlich, und der Herr Vortragende hat es geschickt verstanden, 
ihre Bedeutung für den behandelten Stoff in das rechte Licht zu setzen. 

Ich eröffne jetzt die Diskussion zu den Referaten Victor und 
Jäger. 

Diskussion vom I. Tage. 

Oberrealschuldirektor Hintzmann-Elberfeld: Bei der Beantwortung 
dieser äußerst wichtigen pädagogischen Doppelfrage stehe ich auf dem- 
selben Standpunkt wie die Herren Referenten, insofern ich den fremd- 

Verhandlungen 1905. 3 



34 Verhandl. d. VI. Jahresyersammlung d. Alldem. Deutsch. YeieinB etc. 

sprachlichen Unterricht auch um ein Jahr hinausgeschoben sehen möchte. 
Das aber nicht aus den allgemeinen theoretischen Erwägungen der beiden 
Herren, weleher Wissenschaft man sie auch entnehmen mag (ich stehe 
natürlich durchaus auf dem Standpunkt, daß bei der Beantwortung der 
Frage der anatomisch-physiologische Bau der Gehirne auf das eingehendste 
berücksichtigt werden muß), sondern aus praktischen Bedenken. Das 
Kind, welches in die unterste Klasse der höheren Schule eintritt, wird 
vor eine außerordentlich große Aufgabe gestellt, insofern es sich plötz- 
lich mehreren Lehrern gegenüber sieht (bis dahin hatte es nur mit 
einem zu tun) und sich in einen ihm völlig neuen Organismus mit den 
jedem Organismus eigenen Besonderheiten einleben muß. Sodann möchte 
ich aber warnen, daß man nicht wieder in den alten Fehler des Unifor- 
mierens verfalle. Es gibt auch hier verschiedene Wege. Man werde 
auch darin der Individualität des Schülers gerecht imd lasse die ver- 
schiedensten Schularten zu, also auch das Gymnasium. Die beiden 
HeiTen Referenten scheinen nur auch darin geirrt zu haben, daß sie wohl 
wesentlich an fi-ühere Verhältnisse am Gymnasium gedacht haben. Der 
Ünterrichtsbetrieb ist heute auch an den Gymnasien ein anderer ge- 
worden. Man sehe sich z. B. auch hier nur die physikalisch-naturwissen- 
schaftliche Abteilung des Eberhard-Ludwigs-Gyranasiums an. — Was so- 
dann die Anordnung des fremdsprachlichen Unterrichts betrifft und die 
Methode dieses Unterrichts, so meine ich, bei dieser Frage gelte noch 
das „non liquet". Hier gilt es auch weitere Versuche zu machen, die 
den Beweis erbringen, ob das, was hier und da gilt, auch allgemein 
gültig ist. 

Prof. Mi 11 er -Stuttgart: Die württembergischen Klosterschulen (Semi- 
narien) haben denselben Lehrplan wie die Obergymnasien. Die induk- 
tive Einführung in die Grammatik ist im Grundsatz entschieden zu emp- 
fehlen; diese Methode nimmt aber nicht weniger Zeit in Anspruch als 
die alte Methode. Was den Gang des Unterrichts betrifft, so lasse man 
sich durch Ausdrücke wie „natürliche Methode" nicht täuschen. Den 
Kindern erscheint der grammatische Unterricht nicht unbedingt als un- 
natürlich: manchem geht die Aneignung der fremden Laute gegen die 
Natur. Hier gilt es, die Erfahrung sprechen zu lassen, die Ergebnisse 
der Beformschulen auf das genaueste zu untersuchen. Die Ergebnisse 
des Stuttgarter Mädchengymnasiums scheinen für die Beformgymnasien 
zu sprechen, indessen handelt es sich hier um eine Auswahl von Schü- 
lerinnen. 

Prof. Vietor-Marburg verwahrt sich dagegen, daß er veraltete Zu- 
stände am Gymnasium zugrunde gelegt habe. Er gibt zu, daß die in- 
duktive Grammatik keine Zeitersparais bedeute, falls das jetzige viel 
zu weit gehende Pensum erledigt werden soll. Der Wert des induktiven 
Verfahrens liegt auf einer anderen Seite. Er gibt femer zu, daß eine 
6-emde Sprache bald verlernt werde, wenn die fremde Umgebung fehle. 
Der Unterricht soll so erteilt werden, daß das Interesse für die Sprache 
(zunächst die Lektüre) nicht erstirbt. Bei der Frage der Anordnung der 
Sprachen setzt er gleichfalls voraus, daß die Anforderungen (z. B. im 
Latein am Reformgymnasium) abgeändert werden. 

Direktor Treutlein- Karlsruhe: Spricht als Mitglied und Beauf- 



Verhandl. d. VI. JahresversammluDg d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 35 

tragter des Allgemeinen Deutschen Schulreformvereins und begrüßt zu- 
nächst die jetzige Tagung und wünscht besten Erfolg der Beratungen. 
Ich begrüße theoretisch und auf Grund der Erfahrung den Leitsatz, daß 
mit einer lebenden Sprache zu beginnen sei und zwar bei uns im Süden 
mit Französisch. Jedenfalls, ob Französisch oder Englisch, soll auch die 
Erfahrung entscheiden. Auch dem stimme ich bei, daß das erste Jahr 
der höheren Schule noch nicht der fremden Sprache gewidmet werde, 
sondern der Muttersprache. Jedenfalls sollte man überall in deutschen 
Landen, auch in Württemberg, mit Versuchen vorgehen; denn diese müssen 
mitentscheiden. 

Zum Schluß Hinweis darauf, daß künftighin wird damit gerechnet 
werden müssen, daß unsere höheren Schulen überhaupt nur zwei ver- 
pflichtende Fremdsprachen betreiben können. 

Prof. Feucht- Stuttgart weist daraufhin, daß gerade der pädago- 
gische Referent sich mit seiner Hauptsache auf den Gedanken beschränkt 
habe: „Hinausschiebung des fremdsprachlichen Unterrichts überhaupt 
um ein Jahr^\ daß derselbe Beferent aber den Bangstreit der Sprachen 
von der Verhandlung ausgeschlossen wünschte. Den „Kampf um das 
Gymnasium", der sich schon wieder rege, könnten also die anwesenden 
Pädagogen demnach heute ruhen lassen. 

Da aber durch den ärztlichen Referenten der Kampf um die 
Methode eröffnet sei, so möge an die Methode Gouin als die durch- 
dachteste aller „induktiven" oder Reformmethoden erinnert sein, die 
im Ausland neuerdings großes Aufsehen und Erfolg erzielt habe, in 
Deutschland wohl deshalb weniger bekannt sei, weil wir die stärkste 
Rüstung älterer Methode tragen und uns darum gegen Hieb und 
Stich neuer Methoden fester fühlen. Gouins Gedanke sei im 
wesentlichen: „Wie wir in der Naturwissenschaft durchs eigene Experi- 
ment das vollkommenste Verständnis gewinnen, so gedeiht der Sprach- 
unterricht am besten, wenn wir vermöge einer konzentrierenden Methode 
das Leben des fremden Volkes in Sprache, Gebärde und Bewegung nach- 
leben." — Redner verweist auf seine näheren Darlegungen im Korre- 
spondenzblatte für die höheren Schulen Württembergs (1902) und auf 
die Verwirklichung des obigen Gedankens in seiner neuesten Arbeit 
„Griechische Monodramen" (ganz in griechischer Sprache), wovon 
eine Probe und erste Lieferung im neuesten Heft der Halleschen „Lehr- 
proben und Lehrgänge" vorliegt. — Ein Unterrichtskurs nach diesem 
Lehrmittel — so schließt der Redner im Hinblick auf vorgängige ab- 
fällige Urteile über den griechischen Unterricht — werde an seinem 
Teil zeigen, daß das Griechische als die anerkannte Königin der 
Sprachen und Literaturen auch heute noch mit königlichen Gnaden einem 
jeden lohne, der sich mit Freuden und Geduld diesem königlichen Dienst 
widme. 

Direktor Dr. Hörn -Frankfurt a. M. hat den Eindruck, daß der 
Verein noch zu wenig praktische Erfolge erzielt hat. Er begrüßt des- 
halb mit Freuden die maßvollen Thesen des Prof. Vietor aus Marburg, 
deren Annahme sicherlich bewirken wird, daß die deutschen Regierungen 
Versuche gestatten. Die höheren Mädchenschulen beschäftigen sich schon 
seit Jahren mit diesem Gedanken, und von Fräulein Pöhlmann- Tilsit 

8* 



36 Verhandl. d. VI. JahreBversammlung d. Allgem. Deutsch. Yereins etc. 

ist bereits ein derartiger Versuch mit dem besten Erfolg gemacht worden. 
Notwendig ist die Beschränkung auf zwei fremde Sprachen und größere 
Pflege der Muttersprache. Nur auf nationalem Wege können wir 
weiter kommen. 

Antrag Viötor: 

1. Die 6. Jahresversanmilung des Deutschen Vereins ftlr Schulge- 
sundheitspflege spricht den Wunsch aus, es möge den Schulen, die sich 
dazu bereit erklären, versuchsweise erlaubt werden, den fremdsprachlichen 
Unterricht erst in der zweiten ünternchtsklasse zu beginnen. 

2. Sie bittet den Vorstand, diesen Beschluß den deutschen Regie- 
rungen vorzulegen. 

Lehrer Reichert- Stuttgart: Geehrte Versammlung! Sie werden 
ein Gefühl der Verwunderung nicht unterdrücken können, wenn ich sage, 
daß an dem Beginn des fremdsprachlichen Unterrichts die Volksschule 
ein lebhaftes Interesse hat Und doch ist dem so, wie ich sogleich dar- 
legen will. Die Volksschule ist die Lieferantin der Schulen mit fremd- 
sprachlichem Unterricht. Jedem Lieferanten muß daran gelegen sein, 
daß er durch eine gute Ware den Abnehmer befriedigt. Je mehr Zeit 
der Volksschule für die Vorbereitung der Kinder zum Eintritt in die 
höheren Schulen zur Verfügung gestellt wird, desto besser können die 
Kinder in den Fächern, welche für die Aufnahme in die Realschulen 
oder das Gymnasium ausschlaggebend sind, gefördert werden. Bei der 
gegenwärtigen Einrichtung — Übertritt der Knaben schon nach zwei- 
jähriger Schulung in der Volks- oder der besonderen Vorbereitungsschule 
(Elementarschule oder Vorschule) — kann der Unterricht in den Prü- 
fungsfächern (Rechtschreiben, Sprachlehre, Rechnen) nicht nach psycho- 
logisch-pädagogischen Grundsätzen eingerichtet werden. Die Kinder 
müssen, wenn sie am fremdsprachlichen Unterricht erfolgreich teilnehmen 
sollen, im Deutschen hinlänglich vorgebildet sein; hierzu ist aber ein 
mindestens 4jähriger Unterricht nötig. Wenn der Unterricht in den 
fremden Sprachen erst mit dem 5. Schuljahr einsetzt, können die kleinen 
Leute auf dem Lande, die Beamten und andere Angestellte, ihre Kinder 
länger bei sich behalten, wodurch die Ausbildungskosten ermäßigt werden. 
Die Klassen ohne fremde Sprachen sollen aber nicht an die höheren 
Schulen angegliedert bleiben; die Kinder sollen vielmehr 4 Jahre lang 
die deutsche Schule oder, wie man sie auch heißt, die allgemeine Volks- 
schule besuchen. Die Schulorganisation, wie ich sie wünsche, ist durch- 
führbar; Dänemark hat die Einheitsschule mit der Grundschule, der all- 
gemeinen Volksschule und Sie werden es verstehen, wenn ich als Volks - 
schuUehrer besonders stolz darauf bin, daß ein früherer Volksschullehrer, 
der dänische Kultminister, diese Schuleinrichtung geschaffen hat. Die 
Versammlung hat sich nur über den fremdsprachlichen Unterricht in 
Knabenschulen ausgesprochen. Was für diese Schulen gilt, muß auch auf die 
Mädchenschulen Anwendung finden. Auch hier ist gegen einen verfrühten 
Unterricht in einer Fremdsprache anzukämpfen. Bei Knabenschulen könnte 
man es noch verstehen, wenn wegen der größeren Zahl von fremden 
Sprachen und der vielen anderen Fächer der fremdsprachliche Unterricht 
früher angesetzt wurde, bei Mädchenschulen fehlt jeder Grund für den 
Betrieb der fremden Sprache schon im 4. Schuljahr. Da ist es häufig 



Verhandl. d. VI. JahresverBammlung d. AUgem. Deutsch. Yereins etc. 37 

nur die Eitelkeit, welche die Fremdsprache vor dem 5. Schuljahr fordert. 
Ich würde es gerne sehen, wenn die verehrten Damen und Herren dem 
Antrag, den ich jetzt stelle, zustimmen würden. Der Antrag lautet: 

Der fremdsprachliche Unterricht beginnt frühestens im 5. Schuljahr oder 
mit anderen Worten: Der Eintritt in die Schulen mit fremdsprachlichen 
Unterricht erfolgt nach 4 jährigem erfolgreichen Besuch der deutschen 
Schule. 

Lehrer Beutt er- Ehingen: Zur Reihenfolge der Fächer bitte ich er- 
wägen zu wollen, ob in späterer Zeit nicht an die Stelle der englischen 
oder französischen die italienische Sprache gesetzt werde. 

Gründe: 

a) Leichtere Aussprache gegenüber der englischen, einfacherer Satz- 
bau gegenüber der französischen Sprache. 

' b) Die italienische leistet der lateinischen als klassische Sprache 
die besten Dienste. 

c) Der gesteigerte Verkehr mit Italien. 

Antrag Yi6tor wird gegen 3 Stimmen angenommen. 

Vorsitzender, Prof. Griesbach: 

Es liegt liegt für die heutige Sitzung nichts mehr vor, ich schließe 
daher dieselbe. 

Geschäftssitznng 

Donnerstag den 25. Juni 1905, morgens 8 Uhr im Vortragssaal des 
Landesgewerbemuseums. 

Vorsitzender, Prof. Dr. Griesbach: 
Meine Herren! 

Zunächst habe ich Ihnen die Mitteilung zu machen, daß ein lang- 
jähriges Mitglied unseres Vereins und zugleich dessen 1. Schriftführer 
Herr Schuldirektor Dr. Beyer gestorben ist, ich bitte Sie, sich zum 
ehrenden Andenken an den Verstorbenen von Ihren Plätzen zu erheben. 
(Geschieht.) 

Wir kommen dann zu dem 1. Punkt unserer Geschäftsordnung, wel- 
cher die Vereinssatzungen betrifiFt. 

Sie wissen vielleicht, daß die Satzungen ausgearbeitet worden sind 
von juristischer Seite und zwar von dem Herrn Oberbürgermeister 
Müller in Kassel. Der Satzungsentwurf wurde in der letzten Vorstands- 
sitzung durchberaten, nachträglich hat sich herausgestellt, daß in § 4 
ein Zusatz erforderlich sei. Es heißt in § 4: Der Vorsitzende und die 
Beisitzer werden von der Mitgliederversammlung auf die Dauer von 
2 Jahnen gewählt. Wiederwahl ist zulässig. 

Es ist vorgeschlagen worden, daß nach dem Ablauf von 2 Jahren 
die Hälfte der Beisitzer ausscheiden muß. Das erstemal soll Über die 
Ausscheidenden das Los entscheiden. In dieser Fassung sollte also der 
betreffende Passus lauten: „Der Vorsitzende und die Beisitzer werden 
von der Mitgliederversammlung auf die Dauer von 2 Jahren gewählt. 
Wiederwahl ist mit der Einschränkung zulässig, daß die Hälfte der Bei- 
sitzer alle 2 Jahre neu gewählt werden muß. Bei der erstmaligen Neu- 
wahl erfolgt Auslosung." 



38 Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Yereins etc. 

Ich frage die Versammlung^ ob sie gewillt ist, die Satzungen, so 
wie der Vorstand sie vorschlägt, anzanehmen. (Die Satzungen werden 
einstimmig angenommen.) 

2. Neuwahl des Vorstandes: 

a) Wahl der 8 Beisitzer. 

Dr. Weil-Stuttgart: 

Im Auftrag des Ortskomitees erlaube ich mir, Ihnen folgende Liste 
von Namen für die Beisitzer, deren Zahl statutengemäß acht betragen 
soll, vorzuschlagen: 

Dr. Korman, Arzt, Leipzig. 

Dr. Bauer, Arzt und Privatdozent an der technischen Hochschule 
Stuttgart. 

Prof. Dr. Hartmann, Ohrenarzt, Berlin. 

Stadtschulrat Dr. Wehrhahn, Hannover. 

Geheimer Oberbaurat Delius, Berlin, vortragender Bat im kgl. 
preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten. 

Oberbürgermeister Müller, Kassel, Mitglied des preußischen Herren- 
hauses. 

Sanitätsrat Dr. Schmidt, Bonn. 

Gemeinderat S tockma je r- Stuttgart. 

Wir hatten die Absicht, Herrn Begierungsrat Jehre vom kgl. 
Kultministerium in Stuttgart in Vorschlag zu bringen, leider hat uns 
Herr Begierungsrat abgesagt, und so schlagen wir Ihnen Herrn Ge- 
meinderat Stockmay er- Stuttgart vor. Derselbe ist Schulreferent in 
der größten Gemeinde unseres engeren Vaterlandes, er bringt seit langem 
der Schulgesundheitsfrage das regste Interesse entgegen und hat sie in 
seinem Machtbereich tatkräftig gefördert. Neben Herrn Stockmay er 
sind noch genannt nachfolgende um die Schulgesundheitspflege hochver- 
diente Männer: 

Schuldirektor Friedrich Dörr- Frankfurt-Bockenheim. 

Gymnasialprofessor Dr. Hartmann- Leipzig. 

Oberrealschuldirektor Dr. Hintzmann* Elberfeld. 

SanitÄtsrat Prof. Dr. Königshöf er- Stuttgart 

Professor Dr. Leubuscher, Geheimer Begierungsrat und Medizinal- 
referent im herzoglichen Staatsministerium Meiningen. 

Wenn wir aus der Beihe dieser Herren Herrn Stockmayer vor- 
geschlagen, so hat uns der Umstand geleitet, daß wir Württemberger 
— egoistisch, wie wir sind — vom Verein zunächst einen Vorteil für 
unsere eigenen Schulen haben wollen. Und schließlich kommt auch der 
Statutenparagraph in Betracht, nach welchem die Hälfte des Vorstandes 
nach 2 Jahren erneuert werden muß, so daß alle diese und auch eine 
Anzahl nicht genannter Herren, die sich um den Verein besonders ver- 
dient gemacht haben, dem Verein zum Wohl, sich zur Ehre, baldigst 
dem Vorstand werden angehören können. 

Die vorgeschlagenen Herren werden einstimmig gewählt. 

b) Wahl des Vorsitzenden. 

Der seitherige Vorsitzende, Herr Professor Dr. Griesbach, wird 
durch Akklamation wiedergewählt. 



Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 39 

3. Antrag Stuttgart, die Schnlbanktrage betreffend: 

Direktor Stetter: 

Die beiden schulhygienischen Kongresse des Jahres 1904 — der 
„Internationale" in Nürnberg und die V. Jahresversammlung der Schweizer 
Gesellschaft für Schulgesundheitspflege in Bern — haben der Schulbank- 
frage eine wesentliche Förderung gebracht. Eigentlich kann von einer 
Frage erfreulicherweise heute kaum mehr gesprochen werden, insofern 
die Ansichten autoritativer Fachmänner über die generellen Anforderungen, 
die an ein Schulgestühl zu stellen sind, kaum mehr auseinandergehen, 
das beweisen die Ergebnisse der erwähnten Veranstaltungen, die sich in 
der großen Hauptsache fast vollständig decken. Man darf daher hofllBn, 
daß durch eine nochmalige eingehende Verhandlung die Schulbankange- 
legenheit zu ei Dem Abschluß geführt werden könnte, soweit eben von 
einem Abschluß auf diesem Gebiet die Rede sein kann, denn ganz „lösen" 
läßt sich die Frage ja nie. Es ist aber schon genug erreicht, wenn nur 
einmal Klarheit geschaffen wird über die generellen und die speziellen 
Anforderungen an die Schulbank. Die generellen Anforderungen schließen 
das Wohlbefinden der Allgemeinheit ein; sie bilden die Summe der 
hygienischen, pädagogischen, wirtschaftlichen und technischen Anforde- 
rungen, welche im Bereiche des Klassenraumes auftreten, und stehen dem- 
nach in unmittelbarem Zusammenhang mit dem System. Die speziellen 
Anforderungen beziehen sich auf die Körpergröße, Körperproportion und 
Körperform des Individuums, also auf die Abmessung der Bank. 

Die Anforderungen endgültig festzustellen und festzulegen, ist nach 
dem heutigen Stand der Sache möglich, aber auch notwendig, denn wenn 
man in den großen Städten heutzutage auch weiß, was man fttr Schul- 
bänke braucht und will, so sind die Verwaltungen kleinerer Plätze, die 
vor die Notwendigkeit gestellt sind, solche zu beschaffen, doch häufig 
noch in der Qual der Wahl, und es würde als eine Wohltat empfunden 
werden, wenn allgemein gültige Grundsätze aufgestellt und durchgeführt 
würden. Dahin zu wirken ist eine schöne Aufgabe unseres Vereins. Die 
Stuttgarter Ortsgruppe stellt daher durch mich den Antrag: 

Die 6. Jahresversammlung des Allgemeinen Deutschen Vereins für 
Schulgesundheitspflege wolle beschließen, daß auf der nächsten Jahres- 
versammlung die Schulbankfrage zur Behandlung komme. 

In Ausführung dieses Beschlusses wäre 

1. für die hygienische, pädagogische und technisch-wirtschaftliche 
Seite der Frage je ein Referat zu bestellen und 

2. die klassenweise Vorführung verschiedener Schulbanksysteme in 
die Wege zu leiten. 

Zu Punkt 2 sei mir eine kurze Erklärung gestattet: 
Die Schulbank steht nicht im Dienste des Individuums, sondern im 
Dienste der Allgemeinheit, dabei aber zugleich im innigen untrennbaren 
Zusammenhange mit allen im Klassenraum auftretenden Anforderungen; 
demnach kann die Schulbank nicht einzeln, außerhalb des Klassenraumes 
und im Dienste des Individuums stehend, wie das Haussubseil, sondern 
nur in der entsprechenden Mehrheit im Klassenraum aufgestellt und im 
Dienste einer nach Körpermaß und Proportion heterogenen Vielheit stehend 
richtig beurteilt werden. 



40 Verhandl. d. VI. Jahresversaminlung d. Allgem. Deutsch. YereisB etc. 

Demgemäß kann der Sache nur durch Vorführung ganzer Schal- 
klassen gedient werden, man wird daher den auf Schulausstellungen seit- 
her geübten Brauch, einzelne Schulbänke verschiedener Bauart in einem 
Baum nebeneinander zustellen, verlassen müssen und nur ganze Schul- 
klassen zur Ausstellung zulassen dürfen, die außerdem zu gewissen Zeiten 
voll mit Schülern zu besetzen wären. 

Dadurch, und nur dadurch könnte die Schulbankfrage ihrer Lösung 
zugeführt werden, weil hier die Möglichkeit sowohl zur Prüfung einzelner 
Systeme auf ihre Brauchbarkeit im Klassenbetriebe, als auch zum Ver- 
gleich der verschiedenen Systeme unter sich geboten wäre. Ich habe 
diesen Vorschlag schon anläßlich der Nürnberger Ausstellung gemacht, 
wurde aber abgewiesen unter der Begründung, die verschiedenen SchiQ- 
bankfabrikanten würden dagegen sein. Aber^ meine Herren, es handelt 
sich doch hier nicht um einen Wohltätigkeitsbasar für Schulbankfabri- 
kanten, sondern um die Klärung und Förderung der Schulbankangelegen- 
heit, und daher bitte ich um Ihre Zustimmung zu diesem Punkt 2 des 
Antrages. 

Da sich niemand zur Diskussion meldet, wird der Antrag Stetter 
angenommen, in der nächsten Jahresversammlung die Schulbankfrage . auf 
die Tagesordnung zu setzen. 

Dr. St einer -Karlsruhe: 

Überbringt eine Einladung von Karlsruhe, die nächste oder über- 
nächste Jahresversammlung dort abzuhalten. 

Geh. Regierungsrat Professor Dr. Leubus eher -Meiningen: 

Meint, ob es nicht zweckmäßiger wäre, wenn für nächstes Jahr ein 
Ort in Norddeutschland vorgeschlagen würde. Vielleicht Leipzig oder 
Dresden. Es läge dies im Interesse der Mitgliedergewinnung. Er gibt 
anheim, die Einladung Karlsruhe bis 1907 zu verschieben. 

Professor Dr. Königshöfer- Stuttgart: 

Fragt, ob nicht noch eine andere Einladung vorliege. Wenn dies 
nicht der Fall wäre, so wäre es ein Akt der Höflichkeit, die Einladung 
Karlsruhe anzunehmen. 

Professor Hartmann -Leipzig: 

Ist für die Einladung, wenn nicht für das nächste, so ^och für das 
übernächste Jahr. Im übrigen sei es nach den Satzungen Sache des 
Vorstandes, den Oi-t des Kongresses zu wählen. 

Professor Dr. Griesbach: 

Es ist ein Akt der Höflichkeit, der Sache hier näher zu treten. 
Vom Standpunkte des Vorsitzenden aus betrachtet muß allerdings zu- 
gegeben werden, daß eine Verlegung der Versammlung aus dem Süden 
heraus praktisch wäre, schon um neue Mitglieder zu werben. Nach den 
neuen Satzungen ist richtig, daß der Vorstand den Kongreßort bestimmt, 
aber es ist immerhin wertvoll, die Stimmung der Versammlung über 
eine vorliegende Einladung zu erfahren. Zu berücksichtigen ist Karls- 
ruhe jedenfalls entweder für das nächste oder übernächste Jahr. Ich 
möchte vorschlagen, keine Entscheidung zu treffen, die Verhandlungen 
über die Wahl des Ortes dem Vorstand zu überlassen. 

Dr. Steiner- Karlsruhe: 

Konstatiert, daß Karlsruhe sich nicht verletzt fühlt, wenn fCLr 



Yerhandl. d. YI. Jahresyenammlung d. Allgem. Deutech. Vereins etc. 41 

nächstes Jahr ein anderer Ort in Betracht kommt, wenn er nur die Ge- 
wißheit mitnehmen dürfe, daß der Kongreß ühemächstes Jahr dort tagt. 

Professor Dr. Griesbach: 

Dankt für die Einladung aus Karlsruhe. 

4. unvorhergesehenes: 

Schulrat Dr. Salzmann: 

Bringt noch die körperliche Züchtigung zur Sprache. Er ist der 
Meinung, daß bei uns in Deutschland viel zu viel gezüchtigt wird. 
Da es sich hier um eine wichtige hygienische Sache handle, so sei es 
nötig, daß die Frage einmal verhandelt werde. Es sei ja natürlich, 
daß yiel Widerspruch da sei, da das natürliche Empfinden dabei zur 
Sprache komme; er möchte aber anfragen, wie die Herren darüber 
denken. 

Professor Dr. Griesbach: 
r Der Vorstand wird der Sache nfther treten. 

^ Herr Dr. Kor man bittet 2 Revisoren für den Rechnungsbericht 
zu bestimmen. 

Es werden vorgeschlagen Professor Dr. Hartmann-Leipzig und 
Geheimrat Professor Dr. Leubuscher-Meiningen. 

Der Vorschlag wird angenommen. 

Schluß der Sitzung »/a^ U^- 



n. AUgemeine Sitznng. 

Donnerstag, den 15. Juni morgens 9 Uhr. 

Vorsitzender Professor Griesbach: Ich eröffne die zweite Sitzung 
der Versammlung und erteile das Wort Fr&ulein Planck. 

Mathilde Planck, Delegierte des Bundes deutscher Frauenvereine: 
Hochgeehrte Versammlung! 

Da ich die gütige Erlaubnis erhalte, Vers&umtes nachzuholen, so 
habe ich die Ehre, Ihnen das lebhafteste Interesse und die warme Sym- 
pathie des Bundes deutscher Frauenvereine für Ihre Tagung auszusprechen. 
Die Bundesversammlung in Danzig hat uns alle, besonders unsere Vor- 
sitzende, Frau Marie Stritt, in den letzten Tagen vollständig in An- 
spruch genommen, und Sie werden es begreiflich finden, wenn der Auf- 
trag, den Bund deutscher Frauenvereine hier zu vertreten, etwas verspätet, 
erst gestern nachmittag in meine Hände kam. 

Wer die Frauenbewegung einigermaßen kennt, der weiß, daß es 
unser eifriges Bemühen ist, die Frauen fCLr die Aufgaben unserer Zeit 
zu interessieren und sie zur Mitarbeit heranzuziehen. Denn ohne ihre 
Hilfe können diese Aufgaben nicht gelöst werden. Um so weniger, je 
mehr sie sich mit dem häuslichen Wirken der Frau berühren. Es braucht 
in dieser Versammlung nicht erst betont zu werden, wie notwendig ein 
bewußtes Zusammenarbeiten von Haus und Schule ist, und Sie werden 



42 Verhandl. d. VI, Jahresversammlung d. AUgem. Deutsch. Vereins etc. 

gerne meiner Versicherung glauben, daß wir Ihren Verhandlungen das 
beste Gelingen wünschen und daß wir durch unsere Arbeit die Ihrige 
zu ergänzen hoffen. 

Vorsitzender Professor Griesbach: Ich erteile nunmehr Herrn 
Stadtarzt Dr. Gastpar das Wort zu seinem Vortrag. 

Ober Sohülenmtersuoliimgen. 

Leitsätze. 

1. Unser modernes Leben mit dem raschen Verbrauch der Kräfte, 
wie er namentlich in unseren großen Städten nachweisbar ist, zwingt 
uns, unsere Sorge der heranwachsenden Jugend mehr als seither zu- 
zuwenden. 

2. Es ist insbesondere notwendig, daß wir sowohl die körperlichen 
Verhältnisse unserer Jugend in der Stadt und auf dem Lande kennen 
lernen, als auch die hereditären, häuslichen und sozialen Verhältnisse, in 
denen sie aufwächst, erfassen. Alle die normale Entwicklung hemmenden 
Einflüsse, mögen sie ausgehen, von welcher Seite sie wollen, sind dabei 
besonders zu berücksichtigen. 

3. Alle die Untersuchungen wären sinnlos, wenn ihnen nicht der 
Gedanke der energischen Abhilfe der gefundenen Schäden zugrunde liegen 
würde, möge der Schwerpunkt im einzelnen Fall nun mehr auf allgemein 
hygienischem, rein ärztlichem oder pädagogischem Gebiet liegen. 

Hochansehnliche Versammlung! Werte Damen und Herren! 

Das Thema, das ich die Ehre habe, vor Ihnen zu behandeln, ist 
einem großen Teil von Ihnen aus der Praxis heraus bereits wohlbekannt. 
Ich muß mich eigentlich entschuldigen, Ihre Aufmerksamkeit volle 
45 Minuten für einen Gegenstand in Anspruch zu nehmen, den wir 
eigentlich nur draußen in der Praxis in seiner ganzen Mannigfaltigkeit 
erfassen können und der bei einer theoretischen Besprechung immer Ge- 
fahr läuft, etwas ermüdend auf die Zuhörer zu wirken. Ich habe aus 
diesem Grunde auch davon abgesehen, Ihnen eine mit allen möglichen 
Literaturangaben gespickte Entwicklungsgeschichte unseres Themas zu 
geben. Sie werden mir auch ohne solche Literaturangaben glauben, daß ich 
mich in der betr. Literatur umgesehen habe. Ich möchte Ihnen lieber 
den Voischlag machen, mich zu einer Schüleruntersuchung begleiten zu 
wollen. Den Weg dorthin können wir uns ja mit einer Besprechung der 
notwendigsten Voraussetzungen verkürzen. 

Meine Damen und Herren! Sie befinden sich bei uns in Stuttgart 
resp. Württemberg auf einem Boden, auf dem der Schularzt in der Ihnen 
bekannten Form noch nicht gewachsen ist, wenngleich Eingeweihte be- 
haupten, daß es schon da und dort zu keimen beginnt und daß die 
Triebe sogar recht frisch und kräftig aussehen. Der Boden ist auch 
keine unfreundliche Rodung, sondern ein Feld, das gründlich durch- 
gearbeitet ist. Namen wie Knauß und Blezinger sind Ihnen ja nicht 
unbekannt. Eine Reihe von Ministerialerlassen, die zum Teil weit zurück- 
datieren, haben von jeher das württembergische Schulwesen in Hinsicht 



Verhandl. d. VI. JahresverBammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 43 

auf Bau und Betrieb der SchiQen davor geschützt, daß sich grobe 
hygienische MiBstftnde einschleichen konnten. Mit der letzten bedeut- 
samsten Verfügung, welche den obligatorischen Spielnachmittag für die 
Schulen einführt, sind wir sogar den anderen Bundesstaaten erheblich 
voraus. Die Schulhygiene aber, die auf systematischen Schüleruntei> 
suchungen sich aufbaut, kennen wir bei uns in Württemberg allerdings 
mit einigen wenigen Ausnahmen noch nicht. Lehrer und Ärzte haben 
bei uns noch kaum Gelegenheit gehabt, sich in praxi mit den Unter- 
suchungen zu befassen. Die umfassende Arbeit von Hofrat Dr. Schubert- 
Nürnberg, die uns einen Überblick über die Entwicklung des Schularzt- 
wesens gibt, weist neben einer überwältigenden Zahl außerwürttember- 
gischer Städte nur wenige württembergische auf. 

Manche haben das fEb* ein grobes Versäumnis unserer Heimat ge- 
halten und unsere Rückständigkeit scharf getadelt. Sie haben nicht ge- 
sehen, daß die Verhältnisse bei uns wesentlich anders liegen als sonstwo. 
Sie haben geglaubt, unser Abwarten sei ein Ablehnen. Und doch war 
es nichts anderes, als ein freundliches Zuwarten, dem vergleichbar, das 
den Gärtner, den Landmann ziert, wenn er davon absieht, auswärts ge- 
zogene Pflanzen imd Blumen in den heimatlichen Boden zu versetzen, 
sondern im Gegenteil seinen Stolz darin setzt, seine Blumen und Pflanzen 
aus dem Samen selbst zu ziehen, in der Erkenntnis, daß nur so ein 
Organisches Anwachsen, eine gedeihliche Entwicklung und gesunde kräf- 
tige Früchte zu erzielen sind. 

Wenn nun bei uns Lehrer und Ärzte, Schüler und Eltern die Unter- 
suchungen aus eigener Anschauung noch wenig kennen, so ist gerade 
die heutige Jahresversammlung die geeignete Gelegenheit, sie mit dem 
Zweck und dem Gang solcher Untersuchungen bekannt zu machen. Gilt 
es doch manches Vorurteil zu zerstreuen, manchen Gleichgültigen zur 
Mitarbeit zu gewinnen. Unsem auswärtigen Gästen aber wollen wir 
zeigen, daß wir, wenn uns bisher auch Schulärzte in ihrem Sinn fehlen, 
doch mit ihren Bestrebungen sympathisieren und bereit sind, mit ihnen 
praktische Arbeit zu leisten. 

Sehen wir uns das Terrain an, auf dem wir arbeiten sollen, so 
finden wir uns vor einem Kapitel der allgemeinen Gesundheits- und 
Wohlfahrtspflege. Nach allen Seiten sind wir umgeben von verwandten 
Bestrebungen, die alle das gleiche Ziel verfolgen. Säuglingsheime, Kinder- 
krippen, Ferienkolonien, Knaben- und Mädchenhorte, £[inderküchen und 
andere Eini;ichtungen mehr sehen wir in eifriger Tätigkeit, unsere Jugend 
zu schützen und widerstandsfähig zu machen. Auch alle rein hygienischen 
Maßnahmen, insbesondere die Wohnungsinspektion, verfolgen dieses Ziel, 
ebenso wie alle Bestrebungen, welche die Hebung unseres sozialen Lebens 
herbeiführen wollen. Der Schutz unserer Jugend ist eine Pflicht, der 
wir aus ethischen wie wirtschaftlichen Motiven heraus nachzukonmien 
haben. Wir haben kein Recht dazu, Kräfte verkommen zn lassen. 

Die gegebenen natürlichen Beschützer der Kinder sind die Eltern. 
Diesen Satz, dessen Bestätigung wir in der ganzen belebten Natur um 
uns sehen, dürfen wir bei unsem Überlegungen nicht außer acht lassen. 
Der Staat, die Gemeinde kommen erst in zweiter Linie, lediglich im so- 
genannten übertragenen Wirkungskreis in Betracht. Wenn wir daher 



44 Yerhandl. d. VI. JahresversammluDg d. Allgein. Deutsch. Yereins etc. 

der heranwachsenden Jugend unsere Arbeit widmen wollen, so dürfen 
wir nicht nur den Weg über die Schule, sondern wir müssen den Weg 
auch übers Elternhaus benutzen. Zu dieser Auffassung werden wir auch 
noch gedrftngt durch eine andere Tatsache. Aach das Schulkind selbst 
steht mit dem einen Fuß auf dem Boden des Elternhauses, mit dem 
andern auf dem der Schule. Schule und Elternhaus bilden den Boden, 
auf dem das Schulkind heranwächst Es ist undenkbar, daß wir in praxi 
nur die eine Komponente berücksichtigen. Nur zu leicht kommt es unter 
diesen Umständen zur Anwendung rein symptomatischer Mittel, da das 
Grundübel vielleicht gerade auf der andern weiter nicht berücksichtigten 
Komponente liegt. 

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Gefahren, denen die Kinder 
in Stadt und Land ausgesetzt sind, so zeigt sich zunächst bei den Eltern 
der Kinder in der Stadt eine gewisse körperliche Inferiorität gegenüber 
der Landbevölkerung. Was durch die Rekrutierungsstatistik für die 
Männer bewiesen ist, ist für die Frauen als wahrscheinlich anzunehmen. 
Sind nun die Stadtkinder im allgemeinen von schwächlicheren Eltern 
gezeugt als die Landkinder, so finden wir in der späteren Zeit, daß es 
insbesondere die unzweckmäßige Ernährung ist, welche beide Kategorien 
in gleicher Weise schwächt. Nur ein geringer Prozentsatz von Müttern 
stillt die Kinder, sowohl in der Stadt als auch auf dem Lande. Auch 
auf dem Lande beginnt es allmählich an geeigneter Nahrung für die 
Kinder zu fehlen, seitdem unsere Bauern so viel Milch als nur möglich 
in die Genossenschaftsmolkereien bringen und ihre Kinder mit Magermilch 
aufziehen. Die Wohnungen sind in der Stadt und auf dem Lande gleich 
schlecht. Eines aber haben die Landkinder voraus, den Aufenthalt und 
die Beschäftigung in der freien Luft, die sie auch unt-er sonst ärmlichen 
Verhältnissen gedeihen läßt. Zu all dem zeigt sich bei einer großen 
Anzahl von Eltern in Stadt und Land ein geflüirlicher Mangel an dem 
Gefähl der Verantwortlichkeit für die Kinder. Und dieses Gefühl der 
Verantwortlichkeit zu wecken und wach zu halten, ist eine der wichtigsten 
Aufgaben der Wohlfahrtspflege, die oft leider eher das Gegenteil herbei- 
führt, indem sie den Eltern auch die kleinste Sorge um ihre Kinder 
abninunt. 

Gegenüber diesen Einflüssen des Elternhauses erscheinen die Ein- 
flüsse der Schule nur gering. Überfüllung der Klassen, schlechte Ven- 
tilation und Heizung, Uberbürdung und Überanstrengung sowohl einzelner 
Organe als auch der Schüler selbst, das sind in der Hauptsache die Ge- 
fahren, die dem Schüler in der Schule drohen. Die Schule hat allen 
Anlaß, diese üblen Einflüsse auf die Schüler zu beseitigen. 

Schule und Elternhaus haben deshalb die Pflicht, sich mit den 
einschlägigen Verhältnissen vertraut zu machen, alle die Momente zu er- 
fassen, welche fördernd oder hemmend auf die Kinder einwirken. 

Die einfachste Art, diese Kenntnisse zu vermitteln, ist die Unter- 
suchung der Schulkinder und die Feststellung ihres Gesundheitszustandes. 
Wenn wir die Untersuchung überhaupt an den Schulkindern vornehmen, 
so geschieht dies, weil wir die Kinder in der Schule alle beieinander 
haben, so daß dadurch überhaupt erst die Untersuchung möglich wird; 
hier wird zugleich durch die Masse der Zahlen der Eindruck gesichert. 



Yerhandl. d. VI. Jahresversammlmig d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 45 

der nötig ist, um das Gewissen der Allgemeinheit in Beziehung auf die 
heranwachsende Jugend zu wecken und wach zu halten, hier ist endlich 
auch der Ausgangspunkt fiir die Anwendung von Ah wehrmaßregeln, 
mögen sie nun auf die Schule oder auf das Elternhaus resp die Stadt 
seihst sich erstrecken. Reiche Anregung endlich empfängt die Wissen- 
schaft aus solchen Untersuchungen auf allen Gebieten, die sich mit 
dem körperlichen und geistigen Wachstum des Menschen beschäftigen, 
und sie wird ihrerseits wieder anregend und befruchtend auf alle kom- 
munalhygienischen Fragen einwirken können. 

Es ist deshalb nicht etwa der Arzt, der ein neues Gebiet für die 
Betätigung seiner Praxis sucht, welcher die Schüleruntersuchungen fordert, 
sondern sie werden gefordert von den Eltern und Lehrern, von Staat 
und Gemeinde eben in der Erkenntnis, daß unsere Jugend ein kostbares 
Gut ist, das wir nicht aus Gleichgültigkeit neben draußen liegen lassen 
dürfen. 

Wenn so über die Notwendigkeit der Schüleruntersuchungen kaum 
ein Zweifel mehr möglich sein dürfte, so betreten wir nun mit der 
Frage nach dem Umfang der Untersuchung ein Gebiet, auf dem die 
Ansichten schon häufig aufeinander geplatzt sind und noch platzen 
werden. 

Soll der Lehrer die zu untersuchenden Kinder aussuchen oder soll 
der Arzt dies tun? Wie oft sollen die Untersuchungen vorgenommen 
werden? Alle diese Fragen lassen sich generaliter überhaupt nicht be- 
antworten, ohne mit den gegebenen Verhältnissen in Kollision zu kommen. 
Wenn ich für meine Person auch auf dem Standpunkt stehe, daß es 
stets der Arzt sein soll, der die Kinder untersucht, daß die Unter- 
suchungen ferner so oft als möglich vorgenommen werden soUen und so 
eingehend als möglich auszuführen sind, so lassen sich doch Verhältnisse 
denken, wo unbeschadet des Erfolgs die eine oder andere Forderung aus 
praktischen Gründen ermäßigt werden muß. Freilich kann es sich hier- 
bei nur um eine gewisse Übergangszeit handeln, bis überall die not- 
wendigen Schulärzte angestellt sind. Stets aber werden auch diese auf 
die Mitwirkung der Lehrer angewiesen sein, sei es daß sie ihnen die 
einzelnen besonders zu berücksichtigenden Schüler namhaft machen, sei 
es, daß sie während der Klassenuntersuchungen anwesend sind, um dem 
Arzt die oder jene Auskunft zu erteilen. Die Abtretung einzelner Unter- 
suchungsgebiete, z. B. Augen und Ohren, an die Lehrer halte ich nicht 
für statthaft. Es hindert nichts, daß der Lehrer sich aus freiem Antrieb 
die Zeit hierzu nimmt, um selbst sich über die Funktion dieser Organe 
bei den Schülern zu imterrichten, nie darf aber dieses Resultat die ärzt- 
liche Untersuchung überflüssig machen. 

Wie femer das zahlenmäßige Verhältnis der Häufigkeit von genauen 
Untersuchungen des einzelnen Kindes zu den ärztlichen Besuchen in der 
Klasse, zu den ärztlichen Besichtigungen der Klasse sich gestalten soll, 
das festzulegen ist unmöglich. Hier kann sich nur aus der Praxis heraus 
allmählich das für die einzelne Gemeinde notwendige Maß entwickeln. 
Es liegen hierüber noch wenig Erfahrungen vor, die gleicherweise in 
allen Verhältnissen sich bewähren würden. Die natürliche Entwicklung 
der Dinge, wie sie sich infolge der tatsächlichen Bedürftiisse in jeder 



46 Verhandl. d. VI. Jahresyersammlung d. Allgem. Deutsch. Yereins etc. 

Gemeinde vollzieht, verbürgt viel eher das organische Wachstum und 
Gedeihen dieser Einrichtungen, als wenn man schablonenmftßig die Ein- 
richtungen anderer Städte nachmacht, die dort vielleicht sich halten und 
gedeihen können, in einem andern Boden dagegen als etwas Fremdartiges 
dastehen und sich nie zu dem Leben entwickeln können, das sie ander- 
wärts entfalten. 

Und nun kommen wir zum Kernpunkt der Frage: wie soll sich die 
Untersuchung der Schüler vollziehen? Die beteiligten Personen: Kinder, 
Eltern, Lehrer, Ärzte nehmen nicht ohne weiteres den gleichen Stand- 
punkt ein. So verlangt das Kind, daß die Untersuchung möglichst rasch 
und schonend vorgenommen werde. Die Eltern fordern mit Recht eine 
Benachrichtigung vor der Untersuchung, damit sie ihrerseits Stellung zu 
derselben nehmen können, daß ihnen femer keine Kosten aus der Unter- 
suchung erwachsen. Lehrer und Schulbehörde verlangen, daß die Unter- 
suchung keine Störung des Schulbetriebs mit sich bringe und daß ihnen 
ebenfalls wie den Eltern Mitteilung vom Resultat gemacht werde. Der 
Arzt endlich fordert, daß alle Bedingungen erfüllt werden, welche eine 
möglichst genaue Untersuchung gewährleisten, so daß sich ein Urteil 
über den Zustand des einzelnen Kindes abgaben läßt. 

Gehen wir nun diese verschiedenen Forderungen im einzelnen 
durch. 

Rasche und schonende Untersuchung verlangt das Kind. Und das 
mit Recht. Es handelt sich wohl meist um Klassenuntersuchnngen, bei 
denen zwar fUr das einzelne Kind jeweils nur ein geringer Zeitaufwand 
gemacht wird, ft&r die ganze Klasse aber je nach der Größe derselben 
oft eine erhebliche Zeit in Anspruch genonmien wird. Länger als 
2 Stunden sollten die Kinder im Untersuchungslokal, wo sie sich ja der 
größten Ruhe und Stille befleißigen müssen, nicht festgehalten werden. 
Bei uns in Stuttgart war es möglich, die Kinder, die in 4 einzelnen Ab- 
teilungen untersucht wurden, zwischen den einzelnen Untersuchungen auf 
den geräumigen Korridor zu schicken. Auch sorgte die Abwechslung 
der die Kinder stets selbst interessierenden Manipulationen bei der Unter- 
suchung, Wägung und Messung dafür, daß eine Abspannung der Kinder, 
auch der schwächlicheren nicht eintrat. 

Was die Schonung der Kinder be trifft, so kommen hier mehrere 
Momente in Betracht. Die körporliche Schonung, die ja zum Teil eben 
schon behandelt wurde, wird ergänzt dadurch, daß man den Kindern 
größere Wege in der Hitze erspart. Dies ist besonders hier in unserem 
subtropischen Klima nötig. Im Sommer sollten die Vormittagsunter- 
suchuugen bis etwa 11 Uhr beendet sein und nachmittags überhaupt 
nur dann untersucht werden, wenn es sich eben nicht vermeiden läßt. 
Selbstverständlich trifft dies nur zu in solchen Fällen, wo die Schule 
nicht zugleich auch Untersuchungslokal ist. 

Notwendig ist femer die Schonung vor Ansteckung von Seiten etwa 
bei der vorhergehenden Untersuchung als ansteckungsfähig befundener 
Kinder. Die Verhütung der Verbreitung ansteckender Krankheiten durch 
den Untersucher und seine Instrumente machte bei uns eine Reihe von 
Vorkehrungen notwendig. Nach jeder Konstatierung einer ansteckenden 
Krankheit erfolgte eine gründliche Desinfektion der Räume durch Formalin- 



Verhandl. d. VL Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 47 

Verdampfung nach der Methode Flügge -Breslau. Von einer Benützung 
von Spateln wurde, nachdem sich schon an den ersten 2 Tagen die Un- 
möglichkeit herausgestellt hatte, sie zwischen 2 Untersuchungen gründlich 
zu desinfizieren, überhaupt abgesehen. Wir wandten zur Inspektion der 
Mund- und Rachenhöhle, falls dies ohne weiteres nicht möglich war, die 
Methode an, die auch beim Kehlkopfspiegeln treffliche Dienste leistete, 
nämlich die Zunge mittels des Taschentuches des zu Untersuchenden 
von diesem fassen und vorziehen zu lassen. Es hat dies den weiteren 
großen Vorzug, daß die Kinder nicht durch irgend ein Instrument stutzig 
gemacht wurden. 

Täglich vor jeder Untersuchung wurde das Untersuchungslokal gründ- 
lich gereinigt. Die Ärzte trugen täglich fiische weiße Mäntel. 

Eine große Sorge bereitete uns femer die Schonung des Scham- 
gefühls der Kinder. Wir waren stutzig geworden durch Erlasse der 
Verwaltungsbehörden in anderen Staaten. Trotzdem wagten wir es, die 
Knaben vollständig, die Mädchen bis aufs Hemd zu entkleiden. Wir 
sagten uns, daß den Kindern der nackte Körper nichts Anstößiges sein 
kann, da sie aus der Kinderstube und vom Baden her diesen Anblick 
gewöhnt sind. Während dies für die Knaben während ihrer ganzen 
Schulzeit gilt, sind die Mädchen empfindlicher, wenigstens von einem 
gewissen Alter an, das sich übrigens nicht klassenweise festlegen läßt 
Gewogen und gemessen wurden die Kinder von Personen ihres Geschlechts. 
Bei der Auskultation und Perkussion war stets, mochten es nun Knaben 
oder Mädchen sein, die untersuchte Stelle unbekleidet. Je natürlicher 
der Untersucher sich in solchen Situationen geben kann, je weniger Auf* 
fallendes er selbst dahinter sucht, um so weniger werden die Kinder, die 
ein feines Gefühl haben, dazu kommen, selbst etwas hinter dieser Unter- 
suchung zu suchen. Unsere Erfahrungen mit den Eltern in dieser Hin- 
sicht sind außerordentlich gute. Keine der stets zahlreich anwesenden 
Mütter sah sich veranlaßt, gegen die leichte Kleidung ihres Töchterleins 
zu protestieren. Im Gegenteil machten uns die Mutter häufig noch auf 
dies oder jenes aufmerksam, zu dessen Beurteilung auch eine Entkleidung 
vom Hemde notwendig war. 

Wenn so die Forderungen der Kinder sich erfüllen lassen, so wenden 
wir uns zu denen der Eltern. Die Eltern müssen die Entscheidung 
darüber haben, ob sie ihr Kind untersuchen lassen wollen oder nicht. 
Es ist das ein Hecht der Eltern, das stets respektiert werden muß. 
8 \ der Kinder durften bei uns nicht untersucht werden, gewiß eine 
kleine Zahl, die sich hoffentlich mit der Zeit noch weiter herabdrücken 
läßt. Sie stellt der Einsicht der Eltern, die ja durch den Lehrer von 
der bevorstehenden Untersuchung benachrichtigt wurden, gewiß ein sehr 
günstiges Zeugnis aus. Je mehr die Untersuchung vorwärts schritt, um 
so mehr machten die Kitern von der Einladung Gebrauch, der Unter- 
suchung anzuwohnen. Die Teilnahme der Eltern an der Untersuchung 
halte ich für außerordentlich wünschenswert Die Kinder werden durch 
die Anwesenheit von bekannten Personen beruhigt. Die Untersuchung 
kann sich ohne Störung durch Widerspenstige vollziehen. Die Eltern 
selbst sehen, daß die Untersuchung nichts Schlimmes für die Kinder in 
sich birgt. Ihr Interesse an der Gesundheit ihrer Kleinen wird 



48 Verhandl. d. VI. Jahresveraammlung d. Allgem. Deutach. Vereins etc. 

geweckt durch Vergleiche, die sie bei solchen Untersuchungen 
machen können. Endlich hat der Arzt Gelegenheit, diese oder jene 
wünschenswerte Auskunft zu erhalten. Es gereicht mir zur größten 
Freude, es vor dieser Versammlung öffentlich aussprechen zu dürfen, daß 
es sich hier bei all dem nicht etwa um Ausnahmen handelte, sondern 
daß dies verständige Benehmen der Eltern, das dem üntersucher seine 
Aufgabe so sehr erleichterte, die Regel bildete. Ich habe in der letzten 
Zeit noch die Probe aufs Ezempel gemacht und alle die Kinder, die für 
irgend eine Bade- oder Erholungskur in Betracht kamen, nochmals be- 
stellt. Nur in etwa 3 — 4% blieben bei dieser Nachuntersuchung die 
Eltern aus. So fährt sich die schulärztliche In.stitution bei uns in 
Stuttgart, ohne daß wir einen Schularzt haben, von selbst bei den Eltern 
ein und ich hoffe von dieser erfreulichen Entwicklung das Beste für die 
spätere Einführung und Wirksamkeit eines Schularztes. 

Schule und Lehrer verlangen möglichste Schonung des Schulbetriebs. 
Sie verlangen femer die Mitteilung des ärztlichen üntersuchungsergeb- 
nisses. Beiden Forderungen kann meines Erachtens ohne weiteres Rech- 
nung getragen werden. Der Aufwand fOr die Untersuchung einer Klasse 
betrug bei uns ca. 2 Stunden. Rechnet man den Weg dazu mit durch- 
schnittlich einer Stunde, so geht für die gründliche Untersuchung der 
Klasse ein halber Tag verloren. Dieser Verlust an Zeit steht aber in 
keinem Verhältnis zu dem großen Vorteil, den der Schalbetrieb dadurch 
erfährt, daß dem Lehrer sowohl seine körperlich schonungsbedürftigen 
Kinder bezeichnet werden, als auch geeignete Vorschläge bez. der weiteren 
Fürsorge für diesen oder jenen Schüler gemacht werden. Die Störung 
des Schulbetriebs durch die Untersuchungen ist nicht groß und erscheint 
reichlich kompensiert durch die mancherlei Vorteile, die die Untersuchung 
im Glefolge hat. — Endlich verlangt der Lehrer, daß ihm durch die 
Schüleruntersuchungen keine Mehrarbeit erwachse. Ich muß hier zuge- 
stehen, daß ich hier mit meiner Bitte um Ausfüllung meiner Fragebogen 
dieser Forderung der Lehrer nicht entsprochen habe und sie mit teils 
nicht unerheblicher Mühe belastet habe. Sie dürfen aber nicht vergessen, 
daß diese Fragebogenausfüllung nur ein einmaliges Geschäft war, dessen 
Übertragung an die Lehrer in Zukunft sich wird vermeiden lassen. Nicht 
vergessen darf aber auch werden, daß die Lehrerschaft meiner Bitte um 
AusfElllung der Fragebogen in einer außerordentlich pünktlichen und 
präzisen Weise entsprach, welche allein es ermöglichte, über die häus- 
lichen und gesundheitlichen Verhältnisse der Schuljugend so genaue 
Daten zu bekommen. — Wenn aber der Lehrerschaft die Führung von 
Gesundheitsscheinen und die Unterstützung des Arztes durch Schreibhilfe 
zugewiesen wird, so wird auf der andern Seite auch ohne weiteres eine 
entsprechende Entschädigung fUr die aufgewandte Zeit zu gewähren sein. 

Wenden wir uns nun zu den Forderungen des Arztes. Seine erste 
Forderung ist, daß die Untersuchung so vorgenommen werden kann, daß 
sich die Aufnahme eines Status, die Stellung einer Diagnose ermöglichen 
läßt. Diese Forderung sieht auf den ersten Blick als selbstverständlich 
und daher überflüssig aus, ist es aber in der Praxis keineswegs. Alle 
Vorschriften z. B., welche dem Arzt bez. der Bekleidung des Kindes ge- 
macht worden sind, sind überflüssige Einschränkungen seines in ärztlicher 



Verhandl. d. YL Jahresyersammlimg d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 49 

Hinsicht stets freien Ermessens. Solche Vorschriften müssen den Zweck 
der Untersuchung direkt durchkreuzen. Man sollte so viel Zutrauen zu 
dem Takt des Arztes haben, daß es im einzelnen Fall nicht noch be- 
sonderer Vorschriften bedarf. 

Ebenso wichtig ist die Frage, was unter Aufstellung eines Status, 
unter Stellung einer Diagnose verstanden werden muß. Genügt hier die 
Diagnose, der Status des praktischen Arztes, oder sind nur genaue spe- 
zialistische Status und Diagnosen zuzulassen. So wenig dies im übrigen 
Leben der Fall ist, so wenig ist dies bei der Schüleruntersuchung not- 
wendig. In erster Linie kommt für die Untersuchung der praktische 
Arzt in Betracht, dem es ebenso wie im übrigen Leben überlassen 
werden muß, ob er in diesem oder jenem Fall noch einen SpezialkoUegen 
zuziehen will. Jedenfalls muß ihm aber die Möglichkeit geboten sein, 
dies zu tun. 

Die für die Vornahme der Untersuchung notwendigen Lokale, 
Apparate, Instrumente usw. müssen natürlich in der Anzahl und Be- 
schaffenheit vorhanden sein, daß sie die Stellimg der Diagnose ebenfalls 
ermöglichen. 

Mit der Aufnahme eines Status wird sich ein Arzt, dem es mit 
seinen Untersuchungen ernst ist, nicht begnügen. Er wird sich ein Bild 
zu machen versuchen, wie das alles entstanden ist, was er da gefunden 
hat, er -wird sich ein Urteil zu bilden suchen über die inneren und 
äußeren Ursachen des Befundes, er wird ihn zu erklären suchen aus den 
Verhältnissen des Untersuchten heraus. 

Der Arzt, der ohne Anamnese arbeitet, begibt sich eines außer- 
ordentlich wertvollen Hilfsmittels. Gerade bei den Schüleruntersuchungen 
ist dieser Punkt von ganz besonderer Wichtigkeit. Das Schulkind ist 
zunächst ein Mensch mit allen Anlagen und {ligenschaften, die ihm als 
Einzelindividuum zukommen. Es ist ein Kind mit all den Vorzügen 
und Schwächen seines Alters. Es ist ein Kind seiner Eltern, es ist 
ein Kind seiner Zeit, der äußeren Verhältnisse, unter denen es auf- 
wächst. Und zu letzteren gehört die Schule. Wollen wir daher ein 
Schulkind untersuchen und auf seinen Gesundheitszustand beurteilen, so 
ist die Erhebung einer möglichst genauen Anamnese einfach eine Not- 
wendigkeit. Leider habe ich in der einschlägigen Literatur nur wenig 
Ansätze zu diesem Vorgehen finden können; meist bezogen sich diese 
Umfragen auf vereinzelte Gebiete und standen häufig ohne Zusammen- 
hang mit einer Untersuchung. Das Hauptaugenmerk fand ich stets auf 
Konstatienmg der oder jener Zustände gerichtet, höchstens noch auf 
die Konstatierung des eingetretenen Erfolgs unter der oder jener Be- 
handlung. All das Material, das in den schulärztlichen Fragebogen der 
verschiedenen Städte in anamnestischer Hinsicht enthalten ist, findet sich 
nur wenig bearbeitet in unseren Zeitschriften. 

Hier sollte Wandel geschaffen werden. Die Schulhygiene sollte ihre Zu«* 
gehörigkeit zur allgemeinen Hygiene hauptsächlich auch dadurch dokumen- 
tieren, daß sie, die bei den Untersuchungen gegebene Gelegenheit zur Er- 
gründung der verschiedensten Momente, welche für das heranwachsende Kind 
von Bedeutung sind — hereditäre, häusliche, soziale Verhältnisse z. B. — , 
daß sie diese ihre Erfahrungen den anderen zugänglich macht. Wenn wir 

VerhAndlongen 1905. 4 



50 Verhandl. d. VI. JahresTenammlang d. Allgem. DeuiBch. Vereins etc. 

sehen, dafi bei uns in Stuttgart z. B. die Hälfte aller Kinder kein eigenes 
Bett hat, daß ein weiterer erheblicher Prozentsatz nicht einmal ein 
Bett hat, sondern auf dem Sofa, der Bank, dem Boden nächtigen muB, 
^enn wir nachsehen, wie das Kind in seiner schulfreien Zeit beschäftigt 
wird, ob es etwa diese an einer Strickmaschine zubringt, oder zum Aus- 
tragen von Paketen oder zu einer anderen nicht adäquaten Tätigkeit 
verurteilt ist, so beurteilen wir eine Reihe von allgemeinen Störungen, 
sowie Schädigungen bestimmter Organe wesentlich anders, als wenn wir 
von alledem nichts wissen. 

Ich erlaube mir, femer Ihre Aufinerksamkeit auf einige dieser Ta- 
bellen zu lenken. Sie sehen hier das Bild der Wohnbezirke Stuttgarts, 
wie es sich bei einer Projektion in einen Kreis darstellt. Sie sehen hier 
z. B. bei den Augenkrankheiten die Tatsache, daß die innere Stadt mit 
ihren engen lichtarmen Wohnungen die übrigen Stadtteile an Häufigkeit 
der Erkrankung, jeweils berechnet auf hundert lebende Kinder dieses Be- 
zirks, weit übertrifft. Es läßt sich dies an der Hand der Fragebogen 
noch weiter verfolgen und die Beteiligung der einzelnen Stockwerke er- 
mitteln. Diese Tatsache gibt für die allgemeine Hygiene ebenso wert- 
volle Fingerzeige wie der Umstand, daß die Tuberkulose, deren Tabelle 
ebenfalls hier zu sehen ist, vorzugsweise die Stadtteile der armen Leute 
befallen hat, und daß die auf diese Krankheit Verdächtigen sich vorzugs- 
weise in den kleineu Dachstockwohnungen finden. Ursache und Wirkung 
darf dabei natürlich nicht verwechselt werden. Jedenfalls aber sind 
schon diese beiden Tatsachen von einer großen Bedeutung tmd wert^ 
weiter im Auge behalten zu werden. 

Desgleichen erhalten wir bemerkenswerte Resultate, wenn wir die 
sozialen Verhältnisse tmd den Gesundheitszustand vergleichen. Bei uns 
in Stuttgart fanden sich • Augenleiden, Tuberkulose, Skrofulöse, Unge- 
ziefer ganz besonders bei den Kindern der Unbemittelten. Ich erinnere 
femer an die Berliner Resultate, die einen auffallenden Wachstums- und 
Gewichtsunterschied bei den Kindern der gehobenen und der Volksschulen 
feststellten. 

Diese verschiedenen Stichproben mögen genügen, um die Bedeutung 
einer genauen Anamnese ins rechte Licht zu stellen. Ob das Kind ge- 
stillt wurde, wann es seine Zähne bekam, wann es laufen lernte und 
viele andere Punkte, die einzeln aufzufuhren mir die Zeit mangelt, sind 
von wesentlicher Bedeutung für das spätere Gedeihen der Kinder, ebenso 
wie die Abstammung und die Gesundheitsverhältnisse der Eltern. 

Gehen wir über zur Untersuchung selbst, so darf ich mir nähere 
Details wohl schenken. Es versteht sich von selbst, daß dieselbe mit 
der Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit durchgeführt wird, die von 
jeher dem deutschen Arztestand eigen war. Nur auf einen Punkt 
möchte ich noch hinweisen: die Untersuchung des Urins. Bei den 
Massenuntersuchungen ist dies ja keine ganz einfache Sache, aber die 
Schwierigkeiten sind nicht so, daß sie sich nicht überwinden ließen. Wir 
waren hier in Stuttgart in der Lage, wenigstens bei sämtlichen Knaben, 
etwa 5000 an der Zahl, den Urin durch Kochprobe mit event. nachfol- 
gender Bestimmung nach Esbach und in der größeren Hälfte der Fälle 
Zentrifuge und Mikroskop untersuchen zu können. Das Resultat war 



Verbandl. d. ¥[. JahresTersammlnng d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 51 

ein verblüffendes, wie Sie aus der hier aufgestellten Tabelle ersehen. 
3 7o ^^^^ Knaben hatten Eiweiß über Yqq Esbach und mit dena [Alter 
naiun diese Albuminurie zu von rund 1 % ^^^ Schüler in der 1. Klasse 
bis auf 6 7o ^ ^^^ '^' Klasse. In mehr als einem Dutzend dieser Fälle 
konnten milaroskopisch Nierenelemente und in zwei Fällen Blut nachge- 
wiesen werden bei Knaben, deren äußerer Habitus auf keine wesentliche 
Erkrankung schließen ließ. Ich sehe ab von einer weiteren kritischen 
Besprechung unserer Resultate« Es liegt mir daran, sie noch während 
einer Reihe von Jahren nachzuprüfen, wobei wir sie auch auf die Mäd- 
chen ausdehnen werden. Insbesondere erscheint mir die fortgesetzte Be- 
obachtung einmal konstatierter Albuminurien von Wert. 

Endlich die Temperaturmessungen. Wir haben in allen geeigneten 
Fällen solche vorgenommen. Ob eine Ausdehnung der Messung auf alle 
Kinder möglich wird ohne ein zu großes Zeitversäumnis und ohne zu 
große Belästigung der Kinder, wird sich erst in der Praxis weiterer Unter- 
suchungen zeigen. Auch hier scheinen mir die Schwierigkeiten nicht 
unüberwindlich. Wir fanden Steigerungen der Temperatur ohne nach- 
weisbare andere Symptome. Die spätere Erkundigung gab dann in ver- 
einzelten Fällen noch 'Aufklärung über die Ursache. 

Meine Damen und Herren 1 Noch ein Wort über die Konstatierung 
der geistigen Fähigkeiten bei den Schüleruntersuchungen. Dies ist nur 
in ganz einfachen Fällen, über die auch der Laie sich ein mehr oder 
weniger zutreffendes Urteil bilden kann, bei den Schuluntersuchimgen 
möglich. Wir haben deshalb hier ganz davon abgesehen, nachdem sich 
schon in den ersten Untersuchungsstunden herausstellte, daß dadurch die 
Untersuchung des einzelnen Kindes und damit der Klasse einen Aufwand 
an Zeit erforderte, den wir uns nicht leisten konnten. Nur eine länger 
dauernde Beobachtung ermöglicht es, über den geistigen Status eines 
Kindes ins Beine zu kommen. Gerade bei diesem Kapitel wird der Arzt 
der Beihilfe der Lehrer nicht entraten können, darüber dürfen wir uns 
keinen Illusionen hingeben. Daß bei einem fortlaufenden ärztlichen 
Überwachungsdienst der Schulkinder diese Frage anders zu beurteilen 
sein wird, als bei einer einmaligen informatorischen Untersuchung der 
Schulkinder, liegt auf der Hand. Alle die Untersuchungen endlich, welche 
in das Gebiet der experimentellen Psychologie gehören, wie z. B. Er- 
müdung während des Unterrichts, Einfluß der Pausen, Wahl des Stoffes, 
Verteilung der Stunden, alles das wird gewöhnlich nicht zum Kapitel 
„Schüleruntersuchungen'* gezählt. Der Vollständigkeit wegen waren diese 
Punkte aber zu erwähnen. 

Damit wäre der Standpunkt des Arztes gegenüber den Sehulunter- 
suchungen kurz skizziert. Die Frage, in wdcher Weise seine Honorierung 
für den Aufwand an Zeit und Mühe zu erfolgen hat, die Frage endlich, 
ob die Anstellung von besonderen Ärzten för diesen Zweck notwendig 
ist, darf wohl heute aus unserer Besprechung ausscheiden, da ich an- 
nehmen daif, daß hierin eine einheitliche Beurteilung Platz ge- 
griffen hat. 

Der große Gedanke, der allen Untersuchungen von Schülern zu- 
grunde liegt, ist der, auf dem Gebiet der Volksgesundheitspflege prak- 
tische Arbeit zu leisten. Das hindert nicht, daß jede Untersuchung noch 

4* 



52 Verhandl. d. VI. Jahresversainmlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

ihren besonderen Zweck hat, der auf die Art der Untersuchung bestim- 
mend einwirkt. 

Wenn wir ausgehen von der rein informatorischen Untersuchung 
der Schulkinder, die keinen anderen Zweck hat, als die Gesundheitsver- 
hältnisse der Schuljugend festzustellen, so sehen wir in ihr ein Beispiel 
für jene Untersuchungen, wie sie von schulärztlicher Seite verlangt wer- 
den beim Eintritt der Schulrekruten, und wie sie sich in größeren Zeit- 
räumen während der ganzen Schulzeit wiederholen sollen. Hier steht 
gewissermaßen das Einzelindividuum im Vordergrund des Interesses. — 
Eine zweite Art der Schüleruntersuchung sehen wir vor uns in den so- 
genannten Elassenbesuchen des Schularztes, bei denen die Gesamtheit der 
zu einer Klasse gehörenden Schüler, sowie die Verhältnisse, in denen 
sich dieses Klassenindividuum aufhält, zur Untersuchung kommen. Dieses 
Gebiet, nicht weniger wichtig als das erste, eben skizzierte, umfaßt alle 
die Fragen der Besetzung, Belichtung, der Ventilation und Heizung der 
Schulzimmer, der Reinlichkeit bei den Kindern und im Zimmer. Hier 
kommen wir zusammen mit dem Lehrer zur Besprechung und Unter- 
suchung der Grenzgebiete von Medizin und Pädagogik. — Endlich wäre 
noch der dritten Art von Untersuchungen der Schüler Erwähnung zu tun, 
wie wir sie vornehmen, wenn besondere Verhältnisse eine Untersuchung 
für erwünscht scheinen lassen, z. B. Untersuchungen von Klassen bei an- 
steckenden Krankheiten, Untersuchungen von einzelnen Schülern vde sie 
ab und zu notwendig werden können. Je nach der Organisation der 
Schularzteinrichtungen finden wir hier eine große Mannigfaltigkeit der 
äußeren Form von der gründlichen Durchuntersuchung einer Klasse beim 
Auftreten einer ansteckenden Krankheit bis zur bloßen Benachrichtigung 
des Arztes. 

Meine verehrten Damen und Herren 1 Wie es vor dem Arzt keinen 
Unterschied von arm und reich, hoch oder niedrig gibt, wie der Axzt 
in jedem Kranken eben nur den leidenden Menschen sieht, so gibt es 
auch vor dem Schularzt keinen Unterschied von Volksschule und Gym- 
nasium. Aber wie der Arzt in die Lage kommen wird, die Lebens- 
stellung und -haltung seines Patienten mit zu berücksichtigen bei den 
Vorschlägen, die er zur Bekämpfung dieses oder jenes Leidens macht, 
so wird auch der Schularzt die Lebenshaltung seiner Schutzbefohlenen 
in Betracht ziehen müssen, sowie es sich um Vorschläge zur Abstellung 
dieser oder jener Mißstände handelt. Bleiben wir hierbei auf dem Ge- 
biet der Schule, so werden diese Mißstände in Gymnasium und Volks- 
schule zum Teil die gleichen sein, zum Teil aber auch eben infolge der 
Verschiedenheit im Lehrplan, in der täglichen Arbeit, die das Kind je- 
weils zu leisten hat, ebenfalls wesentliche Verschiedenheiten aufweisen. 
Aus dieser Überlegung heraus müssen wir zwar prinzipiell die Forderung 
stellen, daß die Kinder in sämtlichen Schulen untersucht werden, und 
daß nicht etwa nur die Kinder der Volksschule berücksichtigt werden. 
Ob man aber zuerst mit den Volksschülem oder den Gymnasiasten be- 
ginnt, oder ob beide zugleich untersucht werden, ist lediglich eine Zweck- 
mäßigkeitsfrage, die nur an der Hand der jeweiligen örtHchen Verhält- 
nisse sich beantworten läßt. 

Wenn ich nun mit meinen Ausführungen auch keineswegs alle 



YerhandL d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 53 

Fragen, welche bei dem Kapitel „Schülerontersuchungen^' zu berQcksichtigen 
sind, erschöpft habe, so glaube ich doch, Ihnen in großen Umrissen ein 
Bild davon gezeigt zu haben. Nur der Hintergrund des Bildes ist viel- 
leicht noch einer Aufhellung bedürftig, wenn auch die Einzelheiten bei 
einer so weiten Entfernung trotzdem nicht ganz erkennbar werden. 

Wir haben gesehen, daß die Schüleruntersuchungen notwendig sind, 
wir sind von ihrer technischen Durchführbarkeit überzeugt, wir sind aber 
auch davon überzeugt, daß auf diesem Boden eine Reihe von Maßnahmen 
getroffen werden müssen, wenn die Untersuchungen überhaupt einen Wei*t 
haben sollen. 

Wo findet sich der Arzt, der nicht sofort bei der Konstatierung* 
eines Leidens den heißen Wunsch in sich aufsteigen fühlt, abzuhelfen. 
Ist es nicht gerade die Erkenntnis von der Unzulftnglichkeit menschlicher 
Hilfe, die dem Arzt oft genug das Leben schwer macht. Und nun sieht 
er sich mit einem Schlag einer Masse von Elend und Leiden gegenüber 
und soll am Schluß sagen: „Wirklich, es war eine interessante Studie, 
aber ihr könnt jetzt gehen, ich habe anderes zu tun!*'? Wird er nicht 
vielmehr von dem Moment an gefangen sein von tausend Kinderaugen, 
die ihn vertrauensvoll angeblickt haben, wird er sich nicht zum Anwalt 
der Jugend machen, deren Interesse er mit all seiner Kraft wahrzunehmen 
hat? Er hat gesehen, in welch trauriger Verfassung bereits die Lem- 
anfänger zur Schule kommen. Er muß den Weg ins Elternhaus zu 
finden wissen, nicht etwa in Form einer gedruckten Mitteilung von zwei- 
felhaftem Wert, sondern in Person. Wir haben es mit Eltern zu tun, 
die müde sind von der täglichen Arbeit, die stumpf geworden sind, selbst 
wenn es sich um ihr eigenes und um das Wohl ihrer Kinder handelt. 
Nur die eigenste persönliche Arbeit, nur das persönliche Aufsuchen der 
Eltern kann hier etwas nützen. Die erste Pflicht des Schularztes ist es, 
das Verantwortlichkeitsgefühl der Eltern zu wecken und zu kräftigen. 
Erst dann ist auch die Unterstützung, die er vermittelt, imstande, wirk- 
lich Gutes zu schaffen. Er wird in der Lage sein, auf Grund seiner 
persönlichen Kenntnis der Eltern auch alles, was das Schulkind betrifft, 
richtig zu beurteilen. Und so wird seine T&tigkeit die Grundlage bilden 
zu weiteren Maßnahmen, die bald einzelne Kinder, bald ganze Klassen 
und Schulbestände zum Gegenstand haben. 

Sein zweiter Weg wird den Arzt iu die Schule führen. Er wird 
auch hier in persönlichen Verkehr treten mit Lehrer und Schüler und 
wird unmittelbar dadurch zum Vermittler der Gedanken und Ziele der 
öffentlichen Gesundheitspflege in der Schule werden, sei es auf dem Ge- 
biete des Unterrichts, sei es auf dem des Schulbetriebs. Viel Mühe und 
Arbeit wartetet hier auf ihn und nur langsam. Schritt für Schritt wird 
sein Weg ihn vorwärts führen. 

Sein dritter Weg endlich führt den Arzt in die Öffentlichkeit. Es 
gilt, das allgemeine Interesse an seinen Bestrebungen zu erregen. Freunde 
zu sammeln, Gleichgültige aufzurütteln, Femerstehende herbeizuführen. 

Groß ist die Mühe und erfordert ein gehäuftes Maß von Selbstlosig- 
keit, Ausdauer und Vertrauen auf die gute Sache, für die er kämpft. 

Aber auch die Befriedigung ist dem Untersucher, auch wenn er sich 
an der Behandlung selbst nicht direkt beteiligen darf, nicht versagt. Ist 



54 Verhandl. d. VI. Jahresversamjulang d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

seine Arbeit doch dazu nütze, unsere Jugend tüchtig zu erhalten im Wett- 
kampf der Völker und Staaten. Und wenn auch seine Arbeit zum Teil 
eine mühselige Kleinarbeit am einzelnen Menschen ist, so darf er sich 
doch sagen, daß es nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität 
ankommt, daß nur der Staat sich an der Spitze halten kann, der die 
tüchtigsten Einzelindividuen aufzuweisen hat. 

Diskussion. 

Vorsitzender, Prof. Griesbach: 

Ich danke Herrn Dr. Gastpar für seine mühevollen und interes- 
santen Untersuchungen; dieselben haben uns wichtige Anhaltspunkte für 
den schulärztlichen Dienst gegeben. Ich eröffne die Diskussion. 

Prof. Le üb US eher -Meiningen: 

Der Schulunterricht kann nur segensreich wirken, wenn die Eltern 
ein Interesse an der Institution gewinnen. Dazu dienen sogenannte 
Elternabende, in denen die Bedeutung der Schulartzeinrichtung, als auch 
andere hygienische Fragen besprochen werden können. 

ViTas die Frage des Ausschlusses gewisser Jahrgänge von der schul- 
ärztlichen Untersuchung betrifft, so hat sich in Sachsen-Meiningen der 
Ausschluß der 4 obersten Mädchenjahrgänge nicht als nötig gezeigt. 

Dringend erforderlich ist, daß die Lehrer befähigt werden, die An- 
ordnungen des Arztes zu befolgen und den Arzt zu unterstützen. Ein 
hygienischer Unterricht auf den Seminaren imd hygienische Vorlesungen 
auf den Universitäten sind überall einzurichten. 

Nur die beamteten Ärzte mit der schulärztlichen Untersuchung zu 
betrauen oder Schulärzte als solche im Hauptamt anzustellen, ist, wenig- 
stens für das Land, nicht zweckmäßig. Um den Zusammenhang der Er- 
krankungen der Kinder mit den häuslichen Verhältnissen beurteilen zu 
können, ist es gut, wenn derjenige Schularzt wird, der auch im übrigen 
die Praxis in dem Bezirke besitzt, und der das Vertrauen der Bevölke- 
rung in höherem Grade besitzt als ein beamteter Arzt, der nur ab und 
zu den betreffenden Ort besucht. 

Lehrer Reichert- Stuttgart: 

In dem Bericht des Beferenten über die Ergebnisse der ärztlichen 
Untersuchung der Stuttgarter Volksschüler ist die auffallende Tatsache 
verzeichnet, daß die Zahl der Schüler mit Unteremähnug in Klasse I 
(unterste Klasse) wesentlich größer ist als in der VII. (obersten) Klasse. 
In Klasse I sitzen 14 7^ mehr unteremährte Kinder als in Klasse VII. 
Die Ursache für die große Zahl der schlecht ernährten Kinder im 
untersten Schuljahr liegt in der Unnatur der modernen Schule, im Über- 
maß von Unterrichtsstunden in den ersten Schuljahren und in der Un- 
zweckmäßigkeit des Lehrplans. Obgleich durch MinisterialverfÜgung die 
Zahl der Lehrstunden in Klasse I auf 20 festgesetzt ist, werden in vielen 
Klassen bis zu 24 Stunden gegeben. Dazu konmien die vielen Nach- 
hilfestunden mitunter für ganze Klassen und das Unmaß der Hausauf- 
gaben. Die Kinder bekommen das Schulfieber, verlieren den Appetit 
und gesunden Schlaf. Sie müssen sich schon im 2. Schuljahre eine 
Überfülle von Liederstrophen und Bibelsprüchen durch häusUchen Fleiß 
einprägen und plappern in nervöser Angst noch auf dem Wege zur 



Yerhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 55 

Schule die Memorierstoffe her. Der Übergang von der üngebundenheit 
des kindlichen Lebens im vorschulpflichtigen Alter zam Zwang auf der 
Schulbank geschieht zu unvermittelt. Die Maßnahmen zur Verminderung 
der Gesundheitsschadigungen müssen in einer Herabsetzung der Stunden- 
zahl in den ersten Schuljahren und in der Aufstellung eines zweck- 
mäßigen Lehrplans bestehen. Bei der Aufsuchung der Ursachen, welche 
eine Benachteiligung der gesunden Entwicklung der Schüler bewirken, 
dürfen die Klassenzimmer, ihre Lage, Belichtung usw., nicht außer acht 
gelassen werden. Auf eine Stelle in dem Bericht des Herrn Referenten 
möchte ich noch zu reden kommen, weil sie zu unliebsamen Erörterungen 
Veranlassung gegeben hat. Der Bericht hat nämlich auch die Zahl der 
mit Ungeziefer behafteten Kinder in die Öffentlichkeit gebracht. Da- 
durch ist bei der Bevölkerung eine Scheu vor der Volksschule verursacht 
worden, welche in der kleineren Zahl der Anmeldungen bei der letzten 
Schüleraufhahme deutlich zur Erscheinung kam. Bei einer Ausdehnung, 
der ärztlichen Untersuchung auf die Schüler der anderen Lehranstalten 
würde sich ergeben, daß auch anderswo, wenn auch in geringerem Pro- 
zentsatz, zuzeiten Entdeckungen auf Schülerköpfen gemacht werden 
können. Solche Wahrnehmungen sollten in geheimen Berichten nieder- 
gelegt werden, von welchen nur die Klassenlehrer und -lehrerinnen und 
vor allem die Eltern Kenntnis erlangen. 

Kreisarzt Dr. Kriege -Barmen: 

Meine Herren! Eine Frage, die auch den Internationalen Kongreß 
für Schulhygiene in Nürnberg beschäftigt hat, möchte ich hier in der 
Diskussion kurz berühren, weil der Herr Beferent nicht darauf einge- 
gangen ist. Ich meine die statistische Verwertung des Beobachtungs- 
materials, welches durch die schulärztlichen Untersuchungen gewonnen 
wird. Nach den in Nürnberg gemachten ärztlichen Vorschlägen sollten 
unterschieden werden 

1. Erkrankungen, die bereits beim Eintritt in die Schule vorhan- 
den sind; 

2. Erkrankungen, die zwar während der Schulzeit entstehen, aber 
mit dem Unterricht und Schulbesuch nicht in unmittelbarem ursächlichen 
Zusammenhang stehen, und 

3. eigentliche Schulkrankheiten, die lediglich dem Lernen und dem 
Schulaufenthalt zur Last geschrieben werden müssen. 

Gegen eine solche Morbiditätsstatistik wurden von dem Verband der 
deutschen Städtestatistiker gewichtige Bedenken geltend gemacht. Ins- 
besondere wurde meines Erachtens mit Recht hervorgehoben, daß der 
Schularzt im einzelnen Falle sehr häufig gar nicht wissen könne, ob 
eine Krankheit, die er bei einem Schulkinde findet, durch den Schul- 
besuch hervorgerufen sei oder durch andere, der Gesundheit nachteilige 
Umstände. 

Ein internationaler Kongreß scheint mir nun nicht die richtige Ge- 
legenheit zu sein, um eine solche Streitfrage zu entscheiden. Wahr- 
scheinlich wird es dem Deutschen Verein für Schulgesundheitspflege leicht 
gelingen, eine Verständigung herbeizuführen, wenn er mit dem Verband 
deutscher Städtestatistiker verhandelt. Ich möchte mir den Vorschlag 
erlauben, eine Kommission zu bilden, die je zur Hälfte aus Schulärzten 



56 Verhandl. d. VI. JahresyersammlTing d. Allgem. Deutsch. Yerems etc. 

und Städtestatistikem bestellt und die mit der Aufgabe zu betrauen 
wäre, ein zweckmäßiges, zur statistischen Bearbeitung allgemein geeig- 
netes Erhebungsformular auszuarbeiten. 

Schulin spektor S c h m e e 1 -Worms : 

Die Untersuchung durch den Schularzt muß möglichst bald nach 
dem Eintritt der Kinder in die Schule erfolgen, damit Kinder, welche 
körperlich nicht genügend entwickelt sind, wieder zurückgegeben werden. 

Dann ist mit aller Entschiedenheit darauf hinzuwirken, daß die all- 
gemeine Schulpflicht hinaufgerückt wird vom 6 auf das 7. Lebensjahr, 
damit nur Kinder in die Schule eintreten, die den Anforderungen, die 
an sie gestellt werden, wirklich gewachsen sind. Dann auch haben wir 
Schüler, die während der gesamten Schulzeit immer um 1 Jahr älter 
sind, und die endlich, was sehr wichtig ist, auch reifer in das Leben 
eintreten. 

Schulinspektor Müller-Wiesbaden: 

In Ergänzung der Ausführungen des Herrn Vorredners, denen ich 
voll zustimme, teile ich mit, daß die städtischen Körperschaften Wies- 
badens auf Antrag des Herrn Professor Kalle seit 2 Jahren den Betrag 
von 2000 Jl in den Haushaltungsplan einstellen, um die noch nicht 
schulfähigen sechsjährigen Kinder ein Jahr hindurch in Fröbelschen 
Kindergärten unterbringen zu können. 

Mathilde Planck -Stuttgart: 

Zugunsten der Schulärztin muß ich anführen: 

1. Die Schamhaftigkeit der jungen Mädchen muß mit allen Mitteln 
gestärkt und aufs sorgiEältigste beachtet werden als Schutzmittel gegen 
sittliche Gefahren. 

2. Die Schulärztin wird manchmal einen schärferen Einblick in die 
häuslichen Verhältnisse gewinnen und der Mutter manchmal besser raten 
können als der Arzt. 

3. Auf Grund ihrer eigenen Erfahrung kann die Ärztin die Zu- 
stände der Mädchen in den Entwicklungsjahren sicherer beurteilen als 
der Arzt. 

Antrag Gastpar: 

Die Versammlung wolle beschließen, den Regierungen 
nahezulegen, daß die schulärztliche Überwachung nicht nur 
auf die Volksschulen, sondern auf sämtliche Schulen, insbe- 
sondere auch auf die höheren Knaben- und Mädchenschulen 
ausgedehnt werde. 

Direktor Dr. Hörn -Prankfurt a. Main begrüßt den Vorschlag, daß 
Schulärzte auch für die höheren Schulen angestellt werden sollen; die 
höheren Schulen können dadurch nur gewinnen, die Bedenken der Lehrer 
dagegen sind unbegründet. Außerdem schlägt er vor, die Ausbildung 
der Lehrer in der Gesundheitslehre nicht auf die üniversitätszeit zu 
legen, sondern später Kurse (aber nicht Ferienkurse) für Lehrer und 
Direktoren zu veranstalten. 

Dr. Gmelin-Großgartach verweist für diese Frage (der Notwendig- 
keit eines Schularztes für sämtliche Schulen, auch die höheren) auf das 
Ergebnis der Untersuchungen in bezug auf die Augen, die in der Uni- 
versitätsstadt Tübingen vor 2 Jahren angestellt worden sind, und die 



Verhandl. d. VI. Jahresversaminlung d. Allgem. Deutscli. Tereins etc. 57 

im „Staatsanzeiger" yeröffentlicht wiirden, wonach die Kurzsichtigkeit in 
den Volksschulen hetrug 6 7oi i° ^^^ höheren Töchterschule 9 7o» ^«r 
Realschule 15 %, dem Gymnasium aber gar 26 7o* ®i^ statistisches Er- 
gebnis, das mehr als Bände spreche, namentlich auch nach der Richtung, 
wo die eigentliche Überbürdung zu finden sei! 

Prof. Hart mann -Leipzig: 

Herr Dr. Hörn hat als Angehöriger des Mädchenlehrerstandes für 
Anstellung von Schulärzten gesprochen. Als Angehöriger des Lehrer- 
standes der höheren Knabenschulen möchte ich die Forderung für diese 
Schulen nachdrücklich unterstützen. Wer die Frage unbefangen prüft, 
muß zugeben, daß auch die höheren Knabenschulen das größte Interesse 
an der Einführung dieser Reform haben. Gewiß sind hier nicht ganz 
dieselben Krankheitserscheinungen zu finden, wie an den Volksschulen; 
man muß auch hier damit rechnen, und man darf hoffen, daß unter 
Mitwirkung des Schularztes auch die höheren Schüler in ihrem Gesund- 
heitsstande erheblich gebessert werden. 

Anders denke ich über die Gewinnung des Interesses der Lehrer- 
schaft für die Hygiene. Natürlich muß hier auch auf die im Amte be- 
findliche Lehrerschaft eingewirkt werden. Das schließt aber durchaus 
nicht aus, daß man auch schon die Studierenden im letzten Teile ihres 
akademischen Studiums hygienisch interessiert. Eine neue Belastung soll 
dadurch nicht entstehen, und die Prüfungsanforderungen würden daher 
unter diesem Gesichtspunkte einer Revision zu unterziehen sein. Aber 
es ist von größter Wichtigkeit, daß schon der Studierende einen Einblick 
in die Schulhygiene gewinnt, daß er von vornherein das Ganze des 
Schülers ins Auge fassen lernt. Das wird ein wichtiges Gegengewicht 
sein gegen einseitige Überspannung des Fachlehrerprinzips. 

Generaloberarzt Prof. Dr. Jäger- Straßburg: 

Meine Damen und Herren I Ich möchte die womöglich einstimmige 
Annahme des Antrags auf Einführung von Schulärzten auch für die 
höheren Lehranstalten aufs lebhafteste befClrworten, besonders auch aus 
einem Grunde, der, wie ich glaube, bisher noch nicht hervorgehoben 
worden ist, nämlich dem, Interesse für hygienische Fragen und Kennt- 
nisse in denselben auch in den Stand der Lehrer höherer Anstalten 
hineinzutragen. Nach meinen früheren Erfahrungen als Lehrer der Hy- 
giene an der Universität Königsberg ist es damit meist noch nicht zum 
besten bestellt. Meine dortigen Vorlesungen über Schulhygiene waren 
z. B. von über 100 VolksschuUehrem besucht, Gymnasiallehrer kamen 
nur 3 oder 4. Nun könnte man sagen, die Herren wissen das alles 
schon. Auf der Universität haben sie aber, wie wir gehört haben, keine 
diesbezüglichen Studien gemacht. So fehlt z. B. meist das Verständnis 
für die zur Schonung der Augen so wichtige Größe der Druckbuchstaben 
in den griechischen Elementarbüchem. Ich konnte mich wiederholt über- 
zeugen, daß die wenigsten Lehrer der höheren Schüler auch nur eine 
Ahnung haben z. B. von Ventilations- und Heizungsanlagen. Bei den 
meisten beschränkte sich die Kenntnis auf das Gebot: „Fenster auf!" 
Das ist wohl auch ganz gut, aber dazu braucht man allerdings auch 
nicht Hygiene zu studieren. Die Ventilationseinrichtungen sind aber da- 
zu da, für Lufterneuerung zu sorgen, wenn die Witterung das öfl&ien 



58 Verhandl. d VI. JahreBverBammlong d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

der Fenster nicht erlaubt, sowie während des Verlaufs der Unterrichts- 
stunden. Dazu muß man aber wissen, wozu die oberen Ventilations- 
klappen da sind, wozu die unteren, oder unter welchen Verhältnissen 
die einen in Tätigkeit zu treten haben, unter welchen die anderen. — 
Jeder kulturelle Fortschritt pflegt sich von oben nach unten fortzu- 
pflanzen: Hier, in der Schulhygiene, scheint es mehr von unten, von der 
Volksschule auszugehen. Stehen wir dafür, daß auf diesem Gebiete ge- 
rade die höheren Lehranstalten nicht rückständig werden, sondern zum 
besten der Wehrhaftigkeit unseres Volkes sich an die Spitze stellen! 

Oberstudiem-at Dr. Egelhaaf- Stuttgart, Rektor des Karlsgymnasiums, 
spricht sich gegen den Antrag Gastpar aus, da fdr die höheren Schulen, 
deren Schüler zumeist aus sozial günstig gestellten Kreisen hervorgehen, 
das Bedürfnis einer schulärztlichen Überwachung nicht besteht. Hier sind 
fast durchweg Hausärzte vorhanden, deren Rat die Eltern dem des Schul- 
arztes vorziehen werden. Wenn die höheren Lehrer nach der Aussage 
des Herrn Vorredners weniger Interesse fElr hygienische Fragen zeigen 
als die Volksschullehrer, so hat das den einfachen Grund, daß die ihnen an- 
vertrauten Schüler hygienisch weniger zu tun geben. Da man davon 
ausgeht, daß die Sache bei den Volksschülem anders liegt, so enthält 
das keinen Vorwurf für die Volksschule oder gar deren Lehrer, sondern 
lediglich die Anerkennung einer bedauerlichen sozialen Tatsache. 

Antrag Gastpar wird gegen wenige Stimmen angenommen. 

Vorsitzender Prof. Griesbach: 

Wir kommen jetzt zu der wichtigen Angelegenheit des ungeteilten 
Unterrichts und ich erteile zunächst Herrn Oberrealschuldirektor Dr. 
Hintzmann das Wort zu seinem Vortrage. 

Der ungeteilte ünterriolit 

(Kürzung der einzelnen Unterrichtsstunden und Verlegung des wissen- 
schaftlichen Unterrichts auf den Vormittag.) 

Leitsätze. 

1. Die Unterrichtszeit, welche die preußischen Lehrpläne von 1901 
fär die mittleren und oberen Klassen fordern, ist zu groß. Die Zahl 
der Unterrichtsstunden steigt unter Einschluß von 3 Tum-, 2 Cborgesang-, 
1 Schreib-, 2 wahlfreien Zeichen- und 2 wahlfreien englischen oder hebrä- 
ischen Stunden bis auf 39; die Schüler müssen also durchschnittlich bis 
zu ßYg Stunde täglich, d. h. an mehreren Tagen bis zu 7, ja an einzelnen 
Tagen sogar 8 Stunden in der Schule zubringen. 

2. Daraus folgt, daß die Schüler zum Anfertigen der häuslichen 
Schularbeiten weder die notwendige oder geeignete Zeit noch die erforder- 
liche geistige Kraft und Frische haben. 

3. Den Schülern fehlt weiter erst recht die Zeit und darum auch 
die Möglichkeit, für ihre körperliche Ertüchtigung zu sorgen, ihrer Indi- 
vidualität entsprechenden wissenschaftlichen oder künstlerischen Neigungen 
nachzugehen oder größere selbständige Arbeiten anzufertigen. 

4. Die Erziehung zu selbständiger geistiger Tätigkeit ist aber die 
vornehmste Aufgabe der höheren Schulen. 



Verbandl. d. VI. JahresTenamiulung d. AUgem. Deutsch. Vereins etc. 59 

5. um jene Übelst&nde zu beseitigen und diese Aufgabe sicherer 
lösen zu können, erscheint es geboten, abgesehen vom Turnen, den ge- 
samten in den Lehrplänen genannten Unterricht auf den Yorniittag, als 
die f&r geistige Arbeit geeignetste Zeit, zu verlegen, die Nachmittage also 
für Turnen und andere körperliche Übungen (Spielen, Schwimmen, Budem) 
und fOr die häusliche Arbeit und selbstgewählte Beschäftigungen frei- 
zuhalten. 

6. Das ist nur möglich, wenn jede Unterrichtsstunde auf 45 Minuten 
beschrankt wird. Es können dann an den 6 Wochentagen bis zu 36 Unter- 
richtsstunden vormittags erteilt werden, etwa nach folgendem Plan: 

1. Stunde 7— 7**^ (45 Min.) 

1. Pause 7*^—7^ (5 Min.) 

2. Stunde 7«»— 8»*' (45 Min]) 

2. Pause 8«^— 8*^ (15 Min.) 

3. Stunde 8^—9»* (45 Mini) 

3. Pause 9»— 9^ (5 Min.) 

4. Stunde 9*«— 10*^ (45 Min.) 

4. Pause 10*^—10** (20 Min.) 

5. Stunde 10*«^— 12^ (45 Min.^ 

5. Pause 11~-11« (15 Min.) 

6. Stunde 11«— 12*> (45 Min.) 

7. Derartige Pläne sind jahrelang erprobt und haben sich nicht 
nur als durchführbar, sondern als anderen Plänen überlegen erwiesen. 
Die Schüler sind im Unterricht frischer und lebendiger, im Hause arbeits- 
freudiger. 

8. Die Schulverwaltungen sind zu bitten, zunächst wenigstens Ver- 
suche mit derartigen Lehrplänen machen zu lassen. 

Hochansehnliche Versanmilung! Wie vor einem Jahre in Nürnberg 
auf dem Internationalen Kongreß für Schulhygiene^), so folge ich auch 
heute einer an mich seitens des Vorstandes gerichteten Aufforderung, 
indem ich zu Ihnen über den „ungeteilten Unterricht" rede. Ich 
gestehe, daß ich dem Wunsche des Vorstandes gern entspreche; denn 
ich darf mich hier über eine Frage äußern, die mich seit Jahren ganz 
besonders beschäftigt hat, deren sachgemäße Beantwortung meines £r- 
achtens von großer Bedeutung för unser gesamtes Schulwesen, höheres 
wie niederes, ist. Das Resultat meiner Beobachtungen und daraus sich 
ergebenden Erwägungen Ihnen vorzuführen, das ist meine Aufgabe. Des- 
halb gut das hier zu Sagende zunächst nur für die höhere Schule, und 
zwar die preußische, nur ihre Verhältnisse und Bedürfhisse sollen hierbei 
berücksichtigt werden. Ich werde mich dabei möglichster Kürze be- 
fleißigen. 

Meine Damen und Herren! Die Frage, auf welche Tageszeiten der 
Schulunterricht zu legen sei, beschäftigt seit langer Zeit die Schul - 
behörden und Schulmänner und in neuerer Zeit aqch die Arzte. Sie ist 
immer brennender geworden, je mehr die Anforderungen wuchsen, welche 
an die SchuUeistnngen und damit an Lehrer and Schüler gestellt wur- 



1) Ber. über den 1. Intern. Kongr. f. Schulhygiene U 177 ff. 



60 Verhandl. d. VI. JahreeverBammlung d. Allgem. Deutsch. Yereins etc. 

den. Die Entwicklmig des höheren Schulwesens hat sich in der Bich- 
tung vollzogen, daß die Arbeit mehr und mehr in den Unterricht ver- 
legt, daß demgemäß die Unterrichtszeit ausgedehnt oder doch intensiver 
ausgenutzt wurde. Wer den Gang der einzelnen Unterrichtsstunden, die 
in ihnen von Lehrern und Schülern geleistete Arbeit heute beobachtet 
und damit das Bild vergleicht, das sich dem Beobachter vor drei oder 
mehr Jahrzehnten bot, der ist darüber nicht im Zweifel. ' Und wenn die 
Behauptung, von der ich bei meinen Ausführungen in Nürnberg aus- 
ging, daß nämlich „an allen höheren Schularten (Gymnasien, Realgym- 
nasien, Oberrealschulen) eine Überbürdung der Lehrer und Schüler ge- 
geben^^ sei, natürlich auch nicht in dem Sinne gilt, daß an jeder ein- 
zelnen Anstalt nur überbürdete, nervöse Lehrer und bleiche Schüler- 
gesichter gefunden würden, darüber daß das Maß von Zeit, das täglich 
durch die Schule in Anspruch genommen wird, zum mindesten vielfach, 
in größeren Städten immer zu groß ist, — darüber sollte, so meine ich, 
ein Streit zwischen Schulmännern und Ärzten gar nicht bestehen. Ich 
spreche hier nicht von den unteren Klassen (VI— IV nach norddeutscher 
Bezeichnungsweise), ich habe dabei die mittleren bis oberen Klassen (HI 
bis I) im Auge und frage: Heißt das das Maß der Schulzeit nicht über- 
spannen, wenn in der Schule für die mittleren Klassen bis zu 37 Unter- 
richtsstunden wöchentlich, für die oberen Klassen aber gar bis zu 41 
Stunden gegeben werden? Man vergegenwärtige sich, daß zu diesen 
Zeiten noch die häusliche Arbeitszeit, fOr den normalen Schüler der mitt- 
leren Klassen 12, für den der oberen aber 18 Stunden wöchentlich, hin- 
zugefügt werden muß, und daß dazu noch die Zeit kommt, die der 
Schulweg in Anspruch nimmt, eine Zeit, die wenigstens für die Schüler 
der größeren und Großstädte als Erholungszeit sicherlich nicht angesehen 
werden kann. Summiert man die angegebenen Stundenzahlen, so ergibt 
sich als Resultat, daß die Schüler der mittleren Klassen wöchentlich bis 
zu 55, die der oberen bis zu 65 Stunden, d. h. erstere an jedem Wochen- 
tage durchschnittlich bis 97^, letztere bis zu lO^/e Stunden durch die 
Schule in Anspruch genommen werden. Ich habe dabei den Schulweg 
mit einer täglichen Durchschnittsdauer von 1 Stunde in Rechnung ge- 
stellt, einer für größere und große Städte bei geteiltem Unterricht sicher- 
lich eher viel zu niedrigen als irgendwie zu hohen Zahl. Daß ich auch 
bei dem Ansatz über die häusliche Arbeitszeit nicht zu schwarz gesehen 
habe, wird mir jeder mit den Verhältnissen Vertraute bestätigen. 

Die eben genannten Zahlen entsprechen aber den tatsächlichen Ver- 
hältnissen noch nicht ganz, geben also keine zutreffende Unterlage für 
Schlüsse, weil eine völlig gleichmäßige Verteilung der durch die Schule 
beanspruchten Zeit ausgeschlossen ist. Um nur eins zu erwähnen, das 
überall gilt, so folgt aus den freien Mittwoch- und Samstagnachmittagen, 
daß an den 4 übrigen Wochentagen die Schüler der mittleren Klassen 
bis zu wenigstens 6%, die der oberen bis zu l^j^ Unterrichtsstunden 
haben, zu denen 2 oder 3 Arbeitsstunden und je 1 Stunde Schulweg 
hinzukommen, so daß der Tertianer oder Untersekundaner an jedem dieser 
4 Wochentage bis zu O'^, der Obersekundaner und Primaner bis zu 
11% Stunden in Anspruch genommen ist. 

Ist dem so, so ist damit zwar das Ideal derjenigen Wirklichkeit 



YerhandL d. VI. Jahresversammlung d. Allgera. Deutsch. Vereins etc. 61 

geworden, welche in der Schule vor allem eine Kinderbewahranstalt und 
damit eine Einrichtung haben wollen, die den Eltern die ihnen zustehende 
Aufgabe abnimmt, aber das Schulideal ist damit sicherlich nicht erfüllt, 
wir haben ein Wirklichkeitsbild, das diesem Ideal schnurstracks wider- 
spricht. 

Aus den gekennzeichneten tatsächlichen Verhältnissen ergeben sich 
mit Notwendigkeit als Folgeerscheinungen: 1. Dem Schüler fehlt an der 
Mehrzahl der Wochentage die notwendige Zeit, häusliche Arbeiten für 
die Schule anzufertigen. 2. Den Schülern gebricht es an Zeit, ihrer 
„körperlichen Ertüchtigung^^ nachzugehen. 3. Die Schüler haben nicht 
die Zeit, es ist ihnen wenigstens jeder Antrieb genommen, ihren Anlagen 
entsprechenden Neigungen durch Beschäftigung mit einzelnen Wissens- 
gebieten oder durch Ausübung künstlerischer Fertigkeiten und Fähigkeiten 
nachzugehen. 4. Den Schülern mangelt die Zeit zu selbständiger geistiger 
Arbeit, zu tieferem Eindringen in irgend ein Wissensgebiet. 

Gestatten Sie mir folgende kurze Ausfilhrung: 

Ein Knabe oder Jüngling, der am Vormittage bei auch nur gut 
viertelstündigem Schulwege 4 und am Nachmittage der genannten 4 
Wochentage durchschnittlich 2% Stunden in der Schule zugebracht hat, 
kann, zunächst einmal angenommen, die Unterrichtszeit fiele auf die 
Stunden von 8 — 12 und von 2 Uhr ab, verständigerweise wohl kaum 
vor 6 Uhr mit seiner Hausarbeit beginnen. Der Knabe könnte sie, falls 
er sich ihr ungestört und ohne Unterbrechung widmen kann, also bis 
8 Uhr beendigt haben, der Jüngling aber, der, wie ich ausführte, an 
diesen Tagen bis zu 7% Stunden in der Schule zuzubringen hat, würde 
nicht vor 7 Uhr abends mit seiner Hausarbeit beginnen, sie also auch 
bei ununterbrochenem Fortgang nicht vor 10 Uhr beendigt haben. Be- 
darf es eines weiteren Beweises dafür, meine Damen und Herren, daß 
den Normalschülem der mittleren und oberen Klassen die zum Erledigen 
der Hausaufgaben notwendige, daß ihnen vor allem die dazu geeignete 
Zeit fehlt? 

Ebenso ist, wie ich meine, damit der Beweis erbracht, daß sich 
auch die drei andern von mir gensumten Folgeerscheinungen mit Not- 
wendigkeit aus einem geteilten Unterrichtsbetriebe ergeben. 

Angedeutet habe ich es schon, hier soll es aber doch auch noch 
besonders betont werden: Bei solcher Inanspruchnahme der Schüler durch 
die Schulen kommen die Knaben und Jünglinge mit der Familie, mit 
Eltern und Geschwistern eigentlich nur noch während der Mahlzeiten zu- 
sammen, wird also ein Erziehungsfaktor ausgeschaltet, der wahrlich nicht 
hoch genug gewertet werden kann, das Familienleben. Vitae discimus. 
Für das Leben soll die Schule bilden. Das Leben fordert ganze 
Männer, d. h. Männer, deren Geist, Wille und Gemüt, jedes an seinem 
Teil, in der Jugend mit einsichtsvoller Hingabe und zarter Liebe gehegt 
und in seiner Entwicklung gefördert worden ist, Männer, welche nicht 
nur etwas oder auch viel wissen, die nicht nur wollen, das Gute wollen, 
sondern Männer wahrhafter Herzensbildung. Nur sie werden unserem 
Volke geeignete Führer bei der Lösimg der großen unsere Zeit bewegen- 
den Fragen sein. Solche Führer heranbilden, erziehen zu helfen — ich 
betone: erziehen zu helfen — das ist die Aufgabe unserer höheren 



62 Verhandl. d. VI. JahresyerBamznlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

Schulen. Welche deutsche Schule könnte und wollte sich vermessen, 
diese heilige Aufgabe allein, ohne Mitwirkung der deutschen Familie^ 
des deutschen Hauses zu erfüllen? 

Ist so, wie ich denke, der Beweis geftlhrt, daß die Zeit, während 
welcher die Schule ihre Zöglinge im allgemeinen für sich und ihre 
Aufgabe in Anspruch nimmt, zu groß ist, als daß andere erziehliche 
Aufgaben gleichzeitig gelöst werden könnten, so fragt es sich: Wie ist 
das zu ändern? 

Doch bevor ich diese Frage zu beantworten suche, gestatten Sie 
noch eine Bemerkung. 

Ich bin bei meiner vorhergehenden rechnerischen Aufstellung von 
der Voraussetzung ausgegangen, daß die Unterrichtszeit außer am Mitt- 
woch und Samstag auf 8 — 12 und von 2 Uhr ab, an den beiden ge- 
nannten Tagen aber von 8 — 1 Uhr falle. Die Frage, ob diese Zeiten, 
ob insbesondere die Vormittagszeit und ob die Zeit von 2 Uhr ab die 
richtigen Unterrichtszeiten sind, will ich hier nicht weiter erörtern. 
Ich will da gern dem Physiologen und dem Psychiater das erste Wort 
überlassen. Nur das muß ich betonen, daß, wenn man den Nachmittags- 
unterricht erst um 3 Uhr beginnt, ceteris paribus der Notstand nur 
noch größer wird, weil sich die häusliche Arbeitszeit noch um eine Stunde 
weiter in den Abend hinein verschiebt. 

Und nun zu unserer Frage: Wie ist den Mißständen zu begegnen, 
die sich, wie nachgewiesen wurde, ans der geteilten Unterrichtszeit er- 
geben? 

Nicht durch den vielfach beliebten und besonders in den grös- 
seren Städten eingeftihrten fünfstündigen Unterricht. Denn einmal 
ist es nicht möglich, bei diesem Plan mehr als 30 Unterrichtsstunden 
auf den Vormittag zu legen — es bleiben für die 4 Schulnachmittage 
(Montag, Dienstag, Donnergtag, Freitag) in den mittleren Klassen immer 
noch 7, in den oberen 11 Stunden übrig, es bleibt an den vier Tagen 
auch bei einem zweimaligen Schulwege — und andererseits wird der 
Nachmittagsunterricht um so später begonnen werden müssen, je länger 
der des Vormittages dauert. Auch bei dieser Zeiteinteilung wird also 
der Schüler von morgens 8 Uhr bis zum Abend hin, abgesehen von der 
Mittagspause, durch die Schule in Anspruch genommen, auch nicht eine 
der üblen Folgen des geteilten Unterrichts wird auf diese Weise be- 
seitigt. 

Dagegen könnte dies erreicht werden durch Verminderung der 
Stundenzahl um bis zu 4 bei den mittleren, bis zu 8 bei den oberen 
Klassen. Dann blieben, abgesehen vom Turnunterricht, bis zu 30 Stun- 
den, die ohne Ausnahme an den sechs Vormittagen gegeben werden 
könnten. Das wäre meines Erachtens die glücklichste Lösung der Auf- 
gabe. Ist diese Lösung aber erreichbar? Ich beantworte diese Frage 
mit einem kräftigen: Für absehbare Zeiten nicht. Selbst die Lehrpläne 
vom Jahre 1892, die im ganzen am wenigsten Unterrichtsstunden an- 
setzten, forderten für die oberen Klassen bis zu 35 außer 2 Turnstunden. 
Alle Bemühungen, Pläne zu entwerfen, welche jener Forderung genügen, 
haben bisher zu keinem Ziel geführt, erscheinen auch, wenigstens für die 
nächste Zukunft, völlig aussichtslos Oder hält es wirklich jemand für 



Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 63 

möglich, irgend ein Unterrichtsfach ganz aus den Lehrplänen zu streichen, 
oder einzelnen Fächern eine oder gar mehrere Stunden von der Unter- 
richtszeit zu nehmen, ohne sie in ihrem Lebensnerv zu treffen, ohne der 
Eigenart der betreffenden Schule damit zu naJie zu treten? Ich persön- 
lich wenigstens wüßte höchstens 2 Stunden auf diesem Wege zu ge- 
winnen, indem man dem Linearzeichnen den Charakter des wahlfreien Unter- 
richts nähme und an den Realgymnasien und an den Oberrealschulen statt 
der 5 Mathematik- H~ 2 Linearzeichenstunden 6 Mathematikstunden er- 
teilte, in denen in organischer Verbindung mit der Mathematik auch das 
Linearzeichnen behandelt würde, und indem man andererseits die eine 
Stunde Erdkunde in den oberen Klassen der Oberrealschule wieder striche 
und das erdkundliche Pensum dem geschichtlichen und dem naturwissen- 
schaftlichen Unterricht zuwiese. Aber beseitigt wären die Übelstände da- 
mit nicht, nur um ein wenig verringert. 

Aucb, um das hier gleich zu bemerken, ohne auf die Sache näher 
einzugehen — dazu wird die Diskussion die geeignete Stelle sein — , 
vermag ich in dem von dem ärztlichen Berichterstatter aufgestellten 
Lektionsplane keine befriedigende Lösung des Problems zu erkennen. 
Denn es handelt sich, das kann offenbar nicht oft und nicht bestimmt 
genug betont werden, darum: Wie kann es vermieden werden, daß die 
Schule ihre Schüler den ganzen Tag für sich beansprucht, und wie wird 
dem Schüler die zu körperlicher Ertüchtigung und zu selbständiger Ar- 
beit erforderliche Zeit geschaffen? 

Meines Erachtens führt hier nur ein Weg zum Ziel, nämlich der, 
die einzelnen Unterrichtsstunden zu kürzen und es dadurch zu ermög- 
lichen, daß die Schulzeit in einer kürzeren Stundenzeit zusammengefaßt 
wird. Dieser Weg kann auch bei geteiltem Unterricht mit Erfolg be- 
schritten werden, er führt aber erst ganz zum Ziele bei ungeteiltem 
Unterricht, weil dann auch der zweite Schulweg fortfällt, für größere 
Städte also etwa 1 Zeitstunde täglich gewonnen wird. 

Kürzt man jede Unterrichtsstunde, deren Dauer jetzt fast allgemein 
50 Minuten beträgt, um nur 5 Minuten, so werden bei fünfstündigem 
Unterricht schon 25 Minuten, also % einer weiteren Unterrichtsstunde 
frei, es brauchen also nur noch 20 Minuten, oder unter Hinzufügung 
von 10 Minuten Pause für diese Unterrichtsstunde eine halbe Stunde 
hinzugefügt werden, und der gesamte Unterricht der Realgymnasien und 
Oberrealschulen ohne Turnen, der des Gymnasiums ohne Turnen und 
Hebräisch kann innerhalb von b^j^ Zeitstunden erledigt werden, in die 
noch eine volle Zeitstunde als Pause in zweckmäßiger Verteilung einge- 
schoben ist. Damit werden die sechs Nachmittage für körperliche 
Übungen (Turnen, Spielen usw.), für die häusliche Schularbeit, für selb- 
ständige Beschäftigung auf irgendwelchen geistigen und künstlerischen 
Gebieten, für den Verkehr mit Eltern und Geschwistern, für die Beteili- 
gung am Familienleben frei, damit wird dem Schüler der oberen Klassen 
die Möglichkeit geschaffen, sich in eine Aufgabe zu vertiefen, damit wird 
ihm erst jene Buhe gewährt, ohne die nun einmal geistiges Schaffen 
nicht gedeiht. 

Man hat behauptet, durch solche Kürzung der einzelnen Unterrichts- 
stunde nähme man dieser jede Buhe, bringe man in den ganzen Unter- 



64 Verhandl. d. VI. Jahresversammluiig d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

rieht das Ferment nervösen Hastens und Jagens. Dieser Einwand ist 
nichts weiter als graueste Theorie. Wer ihn erhebt, ahnt nicht oder 
will nichts davon wissen, daß seit Jahrzehnten solch verkürzter Unter- 
richt ganz oder teilweise, für einzelne Stunden oder zu bestimmten 
Jahreszeiten erteilt worden ist und heute noch erteilt wird, ohne daß 
meines Wissens jemals auch nur der Schein eines Beweises dafür er- 
bracht worden wäre, daß durch die Kürzung der Unterrichtsstunden 
Lehrer oder Schüler nervös oder sonst gesundheitlich geschädigt worden 
wären. Eins nur fordert solche verkürzte Stunde, und dies ist das, daß 
der Lehrer sich in straffe Selbstzucht nimmt in bezug auf den Unter- 
richtsstoff und jede unnötige Abschweifung vermeidet. Will jemand be- 
haupten, daß dies dem Unterricht, dem Lehrer oder dem Schüler irgend- 
wie Schaden bringe? 

Aber nun die 6 Unterrichtsstunden hintereinander innerhalb von 
öYj Zeitstunde I Man wendet ein, das sei eine Gesamtforderung an die 
geistigen Ejräfte von Lehrern und Schülern, die das Maß des Zulässigen 
übersteige. Auch mein medizinischer Herr Mitberichterstatter vertritt diesen 
Standpunkt. Wer hier recht hat, das kann meines Erachtens nur der 
Versuch erweisen. Solche Versuche liegen aber schon in solchem Um- 
fange vor, daß wenigstens behauptet werden darf, wenn auf diesem 
Wege ohne gesundheitliche Schädigung für Lehrer und Schüler die ge- 
samten Notstände beseitigt werden könnten, die sich aus der heute meist 
geübten Schulpraxis ergeben, so erwächst daraus allen, die es angeht, 
in erster Linie also den Unterrichtsbehörden, die Pflicht, durch weitere 
Versuche ein einwandsfreies Versuchsmaterial zur Entscheidung der Frage 
herbeizuschaffen, zum mindesten aber solche Versuche in jeder Weise zu 
begünstigen. 

Ich darf hier als Resultat des vierjährigen Versuches, den ich mit 
einem solchen Stundenplan gemacht habe (ich mußte den Versuch dann 
plötzlich abbrechen, weil die vorgesetzte Behörde mir eine Fortsetzung 
verbot), folgendes erwähnen. Die Schüler waren nach dem übereinstim- 
menden Urteile des Lehrerkollegiums, auch der anfangs dem Versuch ab- 
holden, ün Unterricht lebendiger, im Hause arbeitsfreudiger. Sie nalmien 
in den Jahren, in denen der ungeteilte Unterrichtsplan bei uns galt, bis 
in die obersten Klassen hinein gern und mit Lust an den Schulspielen 
teil, die an einem der Nachmittage unter Leitung eines Lehrers auf 
unserem Spielplatze stattfanden. Selbst die auswärtigen Schüler fehlten 
da mit wenigen Ausnahmen nicht. Ja, Primaner beteiligten sich sogar 
daneben noch als Spielleiter mit bei den Spielen der mittleren und 
unteren Klassen. Das ist jetzt alles wieder anders geworden. 

Und weiter: Gewichtsfeststellungen der Oberprimaner ergaben inner- 
halb 3 Wochen eine allerdings minimale Gewichtszunahme, nämlich 
0,06 7oi ^i^ anderen Worten; jeder Oberprimaner war durchschnittlich 
um 40^2 g schwerer geworden. Im einzelnen zeigte sich in dieser Zeit 
— die Messungen fanden am 7. und 28. Mai statt — bei 31,25 % 
eine Gewichtsabnahme, die zwischen 0,15 und 1 kg lag, bei 25 \ ein 
Gewichtsstillstand und bei 43,75 7o ®i^® Gewichtszunahme zwischen 0,05 
und 1,4 kg. 

Ich weiß sehr wohl, daß die Gewichtszu- oder -abnähme auch von 



Verhandl. d. VI. JahreBversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 65 

anderen Faktoren abhängig ist^ daß aus ihnen allein, und möchten die 
Beobachtungen hundertmal zahlreicher sein, nicht auf den ünterrichts- 
betrieb, seine Güte oder Mangelhaftigkeit geschlossen werden darf, aber 
als ein Glied in der Beihe der Beobachtungen haben sie ihren Wert; 
darum hatte ich das Recht und die Pflicht, sie hier zu erwähnen. 

Auf diese Ausführungen glaube ich mich beschränken zu dürfen imd 
zu sollen. Wenn ich in ihnen von den Lehrern nur sehr wenig, wenn 
ich von diesen in meinen Leitsätzen gar nicht gesprochen habe, so ist 
es geschehen, weil bei der Entscheidung der erörterten Frage wir Lehrer 
in zweiter Linie zu berücksichtigen sind. Die Schule ist für die 
Schüler da, ihre Einrichtungen, müssen so getroffen werden, daß sie dem 
Wohle, dem körperlichen wie dem geistigen Wohle der Schüler in mög- 
lichst vollkommener Weise dienen. Solchen Einrichtungen sind dann 
unter Berücksichtigung normaler Leistungsfähigkeit die Anforderungen 
an uns Lehrer anzupassen. Wir gehören der Schule, ihr, unseren Schü- 
lern zu dienen ist unser Recht und unsere Pflicht, unsere Lust und unsere 
Freude, ihr zu dienen ist der Wunsch, der mich auch heute beseelt. In 
und mit dem Wunsche, daß der Schule, daß der Schuljugend gedient 
werde, unterbreite ich auch die von mir aufgestellten Leitsätze Ihrer Be- 
sprechung, Ihrem Urteile. 

Vorsitzender, Prof. Dr. Griesbach: 

Ich stelle anheim, ob -wir es heute morgen so machen wollen, wie 
gestern, daß wir vorerst die anderen Referenten hören und nachher zur 
Diskussion schreiten. 

Letzterer Modus wird beschlossen und Herr Lehrer Baß -Stuttgart 
erhält das Wort. 

Leitsätze und Vortrag des pädagogischen Referenten für Volksschulen, 
Mittelschullehrers Baß- Stuttgart. 

LeitsätBe. 

1. Die für die ungeteilte Unterrichtszeit im allgemeinen geltend ge- 
machten sanitären und sozialen Gründe treffen für die Schüler der 
Volksschule ebenso, wie für diejenigen der höheren Schulen, teilweise so- 
gar in verstärktem Maße zu. 

2. Wenn auch die Überbürdung der Schüler durch die Anforde- 
rungen des Lehrplans und die Zahl der Unterrichtsstunden hier nicht so 
bedeutend ist wie in den höheren Schulen, so ist doch auch für die 
Volksschüler ein Gegengewicht gegen die geistige Anstrengung 
und eine zusammenhängende schulfreie Zeit im Interesse einer 
günstigen körperlichen und somit auch geistigen Entwicklung wün- 
schenswert. 

3. Eine pädagogisch und psychologisch begründete Notwendigkeit 
für den ungeteilten Unterricht besteht nicht. Doch ist die Minder- 
wertigkeit des Nachmittagsunterrichts nicht nur experimentell 
nachgewiesen, sondern auch erfahrungsgemäß anerkannt. Die Gründe 
gegen den reinen Vormittagsunterricht bieten manches Beachtenswerte, 
bilden aber für eine richtige Durchführung desselben kein absolutes 
Hindernis. 

Verhandlungen 1905. 5 



6G Verhandl. d. VI, JahresTersammliing d. AUgetn. Deut«ch. Vereins etc. 

4. Die praktische Durchführung des ungeteilten Unterrichts ist 
wegen der geringeren wöchentlichen Stundenzahl und der größeren Mannig- 
faltigkeit der Unterrichtsfächer in der Volksschule leichter möglich als 
in den höheren Schulen. 

5. Eine Verringerung der wöchentlichen Stundenzahl würde 
nur in Oberklassen städtischer Volksschulen, sowie in oberen und mitt- 
leren Klassen der Bürger- und Mädchenmittelschulen eintreten, könnte aber 
durch Verlegung technischer Fächer auf den Nachmittag auch ganz 
vermieden werden. Übrigens dürfte eine Verminderung auf 30 Unter- 
richtsstunden wöchentlich keinerlei Schädigung der Volksbildung mit 
sich bringen, falls durch eine richtige Verteilung der Stunden auf 
die einzelnen Fächer, durch eine psychologisch begründete Methode 
und durch Vermeidung der nur äußeres Wortwissen vermittelnden Stoffe 
eine Vertiefung der Schularbeit eintritt. 

6. Einer durch einen höchstens 5 stündigen Vormittagsunterricht 
befürchteten übermäßigen Ermüdung der Schüler soll auch noch 
durch zweckmäßige Aufeinanderfolge der Fächer und durch ge- 
nügende Pausen nach jeder Stunde begegnet werden. 

7. Es empfiehlt sich, zunächst im Sommer, einen Versuch mit 
dem ungeteilten Unterricht in denjenigen Orten zu machen, in denen 
die Eltern nach vorausgegangener Belehrung dieser Einrichtung zu- 
stimmen. In vielen Städten hat der Versuch zur dauernden Einrichtung 
geführt, und es ist hierdarch der Beweis erbracht, daß, wenn das Pro- 
blem der durchgehenden Arbeitszeit einmal im breiten Volksleben durch- 
geföhrt wird, es für die Volksschule nur wünschenswert und forderlich 
sein kann. 

Hochansehnliche Versammlung! 

Meine verehrten Damen und Herren! 

Als ich vor wenigen Wochen aufgefordert wurde, für den durch 
Krankheit verhinderten ursprünglichen Referenten, Herrn Rektor Müll er - 
Eilenburg, den Vortrag über den ungeteilten Unterricht in Volksschulen 
zu übernehmen, folgte ich diesem Rufe deshalb, weil ich diese An- 
gelegenheit fElr eine sehr wichtige halte. Erstlich erscheint mir die 
Einführung der durchgehenden Arbeitszeit, deren erste Etappe der un- 
geteilte Unterricht ist, als durchaus wünschenswert, und zweitens bin ich 
tief von dem Bewußtsein durchdrungen, daß wir alle Bestrebungen för- 
dern müssen, welche eine Verbesserung der Gesundheit und der harmo- 
nischen Ausbildung aller Kräfte unserer Jugend ermöglichen wollen. Die 
Stellungnahme der Volksschule hierzu ist deshalb von so großer Bedeu- 
tung, weil 90% aller Schüler die Volksschule besuchen. Wenn wir 
diese Frage unter dem doppelten Gesichtspunkt einer Maßnahme der 
Schulgesundheitspflege und einer Vorbedingung bzw. Folge der durch- 
gehenden Arbeitszeit betrachten, so haben wir sie zugleich in den rich- 
tigen Zusammenhang mit allgemeineren Fragen hineingestellt. Denn der 
ungeteilte Unterricht kann nicht von nur pädagogischen Erwägungen 
aus beurteilt werden, sondern die Hauptgründe für seine Einführung 
liegen auf einem andern Gebiet, es sind vorwiegend, manche behaupten 



Yerhandl. d. VI. Jahres verBammlimg d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 67 

sogar ausschließlich, sanitäre und soziale Gründe, die hierfür geltend 
gemacht werden. Die pädagogischen Gründe treten dem gegenüber 
zurück, und die Beweisführung geht meist darauf hinaus, daß vom päda- 
gogischen Standpunkt aus dem ungeteilten Unterricht keine absoluten 
Hindemisse entgegenstehen. 

Ich füge diesen allgemeinen Erörterungen noch eine Vorbemerkung 
an über die Stellung der Lehrer zu der Frage des ungeteilten Unter- 
richts. Bekanntlich sind die Meinungen über dieselbe in Lehrerkreisen 
sehr geteilt, und es ist ebenso falsch, den Gegnern dieser Einrichtung 
aus ihrer Stellungnahme einen Vorwurf zu machen als die Freunde dieser 
Bewegung zu verdächtigen, sie erstreben dadurch eine Erleichterung ihrer 
Berufstätigkeit. Der Lehrer als Person scheidet bei der Beurteilung 
dieser Angelegenheit überhaupt aus; er hat der Schule zu dienen und 
wird dies um so vollkommener tun, je weniger seine persönlichen Wünsche 
bei der Entscheidung allgemeiner Fragen von ihm in die Wagschale ge- 
worfen werden. Zudem dürften die für die Gesundheit der Schüler ins 
Feld geführten Gründe auch voll und ganz für den Lehrer zutreffen. 
Die Abneigung vieler Lehrer gegen den ungeteilten Unterricht hat jeden- 
falls ihren Hauptgrund in dem schon erwähnten Mangel an zwingenden 
und überzeugenden pädagogischen und psychologischen Gründen für den- 
selben. Um so mehr ist es wichtig für uns, die sanitären und sozialen 
Gründe für diese Einrichtung gründlich zu prüfen. Man darf hierbei 
nicht vergessen, daß die gesundheitlichen Verhältnisse unserer schul- 
pflichtigen Jugend mit Recht als besorgniserregend erkannt und be- 
zeichnet werden. Man schaue einmal hinein in eine Schulklasse, und 
man wird sich wundem, wieviel Kinder schon einem oberflächlichen 
Blick gegenüber die rechte Frische der Jugend vermissen lassen. Wie 
viele bleich aussehende, schlecht genährte Kinder haben wir; wieviel 
wissen uns die Eltem zu erzählen von schlechter Eßlust, gestörter Ver- 
dauung, Kopfweh und nervöser Gereiztheit der Kinder! Und welch ein- 
dringliche Sprache reden erst die Ergebnisse der Schülerunter- 
suchungen durch die Schulärzte; welch niederdrückendes Material hat 
uns Herr Stadtarzt Dr. Gastpar über den Gesundheitszustand der Stutt- 
garter Volksschüler vorgeführt! Wenn auch nur wenige der vorhandenen 
Krankheiten und schlimmen Erscheinungen der Schule als solcher zur 
Last fallen, so hat die Schule doch die Pflicht, ernstlich sich zu be- 
mühen, daß die Gesundheit schTOchlicher Kinder nicht noch mehr ge- 
schädigt werde; denn wir brauchen zur Erfüllung der Aufgaben des 
deutschen Volkes vor allen Dingen eine gesunde, kräftige Jugend, 
die den physischen Anstrengungen, welche unser gesteigertes Kulturleben 
fordert, gewachsen ist. Wenn die Binder vormittags 3 — 4 Stunden, 
nachmittags 2 Stunden in der Schule sitzen und zu Hause noch mit Haus- 
aufgaben belastet sind, so fehlt ihnen das Nötigste, was sie zu einer 
günstigen körperlichen und geistigen Entwicklung brauchen, eine zu- 
sammenhängende freie Zeit, in der sie sich in der frischen Luft 
tummeln und in Spiel und gesunder Körperübung ein Gegengewicht 
gegen die geistige Anstrengung der Schultätigkeit gewinnen. Dem gegen- 
über bedeutet der ungeteilte Unterricht eine Entlastung des Schülers von 
gesundheitsschädigender Schularbeit. Dabei ist es zunächst von unter- 



68 7erhandl. d. Vi. Jahres versammluDg d. AUgem. Deutsch. Vereins etc. 

geordneter Bedeutung, ob die freie Zeit ftlr die Volksschüler vermehrt 
bzw. die Unterrichtszeit gekürzt wird; es ist schon von ganz ausgezeich- 
neter Wichtigkeit, wenn den Schülern die bisherige Freizeit zusammen- 
hängend geboten wird und deshalb nutzbringender als seither angewendet 
werden kann. 

Wenn schon jedes lange Stubenhocken und in der Schule Sitzen der 
Gesundheit der Schüler nicht zuträglich ist, so hat der Nachmittags- 
unterricht selbst noch seine besonderen sanitären Nachteile. Die jedem 
Lehrer bekannte Mattigkeit der Schüler in der Nachmittagsstunde von 
2 — 3 Uhr, die im Sommer wie im Winter beobachtet werden kann, hat 
ihren Grund in der Tatsache, daB die Kinder einige Stunden nach dem 
Mittagessen so sehr durch den Verdauungsvorgang in Anspruch genommen 
sind, daB eine Betätigung in der Schule nur mit größter Anstrengung 
und ebendeshalb mit einer Gef&hrdimg ihrer Gesundheit möglich ist. An 
Sommemachmittagen kommt die Hitze erschwerend hinzu, im Winter 
die ungünstige Beleuchtung. Der zweimalige Schulweg wirkt, 
obgleich sich die Kinder hierbei im Freien befinden, nicht so günstig 
wie eine andere Betätigung in frischer Luft, weil die Kinder ebenso wie 
die Erwachsenen von einem Zwangsgang niemals den Gewinn haben, wie 
von etwas Freiwilligem. Dagegen wirken die Schulwege bei großer 
Hitze und schlimmem Unwetter, besonders wenn sie über ^j^ Stunde 
dauern, direkt gesundheitsschädlich, in Großstädten durch die vielerlei 
Zerstreuungen und die Gefahren des Verkehrswesens auch nerven- 
aufregend. 

Außerdem erscheint es mir auf Grund von Erfahrungen mit meinen 
eigenen Kindern als besonders wertvoll,' wenn die Kinder mindestens bis 
zum 10. Lebensjahr, an heißen Sommertagen auch noch in höherem 
Alter, nach dem Mittagessen schlafen, um einerseits die Verdauungs- 
tätigkeit ungestört sich vollziehen zu lassen, andererseits ihren Nerven 
die nötige Beruhigung und Erholung nach den vielen Reizen, denen sie 
am Vormittag ausgesetzt waren, zu gewähren. 

In denjenigen Städten, in denen der ungeteilte Unterricht durch- 
geführt wurde, ist der Gewinn, der den Kindern an den freien Nach- 
mittagen durch Baden, Schlittschuhlaufen, Spielen im Freien, selbständige 
Beschäftigungen erwachsen ist, offen zutage getreten und auch in der 
Frische und gesteigerten Energie der Kinder in der Sohultätigkeit wohl 
zu bemerken gewesen. 

Diesen gewichtigen hygienischen Grründen stellen sich solche sozialer 
Art zur Seite. Ln vollen Umfang treten diese meiner Oberzeugung 
nach erst hervor, wenn die durchgehende Arbeitszeit im gesamten Er- 
werbsleben durchgeführt ist. Ehe dies geschehen ist, scheint dem unge- 
teilten Unterricht auf diesem Gebiet ein großes Hindernis zu erwachsen 
durch die bei uns bis jetzt übliche Zeit für das Mittagsmahl um 
12 Uhr. Denn es ist zu wünschen, daß das Mittagsmahl die Glieder 
einer Familie vereinigt findet; dies würde aber schwer fallen, wenn die 
Schule im Winter den Unterricht erst um 1 Uhr schließt. Aber es 
gibt doch jetzt schon eine große Zahl von Familien, wo das Mittags- 
essen erst um 127^ oder 12% stattfindet und einer Verlegung auf 
1 — 1^2 Uhr wenig im Wege stünde. Weiterhin aber wird es sich 



Yerhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Yereins etc. 69 

fragen, was in sozialer Beziehung wertvoller ist, dies kurze Zusammen- 
sein der Familienglieder am Mittagstisch, oder die längere Zeit, welche 
beim ungeteilten Unterricht die Kinder unter dem Einfluß des Hauses 
stehen. Wie wenig Zeit und Gelegenheit an den Wochentagen den 
Eltern von der Schule gelassen wird, um sich ernstlich um die Bedürf- 
nisse und die Angelegenheiten ihrer Kinder zu kümmern, weiß jeder 
Vater. Es dürfte aber wohl wieder mehr der Schwerpunkt der Erziehung 
in die Familie verlegt werden und auch in den brennenden sozialen 
Fragen der Gegenwart soweit möglich alles hierfür getan werden, daß 
auch in den unteren Volkskreisen ein gemeinsames Familienleben 
möglich ist. Es ist dies wichtiger, als die Kinder in Knaben- und 
Mädchenhorten auch noch außerhalb der Schulzeit von der Familie zu 
entfernen, wenn wir auch selbstverständlich gerne zugeben, daß diese 
Veranstaltungen bei den jetzigen Verhältnissen für viele Kinder segens- 
reich wirken. 

Für sehr wichtig halte ich es, daß der ungeteilte Unterricht, wenn 
er in höheren Schulen durchgeführt wird, auch in den Volksschulen Ein- 
gang findet. Denn wenn in sozialer Beziehung auch Bedenken geltend 
gemacht werden wegen einer etwa befürchteten Ausnützung der 
Kinder zum Erwerb, so bieten die Gesetze Handhaben, dies zu ver- 
hindern. Eine mäßige Unterstützung durch ihre Kinder z. B. bei der 
Beaufsichtigung jüngerer Geschwister, oder bei den Mädchen durch Bei- 
hilfe bei den Hausarbeiten, dürfen die Eltern wohl verlangen, und sie 
können dies um so mehr, wenn einmal der ungeteilte Unterricht den 
Kindern eine genügende, zusammenhängende Freizeit gewährt. Die sani- 
tären Gründe vollends gelten für die Volksschüler in verstärktem Maße; 
denn infolge einer oft ungenügenden Ernährung sind sie weniger 
kräftig und den Anforderungen des Lehrplans nicht so gewachsen 
wie Kinder aus günstiger gestellten Volkskreisen. Zudem können die 
minderbemittelten Eltern von sich aus nicht soviel fClr die Gesundheit 
ihrer Kinder tun wie besser gestellte Eltern. Auch die Meinung, daß 
es für die Volksschüler keine Überbürdung gebe, weil die An- 
forderungen des Lehrplans nicht so hoch und die wöchentliche Stunden- 
zahl meist nicht so bedeutend ist wie in den höheren Schulen, trifft 
nicht ganz zu. Wie weit verbreitet diese falsche Meinung ist, sieht 
man freilich auch daran, daß die Volksschüler kürzere Ferien 
haben als die Schüler der höheren Schulen. Wenn man aber die Lehr- 
pläne beispielsweise der Stuttgarter Volksschulen mit denen höherer 
Schulen vergleicht, und zwar mit den Klassen, die Kinder im gleichen 
Alter haben, so ist die Zahl der Unterrichtsstunden an der Volksschule 
zum Teü eine höhere, und auch die geistige Anstrengung dürfte für das 
einzelne Kind in vielen Fächern der Volksschule, so wie sie jetzt be- 
trieben werden, kaum geringer sein als in den höheren Schulen. Dazu 
kommt noch, daß die Kinder infolge der großen Klassen viel weniger 
einzeln vorgenommen und ihrem persönlichen Auffassungsvermögen ent- 
sprechend berücksichtigt werden können. Wenn wir also für die Volks- 
schüler auch eine Überbürdung in so bedeutendem Maße wie in den 
höheren Schulen nicht haben, so ist doch auch für sie die Schultätigkeit 
eine solch ernste, anstrengende und ermüdende Arbeit, daß sie 



70 Verhandl. d. VI, JahreBversammlnng d. Allgem. Deutscli. Vereins etc. 

zur Pflege ihrer Gesundheit eine zusammenhängende freie Zeit notwendig 
brauchen. Die schon bisher bestehenden Maßnahmen zur körperlichen 
Erziehung, Hitzvakanz und Eisvakanz, sollten daher auch den Schülern 
der Volksschule ebenso zugute kommen wie den Schülern höherer Schulen, 
ein Wunsch, den ich gerade für die Stuttgarter Volksschulen noch be- 
sonders unterstreichen möchte. Noch mehr aber würde der ungeteilte 
Unterricht den Kindern Gelegenheit geben, durch Spiel und freie Be- 
wegung ein Gegengewicht gegen geistige Anstrengung in der Schule zu 
schaffen imd enger mit der Natur, die unser aller Mutter ist, zusanmien- 
zu wachsen. 

Wir haben schon in der Einleitung bemerkt, daß eine pädagogisch 
und psychologisch begründete Notwendigkeit für den ungeteilten Unter- 
richt nicht bestehe. Das ist es ja eben, was die Frage so schwierig 
macht. Wo man bloß von der grauen Theorie aus aja sie herantritt, 
wird man die Bedenken entschieden zu schwerwiegend werten. Daß 
solche bestehen, haben wir selbst schon im bisherigen angedeutet imd 
ebenso gestehen wir gerne zu, daß sie manches Beachtenswerte enthalten. 
Äußerst wertvoll für einen Ausgleich der bestehenden Meinungsverschie- 
denheiten ist die Tatsache, daß auch vom pädagogischen Standpunkt 
aus die Minderwertigkeit des Nachmittagsunterrichts ziemlich 
allgemein anerkannt ist Zunächst ist es einfach Erfahrungstatsache, daß 
mit aller Mühe die Aufmerksamkeit und Leistungsfähigkeit der Schüler 
besonders in der 1. Nachmittagsstunde kaum auf einen genügenden Stand 
gebracht werden kann. Von den Sommern achmittagsstunden ist vielleicht 
über die Hälfte in ihrem Erfolg höchst zweifelhaft. In Unterklassen habe 
ich persönlich die Erfahrung gemacht, daß schwächliche und schlecht ge- 
nährte Kinder dem Schlafbedürfnis nicht widerstehen können. Durch 
sorgfältige Experimente ist nachgewiesen, daß die Leistungen der Nach- 
mittagsstunden einen Vergleich mit den Vormittagsstunden nicht aus- 
halten können, ja daß die letzte Vormittagsstunde, und sei es sogar eine 
5. Stunde, sich noch vorteilhaft vor der 1. Nachmittagsstunde auszeichnet. 
Man darf nicht übersehen, daß das Gefühl, den Nachmittag frei zu haben, 
die Kinder gemütlich so angenehm berührt, daß ihre Leistungsfähigkeit 
davon fordernd beeinflußt wird. 

Damit sind wir dem gewichtigsten Bedenken gegen den ungeteilten 
Unterricht nahe getreten, nämlich dem, daß durch einen 5 stündigen Unter- 
richt eine übermäßige Ermüdung sich der Schüler bemächtigen werde, 
so daß nicht nur die Erfolge der 5. Stunde gering sein, sondern auch 
die erhofften sanitären Vorteile des freien Nachmittags hierdurch in Frage 
gestellt werden. Mit Meinungen und Ansichten kann dieses Bedenken, 
nicht widerlegt und nicht aufrecht erhalten werden. Hier gelten die 
schon erwähnten sorgfältigen Experimente und ferner die Er- 
fahrungen, die man mit dem 5 stündigen Unterricht schon bisher ge- 
macht hat. Es ist erwiesen, daß die 5. Stunde erfolgreich betrieben 
werden kann, wenn erstlich die verschiedenen geistigen Kräfte des Kindes 
nicht einseitig, sondern in lebendiger Mannigfaltigkeit und wohltuender 
Abwechslung in Anspruch genommen werden und zweitens, wenn nach 
jeder Stunde eine genügende Pause zur Erholung in frischer Luft ein- 
gelegt wird. So wird eine Kürzung der einzelnen Unterrichts- 



Verhandl. d. VL Jahreflversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 71 

stunden erreicht, die für die Kinder sehr heilsam wirkt, den Unterrichts- 
erfolg aber nicht schädigt, weil durch die Erfrischung in der Pause die 
Leistungsß-higkeit weder gehoben und die Nachteile der Ermüdung ver- 
mieden wurden. Eine größere Mannigfaltigkeit in den einzelnen Fächern 
ist ja in der Volksschule schon an sich mehr als für die höheren Schulen 
vorhanden, weil neben den wissenschaftlichen Fächern, wenn wir sie auch 
für die Volksschule so heißen dürfen, mehr technische Fächer stehen, 
wie Zeichen, Schönschreiben, Singen, bei den Mädchen Handarbeit. Es 
ist also dem Lehrer sehr leicht möglich, die nötige Abwechslung in den 
Unterrichtsgang eines Vormittags von 7 — 12 Uhr oder 8 — 1 Uhr zu 
bnngen. Die Sache ist so einfach, daß ich es unterlassen kann, hier 
ein Beispiel für einen Tag zu geben. 

Das soll allerdings nicht verschwiegen werden, daß nach den bis- 
herigen Vorschriften, da und dort vielleicht auch nur infolge einer Ver- 
waltungspraxis, die Zusammenlegung von 5 Stunden Unterricht nicht 
gestattet ist, wenigstens nicht bei uns in Württemberg. Ich meine, 
die heutigen Verhandlungen sollten zunächst die Frucht zeitigen, daß 
in den Klassen, wo es infolge geringer Stundenzahl möglich 
ist, der reine Vormittagsunterricht gestattet wird. Im Sommer 
ist dies in allen Klassen, die höchstens 30 Stunden haben, von 7 — 12 Uhr 
möglich. Ich glaube, daß nach dem schönen alten Sprichwort: „Morgen- 
stund hat Gold im Mund" ein Anfang der Schule um 7 Uhr hygienisch 
nicht beanstandet werden wird; sollte dies aber der Fall sein, so müßte 
bis 1 Uhr Unterricht erteilt oder zu dem Mittel eines sogenannten „ge- 
mischten Systems" gegriffen werden. Es wären noch etwa 2 Nachmittage 
mit technischen Fächern zu belegen. Diese Maßnahme sollte überhaupt 
wieder als Mindestmaß unserer heutigen Erfolge als Grundsatz festgelegt 
werden: Der wissenschaftliche Unterricht ist ganz am Vor- 
mittag zu erledigen; auf den Nachmittag dürfen nur tech- 
nische Fächer gelegt werden. Letztere Einrichtung und damit das 
gemischte System würde auch für die städischen Volksschulen mit 
32 Stunden und für die Bürger- und Mädchenmittelschulen mit 34 bis 
36 Stunden in Betracht kommen. Es wird sich aber fragen, ob nicht 
eine Verminderung auf 30 Stunden wöchentlich hier ohne Schädigung 
der Unterrichtserfolge und der Volksbildung eintreten könnte. Wir 
Lehrer nehmen gerade diesen Punkt sehr ernst. Wir wissen, daß auch 
an die niederen Volksklassen so wichtige und hohe Anforderungen heran- 
treten, daß sie eine tüchtige Schulbildung unbedingt brauchen. Wenn 
das deutsche Volk seinen Platz unter den Völkern der Erde behalten 
will, muß es die Vorzüge, die andere Länder in einer günstigeren Lage 
und in reicheren natürlichen Hilfsquellen besitzen, durch eine größere 
Vollkommenheit in der Bearbeitung der Produkte, durch ein tieferes Er- 
fassen seiner Aufgaben, eine umfangreichere Betätigung seiner Kräfte 
ausgleichen. Wir müssen sogenannte Qualitätsarbeiter erziehen, welche 
durch den guten Geschmack, gefallige, künstlerische Form, gute Haltbar- 
keit und feine Zweckmäßigkeit der von ihnen erzeugten Waren den 
Weltmarkt behen*schen. Dies alles ist nur durch eine gesteigerte Volks- 
bildung möglich. Deshalb können wir einer Verringerung der wöchent- 
lichen Stundenzahl auf 30 nur unter gewissen Bedingungen zustimmen. 



72 Verhandl. d. VI. JahresverBammluiig d. Allgem. Deutsch. YereinB etc. 

Erstlich müssen die Lehrpläne einer genauen Durchsicht unterzogen 
und solche Stoffe daraus entfernt werden, welche zur allgemeinen Geistes- 
bildung nur wenig beitragen. Jedes Fach hat Stoffe, die rein gedächtnis- 
mäßig angeeignet, wohl vielleicht eine formale Übung der geistigen Kräfte 
bringen, im übrigen aber nur an den Prüfungen kurze Triumphe feiern 
und sehr bald wieder vergessen werden. Reich an solchen Stoffen ist 
besonders der deutsche Sprachunterricht, der Unterricht in den Realien 
und besonders in Religion. Eine Darstellung dieser Stoffe im einzelnen 
würde an dieser Stelle zu weit fuhren; es ist in der Lehrerfachpresse 
schon oft der Nachweis gefuhrt worden, daB auch der Lehrplan der 
Volksschulen, Bürger- und Mädchenmittelschulen noch viel unnötigen 
Ballast mitschleppt. Im Rechnen wird der formale Zweck dieses 
Faches noch zu sehr betont, was beispielsweise in Berlin zu der fEbr eine 
Volksschule durchaus unnötigen Einführung von Algebra geführt hat. 

Des weiteren sollte die wöchentliche Stundenzahl richtiger auf die 
einzelnen Fächer verteilt werden. Ich weiß nicht, ob es nur in Württem- 
berg der Fall ist, daß einzelne Fächer zum Schaden anderer in der 
Stundenzahl bevorzugt sind. Bei uns gilt dies am meisten von dem 
Religionsunterricht, dem in der einklassigen Schule Y, aller Stunden, 
nämlich Sy^ wöchentlich zugewiesen sind. Dieser Zahl nähert sich die- 
jenige in Kl. VI der Stuttgarter Volksschulen mit 7 Stunden wöchent- 
lich, selbst in Unterklassen hat in unserer Stadt keine Klasse unter 
4 Stunden Religion. Ein weiteres Fach, das sich bei uns in Mädchen- 
schulen ungebührlich breit macht, ist der Handarbeitsunterricht der 
Mädchen, der von der Unterklasse an mit 4 vollen Unterrichtsstunden 
durch alle Klassen durchgeffthrt wird. Diesem Umstand haben wir es 
zu danken, daß die untersten Klassen in Mädchenschulen in Stuttgart 
schon 24 Stunden Schule haben. 

Endlich aber halten wir auch noch eine Vertiefung der Schularbeit 
durch eine sorgfältige und psychologisch begründete Methode 
bei der Darbietung der Unterrichtsstoffe für geboten. Die Lehrgegenstände 
sollen recht sinnenf&Uig und anschaulich, in Wort und Bild, dargeboten 
werden. Das Kind soll selbständig über sie nachdenken, sie mit phan- 
tasievollem und denkendem Geiste erfassen. Das Wesentliche und Wich- 
tige eines Unterrichtsgegenstandes muß klar hervortreten imd geistiger 
Besitz der Schüler werden. Ein solcher Unterricht schafft bleibende 
Werte, er bildet die ganze Persönlichkeit und ist zugleich das beste 
Mittel gegen eine übermäßige Ermüdung der Schüler. Wenn das 
Interesse geweckt und rege erhalten wird, wenn die Schüler angeregt 
und begeistert werden, so folgen sie dem Unterricht mit Lust, \md eine 
Ermüdung tritt viel langsamer ein, als bei einem langweiligen, Worte 
einpaukenden Unterricht. Selbst in der 4. oder 5. Stunde des Vormit- 
tags kann der Lehrer seine Klasse noch so mit sich fortreißen, daß die 
Augen der Kinder leuchten und ihre Aufmerksamkeit bis zum Schluß 
anhält. Wer aber trotz diesen bis jetzt angeföhrten Vorbeugungen gegen 
eine durch Beschränkung der Unterrichtszeit befürchtete geringere Aus- 
bildung noch weitere Maßregeln zur Hebung der Volksbildung wünscht, 
dem empfehlen wir, an die allgemeine Einführung von acht Schul- 
jahren, an die Verringerung der ungewöhnlich hohen Schüler- 



Verhandl. d. VI. Jahresyersammlong d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 73 

zahl und an die bessere Ausbildung der Volksschullehrer zu 
denken. Die Verwirklichung dieser drei von den VolksschuUehrem längst 
angestrebten. Reformen würde die Volksbildung kräftig und nachhaltig in 
die Höhe bringen. In der Nichterfüllung dieser Bedingungen liegt ein 
Moment, das bei der durch die Schule etwa verschuldeten Gesundheits- 
gefährdung der Schüler sehr in die Wagschale fällt, und das deshalb in 
diesem Zusammenhang notwendig zur Sprache gebracht werden mußte. 
Wir haben im bisherigen gesehen, daß die Frage des ungeteilten 
Unterrichts sich nicht überzeugend und zwingend durch theoretische 
Gründe lösen läßt. Es hftngt viel davon ab, wie sich der einzelne zu 
den Bestrebungen der Schulgesundheitspflege überhaupt stellt. Wer die- 
selben für notwendig und wichtig erachtet, wird sicherlich auch dem un- 
geteilten Unterricht als einer Maßnahme von höchster schulhygienischer 
Bedeutung freundlich gegenüberstehen. Die Wertung der Gründe fftr 
und gegen hängt davon ab, wie hoch man die von ärztlicher und natur- 
wissenschaftlicher Seite angestellten Experimente, denen sich wissenschaft- 
liche Untersuchungen von Schulmännern angereiht haben, einschätzt. 
Für mich sind diese durchaus maßgebend und ihre Ergebnisse decken 
sich meist mit den praktischen Erfahrungen vollständig. Man wird aber 
nach der Lage der Dinge nicht vorwärts kommen, wenn man nicht fort- 
fährt, praktische Versuche zu machen. Und so soll es auch das 
Resultat der heutigen Beratung sein, daß wir uns auf einige praktische 
Vorschläge einigen. Wir erwarten und wünschen von den Schulbehörden 
nicht, daß sie die Einführung des ungeteilten Unterrichts einfach de- 
kretieren, dazu liegt die Frage, wie schon erwähnt, zu kompliziert und die 
Begründung ist hierfür nicht zwingend genug. Das soll von uns ausdrück- 
lich anerkannt werden. Doch ist bemerkenswert, daß wir z. B. in Würt- 
temberg in Orten mit landwirtschaftlicher Bevölkerung den Vormittags- 
unterricht während des Sommers schon haben. [Ich ging in den drei 
ersten Schuljahren selbst in eine solche Schule, in der von 6 — 11 Uhr 
vormittags aUer Unterricht absolviert wurde. Die Belastung mit 5 Stun- 
den trifft hier aber nur den Lehrer; die Schüler kommen nur auf 
höchstens 26 Wochenstunden. Überzeugender fQr die Möglichkeit der 
praktischen Durchführung spricht die Tatsache, daß schon in vielen 
Städten ein Versuch mit dem ungeteilten Unterricht gemacht worden ist 
und damit so günstige Erfahrungen erzielt wurden, daß sie zur 
bleibenden Einrichtung führten. In der von Herrn Rektor Müller ver- 
faßten Broschüre sind 18 Städte aufgeführt, in denen seit einer Reihe 
von Jahren ungeteilter Unterricht erteilt wird, und die Gutachten stimmen 
in der Betonung der Zweckmäßigkeit der Einrichtung und ihrer guten 
Folgen vollständig miteinander überein. Seither sind hierzu noch weitere 
Städte getreten; ich nenne z. B. München. Dies ermutigt dazu, auch in 
anderen Städten und in Landorten Versuche zu machen. Denn ober- 
flächlich betrachtet, scheinen gerade viele örtliche Hemmnisse einer 
Einführung im Wege zu stehen, und es ist nur möglich durch prakti- 
sche Versuche die Möglichkeit ihrer Überwindung zu imtersuchen. Ganz 
glatt liegt die Sache in Unterklassen, wo wir eine wöchentliche 
Stundenzahl von 20 — 24 in Betracht ziehen müssen. Hier würden 3 bis 
4 Stunden auf jeden Tag kommen, und es wird sich nur bezüglich des 



74 Verhandl. d. VI. Jahresyersammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins eic. 

1. Schuljahres fragen, ob mehr als 3 Standen an einem Vormittag fär 
dieselben möglich sind. Ich wünschte, daß im 1. Schuljahr nie mehr als 
3 Stunden täglich gegeben würden und somit die Unterrichtszeit auf 
18 Stunden wöchentlich ermäßigt würde. Überhaupt bedürfen die Schü- 
ler dieser Stufe bei Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit eine besondere 
Sorgfalt. Für die Mittelstufe, HI. und IV. Schuljahr, dürften 4 Stunden 
täglich nicht zuviel sein; vorausgesetzt, daß nach der 1. Stunde eine 
Pause von 5 — 7 Minuten, nach der 2. und 3. je eine solche von 15 Mi- 
nuten eintritt. Von der V. Klasse an wären 5 Stunden nötig, wobei 
nach der 4. Stunde nochmals eine Pause von 15 Minuten eingelegt wer- 
den müßte. Pausen von einer Dauer übfer 15 Minuten möchte ich nicht 
befürworten. Im Sommer würde auch in Klasse V — VII der Volks- 
schulen der ungeteilte Unterricht ohne Belästigung des Hauses durchge- 
führt werden können, wenn um 7 Uhr morgens begonnen wird. Dennoch 
dürfte es sich auch hier schon empfehlen, sich der Zustimmung der 
Eltern zunächst zu versichern. Man wii-d also die Eltern etwa durch 
eine Mitteilung in der Zeitung, durch ein Zirkular oder durch einen 
Vortrag in einem Elternabend über die Vorzüge des ungeteilten Unter- 
richts belehren und sie dann darüber schriftlich abstimmen lassen, ob 
sie der Einrichtung zustimmen. Nach den Erfahrungen in anderen 
Städten ist an einer Znstimmung der Eltern nicht zu zweifeln, besonders 
für den Sommer, wo das Mittagsmahl nicht verlegt werden muß. Anders 
verhält es sich für den Winter, wo die Kinder erst um 1 Uhr zum 
Mittagsmahl kommen würden. Viele Versuche werden Klarheit darüber 
geben, ob die Eltern sich auch damit befreunden können. Die Schul- 
behörden bitten wir, die Erlaubnis zur Vornahme solcher Versuche zu 
geben und einer bleibenden Einrichtung da, wo die Verhältnisse es er- 
möglichen, die Genehmigung zu erteilen. Es dürfte aber wohl zunächst 
mehrere Sommer hindurch der Versuch wiederholt werden, damit sich 
die Eltern mit der Einrichtung befreunden und sich auch ihrerseits in 
dieselbe einleben können. 

Nicht versäumt werden dürfte von Anfang an die Forderung der 
Schule, daß die freien Nachmittage im Dienste der körperlichen 
Ausbildung und Gesundheitspflege der Kinder benützt werden sollen. 
Inwieweit durch SchaflFiing von Spiel-, Bade- und Schlittschuhlaufgelegen- 
heit die Schule selbst, beziehungsweise die Gemeinden eine Pflicht zu er- 
füllen haben, ist ebenfalls zu erwägen. Mir scheint, daß man mehr, als 
bis jetzt geschehen, mit besonderem Nachdruck auf die vorteilhafte 
Ausnützung des freien Nachmittages hinarbeiten sollte, nicht durch 
Zwangsveranstaltungen der Schule, aber durch Belehrung der Kinder und 
Eltern und Ermöglichung einer nutzbringenden Verwendung der Freizeit. 
Denn wenn die Kinder den Eltern in der freien Zeit lästig fallen oder 
einen schädigenden Gebrauch von derselben machen, wäre dies für die 
Beurteilung der ganzen Einrichtung sehr schlimm. 

Lassen Sie mich noch die praktischen Ergebnisse, die eventuell zu 
einem Antrag zu verdichten wären, kurz zusammenfassen: 

1. In Klassen, wo es infolge geringer Stundenzahl möglich 
ist, also besonders in Unterklassen, sollte der reine Vormit- 



Verhandl. d. VI. Jahresversaimnlang d. Allgem. Deutsch. Vereine etc. 75 

tagsunterricht denjenigen Schulanstalten gestattet werden, 
die diese Einrichtung wünschen. 

2. Wo durch den reinen Vormittagsunterricht eine Be- 
lastung der Schüler mit höchstens 5 Stunden täglich eintritt, 
ist zunächst die Zustimmung der Eltern hierzu einzuholen, 
ebenso, wenn der Unterricht über 12 Uhr hinaus fortgeführt 
werden muß. 

3. a) Vorerst sind zahlreiche Versuche, besonders im Som- 
mer, aber auch im Winter, anzustellen. 

b) Der wissenschaftliche Unterricht ist ganz am Vormit- 
tag zu erledigen; auf den Nachmittag dürfen nur technische 
Fächer gelegt werden. 

c) Die bis jetzt schon bestehenden Bestimmungen über 
Einhaltung der Pausen, Dauer der Ferien, Gewährung von 
Hitz- und Eisvakanz sollen für die Volksschulen in demsel- 
ben Umfang gelten wie für die höheren Schulen. 

Ich bin am Schlüsse meiner Ausführungen angelangt Ich habe es 
nicht als meine Aufgabe angesehen, alle Gründe für und gegen aufzu- 
zählen und ausführlich zu beleuchten. Meine Ausführungen sollten zu 
einer Aussprache anregen, nicht den Gegenstand erschöpfen. Neues 
konnte ich zur Sache schon wegen der kurzen mir zur Verfügung stehen- 
den Zeit nicht beibringen, um so mehr fühle ich mich verpflichtet, Herrn 
Rektor Müller, dessen Broschüre ich viel verdanke, ausdrücklich das 
Verdienst zu wahren, daß er diesen Gegenstand für die Volksschule als 
erster in zusammenhängender und erschöpfender Weise behandelt hat. 
Ich verweise auf diese Broschüre und bedaure, daß er nicht statt meiner 
diese Sache hier vertreten konnte. Ich schließe mit dem Wunsche, daß 
wir auch in der Volksschule Geistes- und Körperpflege immer besser 
miteinander in Einklang bringen möchten, um die Gesundheit unserer 
Schüler zu kräftigen und sie widerstandsfähig fürs Leben zu machen. 

Und des weiteren wünsche ich, daß die Schule den wichtigen Be- 
strebungen der durchgehenden Arbeitszeit kein Hindernis sein möge, 
sondern auch ihrerseits zur Verwirklichung dieses allgemeinen Zieles bei- 
trage. Es wird sich zeigen, daß die durchgehende Arbeitszeit durch 
die Ermöglichung einer größeren Anteilnahme des Hauses an der Schul- 
arbeit auch der Schule selbst wieder zugute kommen wird. Deshalb 
steuern wir mutig los auf diese Entwicklung und bedauern nur, daß die 
Schwierigkeiten auf dem Gebiete des Erwerbslebens viel bedeutender 
sind als auf demjenigen der Schule. Aber auch das wird sich bessörn, 
noch befindet sich unser deutsches Volk in einer aufsteigenden Entwick- 
lung; es wird auch weiter vorwärts und aufwärts gehen, und dann 
werden sich auch erst voll und ganz die Früchte davon zeigen, wofür 
wir heute miteinander gearbeitet haben. 

Vorsitzender, Prof. Griesbach: 

Herr Baß hat uns gezeigt, wie notwendig der ungeteilte Unterricht 
auch in der Volksschule ist, ich danke dem Herrn Referenten für seinen 
interessanten Vortrag und erteile Herrn Dr. Hellpach das Wort zu 
seinem Vortrage. 



76 Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 



LeitBätse. 

1. Die Aufgabe der geistigen Gesundheitspflege gegenüber dem 
Problem der Unterrichtsverteilung kann nicht in der Einmischung in 
materielle Unterrichtsreformfragen gesucht werden, wofern nicht gerade 
Zustände vorliegen, die mit dem Postulat der Gesunderhaltung der Jugend 
absolut unvereinbar sind. Vielmehr ist es unsere Sache, mit dem be- 
stehenden Unterricht nach Umfang und Inhalt, ja selbst mit einer wei- 
teren Verschiebung in der Richtung wachsender Vielgestaltigkeit .(z. B. 
durch Einführung neuer Disziplinen, etwa der Biologie) zu rechnen und 
auf dieser Basis eine hygienisch möglichst einwandfreie Unterrichts- 
verteilung anzustreben. 

2. Die Unterrichts Verteilung darf nicht eine für das gesamte Schul- 
wesen schematische sein. Sie hat sich zu orientieren nach dem wich- 
tigsten Marksteine im jugendlichen Leben: der Pubertät. 

3. Für die Schulstufen bis zur Pubertät, also Volksschule 
und Unter- und Mittelstufe der höheren Schule, ist es hygie- 
nisch und psychologisch in gleichem Maße zweckmäßig, die 
einzelne Unterrichtsstunde auf 45 Minuten zu normieren und 
unter Einfügung einer löminutigen und mehrerer lOminu- 
tigen Pausen den gesamten wissenschaftlichen Unterricht auf 
den Vormittag zu konzentrieren. 

4. a) Für die Oberstufe ist weitgehende fakultative Unterrichts- 

gestaltung anzustreben. 

b) Die Ausdehnung der Unterrichtsstunde auf 80 Minuten 
ist für solche Fächer, welche keine unausgesetzte einseitige 
oder maximale Aufmerksamkeitsspannung fordern^), als psy- 
chologisch vorteilhaft und hygienisch unbedenklich ins Auge 
zu fassen. 

c) Der Unterricht soll an 3 Wochentagen nur vormittags und 
zwar in vier Zeitstunden (= fünf Unterrichtsstunden), an den 
3 anderen Tagen vor- und nachmittags in je 3 Zeitstunden 
(= 2 Unterrichts-Doppelstunden) erteilt werden. 

d) Dabei ist der Nachmittagsunterricht ans hygienischen wie psy- 
chologischen Gründen auf den Spätnachmittag (4—7 Uhr) 
zu verlegen. 

e) Während der Zeit vom 1. Juni bis 31. August ist, soweit 
nicht Ferien sind, der Stundenplan dahin abzuändern, daß 
unter Kürzung desselben um mindestens 3 Stunden der wöchent- 
liche Unterricht in 6 Vormittagen zu je 4 Zeitstunden und 
2 Nachmittagen zu je IY2 Zeitstunden erledigt werden kann. 

5. Die gymnastische . Betätigung ist auf der Oberstufe 
fakultativ, und die Teilnahme aller an ihr durch möglichst vorzügliche 
Organisation seitens der Schule ohne Zwang zu sichern. 

6. Für Springstunden, wie sie bei einer hinreichend fakultativen 



1) Z. B. Deutsch, Geschichte, experimentierende und beschreibende Natur- 
wissenschaften. Ungeeignet sind Mathematik, mathemat. Physik und gramma- 
tische Fächer. 



Verhandl. d. VI. JahreBversammlnng d. AUgem. Dentsch. Vereins etc. 77 



ünterrichtsgcstaltnng unvermeidlich werden, sind Arheitsräume (nach dem 
Muster der seminaristischen und ähnlichen Bäume an Hochschulen) bereit- 
zustellen. 

Oberprima einer Oberrealsohulec 



Montag 



8 — 9*<> Mathematik 
9«o_ll Dentsch 



4 —6** Französisch 
ö*®— 7 Geschichte 



Dienstag 



8 —8" Mathematik 

q60 QS6 1 

9.._;o»|i''»y''* 

Nachmittag 
freil 



Mittwoch 



8 —9*^ Mathematik 
9«o_ii Physik 



4 —6" Chemie 
4*®— 7 Englisch 



Donnerstag 



8 —8" Mathematik 

g60_986 Physik 

96o___io" Französisch 
10"— II»» Englisch 
11"— 12" Deutsch 

Nachmittag 
frei! 



Freitag 



Sonnabend 



8 —9»« Englisch 
9"— 11 Französisch 



4 —6" Deutsch 
6"— 7 Geschichte 



lon 



8 — 8")t> ,. . 
göo_986 j Keligio 

10"— 11"!^®^^^®° 

11"— 12" Gesang 



Nachmittag 
freil 





Es 


entfa 


llen auf je ein Fach wöchentlich: 
nach dem alten Plan: 
(z. B. I Karlsruhe) °*^^ vorstehendem Plan: 


Religion 

Deutsch 


100 Minuten 
200 
160 
200 
200 
260 
200 
100 
200 
60 


90 Minuten 
206 


Geschichte 


160 


Französisch 


206 


Entrlisch 


206 


Mathematik 


260 


Physik 

Chemie 


216 
80 


Zeichnen 

Gesang 


180 
46 




Summa: 


1 


1650 




1685 



Meine Herren! 
Es ist noch nicht gar so lange her, daß der Arzt in den Fragen 
der ünterrichtsgestaltung gefragt wird. Selbst zu einer Zeit, da der 
Siegeslauf der exakten Hygiene es mit sich gebracht hatte, daß man 
über Anstrich der Wftnde, Breite der Treppen, Heizung, Ventilation, 
Luftkubus, auch über Refinktionsanomalien des Auges und Deformie- 
rungen des Bewegungsapparates sich dem medizinischen Urteil schon 
willig unterwarf, wurde die ärztliche Einmischung in die eigentlichen 
Untennchtsfragen fast durchgehends abgelehnt — teils mit leidenschaft- 



78 VerhaDdl. d. VI. Jahresversammlnng d. AUgem. Deutsch. Vereins etc. 

Hoher Erregung, teils mit passiv sich widersetzendem Mißtranen, immer 
aber abgelehnt. Blicken Sie noch in die maßgebenden pädagogischen 
Enzyklopädien und Handbücher zu Ende der achtziger Jahre: die lll)er- 
bürdnngs&age ist schon da, aber sie wird durchaus als eine esoterische 
Frage aufgefaßt, die intra muros zu verhandeln und zu lösen sei. 

Den Umschwung brachte das Jahr 1890 mit der preußischen 
Schulreform, die ja überhaupt breite nicht-pädagogische Kreise wieder 
einmal zur Anteilnahme an den Erziehungsangelegenheiten aufrüttelte. 
Und nun heben jene schulhygienischen Arbeiten an, die in erster Linie 
die Wirkung des Unterrichts auf die kindliche Psyche zum Gegenstande 
hatten und Mitte der neunziger Jahre ihre stärkste Intensität erlebten. 
Praktische Versuche der Unterrichts Verbesserung sind gefolgt, und im 
Laufe eines Jahrzehnts ist jedenfalls der allgemeine und grundsätzliche 
Wideratand gegen das Mitreden des Arztes in der Unterrichtsfrage über- 
wunden. Freilich, es wird noch einiger Zeit bedürfen, ehe alle Päda- 
gogen den Standpunkt dieses Vereins erreicht haben, der sogar das 
spezielle Problem des neusprachlichen Unterrichts nicht ohne medizinische 
Beratung diskutieren wollte. Und am Ende werden wir für immer mit 
einem oder dem andern rechnen müssen, der es für Unfug und unver- 
zeihlich hält, die Domäne der Pädagogen mit den Ärzten zu teilen, 
wie es ja sogar unter meinen Facbgenossen selber nicht an wunderlichen 
Eigenbrödlern gefehlt hat, denen die ganze unterrichtspsychologische und 
-hygienische Methodik samt den aus ihren Resultaten gezogenen Folge- 
rungen genau wie einem durch diesen Ausspruch unsterblich gewordenen 
i^orddeutschen Oberlehrer nichts weiter als eine „Grimasse der Wissen- 
schaft" war. 

Wenn nun der Arzt vor ein konkretes Unterrichtsproblem gestellt 
wird, so stehen ihm zwei Linien offen, auf denen seine Meinungsäuße- 
rung sich bewegen kann: die Linie des Prinzips und die Linie der 
Opportunität. Ich meine aber, daß er gut daran tun wird, hier nicht 
zu wählen, sondern beide Linien jeweils miteinander zu verbinden. Es 
wäre gewiß töricht, wenn wir uns in jedem Moment auf hygienische 
letzte Forderungen, auf Endziele versteifen und Kompromisse ablehnen 
wollten. Die Welt bewegt sich — aber nicht im Tempo der idealen 
Forderung; und wenn man ihr dieses Tempo aufzwingen will, so kann 
es leicht passieren, daß sie für eine Weile stille steht. Indessen, wir 
sollen die ideale Forderung auch nicht gerade in den Kasten verschließen 
und sie ein reliquienhaftes Dasein führen lassen. Wir sollen sie immer 
und immer wieder geltend machen, und wir sollen auch keinen Zweifel 
daran aufkommen lassen, daß wir bei allen Kompromissen doch die 
Richtung auf die grundsätzliche Forderung hin nicht verlassen dürfen. 
Die Erfüllungen, die ims zuteil werden, müssen stets Abschlagszahlungen 
in dieser Richtung sein. Was nun in jedem Augenblick zu verlangen 
ist und was nachzulassen, das entscheidet allein der Takt, der realpoli- 
tische Instinkt. Und der hat auch bei der Formulierung der Prinzipien 
noch ein gewichtiges Wort mitzureden. Denn Hygiene ist schließlich 
die Lehre von dem unter bestimmten Bedingungen Gesunden imd Ge- 
sundheitsförderlichen, und eine Schulhygiene muß die praktischen Grund- 
bedingungen des Schullebens an sich anerkennen, wenn sie nicht einfach 



Verhandl. d. YI. Jahresversammlang d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 79 

eine Hygiene gegen die Schule werden und sich damit zur Wirkungs- 
losigkeit verurteilen will. Es könnte ja einer ein Votum über die hygie- 
nische ünterrichtsgestaltung z. B. mit der Negierung des Unterrichts als 
Erziehungsmittel an sich einleiten. Aber man würde aufhören, ihn ernst 
zu nehmen, wenigstens als hygienischen Berater; und man würde mit 
Recht sagen, daß diese Art heiße, sich die Sache sehr leicht machen. 
Denn die hygienische Leistung wird um so beträchtlicher sein, unter je 
schwierigeren Verhältnissen es gelingt, hygienische Maßnahmen durch- 
zusetzen und mit ihnen der Gesundheit ihr Recht zu sichem. 

Wende ich solche Ei*wägungen auf unsere besondere Frage, die 
heute zur Debatte steht, an, so komme ich zu dem Schlüsse, daß wir 
als Hygieniker, als Vertreter geistiger Oesundheitspflege in erster Linie, 
versuchen müssen, an die materielle Unterrichtsgestaltung so wenig als 
möglich zu rühren, wenn wir zur Unterrichts Verteilung Stellung zu 
nehmen haben. Natürlich wäre wohl eine günstigere Verteilung von 
selber gegeben, wenn der Unterrichtsinhalt ein anderer, günstigerer, z. B. 
einheitlicherer wäre. Aber wir müssen uns sagen, daß es ganz unver- 
hältnismäßig leichter sein, in den Sehulorganismus viel weniger tief ein- 
greifen wird, die Unterrichtsverteilung umzugestalten, als den Unterrichts- 
inhalt, der eben von gewissen unerbittlichen Ansprüchen des Lebens 
abhängig bleibt, und daß wir auch einen Unterricht, der seinem Inhalt 
nach hygienisch viel zu wünschen übrig läßt, doch hygienisch befriedi- 
gend bemessen und anordnen können. In diesem Sinne bitte ich Sie 
meinen ersten Leitsatz zu verstehen. 

Bin ich also bereit, in sehr weitgehendem Maße mit dem Bestehen- 
den zu rechnen — in solchem Maße, daß ich die Frage einer Reduzie- 
rung des heute üblichen Unterrichtsquantums gar nicht diskutiere — , so 
muß ich nun freilich gleich meinen weiteren Erörterungen eine prinzi- 
pielle Forderung zugrunde legen, vor deren Erfüllung mir alle Unter- 
richtsreform Flickwerk zu sein scheint. M. H., es ist der Kardinalfehler 
der heutigen Mittelschule, ein Fehler, viel schwerer als alle Gedächtnis- 
überladung und Formelbildung usw., daß sie sich als eine innerliche 
Einheit betrachtet und ihre Zöglinge demgemäß behandelt, während doch 
das bedeutendste Ereignis jedes jugendlichen Lebens, die Pubertät, mitten 
in sie hineinfällt und sie in zwei Hälften schneiden sollte. Ich habe 
vor kurzem erst an anderer Stelle (im „Internat. Archiv f. Schulhygiene", 
das unser Herr Vorsitzender herausgibt) nachzuweisen versucht, wie 
schädigend auf die Psyche die Ignorierung dieser natürlichen Grenze 
seitens der Schule wirkt. Ich werde auch heute, wo es sich um die 
Unterrichtsverteilung handelt, an dieser Frage nicht vorübergehen können ; 
denn auch hier scheint mir eben die Umwandlung des inneren Menschen, 
die die Geschlechtsreife verkörpert, neue Gesichtspunkte zu fordern, und 
jenseits dieses natürlichen Marksteins, auf der Oberstufe unserer Mittel- 
schulen heißt das, ist allerdings das Problem der Unterrichtsverteilung, 
wenn man es nicht ganz vom niedrigen Standpunkt des hygienisch 
kleineren Übels allein anfassen will, vom Problem der Unterrichtsgestal- 
tung überhaupt nicht loszulösen. Ich werde also die Oberstufe für sich 
abhandeln und mich zuerst der Volksschule, der Unter- und der Mittel- 
stufe der Mittelschule zuwenden, für die die Gesichtspunkte im wesent- 



80 Yerhandl. d. VI. Jahresversammlnng d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

liehen gemeinsam sind. Es verbindet diese Schnlstufen gegenüber der 
Oberstufe vor allem das, daß ihre Zöglinge grundsätzlich richtig — in- 
tellektuell und moralisch — , vor allem aber intellektuell richtig behandelt 
werden; für die einzige Phase, für die das auch hier fraglich war, für 
die unterste Stufe nämlich, sind heute die besten Ansätze zum Kach- 
holen des Versäumten zu bemerken. Und das darf uns nicht wundem, 
denn mit dem Kinde befaßt sich die pädagogische Theorie und Praxis 
seit Jahrhunderten, der Jüngling aber ist noch immer eine terra incognita; 
das Wort Pubertät stand ja bis vor nicht langer Zeit auf dem Index der 
Wörter, die man nur flüsternd und mit vorgehaltener Hand aussprechen 
durfte. So ist denn für diesen Komplex von Unterrichtssiufen unsere 
Aufgabe wesentlich einfacher als für die Oberstufe. 

Wäre dies Problem der üntenichtsverteilung lediglich vom Ge- 
sichtspunkte der intellektuellen Ermüdung und Erholung her 
anzufassen, so hätten wir im geteilten Unterricht das hygienische Ideal. 
Denn es ist Tatsache, daß mit der Häufung von Unterrichtsstunden die 
Ermüdung fortschreitend wächst, und es ist nicht minder Tatsache, daß starke 
Ermüdung weniger rasch sich ausgleicht als geringe und viel eher die ver- 
hängnisvolle Bahn zur chronischen Übermüdung freimacht. Wir würden 
dieser Gefahr dann desto sicherer ausweichen, je längere Unter brechimgen 
wir zwischen die zeitlichen Unterrichtseinheiten einschieben — je mehr 
wir, heißt das, den Unterricht über den Tag verteilen. Aber jener Ge- 
sichtspunkt ist einseitig. Der Unterricht ist nur zum Teil Selbstzweck; 
zum größeren Teil Mittel der Erziehung, und auch für die intellektuelle 
Erziehung nur eines unter ihren verschiedenen Mitteln. Die Verzettelung 
des Unterrichts würde bedeuten, daß der ganze Tag dem Unterricht und 
der Erholung von ihm gewidmet wäre. Dabei käme die übrige Erzie- 
hung zu kurz, es bliebe weder für die Hausarbeit, noch für die häus- 
liche Erziehung, noch für die köi-perliche Bildung, noch endlich für die 
freigewählte Betätigung des einzelnen genügend Zeit übrig. Da aber 
diese pädagogischen Faktoren ebenbürtig neben dem Unterricht zur Gel- 
tung kommen müssen, so wird überall dort, wo eine Übermüdung ver- 
mieden werden kann, der ungeteilte Unterricht dem geteilten gerade im 
Interesse der harmonischen Gesamterziehung unbedingt vorzuziehen sein. 
Es muß betont werden, daß dieser Gesichtspunkt nicht bloß ein pädago- 
gischer, sondern ebenso sehr ein hygienischer ist. Denn die Gesundheit 
der jugendlichen Psyche ist nicht allein von den dem Intellekt zuge- 
muteten Anstrengungen, sie ist nicht minder von der physischen Aus- 
bildung und der sittlichen Haltimg, zu allermeist in den kritischen Jahren 
der Geschlechtsreife, abhängig; auch auf dem Boden unzureichender Er- 
ziehung nach diesen beiden Richtungen hin, und nicht nur immer als 
direkte Überbürdungsfolgen, erwachsen die Abnormisierungen neurasthe- 
nischer und hysterischer Art, und die Stählung der Psyche für die Kon- 
flikte des Lebens gar, die noch ganz andere Zumutungen an die Ge- 
sundheit stellen, kann am allerwenigsten einseitig vom Unterricht geleistet 
werden. Es ist gerade auch die geistige Gesundheitspflege, die den 
Unterricht der Erziehung unterzuordnen fordert und darum, wo die er- 
forderlichen Kautelen erreichbar sind, den ungeteilten Unterricht jeder 
anderen Form vorziehen muß. 



YerhandL d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 81 

Aber die Kautelen! Auch dieser Sorge gegenüber darf man zunächst 
nicht vergessen, daß, wenngleich der ungeteilte Unterricht stärker er- 
müdet, er doch auch die ausgiebigere Erholungszeit gewährt und schon 
damit bis zu einem gewissen Grade seinen Nachteil sicherlich völlig zu 
paralysieren vermag. Aber eben doch nur bis zu einem gewissen Grnde 
— und wieweit, darüber streiten die Gelehrten und die Praktiker. 

Als sicher können wir annehmen, daß eine Aufeinanderfolge von 
4 Zeitstnnden, durch Pausen getrennt, keine Ermüdung erzeugt, die nicht 
durch den folgenden unterridits&eien Nachmittag und die Nacht regel- 
mäßig wieder ausgeglichen würde. Mindestens gilt das für Kinder von 
10 Jahren aufwärts, also für die zweite Hälfte der Volksschule und die 
gesamte Mittelschule. Das ist ja auch der normale Vormittag bei be- 
setzten Nachmittagen gewesen, und es wurde wohl noch nirgends be- 
hauptet, daß es der Vormittag sei, der die Gefahr der Übermüdung mit 
sich bringe. Wo also das wöchentliche Lehrpensum in 6 mal 4 Zeit- 
stunden erledigt werden kann, dort ist die Frage des ungeteilten Unter- 
richts gelöst. Annähernd gilt dies z. B. für die Sexta und Quinta aller 
preußischen Mittelschulen, in der bei 25 Unterrichtsstunden nur ein Vor- 
mittag über die vierte Stunde hinaus zu belasten wäre. Das Turnen 
ist selbstverständlich dabei nicht einbezogen. 

Aber das scheint ein schwacher Trost zu sein, denn die Sexta ist 
eben nicht die Schule. Schon die Stundenziffer der Quarta zwingt uns 
mit ihren 29 Stunden, wollen wir den ungeteilten Unterricht durchsetzen, 
zu einem Ausweg. Der eröffnet sich uns in der Einführung der ver- 
kürzten Unterrichtseinheit. Wenn es nämlich gelingt, das Unter- 
richtsziel anstatt in einer Stunde in einem kürzeren Zeitraum zu er- 
reichen, 80 sind wir auch für eine etwas größere Lektionenziffer als 25 
über die Schwierigkeiten hinweg. So z. B. wäre es möglich, in 4 Zeit- 
stunden, nötigenfalls (unter Einschaltung größerer Pausen nämlich) in 
4y^ Stunden 5 Lektionen zu erledigen, wenn sich die Lektion auf eine 
Dauer von 40 Minuten (statt, wie bisher, auf 50 oder gar 55) zurück- 
schrauben ließe, und der ungeteilte Unterricht wäre imstande, an 6 Vor- 
mittagen 30 Lektionen zu bewältigen. 

Die Hygiene könnte nur ihren Segen hierzu geben. Wiederholte 
Untersuchungen haben ihr gezeigt, daß die Lektionsdauer von 55 Minuten, 
auch von 50, im Durchschnitt zu groß ist; wo immer stete und ge- 
spannte Aufmerksamkeit gefordert wird (und das ist auf der elementaren, 
der Unter- und Mittelstufe fast ausnahmslos der Fall!), dort beginnt schon 
nach 30 Minuten eine deutliche Ermüdung sichtbar zu werden, die eine 
Fortsetzung des Unterrichts über die Dauer von 45 Minuten hinaus 
widerrät. Im Interesse der geistigen Gesunderhaltung sollte also im 
Anfang, vom 6. bis 8. Lebensjahr, überhaupt nur in halbstündigen, mit 
der ferneren Unter- und Mittelstufe längstens in drei viertelstündigen 
Unterrichtseinheiten unterrichtet werden. 

Kombinieren wir diese Kurzstunden, wie wir sie weiterhin nennen 
wollen, so kommt es natürlich füi* die Berechnung der gesamten Zeit- 
summe auf die Dauer der eingeschalteten Pausen an. Auch hierfür hat 
nun die Hygiene nachdrückliche Forderungen aufzustellen. Die heute 
übliche Unterbrechung des Unterrichts leidet an zu kurzen Pausen und 

Verbandlangen 1906. 6 



82 Verhandl. d VI. Jahres versammlang d. AUgem. Deutsch. Vereins etc. 

an ihrer falschen Verteilung. Wir verlangen 10 Minuten als Mindest- 
pause, und auf Grund exakter Untersuchungen über die Ermftdung und 
Erholung verlangen wir femer, daß die Pausen mit zunehmender Lek- 
tionenzifTer wachsen. 5 Lektionen würden also der Reihe nach durch 
Pausen von 10, 15 und 20 Minuten zu trennen sein, mindestens aber 
müssen zwei Pausen von 10 und zwei Pausen von 15 Minuten gefordert 
werden. Dabei ist darauf zu halten, daß nicht der Lehrer durch un- 
nötige Manipulationen (z. B. umständliche Feststellung der Hausaufgaben 
und Eintragungen ins Klassenbuch) die Pausen verkürze. 

Freilich ist damit nun nicht mehr zu erreichen, daß 5 Lektionen 
in 4 Zeitstunden erledigt werden. Denn unter Berücksichtigung der ge- 
forderten Pausendauer würde der Stundenplan bei dreiviertelstündigen 
Unterrichtseinheiten sich so gestalten: 8— 8*^ 8^^— 9*^ 9^—10**, 10*«— 
l^ib^ 11«> — 12*-\ Das sind also reichlich 4% Zeitstunden. Aber wir 
müssen bedenken, daß diese Überschreitung ja wesentlich durch die ge- 
nügenden Pausen so reichlich ausfallt. Mit Unterrichtseinheiten von 
40 Minuten und lediglich zehnminutigen Pausen ließen sich freilich 
5 Lektionen in genau 4 Zeitstunden zusammendrängen. Aber ich glaube 
erstens, daß 40 Minuten als Norm für eine Lektion in absehbarer Zeit 
nicht ohne Vermehrung der wöchentlichen Lektionenziffer zu erreichen 
sein dürften, während mit den % Stunden sich schon an verschiedenen 
Orten die Lehrerschaft abgefunden hat. Und zweitens sind hinreichende 
Pausen viel wichtiger als das Schönheitsideal der runden netten 4 Zeit- 
stunden. In Anbetracht der kürzeren Stundendauer und der reichlicheren 
Erholungsmöglichkeit, meine ich, ist die Vormittagsnorm von 4 Stunden 
35 Minuten ohne Bedenken einzuräumen. Dafür erreichen wir ja, daß 
der ungeteilte Unterricht för die ganze V^olksschule, die Unterstufe und 
die Mittelstufe der höheren Schule gleichmäßig durchgesetzt werden kann. 
Und das ist für den Vertreter der Gesundheitspflege ein Ziel, so aufs 
Innigste zu wünschen, daß er schon darum, und mit Rücksicht auf die 
Ermüdungswerte innerhalb der einzelnen Stunde nun erst recht nach- 
drücklich die Herabsetzung der Unterrichtseinheit auf 45 Mi- 
nuten als die grundlegende Forderung für die hygienische 
Unterrichtsgestaltung schlechthin aufstellen darf. 

Ist diese Forderung nicht durchzusetzen, so hätten wir uns zwischen 
einem ungeteilten Unterricht, der die Vormittage mit 5 Vollstunden be- 
setzt, und der Unterrichtsteilung zu entscheiden. 

Den üblichen Fünfstunden-Unterricht muß ich als hygie- 
nisch verwerflich bezeichnen. Er ist ja an sich nur erreichbar, indem 
fünf Lektionen vou je 50 Minuten, durch unzureichende Pausen getrennt, 
kombiniert werden. In dieser Aufstellung wirken drei gesundheitswidrige 
Momente einträchtiglich zusammen: 1. die übermäßige Lektionsdauer, 
2. die übermäßige Häufung dieser übermäßig langen Lektionen, 3. die 
ungenügende Erholungsmöglichkeit zwischen den Lektionen. Wären wir 
gezwungen, dieses System einzuführen, so müßte seine Schädlichkeit 
wenigstens durch längere Pausen, zwei zu je 10 und zwei zu je 20 Mi- 
nuten, kompensiert werden, obwohl das natürlich ein sehr unzulänglicher 
Ausgleich wäre; es ergäbe sich dann freilich sogar eine Unterrichtsdauer 
von 5 Stunden 10 Minuten, aber ich würde diesen Schönheitsfehler gegen- 



Verhandl. d. VI. Jahregveraammlmig d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 83 

über dem Vorteil, den er in sich birgt, für bedeutungslos halten. Indes, 
auch mit diesem Zugeständnis bliebe der ungeteilte Unterricht in 5 Voll- 
stunden so bedenklich, daß wir die ihm gegenüberstehende Möglichkeit 
des geteilten Unterrichts sehr ernstlich darauf prüfen müssen, ob sie 
nicht etwa das kleinere Übel — oder ob dieses kleinere Übel wirklich 
der übermäßig lange ungeteilte Unterricht bedeutet. 

Der Nachmittagsunterricht, diese unvermeidliche Folge der ünter- 
richtsteilung unter den deutschen Verhältnissen, die die Hauptmahlzeit 
des Tages auf den Mittag verlegen, ist seit einem Jahrzehnt ganz be- 
sonders der Angriffspunkt für die Überbürdungsklagen geworden. In 
seiner üblichen Lokalisation (2 — 4 Uhr) mit vollem Recht. Denn wir 
brauchen gar nicht erst den Ergographen oder das Ästhesiometer zu 
befragen, ob eine dreistündige Mittagspause (11 — 2 Uhr) imstande sei, 
überhaupt die durch den Vormittagsunterricht gesetzte Ermüdung sich 
ausgleichen zu lassen: selbst wenn das der Fall wäre, so bleibt die 
Verlegung geistiger Anstrengung mitten in die Verdauung 
der Hauptmahlzeit hinein ein für den Arzt schlechterdings 
undiskutierbares Unternehmen. Es ist schwer zu sagen, was da- 
bei stärker geschädigt wii'd, die Organe der Ernährung oder die Organe 
der geistigen Tätigkeit; wahrscheinlich leiden Digestion und Nervensystem 
gleichmäßig darunter. Daß das Gehirn während der Magenverdauung 
unter höchst ungünstigen Blutzuflußverhältnissen sich befindet, ist Tat- 
sache; ob vielleicht auch gleichzeitig noch Stoffwechselprodukte im Blute 
kreisen, die wir analog denen bei gestörter Digestion als Nervengifte anzu- 
sprechen haben, und ob dies mit dem Überwiegen animalischer Eiweißkost 
(Fleischkost) in unserer durchschnittlichen Ernährung zusammenhängt, bleibe 
dahingestellt. Die Spannkraft des jugendlichen Organismus möchte wohl 
freilich momentan noch die Schädigungen überwinden, die aus jener 
Kombination fließen; für die Dauer kaum. Und als düsteres Warnungs- 
signal erhebt sich hier die Beobachtung von der ganz ungeheuren Zu- 
nahme der nervösen Herzkrankheiten im letzten Jahrzehnt: Leiden, von 
denen wir wissen, daß sie ganz besonders häufig mit nervösen Verdau- 
ungsstörungen sich vergesellschaften, ja auf deren Grundlage sich heraus- 
bilden. Zudem ist die Ernährung breiter Schichten unseres Volkes ohne- 
dies eine recht fragwürdige; wir können es keinesfalls verantworten, sie 
bei den Kindern schon durch Erzwingung geistiger Leistungen zu beein- 
trächtigen, die ihrerseits wieder, in eine so ungünstige Zeitspanne ver- 
legt, das Nervensystem mehr als selbst die rein quantitative Überbürdung 
es tut gefährden. Nehmen wir hinzu, daß in die minimale Pause 
zwischen Mahlzeit und Unterricht sich noch der Schulweg und sehr oft 
noch wieder häusliche Schularbeit einschiebt, so ist der übliche Nach- 
mittagsunterricht für uns hygienisch absolut erledigt. 

Eine Verschiebung der Nachmittagslektionen um eine Stunde könnte 
hieran nicht viel ändern. Sie würde für die hinreichende Ausdehnung 
der Verdauungspause mindestens unsicher sein und brächte gegenüber 
der alten Lokalisation noch den Nachteil einer stärkeren Verzettelung 
des Nachmittags mit sich. Für einen hygienisch überhaupt diskutablen 
Nachmittagsunterricht müssen wir eben zwei Grundforderungen fest- 
halten: einmal, daß er frühestens zwei Stunden nach der Beendigung 

6* 



84 Verhandl. d. VI. JahreBversammlnng d. Allgiem. DentBch. Vereins etc. 

der Hauptmahlzeit beginne, und dann, daß er dem Schüler eine zusammen- 
hängende Freizeit am Nachmittag garantiere. Diese Forderungen sind 
beide einzig und allein erfüllt im Spätnachmittagsunterricht, der, 
je nach der Dauer des Vormittagsunterrichts, von 5 — 7 oder auch von 
4 — 7 sich erstreckea könnte. 

Aber auch gegen eine solche Einrichtung sprechen mancherlei Ar- 
gumente der geistigen Gesundheitspflege, gröbere und feinere, und sie 
verketten sich mit pädagogischen Bedenken. Im Sommer würden die 
Spätnachmittagsstunden häufig wegen Hitze ausfallen müssen — was 
freilich den üblichen Nachmittags- und den verlängerten ungeteilten 
Unterricht nicht minder trifft. Im Winter dagegen bieten jene Lektionen 
die Mißstände des Schulwegs in der Dunkelheit und des Unterrichts bei 
künstlicher Beleuchtung. Im Hinblick auf diesen letzteren Faktor denke 
ich weniger an eine Benachteiligung der Sehwerkzeuge, denn vom Arbeiten 
bei künstlichem Licht wird schwerlich eine andere Maßregel unsere Jugend 
entbinden können, als eine radikale Einschränkung der Hausaufgaben, 
und die Schule vermag jedenfalls hygienisch einwandfreiere Beleuchtungen 
zu schaffen, als die Kinder sie meistens daheim genießen; wohl aber an 
die erhebliche Luftverschlechterung, die nicht -elektrisches Licht in ge- 
füllten Bäumen bedingt. Indessen, das wären besiegbare Übelstände. 
Ernster ist schon der Schulweg in der Dunkelheit. Femer würde, falls 
der frühe Nachmittag zu körperlicher Betätigung benutzt oder falls er 
geistiger Ai*beit gewidmet wird, die Fähigkeit zur geistigen Kräfte- 
anspannung in der Spätnachmittagslektion in gleicher Weise stark herab- 
gesetzt sein. Und schließlich, was mir entscheidend erscheint: trotz 
allem Gerede über die „Freudigkeit^^ mit der das Kind zur Schule gehen 
soU, bleibt der Unterricht nach seiner ganzen Natur doch ein Druck, der 
auf der kindlichen Psyche lastet, und die Aussicht auf nochmalige Schul- 
stunden würde unvermeidlich die Nachmittagserholung sehr stark beein- 
trächtigen. Die Verzettelung des Unterrichts ist eben grundsätzlich vom 
Übel. Und darum wäre der Spätnachmittagsunterricht überhaupt nur 
als das kleinere Übel gegenüber dem „Verdauungsunterricht" dort in Er- 
wägung zu ziehen, wo es sich als unmöglich herausstellen sollte, eine 
Normierung der Lektion auf 45 Min. zu erreichen, so daß mehrere Vor- 
mittage mit 5 Langstunden entständen. Für diese Fälle möchte ich 
immerhin die Idee eines (freilich möglichst beschränkten) Unterrichts am 
Spätnachmittag mindestens für die Mittelstufe, für die das Bedenken des 
Schulwegs im Dunkel nicht so gravierend ist, nicht ohne weiteres von 
der Hand gewiesen sehen. 

Prinzipiell aber, das sei wiederholt, ist für die Volksschule und die 
Untermittelstufe der Mittelschule der ungeteilte Vormittagsunterricht auf 
der Grundlage der Normalstunde von 45 Minuten zu fordern; für die 
Einführungsstufe sind 30 minutige Lektionen anzusetzen. Ich sehe auch 
keine Kollision dieser Forderung mit der andern nach einem nicht zu 
frühen Schulbeginn. Daß der Unterricht auf der Unterstufe niemals 
vor 8 Uhr anfangen sollte, kann vom hygienischen Gesichtspunkt aus 
nicht bezweifelt werden. Wenn es sich aber als geraten erwiese, ihn 
im Winter noch später beginnen zu lassen, so braucht man ja nicht 
gleich um eine Vollstunde vorzurücken: der Unterrichtsbeginn um 7,9 



Verhandl. d. VI. Jahresversammlnng d. Allgem. Dentscb. Yereins etc. 85 

z. B. würde wahrscheinlich den hygienischen Ansprüchen genügen, und 
es wäre dabei der ungeteilte Unterricht noch immer bis 1 Uhr zu er- 
ledigen. Im großen ganzen halte ich das Beispiel Stockholms für vor- 
bildlich, wo in fünf Lektionen von je 45 Minuten mit ergiebigen Pausen 
(drei Pausen zu je 15 und eine sogar zu 30 Minuten) von 8 — 1 unter- 
richtet wird. — 

Wir betreten die Oberstufe der Mittelschule; und es ist ein Schritt 
in eine neue Welt. Oder sagen wir bescheiden: es sollte einer sein! 

Wer besucht die Oberstufe? Zum größten Teil die Anwärter des 
Hochschulstudiums; daneben, aber in sinkendem Maße, weil in diese 
Laufbahnen ebenfalls mehr und mehr der Jurist eindringt, künftige Be- 
amte, endlich künftige Offiziere und Anwärter höherer gewerblicher Berufe. 
Das ergibt schon ein klares Bild. Danach präsentiert sich uns 
die Oberstufe als die Vorbereitung auf die geistig und sitt- 
lich zur Führung bestimmten Stellen unseres Öffentlichen 
Lebens. Das scheidet sie grundsätzlich von der Mittelstufe, die, mit der 
Verleihung des Einjährigenzeugnisses abschließend, immer noch eine 
Seitenlinie der elementaren Bildung darstellt. Man braucht das gar nicht 
zu beweisen; wer sehen will, der sieht, daß die Hochflut der Einjährigen- 
anwärter heute schon auf die nur mittelstuiigen Realschulen abströmt, 
und daß auf der höchsten Stufe der Volksschule Versuche auftauchen, 
sich der Mittelschule zu nähern (durch fakultative Einführung einer 
Fremdsprache z. B.); und beide Schularten sind überdies durch die 
Zwischenform der Bürgerschule miteinander verbunden. Ferner ist beiden 
gemeinsam, daß sie den Zögling noch vor Eintritt ins Jünglingsalter ent- 
lassen — deutsch gesagt, Knaben entlassen. Die Oberstufe aber um- 
spannt die Höhe der Geschlechtsreife und deren Abklärung: die erste 
Phase des Jünglingsalters. Sie knüpft sich also psychologisch viel enger 
ans vor ihr liegende Leben, als an die hinter ihr liegende Mittelstufe; 
man möchte sagen, ihr Zusammenhang mit der Mittelstufe sei ein imter- 
richtstechnischer, ihr Zusammenhang mit dem Leben organisch. 

Ihre sittlichen Aufgaben stehen hier nicht zur Erörterung. Aber 
es sei nachdrücklich betont, daß Moral und Litellekt nicht abstrakte 
Separata sind, sondern in jeder Psyche, und nicht am wenigsten in der 
gärenden Jünglingsspyche ineinander greifen, unangemessene ünterrichts- 
maximen berühren auch die sittliche Entwicklung in empfindlicher Weise, 
ja der Schaden, den sie damit anrichten, ist unberechenbarer als der 
intellektuelle: was an der Bildung der sittlichen Persönlichkeit verfehlt 
oder versäumt wurde, läßt sich nicht so einfach abschütteln, überwinden, 
nachholen, wie geistige Lücken oder Überbürdung. 

Die Jahre des angehenden Jünglingsalters sind aber die vielleicht 
wichtigsten für die Entfaltung der Persönlichkeit überhaupt. Will der 
Unterricht an dieser Entfaltung mitarbeiten, so hat er zweierlei zu 
geben: Freiheit und Stetigkeit. Freiheit, die Atmosphäre, in der 
allein Persönlichkeit werden kann, Stetigkeit, das Gegengewicht gegen die 
Sprunghaftigkeit der Hochpubertät, die der Persönlichkeit gefährlichste 
Klippe ist. Ins Unterrichtstechnische übersetzt, heißt Freiheit: weit- 
gehende Fakultation und vomchtige Zurückhaltung des Lehrenden, dem 
hier wesentlich die Aufgabe der Darbietung, der Anregimg zufällt; und 



86 Verhandl. d. VI. JahresTergammlang d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

heißt Stetigkeit: Vermeidung des raschen Wechsels in der Interessen- 
und Gedankenrichtung. Wie setzt sich beides in der speziellen Angelegen- 
heit der Unterrichtsverteitung durch? 

Das Unterrichtsquantum zunächst wird auf der Oberstufe kaum einer 
Herabminderung gegen heute fähig sein. Wir können hier stärker als 
irgendwo die größte Einschränkung häuslicher Zwangsarbeit fordern^), aber 
die Stundenziffer von mindestens 32 wird zumal bei der Dreiviertelstunden - 
norm schwerlich zu vermeiden sein. Da soll eben die Fakultation nach- 
helfen. Selbst wenn wir die Verkürzung oder gar die Abschaffung eines 
oder des andern Faches erreichten — ante portas stehen schon neue 
Petenten, die die Biologie eingefährt, die Geographie erweitert, die 
Hygiene aufgenommen sehen möchten. 

Diese 32 oder mehr Lektionen sind zu verteilen. Das bedeutet schon, 
daß wir mit 6 Yormittagen zu 5 Lektionen hier nicht auskommen. Wir 
müssen also entweder einen oder zwei Vormittage zu 6 Lektionen schaffen, 
oder einen Nachmittag belasten. Dem ersteren stehe ich grundsätzlich 
ablehnend gegenüber; für die Oberstufe desto mehr, je weniger hier die 
Häufung des Lektionenwechsels dem Prinzip der geistigen Stetigkeit ent- 
spricht. 

Ich finde aber, daß der Nachmittagsunterricht an sich auf der 
Oberstufe nicht den Bedenken begegnet, die uns ihn für die niederen 
Stufen verwerfen ließen. Erstens: die häusliche Erziehung fällt hier nicht 
mehr so ins Gewicht, wie früher. Die Volksschule entläßt die Vierzehn- 
jährigen, die Mittelstufe der Mittelschule die Sechzehnjährigen ins Leben — 
und das frühe Jünglingsalter ist an sich eine Zeit der inneren Eman- 
zipation vom elterlichen Einfluß. Zweitens: der Unterricht, wenn er unsere 
eben genannte Forderung erfüllt, nähert sich selber mehr der freige wählten 
Tätigkeit. Es ist also nur zu fordern, daß für die gymnastische Aus- 
bildung genug Raum ausgespart bleibe — dann darf der Nachmittags- 
unterricht erzieherisch unbedenklich genannt werden. Natürlich der 
Spätnachmittagsunterricht. Denn auch für ihn entfallen die beiden 
wesentlichen Bedenken, die wir früher erhoben: der Schulweg im Dunkeln 
— darüber ist wohl kein Wort zu verlieren; und der Schuldruck — 
der darf eben beim richtig verstandenen Unterricht auf der Oberstufe 
nicht vorhanden sein. Er ist um so weniger ins Feld zu führen, da wir 
dem Nachmittagsunterricht wesentlich nur die Fächer vorbehalten wollen, 
die an sich und nun gerade auf der Oberstufe rein anregende, sagen 
wir einmal ungeniert: unterhaltende, d. h. eben mehr das Interesse als 
die Aufmerksamkeitsspannung beanspruchende sind: ich nenne Ihnen Ge- 
schichte, Deutsch, neusprachliche Lektüre, Chemie. Mathematik, mathe- 
matische Physik, Grammatik bleiben unter allen Umständen der Morgen- 
frische reserviert. Ich wüßte also keinen ernstlichen Einwand dagegen, 
für die Oberstute einen Stundenplan vorzuschlagen, der 3 Tage unge- 
teilten mit 3 Tagen geteilten Unterrichts wechseln läßt, so daß etwa 
Dienstag, Donnerstag, Samstag mit 5 Vormittagslektionen und freien 



^) Auf dem Realgymnasium, das mich vorgebildet hat, war sie schon 
damals in Pnma auf ein Minimum beschränkt, bis ein Provinzialschnlrat ihre 
ausgiebige Wiedereinführung verlangte. 



Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 87 

Nachmittagen, Montag, Mittwoch, Freitag aber mit 3 Lektionen am Vor- 
mittag und 3 Lektionen am Spätnachmittag und 5 stündiger Trennungs- 
pause ausgestattet sind. Es wird dann 3 Tage von 8 — 1, und die 
andern 3 Tage von 8 — 11 und 4 — 7 unterrichtet. Damit sind 33 Lek- 
tionen untergebracht. 

Wenn ich nun noch einen Schritt weiter gehe, so bin ich mir be- 
wußt, daß der letzte Vorschlag, den ich für die Oberstufe zu machen 
habe, keine Forderung, sondern lediglich eine Anregung sein 
kann, der ich eben nur eine Erörterung auf pädagogischer Seite und viel- 
leicht auch praktische Versuche gewidmet sehen möchte. 

Wir haben angenommen, daß auch für die Oberstufe die Normal- 
lektion von 45 Minuten Geltung haben solle. Nun ist es mir aber 
zweifelhaft, ob diese Lektion dem Prinzip der Oberstufe gerecht werden 
kann. Mindestens würde sie die Verbindung möglichst gleichai'tiger 
Fächer im Stundenplan fordern, z. B. Mathematik und Physik, Deutsch 
und Geschichte — da eben der Sprung von einer Interessen- und Denk- 
lichtung in eine völlig andere der für die Oberstufe unbedingt zu for- 
dernden Stetigkeit der geistigen Erziehung widerspricht. Ich möchte aber 
anregen, ob es nicht geraten wäre, dem Oberstufenunterricht zwei 
Einheiten zugrunde zu legen: eine kurze, „entwickelnde", die eigentliche 
Lehreinheit, und eine lange, die Verarbeitungseinheit; die kürzere zu 
45 Minuten, die längere zu 80. 

Daß pädagogisch die Existenz einer solchen verlängerten Unter- 
richtseinheit zweckmäßig wäre, ist mir schon mündlich von verschiedenen 
Seiten bestätigt worden; ich möchte gerade diese Frage zur Diskussion 
stellen. Hygienisch sehe ich keinen Grund, der dagegen spräche. Auf 
der Hochschule müssen die jungen Leute in allen ihren Übungen mehr 
als eine Stunde, oft zwei und mehr Stunden ausharren; und ich denke 
mir gerade die beiden Unterrichtseinheiten annähernd so, daß die kürzere 
dem Kolleg und die längere dem — sagen wir, dem Seminar entspricht. 
Wo die Aufmerksamkeit dauernd gespannt werden muß, eben bei der 
Entwicklung des Neuen, dort befürworte ich grundsätzlich keine längere 
Dauer, als die von 45 Minuten; von einer solchen Aufmerksamkeits- 
spannung ist aber in den Verarbeitungsstunden keine Hede. Wenn z. B. 
in der Geschichtsstunde der Lehrer von 2 oder 3 Schülern Vorträge über 
das zuletzt Entwickelte entgegennimmt, hierauf seine Kritik mit Er- 
läuterungen und Ergänzungen übt und endlich ein Stück aus einem 
Originalhistoriker liest oder lesen läßt — so ist die geistige Spannung 
während einer solchen Stunde der Spannung, mit der wir z. B. einem Vor- 
trag folgen, gar nicht zu vergleichen; eher derjenigen, mit der wir ein 
Schauspiel sehen. Trotzdem will ich keine dogmatischen Behauptungen 
aufstellen und überlasse die Entscheidung dem praktischen Ver- 
such und der experimentellen Ermüdungsmessung. Was mit der 
langen Unterrichtseinheit erzielt werden kann, ist die Vermeidung ge- 
häuften Wechsels. Denn nun kombinieren wir für die Tage des geteilten 
Unterrichts immer zwei Langstunden, früh zwei und nachmittags zwei; 
und man erhält den Stundenplan, den ich meinen Leitsätzen als Beispiel 
angefügt habe. Es ist der Plan der Oberprima der Karlsruher Oberreal- 
schule. Die angeschlossene Berechnung zeigt, daß dabei die Gesamtzeit, 



g8 Verhandl. d. VI. Jahres verBammluDg d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

die dem Unterricht gewidmet wird, nur 15 Minuten in der Woche 
weniger beträgt, als bisher, und auch die einzelnen Fächer nur unbe- 
deutende Veränderungen erfahren. Gegenüber dem heutigen ünterrichts- 
quantum der Oberstufe ist also dieser Entwurf so opportunistisch, wie 
nur möglich. 

Ich möchte nocK auf einige Vorzüge hinweisen. Erstens verteilen sich 
die Hausarbeiten bei diesem Plan gewissermaßen durch eine Selbst- 
regnlierung sehr zweckmäßig. Denn es ist ja klar, daß die Hauptlast 
der häuslichen Arbeit auf den Tagen ruhen wird, an denen neue Dinge 
entwickelt worden sind und fElr die Verarbeitungsstunden vorbereitet 
werden müssen. Das sind aber die Tage mit den freien Nachmittagen 
— während die Tage mit langen Untenichtseinheiten von häuslicher 
Nacharbeit relativ verschont sein werden. Zweitens raubt dieser Plan im 
Winter den Schülern nicht den hellen Nachmittag; ja, er läßt ihnen 
an drei Tagen die Wahl, diesen Nachmittag (von 2 — 4) oder den R«st 
des Vormittags (11 — l) zur Erholung auszunützen. Drittens werden die 
bei ausgiebigerer Fakultation unvermeidlichen Springstunden auf ein 
Minimum reduziert und zum Teil in echte Freistunden umgewandelt; wer 
z. B. am Französischen nicht teilnähme, hätte nur am Donnerstag eine 
Springstunde, am Freitag früh aber von 9^ an und am Montag Nach- 
mittag bis 5^ frei. Die Schüler haben damit von ihren Dispensationen 
einen wirklichen Nutzen für ihre Zeiteinteilung, während Springstunden, 
zumal bei 45 Minuten Dauer der Stunde, sonst fast stets vertrödelte 
Stunden sind. Und viertens — und das ist ein Punkt, auf den ich 
sehr großes Gewicht lege — wird ein Plan, wie dieser, einem sehr ver- 
breiteten seelischen Typus gerecht, der gerade mit dem Jünglingsalter 
aufs Deutlichste in die Erscheinung zu treten pflegt. Ich meine die 
Morgenschläfer, das sind diejenigen, die am Morgen erst ihre größte 
Schlaftiefe erreichen und während des Vormittags weniger leistungsfähig 
zu sein pflegen, als am Nachmittag und Abend. Da ich selber zu dieser 
Mcnschenklasse gehöre, so weiß ich, welchen unermeßlichen Vorteil ein 
Spätnachmittagsunterricht für sie bedeutet — ich weiß es aus den Er- 
fahrungen meiner Universitätszeit. Dieser Typus wird beim ungeteilten 
Unterricht einfach um die Möglichkeit gebracht, im Unterricht sein Bestes 
zu geben. Gleichgestellt ist er ja mit dem andern, för den die Morgen- 
stunde Gold im Munde hat, auch so noch nicht; aber seine Ansprüche 
fallen doch wenigstens nicht ganz unter den Tisch. 

Das stärkste Bedenken, das mir selber gegen meinen Gedanken ge- 
kommen ist, möchte ich nicht verschweigen: wir erstreben auf allen Ge- 
bieten die englische Arbeitszeit, und nun wollen wir gerade für die 
Jünglinge unserer Mittelschulen ihr einen Damm entgegenschieben, indem 
wir die Spätnachmittagsarbeit einfahren? Das klingt politisch sehr groß- 
artig, aber es nicht stichhaltig. Denn in dem Augenblicke (ich sehne 
ihn selber herbei), da in unserm öffentlichen Leben grundsätzlich die 
englische Arbeitszeit siegt, sind wir ja eben unsere verpfuschte deutsche 
Tageseinteilung mit der Mittagshauptmahlzeit los, und wenn wir nicht 
mehr die stärkste Verdauung am frühen Nachmittag, sondern gegen Abend 
zu erwarten haben, so hindert uns nichts mehr, den Unterricht z. B. von 
8 — 11 und 12 — 2 oder 1 — 3 — oder so ähnlich zu erteilen, wie es 



Yerhandl. d. VI. Jafaresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 89 

in Frankreich und England heute schon z. T. geschieht. Das ist also 
durchaus eine cura posterior, und zunächst werden leider wohl noch 
Jahrzehnte vergehen, während deren der Deutsche sein kümmerliches 
Kaffee-mit-Brötchen-Frühstück, sein zeitlich unzweckmäßiges Mittagessen 
und seinen ganzen in Arheit verzettielten Tag festhält. Ich glauhe, so 
lange wäre es nicht geraten, die Hände in den Schoß zu legen. 

Sie werden an diesen letzten Erörterungen vielleicht tadeln, daß sie 
sich zu wenig mit der Ermüdungsfrage befassen. Aber das tun sie mit 
Bewußtsein. Denn das steht doch fest: die ängstliche Fürsorge, die wir 
dem Kinde schuldig sind, kann in dem Maße für den Jüngling nicht 
fortdauern. Gerade wenn die Oberstufe ihre Aufgabe richtig erfaßt, 
als eine Vermittlung zwischen Schule und Leben nämlich, wird sie an 
die Spannkraft höhere Anforderungen stellen müssen, als es noch 
die Mittelstufe tun dürfte. Im Vordergrunde der Oberstufenhygiene 
steht die Berücksichtigung der natürlichen Entwicklungstendenzen des 
Jünglings ; und ein Oberstufenunterrißht, der der Freiheit und der Stetig- 
keit Rechnung trägt, wird auch bei starken Anforderungen viel weniger 
leicht schädigend wirken, als ein Unterricht mit noch so niederer Stunden- 
ziffer und noch so verminderten didaktischen Ansprüchen, der sich jenen 
Ginindforderungen der Freiheit und Stetigkeit verschließt. Denn das 
glaube ich ganz fest: die meisten nervösen Alterationen, die auf dieser 
Stufe entstehen, wurzeln viel weniger in intellektueller Überbürdung, als 
in der gewaltsamen Belastung der Jünglingspsyche mit Zumutungen, über 
die sie innerlich gerade um diese Zeit hinauswachsen soll. Solange wir 
den Piimaner intellektuell und sittlich behandeln wie den Sextaner, 
wird die Überbürdungsklage nicht verstummen, und wenn wir auch alle 
Hausarbeit abschafften und den Unterricht auf täglich 4 Stunden ein- 
schränkten; denn so lange wird ihm die Schule ein Druck, eine Last, 
ein Gefängnis sein. 

Nun ist mit dem alten System, das die ganze Mittelschule als eine 
psychologische Einheit auffaßt, prinzipiell noch immer nicht gebrochen. 
Ansätze zu einer Änderung sind da, sie wachsen auch, aber es sind doch 
erst Ansätze. Und so lange kann man freilich auch für die 
Oberstufe keine Unterrichtsteilung empfehlen. 30 Wochenstunden 
sind ja, die Stunde zu 45 Minuten gerechnet, an 6 Vormittagen unter- 
zubringen. Wir fordern dann nur, daß möglichst gleichartige Stunden 
verbunden werden und daß, wenn der Nachmittag wissenschaftlich be- 
lastet wird, nur der Spätnachmittag in Frage komme. Prinzipiell aber 
setze ich hinter die Unterrichtskonzentration und hinter die '/^ Stunde 
auf der Oberstufe ein Fragezeichen. Ich wül damit sagen, daiß ich bei 
einer prinzipiell gesünderen Auffassung der Oberstufenziele unbedingt 
bessere Organisierungsmöglichkeiten für den Oberstufenimterricht vermute, 
als die Konzentration unter Zugrundelegung der Kurzstunde es ist. Wie- 
weit meine Anregungen solche Möglichkeiten darstellen, muß ich der 
Praxis, dem Experiment und dem pädagogischen Urteil amheimgeben zu 
entscheiden. — 

M. H., vom gymnastischen Unterricht habe ich bisher nicht 
gesprochen. Aber in diesem Schweigen liegt eine Grundforderung schon 
inbegriffen: der gymnastische Unterricht mag sein, wie er will, niemals 



90 Verhandl. d. VI. JahresyerBammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

und ant«r keinen umständen darf er mit dem wissenschaftlichen und 
ästhetischen Unterricht durcheinander gemischt werden. Am allerwenig- 
sten, wenn er, wie an unsem Schulen, Turnen ist. Es handelt sich hier 
einmal darum, daß körperliche Anstrengung zu geistiger untauglich macht, 
jede Unterrichtsstunde nach dem Turnen also pädagogisch ergebnisarm 
und gesundheitlich mindestens nicht förderlich wird, sowie darum, daß 
körperliche Anstrengung keine Erholung nach geistiger Anstrengung be- 
deutet, sondern ein Fortschreiten der Abspannung. Und dann verbindet 
gerade das Turnen mit der körperlichen Anstrengung eine eminente psy- 
chische, denn es verlangt höchste Anspannung der Willenskraft, der 
Selbstbeherrschung, des Wagemuts, genaue Koordinierung der Bewegungs- 
Innervationen — es will ja ausgesprochen dazu erziehen, daß der Geist 
den Körper in der Hand habe; es ist also schlechterdings kein Gegen- 
gewicht gegen die durch geistige Arbeit entstandene Ermüdung, sondern 
Fortsetzung dieser. Der gymnastische Unterricht muß also 
grundsätzlich aus dem wissenschaftlichen Stundenplan ver- 
schwinden. Erst nach hinreichender Erholung darf er seinen Anfang 
nehmen — d. h, beim ungeteilten Unterricht am Nachmittag. Und hier 
gilt nun ganz besonders stark die Notwendigkeit des Respekts vor den 
vegetativen Funktionen; die Gymnastik beginne nie während der Ver- 
dauung, sondern frühestens eine Stunde nach Beendigung der Mahlzeit. 
Auf die materielle Frage, ob die Gymnastik überhaupt einseitig im 
Turnen bestehen solle, kann ich hier nicht eintreten. Aber das möchte 
ich doch andeuten, daß die körperliche Erziehung desto besser, auch 
hygienisch wertvoller sein wird, je vielseitiger sie ist, und von diesem 
Gesichtspunkte aus rede ich einer viel ausgiebigeren Berücksichtigung des 
Spiels und Sports, als sie heute im Durchschnitt stattfindet, das Wort. 
Auch das sollte man nicht vergessen, daß der Gesang zur Gymnastik 
gehört; ich halte ihn für physisch bedeutsamer, als viele Prozeduren an 
unsem künstlich ausgeheckten Turngeräten. 

Für die Oberstufe aber ist unbedingte Fakultation des 
gymnastischen Unterrichts zu fordern. Man glaube nur nicht, 
daß man in den Jünglingen fürs Leben eine besondere Anhänglichkeit 
an körperliche Betätigung erwecke, wenn man sie zum Turnen zwingt. 
Auch hierin biingen diese Jahre eine schroffe Individualisierung mit sich, 
die es ganz wertlos ist, darniederhalten zu wollen; so mancher, der nicht 
turnen mag, findet lebhafte Lust an Sport oder Spiel. Der allgemeine 
Drang zu physischem Ausleben ist in diesem Alter lebhaft; Sache der 
Schule ist es, die Gymnastik so vorzüglich zu organisieren, daß keiner 
sich ausschließen mag. Gerade die Gymnastik soll aus der innersten 
Freude an ihr erwachsen; eine Gymnastik wider Willen, bei der einer 
den Schluß der Stunde herbeisehnt und auf alle Weise die Dispensation 
anistrebt, ist so wertlos, daß man über sie gar nicht ernsthaft zu dis- 
kutieren braucht. 

Daß die Pausen im wissenschaftlichen Unterricht nicht 
zu einem forcierten Austoben benutzt werden sollen, möchte 
besonders zu betonen sein. Das scheinbar natürliche Bedürfnis des 
Schülers ist hierin durchaus nicht gleichwertig mit dem Zuträglichen. 
Nach dem Stillesitzen — in dem man übrigens auch etwas mehr natür- 



Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 91 

liehe Anmut pflegen könnte; beute ist es vielfach geradezu ein sinnloser 
Eräfteverbraueh — macht sich naturgemäß ein starker Bewegungsdrang 
geltend. Aber seine Befriedigung schafft weder eine passende Erholung 
von der letzten, noch günstige Vorbedingungen für die kommende Stunde. 
Freilich wird hier der Takt entscheiden müssen, was zu erlauben und 
zu fördern sei. Vielleicht ist leichtes Haschen u. dgl. das Beste; denn 
bloßes Umhergehen verführt meist zu Unterhaltungen über den Unter- 
richt — und geschlossenes Herumführen ist etwas so Absurdes, daß ich 
es gar nicht erst als diskutabel erwähne. Auf eines aber soUte strenger 
geachtet werden: darauf, daß die Schüler ihr Frühstück in einer dazu 
bestimmten Pause (Stockholm setzt 30 Minuten an) verzehren und es 
nicht auf 3 oder 4 Pausen verzetteln. Denn diese Verzettelung ist der 
Verdauung wie dem nachfolgenden Unterricht in gleichem Maße nach- 
teilig, und sie sollte nur geduldet werden, wo etwa der Arzt die Er- 
nährung durch kleine Mahlzeiten verordnet hat. Das kann ja bei anä- 
mischen und djspeptischen Kindern gelegentlich vorkommen. 

Damit wäre ich eigentlich am Ende. Lassen Sie mich aber noch 
zwei Wünsche geltend machen. Der erste faßt die Hitzeperiode ins 
Auge. Ich deutete ja schon an, daß der ungeteilte Unterricht in seinen 
beiden Schlußlektionen häufig genug mit der Mittagshitze kollidieren 
wird; und für eine Teilung des Oberstufenunterrichts, wie ich sie an- 
regte, wäre die Beeinträchtigung durch die Hitze ebenso stark, wie heute 
für den üblichen Nachmittagsunterricht. Könnte man sich zu einer 
zweckmäßigen Ferienanordnung entschließen, bei welcher der ganze Juli 
und mindestens die erste Augusthälfte schulfrei wären, so fände damit 
die Schwierigkeit ihre Lösung, denn dann würde ein Ausfall nur noch 
sehr selten nötig sein. Solange aber noch immer in einem erheblichen 
Teil der Hitzeperiode imterrichtet wird, sollte man grundsätzlich vom 
1. Juni bis 31. August den Wochenstundenplan um wenigstens 3 bis 
4 Stunden kürzen, wenn möglich um 6. Denn es sind ja nicht bloß die 
heißen Tage, die den Schülern (samt den Lehrern) auf die Nerven fallen. 
Die allgemeine geistige Spannkraft laßt im Hochsommer nach, 
und diesem Nachlassen hat die Schule im hygienischen und im pädago- 
gischen Interesse Rechnung zu tragen. Unter den heutigen Verhältnissen, 
wo in den Juli und August 5 Wochen Ferien fallen, würde es sich bei 
meinem Vorschlage um 7 — 8 Wochen handeln, während deren die Haupt- 
fächer je eine Stunde den Temperaturverhältnissen zu opfern hätten. Ich 
denke, das wäre auch pädagogisch vorteilhafter als die unvermuteten und 
regellosen Ausfälle, die heute entstehen. 

Und zweitens einen Wunsch, der aus der geforderten Fakultation 
des Oberstufenunterrichts sich unvermeidlich ergibt. Gar wenn auch die 
Oberstufe den ungeteilten Unterricht erhält, entstehen durch die Fakul- 
tation zahlreiche Springstunden. Diese Stunden sind ein absoluter Ver- 
lust für die betroffenen Schüler — wenn die Schule nicht Räume bereit 
stellt, in denen sie sich während solcher Stunden beschäftigen können. 
Es handelt sich also um eine Einrichtung, die den seminaristischen 
Räumen an unsem Hochschulen entspräche. Ich möchte besonders darauf 
hinweisen, daß viele und gerade begabte Schüler der Oberstufe daheim 
einfach die Bedingungen fürs Arbeiten nicht mehr vorfinden. Nicht all« 



92 Verhandl. d. YI. Jahresveraammlnng d. Allgem. Deutsch. Vereins eic. 

Familien sind imstande, dem Sohne ein eigenes Zimmer einzuräumen, und 
in Pensionen liegen die Dinge vielfach ganz trostlos. Auch im Interesse 
dieser Schüler liegt es, wenn sie einen Teil ihrer Hausarbelt in Schul- 
räumen erledigen könnten. 

Ich bin am Ende, meine Herren. Sie wissen, daß ein Teil der 
Forderungen, in deren wesentlichen ich mich ja auch freudig eins mit 
meinen Herren Mitreferenten sehe, schon praktisch erprobt wird, und, 
wie es scheint, mit bestem Erfolge, und dies möchte ich, als letzter 
Referent, noch ganz besonders als Grundgesichtspunkt für unsere Dis- 
kussion Ihnen empfehlen: nur das Probieren kann uns abschließende 
Urteile ermöglichen. Unfehlbare Deduktionen gibt es in unserer Sache 
so wenig wie ein unfehlbares Gewohnheitsrecht. Der Unterrichts versuch 
im Bunde mit einer umfassenden Anwendung dos psychologischen Ex- 
periments allein kann uns die richtigen Wege weisen. Es ist vielleicht 
nicht so ganz überflüssig, das heute zu betonen, wo seit einiger Zeit die 
schöngeistige Phrase wieder sich breit und die Erziehung zu revolutio- 
nieren sich anheischig macht. Eine Zeitschrift, die der „pädagogischen 
Reform^' zu dienen vorgibt, hat die experimentelle Pädagogik sogleich 
im ersten Hefte verspotten zu müssen geglaubt. Das sind ernste Symp- 
tome, und sie bedrohen die ganze psychologische Forschung — man ist 
hie und da wieder einmal der Arbeit überdrüssig und wirft sich dem 
volltönenden Postulat in die Arme, der DedukMon und Spekulation. Um 
so fester müssen wir hier auf den nüchternen Ton der Erfahrung gestimmt 
bleiben. Und das Beste, was wir heute erreichen können, ist Freiheit 
zum Versuch! Mag man immerhin sagen: sie sind noch uneins: wenn 
man nur hinzufügt: aber es ist der Mühe wert, das, worüber sie streiten, 
durch den Versuch zu entscheiden. Das sei es, was uns, die wir aus 
verschiedenen Sphären hier uns zusammenfinden, Lehrer, Eltern, Gesetz- 
geber, Ärzte, verbinde: die goldene Praxis! 

Vorsitzender, Prof. Dr. Griesbach: 
Meine Damen imd Herren! 

Ich möchte Herrn Dr. Hellpach danken für seinen fein durch- 
dachten Vortrag. Mediziner und Pädagogen können aus diesem Vortrage 
reiche Anregung schöpfen. Ich glaube, daß der Vortrag sehr viel Stoff 
zum Nachdenken enthält, und welch hohes Interesse der Vortrag allen 
Anwesenden brachte, zeigt der lebhaft« Beifall, der dem Herrn Redner 
zuteil geworden ist. 

Wenn wir jetzt auf die Diskussion der drei Vorträge eingehen, so 
dürfte es sich fragen, ob es geraten wäre, die Diskussion zu trennen, 
erst die Volksschule und dann die höhere Schule in Angriff zu nehmen. 
Es sind manche Punkte vorhanden, die eine besondere Besprechung ver- 
langen. 

Diskussion. 

Antrag Vorstand: Im Anschluß an die Referate über den „un- 
geteilten Unterricht" werden die Leitsätze den ärztlichen Vereinen Deutsch- 
lands mitgeteilt und der Geschäftsausschuß des deutschen Arztevereins- 
bundes gebeten, diese Frage auf die Tagesordnung des nächstjährigen 
Ärztetages zu setzen. In gleicher Weise sollen die Leitsätze der deut- 



Verhandl. d. VI. Jahresvereaminlung d. AUgem. Dentach. Vereins etc. 93 

sehen Lehrerschaft, insbesondere auch der der höheren Schulen mitgeteilt 
und auch diese gebeten werden, diesen Gegenstand sowohl in ihren 
lokalen wie in den größeren Vereinen zu behandeln und streng auf die 
Abkürzung der theoretischen Unterrichtszeit auf 45 Minuten und die 
Einhaltung der vorgeschriebenen Pausen zu halten. Schließlich soll durch 
aufklarende Berichte in der Tagespresse von Zeit zu Zeit auf die ge- 
samte Elternschaft aufklärend gewirkt werden. Die 6. Jahresver- 
sammlung des Deutschen Vereins fEbr Schulgesundheitspflege erklärt, daß 
die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden nicht über 30 hinausgehen 
und daß die Unterrichtseinheit nur aus 45 Minuten bestehen darf. 

Antrag Hintzmann: Gegen die heute allgemein übliche Schul - 
Zeiteinteilung sind im hygienischen und unterrichtlich-erziehlichen Inter- 
esse schwere Bedenken zu erheben. Der Vorstand wird daher beauftragt, 
die geeigneten Schritte bei den Regierungen zu tun, um zahlreiche Ver- 
suche zu veranlassen, durch die die Frage der zweckmäßigen Unter- 
richtszeit ihrer Lösung entgegengeführt wird, auch die Ärzte- und Lehrer- 
vereine um ihre Mitarbeit hierbei anzugehen. 

Antrag Hörn: Der Deutsche Verein für Schulgesundheitspflege hält 
mit Rücksicht auf die körperliche Gesundheit und auf die Gesundheit 
und auf die Erziehung zu selbständiger geistiger Tätigkeit der Schüler 
der höheren Schulen für unbedingt erforderlich, daß die wöchentliche 
Stundenzahl einschließlich Chorgesang und einschließlich der wahlfreien 
Fächer 30 nicht überschreite. Bis zur Durchführung dieser Forderung 
empfiehlt es sich, den verbindlichen Unterricht auf den Vormittag zu 
legen und an diesem je 6 Stunden zu je 40 — 45 Minuten zu erteilen. 
Die deutschen Regierungen sollen gebeten werden, derartige Versuche auf 
Antrag zu gestatten. 

Antrag Baß: Die 6. Jahresversammlung des „Allgemeinen 
Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege" stimmt folgenden An- 
trägen ihres pädagogischen Referenten für Volksschulen über den un- 
geteilten Unterricht zu und unterbreitet dieselben den deutschen Unter- 
richtsverwaltungen : 

1. In Klassen, wo es infolge geringer* wöchentlicher Stundenzahl mög- 
lich ist, also besonders in Unterklassen, sollte der reine Vormittags- 
unterricht denjenigen Schulanstalten gestattet werden, die diese Ein- 
richtung wünschen. 

2. In höheren Klassen, wo durch den reinen Vormittagsunterricht eine 
höchstens 5 Stunden betragende Belastung der Schüler eintritt, ist 
die Zustimmung der Eltern einzuholen, ebenso wenn der Unterricht 
über 12 Uhr hinaus fortgeführt werden muß. 

3. a) Vorerst sind zahlreiche Versuche im Sommer und Winter wün- 

schenswert, durch welche besonders auch die Möglichkeit einer 
Verringerung der Stundenzahl auf 30 geprüft werden sollte. 

b) Solange der Nachmittagsunterricht nicht entbehrt werden kann, 
sind nur technische Fächer auf denselben zu verlegen. 

c) Die bestehenden Bestimmungen über Unterrichtspausen, Dauer der 
Ferien, Gewährung von Hitzvakanz im Sommer, Eisvakanz im 
Winter sollen für die Volksschulen in demselben Umfang gelten 
wie für die höheren Schulen. 



94 Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

Lehrer Baß ftigt zu, daß die Volksschulen bis zu 14 Jahren uud 
die höheren Schulen genau die gleichen Bedingungen haben. 

Professor Dr. Griesbach: 

Meine Herren! Sie haben gehört, daß eigentlich nur zwei Anträge 
vorliegen, da die Anträge des Vorstandes, Hintzmann und Hom sich zu- 
sammenfassen lassen. Ich eröffne die Diskussion. 

Prof. Martin Hart mann -Leipzig: 

Ich bekenne offen, daß ich ursprünglich und lange Jahre hindurch 
ein entschiedener Gegner des ungeteilten Unterrichts gewesen bin, weil 
es mir unerfindlich war, wie dabei die Klippe der Überlastung für Lehrer 
wie für Schüler vermieden werden könnte. Ich gestehe aber gern, daß 
die Ausföhrungen der Herren Referenten, daß namentlich die über mehrere 
Jahre sich erstreckenden Erfahrungen des Herrn Direktor Hintzmann 
großen Eindruck gemacht haben. Ich gehe natürlich nicht so weit, daß 
ich sagte: Der ungeteilte Unterricht muß überall eingeführt werden. 
Aber ganz berechtigt erscheint mir nunmehr das Verlangen, daß man 
an die Behörden mit dem Wunsche freier Bahn für weitere Versuche mit 
dem ungeteilten Unterricht herantritt, überall da, wo die Verhältnisse 
dafür sprechen, wo die Lehrerschaft von der Zweckmäßigkeit der Ände- 
rung überzeugt ist. Zu den vorgetragenen Argumenten möchte ich hier 
noch eins hinzufügen, das nicht unwichtig ist: Bei ungeteiltem Unter- 
richt wird es viel eher möglich sein, die Forderung der tagtäglichen 
Reinigung der Schulräume zu erfüllen. Wenn es fQr jede anstän- 
dige Privatwohnung als selbstverständlich gilt, daß man täglich eine 
sorgfältige Reinigung vornimmt, so ist diese Forderung für Schulhäuser 
nur in einer kleinen Minderheit von Fällen verwirklicht. Ohne Frage 
würde der Wegfall des Nachmittagsunterrichts es erheblich erleichtern, 
zur täglichen Reinigung der Schulhäuser überzugehen, was eine neue 
Bürgschaft für die Gesunderhaltung unserer Jugend bedeuten würde. 

Die Hauptbedingung für die Einführung des ungeteilten Unterrichts 
ist natürlich die Verkürzung der Unterrichtseinheit auf 45 Minuten, und 
ich möchte hier nachdrücklich hervorheben, daß diese Verkürzung eine 
nicht unwichtige hygienische Refbrm darstellt, die auch ganz unabhängig 
von der Frage des ungeteilten Unterrichts eingeführt werden könnte. 
In meiner persönlichen Erfahrung hat sich mir schon lange die Tatsache 
aufgedrängt, daß eine Unterrichtszeit von 50 Minuten mehr ist, als was 
man bei Aufeinanderfolge mehrerer Lehrstunden billigerweise von den 
Schülern verlangen kann, und ich habe mir dabei vielfach so geholfen, 
nicht bloß auf der - Unterstufe, daß ich etwa in die Mitte der Stunde 
eine kleine Pause eingelegt habe, ausgefällt durch Aufstehen sämtlicher 
Schüler, womöglich bei geöffneten Fenstern, verbunden mit einigen 
leichten Freiübungen, wobei zur Stärkung der Augen Gesicht und Körper 
dem Fenster zugewandt waren. Mehr aber noch würden Unterrichts- 
stunden von 45 Minuten Dauer am Platze sein, um geistiger Über- 
anstrengung wirksam vorzubeugen. Wenn man den Studenten im all- 
gemeinen das volle akademische Viertel zubilligt, den Studenten, die 
wesentlich älter und reifer sind als Schüler, und die im allgemeinen 
wöchentlich lange nicht so viel Lektionen zu hören haben als Schüler 
(Unterbrechung: Oho!) — allerdings, meine Herren, pflegt der Student, 



Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 95 

soweit meine Kenntnis reicht, im allgemeinen wohl nicht viel über 
20 Stunden Kolleg zu hören, also erheblich weniger als die Stundenzahl 
der Schüler beträgt, — mit welchem Rechte also gibt man den jüngeren 
und stärker mit Stunden belasteten Schülern Pausen von kürzerer Dauer? 
Der scheinbare Verlust, der durch Herabsetzung der Unterrichtseinheit 
auf 45 Minuten entsteht, würde zweifellos reichlich durch größere Frische 
und Leistungsfilhigkeit der Schüler aufgewogen werden. Und dasselbe 
dürfte auch für die Lehrer gelten, wennschon diese hier erst in zweiter 
Linie in Betracht kommen. Ist es nicht eine bekannte Tatsache, daß 
Nervosität unter den Lehrern weitverbreitet ist, nicht nur unter den 
Lehrern der höheren Schulen, sondei'n auch unt«r denen der Volksschulen, 
namentlich in den Großstädten? Zahlen kann man ja darüber noch 
nicht geben, aber die Tatsache selbst ist leider nicht zu bezweifeln. Sie 
erklärt sich gewiß aus verschiedenen Ursachen, aber jeder praktische 
Schulmann wird zugeben müssen, daß dabei auch die bisher meist un- 
genügende Dauer der Pausen in Betracht kommt. Man bedenke nur, 
daß die Pause dem Lehi-er nur selten im Sinne wirklicher Erholung voll 
zugute kommt. Da sind manchmal Einträge zu bewirken, da ist etwas 
für die folgende Stunde vorzubereiten, da ist eine amtliche Angelegen- 
heit mit dem Direktor zu besprechen, da sind unter Umständen auch 
Besuche der Eltern zu empfangen, und es kommt tatsächlich manchmal 
vor, daß dem vielgeplagten Lehrer nicht einmal Zeit zur Befriedigung 
dringender leiblicher Bedürfnisse bleibt. Soll ein derartiges Hasten und 
Hetzen wirklich günstig auf den Zustand seiner Nerven wirken? Man 
gönne ihm daher eine — ich möchte sagen, etwas breiter bemessene 
Drehscheibe, o-uf der er sich etwas gemächlicher nach dem Geleis der 
folgenden Unterrichtsstunde zu bewegen kann. 

Natürlich müßten die Schüler in den verlängerten Pausen das 
Klassenzimmer auch wirklich verlassen, einschließlich der Herren Pri- 
maner, und es müßte für gute Lüftung der Zimmer Sorge getragen, 
werden. Ebenso muß streng auf größtmögliche Pünktlichkeit im An- 
fang und Schluß der Stunden gehalten werden. Denn Pünktlichkeit hat 
in der Schule nicht nur Bedeutung für die gute Ordnung, sondern auch 
für die Hygiene, und wenn einmal ein Lehrer die Forderung pünktlichen 
Schlusses seiner Stunde als eine ungerechtfertigte Zumutung mit dem 
Bemerken ablelmte, er sei doch kein Handlanger, der seine Arbeit mit 
dem Stundenschlage hinlege, so verrät das recht wenig Verständnis. Die 
Schüler haben ein gutes Recht auf die Pause, und dies darf ihnen nicht 
verkümmert werden. 

Direktor Hörn -Frankfurt a. M. tritt in erster Linie für eine Herab- 
setzung der Wochenstundenzahl auf 30 ein, und möchte das als Ausdruck 
des Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege hervorgehoben wissen. 
Er ist der Meinung, daß dadurch alle hervorgetretenen Schwierigkeiten 
am besten beseitigt werden. Sehr sympathisch ist ihm die von Dr. 
Hei Ip ach befürwortete Fakultation des Unterrichts auf der Oberstufe 
der höheren Schulen: diese ist aber nur durchzuführen bei Abschaffung 
der Abiturientenprüfung. Diese hat in unserer Zeit keine Berechtigung 
mehr, schon deshalb nicht, weil nachweislich dadurch die Nervosität der 
Jünglinge gesteigert wird. Das Wissen wird heutzutage überschätzt; wir 



96 VerhUndl. d. VI. JahreBversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

müssen eine geistig, körperlich und sittlich gesunde Jugend haben, dann 
brauchen wir fQr die Zukunft nicht zu fürchten. 

Stadtschulrat Dr. Wehrhahn: Ist für Abschaffung des Abiturienten- 
examens und bittet, dies in den Antrag aufzunehmen. 

Professor Dr. Griesbach: Ich wollte mir die Frage erlauben, ob 
es nicht besser wäre, eine so wichtige Sache, wie das Abiturienten- 
examen, in einer späteren Verhandlung zu behandeln 

Prof. Bay dt -Leipzig: Gestatten Sie mir, meine Damen und Herren, 
die Frage des zusammenhängenden Unterrichts vom Gesichtspunkte der 
Leibesübungen in freier Luft insbesondere der Jugendspiele zu betrachten. 
Über den gesundheitlichen und eraehlichen Wert der Jugendspiele brauche 
ich in dieser Versammlung nicht zu sprechen. Bei der Einführung der 
Jugendspiele in unser Schulleben ist eine der Hauptschwierigkeiten die 
Zeit. Denn unsere größeren Spiele, von denen ich spreche, bedürfen, 
um ihre gesundheitlichen und erziehlichen guten Wirkungen ausüben zu 
können, einer längeren Zeit, als die Turnstunde bieten kann. Wir be- 
dürfen eines allgemein verbindlichen Spielnachmittags. Diese Schwierig- 
keit wird durch den zusammenhängenden Unterrieht gelöst. 

Der Hauptpunkt bei der Erziehung der deutschen Jugend ist die 
Wehrkraft, die wir überall voranstellen dürfen. Unser Kaiser hat 
bei der Schulberatung vom Dezember 1890 das gute Leitwort gesagt: 
„Ich suche nach Soldaten, wir wollen eine kräftige Generation haben/^ 
Diesem Gesichtspunkte gegenüber müssen alle Schwierigkeiten weichen. 
Dem Buche „Wehrkraft durch Erziehung", dessen Widmung der Kron- 
prinz des Deutschen Reiches „sehr gern" angenommen hat, ist das Bild 
des Kaisers mit seiner Genehmigung vorangestellt. 

Ich bitte Sie, in den Fragen der Schulgesundheitspflege den Leibes- 
übungen genügenden Raum zu gewähren. 

Direktor Beinmüller -Hamburg berichtet, daß in Hamburg die un- 
geteilte Schulzeit an hohem Schulen und an der Volksschule seit langer 
Zeit besteht. Er setzt die Gründe der Einführung auseinander und be- 
stätigt, daß die Erfahrungen zufriedenstellende sind. Der normale Schüler 
ist nach der zusammenhängenden Unterrichtszeit nicht mehr ermüdet, als 
er sein darf, damit er am andern Morgen erfrischt wieder an die Arbeit 
gehen kann. Der Redner geht noch auf die besondem Lebensverhält- 
nisse in Hamburg ein, auch erwähnt er den spätem Schulanfang morgens, 
mit dem Hinweis, daß vielleicht diese Dinge den nachteiligen Wirkungen 
der ungeteilten Schulzeit vorbeugen. 

Professor Dr. Griesbach: 

Meine Herren! Wir haben jetzt die drei Anträge Hom, Vorstand, 
Hintzmann, die gemeinsam zu behandeln wären, und den Antrag Baß. 

Nach längerer Debatte zwischen den Herren Hintzmann, Baß 
und Griesbach zieht Lehrer Baß seinen Antrag zurück, nachdem 
Direktor Hintzmann erklärt hat, daß „für Volksschulen" ausdrücklich 
in seinen Antrag hineinkommen soll. 

Der Antrag Hintzmann wird in folgender Fassung fast einstimmig 
angenommen: 

Gegen die heute allgemein übliche Schulzeiteinteilung sind im hygie- 
nischen und unterrichtlich-erziehlichen Interesse schwere Bedenken zu er- 



Yerhandl. d. VI. Jahresversammluug d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 97 

heben. Der Vorstand wird daher beauftragt, die geeigneten Schritte bei 
den Regierungen zu tun, um zahlreiche Versuche an Volks- und höheren 
Schulen zu veranlassen, durch die die Frage der zweckmäßigen Unter- 
richtszeit ihrer Lösung entgegengeführt wird, auch die Ärzte- und Lehrer- 
vereine um ihre Mitarbeit hierbei anzugehen. 

Vorsitzender, Professor Dr. Griesbach: 

Dann, meine Herren, haben wir auf der heutigen Tagesordnung 
keinen Gegenstand mehr und wir können damit unsere VL Jahresver- 
sammlung schließen. Mir bleibt nur noch übrig, nach verschiedenen 
Richtungen hin meinen Dank auszusprechen, besonders den Behörden der 
Stadt und hauptsächlich denjenigen, die uns die schönen Räume des 
Landesgewerbemuseums überlassen haben. Des weiteren gebührt mein 
Dank auch allen den Herren Referenten, die es verstanden haben, die 
Versammlung so reich zu befruchten, und schließlich allen Teilnehmern 
der Versammlung, die den Verhandlungen ein so reges Interesse ent- 
gegengebracht haben. Damit schließe ich die VL Jahresversammlung des 
Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege in Stuttgart. 



YerhaudluQgen 1905. 



Festliche Yeranstaltungen 

zu Ehren der Teilnehmer an der 6. Jahresversammlnng des Allg. 
Deutschen Vereins für Schnlgesnndheitspflege. 

Wenn der Bericht über die diesjährige Jahresversammlung in 
Stuttgart von ernster Arbeit im Dienst der Sache, der der Verein 
sich widmet, sprechen konnte, von bedeutsamen Referaten und von 
rühmlicher Ausdauer der Teilnehmer, so ist auch von mancherlei 
freundlichen und schönen Veranstaltunger zu berichten, welche den 
Teilnehmern die Tage in der schwäbischen Hauptstadt verschönten 
und sie manche wertvolle und liebe Erinnerung mit heimnehmen 
ließen. Die Natur selbst bot ihr Bestes dazu, der blaue Himmel 
über der schönen schwäbischen Landschaft, über der Stadt zwischen 
den rebenbekränzten, waldgekrönten Hügeln, mit ihren blumigen 
Gärten und schattigen Parkanlagen. So bot gleich der erste Abend 
ein schönes, anmutiges Bild, gemütliche Stunden. Die Stadt Stutt- 
gart hatte für die Teilnehmer an der Jahresversammlung im Stadt- 
garten ein Festkonzert veranstaltet. So sammelten sich die Erst- 
linge der Angekommenen in der schönen Anlage, in der niltten in 
der Stadt, nur wenige Minuten vom Bahnhof entfernt, pirtnerische 
Kunst und glücklich erhaltene Naturschönheit sich zu einem reiz- 
vollen Ganzen vereinigen. Waren es auch nicht allzuviele, die sich 
hier schon trafen, so frentea sich, die da erschienen waren, der 
schönen Abendstunden, in denen der fast volle Mond sein Licht 
durch die mächtigen Kronen der alten Bäume , der Hauptzierde des 
Stadtgartens, leuchten ließ, und zu gemütlicher Aussprache sich die 
Gäste aus Nord, Ost und West mit den Schwaben zusammenfanden. 
Von einer Begrüßung im Garten hatte die Stadtverwaltung abgesehen. 
Sie blieb dem festlichen Eingang der ersten öffentlichen Versamm- 
lung vorbehalten. 

Am Morgen des ersten Versammlungstages boten sich, ehe die 
Arbeit begann, neue Veranstaltungen, weniger dem Genuß als der 
Belehrung gewidmet. Unter kundiger Führung wurden neue Schul- 
hausbauten besichtigt, die schöne „Schwabschule", die einen der 



Verhandl. d. VI. Jahresversanimluiig d. AUgem. Deutsch. Vereins etc. 99 

Volksschulfcomplexe beherbergt, der prächtige Bau der Königin- 
Katharinaschule, das Heim einer höheren Töchterschule, ideal 
gelegen am Rand der Königlichen Anlagen, ideal angelegt mit ihren 
hohen Schulsälen, ihren weiten Gängen, ihrer beneidenswert schönen 
Turn- und Festhalle. Mit den Beamten des städt. Hochbauamts 
machte dort Schulrat Dr. Mosapp, hier Oberstudienrat Heint- 
zeler den Führer. Der Rektor des Eberhard-Ludwigsgymna- 
siums, Oberstudienrat Dr. Straub zeigte in diesem jüngsten 
Schulbau, wie die Gelehrtenschule nicht nur vornehm und muster- 
haft untergebracht, sondern auch reichlich ausgestattet ist, so daß 
ob dieser Ausstattung mit Sammlungen und physikalischen Appa- 
raten der Naturwissenschaftler dem Humanisten neidig werden 
könnte. Zu anderer Zeit besahen sich die einen die Schulbaracken 
imd das neue. Schulhaus der Ostheimer Vorstadt, nachdem sie 
auf der Straßenbahnfahrt dorthin von der Höhe des Kanonenwegs 
den schönen Blick über die Stadt und auf die Stuttgarter Berge 
hatten genießen können, andere besuchten das Erholungsheim für 
Kinder, das draußen am Nordwestrand der Stadt kränklichen Kin- 
dern eine schöne gastliche Stätte bereitet, dem Walde nah, der fast 
auf allen Seiten der Stadt naherückt. Eine andere Schar bewunderte 
das mit erlesenem Geschmack eingerichtete, mit den neuesten balneo- 
logischen Errungenschaften ausgerüstete Schwimmbad, wo der um 
diese musterhafte Anstalt hochverdiente Gründer und Leiter, Geh. 
Hof rat Leo Vetter, mit seiner Gemahlin selbst die liebenswürdige 
P^ührung übernommen hatte. Knaben- und Mädchenschwimmklassen 
führten in ihren Schwimmbassins ihre flotten Übungen vor. Im 
W^irtschaftssaal des Schwimmbades sammelten sich die Besucher um 
den freundlichen Führer zu einem gemütlichen Vesperschoppen. 
Wieder andere, die nur den Genuß der Natur haben wollten, ließen 
sich auf der elektrischen Bahn auf die Höhe von Degerloch bringen, 
um von dort aus sich der hier in schönster Weise gebotenen Rund- 
sicht über das Stuttgarter Tal zu erfreuen. 

Eine einzigartige Aufmerksamkeit bot der Ortsausschuß den 
Damen der Gäste. Die Frauen des Ortsausschusses hatten sich mit 
anderen Damen als Führerinnen zur Verfügung gestellt, um den 
Damen die Stunden, während deren die Männer ernster Arbeit in 
langen Verhandlungen oblagen, angenehm verbringen zu helfen. Sie 
seien auch hier für den liebenswürdigen Dienst aufs freundlichste 
bedankt. 

Den Höhepunkt der festlichen Veranstaltungen für die Teil- 
nehmer am „Schulgesundheitskongreß" bildet die huldvolle Einladung, 

7* 



100 Verband!, d. VI. Jahresvereammlung d. AUgem. Deutsch. Vereins etc. 

welche vom König Wilhelm auf seine Schlösser Rosenstein und 
Wilhelma ergangen war. Nach einem Gang durch das mit vielen 
Kunstwerken angefüllte Rosensteinschloß ging die Gesellschaft 
— es waren ungefähr 200 Gäste — durch den Rosensteinpark nach 
dem mit diesem zusammenhängenden Wilhelmapark, unterwegs 
die weite Aussicht ins Schwabenland mit seinem gesegneten Neckar- 
tale, seinen Rebenhügeln, bis fem hin auf die Berge der Alb be- 
wundernd. Man begreift, daß der alte König Wilhelm, der hier 
seine Tage beschloß, sterbend sagte, es sei schwer, von einem so 
schönen Lande scheiden zu müssen. Auf der Wilhelma war im 
Festsaal die Tafel gedeckt. In Worten voll herzlicher schwäbischer 
Gemütlichkeit, die vergessen ließen, daß man Gast eines gekrönten 
Hauptes sei, bot im Namen des Königs der Oberhofmarschall 
Freiherr v. Wöllwarth den Gästen den Willkomm. Er trank 
auf das Wohl des geladenen Vereins. Der Vorsitzende des Vereins- 
vorstandes, Professor Dr. Griesbach dankte für die huldvolle Ein- 
ladung und Begrüßung und brachte ein begeistert aufgenommenes 
Hoch auf den König aus, an den zum Ausdruck der Huldigung und 
des Dankes ein Telegramm nach Schloß Friedrichshafen am 
Bodensee abging. Tags darauf konnte folgende Antwort des Königs 
dem Verein mitgeteilt werden: „Seine Königliche Majestät 
haben die Danksagung der Jahresversammlung sehr wohl- 
wollend entgegengenommen und danken für die darge- 
brachte Huldigung. Kabinetschef Gemraingen." Die Schloß- 
hauten der K. Wilhelma sind einzigartig in ihrer Schönheit. Im 
reichsten reinsten maurischen Stil erbaut, erscheinen sie wie die 
Hallen aus dem Märchen von Tausend und Eine Nacht. Während 
die Gäste im Festsaal sich die Weine des Königs munden ließen — 
neben dem Champagner fand man die auserlesenen schwäbischen 
Hofkammerweine, den weißen Rießling und den roten Untertürk- 
heimer als köstliche Tropfen — , ergoß sich ein Regen über den 
Park, der den geplanten Aufenthalt im Freien unmöglich machte. 
Glücklicherweise ziehen sich vom maurischen Festsaal bis zum kleinen 
maurischen Schlößchen Wandelgänge, in denen sich die Teilnehmer 
ergingen. Im Schlößchen wurde noch eine gemütliche Stunde bei 
einem Glas Bier imd duftendem Rauchkraut verbracht. Dankbar, 
um eine schöne Erinnerung reicher, schieden die Gäste aus den 
königlichen Räumen. Im Garten des nahen Wilhelmatheaters 
fanden sich noch gemütliche Gruppen zur Naclifeier zusammen. 

Am zweiten Haupttag machte das Festmahl im Hotel Mar- 
quardt den offiziellen Schluß der Tagung, noch nicht der festlichen 



Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 101 

Veranstaltungen für die Gäste. Das Hotel Marquardt bewährte mit 
seinen vornehmen Räumen, seiner ausgezeichneten Küche und seinem 
wohlbestellten Keller seinen alten glänzenden Ruf. Bei den Klängen 
eines Streichorchesters waren ca. 40 Personen zum guten Schluß 
beisammen; viele Teilnehmer waren schon mit den Abendzugen ab- 
gereist. In längerer Rede feierte der Vorsitzende Professor 
Dr. Griesbach den König von Württemberg, Schulrajb 
Dr. Salzmann-Stuttgart den Kaiser, Stadtschulrat Dr. Wehr- 
hahn-Hannover brachte seinen Trinkspruch der Stadt Stuttgart 
und dem Stuttgarter Zweigverein; für beide antwortete als 
Stuttgarter Gemeinderat wie als Vorsitzender des Stuttgarter Ver- 
eins Privatdozent Dr. med. Bauer in launigen Worten. Noch 
sprachen Dr. Weil -Stuttgart auf den AUg. Deutschen Verein 
und Dr. R ei hlen- Stuttgart auf die Damen. 

Auf den Tag der geplanten Festfahrten schien das Wetter sich 
ungünstig gestalten zu wollen. So wagte man nicht die Festfahrt 
auf den Lichtenstein, jene köstliche Perle der schwäbischen Alb. 
Ein kleines Häuflein wandte sich der nahen Schillerstadt, Marbach, 
zu, wo das Schillerhaus, die schlichte Stätte der Geburt des Großen, 
das Schillermuseum so manches wertvolle Stück aus dem Leben 
und der Geistesarbeit des Dichters zeigten. 

Die Tage der VI. Jahresversammlung, reich an Anregungen für 
die Sache, der der Verein dient, reich an freundlichen Veranstal- 
tungen, waren vorüber. Es wird sich, so hoffen wir, mancher noch 
lange ihrer gerne erinnern. Dr. H. 



Yerzeichnis 

der bei der VI. Jahresversammlung des Allgemeinen Deutschen Vereins 
für Schulgesundheitspflege in Stuttgart Anwesenden. 

Abel, Dr. Medizinalrat, Oppeln. 

Ackermann, Lehrer, üntertürkheim. 

Ackere, Lehrer, Münster. 

AI icke, Dr. med. u. Frau, Chemnitz. 

Amma, Lehrer, Gablenberg. 

Annoud, Gottl., Lehrer, Schwieberdingen. 

Bader, Lehrer, Möhringen a. Fild. 

Baier, Fräulein, Berg. 

Bai er, Lehrer mit Frau, Neuenstein. 

Baisch, Lehrer, Feuerbach. 

Baitinger, Lehrerin, Cannstatt. 

Barchet, Bechnungsrat, Stuttgart. 

Bart, Dr. mit Frau, Stuttgart. 

Baß, Frau, Mittelschullehrer, Stuttgart. 

Bau der, Lehrer, MöckmühL 

Bauer, Arzt, Dr., Stuttgart. 

Bauer, Lehrer, Feuerbach. 

Baumann, Lehrer mit Frau, Efilingen. 

Baumann, Lehrer, Wasseralfingen. 

Baumgärtner, Lehrer, Cannstatt. 

Bär, Lehrer, Schnaith. 

ßärlin, G., Lehrer, AfFalterbach. 

Bäuerle, Lehrer, Mettingen. 

Beck, Lehrer, Rottweil. 

Beck, Lehrer mit Frau, Neufürstenhütte. 

B eis er, Lehrer, Stuttgart. 

Beiswenger, Lehrer, Gablenberg. 

Berlin, Dr., Stuttgart. 

Berstecher, Lehrer Cannstatt. 

Bessey, Gemeinderat, Stuttgart. 

Betz, Lehrer, Ellingen, Oberamt Ulm, 

Beutelsbach, Lehrer, Stuttgart. 

Beutter, Lehrer, Eßlingen. 

Bibel, Lehrer, Vaihingen a. F. 

Bilfinger, Dr., Ulm. 

Bilfinger, Oberamtaarzt, Horb. 

Birkhold, Lehrer, Stuttgart 

Birkner, Dr. med., Frankenberg in Sachsen. 



Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 103 

B laich, Lehrer, Cannstatt. 

Blessing, Lehrer, Stuttgart. 

Blezinger, Dr., Cannstatt. 

Blum, Lehrer, Vaihingen. 

Bockshammer, Oherkonsistorialrat , Stuttgart. 

Bonhöffer, Professor, S tu ttgart. 

Brachert, FrL, Stuttgart. 

Braitlin, Lehrer mit Frau, Lomersheim. 

Brand, Lehrer, Kleinbottwar. 

Brand, Lehrer und Frau, Horb. 

Breitling, Lehrer, Altbach, Oberamt Eßlingen. 

Brennle, Lehrer, Igelsberg. 

Brettschneider, Dr., Stuttgart. 

Brohn, Student, Tübingen. 

Brösamlen, Herr und Frau, Stuttgart. 

Brück er, Lehrer, Rohracker. 

Bruker, Lehrer, Dettingen. 

Briigel, Oberschulrat, Eßlingen. 

Bück, Lehrer, nebst Frau. 

Burk, Lehrer, Zuffenhausen. 

Bühler, Lehrer, Stuttgart. 

Bührle, Lehrer, Stuttgart. 

Bührlen, Lehrer mit Frau, Dünstbach. 

Clement, Lehrer, Hedelfingen. 

Dann, Lehrer, Untertürkheim. 

Deahna, Dr. med., HotVat, Stuttgart. 

Deeg, Lehrer, Schanbach. 

De geler, Lehrer, Dettingen. 

Deines, Lehrer, Mannenberg. 

De lins. Geh. Oberbaurat, Berlin. 

Dichtelmüller, Lehrer, Feuerbach. 

Dietrich, Lehrer, Rottweil. 

Dilker, Lehrer, Stuttgart. 

Dill, Lehrer, Stuttgart. 

Di stier, Dr. med., Hof rat, mit Frau. 

Dürr, Lehrer, Obertürkheim. 

Dürr, Lehrer, Steinkirchen. 

Eberbach, Elementarlehrer mit Frau, Stuttgart. 

E binger, Frl. Emilie, Stuttgart. 

Eblen, Lehrer, Wangen. 

Egger, L., Lehrer, Hochdorf. 

Ehmert, Lehrer, Scharnhausen. 

Eichele, Oberlehrer mit Frau, Stuttgart. 

Eichele, Lehrer, Heilbronn. 

Eichele, Schullehrer mit Frau, Pfäffingen. 

Eisenhardt, Schullehrer, Deckenbronn. 

Eisler, Lehrerin, Stuttgart. 

Eitle, Lehrer, mit Frau, Hochdorf (Vaihingen a. E.) 

Emhardt, Lehrer, Vaihingen a. F. 

Euch, Dr. med., Saarbrücken. 

Engelhorn, Dr., Med.-Rat, Göppingen. 

Erhardt, Lehrer, Steinheim a. Murr. 

Essig, Medizinalrat, Ravensburg. 

Falch, Lehrer mit Frau, Botnang. 



104 Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

F au sei, Schul lehrer, Stuttgart. 

Feldmann, Dr. med., Stuttgart. 

Fetzer, Frl., Lehrerin, Stuttgart. 

Feucht, Professor mit Frau, Stuttgart. 

Finkh, Frau Professor, Stuttgart. 

Fischer, Lehrerin, Cannstatt. 

Fischer, Lehrer mit Frau. 

Fischer, Lehrer, Gaishurg. 

Fischer, Frau Lehrer, Gaisburg. 

Fischer, Lehrer, Vaihingen a. F. 

Flor US, Lehrer, Vaihingen a. E. 

Fluhrer, Lehrer, Brettach. 

Forstner, Lehrer, Untertürkheim. 

Frank, Frau Bankier, Stuttgart. 

Frei, Schulamts verweser, Cannstatt. 

Friedmann, Sekretär, Stuttgart. 

Fuchs, Schulinspektor, Gerolsheim. 

Fuchs, Oberlehrer, Stuttgart. 

Gaßmann, Lehrer, Stuttgart. 

Gastpar, Dr. med., Stuttgart. 

Gackle, Lehrer, Plochingen. 

Gackle, Mittelschullehrer, Stuttgart. 

Gackle, Lehrer, Stuttgart. 

Gärtner, Schulrat, Nordhausen. 

Gaiser, Lehrer, Plochingen. 

Gaub, Lehrer, Cannstatt. 

Gang er, Pfarrer, Stuttgart. 

Gaufi, Lehrer, Freudenstein b. Maulbronn. 

Gaufi, Lehrer, Ludwigsburg. 

Geck, Oberlehrer, Stuttgart. 

Gehring, Schullehrer, Botnang. 

Gehringer, Lehrer, Jungholzhausen. 

Geiger, Reallehrer, Feuerbach. 

Geiger, Frau Reallehrer, Feuerbach. 

Geiß 1er, Oberlehrer, Vaihingen a. F. 

Gelchsheimer, Robert, Lehrer, Stuttgart 

Gengenbach, Lehrer, HedelHngen. 

Gerok, Dr., Stuttgart. 

Glocker, Architekt, u. Frau, Stuttgart. 

Gmelin, Pfarrer, Großgartach. 

Göbel, Lehrer, Kornwestheim. 

Gönenwein, Lehrer, Stuttgart. 

Grabert, Pfarrer, Eichel berg. 

Gramm er, Oberlehrer, mit Frau, Stuttgart. 

Grein er, Lehrer, Feuerbach. 

Grevell, Dr., Stuttgart. 

Grieb, Lehrer, Stuttgart. 

Griesbach, Dr. med. et phil., Professor, Mülhausen. 

Grieß er, Lehrer, Stuttgart. 

GrClnenwald, Lehrer, u. 2 Töchter, Cannstatt. 

Grünenwald, Frau Lehrer, Cannstatt. 

Guide, Lehrer, Eichschieß. 

Guß mann, Übermed.-R. Dr., mit Frau u. Tochter. 

Gutbrod, Lehrer, Gaisburg. 



Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 105 

Gutbrod, Dr. med., Stuttgart. 

Günther, Lehrer, aus Finsterlohr, OA. Mergentheim. 

Haag, Lehrer, Stuttgart. 

Haag, 0. A., Wangen. 

Haas, Lehrer, Schnaith, Remstal. 

Haffner, Lehrer, Sindelfingen. 

Hahn, Lehrer, Stuttgart. 

Haibsch, Lehrer, Altbach. 

Hainz, Lehrer, Üntertürkheim. 

Ha ißt. Kehrer, Wasseralfingen. 

Halber, Oberlehrer, Sindelfingen. 

Halm, Lehrer, Stuttgart. 

Hammer, Dr. med., Stuttgart. 

Hanselinden, Frl., Stuttgart. 

Hanselmann, Oberlehrer. 

Harm, Lehrer, Wangen. 

Hart, Lehrer, Siltbach. 

Hartmann, Dr., Prof. Leipzig. 

Hartmann, Professor, Berlin. 

Hart mann, Professor Dr., Stuttgart. 

Hau ß 1er, Lehrer, Stuttgart. 

Häußler, Lehrer, Möhringen. 

Haymann, Lehrer, Laupheim. 

Häberle, Lehrer, Vaihingen. 

Hacker, Dr., Eßlingen. 

Hacker, Dr. Heilbronn. 

H ahn lein, Lehrer, Schw. Hall. 

Häring, Lehrer, Hohenhaslach. 

Häunlein, Lehrer, Schorndorf 

Häusler, Lehrer, Höpfigheim. 

Heck er, Kreisschulinspektor Dr., München. 

Hengstb erger, Lehrer, üntertürkheim. 

Hermann, Lehrer, Kocherstetten. 

Herre, Sekretär, Weinsberg. 

Herrigel, Lehrer, Gaisburg. 

Herwig, K. G., Stuttgtirt. 

Heuler, Dr. med., Stuttgart. 

Hey mann, Dr. med., Stuttgart. 

Hieb er, Lehrer, Stuttgart. 

Hiemann, Lehrer, Delegierter, Leipzig. 

Hinderer, Lehrer, Wangen. 

Hintzmann, Oberrealschuldirektor Dr., Elberfeld. 

Hirsch felder, Student, Stuttgart. 

Hoff mann, Professor, Stuttgart. 

Hof mann, Lehrer, Botnang. 

Hof mann, Frau Lehrer, Botnang. 

Hohnold, Oberlehrer, Berg. 

Höhrburger, Lehrer, Cannstatt. 

Holderle, Lehrer, mit Frau, Wangen. 

Hörn, Direktor Dr., Frankfurt a. M. 

Hornberger, Lehrer, mit Frau, Plochingen. 

Höhne, Architekt, Leipzig. 

Hub er, Mittelschullehrer, Feuerbach. 

Huß, Lehrer, Zuffenhausen. 



106 Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

Hübler, Lehrer, Komtal. 

Irion, Frau Professor, Öschelbronn. 

Jaus, Lehrer, Ii^ankenberg. 

Jäger, Dr., Eirchberg. 

Jäger, Lehrer, Unteraichen. 

Jäger, Professor Dr. H., mit Frau, Strasburg. 

Jehle, Begierungsrat, Stuttgart. 

Jüngling, Lehrerin, Cannstatt. 

Kahn, Frau, Stuttgart. 

Kammerer, Oberlehrer, Stuttgart. 

Kandvater, Lehrer, Cannstatt. 

Kaufmann, Lehrer, Stuttgart. 

Kahler, Lehrer, Stuttgart. 

Kehle, Lehrer mit Frau, Stuttgart. 

Keinhath, Lehrer, Untertürkheim. 

Kellenbelz, Lehrer, Feuerbach. 

Kentner, Pfarrer, Schnaith. 

Kern, Lehrer, Berg. 

Keßler, Schub-at, Düsseldorf. 

Kieser, Oberlehrer, Cannstatt. 

Kießling, Schuldirektor Dr., Leipzig. 

Killinger, Lehrer, Stuttgart. 

Kimmerle, Lehrer, Stuttgart. 

Kißling, Lehrer, Zaisersweiher. 

Klein, Lehrer, mit Frau, Zuffenhausen. 

Klein, Lehrer, Stuttgart. 

Klein, Lehrer, Cannstatt. 

Kleiner, Lehrer, Feuerbach. 

Klenk, Lehrer, Cannstatt. 

Klett, Rektor, Cannstatt. 

Klingler, Lehrer, Feuerbach. 

Klingler, Lehrer, Untertüi'kheim. 

Klinger, Frau Lehrer, Feuerbach. 

Klopfer, Stadtpfarrer Dr., Aosenfeld. 

Knaier, FrL, Stuttgart. 

Knapp, Lehrer, Tonbach. 

Knayer, Schullehrer, Vaihingen a. F. 

Knehr, Lehrer mit Frau, Cannstatt. 

Kneile, Oberlehrer, Stuttgart. 

KnoU, Lehrer, Braunsbach. 

Kohler, Lehrer, mit Frau, Eßlingen. 

Kohl mann, Lehrer, Ehningen OA. Böblingen. 

Königshöfer, Dr., Prof., Sanitätsrat, Stuttgart. 

Közle, Oberlehrer, mit Frau, Berg. 

Korman, Dr. med, Arzt, Leipzig. 

Kraft, Dr., Zürich. 

Krauß, Lehrer, Deckenpfronn. 

Krauter, Lehrer, Gaisburg. 

Krieg, Oberlehrer, Stuttgart 

Kriege, Dr. Barmen. 

Krug, Frau, Stuttgart. 

Kubier, Lehrer, Marbach. 

Kuder, Oberlehrer, Köngen. 

Kümmel, Lehrer, Stuttgart. 



Verhandl. d. VI. JahresverBammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 107 

Läpple, Schullehrer, mit Frau, Phittenhardt. 

Leuhuscher, Dr. med., Geh. Medizinalrat, Meiningen. 

Lieb, Dr, Freudenstadt. 

Litt er 8, Lehrer, Liemersbach. 

Lumpp. Stadtpfarrer, Stuttgart. 

Lupp, Lehrer, Schamhausen. 

Lutz, Ernst, Dr., Worms a Rhein. 

Lutz, Dr., Stuttgart. 

Lüpke, Dr., Prof., Stuttgart. 

Maier, L., Frl., Stuttgart. 

Maisch, Oberamtsarzt, Öhringen. 

Mannhard, Lehrerin, Stuttgart. 

Marx, Lehrer, mit Frau, Buchaü a. Federsee. 

Massa, Lehrer, Vaihingen a. F. 

Mast, Lehrer, Hohenbaslach. 

Matting, Bürgermeister, Charlottenburg. 

Maurer, Lehrer, Stuttgart. 

Maushart, Lehrer, Stuttgart. 

Mayer, Dr., Rektor, Cannstatt. 

Mayer, Oberbaurat, Stuttgart. 

Meltzer, Dr., Stuttgart. 

Merkenthaler, Hans, Bürkmannsweiler. 

Merkenthaler, Lehrer, Bürkmannsweiler. 

Merkle, Lehrer, Vaihingen a. E. 

Merkle, Lehrer, Erbstetten. 

Merkt, Lehrer, Stuttgart. 

Merz, Lehrer, Metterzimmem. 

Miller, Professor Dr., Stuttgart. 

Mitschele, Lehrer, Neckarrems. 

Moll, Lehrer, Stuttgart. 

Mönch, Lehrer, mit Frau, Stuttgart. 

Mosapp, Schulrat mit Frau, Stuttgart. 

Motteier, Lehrer, Stuttgart. 

Mnhlbayer, Oberlehrer, Stuttgart. 

Müller, Hauptlebrer, Heidelberg. 

Müller, Rektor, Kreuznach. 

Müller, Schulinspektor, Wiesbaden, Vertr. 

Nestlen, Otto, Lehrer, Stuttgart. * 

Nestlen, Regierungspräsident, Stuttgart. 

Nickel, Oberregierungsrat, Stuttgart. 

Obermeyer, Lehrer, Gablenberg. 

Obermeyer, Student, Gablenberg. 

Ochs, Lehrer, mit Frau, Steinheim a. M. 

Ostertag, Oberlehrer, Stuttgart. 

öttle, Lehrer, Creglingen. 

Otterbach, Lehrer, Cannstatt. 

Paret, Friedrich, Dr., Rektor, Markgröningen. 

Pfälin, Oberamtsarzt, Urach. 

Pfeffer, Lehrer, Gaisburg. 

Pfeiffer, Geheimer Hofrat, Stuttgart. 

Pfeiffer, Ida, Lehrerin, Stuttgart. 

Pfeilsticker, Dr., Gmünd. 

Pfl ei derer, Dr., Knittlingen. 

Planck, Mathilde, Stuttgart. 



108 Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. AUgem. Deutsch. Vereins etc. 

Preßburger, Lehrer, Creglingen. 

Quelle, Prokurist der Verlagsbuchhandlung B. G. Teubner, Leipzig. 

Randecker, Lehrer, Stuttgart. 

Kapp, Lehrer, Stuttgart. 

Rauh, Lehrer, Stuttgart. 

Rauh, Lehrer, Gaisburg. 

Rauscher, Lehrer, Bonfeld. 

Rautenberger, Dr., Charlottenburg. 

Rajdt, H., Professor, Studiendirektor, Vertreter des Zentral- Ausschusses zur 

Förderung der Volks- und Jugcndspiele in Deutschland, Leipzig. 
Ray her, Professor Dr., Stuttgart. 
Reebig, Registrator, mit Frau, Stuttgart. 
Reif, Gemeinderat, Stuttgart. 
Reif, Lehrer, Aurich -Vaihingen a. E. 
Reihlen, Dr. med., Stuttgart. 

Reinhardt, Lehrer, mit Frau, Aifaltetbach. ^ 

Reiß, Lehrer, Cannstatt. 
Remppis, Schulrat, Heilbronn. 
Renschier, Lehrer, Weiler b. Schd. 
Rentschier, Lehrer, Ostelsheim. 
Rettig, Dr., Gemeinderat, Stuttgart. 
Reuß, Dr. med., Stuttgart. 
Reutier, Lehrer, Liemersbach. 
Reyhing, Lehrer, Neckarrems. 
Riederer, Oberlehrer, Ludwigsburg. 
Riedmann, Lehrer, Stuttgart. 
Rieker, Lehrer, Stuttgart. 
Rieth, Lehrer, Vaihingen a. F. 
Ringwald, Lehrer, Münster. 
Risch, Lehrer, Harthausen. 
Rösch, Lehrer, Leonbronn. 
Roll, Lehrer, Stuttgart. 
Roller, Oberlehrer, Darmstadt. 
Rosner, Dr. med., Stuttgart. 
Ruck, Lehrer, Rohracker. 
Rumpp, Lehrer, Gaisburg. 
Salz mann. Schulrat Dr., Stuttgart. 
Sandberger, Pr&lat, Stuttgart. 
Sauter, Lehrer, Stuttgart. 
Schaaf, Lehrer, Stuttgart. 
Schaf, H., Stuttgart. 
Schaible, Lehrer, Gussenstadt. 
Scharr, Lehrer, Münster. 
Schau z, Lehrer, Möhringen. 
Scheich, Lehrer, Unter- Neustetten. 
Schempp, Lehrer, Sindelfingen. 
Scheurlen, Obermedizinalrat, Stuttgart. 
Schick, Lehrer, Schwieberdingen. 
Schick, Lehrer, Stuttgart. 
Schick, Lehrer, Feuerbach. 
Schill, Lehrer, Münster. 
Schiller, Lehrer, Stuttgart. 
Schink, Lehrer, mit Frau, Stuttgart. 
Schißler, Lehrer, Stuttgart. 



Verhandl. d. VI. Jahreßvergammlung d. AUgem. Deutsch. Vereins etc. 109 

Schlegel, Lehrer, Münster. 

Schlegel, Emil, Münster. 

Schleich, Professor Dr., Tübingen. 

Schlichtharle, Lehrer, Stuttgart. 

Schlitz, Hofrat, Heilbronn 

Schmalzried, Frl., Stuttgart. 

Schmehl, H., Stadtschulinspektor, Woitus. 

Schmid, Lehrer, Botnang. 

Schmid, Oberlehrer, Stuttgart. 

Schmid, Lehrer, Feuerbach. 

Schmidt, Lehrer, mit Frau, Zuffenhausen. 

Schmohl, Lehrer, Feuerbach. 

Schneider, Lehrer, Stuttgart. 

Scholl, Lehrer, Groß-Erlach. 

Schott, Stadtpfarrer, Böblingen. 

Schramm, Lehrer, Stuttgart. 

Schrot, Lehrer, Stuttgart. 

Schuhmann, Frl., Stuttgart. 

Schumann, Oberstudienrat, Stuttgart. 

Sc hu mm, Lehrer, Murrhardt. 

Schuon, Oberlehrer, Cannstatt. 

Schwarz, Lehrer, mit Frau, Hedelfingen. 

Schwarz, Friedr., Lehrer, Komwestheim. 

Schwarz, Dr. med., Stuttgart. 

Schweickhardt, Lehrer. Stuttgart. 

Schwend, Professor Dr., Stuttgart. 

Schweizer, Rechtsanwalt Dr., mit Frau, Stuttgart. 

Sclerdeur, Schulrat, Hagen i. Westfalen. 

Seeger, Frl., Lehrerin, Stuttgart. 

Seeger, Lehrer, Münster bei Cannstatt. 

Seemann, Lehrer, Stuttgart. 

Seimenstoll, Lehrerin, Cannstatt. 

Seit er, Dr. med., Privatdozent für Hygiene, Bonn. 

Semmler, L., Frl., Stuttgart. 

Seydel, Lehrer, Hedelfingen. 

Siegle, Lehrer, Sindelfingen. 

Sommer, Oberlehrer, mit Frau, Wangen. 

Spatz, Lehrer, Rexingen OA. Horb. 

Speyer, Lehrer, Ellwangen. 

Stahl, Lehrer, Vaihingen. 

Staiger, Oberlehrer, Untertürkheim.^ 

Staßburger, Lehrer, Baisingen OA. Horb. 

Staudenmayer, Oberamtsarzt, Langenburg. 

Staudenmayer, Lehrer, Stuttgart. 

Stab 1er, Lehrer, Cannstatt. 

St&hle, Dr. med., Stuttgart. 

Stärk, Oberlehrer, Stuttgart. 

Stockmayer, Gemeinderat, Stuttgart. 

Stohrer, Lehrer, Stuttgart. 

Stecher, Lehrer, Wörth. 

Steiner, Dr., Karlsruhe i. Baden. 

Steiner, Dr. med., Stuttgart. 

Steiner, Professor, Freiburg. 

Stenzel, Lehrer, mit Frau, Stuttgart. 



110 Verhandl. d. VI. JahresTersammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc^ 

Stephanie, Dr., Mannheim. 

Steudle, Lehrer, Cannstatt. 

Stolz, Lehrer, Beutelabacfa. 

Straßburger, Lehrer, Rottweil. 

Straßburger, Rabbiner, Göppingen. 

Straub, Oberstudienrat, mit Frau, Stuttgart. 

Straup, Lehrer, Stuttgart. 

Strauß^ Lehrer, Stuttgart. 

Ströle, Lehrer, mit Frau, Neilingen b. G. 

Stumpf ig, Lehrer, mit Frau, Kuchen. 

Stütz, Lehrer, Perouse. 

Sulzbacher, Lehrer, Stuttgart. 

Thomann, Professor, Stuttgart. 

Thomas, Oberbürgermeister, Greiz i. Thüringen. 

Tott, Lehrer, Haibach. 

Traub, Überlehrer, Münster. 

Traub, Professor, Stuttgart. 

Treutlein, Direktor, Karlsruhe i. Baden. 

Übrig, Lehrer, mit Frau, MOssingen. 

übrig, Lehrer, Steinheim a. M. 

Uhlmann, Lehrer, mit Frau, Schw. Gmünd. 

Ulrich, Gustav, Privatier, Stuttgart. 

Ulshöfer, Lehrer, Künzelsau. 

Vetter, Geheimer Hofrat, Dr. Leo, mit Frau, Stufctgart. 

Vogel, Lehrer, Neubronn OA. Aalen. 

Volmer, H., Göppingen. 

Wächter, Lehrer, Enzweihingen. 

Wag 1er, Dr. L., mit Frau, Leipzig. 

Wagner, Lehrer, Jagstfeid. 

Wagner, Lehrer, Stuttgart. 

Wagner, Lehrer, mit Frau, Koch erstatten. 

Wagner, Oberlehrer, Stuttgart. 

Wagner, Lehrer, Stuttgart. 

Wagner, Lehrer, Göppingen. 

Walter, Lehrer, mit Frau, Osteisheim OA. Calw. 

Walter, Lehrer, Hochdorf. 

Walter, Oberbaurat, Stuttgart. 

Walz, Lehrer, Cannstatt. 

Wehrhahn, Dr., mit Frau, Hannover. 

Weidenmann, Lehrer, Stuttgart. 

Weidmann, Lehrer, Creglingen. 

Weil, L., Dr. med., Stuttgart. 

Weil, Dr. med. E., Stuttgart. 

Weiss ch edel, Lehrer, Heslach. 

Weißer, Frl., Ostheim. 

Weizsäcker, Seiue Exzellenz Minister v., Stuttgart. 

Welsch, Martha, Frl., Lehrerin, Stuttgart. 

Wengert, Lehrer, Stuttgart. 

Werfer, Medizinalrat, Ellwangen. 

Wettstein, Lehrer, Stuttgart. 

Weygoldt, Geheimer Hofrat Dr., Stuttgart. 

Weyrauch, Prof. Dr., Prorektor der technischen Hochschule, Stuttgart. 

Wiedmann, Lehrer, Untertürkheim. 

Wild, Lehrer, Stuttgart. 



Verhandl. d. VI Jafaresrersainmlung d Allgem. Deutsch. Vereins etc. Hl 

Wink, Frl., Stuttgart. 
Wißmann, Lehrer, Cannstatt 
Wolf, Lehrer, Mettingen. 
Wurster, H., Lichtenstem 
Wurster, Oberlehrer, Stuttgart. 
Wurster, Lehrer, Neckarwestheim 
Würz, Gemeinderat, Stuttgart. 
Zach, Alice, Lehrerin, Stuttgart 
Zach We., Helene, Stuttgart. 
Zaiser, Lehrer, Stuttgart. 
Ziegele, Lehrer, Schnaith. 
Ziegler, Lehrer, Gaisburg. 
ZoUinger, F., Dr. phil., Zürich. 
Zürn, Lehrer, Cannstatt. 
Zürndorfer, Student, Stuttgart. 



Bedner- Liste. 

Baß, Lehrer, Stuttgart. S. 113. 

Bauer, Dr., Privatdozent, Stuttgart. S. 52. 

Delius, Geh. Oberbaurat, Berlin. S. 49. 

Egelhaaf, Dr., Oberstudienrat, Stuttgart. S. 106. 

Engelhorn, Dr., Medizinalrat, Göppingen. S. 51. 

Feucht, Prof., Stuttgart. S. 83. 

Gästpar, Dr., Stadtarzt, Stuttgart. S. 90. 

Gmelin, Dr., Großgartach. S. 104. 

Griesbach, Dr. Prof, Mülhausen i. Eis. S. 65. 81. 85. 88. 113. 115. 140. 

142. 145. 
Hartmann, Prof., Leipzig. S. 58. 88. 105. 142. 
Hellpach, Dr., Karlsruhe. S. 124. 

Hintzmann, Dr, Oberrealschuldirektor, Elberfeld. S. 81. 106. 
Hörn, Dr., Direktor, Frankfurt a. M. S. 83. 104. 143. 
Jäger, Dr., Schwabisch-Hall. S. 65. 
Jäger, Dr., Generaloberarzt, Straßburg. S. 105. 
Korman, Dr., Leipzig. S. 89. 
Königshöfer, Dr., Prof, Stuttgart. S. 88. 
Krieg, Oberlehrer, Stuttgart. S. 53. 
Kriege, Dr., Kreisarzt, Barmen. S. 103. 
Leubus eher, Dr., Geh. Medizinalrat, Meiningen. S. 88. 102. 
Miller, Prof., Stuttgart. S. 82. 
Müller, Schulinspektor, Wiesbaden. S. 104. 
Nestlen, von, Präsident, Stuttgart. S. 50. 
Planck, Mathilde, Stuttgart. S. 89. 104. 
Raydt, Dr., Prof, Leipzig. S. 53. 144. 
Reichert, Lehrer, Stuttgart. S. 84. 102. 
Reinmüller, Dr., Hamburg. S. 144. 
Reutter, Lehrer, Ehingen. S. 85. 



112 Verhandl. d. VI. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereins etc. 

Salzmann, Dr., Schulrat, Stuttgart. S. 89. 

Schmeel, Schulinspektor, Worms. S. 104. 

Steiner, Dr., Karlsruhe. S. 88. 

Stetter, Direktor, Stuttgart. S. 87. 

Treu t lein, Direktor, Karlsruhe. S. 82. 

Viötor, Dr., Prof., Marburg S. 59. 82. 

Wehrhahn, Dr., Schukat, Hannover. S. 144. 

Weil, Dr. Stuttgart. S. 86. 

Weizsäcker, von, Dr., Staatsminister, Exzellenz, Stuttgart. S. 49. 

Weyrauch, von, Dr., Prof., Prorektor, Stuttgart. S. 61. 

Zollinger, Dr., Zürich. S. 64. 



ifi(L. 
27f 



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