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ANSTALTEN UND VOLKSSCHULEN, TECHNIKEEN, TEEWAETUNGS-
BEAMTEN UND NATIONALÖKONOMEN HERAUSGEGEBEN TON
GRIESBACH SCHOTTEN
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I. JAHRGANG
LEIPZIG UND BERLIN
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER,
1901
^
*
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MAY 25 1921
ALL£ BXOHT£, tilKSOkLIESSLIGH DES ÜBBBSETZCNOSBECHTS, VOBBEUALTEN.
Inhalt des I. Jahrganges.
Seite
An die Leser ' 1
Einladuiig und Tagesordnung zur 11. Jahresversammlung 3
Die Aufgaben der Schulhygiene. Von Professor Dr. med. tmd phil.
Griesbach 4
Zur Frage des Nachmittagsunterrichts. Von Dr. H. Schotten, Halle a. S. 24
Die Luxferprismen und ihre elektrolytische Bindung. Von F. S. Archen-
hold, Direktor der Treptow -Sternwarte 43
Sitzimg des Allgemeinen Deutschen Vereines für Schulgesundheitspflege
auf der 72. Versammlimg deutscher Naturforscher und Ärzte in Aachen 48
Satzungen des Allgemeinen Deutschen Vereines für Schulgesundheitspflege 54
Aus den Zweigvereinen 68
Verhandlungen der IL Jahresversammlung des Allgemeinen Deutschen
Vereines für Schulgesundheitspflege 97
Berliner Aufruf! 198
Hamburger Reformschul -Bank. Von Dr. L. Bornemann, Hamburg . . 200
Streit der Meinungen in Hamburg über sexuelle Belehrung. Von Dr.
L. Bornemann, Hamburg 204
Der Gesundheitszustand der Elementarschüler in den Dresdner Volks-
schtden und die Schularztfrage. Von G. Schanze 213
Der Dresdner Lehrerverein erbittet Schulbäder. Von Oberbürgermeister
Paul am Ende, Dresden 224
Fünfter Deutscher Kongrefs für Volks- und Jugendspiele. Von Dr. med.
J. Steinhardt, Kinderarzt und städt. Schularzt in Nürnberg . . . 229
Wünsche, betreffend die Einführung von Realgymnasien in Elsafs-
Lothringen 236
Zusammensetzimg des derzeitigen Vorstandes 58, 197
Besprechungen 73^ 240
Bibliographie 82, 250
Mitglieder -Verzeichnis 59, 188, 256
MAY 25 1921 . !
An die Leser.
Wir leben in einer Welt voll Arbeit und Arbeit erfordert ge-
sunde Menschen. Für die Mehrzahl der Sterblichen erwachsen
geistige Potenz und Willensstärke aus dem Gefühl der Gesundheit.
Förderung intellektueller Fähigkeiten auf Kosten der Gesundheit
wäre verfehlt. Die Schule würde hinter den Anforderungen der
Zeit zurückbleiben, wenn sie ihre Pforten der Hygiene verschlösse.
Glücklicherweise geschieht das Letztere nicht. Als nach der 70. Ver-
Sammlung deutscher Naturforscher und Arzte in Düsseldorf 1898
vom Unterzeichneten der Gedanke angeregt wurde, in Deutschland
einen schulhygienischen Verein ins Leben zu rufen, da wurde dieser
Gedanke von vielen Seiten freudig begrüfst. Ein Jahr später bei
der gleichen Gelegenheit in München konstituierte sich der Verein,
und auf der Aachener Versammlung im Jahre 1900 trat er in die
Oflfentlichkeit. — Dieser „Allgemeine Deutsche Verein für Schul-
gesundheitspflege ^^ bezweckt gemäfs seinen Satzungen die Ver-
breitung der Lehren der Hygiene in den Schulen. Damit
i soll gesagt sein, alle diejenigen, welche direkt oder indirekt an dem
Gedeihen der Schule Anteil nehmen: Lehrer und Eltern, Arzte und
Verwaltungen aufzufordern, zur Förderung hygienischer Grundsätze
in den Schulen nach Kräften beizutragen. Auch die Einführung
eines elementaren hygienischen Schulunterrichts dürfte sich em-
pfehlen; es ist kaum zu viel gesagt, dafs derselbe ebenso berechtigt
und notwendig ist, wie der Unterricht im Schreiben, Lesen und
Rechnen. Halten wir an solchen Anschauungen fest, so ist Hoff-
nung vorhanden, dafs die Hygiene in das Volk dringt, und manche
Krankheit und Not, manches soziale Elend können alsdann verhütet,
beziehungsweise beseitigt werden.
Der „Allgemeine Deutsche Verein für Schulgesundheitspflege"
bezweckt femer die Verminderung gesundheitsschädigender Einflüsse
seitens der Schule, und solcher giebt es leider eine nicht geringe
Zahl. Es handelt sich dabei sowohl um den Schutz des Individuums,
als auch der gesamten Bevölkerung, des Gemeinwohls, des Volks-
tums; denn die hygienischen Zustände einer Nation gehen mit dem
hygienischen. Empfinden, Denken und Handeln des Einzelnen Hand
Oeaunde Jugend. I. 1/2. 1
2 Griesbacli: An die^ Leser»
in Hand. Gerade das Wort „allgemein" in der Benennung unseres
Vereines soll darauf hindeuten^ dafs wir mit breiten Volksschichten
Fühlung suchen, um sie für unsere Bestrebungen in der Schule zu
gewinnen. — Dieselben Gesichtspunkte leiteten uns bei der Heraus-
gabe einer Zeitschrift. Wäre diese rein fachwissenschaftlich, sollte sie
lediglich dem Hygieniker dienen, so wäre sie für unsere Zwecke un-
geeignet. Geeignet ist sie nur, wenn sie in volkstümlichem Gewände
erscheint, wenn sie ein Freund der Familie und ein Berater der
Schulbehörden wird. Aus dieser Position heraus soll sie der Schule
gegenüber das Recht der Eltern, sich ihre Kinder gesund zu er-
halten, betonen, und für die Pflicht des Staates und der Gemeinden
eintreten, die Gesundheit der Schulkinder zu schützen, sie soll Mittel
und Wege zur Erreichung dieser Ziele angeben.
Unsere Zeitschrift führt den Namen: „Gesunde Jugend '^
Möge diese Benennung dazu beitragen, ihr ein freundliches und ver-
trauensvolles Entgegenkommen aller zu sichern, denen das Wohl
der Jugend und der Nation am Herzen liegt.
Entsprechend ihren Zwecken wird die Zeitschrift an erster Stelle
Aufsätze aus dem Gesamtgebiete der Schulgesundheitspflege veröfifent-
liphen. Sie wird ihre Spalten niemandem verschliefsen, der ihr theo-
retische und praktische Erörterungen bringt, sofern dieselben einen
das besagte Gebiet fördernden Beitrag enthalten und sich auf That-
Sachen stützen, beziehungsweise mit einem Gefolge solcher erscheinen.
Sachliche Meinungsverschiedenheiten der Autoren und Herausgeber
ändern hieran nichts.
Abhandlungen kritisch-polemischer Natur können nur dann Auf-
nahme finden, wenn sie sich auf Mitteilungen in der Zeitschrift
selbst oder auf Zustände beziehen, die unseren gemeinsamen schul-
hygienischen Bestrebungen zuwiderlaufen.
An zweiter Stelle bespricht die Zeitschrift solche litterarische
Neuigkeiten, die zur Schulgesundheitspflege in Beziehung stehen.
Der Unterzeichnete richtet an die Herren Verfasser und Verleger
die Bitte, ihm Rezensionsexemplare von Büchern und Separatabzügen
behufs Weitergabe an die Referenten zugehen zu lassen.
Endlich wird unsere Zeitschrift als Organ des „Allgemeinen
Deutschen Vereines für Schulgesundheitspflege" geschäftliche An-
gelegenheiten des Vereiues und Berichte über die Jahresversamm-
lungen desselben veröffentlichen.
Herrn. Griesbach,
z. Z. Vorsitzender des „Allgemeinen Deutschen Vereines
für Schulgesundheitspflege".
Einladung zur H. Jahresversammlung
am Freitag den 31. Hai 1901 in Wiesbaden Morgens 9 ülir im Eurliaiise.
Tagesordnung:
I. BegrüTsungsansprachen.
IL Geschäftliches.
III. Vorträge.
1. Die neue preufsische Schulreform in Beziehung zur Schulhygiene.
Referenten: Oberrealschuldirektor Dr. H. Schotten -Halle^
Dr. med. Eorman, prakt. Arzt in Leipzig.
2. Über Einführung einer einheitlichen Schreib- und Druckschrift.
Referenten: Rektor MttUer -Wiesbaden,
Augenarzt Dr. GerloflF-Wiesbaden.
3. Die schulhygienischen Einrichtungen der Stadt Wiesbaden.
Referenten: Stadtschulinspektor Kinkel -Wiesbaden,
Schularzt Dr. F. Cuntz -Wiesbaden,
Baurath Genzmep -Wiesbaden.
4. Schulhygiene und Schwindsuchtsbekämpfung.
Referent: Sanitätsrath Dr. Obertfischen -Wiesbaden.
Die Verhandlungen werden durch eine Friihstückspause unterbrochen.
IV. Gemeinsames Mittagsmahl mit Damen im Kurhause 6 Uhr abends (das
trockene Couvert 3 Mark).
V. Gartenfest im Kurhause 8 Uhr abends, zu Ehren der Versammlung
gegeben von der städtischen Kurverwaltung.
Am Vorabend, Donnerstag den 30. Mai, von 8 Uhr ab zwanglose
gesellige Vereinigung in den Räumen und Anlagen des Kurhauses. Die
Teilnehmer an der Versammlung erhalten freien Zutritt.
Am Samstag den 1. Juni bei genügender Beteiligung Ausflüge in die
Umgegend Wiesbadens.
Es wird gebeten, bezüglich Wohnungsbeschaffung sich rechtzeitig
an das Bureau J. Schottenfels & Co., Theater -Kolonnaden 36/37 Wiesbaden
zu wenden.
Der Jahresbeitrag für den Verein beträgt 3 Mark, wofür die Mitglieder
das jährlich in 6 Heften erscheinende Vereinsorgan „Gesunde Jugend" er-
halten. — Anmeldungen behufs Erlangung der Vereinsmitgliedschaft nehmen
die Vereinskassenstelle: B. G. Teubner, Leipzig, Poststrafse 3, sowie der
Schatzmeister : Direktor F. S. Archenhold, Sternwarte Treptow-Berlin, entgegen.
Mitgliedskarten werden noch am Vorabend und am Sitzungstage im
Geschäftsbureau des Kurhauses in Wiesbaden ausgegeben. Ein besonderer
Beitrag für den Besuch der Versammlung wird nicht erhoben.
Die Aufgaben der Schulhygiene.
Von Professor Dr. med. und phil. Griesbach.
Die Schulhygiene ist ein spezieller Zweig der hygienischen
Wissenschaft;^ sie hat es mit sämtlichen Einrichtungen der Schule
in gesundheitlicher Beziehung zu thun, es ist ihre Aufgabe; schädigende
Einflüsse, welche die Schule allenfalls auf Schüler und Lehrer aus-
übt, aufzudecken und Mafsregeln zur Beseitigung der Schädlichkeiten
zu treffen.
Bestrebungen in diesem Sinne begegnen wir bereits bei grie-
chischen und römischen Ärzten. Insbesondere war es der um
55 n. Chr. in Rom lebende Arzt Athenaios, der Hauptvertreter
der pneumatischen Medizin, welcher sich eingehend mit schul-
hygienischen Fragen beschäftigte. Er verlangte unter anderem, dafs
die Pädagogen und Schulleiter ihre Zöglinge nicht mit geistiger
Nahrung überfüttern sollten, er verlangte, dafs man den Zöglingen
genügend Zeit zur Verdauung der eingenommenen Mahlzeiten, sowie
zu körperlichen Übungen und zum Schlaf lasse.
Im Mittelalter, zur Zeit der Scholastik und Patristik, wurde die
Schulhygiene arg vernachlässigt. In den Klöstern wurde ein Schul-
system ersonnen, welches zum Teil heute leider noch mafsgebend
ist, ein System, welches nicht einmal für Erwachsene pafst, ge-
schweige denn für Kinder. Im 16., 17. und 18. Jahrhundert wai-en
es namentlich Camerarius, Comenius, Bacon, Locke,Rousseau,
Basedow,' Pestalozzi und Peter Frank, welche der Gesundheit
der Jugend in den Schulen ihre Aufmerksamkeit widmeten.
In neuerer Zeit hat sich das Interesse an der Gesundheit der
Schuljugend immer reger gestaltet. Nicht nur Arzte und Päda-
gogen haben mit Hilfe der verschiedensten Methoden hygienische
Untersuchungen in den Schulen veranstaltet, sondern auch Männer,
die auf dem Gebiete der Hygiene und des Unterrichtes Laien sind,
haben sich der durch denselben gefährdeten Gesundheit der Kinder
angenommen. Ich erinnere an die viel gelesene und viel besprochene
Griesbach: Die Aufgaben der Schulhygiene. 5
Schrift des verstorbenen Amtsrichters Emil Hartwich: ,,Woran wir
leiden^ 2. Aufl., Düsseldorf 1882.
Bis zu den Stufen des Thrones sind die Schulreformbestrebungen
und damit auch die mit diesen zweifelsohne eng yerknüpffcen Be-
strebungen der Schul- und Unterricht shygiene vorgedrungen,
und der vom 26. November 1900 datierte Erlafs Sr. Majestät des
Kaisers an den preufsischen Kultusminister hat der deutschen
Nation den Weg gezeigt, auf welchem sich eine gedeihliche Ent-
wickelung des Unterrichtswesens erreichen läfst. Falls nicht Tra-
dition und Vorurteil, Bureaukratismus und Pedanterie den kaiser-
lichen Erlafs in der Art verzetteln und verklausulieren, dafs man
denselben kaum wiedererkennt*), wird sich in kurzem eine segens-
•) Mit der Bede des Abgeordneten Dr. Goebel in der 43. Sitzung des
Hauses der Abgeordneten vom. 7. März 1901 fängt die Verdrehung des kaiser-
lichen Erlasses bereits an. Der Erlafs redet zwar von einer Ergänzung der
Vorkenntnisse bei den Schülern der Bealanstalten für manche, aber nicht
für die meisten Studien und Berufszweige. Goebel möchte die Ergänzung
jedoch auf drei Fakultäten und ein Gebiet der vierten Fakultät ausdehnen.
Die Ausführungen Eropatscheck^s sprechen einer modernen Weltanschauung
völlig Hohn. Es ist eine Verkennung der Thatsachen , wenn man behauptet,
dafs das Bealgymnasium, eine Anstalt, in der die Jugenderziehung doch bis
zu einem gewissen Grade auf exakter Basis aufgebaut wird, eine „unheil-
volle Entwickelung^^ genommen habe. Kropatscheck^s Wunsch^ diese An-
stalt möge wieder von der Bildfläche verschwinden, wird wohl nie in Erfüllung
gehen. Vielleicht aber sind im Jahre 2000 — denn so lange wird der Schul-
krieg wohl noch dauern — alle Gymnasien in Bealgymnasien oder Beform-
gymnasien verwandelt. Die Konjekturen, die Kropatscheck an die Gleich-
berechtigung der höheren Schulen hinsichtlich des Zudranges zu gelehrten
Berufen knüpft, sind völlig aus der Luft gegriffen. Mit derartigen Vermutungen
bei der Schulreform zu rechnen wäre verfehlt. Kropatscheck kommt auch auf
die Überbürdung, also direkt auf schulgygienische Dinge zu sprechen. Wir
können seinen Ausführungen gegenüber die Meinung nicht unterdrücken, dafs
gerade die einseitige Gehimthätigkeit bei der intensiven Beschäftigung mit
den alten Sprachen zur Überbürdung der Schüler führt. Selbst auf eine Be-
schränkung der Lehrgegenstände kommt es weniger an, denn auch in der
Schule bewahrheitet sich das Wort: variatio delectat. Hauptsache in hygie-
nischer Hinsicht ist und bleibt, dafs System und Methode eine Änderung er-
fahren und Unterrichtszeit und Lehrziele vermindert werden. Die Zähigkeit,
mit welcher Kropatscheck an dem Fortbestehen, ja sogar an der Verstärkung
des altsprachlichen Unterrichts festhält, mufs um so mehr befremden, als er
in Bezug auf die Stundenzahl der Lehrer und die häuslichen Arbeiten der
Schüler durchaus berechtigte Vorschläge macht. Im übrigen ist es ein wahres
Glück, dafs im Hause der Abgeordneten Männer zu Worte kommen, die un-
parteiischer fühlen und urteilen als Kropatscheck. Unter der Leitung Kro-
patscheck's würde die Schulreform versumpfen, und der auch von ihm ersehnte
Schulfriede würde nie erreicht werden. — Der Abgeordnete Schall sucht den
Griesbachr
reiche Reform auf dem Gebiete der Schule, insbesondere auch in
hygienischer Hinsicht, Bahn brechen.
Jung sein bedeutet etwas Werdendes. In der Jugend sind alle
Gewebe und Organe unseres Körpers noch unvollkommen entwickelt,
und erst nach dem zwanzigsten Jahre erreicht die physische Ent-
wickelung ihren Abschlufs. Aufserlich zeigt sich die Entwickelung
in einer Zunahme der Körperlänge, des Brustumfanges, des Körper-
gewichtes und des Gewichtes der Organe. Mit der Vervollkomm-
nung des Körpers steht die des Geistes in Zusammenhang. Unter-
richtsmethoden, welche hauptsächlich die letztere nach Art einer
Treibhauskultur zu befördern suchen und die erstere in ihrem
natürlichen Verlaufe nicht beachten, bewirken eine Hemmung der-
selben. Ja eine zu frühzeitige und angestrengte Geistesthätigkeit
lähmt über kurz oder lang auch die geistige Kapazität und den
interzentralen Energieverkehr.
Wenn sich also das Wort bewahrheiten soll: mens sana in
corpore sano, so ist es unbedingt erforderlich, der körperlichen und
geistigen Ausbildung der Jugend gleichmäfsige Berücksichtigung an-
gedeihen zu lassen.
heute länget überwundenen Standpunkt zur Geltung zu bringen, dafs die Ver-
standesbildung durch nichts anderes derartig geschärft und erzielt würde, als
durch frühzeitige Übung in den alten Sprachen. Schall wagt es sogar, dem
deutschen Volke das Ammenmärchen aufzutischen, dafs durch eine gründ-
liche Pflege der alten Sprachen bei der Jugend ein weiter Blick und ein
offener Sinn für alles Kultur- und Volksleben, ja sogar für das menschliche
Innen- und Eigenleben erzielt würde. Dieser Standpunkt beweist zur Genüge,
dafs Schall der ganzen Bewegung, die Erziehung der Jugend auf Anschauung
und Erfahrung in physiologischem Sinne zu stützen, fremd gegenübersteht.
Wie sich gar ein zukünftiges vernünftiges Christentum, eine wahrhafte Religion
und sittliche Gröfse ein in moralischer Hinsicht völlig verkommenes Heidentum
zum Muster nehmen sollen, begreife wer kann. Wenn Schall deswegen die
Antike retten möchte, um dem deutschen Volke zu zeigen, wie man nicht ver-
fahren soll, so würden wir ihm zustimmen. Unter der Führung von Kr op ät-
sch eck und Schall würden die Deutschen vielleicht bedauern, dafs nicht
Varus den Hermann, sondern dafs der Cherusker den Römer schlug. Glück-
licherweise war die Mehrzahl , der Redner in der denkwürdigen Sitzung des
Abgeordnetenhauses nicht auf Seiten der Feinde modemer Kultur und in der
6. Sitzung des Herrenhauses vom 29. März hat der Rektor der Charlotten-
burger technischen Hochschule, Geheimrat Riedler, bei Gelegenheit der Be-
sprechung des Justizetats sich recht deutlich über Forderungen der Schul-
reform ausgesprochen, die auch vom hygienischen Standpunkte aus Unter-
stützung verlangen.
Die Aufgaben der Schulhygiene. 7
Über eine Yemaclilässigung des Geistes auf Kosten körperliclier
Fürsorge ist meines Wissens nie Klage geführt worden, dagegen ist
das Umgekehrte leider sehr häufig zu beklagen. Aus einer Ver-
nachlässigung des Körpers ergeben sich dann die sogenannten schä-
digenden Einflüsse der Schule in Betreff des Unterrichtes.
Aber nicht nur die Art des Unterrichtes kann schädigende
Wirkungen auf den Organismus ausüben, sondern solche werden
auch durch rein äufserliche Verhältnisse, nämlich durch die
Einrichtungen der Gebäude und Utensilien hervorgerufen, ferner
durch das tägliche Zusammenleben einer grofsen Zahl von Individuen.
Auf alle diese Dinge, kurz auf die gesamte Schulordnung hat die
Schulhygiene ihre Untersuchungen auszudehnen.
Es fragt sich nun: Giebt es irgendwelche Anhaltspunkte für
die Eltern, beziehungsweise für den Arzt, gesundheitsschädigende
Einflüsse des Schulbetriebes zu erkennen? Diese Frage mufs ent-
schieden bejaht werden, vorausgesetzt, dafs man genaue und fort-
dauernde Beobachtungen anstellt. Die Symptome treten früher oder
später auf, häufig schon bald nach dem Beginne eines regelmäfsigen
Schulbesuches, der ja einen schroffen Umsturz der vorhergegangenen
Lebensgewohnheiten des Kindes mit sich bringt. Die frische Ge-
sichtsfarbe weicht der Stubenluft. Der Appetit zeigt gewisse Stö-
rungen, gelegentlich stellt sich Appetitlosigkeit ein. Das Fettpolster,
insbesondere am Gesicht und den Gliedmafsen, vermindert sich.
Dieser Umstand deutet darauf hin, dafs der Körper mehr ausgiebt,
als er einnimmt. Häufig machen sich erhöhte Reflexerregbarkeit,
Mangel an Schlaftiefe und unruhiger Schlaf bemerklich. Diese Er-
scheinungen deuten auf ein gestörtes Nervenleben hin. Eines der
fafsbarsten Symptome ist der Kopfschmerz oder ein Benommensein,
eine Schwere des Kopfes, ein Druck in Hirn und Augenhöhlen, im
Hinterkopf und Nacken, öfters verbunden mit Nasenbluten und
entotischen Geräuschen. An habituellem Kopfschmerz und Nasen-
bluten leiden 6 bis 8 Prozent der Schüler. Diese Erscheinungen
stehen in Zusammenhang mit Zirkulationsstörungen, die ätiologisch
auf das stundenlange Sitzen, auf die gebückte Haltung, geistige
Überanstrengung und mangelhafte Ventilation der Lehrsäle zurück-
zuführen sind. Die genannten und noch manche andere Erschei-
nungen erhalten sich häufig das ganze Schulleben hindurch, häufig
werden sie vom Arzte medicamentös behandelt. Ich fand unter
32 Schülern mehrerer Klassen 11 bis 22, die medizinierten. Eisen-
und Brompräparate spielten dabei die Hauptrolle.
Es giebt gewifs manche Väter, die sich beim Lesen dieser
8 Griesbacfa :
ZeUen sagen mÜBsen: „Etwas Ahnliches trifft auch für unsere
Sander zu."
Was aber beweist denn — so wird man fragen — , dafs die
geschUderten und ungesunden Zustände unserer Kinder mit dem
Schulleben zuiäammenhängen? Der Beweis ist nicht schwer zu er-
bringen. Vor dem Eintritt in die Schule fehlen die genannten Er-
scheinungen, oder treten doch seltener, beziehungsweise in geringerem
Grade, auf. In den Ferien, namentlich wenn sie von längerer Dauer
sind, gehen solche Erscheinungen zurück oder schwinden ganzlich.
Noch einiger anderer krankhafter Zustände der Schulkinder ist zu
gedenken. In erster Linie mufs auf die Verbiegung der Wirbelsäule,
die sogenannte Skoliose, hingewiesen werden. Die Ursache hierfür
liegt in der Regel in mangelhaft eingerichteten Subsellien und
schlechter Haltung, dann aber auch im Tragen der oft mit Büchern
vollgepfropften Schulsäcke, namentlich auf weiten Schulwegen.
A. Eulenburg hat in Berlin hierüber Untersuchungen angestellt
und bei 11- bis 12jährigen Quartanern folgendes Büchergewicht in
Grammen gefunden: Montag 4200, Dienstag 4700, Mittwoch 3200,
Donnerstag 5200, Freitag 3500, Sonnabend 4200. Diese Zahlen
ergeben ein Durchschnittsgewicht von 8,7 Pfund, an einzelnen Tagen
sogar ein solches von 10,5 Pfund, d. h. ein Fünftel des Körper-
gewichts in diesem Alter.
Die angestrengte Thätigkeit des Auges der Schüler während
der fortschreitenden Entwickelung des Organismus wird für das
Sehwerkzeug oftmals verhängnisvoll. Es entsteht Kurzsichtigkeit,
selbst bei solchen Schülern, die keine erbliche Anlage dafür besitzen.
Als hauptsächlichste Ursachen der Kurzsichtigkeit kommen in Be-
tracht: Das mangelhafte Ausruhen des Auges, also die hohen An-
forderungen, welche der Unterricht in der Schule und durch die
häuslichen Arbeiten an das Organ stellt, femer mangelhafte Be-
leuchtung und verkehrte Augenstellung bei schlechter Körperhaltung
und endlich ungeeignete Beschaffenheit der Schrift und des Buch-
druckes. Eingehende Untersuchungen über die Myopie in den
Schulen hat in neuerer Zeit namentlich der Ophthalmologe H. Cohn
angestellt. Nach ihm beträgt die Zahl der Kurzsichtigen in Dorf-
schulen 1,4, in städtischen Elementarschulen 6,7, in höheren Töchter-
schulen 7,7, in Mittelschulen 10,3, in Realschulen 19,7 und in Gym-
nasien 26,2 Prozent.
Griesinger, Binswanger, Eulenburg und andere Neurologen
haben hochgradige nervöse Störungen, ja sogar beginnende Psychosen
als Folgen zu grofser geistiger Beanspruchung der Schüler nachgewiesen.
Die Aufgaben der Schulhygiene. 9
Bei dem innigen Verkehr der Schüler untereinander und bei der
häufig aller Beschreibung spottenden Unsaub^rkeit der Lokalitaten
trägt die Schule zur Verbreitung verschiedener Infektionskrankheiten
bei. Auch auf die 'Lehrer und ihre Familienmitglieder gehen diese
Krankheiten gelegentUch über.
Die umfangreichsten Untersuchungen über den Gesundheitszustand
von Schülern haben vor einer Reihe von Jahren eine dänische und
eine schwedische Kommission angestellt. In Dänemark wurden ^
30 Tausend, in Schweden 11 Tausend Schüler im Alter von 7 bis
20 Jahren untersucht. Es ergab sich; dafs nach dem ersten Schul-
jahre die Krankheitsziffer ganz erheblich steigt Dann hält sie sich
im nächsten Jahre auf gleicher Höhe, um bei erhöhter Anforderung
auf 40,6 Prozent zu gehen. Darauf folgt eine Erniedrigung und
wieder eine Steigerung. Vom 14. Lebensjahre ab war der höhere
Schulunterricht in Skandinavien zur Zeit der Untersuchungen auf
Gymnasien und Realgymnasien verteilt. Die Krankheitsziffer er-
reichte in den Gymnasien einen noch höheren Grad als in den
Realanstalten, weil die Belastung des jugendlichen Gehirns mit v.or-
wiegend abstrakten Dingen, und weil die falsche Denkmethode, in
welche der Geist auf dem Gymnasium hineingehämmert wird, be-
sondei*s schädlich wirken. Nur in der obersten Klasse, die in den
Realanstalten sehr hohe Anforderungen, insbesondere in der Mathe-
matik, an die Schüler stellt, kamen mehr Krankheitsfälle vor.
Soviel über das Vorkommen pathologischer Zustände auf Schulen.
Wenn ich nun den Weg zu zeigen versuche, den die Schul-
hygiene zu gehen hat, um überall dort, wo es erforderlich ist,
Wandel und Abhilfe zu schaffen, so ist es natürlich im Rahmen
dieser Mitteilungen nicht möglich, auf alle Einzelheiten, die der
Besprechung wert wären, einzugehen. Ich mufs mich daher in Bezug
auf die Darlegung der Aufgaben der Schulhygiene auf einige Haupt-
sachen beschränken. Die Aufgaben, welche ihr behufs Bekämpfung
der Schulkrankheiten zufallen, lassen sich in 3 Gruppen zerlegen.
Eine Gruppe umfafst diejenigen Aufgaben, welche der Schul-
hygiene aus dem XJnterrichtssystem und den Unterrichtsmethoden
erwachsen. Eine zweite Gruppe umfafst solche Aufgaben, welche
sich auf die Mängel der Schulgebäude und ihrer Einrichtungen be-
ziehen. Die Aufgaben der dritten Gruppe endlich erstrecken sich
über die hygienische Aufsicht, d. h. über die Anstellung, die Dienst-
vorschriften und das Wirkungsgebiet von Schulärzten.
Ich beginne mit dem Unterrichtssystem und der Methodik, durch
10 Griesbach:
welche zweifelsohne eine Reihe pathologischer Erscheinungen her-
vorgerufen werden^ die auf Ermüdungs- und Erschöpfungszustände
des Nervensystems, sowie auf Emährungs- und Zirkulationsstörungen
zurückzuführen sind.*)
Die Ermüdungsuntersuchungen haben ergeben, dafs die ver-
schiedenen Lehrfächer in verschiedenem Grade das Gehirn in An-
spruch nehmen. Im allgemeinen ist die Ermüdung in den alten
Sprachen und in der Mathematik am bedeutendsten , sie ist um so
gröfser, je mehr Gedächtnisleistungen verlangt werden.
Bei den Untersuchungen haben sich des Weiteren zwei sehr
wichtige Dinge herausgestellt. Einmal die Thatsache, dafs viele
Schüler, namentlich im Sommer, wenn der Unterricht um 7 Uhr
morgens beginnt, nicht genügend ausgeruht in die Schule kommen,
weil die Schlafzeit zu kurz war, ein Umstand, der auf den jugend-
lichen Organismus höchst nachteilig einwirkt.
Eine zweite wichtige Thatsache ist die, dafs die kurze Mittags-
pause von 12 bis 2 Uhr, namentlich dann, wenn in dieser Zeit
auch noch gearbeitet wird, keine Erholung bringt, und dafs die Er-
müdung im wissenschaftlichen Nachmittagsunterrichte alsdann einen
so hohen Grad erreicht, dafs von einem erfolgreichen Arbeiten über-
haupt nicht mehr die Rede sein kann. — Was für die Schüler gilt,
trifft ceteris päribus auch für -die Lehrer zu.
Ich möchte nun einzelne Einrichtungen des Unterrichtssystems
besprechen, die mit den Gesetzen der Physiologie und Hygiene nicht
in Einklang zu bringen sind.
Für die Unterrichtsmethode mufs eine natürliche Basis gewählt
werden. Im Mittelpunkte des Unterrichtes können nur der Mensch,
*) Um über den Grad der geistigen Ermüdung Aufschlufs zu erhalten,
hat man verschiedene Methoden angewandt. Eine derselben stammt von dem
italienischen Physiologen Mosso und beruht auf der Thatsache, dafs geistige
Ermüdung die Leistungsfähigkeit der Muskeln herabsetzt. Diese Thatsache
läfst sich mit Hilfe eines von Mosso konstruierten Apparates, des sogenannten
Ergographen, nachweisen. Mit diesem Apparat haben namentlich Keller nnd
Kemsies Versuche an Schulkindern angestellt. — Eine zweite Methode be-
steht darin, dafs man die Schüler am Anfange und Ende der Unterrichts-
stunden kurze Rechnungen und Diktate ausführen läfst und aus der Zahl der
Fehler auf die geistige Ermüdung Schlüsse zieht. Mit dieser Methode haben
Sikorsky, Höpfner, Laser, Burgerstein und Ebbinghaus gearbeitet.
Die dritte Methode endlich ist von mir eingeführt und von Vannod, Wagner,
Eulenburg und Schmid-Monnard geprüft und geübt worden. Sie beruht
auf dem Umstand, dafs geistige Ermüdung die Sensibilität der Haut herab-
setzt, worüber man mit Hilfe eines sogenannten Ästhesiometerö Aufschlufs
erhält.
Die Aufgaben der Schulhygiene. 11
seine Entwickelung, seine gesellschaftliche und staatenbildende
Kraft und seine Ethik stehen. Man hat das im allgemeinen päda-
gogisch auch anerkannt; nur dafs man bisher in vielen höheren
Schulen den antiken Menschen als das Menschheitsideal hinstellte
und ganz yergaJGs; dafs der antike Mensch längst ausgestorben und
der moderne Mensch an seine Stelle getreten ist. überdies hat man^
um von unserem nationalen Standpunkte aus zu reden ^ übersehen
oder doch zu wenig berücksichtigt, dafs wir Deutsche sind, dafs
deutsche Denkweise und Sprache, deutscher Idealismus im Jugend-
unterrichte die erste Stelle einnehmen müssen. Man hat auch bisher
wenig darauf Rücksicht genommen, dafs es unphysiologisch und
unhygienisch ist, wenn man den jugendlichen Geist gegen die
energetischen Vorgänge der Aufsenwelt unempfänglich macht und
ihn mit abstrakten, schwer verdaulichen Dingen ernährt. Ich meine
in erster Linie den fremdsprachlichen Unterricht, insbesondere den
lateinischen Unterricht in den unteren Klassen des Gymnasiums.
Die Massenhaftigkeit und Schwierigkeit des Stoffes steht in einem
schreienden Mifsverhältnis zu dem Alter und der geistigen Reife der
Lernenden. Man versetze sich in die Seele seiner Kinder, man be-
obachte die psychische und physische Entwickelung in den Jahren
vor der Pubertät, und dann erwäge man, was es heifst, Sextaner,
Quintaner und Quartaner mit 8 bis 10 Stunden Latein wöchentlich
zu traktieren. In Bezug auf den bewufsten Gebrauch der Mutter-
sprache fehlt diesen jungen Schülern noch vieles. Ihr Wortschatz
ist gering; ihr Vorstellungskreis beschränkt; an allen Ecken und
Enden schaut die Unbeholfenheit in der eigenen Sprache hervor.
Und diese Kinder unterrichtet man in der lateinischen Formen-
lehre, anstatt sie Anschauung zu lehren und sie auf physiologische
Erfahrung hinzuweisen. Das Sextapensum der Gymnasien enthält
wohl in allen Bundesstaaten, in wesentlicher Übereinstimmung mit
den preufsischen Anstalten, die Deklination und Konjugation, das
Adverbium, Numerale, Pronomen imd sogar die Präpositionen.
Sind das Dinge für das Gehirn von i^^eun- und Zehnjährigen? Dazu
kommt dann das Auswendiglernen von Vokabeln. An den Anstalten
mit Wesener's Übungsbuch beläuft sich ihre Zahl in der Sexta
auf 1040. Das macht für den täglichen Schulbetrieb etwa 6 bis 7
neue Wörter. Es scheint dies auf den ersten Blick zwar gering —
ist es aber nicht: denn die Wörter sollen auch behalten werden.
Man sehe sich einmal das Resultat an. Wenn die Schüler nach
Quinta kommen, hat der FleiTsigste und Begabteste von ihnen fast
300 dieser Wörter vergessen, und der Klasse, im Durchschnitt be-
12 Griesbach:
trachtet; sind weit melu* entfallen. Und was sind das für Vokabeln?
Der Knabe empfängt ja nur den Wortschall, hat aber kein Ver-
ständnis für den Sinn, um so weniger, da viele dieser Wörter einen
doppelten Sinn besitzen. Was soll sich denn der Neun- und Zehn-
jährige dabei denken, wenn er lernt: Ein Gesetz in Vorschlag
bringen, Genugthuung fordern, aufwiegeln, entstellen, Leidenschaft,
Aufwand, Talent u. s. w. Beim Eintritt in die Quinta kommt dann
ein Heer unregelmäfsiger Verben der vier Konjugationen hinzu und eine
stattliche Reihe von Phrasen, die mit ihnen gebildet werden, sowie
weitere Vokabeln aus 50 Übungsstücken. Die lateinische Tages-
arbeit des Quintaners an Auswendiglernen besteht in folgendem:
10 — 15 Wörter wiederholen, 6 — 8 neue Wörter aus einer der ge-
druckten Präparationen zu den 50 Übungsstücken imd endlich noch
die Wörter der selbst angefertigten Präparation. Dazu Regeln aus
der Grammatik.
Zu alle dem setzt nun in Quinta — allerdings nicht in Preufsen,
aber beispielsweise in den Reichslanden — die zweite Fremdsprache:
das Französische, ein. Auch hier spielt das Lernen von Vokabeln
und Regeln die Hauptrolle.
Li Quarta kommen dann weitere 350 zusammenhangslose latei-
nische Phrasen hinzu, in Tertia endlich setzt als dritte Fremdsprache
das Griechische ein und damit erreicht die Belastung der jugend-
lichen Hirnrinde ihren Höhepunkt, um ihn in der Folgezeit nicht
wieder zu verlassen. Eine scharfe Kritik an diesem phUologischen
Unfug übt der Gymnasialprofessor Fahrenbruch in seiner Sch/ift:
„Auf dem Holzwege", Strafsburg 1899. — Mit den Gesetzen der
Physiologie und Psychologie, nach denen das Grundelement alles
bewuTsten Denkens der aus Empfindungen und Vorstellungen sich
ergebende Begrilßf ist, verträgt sich die philologische Dressur keiues-
wegs, da sie übersieht, dafs eine richtige Denkmethode sich nur im
Anschlufs an eine klare und deutliche Begriffsbildung erzielen läfst,
d. h. durch Übung der die Empfindungen vermittelnden Sinnesthätig-
keit. Da sich aus Begriffen die Sprache ergiebt, aber nicht aus der
Sprache Begriffe entstehen, so kann Sprachunterricht kein übungsfeld
zur Begriffsbildung sein, sondern kann nur dazu dienen, die durch die
Sinnesthätigkeit erlangten Begriffe klar und deutlich auszudrücken.
Am geeignetsten zum sprachlichen Ausdi-uck des Gedachten sind
lebende Sprachen, da unsere Begriffsbildung lediglich aus unserer
Lebenserfahrung hervorgeht. In der Muttersprache erfolgt der Aus-
druck des Gedachten naturgemäfs, deswegen ist beim Sprachunter-
richt auf die Ausbildung der Muttersprache das Hauptgewicht zu
Die Aufgaben der Schulhygiene. 13
legen. Fremdsprachliclier Unterricht ist, wie dies auf den so-
genannten Reformschulen geschieht, auf das reifere Alter der Schüler
zu verlegen, um eine Belastung des jugendlichen \ Gehirns zu ver-
hüten. Unser bisheriges Unterrichtssystem, das laut Vorschrift nicht
nur in den Gymnasien^ sondern mit entsprechender Abänderung auch
in den Realanstalten geübt wird, gleicht einer Gehimvivisektion;
statt verdaulicher geistiger Nahrung reicht es Steine, statt geregeltes
Denken züchtet es die Phrase und Gedankenlosigkeit. Die philo-
logische Methode ist für Kinder von 9 bis 14 Jahren, um mit
Herbert Spencer zu reden, „eine erstaunlich unsinnige Gewohnheit'^,
sie ist ein schwerer, wenn nicht der schwerste Mangel unseres
höheren Schulwesens. Sie reibt das jugendliche Gehirn auf und
verstümmelt die psychische Entwickelung, sie bewirkt, dafs in den
oberen Klassen vor, während oder nach dem Abiturientenexamen
nicht selten der geistige und körperliche Zusammenbruch der Schüler
erfolgt. Die Zahl der Hysteriker, Neurastheniker und an Nervosität
überhaupt Leidenden ist in der Schule im Zunehmen begriflPen, und
deswegen schädigt das geschilderte System nicht nur einzelne Bürger,
sondern den Staat.
Mit diesem Unterrichtssystem mufs trotz des Widerstandes der
Altphilologen definitiv gebrochen werden, insbesondere mufs die
Alleinherrschaft der Altphilologen im Gymnasium in Wegfall kommen.
Ich gehe nicht soweit wie der bekannte Philosoph Cartesius,
der, obwohl selbst Latein schreibend, in reifem Mannesalter, ge-
legentlich seiner medizinischen Studien, den Ausspruch that; „Latein
und Griechisch zu lernen hat für den Menschen nicht mehr Zweck,
als etwa Schweizerdeutsch und Niederbretonisch." Aber ich stimme
überein mit denjenigen, die für eine erhebliche Reduktion des
altsprachlichen Unterrichtes und für einen gemeinsamen Unterbau
aller höheren Lehranstalten eintreten, wie ihn die heutigen Reform-
schulen nach Frankfurter und Altonaer System bereits benützen.
Ich finde die Worte, welche Alexander von Humboldt im- Jahre
1860 schrieb, auch für heutige Verhältnisse noch zutreffend. Von
einem ihm bekannten Knaben sagte er, derselbe werde auf einem
Berliner Gymnasium so arg geschunden, dafs man für seine geistige
Entwickelung Besorgnis hegen müsse. Die geistige Uberfütterung
mache ein selbständiges Denken und eine kräftige Ausbildung des
Charakters unmöglich.*)
**) Humboldt fährt dann fort: ,,Ich war 18 Jahre alt und konnte noch so
gut wie gar nichts. Meine Lehrer glaubten auch nicht, dafs viel aus mir
14 Griesbach:
Ebenso wie eine Abänderung der philologischen Methode mufs
man vom hygienischen Standpunkte eine Verminderung des Unter-
richtsstoffes, der Unterrichtszeit und eine Herabsetzung der Ziele
yerlangen.
Der bekannte bayrische Schulmann Becknagel hat vor kurzem
statistisch nachgewiesen, dafs in etlichen höheren Lehranstalten, ins-
besondere in badischen Gymnasien, nur ein Drittel aller Schüler das
Schulziel erreicht. In sämtlichen höheren preuTsischen Schulen er-
reichen nur 20 Prozent aller Schüler das Anstaltsziel, vier Fünftel
scheiden vorher aus und 40 Prozent sogar ohne Berechtigungsschein
zum einjährigen Heeresdienst. Das sind laut redende Zahlen, die
bezeugen, dafs irgend etwas faul im Schulstaate sein mufs. Die
Schul- und Unterrichtshygiene hat ein lebhaftes Interesse daran,
die Ursachen für diese Erscheinungen kennen zu lernen. Es ist sehr
leicht gesagt: Die Schuld liegt am Schülermaterial. Aber da mufs
man mit Recknagel denn doch fragen: Sind die Schüler für die
Schulen da, oder vielmehr die Schulen für die Schüler?
Einen sehr wunden Punkt des herrschenden Schulsystems in
hygienischer Beziehung bilden die Examina und die dafür geltenden
Vorschriften. Eines dieser Examina, die unglückselige Abschlufs-
prüfung in der Untersekunda, ist ja neuerdings, dank des energischen
Eingreifens Sr. Majestät des Kaisers, endgiltig beseitigt worden.
Aber es erübrigt noch, des Abiturientenexamens zu gedenken.
Über seine Beibehaltung oder Abschaffung sind die Ansichten ge-
teilt. Ich kann das Pro und Contra hier nicht erwägen. Aber
Eines mufs die Schulhygiene verlangen, das nämlich, dafs bei gutem
Ausfall der schriftlichen Prüfung die mündliche erlassen wird. Dies
ist in Preufsen die Regel, aber in anderen Staaten, beispielsweise
in den Reichslanden, fehlt diese Vorschrift. Überdies ist zu ver-
langen, dafs die Mitteilung von dem Erlasse der mündlichen Prü-
fung sogleich nach der Feststellung der Ergebnisse des schriftlichen
Examens erfolge; es ist ein Danaergeschenk für die Kandidaten,
wenn diese Mitteilung erst am Tage des mündlichen Examens ge-
macht wird. — Eine weitere sehr wichtige Aufgabe in Bezug auf
das Unterrichtssystem erblickt die Schulhygiene in der Mitarbeit an
der Beseitigung des wissenschaftlichen Nachmittagsunterrichtes, der
würde. Wäre ich der jetzigen Schulbildung in die Hände gefallen, so wäre
ich leiblich und körperlich zu Grunde gegangen. Der geistige Magen kann
viel vertragen, aber zu dem, was man jetzt der Jugend zumutet, gehört mehr
als ein Straufsenmagen. Alle geistige Frische, die zu einem erfolgreichen
Studium durchaus erforderlich ist, geht verloren."
, Die Aufgaben der Schulhygiene. 15
eines der gröfsten Gifte im Schulbetriebe ist. Dafs die Beseitigung
bei dem jetzigen Stande der Dinge unausführbar ist, läfst sich begreifen.
Damit sie ausführbar werde, müssen eben die Lehrpensa eingeschränkt,
die Unterrichtsziele herabgesetzt und die Stunden verkürzt oder an
Zahl verringert werden. — Der Wahlspruch des weiland preufsischen
Geh. Oberregierungs- und Schulrates Johannes Schulze: „Arbeiten
oder untergehen*' ist in dem Sinne, welcher hineingelegt wurde,
gleichbedeutend mit Arbeiten und untergehen. Schulze's Hand
lastete schwer auf den Schulen der preufsischen Monarchie zu An-
fang und in der Mitte des 19. Jahrhunderts, und mancher jugend-
liche Organismus hat diesen Druck mit seiner Gesundheit bezahlt.
Dreimal täglich nimmt die Schule den jugendlichen Geist in An-
spruch: 1) durch den Morgenunterricht, 2) durch den Nachmittags-
unterricht und 3) durch die häuslichen Schularbeiten, die nicht
selten in den oberen Klassen bis gegen Mittemacht und darüber
hinaus dauern. Sieben bis neun und mehr Stunden tägliche Arbeits-
zeit kommen dabei heraus I Das ist zu viel, das ist der Ruin der
jugendlichen Gesundheit; solche Treibhauskultur kann kein gesundes
frisches Leben erzeugen, sie fühi-t zum Stupor scholasticus und legt
den Keim zur Neurasthenie und zum Siechtum. Der Morgen ge-
höre der Arbeit, ernster und eifriger Arbeit, der Nachmittag aber
diene der Erholung. Die häuslichen Schularbeiten müssen auf das
bescheidenste Mafs herabgesetzt werden, namentlich ist der tote Ge-
dächtniskram ganz wesentlich einzuschränken. Erziehung zu scharfem,
gewandtem und schnellem Denken während des Unterrichtes, Lei-
stungen ex tempore, Geistesgegenwart in des Wortes wahrer Be-
deutung, alles das ist viel mehr wert, als das Auswendiglernen
Horazischer Oden, Ciceronianischer Phrasen und hunderter von
Paragraphen aus der Grammatik, als die Ausführung zahlreicher
schriftlicher Arbeiten. Durch die Einschränkung der letzteren wird
nicht nur der Schüler, sondern auch der Lehrer vor geistiger Er-
mattung bewahrt; denn durch die öde Korrekturarbeit von hundert
und mehr Heften wöchentlich — ein furchtbares Kreuz unserer
Lehrer, wie F. Paulsen sagt — erleidet der Lehrer zweifelsohne
eine erhebliche Einbufse an geistiger Frische und Elastizität für
seinen Vortrag.
Gegen den wissenschaftlichen Nachmittagsunterricht ist von
Seiten der Physiologie und Hygiene aus folgenden Gründen Ein-
spruch zu erheben. Da feststeht, dafs arbeitende Organe am meisten
mit Blut versorgt sind, so befindet sich das Blut nach den Mahl-
zeiten, insbesondere nach der Hauptmahlzeit, zum gröfsten Teil in
16 Griesbach:
den Yerdauongsorganen. Da ferner das Oehim nur normal 2u
arbeiten vermag, wenn es in reichlichem Mafse durchblutet wird,
nicht aber, wenn es, wie während des Yerdauungsgeschäftes, relativ
anämisch ist, so folgt, dafs bei der bei uns üblichen Lebensweise ein
wissenschaftlicher Unterricht bald nach der Mittagsmahlzeit
gleich schädlich für Nervensystem und Yerdauungsorgane ist.
Wenn der Nachmittag schulfrei gehalten wird und die häus-
lichen Aufgaben .nicht den gröfsten Teil desselben in Anspruch
nehmen, dann bleibt auch Zeit zur Ausbildung körperlicher Kraft
und Gewandtheit, dann können Turnübungen und Jugendspiele aller
Art betrieben werden. Das heutige Klassentumen zwischen den
einzelnen wissenschaftlichen Lehrstunden ist trotz des Widerspruches
gewisser Herren von der Zentraltumanstalt vom Übel. Wer sich die
Schüler mit ihrem vom Turnen erregten Gef äfs-, Nerven- und Muskel-
sjstem und der feuchtwarmen Haut beim Beginne des Unterrichtes
genau ansieht, wer während desselben die Aufmerksamkeit prüft, und
wer die Schriffczüge der Hand beobachtet, die kurz vorher gymnastische
Übungen ausführte, der mufs zugeben, dafs da von einer harmonischen
Anpassung nicht die ßede sein kann. Noch weniger als ein er-
müdeter Geist zu körperlicher Anstrengung taugt, eignet sich ein
ermüdeter Körper zu geistiger Arbeit. Lieber kein Turnen, keinen
Sport, als solche verfehlte Methode I
Soviel über die Hygiene des Unterrichtssystems. Ich habe mich
absichtlich hierbei etwas länger aufgehalten, weil ich gerade dieses
Gebiet für ein sehr wichtiges Kapitel der Schulhygiene halte.
Ich wende mich nun zu den Schulgebäuden und deren Ein-
richtungen. Das Schulhaus soll frei gelegen sein, damit Luft und
Licht von allen Seiten Zuti'itt haben. Sumpfiger oder feuchter
Boden darf für den Bau des Hauses nicht verwendet werden, und
die Nachbarschaft mufs frei von stehenden Gewässern und Abwasser-
kanälen sein. In den Städten ist für eine freie Lage des Schul-
gebäudes zu sorgen, damit der Unterricht durch die Strafsengeräusche
oder durch Fabrikbetrieb nicht gestört werde.
Ein im Sommer mit genügendem Schatten versehener geräumiger
Schulhof ist für den Aufenthalt der Zöglinge in den Pausen unbedingt
erforderlich. Einige Aufmerksamkeit ist der Bodenbeschalßfenheit des
Hofraumes zuzuwenden, derselbe mufs möglichst staubfrei gehalten
werden. In Bezug auf die Bauart des Schulgebäudes ist zu bemerken,
dafs die Bäume im Erdgeschofs mit Luftisolierung zu versehen oder
zu unterkellern sind. Im letzteren Falle sind zementierte Keller-
Die Aufgaben der Schulhygiene. 17
gewölbe am geeignetsten. ^Wenn das Schulgebäude aus Mangel eines
geeigneten Grundstückes an der Strafse erbaut werden mufS; so sollen
die Erdgeschofszimmer mindestens 6 m über der Strafse liegen, um
Staub, Ausdünstungen der Gossen und das Strafsengeräusch mög-
lichst zu eliminieren. Die Strafsen, welche am Gebäude entlang
führen, müssen mit Holzpflaster versehen werden, und der Verkehr
mit Lastfuhrwerken und Tramways ist seitens der städtischen Be-
hörde zu untersagen. Korridore und Treppen im Schulgebäude
müssen in genügender Zahl und Breite vorhanden sein, sich, ohne
dafs Zugluft entsteht, gut lüften lassen und ausreichende Be-
lichtung besitzen. Die Gröfse der Klassenzimmer richtet sich nach
der Zahl der Insassen; nach Feststellung des Yentilationsbedarfes ist
für die erforderliche Lüftung stets Sorge zu tragen. Für die Her-
stellung der Treppenstufen und der Fufsböden in den Korridoren
und Lehrzimmem soUte nur hartes Holz ^Verwendung finden. Eine
wichtige hygienische Mafsregel ist es, die Fufsböden staubfrei zu
halten. Um dies zu erreichen, ist es praktisch, dieselben zu ölen.
Ein Olpräparat, welches neuerdings unter dem Namen „Dustless" in
den Handel gebracht wird, hat sich bis jetzt gut bewährt. Das
tägliche Aufwaschen ist kaum durchführbar und man mufs zufrieden
sein, wenn die Subsellien mit feuchten Tüchern abgewischt werden.
Die Reinigung der Schulräume läfst in vielen Anstalten allerdings
viel zu wünschen übrig und nicht selten fehlt es an dem nötigen
Dienstpersonal, beziehungsweise an dem guten Willen desselben. —
In allen Schulräumen ist die geeignetste Wandbekleidung Holz-
täfelung (Paneel) und Leimfarbenanstrich, Tapeten sind ganz unzu-
lässig. Behufs ausreichender Beleuchtung in den Schulzimmem
mufs die Fensterfläche mindestens ein Fünftel der Bodenfläche be-
tragen. Jeder Schüler sollte von seinem Platze aus ein Stück
Himmel sehen können. Gegen Sonnenbestrahlung sind die erforder-
lichen Schutzvorrichtungen anzubringen. Zur künstlichen Beleuch-
tung des Schulgebäudes eignet sich das elektrische Glühlicht am
besten. Bei Anwendung von Leuchtgas sind Argand- oder Auer-
brenner zu empfehlen, offene Flammen sollten vermieden werden,
da sie für das Auge zu unruhig sind. Belästigende Strahlung und
Glanz der Gaslampen lassen sich durch passende Anbringung und
Schutzvorrichtungen leicht vermeiden.
Von grofser hygienischer Bedeutung ist die Frage nach der
Heizung der Schulgebäude. Vom Standpunkte der Schulgesundheits-
pflege ist zu verlangen, dafs die Heizanlage den erforderlichen
Wärmegrad erzeugt, dafs sie die Wärme dem Räume und der Zeit
Gesunde Jugend. I. Xj^ 2
\
18 Griesbach:
nach gleichmärsig verteilt; und dafs der Heizbetrieb keine die Ge-
sundheit beeinträchtigende Wirkung ausübt. Bei der in unseren
Gegenden üblichen Körperbekleidung ist für Schulzimmer eine
Temperatur von 17 bis 19° C, in Turnhallen von 13 bis 16° C erforder-
lich. Hat die Zimmerluft die angegebene Temperatur^ sind aber
die Wände des Zimmers erheblich kälter^ so fröstelt der Mensch^
wegen vermehrter Ausstrahlung nach den Wänden zu. Sind die
unteren Luftschichten des Schulzimmers erheblich kälter als die
höheren Schichten^ so giebt es kalte Füfse und heifse Köpfe. Im
allgemeinen werden Schulgebäude durch eine Niederdruck -Dampf-
Luftheizung am geeignetsten erwärmt. Nur die TumhaUe, die Aula
und einzelne abgesondert gelegene Bäume erhalten Niederdruck-
Dampföfen. Bei der Wahl (Jes genannten Systems geht man von
der Erwägung aus^ dafs einerseits wegen der Gröfse des Gebäudes
nur der Dampf als Erzeuger. von Wärme in Frage kommen kann^
falls man nicht eine gröfsere Anzahl von Feuerstellen im Gebäude
anlegen will^ dafs aber andererseits ^ um eine ausreichende und nie
versagende Lüftung der Räumlichkeiten zu erzielen^ die Luft als
Träger der Wärme am vorteilhaftesten erscheint. Im Vergleich mit
einer gewöhnlichen Luftheizung hat das genannte System noch den
Vorzug, dafs die Luft durchaus rein erhalten und an der Rohrleitung
nicht versengt wird, d. h. keine Zersetzung des in der Luft stets
enthaltenen Staubes pflanzlichen und tierischen Ursprunges eintritt,
wodurch die Luft für die Atmung verschlechtert wird. Gerade in
Schulgebäuden muTs man, im Interesse der Gesundheit des heran-
wachsenden Geschlechtes, besonders darauf bedacht sein, reichliche
Mengen möglichst reiner Luft zuzuführen. Diese hygienische For-
derung findet leider immer noch nicht genügend Berücksichtigung.
— Für ein Schulgebäude mittlerer Gröfse genügt eine einzige
Feuerstelle mit etwa vier Niederdruck-Dampfkesseln. Jeder dieser
Kessel soll eine wasserberührte Heizfläche von etwa 14 qm haben,
wobei er eine stündliche Verdampfung von 17 bis 18 kg auf 1 qm
leistet. Der für die Heizung in Betracht kommende Dampf erhält
eine Spannung von Yjq bis y^^ Atmosphäre, so dafs man eigentlich
mehr von Wasserdunst als von Dampf reden kann. Die Bedienung
der Kessel beschränkt sich auf wenige Tagesstunden, weil sich die
Feuerung durch zweckmäfsige Vorrichtungen selbstthätig regeln
läfst. Bei mildem Winterwetter genügt es, nur einen Kessel in
Betrieb zu setzen, bei kalter Witterung kommen 2 oder 3 Kessel
zur Verwendung; drei Kessel haben sich selbst bei einer Temperatur
von — 20 bis — 28® C noch als ausreichend bewährt, so dafs der
Die Aufgaben der Schulhygiene. 19
vierte Kessel als Reservekessel betrachtet werden kann. — Aus den
Kesseln gelangt der Dampf nach mehreren, etwa fünf bis sechs im
Keller befindlichen, Luftkammem, in welche die zu erwärmende Luft
aus dem Freien durch geeignete Kanäle hineingeleitet wird. Der
Dampf streicht in den Luftkammem durch Rippenröhren. Die zu-
geführte Luft umspült dieselben und gelangt nach der Erwärmimg
durch ein sorgfältig gemauertes Kanalsystem in die einzelnen Schul-
räume. Auf diese Weise lassen sich 25 bis 30 Schulräume, selbst
bei strenger Kälte, mit 14 Tausend cbm Luft in der Stunde ver-
sorgen. Die Wärmeregulierung erfolgt einerseits in den Dampf luft-
kammem durch den Heizer, indem derselbe je nach den Witterungs-
verhältnissen durch Schaltvorrichtungen ein kleineres oder gröfseres
Gebiet der Rippenröhren funktionieren läfst, andererseits durch
passende Verschiebung der in den Schulräumen vorhandenen Klappen
durch die Hand der Lehrer. Diese Klappen sind so eingerichtet,
dafs, je nach Bedarf, nur warme oder nur kalte Luft, oder ein be-
liebiges Gemisch beider in das Zimmer eintritt, oder dafs die Luft-
zufuhr ganz abgesperrt werden kann. Durch ein besonderes Kanal-
system im Mauerwerk wird die verbrauchte Luft nach den Speicher-
räumen geleitet, die ihrerseits durch Deflektoren gelüftet werden
können. Die beschriebene Einrichtung ist in mehreren deutschen
Städten eingeführt, beispielsweise in den Schulen Düsseldorfs, wo
sie sich gut bewährt. Das Wiener Stadtbauamt bezeichnet die
Niederdruck -Dampf- Luftheizung für Schulen als die beste Heizung.
Die Anlage derselben ist 50 bis 60 Prozent kostspieliger als die
aller anderen Systeme, die Betriebskosten sind aber deswegen gering,
weil Reparaturen selten vorkommen. Li der Dauerhaftigkeit der
Anlage liegt ein hygienischer Vorteil. Der Austritt von Verbrennungs-
produkten durch schadhaft gewordene Stellen imd eine dadurch ent-
stehende Verunreinigung der Luft in den Schulräumen ist aus-
geschlossen. Im Vergleich zu diesen bewährten Heizanlagen ist die
Gasheizung ein unentwickeltes Kind zu nennen. Erst in den letzten
Jahren ist dieselbe in gröfserem Umfange eingeführt worden und
deswegen kann man darüber noch kein endgiltiges Urteil in Bezug
auf Brauchbarkeit abgeben. Eine gröfsere Gasheizungsanlage wurde
zum erstenmal in dem Schulgebäude an der Schulstrafse in München-
Neuhausen ausgeführt. Diese Anlage umfafst 72 Gasöfen nach dem
System der Karlsruher Schulöfen. Die Lüftungsanlage der Klassen-
räume wird teils nach dem System Hendschel imd Guttenberg mit
dem Ofen direkt in Verbindung gebracht, teils wird sie von diesem
getrennt selbständig eingerichtet. In den Jahren 1897 und 1898
o*
20 Griesbach:
wurden in München noch zwei^andere Schulgebäude mit Gasheizung
versehen. Auch in Mülhausen hat man vor kurzem ein neuerbautes
Schulhaus mit dieser Einrichtung ausgerüstet. Über die Brauchbar-
keit der Gasheizung sind im Münchener hygienischen Institut Unter-
suchungen angestellt worden^ die im allgemeinen ein zufrieden-
stellendes Resultat ergeben haben. — Wo keine Zentralheizung vor-
handen ist, sollte man die Ofen entweder mit Holz oder mit Koke
speisen; bei der Verwendung von Steinkohlen entsteht häufig Bauch
und Schmutz.
Von Wichtigkeit für die Schulhygiene ist die Einrichtung der
Subsellien. Nichts erhöht die SkoUosegefahr und die Schädigung
des Auges so sehr, wie die mangelhafte Beschaffenheit der Tische
und Bänke in den Schulzimmem. Die Mafsverhältnisse der Sub-
sellien müssen der Gröfse der Schüler angepafst sein. Der vertikale
Abstand zwischen Tischplatte und Sitzbank — die sogenannte
Differenz — soll %, die Höhe des Sitzes über dem Fufsboden %,
und die [Breite der Sitzbank Yg der Körperlänge betragen. Die
Tischplatte soll jedem Schüler mindestens ein Flächengebiet von
55 cm Länge und 40 cm Breite zur Verfügung stellen und gegen
die Horizontebene um 6® geneigt sein. Die vordere Kante der
Sitzbank und die ihr parallel laufende^ dem Körper zunächst ge-
legene Kante der Tischplatte sollen in dieselbe Vertikalebene fallen.
Der horizontale Abstand dieser beiden Kanten — die sogenannte
Distanz — ist also gleich Null. Übrigens ist es vorteilhaft, wenn
der Tisch oder die Bank in vertikaler Richtung verstellbar sind und
letztere eine geräuschlose Klappvorrichtung besitzt, um das Auf-
stehen innerhalb des Subselliums zu ermöglichen.
In Bezug auf die Hygiene des Auges kommen auch die Schul-
bücher und die Schrift in Betracht. Die Buchstabenhöhe der ge-
druckten Bücher betrage 1,5 mm, in den unteren Klassen besser
noch 1,75 mm, die Dicke der Buchstaben 0,25 mm, ihre Approche
0,5 mm. Die geeignetste Entfernung zweier Zeilen zwischen den nicht
über die Zeile hervorragenden Buchstaben ist 2,5 mm. Statt der
Schiefschrift empfiehlt es sich, in den Schulen Steilschrift zu lehren,
da bei Ausführung der ersteren der Kopf gewöhnlich auf die Seite
geneigt wird, wodurch die Augenstellung eine mifsliche wird.
Ich wende mich endlich zu der letzten und nicht minder wich-
tigen Aufgabe der Schulhygiene, nämlich zu der ärztlichen Aufsicht.
Die Frage nach der Anstellung von Schulärzten ist in der letzten
Zeit sehr häufig besprochen worden. Mit theoretischen Betrachtungen
Die Aufgaben der Schulhygiene. 21
hat man sich glücklicher Weise nicht begnügt, sondern man hat die
Theorie in die Praxis umgesetzt. Heute giebt es amtlich eingesetzte
Schulärzte in Wiesbaden, Berlin, Charlottenburg, Königs-
berg, Frankfurt a. M., Nürnberg, Darmstadt, Offenbach,
Breslau; ferner im Ausland, ich nenne nur Brüssel, Paris,
Stockholm, Kopenhagen und Budapest. Das Ideal des Schul-
arztes würde meines Erachtens erreicht, wenn derselbe zum Lehr-
körper einer Anstalt gehört, der er ganz seine Kräfte widmet und
an der er das Fach der Hygiene lehrt. So ist es beispielsweise in
Ungarn. Im übrigen kann jeder praktische Arzt Schularzt werden,
sofern er sich hygienisch genügend ausgebildet hat. Aber die Schul-
ärzte dürfen nicht wie die Schatten des Hades, sie dürfen nicht
wesenlose Gestalten sein. Was nützt es, wenn sie in dem Stadt-
register stehen, in der Schulkommission sitzen und doch niemals zu
greifen sind. Auch dürfen sie nicht Werkzeuge in der Hand eines
eifersüchtigen Bezirks- oder Kommunalarztes sein. Der Arzt, der
nur den Namen Schularzt trägt, aber keine Initiative besitzt, ist
weiter nichts als ein Schaustück, um das Publikum zu beruhigen.
Im Schulorganismus spielt er dann höchstens die Rolle eines Fremd-
körpers, der nicht organisch verwachsen kann.
In Bezug auf die Dienstvorschriften des Schularztes sei Fol-
gendes gesagt.
Der Schularzt hat alle für die Hygiene in Betracht kommenden
Einrichtungen der Schulen zu kontrollieren. Den Sitzungen des
Lehrkörpers und der Schulkommission mufs er, wenn solche Ein-
richtungen besprochen werden, beiwohnen, um Vorschläge zu machen
und auf Beseitigung etwaiger Mifsstände zu dringen. Zu Anfang
und Ende des Sommers und Winters habdh die Schulärzte alle
Schüler, insbesondere auch die neu eintretenden, auf ihren Gesund-
heitszustand zu prüfen. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind
in besondere Formulare einzutragen.
Es wird sowohl über jeden einzelnen Schüler, als auch über
die Anstalt als Ganzes ein Gesundheitsbericht ausgefertigt. Der
Gesundheitsbericht über die Anstalt wird klassenweise geführt.
Femer wird ein besonderer Bericht über die Lehrer der An-
stalt ausgearbeitet.
Der Schularzt ist gewöhnlich nicht der behandelnde Arzt der
Schüler oder Lehrer, es sei denn, dafs dies besonders gewünscht
wird. Von einer Beeinträchtigung der Praxis der Hausärzte kann
also nicht die Rede sein, es wird vielmehr durch die Thätig-
keit des Schularztes die der übrigen Arzte noch gefordert.
22 Griesbach:
indem der Schularzt die Notwendigkeit ärztlicher Behandlung an-
empfiehlt.
Jeder Fall einer ansteckenden Krankheit oder der Verdacht auf
eine solche ist dem Schularzte zu melden. Nach Ablauf der Krank-
heit hat sich der Schüler mit dem Zeugnis des Arztes, der ihn be-
handelte, versehen dem Schularzte vorzustellen. Befreiungen von
einzelnen Unterrichtsstimden, insbesondere vom Turnen, hat nur der
Schularzt vorzunehmen. Ich kenne Fälle, in denen in Bezug auf
die genannte Befreiung Unfug getrieben wurde. Wozu hat denn
die Schule die Schulärzte, wenn ihnen in diesem Punkte nicht Macht-
befugnis zugestanden wird? Der Schularzt hat in solchen Fällen
der Schule gegenüber die Verpflichtungen, wie der Militärarzt bei
den Militärbehörden. Über die Schliefsung einer Schule kann der
Schularzt allein, ohne Genehmigung der Verwaltung, bezw. der
Regierung, nicht verfügen.
Monatlich einmal soll der Schularzt das Gebäude, die Lehrsäle und
alle Einrichtungen inspizieren und auch darüber einen Bericht ausgeben.
Der Lehrerschaft gegenüber hat der Schularzt nicht die Befug-
nis eines Vorgesetzten, er besitzt nicht das Recht, den Schulbeamten
irgendwelche Befehle zu erteilen. Wäre dies der Fall, so könnte
mau mit Recht von einer unbefugten Einmischung in die Organi-
sation der Schule reden, und die vielfach befürchteten Zwistigkeiten
zwischen Lehrern und Arzt würden nicht ausbleiben. Dagegen
dürfte es gewifs als richtig anerkannt werden, wenn der Schularzt
die Schulvorstände und Lehrer auf etwa wahrgenommene Mängel
aufmerksam macht, ohne hinter ihrem Rücken oder über sie hinweg
bei der höheren Instanz Klage zu führen.
Die Resultate, welbhe die schulärztliche Thätigkeit bis jetzt zu
Tage gefordert hat, zeigen deutlich, dafs unter den Schulkindern
vielfach Krankheiten vorkommen, von denen weder das Kind, noch
seine Eltern eine Ahnung haben, Krankheiten, die, wenn sie un-
beachtet, beziehungsweise imbehandelt bleiben, recht bedenkliche
Folgen haben können. Ganz besonders dürfte dies für die Er-
krankungen des Nasenrachenraumes, für die Veränderungen am Skelet
und die Tuberkulose zutreffen, deren frühzeitige Erkennung und Be-
handlung nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für dessen
Umgebung von hohem hygienischen Wert ist.
Wer eingehend und vorurteilsfrei die Thätigkeit des Schularztes
in Erwägung zieht, der mufs zugeben, dafs die Anstellung desselben
einem dringenden Bedürfeusse entspricht und zahlreiche Gefahren von
der Schule und dem Eltemhause abwendet.
Die Aufgaben der Schulhygiene. 23
Bei dem Verständnis, welches breite Schichten der Bevölkerung
mehr und mehr der öffentUchen Gesundheitspflege entgegenbringen,
ist zu hoffen, dafs auch für die Schulhygiene das Interesse ein immer
regeres wird. Gestützt wird diese Hoffiiung durch die rege Beteili-
gung an unserem erst ror kurzem ins Leben gerufenen Allgemeinen
Deutschen Verein für Schulgesundheitspflege. Nicht nur Schul-
männer und Arzte sind es, die demselben als Mitglieder angehören,
sondern ganze ßemeinden und Personen jeglichen Standes und Be-
rufes haben sich angeschlossen. Sie alle leben der Überzeugung,
dafs, wenn die Hygiene das Heil der Jugend in den Schulen aller
Gattungen ins Auge fafst, sie zugleich auch den Eltern Wohlthaten
erweist.
Zur Frage des Nachmittagsunterriclits.
Von Dr. H. Schotten, Halle a. S.
Die Frage nach der Unterrichtszeit ist so alt, wie die Einrich-
tung öffentlicher Schulen. Und das ist ja natürlich, dafs man bei
der Einrichtung von Massen- Schulen auch über diese Frag^ Über-
legungen anstellte und sie gemäfs diesen Überlegungen entschied.
Ursprünglich war es keine schwierige Frage, da sie rein schul-
m'äfsig entschieden wurde. Aber im Laufe der Zeit ist sie aus
diesem Rahmen herausgetreten, zu den ursprünglichen Erwägungen
traten nach und nach immer neue hinzu: und so ist denn die Ge-
fahr grofs geworden, dafs eine grofse Zahl nebensächlicher Bedenken
und Rücksichten das innerste Wesen der eigentlichen Bedeutung
verdunkeln und in den Hintergrund drängen. Aber auch hiervon
abgesehen, haben sich die Verhältnisse in mancher Hinsicht so ver-
schoben, dafs das, was ursprünglich oder zu irgend einer späteren
Zeit mafsgebend gewesen ist, jetzt in anderer Weise auf die Ent-
scheidung einwirken mufs.
Ehe wir auf die historische Bedeutung eingehen, möge es ge-
stattet sein, einige allgemeine Gesichtspunkte zu erörtern.
Zunächst dürfte wohl anerkannt werden, dafs man auch diese
Frage nicht ganz allein für sich behandeln darf, dafs Rücksicht zu
nehmen ist auf allgemeineJ'Verhältnisse, die nach der einen oder
andern Seite hin ihren Einflufs ausüben. Hier möchte ich nun an
erster Stelle hervorheben, dafs es auffällt, dafs die Entscheidung
ganz allgemein für alle Klassen der höheren Schulen getroffen
worden ist. Und darin liegt vielleicht der Hauptgrund dafür, dafs
bestehende Verhältnisse angegriffen wurden. Die Schulzeit auf der
höheren Schule umfafst das Lebensalter von ca. 10 Jahren bis zum
20. Jahr. Dafs aber das, was nun für die kleinen Schüler mafsgebend
ist, nicht auch in gleicher Weise für die oberste Stufe zu gelten
braucht, dürfte wohl allgemein anerkannt werden. Will man also
die Frage nach der Unterrichtszeit prinzipiell entscheiden, so müfste
zunächst zu empfehlen sein, sie nach den drei Stufen, untere, mitt-
lere, obere Klassen, getrennt zu behandeln. Weitere Erwägungen
H. Schotten: Zur Frage des Nachmittagfiunterrichts. 25
müTsten sich dann anknüpfen an die klimatischen Verhältnisse —
abgesehen von den rein lokalen — und an die Lage der Ferien.
Alle diese Erwägungen möchte ich zur Gruppe der pädagogischen
zusammenfassen^ ihnen reihen sich dann die Gruppen der sozialen
und sanitären an. Freilich lassen sich diese Gruppen bei der Be-
antwortung der Frage nach der passendsten Unterrichtszeit nicht
immer scharf auseinanderhalten^ es spielen soziale Erwägungen von
einem ins andre Gebiet hinüber, dafs eine gemeinsame Betrachtung
sich mit ihnen abzufinden suchen mufs. Immerhin sollen uns diese
Gruppen das Gerippe für unsere Ausführungen geben, zumal es von
Bedeutung sein wird, die SteUung der Gruppen untereinander zu
beachten.
Dafs die rein pädagogische die wichtigste ist und bleiben mufs,
wird wohl auch von denen nicht bestritten werden können, die von
ihrem Standpunkte aus geneigt sind, andere, z. B. sanitäre Inter-
essen, in die erste Linie zu rücken: und dies dürfte um so weniger
der Fall sein, als eine gesunde Pädagogik an und für sich auch das
leibliche Wohl der Schüler im Auge hat. Auch in mancher andern
Hinsicht ist die Dreiteilung nur eine äufserliche, man gelangte vielleicht
zu einer noch schärferen Bestimmung, wenn man die Interessenten
an der vorliegenden Frage aufzählte. Das sind: 1) die Schule als
Bildungsanstalt mit den Zwecken, die sie verfolgt und verfolgen
mufs; 2) die Lehrer als Lehrer und Menschen; 3) die Schüler; 4) das
Elternhaus; 5) die Arzte. (In gewisser Beziehung wären auch noch
die Geistlichen zu berücksichtigen, insofern, als sie während der Zeit
des Konfirmationsunterrichtes in bestimmte Beziehung zur Schule
treten.) Bei dieser Unterscheidung würde ebenfalls eine scharfe
Trennung nicht immer durchzuführen sein, da 1) und 2) und 2), 4)
und 5) gar oft zusammenfallen.
Man kann schon hieraus erkennen, dafs die Sache nicht einfach
mit dem Worte „Fort mit dem Nachmittagsunterrichte" abgemacht
ist. Dem steht zunächst noch die positive Unmöglichkeit gegenüber.
Die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstuiiden beträgt z. B. jetzt in
den oberen Klassen der Oberrealschulen 38. An 6 Tagen je 5 Vor-
mittagsstunden ergeben erst 30 Stunden; bleiben also für die Nach-
mittage noch 8 Stunden; da an Einem Tage nicht mehr als 7 Unter-
richtsstunden*) in einer Klasse erteilt werden dürfen, so sind noch
mindestens 4 Tage mit Nachmittagsunterricht zu belegen.
*) Nach Ansicht der Ärzte ist diese Zahl entschieden zu hoch, verschie-
dene Ärztekammern waren für 4 Stunden; 5 sollen nach der Ansicht anderer
noch zulässig sein, für die Oberstufe höchstens 6.
26 H. Schotten:
Wir sehen also hier gleich noch eine neue Frage auftauchen^
die nach der Zahl der Unterrichtsstunden. Diese Frage würde aber
im wesentlichen an Bedeutung verlieren, wenn man die Frage des
Nachmittagsunterrichts nicht einheitlich für die höhere Schule zur
Entscheidung stellte, sondern nach unserm Vorschlage die drei
Stufen der unteren, mittleren und oberen Klassen trennte. Es
können doch in der That nicht dieselben Rücksichten mafsgebend
sein — besonders in sanitärer Hinsicht — für lOjahrige Kinder
und 19jährig6 j^^g^ Männer im kräftigsten Alter.
Übrigens möge gleich hier ein Vorschlag gestattet sein für eine
andere Verteilung der 38 Stunden: an 4 Tagen je 4 Vormittags-
stimden und 3 Nachmittagsstunden, am Mittwoch und Sonnabend
je 5 Vormittagsstunden. Denn darüber müssen wir uns klar sein,
dafs eine Ermäfsigung der Stundenzahl zur Zeit ziemlich aussichtslos
erscheint, nachdem ein Hohes Ministerium soeben bei den neuen
Lehrplänen eine Erhöhung angeordnet hat.
Diese Stunden müssen dann erteilt werden im Sommer von
7 — 11 und von 3 — 6, resp. am Mittwoch und Sonnabend von 7 — 12,
im Winter von 8 — 12 und von 3 — 6, resp. am Mittwoch und Sonn-
abend von 8 — 1. Bei dieser Einteilung würde zwischen Vormittags-
imd Nachmittagsimterricht eine Pause von im Sommer 4, im Winter
3 Stunden fallen: doch gewifs ausreichend, um völlige Erholung zu
sichern und auch zu vermeiden, dafs allzubald nach dem Mittags-
mahl Bchon wieder das Sitzen in der Schule anginge. Zwei Nach-
mittage aber blieben — aufser dem Sonntag — in jeder Woche für
einigermafsen gröfsere Spaziergänge übrig, was doch wohl auch als
ausreichend angesehen werden dürfte.
Die langen Pausen aber zwischen Vormittags- und Nachmittags-
unterricht könnten von jedem je nach Individualität — die ja sonst
arg betont wird — verwendet und ausgenutzt werden, oder je nach
dem Wetter oder nach den Rücksichten auf die Familie, eventuell
sogar zu leichteren Arbeiten.*)
Es käme dann weiter bei dieser Verteilung in Betracht, dafs an
wirklich heifsen Tagen durch Ausfall des Nachmittagsunterrichts je
3 Stunden wegfallen, die wichtigen am Vormittag aber ungeschmälert
bleiben würden. Diese Erwägung hängt aber eng zusammen mit
der Anordnung der Ferien. Man müfste sich wirklich endlich ent-
schliefsen, 6 Wochen Ferien im Sommer einzurichten**); freilich
*) Das wäre aber schon nach Ansicht der Ärzte zu verbieten. Man vergl,
weiter unten.
**) Nach anderer Ansicht — besser noch — 7 bis 8.
Zur Frage des NachmittagBiintemchts. 27
müfste dann das Schuljahr mit Beginn dieser Ferien schliefsen; da-
mit wäre denn auch endgiltig die Frage der Wechselzeiten — dieser
crux mancher Anstalten — gelöst. Und noch eine andere fände
gleichzeitig ihre Lösung: es fiele nicht mehr das Ende des Oster-
Schuljahres mit dem Ende des Konfirmationsunterrichtes zusammen,
so dafs die betreflfenden Schüler nicht mehr gleichzeitig von zwei
Seiten besonders intensiv in Anspruch genommen würden.
Und noch ein anderes ist hier zu erwägen, das ist die Pausen-
ordnung.*) Mir will ihre Regelung fast wichtiger erscheinen, als
unsere Hauptfrage; keinesfalls darf übersehen werden, auch hierin
Wandel zu schaffen. Schon an anderer Stelle habe ich angefahrt,
dafs das, was man dem Studierenden zugesteht, eine viertelstündige
Pause zwischen anstrengenden Stunden, in viel berechtigterem MaTse
der heranwachsenden Jugend — und zwar auf allen Stufen — zu-
gestanden werden mufs. Umsomehr mufs dies gefordert werden,
als der Unterricht heutzutage eine gauz andere Anstrengung für den
Schüler — und nebenbei gesagt, auch für den Lehrer — bedeutet
wie früher. Der Gründe sind mancherlei anzuführen, die Entwick-
lung der Pädagogik, die Regeneration des Lehrertums, die vollen
Klassen: zum Teil Imponderabilien anderer Art: kurz, die Forderung
nach viertelstündigen Pausen mufs ganz energisch ausgesprochen
werden, und mit allen Mitteln müssen alle, die ein Herz haben für
die Jugend, gerade für die Erreichung einer solchen Pausenordnung
eintreten.**)
Nach diesen allgemeinen Betrachtungen, bei denen eine Reihe
von Fragen, die, wie man sieht, aufs engste mit unserem Thema
zusammenhängen, gestreift worden sind, sei es mir nun gestattet,
ehe ich in der Erörterung fortfahre, einen Blick auf die historische
Entwicklung der vorliegenden Fragen zu werfen.
6anz allgemein hatte sich — hier früher, dort später — der
Gebrauch herausgebildet, nachdem anfänglich je drei Vor-
mittags- und Nachmittagsstunden angesetzt waren, auf den
Vormittag 4 Stunden, auf den Nachmittag 2 zu legen. Dabei waren
altem Herkommen gemäfs die Mittwoch- und Sonnabend-Nachmittage
frei. Diese Einrichtung bestand ganz allgemein und hat sich sehr
lange erhalten; ein kleiner Unterschied an den verschiedenen An-
stalten war nur darin zu erblicken, dafs hier der Vormittagsunter-
*) Inzwischen ist eine neue Pausenordniing verfugt, in der an Stelle von
45 Minuten jetzt 70 Minuten tägliche Pause sein sollen.
•*) Der Hygieniker sagt: Anfang der Schule sy^, in Ausnahmefällen
7y^, des weiteren (Syj, oy^, 10 y^, liy^ etc.
28 H. Schotten:
rieht im Sommer von 7 — 11, dort im Sommer und Winter von
8 — 12 lag. Aber in der Lage des Nachmittagsunterrichts bestand
Übereinstimmung, er begann überall um 2 Uhr. Es ist geradezu
höchst auffallend, dafs man sich hiervon nicht frei zu machen ge-
wufst hat; was der Grund gewesen, läfst sich schwer feststellen:
einmal mag der Gedanke mafsgebend gewesen sein, den Schülern
möglichst viel vom Nachmittag für ihre eigene Arbeit zu retten,
sie möglichst früh wieder von der Schule frei zu machen; dann aber
ist gewifs auch eine Rücksicht in Betracht gekommen, die jetzt
wohl nur bei einzelnen Anstalten noch in Frage kommt: die auf
die Beleuchtung. Doch wie dem auch sein möge, jedenfalls ist als
Thatsache zu konstatieren, daFs man auf den Gedanken, den Nach-
mittagsunterricht erst um 3 Uhr zu beginnen, nicht gekommen ist.
Vielleicht hat auch hier das Beharrungsvermögen, das nirgends
intensiver beobachtet werden kann, als im Schulwesen, eine Rolle
gespielt.
Gegen diesen allgemeinen Gebrauch wurde nun von Berlin aus
in den sechziger Jahren angekämpft, die Grofsstadt stellte ihre For-
derungen. Wir können die Gründe für Abschaffung des Nachmittags-
unterrichts, die geltend gemacht werden, wohl ohne Bedenken als
soziale bezeichnen, ohne uns durch die pädagogischen Mäntelchen,
die man der Sache umhing, beirren zu lassen. Freilich entschlofs
man sich gleichzeitig, wirklich reinen Vormittagsunterricht zu er-
teilen unter Herabsetzung der Stundenzahl auf 30. Von Berlin aus
hat dann diese Einrichtung wohl durch alle gröfseren Städte ihren
Weg gemacht, und man hat auch im Prinzip daran festgehalten,
als es bei der Zahl der Unterrichtsstimden gar nicht mehr möglich
war, dieses Prinzip wirklich durchzufahren. Dafs die Einrichtung
an und für sich im Lehrerstand eine kräftige Unterstützung und
Verteidigung fand, ist so natürlich, dafs man darüber kein Wort zu
verlieren braucht; freilich, das möchten wir energisch hervorheben,
dafs wir uns dabei nicht auf den StMidpunkt derer stellen, die an-
nehmen zu dürfen glauben, dafs diese Stellungnahme der Lehrer-
schaft ein Zeichen dafür sei, dafs er sein eignes Wohl über die all-
gemeinen Rücksichten stelle. Wer je einmal von 2 bis 3 Uhr an
einem heifsen Sommertage, an dem doch die nötige Anzahl von
Graden für „hitzefrei'^ nicht vorhanden war, Unterricht in einer gut
besetzten Klasse erteilt hat, wird den Standpunkt der Lehrer in
dieser Frage zu würdigen wissen.
Die Frage der Abschaffung des Nachmittagsunterrichts wurde
bald lebhaft erörtert, 1867 erschien das Programm der Doroth.-
Zur Frage des NachiuittagBnnterricht8.{ 29
Realschule zu Berlin, in dem Direktor Xlaiber sich über dieses
Thema aussprach, Stadtschulrat Hoffinann widmete dem Gegenstand
einen Artikel in der Zeitschrift für Gjmnasialwesen (S. 14), und
es konnte bei dem allgemeinen Interesse für die Sache nicht aus-
bleiben; dafs auch die Direktoren-Konferenzen das Thema auf ihre
Tagesordnungen setzten.
Aus den betreffenden Verhandlungen gestatte ich mir, das
Wichtigste in extenso mitzuteilen; es bleibt auch unter den ver-
änderten Verhältnissen von Wichtigkeit. Ich fühle mich umsomehr
dazu verpflichtet; als ich durch meine Ausführungen dazu beitragen
möchte; diejenigen; die heute die Frage aufs neue aufrollen und ihr
eine grofse Bedeutung beilegen; über alles das zu unterrichten; was
in dieser Sache schon erwogen' worden ist; weil ich Grund habe;
anzunehmen, dafs sehr viele an die Lösung des Problems heran-
gehen; ohne sich bewufst zu sein, was ihre Vorgänger gewollt und
geleistet haben und was von der feindlichen und gegnerischen Seite
für Urteile und Bedenken geäufsert worden sind.
Es ist mir leider nicht möglich gewesen; das ganze Material
herbeizuschaffen, aber dieser Mangel dürffce nicht ins Gewicht fallen;
da ich die späteren Arbeiten auf diesem Gebiete zur Hand habe
die auf den früheren aufbauen.
Hier ist es zunächst die Verhandlung über die Direktoren-Konferenz
der Provinz Posen vom Jahre 1879.
Die gestellte Frage lautete: ;;Empfiehlt es sich; sämtlichen
Unterricht in die Vormittagsstunden zu legen?"
Zu der Frage sind von sämtlichen Anstalten der Provinz Posen
Referate und zum Teü Korreferate eingegangen, ein Zeichen dafür,
für wie wichtig das Thema gehalten wurde.
Es ist nun charakteristisch, dafs das Hauptreferat mit der
Wiedergabe der Anfangsworte eines der Referate beginnt, die zu
bezeichnend sind, als dafs ich nicht auch sie wiederholen müfste.
Sie lauten:
;;Die vorliegende Frage hat in der 8. Direktoren-Konferenz der
Provinz Preufsen (Mai 1877) eine so eingehende Behandlung ge-
funden^ dafs bei einer wiederholten Erörterung derselben das Wesent-
liche nicht neu und das Neue nicht wesentlich sein wird."
Und der Hauptreferent fügt hinzu: ;;Dem mufs ich vollständig
beistimmen."
Was sagen dazu diejenigen; die glauben; mit unserer Frage
etwas Neues in Anregung zu bringen?
Doch wir wollen uns zu dem Bericht selbst wenden.
30 H. Schotten:
Die überwiegende Mehrheit hat sich für die alte Stundenver-
teilung ausgesprochen^ nur an 3 Anstalten ist eine starke Majorität
für die Neuerung; an einer einzigen findet sich keine Stimme für
die alte Einteilung. Manche Referate sprachen sich recht scharf
über das unberechtigte Festhalten am Alten aus^ ebenso gegen die
preufsische Direktoren-Konferenz. Es wird bedauerlicherweise auch
hier Ton vornherein eine Art der Polemik beliebt^ die der sachlichen
Behandlung der Frage nur schädlich sein kann; freilich wird dieser
Vorwurf auch der erwähnten Direktoren -Konferenz gemacht^ „in
deren Verhandlungen die Achtung vor den Ansichten des Gegners
vermilst wird".
So ist es denn gekommen^ dafs der gänzlich unberechtigte Vor-
wurf erhoben werden konnte, die 'Lehrerschaft erwartete von der
Neuerung für sich imd ihre Bequemlichkeit grofsen Vorteil.
Mit Recht hebt wohl der Hauptreferent hervor, dafs man prin-
zipieller [Gegner der Beseitigung ' des Nachmittagsimterrichts sein
und doch unter gewissen Verhältnissen dafür stimmen könne. Alles
kommt gerade bei diesen persönlichen Erwägungen auf die Person
selbst an. Der eine arbeitet lieber hintereinander, um nachher frei
zu sein, der andere fühlt sich dazu nicht kräftig genug. (Man vergl.
die analogen Bestrebungen im Geschäfts- und Bureauleben.) Sehr
zweifelhaft scheint auch zu sein, was schlimmer ist, die fünfte Vor- •
mittagsstunde oder die erste Nachmittagsstunde — wohlgemerkt,
unter der allgemein angenommenen Voraussetzung, dafs diese von
2 — 3 liege. Die beiden Faktoren, die hier in Betracht kommen,
Lehrer und Schüler, will ein Berichterstatter nicht anerkennen; er
sagt: „Der Lehrer ist nach dem Essen nicht recht aufgelegt zum
Unterricht und meint nun, die eigne Unlust an den Schülern wahr-
zunehmen." Was sagen hierzu die Arzte?
Es folgt nun die Erörterung selbst.
1) „Eine Verminderung der Schulstunden so, dafs aller Nach-
mittagsunterricht wegfallen kann, ist nicht möglich."
Auch hier ist also auf eine verschiedene Behandlung der Frage
nach den verschiedenen Altersstufen der Schüler gar nicht geachtet.
2) „Eine Verminderung in der Weise, dafs die einzelnen Stunden
verkürzt werden, also so, dafs z. B. in 2 Zeitstunden 3 Schulstunden
erledigt werden, empfiehlt sich nicht."
Auch uns will dieses Auskunftsmittel sehr wenig passend er-
scheinen. Und wie sollte es denn mit den Pausen werden? Wo-
möglich nur immer nach 2 Schulstunden eine Pause? Dafür kann
man doch gewifs nicht eintreten.
Zur Frage des NachnuttagsuntemchtB.^ j ] 31
3) ^^Es bliebe also nur übrige die Stimdenzaid auf 30 herab»
zusetzen und täglich 5 Stunden hintereinander zu unterrichten/^
y^Dagegen spricht:
1) dafs die Einrichtung mit Nachmittagsunterricht schon sehr
lange besteht^
2) dafs sie fast überall in Deutschland eingebürgert ist,
3) dafs die Änderung auf die Lebensrerhältnisse überhaupt ihren
Einflufs ausüben würde."
Es wird wohl niemand von der zwingenden Kraft dieser Gründe
überzeugt sein; wenn eine Einrichtung schlecht ist, so kann sie
weder durch ihr ehrwürdiges Alter, noch durch ihre Verbreitung,
noch durch die Rücksicht auf die Folgen einer Änderung gerettet
werden.
Die Gründe der Gegner des Nachmittagsunterrichts werden dann
mitgeteilt.
„1) Die weiten Schulwege.
I 2) Viele Väter können zur Mittagszeit nicht zu Hause sein. Die
schulpflichtigen Kinder, die um 2 Uhr schon wieder in der Schule
sein sollen, müssen also allein essen; ein besonders wichtiger Teil
des Familienlebens wird empfindlich gestört."
(Auch hierin wieder das Festhalten am Schulanfang um 2 Uhr
Nachmittags.)
Dagegen führt der Referent an (unter der Voraussetzung, dafs
die Zahl der Schulstunden nicht auf 30 herabgesetzt sei):
„1) Die Schulwege nachmittags können doch nicht ganz weg-
fallen.
2) Die Schrecknisse der Mittagshitze und des Staubes treffen
nur für einen kleinen Teil des Jahres zu.
3) Der Schulweg ist für die überwiegende Mehrzahl der Kinder
kein allzuweiter.
4) Die Schulwege haben auch ihr Gutes und tragen zur Ab-
härtung und Kräftigung des Kindes bei.
5) Der Einwand gilt überhaupt nur für grofse Städte.'^
Hierzu möchten wir Folgendes bemerken, ebenfalls unter der
Voraussetzung einer höheren Schulstundenzahl als 30, also auch für
die Klassen von Quarta an aufwärts, während in Quinta und Sexta
ja der gesamte Unterricht ohne weiteres am Vormittag abgehalten
werden kann.
1) Dies ist richtig; aber im Winter ist eine Pause von 12 bis
2 Uhr zu kurz, und im Sommer ist der Schulanfang um 2 Uhr
unter allen Umständen verwerflich. Ich komme daher auf meinen
32 H. Schotten:
Vorschlag zurück; die Mittagspause im Sommer 4 Stimden, im
Winter 3 Stunden, d. h. von 11 bis 3, resp. von 12 bis 3; dauern
zu lassen. Kommen bei einzelnen Schülern selbst dann ungünstige
Verhältnisse in Betracht, so darf die Rücksicht auf die Minorität
nicht ausschlaggebend sein gegenüber der überwiegenden Majorität.
Es ist femer wohl zu beachten, dafs viele Eltern es gerade für
ein unberechtigtes Verlangen halten, wenn ihre Kinder einer Stunde
wegen oder weniger wichtiger Stunden wegen den Schulweg noch
einmal zurücklegen sollen. Auch dieser an und für sich merk-
würdigen, vom Standpunkt liebender Eltern aber nicht ganz unbe-
greiflichen Forderung würde unsere Einteilung jede Berechtigung
nehmen.
2) Diese Bemerkung trifft vollständig zu; aber es giebt auch
andere Verhältnisse, wie Regen oder Schnee, die einen erneuten Weg
zur Schule nicht angenehm und ratsam erscheinen lassen. Und
gerade diesQ Verhältnisse dürften häufiger eintreten, als die erst er-
wähnten. Würden denn aber die Schüler, wenn Nachmittags kein
Unterricht ist, immer zu Hause bleiben? Das ist doch auch nicht
die Meinung der G^egner des Nachmittagsunterrichts. Aber es ist
ja sehr beliebt, auf gebotene Schwierigkeiten zu schimpfen, alle
freiwilligen aber zu preisen. Der erneute Gang zur Schule wird
als etwas Fürchterliches geschmäht; das Hinauslaufen und Herum-
treiben aber als ohne weiteres gesund gepriesen.
3) Ist imter 1) schon erledigt.
4) Auch hier kann man dem Herrn Referenten für die mittlere
und obere Stufe, jedenfalls aber für die obere Stufe, beistimmen.
Dafs die Pflichterfüllung auch Unbequemlichkeiten im Gefolge hat,
diese Wahrheit schon der heranwachsenden Jugend zum Bewufstsein
zu bringen, dürfte von hohem, erzieherischem Werte sein. Und der
Schüler der mittleren und erst recht der höheren Schule dürfte wohl
kaum noch jede Pfütze aufsuchen, um hineinzutreten, dürfte kaum
jeden einigermafsen grofsen Schneehaufen aufsuchen, um hindurch-
zuwaten; für die Schüler, die Nachmittags zur Schule müssen, fällt
also solche Gefahr des Schulwegs von selbst hinweg. Und erst
recht werden sich diese Schüler nicht den staubigsten und sonnigsten
Teil ihres Schulwegs wählen; sie wissen schon ganz genau, was
ihnen vorteilhaft ist. Man denke nur daran, zu welchen Strapazen
der Abiturient sofort genötigt ist, wenn er gleich nach dem Reife-
examen seiner Militärpflicht genügt! Und ein oder ein paar Jahre
zuvor soll er sorgfältig vor jeder Gelegenheit sich abzuhärten und zu
kräftigen behütet werden! Ist denn nicht schon unter den Schülern
Zur Frage des Nachmittagsunterrichts. 33
derselben Klasse ein gewaltiger Altersunterschied? Giebt es nicht
viele, die auf der Schulbank sitzen, die älter sind, als diejenigen,
die ohne obrigkeitliche Bevormundung im Leben stehen oder ihr
Jahr abdienen? Diese übertriebenen Bücksichten gerade auf die
ältere Schuljugend dürften nicht geeignet dein, ein kräftiges, ab-
gehärtetes Geschlecht heranzuziehen.
5) Auch dieser Einwand gegen den Einwand ist durchaus be-
rechtigt.
Aber alle Gründe, die wir jetzt gegen den Nachmittagsunter-
richt kennen gelernt haben, fallen von selbst in nichts zusamlnen,
wenn man unsere Verteüung des Unterrichts annimmt.
Endigt der Vormittagsunterricht im Sommer um 11, im Winter
um 12, beginnt der Nachmittagsunterricht erst um 3 Uhr, so kommen
alle die Bedenken, die geäufsert worden sind, ohne weiteres in Weg'
fall. Auch das Familienleben kann unter diesen Voraussetzungen
nicht leiden. Es giebt thatsächlich nur wenige Stände, in denen es
unmöglich ist, das Mittagsessen nicht auf die Zeit zwischen 1 und 2
zu legen. Und selbst in diesen Ständen sind es wieder Ausnahmen,
denen es mögKch ist, diese Einrichtung zu treffen. Treten einmal
Verhältnisse ein, die das gesamte bureaukratische wie Erwerbsleben
auf die. Zeit von 9 bis 3 Uhr festsetzen, dann freilich müfste die
Schule auf eine andere wie die vorgeschlagene Zeiteinteilung bedacht
sein. Vorläufig sind wir aber von solchen allgemeinen Festsetzungen
noch sehr weit entfernt. Dabei sehen wir ganz davon ab, ob nicht
die Schule — : dieser wichtigste Faktor für die kulturelle Entwick-
lung eines Volkes — das Recht hätte, zu verlangen, dafs ihren An-
sprüchen von allen Seiten die gehörige Berücksichtigung zuteil werde.
Aber es darf auch nicht vergessen werden, dafs bei unserem
Vorschlage der Stundenverteilung je 2 Nachmittage der Woche und
der ganze Sonntag für besondere Ansprüche des Familienlebens offen
sind; dafs von den 52 Wochen des Jahres 12, also nahezu der vierte
Teil, völlig frei von jeder Rücksicht auf die Schule sind.
Und dann vergleiche man doch einmal, was sonst für Ansprüche
an gleichaltrige Menschen gestellt werden. Fällt es denn einem ein,
sich über die Einteilung des Geschäftslebens zu beklagen, wenn der
Lehrling, der sich mit dem Einjährigenzeugnis dem Kaufmannsstand
widmet, von 7 bis 12 und von 2 bis 6 oder noch länger thätig sein
mufs? Ja, das ist wohl ganz etwas anderes. Aber die Schule mufö
drangsaliert werden, sie darf sich nicht Eingriffe erlauben, d. h. Vor-
schriften, die 2ur Erreichung ihrer hohen allgemeinen Ziele not-
wendig sind, da wird gleich feindlich losgezogen.
Chetunde Jugend. I. 1/3. 3
ä4 H. Schotten:
Man sollte statt dessen einmal auf den hohen Wert hinweisen;
den gerade die Schulordnung für das allgemeine Wohl besitzt durch
den Zwang an Regelmäfsigkeit. Geregeltes Aufstehen^ geregeltes
Mittagsesseü^ natürlich aber nur^ "wenn auch der Nachmittag der
Schule gehört; sonst richtet sich zum Schrecken der Hausfrau die
Stunde des Mittagessens nach — nun z. B. nach der Gemütlichkeit
des Frühschoppens oder nach der Bücksicht auf ganz nebensächUche
Geschäftsrücksichten. Die allgemeine Sonntagsruhe, der 8-XJhr-
Ladenschlufs: das sind Eingriffe von ganz anderer Bedeutung; aber
da sie gesetzlich rücksichtslos eingeführt werden^ so fügt man sich,
wenn auch hier und da nicht ohne Murren, aber man fügt sich.
Gegen die Ordnung der Schule dagegen, dieser allgemeinsten, in
alle Kreise der Bevölkerung hineinspielenden Anstalt, glaubt jeder
seine Sonderinteressen geltend zu machen berechtigt zu sein; es
fehlte nur noch, dafs der allmächtige Juristenstand zu dekretieren
beantragte, dafs an den Tagen langer Gerichtssitzungen auch die
Schule ihren Unterricht so lege, dafs die Herren Söhne dem Familien-
leben nicht verlieren würden.
Es werden nun noch folgende Gründe für Fortfall des Nach-
mittagsunterrichts aufgezählt:
„1) Nach eingenommener Mahlzeit mufs der Körper sich vor-
zugsweise mit der Verdauung der Speisen beschäftigen; die geistige
Anstrengung, die Gehimthätigkeit, die der Nachmittagsunterricht be-
ansprucht, ist unter diesen Verhältnissen nicht blofs unfruchtbar,
sondern geradezu schädlich; sie verdirbt die Jugend in den Jahren
ihrer Entwicklung.
2) Die übergrofse Hitze an vielen Nachmittagen des Sommers
erzeugt in den Klassen eine unerträgliche Temperatur.
3) Im Winter ist die Beleuchtung von 3 — 4 unzureichend.'^
Zu 1) Der Referent wendet sich hauptsächlich gegen den ersten
Satz, der ihm als der schwerwiegendste erscheint. Aber selbst unter
der Voraussetzung einer nur 2 stündigen Pause zwischen Vormittags-
und Nachmittagsimterricht — von 12 bis 2 Uhr — hält er den
Einwand für hinfällig. Spätestens kommt der Schüler um Ygl nach
Hause; sei das Essen bereit, so sei das Mittagsmahl um ein Uhr
vorüber (spätestens), es bleibe dann eine Pause von mindestens
% Stunde zur Erholung, dann komme der die Verdauung fördernde
Gang zur Schule: zum Beginn des Nachmittagsunterrichts (2 Uhr)
sei also das Verdauungsfieber völlig überwunden und der Schüler
wohl im Stande, sich geistig anzustrengen. Erspart werden müsse
Zur Frage des Nachmittagsunterrichts. 35
dagegen der Naclimittagsimterricht den älteren Lehrern; für die er
eine gesundheitliche Gefahr bedeute.
Uns will die Rechnung des Herrn Referenten doch etwas zu
sanguinisch erscheinen, eine Pause von 2 Stunden ist unter allen
Umständen zu kurz, zumal da die Präzision des Hauses nicht un-
abhängig Ton äuTseren Zufällen ist. Dagegen bin ich allerdings der
festen Überzeugung, dafs eine yierstündige Pause im Sommer (11-^3),
eine dreistündige im Winter (12 — 3) völlig ausreicht, um den vorliegen-
den Einwand gegen den Nachmittagsunterricht hinfällig zu machen.
Zu 2) Dieser Einwand, der an und für sich sehr richtig ist,
verliert fast alles an Bedeutung, wenn im Sommer eine längere
Ferienzeit eintritt, wenn die Vorschriften über „hitzefrei^' nicht allzu
ängstlich oder vielmehr überängstlich befolgt werden. Legt man
überdies den Beginn des Schuljahres hinter die grofsen Ferien, so
wird auch erfahrungsgemäfs in der vielleicht noch heifsen Zeit nach
den Ferien die geistige Anstrengung erträglich sein, nicht minder in
den allerletzten Wochen vor den Ferien. Freilich das mag nicht
unerwähnt bleiben, dafs Unterrichten an sehr heifsen Nachmittagen
in vollen Klassen doch etwas ganz anderes ist, als sonstige geistige
Arbeit. Die Ansicht also, dafs die Schule ebenso gut ihre Pflicht
thun müsse an heifsen Nachmittagen, wie dies in allen anderen Be-
rufsarten auch geschehe, geht von Unkenntnis der Sachlage aus:
im Interesse der Schüler — wie auch des Unterrichts — mufs doch
die innere Berechtigung dieses zweiten Einwands gegen den. Nach-
mittagsunterricht voll gewürdigt werden.
Der dritte Einwand dagegen bedarf heutzutage gar keiner
Widerlegung mehr: ist die Tagesbeleuchtung nicht ausreichend, so
mufs eben für einen passenden künstlichen Ersatz gesorgt werden.
Dabei mufs natürlich betont werden, dafs bei den Beleuchtungs-
anlagen nicht gespart werden darf, dafs die neuesten Errungen-
schaften auf diesem Gebiete in ganzem Umfange ausgenutzt werden.
Übrigens werden wir am Schlüsse unserer Ausführungen noch einige
andere Erwägungen in dieser Frage heranziehen müssen.
Weiter berichtet der Referent, es würden auch Vorteile bei dem
Wegfall des Nachmittagsunterichts in Erscheinung treten: der Lehrer
würde zusammenhängender schöne Zeit gewinnen zum Studieren,
und das würde der Schule zugute kommen. Referent ist der An-
sicht, dafs die Verhältnisse auch bei Nachmittagsunterricht für
Privatstudium gleich günstig sind. Auch ich mufs offen gestehen,
dafs ich der Ansicht bin, wer arbeiten will und Lust dazu hat^ der
findet auch — so oder so — die erforderliche Zeit dazu.
3*
36 H, Schotten:
Von gröfserer Bedeutung ist der andere Vorteil,, da er sich auf
die Schüler bezieht: diese würden, so heifst es, Zeit zu allerlei
Nebenbeschäftigungen (Musik etc:), zu Privatstudien, zu ihren Schul-
arbeiten finden.
Dieser Gedanke wird so oft ausgesprochen, dafs wir uns etwas
eingehender mit ihm beschäftigen müssen. Hören wir unseren
Referenten.
„Zunächst kann die Schule gar nicht wünschen, dafs die Masse
der Schüler viele Nebenbeschäftigungen treibe; diese haben genug
mit den Schulstunden und den Arbeiten dafür zu thun; der Rest
der Zeit mag und mufs der Erholung gewidmet sein."
„Sodann besteht realiter die ganze Zeitersparnis doch nur darin,
dafs eine Anzahl Schüler einige weite Schulwege weniger zu machen
haben."
„Die meisten Schüler müssen auch bei fünf Vormittagsstunden
-^ denn 6 wird doch wohl niemand befürworten — noch an einigen^
Nachmittagen zur Schule. Zu welchem Unterricht? Zu Singen
oder Turnen. Sind das aber wohl geeignete Beschäftigungen nach
dem Mittagessen?"
„Für die Lehrer aber bedeutet die Einrichtung eine Zerfällung
in zwei Ghnippen: solche, die keinen Nachmittagsunterricht haben,
und solche, die jeden Nachmittag besetzt sind."
Referent kommt zu dem Schlufs: „Sind die sanitären Gründe
für Wegfall des Nachmittagsunterrichts berechtigt, so mufs er
fallen; sind sie es nicht, so sind es die 'ethischen' und 'päda-
gogischen' erst recht nicht"; er findet, dafs schon die vierte Schul-
stunde nicht mehr so viel vermöge, als die ersten: noch weniger
werde dies der fünften zukommen. Alle Nachteile der ersten Nach-
mittagsstunde seien in erhöhtem Mafse mit der fünften Vormittags-
stunde verbunden.
Nicht kurz von der Hand zu weisen scheint mir folgender Ein-^
wurf zu sein: „Wenn faktisch die Schüler mehr und mehr zuneh-
mende Kurzsichtigkeit aufweisen, so mufs es geradezu wünschens-
wert sein, dafs das Auge nicht so viele Stunden hintereinander an-
gestrengt werde, und ebenso dürfte wegen zu befürchtender Krümmung
der Wirbelsäule ein fünfstündiges Sitzen nachteiliger sein, als wenn
2 Stunden Zwischenraum gewährt sind, in denen eine körperliche
und geistige Erfrischung der Knaben sich vollzieht."
Einige der angegebenen Vorwürfe würden noch an Bedeutung
gewinnen, wenn man die Mittagspause in der von uns angegebenen
Weise verlängerte, ander wiegen nicht viel. Direkt abfinden müssen
Zur Frage des Nachmittagsunterrichts. 37
wir uns mit der Meinung des Referenten, dafs es nicht wünschens-
wert sei, dafs die Masse der Schüler viele Nebenbeschäftigungen
treibe. Dies erscheint mir als ein engherziger Schulstandpunkt. Die
Schule mufs von den Schülern — leider — sehr viel Zeit in An-
spruch nehmen, nicht nur für den Unterricht, nein, auch für häusr
liehe Arbeiten, denn unsere Kinder müssen als Kinder arbeiten
lernen: wer das nicht als Kind gelernt hat, wer nicht in der Jugend
sich an stetiges, regelmäfsiges Arbeiten gewöhnt hat, und wem nicht
in der Jugend der Gedanke in Fleisch und Blut übergegangen ist,
dafs die Arbeit die Hauptsache im Leben ist — allerdings vielleicht
noch unbewufst — , der wird später gewifs nur in den seltensten
Fällen ein fleifsiger Mann werden. Und wo soll er denn hingelangen
bei den Ansprüchen, die der Kampf des Lebens heutzutage an Jeden
stellt? und immer mehr stellen wird. Aber freilich, die Schule
mufs lernen, den Schülern die Arbeit schmackhafter zu machen, sich
den jeweiligen Kräften der verschiedenen Stufen mehr anpassen,
kurz und gut dahin streben, ein freudiges Arbeiten zu erzielen,
Freude am Arbeiten zu erwecken. Also Arbeit und Zeit dafür mufs
verlangt werden. Daneben aber sollte man sich freuen — und in
der Schule durch Erweckung des Interesses es geradezu fordern — ,
dafs die Jugend, die Masse der Jugend Nebenbeschäftigungen treibe,
die gesund für Körper und Geist sind. Dabei sollte man sich auch
einmal darauf besinnen, ob der viel zitierte Spruch „Mens sana in
corpore sano" nicht auch in gewissem Sinne umgekehrt werden dürfe.
Würde es z. B. nicht auch eine Erholung, geistig und körper-
lich, bedeuten, wenn die vorgeschlagene 4 stündige Mittagspause zu
musikalischer Nebenbeschäftigung ausgenützt würde oder zu Arbeiten,
wie sie im Handfertigkeitsunterricht gelehrt werden, oder bei passender
Jahreszeit und unter günstigen Umständen zu Gartenarbeit oder zu
häuslichen Hilfeleistungen? Die Erholung, auch die körperliche,
mufs doch nicht gleich ein Tennispiel oder dergleichen sein! Die
Prinzen des Hohenzollemhauses müssen nach alter Tradition auch
ein Handwerk lernen: wäre das nicht vielleicht auch für die Kinder
des Mittelstandes empfehlenswert? Natürlich müfste es eins sein,
das nicht auch wieder im Sitzen ausgeübt würde, aber das liefse
sich doch wohl auch finden. Und gewifs würde eine derartige
Nebenbeschäftigung nicht nur für den Betreffenden gesund, eine der-
artige allgemeine Einrichtung würde auch von hoher, sozialer Be-
deutung sein. Das wäre so eine Art von Nebenbeschäftigung, die
ich recht vielen Schülern wünschen möchte; aber in höherem Mafse
diese, die ich schon vorher andeutete, eine künstlerische. Nach
38 H. Schotten:
dieser Richtung hin geschieht auf der Schule herzlich wenig, es
kann auch nicht geleistet werden im allgemeinjen; aber eine Neben-
beschäftigung dieser Art würde ein hohes Gut für jeden bedeuten.
und nun glaube ich, dafs gerade eine längere Mittagspause
solchen Bestrebungen viel günstiger sein würde, als freie Nach-
mittage. Im letzteren Falle würde die Nebenbeschäftigung zu leicht
zu ernst genommen werden, zu einer Arbeit werden und den Cha-
rakter der Erholungsthätigkeit verlieren, einer Herz, Geist und Körper
erfrischenden Nebenbeschäftigung: sie würde allsjuleicht zum Selbst-
zweck werden, anstatt eben als Erfrischungsmittßl zu dienen.
Die freien Nachmittage würden aber auch noch eine grofse
Reihe anderer Grefahren bergen, nicht zum mindesten die, zu arger
Bummelei und zu — Langeweile zu erziehen.
Noch zwei gewichtige Aussprüche gegen täglich fünf aufein-
anderfolgende Unterrichtsstunden dürfen nicht verschwiegen werden.
Das Gutachten der „Kgl. Preufsischen Wissenschaftlichen Depu-
tation für das Medizinalwesen" vom 18. August 1869 sagt: „Indes
zeigt doch die Erfahrung der Universitäten, dafs selbst der fleifsige
Student nur schwer 5 aufeinanderfolgende Unterrichtsstunden erträgt,
und sich zur fünften Stunde kaum noch die volle Frische des
Körpers und Geistes erhält." Mit Recht wird darauf aufinerksam
gemacht, dafs hier von Studenten die Rede ist, von fleifsigen Stu-
denten, bei denen es sich nur an einem oder ein paar Tagen der
Woche um eine freiwillige Leistung handelt, und dafs es sich bei
ihnen nur um 5 Dreiviertelstunden handelt.
Der andere Ausspruch sollte von Virchow herrühren: „Ein
vierstündiger Unterricht ist ein Unrecht gegen die Jugend, ein fünf-
stündiger ein Verbrechen."
Ich gebe gern zu, dafs in diesen Worten eine gewisse Über-
treibung liegt, aber ich mufs andererseits gestehen, dafs ich mich
oft gefragt habe , wenn ich die Bestrebungen der Arzte und
Hygieniker für freie Nachmittage und vollbenutzte Vormittage über-
sann, ob man nicht hier daran denken müsse: „Gott schütze mich
vor meinen Freunden I"
Übrigens hatv Virchow nach seiner Aussage (in einem Briete
vom 9. Sept. 1878) diesen Ausspruch nicht gethan, aber ausdrück-
lich gesagt: „für 5 Stunden würde ich mich wohl kaum jemals er-
klären". Und es heifst in dem betreffenden Briefe andererseits:
„Man kann den Nachmittagsunterricht zulassen und man kann ihn
verwerfen, beides mit gleichem Recht." Also ein prinzipieller
Zur Frage des Nachmittagsunterrichts. 39
Oegner des Nachmittagsunterrichts ist Virchow auf keinen Fall,
dagegen verwirft er die fünfte Stunde.
Und wie haben sich seit damals die Verhältnisse geändert!
Alle Bedenken, die man in damaliger Zeit gegen die fünfte Yor-
mittagsstunde hegte, sie gelten in verstärktem Mafse heutzutage.
Der Unterricht ist viel anstrengender geworden für Lehrer, wie für
Schüler: Ausruhestunden giebt es gar nicht mehr: Die Aufmerk-
samkeit wird in viel höherem Mafse in Anspruch genommen: die
geistigen Kräfte ganz anders angespannt. Selbst die Turnstunden
bilden durchaus keine Erholungsstunden, wie viele denken, die den
Betrieb des Turnens nur aus früheren Zeiten kennen.
All das spricht mit Entschiedenheit dagegen, gerade auch vom
sanitären Standpunkt, den Unterricht auf den Vormittag zusammen-
zudrängen, die Nachmittage ganz frei zu lassen«
Und auch für die Lehrer ist der Vorteil nur ein scheinbarer.
Das sanitäre Interesse scheint mir aber geradezu ffecren den Weirfall
de. N^taitt-^unterricht, » .p^ch« 'in ™1 MhLm M^ fber
sprechen dagegen ethische und pädagogische Gründe. Dies aus-
führlich auseinanderzusetzen dürfte aber unsere Zeitschrift nicht der
geeignete Ort sein.
Die letzte Direktoren-Konferenz, die sich mit der Frage der Be-
seitigung des Nachmittagsunterrichts beschäftigte, war die der Provinz
Sachsen vom Jahre 1889. (Im Referat findet sich auch der Hin-
weis auf die Litteratur-Nachweise in H. Schillers Handbuch der
prakt. Pädagogik. § 4. S. 34. Note 2.) Der Hauptreferent betont,
dafs alle Einzelreferate an das Hauptreferat anknüpfen, das wir in
seinen Grundzügen soeben kennen gelernt: es wird also möglich
sein, uns hier kurz zu fassen, zumal da es in der Hauptsache nur
die sanitären Betrachtungen sind, die wir in Erwägung zu ziehen
haben.
Wir finden wieder die Bedeutung der Schulwege erörtert, der
eine lobt sie, will sie nicht entbehren, hält sie für einen Segen;
der andere beklagt den durch sie bewirkten Zeitverlust, und be-
dauert die arme Jugend, die durch Staub und Hitze, durch Kälte,
Nässe, Wind und Wetter sich zur Schule hinkämpfen mufs:
wir finden wieder die Bedeutung des gemeinsamen Mittags-
brotes für das Familienleben und die Erziehung der Kinder be-
sprochen: es werden wieder die Klagen laut, dafs durch den Nach-
mittagsunterricht die Kinder der Familie entfremdet werden: und
wir hören auf der anderen Seite viele Eltern seufzen, die nicht wissen,
was sie alle freien Nachmittage mit ihren Kindern anfangen sollen:
40 H. Schotten:
es werden wieder tiefsinnige Erörterungen über Verdauung und
Verdauungsfieber angestellt und mit den schrecklichen Folgen der
gestörten Verdauung gerechnet; als wenn nicht beim 3-TJhr- Anfang
alle diese Mifsstände leicht vermieden werden könnten:
es wird wieder von der einen Seite auf die Hitze am Nach-
mittage hingewiesen und von der andern dieselben Bedenken und
noch gröfsere gegen die fünfte Vormittagsstunde geltend gemacht:
es wird schliefslich die Dunkelheit am Nachmittage ins Gefecht
geführt.
Es geht durch alle diese Erörterungen ein Zug, der charakteristisch
auch noch in unseren Tagen für die Besprechung von Fragen ist:
was hier und da einmal eintreten kann und auch wirklich eintritt,
das soll von bestimmendem Einflufs für das Ganze sein: die Rück-
sicht auf Minoritäten führt zu einer Vergewaltigung der Majoritäten.
Und man verschliefst sich förmlich gegen die natürlichen Heil- und
Auskunftsmittel und sucht künstliche, widernatürliche auf.
Der Hauptreferent für Sachsen weifs übrigens auch 10 ethisch-
pädagogische Gründe gegen den Wegfall des Nachmittagsunterrichts
resp. gegen die fünfte Vormittagsstunde anzuführen. Bei dem letzten
kommt er auch auf die weitere Seite unserer Frage zu sprechen
und hebt hervor, dafs es ein direkter unlösbarer Widerspruch sei,
auf der einen Seite für möglichste körperliche Schonung zu sprechen,
auf der andern eine Einrichtung zu empfehlen, die ohne Zweifel
eine arge Zumutung an den jugendlichen Körper bedeute.
Wesche, Klencke, Löwenthal werden zitiert (auch Virchow),
desgl. V. Krafft-Ebing: ihre Aussprüche enthalten eine entschiedene
Verurteilung der Bestrebungen, die gesamte Schularbeit auf die Vor-
mittage zusammenzudrängen: sie sind als Hygieniker, als Arzte
dagegen.
Das war der Stand unserer Frage vor etwa 10 Jahren; in praxi
haben eine grofse Anzahl von Schulen, besonders in den grofsen
Städten den sogenannten Vormittagsunterricht eingeführt, d. h. fünf
Vormittagsstunden. Für die unteren Klassen Sexta und Quinta
werden dadurch sämtliche Nachmittage frei; schon in Quarta ist es
nicht mehr möglich und in den drei obersten Klassen haben wir
neben den sechsmal 5 Vormittagsstunden noch an mindestens vier
Nachmittagen je 2 Stunden. Das nennt man aber immer noch
Wegfall des Nachmittagsunterrichts!
So ist es denn gekommen, dafs die Frage nach dem Wegfall
des Nachmittagsunterrichts von neuem auf die Tagesordnung gesetzt
worden istj freilich — wie es mir fast scheinen will — ohne dafs
Znr Frage des Nachmittagsunterrichts. 41
man hinreichende Bekanntschaft mit den früheren Erörterungen über
diesen Gegenstand, noch ausreichende Kenntnis der Schulverhältnisse
überhaupt besitzt. Es geht mit dieser wie mit allen Schulfragen,
jeder fühlt sich berechtigt, von seinem Standpunkte aus, d. h. in
diesem Falle nur unter Berücksichtigung einer Seite der Frage
Urteil und damit verbundenen Verurteilung anzupassen. Aber selbst-
verständlich darf auch unsere Frage nur beurteilt werden, wenn man
alle Rücksichten erwägt: nicht nur die sanitären, nicht nur die
pädagogischen, ethischen, sozialen; sondern es mufs sich um einen
Kompromifs handeln, der so geschlossen wird, dafs wenigstens in
keiner Hinsicht ein direkter Schaden angerichtet wird.
Und da mufs zunächst vom gewissenhaften Arzte unparteiisch
entschieden werden, ob nicht die Zusammendrangung alles Unter-
richts auf den Vormittag körperliche und geistige Schädigungen bei
den Schülern herbeizuführen geeignet ist. Uns will es scheinen,
dafs die Gefahren in geistiger Hinsicht noch gröfser sind, als in
körperlicher.
Fünf Stunden hintereinander aufmerksam zu sein, ist sehr
schwer; es kommt hinzu, dafs bei der Menge verschiedenartiger
Unterrichtsgegenstände auch leicht Verwirrung eintreten kann. Das
war früher anders, als z. B. beim Gymnasium der Stundenplan eines
Vormittags lautete: Religion, Latein, Latein, Cäsar (oder Ovid).
Es ist weiter zu bedenken, dafs der Unterricht heutzutage ein
wesentlich anderer ist als früher; mehr wirklicher Unterricht;
während früher die Schulstunden in erster Linie zur Kontrolle der
Einzelleistungen, zum Abhören des Aufgegebenen verwendet wurden,
werden sie jetzt vorwiegend zu gemeinsamer wirklicher Arbeit ver-
wendet: anstelle der rezeptiven Thätigkeit der Schüler ist die pro-
duktive getreten. Für den Erwachsenen freilich ist die produktive
Thätigkeit als die anregendere die weniger ermüdende; ob auch die
weniger anstrengendere? Für die Schüler ist aber ganz gewifs der
heutige Unterricht anstrengender als früher, zumal da — wie ich
noch einmal hervorheben möchte — die vielen Ausruhstunden, die
früher zwischendurch vorkamen, wie Religion, Naturgeschichte, Erd-
kunde u. a., bei dem jetzigen Zustande unserer höheren Lehranstalten
nicht mehr existieren, vielmehr in diesen Stunden und Fächern die-
selben Anforderungen an den Geist und die Aufmerksamkeit der
Schüler gestellt werden wie in den früher sogenannten Hauptfächern.
Das ist Ein Bedenken: ein anderes ist, dafs auch innerhalb der
einzelnen Fächer viel mehr als früher alle Schüler zur Mitarbeit
gezwungen sind, während früher beim Abhören ein Schüler, der
42 H. Schotten: Zur Frage des NachmittagsunterriclitB.
^,dran gewesen war'', sich oft für Wochen sicher fQhlte und sich
ganz gewifs oft ganze stunden lang ausruhen konnte.
Und alle Nachmittage frei, trägt das nicht auch sehr viel des
Bedenklichen in sich?: die Schüler sind doch noch keine selbstän-
digen und selbstverantwortlichen Naturen, sie bedürfen doch — mit
wenigen Ausnahmen — des Zwanges, müssen erst zur regelmäfsigen
Arbeit und Zeiteinteilung erzogen werden. Wie soll das anders als
durch Gewöhnung auf der Schule geschehen? Es wird nicht ohne
Interesse für die vorliegende Frage sein, mitzuteilen, dafs erst vor
wenigen Wochen ein Vater zugleich im Auftrage mehrerer bei dem
Verfasser war, um die Einrichtimg von Ferienschulen nach Schweizer
Art zu befürworten, d. h. eine völlige Beschäftigung der Schüler
während der Ferien in der Schule, natürlich nicht mit geistigen
Arbeiten, wenigstens nicht vorwiegend, sondern die Einrichtung war
als Kleinkinderbewahranstalt gedacht. Würden nicht alsbald ähnliche
Forderungen erhoben werden, wenn alle Nachmittage «chulfrei wären?
Wenn alle Eltern von sich aus für das geistliche und leibliehe
Wohl ihrer Kinder besorgt wären in der Weise, wie es von der
Schule ohne weiteres verlangt wird: es wäre vielleicht nie zu An-
klagen gegen die Schule in dieser Hinsicht gekommen. Wenigstens
ist es auffallend, dafs die Klagen sich häufen mit den Zeiten, wo in
den Schulen in jeder Beziehung angesehene hygienische Fortschritte
gegen früher nachweisbar sind.
Und zum Schlufs noch eins: Ist die Speisung des Geistes denn
thatsächlich so ganz anders geartet als die des Leibes, dafs man
alles Futter hintereinander zu verabreichen für richtig hält, während
man doch bei der leiblichen Speise eine Verteilung über den Tag
für gut erachtet und lange Pausen zwischendurch der Gesundheit
zuträglich sind?
Der vorliegende Artikel soll seiner ganzen Anlage nach den
Charakter des Orientierenden tragen; Verfasser hat es dabei für richtig
gehalten, auf die vielen Punkte aufmerksam zu machen, die gegen-
über einigen wenigen in Vergessenheit geraten zu sein scheinen.
Wenn dabei manches Persönliche vielleicht zu sehr in den Vorder-
grund getreten ist, so möge es entschuldigt werden: jedenfalls weifs
sich Verfasser frei von subjektiven Motiven, es ist ihm allein um
die Sache zu thun, zum Heile der Jugend, zum Wohl des Vater-
landes.
Die Lnxferprismen und ihre elektrolytische Bindimg.
Von F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte.
Die grofse Bedeutung, welche die richtige Beleuchtung der Schul-
plätze für die Erhaltung der Sehkraft der Schüler hat, ist mafsgebehd
für die ganze Herstellung der Schulbauten geworden. Nicht immer
wird es aber, besonders in grofsen Städten mit ihren engen Strafsen
und Höfen und dicht bebauten Flächen, möglich sein, für alle Räume
und alle Plätze ein gleichmäfsig gutes Licht zu erzeugen. I)urch
Anwendung vo^ Spiegeln läfst sich wohl manche Verbesserung her-
stellen. Die Prinzipien hierfür sind sehr einfach. Kürzlich ist
jedoch ein neues Hilfsmittel, die sogenannten Luxferprismen, vom
Deutschen Luxferprismen-Syndikat*) geschaffen worden, die berufen
erscheinen, die Beleuchtung eines Baumes über und unter der Erde
in ganz bedeutender Weise zu verbessern und zwar dadurch, dafs
jeder zur Verfügung stehende Lichtstrahl nach Belieben gelenkt
werden kann. Der Lichtstrahl kann nach unten wie nach oben —
unter die Decke wie auch auf den Fufsboden — auch ebensowohl
nach links wie nach rechts mit einer Abweichung von 2278, ^^V2
und 75 Grad geleitet werden. Daraus ergiebt sich also eine vollständige
Bewegungsfreiheit bei der Anordnung. Das Licht kann im Zimmer
beliebig verteilt und auch auf einen Platz konzentriert werden.
Literessant ist es nun, in erster Linie zu erfahren, dafs die
technische Wissenschaft bisher eine merkliche Lücke bei Fenster-
berechnungen gezeigt hat. Es ist heute kein Architekt im Stande,
genau zu sagen, welche Fenstergröfse bei dem zur Verfügung stehen-
den Himmelslicht, bei den verschiedenen Strafsenbreiten, verschiedenen
gegenüberliegenden Haushöhen erforderlich ist. In der Praxis hilft
man sich heute so, dafs man Fensteröfl&iungen gleich Yg bis Vs der
Bodenfläche des Zimmers macht.
*) Die Mitglieder des „Allgemeinen Deutschen Vereines für Schulgesund-
heitspflege" haben am 20. Februar 1901 die Luxferprismen- Ausstellung, Berlin S.,
Ritterstr. 26, besucht. Die Gesellschaft ist gern bereit, jedem Mitglied des
„Allgemeinen Deutschen Vereines für Schulgesundheitspflege", welches Berlin
passiert,' die Ausstellung jederzeit zu zeigen.
44 F. S. Archenbold:
Besonders beim Bau des Reichstagsgebäudes, bei den Erörterungen
über die Beleuchtung des Sitzungssaales soll die Unzulänglichkeit
dieser Ermittelungen empfindlich zu Tage getreten sein. Es sei da-
mals sogar von einer Seite der Vorschlag gemacht worden, zur
Prüfung des Tageslichtes ein Modell des Beichstagsgebäudes nebst
Aufbau in natürlicher Gröfse herzustellen. Endlich habe man den
Entschlufs gefafst, die Kuppel gänzlich vom Sitzungssaal fort auf
die Halle zu rücken. Professor Mohrmann hat auf Grund der in
Betracht kommenden optischen Gesetze Formeln festgestellt, um für
eine Berechnung feste Resultate zu gewinnen. Es ist interessant,
dafs Professor Mohrmann auf demselben Wege sich befunden hat,
wie die amerikanischen Professoren, die schliefslich durch die Er-
findung und Berechnung der Luxferprismen die ganze bedeutungs-
voUe Sache in die Praxis gebracht haben. Wie aufserordentlich
wichtig es für viele Fälle ist, die genauen Lichtmengen bestimmen
zu können, bedarf wohl kaum der Erörterung.
Das neue Verfahren beruht auf Lichtbrechung, bei der noch
eine weitere Erscheinung eine Rolle spielt. Das direkte Himmels-
licht ist stets weifs, selbst wenn es durch einen Körper mit paral-
lelen Oberflächen, wie z. B. gewöhnliches Fensterglas, geht; durch
ein Prisma gebrochen, zerlegt sich dieses weifse Licht in die Regen-
bogenfarben. Durch viele nebeneinanderliegende Prismen vereinigen
sich die Farben dann wieder zu weifs; dieses erfordert Gleichmäl'sig-
keit der Prismen, die in einem zu diesem Zweck konstruierten
Apparat Stück für Stück kontrolliert werden, was verhältnismäfsig
viel Ausschufs bei der Herstellung bringt.
Die Erfindung wurde infolge eines Preisausschreibens der
amerikanischen Regierung von zwei Professoren der Physik gemacht.
Während jeder der vier Jahreszeiten wurde die Helligkeit des
Himmels gemessen und eine mittlere Helligkeit von 966 Normal-
kerzen pro qm festgestellt; die Leuchtkraft dui'ch eine 1 qm grofse
Offiiung durch die Decke eines Zimmers betrug 242 Normalkerzen.
Es ist hier die deutsche Paraffinkerze von 2 cm Durchmesser und
5 cm Flammenhöhe bei stündlichem Verbrauch angenommen. Nach-
dem man diese Einheit geschaffen, berechnete man jedes einzelne
Prisma und kontrollierte das dann in der Praxis unter genauester
Berücksichtigung der schattenbringenden Umgebung. Es giebt
Prismen für 276 Abweichungswinkel. Das direkte Himmelslicht
nun, welches innerhalb einer Strafse in ein Zimmer fällt, beleuchtet
fast stets nur einen kleinen Teil des Fufsbodens und der Wände in
der Nähe des Fensters. Fufsboden, Wände und Möbel saugen dann
Die Lnxferprismen und ihre elektrolytische Bindnng.
45
Fig. 1.
einen grofsen Teil dieses Lichtes anf ; dementgegen lenken die Luxfer-
prismenfenster das Licht so ab^ dafs kein Lichtstrahl yerloren geht.
Um die für jedes Fenster geeigneten Prismen zu bestimmen,
ist es nötig, die Richtung ausfindig zu machen, in welcher das Licht
in das Fenster tritt. Je höher das
gegenüberliegende Haus, je schmäler
die Strafse, je kleiner also dieser
Winkel ist, ein desto steileres Prisma
ist zu verwenden, wenn trotz des
höheren gegenüberliegenden Hauses
das Licht parallel zum Fufsboden
beibehalten werden soll. Je mehr
im Grundrifs seitliche Schatten vor-
handen sind, ein desto schärfer ablenkendes Prisma ist mit zu ver-
wenden. Je schärfer nun aber die Ablenkung, je steiler das Prisma,
desto geringer ist die Leuchtkraft. Die richtige, in jedem
Falle verschiedene Zusammensetzung für das relativ beste
Licht erfordert eine genaue Kenntnis der Sache und daher
eine regelmäfsige Übung.
Die hier beigefügte kleine Skizze (Fig. 1) stellt den
Schnitt eines Fensters, die Strafse und das gegenüberliegende
Gebäude dar. Die diagonal schraffierten Linien zeigen uns,
wie weit das gegenüberliegende Haus, dem Lichte Zutritt
in den Baum gewährt, während die wagerechte Schraffierung
andeutet, dafs der gröfsere Teil des Raumes unzureichend
erhellt ist. Die Aufgabe, den Räumen ein gleichmäfsig ver-
teiltes Licht zuzuführen, ist nun dadurch gelöst worden,
dafs man durch prismenartige Gläser (vergleiche den bei-
gegebenen Schnitt eines solchen Fig. 2) die auf die Glas-
fläche auffallenden Lichtstrahlen zwingt, in nahezu wage-
rechter Richtung in das Innere zu gelangen und dort ein
diflFiises Licht zu verteilen. Durch Konstruktion einer grofsen
Anzahl untereinander verschiedener Prismen ist man sogar
in der Lage, je nach Erfordernis dem Lichte einen ver-
schiedenen Auafallwinkel zu geben, es also einem bestimmten
Platz mehr, einem anderen weniger zuzuführen. Eine sprechende
Illustration für die überraschenden Wirkungen, die sich so erzielen
lassen, geben die hier reproduzierten Verkleinerungen einer photo-
graphischen Aufnahme des Maschinenraumes der Königl. Münze mit
und ohne Luxferprismen. Eine Statistik des physikalischen Staats-
Laboratoriums in Hamburg ergiebt eine durch Luxferprismen erzielte
Fig. 2.
46 F. S. Atchenhold:
ErhöhuBg der effektiven LicLtmenge bis zu 18,2 mal, doöh
wird dieser Prozentsatz sich mit zunehmender Tiefe des zu erhellen-
Plg. S. Der UAMhingimaiii der Ktuüsl MUnze la BerUn ohiu Luxiaipriimen,
Der MMdiinenrai
den Baumes noch tteigem lassen. Der Wert der Erfindung beruht
nicht nur iu der grofsen materiellen Ersparnis an künstlichem
Die Lniferprigmen nod ihre elektroljtiBche Bindnng. 47
Lichte, sondern vor allem in ihrer hygienischenfBedeutung für
alle Zweige der Wissenschaft und des BemfelebenB und in der Möglich-
keit intensiver Ausnutzung bisher brachliegender Räume und
Keller. Die Herstellung der Scheiben geschieht nun folgendermafsen:
Die kleinen quadratischen PrismenfiSchen (Fig. 5) werden auf
einem flachen Tische zu der erforderlichen Form vereinigt, nur
durch flache Kupferstreifen von einander getrennt. Die Kreuzungs-
stellen dieser Kupferstreifen werden
leicht verlötet, um der Seheibe den
ersten Halt zu geben; alsdann kommt
selbige in ein Kupferbad. Durch
elektrischen Strom wird eine Kupfer-
lösung erzielt, die sich nach und nach
zwischen Glas und Kupferstreifen ab-
sondert und die kleinst« Fuge voll-
kommen dichtet. Dieses Verfahren
hat den groben Vorteil, dafs nicht
wie bei der Bleiverglasung breite
Streifen über die Glasfläche laufen ''
und einen empfindlichen Lichtverlust verursachen, sondern daTs die
volle Scheibe das Licht wiedei^lebt und bedeutend stabiler ist
als in Bleivei^lasung, obgleich eine solche Kupferfassung nur 1 — 2 mm
stark ist. For^esetzte Versuche mit dieser elektrolytiscben Kupfer-
&8sung haben aber ein zweites überraschendes Hesultat gezeitigt,
insofern die damit erzielten sogen. „Elektroglas-Scheiben" die
E^enschaft der Feuers icherbeit haben. Während bisher nur
dickes undurchsichtiges Drahtglas als feuersicherer Abschlufs für kleine
Offnungen Verwendung finden konnte, ist man jetzt in der Lage, aus
jeder nur denkbaren Glasart feuerfeste, lichtdurchlässige Abschlüsse
herzustellen, die einen Brand lange Zeit auf seinen Herd be-
schränken und der Feuerwehr ermöglichen, Menschenleben und
wertvolles Material aufser Gefahr zu bringen. Beruht also der
innere Wert des „Elektroglaaes" hauptsächlich auf Lösung einer schwie-
rigen bautechnischen Frage, so ist den Luxferprismen allseitiges Interesse
sicher, weil sie auf jedem Gebiete des öffentlichen Lebens von ein-
schneidender Bedeutung sind, sei es dem Arzte für seine Untersuchungen
und Operationen, dem Geschäftsmann für seine materiellen Interessen
mit Bezug auf sanitäre Bücksichten für seine Angestellten und Aus-
nutzung seiner Häume etc. Besonders aber wird auch der Staat zu er-
wägen haben, inwieweit die Erfindung der Schulhygiene, den Krank eu-
häusern und Öffentlichen Instituten nutzbar zu machen ist.
Sitzung des Allgemeinen Deutschen Vereines
für Sclinlgesnndlieitspflege anf der 72. Versammlnng
deutscher Naturforscher und Ärzte in Aachen.
Die Sitzung fand am 16. September 1900, morgens von 9 bis
1 Uhr, in der Aula der Obdrrealschule in Aachen statt. Der Arbeits-
ausschufs trat bereits am Vorabend im „Karlshause" zu einer Ge-
schäftssitzung zusammen, in welcher die letzten Vorbereitungen für
die allgemeine Sitzung getroffen wurden. Zu dieser hatten sich
Mitglieder und Gäste, insbesondere auch aus Aachen und der Provinz
eingefunden. Professor Dr.. Schüller- Aachen eröffnet als Einführender
bei der Naturforscher- und Arzte -Versammlung die Sitzung, heifst
den Verein, dessen Tendenz die Wahrmachung des Sprichwortes:
„Mens Sana in corpore sano" sei, herzlich willkommen, beglück-
wünscht ihn zu dem schönen Unternehmen, und spricht zugleich die
Hofinung aus, dafs die Beratungen von Erfolg gekrönt sein möchten.
Bürgermeister Hertzog- Aachen begrüfst die Vereinsmitglieder namens
der Stadt Aachen und ihres am Erscheinen amtlich verhinderten
Oberbürgermeisters, betonte ^ dafs es ganz richtig sei, was vorher
schon Professor Dr. Schüller hervorgehoben, dafs man nämlich hier
in Aachen ein Herz für Schulwesen und sein Gedeihen habe. Eine
grofse Anzahl guter, allen Anforderungen der Hygiene entsprechender
Schulen sei hier vorhanden. Redner entrollte dann ein übersicht-
liches Bild über die Aufgaben, welche von Seiten des Vereines an-
zustreben und zu erledigen seien. Insbesondere weist Bürgermeister
Hertzog auf die Schularztfrage hin, sowie auf die Frage der Schaffung
von Plätzen für Jugendspiele u. s. w. Inbezug auf Aachen ist Redner
der Ansicht, dafs auch hier grofse Plätze in der Peripherie der Stadt
für Jugendspielzwecke zu beschaffen seien. Mit dem Wunsche, dafs die
heutigen Verhandlungen dem Vereine wie der Allgemeinheit zu
reichem Nutzen gereichen möchten, schliefst Herr Hertzog seine mit
Beifall aufgenommene Begrüfsungsansprache. Es folgte sodann der
Vertreter der Kaiserstadt im Landtage, Herr Lehrer Sittard, welcher
den Verein des besonderen Interesses der Landesvertretung in deä
Sitzung des Allgemeinen Deutschen Vereines für Sclinlgesiindlieitspflege. 49
parlamentaiisclien Körperschaften yersicherte. Sowohl die Gesund-
heit der Lehrerschaft^ als auch die der Lernenden sei bei den Be-
strebungen des Vereines ins Auge zu fassen.
Kedner sieht die Schuld, dafs in vielen Fällen nicht viel mit
lernenden Kindern erreicht wird, in einer Überlastung der Kinder
mit LehrstoflP. Die Lehrerschaft müsse zu den Medizinern flüchten,
um sich dort Rat zu holen, wie zu verfahren sei. Schliefslich ver-
sichert Herr Sittard den Verein des vollsten Interesses von Seiten
des Kultusministeriums und der besonderen Abteilung desselben,
welche dem in Frage stehenden Gegenstande ihre Aufmerksamkeit
und besondere Pflege angedeihen lasse. „Wir vertrauen voll und
ganz auf Sie, haben Sie auch Vertrauen zu der Volksvertretung.^^
Die Mittel, deren der Verein zur Förderung seiner Absichten be-
dürfe, würden bewilligt werden, wie denn überhaupt das regste
Interesse für die Vereinsbestrebungen bei den Volksvertretern vor-
liege. Redner wünscht reichsten Erfolg der Beratungen. Ptofessor
Dr. Kalle, Stadtrat aus Wiesbaden, begrüfst die Versammelten im
Namen der in gesundheitlichen Fragen mit an der Spitze der
hygienischen Bestrebungen stehenden Kurstadt Wiesbaden und teilt
mit, dafs Wiesbaden das Schularzt-Institut bereits durchgeführt habe.
Prof. Dr. Kalle sieht die Zukunft des Vereines in der Erstrebung
der praktischen Durchführung der Ideen, und der Verein solle sich
hierbei auf die Kommunalverwaltungen stützen. Namens der Stadt
Wiesbaden ladet Prof Dr. Kalle den Verein ein, die nächste Haupt-
versammlung in Wiesbaden abzuhalten. Dort würden die Vereins-
mitglieder schöne Schulen mit geräumigen Klassenzimmern, allen
Anforderungen der Hygiene entsprechende Schulbäder, Haushaltungs-
schulen u. s. w. vorfinden.
Professor Dr. Griesbach-Mülhausen begrüfst die Mitglieder und
Gäste in seiner Eigenschaft als Obmann des Arbeitsausschusses des
Allgem. Deutschen Vereines für Schulgesundheitspflege, dankt den
Vorrednern für ihre herzlichen Willkommensgrüfse und das grofse
Interesse, welches sie dem Vereine entgegenbrächten, dankt
der Sektion für mathematisch -naturwissenschaftlichen Unterricht,
welche dem Vereine in Aachen die Wege ebnete, dankt der
Direktion der Oberrealschule für ihr bewiesenes Entgegenkommen
bei Wahl des Versammlungsraumes und betont, dafs der Verein die
Aufmerksamkeit der staatlichen und städtischen Behörden, der Arzte-
und Lehrerwelt auf sich gelenkt habe. Es gelte aber nicht nur,
das Interesse der Behörden, der ärztlichen und pädagogischen Kreise
zu erwerben, sondern auch das grofse Publikum zu gewinnen, ins-
Gesunde Jagend. I. 1/ä. 4
50 Sitzung des Allgemeiiu^j£|^iito&e]i(ji^reineB füij Scliulge&iindheitspflege.
besondere hoffe \M Verein auf das Vertrauet der Eltern schulpflich'^
tiger Kinder. Nk^tIB?- A?^''
,^Leider^^, so fuhr ReSier fort, ^ind es nicht nur wohlwollende,
sondern auch mifsgünstige Augen, welche die Schritte verfolgen, die
der Verein zu unternehmen gedenkt. Es giebt immer noch Ele-
mente, welche schulhygienischen Untersuchungen abgeneigt sind; es
giebt Elemente, welche sich durch unsere Bestrebungen in ihren
Sonderinteressen geschädigt glauben und uns deswegen befehden.
Der Mifsgunst, Nörgelei und Befehdung aber werden wir energischen
Widerstand entgegensetzen. Das Wohlwollen und. die Freundschaft
immer weiterer Kreise hoffen wir zu erlangen^^ Der Verein erfreue
sich augenblicklich einer Mitgliederzahl von 250 Personen, wovon
viele den Verein materiell und finanjziell unterstützten. Da die
Schulhygiene von Jahr zu Jahr an Wichtigkeit zunehme, sei ein
Wachsen der Mitgliederzahl ebenso lebhaft zu wünschei^i wie sicher
vorauszusehen.
Was die Ziele betrifft, so bliebe die Hauptsache, dafs der Verein
durch energische Wirksamkeit greifbi^e Erfolge erreiche. Nament-
lich nnüTsten die Stadtgemeinden und das grofse Publikum für die
Schulhygiene gewonnen werden. Die von Berlin ausgehenden An-
regungen, Zweigvereine zu gründen, bedürften dringend der Befür-
wortung. Femer müsse der Allgemeine Deutsche Verein für Schul-
gesundheitspflege sich der Volksschulen annehmen, deim dort lägen
die hygienischen Verhältnisse oft noch trauriger als in den höheren
Lehranstalten. Der Vortragende führt ein Beispiel an. Aus einer
süddeutschen Stadt haben Volksschullehrer ein Hilfsgesuch an den
Verein gerichtet, da Schüler und Lehrer durch die unhygienischen
Verhältnisse der Anstalt erkrankten. Der Vortragende empfiehlt
auch, Vertreter der Volksschule, Kreisschulinspektoren und Volks-
schullehrer in den Vorstand zu wählen.
Sodann wird der Entwurf der Satzungen des Allgem. Deutschen
Vereines für Schulgesundheitspflege einer Revision unterzogen. Zum
Ehrenpräsidenten des Vereines wurde Graf Douglas in Ralswyk bei
Berjgen auf Rügen, der bekannte freikonservative Abgeordnete, zum
Ehrenmitglied der Oberbürgermeister Dr. Veitmann- Aachen gewählt.
Dr. Korman-Leipzig giebt sodann den Kassenbericht des Vereins;
den Mitgliedsbeiträgen in Höhe von 531 M. in diesem Jahre stehen
331 M. Ausgaben gegenüber. Schulden sind in Höhe von 500 M.
vorhanden. Dr. med. Gerhardi-Lüdenscheid sprach über „Psychologie
inbezug auf Pädagogik und Schulhygiene", seinem Vortrage das
yv&d't 6edvx6v, die uralte Inschrift am Tempel zu Delphi: „Erkenne
Sitzung des Allgemeinen Deutschen Vereines für Schulgesundheitspflege. 51
Dicli selbst I" zu gründe legend. Dr. Gerhardi verbreitete sich über
WillensHandlungen^ die Lösnng des Problems vom Willen, stellte
den Grundsatz auf: „Ohne Gehirn keine Seele!" sprach über Willens-
Entscheidungen und -Entschliefsungen, Ursache und Wirkung,
wünscht, dafs das „Nachsitzen^' der Schüler an freien Nachmittagen
aufgehoben werde, verbreitet sich über Seelenthätigkeit, Sprache,
Denkoperationen, hält den altsprachlichen Unterricht für eine über-
flüssige Quälerei und bezeichnet als köstlichstes Gut des Menschen
die Gesundheit.
Dr. med. Korman - Leipzig verbreitete sich über Samariter-
einrichtungen im Dienste der Schule (mit Demonstrationen), betonte,
dafs es in den Schulen bei plötzlichen Unfällen in der Regel an
Notverbandsmaterial fehle, dafs die erste Hilfe oft über das Schicksal
der Verletzung entscheide, von Esmarch, der Vater der Samariter-
einrichtungeii, hätte zwar verlangt, dafs jeder Mensch Samariter werden
müsse, aber das sei aus inneren und äufseren Gründen nicht durch-
zuführen. Auch seien die Verletzten keine Versuchskaninchen für
Theoretiker. -Der Mediziner und kein anderer müsse Lehrer für die-
jenigen sein, welche Samariter werden wollten. Trotz der Menge von
Schulunfällen sei eine Statistik derselben noch nicht festgestellt.
Redner ist als Vorsteher einer Sanitätswache über die Menge der
Unfälle erstaunt, die in Leipzigs Schulen vorkommen, und erwähnt den
Fall einer Pulsaderverletzung eines Schülers, bei dem der Lehrer
nicht in der Lage war, einen zweckentsprechenden, die Blutung
hindernden Verband anzulegen. Dr. Korman demonstriert sodann
den Anwesenden die Zusammensetzung eiaes neuen Verbandskastens.
Dr. Korman's Wünsche gehen dahin, dafs kein Samariter-Unterricht
in der Schule gelehrt werde, dafs jedoch der Samariter-Unterricht der
Lehrer obligatorisch gemacht werde, dafs in jeder Schule ein Ver-
bandkasten nach der neuen Form gehalten, dafs eine Statistik über
Schulunfälle eingeführt werde und eine Zusammenstellung der-
jenigen Mittel erfolge, die ein Lehrer bei Schulwanderungen bei
«ich zu führen habe. Die Versammlung folgte mit hohem Interesse
den Ausführungen des Redners.
Über die Ursachen der Minderbegabung von Schulkindern
sprach Dr. Schmid-Monnard, Kinderarzt in Halle. Der Redner hat
die 126 Kinder der HaUe'schen Hilfsschule für Schwachbefähigte
untersucht, mit Unterstützung der Lehrerschaft, der Armenverwal-
tung und eines Nerven-, eines Ohren- und eines Augenspezialisten.
Schwachbefähigte Schulkinder sind solche, welche zwar unterrichts-
fähig sind, aber nicht beanlagt zur erfolgreichen Mitarbeit mit
52 Sitzung des Allgemeinen Deutschen Vereines für Schulgesundheitspflege.
normal, beanlagten Kindern. Sie waren in Deutschland 1898 in
über 7000 sogenannten Hilfsklassen nntergebraeht mit einem ge-
ringeren Lehrziel. Die gröfsere Hälfte dieser Kinder wird durch
diesen Sonderunterricht nach ihrer Entlassung erwerbsfähig. Es
fand sichy dafs alle nicht nur geistig^ sondern auch körperlich
minderwertig sind und in denkbar ungünstigsten äufseren Verhält-
nissen leben. Sie stehen den normalen Altersgenossen an Länge
*und Gewicht im Durchschnitt um 1 bis lYg Jahr zurück, in einzelnen
Fällen sogar um 4 bis 5 Jahre. Geistig stehen sie auf der Stufe
eines 2- bis 4 jährigen Kindes und nur bei einem Drittel der schwach-
begabten Schüler findet man leidliche Leistungen. Für die mangel-
hafte körperliche Entwickelung sind die traurigen häuslichen Ver-
hältnisse (Armut, hohe Kinderzahl, Kränklichkeit der Eltern) ver-
antwortlich zu machen. 40 Proz. der Eltern waren moralisch zu
beanstanden und es ist charakteristisch, dafs aus Trinkerfamilien
fast nur schlechte Schüler hervorgehen, während der gröfste Pro-
zentsatz wenigstens mittelmäfsiger Schüler ordentlichen Familien
entstammt. Das Hörvermögen war nur in einem Zehntel aller
Fälle normal, etwa ein Viertel verstand Flüstersprache nur unter
vier Meter Entfernung. Wichtig ist die ungemeine Häufigkeit der
Nasenrachenwucherungen, die meist in recht ansehnlichem Umfang
bei vier Fünftel aller Kinder nachzuweisen waren. Erfahrungs-
gemäfs wird durch deren Vorkommen die Fähigkeit aufzumerken,
und damit die geistige Leistung herabgesetzt. Schmid-Monnard
schlägt vor, bei solchen Kindern die Nasenrachenwucherungen
operativ zu entfernen, um die geistige Leistungsfähigkeit zu heben.
Natürlich hat dies nur Aussicht auf Erfolg bei Kindern, deren
Nervensystem nicht durch Abstammung von sittlich entarteten
Eltern bereits unheilbar krankhaft verändert ist, also bei den Kin-
dern ordentlicher Familien. Der Anfang mit diesen Operationen
ist bereits in Halle gemacht worden. Schliefslich sind mit Hilfe
eines Nervenarztes die immer noch darunter vorkommenden völlig
blödsinnigen Kinder aus dem Kreise der Schwachbefähigten zu ent-
fernen. Dr. Schmid-Monnard schliefst mit den Worten: „Man sieht,
welch ein krankhaft geborenes und krankhaft gewordenes Kinder-
material in unseren Hilfsschulen existiert, dessen geistige Leistungs-
fähigkeit zum Teil noch zu verbessern ist, und wie notwendig hier
eine ärztliche Untersuchung und Beratung, wie notwendig hier die
Anstellung eines Schularztes ist."
Aus der Versammlung treten während der Verhandlung 25 neue
Mitglieder dem Verein bei. Als Ort der nächsten Versammlung,
Sitzung des Allgemeinen Deutschen Vereines für Schulgesundheitspflege. 53
welche zu Pfingsten stattfindet, wurde auf Einladung seitens der
Stadt Wiesbaden gewählt.
Prof. Dr. Griesbach schliefst uüter Dank an die Erschienenen
und Gäste die allgemeine Sitzung um 1 Uhr, worauf eine Vorstands-
sitzung des Allgemeinen Deutschen Vereines für Schulgesundheits-
pflege folgte.
Wir geben in Nachstehendem den Wortlaut der in Aachen
festgesetzten Satzungen und die Zusammensetzung des Vorstandes.
Satzungen des Allgemeinen Deutschen Vereines für
Schnlgesundheitspflege.
§1-
Unter dem Namen: Allgemeiner Deutscher Verein für
Schulgesundheitspflege hat sich ein Verein gebildet, der infolge
3er bevorstehenden Eintragung in das Vereinsregister des Leipziger
Amtsgerichtes die Rechte einer juristischen Person geniefst und sich
am 16. September 1900 seine Satzungen gegeben hat.
§2.
Der Verein bezweckt:
1. Die Verbreitung der Lehren der Hygiene in den Schulen
des Deutschen Reiches.
2. Die Verhütung der durch die Schule verursachten gesund-
heitsschädigenden Einflüsse auf Lehrer und Schüler.
§3.
Alljährlich findet eine Versammlung in einer dafür geeigneten
Stadt innerhalb des Deutschen Reiches statt. Die Wahl des nächst-
jährigen Versammlungsortes bleibt dem Vorstande überlassen.
§4.
. Die leitenden Organe des Vereines sind:
1. Der Vorstand
2. die Geschäftsführer.
§5.
Der Vorstand besteht aus mindestens 20 Mitgliedern und zwar
dem Vorsitzenden und 3 Stellvertretern, dem Schriftführer und
2 Stellvertretern, dem Schatzmeister und 2 Stellvei-tretem, sowie aus
mindestens 10 Beisitzern.
Satzungen des Allgem. Deutschen Vereines für Schnlgesundheitspflege. 55
§6.
Der Vorstand wird von der Mitgliederversammlung mit einfacher
Melrrheit durch Stimmzettel oder, wenn kein Widerspruch erfolgt,
durch Zuruf gewählt. Dem Vorstande sollen angehören:
Arzte,
Vertreter der höheren Lehranstalten und der Volksschulen,
Verwaltungsbeamte,
Techniker,
sonstige Personen.
Die Amtsdauer des Vorstandes beträgt 3 Jahre. Er verteilt die
Amter unter sich und giebt sich selbst eine Geschäftsordnung. Der
Vorstand hat das Recht der Ersatz- und Zuwahl von Vorstands-
mitgHedem.
§7.
Der Vorstand hat in allen Vereinsangelegenheiten zu entscheiden,
die nicht der Beschlufsfassung der Mitgliederversammlung ausdrück-
lich vorbehalten sind.
§8.
Zwei Geschäftsführer werden für jede Jahresversammlung vom
Vorstande neu ernannt und gehören demselben während der Dauer
ihrer Thätigkeit an.
Sie sind an dem Orte der jeweiligen Jahresversammlung wohn-
haft, und haben dieselbe im Einverständnisse mit dem Vorsitzenden
des Vereines vorzubereiten und das Programm zu entwerfen und
festzulegen.
§9.
Der Vorstand tritt mindestens einmal im Jahre vor jeder all-
gemeinen Versammlung zu einer Vorstandssitzung zusammen, in
dieser ist der vorbereitete Geschäftsgang zu regeln.
Der Vorstand ist beschlufsfähig, wenn mindestens fünf Vor-
standsmitglieder anwesend sind. Die Beschlufsfassung erfolgt mit
einfacher Stimmenmehrheit der erschienenen Mitglieder; bei Stimmen-
gleichheit entscheidet bei Beschlüssen der Vorsitzende, bei Wahlen
das Los.
§10.
Der Mitgliederversammlung liegt es ob:
a) einen Ehrenpräsidenten und Ehrenmitglieder zu wählen,
b) alle drei Jahre die Neuwahlen der Vorstandsmitglieder vor-
zunehmen,
c) zwei Rechnungsprüfer für die am Schlüsse des Vereinsjahres
vorzunehmende Prüfung der Jahresrechnung einzusetzen,
56 Satzungen des AUgem. Deutschen Yereinea für Schulgesundheitspflege.
d) die Erstattung des Geschäftsberichtes von dem Schriftführer
und des Berichtes über die Ergebnisse der Rechnungsprüfung
von den Rechnungsprüfern entgegenzunehmen und dem Vor-
stande Entlastung zu erteilen.
e) über sonstige Angelegenheiten zu beschliefsen, deren Er-
ledigung ihr durch Yorstandsbeschlufs im Einzelfalle unter-
breitet wird,
f) über Anträge — insbesondere auch in Bezug auf Satzungs-
änderungen — welche von Vereinsmitgliedem spätestens
4 Wochen vor der Versammlung beim Vorsitzenden an-
gemeldet worden sind, BeschluTs zu fassen.
§11.
Die Mitgliederversammlung beschliefst, insbesondere auch bei
Wahlen, mit einfacher Mehrheit der Abstimmenden. Bei Stimmen-
gleichheit giebt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag, handelt
es sich jedoch um Wahlen, so entscheidet bei Stimmengleichheit
das Los.
§12.
Der Schriftführer beurkundet die Beschlüsse der Versammlung
und der Vorsitzende hat das Protokoll zu genehmigen.
§13.
Mitglied des Vereines kann jede volljährige, unbescholtene Person
werden, die für schulhygienische Dinge Interesse besitzt, die Zwecke
und Ziele des Vereines billigt, ihren Beitritt unter Angabe von
Namen, Wohnort und Stand dem Schatzmeister schriftlich oder
während einer Versammlung mündlich anzeigt und einen jährlichen
Beitrag von drei Mark entrichtet. Vereine und Körperschaften, ins-
besondere auch städtische Gemeinden, können gegen einen ent-
sprechenden Beitrag die Mitgliedschaft erlangen.
§14.
Die Mitgliedschaft erlischt durch eine dem Vorsitzende ein-
gereichte schriftliche Austrittserklärung, durch Verlust der bürger-
lichen Ehrenrechte, durch Unterlassung der Beitrittszahlung nach
dreimaliger Mahnung.
§15.
Der Verein hat seinen Sitz in Leipzig; er wird gerichtlich und
aufsergerichtlich vertreten durch den I. Vorsitzenden und den
I. Schriftführer.
Satzungen des Allgem. Deutschen Vereines für Schulgesundheitspflege. 57
§ 16.
Während der allgemeinen Versammlung soUen Vorträge und
Referate aus dem Gesamtgebiete der Schul- und Unterrichtshygiene
gehalten werden.
§17.
Der Verein besitzt als amtliches Organ eine Zeitschrift, welche
in zwanglosen Heften erscheint und aus dem Vorstande heraus
redigiert wird. Das Organ enthält die ausführlichen Berichte über
die Mitgliederversammlungen und die Verhandlungen, femer alle
Vereinsangelegenheiten , Mitgliederverzeichnisse , Mitteilungen des
Vorstandes, Veröffentlichungen von Korrespondenzen, welche im
Interesse des Vereines geführt werden, Beiträge von Mitgliedern u. s. w.
Dieses Organ wird als Gegenleistung für den gezahlten
Beitrag von 3 Mark jedem Mitgliede des Vereines kosten-
los zugestellt.
§18.
Das Rechnungsjahr des Vereines läuft vom 1. Januar bis zum
31. Dezember. Die Rechnung wird samt dem Prüfungsberichte in
dem Organe veröffentlicht. Aus den Jahreseinnahmen werden die
Versammlungskosten und die dem Vereine erwachsenden Druckkosten
99
gedeckt. Überschüssiges Geld wird von dem Schatzmeister verzins-
lieh angelegt.
§ 19.
Die Auflösung des Vereines seitens der Mitglieder kann nur
von zwei Dritteln derselben beschlossen werden, nachdem von min-
destens einem Drittel bei dem Vorsitzenden ein diesbezüglicher
schriftlicher Antrag eingebracht und vom Vorstande als gerechtfertigt
anerkannt wurde.
§20.
Im Falle der Auflösung des Vereines seitens der Mitglieder
Ji)eschliefst die letzte Versammlung der anwesenden Mitglieder über
das Vermögen des Vereines.
Aachen, den 16. September 1900.
Der Vorstand
des Allgemeinen Deutschen Vereines für Schiügesuiidheltspflege.
58 ZnBanunenBetzimg des deizeitigen Yontandes.
Züsammensetzimg des derzeitigen Vorstandes.
Vorsitzender: Professor Dr. med. u. phil. Griesbach^ Mülhansen
i. Eis.
1. Stellvertreter: Geheimer Medizinalrat Professor Dr. A. Eulenburg^
Berlin.
2. Stellvertreter: Oberrealschuldirektor Dr. Schotten, Halle.
3. Stellvertreter: Bürgermeister Hertzog, Aachen.
Schriftführer: Direktor Dr. Bey^r, Leipzig.
1. Stellvertreter: Dr. med. Korman^ Arzt, Leipzig.
2. Stellvertreter: Reichstags- und Landtags -Abgeordneter Sittard,
Aachen.
Schatzmeister: Direktor F. S. Archenhold, Sternwarte Treptow-
Berlin.
Stellvertreter: Dr. med. Schmid-Monnard, Kinderarzt, Halle.
Beisitzer:
Professor Dahn, Herausg. des Pädagogischen Ai-chivs, Braunschweig.
Wirklicher Geheimer Rat Professor Dr. v. Esmarch, Excellenz, Kiel.
Dr. med. Gerhardt, praktischer Arzt, Lüdenscheid.
Dr. med. Hartmann, Ohrenarzt, Berlin.
Königlicher Reallehrer Dr. Herberich, München.
Stadtrat Professor Dr. Kalle, Wiesbaden.
Lehrer Lauche, Halle.
Oberbürgermeister Müller, Kassel.
Geheimer Hofrat Professor Dr. Ostwald, Leipzig.
Geheimer Regierungsrat Pabst, Oberbürgermeister,' Weimar.
Professor Dr. Recknagel, Rektor des Königlichen Realgymnasiums,
Augsburg.
Städtischer Schulinspektor Rinkel, Wiesbaden.
Lehrer Schubert, Leipzig-Gohlis.
Professor Dr. Schüller, Aachen.
Landtagsabgeordneter Oberlehrer Wetekamp, Breslau.
Mitglieder - Yerzeiclmis.
A. Ehrenmitglieder.
Graf Douglas, Mitglied des preuTsiscben Abgeordnetenhauses, Balswiek
bei Bergen auf Bügen, Ehrenpräsident.
Dr. Veitmann, Oberbürgermeister, Aachen.
B. Ordentliclie Hitglieder.
Ab egg, H., Geh. Medizinalrat Dr., Wiesbaden, Frankfurterstr. 20 a.
Ab egg, Richard, Prof. Dr., Abteil. -Vorst. am ehem. Universitäts- Labo-
ratorium, Breslau, Kaiser Wilhelmstr. 70.
Abraham, Geh. Sanitätsrat Dr., Berlin W., Bendlerstr. 31.
Ahlers, Dr. med., Schularzt, Gera/R., Marktstr. 12,
Archenhold, F. S., Direktor der Sternwarte, Treptow bei Berlin (im
Vorstand).
Arntz, W., Rentner, Wiesbaden.
von Aschen, Fr., Prof., Braunschweig, Wolfenbüttlerstr. 40.
Baltzer, Prof., Realgymnasium, Eisenach.
Barnay, L., Hofrat, Wiesbaden.
loBatthanj, Gräfin Marianne, Zala-szent-Lasslo, Ungarn. Beitrag f. 1900
84 Kronen.
Bauer, K. L., Prof. Dr., Karlsruhe,
Baum, Stadtphys. und Sanitätsrat Dr., Aachen, Heinrichs-Allee 32.
Baumann, G., Dr. med., Generalarzt, München.
Baur, Alfred, Dr. med., Hausarzt und Lehrer der Schulhygiene am
k. Schullehrer-Seminar, SchwäÜisch-Gmünd, Schmidthor.
Bayerthal, Dr., Worms/Rhein.
Beckmann, E., Prof. Dr., Direktor des Laboratoriums für angewandte
Chemie, Leipzig, Brüderstr. 34.
Ben dt, August, Lehrer, Wiesbaden.
Berberich, Dr., Arzt, Wiesbaden.
Bergas, J., Dr. jur., Justizrat, Wiesbaden.
20Berlein, M., Dr. med., Arzt, Wiesbaden.
Berna, Dr., prakt. Arzt, Wiesbaden.
Berndt, Geh. Baurat Prof., technische Hochschule, Darmstadt.
Bernheim-Meyer, Sylvain, Kaufmann, Mülhausen/EIs.
Berninger, Johannes, Lehrer, Wiesbaden.
Besser, L., Dr. med., Irrenarzt, Bonn-Poppelsdorf, Villa Victoria.
Beyer, Dr., Schuldirektor, Leipzig -Eutritzsch, Petzschauerstr. 8 (im
Vorstand).
60 Mitglieder -Verzeichnis.
Bienstock, Dr., Ohrenarzt, Mülhausen/Els.
Blind, A., Dr., Köln a./Rhein, Bismarckstr. 101.
Blumenfeld, F., Dr. med., Arzt, Wiesbaden.
30 Böhm, Eugen, Holzhändler und Stadtrat, Mülhausen/Els., Oranstaden 8.
Beitrag f. 1900 M. 10.
von Born, Wilh., Rentner, Wiesbaden.
Böttcher, G., Dr. med., Arzt, Wiesbaden.
von Bracht, Friedrich, prakt. Zahnarzt, München, Briennerstr. 14.
Brandt, P., Berlin.
Brazis, L., Dr. med., Mülhausen/Els., Illzacherstr. 4.
Brenske, Ernst, Stadtrat, Potsdam, Kapellenbergstr. 3. '^
Brie g er, 0., Dr., Primär- Arzt am AUerheilig-Hospital, Breslau, Königspl. 2.
Brinkmann, Kapitän zur See a. D., Wiesbaden.
Brix, J., Ingenieur, Stadtbaurat a. D., Wiesbaden.
40Bröcking, Dr. phil., Wiesbaden.
Büdingen, Wolfgang, Wiesbaden.
Burger st ein, Prof. Dr., Wien. 6/2 Gfromergasse 2.
Burghardt L, Fabrikant, Mülhausen/Els., Sennheimerstr. 7.
Cahn-Brach, Dr., Frankfurt/M., Neue Mainzerstr. 71.
Christ, Dr., prakt. Arzt und Zahnarzt, Wiesbaden.
Christa, P., Prof., Oberlehrer am Kgl. Gymnasium, Siegburg, Königstr.
Claus, Josef, Dr. med., Sanitätsrat und Kreisphys., Warburg/ Westfalen,
Stemstr. 106.
Clouth, Dr., Sanitätsrat, Wiesbaden.
Coburg, Verein der wissenschaftl. Lehrer an den höheren Schulen zu
Coburg, gez. Prof. Nemnann.
öOCoester, Dr., Arzt, Wiesbaden.
Cohn, Heinrich, Dr. jur., Rechtsanwalt, Berlin W., Unter den Linden 11.
Cohn, Hermann, Prof.. Dr. med und phil., Augenarzt, Breslau, Schweid-
nitzer Stadtgraben.
Cr am er, Dr., Sanitätsrat, Wiesbaden.
Cron, W., Banquier, Wiesbaden.
Cuntz, F., Dr. med., Schularzt, Wiesbaden.
Dahn, E., Prof. Hersgeb. des pädag. Archivs, Braunschweig (im Vorstand).
Diepenbach, L., Glas-Manufakt. und Assekuranz, Mainz, Bahnhofstr. 9.
Dörr, F., Direktor der Liebig-Realschule, Frankfurt/M. -Bockenheim.
Dreyer, Dr. L., Rentner, Wiesbaden.
60 Dreykorn, Johannes, Kgl. Gymn.-Rektor, Landau /Pfalz, Gymnasial-Gebäude.
Duncker, Frau Caecilie, Schulvorsteherin, Berlin.
von Ebmeyer, Major a, D., Kurdirektor, Wiesbaden.
von Eck, Rechtsanwalt, Wiesbaden.
Edel, A., Dr. prakt. Arzt, Berlin NW., Dorotheenstr. 22.
Edinger, Prof. Dr., Nervenarzt, Frankfurt/M., Leerbacherstr. 27.
Ehret, Dr., Mülhausen/Els., Illzacherstrasse.
Eichen, F., Direktor, Wiesbaden.
Eichhorn, Johannes Peter, Schulrektor, Höhr, Reg. -Bez. Wiesbaden,
Kirchbergstr. 31.
Eiber feld, Bürgermeisteramt.
TOErismann, Prof. Dr., Zürich.
Mitglieder -Verzeichnis. 61
von Esmarch, Wirkl. Geh. Eat, Prof. Dr., Excellenz, Kiel (im Vorstand).
Eulenburg, A., Geh. Med.-Eat, Prof. Dr., Nervenarzt u. Hrsg. der Deutschen
medic. Wochenschrift, Berlin W., Lichtenstein- Allee 3 (im Vorstand).
Falkenheim, Prof. Dr., Königsberg/Pr.
Feigel, Apotheker, Mülhausen/Els., Dornacherstr. 94.
Feld mann, Bürgermeister, Saarbrücken.
Fischenich, Dr., Spezialarzt, Wiesbaden.
Fischer, Lehramtsassistent, Ansbach. '
Fischer, M., Direktor der höheren Töchterschule, Mülhausen/Els.
Fiat au, Theodor S., Dr. med., Berlin W., Potsdamerstr. 113.
80 Flechsig, P., Geh. Med.-Rat, Prof., Direktor der psychiatrischen Klinik,
Leipzig.
Frank, Georg, Dr., Dozent und Abteilungsvorsteher am chemischen
Laboratorium Fresenius, Wiesbaden.
Frenkel, H. S., Dr. med., Heiden, Kanton Appenzell, Schweiz.
Fresenius, Anton, Dr. med., Arzt, Frankfurt/M.
Fresenius, Dr. H., Professor, Wiesbaden.
Fresenius, Dr. W., Professor, Wiesbaden.
Friedländer, E., Dr. med., Arzt, Wiesbaden.
Frühwald, F., Dr., München.
Gärtner, A., Prof. Dr., Geh. Hofrat, Jena, Marktelstieg 2.
Gasser, Aug., Lehrer a. D., Eppenheim i. Taunus, Post Königstein.
90 G ebb, Carl, Dr. med., Augenarzt, Worms/Rh., Steinstr. 3.
Geiershöfe r, Anton, Fabrikbesitzer, Allersberg bei Nürnberg.
Gentsch, Dr., Eealgymnasium, Eisenach.
Genzmer, F., Stadtbaumeister, Königl. Baurat, Wiesbaden.
Georgi, M., Baumeister, Mügeln bei Oschatz, Bezirk Leipzig.
Georgii, Adolf, Kgl. Dir. des Progymnasiums, Kusel.
Gerhardi, Dr. med., prakt. Arzt, Lüdenscheid (im Vorstand).
Gerloff, 0., Dr. med., Augenarzt, Wiesbaden,
von Gizycki, Paul, Dr., Stadtschul-Inspektor, Pankow /Berlin, Amalien-
park 5.
Glück, Carl, Lehrer, Naurod i. Taunus bei Wiesbaden.
100 Gott Schalk, Dr., Eealgymnasium, Eisenach.
Gräfe, Dr. phil., Prof. an der technischen Hochschule, Dannstadt, Soder-
strafse 75.
Greve, Prof. Dr., Aachen, Crefelderstr. 17.
Greve, Sanitätsrat Dr., Aachen, Harskampstr. 31.
Griesbach, H., Prof. Dr. med. und phil., Mülhausen/Els. (im Vorstand).
Grofs, Mittelschullehrer, Wiesbaden.
Grub er, Carl, Pfarrer, Wiesbaden,
von Gülpen, Frau, Wiesbaden.
Guttmann, Max, Eechtsanwalt, Wiesbaden.
Gystrow, Ernst, Dr. (Pseudonym für Dr. Willy Hellpacb), Heidelberg.
110 Haberkorn, Med.-Eat Dr., Grofsherzogl. Kreisarzt, Giefsen, Moltkestr. 5.
Hack, C, Geh. Eeg.-Eat, Bürgermeister a. D., München.
Haedicke, Max, Dr. med., prakt. Arzt, Leipzig, Kaiser Wilhelmstrafse.
Haensler, August, Fabrikant, Mülhausen/Els., Dornacherstr. 118.
Hagen, Dr., Landrat, Schmalkalden.
62 Mitglieder -Yerzeicbnis.
von Hagen, A., Rentner, Wiesbaden.
Halberstadt, Bürgermeisteramt.
Hannemann, Eisenbahngeometer, Mülhausen/Els.
Hartmann, Arthur, Dr., Ohrenarzt, Berlin NW., Boonstr. 8 (im Vorstand).
Hartmann, Prof. Dr., Leipzig, Fechnerstr. 2.
120 Hasenmeyer, Ernst, Nienburg/Weser, Georgstr. 18.
Hees, E., Stadtverordneter, Wiesbaden.
He gar. Geh. Rat Prof. Dr., Direktor der Frauenklinik, Freiburg/Br.
Helm, Georg, Prof. Dr., Technische Hochschule, Dresden.
Hemme, A., Oberrealschul-Direktor, Hannover.
Hempfing, C, Ober-Reg.-Rat, Wiesbaden.
Henneberg, Geh. Ho&at, Prof. Dr., technische Hochschule, Darmstadt.
Herb er ich, G., Kgl. Reallehrer, München, Theresienstr. 38 (im Vorstand).
Hersing, Sanitätsrat Prof. Dr., Augenarzt, Mülhausen/Els.
Hertzog, Beigeordneter der Stadt Aachen, Bismarckstr. 88 (im Vorstand).
130 Herz, B., Dr. jur., Justizrat, Wiesbaden.
Hefs, Dr., Arzt, Wiesbaden.
Hefs, S., Stadtverordneter, Wiesbaden.
Hessling, Klara, Frau ßchulvorsteherin, Berlin SW., Schönebergerstr. 3.
Heubach, Dr., Realgymnasium, Eisenach.
Hezel, Dr., Arzt, Wiesbaden.
Hillebrandt, L., Geh. Regier.-, Schul- und Eonsistorialrat, Wiesbaden.
Hintzmann, Dr., Oberrealschuldirektor, Elberfeld, Weststr. 7.
Hochhuth, L., Gymnasialoberlehrer, Wiesbaden.
Hockmayer, Eugen, 1. besoldeter Gemeiaderat, Stuttgart, Rathaus.
140van't Hoff, Prof. Dr., Charlottenburg, Uhlandstr. 2.
Höhn, Prof. Dr., Realgymn., Eisenach.
Hölper, Ph. W., Rektor, Wiesbaden.
Holzach, Karl, Generalagent, Mülhausen/Els., Belforterstr. 2.
Honigmann, Dr., Arzt, Wiesbaden.
Höpker, Dr. med., Sanitäts-Rat, Bünde/Westfalen, Philippstr. 4.
Hörle, Hermann, Lehrer, Wiesbaden.
Huthj Dr. med., Arzt, Prenzlau.
Jacoby, F., Kaiserl. Baurat, Montigny bei Metz.
Jaeth, Marie, Lehrerin, Wiesbaden.
150 Jäger, Dr. med., Oberarzt am Bürgerspital, Mülhausen/Els.
Jonas, D., Kreisschul-Inspektor, Berlin NW., Schleswiger Ufer 7.
Jung, L. D., Kaufmann u. Handelsrichter, Wiesbaden.
Kalle, Prof. Dr., Stadtrat, Wiesbaden (im Vorstand). Beitrag f. 1900 M. 30.
Kammeyer, E., Dr. med., Arzt, Berlin W. 50, Joachimsthalerstr. 37.
Kaselowsky, R., Landtagsabgeordneter, Berlin W., Rankestr. 13. Bei-
trag für 1900 M. 20, unterstützt den Verein jährlich mit 20 M.
Katzmaier, Oberreallehrer, Cannstatt, Olgastr. 20.
Kaufmann, Prof. Dr., Mülhausen/Els.
Keller, A., Dr. theol., Prälat, Geistl. Rat und Stadi^farrer, Wiesbaden.
Kellner, Direktor der Gaswerke, Mülhausen/Els.
160 Kessler, Dr. med., Stabsarzt, Mitglied der Ortsschulkommission, Mannheim.
Keupp, Ernst, Pfarrvikar, Reallehrer an der k. Kreisrealschule, Augs-
burg, Maximiliansplatz A 111.
Mitglieder -Yerzeiclmis. 63
Xexel, Josef, Lehrer, Wiesbaden.
Kitt 1er, Geh. Rat Prof. Dr., Technische Hochschule, Darmstadt.
Klar, Max, Dr., Schömberg, O.-A. Neuenburg, Württemberg.
Klein I, Edm., Prof. Dr., Diekirch, Luxemburg.
Klein, Dr. phil., Oberlehrer an- der Oberrealschule, Wiesbaden.
Klug, Aug., Stadtrat, Bechtsanwalt und Mitglied des Landesausschusses
für Elsafs-Lothringen, Mülhausen i. Eis.
von Knapp, Mitglied des preufs. Abgeordnetenhauses, Barmen. Beitrag
f. 1900 M. 50.
Knöpfel, L., Prof. Dr., Worms a./Bh., Humboldtstr. 5.
170 Koch, Adolf, Dr. med., Marine-Stabsarzt a. D., Schömberg, O.-A. Neuen-
burg, Württemberg.
K e p p e , Hans , Dr. med., Kinderarzt und Dozent für Kinderheilkunde. Giefsen.
Kopp 1er, W., Eektor, Wiesbaden.
Korman, Max, Dr. med., prakt. Arzt, Leipzig, Bofsplatz 8 (im Vorstand).
Kraufs, Frl. Klara, Berlin N., Grünthalerstr. 30.
Kr ekel, Aug., Landesrat, Wiesbaden.
Kremser, E., Dr. med., Chefarzt des Sanatoriums für Lungenkranke,
Sülzhagen a./H. bei Nordhausen.
Kronfeld, A., Dr., städt. Arzt und emer. Assistent des k. k. allgem.
Krankenhauses Wien: Wien X. 1, Porzellangasse 22.
Kühne, Dr., Oberstabsarzt, Gharlottenburg, Leibnizstr. 88.
Kümmell, Dr., Hamburg, Am Langenzug 9. '
18oKuntzenmüller, Otto, Dr., polit. Bedakteur der Aachener Allgem.
Zeitung, Aachen, Aureliusstr. 29.
Kuppler, Georg, k. Bektor, Weifsenburg am Sand, Eichstätterlandstr. 697.
Lackner, 0., Bankier, Wiesbaden.
von Lade, Ed., Generalkonsul, Schlofs Monrepos, Geisenheim a. Bh.
Laederich, E. L, Mülhausen/Els., Lavoisierstr. 4.
Laquer, B., Dr. med., Arzt, Wiesbaden.
Lassar, 0., Prof. Dr., Berlin NW., Karlstr. 19.
Lauche, Lehrer, Halle (im Vorstand).
Leder, Dr., Kreisphysikus, Lauban, Schlesien.
Leman, Alfred, Oberlehrer, Mülhausen/Els.
leoLemann, 0., Hofrat Prof. Dr., Technische Hochschule, Karlsruhe.
Lentz, Prof. Dr., Bastenburg, OstpreuTsen.
Leonard, Dr., Krakau.
Leubus eher, Prof. Dr., Beg.- und Med.-Bat, Med. Beferent im Herzogl.
Staatsministerium, Meiningen.
Liebe, Dr., Braunfels.
Lieber, Carl, Pfarrer, Wiesbaden.
Limacher, Mittelschulrektor, Mülhausen/Els.
Linz, Verwaltungsgerichtsdirektor, Wiesbaden.
Lippert, Dr., Arzt, Wiesbaden.
Lotz, A., Dr., Herzogl. Sachs. Schulinspektion, Coburg.
200Lugenbühl, E., Dr. med., Arzt, Wiesbaden.
Malachowsky, E., Dr., Breslau, Tauentzienplatz 1.
Mangold, E., Beigeordneter des Magistrats, Wiesbaden.
Maurach, E., Polizeirat, Mülhausen/Els., Magentastr. 5. Beitrag f. 1900 M. 6.
64 ' Mitglieder -Yerzeichnis.
Maurer, Dr., Oberrealschuldirektor, Saarbrücken.
Meininger, Ernst, Stadtrat, Chefredakteur des „Exprefs^^, Mülhausen/Els.
Merkens, B., Kaiserl. Bentmeister, Mülhausen/Els.
M eurer, Dr. Carl, Augenarzt, Wiesbaden.
Meyer, Dr., Gustav, Arzt, Wiesbaden.
Meyer, W., Stadtbaurat,' Stettin.
210 Michaelis, Geh. Sanitätsrat Dr., Bad Behburg.
Mitscherlich, Alex., Prof. Dr., Freiburg/Br. Beitrag f. 1900 M. 30.
Mollath, A., Stadtverordneter, Wiesbaden.
Montandon, H., Bentner, Wiesbaden.
Morgenstern, Adolf, Berlin NO., Wiesenstr. 31, II.
Moses, Julius, Dr. med., prakt. Arzt und Stadtarzt, Mannheim.
Mühlheim, Stadt, am Bhein.
Müller, Oberbürgermeister, Cassel (im Vorstand).
Müller, K. F., Lehrer, Wiesbaden.
. Müller, Fr., Stuttgart.
220 Müller, Johannes, Professor an der Kgl. Kreisrealschule, Augsburg.
Müller, Th., Kais. Bauinspektor, Strafsburg/Els.
Müller, Bektor, Wiesbaden.
Münch, Prof., Bealgymnasial-Direktor, Darmstadt, Grünerweg 19.
München-Gladbach, Stadtkasse.
Neu, W., Bektor der k. Industrieschule und der Kreisschule, Augsburg,
Katharinengasse B. 156.
de Niem, Landgerichts-Direktor, Wiesbaden.
Nietzschmann, Dr., Direktor der Elektrizitätswerke, Mülhausen/Els.
Nölting, E., Prof. Dr., Direktor der Chemieschule, Mülhausen/Els.
Oberstadt, Dr. med., Sanitätsrat, Königl.Kreisphysikus,Langenschwalbach.
230 0bertüschen, G., Dr. med., Sanitätsrat, Wiesbaden.
Oebecke, Dr., Stadtarzt, Breslau, Wallstr. 17, Bureau XV, als Ver-
treter der Stadt Breslau.
Ohlert, A., Königsberg/Pr., Tragheimer-Kirchenstr. 37.
Ortweiler, Dr., Frauenarzt, Wiesbaden.
Oschmann, Albert, Direktor, Mülhausen/Els.
Ost ermann, Dr., med. Augenarzt, Mülhausen/Els.
Ostwald, W., Geh. Hofrat Prof. Dr., Direktor des physik.-chem. Insti-
tutes, Leipzig (im Vorstand).
Pabst, Geh. Beg.-Bat, Oberbürgermeister, Weimar (im Vorstand).
Pagel, Prof. Dr. med., Berlin N., Chausseestr. 85.
von Parseval, Landgerichtsrat, Ansbach.
240 Pauli, Dr. med., prakt. Arzt, Lübeck.
Peerenboom, Oberlehrer, Aachen, Lousbergstr. 19.
Pfeiffer, Jena, Löbdergraben 8.
Pfeiffer, Stadtschulrat, Weimar.
von Pfeil, Joachim Graf, Friedersdorf, Kr. Lauban, Schlesien.
Pfersdorff, F. G., Spitaldirektor, Mülhausen/Els., Belfortervorstadtstr. 4.
Pietzker, Professor, Nordhausen.
Pistor, Geh. Ober-Med.-Bat Dr., Berlin W., Augsburgerstr. 59/60.
Poehlmann, Margarete, Vorst. der höh. Priv.-Mädchenschule, Tilsit/Ostpr.,
Gartenstr. 38,
Mitglieder -Verzeichnis. . 65
Plefsner, Dr., Arzt, Wiesbaden.
250 Posen, Magistrat.
Pres 1er, 0., Oberlehrer, Hannover, Lindenstr. 47.
Preufs, Fr., Dr., k. Gymnasial-Direktor, Culm, Westpreufsen.
Proebsting, A., Dr. med., Arzt, Wiesbaden.
Quad flieg, Kreisschulinspektor, Mülhausen-Land.
Radziejewski, Max, Dr. med:, Augenarzt, Berlin W., Kleiststr. 42.
Batibor, Magistrat der Stadt.
Becknagel, Prof. Dr., Bektor des Bealgymn., Augsburg (im Vorstand).
Beichlin, Albert, Weinhändler, Altkirch, Oberelsafs, Kornhalleplatz 3.
Beinert, F., Bechtsanwalt Dr. jur., Direktor der Internat. Baugesell-
schaft, Frankfurt a./M., Beethovenstr. 67.
260 Beinicke, E., i. F. Verlagsbuchhandlung Wilhelm Engelmann, Leipzig.
Beusch, Hugo, Landesbank-Direktor, Vorsitzender der Stadtverordneten-
versammlung, Wiesbaden.
Beusch, Joseph, Dr., Oberlehrer, Aachen, Marienplatz 4.
lleuther & Beichard, Verlagsbuchhandlung, Berlin W., Köthenerstr. 4.
van Bey, Dr. med., Aachen, Harskampstr. 12.
Bey-Schervier, L G., Dr., Kinderarzt, Aachen, Annastr. 19.
Biedler, Geh. Beg.-Bat Prof. Dr., Bektor der technischen Hochschule
Charlottenburg, Berlin W., Bauchstr. 2.
Biefser, Justizrat Dr., Berlin W., Lichtenstein- Allee 4.
Biffel, A., Dr., prakt. Arzt, Prof. der Hygiene an der techn. Hoch-
schule und Lehrer des hyg. [Jnterrichts an den beiden Lehrersem.,
Karlsruhe, Friedenstr. 17.
Bimann, F., Sanitätsrat Dr., Hirschberg/Schlesien, Warmbrunnerstr. 34
270Binkel, Gustav, Stadtschulinspektor, Wiesbaden (im Vorstand).
Bintelen, Dr. med., Oberstabsarzt, Mülhausen/Els.
von Bitgen, Hugo, Beg.- und Baurat, Wetzlar.
Bitschi, Dr. med.. Prof. der Chirurgie, Freiburg/Br.
Bitter, Karl, Buchdruckereibesitzer, Wiesbaden. •
Boeder, A., Chefredakteur des Bhein. Kurier, Wiesbaden.
Bomeifs, Dr., Justizrat, Wiesbaden.
Bömer, N., Institutsdirektor, München, Kaulbachstr. 31, Gartenhaus.
Boscher, Gamisonsprediger, Mülhausen/Els.
Bofs, Dr. phil., Geh. Beg.- und Schulrat, Wiesbaden.
280Bückert, Julius, Bauunternehmer, Mülhausen/Els., Illzacherstr. 122. Bei-
trag f. 1900 M. 10.
Bummel, Dr., Potsdam, Kgl. Gr. Militftr- Waisenhaus.
Buthe, W., Kurhausrestaurateur, Wiesbaden.
Sachs, A., Dr. med., prakt. Arzt u. Frauenarzt, Mülhausen/Els.
Sachs, Wilhelm, Prof. Dr. med., Breslau, Tauentzienstr. 3 a.
Sachs, Willy, Dr. med., prakt. Arzt u. Spezi alarzt für Chirurgie, Mül-
hausen/Els.
Schaper, Dr., Direktor des Herzogl. Bealgymn asiums, Meiningen.
Scheele, Dr., Geh. Sanitätsrat, Wiesbaden.
von Scheibner, Dr., Bad Lippspringe.
Schellenberg, Dr., Arzt, Wiesbaden.
290 Schellenberg, Alfred, Architekt, Wiesbaden.
Qesiinde Jugend. I. 1/2. 5
66 Mitglieder -Verzeichnis.
*
Schlesinger, Josef, Dr., prakt. Arzt, Spezialarzt für Augenkranke,
Breslau, Kupferschmiedestr. 48.
Schlumberger, Dr. med., Stadtrat, Oberarzt am städt. Erankenhause,
Mülhausen/Els.
Schlumberger, Fabrikbesitzerund Keichstagsabgeordneter,Mülhausen/El$,
Beitrag f. 1900 M. 20.
Schmid-Monnard, Dr. med., Kinderarzt, Halle a./S (im Vorstand).
Schmidt, Stadtbaurat, Weimar.
Schmidt, Dr., Stadtschul-Inspektor, Elberfeld, Strafsburgerstr. 25.
Schmidt, F., Dr., Direktor der Oberrealschule, Hanau.
Schmidt-Rimpler, H., Geh. Med.-Bat Dr., Univers.-Prof., Halle a. S.
Schmithuisen, Dr. med., Aachen, »Allexianergraben 18.
300 Schmölze, Kais. Landgerichts-Präsident, Geheimer Justizrat, Mülhausen/Els.
Schneider, Prof. Dr., Direktor des Herzogl. Realgymn., Altenburg, S.-A,
Schneider, Hand Werkskammerpräsident, Wiesbpiden.
Schneider, W:, Hauptlehrer, Wiesbaden-Sonnenberg.
Schnell, Marie, Lehrerin, Wiesbaden
Schoen, G. A., Mülhausen/Els.
Schönherr, Oswald, Lehrer, Wiesbaden.
Schotten, Dr., Oberrealschul-Direktor, Halle a./S. (im Vorstand)
Schrank, Dr., Arzt, Wiesbaden.
Schrey, Sanitätsrat Dr., München-Gladbach.
310 Schröder, Georg, Dr. med., dirig. Arzt der neuen Heilanstalt für
Lungenkranke, Schömberg, O.-A. Neuenburg, . Württemberg.
Schubert, Lehrer, Leipzig- Gohlis, Marienstr. 14 (im Vorstand).
Schulte vom Brühl, Chefredakteur des Wiesb. Tagebl., Wiesbaden.
Schüller, Prof. Dr., Aachen (im Vorstand).
Schürmeyer, Dr. med., Hannover.
Schütz, R., Dr. med., Spezialarzt, Wiesbaden.
Schwabe, Prof. Dr., Direktor des Realgymnasiums, Krefeld.
Schwarz, Amtsrichter, Langenschwalbach.
Schweitzer, Ludwig, Dr. med., Aachen.
Seit er, Dr., Solingen, Friedrichstr. 41.
320Serres, C. M., Dr. med., k. Gymnasial-Professor, Culm/Westpreufsen.
Sittard, Lehrer, Mitgl. d. Abg--H., Aachen, Waelserstr. 146 (im Vorstand).
Sonnenburg, Rudolf, Dr., Direktor des Grofsherz. Realgymn. Ludwigs-
lust i. M. (nebst Kollegium der Anstalt).
Solch, J., Dr. med., bezirksärztl. Stellvertreter, Bahnarzt, Lauingen, Bayern.
Spancken, Dr., Sanitätsrat, Meschede a./Ruhr.
Spiegelberg, Joh., Dr. med., Kinderarzt, München, Kobelstr. 1:5.
Spies, Apotheker, Mülhausen/Els., Zeughausstrafse.
Spieseke, Dr., Arzt, Oberstabsarzt a: D., Wiesbaden.
Stähle, Dr., Direktor d. Realgynm. in Schwerin i. M. und Kolleg, der Anstalt.
von Starck, Prof. Dr., Kiel, Hospitalstr. 4.
330Staadt, H., Buchhändler, Wiesbaden.
Stechele, Prof. Dr., Realgymnasium, Eisenach.
Steinheim, Dr., Sanitätsrat, Augenarzt, Wiesbaden.
Stempfer, Jacques, Kaufmann, Mülhausen/Els., Strafsburgerstr. 62. Bei-
trag f. 1900 M. 10.
Mitglieder -Verzeichnift. 67
Stettner, Kais. Baurat, Miühausen/Els.
Stricker, August, Dr., Arzt, Wiesbaden, Adelheidstr. 7.
Stumpff, Oberregierungsrat a. D., Wiesbaden.
Teubner, B. G., Verlagsbuchhandlung, Leipzig, Poststr. 3.
Thaer, A., Prof. Dr., Direkt, d. Oberrealsch. v. d. Holstenthor, Hamburg.
Thiele, Johannes, Dr., Arzt, Charlottenburg/Berlin, Pestalozzistr. 87a.
340Thilenius, Dr., Sanitätsrat, Bad Soden.
Thon, Chr., Stadtrat, Wiesbaden.
Touton, Carl, Dr. med., Arzt, Wiesbaden.
Tschop p, E., Mülhausen/Els., Ensisheimerstr. 24.
Ulrich, Gustav, Stuttgart, Reinsburgstr. 48.
Ungewitter, J., Kgl. Gymnasiallehrer, Dillingen.
Veesenmeyer, E., Pfarrer, Wiesbaden.
Victor, W., Prof. Dr., Universität, Marburg i. H.
Viereck, L., Prof. Dr., Braunschweig.
Vietor, Gustav, Mittelschullehrer, Wiesbaden.
SöoVofs, Leopold, Verlagsbuchhandlung, Hamburg.
Wagner, Ludwig, Dr. med., Arzt u. Gymnasiallehrer, Greiz i.V., Elsterstr. 56.
Wallach, H., Fabrikbes. u. Stadtrat. Mülhausen/Els. Beitrag f. 1900 M. 6.
Walter, Gymn.-Dir., Frankfurt a./M., Hermesweg 36 (Musterschule).
Wann er, Paul, Prokurist, Mülhausen/Els., Sennheimerstr. 1.
Weddigen, August, Rentner, Wiesbaden.
Weigert, Geh. Med.-Rat Prof. Dr., Frankfurt a./M.
Weintraud, W., Dr. med., Oberarzt, Wiesbaden.
Weismann, Dr. jur., Wiesbaden.
Wermbter, H., Dr., Oberlehrer am Kgl. Gymnasium, Rastenburg.
360Wetekamp, Oberlehrer, Landtagsabgeordneter, Breslau (im Vorstand).
Wewer, Johannes, Rektor, Wiesbaden.
Weygandt, Theod., Banquier, Wiesbaden.
Weyl, Dr., Privat-Dozent, Charlottenburg/Berlin, Carmerstr. 5.
Wick-Spoerlein, Bürgermeister, Mülhausen/Els., Zimmerleutstr. 19.
Beitrag für 1900 M. 6.
Wiesbaden, Stadtmagistrat.
Wild, Professor, Mülhausen/Els.
Wilhelm, Otto, Oberreallehrer, Feuerbach bei Stuttgart.
Wilhelmi, L., Oberstleutnant a. D., Wiesbaden.
Winckler, Dr., Arzt, Wiesbaden.
370 Witkowski, Dr., Arzt, Wiesbaden.
Witt gen, P., Lehrer, Wiesbaden.
Witt gen, Wilhelm, Lehrer, Wiesbaden.
Worms, Ortsverein akademisch gebildeter Lehrer, z. H. des Professors
Kleinen, Worms a./Rh.
Wrobel, E., Dr., Direktor des Gymnasiums und Realgymn., Rostock,
St. Georgstr. 75.
Würzburg, Bezirkslehrer- Verein, Stadt IT, gezeichnet Emil Fufs.
Wüst, Hauptlehrer, Naurod i. Taunus b. Wiesbaden.
von Ziegler, Karl, Hauptmann, Rummelsburg bei Berlin.
Zumkby, Gymnasial-Professor, Eupen.
Ans den Zweigvereinen.
Auf der letztjährigen Versammlung des Allgemeinen Deutschen
Vereines für Schulgesundheitspflege in Aachen wurde die Bildung
von Zweigverei^ien (Ortsgruppen) geplant. Mittlerweile ist ein
solcher Verein in Mülhausen i. E. unter dem Namen: „Verein für
Gesundheitspflege in Schule und Haus'^ auf Anregung von Professor
Griesbach ins Leben gerufen worden. Auch in Berlin und Leipzig
wird bereits an der Bildung von Ortsgruppen gearbeitet und wir
hofiFen, darüber im nächsten Hefte Näheres berichten zu können,
Der Vorstand des Mülhauser Vereines setzt sich wie folgt zusammen:
Vorsitzender: WiCK, Bürgermeister der Stadt Mülhausen, 1. Vor-
sitzender der Schulkommission für den höheren
Unterricht.
1. Stellvertreter: Wirth, Direktor der Oberrealschule, Regierungs-
kommissar bei der Schulkommission für den
höheren Unterricht.
2, Stellvertreter: Dr. med. Schlümberger, Oberarzt, Stadtrat, Mit-
glied der Schulkommission für den höheren
Unterricht, der städtischen Schulkommission und
des Kreis- Gesundheitsrats.
Schriftführer: Meininger, Stadtrat, Mitglied der städtischen Schul-
kommission.
1. Stellvertreter: Dr. med. Brazis, Arzt, Stadtrat, Mitglied der Schul-
kommission für den höheren Unterricht und der
städtischen Schulkommission.
2. Stellvertreter: Dr. jur. Helmer, Beigeordneter der Stadt Mül-
hausen.
Kassenwart: Dr. med. Ostermann, Augenarzt.
1. Stellvertreter: Dr. med. Bienstock, Ohrenarzt.
2. Stellvertreter: Limacher, Mittelschulrektor.
Beisitzer:
Feigel, Apotheker.
Fischer, Direktor der Höheren Mädchenschule.
Aus den Zweigvereinen. 69
Prof. Dr. med. und phil. Guiesbach, Vorsitzender des ^^Allgemeinen
Deutschen Vereines für Schulgesundheitspflege".
H.ENSLER, Bauunternehmer.
Dr. med. Hedrich, Arzt.
Prof. Helmbold, Direktor des Gymnasiums, Regiei-ungskommissar
bei der Schulkommission für den höheren Unterricht.
Dr. med. Jjeger, Oherarzt.
Klug, Rechtsanwalt, Stadtrat, Mitglied der städtischen Schulkom-
mission, des Orts-Schul Vorstandes und Landesausschufs- Abgeord-
neter.
Prof. Dr. phil. Ncelting, Direktor der städtischen Chemieschule,
Mitglied des Kreis-Gesundheitsrats.
QuADFLiEG, Kreis-Schulinspektor für Mülhausen-Land.
ScHWARTZ, Stadtrat, Mitglied des Orts-Schulvorstandes.
Wallach, Stadtrat, 2. Vorsitzender der Schulkommission für den
höheren Unterricht und Mitglied der städtischen Schulkommission.
Erwählt wurden zum Ehrenpräsidenten:
ScHLUMBERGER (Theodor), Reichstagsabgeordneter und Fabrikant,
zu Ehrenmitgliedern:
Dr. jur. DiECKHOFF, Kreisdirektor von Mülhausen, 1. Vorsitzender
des Kreis-Gesundheitsrats.
DoLLFUS (Aug.), Stadtrat, Präsident der Industriellen Gesellschaft
und Mitglied der städtischen Schulkommission.
Dr. med. K(ECHLIX, Oberarzt, Mitglied des Kreis-Gesundheitsrats.
ScHLUMBERGER (Albert), 2. Vorsitzender des Kreis-Gesundheitsrats.
Schmölze, Landgerichts-Präsident und Geheimer Ober-Justizrat, Mit-
glied der Schulkommission für den höheren Unterricht.
Die Satzungen des Vereins lauten wie folgt:
Unter dem Namen: „Verein für Gesundheitspflege in
Schule und Haus" hat sich für Mülhausen und Umgegend ein
Zweigverein des „Allgemeinen Deutschen Vereines für Schulgesund-
heitspflege" gebildet, welcher sich am 4. März 1901 folgende Satzungen
gegeben hat:
§1-
Der Verein hat seinen Sitz in Mülhausen.
§ 2.
Der Verein bezweckt die Verbesserung der gesundheitlichen
Verhältnisse und die Verbreitung der Lehren der Gesundheitspflege
insbesondere in den Schulen.
70 Aus den Zweigvereinen.
§3.
Der Verein wird von einem Vorstande geleitet. Die Amtsdauer
des Vorstandes beträgt zwei Jahre, Wiederwahl ist zulässig. Der
Vorstand setzt sich zusammen aus:
einem Vorsitzenden, einem Schriftführer, einem Kassenwart, je
zwei Stellvertretern derselben und zehn bis zwanzig Beisitzern.
§ 4.
Der Vorstand verteilt die Amter unter sich, hat das Recht
Ehrenmitglieder vorzuschlagen und aufserhalb des Vereines stehende
Sachverständige zu den Beratungen heranzuziehen. Der Vorstand
tritt mindestens viermal im Jahre zu einer Vorstandssitzung zu-
sammen.
§5.
Der Generalversammlung liegt es ob:
a) Die Neuwahl des Vorstandes vorzunehmen,
b) Aus ihrer Mitte zwei Rechnungsprüfer für die Prüfung der Jahres-
rechnung zu ernennen und dem Vorstande Entlastung zu erteilen,
c) Über sonstige Angelegenheiten zu entscheiden, deren Erledigung
ihr durch Vorstandsbeschlufs im Einzelfalle unterbreitet wird,
d) Anträge, insbesondere auch auf Satzungsänderungen, vorzubringen
imd darüber zu beschliefsen,
e) Über die Wahl der vorgeschlagenen Ehrenmitglieder zu ent-
scheiden.
§6-
Vorstand und Generalversammlung beschliefsen mit einfacher
Mehrheit der Abstimmenden. Bei Stimmengleichheit giebt der Vor-
sitzende den Ausschlag; handelt es sich jedoch um Wahlen, so ent-
scheidet bei Stimmengleichheit das Los.
§ 7.
Der Vorstand ist beschlufsfähig, wenn mindestens ein Drittel
seiner Mitglieder anwesend ist. Die Generalversammlung ist bei
jeder Anzahl der Anwesenden beschlufsfähig.
§8.
Der Schriftführer beurkundet die Beschlüsse der Versammlungen
und der Vorsitzende hat das von der Versammlung genehmigte Pro-
tokoll zu unterzeichnen.
Aus den Zweigvereinen. 71
§9. *
. „Mitglied des Vereines kann jede volljährige Person ohne An-
sehen des Geschlechts werden. Wer jährlich mindestens 2 M. an
die Vereinskasse entrichtet, ist Mitglied des Zweigvereines; wer
jährlich mindestens 5 M. - entrichtet, ist Mitglied sowohl des Zweig-
vereines als auch des „Allgemeinen Deutschen Vereines für Schul-
gesundheitspflege", dem von diesem Betrage 3 M. zufliefsen. Die
znletzt genaniitön Mitglieder erhalten, als Gegenleistung fiir den ge-
zahlten Beitrag, die vom Allgemeinen Vereine herausgegebene Zeit-
schrift für Schulgesundheitspflege franko zugesandt.
Gemeinden, Vereine etc. können die Mitgliedschaft erwerben
gegen einen vom Vorstand festzusetzenden Beitrag.
§ 10.
Mindestens zweimal im Jahre findet eine Generalversammlung
unter der Leitung des Vorstandes statt, in welcher Vereinsangelegen-
heiten erledigt werden.
§ 11.
Auf Veranlassung des Vorstandes werden jährlich mehrere, jeder-*
mann zugängliche Vorträge in deutscher oder französischer Sprache
aus dem Gebiete der Gesundheitspflege gehalten.
§ 12.
Das Geschäftsjahr des Vereines endet mit der ersten General-
versammlung eines jeden Kalenderjahres; dieselbe mufs im ersten
Vierteljahr stattfinden. Am Schlüsse dieser Versammlung wird die
Rechnungsprüfung vorgenommen und der neue Vorstand (alle zwei
Jahr) in geheimer Abstimmung gewählt.
§ 13.
Die Mitgliedschaft erlischt durch eine dem Vorsitzenden ein-
gereichte schriftliche Austrittserklärung, sowie durch Verweigerung
der Beitragszahlung,
§ 14.
Die Auflösung des Vereines kann nur in einer Generalversamm-
lung beschlossen werden, wenn mindestens drei Viertel der Mit-
glieder sich mündlich oder schriftlich dafür erklären; im Falle der
Auflösung wird das Vermögen des Vereines nach Ermessen der
letzten Generalversammlung einem wohlthätigen Zwecke in Mülhausen
überwiesen.
72 Aus den Zweigvereinen.
Die Mitgliedskarten haben nachstehende Form erhalten:
Verein für Gesundheitspflege in Schnle nnd Hans
Mülhausen (Elsass)
Mitgliedskarte auf das Jahr 1901
für
Jährlicher Beitrag:
für den Zweigverein. . . . M.
für den Central verein . . . „
M.
Der Kassenwart:
Diese Karte dient als Quittung für den gezahlten Jahresbeitrag.
Besprechungen.
Banr, IJ.^ Dr. med., Seminararzt in Gmünd: Die Hygiene der Leibes-
übungen. Anleitung zu gesundheitsmäfsigen körperlichen Übungen.
Für Turnlehrer, Lehrer und Arzte. Mit 43 Abbildungen im Text und
2 Tafeln. Stuttgart,Muth'sche Verlagsbuchhandlung, 1901. (200Seiten.)
Bereits in der Einleitung wird das Interesse des Leders in Anspruch
genommen und mit einer gewissen Spannung tritt man in die Lektüre
der einzelnen Abschnitte ein. Der 1. Abschnitt beschäftigt sich mit der
Anatomie und Physiologie des Körpersystems in populärer Darstellung.
Die meisten Abbildungen für diesen Abschnitt sind dem bekannten ana-
tomischen Atlas von C. Heitzmann entnommen. Einiges ist zu berich-
tigen: S. 9 Zeile 21 — 24 enthält Unverständliches; gemeint ist die
Pulpahöhle des Zahnes mit ihrer bindegewebigen, Gefäfse und Nerven
führenden Pulpa. — Mit der auf S. 20 in der Fufsnote gegebenen Er-
klärung des Wortes Muskel können wir uns nicht einverstanden erklären. —
Wenn man anatomisch einmal daran festhält, den minderbeweglichen
Skeletteil, zu welchem ein Muskel in Beziehung steht, als den Ursprung
des Muskels zu bezeichnen, so dürfte die Angabe über Ursprung und
Ansatz des „Kopfnickers" — S. 27 — besser umgekehrt lauten. Statt
des Wortes „allein" in Zeile 11 von unten sollte es deutlicher
heifsen „einseitig" (unilateral); hinsichtlich der Wirkung des Muskels
wäre noch ein Zusatz am Platze gewesen. S. 45 ist der Vergleich der
Aorta mit einem Gigerlstock wohl wenig zutreffend Gigerlstöcke sind
doch entweder besonders dünn oder übertrieben dick. Seite 47 Z. 3
von unten ist der Druckfehler qmm zu beseitigen. Statt Hämaglobin
S. 48 sagt man gewöhnlich Hämoglobin. Die auf S. 49 in Klammem
gesetzte Angabe muTs auf den Laien den Eindruck machen, als ob
Nasenmuscheln und Ohoanen dassiBlbe wären. Die Abbildung auf S. 49
und die zugehörige Darstellung auf S. 50 könnten unseres Erachtens zu
irrtümlicher Vorstellung Veranlassung geben. — Den Unterschied im
männlichen und weiblichen Eespirationstypus — - S. 51 — lediglich
durch Anpassung zu erklären, halten wir doch nicht für statthaft. —
Zeile 17 auf S. 57 bitten wir den Autor nochmals zu lesen und gestatten
uns, für den Schlufs der Seite auf die drahtlose Telegraphie hinzuweisen.
Der zweite und dritte Abschnitt des Buches beschäftigt sich^mit
dem Einflufs der Leibesübungen auf die Thätigkeit der Organe im all-
gemeinen imd auf die einzelnen Organsysteme. Bei der Besprechung des
Nervensystems entwickelt der Verf. ein klares Bild der En&üdungd-
zustände, betont, dafs das Arbeiten in der Ermüdimg besonders angrei-
fend wirkt, und weist auf das Unhygienische der Lage von Turnstunden
74 Besprechnngen.
zwischen wisseiischaitlichen Unterrichtsstunden hin. Becht belehrend für
den Laien sind die Mitteilungen über den EinfluTs der Gymnastik auf
Gefäfssystem und Atmung — S. 80 Zeile 32 ist Alveolen zu lesen —
sowie insbesondere die Leitsätze auf S. 81. Der vierte Abschnitt ist
betitelt: Wesen und Schaden der Körperübungen im allgemeinen. Ähn-
lich wie man bei der Ausbildung der Bekruten — durch Fortschreiten
vom Einfachen zum Komplizierteren — verfährt, mufs auch der Turn-
unterricht in der Schule geregelt werden, doch ist dabei auf Lidividuali-
tät der Schüler streng Bücksicht zu nehmen, wenn man nicht schaden
will. Ln 5. Abschnitt widmet der Verfasser den verschiedenen Arten
der Körperübungen eingehende Betrachtungen. Freiübungen verdienen
vom hygienischen und pädagogischen Standpunkte aus die wärmste Em-
pfehlung. Bei der Beschreibung der einzelnen Freiübungen und der
später folgenden Übungen an und mit Geräten erhält man zugleich eine
Anleitung zur Ausführung der Übungen, sowie eine Übersicht über die
dabei in Betracht kommenden Muskeln. Ein kaltes Bad (S. 106) wäh-
rend des Marsches oder kurz nach demselben halten wir bei den nißht
unbedeutenden Erregungszuständen der verschiedensten Gewebe und
Organe für ungeeignet. Wir können uns auch nicht der Ansicht —
S. 109 — anschliefsen, dafs nur derjenige Tourist, welcher der Er-
schöpfung nahe ist, von der sogenannten Bergkrankheit befallen
wird. TreflFlich ist der Abschnitt über Jugendspiele geschrieben, imd
sehr zu beherzigen ist der Hinweis auf das Gute des englischen Ver-
fahrens. Wenn aber der Verf. S. 120 meint, das gestörte Gleichgewicht
zwischen Arbeit und Erholung liefse sich ohne „Herabsetzung der Unter-
richtsziele und Verringerung des Unterrichtsstoffes" erreichen, so ist dies
unseres Erachtens nicht möglich. In den höheren Schulen liegen die
Verhältnisse derartig, dafs für Jugendspiele keine oder doch nicht ge-
nügend Zeit bleibt. Der Verf. sagt ja selbst auf S. 196 „der Morgen
dem Geist, der Nachmittag dem Körper^'. Wo soll denn der arbeitsfreie
Nachmittag zur Ausübung von Tum- und Jugendspielen aller Art her-
kommen, wenn Stundenzahl, Stoff und Ziele statt vermindert immer
noch vermehrt werden? Im 6. Abschnitt werden wichtige Dinge über
Beziehungen zwischen Alter und Leibesübungen, über das Turnen des
weiblichen Geschlechtes, sowie über VorsichtsmaTsregeln und Unglücks-
fälle lehrreich erörtert. Der 7. Abschnitt beschäftigt sich mit den
Körperübungen bei Krankheiten verschiedener Organe. Der 8. Abschnitt
bespricht die Hygiene der Tumobjekte, der 9. Abschnitt die ärztliche
Tumauf sieht. Dafs die Turnhallen allen Anfordenmgen der Hygiene
entsprechen müssen, kann nicht genug betont werden. Hierin wird
leider noch häufig gesündigt. Referent hat viele Turnhallen auf ihre
hygienische Brauchbarkeit revidiert und verhältnismäfsig wenige gefunden,
die in gutem Zustande gehalten wurden. Der 10. Abschnitt endlich
bringt recht zu beherzigende Schlufssätze. Eine Tabelle nach Art der
des Verf. über den Nutzeffekt der einzelnen Leibesübungen in den ver-
schiedenen Altersstufen sollte in jedem Tumsaale angebracht werden.
Allgemein gesprochen ist das Buch ein durchaus brauchbares zu nennen
und man kann es den Schulbehörden empfehlen. Griesbach.
Besprechungen. 75
Baur^ U.^ Dr. med., Seminararzt in Gmünd: Die Gesundheit in der
Schule. Ban und- Thätigkeit des menschlichen Körpers.
Allgemeine Gesundheitslehre. Schulgesundheitspflege im be-
sonderen. Für Schulvorstände, Lehrer und Schulamtskandidaten.
Mit 37 Ahbildungen im Text und 7 farbigen Tafeln. Stuttgart,
Muth'sche Verlagsbuchhandlung, 1901. (380 Seiten.)
Der* erste Teil beschäftigt sich mit der Gesundheitspflege im all-
gemeinen. Die Einleitung ergeht sich über statistische Beobachtungen,
um die Wichtigkeit und Notwendigkeit des tieferen Eindringens der
Hygiene in das Volk hervorzuheben. Der erste Abschnitt behandelt den
Bau und die Thätigkeit des menschlichen Körpers. Die Angabe, dafs
das Nagelbest keine Papillen besitze (S. 19), ist unrichtig. Die Be-
zeichnimg „acinöse" Drüsen (S. 20) sollte durch „alveoläre" Drüsen er-
setzt werden. Die Beschreibung des Bückenmarkbaues bleibt für den
Laien unverständlich. Was soll sich dieser dabei denken, wenn es S. 21
heifst: „die graue Substanz ist doppelhomartig angelegt"? Dafs die
Arachnoidea am Bückenmarke fehle, beruht auf Irrtum. Die Genese der
Cerebrospinalflüssigkeit, insbesondere beim Wasserkopf, einfach auf eine
Abisonderung der Hüllen zurückzufahren (S. 24), halten wir für gewagt.
S. 36 Z. 12 von oben soll es statt Centimeter Millimeter heilsen. — Die
auf S. 37 gemachte Angabe über die Pflanzen führt notwendig zu einer
irrtümlichen Auffassung — auch ohne wissenschaftliches Beiwerk hätte
recht gut von Bespiration und Assimilation gesprochen werden können.
— Bei der Mitteilung (S. 41) „die Ausscheidung der Kohlensäure in
24 Stunden beträgt ca. 1000 Gramm" hätte wohl hinzugefügt werden
müssen: zwischen dem 18. und 24. Lebensjahre, denn die Menge steht
in Beziehung zum Alter. — Die Angabe (S. 42) über die Zahl der Atem-
züge ist zu korrigieren; selbst wenn wir das Wort „täglich" als Druck-
fehler betrachten und „stündlich" dafür setzen, stimmen die Zahlen nicht.
— Die Zahl 450 qcm S. 42 Z. 14 ist im Druckfehlerverzeichnis durch .
150 ersetzt, darunter wäre dann das Areal der Alveolenkapillaren zu
verstehen. S. 49 Z. 7 ist unklar. — Der 2. Abschnitt behandelt die
Körperpflege im allgemeinen. Ernährung, Kleidung und Wohnung, Buhe
und Arbeit, ansteckende Krankheiten und deren Verhütung, Erkältung
und Abhärtimg werden lehrreich besprochen. — Der 3. Abschnitt be-
schäftigt sich mit den speziellen Begeln der Gesundheitspflege: Pflege der
einzelnen Organe. Daran schliefst sich das Verhalten bei Krankheiten
mit einer Aufzählung von allerhand Hausmitteln, wobei leider einige
Fehler in der lateinischen Nomenklatur auftreten. Unseres Erachtens
hätten die zum Teil obsoleten Droguen, über deren Zubereitung dem
Laien nichts gesagt wird, wegbleiben können. Es folgt eine Besprechung
über Hilfeleistungen bei Unglücksfällen und über Krankenpflege. Auf
S. 148 sollte ein Minutenthermometer, namentlich bei der Messung an
Kindern, dringend empfohlen werden. — Der 2. Teil ist der „Schul-
gesundheitspflege im besonderen" gewidmet und zerfällt in einen Ab-
schnitt über subjektive Schulhygiene, die sich mit den Schulkindern und
Lehrern in gesunden und kranken Tagen beschäftigt, in einen Abschnitt
über objektive Hygiene, die sich auf die Einrichtungen der Schule be-
zieht, und in einen Abschnitt über die ärztliche Aufsicht in den Schulen. —
76 Beflprechungen.
Was der Verf. S. 165 ff. von der Kinderarbeit sagt, betrifft in erster
Linie natürlich die Zöglinge der Volksschulen, unter den Schulkrank-
heiten werden die Veränderungen am Skelet in Zusammenhang mit der
Subsellieneinrichtung und den Schriftarten eingehend besprochen. In
dem Kapitel: Beschädigungen des Nervensystems imd Überbürdimg hätten
sich ganz passend die Wirkungen der verschiedenen Unterrichtssysteme
und die Frage, ob der Unterricht auf konkreter oder abstrakter Basis
aufzubauen ist, einreihen lassen, denn diese Dinge stehen mit der Schul-
hygiene im innigsten Zusammenhange. Auch das Eingehen auf die Be-
ziehungen des Vor- und Nachmittagsunterrichtes zur Hygiene hätte man
wohl erwarten dürfen. — Was die Methoden zur Messung der Ermüdung
anbetrifft, so glaube ich doch darauf hinweisen zu müssen, dafs die von
mir und später von Vannod und Wagner angestellten ästhesiometrischen
Untersuchungen im wesentlichen übereinstimmende und auch konstante
Ergebnisse lieferten. Auch bin ich noch heute der Ansicht, dafs dieses
Verfahren, wie ich schon in der Zeitschrift für Schulgesundheitspflege,
Jahrg. 10, S. 659, betonte, den Ebbinghaus' sehen Methoden vorzuziehen
ist. — Was der Verf. über Pausen und Hausarbeiten sagt, ist sehr zu
beherzigen. — Auf S. 266 hätten wohl die Niederdruckdampfluftheizung
imd die Gasheizung in erster Linie erwähnt werden dürfen. — Den auf
S. 273 geäufserten Ansichten des Verf., dafs Blutstauungen der Schüler
mit Unrecht der Schule in die Schuhe geschoben würden, können wir
uns nach eingehenden Untiersuchungen an Schülern höherer Lehranstalten,
die durch Hausindustrie überhaupt nicht belastet waren, nicht anschliefsen.
Bei sechs- bis achtstündigem Sitzen in der Schule und drei- und mehr-
stündigem Sitzen behufs Anfertigung der häuslichen Schulaufgaben darf
man sich nicht wundem, wenn Blutstauungen und die damit verbundenen
Folgezustände eintreten. Mit dem Kapitel über Schulstrafen S. 276 f.
können wir ams nicht einverstanden erklären. Schulstrafen, die auf
Strafarbeiten und körperliche Züchtigung hinauslaufen, sind Aus-
flüsse tyrannischer Willkür oder traurigen Unvermögens der Lehrer. —
Die Art der Behandlung und Darstellung der psychopathischen Minder-
wertigkeiten für den in Betracht kommenden Leserkreis verdient alle
Anerkennung. — Fassen wir unser Gesamturteil über das Buch kurz, so
lautet es: Das Buch füllt insofern eine Lücke in der Litteratur aus, als
es den behandelten Stoff in durchaus populärwissenschaftlicher Form
giebt. Für Hygieniker und Arzte ist es nicht geschrieben, wohl aber
pafst es für Schulvorstände, Lehrer und Schulamtskandidaten. Diesem
Leserkreise bjetet es in übersichtlicher Weise an der Hand eines reichen,
mit Fleifs und Geschick zusammengetragenen Materials eine Fülle des
Wissenswerten, es regt zur selbständigen Beobachtung an und wird ge-
wifs dazu beitragen können, dafs die Lehren der Hygiene mehr Berück-
sichtigung in den Schulen finden und aus dem Munde der Lehrer in das
Volk dringen. s . Griesbach.
Besprechungen. 7 7
Wermbter, H., Dr., Oberlehrer am Königl. Herzog -Albrecht- Gym-
nasium zu Bastenburg (Ostpr.)^ Die höhere Sohiillaufbahn in
PreiifBen, statistisch beleuchtet. Schalke, Verlag von E. Kannen-
giefser, 1901. (66 Seiten.)
Der Verfasser hat in dieser kleinen Schrift den Versuch unter-
nommen, „in möglichster Knappheit und unter Vermeidung polemischen
Beiwerkes die statistischen Thatsachen darzulegen, die bisher über die
höhere Schullaufbahn verbreitet sind". Er geht dabei von der Vor-
bereitung auf die höhere Schullaufbahn aus; diese beginnt mit Ablegung
der Reifeprüfung im Durchschnitt in der zweiten Hälfte des 20. Lebens-
jahres; das durchschnittliche Mindestmafs des Studiendauer für
den Philologie- Studierenden beträgt mit Einschlufs der für die Lehramts-
prüfung erforderlichen Vorbereitungszeit 11 Semester, bei 60 — 70 Proz.
aber 14 — 15 Semester -^ an welchen Verhältnissen nach der Meinung
des Verfassers auch durch die neue Prüfungsordnung von 1898 nichts
Wesentliches geändert werden wird. Mit Einbeziehimg der praktischen
Vorbereitungszeit für die Kandidaten des höheren Schulamts erhöht
sich das Mindestmafs auf 1^^ bis 8 Jahre, resp. auf 9% bis 10 Jahre,
d. h. die „Begünstigten" erreichen die Anstellungsfähigkeit im Laufe
des 28., die „Verspäteten" erst gegen Ende des 29. oder im Laufe des
30. Lebensjahres. Die durchschnittliche Wartezeit beträgt 4 Jahre, so
dafs eine endgiltige Anstellung für den Philologen (wie für den Richter)
erst gegen Ende des 33. Lebensjahres zu erwarten ist. — Ln zweiten
Hauptschnitt zieht Verf. die Lage der höheren Lehrer im Amte in
nähere Betrachtung, während zunächst die Validitätsverhältnisse auf
Grund statistischer Ermittelungen (nach Knöpfel) im Vergleich zu anderen
akademisch gebildeten Beamtenklassen übersichtlich zusammengestellt
und als für den Lehrer besonders ungünstig dargethan werden (sie haben
das niedrigste Ausscheidealter und daher auch die kürzeste
definitive Dienstzeit). Der Lehrerberuf ist, wie W. in überzeugender
Weise entwickelt, eben keineswegs* ein ruhiger, die Kräfte schonender,
„vielmehr der anstrengendste, die Kräfte weitaus am frühesten aufreibende
Beruf unter allen höheren amtlichen Laufbahnen". Die Beförderungs-
aussichten für die höhere Schullaufbahn — Direktoren, Provinzial-
schukäte u. s. w. — sind sehr gering (noch nicht jeder Fünfzehnte kann
in eine höhere Stellung gelangen, während bei den Juristen jeder Sechste
bereits avanciert). Hinsichtlich der „ideellen Bewertung der höheren
Schullaufbahn" ergiebt sich, dafs das dem höheren Lehrerstande zu-
gemessene Mafs von Titeln und Würden „äuTserst dürftig" ist. Der Verf,
vermifst hierbei ansprechende, den modernen Verhältnissen Rechnung
tragende Titulaturen und solche, die dem Stande wirklich ganz allein
zugehören und diese Zugehörigkeit zum Stande bis in die höchsten Stel-
lungen hinein zum Ausdruck bringen (nicht aber, wie z. B. durch den
„Regierungsrat" geschieht, verwischen). Endlich hinsichtlich der mate-
riellen Bewertung der höheren Schullaufbahn sind die Resultate (wie
Verf. zum Teil im Widerspruch mit den Angaben von Lexis festzustellen
sucht) noch ungünstiger. Verf. schliefst sich hier ganz und gar den von
Hoofe formulierten Sätzen an, wonach die Oberlehrer von allen höheren
Beamten das niedrigste Anfangsgehalt, die ungünstigsten Aufrückungs-
78 Besprechungen.
Verhältnisse hahen, das Höchstgehalt am spätesten erreichen und dem-
zufolge auch unter den ungünstigsten Pensionsverhältnissen laborieren. —
Zum Schlufs wiederholt und begründet der Verf. die schon oft erhobene
und bisher seitens der ünterrichtsverwaltung stets zurückgewiesene For-
derung, die höheren Lehrer den Bichtern unterster Instanz
gleichzustellen — ; als eine Maisregel, die nicht länger hinausgeschoben
werden darf, soll nicht der jetzt schon fühlbar hervortretende Mangel an
jüngeren Lehrkräften in der höheren Schullaufbahn zur Kegel werden
und somit unserem höheren Schulwesen überhaupt eine schwere Gefahr
drohen. A. Eulenburg (Berlin).
Schröder, Heinrich, Dr., Ferioulnm in mora. Weiteres zur Ober-
lehrerfrage Schalke i. Westf., Verlag von E. Kannengiefser, 1901.
(51 Seiten.)
Der durch seine früheren Schriften und sein (vom Regierungstische
als „agitatorisch" bezeichnetes) Wirken in der Oberlehrerfrage seit Jahre be-
kannte Verfasser weist hier den im Abgeordnetenhause gegen seine Dar-
stellung gerichteten Vorwurf der Übertreibung zurück. Er weist die
Ursache der schon seit längerer Zeit bestehenden, nicht erst durch seine
Schriften hervorgerufenen und stetig anwachsenden Unzufriedenheit der
Oberlehrer in einer Beihe von Thatsachen nach, die sich mit den in der
Wermbter'schen Brochüre hervorgehobenen vollständig decken, und ge-
langt auch bei dem Vergleiche der Gehalts- und Beförderungsverhältnisse
der Oberlehrer mit Oberförstern, höheren Technikern, Archivaren, Biblio-
thekaren u. s. w. zu einem für den Oberlehrerstand durchaus ungünstigen
Ergebnis. Die Forderung der Oberlehrer, den Richtern im Gehalt und
Rang gleichgestellt zu werden, ist auch von richterlicher Seite (Amts-
gerichtsrat Dr. Weihe im Abgeordnetenhause) neuerdings als „durchaus
berechtigt" anerkannt worden. A. Eulenburg (Berlin).
«.
Starck, Panl^ approb. Arzt aus Stralsburg i. E., Selbstmord' in der
Sohiile. Inaugural-Dissertation. Strafsburg 1900.
In dieser auf Anregung und unter Leitung von Prof. Levy in Strafs-
burg gearbeiteten Dissertation hat der Verf. ein ziemlich reichhaltiges
Material über Schülerselbstmord zusammengestellt, und aus der von ihm
beigebrachten Statistik eine Reihe beachtenswerter Folgerungen abgeleitet.
Um die zum Selbstmord führenden Schädlichkeiten nach Möglichkeit zu
beseitigen, empfiehlt er ein „Zusammenarbeiten von Lehrer und Arzt",
d. h. mit anderen Worten die Einführung von Schulärzten auch an den
höheren Schulen. Auf die Erziehung im Eltemhause läfst sich leider
nicht viel einwirken; doch sollten auch hier alle Hebel in Bewegung
gesetzt werden, um auf eine einfache und nicht modern überreizte Er-
ziehung hinzuwirken. Die Überbürdung, die zwar kein direktes, aber
doch ein „letztes, gewissermafsen auslösendes" Moment mancher Selbst-
raordfälle bildet, zu beseitigen, ist „Sache unserer leitenden Schulmänner'^.
A. Eulen bürg (Berlin).
Besprechungen. 79
Laquer^ Leopold^ Sr.^ Die Hilfasohulen für sohwachbefähigte
Kinder, ihre örtliche und sosiale Bedeutung. Wiesbaden, J. F. Berg^
mann, 1901. (64 Seiten.)
Unter vorstehendem Titel veröffentHoht Laquer die weitere Aus-
führung eines auf der 25. Wanderversanmilung süd westdeutscher Neuro-
logen und Irrenärzte zu Baden-Baden gehaltenen Vortrags. Dem gehalt-
vollen Schriftchen geht ein Vorwort von Kraepelin als verdiente und in
diesem Falle besonders berechtigte Empfehlimg vorauf. Der von Laquer
näher durchgeführte Plan der Einrichtung ärztlich überwachter
Hilfsschulen knüpft ja in der That an üühere von Kraepelin selbst
ausgehende Anregungen an, die Schüler nach ihrer Begabung mög-
lichst zu trennen und so einerseits auch die schwächeren Kräffce zur
Entfaltung zu bringen, andererseits die Klassen von dem Bleigewicht der
Unbegabten und Zurückbleibenden zu entlasten. Die von Laquer für
diesen Zweck anempfohlenen, in einer Beihe von Schlufsergebnissen zu-
sammengefafsten Gesichtspunkte verdienen unzweifelhaft die ernsteste Be-
achtung aller, die ' sich f&r diesen bedeutsamen Zweig der Unterrichts-
hygiene vom pädagogischen und ärztlichen Standpunkte aus interessieren.
Möchte ihm diese Beachtung auch seitens der mai'sgebenden und leitenden
Kreise imserer Unterrichtsverwaltung in gebührendem Mafse zu Teil
werden! A. Eulenburg (Berlin).
Lobedank^ E., Dr., Oberarzt in Strafsburg i. E., Die Gesundheits-
pflege der Jugend im sohulpflichtigen Alter. 1900. Strafsburgi.E.,
Bull. (195 Seiten.)
Das Buch ist, wie sich aus dem Vorworte ergiebt, für Lehrer und
Eltern geschrieben. Es beginnt mit der Besprechung der Krankheiten
in ihren Beziehungen zur Schuljugend und erörtert im 1. Kap.
zunächst die Infektionskrankheiten. Zu S. 4 ist zu bemerken, dafs
die Malariaparasiten keinen FaUs auf totem Material in unserer Um-
gebung leben, sondern lediglich in verschiedenen Organen gewisser
Mückenarten und im Blute des Menschen. — Gegen den Ölfarbenanstrich
der Schulzinmierwände (S. 11) sind deswegen Bedenken zu erheben, weil
darunter die natürliche Ventilation Einbufse erleidet: Täfelung (Paneel)
und Leimfarbenan strich sind vorteilhafter. — Man kann die Vorsicht
auch übertreiben: Was hat es denn für einen Zweck, wenn jedes Kind
(S. 21) mit einem Löffel antritt, um sich von dem Lehrer in den Eachen
schauen zu lassen? Der Lehrer möge getrost einen und denselben für
diesen Zweck bestimmten Löffel verwenden und ihn nach jeder Benutzung
in der Spiritus- oder Gasflamme erhitzen. — „Sie küfsten sich auf eines
Kindes Mund^\ sagt der Dichter. Derartige Liebesbezeugungen sind zwar
sehr poetisch aber — darin hat der Verf. auf S. 22 durchaus recht —
ganz unhygienisch. Nur hätte der Verf. seine Bedenken den zärtlichen
Verwandten in etwas milderer Form ausdrücken können. — Der Kriegs-
zug gegen die Impfgegner (S. 24) ist in einem für das Publikum ge-
schriebenen Buche freudig zu begrüTsen.
Das 2. Kapitel beschäftigt sich mit der Skoliosegefahr und nimmt
in dankenswerter Weise auf die obligatorische Einführung der Steilschrift
80 Besprechuiigeii.
sowie auf erhöhte Vorsichtsmafsregehi im Elternhause als wichtige Ver-
hütungsmittel Bedacht.
Im 3. Kapitel werden Accommodations- und Befractionsano-
malien in einer f&r den Laien interessanten und verständlichen Weise
abgehandelt.
Im 4. Kapitel werden Nervenkrankheiten besprochen. Sehr lesens-
wert für den Laien ist das 5. Kapitel, welches sich mit Ohren-, Nasen-
und Mundkrankheiten befaXst. Bei gewissenhaftem Bürsten der Zähne
nach der Mittagsmahlzeit und vor der Nachtruhe genügt es, die Mund-
höhle Morgens mit £rischem Wasser auszuspülen, dem eine kleine Menge
eines geeigneten Besinficiens zugesetzt wird. Das Beinigen der Zähne
mit Seife (S. 84) ist unappetitlich. Der stete Gebrauch eines 2iahn-
stochers ist ebenso unappetitlich und kann auch das Zahnfleisch beschä-
digen.
Der II. Abschnitt des Buches ist der Hygiene der Arbeit gewidmet.
Scheint es nur so, dafs die geistige Ausbildung vor der körperlichen in
den Schulen den Vorzug hat? (S. 86.) Unseres Erabhtens ist es wirk-
lich so. Dadurch, dafs man, wie auf S. 87 angeraten wird, bei den
Klagen über Überbürdung, wo solche besteht, eine gewisse Enthaltsamkeit
bewahrt, wird die Sache nicht besser. Auf S. 94 meint der Verfasser,
wir könnten mit Becht zu den Schulmännern das Vertrauen haben, dafs
sie überflüssigen Ballast aus den Lehrplänen entfernen. Man sehe sich
einmal die neuen Lehrpläne an oder nehme an einem Abiturientenexamen
teil, da wird man bald gewahr, dafs man nicht allzu vertrauensselig sein
darf. Die Zugeständnisse, welche der Verf. auf S. 94 dem Auswendig-
lernen als Strafmittel macht, können wir nicht billigen. Ein derartiges
Strafmittel sollte überhaupt nicht angewandt werden, jedenfalls ist es
entbehrlich, gehört also nicht zu dem unentbehrlichsten Mafs, auf welches
aller Memorierstoff nach des Verf. Forderung auf S. 97 einzuschränken ist.
Betreffs der Mitteilungen auf S. 97 und 98 halten wir es für irrtümlich, j
wenn der Verf. glaubt, dafs zum Besuch des Gymnasiums ein intelligenterer, [
besser begabter Schüler gehört, als zum Besuch einer Bealanstalt. Daraus, I
dafs ein Schüler für die Antike kein Interesse, bezw. kein Verständnis
zeigt, vielleicht aber für exakte und moderne Wissensgebiete, die in den
Bealanstalten im Vordergrunde stehen, darf man gewifs nicht auf eine
minderwertige Begabung schliefsen. Was der Verf. auf S. 99, 100, 103,
104, 106, 108 über die Nörmietnng der Arbeit, insbesondere über das
Memorieren, femer über die Verkürzung der Unterrichtszeit im Sinne von
Zimmermann und Falk, sowie über die Zusammenziehung des ganzen
Unterrichtes auf den Vormittag sagt, ist unseres Erachtens sehr richtig
und den Schulbehörden dringend ans Herz zu legen. Auf S. 103 spricht
der Verf. über Experimentaluntersuchungen, welche die Ermüdung be-
treffen. Nach dem Satze: „Weitere Untersuchungen auf diesem Gebiete
sind wünschenswert'^ könnte man auf den Gedanken kommen, dafs dem
Verf. die zahlreichen Untersuchungen, die nach 1891 angestellt wurden,
unbekannt geblieben sind.
Der m. Abschnitt handelt von der körperlichen Hygiene der Schul-
jugend. Im 1. Kapitel wird die Ernährung besprochen. Die einzelnen
Nährstoffe, die Bedeutung derselben füi* den Körper und ihr Verhalten
Besprechnngen. 81
unter einander, sowie die chemische Zusammensetzung der Nahrungsmittel
werden erläutert. Es folgt dann die Besprechung der einzelnen Nahrungs-
und Genufsmittel. Dafs das Räuchern des Fleisches eine fast voll-
kommene Sicherheit gegen etwaige mit dem Fleischgenufs verbundene
Gefahren gewährt — wie auf S. 129 behauptet wird — , müssen wir
nach eigenen Untersuchungen bezweifeln. Finnen und Trichinen werden
durch diesen Vorgang in vielen Fällen nicht abgetötet. Was der Ver-
fasser auf S. 125 f. über den OenuTs des rohen und halbgaren Fleisches
sagt, wird leider, selbst in besseren Gesellschafkskreisen, viel zu
wenig berücksichtigt. Die Beefsteaks a Tanglaise und das Filet seignant
spielen an der sogenannten feinen Tafel immer noch eine grofse Eolle.
Die Gefahren, welche der Genufs roher odel: mangelhaft gekochter Milch,
sowie alkoholischer Getränke und verunreinigten Wassers mit sich bringt,
hat der Verf. eindringlich geschildert. Die Darstellung der Ursache von
der schweren Verdaulichkeit zu fiischen Brodes (S. 133) könnte zu Irr-
tümern Veranlassung geben. — Das 2. Kapitel des ILI. Abschnittes
beschäftigt sich mit der Bekleidung, das 3. mit den Leibesübungen.
Den Mitteilungen über Bekleidung pflichten wir im allgemeinen bei,
können, aber der unbedingten Bevorzugung der Wollbekleidung nicht zu-
stimmen. Den wollenen Unterkleidern haften mancherlei Mängel an, die
vom Verf. nicht erwähnt werden. Warum unter den Baumwollstoffen
die von Lahm an n besondere Vorzüge verdienen, vermögen wir nicht
einzusehen. Wir kennen baumwollene Stoffe, die den Lahmann'schen
sogenannten Eeformstoffen an Güte nicht nachstehen und dabei noch
etwas wohlfeiler sind. — Bei der recht übersichtlichen Besprechimg der
Leibesübungen weist der Verf. S. 168 nochmals darauf hin, wie vorteil-
haft es wäre, den gesamten wissenschaftlichen Unterricht auf den Vor-
mittag zu legen. — Der letzte Abschnitt des Buches ist betitelt: Ein
Kapitel aus der Wohnungshygiene, und es werden darin die Luft und
ihre Veränderungen im Schulzimmer, sowie die Beschaffenheit der Sub-
sellien besprochen. Den SchluTs des Buches bildet eine Tabelle nach
schulärztlicher Vorschrift zur Eintragung des Gesundheitszustandes der
Schulkinder. L.'s Buch ist klar und für den in Aussicht genommenen
Leserkreis durchaus zutreffend geschrieben und kann demselben daher auf
das Wärmste empfohlen werden. Griesbach.
Gesunde Jugend. X. 1/2. 6
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Oldenburg betreffen. 5. Aufl. gr; 8«. (IV, 430 S.) 1901. Oldenburg,
G. Stalling. " M.. 8,50.
Lentz, Sem.-Dir. Hofr. Ferd. : Lehrbuch der Erziehung und des Unterricht«.
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Lipps, Thdr.: Das Selbstbewufstsein ; Empfindung und Gefühl. (V, 42 S.)
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(Aus: Grenzfragen des Nerven- und Seelenlebens.)
Lüdemann, Prof. Dr. Herm.: Individualität und Persönlichkeit. Rektorats-
rede. gr. Ö<». (24 S.) Bern, A. Benteli & Co. M.~0,90.
Mauthner, Fritz: Beiträge zu einer Kritik der Sprache. 1. Bd. Sprache u.
Psychologie. (XE, 657 S.) Stuttgart, Cotta Nachf. geb. M. 14.
Mertz, Georg: Das Schulwesen der deutschen Beformation im 18. Jahrh.
(In 10 Lfg.). 1. Lfg. gr. 8^ (S. 1—64.) 1901. Heidelberg, C. Winter.
M. 1,20.
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Dresden, C. Beifsner. M. 3, gelr. M. 4.
Mey, Oberlehrer Dr. Oscar: Frankreichs Schulen in ihrem organischen Bau
und ihrer historischen Entwickelung, mit Berücksichtigung der neuesten
Reformen. 2. Aufl. gr. 8^ (XH, 222 S.) 1901. Leipzig, B. G. Teubner.
Möbius, P. J. : Stachyologie. Weitere vermischte Aufsätze, gr. 8^ (VH,
219 S.) ' 1901. Leipzig, J. A. Barth. M. 4,80, geb. in Leinw.' M. 6.
Mbnti, Dir. Prof. Dr. Alois: Kinderheilkunde in Einzeldarstellungen 2. Bd.
(Vn u. S. 633—742.) 1901. Wien, Urban & Schwarzenberg: M. 3.
Nöhl, Ol ein.: Lehrbuch der Reform-Pädagogik f. höhere Lehranstalten. 2. Bd.
Die Methodik der einzelnen Lehrgegenstände. 2. Aufl. gr. 8®. (V, 607 S.)
1901. Essen, G. D. Baedeker. M. 7. 3. Bd., 1. Teil: Die Vorbildung
wissenschaftl. Lehrer auf ihren Beruf. 2. Teil: Schulaufsicht, Prüfungen,
Zeugnisse, Berechtigungen. 2. Aufl. gr. 8^ (IV, 322 S.) Daselbist. M. 4.
6*
84 Bibliogrftphie.
Otto, Berth.: Die Zukunftsschule. Lehrgang, Einrichtungen und Begründung.
1. Teil: Lehrgang der Zukunftsschule nach psychologischen Experimenten
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Th. ScheflFer. M. 6.
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Aus dem Englischen übersetzt durch A. t. W. gr. 8. (VH, 260 S.) 1901.
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Rittershaus, Frau Dr. Adeline: Ziele, Wege u. Leistungen unserer Mädchen-
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H. Beyer & Söhne. M. 0,60.
Schreiber, Lehrer Heinr.: Beiträge zur Theorie und Praxis des gesamten
Elementarunterrichts, gr. 8^ (84 S.) 1901. Altenburg, H. A. Pierer.
M. 1,60.
Schröder, Dr. Heinr.: Periculum in mora. Weiteres zur Oberlehrerfrage,
gr. 8^. (61 S.) 1901. Schalke, E. Eannengiefser. M. 0,80.
Schulhaus, das. Zentralorgan f. Einrichtung und Ausstattung der Schulen
u. verwandten Anstalten im Sinne der neuzeitl. Forderungen. Hrsg. von
L. K. Vanselow. 3. Jahrg. 1901. 12 Hefte, gr. 8®. (1 Heft: 68 S. mit
Abbildungen, 1 Taf.) Berlin -Tempelhof, Schulhaus- Verlag. halbj. M. 3.
Schulze, Reg.- u. Schulrat G.: Geschichte der Volksschulpädagogik. 8. Aufl.
(46 S.) gr. 8^ 1901. Breslau, F. Hirt.
Stauracz, Frz.: Völkische Erziehung. 12^ (132 S.) 1901. Wien, Mayer & Co.
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Stötzner, Dr. Paul: Das öffentliche ünterrichtswesen Deutschlands in der
Gegenwart (168 S.) aus: Sammlung Göschen. Bd. 130. 1901. M. 0,60.
Studien, pädagogisch -psychologische. Hrsg. v. Dr. Max Brahn. 2. Jahrg.
1901. 12 Nrn. gr. 4^ (No. 1: 8 S. mit Abbildgn.) Leipzig, E. Wunder-
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1900. Nebst einem Anhang von Gutachten. Hrsg. im Auftrage des
Ministers der geistl., Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten. Lex. 8®.
(XVI, 414 S.) 1901. Halle, Buchhandl. des Waisenhauses. geb. M. 6.
We gener, Gymn.- u. Realsch.-Dir. Dr. Ph.: Das Verhältnis der Realschule
u. Mittelschule in Preufsen. gr. 8®. (20 S.) 1901. Leipzig, B. G. Teubner.
M. 0,60.
Weifsenfeis, Gym.-Prof. Dr. Oskar: Kernfragen des höheren Unterrichts,
gr. 8^. (XVI, 362 S.) 1901. Berlin, R. Gaertner. 6 M.
Wermbter, Gymn.-Oberlehrer Dr. H.: Die höhere Schullaufbahn in Preufsen,
statistisch beleuchtet, gr. 8^ (TU, 66 S.) 1901. Schalke, E. Eannen-
giefser. M. 1.
Wolf: Alfr.: Lebendige Bildung u. ihre wahren, ernsten Grundgesetze. Bei-
trag zur Volkserziehung, gr. 8**. (160 S.) 1901. Leipzig, J. Elinkhardt.
M. 2,40, geb. M. 3.
Zillig, Pet.: Wahre Bildung des Kindes und Dr. Kerschensteiner's Schullehr-
pläne etc. (Aus: Zeitschr. f. Philosophie u. Pädagogik.) gr. 8®. (V, 68 S.)
Langensalza, H. Beyer & Söhne. M. 1.
Verhandlnngen
der n. Jahresversammlimg des Allgemeinen Dentschen
Vereines ftlr Sclinlgesnndlieitspflege
am Freitag, den 31. Mai 1901 im Weifsen Saale des
Enrhanses zn Wiesbaden«
Vorstand:
Professor Dr. med. u. phil. öriesbach, Mülhausen i. E., Vor-
sitzender. Geheimer Medizinalrat Prof. Dr. A. Eulenburg, Berlin,
1. Stellvertreter. Oberrealschuldirektor Dr. Schotten, Halle, 2. Stell-
vertreter. Bürgermeister Hertzog, Aachen, 3. Stellvertreter. Direktor
Dr. Beyer, Leipzig, Schriftführer. Dr. med, Korman, Arzt, Leipzig,
1. Stellvertreter. Reichstags- und Landtags-Abgeordneter Sittard,
Aachen, 2. Stellvertreter. Direktor F. S. Archenhold, Sternwarte
Treptow-Berlin, Schatzmeister. Dr. med. Schmid-Monnard, Kinder-
arzt, Haue, Stellvertreter.
Beisitzer: Prof. Dahn, Herausg. des Pädagogischen Archivs,
Braunschweig. Wirklicher Geheimer Rat Prof. Dr. v. Esmarch,
Excellenz, Kiel. Dr. med. Gerhardi, praktischer Arzt, Lüdenscheid.
Dr. med. Hartmann, Ohrenarzt, Berlin. Königlicher Reallehrer
Dr. Herberich, München. Stadtrat Prof. Dr. Kalle, Wiesbaden.
Lehrer Lauche, Halle. Oberbürgenneister Müller, Kassel. Ge-
heimer Ho&at Prof. Dr. Ostwald, Leipzig. Geheimer Regierungsrat
Pabst, Oberbürgermeister, Weimar. Prof. Dr. Recknagel, Rektor
des Königlichen Realgymnasiums, Augsburg. Städtischer Schul-
inspektor Rinkel, Wiesbaden. Lehrer Schubert, Leipzig- Gohlis.
Professor Dr. Schüller, Aachen. Landtagsabgeordneter Oberlehrer
Wetekamp, Breslau.
Wiesbadener Ortsausschufs:
Sanitätsrat Dr. Obertüschen, Vorsitzender. E. Mangold, Bei-
geordneter.
W. Arntz, Rentner. Dr. jur. Bergas, Justizrat, Stadtrat. Brink-
mann, Kapitän zur See a. D. Jos. Brix, Stadtbaurat a. D.
Oeüunde Jugend. I. 8/4. 7
98 Terhandl. d. H. Jabresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
Dr. W. Bröcking; Verlagsbuchhändler. Prof. Dr. Brunswick.
W. Büdingen, Hotelbesitzer. Dr. Christ, Arzt und Zahnarzt.
Dr. E. Coester, Arzt. Dr. Gramer, Sanitätsrat. Dr. F. Cuntz,
Schularzt. Dr. L. Dreyer, Rentner, von Ebmeyer, Kurdirektor.
F. Eichen, Direktor. Dr. H. Fresenius, Professor. Dr. W. Fre-
senius, Professor. Genzmer, Baurat. Dr. Gerloff, Augenarzt.
Pfarrer Gruber. Guttmann, Rechtsanwalt. H. Haeffner, Hotel-
besitzer und Stadtverordneter. E. He es, Stadtverordneter. H em-
pfing, Ober-Regierungsrat. S. Hefs, Stadtverordneter. Dr. Hezel,
Arzt. L. Hillebrand, Geh. Regierungs-, Schul- und Konsistorialrat.
L. Hochhuth, Oberlehrer am Kgl. human. Gymn. L. D. Jung,
Kaufmann und Handelsrichter. F. Kalle, Professor, Stadtrat.
Dr. theol. Keller, Prälat, geistlicher Rat u. Stadtpfarrer. Dr. Klein,
Oberlehrer a. d. städt. Oberrealschule. Dr. Klinkert, Oberlehrer
am Realgymnasium. Krekel, Landesrat. 0. Lackner, Bankier.
Dr. B. Laquelr, Arzt. Lieber, Pfarrer. Linz, Verwaltungsgerichts-
Direktor. Mensirig, Vizeadmiral a. D. A. Mollath, Stadtverord-
neter. H. Montandon, Rentner. Müller, Rektor, de Niem,
Landgerichts-Direktor. C. Petri, Eisenbahn- und Betriebsinspektor.
H. Rausch, Landesbank-Direktor, Vorsitzender der Stadtverordneten-
Versammlung. G. Rinkel, Stadtschulinspektor. A. Roeder, Chef-
redakteur. Dr. jur. Romeifs, Justizrat. Dr. Schellenberg, Arzt.
W. Schulte vom Brühl, Chefredakteur. Stumpff, Ober-Regie-
rungsrat a. D. Veesenmeyer, Pfarrer. Joh. Wewer, Rektor.
Wilhelmi, Oberstleutnant a. D.
Präsenz-Liste.
Dr. Grieabach, Professor, Mülhausen i. E.
Dr. Obertüschen, Sanitätsrat, Arzt, Wiesbaden.
H. Montandon, Rentner, Wiesbaden.
Jung, Rektor, Wiesbaden.
Mangold, Beigeordneter, Wiesbaden.
Th. Witry, Oberschulinspektor, Luxemburg, Delegierter der Regierung von
Luxemburg.
P. Biwer, Staats -Architekt, Luxemburg, Delegierter der Regierung von
Luxemburg.
Gaertner, Schulrat, Nordhausen.
Dr. Riedel, Physikus, Lübeck, Delegierter der Stadt Lübeck.
10 Frau Dr. Benda, Berlin.
Dr. Benda, Arzt, Berlin.
W. Köppler, Rektor, Wiesbaden.
Wewer, Rektor, Wiesbaden.
L. Stamm, Lehrerin, Wiesbaden.
M. Hillebrandt, Lehrerin, Wiesbaden.
F. S. Archenhold, Direktor der Treptow-Sternwarte, Treptow.
Dr. B. La quer, Arzt, Wiesbaden.
Verhandl, d. IL Jabresverßammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 99
R. Quelle, Verlagsbuchhändler, Leipzig.
Hillebrand, Geh. R«g.- u. Schulrat, Wiesbaden.
2oHochhuth, Oberlehrer, "Wiesbaden.
Dr. Lotz, Herzogl. S. Schulinspektor, Ooburg.
Dr. Gramer, Arzt, Wiesbaden, Delegierter der Ärztevereine von Wiesbaden.
Lackner, Bankier, Wiesbaden.
Wilhelmi, Oberstleutnant a. D., Wiesbaden.
Dr. Oertel, Axzt, Wiesbaden.
Kalle, Professor, Wiesbaden.
Paul Hartmann, Kaufmann, Eilenburg.
Genzmer, Egl. Baurat, Wiesbaden.
Dr. Beyer, Schuldirektor z. D., Leipzig-Eutritzsch.
30 Eichen, Direktor, Wiesbaden.
Gerloff, Augenarzt, Wiesbaden.
Walter Schubert, Lehrer, Leipzig-Gohlis.
Dr. Klinkert, Oberlehrer, Wiesbaden.
Sinz, Verwaltungsdirektor, Wiesbaden.
Dr. Caester, Arzt, Wiesbaden.
von Ebmeyer, Kurdirektor, Wiesbaden.
Adam Röder, Chef-Redakteur, Wiesbaden.
Ernst Maafs, Verlagsbuchhändler, Hamburg.
Erismann, Prof. Dr., Zürich.
40 Schotten, Direktor Dr., Halle a. S., Delegierter des Vereins zur Förderung
des lateinlosen Schulwesens und des Vereins zur Förderung des naturw.
Unterrichts.
Bornmann, Stadtschulrat, Kassel.
Grimm, Amtsgerichtsrat, Wiesbaden.
W. Wetekamp, Oberlehrer, Zwickau.
B ehrend, Verlagsbuchhändler, Wiesbaden.
Dr. Gerhardi, prakt. Arzt, Lüdenscheid.
Simon Hefs, Stadtverordneter, Wiesbaden.
Gerber, Bürgermeister, Chemnitz, Delegierter der Stadt Chemnitz.
Dr. Abel, Physikus, Hamburg, Delegierter der Stadt Hamburg.
Dr. Hecker, Arzt, Wiesbaden.
50 M. Gaertner, Oberlehrer, Coblenz-Pfaffendorf.
Dr. Pröbsting, Augenarzt, Köln a. Rh., Delegierter des niederrh. Vereins für
öffentl. Gesundheitspflege.
Prof. Dr. Leubuscher, Medizinalreferent im Ministerium, Meiningen, Dele-
gierter des Herzoglichen Staatsministenums in Meiningen.
Geh. Reg.-Rat Pabst, Oberbürgermeister, Weimar, Vertreter der Stadt Weimar.
Prof. Schaar Schmidt, Schul direktor. Braunschweig.
Dr. Heitmann, Oberlehrer, Mitglied der Reg. zu Birkenfeld, Birkenfeld, Dele-
gierter der Regierung.
M. B. Schmidt, Stadtbaurat, Weimar.
Marie Schnell, Lehrerin, Wiesbaden.
Valerie Fischer, Lehrerin, Wiesbaden.
Marie Jaeth, Lehrerin, Wiesbaden.
60 Dr. Brazis, Arzt, Mülhausen i. E., Delegierter der Stadt Mülhausen und der
Industriellen Gesellschaft daselbst.
Frau Dr. Brazis, Mülhausen i. E.
A. Kunz, Lehrer, Wiesbaden.
N oll au, Bürgermeister, Remscheid, Delegierter der Stadt Remscheid.
V. Weltzien, Geh. Oberbaurat, Vorstand des Verbandes Deutscher Archit.- u.
Ing. -Vereine, Darmstadt, Delegierter des Verbandes.
7*
100 Yerhandl. d. TL. JahreBverBammlung d. Allgem. Deutsch. Yereines etc.
Kinkel, gtädt. Schulinspektor, Wiesbaden.
Heinz, Lehrer, Nastätten.
Meyrich, Lehrer, Leipzig.
von Knapp, Landtagsabgeordneter) Bannen.
P. J. Eezel, Lehrer, Wiesbaden.
70 Dr. L aquer, Arzt, Frankfurt a. M.
Dörr, Direktor, Frankfurt a. M., Delegierter des Frankfurter Zweigvereins des
Allgemeinen Deutschen Bealschulmänner -Vereins.
Mifs Harcourt, Institutsvorsteherin, Wiesbaden.
C Uppers, Schulrat, Direktor der Prov.- Taubst. -Anst., Trier, Delegierter des
Landeshauptmanns und der Taubstummenanstalt der Bheinprovinz.
Julius Wolff, Hygieniker, Wiesbaden.
Dr. F. Wehmer, Frauenarzt, Wiesbaden.
Dr. Fr. Wehmer, Arzt, Schömberg.
Dr. F. Cuntz, Schularzt, Wiesbaden.
Dr. Liebe, Leiter der Heilanstalt Waldhof, Elgershausen.
Endris, Rektor, Büdesheim a. Rh.
80 Wanger, Schulinspektor, Ludwigshafen a. Rh., Delegierter der Stadt Ludwigs-
hafen.
Stockmayer, Stadtrat, Stuttgart, Delegierter der Stadt Stuttgart.
Dr. Eisenach, Sanitätsrat, Stadtrat, Hanau.
Dr. Schirlitz, Direktor, Frankfurt a. M.
Dr. Lahn, Direktor, Grofs-Umstadt.
Dr. Wagner, Oberlehrer, Worms.
E. Dahn, Professor, Braunschweig.
Dr. Eoeniger, Kreis- Ass.- Arzt, Giefsen.
Dr. Wutzdorff, Regierungsrat, Berlin, Delegierter des Kaiserl. Gesundheits-
amtes.
Josef Deckelmann, Kaufmann, Frankfurt a. M.
90 Gull, Lehrer, Wiesbaden.
H. Schlosser, Rektor, Wiesbaden.
Gabel, Rektor, Biebrich.
Linker, Rektor, Frankfurt a. M.
Seivers, Professor, Wiesbaden.
Dr. Cahen-Brach, Arzt, Frankfurt a. M.
E. Hees, Stadtverordneter, Wiesbaden.
J. Jacob i, Lehrer, Wiesbaden.
Haas, Redakteur, Wiesbaden.
Dr. Boodstein, Beigeordneter u. Schulrat, Elberfeld, Delegierter der Stadt
Elberfeld.
100 Dr. Arnold Samter, Arzt, Schöneberg bei Berlin.
Max Heyne, Oberlehrer, Biebrich.
Prof. Dr. Beck, Oberlehrer, Mainz.
Dr. Seit er, Kinderarzt, Solingen.
Dr. Stadtfeld, Arzt, Winkel (Rheingau).
Prof. üebel, Oberlehrer, Mainz.
Dr. Richter, Medizinalrat, Dessau, Delegierter des Herzoglichen Medizinal-
kollegiums Dessau.
Kotowski, Gymnasial-Direktor, Lyck, Ostpr.
Hoelper, Rektor, Wiesbaden.
Dr. Walter, Gymn.-Dir., Worms.
110 P. Wittgen, Lehrer, Wiesbaden.
Dr. Schellenberg, Arzt, Wiesbaden.
Dr. Altdorfer, Arzt, Wiesbaden.
Verhandl. d. ü. JahresYersammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 101
J. Berninger, Lehrer, Wiesbaden.
Dr. Keller, Stadtpfarrer, Wiesbaden.
Dr. Christ, Arzt und Zahnarzt, Wiesbaden.
Dr. Schröder, Stadtarzt, Altona (Elbe), Delegierter der Stadt Altona.
Dr. Klein, Oberlehrer, Wiesbaden.
Th. Schmidt, Arzt, Ulriohstein.
A. Merttens, Bentnerin, Wiesbaden.
120 Dr. Berlein, Arzt, Wiesbaden.
A. Bendt, Lehrer, Wiesbaden.
Brenn, Gymn. -Direktor, Wiesbaden.
Weddigen, Privatier, Wiesbaden.
P. Müller, Lehrer, Wiesbaden,
M. Walter, Realgymn.-Direktor, Frankfurt a. M., Delegierter des Allgemeinen
Deutschen Realschulmänner- Vereins.
G. Schmitt, Lehrerin, Wiesbaden.
Dr. Feechtenmacher, Arzt, Kronstadt, Siebenbürgen.
K. Werner, Lehrer, Wiesbaden.
Nodnagel, Geh. Oberschulrat, Darmstadt, Delegierter der Grofsherzoglich
Hessischen Ministerialabteilung für Unterrichtswesen.
130 Dr. Zwiebel, Stadtschulinspektor, Breslau.
Dr. Stricker, Schularzt, Wiesbaden.
Brink, Oberbürgermeister, Offenbach a. M., Delegierter der Stadt Offenbach.
Prof. Dr. Blind, Oberlehrer, Köln.
Dr. Bai er, Gymn. -Direktor, Frankfurt a. M.
Zimmermann, Rektor, Frankfurt a. M.
Lack, Lehrer, Frankfurt a. M.
Dr. H. Fulda, Arzt, Frankfurt a. M.
Stadtarzt Dr. Spiefs, Geh. San.-Bat, Frankfurt a. M.
Dr. Lömgen, Stadtschulrat, Wiesbaden.
140 Dr. Schulz, Arzt, Wiesbaden.
Dr. AlthauBse, Arzt, Wiesbaden.
Dr. Palm, Professor, Bochum.
Dr. Gleitsmann, Kreisarzt, San.-Rat, Wiesbaden.
Voiges, Geheimer Baurat, Wiesbaden.
L. Herbor, Syndikus der H.-K., Wiesbaden.
Schneider, Hauptlehrer, Gr. Hess. Realschule, Sonnenberg.
Dr. Schneider, Direktor i. P., Wiesbaden.
de Niem, Landgerichtsdirektor, Wiesbaden.
Dr. Balz er, Kreisarzt, Mainz.
150 Dr. Baumert, Arzt, Radebeul-Dresden.
H. Kühn, Lehrer, Frankfurt a. M.
Dr. Koenig, Kgl. Kreisass.-Arzt, Wiesbaden.
Dr. Gustav Meyer, Arzt, Wiesbaden.
Adolf von Hagen, Rentner, Wiesbaden.
Dr. Israel, Spezialarzt für Chirurgie, Berlin.
Dr. Böttcher, Arzt, Wiesbaden.
W. Wüst, Lehrer, Naurod.
Dr. Lippert, Arzt, Wiesbaden.
Richter, Oberingenieur, Wiesbaden.
160 Grub er, Pfarrer, Wiesbaden.
Dr. Plefsner, Arzt, Wiesbaden.
B. Hof mann, Lehrerin, Wiesbaden.
Dr. Witkowski, Arzt, Wiesbaden.
Dr. Proebsting, Arzt, Wiesbaden.
102 Verhandl. d. IE. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
Dr. Blumen feld, Arzt, Wiesbaden.
J. Brix, Stadtbaurat a. D., Wiesbaden.
Dr. Berna, Arzt, Wiesbaden.
Dr. Ohlemann, Augenarzt, Wiesbaden.
J. Lund, Augenarzt, Neubrandenburg i. M.
170 Dr. Paetsch, Oberstabsarzt, Wiesbaden, Delegierter des Kriegsministeriums.
Dr. Weintraud, Arzt, Wiesbaden.
Stieren, Zahnarzt, Wiesbaden.
Dr. Bröcking, Buchhändler, Wiesbaden.
Dr. Blachstein, Hygieniker, Göttingen.
Dr. P'ähler, Provinzialschulrat, Kassel, Delegierter des Königl. Provinzial-
Schulkollegiums von Hessen-Nassau.
H empfing, Oberregierungsrat, Wiesbaden, Vertreter der Regierung.
Dr. von Ibell, Oberbürgermeister, Wiesbacfen, Vertreter der Stadt Wiesbaden.
Müller, Professor, Frankfurt a. M., Delegierter des Vereines akad. gebildeter
Lehrer in Frankfurt.
Dr. Rofsmann, Wiesbaden, Delegierter des Vereins für Schulreform.
180 Geheimer Medizinalrat Dr. A. Eulenburg, Professor, Berlin.
Dr. Vietor, Professor, Marburg i. H.
Hertzog, Bürgermeister, Aachen.
Grieben, Stadtschulinspektor.
Pohl, Vorschullehrer.
E i b a c h , Konsistorialrat.
Leider ist die Präsenzliste nicht ganz vollständig, weil etliche
der anwesenden Personen — es wurden etwa 230 gezählt — sich
nicht eingetragen haben.
Tages-Ordnung:
I. Begrüfsungsansprachen. IL Geschäftliches. IIL Vorträge.
1. Die neue preufsische Schulreform in Beziehung zur Schulhygiene.
Referenten: Oberrealschuldirektor Dr. H.Schotten-Halle. Dr. med.
Kor man, prakt. Arzt, Leipzig.
2. Über Einführung einer einheitlichen Schreib- und Druckschrift.
Referenten: Rektor Müller-Wiesbaden. Augenarzt Dr. Gerloff-
Wiesbaden.
3. Die schulhygienischen Einrichtungen der Stadt Wiesbaden. Refe-
renten : Stadtschulinspektor R i n k e 1 - Wiesbaden. Schularzt
Dr. F. Cuntz -Wiesbaden. Baurat Genzmer-Wiesbaden.
4. Schulhygiene xmd Schwindsuchtsbekämpfung. Referent: Sanitäts-
rat Dr. Obertüschen-Wiesbaden.
Nachträglich angemeldete Referate:
5. Schulhygiene und Schwindsuchtsbekämpfung. Referent: Dr. med.
Franz Wehmer, dirigierender Arzt der nassauischen Lungenheil-
stätte Naurod.
6. Die Schwachbefähigten in den höheren Schulen. Referent:
Dr. med. Ben da, Berlin.
Verhandl. d. 11. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 103
7. Einige optische Gründe für die Vermeidung des Rot in Schule
und Haus. Referent: Direktor F. S. Archenhold, Treptow-Berlin.
IV. Gemeinsames Mittagsmahl mit Damen im Kurhause 5 Uhr
abends.
V. Gartenfest im Kurhause 8 Uhr abends, zu Ehren der Versamm-
lung gegeben von der städtischen Kurverwaltung.
Samstag, den 1. Juni:
Besichtigung städtischer Schulen; Führung: Königl. Baurat Genzmer,
Stadtbaumeister, Wiesbaden. Oy^ Uhr: Höhere Mädchenschule; Ver-
sammlungsort: Portal am Schlofsplatz. 10*/^ Uhr: Blücherschule;
Versammlungsort: Blücherplatz.
Beginn der Verhandlungen 9y^ Uhr Vormittags.
Der Vorsitzende, Herr Professor Dr. med. et phil. Griesbach-
Mülhausen i. E., eröffnet die Sitzung mit folgenden Worten:
Hochverehrte Anwesende! Im Namen des Allgemeinen Deutschen
Vereines für Schulgesundheitspflege und im Namen des Wiesbadener
Ortsausschusses erkläre ich die zweite Jahresversammlung für er-
öffnet. — Ich habe die Ehre, die Versammlung seitens des Vorstandes
zu begrüfsen. Es gereicht mir zur Freude, unsere Verhandlungen in
Wiesbaden leiten zu dürfen, in derjenigen Stadt, die in schulhygienischen
Dingen seit Jahren an der Spitze marschiert, und heute, dank der auf-
opfernden und rührigen Thätigkeit des Ortsausschusses, bestrebt sein
wird, unseren Verhandlungen einen allseitig befiiedigenden Verlauf und
Abschlufs zu geben. — Femer möchte ich meiner Freude darüber Aus-
druck verleihen, dafs so viele Gäste und Mitglieder der Einladung des
Vorstandes und Ortsausschusses gefolgt sind. Ich lasse meine Blicke
durch den Saal -schweifen und sehe zahlreiche Vertreter der hohen
Regierungen und Magistrate, ich sehe Vertreter der verschiedensten Ge-
biete der Medizin, der höheren Lehranstalten und der Volksschulen, Dele-
gierte von Vereinen und Gesellschaften. Ja, ich glaube nicht irre zu
gehen, wenn ich annehme, dafs sich Männer aus allen gebildeten Ständen
hier zusanmiengefunden haben. Dafs Sie, hochverehrte Anwesende, in
so grofser Zahl und aus den verschiedensten Ki'eisen unserer Einladung
gefolgt sind, bezeugt, dafs das Interesse an schulhygienischen Einrichtungen
in Deutschland ein grofses und in stetiger Zunahme begriffenes ist, be-
weist zur Genüge, dafs die Schulhygiene eine der aufrichtigsten Ver-
treterinnen wahren Idealismus und echter Humanität ist, dafs
sie sich aller Schulen, aller Stände in gleicher Weise annimmt, und
dafs sie in ihren Bestrebungen, seien sie aufklärender oder reformatorischer
Art, das Propter invidiam nicht kennt, welches in manchen Schul-
fragen, sowie in Standes angelegenheiten leider oft eine grofse Rolle spielt.
Wir, meine hochverehrten Anwesenden, gehen ohne Neid ans Werk, Sie
Alle sind dazu berufen, daran mitzuarbeiten, damit wir eine gesunde
Jugend behalten und damit unser Werk gedeihe zum Segen der Nation.
(Lebhafter Beifall.)
104 Verhandl. d. 11. Jahresyersammlaiig d. Allgem. Deutech. YereineB etc.
Zu weiteren BegrüfBungsansprachen erhalten das Wort folgende
Delegierte:
Provinzialschulrat Dr. Pähler-Eassel:
Hochgeehrte Herren! Seine Exellenz der Herr Oberpräsident,
Graf von Zedlitz-Trützschler, hat mich beauftragt, die Versamm-
lung zu begrüfsen. Er läfst dabei zugleich seinem Bedauern darüber
Ausdruck geben, dafs es ihm, einer Abhaltung wegen, nicht möglich sei,
zu erscheinen.
Ich habe sodann die Ehre, Ihnen mitzuteilen, dafs ich das Pro-
vinzialschulkollegium in Kassel heute hier zu vertreten habe. Als
wir Ihre Einladung erhielten, haben wir uns der Ehre, die Sie uns da-
mit erwiesen, aufiichtig gefreut. Wir konnten der Einladung um so
bereitwilliger und freudiger Folge leisten, als die Ziele, welche der
Allgemeine Deutsche Verein för Schulgesundheitspflege sich nach § 2
seiner Statuten gestellt hat, von dem Pro vinzialschulkollegium durchaus
gebilligt werden; wenigstens hat der allgemein und vorsichtig abgefafste
Wortlaut des Paragraphen nicht die geringsten Bedenken hervorgerufen.
Sie wollen die Verbreitung der Lehren der Hygiene in den Schulen
des Deutschen Beichs fördern imd die Verhütung der durch die Schule
verursachten gesundheitschädigenden Einflüsse auf Lehrer und Schüler
anstreben. Man kann ja die Frage aufwerfen, ob denn zu dem ersten
Punkte ein Bedürfnis vorliegt, ich glaube in der That, dafs die Verbreitung
der Lehren der Hygiene in den Schulen des Deutschen Beichs einer
weiteren Förderung bedarf.
Man Wird fragen, wie hängt es denn zusammen, dafs die Schul-
hygiene, insbesondere in den Kreisen der Schulmänner, wie offen ein-
gestanden werden muTs, noch nicht die Beachtung gefunden hat, die sie
verdient. Ich glaube, dafs dies, von anderen Ursachen abgesehen, zimi
Teil wenigstens, darauf zurückzuführen ist, dafs man davor zurückschreckte,
sich mit den unzähligen in Betracht kommenden Fragen näher zu be-
fassen. Die Gefahr einer gewissen Einseitigkeit ist ja aufserordentlich
grofs bei der sehr umfangreich gewordenen schulhygienischen Litteratur.
Dazu kommt, dafs man, wie ich glaube, eben in dieser Litteratur Einzel-
beobachtungen verallgemeinert und Schlüsse gezogen hat, die in diesem
Umfang kaum vollständig berechtigt waren.
Sodann ist, das bezieht sich auf den zweiten Punkt, gerade in den
Kreisen der Schulmänner darauf aufmerksam gemacht worden, dafs in
den schulhygienischen Schriften häufig die Schule allein verantwortlich
gemacht würde für Verhältnisse, wo gerade andere Faktoren mit zu be-
rücksichtigen seien. So kommt es, dafs Schulmänner sagen: Wir sind
es nicht, die für die Mifsstände verantwortlich sind; das ist das Haus,
das Gesellschaftsleben, das nervöse Hasten unserer Zeit; damit steht die
Sache im Zusammenhang. Noch vor kurzem sagte mir ein wackerer
Schulmann, mit dem ich über die Angelegenheit sprach: Wir woUen
alles, aber den „Schuldoktor" wollen wir nicht (Heiterkeit); bei Bevisionen
wird ohnebin schon immer gesehn, ob die Luft gut ist und die Bander
gesund sind. Es herrscht eben ein Mifs Verständnis in Bezug auf das,
was der Schularzt soll und will.
Yerbandl. d. ü. Jahresversammlung d. AUgem. Deutsch. Vereines etc. 105
Ein weiterer Gesichtspunkt ist der, dafs in der schulhygienischen Litte*
ratur Forderungen so radikaler Natur gestellt werden, dafs manche Schul-
männer sich die Frage vorlegen, ob die Erfüllung dieser Forderungen nicht
eine Schädigung der geistigen Interessen der Schule herbeiführen würde.
Schliefslich kommt eine Frage in Betracht, welche insbesondere in
den Schulverwaltungen häufig besprochen worden ist; so mancher Stofs-
seufzer bei der Lektüre von Schriften über schulhygienische Fragen war
der: Ja das ist alles sehr schön, aber was kostet das, woher sollen wir
die Mittel nehmen und nicht stehlen. Man hat sogar gesagt, die Schul*
reformfrage ,sei in erster Linie eine Finanzfrage. Ich glaube, in dem
Sinne ist das wohl zu viel behauptet, ich bin aber der Meinung, dafs
die Finanzfrage hier eine sehr wichtige Bolle spielt. Es ist . deshalb gut,
wenn man nicht blofs sagen kann: „Thue Geld in deinen Beutel", son-
dern es auch durchsetzt.
Kein Verein ist, schon der Zusammenhang seines Vorstandes nach,
so geeignet, alle die erwähnten Mifsverständnisse zu beseitigen, als der
Allgemeine Deutsche Verein für Schulgesundheitspflege. Ich begrüfse es
mit Freuden, dafs in dem Vorstande dieses Vereines nach § 6 der
Statuten vertreten sein sollen: Arzte, Vertreter der höheren Lehranstalten
und der Volksschulen, Verwaltungsbeamte, Techniker und sonstige Per-
sonen. Ich halte es für einen ganz aufserordentlich glücklichen Griff, dafs
Sie so die Faktoren zusammengebracht haben, die zusammenwirken
müssen, wenn etwas Gutes geleistet werden soll. Unter diesen Umständen
wird manches Gute erkannt werden, manche Forderungen, die nicht an-
gebracht sind, werden dagegen zurücktreten müssen. Man wird sich auf
das wirklich Erreichbare beschränken und nicht radikal, sondern im An-
schlufs an das geschichtlich Gewordene refonnieren wollen. Bei der
guten Zusanmaensetzung des Vorstandes würde es mir zur Freude ge-
reichen, wenn Sie auch den Herrn Finanzminister in denselben aufnehmen
könnten. (Heiterkeit.)
Meine Herren! Um Mifsverständnissen vorzubeugen, bemerke ich,
dafs meine Ausführungen nicht etwa den Zweck haben sollen, Ihnen Bat-
schläge zu erteilen; ich bin nur hierher gekommen, um über die ge-
wonnenen Anregungen meiner Behörde zu berichten und im Provinzial-
schulkollegium darauf hinzuwirken, dafs denselben auch entsprochen wird.
In diesem Sinne gestatte ich mir, Sie nochmals herzlich zu begrüfsen;
ich wünsche Ihren Verhandlungen besten Erfolg und hoffe, dafs der alte
Satz: „mens sanain corpore sano" auch in den höheren Schulen immer mehr
Berücksichtigung findet, denn das Wort: „wir wollen eine gesunde Jugend
schaffen" findet ein Echo in jeder deutschen Männerbrust. (Grofser Beifall.)
I Oberregierungsrat H empfing- Wiesbaden:
Im Auftrag des Herrn Begierungspräsidenten Dr. Wentzel, der
leider am Erscheinen verhindert ist, ebenso im Auftrage der Begierung,
Abteilung für Kirchen- und Schulwesen, heifse ich Sie herzlich
willkommen. Wir begrüfsen es dankbar, dafs sich Männer aus allen
Lebenskreisen, Fachmänner und Nichtfachmänner, in diesem Verein zu-
sammengefunden haben, um ihre Ansichten auszutauschen und die An-
sichten zu klären darüber, was auf dem Gebiete der Schulhygiene not-
106 Verhandl. d. ü. Jahresyersammltuig d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
wendig und zweckmäfsig ist. Die Schulen, welche der von mir vertretenen
Behörde unterstellt sind, sind, wie Sie wissen, keine Staats-, sondern
öemeindeanstalten, bei denen allerdings der Staat eine weitgehende Auf-
sicht übt. Ich habe dies hier deshalb hervorgehoben, um darauf hinzu-
weisen, dafs bei der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse ein schroffes
Schabionisieren auf keinem Gebiete weniger angebracht sein würde, als
gerade auf dem Gebiete der Schulhygiene. „Eines schickt sich nicht for
Alle", dieser Grundsatz gilt hier in hohem Mafse. Das, was wir z. B.
von den Gemeinden Frankfurt a. M. oder Wiesbaden verlangen können,
verlangen müssen, das wird in vielen Fällen, etwa einer kleinen Gemeinde
auf dem Westerwald, zu erfüllen unmöglich, vielleicht sogar schädlich
sein. So kann z. B. die Frage des Nachmittagsunterrichtes immer nur
unter Berücksichtigung der besonderen örtlichen Verhältnisse erledigt werden.
Wenn ich das erwähne, so will ich noch darauf hinweisen, dafs wir
Ihren Beratungen nicht nur aufmerksam folgen, sondern, so weit mög-
lich, Ihren Beschlüssen auch Rechnung tragen werden. Ich heifse Sie
nochmals willkommen und wünsche Ihren Bestrebungen besten Erfolg, im
Interesse der Schule und der Eander. (Beifall.)
Oberbürgermeister Dr. von Ib eil -Wiesbaden:
Es gereicht mir zur besonderen Freude imd Ehre, Ihre hochansehn-
liche Versammlung im Namen der städtischen Körperschaften und
im Namen der gesamten Einwohnerschaft der Stadt Wiesbaden
herzlich willkommen zu heifsen. Es mufs ja den Bestrebungen Ihres
Vereins in weitesten Kreisen das gröfste Interesse entgegengebracht
werden, wenn man sich vergegenwärtigt, dafs Ihre Bestrebungen darauf
hinzielen, eine gesunde Jugend zu schaffen, dafs also Ihre Bestrebungen
der Zukunft des Vaterlandes in hohem Grade dienlich sind.
Wir haben hier in erster Linie mit der Volksschule zu thim und
sind vor allem darauf bedacht, dafs dem Schulzwang das Korrelat, die
Schulfreiheit, gegenüberstehen, d. h. dafs die Gemeinde darauf Rücksicht
nehmen mufs, auch für das körperliche Wohl der Kinder zu sorgen.
Wenn nun eine Vereinigung, die sich aus allen Kreisen zusammensetzt,
auf dem Gebiete der Schulhygiene wirken und den Behörden mit ihrem
Rat dienen will, so begrüfsen wir das mit Freuden. Deshalb dürfen Sie
auch versichert sein, dafs wir Ihren Verhandlungen guten Erfolg wünschen.
Ich hoffe jedoch, dafs Sie auch aufserhalb dieses Saales Eindrücke
gewinnen, die unserer Stadt Ihr Andenken sichern, und heifse Sie auch
in diesem Sinne nochmals herzlich willkommen. (Beifall.)
Regierungsrat Dr. Wutzdorff-Berlin, Abteilungsvorsteher im
Kaiserlichen Gesundheitsämter
Hochverehrte Anwesende! Im Auftrage meines Herrn Chefs, des
Wirklichen Geheimen Oberregierungsrats Dr. Köhler, habe ich, unter
verbindlichstem Dank für Ihre freundliche Einladung, seinem Bedauern
darüber Ausdruck zu geben, dafs er verhindert ist, Ihren Beratungen bei-
zuwohnen. Eine Versammlung, welche aus Ärzten, den beruf smäfsigen
Hygienikern, aus Schulmännern, den treuen Pflegern der Jugend, aus
andereji sachverständigen Freunden und Freundinnen der Sache zusammen-
Verhandl. d. II. Jahresversammlxing d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 107
gesetzt ist, bietet gewifs eine Garantie für eine erspriefsliche Verhandlung
der vorliegenden Tagesordnung.
Wie im allgemeinen die Arbeitsteilung immer mehr und mehr ein
Zeichen unseres modernen Lebens geworden, in welchem es dem einzelnen,
ia*otz aller Befähigung, nicht möglich ist, bei dem Ausbau eines be-
stimmten Gebietes universelle Leistungen aufzuweisen, so hat sich auch
von der Hygiene als jüngster Sprofs die Schulgesundheitspflege abgezweigt,
welche trotz ihrer Jugend eine grofse Bedeutung hat.
Wer reformieren will, mufs bei der Schule anfangen — in diesem
Sinne äufserte sich einmal unser allverehrter kaiserlicher Herr. Ganz
ähnlich verhält es sich mit der Gesundheitspflege: um den Lehrern der
Hygiene eine allgemeine, segensreiche Anwendung zu sichern, mufs man
sie dem Verständnii^ der Jugend nahe bringen. Nur dann gelingt es, ein
Volk heranzuziehen, welches for die Fragen der Gesundheitspflege volles
Verständnis besitzt, wenn die betrefi'enden Lehren schon der Jugend ein-
gepflanzt werden. Möge der Allgemeine Deutsche Verein für Schul-
gesundheitspflege die hohen Ziele, die er sich gesteckt hat, erreichen, dem
Vereine, der Volkswohlfahrt und der Jugend zum Besten. (Beifall.)
Oberstabsarzt Dr. Paetsch-Wiesbaden:
Ich habe dem Vorstand des Allgemeinen Deutschen Vereines für
Schulgesundheitspflege den Dank des Herrn Kriegsministers zu über-
mitteln für die Aufforderung, einen Vertreter hierher zu entsenden.
Die Schulgesundheitspflege ist ja von jeher ein besonderer Zweig
der Heeresverwaltung gewesen und wird in den Kadettenschulen und
Militärwaisenhäusem seit langen Jahren gehandhabt. Das Kriegs-
ministerium bringt daher den Bestrebungen des Vereins das gröfste
Interesse entgegen und es ist gerne bereit, alle neuen Gesichtspunkte,
die sich aus den heutigen Verhandlungen ergeben, zu berücksichtigen,
zum Segen auch der militärischen Jugend.
Geheimer Oberregierungsrat Nodnagel-Darmstadt:
Die Grofsherzoglich Hessische Ministerialabteilung für
Unterrichts wesen spricht ihren herzlichen Dank aus für die Einladung
imd bietet der Versammlung ihren freundnachbarlichen Grufs.
Auch wir sind durchdrungen von der hohen Wichtigkeit der Be-
strebungen, die auf die Wahrung der Gesimdheit unserer Schuljugend
gerichtet sind, und sind gerne bereit, die Pflichten, die daraus entspringen,
zu erfüllen. Wir haben in der jüngsten Zeit veranlafst, dafs in den
Lehrerseminaren durch Mediziner geordnete Kurse für Schulgesundheits-
pflege eingerichtet werden und dafs später geeignete, für den Lehrer
verständliche Vorti'äge in de:- Schule gehalten werden, damit den Lehrern
das Erlernte nicht verloren geht. Soviel geschah in letzter Zeit, um auf
dem Gebiete der Volksschule für die Verbreitung der Gesundheitslehre zu
wirken. Auch in Bezug auf die höheren Schulen unterliefsen wir nichts,
was zu thun nötig war. Darüber, was hier noch geschehen mufs, wird
auf den Direktorenkonferenzen diskutiert. Auf einer solchen demnächst
stattfindenden Konferenz wird z. B. über die Frage der Alistellung von
Schulärzten und über die Eeinigung der Schulräume beraten werden.
108 Verband!, d. n. Jahresversammlmig d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
Sie sehen, meine verehrten Anwesenden, dafs wir nach Kräften
bestrebt sind, auf dem Gebiete der Schulhygiene etwas zu leisten. Ich
kann Ihnen deshalb die Versicherung geben, dafs es mich freudig berührt
hat, die Aussicht zu haben, auf Ihrer Versanmilung neue Anregimgen zu
empfangen. Aus diesem Gesichtspunkte heraus und nicht ganz frei von
Egoismus wünsche ich Ihren Verhandlungen besten Verlauf. (Beifall.)
Geh. Regierungsrat Pabst, Oberbürgermeister der Stadt Weimar:
Im Namen imd Auftrag der Stadt Weimar habe ich die Ehre,
den Kongrefs namens der städtischen Behörden zu begrüfsen und zu-
gleich die Bitte an Sie zu richten, Ihre nächste Jahresversammlung in
unserer Haupt- und Residenzstadt abzuhalten. Verehrte Anwesende!
Wenn wir Ihnen auch im allgemeinen nicht das bieten können, was
Ihnen Wiesbaden zu bieten vermag, so werden wir Sie nichtsdestoweniger
mit echt bürgerlicher Gastfreundschaft empfangen, Ihnen auf der anderen
Seite aber doch wieder manches bieten, was viele andere Städte nicht
bieten können, ich meine die Stätten der Erinnerung an die gröfsten
Geister der Nation, die im Anfang des vorigen Jahrhunderts, unter dem
Schutz eines verständnisvollen Fürsten in Weimar gewirkt, die das gesamte
geistige Leben auf eine seltene Höhe gebracht und die geistige Einheit
des deutschen Volkes in der trübsten Zeit geschaffen haben. (Beifall.)
Wir leben aber nicht nur als Epigonen von der Erinnerung an
frühere Zeiten, sondern wir wissen ebenfalls den Anforderungen unserer
Zeit gerecht zu werden. So gedenken wir z. B. auch imser Schulwesen,
das einst ein Herder geleitet und entwickelt hat, in einer allen gerechten
Anforderungen entsprechenden Weise imizugestalten.
Ich bitte Sie also, Ihre Jahresversammlung das nächste Mal in
Weimar abzuhalten, und sichere Ihnen eine gastfreundliche Aufnahme zu.
(Lebhafter und anhaltender Beifall.)
Sanitätsrat Dr. Cramer-Wiesbaden:
Im Namen der beiden hiesigen ärztlichen Vereine hqifse ich
Sie herzlich willkommen. Wir Ärzte, die wir von jeher die Verhütung
von Krankheiten als unsere höchste Aufgabe betrachtet haben, müssen es
immer mehr als unsere Aufgabe betrachten, die Jugend über hygienische
Fragen zu belehren. Es wird damit ja nicht nur für die Jugend ge-
wirkt, sondern es wird in der heranwachsenden Generation Interesse
geweckt für das, was sie in späteren Jahren vor Krankheit schützen soll.
Nirgends ist aber mehr zu wirken nötig, als auf dem Gebiete der Aus-
breitung des Verständnisses für die Lehren der Gesundheitspflege. Wir
Ärzte kommen am ersten in die Lage, einschlägige Mafsnahmen ver-
ordnen zu müssen. Leider konnten wir uns aber schon sehr häufig da-
von überzeugen, dafs verständnisloses Handhaben von Mafsnahmen schä-
digend wirkt. Wir haben deshalb alle Ursache, Ihre Bestrebungen mit
Freuden zu begrüfsen und Ihren Verhandlungen besten Erfolg zu wünschen.
(Beifall.)
Direktor Walter-Frankfurt a. M.:
Im Namen des Allgemeinen Deutschen Realschulmänner-
Vereins erlaube ich mir, Sie zu begrüfsen imd Ihren Verhandlungen
Yerhandl. d. ü. Jahresversammlang d. Allgem. Dentscb. yeieines etc. 109
besten Erfolg zn wünschen. Wir fOhlen uns zu "dem Verein wegen seiner
Bestrebungen sehr hingezogen, indem gerade der Allgemeine Deutsche
Bealschulmänner -Verein auch das Verständnis für Schulgesundheitspflege
zu fordern bestrebt ist.
Wenn wir an der Schwelle des Jahrhunderts einer besseren Zukunffc
entgegengehen, so haben wir das in erster Linie der gemeinsamen Arbeit
der Lehrer imd der Allgemeinheit zu verdanken. Es bleibt aber noch
manches zu thun übrig, und da ist vor allem der Allgemeine Deutsche
Verein für Schulgesundheitspflege an seinem Platze, dessen Bestrebimgen
ich deshalb besten Erfolg wünsche. (Beifall.)
Direktor Dörr-Frankfurt'a. M.:
In Namen des Frankfurter Zweigvereins des Allgemeinen
Deutschen Bealschulmänner -Vereins erlaube ich mir, die besten
Wünsi^ SU überbringen. Unser Verein hat sich die Förderung der Ge-
sundheit der Jugend und die Herbeiführung der Gleichberechtigung der
Schulen zur Aufgabe gemacht. Wir betrachten uns nicht nur als Zweig-
verein des Allgemeinen Deutschen Eealschulmänner -Vereins, sondern auch
als Zweigverein anderer Vereine, die ebenfalls auf dem einen oder
anderen dieser beiden Gebiete wirken. In diesem Sinne möchte ich mir
erlauben, den Frankfurter Verein auch als einen Zweigverein Ihres
Vereins vorzustellen.
Es ist erfreulich, dafs auch viele Personen, die nicht Schulmänner
sind, den Fragen der Schulgesimdheitspflege inmier gröfseres Interesse
entgegenbringen, denn nur so können wir weiter kommen; aber es wäre
wünschenswert, nicht nur die Männer, sondern auch die Frauen zur
Mitwirkung auf diesem Gebiete heranzuziehen. Die Beihilfe der Herren
Ärzte ist von grofser Wichtigkeit, aber mindestens ebenso wichtig ist
auch die Beihilfe der Mütter. Eine Schule zu schaffen, die vom Geiste
alter Idealität erfüllt, aber im Geiste der neuesten Anforderungen refor-
mirt ist, das ist der Wunsch unseres Zweigvereins. (Lebhafter Beifall.)
Professor Müller-Franfcfart a. M.:
Hochverehrte Anwesende I Meine Damen und Herren 1 Wenn das
Grundschema in dieser Weise weiter durchgeführt wird, so konmien wir
nicht zu dem Thema selbst. Ich will mich deshalb kurz fassen und damit
eine neue Serie der Begrüfsimgsreden eröffnen. (Heiterkeit.) Wir Frank-
furter Lehrer nehmen das gröfste Interesse an den hier zur Beratung
konmienden Fragen und da hat mich der Verein akademisch gebil-
deter Lehrer Frankfurts hierher geschickt und mir den Auftrag ge-
geben, ihm über verschiedene Fragen, die Sie zu beraten gedenken und
auf die ich vielleicht bei dem betreffenden Punkt der Tagesordnung näher
zurückkommen werde, Bericht zu erstatten; doch ich wollte kurz sein:
mit einem kurzen Grüfs Gott! begrüfse ich die Versammlung. (Beifall.)
Professor Dr. Vietor-Marburg:
Wenn ich mir erlaube, Sie im Namen der Universität Marburg
zu begrüfsen, so mufs ich bemerken, dafs ich das nicht im Auftrag der
110 VerhandL d. 11. Jahresyersammlung d. Allgem. Deutseh. Verfeines etc.
Universität thue; ich hätte leicht einen solchen Auftrag erhalten können,
wenn ich mich mit der üniversitätsleitimg oder dem Dekan in Ver-
bindung gesetzt hätte, aber das habe ich versäumt. Ich wollte — ohne
dabei zu vergessen, dafs die kurze BegrüTsungsserie (Heiterkeit) begonnen
hat — als einer der unbedeutendsten Vertreter der Universität Marburg
darauf hinweisen, dafs man die Schulgesundheitspflege nicht bis zu der
Grenze der einen Schulart fuhren und sagen kann, damit hört es auf;
auch wir von der Universität fühlen, dafs wir mit zu Ihnen gehören, wir
sind mit an Ihren Bestrebungen interessiert, lassen Sie also wenigstens
mich diesen Standpunkt vertreten. (Beifall.)
Oberrealschuldirektor Dr. Schotten-Halle:
Ich erlaube mir, die Versammlung im Namen des Vereins zur
Förderung des lateinlosen Schulwesens und im Namen des Ver-
eins zur Förderung des naturwissenschaftlichen Unterrichts
zu begrüfsen. Die beiden Vereine haben mich beauftragt, Ihren Ver-
handlungen besten Erfolg zu wünschen. (Beifall.)
Dr. Rofsmann-Wiesbaden:
Ich gestatte mir, die Versammlung namens des Vereins für
Schulreform und des hiesigen Zweigvereins desselben herzlich
zu begrüfsen und Ihnen die besten Wünsche zu übermitteln. (Beifall.)
Schulrat C Uppers -Trier:
Hochverehrte Herren vom Vorstand, hochansehnliche Versammlung!
Der Herr Landeshauptmann der Eheinprovinz hat verfugt, dafs die sämt-
lichen Taubstummenvereine dem Verein beitreten sollen; er hat femer
veranlafst, dafs zu den Versammlungen ein Vertreter entsandt werden
soll, dem die Verpflichtung zur Berichterstattung obliegt. Wenn, wie zu
hoffen ist, die anderen Staaten und Provinzen diesem Beispiel folgen, so
steht diesem jungen Verein eine ganz beträchtliche Erweiterung, eine
grofse Zukunft bevor.
Gestatten Sie mir ein kurzes Wort! Die rheinische Provinzial-
verwaltung steht den Bestrebungen dieses Vereins nicht nur nicht gleich-
giltig gegenüber, sondern sie fördert dieselben nach Kräften. In unserer
Anstalt wird das Turnen in sehr ausgiebiger Weise gepflegt, nicht nur
das Knaben -Turnen, sondern seit mehr als fünfundzwanzig Jahren auch
das Turnen der Mädchen, also seit einer Zeit, wo die Frage des Turnens
der Mädchen im allgemeinen kaum gewürdigt wurde. Unser Anstalts-
arzt besucht mehrmals im Jahre die sämtlichen Klassen der Anstalt; da
werden die einzelnen Kinder auf ihren Gesundheitszustand untersucht, da
wird für diejenigen, welche wegen Blutarmut eine besondere Verpflegung
nötig erscheinen lassen, gesorgt, und da werden diejenigen, welche vom
Turnen entbunden werden müssen, ausgesondert. Zweimal im Jahre findet
eine augenärztliche Untersuchung sämtlicher Kinder statt. Aufserdem
werden den Kindern die Ohren, die Nase und der Rachenraum von einem
Spezialisten untersucht. Aufser den gewöhnlichen und gröfseren Früh-
stückspausen haben wir zwischen jeder einzelnen Unterrichtsstunde eine
Verhandi. d. 11. Jahresyersamiulung d. Allgem. Deutsch, yereines etc. Hl
Pause von zehn Minuten, wodurch die Kinder, namentlich deiähalb, weil
die Pause auch noch durch Turnübungen ausgefallt wird, geistig erfrischt
werden.
Sie sehen also, dafs wir schon vieles thun, was sich mit Ihren Be-
strebungen deckt. Wir hoffen aber, in Ihrem Verein noch manche An-
regung zu bekommen. In dieser Voraussetzung sind wir dem Verein,
dessen Existenx die Taubstummenanstalt und die Taubstummen -Vereine
von Herzen willkommen heifsen, beigetreten. Möchten Ihre Verhandlungen
vom besten Erfolge gekrönt sein. (Lebhafter Beifall.)
Vorsitzender: V
Damit wären wir mit den Begrüfsungen zu Ende. Wir treten in
die eigentliche Tagesordnung ein.
Es ist in unserer gestrigen Vorstandssitzung beschlossen worden, ein
Huldigungs-Telegramm an Seine Majestät den Kaiser abzuschicken ; ist die
Versammlung damit einverstanden? (Lebhafte Zustimmung.) Dann bitte
ich Herrn Kurdirektor von Ebmeyer, dasselbe zu verlesen.
Kurdirektor Major von Ebmeyer-Wiesbaden:
Das Telegramm lautet:
Seiner Majestät dem deutschen Kaiser, Berlin!
Euerer Majestät, dem mächtigen Schirmherm einer gedeihlichen und
gesundheitsfördernden Jugend-Erziehung, sendet der im schönen Wiesbaden
tagende Allgemeine Deutsche Verein für Schulgesundheitspflege in dem
Gefühle unwandelbarer Treue und Ergebenheit seine unterthänigsten
Huldigungen.
Der Vorsitzende des Vereins: Professor Dr. Griesbach.
Der Vorsitzende des Ortsausschusses von Wiesbaden:
Sanitätsrat Dr. Obertüschen.
Auf das Telegramm lief folgende Antwort ein:
Seine Majestät der Kaiser lassen für den Huldigungsgrufs und die
treue Arbeit für die Gesundheit der deutschen Schuljugend bestens
danken.
Auf Allerhöchsten Befehl: von Lucanus, Geh. Kabinetsrat.
Vorsitzender (fortfahrend):
Sodann habe ich zu bemerken, dafs sich die Notwendigkeit einer
Eevision unserer Statuten herausgestellt hat. Herr Landgerichtsdirektor
de Niem hatte die grofse Liebenswürdigkeit, diese Statuten in der Weise
zu ändern, dafs sie dem Bürgerlichen Gesetzbuch entsprechen, da es da-
durch dem Verein ermöglicht wird, ein „Eingetragener Verein" zu werden.
Die Statuten liegen in der neuen Form, schon vor, doch empfiehlt Ihnen
der Vorstand, mit der Annahme derselben noch bis zur nächstjährigen
Versammlung zu warten, wo doch ein neuer Vorstand gewählt werden
mufs. Sind die Herren damit einverstanden? (Allgemeine Zustimmung.)
Dann wäre diese Frage erledigt.
Ich bitte um Erstattung des Kassenberichts.
112 Verhandl. d. II. JahresverBainmlmig d. Allgem. Deatsch. Vereines etc.
Schatzmeister Direktor F. S. Archenhold-Treptow:
Einnahme (1900)
Beitr. f. 183 Mitgl. k M. 3.— M. 649.—
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An Bestand .
M. 857.73
M. 417.02 ^
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M. 418.02
Ausgabe (1900)
laut Eassebncli I . . . M
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Bestand
11
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315.61
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32.73
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—.281
M. 857.73
Vorsitzender (fortfahrend):
Wünscht jemand zu dem Bericht das Wort? — Wenn es nicht der
Fall ist, müssen wir zur Wahl des nächsten Versammlungsortes schreiten.
Sie haben alle die liebenswürdigen Worte des Herrn Oberbürgermeisters
von Weimar gehört. Ich möchte seinen Antrag unterstützen und dafür
eintreten, dafs wir uns im nächsten Jahre in Weimar wiedersehen. Darf
ich hoffen, dafs der Antrag durch Akklamation angenommen wird? (Eufe:
Jawohl!) Dann wäre also Weimar als nächster Versammlungsort gewählt.
Ich habe nun der Versammlung noch mitzuteilen, dafs wir gestern
beschlossen haben, Herrn Beigeordneten Mangold -Wiesbaden mit in den
Vorstand zu wählen. Des weiteren schlägt der Vorstand vor, einige
Ehrenmitglieder neuerdings zu ernennen. Ich habe die Ehre, die Namen
der betreffenden Herren zu verlesen. Es sind vorgeschlagen: Se. Excellenz
der Herr Öberpräsident Graf von Zedlitz-Trützschler- Kassel, Herr
Oberbürgermeister Dr. von Ib eil -Wiesbaden, Herr Sanitätsrat Dr. Ober-
tüschen -Wiesbaden, Herr Stadtrat Professor K alle -Wiesbaden, Herr
Generalkonsul a. D. Freiherr von Lade-Schlofs Monrepos bei Geisenheim,
Herr Eegierungspräsident Dr. Wentzel -Wiesbaden, Seine Durchlaucht
der Herr Königliche Polizeipräsident Prinz von Eatibor-Wiesbaden imd
Herr von. Schenkendorf f, Mitglied des Hauses der Abgeordneten,
Görlitz. Ist jemand da, der sich gegen unsere Vorschläge aussprechen
will? — Dann darf ich annehmen, dafs Sie einverstanden sind. (Zu-
stimmung.) Nun möchte ich noch fragen, ob aus der Mitte der Ver-
sanmilung heraus, vielleicht noch jemand vorgeschlagen werden soll? —
Das scheint nicht der Fall zu sein! —
Wenn niemand mehr das Wort verlangt, so sind wir jetzt mit dem
geschäftlichen Teil fertig und kommen zu den Vorträgen. Gestatten Sie
mir jedoch vorher noch einige Worte: Sie sehen, dafs ein sehr reiches
Material zur Beratung vorliegt, wir werden uns also möglichst kurz
fassen müssen, um damit zu Ende zu kommen. Bezüglich Punkt 1 der
Tagesordnung habe ich Ihnen zu erklären, dafs Herr Dr. med. Kor man
Yerhandl. d. II. JahresverBauunliing d. AHgem. Deutsch. YereineB etc. 113
erkrankt ist. Der ihn behandelnde Arzt schickt ein Telegramm, wonach
es Herrn Dr. Eorman uximöglich ist, zu kommen, es ist jedoch soeben
das Manuskript seines Vortrags eingetroflfen. Dasselbe kann nicht ver-
lesen werden, aber die Leitsätze können im AnschluTs an das Beferat
des Herrn Direktor Schotten zur Verlesung kommen.
Ich erteile Herrn Direktor Dr. Schotten das Wort.
Die neue preufsische Schulreform in Beziehung zur
Schulhygiene.
Referent: Oberrealschuldirektor Dr. H. Schotten- Halle.
Hochverehrte Anwesende!
Der Allgemeine Deutsche Verein ftir Schulgesundheitspflege hat als
ersten Glegenstand der Besprechung auf der diesjährigen Hauptversamm-
lung die neue preufsische Schulreform in ihrer Beziehung zur
Schulhygiene auf die Tagesordnung gesetzt.
Es ist damit der Stoff des mir übertragenen Referates in an-
genehmster Weise auf ein enges Gebiet eingeschränkt; und doch will
ich mir erlauben, zimächst einiges Allgemeine über die Bewegung der
Schulreform zu berichten, da — nach meiner Ansicht — auf dem Ge-
biete des Schulwesens bedeutende Fragen nicht ganz für sich allein
betrachtet, nicht aus dem Zusammenhang mit dem Ganzen des Schul-
wesens herausgerissen werden dürfen.
Zunächst ein kurzer historischer Bückblick: Sie müssen ihn mir
verzeihen, h. A.; aber ich bin der Meinung, dafs gerade bei den Fragen,
die uns heute beschäftigen, viel Überflüssiges vermieden werden kann,
wenn die Interessenten — und wer gehörte nicht auf irgend eine Be-
rechtigung hin dazu? — wenn, sage ich, die Interessenten durch ein
historisches Studium der Fragen sich ein sachkundiges Urteil ver-
schafften, sich mit den Vorarbeiten auf dem betreffenden Gebiete be-
kannt machten; ich will niemandem zu nahe treten, aber es ist wirklich
Thatsache, dafs sehr viele doch nur auf Grund allerpersönlichster
Erfahrungen, die notwendigerweise einseitig sind, und aus übervollem
Herzen heraus an die Beurteilung der wahrlich nicht leichten Fragen
herangehen, deren Beantwortung nicht nur ein warmes Herz, sondern
auch einen klaren Kopf imd eine gewisse Kenntnis der einschlä-
gigen Gesamtverhältnisse verlangt.
Die preufsische Schulreform, die speziell den Gregenstand unserer
heutigen Diskussion bilden soll, ist nicht ohne Beispiel; ja genau ge-
nommen wird fortwährend reformiert schon seit der Einrichtung höherer
Schulen überhaupt; im Jahre 1837 kamen die hygienischen Ver-
hältnisse mit in Frage durch die Schrift Lorinsers. Seitdem haben
diese Bestrebungen nicht geruht, freilich sind sie nicht immer offen zu
Tage getreten, aber ihre Bedeutimg ist immer mehr von allen Kreisen
anerkannt worden.
Als im Jahre 1890 auf die Initiative Sr. Majestät die erste
preufsische Schulkonferenz zusammentrat, wurden ihr im ganzen
14 Fragen vorgelegt, von denen insbesondere für uns die 9. von
Gesunde Jagend I. 3/4. 8
114 ^erhandl. d. IT. JahreBvörs&mmltmg d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
Interesse ist: „Was hat zur weiteren Hebung des gegenwärtig meist in
2 Wochenstunden und vielfach an grofse Abteilungen erteilten Turn-
unterrichts zu geschehen, und welche sonstigen Einrichtungen zur körper-
lichen Ausbildung der Jugend sind zu pflegen?^'
Aber neben dieser spielen nicht wenige andere auf unser Gebiet
hinüber, z. B. Frage 7 nach den Maximalfirequenzen in den einzelnen
Klassen, Frage 10: „Kann die Reifeprüfung entbehrt werden ?^^ und ins-
besondere Frage 8: „Inwieweit ist es, auch bei Verminderung der Ge-
samtzahl der Schulstunden, möglich, durch intensiven methodischen
Unterricht die Hauptarbeit in die Schule zu verlegen, namentlich in den
unteren Klassen ?^% eine Frage, die bei den Verhandlimgen gemeinsam
mit der neunten diskutiert wurde. Ja die imif angreichen Verhandlungen
— der Bericht umfafst einen stattlichen Band von 800 Seiten — zeigen,
dafs kaum eine der vorgelegten Fragen ohne Berücksichtigung des körper-
lichen Wohles der Schuljugend beantwortet werden kann, mag sie auch
noch so wenig Bezug darauf zu haben scheinen.
Die 90er Konferenz hatte eine Teilnehmerzahl von 44, darunter
22 Schulmänner und 3 Arzte resp. Mediziner. Die letzteren haben be-
sonders bei Frage 8, ob eine Verminderung der Schulstunden ohne Ver-
mehrung der häuslichen Arbeitszeit möglich sei, mitgewirkt. Dr. Graf
war einer der Berichterstatter und hat unter seinen 9 Thesen 5 wesent-
lich hygienischer Natm*, in denen der Nachmittagsunterricht, der
Turnimterricht, die Pausen, das Schulgebäude, der Schularzt be-
handelt werden.
Wesentlich zahlreicher und umfangreicher sind die Thesen von
Dr. Göring, dem Verfasser der Schrift „Neue Deutsche Schule"; es sind
26 von denen z B. die neunte wieder 11 Unterthesen umfafst. Auch
in seinen Thesen findet die Gesundheitspflege gebührende, zum Teil
mehr als gebührende Berücksichtigung.
Zu der für uns wichtigsten Frage 9, die direkt das körperliche
Element des Schulunterrichts behandelte, hatten von den Berichterstattern
— der ersten Konferenz — der eine 15, der andere 5 Thesen aufgestellt.
Die Zeit erlaubt nicht, sie hier aufzufahren; ich mufs mich darauf be-
schränken, die aus den Verhandlungen herauskrystallisierten
Thesen der Konferenz mitzuteilen, ohne auf die Verhandlungen selbst
näher eingehen zu können; ich empfehle aber ihr Studium dringend
allen denen, die sich für diese Fragen interessieren, ganz besonders aber
denen, die auf diesem Gebiete schriftstellerisch thätig zu sein das unüber-
windliche Bedürfnis fühlen. Ihre Darstellung umfafst in dem Bericht
weit über 100 Druckseiten und weckt entschieden die Erinnerung an
den guten alten Ben Akiba.
Die von der 90er Konferenz angenonmienen Thesen, die zum
Teil dem Inhalt und der Form nach die Geburt am grünen Tische nicht
verleugnen können, lauten:
„l) Die von der Konferenz vorgeschlagene Verminderung der wöchent-
lichen Lehrstunden darf nicht eine Vermehrung der häuslichen Arbeit
zur Folge haben.
2) Die hierdurch bedingte Verlegimg der Hauptarbeit in die Schule
erfordert eine Verbesserung der Lehrmethode.
Verhandl. d. Ü. Jahresyersammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. Il6
3) Zur Erfailung der an Lehrer und Schüler zu stellenden For-
derungen sind unerläfsliche, wenn auch in ihrer Verwirklichung nach
den örtlichen Verhältnissen zu bemessende Vorbedingungen (aufser der
wünschenswerten Verminderung der Frequenz von Klassen und An-
stalten):
a. pädagogische Vorbildung der Lehrer;
b. bessere Stellung des Lehrerstandes in seinen gesamten äufseren
Verhältnissen;
c. Beschränkung des Fachlehrertums, gröfsere Verantwortlichkeit des
Lehrers für körperliches und geistiges Gedeihen seiner Zöglinge;
d. Pflege der Spiele und körperlichen Übungen, welche letztere als
tägliche Aufgabe zu bezeichnen sind, insbesondere also Verstärkung
und Hebung des Turnunterrichts, Erteilung desselben womöglich durch
Lehrer der Anstalt;
e. Begünstigung der Pflege des Körpers und der Erfüllung der
Forderungen der Schulhygiene, Kontrolle der letzteren durch einen Schul-
arzt, Unterweisung der Lehrer und Schüler in den Grundsätzen der
Hygiene, sowie in der ersten Hilfsleistung bei Unglücksfällen.
4) Der Unterricht im Freien ist für die Naturkunde, sowie für die
geographische und geschichtliche Heimatkunde auf alle Weise zu fördern."
Wenn wir nun nachforschen, was von diesen Forderungen erfüllt
worden ist, so zeigt sich, dafs das Ergebnis für die eigentlichen hygie-
nischen Forderungen ein klägliches war und ist; ihre Verwirklichung
scheiterte in erster Linie am Geldpunkt, denn das ist nicht abzuleugnen,
die Berücksichtigung der hygienischen Forderungen kostet Geld, viel
Geld. Sonst wären wir sicherlich auf diesem Gebiete viel weiter und
müfsten uns nicht mit der Versicherung wohlwollender Berücksichtigung
abspeisen lassen. Aber im übrigen ergab sich doch als praktisches
Eesultat der 90er Konferenz eine grofse Reihe von Änderungen. Sie
wissen alle, sehr verehrte Anwesende, dafs trotzdem die Klagen über das
höhere Schulwesen, ich meine jetzt über das System, nicht verstumimten,
imd dafs gerade von den neuen Bestimmungen und Einrichtungen viele
sehr abfällig beurteilt wurden.
Das hat denn Se. Majestät bewogen, von neuem in die Speichen
des Formalismus einzugreifen, eine zweite Schulkonferenz zu berufen, die
im Juni voriges Jahres getagt hat.
Zwei sehr erfreuliche Änderungen hat diese Konferenz zur Folge
gehabt: die Abschaffung der sogenannten Abschlufsprüfung und die Ver-
längerung der Pausen. Die Freude an einigen andern Beschlüssen wird
uns vorläufig noch durch den Widerstand, den mächtigen und vielleicht
erfolgreichen Widerstand, den gewisse Kreise ihrer Ausführung entgegen-
stellen, vergällt; aber Optimisten sehen doch mit froher Zuversicht in
die Zukunft — vielleicht ist es unserm Vereine beschieden, gerade durch
die Objektivität, die ihm die Mitgliedschaft aus den verschiedensten
Kreisen sichert, in hervorragender Weise mitzuarbeiten. Die „älteren"
Mitglieder unseres ly^ Jahre alten Vereins werden sich erinnern, dafs
wir auf unserer vorjährigen Versammlung eine Eesolution gegen die Ab-
schlufsprüfung beschlossen; wir können nur wünschen, dafs alle imsere
Beschlüsse von solch überraschendem Erfolg begleitet sein mögen, wie
8*
116 Verhandl. d. 11. Jabresversaminliiiig d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
dieser; wir muTsten uns beeilen, die Resolution einzureichen, sonst wäre
man unseren Wünschen zuvorgekommen. Lassen Sie ims das, hochver-
ehrte Anwesende, als ein gutes Omen für unsere Bestrebungen auffassen.
Was neben den beiden erwähnten Änderungen als ein Erfolg der
Schulkonferenz von 1900 zu begrüTsen sein wird, verbirgt uns zur Zeit
noch ein dichter Schleier; selbst die Erläuterungen zu den neuen Lehr-
plänen, nach denen wir seit Ostern unterrichten, sind noch imter der
Presse.
Aber die Verhandlungen sind inzwischen im Druck erschienen, und
an der Hand dieses Berichtes läfst sich ein Überblick über die neue
preuüsische Schulreform in Beziehimg zur Schulhygiene geben.
Was zunächst die Zusammensetzung der Schulkonferenz betrifft, so
waren dazu einberufen 34 Teilnehmer, darunter 6 Schulmänner ni}d ein
Arzt, unter den Schulmännern wiederum ein Vertreter der Naturwissen-
schaften. Sie gestatten, dafs ich mich mit der Konstatierung dieser
Thatsachen bescheide, ohne mich in Betrachtungen darüber zu vertiefen,
wie wohl die Stimmung z. B. in militärischen Kreisen sein würde, wenn
über eine Reform im Müitärwesen eine Konferenz von 34 Teilnehmern
beriete, von denen nur 6 dem Militärstand angehörten.
Freilich wird es auch Stimmen genug geben, die eine solche Zu-
sammensetzung gutheifsen, wie z. B. Herr Dr. v. Lade in Oeisenheim, der
nach der ersten Schulkonferenz schrieb: ,.Die Enttäuschung im Publikum
ist eine gewaltige, obgleich man von einem Tribunal, in welchem der
Mehrzahl nach die Beschuldigten in ihrer eigenen Sache zu Gericht
safsen, andere Entscheidungen nicht wohl erwarten konnte."
Wie 1890, so waren auch der neuen Konferenz Fragen zur Be-
ratung gestellt, im ganzen 10, von denen die sechste unserem besonderen
Gebiete galt. Sie lautete: „Inwieweit können an den höheren Schulen
die körperlichen Übungen (Turnen, Jugendspiele, Wassersport u. s. w.)
noch weiter gefordert werden?"
Sie ist als Frage 7 behandelt worden und hat folgende Beant-
wortung gefunden:
„1) Zur Förderung der körperlichen Uebungen empfiehlt es sich:
a. die Jugendspiele zu pflegen und ihre Ausübimg durch Einführung
von Spielstunden und vermehrte Beschaffung von Spielplätzen zu heben;
b. dem Sport, namentlich dem Wassersport, auch fernerhin besondere
Aufmerksamkeit zu schenken, imd
c* die bestehenden Vorschriften über den Turnunterricht durch wei-
tere Beschaffung von Turnhallen und Turnplätzen, durch Gewinnung einer
genügenden Zahl geprüfter Turnlehrer und durch Belebung des Interesses
von Lehrern imd Schülern am Turnen zur Durchfahrung zu bringen.
2) Es empfiehlt sich, in den höheren Lehranstalten Unterweisungen
über die erste Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen einzuführen."
AuTserdem gehören hierher noch aus der Beantwortung von Frage 9
die Thesen 3 , 4 und Ö , von denen die dritte über die Pensionierung
kranker Lehrer Wünsche äufsert; die vierte sagt: „Die Beschlüsse der
Dezemberkonferenz von 1890 über die Beschränkimg der Höchstzahl der
Schüler in den einzelnen Klassen werden in Erinnerung gebracht"; die
fiinfte lautet: „Der KgL Staatsregierung wird empfohlen, anzuordnen, dafs
Verhandl. d. Ü. Jahresversammlung d. AUgem. Dänisch. Vereines etc. 117
in den höheren Lehranstalten Unterweisung in der Hygiene unter Be-
nutzung geeigneten Unterrichtsmaterials erteilt wird."
Vorbereitet war diese Konferenz durch gutachtliche Äufserungen über
die vorgelegten Fragen, von denen diejenige über die Pflege des Turn-
unterrichts und was damit in Zusammenhang steht, von dem Oberlehrer
Wappenhans am Luisenstädtischen Bealgymnasium zu Berlin eingefor-
dert war.
Ehe ich auf dieses Gutachten und die Verhandlungen selbst eingehe,
gestatten Sie mir wohl, sehr verehrte Anwesende, einige allgemeine Ge-
sichtspunkte zu berühren.
Zunächst kann ich es nicht für richtig halten, dafs man die Schul-
reform auf die sogenannten höheren Lehranstalten beschränkt hat. Gerade
die hygienischen Forderungen müssen dazu fuhren, auch die Vorschulen
— so lange sie noch bestehen — mit in den Kreis der Untersuchungen
zu ziehen. Hier ' bei den Kindern im zartesten Alter müssen die Vor-
schriften der Hygiene besonders beachtet werden, zumal da das Kind
mit dem Eintritt in die Schule gemssermafsen den ersten Schritt in die
Öffentlichkeit thut. Zunächst mülste der Schularzt jedes in die Schule
eintretende Kind — selbstverständlich auch auf den Volksschulen — unter-
suchen, und aufserdem den Eltern auferlegt werden, einen Fragebogen aus-
zufällen, der u. a. etwaige erbliche Belastung erkennen liefse; das müfste
sich wohl durchfahren lassen, eine ähnliche Einrichtung besteht ja wohl beim
Kadettenkorps. Die ärztliche Untersuchung müfste beim Übergang in die
höhere Lehranstalt wiederholt werden; ich glaube bestimmt, dafs die viel-
beklagte Nervosität unserer Schulkinder weniger auf den höheren Lehr-
anstalten selbst, als bei den zarten Kindern in den ersten Schuljahren her-
vorgerufen, zum wenigsten der Grund dazu gelegt wird; auch auf die
Haltung beim Sitzen, auf die Schonung der Augen, auf geeignete Schul-
räume, Schulutensilien und Schulhöfe mufs nach meiner Ansicht in den
ersten Schuljahren am meisten geachtet werden, die noch zarten
Organe sind für gesundheitsschädliche Einwirkungen doch wohl
am empfänglichsten. Deshalb mufs auch die Überwachung der Schul-
räume, der Schulutensilien und der Schulhöfe der Aufsicht des Schul-
arztes unterstehen. Zugleich würden aber die Fragebogen Anlafs geben,
zweifelhafte häusliche Verhältnisse von vornherein in sorgfältige Be-
obachtung zu nehmen.
Nur ein Beispiel: Wieviele Jungen kommen schon kurzsichtig oder
gar mit der Brille in die Schule! Späterhin wird das dann auf Bechnung
der höheren Schulen geschrieben.
Freilich, das am schwersten wiegende Bedenken scheint mir zu sein,
dafs auf den Vorschulen in drei Jahren geleistet werden mufs, was auf
den Bürgerschulen und Mittelschulen in vier Jahren erreicht wird; das
fahrt von vornherein zu einem nervösen Vorwärtsdrängen, das gewifs
nicht geeignet ist, die gesundheitlichen Bücksichten in hinreichendem
Mafse zu beachten.
Wie aber die Schulreform den Unterbau berücksichtigen mufs, so
mufs auf der anderen Seite das Verhältnis zur Universität geregelt
werden, die Universitäten und technischen Hochschulen müssen ihre An-
sprüche den unter Beachtung der hygienischen Forderungen aufgestellten
118 Yerhandl. d. TL. JahreBversammlimg d. Allgem. Dentscli. Yereines etc.
Zielen der höheren Schulen anpassen, wobei sie nicht aus den Augen
verlieren sollen, dafs die höheren Schulen allgemeine Bildungsstätten
sind, und dals nicht jeder Abiturient und Studierende späterhin ein
Förderer der Wissenschaft zu werden berufen ist.
Ein zweiter Punkt, der mir ernster Erwägung wert zu sein
scheint, ist der, dafs in den Eragen des Unterrichts imd besonders auch
in den hygienischen Eragen viel zu viel generalisiert wird. Dieses Ver-
allgemeinem führt dazu, dafs Eorderungen aufgestellt werden, die sich
in der That allgemein nicht verwirklichen lassen, die aber auch in der
Allgemeinheit, mit der sie befürwortet werden, gar keine innere Berech-
tigung haben. Dadurch wird weiterhin leider bewirkt, dafs auch viele
berechtigte Eorderungen nicht zur Anerkennung gelangen. Vieles z. B.,
was in grofsen Städten beachtet und geregelt werden mufs, ergiebt sich
in kleinen Städten aus den natürlichen Verhältnissen ganz von selbst;
dies dürfte gerade für viele hygienische Eorderungen gelten. Das hat
auch Dr. Güfsfeldt auf der 90er Konferenz zugegeben; er sagte: „Ich
möchte Gelegenheit nehmen, um mein Bedauern darüber auszusprechen,
dafs wir, wenn wir uns schriftstellerisch mit solchen Sachen beschäftigen,
sehr leicht in eine gewisse Einseitigkeit verfallen imd von den grofsen
Städten auf kleine exemplifizieren."
Dieses Verallgemeinern, dieses Schematisieren hat weiter noch den
Nachteil, dafs Eorderungen erhoben werden, deren Beachtung einer ver-
schwindenden Minorität zugute kommen würde, während die grofse
Majorität geradezu darunter zu leiden hätte. Es ist das überhaupt ein
sehr bedauerlicher Zug unserer Zeit, das Eecht der Minorität in den
Vordergrund zu stellen; dabei darf nicht vergessen werden, dafs die Zu-
friedenen schweigen, die Unzufiiedenen aber reden, meist sehr laut reden.
Drittens ist davor zu warnen, allzuviel Eeglement einzuführen; es
bleibt zu bedenken, dafs alles, was offiziell von der Schule ausgeht, doch
mehr oder weniger als ein lästiger Zwang empfunden wird; ich kann
wenigstens nicht finden, dafs die Lust am Spielen, seit es von der Schule
aus betrieben wird, sich sonderlich entwickelt hätte. Ereilich, Zeit und
Gelegenheit und Anregung — auch zu freiwilligen körperlichen
Übungen — mufs den Schülern geboten werden, aber dann soll man
ihnen die notwendige Ereiheit gewähren, die nun einmal dazu gehört,
wenn man etwas mit Lust und Liebe betreiben soll.
Und da möchte ich gleich die Gelegenheit benutzen, um noch auf
das Entschiedenste dafür einzutreten, dafs die Lehrerschaft von der weit-
gehenden Verantwortlichkeit befreit wird, die ihr jetzt aufgebürdet wird
und vielleicht in erster Linie die Lehrer abgeneigt macht, freiwillige
Leistungen in dieser Hinsicht zu übernehmen. Nicht nur die Eltern,
nein, auch die vorgesetzten Behörden erschweren durch die Verantwor-
tung, die sie dem Lehrer aufladen, die Eörderung der Spiele, freiwillige
Tumübimgen, Schul-Spaziergänge ungemein. Als wenn nicht der Lehrer
selbst schon alles thun würde, was in seinen Kräften steht, um Unglücks-
fälle zu vermeiden; als wenn es ihm nicht selbst schon peinlich genug
wäre, wenn etwas passiert; nein, da mufs auch noch ein Bericht geliefert
werden, und wenn der Bericht auch noch so sehr die Schuldlosigkeit des
Lehrers erweisen würde, ganz sicher würde in der folgenden Verfügung
Veriiandl. d. n. Jahresyersaminlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 119
ein Passus kommen, der anfinge: „Jedoch mufs bemerkt werden u. s. w."
Das ist für einen gewissenhaften Menschen nicht erfreulich, und er geht
lieber der Gelegenheit, sich bei allem guten Willen auch noch der Gefahr
eines Tadels auszusetzen, ganz aus dem Wege.
Zum Schlüsse meiner eigenen Betrachtungen, die ich mir einzuschalten
erlaubt habe, möchte ich mich dann an den Verein selbst wenden und
die Bitte aussprechen, nicht zu viel auf einmal zu unternehmen und zu
verlangen, sondern sich vielmehr jedesmal auf die Erreichung eines be*
stimmten Zieles zu beschränken, und dabei immer im Auge zu behalten,
was als allgemeine Forderung ftir alle Verhältnisse aufzustellen und was
im einzelnen zu verlangen ist: und zu vermeiden, dafs aUzuviele Vor-
schriften die gute .Wirkung des Gewollten wett machen.
Als die nächste Aufgabe för unseren Verein möchte ich persönUch
— neben der Schularztfrage — die Regelung der Ferien anempfehlen,
damit in Verbindung die Verlegung des Beginnes des Schuljahres nach
den grofsen Ferien, also etwa Mitte September. Das ist eine eminent
wichtige Frage, aber auch eine solche, bei der sich wirklich ein Erfolg
erzielen läfst, denn — ich mufs das noch einmal hervorheben — sie
würde sich ohne Kosten durchführen lassen; man würde also hier den
hygienischen Forderungen ein weitgehendes Entgegenkommen zeigen können,
sich nicht nur auf die Versicherung einer wohlwollenden Berücksichtigung
zu beschränken brauchen.
Doch zurück zum Berichte über die Schulreform.
Der Vor -Berichterstatter geht in seinem Referat auch von der
90er Konferenz aus, vergleicht die Thesen der Konferenz, die ich Ihnen
am Anfang mitgeteilt habe, mit dem Erfolg und beklagt, dafs nur wenig
erreicht worden ist: nämlich nur die dritte Turnstunde, die Pflege der
Jugendspiele und die Begünstigung des Sports.
Er spricht sich dagegen aus, dafs Tumstimden zwischen wissenschaft-
liche Stunden gelegt werden — was ja wohl jetzt allgemein als unrich-
tig anerkannt wird — , verlangt, dafs auch in dieser dritten Stunde wirk-
lich geturnt wird, und dafs neben den 3 Turnstunden noch besondere
Spielstunden eingerichtet werden. Dazu müssen geeignete Spielplätze
geschaflFen, Spielvereinigungen unter den Schülern auf jede Weise gefordert
werden.
Die Zurückhaltung der Lehrerkollegien scheint ihm nur mit der
Entschädigungsfirage eng zusammenzuhängen, ich habe schon auseinander-
gesetzt, dafs sie mir zimi guten Teil mit der übergrofsen Verantwortlich-
keit zusammenzuhängen scheint.
AUe Arten Sporte will er neben den Spielen gejpflegt wissen: Rad-
fahren, Rudern etc. Ich will hier gleich bemerken, dafs in den Ver-
handlungen auch der Segelsport sehr empfohlen wurde; ich möchte den
betreffenden Herrn bitten, doch jeder Stadt einen hinreichend grofsen
See und die nötigen Segelboote, Bootshaus und was sonst noch dazu ge-
hört, zu stiften.
Sehen Sie, sehr verehrte Anwesende, das ist so ein Punkt, wo man
von mafslosen Forderungen sprechen kann. Ist irgendwo Gelegenheit
zum Segelsport, ist die nötige Anzahl reicher Jungen resp. Eltern da,
so ist es ja recht schön und gut, wenn es auch wirklich zur Ausübung
120 Yerhandl. d. II. Jahresversammlimg d. Allgem. Dentsch. Yereines etc.
dieses Sports koimnt; die Schule wird gewlfs keinen Einspruch erheben.
Aber etwas, das doch nur unter ganz auTsergewöhnlichen Verhältnissen
möglich ist, das darf man doch nicht in ein allgemeines Programm mit
aufnehmen; ich wenigstens kann das weder fEkr sachlich, noch überhaupt
für anregend halten.
Das Beferot fordert femer die Anstellung von Schulärzten; dem
stimme ich durchaus zu und ich habe Ihnen auch schon mitgeteilt, wie
ich mir einen Teil der Thäügkeit dieser Ärzte denke.
Femer wird gefordert:
Unterweisung der Lehrer in der Hygiene — und zwar auf der
Universität, natürlich auch eine Prüfung darin;
Ausbildung der Lehrer in der ersten Hilfe bei. Unglücksfällen —
und zwar auf der Universität, natürlich auch eine Prüfung darin.
Li beiden Beziehungen liefse sich durch Kurse während des Seminar-
oder Probejahres wohl alles Wünschenswerte auch ohne Prüfung er-
reichen.
Schliefslich werden verlangt:
Beseitigung des Pachlehrerturnens,
tägliche Pflege der Leibesübungen,
zahlreiche Fufswanderungen,
mindestens alle 4 Wochen ein gröfserer Ubungsmarsch, Veraustal-
tung von sportlichen Wettspielen mit Preisen.
Diesen Forderungen, in dieser Allgemeinheit aufgestellt, kann
meiner Überzeugimg nach die Schule nicht nachkommen, oder die
wissenschaftlichen Ziele müfsten ganz bedeutend eingeschränkt werden,
wozu schwerlich die mafsgebenden Kreise ihre Zustimmimg' geben werden.
Man sollte deshalb im Eahmen der heutigen wissenschaftlichen Lehrpläne
mit solchen Forderungen auch nicht kommen; sie erwecken nur Unzu-
friedenheit imd — wie das vorhin erwähnte Beispiel, das durchaus nicht
vereinzelt dasteht — noch weiter gehende Wünsche, die über jedes ver-
nünftige Ziel htuausschiefsen.
Ein derartiges Beispiel möchte ich mir erlauben noch anzufahren.
Auf der 90er Konferenz verlangt Dr. Gröring:
„Jeder Lehrer muTs wissen, wie Ermüdung des Gehirns, Nerven-
überreizung, Blutarmut, Muskelschwäche und Sinnesschädigung bei den
Schülern zu verhüten ist."
Ich erlaube mir einen leisen Zweifel, ob alle Ärzte das wissen;
einen grofsen Zweifel, ob dieses Wissen irgend einen Zweck hat, wenn
nicht auch die Mittel gewählt werden, z. B. Blutarmut zu verhüten.
Und dann dürfte das doch wirklich Sache des Hauses und nicht der
Schule sein. Man mufs doch bei aller idealen Auffassung seiner Vor-
schläge die Möglichkeit ihrer Bealisierung nicht aus dem Auge lassen.
Über die Verhandlungen selbst auch nur in einigermafsen orientie-
render Weise zu berichten, verbietet die knapp bemessene Zeit; wie leicht
man gerade auf dem Gebiete der hygienischen Fragen im Laufe einer
Diskussion ins Uferlose gerät, dafür ist ein anmutiges Beispiel der
Teilnehmer, der versichert, er werde seinen Dank dafür, dafs er zu
Worte gekommen, durch die Kürze seiner Worte darbringen, und nach
30 Minuten mufs er durch die Glocke des Präsidenten erinnert werden,
Verhandl. d. ü. Jahresversainixiluiig d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 121
dafs er die zulässige Zeit überschritten habe, was ihn nicht abhält, noch
einiges mehr zu sagen. Die am Anfang meiner diesbezüglichen Ausfüh-
rungen mitgeteilte Antwort der Konferenz enthält ja auch den Extrakt
dieser Verhandlungen.
Hochverehrte Anwesende, nur in ganz grofsen Zügen habe ich
Ihnen ein Bild von der Stimmung der letzten Konferenz in Bezug auf
hygienische Fragen geben können; die Diskussion wird ja gestatten,
manche Einzelheiten noch weiter zu erörtern. Aber dafs Interesse für
diese Frage vorhanden ist, dafs von Sachkundigen und Laien alles er-
örtert wird, was in Betracht kommt, geht aus den Thesen der 90er Kon-
ferenz nicht minder, wie aus denen der vorjährigen klar hervor.
Gestatten Sie mir zimi Schlufs nur noch einmal die Bitte aus-
zusprechen, bei der Erörterung weniger persönliche Wünsche, persönliche
Einzelerfahrungen vorzubringen, solche nicht zu generalisieren, damit
nicht allzuviel, ja unmögliches verlangt wird, sondern unter Berücksich-
tigung aller einschlägigen Verhältnisse sich auf die Forderungen zu be-
schränken, die in der That Aussicht auf Verwirklichung haben.
Wenn femer unser Verein die Schulgesundheitspflege auf seine
Fahne geschrieben hat, so darf doch nicht vergessen werden, dafs gerade
hier die Schule ohne das Haus machtlos ist. Die Schule mufs es ent-
schieden ablehnen, allein verantwortlich gemacht zu werden; gerade in
dem Übermafs der Verantwortlichkeit, die man der Schule zumutet, ist
ein Grund für die Überbürdung — falls sie besteht — zu suchen.
Nicht nur bei der Regierung und der Lehrerschaft, nein, auch in
Haus und Familie müssen Interesse und Verständnis für die Gesund-
heitspflege der Jugend geweckt werden.
Ernährung, Kleidung, Reinlichkeit, Abhärtung, überhaupt gesund-
heitsgemäfse Gewöhnung gehören zur häuslichen Gesundheitspflege, dafür
ist die Familie verantwortlich. Wenn dafür gesorgt wird, dafs diese
Dinge in Ordnung sind, werden viele Forderungen an die Schule von
selbst zum Schweigen kommen; man darf nicht alles Heil von der Schul-
gesundheitspflege erhoffen.
Ich schliefse mit dem Wunsche, dafs unser Verein es verstehen
möge, alle Kreise für seine Bestrebungen zu gewinnen, und dafs wir alle,
die wir in der körperlichen und geistigen Pflege einer in Kraft und
Gesundheit heranwachsenden Jugend unsere vornehmste Pflicht sehen,
in einmütiger Arbeit zusammenwirken zum Wohle der Jugend, zum Heil
des Vaterlandes.
Vorsitzender:
Der Vorstand des Verbandes Deutscher Architekten und Ingenieur-
vereine läfst sein Nichterscheinen entschuldigen; er hat gebeten, Herrn
Geheim. Oberbaurat Welzin als seinen Vertreter hier anzunehmen. Ich
erteile dem Herrn das Wort.
Geheim. Oberbaurat von Weltzien:
Ich habe den Auftrag, namens des Verbandes Deutscher Architekten-
und Ingenieurvereine für Ihre Einladung zu danken und Ihnen zu ver-
sichern, dafs wir die Ziele Ihres Vereins voll zu würdigen wissen und
122 Verhandl. d. 11. JahreBversammlnng d. AUgem. Deutsch. Vereines etc.
Ihre Beschlüsse, soweit sie in das Gebiet unseres Vereins fallen, vollauf
berücksichtigen werden. (Beifall.)
Vorsitzender:
Ich habe mitzuteilen, dafs Begrüfsulifgstelegramme von Herrn Haupt-
mann von Ziegler -Rummelsburg bei Berlin, Herrn Rektor Professor
Dr. Recknagel -Augsburg und Herrn Reichstags- und Landtagsabgeord-
neten Sittart- Aachen eingetroffen sind.
Ehe wir zur Diskussion des soeben gehörten Vortrags schreiten,
möchte ich die Herren Redner bitten, die Redezeit von zweimal fEinf
Minuten nicht zu überschreiten. Dem Herrn Referenten steht nach Be-
endigung der Diskusssion eventuell ein kurzes Schlufswort zu.
Landtagsabgeordneter Oberlehrer Wetekamp-Brelau:
Ich möchte bitten, erst die Thesen des Herrn Dr. Kor man zu ver-
lesen und dann erst zur Diskussion zu schreiten.
Vorsitzender:
Ich bitte den Herrn Schriftführer, Direktor Dr. Beyer, die Thesen
zu verlesen.
Direktor Beyer:
Die Thesen des Herrn Dr. Kor man lauten: (Zu vergleichen den
Anhang zu Dr. Eormans Vortrag.)
Referat des Herrn Dr. med. Korman^ prakt. Arzt^ Leipzig.
Hochansehnliche Versammlung!
Wenn ich als Arzt über das vorliegende Thema spreche, so scheue
ich mich nicht, gleich von vornherein zu erklären, dafs ich die 12 bis
13 Schuljahre unserer Kinder etwas einseitig nur mit dem Auge des
Arztes ansehe; hat doch die Schule bisher auch ihrerseits diese Jahre
nur zu einseitig mit den Augen des Schulmannes angesehen. Wir Ärzte
sind sowohl den Eltern, wie dem Staate gegenüber gerade so verant-
wortlich für das uns anvertraute Gut, wie die Schule, und wie diese auf
ihrem Rechte besteht und bestehen mufs, so wir auf dem unsern. Es
ist zu hoffen, dafs diese beiden, scheinbar jetzt oft gegensätzlichen Par-
teien sich nach und nach finden und gemeinsam den Schulwagen vor-
wärts ziehen werden. Vorläufig gelten wir Ärzte — das dürfen wir
uns nicht verhehlen — als unbequeme Mahner und Eindringlinge in
wohlumhegte Gefilde, die einzig vom Schulmann beansprucht werden; so
alt wie die Schule ist, so lange haben die Ärzte einen Einflufs auf diese
erstrebt, die Schule ihn aber zurückgewiesen. Bezeichnete doch eu). sonst
hochgeschätzter Schulmann diese Bestrebimgen als Dilettantismus und die
Beteiligten als nicht recht zurechnungsfähig. Aber gerade seine Bezug-
nahme auf das Heerwesen hätte ihn darüber belehren sollen, dafs die
selbstbewufste und rücksichtslose Heeresleitung sich in hervorragender
Weise der Mitwirkung der Hygieniker versichert hat und diesen einen
£Tofsen Einflufs auf ihre Entschliefsimgen und Einrichtungen gestattet
Überall sucht man den Rat des ärztlichen Sachverständigen; die für ihre
Verhaoidl. d. IT. Jabresversannnliing d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 123
Eechte so empfindlichen Stadtverwaltungen gestehen offen, dafis sie ohne
die Mitarbeit der Hygieniker nicht die Aufgaben hätten lösen können, die
die riesigen Anforderungen der Zeit an sie stellten, und man versteht
eigentlich nicht recht, wanmi einzig die Schule den Hygieniker nur als
lästigen Fremdkörper empfindet und in eiue Art von Nervosität gerät,
wenn dieser seinen Platz an der Schulsonne verlangt — hat doch
nirgendwo der Hygieniker die Sucht zum Alleinherrschen und zum Ein-
griff in die Eechte anderer hervorgekehrt. Und sollte die Schule sich
nicht von einer schweren Bürde entlastet fühlen, wenn sie die Verant-
wortung für die Gesundheit der Schüler auf die Schultern abwälzt, die
sie zu tragen vermögen? Und dafs es nicht unfruchtbare Nörgelei und
vielgeschäftige Wichtigthuerei ist, was die Ärzte zum Eingreifen zwingt,
das lehrt ein Blick in ein Lehrbuch der Schulgesundheitspflege, es zeigt,
welch eine Summe von positiver Arbeit auf diesem Spezialgebiet ärzt-
licher Beobachtung imd wissenschaftlicher Thätigkeit geleistet wird.
Und warum trage ich Ihnen denn all diese hinreichend bekannten
Thatsachen vor? Man hatte unbegreiflicher Weise für die vorjährige
Schulkonferenz, zu der man Vertreter der verschiedensten Berufe geladen
batte, keinen einzigen Arzt und Hygieniker von Fach hinzugezogen. Und
doch kamen Fragen zur Erörterung, die ohne diesen sachverständigen
Beirat überhaupt nicht zu klären und zu entscheiden waren, so imter
anderm Frage VI: Inwieweit können an den höheren Schulen die
körperlichen Übungen (Turnen, Jugendspiele, Wassersport u. s. w.) noch
weiter gefordert werden? Bei der ErtJrterung über den Antrag des
hygienischen Unterrichts kam es schliefslich dahin, dafs ein Chemiker
nur deswegen sich über diese Materie zu äufsem bereit erklärte, weil ein
berufener Sachverständiger in der Konferenz nicht zugegen wäre. Schon
allein der Umstand, dafs man glaubt, eine Schulkonferenz ohne Zuziehung
von ärztlichen Sachverständigen machen zu können, läfst die Notwendig-
keit der Gründung unseres Vereins gerechtfertigt erscheinen. Man hat
den Eindruck, als fürchte man, unangenehme Wahrheiten von ärztlicher
Seite zu hören und die Öffentlichkeit über gesundheitliche Schäden an
den Schulen aufzuklären. Ich denke, dafs die Thätigkeit des Vereins
diese Vogel-StrauTs-Politik unmöglich machen wird, und dafs die verant-
wortlichen Berater der nächsten Schulkonferenz — und diese wird
kommen — eine Beiseitesetzung der Hygieniker verhüten werden.
Ich kann bei der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Zeit nur
einige der auf der Jimikonferenz erörterten Fragen herausgreifen und sie
daraufhin prüfen, inwieweit sie den hygienischen Wünschen entsprechen.
Das Gynmasium mit seiner Konzentration um die alten Sprachen
hatte mehr und mehr dem Andrängen derer Bechnung getragen,, die ein
Anpassen an die modernen Zeitbedürfnisse verlangten, und von diesen
neuen Lehrstoffen hatte es immer mehr zwischen seine wenigen Lehr-
fächer eingeschachtelt; so war die Höhe der Wochenstunden schliefslich
auf 320 angeschwollen. Sie wurden nach dem epochemachenden Aufsatz
Lorinser's in der Medicinischen Zeitung vom 8. Januar 1836 „Zum
Schutze der Gesundheit in den Schulen" auf 270 verringert; trotzdem
kamen die Klagen wegen Überbürdung in Eltern- und Arztekreisen nicht
zur Euhe. Sie wurden als berechtigt anerkannt und in den Lehrplänen
124 Yerhandl. d. n. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Yereines etc.
von 1892 wurde die wöchentliche Stundenzahl auf 262 verkürzt — eine
Operation, die das überbürdete Schülergehim wenigstens von dem
schlimmsten Blutandrang befreite. Eine endgiltige Lösung der Über-
bürdungsfrage brachte diese mechanische Zahlenkur freilich nicht. An
die Stelle der Quantitätsüberbürdung trat nun die der Qualität.
Bisher waren, wie oben schon erwähnt, die alten Sprachen das Zentrum,
um das sich als Unterrichtsgegenstände 11. Ordnung die übrigen Fächer
gruppierten. Jetzt sind die alten Sprachen nicht mehr Über-, sondern
nebengeordnet, es können minderwertige Leistungen in ihnen durch gute
Leistungen in anderen Fächern kompensiert werden — was früher nicht
anging. 1856 enthielt der Lehrplan noch 128 lateinische und griechische
Unterrichtsstunden, 1882 117 und 1892 nur noch 98 Stimden; der
heutige Gymnasiast hat demnach 1200 Stunden weniger in alten
Sprachen während der Schulzeit abzusitzen, als sein ehemaliger Kom-
ndlitone. Andererseits hatte er früher in Deutsch, Französisch und Ge-
schichte nur 62 Stunden, jetzt 71, also 360 Stunden mehr während
seiner Gymnasialzeit, ebenso sind den Naturwissenschaften und der
Mathematik in dieser Zeit 8 Stunden, d. h. 320 in neun Jahren, zugelegt.
Die alten Sprachen sind von den neuen Lehrfächern langsam erstickt
worden. Aus dem multum ist das gefährliche multa geworden. Das
aufkommende Fachlehrertum machte diese zerstreuende und zersplitternde
Unterrichtsmethode nur noch gefährlicher, jeder verlangt gerade für sein
Fach volle Hingabe und Anstrengung, und gerade die besten Lehrer be-
anspruchen die höchste Anspannung. Das alte Gymnasium mit seiner
geringen Zahl von Lehrfächern und seinen oft schlechten Lehrern, bei
penen man träumen, ausruhen oder Unfug treiben konnte, gestattete dem
Einzelnen, wie der ganzen Klasse geistige Euhepausen und körperliche
Entspannung; würde man heute wieder die Ermüdungsimtersuchungen
nachprüfen, so würde man kaum eine Skala von Unterrichtsstunden auf-
stellen können, die in ihrer Ermüdungsfähigkeit sich abstufen. Dieser
— wenn ich sie so nennen soll — multiplen Überbürdung sucht man
zu begegnen durch eine Verbesserung der Unterrichtsmethoden, man will
einen Nürnberger Trichter erfinden, durch den die Lehrstoffe mühelos in
das Schülerhim hineingegossen werden. Es ist ja zu bewundem, wie
weit man schon in diesen Methoden gekommen ist: Kommentare, Spezial-
vokabularien, Geschichtsauszüge u. s. w. geben in fertig vorgekauter Zu-
bereitung, was der Schüler sich früher durch eigenes Nachdenken selber
erarbeiten mufste und sich so zum bleibenden Eigentum erwarb. Jetzt
läfst die mechanische Gedächtnisarbeit mehr und mehr die Seele des
Schülers verstummen und verdummen. Drei Jahre lang z. B. mufs er
Vokabeln, grammatikalische Regeln, Deklination, Konjugation und Syntax
pauken, sinn- und zusammenhanglose Sätze aus dem Deutschen ins
Lateinische und umgekehrt übertragen, ehe er, müde und gleichgiltig
geworden, mit der Lektüre beginnen kann; so wandert er in dürrer
Geistes wüste, und nur eine wesenlose Fata morgana narrt das gequälte
Gehirn.
Und wozu diese ganze antike Dressur und Frisur? Sind wir noch
dieselben Deutschen, wie vor einem Menschenalter, denen Homer und
Horaz das Herz füllte? Was ist uns heute Hecuba? Lnmer weniger
Yerhandl. d, Ü. Jahresversammlting d. AUgem. Deutsch. Yeremes etc. 125
verfangen die stolzen Beden von der allein seligmachenden Kraft klassisch*
ästhetischer Bildung und vom unersetzlichen Wert der grammatikalisch-
formalen Schulung, eine Los-von-Bom-Bewegung ist überall im Wachsen:
die bildende Kunst wandte dem klassizistischen Epigonentum zuerst den
Bücken — eine yölHg moderne und nationale Kunstanschauung, die
nichts mehr mit dem antiken Stü verbindet, rang sich wildbefehdet in
die Höhe; die dramatische Litteratur wandte sich von der aristotelischen
Schablone zu neuen ästhetischen und technischen Idealen; der Architektur
wurden Aufgaben gestellt, die mit dem alten Schema nicht zu lösen
waren. So sehen wir, trotzdem das moderne Greschlecht durch das Gym-
nasium hindurchgegungen ist, nach und nach ein langsames Hinwelken
der alten Ideale. Gefühlvolle Seelen mögen es bedauern, dafs manch
goldener Schimmer, an dem das Herz so lange gehangen hat, verblafst,
aber für das Verlorene tauschen wir aus dem nationalen Mutterboden
neue Kräfte ein.
Wie eine reife Frucht mufste unter diesen Verhältnissen die Gleich-
berechtigung der humanistischen und realen Schulen vom Baume der
Entwicklung fallen. MiCstrauisch und ängstlich zugleich beobachteten die
Vertreter der klassischen Bichtung diese Wandlung der Geister und die
weitschauendsten ahnten wohl schon die nahende Götterdämmerung. Um
überhaupt das Gymnasium vor der neuen Zeit zu retten, wählte man,
vor die Wahl gestellt, entweder die traditionelle Organisation oder die
traditionell privilegierte Stellimg des Gymnasiums aufzugeben, das letztere;
der Gymnasialverein, die Vertretung der humanistischen Orthodoxie,
stimmte am 5, Juni 1900 in Braunschweig der Gleichberechtigung zu
und ebenso einstimmig nahm am nächsten Tage die Schulkonferenz den
Antrag an: „Wer die Beifeprüfung einer neunklassigen Anstalt bestanden
hat, hat damit die Berechtigung zimi Studium an den Hochschulen und
zu den entsprechenden Berufszweigen für sämtliche Fächer erworben."
Freilich, noch sind aus den Konferenzbeschlüssen keine Thaten ge-
worden, fast scheint es, als ünge man an, den schnellen Entschlufs zu
bereuen, das alte Versteckspiel beginnt wieder; nur gleichwertig, nicht
gleichberechtigt sollen die Bealanstalten sein — aber eines vergifst
man bei dieser Taktik des Fabius Cunctator:- die Eltern, — ihnen hat
man das gelobte Land gezeigt, und sie werden sich nicht 40 Jahre in
der Wüste herumführen lassen, sie wird man nicht wieder mit ab-
schwächenden Verordnungen und Vertröstungen abspeisen können, nach-
dem der Kaiserl. Erlafs vom 26. November vorigen Jahres bereits für
den jüngsten Ostertermin volle Gleichberechtigung hoffen liefs.
Man weifs, dafs die Juristen, in der Sorge um ihre allmächtige
Stellung, die Hauptseele des Widerstandes sind, liest man aber ihre Gut-
achten über die Gleichberechtigung, so staunt man über die fadenschei-
nigen, wortreichen Gegengründe, durchschlagende Gegenbeweise vermögen
sie nicht vorzubringen; können die Pandekten wirklich nur in der Ur-
sprache gelesen werden, so lasse man die Studierenden das bischen
dazu nötige Latein lernen, wie der Mediziner erst auf der Universität
Ajiatomie und Physiologie lernen mufs, ehe er an den kranken Menschen
herantreten darf. Und dafs man Jura studieren kann, ohne die
Verba in fit gelernt zu haben, dafür giebt es Beispiele. Und die
126 Verhandl. d. II. JahreBv^rsammlang d. Allgem. Dentscli. Vereines etc.
Mediziner? Sie müfsten ja gegen ihr eigen Fleisch und Blut wüten,
wenn sie den Bealanstalten die Gleichberechtigung absprechen wollten,
ihre Zukunft liegt auf diesen Schulen; nur die übergrofse Angst vor der
Überfallung des Standes und die berechtigte Sorge vor einer Minder-
wertung, wenn die Juristen allein das Gyninasialmonopol behalten, hat
die ärztlichen Standesvertretungen zu einer Stellungnahme gegen die
Gleichberechtigung gezwungen.
Auch wenn man noch einige Bleigewichte an die Gleichberechtigungen
hängt in Form von Ergänzungsprüfungen oder Vorseminarien, wird man
niemanden von den Realanstalten abschrecken, man wird nur eine neue
Belastung und Examensquälerei einführen, ohne durch diesen lateinischen
oder griechischen GedächtnisdriD eine Kenntnis der Antike oder Liebe zu
ihr zu erwecken. Ist es notwendig, dafs der Mediziner die alten Fach-
schriftsteller kennen lernt — und eine historische Grundlage kann diesem
Studium nur nützen — , so genügen gute Übersetzungen und Kompendien,
für Studienzwecke sind diese dem Lesen in der Ursprache sogar vorzu-
ziehen; und wenn man meint, der Mediziner verstände dann seine eigenen
lateinischen imd griechischen Fachausdrücke nicht mehr, so ersetze man
diese meist völlig veralteten Namen durch deutsche Bezeichnungen, wie
es z. B. Prof. Strümpell in seinem Lehrbuch der inneren Krankheiten
bereits erfolgreich versucht hat.
Im übrigen überlasse man es doch den Universitäten, wie sie sich
mit dem verschieden vorgebildeten Studentenmaterial abfinden werden, sie
werden schon Mittel und Wege für diese neuen Anforderungen finden.
Einen Beweis der zu erwartenden Anpassungsfähigkeit haben bereits die
technischen Hochschulen gegeben; ihre Vertreter haben erklärt, dafs selbst
im Zeichnen nach einigen Semestern keine Unterschiede zwischen Gym-
nasiasten und Realschülern zu finden sind. Sollten aber diese Ergänzungs-
prüfungen doch angeordnet werden, so werden sie, nachdem sie ihre
Schuldigkeit als Abschlagszahlung an die Verlustträger der klassischen
Richtung gethan haben, das Schicksal der jüngst beseitigten Abschlufs-
prüfungen teilen — sie werden wieder verschwinden.
Die Frage der Prüfungen führt mich auf eia Thema, das zwar auf
der Junikonferenz noch nicht erörtert wurde, das aber bis zur nächsten
Schulkonferenz reif zur Ernte sein wird; ich meiue die Beseitigung der
Abiturientenprüfung. Wie bekannt, ist diese durch das Königl. Edikt
vom 23. Dez 1788 eingeführt; ausdrücklich bezeichnet es als seine Ver-
anlassung, dafs sehr häufig die für das Studium bestimmten Jünglinge
ohne gründliche Vorbereitung, unreif und unwissend zur Universität eilen.
Sie ist demnach eingeführt worden, weil eine grofse Zahl damaliger
Schulen, die nicht unter dem Protektorate staatlicher Behörden standen,
nicht die Sicherheit gleichmäfsiger Leistungen und genügender Lehr-
kräfte boten. Sie diente also zur Kontrolle der Schulleistungen und der
Lehrerschaft. Darum fafste das Edikt das Resultat der Prüfung als
nicht verhängnisvoll für den Schüler auf, sondern es bestimmt: „Keines-
wegs soll Unreifen der Zutritt zur Universität verboten werden, sondern
nur auf seine Schwächen soll er aufmerksam gemacht werden, um ihn
von unüberlegten Schritten abzuhalten und zu gröfserem Fleifse zu er-
muntern." Zum grofsen Teile hat auch heute noch die Abiturienten-
Verhandl. d. 11. Jahresversammlting d. AUgem« Dentsch. Vereines etc. 127
prüfung den Charakter einer Schulkontrolle. Sagt doch das vom
12. Januar 1856 datierte Reskript über die Abiturient enprüfung ganz
offenherzig: „Die Prüfung hat nicht mehr auszumittehi, ob der Abiturient
den Grad der erforderlichen Schulbildung erreicht hat, darüber muTs das
Urteil der Lehrer bereits feststehen; das Examen ist nur dazu da, dieses
Urteil vor dem Kommissar der Aufsichtsbehörde zu rechtfertigen." Der
Aufsichtsbehörde stehen aber noch andere Wege offen, sich ein Bild von
den Schulleistungen zu machen; man möge eine gröfsere Zahl von Kom-
missaren anstellen und diese zu häufigeren Schulbesichtigungen verpflich-
ten; oder sollte das aus finanziellen Gründen schwer angängig sein, so
möge die Schule sich gerade so wie die anderen höheren Berufsstände
an die Zuziehung des Laienelementes gewöhnen. Die Juristen haben ihre
Schöffen- und Schwurgerichte, die Theologen ihre Synoden und Kirchen-
vorstände, die Arzte ihre Gesundheitskonmussionen, warum sollten die
Schulmänner nicht auch Laienausschüsse dulden?
Es würde das nur dazu fahren, zwischen Schule imd Elternhaus
Beziehungen anzuknüpfen, die jetzt leider vielfach fehlen, und ein Ver-
ständnis filr die beiderseitigen Wünsche anbahnen und manche Ver-
bitterungen beseitigen.
Man hat die pädagogischen imd hygienischen Schäden des Abi-
turientenexamens auch anerkannt, man hat Erleichterungen der verschie-
densten Art angeordnet, obschon z. B. die Dispensation von der münd-
lichen Prüfung so lange hygienisch wertlos ist, als man dem Abiturienten
das erfreuliche Besultat erst am Tage der Prüfung selbst mitteilt. Trotz
dieser Erleichterungen*) bleibt dies Examen eine unnütze, für viele nicht
ungefährliche Quälerei; das jugendliche Nervensystem ist der gewaltigen
Anspannung, die die wochenlangen Vorbereitungen imd die Prüfungen
selbst verlangen, oft nicht gewachsen; Schlaflosigkeit, Appetitmangel,
Kopfdruck, zimehmende Blässe, Gewichtsabnahme sind die uns Ärzten
wohlbekannten Symptome der Abiturientenkrankheit, Brom, Antipyrin
und Eisen müssen verordnet werden und schliefslich ist ein verbummeltes
erstes Semester die natürliche Reaktion des gemifshandelten Gehirns.
Und alles das, obschon auch ohne Examen die Schule zu beurteilen ver-
mag, ob ein Schüler, den ein ganzes Lehrerkollegium neun Jahre lang
täglich und stündlich hat beobachten können, mit hinreichendem Erfolg
die Schule verlassen kann. Dafs man bereits das Zwecklose dieser Schlufs-
prüfungen einzusehen beginnt, beweist die neue Bestimmung über den
Wegfall der bisherigen Schlufsprüfung an den sechsklassigen Realschulen.
Hoffen wir baldigst ein Gleiches auch von den neunklassigen ScKulen.
Ich wende mich wieder der Schulkonferenz zu. An jede dieser
Konferenzen tritt, entsprechend den Zeitströmungen, die Anforderung,
neue Lehrfächer einzuführen, z. B. Stenographie, Handfertigkeitsunterricht,
Bürgerkunde, Geographie. Auch die Junikonferenz hat zunächst die Ein-
führung eines Hygiene- tmd Samariterunterrichtes vorgeschlagen imd an-
genommen. Es ist unbestreitbar, dafs die Anforderungen an die Arbeits-
kraft des heutigen Kulturmenschen ungeheuer gestiegen sind, dafs nur
*) In den Eeichslanden giebt es eine Befreiung von der mündlichen Prü-
fung nicht»
128 Verbandl. d. TL, Jahresvenaminlnng d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
ein völlig gesunder Körper diesen Anforderungen gewachsen sein kann.
Dieses kostbare Gut zu schaffen und zu erhalten, dazu sind zunächst die
Eltern berufen; sie werden sich naturgemäfs von ihrem Hausarzt beraten
lassen und die soziale Yersicherungsgesetzgebung gestattet es heute dem
Ärmsten, sich ärztlichen Beirat zu sichern. Aber die ärztliche Arbeit
wird so lange eine halbe bleiben, als der Arzt nicht auf ein williges
Verständnis und einen vorbereiteten Ackerboden stöfst, denn er wird erst
gerufen, wenn bereits Krankheit und Siechtum ausgebrochen ist; die ärzt-
liche Wissenschaft sucht aber mehr die Krankheiten zu verhüten als zu
heilen; imi diese Prophylaxe erfolgreich durchzufOhren, dazu gehört die
verständnisvolle Mitwirkung jedes einzelnen. Wie nahe dem Nullpunkt
jedoch die Kenntnis der einfachsten hygienischen Begriffe ist, das be-
weist die wachsende Zahl und die zunehmende Dreistigkeit der Kur-
pfuscher. Das dmnmste und albernste Zeug wird wie eine Offenbarung
angestaunt, wie z. B. Gesichtsausdrucksdiagnose, Reibesitzbäder, Erkennung
aller Krankheiten aus ausgerupftien Haaren. Die zunehmende Trunksucht
unter den Gebildeten, die Furcht vor der Erkältung, die gesundheits-
widrige Frauentracht, die Wasserscheu würden nicht den Umfang an-
genommen haben, wenn nur einige wenige hygienische Grundsätze in
aller Fleisch und Blut übergegangen wären. Die Erfolge der sanitäts-
poUzeilichen Gesetzgebung würden noch viel grölser sein, wenn sie nicht
blofs als lästige Zwangsmafsregeln empfunden, sondern als zweckmäfsige
Einrichtungen verstanden würden.
Bei der riesigen Zunahme der Verkehrsmittel, der Reiselust, der
Maschinen in Stadt und Land wächst die Zahl der plötzlichen Ver-
unglückungen immer mehr und es ist notwendig, diese Verunglückten bis
zur Ankunft des Arztes so zu versorgen, dafs ihnen einesteils unnötige
Schmerzen erspart, und sie andemteils nicht durch kunstwidrige Mafs-
nahmen des Nothelfers mehr geschädigt werden, als durch die Verletzung
selbst. Diese Samariterhilfe verlangt Wissen und Können. Ich war be-
reits auf imserer vorjährigen Versammlung in der Lage, eingehender über
die Grundsätze des Samariterunterrichtes mich auszulassen. Dafs dieser
Samariterunterricht notwendig ist, und dafs er zweckmäfsig nur in den
oberen Klassen einzufuhren ist, darüber sind wohl alle einig. Aber auf
der Schulkonferenz ist man der Beantwortung der Frage aus dem Wege
gegangen, wer diesen Hygiene- und Samariterunterricht erteilen soll.
Vergessen wir nicht, dafs hier Kenntnisse gelehrt werden sollen, bei deren
Ausübung es sich um Tod und Leben eines Verunglückten handeln kann;
die Verantwortung ist also eine sehr -grofse und nur ein vollkommen ge-
schulter Fachmann wird die Verantwortung eines solchen Unterrichtes
tragen können. Einige Stunden Kolleg auf der Universität oder ein
Fortbildungskurs können weder die Befähigung, noch die Berechtigung
für einen derartigen Unterricht geben. Die Ärzte haben bereits in
tausenden von Samariterkursen ihre Lehrbefahigung erwiesen, und wenn
es auch zunächst ein Novum sein mag, sie in den Lehrkörper der Schule
einzufügen, so hat sich eben die Schule neuen Anfordeningen ebenso an-
zupassen wie jeder andere Organismus.
Als zweiter neuer Unterrichtsgegenstand für das Gymnasium wurde
der obligatorische Unterricht im Englischen vorgeschlagen. , Zunächst
Verhandl. d. II. Jaliresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 129
hielt man es für ausgeschlossen, an Stelle des Griechischen Englisch
wahlfrei zuzulassen ,• weil das das Gymnasium zerstören würde, man he"
schlofs yiehnehr, mit Bücksicht auf die Seestädte: es soll den einzelnen
Gymnasien gestattet sein, den Unterricht in der englischen Sprache für
alle Schüler hestimmter Erlassen obHgatohsch zu machen; wo dies nicht
geschieht, ist die bisherige Einrichtung des fakultativen Unterrichtes iib
Englischen mit Nachdruck zu beleben und ihre Benutzung durch die
Schüler in jeder Weise zu fördern. Am fakultativen Unterricht werden
zunächst nur die begabtesten und gesündesten Schüler teilnehmen können,
und auch für diese kommt bei der jetzigen Art des freiwilligen englischen
Unterrichtes nicht überall etwas Genügendes heraus, weil er eben als
nebensächlich behandelt wird. Will man ihn aber als verbinjdlich dem
überbürdeten Gymnasium aufpacken — und einer der Herren meinte
ganz naiv, man brauche nicht einmal andere Stunden wegzulassen, „wenn
man die jimgen Leute etwas mehr anstrengt" — , daim geraten wir wieder
in den circulus vitiosus der Überbürdung.
Leider fehlten, wie eingangs erwähnt, der Konferenz die sachver-
ständigen Hygieniker, die gegen diese Mehrbelastung Widerspruch erhoben
haben würden. Zu verwundem ist es, dafs niemand auf den Ausweg
verfallen ist, im Gymnasium die Bollen von Englisch imd Französisch
zu tauschen, d. h. das Englische verbindlich und das Französische wahl^
&ei zu machen. Vergleicht man die beiden Sprachen nach den drei
Gesichtspunkten, aus denen überhaupt Fremdsprachen gelernt werden:
aus dem utilitarischen, dem idealen und dem pädagogischen Gesichts*
punkte, so wird man zu folgenden Schlüssen kommen müssen. Bei der
Entwicklung unserer Handels- und Kriegsmarine, und bei der Thatsache,
dafs in 90% der grofsen Seehandelsplätze das Englische Geschäfts- und
Umgangssprache ist, .und bei der erheblich gröfseren Bedeutung der
englisch geschriebenen Fachlitteratur in Indujstrie, Maschinenfach, Medizin,
Nationalökonomie vor der französisch geschriebenen, kann wohl nicht der
heute viel gröfsere Nutzen der englischen vor der französischen Sprache
bestritten werden. Femer ist die englische Litteratur^ sowohl die
klassische — ich erinnere nur an Shakespeare — wie die neuzeitliche,
uns Germanen in ihrem ideellen Gehalt unendlich verständlicher und
unserm Herzen näher, als die französische, die ihre gallisch -romanische
Abstammimg nirgends verleugnen kann. Da ich nicht Fachmann bin,
vermag ich den pädagogischen Wert beider Sprachen nicht abzuwägen,
vielleicht werde ich später aus der Versammlung heraus über diesen
Punkt aufgeklärt. Jedenfalls, glaube ich^ ist dieser Tauschvorschlag wohl
zu erwägen, da er die Einführung eines notwendigen Lehrfaches ohne
Mehrbelastung ermöglichen würde.
Bevor ich auf die Frage VII der Schulkonferenz eingehe: Inwiefern
können auf den höheren Schulen die körperlidhen Übungen noch weiter
gefördert werden? möchte ich zimächst meinen Standpunkt in der Frage
des Nachmittagsunterrichtes festlegen. Seine Nachteile sind kurz fol-
gende: Geistige Arbeit zu kurz nach der Hauptmahlzeit, im Sommer
geistige Anspannung in den heifsesten Tagesstunden, im Winter An*
strengung der Augen während der Dämmerzeit bezw. . bei oft unvoll-
kommener künstlicher Beleuchtung; die weiten und mehrmaligen Schul-
Oestmde Jugend. I. 9/4 9
läO Verhandl. d. U. Jaliresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
wege sind nur bei Eegen- und Tauwetter und in den heifsen Mittags*
stunden hygienisch zu beanstanden^ sonst sind sie eher ein Vorzug; der
Übel gröfstes ist jedoch das übermäfsige Zusammenschrumpfen der für
die körperliche Bethätigung des kindlichen Organismus unbedingt not-r
wendigen Zeit. Dem plenus venter sucht der Vorschlag Schottens da-
durch zu begegnen, dafs er den Unterricht um 3 Uhr beginnen lassen
will; in den höheren Klassen ist dielser mehrmals dreistündig, es würden
demnach an diesen Tagen die Schüler um 6 Uhr die Schule verlassen;
wo bleibt dann, wenn noch 2 — 3 Stunden Hausarbeit hinzukommen, die Zeit
zum Atemholen in freier Luft? Denn die heifsen Mittagsstunden können im
Sommer nicht zur Erholung im Freien, sie können auch nicht zu Schul-
arbeiten verwendet werden, da vor dem Mittagessen ein mehrstündiger
Schulunterricht vorhergegangen und nach dem Mittagessen dieses voran-
gegangen ist und neue Unterrichtsstunden ihm wieder folgen. .Um einen
fünfstündigen Vormittagsunterricht zu umgehen, der, auch wenn die
Zwischenstundenpausen nach dem Vorschlage Eulenburg's in steigender
Skala Angeordnet werden, eine geistige Überanspannung ist, wird der
einzige Ausweg der sein, dafs man zwar im Winter die bisherige Unter-^
richtserteilung beibehält, dafs man aber im Sommer den wissenschaft-
lichen Nachmittagsunterricht ganz wegfallen läfst, ohne dem Vorr
mittag fünf Stunden Unterricht aufzupacken. Die verbesserten Beleuch-
tungsmethoden lassen jetzt im Winter eine Gefährdung der Sehorgane
vermeiden, und. für den Sommer mögen die Schulmänner Lehrpläne auf^
stellen, die mit einem vierstündigen Vormittagsunterricht auskommen,
denn die Ärzte werden nicht aufhören zu betonen, dafs es eine Sfchwere
Versündigung der Schule ist, im Sommer die Kinder Nachmittags in die
heiDsen Schulstuben ' zu sperren und ihr Hirn mit trockner Geisteskost
zu füttern, während draufsen die Sonne, der Wald, Wiese und Spielplatz
und das Schwinmibad locken.
Die gesundheitssphädlichen Folgen des Schulbatriebes — stundenlanges
Sitzen in überfüllten Bäumen und vor dem häuslichen Arbeitstisch —
müssen durch den Zwang zu körperlicher Thätigkeit wieder ausgeglichen
werden. Darum gehört es in den Bereich der Pflichten der Schule,
Zeit tmd Gelegenheit und die rechte Anweisung für die körperliche Aus-
bildiing zu geben. Kommt das doch der Schule selber wieder zugute-r
Arlseitsfreudigkeit^ Ausdauer, Gewandtheit, frisches imd fröhliches Wagen,
giebt nur ein gesunder Körper. Bisher ist die Schule dieser Verpflich-
tung nur in . ganz unzulänglicher Weise nachgekommen: in Preufsen
3 Turnstunden und 1 Spielstunde —~ das ist alles.. Und dieser Turnunter-
richt selbst wird hygienisch nutzlos, wenn er, wie so häufig, zwischen
die wissenschaftlichen Unterrichtsstunden eingeschoben- wird. Auch hier
ist das Fachlehrertum neben oft vorzüglichen Leistungen im einzelnen
für das Ganze ein Unglück. Es ist sehr zu wünschen, dafs jeder Lehrer^
sofern nicht ärztliche Bedenken dagegen sprechen, diie Lehrbefähigung
zum Jugendtumen und Jugendspiel haben muls, eine rege Tum-, und*
Spielthätigkeit würde der. Gesundheit der Lehrer selbst nur förderlich
sein, Daiin würdp dem Turnunterricht sicher auch gröfsere Bedeutuiig
beigelegt werden, .um so mehr, wenn gute Tumleistungen gleichfalls zum
Kompensieren dienen würden. Aber die Schule soll sich nicht allein.
Verhandl. d. II. Jahresversammlung d. AUgem. Deutsch. Vereines etc. 131
auf Turnen und Jugendspiel beschränken, hier ist ein multa empfehlens-
wert; so würde der Schwimmunterricht durchaus in ihren Pflichtenkreis
fallen, Gelegenheit dazu wird jetzt in vielen Städten vorhanden sein; die
ausgiebige Lungenthätigkeit befördert die Entwicklung des im Wachstum
befindlichen Brustkastens, kein gesunder Schüler dürfte die Schule ver-
lassen, ohne sich freigeschwommen zu haben. Mehr als bisher soll auch
das Rudern gefördert werden, dieses steigert die Blutzirkulation, wird in
staub&eier Luft betrieben und beseitigt Appetitmangel, Kopfschmerz,
Neurasthenie und Blutarmut; das Eadfahren hingegen ist ein gutes
Gegenmittel gegen die durch langes Sitzen verursachte Darmträgheit und
ünterleibsstauung. Femer liefse sich daran denken, Schulschiefsstände
einzurichten, vielleicht könnte man bei den Militärbehörden auf ein
gleiches Entgegenkommen rechnen, wie bei der Mitbenutzung von Exerzier-
plätzen zu Spielplätzen. Durch die Einführung von Schiefsübungen hätte
man ein Mittel, die Augen, besonders die der Grofsstadtkinder, wieder für
weite Entfernungen einzustellen, die Sehschärfe mufs in den Schulstuben
und den Strafsen der Stadt verkümmern, da die Augen hier nur für das
Nahesehen benutzt werden. Schliefslich liefse sich auch der in einigen
Schulen bestehende Fechtunterricht mehr verallgemeinem.
Aber eine blofs freiwillige Teilnahme läfst erfahrungsgemäfs die an-
fänglich rege Beteiligung, wenn nicht ein besonders frischer und befähigter
Lehrer die Organisation in die Hand ninmit, schwächer und schwächer
werden, deshalb können Sport und Jugendspiele nur dann im grofsen
Stile durchgefElhrt werden, wenn sie fttr alle Schüler verbindlich gemacht
und der Nachmittag ihnen frei gegeben wird. Jetzt wird im Sommer
doch nur mit halber Kraft gearbeitet, benutzt man aber diese verlorene
Zeit hierfür, so wird der erfrischte und gestählte Körper durch lebhaftere
und nachhaltigere Arbeit im Winter die verlorene Vormittagsstunde
wieder einbringen.
Neben Spiel und Sport können auch planvolle Schulwanderungen
hygienischen amd pädagogischen Zwecken dienstbar gemacht werden. Ich
meine nicht die übliche Tumfahrt, die zum Zweck von Wettkämpfen und
fröhlichen Pokulierens alljährlich imtemommen wird, sondern die Wan-
derung als die vollkommenste Gelegenheit zum Anschauungsunterricht.
Die abstrakte Schulstubenweisheit mufs ergänzt werden durch die Be-
obachtung des Lebens, der in jeder Kindesseele schlummernde Sinn für
die Natur darf nicht verschüttet werden — eine grofse Gefahr bei
unserer Grofsstadtkultur. Nur die Fufswanderung macht empfänglich für
die Schönheit und Gröfse der Natur, sie lehrt beobachten und vergleichen
und über das Beobachtete nachdenken, den Gründen der Erscheinungen
nachspüren und Folgenmgen und Nutzanwendungen ziehen. Diese
Spaziergänge erhalten die Frische und Fröhlichkeit des kiudlichen
Herzens und sie lenken den Gesichtskreis auf Wesen und Entwicklung
alles Lebendigen. Nicht nur die tote Pflanze und das ausgestopfte Tier
sollen dem Kinde gezeigt werden, sondern es soll selber den Ursachen
ihres Werdens und Vergehens nachspüren. Heimatkunst, Ortsgeschichte,
Bäuemleben, Volkssprache, Erd- und Himmelskunde — allös kann, je
nach der Individualität des Lehrers, in den Bereich dieser Wan-
derungen einbezogen werden; an Regentagen können Handwerksbetriebe,
9*
132 y^rliandl. d. Ü. Jahresyersaminlang d. Allgem. Beutech. Vereines etc.
Fabriken, Buohdruckereien, Museen unter kundiger Führung besichtigt
werden.
Hat die Schule erst einmal auf diese Weise die Wanderkunst, das
beobachten und die Selbstbeschäftigung gelehrt, dann könneoi auch die
Ferieu richtig angewendet und ausgenutzt, und brauchen nicht zTiTecklos
verbummelt zu werden. Jetzt wird von den Eltern oft das Ende der
Ferien herbeigewünscht, weil die Kinder nichts Bechtes mit ihrer Zeit
anzufangen' wissen. Am zuträglichsten werden sie sich in den Sommer-
ferien beschäftigen können, weil da der Aufenthalt in freier Natur un-
beschränkt ist; an der See, im Wald, auf den Bergen, auf dem Lande
— eine unendliche Auswahl je nach Neigung und Greschmack. Aber
wie verkehrt hat man die Zeit und die Dauer der Schulferien ein-
gerichtet. Das Schuljahr hat im ganzen 11 — 12 Wochen Ferien:
2Vj Wochen Weümachts-, 2 Wochen Ostern-, 1 Woche Pfijigst-, 4 Wochen
Sommer- und 2 Wochen Herbstferien.*) Die Weihnachts- und Osterzeit
gestarttet wegen der klipiatischen Verhältnisse Deutschlands nur in ver-
schwindenden Ausnahmen die Freiluftspiele, oft machen schon in den
Michaelisferien die Herbststürme Spiel und Sport unmöglich, die Schüler
sind also auf das Stubenhocken angewiesen. Kürze man doch diese
wenig ausnutzbaren Ferien und lege die so gewonnene Zeit den Solnmer-
ferien zu; von Mitte Juli bis Mitte September sind es 8 Wochen, da
bleiben immer noch Sy^ bis 4 Wochen für das übrige Schuljahr. Bei
dieser Anordnung fällt die heifseste Jahreszeit überhaupt nicht mehr in
die Schulzeit und der Nachmittagsunterricht brauchte nur ^Yj Monate
lang auszufallen. AuTserdem würde das Schuljahr, wenn sein Anfang
an de^ Schlufs der Sommerferien gelegt würde, nicht mehr durch eiue
grofse Ferienpause zerhackt werden. Viele, wohlhabende Familien würden
sich bei dieser . Ferienordnung zum Erwerb eines eigenen Sommersitzes
entschliefsen, da dessen achtwöchige Benutzung einer leidlichen Verzinsung
entsprechen würde. Die Jugend würde sich in die Buhe und Schlicht-
heit des Landlebens eingewöhnen, seine stillen Freuden würden Stim-
mungen, und Träume in der Kindesseele wecken, die in der Gfofsstadt-
luft erstickt werden. Können wir hoffen, dafs diese dem Pädagogen wie
dem Hygieniker einleuchtenden Wünsche bald Erfüllung finden werden?
Prof. Diels erzählt folgenden Ausspruch des Geheimrats Bonitz: „Man
kann die Schulreform zum 2iiele führen, man kann die Kirchen einigen^
aber die Herren über die Ferien zu einigen, das ist nicht möglieh; darum
reden Sie darüber nicht!" Ich glaube aber, dafs die Zeit gekommen ist,
dieses Schweigen zu brechen.
Fassen wir zum Schlufs das Ergebnis der Junikonferenz zusammen:
Erfreulich ist zunächst die widerspruchslose Anerkennung der Gleich-
wertigkeit der realen Anstalten mit dem Gymnasium ; geben die Juristen
ihren Widerstand auf, dann ist die Gleichberechtigung aller neunklassigen
Schulen sicher bevorstehend und damit die Monopolstellung des Gym-
nasiums , beseitigt. Etwaige Ergänzungsprüfimgen können die Freude
. *) Lage und Dauer der Ferien sind in den, verschiedenen Bundesstaaten
leider immer noch verschieden -^ am zweckmäfsigsten sind sie bis jetzt in
Bayern und den Eeichslanden.
Verhandl. d. II. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 133
über diesen Erfolg nicht abschwächen. Bei dem Wohlwollen, das man
den Schulen mit gemeinsamem unterbau entgegenbringt, läfst sich deren
ruhige Weiterentwicklimg erhoffen und damit die Möglichkeit, dafs erst
drei Jahre später als bisher die Eltern die Entscheidung der für ihr
Kind passenden Schulgattung zu treffen brauchen., Erfreulich ist ferner
die allseitige Zustimmung zur Einführung des Englischen und des Hjgiene-
und Samariterunterrichtes. Ein Rückschritt ist es, dafs das Gymnasium
wieder neun, und das Eealgymnasium zwei Wochenstunden zugelegt er-
halten soll, damit wird die Gefahr der überbürdung wieder eine akute.
Zwar sollen bei dem verbesserten Unterrichtsverfahren die Ansprüche an
die häuslichen Arbeitsleistungen immer geringer werden — nous verrons!
Für die Förderung der körperlichen Übungen ist man aus den
wohlwollenden Erwägungen nicht herausgekommen, man will wohl dort,
wo sie fehlen, Turnhallen, Turn- imd Spielplätze einrichten und für eine
vermehrte Zahl von Turnlehrern Sorge tragen, aber in gröfserem Stile,
für alle verbindlich Sport und Jugendspiele einzuführen und für sie den
Nachmittag frei zu geben, dazu hat man sich noch nicht entschliefsen
können. Recht wohlwollend, aber praktisch nutzlos ist es, wenn die Be-
schlüsse der Dezemberkonferenz von 1890 über die Beschränkung der
Höchstzahl der Schüler in den einzelnen Klassen nur in Erinnerung ge-
bracht werden; auch hier war schmerzlich die Gegenwart eines Arztes
zu vermissen. Wenn man sich im Kastanienwäldchen zehn Jahre lang
nicht an diese Beschlüsse erinnert hat, so wird man wohl gegen diesen
erneuten sanften Wink auch wieder den Schwerhörigen spielen.
Ein hygienisch durchaus wertvoller Beschlufs, der hoffentlich nicht
in den Akten liegen bleiben wird, ist der, dafs Lehrer, deren Verbleiben
im Amt die Gesundheit der ihnen anvertrauten Schüler durch Ansteckung
gefährdet, beurlaubt oder in den Ruhestand versetzt werden können.
Eine Schulreform wird man also das Resultat der Junikonferenz
nicht nennen dürfen, wenn auch die Gleichberechtigung als ein Fort-
schritt zu bezeichnen ist. Sie haben gehört, wie grofs noch allein der
ärztliche Wunschzettel ist. Die Berechtigung dieser Wünsche wird
hoffentlich bis zur nächsten Schulkonferenz von den mafsgebenden Stellen
anerkannt und ihre Erfüllung in die Wege geleitet werden.
Leitsätze.
I. Eine zeitgemäfse Schulreform kann nur unter Mitwirkung von
ärztlichen Sachverständigen erfolgen; zu den Vorberatungen einer solchen
Schulreform sind diese mit hinzuzuziehen.
II. Die Gleichberechtigung aller neunklassigen Schulen ist die
logische Folge davon, dafs in der Entwicklung der Gymnasien der alt-
sprachliche Unterricht seine zentrale Stellung nach und nach verloren
hat und die Realfächer ihm als gleichwertig beigeordnet worden sind.
III. Ergänzungsprüfimgen sind eine neue unnütze Belastung; es
wird Aufgabe der Universitäten sein, sich dem verschieden vorgebildeten
Zuhörermaterial anzupassen.
IV. Das Abiturientenexamen dient den staatlichen Aufsichtsbehörden
mehr zur Kontrolle der Leistungsfähigkeit der Lehrer als der Schüler;
auch . obne Examen kann nach einem neunjährigen Schulbesuch das
134 Verhandl. d. n. JahreBverBammlimg d. AUgem. Deutsch. Vereines etc.
Lehrerkollegium die Reife eines Schülers beurteilen; wegen seiner Zweck-
losigkeit iind der oft nicht unbeträchtlichen Gesundheitsstörungen ist das
Abiturientenexamen wieder aufzuheben.
V. Das durch einen geregelten Unterricht gewonnene Verständnis
in den Grundanschauungen der Gesundheitslehre ist die Vorbedingung
für eine Mitarbeit an der vorbeugenden ärztlichen Thätigkeit imd für
eine Unempfänglichkeit für das Kurpfuschertum; der Samariterunterricht
lenkt das dem Menschen innewohnende MitleidsgefÜhl auf eine dem Ver-
letzten nutzbringende Thätigkeit. Nur Ärzte können die Verantwortlich-
keit dieses Unterrichtes übernehmen.
VI. Der englische Sprachunterricht ist als verbindliches Fach dem
Lehrplan der Gymnasien ohne Vermehrung seiner Stundenzahl einzufügen.
Es ist deshalb zu erwägen, ob nicht die Rollen des französischen und
englischen Sprachunterrichtes zu vertauschen und ersterer zu einem wahl-
freien Lehrfach zu machen wäre.
Vn. Sport und Spiel und planvolle Wanderungen können nur dann
im grofsen Stile betrieben werden, wenn wenigstens während des Sommers
der wissenschaftliche Nachmittagsunterricht wegfällt; für den Winter
dürfte es genügen, wenn die Knaben angeleitet werden, den Sonntag und
die bisherigen freien Schulnachmittage für den Wintersport zu benutzen.
Vin. Die Ferienordnung ist so zu regeln, dafs die Mehrzahl der
Ferienwochen in die für den Unterricht unfruchtbarere und in die für
die Erholung und Beschäftigung der Schüler fruchtbare Sjommerzeit
fällt. Das Schuljahr hat am besten nach dem Ende der Sommerferien
zu beginnen.
■
Der Vorsitzende eröffiiet die Diskussion.
Professor D ahn -Braunschweig:
Wir haben hier eine furchtbar schwere Aufgabe. Wir sollen die
Gesundheitsschädigung der Kinder vermeiden und doch die Schule auf
dem bisherigen Standpunkt halten. Wenn nun Vorschläge gemacht werden,
so müssen diese zwei Bedingungen erfüllen, erstens, sie müssen Hilfe bringen,
zweitens, sie müssen erreichbar sein. Ich kann mich nun mit den Vor-
schlägen bezüglich der Regelung der Ferien und dem Beginn des Schul-
jahres insofern einverstanden erklären, als dies erreichbare Angelegen-
heiten sind. Es wird sich aber in der Diskussion noch zeigen müssen,
ob die Vorschläge wirklich Hilfe bringen. .
Wenn aber von einer Verbesserung der Lehrmethode gesprochen
wird, so muTs ich fragen: Was heifst denn Verbesserung der Lehrmethode?
Das heifst einfach intensivere Ausnützung der Zeit, aber gerade dadurch
wird doch eine gesundheitliche Schädigung hervorgerufen. Früher ^ab
es Ausruhstunden, es gab auch Ausruhminuten, aber heute . ist nur
derjenige ein guter Lehrer, der die Schüler gehörig ausnützt. Aus den
Untersuchungen über Ermüdung geht genau hervor, dafs die guten Lehrer
die gröfste Ermüdung der Kinder veranlassen. Wenn wir also eine Ver-
besserung der Lehrmethode ohne eine gesundheitliche Schädigung herbei-
führen sollen, dann müssen wir Engel vom Himmel herunterholen.
Verhandl. d. E. Jahresversammlnng d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 135
Ich sagte, die einzuföhrenden Mafsnahmen müssen erstens Hilfe
bringen, zweitens aber auch durchfOhrl^ar sein. Ein Punkt, der diese
beiden Bedingungen erfiült, ist z. B. die Abschaffung der Vorschule. Ich
habe mich gefreut, dafs die Frage vom! Herrn Vorredner angeschnittea
wurde. In den Vorschulen werden die Kinder einfach abgerichtet. Die
Hauptsache ist die Eechtschreibung. Wepn die gut ist, wird der Schüler
in die höhere Schule aufgenommen, wenn er auch sonst dar gröfste Horn-
ochse von der Welt ist. (Heiterkeit.) Unsere Volkstehulen sind so aus-
gezeichnet, dafs wir dieser Vorschulen nicht bedffcrfen. Das Interesse der
Herren Direktoren ist dabei auch in Betracht zu ziehen. Ich halte es
für eine Tierquälerei, wenn man «ine^l Schuldirektor eine Vorschule,
die 1100 Schüler hat, aufliftrdet. Wenn auch noch ein Subdirektor
vorhanden, so ist das ^ch keine wesentliche Entlastung für den Direktor.
Was daa Unterricht in fremden Sprachen anbelangt, so möchte ich
dafiar eintreten, dafs auf den Gymnasien im Anfang keine fremden
Sprachen gelehrt werden. Das Latein, wie überhaupt jede fremde Sprache,
mufs aus der Sexta heraus. Auch in den Eealschulen mufs der Unter-
richt im Französischen auf spätere Klassen verlegt werden, denn für die
jungen Realschüler ist er eine entsetzliche Quälerei. Das Französische
macht diesen Schülern noch mehr Schwierigkeiten, als den Sextanern im
Gymnasium das Latein. In den Eealschulen in Berlin hat man den
Unterricht im Französischen in den betreffenden Klassen bereits abgeschafft.
Wenn wir die Nervosität beseitigen wollen, dann müssen wir dem
Vorgehen gegen die selige früher unselige Abschlufsprüfung auch das
Bestreben folgen lassen, die Schüler nicht zu /früh mit fremden Sprachen
zu überbürden und die Vorschule zu beseitigen, (Lebhafter Beifall.)
Professor Müller:
. Hochverehrte Damen und Herren! Ich wollte speziell auf die
Ferienfrage zu sprechen kommen. Es ist das ein auTserordentlich
wichtiger Punkt. Wir in der Provinz Hessen-Nassau, auch wir Ober-
lehrer, leiden unter dem jetzigen Zustand, aber es wird schwer sein, eine
Einigung herbeizufahren. Es wird ja vielleicht, wenn der Verein dafür
eintritt, entweder in den östlichen oder in den westlichen Provinzen
eine Änderung herbeizuführen sein, aber es dürfte schwer fallen, eine
unbedingte Einigkeit zu erzielen.
Ein Beispiel dafärl Vor zwanzig Jahren kam ein junger Schulmann
ins Ministerium. Er sagte dem Minister: Die ganze Schulreform hängt
mit der Ferienordnung zusammen. Der Minister antwortete ihm jedoch:
Man kann Staaten, Kirchen, Schulen vereinigen, aber mit einer .Ferien-
ordnung, damit lassen Sie mich in Ruhe. — Unser Hauptziel wird es
also sein müssen, die Ferienfrage mit Ei^cksicht auf die Verhältnisse der
einzelnen Bezirke zu lösen. (Beifall.)
Professor Vietor-Marburg:
Der Herr Vortragende und Herr Professor Dahn haben' auf die
Schwierigkeiten verwiesen, mit denen wir um die vorgeschlagene Eeform
zu kämpfen haben würden, und es ist uns der Eat erteilt worden, nicht
iu. '^el zu verlangen. Ich glaube, Wir können überhaupt nichts erreiche^n,
136 Verhandl. d. ü. JahresverBammlnng d. Allgem. Deutsch. Yereines etc.
wenn wir uns nicht vergegenwärtigen, dafs in der Schule zu viel in
Bezug auf sogenanntes „Wissenschaftliches^^ verlangt wird. Die sogenannten
wissenschaftlichen Leistungen müssen herabgesetzt werden, das ist das
Ziel, was uns vorschwebt: Diese wissenschaftlichen Leistungen soUen
aber bereits in der Vorschule vorhanden sein. Es ist vorhin gesagt
worden, das Latein müsse in den Gymnasien, das Französische in den
Bealschulen in den Unterklassen fortfallen; ich gehe noch einen Schritt
weiter und sage: auch die Grammatik mufs heraus. Was braucht der
Schüler schon so früh etwas vom Subjekt und vom Prädikat zu wissen?
Seien wir uns also klar: so lange diese wissenschaftlichen Anforderungen
nicht fallen, so lange können wir auch keine rechten Resultate erzielen.
(Beifall.)
Dr. Laquer-Frankfurt a. M.:
Gestatten Sie auch einem Arzt das Wort. Der Schuldoktor ist
Ihnen heute als etwas ganz Fürchterliches dargestellt worden. Es sind
Äufserungen darüber gefallen, dafs er der reinste Beelzebub sei und dafs
er Forderungen stelle, die nicht zu erreichen seien. Ich gehöre zu den
Schulärzten und mufs bemerken, wir haben sehr viel von den Herren
Lehrern gelernt und die Herrn Lehrer haben viel von uns gelernt. Es
haben sich, insbesondere in Frankfurt, gar keine Mifsstände ergeben.
Von beiden Seiten wird allerdings stets ein gewisser Takt gewahrt
werden müssen.
Das, was heute hier gesagt und als ärztliche Forderung aufgestellt
wurde, ist nicht" zu viel. Vor allem wollte ich die Frage der Einschulung
der Kinder, auf die schon andeutungsweise hingewiesen worden ist, berühren.
Ich glaube, die Einschulung der Kinder mufs in gleicher Weise von
Schulmännern und von Ärzten vorgenommen werden. Es müssen Frage-
bogen aufgestellt werden, auf Grund deren die krankhafte Vererbung,
Nervenkrankheit, Geisteskrankheit, .Alkoholismus etc. festzustellen ist.
Die durch solche Übel herbeigeführte Minderbegabung von Schülern ist
eine schwere Fessel für das ganze Schulwesen. Die betreffenden Schüler
sitzen auch vielfach in den böheren Schulen und bringen uns jene
psychische und moralische Entartung, über die wir so viel zu klagen
haben. Schon in den ersten Jahren sollte man deshalb in der Schule
versuchen, die Minderbegabung zu erkennen. Das geschieht aber absolut
nicht, das geschieht insbesondere nicht in den höheren Schulen. Da
sitzen die Schüler zum Schaden ihrer selbst und ihrer Mitschüler, ohne
dafs jemand die Gefahr erkennen oder daran denken würde, sie zu ent-
fernen. Deshalb ist es dringend notwendig, dafs Fragebogen über den
ganzen Gang der Entwicklung des Kindes vom ersten bis zum sechsten
Lebensjahr aufgestellt werden, auf Grund deren der Arzt dann beim
Beginn der Schulzeit seine Entscheidung darüber zu treffen hat, ob das
Kind aufzunehmen ist oder nicht. Wenn die minderwertigen Kinder aus
den Schulen herauskommen, so wird das ein grofser Vorteil für die Ent-
wicklung des ganzen Schulwesens sein.
Da ich gerade der minderwertigen Kinder gedachte, so möchte ich
noch darauf hinweisen, dafs es verkehrt ist, wenn man immer das Wort
, „Nervosität" braucht. Mit diesem Begriff wird so . vieles abgethan,. daüs
Yerhandl. d. 11. Jahreaversammliiiig d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 137
man hier schön mehr von einem „diagnostischen/ Faulheitspolster^^ (Heiter-
keit) reden kann. Die nervösen Kinder in den höheren Schulen sind
einfach in den höheren Schulen nicht am Platze; sie würden auch nicht
nervös geworden sein, wenn man Lehrer und Eltern zeitig über ihren
Zustand unterrichtet und die Kinder zeitig aus der Schule entfernt hätte.
Ich möchte deshalb bitten, die Mitwirkung der Arzte in dem gedachten
Sinne anzustreben. (Lebhafter Beifall.)
Landtagsabgeordneter Oberlehrer We tek am p -Breslau:
Meine Herrn! Bezüglich der Ferienfrage ist vorhin gesagt worden,
eine gleichmäfsige Regelung würde nicht zu erzielen sein. Es kommt
aber gar nicht darauf an, wie die Ferien liegen, es mufs vielmehr das
Schuljahr anders gelegt werden. Ein ^grofser Teil des Jahres geht bei
der heutigen Einrichtung nutzlos vorüber. Bei uns in Ostpreufsen schliefst
das Schuljahr zu Ostern. Dann kommen zunächst die Osterferien. Bald
nach dem Schulbeginn ist Pfingsten. Da sind abermals Ferien. Nun
richtet man sich wieder ein mit den Schülern, dann kommen aber die
Sommerferien, da geht so ziemlich alles wieder verloren, was vorher
gewonnen worden ist. Darauf kommen vielleicht wieder fünf Wochen
Schule, es müssen Zensuren erteilt werden, und daran schliefsen sich
dann abermals Ferien. Nun kommt die Winterszeit, aber nach
Schlufs des langen Winterhalbjahres, nach der heftigen Winterarbeit
kommen nur zwölf Tage Ferien zu Ostern. Die Folge davon ist, dafs
-der Schüler noch erschöpft von der angestrengten Thätigkeit in das neue
Schuljahr hineinkommt. Deshalb mufs eine bessere Verteilung der Schul-
zeit stattfinden.
Es ist auch vorhin die Rede gewesen von der Regelung der Pausen.
Allerdings sind ja die Pausen etwas verlängert worden, man müfste aber
,vor allem festsidtzen, von welcher Zeitdauer die Unterrichtsstunden sein
sollen. Das Wesentliche würde sein, die Dauer der Unterrichtszeit auf
y^ Stunden herabzusetzen; Unterrichtsstunden von fünfzig Minuten, früher
gab es s'ogar solche von sechzig Minuten, sind entschieden zu lang. Bei
einer Unterrichtszeit von y^ Stunden ergeben sich von selbst lange
Pausen.
Sodann möchte ich darauf hinweisen, dafs es ein Irrtum war, wenn
der Herr Vorredner erklärte, der Schularzt sei heute schon als Beelzebub
hingestellt worden; es wurde nur behauptet, man hätte gefürchtet, der
Schularzt würde sich als Beelzebub entpuppen.
Femer hat der Herr Vorredner festgestellt, dafs die nervösen Kinder
der höheren Schulen nicht nervös geworden wären, wenn man sie nicht
in die höhere Schule hineingesteckt hätte. Ich glaube jedoch, dafs schon
die Vorschule als Pflanzstätte der Nervosität angesehen werden mufs;
gerade die Vorschule halte ich für ein böses Übel. Es ist ja nicht mehr
nötig, den kolossalen Stoff durchzuarbeiten, den imsere Vorschulen
bewältigen sollen. Deshalb schliefse ich mich dem von anderer Seite
vorgebrachten Wunsche nach Beseitigung der Vorschule an.
( Es bleibt uns nichts anderes übrig, als mit der Vergangenheit endlich
zu brechen: wir müssen die Sinne der Kinder ausfüllen, die Kinder sollen,
v.ehe' sie zu anderen Unterrichtsfächern übergehen, ihre Hände üben im
138 Verhandl. d. n. Jahresyersammlaiig d. Allgem. Deutsch. YereineB etc.
Zeichen- und Handfertigkeitsuntenicht. Diese beiden ünterrichtszweige
sollten nicht nur an den übrigen Unterricht angegliedert werden, sondern
die Hauptgrundlage des Unterrichts bilden. Mit solchen Kindern werden
wir später auch mit gutem Gewissen und in der Hoffnung, dafs das ftir
sie keine Nachteile mit sich bringt, in den rein theoretischen Unterricht
eintreten können. (Lebhafter Beifall.)
Oberrealschuldirektor Dr. Schotten-Halle a. S.:
Ich ergreife nur mit Widerstreben das Wort, um im Anschlufs an
Herrn Oberlehrer Wetekamp ebenfalls noch einmal festzustellen, dafs
ich nicht gegen die Schulärzte gesprochen habe. Weiter wollte ich Herrn
Dr. Laquer sagen, dafs ich mich darüber gefreut habe, ärztlicher gewesen
zu sein, als die Ärzte selbst. - Es scheint mir überhaupt Brauch zu
werden,, dafs der Arzt mehr das pädagogische und der Padagog mehr
das ärztliche Moment in Betracht zieht. (Heiterkeit.)
' Sodann möchte ich ein kleines Beispiel bezüglich der Pausen
erwähnen: ich habe ausgerechnet, dafs in Sachsen bei einer Pause von
ein«r Viertelstunde im Jahr sechs Wochen mehr Schulunterricht gt^geben
wurde, als in Preulsen, wo 45 Minuten Pause gerechnet werden müssen.
Auch das spricht für eine Begelung der Pausen bezw. der Unterrichts-
dauer.
Femer ist der Konfirmandenunterricht in Betracht zu ziehen. Was
in diesem Unterricht verlangt wird, ist eine kolossale Gedächtnis-
arbeit und das ist auch eine Thatsache, welche die Verlegung des Be-
ginns des Schuljahres von Ostern weg erforderlich macht. (Beifall.)
Professor Dr. Leubuscher, Medizinalreferent im meiningischen
Staatsministerium :
Sehr geehrte Anwesende 1 Ich möchte besonders darauf hinweisen,
wie sehr es notwendig ist, bei der Anstellung der Schulärzte stets die
besonderen Verhältnisse eines Bezirks in Betracht zu ziehen. Wir haben
auf diesem Gebiet bereits Material gewonnen. Es handelt sich bei uns
nicht um die Bevölkerung grofser Städte — wir haben iin Lande nur
vier Städte, welche über 10 000 Einwohner haben — , sondern um die Ein-
wohnerschaft von gröfseren und kleineren Dörfern, wo die Hausindustrie
eine grofse Rolle spielt. Aber gerade durch die weit verbreitete Haus-
industrie haben wir ganz besondere Verhältnisse. Wenn man Waldhof
aufsucht, wo der Christbaumschmuck hergestellt wird, wenn man Sonne-
berg besichtigt, wo die Einwohnerschaft die Spielwarenfabrikation betreibt,
oder wenn man schliefslich in dem Griffelindustriebezirk Umschau hält —
überall wird man finden, dafs . nicht nur die Erwachsenen , sondern auch
die Kinder, vom Kleinsten, das* kaum laufen kann, bis zum gröfsten, das
eben aus der Schule entlassen, in der Hausindustrie thätig sind. Eben
dadurch sind wir genötigt, ganz anders vorzugehen, als man z. B. in
Wiesbaden oder in Nürnberg vorgehen mufs. Vor allem sind "wir zu
der Überzeugung gekommen, dafs es bei uns angebracht ist, den Schul-
ärzten möglichst kleine Bezirke zuzuteilen, da unsere ursprünglichen,
2000 Kinder umfassenden Bezirke sich als viel zu grofs erwiesen.
- Wenn man. von den Lehrern mehr Verständnis für hygienische
Verhandl. d. ü. Jahresversaminliiiig d. AUgem. Deutsch. Vereines etc. 139
Fragen beansprucht, so ist es aber auch am Platze, die Lehrer auf
hygienischem Gebiete besonders auszubilden. Bei uns werden, und zwar
in Hildburghausen, seit drei Jahren hygienische Vorträge für Lehrer
gehalten. Die Einrichtung hat sich sehr gut bewahrt. Von der Abhaltung
eines Exame&s haben, wir abgesehen, denn man kann dasselbe ganz gut
dadurch ersetzen, <dars man Repetitionsstunden abhält, in denen die Lehrer
selbst Vorträge halten.
Zu der Schularztfrage h§he ich noch zu bemerken, dafs dieselbe in
erster Linie eine Finanzfrage ist. Sie ist eine Finanzfrage nach zwei
verschiedenen Richtungen hin: zunächst k?osten die Schulärzte selbst Geld;
aber das ist nicht der Schwerpunkt, denn wenn die Schulärzte nicht nur
statistisches Material sammeln sollen, so müssen ihre Anregungen auch
befolgt werden und das kostet noch viel mehr Geld. Nicht die wenigen
Tausende für die Schulärzte selbst, sondern die Hunderttausende für die
Befolgung der Ratschläge dieser Arzte sind das Notwendigste. (Beifall.)
Direktor Dörr -Bockenheim :
. *
Unsere Debatte verlängert sich imimer mehr und es treten dabei
fortwährend neue Gesichtspunkte zu Tage; es erscheint mir deshalb
wünschenswert, die einzelnen Punkte einmal im Zusammenhang durch-
zugehen:
Das eine steht wohl unzweifelhaft fest, dafs wir Schulärzte überall
für erforderlich halten, nicht nur in den höheren Schulen, sondern auch
in den Volksschulen.
Sodann soll die Ferienfrage geregelt werden, wobei allerdings nicht
zu verkennen ist, dafs dies Schwierigkeiten verursachen wird.
Weiter ist vorgeschlagen worden, die Vorschule abzuschaffen und
den fremdsprachlichen Unterricht auf spätere Klassen zu verlegen —
zwei Punkte von groDser Wichtigkeit.
Aufserdem hat man sich für frühzeitige ärztliche Untersuchung der
Kinder und Feststellung eventueller Minderbegabung ausgesprochen. Durch
die Schaffung einer solchen Einrichtung würden weite Kreise dazu geführt
werden, ihre Kinder in die Schule zu schicken, in. welche sie gehören,
und das ist von grofser Bedeutung. Wenn alle diejenigen Kinder, deren
Minderbegabung den Besuch einer höheren Schule für sie nicht ratsam
erscheinen läfst, in eine Volksschule geschickt werden, dann haben wir
schon viel erreicht. Wir äehen das in Bayern und auch anderwärts.
(Beifall.)
Ein anderer wichtiger Punkt wäre die Herabsetzung der Zahl der
Unterrichtsstunden. Als Ideal würde es mir vorschweben , 30 Stunden
wöchentlich festzusetzen. Vor allem müfste aber der wissenschaftliche
Unterricht vermindert werden; wenn man in Österreich mit 24 Stunden
„Wissenschaftlich" auskommt, wird es auch bei uns möglich sein. Diese
Anregung möchte ich nicht nur im Interesse der Schüler, sondern auch
im Interesse der Lehrer geben.
Schlief slich möchte ich empfehlen, wie das Abiturienten-Examen
an Vollanstalten auch die Reifeprüfung an Nichtvoll anstalten abzuschaffen.
(Lebhafter Beifall.)
140 Yerhandl. d. n. JahresTerBammlnng d. Allgem. Deutsch. Yereines etc.
Lehrer Pohl:
Verehrte Anwesende: Ich möchte mir erlauben, zu der Frage der
Abschaflfung der Vorschule Stellung zu nehmen. Ich bin selbst Vorschul-
lehrer, aber nicht unbedingter Verfechter der Vorschule. Es wurde
bedeutet, dafs der Verein sich auf alles das beschränken soll, was nicht
viel Geld kostet; die Beseitigung der Vorschule würde ab^r viel Geld
kosten. Unsere Städte sowohl, als auch die umliegenden Dörfer tragen
schon schwer an den Schullasten und solange wir noch keine Normal-
schule und keine Normalschülerzahl haben, solange können wir auch nicht
an die AbschaflEung der Vorschule denken. Wollten wir die Vorschule
abschaflfen, ohne alle Schulen wirklich normal zu gestalten, dann würden
die Leute ihre Kinder in Privatlehranstalten schicken. (Vereinzelter
Widerspruch.)
Ein besonders wichtiger Punkt wäre es jedoch vor allem, die Lehr-
pläne so zu gestalten, dafs sie nicht so hohe Anforderungen an das
Abstraktionsvermögen der Schüler stellen. Wenn man sich, die Lehrpläne
der Vorschule ansieht, so wird man vielfach zugestehen müssen, dafs die
Erreichung des Lehrziels nur durch eine sehr starke Pression auf die
Schüler angestrebt werden kann. Will man etwas bessern, so mufs man
den gesamten Lehrplan der höheren Schulen (und dann auch wohl den
Anschlufs an die Universität) ändern; beide Dinge scheinen meiner An-
sicht nach in enger Verbindung zu stehen, kann das nicht geändert
werden, so kann man auch auf der anderen Seite nichts ändern, wenigstens
nicht in Hessen, ob in Preufsen, weifs ich nicht. (Beifall.)
Stadtschulinspektor Dr. Grieben:
Hochverehrte Anwesende! Ich kann nur meiner grofsen Freude
darüber Ausdruck geben, dafs hier in dieser Versanunluhg ein Wider-
spruch erhoben worden ist gegen die Vorschule in ihrer heutigen Form.
Ich will auf diese Frage nicht näher eingehen, ich will nur auf die
Bedeutung der Hygiene in der Schule im allgemeinen verweisen. Da
komme ich nun auf den Schularzt; ich stimme hier mit einem der Herren
Vorredner überein und bitte, den Antrag zum Beschlufs zu erheben, dafs
die Ärzte nicht nur für die Volksschulen, sondern für alle Schulen
berufen werden sollen. Ich begrüfse das Institut der Schulärzte mit
Freuden. Nachdem wir uns beim Bau der Schulen die Errungenschaften
der Hygiene vielfach schon zu nutze gemacht und für ausreichende Zu-
führung von Luft und Licht, für zweckentsprechende Beleuchtung gesorgt
haben, fehlt uns nur noch der Schularzt. Er soll willkommen sein als
direkter Vertreter der hygienischen Wissenschaft; die Gerechtigkeit ver-
langt aber, dafs nicht nur der Lehrer in hygienischer, sondern auch der
Schularzt in pädagogischer Hinsicht unterwiesen wird. Wenn dann der
Schüler erst einmal ein halbes Jahr in der Schule ist und mit Ja und
Nein zu antworten vermag, dann kann der Arzt Hand in Hand mit dem
Lehrer arbeiten. Werden diese Vorschläge berücksichtigt, dann wird auch
die Abneigung gegen den Schularzt da, wo sie etwa noch vorhanden
sein sollte, schwinden und dann werden auch keine Konflikte zwischen
dem Arzt und dem Pädagogen zu befürchten sein. (BeifalL)
Yerhandl. d. IL Jahresversammliuig d. Allgem. Deutsch. Yereinea' etc. 141
Dii^ktor Dörr-Bockenheim (zur Geschäftsordnung):
Meine Herren! Wir nähern uns der dritten Stunde unserer Ver-
handlungen. Wenn wir die 15 Minuten Pause, die wir für jede Stunde
haben sollen, beanspruchen, dann kommt uns jetzt eine Pause von
45 Minuten zu. Ich beantrage Schlufs der Debatte.
Vorsitzender:
Es ist Schlufs der Debatte beantragt, ich bitte die noch angemeldeten
Herren Bedner sich möglichst kurz zu fassen.
Direktor Dr. Beyer-Leipzig:
Ich will mich ganz kurz fassen: ich möchte nur an alle diejenigen
Herren Bedner^ welche hier, wegen der Kürze der ^eit, das eine oder
andere nicht sagen konnten, die Bitte richten, ihre Gedanken auszuarbeiten
und in unserer Zeitschrift zu veröffentlichen. (Lebhafter Beifall.)
Oberbürgermeister Geheimer Regierungsrat P ab st -Weimar:
. Ich möchte mir nur wenige Worte erlauben. Ich bin weder Arzt
noch Pädagog, sondern Verwaltungsbeamter, wollte aber trotzdem hier
eine Frage anregen, die gerade in Bezug auf die Verhinderung der
Nervosität, der Blutarmut und dgl. von grofser hygienischer Bedeutung
sein dürfte. Der Verein möge vor allem einmal erwägen , ob unser
heutiges schulpflicTitiges Alter nicht zu früh gelegt ist und ob man die
Schulzeit nicht lieber erst nach zurückgelegtem siebenten Lebensjahr
beginnen lassen soll. Ein Jahr macht sehr viel in der Entwicklung des
Kindes; das Gehirn, wie überhaupt der ganze Körper entwickeln sich in
diesem Zeitraum noch sehr wesentlich, es handelt sich also, wie gesagt,
um eine für die Gesundheit der Kinder sehr wichtige Frage. Ich weifs,
dafs Bedenken dagegen obwalten — der eine will sein Kind möglichst
bald konfirmiert haben, der andere will, dafs es niöglichst früh eine
Lebensstellung erbält u. s. w. — , aber das ist mir gleichgiltig bei einer
Frage, wo es sich um die Gesundheit der Kinder, um die Gesundheit
des ganzen Volkes handelt. (Beifall.)
Hinsichtlich der Überbürdungsfrage mufs man Volksschule und
höhere. Schule trennen. Ich glaube, bei den Volksschulen ist eine Über-
bürdung nicht vorhanden (Rufe: Oho!); bei den höheren Schulen haben
sich, jedoch die Anforderungen, gegen früher, ganz bedeutend gesteigert.
Man hat nicht nur die alten Sprachen beibehalten, sondern es werden
auch in Bezug auf die neuen Sprachen, sowie in der Mathematik und in
der Naturwissenschaft grofse Ansprüche gestellt. Zu der Zeit, als ich
das Gynmasium besuchte, wurde man wohl viel mit alten Sprachen,
weniger aber mit Mathematik und Naturwissenschaft überlastet. In
unserer Zeit würde es in erster Linie am Platz sein, der grofsen An-
strengung des Geistes durch vermehrte Gelegenheit zum Turnen und
Spielen ein Gegengewicht zu schaffen. Allerdings kann auch dus Turnen
seine Nachteile haben, wenn es, wie dies heute der Fall ist, in Hallen
mit mehr oder minder schlechter Luft, stattfindet und nicht mehr im
Freien und nicht freiwillig, sondern mit Drill. Als ich die Schule
besuchte, turnten wir im Freien und zwar unter Aufsicht von Vorturnern,
142 Verhandl. d. 11. JahreBversaminlang d. Allgem. Dentsch. Vereines etc.
aber nur im Sommer, nicht im Winter. Das heutige Turnen mit seiner
strengen Disziplin ist sehr anstrengend: eine Viertelstunde stramm und
still stehen ist z. B. sehr angreifend; Sie wissen, wie es den Soldaten
angreift. Das Turnen darf nicht Dressur sein, es darf nicht wie jede
andere Unterrichtsstunde behandelt werden oder gar zwischen den ein-
zelnen Unterrichtsstunden stattfinden, sondern es mufs, ebenso wie das
Spielen und das im Freien Umhertummeln überhaupt, freiwillig sein.
Vor allem ist es ein grofser Fehler, dafs man von allen Kindern das-
selbe verlangt und nicht auf schwächliche Kinder Bücksicht nimmt.
(Lebhafter Beifall.)
Stadtrat Professor Kalle-Wiesbaden:
Ich möchte vorschlagen, dafs diese Frage noch einmal auf die
Tagesordnung der nächsten Versammlung gesetzt wird. Es genügt nicht,
wenn wir sagen, es sollten Schulärzte eingeführt werden; wir müssen
auch, wenn wir dies sagen, hinzufügen, wie es gemacht werden soll.
(Beifall.)
Vorsitzender:
Damit sind wir mit der Debatte dieses hochinteressanten Vortrags
zu Ende. Ich hätte selbst einige Worte hinzugefilgt, doch will ich in
Anbetracht der vorgeschrittenen Zeit darauf verzichten; ich bemerke nur,
dafs ich im 1./2. Heft der Zeitschrift „Gesunde Jugend" eingehend über
„Die Aufgaben der Schulhygiene" berichtet habe.
Ich stelle Ihnen nun anheim, darüber zu entscheiden, ob wir die
folgenden Vorträge noch hören oder eine Pause eintreten lassen sollen.
Ich würde das erstere für besser, halten. (Rufe: Pause!) Dann wollen
wir die Verhandlungen hier abbrechen; ich bitte Sie um 1 Uhr wiöder
hier zu erscheinen.
Schlufs der Vormittagsverhandlungen kurz nach 12 Uhr,
Kurz nach 1 Uhr eröffnet Herr Professor Dr. Griesbach die
Nachmittagsitzting und übergiebt das Präsidium dem stellvertretenden
Vorsitzenden, Herrn Oberrealsehuldirektor Dr. Schotten -Halle.
Es wird vorgeschlagen, zunächst die unter Punkt 3 der Tagesordnung
vorgesehenen drei Vorträge über die schulhygienischen Einrich-
tungen der Stadt Wiesbaden entgegenzunehmen, womit sich die
Versammlung einverstanden erklärt.
Vor Beginn dieser Vorträge erbittet uad erhält Fräulein Hill e-
brandt-Wiesbaden das Wort und erklärt:
Ich habe aus den bisherigen Verhandlungen entnommen, dafs im
allgemeinen nur von den höheren Schulen, und zwar ganz besonders von
den höheren Knabenschulen, die Rede ist, und ich möchte mir des-
halb die Frage erlauben, ob nicht auch die Mädchenschulen, und
zwar auch die höheren Mädchenschulen, bei den Bestrebungen des Ver-
eins berücksichtigt werden könnten.
yerhandl. d. Ü. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsdi. Vereines etc. 143
Herr Oberrealschuldirektpr Dr. H. Schotten-Halle^ sowie Herr
Professor« Dr. Griesbach-Mülhauseii, erwidern,
dafs der Verein selbstverständlich, wie ja auch schon sein Name
besage, die Sehniges iindheitspflege im allgemeinen zu fördern bestrebt sei.
sich also nicht einseitig auf die Knabenschulen beschränken werde. Die
Jugend als solche im ganzen genommen solle gesund und kräftig
herangezogen werden. Um dies aber zu eireichen, dazu gehören doch vor
allen Dingen gesunde und kräftige Mütter, imd aus diesem Grunde schon
inüfste der Verein sein Bestreben auch den Mädchenschulen voll und
ganz zuwenden. Bei der Jugend des Vereins und bei der Fülle der in
Betracht' komnienden Fragen sei es noch nicht möglich gewesen, sich
mit jeder einzelnen Frage so eingehend zu beschäftigen, wie es wünschens-
wert wäre.
Direktor Archenhold-Treptow-Berlin:
Da ich nicht sicher bin, ob ich heute noch zum Wort komme, oder
vielmehr, da ich weifs, dafs ich sicher nicht mehr zum Wort kommen
wefde mit meinem Vortrag, möchte ich bemerken, dafs ich in meinem
Vortrag auch der Mädchenschulen gedacht und auf verschiedene Punkte
hinsichtlich der Kleidung, Korsage, Schirme, Hüte, Stickereien, Turnen u. s. w.
Kücksicht genommen habe. (Beifall.)
Herr Oberrealschuldirektor Dr. H, Schotten -Halle bringt hierauf
folgendes, während der SitzAing eingegangenes Schreiben der
Generalinspektion des Militärbildungswesens zur Verlesung:
Dem geehrten Vorstand dankt ganz ergebenst die General-Ipspektion
für die heute eingegangene freundliche Mitteilung des Programms der
diesjährigen Versammlung des Vereines, sowie für die an dem Unter-
zeichneten unter dem 27. d. M. gütigst übersandte Ehrenkarte.
Es bedarf wohl nicht der Versicherung, dafs allen, eine Förderung
der Schulhygiene bezweckenden Mafsnahmen die General -Inspektion ein
lebhaftes Interesse entgegenbringt» Von Entsendung eines Vertreters
mufs aber zu diesseitigem aufrichtigen Bedauern wegen dienstlicher Be-
hinderung der hierbei in Betracht konpienden Persönlichkeiten abgesehen
werden.
Mit ausgezeichneter Hochachtung Frh. v, Funck.
Nunmehl' besteigt HeiT Stadtschulinspektor Rinkel-Wiesbaden
die Rednertribüne und eröffnet die Vorträge über die schul-
hygienischen Einrichtungen der . Stadt Wiesbaden vom
Standpunkt eines Schulmannes aus mit folgenden Darlegungen:
Hochgeehrte Anwesende !
Der zweite Gegenstand unserer Tagesordnung, die schulhygienischen
Einrichtungen, der Stadt Wiesbaden, wird von dr:ei Rednern behandelt
werden: einem Schulmann, einem Schularzt und ^inem Schulbaunaeister..
Selbstverständlich wird jeder von ihn^ die' Sache von seinem Stand-
punkte, von der pädagogische!), medizinischen, bautechnischen Seite aui^
144 Yerhandl. d.' II. Jahresversaminlang d. Allgem. Deatsch. Vereines etc.
betrachten. So werden sich die Vorträge gegenseitig ergänzen. Der
naheliegenden Gefahr unliebsamer Wiederholungen ist durch vorgängige
Verständigung der Äedner vorgebeugt worden; dagegen ist nicht aus-
geschlossen, dafs nun gerade bei der Besorgnis des einzelnen, auf das
Gebiet des andern überzugreifen, leicht manches Wichtige ungesagt bleibe.
Allein das wäre wohl das kleinere Übel. Etwaige Lücken lassen sich
am Schlüsse der Vorträge oder im Laufe der Debatte leicht ausfallen.
Ich möchte femer vorweg bemerken, dafs bei ünsem Ausführungen
es sich im wesentlichen nur um Volks- und Mittelschulen handeln wird,'
Mittelscnulen im norddeutschen Sinne des Worts. Nui* diese beiden
Schulgattungen unterstehen, abgesehen von den Privatschulen, meiner
Aufsicht; nur für diese sind Schulärzte angestellt. Höhere Schulen
werden also nicht in Betracht kommen, soweit es sich nicht um all-
gemein schultechnische Dinge, namentlich bautechnische, handelt.
H. A. ! Bei den in neuester Zeit überall in gesitteten Ländern
hervortretenden Bestrebungen, die Wohlfahrt des Volks durct Besserung
der gesundheitlichen Zustände zu heben, ist unsere Kurstadt Wiesbaden
nicht zurückgeblieben. Von der Ansicht ausgehend, dafs die Gesundung
des Volks mit der Jugend beginnen müsse, hat sie es sich besonders an-
gelegen sein lassen, die Gesundheit der Schuljugend zu pflegen. Auf
diesem Gebiete hat sie, wenigstens in einer Beziehung, der Anstellung
von Schulärzten, unter den preufsischen Städten die Führung genommen.
Von der dringenden Notwendigkeit einer wirksamen Schulgesimdheits-
pflege überzeugt, erkennt sie diese als eine unabweisliche Pflicht der
Gemeinde an. Mag, theoretisch betrachtet, diese Verpflichtung in erster
Linie dem Staate obliegen, der die Kinder zum Besuch der Schule
zwingt, die praktische Ausführung wird doch immer der Gemeinde zu-
fallen, der der Staat die Sorge für das Schulwesen überträgt.
Die Aufgabe der Schulhygiene erblicken wir nicht nur in dem
Schutze der Schüler und Lehrer vor Schädiguiäg ihrer Gesundheit in der
Schule und durch dieselbe; weitergehend erstreben wir auch eine Kräf-
tigung der Gesundheit der Schüler, soweit dies möglich ist, durch ge-
eignete Körperpflege: durch Turnen und Bewegungsspiele der Mädchen
wie der Knaben, durch Schulbäder, auch durch die Verpflegung mangel-
haft ernährter oder schwächlicher Kinder.
Was hat nun unsere Kurstadt im einzelnen gethan, um den heutigen
Forderungen der Schulgesundheitspflege gerecht zu werden?
Von der städtischen Behörde ist hauptsächlich dreierlei geschehen.
Sie hat Schulhäuser erbaut, die wohl den weitestgehenden Anforderungen
der Neuzeit, hygienischen und schultechnischen, genügen dürften; sie hat
Schulbäder eingerichtet; sie hat Schulärzte angestellt.
Die Behörde wird in diesen Bestrebungen durch Privatpersonen und
Vereine unterstützt, welche zur Pflege der Gesundheit der Jugend die ver-
schiedensten Veranstaltungen getroffen haben: Verabreichung eines warmen
Frühstücks an unbemittelte Kinder während der Wintermonate, Kinderhorte,
Sommerpflege armer schwächlicher und kranker Kinder auf dem Lande
und in Badeorten u. a.
Der Magistrat fördert derartige Wohlfahrtsbestrebungen mit B^at
und That; die Leitung und Ausführung überläfst er gern den privaten
Verhandl. d. Ü. Jahresversammlung d. Allgem. Beutsch. Vereines etc. 1 45
Personen und VOTeinen. Weifs er doch, dafs die freie Liebesthätigkeit
der Einzelnen solche Werke mit gröfserer Hingabe und Freudigkeit und
oft mit besserem Erfolge ausführt, als dies auf amtlichem Wege ge-
schehen kanü.
Die Stadt Wiesbaden ist in der günstigen Lage, bei der. Fürsorge
für ihre Schuljugend einen gewissen Luxus entfalten zu dürfen, nicht
nur wegen des Wohlstandes ihrer Bewohner, sondern auch wegen der
verhältnismäfsig geringen Zahl ihrer Schulbevölkerung. Bei etwa
90000 Einwohnern zählt Wiesbaden kaum 11000 schulpflichtige Kinder,
also 12% der Bevölkerung gegen 15% und mehr in den meisten
anderen Orten. Von diesen Kindern besuchen nur 60% die Volks-
schulen, 40% mittlere und höhere Lehranstalten. Dieser Umstand er-
klärt sich, nebenbei gesagt, aus den eigenartigen Verhältpissen der Kur-^
Stadt, die bei sehr geringer Fabrikthätigkeit wenig Arbeiter zählt, da-
gegen viele Familien von Eentnem und Pensionären, deren Kinder das
schulpflichtige Alter bereits überschritten haben. Dementsprechend zeigt
Wiesbaden eine jährliche Geburtsziffer von 26 pro mille, während andere
Städte eine solche von 36, reine Industriebezirke gar eine solche von 56
aufweisen. So vermag Wiesbaden für den Unterrichtsbetrieb seiner
Volksschulen eine jährliche Ausgabe von 60 Jl für jedes Kind ohne
Überlastung zu tragen, und daneben noch prächtige Schulbauten aufzu-
führen.
Über die bautechnischen und schulhygienischen Grundsätze, welche
unser Stadtbaumeister, Herr Baurat Genzmer, bei der Errichtung zweier
neuer Schulhäuser — ein drittes ist eben begonnen — , sowie bei dem
sehr glücklichen Um- und Aufbau eines älteren Schulhauses befolgt hat,
wird, dieser Herr Ihnen nachher eingehende Mitteilungen machen; denen,
die sich besonders für Schulbauten interessieren, wird er morgen bei
Besichtigung der beiden neuen Schulhäuser die nötigen Erläuterungen
geben.
Ich als Schulmann habe zu diesem Gegenstände nur einzelne Be-
merkungen zu machen. Zunächst drängt es mich, meiner Freude Aus-
druck zu geben über die Schönheit und Zweckmäfsigkeit der monumen-
talen Bauten. Dabei erkenne ich gern an, dals die Stadt Wiesbaden bei
dem Bau von Schulhäusem (auXser der früheren höheren Mädchenschule)
niemals gespart hat. Schon das im Jahre 1817 erbaute, 1897 nieder-
gelegte Schulhaus am Markte war für die damalige Zeit sicher ein her-
vorragendes Gebäude; ebenso die in späteren Jahrzehnten errichteten
Schulhäuser. Ich bin freilich überzeugt, dafs es auch damals nicht an
Nörgelem gefehlt hat, denen die Schulhäuser viel zu schön und kost-
spielige waren. Die Herren bedenken eben nicht, dafs solche Bauten noch
einem weiteren Zwecke dienen als dem Unterricht. Sie sollen Zierden
sein für die Stadt; sie sollen Zeugnis ablegen von der Opferwilligkeit
und dem Ktmstsinn ihrer Bürger, ebensogut wie die prachtvollen kirch-
lichen Bauten. Zur Abhaltung eines erbaulichen Gottesdienstes genügt
auch ein schlichter reformierter Betsaal. Aber doch schauen wir mit
stolzer Freude hinauf zu den herrlichen Gotteshäusern alter und neuer
Zeit und scheuen kein Opfer, imi sie schön und herrlich zu gestalten. —
Aber abgesehen davon, hat die Schönheit des Schulhauses noch eine hohe
(Hfunde Jugend. I. S^ 10
146 Yerhandl. d. n. Jahresyenammlung d. Allgem. Dentech. Vereines etc.
pädagogische Bedeutung. Sie 'bildet bei den Kindern den Sinn für
Schönheit, Ordnung und Sauberkeit. Lehrer und Schüler arbeiten doppelt
gern in den schönen Bäumen. Sie fühlen sich verpflichtet, dieselben
sauber und neu zu erhalten. Von Seiten der Stadt geschieht ja alles
zur Reinhaltung der Schule. Die geölten Fufsböden werden täglich mit
feuchtem Sägemehl gekehrt, Tische und Bänke mit feuchtem Tuche ab-
gewischt. Turnhallen und Aborte werden aufserdem wöchentlich, Lehr-
säle, Gänge, Treppen monatlich einmal gründlich aufgewaschen. Vor der
Thüre sind Kratzeisen, in den Gängen Drahtmatten zur Reinigung der
Schuhe angebracht. Sache der Lehrer ist es nun, sorgfältig darauf zu
achten, dafs diese Reinigungsmittel auch gehörig benutzt werden, damit
kein Schmutz in die Schulräume getragen werde, der, wenn trocken ge-
worden imd zertreten, nachher zu dem gesundheitsschädlichen Staube wird.
Sache der Lehrer ist es, dafOr zu sorgen, dafs die Einrichtungen för
Lüftung, Abhaltung des zu grellen Lichtes u. dgl. nun auch voll aus-
genutzt und in gutem Zustande erhalten werden, dafs in den so zweck-
mäfsigen zweisitzigen Subsellien die Kinder auch eine gute Körperhaltung
bewahren. Die zweisitzigen Schulbänke, mit denen allmählich alle unsere
Schulhäuser, auch die älteren, ausgestattet werden, sind aufserordentlich
zu empfehlen, schon deswegen, weil sie eine Überfullung der Lehrsäle
unmöglich machen. Da in einem Klassenzimmer von 60 qm Bodenfläche
sich nur 30, ausnahmsweise 32 Bänke aufstellen lassen, so können hoch-*
stens 64 Kinder in einer Klasse untergebracht werden. Es ist dies auch
— nebenbei bemerkt — die höchste Schülerzahl, die wir zur Zeit in
einzelnen Klassen haben, während die niedrigste 40, die mittlere 56 be-
trägt. Nach der Eröffnung der im Bau begriffenen Gutenbergschule in
der Südstadt wird sich der durchschnittliche Klassenbestand voraussicht-
lich auf etwa 50 stellen. Nach den ministeriellen Vorschriften gilt eine
Klasse erst als überfüllt, wenn sie von mehr als 70 Kindern besucht
wird. Von einer Uberfällung unserer Volksschulen kann demnach nicht,
die Rede sein. Auch nicht von einer Überbürdung der Lehrer und
Schüler. In unseren Schulen mit acht aufsteigenden Klassen wird un-*
gefähr derselbe Lehrstoff . verarbeitet wie anderswo in sechs- und sieben-
klassigen Schulen. Bei uns hat der Lehrer es immer nur mit einem
Jahrgange von Schülern zu thun, kann diesem also immer seine volle
Kraft widmen.
Die Klassenfrequenz liegt weniger günstig an unseren Mittelschulen^
wo besonders in den Klassen V bis VII die zulässige Schülerzahl von
50 Knaben bezw. 40 Mädchen nicht unbedeutend überschritten ist. Durch
einen noch im laufenden Jahre vorzunehmenden Erweiterungsbau wird
hier Abhilfe geschaffen werden.
Die zweite der von der städtischen Behörde ins Dasein gerufenen
schulhygienischen Einrichtungen ist das Schulbad. Seit dem Jahre 1894
sind an unseren 5 grofsen Volksschulen 4 Bäder eingerichtet worden.
Sie, h. A., werden morgen bei der Besichtigung der Blücherschule Ge-
legenheit haben, das bei dem Neubau dieser Schule, also unter den
günstigsten Bedingungen, eingerichtete Schulbad in Augenschein zu
nehmen. — Um denjenigen unter Ihnen, die die Einrichtung und tien
Betrieb eines Schulbades aus eigner Anschauung nicht kennen, eine Vor-
Yerliandl. d. 11. Jahresyerflammlnng d. AUgem. Dentsch. Vereines etc. 147
Stellung davon zu geben, erlaube ich mir, den Bericht zu verleseii, den
ich im Jahre 1895 über unser erstes Schulbad erstattete, der im wesent-
lichen auch noch ftir unsere neueren Schulbäder zutrifiPt:
„Das Schulbad befindet sich in zwei nach Süden gelegenen, geräumigen
Zimmern des Kellergeschosses. Das mit Bänken und Kleiderhaken ver-
sehene, wohlgeheizte vordere Zimmer dient als Aus- und Ankleideraum,
das zweite als Baderaum. Hier sind an der Decke starke Brausen an-
gebracht; der Boden unter denselben ist mit einem Lattenrost belegt;
unter diesem sammelt sich das ablaufende Wasser in einer Vertiefung,
aus welcher es durch Bohren abgeleitet wird.
Das Baden geschieht während der Schulzeit und zwar in den für
Schreiben, Zeichnen, Handarbeit und Turnen bestimmten Stunden. Etwa
20 Schüler treten gleichzeitig zum Baden an, während die übrigen in
ihren Klassen weiter arbeiten. Die Gruppe der Badenden begiebt sich
in geordnetem Zuge in den Keller: die Schüler entledigen sich im Aus-
kleideraum auf Kommando schnell der Kleider und treten, ebenfalls auf
Kommando, zu dreien, kleinere auch zu vieren auf den Lattenrost. Der
Hahn wird geöffnet, und der Brause entströmt etwa eine Minute lang
das auf 32 — 35® C. erwärmte Wasser. Darauf reiben die Kinder den
ganzen Körper mit der ihnen gelieferten Seife ein. Es erfolgt eine
zweite Brause, worauf der Körper gehörig abgerieben und mit einer
Wurzelbürste bearbeitet wird. Eine dritte Brause, die durch Zuführung
kalten Wassers allmählich auf 25 — 20® C. abgekühlt wird, nimmt Seife
und Schmutz fort. Die Kinder eilen in den Ankleideraum zurück, trocknen
sich ab, legen schnell die Kleider wieder an und kehren in ihre Klasse
zurück, worauf die zweite Gruppe zum Baden antritt. Der ganze Vor-
gang dauert, wenn die Kinder erst an das Baden gewöhnt sind, bei
Knaben etwa 15, bei Mädchen 20 Minuten, so dafs eine Klasse von
60 Kindern in einer Stunde gebadet werden kann.
Die Aufsicht beim Baden der Knaben führt der Schuldiener (jetzt die
Klassenlehrer), bei den Mädchen dessen Frau. Die Überwachung des
Ganzen leitet der Hauptlehrer (Rektor), der hierbei von den Lehrern und
Handarbeitslehrerinnen (nach Anstellung von Lehrerinnen auch durch
diese) unterstützt wird.
Selbstverständlich wird alles vermieden^ was die Schamhaffcigkeit
der Kinder verletzen könnte. Die anfängliche Scheu einzelner Knaben,
sich in Gegenwart ihrer Mitschüler, des Klassenlehrers und des Schul-
dieners zu entkleiden, hat sich bald gelegt. Der Gebrauch von Badehosen
wird den Knaben gestattet, aber nicht für notwendig erachtet.- Den
Mädchen werden Badeschürzen und Kappen geliefert, einzelne haben auch
ihre eigene Badewäsche. Handtücher müssen von Hause mitgebracht
werden; doch werden sie Unbemittelten auch von der Schule geliehen.
Jedes Stück der Badewäsche wird nach Gebrauch sorgfältig abgespült
und getrocknet. —
Im Winter wurden nur die Schüler der oberen fünf Klassen, im
Sommer auch die der sechsten Klasse zum Baden herangezogen; die
Kinder der unteren beiden Klassen sind noch zu ungeschickt beim Aus-
und Ankleiden. Die Beteiligung am Bade ist eine freiwillige, war aber
schon von Anfang an recht befriedigend. Von der Eröffnung des Bades
10*
148 Yerhandl. d. II. Jähresyersainmlnng d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
am 14. Januar bis zum Ende des Schuljahres am 6. April nahmen, ob-
wohl bei der strengsten Kälte vom 1. bis 16. Februar das Baden aus-
gesetzt wurde, 1272 Knaben in 79 :6ruppen und 937 Mädohen in
49 Gruppen an demselben teil. Im Sonmier ist die Beteiligung erheblich
gestiegen; sie betrug durchschnittlich 56% bei den Knaben, 37% ^^^
den Mädchen. Sie würde noch gröfser gewesen sein, wenn nicht manche
Eltern ein ganz unbegrflndetes Vorurteil, gegen diese segensreiche Ein^
richtung hegten, und wenn sich manche Kinder nicht schämten, ihre
wenig präsentablen Unterkleider zu zeigen. — ;
Der Nutzen des Schulbades ist unleugbar ein sehr grofser. Die
Kinder lernen das GefQhl des Behagens kennen, das einen durchströmt,
wenn der Körper gründlich von Schmutz und Schweifs gereinigt, wenn
die gesamte Hautthätigkeit durch das Brausebad lebhaft angeregt Ivird.
50 wird ihnen ein gewisses Badebedürfhis anerzogen, das sie auch nacli
■der Schulzeit zu befriedigen suchen werden, wo inmier sich ihnen die
Gelegenheit bietet. Eine sehr wohlthätige Einwirkung übt das Schulbad
auch auf die Sauberkeit der Unterkleider aus. Die Badenden erschienen
durchweg mit sauberer Leibwäsche."
Seit jener Zeit sind in drei weiteren Volksschulen Bäder eingerichtet
worden; auch die jetzt erstehende Gutenbergsohule wird mit solchena
versehen . sein. Nur einer unserer älteren Volksschulen fehlt das Bad, da
die Einrichtung desselben aus bautechnischen Gründen dort nicht mög-
lich war.
Aber immer noch ist es leichter, Schulbäder einzurichten, als die
Kinder hineinzubringen: Bei den Eltern, von denen manche seit ihrem
ersten Bade durch, die weise Frau keines wieder genommen haben, finden
wir wenig Unterstützung. Bei manchen Kindern wirkt schon das Bei-
spiel älterer Geschwister. Aber bei dem meisten müssen die Lehrer noch
fortwährend treiben, ihnen Mut machen, sie auf den heilsamen Einfluüs
des Badens hinweisen, ehe die Kinder dahin gebracht werden, einmal
versuchsweise mitzubaden. So kommt allmählich di« Lust, das Bad wird
zur Gewohnheit.
Es ist erfreulich, dafs mit jedem neuen Bade die Benutzung des-
selben zunimmt. Zahlen beweisen. So gestatten Sie mir, Ihnen das
Ergebnis einer statistischen Erhebung vorzufahren, die ich vorigen Herbst
in der Woche vom 8. bis 13. Oktober über die Teilnahme der einzelnen
Klassen am Baden anstellen Hefs.
Es badeten
1. in einer Mädchenschule: 24 bis 67%, durchschnittlich 45% der
schnlanwesenden Kinder; .
2. in einer Knabenschule:. 50 bis 98%, durchschnittlich 79%;
3. in einer gemischten Schule mit 1 Knaben-, 2 Mädchensystemen:
:71 bis 957o, durchschnittHch 857o; *
4. in einer gemischten Schule mit 2 Knaben- und 1 Mädchensystem:
61 bis 96%, durchschnittlich 83%;
in den 4 Schulen zusammen: 24 bis 98%, durchschnittlich' 73%
der' schülanwesenden Kinder.
Mit diesen Zahlen könnte man zufrieden sein; aber leider fehlen
gerade diejenigen Kinder beim Baden, welche es am nötigsten hätten;
Yerhandl. d. 11. Jahres verBammlung d. Allgem. Deutsch. Verißines etc. 149
Wir haben versucht, für gesunde Kinder die Teilnahme am Baden ver-
bindlich zu machen, dauernd nur auf schulärztliches Gutachten hin,
vorübergehend durch den Klassenlehrer vom Bade zu dispensieren. —
Warum auch keinen Badezwang? Scheut sich doch der Staat nicht,
Zwang auszuüben, wo es das allgemeine Wohl erheischt! Kennen wir
doch die Schulpflicht, die Impfpflicht, die Militärpflicht! Warum nicht
auch die Badepflicht? Allein unser Versuch ist fehlgeschlagen, da er bei
den staatlichen Behörden nicht die Unterstützung fand, die wir glaubten
erwarten zu dürfen.
Ich kann nicht umhin, noch eines Widerstandes zu erwähnen,
den unser Schulbad auf einer Seite fand,, wo wir ihn nicht erwarteten.
Viele Eltern, namentlich solche katholischer Konfession, selbst
Lehrer und Geistliche, erklären das gemeinsame Baden, Aus- und An-
kleiden für eine Verletzung der Schamhaftigkeit, für unsittlich, gottlos.
Sie verlangen ein Schulbad mit Einzelzellen. Wir haben, um dieser
Prüderie Eechnung zu tragen, den Badehosenzwang in den drei obereli
Klassen eingeführt; den Mädchen wurden von vom herein Badeschürzen
und Kappen geliefert, zum grofsen Teil haben sie eigene Badekostüme.
Der Einrichtung von Badezellen, die uns als eine Verschlechterung unsers
Bades erschien, konnten wir nicht zustiinmen. —
Die dritte von den städtischen Behörden getroffene schulhygienische
Einrichtung, die viel besprochen, angefochten und anerkannt wurde, war
die Anstellung von Schulärzten im Jabre 1895. Über die Thätigkeit
derselben wird unser ältester Schularzt, {lerr Dr. Cuntz, gleich das Wort
nehmen. Ich erlaube mir nur, bezüglic)i der Stellung der Lehrerschaft
zu dieser neuen Einrichtung einige Worte zu sagen.
Unsere Lehrer standen anfänglich der Neuerung ziemlich kühl, ja
mifstrauisch gegenüber; sie befürchteten Eingriffe in ihre Befugnisse,
Vermehrung der Arbeit, Störungen des Unterrichts. Erst, als sie erkannten,
dafs ihre Befürchtungen, wenig begründet .waren, als sie einsahen, dafs
ihnen die Schulärzte wirklich . Helfer bei der Schularbeit waren und für sie
selber manches erwirkten, da befreundeten sie sich mehr und mehr mit
der neuen Einrichtung. Und es ist gut, dafs ein solches Verhältnis
besteht; denn ohne die willige, treue Mitarbeit der Lehrer würden die
Schulärzte wenig ausrichten. Wirken beide einmütig zusammen, so
können sie Grofses vollbringen. Nur bin ich mit dem Vorsitzenden
unserer Versammlung der Meinung, dafs die Machtbefugnisse der Schul-
ärzte erweitert werden sollten. Wenigstens sollte es ihnen allein über-
lassen bleiben, Gutachten auszustellen für Schüler, die von einzelnen
Unterrichtsfächern dispensiert oder aus gesundheitlichen Gründen längere
Zeit vom Schulbesuch befreit werden wollen. Ich weifs von manchen
Ärzten, dalJs sie es freudig begrüfsen würden, wenn ihnen als Hausärzten
die Ausstellung solcher Zeugnisse abgenommen und den Schulärzten über-
wiesen werden könnte. —
H. V.! Sie werden von mir nicht erwarten, dafs ich auch noch
über die segensreiche Thätigkeit der Privatvereine, welche auf dem
Gebiete der Jugendgesundheitspflege arbeiten, ausführliche Mitteilungen
mache. Sie finden solche in den Jahresberichten, welche diese Vereine
^herausgeben. Ich beschränke mich daher auf einige zahlenmäfsige An-
150 Verhandl. cL II. JahiesyerBammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
gaben. An dem warmen Frühstück, das, aus Hafergrützsuppe und Brot
bestehend, von Mitte Dezember bis Ende März unbemittelten Volks*
Schülern auf Kosten der privaten Wohlthätigkeit gespendet wird, nehmen
etwa 500 Kinder teil-, sie essen die Speise gern, und sie bekommt
ihnen ausgezeichnet. Der Damenverein für Mädchenhorte nimmt etwa
200 Schülerinnen von 4 — 7 Uhr unter seine schützende Obhut. Die
Kinderbewahranstalt ninmit etwa 120 Schulkinder teils als Hauskinder,
teils als Tageskinder auf. Der Verein für Sommerpfiege gedenkt in
diesem Jahre gegen 150 schwächliche Schulkinder aufs Land oder auch
in Bäder zu schicken; der Verein zur Pflege kranker Kinder entsendet
jährlich etwa 50 Wiesbadener Schulkinder in die Bäder, meist nach
Kreuznach und Nauheim. —
Und nun, h. A., werden Sie mich wohl fragen: „Welche Erfolge
habt Ihr denn mit Euren schulhygienischen Bestrebungen und Ein-
richtungen, namentlich mit der Anstellung von Schulärzten erreicht?**
Ich erwidere: Um eine abschliefsende Antwort zu erteilen, dazu ist
das Institut der Schulärzte noch zu jung. Wenigstens wollen wir warten,
bis wenigstens eine Schülergeneration unter ärztlicher Überwachung durch
die Schule gegangen ist. Aber soviel dürfen wir schon sagen: Manches
ist besser geworden in unsern Schulen, die Beinlichkeit der Kinder an
Körper und Kleidung, die Schullufb. Es kommt mir, wenn ich in eine
Klasse trete, wo fleifsig gebadet wird, der mufßge Menschen- und Kleider-
geruch nicht mehr so eütgegen wie früher. Manches Gebrechen, das
früher verborgen blieb, wird jetzt bei der Aufnahme der Kinder in die
Schule entdeckt, den Eltern mitgeteilt, beim Unterricht berücksichtigt.
Für die Feststellung solcher Schäden sind wir Schulmänner den Ärzten
besonders dankbar. Wenn die Gebrechen nicht geheilt werden, wenn sie
im Laufe der Schulzeit mehr und mehr zu Tage treten, so kann doch
jetzt nicht mehr, wie dies früher oft genug geschehen sein mag, der
Schule ein Verschulden beigemessen werden, das sie nicht trifft. — Einige
unserer Rektoren wollen es sogar der besseren Schulgesundheitspflege
zuschreiben, dafs die Zahl der Kinderkrankheiten und der Schulversäum-
nisse abgenonmien hat. Die Thatsachen sind statistisch festgestellt. Die
schlimmeren Kinderkrankheiten, Scharlach und Diphtherie, traten in den
letzten Jahren nur sporadisch auf; die Masemepidemie, die alle zwei Jahre
regelmäfsig über unsere Stadt von Südwesten nach Nordosten hinweg
streicht, verlief harmlos. Aber es erscheint mir doch gewagt, diese
Besserung den schulhygienischen Einrichtungen zuzuschreiben. Es mögen
da andere Ursachen mitgewirkt haben. Überhaupt möchte ich wamwi,
sich von der Schulgesundheitspflege allzuviel zu versprechen. Eine gesunde
Jugend werden uns auch die Schulärzte nicht in die Schule bringen.
Dazu liegen die Schäden unseres Volkslebens zu tief und zu weit zurück.
Sie fallen schon in die Zeit vor der Geburt des Kindes und in dessen
erste Lebensjahre. Es erfafst mich oft ein Grauen und ein tiefes Er-
barmen, wenn nach der Aufnahme der Schulneulinge ich unter ihnen so
manches elende, verkümmerte und verkommene Kind erblicke, dem kein
Schularzt helfen kann, für das es keine Gesundung mehr giebt. Um diese
Zustände zu heilen, da müfste die Sozialhygiene mit allem Nachdruck
eintreten. So lange noch Kinder geboren werden, die von schwächlichen,
Verhandl. d. II. Jabresversamnilimg d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 151
kranken, erblich belasteten, von Alkohol vergifteten Eltern abstammen,
Kinder, die Yon gewissenlosen Eltern in den ersten Lebensjahren geistig
und leiblich vernachlässigt und verwahrlost werden, so lange wird es
eine gesunde Schuljugend nicht geben.
Schaffet uns gesunde Kinder in die Schule, so werden wir mit allen
Kräften dafür sorgen, dafs sie gesund erhalten, dafs sie mit Gottes Hilfe
vor jeder Schädigung Leibes und de» Seele in der Schule bewahrt
bleiben. —
Vom Standpunkte des Schularztes aus spracli sodann Herr
Schularzt Dr. F. Cuntz-Wiesbaden, indem er ausführte:
Meine Herren!
Es ist mir die Aufgabe gestellt, Ihnen vom ärztlichen Standpunkte
aus über unsere schulhjgienischen Einrichtimgen zu referieren, nachdem
Sie über die Entstehung derselben, über die Thätigkeit des Schularztes
vom pädagogischen Standpunkte aus soeben durch meinen verehrten Vor-
redner unterrichtet wurden. Sie haben gehört, wie sich unsere Thätig-
keit in den Betiieb des Volksschulwesens eingereiht hat, wie sie dort
aufgenommen und was sie dort bis jetzt geleistet hat.
Wenn ich auch bei der grofsen Anzahl der hier anwesenden „Fach-
genossen" voraussetzen darf, dafs sie mit unserer Thätigkeit schon be-
kannt sind — sind ja gerade unsere Einrichtungen s. Z. durch mini-
sterielles Bundschreiben zur Nachahmung bezw. als Vorbild empfohlen
worden — , so glaube ich doch, meine Aufgabe am besten und kürzesten
zu erledigen, schon im Hinblick auf die anwesenden Laien, wenn ich an
der Hand unserer Dienstordnung und eines Gesundheitsscheines die Art
und Weise unserer Thätigkeit bespreche.
Es wird sich dabei auch Gelegenheit fbden, an dem einen oder
anderen Punkte Kritik zu üben, unsere Erfahrungen über Durchführbar-
keit und Wirksamkeit der oder jener MaTsregel hervorzuheben.
Ich kann hierbei nur auf das verweisen, was ich bereits Ende 1898
in der Deutschen Medicinischen Wochenschrift kurz veröffentlicht habe.
Vorausschicken will ich, dafs hier für etwa 8600 Kinder in 9 Schul-
gebäuden 6 Schidärzte angestellt sind; es konmien also durchschnittlich
1483 Kinder auf den einzelnen Arzt! Ich halte diese Ziffer für zu hoch,
und wird Wiesbaden nicht umhin können, demnächst mit Fertigstellung
der neuen Schule einen weiteren Schularzt anzustellen. Je mehr Schüler,
desto weniger vermag der Arzt sie zu übersehen, desto schwieriger wird
es, Veränderungen an einzelnen Kindern zu erkennen imd zu verfolgen,
desto schablonenhafter und oberflächlicher werden schliefslich die Gesamt-
untersuchungen !
Wenn jede Klasse mit dem Durchschnittssatz von 50 Köpfen besetzt
ist, so wird auch bei 24 -klassigem System die Gesamtsumme von 1200
nicht überschritten werden. Noch besser natürlich, wenn es nur 16-klassige
Schulen sind! Deswegen können wir auch vom schulärztlichen Stand-
punkte der Forderung der Pädagogen nach kleineren Klassen und kleineren
Schulen nur zustinunen!
Der § 1 imserer D. -0. sagt — auf den genauen Wortlaut ver-
152 Verhandl. d. ü. Jahresversainmlung d. Allgem. Deutsch. VereineB etc.
ziehten Sie wohl, da hiemeben eine Anzahl Exemplare derselben, wie
unserer sämtlichen gebräuchlichen Formulare, und des letztjährigen Be-
richtes „a discretion" aufliegen — :
„Die Schulärzte haben die Aufgabe, den Gesundheitszustand der ihnen
zugewiesenen Schüler zu überwachen und bei der ärztlichen* Bevision
der zur Schule gehörigen Bäumlichkeiten und Einrichtungen mitzuwirken!^
Demgemäfs gliedert sich auch unsere Thätigkeit in 2 Hauptabtei-
lungen, in 1) die Überwachung der Kinder, bestehend in der sogenannten
Erstuntersuchung mit Yorrevision, .in der Abhaltung der Sprechstunden
und in den späteren Nachuntei'suohungen, 2) die hygienische Überwachung
der Bäumlichkeiten und Einrichtungen.
Die Erstuntersuchung, d. h. Untersuchimg der in die Schule neu
eintretenden 6 jährigen Kinder besteht in einer äufserlichen Bevision inner-
halb der ersten drei Tage des Schulbeginnes, welche bezweckt, wenn
irgend möglich, die Einschleppung von ansteckenden Krankheiten und
von Ungeziefer zu verhüten.
Um diesen Zweck ganz zu erfüllen, müTste diese Untersuchung
eigentlich vorgenommen werden, ehe die Kinder überhaupt die Schule
betreten, was aber aus äuTseren Gründen nicht wohl durchführbar sein
dürfte.
Gleich hierbei muTs ich erwähnen, dafs wir hier in Wiesbaden aufser
einigen verdächtigen Fällen einen wirklichen „Missethäter^^ eigentlich noch
nicht entdeckt haben.
Innerhalb der ersten 4 — 6 Wochen folgt dann eine genaue Unter-
suchung sämtlicher aufgenommener Kinder, mit Eintragung des Befundes
in die sogenannten Gesundheitsscheine.
Vor der Vornahme dieser Untersuchung werden die Eltern der
Kinder benachrichtigt und ihnen anheimgestellt, durch Vorlage eines
hausärztlichen Zeugnisses nach bestimmtem Formular ihr Kind von der
Untersuchung durch den Schularzt zu befreien. Wie sehr die Zahl
dieser „Befreiungen" mit den Jaliren abgenommen hat, ergeben die
Zahlen unserer Berichte,
in 1896/189V waren es bei etwa 1690 Kindern 35,
„ 1898/1899 „ „ „ „ 1300 „ 15,
„ 1899/1900 „ „ „ „ 1220 „ nur 7.
Die Gesundheitsscheine tragen am Kopfe die erforderlichen Per-
sonalien des Kindes, Schuleintritt etc., das Datum der Impfung und
Wiederimpfung; bei diesen wird die Zahl der noch sichtbaren Impfnarben
notiert.
Femer führen sie Spalten für die allgemeine Konstitution, die
als „gut, mittel oder schlecht" bewertet wird; dabei sollen auch die
gefundenen krankhaften Störungen der Gesamtkonstitution, die zu einer
Minderbewertung Veranlassung gegeben, notiert werden; z. B. schlechte
Entwicklung, Blutarmut, Bhachitis etc.
Es sind bei uns Zweifel entstanden, ob man die Einteilung in „gut,
mittel und schlecht" festhalten, soll bei der grofsen Schwierigkeit der
Abschätzung derartiger allgemeiner Werte und bei der Verschiedenheit
der subjektiven Auffassung. So lange man aber den Typus des nor-
malen Schulkindes nicht in bestimmten Werten ausdrücken kann, so
Verhandl. d. II. JahresversammlfiBg d. AUgem. Deutsch. Vereines etc. 153
lange man nichts Besseres hat, wird man mit dem weniger Guten sich
begnügen müssen. Übrigens haben wir, um möglichste Gleichmäfsigkeit
in der Beurteilung dieser Gesamtkonstitution herbeizuführen, anfangs
wiederholt gemeinsam eine gröfsere Zahl von Kindern untersucht.
Die als „schlecht'^ befundenen konmien unter „ärztliche Kontrolle^'
und erhalten einen diesbezüglichen Vermerk am Kopfe des Scheines.
Die nächsten Spalten dienen dem Gewicht, der Gröfse und dem Brust-
umfang; die ersteren werden in jedem Semester durch den Lehrer gemessen
und zwar bei allen Kindern, der letztere durch den Arzt, jedoch nur bei den
„schlecht'^ befundenen und bei vorhandenen Krankheitserscheinungen der
Brust.
Dann folgen die Bubriken für Brust und Bauch (Unterleibsbrüche),
für Hauterkrankungen (Ungeziefer), Wirbelsäule und Extremitäten, Augen
und Sehvermögen, Ohren und Gehör, Mund, Nase und Sprache.
Aufser diesen Bubriken für die gefundenen Krankheiten steht auf
den Scheinen eine solche für „besondere Bemerkungen und Vorschläge
für den Unterricht". Hierin wird angegeben, ob der Arzt durch die ge-
fundenen Krankheitserscheinungen eine besondere Berücksichtigung des
Kindes für angezeigt hält, ob eine vorhandene Anlage zur Bückgrats-
verkrümmung besondere Aufmerksamkeit auf Sitz und Haltung erfordert,
ob Sehstörungen und Ohrenleiden Sitzplätze in den vorderen Bänken,
ob Unterleibsbrüche, Herzfehler Dispens vom Turnunterricht, Sprachfehler
besondere Beachtung der Aussprache erfordern!
Es sind dies, wie niemand bestreiten wird, im Interesse des Schul-
kindes, wie auch für den Lehrer, hochwichtige Feststellungen.
Eine weitere Spalte der Scheine dient zur Notiz über die Erteilung
und die Erfolge der sogenannten „Mitteilungen". Es sind dies ge-
druckte Formulare, in denen den Eltern mitgeteilt wird, welche wich-
tigeren Krankheitserscheinungen bei den Kindern gefunden wurden, mit
gleichzeitigem Hinweis auf die Notwendigkeit ärztlicher, spezialärztlicher
Behandlung, auf Bescha£Pung von Bruchbändern, Brillen etc.
Schliefslich ist ein Baum vorgesehen für Eintragungen seitens der
Lehrer über stattgehabte Erkrankungen der Schüler, deren Natur und
Dauer, je nach den vorliegenden hausärztlichen Zeugnissen; auch die
eigenen Beobachtungen des Lehrers über Veränderungen im Wesen des
Kindes sind da zu vermerken.
M. H.I Diese Gesundheitsscheine folgen dem einzelnen Kinde durch
seine ganze Schulzeit, event. auch beim Übertritt in andere Schulen
nach; sie werden, wenn sie gewissenhaft geführt werden, und wenn alle
bemerkenswerten Gesundheitsstörungen, die der Schularzt, sei es in den
Sprechstunden, sei es bei den von Zeit zu Zeit vorzunehmenden allge-
meinen Untersuchungen, entdeckt, ebenso wie die Beobachtungen der
Lehrer genau eingetragen werden, ein übersichtliches Bild über die körper-
liche Entwicklung des Kindes geben können.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dafs das in unserer D.-O.
für das letzte Schuljahr bei der Entlassung vorgeschriebene ab-
schliefsende ärztliche Urteil über die Gesamtentwicklung und den Ge-
"sundheitszustand des Kindes nicht nur für dieses selbst, für sein späteres
Leben, für die Wahl eines Berufes von grofsem Nutzen sein wird, son-
154 Yerhandl. d. n. «Tahresyersaminluiig d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
dem dais dies Urteil auch als Unterlage dienen kann, durch Vergleiclie
mit andern Schulen, für Bückschlüsse auf den Einflufs der lokalen Ver-
hältnisse und auf Art und Weise der Unterrichtserteilung.
Ich verkenne nicht die grofse Schwierigkeit, die in einer Beurteilung
der hierbei doch auch, zu berücksichtigenden sozialen und FamiHenverhält-
nisse liegt.
M. H.! Ich darf nicht unerwähnt lassen, wie ich dies in der Medi-
cinischen Wochenschrift s. Z. schon bemerkt habe, daüs aucb in unserer
Mitte Bedenken geltend gemacht wurden gegen die ZweckmäTsigkeit, die
Bedeutung und Wirksamkeit dieser Gesundheitsscheine!
Sie machen gewifs viel Arbeit, langwierige Schreibereien für
Schularzt wie fär Lehrer; viele bleiben aufser den ersten Eintragungen
ein leeres Blatt; ihre ziffemmäfsige Besultate mögen, wie bei jeder
Statistik, Fehlerquellen und Trugschlüsse in sich bergen, — so lange
man aber an der körperlichen Untersuchung der Schulkinder, als einem
wichtigen Postulat der gesamten Schulgesundheitspflege, festhält, — so
lange können wir eben Aufzeichnungen über die Besultate dieser Unter-
suchungen nicht entbehren! Mag auch die Form der Scheine eine
Änderung erfahren, mag man einzelne Bubriken streichen oder andere
einfügen!
Ob z. B. die von Schmid-Monnard mit seiner bekannten Gründ-
lichkeit bei Schülern höherer Lehranstalten durchgeführten Ermittelungen
von nervösen Störungen, Kopfweh, Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit und
allgemeiner Nervosität — den eigentlichen Schulkrankheiten — auch für
Volksschulen geeignet sind, und ob sie bei der grofsen Schwierigkeit und
Unsicherheit diesbezüglicher Angaben beweiskräftig durchgeführt werden
können, mufs ich sehr bezweifeln.
Wie bei dieser an der Hand der Gesundheitsscheine Ihnen geschil-
desten Erstuntersuchung, so wird auch bei den angeordneten „Nach-
untersuchungen" im 3.,. 5. und 8., letzten Schuljahre verfahren. Die-
selben werden bei uns stufenweise durchgeführt und wird der diesjährige |
5. Jahrgang im Jahre 1904 zum ersten Male mit einem vollständigen,
die gesamte Schulzeit begleitenden Gesundheitsscheine entlassen werden
können. Um noch mit einigen Worten auf die äufseren Umstände bei
diesen Untersuchungen zurückzukommen, so werden diese in einem dafür
reservierten Zimmer vorgenommen. Die Kinder kommen partienweise
und werden durch die Lehrerin, Frau des Pedellen und einige mithelfende
ältere Schülerinnen resp. Schüler entkleidet und angekleidet. Eine Ent-
blöfsung wird, wenn irgend angängig, nur auf den Oberkörper beschränkt,
und Schuhwerk, wie Hosen und Unterröcke können, wenn auch auf-
geknöpft, anbehalten werden.
Ein weiterer Teil unserer Thätigkeit besteht in der Abhaltung so-
genannter „Sprechstunden" in der Schule, d. h. alle 2 — 3 Wochen
besucht der Schularzt nach vorgängiger Vereinbarung mit dem Bektor
die ihm unterstellte Schule. Diejenigen Kinder, die den Lehrern einer
Untersuchung bedürftig erscheinen, werden auf einem in den Klassen
tagsvorher zirkulierenden Laufzettel notiert.
Der Schularzt besucht zunächst diese Klassen während des Unter-
richtes, sieht sich die betreffenden Kinder an und giebt dem Lehrer
Yerhandl. d. n. JähresYersaminlung d. AUgem. Deutsch. YerlBiiies etc. 155
sclion in der Klasse die gewünschte Auskunft über die Natur, Ansteckungs*
gefahr etc. der beobachteten Erkrankung; erscheint dabei aber eine ge-
nauere Untersuchung erforderlich, Prüfung der Hör- oder Sehschärfe etc.,
so geschieht dies in dem reservierten Zimmer.
Bei diesem Klassenbesuch hat der Arzt Gelegenheit, die Haltung
der Kinder beim Lesen und Schreiben zu kontrollieren, er kann die
GrÖfsenverhältnisse der Kinder zu ihren Subsellien prüfen, bestimmt
Ändenmgen der Sitzplätze etc. Diese Besuche dienen auch zur Kontrolle
über, die Zustände und Handhabung der Heizungs-, Beleuchtungs- und
Ventüationsvorrichtungen.
Dafs hierbei jedesmal die unter „ärztlicher Kontrolle" stehenden be-
sonders schwächlichen Kinder durch den Arzt inspiziert werden, ist
selbstverständlich.
Nach unserer D.-O. soll jede Klasse mindestens zweimal im Semester
besucht werden^ rechnen Sie dazu noch zwei weitere gelegentlich er-
forderliche Besuche, so wird der Unterricht an etwa 4 Tagen eine kurze
Störung von je 10 — 15 Minuten erleiden; Sie haben vorhin gehört, dafs
von pädagogischer Seite keine begründeten Bedenken oder Klagen da-
gegen erhoben werden.
M. H.I Wenn es leicht begreiflich und erklärlich war, dafs uns an-
fangs alle möglichen harmlosen Sachen, * vorübergehende Unpäfslich-
keiten etc. gemeldet wurden, und wenn auch jetzt noch bei der Frage eines
Lehrers: „morgen kommt der Herr Doktor, hat einer was zu klagen??"
schon des Zeitvertreibs halber eine ganze Anzahl Kiader mit allen mög-
lichen und unmöglichen Klagen sich zur Untersuchung meldet, — so
kann ich doch konstatieren, dafs hierin eine Änderung zum Bessern ein-
getreten ist. Die Lehrer haben allmählig gelernt, die Aufgaben des
Schularztes auch in diesem Teil seiner Thätigkeit richtig zu erfassen; es
ist ja nicht so leicht, einem Laien auseinanderzusetzen, welche Er-
krankungen dem Schularzte vorzuführen sind!
Da hier, wie überall in Deutschland, erae ärztliche Behandlung der
Schulkinder dem betreffenden Schularzte nicht zusteht, so beschränken
wir uns, wie oben schon erwähnt, darauf, erforderlichen Falls den Eltern
die sogenannten „Mitteilungen" zustellen zu lassen.
Über den Erfolg dieser „Mitteilungen" lauten die Berichte noch nicht
viel erfreulicher I Wenn derselbe auch bei den Erstuntersuchungen im
ganzen befriedigend genannt werden kann, vermutlich weil die Mütter
über ihre 6 jährigen Schulrekruten noch ängstlicher und besorgter wachen,
— so ist er bei den älteren Kindern sehr gering.
Wie ich aus verschiedenen Berichten weifs, scheint dies so ziemlich
überall der Fall zu sein; auf die Gründe hierfür näher einzugehen, dürfte
hier zu weit führen.
Erwähnen will ich aber den Vorschlag von Thiersch in Leipzig,
der die Erstuntersuchungen in Gegenwart der Mütter der Kinder vor-
zunehmen wünscht und dies auch probeweise durchgeführt hat, mit
durchaus zufriedenstellendem Erfolg für Kind — und Arzt! Ich fürchte,
dieser Vorschlag wird auf vielfachen Widerstand stofsen.
Leider noch recht oft haben wir mitzuwirken bei Bekämpfung der
Läuseplage. Wie Ihnen das aufliegende Formular zeigt, greifen wir
156 Verbandl. d. II. Jahres versaminliuig d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
hier direkt in die Behandlung ein, indem wir den Eltern Weg und Mittel
zur wirksamen Bekämpfung des Ungeziefers angeben.
Nach unseren letzten Berichten (die ich leider noch nicht vorlegen
kann) scheint wieder ein Bäckschritt eingetreten zu sein! Die Zahlen
zeigen bei den Erstaufnahmen, wie bei den Sprechstunden und Nach-
untersuchungen wieder eine Zunahme.
Wie bekannt, steht uns die Polizeibehörde hierbei thatkräftig zur
Seite, indem sie erforderlichen Falles zwangsweise Reinigung im Hospital
vornehmen läfst.
Eine weitere hygienische Einrichtung ist durch die Schulärzte hier
getroffen worden, indem an sämtlichen Schulen kleine Verbandkästen
angeschafft und eine grÖfsere Anzahl Lehrer und Lehrerinnen in einem
Samariterkurs in der ersten sachgemäfsen Hilfeleistung unterrichtet wurden,
Li allen Schulen und fast in jedem Semester hat sich diese Ein-
richtung des öfteren schon bewährt.
Erwähnen mufs ich hier auch die Anschaffung von gröfseren Des-
infektionskasten für Schwefelkohlenstoff zur eventuellen Desinfektion von
Wäsche, Kopftüchern — und der Schulutensilien!
Wenn ich noch hinzufüge, dafs wir nach unserer Dienstordnung auf
Antrag des Schulleiters auch einzelne Kinder in ihrer Wohnung zu
untersuchen haben, um festzustellen, ob andauernde Schulversäumnisse
gerechtfertigt sind, — falls kein anderweitiges ärztliches Zeugnis bei-
gebracht wird; dafs wir femer gemeinsame kollegiale Besprechungen,
eventuell unter Zuziehung des Kreisphysikus, abhalten, dafs wir geeig-
neten Falles in den Lehrerversammlungen Vorträge über Schulhygiene
halten, — dafs es zu unseren Obliegenheiten gehört, am Schlüsse des
Schuljahres schriftlichen Bericht zu erstatten, — so dürfte, hiermit der
ärztliche Teil unserer Thätigkeit erschöpft sein.
Vergessen darf ich dabei nicht der Teilnahme eines Schularztes mit
Stimmberechtigung an den. Sitzungen der städtischen Schuldeputation,
sowie der im Auftrage der letzteren übernommenen Verpflichtung zur
Begutachtung des Gesundheitszustandes neu anzustellender Lehrer und
Lehrerinnen und event. längerer Urlaubsgesuche und Pensionierungen.
M. H.l Mit dem zweiten Hauptteil unserer Thätigkeit, mit der
hygienischen Überwachung der zur Schule gehörenden Bäumlichkeiten
und Einrichtungen, kann ich mich kurz fassen, da Sie durch den dritten
Referenten, Herrn Baurat Genzmer, über unsere Einrichtungen, über
die Prinzipien und Art der praktischen Ausführungen in hygienisch-
technischer Hinsicht nachher belehrt werden.
Ich habe oben schon kurz erwähnt, dafs wir während unserer
Sprechstunden, d. h. bei den Klassenbesuchen auf die Wirksamkeit und
richtige Handhabung von Heizung, Beleuchtung, Ventilation und Rein-
lichkeit zu achten haben; dabei giebt es immer ab und zu Gelegenheit
zu Ausstellungen imd Verbesserungen.
Nach § 6 unserer D.-O. haben wir aber auch mindestens zweimal
im Jahre eine gröfsere Revision des gesamten Schulgebäudes vorzuneh-
meji; aufserdem beteiligen wir uns an der von einer Magistratskommission
unter Leitung des städtischen Bauamtes einmal jährlich abzuhaltenden
Gesamtrevisipn bezüglich gröfserer baulicher Veränderungen.
Terhandl. d. Ü. Jahresversaminlung' d. Allgem. Deutsch. Vereines' etc. 157
Unsere Ausstellungen und Wünsche in bautechnischen Angelegen^
heiten schreiben wir in ein in der Schule aufliegendes „Hygiene buch"
ein, von .wo sie durch den Eektor der zuständigen Baubehörde weiter
gemeldet werden.
Da. durch sofortige mündliche Bücksprache und Meinungsaustausch
vieles sich. rascher erledigen läfst als durch lange umständliche Berichte
und den Instanzenweg durch die Bureaus, so müssen wir die Forderung
^smarchs, dafs diese hygienischen Revisionen mit dem Baubeamten
gemeinsam vorzunehmen sind, als durchaus berechtigt anerkennen;
Eine Mitwirkung, d. h. ein Kecht zur hygienischen Eontrolle des
Unterrichts selbst steht uns hier nicht zu; dafs wir aber die allseits
erhobene Forderung nach einet solchen ärztlichen Kontrolle ' ebenfalls für
berechtigt halten und sie imterstützen, sei nur nebenbei bemerkt.
Trotz der vorgerückten Zeit gestatten Sie mir noch ein Wort über
unsere dienstliche Stellung der Schule, den städtischen imd. staatlichen
Behörden gegenüber, § 7 der D.-O. sagt, dafs wir „kein Recht haben
zu selbständigen Anweisungen an Schulleiter,. Lehrer, Pedellen und
sonstige Schulbedienstete".
\ M. H.I Das klingt schärfer als es in Wirklichkeit ist. Wenn wir
unsere Anweisungen in die Form eines guten Rates, eines Vorschlages
kleiden, so ist man uns stets in der bereitwilligsten Weise entgegen-
gekommen.
Begründete Beschwerden sind in dieser Hinsicht meines Wissens
nicht- vorgekommen; ein im vorjährigen Berichte ausgesprochener Tadel
gegen die Lehrer einer hiesigen Schule wegen Agitation gegen das
Schulbad beruhte gröfstenteils auf irrtümlichen Zahlenangaben und war
demnach in seiner Schärfe nicht berechtigt, — was ich auch an dieser
Stelle anerkennen muTs.
Im Gegenteil muls ich hier hervorheben, wie. sehr wir Schulärzte
fast in jedem Zweige unserer Thätigkeit auf die sachgemäfse Mitwirkung
und Unterstützung durch die Lehrer angewiesen sind. Eine bessere
Schulung in Hygiene auf den Lehrerbildungsanstalten Wird der gesamten
Schulhygiene nur. Vorteil bringen!
Eine Zwischenbehörde zwischen Schularzt und dem Magistrat bil^
dete die bis jetzt hier bestehende „Schulhygienekommission", be-
stehend aus 2 Mitgliedern des Magistrats, 2 Stadtverordneten, dem
städtischen . Schulinspektor und einem. Schularzte, deren Sitzungen aber
auch der Regierungsmedizinalrat, der Kreisphysikus und erforderlichen
Falles sämtliche Schulärzte beiwohnten. .
Sie prüft die schulärztlichen Angelegenheiten, Anträge, Vorschläge etc.
und übermittelt sie dem Magistrat, bezw. besorgt deren Ausführung; mit
der Einsetzung der neuen „Gesundheitskommissionen" werden wohl auch
diese schulhygienischen Aufgaben auf sie übergehen.
Ob es sich empfiehlt, unserer Stellung einen definitiven amtlichen
Charakter zuzulegen, möchte ich hier nicht weiter; ausführen; betonen
will ich nur, dafs wir bei den polizeilichen wie Regierungs- Behörden
nicht. nur wohlwollendes Entgegenkommen, sondern auch wirksame Unter-
stützung gefuaden haben.
Das kollegiale Verhältnis unter den Schulärzten beruht auf dem
158 Yerhandl. d. 11. Jahresyenammltuig d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
Prinzip der Gleichberechtigung, wenn auch eine gewisse Unterordnung
Unter eine Leitung gefordert werden mufs. Dafs hierzu nicht das amt-
liche Kommando eines Ej-eisarztes nötig ist, dafs vielmehr jedem Schul-
arzte Gelegenheit zu freier, selbständiger Initiative gegeben werden mufs
— diese Forderung unseres verehrten Vorsitzenden im I. Hefte der
„Gesunden Jugend ^^ wird jeder nur unterschreiben können.
M. H.! Ich bin am Schlüsse! Ich habe versucht, Ihnen ein Bild
unserer schulärztlichen Thätigkeit zu geben; möge es mir gelungen sein,
und mögen Sie die Überzeugung gewonnen haben, dafs auch die Wies-
badener Schulärzte die hohe Aufgabe einer rationellen Schulgesundheits-
pflege erkannt haben und bestrebt sind, nach ihrem besten Wissen und
Können an deren ErflÜlung mitzuarbeiten!
*
Als dritter Referent ergriflf Herr Baurat Genzmer-Wiesbaden
als Schultechniker und Schulbaumeister das Wort za folgendem
Vortrag (im Saal sind Grundrisse und andere Zeichnungen eraiger
Wiesbadener Schulen ausgestellt):
Im Anschlufs an die Ausführungen meiner verehrten Vorredner, des
Herrn Stadtschulinspektors Binkel und des Herrn Stadtschularztes
Dr. Cuntz, fällt mir die Aufgabe zu, die hygienischen Einrichtungen
der Wiesbadener städtischen Schulen in baulicher Beziehung zu schildern.
Den Bestrebungen in Bezug auf gesundheitlich gut eingerichtete
Schulhäuser ist namentlich in neuerer Zeit erhöhte Aufmerksamkeit zu-
gewendet worden. Es erscheint deshalb vorteilhaft und im Interesse der
Kürze der mir zugemessenen Zeit notwendig, dafs ich mich lediglich auf
die Mitteilung der betreffenden Verhältnisse einiger neuerer Schulgebäude
beschränke.
Ich habe drei von mir erbaute Schulgebäude herausgegriffen:
1) die Blücherschule,
2) die höhere Mädchenschule und
3) die Gutenbergschule.
Die erstgenannte, eine 24-klasssige Volksschule, wurde in den
Jahren 1896/97 erbaut. Die höhere Mädchenschule, die ich als Beispiel
einer höheren Schule vorführen möchte, ist in den Jahren 1898/1900
erbaut worden. Die Gutenbergschule ist eine doppelte 16 -klassiga Volks-
schule, von der die zunächst niu* zu errichtende Hälfte sich noch in der
Ausführung befindet.
Die hier ausgestellten Pläne geben die wesentlichsten fär uns in
Betracht kommenden Gebäudeteile; an der Hand dieser Pläne werde ich
mir gestatten, auf die Einzelheiten einzugehen.
Als erste Forderung in gesundheitlicher Beziehung kommt die Lage
des Schulhauses zur Himmelsrichtung in Frage. Die Ansichten über
die vorteilhafteste Lage, d. h. die Bichtung der Fensterseite der Klassen-
räume, gehen noch vielfach auseinander. Viele bevorzugen Nordlage für
die Schulzimmer wegen der Kühle im Sommer und des gleichmäfsigen
Lichtes; andere wollen die gesundheitfördemden Strahlen der Sonne
nicht entbehren. Für Bäume, bei denen es auf gute gleichmälsige
Belichtung ankommt, wie z. B. bei Zeichensälen, mufs die Nordlage
Verhandl. d, ü. Jahresveraammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 159
als beste und allein richtige anerkannt werden. Der wenigen heifsen
Sonunertage wegen, die meistens in die Sommerferien fallen, möchte
ich im übrigen aber die wohlthuenden Eigenschaften der Sonne nicht
missen. Die volle Süd- und namentlich die Südwestlage, letztere wegen
des tiefen Standes der heifsen Nachmittagsonne, sind möglichst zu ver-
meiden. In den meisten Fällen wird aber hierbei nicht der freie Wille
allein mafsgebend sein können, sondern die Lage und Gestalt des ver-
fügbaren Platzes werden Beschränkungen auferlegen.
Für die Blücherseh ule ist eine Lage gewählt worden, bei der
die bei weitem • gröfste Zahl der Klassen nach Osten und nur einige nach
Westen gerichtet sind. Bei der Gutenb ergschule liegen einige Klassen
nach Norden, die gröfste Zahl nach Osten und einige nach * Süden.
Für diese an der Peripherie der Stadt auf freien unbeschränkten
Grundstacken errichteten Schulhäuser konnte Gestalt des Gebäudes und
Lage der Bäume beliebig gewählt werden, während die in der Stadt-
mitte, am Schlofsplatz, erbaute höhere Mädchenschule sich den bereits
vorhandenen Verhältnissen anpassen und einfügen mufste. Trotzdem ist
es auch hier gelungen,, die gröfste Zahl der Schulräume nach Nordost
und Südost, einige nach der immerhin noch guten Lage Nordwest zu
richten, während nur wenige nach der nicht günstigen Südwestseite ge-
richtet angelegt werden miifsten.
Die Gröfse der Sohulräume richtet sich nach der Anzahl der in
einer Klasse zu vereinigenden Schüler nnd nach dem für jeden Schüler
erforderlichen Flächen- bezw. Bauminhalt. Pädagogische Gründe und
Bücksicht auf entsprechende Luffcemeuerung haben dazu geführt, die
Klasse in Volksschulen in der Begel mit nicht mehr wie etwa
jßO Schülern, in höheren Schulen und zwar in Unterklassen mit nicht
mehr wie 50, in Mittelklassen mit nicht mehr wie 40, in Oberklassen
mit nicht mehr wie 30 Schülern zu besetzen. Bechnet man, wie es
üblich ist, fiir jeden Schüler 1,0 bis 1,2 qm, so ergiebt sich hieraus die
Gröfse der Zimmerfläche. Bei einer durchschnittlichen Zimmerhöhe von
etwa 4 bis 4,5 m ist für jeden Schüler ein Luftraum von etwa 4 bis
4,Ö cbm vorhanden.
In unseren Volks-Schulgebäuden, deren Klassen, für 60 Schüler be-
rechnet, im Durchschnitt mit 56 Kindern besetzt sind, verfügen wir bei
einem Flächeninhalt von etwa 60 qm und einer durchschnittlichen Höhe
von 4 bis 4,5 m über den angegebenen Kubikraum Luft für jeden
Schüler.
Die Schulhöfe, die dazu dienen, den Kindern während der Zwischen-
pausen Gelegenheit zu geben, sich in frischer Luft zu bewegen, müssen
durch Baiunpflanzung beschattet, möglichst staubfrei und so bemessen
sein, dafs die Gesamtzahl der in der betr. Schule vorhandenen Kinder
sich gleichzeitig dort tummeln kann, Verordnungen geben 2,5 bis 3 qm
Flächenraum fiir jeden Schüler an.
Bei der Blücherschule, die 1344 Schüler fafst, sind für 744 der-
2339
selben 2339 qm abgeschlossener Hofraum, also -«jj- = 3,14 qm für einen
Schüler vorhanden; die übrigen 600 Schüler bewegen sich auf dem freien
Blücherplatz. Bei der Gutenbergschule ist für 960 Schüler ein mehrere
160 Verhandl. d. II. Jahresversammliing d. Allgem. Deutsch. Veröines etc.'
1000 qm grofser Platz yorhanden^ über dessen AbMedigung Beschlüsse
noch nicht gefafst' sind. Mit weniger hat sich die höhere Mädchen-
schule in Bücksicht auf die bereits erwähnten Verhältnisse des Bauplatzes
abfinden müssen. Für etwa 650 Schülerinnen sind 1120 qm, also
etwa 1,7 qm für jede Schülerin, yerfQgbar. Bei.Zimahme der Schülerzahl
kann ein Teil' des Schlofsplatzes zur Benutzung herangezogen werden.
Bei der Oröfsenbemessimg der Schulzimmer ist bereits erwähnt
worden, dafs für jeden Schüler etwa 4 cbm Bauminhalt vorhanden sein
sollte. Dieser Luftraum genügt, um jedem Schüler, die für ihn er-
forderliche Luftmenge während einer Stimde zu gewähren, nach deren
Verlauf durch öffnen der Thüren und Fenster eine völlige Erneuerung
der Luft des Klassenraumes angenommen werden kann.
Der Orad der Luftverderbnis ist bis jetzt noch nicht wissenschaft-
lich festgestellt worden. Es fehlt für die Theorie der „Selbstgifte", die
sich aus den menschlichen Ausscheidimgen und Ausdünstungen entwickeln,
noch an festen Grundlagen. Man begnügt sich deshalb, die Verunreinigung
der Luft nach dem Verhältnis der Beimischimg von Kohlensäure zu be*
urteilen. Nach Pettenkofer soll diese Beimischung 0,8 %q nicht über-,
steigen, wobei 0,4 ^g als natürliche Beimischung vorausgesetzt ist. Die
Ausatmung von Kohlensäure nimmt mit dem Alter der Menschen erheb*
lieh zu; ein 10 jähriges Kind bedarf nach Pettenkofer stündlich einer.
Luftmenge von 17,1 cbm und ein 16 jähriges einer solchen von 29 cbm.
unter Zugrundelegung der oben entwickelten Baummafse muTs also eine^
mehrfache Erneuerung der Luft des Schulzimmers in jeder Stunde er-
folgen. Man ist jedoch nicht so weit gegangen, wie sich theoretisch
nach der Pettenkofer'schen Begel ergiebt, sondern hat sich mit einem
etwa dreimaligen stündlichen Luftwechsel begnügt. Hiemach werden in^
den weitaus meisten Fällen die künstlichen Belüftungseinrichtungen an-
gelegt imd man darf wohl annehmen, dafs eine weitergehende Luft-
emeuerung thatsächlich infolge der Luftdurchlässigkeit von Wänden,
Fenstern und Thüren vor sich geht. Bei nicht zu kaltem Wetter wird
man wohl auch, stets Teile der Fenster etwas offien halten. Hierzu em-
pfiehlt sich der um seine untere wagerechte Kiinte drehbare Oberlichtflügel..
Auch bei unseren Schulen ist mit diesen Verhältnissen gerechnet
und es sind die, Einrichtungen hiemach getroffen worden.
Betreffis der Versorgung der ünterrichtsräume mit Licht beziehe ich
mich zunächst auf das bezüglich der Stellung des Schulhausea zur
Himmelsrichtung Ausgeführte. Das Tageslicht soll dem Schulzinamer stets,
nur von einer Seite zugeführt werden. Die Fenster sind hoch hinauf,
bis unter die Decke zu führen. Um den der Fensterwand am fernsten
Sitzenden ein gutes Licht zu geben, wird die Breite (oder Tiefe) des
Baumes im wesentlichen von seiner Höhe abhängig gemacht werden müssen.
Man kommt bei der schon früher erwähnten Höhe der Bäume von
4 bis 4,5 m und einem Lichteinfallwinkel von 30^ auf eine Tiefe ypn
6,5 bis 7,5 m. Es empfiehlt sich, die Fensterbrüstungen etwa 1 bis 1,2 m
hoch anzulegen, um nicht zu grofse Fensterhöhen zu erhalten und den
Kindern in sitzender Stellung den Ausblick auf die Strafse zu hindern.
Im allgemeinen gilt die Begel, dafs die Fensterfläche ^5 der Grundfläche
des ünterrichtsraimies betragen soll.
Verhandl. d. II. Jatiresvei^aiiimlnng' d. Allgem. Deutscti. Vereines etc. Ißl
Für die Versorgung mit Luft und Licht eines Schulgebäudes ist die
Anordnung der Gänge, die zu den Schulräumen fahren, von wesentlicher
Bedeutung. Der beiderseitig mit Schulklassen belegte Gang ist weniger
vorteilhaft wie der mit einer Seite an der Aufsenwand liegende. Diese
letztere Anordnung führt aber zu gröfserer Ausdehnung des Schulhauses
und damit zu gröfseren Kosten.
Wir haben deshalb neuerdings hier auf eine zwischen beiden An-
ordnungen vermittelnde Lösung Bedacht genommen. Bei der Blücher-
schule ist der Korridor nur an beiden Enden, wo er infolge des Fensters
auf der Kopfseite gut beleuchtet ist, beiderseitig mit Schulklassen belegt.
Bei der höheren Mädchenschule ist der eine Flügel in gleicher Weise
ausgebildet, während der andere in Eücksicht auf Raumersparnis beider-
seitig mit Schulzimmem belegt wurde. Bei der weniger ausgedehnten
Gutenbergschule befinden sich die Schulräume ausschliefslich auf einer
Seite, während — wie im mittleren Teile der Blücherschule — auf der
anderen Seite des Korridors die Kleiderablagen, Treppenhäuser und Be-
dürfnisanstalten liegen.
Hier möchte ich einschalten, dafs die Ablagen für die Überkleider
auTserhalb der ünterrichtsräume angeordnet sind. Auch in den älteren
Schulgebäuden sind die Einrichtungen dafür, die Hut- und Mantelhaken,
nachträglich auf die Korridore verlegt worden. Nichts macht die Luft
in geschlossenen Bäumen rascher ungeniefsbar, wie die Ansammlung von
Kleidern, namentlich wenn diese durchnäfst sind.
Für die künstliche Erwärmung der Schulräume kommt neuer-
dings fast ausschliefslich Sammelheizung in Frage. Unter den vielen
Systemen dieser Heizart hat sich die Niederdruckdampfheizung wohl das
gröfste Feld erobert. An Annehmlichkeit wird sie zwar von der Warm-
wasserheizung übertroffen, diese ist aber sehr teuer. Auch die Gasheizung
hat viele Vorzüge. Wir sind aber hier über einige kleinere Versuche mit
letzterer noch nicht hinausgekommen.
Li den Gebäuden, deren Einrichtungen ich Ihnen vorführe, ist Nieder-
druckdampfheizung angewendet worden bezw. wird dieselbe (in der Guten-
bergschule) angewendet werden. Die Bedienung der in den Klassen-
räumen aufgestellten Heizkörper erfolgt von aufsen, d. h. von den Korri-
doren aus Zu diesem Zwecke befindet sich, in der Regel neben der
Klassenthür, ein vom Korridor sichtbares Thermometer. Der die Heizung
bedienende Mann hat. sich auf Rundgängen durch das Haus von der
Wärme in den Unterrichtsräumen zu überzeugen und sodann nach Be-
darf durch Stellung der Ventile an den Heizkörpern, was ebenfalls von
aufsen möglich ist, dem betr. Raum mehr oder weniger Dampf — also
Wärme — zuzuleiten.
Jedem Heizkörper wird frische Luft, die von aufsen entnommen
wird, mittelst Kanälen zugeführt und zwar, wie erwähnt, in dem Mafse,
dafs eine dreimalige Luftemeuerung stündlich erfolgt. Diese fiische Luft
erwärmt sich am Heizkörper und kommt dann erst in den Schulsaal.
Li Verbindung mit den Abluftkanälen, die wir bei unseren Bauten im
Dachboden endigen lassen, sehen Sie hierin zugleich die Einrichtungen
för die bereits erwähnte Luftemeuerung in den Schulsälen.
Wenden wir uns nun zu den übrigen Einzeleinrichtungen der Schul-
Gesunde Jugend. I. 8/4. 11
162 Verhandl. d. 11. JaHTesyersanmilung d. Allgem. Deutsch. Yereines etc.
klasse, so sei zuliächst auf die Lage der Thür hingewiesen. Sie soll für
Lehrer und Schüler „im Gesicht" liegen. Hieraus ergiebt sich ihre Lage
gegenüber der Fensterwand, einmündend auf den Gang zwischen Lehrer-
und Schülersitzen. Diese Forderung ist keineswegs zu unterschätzen.
Hervorragende Pädagogen haben mir gesagt, dafs die Schüler in Klassen,
in denen die Thür im Bücken der Schüler liegt, viel unaufiuerksamer
sind als solche, wo dies nicht der Fall ist. Erstere seien nervöser und
insofern ist auch die richtige Lage der Thür, abgesehen von dem
Nutzen in Bezug auf leichte Entleerung des Baumes, eine hygienische
Mafsregel.
Ein groDses und wichtiges Kapitel ist . femer die Schulbankfrage.
Der Schülersitz soll der Körpergröfse thimlichst angepaüst sein. Er
soll femer den Schüler möglichst in diejenige Lage bringen, die ihm bei
sitzender Haltung, insbesondere auch beim Lesen und Schreiben, gesund-
heitlich vorteilhaft ist. Man hat erkannt, dafs es hierfür zweckmäfsig
ist, wenn die vordere Tischkante die vordere Bankkante etwas übeerdckt
oder — bei gröfseren Schülern — beide wenigstens in einer senkrechten
Ebene liegen. Andererseits muTs der Schüler auch aufrecht stehen können.
Da beides ohne Weiteres unvereinbar ist, hat man die Sitze bewegüch
eingerichtet. Diese Beweglichkeit der Sitze hat ihre grofse Schattenseiten.
Ungenügende Dauerhaftigkeit, Störung durch Geräusch etc. sind die im
Gefolge sich einstellenden Mängel Man ist deshalb zu zweisitzigen Sub-
sellien mit unbeweglichem Sitz übergegangen, bei denen die Schüler seit-
lich heraustreten, sobald sie aufzustehen haben.
Auch in unseren Schulen bilden diese zweisitzigen festen Bänke
jetzt die BegeL
Die Wandtafeln sollen tieüschwarz sein und dürfen keinen Glanz
haben, um die Augen der Schüler nicht zu schädigen.
Jeder Baum, wenn er mit seinen Fenstern nicht nach Norden ge-
legen ist, bekommt zu bestimmten Zeiten unmittelbares Sonnenlicht. Dies
muXs abgehalten werden können. Die vollkommenste Einrichtung hierfür
ist unstreitig der äufsere haubenartige Vorhang, die sog. Marquise.
Sie stellt sich, da sie dem Wind und dem Wetter ausgesetzt ist, aber
so theuer, dafs man von ihrer Anwendung fast überall abgesehen hat
und sich mit inneren Zugvorhängen begnügt. Diese sollen im Literesse
der Augen der Kinder aus einem nicht ganz weiTsen, auch nicht zu
dichten, einfarbigen — nicht gestreiften — dauerhaften Stoff bestehen.
Betreffs der Lage der Bedürfnisanstalten sei erwähnt, dafs in Orten,
wo keine Schwemmkanalisation vorhanden ist, die Unterbringung der
ersteren in einem besonderen Gebäude auf dem Hofe, das mit dem Schul-
haus durch gedeckte Gänge verbunden ist, als zweckmäfsig bezeichnet
werden mufs.
Wir haben bei unseren neuen Schulgebäuden, da wir über eine gute
SchwemmkanaHsation verfügen, die Aborte in besonderen Anbauten in
den Geschossen des Schulhauses imtergebracht. Die anfänglich hieraus
zuweilen erhobenen Bedenken sind geschwunden, nachdem die Erfahrung
gelehrt hat, dafs Mifsstände nicht entstanden sind. Die erste derartige
Anlage erhielt die Blücherschule. Der hier gemachte Versuch hat eine
weitere Ausbildung bei der höheren Mädchenschule und ferner bei der
. Verhandl. d. Ü. Jahresversaminlang d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 163
Gutenbergsclmle erfahren. Bei ersterer ist der betreffende Anbau auf die
Nordost -Ecke verlegt und durch eiinen abgeschlossenen Korridorteil zu
gänglich und bei letzterer ist ein offener loggienartiger Vorraum geschaffen
worden. Diese Anordnungen geben volle Gewähr dafür, dafs jede Gefahr,
sogar die Übertragung belästigenden Geruches in die übrigen Räume des
Hauses ausgeschlossen ist. Ein Vorteil dieser Lage der Aborte ist aber
jedenfalls noch darin zu erblicken, dafs die an die Lage der Aborte im
durchwärmten Privathause gewöhnten Kinder vor Erkältungen, die bei der
Lage der Bedüifnisanstalten aufserhalb des Schulgebäudes leicht eintreten,
geschützt sind.
Eine weitere hygienisch bedeutungsvolle Einrichtung sind die Schul-
brausebäder. Eine einigermafsen eingehende Besprechung derselben würde
aber allein die Zeit erfordern, die mir heute hier im ganzen zur Ver-
fügung steht. Ich beschränke mich deshalb darauf, mitzuteilen, dafs wir
nicht nur in den neueren Schulgebäuden solche Bäder angelegt haben,
eingebaut worden sind. Die betreffenden Anordnungen in der Blücher-
und Gutenberg-Schule sind durch die ausgestellten Pläne veranschaulicht.
Auch die Einrichtung von Räumen für die Verabreichung warmen
Frühstückes an unbemittelte Schüler kann ich nur kurz erwähnen.
Es erübrigt nun zum Schlufs noch, ein kurzes Wort auf die bau-
lichen Einrichtungen zu verwenden, die dazu dienen, das Schulhaus rein
zu halten. In der Reinlichkeit liegt die beste Gewähr für gesundheitliche Be-
schaffenheit der Schulräume. Durch Anwendung zweckmäfsiger Konstruktion ,
geeigneter Formen und entsprechender Farbe kann die Reinlichkeit aufser-
ordentlich gefordert werden, während unzweckmäfsige Konstruktion, un-
geeignete Form und Farbe die Reinlichkeit geradezu hindern können.
Zunächst ist für entsprechende Einrichtungen zum gründlichen
Reinigen des Schuhwerks beim Eintritt in das Gebäude zu sorgen.
Die Korridore werden am besten mit einem steinernen Fufsboden
sondern dafs solche nachträglich auch in einer Reihe älterer Schulgebäude
(Thonplättchen, Terrazzo) oder Linoleum versehen. Die Fufsboden in
den Schulklassen können ebenfalls mit Linoleum oder aber mit Holz be-
legt werden. In letzterem Falle sind sie gut im ölanstrich zu erhalten,
um Staubansammlung zu hindern.
In unseren Schulen werden die hölzernen Fufsboden in den Turn-
hallen und Korridoren jedes Jahr, in den Schulklassen alle zwei Jahre
geölt. Mit der Anwendung der staubmindernden öle sind bisher nur
einige Versuche gemacht worden.
Die Wände werden auf etwa 1,5 m Höhe mit einem dauerhaften
Zementputz versehen, um sie vor Beschädigung zu schützen. Hierin
liegt eine hygienische Mafsregel, denn die beschädigten Stellen (Löcher etc )
sind die Herde zur Ansammlung von Schmutz und Ungeziefer. Diese
mit Zement geputzten Sockelflächen werden mit Ölfarbe gestrichen, um
sie leicht reinigen zu können. Weniger empfehlenswert sind die Holz-
vertäfelungen (Paneele); sie sind teuer und bieten dem Ungeziefer Unter-
schlupf. Die Thürleibungen (Thürumrahmungen) werden zweckmäfsig
mit Verblendziegelsteinen bekleidet. In der höheren Mädchenschule haben
wir glasierte Steine angewendet. Diese Stellen müssen, da sie von den
11*
164 VerhÄndl. d. II. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
Händen der Kinder am meisten berührt werden, auch am leichtesten zu
reinigen sein.
Betreffs der Anwendung architektonischer und der Wahl konstruk-
tiver Formen bemerke ich, daXs namentlich in den ünterrichtsräumen
Kanten und Profilierungen, die leicht beschädigt werden können und
schlechter zu reinigen sind, vermieden werden sollen. Reichere Stuck-
verzierungen eignen sich nicht für Schulen, empfehlenswert erscheint
vielmehr eine farbige Dekoration, soweit Dekoration überhaupt anzu-
wenden ist. /
Die Schulsäle und namentlich auch die Aborte sind mit hellen
Farben anzustreichen, um erstens das Licht, die Helligkeit, des Baumes
nicht zu beeinträchtigen, namentlich aber auch die gründliche Reinigung
kontrolieren zu können. Die Anwendung dimkler Farben mit der Be^-
gründung, sie schmutzen nicht so, ist verwerflich, denn thatsächlich
schmutzen sie gerade so wie helle, man sieht den Schmutz nur nicht
und gerade hieriri liegt eine Gefahr, die vermieden werden mufs.
Aus diesen kurzen Mitteilimgen geht wohl hervor, dafs auch der
Bautechnik ein nicht unwesentlicher Teil an den Aufgaben der Schulhygiene
zufällt. Dem Techniker obliegt es, die für die Jugenderziehung erforderlichen
Gebäude zu errichten, aber dies soll stets nur im engsten Einvernehmen
mit dem Lehrer unter Berücksichtigimg der Erfahrungen desselben ge-
schehen. Techniker und Lehrer können aber wiederum den Rat des
Arztes nicht entbehren. Des letzteren Sache ist es, zu beobachten imd
nachzuforschen, ob die getroffenen Einrichtungen der körperlichen und
geistigen Entwickelung des Kindes nicht schädlich sind. Seinen auf
diese Beobachtung gestützten Vorschlägen und Anregungen wird zu folgen
sein. Um es kurz zusammenzufassen, erachte ich in jedem Falle ein ver-
ständiges Zusammenwirken zwischen dem Schulmann, dem Arzt und dem
Techniker für notwendig, um Schulhäuser und deren Euirichtimg in
einer der Anschauung unserer Zeit entsprechenden ViTeise herzustellen im.
Literesse einer „gesunden Jugend".
Zum Schlufs seiner Ausführungen ladet Herr Baumeister
Genzmer, unter Hinweis auf das Programm, die Teilnehmer der Ver-
sammlung zu einer Besichtigung der höheren Mädchenschule und der
Blücherschule am Sonnabend Vormittag lOYg bezw. lOy^ Uhr ein.
Die Versammlung war den Vorträgen mit vielem Literesse gefolgt
und zollte namentlich am Schlufs derselben den Herren Referenten
lebhaften Beifall.
Den Vorsitz hat Herr Professor Dr. Griesbach wieder über-
nommen; er richtet an die Versammlung folgende Worte:
Verehrte Anwesende! Wir müssen uns nun entscheiden, ob wir in
eine Besprechung der gehaltenen Vorträge eintreten oder ob wir sofort
die unter Punkt 2 der Tagesordnung angemeldeten Vorträge hören
wollen. Ich glaube nicht, dafs wir heute zu einem erfreulichen Endziel
auf Grund der drei Vorträge kommen werden, da ja ein jeder derselben
so äufserst interessant war und so viele offenstehende Fragen darlegte,
dafs eiae Debatte hierüber zu viel Zeit beanspruchen würde.'
Verhandl. d. 11. Jahresversamnilung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 1 65
Die Versammlung stimmt den Torstehenden Ausführungen zu
und verzichtet auf eine Debatte.
Herr Oberrealschuldirektor Dr. H. Schotten-Halle bringt hier-
auf den telegraphischen Dank des Herrn Generalkonsuls Freiherm
E. vonLade auf Monrepos in Geisenheim aus Anlafs seiner Ernennung
zum Ehrenmitglied des Allgemeinen Deutschen Vereines für Schul-
gesundheitspflege zur Verlesung.
Zu Punkt 2 der Tagesordnung, die „Einführung einer ein-
heitlichen Schreib- und Druckschrift^^, erteilt der Vorsitzende
Herrn Rektor Müller -Wiesbaden das Wort zu folgendem Vortrag.
Hochansehnliehe Versammlung !
„Sprache, schön und wunderbar,
Ach, wie klingest du so klar!"
so singt Max von Schenkendorf in seiner Begeisterung für den aus dem
Innersten der Seele hervorquellenden Klang, der sich ebensowohl zur
„Heldensprache" wie zum „Liebesworte" zu verkörpern vermag. Gewifs
sprechen wir es ihm alle aus vollem Herzen nach und rufen mit
Eückert aus:
„0 Wunder sondergleichen, wie im Laut
Sich der Gedanke selbst das Haus gebaut!
Nicht Willkür schuf das Wort, sonst war es hohl,
Es ist des Geists notwendiges Symbol."
Wir können auch dem Dichter nicht widersprechen, wenn er fortfährt:
„0 zweites Wunder, wie dem Blick die Schrift
Den Laut versinnlicht, der das Ohr nur trifft!
Und forschst du weiter, ist der Buchstab nur
Des flüssigen Lautes feste Elangfigur."
Fassen wir nun aber diese Klangfiguren ins Auge, m. a. W., prüfen
wir das Kleid oder richtiger die Kleider unserer Muttersprache, die
Mannigfaltigkeit der Zeichen für einen Laut, dann will nicht mehr „die
Liebe überfliefsen in lautem, jubelndem Preise", dann möchten wir eher,
voll gerechten Zornes, in Glutbuchstaben ein Epigramm schreiben mit
dem Wunsche, dafs sie die Luxusnummem jener sonderbaren Livrei ver-
zehrten.
Müssen sich doch unsere sämtlichen Schüler, die schwächsten nicht
ausgeschlossen, auf der Schulbank 2 oder, wenn man genau zusieht, gar
8 Alphabete, 200 Buchstaben, einprägen, nämlich deutsche Schreibschrift
klein und grofs, deutsche Druckschrift klein und grofs, lateinische Druck-
schrift klein und grofs und lateinische Schreibschrift klein und grofs.
Man stellt an ihre Auffassungskraft und an ihr Gedächtnis in dieser
Beziehung doppelt so hohe Anforderungen als an die Kinder der andern
Kulturvölker, die sich sämtlich mit einem Alphabet begnügen.
Da drängen sich uns denn die Fragen auf: Spielt sich vielleicht in
den Köpfen deutscher Kinder der Lemprozefs rascher und leichter ab?
Oder verfügen sie vielleicht ausnahmsweise über eine solche Fülle der
Gedanken, dafs ein Alphabet zur Fassung derselben nicht ausreichte?
Wer wollte diese Fragen bejahen? Wer kann einen vernünftigen Grund
166 Verhandl. d. II. Jahresvergaminliing d. AUgem. Deutsch. Vereines etc.
ftir jene Gewohnheit angeben, die längst als unberechtigte Unsitte ge-
geifselt worden ist? Darf aber die Schule Zeit und Kraft ftir Nutzloses,
Überflüssiges einsetzen?
Aber, höre ich einwenden, die Volksschule ist ja bisher mit den
beiden Alphabeten fertig geworden und wird es gewifs auch fernerhin!
Darauf antwortet der Schulmann: Allerdings sind wir damit zustande
gekommen, doch fragt mich nur nicht wie!
Ohne Zweifel trägt die Notwendigkeit, so viele Lautzeichen einzu-
prägen, viel dazu bei, dafs auch heute noch der Vorwurf nicht ganz
unberechtigt erscheint, den unser Altmeister Pestalozzi vor 100 Jahren
gegen den ersten Schulunterricht erhob, der schwere Vorwurf, dafs er
der jungen Menschenknospe die 5 Sinne ohne Mafs verenge und beson-
ders die allgemeinen ViTerkzeuge der Anschauung, die Augen, auf die
Buchstaben und die Bücher so einschränke, dafs sie zu Buchstabenaugen
und die Kinder selbst zu Buchstabenmenschen gemacht würden.
Beseitigen wir die „Doppelwährung" in unserer Schrift, und es fällt
eine schwere Versuchung hinweg, die Kleinen von den ersten Schultagen
an in eine ihnen vollständig fremde Welt zu versetzen und ihnen im
ewigen Kreislauf vom Schreiben zum Lesen und vom Lesen zum Schreiben
die Schule zu verleiden. Wir gewinnen dann mehr als bisher die Zeit,
iu genügendem Mafse die Fäden aufzimehmen, die das Elternhaus in den
Kleinen gesponnen hat, und die wir sorgfältig pflegen und weiter ent-
wickeln müssen, wenn unsere Arbeit eine feste Grundlage gewinnen und
nicht die Schulbildung als etwas Fremdes neben die Lebensbildung treten
soll. Wir können dann mehr als bisher mit unsem Kleinen „Ausflüge
in die Welt ihrer Heimat" machen und sie veranlassen, sich in munterem
Spiele zu tummeln und uns in fröhlichem Plaudern ihre Innenwelt zu
offenbaren.
Aber nicht blofs auf den Beginn, sondern auch auf den Fortgang
des Unterrichts übt der Gebrauch zweier Alphabete der Druck- und
Schreibschrift einen schädigenden Eiuflufs aus. Zur Erzielung und Er-
haltung der notwendigen mechanischen Lese- und besonders der Schreib-
fertigkeit müssen wir bis in die Oberstufe hinauf besondere Übungs-
stunden ansetzen und erreichen trotzdem kaum, dafs die meisten Kinder
beim Abgang aus der Schule eine feste, geläufige imd regelmäfsige Hand
schreiben.
Sieht man genauer zu, so wimdert man sich gar nicht über diesen
geringen, zur angewendeten Zeit und Kraft im Mifsverhältnis stehenden
Erfolg des Schreibunterrichts. Die Ursache liegt darin, dafs wir die
Schüler nötigen , sich an zwei Schriftformen zu gewöhnen, die in ihrem
ganzen Wesen grundverschieden sind, ja sich geradezu widersprechen,
„üben wir die deutsche Schrift," so führte Kollege Klämer vor einigen
Jahren im ,yAJlgem. Schulblatt" ganz richtig aus, „so verlangen wir
Ecken und Winkel und tadeln das Streben der Kinder, die Buchstaben
oben und unten abzurunden; schreiben die Schüler dagegen lateinisch, so
verbieten wir jede spitze Form. Auf diese Weise reifsen wir gleichsam
in der einen Stunde wieder ein, was wir in der vorausgegangenen müh-
sam aufgebaut hatten. Die Schrift imserer Kinder kann nicht besser
Verhandl. d. ü. JahreBversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 167
werden, so lange sie sich an zwei so verschiedene Formen gewöhnen
müssen."
Sodann darf wohl behauptet werden, dafs wir mit der Beschränkung
auf ein Alphabet einige hundert Stunden für jedes Kind gewinnen
würden, eine höchst kostbare Zeit, die dem übrigen Unterrichte zugute
käme. Wir könnten dann, um nur einiges anzudeuten, im Lesen und
Schreiben ^früher und in ausgedehnterem Mafse erreichen, dafs mit der
Form auch der Inhalt der Sprache erfafst würde imd so Uhland's Mah-
nung noch mehr Beherzigung fände:
f^Yerpflanz auf uns're Jugend
Die deutsche Treu und Tugend
Zugleich mit deutschem m)rtl*'
Wir kämen dann, zumal wenn auch auf anderen Gebieten eine
weise Beschränkung auf das .wirklich Notwendige und Bildende einträte
und wir endlich zu einer Vereinfachimg unserer Orthographie gelangten,
aus dem die Nerven zerrüttenden Hasten in der Einprägung des Unter-
richtsstoffes heraus. Eine ruhigere Vertiefung der Schüler in den Unter-
richtsstoff, eine bessere Assimilation seines geistigen Gehaltes wäre er-
möglicht, und hiermit erreichten wir zugleich eine intensivere Stärkung
der kindlichen Geisteskräfte, wie wir andererseits auch die gewonnenen
Vorstellungen, Anschauungen und Begriffe mit haltbareren Tinten dem
Geistesleben der Schüler einschrieben.
Vergegenwärtigen wir uns endlich noch, dafs die in ewiger Ent-
wicklung begriffene Grofsmacht Leben und die gewaltigen Fortschritte in
allen Zweigen der Wissenschaft stets neue und erhöhte Anforderungen
an die Schule stellen, dnnn tritt uns wohl auch klar vors Auge, yne es
unsere heilige Pflicht ist, auf jeden Luxus in der Schule zu verzichten
und uns also auf ein Alphabet zu beschränken.
Damit stehen wir vor der Frage: Für welches Alphabet sollen wir
uns entscheiden, fiir Fraktur oder Antiqua, die sogenannte deutsche oder
die lateinische Schrift?
Ich denke, wenn irgendwo so kann hier die Wahl keine Qual be-
deuten. Heute, wo wir im Zeichen des Verkehrs stehen, wo ein unab-
sehbares Netz von Eisenschienen, Kabeln und Dampferlinien sich um den
Erdball schlingt, wo sich die entferntesten Völker näher gerückt sind,
wo Handel und Verkehr unzählige Bande zwischen den verschiedenen
Nationen geknüpft haben, wo also auch die Schrift nicht einem, nein,
allen Völkern den Schall der Sprache versinnlichen soll, — darf man
sich bei der Entscheidung für diese oder jene Schrift nicht von persön-
lichem Belieben, nicht von der Macht der Gewohnheit, sondern allein
vom praktischen Bedürfiiis, von der Frage nach dem, was „vernünftig
und gut^' ist, bestimmen lassen.
Nun ist Thatsache, dafs die Antiqua Weltschrift geworden ist, dafs
ihrer sich mehr als 250 Millionen ausschlief slich bedienen, dafs sie fast
auf dem ganzen Erdenrund verstanden wird. Hiefse es da nicht eine
Scheidewand zwischen den Kulturvölkern und uns aufrichten, wenn wir
sie aufgäben?
Könnten wir uns dagegen entschliefsen , auf unsere Eckenschrift zu
verzichten, so erleichterten wir damit ganz bedeutend das Vordringen
168 Verhandl. d, n. Jahresversammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
deutscher Sprache und Litteratur zu den anderen Nationen. Zum Be-
weise dafür, dafs gerade das Fremde imd Unverständliche der Fraktur
so manchen Ausländer vor dem Erlernen der deutschen Sprache zurück-
geschreckt hat, möge ein Ausspruch der „Paily News" dienen. Bas Blatt
schrieb: „Die deutsche Schrift giebt der Versuchung, an der deutschen
Wissenschaft vorbei zu gehen, eine besondere Stärke. Die Druckbuch-
staben sind knorrig, verzwickt, spitzig und abstofsend. Jeder hat seine
Familienähnlichkeit mit irgend einem anderen, und wie viele sind so
vollgespickt mit kleinen Domen, dafs sie dem Auge wirklich weh thun!
Das kleine f z. B. ist so zackig wie die Keule eines Südsee -Insulaners,
das kleine f und f kosten dem Ausländer, der deutsch lernt, manche
mühselige Eeise durchs Wörterbuch. S3 und SS führen • zu verhängnis-
vollen Verwechslungen. Natürlich lernt durch beständige Übung der
Fremde seinen Weg ins Alphabet, aber auf Kosten seiner Zeit, seiner
Augen und wohl auch seiner guten Laune."
Thatsache ist femer, dafs alle unsere Kinder, die fremdsprachlichen
Unterricht treiben, wohl die Fraktur, nicht aber die Antiqua entbehren
können.
Weiter weisen die Mitglieder des Vereins für Lateinschrift mit
vollem Eechte darauf hin, dafs die runden imd daher weiten, lichten
Formen der Antiqua sich durch gröfsere Deutlichkeit vor den verschnör-
kelten der Fraktur auszeichnen. Daher schreiben wir die Namen- auf
den Adressen und Firmenschildern mit lateinischen Lettern, die wir auch
aus demselben Grunde auf unseren Münzen, Postwertzeichen und auf
allen geographischen Karten finden.
Femer ist noch anzuführen, dafs ein Meister auf dem Gebiet der
Schreibkunst, Sönnecken, die gröfsere Schreibflüchtigkeit der Buchstaben
der Antiqua bewiesen hat. Durch gründKches Studium mehrerer an-
erkannter Normalalphabete stellte er fest, dafs das Alphabet der Ecken-
schrift 107, das der runden Schrift nur 68 Takte zählt, das Verhältnis
also wie 11:7 ist. Desgleichen hat man dargethan, dafs die Wegelänge
der Fraktur die der Antiqua um 36 % übersteigt, woraus sich auch für
erstere ein ganz bedeutendes Plus von Hand- und Augenarbeit ergiebt
— ein Punkt, der nachher von berufener Seite näher beleuchtet werden
wird. (Näheres siehe Bolff, Die Doppelwährung in der Schrift.)
Wenn ich, rückblickend, noch einmal das Angedeutete erwäge, dann
kann ich nicht anders, ich mufs mich rückhaltslos für den ausschlief s-
lichen Gebrauch der Antiqua aussprechen.
Angesichts der erwähnten, längst in weiten Kreisen anerkannten
Thatsachen läfst sich die Frage nicht mehr unterdrücken, wie es komme,
dafs unser deutsches Volk, das doch schon seit Jahrzehnten eine Über-
bürdung seiner Jugend beseufzt, nicht längst zur Einführung einer ein-
heitlichen Schreib- und Druckschrift geschritten ist. Unsere Verwunderung
darüber wächst noch, wenn wir hören, dafs bereits vor 16 Jahren ein
Wiesbadener Schulmann und Schriftsteller, Dr. Fr. W. Frikke, im Bunde
mit Dr. Jul. Lohmeyer in Cassel den Verein für Lateinschrift gründete
und dafs dessen Bestrebungen schon wenig Jahre nachher von etwa
7000 Lehrern aller Kategorien und von mehr als 100 Professoren unter-
stützt wurden. Wohl sind wir seitdem, wenn auch sehr allmählich,
Verhandl. d. 11. JahresverBammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 169
vorwärts gekommen: mit jedem Jahr ist die Zahl der Bücher und Zeit-
schriften, die in Antiqua gedruckt werden, gewachsen. Aber viel, sehr
viel bleibt noch zu thun, bis der letzte Widerstand besiegt ist, und wir
müssen deshalb auch fernerhin an Frikke's Wahlspruch festhalten: „Auf
rechtem Wege — das Ziel im Auge — rastlos vorwärts!"
Doch nicht nur das Ziel, sondern auch die aus dem Wege zu
räumenden Hindemisse sind scharf ins Auge zu fassen. Da ist es denn
nun aufser der Macht der Gewohnheit — der Mensch läfst ja bekannt-
lich sehr ungern vom Letzten seiner äufseren und inneren Habe —
namentlich die Befürchtimg, mit der sogenannten deutschen Schrift eine
wesentliche Seite und Stütze unseres Volkstums aufzugeben, die sich
bisher mit grofser Energie imd nicht ohne Erfolg den Bestrebungen für
den Gebrauch der Antiqua entgegengestemmt hat.
Ist diese Befürchtung berechtigt? Die Grundlage für die Prüfung
der Frage kann die Kulturgeschichte unseres Volkes geben. Daraus er-
sehen wir, dafs die erste deutsche Allgemeinschrift die lateinische war.
Es konnte dies auch gar nicht anders sein, da ja das deutsche Volk
seine Kultur von den Römern erhielt. Es nahm, namentlich bei und
mit der Einführung des Christentums, die Antiqua als Nationalschrift
an. Alle Sprachdenkmale der althochdeutschen imd mittelhochdeutschen
Periode bis zimi 12. Jahrhundert sind rein lateinisch geschrieben.
Als sich aber im 12. Jahrhundert, in Nordfrankreich zuerst, die
gotische Baukunst entwickelte, fing man auch an, die bisherige Schrift
umzugestalten. Sie sollte fernerhin nicht mehr blofs die Laute versinn-
lichen, sondern zugleich auch Ornamente darstellen. Die damaligen
Schreibmeister, die Mönche, setzten den einfachen, runden Formen der
Antiqua oben gotische Köpfchen, unten gotische Füfschen an und ver-
banden die einzelnen Teile der Buchstaben durch kaum sichtbare Haar-
striche. So entstand, wohlgemerkt durch französische Mönche, die ge-
brochene und verschnörkelte Fraktur. Dafs auch die Druckschrift in
Mitleidenschaft gezogen wurde, wird ims nicht befremden, wenn wir be-
denken, dafs die Schreibmeister die Lettern für die Formenschneider her-
stellten.
Von Frankreich aus verbreitete sich die Fraktur über Spanien,
Portugal, Italien, Deutschland, die Niederlande, England, Dänemark,
Schweden und Norwegen. Während aber fast alle anderen Völker all-
mählich wieder zu den einfacheren und praktischeren Formen der Antiqua
zurückkehrten, zögert unser Volk noch immer, dies voll und ganz
zu thun.
Kein Geringerer als Jakob Grimm hat dargethan, dafs die Ecken-
schrift keine nationale Eigentümlichkeit ist, und seine Ausführungen in
dem bekannten Worte gipfeln lassen: „Es geschieht ohne jeden vernünf-
tigen Grund, dafs man diese verdorbene Schrift deutsch oder gotisch
heifst. Man könnte sie mit gleichem Fug böhmisch nennen."
Und nun soll gar das Verzichten auf jene verschnörkelten Formen
der Antiqua unser Volkstum in Gefahr bringen! Wer einmal tiefer in
die Vergangenheit imserer Nation geblickt hat, der weifs recht wohl,
dafs ihrem nach Innen gerichteten Wesen mit der urkräftigen, tiefen
170 Verhandl. d. ü. Jahresyersaminlnng d. AUgem. Deutscli. Vereines etc.
Gemütsanlage gerade alles Gekünstelte und Unnatürliche^ jedes Leben in
Äufserlichkeiten zuwider ist.
Schneiden wir daher getrost jenen mittelalterlichen Zopf ab! Lassen
wir die schwarzen Schrift- und Druckbuchstaben inunerhin international
sein! Sorgen wir aber, jeder an seinem Teile, dafiir, dafs sie allezeit
Zeugnis abzulegen vermögen von deutschem Pleifse und deutscher Gründ-
lichkeit, von deutscher Selbständigkeit im 'Denken, wie von deutscher
Gemütstiefe, deutscher Charakterstärke imd deutschem Idealismus.
Als Korreferent führt hierauf Herr Augenarzt Dr. Gerloff-
Wiesbaden folgendes ans:
Meine Damen und Herren!
"Wenn Sie erfahren, dafs in irgend einem Lande eine Krankheit
ausgebrochen ist, die, ohne ansteckend zu sein, die Gesundheit und Er-
werbsföhigkeit zahlreicher kräftiger Menschen beeinträchtigt imd ihnen
schweren Schaden zufügen kann, so werden Sie von einer einsichtsvollen
Regierung fordern, dafs sie energische Mafsregeln gegen die Weiter-
entwicklung dieser Krankheit treffe. Das erscheint so selbstverständlich,
dafs es kaum besonders erwähnt zu werden braucht. Und doch kennen
wir alle ein solches Land und kennen die Krankheiten, die darin
herrschen, ganz genau, und trotzdem kostet es immer neue Kämpfe mit
der Regierung dieses sonderbaren Landes, sie auszurotten. Ich meine
die Schule und die verschiedenen, gerade durch sie hervorgerufenen
Schädigungen des Körpers. Und da möchte ich gleich von vornherein
meinen Standpunkt wahren. Wir Ärzte, die wir uns um Schulschäden
kümmern, stofsen nicht allein sehr häufig auf lebhaften Widerstand
seitens der Schulmänner, sondern wir werden sogar als Feinde der Schule
hingestellt, während wir doch nichts weiter wollen, als der Schule in
ihrer vornehmsten Aufgabe helfen, ein körperlich und geistig treffliches
Geschlecht grofszuziehen. Ich weifs wohl, dafs dieser Widerstand in den
letzten Jahren nachgelassen hat, ja dafs sogar einzelne Pädagogen Mit-
kämpfer in unseren Reihen geworden sind, aber im grofsen und ganzen
werden wir noch als unbefugte Eindringlinge im Reiche der Schule be-
trachtet, die überflüssige Neuerungen bringen. Denn früher ging es ja
herrlich ohne Schulärzte, warum nicht auch jetzt und in Zukunft? Nun,
wer die Herrlichkeit der alten Schulen durchgemacht hat, wer an gänz-
lich verkehrten Schulbänken sich krunmi gesessen, dicht neben einem
eisernen Ofen geschmort und bei mangelhafter Beleucbtimg seine Augen
gründlich verdorben hat, der wird es mit Freude begrüfsen, wenn seinen
Kindern die geistige Nahrung unter besseren Bedingungen geboten wird.
Der Augenarzt insbesondere wird wünschen, dafs die Nah -Arbeit mög-
lichst auf das durchaus notwendige Mafs eingeschränkt werde. Denn es
ist durch vieltausendfache Untersuchungen nachgewiesen und Ihnen allen
bekannt, dafs durch die Nah -Arbeit eine Krankheit des Auges, die
Kurzsichtigkeit, in so bedenklichem Grade gefördert wird, dafs schliefslich
auf einzelnen Gymnasien über die Hälfte der Primaner als Brillenträger
entlassen wurde, also als Augenkranke. Zu heüen ist diese Krank-
heit nicht. Es tritt daher an uns die weit vornehmere Aufgabe heran.
Verhandl. d. 11. Jahresversammlnng d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 171
sie zu verhüten. Zur Erreichung dieses Zweckes bieten sich uns mehrere
Wege dar: Einmal sollen die Bedingungen, unter denen gearbeitet wird,
den Anforderungen der Hygiene entsprechen. Sodann soll der Lehrstoff,
der bewältigt werden muTs, den Schülern beigebracht werden, ohne dafs
sie ihre Augen unnötig anstrengen. Endli^ werden wir den Lehrstoff
selbst daraufhin zu prüfen haben, ob er Überflüssiges enthält, und in
solchem Falle diesen Ballast über Bord werfen.
Von solchem Ballast haben Sie soeben gehört, imd wenn auch die
Gründe, die mein Herr Korreferent Ihnen mitgeteilt hat, vollkommen
ausreichen, Sie davon zu überzeugen, dafs die sogenannte deutsche
Schrift ein Unding ist, so habe ich als Augenarzt noch einige hinzuzu-
fügen:
Da die Kurzsichtigkeit, die wir verhüten wollen, nach dem über-
einstimmenden Urteil aller Augenärzte durch Nah -Arbeit entsteht und
zunimmt, ist von vornherein jede Yerminderung dieser Nah-Arbeit mit
Freude zu begrüfsen.
Des weiteren werden wir zu untersuchen haben, ob die Beschäftigung
mit der sogenannten deutschen Schrift für das Auge besondere Schäd-
lichkeiten aufweist.
Herr Sönneckeji behauptet, die Antiqua von der Gröfse 1 — 3 könne
in ca. 143 cm gelesen werden, die gleich grofse deutsche Druckschrift
erst in 115 cm. Die letztere zwinge also das Auge, sich der Schrift
um etwa 28 cm zu nähern, und trage auf diese Weise zur Beförderung
der Kurzsichtigkeit bei. Bei aller Anerkennung der sonstigen Verdienste
des Herrn Sönnecken kann ich seine Ansicht auf Grund eigener Beob-
achtung nicht teilen. Die deutsche Schrift wird bei gleicher Gröfse ge-
nau so weit erkannt, wie die lateinische. Wir benutzen zur Bestimmung
der Sehschärfe beide Schriftarten in gleicher Gröfse, und ich habe nie-
mals einen Unterschied des Erkennens weder für die Feme noch für
die Nähe feststellen können. Ich habe diese Versuche an mir selbst und
anderen für diesen Vortrag noch ganz ausdrücklich wiederholt und kann
versichern, dafs der Einwand des Herrn Sönnecken hinfällig ist. Es
handelt sich nur darum, dafs man dem Auge Zeit läfst zum Erkennen
der Buchstaben.
Die Schädlichkeit gerade der Frakturschrift für das Auge beruht
also auf einem anderen Umstand: Sie ist weniger übersichtlich.
Man braucht mehr Zeit, sie zu lesen und zu schreiben, und das ist ein
ungemein wichtiger Punkt.
Wenn wir Erwachsenen etwas lesen, so überblicken wir das ganze
Wort, ohne uns bei einem Buchstaben aufzuhalten. Daher ist Korrektur-
lesen besonders anstrengend, weil wir dabei auf das Fehlen oder die
Vertauschimg einzelner Buchstaben achten müssen. Das Kind liest die
einzelnen Buchstaben und bildet sich aus diesen erst das Wort, es mufs
also mit den Augen erst jeden Buchstaben abtasten, und ohne weiteres
ist klar, dafs seine Arbeit eine viel gröfsere imd zeitraubendere sein
wird, je unübersichtlicher, je verschnörkelter der Buchstabe ist. Sie
können sich einen Begriff von der Arbeit des Kinder -Auges machen,
wenn Sie auch nur eine einzige Druckseite lesen wollen, die aus grofsen
172 "Verhandl. d. ü. Jahresversaminliing d. Allgexn. Deutsch. Vereines etc.
Frakturbuchstaben besteht.*) Sie werden sich dafür bedanken, auf diese
Weise ein Buch lesen zu sollen, trotzdem Ihnen allen ja diese Buch-
staben aus der täg^chen Lektüre wohlbekannt sind. Aber die Kinder
werden nicht gefragt — die müssen!
Sie können übrigens diese Unübersichtlichkeit der Buchstaben auch
künstlich hervorrufen, wenn Sie nämlich im Eisenbahnzuge während der
Fahrt lesen. Sie können dann beobachten, wieviel mehr Zeit Sie brauchen,
eine Seite zu lesen, und werden nachher an Ihren eigenen Augen ver-
spüren, was es heifst, unübersichtliche Schrift zu lesen. Sie werden da-
bei aber noch eine Beobachtung machen: Ganz unwillkürlich, und um
dem Auge das Abtasten der Buchstaben zu erleichtern, werden Sie das
Buch dem Auge nähern und so Akkommodation und Konvergenz an-
spannen.
Und nun sehen Sie sich ein Kind an, das lesen lernt. Es macht
die Sache genau ebenso. Wenn es einen Buchstaben nicht gleich weifs,
nähert es sein Auge dem Buch, trotzdem es aus der ursprünglichen
Leseweite ihn gerade so gut erkennen kann. Je unübersichtlicher daher
die Schrift ist, um so mehr wird das Kind hierzu veranlafst, um so
gröfser die Wahrscheinlichkeit, dafs es kurzsichtig wird.
In noch höherem Grade als durch Lesen, wird durch Schreiben der
Frakturschrift die Entwicklung der Kurzsichtigkeit begünstigt. Der
Augenarzt Dr. Weber in Darmstadt hat hierüber umfassende Unter-
suchungen**) angestellt, deren Resultat die weiteste Verbreitung verdient,
und ich schüefse mich daher bei der Betrachtung der Schreibarbeit im
wesentlichen Weber's Untersuchimgen an.
Beim Schreibenlemen benutzen die Kinder Hefte und Tafeln, auf
denen die Gröfse der zu schreibenden Buchstaben durch Linien angegeben
ist. Es mufs also innerhalb dieser Linien Anfangspunkt, Weg und End-
punkt des Buchstabens von dem Kinde genau überwacht werden. Das
eigentliche Seh -Objekt ist daher nicht der Buchstabe selbst, auch nicht
die schreibende Spitze, sondern der Zwischenraum zwischen dieser und
den vorgezeichneten Linien. Auf diese Weise besteht nicht nur ein
Fixierakt, sondern es mufs aufserdem auch noch visiert werden. Nun
ist das erste Erfordernis beim Visieren, dafs die die beiden Visierpunkte
verbindende Linie senkrecht auf die Verbindungslinien beider Augen -
Zentren falle. Da nun die Strichelemente unserer deutschen Schrift fast
sämtlich von links unten nach rechts oben verlaufen, so neigen die Kinder
genau wie beim Zielen mit einem Gewehr die Stirn nach rechts abwärts
und schauen mit einer Blickerhebung von etwa 30 Grad in der Richtung
des Federzuges.
Zu dieser äufserst gezwungenen Kopfhaltung tritt nun noch
der weitere tjbelstand, dafs die Gröfse der einzelnen Buchstabenstriche
genau abgemessen werden mufs. Bei deutscher Schrift erfordert dies
aber ein geradezu punktförmiges Zusammentreffen der Spitze des Buch-
*) Solche Druckseiten stehen zur Verfügung durch den Referenten.
**) Über die Augenuntersuchangen in den höheren Schulen zu Darmstadt.
Referat und Memorial von Dr. Ad. Weber. Darmstadt 1881. Druck von
H. Brill (im Buchhandel vergriffen^
Verhandl. d. Ü. JahreBversammlung d. Allgem. Dentsch. Vereines etc. 173
stabens mit der Linie, wenn anders die Arbeit löblich sein soll. Und
dies genaue Erkennen des punktförmigen Treffens bringt zweifellos wieder
eine äufserst schädliche Annäherung der Augen.
Ganz anders verhält sich die Sache mit der lateinischen Schrift:
Zunächst hat diese weniger Haarstriche, und die leicht geschweifte Form
derselben verlangt ebensowenig wie die vorwiegende Eichtung der Grund-
striche jene oben erwähnte Neigung des Kopfes. Das Zusammentreffen
der leicht abgerundeten Linien mit den vorgezeichneten erfordert bei
weitem nicht die Fixier -Arbeit der deutschen Schrift und infolgedessen
ist auch die Haltung der Kinder beim Schreiben lateinischer Schrift eine
ungleich bessere.
In wie hohem, fast erschöpfendem Grade der Visierakt die einzelnen
Funktionen des Auges in Anspruch nimmt, und wie er alle Schädlich-
keiten, welche auf die Ausbildimg der Kurzsichtigkeit hinarbeiten, in
erhöhtem Grade in sich birgt, erhellt aus folgender Betrachtung: „Die
Erhebung des Blickes über die horizontale Visierebene, welche zur Fest-
stellung des Auges notwendig ist, verlangt die dauernde Beanspruchung
von Muskeln, welche für gewöhnlich nur zu ganz vorübergehender Arbeit
benutzt werden. Und nicht allein den stellimggebenden Muskeln gehen
hierbei Kontraktionsimpulse zu, sondern, da eine vollständige Lnmobili-
sierung der Augen bezweckt wird, auch allen Antagonisten. Diesem
Zwecke und dieser Anordnung gemäfs steigt die Energie der Kontraktionen
auf einen Grad, welcher um ein noch ungekanntes Vielfache diejenigen
för die gewöhnlichen, orientierenden Augenbewegungen übersteigt. Pro-
portional der Dauer dieser tetanischen Kontraktionen mufs aber auch,
einem physiologischen Gesetz gemäfs, die ßeizintensität wachsen und
sehr bald ihr Maximum erreichen.
Unter solch mächtigem Zusammenziehen aller äufseren Augenmuskeln
steigt nun der Druck im Tunern des Auges, der ohnedem schon durch
die Erhebung des Blickes, wie tonometrisch nachgewiesen ist, um mehr
als das Doppelte erhöht ist, nahezu auf einen Grad, wie man ihn sonst
nur bei ausgesprochenen Krankheitszuständen findet. Die starke Kon-
vergenz, welche zur genauen Einhaltung der Linien erforderlich ist,
kompliziert noch die Wirkung des el:höhten Druckes imd die notwendige
Folge ist Verlängerung der Glaskörperaxe , also Kurzsichtigkeit und
Störungen der intraocularen Zirkulation, deren reichliche Spuren wir mit
dem Augenspiegel entdecken.
„Diese, die Gesamtfimktionen des Auges ausbeutende Anstrengung,
welche sich durch unangenehme Spannung im Auge, belästigenden Dn^ck
in der Augenhöhle, Kopfschmerz u. s. w., die deutlichen Zeichen der
Übermüdung, dem Erwachsenen fühlbar macht, wird von dem leichten
heiteren Sinn der Kinder nicht hoch angeschlagen, mit dem Schlüsse der
Stunde vergessen, oder, wenn geklagt, nicht geglaubt, — geschrieben
mufs doch werden."
Ich denke, die hier entwickelten Gründe gegen die Frakturschrift
sollten ausreichend sein, jeden von Ihnen zu ihrem energischen Gegner
zu machen. Die Mittel und Wege anzugeben, auf denen die Abschaffung
dieses Undinges erreicht werden kann, liegt nicht im Eahmen dieser Be-
trachtung. Es konnte uns nur daran gelegen sein, Sie zu Mitkämpfern
174 Verhandl. d. II. JahresverBaniTnliing d. Allgem. Deutsch. Vereines etc
1. e@ 3@3; SSW 3iR3;e9i@@@e uiRseais» 3u®eiRa) ©«^siR
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©e@ S322t23;e@ e8(igf09t2)e9t2.
Verhandl. d. IT. Jahresyersamtolung d. Allgem. Deutsch Vereines etc. 175
ACHTUN!
JEDER EINTRETENDE WIRD DRINGEND ERSUCHT,
VOlf PMiiSEM BliOCK
EINEN ZETTEL ABZUREISSEN.
1. ES IST IM INTERESSE UNSERER JUGEND DAHIN ZU
STREBEN, DASS IN ZUKUNFT IN DER SCHULE NUR
EIN SCHREIB- UND EIN DRUCKALPHABET GELEHRT
WERDE.
2. DIESES KANN HEUT, WO WIR IM ZEICHEN DES VER-
KEHRS STEHEN, NUR DAS LATEINISCHE SCHREIB-
UND DRUCK - ALPHABET SEIN, DA ES WELTSCHRIFT
GEWORDEN IST UND IHM DIE EIGENSCHAFTEN DER
DEUTLICHKEIT UND SCHREIBPLÜCHTIGKEIT IN BE-
SONDEREM GRADE ZUKOMMEN.
3. DIE BEFÜRCHTUNG, DASS WIR MIT DER SOGENANN-
TEN DEUTSCHEN SCHRIFT EINE WESENTLICHE SEITE
UND STÜTZE UNSERES VOLKSTUMS AUFGEBEN, IST
UM SO WENIGER BERECHTIGT, ALS DIESE SCHRIFT
NICHTS ANDERES IST, DENN EINE VON FRANZÖSI-
SCHEN MÖNCHEN VORGENOMMENE BRECHUNG UND
VERSCHNÖRKELUNG DER RUNDEN FORMEN DER
ANTIQUA.
4. JEDE BEFREIUNG UNSERER JUGEND VON ÜBERFLÜS-
SIGEM LEHRSTOFF IST MIT FREUDE ZU BEGRÜSSEN,
DA SIE ZUR VERMINDERUNG DER KÜRZSICHTIGKEIT,
EINER UNTER ALLEN UMSTÄNDEN ERNSTEN ERKRAN-
KUNG DER AUGEN, BEITRÄGT.
5. IN GANZ BESONDEREM GRADE IST LESEN UND SCHREI-
BEN DER FRAKTURSCHRIFT GEEIGNET, KURZSICHTIG-
KEIT HERVORZURUFEN UND ZU VERMEHREN, EINE
EIGENSCHAFT, DIE DER KLAREN LATEINSCHRIFT NICHT
IN DEMSELBEN MASZE INNEWOHNT.
6. MAN VERGLEICHE DIE ARBEIT, DIE DAS LESEN DER
AUS DURCHWEG WOHLBEKANNTEN BUCHSTABEN
BESTEHENDEN DRUCKSÄTZE BEIDER SEITEN DIESES
BLATTES ERFORDERT.
176 Yerliandl. d. IT. JabresverBanmilang d. AUgem. Üentsch. Vereines etc.
für die Einführung der lateinischen Schrift, der Weltschrift, zu gewinnen,
und sollte uns dies gelungen sein, so ist unsere Aufgabe für heute
erfüllt.
um Ihnen schliefslieh selbst einen MaTsstab an die Hand zu geben,
welche Schrift übersichtlicher ist, habe ich am Eingang zu diesem Saal
zwei Abreifskalender aufhängen lassen. Jeder trägt die Aufschrift:
„Achtung I Jeder Eintretende wird dringend ersucht, von diesem Block
einen Zettel abzureifsen", und zwar auf beiden Seiten. Auf der einen
in Fraktur-, auf der anderen in Antiqua -Lettern, Von dem Block, der
die Antiqua-Seite Ihnen zuwandte, haben 162 Eintretende ihren Zettel ab-
gerissen, von dem, der die Frakturschrift auf der Stirn trug, 90 Ein-
tretende.*) Damit haben Sie selbst das Urteil über Lesbarkeit und Über-
sichtlichkeit der beiden Schriften gefällt imd mit dieser „Demonstratio
ad hominem^^ uns ein weiteres schätzbares Material für die Zukunft ge-
liefert, für das ich Ihnen meinen besten Dank ausspreche.
In der sich anschliefsenden Diskussion erhält zuerst das Wort
Herr Landtagsabgeordneter Oberlehrer Wetekamp:
Ich glaube, man kann dem Vorstand und den beiden Herren Eefe-
renten nur dankbar sein, dafs sie eine so wichtige Frage auf die Tages-
ordnung gestellt haben, denn es ist in der That eine Vergeudung der
Kraft, die wir durch die Beibehaltung der Frakturschrift begehen, so-
dafs es die allerhöchste Zeit ist, dieselbe abzuschaffen. Ebenso ist der
zweite Vorschlag der Herren Referenten freudig zu begrüfsen, das ist
die Frage einer einfacheren Orthographie. Wenn aber hier eine
Änderung herbeigeführt werden soll, dann soll man gleich eine für jeder-
mann gleich schreibbare Orthographie schaffen, und nicht verlangen, dafs
die Schüler eine Orthographie schreiben, die — ich kann dreist be-
haupten — selbst von den Lehrern nicht einmal geschrieben werden
kann. Und wir haben eine solche bereits. Tausende und Abertausende
haben sie und schreiben sie bereits: das ist die Orthographie der
Stenographie, welche den weitaus meisten Bedürfnissen genügt; kein
überflüssiger Buchstabe ist da, mit wenigen kleinen Ausnahmen wird
alles so geschrieben, wie es ausgesprochen wird. Betreffs der schlechten
Handschrift bei uns ist gewifs das Schreiben von mehreren
Alphabeten das weitaus gröfste Hindernis. Wenn auch hierdurch
hauptsächlich die schlechte Handschrift hervorgerufen wird, so haben
wir doch noch ein zweites Hindernis zu überwinden, um zu einer schönen
Handschrift zu gelangen, und das sind die falschen Schönschrift -
formen, wie sie in der Schule gelehrt werden und die man später bei
fliefsendem Schreiben nicht anwendet. Die Schönschrift, wie sie in der
Schule gelehrt wird, legt die Eundungen nach oben, die Spitze nach
unten, bei jeder fliefsenden Schrift ist es genau umgekehrt, da liegen die
Spitzen nach oben und die Rundungen nach unten. Die taktische Frage
ist nun: Wie kommen wir endlich weiter? Das einzige Hindernis
*) Diese 90 haben aber durchaus nicht etwa deswegen den Zettel ab-
gerissen, weil sie die Aufforderung dazu aus der Aufschrift entnahmen.
Terhandl. d. It. Jahresversammlung d. Allgem. ^beutscb. Vereines etc. 177
fiir die Aufhebung der deutschen Schrift war bekanntlich Fürst
Bismarck, der sich entschieden dagegen wehrte, obwohl in den Unter-
richts -Vereinigungen der einzelnen Länder bereits Stimmung dafür
war, die Frakturschrift abzuschaffen. Dieses Hindernis besteht jetzt
nicht mehr, und wir können jetzt eher darauf rechnen, Erfolg zu
haben. Hierzu gehört aber, dafs die gröfsere Öffentlichkeit, und be-
sonders die Volksvertretung, die Sache etwas kräftiger in die Hand
nimmt. Nun weifs man aus den Verhandlungen, und zwar besonders aus
den im preufsischen Abgeordnetenhause beim Etat des Kultusministeriums,
wie sich da eine ungeheure Masse Stoff zusammenhäuft, und wie alles
darauf hindrängt, dafs der Etat nur rechtzeitig fertig wird, weshalb auch
keine Stimmung fär solche Einzelheiten da ist. Ich habe selbst die
Frage schon zweimal angeschnitten, und in dem Hause sowohl, als auch
aufserhalb desselben sehr viel Beifall gefunden, aber in eine Diskussion
darüber einzutreten, mangelt es den Leuten an Zeit. Ich halte deshalb
für den einzigen Weg, den wir gehen können, den, uns mit Eingaben
an die Regierungen und, an die Landesvertretungen zu wenden.
Auf diese Weise würde die Frage in der Kommission gründlich behandelt
werden und käme dann auch wohl vorbereitet vor das Plenum, hoffent-
lich geht es dann in diesem Fall ebenso wie in diesem Jahr mit der
Eingabe betreffend die Abschaffung der Abgangsprüfungen.
Der Vorsitzende unterbricht hier die Diskussion und verliest
folgende, soeben eingegangene Depesche Sr. Excellenz des Oberpräsi-
denten der Provinz Hessen -Nassau, Grafen Zedlitz-Trützschler:
Ich nehme die Aufnahme als Ehrenmitglied mit herzlichem Dank
an und will mich bemühen, diese Ehrung durch werkthätige Teilnahme
an den wichtigen Aufgaben des Vereins zu verdienen.
Zedlitz, Oberpräsident,
Gleichzeitig ist mitzuteilen, dafs die übrigen zu Ehrenmitgliedern
erwählten Herren teils mündlich, teils schriftlich die Ehrenmitglied-
schaft angenommen haben.
In der fortgesetzten Diskussion erklärt Rektor Zimmermann:
Unserer Jugend wird gerade in den ersten Jahren zu viel zugemutet,
am allermeisten aber im ersten Jahre. Wir muten unsern Kindern zu, zu
schreiben, wo es ihnen thatsächlich noch an Kraft gebricht, den Griffel
oder die Feder regulär zu halten und zu führen. Wir muten unsern
Kindern zu, zu lesen, wo sie noch kein Verständnis für die Muttersprache
mitbringen! (Sehr richtig!) Lehren wir es doch erst die Muttersprache
richtig verstehen, sie richtig zu sprechen! Lehren wir das Kind erst
Formen üben, mit Zeichnen, Freihandzeichnen; lehren wir es, sich an
seiner Umgebung zu erfreuen und sie richtig aufzufassen, sei es im
Zimmer, sei es auf Spaziergängen, und wenn so dem Kinde seine Sinne
geöffnet und seine Zunge gelöst ist, dann wollen wir es auch schreiben
lehren. (Lebhafter Beifall.) Das Schreiben mufs also um ein halbes,
vielleicht um ein ganzes Jahr zurückgedrängt werden, wir müssen das
Endziel summarisch auffassen und nicht nach Jahrespensen abpassen (Sehr
Gesunde Jugend L 8/4. 12
178 Verliandl. d. H. Jabre^versaniinluiig d. Allgem. Deutsch. Vereinee etc.
richtig 1), so daJjs das Kind am Ende seiner Schulzeit sechs verschiedene
Alphabete erfafst hat, aber doch noch keinen geübten Fonnensinn hat.
Will der Verein wirkliche Schulhygiene treiben, und das auf diesem
Gebiete ergänzen, was unsere Kommunen in splendider Art schon seit
Jahren ausüben, müssen wir auch an die Hygiene des Unterrichts denken
und an die innere Methodik. Durch eine glückliche Bearbeitung der
Lehrpläne, die leider inmier noch als eine göttliche Offenbarung
angesehen werden, obwohl sie doch auch nur Menschen gemacht haben
(Sehr gut!), würde die Frage bald entschieden sein ohne Antiqua oder
Fraktur. Jedermann wird sieh für die senkrechte, unserer deutschen
Druckschrift ähnliche Lateinschrift entscheiden, nicht aber für die schwere
deutsche Schreibschrift. Übergänge müssen aber geschaffen werden, da
die Regierung nicht zugeben wird, auf einmal mit einem kühnen Salto-
mortale von der deutschen auf die lateinische Schrift überzugehen. Man
kann diese alte Sitte nicht auf einmal stürtzen.
Professor Vietor-Marburg:
Das Gefühl, aus dem die Herren Vorredner gesprochen haben, teilen
wir hier alle miteinander. Wie recht haben wir, dafs wir uns ,yAll-
gemeiner Verein für Schulgesundheitspflege^' nennen, und nicht etwa für
Schul- oder Lehrerhygiene; der Patient ist die Schule, sie leidet!
In der Orthographie-Frage mufs von uns etwas geschehen Wir
müssen Petitionen einreichen und dürfen bei dieser so klar liegenden
Angelegenheit nicht wieder sagen, sie bleibt bis zum nächsten Jahr.
Sollte dieser Vorschlag aber doch nicht die Majorität erhalten, dann
richte ich an alle einzelnen Unterrichtsvereine die Bitte: Thun Sie doch
selbst etwas dafür, dafs es besser wird! Schreiben sie nicht mehr Fraktur,
sondern Latein! Ich selbst thue das seit dreifsig Jaliren und jeder hat
mich verstehen können. Ich stelle daher hiermit den Antrag, an die
Regierungen und die Volksversammlungen diesbezügliche Petitionen ein-
zureichen. (Zustimmung.)
Stadtrat Professor Kalle-Wiesbaden:
Ich wollte nur gegenüber den Worten des Herrn Oberlehrers Wete-
Iramp darauf aufmerksam machen, dafs es wohl rationeller und richtiger
ist, wenn wir uns mit unsem heutigen Ausfiihrungen zunächst an die
Schulbehörden wenden. Wenn wir mit vernünftigen Gründen kommen,
werden diese wohl das Ihrige thun, ohne dafs erst ein Druck ausgeübt
zu werden braucht. Die Einführung eines anderen Alphabets ist doch
nicht Sache der Gesetzgebung, sondern der Verwaltung, und wenn man
sich an die parlamentarischen Körperschaften wendet, ist es doch ganz
richtig, wenn die Verwaltimgsbehörden, denen die Entscheidung an erster
Stelle zusteht, nicht nachkommen. Ich bin aber sicher, dafs sie es thun
wollen. Die Sache ist bisher gescheitert an dem Widerwillen unsers
allverehrten, grofsen Reichskanzlers Bismarck, dem es auf seine alten Tage
imbequem war, ein neues Alphabet zu benutzen imd von der alten
Orthographie abzugehen. Aber heute lebt Fürst Bismarck nicht mehr,
wir schädigen ihn nicht mehr, und deshalb ist es besser, zuerst an die
Verwaltimgsbehörden zu gehen. An die Volksvertretung sollten wir uns
Verhandl. d. II. Jähreßversammlung d. Allgem. Beutsch. Vereinee etc. 179
erst dann wenden, wenn wir sehen, dafs wir auf dem ordnungsmäfsigen
Wege nicht yorankommen.
Vorschullehrer Pohl:
Ich kann die Ansicht nicht teilen, dafs unser grofser Eeichskanzler
das einzige und das Haupthindernis gewesen ist. Er war ein Hindernis,
gewifs, und die Sache war in der preufsischen Verwaltung auch schon
ziemlich weit gediehen, aber das andere Haupthindernis ist das Phlegma
des Erwachsenen gegenüber Dingen, die er als Knabe auf der Schul-
bank erlernt. Der Erwachsene vergiTst eben den Schweifs, den ihn das
Erlernen gekostet hat. Ich kann den Deutschen den Vorwurf nicht ersparen,
dafs es ihnen geht wie den alten Marktweibern im Jahre 1875, als die
neuen Münzen, Mafse und Gewichte eingeführt wurden. Damals konnten
sich die alten Damen auch nicht dayon trennen, die Eier nach Batzen
zu berechnen. Ich mufs gestehen, dafs ich einen der am Eingang an-
gebrachten Zettel mit Frakturschrift abgerissen habe. Ich wollte ihn lesen,
da dachte ich, was ist nur derjenige, der solches Zeug hindruckt. Es
wurde mir zu langweilig und ich drehte darauf den Zettel herum, um die
andere Seite zu lesen. Da merkte ich, was beabsichtigt war, und rifs
den Zettel ab. Ich möchte aber einen praktischen Vorschlag machen: Wir
werden so wenig die beiden Schriftsysteme auf einmal und plötzlich aus
der Welt schaffen, wie damals die alten Mafse und Gewichte, sondern nur
allmählich, und deshalb schlage ich yor, an die mafsgebenden Regierungen
in Deutschland Petitionen zu richten dahingehend, das Verhältnis zwischen
der Fraktur- imd der Lateinschrift doch einmal umzukehren, das heifst:
zu beginnen mit dem Unterricht in der Lateinschrift, imd die
Frakturschrift erst später allmählich als Nebenschrift einzuführen.
Dann wird es uns gelingen, dafs unsere Kinder die lateinische
Schrift sicher und gut lesen und schreiben, die Kenntnis der anderen
Schrift aber yollständig hinreicht, um Zeitungen oder amtliche Verord-
nungen, die noch während oder nach dem Übergang konservativ in der
alten Schrift weitergedruckt werden sollten, zu lesen und zu verstehen.
Es ist der einzige Weg, die Regierung für ims zu gewinnen, zu sagen:
Das ist unsere Schrift, die andere ist ein Notbehelf. Ich beantrage daher,
die heutige Versanmalimg möge beschliefsen, an die Regierungen der
deutschen Bundesstaaten eine Petition zu richten, auf dem Wege der
Schulverwaltung dahin zu wirken, dafs der Unterricht gleich mit der
lateinischen Schrift beginnt und diese als Hauptschrift anzusehen
ist,, und dafs die sogenannte deutsche Schrift als Notbehelf an-
zusehen ist.
Oberlehrer Wetekamp:
Ich stimme mit dem Herrn Vorredner darin überein, dafs die ge-
samte deutsche Schreib- imd Druckschrift nicht auf einmal aus der
Welt geschafft werden kann, doch können wir auf einmal das Schreiben
in den Schulen aus der Welt schaffen. Die früheren Generationen
würden ihre Schrift ruhig weiterschreiben, welche von den jüngeren
Generationen, welche dieselbe ja lesen gelernt hat, verstanden würde.
Auf diese Weise würde mit dem Aussterben der älteren Generationen
12*
180 Verhandl. d. 11. Jaliresveraammluiig d. Allgem. Deutsch. Vereinea etc.
auch die Frakturschrift völlig verschwinden. Bezüglich der Ausführungen
des Herrn Professor Kalle möchte ich bemerken, dafs sein Vorschlag
meinen Antrag gar nicht ausschliefst. An die Verwaltungen können wir
uns sofort wenden, und haben, falls es nötig werden sollte, bis zum
Winter noch vollauf Zeit, dann noch an die Landesvertretungen zu gehen.
(Beifall.)
Lehrer Schubert-Leipzig:
Der eigentliche Grund, weshalb ich ums Wort gebeten habe, war
der, denselben Antrag zu stellen, wie Herr Vorschullehrer Pohl es bereits
gethan hat. Veranlafst bin ich dazu worden dadurch, dafs die sächsische
Lehrerschaft in ihrer letzten Versammlung zu ähnlichen Anträgen
gekommen ist. Die Anträge, die die sächsische Lehrerschaft bei ihrer
Regierung einbringen wird, gehen auf zweierlei hinaus: die Regierung
wird gebeten, nach und nach, je nach Befinden, die Fraktur soweit als
möglich zurückzudrängen, zunächst aber den Unterricht im Schreiben mit
der Lateinschrift, der sogenannten Antiqua zu beginnen und die Übung
des Fraktur-Lesens und -Schreibens auf die Oberstufe zu verlegen. Ich
würde Sie also bitten, diese beiden Gedanken auch wieder zu verschmelzen
und eine diesbezügliche Eingabe zu machen. Unter den Gründen, die uns
bestimmt haben, diesen Ant^-ag einzubringen, ist besonders der hervor-
zuheben, dafs in den Unterstufen die Schwierigkeit der Einprägung der
grofsen und kleinen Buchstaben besondere Mühe macht. Dieselben sind
so verschieden voneinander, dafs das Kind sich zwei ganz verschiedene
Gesichtsbilder einprägen mufs. Ln Gegensatz hierzu ist bei der Antiqua
der grofse imd der kleine Buchstabe sich in den meisten Fällen so ähnlich,
dafs man blofs zu sagen braucht: „Das ist derselbe Buchstabe, er ist
blofs gröfser und wird zu Anfang eines Wortes geschrieben. Das würde
den Elementarunterricht wesentlich erleichtem und eine grofse Entlastung
herbeiführen.
Professor Müller-Frankfurt:
Meine Herren! Ich habe neulich Gelegenheit gehabt, mit Herrn
Professor Duden zu reden, der in der Kommission sitzt, die die Ortho-
graphiefrage lösen soll. Diese Lösung ist sehr nahe, und vielleicht
werden wir schon in Jahresfrist eine gemeinschaftliche Orthographie
für das ganze Deutsche Reich haben. Die Grundlagen sind vor-
handen und voraussichtlich wird das ganze Deutsche Reich sie annehmen,
ja es ist begründete Aussicht, dafs auch die Schweiz und Österreich,
welche der Frage wohlwollend gegenüberstehen, dieselben annehmend Viel-
fach wurde die Orthographie des Neuen Bürgerlichen Gesetzbuches
als Musterorthographie vorgeschlagen, die Postbehörde war sogar schon mit
der Annahme derselben vorangegangen, da fand man bei näheren Nach-
forschungen, dafs diese Orthographie eine der sechs war, die bisher in
der Reichsdruckerei gebraucht wurden, dafs es also eine ganz alte Ortho-
graphie sei.
KonsistoriaLrat Eibach:
Ich glaube, die Sache verdient, auch von der anderen Seite beleuchtet
zu werden. Auf mich machen die Verhandlungen, je länger sie sich hinziehen,
Verhandl. d. ü. Jahresversammlung d. AUgem. Deutsch. Vereines etc. 181
nicht den Eindruck, als ob ich mich im „Allgemeinen Deutschen Verein flir
Schulgesundheitspflege", sondern in einer Versammlung deutscher Schreib-
oder Orthographielehrer befinde (Widerspruch), wenigstens war das erste
Referat nichts weiter als eine Agitationsrede für diesen Verein. (Lebhafter
Widerspruch.) Was die Sache selbst betriflPt, so ist es ganz unmöglich,
auf alle Einzelheiten einzugehen. Die Antiqua- Schrift hat angefangen, die
Leute zu beschäftigen und Freunde zu werben, ich glaube hauptsächlich
durch die Gebrüder Grinmi. Sie ist ausschliefslich auf die Gelehrtenkreise
beschränkt geblieben. Sehen Sie sich zum Beispiel die deutsche Presse
an! Vor zwanzig Jahren hat einmal eine deutsche Zeitung den Versuch
gemacht, in Antiqua-Lettern zu erscheinen, hat dies aber alsbald wieder
eingestellt, und keine politische Zeitung hat sich bisher dazu entschliefsen
können, zur Antiqua überzugehen. Dagegen sind die gelehrten Zeitungen
in der Regel mit lateinischen Lettern gedruckt. Worin hier ein Schaden
liegen soll, ist mir unbegreiflich. Das deutsche Volk hat einfach eine
eigene Art von Schrift entwickelt, die für dasselbe von grofser Bedeutung
ist, mit seiner ganzen Geschichte in Verbindung steht und nicht wie ein
alter Rock ausgezogen werden kann. Ich möchte daher unsem all-
verehrten ersten Reichskanzler in Schutz nehmen, der ein deutliches
Gefühl hatte für das, was in unserm Volk lebendig ist. Dieser eigen-
tümliche nationale Zug, diese nationalen Gefühle, das nationale Gewissen
ist bei ihm heimisch gewesen, und ich bin fest überzeugt, dafs er sich
nur aus diesen Gefühlen, die auch die wirklichen Gefühle des Volkes sind,
für die Puttkamersche Orthographie entschied. Wenn der Herr Referent
Bilder gebrauchte, die die Schule so darstellten, als ob sie nicht einmal
erreiche, dafs wenigstens gut Deutsch geschrieben wird, so kann ich das
nicht finden. In unsem Schulen wird bezüglich der Schrift Glänzendes
geleistet, was auch die Behörden anerkennen. Was die Vorzüge der
Antiqua angeht, so ist sie allerdings viel klarer, ich habe aber in meinem
Leben schon viel Briefe aus England und Amerika in die Hand be-
kommen, und diese lateinische Kursivschrift bei Engländern und Ameri-
kanern ist so schwer zu lesen, dafs ich die deutsche Schrift viel lieber
lese.^ Ich bitte daher dringend, sich nicht mit irgend einer Partei im
Schulwesen zu identifizieren, sondern hauptsächlich die Schulhygiene in
den Vordergrund zu stellen und sich mit spruchreifen, nicht aber mit
solchen Fragen zu beschäftigen. Ich hatte die Absicht, meinen Beitritt
zu dem Allgemeinen Deutschen Verein für Schulgesundheitspflege zu er-
klären, würde dies aber zu meinem gröfsten Bedauern nicht thun können,
wenn heute die vorgeschlagenen Petitionen angenommen werden sollten.
(Bewegung.)
Direktor Walther-Frankfart:
Ich halte die vorliegenden Fragen wohl für eng zusammenhängend
mit den Zielen unserer heutigen Versammlung. Wir müssen uns die
Frage stellen, wie können wir und wie sind wir in der Lage, die Zeit
und die Kraft zu sparen, die jetzt noch unnötig vergeudet werden?
Sehr viele, die bisher kein Interesse nahmen an der Anwendimg der
Antiqua, werden sich durch die eingehenden, hier verfolgten Mitteilungen
veranlafst sehen, dieser so aufserordentlich wichtigen und bedeutsamen
182 Verhandl. d. 11. JahreBversammliing d. Allgem. Deutecli. Vereines etc.
Frage ihre ganze Aufmerksamkeit zuzuwend^i. Es unterliegt keinem
Zweifel, dafs unnötig Zeit vergeudet wird, weil wir daran festhalten
woUwi, was wir ererbt von unsem Vätern. Wir geben indes nichts
Deutsches auf, wir werden auch den Ruhm des Altreichskanzlers nicht
schmälern, wenn wir sagen: wir wollen allmählich zur früheren Schreib-
weise zurückkehren und unsem Kindern, die schon mit sechs Jahren so
überlastet werden, eine Erleichterung schaffen. Uns selbst, die wir die
damaligen Qualen ja schon längst vergessen haben, ist es gleichgiltig,
aber wir müssen stets daran denken, ob es nicht möglich ist, den Kleinen,
die nachkommen, eine Erleichterung zu verschaffen. Hier gilt es nicht
der Vertretung der Antiqua oder einer bestimmten Orthographie, sondern
wir haben den dringenden Wunsch, gegenüber den Fortschritten der
Stenographie auch mehr und mehr eine phonetische Schrift für die
deutsche Sprache zu schaffen. Als ich einmal einen Vater auf diö
schlechte Schrift seines Sohnes aufmerksam machte, antwortete er mir,
sein Sohn brauche später überhaupt nicht mehr mit der Hand zu schreiben,
da werde er selbstverständlich die Schreibmaschine benutzen. Wer Ge-
legenheit gehabt hat, als Lehrer im Ausland thätig zu sein, wird gefunden
haben, dais die Schüler daselbst viel schneller zu einer ausgeschriebenen
Handschrift kommen als unsere Schüler, eben weil diese nur eine Schrift
schreiben. An geistigen Fähigkeiten gebricht es dabei den Schülern
nicht, sie dringen vielmehr schneller hinein in die Sprache und Formen,
was bei uns jetzt alles noch zurücktreten mufs wegen der sechs Alpha-
bete. Diese müssen als unnützer und schädlicher Ballast über Bord
geworfen werden und dafür hat, nach meiner Ansicht, die Schulhygiene
zu sorgen! (Lebhafter, anhaltender Beifall!)
Konsistorialrat Eibach:
Ich möchte nur noch kurz bemerken: Verlangen wir vom Kind,
dafs es schon mit sechs Jahren zur Schule gehen soll, dann sind mancherlei
Störungen in seiner Entwicklung ganz unvermeidlich. Ln übrigen sollte
natürlich aller unnötiger und überflüssiger Ballast entfernt werden, aber
diese Frage ist denn doch noch nicht spruchreif.
Direktor Archenhold, Sternwarte Treptow-Berlin:
Ich möchte auf den Punkt hinweisen, dafs doch eine gewisse kleine
Dankbarkeit auch der Wissenschaft gegenüber durch die Annahme dieses
Vorschlages geleistet wird, wenn wir bedenken, dafs viele deutsche Zeit-
schriften dazu übergehen mufsten, über Wissenschaften, die nicht direkt
in Deutschland gepflegt werden, auch fremdländische Beiträge anzunehmen,
um die Führung zu behaupten. Amerika wendete z. B. viele Millionen
für alle möglichen idealen Zwecke auf, um das ganze Bildungsfeld nach
dort zu verlegen, und da das, was wir aufgeben wollen, gar nicht die
ursprüngliche deutsche Schrift ist, und da wir durch die Aufgabe der
Fraktur die XJberlastung der kleinen Kinder vermeiden können, gleich-
zeitig aber das Ziel erreichen, dafs dem Ausland die deutschen Geistes-
thaten schneller zugänglich oder überhaupt nur zugänglich gemacht
werden, was ja unter den jetzigen Verhältnissen so schwer ist, dürfen
wir über solche kleine Hindemisse nicht straucheln. Aus Dankbarkeit
Verhandl. d. n. Jabresversammlung d. AUgem. Deutsch. Vereines etc. 183
gegen das, was die Wissenschaft dem Volke giebt, müssen wir das
angestrebte Ziel verfolgen, das neben der Entlastung unserer Kinder
auch der Wissenschaft wieder zugute kommen würde,, indem es den
internationalen wissenschaftlichen Verkehr erleichtert. Von diesem Ge-
sichtspunkt aus unterstütze ich diese Sache auf das Wärmste, denn
gerade wir, nur etwa 100 Personen zählenden deutschen Astronomen
sind fast ausschliefslich auf den Verkehr mit dem Ausland angewiesen
und deshalb gezwungen, immer Antiqua zu schreiben. Ich thue dies
seit Jahren und wüfste nicht, dafs in irgend einer Weise mein Gewissen
wegen des Nichtgebra,uchs der sogenannten „deutschen" Schrift belastet
ist. Ich fühle mich viel eher entlastet und bitte daher dringend um
Annahme des Antrages. Auch hoffe ich, dafs Herr Konsistorialrat Eibach
nach Annahme der Anträge und wenn diese Frage hier nicht mehr er-
örtert werden kann, kein Hindernis mehr findet, unserm Verein beizutreten.
(Beifall!)
Professor Dahn-Braunschweig:
Bis vor einiger Zeit bin ich aus nationalem Gefühl Anhänger der
Frakturschrift gewesen, weil auch ich der Meinung war, dafs wir uns
diese nationale Eigenart bewahren müfsten. Seit einem Jahr bin ich
hiervon bekehrt worden, und zwar insofern, als bei einem Kongrefs von
deutschen Ausländern und deutschen Ansiedlem in fremden Ländern, die
lange Jahre hindurch die Verhältnisse im Ausland kennen gelernt haben,
ganz übereinstimmend mitgeteilt wurde, dafs diese Schrift der Verbreitung
der deutschen Sprache, der Verbreitung des Deutschtums entgegenstehe.
Es würden alle Leute unsere Sprache leichter lernen, wenn sie nicht
schon oft bei der kleinen Arbeit, die für sie fremde Schriftsprache zu
lernen, scheiterten. Deshalb bin ich aus Nationalgefühl zu der Ansicht
gekommen: Verzichten wir auf das kleinere nationale Element und
führen wir Antiqua ein, aus Nationalgefühl, zur Ausbreitung des Deutsch-
tums und der deutschen Sprache über die Erde! (Lebhafter Beifall.)
Professor Vietor-Marburg:
Ich möchte noch einmal auf die nationalen Bedenken zurückkommen.
Wir habenjetzt schon verschiedentlich gehört, dafs unsere, angeblich deutsche
Schrift eigentlich gar nicht deutsch ist, ich möchte aber noch einmal
betonen, dafs unsere deutsche Schrift durch Verschnörkelungen der
lateinischen Schrift seitens der Mönche entstanden ist. Es hat eine Zeit
gegeben, in der unsere Schrift als französische Schrift bezeichnet
wurde im Gegensatz zu der lateinischen. Das Latein hat ja alle unsere
modernen Schriften geliefert. Vor ganz kurzer Zeit hat ein Ire im eng-
lischen Parlament angefangen, irisch zu sprechen; natürlich haben ihn
aber nur die Iren verstanden, er hat ein Schreiben an den Präsidenten
einer Liga in Amerika in irischer Sprache und irischer Schrift abgefafst
und in einer verbreiteten Zeitschrift mit irischen Lettern reproduzieren
lassen. Er bildet sich nun viel darauf ein, dafs er nicht nur die irische
Sprache, sondern auch die irische Schrift gebraucht, die aber so gut wie
tein Mensch mehr lesen kann. Dabei ist das eine lateinische Schrift,
die sich vor 500 bis 600 Jahren in Irland ausgebildet hatte, von dort
184 Yerhandl. d. 11. Jabresversamiiiluiig d. AUgem. Deutscb. Yereinee etc.
hierher kam und als angelsächsische bezeichnet wurde. Die alten angel-
sächsischen Werke sind -alle in dieser Schrift geschrieben. Sollen wir
daher nicht ebensogut national sein können, wenn wir die einfache Schrift
an die erste Stelle in der Schule setzen, und die verschnörkelte Form,
die sich erst später herausgebildet hat, an die zweite Stelle schieben und
erst nachher lernen lassen?! Zum Schlufs möchte ich noch anfiihren,
dafs man in Norwegen, Schweden und Island heute noch zum Teil aus
deutschgedruckten Gesangbüchern singt.
Vorsitzender Professor Griesbach:
Da die Mehrzahl der Anwesenden sich fiir die Anträge erklärt hat,
frage ich die Versammlung, ob dieselben sofort formuliert werden sollen,
oder ob dies dem Vorstand überlassen bleiben soll.
Die Versammlung erklärt sich einverstanden^ die Formulierung
dem Vorstand zu überlassen, und ermächtigt ihn auch, bezüglich der
Weitergabe derselben das nötige zu veranlassen.
Vorsitzender Professor Griesbach:
Unsere Zeit ist aufserordentlich weit vorgeschritten, und doch haben
wir noch zwei sehr interessante Vorträge auf der Tagesordnung stehen,
ich weifs, dafs eine grofse Anzahl der Anwesenden hauptsächlich dieser
Vorträge wegen gekommen ist. Sie sehen daraus, dafs bei dem enormen
Interesse für Schulhygiene schon jetzt ein Tag für unsere Verhandlungen
nicht mehr ausreicht, und ich stelle deshalb anheim, ob es nicht ge-
raten ist, für die Zukunft zwei Tage anzusetzen, und vor allen Dingen
dann darauf Bücksicht zu nehmen, dafs die Vorträge, die hier gehalten
werden sollen, mindestens vier bis fünf Wochen vorher eingereicht werden.
Sanitätsrat Dr. Obertüschen-Wiesbaden erklärt in seinem
Namen sowie für Herrn Dr. Wehmer, den angekündigten Vortrag
über Schulhygiene und Schwindsuchtsbekämpfung im nächsten Jahr
in Weimar halten zu wollen.
Da sich weitere Redner nicht melden, auch gegen die Aus-
dehnung der nächsten Jahresversammlung in Weimar auf zwei Tage
kein Einspruch erhoben wird, schliefst der erste Vorsitzende Herr
Professor Griesbach die IL Jahresversammlung um 4 Uhr 10 Minuten.
Oberlehrer Wetekamp bringt hierauf dem Vorstand den Dank
für die im ersten Vereinsjahr geleisteten grofsen Verdienste zum
Ausdruck.
Um fünf Uhr schlofs sich an den wissenschaftlichen Teil der
Versammlung ein Festmahl mit Damen, woran sich über hundert
Personen beteiligten. Kurdirektor Major von Ebmeyer hielt fol-
gende Ansprache:
Meine verehrten Damen und Herren!
Wenn ich an dieser stattlichen Tafelrunde zuerst das Wort ergreife,
so verdanke ich diesen Vorzug dem Umstände, dafs ich in meiner Eigen-
Verhandl. d. n. Jahresversammlung d. Allgßm. Deutsch. Vereines etc. 185
Schaft als Kurdirektor die schöne Aufgabe und die angenehme Pflicht
habe, Sie in den Bäumen dieses gastlichen Hauses begrüfsen und von
Herzen willkommen heifsen zu dürfen.
Ganz Wiesbaden, von jeher eine bevorzugte Stätte für die Abhaltung
derartiger Kongresse, ist erfreut darüber, dafs sich die Mitglieder des
Allgemeinen Deutschen Vereines für Schulgesundheitspflege, wie es bei
den ebenso zeitgemäfsen als populären Bestrebungen desselben wohl nicht
anders zu erwarten war, in so zahlreicher Vertretung hier eingefunden
haben. Wenn auch bei den vorwiegend hygienischen und pädagogischen
Rücksichten in erster Linie der Arzt und Lehrer berufen sind, sich zu
wechselseitiger Arbeit die Hand zu reichen, so ist doch jeder, welcher
im praktischen Leben steht und einen freien Blick hat für die bestehenden
Schäden, namentlich auch die Frau mit ihrem Verständnis für häusliche
Verhältnisse und für die gesundheitlichen Bedürfnisse eines Kindes, be-
rechtigt, sich an diesem wissenschaftlichen Verein, der zugleich ein Liebes-
werk ist, zu beteiligen. Ein Dienst, welcher nicht nur unserer heran-
wachsenden Jugend, sondern der Allgemeinheit geleistet wird, denn von
der ungeschwächten Kraft unserer Jugend, von der ungetrübten Geistes-
frische derselben ist die Zukunft das Staatslebens, unsere nationale Ent-
wickelung abhängig.
Möge der heitere Verlauf dieser Geselligkeit einen würdigen Ab-
schluTs unserer heutigen ernsten Arbeit bilden, und möge dies Fest mit
dazu beitragen, die erhabenen Ziele, welche sich der Verein gesteckt hat,
zu fördern und zu befestigen.
Li diesem Sinne fordere ich die hier versammelten Wiesbadener
Damen und Herren auf, mit mir einzustunmen in den Ruf:
Unsere Gäste, sie leben hochl
Professor Dr. Griesbach brachte das Hoch auf den Kaiser mit
folgenden Worten aus:
Hochverehrte Festgenossen, meine Damen und Herren!
Wo auch immer Ernst oder Frohsinn Deutsche und PreuTsen zu
einer festlichen Gelegenheit vereinigt, da gedenken sie in erster Linie
und in unwandelbarer Treue und höchster Verehrung Sr. Majestät des
Kaisers und Königs. — Wenn ich Sie beim Festessen der schulhygienischen
Versammlung bitte, ein Gleiches zu thun, so ist es aufser einem mit
Ihnen patriotisch empfundenen sursum corda noch eine andere Ursache,
welche mich dazu veranlafst. — Ich meine die bedeutungsvolle Stellung,
welche Se. Majestät in der Entwicklung des deutschen Schulwesens ein-
nimmt, eine Stellung, die weit über die Grenzen unseres Vaterlandes
hinaus in allen zivilisierten Ländern bewundert wird. Aus eigener An-
schauung und Erfahrung mit den Licht- und Schattenseiten der Wege und
Ziele fiir die Heranbildung der deutschen Jugend bekannt, verfolgt unser er-
habener Monarch mit weitschauendem und klarem Blick teilnahmsvoll
das gesamte Schulwesen, und greift mit dankenswerter Initiative in das-
selbe ein. Schon im Jahre 1890 war es so und neuerdings tritt das
kaiserliche Eingreifen noch in stärkerem Mafse hervor. — In dem Aller-
höchsten Erlafs vom 26. November vorigen Jahres wird ein versöhnender
186 Verhandl. d. U. Jahresyerpammlung d. Allgem. Deutsch. Vereines etc.
Ausgleich zwischen realistischer und humanistischer Bildung angestreht.
Ein derartiger Ausgleich geht nicht nur den Pädagogen, sondern auch
den Hygieniker an, denn dadurch, dafs der Ausgleich bislang noch nicht
völlig erreicht wurde, sind manche imterrichtshygienische Forderungen
unerfüllbar.
Fem er wird in dem kaiserlichen Erlafs hervorgehoben, dafs die
körperlichen Übungen ausgiebiger zu betreiben seien, und die Anordnung
des Stundenplanes der Gesundheit mehr Rechnung zu tragen habe. Das
sind Forderungen, in welchen unsere schulhygienischen Bestrebungen
eine wesentliche Stütze finden. — Noch einen Punkt kann ich nicht un-
erwähnt lassen, ich meine die durch Se. Majestät veranlaTste Beseitigung
der Abschlufsprüfung, und damit die Befreiung der Schüler von einem
ungesunden Alp.
Wer den Allerhöchsten Erlafs ohne vorgefafste Meinung studiert,
der wird sich sagen, dafs derselbe nicht nur in pädagogischer, sondern
auch in hygienischer Hinsicht segensreiche Änderungen bewirken will.
Und deswegen, meine hochverehrten Anwesenden, hat die Schulhygiene,
die uns hier in Wiesbaden zu gemeinsamer ernster Arbeit vereinigte,
alle Ursache, Sr. Majestät, unserem erhabensten Kaiser und Könige,
dankbar zu sein. Ich glaube, wir können unseren Dank dadurch kund-
geben, dafs wir, eingedenk des obersten Grundsatzes der Hygiene : Gesund-
heit ist das höchste Gut, uns in einem Hoch auf stetes Wohlergehen
unseres kaiserlichen Herrn vereinen. Ich bitte Sie, verehrte Festgenossen,
nach alter deutscher Sitte Ihr gefülltes Glas zu erheben und mit dem
heifsen Wunsche: Gott schütze den Kaiser, ein dreifaches Hoch auf
Se. Majestät erschallen zu lassen. Se. Majestät, unser geliebter, unser
allverehrter Kaiser und König lebe hoch — hoch — hoch! —
Die Musik spielte die Kaiserhymne. Darauf begrüfste Stadtrat
Professor Kalle die Tischgesellschaft in Vertretung des Oberbürger-
meisters namens der Stadt Wiesbaden. Er führte etwas Folgendes aus:
Es sei zwar nicht zu leugnen, dafs der Vereine viele seien, imd dafs
bei manchen von ihnen Opfer und Mühe nicht im Verhältnis zu den er-
zielten Erfolgen ständen, dennoch sei das in einer gemeinnützigen Vereins-
thätigkeit sich aussprechende Streben nach Selbstvervollkommnung eine
der schönsten Blüten des modernen nationalen Volkslebens und zeige,
dafs wir uns durch die vor einem Menschenalter errungenen kriegerischen
Erfolge nicht verblenden und zu eitler Selbstbespiegelung verleiten liefsen,
sondern dafs wir vielmehr bemüht seien, unser Volk in allen Schichten
so zu heben, dafs es befähigt werde, den aus der sicheren Stellung
Deutschlands ihm erwachsenden Ansprüchen dauernd zu genügen. Be-
sonderen Dank dürften diejenigen Vereine beanspruchen, welche sich die
Verbesserung der Jugenderziehung zur Aufgabe machten. So viel nun
auch bei uns bereits für das öffentliche Schulwesen geschehen sei, so
bleibe doch noch manches zu wünschen übrig. Nicht überall schenken
unsere Schulen dem körperlichen Wohle der ihnen anvertrauten Jugend
die gebührende Aufmerksamkeit und deswegen war die Bildung unseres
Vereines, der sich die Aufgabe stellt, die Lehren der Hygiene in den
Verhandl. d. 11. JahresverBaininlang d. Allgem. Deutsch. Vereines etc. 187
Schulen zu verbreiten und gesundheitsschädigende Einflüsse durch die
Schule zu verhindern, mit Freude zu begrüfsen.
Die Stadt Wiesbaden, welche bereits seit einer Reihe von Jahren
in dieser Richtung thätig ist, steht den Bestrebungen des Allgemeinen
Deutschen Vereines für Schulgesundheitspflege besonders wohlwollend
gegenüber. Schlief slich brachte Redner auf die Referenten des Tages
und auf das Wachsen und Gedeihen des Vereines ein Hoch aus.
Unter mehreren nichtoffiziellen Toasten verlief dann das Fest-
mahl in gelungenster Weise. Am Abend begaben sich die Gäste
zu dem von der Kurverwaltung arrangierten Gartenfest, welches,
von der prachtvollsten Witterung begünstigt, tausende von Besuchern
angelockt hatte.
Am 1. Juni fand morgens unter der Führung des kgl. Baurates
Genzmer und unter Beteiligung einiger sechzig Personen die Be-
sichtigung der städtischen höheren Mädchenschule und der Blücher-
schule, einer Knabenvolksschule, statt.
Besonders die erste erregte wegen ihrer hygienischen Voll-
kommenheit und ihrer geschmackvollen Einrichtungen die Bewun-
derung aller Besucher.
Auch die Blücherschule machte auf den Hygieniker im all-
gemeinen einen günstigen Eindruck, noch befriedigender wäre der-
selbe aber wohl dann gewesen, wenn die Brausebäder und Speise-
hallen nicht im Souterrain untergebracht worden wären.
Verzeiclmis neuer Hitglieder.
Bünde, Westf., Lehrer- Verein (Rektor Muenk).
380Cassel, Stadt.
Chemnitz, Bat der Stadt.
Colmar i. Eis., Stadtmagistrat.
Dresden, Rat zu, f. d. evgl. Schulgemeinde.
Freiberg i. S., Stadtrat.
Giefsen, Grofsherzogl. Realgymn., Realschule.
Hamburg, Kuratorium der Reformschule, Paulstr. 25.
Hanau, Magistrat der Stadt. 10 Mark Jahresbeitrag.
Horde i. Westf., Magistrat.
Königshütte O.-S., Stadtrat.
390 Leipzig, Rat der Stadt.
Nürnberg, Magistrat der Stadt.
Realschule (E. Fritzsche) in Balmke b. Schalke.
Rektorat der Schulen zn Gemrode a. H.
Ruhla^ W.-A., Schulgemeinde.
Stade, Rektorat der Kn.-Mittelschule
Stuttgart, kgl. öffentl. Bibliothek, Heckerstr. 8.
Verein Tumerschaft, München, Nordenstr. 55, Vereinshaus.
Verein akad. geb. Lehrer, Wiesbaden.
Verein, ärztlich-hygienischer, von Elsafs-Lothringen.
400 Abend, L., Dr. med., Arzt, Wiesbaden.
Abel, Dr., Physikus, Hamburg.
Althausse, Dr. med., Arzt, Wiesbaden.
Altdorfer, Dr. med., Arzt, Wiesbaden.
Anacker, Oberl. a. d. höh. Töchtersch., Wiesbaden.
Bach, J., Rektor, Kassel, Sommerweg 1.
Back, Dr. med., Strafsburg i. E., Alter Weinmarkt 9.
Bai er, Dr., Gymn. -Direktor, Frankfurt a. M.
Balz er, Dr., Kreisarzt, Mainz.
Baumert, Dr., Arzt, Radebeul-Dresden
410 Beck, Prof. Dr., Oberlehrer, Mainz.
B ehrend, Verlagsbuchhändler, Wiesbaden.
Ben da, Dr., Berlin W, Dömbergstr. 1.
Bendt, A., Lehrer, Wiesbaden.
Bennstein, Alexander, Dr., Wilmersdorf-Berlin, Wilhelmsaue 101
Bickel, E., Lehrerin, Wiesbaden.
Yerzeichnis neuer Mitglieder. 189
Biwer, R, Staats- Architekt, Luxemburg.
Blachstein, Dr., Hygieniker, Göttingen.
Blumen feld, Dr., Arzt, Wiesbaden.
Boodstein, Dr., Beigeordn. u. Schulrat, Elberfeld, Schlieyerstr. 2.
420 Bornmann, Stadtschulrat, Kassel.
Bosse, Dr. phil., Oberl. am Kgl. Gymn., Wiesbaden.
Brand, Sanitätsrat Dr., Saarburg, Lothr.
Breidenstein, Eektor, Wiesbaden.
Breithaupt, Oberst a. D., Wiesbaden.
Brenn, Gymn.-Direktor, Wiesbaden.
Brink, Oberbürgermeister, Offenbach a. M.
Brunswick, Dr. phil., Prof., Wiesbaden.
Brüssow, Eektor u. Schulinsp., Fiddichow.
Buhlmann, W., Lehrer, Wiesbaden.
430Capauner, Dr. med., Augenarzt, Mülhausen i. E.
Cossmann, Dr., Duisburg.
Cüppers, Schulrat, Direktor der Prov.-Taubst.-Anst., Trier.
Dankwarth, Dii*ektor, Untersachsenberg-Georgenthal .
Dapprich, R, Lehrer, Wiesbaden.
Deckelmann, Josef, Kaufmann, Frankfurt a. M.
Decker, Eektor, Komthal i. Württemb.
Dettweiler, P., Dr., Geh. Sanitätsrat, Cronberg.
E i b a c h , Konsistoriakat.
Eisenach, Dr., Sanitätsrat, Stadtrat, Hanau.
440Eldena i. Pomm., Dr. W. Eohde, Direktor der Landwirtschaftsschule.
En giert, Ferdinand, Dr., Eeg.-Eat i. bayr. Staatsministerium d. Innern,
München, Sophienstr. 5 b.
Endric, Eektor, Eüdesheim a. Eh.
Epting, M., Höchst a. Main.
Feechtenmacher, Dr., Arzt, Kronstadt, Siebenbürgen.
Fertig, Medizinalrat Dr., Worms.
Fischer, G., Lehrer, Wiesbaden.
Fischer, Valerie, Lehrerin, Wiesbaden.
Fischesser, Alfr., Fabr., Lutherbach b. Mülh. i. Eis.
Fleischer, Eichard, Chefredakt. d. Deutschen Eevue, Wiesbaden.
460 Frenz el, Emil, Eealschullehrer, Dresden- Striesen, Ermelstr. 5.
Friedländer, Moritz, Berlin W., Hohenzollemstr. 13.
Fulda, Dr. H., Arzt, Frankfurt a. M.
Funke, Egon, Eektor, Dortmund, Heroldstr. 41.
Gabel, Eektor, Biebrich.
Gaertner, Schulrat, Nordhausen.
Gaertner, M., Oberlehrer, Cöblenz-Pfaffendorf.
Geis, W., Lehrer^ Wiesbaden.
Gerber, Bürgermeister, Chemnitz.
Germ an, Dr., Höchst a. Main.
46oGleitsmann, Sanitätsrat Dr. med., Kreisarzt, Wiesbaden.
Goldmann, Fritz, Baumeister, Berlin.
Graef, Kgl. Baurat, Steglitz, Albrechtstr. 113.
Graupner, Herm., Lehrer, Dresden- A., Wittenbergerstr. 58.
190 Verzeiclinis neuer Mitglieder.
Grieben, Stadtschulinspektor.
Grimm, Amtsgerichtsrat, Wiesbaden.
Gull, Lehrer, Wiesbaden.
Gütter, J., Schuldirektor, Bodewisch.
Haas, Karl, Eedakteur, Wiesbaden.
Hackl, Dr. Max, prakt. Arzt, SoUn b. München.
470Haeffner, Hotelbes. u. Stadtverordn., Wiesbaden.
Hagemann, Dr. phil., Archivrat a. D., Wiesbaden
Handel, Otto, Prof., Beichenbach i. Schi.
Hanschke, Templin (Uckermark).
Harcourt, Mifs, Institutsvorsteherin, Wiesbaden.
Harmsen, Dr., Stabsarzt des Eadettenhauses Oranienstein
Hartmann, Paul, Kaufmann, Eilenburg.
Heck er, Dr. med., Arzt, Wiesbaden.
Heil, B., Dr. phil., Oberl. am Kgl. Gymn., Wiesbaden.
Heinz, A., Lehrer, NastÄtten b. Wiesbaden.
480Heitmann, Dr., Oberlehrer, Birkenfeld.
Herbor, L., Syndikus der H.-K., Wiesbaden.
Herz, Ottilie, Frl., Wiesbaden.
Herz er, Dr. med., Generalarzt und Korpsarzt d. XVI. Armee-K. Metz,
Gr. St. Vincentstr. 4.
Hefs, Ed., Dr. med., Oberarzt in der Bez. -Irren -Heil- u. Pflege -Anst. in
Stephansfeld i. Eis.
Hefs, Frau, Fulda.
Heyne, Max, Oberlehrer, Biebrich.
Hild, E., Lehrerin, Wiesbaden.
Hillebrandt, M., Lehrerin, Wiesbaden.
Hillengafs, C, Hotelbes., Wiesbaden.
490 Hirsch, L., Rektor, Dessau, f. d. Volksschule DI.
Hofmänn, B., Lehrerin, Wiesbaden.
Holthausen, Gustav, Fabrikbes., Krefeld.
Hut z er, C, Dr. med., Köln a. Rh., Kl. Neugasse 8.
Israel, Dr., Spezialarzt für Chirurgie, Berlin.
Jacobi, J., Lehrer, Wiesbaden.
Jahn, Stabsarzt Dr., Mülhausen i. E., Weidemannstr.
Jessen, Ernst, Dr. med., Privatdoz. f. Zahnheilkunde u. prakt. Zahnarzt,
Strafsburg.
Jordy, Dr. med., Bern, Schweiz. 6. Bemastr.
Jung, G., Rektor, Wiesbaden.
500 Kaiser, Carl, Wiesbaden.
Kalle, W., Dr., Konmierzienrat, Biebrich.
Kautel, Reg.-Rat, Wiesbaden.
Kaufmann, Dr. med., Schularzt, Aachen, Karlsgraben 31.
Kays er, Karl, Rentner, Wiesbaden.
Kempner, J., Dr., Augenarzt u. Sanitätsrat, Wiesbaden.
Kilian, J., Lehrerin, Wiesbaden.
Klink ert, Dr. phil., Oberl. am Realgymn., Wiesbaden.
Klett, H., Kapt.-Lieut. a. D., Stadtverordn., Wiesbaden.
Klofs, Dr. phil., Oberl. am Kgl. Gynm., Wiesbaden.
Verzeichnis neuer Mitglieder. 191
ÖloKluge, Dr., Kreisarzt, Höxter.
Klügel, Adolf, Prof. a. Herzogl. Braunschw. Gymn., Blankenburg a. H.
Konitz, Kgl. Gymnasium.
Koenig, Dr., Kgl. Kreis- Ass.- Arzt, Wiesbaden.
Koeniger, Dr., Kreis-Ass.-Arzt, Giefsen.
Kotowski, Gymn. -Direktor, Lyck, Ostpr.
Kuborn, Dr. med., Augenarzt, Diedenhofen, Lothr.
Kühn, H., Lehrer, Frankfurt a. M.
Kunz, A., Lehrer, Wiesbaden.
Kuny, A., Lehrer, Wiesbaden.
520 Lack, Lehrer, Frankfurt a. M.
Lahn, Dr., Direktor, Grofs-Umstadt.
La quer, Dr., Arzt, Frankfurt a. M.
Lehmann-Hohenberg, Professor Dr., Kiel.
Leubuscher, Prof. Dr., Medizinalreferent im Ministerium, Meiningen.
Levy, L., Dr. med., Arzt, Metz, Totenbrücke 14.
Linker, Rektor, Frankfurt a. M.
Lohr, Dr., Prof. am Kgl. Gymnasium, Wiesbaden.
Lömgen, Dr., Stadtschulrat, Wiesbaden.
Lund, J., Augenarzt, Neubrandenburg i. M.
630 Ma als, Ernst, Verlagsbuchhändler, Hamburg.
Magirius, Schuldirektor, Niederwürschnitz i. E.
Matthes, Franz, städt. Lehrer u. Schriftsteller, Berlin SW 29, Marien-
dorf erstr. 2.
Mensing, Vizeadmiral z. D., Wiesbaden.
Mertens, Agathe, Frl., Wiesbaden.
Mertens, Dr. med., Augenarzt, Wiesbaden.
Merzbach, Dr.
Meyer, E., Zahnarzt, Wiesbaden, Rheinstr. 38.
Meyrich, Lehrer, Leipzig.
Müller, Oberbürgermeister, Eisenach.
540 Müller, Professor, Frankfurt a. M.
Müller, P., Lehrer, Wiesbaden.
Müller, Peter, Rektor, Wiesbaden.
Nake, Th., Wiesbaden.
Nelson. Franz, Buchhandl., Neuenburg, W.-Pr.
Nodnagel, Geh. Oberschulrat, Darmstadt.
N oll au, Bürgermeister, Remscheid.
Oertel, Dr., Arzt, Wiesbaden.
Ohlemann, Dr., Augenarzt, Wiesbaden.
Overbeck, Dr. med., Stabs- u. Bat.- Arzt, Metz-Montigny, Chausseestr.il.
ööoPähler, Dr., Provinzialschulrat, Kassel.
Palm, Dr., Prof., Bochum.
Paradis, Melanie, Frl., Wiesbaden.
Patzig, Direktor, Hohenstein-Emstthal.
Petri, F., Eisenbahnbau- und Betriebsinsp., Wiesbaden.
Peters, Dr. med., Stahlhelm, Lothr.
Pfeiffer, E., Dr., Geh. Sanitätsrat, Wiesbaden.
Pawollek, Dr., Sanitätsrat u. Kreisarzt, Bolchen, Lothr.
192 Veizeichnis neuer Mitglieder.
Pohl, VorschuUehrer.
Pröbsting, Dr. med., Augenarzt, Köln, Zeughauptstr. 9.
560 Quelle, E., Yerlagsbuchhändler, Leipzig.
Range, 0., Prof. am Kgl. Gymn., Wiesbaden.
Bichter, Dr., Medizinalrat, Dessau.
Richter, Oberingenieur, Wiesbaden.
Richter, P. V., Dr. med., Augenarzt, Hamm i. Westf.
Ritter, Kaiserl. Baurat, Mülhausen i. E.
Rohrbach, Carl, Dr. ph., Realschuldirektor, Gotha, Galberg 11.
Rohwedder, H., Dr. med., Oldesloe.
Rosenheim, F., Verlagsbuchhändler, Frankfurt a. M.
Rofsmann, Dr., Wiesbaden.
570 Roth, E., Schuldirektor f. Schulkasse, Oberfrohna i. S.
Samt er, Arnold, Dr., Friedonau b. Berlin, Fregestr. 74 A.
Scharff, A., Flensburg, Bauerlandstr. 7.
Seh aar Schmidt, Prof., Schuldirektor, Braunschweig.
Scheffen, Oberl., Ruhrort.
Schirlitz, Dr., Direktor, Frankfurt a. M.
Schlitt, Oberlehrer, Wiesbaden.
Schlosser, H., Rektor, Wiesbaden.
Schmidt, J., Berlin, Genthinerstr. 3, Luxferprisraen-Syndikat.
Schmidt, Th., Arzt, ülrichstein.
OSO Schmidt, Robert, Dr., Farbenfabr., Eberfeld.
Schmitt, G., Lehrerin, Wiesbaden.
Schneider, Dr., Direktor i. P., Wiesbaden.
Schert er, B., Colmar, Schulstr. 2.
Schrick, Dr., Sanitätsrat, Metz.
Schroeder, Dr. med., Stadtarzt, Altena.
Schüler, H., Lehrerin, Wiesbaden.
Schulz, Dr., Arzt, Wiesbaden.
Schüler, Heinr., Rektor, f. Schulkasse, Harzgerode.
Schwartz, L., Fabrikant u. Stadtrat, Mülhausen i. E.
590 Schweigmann, Dr med., prakt. Arzt, Busendorf, Lothr.
Seivers, Dr., Prof. am Kgl. Gymnasium, Wiesbaden.
Sieb er, Bez.-Schulinsp., Grofsenhain, Elsterwerderstr. 7.
Sieb er, Herzogl. Bjreisschulinspektor, Meiningen.
Sinz, Verwaltungsdirektor, Wiesbaden.
Spam er, C, Oberl. am Kgl. Gymnasium, Wiesbaden.
Spiels, A., Dr., Geh. Sanitätsrat, Frankfurt a. M.
Stadtfeld, Dr. med., Arzt, Winkel a. Rh.
Stach von Goltzheim, Dr. med.. Kantonal- Arzt, Dieuze i. Lothr.
Stahl, Pfarrer, Bad -Soden a. Taunus.
600 Stamm, L., Lehrerin, Wiesbaden.
Stieren, Zahnarzt, Wiesbaden.
Stockmayer, Gemeinderat, Stuttgart, Hasenbergsteige 100.
Stöhr, Paul, Kaufmann, Offenbach a. M., Ludwigstr. 2.
St ob er, Dr. jur., Rechtsanwalt, Mülhausen i. E.
Stritter, L., Realschuldirektor, Biebrich.
T ach au, Dr., Prof., Direktor der Samson-Realschule, Wolfenbüttel.
Verzeichnis neuer Mitglieder. 193
Thimann, Dr. med., Arzt, Leipzig-Neustadt, Eisenbahnstr. 51.
Tietze, L., Lehrer, Wiesbaden.
Uebel, Prof., Oberlehrer, Mainz.
610Voiges, Geh. Baurat, Wiesbaden.
Voigt, Bektor, Zehdenick.
Vüllers, Dr. med., Oberstabsarzt z. D., Köln, Lindenthal.
Vos seimann, C, Dr. med., Bahn- u. Kantonallarzt, Brumath, Eis.
Wagner, Dr., Oberlehrer, Worms.
Wagner & Münz, München, Karlsstr. 7.
Wanger, Schulinspektor, Ludwigshafen a. Rh.
Walter, Dr., Gymn.-Direktor, Worms.
Wehmer, Franz, Dr., Arzt, Schöneberg i. Württ.
Wehmer, Paul, Dr., Frauenarzt, Wiesbaden.
620 Weiser, Direktor, Otto, Zimdorf b. Nürnberg.
Weitzel, Dr., Rektor der höh. Mädchenschule, Ulm.
Wenz, Buchdruckereibes., Mülhausen i. E.
Weldert, C, Schulrat, Direktor d. höh. Töchterschule, Wiesbaden.
Werner, Prof. Dr., Alfred, Zürich, Universität.
Werner, K., Lehrer, Wiesbaden.
Wick, Dr., Oberstabsarzt u. Regimentsarzt i. Magdeburgischen Dragoner-
Regiment 6, Diedenhofen, Lothr.
Wickel, J., Rektor, Wiesbaden.
Wildfeuer, Schuldirektor, Glauchau.
Winter, F., Hamburg, Osterstr. 16.
630 Wintermeyer, L.,^ Stadtverordn., Reichstags- u. Landtagsabgeordneter,
Wiesbaden.
Witry, Th., Oberschulinspektor, Luxemburg.
Wolff, Julius, Hygieniker, Wiesbaden.
Wutzdorff, Regierungsrat, Berlin.
Zander, Karl, Dr. med., Arzt, Berlin NW., Altmoabit 131,
Zimmermann, Rektor, Frankfurt a. M.
Zwiebel, Dr., Stadtschulinspektor, Breslau.
Herr Generalkonsul Freiherr von Lade auf Schlofs
Monrepos in Geisenheim, Ehrenmitglied des Vereines, hat der
Vereinskasse hundert Mark zufliefsen lassen, wofür dieselbe
ihren verbindlichsten Dank ausspricht.
Gesunde Jugend. I. 3/4. 13
BerichtigTUigeiL
znm Artikel Schotten in Heft 1/2.
Seite 24 Zeile 18 lies: „Entwicklung"' statt „Bedeutung''.
„Boviele** statt „soziale".
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„Wechselzöten" statt „Wechselzeitei^".
„ausgeführt" statt „angeführt".
„Frage" statt „Fragen".
„Samstag-Nachmittage" statt „Sonnabend-Nachmittage".
„(XXn, S. 14)" statt „(S. 14)".
„freundlichen" statt „feindlichen".
„sprechen" statt „sprachen".
„dann" statt „denn".
„weniger-wichtiger" statt „weniger wichtiger".
„Stufe" statt „Schule".
„wenn es unmöglich" statt „denen es möglich".
„wurden, so fügte" statt „werden, so fügt".
„fügte" statt „fügt".
„entrissen" statt „verlieren".
„komme" statt „kommt".
„zusammenhängende" statt „zusammenhängender".
„fördern" statt „fordern".
„die" stritt „diese".
„vollbesetzte" statt „voUbenutzte".
„jenen" statt „diesen".
„sanitäre" statt „weitere".
„verbunden" statt „verbundenen".
„auszusprechen" statt ^^anzupassen".
„war mehr" statt „war".
^fgeistige" statt „geistliche".
„ungeheuere" statt „angesehene".
„jedesfalls" statt , Jedenfalls".
Znsammensetzniig des derzeitigen Vorstandes.
Professor Dr. med. u. phil. Griesbach, Mülhausen i. E., Vorsitzender.
Geheimer Medizinalrat Prof. Dr. A. Eulenburg, Berlin, 1. Stell-
vertreter.
Oberrealschuldirektor Dr. Schotten, Halle, 2. Stellvertreter.
Bürgermeister Hertzog, Aachen, 3. Stellvertreter.
Direktor Dr. Beyer, Leipzig, Schriftführer.
Dr. med. Korman, Arzt, Leipzig, 1. Stellvertreter.
Reichstags- und Landtags -Abgeordneter Sittard, Aachen, 2. Stell-
vertreter.
R. Quelle, Vertreter der Verlagsbuchhandlung B. 6. Teubner, Schatz-
meister.
Direktor F. S. Archenhold, Sternwarte Treptow-Berlin, 1. Stell-
vertreter.
Dr. med. Schmid-Monnard, Kinderarzt, Halle, 2. Stellvertreter.
Beisitzer:
Prof. Dahn, Herausg. des Pädagogischen Archivs, Braunschweig.
Dr. med. Gerhardi, praktischer Arzt, Lüdenscheid.
Dr. med. Hartmann, Ohrenarzt, Berlin.
Königlicher Reallehrer Dr. Herberich, München.
Dr. med. F. Hueppe, ordentlicher Professor der Hygiene an der
deutschen Universität in Prag.
Lehrer Lauche, Halle.
Bürgermeister-Beigeordneter Mangold -Wiesbaden.
Oberbürgermeister Müller, Kassel.
Geheimer Hofrat Prof. Dr. Ostwald, Leipzig.
Geheimer Regierungsrat Pabst, Oberbürgermeister, Weimar.
Professor Dr. Recknagel, Rektor des Königlichen Realgymnasiums,
Augsburg.
Städtischer Schulinspektor Rinkel, Wiesbaden.
Lehrer Schubert, Leipzig- Gohlis.
Professor Dr. SchüUer, Aachen.
Landtagsabgeordneter Oberlehrer Wetekamp, Breslau.
Gesunde Jugend I. 5« 14
BerUner Aufruf!
Die gedeihliche und glückliche Entwickelung unseres Volkes ist
an die gesunde Gestaltung unserer Jugend geknüpft. Darum haben
aUe auf die Hebung des Yolkswohles gerichteten Bestrebungen bei
der Jugend den Hebel anzusetzen. Die häusliche Erziehung der
Kinder gesundheitsgemäfs zu gestalten, wird vielfach durch die so-
zialen Verhältnisse verhindert; Einflufs auf dieselbe kann nur in be-
schränktestem MaTse geübt werden. Anders dort, wo, wie in der
Schule, unter der Einwirkung des staatlichen Zwanges, Gemeinde
und Staat die Einderwelt wenigstens in einem bestimmten Zeitmafse
in ihre Obhut nehmen. Hier kann es gelingen, durch zweck-
mäfsige Einrichtungen und sorgsame Überwachung Nachteilen vor-
zubeugen und entstandene Schäden zu beseitigen.
Theoretisch sind die Grundlagen der Schulgesundheitspflege durch
die Mitarbeiterschaft hervorragender Kräfte aus allen Berufskreisen,
insbesondere aus denen der Arzte und Lehrer, festgestellt. Ihre
praktische Durchführung steht indes noch weit aus. Noch sind
trotz der vielfachsten Bemühungen die äuTseren Einrichtungen der
Schulen recht sehr verbesserungsbedürftig; Bauart, Beleuchtung, Hei-
zung, Lüftung, Reinhaltung der Schulen, Beschaffung normaler Sub-
seUien sind noch nicht in wünschenswerter Weise gefordert; aber
auch die Schulpläne und die Ausgestaltung des Unterrichts harren
selbst in dem Rahmen der gesetzlichen Vorschriften der Verbesse-
rung; vor allem harrt die so wichtige Frage der geistigen Über-
bürdung unserer Schuljugend der endgiltigen Lösung. Auch die ärzt-
liehe Überwachung der Schule ist erst eben in Angriff genommen.
Haben in früherer Zeit nur einzelne hervorragende Männer auf allen
diesen Gebieten gearbeitet und ihre Stimme erschallen lassen, so
wenden jetzt immer weitere Kreise den verbessernden Bestrebungen
ihr Augenmerk zu. Was uns hierbei fehlt, ist die Zentralisation
dieser Bestrebungen, um durch dieselbe den sich ergebenden For-
derungen der Schulgesundheitspflege nachdrücklichst Geltung zu ver-
schaffen und dieselben endgiltig zur ErfüUu^ig zu bringen.
Berliner Aufruf. 19Ö
Einen solchen Zentralpunkt soll für Berlin der neu zu be-
gründende Verein für Schulgesundheitspflege schaffen. Ein
Erfolg ist umsomehr zu erhoffen, als dieser Verein trotz der Selb-
ständigkeit, die die Eigenart der Berliner Verhältnisse verlangt, nicht
isoliert steht, sondern innerhalb des Verbandes des „Allgemeinen
Deutschen Vereins für Schulgesundheitspflege" wirken wird
und auf diese Weise ein gemeinsames Vorgehen aller Gleichgesinnten
in ganz Deutschland gewährleistet ist.
Wir richten an alle, denen das Wohl des heranwachsenden
Geschlechts am Herzen liegt, die Interesse an der gesundheitlichen
Reform der Schule nehmen, die Bitte, sich uns anzuschliefsen und
jeder in seinem Kreise für die gute Sache zu wirken.*)
*) Hoffentlich werden recht bald viele andere Städte dem Beispiele Mül-
hausens und Berlins folgen und Zweigvereine des Allgemeinen Deutschen Ver-
eins für Schulgesundheitspflege ins Leben rufen. Möge dieser Aufruf dazu
beitragen, die Bestrebungen der Vereine in alle Schichten der Bevölkerung zu
tragen und auch dem Allgemeinen Deutschen Vereine recht zahlreiche neue
Mitglieder zuzuführen. (Die Red.)
14'
Hamburger Reformsclml-Bank.
Von Dr. L. Bornemann, Hamburg.
Für die vom Verein Frauenwohl in Hamburg geplante ,,Reform-
schule" ist ein neues Bankmodell gewählt worden, das von einer
Frau ausgearbeitet ist und gewifs Beachtung verdient.
Seltsam, wie weit man sich neuerdings von dem eigentlichen
Kerne des Schulbankproblems entfernt hat und kunstvolle Seiten-
sprünge macht. Im laufenden Jahrgange (1901) der Zeitschrift für
Schulgesundheitspflege wird in längeren Ausführungen und mit viel
Eifer darüber debattiert, ob die Rettigsche patentierte Klappvor-
richtung zum seitlichen Umlegen der Bank eine bessere Reinigung
der Klassen ermögliche oder eine in Nürnberg kürzlich ausgeführte.
Selbstverständlich mufs die mit Bänken angefüllte Klasse sorgsam
gereinigt werden können, und wenn die Bänke das hindern, so taugen
sie nicht; aber der Kern der Bankfrage liegt doch ganz anderswo.
Wer die erwähnte Zeitschrift von ihrem Beginn (1888) bis
heute durchblättert, wird in den ersten Jahren einer mächtig an-
schwellenden Hochflut von Schulbank -Versuchen begegnen, die nach
Verlauf eines Jahrzehnts wesentlich zurücktritt. Da finden wir denn
im XL Jahrgang (1898) S. 126 f. folgendes unseres Erachtens sehr
beachtenswerte Resume des Herausgebers Prof. Erismann: „Die zahl-
reichen Spitzfindigkeiten in der technischen Konstruktion der Sub-
seUien, welche die Verschiebbarkeit der einzelnen Teile zum Zwecke
haben, sind für den Hygieniker entweder absolut wertlos oder be-
sitzen nur einen sehr beschränkten und bedingten Wert. — Im
wesentlichen handelt es sich doch darum, dafs sie durch ihre Kon-
struktion den Kindern die Möglichkeit gebe, beim Schreiben eine
gesundheitsgemäfse Körperhaltung zu bewahren, leicht und ohne
Geräusch aufzustehen und aus der Bank hinaus- oder in dieselbe
hineinzutreten, dafs sie nicht allzuviel Raum einnehme, möglichst
einfach gebaut sei und nicht zu teuer zu stehen komme. Das Aller-
wichtigste aber sind unter allen Umständen die Mafsverhältnisse und
die Konstruktion der Lehne. . . . Wenn eine Bankkonstruktion in
L. Bomemann: Hamburger Reformschul-Bank. 201
technisclier Beziehung auch noch so sinnreich wäre — sie ist zu
verwerfen, wenn ihre Mafsverhältnisse nicht demjenigen entsprechen,
was wir im Interesse einer gesunden Körperhaltung beim Schreiben
fordern müssen."
Nun befand sich in demselben Jahre (1898) auf der Ausstellung
in Bergen ein von Fräulein Sophie Möller und Einar Sörensen aus-
gearbeitetes Bankmodell, von dem sich nur sagen läfst, dafs es ge-
rechtfertigten Forderungen völlig zu entsprechen scheint. In allen
Grundzügen hat es, unter freundlicher Bewilligung der Erfinder, für
die Bänke der Hamburger Reformschule als Vorlage gedient.
Über Fräulein Sophie Möller sind wir in der Lage, allerlei in
Kürze zu berichten, was einerseits ihre Befähigung bezw. ihre
Grundsätze für Schulbankkonstruktionen ins rechte Licht stellt,
andererseits aber auch von sachlichem Interesse für jeden sein müfs,
der etwas weiter denkt.
Ein von der norwegischen Regierung eingesetzter Ausschufs^
den Schreibunterricht betreffend, hat nach eingehenden theoretischen
wie praktischen Untersuchungen unter dem 30. Oktober 1894 ein
ausführliches, sehr interessantes Gutachten abgegeben (Christiania
bei T. 0. Brögger 1894), das in einer deutschen Bearbeitung von
Dr. L. Bomemann (u. d. T. „Sollen wir Steilschrift treiben?^^ Ham-
burg, Hefold 1896) deutschen Lesern zugänglich ist. In diesem
AusschuTs ist, wenn wir recht sehen, die Schriftführerin Fräulein
S. Möller die eigentlich treibende und alles durchdringende Kraft
gewesen. Langjährige Studien, speziell auch in Deutschland, Öster-
reich und in Frankreich, haben sie dazu befähigt. Später sind von
ihr erschienen: 1. Eine schrifttechnische Studie „Ist Steilschrift lot-
rechte Schrägschrift?" (norwegisch) als „praktisches Hilfsmittel zu
sachlicher, selbständiger Beurteilung der jetzt gebräuchlichen Schrift-,
Schreib- und Schreibunterrichts-Methoden", 48 S. Christiania, Aschen-
houg & Co., 1896; 2. Steilschriftvorschriften mit begleitendem Text
(norwegisch), Christiania bei Rieh. Andvord: ein mit der minutiösesten
Sorgfalt und Überlegung ausgearbeitetes Vorschriftenwerk. Auf die
einzelnen Vorzüge dieser Arbeiten gehen wir hier nicht ein; die
Anführung der Titel genügt, um zu zeigen, dafs Fräulein Möller als
„Schriftkundige" unter die Autoritäten zählt, also vermutlich doch
auch in der Schulbankfrage zu einem mafsgebenden Urteil gelangen
mufste, sobald sie sich darauf warf.
Möller-Sörensen's Modell beruht teils auf sorgsamer Erwägung
der modernen hygienischen, pädagogischen und praktischen For-
derungen, teils auf speziellen Messungen an gegen 600 Kindern und
202 I^' Bomemann:
Erwachsenen. Eine besondere . Bolle spielte dabei der Eörperdurch-
messer von vom nach hinten in Ellbogenhöhe bei herabhängendem
Arm: Messungen^ die früher nicht vorgenommen sind, von denen
aber der richtige Abstand zwischen Tischkante und Lehne in der
Schreibstellung abhängt, während gleichzeitig die Tischkante selber
in Ellbogenhöhe, nicht höher, angesetzt wird. Dafs der Körper auch
in Schreibstellung durch die Lehne gestützt wird und weder Rücken
noch Kopf übermäfsig vorgebeugt werden, ist eins der wesentlichsten
Erfordernisse. Wie bei dem Kunze -Typus ist die Tischplatte ver-
schiebbar (wenn Erismann a. a. 0. eine einfache Klappvorrichtung
nach Parow vorzieht, so erscheint diese Meinungsverschiedenheit ge-
ringfügig); aber um die Kinder wirklich zu der erforderlichen
Schreibstellung zu zwingen, ist das Tintenfafs so angebracht, dafs
es nur bei vollständiger Ausziehung der Platte zu erreichen ist. Die
Platte ist sehr breit (40 und 45 cm) und um 15 cm vorzuschieben.
Li der Lesestellung dient eine obere Leiste der Lehne als Stütze
der Schulterblätter, eine Fufsleiste den Beinen, während der Körper
auf ausgeschweiftem, recht breitem Sitz ruht. Sämtliche Mafse sind
für acht Körpergröfsen (zwischen 102 und 184 cm) berechnet.
Als das Kuratorium der Reformschule in eine Prüfung der
Banksysteme eintrat, war gerade der hamburgischen Oberschul-
behörde durch eine Kommission der Schulsynode die Rettigbank mit
besonderer Wärme empfohlen worden. Das Kuratorium konnte
trotzdem aus mehrfachen Gründen sich nicht dafür erwärmen; in
allererster Linie, weil es eine sogenannte feste Minusdistanz für un-
möglich hält (trotz Erismann) mit Rücksicht auf die Änderungen
in der Körperhaltung beim Wechsel zwischen Stehen, Schreibsitz
und Sitzruhe. Dafs bei beschränkter, Bodenfläche, wie sie in den
hamburgischen Volksschulen vorzuliegen scheint, nur ein schmales
Banksystem zulässig sei, konnte für die Wahl seitens des Kura-
toriums der Reformschule kein bestimmender Grund werden; denn
da liegt der Fehler offenbar im Vordersatz: entweder die Bodenfläche
ist zu klein oder die Schülerzahl zu grofs — und auf derart ver-
fehlter Basis läfst sich eben kein zureichendes Banksystem wählen.
Lnmerhin hat das Kuratorium auch nicht in allen Stücken das
norwegische Modell angenommen. Das Wesentliche, was wir oben
angeführt haben, und in erster Linie die speziellen, gründlich be-
rechneten Mafsverhältnisse standen fest; aber in geringfügigeren
Stücken sind Abweichungen vorgenommen, die noch kurz berührt
werden müssen. Wohl die wichtigste ist, dafs der Neigungswinkel
der Tischplatte am ursprünglichen Modell 15® beträgt, an der
Hamburger ReformBchal-Bank. 203
Refonnschulbank nur 8^ Ferner ist die letztere zweisitzige nicht
einsitzig konstruiert; ihre Platte läuft in zwei an den AuTsenseiten
angeschraubten Eisenschienen; ftir die Tintengläser sind keine
Öffnungen in die Platten eingeschnitten, sondern jene sind ganz
unter die Platten verschwunden und an der rechten inneren Tisch-
wand für jeden Platz angebracht; an die Stelle des von Fräulein
Möller vorgeschlagenen Tischkastens für Bücher u. s. w., der nur
von oben nach Verschiebung der Platte zugänglich sein sollte, ist
wieder das gebräuchliche Bücherbrett getreten; ein Fufsbrett (aufser
der erwähnten, vorderen Fufsleiste), welches bei Fräulein MöUer
nebenbei auch dazu dienen soll, die Tischhöhen von Gröfse 1 — 5
und 6 — 8 gleichmäfsig zu gestalten, ist nicht angebracht. Wir
hoffen, dafs die vortrefflich durchdachte norwegische Vorlage damit
keineswegs an Einfachheit und Einheitlichkeit verloren hat, wie wir
denn auch keinem Widerspruch seitens der norwegischen Freunde
begegnet sind. Auch glaubt das Kuratorium damit nicht blofs den
Schülerinnen der Beformschule eine gute Bank zu liefern, sondern
es möchte gleichzeitig in dieser wichtigen äufseren Einrichtung
sichtbar darlegen, was es im ganzen Schulaufbau und Lehrverfahren
betont: das Einfache, aber auf dem Grunde exaktester
Überlegungen, und zugleich das Praktische, d. h. das dem
Zöglinge in den verschiedensten Stellungen Dienliche,
aber ohne unnützes Prunken mit technischen Nebendingen.
streit der Meinungen in Hamburg über sexuelle
Belehrung.
Von Dr. L. Bornemann, Hamburg.
I.
Ein Augenblicksbild will dieser Bericht liefern. Nicht ein
Bild, wie man sie als neuestes von der Woche anschaut, um weiter-
zublättem. Vielmehr giebt es, wie bekannt, auch Augenblicksbilder,
die zu eindringenderen Studien die Unterlage geboten haben, und
wir dürfen hoflfen, dafs es der „Gesunden Jugend" weiterhin ge-
lingen wird, die Meinungen über sexuelle Belehrung sachgemäfs
klären zu helfen.
Immerhin will die Frage nicht einseitig, etwa nur hygienisch
angefafst sein. Sie betrifft den ganzen Menschen und geht zugleich
ebensosehr die Familie wie den Staat an. Auch der besondere
Hintergrund, auf dem das Augenblicksbild erscheint, nämlich die
allgemein pädagogischen und die schulpolitischen Ansichten, zwischen
denen die Frage zur Erörterung gekommen ist, müssen wenigstens
angedeutet werden. So wird man zuletzt wohl die Empfindung
mitnehmen, wie schwierig unsere sich überschlagende Kultur gerade
den natürlichsten Dingen gegenüber sich benimmt, und wie unsere
Schule, die mit Prüfungen und Berechtigungen glänzt, vielfach den
eigentlich menschlichen Fragen aus dem Wege geht.
Der Hamburger Zweigverein der Internationalen Föderation
hatte es unternommen, der schulentlassenen Jugend, den Knaben
wie den Mädchen, aufklärende Vorträge über das Geschlechtsleben zu
bieten. Über den von einer Arztin Ostern 1900 für Mädchen gehaltenen
Vortrag, den dieselbe 1901 zu wiederholen gedachte, hatte der Verein
inzwischen das Urteil des hiesigen Volksschullehrerinnenvereins er-
beten: der Vortrag weckte bei diesem in mehr als einer Beziehung
Widerspruch. Infolgedessen hat sich die Vorsitzende jenes Zweig-
vereins, Fräulein L. G. Heymann, selber der Sache angenommen
und ihrerseits am 22. März d. J. im Volksschullehrerinnenverein,
L. Bomemanii : Streit der Meinungen in Hamburg üb. sexuelle Belehrung. 205
am 1. April vor schulentlassenen Mädchen gesprochen, von vorn-
herein ohne den Anspruch, etwas Musterhaftes zu bieten, das sich
von allen und überall einfach nachmachen liefse.
Der Vortrag liegt gedruckt vor unter dem Titel „Aufklärung
über das sexuelle Leben und hygienische Batschläge für die heran-
wachsende Jugend^^ und ist bei der Verfasserin, Hamburg, Paulstr. 25,
erhältUch. (Einzeln M. 0.15, 25 Expl. M. 3.—, 50 Expl. M. 5.—,
100 Expl. M. 9. — . Der Erlös ist für die Kasse des Zweigvereins
bestimmt.)
Darin werden die aus dem botanischen und dem zoologischen
Unterricht den Kindern bekannten Erscheinungen in ebenso ein-
facher wie feiner Weise in dem Zusammenleben der Eltern auf-
gezeigt, unter Verurteilung der beliebten Geheimniskrämerei. Da
aber „jede Mutter sich sagen sollte, dafs sie gesunde und brauch-
bare Menschenkinder erziehen mufs^', so knüpft sich die praktische
Frage daran, wie die Mädchen gesunde und brauchbare Menschen
werden können, und so folgen Ermahnungen über Reinlichkeit,
Kleidung und Ernährung, sodann die Aufforderung, fröhliche Ge-
selligkeit zu suchen, und die nüchtern eindringliche Warnung vor
den häfslichen, Gesundheit und Geist vergiftenden Dingen, die fürs
Leben die traurigsten Folgen haben und manche arme Wesen
schliefslich in öffentliche Häuser, „die Brutstätten alles Lasterhaften,
Widerlichen und Gemeinen", geführt haben.
Ich füge an dieser Stelle die Zwischenbemerkung ein, wie über-
aus erfreulich es ist, wenn sich Laien über Erziehungsfragen ein
gründliches Urteil bilden und damit hervorzutreten wagen. Ins-
besondere erscheint die Frauenbewegung ganz dazu angethan, Mög-
lichkeiten zu schaffen, dafs an Stelle oder vielmehr neben den Fach-
leuten, also in unserm Falle neben Ärzten und Lehrern, auch das
Laienelement selbständig auftritt. Ebendeswegen sollte aber auch
eine Zeitschrift wie die „Gesunde Jugend" nicht blofs als Sprech-
saal für Fachleute angesehen werden, sondern überall auch von
denkenden Laien eifrig benutzt werden. Eine Menge von Rat und
Anregung könnte auf diese Weise unter das Volk kommen. Wollen
wir vorwärts, so müssen wir durchaus auf selbstbewufste Teilnahme
der Laien rechnen.
In der That hat nun die Nichtärztin und Nichtlehrerin
Fräulein Heymann mit ihrem Vortrage Ehre eingelegt. Der Ver-
lauf ihrer Darlegungen (um von der Tendenz zunächst abzusehen)
ist von Pädagogen und Hygienikern als sachgemäfs und zweck-
entsprechend bezeichnet worden. Im Lehrerinnenverein wurde
206 L. Bomemann:
ihr reicher Beifall gezollt, und die an der regen Besprechung be-
teiligten Frauen, etwa zwanzig, traten sämtlich für Aufklärung der
Kinder, sei es seitens der Schule, sei es durch die Föderation, ein;
nur eine Rednerin bezeichnete dies als einen Eingriff in die Eltern-
rechte. Ohne die aufserordentlichen Schwierigkeiten sich zu ver-
hehlen, forderten mehrere eine Aufklärung der Jugend schon in
früheren Jahren als zur Zeit der Schulentlassung und zwar teils in
den naturgeschichtlichen Stunden, teils lieber in privatem Gespräch.
Von früh auf aber sei jeglichem Kichern, Tuscheln, jeder Geheimnis-
krämerei mit energischer Warnung und Aufklärung entgegenzutreten.
Jedenfalls stand der Verein völlig unter dem Eindrucke, es mit
einer Frage zu thun zu haben, an der (wie der Vorstand es später
ausgedrückt hat) „keiner, dem das Wohl der Jugend, ja der Mensch-
heit am Herzen liegt, achtlos vorbeizukommen vermag, sondern mit
der man sich abzufinden hat, so oder so'-.
Es leuchtet ein, dafs dieses die Teilnehmerinnen jener Ver-
sammlung beherrschende BewuTstsein durchaus in Kollision kommen
mufs mit der — man mufs leider sagen — heutzutage herrschenden
Auffassung von den Aufgaben der Schule, einer Auffassung, die zu-
nächst vor allem unter den Lehrern im Schwange geht, die aber
auch längst bei dem entmündigten Eltempublikum um sich gegriffen
hat und zweifelsohne von der staatlichen Schulpolitik mit ihren
Berechtigungen und was dahin gehört nur gefördert wird. Am
kürzesten läfst sich diese Auffassung, die übrigens auch auf der all-
gemeinen Schleswig - holsteinschen Lehrerversammlung von 1900
deutlich hervortrat, zeichnen durch Wiedergabe der Leitsätze eines
Vortrages, die im Dezember v. J. dem gröfsten hiesigen Lehrer-
vereine vorgelegt und von diesem einem besonderen Ausschusse zur
Erörterung überwiesen sind. Sie werden, auch abgesehen von unserer
speziellen Frage, den Lesern nur zu bezeichnend erscheinen. Thema:
Wie weit geht die Aufgabe der Schule bezüglich der
körperlichen Erziehung? Thesen: 1. Die Schule ist Unter-
richtsanstalt, und nur soweit sie Unterrichtsanstalt ist,
steht sie im Dienste der Erziehung. 2. Die Schule mufs
jede Schädigung der Gesundheit vermeiden, aber jede
positive Einwirkung auf die Entfaltung des Körpers liegt
aufserhalb ihres Gebietes. 3. Öffentliche und private Ver-
anstaltungen zur Förderung der körperlichen Erziehung
sind selbständig und unabhängig von der Schule zu organi-
sieren. 4. Die Familie ist der Mittelpunkt der gesamten
Erziehung.
Stareit der Meinungen in Hamburg über sexuelle Belehrung. 207
Die letzte, leicht mifsverständliclie These will, wie schon der
Zusammenhang lehrt, nur negativ sagen, alles, was nicht Unterricht
sei, geht nicht die Schule an. Sie steht, trotz des gleichen Wort-
lautes, himmelweit ab von der durch eine kleinere, Dörpfeldisch ge-
sonnene Schar hiesiger Lehrer und Bürger vertretenen Überzeugung,
dafs die Schule eine Hilfsanstalt der Familie sei und dafs dem
Familienverbande (Schulgenossenschaft) ein wesentlicher Anteil an
ihr im Sinne der Interessenvertretung und Selbstverwaltung gebühre.
(Vgl, des Referenten „Schule, Familie, Freiheit", Hamburg 1900, und
„Das Familienprinzip in der Schulverfassung^^, Gütersloh 1901.)
Für die strengen Schüler des Dogmas „Schule ist Unterrichts-
anstalt" ist die Frage nach sexueller Belehrung natürlich hinfällig;
denn bei der Belehrung, die hier gemeint ist, wird etwas ganz
anderes bezweckt als abfragbares Wissen, und jene werden sich
hüten, mit unserer Frage sich zu behelligen. Schwerlich auch wird
bei ihnen Fräulein Heymanns Bevorwortung verfangen, dafs Wissen
und Aufklärung der beste Schutz gegen Gefahr sei; oder wie es
bereits im Hamb. Corresp. vom 17. Februar 1898 von einer Frau
ausgesprochen wurde: „Wissen ist der erste Schritt zur Gesundheit,
zum Wohlergehen, zur Kraft zur Lebensfreude, zur Immunität gegen
Krankheit und Siechtum." Unterricht und Belehrung sind äugen-
scheiiüich in ganz Terschiedenem Sinne gefafst. Ob der ganze
Mensch der Pflege der Schule übergeben ist oder nur sein Kopf,
und ob Schule und Familie getrennt ihres Weges ziehen sollen oder
in Gemeinschaft, das ist die Frage. Man sieht, wie die Gegensätze
klaffen.
Trotz dieser weitgehenden Meinungsverschiedenheit bereitete es
allen Kreisen die gröfste Überraschung, als in der Versammlung
des Lehrerinnenvereins vom 3. Mai die Vorsitzende mitteilte, der
Herr Bürgermeister und Präses der Oberschulbehörde habe gegen
sie sein Mifsfallen geäufsert über die in dem Vortrage von Fräulein
Heymann und in der Diskussion ausgedrückten Ansichten und habe
ausgesprochen, dafs diejenigen Lehrerinnen disziplinarische Mafs-
regeln zu gewärtigen hätten, die in der erwähnten Weise vorgehen
würden.
. Die Hamburgische Schulzeitung vom 15. Mai, welche diese Mit-
teilung brachte, enthielt gleichzeitig zwei Beiträge zu unserer Frage.
Erstens das ablehnende Votum einer Schulvorsteherin, für welche
das Heymannsche Vorgehen nur dazu beiträgt, die infolge der
„Verwahrlosung in der Familie", infolge der „Aufklärung durch die
Tagespresse" bereits erzeugte „Schamlosigkeit grofszuzüchten",
208 L. Bornemann:
zumal der ^^Respekt" und „TaW jedwedes Belehrenden nicht ein-
wandfrei sei; vielmehr wären die erforderlichen Mittel folgende:
Achtsamkeit auf die Individualität, direkte Einwirkung, sobald der
Augenblick dies erfordere, Gewöhnung an geregelte Thätigkeit, Ein-
pflanzung von gesunder Moral, Erziehung zu wahrer Religiosität,
endlich Hinleitung zu einfachen Freuden. (In einer kurzen Er-
widerung hierauf hat Fräulein Heymann beiläufig ausgesprochen, sie
könne nur wieder und wieder betonen, dafs sie die Aufklärung in
der Schule als notwendiges Übel betrachte; selbstverständlich sei
die von der Natur dazu Ausersehene die Mutter selbst, die meisten
Mütter aber seien heutzutage dieser Aufgabe nicht gewachsen.)
Zweitens enthielt jene Nummer der Schulzeitung die Bemerkung
seitens des Schriftleiters, er verstehe die Aufserung des Bürger-
meisters als Warnung vor einem Experimentieren, ehe die Sache
hinreichend klargelegt sei, und er bitte Frauen, Lehrerinnen, Mütter
und Väter um Meinungsäufserungen über diese „für deutsches Em-
pfinden für eine öfltentliche Erörterung fast zu zarte Frage". Gleich-
zeitig verwies derselbe auf eine Erklärung, welche Pastor Mahling,
der Inspektor der hiesigen Stadtmission, also ein Mann von wesent-
lich anderer Weltanschauung als Fräulein Heymann, zwei Tage vor
deren Vortrage abgegeben hat. Sie stammt aus den Auseinander-
setzungen zwischen dem Goethebunde und dem hiesigen Verein zur
Hebung der öffentlichen Sittlichkeit und hat (nach der Broschüre
„Der Kampf um das christliche Sittlichkeitsideal", Hamburg 1901)
folgenden Wortlaut: „Ich bin in dieser Beziehung durchaus für
rückhaltlose Offenheit und trete auch vollständig für die Aufklärung
der Jugend in geschlechtlichen Dingen ein; ja ich halte es geradezu
für ein grofses Kunststück des Verführers, das er zu Wege gebracht
hat, dafs unter ernsten Leuten ein offenes Gespräch über geschlecht-
liche Dinge für verpönt gilt; gerade dadurch hat er es erreicht,
dafs im geheimen, unter der Decke der Verborgenheit, die Ver-
wüstung um so gröfsere Fortschritte macht. Ich bin der festen
Überzeugung, dafs durch eine ernste Aussprache noch nie jemand
verdorben worden ist, im Gegenteil, dafs ein geheiligtes, offenes
Wort in dieser Beziehung nur den gröfsten Segen stiften kann und
gestiftet hat. Also wollen wir die Jugend auch in dieser Beziehung
offen aufklären. Aber freilich nicht auf das Dafs kommt es an,
sondern auf das Was und Wie."
Ende Mai trat die zweite hiesige Lehrerzeitung, die Pädagogische
Reform, mit „ernsten Betrachtungen" über die vom Bürgermeister
ausgesprochene Drohung hervor und verfocht, gegenüber den formell
Streit der Meinungen in Hamburg über sexuelle Belehrung. 209
berechtigten amtlichen Eingriffen mittelst Dienstanweisung, ihrerseits
die Freiheit des pädagogischen Gewissens, etwa in dem Sinne einer
bekannten Auslassung des Bremer Bürgermeisters Gildemeister (ab-
gedruckt in „Mafsgebliches zur Schulverfassung'^, Hamburg 1900).
Sachlich aber setzte die ersterwähnte Schulzeitung, gemäfs der Ein-
ladung der Schriftleiters, die Diskussion fort, welche bei Abfassung
des vorliegenden Berichtes noch nicht abgeschlossen ist.
Zuerst nahm Referent Stellung mit „Sechs Sätzen^' in der
Nummer vom 29. Mai. Sie lauten: 1. Irgendwo und irgendwie
haben die verantwortlichen Erzieher, um der Einzelnen und um der
Gesamtheit willen, Offenheit über geschlechtliche Fragen zu üben.
2. Bei besonderen Vorfallen ist es geradezu unabweisbare Pflicht, ein-
gehend und auch öffentlich, zuweilen schon vor sehr jugendlichen
Klassen davon zu sprechen. 3. Bequemer freilich ist es, die Augen
zu schliefsen und selbst bei offenbarer Fäulnis sich keine Affären
zu schaffen. 4. Sollte es wirklich die Absicht der Schulverwaltung
sein, auch in diesen besonderen Fällen, kraft ihres Rechts zu Dienst-
anweisungen, Disziplinarmafsregeln anzudrohen, so müfsten Päda-
gogen und Eltern, Bürger und Volksfreunde mit allen Mitteln dem
entgegentreten. 5. Allgemeinhin jedoch ist die öffentliche Schule
von heute ungeeignet für die gewünschten theoretischen Belehrungen.
Denn a) die Einführung dieser Belehrungen in den Lehrgang ist
unthunlich, da die oberen Klassen nicht von allen Kindern erreicht
werden, also eine Erörterung übermäfsig früh eintreten müfste;
b) in' den kasemenhaften Schulsystemen ist allermeist jene Stim-
mung familiären, elterlichen Eingehens ausgeschlossen, die für die
fördersame Belehrung nötig ist; c) nicht blofs unter den Schul-
beamten von heute, sondern auch bei manchen Lehrern und Eltern
wird nicht auf viel Verständnis zu rechnen sein, soweit nämlich
das Dogma gilt, die Schule sei nur Unterrichts halber, d. i. zur
Mitteilung von Wissensstoffen da; d) Einzelmafsregeln und Einzel-
vorträge sind zwecklos, wenn nicht der Gesamtgeist der Schule in
ihrer sittlichen, wissenschaftlichen und natürlichen Grundlegung den
Boden für eine fruchtbare Erörterung bereitet. 6. Soweit das
Schulwesen also dem thatsächlich vorliegenden Bedürfnisse nicht
entspricht, haben einsichtige Eltern und Volksfreunde anderweitige
Veranstaltungen zu suchen (Elternabende, ärztliche Vorträge, Sitzungen
bürgerlicher Erziehungsräte u. dgl.), um die Familien des Bezirkes
zu angemessener Belehrung anzuregen, vielleicht auch unmittelbar
auf die Kinder einzuwirken.
Während einem Teil dieser Sätze ein Anonymus in Nummer 25
210 1^. Bomemanfi:
(19. Juni) nackten Widerspmcli ohne Begründung entgegenstellte,
wurde daselbst in einer bereits oben benutzten Darstellung seitens
des Vorstandes des Lehrerinnenyereins unter anderm noch der Ge-
danke beigebracht; dafs ein einmaliger Vortrag yon Seiten einer den
Kindern ganz femstehenden Persönlichkeit unmöglich die Wirkung
haben könnte wie eine andauernde Beinflussung seitens derjenigen^
von deren Sorge um ihr Wohlergehen die Kinder ohne weiteres
überzeugt sein dürften. Gleichzeitig berichtete eine Mutter von
einem handgreiflichen Falle, wo ein 13 jähriges Mädchen auf die
Ermahnung zum Fleifse erwidert habe, den brauchte sie als Mädchen
nicht, sie würde später Freudenmädchen, und knüpft daran die Frage,
ob nicht die betreffende Lehrerin disziplinarisch bestraft werden
müsse, wenn sie das Kind nicht über die fürchterliche Existenz
eines Freudenmädchens aufklärte.
Auch ein Tageblatt, der vielgelesene Generalanzeiger, hat unsere
Frage wenigstens gestreift. Während ein paar „Eingesandt" für
Ausdehnung der Schulzucht zur Unterstützung der Familie und für
Belehrung im Heymannschen Sinne eintreten, findet sich im redak-
tionellen Teile am 6. Juni ein kurzer Artikel, der die Überschrift
trägt „Ein Auswuchs in der Frauenbewegung in Hamburg'^ Der
Artikelschreiber kommt zu folgendem Schlüsse: „Wir halten es für
durchaus gerechtfertigt, dafs die Oberschulbehörde durch ihren
Präses gegen einen solchen Mifsbrauch der Schule sehr entschieden
Stellung genommen und mit eventueller disziplinarischer Bestrafung
derjenigen Lehrerinnen gedroht hat, welche solchen Zumutungen «ich
fügen würden. Derartige Belehrungen sind, wenn und soweit sie
gegeben werden müssen, nicht Sache der Schule, sondern der
Familie, und die Mutter allein ist die geeignete Persönliehkeit für
derartige Anweisungen. Es ist aber das ein Grundfehler einer
ganzen, in vielen anderen Dingen ganz gesunden Bichtung in der
Frauenbewegung, dafs sie der Familie nicht die ihr zukommende
Stellung giebt, sondern in vielen Stücken sie in ihren Rechten be-
einträchtigen und schmälern will. Dem mufs gegenüber getreten
werden. Es ist bedauerlich, dafs die sozialen Verhältnisse dazu
führen, den Familienzusammenhang zu lockern. Aber ganz gewifs
soll man nicht künstlich nachhelfen, um die Aufgaben der Familie
in die Schule zu übertragen und damit der Familie ihre sittliche
Berechtigung zu rauben oder zu schmälern."
Der Generalanzeiger ist ein Blatt, dessen Leitung schon oft in
wärmster und überzeugendster Weise für die Bedeutung der Familie
für das Volksleben eingetreten ist; aber an der Schwelle des Schul-
streit der Meinungen in Hamburg über sexuelle Belehrung. 211
lebens und der Schulyerfassung huscht die Schriftleitung, soweit das
Famüienprinzip in Frage kommt, vorüber, und es pflegt eine andere
Stimme das Wort zu nehmen, welche im obenerwähnten Sinne der
Lehrermehrheit nur für Trennung von Schule und Familie Ver-
ständnis hat. Aus der übrigen Tagespresse, besonders aus den in
bevorzugten Klassen gelesenen Blättern sind mir keine wichtigeren
Beiträge bekannt geworden.
Inzwischen wurde ein von der Oberschulbehörde bereits am
14. Mai gefafster Beschlufs veröffentlicht (Schulzeitung 3. Juli), der
folgenden Wortlaut hat: „Die Oberschulbehörde habe von einem —
von Fräulein Hey mann — gehaltenen Vortrage, die Belehrung von
Kindern im Schulunterricht über die Fortpflanzung des Menschen
betreffend, Kenntnis erhalten; sie mifsbiUige sowohl die Tendenz des
Vortrages im allgemeinen als auch die bei dieser Gelegenheit den
Lehrerinnen empfohlene Behandlungsweise des Gegenstandes in der
Schule und nehme daher Veranlassung, ihnen speziell zur Nachach-
tung aufzuerlegen: 1. eine direkte Belehrung der Schülerinnen über
geschlechtliche Verhältnisse während des Unterrichts zu vermeiden;
2. wo beim Unterricht sexuelle Verhältnisse berührt werden müssen,
solche in dezentester Weise zu behandeln; 3. Agitationen, die den
Zweck haben, Schülerinnen zu dem Besuche von Vorträgen über
geschlechtliche Verhältnisse zu veranlassen, niemals durch die Schule
zu vermitteln.^'
In derselben Nummer ist endlich ein Aufsatz wiedergegeben,
den der Herausgeber des Evangelischen Schulblattes, Pastor
Dr. von Rohden, gerade in seiner Juninummer gebracht hatte, ohne
den bei uns entfachten neuesten Streit der Meinungen zu kennen.
Gegen einen im wesentlichen philanthropinischen Versuch ernster
und dezenter Art, der schon längere Zeit in seiner Redaktionsmappe
schlummere, habe er gewisse Bedenken bezüglich der Ausführung,
obwohl er Grundidee und Tendenz billige. Habe ein Lehrer seine
Klasse ganz in sittlicher Gewalt, so läge die Sache anders; aber im
allgemeinen müsse von Rohden, wie in seiner Preisschrift über das
sechste Gebot, die ernste Frage für eine Familiensache erklären.
Freilich sei die Mehrzahl der Eltern gewifs zur Belehrung kaum im
Stande; aber während manche vielleicht einem vertrauenswerten
Lehrer dankbar sein würden, so würden sich doch viele solche Ein-
mischung verbitten. Thäten sich eine Anzahl Familien zu einem
hygienischen Kursus zusammen, so bleibe dies ein Notbehelf. Ein-
facher und natürlicher geschehe das Erforderliche im Schofse der
einzelnen Familie durch Vater und Mutter. Als Antwort auf die
212 li* Bomemannt Streit der Meinungen in Hamburg üb. sexuelle Belehrung.
Frage ;,Wie soll ich das aber anfangen r^' empfehle er das Büchlein
des Württemberger Arztes Direktor Eoch über „Die Vermehrung
des Lebens^'^ wo väterlich und anschaulich auseinandergelegt werde^
wie man stufenweise seinen Kindern die geeignete Anfklärung nahe
bringen soll. Einer falschen Prüderie könne nicht wirksamer ent-
gegengearbeitet werden als durch solche in ihrer verblüffenden Ein-
fachheit und Natürlichkeit so sympathische Darlegung.
Soweit die hiesigen Veröffentlichungen vor den Sommerferien,
womit dieser erste Bericht abschliefst.
Der Gesundlieitszustaiid der ElementarscMler
in den Dresdner Yolksschnlen nnd die Schnlarztfrage.
Von G. Schanze.
Eine möglichst genane Kenntnis über den Gesundheitszustand
unserer Volksschulkinder liegt nicht allein im hygienisch -wissen-
schaftlichen Interesse, sondern solche Kenntnis hat ror allem für
den Volksschullehrer als Erzieher und Methodiker eine wesentlich
eminent praktische Bedeutung. Es genügt dem Pädagogen nicht,
wenn durch die schulärztlichen Ermittelungen bestimmt werden kann,
welche Gröfse der Schulbänke und Tische die geeignete ist und
welchen Platz im Zimmer betreffs der Nähe der Wandtafel, des
Fensters oder — des Lehrers gewisse Kinder einzunehmen haben.
Neben diesen mehr äufseren Rücksichten ist es für den Pädagogen
hoch bedeutsam, zu erfahren, welche Individualitäten während des
Unterrichts und bei erzieherischen Mafsnahmen besonders
zu berücksichtigen sind, und aus welchem Grunde dies zu geschehen
habe. Sehr wichtig ist es für den Lehrer endlich auch, zu erfahren,
welche Kinder vermöge ihres körperlichen Zustandes den vollen
Ansprüchen an ihre Leistungsfähigkeit zu genügen im Stande sind.
Aus diesen Gründen müssen dem Lehrer alle Einrichtungen
willkommen sein, die geeignet sind, die Individualität des Kindes
erkeimen und beurteilen zu können.
Die Stadt Dresden hat seit dem Jahre 1893 die Institution der
Schulärzte mit einer Dienstordnung für die letzteren, die — auch
vom Standpunkt der Schule aus gesehen — befriedigen mufs. So
schreibt diese Dienstordnung betreffs der schulärztlichen Unter-
suchungen in § 3 vor, dafs die Schulärzte insbesondere die neuein-
tretenden Schüler daraufhin zu prüfen haben, ob ihre körperliche
Beschaffenheit und ihr Gesundheitszustand beim Schulunterrichte
eine besondere Berücksichtigung erfordern.
Des weiteren werden seit 1898 die Eltern schulpflichtig wer-
dender Kinder durch das Schulamt aufgefordert, die Kinder bei der
Gesunde Jagend. I. 5. 15
214 Gr. Schanze:
Anmeldung persönlich vorzustellen, damit jene über den Gesundheits-
zustand ihrer Kleinen, nach überstandenen Krankheiten u. s. w. vom
Direktor befragt werden können.
Auch diese Einrichtung ist mit Freuden zu begrüfsen, voraus-
gesetzt, dafs ihr allenthalben in der rechten Weise nachgekommen
wird, und für den Fall, dafs man sie nur als eine ergänzende
Einrichtung ansieht. Denn die Thätigkeit des Schularztes zu er-
setzen, dazu ist diese Einrichtung nicht im Stande und zwar aus
drei Gründen: 1. verschweigen die Eltern sehr häufig wichtige
Dinge, in der Meinung, dafs es etwas auf sich habe, wenn sie die
Wahrheit über ihr Kind oflFenbaren, 2. wissen viele Eltern nicht,
dafs ihre Kinder leidend sind, oder wollen sich selbst dies nicht
zugestehen, und 3. fehlt dieser Art der Ermittelung die unter gewissen
CTmständen sehr nötige fachkundige Autorität.
Leider besteht seit dem Jahre 1898 die Pflicht für die Schul-
ärzte nicht, dafs sie die zu Ostern jeden Jahres neu aufgenommenen
Kinder zu untersuchen und den Befund in ein für jedes Kind von
der Schule anzulegendes Aktenstück einzutragen haben, welches
Ergebnis durch spätere Nachtmge ergänzt werden soll, wie eine
aufgehobene Verfügung vom 13. April 1898 anordnete, sondern es
sind seitdem nur diejenigen neuaufgenommenen Kinder schulärztlich
zu untersuchen, die entweder seitens der Eltern bereits bei der An-
meldung dem Schuldirektor als kränklich, gebrechlich oder sonst
als anormal bezeichnet worden sind, oder die dem Lehrer bei Er-
teilung des Unterrichts aufgefallen sind, sei es, dafs sie unaufmerk-
sam, teilnahmlos, zerstreut, unruhig, matt, blafs siud oder sich eigen-
tümlich betragen. Das Ergebnis der schulärztlichen Untersuchungen,
sowie die von den Herren Direktoren und Lehrern gemachten Be-
obachtungen sollen in ein von dem Herrn Stadtbezirksarzte ent-
worfenes Formular eingetragen, und es soll dieses dem Aufuahme-
bogen (des Kiudes) beigefügt werden. Dieses Formular heifst „Bei-
lage zum Aufnahmebogen" und hat folgende Rubriken: l.-Gröfse,
2. körperliche und g'eistige Gebrechen, 3. Gesicht, 4. Gehör, 5. Haut-
krankheiten, 6. Besondere Bemerkungen. — Bemerkungen des Schul-
arztes.
Die Einführung eines solchen Formulars, welches ja wohl er-
weiterungs-, bezw, vervollkommnungsfähig wäre, ist im Interesse
der Einheitlichkeit der Untersuchungsergebnisse gleichfalls an sich
als ein Fortschritt zu betrachten, nur bleibt zu bedauern, dafs damit
statt der allgemeinen nur die Untersuchung einzelner Kinder ver-
bunden wurde.
Der Gesundheitszustand d. Elementarscliüler i, d. Dresdner Volksschulen etc. 215
Dafs dadurcli die so gut gewollte Einrichtung der Schulärzte
nicht mehr vollauf zweckentsprechend ist, soll durch mehrere
Tabellen, die gleichzeitig einiges Licht über den Gesundheitszustand
der Dresdner Elemehtarschüler*) verbreiten, bewiesen werden,
I-
Um sich über die Gesundheitsverhältnisse der Elementarschüler
(Knaben imd Mädchen) in den Dresdner städtischen Bürger- und
Bezirksschulen zu informieren, erbat sich der Verfasser vorliegenden
Aufsatzes vom Schulamtvorstande die Erlaubnis zur Einsichtnahme
in die oben erwähnten Beilagen zu den Aufaahmebogen, welche die
Notizen über die Beobachtungen der Direktoren, sowie die schul-
ärztlichen Bemerkungen über die untersuchten Kinder enthalten,
welche Erlaubnis in dankenswerter Weise in Berücksichtigung des
wissenschaftlichen Zweckes bereitwilligst erteilt wurde.
Es kommen 11 Bürger- und 27 Bezirksschulen mit zusammen
6277 Kindern (Kiiaben und Mädchen) in Betracht. Wir haben das
Gesamtergebnis der Beobachtungen in Tabelle I niedergelegt und
bemerken dazu, dafs sich die Ergebnisse auf das Schuljahr 1900 bis
1901 beziehen.
Tabelle L
Gesamtergebnis der Beobachtungen an sämtlichen 3i8 Schulen
mit 6277 Schülern.
1
2
3
4
5
6
7
8
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11
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13
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144
123
200
20
112
1737
1167
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3,44
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3,15
2,11
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1,06
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0,84
1,75
0,93
2,29
1,96
3,18
•
0,31
1,78
18,59
Wegen der ünvollständigkeit und verschiedenartigen Beschaffen-
heit des Materials kann die Tabelle . nicht vollen Anspruch auf
wissenschaftlichen Wert erheben (nebenbei bemerkt — sind ihre
Ziffern viel zu niedrig [s. Tabelle V]), sie mufste indessen aufgestellt
werden, um mit später auf Grund zuverlässigen Materials gewonnenen
Zahlen Vergleiche anstellen und darthun zu können, welcher Unter-
schied besteht zwischen den Ergebnissen einer schulärztlichen Unter-
*) Unter Elementarschülem sind hier die neu aufgenommenen im 1. Schul-
jahr stehenden Kinder der städtischen Volksschulen zu verstehen.
15*
216
G. Schanze:
suchimg^ die sich auf alle Kinder erstreckt; und einer solchen^ die
nur eine Auslese von Kindern berücksichtigt^ bezw. auf Beobach-
tungen Yon Schulmännern beruht.
Was die Rubrizierung anlangt^ so stellt sich dieselbe dar als
ein Ergebnis des sehr vollständigen und zuverlässigen Materials aus
dem in. Dresdner Schularztbezirk^ in welchem sämtliche Kinder zur
Untersuchung gelangten, trotzdem diese Yerpflichtung nicht besteht.
Wir fanden ; dafs diese Rubriken für alle andern Schularztbezirke
typisch sein konnten. Die zu einigen Rubriken nötigen Bemer-
kungen sollen weiter unter folgen.
Wir lassen als notwendige Ergänzung zu Tabelle I Tabelle 11
folgen, welche zeigt, wie oft die Lehrer der Handreichung zur Er-
forschung der Individualität entbehren müssen.
Tabelle H.
Anzahl der Schulen, an denen sich für die einzelnen Rubriken
keine Angaben vorfanden.
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
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13
an Schulen:
4
6
19 19
5
Schon auf Grund vorstehender Aufstellungen läfst sich bei all
ihrer Lückenhaftigkeit sagen, dafs der Gesundheitszustand der
Dresdner Elemenjtarschüler kein günstiger sein kann; denn !wenn
z.B. iichi uniter iden bestehendeii Ermiitelungsverhältnlissen
ergiebt, dafs rund 3,50 7o d^r Kinder mit Sprachgebrechen behaftet
(Stanxmel^i und Stottern zusammengerechnet), 2,29 7o augenkrank
und 3,15 7o körperlich schwach befunden werden, so sind dies doch
recht bedenkliche Anzeichen.
Es ist hier der Ort, einige erklärende Bemerkungen zu den
einzelnen Rubriken einzuflechten.
Was ihre Reihenfolge betrifft, so soll damit keine logische Anord-
nung gegeben sein. Es kam uns nur darauf an, das unserer Meinung
nach auch für die Wissenschaft bedeutsame Material dem Aktenstaube
zu entreifsen, einfach darüber zu referieren und so zum Heile der Schule,
der Kinder, Eltern und Lehrer der Öffentlichkeit zu übergeben.
Rubrik 2 enthält die Kinderzahl mit vorzugsweise cariösen
Der Gesiindlieitsznstand d. Elementarschüler i. d. Dresdner Volksschulen etc. 217
Zähnen. Die 5. Rubrik enthält die chronischen Krankheiten; unter
ihnen befinden sich auch die meisten Hautkrankheiten, weil die Aus-
schläge — fast durchgängig Gesichtsausschläge — als chronisch be-
zeichnet waren. Die wenigen andern Hautkrankheiten, z. B. fand
sich einmal Scabies vor, sind in die 15. Rubrik unter „Sonstige
Leiden'^ verwiesen worden. Im übrigen sind unter die chronischen
Krankheiten alle Katarrhe, als Nasen-, Hals- und Kehlkopfkatarrhe
aufgenommen, auch die Ohren- und Augenkatarrhe (z. B. Mittelohr-
und Bindehautkatarrh), so dafs sich in den Abteilungen 11 und 12
nur die Leiden verzeichnet finden, die das Seh- und Hörvermögen
beeinträchtigen, ohne katarrhalisch zu sein. In Rubrik 15 sind alle
andern Krankheiten und Gebrechen enthalten, die wegen vereinzelten
Auftretens nicht besonders rubriziert wurden. Am verhältnismäfsig
öftersten war Blasenschwäche, femer waren Leistenbrüche, Krüm-
mungen der Wirbelsäule, Steifheit oder Verkrüppelung von Glied-
mafsen, endlich auch Nieren- und Lungenleiden festgestellt.
In Tabelle I, dem Gesamtergebnis, sind auch die Ergebnisse aus
2 Schularztbezirken, deren es im ganzen 8 in Dresden giebt, mit
enthalten, in denen sämtliche, bezw. % der Kinder zur schulärzt-
lichen Untersuchung gelangten. Schliefst man diese Bezirke, welche
8 Schulen (2 Bürger- und 6 Bezirksschulen) umfassen, aus, so dafs
nur diejenigen Schulen verbleiben, in denen entweder nur eine ganz
geringe Zahl besonders auffälliger und dem Arzte vorgestellter Kinder
untersucht wurde, oder wo schulärztliche Bemerkungen ganz fehlten
und dafür die bereitwilligst zur Verfügung gestellten, bei der An-
meldung der Kleinen auf Befragen der Eltern hin von den Direk-
toren, bezw. deren Beauftragten gemachten Notizen das Material
bildeten: so gestaltet sich das Bild wesentlich anders, und wir er-
halten dann erheblich niedrigere Ziffern.
Tabelle HI.
Ergebnisse von 30 Schulen mit 4945 Kindern auf Grund der elter-
lichen Befragung, bezw. teilweiser ärztlicher Untersuchung.
1
2
3
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0,72
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1,46
0,44
0,34
0,40
1,29
0,56
2,02
1,98
2,64
0,30
1,67
15,92
218
G. Schanze:
Selbstverständlich bedeuten diese niedrigen Ziffern nicht, dafs
der Gesundheitsznstand an diesen 30 Schulen ein guter sei; sondern
sie bedeuten leider nur, wie sich noch herausstellen wird, dafs die
ErmittelungsTerhältnisse nicht geeignet sind, die nötige Klarheit über
den Gesundheitszustand zu yerbreiten. . Die Befunde in den übrigen
beiden Schularztbezirken, in denen Aufzeichnungen der Direktoren
unberücksichtigt bleiben konnten, weil ausreichendes schulärzt-
liches Material vorlag, haben folgendes ergeben.
Tabelle IV.
Ergebnisse von 8 Schulen mit 1332 Kindern, von denen rund 1100
ärztlich untersucht wurden.
1
2
3
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3,37,
3,67
2,47
3,45
2,32
3,30
1,87
5,18 0,37
2,17
32,20
Zu dieser Tabelle sei bemerkt, dafs es sich hier um eine Mischung
von 2 Schularztbezirken handelt, die, was Zustand und Lage der
Schulgebäude, wie die Wohnungsverhältnisse anbetrifft, recht wesent-
liche Unterschiede aufweisen, von denen man annehmen könnte, dafs
sie in den Gesundheitsziffem alleuthalben zum Ausdruck kämen.
Der eine (III.) Bezirk liegt inmitten der Stadt, wo sich in engen,
dunklen und dumpfigen Gassen und Höfen ohne Zweifel die ärm-
lichsten und ungesundesten Wohnungsverhältnisse vorfinden, und
in welchem gleichzeitig zum Teil die ältesten und ungesundesten
Schulgebäude vorhanden sind, für die Neubauten bereits in Aussicht
genommen sind. Der andere Bezirk, der VIII. Schularztbezirk, am
Nordwestrande der Stadt in verhältnismäfsig gesunder Lage auf der
Höhe, in der Nähe des Waldes gelegen, hat neue Schulgebäude und
entschieden bessere Wohnverhältnisse. Trotzdem steht er — wie
wir sehen werden — in mehrfacher Beziehung gesundheitlich un-
günstiger da, als der IH. Bezirk, was seinen Grund einesteils in der
Beweglichkeit des Schulpublikums, andernteils in dem Umstände
haben kann, dafs für jeden Bezirk je ein besonderer Schularzt die
Angaben gemacht hat. Immerhin weist uns die merkwürdige
Thatsache darauf hin, dafs Schul- und äufsere Wohnverhältnisse,
Der Gesundheitszustand d. Elementarschüler i. d. Dresdner Volksschulen etc. 219.
denen durchaus nicht ihre Bedeutung abgesprochen sein soll, nicht
die den Gesundheitszustand der 6- und TJährigen wesentlich be-
dingenden Faktoren sind.
Die jetzt in Frage kommenden schulärztlichen Zeugnisse geben
uns vielmehr Auskunft über die Art der Pflege in den ersten Jahren
der Kindheit; sie sind der Ausdruck der Erwerbs-, Emährungs-,
Familien- und Erziehungs Verhältnisse grofser Bevölkerungsschichten,
die in allen Teilen der Stadt die Gesundheitsziffem ungünstig be-
einflussen müssen, weil diese Erwerbs-, Familien- und Erziehungs-
verhältnisse in der ganzen Stadt dieselben ungünstigen sind. Es hat in
Dresden jeder Schularztbezirk mehr oder minder seine berüchtigten
Strafsen, die der Schule Schmerzenskinder auch iu gesundheitlicher
Beziehung liefern. Kurz gesagt: Der Gesundheitszustand der
Kinder wird im wesentlichen mit bedingt durch die soziale,
bezw. wirtschaftliche Lage der Eltern*
Tabelle V, welche die Ergebnisse aus den Schularztbezirken HI
und Vm mitteilt, stellt beide Bezirke, gleichzeitig mit einander in
Vergleich. Der erstere umfafst 3 Bezirks- und 1 Bürgerschule mit
zusammen 587 Kindern, im zweiten kommen gleichfalls 3 Bezirks-
und 1 Bürgerschule mit zusammen 745 Kindern in Frage, von denen
jedoch Yg ununtersucht blieb, da sich die allgemeine Untersuchung
nur auf 2 Schulen erstreckte, während in den beiden andern Schulen
nur besonders vorgestellte Kinder untersucht wurden. Die Berech-
nung bezieht sich aber auch hier der Konsequenz halber auf die
Gesamtzahl der Kinder.
Tabelle V.
Die Ergebnisse aus dem IU. und VIII. Schularztbezirk in Vergleich
gestellt.
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3,23
1,34
580
200
299
130
50,93
17,44
220 G. Schanze:
Die Tabelle zeigt^ abgesehen Ton Blutarmut und Zahnkrank-
keiten, welche Leiden im VIQ. Bezirk augenscheinlich keine Berück-
sichtigung fanden, im übrigen eine gewisse Übereinstimmung in den
Befunden. Betreffs der Augenkrankheiten und Ohrenleiden hat Be-
zirk VJLLL sogar etwas höhere Ziffern als der III. Bezirk. Diese Über-
einstimmung würde noch deutlicher werden, wollten wir auch in
Bezirk Yill nur die allgemein untersuchten Schulen berücksichtigen
oder die Berechnungen nur auf die untersuchten Kinder anstellen.
Indessen lehrt der Vergleich jetzt schon, dals die gesundheitlich
günstigere Lage des Stadtteils nicht allein bessere Gesundheits-
rerhältnisse erzeugen kann.
Von unschätzbarem Werte halten wir die jedenfalls der Wahr-
heit sehr nahe kommenden Zahlen aus dem UL Bezirk. Auch sie
bleiben yielleicht noch hie und da aus yerschiedenen Gründen hinter
der Wirklichkeit zurück. Im aUgemeinen aber basieren sie auf
einem so vollständigen und zuverlässigen Material, dafs mit ihnen
gerechnet werden kann, ja gerechnet werden mufs. Sie sind nicht
eine sporadische Erscheinung. Wir haben guten Grund anzunehmen,
dafs in allen andern Schularztbezirken mindestens ähnliche trübe
Gesundheitsverhältnisse bestehen. Auch war das Ergebnis nicht
blofs in dem Schuljahr 1900/1901 ein so trübes. Wir sind in der
Lage, auf Grund des Materials vom Schuljahr 1899/1900 zu be-
weisen, dafs im Schuljahr vorher ganz dieselben Krankheitszustände
festgestellt werden konnten (s. Tabelle VI). Vom Schuljahr 1896/97
teilt K. Dankwarth in der Festschrift zur XL Generalversammlung
des Allgem. Sachs. Lehrervereins in Dresden, 26., 27. u. 28. Sept. 1897
(„Beiträge zur Schulgesundheitspflege unter Zugrundelegung der
Dresdner Schulverhältnisse'^) S. 57 aus demselben IQ. Schularzt-
bezirk mit: Untersucht wurden 284 Knaben und 296 Mädchen =
580 Kinder. Darunter waren:
Knaben Mädchen
blutarm imd schwächlich 39 Prozent 55 Prozent
geistig schwach ... 4 „ 2 „
kurzsichtig 1 „ 0,3 „
Stammeln und Stottern . 10 „ 6 „
schwerhörig 0,3 „ 1 „
Das Vorgeführte genügt, um behaupten zu können, dafs der
Gesundheitszustand unserer Elementarschüler ein sehr ungünstiger ist.
n.
Wenn die Ungunst der Gesundheitsverhältnisse in andern
Schularztbezirken nicht ziffemmäfsig so sicher festgestellt werden
Der Gresundheitszustand d. Eleinentarscilüler i. d. Dresdner Volksschulen etc. 22 1
konnte wie im III. Bezirk, 8o hat dies — wie bereits bemerkt —
nicht darin seinen Grund, dafs es nichts festzustellen gäbe, sondern
es liegt dies an der eigentümlichen Gestaltui^ der Ermittelungs-
weise. LäTst man sich an den Beobachtungen der Direktoren und
Lehrer, die wir deshalb nicht unterschätzt wissen wollen, sowie an
einer beschränkten Untersuchung durch die Ärzte genügen, so werden
kaum 16 Prozent kranker Kinder ermittelt. Bei einer ausnahms-
losen Untersuchung seitens des Arztes nach vorhergegangener Be-
fragung der Eltern durch den Schuldirektor aber werden mindestens
37 Prozent kranker Kinder ermittelt. Im ersteren Falle bleibt eine
grofse Zahl Krankheiten, z. B. die vielen verschiedenen Hals-, Mund-
und Nasenleiden, unermittelt; die Behandlung der betreffenden Kinder
durch den Lehrer mufs eine falsche werden, was für Gemüt und
Charakter des Kindes geradezu die unheilvollsten Polgen nach sich
ziehen kann.
Der Dresdner Lehrerverein hat deshalb den Wunsch aus-
gesprochen, dafs die erste schulärztliche Untersuchung des körper-
lichen Zustandes der Kinder kurz nach Ostern, allgemein und nach,
einheitlichen Gesichtspunkten vorgenommen werden möchte. Weiter
ist gewünscht worden, dafe die oben erwähnte Beilage zum Auf-
nahmebogen mit dem Gesundheitszeugnis des Arztes für jedes Kind
durch die ganze Schulzeit hindurch gefülirt werde. Das schulärzt-
liche Zeugnis sollte das Kind auch bei einer etwaigen Ausschulung
wie das Entlassungszeugnis begleiten. Die Bemerkungen des Schul-
arztes gehören sodann schon um event. unbilliger Forderungen der
Schulaufsichtsbeamten willen behufs sofortiger Auskunfbserteilung
in die Versäumnis- und Zensurtabellen unter die Rubrik „Bemer-
kungen"; hier bilden sie den Kommentar zum Ausfall der Zensur,
dort die tägliche Mahnung an den Lehrer zur richtigen Behandlung
des Schülers und zur richtigen Beurteilung seines Verhaltens und
seiner Leistungen während des Unterrichts. Endlich darf nicht ver-
säumt werden, die Eltern von dem Ergebnis der schulärztlichen
Untersuchung in Kenntnis zu setzen, damit sie nötigenfalls für die
Herstellung der Gesundheit Sorge tragen.
Nun darf es aber bei der ersten schulärztlichen Untersuchung
keinesfalls bewenden. Der Zustand des Kindes kann sich bessern,
er kann sich auch verschlimmem; es können Krankheiten in der
Schule auch erworben werden. Das prüfende Auge des Arztes
soll daher auch auf den späteren Klassenstufen auf dem Kinde
ruhen, wo nach unseren Erfahrungen der Gesundheitszustand gesund
in die Schule eingetretener Kinder oftmals zurückgeht.
222
6. Schanze:
Wie nötig ein Verfolgen der Kinder durch den Schidorzt auf
höheren Elassenstufen ist^ sollen uns Tabelle VI und ein Beispiel
aus einer Y. Mädchenklasse zeigen.
Tabelle VI enthält die Zusammenstellung des schulärztlichen
Materials derjenigen Kinder aus dem III. Dresdner Schularztbezirk^
die Ostern 1900 aus der 8. in die 7. Klasse yersetzt worden waren,
582 Kinder kamen in Frage.
Tabelle VL
Das Ergebnis der schulärztlichen Untersuchung im ID. Schularzt-
bezirk aus dem Schuljahr 1899/1900 nach den noch in Klasse 7
Yorhandenen Zeugnissen.
1
2
3
4
6
6
7
8
9
10
11
12
13
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15
eBamtzahl der
Kinder
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582
234
40,20
62
88
33
12
26
12
18
12
16
14
16
9
47
4
16
383
10,66 16,12
6,66 2,06
4,29 2,06
3,09
2,06
2,67
2,40
2,74
1,64
8,07
0,68
2,74
%
%
%
%
%
%
/o
7o
%
%
%
%
%
%
%
Im Jahre 1897 fanden sich nach eigner sorgfaltiger Beobach-
tung (das Gehör wurde mit der Taschenuhr in der Hand geprüft)
in einer 5. Mädchenklasse unter 43 Schülerinnen 7 schwerhörige
(meist linksseitig) = 16,27 % und 13 kurzsichtige Kinder = 20,23%
Die Entscheidung der Frage, nach welchen Gesichtspunkten, die
aber möglichst einheitlich sein möchten, die erste, wie die folgenden
Untersuchungen vorgenommen werden sollen, steht wohl am besten
bei den Schulärzten selbst. Vorschläge hierzu finden sich neuer-
dings in der Nr. 38 der Leipziger Lehrerzeitung vom 10. Juli d. J.
unter „Neue Gesichtspunkte für die Untersuchung der neu in die
Schule eintretenden Kinder, von Justus Thiersch, Schularzt in Leipzig'^
(Abdruck aus der Zeitschrift für Schulgesundheitspflege.)
Weitere Wünsche — z. B. betreflFs der Versorgung chronisch
kranker Kinder, Einrichtung von Schulbädem — , die gleichfalls der
Dresdner Lehrerverein auszusprechen beschlossen hat, wollen wir
hier nicht wiederholen; wir verweisen in dieser Beziehung auf
unsem Artikel in der Leipziger Lehrerzeitung. Nur sei es noch
gestattet, die Frage aufzuwerfen, ob nicht von jenen 7 ohrenleidenden
Mädchen einer 5. Klasse eine Anzahl zu heilen gewesen wäre, wenn
beispielsweise die Bekämpfung der Ohreiterung und Zerstörung des
Der GeBnndheitszuBtand d. Elementarscliüler i. d. Dresdner Volksschulen etc. 223
Trommelfelles im zarteren Alter von 6 Jahren in Angriff genommen
worden wäre. Alte Schäden sind bekanntlich schwerer — wenn
überhaupt — zu heilen als Leiden jüngeren Datums.
Bedenken und Schwierigkeiten, die der Gestaltung der Schul-
arzt-Institution im angedeuteten Sinne zu "einer wirklich erst wohl-
thätigen Einrichtung entgegenstehen sollen, können nicht anerkannt
werden. Läfst sich's mit den gegenwärtig dafür ausgeworfenen
Mitteln nicht ausrichten, so müssen höhere Aufwendungen dafdr aus-
geworfen werden. Es liegt ein öffentliches Interesse vor. Vor allem
haben — wie bereits einleitend bemerkt wurde — Schule und
Pädagogik ein lebhaftes Interesse daran, die volle Wahrheit über
den Gesundheitszustand unserer Kleinen, in denen ja die Zukunft
ruht, zu erfahren, und Schule und Pädagogik werden ihrerseits die
«ich ei^ebenden Konsequenzen zu ziehen wissen.
Der Dresdner Lehrerverein erbittet Schulb&der.
Von OberbürgermeiBter Paul am Ende, Dresden.
unlängst hat ein Lehrer an der 10. Bezirksschule^ Herr Gustay
Schanze^ im Dresdner Lehrerverein einen sehr beachtenswerten Vor-
trag gehalten über ^,Die Gesundheitsyerhältnisse unserer
Elementarschüler und die Schularztfrage" (siehe den vor-
hergehenden Aufsatz dieses Heftes S. 213 ff.). Redner hatte das
Material aus sämtlichen Fragebogen der Dresdner Elementaristen
zusammengetragen^ nachdem ihm die Einsichtnahme gestattet worden
war. Die ärztliche Untersuchung der Kinder, die sich teilweise auf
die Beobachtungen des betreffenden Direktors oder Lehrers stützt,
war noch nicht in allen Schulen vorgenommen, auch nicht nach ein-
heitlichen Gesichtspunkten durchgeführt worden. Daher mufsten die
vom Redner gefundenen Prozentzahlen hinter der Wirklichkeit zu-
rückbleiben. Die festgestellten Krankheiten der Schüler xmd Schü-
lerinnen hatte Herr Schanze in die folgenden 15 Rubriken gebracht:
Blutarmut, Zahnkrankheiten, körperliche, geistige Schwäche, chro-
nische Krankheiten, vergröfserte Mandeln, vergröfserte Halslymph-
drüsen, Skrofulöse, Nervosität, Rhachitis, Augenkrankheiten, Ohren-
leiden, Stammeln, Stottern und sonstige Leiden und Gebrechen.
Das Krankheitsbild, welches Redner von unseren Kindern ent-
warf, ist geradezu ein erschreckendes. Nicht nur, dafs ein
grofser Teil der Schüler mit drei bis vier Krankheiten oftmals be-
haftet ist, die Zahl der Krankheiten also bei weitem die Anzahl
der Leidenden übersteigt, sondern auch, dafs gut die Hälfte der
Kinder, nicht, wie man gewöhnlich annimmt, ein Drittel, als anormal
bezeichnet werden mufs! Auffallend ist, dafs sich nicht etwa be-
sonders kranke oder besonders gesunde Schulen fanden, obschon die
Lage der einzelnen Stadtteile dies hätte vermuten lassen. Es schei-
nen somit in den verschiedenen Teilen Dresdens einander ähnliche
Verhältnisse vorzuliegen in Bezug auf Ernährung, Wohnung und
Pflege der Kinder, sowie hinsichtlich der Familienverhältnisse, in
denen sie aufwachsen. Wie aber kann ein krankes Kind den An-
Paul am Ende: Der Dresdner Lehferverein erbittet Schulbäder. 225
forderungen gerecht werden, die Unterrielit und Hausaufgaben stellen!
Herr Lehrer Schanze kam daher zu folgenden Leitsätzen:
1. Der Gesundheitszustand unserer Elementarschüler ist nach
den im Torigen Jahre stattgefimdenen Untersuchungen ein sehr un-
günstiger und yerlangt daher fortgesetzt die gröfste Aufinerksamkeit.
— 2. Es ist wünschenswert, dafs die erste schulärztKche Unter-
suchung des körperlichen Zustandes kurz nach Ostern und allgemein
nach einheitlichen Gesichtspunkten vorgenommen wird. Das Schul-
amt soll gebeten werden, zu veranlassen, dafs die Untersuchung
sämtlicher Elementarschüler für das laufende Jahr noch geschieht,
damit eine eigehende Statistik zum Besten der Schulgesundheits-
pflege aufgestellt werden kann. — 3. Es ist weiter zu wünschen,
dafs die Beilage zum Aufiiahmebogen, die das ärztliche Zeugnis ent-
halt, für jedes Eind durch die ganze Schulzeit geführt werde. —
4. Die mit chronischen Krankheiten behafteten Kinder sind im
Sommerhalbjahre so lange als nötig zum Gebrauche einer Kur zu
beurlauben. Bei gänzlicher Mittellosigkeit hat die Stadt für Unter-
bringung in eine Heilanstalt Sorge zu tragen. — 5. Die beiden
iN^achhilfeschtden für geistig schwache Kinder sind zu dezentralisieren.
Die Errichtung von Nachhilfeklassen für jede gröfsere Schulgruppe
ist ein dringendes Bedürfnis. — 6. Zur Förderung des gesund-
heitlichen Zustandes unserer Kinder empfiehlt sich die
Errichtung von Schulbädern.
Die Badegelegenheiten für die Bezirksschulkinder der Stadt
Dresden durch eigentliche Schulbäder zu ergänzen wurde zuerst
in der Monatsversammlung des ärztlichen Bezirksvereins Dresden-
Stadt vom 4. Dezember 1894 angeregt, und zwar auf Grund eines
Vortrags des Herrn Dr. med. Paul Seifert über Volks- und Schul-
brausebäder. Der einstimmig gefafste Beschlufs der Versammlung
lautete: „Der ärztliche Bezirksverein Dresden-Stadt hält die Ein-
führung nicht nur von Völksbädem, sondern auch von Schulbädern
für sehr wünschenswert und ersucht den Rat, in Volksschulen Schul-
bäder zu errichten." Mit Rücksicht auf die von der Stadt Dresden
bereits in Aussicht genommene Einrichtung von Schulbrausebädern,
welche zugleich zur Benutzung für die Schuljugend dienen sollten,
hielt man damals die Einrichtung besonderer Bäder für zur Zeit
noch nicht angezeigt. Der ärztliche Bezirksverein erneuerte aber
sein Gesuch unter dem 1. Februar 1898 an den Rat zu Dresden,
welcher nunmehr alsbald beschlofs, in der zunächst zu errichtenden
neuen Bezirksschule versuchsweise Brausebäder einzurichten. Eine
diesbezügliche Vorlage des Rates an die Stadtverordneten Dresdens
226 Pft^ am Ende:
ist aber in der Sitzung Yom 27. April 1899 mit allen gegen sechs
Stimmen abgelehnt und seit dieser Zeit meines Wissens nicht er-
neuert worden.
Aber was nützt es^ fär die Gesundheit der Gesamtheit zu sorgen^
so lange -der einzelne nicht dahin gelangt^ an eigener Person sein
Teil zum Ganzen beizutragen. Darin liegt ja neben dem direkt sani-
tären der ethische und erziehliche Charakter der ganzen Angelegen-
heit und giebt ihm weit über den nachstgelegenen Zweck hinaus eine
allgemeine Bedeutung.
Unsere Schulen sind den modernen Anforderungen entsprechend
ausgestattet und oft wahre hygienische Musteranstalten. Man sorgt
für geräumige und helle Zimmer^ für möglichst reine Luft in den-
selben durch Ventüationsanlagen, durch häufiges Reinigen der Zimmer,
durch Kleiderablegen aufserhalb der Kkssen, für reines Trinkwasser,
für Zentralheizung, Kanalisation u. s. w. Wenn man bedenkt, was
nach dieser Richtung geschehen ist, welche bedeutende Summen da-
für vom Staate und Ton den Gemeinden freudig geopfert werden,
so mufs man sich wundem, dafs die Frage der körperlichen Rei-
nigung der Schulkinder bisher verhältnismäfsig wenig Beachtung
gefunden hat. Und doch müssen wir uns sagen, dafs alle diese
schönen Einrichtungen und hygienischen Verbesserungen in den Schu-
len erst dann zur vollen Geltung gelangen können, wenn in die ge-
sunden Räume nicht mehr schmutzige Kinder mit allen möglichen
Infektionsstoffen am Körper und in den Kleidern hineinkommen. Die
Errichtung von Schtdbädem ist eine einfache Konsequenz der Volks-
bädereinrichtungen. Was für die Erwachsenen in dieser Frage gilt,
findet in noch höherem Grade Anwendung auf unser heranwachsendes
Geschlecht.
Wo Schulbrausebäder bestehen, w^ird nach den mir vor-
liegenden Nachrichten ihr überaus wohlthätiger Einfiufs gerühmt.
Die Kinder selbst baden so gerne, dafs die Drohung des einmaligen
Ausschlusses vom Bade sich bereits als wirksames pädagogisches
Zwangsmittel erweist.
Den gröfsten Nutzen hat das Schulbad in hygienischer
Beziehung gezeitigt, indem es den Gesundheitszustand der Schul-
jugend in vortrefflicher Weise forderte. Die wohlthätigen Wirkungen
des Badens zeigten sich an der frischeren und gesunderen Gesichts-
farbe der Kinder und traten auch bei dem nachfolgenden Unterricht
in hohem MaTse zu Tage. Auch auf die Eltern der Kinder ist in-
sofern eine günstige Wirkung zu konstatieren, als deren viele durch
das Baden der Kinder veranlafst werden, diesen bessere und saubere
Der Dresdner Lehrerverein erbittet Schulbäder. 227
Wäsche und Unterkleider mitzugeben, als bisher, um die Kinder vor
ihren Lehrern und Mitschülern und sich selbst nicht blofs zu stellen.
Dafs dies wiederum einen bemerkenswerten Einflufs auf die Oberr
kleidung . ausübt, ist nicht in Abrede zu stellen.
Seit dem Jahre 1888 sind Schulbäder und zwar fast ausschliefs-
lich bei Neubauten von einer stetig wachsenden Zahl gröfserer Schul-
gemeinden in Deutschland, Oesterreich, der Schweiz und Dänemark
eingerichtet worden. Nach den aus verschiedenen Orten, wie München,
Magdeburg, Erfurt, Prankfurt a. M., Leipzig, Chemnitz, Glauchau,
Plauen i. Vogtl., gegebenen amtlichen Berichten oder brieflichen Mit-
teilungen über mehrjährigen Schulbäderbetrieb ist man ausnahmslos
von den Versuchen befriedigt und läfst weiterhin neue Schulen mit
Bädem ausstatten.
Die Verbreitung und Anerkennung, welche die Schulbäder ge-
funden, beweisen zur Genüge, dafs diese Einrichtungen sich allmäh-
lich zum Heile unserer Schuljugend immer mehr einbürgern.
Li keiner Stadt ist man von der Schulbädereinrichtung wieder zurück-
gekommen. Anfangs, zur Zeit der ersten Versuche, wurden besonders
von Berlin, München und Leipzig aus eine Anzahl von Bedenken
gegen die Schulbäder geltend gemacht. Diese Bedenken sind nun-
mehr durch die in den Jahren gewonnenen Erfahrungen teils als
bedeutungslos erkannt, teils durch allerlei Verbesserungen der Ein-
richtung gehoben worden. —
Wer jemals Gelegenheit gehabt hat, ein Schulbad und dessen
Betrieb zu schauen, und weifs, welche trefflichen Einwirkungen eine
solche Wohlfahrtseinrichtung auf das gesundheitliche Gedeihen
eines Gemeinwesens, besonders seiner heranwachsenden Jugend, aus-
übt, wird den Wunsch in sich wachsen fühlen, so oft er daran
zurückdenkt, auch seiner Gemeinde eine solche Quelle der Kraft und
Gesundheit erschlossen zu sehen.
Die von mir im Vorjahre bearbeitete und herausgegebene kleine
Schrift*) über das Schulbad ist von mehr als 600 deutschen Ge-
meinden und Staatsbehörden bezogen worden. Auf Grund meiner
Ausführungen wurden eine Anzahl Schulbäder ins Leben gerufen.
Aus den vielen Zuschriften und Anfragen habe ich aber ersehen
können, wie lebhaft das Interesse in allen Teilen Deutschlands für
die Schulbäderfrage ist und welche Würdigung man dem Schulbade
angedeihen läfst. Das Kgl. Württembergische Staatsministerium ver-
*) am Ende, Das Brausebad in der Volksschule. 1900. — Kommissions-
verlag der Königl. Sachs. Hofbuchhandlung (H. Burdach) in Dresden.
228 V9»xA am Ende: Der Dresdner Lehrerverein erbittet Schulbäder.
anlafste die Yerteilimg meiner Schrift an die Oberschulbeliorden des
Landes; eine ähnliche Verfügung traf die Grofsherzoglich Olden-
burgische Regierung.
Der im Spätsommer des Jahres 1899 verstorbene Kgl. Bezirks-
schulinspektor in Dresden, Schulrat Eichenberg, hatte sich über
Schulbäder unter dem 2. November 1898 wie folgt geäufsert:
„1. Bei Einrichtung von Schulbädem wird ein besonderes Augen-
merk darauf zu richten sein, dafs durch ihre Benutzung der in
unseren Grofsstädten auch sonst häufig genug gestörte Schulunter-
richt möglichst wenig beeinträchtigt wird; denn wenn es auch kaum
möglich ist, die Badezeit ganz auTserhalb der Unterrichtszeit zu ver-
legen, so läfst sich doch in vielen Klassen die Einrichtung treffen,
dafs eine unterrichtsfreie Vor- und Nachmittagsstunde zum Baden
benutzt wird, jedenfalls ist aber während des Unterrichts in Reli-
gion, Deutsch und Rechnen von der Klasse das Brausebad nicht zu
benutzen.
2. Die Verbindung des Brausebades mit dem Bassinbade hat ja
unstreitig manches für sich, aber neben beträchtlich höheren Kosten
bedingt sie eine . längere Unterrichtsunterbrechung und ist auch in
sanitärer Beziehung nicht ganz unbedenklich, da die gleichzeitige
Benutzung einer stehenden Wassermenge durch eine gröfsere Anzahl
zum Teil kränklicher Kinder für die übrigen Ansteckungsgefahren
mit sich bringen kann."
Wer sich den Blick für Volkswohlfahrt durch nichts beengen
läfst, der wird die Einrichtung der Schulbäder segnen als das wirk-
samste Mittel, unser Volk wieder an das seit dem 30jährigen Kriege
fast verlernte Baden zu gewöhnen, ja, der wird das Baden in Schulen
um so freudiger begrüfsen, als es zunächst, dem Körper dienend,
ein gewichtiges Gegenmittel bildet gegen die überlastenden Anfor-
derungen an unsere Kinder auf geistigem Gebiete.
Die Ausführungen des Herrn Schanze im Dresdner Lehrer-
verein geben Veranlassung zu ernstem Nachdenken. Aufrichtiger
und freudiger Dank ist aber diesem Vereine zu zollen, dals er in
Förderung des gesundheitlichen Zustandes unserer Kinder die Er-
richtung von Schulbädem in Sachsens Residenzstadt empfiehlt und
damit eine wichtige Frage von neuem anregt. Möge dieses Vor-
gehen von bestem Erfolge begleitet sein zum Wohle unserer Schul-
jugend, zur Gesundung und Kräftigung des Volkes I.
Fünfter Deutscher Kongrefs für Volks- und Jugendspiele.
Von Dr. med. J. Steinhardt, Kinderarzt und städt. Schularzt in Nürnberg,
Am 7. und 8. Juli d. J. tagte in Nürnberg der V. Kongrefs
zur Förderung der Volks- und Jugendspiele in Deutschland. Die
stattliche Zahl von 370 Teilnehmern, welche die Präsenzliste auf-
wies, ist ein deutlicher Beweis für das Interesse, welches man allent-
halben den Bestrebungen des Kongresses entgegenbringt; das Gleiche
lehrte auch die Zusammensetzung der Versammlung, indem staat-
liche und städtische Beamte, Arzte, Offiziere, Lehrer, Privatleute,
sogar auch einzelne Damen den Sitzungen beiwohnten. Der Geist
der Verhandlungen, sowohl bei den Vortragenden wie bei den Dis-
kussionsrednern, war getragen von der Erkenntnis, dafs der Zentral-
ausschufs für Volks- und Jugendspiele, an der Spitze der hochver-
diente Freiherr von Schenckendorff, mit Stolz auf die Erfolge
zurückblicken kaim, welche er in zehnjähriger Arbeit erreicht hat,
dafs er aber trotzdem keineswegs stillstehen will oder stillstehen
darf, da es noch gar vieles zu thun giebt, selbst heute, wo, wie der
Vorsitzende ausführte, fast 4000 Lehrer und 2000 Lehrerinnen nach
den Absichten des Zentralausschusses als Spielleiter ausgebildet sind,
und die Fläche der Spielplätze nach privater Schätzung 18 Millionen
Quadratmeter beträgt.
Die Sitzungen Wurden erÖffiiet und weiterhin geleitet von Frei-
herm von Schenckendorff. Nach der üblichen Begrüfsung der
Vertreter verschiedener Behörden ging er sofort auf seinen angekün-
digten Vortrag: „Zehn Jahre unserer Arbeit'^ über und führte
etwa folgendes aus:
Es unterliegt keinem Zweifel, dafs mit der Zunahme der Kultur
die Erhaltung der körperlichen Kräfte, von deren Rüstigkeit meist
auch die geistige Leistungsfähigkeit abhängt, schwieriger geworden
ist. Dies haben schon vor 100 Jahren Gutsmuts und Jahn erkannt
und geregelte körperliche Übungen zum Ausgleich jener kulturelleil
Schäden für nötig gehalten und gefördert. Der deutschen Turner-
schaft gebührt das Verdienst, die Ideen jener Männer verbreitet und
Gesunde Jugend. I. 5. 16
230 j. Steinhardt:
weiter entwickelt zu haben. In diesen Bestrebungen trat aber seit
den siebziger Jahren eine einseitige Bevorzugung der Geratübungen
beim Turnen ein; und das führte gelegentlich des bekannten
preufsischen Ministerialerlasses im Jahre 1891 zur Bildung des
Zentralausschusses für Volks- und Jugendspiele^ dessen Ziel es ist^
die Leibesübungen mehr ins Freie zu yerlegen und die Spiele als
Ergänzung des Turnens zu fördern, wobei natürlich auch dem
Schwimmen, Rudern, Radfahren, Eislauf u. s. w. die gebührende Be-
deutung zuerkannt wird. Die Öffentlichkeit suchte man durch Ver-
sammlungen und Schriften verschiedener Art, durch Aufstellen von
Spielregeln und Ausbildung besonderer LehrkriLfte (s. o.) von der
Notwendigkeit der körperlichen Übungen und Spiele zu überzeugen
und für die angegebenen Ziele zu gewixmen; ebenso bemühte sich
der Zentralausschufs, durch Anregung bei den Behörden zu wirken,
und fand reiche Unterstützug. Aber die Bewegung steht erst in
ihren Anfangsstadien, und es giebt noch manches Hindernis zu be-
seitigen. Denn weite Kreise verschliefsen sich der Einsicht, dafs die
Spiele wesentlich mit zur Gesundung und Entwicklung des Geistes
beitragen und eine nicht zu vernachlässigende Vorbedingung für
eine harmonische Entwicklung des Geistes und Körpers bilden; auch
halten sich die gebildeten Kreise vielfach gesundheitfordemden Be-
strebungen fern. Der Zentralausschufs ist deshalb u. a. an die
studierende Jugend herangetreten, neuerdings sogar mit bestem Er-
folg, und hat einen neuen „Ratgeber" an Studierende und Pro-
fessoren gesandt. Femer ist ein Wehrausschufs gebildet worden,
der nicht der militärischen Ausbildung vorgreifen, sondern diejenigen
Anlagen und Kräfte besonders pflegen und entwickeln helfen will,
welche für den Heeresdienst erforderlich sind. Auch der Pflege des
Volksliedes wird Aufmerksamkeit gewidmet. „Lassen Sie uns alle,"
schlofs Redner unter dem Beifall der Versammlung, „die wir das
Ziel der Volksverjüngung und Volksgesundung im Auge haben, treu
zusammenhalten zur Gröfse und zum Ruhm des Vaterlandes."
Es folgten die Erwiderungen der verschiedenen Regierungs-
vertreter, sowie des I. Bürgermeisters der Stadt Nürnberg, welche
alle ihre, bezw. ihrer vorgesetzten Stellen Sympathieen für die Be-
strebungen des Kongresses zum Ausdruck brachten.
Alsdann sprach Hofrat Dr. med. Stich-Nürnberg über „Wert
und Bedeutung der Leibesübungen". Er wies in längerem,
eingehendem Vortrag darauf hin, dafs die obligatorischen zwei Turn-
stunden wöchentlich noch lange nicht genügten, um die schädlichen
Einwirkungen der Schule auf den jugendlichen Körper zu paralysieren,
Fünfter Deutscher Kongrefs für Volks- und Jugendspiele. 231
und es sei ein bedenkliches Mifsverhältnis; wenn unsere Schüler
wöchentlich 50 Stunden geistig und nur 2 Stunden körperlich zu
arbeiten hätten. Die Folgen einer solch einseitigen Ausbildung, die
zu einer Reihe der sog. Schulkrankheiten führe, müfsten beseitigt
werden; dazu genüge aber das Turnen allein nicht, es müfsten viel-
mehr noch Schwimmen, Eislauf, Radfahren und die obligatorischen
Spiele hinzukommen — nicht blofs für Knaben, sondern auch für
Mädchen. Der Einwand, dafs Zeit, Lehrkräfte und Plätze für die
Jugendspiele mangeln, sei nicht stichhaltig: bei gutem Willen der
malisgebenden Stellen könnten die nötigen Mittel leicht beschafft
werden. In Nürnberg z. B. bestehen jetzt 9 Spielplätze, auf denen
'gleichzeitig 1000 Schüler spielen können, und es sei begründete
Aussicht vorhanden, dafs die Zahl der Spielplätze demnächst bedeu-
tend vermehrt werde. Das aufgewendete Kapital sei sicherlich nicht
als wertlos zu betrachten.
Auch der nächste Redner, Dr. med. Schmidt-Bonn, welcher
die Frage behandelte: „Inwiefern tragen die Bewegungsspiele
zur Bekämpfung der Volkskrankheiten, vornehmlich der
Tuberkulose, bei?", spricht sich für die obligatorische Ein-
führung der Jugendspiele in die Schule aus. Vortragender erörtert
die Verbreitung der Tuberkulose, wobei er erwähnt, dafs stets gegen
226000 Personen in Deutschland gerade im arbeitsfähigen Alter
von dieser Krankheit befallen sind, geht kurz auf die verschiedenen
Mafsnahmen ein, welche zur Bekämpfung der Tuberkulose empfohlen
worden sind, und verlangt als prophylaktisches Mittel, welches die
Entstehung der Volkskrankheiten verhüten soll, neben vernünftiger
Ernährung, Körperpflege und Wohnungshygiene vor allem energische
Förderung der Leibesübungen und Jugendspiele. Er fühi*t aus, dafs
die Kräftigung der Muskulatur und des Knochengerüstes von körper-
lichen Übungen abhängig sei und für die Verhütung der Lungen-
tuberkulose grofse Bedeutung habe. Wichtig seien möglichst tiefe
Atembewegungeu, wie sie besonders durch Streckübungen gefördert
werden; durch die Spiele werde auch die Zirkulation und die Neu-
bildung des Blutes günstig beeinflufst infolge der Einwirkung des
Tageslichtes und des Einatmens frischer Luft, lauter Momente, welche
geeignet sind, eine gesunde Entwicklung des Körpers zu begünstigen
und widerstandsfähige Gesundheit zu erhalten. Aber nicht blofs für
die Mittelschulen, sondern auch für die aus der Volksschule ent-
lassenen Knaben sei das Jugendspiel zu fordern; und wenn es zur
Einführung der obligatorischen Fortbildungsschule komme, möge
man ihr zui-ufen: Gebt der Jugend auch Gelegenheit zur obliga-
16*
232 J. Steinhardt:
torischen Ausbildung der Kräfte gleichwie der gleichalterigen Jugend
der Mittelschulen!
Damit waren die Yerhandlungsgegenstände des ersten Tages
erschöpft und es folgten Nachmittags Tum- und Spielvorfährungen,
von welchen weiter unten die Rede sein wird.
Die Sitzungen des zweiten Kongrefstages^ an welchem sämtliche
Nürnberger Schulen geschlossen waren, um den Lehrern die Teil-
nahme an den Verhandlungen zu ermöglichen, wurden eingeleitet
durch einen Vortrag des Tuminspektors Hermann-Braunschweig:
„Sind die Bewegungspiele der Mädchen künftig noch ent-
schiedener zu fördern, und nach welchen Grundsätzen sind
sie zu leiten?*' Redner, der seit 40 Jahren Unterricht in Mädchen-
schulen erteilt, hat oft eine durch Leiden verschiedener Art bedingte
Hinfälligkeit bei den Mädchen bemerkt; aber nicht in der Natur der
Frau liege die minderwertige Entwickelung begründet, sondern in
der falschen Erziehung. Zu einer besseren Erziehung gehöre passende
Ernährung, ausgiebige Körperübungen, besonders Bewegungsspiele,
und ein richtiger Ausgleich zwischen Geistes- und Körperarbeit und
Ruhe. Allein darin fehle es noch sehr, zumal die Schulbehörden
die Verpflichtung der Mädchen, an den Spielen teilnehmen zu
müssen, noch nicht angeordnet haben. Die Spiele in den Mädchen-
schulen haben sich bisher unverhältnismäfsig gering entwickelt, und
das sei der Grund, warum der Zentralausschufs immer wieder anf
eine energische Förderung der Spiele bei den Mädchen hinarbeiten
müsse. Thatsächlich ist schon 1894 auf dem Kongrefs in Berlin
und 1899 in Königsberg dieser Punkt eingehend erörtert worden.
Vortragender rückt dann der unzweckmäfsigen Frauenkleidung, be-
sonders dem Korsett, energisch zu Leibe und wünscht, dafs die
moderne Frauenbewegung ihr Augenmerk einmal auf die Beseitigung
dieser Übelstände richten solle; es sei selbstverständlich, dafs an
Turnspielen die Mädchen nur in natürlicher, ungezwungener Klei-
dung teilnehmen sollen. Schliefslich werden die Grundsätze ent-
wickelt, welche den Mädchenspielen, namentlich hinsichtlich des
Betriebes und der Anordnung, zu Grunde zu legen sind, und die
Forderung aufgestellt, so viel als nur irgendwie möglich im Freien
zu turnen.
An der lebhaften Diskussion, die sich hieran schlofs, beteiligte
sich u. a. auch die bekannte Frauenrechtlerin Frau Helene
von Förster-Nürnberg. Sie betonte, dafs sie alles gut heifse, was
der Redner über die körperliche Ausbildung der Frauen gesagt
habe, und verwies auf die Thätigkeit der Frauenvereine, welche
Fünfter Deutscher Eongrefs für Volks- und Jugendspiele. 233
gleichfalls die körperlichen Übungen der Mädchen wünschen, und
wiederholt in diesem Sinne an die Parlamente petitioniert haben,
leider nicht immer mit dem gewünschten Erfolg; die Bestrebungen
für vernünftige Reformkleidung, namentlich bezüglich AbschaflPung
des Korsetts, fänden immer mehr Anklang, wenigstens könne man
auf Frauenkongressen bemerken, dafs die Mehrzahl der Teil-
nehmerinnen Reformkleider tragen.
Es folgt det angekündigte Vortrag des Stadtschulrats Platen-
Magdeburg über den Satz: „Was kann auch der Zentralaus-
schufs für Volks- und Jugendspiele zur Fürsorge für die
schulentlassene Jugend thun?" Unter warmer Anerkennung
der Erfolge, welche der Zentralausschufs in den zehn Jahren seines
Bestehens erzielt hat, wünscht Redner, dafs sich das Interesse des-
selben nunmehr auch der körperlichen Weiterentwickelung der
schulentlassenen Jugend zuwenden möge, in ähnlicher Weise, wie
Fortbildungsschulen, kirchliche und andere Vereine, das preufsische
Fürsorgegesetz in geistiger und sittlicher Hiasicht wirken. Wenn
derartige Spieleinrichtungen bisher nur wenig Verbreitung gefunden
haben, so liege das nur in der fehlenden Anregung; denn die Be-
dingungen seien überall in gleicher Weise vorhanden. Arbeitgeber,
Gewerbetreibende, Gemeinden, Fortbildungsschulen, die gesamte
Lehrerschaft haben das gröfste Interesse an einer tüchtigen, körper-
lich kräftigen Jugend. Es wäre vielleicht rätlich, Deutschland in
Bezirke einzuteilen und einen nach dem anderen vorzunehmen.
Wenn von der autoritativen Stelle des Zentralausschusses ent-
sprechende Anregungen kommen, so sei der Erfolg schon im vor-
aus sicherer, als wenn sie von einer Stadt selbst ausgingen, wo doch
Eifersüchteleien und kleinliche Rücksichten bestehen. Aber man
dürfe nicht dem Zentralausschufs alles aufbürden, sondern jeder, der
es mit der Jugend gut meine, habe die Pflicht mitzuhelfen.
Den letzten Vortrag hielt Dr. Koch-Blankenburg a. H.: „Über
die Notwendigkeit der weiteren Schaffung von Spiel-
plätzen in Deutschland, und welche Anforderungen sind
an dieselben zu stellen?" Obwohl sich die Gesamtzahl aller
Spielplätze im letzten Jahrzehnt bedeutend vermehrt hat, haben
doch, wie eine Umfrage ergeben hat, von 800 Städten 350 noch
keinen Spielplatz; namentlich die norddeutschen Grofsstädte sind im
Spielleben weit zurück. Wo Mangel der nötigen Bodenfläche be-
steht, soll man Waldspielplätze errichten; auch die Schulhöfe sind,
trotz mancher ihnen anhaftenden Mängel, zu benützen, wenn andere
Plätze nicht zur Verfügung stehen. Wichtig ist eine Spielinspektion,
234 J. Steinhardt:
eine Oberleitung, die in keiner Stadt fehlen sollte. Zur Bestreitung
der Kosten, die der Stadtsäckel nicht allein tragen kann, möge man
die reich gewordene Industrie heranziehen. Einen Beweis, wie ge-
sundheitsfördernd die Spiele wirken, liefert die Thatsache, dafs in
englischen Städten, wo die Bevölkerung wirklich spielt, die Tuber-
kulose intensiv und extensiv zurückgegangen ist.
Im Anschlufs daran berichtet noch Oberlehrer Dr. Witte-
Blankenburg über Gröfse, Lage und Beschaffenheit der Spielplätze:
Nur grofse Plätze sind wirklich von gutem Einflufs. Auf 1 Hektar
können mit Pufsball 50, mit Schlagball 150 Jungen zugleich be-
schäftigt werden, im Winter 250 Schüler. In einer Stadt von
100000 Einwohnern müfsten also 16 Hektar Spielplätze hergestellt
werden. So schön es ist, wenn Anlagen herum sind, so unbedingt
zu verwerfen sind alle Anlagen auf dem Spielplatz selbst. Was den
Boden betrifft, so hat die Praxis gezeigt, dafs Rasenplätze unbedingt
das Beste seien.
Nach einer ziemlich lebhaften Diskussion über die beiden letzten
Vorträge schlofs der Vorsitzende den Kongrefs, wobei er unter den
üblichen Danksagungen der Hoffiiung Ausdruck gab, dafs die ge-
gebenen Anregungen die in schöner Entwicklung befindliche Spiel-
bewegung weiter fordern mögen.
Es erübrigt noch, ein Wort zu sprechen über die Spielvor-
führungen in den Nachmittagsstunden der Versammlungstage.
Sonntag (7. Juli) führten auf der Deutschhermwiese 500 Turner,
welche sich aus 24 Nürnberger Turnvereinen zusammensetzten, unter
Leitung des Gymnasialturnlehrers imd Gautumwarts Günzler sehr
gut klappende Freiübungen auf. Daran schlofs sich ein Riegentumen
an über 50 Geräten, bei welchem man manche ganz hervorragende
Leistung bewundem konnte. Es folgten dann Spiele in 46 verschie-
denen Abteilungen und unter Beteiligung von Männer-, Frauen-,
Knaben- und Mädchenriegen. Zum Schlufs kam noch ein Stafetten-
wettlauf auf 800 Meter Gesamtentfemung und je 100 Meter Ent-
fernung zwischen den einzelnen Läufern, sowie Seilziehen zwischen
verschiedenen Männertumvereinen.
Am Montag (8. Juli) traten auf dem geradezu idealen, grofsen
städtischen Spielplatz an der Johannisbrücke je 67 Mädchen- und
Knabenklassen der Volksschulen, 23 Klassen von den höheren
Mädchenschulen, 21 Klassen von den Mittelschulen, sowie der Turn-
lehrer- und Tumlehrerinnen-Verein, im ganzen etwa 7000 Teil-
nehmer zur Vorführung von Jugendspielen an. Es giebt wohl kaum
ein Spiel, das hier nicht zu sehen gewesen wäre, und man hatte
Fünfter Deutscher KoDgrefs für Volks- und Jugendspiele. 235
reichlich Gelegenheit, sich von dem belebenden Einflufs zu über-
zeugen, welchen das Jugendspiel auf Körper und Geist ausübt.
Die üblichen geselligen Veranstaltungen füllten die Mittags- und
Abendstunden des Kongresses aus, mit welchem auch eine kleine
Ausstellung von Spielbüchem und Spielgeräten verbanden war.*)
*) Da Ref. aus bemfliclien Gründen nicht allen Verhandlungen hatte
beiwohnen können, ein offizielles Prefsbureau des Kongresses aber nicht be-
steht, 80 mufste bei Anfertigung des vorliegenden Berichtes mehrfach auf
andere bereits erschienene Referate zurückgegriffen werden.
Leipzig, im Juli 1901.
Auf der Aachener Versammlung wurde nachstehende Petition
beschlossen.
Petition
des
Allgemeinen Dentschen Vereins für Schnlgesundheitspflege an das
Eaiserl. Staatsministerinm von Elsars-Lothringen, .
betreffend die Einführung von Realgymnasien in den
ßeichslanden und die Erleichterung der Reifeprüfung an
dortigen höheren Lehranstalten.
Im Hinblick auf die erfolgte Neuerung des Berechtigungswesens
der höheren Lehranstalten und in Anbetracht dessen, dafs die
Arbeitsverteilung des Lehrstoffes auf mehrere höhere Schulen ohne
Einschränkung des Berechtigungswesens von Seiten der Hygiene
dringend zu befürworten ist, bittet der Allgemeine Deutsche Verein
für Schulgesundheitspflege:
Die Einführung von Realgymnasien in Elsafs-Lothringen, dem
einzigen deutschen Lande, in welchem sie nicht bestehen, veranlassen
zu wollen.
Li Anbetracht dessen, dafs in Preufsen und in anderen Bundes-
staaten weitgehende Erleichterungen bei der Abiturientenprüfung
vorgesehen sind, die darin bestehen, dafs die Prüflinge bei zufrieden-
stellenden Leistungen in der Klasse und in den schriftlichen Prü-
fungsarbeiten vom mündlichen Examen befreit werden, und in An-
betracht dessen, dafs dieser Modus wesentlich zur Erholung der
durch die Vorbereitungen zur Prüfung und durch die Anfertigung
der schriftlichen Aufgaben ermüdeten Schüler beiträgt, glaubt der
Allgemeine Deutsche Verein für Schulgesundheitspflege seiner Über-
zeugung dahin Ausdruck geben zu sollen, dafs es durchaus den
Rücksichten der Billigkeit entsprechen würde, wenn das Abiturienten-
examen auch in den Reichslanden im Sinne der preufsischen Vor-
schriften geregelt würde.
Mit Ehrerbietung
Der Vorstand des Allgemeinen Deutschen Vereins
für Schulgesundheitspflege,
gez. Griesbach, Schotten, Eulenburg, Hertzog, Pabst, Korman.
Wünsche, betreffend die Einfiilirnng von Realgymnasien
in Elsafs -Lothringen.
Am 17. Juli fend in Mülhailsen im hinteren Bathaussaale unter
dem Vorsitze des Herrn Stadtrats Louis Schwartz eine von etwa
40 — 50 Familienvätern, Fabrikanten, Kaufleuten, Offizieren Rechts-
anwäiten, Ärzten, Professoren, Lehrern u. a. besuchte Versamm-
lung statt, die sich mit der Einführung des Lehrpläns des
Realgymnasiums in Parallelklassen des Gymnasiums von
der Untertertia ab bis zur Oberprima beschäftigte. Der
Vorsitzende eröffnete die Sitzung, dankte den Anwesenden für ihr
Erscheinen, setzte kurz den Zweck der Versammlung auseinander
und erteilte Herrn Dr. Kaufmann das Wort. Dieser legte eingehend
den Stand des Gymnasiums, der Oberrealschule und des Realgym-
nasiums dar. Letztere Lehranstalten wurden 1883 im Reichsland
aufgehoben, wären aber gerade für unsere Verhältnisse nötig.. Gym-
nasium und Oberrealschule' seien überlaufen und die Errich-
tung eines Realgymnasiums, d. h. in dem geforderten Mafsstabe, wäre
ein Mittel, sie zu entlasten. Viele junge Leute besuchten das Gym-
nasium nur, um den Schein zum einjährigen Dienst zu erhalten.
Für diese sei das Griechische durchaus unnütz; not thäte dagegen
die Kenntnis des Französischen und Englischen. Redner ersuchte
dann die Anwesenden, die an die Regierung zu sendende Petition
zu unterschreiben und für dieselbe Propaganda zu machen. Was es
in anderen Bundesstaaten gebe, sollte Elsafs-Löthringen auch haben.
(BeifaU.)
Herr Prof. Dr. med. u. ph. Griesbach beleuchtete die Sache vom
hygienischen Standpunkte. Er teilte auch mit, dafs der Allgemeine
Deutsche Verein für Schulgesundheitspflege eine Petition an die elsafs-
lothringische Landesregierung gerichtet habe, worin er dasselbe er-
bitte, was in dem vorliegenden Gesuch gefordert werde. — Seitens des
Herrn Professors Dr. Faber wnrde geäufsert, dafs jeder Vater seinem
Sohne etue bessere soziale Stellung zu verschaffen suche und ihn
in die höhere Schule schicke. So käme der Zudrang zur Oberrealr
238 Wünsche, betr. die EinfQhrong von Realgymnasien in ElsaTs-Lotlmngen.
schule von unten herauf. Notwendig wäre die Errichtung
einer zweiten Realschule. Hierauf verlas Herr Professor Kauf-
mann, da niemand mehr das Wort verlangte, das an die Regierung
abzusendende Gesuch, dasselbe lautet:
„An das kaiserliche Ministerium des Innern, AbteUung für Unter-
richt. StraTsburg.
Die unterzeichneten Bürger von Mülhausen und insbesondere
Väter von Söhnen, welche die unteren Klassen des hiesigen Gym-
nasiums besuchen, richten an das kaiserliche Ministerium des Innern,
Abteilung für Unterricht, das Gesuch: Im kommenden Schuljahr
neben der Untertertia des Gymnasiums eine zweite Untertertia mit
dem Lehrplan des Realgymnasiums errichten und in jedem folgenden
Jahre bis zur Oberprima weiter führen zu wollen.
Die Gründe, von denen die Unterzeichneten sich dabei leiten
lassen, sind folgende:
1. Der zuständige Ausschufs des Bundesrates hat im Mai d. J.
die Abiturienten des Realgymnasiums zum Studium der Medizin und
zur Erwerbung der ärztlichen Approbation ohne Vorbehalt berechtigt.
2. Eine ähnliche Entscheidung ist für das Studium der Juris-
pmdenz in naher Zukunft zu erwarten.
3. In PreuTsen und anderen deutschen Bundesstaaten ist auch
das Studium der Philosophie den Abiturienten des Realgymnasiums
geöffnet.
4. In ganz Elsafs-Lothringen giebt es zur Zeit kein Realgym-
nasium, die Bürger dieses Landes sind daher, imd zwar als die ein-
zigen im ganzen Reiche, von den Vorteilen der Entscheidimg des
Bundesrates so gut wie ausgeschlossen.
5. In der Errichtung eines Realgymnasiums erblicken die Unter-
zeichneten das beste Mittel zur Entlastung der seit langem über-
füllten hiesigen Oberrealschule, zugleich aber auch des Gymnasiums,
von solchen Schülern, die dort nichts suchen als die Berechtigung
zum Einjährigen-Schein.*)
6. Da die Teilung der Untertertia und meistens auch der Ober-
tertia in je zwei Abteilungen bereits seit langem hier vorgenommen
wird, so kann es wenigstens für die nächsten Jahre an den nötigen
Lehrkräften für das von uns Vorgeschlagene nicht fehlen. In dem
Umstand endlich, dafs später die Anstellung eines oder zweier Lehrer
*) Anmerkung der Redaktion, um die höheren Lehranstalten von solchen
Elementen zu befreien, die nur den Einjährigen-Schein erwerben wollen, wäre
eine siebenklassige Realschule oder eine Bürgerschule mit der hierauf bezüg-
lichen Berechtigung am Platze.
Wünsche, betr. die Einführung von Realgymnasien in Elsafs-Lothringen. 239
für die neuen Sprachen oder die naturwissenschaftlichen Fächer nötig
werden dürfte, können die Unterzeichneten keinen genügenden Grund
erblicken, die von ihnen — besonders auch mit Rücksicht auf die
örtlichen Verhältnisse — als dringend notwendig erkannte Reform
zu verweigern oder hinauszuschieben."
Die Anwesenden erklärten sich damit einverstanden und unter-
schrieben das Gesuch. Dem Gemeinderat wurde eine Abschrift des
Gesuches zugestellt, damit derselbe es unterstütze.
Besprechungen.
Schiefferdecker^ Paul^ Professor an der Universität Bonn: Indikationen
und Eontraindikationen des Badfahrens. Leipzig, Verlag yon
S. Hirzel, 1901. (83 Seiten.) Preis: 1,20 M.
Die Ausführungen des Verf. sind filr den Arzt bestimmt und geben
einen Überblick über die gesamte bisher erschienene medizinische Litte-
ratur über das Eadfahren. Aus den Abschnitten, die das Badfahren
jugendlicher Personen berühren, sei hier kurz das wesentliche mitgeteilt:
Die Übersetzung ist bei Kindern zwischen 50 und 60, später zwischen
60 und 70 zu wählen. Tagesleistungen von 40 — 50 km sind vollkommen
genügend, eventuell schon mehr als genügend. Vor Übertreibung ist
sehr zu warnen. „Wer nach vollendeter Tour ordentlich essen kann, sich
allgemein wohlfühlt, kein unmittelbares Schlafbedürfnis zeigt und die
folgende Nacht hindurch gut, ohne unruhige Träume schläft, der hat
sich nicht übernommen, gleichgiltig, wie grofs die Tour war." (Alt-
schul.) Man soll gerade auf dem Ead sitzen und mit beiden Händen
die Lenkstange halten; sonst können Verkrümmungen der Wirbelsäule
herbeigeführt, resp. bereits bestehende Verkrümmungen verschlimmert
werden. Durch das beim Radfahren nötige tiefe Atemholen wird der
Brustkorb sich besser entwickeln. Die Sattelhöhe mufs sorgfältig aus-
probiert werden, um eine Schädigung der noch nicht vollkommen ent-
wickelten Gelenke der Kinder zu vermeiden. Der Radfahrer darf nur
durch die Nase atmen; genügt die Nasenatmung nicht, so ist das ge-
wöhnlich ein Zeichen für eine vorhandene Nasenkrankheit, die ärztlicher
Behandlung bedarf. Damian warnt davor, jugendliche weibliche Lidi-
viduen von 11 — 16 Jahren fahren zu lassen wegen Gefahr der Blut-
kongestion zu den Geschlechtsteilen. Verfasser teilt diese Befürchtung
nicht, sondern nimmt im Gegenteil an, „dafs durch das Radfahren das
Blut von den Geschlechtsteilen nach den Beinen hin abgeleitet wird.
Diese Ableitung wird femer nicht nur während des Fahrens wirken,
sondern auch sonst, da die Beinmuskulatur sich stärker entwickelt und
somit dauernd mehr Blut brauchen wird. Aber auch die Gesamtmusku-
latur wird zunehmen und bei häufigem Radfahren eben auch weit stärker
arbeiten, als es sonst namentlich bei Mädchen der Fall sein würde Nun
ist aber die Entwickelung der Geschlechtsorgane bekanntlich als eine
Art von Luxusproduktion aufzufassen, welche erst eintritt, wenn der
übrige Körper eine solche Entwickelung erreicht hat, dafs er die zu-
geführte Nahrung nicht mehr in so grofser Menge verbraucht. Auf die
stärkeren Anforderungen, die der übrige Körper stellt, ist ja wahrschein-
Besprecliungen . 24 1
lieh doch auch die spätere Entwickelung der auf dem Lande lebenden
Mädchen zu einem wesentlichen Teile wenigstens zurücli zuführen. Durch
das Radfahren werden also für die Stadtbewohnerin wenigstens in ge-
wissem Mafse ähnliche Verhältnisse geschaffen wie für die Landbewohnerin,
so dafs eher eine Verzögerung des Eintritts der Menstruation wahrschein-
lich wird. Meiner Meinung nach würde also das Radfahren gerade bei
Mädchen im herannahenden Pubertätsalter, also vielleicht vom 12. Jahre
an, zu empfehlen sein, um den Eintritt der Menstruation möglichst
hinauszuschieben." Für die Militärfahrer ist während der Lernzeit vor-
geschrieben, dafs regelmäfsige Untersuchungen des Herzens vorgenommen
werden sollen; das gleiche ist bei Kindern zu verlangen, wie denn über-
haupt kein Kind sich dem Radfahren widmen dürfte ohne vorausgegangene
gründliche ärztliche Prüfung. Eduard Hefs (Stephansfeld i. E.).
Baer^ A,, Dr., Geh. Sanitäts-Rat in Berlin: Der Selbstmord im kind-
lichen Lebensalter. Eine sozial - hygienische Studie. Leipzig,
Georg Thieme, 1901. (84 Seiten.) Preis: 2 M.
Unter Kinderselbstmord versteht B. den Selbstmord, der im Lebens-
alter bis unter 15 Jahren ausgeführt wird. Die Anzahl der Kinder-
selbstmorde ist in einer ansteigenden Progression begriffen und zwar un-
abhängig von der Selbstmordfrequenz der Erwachsenen. Ausführliche
statistische Beläge. Verf. beschreibt kurz 25 Fälle von Kinderselbst-
mord in Berlin und Umgebung aus den letzten Jahren. Ungemein
schwierig und unsicher sind die Urteile und selbst auch nur die Ver-
mutungen über die Deutung des Selbstmordmotivs. Die lückenhaften
Kenntnisse über die Eigenschaften und Beschaffenheit der Eltern und
Verwandten, über das* Vorleben, die Entwicklung und Eigenschaften
des kindlichen Selbstmörders selbst machen die Schlüsse, die wir aus
dem mangelhaften Material ziehen wollen, unzuverlässig und zweifelhaft.
Der Umstand, dafs sehr viele Eigenheiten und Eigenschaften des Kindes,
die schon aufserhalb der Grenzen des geistig Gesunden liegen, von vielen
gar nicht beachtet, von anderen nicht richtig gewürdigt und nicht ver-
standen werden, bringt es zuwege, dafs der Selbstmord bei solchen Kin-
dern ebenso rätselhaft und unerklärlich gefunden als unrichtig gedeutet
wird. Ein grofser Teil der Selbstmorde im kindlichen Lebensalter wird
vollzogen von Kindern, die psychisch krank oder mindestens zu psy-
chischen Krankheiten disponiert sind. Der gröfsere Teil der Selbstmorde
bei Kindern wird jedoch durch die sozialen Verhältnisse, in denen die
Kinder aufwachsen und sich entwickeln, bedingt und wesentlich auch
durch Fehler der Erziehung mit verursacht. Den Einflüssen der Familie
und Schule ist die Schuld an dieser trübseligen Erscheinung des modernen
Kulturlebens zuzuschreiben und hauptsächlich dem Umstände, dafs in
allen Klassen der Gesellschaft den Kindern durch die Erziehungsmethode
eine zu einseitige Verstandesbildung gewährt und sie zu einer Frühreife
ausgebildet werden, welche ihnen zur Ursache vielen Übels wird. Die
Frühreife des modernen Kindes ist auch mit daran schuld, dafs die Zahl
der jugendlichen Verbrecher in allen Kulturstaaten eine so bedenkliche
Höhe erreicht. Man hat geglaubt, dafs die Kinderselbstmorde in Gegenden
242 Besprechungen.
mit ausgedehnter Industrie und in- den St&dten häufiger Torkommen und
hier auch mehr zunehmen als in landwirtschaftlichen Bezirkmk und auf
dem flachen Lande; dies stimmt jedoch nicht. In Preufsen hat xwar
die meisten Kinderselbstmorde die ungemein, industriereiche Provinz
Sachsen, die wenigsten die industriearme Provinz Posen; aber Ost- und
Westpreufsen sind ebenso industriearm wie Posen uud haben doch dreimal
so viel Kinderselbstmorde als dieses. Schlesien hat dreimal so viel
Kinderselbstmorde als die Bheinprovinz imd ist weniger dicht bevölkert,
hat weniger Stadtbevölkerung als diese. Die Zahl der Lebenden auf
einen Kinderselbstmord ist in den Provinzen Sachsen, Schlesien, Branden-
burg geringer als in Berlin. Auch wenn man die Zahl der Kinder, die
erwiesenermafsen im schulpflichtigen Alter gewerblich beschäftigt werden,
mit der Zahl der Kinderselbstmorde vergleicht, läfst sich kein Zusammen-
hang und keine Abhängigkeit zwischen beiden finden. Da die Selbst-
morde und Selbstmordversuche im kindlichen Lebensalter fast durch-
gehends Kinder betreffen, die im Alter des Schulbesuchs stehen und auch
die Schule besuchen, so liegt es nahe, den Selbstmord mit der Schule
in einen engen, ursächlichen Zusanmienhang zu bringen imd in dieser die
besondere, vielleicht einzige Ursache für das traurige Ereignis zu suchen.
B. weist diese Anschauung zurück: die Ansicht, dafs die überhand neh-
mende Nervosität der Schuljugend ihre Ursache ganz besonders in dem
Schulunterrichtssystem habe, dafs die Anforderungen der modernen Schule
den Fähigkeiten der grolsen Mehrzahl der Schüler nicht entsprächen, dafs
eine Überbürdung der Schuljugend bestehe, und dafs die Schule fiir das
Vorkommen und die Zunahme des Irrsinns und des Selbstmords verant-
wortlich zu machen sei, könne nur zu einem kleinen Teile als eine rich-
tige und der Wahrheit entsprechende angesehen werden. Es müsse viel-
mehr anerkannt werden, dafs die wesentliche und wirkliche Ursache vor-
zugsweise in den Abstammungs Verhältnissen, in dem degenerativen Cha-
rakter, in der Konstitution, in den sozialen Verhältnissen der Kinder und
in den Einflüssen der häuslichen Erziehung zu suchen sei. Auf S. 56 fl".
stellt B. aber doch eine wesentliche indirekte Schuld des Unter-
richtssystems in der höheren Schule an den Kinderselbstmorden
fest. Unter 62 Schülern der höheren Schule, bei denen die offizielle Statistik
den Beweggrund zum Selbstmord angiebt, waren 15, welche diesen aus
„Examensfurcht", wegen „Nichtversetzung'*, „nicht bestandenen
Examens^' ausgeführt haben, d. i. in 24,2 Prozent aller Fälle, während
bei 104 Kindern der niederen Schule dieses Motiv nur einmal angeführt
wird. „Hier scheint die höhere Schule mit den häufigen, bisweilen ganz
überflüssigen Zensuren, dem Inspizieren und Examinieren eine grofse
Schuld an den Nervenstörungen, an dem Irrsinn und auch an den Selbst-
morden der Schüler zu haben." „Die Examen sind — nach Ignatieff
— in ihrer Wirkung auf den jugendlichen Organismus einer schweren
Krankheit vergleichbar, die bedeutende Störungen der Ernährung und der
Gewebe zur Folge hat und jedenfalls auch dasjenige Organ nicht un-
berührt läfst, welches während der Examinationsperiode am angestreng-
testen arbeitet, das Gehirn." Neben der Examensfurcht ist unter den
Selbstmordmotiven der höheren Schüler der „gekränkte Ehrgeiz" ein
wichtiger Faktor. Von den 65 Selbstmorden waren hier 11 aus diesem
Besprechungen. 243
Grunde geschehen (17,7. Proz.), während unter 104 Selbstmorden bei
männlichen Schülern der niederen Schule nur in 7 Fällen dieses Motiv
angegeben wird (6,7 Proz.). „Harte, bezw. unwürdige Behand-
lung" findet sich als Selbstmordursache in einer viel gröfseren Zahl bei
den Schülern der niederen als der höheren Schulen, weil die Zuchtmittel
in diesen in nicht so intensiver und wohl auch nicht in so roher Weise
angewendet zu werden pflegen. Die „Furcht vor Strafe" war bei
den 62 Knaben der höheren Schulen nur einmal die Ursache zum
Selbstmord, während von den 104 Knaben der niederen Schule 45 aus
diesem Grunde sich das Leben nahmen (43,2 Proz.), von 35 Mädchen
gar 23 (65,7 Proz.). „Eltern und Lehrer sollten sich der Mäfsigung im
Strafen befleifsigen; denn die Kinder erwerben in der abhängigen Stel-
lung, die ihnen bei starkem Selbstgefühl zukommt, einen feinen Instinkt
für das Gefühl von Recht und Unrecht, welches ihnen geschieht . . .
Züchtigungen sollten im Kindesalter überhaupt nicht mehr
stattfinden, bei frühreifen Kindern müssen sie ganz weg-
bleiben." (Emminghaus.)
Man kann in manchen Punkten, anderer Meinung sein als B., der
ja selbst verschiedentlich auf die Vieldeutigkeit seines Materials hinweist.
Alles zu erwähnen, würde zu weit führen. Nur eine Sache sei kurz be-
rührt. Wenn B. glaubt, der gröfsere Teil der Kinderselbstmorde werde
durch die sozialen Verhältnisse u. dgl., der kleinere Teil durch psychische
Krankheit u. ähnl. verursacht, so kann ich dem nicht zustimmen, son-
dern halte das Gegenteil für richtig. Wenn die Statistik für B. zu
sprechen scheint, so beweist das gar nichts, derartige Statistiken sind in
psychopathologischen Dingen stets äufserst mangelhaft, was B. ja selbst
betont. „Auffallende Frühreife" gehört nicht unter die sozialen Verhält-
nisse, sondern ist in der Begel ein Symptom der Degeneration.
Die anregende Broschüre verdient, viel gelesen und eingehend stu-
diert zu werden. Eduard Hefs (Stephansfeld i. E.).
Breitung, Max, Dr., Koburg, Schulhygiene, Volksgesundheitslehre
und Tagespresse. Sonderabdruck a^us der „Deutschen Zeitung^^ 1899,
Nr. 7 u. 8. (12 Seiten.) Berlin 1899. Eugen Grofser.
Der bekannte Verfasser hat in dem kleinen, aber gedankenvollen
Aufsatz die gegen den Schlufs zu ausgesprochene These aufgestellt:
„Hygienische Ideale erfordern die ständige Mitarbeit der Frauen, der
Lehrer und der Presse." Diesem Satz wird schon im voraus jeder im-
befangen Denkende zustimmen, aber der Leser findet ihn von B. hier
auch eingehend und einleuchtend begründet. Die Presse, eingeschlossen
die „Familienjoumale", soll der gestellten Aufgabe direkt durch Ver-
breitung hygienischer Lehren, indirekt durch Aufklärung über das Kur-
pfuschertum u. s. w. gerecht werden. Therapeutische Aufsätze im engeren
Sinne des Wortes aber gehören nur in die Fachzeitschriften. — Die
Lehrer sollen hygienisch (besonders schulhygienisch) gebildet sein und
zur Hygiene erziehen. — Die Frauen mögen in ähillicher Weise, als
Mütter wie auch als Hygieniker von Beruf, wirken.
In zwei Punkten kann ich mich mit dem Verfasser nicht einver-
244 BegprechnngBü.
standen erklären. Erstens, wenn er in Bezug auf das ärztliche Studium
der Frauen die Anschauung, dafs Mann und Frau „gleichwertig" seien,
einen „groben Denkfehler*' nennt. Das dürfte wohl nicht berechtigt sein,
denn das Wort „gleichwertig" ist doch mit einer gewissen Prägnanz auf-
zufassen imd will ausdrücken, dafs Mann und Frau anderswertig und
doch gleichwertig seien, ähnlich wie Engländer und Franzose, Marmor-
statue und Ölbild. — Ob die Frau tauglich ist' zimi Arzt oder nicht,
kann meines Erachtens durch keine theoretische Erörterung, sondern nur
durch — wenn ich mich so ausdrücken darf — den „geschichtlichen
Versuch" entschieden werden, wie er sich, wohl am grofsartigsten in
der ganzen Kulturgeschichte, bei der deutschen Gesetzgebung der staat-
lichen Krankenversicherung bethätigt hat. Denn darüber hinaus giebt es
keine Appellation und Diskussion mehr. — Sodann meine ich im Gegen-
satz zu B., dafs die indirekte Förderung der Hygiene, die Bekämpfung
des Kurpfuschertums, nicht allein durch Aufklärung imd Belehrung des
Publikums von Seiten der Ärzte möglich, sondern dazu vielmehr gerade
der verpönte Schutz durch das Gesetz unerläfslich ist. Zunächst die
Fragen: Wieviel Menschenalter und Jahrhunderte sollen wir denn noch
aufklären und belehren, wieviel Tausende und Zehntausende sollen den
Kurpfuschern noch zum Opfer fallen, bis das Ziel erreicht ist, oder auch
nicht? Was nützt Aufklärung der Masse, wenn akademisch gebildete
Richter in gänzlicher Verständnislosigkeit für den Geist des Gesetzes nach
dessen Buchstaben einen Louis Kühne freisprechen? — Weshalb nicht
einen Federzug der Gesetzgebung statt einer unermefslichen Summe von
vielleicht ganz vergeblicher Arbeit? Wenn auch geheime Kurpfuscherei
bleiben wird, die haarsträubende Ausdehnung wie jetzt die offene wird
sie doch nicht behalten können. — Dazu kommt, dafs heutzutage in
allen möglichen Berufen, vom Juristen bis zum subalternen Post-
beamten^ Werkmeister und Kellner, ein Befähigungsnachweis verlangt
wird, nur gerade da nicht, wo es einerseits sich- um das kost-
barste menschliche Gut handelt und einmal angerichteter
Schaden schwerer als irg,endwo sonst oder gar nicht gut ge-
macht werden kann und wo andererseits der Betrug am alier-
leichtesten ist. Wenn irgend etwas auf der Welt, so schreit die
„Ausübung des Heilgewerbes" geradezu nach einem Befähigungsnachweis.
Weshalb müssen ihn denn die Hebammen erbringen? Dazu kommt
schliefslich die empörende, logisch geradezu ans Pathologische streifende
Art der Rechtsprechung, welcher zufolge der Kunstfehler des Arztes,
„weil der es wissen mufs", unendlich viel strenger geahndet wird, als der
verheerende Unfug des Kurpfuschers, „der es ja nicht besser weifs".
Die beiden genannten Punkte, in denen ich mit B. nicht einer
Meinung bin, machen von dessen Schrift aber nur einen kleinen Teil
aus. Sie bleibt für jedermann sehr lesenswert.
Gerhardi (Lüdenscheid).
^^j
Besprechungen. 245
Lade^ Ed. Freiherr von: Ein Wort zur Scbiulfirage. Eine ernste
und dringliche Mahnung zu einer zeitgemäfsen Beform unserer
höheren Schulen, namentlich der Gymnasien. 3. Aufl. Wies-
baden 1901.
Der Verfasser vertritt in beredter Sprache die Ansicht, dafs in
allen Lehranstalten hygienische und ethische Pflichten itn Vorder-
grunde der Erziehung stehen miifsten. In allen Klassen sollte die
Hygiene stufenweise gründlich und ausfuhrlich gelehrt werden und zwar
im Anschlufs an die Kenntnis über den Bau und die Verrichtungen des
menschlichen Körpers.
Dafs hierfür, insbesondere in den oberen Klassen, der Arzt (Schul-
arzt) die geeignetste Persönlichkeit ist, hat der Eef. in Übereinstimmung
mit dem Verf. schon öfters betont.
In der Mädchenschule dürfen passende Unterweisungen nicht fehlen,
wenn die Frau fähig sein soll, die ihr von der Natur zugewiesene
Stellung als Gattin und Mutter vollkommen auszufüllen. „So lange die
Prauen für ihren Beruf nicht anders vorgebildet werden, so lange wird
es nur wenige glückliche Ehen geben, un,d so lange wird die Mensch-
heit körperlich und geistig in ihrer naturgemäfsen Entwickelung zurück-
bleiben."
In Betreff der Familienverhältnisse und der Gesundheit der Frauen
und Mädchen erteilt der Verf. der Geistlichkeit einige beherzigenswerte
hygienische Winke. Alsdann tritt der Verf. für eine Kontrolle der
Mädchenschulen durch staatlich angestellte Arzte ein imd wendet sich
gegen die in neuerer Zeit aufgekonmienen Mädchengymnasien.
Die hygienische Unterweisung der Schulkinder kann um so weniger
aufser Acht gelassen werden, als den Eltern, namentlich in den unteren
Volksklassen, klare Begriffe in dieser Hinsicht fast ausnahmslos fehlen.
Behufs Entlastung der Schüler an den höheren Lehranstalten und
behufs Vorbeugung drohender Überbürdung ist es unbedingt erforderlich,
dafs die Zahl der Lehrstunden herabgesetzt wird. Selbst die dankens-
werte Einrichtung einer gröfseren Anzahl von Tumstimden würde nichts
im Stande sein, bei dem heutigen System Erholung zu bewirken. „Die
fortwähi'ende Zunahme der körperlichen Leiden, die geringe Willenskraft
und Ausdauer eines Teiles unserer Jugend und die Untauglichkeit so
vieler Jünglinge zum Militärdienste — das alles sind Folgen gesund-
heitswidriger Erziehung in der Schule und im Hause."
Eine der wichtigsten Aufgaben der Schule ist es, dem Schüler
Pflichterfüllung um ihrer selbst willen anzuerziehen. Hierzu eignet sich
die Ethik in praktischer und greifbarer Form. Sie gewährleistet sogar,
dafs jemand bei einer von der Eeligion unabhängigen Charaktererziehung
doch ein moralischer Mensch bleibt.
Nach einer satirischen Bemerkung über die Zusanmiensetzung der
Berliner Schulkonferenz wendet sich der Verf. alsdann mit scharfen
Worten gegen den Umfang und die Herrschaft des altsprachlichen Unter-
richts \md seine geistabstumpfende Wirkung. Er ist der Ansicht, dafs
durch das pedantische Studium der alten Sprachen schon auf der Schule
der Grund zu der Zeitvergeudung und den unnützen Weitläufigkeiten
gelegt wird, womit so viele Bureaukraten sich und andere quälen I
Gesunde Jugend. I. 5. 17
246. Besprechangen.
Mathematik und Naturwissenschaften in genügend eingehender Be-
handlung, Ethik und Geschichte „bieten in ihrer Fülle und Mannigfaltig-
keit an entwickelungsiähigem und meist imentbehrlichem Stoff reichliche
Gelegenheit zur Vorbereitung des Menschen för jede seiner harrende
Lebensthätigkeit^S Beseitigung des Gjmnasialmonopols, Luft und Licht
für alle Arten höherer Schulen!
Der Verf. kommt zu folgenden Schlüssen:
„Vor allem soll der Schule die hygienische und sittlich religiöse
Erziehung obliegen.
Hieran soll sich zunächst der Unterricht in der Muttersprache, der.
vaterländischen Geschichte und der deutschen Litteratur anschliefsen.
Der Hauptteil der übrigen Schulzeit gebührt dem Unterricht in den
Naturwissenschaften, sowie der Mathematik in Lehre imd Anwendungen.
Der Best bleibt dem Latein und den modernen Sprachen.
Das Griechische wird nur noch für die künftigen Theologen und
klassischen Philologen fakultativ gelehrt.
Neben allen diesen Disziplinen soll das freie Beden geübt werden."
Das „Nachwort" ist des Kaisers thatkräffcigem Eingreifen in die
Organisation der Schule gewidmet.
Die Broschüre des schon durch seine „hygienischen Winke" in den
weitesten Kreisen bekannt gewordenen Verf. bildet für die schulreforma-
torischen Bestrebungen in hygienischer und pädagogischer Hinsicht einen
um so wertvolleren Beitrag, als ihr Verf. aufserhalb der Zunft steht.
Griesbach:
Hueppe, Ferd., Prof. Dr. : über die Körperübungen in den Schulen
und über die Anforderungen des modernen Lebens. Nach
einem am 4. April 1900 im deutschen pädagogischen Verein in Prag
gehaltenen Vortrage. Monatsschrift für das Turnwesen. 1900.
Heft 8.
Der um die Hygiene der Leibesübungen hochverdiente und selbst
als eifriger Turner bekannte Verf. giebt in seinem Vortrage eine vor-
zügliche Anleitung, wie das Schulturnen sein soll und wie es nicht
sein soll.
Was hilft alles Wissen, was helfen die edelsten Charakterzüge,
wenn nicht ein leistungsftlhiger Körper dahintersteht?
In. den Schulen wird die Zeit in überwiegendem Mafse für blofse
Sitzthätigkeit ausgebeutet, für den Körper bleibt fast keine Zeit übrig.
In Bayern faUen auf 1 Turnstunde 25, in Preufsen 17^ in Frankreich
15 Stunden Sitzarbeit. In Österreich ist der Turnunterricht nur fakul-
tativ. Als leuchtendes Beispiel darf England genannt werden, wo auf
1 Stunde gymnastischer Übungen nur 3 — 4 Stunden Sitzarbeit kommen.
— Woher sollen die Schulen Zeit für körperliche Übungen, für Ruhe
und Schlaf nehmen, wenn nicht eine Herabminderung der geistigen An-
forderungen, wenn nicht eine Änderung der Methodik erfolgt?
Darf man sich wundern, wenn namentlich in den oberen Klassen
der höheren Lehranstalten bis zu 70% der Schüler nervös werden und
gelegentlich zum Selbstmord schreiten?
Besprechungen. 247
'Für das Schulturnen ist in Deutschland/ eine viel zu geringe Stunden-
zahl angesetzt. Auch entspricht der Tumbetrieb den Anforderungen,
welche der Hygieniker an ihn stellen mufs, äufserst wenig. — Der Verf.
wendet sich hauptsächlich gegen die Spiefs'sch'e Methode und gegen das
schwedische Turnen. Eine harmonische Ausbildung des Körpers ist nur
unter Berücksichtigung der wechselnden Entwickelungsmomente des jugend-
lichen Organismus und seiner natürlichen Form und Bewegungsweise
möglich. Unser Schulturnen nimmt auf die Entwickelung der inneren
Organe wenig, auf das Herz imd die Lunge fast keine Rücksicht. —
Durch langjährige Beobachtung und Erfahrung hat der Verf. die Über-
zeugung gewonnen, dafs das Hallenturnen die Körperübungen im Freien
leider ganz bedeutend überwiegt. Bei der Erteilung des Turnunterrichtes
kommt es darauf an, dafs dafür eine Zeit gewählt wird, die den physio-
logischen und psychologischen Bedürfnissen entspricht. Überhaupt hat
die zeitliche Stellimg jedes einzelnen Unterrichtsgegenstandes sich in
erster Linie nach den besonderen Anforderungen zu richten, welche der
Gegenstand an das jugendliche Gehirn stöUt.
. Wenn das Schulturnen für die körperliche Erziehung wirklich von
Wert sein soll, so mufs es auch eine gewisse Ermüdung hinterlassen.
Daher ist Turnunterricht zwischen wissenschaftlichen Stunden physiologisch
und hygienisch vom Übel! Würde die Schule das Turnen auf den
Vormittag verlegen, so würde sie sich in ihren wissenschaftlichen Be-
strebungen selbst schaden, denn zu dieser Zeit ist das Nervensystem im
allgemeinen so ausgeruht, dafs der Geist zur Aufnahme schwieriger Auf-
gaben befähigt ist.
In Bezug auf Aneignung feiner Koordinationsthätigkeit der Mus-
kulatur ist das deutsche Gerätturnen ein vorzügliches Mittel. Aber wenn
es sich recht bewähren soll, so darf es nur Mittel zum Zweck bleiben.
Gerätturnen als Selbstzweck, wie es im Gipfeltumen als Sport geübt
wird, ist einer der wenigst erfreulichen Sports. Freiübungen mit Hand-
gerät, Eisenstabübungen, Weitwurf und besonders das Keulenschwingen
gestatten eine gute Durcharbeitung des ganzen Körpers und sind auch
als Massenübung sogar für Mädchen angelegentlichst zu empfehlen.
„Eine Bewegungsschule mit Klassenzielen erfordert Klassenzimmer, in
denen der Lehrer seine Schüler schön überwachen kann. Solche Klassen-
ziele erfordern einen schönen logischen Aufbau am grünen Tisch, der
die genaue Einteilung des Materials auf die Schulperiode gestattet. Des-
halb finden wir die ganz einseitige Bevorzugung der Hallen auch nur
in Deutschland; selbst in Schweden ist es darin nicht so schlimm wie
bei uns. Damit wird aber den gesundheitlichen Anforderungen nicht im
geringsten Rechnung getragen und das natürliche Bewegungsbedürfnis der
Kinder wird gewaltsam in sein Gegenteil verkehrt." — Das Hallenturnen
sollte nur bei nassem Wetter in Betracht kommen. An klaren kühlen,
selbst an kalten Tagen kann der ganze Turnunterricht im Freien ge-
geben werden. Das Einatmen staubhaltiger Luft in den Hallen, insbe-
sondere bei gesteigerter Lungenthätigkeit, ist überaus schädlich. — Weit
mehr als das gewöhnliche Schulturnen nützen Spiel und Sport der Gesundheit
und der Ausbildung des Charakters, namentlich wenn sie in reichlichem
Mafse betrieben und den Altersstufen der Schüler angepafst werden. Dafs
17*
248 BeBprechongen.
die Anregung hierzu zufällig von England ausging, ändert nichts an der That-
Sache, daXs die Deutschen schon früher jahrhundertelang Sport getriehen hahen.
— Das Schulturnen giebt die Grundlage für die allgemeinen Bewegungs-
möglichkeiten. AnzuschUefsen sind \mbedingt diejenigen Übungen, welche
durch Abhärtung, Schnelligkeit und Kraftentfaltung den Übergang zur
militärischen Tüchtigkeit entfalten. Das sind die sportlichen Übungen
im Marsch, Laufen, Springen, Werfen, Eingen, von den Turnübungen
besonders die des gemischten Sprunges, dann Schwimmen, Budem, Schlitt-
schuh-, Schneeschuhlaufen, Bingen, Fechten. Dazu kommt noch, dafs
durch Spiel und Sport — Verf. denkt namentlich an das Ballspiel, an
das Schlagen, Verfolgen, Fangen und Werfen des Balles — das Auge in
hohem Grade geübt wird. Dafs Ballspiele die Kurzsichtigkeit in den
Schulen herabsetzen, hat man schon zahlenmäfsig festgestellt.
Der Verf. schliefst mit den Worten: „Wenn die Schule für das
Leben vorbereiten soll, so müssen auch die Körperübungen in der Schule
nicht blofs vom erzieherischen oder gar blofsen Unterrichtsstandpunkt
ins Auge gefafst werden, sondern auch von der volkswirtschaftlichen,
nationalen und gesundheitlichen Seite." Griesbach.
Stricker^ Oeorg^ Prof. Dr. med.: Gesundheit und Erziehimg.
Giefsen, Bicker. 1900.
Dafs der Arzt auch Philosoph sein mülste, wird uns beim Lesen
dieses Buches klar, und wenn wir es zu Ende gelesen haben, möchten
wir ausrufen: Die Jugenderziehung wird nicht eher vollkommen, als bis
die Lehrer Ärzte und die Ärzte Lehrer sind! Das Buch besteht aus
einer Einführung, 9 Kapiteln und zahlreichen Anmerkungen und Belegen.
Ein eingehendes Beferat würde aufserhalb des Bahmens dieser Zeitschrift
fallen. Auf einiges soll jedoch hingewiesen werden. Auf S. 14 ff. führt
der Verf. Klage, dafs Schule imd Haus Wahrheit und Aufklärung über
Zeugung und Entwickelung, Herkunft und Bestimmung des Menschen
vorenthalten. In der Anmerkung 2 zu S. 19 wendet sich der Verf.
gegen die abstrakte Methode der Schule und das sinnlose Auswendig-
lernen, durch welches bei der Jahresprüfung dem Schulrat eine Freude
bereitet wird. Das 3. Kapitel nebst den zugehörigen Belegen ist der
Gleichwertigkeit geistiger und körperlicher Ausbildung gewidmet. Im
4. Kap. werden allerhand Mängel der Sinnesthätigkeit und der Sprache,
sowie die Unterweisung und Erziehung der damit Behafteten besprochen.
Das 5. Kap. führt dieses Thema weiter und stellt fest, wie alles Geistige
und Sittliche im Gehirn seine körperliche Grundlage hat. In Bezug auf
die Sinnesempfindungen der Blinden möchte der Bef. auf seine verglei-
chenden Untersuchungen über die Sinnesschärfe Blinder und Sehender
(Archiv f. d. ges. Physiologie Bd. 74 u. 75, 1899) und die Bestätigung
derselben durch Ferrai (Sul compenso sensoriale nei sordomiti; Bivista
sperim. di freniatria, 1901, Vol. 27, Fase. 2) hinweisen, worin die An-
nahme, dafs Blinde in Bezug auf Hörweite, auf Lokalisationsvermögen
für Schall und auf Tasteindrücke den Sehenden überlegen sind, als un-
haltbar zurückgewiesen wird. Diese Schrift des Bef. scheint dem Verf.
entgangen zu sein. — Wenn der Verfasser im 6. Kap. die Schule von
BesprecliTingen. 249
der Schuld an körperlichem Siechtum des Menschen am liebsten frei-
sprechen möchte, so können wir ihm in dieser optimistischen Anschauung
leider nicht völlig beistimmen. Zahlreiche Untersuchungen der Neuzeit
haben gezeigt, dafs die Schulen in hygienischer, insbesondere auch in
unterrichtshygienischer Hinsicht immer noch manches zu wünschen übrig
lassen. Wolü aber können wir uns mit des Verf. Vorschlägen (Anm. 4,
S. 211, Anm. 9, S. 214) zur Verhütung der Überbürdung des Geistes
und der Verkünmierung des Körpers befreunden. Auf S. 124 finden
sich u. E. einige physiologische Unmöglichkeiten. Dafs der abgetrennte
Arm eines Seestems zu einem vollkommenen Stern auswächst und eine
dekapiüerte Schnecke einen neuen Kopf bekommt, dürfte denn doch wohl
Fabel sein. Soweit geht das Reproduktionsvermögen nicht. In Kap. 8
und 9 werden Tuberkulose und Syphilis, Alkohol und andere Gifte als
Ursachen für die Minderwertigkeit der Kinder behandelt, und Reinlichkeit,
Keuschheit und Nüchternheit als Erhalterinnen des Menschengeschlechts
bezeichnet. — Das geistvoll geschriebene Buch bietet eine anregende
Lektüre und kann allen, denen das Wohl des heranwachsenden Geschlechts
am Herzen liegt, warm empfohlen werden. Griesbach.
Biber^ Amad.: Sohaxlaoh und Schule. Inaug.-Diss. Strafsburg 1901.
Verf. findet, dafs ein Abfall des Scharlachfiebers, welches die Sterb-
lichkeit, namentlich der Schulkinder, sehr erhöht, seit 1870 in England
bemerkbar sei, dafs dagegen in anderen Ländern ein Rückgang nicht
konstatiert werden könne. — Verf. bespricht die Wege der Infektion
und die Verbreitung der Krankheit in der Schule. Es ist keineswegs
richtig, dafs Scharlach, wie gewisse andere Infektionskrankheiten, haupt-'
sächlich die Kinder der ärmeren Bevölkerung heimsucht. — Das In-
kubationsstadium beträgt im Mittel 4 bis 5 Tage. Übertragung ist in
allen Stadien der Krankheit möglich. Zur Verhütung der Verbreitung
durch die Schule ist dem Auftreten der ersten Fälle besondere Aufmerk-
samkeit zu widmen und für Ausschlufs der Geschwister der Patienten
von der Schule während der Inkubationsdauer zu sorgen. Nach Ablauf
dieser ist den Geschwistern der Schulbesuch nur dann zu gestatten, wenn
eine ärztliche Bescheinigung über völlige Isolierung des Patienten bei-
gebracht wird. Nach, beendeter Krankheit ist eine Desinfektion des
Zimmers und der in Betracht kommenden Effekten vorzunehmen. Die
Arbeit bringt zwar nicht viel Neues, kann aber als fleifsiger, auch für
aufserärztliche Kreise lesenswerter Beitrag zur Schulhygiene bezeichnet
werden. Griesbach.
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