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Full text of "Giordano Bruno's Weltanschauung und Verhängniss"

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Giordano Bruno's 

Weltanschauung und Verhängniss. 



Aus den Quellen dargestellt 



Dr. Hermann Brunnhofer, 

Kantonsbibliothekar in Aaran. 




Leipzig. 
Fues's Verlag (ß. Reisland). 

1882. 



73753 
Z7S7 



Alle Rechte vorbehalten. 

K3/8fd~ 






Conte Angelo de Grubernatis 

in freundschaftlicher Hochachtung 



zugeeignet. 



Vorrede. 

Als zu Ende des vorigen Jahrhunderts Fr. H. Jacobi die 
Aufmerksamkeit der philosophischen Welt zum ersten Mal wieder 
auf Bruno lenkte; als Schelling zu Anfang unseres Säeulums 
seiner reichlich begründeten Dankbarkeit gegen den grossen Nolaner 
dadurch ganz besondern Ausdruck verlieh, dass er einem seiner 
vollendetsten Dialoge den Namen Bruno gab; als dann vollends 
Hegel und Schopenhauer, Feüerbach, Lange und Düh- 
ring, Zöllner und Hellwald gleichsam um die Wette Bruno 
lobpriesen und seine Philosophie als die dem wissenschaftlichen 
Standpunkt der Gegenwart sich am meisten annähernde Welt- 
anschauung verherrlichten, da hätte man wohl erwarten dürfen, 
dass ihm „das Volk der Dichter und Denker" ein des Dichter- 
philosophen würdiges Denkmal in Form eines guten Buches ge- 
stiftet hätte. Aber es ist nicht geschehen! Man hat den 
literarischen Häckerling aller Völker zusammengelesen, die Lüst- 
lingsautoren und Stilverächter aller Zeiten und Zonen zu Clas- 
sikern der Weltliteratur gestempelt, dieselben in Sammelwerken, 
in Specialeditionen, in Uebersetzungen, mit Commentaren heraus- 
gegeben und durch Musik und Drama, durch Bildhauerei, Ma- 
lerei und alle Zeichenkünste tausendfach vervielfältigt und in den 
Himmel erhoben ; aber über Giordano Bruno, von dem man doch 
wenigstens bereitwillig zugiebt, dass er der grösste Philosoph der 
Renaissance gewesen, ja von dem man wenigstens nie ge- 
leugnet hat, dass er mit seinen Nachfolgern Spinoza und Leib- 
nitz die grösste Ideenverwandtschaft theile — über Giordano 
Bruno waltet das wahrhaft tragische Missgeschick, dass er es 
bis zu dieser Stunde noch nicht einmal zu einer Gesammtaus- 
gabe, geschweige denn zu einer Uebersetzung seiner Werke ge- 
' bracht hat. Denn Adolf Wagner's zweibändige Ausgabe von 



VI Vorrede. 

Leipzig, 1830 enthält nur die italienischen Opere di Giordano 
Bruno und A. Fr. Gfrörers Ausgabe der Lateinwerke: Jor- 

DANI BRÜNI NOLANI SCRIPTA QUAE LATINE CONFECIT OMNIA 

(Stuttgart, 1836) ist nur ein Abdruck der weniger wichtigen 
Lateinschriften Bruno's und hat es nicht über den ersten Band 
hinausgebracht. Die einzige Schrift Bruno's , die bis jetzt ganz 
übersetzt worden, ist der Dialog De la Causa in Kirchmann's 
Philosophischer Bibliothek : Giordano Bruno, Von der Ursache^ 
dem Princip und dem Einen. Von Ad. Lasson, Berlin 1872. 
Die Uebersetzung , zugleich eine Neuftmdirung des Original- 
textes, ist ein Muster von urbildgetreuem und doch lesbarem Aus- 
druck, wie denn auch die erläuternden Anmerkungen dem Schrift- 
chen für immer seine Unentbehrlichkeit sichern werden. 

Woher wohl Bruno's Unstern? Welches Schreckliche hat der 
Mann verschuldet, dass ihm nach vollen drei Jahrhunderten selbst 
in den bändereichsten Geschichten der neuern Philosophie kaum 
mehr als eine vorübergehende Erwähnung zu Theil wird ? Sollte 
etwa sein glorioser Märtyrerfcod für die Geistesfreiheit der an- 
stössige Makel sein, der die Auferweckung seines Andenkens 
als zu riskant erscheinen lässt? Sollte die schmachvolle Verfeh- 
mung, welche die Kirche der Gegenreformation über den Ver- 
theidiger der Unendlichkeit der Welt ausgesprochen hat, ihren 
Schatten selbst bis in die protestantische Gegenwart hineinwerfen? 
O dass ich mich irrte ! Aber betrübende Thatsachen bestätigen meine 
Vermuthung. Wenn ein katholischer Privatdocent der Philosophie, 
Dr. F. J. Clemens in Bonn, im Jahre 1847 in seiner Abhandlung 
über Giordano Bruno und Nicolaus von Cusa, schreiben konnte: 
„Die weltlichen wie die geistlichen Obrigkeiten in Italien hätten au 
ihrer Stellung und Aufgabe vollkommen irre geworden sein, das, 
was bis dahin als göttliches und menschliches Recht gegolten 
hatte, geradezu mit Füssen treten müssen, wenn sie gegen einen 
so unverhohlenen und unversöhnlichen Feind der kirchlichen 
und gesellschaftlichen Ordnung in einem christlichen Lande nicht 
mit der äussersten Strenge der Gesetze eingeschritten wären" — 
wenn das ein römisch-katholischer Privatdocent schreibt, wohl, 
so lässt es sich doch schliesslich unter Bedauern noch begreifen. 
Wenn aber ein protestantischer Professor der Philosophie in 
Halle, wenn Joh. Eduard Erdmann Ernste Spiele (Zwei 



Vorrede. VII 

Märtyrer der Wissenschaft, Halle 1864), pag. 300, schreibt: 
„begreiflich werden wir es doch finden, und also ein gewis- 
ses Recht darin anerkennen, dass an dem Zurückbleibenden 
(Campanella) die Macht Bache nimmt, die der Träger der 
neuen Ideen ist, der Staat, an dem unzeitig Voreilenden 
(Bruno) aber die Gewalt, die seit Alters das Scepter führte, die 
Kirche" — dann allerdings reiben wir uns verwundert die Augen 
und fragen entrüstet: Wie ist nur dergleichen möglich? Aber 
was ist denn der modernsten Geschichtschreibung nicht möglich 
gewesen? Hat sie nicht die anwiderndsten Wtitheriche der Mensch- 
heil rem zu waschen versucht? Sind ihr nicht welthistorische 
Dirnen als unschuldige Täubchen vorgekommen? 

Gegenüber dem an Bruno von Kirche und kirchenfreund- 
lichen Geschichtschreibern der Philosophie begangenen Unrecht 
gilt es also, Bruno's weltgeschichtliche Stellung in das der Grösse 
seines Charakters, sowie der Tiefe seiner Speculation würdige 
licht zu setzen. Somit erwächst einer neuen Darstellung 'von 
Bruno's Wirksamkeit die Aufgabe, zunächst Bruno's Leben und 
Werke und alsdann deren Ausdruck und Inhalt im gesprochenen 
und geschriebenen Wort, d. h. Bruno's Philosophie, zureproduciren. 

Was nun zuvörderst meine Beschreibung von Bruno's Leben 
betrifft, so stützt sich dieselbe, wie jede noch kommende Bio- 
graphie Bruno's, auf das Aktenmaterial aus dem Archiv des 
Inquisitionsgerichts in Venedig, mit dessen Veröffentlichung sich 
der gegenwärtige Ackerbauminister Berti in seiner Vita di 
Giordano Bruno ein dauerndes Verdienst erworben hat. Trotz- 
dem sich Berti in dem Wiederabdruck dieser Aktenstücke in 
der Schrift: Docümenti intorno a Giordano Bruno da 
Nola, 1880, erlaubt hat, die Reihenfolge derselben, wie er 
sie in seiner Vita di G. Bruno befolgt hatte, abzuändern, 
habe ich mir, weil das letztere Buch im philosophischen Publi- 
kum verbreiteter ist, als die Docümenti, gestattet, diese Ur- 
kunden nach der Bezifferung der Vita zu citiren. Nächst Berti 
hat Niemand so viel neue Notizen und Aktenstücke zum Leben 
Bruno's zusammengebracht, als Prof. Sigwart in Tübingen, 
der in seiner Abhandlung im Universitätsprogramm von 1880 
durch die Kritik des Berti'schen Materials und, im erweiterten 
Wiederabdruck dieser Programmarbeit im 1. Band seiner Kleinen 



VIII Vorrede. 

Schriften (Freiburg, Herder, 1882), durch Beibringung von 
äusserst fleissig herbeigeschafften neuen Mittheilungen über ein- 
zelne Punkte von Bruno's Leben die Klarheit über dasselbe 
mächtig gefördert hat. In allerneuester Zeit hat nun Francesco 
Fiorentino in dem G-iornale napoletano della do- 
menica und nach ihm Lagarde in den Göttinger Nach- 
richten vom 31. März d. J. werthvolle Angaben über Bruno's 
Familie und Verwandtschaft aus den Censuslisten von Nola ver- 
öffentlicht, die schon Bekanntes berichtigen, das über Bruno's Ab- 
kunft schwebende Dunkel jedoch noch lange nicht aufhellen. Diese 
letztern Mittheilungen erschienen zu einer Zeit, als mein Leben 
Bruno's schon gedruckt war. 

Der zweite Theil meines Buches, die Darstellung von Bruno' s 
Philosophie, ist durchweg neu aus den unmittelbaren Quellen 
geschöpft und hat keinerlei Voraussetzungen in irgend einer der 
bisherigen Bearbeitungen von Bruno's Lehre. Buhle's fleissige 
Wiedergabe der Philosophie Bruno's vom Anfang dieses Jahr- 
hunderts ist in ihren Gesichtspunkten zu veraltet, um auf eine 
moderne Wiedererweckung der nolanischen Philosophie noch be- 
stimmend einwirken zu können, wozu dann noch kommt, dass 
Buhle, ein strenger Kantianer, von den eigentlichen Zielen des 
brunonischen Denkens keine Ahnung hatte. Die nächste Dar- 
stellung erhielt Bruno's Philosophie im zweiten Theil von Bar- 
tholmess' Vie de Giordano Bruno (Paris, 1846). Die Auf- 
fassung ist hier ganz neu, Victor Cousin' s an der Philosophie 
Schelling's und Hegel's geübter Blick lässt sich in Bartholmess' 
schön geschriebenen Essays über die Grundlagen der brunonischen 
Philosophie nicht verkennen. Auch wird dem von edler Be- 
geisterung für Bruno getragenen Buche die Anerkennung durch- 
aus selbständiger Forschung nie versagt werden können. Da- 
gegen gilt jetzt noch voll und ganz , was schon Roth in den 
Heidelberger Jahrbüchern 1848, pag. 932 über Bar- 
tholmess' Buch gesagt hat: „Die zweite kleinere Hälfte, welche 
einen Abriss des eigentlichen selbständigen Ideenkreises Bruno's 
enthalten soll, befriedigt am wenigsten. Die wesentlichsten Punkte 
des Systems, Bruno's eigentümliche Ansichten, das was in dem 
Entwickelungsgang des Denkens zuerst und vorzugsweise ihm 
angehört, ist zu wenig hervorgehoben und verschwimmt in 



Vorrede. IX 

anderem, unwesentlichem Detail. Es fehlt ein zusammenfassender 
Ueberblick, die Anordnung und Qruppirung in grössere Massen. 44 
Denselben Mangel scharfumrissener Abschnitte über die ver- 
schiedenen Gedankenkreise des Nolaners zeigt ein Jahr später 
Carriere's in seinem Buche „Die philosophische Weltanschau- 
ung der Reformationszeit" (Stuttgart, 1847) erschienene Ab* 
handlung über Giordano Bruno. Dieselbe beruht auf solidem 
Quellenstudium, giebt aber keine Belege; und da der Leser 
selten herausfindet, welche Sätze bloss der dialektischen Ver- 
mittelung der Gedanken Brunos dienen und welche andern 
Bruno's wörtlich übertragenes Eigenthum sind, so ist die Darstel- 
lung zwar sehr geniessbar, kann aber nicht selbst als Quelle be- 
nutzt werden. Wahrscheinlich hätte Berti diesem Mangel an 
einer übersichtlichen Darstellung von Bruno's Hauptgedanken 
abgeholfen, wenn er die neue Ausgabe seiner Vita di G. Bruno 
schon hätte erscheinen lassen, in welcher er, wie er in seinem 
Werke über Copernico e le vicende del sistema copernicano in 
ltdiia (Roma, 1876), pag. 234 schreibt: [speriamo di poter aggi- 
ungere alla nuova edizione della vita del Bruno Vesposizione 
imparziale delle sue dottrine], eine unparteiische Auseinander- 
setzung der brunonischen Lehren hatte geben wollen. Da Berti 
inzwischen Minister geworden ist, so lässt es sich wohl begreifen, 
dass er noch keine Zeit gefunden hat, sein Versprechen einzu- 
lösen. Nun ist seitdem von Raffaele Mariano ein Büchlein 
über Bruno erschienen: Giordano Bruno. La Vita e TTJomo. 
Saggio biografico-critico. 159 Seiten. 8°. Roma, Botta, 1881. 
Dasselbe bringt aber weder neues biographisches Material, noch 
stellt es Bruno's Philosophie anders, denn von den allgemeinsten 
Gesichtspunkten aus und nur im Hinblick auf das grosse, nicht 
philosophische Publikum dar. Es ist ein patriotischer Appell an 
seines Verfassers Geburtsprovinz die Campagna felice. 

Um so nothwendiger war nun aber in Folge dessen ein 
neuer Versuch, den weiten Horizont des brunonischen Denkens 
in einer Reihe von Specialabschnitten zu umgrenzen und des 
Nolaners Ideenfülle aufs neue der philosophischen Forschung 
der nächsten Zukunft zugänglich zu machen. Ich hätte freilich 
die neun Hauptabschnitte, in welchen ich dem Ideenumfange 
Bruno's gerecht zu werden suche, um eine Reihe anderer Ab- 



X Vorrede. 

schnitte, wie z. B. über Bruno's Quellen und Erkenntnisstheorie 
vermehren können. Da aber schon Bartholmess gerade diese 
Parthien ausführlich behandelt hat, so glaubte ich von einer 
Neubearbeitung derselben um so eher abstehen zu dürfen. In 
den von mir gegebenen Abschnitten aber habe ich mich aus- 
schliesslich an Bruno's gedruckte Werke gehalten und geflissent- 
lich seine Bekenntnisse vor dem venetianischen Inquisitionsgericht 
unberücksichtigt gelassen. Denn meines Erachtens haben nur 
die philosophischen Gedanken eines freien Menschen vollen 
Anspruch darauf, für Offenbarungen der Wahrheit gelten zu 
dürfen, während sich in den Denkoperationen eines Gefangenen 
unwillkürlich dialektische Wendungen vollziehen, welche lediglich 
aus der Sehnsucht nach der verlorenen und wiederzugewinnenden 
Freiheit abzuleiten sind. Es gilt von den Gedanken des Unfreien, 
was von dem seinem Käfig entronnenen Vogel bei Goethe: 

„Er schleppt des Gefängnisses Schmach, 
Noch ein Stückchen des Fadens nach: 
Es ist der alte, freigeborne Vogel nicht, 
Er hat schon jemand angehört." 

Ebenso ist es, insbesondere gegenüber der die Gedanken Bruno's 
mit den eigenen verquickenden Methode von Bartholmess 
und Carriere meine Absicht und Richtschnur gewesen, nicht 
über Bruno's Lehren zu raisonniren, sondern sich dieselben mög- 
lichst objektiv durch ihre eigenen Sätze darstellen zu lassen, so- 
dass in Zukunft Jedermann, der Lust hat, sich mit Bruno ein- 
gehender zu beschäftigen, Gelegenheit findet, des Nolaners Philo- 
sophie nach ihren wesentlichsten Gesichtspunkten nicht allein in 
des deutschen Bearbeiters wörtlicher Uebersetzung, sondern un- 
mittelbar auch im Wortlaut des Autors selbst zu studiren. 

Inwieweit es mir gelungen ist, die wesentlichsten Gesichts- 
punkte von Bruno's Denken aufzufinden , das wird die weiter- 
schreitende Forschung zeigen. Es wird jedoch schon aus 
den neun Hauptabschnitten des zweiten Theils dieses Buches 
klar werden, welchen gewaltigen Ideenschatz Bruno theils aus 
altem Gedankenmaterial verarbeitet und umgebildet, theils aus 
dem unerschöpflichen Schacht seines eigenen Genius gehoben hat 
Welchen Einfluss Bruno's Philosophie auf seine unmittelbaren 



Vorrede. XI 

Zeitgenossen und Nachfolger ausgeübt hat, ist zum Theil schon 
von Carriere in seiner Abhandlung- über Bruno angedeutet 
xind dargethan worden, wird aber von mir in einem eigenen 
Werke über Bruno's Einwirkung auf Mit- und Nachwelt aus- 
führlich, quellengemäss und mit Benutzung der inzwischen auch 
von andern Brunoforschern entdeckten Zusammenhänge zwischen 
Bruno, Kepler, Galilei und Huygens, Bacen und Descartes, 
Spinoza, Leibnitz, Kant, Schelling, Hegel, Shakespeare, Goethe 
und andern, nachgewiesen werden. 

Die schon von Sigwart gemachte, von Avenarius tiefer l 
begründete Entdeckung, dass Spinoza total und in mehr als er- *' 
laubter Weise von Bruno abhängig ist, sowie der Einblick . 
Dühring's in das Abhängigkeitsverhältniss Leibnitzens zu Bruno, % 
gentigen an und für sich schon, um Bruno die ihm bis jetzt 
vorenthaltene Centralstellung in der Geschichte der neueren Philo- 
sophie zu erobern. Denn dass auch Descartes mit seiner 
über alles Verdienst hinaus verherrlichten Methode durch und 
durch auf Bruno fiisst, hat schon Bartholmess in seiner 
Vie de G. Bruno, T. II, pag. 272 gezeigt und wird von 
mir noch specieller erläutert werden. Was Bruno im Verhält- 
niss zu Descartes, Spinoza und Leibnitz vielleicht an Methode 
gebricht, das ersetzt er reichlich durch die poetische Unmittel- 
barkeit seines Ausdrucks, durch die überzeugende Macht seiner 
Rede, durch den Feuereifer flir die Wahrheit und durch das 
erhabene Beispiel, welches er mit seinem Märtyrertode für die 
Freiheit der wissenschaftlichen Forschung gegeben hat. Alles 
das, zusammen mit einer, nur von Leibnitz tibertroffenen Ideen- 
flille, wiegt an. lebendiger Wirksamkeit selbst das methodisch 
vollendetste Lehrgebäude auf. In Bruno's Schriften, zumeist in 
den italienischen, weniger freilich in den lateinischen, verbindet 
sich intensivste Speculation mit tiefer Gelehrsamkeit und aus- 
gebreiteter Lebenserfahrung zu einer stilistischen Gesammtwirkung, 
wie sie in neuerer Zeit nur etwa wieder Schopenhauer schrift- 
stellerisch erreicht hat, wiewol der Nolaner den Frankfurter 
Philosophen durch die Kraft seiner, so dem Pessimismus wie 
dem Optimismus gewachsenen Weltanschauung, weit hinter sich 
lässt. In Bruno's Philosophie verschmilzt naturumklammernder 
Realismus mit geistentzticktem Idealismus. Jene zwei Pole 



XU Vorrede. 

menschlichen Denkens und Empfindens, welche sich bei den 
Griechen in Piaton und Aristoteles, bei den Deutschen in Schiller 
und Goethe zu typischen Gestalten zweier einander im innersten 
Kerne entgegengesetzten Weltanschauungen krystallisirt haben, 
hat die italienische Renaissance in Bruno, die englische in Shake- 
speare als organisch mögliche Einheit zu verwirklichen vermocht. 
Augenfälliger als an irgend einem andern Dichter und Denker 
entdeckt sich uns Bruno's Grösse als hervorgewachsen aus der 
lebendigen Wechselwirkung zwischen dem Menschen und Schrift- 
steller, zwischen dem Ideal und der Lebenserfahrung. Bruno 
hat in der neueren Zeit zuerst wieder die Philosophie als eine 
allgemeine Angelegenheit der Menschheit erfasst. Die Herren von 
der Schule mögen es sich desshalb gesagt sein lassen, dass, wenn 
auch Bruno durch sein Martyrium für die Freiheit der philo- 
sophischen Forschung verhindert worden ist, ein allseitig in sich 
abgerundetes System zu hinterlassen, doch sein Heldentod für den 
Sieg der wissenschaftlichen Wahrheit eine Höhere Leistung für 
die Sache der Menschheit ist, als alle Systeme seiner Nachfolger 
zusammengenommen. Je höher die Menschheit sich ethisch ent- 
wickeln, je überzeugungstreuer und, politisch wie kirchlich, un- 
abhängiger die Philosophie werden wird, desto williger wird sie 
auch dem todesmuthigen Herold der modernen Geistesfreiheit 
den ihm lange versagten Ehrensitz im Eathe der Weltweisen 
einräumen. 

Die gegenwärtig noch herrschende Philosophie des Kantia- 
nismu8 wird zwar die Wiedererweckung Bruno's mit dem Ein- 
wand ablehnen, dieselbe bedeute nichts mehr und nichts weniger 
als eine Wiederanerkennung des von Kant angeblich überwun- 
denen Empirismus. Es kann hier nicht der Ort sein, meine 
Ueberzeugung einlässlich zu vertheidigen, dass die Fortdauer der 
Alleinherrschaft Kant's für das gesammte deutsche Geistesleben 
nur von schädlicher Wirkung sein könnte. Ich stehe aber durch- 
aus auf dem Standpunkt, welchen, in völliger Unabhängigkeit 
von mir, mein Landsmann und Freund Dr. Adolf Bolliger, 
Privatdocent an der Universität Basel, mit mir gleichzeitig kritisch 
im Kampfe gegen Kant errungen und in seinem, im Juli d. J. 
erschienenen Werke: „Anti-Kant oder Elemente der Logik, der 
Physik und der Ethik" (407 Seiten gross 8°, Basel, 1882) näher 



Vorrede. XIII 

begründet hat. Ich wiederhole aus diesem ebenso klar, als an- 
ziehend geschriebenem Werke Bolliger's Satz (pag. 20): „Nicht 
kindische Liebe zum Gezänk treibt mich, sondern der Nothstand 
unserer Philosophie und die ehrlich erworbene Ueberzeugung, 
dass der Kantianismus , mag er auch seine Verdienste gehabt 
haben, fiirderhin nur noch ein Hemmschuh der Wissenschaft sein 
kann. Es ist ja ein grosses Verdienst eines Mannes, wenn er 
die Menschen auf Probleme aufmerksam macht und zur Dis- 
cussion derselben veranlasst, und das hat Kant reichlich gethan. 
Ob er aber mehr gethan hat, das eben ist die Frage. Ob ein 
Verharren in seinen Gedanken nicht zum Siechthum der Philo- 
sophie geworden ist, ob die Verachtung, welche man seit Jahren 
von allen Seiten her der Philosophie entgegenbringt, nicht wesent- 
lich durch das Festhalten an kant'schen Irrthümern und Halb- 
wahrheiten verschuldet sei, das ist wenigstens keine ungereimte 
Vermuthung. u Angesichts der riesigen Errungenschaften, deren 
sich der Empirismus und die ihm vertrauende Technik erfreut 
und mit täglich noch wachsendem Rechte bertihmen darf, wird 
sich der kant'sche Kriticismus mit seiner Absage an den Em- 
pirismus (s. Bolliger's Anti-Kant, pag. 64) schliesslich doch 
"an die Brust schlagen und sich mit Goethe bekennen müssen: 
„Was fruchtbar ist, allein ist wahr." Was als der praktisch 
fruchtbarste Gedanke Kant's gepriesen worden ist und. die Neu- 
kantianer nicht müde werden, als die einzig berechtigte Grund- 
lage der Ethik zu verherrlichen: „der kategorische Imperativ 44 , 
ist „zu einer festen Burg des Obscurantismus u (Bolligee's 
Anti-Kant, pag. 21) gemacht worden und mag sich als Haupt- 
paragraph und kurzer Inbegriff einer guten Korporalsethik nicht 
übel ausnehmen, ist aber der ethnologischen Psychologie gegen- 
über längst unhaltbar geworden. Und was ist denn schliesslich 
als das kulturhistorische Resultat kantischen Philosophirens zurück- 
geblieben? Nichts als Verzweiflung an aller Erkenntniss, ein 
neuer Gespensterglaube an ein halb satanisches „Ding an sich", 
vor welchem sich selbst der geistvollste Vertreter des Neukan- 
tianismus, Fr. Alb. Lange, nur dadurch zu retten wusste, 
dass er sich dem orthodoxesten Zionsglauben in die Arme 
warf und in Paul Gerhardts Kirchenliedern jenen Trost suchte^ 
den ihm Kant's Philosophie nicht zu gewähren vermochte. 



XIV Vorrede. 

Dieser kantischen Verzweiflung an aller Erkenntniss hat schon 
Hegel in seiner Encyclopädie (Werke, Bd. VII, Abtheilung 2, 
pag. 290, Anmerkung) zugerufen: „Wenn die Menschen be- 
haupten, man könne die Wahrheit nicht erkennen, so ist Dies 
' die äusserste Lästerung. Die Menschen wissen dabei nicht, was 
sie sagen. Wüssten sie es, so verdienten sie, dass ihnen die 
Wahrheit entzogen würde. Die moderne Verzweiflung an der 
Erkennbarkeit der Wahrheit ist aller speculativen Philosophie, 
wie aller echten Religiosität, fremd." 

Die verheerendsten Wirkungen der kantischen Philosophie 

. zeigen sich so recht auf dem Gebiete der ethischen Ideale Gott, 
Freiheit und Unsterblichkeit, welche als vom Kriticismus nicht 
zu rechtfertigende Begriflsdichtungen hingestellt werden, die höch- 
stens als Postulate der praktischen Vernunft Existenzberechtigung 
hätten. „Gott, Freiheit, Unsterblichkeit (Bolliger, Anti-Kant, 
pag. 16) werden erwiesen, als Begriffe, die kein empirischer 
Gegenstand zureichend begründet, als Begriffsdichtungen also. 
Dennoch fährt Kant fort, sie Erkenntnisse zu nennen oder 
Objekte der Erkenntniss, wie das Vermögen jener Be- 
griffsdichtung ja nicht Phantasie, sondern — man staune — 
die reine Vernunft geneissen wird. Es ist gewiss schlimm, 
wenn ein Erkenntnisstheoretiker die hohen Namen der Erkennt- 
niss und der Vernunft so wenig in Ehren zu halten weiss, dass 
er wohl auch den Irrthum und das Dichtungsvermögen damit 
zu bezeichnen geneigt ist." Wohin nun eine solche Leugnung 
der empirischen Wahrheit von Gottes Dasein führt, zeigt das 
Beispiel eines sonst so klar denkenden' Kantianers wie Lieb- 
mann's. Er muss in seiner „Analysis der Wirklichkeit" 

v *{2. Ausg. 1880) am Schlüsse des Abschnittes „Die Einheit der 
Natur" (pag. 560) „die Idee eines einheitlichen Naturgrundes" 
als „unerschüttert" dastehend anerkennen. Diesen einheitlichen 
Naturgrund haben alle Denker aller Zeiten sich nicht gescheut, 
Gott zu nennen und in ihm den Grund aller Erfahrung zu ver- 
ehren. Für Liebmann's Kantianismus ist er aber weiter nichts' 
als „ein adaequater Grenzbegriff, welcher freilich vollkommen 
inhaltsleer erscheint und daher . phantastischen Speculationen 
offensten Spielraum gewährt." Also Gott zu bekennen ist des 
kriticistischen Philosophen unwürdig, dagegen mag er dem Volke 



Vorrede. XV 

ruhig den Teufelsglauben empfehlen! So steht wörtlich im Ab- 
schnitt „Das ethische Ideal" (pag. 679) : „Man lasse der Religion 
doch ja aijch das böse Princip, den Teufel; er ist für die Alle- 
gorie, wenn sie in sämmtlichen Zügen zutreffend sein will, in 
der That unentbehrlich." Wer erinnert sich diesem Danaer- 
geschenk gegenüber nicht des Spruches : „Wer ist unter euch, der, 
so ihn sein Sohn bittet ufli ein Brod, er ihm einen Stein bietet?" 
oder des andern: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen." 

Der kantische Kriticismus ist der getreue Eckart, welcher 
dem Empiristen fortwährend zuruft, sich vor dem Zauberspiel 
seiner Sinnesthätigkeit in Acht zu nehmen. Somit wird er .als 
Regulativ der Empirie für alle Zeiten werthvoll bleiben. ' Dieser 
getreue Eckart ist aber völlig improduetiv, er ist der reine Merck 
gegenüber Goethe, der Mephistopheles gegenüber Faust, der 
zweifelnde Petrus gegenüber dem meerwandelnden Christus. 
Er weiss sehr wohl die Achillesferse aller Production herauszu- 
finden, ist aber selbst unfähig, sich mit Achiflöus auf einen Wett- 
lauf einzulassen. 

Ganz im Gegensatz zu dieser Philosophie der Verzweiflung, 
die uns die ethischen Ideale von Gott r - Freiheit und Unsterb- 
lichkeit als wesenlose Phantome wegdisputirt und zur Entschä- 
digung dafür den Glauben an den Teufel empfiehlt, ist Bruno' s 
Philosophie eine Weltanschauung der Freude und der Hoffnung, 
weil sie uns jene unverlierbaren Erbgüter des menschlichen 
Glaubens, als in der Einheit des Universums wurzelnd, als in dem 
Selbstvervollkommnungszwecke des Kosmos begründet, nachweist. 
Bruno's Philosophie verkennt zwar die negativen Grössen im 
Weltentwickelungsprocesse nicht, sein Pessimismus in der Kritik 
bestimmter Entwickelungsphasen der Menschheit, wie z. B. der 
Geschichte der christlichen Kirche, hält gleichen Schritt mit' 
seinem optimistischen Glauben an die unendliche Selbstvervoü- 
kommnungsfähigkeit der Menschennatur. Aber Bruno's Denken 
ist frei von aller Griesgrämigkeit und Schwarzseherei, seine 
k Weisheit ist nicht aus der dumpfen Stube des nebligen Nordens, die 
höchstens ein qualmender Kienspan spärlich erhellt, auch stammt 
sie nicht aus dem mystischen Rauchfang, durch welchen die 
metaphysischen Hexen ihren transcendentalen Flug nach dem 
Blocksberg nehmen, wo im dämonischen Lrlichtschein seiner 



XVI Vorrede. 

Apriorität das „Ding an sich" haust. Jede Anwandlung welt- 
schmerzlerischer Zerrissenheit ist Bruno's stets heroisch gestimm- 
tem Gemüthe fremd, dagegen enthalten alle seine Schriften, 
vorab die italienischen, jene feine Mischung von Ernst und 
Scherz, von urkräftiger Gedankenhoheit und übersprudelnder 
Witzlaune, welche zusammen den Leser in die wonnigste Stim- 
mung versetzen, in der heitersten Laune entlassen. Wer sich 
aus dem Studium Kant's, Schopenhauer^ oder Eduard 
von Hartmann's flüchtet, um in Bruno' s Philosophie die ver- 
lorene Freude an der Welt wieder zu finden, erfährt eine ähn- 
liche Umwandlung seines innersten Wesens, wie wenn einer, 
noch entsetzensstarr über die grauenvollen Bilder, die ihm Dante 
vorgemalt, sich zu den Liedern Goethe's wendet und da erst 
wieder lernt, am sonnigen Frtihlingsmorgen in Feld und Wald 
hinein zu jauchzen oder im stillen Mondenglanze die Seligkeit 
treuer Freundschaft zu geniessen. 

Was Bruno in den Augen des Kantianismus, der sich etwas 
auf seine Staubtrockenheit zu gute thut, schadet, im Urtheil 
derjenigen aber, welche die Philosophie im antiken Sinne als eine 
das ganze Leben umspannende und dasselbe bestimmende 
Weltanschauung auffassen, nur frommen kann, das ist die poetisch- 
religiöse Weihe, die über seinen Schriften ausgebreitet ist, die 
Bilderfülle, welche seine Betrachtungen kranzartig durchschlingt. 
Den etwa sich erhebenden Einwurf, dass das Bild in die Poesie 
und nicht in die Philosophie gehöre, deren Aufgabe vielmehr die 
Analyse sei, hat schon Herder, ein allerdings Kant sonst nicht 
gewachsener Gegner, mit den Worten entkräftet (Werke, hrsgeg. 
von Suphan, Bd. 8, Seele und Gott, 1808, pag. 6): „Der em- 
pfindende Mensch fühlt sich in Alles, fühlt alles aus sich heraus 
und drückt darauf sein Bild, sein Gepräge. So ward Newton 
in seinem Weltgebäude wider Willen ein Dichter, wie Buffon 
in seiner Kosmogonie und Leibnitz in seiner prästabilirten Har- 
monie und Monadenlehre. Wie unsere ganze Psychologie aus 
Bildwörtern besteht, so war es meistens Ein neues Bild, Eine 
Analogie, Ein auffallendes Gleichniss, das die grössten und 
kühnsten Theorien geboren. Die Weltweisen, die gegen die 
Bildersprache declamiren, und selbst lauter alten, oft unverstan- 
denen Bildgötzen dienen, sind wenigstens mit sich selbst sehr 



Vorrede. XVII 

uneinig. Sie wollen nicht, dass neues Gold geprägt werde, da 
sie doch nichts thun, als aus eben solchem oft viel schlechtem 
Golde ewig und ewig dieselben Fäden spinnen." Nun ist es 
eine historische Thatsache, dass Leibnitzens Monadologie ihren 
Hauptreiz auf so tiefwirkende Dichter wie Pope und Haller und 
Spinoza's Ethik ihren Zauber auf Goethe nur vermöge der ihnen 
inwohnenden poetischen Anklänge ausgeübt haben. Der gewal- 
tige Aufschwung der Geister, wie er das achtzehnte Jahrhundert 
kennzeichnet, verdankt nun aber wiederum seinen Ursprung vor- 
nehmlich der optimistischen Philosophie Leibnitzens, sowie das 
Wiedererwachen der Logosidee in der nachkantischen Identitäts- 
philosophie von Schelling und Hegel auf die unmittelbare Ein- 
wirkung Bruno's, Spinoza' s und des von Bruno und Spinoza zu- 
gleich inspirirten Goethe zurückweist. Wie nun, wenn, wie ich in 
dem schon erwähnten Werke nachweisen werde, gerade die poetisch- 
philosophischen Formeln Spinoza's und Leibnitzens samnit und 
sonders sich als Bruno's Eigenthum ergeben? Welchen freudigen 
Hoffnungen darf man sich da nicht überlassen, wenn man sich 
die zukünftige Wirksamkeit des erst jetzt wieder erstandenen 
oder vielmehr jetzt erst erstehenden, echten Bruno vorstellt? 
Das Studium Bruno's 'wird ganz besonders mächtig dazu 
beitragen, in der Naturphilosophie den durch Kant's Dualismus 
preisgegebenen Logos wieder zur Anerkennung zu bringen, jene 
Idee einer das All in Natur- und Geistesleben durchleuchtenden 
und befeuernden Weltvernunft, welche nichts anderes ist als die 
Künstlerin Gott-Natur oder, wie es Bruno auch ausdrückt, der 
universale Apollo. Alle Zeitalter von überquellender Ideenfulle, 
so gut wie alle Menschen von hervorragender Productivität, 
ftihlen sich getragen durch die Idee eines unsere Begriffe zwar 
annoch überragenden, aber desshalb noch nicht für immer un- 
begreifbaren Weltzusammenhanges, es ist das eine Idee, die sich 
selbst im crassesten Aberglauben des blinden Pöbels nicht ganz 
verleugnet. Die Naturforscher und Mathematiker von Fach, 
hauptsächlich aber die Astronomen und Physiker, werden sich 
wundersam angezogen finden durch Bruno's Lehre von der 
Wichtigkeit der Empirie und der Erforschung des unendlich 
Kleinsten, da auch das unendlich Kleinste ein lebendiger Spiegel 
des ganzen Weltalls. Von welchem Staunen werden aber die 



i 



XVIII Vorrede. 

Darwinisten ergriffen werden, wenn sie ihres grossen Meisters 
Entwicklungslehre, sowie dessen Auffassung des Instinkts als 
einer von jeder Gattung im Kampf ums Dasein erworbenen 
Stufe des Intellekts schon so klar vorgeahnt und so entschieden 
durchgeführt vorfinden werden? Wie sehr werden sie aber auch 
erstaunen über die Kühnheit, mit welcher Bruno, allerdings ganz 
auf Plotin sich stützend, das Streben nach der Schönheit, welches 
nach Darwin das Triebrad der Natur in der Zuchtwahl der In- 
dividuen ist, zum Princip seiner Ethik erhoben hat! Plotin's 
und Bruno's Lehre von der allbeherrschenden Macht der Schön- 
heit, welche das Individuum über sich selbst hinaushebt, sodass 
es durch die Liebe zum Schönen ein anderes, seiner Art Ueber- 
legenes wird, hat durch Darwin's Lehre von der Zuchtwahl eine 
nicht einmal geahnte Bestätigung gefunden. So muss, wie es 
Lotze verkündet, der Mechanismus des Weltgeschehens schliess- 
lich sich als den puren Schleppträger derQden Selbstvervoll- 
kommnungstrieb der Wesen durch die Schönheit entfesselnden) 
Gott-Natur enträthseln. 

Bruno's Ethik ist längst als die Quelle derjenigen Spinoza's 
entdeckt worden, nur dass noch andere Schriften Brunos, ins- 
besondere der Anhang zur SümäTa terminorum metaphysi- 
corüm : die Abhandlung De Deo seü Mente, unmittelbar wört- 
lichen Einfluss auf Spinoza's Werk ausgeübt haben. Aber wie 
verschieden ist das Gepräge dieser beiden Ethiken! Wie wun- 
derbar herrlich durchdringt sich in Bruno's Dialogen Degli 
Eroici Fürori die bilderreichste Poesie mit der weltkundigsten 
Lebensanalyse! Zu welcher lebendigen Wechselwirkung ver- 
binden sich da nicht die wiedererweckten Ideen Plotin's mit 
Bruno's, Copernicus' kosmologische Entdeckung verwerthendem 
Satz von der Unendlichkeit der Welt als der jeder Monade 
bestimmten Arena der Selbstvervollkommnung! Wie seefrisch 
erquickend weht uns aus Bruno's Ethik . des Heroisjnua ein 
Hauch der Antike entgegen! Wie begreifen wir aus ihr 
jene vielgepriesene und doch so selten verstandene Sophrosyne 
der Hellenen! Jene heitere Seelenruhe, jener gemessene Ernst 
souveräner Lebensfreude, welche wir an den Kunstwerken des 
classischen Alterthums bewundern und welche wir anfanglich 
vergebens zu begreifen trachten, offenbart sich uns durch Bruno 's 



Vorrede. XIX 

Ethik als der nothwendige Ausdruck einer harmonischen Geistes- 
verfassung und Gemüthsstimmung, welche nicht an und für sich 
schon vorhanden ist, sondern immer nur aus schwererrungenem 
Siege über die Willkür des eigenen Selbsts hervorgeht. Alsdann 
ergiebt sich uns jene fürstliche Gelassenheit der Antike nicht als 
der Abglanz voraussetzungsloser Seelenschönheit, sondern sie ist 
vielmehr der täglich sich erneuernden Pracht der Tropenland- 
schaft zu vergleichen, in welcher das Licht seine kräftigsten 
Wirkungen erst dann hervorbringt, nachdem ein furchtbares 
Gewitter die Luft zuvor von allen Dünsten gereinigt hat. In 
dieser stärkenden Geistestemperatur gedeihen denn auch die Ideen- 
bäume und Bilderblumen zu wuchernder Saftftille und Frucht- 
menge und bunte Vöglein schwirren mit melodischen Liedern 
durch das thauschwere Laubwerk, welches die Morgensonne des 
Südens goldig durchstrahlt. Wie ärmlich nimmt sich gegen 
dieses Eden Brunos die Ethik Spinoza's aus! Sie gleicht einem 
Herbarium , welches ein kundiger Botaniker aus jenem Urwald 
zusammengepflückt und in die gähnende Langeweile wohlgeord- 
neter Papiermappen, genannt Propositionen, Demonstrationen, 
Corollarien und Scholien zum Trocknen gelegt hat. 

Es erscheint mir je länger desto wahrscheinlicher, dass 
Spinoza historisch gar nicht möglich geworden wäre, wenn Bruno 
Zeit gehabt hätte, die reiche Fülle seiner Ideen in systematischer 
Uebersicht darzustellen. In diesem Bestreben ereilte den Vierund- 
vierzigjährigen die tückische Eisenhand der römischen Inquisition 
und machte ihn mundtodt. Ob sie ihn auch schrifttodt gemacht hat, 
darüber könnten die römischen Inquisitionsakten Auskunft geben, 
deren endliche Herausgabe unter einem wissenschaftlich gebildeten 
Papste wie Leo XHI. nicht unmöglich sein sollte. Die römische 
* Kirche würde einen Theil des an Bruno begangenen Unrechts 

! wieder .gut _ machen , wenn sie den von ihr im kräftigsten Mannes- OnCfci • i l 

alter seiner geistigen Wirksamkeit Beraubten wenigstens in j|en 
Schriften oder Gedichten wieder aufleben lassen würde, die er 
**Jt ^ ne Zweifel, gleich Campanella, während seiner neunjä hrigen ^ 
' Kerkerhaft verfasst hat. Es ist leicht möglich, dass uns Bruno 
eines Tages nach dreihundertjährigem Stillschweigen mit nie- 
geahnten Werken seines Genies überraschen wird! Welche Lei- 
stungen würden wir aber erst von ihm haben erwarten dürfen, 



XX Vorrede. 

wenn es ihm noch vergönnt gewesen wäre, sich Galilei's Erfin- 
dung der Fernröhre zu ^bedienen! Kein Zweifel, dass die Phy- 
sik und Astronomie sich noch um vieles rascher entwickelt 
hätten, als es historisch geschehen ist! Kein Zweifel aber auch, 
dass, wenn es Bruno noch zu Stande gebracht hätte, seine Mo- 
nadologie, zu welcher er in De Triplice Minimo nur Bausteine 
liefert, in grösserer Ausführlichkeit darzustellen, alsdann auch 
Leibnitzens Monadenlehre entweder historisch schon zum voraus 
überholt gewesen oder mindestens ganz anders und nicht in theo- 
logisch getrübter Form ans Tageslicht getreten wäre. Mit einem 
Worte: ohne Bruno's Verbrennung hätte die Entwickelung der 
neueren Philosophie einen ganz andern Verlauf genommen , und 
wäre der unselige Zwist, der seit Kant's Wiedererweckung des 
Dualismus die Naturphilosophie der Fachphilosophen von der- 
jenigen der Empiriker trennt, niemals ausgebrochen. 

So hat uns die römische Inquisition um die Vollendung eines 
Ideentempels gebracht, in welchem die neuere Menschheit die 
jetzt seit drei Jahrhunderten nur bruchstückweise wieder ent- 
deckte Einheit der Weltanschauung als ein in der Glorie strahlendes 
Ganze hätte verehren können. 

Um so grösser aber wird denn auch einst die Ueber- 
raschung sein, welche eine Ausgabe von Bruno' s sämmllichen 
Werken und eine Uebersetzung wenigstens seiner Hauptwerke 
dem philosophischen Publikum bereiten wird. Dasselbe hatte 
sich schon der freudigen Erwartung hingegeben, dass die unter 
den Auspicien des ehemaligen Unterrichtsministers Francesco 
de Sanctis erscheinende Gesammtausgabe von Jordani Brüni 
Nolani Opera latine conscripta rec. F. Fiorentino [Vol. L 
Pars 1: 1. Oratio valedictoria. 2. Oratio consolatoria.^ 3. Acro- 
tismus. 6. De lmmenso et Innumerabilibus (Lib. 1. 2. 3). 
Neapoli 1879 XLV1II und 398 Seiten Hoch 4"] dem längst 
vorhandenen Bedür&iss abhelfen würde. Es scheint aber 
nach Eaffaele Mariano's Mittheilung in dessen Giordano 
Bruno, pag. 18, dass es bei diesem ersten Band sein Bewenden 
haben werde: \E ci e pericolo, a quel che pare, che la cosa 
abbia a rimaner U; il che non sarebbe senza grande disonqre 
per noi]. Ob Sigwart's scharfe Kritik dieses Editionsversuches 
in den Göttinger Anzeigen vom 5. u. 12. Jan. 1881, pag. 25 



Vorrede. XXI 

bis 32 die Sistirung des sonst so wünschenswerthell Unternehmens 
herbeigeführt haben mag? Jedenfalls ist zu bedauern, dass Fio- 
rentino den ersten Band mit dem Abdruck der weniger wichtigen 
Lateinschriften Bruno's begonnen, dagegen dann das so werthvolle 
Gedicht De Immenso nur zur Hälfte abgedruckt hat. Unerläss- 
liche Forderung an den neuen Herausgeber wäre aber auch die 
möglich zu machende Mithineinziehung der durch den Pariser 
Buchhändler Tross 1866. an den damaligen russischen Unter- 
richtsminister Noroff verkauften und von diesem der Moskauer 
Bibliothek geschenkten Lateinmanuscripte Bruno's, denen sich 
vielleicht auch die im Archiv der Inquisition zu Rom vorhandenen 
Autographen anschliessen würden. Staunendes Entzücken, Ehr- 
furcht und Liebe, aber auch bittere Eeue über die jahrhunderte- 
lange Vernachlässigung eines so edeln Geistes werden die Em- 
pfindungen sein, welche rückhaltslos hervorbrechen werden, so- 
bald einmal Bruno's italienische Werke, namentlich die Dialoge 
Degli Eroici Fürori, der Spaccio de la Bestia Trion- 
fante, sodann aber auch das grosse Lateingedicht De Immenso, 
einen guten Uebersetzer gefunden haben werden., Dass dieses noch 
vor der dreihundertjährigen Gedenkfeier von Bruno's Flammen- 
tod für die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung geschehen 
möge, dafür erfolgreich mitgewirkt zu haben , wäre meine 
grösste Genugthuung. 

Zum Schlüsse halte ich es noch für meine Pflicht, für die 
Liberalität und Freundlichkeit, mit welcher mir die kgl. Hof- 
bibliothek in München, die Universitätsbibliotheken von Göttingen 
und Basel und die Stadtbibliotheken von Zürich und Zofingen 
seltene Schriften Bruno's geliehen haben, meinen wärmsten Dank 
auszusprechen. 

Aarau, 1. October 1882. 



Dr. Hermann Brunnhofer, 

Kantonsbibliothekar. 



Inhaltsverzeichnis^ 



Erster Theil. 

Seite 

Giordano Brnno's Leben und Werke. 1—135 

L Einleitung . , 3—4 

II. Brnno's Kinderjahre nnd Klostererfahrungen. 1548-1570. 

Lage nnd Geschichte der Stadt Nola. Des Kindes Abenteuer 
mit einer Schlange. Noyizenleben. Brnno's Bildungsquellen. 
Erste poetische Versuche: das Lustspiel II Candelajo. 
Wachsende Zweifel an den kirchlichen Hauptdogmen. An. 
klage 4—13 

III. Brnno's Flucht ans seinem Taterlande. 1576—1578« 

Flucht nacn Rom. Wirft seinen Verräther in den Tiber. 
Flucht nach Genua und Noli. Bruno als Schulmeister. Weiter- 
reise nach Sayona, Turin. Pofahrt nach Venedig. Weiter- 
reise nach Padua, Brescia, Bergamo, Mailand, Turin , Cham- 
be*ry 13—16 

IV. Brnno's Schicksale in der französischen Welt. 1578—1588. 

a. Bruno in Genf, Lyon und Toulouse. 1578 — 1570. 
Die italienische Emigration im calvinistischen Genf. 
Brnno's Landsmann Galeazzo Caraccioli, Marchese von 
Vico. Reise nach Lyon und Toulouse. Doctor und 
Ordentlicher Professor der Philosophie an der Universität 1 6 — 19 

b.. Bruno's erster Aufenthalt in Paris. 1580—1583. 
Reise nach Paris. Hält Privatvorlesungen. Widmet 
König Heinrich III. seine philosophische Erstlingsschrift . 
De Umbris Ideabum. Raymundus Lullus als Erfinder 
der Denkrechenkunst. Kurze Analyse des Werkes 
„Von den Schatten der Ideen". Vom König zum ausser- 
ordentlichen Professor ernannt. Andere lullische Latein- 
werke Bruno'8. Herausgabe des Lustspiels II Cande- 
lajo. Kurze Analyse desselben. Brnno's Glück in der 
grossen Welt ' 19 — 27 



XXIV Inhaltsverzeichniss. 

Seite 

V. Bruno's Schicksale in England. 1583—1585. 

Bruno als Gast im Hause des französischen Gesandten 
Michael de Castelnau in London. Hält Vorlesungen 
in Oxford. Besuch des gelehrten Polenfürsten Albert 
a Lasco in Oxford. Bruno im Kampf gegen die aristo- 
telisch - ptolemäische Weltanschauung. Brnno's Vor- 
lesungen über die Unsterblichkeit der Seele. Die Hand 
als das Organ der Organe. Der Dialog La Cena de le 
Cenbri. Kurze Analyse des Werkes. Kurze Charakte- 
ristik von Bruno's drei übrigen Dialogen. Analyse der 
Dialoge De la Causa, Pbincipio et Uno und De la 
Bestia Trionfante nebst der Cabala del Caballo 
Pegaseo coli/ aggiunta de l'asino Cillenioo. Das 
Sonett vom Lob des Eselthums. Kurze Charakteristik x 
des Dialogs Degli Eboici Fubobi. Das Sonett vom 
Eich bäum. Bruno's Verhältniss zur Königin Elisabeth. 27 — 54 
VI. Brnno's Rückkehr nach Paris. 1585—1586. 

Castelnau's Abberufung. Das Sonett von der Ursache, dem 
Urgrund und dem Ewig-Einen als Prüfstein von Bruno's Er- 
fahrungen in der englischen Gelehrtenwelt. Bruno als 
Privatgelehrter in Paris. Sein Landsmann und Freund Fa- 
bricio Mordente aus Salerno. De Physico Aüditu. Bruno's 
öffentliche Verteidigung des copernicanischen Weltsystems. 

Flucht aus Paris. Acbotismus 54—58 

VII. Brnno's Schicksale in der deutschen Welt. 1586—1591. 

a. Bruno in Marburg und Wittenberg. 1586 bis 

1588. 
Reise nach Mainz und Marburg. Conflikt mit dem Uni" 
yersitätsprofessor Nigidius. Abreise nach Wittenberg. 
Glück bei den lutheranischen Professoren. Privatvor- 
lesungen über des Aristoteles' Organon. Sieg der Cal- 
vinisten und Bruno's Abschiedsrede an den Wittenberger 
Senat. Panegyricus auf Deutschland als das Bollwerk 
der Geistesfreiheit, als das Vaterland des Albertus Mag- 
nus, Nicolaus von Cusa, Paracelsus, Landgraf Wilhelm 
von Hessen-Kassel, Copernicus, Luther 58 — 68 

b. Bruno in Prag und Helmstädt. 1588—1591. 
Abreise nach Prag. Bruno widmet dem Kaiser Rudolph IL 
die Schrift: Centum et sexaginta articuli adversus 
HüJÜS tempestatis mathematicos atqub philosophos. 
Kurze Analyse der Einleitung zu diesem Lateinwerk- 
chen. Kaiser Rudolphs Gratification. Abreise nach 
Helmstädt. Freundschaftliches Verhältniss zu Herzog 
Julius von Braunschweig. Tod des Herzogs. Bruno's 
Oratio consolatoria. Gunst des Herzogs Heinrich Julius. 



Inhal tsverzeichniss. 

Excomraunication durch den Superintendenten Boethius. 
Angriffe des Theologen und Rektors Hofmann. Brnno's 

sarkastische Abfertigung desselben 68 — 74 

c. Bruno in Frankfurt und Zürich. 1590—1591. 
Abreise nach Frankfurt a. M. Bruno auf Kosten seiner 
Verleger Wechel und Fischer im Carmeliterkloster. Ab- 
stecher nach Zürich. Privatvorlesungen über Logik und 
Metaphysik. Seine Schüler Raphael Eglin und Junker 
Joh. Heinr. Hainze* von Augsburg. Lustiges Leben auf 
Schiloss Elgg. Bruno widmet Hainzel De Imaginum, Sig- 
norum et Idearum Compositio2{e. Die Summa Ter- 
minokum Metaphysicorum. Bückkehr nach Frankfurt. 
Charakteristik der drei Lateinwerke: De Imaginum, 

SlGNORUM ET IDEARUM COMPOSITIONE , De TRIPL. MlN., 

De Monade, Numero et Figur a mit De Immenso. 
Uebersetzung des Gedichts vom Forscherloose .... 74 — 90 

VIII. Brnno's Rückkehr in sein Taterland und sein Ter- 
Mngniss in Yenedig. 1591—1593« 

Bruno's Einladung nach Venedig. Sein Patriotismus. Wieder- 
holte Versuche, sich mit der Kirche auszusöhnen. Venedigs 
Weltstellung. Der junge Nobile Mocenigo Brnno's Schüler. 
Sein heimtückischer Charakter im Gegensatz zu Brnno's 
Offenheit Mocenigo's unterthäniges Verhältniss zu seinem 
Beichtvater. Brnno's Gefangensetzung durch Mocenigo und 
Auslieferung an das venetianische Inquisitionsgericht. Zu- 
sammensetzung dieses Gerichts. Das Zeugenverhör. Brnno's 
erstes und zweites Verhör. Mocenigo's Denunciation. Bruno's 
drittes und viertes Verhör am 2. und 3. Juni. Darstellung 
und Verteidigung seiner eigenen Lehre. Verhör vom 4. Juni. 
Zengenverhör von Morosini am 23. Juni. Bruno's Verhör 
vom 30. Juli. Sein Kniefall 90—117 

IX. Bruno's Auslieferung an Born, seine Kerkerhaft und 
sein Martyrium. 1593—1600. 

Das venetianische Inquisitionsgericht schickt die Processaktcn 
in Sachen Bruno's an das Oberinquisitionstribunal zu Rom. 
Zusammensetzung desselben. Verhandlungen mit dem vene- 
tianischen Senat. Auslieferung Bruno's an Rom. Betrach- 
tungen über Bruno's Motive zum Einverständniss mit 
derselben. Jahrelanges Zögern und scheinbares Schwanken 
Bruno's. Verurtheilung, Excommunication und Auslieferung 
an die weltlichen Behörden. Neue, Bruno gewährte Frist 
von acht Tagen. Bruno auf dem Scheiterhaufen. Cle- 
mens' VIII. Jubiläum. Des Augenzeugen Schoppius' Bericht 
über Bruno's Heldentod 117—130 




XXVI Inhaltsverzeichnis 8. 

Seite 

X. Schlussbetrachtung« 

Dauernder Werth von Bruno's Philosophie. Selbstcharakte- 
ristik in • einem als Bruno's Grabschrift empfehlens- 

werthen Gedicht aus De Monade 130 — 133 

Zweiter Theil. 

Giordano Bruno's Lehre. 135—309 

Einleitung 137—140 

^_ I. Bruno's Methode 140 — 145 

II. Bruno's Naturphilosophie 145—181 

1. Bruno's Lehre von der Gott- Natur 145 — 154 

A. Bruno's reiner Naturbegriff 145 — 147 

B. Bruno's reiner Gottesbegriff 147 — 151 

C. Bruno's Identificirung Gottes mit der Natur ." . . 151 — 154 

a. Die Formel Dem et Natura 152—153 

b. Die Formel Natura et JDeue 153 — 154 

2. Bruno's Begriff der Materie 154 — 158 

3. Bruno's Kosmologie 158 — 181 

A. Bruno's allgemeines Weltbild 158 — 166 

B. .Bruno's specielle Lehre vom Weltgebäude 166 — 1 80 

a. Der Kreislauf der Gestirne 166—167 

b. Die Sonne 167—169 

c. Die Erde und der Mond . 169—170 

d. Die Fixsterne . . • 170—171 

e. Die Planeten 171—172 

f. Die Kometen 172 — 173 

g. Die Meteore 173 — 174 

C. Bruno's Entwickelungslehre 174 — 181 

III. Bruno's Psychologie 181—195 

1. Bruno's Lehre von Baumund Zeit 181 — 188 

A. Bruno's Lehre vom Baum 182 — 183 

B. Bruno's Lehre von der Zeit 183 — 188 

^ 2. Bruno's Kritik der Sinnesthätigkeit 188 — 193 

3. Bruno's Lehre vom Instinkt 193 — 195 

IV. Bruno's Kunstphilosophie 195—200 

S^V. Bruno's Geschichtsphilosophie 201—212 

VI. Bruno's Religionsphilosophie 212—254 

VII. Bruno's Ethik 254—298 

VIII. Bruno's Socialismus 298—303 

IX. Bruno's Unsterblichkeitslehre 303—310 

X. Namen- und Sachregister 311—321 

XI. Nachträge und Berichtigungen 321—325 



Erster Theil. 

Griordano Bruno's Leben und Werke. 



,, Freiheit der Vernunft erfechten, 
H eiset für alle Völker rechten, 
Gilt für alle ew'ge Zeit." 

Schiller (herausgeg. von Goedeke), 
Bd. 11, pag. 413. 



%IFOU^'' 



1. Einleitung. 

Unter allen Zeitaltern, in welchen sich der Geist der Mensch- 
heit neue Bahnen der Entwickelung gebrochen hat, nimmt die 
Reformationsepoche bedingungslos den ersten Rang ein. Wenn 
wir nämlich zum Massstabe des Culturgrades , den eine Ge- 
schichtsperiode darlebt, den jeweiligen Gesammtfortschritt im 
Wissen, Können und in der Energie des sittlichen Handelns 
wählen, so drängt sich uns in der Betrachtung der zweiten 
Hälfte des fünfzehnten und dann des ganzen sechszehnten Jahr- 
hunderts eine solche Fülle wissenschaftlicher und künstlerischer 
Thätigkeit, ein solcher Aufschwung der Willenskraft entgegen, 
wie sie uns kein anderer Zeitabschnitt zu bieten vermag. Von 
der Entdeckung Amerikas . durch den Italiener Columbus und 
der ersten Weltumsegelung durch den Portugiesen Magelhaens 
schlingt sich eine ununterbrochene Kette der wunderbarsten Er- 
findungen und Entdeckungen bis in das siebzehnte Jahrhundert 
hinein. Der Auffindung einer schon im Alterthum geahnten 
neuen Welt auf der westlichen Hemisphäre unseres Erdballs 
folgte durch Copernicus die Entdeckung des Kreislaufes aller 
Planeten um die Sonne. Die europäische Menschheit erlebte 
damals plötzlich einen neuen Himmel und eine neue Erde. 

Durch die spanischen und portugiesischen Conquistadoren 
im Süden, die englischen und französischen Seehelden im Norden 
Amerikas gelangten von Jahr zu Jahr nicht allein die erstaun- 
lichsten Nachrichten über neuentdeckte Völkerschaften von sonder- 
barer Hautfarbe, Sprache und Lebensgewohnheiten, sondern 
namentlich auch ganz neue Culturpflanzen von unschätzbarem 
Werth in die alte Welt.* Zur gleichen Zeit trat das ein volles 
Jahrtausend im Gedächtniss der Menschen und unter den Trüm- 
mern der Zerstörung begraben gewesene Alterthum wieder her- 
vor und bereicherte die Forschung nach dem Wahren, Guten 

1* 



4 2. Bruno's Kinderjahre und Klostererfahrungen. 1548 — 1576 

und Schönen mit den Meisterwerken Griechenlands und Roms. 
Die Laokoongruppe, der Apollo Ton Belvedere und die medi- 
ceische Venus kamen ungefähr zu derselben Zeit wieder ans 
Tageslicht, als die ersten Druckausgaben von Homer und 
Sophocles, von Plato, Aristoteles und den anderen Dichtern und 
Denkern der Griechen und Römer erschienen. Eine Ueber- 
raschung folgte damals der andern. Die Völker lebten in einer 
innern Aufregung und Unruhe, wie sie nur Zeitaltern eigen sind, 
in welchen auch der Minderbegabte, durch den Strom der all- 
gemeinen Empfindung mit fortgerissen, lebhaft ftihlt, dass das 
Alte sich zu Grabe neige und neue Entwickelungen sich vor- 
bereiten. 

Dieser poetische Hauch ahnungsvoller Stimmung, welcher, 
den Einzelnen oft unbewusst, die Geister der Reformationsepoche 
durchweht, verleiht insbesondere den Schriften Giordano Bruno's 
ihren unvergänglichen Reiz. Von allen, welche in dieser grossen 
Zeit gelebt, gedacht und gelitten, hat Keiner das Bewusstsein, 
dass etwas ganz Neues kommen müsse, kräftiger genährt und 
in Poesie und Prosa mannigfaltiger ausgedrückt, als der Italiener 
Giordano Bruno. „Abgehauene Wurzeln schlagen wieder aus," 
frohlockt der Philosoph, „uralte Dinge kehren wieder, verdeckte 
Wahrheiten enthüllen sich; es ist ein neues Licht, das nach 
langer Nacht am Horizont unserer Erkenntniss wieder hervor- 
bricht und sich allmälig dem Meridian unseres Geistes nähert." 1 ) 

2. Bruno's Kinderjahre und Klostererfahrungen 

1548—1576. 

Bruno wurde in der neapolitanischen Provincialstadt Nola 
im Jahre 1548 geboren. Sein Vater, ein Soldat, hiess Giovanni 



1) De TInfinito, Universo e Mondi (Wagner II, 82): Sono amputate 
radiei, che germogliano ; son eose antiehe ehe rivengono; son veritadi oceolte ehe 
si seuoprono; e un nuovo lutne, che dopo lunga notte spunta a V Horizonte et emt- 
spera de la nostra cognizione, et a poeo a poeo s'avvicina al meridiano de la 
nostra int eilig enza. Aehnlich sagt Bruno in der Einleitung zu dem Werke: 
De TBiPLice Minimo, Cap. I, v. 170—174, pag. 7: 

Gottfridum vestit Turnus, gaudetque Pipinus 
Aeneae numeris, spoliisque üolandus Achillis. 
Exit de panno antiquo nova vestis: et hie sunt 
Sindonem in aUerius femoralia Caesaris acta. 



2. Bruno's Kinderjahre und Klostererfahrungen. 1548 — 1576. 5 

Bruno, seine Mutter Fraulissa Savolina. Der Sohn erhielt den 
Taufhamen Filippo. 1 ) 

In anregenderer Gegend hätte der Knabe nicht aufwachsen 
können. Bruno's Geburtsort liegt am nordöstlichen Fusse des 
Vesuv und ist seit uralten Zeiten immer eine der blühendsten 
Städte der Campagna felice gewesen. Im achten Jahrhundert 
vor Christus von chalkidischen Griechen gegründet, theilte Nola 
die wechselvollen Geschicke der Campagna durch alle Wirrsale 
der römischen und mittelalterlichen Geschichte hindurch, ohne 
jemals die Bitterkeiten der Zerstörung erfahren zu müssen. Die 
Stadt genoss das seltene Glück, in der ruhigen Vererbung ihrer 
Ueberlieferungen niemals unterbrochen zu werden. So war es 
denn möglich, dass sich in ihr nicht nur altgriechische Sitten 
und Feste forterhielten, sondern auch die echten Kennzeichen 
des Hellenismus: heiterer Ernst und anmuthsvolle Lebenslust, 
sinniges Wesen und Freude am Spiel, sich bis auf Bruno's Zeiten 
lebendig erwiesen. 2 ) Eine Reihe bedeutender Männer, wie der 
Philosoph Pontanus, der Philologe Laurentius Valla und der 
Dichter Tansillo hatten Nola zu einem Centrum geistigen Lebens 
gemacht. Wenn wir nun noch die herrlichen Umgebungen 
Nola's ins Auge fassen: vor uns, nach Südwesten der nimmer- 
müde Vesuv mit seiner stets hin- und herwogenden Rauchsäule, 
ein getreues Bild und Zeichen der im Erdinnern stets schaffenden 
Urkraft, und dann hinter uns, nach Nordosten, die halb tropische 
Landschaft, welche sich über Caserta bis nach Capua hin aus- 
dehnt, mit ihrem überquillenden Reichthum an durcheinander 
sich schlingenden Blättern, Blüthen, Ranken, Zweigen und 
Früchten von Pappeln, Ulmen, Eichen, Epheu, Myrten und 
Rosmarin, von Maulbeer-, Lorbeer-, Oliven-, Kastanienbäumen 
und Weinreben, so lässt sich wohl ermessen, welche Anregungen 
ein hochbegabter Knabe inmitten dieses Paradieses mit seinen 
nie erloschenen Erinnerungen an griechisches Leben empfangen 



1) Doc. VII (bei Bebti, Vita di G. Br., pag. 341): Jo ho nome Giot- 
dano, deüa famiglia di Bruni, deüa eittä di-Nola, vieina a Napoli dodiei migUa, 
nato e aüevato in queüa eitta. Mio padre haveva nome Giovanni, e mia madre 
Fraulüta Savolina, e la profeetione di mio padre era di eoldato. 

2) Berti, Vita di G. Bruno, pag. 41 : .... in Nola, piu che nelle altre 
eitta deüa Magna Gfecia, eentivaei potente Valito e Vinßueso deüa eiviltä grecolatina. 



6 2.Bruno's Kinderjahre und Klostererfahrungen. 1548—1576. 

musste und in einem Zeitalter, welches infolge seiner religiösen 
Aufregung schon das Herz der Kinder für alles, was die Mensch- 
heit in ihrem Innersten zu ergreifen vermag, höher schlagen liess 1 ). 
Leider wissen wir von Bruno's Kinderjahren wenig von 
Belang. Eine einzige Anekdote aus seinen Säuglingsjahren, die 
uns Bruno selbst erzählt, gewährt uns einen Einblick in die 
geistige Frühreife des Nolaners. Als* er einst so in seinen Win- 
deln dalag, gewahrte das Kind plötzlich eine mächtige, alte 
Schlange aus der Mauerritze des väterlichen Hauses auf sich 
zuschleichen. Von Angst überwältigt, schrie das Kind nach 
seinem Vater, der in der nächsten Kammer schlief, nun aber 
rasch mit einem Stock herbeieilte und sich in heftigen Zornes- 
worten über die Schlange erging. Diese Scene prägte sich der 
lebhaften Phantasie des Knaben so scharf ein, dass derselbe 
mehrere Jahre später plötzlich wie aus einem Traume erwachend, 
seinen Eltern zu deren grösstem Erstaunen nicht allein den 
ganzen Hergang des Vorfalls, sondern auch des Vaters damalige 
Aeusserungen Wort für Wort wiederzuerzählen vermochte. Im 
10. oder 11. Jahre kam Bruno von Nola nach Neapel und 
lernte da Humaniora, Logik und Dialektik, theils in öffentlichen 
Schulen, theils durch Privatunterricht.*) In seinem 14. oder 



1) In dem Gedicht De Immenso, Lib. III, cap. 1, v. 1 — 9, pag. 259 
beschreibt Bruno den Eindruck, den das landschaftliche Gemälde seiner 
Vaterstadt auf seinen jugendlichen Sinn hervorbrachte: 

Sie quondam puero mihi mone perttmoene Cieadae 

Cum gremium genial* tuum primaeva foveret 

Vücera y bkmdiri tva luminu saneta recordor. 

Ut fuertu heder* et rmmit redimitue ottwv 

Et corm, H lauri, et myrtki, roruque wmrim, 

Cketanem drcuwdnc tue , fusrw», populo, ukmo> 

Conjugio wviferue piti* feüeibue, utque 

TJvida porrexü tenerae mumm mmnn t «mm». 
Diese Beschreibung stimmt noch mit derjenigen des Grafen Stolberg 
in dessen Reisebriefen (Hamburg, 1812) vom 9. April 1792: „Gemüse und 
Getreide wechseln mit einander, es schlingen sich auf dem Felde Reben um 
Pappeln und um Maulbeerbäume. Die letatern sind besonders bei Nola sehr 
gross. Lieblich ist die Lage der kleinen Stadt, besonders jetst unter dem 
zarten Laube des Frühlings.** 

2) Sigillus sigillorum (Gpboirbi, pag. 572): ... «V« tjM», cum in 



2. Brunos Kinderjahre und Klostererfahrungen. 1548 — 1576. 7 

15. Jahre, 1562 oder 1563, trat er, sei es aus religiösem An- 
trieb, sei es infolge des Wunsches, sich in der Stille des Kloster- 
lebens ungestört seinen Studien widmen zu können, in den Do- 
minicanerorden und legte sich bei dieser Gelegenheit den, seinem 
spätem Semitenhasse sehr wenig entsprechenden Namen Giordano 
bei. Das Kloster San Domenico, welches ihn aufnahm, war 
dasselbe, in welchem drei Jahrhunderte vor ihm der grosse 
Kirchenlehrer Thomas von Aquino gelehrt hatte. Von dauerndem 
Einfluss auf den philosophisch angelegten Knaben bewährte sich 
die Lehre des Augustiners Fra Theofilo da Varrano, der 
demselben privatim die Logik las. Nach bestandenem Probe- 
jahr legte er vor dem Prior Ambrosio Pasqua, einem biedern 
und gelehrten Manne, feierlich seine Profession ab und erhielt 
dann in regelrechten Zeiträumen die heiligen Weihen, im Jahre 
1572 endlich auch die Priesterweihe. Seine erste Messe sang 
der junge Dominicaner in Campagna, einer Stadt der neapolita- 
nischen Provinz Principato citeriore, östlich von Salerno, im Ge- 
birge, wo er im Kloster des hl. Bartholomäus seinem geistlichen 
Berufe oblag, indem er unter dem Befehl seiner Obern und der 
Priore der Klöster bald Messe las, bald andere heilige Hand- 
lungen vornahm. 1 ) 



mime domestiei parietis exierat, artieulate patrem in proximo cubieulo dementem 
appeUavi, quem cum domesHcis ahHe adeurrentem , potentem baeulum, serpentem 
adesse eonquerentem, verba vehementius trat* fundentem , sieut et ahos mihi Hmentes 
non minus inUUigebam loquentes, quam modo me posse inteUigere credam. Baeeque 
ipns poH plures elapsos annos, vektt e aomno rursus evigilons, poreniibus id 
minime omnium eogitontibus, non »ine eorum admiratione, in memoriam revooavi. 
1) Doc. VII, (bei Iibbti, Vita di G. Br., pag. 341): nacqui, per quanto 
ho inteso dalli miei, del? anno 48 (1548) e sono ttato in NapoU a tmparar Vettere 
de humanüa , logiea e dialettiea , sino a 14 anni; e eolevo sentit privatamente la 
logiea da un padre Agoetmiano ehiamato Fra Theoßlo da Varrano, ehe doppo 
leeee la metaßsiea 4n Borna. De 14 anni o 16 meirea pxgliai Vhabito de 8. Do- 
menieo nel MonaeUro o Convento de 8. Domenico in NapoU, e fui veetito da un 
padre, ehe era alt ora Frior di quel Convento, nommato Maestro Ambrosio Fas- 
qua, efinüo Vanno deUa probatione fui admeeso da luimedesimo aüa profeseione, 
la quäle feei sölennemente nel meteeimo Convento, e non eredo ehe aüri alt hora 
faeeeee profeseione , se non un eonverso , e depo fui promossö aüi ordini saeri 
al saeerdotio aUi tempi debiti, e eantai la mia prima messa in Campagna, oitta 
del medesimo regne, lontano da Napoli; stando alf hora in un convento del mede- 
simo ordine sotto titolo di 8. Bartholomeo, e eontinuai in questo habita deUa reU- 



8 2. Bruno's Kinderjahre und Klostererfahrungen. 1548 — 1576. 

Während der 12 oder 13 Jahre seines Klosterlebens legte 
Bruno den Grund zu jener, immensen Belesenheit in den Schrif- 
ten der alten und neueren Philosophen, die wir von nun an in 
allen Werken des Nolaners anzustaunen Gelegenheit haben 
werden. Sei es durch die Schule, sei es durch Privatstudien, 
gewann mm Bruno seine umfassende Kenntniss der Philosophie 
der Griechen, von deren Schulen ihn hauptsächlich die Eleaten, 
Empedocles und, neben Plato und Aristoteles, ganz insbesondere 
die Neuplatoniker, an deren Spitze Plotin, beeinfiussten. Auch 
die Kabbalah, jene Alleinheitslehre der mittelalterlichen Juden, 
blieb ihm nicht fremd 1 ) und unter den arabischen Philosophen, 
deren Werke er in lateinischen Uebersetzungen kennen lernte, 
wählte er sich neben AI Ghazzali 2 ) vorzugsweise Averroös zum 
Führer. 8 ) Neben den Scholastikern, unter welchen er ausser 
Thomas von Aquino 4 ) insbesondere den Raimundus Lullus feierte, 
studirte er immer und immer wieder die naturphilosophischen 
Schriften des deutschen Cardinalbischo& Nicolaus von Cusa ) 



giom di S. Dotnenico eelebrando muta e li dwini ofitix sotto Vobbedientia de 
syperiori delf istesta religione, e deüi Friori de 1 monasteri e conventi dove son 
stato rin Vanno del 76 (1576). 

1) Bruno erwähnt der Kabbalah an zahlreichen Stellen, z. B. in De 
Umbbis Idbabum, Intentio XV (bei Qfbobbbb pag. 308), häufig Im Spaccio 

DBLLA ÜB8TIA TRJONFANTB (z. B. WAGNBB II, 143), in der CABALA DEL 

Cavallo Pboasbo (Waqnsb II, 267, 270, 272), in der Oratio valbdio 
tobia (bei Hbuxann, Acta philos., 9. Stack, pag. 421), in Db Compositionb 
Imaoihum, cap. V, pag. 8, in Db Monade, pag. 62, 139 nnd anderswo mehr. 

2) Bruno spricht von AI Qhazsali z. B. in den Eboici fubori 
Waonbr II, 426): Alcazele e Averroe; ferner in Db Immbnso, pag. 164: 
Alohasel Araba Mahumetanus Theologus. 

3) Ayerroes wird x. B. citirt in der Cabala dbl Cay. Pbg. (Waghbk II, 
279X häufiger in den Lateinwerken Db Monadb, a. B. pag. 85, 168, 171, 
in Db Immbnso, b. B. pag. 277, 283, 284, 317. Ueber Bmno's Averroisnraa 
s. G. S. Babüch in den Philos. Monaten., Bd. 13 (1877), pag. 40—57. 

4) Vgl. Db Monadb, pag. 89 Mitte: HU ommt emmaemfw tk-Ufm*mm 
femrit «e J*ryH04tic*nm in «jmsm j iji 7 < hji Is hI wibi ionor «ff*# mm Tktmtms 



5) Das Yerhältniss Bruno's zu Nicolans Ton Cusa bespricht die Schrift 
des Dr. F. J. Clbmbks : Qiordano Bruno und Nicolaus ran Cusa. S*. Bonn, 
Wittmann, 1847. Die sämmtlichen Lobeserhebungen, .welche Bruno dem 
Cusaner so reichlich spendet, siehe dort pag. 134. 



2. Bruno's Kinderjahre und Klostererfahrungen. 1548—1576. 9 

und die astronomischen Werke des Copernicus. Er hing an 
diesen Meistern des Gedankens sein Lebelang mit schwärmerischer 
Verehrung, und es möchte, mit einziger Ausnahme Goethe's, 
welchem Bruno in so vielen Stücken verwandt ist, in der ganzen 
alten und neueren Literatur, kaum einen Autor geben, der stets 
wieder mit so grosser Lust und Offenheit, auf die Quellen seiner 
eigenen Bildung hinwiese, wie der Nolaner 1 ). 

Neben seinen philosophischen Studien beschäftigten Bruno 
von Anfang an auch poetische Arbeiten und wir erfahren von 
ihm selber, dass ihn frühzeitig sowohl Melpomene, als Thalia, 
sowohl tragische als komische Stoffe gefangen nahmen. Höchst 
wahrscheinlich hat er das Lustspiel II Candelajo, das er 
später, 1582, in Paris veröffentlichte, schon in Neapel begonnen 
und manches seiner naturbeschreibenden Sonnette, mit welchen er 
seine italienischen Schriften zu schmücken pflegte, hat wohl schon 
im Anblick des Vesuvs und im Genüsse des Campagnalebens 
seinen Ursprung. Von einem andern, leider bis jetzt noch nicht 
wieder entdeckten Buche, das Bruno unter dem Titel „die Arche 
Noae u drucken Hess und dem Papste Pius V. (1566 — 1572) 
widmete, wissen wir eben nur aus seinen eigenen Andeutungen, 
dass sich dieses Werkchen mit dem Wettstreit der Thiere um 
den Vorrang beschäftigte, welchen der Esel zu verlieren Ge- 
fahr lief 2 ). 

Wenn nun der junge Dominicaner schon aus seiner reizend 
gelegenen Vaterstadt als Liebling der Musen in die lebensfrohe 
Weltstadt eingezogen war, um wie viel mächtiger musste jetzt 
die unvergleichliche Aussicht, welche sich dem empfänglichen 



1 ) Mit vollem Recht rnft Bartholmebb, Vie de Bruno , T. II, pag. 207 
aus: „Quelle immemite' de leetures et d 1 Stades cet cüations varites, ees innom- 
brables rSminiseenees fönt tupposer et laüsent entretfoir a ehaque pagel Combien 
d'auteura sont rappelt* avec louange, avee Marne, ou seulement citSs par allusion! 
Quelle place lee grandet ieoles du moyen-äge , et surtout eeUet de Vantiquiti ont 
dans son souvenir! Quel empire elles exereent sur ses opinions!" 

2) Bruno erwähnt dieses Werkchens in der Cena delle Ceneri 
(Wagner I, 149): Non ti rieordi, Nolano, di quel eKe seritto nel tuo Ubro 
intüolato: ISarca di Noe? Qui, mentre si dovean cUsponere queeti animali per 
ordine, e doveasi terminare la lite natu per le preeedenze, in quanto peHeolo e 
statu Vaaino di per der e la preininenza, ehe conmtea nel seder in poppa de Varca, 
per essere un animal piU tosto di calci, die di urti? 



i 



10 ?. Bruno's Kinderjahre und Klostererfahrungen. 1548—1576- 

Jüngling täglich von seinem Kloster aus über die unter ihm sich 
ausbreitepde Chiaja und den Golf von Neapel eröflhete, auf den 
von Daseinslust glühenden Dichterphilosophen einwirken! Wenn 
Bruno sich Abends beim Sonnenuntergänge über die Fenster- 
brüstung seines Klosters hinauslehnte und sich dann dem An- 
blicke des Schauspiels überliess, welches ihm der Golf und seine 
Umrisse darboten: — gerade vor sich wieder den rauchenden 
Vesuv und rechts davon die steil abfallende Ktistenlinie von 
Castellamare bis hinauf nach Vico, Sorrento und Massa, — im 
fernen Süden in weichen Duft gehüllt die Insel Capri — der 
Horizont in Blassgrün, Orange und Violett eingerahmt, und der 
azurblaue Golf diese Farben wiederspiegelnd — : wenn Bruno 
sich diesen Eindrücken überliess und es stiegen ihm dann aus 
dem reichen Schatze seines Schulgedächtnisses die Erinnerungen 
empor an die längst entschwundenen Zeiten, da ein feiner em- 
pfindendes Geschlecht die Gestade des Golfs bewohnte, ein Ge- 
schlecht, das in der Religion dem zweieinigen Ideal des Schönen 
und Guten und in der Philosophie dem Princip der Geistesfrei- 
heit huldigte, da mochten alsdann dem aufblitzenden Verstände 
des genialen Jünglings stille Zweifel aufspriessen über den innern 
Werth des barocken Vorstellungsgertistes , in welchem sich sein 
Streben nach unendlicher Erkenntniss glücklich und zufrieden 
fühlen sollte 1 ). 



1) Bruno beklagt sich in den Eroici furori (Wagner II, 314), dass seine 
Censoren ihn von den edeln und hohen Dingen, denen er aus angeborener 
Zuneigung nachgestrebt, abgelenkt hätten, um ihn aus einem Freien im 
Dienste der Tugend zu einem Sklaven einer gemeinen und dummen 
Heuchelei zu machen: Finalmente, per Vautorüh de r Censori, ehe ritenendolo da 
eose piü degne et alte , a le quali era naturalmente itwhinato , cattivano ü $uo 
ingegno, per ehe da Ubero eotto la virtu lo rendester cattivo *ot{ una vüietima e 
etolta ipoerisia. 

Die poetisch schönste Schilderung der Landschaftsreize des Golfs von 
Neapel findet sich in den seltenen, auch für Culturgeschichte ausgiebigen 
„Aestatbs Subrentinae" des Jesuiten Nicolaus Parthenius Giannetasius 
(Neapel, 1696), Lib. II, pag. 169: 

Adde maris prospectum omnem , et TeUurü atnoenum, 
Et montes tacroe, et utroque ab littore colles, 
Nunquam non gratos umbris, et moüibue kerbte ; 
Depietaeque int er currentia flumina ripas: 



2. liruno's Kinderjahre und Klostererfahrungen. 1548 — 1576. H 

Und so erfahren wir denn allerdings und zwar aus seinem 
eigenen Munde, dass er schon als angehender Mönch wegen 
seines wachsenden Unglaubens an die ihm angelernten Kirchen- 
dogmen in bittere Verlegenheit gerieth. Schon von seinem 18. 
Lebensjahre an begann er nach seinem eigenen Bekenntniss die 
Trinität Gottes zu bezweifeln. Nun aber brachte der Magister 
der Novizen heraus, dass sich der junge Zweifler sogar seiner 
Heiligenbilder, unter andern desjenigen der hl. Katharina und 
des hl. Antoninus, entledigt und nur ein Crucifix für sich behal- 
ten hatte. Als er nun eines Tages einem seiner Mitmönche be- 
gegnete, der eifrig in dem mystischen Buche von den sieben 
Freuden der Jungfrau Maria las — : „Was?" redete ihn da Bruno 
an, „ würde es dir nicht nützlicher sein, wenn du dieses Buch 
wegwürfest und die Lebensbeschreibungen der hl. Väter läsest?" 
Darüber gab es im Kloster bedenkliche Auftritte, eine Klage- 
schrift wurde vom Magister der Novizen verfasst, jedoch noch 



Totque altis imposta iugis castella, domosque, 
Atque theatrali fabricata palatia eirco 
Pausilypi proptcr litus, elivosque sequentes 
Regum opus, atque opere egregio, luxusque super bo. 
Adde Ürbem laetam populis opibusque potentem, 
Et claro augustam sceptro ingeniisque vigentem 
Artibus, et studio fiorentem nobilis oti, 
Cui Regina suo jeeü de nomine nomen 
Parthenope, mitesque dedit blandissima ritus. 
An virides memorem seopulos piscosaque saxa, 
Et tot museosis excisis in rupibus antra? 
Anne sinus tantos? te Polli, teque beato 
Cum portu, Misene, tuo, et te moüe Biearehum? 
An quae felieem memorem Cratera eoronant? 
Eine ditetn Baecho Inarimen, montesque Tiphoei, 
Et Proehyten pomis vernantem et pinguibus uvis 
Piseosas iUine Capreas Fanumque Minervae 
Et Viei eoUes et pampineum Surrentum ? 
Haec eadem Musas et doetas extudit artes, 
Campanoque sonum dedit aere et pyxida Nautis 
Protulit et tenui telas intexuit auro. 

Reich an poetisch schönen Schilderungen der Landschaftsreize des 
Golfs von Neapel sind desselben Verfassers zehn Bücher Halieutica. 16°. 
Neapel, 1689. 



12 2. Bruno's Kinderjahre und Klostererfahrungen. 1548 — 1576. 

an demselben Tage von dem Vorgesetzten zerrissen 1 ). Denn 
einstweilen schützte noch die Jugend den verwegenen Skeptiker 
vor disciplinarischer Behandlung. Die mannigfache Berührung, 
in welche ihn dann sein wandelndes Messnerleben mit den Ver- 
hältnissen des Volkes brachte, verbunden mit der Müsse, in wel- 
cher sich nun sein Geist, sich selber überlassen, frei und unbe- 
irrt von den Ketten des Kirchenglaubens bewegen konnte, waren 
nur geeignet, die Selbständigkeit seines Denkens zu kräftigen 
und seinen Menschenverstand zur Reife zu bringen. Ins Kloster 
des hl. Dominicus zurückgekehrt, wurde er deshalb gar schnell 
die Beute seines kirchlich unbrauchbaren Freimuths. Im Ge- 
spräche mit seinem lombardischen Ordensbruder Montalcino er- 
laubte sich Bruno eines Tages günstige Aeusserungen über die 
Ketzerei der Arianer, die, wenn sie sich auch nicht in schola- 
stischer Sprache bewegten, sich gleichwohl klar und verständlich 
auszudrücken wüssten, sodass ihre Ansicht, die Sohnschaft Christi 
sei nur ein Akt der Natur, nicht aber des Willens Gottvaters, 
deutlich genug den Gedanken verrathe, die Person Christi sei 
, mit derjenigen Gottvaters nicht wesensgleich. Bei anderer Ge- 
(legenheit brachte der Zwangsgläubige Zweifel vor über die 
während des Hochamtes vor sich gehende Verwandlung des ge 
weihten Brodes in den Leib Christi *). Als er nun gar erklärte, 



1) Doc. XIII (bei Bkbti, Vita di G. l>r., pag. 375): ü mio maeetro 
quando era novitio f per mettermi terrore fece una eerittura perehe «o havevo dato 
via aleune imagim de'Santi che mi rieordo ehe erano di & Catterina di Siena e 
forte di S. Antonen, ee ben mi rieordo, e ritenuto, solamente un eroceßeeo et 
perehe avevo detto a un novüio ehe leggeva la ttorim deüe eette AUegrezze deüa 
Madonna ehe eoea voleva leggere quel lidro che era megUo legge*** la väa dei 
Samt* Bedri, o altro Uoro, ma questa eerittura ü detto maeetro la etraeeib poi aneo 
lo eteeeo giomo. 

2) Doc. XIH (bei Bbkti, Vita di G. Br., pag. 376): lo non eaprei 
imag in a rm i di ehe artüoli mi proceeeaeeero , ee non e ehe ragionando un giomo 
eon Montalcino ehe era un /rate del noetro ordine lombardo inpreeentia di aleuni 
altri padrii e die en do egU che queeti heretiei erano ignoranti^ e ehe non hawevano 
termmu eeholaetici, dieei io ehe eieeno non procedevano neue Uro diehiarationi 
eeholaetieamente, che diehiaravano perb la loro üuentione comodtmente t e eome 
faeevano li Fadri antiehi deüa Santa Chieea, dando feeemph deüa forma detf 
hereeie dArio che gli eeolaetiei dieono che intendeva la genoratione del ßglio per 
atto di natura, e non di volonte, il ehe medeeimo ei pub dire eon termmi altro 
ehe eeolaetiei riferti da S. Agoetino, eioe che non e di mtdeeim a eukotantia ü 



3. Bruno's Flucht aus seinem Vaterlande. 1576 — 1578. 13 

nicht begreifen zu können, inwiefern dem Sohne und dem hl. 
Geiste innerhalb der Dreieinigkeit Gottes der Name von Per- 
sonen beigelegt würde, da endlich war das Mass der Ketzerei 
voll. Der Provincial des Ordens, Fra Domenico Vita, erhob, 
entweder im Jahre 1575 oder Anfangs 1576, die zweite Anklage 
auf Ketzerei. In 130 Artikeln sollte sich Bruder Giordano von 
der Kirchenlehre entfernt haben. Zur Verschärfung der An- 
klage wurde nun auch diejenige wegen leichtfertiger Verschenkung 
der Heiligenbilder von neuem aufgenommen. DiesjjMil rr E^^^ 
der Process keinen glimpflichen Ausgang nehmen./ • -> - t:v ? > ^ 

f - •• f *r^.7( / ' i~ » 
3. Bruno's Flucht ans seinem Vatelflai^e. "* ' ,j 

1576-1578. V .: ? r : -^>'%/ 

Bruno wusste was seiner harrte. Es war damaTsrtiir Zoit" — "^ 
der kirchlichen Restauration. Auf Martin Luthers Religion der 
freien Forschung war Schlag auf Schlag Ignatius Loyola's Welt- 
bund des Sacrificio dell Intelletto gefolgt. Im Concilium Tri- 
dentinum (1545—1563) hatte dann der römische Katholicismus 
nach jahrhundertelanger Verweltlichung sich zur Gegenrefor- 
mation zusammengerafft und stand nun entschlossen da, auch 
die leisesten Spuren hereinbrechenden Neuglaubens mit Feuer 
und Schwert wieder auszurotten. Gegenüber dieser ihr Opfer 
blitzesschnell packenden Glaubenspolizei galt es für den Deser- 
teur der Ecclesia militans keine Zeit zu verlieren. 

Rasch entschlossen entwich deshalb Bruno aus seinem 
Kloster in Neapel nach Rom, wo er sich sofort dem Procurator 
des Ordens, Sisto di Luca, stellte 1 ). Es war um die Mitte des 



ßgliuolo et il Padre e ehe proceda come le creature dalla volontä sua onde bastarono 
quellt padri con dire ehe io difendeva li heretici e ehe voleva ehe fossero dotti. 
Ferner Doc. XII (a. a. O. pag. 358): non ho potuto capir, e ho dubüato ehe 
queste tre possino sortire notne dt persone . . . 

1) Ueber seine Flucht aus Neapel nach Rom und von dort nach Genua, 
Savona und Noli berichtet Bruno selbst im Doc. VII (bei Berti, Vita di 
G. Hr., pag. 341 — 342): trovandomi in Roma nel convento della Minerva sotto 
Vobbedienza del Maestro Sisto de Luca, procurator delFordine, dove era andato a 
presentarmi, perehe aNapoli era stato due volte ....// quäle proeesso fu rinovato 
nel tempo ehe io andai 'a Borna, con altri artieuli ehe io non so. Ter il ehe useii 
dalla religione, e, deposto Vhabito andai a Noli, territorio Genovese, dove mi 
tratteni quattro o einque mesi a insegnar la gramatica a putti. 



14 3. Bruno's Flucht aus seine m Vaterlande. 1576 — 1578. 

Jahres 1576. Im Kloster St Maria della Minerva fand er zwar 
gastliche Aufnahme, musste aber nach wenigen Tagen von seinen 
Freunden in Neapel brieflich erfahren, dass sein Kloster die Pro- 
zessakten bereits nach Rom eingesandt habe und zwar mit der 
die Anklage inzwischen noch verstärkenden Beschuldigung, man 
habe Werke des hl. Chrysostomus sowie des hl. Hieronymus mit 
den Anmerkungen des Erasmus vorgefunden, die er heimlich 
\ gelesen und vor seiner Flucht in den Abort geworfen habe 1 ). 
j Der Name des Erasmus gentigte, um seinen heimlichen Verehrer 
| noch tiefer in den Verdacht der Ketzerei zu bringen. Bruno 
erkannte, dass er in Rom nicht bleiben dürfe. Rasch entschlos- 
sen legt er das Mönchsgewand ab und entflieht zu Schiff nach 
Genua, nicht ohne in Rom das freilich unverbürgte Gerücht 
zu hinterlassen, er habe den Mann, von dem er glaubte, der In- 
quisition denuncirt worden zu sein, in den Tiber geworfen 2 ). 
Aber auch in Genua war seines Bleibens nicht. Weil dort die 
Pest regierte, reiste er schon nach drei Tagen wieder ab und 
gelangte zu Schiff nach Noli, einem reizenden Hafenstädtchen in der 
Nachbarschaft von Savona. Dort erhielt er vom Magistrat oder 
Bischof die Erlaubniss, den Kindern Unterricht in der Grammatik 
zu geben. Nebenher ertheilte Bruno Erwachsenen Privatunterricht 
in der Astronomie. Er hielt es aber nur fünf Monate aus. Dann 
trieb ihn die Langeweile und der Wunsch nach lohnenderer Be- 
schäftigung zunächst in das benachbarte Savona, wo er etwa vier- 
zehn Tage blieb. Von da reiste er nach Turin. Hier gab es eine 
Universität, an welcher berühmte Lehrer wirkten und viele Schüler 



1) Doc. XIII (bei Berti, Vita di G. Br., pag. 376): fuggii di Uoma 
per cht hebbi leltere da Napoli e fui avvistato che depo la partita tnia da Napoli 
eranö statt trovati certi libri delle opere di S. Grisostomo e di S. Jerolimo con 
li scholii di Erasmo scancellati, delli quali mi servivo oecultamente e li gettai tiel 
Uecessario quando mi partii da Napoli actio non si trovassero perche erano libri 
suspetti per rispetto de'detti scholii, se den erano scancellati. . . 

2) Diese Nachsage stützt sich ausschliesslich auf die Denunciation des 
jungen Mocenigo. S. Doc. I (bei Berti, Vita di G. br., pag. 328): M'ha 
detto (Taver havuto altre volle in Roma querele alVinquisitione di cento et trenta 
articoli, et che se ne fugt mentre era presentato; perche fu imputato cT haier 
gettato in Teveie cht Vaccuso, o chi credete lux che Vavesse aecusato alVin- 
quisitione. 



3. Bruno's Flacht aus seinem Vaterlande. 1576 — 1578. ]5 

waren. Da aber Bruno in dieser von, ihm als entzückend ge- 
schilderten Stadt kein Auskommen fand, so schiffte er sich auf 
dem Po ein und fuhr nach Venedig. Hier wohnte er andert- 
halb Monate zu Frezzaria bei einem Arsenalbeamten in Miethe *), 
in der Hoffnung, sich durch Unterricht daselbst halten zu können. 
Leider herrschte aber die Pest furchtbar 2 ), die Schulen waren 
geschlossen und die Buchdruckereien, die ihn mit Correkturen 
hätten beschäftigen können, arbeiteten entweder gar nicht mehr 
oder doch so kärglich, dass der Büchermarkt schier aufhörte. 
Zudem durften in Venedig auf ausdrücklichen Befehl des Senats 
nur einheimische Patricier philosophische Vorlesungen halten 3 ). 
Um sich etwas Geld zu verschaffen, schrieb deshalb Bruno ein 
kleines Buch über die „Zeichen der Zeiten", zeigte es zunächst 
dem Pater Remigius von Florenz und Hess es drucken. Leider 
ist aber auch diese Jugendschrift Bruno's, die uns wahrscheinlich 
über seine religions- und geschichtsphilosophischen Ansichten neue 
Aufschlüsse gewähren würde, bis jetzt noch nicht wieder ent- 
deckt worden. Nach anderthalb Monaten verHess Bruno Venedig 
und wandte sich nach dem nahen Padua. Dort traf er ihm bekannte 
Ordensbrüder, welche ihn überredeten, er möge doch, wenn er 
auch dem Orden den Rücken gekehrt habe, gleichwohl wenig- 
stens sein Ordenskleid nicht ablegen, da sie es für ihn 
erspriesslicher hielten, dasselbe zu tragen, als es zu ver- 
leugnen. In diesem Gedanken zog er über Brescia nach Ber- 
gamo und Hess sich da wirkHch aus kostbarem weissem Tuche 
eine Kutte fertigen, über welche er das Scapulier, das er bei 



1) Doc. IX (bei Berti, Vita di G. Br., pag. 845): Jo stetti a in Noli 
eome ho detto di sopra eirca quattro tnesi imegnando la grammatiea a ßgliuoli 
e leg g endo la sfera a certi gentilhomini , e da poi mi partii de la e andai prima 
a Savona dove stetti circa quindiei giorni y et da Savona a Torino, dove non tro~ 
vando trattenimenti a mia satisfatione venni a Venezia per il Fo, dove stetti un 
mese e mezzo in Frezzaria a oamera e loeanda in casa de uno deW Arsenale ehe 
non so il nome, et tnentre stetti qui feei stampar un certo libretto intitolato: De 1 
segni de 1 tempi et feei stampar quest 1 opera per metter insieme un poco di 
denari per potermi sustentar, la quäl opera feei veder prima al JRev, Jtodre 
Maestro Rcmigio de Fiorenza. 

2) Vom Angust 1575 bis Dec. 1576 starben damals in Venedig 42000 
Personen. S. Berti, Vita di G. Br., pag. 71, Anm. 2. 

3) S. Berti, Vita di G. Br., pag. 71. 



16 4. Bruno's Schicksale in der französ. Welt. 1578—1583. 

seiner Flucht aus Rom mit sich genommen hatte, sich umhing. 
In diesem Aufzug gelangte Bruno über Mailand, Turin und den 
Mont Cenis, Lyon im Auge, nach Chambery, wo er sich in 
einem Kloster seines Ordens einlogirte. Allein der kalte Em- 
pfang, der ihm hier zu Theil wurde und die Mittheilung eines 
italienischen Ordensbruders, er werde, je weiter er in Frank- 
reich eindringe, desto weniger Liebenswürdigkeit antreffen, brachte 
Bruno zu dem Entschlüsse, anstatt nach Lyon zu wandern, sich 
seitab nach Genf zu wenden *). 

4. Bruno's Schicksale in der französischen Welt. 

1578—1583. 

a) Bruno in Genf, Lyon und Toulouse. 
1578—1580. 

Bruno logirte sich in einem Wirthshause ein. Bald nach- 
her lernte er auch das Haupt der italienischen Colonie, den 
Neapolitaner Graleazzo Caraccioli, Marchese von Vicp, kennen, 
der, ein Neffe des Papstes Paul IV., seiner evangelischen Ueber- 
zeugung wqgen, seine glänzende Stellung nebst Weib und Kind 
verlassen hatte, um fortan in Genf in unentwegter Treue für den 
Calvinismus zu kämpfen. Der Marchese erkundigte sich nach 
seinen Verhältnissen und fragte ihn, ob er hier sich niederlassen und 
die evangelische Confession annehmen wolle. Daraufhin erwiderte 
Bruno, nachdem er dem Marchese erzählt, aus welchem Grunde 
er ordensflüchtig geworden sei : es liege nicht in seiner Absicht, 
die Religion dieser Stadt anzunehmen, weil er noch gar nicht 



1) Uoc. IX (bei Berti, Vita di G. ttr., pag. 344—346): JSpartendomi 
di qni io andai a Fadoa , dove trovando akuni padri del ordine di & Domenico 
miei eonoeeentij li quali tne persuadettero a ripiglwr Vabüo qumndo bene non 
haeesei voluto tomar all* Religion parendogli eh* era pik conveniente ander eon 
habüo che sertza, e eon questo pensiero andai a Bergamo et mifeci far una vtxta 
di pmnno bianco di buon mereato et eopra esea vi poei ü sempulmre ehe io havevo 
eonservato qumndo pmrtH da Itomm e eon queefhabito tne inviai aüa rolta di Liane 
et qumndo fui a Chambery andando a logiar al Conrento del ordine et vedendomi 
trattato molto tobriamente e dücorrtttdo sopra quttio eon un Ibdre Italiano che 
era U y mi disee: awertite ehe non trorarete in queste parti emorevolezza de sorte 
ateuna e eome pin mndarete inanzi ne trorarete maneo, onde voitai aüm volta 
de Genen e. 



4. Bruno's Schicksale in der französ. Welt 1578 — 1583. 17 

wisse, welche Religion das sei: vielmehr sei ihm daran gelegen, 
hier in Freiheit und Sicherheit zu leben 1 ). Wiewohl dem Mar- 
chese diese Antwort nicht sehr behagen mochte, bestand er doch 
nicht auf weiterer Ausforschung, sondern begnügte sich mit dem 
Erfolg, den Ordensflüchtigen zu der Ueberzeugung gebracht zu 
haben, dass es für sein besseres Fortkommen vorteilhafter sei, 
wenn er bürgerliche Kleidung anlege. Aus diesem Grunde ver- 
kaufte Bruno sein Ordenskleid und liess sich aus dessen Ertrag 
ein Paar Schuhe und andere Kleidungsstücke anfertigen. Der 
Marchese und andere Italiener statteten ihn dann vollends mit 
Degen, Mantel, Hut und allem Uebrigen etwa noch Nothwen- 
digen aus. Auch verschafften sie ihm Correctur von Druckbogen, 
damit er seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Bruno ver- 
brachte in dieser Beschäftigung ungefähr zwei Monate, während 
welcher er abwechselnd bald die französischen, bald die italieni- 
schen Predigten besuchte. Häufiger als alle andern frequentirte 
er diejenigen, des Niccolo Balbani aus Lucca, der über die Briefe 
des Apostels Paulus und die vier Evangelien predigte. Als man 
ihm nun aber, der sich doch auch in die Liste der italienischen 
Flüchtlinge des Jahres 1578 hatte eintragen lassen, bedeutete, 
dass, wofern er sich nicht entschliessen könne, die Religion dieser 
Stadt anzunehmen, er auch auf keine fernere Unterstützung von 



1) Doc. IX (bei Berti , Vita di G. Br. , pag. 345) : andai ad aUogiar 
aWhosUria e poco depo ü Marchese de Vieo Napolüano ehe stava in queUa citta 
mi domandb cht ero, et se era andato ß per fermarmi e professar la religione di 
queUa citta, al quäle doppo ehe ebbt dato conto di me et della causa perehe ero 
uecito daUa Religione soggiunsi, ch'io non intendevo di professar queUa di essa 
citta perehe non sapevo che Religione fosse e ehe percib desideravo piü presto de 
star ß per viver in liberth e di esser sicuro, che per altro ßne^ e persuadendomi 
in ogni easo a demetter quelVhabito, che io havevo , pigliai quei panni e me feci 
far un paro di calze et altre robbe, et esso Marchese eon altri Italiani mi diedero 
spada, capello, eappa, e altre cose neeessarie per vestirmi e procuromo aeetb poteses 
intertenermi de mettermi atta eorezione delle prime stampe, dove stetti in queWeser- 
eitio doi mesi, andando perb alle volle alle prediehe e sermoni cost de Italiani 
eome de Franeesi ehe leggevano e predieavano in quella citta; fra gli altri aseoUai 
ptu voke le letioni e prediehe de Nieoh Balbani luchese che leggeva VBpUtoU de 
& Paulo e predieava li Evangeli, tna essendomi detto ehe io non potevo star lt 
longo tempo, s*io non mi risolvevo de aeeeUar la Religione di essa citta, altritnenti 
ehe non haverei havuto sussidio alcuno, mi risolsi de partir. 

2 



;/ 



18 4. JJruno's Schicksale in der französ. Welt. 1578— J 583. 

Seiten seiner Landsleute werde rechnen können, so entschloss er 
sich, die Stadt nach zweimonatlichem Aufenthalt zu verlassen. 
Die pfeffische Zudringlichkeit des Marchese, die herzlose Drohung 
seiner übrigen Landsleute in Genf, ihm ihre Freundschaft zu 
entziehen, falls er nicht zu ihnen tibertrete, hatte Bruno mit wil- 
dem Hasse gegen eine Religion erfüllt, die ihn so empfindlich 
ihr Dogma hatte fohlen lassen, dass der Glaube zur Seligkeit 
genüge, die Werke dagegen völlig überflüssig seien. Das Schick- 
sal des spanischen Arztes und Philosophen Serveto vor Augen, 
den Calvin 23 Jahre früher wegen seiner Zweifel an der Drei- 
einigkeit Gottes hatte verbrennen lassen, kehrte Bruno der Vater- 
stadt der reformirten , nach seiner eigenen Ansicht aber „über- 
aus deformirten" Religion für immer den Rücken und war nun 
wieder so schlimm daran wie vorher. 

Er reiste nach Lyon, wo damals neben andern Buchdruckern 
die weltberühmten Stephanus wirkten. Allein Bruno konnte sich 
nicht genügende Anhaltspunkte verschaffen, die ihm Verdienst, 
und Lebensunterhalt gewährt hätten und so entschloss er sich 
nach einem Monat zur Reise nach Toulouse, um an der dortigen 
Universität sein Glück zu versuchen. Er kam daselbst um die 
Mitte des Jahres 1578 an 3 ). 

Toulouse war damals, wie Bruno selbst sagt, eine berühmte 
Universität, die 10,000 Studenten zählte. In dem anregenden 
Geistesverkehr, den derartige Stätten reichlich bieten, konnte der 
von Ort zu Ort Gehetzte endlich einmal wieder aufathmen. Er 
suchte und fand den Umgang „intelligenter Leute". Auch wurde 
er bald eingeladen, einigen Schülern Privatunterricht in der 
Astronomie zu ertheilen und las andern über andere Theile der 
Philosophie. ~~ Solches währte sechs Monate lang. Da wurde zu- 
fällig eben die Stelle eines ordentlichen Lehrers der Philosophie 
frei, welche auf Wettbewerb vergeben wurde. Um sich an 
diesem betheiligen zu können, erwirbt sich Bruno rasch den 
Doctortitel, meldet sich zum Wettbewerb, wird bei demselben 
zugelassen, dringt mit seiner Probelection durch und erhält die 



1) Doc. IX (bei Berti, pag. 346): andai a Lione dove stetti un tnese, e 
non trovando comodita di guadagnar tanto ehe mi bastasse di poter vivere e per 
li miei bisogni, di la andai a Tolosa, dove e uno studio famoso 



4. Bruno's Schicksale in der französ. Welt. 1578—1583. 19 

Stelle. Von jetzt an las Bruno ununterbrochen zwei Jahre lang 
über Aristoteles' Bücher von' der Seele und andere philosophische 
Themata. Wahrscheinlich trat Bruno schon hier als eifriger 
^Gegner der aristotelischen Schule auf und verscherzte sich damit 
die Gunst der Verehrer des Hergebrachten. Der fiiror scholasti- 
cus, welcher dem jugendlichen Feuergeiste Bruno's keine blei- 
bende Stätte der Wirksamkeit gönnen sollte, begann hier seine 
ersten Triumphe zu feiern. Der Bürgerkrieg trug das seinige 
dazu bei, Bruno den Aufenthalt in Toulouse zu verleiden. Im 
April und Mai des Jahres 1580 überzog Heinrich von Navarra 
die Gegend von Toulouse mit seinen Truppen. Da hielt es den 
Nolaner nicht länger. Er nahm seinen Abschied und zog nach 
Paris *). 

b) Bruno's erster Aufenthalt in Paris. 
1580—1583. 

Nachdem sich Bruno durch seine Lehrthätigkeit in Toulouse 
genugsam zum öffentlichen Lehramt herangebildet fühlen mochte, 
musste sich in ihm der Wunsch regen, nach der Gelehrtensitte 
seiner Zeit nunmehr auch in öffentlichen Disputationen aufzu- 
treten. Und wo konnten sich ihm glänzendere Aussichten eröff- 
nen, wo durfte er flir die neue Philosophie, die in seinem Geiste 
allmälig zu immer grösserer Klarheit und Selbständigkeit heran- 
gereift war, erfolgreicher zu wirken hoffen, als in der Hauptstadt 
der gebildeten 'Welt, der damals ersten Universität Europa's? 

Der Titel eines Doctors und ordentlichen Professors der 
Philosophie, den Bruno sich in Toulouse erworben hatte, berech- 
tigte ihn zur öffentlichen Lehrthätigkeit an der Universität Paris. 
Er machte jedoch, wahrscheinlich in Folge der Pest, welche da- 
mals die Hörsäle von Paris entvölkerte, vorerst keinen Gebrauch 



1) Doc. IX (bei Berti, pag. 346 — 347) : fui invitato a legger a diversi 
Scolari la sfera , la quäl lessi con altre letioni di ßlosoßa forte sei tnesi, e in 
questo mezzo essendo vacato ü luoeo del lettor ordinario di ßlosoßa di quetta citta, 
ü quäle si da per Concor so , procurai de addottorarmi come io feci per maestro 
dclle arti e am tni presentai al detto coneorso et fui admesso et approbato et lessi 
in queUa eitta da poi doi anni continui il testo di Aristotele de Anima e altre 
lezioni di ßlosoßa (parole cancellate: N.B. ma occorrendo in certe dispute, 
che diedi fuori e proposi conclusionij e da poi per le guerre eivili tne partii .... 

2* 



20 4. Bruno's Schicksale in der französ. Welt. 1578-1583. 

von seinem Rechte, bereitete sich aber im Stillen auf seine Vor- 
lesungen vor und schrieb eine Reihe kleinerer Werke, welche 
demnächst erscheinen sollten. Nach Aufhören der Pest versuchte 
er sich zunächst in freien Vorträgen an der Sorbonne. Er wählte 
zuerst ein theologisches Thema. Er las nämlich über die Attri- 
bute Gottes nach Thomas von Aquind" und zwar behandelte er 
dreissig derselben in dreissig Vorlesungen *). Bruno hatte Glück 
damit. Man bot ihm eine ordentliche Lehrstelle an. Er schlug 
sie jedoch aus, weil er sich sonst die Pflicht auferlegt haben 
würde, regelmässig die Messe zu hören und an andern gottes- 
dienstlichen Handlungen theilzunehmen. In Toulouse war er 
davon befreit gewesen. Er setzte seine ausserordentlichen Vor- 
lesungen fort und hatte damit bald einen solchen Erfolg, dass 
sogar der König, Heinrich HL, wünschte, den gefeierten Lehrer 
kennen zu lernen, über dessen riesiges Gedächtniss abenteuerliche 
Gerüchte die Stadt durchliefen. Der König fragte ihn, ob sein 
Gedächtniss auf natürlicher Grundlage oder aber auf magischer 
, Kunst beruhe , worauf ihn Bruno von der völligen Natürlichkeit 
seiner Mnemonik tiberzeugte und die Gelegenheit ergriff, ihm ein 
Buch zu widmen, das, die Förderung des Gedächtnisses be- 
zweckend, den König in das Geheimniss der „Grossen Kunst a 
einführen sollte. 

Raimundus Lullus* der Erfinder der „Grossen Kunst", war 
1234 zu Palma auf der Insel Mallorca geboren worden. Nach 



1 ) Doc. IX bei Berti, pag. 346 : andai a Paris dove mi missi a legger 
una lettion straordinaria per farmi eonoseer et far saggio di me e lessi trenta 
letioni e pigliai per materia trenta attributi divini toUi da 8. Tomaso dalla prima 
parte: dapoi essen do sta ricercato a pigliar una letione ordinaria restai $ non volsi 
aeeettarla percKe li lettori publiei di essa eitth vanno ordinariatnente a Messa e alU 
aitri divini offitii e io ho sempre fuggito questo sapendo ehe er<r seomunieato per 
esset uscito dalla religione e haver deposto Vabito che se bene in Tolosa hebbi 
quetta lettione ordinaria , non ero perb obligato a questo eome sarei stato in detta 
citta de Paris quando havessi accettata la detta letion ordinaria e leggendo queUa 
estraordinaria aquistai nome tale ehe il He Menrieo Terzo mi feee ehiamare un 
giorno rieereandomi se la memoria ehe avevo et ehe professava era naturale o pur 
per arte magica, dl quäl diedi sodisfatione e con quello ehe dissi e feei provare 
a lui medesimo eonobbe ehe non era per arte magica ma per seientia e dopo questo 
feei stampar un libro de memoria sotto tüolo de Um bris idearum, il quäl 
dedieai a sua Matsta. 



4. Bruno's Schicksale in derfranzös. Welt. 1578—1583. 21 

einem wüsten Jugendleben hatte er sich plötzlich von Haus und Hof, 
von Weib und Kind in die Einsamkeit zurück gezogen, um unter 
ascetischen Uebungen das Mittel »ausfindig zu machen, welches 
unfehlbar dazu dienen sollte, die. Ungläubigen auf «dem Wege 
mathematisch sicherer Beweisführung von der Wahrheit des 
Christenthums zu überzeugen. Sollte diese neue Methode wissen- 
schaftlichen Verfahrens fftichtbar werden, so musste sie zugleich 
im- Stande sein, ihre Jünger nicht allein auf dem ungeheuren 
Gebiet der schon gewonnenen Begriffe rasch zu orientiren, son- 
dern auch befähigen, die Summe dieser Begriffe mit Leichtigkeit 
zu Handhaben und zu vermehren. Zu diesem Zwecke ersann 
Lullus eine Art logisch-metaphysischer Rechenmaschine. Indem 
er nämlich die Fundamentalbegriffe in Form von Buchstaben 
concentrisch auf in einander sich drehenden Kreisen gruppirte, 
gewann er die Möglichkeit, durch das Drehen dieser Kreise in 
Kreisen unzählbare Begriffscombinationen zu erzielen und die 
so gewonnenen Combinationen jeden Augenblick wieder durch 
die Herstellung derselben Uebereinanderlagerung der concen- 
trischen Kreise zu reproduciren. Kein Zweifel, dass ein wahr- 
haft genialer Gedanke die Erfindung dieser „Grossen Kunst" 
zur Reife brachte. Und Bruno war ganz der Mann dazu, die 
colossale Bedeutung dieser, wenn sie richtig war, ganz unschätz- 
baren Denkmaschine zu würdigen und mit Feuereifer zu ver- 
herrlichen. Wie nun aber Bruno allem, was er einmal ergriffen 
hatte, den unauslöschlichen Stempel seiner eigenen Geistesindivi- 
dualität aufdrückte, so schuf er auch die lullische Kunst von 
Grund aus dadurch um, dass er in die concentrischen Be- 
griffskreise nun noch ein ganz neues Element einführte, nämliöh 
das poetische Vorstellungsbild. Die Welt besteht nicht allein 
aus einer bestimmten Summe unendlich combinirbarer, abstrakter 
Begriffe, sondern fuhrt ein Doppeldasein in Form von Bildern 
und Gestalten, welche die menschliche Phantasie sich von den 
Dingen und Vorgängen der Welt entwirft. Diese Vorstellungs- 
bilder sind es, an welchen sich das Denken entwickelt hat und 
zwar liegen uns diese Entwickelungsresultate in herrlicher Fülle 
vor in den Bildersälen der antiken, zumal der griechischen Mytho- 
logie, An der Bilderfülle der hellenischen Götterwelt gewinnt 
des Nolaners Gedächtniss einen Ruhepunkt für die auf- und ab- 



22 4. Bruno's Schicksale in der französ. Welt. 1578—1583. 

wogenden Vorstellungswellen •, an der Ideentiefe hellenischer Mythen 
findet seine Beredtsamkeit ein ergiebiges Feld immer neufer Be- 
trachtungen. Und so bildet denn Bruno die höllische Kunst zu 
einer neuen Methode des Denkens, des Gedächtnisses und der 
Beredtsamkeit aus und verficht dieselbe in einer Reihe kleinerer 
Lateinwerke. Die Hypothese, welche schon der Kabbala zu 
Grunde lag, als gäbe es, wie sich neuerdings Dubois-Reymond 
ausdrückte, für das Umversum eine „Weltformel u , aus welcher 
/ . ' <, l, i sich mit der Sicherheit des» mathematischen Calculs die zahllosen 
Einzelwesen und Specialbewegungen deduciren Hessen, wirkt so 
bestechend, dass wir uns nicht wundern dürfen, wenn später 
Leibniz dieselbe wieder aufgriff, um darauf seine Universalsprache 
zu stützen oder wenn noch später Hegel es wagte, trotz Kant, 
die ungeheure Mannigfaltigkeit des Seienden aus dem Getriebe 
eines logisch-metaphysischen Räderwerks hervorgehen zu lassen. 
„Und wenn heutzutage wieder lebhafte Versuche gemacht wer- 
den, die logischen Operationen auf mathematische Formeln zu 
reduciren, so ist dieser logische Calcul in seinem letzten Grunde 
nichts, als die in moderner Metamorphose wiederauferstandene 
Kunst des schwärmerischen spanischen Ritters" x ). 

Das Werk nun, welches Bruno König Heinrich HI. widmete, 
„Von den Schatten der Ideen" (De umbris idearum) ist das 
klarstgeschriebene seiner sämmtlichen Lateinwerke , die auf Rai- 
I mundus Lullus zurückfuhren. Auf die platonische Ideenlehre 
gestützt, baut uif^Bpano ein System auf, in welchem* der uralte 
; Gegensatz von Jfetur und Geist, von Materie und Woxm, von 
j Sein und Denken, zur Einheit einer Gott und die Welt versöh- 
nenden Harmonie aufgehoben ist. Alles was da ist, ist in Gott 
oder vielmehr, Gott ist das All wie es an sich ist. Gott ist das 
Urlicht, die Uridee, die zahllosen Einzelwesen und Dinge sind 



1) Sigwart, Chr., Kl. Sehr., Erste Reihe (1881), pag. 62. Barthol- 
mess dagegen ist als Hegelianer ein grosser Bewunderer der lullischen 
Werke Bruno's, fühlt sich aber doch ebenfalls gezwungen anzuerkennen: „üne 
topique si universelle, espeee de carte detaülee du savoir humain y aurait en effet 
les avantages que Bruno y admirait, si Vhomtne riavait plus rien a decouvrir, s'il 
savait tout , s'il etait ainsi que Lulle , en possession de Vomniseience, si V komme 

Stau JHeu mtme neansmoins la coneeption qui a diete cette entreprise, est 

juste et grande" Vie de Bruno, T. II, pag. 174, 176. 



4. Bruno's Schicksale in der französ. Welt. 1578—1583. 23 

nur der Abglanz, die Schatten dieser Uridee. In de| Sinnea- 
thätigkeit und im Denken schaut unsere Seele, unser Geist, die 
nur ein Theil der Weltseele, des göttlichen Geistes ist, die Bil- 
der des göttlichen Denkens, aber in mannigfaltigen Abstufungen. 
Da nun aber das göttliche Denken eins ist mit der unendlichen 
Fülle der Erscheinungswelt, so stimmen die Schatten der Ideen 
in unserm Geiste, nämlich die Vorstellungen und Gedanken, 
nothwendig mit den Schatten der Ideen in der Aussenwelt, 
nämlich mit den Dingen, überein. 

In der systematischen Durchführung dieser neugewonnenen 
Gedankenharmonie bewährten ein Jahrhundert später Spinoza 
und Leibniz ihre eigentümliche Grösse, Spinoza, indem er 1 
Denken und Ausdehnung, dh. Geist und Materie, als die untrenn- j 
baren Attribute der einen und untheilbaren Substanz nachwies; ; 
Leibniz, indem er seine zahllosen Monaden als Fulgurationen der 
Einen Urmonade hinstellte, jener Ureinheit von Denken und Sein, 
deren Harmonie sich in den von einander unabhängigen und 
gleichmässig verlaufenden Entwicklungsprocessen der ausgestrahl- 
ten Monaden wiederspiegelt. Trotz der Kürze, in welcher Bruno's 
philosophisches Erstlingswerk gehalten ist, glänzt dasselbe durch 
einen überraschenden Reichthum von neuen Gesichtspunkten. Die 
grosse Idee, welche unter dem Namen des Darwinismus gegen- 
wärtig alle wissenschaftlichen Kreise in Bewegung setzt, die 
Idee nämlich von der allmäUgen, stufenweisen Entstehung höherer 
Organismen aus niedrigeren — : in Bruno's Erstlingswerk 
liegt sie, klar ausgedrückt, im Keime vor: „Nichts hindert, 
anzunehmen, dass nach dem Klange der Leier des Welt- 
Apollo, Niederes stufenweise in Höherem wieder auflebe und 
auf diese Weise also Niederes durch Mittelglieder hindurch die 
Natur von Höherem annehme 44 J ). In demselben Werke spricht 
Bruno auch schon die religionsphilosophische Idee Lessings aus, 
die Religion sei nur ein Mittel, die Menschheit allmälig zur reinen 
Gotteserkenntniss zu erziehen. „Die Natur, sagt Bruno, mag 
den unvermittelten Uebergang von einem Extrem ins andre 
nicht, vielmehr liebt sie die Vermittelung durch Nuancen und 

1) De Umbris Idearum Intentio VII (GfrÖrer pag. 303): nihil impedit, 
quominus ad sonum cytharae universalis ApoÜinü ad euperna gradatim revocentur 
inferna, et inferiora per media superiorum subeant naturam. 



24 4. Bruno's Schicksale in der französ. Welt. 1578—1583. 

allmäligf Abstufung des Lichtes. Manche haben in Folge plötz- 
lichen Ueberganges aus der Finsterniss ins Licht ihre natürliche 
Sehkraft eingebüsst, sowenig sind sie im Stande, das erstrebte 
Forschungsziel zu ertragen. Desshalb bereitet der Schatten als 
Dämmerungsform auf das Licht vor, der Schatten mässigt das 
sonst blendende Licht. Durch den Schatten bereitet die Gott- 
heit die in Finsterniss wandelnde Seele des nach Wahrheit Lech- 
zenden auf das Wesen der Dinge vor" 1 ). In diesen Worten 
liegt eben consequent die alte und doch immer wieder ewig 
junge Ueberzeugung ausgedrückt: Alle Religion ist nur ein Noth- 
behelf, um die Völker aus dem Zustande der Finsterniss und 
Roheit allmälig zu gesitteten Verhältnissen überzufuhren, wonach 
alsdann erst das ungeschwächte Licht, die Wissenschaft und 
Philosophie, an die Stelle der Religion treten werden 2 ). 

Aus Anerkennung für das ihm gewidmete Werk ernannte 
König Heinrich den Nolaner zum ausserordentlichen Professor 3 ) 
und Bruno nahm die Stelle an, weil er damit sich keineswegs 
die Verpflichtung auferlegt fühlte, nun der Messe wieder beizu- 
wohnen. Durch den Erfolg seines Schriftchens angeregt, Hess 
nun Bruno hintereinander noch mehrere Werkchen dieses Inhalts 
erscheinen, die er Sorge trug, Männern von hoher Stellung zu 
widmen. So dedicirte er den Cantus Circaeus 4 ) demnatür- 



1) De Umbris Idearüm, Intentio XV (Gfrörer, pag. 30S): Neque enim 
natura patitur immediatum progretsumab uno eztremorum ad alterum, sed umbri» 
mediantibus, adumbratoque limine senrim. Naturalem videndi potentiam perdidere 
nonnulli de tenebri» in repentinam lucetn prodeuntes; tantum abest ut perquisito 
potirentur objecto. Umbra igüur vitum praeparat ad lucetn, per umbram divinitas 
oculo esurientü sitientisque animae caliganti nuntiat rerum epecies temperat 
atque propinat. 

2) Ueber das Alter der Ansicht oder Einsicht, dass die Religion nur 
die populär gefasste, für die Volksphantasie in ein allegorisches Gewand 
gekleidete Metaphysik sei , vgl. Liebmann , Zur Analysis der Wirklichkeit 2 , 
pag. 675. 

3) Doc. IX (bei Berti, Vita di G. Br., pag. 347): mi fece lettor stra- 
ordinario e provieionato e teguüai in queUa citta a leggere come ho detto forte 
cinq'anni. . . (Gedächtnissfehler, es waren drei Jahre). 

4) Cantus Circaeus, ad eam memoriae praxim ordinatus quam ipse 
iudiciariam appellat. Ad Henricum d Angoulesme , magnum QalUarum prior em. 
Farüiis 1582. 



4. Bruno's Schicksale in der französ. Welt. 1578—1583. 25 

liehen Bruder des Königs, dem Herzog Heinrich von Angouleme 
durch Vermittelung von dessen Secretair Regnault, und dem 
venetianischen Gesandten in Paris, Giovanni Moro, das Btichel- 
chen De compendiosa architectura et complemento 
artis Lullii' 1 ). Vorlesungen über die lullische Kunst und deren 
Verwerthung flir Mnemonik und Rhetorik bildeten flirderhin das 
bequeme Mittel, mit welchem sich Bruno theils an fremden 
Universitäten zu introduciren , theils bei Grossen in Gunst zu 
setzen oder aber aus momentaner Geldverlegenheit zu ziehen 
verstand. Es war seine exoterische Philosophie, die er trefflich 
als Deckmantel seiner kirchenentfremdeten Religionsphilosophie 
zu drapiren und als Steckenpferd unfruchtbarer Laune zu tummeln 
wusste. 

Auch ein poetisches Werk veröffentlichte Bruno zu Paris, Es 
ist dieses das italienisch geschriebene Lustspiel: II Candelajo, 
der Kerzensieder, der Lichtzieher. J)as tolle, mit* seinen derben 
Ausgelassenheiten ganz an Basile's Pentamerone oder Straparola's 
Märchen erinnernde Stück ist wahrscheinlich schon in einem neapo- 
litanischen Kloster geschrieben gewesen. Es stellt in dem alles- 
wagenden Style des Zeitalters Pietro Aretino's die verkommenen 
Zustände der neapolitanischen Gesellschaft dar und verspottet in 
einer bunten Reihe von mehr oder weniger losezusammenhängen- 
den Scenen die Gebrechen der Zeit, als: Alchymie, Zauberei 2 ) 

1) De Compendiosa Architectura et complemento artis Lüllii. Ad 
iUustrissimum D. D. Joannem Morutn pro serenissima Venetorum Rep. apud 
ehristianissimum QaUorum et Polonorum regem Senrieum III ligatum. 12°. 
Parisiis apud Aegidium Qorbinum, sub ineigne Spei prope collegium Camera- 
eense 1582. 

2) Bruno nimmt mehrfach Gelegenheit, seinen Abscheu gegen die 
Zauberei auszudrücken. Vgl. folgende Stellen. Im Sigillüs sigillorum, 
De multiplici contractione (Gfrörer, pag. 572)geisselt er die Aerzte : PraepoUent 
medieif in quibus plurimi eonßdunt, formidantes penetrant maleßcia quae eorundem 
eontemptores non attingunt, superstitiosulos et rusticos vidi energumenoe, cautiores 
vero versutulosque nunquam. Ebendas. (pag. 575), eine Stelle, welche auch 
eulturhistorisch wichtig ist: Ex hoc bestialium hominum genere sunt, qui erudia 
oeutisque herbis ventosoque posti legumine exeoetique infantis adipe peruneti, moxque 
ad noctis silentium aere temperate frigido nudati, iUud praestant 9 ut ealore dietis 
eireumstantiis medieato ad interna retrueo ae rekurrente eumque attenuati adipis 
spirüu earnie penetrante porös, vata lididinis faeile intumeeeant Unteque artifi- 
eioso semine eompleantur. 



26 4. Bruno's Schicksale in der französ. Welt. 1578—1583. 

und Pedanterei. Schade nur, dass diq Kreise, die das Narren- 
thum des in Liebesverrücktheit taumelnden Bonifacio, des Uni- 
versalmittel brauenden Bartolomeo, sowie endlich des in latei- 
nischer Stubengelehrsamkeit schwelgenden Manfurio beschreibt, 
nicht harmonisch in einander greifen, sondern sieh nur tangen- 
tial berühren. Das Meisterstück in Bruno' s Schilderung der 
Narrheit bildet der Pedant. Diesem widmet Bruno ajuch in an- 
dern Schriften immer von neuem wieder die launigsten Einfälle 
seiner an grotesken Charakterbezeichnungen überreichen Wort- 
bildungskunst. Der Pedant ist Bruno's Lieblingsfigur, sein 
komisches Ideal 1 ). Trotz ihrer Compositionsmängel ist Brüno's 
Komödie immerhin „eine der besten, mag sie auch nicht die beste 
sein." „Sie steht, fährt Klein, der grosse Geschichtschreiber des 
Drama's fort 8 ), keiner an Geist, Witz und frecher Komik nach, 
sowohl was die Figuren, als die Situation betrifft." 

Ein philosophisches und ein, poetisches Meisterwerk zu glei- 
cher Zeit auf den Büchermarkt zu werfen, erforderte einen Mann 
von ausserordentlichen Geistesgaben. Bruno hatte sich denn 
auch bald in den ausgewähltesten Kreisen der Pariser Gesell- 
schaft einheimisch gemacht Sein Umgang war gesucht. Mit 
ausgebreiteter und tiefer Gelehrsamkeit verband er die Kenntniss 
mehrerer Sprachen. Er war, ausser dem Italienischen, des 
Lateinischen, Französischen und Spanischen mächtig und ver- 
stand etwas Griechisch. Sein ausgezeichnetes Gedächtniss lieferte 
ihm ohne Zweifel einen unerschöpflichen Fond der besten Anek- 
doten, wie namentlich seine italienischen Bücher beweisen und 
die Abenteuerlichkeit seiner Schicksale konnte nur dazu bei- 
tragen, ihn jeder, vorzugsweise weiblichen, Gesellschaft als an- 



1) De Tmplice Minimo, v. 128—130, pag. 5: 

Kfc sciotu* qvuqumm * cfttt^fystmo Gvnmmaticorum , 
(Jpitr ftMt mivtrsum nt Sqpkü* f*mu owmsj putetmr 
Dapavt gm m*c*dmt f tihilo qwKunfu* tuptrbus. 

Ebendas., v. 149 — 151, pag. 6: 

ife» f*m* MMfrfrwt tmmwtm tmmU f fttn mm 
ConfmUU* ycWr , f*r*at f*»m* <mm> ut müfut 
Artm «• mrtpiilmm f*r*A*»twr j i — i rt iii fM i. 

2) Klein, Gesell, des Diamas, Bd. 4 (1866), pag. 471. Klein giebt 
auch eine ausführliche Uebersicht über das ganxe Stock, TgL pag. 480 — 493. 



5. Bruno's Schicksale in England. 1583 — 1585. 27 

genehmen Unterhaltungskünstler zu empfehlen 1 ). Nichtsdesto- 
weniger war seines Bleibens in dem yon Bürgerkriegen zerwühl- 
ten Paris nicht länger 2 ). Vielleicht traten dazu noch persönliche 
Reibereien, die dem heftigen Südländer den Aufenthalt in der 
ohnediess aufgeregten Hauptstadt des Aristotelismus verbitterten. 
Er wandte sich nach England. 

5. Bruno's Schicksale in England. * 

1583—1585. 

Bruno erschien in London gegen Ende des Jahres 1583 mit 
Empfehlungen König Heinrichs HI. an seinen Gesandten, Michel 
von Castelnau, Herrn von Mauvissiere, den Beschützer der un- 
glücklichen Königin Maria Stuart. Der Gesandte nahm den 
Wohlempfohlenen freundlich auf und Bruno lebte nun im Hause 
dieses durch kriegerische, staatsmännische und echtmenschliche 
Tugenden gleich ausgezeichneten Mannes fortan als sorgenfreier 
Gentleman und Freund, Castelnau war ein treuer Anhänger der 
katholischen Kirche, obschon er die Politik der römischen Curie 
aufs entschiedenste missbilligte] und die protestantischen Gegner 
nur durch die Macht des guten Beispiels , der Predigt und der 
werkthätigen Liebe gewonnen wissen wollte. Dieser Töleranz 
hatte es denn auch Bruno zu verdanken, dass er nicht genöthigt 
war, der Messe beizuwohnen, welche täglich in seines Gastfreun- 
des Hotel celebrirt wurde. 



1) Erdmann in seinem Grundriss der Gesch. d. Philos., 3. Aufl., Bd. 1 
1878), pag. 561, § 248, 1 weiss das Gegentheil: „Alle Bitterkeiten gegen 
das Ordenskleid, all sein Lechzen darnach, ganz der Welt anzugehören, 
nimmt ihm nicht jenes mönchische Wesen, das ihn selbst im Freundeskreise 
zu einer fremdartigen Erscheinung macht und vereinsamt." Erdmann muss 
Quellen studirt haben, die der Brunoforschung sonst unzugänglich sind, denn 
sonst könnte er unmöglich zu diesem Resultate gelangt sein, wenn anders 
dasselbe nicht der Ausfluss subjectiver Stimmung ist. 

2) Doc. IX (bei Berti, Vita di G. Br., pag. 347): per li tumuüi che 
nacquero dopo pigUai licentia e am lettere del istesso re andai in InghiUerra a 
star am t ambasciator di sua Maesta che si chiamava ü S. delia Malviciera per 
nome Michel de Castelnovo in casa del quäl non faceva altro se non ehe stava 

per suo gentilhomo et tne fermai in Inghilterra doi awni e mezzo, ne in questo 
tetnpo ancora che ei dicesse la messa in casa non andavo ne fuori a messa, ne a 
prediche per la causa sudetta. 



28 5. Bruno's Schicksale in England. 1583—1585. 

Um sich in Oxford den Zutritt zur Universität zu ver- 
schaffen, gab Bruno sofort ein Werklein in Druck: Erklärung 
der dreissig Siegel (Explicatio triginta sigillorum), welches 
er zwar dem Herrn von Mauvissiere widmete, jedoch dem Vice- 
kanzler und den Doctoren in Oxford zuschickte 1 ). Den Stoff 
dazu lieferte ihm wieder die allezeit als geduldige Milchkuh 
brauchbare Ars magna des Raimundus Lullus. Bruno erreichte 
seinen iZ weck , wenigstens hielt er nicht lange darnach an der 
Universität Oxford Vorlesungen über die Unsterblichkeit der 
Seele und die fünffache Sphäre. Es war um die Mitte des Jahres 
1583. Da erschien am 10. Juni in Oxford ein polnischer Fürst, 
Albert a Lasco, den der Ruhm der Königin Elisabeth, sowie der 
Wunsch, mit seinem Reichthum und seinen Rittertugenden zu 
glänzen, nach England gelockt hatten. Graf Leicester, als Kanz- 
ler der Universität, und eine Schaar englischer Edelleute leisteten 
ihm Gefolge. Aus der Stadt gingen ihm zahlreiche und be- 
rühmte Doktoren entgegen, von welchen er mit einer lateinischen 
Rede empfangen wurde, worauf der Fürst ebenfalls lateinisch 
erwiderte. In der Nähe der Stadt erwarteten ihn die Behörden, 
deren Secretäre ihn wieder mit einer lateinischen Rede begrüssten 
und sein Gefolge mit Handschuhen beschenkten. Unter mancher- 
lei Feierlichkeiten und nach Auffuhrung einer Tragödie Dido, 
unter gelehrten Disputationen aller Art vergingen so mehrere 
Tage, während welcher der Fürst das Licht seines Geistes und 
den Prunk seines ganzen Reichthums dermassen leuchten Hess, 
dass, als er bald nachher über London wieder in seine Heimat 
zurückkehrte, er inzwischen um Hab und Gut gekommen war 
und später in Krakau ein elendes Dasein fristete 2 ). 

Während der Disputationen, welche in Oxfort zu Ehren des 



1) Explicatio triginta sigillorum ad omnium teientiarum et artium 
inventionem, düpoeitionem et memoriam. Quibu* adictus est sigillüs sigillorum 
ad omnes animi Operationen eomparandas et earutndem rationee habendae maxime 
conducene. Als Einleitung ist beigegeben: Recens et completa ass 
reminiscendi et in phantattico campo exarandi, disponendi atque retinendi 
implieatas novo* rationee et artes introductoria. (London, 1583). 

2) Ueber die Festlichkeiten zum Empfang des Polenfürsten Albert von 
Lasco 8. Bartholmess, Vie de Br., T. 1, pag. 116 ff. nach Wood, Univ. 
et antiq. Oxon., pag. 300 ff. 



5. Bruno's Schicksale in England. 1583-1585. 29 

von der Königin Elisabeth so hoch ausgezeichneten Polenfiirsten 
gehalten wurden, war Bruno nicht müssig geblieben. Wir er- 
fahren von ihm selber, dass er damals in einem Streitgespräch 
über das ptolemäische Weltsystem fiinfeehnmal seinen Gegner, 
einen Doktor der Theologie, der die aristotelisch - ptolemäische 
Weltansicht vertheidigte, geschlagen habe. Aber der Preimuth, 
mit welchem Bruno seinen Fachcollegen entgegentrat, reizte nur 
den Neid und Hass der in ihres Nichts durchbohrendem Gefühl 
Zitternden. Die Peripatetiker fassten eben jeden Angriff auf ihr 
philosophisches System, welches sich aufs innigste mit dem tra- 
ditionellen Kirchenglauben verschwistert hatte, als revolutionäres 
Gebahren gegen die Kirche selber auf. Von ihrem Standpunkte 
aus dachten die Peripatetiker ganz folgerichtig. Denn das System 
des Aristoteles oder vielmehr Das was die jüdischen und arabischen 
Philosophen im Bunde mit den Scholastikern aus Aristoteles ge- 
macht hatten ] ), war mit dem ptolemäischen Weltsystem und der 
römischen Kirchenlehre ein so engverschlungenes Btindniss ein- 
gegangen, dass die altersgeheiligten Dogmen von Himmel, Hölle j 
und Fegfeuer in sich zusammenbrechen mussten, sobald man! 
das Gebäude untergrub, in welchem sie bis dahin gastliche 
Unterkunft gefunden hatten 2 ). 

Der Kern und 'Angelpunkt des aristoteUsch-ptolemäischen 
Weltsystems war die Lehre, dass die Erde im Mittelpunkt der 
Welt ruhe und Sonne, Mond und Sterne sich um sie bewegen. . 
Und zwar dachte man sich dieses Verhältniss so, dass die Erde 



1) Bruno war weit davon entfernt, das Grosse im wirklichen Ari- 
stoteles, dem Aristoteles des Alterthums, zu verkennen. Davor bewahrte ihn 
seine unbestechliche Wahrheitsliebe. Sein lebenslänglicher Kampf galt nur 
dem Pseudo-Aristoteles der Scholastik, während er den echten Aristoteles 
gegen diejenigen, die sich mit dessen Namen brüsteten, sogar vertheidigte. 
In der Cbna delle Cenbki giebt Teofilo (Bruno) den Peripatetikern von 
Oxford den Rath, sie möchten sich doch ja nicht berühmen, sie verständen 
das, was Aristoteles verstanden habe und begriffen das, was Aristoteles be- 
griffen habe; denn es sei ein sehr grosser Unterschied zwischen dem Nicht- 
wissen dessen, was auch Aristoteles nicht wusste und dem Wissen desjenigen, 
was er wusste etc. Vgl. auch Bartholmess, Vie de Bruno, T. 2, pag. 319. 

2) Vgl. Bbbh, Vita di G. Bruno, pag. 283: „Jeder Streich, der auf 
das ptolemäische System fiel, zerbrach eines der Bande, die es mit den 
theologischen Ideen der Schulen verknüpften." 



30 &• Bruno's Schicksale in England. 1583—1585. 

# 
als Kugel sich innerhalb des Himmels als eines Ungeheuern Balles 
befinde, welcher aber selbst wieder aus neun, oder wie man 
später annahm, aus zehn soliden, zwiebeiförmig in einander- 
geschachtelten, . durchsichtigen, krystallenen Hohlkugeln bestehe. 
Die äusserste dieser Sphären bewegt sich jeden Tag einmal mit 
den Fixsternen von Osten nach Westen und reisst alle übrigen 
Sphären mit sich fort, sodass sie sich sämmtlich um eine durch 
die Erdmitte gehende Axe drehen. Die zweite Bewegung, die 
sich innerhalb der Drehungen der ersten Sphäre vollzieht, kommt, 
der Richtung nach der vorigen entgegengesetzt, der Sonne, dem 
Mond und den sieben Planeten zu, einem jeden in seiner 
Schale. Alle Himmelserscheinungen konnte man sich natürlich 
auf diese Weise nicht erklären, und bekannt ist, was der junge 
König Alphons von Castilien darüber bemerkte, als ihm seine 
Astronomen den Bau, des Weltsystems und dessen Bewegungen 
lehrten: „Wenn der Schöpfer mich um Rath gefragt hätte, so 
"würde die Welt in besserer Ordnung sein. tf Aber man suchte 
sich dadurch aus der Verlegenheit zu ziehen, dass man neben 
diesen neun Sphären für jede nicht dazu stimmende Erscheinung 
wieder besondere excentrische Kreise, die Epicyclen, annahm. 
Und dann war es ja so süss und trostvoll, jenseits aller Sphären 
das Empyreuin anzusetzen, das ewige Lichtreich des Himmels, 
von wannen das Weltall seine Beleuchtung empfing und die 
Seligen in ewiger Wonne Gott schauten. Das ganze Weltall war 
nur des Menschen wegen da 1 ). Und diesen Glauben, in wel- 
chem die Menschheit ein Jahrtausend lang ihren Trost gefunden 
hatte, sollte sie nun plötzlich aufgeben? Sie musste es! Der 
Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntniss hat für die Senti- 
mentalität kein Herz. Die Entdeckung des Copernicus, dass 
die Erde sich um die Sonne bewege, schlug wie ein Blitz aus 
heiterm Himmel in die traumversunkene Behaglichkeit der abend- 
ländischen Völker. Aber weder die römische Kirche, noch der 
eben aufstrebende Protestantismus hatten zuerst auch nur eine 
Ahnung von der Ungeheuern Umwälzung, welche die neue Welt- 
ansicht in Geist und Gemüth der paradiesesgläubigen Menschheit 
hervorrufen musste. Da kam Bruno und mit dem durchdringen- 



1) Vgl. Liebmann, Zur Analysis der Wirklichkeit 2 , pag. 400. 



5. Brnno's Schicksale in England. 1583 — 1585. 31 

den Scharfblick; der ihn vor seinen wissenschaftlichen Zeit- 
genossen auszeichnet, überschaute er die grossen Consequenzen der 
neuen Entdeckung und verkündete dieselben mit hinreissender 
Beredsamkeit, indem er zugleich die neue Lehre weit über den 
Rahmen hinaus vervollständigte, in welchem Copernicus sie noch 
belassen hatte. Copernicus hatte wohl gelehrt: nicht die Sonne 
und die Planeten drehen sich um die Erde, sondern die Erde 
sammt den Planeten dreht sich um die unbeweglich im Mittel- 
punkt der Welt ruhende Sonne — , aber hoch über dem Räume, 
den der äusserste Wandelstern, der Saturn, durchmisst, wölbt 
sich die krystallene Hohlkugel der Fixsterne', steht der Mark- 
stein der Schöpfung, liegt die äusserste Thule des Alls, über 
welche hinaus Copernicus keine Betrachtungen anzustellen wagte. 
Hier nun war der Punkt an welchem Bruno einsetzte 1 ). 

Wenden wir uns aber zunächst wieder su seinen Vorlesungen 
über die Unsterblichkeit der Seele zurück! Bruno lehrte: Ein 
Lebensgeist durchdringt das ganze Weltall. Der Materie in der 
ganzen Unendlichkeit ihrer Atome wohnt ein und derselbe ge- 
staltenschaffende Geist inne, Geist und Materie sind desshalb 
gleich unsterblich. Denn es giebt keinen Tod, sondern nur 
Uebergang aus einem organischen Zustand in den andern. Nur 
die Formen wechseln, in welchen sich die beseelten Atome zu 
einheitlicher Thätigkeit zusammengesellen, aber die Atome be- 
wegen sich von Ewigkeit her und werden desshalb auch in Ewig- 
keit ihren Kreislauf fortsetzen 2 ). Und wenn* dieselben bald in 
auf-, bald in absteigender Linie sich zu Organismen zusammen- 
gruppiren, so ist nicht einzusehen, wie zwischen der Seele einer 
Meermuschel oder einer Pflanze oder eines Menschen ein quali- 
tativer Unterschied herrschen solle 3 ). Nur der höhere Grad 



1) Vergl. darüber die Dissertation Hugo Wernekke's: Giordano 
Bnmo's Polemik gegen die aristotelische Kosmologie. 8°. Dresden, 1871, 
namentlich pag^ 11. 

2) Die hiezu nöthigen Belegstellen s. in der kurzen Analyse des 
Dialogs De la Causa. 

3) Cabala del Cavallo Pegaseo (Wagner II, 277): QueUa (Vanima) 
de Vuomo e meäeeima in essenza epecißea e generiea eon quella de le mosche, 
ostreche marine e piante, e di quäl ei voglia cosa, che si trove animata, o abbia 
anima: corne non e oorpo, che non abbia o piu o meno vivace — e perfettamente 



32 5. Bruno's Schicksale in England. 1583—1585. 

der Organisation entscheidet über die höhere Geistesanlage einer 
Gattung. Vermöge des reicher organisirten Körperbaues hat 
sich der Mensch im Umschwung der Jahrtausende über die 
Thiere erhoben. „Angenommen, der Mensch hätte doppelt soviel 
Geist, als er gegenwärtig hat, die Hände verwandelten sich ihm 
aber in Ftisse, wie würde da der Mensch zur Sprache gelangen, 
wie vermöchte er sich zu dauernden Familien und Gemein- 
schaften zusammen zu thun, ohne von der Unzahl der ihm über- 
legenen Bestien aufgerieben zu werden? Wie wäre er im Stande, 
alle die Erfindungen und Entdeckungen zu machen, sich Häuser 
zu bauen, Staaten zu gründen, Künste und Wissenschaften zu 
pflegen und Alles das zu treiben, was die Grösse und Erhaben- 
heit des Menschen ausmacht und ihn zum in Wahrheit unbe- 
siegten Beherrscher aller andern Gattungen erhebt? Wenn du 
genau zusiehst, so verdanken wir Alles das nicht sowohl der 
Leistungsfähigkeit des Geistes, als vielmehr der Hand, als dem 
Organ der Organe" 1 ). 



communicazion di spirito in se steeso. Or eotal spirito eecondo üfato o providenza, 
ordine o fortuna , viene a giongerei or ad una epeeie di corpo , or ad un'altra, 
e secondo la ragione de la divereüa di eompleeeioni e tnembri viene ad avere 
diverei gradi e perfezioni cCingegno et operazioni. 

1) Degli Ekoici fcboki (Wagner II, 277) : poeto ehe Vttomo aveese al doppio 
d'ingegno, ehe non have, e tinteUetto agente gli eplendeese tanto piti chiaro, ehe 
non gli tplende , e eon^ tutto cxb le mani gli venieeer transförmati in forma di 
doi piedi, rimanendogli VaUro nel suo ordinario intiero: dimmi, dove potrebbe 
impune eeeer la eonvereazion de gli uomini? eome potr ebber o imtituirsi e durar le 
famiglie et wnioni di eoetoro parimente o piü> ehe de'eavalli, cervj, porei, eenza 
esserne devorati da irmumerabili epeeie di beetie, per eeeere in tal maniera euggetti 
a maggiore e püt certa ruina? E per eomequenza, dove sarebbono le instüuzioni 
di dottrine, le invenzioni di diseipline, le cottgregazioni di eiitadmi, le etrutture 
de gli edifiei et altre eoee assai, ehe eignißeano la grandezza et eeeeüenza umana, 
e fanno Vuomo trionfator veramente invitto eopra V altre epeeie? Tutto queeto, $e 
octUatamente guardi, ei riferieee non tanto prineipalmente al dettato de Vingegnoj 
quanto a queüo de la mano, organo de gli organi. Zu dieser von Bruno so 
früh schon anticipirten Auffassung von dem culturhistorisch nicht hoch 
genug anzusetzenden Werth der Hand ist erst die neueste Philosophie wieder 
gelangt. Vgl. Otto Caspari, Urgesch. d. Menschheit, Bd. 1, pag. 250 u. 
275. Ferner Ebnst Kapp, Grundlinien einer Philosophie der Technik, pag. 
150—151, wo, sehr glücklich, die Hand „das auswendige Gehirn" ge- 
nannt wird. 






1- . - 

5. Bruno's Schicksale in England. 1583—lte^^^ 38 ''■*'¥ 

Man kann sich denken, welches Aufsehen eine so rüciä 
lose Sprache unter einem Gelehrtenkreise verursachen musste, 
der sein Hauptverdienst darein setzte, längstüberwundene Denk- 
richtungen starrsinnig gegen jeden Fortschritt wissenschaftlicher 
Einsicht festzuhalten und so aus Oxford das anglicanische Rom 
zu machen. Als nun aber Bruno gar begann, in seinen kosmo- 
logischen Vorträgen die Consequenzen der copernicanischen Lehre 
zu ziehen, als er vom aristotelisch-ptolemäischen Weltgehäude, 
in welchem sich der christliche Unsterblichkeitsglaube so häus- 
lich eingerichtet hatte, keinen Stein auf dem andern Hess, da 
brach in der altersgrauen Zwingburg des geistigen Fortschritts 
ein solcher Sturm der Entrüstung wider ihn los, dass Bruno 
nach drei Monaten seine Vorträge einstellen und Oxford ver- 
lassen musste. Bruno rächte sich dafür in einer Schrift, die er 
bald nachher herausgab, dadurch, dass er die Brutalität, mit 
welcher ihn die Oxforder Professoren behandelt hatten, öffentlich 
brandmarkte, Oxford „die Wittwe wahrer Wissenschaft" nannte 1 ), 
und die von ihm entwickelten Ideen über das Weltgebäude nun 
vor aller Welt wiederholte. Diese Schrift: „das Aschermitt- 
wochsmahl 14 (la Cena delle Ceneri) 2 ) war die künstlerische 



1) Cena. delle Ceneki (Wagner, I, 183): Que y cavalieri, dopo aver 
pregato il Nolano, ehe non ti turbatte per la diteortete incivüüa e temer aria 
ignoranza de 1 lor doltori, ma ehe avette eompatsione a la poverta di quetta patria, 
la quäl e rimasta vedova de le buone lettere, per quanto appartiene a la pro- 
fettione di filotofia e reali matematiche Sollte diese spöttische Be- 
zeichnung die Oxforder Gelehrtenwelt vergangener Jahrhunderte vermocht 
haben, Bruno's Andenken selbst bibliographisch auszulöschen? Auf meine 
Anfrage, ob irgendwelche zeitgenössische Pamphlete über Bruno's Anwesen- 
heit in Oxford und England auf der Bodleyanischen Bibliothek vorhanden 
seien, schreibt mir mein verehrter Freund Prf. H. Nettleship, 16. Dec. 1880: 
„I have looked at (he Bodleian library for any werkt bearing on Brunei* 8 vitit 
to England, but (stränge to tay) can find nothing, and am told that there it 



2) La Cena de le Ceneki , detcritta in einque dialogi per quattro inter- 
loeutori, con tre eontiderazioni circa doi suggetti. A Vunieo refugio de le Mute, 
ViUuttristimo tignor Michel di Castelnovo, tignor di Mauvittier ConerettaUo e di 
Jonvilla, cavalier de Vordine del re Cristianittimo , e contiglier nel suo privato 
eontiglio, capitano di L uomini d'arme, governator e eapitano di S. Desiderio, 
et ambateiato^e a la Serenittima regina cTInghikerra. 8°. A. Pabigi (Lon- 
don), 1584. 

3 



34 5. Bruno' s Schicksale in England. 1583—1585. 

Fassung eines Gespräches über die cqpernicanische Weltansicht, 
welches Bruno bei Gelegenheit eines Aschermittwoch-Festmahls 
1584 im Hause seines edlen Gönners, des französischen Gesandten, 
wirklich geführt hatte. Die Gäste, die an der Unterhaltung theil- 
nahmen, waren lauter Gelehrte und Eddleute. Bruno hielt eine 
feurige Lobrede auf Copernicus, der wie ein zweiter Columbus 
die Ahnungen der alten Griechen durch Berechnung zur That- 
sache erhoben und sich nicht gescheut habe, die einmal erkannte 
Wahrheit, der dummen Menge und dem Strom der herrschenden 
Meinung zum Trotz, laut zu verkündigen 1 ). Bruno ging aber 
weit über Copernicus hinaus, indem er auch mit dessen letzter 
Sphäre aufräumte. Bruno setzte an die Stelle derselben zahl- 
lose freischwebende Sonnensysteme, sichtbare und unsichtbare 
Weltkörper jeder Grösse mit organischen Gebilden und Lebe- 
wesen in unendlicher Abstufung der Gattungen und Anlagen. 
Wie überwältigend kühn die Lehre Bruno's von der Unendlich- 
keit der Welt seinen Zeitgenossen vorkam, geht am überzeugend- 
sten aus dem geheimen Schauder und der Angst hervor, die 
selbst einen Kepler erfasste, wenn er in des Nolaners Schriften 
las, dass er in einem unendlichen Baume umherirrte, der gar 
keine Mitte und keinen bestimmten Ort hatte 2 ). 

Bruno's neues Weltsystem bezeichnete auch darin einen Fort- 
schritt gegenüber Copernicus, dass es schon die Rotation der 
Sonne um ihre eigene Achse, sowie die Abweichung der Erde 
von der reinen Kugelgestalt lehrte. Auch sprach es Bruno be- 
stimmt aus, dass selbst die höchsten Berge nicht den geringsten 
Einfluss auf die Abweichung von der Kugelgestalt ausübten, 
sondern verglichen mit den jäh vom Meeresgrund aufsteigenden 
Festlandsmassen zu völliger Bedeutungslosigkeit herabsänken. 
Wahre Gebirge im eminentesten Sinne seien nur die grossen Con- 



1) Cena dblle Cbnbri (Wagner I, 127): Con tutto cib cht potra a 
pieno lodar la magnanimita di questo Grermano, ü quäle, avendo poco riguardo a 
la stolta moltitudine, e stato st saldo contra il torrente de la contraria fede, e ben 
che quasi inerme di vive ragioni, ripigliando queUi abbietti, e rugginosi framtnenti, 
ctiha possuto <wer per le tnani da Vantichüa, li ha ripolüi, accozzati, et risaldati 
xx. s. w. die ganze Seite entlang. 

2) Kbplbbi Opera T. I, pag. 688; T. VI, pag. 136. Vgl. Sigwart, 
Kl. Sehr., Erste Reihe, Kepler, pag. 194. 



5. Bruno's Schicksale in England. 1583—1585. 35 

tinente, welchen gegenüber die sogenannten Berge verschwin- 
dend kleine Erhabenheiten darstellten. So ist nach Bruno ganz 
Frankreich ein einziger Berg, der, von der Nordsee, dem Bis- 
cayischen Meerbusen, von der Rhone und dem Mittelländischen 
Meere an aufsteigend, seinen Gipfelpunkt in der Auvergne findet. 
So verhält es sich nach Bruno auch mit England und Schott- 
land, welche zusammen ebenfalls nur einen Ungeheuern aus der 
Meerestiefe emporwachsenden Berg ausmachen 1 ). 

Von wahrem Erstaunen wird man aber ergriffen, wenn man 
Bruno's Ideen über die aHmftlig vor sich gehenden Veränderungen 
der Erdoberfläche und ihrer Temperaturverhältnisse liest. „Alle 
diese Veränderungen der Erdoberfläche, sagt Bruno im Ascher- 
mittwochsmahle, sehen wir nach und nach vor sich gehen. Auch 
sind sie deutlich an den Auswaschungen der höchsten und vom 
Meere entfernten Berge zu beobachten, die, als ob sie noch ganz 
frisch wären, die Spuren der ungestümen Wogen zeigen. Und 
man weiss ja aus der Geschichte des Felix Martyr von Nola 
(f nach 312), dass zu seiner Zeit, etwa vor tausend Jahren, das 
Meer bis an die Mauern der Stadt reichte, wo ein Tempel steht, 
der jetzt noch den Namen Portus, der Hafen, führt, von wel- 
chem weg bis zum Meere gegenwärtig zweitausend Schritte Ent- 
fernung sind. Sieht man nicht das Nämliche in der ganzen 



1) Cena delle Ceneri (Wagner I, 169): Ferb per gU altissimi fmonti) 
non intendiamo, eome VAlpe e U Firenei e «mild, ma eome la Irancia tutta, 
eh'e tra dui muri, settentrionale Ooeano et austräte Mediterraneo ; da quai mari 
verso l'Alvernia sempre si va montando, eome aneo de le Alpe e U Firenei, ehe 
ton statt altre volte la testa d'un monte aUissimo , la quäl, venendo tuttavia 
fraeassata dal tempo, ehe ne produee in ultra parte per la vieissüudine de la 
rinovazione de le parti de la terra, forma tonte montagne particolari, le quali noi 
ehiamiamo monti. Ferb quanto a eerta instantia, che produsse Nundinio de li 
monti di Scozia, dove forse lux e stato y mostra, che lui non pub capire quetio, 
ehe sHntende per li altissimi monti; perehe seeondo la veritä tutta questa isola 
Britannia e un monte, che alza ü eapo supra Vonde del mare Oceano, del quäl 
monte la cima si deve eomprendere nel loco piu eminente de V isola. Vgl. dazu 
die Parallelstelle in Bruno's Commentar zu seinem Gedicht De Immsnso, 
Lib. V, cap. 17, pag. 436. Peschel hält sich in seinen „Neuen Problemen 
der vergleichenden Erdkunde", pag. 81, für den Entdecker dieses Verhältnisses 
und Hellwald stimmt ihm in dieser Ansicht bei in seinem Schriftchen 
Oskar Peschel (1876), pag. 44. 

3* 



36 5. Bruno's Schicksale in England. 1583 — 1585. 

Provence? Zeigen dort nicht alle Steine, die über die Felder hin 
zerstreut liegen, eine Zeit an, in welcher sie von den Meeres- 
wogen hin- und herbewegt worden sind? Hat sich etwa das 
Klima von Frankreich seit den Zeiten Caesars bis auf uns nur 
wenig verändert? Damals war auch nicht ein einziger Ort des 
Landes zur Weincultur geeignet und jetzt versendet es ebenso 
deliciöse Weine als irgend ein anderes Land der Welt und selbst 
in seinen nördlichsten Gegenden pflückt man die Früchte der 
Weingärten *). Und in diesem Jahre (1584) noch habe ich 
Trauben aus den Gärten Londons gegessen, zwar nicht so herr- 
liche wie selbst schlechtere von Frankreich, aber doch immer 
noch solche, die bestätigen, dass auf englischer Erde niemals 
ähnliche producirt worden sind. Daraus nun, dass das mittel- 
ländische Meer, indem es Frankreich und diejenigen Theile 
Italiens, die ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe, trockner 
und wärmer lässt, sich allmälig immer mehr zurückzieht, folgt 
dass, wenn Italien und Frankreich immer wärmer werden und 
Britannien milder, dass wir alsdann urtheilen dürfen, es verän- 
derten sich die Klimate und zwar in dem Sinne, dass die Kälte 
sich nach und nach gegen den Nordpol hin vermindere 2 )." 



1) Vgl. Hbhn, Culturpflanzen und Hansthiere, pag. 81 : Es ist eine 
merkwürdige Thatsache, dass der Weinstock ganz nahe an der Nordgrenze 
seiner Verbreitungssphäre, in Gegenden, wo er erst mühsam und allmälig 
und ganz zuletzt eingebürgert worden, den edelsten Fruchtsaft hervorbringt, 
der unter den Namen Burgunder, Johannisberger u. s. w. in aller Welt be- 
rühmt ist. Vgl. Ebendas. pag. 73. 

2) Cena delle Ceneri (W agner I, 193): Le quält mutaziont veggiamo 
farsi a poco a poco, come U gia dette, e come ne fan vedere le eorrosioni di monti 
aUissimi e lontanissimi dal mare, che, quasi fusser freschi, mostrano li v estig ii 
de l'onde impetuose. B ne Consta da tistoria di Feiice Martire Nolano, quali 
dichiarano al tempo suo, ch'e stato poco piü o meno di miWanni passatt, era il 
mare vicino a le mura de la citta, dov'e un tempio, che ritiene il nome di Porto, 
onde al presente e diseosto dodici milia passi. Non si vede il medesmo in tutta la 
Frovenza? Tutte le pietre, che son sparse per li campt, non mostrano un tempo 
esser State agitate da l'onde? La temperie de la Francia parvi che dal tempo di 
Cesare al nostro sia cangiata poco ? AUora in loco alcuno non era atta a le viti; 
et ora manda vini cosl deliziosi, eome altre parti del mondo % e da settentrionalissimi 
terreni di queUa si raocogliono li frutti de le vigne. E questo anno ancora (1584) 
ho mangiate de Vuve de gli orti di Londra, non giä cosl perfette, come de 1 peggiori 
di Francia, ma pur tali, quali afermano mai esserne prodotte simili in terra 



5. Bruno's Schicksale in England. 1583— 1585. 37 

Indem Bruno Ideen von solcher Kühnheit und Tragweite 
verkündigte, verstiess er gegen den Mumiencultus der Oxforder 
immer rücksichtsloser, sodass es um sein Wirken in dieser Frohn- 
veste freier Wissenschaft nach wenigen Monaten geschehen war. 
Bruno zog sich wieder nach London zurück, wo er nun die ihm 
gebotene Mussezeit im Hause seines Gastfreundes vortrefflich aus- 
nutzte. Denn während der zwei Jahre, die er nun im Schutz 
und Schirm des Herrn von Mauvissiere verlebte, schrieb er, mit 
Ausnahme seines schon in Neapel fertig gewesenen Lustspiels, 
seine sämmtlichen italienischen Werke, die in der von Wagner 
besorgten Gesammtausgabe (Leipzig 1830) zwei enggedruckte 
Octavbände füllen. Ausser dem schon besprochenen „Ascher- 
mittwochsmahl" schrieb nämlich Bruno noch folgende Dialoge : 

1) Von der Ursache, dem Princip und dem Einen (Dela 
Causa, Principio et Uno 1 ). 

2) Vom Unendlichen, dem All und den Weltkörpern (De 
i/Infinito, universo e Mondi 2 ). 

3) Austreibung der triumphirenden Bestie (Spaccio dela 

BESTIA TRIONFANTE 3 ). 

4) Geheimlehre des Pegaseischen Bosses nebst derjenigen des 
Cyllenischen Esels (Cabala del cayalla Pegaseo coli/ 

AGGIUNTA DEL AsiNO ClLLENICO 4 ). 



inglese. Da questo dunque, che il mare mediterraneo lasciando piu secea e calda 
la Francia e le parti de VItalia, quali io con li tniei oehi ho vüte, va inchinando 
verso la libra , seguita che, venendosi piu a piu e scaldarsi Vltalia e Francia, 
e temprar 8% la Britannia , doviamo giudicare , che generalmente 8t mutano li abiti 
de le regioni con questo ehe la dieposizion fredda ei va diminuendo verso farctico 
polo. Man glaubt sich bei der Leetüre dieser Stelle in das Stadium von 
scHMiCKß „Umsetzung der Meere a vertieft! 

1) Db la Causa, Pkincipio et Uno. A tittus mo signor di Maurissiero. 
8°. Venezia, 1584 (London), 1584. 

2) De l'Infinito, Universo e Mondi. A Villustrissimo S. di Mauvissiero 
8°. Venezia (London), 1584. 

3) Spaccio de la Bestia Tbionfante, proposto da Giove, effettuato dal 
Consiglio, svelaio da Mereurio, recitato da Soßa, udito da Saulino, registrato dal 
Nolano. Diviso in tre dialogt, suddivi in tre parti. Consecraio dl molto ill. et 
ceeelletitiss. eaval. S. Filippo Sidneo. Parigi (London), 15S4. 

4) Cabala del Cavallo Pegaseo, con faggiunta De l'Asino Cille- 
nico. Paris (London), 1584. 



38 5. Bruno's Schicksale in England. 1593—1585. 

5) Vom heroischen Enthusiasmus (Degli eroici fubori 1 ). 

Alle diese Dialoge, die mit einer erstaunlichen Leichtigkeit 
entworfen sind und ihr Thema mit wahrhaft glänzender Bered- 
samkeit entwickeln, üben, ungleich den Dialogen so mancher 
andern Philosophen, einen Beiz aus, der von den Dialogen Pia- 
tons wohl an Feinheit und Anmuth, aber keineswegs an Frische 
und Ideenfiille übertroffen wird. In diesen, von angebornem, 
nicht nachgeäfftem Dichtergeiste hingegossenen Weißheitsgesprä- 
chen bewährt sich Bruno als ein Glassiker, welchem die ge- 
sammte italienische Literatur an Originalität der Gedanken wie 
an dramatischer Lebendigkeit der Darstellung nichts Besseres 
an die Seite zu stellen hat. Bruno ist unerschöpflich an witzigen, 
das Gespräch belebenden Einfällen, Sprichwörtern 2 ), selbsterlebten 
Anekdoten und vor allem aus an merkwürdigen Beobachtungen 
des Natur- und Völkerlebens. Die italienischen Schriften Bruno's 
sind deshalb auch eine reiche, wiewohl noch völlig unausgebeu- 
tete, Quelle für die Culturgeschichte des sechszehnten Jahr- 
hunderts. 

In den zwei Dialogen „Von der Ursache, dem Princip und 
dem Einen", sowie in dem „Vom Unendlichen, dem All und 
den Weltkörpern" entwickelt Bruno seine Weltanschauung aus- 
führlicher als in allen andern Werken. Am systematischsten 
verfahrt er in dem ersten Dialog „Von der Ursache", dem von 
Jacobi, Hamann und Schelling so hoch bewunderten Hymnus 
auf die Einheit des Alls. 

Das Universum, sagt Bruno, ist ein Einiges, Unendliches, 
Unbewegliches. Es ist an und für sich sowohl Form, als Ma- 
terie, aber der unterschiedslose Abgrund aller Grenzbegriffe. Dem 
Verhältniss, dem Gleichniss, der Vereinigung und Identität mit 
dem Unendlichen näherst du dich nicht mehr, indem du Mensch 
bist, als wenn du Ameise, nicht mehr, wenn du Stern, als wenn 
du Mensch bist: denn jenem Sein rückst du nicht näher, wenn 



1) De Gli Heroici Fübobi. AI molto ül et eceell. Gav. Sign. Fil, 
Sidneo. 8°. Parigi appresso Ant. Baio (London), 1585. 

2) In den Eroici Fubori (Waoner II, 415) begegnet wohl die älteste 
Citation des Sprichwortes: se non evero, e ben trovato, für welches Büch- 
mann in seinen geflügelten Worten, 10. Aufl. 1877, pag. 151 noch keine 
Quelle anzugeben weiss. 



5. Bruno's Schicksale in England. 1583 — 1585. 39 

du Sonne oder Mond, als wenn du Mensch oder Ameise bist, 
und deshalb sind diese Dinge im Unendlichen ununterschieden. 
In ihm ist die Linie nicht von der Fläche, der Punkt nicht vom 
Körper, der Mittelpunkt nicht vom Umfang verschieden, das 
Centrum des Universums ist daher überall 1 ). 

Was aber keinen Unterschied an ihm hat, das entbehrt 
auch der Veränderung und wem die Veränderung mangelt, dem 
fehlt auch die Bewegung, das Bewegungslose wäre aber zugleich 
das Leblose, Todte, denn das Leben ist ja nichts als die ewig 
neue Erscheinung des wahrhaft Seienden. Das wahrhaft Seiende, 
das für unsere Sinnesorgane in die Erscheinung Tretende, die 
Quelle aller Formen, die gestaltlose Inhaberin aller Gestalten, 
ist aber die Materie, aus deren Schoosse dieselben entspringen 
und in welchen sie wieder zurückgenommen werden 2 ). Die 
gestaltenschaffende Ursache aller dieser Formen ist aber die all- 
gemeine, alle Materie durchdringende Vernunft und diese uni- 
verselle Vernunft ist das innerste, wirklichste und eigenste Ver- 
mögen der Weltseele, welche das Universum erleuchtet und die 
Natur unterweist, ihre Gattungen so, wie sie sein sollen, her- 
vorzubringen. Die Weltseele ist das constitutive Formalprincip 
des Universums und alles dessen, was es enthält Wenn nun 
die Materie die Quelle aller Actualität ist, so ist dagegen die 
Weltseele die Form aller Dinge, die ordnende und das Zusammen- 
gesetzte zur Einheit verbindende Macht, die die Eine und un- 
theilbare Substanz zu unzähligen Formen und Wesen individua- 
lisirende Urkraft. 



1) De la Causa, Dial. V. Ich citire hier überall nach der vortreff- 
lichen Uebersetzung dieses Dialogs durch Ad. Lasbon im 151. u. 152. Hefte 
der Philosophischen Bibliothek von Kirchmann. Der Text nach Wagner 
und Lasson (Wagner I, 280, 281). JE dunque Vuniverso uno, infinüo; im- 
mobile A la proporzione, similüudine, unione et identitä de l "infinüo non 

piu ti accoiti ton eeeere uomo, ehe formica , una Stella , ehe un uomo , per ehe a 
gueüo eeeere non piu ti awicini eon eeser sole, luna, ehe un uomo, o una formica, 

e perb ne V infinüo queete eoee tono indifferenti in quetio il punto , la 

lutea, la euperfieie et il eorpo non diferiee(p)no . . . il eontre (non e dißerentej 
da la eirconferenza pag. 282 : il eentro de Vuniverso e per tutto. 

2) Ebendas., Dial. IV., (Wagner I, 272): Quella materia, per essere attu- 
aknente tutto quel, ehe pub eeeere , ha tutte le mieure , ha tutte le epect'e di figure 
e di dimeneioniy e per ehe le have tutte, non ne ha netsuna. 



40 -5. Bruno's Schicksale in England. 15S3 — 1585- 

Alle Veränderungen, die wir an den Dingen wahrnehmen, 
sind nicht Umwandlungen des Einen zu etwas substantiell An- 
derm, sondern es sind nur andere Arten, zu sein; alle Formen, 
die das Eine und untheilbare Sein annimmt, sind desshalb nur 
Accidenzen. Wenn wir desshalb mit den Naturphilosophen in 
die Tiefe gehen, und die Logiker mit ihren Einbildungen bei 
Seite lassen, so finden wir das^alles, was Unterschied und Zahl 
bewirkt , blosses Accidens, blosse Gestalt, blosse Complexion ist x ). 
Die Veränderung bezieht sich immer nur auf die Form , niemals 
auf die Substanz der Dinge, deren scheinbare Verschiedenartig- 
keit immer wieder in eine vollkommene Einheit einmündet. Die- 
jenigen Philosophen haben ihre Freundin, die Weisheit, gefunden, 
welche diese Einheit gefunden haben. Weisheit , Wahrheit und 
Einheit sind durchaus Eins und Dasselbe 2 ). , / 

Da nun das Universum in allen Theilen, das Eine in Allem 
ist, so umfasst jedes Ding, das wir im Universum ergreifen, 
weil es das, was Alles in Allem ist, in sich hat, in seiner Art 
die ganze Weltseele, obschon nicht gänzlich, sondern eben nur 
in einer bestimmten Modification 3 ). Alles daher, was Verschie- 
denheit von Gattungen, Arten, was Unterschiede, Eigentümlich- 
keiten bewirkt, alles was im Entstehen und Vergehen, in Ver- 
änderung und Wechsel existirt, ist nicht Wesen , nicht Sein, 
sondern Umstand und Bestimmung am Wesen und Sein-, dieses 
aber ist ein einiges, unendliches, unbewegliches Substrat, Materie, 
Leben, Seele, Wahres und Gutes 4 ). Das was in den Dingen 

1) Ebendas., pag. 282: non e mutazione, ehe eerca altro essere, ma altro 

modo dt essere Ferb , profondamente considerando con li ßlosoß naturali, 

lasdando i logici ne le lor fantaste , troviamo che tutto lo che fa differenza e 
numero, e puro accidente, e pura figura, e pura complessione. 

2) Ebendas., pag. 283 : Quellt ßlosoß hanno ritrovata la sua amica Soßa, 
li quält hanno ritrovata questa unitä. Medesima cosa afatto e la soßa, la veritä, 
la unita. 

3) Ebendas., pag. 283 : Ogni cosa, ehe prendemo ne tuniverso, per ehe ha 
in se quello, eh' e tutto per tutto, comprende in suo modo tutta Vanima del mondo, 
den che non totalmente. 

4) Ebendas., pag. 284: Ferb tutto quello, che fa dwersita di geni, di 
speeie, differenze, proprietade, tutto, ehe consiste ne la generazione, eorruzione 
alterazione e cangiatnento, non e ente, non e essere , ma condizione e cireostanza 
d'ente e bessere, il quäle e uno, inßnito, immobile, soggetto, materia, vita, anima, 
vero e buono. 



5. Bruno's Schicksale in England. 1583 — 15S5. 41 

die Vielheit ausmacht, ist nicht das Wesen , nicht die Sache selber, 
sondern nur Erscheinung, die sich den Sinnen darstellt und zwar 
auch nur an der Oberfläche der Sache. Die Entfaltung des Einen 
zum Besondern und die Rückkehr des Besondern in dieses Eine 
Allgemeine verfolgen denselben Weg *). Es ist eine und dieselbe 
Stufenleiter, auf welcher die Natur zur Hervorbringung der Dinge 
herabsteigt, und auf welcher die Vernunft zur Erkenntniss der- 
selben emporsteigt, beide gehen von der Einheit aus zur Einheit 
hin, indem sie durch die Vielheit der Mittelglieder sich hindurch- 
l>ewegen 2 ). Wenn nun jede Intelligenz nur ein Theil der Ur- 
intelligenz, jeder Organismus nur ein Abbild des Weltorganismus 
ist, so gestaltet sich das Reich der Intelligenzen zu einer Stufen«- 
leiter. Die niedern Intelligenzen können eine Vielheit von 
Dingen nur vermittelst vieler Vorstellungen, Gleichnisse und 
Formen auffassen; die höheren verstehen sie schon besser ver- 
mittelst einer geringen Anzahl; die höchsten verstehen sie voll- 
kommen vermittelst der allergeringsten Anzahl; die Urintelligenz 
versteht das Ganze aufe vollkommenste in Einer Anschauung; 
der «göttliche Verstand und die absolute Einheit ist ohne irgend 
eine Vorstellung, das was versteht und das was verstanden wird, 
in einem zugleich 3 ). 

Nun ist aber Substanz und Sein von der Quantität geson- 
dert und unabhängig, demzufolge sind Maass und Zahl nicht 
Substanz, sondern an der Substanz, nicht Wesen, sondern am 
Wesen 4 ). Alle Artunterschiede im Reiche des Organischen sind 



1) Ebendas., pag. 285: E quello, ehe fa la moltitudine ne le eoee, non e 
U ente, non e la coea, ma quel che appare, ehe si rappresenta al eenso, et e ne 
la euperßeie de la coea. 

2) Ebendas., pag. 285: Prima dunque voglio , che notiate, euere una e 
medeeima ecala, per la quäle la natura discende a la produzion de le eoee, e fin- 
teUetto aeeende a la eoonizion di quelle, e che Vuno e faltra da funitä procede 
a tunita, pateando per la moltitudine di mezzi. 

3) Ebendas., pa£. 287: Quindi e il grado de le inteüigenze; per ehe le 
inferiori non poeeono intendere molte eote, se non con moUe speeie, stmilitudim 
e forme-, le euperiori intendeno migliormente eon poehe; le aUieeime con pochieeime 
perfettatnente, La prima inteüigenza in una idea perfettieimamente eomprende 
il tutto; la divtna mente, e la unitä aetohUa eenza specie alcuna e ella medeeimo 
lo ehe intende, e lo eh 1 e inteso. 

4) Ebendas., pag. 288: . . . essendo la euetama et euere distinto et asso-. 



fi 



42 5. Bruno's Schicksale in England. 1583—1585. 

nur Unterschiede der Accidenzien, dasselbe gilt auch vom Reiche 
der Mathematik. Jede Zahl, die gerade, wie die ungerade, geht 
auf die Einheit, als ihre Quelle zurück 1 ). Und gerade so ver? 
hält es sich mit den geometrischen Figuren. Was ist der ge- 
raden Linie unähnlicher als der Kreis? was dem Geraden ent- 
gegengesetzter als das Krumme? Dennoch stimmen sie im 
Princip und im kleinsten Theile überein. Denn welcher Unter- 
schied, bemerkte schon der Cardinal von Cusa, Hesse sich zwi- 
. ^chen dem kleinsten Bogen und der kleinsten Sehne entdecken ? x 
r\)~\Al*> /.'.*• »Ferner im Grössten: welcher Unterschied liesse sich zwischen 
■ l dem unendlichen Kreise und der geraden Linie finden? Seht 

ihr nicht, wie der Kreis, je grösser er ist, sich um so mehr mit 
seinem Bogen der Geradlinigkeit nähert *). So treffen denn zu- 
letzt das Grösste wie das Kleinste in Einem Sein zusammen, 
so feilen zuletzt im Grössten und im Kleinsten die Gegensätze 
ununterschieden zusammen 3 ). Dies stellt sich am klarsten an 
der Figur des Dreiecks dar. Denn die Summe der Winkel des 
grössten Dreiecks ist nicht grösser als die Summe der Winkel 
des kleinsten Dreiecks. Dieses ist auch ein sehr fassliches 
Gleichniss dafür, wie die eine unendliche Substanz in allen 
Dingen ganz sein kann, obgleich in der einen auf endliche, 
in der andern auf unendliche Weise, in diesem nach geringerem, 



luto da la quantitä, e per eoneeguenza la mieura e numero non e sustanza, ma 
circa la euetanza, non ente, ma com di ente, .... 

1) Ebendas. , pag. 288: ogni numero £ tanto pari, quanto impare, tanto 
inßnito, quanto finüo, ei riduce a Vunita .... 

2) Ebenda«., pag. 288: Or quanto a' eogni, ditemi oho eoea e piu distimüe 
a la linea retta, ehe ü eireolo? Che eoea e piu contraria dl retto, che ü eurvo? 
Füre nel prineipio e minitno eoneordano; atteto ehe, come divmamenU notb ü 
Cueano, inventor dei piu bei eeereti di geometria , quäl differenta trovarai tu tra 
ü minimo areo, e la minima cor da? Oltre nel maeeimo, ehe differenza trovarai 
tra ü eireolo inßnito a la linea rettaf Non vedete, come ü eireolo, quanto e piu 
grande, tanto piu eon il euo areo ei va approeeimando a la rettitudine? 

3) Ebendas., pag. 290: Quindi per simüitudine molto espreeea ei vede, 
come Tuna inßnita sustanza pub eeeere in tutte le coee tutta, ben ehe in altri 
finita - i in altri inßnitamente, in queeti eon minore, in quetti eon maggior misura. 
Oiongi a queeto, per veder oltre , ehe in queeto uno et inßnito li contrarj Concor- 
dano, ehe lo angolo aeuto et ottuso sono äui contrarj f i quali non vedi quaknmU 
naeeono da uno individuo e medeeimo prineipio , eioe da una ineUnazione , ehe fa 
la linea perpcndicolare M, ehe ei eongionge a la Unea iaeente BD, nel punto C etc.? 



5. Bruno's Schicksale in England. 1593—1585. 43 

in jenem nach grösserem Massstabe. Ebenso leuchtet am Drei- 
eck ein, wie die Gegensätze in dem Einen und Unendlichen 
zusammenfallen. Der spitze und der stumpfe Winkel sind solche 
Gegensätze und doch entstehen beide aus dem Einen Princip, 
nämlich aus der Neigung des Perpendikels gegen eine andere 
Linie, die es schneidet. Je nachdem sich das Perpendikel um 
den Einen Punkt einer Linie dreht, entstehen entweder zwei 
rechte Winkel, oder ein spitzer und ein stumpfer. Geht die 
Drehung weiter, so erreicht schliesslich das Perpendikel einen 
Grad der Neigung, in welchem der spitze und der stumpfe 
Winkel wieder zusammenfallen. So ist denn ein entgegen- 
gesetztes Princip des Andern und die Veränderungen bilden 
desshalb einen Kreislauf nur dadurch, dass es nur Ein Substrat, 
Ein Princip, Ein Ziel, Eine Fortentwickelung und Eine Wieder^ 
Vereinigung beider giebt. So verwischt sich auch der Gegensatz 
zwischen Kälte und Wärme, zwischen Entstehen und Vergehen, - C Y ^ 
zwischen Leben und Tod, indem regelmässig das eine nur/^^* ' y 
den Uebergangspunkt zum andern bildet. So ist in letzter 
Linie auch kein Unterschied zwischen Liebe und Hass: denn 
Liebe ist eine Art des Hasses, Hass endlich ist eine Art der 
liebe. Hass gegen das Widrige ist Liebe zum Zusagenden; die 
Liebe zu diesem ist der Hass gegen jenes. Der Substanz und 
Wurzel nach ist also Liebe und Hass, Freundschaft und Streit 
eins und dasselbe. Wer also die tiefsten Geheimnisse der Natur 
ergründen will, der sehe auf die Minima und Maxima am Ent- 
gegengesetzten und Widerstreitenden und fasse diese ins Auge 1 ). 
Und gebe es auch noch so unzählige Individuen, zuletzt ist alles 
eins, und das Erkennen dieser Einheit bildet Ziel und Grenze 
aller Philosophie und aller Naturbetrachtung*). Das höchste 



1) Ebendas., pag. 291 : Onde awiene, ehe un contrario e prineipio de 
Valtro, e che perb le trasmutazioni non ton circolari, ne non per euere un eoggetto, 
un prineipio, un termine, et una eonUnuazione et un coneorso de Vuno e Valtro; 

ü minima ealdo et il mmimo freddo eon tutto uno ; chi non vede, uno euere 

ü prineipio de la eorruzione e generazionet JS ultimo del corrotto non e prineipio 
del gener ato? .... In euttemza dunque e radice e una medesima eoea amore 

et odio y amieizia e Ute Chi vuol aapere U masswti etcreti di natura, riguardi 

e eontemple circa U Minuni e maeeimi de li eontrarj et oppoeiti! 

2) Ebendas., pag. 275: al ßne, dato, ehe ateno innumerabüi individui, 



44 5. Bruno's Schicksale in England. 1583—1585. 

Gut, der höchste Gegenstand des Begehrens, die höchste Voll- 
kommenheit, die höchste Glückseligkeit besteht also in der Ein- 
heit, welche alles in sich schliesst 1 ). 

Es verlangt nun auch die „Austreibung der triumphirenden 
Bestie" eine kurze Charakteristik. Es ist dieses eine der alier- 
merkwürdigsten Schriften der ganzen Weltliteratur. Sie enthält 
Bruno's Religionsphilosophie in Form eines komischen Helden- 
romans 2 ) , der sich wiederum meist in Dialogen bewegt. In 
allegorischer Weise lässt Bruno den Vater der Götter und Men- 
schen, den Jupiter, es bedauern, den Himmel mit allerlei Thieren 
bevölkert zu haben, welche die Zeichen des Thierkreises reprä- 
sentiren. Der Götter würdiger sei es, die garstigen Thiere zu 
vertreiben und an deren Stelle die Tugenden einzusetzen. Und 
nun müssen die allegorischen Thiere, die Laster, den Tugenden 
den Platz räumen Bei dieser Gelegenheit kommt die Götter- 
versammlung, angeregt durch die fortgesetzten Anklagen des 
Momus, in welchem sich allegorisch die ihrer selbst bewusst ge- 
wordene Vernunft, das Gewissen der Menschheit 3 ) darstellt, auf. 
alle möglichen Fragen aus der Rßligionsgeschichte, aus der Meta- 
physik und Ethik, insbesondere aber auch aus der Culturgeschichte 
zu sprechen. Das Werk ist überreich an glänzenden Einsichten 
in die vergleichende Religionsgeschichte. Bruno zieht alle zu 
seiner Zeit bekannten Religionen vor den Richterstuhl der Ver- 
nunftreligion, der Philosophie, findet aber, dass weder das Juden- 
thum, noch das Christenthum, weder Muhamedanismus noch das 
Heidenthum dem Ideal der Vernunftreligion entsprechen, wie- 
wohl ihm der Hellenismus den Vorzug vor allen andern positiven 
Religionen zu verdienen scheint. „Die Gesetze, Verordnungen, 
Culte, Opfer und Ceremonien," seufzt Jupiter, „die ich einst 
durch meine Boten, die Mercure, erlassen, befohlen und ange- 



ogni oosa e uno, et ü conoscere questa unith e ü scopo e termine di tutte le filo- 
sqfie e contemplazioni naturalis 

1) Ebendas., pag. 292: II sommo bette, ü sommo appetibile, la somma per- 
fezione, la somma beatüudine, comiste ne V unith, che oomplica ü tutto. 

2) Üerti , Vita di Bruno , pag. 181: E un poema ariostesco in prosa, 
e un romanzo cavalleresco ßlosoßeo. 

3) Spaccio d. b. tr. (Wagner II , 114): .... esereita Vatto del razio- 
einio de tinterno comiglio. 



5. Bruno's Schicksale in England. 15S3— 1585. 



45 



ordnet habe, sind gebrochen und aufgehoben, an ihrer Stelle 
finden sich jetzt die garstigsten und unwürdigsten Bübereien, 
die jene Blinde nur irgendwie auszuhecken vermag und zwar 
mit dem Erfolg, dass, ^ie durch uns die Menschen zu Halb- 
göttern wurden, sie nun schlechter als Bestien werden *)." Aber 
Jupiter geht in sich und findet, dass die Verkommenheit, die in 
seinem einst so entzückend schönen Reiche geherrscht hatte, nicht 
ohne die Schuld der Götter hereingebrochen sei. „Durch die 
Verkettung unserer Irrthümer sind wir in Banden gerathen, 
durch die Hand der Gerechtigkeit lasst uns aus denselben be- 
freien! Aus der traurigen Lage, in welche uns unser Leicht- 
sinn gestürzt hat, möge uns unser Ernst wieder emporrichten! 
Bekehren wir uns zur Gerechtigkeit, denn in demselben Masse, 
in welchem wir uns von dieser entfernt haben, haben wir uns 
auch uns selbst entfremdet, derart, dass wir nicht mehr Götter, 
nicht mehr wir selber sind. Kehren wir also zu jener zurück, 
wenn wir zu uns selber zurückkehren wollen 2 ). Bereiten wir 
uns zuerst, sage ich, im Himmel vor, der in geistiger Form in- 
wendig in uns ist, und dann in diesem der Sinneswahrnehmung 
zugänglichen, der sich unsern Augen darbietet! Vertreiben wir 
aus dem Himmel unseres Gemtithes die Bärin der Ungeschlacht- 
heit, den Pfeil der Verkleinerungssucht, das Fohlen des Leicht- 
sinns, den Hund der Kläfferei, das Hündlein der Kriecherei! 8 ) . . . 
Wenn wir den Staat ändern wollen, wohlan, so ändern wir 




1) Spaocio della bestia trionfante (Wagner II, 129): Le 
etatuti, culti, eacrifiej e cerimonie, ch? io giä per li miei Mereurj ho donati, 
ordinati, comandati et instituiti, son easei et annulati, et in vece Uro ei trovano 
le pik eporche et indigniesime poltronarie , ehe poesa giammai questa eieca altri- 
mente fingere, a fine ehe, come per not gli uomini doventavano eroi, adeeeo do- 
vegnano peggio ehe beetie. 

2) Ebenda s., pag. 139: Per la catena de gli errori eiamo avvinti; per la 
mano de la giuetizia ne dieeiogliamo! Dove la noetra levita ne ha deprimuti, 
indi bisogna, ehe la gravith ne inalze. Convertiamoei a la giuetizia, da la quäle 
eeeendo not aUontanati, eiamo allontanati danoietessi; di eorte, ehe non eiamo 
piüdei y non eiamo piu not. Ritorniamo dunque a quella, ee vogliamo ritornare a not! 

3) EJbendas., pag. 140: Dieponiamoei, dico, prima nel cielo t che intellettu- 
almente e dentro di noi , e poi in queeto eensibile , che eorporalmente H presenta 
a gli oeehi! Togliamo via dal eielo de tanimo nostro tOrsa de la difformita, 
la Saetta de la detrazione, VEquicolo de la leggerezza, il Cane de la murmurazione, 
la Canicula de Vadulazione! etc. 



46 5. Bruno's Schicksale in England. 1583 — 1585. 

zuerst unsere Sitten! Wenn wir wollen, dass dieser gut sei 
"und noch besser werde, so mögen zuerst diese gut und dann 
immer noch besser werden. Reinigen wir zuerst unser Inneres 
und dann wird es nicht schwer fallen, aus der Aufklärung und 
Information dieser innern Welt zu einer Aufklärung und Refor- 
mation dieser äussern, sinnlich wahrnehmbaren Welt zu schreiten 1 ). u 
Höchst interessant ist Bruno's Kritik der Religion der 
Aegypter 2 ), deren Naturdienst ihm nahezu als das Urbild echt 
menschlicher Gottesverehrung erscheint. Die Aegypter sind ihm 
nicht allein die Inhaber der Urcultur, sondern auch die Lehrer 
der andern Culturvölker, als der Griechen und Römer, sowie 
der Juden. Die Aegypter verehrten Pflanzen und Thiere nicht 
als solche, nicht als pure Naturgegenstände, sondern vielmehr 
als leibhaftige Symbole der durch die ganze Natur hin wirken- 
den Gottheit, die sich durch zahllose Wohlthaten, welche das 
Meer, die Flüsse, der Boden und die Luft spendet, der Menschen 
Liebe erwirbt. Nur in diesem Sinne ist es nach Bruno zu ver- 
stehen, wenn sogar Krokodille, Hähne, Zwiebeln und Rüben 
verehrt wurden 3 ), man verehrte eben in Wahrheit nicht diese, 
sondern die ihnen inwohnende Gottheit. Das Unglück der 
Menschheit begann mit der Verkehrung dieses gotterfullten Natur- 
dienstes in den abgeschmacktesten Götzendienst der Eselsver- 
ehrung. Und diesen Fluch mit allen seinen unseligen Folgen 
über die Menschheit gebracht zu haben, ist die Schuld jenes 
Abschaums der Menschheit, des Judenvolkes 4 )! Die Juden 
nahmen zwar den ägyptischen Cultus an, aber, unfähig denselben 
nach seiner wahren, ideellen Bedeutung zu erfassen, verkehrten 



1) Ebendas., pag. 141:$* vogliamo mutar etato, congiamo, cangiamo eoetumi: 
Se vogliamo, che queüo sia buono e migliore, questi non ateno sitnili o peggiori. JPur- 
ghiamo f inferiore affetto, atteso ehe da Vinformazione di questo mondo interno non 
sara difficüe di far progreeeo a la riformazione di questo seneibüe et esterno. 

2) Spaccio d. b. tr. (Wagner II, 228): .... magieo e divino culto 
de gli Egizj ', li quali in tutte le eoee f e in tutti gli effetti seeondo le proprie 
ragioni di eiascuno eontemplano la divinita, .... 

3) Ebendas., pag. 227 : . ... mai .furono adorati erocodilli , galli, eipolU 
e rape, ma li de* e la divinita in croeodilli, galli et altri f .... 

4) Ebendas., pag. 197: .... * Giudei, .... una generazione tanto pesti- 
lente, leprosa e generalmente Perniziosa , ehe merita prima ester spinta ehe nata. 



5. Bruno's Schicksale in England. 1583—1585. 47 

sie denselben in einen, jeder Idee baaren, Fetischismus. Oder, 
fragt Bruno, war es etwa nicht Rückfall in ägyptischen, wenn 
auch schmählich carikirten, Naturdienst, wenn die Juden, nach- 
dem sie als aussätzige Bande in die Wüste vertrieben worden 
waren , wieder darauf verfielen, ihre Kniee vor einem goldenen 
Kalbe zu beugen oder die Hände zu einer bronzenen Schlange 
zu erheben? Und nennen sich diejenigen, welche den Juden- 
gott noch heutzutage verehren, etwa nicht wohlgefällig sein Vieh, 
seinen Schafstall, seine Herde? Verehren sie etwa nicht Bären, 
Wölfe, Schlangen, Pferde, Ochsen und Esel? Ja, sind sie nicht 
öo weit heruntergekommen, dass sie gar nicht einmal mehr 
ganze, lebendige Thiere, sondern einzelne todte Glieder derselben 
anbeten, als: ein Bein, einen Schädel, ein Paar Hörner, einen, 
Schwanz oder eine Sehne? Ist es also nicht ein Zeichen der 
Stupidität und des Wahnsinns, wenn die Götzenverehrer sich 
über den Tiefsinn der ägyptischen Naturreligion lustig machen 
wollen, über einen Cultus., welcher sich wohlbewusst war, dass 
die Gottheit zwar an und für sich einfach und absolut, aber 
vielgestaltet und als der Quell aller Formen in den Dingen 
wohne, während doch sie, die Fetischanbeter, die Bestien als 
Bestien verehren, ja, noch viel schlimmeres als Bestien? Erst 
die Verbreitung dieses ideenlosen Fetischismus hat die Mensch- 
heit an den Rand des Abgrunds gebracht, sodass nun an der 
Stelle der Wissenschaft die crasse Ignoranz und statt der Ge- 
rechtigkeit die Barbarei und der Fanati smus herrschen *). Daher 
auch, meint Bruno, komme es, dass in seinem Vaterlande Italien 
der hirnwüthig8te Aberglaube seine Triumphe feire und jede 
Spur von Treue und Glauben ausgerottet habe. „Sehet," lässt 
er Minerva ausrufen, „sehet, wie tief die Welt heruntergekommen 
ist, seit es zur Gewohnheit und zum Sprichwort geworden, man 
bedürfe zum Regieren weder Treu noch Glauben, ebenso brauche 
man den* Ungläubigen und Ketzern weder Treu noch Glauben 
zu halten, nach dem Satze: weE vom Glaubon abfll l l t, hat kein 
Rgfrt anf Ttah un <} Glauben. Wohin soll es nun flihren, wenn 
das zur allgemeinen Praxis wird? Was soll aus der Welt noch 



1) Spjlccio d. b. tr. (Wagner II, pag. 226—232). Vgl. weiter unten 
den Abschnitt: Bruno's Religionsphilosophie. 



48 5* Brano's Schicksale in England. 1583— 1585. 

werden, wenn alle Republiken, Königreiche, Herrschaften, Fa- 
milien und Privatleute einmal sagen werden, man müsse heilig 
sein mit den Heiligen und ruchlos mit den Ruchlosen — und 
wenn sie sich für entschuldigt halten, Verbrecher zu sein, weil 
sie ja Verbrecher zu Genossen oder zu Nachbarn haben — , 
ferner, wenn einmal allgemein der Grundsatz angenommen wird, 
man brauche sich durchaus nicht Mühe zu geben, edel und gut 
zu sein, gleich als ob wir Götter wären, sondern man dürfe das 
getrost der Bequemlichkeit und guten Gelegenheit überlassen, 
gleich als wären wir Schlangen, Wölfe, Bären und Gifte 1 )?" 

Die „Austreibung der triumphirenden Bestie" ist zwar eine 
Satire auf die in Lastern aller Art verkommene Renaissance 2 ); 
da aber die Kirche der die Moral derselben bestimmende Faktor 
ist, so gestaltet sich diese Satire auf das Zeitalter zugleich zu 
einem Verdammungsurtheil für das römische Papstthum. Kein 
Wunder, wenn ihm dann in der Folgezeit die Paladine des 
Papstthums, wie z. B. der Ueberläufer Caspar Scioppius, die 
Herausgabe dieses Werkes als ganz besondern Beweis seiner 
Feindseligkeit gegen Papst, Kirche und Religion anrechneten 8 ). 



1) Spaccio d. b. tr. (Wagner II, 217): „Vedete, a che e ridutto ü 
mondo, per esser messo in eonsuetudine e proverbio, ehe per regnare non si osserva 
fede; oltre: a gfinßdeli et eretiei non si osserva fede ; a presso: 8% franga la 
fede a cht la rompe ! Or ehe sara , se questo ei mette in pratiea da tutli ? A ehe 
verrä ü mondo, se tutte U repubbliche, regnj, dotninj, famiglie e particolari dir anno } 
ehe si deve esser aanto eol aanto , perverso eol perverso , e si faranno iscusati 
d 1 esser sceUerati, per ehe lianno il scellerato per eompagm o vicino, e ehe non 
doviamo forzarei ad esser öuoni assolutamente , come fussimo dei t tna per eomo- 
ditade et occasione, come li serpenti, lupi et orsi, tossichi e veneni?" 

2) Spaccio d. b. tr. (Wagner, II, 114): AUora ei da spaccio alla bestia 
trionfante, eioe ai vizf, ehe predominano, e sogliono conculcar la parte divina . . . 
Die Ansicht, das Werk sei unmittelbar gegen den Papst gerichtet, kam 
gleich nach dem Erscheinen des Büchelchens auf. Scioppius berichtet in 
8 einem berüchtigten Briefe an Bittershausen (bei Berti, Vita di G. Bruno, 
pag. 399): Fostea Zondinum profeetus, libeüum isthic edit de Bestia triumphante, 
h. e, de papa t quem vestri honoris caussa bestiam appeUare solent. 

3) Leibnitz sagt (Opera omnia ed. Dutens, T. V, pag. 50) in seinen 
Remarques sur un petit livre trad; de l'Anglais, intitule : Lettre sur 
l'Enthousiasme mit Recht : „Zes railleurs en mattere de Iteligion passent dans 
iesprit de eeux quem raille, non seulement pour ennemü de la Religion raüUe y 
maü encore pour ennemis de toute Religion, et en un mot des impies. 



5. Brnno's Schicksale in England. 1583—1585. 49 

Beissender Spott und vernichtender Hohn verbinden sich in 
diesem wunderbaren Prosagedicht mit einer heroischen Begeiste- 
rung für die ewigen Ideale der Menschheit und einer jugend- 
lichen Ueberzeugung von dem endlichen Sieg des Rechten und 
Guten. An speculativem Gehalt und an Ideenflille überragt 
dieses Werk alle andern Schriften Bruno' s um Haupteslänge 1 ). 
Innerlichst mit der „Austreibung der triumphirenden Bestie tf 
verwandt, womöglich aber die ätzende Ironie gegen die tradi- 
tionelle Kirchenlehre noch verschärfend, ist Bruno's gleichzeitige 
Schrift: Geheimlehre des Pegaseischen Bosses nebst derjenigen 
des Chilenischen Esels (Cabala del caballo Pegaseo 
coli/ aggiünta de i/asino Cillenico). Bruno widmet die- 
selbe in einer von köstlichem Humor und schneidendem Hohn 
strotzenden Dedicationsepistel dem vorgeblichen Bischof von 
Casamarciano , wir würden sagen: Schiida. Mit grossem Auf- 
wände von biblischer und rabbinischer Gelehrsamkeit hält Bruno 
eine ironische Lobrede auf die „Asinitas", die Eselheit, das 
Eselthum, um welche ihn Voltaire beneiden würde. Da erzählt 
z. B. ein Mensch, Namens Onorio, der „Ehrenmann", er er- 
innere sich seiner Seelenwanderungen noch gar wohl: er sei ur- 
sprünglich ein Esel gewesen, dann sei er Hippogryph geworden, 
später habe er als Aristoteles ein philosophisches System ge- 
gründet,, aber alles in allem genommen, habe er sich doch immer 
am wohlsten als Esel befunden. Zum Schlüsse der Satire hält 
der Autor noch eine begeisterte Anrede an die Menschheit: „So 
strengt euch denn an, ja, strengt euch doch an, Esel zu sein, 
o ihr, die ihr Menschen seid. Und ihr, die ihr Esel schon seid, 
müht euch, sorgt und thut euer mögliches, vom Guten fortwäh- 
rend zum Bessern zu gelangen, damit ihr endlich jenes Ziel, 
jene Würde erreichet, welche nicht durch Wissenschaften und 
Werke, wenn auch noch so grosse, sondern allein durch den 
Glauben erworben wird und um welche man nicht durch Un- 
wissenheit und Missethaten, wenn auch noch so grosse, sondern 
allein durch den Unglauben, wie sie dem Apostel gemäss sagen, 

1) Die Originalausgabe des Spaccio ist eine der grössten antiquari- 
schen Raritäten und wird nach Brunet's Manuel du libraire, T. 1 (1860), 
pag. 1297 zusammen mit den Eroici füeori mit über Fr. 500 bezahlt, ist 
aber schon um Fr. 1132 erstanden worden (Bartholmüss, Bruno II, 70, Anra. 1). 

4 



50 9. Bruno's Schicksale in England. 1583—1585. 

kommt. Wenn ihr euch so anlassen, wenn ihr solche sein und 
euch so benehmen werdet, so werdet ihr euch ins Buch des 
Lebens eingetragen finden, werdet ihr die Gnade schon hienieden 
in der Ecclesia militans und den Ruhm droben in der Ecclesia 
triumphans finden , in welcher da lebt und regiert jetzt und in 
alle Ewigkeit Gott. Amen 1 )!" In einem Sonett, welches die 
denkfaule Mönchsfrömmelei persiflirt, die für die wissenschaftliche 
Forschung nur Verachtung kennt und alles von der persönlichen 
Offenbarung Gottes erwartet, stellt sich der Charakter dieses 
Werkes wohl am deutlichsten dar. Bruno betitelt dieses Sonett: 
Lob des Eselthums. 
O Eselheit, du Heil ge sonder Gleichen, 
Du liebst in Frömmeleien dich zu entfalten 
Und weisst mit Seelen so geschickt zu schalten, 
Dass Sinn und Geist sie nimmermehr erweichen. 

O heil'ge Ignorantia, deiner reichen 
Genügsamkeit droh'n keine Schreckgestalten, 
Wie Kunst und Wissen, die ja^ doch veralten 
In der Betrachtung ferner Himmelszeichen. 

Was gilt dem Vorwitz doch: zu wissen streben, 
Wie die Natur schafft und ob sich Gestirne 
Auch schon aus Erde, Wasser, Feu'r ergeben? 

Dergleichen furcht den HeiTgen nicht die Stirne: 
Sie bleiben auf den Knie'n am Staube kleben, 
Die Ankunft Gottes in dem Eselshirne 2 )! 



1) Cabala dbl Cav. Pegaseo (Wagner II, 264): Forzatevi, forzatevi 
dunque ad esaer asini, o voi ehe stete uomini! E voi ehe stete gia asini, studiate, 
procurate , adattatevi a proeeder sempre da bette in meglio , a ßn ehe perveniate 
a quel termine, a quella dignitä, la quäle non per scienze et opre, quantunque 
grandi, tna per fede s'aquista; non per ignoranza e misfatti, quantunque enortni, 
ma per la incredulüa , eome dieono seeondo Vapostolo , ei perde. Se eost vi dis- 
porrete, se tali sarete, e talmente vi governarete, vi trovarete seriui nel übro della 
vita, impetrarete la grazia in questa militante, et otterete la gloria in quella Urion- 
fante ecclesia, ne la quäle vive e regna dio per tutti seeoli de 1 seeoli. Cost sial 

2) Cabala del cav. Peg. (Wagner II, pag. 257): 

Sonetto in lode de l'Asino. 
sant 1 asinitä, sanC ignoranza, 
Santa stoltizia, e pia devozione, 
Qual sola puoi far tanime si buone, • 
l'lCuman ingegno e studio non lavanza. 



5. Bruno's Schicksale in England. 1583—1585. 51 

Im „Heroischen Enthusiasmus" ^Degli eroici furori) 
feiert Bruno den magischen Zug des Herzens nach dem Ideal 
der Schönheit; der Schönheit sowohl der sinnlichen Erscheinung, 
wie des geißtig Hohen und Edeln. Durch den Reiz der sinn- 
lichen Erscheinung, wie ihn insbesondere die Kuhst bietet, wer- 
den wir aus dem engen Bereich unseres Ichs hinausgehoben in 
die freien Gefilde selbstloser Bewunderung des Ideals und in- 
dem wir uns mit diesem Ideal erflillen, ergreift uns der Enthu- 
siasmus, dasselbe handelnd darzustellen. So werden wir durch 
das Schöne zum Wahren und Guten hingeleitet 1 ). Der „Hero- 
ische Enthusiasmus", seiner ganzen Anlage nach Schillers „Briefen 
über die ästhetische Erziehung des Menschen" verwandt, bildet 
Bruno's Ethik. Das ganze Werk besteht aus 71 Sonetten 
und 3 Canzonen, in welchen Bruno seine glühende Liebe be- 
kennt, nicht zu einer irdischen Schönheit, obwohl er auch flir 
diese nicht unempfänglich war, sondern vielmehr zur Quelle aller 
Schönheit, Wahrheit und Güte. Diese zum Theil etwas dunkeln 
Sonette erhalten dann ihre Erklärung in unmittelbar je auf ein , 
Sonett folgenden Dialogen über deren Inhalt. Bruno bewährt 
sich in diesem Werke auch als ideenreicher und empfindungs- 
tiefer Lyriker. Seine Sonette tibertreffen an Bilderflille, Ge- 
dankenhoheit und Gefuhlsinnigkeit die Sonette Petrarca's bei 

Non gionge fatieosa vigilanza 
D'arte, qualunque sia, o invenzione, 
Ne di sofossi contemplazione 
AI ciel, dove t'edißehi la stanza. 

Che vi val, euriosi, il studiare, 

Voler saper quel ehe fa la natura, 

Se gli astri son pur terra , fuoco e tnare? 

La sunt' asinita di cib non cura, 

Ma con man gionte e 'n ginocchion vuol stare 

Aspettando da Bio la sua Ventura. 

1) Bruno '«_ Ueberzeugung von der erziehenden Macht des sinnlich 
Schönen, das stufenweise die Lust am sittlich Schönen zu wecken vermag 
ist ganz platonisch, sogar neuplatonisch. Plotin beschreibt diese Stufen 
nach Plato's Gastmahl und der Republik. Vgl. Zeller, Gesch. d. Phil, d, 
Griechen 3, Th. III, Abth. I, 2. Hälfte, pag. 601. Sehr schön, gewisser- 
massen der Schlüssel des Verständnisses zu den „Eroici fürori" ist der 
Satz (Wagher II, 340): Vatnore traaforma e converte ne la cosa amata. 

4* 



52 &• Bruno's Schicksale in England. 1583—1585. 

weitem, wenn sie auch nicht deren Formenglätte erreichen. Sie 
vergleichen sich ungesucht mit den Sonetten seines grossen Zeit- 
genossen Shakespeare. Ein Beispiel: 

Der Eichbaum. 
Uralter Eichbaum, in den Lüften droben 
Rauscht deine Krön' und deine Wurzeln dringen 
Tief in der Erde Schooss: o dich bezwingen 
Erdbeben nicht und nicht der Stürme Toben. 

Und will der Starrfrost seine Macht erproben, 
So lässt du wohlgemuth ihn mit dir ringen; 
O du mein Ebenbild in allen Dingen: 
Noch jede Unbild ist an dir zerstoben! 

Du hältst dich immer auf demselben Grunde 
Und kennest nie ein Weichen oder Wanken: 
Du streckst als eine Hand zu Freundesbunde 

Dankbare Wurzeln in der Erde Flanken: 
Auf Ein Ziel richten sich zu jeder Stunde 
Auch alle meine Sinne und Gedanken 1 ). 
Ein Mann, wie Bruno, der innerhalb zweier Jahre diese 
Fülle poetisch -philosophischer Kunstwerke zu produciren ver- 
mochte, musste noth wendig die Aufmerksamkeit der Edelsten 
und Besten auf sich lenken. Und so finden wir ihn denn im 



1) Degli eroici fürori (Wagner II, 366): 
Annoea queroia, ehe li rami epandi 
A Varia, e fermi le radiei 'n terra ; 
Ne terra smosaa, ne gli epirti grandi, 
Che da Vaepro Aquilon il ciel disserra, 

Ne quanto ßa, etiil vem\ orrido wandt, 
Dal luogo ove etat talda, mai ti sferra; 
Mostri de la mia fe rüratto vero, 
Qual tmotea mai etrani accidenti fero. 

Tu tnedesmo terreno 

Mai eempre abbracci, fai colto, e comprendi, 

E di lui per le viscere dietendi. 

Radiei grate al generoeo eeno: 

Jo ad un »ol oggetto 

Ho ße$o ü spirto, il eenao e VinteUetto. 



5. Bruno's Schicksale in England. 1593—1585. 53 

Umgang mit den ersten Würdenträgern und fremden Gesandten, 
als da waren: Lord Walsingham, Grosssekretär des königlichen 
Bathes, Robert Dudley, Graf von Leicester, bekannt aus Schillers 
Maria Stuart, Lord Burleigh, Grossschatzmeister des Königreichs. 
Aber Bruno's Herzensfreund, an dem er mit schwärmerischer 
Liebe hing und dem er desshalb auch seine geistvollsten und 
schönsten Werke, die „Austreibung der triumphirenden Bestie" 
und den „Heroischen Enthusiasmus" widmete, war Philipp Sidney, 
der geniale Staatsmann, Dichter und Schriftsteller, welcher, „zu- 
gleich ein Sänger und ein Held", den 16. Oct. 1586, erst 
32 Jahre alt, in der Schlacht von Zutphen für die Unabhängig- 
keit der Niederlande und die Sache des Protestantismus fiel 1 ). 
Neben diesen englischen Notabilitäten verkehrte Bruno viel mit 
Bernardino Mendo9a, dem Gesandten König Philipps H. von 
Spanien. Durch seinen Gastfreund, den französischen Gesandten 
Castelnau, wurde Bruno auch bei der Königin Elisabeth ein- 
geführt und der geistesgewandte Nolaner wusste sich bei der- 
selben bald so vorteilhaft zu empfehlen, dass sie ihm die Ver- 
günstigung zu Theil werden Hess, jederzeit frei bei ihr eintreten 
zu dürfen. Königin Elisabeth sprach das Italienische fliessend 
und machte durch ihre geistvolle Unterhaltung auf Bruno's dank- 
bares Gemtith einen derartigen Eindruck, dass dieser sie stets 
in den tiberschwänglichsten Ausdrücken schriftstellerisch verherr- 
licht 2 ). London und der Freundeskreis, der sich in Castelnau's 
Familie zusammenfand, war des Dichterphilosophen Paradies ge- 



1) „Ihm, dem so hellen Geiste, mag sich die Philosophie nackt zeigen 
(la ßloaoßß si mostre ignuda ad un si terso ingegno)," sagt Bruno zur Kenn- 
zeichnung seiner Ehoici furori (Wagner II, 31]). Bartholmess , Vie 
de Bruno, T. I, pag. 112 — 115 beendet seine Charakteristik Sidney's mit 
den Worten : Sidney devint en guelque sorte le favori de Vhistoire anglaüe , le 
dernier Chevalier, le Bayard de la Grande- Bretagne. 

2) Vgl. z. B. Eroici fubori (Wagner II, 303):" die englischen Frauen, 
sagt Bruno, non son femine, non ton donne, ma in similitudine di quelle son 
ninfe, son diwe, son di sostanza Celeste , tra le guali e lecito di contemplar quelV 
unica Diana, che in questo numero e proposito non voglio nominare. Aber alle 
diese Lobeserhebungen erscheinen noch schwach gegenüber dem verzückten 
Panegyricus, mit welchem Bruno in der Cena delle Ceneri (Wagner I, 
144 — 145) die Liebenswürdigkeit, Weisheit, Gelehrsamkeit, Staatsklugheit 
und Energie der Königin Elisabeth verherrlicht. 



54 6. Bruno' s Rückkehr nach Paris. 1585—1586. 

worden *). Nach jahrelangem Ringen mit aufreibenden Nahrungs- 
sorgen, nach Mühsalen und Entbehrungen jeder Art hatte sich 
dem Ordensflüchtigen endlich ein Asyl aufgethan, das ihn aller 
Noth und Bedürftigkeit des Lebens enthob, um ihn sein Dasein 
schmetterlingshaft gemessen zu lassen. Castelnau's Familienleben 
muss nach Bruno' s eigener Darstellung ein wahrhaft beglücken- 
des gewesen sein, denn Bruno weiss die Ritterlichkeit und Milde 
seines Gönners , die Schönheit und Tugend von dessen Gemahlin, 
sowie den Liebreiz und die Geistesvorzüge des kaum erst sechs- 
jährigen Töchterchens nicht genug zu rühmen 2 ). Die Elasticität 
des Geistes, welche sich Bruno in diesem geistfordernden und 
geistspendenden Cirkel erwarb, zeichnet seine Londoner Schriften 
vor den späteren Lateinwerken glänzend aus 3 ). 

6. Bruno's Rückkehr nach Paris. 

1585—1586. 
Leider sollte Bruno's Glück nicht lange dauern. Der fran- 
zösische Gesandte Castelnau wurde im Juli 1585 von seinem 
Londoner Posten abberufen und reiste schon im October nach 
Paris zurück. Bruno mit ihm 4 ). Was konnte wohl den Dichter- 



1) Bruno hat dafür, trotz seiner fulminanten Brandmarkung des eng- 
lischen Fremdenhasses, Worte herzlicher Dankbarkeit, vgl. Eboici furori 
(Wagner II, 303): queato paeae britannico, cui doviamo lafedelta et amore hoepitale. 

2) De la Causa (Wagner I, 267): Gervasio: Toi non riferite per il 
contrario tanti akri esempj di coloro , che si son stimati fortunatiasimi per U sue 
donne, tra'quoli, per non mandarvi troppo lontano, eeco aotto queato medeaimo tetto 
# aignor di Mauvisaiero incorao in una, non aolamente dotata di non medxocre cor- 
poral beilade, che gli awela et ammanta Palma, ma oltre che ool triumvirato di 
molto dücreto giudizio, aecorta modeatia et oneatiaaima corteaia, d'indiesolubü nodo 
tien avvinto Yanimo del euo conaorte, et e potente a cattivarai chiunque la eonoace. 
Che dirai de la generoea figlia, che a pena un lustro et un 'anno ha vüto il sole t 
e per le lingue non potrai giudieare, t'ella e da Italia, o da Franeia, o da 
Inghilterra? Ter la mano circa U muaici inatrumenti non potrai capire, ielia e 
eorporea o incorporea auatanza. Per la matura bontä di coatumi dubitarai , a'ella 

diaceaa dal cielo, o pur e eortita de la terra. 

3) Höchst charakteristisch für Bruno's italienische Schriften ist die schon 
yon Berti, Vita di G. Br. , pag. 80 erkannte Thatsache, dass in denselben 
„non appare veatigio Lulliano". 

4) Doo. I (bei Berti, Vita di G. Br., pag. 347): tomando ü detto Am- 
baedator in Francia alla Corte Yaccompagnai a Paris, dove etetti uriaUro anno 



6. Bruno's Rückkehr nach Paris. 1585—1586. 55 

philosophen bewegen, den Freundeskreis, in welchem er seine 
schönsten Stunden verlebte, so rasch wieder zu verlassen? War 
es das Gefühl der Unsicherheit, welchem er nach dem Wegzuge 
seines Gönners anheimzufallen fürchtete im Hinblick auf die 
Wuth, welche sein Freisinn bei allen denen hervorrief, die sich 
krampfhaft an der für ihn antiquirten Weltanschauung fest- 
klammerten? So begeisterte Freunde sich Bruno erworben nattej 
so giftig war der heimliche Neid , den sein Glück in der Brust 
so manches Mitstrebenden erwecken mochte. Wenigstens gestattet 
uns das Widmungssonett, mit welchem er den Dialog „Von der 
Ursache, dem Princip und dem Einen a schmückt, einen aus- 
reichenden Einblick in die Empfindungswelt des reizbaren Dichter- 
philosophen, um seinen Entschluss begreifen zu können, sein 
Schicksal auch fernerhin mit demjenigen seines Schirmherrn zu 
vereinigen. Dieses Sonett von 1584 lautet: 

Ursach' und Urgrund und das ewig Eine, 
Aus dem allein des Lebens Pulse schlagen, 
So weit im Räume Höh' und Tiefe tragen, 
Durchdringt es Erd' und Himmel im Vereine. 

Mein Sinn, Verstand und Geist erkennt, was keine 
Rechnung, kein Mass darf zu erfassen wagen : 
Die hehre Kraft und Zahl, die nur im Ragen 
Hoch über Allem zeigt, dass sie erscheine. 

Was Geiz und Missgunstjauch an mir verbrechen, 
Wenn blinder Irrthum, Hass, gemeine Wuth 
Auch trachten, mir die Augen auszustechen, 

So wird ja doch die ganze Neiderbrut 

Mit keinem Schlei'r auch nur das Licht mir brechen 

Und nie verdunkeln meiner Augen Glut 1 ). 



trattenendomi eon quellt eignori ehe io conoseevo a spese perb mie la maggior parte 
del tempo 

1) De la Causa (Wagner I, 214): 

Causa, Prineipio et Uno sempiterno, 
Onde l'esser, la vita, il moto pende, 
E a lungo, a largo, e profondo si stende, 
Qutfnto si dice in eiel, terra et inferno! 



56 6. Bruno's Rückkehr nach Paris. 1585—1586. 

Bruno lebte jetzt in Paris als Privatmann und vertiefte sich 
zunächst in das Studium der mathematischen Werke seines 
neapolitanischen Landsmanns Fabricio Mordente aus Salerno, 
von welchem er in der Zukunft noch grosse Stücke erwartete. 
Bruno schrieb in neidloser Verherrlichung desselben zwei Dia- 
loge, die er sofort, 1586, zu Paris im Druck erscheinen liess 1 ). 
Auch verfasste er einen Commentar über das aristotelische Buch: 
De physico auditü, welches er ebenfalls zu Paris in Druck 
gab und dem Abt von Belleville, Petrus Dalbene, widmete 2 ). 

Nur noch einmal trat Bruno öffentlich in Paris auf, aber 
nun auch gleich so, dass ihn sein rückhaltloser Freimuth, seine 
schrankenlose Wahrheitsliebe, mit welcher er die Herren Akar 
demiker vor den Kopf stiess, in unheilbaren Zwist mit den 
Vertheidigern des alten Glaubens brachte. Bruno hatte in London 
theils durch fortgesetzte Studien, theils in Folge der beständigen 
Keibung mit ebenbürtigen Geistern, denjenigen Grad selbst- 
bewusster Uebersicht über sein eignes System erworben, dass 
er sich nunmehr allen Angriffen von Seite seiner aristotelisch- 
scholastischen Gegner gewachsen fühlte. Um mit seiner neuen 
Weltansicht auf möglichst wirksame Weise in die traditionelle 
Kirchenphilosophie die erste Bresche zu schiessen, wählte Bruno 
den Weg der öffentlichen Disputation. Zu diesem Zwecke 



Con senso, con ragion, con mente scerno, 
CK atto, misura e conto non eomprende, 
Quel vigor, mole, e nuntero, ehe tende 
. Okr 1 ogri inferior, mezzo e superno. 

Cieco error, tempo avaro, ria fortuna, 
Sorda invidia, vü rabbia, iniquo zelo, 
Crudo cor, empio ingegno, strano ardire 

Non bastaranno a farmi Varia bruna, 
Non tni porrann f avanti gli oechi ü velo, 
Non faran mai, eh* il mio bei sol non mire. 

1) Jordani Bruno Nolani dialogi duo de Fabbricii Mordentis 

SAXERNITANI PROPE DIVINA ADINVBNTIONE AD PERFECTAM CoßMIMETRIAE 

pbaxim. Paris, Petr. Chevellot, 1586. Als Beilage dazu erschien Jordani 
Bruni Insomnium. 

2) Figubatio Aristoteuci auditus physich , ad ejusdem intelligentem 
atque retentionem per XV imagine* explicanda. Paris, Petr. Chevellot, 1586. 



6. Bruno's Bückkehr nach Paris. 1585—1586. 57 

reichte er dem Rektor der Sorbonne, Johann Filesac, 120 Thesen 
gegen die Peripatetiker und 30 pythagoreische und platonische 
Thesen ein mit dem Erbieten, dieselben in öffentlicher Disputation 
zu vertheidigen. Eine Prüfung der Thesen ergab zwar das 
Resultat, dass dieselben, wenn auch nicht direkt, so doch un- 
zweifelhaft, gegen die katholische Kirchenlehre verstiessen. Nichts- 
destoweniger wurde der Druck der Thesen und eine öffentliche 
Disputation darüber gestattet, weil die Obern der Ansicht waren, 
dass einer Besprechung derselben, auf dem Wege der natürlichen 
Betrachtungsweise der Wahrheit, nach dem Lichte des Glaubens 
nichts schaden könne. Pfingsten, den 25. Mai 1586, fand im 
königlichen Hörsaale der Pariser . Universität die Disputation 
statt. Ein Freund Bruno's, der Pariser Johann Hennequin, hatte 
es übernommen, den Respondenten zu spielen. Er eröflhete die 
Feierlichkeit mit einer gewaltigen Lobrede auf den Nolaner, den 
er als den Propheten eines neuen Glaubenslichtes verherrlichte *). 
Leider wissen wir über den Verlauf, den die Disputation ge- 
nommen, nichts. Aber die Consequenzen von Bruno's Auftreten 
liegen in der Wucht der Sätze, mit welchen er der Ueberliefe- 
rung entgegentrat. Zwei einander diametral entgegengesetzte 
Weltansichten platzten hier auf einander. Zwei Weltalter suchten 
sich den Rang streitig zu machen. Auf der einen Seite kämpfte 
die Kirche, mit Aristoteles und Ptolemäus im Bunde, für die 
Lehre vom ewigen Stillstand der Erde und der Endlichkeit des 
Universums; auf der andern Seite focht Bruno mit dem Schwerte 
des Copernicus für den Kreislauf der Erde um die Sonne und die 
Unendlichkeit des Weltalls. Mit einer alles überwältigenden 
Wärme der Beredsamkeit beschwört Bruno-Hennequin die Pro- 
fessoren der Pariser Universität, sich „vor der Majestät der 
Wahrheit" zu beugen und nicht sowohl „dem Feuer seiner 
Rede u , als vielmehr „der Wucht der Gründe" die Ehre zu geben 



1) (CXX) Akticuli de Natura et Mundo, aNolano in prineipibus Europa* 
Aeademiis propositi: quos J. Sennequinus, nobüis Farisiensis, sub ejuedem felici- 
bus auspiciis contra vulgaris et cuj'uscunque adversariae Fhilosophiae professores, 
triduo Pentecostes, in Universität« Farisiorum def endendos evulgavit, brevibus ad- 
jeetis rationibus. S. Gfröreb, pag. 30. S. Ebendas. auch die Fythagorieae, 
et PUüonieae FeripatetiHs imperviae assertiones (De Natura, de Universo et Mundo) \ 
quas probamus et defendimus> pag. 28. 



58 ?• Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586-1591. 

und die befreiende Kraft des copernicanischen Weltsystems als 
gerechte Schiedsrichter willig anzuerkennen *). Allein Bruno irrte 
sich in der Wirkung seiner Disputation so gründlich, dass der 
Sturm der Entrüstung, den er als eingestandener Begründer 
einer neuen Philosophie und als Erwecker der im traditionellen 
Dämmerwissen entschlafenen Geister gegen sich heraufbeschwor, 
ihn zwang, Paris in drei Tagen zu verlassen. Wohl hatte er, 
vielleicht in Voraussicht dessen was kommen konnte, dem Rektor 
Filesac gleich bei der Einreichung der Thesen mitgetheilt, nach 
der Disputation verreisen und andere Universitäten besuchen 
zu wollen. Allein die Abreise erfolgte doch so urplötzlich, dass 
die „Tumulte", von welchen Bruno im Verhör zu Venedig 
spricht, ebensogut auf die Aufregung, die seine Verteidigung 
des Copernicus hervorrief, bezogen werden können, als auf die 
Unruhen, welche den baldigen Ausbruch des Bürgerkrieges ver- 
kündigten 2 ). Jedenfalls durfte Bruno mit innerster Befriedigung 
auf das Bändchen Sätze blicken, welches er den Parisern „zum 
Abschiedsgruss" und als „Pfand lebhaften Angedenkens" an seine 
reformatorische Thätigkeit hinterlassen wollte. 

7. Bruno's Schicksale In der deutschen Welt. 

1586-1591. 

a) Bruno in Marburg und Wittenberg. 

1586-1588. 

Es war um den 1. Juni 1586 herum, als Bruno sich auf 
die Reise machte, die ihn in Deutschland ruhigere Verhältnisse 
suchen liess. Zunächst wandte er sich nach Mainz, wo er aber 

1) Acbotismus. Im Excubitor (Gfröker, pag. 17) Schluss): Vos igitur, 
tngenioaiasimoa aeientiarum profetsores exoro , ut eoram veritatis majeetate ita rem 
gerere videamini, ut non tarn iniqui et rigidi actores, quam aequiores paeatioretque 
fudiees in causa videamini , neque tarn orationü fervore , quam rationum pondere 
atque gravitate, vel eonßrmare vertram, vel alienam eonvettere eententiam videa- 
mini. Dixi. 

2) Eine ganz evidente Bestätigung für diese Auffassung yon tumulti 
finde ich in jenem Bekenntnisse Bruno's, das seine Dedication der. Prager 
160 Artikel an Kaiser Rudolf L enthält: er habe den Zorn der glaubens- 
blinden, selbst von einem Senat graduirter Väter der Ignoranz aufgestachelten 
Menge dermassen erfahren, dass er selbst seines Lebens nicht mehr sicher 




7. Bruno's Schicksale in derdeutsch. Welt. 158< 

während der 12 Tage, die er sich dort aufhielt >), keine 
Beschäftigung finden konnte. Von Mainz zog er nach einer 
benachbarten Stadt, wohl Wiesbaden *) , wo es ihm nicht besser 
erging. Von dort reiste er nach Marburg, wo er gegen Ende 
Juli eintraf. In der Absicht, seine Lehrthätigkeit wieder auf- 
zunehmen, begab er sich am 25. Juli zu dem damaligen Uni- 
versitätsrektor Nigidius, Professor der Moralphilosophie, und liess 
sich als „Doctor der römischen Theologie" immatriculiren. „Da 
ihm aber," Mirt der Rektor Nigidius im Album der Universität 
fort, „die Erlaubniss, öffentliche Vorlesungen über Philosophie 
zu halten, von mir mit Zustimmung der philosophischen Facul- 
tät aus gewichtigen Gründen verweigert wurde, gerieth er so in 
Zorn, dass er mich in meinem eigenen Hause frech beschimpfte, 
als ob ich in dieser Sache gegen das Völkerrecht, die Gewohn- 
heit aller Universitäten Deutschlands und gegen alle Interessen 
der Wissenschaft handelte. Er habe desshalb keine Lust, als 
Mitglied der Academie zu gelten. Diesem Wunsch gerne ent- 
sprechend, habe ich ihn dann wieder aus dem Album der Uni- 
versität gestrichen 3 )." Welches nun die „gewichtigen Gründe" 



gewesen sei. Vgl. unten pag. 71. Mir scheint dieses Bekenntniss, im Hin- 
blick auf das tragische Schicksal des Petrus Ramus, nur auf den Pariser 
Senat bezogen werden zu dürfen. 

1) Doc. IX (bei Berti, Vita di G. Br., pag. 347): parHto da Paris 
per causa de 1 tumulti me ne andai a Germania e feci prima recapito a Mez, alias 
Magonza . . . dove atetti ßno 12 giorni. 

2) Doc. IX (bei Berti, Vita di G. Br., pag. 347): non trovmdo ne qui 
(Magonza) ne in Vispure luoco poeo lontano de It trattenimente a mio modo. 
Sigwart im Tübinger Programm 1880, pag. 18 und Kl. Sehr., Erster Th. 
(1881) pag. 118 zerbricht sich den Kopf, was unter diesem sonderbaren 
Vispure zu verstehen sei, ob Weissenburg oder Würzburg, die ihm 
aber mit Recht beide viel zu entlegen scheinen. Ich glaube, Bruno hat sich 
hier eine Verballhornung zweier Namen zu Schulden kommen lassen. Die 
Bemerkung luoco poeo lontano de l\ passt am besten auf Wiesbaden, das, 
kaum eine Meile von Mainz entfernt, auf dem Wege nach Marburg liegt, 
welches Bruno zu gleicher Zeit in dumpfer Erinnerung vorschwebte. 

3) Die interessante Eintragung im Album der Marburger Universität, 
die einzige positive Quelle für Bruno's Anwesenheit in Marburg, ist zuerst 
von Berti in seiner Vita di G. Bruno, pag. 205 vollständig veröffentlicht 
worden. Ich gebe daraus hier nur die für Bruno's Temperament charak- 
teristische Stelle: Caeterum cum eidem potestas publice proßtendi phüosophiam per me 



60 7. Brnno'ß Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 

gewesen sein mögen, aus welchen der Rektor Nigidius „mit (an- 
geblicher) Zustimmung der philosophischen Facultät" (eine spätere 
Hand hat Bruno's Namen wieder hergestellt und jene Bemerkung 
durchstrichen!) 1 ) dem wandernden Doctor die Erlaubniss zu 
öffentlichen Vorlesungen verweigerte, lässt sich schwerlich jemals 
feststellen; wohl aber sind Vermuthungen zulässig, welche sich 
auf Bruno's Schriften und auf seine Bekenntnisse im Verhör 
zu Venedig stützen. Marburg war eine reformirte Universität 
und die Beformirten waren damals noch dem Copernicanischen 
/ System und dem damit zusammenhängenden Neuen Kalender 
/ so abgeneigt, dass ein so warmer Vertheidiger der neuen Lehre 
/ vom Weltgebäude, wie Bruno, nicht nur die Beformirten grtind- 
f / lieh hassen, sondern umgekehrt auch von den Beformirten 
gründlich gehasst werden musste, was er bald genug auch 
in Wittenberg erfahren sollte. 

Dorthin wanderte nun Bruno geradeswegs und fand an 
dieser damals ersten Universität Deutschlands sofort die freund- 
lichste Aufnahme. Rein auf die Versicherung hin, ein Zögling 
der Musen, ein Menschenfreund und Philosoph von Profession 
zu sein 2 ), wurde der Kirchenflüchtige am 20. August vom Bektor 
Albinus ins Album der Universität eingetragen und ihm auch 
ohne Zögern die Erlaubniss ertheilt, Privatvorlesungen zu halten. 
Darüber war denn Bruno's Freude nach seinen Marburger Er- 
fahrungen um so grösser, und von herzlicher Dankbarkeit durch- 
drungen, nannte er Wittenberg von nun an nur noch das Athen 

cum consemufacultatis phüosophicae ob arduas caussas denegaretur , adeo exeanduit, 
ut mihi in meit aedibus procaciter inauUaret , quasi vero in hoc re contra Jus 
gentium et eonmetudinem omnium Universitatum Germaniae et contra omnia studio, 
humanitatis agerem: ac propterea pro membro Academiae amplius haberi noluerit. 
TJnde facile voti sui compos /actus , rursus ex albo XTniversitatis per me exau- 
toratus est. 

1) Geschah dies durch Bruno's Schüler, Raphael Eglin, der seit dem 
Jahre 1607 als Professor der evangelischen Theologie an der Universität 
wirkte ? 

2) Bruno in der Dedicatio der in der folgenden Anmerkung verzeich- 
neten Abhandlung, pag. 624—625: tranquiUo gener alique philanthropia praedi- 
tum spiritum, phüosophicae professionis titulum prae me tuli et ostendi, solum 
quod in Musarum curia alumnus essem: vobis satis esse potuit, ut dignum existx- 
maretiSi qui (jratissimis ulnis a vebis exciperetur , in album refferretur aca- 
demiae .... 



7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 61 

Deutschlands. In Wittenberg traf Bruno seinen alten Freund 
und Landsmann , den er schon in Oxford kennen gelernt hatte, 
wieder, den Rechtslehrer Albericus Gentilis, der ihn an der 
Universität zu {brdern suchte und veranlasste, über Aristoteles' 
Organon zu lesen. Auch von den übrigen Professoren wurde 
er überaus wohlwollend behandelt, so dass Bruno schon im 
nächsten Jahre, 1587, bei Gelegenheit einer Dedication an den 
Senat, die Menschenfreundlichkeit und Zuvorkommenheit seiner 
Herren Collegen nicht genug preisen kann. Ihn, den sie nicht 
gekannt hätten, den von keiner fürstlichen Empfehlung unter- 
stützten Flüchtling aus Frankreich, den in ihrer Religion nicht 
Geprüften, ja, den sie um seine Religion nicht einmal gefragt 
hätten, ihn hätten sie nicht nur freie Vorträge über die Philo- 
sophie halten lassen, sondern ihm sogar die Gunst gewährt, 
Lehren zu verkünden, welche nicht allein der herkömmlichen, 
durch die Kirchenlehre sanctionirten Weltanschauung widersprä- 
chen, sondern geradezu der Theologie ein Ende bereiten müssten. 
Ungleich den Professoren von Toulouse, Paris und Oxford hätten 
sie über seine neue Weltansicht nicht die Nase gerümpft, Gri- 
massen geschnitten, die Backen aufgeblasen und auf das Pult 
geklopft, sondern ihn dem Glanz ihrer höheren Lebensauffas- 
sung und Wissenschaft gemäss behandelt und die volle philo- 
sophische Freiheit gemessen lassen 1 ). 

Bruno las, ausser über das Organon des Aristoteles, über 
Mathematik, Physik und Metaphysik, ebenso ritt er eifrig sein 



1) In der im Herbst 1587 geschriebenen Widmung zu dem Werkchen: 
De lampade combinatoria Lueliana. Ad ampliaeimum Witebergensia acade- 
miae Senatum. Witebergae 1587. Bei Gfkörer, pag. 62 1—702. Daraus 
pag. 624 — 626: Saud obiter et voe me susceptistü, aeeeptaetie et tnecum ad harte 
ueque dietn benignieeime tractaetie, hominem quippe nullius apud voe nominie, 
famae out valoris, e Gattiae tumultibue elapstttn, nutta principum commendatione 

euffultum, in vestrae religionis dogmate (nonj probatum, vel interroga- 

tutn, . . . Sie adde, quod cum (pro more ingenii mei) nimis forte amore mearum 
opinionum raptus , talia in publicis Ulis leetionibue expromerem, qualia non 
vobie probatam modo , eed et pluribue seeulie et quem ubique terrarum reeeptam 
eonvellerent philo sophiam , voe qui phiioeophari neque ultimum, neque apprime 
medium finem a etatuietie, . . . jam quamvie ea in veetro proponi videretis auditorio, 
quae licet itidem in regiie Toloeae, Parüiorum et Oxoniae auditoriü obetrepuerint 
priue, non (pro more uniue vel alteriue cujusdam loci) naeum intorsistü, 



62 7* Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt 1586—1591. 

Steckenpferd, die Lullische Kunst. Und dass er die Gelegenheit 
nicht versäumte, auch an dieser Pflanzstätte des neuen Glaubens 
sein Centraldogma von der Unbegrenztheit des Weltalls im Zu- 
sammenhang mit dem Weltsystem des Copernicus zu verkünden, 
Hesse sich, wüssten wir es nicht sonst, schon aus seiner eigen- 
sten Geistesanlage erschliessen , die, wie er selbst bekennt, ihn 
zwang, flir seine Ueberzeugung mit rückhaltsloser Offenheit in 
die Schranken zu treten *). Wahrscheinlich als Frucht seiner 
Vorlesungen liess Bruno während seiner Lehrthätigkeit in Witten- 
berg eine Reihe kleinerer Werke drucken, worunter auch die 
Thesen seiner Pariser Pfingstdisputation mit Erläuterungen. Ein 
Mahuscript Bruno's über die aristotelische Rhetorik ist später, 
1612, von einem seiner Schüler, joh. Heinr. Aisted von Herborn 
im Nassauischen, veröffentlicht worden 2 ). 

Bruno's Stern in Wittenberg glänzte, solange die Lutheraner 
dieUniversität beherrschten. Dieses Uebergewicht hatte zunächst bis 
zuöi Tode des Kurfürsten August gedauert, des strenglutherischen 
Vaters jener „Concordienformel", welche, ursprünglich zu dem 
Zwecke verfasst, um die nach Luthers Tode entstandenen Strei- 



non sannas txaouistis, buccae non sunt inßatae, pulpüa non strepuerunt r in me 
non est scholasticus furor ineüatus, sed pro humaniUUü doetrinaeque vestrae 
splendore ita rem gessütis, ut et pro vobis, pro aliis, pro me, pro omnibus> 
omniumque vice sapientes esse videremini .... Interim et phüosophicam libertatem 
illibatam conservastis u. s. w. 

1) Bruno in der Dedieatio pag. 625: pro more ingenii mei nimis forte 
amore mearum opinionum raptus, 

2) De progressü et lampade venatoria Logicorum, ^1587 mit der 
Widmung : Exeellentissimo et adm. rev. D. D. Georgio Mylio Augustano Wite- 
bergensis Aeademiae Caneeüario. Zuerst 

De progressü looicae venationis, nach dieser 

De lampade venatoria logicorum. Beide zusammen bei ' GfrÖrer, 
pag. 707-714, 714-770. 

Die Pariser Thesen erschienen unter dem Titel: 

Jordani Bruni Nolani Camoeracensis Acrotismus seu rationes arti- 
culorum physicorum adversus Feripatetieos Btrisiis proposüorum etc. Viteb., 
1588. Bei Gprörer, pag. 1—112. 

Das von Alsted veröffentlichte Werkchen ist betitelt : 

Artificium Perorandi traditum a Jordano Bruno Nolano Itah, eommuni- 
catum a Johan-Eenrieo AUtedio. In gratiam eorum, gut ehquentiae vim et rationem 
cogno&cere eapiunt, 8°. Francofurti, prostat apud Antonium Hummium. 1612. 



7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 63 

tigkeiten zwischen der Lutherischen und der Melanchthonschen 
Theologenschule wieder auszugleichen, schliesslich nur zur Wieder- 
herstellung des fanatischen Lutherthums führte, welches den 
milden, versöhnlichen Geist Melanchthons perhorrescirte und sich 
zum giftigsten Hasse gegen die reformirte Schwesterkirche fort- 
reisen liess. Als nun August's calvinistischer Sohn Christian am 
11. Februar 1586 an die Regierung kam, waren bald auch die 
Calvinisten am Ruder, sozwar, dass der Einfluss der altregie- 
renden Partei sich zunächst noch auf einige Zeit zu halten ver- 
mochte, aber allmälig mehr und mehr demjenigen der neuauf- 
strebenden Richtung weichen musste 1 ). Bald jedoch hatte. der 
Calvinismus die Oberhand und setzte 1588 mit dem Kanzler 
Krell jene Verordnungen durch , welche den Lutheranern jede 
Polemik gegen die Calvinisten aufs strengste verboten. Auch 
Bruno, der alle seine Freunde unter den Lutheranern zählte, 
hatte gerechten Grund zu zweifeln, dass die Calvinisten seiner 
bisher genossenen Lehrfreiheit keine Schranken setzen würden, 
war es doch Melanchthon, der Freund des Calvinismus gewesen 4 , 
der, ein strammer Aristoteliker, die copernicanische Weltansicht 
als glaubensgefährlich denuncirt hatte. Um sich bevorstehenden 
Demütigungen freiwillig zu entziehen, beschloss desshalb Bruno 
schon zu Anfang des Jahres 1588, Wittenberg zu verlassen, 
nachdem er zwei volle Jahre an der Universität gelehrt und ge- 
wirkt hatte. Vor seiner Abreise hielt aber Bruno am 8. März 
noch eine feierliche Abschiedsrede 2 ), in welcher er der Witten- 
berger Universität und ganz Deutschland mit bewegten Worten 
seinen innigen Dank für die ihm bewiesene Gastfreundschaft 
aussprach. 

1) Doc. IX (bei Bbrti, Vita di G. Br., pag. 348): andai a Vittvmberg 
in Satsonia dove trovai due fationi una de 1 ßloeofi che erano Calvinisti e VaUra 
de' theologi ehe erano lutherani e in questa un Bottore ehe ei chiamava Alberigo 
Gentile Marchegiano , ü quäl havevo conosciuto in InghiUerra; profeseor di legge 
ehe mi favort e tn introdusse a legger una letione deW organo d'Arütotele, la 
quäl leesi eon allre letioni di ßloeofia dui anni, nel quäl tempo eesendo successo 
Duea ü ßgliuolo del Veeehio ehe era calvinieta e ü padre Uttherano comineib a 
favorir la parte contraria a quellt che me favorivano, onde me partii . . . 

2) Oratio valedictoria a Jordano Bruno Nolano D. habita ad 

AMPLI8SIMO& ET CLARISSIMOS PROFESSOR ES ATQÜE AUDITORES IN A C ADEMI A 

Witebergensi Anno 1588. 8. Martii. Typis Zachariae Cratonie. Daraus 



64 ?• Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 

Bruno feiert in Deutschland das Vaterland eines Albertus 
Magnus, jenes Schwaben, dem kein Zeilgenosse gleich kam; des 
Nicolaus von Cusa, den er , wenn nicht das Priestergewand zuweilen 
des Cardinais Geist verdunkelt hätte, noch über Pythagoras 
stellen würde; des Copernicus, der, ein grösserer Physiker als 
Mathematiker; in zwei Capiteln mehr Geist und Vernunft be- 
weist, als Aristoteles mit sämmtlichen Peripatetikern in ihrer 
ganzen Naturbetrachtung; des Paracelsus, jenes wunderbaren 
Arztes, der seines gleichen nur an Hippokrates hat; als das 
Vaterland endlich so manches andern ausgezeichneten Vorkämpfers 
wissenschaftlicher Forschung gegenüber traditionellem Schein- 
wissen. Er verherrlicht Deutschland als das Vaterland des 
grossen Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen-Kassel (1567 bis 
1592), der so mächtig für den Sieg des copernicanischen Welt- 
systems wirkt und die Einsicht verbreitet in den Unterschied 
zwischen den Fixsternen als Sonnen und den dieselben aus der 
eingeborenen Kraft ihrer Seele umkreisenden Planeten, deren 
einer unter den, den unendlichen Weltraum durchwandelnden, 
auch unsere Erde ist. Solche Einsicht verdankt Deutschland den 
Beobachtungen dieses ruhmvollen Fürsten *) Hier in Deutsch- 



obige Stellen: Alberto Magno, Suevo Uli, quis eodem tempore similis? . . . 
Leus bone, übt Uli Cusano assimilandus, qui, quanto major est , tanto paucioribus 
est aeeessibilis ? Bujus ingenium si presbyterialis amictus non interturbasset, non 
Pythagorieo par, sed Pythagorieo longe superius agnoscerem, profiterer. Coperni- 
eum etiam, qualem putatis esse neäum Mathematieum, sed fquod est nrirum) obiter 
Physieumt plus itte invenüur mtellexisse duobus eapüibus, quam Aristoteles f et 
omnes Peripatetici in universa eorum natural* contemplatione . . . , Medieo 
Paraeelso, ad miraeulum usque Medieo, quis post Hippocratem simiiis? 

1) Ibid.: verüatis erutores, qualem scimus tnagnum in Germania Lant- 
gravium Oulielmum Hassiae, qui proprii magis quam alieni sensus et intetUgentiae 
oeulis non Peripatetieae exorbitantis phüosophiae eaudatariam cum Ptolemaicis 

tantum eallet astronomiam u. s. w inteüigamus diserimen inter ßaos soles f 

et pluribus eireumvagantes raiionibus Tellures quae propriae animae virtute e&agi- 
tante aerem penetrant immensutn, nee non abhorreamus hane TeUurem matrem 
nostram unam ex astris nihüo muUis eireumstantibus indignius intelligere, et ea 
quae mille irrefragabilibus argumentis physiee novimus , et isHus famosissimi prin- 
cipe observationibus, quae ab aUis relatae eircumferuntur, etiam atque etiam eon- 
ßrmata vigebunt. Hie ergo sapientia aedißeavit sibi domum. Adde, Jupiter, ut 
eognoseant proprias vires, et abstineant, adde ut studio rebus major ibus adpellant, 



7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 65 

land hat die Weisheit sich ihr Haus gebaut. Gib, o Jupiter, 
dass die Deutschen ihre eigenen Kräfte kennen lernen und ihren 
Fleiss höheren Zielen zuwenden und sie werden nicht mehr 
Menschen, sondern Götter sein. Göttlich, ja göttlich ist der 
Geist dieses Volkes, das nur in jenen Studien nicht schon den 
Vorrang einnimmt, an welchen es bis jetzt keinen Geschmack 
findet. So feiert Bruno Deutschland als den Wall und das 
Bollwerk der Geistesfreiheit gegenüber der Herrschsucht des 
römischen Aberglaubens. Er spricht mit Seherblick von der 
Bestimmung des deutschen Geistes. In seinen Augen ist Deutsch- 
land berufen, das Reich der Weisheit vorzubereiten, jener 
Weisheit, welcher die zukünftigen Jahrhunderte allein noch 
Tempel und Altäre errichten werden und für welche es ihm 
nicht gereue, Armuth, Neid, den Hass der Seinen und die Ver- 
wünschungen und den Undank derjenigen ertragen zu haben, 
welchen er habe nützen wollen und thatsächlich genützt habe. 
Auch schäme er sich nicht, zu allen Trübsalen der Verbannung 
auch noch den Spott und Hohn, die Verachtung und Anmassung 
der Schurken und Dummköpfe erfahren zu haben, denn durch 
das Erdulden von Qualen sei er geistig gewachsen und die 
Leiden der Verbannung hätten ihn gereift, weil er gelernt habe, 
in kurzer Mühsal langdauernde Ruhe, in leichtem Schmerz un- 
ermessüche Freude und in der Enge der Verbannung das hehrste 
Vaterland zu finden 1 ). Sodann hält er eine begeisterte Lob- 
rede auf Lu ther, als den Befreier der Gei ster, d er ? als ein zweiter 



et non erunt homines, sed DU. Divinum, certe divinissimum est iUud gentis hujus 
ingenium, quod in iüis tanlum studiis non antecellit, in quibus non delectatur. 

1) Ibid.: Veni intet alios ego istius domus sapientiae visendae amore eon- 
citatus, flagrans speetandi PdUadii istius ardore, pro quo me subisse non pudet 
paupertatem, invidiam et odium meorum, execrationes, ingratitudines eorum quibus 
prodesse volui, atque profui, extremae barbariei et avaritiae sordidissimae effectus: 
ab iis qui mihi amorem, servitium et honorem debebant, convitia, calumnias, in- 
jurias, etiam infamias. Nequcpudet expertum esse irrisiones , eontemptus ignobüium 
atque stultorum, quorundam qui plane bestiae cum sint , eultu atque fortuna sub 
imagine et similitudine hominum, temeraria superbiunt arrogantia. Fro quo in- 
eurrisse non piget labores, dolores, exüium: quia laborando profeei, dolendo sum 
expertus, exulando didici: quia inveni in brevi labore diutumam requiem, in levi 
dolore immensum gaudium, in angusto exüio patriam amplissimam. 

5 



66 ?• Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt 1586—1591. 

Hercules, den dreiköpfigen Höllenhund mit der dreifachen Tiara, 
gebändigt . und gezwungen habe, sein Gift auszuspeien. „Als 
jener Starke in voller Waffenrüstung, mit Keule und Schwert, 
mit Betrug und Uebermacht, mit List und Gewaltthat, mit 
Heuchelei und Frechheit, als Fuchs und als Löwe, kurz als Stell- 
vertreter des Höllenfürsten, durch einen abergläubischen Cultus 
und eine mehr als stumpfsinnige Ignoranz, unter dem Deck- 
mantel göttlicher Weisheit und Gott angenehmer Einfalt, die 
Menschheit vergiftete und Niemand da war, der es wagte, der 
gefrassigen Bestie entgegenzutreten und Widerstand zu bieten, 
um die entwürdigte und zu Grunde gerichtete Menschheit wieder 
besserer und glücklicherer Zustände froh werden zu lassen, 
— welcher andere Theil Europas und der Welt hätte da uns 
jenen Aleiden hervorzubringen vermocht, ihn, der um soviel her« 
vorragender als Hercules ist, als er mit leichterer Mühe und 
geringerem Kraftaufwand sogar noch grösseres vollbrachte? 
Oder soll ich etwa nicht sagen, es habe es derjenige auch schon 
vollbracht, der seine so herrliche Arbeit. so ernst und nüchtern 
angegriffen hat? Wenn du nun siehst, wie jenes Monstrum, 
welches grösser war und weit verderblicher wirkte, als irgend 
ein anderes in sämmtlichen vorhergehenden Jahrhunderten, end- 
lich am Boden liegt und du wunderst dich, mi t welchen M itteln 
diese That zu Stande gebracht worden ist, nun denn: 
|f Frage der Keule nicht nach, war es ein Federkiel doch x ) ! 



1) Ibid. : Hie tripUoi iüa tiara insignem tridpitem ülum Cerberum, ex tenebroso 
tduetum oreo vidistis vos, et iUe solem. Hie Stygius ille eanis eoaetus est aeonitum evo- 
mere... . Cumfortis ille armatus, elavibus et ense, fraudibut et vi, astubut et violentia, 
hypoorisi et feroeitate, vulpes et leo, vicarius tyranni in/emalis, supersUtioso euUu 
et ignorantia plus quam brutali, sub titulo divinae sapientiae et simplieitatis Leo 
gratae, inßeeret Universum; et voraeissimae bestiae non esset qm änderet adver sari 
et obsistere contra, pro disponendo indigno et perditissimo seeulo ad meliorem et 
feliciorem formam atque statum , quae reliqua Europas et mundi pars protulisse 
potuit nobis ülum Aleidem , tanto ipso Biereule praestantiorem , quanto faeiliore 
negotio et instrumento majora perfeeit (an non enem etiam perfeeisse dieam eum, 
qui tarn strenue atque frugaliter negotium tarn egregium est adorsus?). Si quippe 
majus et lange pemieiosius monstrum omnibus, quae tot ante seculis extitere 
peremptum vidss, 

De elava noli quaerere, penna fuit. 



. 7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 67 

Und wenn du fragst, woher kam er nur? woher? So lautet 
die Antwort: Aus Deutschland, von den Ufern dieser Elbe, aus 
der Fülle dieses Borns! Hier an dieser Stätte hat euer Lands- 
mann und Hercules über die ehernen Pforten der Hölle, über 
die mit einer dreifachen Mauer umzogene Zwingburg, die der 
Styx neunfach umwindet, den Sieg davon getragen. Du hast, 
o Luther, das Licht gesehen, das licht erkannt, betrachtet, du 
hast die Stimme des göttlichen Geistes gehört, du hast seinem 
Befehl gehorcht, du bist dem, allen Fürsten und Königen Grauen 
erweckenden, Feinde unbewaffnet entgegengetreten, du hast ihn 
mit dem Worte bekämpft, zurückgeschlagen, niedergeschmettert 
besiegt und mit den Trophäen des übermüthigen Feindes in 
den Himmel emporgefahren J ). a 

Bruno begeisterte sich flir Luther nicht wegen des positiven 
TheUes von dessen neuer Lehre; an dieser konnte der Dichter- 
philosoph von seinem kosmischen Standpunkt aus begreiflicher- 
webe ebensowenig Geschmack finden, als an der Lehre Calvins, 
wie er denn ja auch wirklich die ätzendste Lauge seines Spottes 
über die alleinseligmachende Wirkung des Glaubens ohne Werke 
ausgiesst 2 ). Bruno feierte in Luther den siegreichen Bekämpfer 
der römischen Hierarchie und des Papstthums, den hochsinnigen 
Begründer der freien Forschung, für welche ja gerade der No- 
laner häufiger und enthusiastischer als irgend einer seiner Zeit- 
genossen das Wort ergriffen und endlich sein Leben eingesetzt 



1) Ibid.: Unde iUef unde? ex Germania, ex ripie+stius Alois, ex ubertate 
fontis istius .... Hie vester et vestras Hercules de adamantinis inferni portie, 
de cwitate illa tripliei circumdata muro , et quam noviee Styx interfusa eoereet, 
triumphavii. Vidisti Luthere lucem, vidisti lueem, considerasti, excitantem divinum 
spiritum audieti, praedpienti tili obedisti, horrendo prineipibue atque regibue im- 
mico inermis oeeurristi, verbo oppugnasti, repugnasti, obstitüti, restitisti, vieistt, 
et hottis tuperbiesimi spolia atque trophaeum ad euperoe evexisti. 

2) Im Spacoio d. b. tr. (Wagner II, 167): . . . »i paseano di quei eibi, 
ehe mediante la loro riformata legge li sono statt destinati, e novamente prodotti 
da queeti personaggi pii, ehe fanno tanto poeo stima de Vcpere operate, e solamente 
per una importuna, vile'e etolta fantasia ei stimano regt del eieh e figli de U dei, 
e piu eredeno et attribuiseono ad una wna, bovina et asinina ßduoia, che ad un 
utile, reale et magnanmo effetto. Mit Behagen übersetzt Clemens in seinem 
katholischen Schriftchen: Giordano Bruno und Nicolaus von Cusa, pag. 
230—238 Bruno's sämmtiiche Ausfalle gegen die protestantische Glaubenslehre. 

5* 



68 7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586 — 1591. 

hat. Bruno erwartete nur von diesem Schlage gegen die mili- 
tärisch organisirte Weltmacht des päpstlichen Roms jene gewal- 
tige Umwälzung in allen Lebensformen, die er, ein Seher ohne 
gleichen, seinen Zeilgenossen laut verkündete. Bruno hat sich 
nicht getäuscht Trotz der Verknöcherung, welcher auch der 
Protestantismus nur zu bald wieder anheimfiel, ist derselbe 
gleichwohl, von der Reformation bis zur Gegenwart, der Hort 
der Geistesfreiheit gewesen und geblieben. Ohne den Protestan- 
tismus wäre die deutsche Poesie, Wissenschaft und Philosophie 
der Neuzeit gar nicht gedenkbar und Kepler, Leibnitz, Kant 
und Goethe schlummerten im Schoosse des Nichtseins 1 )/ 

b) Bruno in Prag und Helmstädt. 

. 1588—1590. 

Von Wittenberg wandte sich Bruno nach Prag, das damals 
noch nicht in den Händen der Barbaren lag, sondern noch als 
unverfälscht deutsche Universität wirkte. Dort residirte Kaiser 
Rudolf H., bekannt durch die in der Geschichte der Astronomie 
berühmten Rudolphinischen Tafeln. Rudolf war ein jedes höheren 
Gedankens unfähiger Querkopf, dessen Hinneigung zu den Geheim- 
wissenschaften , als Alchemie und Astrologie, schliesslich doch 
auch der wirklichen Wissenschaft, zumal dar Astronomie, zu 

i- . " 
1) Selbst Ed. v. Hartmann, der Verfasser der „Selbstzersetzung des 

Christenthums", anerkennt pag. 13 jenes Werkes: „. . . durch die all mal ige 
unvermerkte Ueberführgng von der Heteronomie des äusserlich vorgeschrie- 
benen und vom Beichtvater persönlich vertretenen Gesetzes zur Autonomie 
des eigenen sittlichen Bewusstseins wird der Protestantismus der grösste 
Wohlthäter des Volkes, der propädeutische Cursus von der Sclaverei des 
Gesetzes zur sittlichen Selbstbestimmung und Selbstbeherrschung, mit einem 
Wort der Erzieher des Volkes zum rechten Gebrauch der Freiheit» 1 ' Und 
pag. 1 1 : „Der Culturfortschritt seit der Reformation ruht in geistiger Hin- 
sicht ausschliesslich auf den Schultern des Protestantismus und auf 
jenen Strömungen in katholischen Völkern, die sich mit mehr oder weniger 
Bewußtsein auf die Errungenschaften des Protestantismus stützen. Die katho- 
lischen Völker wurden ein cmput morimum der Geschichte sein, etwa wie die. 
Anhinger des Dalai Lama in Tibet, wenn sie nicht geographisch mit den 
protestantischen so durcheinander gewürfelt wären, dass sie für diese und 
ihr« Culturentwickelung eine bestandige Bedrohung bilden und sie desshalb 
zur energischeren Ausnutzung ihrer Kräfte anspornen." 



7. Bruno's Schicksale in der deutsch. We t. 1586—1591. 69 

Gute kam. Hintereinander wirkten hier in Prag Tycho de 
Brahe, den Bruno den grössten Astronomen seiner ZeiTnennt, 
dann Bruno selber und nach ihm Kepler, welcher sich der Ver- 
dienste TBruno's um die Erweiterung des astronomischen Ideen- 
kreises selbst gegen Galilei, der Bruno zugleich ausbeutete und 
ignorirte, stets auf das wärmste annahm 1 ). Bruno hoffite am 
kaiserlichen Hof in Prag Mäcenaten, wie König Heinrich HI. 
und dessen Gesandten Castelnau wiederzufinden, wenigsten suchte 
er sich sofort dem spanischen Gesandten, Wilhelm von San 
demente, durch ein Lateinwerkehen 2 ) über die Lullische Kunst 
zu empfehlen. Denselben Versuch wiederholte er bald nachher 
beim Kaiser selbst, dem er die Schrift: Hundertsechzig Ar- 
tikel GEGEN DIE MATHEMATIKER UND PHILOSOPHEN DIESES 

Zeitalters 3 ) widmete. 

Die Widmung an Kaiser Rudolf athmet hohes Selbstbewussteein 
und enthält so viele, Bruno's innerstes Gemüthsleben enthüllende, 
Bekenntnisse, dass dieselbe weiterreichende Berücksichtigung ver- 
dient, als ihr bis jetzt zu Theil geworden ist Bruno beklagt 
es tief, dass unter dem Einfluss Zwietracht säender Furien, die 
sich, um die Völker gründlich unter einander zu verhetzen, das 
heuchlerische Ansehen gottgesandter Friedensboten gegeben, die 
Welt dermassen entzweit worden ist, dass nun der Mensch mit 
dem Menschen mehr in^wiste" liegt als mit den anderen Ge- 
schöpfen, dass der Mensch dem Menschen ärger zuwiderlebt 
als allen andern Lebewesen und jenes weit und breit verkündete 
Gesetz der Liebe in völliger Nichtbeachtung zu Boden liegt, 
jenes Gesetz, das nicht etwa vom Teufel einer Nation, sondern 
in Wahrheit von Gott, dem Vater aller Wesen, ausgegangen ist, 



1) S. Berti, Vita di G. Br., pag. 8—9 und pag. 221. 

2) De Spbcibbum Scrutinio st Lampade Combinatobia Raymundi 
Lullii. Ad exeeUentieeimum Guü. de 8. Ckmtnte, reffte JUepaniae in aula im- 
perat. legatum. Pragae 1688. Bei Gfböbeb, pag. 601. 

3) Jobdani Bbüni Nolani abticuli Cbntüm et Sexaginta advebsus 

HUIUS TEMPE8TATI8 MATHEMATICOß ATQUE PHILOSOPHOS. CmtUtn Üem et OOtO- 

ginta Iraxee, ad totidem problemata, eaeterie quaedam ardua, quaedem vero un- 
poesiöüia, poseibüi et faeiUore negotio pereequenda. Ad Divurn Rodolphum II 
Ronumorutn Imperatoren*. 8°. Pragae, ex typographia Georgii Daczieeni, 1588. 
Auf der kgl. Bibliothek zu München. 



70 7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586— J591. 

da ,ea_im Einklang steht mit der Natur des Weltganzen, jenes 
Gesetz, welches die allgemeine Menschenliebe lehrt, mit welcher 
wir sogar unsere Feinde heben sollen , auf dass wir nicht den 
wilden Thieren und den Barbaren ähnlich seien, sondern nach 
dem Bilde jenes umgeschaffen werden, welcher seine Sonne auf- 
gehen lässt über Gute und Böse und den Regen seiner Gnade 
auf Gerechte und Ungerechte träufeln lässt. Das ist diejenige 
Religion, welche ich, weil sie keiner Gründe bedarf und über 
jeden Meinungsstreit erhaben ist, sowohl aus eigenem Gemtiths- 
bedtirfhiss, als aus Rücksicht auf vaterländisches Herkommen 
befolge 1 ). : 

Alsdann betheüert Bruno, wie er in Sachen der Philosophie 
niemals der Gewohnheit des Glaubens nachgegeben, sondern 
jederzeit es sich zum Princip gemacht habe, auch dasjenige zu- 
nächst in Zweifel zu ziehen, welches sonst für das AHergewisseste 
gelte 2 ). Denn es Verstösse gegen die Würde der, menschlichen 
Freiheit 3 ), sich in seinen Ueberzeugungen nach den Meinungen 
des grossen Haufens zu richten. Er würde sich desshalb deö 
Undanks gegen das ihm von Gott verliehene Licht höherer Ein- 
sicht schuldig machen, wenn er anders, denn als Bekämpfer der 

1) . . . sujgestione misanthropon spirituum, minüterioque JErtnnyumnnfernalium 
(quae ignem in gentibus acoendentes propacis nuneiis, etgladium discordiae etiam inier 
maximo junctas immitentes, sepro Mereuriis a coelo delapsis,praes$igiis, imposturaque 
müUiplici venditaruntj eo deventum sit, ut plus homo ab Jiomine quam a oaeteris dissi- 
deat, et plus homo kommt quam oaeteris adver setur animantibus, et lex illa, Amoris longe 
lateque diffusa, nusquam servatajaeeat f quae non ab unius gentis cacodemone, sedcerte 
a Deo omnium patre profeeta (utpote naturae universali eonsonaj generalem edieü 
philanthropiam, qua et ipsos diligamus inimieos: ne brutis barbariaque simües cön* 
sistamus, sed in illius tronsferomur imoginem , qui Soletn suum oriri faeit super 
bonos et tnalos, et gratiarum pluviam super just os instillat efcjnjustos. Haec iftu 
religio est, quam sine ulla eontroversia, et eitra omnem disputationem , tum ex 
animi sententia, tum etiam ratione patriae eonsuetudinis atque gentis observo. 

2) Ibid.: Quod vero ad liberas diseipUnas attinet 7 tantum absit a me cre- 
dendi consuetudo, institutioque magistrorum atque parentutn', quin imo et communis 
ille sensus qui (ipsomet judieej multoties atque multifariam nos deeipere et cireutn- 
venire convincüur: ut nunquam a me in philosophiert partibus fernere quippiam 
et sine ratione proferatur, sed aeque mihi dubia eint,' ut quae difficiUima et ab- 
surda putantur, ea quae certissima habentur atque evidentüsima , sieubi et quando 
in eontroversiam fuerint addueta. 

3) Ibid.: contra humanae libertatis dignüatem. 



7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 71 

jrerrostfeten Schulweisheit aufträte *). Da er die Gabe des Sehens 
besitze, wolle er nicht dergleichen thun, als sähe er nicht, son- 
dern furchtlos seine Ansicht äussern, da ja doch einmal der 
Krieg zwischen licht und Finsterniss, zwischen Wissenschaft 
und Unwissenheit ein ewiger sei, wie er denn den Hass, die 
Schmähungen, Verleumdungen und thätlichen, sich bis zur Lebens- 
gefahr steigernden Angriffe der stumpfsinnigen, dummen Menge, 
die vom Senat der graduirten Väter der Ignoranz aufgewiegelt 
worden sei, erfahren, an der Hand der Wahrheit und unter 
der Leitung des höheren Lichtes aber überwunden habe 2 ). 

Kaiser Rudolf erwiederte die Dedication dieser Schrift mit 
einem Geschenk von 300 Thalern, die nun den Nolaner in den 
Stand setzten, Prag wieder zu verlassen. Denn trotz Bruno's 
sechsmonatlichem Aufenthalt in Prag hatte es ihm nicht glücken 
wollen, daselbst Unterkunft und Brod zu finden. Desshalb 
machte er sich gegen Ende des Jahres 1588 wieder auf die 
Heise und lenkte seine Schritte nach Helmstädt. 

Die Universität Helmstädt, an welcher nun Bruno sein 
Glück versuchte, war damals die jüngste deutsche Hochschule. 
Von Herzog Julius von Braunschweig (reg. 1568 — 1589) am 
15. October 1576 gegründet, um der Durchführung des Protestan- 
tismus in^seinen Landen als fester Anhaltspunkt zu dienen, war 
es rasch zu grossem Ruf und einer zahlreichen Studentenschaft 
gelangt. Der freie Geist, der den Herzog beseelte, fand seinen 
Widerhall in dem Kreise der Professoren, welche die neue Lehre 
wissenschaftlich zu vertreten hatten. Kein Wunder desshalb, 
wenn Bruno hoffte, an dieser neuen Heimstätte freier Forschung 
Privatunterricht und Auskommen finden zu können. Entsprach 
doch die souveraine Stellung, welche die Universität Helmstädt 



1) Ibid.: ingratüsimus essem atque vesanus, eaque luminis participatione 
indignus, si altenu* eonetituar actor atque pugü: aUenis nempe videns , sentiem, 

judieaneque lutninibus.** 

2) Ibid.: Videntes ergo , lidere non disrimulamus, et aperte profiuri non 
veremur: utque continuuni, bellum ,e$t inter lucem atque tenebrae, doetrinam et ig» 
norantiatn, ita ubique odiutni eonvitia, elamores et ineuUus (non eine etiam vitae 
perieuloj a bruta, stupidaque multitudine , eoneitante eenatu graduatorum patrum 
ignorantiae, tumus ezperti, manuqu* verüatis, divinioreque lumin* Suee tuper- 



72 7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 

im Sinn und Geiste ihres Stifters gegenüber dem Gezanke der 
Theologen einnehmen sollte, so völlig dem Ideal wahrer Geistes- 
freiheit, wie es Bruno in seiner Dedicationsepistel an Kaiser Ru- 
dolf aufgestellt hatte, dass man zu der Annahme versucht wer- 
den könnte, Herzog Julius habe den Nolaner auf Grund dieses 
Werkes direkt von Prag berufen. Denn Bruno traf unmittelbar 
zu Anfang des Jahres 1589 in Helmstedt ein und wurde auch 
gleich am 13. Januar immatriculirt. Nun begannen dir den No- 
laner wieder schönere Zeiten. In Herzog Julius lernte er einen 
Fürsten kennen, „dessen Lob dauern wird, so lange es eine 
vaterländische Geschichte giebt und dessen Bild durch jede neue 
Entdeckung aus den Archiven seiner Zeit in ein glänzenderes 
Licht gesetzt wird 1 )." Niemals noch hatte Bruno die Freund- 
schaft eines Fürsten gewonnen, der so wie Herzog Julius be- 
strebt war, sich die herrschsüchtige Theologie vom Leibe zu 
halten. In einer Conferenz mit dem bekannten Theologen Timo- 
theus Kirchner am 6. Juli 1582 hatte der Herzog erklärt: „Wir 
lassen uns von unseren Theologen nicht regieren, denn sie, eben- 
sowohl als die Weltlichen , Lottes Wort unterworfen^teindi Gott 
wird auch den Himmel mit Theologen allein nicht füllen, denn 
er flir die Theologen allein nicht gelitten, sondern insgemein für 
alle Stände der Welt, sowohl für den Jüngsten als für den 
Aeltesten, den Aermsten als den Reichsten, ohne Unterschied der 
Person. Wir gedenken sobald in den Himmel zu kommen 
als die Theologen. Wir befinden auch, dass die Theologen 
selber noch so weit von einander sind, als Himmel und Erde, 
denn leider keiner mit dem andern in friedlicher liebe und Ein- 
heit leben kann, sondern es einem Jeden um eine Handvoll 
menschlicher Ehre zu thun ist, wie sie denn allein ihren mensch- 
lichen Gedanken und Opinionen in Vielem nachhängen. Wir 
wollen uns aber den Theologen nicht unter die Füsse legen, die 
einen Fuss auf der Kanzel, und den andern auf der fürstlichen 
Rathsstube haben wollen. Jedoch werden auch die andern poli- 
tischen Fürsten den hof&rtigen Theologen so weit nicht nach- 



1) Bodbmann in seiner Monographie über Herzog Julius von Braun- 
schweig in Müllers Zeitschr. f. dtsche. Culturgesch. , N. F., Bd. 1 (1872), 
pag. 197—238. 



7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1566—1591. 73 

hängen, dass noch einmal (nämlich nach dem schmalkaldischen 
Kriege) ein proteatirender Krieg und Blutbad über die Christen- 
heit daraus werde. Denn mit hoffilrtigen neidischen Köpfen 
kann man nicht Kirchen bauen und erhalten. Die Theologen 
wollen andern eine Formulam concordiae vorschreiben, da doch 
einer dem andern im Grunde und von Herzen spinnefeind ist 1 )." 
„Wie denn," schreibt er an die drei Kurflirsten von Pfalz, 
Sachsen und Brandenburg, „unter dem Scheine eines christlichen 
Eifers meistens Privataffekte bei solchen Leuten» viel mehr als 
bei andern prädominiren , und den Knüttel bei den Hund zu 
legen, ganz hochnöthig ist." 

Der genussreiche Umgang mit diesem geistvollen Fürsten 
sollte jedoch Bruno nicht lange beschieden sein. Denn schon 
nach wenigen Monaten, am 3. Mai 1589, starb Herzog Julius. 
Langdauernde Trauerfeierlichkeiten begannen. Die Academia 
Julia Hess zu Ehren ihres Stifters vom 8. — 11. Juni Leichen- 
reden halten. Bruno's Stellung zum verstorbenen Herzog und 
sein offenbar günstiges Verhältniss zu den Professoren erklären 
es, wenn ihm gestattet wurde, nach den Vorträgen von Mit- 
gliedern der Academie zum Schlüsse noch eine Lobrede zu 
halten, die er dann unmittelbar nachher drucken liess 2 ). Vor 
versammelter Universität pries Bruno am 1. Juli das günstige 
Geschick, das ihm nach so vielen Trübsalen und Enttäuschungen, 
die er für die Wahrheit erduldet, endlich in ein Land geführt habe, 
in welchem er, nicht mehr länger dem gefrässigen Rachen des 
römisc hen Wolfes ausgesetzt, in voller Freiheit leben "könne" 5 ). - " 
Dort draussen an einen abergläubischen und überaus. wahnwitzi- 
gen Cultus gebunden gew&en, athme er unter der Herrschaft 
reformirter Gebräuche wieder auf. Dort draussen der Gewalt- 



1) Ibid.: Bd. 4 (1875), pag. 219. 

2) Obatio consolatoria Jordani Bruni Nolani Itali D. habita in 
üluttri ceUberrimaque Academia Julia. In ßne tolemnissimarum exequiarum in 
oöitum IÜustriuimi potmtitaimiqtte Princtpes Juln, Dueis Brunsvictnsium Lunt- 
burgcnsium Aß. Prima menns Julii Anni 1589. 4°. Eelmttadii. Diese Bro- 
schüre in 4° ist sehr selten, sogar die Göttinger Universitätsbibliothek be- 
sitzt nur eine Abschrift. 

3) Ibidem : non easu, sed Providentia quadam factum etat censeo, ut neacio 
quo ventu seu tempertote od regionem hane compuUua fucrim. 



74 "• Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 

thätigkeit der Tyrannen schier erlegen, lebe er hier unter den 
Wirkungen der Liebenswürdigkeit und Gerechtigkeit des aus- 
gezeichnetsten Fürsten wieder auf, und soweit sich einer tüchtig 
und fehig erweise, werde er nach dem eigensten Wunsche 
und Willen desselben mit Ehren überhäuft. Die Musen, die 
nach dem Gesetze der Natur, nach dem Rechte der Völker und 
nach den Erfordernissen der Civilisation frei sein müssten, lebten 
hier unter der Obhut eines hochsinnigen Fürsten in Ruhe und 
Frieden, während sie in Italien und Spanien von feilen Priestern 
unter die Füsse gestampft würden, in Frankreich durch den 
Bürgerkrieg die ärgsten Unbilden erduldeten, in den Niederlanden 
in Folge häufiger Aufstände am Boden lägen und in gewissen 
Gegenden Deutschlands jammervoll dahinsiechten 1 ). 

Der Herzog Nachfolger, Heinrich Julius, an Bildung, Frei- 
muth und fürstlichem Hochsinn seinem verstorbenen Vater eben- 
bürtig, verehrte Bruno für seine Trostrede 80 Thaler und er- 
wies sich ihm auch in andern Beziehungen hülfreich. Die Huld 
des Herzogs vermochte jedoch Bruno nicht vor der Wu th der^ 
Theologen zu schützen , die seine Verteidigung des copernicani* 
sehen Weltsystems verabscheuten! Und so musste es denn der 
Philosoph erleben, eines Sonntags von dem Superintendenten der 
Kirche zu Helmstädt, Boethius, in öffentlicher Predigt excom* 
municirt zu werden. Nach dem eigentlichen Sinne dieses Aus- 
drucks müsste Bruno in Helmstädt convertirt haben. Da er 
aber, trotz der Verherrlichung Luthers in Wittenberg, fttr die 
Dogmatik des Protestantismus stets und überall nichts als 



1) Ibidem : In mentem ergo, in tnentem (Itale) revocato, te a tua patria ho~ 
nestü tuis rationibus atque studiis, pro veritote exulem, hie civem. Ibi gulae et 
voracitati lupi Momani expositum, hie liberum. Ibi superstitioso insanüsimoque 
eultui adstrictum, hie ad reformatioret ritu» adhortatum. Mite tyrannorum vio- 
lentiä mortuum, hie optimi Prineipis amoenitate atque justitia vivum, et quatenut 
te capaeem efieü et ostendü, qfieiis etiam et honoribus, sattem pro ejus dem votie 
et intentione, cumulatum. Musae enim iUae ordine naturae, jure gentium, eivi" 
libmque legibus non immerito liberae, quae in Italia et Hispania vüium presby- 
lerorum pedibus conculcantur, in Gallia dücrimina extrema civüi hello patiuntur, 
crebris in Belgia eoneutiuntur fluetibus et in quibusdam Germaniae regionibus in- 
foelicissime torpent. Hie solidantur, eriguntur, tranquillüsime degunt atque cum 
suis studiosis optime pro Prineipis arbitrio vigeseunt. 



7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 158$— 1591. 75 

Spott und Hohn in Bereitschaft hat, so ist" die Annahme von » jU l A fJhiC 
Bruno' sJUebertritt zum Protestantismus durchaus ungerechtfertigt, >%^ . 
um so mehr, als auch die eigenen Bekenntnisse des N6Ianers^ MC/ ^ *" 
vor der Inquisition zu Venedig jede Gemeinschaft mit den Ketzern \v\t nftji O &K> 
in bestimmteste Abrede stellen *). Der Ausdruck Excommuni- tonacKokvi - 
cation bezog sich also nur auf Bruno's Ausschliessung vom rf .^fc 
Predigtbesuch und war vielleicht verbunden mit einer Verwar-/r • , 

nung derjenigen Schüler, die seinen Privatunterricht genossen. ^ r , ^ , 
Da der Angriff auf seine Existenz ganz unvorhergesehen und c* , -hn^u« 
ohne jede vorgängige Untersuchung gekommen war, so beschwerte 
sich Bruno am 6. October in einer Zuschrift an Rektor und 
Senat der Universität und verlangte Genugthuung. Wie viel 
oder wie wenig bei diesem Schritte herausschaute, wissen wir 
noch nicht, doch ist es wahrscheinlich, dass Bruno noch einige 
Zeit in Helmstedt geblieben sei. Aber für die Folge war durch 
diesen Gewaltakt des Superintendenten Bruno's Schicksal an der 
Alma mater Julia besiegelt. Der Verstossene mochte gegen die : ; 

Excommunication protestiren soviel er wollte, er mochte sich auch j 

auf sein gutes Recht berufen, auf Grund einer gerichtlichen 
Untersuchung abgeurtheilt zu werden, — es half nichts, fort ■ 

musste er, der Philosoph musste dem Herrn Hauptpastor weichen, * 

Da ihm die Vorlesungen abgeschnitten wurden, entging ihm die 
Möglichkeit, sich seine Existenz zu fristen. Die Angriffe des i 

Theologen und Rektors Dan. Hofmann gegen die Philosophie 
mögen obendrein das ihrige dazu beigetragen haben, um Bruno's " 

Entschluss, Helmstädt zu verlassen», noch bälder zur Reife zu 
bringen. Denn die Bitterkeit, mit welcher Bruno sich im Com- 
mentar zu seinem eben damals im Abschlüsse begriffenen Latein- 
gedichtes De Immenso über Hoftnann äussert, lässt einen Schluss 
zu über die Kampfweise, mit welcher man den verhassten Neuerer 
fortzudrängein suchte. Die Stelle, in welcher Bruno seiner Ver- 
achtung gegen den von ihm als ebenso perfid wie unwissend 
geschilderten Rektor freien Lauf lässt, ist zu drastisch, als dass 
sie hier nicht zugleich als Probe der Keulensprache dienen sollte, 

1) Bruno's gegen diesen Gewaltakt des Pastors Boethius beim Rektor 
Dan. Hofmann am 6. Oct. eingereichte Beschwerdeschrift hat aus einem 
Wolfenbtittler Manuscript abgedruckt Henke, Die Universität Helmstadt im 
16. Jahrhundert (1833), pag. 69. 



76 ?♦ Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 

deren der Dichterphilosoph im geeigneten Momente fähig war. 
„Der Scholarch und ausnehmend wichtige Erzschulmeister, der 
Khadamanthys der Knaben, der auch nur von gewöhnlicher 
Philosophie nicht eine Ahnung hat, wiewohl er, weil es eben 
einmal so hergebracht ist, versichert, man könne die peripate- 
tische Philosophie nicht himmelhoch genug rühmen: — der ur- 
theilt über Sinn und Geist göttlicher Männer, deren Staub und 
Asche allen Seelen dieser Gattung vorzuziehen sind, mit 
schnöder Wegwerfimg. Zuerst verfälscht er das geschriebene 
Wort und kehrt dann aus frecher Ignoranz die Hypothese jenes 
Berühmten lügnerischerweise in ihr Gegentheil um, indem er be- 
hauptet, der Himmel stehe still, während zwar die Erde, nicht 
jedoch der Mond und die sämmtlichen Sterne sich bewegten. 
Was sollen wir nun aber einem Schulfuchs antworten, das er 
begreifen wollte oder könnte? Was sollen wir mit diesem ab- 
geschmacktesten Lümmel anfangen? Vor welchen Vorkäuer 
sollen wir ihn rufen? Zu was sollen wir das Fell jenes Frech- 
lings, der sich herausnimmt, über seine Staubtrockenheit und 
stinkenden Leisten hinauszugehen, verarbeiten 1 )?" Wahrlich ein 
würdiges Vorspiel zu der zweihundert Jahre später erfolgenden 
Abschlachtung des Herrn Hauptpastors Goeze! Die fortgesetzten 
Nadelstiche des Herrn Superintendenten, verbunden mit den 
Wühlereien des Herrn Rektors, hatten aber schliesslich doch den 
Erfolg, dass der verhasste Herold der copernicanischen Welt- 
anschauung es schliesslich vorzog, Helmstädt zu verlassen und 
nach Frankfurt überzusiedeln, um den Druck der Lateihwerke 



1) De Immenso, Lib. IV, cap. 10, pag. 399: Bae scholareha eximiusque 
ludi Minervaiis moderator, puerorum Rhadamanthus neque ordinarium philo- 
sophiam callens , quam pro more laudibus ad astra vehendam dieit peripatetieam : 
perperam de divinorum hominutn (quorum cinerea Omnibus hujus generis animobus 
sunt anteferendi) , sensu judioat. Postquam literarum falsißeationem et menda- 
ciseimam (ex fönte temerariae ignoraniiae) illustris iUius positionis eversionem 
(caelum quippe stare üie dixit, motu tellure, non autem lunam et omnes Stellas, 
et omnia super a) nosti quotnodo actum deinde expediat. Nos vero quid gram- 
matieo respondebimus quod ille eapere velit vel possü? Quid peeorum omnium 
insulsissimo faeiemue? ad quem promeritorem appellabimus? Quid de corio illius 
(qui ultra suam pulverulentiam stereoreamque erepidam tarn temerarie audax ad- 
surgitj faciendum existimabimus? 



7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586 — 1591. 77 

die er den Winter über vorbereitet, persönlich tiberwachen zu 
können. Er wird um die Mitte des Jahres 1590 in Frankfurt 
angekonftnen sein 1 ). 

c) Bruno in Frankfurt und Zürich. 
1590—1591. 

Frankfurt a. M. war damals das Centrum des deutschen 
und europäischen Buchhandels, es hatte die jährliche Bttcher- 
messe, es war das Leipzig des sechszehnten Jahrhunderts. Dort 
unterhielten die grossen Buchhändler und Verlagsfirmen wie 
Aldus von Venedig, die Froben von Basel, die Stephanus von 
Lyon und die einheimischen Wechel auf eigene Kosten ihre 
Gelehrten. Bruno gewann für die Herausgabe seiner schon in 
Helmstädt vorbereiteten Werke die Druckerei von Joh. Wechel 
und Peter Fischer. Diese verpflichteten sich, ihn während des 
Druckes seiner Werke frei zu halten, wogegen er selber die 
Verpflichtung einging, die nöthigen Beweisfiguren selber zu 
schneiden und die Correctur zu lesen. Die Verleger brachten 
ihn, als es sich als unmöglich herausstellte, ihn in ihr eigenes 
Haus aufzunehmen — der Bürgermeister versagte ihm das Recht 
des Aufenthalts in Frankfurt — im Carmeliterkloster unter 8 ). 
Der Prior desselben schätzte ihn als Mann von Geist und 
universeller Bildung, behauptete aber steif und fest, er habe 
keine .Religion,. Dagegen wollte er von Bruno gehört haben, 
er Tiätte sich nur daran zu machen gebraucht, so wollte er in 
wenigen Jahren die ganze Welt zu einer einzigen Religion be- 
kehrt haben. Uebrigens war Bruno nach den spätem Aussagen 
..des Priors, den ganzen Tag beschäftigt, zu schreiben und hin 
lind her zu gehen, grübelnd und neuen Dingen nachbrütend 3 ). 
Daneben hielt er, natürlicherweise ohne Erfolg, „häretischen 



1) Nach den Angaben des Frankfurter Bürgermeisterbuches vom 
2. Juli 1590 bei Sigwart, Kl. Sehr., Erste Reihe, pag. 121. 

2) Doc. IX (bei Berti, Vita di G. Bruno, pag. 348): B m Franefort 
sono stato da sei meai in circa aUoggiando nel convento de 1 Carmelüani luogo 
asrignatomi dal atampator , ü quäl era obbligato a darmi stantia. Dazu noch 
Sigwart a. a. O. ■ p 

3) Der venetianische Buchhändler Bertano im Zeugenverhör vor dem 
Inquisitionstribunal in Venedig berichtet im Doc. V bei Berti, Vita d 



78 ?• Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt 15S6 — 1591. 

Doctoren" Vorträge über die lullische Gedächtnisskunst 1 ) und 
machte Bekanntschaft mit den Buchhändlern, die jährlich zwei- 
mal die Frankfurter Büchermesse - besuchten und mehrfach in 
demselben Kloster Quartier nahmen. Unter diesen sind nament- 
lich hervorzuheben die Venetianer Ciotto und Bertano, welche 
später im Zeugenverhör zu Venedig eine Rolle spielten. Er- 
staualicherweise fand der raschdenkende Mann neben allen diesen 
Beschäftigungen noch Zeit genug, um sich an den Disputationen 
zu betheiligen, welche alljährlich während der Messe gehalten 
wurden. Dann strömten in Frankfurt Gelehrte von allen deut- 
schen Hochschulen, sowie von den Universitäten Padua, Oxford, 
Cambridge zusammen und hielten über die verschiedenartigsten 
Themen ihre Streitgespräche. Es lässt sich denken, dass ein 
allen Sätteln der Dialektik gerechter Ideenkämpe und Streithahn 
wie Bruno, bei solchen Gelegenheiten sein Licht nicht unter den 
Scheffel stellte. 

Bruno's Aufenthalt in Frankfurt dauerte etwa ein halbes 
Jahr 8 ), wurde aber durch einen mehrmonatlichen Abstecher 
nach Zürich unterbrochen. Während desselben hielt Bruno vor 
einem ausgewählten Kreise junger Männer Vorträge über Meta- 
physik 3 ) und zwar in Form monographischer Charakteristiken 
von 62 Hauptbegriffen der Logik und Ontotogie, welche Bruno, 
wie später Hegel, ineinanderschmolz. Unter seinen Zuhörern 
zeichneten sich vor allem zwei Jünglinge aus: ein reformirter 
Pfarrer von poetisch -philosophischer Geistesrichtung, Raphael 



G. Bruno, pag. 337): II detto Giordano, per quanto mi diese il Prior de quel 
eonvento in Franc/orte, se occupava per il piit in seriver e andar ehimerizzando 
e strolegando ooee nove. Ferner: Me diese ben quel Rühre Prior del Carmine 
de Franeoforte , domandandoli ehe huomo era il detto Giordano , ehe egli haveva 
bei ingegno, e dette Uttere, et era homo universale 1 ma ehe non havefSL religione 
alcuna x per quanto lui eredeva: soggiungendo, egli diee, ehe sä piü ehe non sape- 
vano gli apostoU e ehe gli bastava Vanimo de f ar.se havesse volutojehe tutto il 
mondo sarebbe etato de una religione. 

1) Ebenda«., Legge** a dottori heretiei per ehe in quotta eitta sono heretiei. 

2) Nach Sigwart, £1. Sehr,, Erste Reihe, pag. 122, Anm. 14. 

3) Zeugenaussage des venetianiseben Buchhändlers Bertano vor dem 
Inquisitionsgericht von Venedig, Doc. VI (bei Berti, Vita di G. Bruno, 
pag. 337): in Surigo leggova, per quanto lui mi diese, a eerU dottori, non eo 
ehe letioni, »e foesero letioni di filosoßa o d* altra seientia. 



?♦ Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 79 

Eglin, welchem der Magistrat von Zürich noch in demselben 
Jahre 1591 wegen seiner Verdienste um die städtischen Schulen 
das Bürgerrecht schenkte *), — dann aber ein junger Patrizier 
von Augsburg, Joh. Heinrich Hainzel, welcher in diesem Jahre 
das Schloss Elgg bei Winterthur kÄuflich erworben hatte. Dieser 
Hainzel und sein Bruder Hans Ludwig führten auf dem neuen 
Junkersitze ein lustiges Leben und empfingen Besuche von allen 
Seiten. Adelige, Bürgerliche, Gelehrte und Magistrate waren 
willkommene Gäste 8 ). Auch Bruno scheint die Mäcenashuld 
des durch seine Schwiegermutter reich gewordenen Patriziers 

1) Ueber Raphael Eglin (geb. 1559, gest. 1622) vgl. zunächst Wage«. 
manns Artikel in der Allgem. Deutschen Biographie, Bd. 5 (1877), pag. 678 
bis 679, sodann aber den dort fehlenden altern und wichtigsten Lebens- 
abriss in Leu 's Allgem. Helvetischem Lexikon, Bd 6 (1752), pag. 224 — 229. 
Durch Bürgschaften für den Junker Hainzel im Betrag von 470 Kronen, 
wovon er am 24. November 1605 laut Schreiben an die Zürcher Obrigkeit 
270 Kronen abbezahlt hatte, in schwere Geldbedrängniss versetzt, suchte er sich 
durch Mitbetheiligung an Hainzels Goldmacherversuchen aus der Klemme zu 
ziehen und rühmt in einem an Dr. (Fistorius) gerichteten Lateinbrief vom 
28. November 1604: »Est autem ea res ita eerta et explorata, ut jam aliquoties 
specxmina tint facta a me et meie in magna quantitate. Lucrum in singulas 
marcas singulis aeptimani* perßciendas est deeem ßorenorum noetratium" Eglin 
war eine geistreich unruhige Faustnatur, wie er denn auch nach Leu, als 
er 1607 vom Landgrafen Moritz zu Cassel die vierte theologische Professur 
an der Universität Marburg, vorher aber von dieser den Doctortitel der 
Theologie erhielt, den faustischen Ausspruch gethan haben soll: Nunc sum 
Doetor, $ed non doctior. Seine 60 Schriften verzeichnet Lbu's Lexikon, pag. 
226—229. Einige 40 derselben besitzt die Zürcher Stadtbibliothek. Eglin 
versuchte sich auch als Dichter. In einem 6 Strophen haltenden Abschieds- 
gedicht an seine Frau (undatirt, etwa vom November 1605 von Konstanz 
aus?) äussert sich der Herr Pfarrer also über seine Kollegen: 

Die geistlichen all zusamen 
Sind all von einem stamen, 
Unns nit mehr lyden wand. 
An statt erbermbde, mitlyden, 
Bruchend sy zwifacht kryden, 
Domit wir werdind gschänt. 

2) Nach einer auf Notizen über die Geschichte des Schlosses Elgg 
gegründeten, freundlichen Mittheilung des ehemaligen, zürcherischen Staats- 
archivars Dr. Joh. Stbickleb. Schloss Elgg ging an die Herren Tägerstein 
resp. die Brüder Hainzel am 5. (resp. 15.) Jan. 1590 käuflich über um 
16,000 Gulden (laut Verbriefung vom 5. [resp. 15.] Merz 1590). Diese 



80 7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 

genossen zu haben. Denn warum anders sollte sonst Bruno 
dem Junker Johann Heinrich Hainzel sein Werk De Imaginüm, 
Signorum et Ideabum Compositione gewidmet haben? Wahr- 
scheinlich durch Hainzel war Bruno nach Zürich berufen 
worden und ebenfalls durch Hainzel kam nun Bruno in Berüh- 
rung mit Eglür, welcher noch vier Jahre später mit grosser Be- 
geisterung von den hervorragenden Geisteskräften seines Lehrers 
sprach. „Auf einem Fusse stehend, diktirte und dachte er so 
geschwind als ihm die Feder zu folgen vermochte, so raschen 
Geistes und von so grosser Denkkraft war er." Der fliessende 
Styl, in welchem diese, von Eglin zuerst in Zürich 1595, später 
in Marburg 1609 in zweiter Ausgabe als Summa terminorüm 
metaphysicorüm Jordani Brüni Nolani x ) herausgegebenen 



Summe wurde grösstentheils von der beiden Hainzels Schwiegermutter be- 
zahlt. In Folge des lustigen Lebens, welches sich auf dem gastfreundlichen 
Schlosse bald entwickelte, trat allmälig Erschöpfung der Geldmittel ein. 
Um dieser vorzubeugen, wurden Verbindungen mit Alchymisten angesponnen, 
die sich ihre Reisen in fremde Länder entweder zum Voraus gut bezahlen 
Hessen oder nachträglich enorme Rechnungen stellten. Als solche Salz- 
künstler d. h. Goldmacher werden erwähnt Hauptmann Bäldi von Glarus, 
Freuler von Schaffhausen und einer Namens Wasserhuhn von unbekannter 
Herkunft. Alchymistische Bücher wurden zu hohen Preisen gesucht und ge- 
kauft, ja sogar oft vorausbezahlt, ohne dass die Bücher kamen. Geldver- 
legenheiten, die darüber eintraten, wurden mehrfach von der Schwieger- 
mutter wieder gehoben, stellten sich aber immer wieder ein und Wucher- 
geschäfte, die der Noth abhelfen sollten, verschlimmerten dieselbe nur. So 
lief denn bis 1598 eine amtlich festgestellte' Schuldenmasse von 80,000 'Gul- 
den auf, deren Bezahlung wieder die Schwiegermutter auf sich nahm. 1599 
ging dann die Herrschaft Elgg käuflich an einen Herrn Bonaventura von 
Bodeck über. Ueber Hainzel vgl. noch Sigwart, Kl. Sehr., Erste Reihe, 
pag. 123, Anm. 16. Ueber Bruno's Aufenthalt in Zürich ist bis jetzt aus 
Züricher Quellen nichts zu erfahren gewesen. 

1) Summa terminorüm metaphysicorüm ad capessendum Logieae et Philo- 
tophiae Studium, ex Jordani Bruni Nolani Entie JDeseeneu manuser. exeerpta: 
nunc pritnum luei eommissa a Raphaele Eglino Ioonio, Tigurino. 4°. Tiguri 
apud Jo. Wolphium 1595, Auf der Züricher Stadtbibliothek. Die Marburger 
Ausgabe ist betitelt : Summa t. met. J. Bruni Nolani. Aeeeseü ejuedem Praxis 
Debcbnsus, seu Applicatio Entis ex Mso., per R. Eglinum^ Iconium Tigurinum, 
in Aead. Marpurg. Prof. theol. Marburg 1609. Bei Gfrörer, pag. 413 bis 
516. Die Praxis Descensus, bei Gfrörer pag. 472 — 516, zerfällt in die 
Abschnitte De Deo seu Mente mit 51 Begriffsbestimmungen, ferner in In- 
tellectus seu idea mit 44 nicht bezifferten Begriffsbestimmungen. 



7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586 — 1591. 81 

Vorlesungen gehalten sind, rechtfertigt allerdings Eglins Bewun- 
derung der dialektischen Gewandtheit Bruno's. Sie sind wohl 
das klarste , was dieser geschrieben und verdanken diesen Vor- 
zug nicht allein der schon von Eglin erkannten Thatsache, dass 
sie im Grunde den Begriffsbestimmungen der Peripatetiker ent- 
nommen sind. Merkwürdig ist der Gegensatz, welchen zu die- 
sem Lexikon philosophischer Begriffe der erst in Marburg hin- 
zugetretene Anhang bildet, den Bruno wahrscheinlich Lampas 
de Entis descensu betitelt hatte, Eglin aber Praxis Des- 
censüs seu Applicatio Entis benannte. Man könnte den 
ersten Theil der Summa die exoterische, den zweiten Theil, die 
Praxis Descensus , die esoterische Philosophie Bruno's nennen. 
Wenn die Begriffsbestimmungen des exoterischen Theils auf 
Aristoteles' Kategorienlehre sich aufbauen, so lässt dagegen der 
esoterische Theil die Emanationstheorie der Neuplatoniker zum 
Durchbruch gelangen. Dieser letztere , bis jetzt noch wenig ge- 
würdigte Tractat enthält ganze Sätze, welche, zum Theil wört- 
lich, in Spinoza's Ethik wiederkehren 1 ). 

Was nun Bruno nach verhältnissmässig kurzem Aufenthalt 
in Zürich sobald wieder nach Frankfurt zurücktrieb — war 
es die Sorge um die dort im Drucke befindlichen Bücher, deren 
Correctur Bruno lesen wollte, oder war es die begründete Ein- 
sicht, von seinen Schülern doch wohl missverstanden zu werden, 
— wir wissen es nicht. Bemerkenswerth bleibt jedenfalls die 
Thatsache, dass Hainzel und Eglin wenige Jahre später in einen 
für Beide gleich folgenschweren Alchemie- und Falschmünzer- 
process verwickelt wurden. Bruno war aber ein Verächter der 
Alchemie, die er schon vor Jahren im Candelajo meisterlich 



1) Vgl. z. B. den gewaltigen Satz von Spinoza's Ethik II, 7: Ordo 
et connexio idearum idem est ac ordo et connexio rerum. Bruno 
beginnt die Begriffsbestimmung von Ordo in dem Abschnitt Intellectus 
teu idea im Anhang zur zweiten Ausgabe der Summa tekminorum meta- 
PHYßicoitUM (Gfröber, pag. 505) mit folgenden Worten: Est ordo atque 
eeries eorum quae intelligunt t sieut in numeris. Prima enim et 
suprema inteUigentia est ipsa monas, cui gradatim suceedunt secundae int ellig entiae, 
quarum quae proximiores primae sunt, tanto simplicioribus et pauoioribus speeiebu» 
omnia apprehendunt , quanto autem elongatiora, tanto pluribus. Itaque ordo 
cognoseentium est sieut ordo specierum in numeris. Dieser Satz 

b 



82 7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586 — 1591. 

persiflirt hatte 1 ). Möglich also, dass er, ab ihm von Seite 
Hainzels alchemistische Zumuthungen gemacht wurden, es vor- 
zog, den für ihn unfruchtbaren und gefahrdrohenden Boden 
Zürichs schnell wieder zu verlassen. Es war das Vorspiel zu 
dem tragischen Geschicke, welches Bruno nun bald genug in 
Venedig ereilen sollte. 

Wieder in Frankfurt angelangt — es war wohl im Sommer 
— widmete sich Bruno völlig der Drucklegung seiner grossen 
Lateinwerke, welche nun in rascher Aufeinanderfolge hinter- 
einander erschienen, wiewohl ihr Verfasser nicht mehr so glück- 
lich sein sollte, den Abschluss derselben zu erleben. Die Reihen- 
folge dieser in zwei sehr ungleich dicken Octavbänden gedruck- 
ten Werke, von welchen das erste selbständig, die drei andern 
zusammen und zwar die zwei letzten mit fortlaufender Seiten- 
zahl herauskamen, ist nun aber folgende 2 ) : 

1) Vom dreifach Kleinsten und dem Mass (De triplici 
Minimo et Mensur a 3 ). 

2) Von der Einheit, der Zahl und der Figur (De monade, 
numero et Figüra liber) , ebenso vom Zahllosen, 
Unermesslichen und Unvorstellbaren oder vom All und 
den Welten acht Bücher (item De Innumerabilibüs, 

IMMENSO ET InFIGURABILI , 8EU DE ÜNIYERSO ET 
MUNDIS) 4 ). 



kehrt bei Bruno auch in anderer, der Form von Spinoza' s Satz nicht weniger 
ahnlichen Fassung wieder. Vgl. unten Thl. III, Bruno's Einwirkung auf Spinosa. 

1) Candblajo, Akt I, Scene 11 (Wagner I, 28). Im Argümbnto 
(I, 6) übereinstimmend : pone la sua sperama ne la vanita de le magiehe super- 
itisümu 

2) Nach den Forschungen Sigwarts in dessen Tübinger Universitats- 
programm von 1880, pag. 23 und 28» sowie nach dessen Kl. Sehr., Erste 
Reihe, pag. 122. 

3) De triplici Minimo et Mensura ad triam epeeulatwarum »cientiarum 
et multarum metwarum artium prineipia, Üb. V. Ad iü. et rever. prindpem . 
Hmricum Julium Brtmsvieensium et Luneb. ducem, Balberetadtenemm epieeop. 
8°. Iraneof. apud Jo. Weehel et ife. Fieherum consorte* y 159 L 

4) De Monade, Numero et Figüra, Über eomequene (Uhr**) qumque de 
Minimo, Magno et Mbnbüra. Bernde Innumerabilibüs, Immenso et Infigu- 
babili, eeu de Uniyerso et Mundis, Ubri VHL Ad iUuetrie». et rever. prwe. 



7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586 — 1591. 83 



3) Von der Compositum der Bilder, Zeichen und Vor- 
stellungen (De Imaginum, Signorum et Idearum 
Compositione) 1 ). 
Wenn Bruno in seinen italienischen Londoner Werken das All viel- 
leicht zu absolutistisch im Sinne der Einen und untheilbaren Substanz 
aufgefasst hatte, so macht sich nun in seinen Frankfurter Schriften 
gegen diesen einseitigen Standpunkt eine ausgleichende Tendenz 
zu Gunsten der individualistischen Weltanschauung fühlbar. Am 
schroffsten tritt dieselbe in dem Werke „Vom dreifach Kleinsten 
und dem Mass" zu Tage. Hier will er zur Grundlage jeder 
künftigen »Philosophie, Mathematik und Naturwissenschaft die 
Betrachtung des Kleinsten machen 2 ); er will die platonische 
Ideenlehre, die ihm nun als der Urquell aller Phantasterei und 
Unphilosophie erscheint 8 ), ersetzt wissen durch die Lehre von 
den kleinsten Einheiten, den Monaden, mit welchen er die Kluft 
zwischen Ideal und Wirklichkeit, zwischen Denken und Sein 
zu überbrücken sucht 4 ). Wohl ist ihm das All auch jetzt noch 
die an der unendlichen Bildsamkeit der Materie sich unendlich 
manifestirende Gestaltungskraft der Weltseele, aber sie ist ihm 
dieses jetzt nur noch als die letzte und höchste Einheit der dem 
Urquell alles Seins entsprudelnden und blitzartig entsprühenden 
Myriaden individuell gestalteter Schöpfungsgedanken, der Minima, 



/ 



JSenrieum Julium, Brunevieensium et Luneb. ducem, FLalberstadt. epise. 8°. 
Franeof. apud. Jo. Wechelium et Fe. Fieherum consortes, 1591, 

1) Db Imaginum, Signorum bt Idearum Compositione, ad omnia inven- 
tioftum, dispositivum et memoria* genera, libri tres. Ad illustriss. et generosiss. 
Jo. Henr. HainzeUium, Elcoviae dominum. Credite et intelligetib. 8°. 
Francof. ap. Jo. Wechelium et Fe. Fieherum eonsortes, 1591. 

2) De Tripl. Minimo , Lib. I, cap. 5 , pag. 20 : Ex praedietis necessario 
infertur minimi eontemplationem tum neceesarium , tum in primie ante naturalem, 
mathematieam atque metaphysieam scientiam constituendam. 

3) De Immenso, Lib. VIII, cap. 10, v. 34—38, pag. 650: 

.... Quid praestant ergo Flatonis 
Arehi illae teehnae archetypi ideae, ora, eottom', 
Fhantaeiarum currus, navee quiequiliarum, 
Extra corporeum sie comieteniia mundum? 

4) De Tripl. Min., Lib. I, cap. 4, pag. 10: ... minimum eeu monas 
ett omnia, teu maxima et totum. 

6* 



84 7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 

der Monaden. Wie es für das kosmologische Denken ein un- 
endliches Weltall nur in dem Sinne giebt, dass der unendliche 
Raum von unendlich vielen Weltkörpern erfüllt ist, welche zu- 
sammen wieder ein unendlich abgestuftes *) System von einander 
anziehenden und abstossenden Organismen mit eigenen Bewe- 
gungsbedingungen darstellen, so auch erkennt das metaphysische 
Denken in dem das All durchdringenden Weltgeist nur die 
letzte und höchste Einheit der unendlichen Summe jener Einzel- 
geister, welche, jeder nach seiner besondern Anlage, durch gegen- 
seitige Trennung und Verbindung das Allleben, d. h. eben, das 
Leben des Allgeisteis, darstellen. Zwar ist jede Monade eine 
Welt flir sich *), in jeder Monade spiegelt sich das ganze Welt- 
all 3 ), jede Monade ist das Centrum der ganzen Natur, und 
ebendeswegen giebt es gerade so viele Mittelpunkte des Uni- 
versums, als es Welten, Gestirne, Lebewesen und Herzen giebt, 
nämlich an Zahl unendliche. Aber bei Licht betrachtet, er- 
giebt sich schliesslich für den Denker, dass der alle Monaden 
durchdringende Lebensgeist, die, alle Monaden in auf- und ab- 
steigender Linie bewegende Urkraft, eben doch nicht« anderes 
ist als die Substanz der Substanzen 4 ), die Monade der Monaden 5 ), 
die Künstlerin Grottnatur (Deüs et Natura), deren unendlicher 
Ideenreichthum seines gleichen nur an der unendlichen Gestal- 



1) Eroici furori (Wagner II, 361): inßnüi gradi ehe son . , . Eben- 
dort pag. 398: innumerabili individui e speeie di cose y ne le quäle rüuce ü 
splendor de la bekade divina, secondo li gradi di quelle . . . Ferner Summa 
term. metaphts. (li frörer, pag. 398); Sine üle rerum numerus, hine üli rerum 
gradus, Mne pro numerorum ratümibus variae variorum eunt eomposüiones f mag- 
nitudines atque Jigurae, unde singulae rerum speeies diversos magnitudinie et 
membrorum eonstitutionis gradue et quaUtatum numeros sunt aesequutae. 

2) Spaccio della bestia trionfante (Wagner II, 113): In ogni uomo, 
in eiaeeuno individuo, ei eontempla un mondo, un universo. 

3) De Imaginüm, Signorum et Idearum Compob., cap. II, pag. 3, An- 
fang : Actum praeeentie eonsiderationis proponimue in universo juxta tertiam si- 
gnißeationem, quod est veluti speeulum quoddam vivens, in quo est imago rerum 
naturalium et umbra divinarum. 

4) De tripl. Min., pag. 10: Sine optimus maximus substantiarum sub- 
stantia et entitae qua entia sunt monadis nomine eelebratur. 

5) Ibid., pag. 17: JDeus est monadum monas, nempe entium entitae. 



7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1536—1591. 85 

tungskraft findet, womit sie in ununterbrochenem Flusse 1 ) ewig 
neue Daseinsformen hervorzaubert 2 ). 

Das Werk über die „Compositum der Bilder, Zeichen und 
Vorstellungen" ist eine Neubearbeitung der „Schatten der Ideen", 
wiewohl es als ein neues Werk aufgefasst sein will und un- 
bestritten vieles Neue hat. Es geht wie jenes von der dogma- 
tischen Voraussetzung aus, dass sich die Bilder der Aussenwelt, 
die Phänomene, mit den von unserer Seele, als dem Spiegel 
der Weltseele, entworfenen Bildern, den Vorstellungen, decken. 
Insofern alles Denken nur ein Widerschein und Abglanz ist der 
der Allseele vorschwebenden Bilder und Gedanken, so beruht 
im letzten Hintergrunde all unser Seelenleben, all unsere Geistes- 
thätigkeit, auf Anregungen der Phantasie. „Die Einen empfinden 
nun aber die Harmonie mehr durch die Augen, die Andern, 
wenn auch in geringerem Maasse, durch die Ohren. Eis giebt 
desshalb eine wunderbare Seelenverwandtschaft zwischen wahren 
Dichtern, Musikern, Malern und Philosophen. Alle wahre Philo- 
sophie ist zugleich Musik oder Poesie und Malerei ; wahre Malerei 
ist zugleich Musik und Philosophie. Wahre Poesie und Musik 
ist eine Art göttlicher Weisheit und Malerei 3 )." 



1) De tripl. Min., pag. ö5 : Naturalia omnia continue alterantur 9 

trepidant, moventur, ezagitantur. So auch in De Immenso , pag. 558 : Omnia 
circuunt et Telluris partes et maria et flumina variant inflexo reßexoque quodam 
natura* ordine vieissitudines, sicut materia hine inde inßuendo effluendoque vagatur, 
ita etiam circa moteriam forma*. 

2) Summa term. metaphys. (Gfrörer, pag. 498 in dem zum Anhang 
gehörenden Abschnitt Intellectus seu idea unter Materia) : Moteriam quo- 
que, quae ante vulgata elementa substernitur 9 unam et individuam seeundum essen- 
tiam, innumerabüibut formte atque simüitudinibus eonßgurat, ut melius per Uni- 
versum et singulatim per omnes partes nequeat eonßgurari, sieut et inteüeetus ratio* 
nalis unam universalem intentionem atque speeiem entis, ad innumerabilium eon- 
ceptionum diversarum, utpote ad mundi rationalü constitutionem promovet et 
produeit. . 

3) De Imaginum, Signorüm et Ideabum Compositione, pag. 102: Istis 
rerum harmonia satius per oculos , Ulis vero leviori quodam sorte per aures in- 
geritur. Alibi dixi de oognatione quodam mira quae est inter veros poetas, qui 
ad sondern speeiem referuntur atque musiei, veros piotores et veros phüosophos: 
quandoquidem vera phüosophia musiea seu poesis et pietura est , vera pieturo et 
est musiea et phüosophia. Vera poesis et musiea est divina sophio quaedam et 
pietura. 



t 
86 "7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 

Nach solchen grossartigen Ansätzen zu einer Kunstphilo- 
sophie reitet dann Bruno sein lullisches Steckenpferd, indem er 
abstrakte Begriffe in Gedächtnissverse bringt und diesen durch 
wahrhaft künstlerisch entworfene, allegorische Bilder für das Er- 
innerungsvermögen eine Stütze zu geben versucht. Die griechi- 
schen Götter und Heroen stellen die Grundbegriffe dar, um 
welche sich dann die andern Begriffe nach dem Princip der 
Innern Verwandtschaft, der Synonymität oder Gegensätzlich- 
keit mehr oder weniger ungezwungen herumgruppiren. Zu 
diesem Zwecke werden zunächst die Grundbegriffe nach den 
ihnen schon mythologisch entsprechenden Göttern in prachtvoll 
ausgeführten Bilderhallen aufgestellt und dann für die sich an 
dieselben anlehnenden Unterbegriffe wiederum eigene Hallen ge- 
schaffen, in welchen auch sie sich in einfach schönen Allegorien 
abheben. In der Halle der Schöpfung steht ein Landmann, 
der säet; in der Halle der Freude steht ein Mädchen, angethan 
mit einem grünen Kleide, in welches goldene Sterne eingewirkt 
sind, und streut aus einem Körbchen allerlei bunte Blumen. 
In der Hatte der Intrigue steht der Papst, der seine Mitra dar- 
bietet; vor ihm stürzt ein Mann, der herangetreten war, sie zu 
empfangen, in den Abgrund. In der Hatte der Gotteslästerung 
besprengt ein Priester in rothem Gewände den Altar mit dem 
Blute des Opferthieres 1 ). Auf diese Weise hat Bruno einen 
wahren Schatz kunstsinnig entworfener Allegorien geschaffen, 
welcher nur der Hand des verständnissvollen Künstlers harrt, 
um Bruno auch den Ruhm eines selbst flir die bildende Kunst 
fruchtbaren Schriftstellers einzutragen. 

Wenn das nun folgende Werk „Ueber die Einheit, die Zahl 
und die Figur" geringen philosophischen Werth beanspruchen 
kann, da es sich meist in Spielereien mit pythagoreischer Zahlen- 
symbolik bewegt, so birgt dagegen dessen Fortsetzung „Geber 
das Unermessliche u einen unerschöpflichen Schatz poetischer 
Naturgemälde und grossartiger Ideen von weltweiter Perspec- 
tive. Es giebt im Grossen und Ganzen den Inhalt des Londoner 
Dialogs „Ueber das Unendliche, das All und die Welten" wieder 



1) De Imaglnum, Signorum et Idsabux Comfositione , Sectio II, 
c»p. 11, pag. 70—72. 



7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 87 

und ist ein philosophisches Lehrgedicht im Style des Lucretius, 
dessen Formen sich Bruno ganz zu eigen gemacht hatte. Schade 
dass auch es, wie die übrigen Frankfurter Lateingedichte, den an 
classische Reinheit der Sprache Gewöhnten nicht selten durch 
italienisirende Flexionsformen l ) und metrisch überfruchtete Hexa- 
meter verletzt 2 ). Das grosse Lehrgedicht „De Immenso" ist, 
wie Berti sich treffend ausdrückt, „ein Epos der Metaphysik und 
Kosmologie" von einigen tausend Lateinhexametern mit reichlich 
eingestreuten Prosaerklärungen. Mögen auch manche Deutungen 
physischer Vorgänge und kosmischer Verhältnisse dem Forscher 
der Gegenwart ein stilles Lächeln abnöthigen, wenn er sich er- 
innert, welche Fortschritte die Astrophysik und Kosmologie in 
den letzten zwei Jahrhunderten gemacht haben, — immer und 
immer wird er von dem unwiderstehlichen Beize dieses wunder- 
baren Gedichtes wieder aufs neue angezogen werden und sich 
gestehen müssen, dass die Einheit des Alls, die Wechsel- 
beziehungen des siderischen und tellurischen Lebens und dann 
wieder die ineinandergreifenden Strömungen des physischen und 
des intellectuellen Frocesses, niemals noch einen so begeisterten 
und seiner erhabenen Aufgabe auch poetisch so gewachsenen 
Darsteller gefunden haben, wie Bruno. Die entzückende Schön- 
heit des Weltganzen und die staunende Bewunderung vor dessen 
grandioser Gesetzmässigkeit reissen den Dichterphilosophen ins- 



1) So in De Immenso, Lib. IV, cap. 15, v. 25, pag. 423: 

Cui minus haut debet comp ostum forte magisque. 
Ebenso in De Monade, cap. 1, v. 183, pag. 7: 

Nam quis beüuinam speeiem nisi bellua eupiret 
Ad Venerem? 
Eine andere Unart ist das Abbrechen eines Compositums am Schlüsse 
des Verses, wie z. B. in De Immenso, Lib. II, cap. 13, v. 19: 
.... Quare proprium sibi sufieit Uni- 
versum .... 
Noch ärger nimmt sich folgende Trennung aus. Ibid., pag. 377, v. 49: 
Sub einer e arenti latitans out calee ubi suspen- 
Sum est retinens actum quo splendeat atque oolore. 

2) De Immenso, Lib. VIII, cap. 1, v. 90, pag. 627: 

Nasu8 t frone rugosa, super cilium, propexaque barba. 
Ibid., pag. 314, v. 2: 

In proprios ingentis pollicüatio secli. 



88 7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 

besondere gegen den Schluss des Gedichts hin stellenweise zu 
wahrhaft ergreifenden Episoden rein poetischer Naturschilderung 
mit sich fort. Ein glanzvolles Prachtstück solcher dichterischer 
Leistungen bildet z. B. die Schilderung des Forscherlooses 1 ): 

Muthig entreisst sich der Forscher dem sichern Gestade der 

Heimath) 
Anvertraut sich dem Meer und lässt die Segel vom Wind bläh'n. 
Auf gebrechlichem Kiel durchfurcht er mit Zagen die Salzfluth, 
Bebenden Herzens, beständig gespannt, ob jetzt nicht des 

Nordsturms, 
Jetzt nicht des Südwinds Zorn ihr Schifflein jählings bemeistre, 
Oder es bohr' in den Grund die Wuth des scythischen Nordosts, 
Welcher die See aufwühlt und zu wirbelnden Wogen empor- 
peitscht. 
Aber auch die nicht geringern Gefahren zu Land zu bestehen 
Treibt sie der Geist und so setzen sie kühn über Berge und 

Ströme, 
Oder sie eilen mit zitterndem Fuss über Steppen und Wüsten. 
Doch auch die Angst zieht mit: die Beisenden hemmt hier ein 

Kreuzweg, 
Dorten ein Hinterhalt; und nimmt sie ein gastlicher Herd auf, 
Ach, so entbehrt er des Brods; und deckt sie im Freien die 

Nacht zu, 
Ach, so bricht sie herein mit allen Gewittergefahren. 
Jetzo fiihrt sie der Weg durch schrundige Thäler, verwachsne 
Wälder, und feiles Geschick verdammt sie, ungastlichen Volkes 
Aufenthalt zu erspäh'n und in Höhlen der Bären zu lagern. 
Kaum nach Italien zurück, so drängt es sie wieder, zu reisen, 
Wieder dem Tiber, dem Arno, dem Po ihren Bücken zu kehren. 
Ueber die Alpen, die rauschende Rhön 7 und die stumme Garonne 
Führt sie der Weg, durch die Pjrrenä'n und die beiden Navarra 
Bis an den prächtigen Strand, den der schwellende Tajo bespület. 
Nun auf das Weltmeer! Zurück die Säulen des Hercules lassend, 

1) Aach Berti, Vita di G. Bruno, pag. 237 — 238 kann nicht umhin, auf 
die poetische Schönheit dieser Episode hinzuweisen, die er selbst auszüglich 
in italienischer Prosa wiedergiebt. Sie erscheint ihm als das Spiegelbild 
Ton Bruno's eigenem Lebensgang. 



7. Bruno's Schicksale in der deutsch. Welt. 1586—1591. 89 

Segeln sie über den Ocean hin, um an Küsten zu landen, 
Wo der Polarstern bald nur noch im Süden zu schau'n ist. 
Endlich gelangen sie gar zu Völkerschaften und Ländern, 
Welchen die Leuchte des Tags am fernen Ebro emporsteigt, 
Während das Abendgestirn im früheren Osten zur Ruh geht 1 ). 
All das wagen sie kühn, um vom Quell der Weisheit zu trinken 
Und sich im Reiche der Geister das Bürgerrecht zu erwerben. 
So verspenden sie denn ihr väterlich Erb' und die besten 
Jahre des Lebens, sogar schlaflos die Nächte sich mühend, 
Nur zu durchforschen bestrebt die Erinnerungsmäler der Vorzeit - 
Haben sie solchergestalt mit poetischem Geist sich durchdrungen 
Oder sich Namen und Glanz als gründliche Denker erworben, 
Harrt dann ihrer vielleicht das Lob und der Beifall des Volkes 
Und der gesuchte Erfolg? — nein! Das besitzen zusammen 
Die schon voraus, die das Volk, das verblendete, feiert und 

anstaunt, 
Weil sie die pfiffigen Pächter des blinden Pöbelgeschmacks sind: 
Aber Gemeinheit verräth's, so fadem Vergnügen zu fröhnen 2 )! 



1) Bruno denkt hier wohl an seinen italienischen Landsmann Pigafetta, 
den Begleiter Magelhaens auf dessen Weltumsegelung 1519 — 1522. 

2) De Immbnso, Lib. VIII, cap. I, v. 1-42, pag. 623—625: 

Solvunt pro studiis patrio de littore puppim, 

Se credunt pelago, levibus dant carbaaa venüs, 

Vastaque tarn fragiU sulcant miseri aequora ligno, 

Et suspensa ferunt paUenti corda timore, 

Ne Barette fortasse iram patiantur et Huri, 

Aut Scythici veniat rabies Aquüonis ut undas 

Misceat ac pontum violento turbine quasset. 

Nee non terrarum graviora pericla subire 

Est animus ; super ant montes ßuviosque rapaeee, 

Inßgunt trepidae deserta per aequora plantar; 

Objicit msidiaa timor insultueque latronum, 

Haerent ancipiti in bivio, moxque exeipü Mos 

Aut eine pane focua, vel non tempesta faeit nox 

Hoc minus esee malum. 

Nunc via praeeipitee per volles carpüur atque 

Avia silvarum, sors vilis inhospüa gentis 

Quaerere teeta Jubet, ursorumque antra subiru 

ItcUiatn repetunt üiner meliusque retentant. 

JEKne Tiberim Arnum atque Fadutn post terga relinquunt^ 



90 $• Brnno's Rückkehr in sein Vaterland 



8. Bruno's Rückkehr in sein Vaterland und sein 
VerMngniss in Venedig. 

1591—1593. 

In Frankfurt erschienen alljährlich auf der Pfingstmesse 
auch die venetianischen Buchhändler, unter andern auch Ciotto 
und Bertano, Diese hatten 1591 irgend ein lullisches Werkchen 
Bruno's über die Gedächtnisskunst nach Venedig gebracht In 
dem Verkaufsladen Ciotto' s bemerkte dasselbe ein junger venetia- 



Tramcendunt Alpes, Rhodanum, surdumque Garumnam, 

Perque Navarrcos earpunt iter, atque Pyrenes, 

Atque superba Tagt*» qua proluit ora tumeecene. 

Seandunt Oeeanum Sereuleae poet terga columnae 

Zinquentet, pontumque eeeant, advertere ad ora» 

Ut poseint quibue est polue inquirendus ad Austrum. 

Ac tandetn gentem valeant mundumque videre, 

Cui rota Luciferi de cardine surgit Ibero, 

Oceidit Eoo eui lux ex orbe diurna. 

Omni*. Dum eupiunt sophiae de fönte polare, 

Ut sibi doetoree mdeeiseant atque magietros. 

Hinc et opee fundunt patriae meUoraque vitae 

Tempora, soUieiti* noetes produeere curie 

Jnsomnee, lustrando hommum monumenta priorum, 

Concipere ut vatum etudioea mente furorem 

Certorum reddi oekbree ex Imoe eophorum 

Ae fema possmt: inde Otts gloria vulgi 

Aura favor plmueue eueeedmt et utüitati* 

Qumeeitme speeies — . 

yeeqmoqumm. Xmmque fmvorem 

X~u&b% mumm* pimueum o umntum libet odKüuutmtot 
£eee putent iUoe übt mundue tmeems äderet, 

Dieses Gedicht ist stellenweise wörtliche Uehenetsnng eines kleinen 
Abschnittes ans dem Spaccio della Uestia trionfante (Wagnkä H, 193): 
Se mm (FaHmJ eeeer u\ dove ä polo sublime de Im verum H vewnm ve rti om U , 
pemm queeto A p en nin *, montm queeti Aipi, vmrtm quesf scognoso Petent , s u per m 
queeti rigoros* Jtifei, trmpmem queeto stertle e gelmto Cmuemeo, penetrm U inm ee etsi 
biU erturt, e emomtrm quei fetiee eireolo, dorne ü lume e ee ntin mo, e nmn st oeggon 
nun tenoore nie freddo , mm e perpetun tomperuj dt emtdo y • dove eterttm ft fim 
l muTorm o gtomo* 



und sein Verhängniss in Venedig. 1591 — 1593. 91 

nischer Edelmann aus dem berühmten Geschlechte de r Mocenigo ^. 
der sich beim Durchblättern des Büchelchens eine so hohe Mei- 
nung von dessen Verfasser bildete, dass er Lust bezeigte, sich 
durch denselben persönlich in den vermeinten Geheimlehren 
unterrichten zu lassen. Durch Vermittlung Ciotto's oder eines 
andern venetianischen Buchhändlers wurde Bruno gewonnen, den 
jungen Patricier, der ihn gut zu halten versprach, in der Ge- 
dächtnisskunst, sowie in der Kunst, neue Ideen zu finden (In- 
vention oder Heuristik), zu unterrichten. 

Wohl hätte sich der Unvorsichtige erinnern sollen, welch* 
düstere Ahnung er einst in London, im Schoosse des Glückes, 
in einem jener Augenblicke, wo man nach. des Dichters Wort 
„dem Weltgeist näher ist als sonst", ausgesprochen hatte: „Wenn 
der Nolaner bei dunklem Himmel nach seinem Hause zurück- 
kehren muss, und ihr wollt ihn nicht mit fünfzig oder hundert 
Fackeln begleiten lassen /die, wenn er auch mitten am Tag ein- 
herechreiten musste, ihm doch nicht fehlen werden, falls es ihm 
begegnen sollte, auf römischkatholischer Erde zu sterben^ — so 
laset ihn doch von einer heimgeleiten, oder wenn auch aas zu 
viel scheint, leihet ihm eine Laterne mit einem Seifenlichtlein 
darin 2 ). 44 Aber Bruno lebte der Ueberzeugung, dass der wiss- 
begierige Edelmann ihn mit dem Ansehen und der Macht seines 
Geschlechts gegen alle Nachstellungen sichern würde. Dazu kam 
dann Bruno's glühende Vaterlandsliebe, die ihn den heimischen 



1) Nicht weniger als sieben Dogen dieses Namens haben den Glanz 
ihres Hauses und den Ruhm Venedigs gemehrt. Der junge Giovanni , dem 
es gefiel, den Namen seines Geschlechts in der Geschichte der Philosophie 
mit dem Brandmal schwarzen Verraths an seinem Lehrer zu stempeln, 
zählte schon vier Dogen seines Namens. Danach ist zu berichtigen, wenn 
Sigwart, Kl. Sehr., Erste Reihe, pag. 77 von vier Dogen spricht, welche 
die Mocenigos ihrer Vaterstadt überhaupt gegeben hätten. 

2) Cena dellb Ceneri (Wagner, I, 199): se per sorteun altra volta 
awiene, ehe ü Nolano, per farvi servizio, o piacere y o favore, venghi a pernottar 
in vostre case, facciate di modo , ehe da voi sii dife$o da eimäi rincontri, e do- 
vendo per Voteuro eielo ritornar a la sua itanza, te non lo volete aeeompagnar 
eon cinquanta, o cento torehi, i quali, anchor ehe debba marciar di mezzo giorno, 
non gli manearanno , se gU avverrh di morir in terra eattolica rotnana , fateto 
akneno aeeompagnar eon un di quellt, o pur , $e queeto vi parrä troppo, impron- 
tategli una lanterna eon un eandelotto di sevo dentro. 



92 8. Bruno's Rückkehr in sein Vaterland 

i Boden auch um den höchsten Preis wieder betreten liess 1 ). Im 
Uebermuthe des Glückes hatte er sich zwar einst in England 
als Weltbürger bezeichnet, dessen Vater Sol (die Sonne) und 
dessen Mutter Terra (die Erde) sei 2 ). Allein Bruno hatte sich 
/ damit selbst verkannt. Wenn auch seinem philosophischem Seher- 
; blicke die Unendlichkeit des ganzen Weltalls mit allen seinen 
\ , Milchstrassen, Sonnensystemen, Planeten und Kometen nicht zu 
/ / weit erschien, so brannte doch sein Herz von einer Vaterlands- 
liebe, der auch die kleinste Heimath nicht zu eng dünkte. Wo 
immer in seinen Schriften sich die Gelegenheit bietet, verherr- 
licht er in dem Dreiklang: Italien, Neapel, Nola 3 ), das Eden 
' der Welt. Wie rührend ist es, wenn er mitten unter allem Luxus 
und Comfort der grossen Welt sich plötzlich der Gamander er- 
innert, die sein Vater Giovanni daheim in seinem Hause am 
Berge Cicala pflanzt, oder der köstlichen Melonen, die dort Nach- 
bar Fränzchen so gut zu ziehen versteht 4 ). Und vollends bessern 
Wein als den Aspiinier von Nola giebt es in ganz Italien und 
Griechenland nicht 6 ). Ja, Bruno begeht einmal die Naivetät, 
seinem Gastfreuncl, dem Gesandten Castelnau, das Bekenntniss 
abzulegen, der edle Freund lasse ihn den Aufenthalt in der 
Fremde ganz vergessen, denn er mache ihm London zu einem 
wahren Nola 6 ). 

1) Am schönsten hat dieses Heimweh Bruno's nach dem schmerzlich 
vermi8sten Vaterlande bisher dargestellt Bartholmess, Vie de Bruno, T. I, 
pag. 184—188. 

2) Spaccio d. b. tr. (Wagner II, 109): Orau, orait, queata come citla- 
dino e domeatico del mondo, ßglio del padre Sole e de la Terra madre, . . . 

3) Spaccio d. b. tr. (Wagner II, 153): Nola, . . . Napoli, . . . Italia, . . . 
Europa, ... il globo terretfre, . . . ogni altro globo in inßnito. Vgl. unten An- 
merkung 6, pag. 93. 

4) Spaccio d. b. tr. (Wagner, II, 152): Mereurio. Ha ordinato, 
ehe oggi a mezzo giorno doi meloni tra gli altri nel melonajo di Eranzino ateno 
perfettomente moturi; tna ehe non eiano eoki, $e non tre giorni a presto, quando 
non taran giuäieati buoni a mangiare. Vuole, eh 1 dl medeaimo tempo da la iviuma, 
ehe ata a le radiei del monte Cicala, in caaa di Gioan Bruno trenta iviomi 
(Wagner vermuthet darin Teucrium chamaedrya) perfetti eolti, ... 

5) Spaccio d. b. tr. (Wagner II, 209): . . . di miglior earne e vino, 
ehe non poaea eaaer ü Greeo di Somma, Malvagia di Candia e Aaprinio di Nola. 

6) In der Dedication zu der Schrift Explicatia triginta sigilorum 
bei Berti, Vita di G. Bruno, pag. 156, Anm. 2 : Tale illumque aatia tibi alli- 



und sein Verhängniss i n Venedig. 159 1 — 1593. 93 

Volle anderthalb Jahrzehnte hatte der- Ordensflüchtige sein 
heissgeliebtes Vaterland aus Furcht vor dem römischen Wolfe 
meiden müssen; nun wähnte er, seiner Sehnsucht, den heimath- 
lichen Boden wieder zu betreten, um so weniger widerstehen 
zu dürfen, als ihm die freien Institutionen Venedigs Schutz und 
Schirm zu bieten schienen. 

Freilich erscheint Bruno's Waghalsigkeit um so unbegreif- 
licher, als er doch sehr wohl wusste, dass ihm sein Process nicht 
geschenkt werden würde. Der unaufhörlichen Anfeindungen, 
in welche ihn seine Stellung zur Kirche gebracht hatte, müde, 
scheint er allerdings den Versuch geplant zu haben, sich mit 
dem Papst persönlich auseinanderzusetzen und auf diese Weise 
sich die zu philosphischen Studien so unerlässliche Ruhe, nach 
welcher sich mit der Zunahme seines Alters das Bedürfhiss 
immer heftiger einstellte, endlich zu verschaffen. Schon in Tou- 
louse hatte er sich einmal einem Jesuitenpater zur Beichte ge- 
stellt und dann wieder in Paris bei dem apostolischen Nuntius, 
Bischof von Bergamo, welchem er durch den spanischen Ge- 
sandten Bernardin di Mendoza empfohlen worden war, um Für- 
sprache bei dem Papst gebeten, der ihm gestatten sollte, wieder 
in die Kirche zurückzukehren, ohne doch zugleich wieder in den 
Orden eintreten zu müssen. Der Nuntius hatte sich jedoch auf 
dieses Gesuch nicht einlassen wollen, da vom Papste Sixtus V. 
(1585—1590) doch keine Gnade zu erhoffen sei und hatte ihm 
aufgegeben, sich mit einem spanischen Jesuitenpater, Namens 
Alonso, zu besprechen. Dieser hatte ihm erklärt, er könne 
nicht absolvirt werden, weil er ein Apostat sei, nur der Papst 
selber könne ihn von dem Fluche der Kirche wieder erlösen 
und eben dieses Fluches wegen dürfe er auch an keiner Messe 
theilnehmen. Auf diesen Bescheid hin hatte dann Bruno jeden 
weitem Versuch, sich mit der Barche wieder zu versöhnen, unter- 



gatum scias eui Angliam in Italiam , Londinum in Xolam, totoque orbe sejunctam 
dotnum in dometticos lares convertisti. Vgl. damit die prächtige Stelle inBruno's 
Dialog De la Causa (Wagner I, 222): Italia, Napoli, Nola; quella regione 
gradüa dal Cielo , e posta intieme talvolta capo e destra di quetto globo, gover- 
natriee e domitrice de Valtre generazioni, e sernpre da noi et altri stata stimata 
mae$tra e madre di tutte le virtudi, discipline et umanitadi, modeetie e eortesie. 



94 $• Bruno'8 Rückkehr in sein Vaterland 

lassen und alle seine Hoffnung auf den zukünftigen Papst ge- 
setzt, dem er sich durch .Widmung einer Schrift nähern wollte *). 
Aber wenn ihn diese Hoffnung täuschen sollte? „Nun 
denn," so sagte er sich, eingedenk, der Sohn eines Kriegers zu 
sein, „derjenige , welchem die stetsbehelmte Göttin der Weisheit 
zur Seite steht, ist niemals wehrlos, wenn es gilt, das, was das 
Schicksal bringt, entweder durch Klugheit zu hintertreiben oder 
mit Geduld zu tiberwinden. Ist doch das Leben des Menschen 
auf Erden nichts anderes als ein Kriegsstand! Und dieser ist 
$s, welcher die Niedertracht der Hallunken zu Falle bringt, die 
Frechheit dämmt und die Anschläge vereitelt 2 )." Tief von dem 
Bewusstsein durchdrungen, einen hohen, einen heiligen Beruf zu 
erfüllen, wenn er allerorten seine neue Weltanschauung verkün- 
digte, lebte der Todesmuthige der ihn über allen Kummer seines 
Daseins erhebenden Ueberzeugung, dass', komme auch, was da 
wolle, er einen Tempel des Geistes errichtet habe, dessen 



1) Doc. XVII (bei Berti, Vita di Bruno, pag. 382): Jo gia ho detto 
netti miei eonetituti ehe del caso mio ne raggionai con Monsignor Veseovo di Ber- 
gamo Nuntio in Francia, al quäl fui ititrodotto da Don Bernardin Mendoza 
Ambasciator Catholico conoseiuto da ine tiella eorte d y Inghüterra e non tolamente 
ragionai eon Monsignor Nuntio del easo mio ma soggiungo hora ehe Vho pregato 
e rioereato instantemente ehe ne serivesse a Borna sua Beatitudine e impetrarmi 
gratia, ehe fosse rieevuto nel gremio della Chiesa Catholica e che non Josse astretto 
a ritornar netta Beligione e vivendo all* hora Sixto F, ü nuntio diffidava di 
ottenere questa gratia e non volse scrivere offerendose perb ehe volendo io iornar 
nella Beligione haveria scritto, e aiutatomi e poi nC indiridb ad un padre gesuita 
ehe mi ton rieordato ehe ha nome ü padre Alonso Spagnuolc il quäle vivendo ve 
ne potra far fede e eon esso trattare il easo mio e lui me reseolee ehe era neees- 
sario ehe la proeuraese Vassolutione dalle eensure del Papa e che non ei poteva 
far di mono ehe io non tornasse neüa religione e fui aneora avertito da lui ehe 
essendo saommunieato non potevo assister aüi divini Opitü, ma ehe potevo bene 
emdar a udir le picdiehe e dir le mie OraHoni in Chiesa. Vgl. auch Doc. 
XII a. a. O., pag. 361. 

2) Bei Heumann, Acta phOoeophiea , 9. Stück (Halle 1718), pag. 414 
ans Brnno's Oratio valedictoria: Casside horribili quodam aepeetu praefulgida 
erat iüa omata, quae vultum virginalem ueque adeo suavissime inutnbrabat. Sie 
enim nunquam inermis est ille, eui ipsam obtigerit adsittere, ad eventus fortunae 
vel consüio retundendoe, vel patientia superandos. Dum enim nihil aliud est, 
quam miUtim vüa hominis super terram, haee est Uta quae soeleratorum evertü 
improüüatemj audaeimm comprfmit et eontüia dissipat. 



und 8 ein Verhängniss in Venedig. 1591 — 1593. 95 

demantene Mauern allen zukünftigen Jahrhunderten Trotz bieten 
würden 1 ). Und wenn ihm dafür auch die Anerkennung seines 
Zeitalters fehle, so mache der Tod während eines Jahrhunderts 
lebendig in allen andern 2 )! 

Venedig war im sechszehnten Jahrhundert neben Florenz 
die für die Bildung Italiens wichtigste Stadt. Seine Buchdrucke- 
reien hatten Weltruf. Seine Universität in Padua war die erste 
Italiens und ein Zielpunkt deutscher Studenten. Alles das war 
ßir einen Wanderprofessor und Schriftsteller, wie Bruno, ver- 
lockend genug. Hätte er sich nur vorerst über Charakter und 
Geistesrichtung des jungen Mannes erkundigt, der nun sein 
Schüler, aber auch sein Verräther werden sollte. Unglücklicher- 
weise war Mocenigo das volle Gegentheil Bruno's. War dieser 
offen, vertrauensvoll, kühn, so dagegen jener versteckt, misstrauisch 
und feige. Im Anfang ging alles gut. Bruno bezog eine Mieth- 
wohnung 3 ) und ertheilte dem jungen Mocenigo den gewünschten 
Privatunterricht, woneben er für seinen Schüler auch ein Manu- 
script ausarbeitete. Bald aber benutzte er die Gelegenheit, welche 
ihm die Nähe der Universität Padua bot, um deutschen Studenten 
Privatvorlesungen zu halten 4 ). Zu bestimmten Zeiten kam er 



1) De tripl. Min., II, pag. 8; 

At mihi tuffieiat rerum pro pondere luoem 
Adpetere, et templum tolido a adamante futurum 
Erigere in seclum utque meliora professo. 
Ebenso in De Immenso (die Stelle ist mir nicht mehr zur Hand): 
Altum, difßciletn, rarum perferre laborem 
Mens me sacra jubet . . . 
Ebendas., Lib. II, cap. 9, v. 15-18, pag. 328: 
.... nam me Deus altus 
Vertentii eeeli melxorü non mediocrem 
Destinat (haud veluti media de plebej ministrum. 

2) Eroici fürori (Wagner II, 316): La motte di un seoolo fa vivo 
in tutti gU altri. 

3) Mocenigo in seinem zweiten Dennnciationsschreiben, Doc. II bei 
Berti, Vita di 6. Bruno, pag. 381 : e etato parte a eamera loeanda in queeta 
cüthy ma per la maggior parte a Padoa. 

4) Bertano sagt als Zeuge im Inquisitionsverhör Doc. VI a. a. 0., pag. 
337: a Padoa . . leggeva a eerti eeholari Todetetä non so manco ehe lesioni. 



96 8. üruno's Rückkehr in sein Vaterland 

dann jeweilen nach Venedig herüber 1 ). Ein junger Nürnberger, 
Hieronymus Bisler, war sein Secretär und copirte flir [ihn ein 
altes Manuscript De sigillis Hermetis, Ptolemaei et alio- 
rum 2 ). Es war das im Herbst 1591. Im März 1592 siedelte 
aber Bruno nach Venedig zurück und beging die vertrauens- 
selige Unklugheit, in dem Hause seines Schülers Wohnung zu 
nehmen. Da er als Mann von Wissen, sowie als lebhafter Ge- 
sellschafter bekannt war, kam er bald in Verkehr mit Geschäfts- 
leuten, Gelehrten und Prälaten, welche er entweder in Buchhand- 
lungen oder in dem Hause des vornehmen Venetianers Andreas 
Morosini, bei welchem er häufig eingeladen war, kennen gelernt 
hatte. In Morosini's Hause zumal, wo sich ein Uterarischer 
Kreis zu versammeln pflegte, hatte Bruno Gelegenheit, sich über 
wissenschaftliche und philosophische Fragen zu unterhalten 3 ). 

Während sich in dieser Weise Bruno'« Beziehungen zu den 
geistigen Kreisen Venedigs immer enger knüpften, lockerte sich 
sein Verhältniss zu Mocenigo immer mehr. Mocenigo's Aber' 
glaube wurde Bruno's Schicksal. Kurze Zeit, nachdem der 
Privatunterricht begonnen hatte, fing der damals vierunddreissig- 
jährige Nobile an sich zu beklagen, dass Bruno ihn nicht Alles 
lehre, was er versprochen habe. Aber versprochen hatte ihm 



1) Zeugenaussage des Buchhändlers Ciotto in Doc. V a. a. O. , pag. 
334: . . venendo »petto da ladoa a qui . . 

2) Doc. XI a, a. O., pag. 352: De Sigillis hermetis ptolomei e 
aliorum, non e tnia dottrina, ma io Vho fatto traeerivere da un attro tibro eeritto 
a mono ehe era appreeso de nn mio soolaro Alematmo de Norimberga ehe ei ehiama 
Meronimo Bitlero ehe stava poeo fa in Btdoa e m ha serväo per eeritter forte 
dm meei. 

3) Doc. XVII a. a. O., pag. 3S4 : Jo ho ragionato dt lettere neW Aca- 
demia ehe ei fa m eaea del Ciaries. Sig. Andrea Morotmi, ehe eredo eta a S. Luea 
sopra Canal Grande ml quäl convenivmno moiti gentüuommi e Uterati, e ho ragio- 
nato ancora ad aieune tiorarie, ma non ho eonoeeiuto U pertone partieolari 7 perehe 
non ho conotemto ehifostero. Uebereinstimmend berichtet Morosini im Zeugen- 
verhör Doc XV a. a. O., pag. 379: Gio Batieta Ciotti horaro diese a diversi 
gewülhmemini e a ine in partieolare ehe fuest' uomo era gut e ehe se vo Uv imo 
io hemretoe fatto venire a eaea noetra dorne epeeeo eono toliti ridnrsi diverei gentü- 
huommi ed emehe prelati a trattenersi in raggio n a m t n ti di lettere e pr ineipah n en te 
di jUotoJia; e ti eüsei ehe lo faeeese venire, onde vi ./* diverse voUe dove ehe 
raggionb di varie com, eome ti eostwna, pero di lettere. 



und sein Verhängniss in Venedig. 1591 — 1593. 97 

Bruno nur die Einführung in die Elemente der Gedächtnisskunst 
(Mnemonik) und der Auffindung der Begriffe (Invention) 1 ). 
Wenn der Schüler sich in seinem Gedächtniss oder in seiner 
Geisteskraft nicht rasch genug gefördert fand, weil er in seiner 
abergläubischen Beschränktheit sich unter Bruno's Kunst noch 
etwas ganz anderes Magisches, vielleicht, wie Hainzel, die Gold- 
macherkunst eingebildet hatte, so war das nicht des Lehrers 
Schuld. Aber freilich, wie Bruno einmal bemerkt: „Ignoranz 
und Arroganz sind zwo leibliche Schwestern in Einem Leib und 
Einer Seele 2 )." 

Bruno's Enttäuschung war inzwischen durch Mocenigo's 
ärgerliche Klagen so stark gewachsen, dass, nachdem er dem 
unzufriedenen Schüler rundweg erklärt, er habe ihn Alles ge- 
lehrt, was er versprochen und für das was er als Honorar von 
ihm erhalten, genug, er den Entschluss fasste, so bald als mög- 
lich wieder nach Frankfurt zurückzureisen 3 ). Er wollte dort 
weitere Werke drucken lassen, namentlich setzte er grosse Hoff- 
nungen auf eine Schrift über die sieben freien Künste, die er 
dem Papste, damals Clemens VÜL, zu widmen gedachte, um 
von demselben Absolution und die Erlaubniss zu erhalten, ausser- 
halb des Ordens zu leben 4 ). Allein Bruno's Schicksal war be- 



1) Bruno's Zeugniss Doc. VII a. a. O., pag. 340: comincib prima a 
dolerei che non li havevo ittsegnato quanto li havevo prometeo . . . 

2) Cbn a delle Ceneri (Waoner I, 1 75) : Ignoranza et arroganza eon 
due soreUe indwidue in un corpo et in un anima. Ebendas. (pag. 131): . . . la 
temeraria e eeiocca ignoranza ineieme con la preeunzione et ineivilitä, la quäle e 
sua perpetua e fida compagna. 

3) Doc. VII (bei Berti, Vita di G. Br., pag. 340): io rUpondendogli 
(dem Schüler) eempre ehe me pareva de averli insegnato abbaetanza e ptu de queHo 
ehe io dovevo 

4) Doc. XVII a. a. O., pag. 383: non era perb lontano dalla diepoeitione, 
ehe ho sempre havuto di rüornare aüa Chiesa Catholiea y ma diasegnava di ritornare 
in Francfort per stampar aleune mie opere deüe 7 arti liberali et 7 altre arti in- 
ventive e dediear queste opere al Papa e cost gratißeartni e operar che con qualehe 
modo straordinario fosse ricevuto nel grembio di S. Chieea in modo ehe potesse 
ancor viver nel eeeolo religiosamente extra claustra, accxb ritomando tra Regolari 
nella mia Provincia , non mi fosse rinfaceiato che io foeri stato Apottata e cost 
dieprezzato tra tutti. 

7 



98 ,8« Bruno's Rückkehr in sein Vaterland 

siegelt. Die Knoten des Netzes, in welches sich der freimtithige 
Nolaner mit seinem offenen Herzen immer enger verstrickte, 
waren durch die Inquisition von langer Hand her allmälig so 
fest geschürzt worden, dass, gingen dem Arglosen schliesslich 
auch die Augen auf, an ein Entrinnen nicht mehr zu denken war. 
Mocenigo stand unter der unbeschränkten Herrschaft seines 
Beichtvaters, an dessen Gängelband er sich willig, wenn vielleicht 
auch unbewusst, leiten Hess *). Sein Benehmen gegenüber seinem 
Lehrer beweist, dass er keinen Schritt that, über welchen er 
nicht vorher die Einwilligung oder den Befehl seines Beichtvaters 
eingeholt hätte. Sicherlich hatte er auch nur unter Mitwissen 
seines geistlichen Lenkers an Bruno die Einladung ergehen 
lassen, nach Venedig zu kommen, hatte ihm doch derselbe Beich- 
tiger von vornherein den nicht zu verkennenden Auftrag ertheilt, 
über Bruno's Aeusserungen gewissenhaft Buch zu führen. Dass 
der Plan, Bruno zu verderben, jedenfalls schon längst entworfen 
worden war, geht mit Evidenz auch aus dem Bekenntniss Moce- 
nigo's hervor, dass, als der Buchhändler Ciotto 1592 Anstalten 
traf, die Frankfurter Btichermesse zu besuchender diesen um 
die Gefälligkeit bat, sich dort zu erkundigen, ob Bruno ein Mann 
sei, auf den man sich verlassen könne und ob man auf das etwas 
geben dürfe, was er versprochen. Als ihm nun Ciotto nach seiner 
Zurtickkunft berichtete, Bruno's sämmtHche Frankfurter Schüler 
seien mit ihres Lehrers Unterricht in der Gedächtnisskunst eben- 
falls unzufrieden 2 ), da liess sich der heimtückische Nobile sogar 
das Wort entwischen: „er traue zwar seinem Lehrer auch 



1) Gleich die erste Denunciationsschrift Mocenigo's beginnt mit den 
Worten: Jo, Zuane Mocenigo . . . dinuntio a V. Paternita Molto Reverenda, 
per obbligo della mia conecientia, et per ordine del mio Confessor , etc. 
Doc. I bei Berti, Vita dTG. Bruno, pag. 327. 

2) Der Buchhändler Bertano berichtet im Zeugenverhör Doc. V (bei 
Berti, Vita di G. Br., pag. 335): quando fui a Francfort, parlai con diverti 
»cholari che erano andati alla &ua letione in quella citth tnentre e stato la e ehe 
avevano avuto eua pratica e conversatione, da' quali mi fu detto in eumma che ü 
detto Oiordano faeeva ben professione de memoria et <F haver aitri secreti timüi, 
ma che non si era mai visto ch' egli haveete fatto opera con alcuno, anzi che 
tutti coloro che havevano havuto a far seco per eimüi eote erano reatati mal 
eatütfatti. 



und sein Verhängniss in Venedig. 1591 — 1593. 99 

nicht, nur wolle er vorläufig aus ihm noch herauszupressen 
suchen, soviel er könne, um sich einigermaßen flir die an ihn 
verschwendeten Kosten schadlos zu halten; dann aber gedenke 
er ihn dem hl. Officium der Inquisition zu tiberliefern 1 )!" 
Ebenso unzweideutig ist das Versprechen, welches der Verräther 
seinem Opfer abgenommen hatte, unter keinen Umständen zu 
verreisen, ohne nicht vorher noch von ihm Abschied genommen 
zu haben 2 ). 

Als ihm nun Bruno am 21. Mai wirklich einen Abschieds- 
besuch machte und den Nobile ersuchte, ihn zu entlassen, lag 
ihm dieser mit dringlichen Worten an, doch noch zu bleiben, 
und als Bruno durchaus darauf bestand, hielt ihm der junge 
Fant zuerst vor, er hätte ihn nicht alles gelehrt, was er ver- 
sprochen. Dann aber ging er zu Drohungen über und eröffnete 
ihm mit dürren Worten, dass, felis er nicht gutwillig bleiben 
wolle, er die Mittel besitze, ihn zum Bleiben zu zwingen. Bruno 
wiederholte am andern Tage, Freitags den 22. Mai, seinen Ab- 
schiedsbesuch. Da, in der Nacht vor dem Morgen, als er wie- 
der nach Frankfurt verreisen wollte, wohin er sein Gepäck schon 
aufgegeben hatte, drang Mocenigo unter dem Vorwand, seinen 
Lehrer noch sprechen zu müssen, in dessen Zimmer, in welches nun 
auch sofort des Nobile Diener Bartolo mit fünf oder sechs andern 
Männern nachfolgten, die Bruno flir Gondolieri aus der Nachbar- 
schaft hielt. Diese zwangen ihn, aufzustehen, führten ihn in einen 
Söller hinauf und schlössen ihn da ein. Mocenigo bestürmte ihn noch- 
mals, bleiben zu wollen. Wenn er sich dazu entschliessen könne 
und ihn die Geheimnisse der Gedächtnisskunst, der Redekunst 
und der Geometrie lehren wolle, alles Dinge, um die er ihn 



1) Doc. V (bei Berti, Vita di G. Bruno, pag. 335). Der Buchhändler 
Ciotto als Zeuge vor dem Inquisitionsgericht von Venedig: (Mocenigo) mi , 
ritpoee: ancK io vo dubüando di questo, ma voglio vedere ehe com poseo cavar < 
deüe com ehe egli mi ha promeeeo per non perdere in tuito quello ehe gli ho dato, i 
e poi lo voglio remettere aüa cmsura del S. Uffitio. 

2) Doc. II (a. a. O. pag. 331): Mocenigo in seiner zweiten Denun- 
ciationsschrift: e poi io deeideravo di levargli il buono, et per il proeieder c/te 
tenevo seeo mi potevo aneo aseieurare che non sarebbe partito da mi eenza prima 
farmine motto , intantoche mi ho promeeso sempre di poterlo far eapitare aUa 
censura di guel tanto Ofitio. 

*7* 



100 8- Bruno's Rückkehr in sein Vaterland 

schon früher ersucht habe, so wolle er ihn wieder in Freiheit 
setzen, ansonst es ihm schlimm ergehen sollte ] ). Als ihm nun 
Bruno erwiderte, es schiene ihm, er hätte ihn so schon genug 
und mehr als es in seiner Pflicht gelegen, gelehrt, und er ver- 
diene nicht, auf diese Weise behandelt zu werden, schloss Moce- 
nigo ohne weiteres den Söller hinter sich ab. Er versuchte nun 
noch einmal, Bruno zur Mittheilung der vermeintlichen Geheim- 
lehren zu bewegen , indem er drohte, im Falle der Weigerung 
die gotteslästerlichen Aeusserungen, die Bruno sich gegen Christus 
und die hl. katholische Kirche habe zu Schulden kommen lassen, 
an die hl. Inquisition gelangen zu lassen. Darauf erwiderte ihm 
jedoch Bruno unerschrocken : er furchte sich vor der Inquisition 
nicht, da er keinen Menschen je daran gehindert hätte, nach 
seiner Weise zu leben und er sich im übrigen nicht erinnern 
könne, irgend etwas schlechtes gesagt zu haben, und selbst wenn 
dieses der Fall sei, so habe er es zu ihm allein gesagt und könne 
desshalb nicht befürchten, dass er ihm auf diesem Wege zu 
schaden trachte, ja und selbst, wenn er in die Hände der In- 
quisition fiele, so könne man ihn höchstens zwingen, das abge- 
legte Ordenskleid wieder anzuziehen 2 ). Am folgenden Tage, 



J) Doc. VII (a. a. O., pag. 339—340): pigliai, giovedt passato, licentia da 
lui per partirmi, U quäle intendendo questo , e dubüando ehe io volesse partir 
fuori di easa piü tosto per ineegnar ad alire persone le istesse teientie ehe havevo 
insegnato a lui e altre, che andar a Franeoforte, secondo ehe io dic&va, mi fu 
attorno con molta instantia per fermarmi, e io instando tuttavia di voler partir, 
comineib prima a dolerei ehe non li Jiavevo ineegnato quanto li havevo promesso 
e poi a mmaeeiarmi con dirmi eh» »e non fusei voluto rettar de bona vctonta, 
ehe haverehbe trovato il modo ehe earei restato. £ la motte del giorno seguente, 
ehe fu il vener dt, vedendo detto ser Giovanni, ehe io persistevo netta resolutione 
dipartirmi, e ehe io havevo dato gia ordine alle eose mie e fatto pratiea di mandar 
le robe a iranefort , venue , ehe io era in letto, eotto preteeto di volermi parlar, 
e depo ehe fu entrato lui sopraggionsero il suo servitore chiamato Bortolo , con 
einque o »ei altri, salvo il vero, ehe erano, secondo io eredo e al mio gtuditio, 
gondolieri di quelH ehe etanno vieino, e mi feeero levar di letto e me eondueeero 
topra un solaro e me serrarono nel detto eolaro, dieendo eeso ser Giovanni, ehe se 
volevo fermarmi e insegnarli li termini della memoria, deUe parole, et il termine 
della geometria , che me haveva rieercato prima , che me haverehbe fatto metter in 
libertä, aUrimenti me sarebbe suecessa cosa düpiaeevole. 

2) Doc. II (Berti, Vita di G. Bruno, pag. 329): In quel giorno ehi io. 
tenni serrato Jordano Bruno, dimandandogli io, se quello che non havea voluto inseg- 



'i^J-wV 



und sein Verhängnis 8 in Venedig. 159J — i$$Hj* ^ 101 .. -.. ; 

am 23. Mai, erschien ein Inquisitionsbeamter in Begleitung^^^ - ' -_' s y 
rerer Gendarmen, welche Bruno aus Mocenigo's Hause in ein 
Magazin zu ebener Erde führten. Noch an demselben Tage 
reichte nun Mocenigo beim Pater Inquisitor eine Denunciation 
gegen Bruno ein und so kam denn in der nächsten Nacht ein 
anderer Polizeihauptmann des hL Officiums mit seinen Sbirren, 
welche den so schmählich Ueberrumpelten in das Ge&ngniss der 
Inquisition verbrachten 1 ). Am 25. Mai schickte Mocenigo ein 
das erste ergänzendes, Denunciationsschreiben ein und leistete 
dem Pater Inquisitor den erforderlichen Eid auf die Wahrheit 
seiner Angaben 8 ). Sofort begann nun der Process. Als dieser 
bereits in vollem Gange war, reichte Mocenigo auf Befehl des 
Inquisitors am 29. Mai noch eine zweite Ergänzung des Denun- 
ciationsberichts ein 3 ). 

Das venezianische Inquisitionsgericht setzte sich zusammen 
aus dem Pater Inquisitor, damals Johann Gabrielli aus Saluzzo, 
ferner aus dem apostolischen Nuntius in Venedig, damals Lu- 
dovico Taberna, weiter aus dem Patriarchen von Venedig, da- 
mals Lorenz Priuli, und endlich aus einem der drei adeligen 
Mitglieder, der „Savii all' Eresia u , welche abwechselnd dem 
Verhöre beiwohnten, um dem Rathe der Zehn über die Vor- 
gänge vor dem Inquisitionsgericht regelmässig Bericht zu er- 
statten. Die drei, abwechselnd als Assistenten fungirenden Mit- 
glieder des Dreiercomitö's waren damals Alois Foscari, Sebastian 
Barbadico und Thomas Morosini. 



narmi, sieome tri Jiavea promesso , a forza di dante corteeie e di tanti doni che 
Vhavevo fatti, gli parevo di farlo almeno, perehe io non lo aoeusaesi di tante 
seelerate parole ehe tni haveva detto et contra nostro i\ r . Signor Giesit Crüto et 
contra la Santa Chieea Catholiea ; tni rispoee ehe non temeva deJX inquisitione peroKe 
non . offendeva aleuno a viver a suo modo e poi che non ti rieordava eChavermi 
detto cosa aleuna cattiva, et ehe se pur Vhavea detta, f haveva detto a me solo , et 
che pero non poteva termere che io gli noeeeei per queeta via; et che anco quando 
fotte andato in tnano deUa inquisitione, alpiu Vhaveria potuto aetringere a vettir 
Vaoito diemeeeo. 

1) Doc. I (Berti, Vita di Bruno, pag. 327). 

2) Doc. II. (Berti, Vita di Bruno, pag. 329). Ueber Mocenigo's Eid 
ygl. Doc. III. Ebendas., pag. 331. 

3) Doc. VIII. Ebendas., pag. 342—344. 



102 $• Bruno'8 Bückkehr in sein Vaterland 

Zuerst, erfolgte das Verhör der Zeugen. Zwei derselben, der 
Buchhändler Ciotto, der am 26. Mai , und der Buchhändler Bertano, 
der am 29. Mai vernommen wurde, sprachen sich flir Bruno's 
weise Zurückhaltung in Gesprächen über religiöse Gegenstände 
gleich günstig aus: er habe niemals ein Wort über seine Lippen 
gelassen, aus welchem hätte der Schluss gezogen werden können, 
er sei kein Katholik oder guter Christ 1 ). Beide hatten ihn 
schon in Frankfurt kennen gelernt und also Gelegenheit gehabt, 
seine sonstige Offenheit in einem Lande zu beobachten, welches 
doch eben gerade der Polemik gegen Rom keine Schranken 
setzte. Nun kamen aber die Zeugnisse der Fama! Und da 
will nun Bertano vom Pater Prior des Carmeliterklosters in 
Frankfurt gehört haben: Bruno sei ein Mann von Wissen und 
Geschmack, ein universeller Mensch, der aber, so viel er glaube, 
gar keine Religion habe; so hätte er einmal gesagt, er wisse 
mehr als die Apostel wüssten und wenn es ihm darauf ankäme, 
so wollte er es wohl zu Stande bringen, dass die ganze Welt 
nur einer Religion anhinge 2 ). 

Nun kam die Reihe an Bruno. Es war ebenfalls am 29. Mai 
1592. Er wurde zunächst über seine bisherigen Lebensumstände 
vernommen und damit im zweiten Verhör am gleich darauf- 
folgenden Tage fortgefahren. Was Bruno, — „ein Mann von 
mittelgrosser Statur, mit etwas kastanienbraunem Vollbart, von 
Ansehen etwa ein Vierziger" 3 ) — in diesen beiden Verhören 



1) Doo. V (bei Berti, Vita di G. Br., pag. 335). Ciotto bezeugt: 
egli non e mai uecito a dir cosa per la quäle habbi potuto dubitare che non sia 
eatholico e buon Christiane Dem entsprechend bezeugt Bertano im Doc. VI 
(bei Berti a. a. 0., pag. 337) : non ha detto, ne tni ton aceorto de cosa aleuna, 
ehe non sia da ehrietiano, 

2) Doc. VI a. a. O^ pag. 337 : Me diese ben quel Padre Prior del Cor- 
mint di Praneqforte , domandandoli ehe huomo era ü detto Oiordano, ehe egli 
haveva bei ingegno, e deüe litter e, et era homo universale, ma ehe non haveva 
reUgione aleuna 9 per quanto lui credeva; soggiungendo , egli diee, die sa put che 
non sapevano gli Apoetoli e ehe gli bastava l'animo de far *e havesse voluto ehe 
tutto il mondo sarebbe stato de una reUgione. 

3) Doc. V a. a. O., pag. 333 sagt Ciotto: e un uomo pieeolo eearmo, 
eon un poeo di barba nera , di eta de circa 40 anni. Uebereinstimmend der 
Secretär des Inquisitionsgerichts in der Einleitung zu Bruno's erstem Verhör 
in Doc. VII a. a. O., pag. 339: vir comunit etaturae, cum barba eastanea, 



und sein Verhängniss in Venedig. 1591-1593. 103 

erzählt, bildet die einzig authentische und desshalb so werthvolle 
Grundlage des Lebensabrisses, dessen Darstellung sich diese 
Blätter zur Aufgabe gesetzt haben. Das Hauptverhör, welches 
Bruno's Ketzereien ins Klare stellen sollte, fand erst Dienstags 
2. Juni 1592 statt. 

Und nun ist es hohe Zeit, die Anklagen, welche der ver- 
räterische Nobile gegen seinen Lehrer erhob, ihrer Wichtigkeit 
gemäss ins Auge zu fassen. Bruno , so betheuerte der junge 
Mocenigo, hätte gesprächsweise mehrfach zu ihm geäussert: es 
sei eine grosse Gotteslästerung der Katholiken, wenn sie sagten, 
das Brod verwandle sich während der hl. Handlung in Fleisch; 
er sei ein Feind der Messe; keine Religion gefalle ihm; Christas 
sei ein Betrüger gewesen und habe, wenn er Lug und Trug \ 
geübt, um die Völker zu verführen, es wohl voraussagen j 
können, er werde gehenkt werden; es gebe keine Unterschiede \ 
der Personen in Gott, solche Unterschiede schlössen die Unvoll- 
kommenheit Gottes in sich; die Welt sei ewig und es gebe un- 
endliche Welten, auch erschaffe Gott deren unausgesetzt in un- 
endlicher Anzahl, denn sein Wille reiche soweit als seine Kraft; 
Christus habe nur scheinbare Wunder verrichtet und sei ein 
Zauberer gewesen, gerade wie seine Apostel, er wolle seine Seele 
dafiir einsetzen, deren ebenso grosse und noch zahlreichere zuf 
thun; Christus habe gezeigt, dass er sehr ungern starb und den 
Tod so viel floh als er nur konnte; es gebe keine Vergeltung, 
der Sünden und die Seelen, die durch die Thätigkeit der Natur, 
erschaffen wären, gingen aus einem Lebewesen in das andere^ 
über, und wie die Thiere aus der Verwesung hervorgingen, so ? 
wüchsen auch die Menschen, wann sie nach den Sintfluten 
wieder geboren würden 1 ). Ferner hat er die Absicht kund- 



aetatie et aspectu annorum quadraginta circUer. In der Wittenberger Abschieds- 
rede nennt er sich selbst : corpore pusilhM. 

1) Doo. I (bei Berti, Vita di G. Bruno, pag. 327—328): Jo, Zuane Mo- 
cenigo, fo J del Claritsimo meeeer Marcantonio, dinuntio a V, Paternita Molto Be- 
verenda, per obbligo deUa mia oonecientia, et per ordine del mio Confeesor , haver 
sentüo a dire a Giordano Bruno Nolano , alcune volte ehe ha raggionato meeo in 
casa mia, ehe e biastemia grande quella de cattoUei il dire che il Bme si treme- 
tuetantii in earne; ehe lui e nemieo della Meesa; che niuna religione gli piaee; 
che Christo fu un tristo, et che se faeeva opere triste di eedur popoii, poteva molto 



104 $• Bruno's Bückkehr in sein Vaterland 

gegeben, sich zum Urheber einer neuen Sekte unter dem Namen 
einer neuen Philosophie zu machen; er hat erklärt, die hl. Jung- 
frau könne nicht geboren haben und daas unser katholischer 
Glaube voller Lästerungen gegen die Majestät Gottes sei; man 
müsse den Mönchen die Streitsucht legen und die Einkünfte ent- 
ziehen, weil sie die Welt ja doch nur mit Gestank erfüllten; sie 
seien allzumal Esel und unsere Lehren Eselslehren; wir hätten 
keine Gewähr, dass unser Glaube bei Gott Verdienst erwerbe 
und es genüge zu einem tugendhaften Lebenswandel, wenn man 
das nicht thue, was man selbst nicht wolle, dass einem die Leute 
thun sollen; er moquire sich über die andern Sünden und wun- 
dere sich, dass Gott so grosse Ketzereien der Katholiken er- 
trage ; er wolle sich auf die Wahrsagerkunst werfen und dann 
möge man sehen, ob ihm nicht die ganze Welt nachlaufen werde; 
der hl. Thomas und alle Kirchenlehrer hätten im Vergleich mit 
ihm gar nichts gewusst, und er wollte den ersten Gottesgelehrten 
der Welt ein Licht aufstecken, dass sie nichts zu antworten 
wüssten 1 ). Das jetzige Verfahren der Kirche sei nicht dasjenige, 
welches die Apostel befolgt hätten; diese hätten das Volk durch 



ben predire di dover essere impieato; ehe non vi e distintioni in Bio di persone 
et che quetto sarebbe imperfection in Dio; die il mondo e eterno et ehe sono in- 
ßniti mondi; et che Dio ne fa inßniti eontinuamente, perehe diee che vuole quanto 
che pub; che Christo faceva miraeoli apparenti et che era un mago et cost gl% 
apostoU e che a lui daria tanima di far tanto et piü di loro; ehe Christo 
mostrb di morir mal volentieri et che la fug gl quanto che puote; che non vi e 
punitione di peecati et ehe le anitne, oreate per opera delia natura, passano oVun 
animal in un altro et ehe eomo nascono gH animali bruti di eorrutione , eost 
nascono anehe gli huomini, quando doppo i diluvii ritomano a nasser. 

1) Ebendas., pag. 327 Fortsetzung: Ha mostrato düsegnar di voler farsi 
autor di nuova setta sotto notne di nuova filosofia, ha detto ehe la Vergwe 
non pub aver partorüo ; et che la nostra fede eatholica e piena tutta di biastemie 
contro la maesta di Bio; ehe bisognerebbe levpr la disputa et le entrate allifrati, 
perehe imbratano il mondo, ehe sono tutti asini , ehe non habbiamo prova , ehe la 
nostra fede meriti eon Bio , et che il non far ad altri quello che non voressimo 
che fosse fatto a noi basta per ben vivere, et che se ne aride di tutti gli aUri 
peecati, et ehe se meraviglia come Bio supporti tonte heresie di catholici, diee di 
voler attendere alt arte divinatoria et che si vuol far eorrere dietro tutto il mondo; 
ehe S. Tommaso et tutti gli dottori non hanno saputo niente a par di lui; et ehe 
Mariria tutti i primi teologhi del mondo ehe non sapriano rispondere. 



und sein Verhängniss in Venedig. 1591 — 1593. 105 

Predigten und gute Beispiele bekehrt, wer aber jetzt nicht Ka- 
tholik sein wolle, müsse Züchtigung und Strafe erleiden, weil 
man die Gewalt und nicht die Liebe anwende. Diese Welt 
könne nicht so bleiben, weil in derselben nur Unwissenheit 
und keine Religion herrsche, welche gut sei; die katholische ge- 
falle ihm zwar bei weitem besser als die andern, aber auch 
diese bedürfe grosser Verbesserungen ; es stehe so nicht gut, aber 
die Welt werde sehr bald und in der allernächsten Zukunft eine 
Generalreform ihrer selbst erleben, da unmöglich so viele Ver- 
derbnisse länger andauern könnten; er hoffe grosse Dinge unter 
dem Könige von Navarra, desshalb beeile er sich, seine Werke 
ans Licht zu geben und sich auf diesem Wege Achtung zu ver- 
schaffen, um, wenn es Zeit sein werde, alsdann an die Spitze 
der Bewegung zu treten 1 ). Er könne nicht begreifen, wie eine 
so weise Bepublik wie die venetianische , die Klöster im Besitze 
so grosser Reichthümer belasse, man solle es doch mit denselben 
halten, wie in Frankreich, wo der Adel die Einkünfte der 
Klöster gemesse, während die Mönche sich mit ein wenig Fleisch- 
brühe begnügen müssten. Es sei letzteres ganz in der Ordnung, 
denn diejenigen Mönche, welche heutzutage ins Kloster einträten, 
seien alle Esel und es sei geradezu eine Hauptsünde, solchen 
so grosse Güter zum Niessbrauch zu überlassen. Mocenigo be- 
schloss seine Denunciation mit einer Verdrehung des Schluss- 
verses des Gedichtes De Immenso: Bruno hätte ihm einst ge- 
sagt, dass ihm die Frauen sehr gut gefielen, er sei jedoch noch 



1) Doc. VIII (bei Berti, Vita di G. br., pag. 342—343). Zweites Supple- 
ment zur Denunciation vom 29.» Mai 1592: ehe il proceder ehe uta adetto la 
Chieto non e quetto ehe usavano gli Apottoli; perehe quellt eon le predieationi 
et eon gli etempi di buona vita eonvertivano la gente, ma ehe hora ehi non vuol 
ttttr Cattholico, bitogna ehe provi il eastigo et la pena; perehe ti Uta la forza et 
non tamore ; ehe quetto mondo non poteva durar coti perehe non v* era te non 
ignoranza et niuna reügione ehe fosse buona; ehe la Cattolica gli piaceva ben piU 
deüe altre, ma ehe questa aneor Itaver bieogna di gran regole, et ehe non ttava 
bene eosi, ma ehe presto presto il mondo haverebbe veduta una riforma generale di 
se stetto, perehe era impottidile ehe daraetero tante eorruttele: et ehe tperava gran 
eote tu il Ee di Navarra, et ehe perb voleva affrettarti a metter in luce le tue 
opere et farti crecUto per quetta via, perehe quando fotte ttato tempo, voleva estere 
Capitano. 



106 $. Bruno's Bückkehr in sein Vaterland 

nicht bei der Zahl Salomons angelangt und die Kirche begehe 
eine grosse Sünde, wenn sie dasjenige zur Sünde mache, womit 
man so schön der Natur diene und er für ein sehr hohes Ver- 
dienst halte 1 ). 

Mit diesem Denunciationsschreiben reichte Mocenigo zugleich 
drei Bücher Bruno's ein, ausserdem aber ein Manuscript, von 
dessen eigner Hand geschrieben, welches von Gottes allgemeinen 
Prädicaten handelte und worin wir wohl nur das in Zürich ge- 
schriebene, später durch Kaphael Eglin in der zweiten Ausgabe 
der Summa terminorüm METAPHYSICORUM als Anhang ver- 
öffentlichte Werkchen De entis descensu, von welchem ein 
Abschnitt De Deo seu mente betitelt ist, zu suchen haben 
werden. • — - 

Mocenigo's Denunciation beruhte auf einer bunten Verball- 
hornung von missverstandenen Sätzen aus Bruno's Schriften mit 
boshaft entstellten Aeusserungen, welche sich Bruno, wie er gleich 
selbst zugestand, im Taumel gesellschaftlicher JJgjgüjlaune^ erlaubt 
haben mochte *). Welche Leistung nach dieser Richtuna^erade der 



1) Doc. V11I a. a. O., pag. 343: Et in altro proposito mi disse: ehe 
sieome reputava per altro saviissima questa repubblica cosi non poteva fare ehe 
non la dovesse a lasciar eosl riecht i frati, et ehe doveriano fare come Hanno 
fatto in Franeia, ehe le entrate de* tnonasterii ae le godono i nobüi % et li froti 
mangiano un poco di brodo et ehe cosi sta bene, perehe quellt ehe entrano frati 
il di d? oggi aono tutti osini; ai quali lasciar goder tanto bene e grandissimo 
peceato, Oüre di ehe mi disse che gli piaeevano assai le donne et ehe non haveva 
arrivato ancora al numero di quelle di Salomone et ehe la Chiesa faceva un gran 
peceato nel far peceato quello con ehe si eerve eosl bene fUla natura ; et ehe lui 
lo haveva per grandissimo merito. Es wird einem sehr schwer oder vielmehr 
rein unmöglich, Bruno solch lächerlich absurder, eines grossen Philosophen 
wie Bruno*« völlig unwürdiger, dagegen allerdings eines Buben wie Moce- 
nigo's würdiger Aeusserungen für fähig zu halten. Die Quelle zu dieser 
Verleumdung Bruno's bildet offenbar das Missverständniss des oben er- 
wähnten Schlussverses : Feramarunt me quoque Nymphae. Die Nym- 
phen sind hier, wie schon Berti, Vita di G. Bruno, pag. 96 erkannt, nicht im 
Sinne von Liebschaften, sondern als die Musen zu nehmen. 

2) Im Verhör vom 2. Juni 1592 erklärt Bruno nach Doc. XII bei 
Berti, Vita di 6. Bruno, pag. 367 : se ho detto ehe la fornieaOone si pub para- 
gonare al peceato veniale per vieinanza e ho aUegerito questo peceato piü di quel 
ehe dovevo , e stato come ho detto per leggerezza e per trastuüo deüa compagnia 
ehe perehe non habbi ereduto e credi, ehe non sii peceato mortale. 



und sein Verhängniss in Venedig. 1591—1593. 107 

römische Eatholicismus selbst noch heute gestattet, ist jedem mit 
katholischem Leben Vertrauten wohl bekannt. Wie sehr sich 
Bruno hütete, im Ernst auch nur gesprächsweise die katholische 
Kirchenlehre anzutasten, ergiebt sich aus den übereinstimmenden 
Zeugenaussagen zweier Männer wie der Buchhändler Ciotto und 
Bertano. Und dieser selbe Bruno, der sich so gemessen gegen 
Männer zu benehmen wusste, sollte sich einem, zehn Jahre 
jüngeren, Fant gegenüber so würdelos geäussert haben? einem 
Schüler, dessen Incapacität ja doch offenbar gleich bei der ersten 
Begegnung vom Lehrer hatte erkannt worden sein müssen, 
sollte dieser Lehrer sein Innerstes geöflhet haben? Oredat Ju- 
daeus Apella! Auch der Eid, den Mocenigo zur Bekräftigung 
der Wahrheit seiner Denunciation schwor, vermag die Wahrhaf- 
tigkeit derselben nicht über jeden Zweifel zu erheben. Ein venetia- 
nischer Nobile, ein geborener Republikaner, der gleich von An- 
fang an erklärt, immer die Absicht gehabt zu haben, seinen 
Lehrer, den er aus der weiten Ferne über die Alpen hatte 
kommen lassen, an die Inquisition auszuliefern; ein Schüler, der 
sich schon desshalb für berechtigt hält, seinen Lehrer dem Henker 
zu überantworten, weil er ihn angeblich nicht Alles gelehrt habe, 
was er versprochen oder vielleicht gar andere lehren könnte, 
was er ihm selbst versagt, ein solcher Ausbund von Heimtücke 
und Perfidie verdiente noch Glauben an seine lautere Wahrheits- 
Hebe 1 )? 

Bruno hat von dem wirren Knäuel der von Mocenigo ihm 
heimlich entgegengeschleuderten Anklagen niemals Kenntniss er- 
halten. Es scheint sogar, dass selbst die Inquisition einen grossen 
Theil der dem Nolaner zur Last gelegten Ketzereien keiner Be- 
achtung gewürdigt habe. Wenigstens hielten sich die Verhör- 
richter fast ausschliesslich an Bruno's Abirrungen vom Kirchen- 
dogma. Dieser scheint anfänglich die Gefahr, in welcher er 
schwebte, unterschätzt zu haben, denn die Zuversicht, mit welcher 



1) Sigwabt in seinem Aufsatze : Giordano Bruno vor dem Inquisitions- 
gerichte (Kl. Sehr., Erste Reihe, 1881, pag. 49—124) scheint pag. 98 von 
der Wahrhaftigkeit Mocenigo's überzeugt zu sein, ebenso, dass Bruno sich 
wirklich so weit vergessen hätte, einem Imblcille, wie sein Schüler einer 
war, seine innersten Seelenfalten geöffnet, das Allerheiligste seiner philo- 
sophischen Ueberzeugungen preisgegeben zu haben, fiw umv* •• 1 " : , 



108 8- Bruno'8 Rückkehr in sein Vaterland 

er anfänglich vor Gericht auftritt, sticht gewaltig ab von der 
Demuth, mit welcher er bald genug um sein Leben bat. Bruno 
erklärte unaufgefordert gleich von vorn herein: „Ich werde die 
Wahrheit sagen. Man hat mir früher schon mehrfach gedroht, 
mich diesem hl. Officium auszuliefern, allein ich habe das immer 
für einen Scherz gehalten, weil ich bereit bin, Rechenschaft von 
mir zu geben 1 ). 44 

In den ersten zwei Verhören am 26. und am 30. Mai hatte 
Bruno zunächst seine Lebensgeschichte zu erzählen. Er unter- 
zog sich dieser Aufgabe mit der grössten Offenheit, vergass aber 
zum Schlüsse nicht, dem hl. Officium zu erklären, wie er die 
Absicht hege, dem hl. Vater einige seiner Werke und besonders 
eins von den sieben freien Künsten vorzulegen und ihn um die 
Gnade zu bitten, ihm zu gestatten, sein Ordenskleid wieder an- 
legen zu dürfen, ohne doch gezwungen zu sein, im Kloster zu 
leben *). Dann aber, noch bevor ihn die Verhörrichter nur angefragt 
haben, versucht er dieselben durch eine Unterscheidung seiner 
Werke in solche, die er jetzt noch billige, und in solche, die er 
jetzt nicht mehr billige, zu gewinnen. Er bekennt, in den von 
ihm nicht mehr gebilligten „zu philosophisch, unehrerbietig, und 
nicht allzu christlich 44 gesprochen zu haben. Er habe mehrfach 
Dinge gelehrt und vertreten 3 ), welche man nach dem christlichen* 



1) Doc. VII (bei Üekti, Vita di G. Br. , pag. 339): Jo dirb la verüb. 
Hü volte mi e stato minacciato de farmi venire a queato Santo ZJfßcio, et aempre 
tho tenuto per burla, perehe io aono pronto a dar conto di me 

2) Doc. IX a. a. O., pag. 348 : andavo a Francfort di novo partendomi 
de qui per far stampare aUre mie opere e nua in particolare delle 7 arti liberali 
eon intentione de pigliar queate e alcune mie opere altre stempelte e ehe io approbo, 
ehe alcune non approbo , e andarmi a preaentar dtti piedi di Sua Beatüudine, la 
quäl ho inteao ehe ama li virtuoai, et esporli il caao mio et veder di ottener Vab- 
aolutione de exceaai et grotia di poter viver in habüo clericale fuori della ReUgione, 

3) Doc. IX a. a. O., pag. 349: ho detto ehe me volevo preaentar aUi 
piedi di sua Beatüudine eon alcune mie opere approbate, havendone alcune altre 
che non approbo, havendo voluto dir ehe ho alcune mie opere eomposte da me e 
date atta stampa, le quali non approbo perehe in esse ho parlato e dieeorao troppo 

ßloaoficamente, disonestamente, non troppo da buon eriatiano e in partieolar eo ehe 
in alcune di queste opere ho inaegnato e tenuto filoaoßeamenU le coae ehe ae do- 
veriano attribuir alla potentia, eapientia e bontä de Bio seeondo la fede Chriatiana 
fondando la mia dottrina sopra il aenso e la ragione e non sopra la fede. 



und sein Verhäogniss in Venedig. 1591 — 1593. 109 

Glauben der Allmacht, Weisheit und Güte Gottes zuschreiben 
müsse, aber er^ stütze sein Leben nicht auf den Glauben, so ndern 
auf Sinn und Vernunft. 

Erst am 2. und 3. Juni beginnen nun die Verhöre über 
Bruno's Lehre. Auf den Wunsch seiner Richter übergiebt er 
zunächst eine eigenhändige Liste seiner sämmtlichen gedruckten 
und noch nicht gedruckten Werke J ). Er gesteht wieder, in den- 
selben nicht v om christlichen, sondern vom ^philosophischen Stand- 
punkt aus geschrieben und gelehrt zu haben und wilT desshalb 
auch nur als Philosoph und nicht als Kirchenlehrer beurtheilt 
werden. Direkt habe er gegen die kathob'sch christliche Reli- 
gion nichts gelehrt, wiewohl allerdings indirekt, indem er dem 
natürlichen Lichte der Weltbetrachtung gefolgt sei, gerade wie 
die von der Kirche ja doch anerkannten Philosophen Aristoteles 
und Plato, deren Artikel dem christlichen Glauben indirekt noch 
weit mehr entgegenständen, als seine Philosophie 2 ). Und nun 
geht er zu einer kurzen Darstellung seiner Weltansicht über, 
wobei er sich merkwürdigerweise nur auf seine Frankfurter 
Lateinwerke, unter den italienischen Schriften aber nur vorüber- 
gehend auf seinen Dialog De la Causa beruft. 

„Ich lehre ein unendliches All, als die Wirkung der unend- 
lichen göttlichen Macht, weil ich es für der göttlichen Güte und 
Allmacht unwürdig hielte, eine endliche Welt hervorzubringen, 
wenn sie doch ausser dieser gegenwärtigen Welt eine andere und 
wieder andere unendliche Welten hervorzubringen die Kraft hatte. 



1) Doc. XI (bei Berti, Vita di G. Br., pag. 351): Jo hofaUouna lista 
de tutti li Ubri ehe io ho fatti atampare e di quellt ehe ho eomposti e ehe non 
sono aneora stampati, . . . la quäl nota e lista e queeta; et illam exhibuit 
manu ejus dem. 

• 2) Doc. XI a a. O., pag. 352—353: Direttamente non ho ineegnato com 
contra la Eeligione Cattolica Cristiana bencKe indirettamente com* e etato giu- 
dicato in Parisi, dove pur me fu permesso trattare eerte dieputationi eotto il titolo 
de eentovinti articoli contra li Peripatetiei e attri volgari ßlosofi stampati eon per- 
miesione de superiori , come fus»e lecito trattarne aeeondo la via de principii natu- 
ralis non pregiudieando alla veritä aeeondo il lume della fede, nel quäl modo ei 
poseono leggere et insegnare li libri oV Arietotele e di Piatone ehe nel medeeimo 
modo indirettamente sono contrarii alla fede anzi molto piu eontrarii ehe li arti- 
euli da me ßlosoßeamente proposti e difiesi. 



HO $. Bruno's Rückkehr in sein Vaterland 

| So habe ich denn erklärt, dass es unendlich viele Welten giebt, 
ähnlich dieser unserer Erde, unter welcher ich mit Pythagoras 
; ein Gestirn verstehe, gleich dem Monde, den übrigen Planeten 
und anderen Sternen. Alle diese Körper sind bewohnte Welten, 
deren unendliche Zahl im unendlichen Räume das unendliche 
All bildet. In dieses Universum setze ich eine allgemeine Vor- 
sehung', in Kraft welcher jedes Ding lebt, wächst, sich bewegt 
und in seiner Vollkommenheit besteht; und diese verstehe ich 
in doppelter Weise, einmal in der Art, in welcher die Seele im 
Körper gegenwärtig ist, ganz im Ganzen und ganz in jedem 
einzelnen Theile, und dieses nenne ich Natur, Schatten und 
] Spur der Gottheit; dann aber in der unaussprechlichen Art, in 
I welcher Gott durch Wesen, Gegenwart und Macht in Allem und 
I über Allem ist, nicht als Theil, nicht als Seele, sondern auf 
/ unerklärliche Weise 1 ). 

In der Gottheit begreife ich mit den* Theologen und den 
grössten Philosophen alle Attribute als Eins, ich nehme aber drei 
Attribute: Macht, Weisheit und Güte, oder Geist, Verstand und 
Liebe. Vermöge des Geistes haben die Dinge zunächst das 
Sein, vermöge des Verstandes das geordnete und unterschiedene 
Sein, vermöge der Liebe die Harmonie und Symmetrie; den n Gott 
ist in Allem und über Allem, da nichts ist, was nicht am Sein 
theilnimmt und das Sein nicht ohne die Wesenheit ist. Wie 
nichts schön ist ohne die Existenz der Schönheit, so auch kann 



1) Doc. XI a. a. O., pag. 353: io tengo un infinito universo t cioe efetto 
della inßnita divina potentia percKe io stimavo eosa indegna deüa divina bonth e 
potentia che pottendo produr oltra quetto mondo un altro e altri inßniti, produ- 
eeste un mondo finito sx ehe io ho diehiarato inßniti mondi particolari simüi a 
quetto della terra la quäle con Püagora intendo uno Astro tünile al quäle e la 
luna altri Pianeti et altre stelle, le quäl tono infinite, e ehe tutti questi eorpi sono 
mondi e senza numero, li quali eostituiteono poi la universitä inßnita in uno 
spazio infinito e quetto ai chiama universo injmito , nel quäl sono mondi innume- 
rabili .... Di piu in quetto universo metto una provvidenza universale in virtu 
della quäle ogni eosa vive , vegeta e si move e stä neüa sua perfeiione , e la in- 
tendo in due moniere , Vuna nel modo con eui pretente e Vanima ne eorpo tutta 
in tutto e tutta in qualsivoglia parte e quetto ehiamo natura, ombra e vestigio 
deüa divinita; V altro nel modo inefabile eol quäle Iddio per etstntia, presentia e 
potentia e in tutto e sopratutto, non eome parte, non eome Amma, majin modo 



und sein Verhängniss in Venedig. 1591 — 1593. Hl 

nichts sein, was von Gottes Allgegenwart ausgeschlossen wäre. 
In dieser Weise verstehe ich auf rein verstandesmässigem Wege 
und nicht im Sinne substanzieller Wirklichkeit unterschiedene 
Attribute in Gott 1 )." 

Alsdann erörtert Bruno, was er als Philosoph unter der 
Dreieinigkeit verstehe. Er bekennt frei und frank, die Fleisch- 
werdung des Sohnes Gottes, an welche man glauben müsse, nicht 
verstanden zu haben, wiewohl er sich nicht erinnern könne, von 
seinem Zweifel weder jemals schriftlich, noch mündlich auch 
nur eine Andeutung sich erlaubt zu haben. Ebenso sei ihm 
auch der Heilige Geist nicht in dem Sinne, in welchem man 
an ihn glauben müsse, verständlich geworden, sondern er habe 
ihn auf pythagoräische Weise als Weltseele aufgefasst. „Aus 
diesem Geiste, der auch das A llleben genannt wird, fliesst in 
meiner Philosophie jedem beseelten und belebten Wesen die 
Seele und das Leben zu. Desshalb ist die Seele unsterblich, 
wie auch die Körper ihrer Substanz nach unvergänglich sind, 
denn der Tod ist nichts anderes als Trennung und Wiederver- 
einigung. Dieses scheint auch des Predigers Salomon Ansicht, 
wenn er sagt: Nichts Neues unter der Sonne 2 )." 



1) Da poi nella JDivinita tntendo ttUti li attributi esser una medesma cosa, 
insieme con teologhi e piu grandi ßhsoß, capiseo tre attributi, potentia, sapientia 
et bonta, o veratnente menie, inteüetto, amore, col quäle le eose Hanno prima festere, 
ragion deUa mente, da poi Vordinato euere, e distinto per ragione delf inteüetto, 
terzo la coneordia et simmitria per ragione delf amore, questo tntendo essere in 
tutto e topratutto , eome nessuna cosa e eenza partecipatione de festere e V essere 
non e senza fessentia, eome nessuna cosa e betta senza la beltä presente, cust deüa 
divina presentia niuna cosa puo esser, esenta, e in questo modo per via dt ragione 
e non per via di substanziale veritä tntendo distintione nella divinita. 

2) Doc. XI a. a. O., pag. 354 — 355: Quanto poi a quel che appartiene 
alla fede, . ... all' indwiduo circa le divine persone, .... Jo stando neüi termini 
deUa ßlosoßa, non Vho inteso, ma dubitato, e con incostante Jede tenuto, non giä 
che mi rieeordi de liaveme mostrato segno in scritto, nie in ditto .... cosx quanto 
atto spirüo divino per una terza persona non ho possuto capire secondo ü modo, 
che si deve credere, ma secondo il modo Fütagorico, conforme a quel modo che 
mostra Salomone, ho inteso come anima deU universo .... 

Da questo spirito poi, che e detto vita delt universo, tntendo nella mia 
ßlosoßa provenire la Vita e V anima a ciaseuna cosa ehe have anima e vita, la quäl 
poi tntendo essere immortale eome anco alli corpi quanto alla loro substantia tutti 



112 8. Bruno's Rückkehr in sein Vaterland 

Biß hierher stellt Bruno keinen seiner Zweifel an den Glau- 
benslehren der Kirche in Abrede, sondern bekennt sich mit 
männlicher Offenheit zu den Ueberzeugungen seiner Philosophie. 
Und nun mit Einem Male machen wir die Wahrnehmung, wie 
er von jetzt an jeder Anschuldigung, über welche er sich zu 
verantworten hat, in Sprache und Ton positiv kirchlicher Recht- 
gläubigkeit entgegentritt. So glaubt er jetzt an die Gottheit 
Christi, an die Göttlichkeit, Wahrheit und Realität von dessen 
Wundern, an die wirkliche und substanzielle Umwandlung von 
Brod und Wein in Leib und Blut Christi, wie sie die Kirche 
lehrt ; an die unbefleckte Empfangniss der Jungfrau Maria ; an 
Paradies, Fegfeuer und Hölle! Mit besonderm Nachdruck ver- 
sucht Bruno die Anklage zu entkräften, dass er geflissentlich 
gegen die Lehre der heiligen Mutter Kirche zu wirken gesucht 
habe 1 ). Er habe deren Theologen von jeher als die einzigen 
Gottesgelehrten betrachtet, während die Theologen der Ketzer> 
Melanchthon, Luther, Calvin und andere ultramontane (!) Ketzer, 
die er sammt ihren Lehren verachte, nicht ihren Namen ver-' 
dienten, sondern Pedanten wären. Dagegen vor den grossen 
Kirchenlehrern des Katholicismus habe er alle schuldige Achtung 
und insbesondere sei es der hl. Thomas von Aquino, den er 
immer wie seine eigene Seele geliebt habe. Dessen sei Zeugniss, 
dass er pag. 89 seines Buches De Monade zum Lobe des 
hl. Thomas wörtlich sage: er sei die Ehre pnd die Leuchte all«' 
Kirchenlehrer, und Peripatetiker *). Und nun führt Bruno in 



tono immortali, non estendo altro morte ehe divisione e congreaatione , la quäl 
dottrina pare espresta neu* Ecclesiatte dove diee nihil 8 üb sole novum. 

1) Doc. XII a. a. O., pag. 357 : Jo eredo che nelle mie opere ei troveranno 
scritte molte eoee, qudli earonno contraria alla Fede Catholiea, e ehe paritnente 
neüi ragionamenti haverb dette cose eti averanno potuto apportar eeandalo ma perb 
io non ho detto ne scritte queste cose, ex profeeto ne per impugnar dtrettamente 
[^fede Catholica y ma fondandomi »olamente nelle ragioni ßloeoßehe o recitando 
e opinioni de heretiei. 

2) Doc. XII a. a. O., pag. 364: Jo ho letto libri di Melanthone, di Luther o, 
di Calvino, e de altri heretiei oUramontani , . . . (pag. 365): Jo disprezzo li sopra- 
detti heretiei e dottrine loro ; percKe non merüano notne di theolog hi ma di pedanti, 
ma di Bottori Eeeleeiaetiei Catholici, io ne ho quella »titna ehe devo e partieolar- 
mente di S. Thomaso ehe ho eempre eome ho detto di sopra stimato e amaio da 
me eome Vanima mia etc. 



und sein Verhängniss in Venedig. 1591 — 1593. 113 

der That die auf Seite 89 jenes Lateinwerkes vorkommenden 
Worte textgetreu auf! Dasselbe wiederholt er ganz unmittelbar 
hernach, wo er auf die Frage des Verhörrichters, ob er die 
guten Werke als zum Seelenheil noth wendig erachte, antwortet: 
er habe dieselben stets und zu jeder Zeit als für das Seelenheil 
unerlässlich gehalten, wie er denn in seinem Buche De la Causa, 
Principio et Uno oder in seinem andern Werke De l'In- 
finito, Universo e Mondi, auf Blatt 19 im ersten Dialog, 
sage : diejenigen Geistlichen, welche die Völker lehrten, sich ein- 
fach an den Glauben und nicht an die Werke zu halten, ver- 
dienten eher von der Erde vertilgt zu werden gleichwie Schlan- 
gen, Drachen und anderes der Menschheit schädliches Gezücht; 
denn die barbarischen Völker würden durch solchen Glauben 
noch barbarischer, diejenigen aber, die von Hause aus gut wären, 
würden dadurch schlecht 1 ). Und merkwürdigerweise stimmt 
auch dieses Citat wieder sinngetreu mit dem Textlaut bei Wag- 
ner II, 26 überein 2 )! 

In grosse Bestürzung, Aufregung und Entrüstung gerieth 
Bruno, als ihm die Denunciation vorgelesen wurde, nach welcher 
er gesagt haben sollte : Die Wunder Jesu Christi und der Apostel 
seien nur Schein und pure Zauberei gewesen und wenn ihn ge- 
rade die Lust angewandelt hätte, so hätte er noch ganz andere 
verrichten und es zu Stande bringen wollen, dass ihm die ganze 
Welt nachliefe. Auf diese Anklagen schlug Bruno die Hände 



1) Doc. XII a. a. O., pag. 364: questa specie di ßeligioei, li quali inseg- 
nano li popoli a conßdare senza topera , la quäle e fine di tutte le religioni, eseer 
pili degna di etser eatirpata dalla terra che serpi draghi e akri animali pernitiosi 
alla natura humana , perehe li popoli barbari per tal conßdenza divengono piu 
barbari c queUi ehe sono naturalmente buoni divengono cattivi, 

2) Diese Uebereinstimmung ist höchst auffallig, insbesondere diejenige 
Stelle, die ans dem erst während Brnno's Aufenthalt in Venedig gedruckten 
Frankfurter Werk De Monade stammt. Hatte Bruno ein so wunderbares 
Gedächtniss, dass er sich nach Jahr und Tag jede beliebige Stelle aus seinen 
Werken entweder wort- oder sinngetreu wieder ins Gedächtniss zurückzu- 
rufen und zugleich die pagina dazu anzugeben vermochte? Oder wie 
soll man sich diese Uebereinstimmung sonst erklären, da doch dem Ge- 
fangenen sofort alle seine Bücher von Mocenigo abgenommen und gewiss 
nicht wieder ausgeliefert worden waren? 

8 



114 &• Bruno 's Rückkehr in sein Vaterland 

über dem Kopf zusammen und rief aus: „Was ist das? Wer 
hat diese Teufeleien erfunden? Ich habe niemals so etwas ge- 
sagt, noch ist mir je dergleichen in den Sinn gekommen. O Gott, 
was ist das? ich wollte lieber todt sein, als dass man mir der- 
gleichen zum Vorwurf gemacht hätte!" 

Zum Schlüsse des langen Verhörs vom 2. Juni hielt ihm 
der Pater Inquisitor noch eine eindringliche Ansprache, welche 
Bruno zu Gemüthe fiihrte, dass seine so rasch vollzogene Schwen- 
kung dem Gerichtshof noch nicht sonderlich einleuchten wollte. 
Es wurde ihm verdeutet, dass, wofern er hartnäckig fortfahren 
würde, Dinge zu leugnen, in welchen er nachher würde über- 
führt werden, Dinge nämlich, welche den katholischen Glauben 
und die Satzungen der heiligen Mutter Kirche beträfen, er sich 
alsdann nicht zu wundern hätte, wenn das hl. Officium mit den- 
jenigen Rechtsmitteln gegen ihn verfahren würde, welche es gegen 
die Verstockten anzuwenden die Gepflogenheit und die Macht 
habe, insonderheit aber gegen diejenigen, welche die Gnade Gottes 
nicht erkennen wollten und all das Wohlwollen und die christ- 
liche Liebe, mit welcher das hl. Officium es sich angelegen sein 
lasse, die in der Finsterniss Taumelnden zum Lichte und die 
vom rechten Weg Abirrenden auf den Pfad des ewigen Lebens 
zurückzuführen *). Bruno verstand den Sinn dieser Sprache 
und versicherte, die volle Wahrheit gesagt zu haben 2 ) ; doch gab 
er das Versprechen, sich noch einmal zu prüfen und zu seiner 
eigenen Genugthuung alles das in sein Gedächtniss zurückrufen 
zu wollen, was er etwa noch gegen den christlichen Glauben 



1) Doc. XII (bei Berti a. a. O., pag. 366): Extollendo ambaa 
manu 8 et die endo; Che eosa e questo? Chi e stato ehe ha trovato queste 
Diavolerie. Jo non ho mai detto tal eosa ne mai mi passb per Vimaginatione 
tat eosa: oh Dio! ehe eosa e queeto; io vorria eeser piu iosto morto che mai 
foeee stato proposto queata eosa. 

2) Doc. XII a. a. O., pag. 368: se perseverera ostinatamente in negar 
com nella quäle State poi eonvento pertinente aUa fede catholica, e contra la de- 
terminatione de Santa Madre Chiesa non ve haverete da maravigliare ee il 
S. Ufitio proeedera contro di voi con quellt termini di iuetitia ehe suol e pub 
usare contra li impenitenti e ehe non vogliono rieonoeeer la miaericordia del Sig, 
Jddio e quanto queeto S. Ufitio ha a earo di ridur eonpietä c charita Christiana 
quellt che ei riirovano nelle tenebre alla luee e fuori della via rttta al cammino 
de vita cterna. 



und sein Verhängniss in Venedig. 1591 — 1593. H5 

und die katholische Kirchenlehre gesagt oder gethan haben 
könnte. 

Als ihm nun am folgenden Tage, den 3. Juni, nach ver- 
schiedenen Einzelfragen über weitere Ketzereien, welche ihm zur 
Last gelegt wurden und die er ebenfalls alle im Sinne positiver 
Rechtgläubigkeit beantwortete, schliesslich die Hauptfrage gestellt 
wurde, ob er seine Irrthümer und Ketzereien noch festhalte oder 
sie verabscheue, da sprach Bruno: „Alle Irrthümer, Ketzereien 
und Zweifel, welche ich bis auf diesen Tag gegen Leben, Lehre 
und Satzung der hl. katholischen Kirche genährt, begangen und 
gehegt habe, verwerfe und verabscheue ich, auch bereue ich, 
irgend etwas gethan, gesprochen und geglaubt zu haben, was 
nicht katholisch ist. Ich bitte den hl. Gerichtshof, mich, meine 
Schwachheiten erkennend, in den Schooss der hl. Kirche wieder 
aufzunehmen und mich, Erbarmen übend, mit den für mein Seelen- 
heil geeigneten Mitteln zu versehen l ). u 

Tags darauf, den 4. Juni, wurde er nach ganz kurzem Ver- 
hör über seine Stellung zur Wahrsagerei und Beschwörungskunst, 
mit welcher Bruno niemals etwas zu schaffen gehabt hatte, ge- 
fragt, ob er in Venedig vielleicht einen Feind oder übelwollenden 
Widersacher habe und zwar wen und warum? Darauf erwie- 
derte Bruno: „Ich glaube nicht, hierzulande irgendwen anders 
zum Feinde zu haben, als den Herrn Johannes Mocenigo mit 
seinem Anhang, der mich bis zu diesem Augenblick schwerer 
beleidigt, als irgend ein anderer Mensch, indem er mir nach 
dem Leben getrachtet, meiner Ehre nachgestellt, mein Gepäck 
geraubt, mich in seinem eigenen Hause eingekerkert und auf 
alle meine Schriften, Bücher und Werthsachen Beschlag gelegt 
hat und zwar einzig desshalb, weil er nicht allein wollte, dass 
ich ihn alles lehren sollte, was ich wüsste, sondern auch ver- 



1) Doc. XIII a. a. O., pag. 375: Tutti li errori che io ho eommesti sino al 
preeente giorno pertinenti alla vüa eatholica e profeeeione regolare come io eono e 
tutte le hereaie ehe io ho tenute e li dubii che ho havuti intorno alla fede eatho- 
lica, et alle eoee determinate della Santa Chiesa hora io le detesto et abborisco 
et ne sono pentito d' haver fatto, tenuto, detto, ereduto o dubitato di eosa che non 
foeee eatholica et prego questo sacro trtbunale, ehe conoscendo le mie infermitä 
vogli abbraeeiarmi fiel grembo di S. Chiesa provedendomi de rimedii opportuni 
alla tnia salute, usandomi miaericordia. 

8* 



116 8. Bruno's Rückkehr in sein Vaterland etc. 

hindern wollte, dass ich dasselbe irgend jemand anders lehrte. 
Er hat mir immer gedroht, mir an Leben und Ehre zu schaden, 
wenn ich ihm nicht dasjenige lehren wollte, was ich wtisste 1 )." 
Volle acht Wochen vergingen nun, ohne dass es den An- 
schein hatte, als ob Bruno's Process vorwärtsrücken wollte. 
Nur einmal, am 23. Juni, wurden zwei Zeugen über ihn ver- 
hört, Andreas Morosini, an dessen literarischen Abendunterhaltungen 
er theilgenommen, sowie der Buchhändler CSotto, in dessen Laden 
Bruno viel verkehrt hatte. Beide Zeugen sprachen sich wieder 
sehr günstig über des Eingekerkerten rücksichtsvolles Schweigen 
in Glaubenssachen aus. Erst der 30. Juli brachte Bruno wieder 
ins Verhör, es war zugleich das letzte, das er in Venedig zu 
bestehen hatte. Wieder wurde der Gefangene ermahnt, die rück- 
haltslose Wahrheit zu bekennen und wieder betheuerte Bruno, 
Alles gesagt zu haben, was ihm auf dem Herzen liege. Vielleicht 
könne er sich noch in andere Irrthümer verstrickt haben und 
auf noch andere Abwege gerathen sein, allein er wisse sich der- 
selben nicht mehr zu erinnern. Die erlauchten Herren wüssten 
aus seinen früheren Bekenntnissen, wie schmerzlich er seine 
Uebelthaten bereue und wie sehnlich er wünsche, von ihnen der 
Gnadenmittel theilhaftig zu werden, welche geeignet seien, ihn 
auf den Pfad des Heils zurückzubringen. Dann sank der be- 
reits am Leben Verzweifelnde in die Kniee und sprach flehent- 
lich diese Worte: „Ich bitte demüthig Gott und Eure Herr- 
lichkeiten um Verzeihung für alle von mir begangenen Irrthümer. 
Und ebenso bitte ich Euch, mir baldigst diejenige Busse aufzu- 
erlegen, welche der Höhe der Strafe entspricht, die ich um die 
Ehrverletzung des geistlichen Kleides verdient habe. Und wenn 
mir Gott und Eure Herrlichkeiten die Gnade gewähren und mir 
das Leben schenken, so verspreche ich, mein Leben sichtbarlich 



1) Doc. XIV a. a. O. , pag. 378: Jo non tengo per Nimieo in quette 
parti aleun altro se non il »er Giovanni Mocenigo et aitri euoi eeguaei e eervitori 
dal quäle ton stato ßn qui fpiu) gravemenU ofeso, ehe da hotno vivente perefo 
egli mi ha aeeaeeinato nella vita, nett onore e neue robe y havendomi egli earcerato 
nella sua casa proprio, e oeeupandomi tutte le mie scritture, libri et robe aüre; 
e questo ha fatto perehe non eolamente voleva che io non potessi ineegnarlo ad 
aleun altro e mi ha eempre minaeeiato nella vita e nelf honore se io non li in- 
eegmvo queüo ehe io sapevo. 



9. Bruno's Auslieferung an Rom etc. JJ7 

zu ändern und das Aergerniss, das ich gegeben, wieder gut zu 
machen 1 )." Aber diese Weichheit gereichte Bruno zu keinem 
Vortheil. Ihre Herrlichkeiten liessen ihn wieder weitere sieben 
Wochen im Kerker schmachten. 

9. Bruno's Auslieferung an Eom, seine Kerkerhaft 
und sein Martyrium. 

1593—1600. 

Bruno's Widerruf seiner kirchlichen Ketzereien hätte viel- 
leicht seines Zweckes, den auf der Höhe seiner philosophischen 
Entwickelung stehenden Nolaner dem Leben und der schrift- 
stellerischen Wirksamkeit zurückzugeben, nicht verfehlt, wenn 
das venetianische Inquisitionsgericht den angehobenen Process 
von sich aus erledigt hätte. Allein die Bedeutung des Ange- 
klagten, sowie die Menge und der Charakter der ihm zur Last 
gelegten Ketzereien erschien zu gross, als dass es Venedig wagen 
wollte, die Sache von sich aus zu entscheiden. Und da der 
Ordensflüchtige ohnediess sich schon zwei Processen in Neapel 
und Rom durch heimliche Entweichung entzogen hatte, so musste, 
mochte Venedig urtheilen wie es wollte, der Nolaner schliesslich 
doch wieder in die Hände der römischen oder der neapolitani- 
schen Inquisition zurückfallen. Um die Verantwortung fiir ein 



1) Doc. XVII a. a. O., pag. 384: Pub esaer eh* io in tanto eorso di 
tempo habbia aneor errato e deviato dalla S. Chiesa in altre moniere di quelle 
ehe ho esposto e ehe me trovi aneora illaqueato in altre cemure, ma ee bene io et 
ho pensato molto sopra non perb le rieonoseo , ho eonfessato e eonfesso hora li 
errori miei prontamente, e son qui nelle mani deUe Signorie Vostre IUustrissims 
per ricever rimedio atta mia sälute del pentimento de 1 miei misfatti, non potrei 
dir tanto quanto e, ne esprimere efieaeemente eome desiderarei Vanimo tnio. 

Fostquam genuflexus dixit. — Domando humümente perdono al Sig. 
Iddio e aUe Signorie Vostre Iüu.m* di tutti li errori da me eommessi e son qui 
pronto per eseguire quanto dalla loro prudentia sarh deUberato e si giudichera 
espediente aW anima mia. 

£ di piu supplico ehe mi diano t piU tosto eastigo ehe eeeeda piü tosto nella 
gravith del eastigo ehe in far dimostrazione tale publieamente dalla quäle potesse 
ridondare alcun disonore al saero abito della religione ehe ho portato e se daüa 
Misericordia tt Iddio e delle vostre Sig. IllusW m % sarh eoneessa la vita, pro« 
metto far riforma notabile della mia vita , ehe ricompensino il seandalo ehe ho 
dato eon altro et tanta edißeatione. 



118 9. Bruno's Auslieferung an Rom, 

Urtheil von sich abzulenken, hatte desshalb das venetianische 
Inquisitionsgericht die sämratlichen Aktenstücke im Processe 
Bruno's an die Oberinquisition nach Born eingesandt und es ist 
wahrscheinlich, dass unter denselben sich auch sämmtliche Bücher 
und Manuscripte Bruno's befanden. 

Das römische Inquisitionsgericht setzte sich zusammen aus 
einer Congregation von Cardinälen unter der persönlichen Lei- 
tung des Papstes. Der Oberinquisitor im Processe Bruno's war 
der Cardinal Madrucci; ihm aü Einfluss stand zunächst der 
Cardinal Sanseverina, jener furchtbare, wenn auch almosenspen- 
dende, Prälat, der die entsetzliche Bartholoinäusnacht, in welcher 
auf Anstiften des Papstes Gregor XIII. Tausend^ und aber 
Tausende französischer Protestanten auf grauenhafte Weise nächt- 
lich überfallen und abgeschlachtet worden waren, „einen herr- 
lichen und den Katholischen höchst angenehmen Tag" zu nennen 
pflegte 1 ). Als der eigentliche Rechtskundige wirkte in Bruno's 
Process der Cardinal Bellarmin, der gelehrte Streithahn des da- 
maligen Roms, der Verfasser zahlloser Verteidigungsschriften 
für den Katholicismus, der Compilator. riesiger Folio werke über 
die Ketzereien seiner • Zeit 2 ). 

Nicht sobald hatte Rom vernommen, dass der berüchtigte 
Haeresiarch in Venedig endlich festgenommen worden sei, als 
es sich auch sofort mit jener tigerhaften Behendigkeit, welche 
die römische Curie in der Verfolgung ihrer klarerkannten Zwecke 
kennzeichnet, auf ihr Opfer warf. Am 12. Sept. schrieb nämlich 
der Cardinal Sanseverina an das hl. Inquisitionsgericht von Venedig, 
es solle den Jordanus Brunus unverweilt an den päpstlichen Gou- 
verneur von Ancona mit der Bestimmung nach Rom ausliefern 8 ). 
Allein der hL Gerichtshof von Venedig getraute sich nicht, dem 
Begehren von Rom ohne weiteres zu willfahren. Desshalb 
begaben sich der Vicar des Patriarchen mit dem Pater Inquisitor 



1) Bänke, Die römischen Päpste, Bd. 2 (Berti pag. 270, fälschlich 3), 
pag. 309. 

2) Während Bruno's Process in Venedig und Rom erschienen Bellarmins 

DlSPUTATIONBS DE CONTROVERSIIS ChBISTIANAE FIDEI ADVERSÜS Hü JUS TEM- 

foris HAERETicos in einer Reihe von Auflagen bald als drei, bald als vier 
Foliobände. Leider forscht man in denselben umsonst nach Bruno's NamerL> 

3) Doc. XVII (bei Berti, Vita di G. Br., pag. 385). (hutfd 



seine Kerkerhaft und sein Martyrium. 1593 — 1600. 119 

und dem Beisitzer des hl. Tribunals, Thomas Morosini, vor den 
Kath von Venedig und suchten dem Auslieferungsbegehren der 
Oberinquisition Nachdruck zu verschaffen. Der Verlangte sei 
eben nicht nur ein gewöhnlicher Ketzer, sondern ein Ketzer fürs t, 
der, wenn auch als Philosoph, dennoch Dinge geschrieben habe, 
welche man nicht ungestraft hingehen lassen könne *). Er bittet 
seine Durchlaucht, den Dogen, und ihre Excellenzen, die Herren 
vom Rath, um eine baldige Entscheidung in der Sache, damit 
man dem hl. Obergerichtshof in Rom Bescheid geben könne: 
schon liege im Hafen von Ancona eine Barke bereit, den Schul- 
digen rasch und sicher nach Rom überzuführen. 

Seine Durchlaucht, der Doge, erwiederten : Ihre Excellenzen 
T^jirden die Sache in Berathung ziehen und dem hl. Officium 
das Resultat derselben mittheilen. 

Denselben Nachmittag noch erschien der Pater Inquisitor 
vor den Savii, um zu erfahren, welcher Beschluss gefasst worden 
sei. Er erhielt jedoch den Bescheid, dass, da die Sache von 
Bedeutung sei und reiflich erwogen werden müsse, zudem aber 
die Herren Savii mit vielen ernsten Staatsgeschäften überhäuft 
gewesen seien, so hätte man noch keinen Beschluss fassen 
können. Seine Hochwürden könnten die Barke zur Stunde aus- 
laufen lassen 2 ). 

Die Barke lief denn auch wirklich ab. Am 3. October aber 
schreibt der Senat dem venetianischen Gesandten nach Rom, 
dass er die Auslieferung „eines Giordano Bruno" habe verweigern 
müssen, weil eine solche ein schweres Präjudiz für die Autorität 
des venetianischen Tribunals in sich schlösse und ein schlimmes 
Beispiel für alle ähnlichen Fälle dieser Art in der Zukunft bilden, 
namentlich aber die venetianischen Unterthanen schädigen könnte. 
Der Gesandte solle nur immer und tiberall, wann und wo in 



1) Doc. XIX* a. a. O., pag. 386: imputato non solo di heretieo, ma anco 
di hermarca .... eeriveva alcune eote concernenti ü particolare della religione ehe 
non convenivano, *e den egli parlava ßloeofieamente. 

. 2) Doc. XX a. a. O., pag. 388: Fu soggionto ddUi EceeW*i Sign Savii 
che eaeendo la eoea di momento et eonsideratione, et le occupationi di questo Stato 
motte et gravi non ei haveva per ancora potuto farne rieolutione et ehe Sua Re- 
verentia poteva per hora licentiar la barca. 



120 9. Bruno's Auslieferung an Rom,. 

Rom die Sprache auf diesen Gegenstand kommen würde, die 
Jurisdiction des venetianischen Gerichtshofes vertheidigen x ). 

Inzwischen hatte man sich in Rom offenbar immer mehr 
tiberzeugt, welchen wichtigen Fang man soeben zu machen im 
Begriffe war. Dem entsprechend erschien denn auch am 22. Dec. 
1592 im Auftrage Seiner Heiligkeit der päpstliche Nuntius vor 
Doge und Rath, um dieselben aufs neue zur Herausgabe des Bruders 
Giordano Bruno zu bestimmen, gegen welchen schon früher in 
Rom ein Process angestrengt worden sei, der nun endlich aus- 
getragen werden müsse 2 ). Darauf erwiederte ihm im Namen 
des Senates der Procurator Donato, es sei von jeher Uebung 
des venetianischen Gerichtshofes gewesen, Schuldige selber abzu- 
urteilen, übrigens geschehe auch dieses im Namen Seiner Hei- 
ligkeit, deren Nuntius ja ein Mitglied des hl. Tribunals von Venedig 
sei 3 ). Nun aber wendete der Nuntius seinerseits wieder gegen 
Bruno ein: Derselbe sei kein venetianischer Unterthan, sondern 
ein sowohl in Rom, als in Neapel dem hl. Officium entlaufener 
Neapolitaner. Schon mehr als zwei Dutzend Male seien in ausser- 
ordentlichen Fällen wie in diesem die Schuldigen an den hl. Ge- 
richtshof nach Rom, dem Haupt und Obern aller Gerichtshöfe, 
ausgeliefert worden. Schon wenn der Betreffende ein einfacher 
Mönch wäre und der Papst verlangte ihn nach Rom, so dürfte 
man ihm die Auslieferung desselben nicht verweigern, nun aber 
um soviel weniger, als derselbe offenkundig als Sektenstifter 
überfUhrt sei und auch mit andern sehr schlechten Eigenschaften sich 



1) Doc. XXI a. a. O., pag. 388: apporterebbe molto pregiudizio alt 
autorita del medesimo Tribunale con un cattivo esttnpio di doner continuar nelV 
istfisso in tutti li casi del tempo avenire, et con danno grande de 1 sudditi nostri . . . 
Del che tutto habbiamo voluto informarvi affincKe se ve ne fusse parlato possiate 
risponder opportunemente nella istessa sostanza, difendendo la giurisdüione del 
Tribunale di questa citta eonforme a quanto e sopra detto. 

2) Doc. XXIII a. a. O., pag. 390 : che costui Ha eondotto a Borna, aocib 
la giuatitia liabbia suo luogo, si come aneo S. Santita haveva detto atti Signori 
Ambasciatori. 

3) Ibid., pag. 390: Disse il Clarits™o Sigr Proeurator Donato ehe hebbe 
ordine doli 1 Ecceüentissimo Senato di parlarne con Sua Santita, come fece, addu- 
cendole la osservantia di questo Santo Tribunale, cht e stata sempre di giudioar 
di qua i rei, amministrando buona giustitia, il che si Ja con V autorita di S. San* 
titä medesima, poiehe si trova presente a questi giudicii VIllusVM suo Nontio .... 



seine Kerkerhaft und sein Martyrium. 1593—1600. 121 

besudelt habe , von welchen er jetzt aber nicht sprechen möge, 
weil es sich zunächst einzig und allein um Glaubenssachen handle 1 ). 

Der Senat gab schliesslich dem Nuntius den Bescheid , man 
wolle darüber noch ferner berathen, sei übrigens jederzeit gerne 
bereit, Seiner Heiligkeit jede mögliche Befriedigung zu gewähren. 

Daraufhin beschied der Doge den Procurator Contarini zu 
sich und ertheilte ihm den Auftrag, über die Angelegenheit des 
Bruders Giordano Bruno ein Gutachten abzufassen und Contarini 
eröffnete darauf am Morgen des 7. Januar 1593 Seiner Durch- 
laucht dem Dogen folgende, von diesem gewiss zum Voraus er- 
wartete, Ansicht: Der Gefangene sei schon in Neapel und Born, 
wo ihm wegen greulicher Ketzerei der Process gemacht worden 
'sei, durchgegangen, gehöre also vor das Forum jener Städte. 
Wenn er auch einer der ausgezeichnetsten und seltensten Geister 
sei, die man sich nur wünschen könne, ein Mann von hervor- 
stechender Gelehrsamkeit und Wissenschaft 2 ) , so habe derselbe 
dennoch in England und Genf ein so ausgelassenes und teuf- 
lisches Leben 8 ) geführt, dass, da er ohnedies kein venetiani- 
scher Unterthan, sondern ein Fremder sei, man Seiner Heilig- 
keit wohl den Gefallen thun und ihr denselben ausliefern könne, 
wie man das auch schon in andern ähnlichen Fällen gemacht 
habe 4 ). Uebrigens sei es des Gefangenen eigener Wunsch, der 
Gerechtigkeit in Born überliefert zu werden, da derselbe beab- 



h) Ibid., pag. 391 : Rispose il Nontio che eostui e Napolitano et non sud- 
dito di questo Stafo ; ehe fu proeessato prima in Napoli et poi in Borna per le 
gravisstme sopra dette eolpe. Che pm di doi dozene di votie in easi estraordinarit 
eome quetto si erano mandati li rei dl Santo Tribunal di Roma, eapo et superior 
a tutti li aüri. Che se eostui Josse sempliee frate et ehe 'IFapa lo volesse a Roma, 
non si dovrebbe negarglielo et tanto meno essendo pubblico heresiarea eonvinto 
et imbrattato anco di altre pessime qualitä, detti quali perb non parlava , perehe 
parlava solo dette cose eoneementi la fede, 

2) Doc. XXIV a. a. O., pag. 392: se bene per aUro uno de piu eccellenti 
et rari ingegni ehe si possino desiderare et di esquisüa dottrina et saper e. 

3) Ibid. : tenendo quetta vita lieentiosa et diaboliea per qualehe tempo. 

4) Ibid., pag. 392 — 393: Che per esser questo easo principiato a Napoli 
et in Roma, onde par piu spettante a quel foro , ehe a questo , et per la gravitä 
estraordinaria dette eolpe , aggiunto anco , ehe egli e forestiero et non suddito, 
erederia ehe Josse conveniente satisfare a Sua Santita, eome anco altre volte s 1 e 
fatto in casi simiglianti. 



122 9. Bruno's Auslieferung an Rom, 

sichtige, dort eine Schrift einzureichen *). Nichtsdestoweniger sei 
er, der Procurator, stets bereit, ohne jeden Einwand sich dem Befehl 
Seiner Durchlaucht und dem Dienst des Vaterlandes zu widmen 
und dieselben Allen Andern in der Welt voranzustellen. Darauf 
verabschiedete sich der Procurator, nicht ohne vom Dogen wegen 
seiner Sorgfalt und Gewandtheit im öffentlichen Dienste belobt 
worden zu sein. 

Der Senat war natürlich der nämlichen Ansicht und so liess 
man denn am 9. Januar Seiner Heiligkeit dem Papste nach 
Rom melden, man habe aus ehrfurchtsvollem und kindlichem 
Gehorsam gegen ihn 2 ) beschlossen, den Bruder Giordano Bruno 
auszuliefern und es könne derselbe auf die Weise, wie sie Seiner 
Seligkeit am sichersten dünke, abgeholt werden. Am 16. meldet 
dann der venetianische Gesandte, Seine Heiligkeit habe ihn 
äusserst huldvoll empfangen und ihm für den Beschluss des 
Senates und Seiner Durchlaucht, des Dogen, mit zuvorkommen- 
den und verbindlichen Worten gedankt 8 ). 

Hiermit schliesst der Process von Venedig und es beginnt 
nun die noch so überaus räthselvolle Kerkerhaft Bruno's in Rom. 
Wesshalb Bruno die Auslieferung nach Rom selber herbeisehnte, 
wäre, da er doch wusste, dass er vom römischen Wolfe nicht 
anders denn als erwünschte Beute würde betrachtet werden, ganz 
unverständlich, wenn wir nicht wüssten, wie er der kindlich 
naiven Ueberzeugung lebte, Seine Heiligkeit den Papst durch 
seine Schrift über die sieben freien Künste für sich gewinnen 
zu können. 

Und doch hat es den Anschein, dass Bruno sich von dem 
Erfolge seines Werkes keine trügerischen Hoffnungen machte. 
Denn wie anders filnde sich sonst eine Erklärung für die sonst 
beispiellos lange sich hinausziehende Verurtheilung Bruno's? 



1) Ibid., pag. 393: egli e per dire, che gli sarä coro euer rimeeeo aüa 
giustizia di Roma. 

2) Doc. XXVI a. a. 0., pag. 395: eome effetto proceduto dal riperente 
et ßliale ostequio notiro veno di Sua Beatüudine. 

3) Doc. XXVII a. a. O., pag. 395 : eome veramente ha riputato queeta 
eosa gratiesima, et ha corrisposto eon parole molto eorteei et ufiüioee, dieendomi, 
ehe grandemente deeidera di etar sempre unita eon quella Repubblica. 



seine Kerkerhaft und sein Martyrium. 1593—1600. 123 

Vom 27. Februar 1593 ab bis Anfang 1599 sind wir über das 
fernere Schicksal Bruno's völlig im Dunkeln. Welchen Werth 
musste der Papst und die Inquisition auf die Aussicht legen, den 
geflirchteten Ketzerftirsten am Ende doch noch auf die Seite 
der Rechtgläubigkeit herüberzubringen! Hat Bruno wirklich 
die Hand zu dieser Vermählung von Kirche und freier Forschung, 
von Glauben und Wissen geboten? War oder ist Bruno's Schrift 
von den sieben freien Künsten so eine Arf Urahnin zu Leibnitzens 
Theodicee? Liess man Bruno so unverhältnissmässig lange Frist, 
um ihn inzwischen theils durch Güte und alle Künste der Ueber- 
redung, theils durch Strenge und deren, Körper und Geist läh- 
mende Mittel , zum bedingungslosen Uebertritt zu zwingen l ) ? 
Was aber diese Mittel zu bedeuten hatten, beweist Cam- 
panella' 8, Bruno's jüngeren Landsmanns, Schicksal in den Ker- 
kern zu Neapel. Campanella lag s i e b e nurid zw^rizjig Jahre lang 
in Gefangenschaft, er war der Keihe nach in fünfzig Kerker 
eingeschlossen und wurde siebenmal auf der Folter verhört. 
„Das letzte Mal, u erzählt er selbst, „dauerte es vierzig Stunden, 
ich war mit Stricken geknebelt, die mir bis auf die Knochen 
einschnitten, ich hing mit rückwärts gebundenen Händen auf 
einem äusserst scharfen Holz, das mir anderthalb Pfund meines 
Fleisches am Gesäss zerstörte, und zehn Pfund meines Blutes 
trank die Erde 2 )." 



1) Bartholmess in seiner Vie de Bruno, T. I, pag. 209 macht zu 
Scioppius' Mittheilung in seinem Bericht über die Hinrichtung Bruno's: 
„Saepius est examinatus u folgende Bemerkung : Mien n autorise h supposer que 
Bruno fut soutnis a ee qtion appelait le „rigoureux examen", e'est a dire la 
torture. Ce moyen de procidure itait inutile, puisquü rfy avait nul doute sur 
„l'intention." Stände diese zuvorkommende Ansicht nur nicht in grellem 
Widerspruch mit der Drohung des venetianischen Inquisitionsgerichts, im 
Nothfall auch straffere Saiten anziehen zu wollen ! 

2) Campanella in der Vorrede zu seinem Atheismus triümphatus bei 
Berti, Vita di Bruno, pag. 300 : Tide quaeso sitn ne atinua ipsorum , qui quidem 
jatn in quinquaginta eareeribus hueusque clausus afflictusque fui septies tormento 
durissimo examinatus. Postremumque perduravi horis quadraginta funiculi* 
aretissimis ossa usque secantfbus ligatus, pendens manibus retro eontortis de /uns 
super aeutissimum Ugnum, qui earnis sextertium in posterioribus mihi devoravü 
et deeem sanguinis libras teüus ebibit. 



124 9. Bruno's Auslieferung an Rom, 

Aber weit davon entfernt, dass sich Bruno durch die Länge 
seiner Kerkerhaft hätte mürbe machen lassen, hat er sich viel- 
mehr, im Angesichte des weltgeschichtlichen Todes, der ihm seit 
Jahren vor Augen geschwebt, aus sterblicher Schwäche zu un- 
sterblichem Heroismus, aus der Angst vor dem allzufrühen Ab- 
schlüsse seines Daseins zu der beseligenden Ueberzeugung un- 
vergänglicher Fortdauer im Reiche des Geistes erhoben. Wie 
häufig mag ihn, den sonst so Lebensfrohen, nun aber in der 
Blüthe seiner geistigen Kraft von aller Wirksamkeit Ausgeschlos- 
senen, der verrätherische Gedanke beschlichen haben, um wie viel 
vortheilhafter es doch für ihn und die Fortentwickelung der von 
ihm verkündeten neuen Philosophie gewesen wäre und vielleicht 
noch immer sein würde, wenn er scheinbar zu Gunsten der 
Kirche von seiner Philosophie abfiele und sich damit am Leben 
erhielte. Aber mächtiger als die Schlange des Selbsterhaltungs- 
triebes sprach die Mannestreue, mit welcher er sein Leben schon 
ab Jüngling für die freie Forschung eingesetzt hatte. 

Wir besitzen noch eines der Selbstgespräche, welche Bruno 
in seiner vorrömischen Zeit häufig mit sich geführt haben mochte, 
um die bangen Vorahnungen seines Märtyrertodes zu beschwich- 
tigen. Indem er sich die Philosophen des Alterthums und den 
hl. Laurentius, den die Legende auf einem Rost langsam gebraten 
werden lässt, ins Gedächtniss ruft, fragt er sich, was es wohl 
gewesen sei, was diese Männer inmitten der furchtbarsten Todes- 
qualen zu Helden gemacht habe. Und da antwortet er sich: 
„Es gab Menschen, in welchen die Liebe zum göttlichen Willen 
so mächtig wirkte, dass sie sich durch keine Drohungen und 
Einschüchterungen ins Schwanken bringen Hessen. Derjenige, 
der noch für seinen Leib fürchtet, kann sich niemals mit Gott 
eins gefühlt haben. Nur der wahrhaft weise und tugendhafte 
ist, da er den Schmerz gar nicht mehr fühlt, vollkommen glück- 
selig 1 ) i a 



1) Sigillus sigillorcm im Abschnitt De multiplici contr actione, de decima 
quinta contractionis specie (bei GfbÖreb, pag. 57S — 579): Ea tandem laudabilu- 
sima vere phüoeophk propria anima contractu est, qua crudeli» Anaxarchus, pa- 
tiens ictus, plus Niereonta tyrannum affligebat , quam ipse torqueretur, qua et 
Folemon a rabidürimit canutn morsibut ne expalluis$e quiäetn dicitur, qua Lau- 
rentius de prunie ardentibut, velut e roseo Strato, hostibus viriliter ineuüabatt 



seine Kerkerhaft und sein Martyrium. 1593—1600. 125 

Am 14. Januar 1599 legte die Commission, welche Bruno'» 
Haeresie zu prüfen hatte, der Congregation acht ketzerische Sätze 
vor, welche aus den Processakten, sowie aus den Schriften 
Bruno' s ausgezogen worden waren. Man beschloss, dieselben 
dem Angeklagten vorzulegen und ihn anzufragen, ob er sie al& 
ketzerisch anerkenne und abschwören wolle oder nicht Nun 
ruhte wieder Alles bis am 4. Februar. Offenbar hatte Bruno 
inzwischen keine Anzeichen gegeben, dass er dem Verlangen 
der Congregation entsprechen werde. ' Denn nun wurde neuer- 
dings über des Angeklagten „verworfene Ketzerei, sowie über 
andere Dinge, die in den Akten ausfuhrlicher dargestellt sind", 
fiath gepflogen und nachdem man Alles reiflich und sorgfaltig 
erwogen, gelangte der Papst zu dem Entschlüsse und ordnete 
an, dass dem Angeklagten jene acht Sätze von den Patres Theo- 
logi, nämlich von Bellarpiin und dem Commissarius, als durch 
und durch ketzerisch bezeichnet werden sollten und zwar als 
ketzerisch namentlich mit Rücksicht auf die Ansichten der älte- 
sten Kirchenväter und die Bestimmungen des apostolischen Stuhles, 
und wenn er sie als solche anerkenne, gut, wenn nicht, so solle 
ihm eine weitere Frist von vierzig Tagen gewährt werden 1 ). 
Aber auch diese Frist verstrich, ohne dass Bruno sich zum Wider- 
ruf seiner Ueberzeugungen hätte bestimmen lassen. Endlich aber, 
so scheint es, ist ihm das ewige Verhören, Drohen und Drängeln 
verhasster und unerträglicher geworden, als der Tod auf dem 
Scheiterhaufen, der ihm, wie er wohl weiss, sicher bevorsteht, 
wenn er sich der Kirche mit seinem ganzen Wissen und Glauben 



Quid enim? norme vehcmentior deleetatio , timor, spesyßdes, indignatio, reique oon- 
temptus a praescnte passione sevocai ? . . . . Quidam cum maxime ab atnore divinae 
voluntatis (quam firmiter existimabantj ezequendae traherentur, nullis minis nulla- 
que eos aliunde soUieitante formidine movebantur .... Ego eum, qui timet a cor' 
poreis , nunquam divinis fuisse conjunetum facile crediderim; vere enim sapiens 
et virtuosus, eum dolorem non sentiat, est perfecte (ut praesentie vitae conditio 
ferre potest) beatus, si rem rationis oculo velis aspicere. 

1) Sigwart, Tübinger Programm 1880, pag. 37; £"»«* 2). jy. decrevit 
et ordinavit quod ei intimentur a Patribus Theologie^ videlieet a Patre Bellarmino 
et Commüsario propositiones istae tantum haereticae, et non tantum haeretieae ita 
modo declaratae, sed ab antiquissimis Patribus ab JEeelesia et Sede apostolica; et 
si tanquam tales agnoscerit, bene, sin minus, prefigatur sibi terminus 40 dierum. 



126 9. Bruno's Auslieferung an Rom, 

nicht blindlings zu Füssen wirft. Und er wirft sich ihr nicht 
zu Füssen, sondern erklärt am 21. Dec. 1599, nachdem man 
ihn nochmals über seinen Process sowie über seine etwaigen 
Lebensbedürfnisse verhört hat, fest und bündig: „ weder dürfe 
noch wolle er widerrufen, er habe nichts zu widerrufen, sehe 
keinen Grund ein, zu widerrufen und wisse überhaupt nicht, 
worüber er widerrufen solle" *). Nun endlich schwindet auch der 
Congregation die Hoflhung, den störrischen Apostaten wieder 
zurückzugewinnen und dem Orden, dem jener entsprungen, die 
Schande zu ersparen, dass ein Dominicaner abtrünnig geworden 
und auf dem Scheiterhaufen gebüsst habe. Man schickt ihm 
noch einmal und zwar zum Schlüsse den General des Domini- 
caner-Ordens, Hippolytus Maria, und dessen Vicar, Paulus von 
Mirandula, um mit ihm zu verhandeln, ihn von seinen Irrthü- 
mern abzubringen und zu bewegen, dass er dieselben abschwöre *). 
Aber Bruno, nunmehr zum herrlichsten Einklang mit sich selber 
gelangt, weist alle diese Zumuthungen standhaft zurück. 

Wiederum einen Monat später, am 20. Januar 1600 , hielt das 
Inquisitionsgericht in Sachen Bruno's eine weitere Sitzung. Es war 
diesmal die letzte, über des Dichterphilosophen Schicksal endgültig 
entscheidende. Ein von Bruno an den Papst gerichtetes Denkschrei- 
ben wurde geöflhet, aber nicht gelesen. Der Dominicanergeneral, 
Hippolytus Maria, erstattete Bericht über den letzten Bekehrungs- 
versuch bei dem Angeklagten: derselbe habe sich geweigert, die 
ihm aus seinen Schriften und Bekenntnissen vorgelegten Sätze 
als ketzerhaft anzuerkennen und abzuschwören, versichernd, er 
habe niemals ketzerische Sätze vorgetragen, sondern die Sätze, 
die man ihm als ketzerisch anrechne, seien von den Dienern der 
hl. Inquisition falsch aufgefasst worden. Nachdem der Papst die 
Gutachten der Congregation angehört, befahl er alsdann, den 
Process nunmehr auszutragen, das Urtheil zu fallen und den 
Bruder Jordanus der weltlichen Gewalt zu überantworten 3 ). 



l)Ibid., pag. 37: Dixit quod non debet nee vult reteipüeere et non habet 
quid reecipiscat, nee tobet mattriam retdpücendi , et neteü nuper quo debet re- 
sctpieet, 

2) Ibid., pag. 37. 

3) Ibid , pag. 38: in causa tjusdem F"$ Jordani de Kola ordinie />-»>* 
Ftaedicatorum, et ab eo apostatae , facta rclatione per £. P. Ptcth ? ByppoUtum 



seine Kerkerhaft und sein Martyrium. 1593—1600. 127 

So wurde denn wirklich Dienstag den 8. Febr. das Urtheil 
über Bruno als unbussfertigen und hartnäckigen Apostaten ge- 
fidlt und Mittwoch den 9. Febr. das Erkenntniss feierlich er- 
öflhet. Bruno wurde in den Sitzungssaal im Palaste des Ober- 
inquisitors Cardinais Madrucci vorgeführt und hörte knieend in- 
mitten der Cardinäle, der Inquisitionsbeamten, des Magistrats 
und des Gouverneurs der Stadt Rom das Todesurtheil über sich 
fMlen. Nachdem man ihm sein vergangenes Leben noch einmal 
vor Augen gehalten und seine Ketzereien aufgezählt hatte, wurde 
ihm in Erinnerung gerufen, wie sehr es sich die hl. Inquisition 
habe angelegen sein lassen, ihn zu bekehren und brüderlich zu 
ermahnen und welche Hartnäckigkeit und Gottlosigkeit er alle- 
dem entgegengesetzt habe. Dann wurden ihm die Weihen ab- 
genommen, die Excommunication über ihn ausgesprochen und 
die weltliche Obrigkeit, der er nunmehr anheimgefallen war, ge- 
beten, „sie möchte ihn so milde als möglich und ohne Blutver- 
giessen" bestrafen. Kein Blutvergiessen bedeutete aber in der 
Räubersprache der Inquisition den Feuertod! Als das Gericht 
gesprochen hatte, erhob sich Bruno und sprach, mit drohender 
Geberde gegen seine Richter gewendet, die welthistorischen Worte) 
„Es verursacht euch vielleicht grössere Furcht, das Urtheil aus- 
zusprechen, als mir, es zu empfangen 1 )!" } 



JWariam, Generalem dicti ordinis: quod de mandato Xll morum etc. una cum Pro- 
curatore Gen 1 * dicti ordinis alloquutu$ fuit eundem F rem Jordanum, quatenus 
veUet propositiones haereticas in suis scriptis et constitutts prolatas agnoscere et 
abjurare, quodque eonsentire noluit , asserens se nunquam propositiones haereticas 
protuUsse y sed male exceptas fuisse a Ministris S. Officio et SS mus J)nus noster 
auditiv votis eorundem IUmorum decrevit ut proeedotur in causa ad uUeriora , ser- 
vatis servandis, ac proferatur sententia, et dictus F r Jordanus tradatur Curiae 
Saeculari. 

1) Scioppius an Rittershausen bei Berti, Vita di G. Bruno, pag. 401 : 
nupera die nona Februarii in supremi Inquisitoris Palatio praesentibus illustrissimis 
Cardinalibus S. Offieii Jnquisitionis (qui et senio et rerum usu et Theologiae Ju- 
risque seientia reliquis praestantj, et consultortbus Theologis, et seeulari Magistratur 
TTrbis Gubernatore: fuit Brunus ille in loeum Jnquisitionis introductus, ibique 
genibus fiexü sententiam contra se pronunciari audiit. Ea autem fuit hvjusmodi: 
Narrata fuit eius vita, studia et dogmata, et qualem Jnquisitio düigentiam in con- 
vertendo iüo et fraterne monendo adhibuerit, qualemque ille pertinaciam et im- 
pietatetn ostenderit : inde eum degradarunt, ut dicimus, prorsusque excommunicarunt, 



128 9. Bruno's Auslieferung an Rom, 

Nun wurde Bruno von den Sbirren des Gouverneurs in 
das weltliche Ge&ngniss abgeführt, um am 12. Febr. hingerichtet 
zu werden. Aber selbst jetzt noch hoffte die Inquisition, den 
wunderbaren Apostaten durch die Nähe des furchtbaren Todes 
noch ganz zuletzt erweichen und als reuigen Renegaten seiner 
eigenen Philosophie in den Schooss der hl. Mutter Kirche herüber- 
ziehen zu können. Allein die Hoffnung der Richter ging auch 
diesmal fehl '). Bruno widerrief nicht, sondern erklärte vielmehr, 
er sterbe als Märtyrer und gehe gern in den Tod und seine Seele 
werde mit dem Rauch ins Paradies emporsteigen *). So verstrich 
denn die ihm nochmals gewährte Frist unbenutzt und am Frei- 
tag JJorgen den 17. Februar 1600, auf dem Platze der Flora, 
gegenüber dem Theater des Pompejus, bestieg Bruno den Scheiter- 
haufen. »ct».0CO>> &M\VO ^QA&vIvÖ* 

Rom wimmelte damals von ^iffiö&en von Pilgern aus aller 
Herren Ländern, denn Clemens VHL, jener kirchenfromme und 
staatskluge Papst, dem es gelungen war, Heinrich IV. von Frank- 
reich wieder zum Eatholicismus zurückzubringen, feierte ein 
Jubiläum. Wohl fünfzig Cardinäle mochten in Rom anwesend 
sein, die ganze katholische Kirche in ihren höchsten Würden- 
trägern um ihr Oberhaupt versammelt, wohnte dem Schauspiel 
der Verbrennung Bruno's bei und weidete sich, wie einst Nero 
und sein Hof an den als Fackeln brennenden Christen, so nun 
sie, die Häupter der Religion der Liebe, am langsamen Todes- 
kampfe des sterbenden Philosophen. Bruno starb, wie er gelebt, 
als Held. Kein Schrei, ja nicht einmal ein Seufzer kam über 
seine Lippen 3 ). Man hielt ihm noch ganz zuletzt, als er schon 

et seculari Magistratui eutn tradiderunt puniendum, rogantes, ut quam elemen- 
tissims et sine sanguinis sfusions puniretur. Hase cum ita esssnt peraeta , nihil 
üle rsspondit aliud, nisi minabundus; Maiori forsan cum timore sententiam in 
me fsrtiSy quam sgoaceipiam. 

1) Ibid., pag. 401: Sie a Uctoribus Oubernatoris m eareerem dsduetus, 
ibique assiduo asservatus fuit, si vel nunc srrores suos revoeare veüet, sedfrustra. 

2) In den Avvisi di Roma, 19. Febr. 1600 sabato (bei Sigwart im 
Tübinger Programm 1880, pag. 40): diesva che moriva martire et volentieri st 
ehe ss ns sarebbe la sua anima asessa eon qusl fumo in paradiso. * 

3) Hieronymus von Prag, Johann Huss und Michael Servetof ver- 
mochten nicht den ungeheuren Schmerz zu unterdrücken und brachen in 
Geschrei aus. 



seine Kerkerhaft und sein Martyrium. 1593—1600. 129 

mit dem Tode rang, ein Crucifix vor die Augen, er aber wandte 
sich schweigend mit Geberden der Verachtung von demselben 
ab 1 ). „So ist er denn, langsam gebraten, elendiglich umgekom- 
men, u schreibt der deutsche Convertit Caspar Schopp als Augen- 
zeuge und fugt dann mit wahrhaft satanischer Ironie hinzu — 
„und mag nun in jenen andern Welten, die er sich einbildete, 
verkünden, auf welche Weise Gotteslästerer und Frevler von 
den Römern behandelt zu werden pflegen 2 )." 

So frech die Aeusserung dieses geckenhaften UeberiäuferB ) 
klingt, so beweist sie doch, aus welchem Grunde Bruno schliess- 
lich verbrannt wurde. Alle seine Ketzereien verblaasten in den 
Augen der Kirche vor der erzketzerischen Verkttndung der un- 
endlichen Zahl der Welten. Denn vor dem Gesichtspunkt der 
kosmischen Unendlichkeit zerfliessen die einträglichen Vorstellungs- 
gebilde von räumlich fixirten Himmel, Hölle und Fegfeuer zu 
wesenlosen Schemen und ziehen den Stuhl Petri mit sich in den 
Abgrund zukunftsloser Vergangenheit. 



1) Scioppiüs an Rittershausen bei Berti, Vita di G. Bruno, pag. 401: 
Hodie igitur ad rogum sive piram deductut, cum Salvatoris cruxißxi imago eijam 
morituro ostenderetur , torvo eam vultu atpematut rejecit. Trotz dieser doch' 
überaus deutlichen Geberdensprache eines Mannes, der imvollen Bewnsstsein 
lebte, einen weltgeschichtlichen Tod zu sterben, bringt es Carribre in 
seinem sonst trefflichen Buche: Die Weltanschauung der Reformationszeit, pag. 
410 übersieh, Bruno zum speeifischen Christen zu stempeln. Es gemahnt dies an 
Abälards Bemühungen, in Plato einen Christen nachzuweisen, worüber der 
hl. Bernhard von Clairvaux spöttelt: Multum sudat quomodo JPtatonem fatiat 
ehrutumum. Vgl. Bartholmbss, Vie de Bruno, T. II, pag. 323. 

2) Scioppiüs an Rittershausen bei Berti , Vita di G. Bruno, pag. 401 : 
sieque ustulatus miaere periit, renunciaturus eredo in reliquU iUü, quo* finxü, 
mundis, quonam pacto homines blatphemi et itnpii a Jtomanü traetari solent. 

3) Die vortrefflichste quellengemasseste Biographie und Bibliographie 
von Scioppiüs gab bis jetzt Kowallek in den Forschungen zur deutschen 
Geschichte, Bd. 11 (1871), pag. 403—483. Wer sich für das Bildniss des sehr 
gelehrten und unglaublich schreibseligen „Canis grammaticus" interessirt, findet 
dasselbe zu Anfang des Bd. 19 von Niceron's Nachrichten von den Be- 
gebenheiten und Schriften berühmter Gelehrten, hrsgeg. von Rambach. 



130 10. Schlussbetrachtung. 

10. Schlussbetrachtung. 

Bruno starb, alle seine Werke kamen 1603 auf den Index *), 
aber mit ihm starb nicht zugleich auch seine neue Weltanschau- 
ung. Bruno ist die noch unerschlossene Knospe, aus welcher 
sich die Blume der ganzen neuern Philosophie entfaltet hat 8 ). 
In Bruno hat das Italien der Renaissance seinen ebenso vollen- 
deten Propheten der neuern Philosophie gefunden, wie in Michel 
Angelo seinen Herold der neuern Kunst. Bruno's Philosophie 
enthält die Grundzüge zu den ausge"bildeteren Systemen des 
Cartesius, Spinoza, Leibnitz und in der neueren Zeit Schellings 
und Hegels. Bruno überholt aber alle seine Nachfolger in deo 
et natura durch die wahrhaft poetische Jugendfrische seines 
Naturbegriffs. ^Die Natur ist für Bruno keineswegs nur ein 
System blindwirkender Kräfte, sondern das ail-eine, sich ewig 
zur Vielheit gestaltende, aber diese unter sich widerspruchsvolle 
Vielheit in unbewusster Zweckmässigkeit harmonisch in sich 
zusammenschliessende Weltsubjekt, mit einem Worte: Goethe's 
Künstlerin Gottnatur. Bruno's Begriff von der beseelten Materie, 
welche alle Formen aus sich selbst erzeugt, steht im schroffsten 
Gegensatz, zu jenem Materialismus, der im Gedanken weiter 
nichts als ein Gehirnsecret und im Universum nur eine zufällig 
zusammenhängende Reihe von Atomveränderungen erblickt, 
welche sich nach den Gesetzen der Mechanik vollziehen. Bruno's 
Weltanschauung schliesst zwar den Mechanismus in der Bewe- 
gung der kleinsten Stofftheilchen nicht aus. Seine Auffassung 
des Lebensprocesses . bleibt nur nicht wie diejenige Descartes', 
bei dem Mechanismus stehen, sondern erhebt sich über den- 



1) Laut Decret vom 7. August 1603. S. Index Librorüm Prohibi- 
torüm (Mechliniae 1838), pag. 48. 

2) Vgl. Cabriere, Die Weltanschauung der Reformationszeit, pag. 473: 
„Wie bei Spinoza die Einheit, so ist bei Leibnitz der Unterschied weiter, 
umfassender durchgeführt und entwickelt, aber auch in principieller Ein- 
seitigkeit geltend gemacht, sodass wir nun Bruno als die ursprüngliche Har- 
monie dieser Gegensätze und damit doch wieder gegen beide im Vortheil 
erkennen." Vgl. übrigens a. a. O. Carriere's ganzen Abschnitt über Bruno's 
Einwirkung auf Descartes, Spinoza, Leibnitz, Jacobi, Kant, Fichte, Schelling, 
Hegel, pag. 365—494. 



10. Schlussbetrachtung. 131 

selben hinaus zur Ahnung eines allumfassenden Weltorganismus, 
dessen gestaltendes Centrum in jedem Gliede lebt, weil es von 
Ewigkeit her in jedem Atome wirkt *). 

Der Werth von Bruno's Weltanschauung beruht auf der 
von ihm zuerst durchgeführten Ueberwindung des uralten Gegen- 
satzes in der Auffassung von Gott und Natur, von Geist und 
Materie, von Denken und Sein. Bruno's Philosophie ist der 
vollendetste Monismus. „So oft daher," sagt ein neuerer Geschichts- 
schreiber der italienischen Literatur, der ehemalige Unterrichts- 
minister De Sanctis, „so oft die Menschheit, müde, sich mit der 
unendlichen Mannigfaltigkeit der Forschungsresultate herumzu- 
schlagen, das Bedürfhiss empfindet, sich wieder nach dem Ganzen 
und der Einheit zum Absoluten zurückzuwenden, und dort Gott 
zu suchen, begegnet ihr auf der Schwelle der neuen Welt- 
anschauung die Colossalstatue Bruno's 2 )." 

Der grösste Philosoph Italiens und der Renaissance hat es 
aber bis zu dieser Stunde noch zu keiner Statue gebracht, die 
einen öffentlichen Platz seines Vaterlandes schmückte 8 ). Nur 



1) Bruno, De Immenso, Lib. V, cap. 12, v. 1, pag. 495: 

Est amm al, sanctum , saerutn et venerabüe mundus, 
Quoque animante animans est quxdquid vivit in ipso. 
Man braucht animal nur nach Lasson's glücklichem Vorgang in seiner deut- 
schen Ausgabe des Dialogs De la Causa mit Organismus zu übersetzen, 
so ist das zuerst Frappirende, vielleicht Entsetzende des Ausdrucks über- 
wunden. Die neueste Naturphilosophie kehrt übrigens mit vollen Segeln 
zur Weltanschauung Bruno's zurück. So erklärt Du Prkl in seinem Auf- 
satze über „Das zweite Gesicht" in Lindaus „Nord und Süd" Sept. 1881, 
pag. 322 — 323 : „Die Natur ist kein sinnloser Haufen* von Chemikalien und 
Scherben — wie es die Materialisten meinen — sondern ein grosser Orga- 
nismus ; und so wird eine künftige Philosophie es noch beweisen, dass auch 
der Mensch mit diesem Organismus in einem Verbände steht, der nur zum 
Theil von unserm Bewusstsein erhellt wird." 

2) De Sanctis, Storia detta letteratura italiana, T. 2, pag. 264: Quante 
vojlte Vumanith, stanca di aggirarsi neVt inßnüa varietä, sente il bisogno di rita- 
Ure al tutto ed uno, aW Assoluto, e cercarvi Dio, U si afaccia sulV ingresso del 
mondo moderno la statua eolossale di Bruno. 

3) Wie lange wird es wohl noch dauern, bis Draper, Geschichte des 
Conflicts zwischen Religion und Wissenschaft (Internat. Bibliothek, Bd. XIII, 



132 10. Schlussbetrachtung. 

das Universitätsgebäude Neapels macht mit seinem innern Hof- 
raum eine Ausnahme, die neapolitanische Sapienza hat es bis 
jetzt allein gewagt, ihrem grossen Landsmann eine Bildsäule zu 
errichten und vor dieser geschah es, dass am 7. Januar 1865 
Studenten die päpstliche Encyclica vom 8. Dec. 1864 verbrannten. 
Aber wenn dereinst Bruno's Standbild neben dem von einer 
herrlichen Palme überschatteten Denkmal Giambattista Vico's, 
des grossen Geschichtsphilosophen, prangen wird, dann darf den 
Sockel, welcher den in der Villa Nationale lustwandelnden 
Fremden von seinem Heros Bruno Kunde geben soll, keine an- 
dere Inschrift zieren, als die Grabschrift, die sich der Natur- 
philosoph von Nola voreinst in einem seiner zu Frankfurt a. M. 
erschienenen Werke selbst gestiftet hat: 

Tapfer haV ich gekämpft, überzeugt, der Sieg sei erringbar, 

Ob auch dem Körper die Kraft, die dem Geist inwohnte, ver- 
sagt blieb 

Und so Geschick wie Natur mein innigstes Streben nur 

lähmten. 

Dahin gebracht es zu haben, ist immer etwas! Denn ich 



Dass es nur Sache des Schicksals ist, ob wir siegen. Doch 

das war 
Wenigstens stets an mir, was nur immer die Möglichkeit zuliess, 
Und der entferntesten Zeit Wahrspruch wird dahin entscheiden: 
Todesfurcht war ihm fremd, Charakterstärke besass er 
Wie nur einer und hoch über allen Genüssen des Daseins 
Stand ihm ein muthiger Kampf auf Tod und Leben, dem 

Nachruhm 
War sein Bingen geweiht Ich wollt' als Hahn es dem Hahne 
Gleichthun, aber niemals als Rabe mit Schwänen mich messen 



1S75\ pag. 184 Recht bekommt? — : „Vielleicht kommt noch der Tag, wo 
die Epigonen die (an Bruno begangene) kirchliche Missethat sühnen und 
unter der Kuppel der Peterskirche in Rom die Statue Bruno's enthüllen/ 1 



10. Schlnssbetrachtung. 133 

Oder als Frosch mit dem Stier, als Huhn mit dem Adler, als 

Kukuk 
Mit der Nachtigal, sei's in Gesang, Flug, Kraft oder Schön- 
heit l ). 

1) De monade, cap. VIII, pag. 99: 

lugnavi, multum est; tne vineere posse putavi 
(Quando animo virtus fuit illa negata laeertis) 
Et Studium et tiixus sors et natura repressiv 
Est aliquid prodisse tenus: quia vineere fati 
In manibus video esse situm. Fuit hoc tarnen in me 
Quod potuit, guod et esse meutn non ulla negabunt 
Seela futura, suum potuit quod Victor habere, 
Non timuisse mori, simüi eessisse nee ulli 
Constanti forma, praelatam mortem animosam 
Imbeüi vitae, Virtus fuit aemula laudis 
Fossibilis. Volui siquidem coneurrere gaUus 
Cum gallo, haud ausus corvus eontendere cygnis, 
Eana bovi t perdix aquilae, eueülus philomelae, 
CantUj praepetibus pennis, mole atque colore. 



Zweiter Theil. 

Giordano Bruno's Lehre. 



„Welche reine, welche himmlische Ideen 
treffen wir in einem Zeitgenossen Calvins 
und Beza's, in dem italienischen Philo- 
sophen Giordano Bruno." 

F euer b ach, Bayle pag. 287. 




Einleitung. 

Bruno's Ideenreichthum ist so gross, seine Philosophie ist 
an allerlei Edelmetallen von neuen Gesichtspunkten so ergiebig, 
dass nur eine systematische Ausbeutung der einzelnen Schächte 
und Gänge sich schmeicheln darf, dem riesigen Gedankenver- 
mögen des Nolaners gerecht zu werden. Es scheint jedoch nicht 
überflüssig, der speciellen Darstellung der grossen Ideenkreise 
Bruno's eine orientirende Gesammtttbersicht über dessen Lehre 
vorauszuschicken. 

Das All ist unendlich. Zahllose Sonnen mit ihren Planeten, 
sichtbare und unsichtbare Weltkörper verfolgen ihre Bahnen 
durch den unermesslichen Weltraum. Alle Gestirne sind Or- 
ganismen, Lebewesen (Animalia), die in der unendlichen Ab- 
stuning ihrer Grösse und Beschaffenheit selbst wieder eine unendlich 
abgestufte Mannigfaltigkeit grösserer und kleinerer Organismen 
von verschiedenster Art beherbergen. Diese Lebewesen sind 
im letzten Hintergrund nichts als unendlich zusammengesetzte 
Einheiten , deren Grundeinheit und letztes Substrat mathe- 
matisch der Punkt, physisch das Atom und metaphysisch die 
Monade ist. Die Zahl und Verschiedenheit dieser Monaden 
ist unbegrenzt, unbegrenzt aber auch, die Zahl der aus ihnen 
sich aufbauenden Individuen. Jede Monaae ist an und flir sich r 

ein lebendiger Spiegel des Weltalls, es schlummert demnach ini 
der Gesammtheit aller Monaden auch die Gesammtheit aller 
Formen , deren die Materie fähig ist. Die Form aber ist die ; 
der Materie inwohnende Seele, die in die Erscheinung tritt. Alle 
Thätigkeit der Natur besteht nun in nichts anderm, als dass 
sie, die zugleich die Gesammtheit aller Monaden, sich nach 
Kräften bestrebt, alle dem Vermögen nach in ihr liegenden 
Formen zur Erscheinung zu bringen. Der Abschluss dieser 
unendlichen Formenentwicklung wäre zugleich das Endziel der 



*VuitA> 



188 



Einleitung. 



^».♦'t ** 



Welt. Nun ist aber dieses Vermögen unendlich, folglich muss 
auch die Entwickelung aller in der Materie latent liegenden 
Formen unendlich sein. Mit andern Worten: Nichts in der 
Welt ist unbeseelt, es giebt überhaupt nichts Lebloses, Todtes, 
schlechthin Unorganisches, sondern Alles, selbst der Stein, ist von 
Ewigkeit zu Ewigkeit in ununterbrochener Bewegung und Ver- 
änderung begriffen ,\bald in aufsteigender, "bald in absteigender 
Linie. • In allen wirkt derselbe Geist, dieselbe der Materie inne- 
wohnende Vernunft. Aber sie wirkt nicht in allen auf dieselbe 
Weise, in demselben Maasse und Grade. Dieser ist abhängig 
von der Stufe der Organisation. Die untersten Organismen be- 
dürfen zur geringsten Aeusserung ihrer Vernunftthätigkeit einer 
ganzen Reihe von Operationen, höher stehende vermögen mit 
wenigen Mitteln der Sinnes- und Geistesthätigkeit weite Anschau- 
ungen und grosse Gedanken zu fassen. Die Vernunft des höch- 
sten Organismus, des Kosmos, die Natur der Natur, Gott, um- 
fasst in einem einzigen Denk- und Willensakt zugleich das ganze 
Universum, d. h. die begreifende Vernunft, die in der unend- 
lichen Stufenfolge der Organismen die Bewegungen, Veränderungen 
und Neugestaltungen empfindende Vernunft ist eins und das- 
selbe mit der schaffenden Vernunft, welche in der unend- 
lichen Zahl der Monaden die Bewegungen, Veränderungen und 
Neugestaltungen bewirkt. Wenn nun Gott nichts anderes ist, als 
die in der Natur sich unendlich offenbarende Vernunft, die Natur 
der Natur, so können wir ihn nicht höher und würdiger ver- 
ehren, als indem wir die daa Universum erhaltenden und um- 
gestaltenden Gesetze erforschen und darleben. In jedem, auch 
dem kleinsten Organismus ist die allgemeine Weltvernunft vor- 
handen, aber in keinem ganz. Wenn nun das Individuum die 
Beschränktheit seines Gesichtskreises über die aus der Erkennt- 
ni88 des Weltganzen fliessende Vernunft stellt, wenn das Einzelne 
seine Begierden und Strebungen nicht der Wohlfahrt des Gänzen 
unterordnet, so entsteht das Böse. Das Gute ist dagegen die 
Folge der einsichtigen Unterordnung des Einzelwillens unter die 
Gesetzmässigkeit, Vernunft und Wohlfahrt des Ganzen. Jede 
gewonnene Erkenntniss eines Naturgesetzes ist desshalb eine sitt- 
liche That, denn sie erhöht die Fähigkeit, uns vernunftgemäss 
einzurichten. Aus diesem Grunde soll stets die Natur für unsere 



Einleitung. 139 

Menschenvernunft , nicht aber unsere beschränkte Menschenver- 
nunft fiir die Natur massgebend sein. Die Naturgesetze erkennen 
wir aber nur dadurch, dass wir bis zu den Elementen der Dinge 
herniedersteigen und dieses sind die Atome, die Monaden, die 
Minima. In der Erkenntnis der Minima liegt die Erkenntniss 
der Natur, die ganze Wissenschaft beruht auf dem Verständniss 
des Kleinsten, denn auch das denkbar Kleinste ist ein lebendiger 
Spiegel des ganzen Weltalls. 

„Wenn wir einer solchen Weltanschauung huldigen, dann 
wird uns kein fremder Zufall mehr in Schmerz oder Furcht ver- 
setzen und kein Glück macht uns dann mehr durch Vergnügen 
oder Hoffnung übermtithig, wir befinden uns dann auf der 
wahren Bahn zur wahren Sittlichkeit, wir sind alsdann hoch- 
sinnige Verächter dessen, was nur kindische Gedanken schätzen 
und werden in Wahrheit grösser als jene Götter, welche der 
blinde Pöbel verehrt, denn wir werden alsdann wahrhafte Be- 
trachter der Geschichte der Natur, die in uns selbst geschrieben 
ist, wir werden dann regelmässige Vollbringer der göttlichen 
Gesetze, die im innersten unseres Herzens eingegraben sind. 
Das ist die Philosophie, welche die Sinne öffnet, den Geist be- 
friedigt, den Verstand erhöht und den Menschen zur wahren 
Glückseligkeit hinleitet, weil sie ihn von der aufreibenden 
Sorge für das Vergnügen und vom blinden Gefühl des Schmerzes 
befreit, ihn die Gegenwart gemessen und von der Zukunft nicht 
weniger hoffen als fürchten lässt 1 )." 



1) De l'Infinito (Wagner II, 12): Da la quäl eontetnplazione , se vi 
saremo attenti, avverrb, ehe nullo strano accidente ne diemetta per doglia o timore, 
e neeeuna fortuna per piaeere o speranza «' eetogUa; onde aremo la via vera a 
la vera moralüa, saremo magnanimi spregiatori di quel ehe faneiullesehi pensieri 
stimano, e verremo certamente piu grandi ehe que* dei, ehe il eieeo volgo adora, 
per ehe diverremo veri contemplatori de Vistoria de la natura, la quäl e serüta 
in noi tnedesitni, e regolati eseeutori de le divini leggi, ehe nel centro del nostro 
eore son inscolpüe . . . Queeta e quella ßlosoßa, che apre li sensit contenta ü 
spirto, magnifica l'intelletto , e riduce Tuomo a la vera beatüudine, ehe pub aver 
eotne uomo, e eoneietente in questa e tale compoeizione; per ehe lo Ubera da la 
8oUecita eura di piaceri e eieeo »entimento di dolori; lo fa godere de testete pre- 
sente, e non piu fernere ehe eperare del futuro. 



140 I. Brnno's Methode. 



I. 

Bruno's Methode« 



Bruno ist vielleicht der einzige Philosoph, der nicht den 
Anspruch erhebt, die unfehlbare Methode zu besitzen. Der No- 
laner erklärt: „Das müsste ein ehrgeiziger und hochmttthiger, 
eiteler und neidischer Geselle sein, wer andere tiberreden wollte, 
es gebe nur einen einzigen Weg zu forschen und zu der Er- 
kenntniss der Natur zu gelangen; und nur ein Narr und ein 
Mensch ohne Urtheil kann von sich selber zu verstehen geben, 
dass er ihn besitze 1 )." Denn „es giebt nicht eine, von ver- 
ständigem Sinne durchwehte Art von Philosophie, welche nicht 
irgend etwas gutes eigentümliches für sich hätte, was in den 
andern nicht enthalten ist 2 ). a „Desshalb betrachten wir die Ge- 
heimlehren der Pythagoräer nicht als werthlos; wir unterschätzen 
die Beweise der Platoniker nicht, und insoweit als die Peripatetiker 
mit ihren Vernunftschlüssen auf realen Boden gelangten, sind 
uns auch diese recht 3 )." 

Bruno's eigenes Denken ist dem Skepticimus abhold, er 
glaubt an die Möglichkeit, die Dinge zu erkennen, weil die Or- 
ganisation des menschlichen Intellects der Organisation des Alls 
parallel läuft. „Es ist eine und dieselbe Stufenleiter, auf welcher 
die Natur zur Hervorbringung der Dinge herabsteigt und auf 
welcher die Vernunft zur Erkenntniss derselben emporsteigt 4 )." 



1) De la Causa (Wagner II, 258 \ Lasson pag, 84): Per ehe e cosa da 
ambizioso e cerveUo presuntuoso , vano et invüioso, voler persuadere adaltri, ehe 
non sia ehe una sola via tfinvestigare e venire a la eognizione de la natura; e 
et com da pazzo et uomo senza diseorso donatio ad intendere a se medesimo. 

2) Ebendas. (Wagner I. 259; Lasson pag. 86): Eccovi dunque, come 
non e sorte di ßlosoßa, c/ie sia stata ordinaia da regulato sentimento, la quäle 
non eontegna in se qualche buona proprieta, ehe non e eontenuta da le altre. 

3) De Umbris Idearum (Gfkörer, pag. 299): JS'on abolemus Pythago- 
ricorum mysteria. Non parvifacimus Platonicorum fidet et quatenus reale sunt 
naeta fundamentum, Peripateticorum ratio cinia non despieimus. 

4) De la Causa (Wagner I, 285; Lasson pag. 128). S. oben pag. 41, 
Anm. 2. 



I. Bruno's Methode. ]41 

Es frfigt sich nun aber eben , auf welchem Wege die For- 
schung den Dingen beikommt. Zunächst bildet die Grundlage 
aller wissenschaftlichen Erkenntniss die Evidenz. „Was der 
Evidenz entbehrt, verliert für den Philosophen das Recht der 
Annahme, wie allerdings auch umgekehrt dasjenige nicht so mir 
nichts dir nichts verworfen werden darf, was nicht mit gutem 
Grund angefochten werden kann 1 )." 

Nun ist aber das Streben nach der Evidenz einer Sache 
nur unter der Voraussetzung gedenkbar, dass man vorher auch 
an die Möglichkeit von deren Nichtevidenz gedacht habe, mit an- 
dern Worten: bevor wir eine Sache flir wahr halten und sie 
zum Glied einer Gedankenkette verwenden, müssen wir dieselbe 
zuerst bezweifeln, um erst nach Wegräumung der über die- 
selbe entscheidenden Fragep. und Gegenfragen sie des Vertrauens 
auf die Evidenz zu würdigen. 

Nichts ist elender als die Gewohnheit zu glauben 2 ). Wer 
also Lust hat, zu philosophiren, möge zuerst aus Prineip an 
allem zweifeln und nicht eher den Standpunkt der Einen Streit- 
partei einnehmen, als bis er auch die andere Partei gehört hat 3 ). 

So lange es noch angeht, eine Sache, frei und frank zu er- 
wägen, so thun wir gut, dieselbe in Zweifel und nochmals in 
Zweifel zu ziehen 4 ). Hat man nun sämmtliche über einer Sache 
schwebende Zweifel durchbedacht und das die Betrachtung hem- 
mende Falsche erkannt, so geht es alsdann an die Beseitigung 
des Irrthums: 



1) De Immenso, Lib. III, cap. 1, Anfang, -pag. 26i>: JJt philotopho ea 
credenda non sunt, quae nequeunt evidentius probari, ita neque temere sunt repro- 
banda quae ecrta non poseunt incusari ratione. 

2) Acrotismüs, Excubitor (G^körek, pag. 7, Anfang): vüissima credendi 
consuetudo. 

3) De tkifl. Min., pag. b: Qui philosophari concupiseit, de omnibus prin- 
cipio dubitans non prius de altera contradictionis parte definiat, quam alter eantes 
audier it. 

4) Ebendas., pag. 135: De singulis dubitare et eontröversas rationes audire 
non inutüe. Dubitemus inquam, dubüemus interim, quoad liberius atque sincerius 
causam agere lieeat. 



X42 *• Bruno's Methode. 

Nöthig*sind also zunächst die Stufenfolge und Ordnung, 
Dann erübriget noch, die ersten Grundlagen des Falschen 
Wegzuräumen, die sonst das Licht der Natur zu verlöschen 
Und den glatten Verlauf der Betrachtung zu hemmen pflegen J ). 

„Ist nun die Bahn der Forschung frei, so braucht man sich, 
um zur Wahrheit zu gelangen, nur an den Lauf der Natur zu 
halten 2 ). Wer den Lauf der Natur behindert, der ist ein 
beschränkter Kopf, ein ruchloser Barbar 3 ). a Bruno setzt seine 
ganze Kraft daran, diejenigen, welche ihre Augen vom Spiegel 
der Natur und ihre Ohren den Worten der gemeinsamen Mutter 
verschliessen, um unter Mühe und Noth ein paar heitern Narre- 
teien nachzujagen, zu besseren Erfolgen zurückzurufen 4 ). Diese 
aber winken dem, der von den niederem Geschöpfen allmäüg 
zu den höheren forschend emporsteigt 5 ). „Denn Alles, was in 
den niedrigeren Geschöpfen auf deren Vervollkommnung hin- 
deutet, soll um so schärfer in den höheren erkannt werden und 
was in diesen auf einen Mangel hinweist, soll um so energischer 



1) Ebendas., Lib. I, cap. 5, v. 26—30, pag. 19: 

Quapropter gradibus certis atque ordine eerto 

Est opus : ac primutn falsi fundamina prima 

Tollantur quae naturai exstinguere lueem 

Suerunt et darum rationis rumpere cur mm. 
Dazu noch der Commentar pag. 20: Ut autem ad veritatis reeeptionem melius 
ingenia disponantur, a demolitione fundamentorum faUitatis est progrediendum. 

2) De Immenso, Lib. II, cap. 10, pag. 605: Age ergo, respiee naturae 
vuüum. 

3) Ebendas., Lib. I, cap. 9, v. 26—28, pag. 181: 

Naturae cursum quicunque ergo impedit, ille est 
Exeors, insanus, calomastix, impius, exlex. 

4) Ebendas., Lib. III. cap. (>, pag. 309: eos qui a naturae speeulo oeulos 
avertunt et communis matris voeibus occludunt aures, dum laboriose ad quasdam 
haud seio quam jocundas ineptias aspirant, ad meliores fruges revoeare eonten- 
dimus. 

5) Summa terminor. metaphysicor. (Gfrörer, pag. 481, Intentio): Ad 
ipsius (Bei) cognttionem ascendimus per creaturarum et effectuum ipsius vestigia 
eontendentes ; propterea spcdem illius magnitudinis nulla intentione eomprehendere 
possumus , qua pro rei dignitate informemur, sed solum quasi ad illam lucem pro- 
gredientes et adnitentes, amplius atque amplius possumus ab inferioribus reeedendo 
eondeseendere. 



I. Bruno's Methode. 143 

in den niedrigeren erforscht werden 1 )." Ebenso soll man vom 
Aeussern auf das Innere schliessen. „Denn Alles ist so beschaffen, 
dass es allem entspricht. Denn da die Dinge nicht durch den 
Zufall, sondern von einem bestimmenden Geiste eingerichtet 
worden sind, so folgt daraus, dass von einem contemplativen 
und speculativen Geiste aus dem, was äusserlich zur Erschei- 
nung kommt, auf das Innere geschlossen werden darf 2 ). Das 
soll die stramme Richtschnur aller Forschung sein, dass wir 
immer von der Bewegung und Vielheit zum Zustand und der 
Einheit zu streben suchen und zwar durch Vermittelung von 
Geistesoperationen, die in das Innere und in die Tiefe trachten 3 ). u 
„Nun geht aber das Subjekt und das Objekt sowohl der Natur 
als der Kunst : die Zusammensetzung und die Auflösung, im Handeln 
und im Betrachten hervor aus dem Kleinsten, besteht im Klein- 
sten und lässt sich auf das Kleinste zurückfuhren 4 ). Wenn also 
die Betrachtung den Spuren der Natur nachgeht, so möge sie 
vom Kleinsten ausgehen, in der Erforschung des Kleinsten be- 
stehen und in der Betrachtung mit dem Kleinsten aufhören 5 ). 
Daraus geht denn mit Notwendigkeit hervor, dass die Philo- 



1) Ebendas. (G frörer, pag. 515, Comprehensio) : Omnia ergo quae sunt 
in inferioribus eorutn notantia perfectionem , vehementius inteUigere oportet in 
superioribus, et quaeeunque in ütis defectum dicunt, fortius in inferioribus in- 
teUigere oportet. 

2) Summa tebminor. metaphys. (Gfbörer, pag. 498, Qualitas): Kino 
eequitur ex variorum numerorum conditüme qualitatis disposüionum naturalium et 
habüuum tum intemorum tum extemorutn conditio atque gradus, ut etiam ex- 
ternaeßgurae internarum virtutum efficaeiam repraesentent. Ita quippe omnia sunt 
comp ar ata, ut omnibus respondeant, Neque enim casu sed ab intelleccu deßniente 
rebus constitutis eequitur ut a regulato inteUectu contemplativo et speculativo per 
ea, quae forinseeus apparent, de interioribus Judicium ferri possit. 

3) De Umbris Idearum (Gfrörer, pag. 304): illud obnixe nobis est in- 
tentandum, ut pro egregiis animi operationibus naturae scholam ante oculos ha- 
bentesj semper a motu et multitudine ad statum et unüatem per intrinsecas opera- 
tiones pergere eontendamus. 

4) De tripl. Min., pag. 10: Naturae et artis subjectum et objectum, com- 
positio et resolutio agendo et contemplando ex minimo oritur, in minimo consistit 
et ad minimum redueitur. 

5) Ebendas. , pag. 18: Si ergo contemplatio naturae vestigia perse- 
quitur, a minimo incipiat, et in minimo speculando consistat, et in minimum con- 
templando desinat oportet. 



144 I* Bruno's Methode. 

sophie des Kleinsten nicht nur eine Notwendigkeit ist, sondern 
auch aller Naturwissenschaft, Mathematik und Metaphysik vor- 
ausgehen muss 1 ). Denn der Ursprung und die Grundlage aller 
Lrrthümer, sowohl in der Naturwissenschaft, als in der Mathe- 
matik, ist die Auflösung des Continuums ins Unendliche *). u Was 
Bruno hier anstrebt, ist nichts geringeres als die Theorie vom 
Grenzbegriff gegenüber der Lehre vom Absoluten. Bruno anti- 
cipirt hier eine Errungenschaft unserer neuesten, auf die Phi- 
losophie der Mathematik gegründeten Metaphysik. Er will von 
der Natur ausgehen 8 ), allein nur von der Mathematik verspricht 
er sich eine erfolgreiche Ergründung der Naturgeheimnisse und 
einer Gotteserkenntniss 4 ). Bruno ist sich jedoch darüber klar, 
dass alle theoretische Naturforschung ohne die controllirende Be- 
gleitung der Empirie fruchtlos ist Desshalb lässt er keine Ge- 
legenheit vorübergehen, wo er nicht laut die Erfahrung als den 
Prüfstein aller wissenschaftlichen Wahrheit priese. „Wozu sollen 
wir uns auf eitle Phantasien stützen, wo uns die Erfahrung selbst 
unterweist 5 )?" „Auf denn, lasst uns sehen, wie wir ans durch 
Versuchen, Experimentiren, Vergleichen, Theilen, Zusammen- 
setzen, Beobachten und Abstrahiren zu unzähligen Erfindungen 
zu befähigen vermögen! Denn was? Begegnet es uns nicht 
häufig, dass, wenn wir uns ein bestimmtes Ziel vorsetzen, uns 
alsdann ein anderes zu Theil wird, welches viel edler ist, ab 
das gesuchte? Denn dass dieses gerade bei alchimistischen Ex- 
perimenten sehr häufig zu begegnen pflegt, ist allgemein bekannt. 
Wie häufig ist es den Alchimisten passirt, dass sie weit besseres 



1) Ebendas., pag. 20: £x praedictie neeeeemrio wfertwr mtkumi eontem- 
platianem htm neeetam riam, tum in primis ernte nmturmJem y matkemmtiemm atque 

2) Ebendas.; pag. 23: Fnmdpium et fundamentum errorum owtnium tum 
in physich tum m mathttiy ett resolutio continmi in injinitum. 

3) Bartholmess, Vic de Bruno II, 320, Anm. 5: Son goüt pour les 
coHHaüsQHcet phyeiquee, goüt qui m prononce surtout pear ton mttmekement pour 
Copcruie, ett ehose ineonteetable. 

•i) De tri pl. Mix.« pag. 134: Sie e mat/umaticis ad profundiorum 
naturatium *pec*l*tion<-m et diriniot-um contemplationem adspicimu*, 

b) De i/Ixfixitx) (Wagner II, 56): Ar che vogluimo appoggiarei a van* 
f*n:<utt\ dort VetperÜHz* ieteua n* amtHoettra f 



IL Bruno's Naturphilosophie. J45 

als das gesuchte Gold oder doch wenigstens ebenso Wünschens- 
werthes gefunden haben 1 )!" 



n. 

Bruno's Naturphilosophie. 

1. 
Bruno's Lehre von der Gott-Natur. 

A. 

Bruno's reiner Naturbegriff. 

Der Begriff der Natur deckt sich ffcr Bruno mit dem Be- 
griff der Ewigkeit und No&wendigEeit. \ Wir" müssen minier 
wiederholen, erklärt der Nolaner, dass wir nur Dasjenige als 
Natur betrachten, was immer war und ist und nicht anders sein 
kann 2 ). tt Die ewige Notwendigkeit offenbart sich aber in der 
Welt der Erscheinungen als Zahl, Grösse und Begriff. „Die 
Natur, sagt Bruno, ist eine zählbare Zahl, eine messbare Grösse, 
ein gedanklich fassbarer Begriff. Die Vernunft dagegen ist eine 
zählende Zahl, eine messende Grösse, ein denkender Begriff 3 )." 
Die Natur, weil sie nach dem Gesetze der Notwendigkeit han- 

1) RECENS ET COMPLETA ARS REMINISCENDI (GFRÖRER J( .pflg. 525): Vide- 

atur ergo, modo tentando, experiendo, conferendo, dividendo, componendo, concer- 
nendo, abstrahendo , ad innumerabiles accingi valeamus inventiones. Quid enim? 
nonne multoties nobis certum scopum praeßgentibus aliud quaesito nobüius oceurrit? 
ipmm sane frequentissime alchimicis accidere experimentis non est quem lateaU 
quibus multoties auro perquisito longe meliora vel ex aequo desiderabilia adin- 
venisse aceidit? — 

2) De Immenso, Lib. V, cap. 11, pag. 494: Nos Herum naturale illud 
tantum cognoscimus, et cum Uta serie arbitramur quod temper fuit et est , et non 
potest aliter esse. Vgl. Ebendas. pag. 492, v. 5—9 dasselbe poetisch aus- 
gedrückt: 

Nam cur natura possunt hoc esse putare 
Quod non aeternum est, quod non est tempore multo 
Non praesens, non praeteritum est, non est pote deineeps 
Quandoquidem haud tales patitur natura reeessus. 

3) De Triplice Minimo, pag. 7, § 1: Natura est numerus numerabilis, 
magnitudo mensurabilis, momentum attingibile. Ratio est numerus numerans, 
magnüudo mensurans, momentum aestimans. 

10 



146 H- Bruno's Naturphilosophie. 

delt, irrt niemals, und wenn sie nicht zuweilen Ungeheuer her- 
vorbrächte, so würde sie irren 1 ). 

Aus derselben Notwendigkeit folgt, dass jeder Zufall vom 
Wesen und Wirken der Natur ausgeschlossen bleibt 2 ). Denn 
sie handelt als Künstlerin und ist selbst Quelle und Substanz 
aller Kunst. Die Natur ist an und für sich die lebendige Kunst 
und eine Art intellectueller Kraft der Seele 3 ). 

Man hat desshalb mit Recht gesagt, das Werk der Natur 
sei das Werk der Intelligenz 4 ). Als Inbegriff aller Intelligenz 
ist die Natur zugleich im Besitz einer Allfahigkeit: „die Natur 
kann (innerhalb ihrer Schranken) aus Allem Alles machen, 
gleichwie der Intellekt Alles aus Allem zu erkennen vermag ö ). u 
Als Offenbarung der Vernunft ist die Natur der Ausdruck der 
Wahrheit, denn die Wahrheit ist nur das in den Dingen be- 
obachtete Gesetz der Vernunft. „Die Wahrheit ist desshalb nicht 
allein physisch in den Dingen, sondern sie ist die schaffende 
Lebenskraft und Natur an und für sich 6 )." 

„Die Natur ist die grösste Offenbarerin tiefer Geheimnisse: 
durch die äussere sichtbare Gestalt deutet uns die Natur die 
Verntinftigkeit der Ideen an. Sie ist jenes Feuer, welches Pro- 
metheus heimlich den Göttern stahl und den Menschen verlieh; 
sie ist der Baum der Erkenntniss des Guten und Bösen, denn 
sie ist selbst das Ebenbild der Idee 7 )." 



1) Acrotismus (Gfrörer, pag. 49): Artieulus XIII: Numquam natura 
errat: sique interdum monstra non produeeret, erraret. 

2) Acrotismus (Gfrörer , pag. 49): Aitieulus XIV i Natura fortuitum 
nihil esse potest 

3) Die Belegstellen s. zu Anfang des Abschnittes: Kunstphilosophie. 

4) Sigillus Sigillorum, Pars II (Gfrörer, pag. 585): Einebene dixerunt 
(licet non bene omnes inteUigant): opus naturae esse opus intelligentiae. 

5) De Umbris Idearum, Intentio IX (Gfrörer, pag. 305): Sine accidü 
ut (infra suos limites) natura faeere possit omnia ex omnibus , et inteUectus , seu 
ratio, eognoscere omnia ex omnibus, 

6) Summa terminor. metaphysicor. (Gfrörer, pag. 497): (Veritas) est 
inquam ipsa lex intelligentiae observata in rebus . . . Saec veritas ... in rebus 
non solum est physica, sed et ipsa physis et natura ipsa. 

7) Sigillus Sigillorum (Gfrörer, pag. 588) : .... maxima profundo- 
rum arcanorumque natura est revelatrix t per figuram inquam visibüem formarum 
fiobis rationes indicat natura. Haee est ignis ille quem Prometheus a diis clam 



II. Bruno's Naturphilosophie. 147 

B. 
Bruno's reiner Gottesbegriff. 

Wer Bruno's Schriften auf seinen Gottesbegriff hin durch- 
forscht, den wird zunächst die Beobachtung befremden, dass 
dieselben vielleicht ebensoviele Stellen für Gottes Identität mit 
der Natur, als für Gottes Herrschaft über die Natur enthalten. 
Es gewinnt so den Anschein, als ob Bruno sich niemals aus 
einem schwächlichen Schwanken zwischen pantheistisch - imma- 
nenter und theistisch-transcendenter Auffassung Gottes heraus- 
gearbeitet habe 1 ). Bald heisst es bei Bruno: „Die Natur ist 
die herrlichste Gottheit" 2 ) ; bald wieder in ganz scholastischem 
Tone: „Gott befiehlt und ordnet an, die Natur flihrt aus und 
▼ollzieht 3 ). a 

Es lohnt sich wohl der Mühe, diesem scheinbaren Wider- 
spruch nachzuspüren und das Band zu finden, welches in Bruno's 
Geiste die zwei diametralsten Gegensätze des Gottesbegriffs zu 
jener Harmonie verknüpft, welche poetisch gestimmte Geister 
von jeher so mächtig an Bruno gefesselt hat. Dieses Band ist 
nichts anderes als Bruno's Dichtergeist, des Dichterphilosophen 
Fähigkeit, die erschreckende Unzahl scheinbar widerspruchsvollster 
Erscheinungsformen als den harmonischen Ausdruck eines im Sonnen- 
glanze der Schönheit sich offenbarenden Allwesens zu erkennen. 

Zuweilen spricht Bruno von der Materie ab dem das All durch- 
dringenden Lebensgeist, dass man sich versucht fühlen möchte, 
den Nolaner unter die Materialisten einzureihen, wie es denn 



surreptum tribuit hominibus, haee est arbor seientiae boni atque malt, ipsa enim 
est similitudo forma*. 

1) Schon Bartholmess, Vie de Bruno II, 388, Anm. 1, bemerkt: 
. . . on rencontre a peu-pres autant de passages en faveur du Misme quen faveur 
du panthtisme. 

2) De Immenso, Lib. II, cap. 12, v. 76, pag. 251: . . . Physis optima 
JDeitas. 

3) De Tripl. Min., pag. 7: Mens super omnia Deus est. Mens insita 
omnibus Natura. Mens omnia pervadens ratio. Deus dictat et ordinat: natura 
exequitur atque facit\ ratio contemplatur et discurrit. 

10* 



148 H* Bruno's Naturphilosophie. 

auch seit den wüthenden Angriffen des Orientalisten La Croze *) 
bis auf Lange's Geschichte des Materialismus nicht an Versuchen 
gefehlt hat , Bruno's Lehre atomistisch zu deuten. Denn in 
seinem Werke De Immexso erklärt er: „Ich halte die gottlosen 
Elemente Demokrit's für den das All lenkenden Vatergeist *)." 
Es will wenig bedeuten, wenn Bruno in einem andern Satze 
desselben Werkes an Stelle der demokritischen Atome das un- 
endliche Licht setzt 3 ). Es macht auch keinen Unterschied aus, 
wenn Bruno den Substanzbegriff mathematisch wendend, sagt: 
„Gott ist die Monade der Monaden" 4 ) odör, metaphysisch : „Gott 
ist die Substanz der Substanzen 5 )/ 

1 Den ersten Schritt vom Substanzbegriff zum Gottesbegriff thut 
Bruno, indem er sagt: „Die Substanz selbst ist das erste Subjekt, 
welches unsere Physiker auch die Urmaterie nennen 6 ). u „Dieses 
All-Subjekt, die Ur-Intelligenz, versteht das Ganze aufs voll- 
kommenste in Einer Anschauung; der göttliche Verstand und 
die absolute Einheit ist ohne eine Vorstellung das was versteht 
und das was verstanden wird, in Einem zugleich 7 ). Gott macht 
Alles nicht in einer bestimmten Reihenfolge, somlern im Nu und 
miteinander, er macht die Dinge nicht in der Weise, dass er 
durch einzelne Wirkungen nach und nach zu einem Gesammt- 

1) Veyssiere De la Croze, Mathurin, Entretüns sur divers Sujets dHistoire 
et de Litterature de Religion et de Critique. 12°. Cologne (Amst.J 1711. Ueber 
La Croze vgl. übrigens NouveUe Biographie Generale, T. 46(1866), pag. 72—74. 

2) De Immenso, Lib. V, cap. 3, v. 37—40, pag. 467: 

Sed non propterea rationis earpo elementa 
Impia Democriti adstipulatus sensibus, atqui haec 
Kentern alta agnosco moderantem cuncta paternum. 

3) Ebendas, Lib. XII, cap. 6, v. 57—60, pag. 641: 

Mitte inßnüam spaeio sine dieere lueem 
Illamque esse Deum, lumen qui aeeendat in isto 
Sole, jubar tantutn varie qui peraeulando 
FerßHat varias speeies .... 

4) De tripl. Min., pag. 17: JDeus est monadum monas. 

5) Ebendas., pag. 10: ... optimus maximus substantiarum substantia. 

6) De Umbris Idearum (Gfrörer, pag. 302): Ipsa (substantia) est 
primum subjectum quod et materiam primain appeüant physici nostri. 

7) De la Causa (Wagner I, 287) bei Lasson, pag. 130. Vgl. auch 
De Umbris Idearum (Gfrörer, pag. 314): Caeterum idea in mente divina est 
in actu toto simulte, unico (Gfrörer corrigirt: simüUaneoJ. 



II. Bruno's Naturphilosophie. 149 

resultat käme, durch eine Reihe von Handlungen, so zwar, dass er 
durch eine unendliche Zahl von solchen zu unendlichen Schöpfungs- 
akten gelangte, sondern er schafft alles Vergangene, Gegenwärtige 
und Zukünftige mit einem einfachen und einzigen Schöpfungakte *). 
Der Urgeist schaut alles ohne Verwirrung in Einem Blick, Einem Akt 
und Einer Vorstellung, gerade als ob Alles in seiner Sehkraft läge 
und er selbst das Alles sei, nämlich das Sehende, die Erschei- 
nung und das Sehbare 2 ). Der Akt der göttlichen Erkenntniss 
ist überhaupt die Substanz des Seins aller Dinge a ). Folglich ist 
Gott Alles in Allem oder das All selbst. Ein Licht erleuchtet 
Alles, Ein Leben belebt Alles, in gewissen Graden vom Oberen 
zum Unteren hernieder- und vom Unteren zum Höchsten empor- 
steigend, und wie es im Universum ist, so verhält es sich auch 
mit den Einzelbildern des Universums. Den tiefer Blickenden 
wird aber nicht nur in Allem Ein Leben, in Allem Ein Licht, 
Eine Güte sichtbar sein , und dass alle Sinne ein einziger Sinn, 
alle Wahrnehmungen eine einzige Wahrnehmung sind, sondern 
auch, dass schliesslich Alles, nämlich Wahrnehmung, Sinn, Licht, 
Leben Eine Wesenheit, Eine Fähigkeit und eine Thätigkeit sind. 
Wesenheit, Macht, Handlung, Sein, Können und Handeln, das 
Seiende, das Vermögende und das Handelnde, ist Eines, sodass 
Alles Eins ist, wie Parmenides wohl wusste, Ein All und Sein 4 ), 



1) Spaccio della Beb tia trionf. (Wagner II, 154): Sai Sofia, se sei 
a, ehe Giove fa tutto .... non eon eerto ordine sueeessivo, ma subito subito 

et insieme ineieme, e non fa le eose a modo de li partieolari effieienti ad una 
et una f eon molte azioni, e eon quelle infinite viene ad atti infiniti, ma tutto il 
passato, presente e futuro fa eon un atto sempliee e singolare. 

2) Summa term. metaphysicor. (Gfrörer, pag. 507): (mens prima) . . . 
in una speeie, uno actu et objeetu simul omnia citra eonfusionem intuetur, ae si 
in acte visus sit omnia, et ipsa sit omnia, nempe videm, visio et visibüe. Aehn- 
lich Ebendas., pag. 502 (Medium). 

3) Spaccio della Bestia trionf. (Wagner II, 156): Z'atto de la eog* 
nizion divina e la sostanza deW essere di tutte eose. 

4) Sigillus Sigillorum (Gfrörer, pag. 568): Tina lux üluminat omnia, 
una vita vivificat omnia, certis gradibus a superioribus ad inferna deseendens, et 
ab infernis ad suprema eondescendens et sieut est in universo, ita est et in universi 
simulaeri8. Atque altius eondeieentibus non solum conspicua erit una omnium vita, 
unumjin omnibus lumen, una bonitas, et quod omnes sensus sunt unus sensus, 
omnes notitiae sunt una notitia, sed et quod omnia tandem, utpote notitia, sensus 



150 II. Bruno's Naturphilosophie. 

Den vollendetsten Ausdruck der All-Einheit gewährt Bruno's 
Weltanschauung in folgender Reihe von Sätzen, welche, was die 
zwingende Consequenz ihrer Logik betrifft, ebensogut bei Spinoza 
stehen könnten: I. Das göttliche Sein ist unendlich. II. Die 
Consequenz des Modus des Seins ist der Modus des Könnens. 
III. Die Consequenz des Modus des Könnens ist der Modus des 
Wirkens. IV. Gott ist das einfachste Sein, in welchem es weder 
Zusammensetzung noch Verschiedenheit geben kann. V. Die 
Consequenz davon ist, dass in ihm das Sein, das Können, das 
Handeln, das Wollen, die Wesenheit, das Vermögen, die Thätig- 
keit, der Wille und was immer von ihm wahrhaft ausgesagt 
werden kann, Alles Dasselbe ist, weil es eben die Wahrheit an 
und für sich selber ist. VI. Die Consequenz davon ist, dass 
der göttliche Wille nicht nur nothwendig, sondern die Notwen- 
digkeit selbst ist, deren Gegensatz nicht nur unmöglich, sondern 
die Unmöglichkeit selbst ist. VIII. Im einfachen Sein kann es 
keine Gegensätzlichkeit, noch Ungleichheit geben, d. h. der 
Wille und das Vermögen sind einander weder entgegengesetzt, 
noch ungleich. IX. Notwendigkeit und Freiheit sind dasselbe; 
daher ist nicht zu befürchten , dass , weil er aus der Naturnot- 
wendigkeit handelt, er desshalb nicht frei handle, sondern er 
würde vielmehr naturnoth wendigerweise nicht frei handeln, wenn 
er anders handelte, als die Notwendigkeit 1 ). 



lumen, vita, sunt una essentia, una virtus et una operatio. Essentia, potentia, 
actio, esse, posse et agere, ens, potens et agens, est unum, ita ut omnia sint 
unum, ut bene novit Farmenides, unum omne et ens. 

1) De Imhenso, Lib. I, cap. 11, pag. 1S9: I. Divina essentia est infinita. 
IL Modum essendi modus possendi sequitur. III. Modum possendi eonsequüur 
operandi modus, IV. Deus est simplicissima essentia in qua nulla eompositio 
potest esse vel äiversitas intrinsece. V. Consequenter in eodem idem est esse, 
posse, agere, velle, essentia, potentia, actio, voluntas et quidquid de eo vere dici 
potest, quia ipse ipsa est veritas. VI Consequenter voluntas divina est non 
modo neeessaria, sed ipsa neeessitas, cujus oppositum non est impossibile modo sed 
etiam ipsa impossibilitas. VIII. In simplici essentia non potest esse contrarietas 
ullo modo, neque inaequalitas : voluntas inquam non est contraria et inaequalis 
potentiae. IX. Neeessitas et libertas sunt unum, unde non est formidandum quod 
cum agat cum necessitate naturae, non libere agat: sed potius immo omnino non 
libere ageret aliter agendo quam neeessitas et naturae neeessitas requirit. 



II. Bruno's Naturphilosophie. 151 

Gott wählt frei, was er will, was er giebt, was er weiss, was er 

ausfahrt, 
Weder sich selbst zu wandeln im Stand, noch sich selbst zu 

verneinen. 
Das was er will und vermag, ist schlechthin Eins und Dasselbe. 
Und er vermag nicht zu thun, was er nicht will, dass es 

geschehe, 
Denn das Schicksal ist nichts, als der göttliche Will 7 an sich 

selber; 
Desshalb kann er auch nicht ein Anderer sein als er selbst ist, 
Wie auch nichts könnte geschehen, als was wirklich geschieht 

durch ihn selber 1 ). 

C. 
Bruno's Identificirung Gottes mit der Natur. 

Bruno's Begriff der Gott-Natur ist neuplatonischen Ursprungs. 
Plotins Emanationslehre kehrt bei Bruno ebenso häufig wieder c £* K<*tn*i 
als dessen Lehre von Gottes Immanenz. In beiden Fällen ist 
es die absolute Alleinheitslehre. Nur gewinnt in Bruno's zwi- 
schen Transcendenz und Immanenz, zwischen Theismus und 
Pantheismus schillerndem Gottesbewusstsein bald die eine, bald 
die andere Strömung die Oberhand, ohne dass die Transcendenz 
die Immanenz oder die Immanenz die Transcendenz aufzuheben 
im Stande wäre. In Folge dessen tritt der dichterphilosophische, 
echt Goethesche Begriff der Gott -Natur bald in seiner mehr 
transcendenten Formulirung: Deus et Natura, bald in seiner mehr 
immanenten Fassung: Natura et Deus auf. Doch giebt Bruno 
offenbar der Formel von Gottes Immanenz den Vorzug. Es ist, 
insbesondere bezüglich Spinoza's Verhältniss zu Bruno, wichtig, 
beide Formeln statistisch-chronologisch zu sammeln. Zuerst 



1) De Immenso, Lib. I, cap. 12, v. 7 — 13, pag. 191: 
Eligit ergo Deus quod vult, dat, scitque facitque, 
Non variare potens ipaum non aeque negarei 
Quod vult atque poteat eat unum proraua idemque, 
Nee potia eat facere quod non vult esseque factum, 
Nempe ipaum fotum divina eat ipaa voluntas. 
Ergo aliua quam aü veluti non eat potia esse, 
Sie aliud ßeri quam ßt non posset ab itto. 



152 II. Bruno's Naturphilosophie. 

a. Die Formel 
Beus et Natura. 

Noch etwas schüchtern und verschämt tritt diese Formel 
zuerst auf im Dialog Degli Eroici Furori (Wagner II, 388): 
„Die Körperwelt und die Materie ist der Gottheit und der Natur 
unterthan 1 )." Dann kehrt die Formel wieder im Acrotismus 
(Excubitor. Gfrörer, pag. 13): „Undankbar gegen den gütigen 
Gott und die Natur 2 )." Wieder in der Oratio consolatoria 
zu Helmstädt: „Lästerzungen gegen Gott, die Natur und die 
Menschen s )." Zu einer ständigen, mit Bruno's vollem Bewusst- 
sein recht häufig wiederkehrenden Formel wird Bern et Natura 
erst in den Frankfurter Lateingedichten. Da begegnet uns in 
De Tripl. Minimo, pag. 9, v. 16: Et Dens et natura parens. 
Am häufigsten kehrt die Formel im Gedicht De Immenso wieder. 
Vgl. Lib. I, cap. 1, pag. 151 unten: „Wir erforschen den Glanz 
der Gottheit und der Natur 4 )." Ebendas., cap. 9, pag. 181 finden 
. wir den wichtigen Satz : „Gott und die Natur sind ein und die- 
selbe Materie, ein und dasselbe Vermögen, ein und derselbe 
Raum, die eine und dieselbe bewirkende Ursache 5 )." 

Dieselbe Formel unmittelbar nachher pag. 182 unten: Dens 
et Natura. Ebenso pag. 183. Ebendas., pag. 193 die inter- 
essante Nuance: Betts ut natura. Ebendas., Lib. II, cap. 12, 
pag. 253 der prächtige Satz: „Gott und die Allnatur, deren 
vollkommenes Ebenbild und Gleichniss nur das Unendliche 
sein kann 6 )." Ebendas., pag. 313 spricht Bruno, gleichsam 
Spinoza's Methode vorahnend und auch schon verurtheilend : 
„Gegen alle Vernunft will man zuweilen Gott und die Natur den 



1) A. a. O.: il mondo corporeo e materia e suggetta a la divinitade e a la 
natura. 

2) A. a. O. : inque beneßcum Deum et naturam ingrati. 

3) A. a. O. : universae contra Deum, naturam et homines blasphemae linguae. 

4) A. a. O.: divinitatis naturaeque splendorem . . . perquirimua. 

5) A. a. O. : Eadem materia , eadem potentia, idem spacium, idem efficiens 
aeque ubique potent Beus et natura. 

6) A. a. O.: Deus naturaque universalis, cujus perfecta imago et simula- 
crum nüllum esse potest nisi inßnitum. 



II. Bruno's Naturphilosophie. 153 

Regeln der Geometrie unterwerfen *). a Ebendas.,. pag. 497 : „Aber 
Gott und Natur sind beide Zwillingsgeschwister 2 )." 

b. Die Formel 
N atura et Dens. 

„Die Natur ist die herrlichste Gottheit 8 ). Die Natur ist nichts 
anderes als die, die Materie bewegende Macht Gottes, als die allen 
Dingen eingeprägte ewige Ordnung 4 ). Die Natur ist nichts, 
anderes als Gott in den Dingen *). Die Natur ist entweder Gott 
selbst, oder eine in den Dingen geoffenbarte gö.ttliche Kraft 6 ). 
Auch das unendliche Licht mag Gott genannt werden 7 ). 

Nur im Glauben des dummen Pöbels bilden Gott und die 
Natur einen Gegensatz 8 ). Es ist thöricht und anmassend, das, 
was weder in der Wirklichkeit, noch in der Möglichkeit der 
Dinge nachgewiesen werden kann, Natur zu nennen, die Ord- 
nung der Dinge dagegen göttlich, als ob die Natur und Gott 
zwei einander widersprechende Principien wären, von welchen 
das eine das andere unterdrückt. Wenn dem so wäre, so wäre 
doch sicherlich das eine von beiden nicht Princip 9 ). Die Formel 
natura et deus begegnet in diesem Sinne als einheitlicher Doppel- 

1) A. a. O. : Invito enim deo volunt et deutn et naturam aliquando ad 
geometrieae diseiplmae regulas revoeare. 

2) A. a. O. : Sed Deus et natura paretu gemini effiieumtes. 

3) De Immenso, Lib. II, cap. 12, v. 76, pag. 251 : Phyeie optima Deitas. 

4) Ebendas., Lib. VI, cap. 9, v. 23—25, pag. 532 : 

Tel nihil est natura, vel est divina potestas 
Materiem exagitans, impressusque omnibus ordo. 

5) Sfaccio della Bestia trionf. (Wagner II, 225): gli animali $ 
pianie son vivi effetti di natura, la quäl natura . . . non e altro ehe dio ne 
le tose. 

6) Summa term. metaph. (Gfhörer, pag. 495): natura aut est Deus ipse 
aut divina virtus in rebus ipsis manifestata. 

7) De Immenso, Lib. VIII, cap. 6, v. 57—59, pag. 641 : 

Mitte inßnitam spaeio sine dieere lueetn 

Illamque esse Deutn. 
6) Ebendas., Lib. V, cap. 10, v. 15-16, pag. 491: 

Ingenium duplex studio, in eontraria tendit 

Natura atque deus stupid* per dogmata vulgi. 
9) Ebendas. , Lib. VI , cap. 1 , pag. 533 : Stuke et arroganter dieitur 
natura esse, quod neque in aetu neque in potentia rerum possis ostendere, et or- 



154 H« Bruno's Naturphilosophie. 

begriff an folgenden Stellen: Spaccio d. b. Fr. (Wagner II, 
288 *), Degli Eroici Fürori (Wagner II, 302 unten *), ferner 
im Gedicht De Triplice Minimo, pag. 8 S ), im Gedicht De 
Immenso, Lib. IE, cap. 7, v. 66, pag. 316 4 ), und Ebendas., 
Lib. VÜI, cap. 10, v. 1, pag. 649 5 ). 



Bruno's Begriff der Materie. 

„Man kann sich nichts Trockneres vorstellen, als jene Ur- 
materie des Aristoteles, die für ihn den Urgrund der Natur- 
gegenstände bildet 6 ). Und in der That, wenn man erwägt, dass 
die Peripatetiker bis auf Bruno's Tage der Materie nichts als 
die Eigenschaft zugestanden, Substrat der Formen zu sein, ein 
für die Formen der Natur empfangliches Vermögen ohne Namen, 
ohne Bestimmtheit, ohne irgend welche Begrenzung, weil ohne 
alle Actualität 7 ) , jenes prope nihil ohne Kraft und Energie 8 ), 
alsdann begreift man, mit welchem Abscheu der Prophet der 
Allbeseeltheit sich von dieser Begriffsbestimmung der Materie 
wegwenden musste. Gegenüber dieser Todtgeburt einer zu hülfs- 
loser Bestimmbarkeit verurtheilten Materie lehrt nun Bruno 
Folgendes. 

Es giebt im Universum zwei Hauptprincipien , die beide 
constant und ewig sind, das eine ist das Materialprincip, das 
andere das Formalprincip. 



dinem rerum dicere divinum, quasi natura et Deus sint duo contraria principia, 
quorum alterum est repreasum. Quod ai ita , alterum certe non est prineipium. 

1) la natura e divinitä. 

2) la natura e dio. 

3) A. a. O. i modus natura atque Deo praeacriptus. 

4) A. a. O.: .... noturoe et cunetipotentis vocibua. 

5) A. a. O. : Ergo (ige comprendoa ubi ait Natura Deusque. 

6) Acrotismus (Gfrörer, pag. 44): Nihil Jejuniua ßngi potest quam 
materia illa prima Arütotelt rerum naturalium prineipium. 

7) De la Causa (Wagner I, 275; Lasson, pag. 112): la piii volgare 
ßlosoßa . . . . al fine non le dona attro, che la ragione de l'eaaer aoggetto di forme, 
e di potenza recettiva di forme naturali, aenza nome, aenza deßnizione, senza ter- 
mino alcuno f perc/ie senza ogni attualitä. 

8) Ebendas. (Wagner I, 274; Lasbon 110): .... quel prope nihil, 
quella potenza pura, nuda, aenza atto, aenza virtu e perfezione. 



II. Bruno's Naturphilosophie. 155 

„Denn es muss ein höchstes durchaus substantiell Wirkendes 
geben, in welchem aller Dinge wirkendes Vermögen, und ein 
höchstes Vermögen, ein Substrat, in welchem gerade ebenso 
aller Dinge leidendes Vermögen enthalten ist; in jenem die 
Anlage zu wirken, in diesem die Anlage gewirkt zu werden 1 ). 
Diese beiden Principien sind schlechthin constant und verbürgen 
desshalb sowohl dem Körper als der Seele die Unsterblichkeit 2 ). 
Es ist nun aber wohl zu beachten, dass alle Formen aus der 
Materie hervor- und auch wieder in die Materie zurückgehen; 
daher scheint denn in Wirklichkeit nichts beständig, fest, ewig 
und werth der Geltung eines Princips, als die Materie. Die 
Formen haben ohne die Materie gar kein Sein, nur an ihr ent- 
stehen und vergehen sie, nur aus ihrem Schoosse entspringen 
sie und werden wieder in ihren Schooss zurückgenommen 3 ). 
Die Materie entlässt gleichsam die Formen aus sich, sie nimmt 
sie nicht von aussen auf 4 )." Sie ist also die Trägerin und In- 
haberin aller Formen, mit einem Wort: „Die Materie ist also 
die Quelle der Actualität 5 )." 

„Wenn nun aber die Materie alle Form und Wirklichkeit 
aus ihrem Schoosse hervortreiben soll, muss man sie ihr auch 
alle zuschreiben 6 ). Nun hat diese Materie, um in Wirklichkeit 



1) De la Causa (Wagner I, 251; Lasson pag. 74): Per ehe e neees- 
sario che sia uri atto sustanzialissimo , nel quäl e la potenza attiva di tutto , et 
ancora una potenza et un soggetto, nel quäle non sia minor potenza passiva di 
tutto: in quello e potestä di fare, in questo e potesta di esser fatto. 

2) Ebendas. (Wagner , I, 243 ; Lasson, pag. 62) : . . . non li corpi, ne 
tanima deve temer la morte, per ehe tanto la materia, quanto la^ forma, sono 
principj constantissimi. 

3) Ebendas. (Wagner I, 256; Lasson, pag. 83): Noi veggiamo che tutte 
le forme naturali cessano da la materia , e novamente vegnono ne la materia; 
onde par realmente, nessuna com euer costante, ferma, eterna e degnadiaver esisti- 
mazione di principio, eccetto che la materia, oltre che le forme non hanno Vessere 
eenza la materia, in quella si generano e corrompono, dal seno di quella escono, 
et in quello si accogliono. 

4) Ebendas. (Wagner I, 274; Lasson, pag. 110): ... si vede ehe la 
materia le (forme) manda come da se, e non le rieeve come di fuora. 

5) Ebendas. (Wagner I, 27S; Lasson, pag. 116): Ella (la materia) e 
fönte de Vattualita. 

6) Ebendas. (Wagner I, 276; Lasson, pag. 112): mi par, che eonvegna 
dire, che (la materia) Vabbia tutte, quando si dice cacciarle tutte dal suo seno. 



156 H- Bruno's Naturphilosophie. 

Alles zu sein, was sie sein kann, alle Maasse, alle Arten von 
Gestalten und räumlichen Sichtungen, und weil sie sie alle hat, 
so hat sie keine von allen; denn das, was so viel verschiedenes 
zugleich ist, kann unmöglich eines von jenen besonderen sein. 
Es kommt dem, was alles ist, zu, jedes particuläre Sein auszu- 
schlies8en 1 ). u Alle Form ist aber nichts anderes, als die dem 
Ding innewohnende Seele, welche in die Erscheinung tritt. „In- 
sofern also die Weltseele die Materie belebt und gestaltet, so ist 
sie der inwendige und formale Theil der Welt 2 )." Die Welt- 
seele durchdringt aber selbst das denkbar Kleinste, daher denn 
auch in Wahrheit alles beseelt ist. Freilich ist hier gehörig zu 
unterscheiden. „Denn der Tisch als Tisch, das Kleid als Kleid, 
das Leder als Leder, das Glas als Glas, ist allerdings nicht be- 
lebt. Aber als natürliche und zusammengesetzte Dinge haben 
sie in sich Materie und Form. Dqj Ding sei nun so klein und 
winzig als es wolle, es hat in sich einen Theil von geistiger 
Substanz, welche, wenn sie das Substrat dazu angethan findet, 
sich darnach streckt, eine Pflanze, ein Thier zu werden und sich 
zu einem beliebigen Körper organisirt, welcher gemeinhin be* 
seelt genannt wird. Denn Geist findet '«ich in allen Dingen 
und es ist auch nicht das kleinste Körperchen, welches nicht 
einen solchen Antheil in sich fasste, dass er sich nicht belebte 3 ). u 



1) De la Causa (Wagner I, 272; Lasson, pag. 107): QueUa materia, 
per esser e attualmente tutto quel, ehe puo eitere, ha tutte le misure, ha tutte le 
speeie di ßgure e di dimensioni, e per che le have tutte, non ne ha nessuna; per 
ehe quello eh' e tonte eose diverse , bisogna ehe non sia alcuna di quelle partieo- 
lari. Conviene a quello, eK e tutto, eK eseluda ogni euere particolare. 

1) Ebendas. (Waoner I, 238; Lasson, pag. 55): ianima de Vuniverso, 
in quanto ehe anitna et informa, viene ad esser intrinseea e formale di quello. 

3) Ebendas. (Waoner I, 238; Lasson , pag. 55): Cosi V anitna del 
universo, in quanto che anitna et informa, viene ad esser parte intrinseea e for~ 
male di quello . . . Und weiter (pag. 24 1 , resp. 59) : JHeo dunque, che la tavola 
eome tavola non e animata, ne la veste, ne ü cuoj'o eome euqjo, ne il vetro eome 
vetro , ma eome eose naturali e composte hanno in se la materia e la forma, 
Sia pur eosa quanto pieeola e minima si voglia, ha in se parte di sustanza spiri- 
tuale, la quäle, se trova il soggetto disposto, si stende ad esser pianta, ad esser 
animale, e rieeve membri di quäl si voglia eorpo, ehe eomunemente si dies animato ; 
per che spirto si trova in tutte le eose, e non e min im o corpuseulo, che non eon- 
tegna cotal porzione in se , che non inanimi. 



IL Bruno's Naturphilosophie. 157 

„Wenn also Geist, Seele, Leben sich in allen Dingen vorfindet 
und in gewissen Abstufungen die ganze Materie erfüllt, so ist 
der Geist offenbar die wahre Wirklichkeit und die wahre Form 
aller Dinge. Die Weltseele ist also das constitutive Formal- 
princip des Universums und dessen was es enthält ; d. h. wenn 
das Leben sich in allen Dingen findet, so ist die Seele Form 
aller Dinge-, sie ist überall die ordnende Macht für die Materie 
und herrscht in dem Zusammengesetzten; sie bewirkt die Zu- 
sammensetzung und den Zusammenhalt der Dinge 1 ).'" 

Die Materie ist also nicht allein die Quelle aller Möglich- 
keit, sondern, insofern sie auch die Form, die Seele, die ge- 
staltungsfreudige Bildkraft in sich hat, so ist sie zugleich auch 
die Quelle aller Wirklichkeit 2 ). „Die Materie muss in Folge 
dessen, dass sie allein immer dieselbe und immer fruchtbar bleibt, 
das bedeutende Vorrecht haben, als einziges substantielles Princip 
und als das, was ist und immer bleibt, anerkannt zu werden, 
während alle Formen zusammen nur als verschiedene Bestim- 
mungen der Materie anzuerkennen sind, welche gehen und 
kommen, aufhören und sich erneuern und desshalb nicht alle das 
Ansehen eines Princips haben können 3 )." Diese Bestimmung, 
zugleich die Wirklichkeit von Allem und das Vermögen von 
Allem, überhaupt Alles in Allem zu sein, gilt nun aber zugleich 
von der Weltseele, als der Substanz der Substanzen 4 ). Erinnern 
wir uns nun des grossartigen Satzes: „Der Akt des göttlichen 



1) De la Causa (Wagner I, 242tLasson, pag. 61): Se dunque il 
spirto, Vanima, la tita si ritrova in tutte le cose, e secondo eerti gradi empie tutta la 
materia, vierte certamente ad euere il vero atto e la vera forma di tutte le cose. 
ISanima dunque del mondo e il principio formale costitutivo de tuniverso e di 
cib, che in quello si contiene; dico che, se la vita si trova in tutte le cose, Vanima 
viene ad esser forma di tutte le cose; quella per tutto e presidente a la materia f 
e signoreggiä ne li composti, effettua la composizione e consistenzia de le parti. 

2) S. oben pag. 155, Anm. 5. 

3) Ebendas. (Wagner I, 257; Lasson l pag. 83): Ferb la materia, la 
quäl sempre rimane medesima e feconda, deve aver la principal prerogativa bessere 
conosciuta sol principio sustanziale, e quello clC e, e che sempre rimane, e le 
forme tutte insieme non intenderle , se non come che sono disposizieni varie de la 
materia, che sen vanno e vegnono, altre cessano e si rinovano, onde non hanno 
riputazione tutte di principio. 

4) Ebendas. (Wagner I, 275; Lasson, pag. 111): Vanima del mondo, 



158 H* /Bmno's Naturphilosophie. 

Denkens ist die Substanz des Seins aller Dinge", so ergiebt sich 
die Natur der Materie im Sinne Bruno's als reiner Geist 1 ). 

3. 
Bruno's Kosmologie. 

A. 

Bruno 's Allgemeines Weltbild. 

Wenn man sich Bruno 's ungeheures Verdienst um die Aus- 
bildung des kosmologischen Theiles der modernen Weltanschau- 
ung vergegenwärtigen will, so erinnere man sich nur an das be- 
schränkte Weltbild, welches Copernicus, „ein grösserer Mathe- 
matiker als Philosoph", hinterlassen hatte 2 ) und selbst Kepler 
noch nicht los werden konnte 3 ). Copernicus hatte das Sonnen- 
system, dem wir angehören, aus den Schalen, in welchen es sich 
nach ptolemäisch-kirchlicher Ansicht hatte bewegen müssen, er- 
löst und zu einem System freischwebender Bälle erhoben. Aber 
ausserhalb des Sonnensystems schloss ^die Fixsternsphäre naßh 



eome e atlo di tutto, e potenza di tutto , et e tutta in tutto. Vgl. De Tripl. 
Minimo, pag. 10: Eine optimue maximus mbstantiarum eubetantia. 

1) Spaccio della bestia trionf. (Wagner II, 156): Z'atto de la eog- 
nizion divina e la stutanza de Vessere di tutte - cose. Vgl. darüber noch ins- 
besondere Lasso», Anm. 52, pag. 168 seiner Uebersetzung des Dialogs 
De la Causa. Vgl. auch Cena de le Ceneri: la sustanza ch' e la materia. 

2) De Immenso, pag. 343: Aliud quod deeideraue a Coperttieo haud 
quidem mathematico sed philosopho : est ne oetavam illatn eibi conßnxisset sphae- 
ram tamquam unum omnium stellarum a eentro aequidiatantium eoneeptaeulum. 

3) Vgl. Sigwart, Johannes Kepler (Kl. Sehr., Erste Reihe, pag. 194): 
Mit einem Fusse stand er doch noch auf dem alten Boden. Die Welt als 
Ganzes war ihm nach wie vor eine Kugel; die Fixsternsphäre war ihm stehen 
geblieben, wie die Umfassungsmauern eines Gebäudes, dessen innere Ein- 
richtung nur geändert worden ist. Wenn er hörte, dass Bruno die Unend- 
lichkeit der Welt lehre, die Fixsterne für Sonnen und die Sonne für einen 
unter den unzähligen, in uner messlichen Entfernungen zerstreuten Fixsternen 
erkläre, deren jeder eine ähnliche Plane tenwelt um sich habe, so wurde ihm 
schwindlig, ein geheimer Schauer ergreift ihn, dass er in einem unendlichen 
Baume irren soll, der keine Mitte, der gar keinen bestimmten Ort mehr 
hat. Nein, die Fixsterne bilden, dicht aneinander gedrängt, eine Art von 
Schale, die einen ungeheuren, mit Aether erfüllten Hohlraum umschliesst, 
in dessen Mitte die Sonne als der feste Mittelpunkt der Welt ruht. Kepler, 
Opp. I, 688. VI, 136. 



IL Bruno's Naturphilosophie. 159 

wie vor das All hermetisch ab und Hess insofern die alte, theo- 
retisch überwundene* Weltanschauung cler Kirche fortbestehen. 
Daher denn auch das oft als unerklärlich dargestellte Schauspiel, 
dass sich Papst und Kirche mit Copernicus' Weltrevolution an- 
fänglich ' recht wohl vertrugen und der Ausbreitung der neuen 

Ttehre kein Hinderniss in den Weg legten. Es war Bruno's, 
vor keiner Consequenz zurückschreckendem Prophetenberuf vor- 
behalten, die immer noch engen Schranken des copernicanischen 

, Weltsystems zu durchbrechen, 1 wegzuräumen und an die Stelle 
der altersgeheiligten , zwiebelähnlich ineinander geschachtelten 
Sphären, die völlig schrankenlose Unermesslichkeit des Welt- 
raums zu setzen. Bruno's Grösse beruht hier wieder, wie in 
seinen metaphysischen Leistungen , auf dem geistigen Muth, mit 
welchem er die aus der neugewonnenen Grundlage positiver 
Entdeckungen folgenden Schlüsse zog und dieselben mit wahr- 
haft heroischer Begeisterung sein Leben lang, der abweichenden 
Meinung der ganzeji Mitwelt zum Trotz, festhielt und selbst mit 
seinem Tode verfocht. Bruno verglich das starre Sichanklammern 
an die platonisch-aristotelische Traumwelt des Sphärenhimmels 
mit der Borjrirtheit jenes aesopischen Hundes , der das Stück 
Fleisch, das er im Maule hat, gegen das Stück Fleisch, das er 
im Wasser sich abspiegeln sieht, fahren lässt und, dem Schatten 
nachjagend, sich in den Fluss stürzt 1 ). Während Copernicus 
mit der Beibehaltung der Fixsternsphäre noch die aristotelische 
Endlichkeit des Weltgebäudes gelehrt hatte, erklärte nun Bruno: 
„Für uns ist die Universalsphäre ein einziges überall hin 
sich ausdehnendes, unendliches, unbewegliches Continuum, in 
welchem an Zahl unendliche Sphären oder Particularwelten be- 
stehen 2 ). Es giebt nur einen Himmel, nur einen unermess- 
lichen Weltraum, nur einen Schooss, nur ein universell Zu- 
sammenhängendes, nur eine Aetherregion, durch welche das 



1) De Immenso, pag. 459: quo relinquimus veras rertm speeies umbris 
quae nullam omnino habent subsistentiam , non aliter alienati quam canis tue 
Aesopicus, qui relicta carne quam habebat in ore, per aviditatem major i% umbrae 
praecipitem se jecit in ftuvium? 

2) CLX Articüli contra Mathematicos etc. Artieulus 134 : Nobis sphaera 
universalis est unum continuum Universum inßnitum immobile, seu in quo con- 
sistentia sunt numero inßnitae sphaerae seu partieulares mundi. 



160 II. Bmno's Naturphilosophie. 

Ganze sich regt und bewegt. In dieser ' gelangen unzählige 
Sterne, Gestirne, Weltkugeln, Sonnen und Erden sichtbar zur 
Erscheinung und berechtigen zu dem Vernunftschlusse auf zahl- 
lose andere. Das unermessliche und unendliche All ist das Fro- 
duct der Zusammensetzung des unendlichen Raumes und der 
unendlichen Erfüllung desselben durch zahllose Weltkörper 1 )„ 
Dieser unermessliche Baum und die unermessliche Menge der in 
demselben sich bewegenden Weltkörper sind nun aber nichts 
anderes als die notwendigen Vermittelungsformen, durch welche 
sich die unkörperliche Herrlichkeit Gottes auf körperliche Weise 
zu manifestiren sucht. Da diese Manifestation unzählige Grade 
der Vollkommenheit bedarf, um an denselben Gottes Herrlich- 
keit darzustellen, so giebt es in Folge dessen mit Notwendig- 
keit zahllose Individuen, in welchen sich diese Stufenfolge wider- 
spiegelt. Diese zahllosen Individuen sind die Gestirne^ jene 
Colossalorganismen und gigantischen Lebewesen, deren eines 
diese unsere Erde ist. Zur Aufnahme dieser zahllosen Organis- 
men ist nun aber ein unendlicher Baum erforderlich *). a 

„Von diesen Gestirnen ist keines in der Mitte (wie nach 
der ptolemäisch-kirchlichen Weltansicht die Erde d$n Mittelpunkt 
des Alls gebildet hatte), denn das Universum ist nach allen Seiten 
gleich unermesslich 3 ). Denn weder die Sonne, noch in der 
Sonne, weder die Erde, noch in der Erde, weder irgend eine 
Gegend, noch in irgend einer Gegend, ist der Mittelpunkt des 
Weltalls 4 ). Wenn wir z. B. in der Gegend des Auges de« 



1 ) De l'Infinito (Wagner II, 50) : Uno dunque e il cielo, il apazio im- 
menso, il seno, il continente universale, Veterea regione, per la quäle il tutto dis- 
corre e si muove. Ivi innumerabili stelle, astri, globi, soll e terre sensibilmetüe 
8i veggono et inßniti ragionevolmente si argumentano. Uuniversb immenso et 
inßnito e il composto ehe resulta da tal spazio e tanti compresi corpi. 

2) De l'Infinito (Wagner II, 22):. Teih per la ragione d? innumerabili 
gradi di perfezione , che dermo esplicare Veccellenza divhta ineorporta per modo 
corporeo, denn? essere innumerabili individui, che son questi grandi animali, de* 
quali uno e quesla terra .... Fer la contineriza di questi innumerabili si richiede 
un spazio inßnito. 

o) Acrotismüs, Catalogus articulor., 97 (pag. 25): Nulluni astrorum est 
in medio, quia Universum undique aequale. 

4) CLX Articüli, Art. 160: Neque sol neque in sole, neque Tellus neque 
in tellure, neque aliqua neque in aliqua alia regione est deßnite centrum univerei 



IL Bruno's Naturphilosophie. \Q\ 

Sternbildes Taurus wären, so wäre uns jenes Sternbild die 
Sonne *), denn jedem Wesen ist die Mitte, um die es sich bewegt, 
das Centrum 8 ). In Folge dessen giebt es soviele Mittelpunkte 
der Welt, als es Welten, als es Gestirne giebt, nämlich an Zahl 
unendliche, nämlich so viele als es Herzen, ab es Lebewesen 
giebt 3 ). Diese Riesenorganismen bestehen nun aber alle aus 
denselben Elementen 4 ). Es wirken folglich in denselben auch die 
nämlichen, uns bekannten Kräfte, je nach der diesen Lebewesen 
eigenen Composition 5 ). Durch ihr eigenes Gewicht geschleudert, 
schweben sie frei im Weltraum 6 ), indem sie einander anziehen, 
gerade wie die Ambra und der Magnet kleine Stückchen anziehen 
und durch die ihnen innewohnende geistige Kraft in Bewegung 
setzen 7 ). Denn es sind das platonische Possen und Flausen 8 ) 
als ob die Gestirne ihre bewegenden Ursachen ausser sich und 
nicht in sich hätten, vielmehr bewegen sich alle Gestirne mit 
nicht geringerer Leichtigkeit als wir unsere Glieder bewegen 
und den ganzen Körper in Thätigkeit setzen, ja sie bewegen 
sich sogar mit der grössten Freiheit, weil der Körper jedes 



1) De Immenso, pag. 283: si quippe in regione oculi Tauri cssemus, ille 
esset nobis sol. 

2) Ebendas., Lib. VII, cap. 9, v. 12, pag. 600: 

Si eentrum euique est medium, eique inßma sedes. 

3) Ebendas., Schluss der Anmerkung, pag. 602 : Totque esse mundi eentra, 
quot sunt mundi, quot astro, inßnita nempe numerOj quot corda, quot animalia. 

4) Ebendas., pag. 263: Seic de astrorum natura illud itidetn coüigere 
licet, quod omnia ex iisdem constant elementis. 

5) De Monade, pag. 167: Sed causa motus et quietis non erit a loco et 
spaeio cujus est tantum continere capere, sed ab aliis quas eompositionis eorum 
natura dictat rationibus. 

6} Acrötismus (Gfböreb, pag. 1 4) : propriis consistunt librata ponderibus. 
Ebenso De Immbnso, Lib. I, cap. 3, pag. 159: Omnia in uno eodcmque 
aethcrco spaeio, caelo, eampo, ßrmamento non alüer quam Tellurem consistere 
videmus et ponderibus librata propriis consistunt. 

7) Ebendas., Catalogus Articulorum, Art. 91 (Gfrörer, pag. 25): Maxime' 
soUieitos atque vanos oportet eos esse motores qui adeo vasta eorpora y utpote tantos 
mundos, in substantia adeo rarissima, subtilissima , nuüa et veluti opinaria illius 
quintae essentiae infixos, ab extrinseco et^alieno mediante cireumversent, cum tarnen 
minuseula et fragmenta quaedam ad ambram et magnetem per vim spiritualem 
formamque insitam moveantur. 

S) S. oben pag. 83, Anm. 3. 

11 



162 II. Bruno's Naturphilosophie. 

Gestirns schon an und für sich frei und von den andern los- 
gelöst ist *). Die Erde und alle andern Gestirne haben vielpiehr 
ihr eigenes Lebensprincip in sich und dieses Lebensprincip ist 
nichts anderes, als die eigene Seele, die doch nur wieder ein 
Theil der Weltseele ist. 

Bestehen die Weltkörper aus denselben Elemente^ wie 
unsere Erde, sind esL-XÜßaelben . Kräfte, die das ganze Weltall 
in Bewegung setzen , ist es dieselbe Universalsubstanz , welche 
auch das Kleinste beseelt, so erscheint der Analogieschluss ge- 
stattet, ja nothwendig, dass alle Weltkörper höher oder niedriger 
angelegte Organismen, menschenähnliche Bewohner beherbergen. 
„Erhebe deinen Geist von dieser Erde zu den andern Sternen, 
nein: Welten und lerne begreifen, dass überall auch ähnliche, 
ja dieselben Gattungen (des organischen Lebens) vorkommen, 
wo dieselben stofflichen Grundlagen, dieselbe active und passive 
Productionsfehigkeit, dieselbe Ordnung, dieselbe Gestalt, dieselbe 
Bewegung und alles andere, was auch nicht umsonst sein wird, 
vorhanden sind. Nur ein ganz Verrückter könnte glauben, im un- 
endlichen Weltraum, auf den so colossalen und überaus herrlichen 
Biesenwelten, von welchen gewiss die meisten mit einem bessern 
Loose als wir begabt sind, gäbe es nichts Anderes als das Licht, 
das wir auf ihnen wahrnehmen und die Helle, durch welche sie 
uns wahrnehmen werden 2 ). Der Glaube, es sei irgend ein Theil 
der Welt ohne Seele, Leben, Empfindung und also organische 
Ausstattung, ist unberechtigt: ja, es ist geradezu albern und 



1) De Immenso, Lib. VI, cap. 15, pag. 429: 8i ergo astra ab anima 
tatnquam motionis omni* fönte aguntur non minore facilitate quam qua nos 
nostra membra totumque corpus agimus: immo summa Ubertate quia corpus as- 
trorum est liberum per se, et absohUum ab aliis, qualia non sunt corpora ani- 
mantum et eorum quae obligantur animae et Universität* mundi huj'us et illius. 

2) Ebendas. , Lib. VII, cap. IS, pag. 622: Sine ad steüas alias, alios 
inquam mundos efer animum ut simtles easdemque ubique species inteüigas ubi 
eadem constant principia tnaterialia, idem efüriens, eadem producendi aetiva pas- 
sivaque facultas, idem ordo, vultus, motus et reliqua quae non debent esse frustra. 
Amentis omnmo est in inßnüo spado, in tarn vastis eadem tnole assurgentüms 
darissimisque mundis quorum plurimos meliori sorte praeditos possumus argumen- 
tari, credere nihil esse praeter illam sensibilem lucem et eam qua nobis sensibiUs 
ßant elaritatem. 



II. Brnno's Naturphilosophie. 168 

pöbelhaft, zu glauben, es gebe keine andern Lebewesen, keine 
andern Sinne, keine andern Denkvermögen als gerade sich 
unsern Sinnen darbieten 1 )." 

Nun erhebt sich die Frage: ist es denkbar, dass sich orga- 
nisches Leben nicht nur auf Gestirnen feuchter Constitution, 
sondern auch auf solchen von feuriger Masse vorfinde? Und da 
antwortet denn Bruno: Allerdings und zwar nicht um ein Haar 
weniger 2 )! Die Fixsterne, diese prächtigen Gestirne und flam- 
menden Körper, sind ebensoviele bewohnte Welten, gewaltige 
Organismen, herrliche Gottheiten, ganz ähnlich derjenigen Welt, 
welche uns umschliesst 8 ). Die Sonne, der uns nächste Fix- 
stern," hat ohne Zweifel göttlichere Organismen, als unsere Erde; 
welcher Art sie aber seien, das zu wissen, ist uns nach Gebühr 
versagt; aber jedenfalls ist ihre Lebensweise eine ganz andere, 
als die unserige. Unter keinen Umständen dürfen wir aber 
meinen, die Materie unserer organischen Substanz müsse nur 
diese eine und keine andere Art des Lebens ermöglichen 4 ). 
Die Vernunft gebietet die Annahme, dass die Sonne uns (orga- 
nisch) überlegen, überhaupt ein göttlicher Aufenthaltsort sei und 
ausgezeichnetere Lebewesen umfasse 6 ). 



1) De Immenso, Lib. IV, cap. 7, pag. 384: Non est tarnen conveniens eredere 
uttam partem mundi esse sine anima, vita, sensu et consequenter anitnali: stultum 
quippe et hoc vulgare est quod non alia credantur animalia , non alii sensus, 
non alias intelUgentiae quam quae nostris objieiuntur sensibus. 

2) De l'Infinito (Wagner II, 54). JSlpenor. Volete y ehe li mondi 
ignei sieno cosi abitat i, cotne gli aquei. Filoteo. Nientepeggio e niente maneo. 

8) De la Causa (Waoneb I, 234; Lasson pag. 49): questi magnißci 
astri e lampeggianti corpi, ehe son tanti abitati mondi e grandi animali, et eccellen- 
tissimi numi y ehe sembrano e sono innumerabüi mondi non molto dissimili a questo 
ehe ne contiene. 

4) De Immenso, Lib. IV, cap. 7, pag. 379: Qualia in sphaera solis ani- 
mantia vivant , pro dignitate nescimus; diviniora tarnen omnino esse oportet siqui- 
dem Ulis licet eonspieua nobis fieri et se quodammodo nobis communicare , quibus 
segne est corpus et ingenium nutriri tarnen ea oportet ut ignem, et aliam omnino 
esse vitae eorum rationem atque nostrae : idem enim ignis fvel ut melius dicam lux) 
polest melius per se eonsistere quam nos per ignis partieipationem quandamque 
in spiritu est, consistimus quibus non ita licet materiam substantiae nostrae ani- 
malis ad unam numero vitam obligate. 

5) Ebendas., Lib. IV, cap. 7, pag. 384 : Ratio dictat illum (Solem) prae- 

11* 



164 H. Bruno'g Naturphilosophie. 

Wenn das All seine Unendlichkeit daraus schöpft, dass der 
unendliche Eaum sich mit unendlich zahlreichen Weltkörpern erfüllt, 
welche, weil aus denselben Stoffen bestehend, wie unser Erdball, 
sich mit einer unendlichen Vielheit von, den unsern ähnlichen, 
Organismen beleben, so resultirt daraus eine Unendlichkeit zahl- 
loser Individuen und Gattungen von Organismen und Gegen- 
ständen 1 ), in deren unendlicher Abstufung 2 ) sich nur wieder 
der Glanz der göttlichen Schönheit wiederspiegelt B ). Und dieser 
Glanz muss um so wundervoller sein, als eine ganze Unendlich- 
keit von Gattungen in dieser, unsern Sinnen zugänglichen 
Welt, gar nicht in die Erscheinung tritt 4 ). . 

In der unendlichen Vermehrung der unendlich abgestuften 
Lebensformen findet die schaffende Weltseele ihre unendliche 
Befriedigung. Der Zweck und die Endursache, welche sich 
das Bewirkende vorsetzt, ist die Vollkommenheit des Universums 
und diese besteht darin, dass in den verschiedenen Theilen der 
Materie alle Formen actuelle Existenz haben. An diesem Ziele 
ergötzt und erfreut sich die Vernunft so sehr, dass sie niemals müde 
wird, alle Arten von Formen aus der Materie hervorzuloeken 6 ). 



cipuum esse et diviniorem loeum et animalia exeeüentiora complecti, quandoquidem 
illa in ms possunt, minime vero nos in illa. 

1) De l'Infinito (Wagner II, 22) '• innumerabili, individui ehe son questi 
grandi animaU, de* quali uno e questa terra. Vgl. Summa term. metaph. 
(Gfrörer pag. 475): juxta innumerabüium individuorum vieissitudinem. Ferner 
Dbgli Eroici Furori (Wagner II, 361): innumerabili e diver sissimi oggetti. 

2) Degli Eroici Furori (Wagner II, 361): infiniti gradi ehe son. 

3) Ebendas. (Wagner II, 398). Zu Sonett 51 : Qua la moltitudme di 
strali, ehe hanno ferito e feriseono il eore, signißea gV innumerabili individui e 
speeie di eose, ne le quali riluee il splendor de la divina beilade, seeondo li gradi 
di quelle, et onde ne sealda Vaffetto del proposto et appresso bene. 

4) De Immenso, Lib. VIII, cap. 4, v. 74 — 76, pag. 635: 

Innumeras addas speeies, vestigia quorum 
Corporeo in mundo non sunt impresso. 

5) De la Causa (Wagner I, 237; Lasson pag. 54): II seopo e la 
eausa ßnale, la quäl si propone Veficiente, e la perfezion de Vuniverso, la quäle e, 
ehe in diverse parti de la materia tutte le forme abbiano attuale esistenza; nel 
quäl fine tanto si diletta e si compiaee tintelletto , ehe mai si stanea suseitando 
tutte sorte di forme da la materia, eome par, che voglia aneora Empedoele. 



II. Bruno's Naturphilosophie. 1G5 

Der Universalzweck der Vernunft besteht lediglich in dem 
rastlosen Bestreben, die Unzahl der verschiedenen Gattungsbegriffe 
ins Dasein treten zu lassen, um die Welt der Vernunft zu ver- 
wirklichen *). Denn wo Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit, 
da ist auch Rangstufe, Ordnung, System, Harmonie und Ein- 
tracht und im' Einklang der Gegensätze beruht die Schönheit 
des Ganzen 2 ). Von diesem Gesichtspunkte aus erscheint denn 
auch Alles so vortrefflich eingerichtet, dass es unmöglich ist, 
sich dasselbe besser eingerichtet und geordnet zu denken 3 ). 
Freilich giebt es eine Harmonie der Theile nur im Hinblick auf 
das Ganze, da das Einzelne nur darnach strebt, in seiner gegen- 
wärtigen Gattung und Zahl verewigt zu werden 4 ). Nur der 
Hinblick auf das Universum beßlhigt uns, auch das Einzelne 
als Kettenglied der allgemeinen Harmonie aufzufassen. Auch 
das denkbar Kleinste hat im Universum die höchste Bestimmung, 
die Aufgabe nämlich, sich als Theil ins Ganze zu fügen, sich 
dem Ganzen unterzuordnen, den allgemeinen Weltzusammenhang 
zu fördern. Nichts ist im Universum so gering, das nicht zur 
Erhaltung und Vervollkommnung des Hervorragenden beitragen 
könnte. Auch giebt es für Niemanden und nirgends etwas Böses, 
das nicht für Irgendjemand und irgendwo gut, ja das Beste wäre. 
Desshalb wird dem Blicke desjenigen, der nur immer das All 
ins Auge fasst, nichts hässlich, böse, unharmonisch vorkommen, 
auch ist die Mannigfaltigkeit und der Contrast kein Hinderniss, 
dass nicht doch Alles vortrefflich sei, es kommt eben nur dar- 
auf an, wie der Contrast von der Natur im Zaume gehalten 
werde. Denn die Natur ist gleichsam ein Musikdirektor, der 
die contrastirenden Stimmen von höherer und tieferer Tonlage 
zu einer einzigen und zwar denkbar herrlichsten Symphonie zu- 



1) Summa term. met. (Gfrörer, pag. 498): intellectus rationalis unam 
universalem intentionem atque speeiem entis, ad innumerabüium conceptionum diver- 
sarum, utpote ad mundi rationalis Constitutionen* promovet et perdueit. 

2) Vgl. den Abschnitt: Bruno's Kunstphilofcophie. 

3) Sdmma term. metaph. (Gfrörer ,. pag. 470): Quae omnia ita sunt 
constituta, ut melius non uUo paeto eonstitui possint et ordinari. 

4) Ebendas. (Gfrörer, pag. 476): omnia esse valde bona, haud quidem si 
ad singulorum votum et appetitum spectemus , quandoquidem singüla in praesenti 
speeie et numero desiderant perpetuari, sed si ad ipsius universi ordinem spectemus. 



166 H- ßruuo's Naturphilosophie. 

8ammenzudirigiren k und durchzuführen versteht 1 ). Diese Welt- 
harmonie kann ebensowenig jemals zu Grabe gehen, als die ewige 
Reproductionsfähigkeit der in der Materie wirkenden Natur. 
Denn 

Wenn auch irgend ein Schicksal 
Eine Welt oder mehrere gleich oder alle zerstörte 
(Welches jedoch ohne Zweifel niemals gestattet die endlos 
Wirkende Kraft in den Dingen, die räumlich verschiedenen 

Loose, 
Die nach keinerlei Art von Schicksalsschablone sich richten), 
Wird sich das Leben erneuern, es giebt die Natur, durch den 

eignen 
Rückgang nur noch gestärkt, der Materie Alles in Fülle 8 ). 

B. 
Bruno's specielle Lehre vom Weltgebäude. 

a. Der Kreislauf der Gestirne. 

„Die Umläufe oder Umwälzungen geschehen unregelmässig, 
folglich kann es keine Kreisbewegung um einen Mittelpunkt geben. 

1) De thepl. Min., pag. 133: Nihil iUm in universo adeo est exiguum 
quod ad eximii integritatem atque perfeetionem non eonducat. Nihil item malum 
est quibusdam et alicubi, quod et quibusdam et alibi non sit bonum et Optimum. 
Sine ad Universum reepieienti nihil oeeurret turpe, malum, ineongruum: neque 
etenim varietas atque eontrarietae efieit quominus omnia eint optima prout vide- 
lieet a natura gubernatur, quae veluti phonaseus contrarias vocee extremas atque 
medias ad unam omni (quam possirnus imaginari) optimam eymphoniam dirigit 
et perdueit. Ebenso in De Immenso, Lib. VII, cap. 8, pag. 599: Movet autem 
anima corpus, inteüigentia suam sphaeram, natura proprium sulffeetum non iüa 
geometrica uniformitate, regularitate , eireuitione, rectitudine, non peripatetieo iÜo 
praeseripto, eed proprio quodam ingenio ad eontrariorum tantorum tantum con- 
temperamentum et symphoniam symmetriamque dieponendam eomponendam ser- 
vandam. 

2) De Immenso, Lib. V, cap. 3, v. 26—36, pag. 467: 

Ergo ei quae sors destruat unum 
E tnundis plureisve simul, vel si lubet omneis 
(Quod sane haud rerum patitur sine fine poteetas, 
JExtensusque vigor, sors non eademque locorum, 
Qui ad fatum innumeri nequeunt traetarier unum), 
Vita recursabit, naturaque materiei 
Hoc ipso instaut ata suo dat euneta recessu 



IL Bruno's Naturphilosophie. 167 

Denn wenn auch nur eine Bewegung auf der Erde unregel- 
mäßig ißt, so müssen alle andern Bewegungen, selbst wenn sie 
noch so regelmässig wären, von Grund aus gestört werden 1 ).** 
Bei der unabsehbar mannigfaltig ineinandergreifenden Anziehung 
und Abstossung der Weltkörper -) kann es nicht ausbleiben, dass 
auch die scheinbar festesten Punkte im All nach und nach ihre 
gegenseitige Lage verschieben. „Die Erde wird also ihren 
Schwerpunkt und ihre Stellung zum Pol verändern, aber ihm 
die Regel seiner Bewegung geometrisch vorschreiben zu wollen, 
könnte nur die Sache eines schlechtgeregelten Geistes sein. Nur 
das bleibt den Astronomen noch zu thun, dass, wenn in der 
Stellung des Pols eine bemerkenswerthe Veränderung vor sich 
gegangen ist, sie alsdann ihre Rechnungstabellen revidiren, in 
der Ueberzeugung, dass dieselben nicht fiir die Ewigkeit, son- 
dern nur bis zu einem unbestimmten, wenn auch allerdings 
nicht gerade nahen, Zeitpunkt, Geltung haben werden 3 )." 

b. Die Sonne. 
Unsere Sonne, als der Mittelpunkt des Planetensystems, wel- 
chem der Planet Erde angehört, ist nur eines der zahllosen 
Sonnenexemplare 4 ), welche, umgeben von ihren Planetensyste- 



1) De Immenso, Lib. III» Capitelüberschrift zu cap. 6, pag. 307: Irre 
gulariter recursus seu revolutiones fieri, nullum oonsequenter ciroulum circa medium 
c$sc possc. Nam si unus in TeUure motu* est irregularis, oportet- motu* omnes 
aUos quantumlibet reguläres perturbari. 

.2) Ebendas., Lib. IV, cap. 13, pag. 411: cum motu* in omnibus, in 
omnia et ad omnia et omnium dominetur. 

3) Ebendas., Lib. III, cap. 5 , Prosacommentars Schlusssatz, pag. 307 
(verdruckt 306): Variabitur ergo terrae centrum et respectus adpolum, cujus 
motus regulam geometrice velle praeseribere , male regulati ingenii est: sed hoc 
tantum astronomis fadendum restat , ut notabili poli facta mutatione , rationes 
tabularum suarum renovent tamquam non in aetemum, sed ad incertum (non breve 
tarnen) usque aliquod tempus duraturas. 

4) Ebendas., Lib. I, cap. 3, v. 24—30, pag. 157: 

Et sol ita corpore major 
Sic unus tantum stet, ut spectabüis unus 
Sensu coram inope ae bruta ratione represso, 
Qui solem ex astris ßxis non concipU unum 
Sideraque totidem soles quae ßxa videntur, 
Quaeque ut scintillent species rutüi eficit ignis. 



16g II. Bruno's Naturphilosophie. 

men, den unermesslichen Weltraum erfüllen. Man hat seit 
Bartholmess\ Vie de Bruno, auf welchen sich Alexander 
v. Humboldt, Kosmos, Bd. III, pag. 397, Anm. 25, pag. 418 
bis 419 beruft, Bruno die Entdeckung der Sonnenflecken zu- 
geschrieben, und. selbst Berti in seinem Werke über Copernicus, 
pag. 82 stimmt seinen, soeben erwähnten Vorgängern bei, das 
Wunderbare von dieser Entdeckung Bruno's hervorzuheben. 
Der Nolaner selbst versäumt jedoch in seiner Wahrheitsliebe 
nicht, das ihm fälschlich zugeschriebene Verdienst demjenigen 
zuzuertheilen , der dasselbe als der wirkliche Entdecker verdient 
und das ist niemand anders, als der Cardinal von Cusa! In 
der Cena delle Ceneri berichtet nämlich Smith: „Ich er- 
innere mich , den Cusaner gesehen zu haben , dessen Urtheil ihr 
zwar, wie ich wohl weiss, nicht anerkennet und dieser will, dass 
auch die Sonne ungleiche Stellen habe, wie der Mond und die 
Erde; denn er sagt, dass, wenn wir aufmerksam das Auge auf 
den Körper der Sonne heften, so sähen wir inmitten jenes hier 
stärker als sonst auftretenden Rundglanzes eine ganz beträchtliche 
Schattenpartie 1 ). u 

Dem Nolaner gebührt dagegen das Verdienst, die Rotation 
der Sonne um ihre eigene Axe zuerst aufgestellt zu haben 2 ). 
Höchst merkwürdig, ja phantastisch ist dagegen Bruno's Ansicht, 
dass es ungeachtet der grossen Sonnenhitze auf dem gewaltigen 
Sonnenkörper nicht nur temperirte, sondern sogar kalte Land- 
schaften gebe 3 ). 



1) Cena delle Ceneri (Wagner I, 162): mi rieordo ctaver visto il 
Ousano, di eui il giudizio so ehe non riprovate , ü quäle vuole , ehe anco il wie 
dbbia parti dissimilari, come la Itma e la terra; per il ehe dice, che, ee attenta- 
tnente fissaremo toeehio al eorpo di guello, vedremo in mezzo di quel eplendore 
piu circonferenziale, ehe cUtrimenti, aver notabilissima opacita. Vgl. dazu noch 
Berti, Copemieo pag. 82. 

2) De Immen so, Lib. III, cap. 5, pag. 305 : Quod ei ita est ut eol medius 
maneat et solum (quod neeessariutn esse monstrabimusj motutn rotationis astri 
circa proprium eentrum reeipit etc. Ebendas., Lib. IV, cap. 8, pag. 388: 
Certum est Solis machinam ita circa proprium eentrum converti, sieut et Tellurem 
eonverti nobis est eertissimum. 

3) Ebendas., Lib. IV, cap. 7, Schlussverse 89—94, pag. 378 : 

Sic igitur quia se circum eonvertitur ille 
Quae rapidi ex fade tenuarat viribus ignis 



IL Bruno's Naturphilosophie. 169 

c. Die Erde und der Mond. 

Die Erde, „dieses grosse Individuum" 1 ), ist ein beseeltes 
Wesen (Animal) mit eigenem Lebensgeist, ohne dessen fort- 
dauernde, aus dem Innern hervorwirkende Lenkung der gewal- 
tige Organismus dieses Gestirns sich nicht so harmonisch bewegen 
könnte *). Wir müssen zu dem colossalen Ball , den die Erde 
bildet, nothwendig auch die denselben ringsumgebende Luft, die 
Atmosphäre, als integrirenden Bestandteil des Planeten rechnen. 
Alsdann aber, wenn wir die Erde in diesem Sinne als ungeheure 
Kugel betrachten, so müssen wir wissen, dass wir nicht deren 
Oberfläche, sondern vielmehr das Innere der Erde bewohnen 3 ). 
An und für sich aber, als der feste Ball betrachtet, ist die Erde 
keineswegs eine Kugel im geometrischen Sinne 4 ), sondern hat 
vielmehr nur eine sich der Kugelgestalt nähernde Form 5 ), auf 



Comtringi patitur facie quae subvenit olli 
Frigida, vel neutro fortassis robore linquens 
Nativo, ut setnet redimat pro sufieiente 
Frineipio, ut satis est absens contraria virtus. 

1) Cena delle Ceneri (Wagner I, 191): questo grande individuo, eh*, 
e la nostra perpetua nutriee e madre. 

2) Acrotismus (Gfrörer, pag. 29): Interim (mundus) animal est, a mente 
dependens, perfectissimum, proprium, sieut et nos, animam haben*. Und so in De 
Immbnbo, Lib. IV, cap. 18, pag. 450: siquippe anima spiritusqueiUe vitalis non esset, 
minitne tanto ordine (quiin toto est corpore), tantarumque venarum ordinatissima not* 
minus quam cujuscunque animantis serie, symmetrieaque contextura consistere posset. 

3) De Immenso, Lib. IV, cap. 16, Schluss, pag. 433: Nosque si ad Uni- 
versum Teüuris globum respiciamus , qui aerem nubigenum inter proprias partes 
adnumerar, sciemus nos non superficiem, sed interiora mundi hujus incolere. 

Wie nahe sich Goethe's Ansicht von der Erde als einem lebendigen 
Organismus, von einem aus- und einathmenden Wesen, mit Bruno's hier 
entwickelter Auffassung berührt, beweist die Aufzeichnung eines goethe'schen 
Gesprächs bei Eckermann, Mittwoch, 11. April 1827: „Ich denke mir die 
Erde mit ihrem Dunstkreise gleichnissweise als ein grosses, lebendiges Wesen, 
das im ewigen Ein- und Ausathmen begriffen ist u. s. w. Vgl. übrigens 
noch weiter unten den Abschnitt: Bruno's Einwirkung auf Goethe. 

4) Ebendas., Lib. IV, cap. 16, pag. 432 Schluss des Capitels: 
. . . globosam machinam (minitne tarnen ad geometricam normam). 

5) Ebendas., Lib. IV, cap. 18, pag. 442: 

Atque vide ut Tellus formam non usque globosam 
Concipiat. 



170 n. Bruno's Naturphilosophie. 

welche jedoch selbst die höchsten Gebirge nicht den geringsten 
Einfluss ausüben 1 ). 

Bezüglich £es Mondes hat Bruno die Ansicht, die Flecken 
in dessen Scheibe seien das feste Land, das Licht derselben aber 
sei das Meer 8 ). 

d. Die Fixsterne. 

Alle Gestirne, die über den Saturn hinaus von uns gesehen 
werden können, sind Sonnen 3 ). Solcher Sonnen giebt es zahl- 
lose und ebenso zahllos ist die Schaar der Planeten, welche, je 
als ein besonderes System, um je eine dieser Sonnen in regel- 
mässigen Bahnen kreisen, gerade wie um unsere Sonne die Erde, 
der Mercur, die Venus, der Mars, der Jupiter und der Saturn. 
Diese Sonnen heissen Fixsterne, weil sie scheinbar bewegungs- 
los, niemals ihre Stelle am Himmelsgewölbe verändern. Dieser 
Stillstand ist aber allerdings ein nur scheinbarer. Auch die 
Fixsterne haben ihre eigene Bewegung, indem beobachtet werden 
kann, dass die Sterne, selbst diejenigen erster Grösse, nicht zu 
allen Zeiten die gleiche Distanz voneinander haben. Bruno 



1) Vgl. oben pag. 34. Dazu gehört auch die Stelle ans De Immesbo, 
Lib. JV, cap. 16, v. 48-57, pag. 431—432: 

Excucant cum $e adtoUunt verum aethera montee, 
Hoc nihü ad magnam Tetturu dueere molem, 
Hut quam et exigui, repoUto in corpore eulei 
In porri pattim atperitat tuberetque ßgurarn 
Non hüo variant pumicoto corpore tphaeram 
Confaoricat quitquam, cujus Uect ardua vaUit 
Et tumidi adturgant tublüni corpore montet. 
Ei tatit ad tentum formicae aecendere poeeunt 
Quod tarnen integro vix eeee notaoile quiequam 
Comperüu. 

2) De Immbnso, Lib. III, cap. 4, ▼. 55 — 60, pag. 289: 

ContimiU Zunae tpecic leÜutque refulget 
Spida reJUctendo vüreo de corpore ponH 
Oppotüam ad partein eonepecto a Sole reeepta, 
Vt quoque nocturno Tetiuri Luna favore. 
Ergo quod et tanto speetae m corpore opacum 
2fe eredae aliud quam quod Teüurie opacum est. 

3) Acbotismus, Catalogu» artieuiorum: 87 (Gfrörbr, pag. 24): Attra 
ultra Satumum continuc tentioüia eole» tunt. 



II. Bruno's Naturphilosophie. 171 

rühmt sich,, diese Entdeckung mehrere Lustra früher (vom Zeit- 
punkt der Abfassung von De Immenso, Lib. I, cap. 5 ab 
gerechnet) auf dem Wege physicalischer Berechnung gemacht 
zu haben und freut sich, dieselbe nun durch „den grössten Astro- 
nomen seines Zeitalters" x ) bestätigt zu finden 2 ). 

e. Die Planeten. 

Wie es unzählige Sonnen giebt, so ist auch die Zahl der 
Planeten unermesslich 8 ). Wie um unsere Sonne die. sieben 
grossen Planeten, so kreisen um die andern Sonnen andere Pla- 
netensysteme, deren einzelne Glieder um so zahlreicher sind, als 
sehr viele derselben gar nicht sichtbar werden 4 ). Es ist nicht 
gegen die Vernunft, dass es noch andere Erden giebt, die um 
diese Sonne kreisen, die uns aber nicht erscheinen, sei es, dass 
sie von uns allzuweit entfernt oder dann allzuklein sind oder 
auch, weil sie nicht viel Wasseroberfläche haben oder diese ihre 
Oberfläche nicht uns zu- und der Sonne entgegen kehren, sodass 
sie durch diese Wasseroberfläche gleichsam wie durch einen 
Kiystallspiegel die Lichtstrahlen sammeln und sich uns sichtbar 
machen könnten 5 ). 



1) De Immenso, Lib. I, cap. 5, pag. 167: Astronomi nostri temporis 
(quorum Tyeho Danus nobüissimus atque prineeps) .... 

2) Ebendas., Lib. I, cap. 5, v. 22—30, pag. 166: 

Confer enim e minimis spioa cum Virginis unam 
Qualibet out magna quae plus distabit ab üla 
Temporibu8 variis varie distare videbis. 
lata fuerc mihi physica ratione reperta 
Pluribu ab hinc lustris, sensu inferiore probata 
Sed tandem et docti aeeipio firmata Tyehonis 
Servatis Dani, ingenio qui multa sagaei 
Invenit atque aperit conformia sensibus kisce. 
Dazu der Commentar pag. 167. 
d) S. oben pag. 160. 

4) De Immenso, Lib. I, cap. 3 Anfang, v. 1—6, pag. .156: 

TJt solem hune circa TeUus, Luna, öliger Hermes 
Saturnus, Venus et Mavors et Juppiter errant t 
J2t numerus fasso major, nam cetera turba 
Partim pro vieibus partim non cernitur unquam, 
Sic circum fit quemque alium. 

5) De l'Infinito (Wagner II, 52): non e contra ragione, che sieno di 
altre terre aneora, che versano cirea questo sole, e non sono a noi manifeste, o 



172 H* Bruno's Naturphilosophie. 

f. Die Kometen. 

Alle Kometen sind nur eine besondere Gattung der Planeten. 
Der Substanz nach gleicherweise wie die Erde zusammengesetzt, 
ziehen sie ihre Kreisbahn um die Sonne und unterscheiden sich 
relativ nur dadurch von den eigentlichen Planeten, dass sie 
selten erscheinen, und zwar desshalb, weil ihre Bahn nicht in 
diejenige unsern Augen und der Sonne entgegengesetzte Lage 
tritt, dass sie ihr Licht reflectirt, ausgenommen nur dann, wann 
nämlich beide Gestirne, der Komet und die Sonne, einander so 
gegenüber zu stehen kommen, dass der von der Sonne auf den 
Körper des Kometen geworfene Lichtglanz dich für unsere Augen 
reflectirt. Zeitweise können desshalb auch die Erde, der Mond 
und die übrigen Wandelsterne die ungewohnte Gestalt eines 
Kometen annehmen 2 ). Aus diesem Grunde, weil zuletzt die 
Kometen nur selten oder vielleicht auch gar nie fiir uns er- 



per lontananza maggiore, o per quantita minore, o per non aver molta euperficie 
d>acqua, o per non aver detta euperficie rivolta a noi et oppoeta al sole, per la 
quäle, eome un crütallino specchio, concipendo i lummoai raggi, ei rende virtbÜe. 
CLX Articdli : Aatra omnia acintillantia eunt ignea aeu soles circa quae eingula 
neeeaaario planetae circumferuntur plurimi, aicut et circa iatum aolem plurea quam 
videantur. Vgl. auch De Monade, pag. 159 — 160. Ii quibua obaque ingenio 
otque rotione largiti eunt oculi ita negabunt circa alia aatra ßxa nempe aolee 
diaeurrere planetoa aicut et non apparent : cum et omnia ratio dietet quod tum 
propter corporum parvitatem tum maxime propter vim luminia remiaaiorem quae 
eat in apeeulo quod lucia umbram otque imaginem non ipaam lucem objeetat, a 
fixorum aatrorum quocunque olio teUurea quae 8 int circa hoc fixum aetrum non 
apparere poaaunt. 

1) De Immenso, Lib. VI, cap. 19, pag. 564 oben: Cometae apparentia 
eat lux Solu reflexa in aqueam ad oculoaque noatroa oppoaitam aatri auperßciem, 
in qua aeilicet radiua noater viauoUa cum aolari radio angulum effieient. Sub- 
jeetum cometae eat planeta Solem cireumeuraana non minus atque aliter quam 
TeUua aubatontia 'quaedam compoaüa eat; ab istis vero famoaü planetia sola relatione 
diferenai quoniom ea de cauaaa raro apparent, quia eorum circulua non venu 
od eam oeulorum noatrorum et Solia oppoaitionem ut apeeularem reddat lucem; uiei 
raro, quando aeilicet ita devenerit utrumque astrum, ut eplendor itie excitatua in 
corpore ostri habet ad ooulos noatroa reflexionem. 

2) Ebenda«., Lib. IV, cap. 8 , pag. 388 : Aatra praeter planetoa finter 
quoa cometae numeramua, quibua certia etiam temporibua imolüus eometo poteat 
eaae Tellua et lunoe et reUquoe planetae) etc. 



II. Bruno's Naturphilosophie. 173 

scheinende Planeten sind, ist die Zahl der Planeten, die um 
unsere Sonne kreisen, noch nicht festgesetzt. Denn da man an 
die Zahllosigkeit dieser Planeten nicht glaubt, so wird auch 
nicht darnach geforscht. Dieselbe zu entdecken, bietet der For- 
schung keine Schwierigkeiten dar. Es kommt nur darauf an, 
dass man diejenigen Planeten, welche immer erscheinen, mit 
denjenigen, welche dann und wann erscheinen, zusammenhält. 
Denn es kann solche geben, welche uns überhaupt niemals 
erscheinen 1 ). In diesem Zusammenhange erscheint es begreiflich, 
wenn Bruno auch das bekannte Gestirn, das anfangs November 
1572 plötzlich in der Cassiopeia auftauchte und bis zum April 
1574 darin sichtbar blieb, für einen Kometen hielt, obschon selbst 
der berühmte niederländische Astronom Cornelius Gemma diese 
Ansicht auf das energischste bekämpfte, weil er meint, dass das, 
was über die peripatetische Natur hinausgeht, einfach ausserhalb 
der Natur stehe 2 ). 

g. Die Meteore. 

„Ausser den Fixsternen und grossen Planeten sind durch 
den Aetherraum auch noch kleinere Organismen verbreitet, die, 
in Gestalt kleiner Kugeln, mit grösster Schnelligkeit feurig 
einherfahren und vom Pöbel für feurige Balken gehalten werden, 
da dieselben in unserer Erdnähe unterhalb der Wolken einher- 
schiessen. Ich selbst habe einmal ein solches Meteor beobachtet, 



1) CLX Articuli contra Mathematicos etc., Schluss, N: Cometae 
sunt planetae omnino, qui etiam regulariter moventur, ut Tettus, Luna Mercurius etc. 
Jdeo planetarum numerus circa hune solem non est adhue deßnüus: neque enim 
inquisüus, quia neque credüus, Euno autetn invenire non est inquirenti dif teile : 
non quidem omnino, sed cum iü qui semper eos qui aliquando apparent eonnu- 
merando: stare enim potest ut tales sint } qui nobis nunquam apparent. 

2) De Immenso, Lib. VI, cap. 19, pag. 566: Cornelius, Gemma qui ea 
quae sunt extra naturam Peripateticam , putat esse simpliciter* extra naturam. 
Bruno bezieht sich auf Gemma's Abhandlung : De Stella peregrin a quae 
superiori anno apparere ooEPiT. 4°. Antwerpen, 1578. Wenn übrigens 
selbst Mathematiker und Astronomen solchen Ranges wie ein Gemma den 
übernatürlichen Ursprung des neuen Sternes behaupten konnten, so ist die 
Zähigkeit zu begreifen, mit welcher sich die gebildete Welt Europa's noch 
bis auf Bojle (1680) der brunonischen Ansicht von den Kometen entgegen- 
stemmte. Vgl. darüber Feuerbach, Leibnitz pag. 258. 



174 H. Bruno's Naturphilosophie. 

das beinahe die Dächer der Häuser berührte; aber es schien 
wie der Abschuss eines Körpers, so gross ist die Schnelligkeit der 
Bewegung, mit welcher wir diese Meteore gleichsam vermittelst 
eines geschwungenen Feuerbrands eine lange gerade oder krumme 
Linie in der Luft beschreiben sehen. Es war aber jene Kugel 
oder nach volksthümlichem Ausdruck, jener Balken, den ich 
selbst einmal sah, in Wahrheit ein beseelter Organismus. Denn 
als er in gerader Kichtung gleichsam die Dächer der Stadt Nola 
wegschabte, hätte er auf dem Berge Cicada aufstossen müssen, 
schwang sich aber hoch über denselben weg 1 ). a 

C 

Bruno's Entwickelungs lehre. 

Schon Lasson hat in Anm. 69 seiner musterhaften Ueber- 
setzung des Dialogs De la Causa auf Bruno als einen Vor- 
gänger Darwins hingewiesen: „Dem Empedokles ähnlich, und 
wenn man will, an Darwins Lehre erinnernd, ist Bruno's An- 
sicht von der Vervollkommnungefkhigkeit und der einheitlichen 
Entwickelungsreihe aller organischen Wesen auf dem Wege der 
Zeugung." Allein Ernst Krause in seiner Biographie von 
Erasmus Darwin (pag. 204, Anm. 57) hat gegen die Beweis- 
kraft der aus der Cabala del Cavallo Pegaseo (Wagner II, 
277) angeführten Stelle mit Kecht den Einwand erhoben: „Sie 
enthält blos Speculationen über die Identität der Natur der Seele 
bei Menschen und Thieren, ohne thatsächliche Folgerungen einer 
gemeinsamen Abstammung." 

Gleichwohl ist Lasson's Andeutung, dass Bruno's Sehergeist 
Darwins Entwickelungslehre vorgeahnt habe, nicht unbegründet 



1) De Lmmenso, Lib. V, cap. 1, pag. 461: Praeter astra magnosque 
mundos sunt et animantia lata per aethereum spatium minora in formatn parva» 
sphaerae quae vivacissimi toto corpore ignis prae se feret speciem et trab» ignea 
judicatur a vulgo cum prope nos infra nubes etiam fertur quaUs a me notata est 
quasi attingens tecta domorum: sed projectus corporis üle videbatur propter motu* 
velocitatem qua Ungarn rectam vel curvam lineam titione vibrato possumus de- 
signare in aere ut ignis illius appareat ßgura. £rat autem illa sphaera seu (ut 
dicuntj trabs, vere animal, quam ego setnel vidi, reeto enim motu cum quasi ab- 
räderet tecta Nolae urbü> debuisset in montetn Cicadae impingere, quem sublato 
corpore superavit. 



II. Bruno's Naturphilosophie. 175 

Es bedarf nur einer systematischen Ausbeutung von Bruno's 
Werken, um dessen Verdienst um die Erkenntniss einer stufen- 
weisen Entwickelungskette aller Wesen klar zu legen. 

Alle Entwickelungslehre und diejenige Bruno's zumal, geht 
aus von der ununterbrochenen Bewegung, in welcher sich die 
Materie befindet. „Die Materie, sagt Bruno, ist beständig im 
Fliessen begriffen und kein Körper ist heute, was er gestern war 1 )." 

Diese Bewegung ist aber nichts anderes als die äussere Er- 
scheinung der Beseeltheit aller Dinge. „In Allem, selbst im 
Kleinsten, dem äussern Auge Verschwindenden und Unvollkom- 
mensten, ist Erkenntniss, .... nämlich ein Antheil an der uni- 
versellen Denkkraft. ... In den gemischten Wesenrfcihen , als 
Pflanzen und Steinen, finden wir keinen Ausdruck der Intelligenz 
oder Denkkraft, wohl aber der Empfindung .... Wenn man 
desshalb auch nicht Alles beseelte Lebewesen nennt, so zweifeln 
wir doch keinen Augenblick daran, dass allen eine Seele inne- 
wohne und mit der Seele die hier schärfer dort schwächer hervor- 
tretende Intelligenz oder universelle Denkkraft 2 ). Die Vernunft ist 
gewissermassen eine göttliche Kraft, welche allen Dingen als Denk- 
fähigkeit innewohnt, vermöge welcher Alles wahrnimmt, fühlt 
und gewissermassen erkennt. Denn ohne Erkenntniss und zwar 
die höchste und die tiefste, den Gegenständen nicht ferne und 
nicht fremde, könnten nicht überall Thiere, Pflanzen und andere 
Körper von so wunderbarem Bau entstehen, welche alle in ihren 
Gliedern und in so wunderbarer Mannigfaltigkeit das Abbild 
des Weltalls sowohl im Ganzen als in einzelnen Theilen dar- 
stellen, und welche Alle ihr Sein zu erhalten trachten, ihren 
Gegensatz fliehen und dem ihnen nützlichen nachstreben. Denn 



1) De triplice Minimo : Semper fluit materia , nee hodie eorpua est quod 
heri fuit. 

2) Summa term. metaphys., Fotentia (Gfbörer, pag. 499): In omnibus 
vel minima vel ad oculutn externum mutilis et imperfecHssimis Cognitionen* esse, 

.... utpote inteUigentiae quandam participationem In mixtis vero qualia 

sunt planiae, lapides, inteUigentiae seu cognitionis actum non habemue ezpressutn, 
at sehsus .... licet ergo animalia non omnia appeUemus , animam tarnen in 
omnibus esse non dubitemus, et cum anima inteUigentiae seu universalis eognitionis 
sensum hie quidem vehementiorem, hie vero remisstorem. 



176 II- Bruno's Naturphilosophie. 

ohne einen gewissen Grad von Empfindung oder Erkenntniss 
(welchen roher Philosophirende allerdings nicht wahrnehmen), 
ballen sich nicht einmal Wassertropfen kugelig zusammen, um 
sich durch die Kugelform nach Kräften zu erhalten, und springen 
auch Laub, Häute und Stauden nicht vor dem Feuer auf und 
davon und ziehen sich zusammen, gleichsam als wollten sie ihrem 
Gegensatz entfliehen. Das alles ist gewissermasseii eine Theilnahme 
an der Empfindung, eine Aeusserungsweise der durch das All 
verbreiteten Universalvernunft, eine Aeusserungsweise, deren Aus- 
druck sich in allen Dingen, welche da sind, erkennen und lieben, 
entweder als Anhänglichkeit und Zuneigung, oder als Wider- 
wille und Abneigung, kurzum als Freundschaft und Streit offen- 
bart, so dass die Gottheit durch jenen dreifachen Begriff gewisser- 
massen zu allen herniedersteigt 1 )." 

Diese alles durchdringende und beseelende Intelligenz tritt 
nun in der Natur in dreifacher Stufenfolge auf. „Auf der unter- 
sten Stufe wird noch nicht die Natur eines Dinges oder irgend- 
welche Eigenschaft unterschieden, sondern höchstens ein un- 
bestimmtes Gefühl von körperlichen Eigenschaften empfunden. 
Auf der höheren Stufe dagegen wird die natürliche Beschaffen- 
heit, der Charakter eines Dinges deutlich wahrgenommen. Die 
erste Stufe ist blöde und gleichsam schlaftrunken und kommt 
auch noch den Pflanzen zu. Die obere Stufe erweist sich als 



1) Summa term. metaphys. (Gprörer, pag. 496): Intelligentia est divina 
quaedam vis, insita rebus omnibus cum aetu cognitionis, qua omnia inteUigunt, 
sentiunt et quomodocunque eognoseunt, Neque enim sine cognüione eaque altis- 
sima atque profundissima a subjeetis istis tum remota, ubique usque adeo mirabili 
arehitectura naseuntur animalia, plantae et alia heterogenen corpora , ita ut omnia 
in suis membris atque adeo mirabili varietate mundi universi mukitudinem tum 
in toto, tum in partibus referant, ae omnia suum esse eonservare studeant, eontra- 
rium fugiant, utile persequantur. Neque enim sine aliquo sensu vel eognitione 
(quam rudius philosophantes non pereipiuntj vel ipsae aquae guttae in rotundum 
et in sphaeram , quo pro viribus eonserventur , conglobantur, frondes, membranae 
et festueae ab igne exsiliunt et eontrahuntur , quasi eontrarium efugientia. JBaee 
est sensus quaedam partieipatio et universalis inteUigentiae per Universum propa- 
gatae efeetus, quem eonsequitur effectio et inelinatio, defeetio et declinatio, amieitia 
et l\8 in rebus omnibus , quibus sunt , eognoseunt et amant omnia, ut trina illa 
praedicatione divinitas quodammodo ad omnia descendat. 



II. Bruno's Naturphilosophie. 177 

nur den Thieren eigen. Es giebt dann aber noch eine dritte 
Stufe der Intelligenz, nämlich die Vernunftwahrnehmung 1 )." 

Dieser Stufenfolge der angeborenen Vernunft entspricht nun 
in der Welt der Organisation eine Stufenfolge verschiedengestal- 
teter Wesen, welche die Scala der Entwickelungsstandpunkte 
repräsentiren 2 ). Denn „es hindert nichts, anzunehmen, dass nach 
dem Klange der Leier des universalen Apollo (des Weltgeistes) 
die untern Organisationen stufenweise zu den höhern berufen 
werden resp. die untern Stufen durch Mittelglieder hindurch in 
die höheren übergehen 3 ). In der Natur herrscht die Cirkel- 
bewegung, infolge welcher vermöge abwechselnder Vervollkomm- 
nung die höheren Dinge sich zu den niedrigeren herabneigen 
und . die niedrigeren sich vermöge ihrer eigenen glücklichen An- 
lage zu den höheren erheben 4 )." Jede höhere Stufe, bevor sie 
in die Erscheinung tritt, giebt sich vorher in verhüllter Form 
andeutungsweise zu erkennen. „Die Natur deutet jede Speciea 
zuerst an, bevor sie dieselbe ins Leben treten lässt 5 ). So bildet 
immer die Eine Gattung den Ausgangspunkt der andern, wie 
denn von der Gestalt eines Embryo aus ein ununterbrochener 
Uebergang sowohl zu der Gattung Mensch als zu der Gattung 



1) SiGiLLüß 8IGILLORUM (Gfrörer, pag. 563): At illud hie non [est dissi- 
mulandum, quod dupliciter diei sensu* eonsuevit : inferior videlicet, hieque est, quo 
non natura rei vel qualitas ulla decernitur, sed affectio quaedam dumtaxat a cor- 
poreis qualitatibus illata sentitur ; et superior qui naturam qualitatemque per sentit. 
Primus stupidus est et veluti dormiens, plantis quoque eonveniens t seeundus ani- 
malium tantutnmodo proprius perhibetur. Est porro et tertius quidam modus quo- 
sensus significat. Epicurus enim eognitionem omnem appellat sensum, Demoeritus 
et Empedocles intellectum, lythagorici meutern et spiritum älterem, ipsumque in- 
telligunt esse in omnibus pro sua ratione. 

2) De l'Infinito (Wagner II, 22): innumerabili gradi di perfezione. 

3) De Umbris Idearum, Intentio VII, Q (Gfrörer, pag. 303): nihil 
impedit quominus ad sonum cytharae universalis Apollinis ad superna gradatim 
revoeentur inferna, et inferiora per media superiorum subeant naturam. 

4) Degli Eroici furori (Wagner II, 338): Ne la natura e una rivo- 
luzione et un eircolo , per cui per faltrui perfezione e soeeorso le cose superiori 
s'inchinano a finferiori e per la propria eccellenza e felieitade le eose inferiori 
sinalzano a U superiori. 

5) De Umbris Idearum, Intentio XVI, Q. (Gfrörer, pag. 309): Natura 
dat involutas speeüs, antequam tradat easdem explicatas. 

12 



178 H. Brnno's Naturphilosophie. 

Thier gegeben ist x ). a Alles in der Natur ist eben durch Ver- 
mittelungsstufen vorgebildet und angekündigt. „In den Gattungen 
sämmtücher Bäume magst du schon die Gattungen sämmtlicher 
Thiere angedeutet finden, in den Gattungen sämmtlicher Steine 
schon die Gattungen sämmtlicher Pflanzen, in den Individuen 
Einer Gattung schon die Gattungen und entsprechenden Indi- 
viduen aller andern *). In der Species Mensch aber wiederholen 
sich, nur klarer und deutlicher, die Gattungen sämmtlicher Lebe- 
wesen, was nicht anders in allen andern Species (nur etwas 
weniger augenfällig) der Fall sein wird 8 )." 

Es ergiebt sich aus diesen Sätzen Bruno's Entwicklungs- 
lehre als durch den Piatonismus gemässigter Heraklitismus. 
Bruno vergisst niemals, der auch von ihm anerkannten Lehre 
von relativ bleibenden Urtypen gegenüber die ewige und un- 
unterbrochen fortfliessende Veränderung alles Seienden zu betonen 



1) De Triplice Mikimo, pag. 71: una species alterius est principium, 
sicut ab embryonis specie sine resolutione ad animalis hominisve speeiem daiur 
accessus. 

2) Ars reminiscendi (Gfrörer, pag. 528): In arborutn omnium speciebus 
omnium animalium species inquiras et invenias, in omnium lapidum speciebus 
plantarum species, in unius speciei individuis omnium aliorum species individua- 
que similia. 

3) De triplice Minimo, pag. 72: Unde et in humana specie omnium 
animalium species perspicaciores ad oculos referuntur, quod non secus in dliis Om- 
nibus (licet latentiusj speciebus esse existimandum. Wie wunderbar stimmt der 
Ausdruck dieser rein philosophischen Ahnungen zu den auf ein riesiges 
Beobachtungsmaterial gegründeten Sätzen Häckel's, des kühnsten Vertreters 
der darwinistischen Entwickelungslehre , in seinem Vortrage: „Ueber den 
Stammbaum des Menschengeschlechts": „Die Reihenfolge von verschieden- 
artigen Formen, welches jedes Individuum irgend einer Thierart von Beginn 
seiner Existenz an, vom Eie bis zum Grabe durchläuft, ist eine kurze und 
gedrängte Wiederholung derjenigen Reihe von verschiedenen Arten-Formen, 
durch weicht die Voreltern und Ur-Ahnen dieser Thier-Art während der 
ungeheuer langen geologischen Geschichtsperioden hindurchgegangen sind." 
Ferner: „Die Entwickelungsgeschichte des menschlichen Individuums ist ihrem 
eigentlichen Wesen nach eine kurze, gedrungene Wiederholung, eine Reca- 
pitulation gewissermassen, von der Entwickelungsgeschichte des zugehörigen, 
blutsverwandten Thier-Stammes, also des Wirbelthier-Stammes.'* Häckel, 
Ges. Populäre Vorträge aus dem Gebiete der Entwicklungslehre , Heft 1 
(Bonn, Strauss, 1878), pag. 56 und 54. Vgl. dazu die Anm. 10, pag. 97. 



II. Bruno's Naturphilosophie. 179 

und sich zur Transmutationstheorie zu bekennen. „Alle Gestirne, 
sagt er, wie die Erde und der Mond, welche für uns die haupt- 
sächlichsten Weltkörper sind, bewegen sich nicht einen Augenblick, 
in welchem sie sich nicht zugleich veränderten. Aehnlich ver- 
hält es sich mit den auf diesen Weltkörpern vorkommenden 
Gegenständen. An diesen ist es unmöglich, auch nur eine ein- 
zige Gattung von Bewegung wahrzunehmen, weiche nicht zu- 
gleich auch eine Veränderung darstellte. Die Bewegung ist immer 
zugleich auch eine Veränderung und Umwandlung 1 )." 

„Diese Veränderungen gehen nun aber sehr aümälig vor sich. 
Die Oberfläche der Erde verändert sich zwar ununterbrochen, 
sodass bald ein Meer ist, wo vorher ein Fluss war, bald sich 
Berge erheben, wo vorher Thäler sich vertieft hatten (was häufiger 
zu geschehen pflegt), bald Dämpfe aufsteigen, bald Regengüsse 
niedergehen, bald Dickflüssiges sich zu Stein verhärtet, bald 
harte Steine sich in Pulver auflösen. Aber in dem Allem möchte 
ich nichts Gewaltsames zugeben, sondern ganz und gar nur 
einen natürlichen Verlauf erkennen. Denn ich nenne nur das- 
jenige gewaltsam, was ausserhalb der Schranken der Natur 
oder gar gegen dieselben geschieht 2 )." 

Unendlich kleine Veränderungen in unendlich langen Zeit- 
räumen , das ist fllr die Entwicklungslehre der Zauberschlüssel, 
weicher den Uebergang einer Gattung in die andere erklärt. 
Unendlich lange Zeiträume widersprechen jedoch dem die Ent- 
wicklung der Welt auf die kurze Spanne von sechs Jahrtau- 
senden einschränkenden Kirchenglauben so stark, dass Bruno dem- 



1) Acrotismus (Gf rörer, pag. 88): Astra enim omnia, ut tellus et luna, 
quae praecipua mundana sunt corpora, me instant quidem praeter eunt, in quo non 
etiam alterentur ; similiter et particularia, quae in ipsis reperiuntur aubjecta, in 
quibus non est quod unam eertamque motionis, alterationisve speciem spectes, sed 
communiter aüerationem et mutationem. 

2) Ebendas. (Gfröbbk, pag. 108): Hine continue faeies teüuris variatur, 
ut modo mare sit , ubi undae fuerant, modo montes appareant, übt vallcs sub- 
sederant (quodque frequentius apparetj , modo vaporum txaltatio, modo pluviarum 
casus eveniat, modo lutosum aliquid in lapides inspissetur, modo spissi lapides in 
pulverem resolvantur; in quibus omnibus nullum violentum concesserim, sed natu- 
ralem prorsus omnem motum: illud enim violentum tantummodo appello, quod extra 
vel contra naturae opus atque ßnein contigerint. 

12* 



180 II. Bruno'« Naturphilosophie. 

selben nicht unmittelbar mit seiner persönlichen Ansicht entgegen- 
zutreten wagt. Er verschanzt sich desshalb, um seine Ueber- 
zeugung dennoch zum Ausdruck zu bringen, hinter die Missions- 
berichte der Jesuiten aus China. Bruno führt aus denselben an : 
die Religion der Chinesen kenne drei verschiedennamige Welt- 
schöpfer und versetze dieselben in eine Vergangenheit von zwanzig- 
tausend Jahren 1 ). 

Zwanzigtausend Jahre sind nun zwar ein gewaltiger Fort- 
schritt über den Kirchenglauben hinaus, aber immerhin noch 
ein unendlich kleiner Zeitraum gegenüber den relativ unendlichen 
Zeiträumen, mit welchen die moderne Entwickelungslehre rechnet. 
Doch Bruno steht, wenn er auch nicht, um mit Albrecht von 
Haller zu sprechen, Gebirge von Millionen Jahren aufeinander 
häuft, um die flir die allmälige Entwicklung erforderlichen Zeit- 
räume zu erhalten, gleichwohl schon auf dem Boden des fort- 
geschrittensten Darwinismus, indem er für seine Urtypen selbst 
den Begriff der unendlichen EntwickelungsMigkeit postulirt. 
„Es liegt in der Macht der Natur, den Menschen unendlich zu 
machen, ja sie hat den Menschen unendlich gemacht, ja der 
Mensch ist unendlich und unendlich jede beliebige Gattung. 
Aber wo ist sie denn, wirst du fragen, jemals erschienen? Ich 
antworte darauf: Es ist gar nicht nothwendig, dass sie erscheine, 
weil das Unendliche weder ein Begrenztes, noch ein Gestaltetes 
ist. Nun wirst du fragen, ist also der Mensch unendlich, der 
Esel unendlich, der Feigenbaum unendlich? Ja wohl, sage ich, 
weil unendlich sein heisst: das Eine und nur Dieses sein, ein 
sich in seiner Einen Substanz gleichbleibendes Ganzes, ein ein- 
ziges Sein, in welchem der Mensch wahrhaft Mensch, der Esel 
wahrhaft Esel, das Gold wahrhaft Gold und Jegliches wahrhaft 
das ist, was es ist. Was aber nicht eins und unendlich, un- 
veränderlich, sondern gestaltet, endlich, veränderlich ist, das ist 
nicht wahrhaftig, sondern ein nicht Seiendes, auf Einbildung Be- 
ruhendes. Wenn daher die Einbildungskraft etwas bis ins Un- 
endliche verfolgt, so geht sie nicht irre, sondern ahmt die Natur 
in einem höhern Sinne nach und drängt in höherm Sipne zur 



1) De Lmmenso, Lib. VII, cap. 18, pag. 622: Echinensium religio reeens 
eompertorum trea aIxus nominis protoplastes numerat ab annis viginti miUibus. 



III. Bruno's Psychologie. 181 

Wahrheit, als die Sinnesempfindung, ich sage: zur Wahrheit der 
Urvernunft, welche nichts zu begreifen vermag, als das Eine 
und nur das Unendliche zu begreifen vermag 1 )." 

Also nicht das Individuum, sondern nur die Gattung, nicht 
das Einzelne, sondern nur das Ganze trägt den Keim der un- 
endlichen Vervollkommnungsfilhigkeit in sich. „Wir können 
nicht Alle Alles als Einzelne, wohl aber können wir Alle Alles 
als Gesammtheit. Die Vervollkommnung der Intelligenz beruht 
nicht auf Einem , auf dem Andern oder auf Mehreren , sondern 
auf der Gesammtheit 2 ). a 

III. 
Bruno's Psychologie. 

Da eine umfassende Darstellung von Bruno's Seelenlehre 
sich kaum der Gefahr entziehen könnte, neben Wichtigem, 
Neuem, auch sehr viel Belangloses, Traditionelles zu bringen, so 
erscheint es zweckmässiger, nur an diejenigen Leistungen Bruno's 
auf dem Felde der Psychologie zu erinnern , welche auch heute 
noch werthvoü und fruchtbar genannt werden müssen. Es sind 
dies: die Einsicht in den rein phänomenalen Werth unserer 
Sinneseindrücke, und dann die Erhebung des Instmets in die 
Sphäre der Vernunft. 

1) Acrotismus (Gfrörbr, pag. 57) : Quia igitur non est pars materiae, 
ex qua non possit esse homo , est sane in potentia naturae, ut inßnitum hominem 
faciat , impo ut feeerit inßnitum hominem, imo ut sit inflnitus homo , et inßnita 
quaelibet speeies. Sed ubi (inquies) unquam apparuü? Non est opus (inquam) 
ut appareat, quia inßnitum neque terminatum- est , noque ßguratum. Ergo (in- 
quies J inßmtus homo, inßnitus asinus, inßnita ficust Ita, inquam, quia inßnitum 
est unum iäemque esse, totum indifferent in una substantia, unum ens, in quo homo 
est vere, asinus est vere, aurum vere, et vere est quidquid est : quod vero non est 
inßnitum unum; immobile , sed ßguratum , ßnitum, mutabile, non est verum, sed 
non ens, sensibüe, opinabile. Quod igitur imaginatio quidlibet inßnitam ad molem 
persequitur, non fattitur, sed aüius naturam imitatur, et ad veritatem adpettü, 
quam sensus, ad veritatem inquam primi inteUectui, qui non potest inteUigere, 
nisi unum, neque potest inteUigere nisi inßnitum. 

2) Summa terminor. metaph. (Gfrörer, pag. 500): Ferfectio: non omnia 
possumus otnnes sigiüatim, sed bene omnia possumus omnes summatim. InteUi- 
gentiae ergo perfeetio non est in uno, in aüero, vel in pluribus, sed in Omnibus, 
non etiam in omnibus suppositaliter, sed sub formaU condüione quae perßeit omnia. 



182 HI. Bruno's Psychologie. 

1. 
Bruno's Lehre von Raum und Zeit 

A. 

Bruno's Lehre vom Baume. 

Bruno's bedeutendes Verdienst um die Begründung der 
modernen Lehre vom Baume beruht auf der Energie, mit welcher- 
er die metaphysischen Consequenzen aus Copernicus' Entdeckung 
des Kreislaufs der Planeten um die Sonne zog. Die Weltansicht 
des Aristoteles und der auf ihn schwörenden Kirche hatte zwei 
Jahrtausende lang die Endlichkeit des Raumes verfochten. Die 
achte Sphäre, die Fixsternsphäre des Aristoteles und der Scho- 
lastik, galt als die letzte jener Hülsen, aus welchen sich das 
zwiebeiförmig ineinandergeschachtelte Wellgebäude zusammen- 
setzte. Die krystallene Fixsterasphäre schloss den gesammten 
Kosmos hennetisch ab und bildete das Siegel seiner Endlichkeit. 

Gegen diese Schrankenhaftigkeit des Raumes erhob sich 
nun Bruno und lehrte zum Entsetzen der Barche, deren Heils- 
lehre an die Endlichkeit gebunden ist: „Nicht der Raum ist 
im Himmel, sondern vielmehr ist der Himmel im Räume 1 ). 
Der Raum ist ein einziges unendliches Continuum *)." All die 
künstlichen Unterschiede, welche Aristoteles und die Scho- 
lastik gemacht hatten zwischen Ort, Raum, erfülltem Raum und 
der Leere sind nichts als verschiedene Bezeichnungen der Einen 
räumlichen Unendlichkeit 3 ), innerhalb welcher zwischen Raum 
und Ort nur etwa in dem Sinne unterschieden werden mag, dass 
der Raum die absolute, der Ort aber die relative Ausdehnung 
des Unendlichen bezeichnet 4 ). War der Raum bei Aristoteles 



1) Acrotismus, Art. XXXI (Gfrörbr, pag. 65): Non coelum est locus, 
nee coeli quiddam, sed spatium, in quo ooelum est. 

2) Ebendas., Art XXXIV (Gfrörbr, pag. 74): Vaeuum vero tpatium, 

in quo eorpora continentur , est unum inßnüum Vaeuum in unwerso 

unum continuum. 

3) Ebendas., Art. XXXIII (Gfrörbr, pag. 68): Ex iis omnibus mani- 
festum est Umdemx idem esse locum, spatium, plenum, vaeuum. 

4) Acrotismus, Art. XXIX (GfrÖrer, pag. 62): Diferenti* quidem inter 
locum et spatium haec est, quod spatium est nomen absoluti, locus nomen respectivi. 
Vgl. pag. 64: pars spatii universi dieitur locus. 



III. Bruno's Psychologie. Jg3 

und der Scholastik als die Grenze des umschliessenden Körpers 
gegen den umschlossenen bezeichnet worden 1 ), so erklärte nun 
Bruno: „Wir fürchten uns nicht zu behaupten, der Raum sei 
sowohl etwas von den Körpern Getrenntes, als das dieselben 
durch und durch Erfüllende, ein einziges Continuum. Das iat 
einfache Notwendigkeit 2 ). Der Raum ist weder Substanz, 
noch Accidens 3 ). Er ist nur das Correlativ der Dinge. 
Der Raum ist keineEigenschaft der Körper, sondern| 
eine Denknothwendigkeit des Verstandes 4 ). 

B. 

Bruno's Lehre von der Zeit 

Im schroffsten Gegensatz gegen die " Aristotelische Physik, 
welche die Zeit als das Mass der Bewegung genommen hatte 6 ), 
lehrte Bruno in jener, speciell der Bekämpfung des Aristoteles 
gewidmeten Lateinschrift: Acrotismüs, Articulus XXXVIII. 
Ubi de Tempore: „Die Zeit, welche nach Aristoteles das Mass 
der Bewegung ist, 'ist nicht im sich drehenden Himmelsgewölbe, 
sondern in den Gestirnen, und jene erste Bewegung, welche wir uns 
vorstellen, ist nirgends anders als subjectiv auf der Erde 6 ). 
Wenn nun aber die Bewegung, in Folge welcher Alles sich in 



1) Abibtoteles, Physik, Lib. IV, cap. 3 (Bekker, Bd. I., pag. 212 Ä ): 
Tb ntgag rbv ntQifxovro* oatpaiog. 

2) Acbotismus, Art XXXVII (Gfroreb, pag. 74): Vaeuum cum sepa- 
ratum quid a corporibus, tum ipsis imbibüum, tum unum continuum dicere non 
formidamus: id enim necesse est. 

3) Ebendas., Art. XXXVI (Gfrörer, pag. 74): Vaeui (quod neque sub- 
stantia est, neque aceidtns, si peripatetici signijicent haee nomina). 

4) Ebendas., Art. XXXVII (Gfrörer, pag. 75): oportet ut spatii ditnen- 
siones cum corporis dünensionibus sibi itß respondeant, et se invicem adaequent, 
ut Jiarum eontinuüas cum illarum eontinuitate quasi eorrelative mutuo se ponant. 
Vacuum igüur licet physice vere reaüterque sit separatem, tarnen a corporibus non 
est, sed rattone dietüante concipüur. 

5) Aristoteles, Physik IV, 11 (ed. Bekker T. I, pag. 219): Tovxo 
yaq Iqtw 6 xqovos, dgt&fj,dg xivyaews xarä ro 71q6tsqov xal vot&qov oix 
aQ(t xtvtiOte 6 XQWog alX y y aQi$fibv €x ttf V xlvr^atQ. 

6) Ebendas. (Gfrörer, pag. 76): Tempus quod est mensura motus t non 
est in eoelo, sed in astris, et primus iüe motus , quem concipimus , non est alibi, 
quam in terra eufy'ective. 



184 HI« Bruno's Psychologie. 

schnellstem Laufe um die Erde zu drehen scheint , thatsächlich 
nur subjectiv auf der Erde erfahren wird, so wird es im All 
eben soviele Zeiten geben, als es Gestirne giebt 1 ). Auch kann 
es etwas so Einheitliches, wie das Mass aller Bewegungen, im 
Universum nicht geben, da, wenn wir auf einem andern Gestirn 
wären, es sich klar herausstellen würde, dass selbst dessen aller- 
kürzeste Bewegung eine von derjenigen auf diesem unserm Ge- 
stirn Erde verschiedene sei. So ist z. B. schon die Mondzeit und 
die Erdenzeit erheblich verschieden, denn während der Mond 
zu seinem Umlauf um die Erde 28 Tage braucht, dreht sich 
die Erde schon in 24 Stunden um sich selbst 2 ). Wenn nun 
zudem die Umläufe der Gestirne keine geometrisch regelmässigen 
Kreisfiguren beschreiben, sondern nur in annähernd kreisrunden 
Umläufen, die aber fortwährend durch andere Umläufe beein- 
trächtigt werden , sich bewegen 3 )> so ergiebt sich daraus der 
Schluss, dass nicht die Zeit das Mass der Bewegung, sondern 
umgekehrt die Bewegung das Mass der Zeit ist 4 ). Ari- 
stoteles war auf die Ansicht, die Zeit sei das Mass der Bewegung, 
dadurch gekommen, dass er in der Umdrehung der achten Sphäre 
die regelmässigste aller Bewegungen erblickte und daraus den 
Massstab der Zeitdauer entnahm. 



1) Acrotismus (G frörer, pag. 76): si quippe motus ille, quo omnia vclo- 
cissimo raptu circa terram exagüari videtitur, in terra subjective re vera comperiatur, 
tot sane erunt in universo tempora, quod sunt et astra. 

2) Ebendas. (Gfrörer, pag. 76): Neque enim potest esse tale unutn in 
universo, ut omnium motuum mensura existato: quandoquidem si nos essetnus in 
alio astro, apertissime constaret brevissimum motum omnium esse alium ab isto t 
sicut in luna constat alium esse motum diurnum, ubi oeto et viginti durum spatio 
in sua superßcie recipit, quod hoc astrum, tellus, spatio viginti quatuor horarum, 

3) Ebendas. (Gfrörer, pag. 77): Porro revera omnes circuli, qui videntur 
et verificantur in coelo per nostros astronomos, non sunt nisi usurpato nomine 
circuli, neque ßdeliter per circuli canones judicari possunt. Regula igitur motus 
diurni, sive a sole capitur solo, sive a terrae tantum motu, sive ab utroque, sive 
ab h%8 sive ab aliis circuitibus , nulla est prorsus , neque esse potest geometrica : 
si quippe regulariter dividere lineam helicam non est possibile, et motus supra ea 
aequalis omnino et exacte ad rationem non est naturalis; quonam igitur pacto ee 
commetiri poterunt motus atque tempus? ubi enim est ista temporaUs mensura 9 
ubi est illud sibi aequum, quod aliorum aequaUtatem et inaequalüatem judieet? 

4) Ebendas., Art. XXXIX (Gfrörer, pag. 78^ : Potius motus est tnensura 
temporis, quam tempus mensura motus. So schon Plotin, Enneade III, 7, 10. 



III. Bruno's Psychologie. 185 

Aber was würde er gegenwärtig sagen, wenn er die Er- 
fahrung anderer Bewegungen machte, wenn er sähe, wie das 
Mass der täglichen Bewegung der Erde um die Sonne durch 
tausendfältige und unregelmässige Ablenkungen gestört wird? 
Wo ist denn da jenes Zeitmass? Wo bleibt da jenes sich selbst 
Gleiche, das sich dazu eignete, über Anderer Gleichheit oder 
Ungleichheit zu Gericht zu sitzen 1 )? Es ist demnach vielmehr 
die Bewegung das Mass der Zeit, als die Zeit das Mass der 
Bewegung. Ist doch die Zeit immer die Quantität einer Um- 
wälzung 2 ). Das hätte auch Aristoteles aus jener von ihm 
erzählten Sage von den Sieben, die zu Sardes bei den 
Heroen schliefen, ableiten können. Denn daraus, dass, wie bei 
Jenen, keine Wahrnehmung der Zeit stattfindet, wo keine Be- 
wegung wahrgenommen wird, hätte er schliessen müssen und 
können, die Bewegung sei eher das Mass der Zeit, als die Zeit 
das Mass der Bewegung *)." 

„Nichtsdestoweniger (behauptet nun Bruno) sagen wir, es 
gebe eine Zeit, selbst wenn auch Alles ruhete. Desshalb hätte 
Aristoteles nicht die Zeit, sondern die Wahrnehmung der Zeit 
an die Bewegung knüpfen müssen. Denn das ist sicher, dass, 
wenn keine Bewegung und Veränderung wäre, nichts zeitlich 
genannt würde, Dasselbe und Eine wäre die Zeit Aller, die Eine 
und Dieselbe Dauer , welche Ewigkeit genannt wird : ja die Zeit, 
die jedes Dinges Lebensmass ist, wäre gar nicht. Daher hängt 

1) Acbotibmus (Gfröber, pag. 77): Quiaprimus motu* AristoteU habebatur 
omnium regulatissimus t ut pote eui tnotus octavae sphaerae hie regularis esset 
primus, ideo ex ipso capta est ratio temperte et mensurae durationis omnium: at 
quid nunc diceret, si alios tnotus eomperiret, diumique tnotus nunsuram mille- 
geminis irregülatisque commotionibus turbari videret? S. ferner oben pag. 184, 
Anm. 4. 

2) Acrotismus (GfrÖrer, pag. 79): Immo semper tempus alieujus reto- 
lutionis quantitas est, et propterea magis, atque per se, tnotus est temporis mensura' 

3) Ebendas. (Gfrörer, pag. 79): Ex quo eonstat, noe eerte eognoscere 
de tempore per motum potius , quam de motu per tempus. Et eerte , ubi videt 
Aristoteles eorum septem, qui Sardibus apud heroas dormürunt, quod nuUa est 
pereeptio temporis, ob id quia nuUa est perceptio motus, debebat poteratve eoncludere, 
motum esse temporis mensuram potius , quam tempus tnotus. Vgl. Aristoteles, 
Physik IV, 11 (Bekker Bd. I. pag. 218 1). 



]86 III. Brunos Psychologie. 

das Sein der Zeit nach ihren Vorstellungsarten von der Bewegung 
ab 1 ). Wenn es nun aber zufällig geschähe, dass Alles ruhete, 
würde es desswegen nicht etwa auch geschehen , dass Alles 
dauerte? Ja wohl dauert es, das Eine und Dasselbe dauert 
Alles dauerhaft. Wenn aber keine Bewegung ißt, so wird auch 
kein Mass der Dauer sein. Demnach wird die Bewegung das 
Mass der Zeit, resp. überhaupt der Dauer alles Desjenigen sein, 
was eine gewisse und bestimmte Dauer zulässt *). Wir behaupten, 
dass auch die Ruhe, die Dauer, durch die Bewegung gemessen 
wird, gerade wie die Zeit, dass, wenn Alles ruhete, desswegen die 
Zeit nicht aufhören würde, Mass der Dauer zu sein, weil es für alle 
nur Eine Dauer, Eine Ruhe geben würde. Wie wir nämlich bei den 
bewegten Dingen über die Bewegung Eines Dinges nach der Bewe- 
gung eines andern urtheilen, so würde alsdann die Zeit die Ruhe- 
dauer Eines Dinges durch die Ruhedauer Aller und die Ruhedauer 
Aller durch die Ruhedauer Eines Dinges messen, vorausgesetzt, 
man halte die Zeit für ein sich gleichbleibendes Mass 8 ). Wir näm- 
lich halten die Zeit nicht für eine Gattung der Dauer, sondern 
für die Dauer selbst. Desshalb ist die fortdauernde Zeit die 
Ewigkeit, die endliche ist die Lebensdauer, je nach den unzäh- 
ligen Gattungen (der Lebewesen). Wenn es nun aber einem 
beheben wollte, die Zeit für die Dauer des Beweglichen zu usur- 



1) Acrotismus (Gfröber, pag. 79): Artwulu* XL: Nihilominus tempus esse 
dicimus, 8% omnia quieverint. Propterea non tempus f sed temporis Cognitionen 
motui alligare debuü Aristoteles. Ratio : Certe si motus non esset et mutatio, nihil 
temporale dieeretur, idem unumque esset omnium tempus, una eademque duratio, 
quae aetemitas dicüur: itnmo tempus quod est eujusque rei aetas, nullum esset, 
JSsse igitur temporis juxta suas species pendet a motu. 

2) Ebendas. (Gfröber, pag. 79) : Jam si accidat omnia quieseere, aocidetne 
propterea haee non durare? immo durant, una eademque omnia duratione durant! 
Sed nullo existente motu, nulla duratiottis ejus erit mensura. Erü igitur motus 
mensura temporis , seu durationis omnino in iis , quae eertam deßnitamque dura- 
tionem admittunt. 

3) Ebendas. (Gfröbrr, pag. 80): Quod autem ad quietem attinet, et hone 
per motum mensurari dtoimus; atque quod si omnia quieverint, non propterea 
desinet tempus esse durationis mensura, quia una erü omnium duratio, unaquies. 

Unde sieut rebus motte, unius motum per alterius motum Judieamus f ita tum 
unius quietem per omnium quietem (nisi inaequalitatem de raUone temporis esse 
velis atque mensuraej tempus judieabü. 



III. Brnno's Psychologie. ]87 

piren, wohl, so haben dagegen wir nichts einzuwenden 1 ). Wie 
sehr aber die Wahrnehmung der Zeit an die Bewegung ge- 
knüpft ist und wie glücklich, das ergiebt sich daraus, dass 
die Zeit, die das gleichmässige und allgemeine Mass der Bewegung 
ist, nicht anders wahrgenommen und vorgestellt werden kann, 
als durch die Bewegung, sei es nun in der natürlichen Weise 
am Umlaufe der Sonne oder des Mondes oder eines andern Ge- 
stirns, sei es auf künstliche Weise am Abflüsse von Wasser oder 
von Sand oder am Umlauf von Punkten, deren keiner für unsere 
Wahrnehmung je vom andern oder sich selbst verschieden ist. 
Da halten wir es denn fiir erfahrungsmässig ausgemacht, dass 
niemals einer bestimmten Quantität und geometrisch eben- 
massigen Figur einer Bewegung nun auch in der Natur eine 
ebenso gleichmässige Bewegung, Masse und Figur entspreche *). 

Aus der Succession dieser Sätze, die wir Bruno's lebhafter 
Polemik gegen Aristoteles enthoben haben, ergiebt sich das 
für die Geschichte der Auffassung von Raum und Zeit höchst 
bedeutsame Resultat: 

Wie Aristoteles durch die Aufstellung eines sich ewig gleich- 
massig drehenden Himmelsgewölbes zu dem Schlüsse gelangt 
war, es gebe ein ewig unveränderliches Zeitmass, nach welchem 
alle Bewegung gemessen werden müsse, so kam umgekehrt 
Bruno durch seine Setzung des unendlichen Baumes mit unend- 
lich vielen Weltkörpern von allerverschiedensten Bewegungs- 
bedingungen zu dem Ergebniss: 

1) Alle Wahrnehmung der Zeit ist an die Wahrnehmung 
von Bewegung gebunden. Ob wir nun die Bewegung der 



1) Acrotismus (Gfröbbb, pag. 81): Haee omnia üa deßnita de tempore, ubi 
ip8um non durationis speciem, sed ipaum durationem eredimus; unde tempus per- 
petuum aeternitas est, ßnüum aetas est, stoundutn speeiee innumerabüee. Si eui 
vero libeat, tempus. pro mobilium duratione usurpare, non inßtiabimur. 

2) Ebendas. (GfbÖrer, pag. 81): Quam bene etiam temporis eognito motui 
alligata sit, et quam feUciter, inde constare potest — hie enim sufficit nobis, mon- 
strasse loeum — quia tempus quod aequalis et catholica mensura motu* est; non 
potest aUter pereipi, ßngwe, quam per motum, sive naturalüer a eireuiüone solis, 
vel lunae, vel aUerius astri, sive artißciaUter a ßuxu aquae, vel pulverte, vel eon* 
versione punctorum, de quibus nullum non sensibiliter ab alio et a se ipso varium 
non eoncipimu8. Et pro satis comperto habemus, nusquam motus quantitati et 
figurae geometrice aequali, physxoe aequalem motum, moletn atque ßguram respondere. 



188 HI. Bruno'» Psychologie. 

Erde um sich selbst oder die Bewegung des Mondes um die 
Erde zum Grundmaasse der Zeit nehmen, so ist diese Zeit, als 
etwas «rein Irdisches, Terrestrisches, nur für den Planeten Erde 
Gültiges, d. h. nur vom Lebewesen Mensch Aufgestelltes, im 
Hinblick auf die zahllosen andern Massstäbe, welche andere 
Lebewesen auf andern Gestirnen mit andern Umlaufezeiten 
haben werden, etwas ganz Relatives, ja rein Sub- 
jectives. 

2) Vergleicht man nun diese zahllose Menge der auf zahl- 
losen Gestirnen von zahllosen Arten von Lebewesen producirten 
Gattungen von Zeit wechselweise unter sich und mit dem in 
ewigem Entwickelungsflusse begriffenen Weltganzen, so resultirt 
daraus ein von aller Bewegung der Gestirne und der Lebewesen 
losgelöstes Substrat der subjectiven Zeitvorstellungen, es ist dieses 
die absolute Zeit. 

3) „Da in Wahrheit alle Kreisläufe, die von uns gesehen 
und durch unsere Astronomen am Himmel verificirt werden, 
nur mit Usurpirung dieses Namens Kreisläufe genannt und nach 
den mathematischen Grundgesetzen in Treuen nicht für Kreise 
gehalten werden können, so giebt es für die tägliche Bewegung, 
werde dieselbe nun allein nach der Sonne, oder auch nur nach 
der Bewegung der Erde, oder nach beiden zugleich, oder nach 
diesen oder jenen Umläufen bemessen, schlechterdings keine 
feste Regel, noch kann eine solche gar geometrisch sein 1 ). u So 
etwas wie objective Zeit kommt demnach in der Natur gar 
nicht vor. 

2. 

Bruno's Kritik der Sinnesthätigkeit. 

Kein Philosoph vor Berkeley oder Kant hat die Unzuläng- 
lichkeit der menschlichen Sinne, uns ein volles Abbild der 
Welt zu vermitteln, schärfer erkannt und öfter betont, als Bruno. 

„Als ich noch ein Knabe war," erzählt Bruno im Jahre 
1591, „da glaubte auch ich, es gebe jenseits des Vesuvs nichts 
mehr, wie mir denn eben Alles, was sich unsern Sinnen ent- 



1) S. die Stelle oben pag. 184, Anm. 4. 



III. Brunö's Psychologie. 189 

zieht, für ein Nichts galt 1 )." Noch deutlicher spricht sich Bruno 
über die Phänomenalität der Gesichtsempfindung aus, wenn er, 
ganz kantisch, erklärt: „Wir sehen mit dem Auge das Licht, 
die Farbe und die Bewegung, das Wahre hingegen vermögen 
wir mit dem Auge nicht zu sehen; es wohnt auch dem Auge 
überhaupt nicht die Kraft inne, vermöge welcher wir urtheilen 
könnten: dieses sei die wahre Farbe und das wahre Licht, und 
im Stande wären, dieselben von Erscheinungen derselben Art 
zu unterscheiden 2 ). u 

Diese Einsicht hat nun aber Bruno nicht verfährt, die ganze 
Fülle der Erscheinungswelt in wesenlose Phantome des weltdich- 
tenden Geistes aufzulösen oder zu unzuverlässigen Schattenbildern 
eines über alle Sinneswahrnehmung erhabenen „Dinges an sich" 
zu entwerthen. Bruno erklärt: „Die Sinne belügen uns nicht, 
sie sagen uns nicht das Gegentheil der Wahrheit, sie sagen 
uns nur nicht die volle Wahrheit. Wir sehen in Wahr- 
heit nicht die Wirkungen und die wahren Gattungen der Dinge 
oder die Substanz der Ideen, sondern die Schattenbilder, die 
Spuren und die Gleichnisse jener 3 ). Nun wäre es aber eine 
Thorheit und deeshalb gemein, zu glauben, es gebe keine andern 
Lebewesen, keine andern Vernunftarten, als diejenigen, welche 
sich unsern Sinnen darbieten 4 ). Wir müssen uns stets er- 
innern, dass das Princip der Bewegung in Allem die Seele ist 
und dass es bei weitem mehr Gattungen der Sinnesthätigkeit, 
der Bewegung und der Apperception giebt, als der Mensch in 
sich selber erfährt 5 )." 



1) De Immenso, Lib. II, cap. 8, pag. 232: ita et ego puer sie nihil ultra 
Vesuvium montem esse credidi, ut nihil quod sub sensum caderet, habebatur. 

2) De Tbifl. Minimo, pag. 60: Oculo lucetn, eolorem atque motum vide- 
mus, verum autem oculo videre non possumus: neque et enim in oculo vis ea sita 
est, qua hunc esse verum eolorem lueemque veram dijudieemus et ab apparentibus 
ejusmodi distinguamus. 

3) Degli Eroici Fürori (Wagker II, 426): . . . veggiamo non gli effetti 
veramente, e le vere speeie de le cose y o la sustanza de le idee, ma le ombre, 
vestigi e simulaeri di quelle, 

4) De Immenso, Lib. IV, cap. 7, pag. 384: stultum quippe et hoc vulgare 
est quod non alia eredantur animaUa, non alii sensus , non alias inUXUgentiae 
quam quae nostris objiciantur sensibus. 

5) Ebendas. , Lib. V , cap. 1 , pag. 462 : Hie etiam meminisse debemus 



190 * HL Bruno'» Psychologie. 

Am ausführlichsten legt Bnino seinen transcendental-re&listi- 
«chen Standpunkt dar in seinem Lexicon metaphysischer Be- 
griffe. Der ganze Artikel „Unterschied" handelt nur von der 
unendlichen Verschiedenheit der Sinnesorganisation. „Wie es 
unter den einzelnen Arten der Lebewesen eigentümliche Ver- 
schiedenheiten giebt, so sind auch die Arten der Sinnesthätigkeit 
und des Denkens verschieden. So empfinden und denken im Reiche 
der vernunftbegabten Lebewesen die verschiedenen Gattungen 
der Geister auf eine je nach der Verschiedenheit ihrer Organi- 
sation verschiedene Weise; so sind stach die Formen der Sinnes- 
empfindung und der Erkenntniss je nach der Verschiedenheit 
der Sinne verschieden; so freilich vermögen wir auch andere 
Gattungen der- Sinne, als diejenigen sind, mit welchen wir uns 
begabt wissen, begrifflich nicht zu bestimmen. Denn es ist eine 
Thorheit, wenn Manche den Menschen als mit sämmtlichen 
Sinnen begabt darstellen. Denn wenn der Maulwurf 1 ) über die 
Anzahl der Sinne urtheilen wollte, wie könnte er sich irgend- 
welchen Begriff vom Gesichtssinne verschaffen, wie vermöchte 
er denselben als einen von den übrigen Sinnen verschiedenen 
Sinn zu bestimmen? Wie durch Leibesgrösse und Körpergewicht, 
so kann der Mensch auch durch Reichthum an Sinnen von der 
Mehrzahl der andern Lebewesen übertroffen werden. Denn ver- 
möge welches Sinnes lagert die Ameise Waizen ab, ohne dass 
derselbe in der unterirdischen Höhle Keime treibt? Man ant- 
wortet thörichterweise: aus dem natürlichen Instinct! Wir 
halten jenen Instinct für eine Sinnesgattung, oder, was dasselbe 
ist, für einen bestimmten Grad oder Zweig der Intelligenz, dessen 
wir verlustig gehen und welchen die Ameisen in der Verwal- 
tung ihres Staates und in der Beschaffung des zu ihrem Leben 
Nothwendigen klüger und nach bestimmten, in ihrer Art vor- 
züglichsten Einrichtungen weit besser handhaben, als es der 
Gattung Mensch in ihrer Art jemals gelingt 2 ). a 



animam esse in omnibus motus principium, et plure* omnino esse sensus atque 
motionis et adtaetus speeies quam homo experiatur in se ipso. 

1) In seiner nach alter Vorstellung vermeintlichen Blindheit. 

2) Summa terminor. metaphys. in der 2. Ausgabe von Marburg, 160. > 
(Gprörer, pag. 508—509). Differential 



III. Bruno's Psychologie. 191 

Bruno erklärt: jedes Weltbild ist nur das bestimmte Pro- 
dukt einer bestimmten Sinnesorgamsation und hat desshalb nur 
relativen Anspruch auf absolute Wahrheit. „Desshalb werden 
denn auch Menschen von weiterem Horizonte im Gespräch nie 
sagen: dieses riecht gut, dieses schmeckt gut, tönt gut, hat ein 
schönes Aussehen, sondern werden hinzufügen: mir, jetzt, zu- 
weilen 1 )." Aus der reinen Phänomenalität unserer Vorstellungs- 
bilder folgert dann Bruno die Unanwendbarkeit der Zahlen- 
und Massverhältnisse unserer irdischen Natur auf diejenigen 
Ereise der kosmischen Natur, die über den Horizont unserer 
Sinne hinausragen. „Denn nichts kann für den Weisen sicherer 
sein, als dass die Zahlen Verhältnisse, sowie die Zähl- 
methoden ebenso verschieden sind, als der Zählenden Finger, 
Köpfe und Ziele nicht dieselben sind. Desshalb wird dasjenige, 
was auf die Zahlenverhältnisse der allgebärenden (kosmischen) 
Natur passt, nie und nimmer auf unsere Zahlen- und Mass- 
verhältnisse Anwendung finden können. Desshalb werden denn 
auch die Unterschiede der Gleichheit und Ungleichheit, welche 
uns spärlich, geringfügig, äusserüch und verschwindend vorkom- 
menj kaum und in irgend einer Beziehung etwa« mit jenen Un- 

In singulis vero generibus sicut proprio* sunt differentiae, ita et afferentes 
sunt pereipiendi seu inteüigendi modi, sicut in gener e animaUum rationalium diversae 
daemonum speeies diferenter pro complexionum dtferentia cognoseunt, sicut et pro 
sensuum diversitate differentes sunt sensibües Cognitionen , sicut alias sensuum speeies 
ab his, quibus nos praeditos esse cognosemus, deflnire non possumus, StuÜe enim 
hominem sensibus omnibus praeditum deßniunt nonnulli. TcUpa enim si de sen- 
suum numero judicet, qui fieri potest , ut de sensu Visus aliquid apprehendat , ut 
alium a reliquis sensum esse possit deßnire, Homo ergo sicut magnitudine et 
momento , ita et multitudine sensuum ab aliorum animantium plurimis potest su- 
perari. Quo enim sensu castrat formica triticum, ne in cavea subterrestri germina 
emittat? Respondent stupide: instinetu naturae! Nos illum instinetum esse sensus 
speciem, vel (quod idem est} int ellig entiae quendam (quo nos orbati sumus) gra- 
dum seu ramum colligimus, quo in suae reipublicae administratione inque eompa- 
randis vitae necessariis prudentius et deßnitis quibusdam iisque optimis in suo 
genere ordinibus aguntur qudles humana speeies in suo gener e nunquam adsequetur, 
dum individuorum singula palantia optimum illud perquirendo nunquam vel raro 
pro suo genere eontigerunt. 

1) De tripl. min., Lib. II, cap. 3, pag. 58 : circumspectius enim loquentes 
non dicent : hoc bene ölet , hoc bene sapit, bene sonat, pulchrum habet speeimen, 
sed addet: *»«/«, nunc t aliquando. 



192 in. Bruno's Psychologie. 

begreiflichkeiten gemeinschaftlich haben können 1 ). Denn zwi- 
schen dem Endlichen und dem Unendlichen giebt es kein Ver- 
hältniss *). a 

Wo bleibt nun aber nach alledem die Wahrheit? „Die 
Wahrheit, antwortet zum Schlüsse Bruno, ist allerdings, wenn 
auch nur zu einem geringen Theile, auf Seite der Sinne, aber 
nicht i n den Sinnen. Aber, fragt dieser Versicherung des Philo- 
theus gegenüber Elpenor: Wo ist denn schliesslich die Wahrheit? 
Und Phüotheus (Bruno) antwortet darauf: . Im Sinnesobject als 
in einem Spiegel, im Verstand in der Form der Argumentation 
und der Dialektik, im Intellect in Form des Princips und der 
Schlussfolgerung, im Geiste als in der ihr eigenen und lebendigen 
Form 3 ). u 

Mit solchen Aussprüchen von weitreichender Tragweite er- 
öffnet Bruno die Weltanschauung des transcendentalen Realis- 
c gus^ Wie mächtig der Nolaner der modernen Sinneökriti£~Tör- 
gegriffen hat, ergiebt sich aus folgender Stelle aus Du Prel's 
neuester Schrift: Die Planetenbewohner (Leipzig, Günther, 1880), 
pag. 118: 

„Da uns unsere Sinne nachweisbar nur über einen vielleicht 
sehr geringen Theil der Aussenwelt orientiren, und durchaus 



1) De tri pl. Min., pag. 72 : Et plane insensatissimi capitis estputare ita natu- 

ram numerorum habere differentias sieut et nos Sapientibus enim ülud 

certissimum esse debet, quod tum numeri tum numerandi rationes ita sunt divers*, 
sicut et numerantium digiti, eapita et intentionum conditio non est eadem. Ea 
igitur quae ad naturae omniparentis numeros eonveniunt , ad nostros non unquam 
poterunt numeros oonvenire. Aequalitatis porro inaequalitatisque diferentiae quae 
nobis paucae, tenues, extraneae atque nullae sunt conspicuae, vix quippiam cum 
incomprehensibüibus iUis poterunt habere commune. 

2) Summa terminoe. metaphysicor. im Anhang: De Deo seü Mente 
(Gfrörer, pag. 492): Comparatio: Mitto quod inter ßnitum et inßnüum nutta est 
proportio. 

3) De l'Infinito (Wagner II, 18): 

Filoteo. Onde la verita, come da un debile principio, e da li sensi in 
picciola parte, ma non e ne li sensi. 

Elpenor. Dove dunque. 

filoteo. Ne Voggetto sensibäe, come in un speechio; ne laragioneper 
modo di argumentazione e discorso; ne Vmteüetto per modo di principio o di eon- 
clusione ; ne la mente in propria o viva forma. 



III. Bruno's Psychologie. 193 

nicht für alle irdischen Kräfte die correspondirenden Sinne orga- 
nisch gegeben sind, so ist auch die Annahme solcher materieller 
Wesen logisch zulässig, welche von unsern Sinnen nicht wahr- 
genommen werden könnten, weil sie in einem Medium leben, 
das gerade von den für uns unerkennbaren Kräften erfüllt ist. 
Wenn wir Sinnesorgane haben für jene Bewegungsarten des 
Aethers, auf welchen Wärme und Licht beruhen, warum sollte 
es nicht Wesen geben, welche auch für die andern, nur von 
unsern wissenschaftlichen Apparaten nachweisbaren Bewegungs- 
arten des Aethers Sinnesorgane hätten, für Electricität, Magnetis- 
mus und chemische Verwandtschaft? Solche ätherische und doch 
materielle Wesen, deren Medium die unsern Sinnen verschlossene 
Welt wäre, mtissten für uns unsichtbar sein. Die Möglichkeit 
solcher Wesen zu negiren, käme der Behauptung gleich, dass 
in der Natur nur solche Bewegungsarten denkbar wären, die 
Wärme, Schall und Licht erzeugen oder auf unsern Tastsinn 
wirken, — eine Behauptung, welche durch wissenschaftliche 
Apparate längst widerlegt ist. u 

3. 
Bruno's Lehre vom Instinkt. 

Bruno's Lehre von der Immanenz Gottes führte consequenter- 
weise zu der Lehre von der Allgegenwart der Vernunft. „Die 
Vernunft und alles Denkvermögen ist nicht irgendwo, gleichsam 
an einem Orte, sondern als die Form im Subjekt. Die Ver- 
nunft aber, welche die Universalsubstanz und die Ursache jeg- 
licher Erkenntniss in allem und jedem ist, ist die eine, überall 
ganze Substanz oder Wesenheit, ganz wie die Seele im Körper *). a 
Infolge dessen giebt es keinen qualitativen, sondern nur einen 
quantitativen Unterschied zwischen der Pflanzen-, Thier- und 
Meiischenseele 2 ). Und da nur die höhere Organisation über 

1) Summa term. metafh. (Gfrörer, pag. 513): Intellectue et omnis po- 
tentia cognoscitwa non est alicubi, tamquam in loeo, sed tamquam forma in sub- 

jecto. Intellectus vero y qui est universalis substantia et causa univereae oogniHonis 
in omnibus et singulis, est una substantia seu essentia ubique tota, sieut anima in 
corpore. 

2) Cabala del Caballo Pbgaseo (Wagner II, 277). Vgl. oben 
pag. 31. 

13 



194 HI. Bruno's Psychologie. 

das quantitative Verhältnis zwischen der Thier- und Menschen- 
seele den Ausschlag giebt 1 ) , „so kann man unter Pferden , Ele- 
phanten und Hunden einzelne Individuen beobachten, welche 
beinahe Menschenverstand zu haben scheinen und auch sicherlich 
vielen Menschen an Verstandes- und Urtheilskraft voraus sind *)." 
Oder „mit welchem Verstände sammelt die Ameise Waizen auf 
Lager, damit derselbe nicht in der unterirdischen Höhle aus- 
keime? Die dumme Antwort lautet: aus angeborenem Instinkt! 
Wir aber halten diesen Instinkt för eine Gattung des Verstandes 
oder, was dasselbe , für einen Grad oder Zweig der Vernunft, 
dessen wir verlustig gehen 3 ). Natürliche Instinkte sind wie 
andere derartige Bezeichnungen Wörter ohne Sinn 4 ). Mit Aus- 
drücken wie Instinkt der Natur wollen die Dummköpfe nur 
ihren eigenen überaus crassen Blödsinn decken 5 ). Wenn sogar 
die Steine allerlei wunderbare Kräfte äussern, wenn sie sich zu- 
sammenziehen, ausdehnen, zusammenballen, so kann das nur 
der Pöbel sophistischer Ignoranten Instinkt nennen 6 ). a 

Wie hoch steht Bruno mit dieser Einsicht über der be- 
schränkten Behauptung eines Descartes und Leibnitz, welche 
jeden Zusammenhang der Thier- und Menschenvernunft leug- 
neten ! „Wenn Leibnitz die „consecutiones bestiarum" für blosse 



1) Vgl. oben pag. 32. 

2) De Immenbo, Lib. IV, cap. 11, pag. 404: Inter equos, elephantos et 
canes enim videre est eos qui ad sapientiam humanam propius decedere videntur, 
et prae multis hominibus eerte sunt vegetioris sensus et argumenta 

3) Summa term. metaph. (Gfrörer, pag. 509) : Quo enim sensu fermiea 
■eastrat tritieum, ne in eavea subterrestri germina emittat? Respondent stupide,, 
instinetu naturae! Nos illum instinetum esse sensus speeiem, vel fquod idetn est) 
inteüigentiae quendam (quo nos orbati sumus) gradum seu ramum eoUigimus. 

4) Cena de le ceneri (Wagneb I, 187): instinti naturali et obre eose 
signißeate per voci senza sentimento, 

5) De Immenso, Lib. V, cap. 12, pag. 501: persequendo conveniettiia et 
eonservando praesentia eontrahuntur flapidesj, extenduntur, eonglobantur , vires 
exereent admirabilis, quas stupidorum vox naturae instinetum appellando, nihil plus 
sub hoe eomprehendi nomine volunt, quam quod ipsorum amentia erassiesima 
deßniat. 

6) Ebendas., Lib. V, cap. 1, v. 100—102, pag. 456: 

Cum et quidam lapides sensu, ae virtute vigeseant 
(Quam instinetum vocitat talparum turba sophantum) . . . 



IV. Bruno's Kunstphilosophie. 195 

Gedächtnisssache, d. h. Associationsproduct, erklärt, den Thieren 
den Verstand, also die Erkenntniss der Identität, Nichtidentität 
und des Causalnexus, abspricht, so scheint mir dies einer Wider- 
legung ebenso unwürdig, als wenn Descartes sie fiir blosse Ma- 
schinen erklärt, während der Mensch unter allen Erdenbewoh- 
nern allein eine „substcvntia cogitans" in seiner Zirbeldrüse 
herumtragen soll. Dergleichen offenbar tendenciös erfundene, 
widernatürliche Dogmen richten sich selbst. Die Thiere haben 
Verstand 1 ). 44 Vgl. jetzt über den Instinkt auch Häckel, Popu- 
läre Vorträge aus dem Gebiete der Entwicklungslehre . Heft 1 
(1878), pag. 110—113; 163—165. Die mit Bruno's und der 
modernen Auffassung übereinstimmenden Ansichten des griechi- 
schen Alterthums stellt zusammen Schopenhauer, Ueber die 
vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde (Ges. 
Werke, Bd. 1, pag. 76). 



IV. 
Bruno's Kunstphilosophie. 



»■* 



„Die Bildnerin Natur ist die Quelle und Substanz aller 
Künste 2 ). Denn die Natur ist selbst eine lebendige Kunst und 
gewissermaassen eine lebendige Kraft der Seele 3 ). Die Kunst 
ist die Nachahmerin der Natur 4 ) , sie folgt der Natur auf dem 
Fusse nach 5 )." 



1) Liebmann, Zur Analysis der Wirklichkeit, 2 pag. 504. Vgl. dort auch 
die in der Anmerkung reichlich gespendeten Belege aus Leibnitz' Werken. 

2) De Umbris Idearum. Ars Memoriae (Gfrörer, pag. 328): . . . dae- 
dalam naturam artium omnium fontem atque substantiam. 

3) Acrotismus. De Natura (Gfrörer, pag. 28): Ipsa est ars vivens et 
quaedam mtelketualis animae potestas. Vgl. auch De Immenso, Lib. XII, 
cap. 10, v. 11—12, pag. 649: 

Atqui materiet proprio e gremio omnia fundit: 
Interior siquidem natura est ipsa fabrefaetor^ 
Are vivens, virtus mira quae praedita mente etc. 

4) De Umbris Idearum. Ars Memoriae (Gfrörer, pag. 331): et univer- 
saliter ars aemulatrix a natura. Ebenso De Monade, pag. 71 unten: Ars 
naturae aemulatrix. 

5) Ebendas. (Gfrörer, pag. 333): ars quae ejusdem (naturae) pedissequa. 

13* 



196 rV\ Bruno's Kunstphilosophie. 

Das Ziel aller Kunst ist nun aber das Schöne. Worin be- 
steht dasselbe? Wie und wodurch entsteht Schönes? Bruno 
antwortet: Durch den Einklang der Gegensätze! „Denn wenn 
du genauer zusiehst, so hätte diese Körperwelt, bestände sie aus 
lauter einander ähnlichen Dingen , niemals schön sein können. 
Nur in der Verbindung von Mannigfaltigem und Verschiedenem 
offenbart sich die Schönheit und gerade in der Mannigfaltigkeit 
des Ganzen besteht die Schönheit 1 ). Die absolute Einförmigkeit 
erzeugt Ekel 2 ). Es ist nun aber eben die Eigentümlichkeit 
der Natur, sich in Gegensätzen zu bewegen 3 ). Wo aber Gegen- 
satz herrscht, da ist Aktion und Reaktion, ist Bewegung, ist 
Verschiedenheit, ist Vielheit, ist Ordnung, sind Grade, ist Stufen- 
folge 4 ) u und, können wir nach den vorhergehenden Sätzen hin- 
zufügen, ist Harmonie, ist Schönheit. 

Die Schönheit wird nun aber in verschiedener Weise em- 
pfunden. „Die Einen empfinden die Harmonie mehr durch die 
Augen, die anderen im geringeren Maasse durch die Ohren 5 )." 
Diese Verschiedenheit der Empfindungsweise bedingt auch eine 
Verschiedenheit des Schaffens. Trotz der grössten Wahlverwandt- 
schaft zwischen Malern, Dichtern und Philosophen produciren 
dieselben doch nicht auf dieselbe Weise. „Der erste und her- 
vorragendste Maler ist die Einbildungskraft, der erste und her- 

1) Ebendas. (Gfrörer, pag. 305): Comidera mundutn istum corporeum 
partibus ejus omnino similibus existentibus, formomm esse non potuisse. In va- 
riorum ergo connexione partium pulchritudo manifettatur et in ipsa varietate 
totius pulchritudo consistit. Vgl. auch Eroici fürori (Wagner II, 348): Non 
e armonia e concordia, dov 1 e unitä, dov' un essere vuol assorbir tutto teuere, 
ma dotf e ordine et analogia di cose diverse ; dov' ogni cosa serta la sua natura. 

2) Ebendas. Ars Memoria* (Gfrörer, pag. 341): Sensibus omnibus uni- 
formitas nauseam parit. 

3) De Immenso, Lib. VII, cap. 10, pag. 605: Age ergo, respiee natura* 
vuUum. Vide ut ubique et undique contraria conspirent, concordent, uniantur. 
Comprende ut nusquam eontrariorum unum sine aUro consistere possit. Vgl. auch 
De la Causa (Wagner I, 291 ; Lasson, pag. 135—136). 

4) Spaccio della Bestia trionfante (Wagner II, 122): dove e la con- 
trarietä, e Vazione e reazione, e il moto, e la diversitä, e la moltitudine, £ tordine y 
son li gradi, e la successione. 

5) De Compositione Imaginum, pag. 102: Istis verum harmonia satius 
per oeulos, Ulis vero leviori quadam sorte per aures ingeritur. 



IV. Bruno's Kunstphilosophie. 197 

vorragendste Dichter ist ein Antrieb der Denkkraft oder ein 
entweder angeborner oder nachher eingepflanzter Enthusiasmus, 
durch welchen sie als von einem göttlichen oder einem diesem 
ähnlichen Anhauch dazu gereizt werden, etwas Ausgedachtes 
passend darzustellen. Das Princip ist bei allen ganz das näm- 
liche, desshalb sind die Philosophen gewissermaassen Maler, die 
Dichter gewissermaassen Maler und Philosophen, und die Maler 
gewissermaassen Philosophen und Dichter; auch lieben und be- 
wundern sich wahre Dichter, wahre Maler und wahre Philo- 
sophen gegenseitig. Denn es giebt keinen Philosophen, der nicht 
dichtete und malte, wesshalb denn jenes Wort (des Aristoteles) 
nicht verwegen ist: „„Denken heisst: Bilder der Einbildungs- 
kraft entwerfen und das Denken ist entweder Einbildungs- 
kraft oder nicht ohne dieselbe. ua Es giebt, keinen Maler, der 
nicht gewissermaassen dichtete und philosophirte , auch giebt es 
ohne ein gewisses Philosophiren und Malen keinen Dichter. 
Desshalb richte der Maler sein Hauptaugenmerk auf die Ein- 
bildungskraft, der Dichter auf die Denkkraft und der Philosoph 
auf die Vernunft. Diese Kräfte sind aber so ineinander ver- 
schlungen, dass die Thätigkeit der einen nicht von der Thätig- 
keit der andern abgelöst werden kann. Wie niui diese Betrach- 
tung zu neuen Forschungen, Entdeckungen, Eintheilungen und 
Auffassungen Raum gebe, erwäge selbst ! ). a 



1) Recens et completa ars reminiscendi (Gfrörer, pag. 529): Frimw 
praeeipuusque pietor est phantastica virtus, praeeipuus primusqut poeta est in cogi- 
tativae virtutis adpulsu vel connatus vel inditus noviter quidem enthueiasmus quo 
vel divino vel huic simüi quodam aflatu ad comenienter aliquid praesentandum, 
excogitatum coneitantur. Jdem ad utrutnque proximum est principium, ideoque 
philosophi sunt quodammodo pictores atque poetat pictores et phüosophi, pictores 
phüosophi et poetae, mutuoque veri poetae, veri pictores et veri phüosophi se diU- 
gunt et admirantur; non est enim philosophue, nisi qui fingit et pingit, unde non 
fernere ülud: einteiligere est phantasmata speeulari et intellectus est vel phantasia, 
vel non sine ipsa" Non est pietor nisi quodammodo fingat et medttetur , et sine 
quodam meditatione atque pietura poeta non est. Fhantasiam ergo pietor ein, cogi- 
tativam poetam, rationem philosophum primum intelligito, qui quidem ita ordinantur 
■et eopulanturj ut actus consequentis ab acta proeedentis non absoVoatur. Quomodo 
haec eontemplatio ad inquirendum, inveniendum, disponendum et judicandum faciat, 
ipse eonsidera. Die Stelle aus Aristoteles ist wohl De Memoria (ed. Bekker, 



198 IV. Bruno's Kunstphilosophie. 

Höchst merkwürdig, weil seinem Zeitalter auch darin um 
zwei Jahrhunderte überlegen, ist Bruno's im Kampf gegen Ari- 
stoteles gewonnene Einsicht, dass die Beobachtung aller Poetiken 
und Regeln keinen Dichter hervorzubringen vermag, wohl aber 
aus den Werken der echten Dichter die Poetiken und Regeln 
abstrahirt werden. Die Entwicklung dieser, erst wieder im 
Kampf der Schweizer Bodmer und Breitinger gegen Gottsched 
zurückeroberten Grundlage aller naturgemässen Poetik ist in 
Bruno's Dialog vom „Heroischen Enthusiasmus" so 
meisterlich durchgeführt, dass es schade wäre, davon nur einen 
abstrakten Auszug zu geben. Es folge desshalb das Gespräch 
in seiner ganzen Fülle. 

Cicada. Sagt, was versteht er unter denjenigen, die sich der 
Myrthen und Lorbeeren rühmen? 

Tansillo. Es rühmen sich und können sich der Myrthen die- 
jenigen berühmen, welche von Liebe singen; diesen winkt, 
wenn sie sich anständig benehmen, der Kranz von jener 
der Venus geweihten Pflanze, jener Göttin, deren Leiden- 
schaft sie kennen. Der .Lorbeeren mögen sich diejenigen 
berühmen, welche Heldenthaten dadurch würdig besingen, 
dass sie die heroischen Gemüther durch speculative und 
Moralphilosophie erziehen, oder dadurch, dass sie dieselben 
wahrhaft verherrlichen und gleichsam als Musterbeispiele 
aller politischen und bürgerlichen Thätigkeit hinstellen. 

C i c. Also giebt es mehr Gattungen von Dichtern als von Kränzen ? 

Tans. Nicht allein so viele, als es Musen giebt, sondern noch 
bei weitem viel mehr; weil, wenn es auch bestimmte Genres 
giebt, es desshalb noch keineswegs bestimmte feste Gattungen 
und Arten menschlicher Geister zu geben braucht. 

Cic. Es giebt gewisse Regelkrämer der Poesie, die nur zur 
Noth den Homer als Dichter gelten lassen, während sie den 
Virgil, Ovid, Martial, Hesiod, Lucrez und viele andere unter 
die Versemacher rechnen, indem sie dieselben nach den 
Regeln der Poetik des Aristoteles prüfen. 

Bd. I, pag. 449 b unten), cap. 1: vohv ovx icriv avev (favxda^axog. 
Vgl. dazu Schopenhauer, Ueber die vierfache Wurzel des Satzes vom zu- 
reichenden Grande, § 28 (Werke, Bd. I, pag. 104). 



IV. Bruno's Kunstphilosophie. 199 

Tans. Du weißst doch, mein Bruder, dass das wahre Kröten 
sind. Denn sie achten nicht darauf, dass jene Regeln haupt- 
sächlich dazu dienen, um die homerische Poesie oder irgend 
eine andere specieü zu charakterisiren; dass sie nur dazu 
da sind, zu zeigen, dass es einmal einen Heldendichter gab, 
wie Homer einer war, und nicht dazu, andere zur Dicht- 
kunst anzuleiten, die ja mit andern Adern, Fertigkeiten und 
Leidenschaften in andern Genren ebensogrosse oder fast 
so grosse oder sogar noch grössere Dichter sein könnten. 

Cic. Gerade so wie Homer in seinem Genre nicht dadurch 
sich als Dichter bewährt, dass er bestimmte Regeln be- 
obachtet, sondern er ist vielmehr die Ursache dieser Regeln, 
die nur denjenigen dienen, deren Anlage sich mehr zur 
Nachahmung als zur Erfindung hinneigt, wie diese Regeln 
denn auch von demjenigen gesammelt worden sind, der 
selbst auch nicht die Spur Dichter war, dagegen die Regeln 
jener einen Qattung, nämlich der homerischen Poesie, zu 
sammeln verstand, und zwar zu Nutz und Frommen eines, 
der nicht ein anderer Dichter, sondern nur einer wie 
Homer und nicht aus eigener Muse, sondern als der Affe 
der Muse Anderer zu werden Lust hätte. 

Tans. Du ziehst den guten Schluss, dass die Poesie nicht aus 
den Regeln hervorwächst, wenigstens nur im alleräussersten 
Zufall; sondern die Regeln aus den Poesien abgeleitet wer- 
den: und desshalb giebt es ebensoviele Genres und Gatr 
tungen wahrer Regeln, als es Genres und Gattungen wahre- 
Dichter giebt. 

Cic. Woran erkennt man denn eigentlich die Dichter von 
Gottes Gnaden? 

Tans. An dem Vortrag ihrer Verse; daran, dass es ihnen ge- 
lingt, uns durch ihren Gesang entweder zu entzücken oder 
zu nützen, oder zu erfreuen und zu nützen zugleich. 

Cic. Wem sind alsdann die Regeln des Aristoteles zu etwas 
nütze? 

Tans. Dem, der sonst nicht, wie Homer, Hesiod, Orpheus und 
andere, auch ohne die Regeln des Aristoteles dichten könnte 
und, weil er keine eigene Muse besitzt, nun gern mit der- 
jenigen Homers schön thun möchte. 



200 IV. Bruneis Kunstphilosophie. 

Cic. So haben also denn gewisse Hauptpedanten unserer Zeiten 
Unrecht, wenn sie aus der Zahl der Dichter von Gottes Gnaden 
einige ausschliessen , weil dieselben entweder keine Fabeln 
und Metaphern bringen, welche denjenigen Homers und 
Virgils ebenmässig wären, oder aber weil dieselben die 
Bücher und Gesänge ihrer Gedichte nicht nach Principien 
einrichten, welche denen jener Dichter entsprächen; oder 
weil sie nicht den Brauch beobachten, ihren Gedichten eine 
Anrufung der Musen vorauszuschicken; oder weil sie eine 
Geschichte oder Fabel mit der andern verknüpfen, oder weil 
sie ihre Gesänge mit einem Epilog schliessen, in welchem 
sie das Vorgetragene noch einmal wiederholen und auf das, 
was kommen soll , vorbereiten , oder sonst auf tausenderlei 
andere Arten von den Verboten und Vorschriften jener 
aristotelischen Poetik sich abzuweichen erlauben. Daher 
hat es dann den Anschein, als ob sie zu verstehen geben 
wollten, es brauchte ihnen nuc einzufallem, so würden sie 
die Dichter von Gottes Gnaden sein und es dazu bringen, 
wonach jene sich nur bemühen: womit allem sie denn 
eben beweisen, dass sie nichts als elende Würmer sind, die 
nichts Gutes hervorzubringen vermögen, sondern nur dazu 
geboren sind, die Bestrebungen und Arbeiten Anderer zu 
benagen, zu beschmutzen und zu verstänkern; und, da sie 
nicht im Stande sind, sich durch eigene Kraft und Geist 
berühmt zu machen, sich per fas et nefas, durch Anderer 
Laster und Irrthum vorwärts zu bringen *)." 



1) Degli Eroici Furori, Theil I, Dial. 1, Anfang (Wagner II, 314 
bis 315): 

Cieada. Dite: ehe intende per quei, ehe si vantano di mirti et allori? 

Tan e Mo. Si vantano e poseono vantarei di mirti quei, ehe eantano cFamori; 
a li quali, ee nobilmente si portano, tocea la corona di tal pianta coneeerata 
a Venere, da la quäle rieonoseono il furore. Foeeono vantarei d f allori quei, 
ehe degnamente eantano eoee eroiclie^ imtituendo gli animi eroici per la filo- 
toßa epeculativa e morale y o veramente celebrandoli e mettendoli per epeeohio 
eaemplare a li gesti politiei 4 eivili. 

Cic. Bunque eon piu tpecie di poeti e di Coronet 



IV. Bruno's Geschichtsphilosophie. 201 

V. 
Bruno's GeschichtsphilosopMe. 

Bruno's Geschichtsbetrachtung wurzelt in ethnologischen 
Ueberzeugungen. Den einheitlichen Ursprung des Menschen- 



Tun«. Non solamente quante son le Muse, ma e di gran numero di vantaggio ; 
per ehe, quantunque sieno certi geni, non possono perb esser determinate eerte 
specie e tnodi otingegni umani. 

Cic. Son certi regolisti di poesia, ehe a gran pena passano per poeta Omero, 
riponendo Virgilio, Ovidio, Marziale, Esiodo, Lucrezio et aUri moUi in nu- 
mero di versißeatori, esaminandoli per le regole de la poetica d'Aristotele. 

Tan e. Sappi bene, fratel mio , ehe questi eon vere bestie: per ehe non consi- 
derano, quelle regole prineipalmente eervir per pittura de l'omeriea poesia o 
altra simile in partieolare , e ton per mostrar tal volta un poeta eroieo tal, 
quäl fu Omero, e non per instituir altri, ehe potrebbero esser e eon aUre 
vene, arti e furori, eguali, simili e maggiori di diversi geni. 

de. St ehe, eome Omero nel euo gern non fu poeta, ehe pendesse da regole, 
ma e causa de le regole, che serveno a coloro, che son piü atti ad imitare 
ehe ad inventare, e son statt raccolte da eolui, che non era poeta di sorte 
aleuna, ma che seppe raeeogliere le regole di quelV una sorte, eioe de l'ome- 
riea poesia, in servigio di qualcuno, che volesse doventar, non un altro 
voeta, ma un eome Omero, non di propria Musa, ma schnia de la Musa 
altrui? 

Tan s. Conchiudi bene, che la poesia non nasce da le regole, se non per legge- 
rissimo aeeidente; ma le regole derivano da le poesie: e perb tanti son geni 
e specie di vere regole, quanti son geni e speeie di veri poeti. 

Cic. Or eome dunque saranno eonosciuti li veramente poeti ? 

Tans. Dal canjar de 1 versi ; eon questo, che eantando o vegnano a düettare, 
o vegnano a giovare, o a giovare e düettare insieme. 

Cic. A chi dunque serveno le regole d Aristoteles 

Tans. A chi non potesse, eome Omero, JEsiodo, Orfeo et aUri, poetare senza le 
regole a* AristoteU, e che, per non aver propria Musa, volesse far a Vamore 
eon quella d' Omero. 

Cic. Dunque hon torto certi pedantacei de' tempi nostri^ che eseludeno dal nu- 
mero de 1 poeti aleuni, o per ehe non apportino favole e metafore eonformi, 
o per ehe non hanno prineipj de 1 libri e conti eonformi a quei d' Omero 
e Virgüio; o per ehe non osservano la consuetudme di far V invoeazione ; 
o per che intesseno una istoria o favola eon V altra, o per ehe ßniseono li 
conti epilogando di quel eh* e detto, e proponendo per quel eh' e da dire ; e 
per müle aUre moniere d'esamine, per censure e regole in virtu di quel testo. 



202 V* Bruno's Geschichtsphilosophie. 

geschlechts hält der Nolaner für ein reines Judendogma ') , aber 
selbst den Juden, wie Bruno mehrfach beifällig wiederholt, galt 
Adam, der Urvater aller jetzt lebenden Menschen , nur als der 
dritte der von Gott geschaffenen Stammväter der Menschheit, 
als deren erster Henoch , als deren zweiter Leviathan gefeiert 
wurde. Ebenso berichten die Religionsschriften der Chinesen 
von drei Stammvätern des Menschengeschlechts 2 ). „Den Neger, 
die Rothhaut Amerikas und — fügt Bruno nach der noch halb 
mythologischen Anschauungsweise der Renaissance hinzu — die 
Meermenschen, die Wichtelmännchen und die Riesen des Südens 
— wird niemand derselben Race beizählen s ). a 



Onde par, ehe vogliano eonehiadere , eh* esst loro a un proposito, se li venisse 
di fantasia, sarebbono li veri poeti, et arrivarebbono la , dove questi si for* 
zano: e poi in fatto non ton altro ehe vermi, ehe non san far cosa di buono y 
ma san nati solamente per rotlere, ineporeare e stereorar gli altrui studj e 
fatiehe; e non possendosi render eelebri per propria virtude et ingegno y 
eereano di metterei avanti, o a dritto, o a lorto, per altrui mzio et errore. 

1) Db Immenso, Lib. VII, cap. 18, pag. 622: Prophetieum est ülud et 
populi cujusdam eelebritas quod omtiium hominum genera ad utium primum geni- 
torem referantur vel ad tres ut ex Ebraeorum monumentie aeeipimus et ßrmiter 
credimus, quorum quidam soktm Optimum genus, id est, Judaeorum, ad unum 
protoplasten referunt, et reUquas gentee ad duoe priores qui hiduo ante ereati sunt. 

Ganz übereinstimmend lautet es in De Monade, pag. 39: 
Et ternae genti ternus datus est Patriareha, 
Cum peperit Tellus genitrix animalia primum 
Ennoc, Leviathan et quorum est tertius Adam, 
Maxima Judaeae ut eredebat portio gentis, 
Cui erat ex uno tantum generatio saneta. 

2) De Immenso, Lib. VII, cap. 18, pag. 622: Eehinensium religio recene 
compertorum tres alius nommis protoplastes numerat ab annis viginti millibus. 

3) Ebendas., Lib. VII, cap. 18, v. 34—42, pag. 620: 

Sunt hominum speeies, nee enim generatio nigra 
Aethiopum, et qualem produeit America fulva, 
Udaque Neptuni vivens occulta sub antris, 
Pygtneique jugis dueentes saeeula elausis, 
dves venarum Tellur is, quique minerae 
Adstant eustodes atque Austri monstra Gig ante 8, ' 
Irogeniem referunt similem, primique parentis 
ünius vires eunetorum progenitrices. 
Dazu im Commentar pag. 622: Aethiopum genus ad ilium protoplasten 
nemo sani judicii referat. 




V. Bruno's Geschichtsphilosophie. 

Aus der ursprünglichen Racenverschiedenheit des Menschen- 
geschlechts erklärt sich auch dessen Charaktermannigfaltigkeit 
„Völker und Stämme, sagt Bruno, deren Begierde und Zorn 
sich rascher bewegt, sind auch thatkräffiger. Auch gehen aus 
diesen intensiv Hassenden und Liebende« vor allen die Böse- 
wichte oder aber, falls sie sich dahin wenden, ^^hin sie göttlicher 
Eifer und Liebe drängt, vorzugsweise Menschen von tiefer 
Religiosität hervor, woraus du denn erkennen magst, wie die- 
selbe Uranlage ebenso leicht zur höchsten Tugend wie zum Laster 
fuhren kann 1 )." 

Ebensowenig wie an den einheitlichen Ursprung des Menschen- 
geschlechts vermag Bruno an den biblischen Paradieseszustand 
der Menschheit zu glauben. „Im goldenen Zeitalter waren die 
Menschen in Folge ihres Müssiggaugs nicht etwa tugendhafter, 
als die Thiere bis auf diesen Tag tugendhaft sind, und vielleicht 
waren sie dümmer als manche von diesen. Da sich nun unter 
ihnen das Streben nach Göttlichkeit und die Nachgiebigkeit 
gegen Leidenschaften den Rang streitig zu machen begannen, so 
entsprang daraus die Noth, sind aber auch die Geister geschärft, 
die Gewerbe erfunden, die Künste entdeckt worden und noch 
immer erheben sich von Tag zu Tag in Folge der Noth aus 
der Tiefe des menschlichen Geistes neue und wunderbare Er- 
findungen, und indem sie sich so durch lebhafte und weiter- 
drängende Beschäftigungen immer mehr und mehr vom Zustande 
des Thierthums entfernen, nähern sie sich Schritt für Schritt der 
Gottähnlichkeit 2 )." 



1) Sigillus sigilloeum (Gfrörer , pag 557): populi et genta quibus 
promptior est libido et ira, sunt activiores; et ex iisdern interne odiehtes et amantes 
apprime impios, aut si se vertawt quo divinus eos agat amor atque zelus , appritne 
religiosos habes ubi idem materxale principium sumtnam ad virtutem pariter proxi- 
mum esse atque ad Vitium potes agnoseere. Der psychologische Unterbau dfeser 
Ansicht liegt in folgendem Satze ans De Tripl. Min., pag. 55: Sicut cor- 
porum quaedam facillime, quaedam aegre, quaedam vero aegerrime üluminantur, 
penetrantur, inßammantur, ita sensuum, ingeniorum et intelleetuum , quaedam 
promptius veritatis lueem apprehendunt, et quasi eognatam animo qualitatem im- 
buunt Lux felieioribus ingeniis tum repente exoritur , statim eognoseitur f 

jocundissime apprehenditur. 

2) Spaccio della Bestia tr. (Wagner II, 203): Ne teta dunque de 
toroper Vozio gli uomini non erano piu virtuosi, che sin alpresente ?e bestie son vir- 



-204 V. Bruno's Geschichtsphilosophie. 

Alle diese Fortschritte sind aber nur möglich in Folge der 
hervorragenden Ueberlegenheit, mit welcher die Natur den Men- 
schen durch das Geschenk der Hand ausgerüstet hat. Nur der 
Hand hat es der Mensch zu verdanken, wenn es ihm gelungen 
ist, sich im Kampfe mit der Noth, insbesondere mit den wilden 
Thieren, obenauf zu erhalten. Im letzten Hintergrunde bildet 
nicht sowohl die Leistungsfähigkeit des Geistes, als diejenige 
der Hand, des Organs der Organe, den Anfang aller Cultur 1 ). 

So nüchtern Bruno über die Entstehung der Cultur denkt, 
so begeistert verkündet er die unendliche Entwickelungsfahigkeit 
des Menschengeschlechts. „Es liegt in der Macht der Natur, 
sagt der Nolaner, den Menschen unendlich zu machen, ja sie 
hat den Menschen unendlich gemacht, ja der Mensch ist unend- 
lich und unendlich ist jede Gattung *)." 

Die Menschheit nähert sich nach Bruno dem Zenith ihrer 
Vervollkommnung dadurch, dass — ganz wie bei Hegel — ein 
Volk und ein Weltreich die Errungenschaften aller vorhergehen- 
den Völker und Weltreiche sich aneignet und überholt. „So nimmt 
das römische Reich nicht allein die Cultur des babylonischen, 
persischen und griechischen Weltreiches in sich auf, sondern über- 
ragt dieselben, was Staatseinrichtungen, sowie Macht- und Pracht- 
entfaltung seines Oberpriesterthums betrifft, bei weitem. Alle diese 
Weltreiche haben ihr allgemeines und geeignetes Vorbild im 
Menschenleben. Denn Alles hat einen unscheinbaren Anfang, 
Fortschritt, Halt, Nieder- und Untergang. Aber das eine ist 
so beschaffen, dass es schon bei seiner Entstehung oder noch 



tuote, e forte erano piu ttupidi, ehe motte di quette. Or, ettendo tra esst per 
femulazione ePaiti divini e adattazione di epirüuosi affetti nati le difficultadi, ritorte 
le neeettitadi, tono acuiti gV ingegni, inventate le industrie, eeoperte le arti, e setn- 
pre *di giorno in giorno per mezzo de tegettade da la profundüh de VinteUetto 
umano ti eccitano nove e maravigliote invenzioni; onde tempre piu e piu per le 
toUecite et urgenti oceupazioni allontanandoai da fetter bettiale, piu altamente 
e 1 approttimano a Vetser divino. 

1) Die Textetell e s. oben pag. 32. 

2) Ackotismüs (Gfröreb, pag. 57): est tane in potentia naturae, ut m- 
ßnitum hominem faeiat , itno ut feeerit inßnüum hominem, imo ut eit in/initut 
homo, et inßnita quaelibet tpeeiet. Vgl. auch oben pag. 174 den Abschnitt: 
Bruno's Entwickelungslehre. 



V. Bruno's Geschichtephilosophie. 205 

während seines ersten Wachsthums wieder zu Grunde geht und 
sich auflöst , während andere alle Entwickelungsstadien durch- 
machen; einige in kurzen Zeiträumen alle Entwickelungsstadien 
zurücklegen, andere wieder in längeren, gerade wie der Hund 
schneller altert als das Pferd, das Pferd schneller als der Mensch, 
der Mensch schneller als der Hirsch l )." 

Diese Entwickelungsfähigkeit des Menschengeschlechts gründet 
Bruno auf die unendliche, gegenseitige Reibung der Intelligenzen, 
auf die Zusammenwirkung aller menschlichen Anlagen zu dem- 
selben Ziele der Vervollkommnung. „Wir können, sagt Bruno, 
nicht Alle vereinzelt Alles, wohl aber können wir Alles als Ge- 
sammtheit. u Die Vervollkommnung des Geistes beruht daher 
nicht auf dem Einen, nicht auf dem Andern, nicht auf Vielen, 
sondern auf Allen zusammen 2 ). Und so schwingt sich denn der 
Dichterphilosoph in seinen Spekulationen über die Zukunft der 
Menschheit bis zu der Ahnung jener höchsten Aufgabe mensch- 
licher Erfindungskraft hinauf, welche die Zukunftstechnik im 
Problem der Luftschiffahrt lösen wird. Denn nur die Luft- 
schiffahrt kann Bruno meinen, wenn er sagt: „Alle verherr- 
lichen das goldene Zeitalter und schätzen und preisen als Tugend 
jene Henkerin (Civilisation), die es vernichtete, sie, die das mein 
und dein erfunden, sie, die da diesem oder jenem zugetheilt und 
zu eigen gemacht hat, nicht allein das Erdreich, das doch allen 



1) De Compos. Imag., Sectio II, cap. 8, pag. 13, V: interdum fortuna 
unius plurium fortunarum imagines comprehendit: sieut Romana fortuna Baby- 
loniorum et Persarum et Qraec'orum regnorum non solum comprehendit conditionem, 
sed excellit; verum item publicarum et summorum saeerdotum moderamina atque 
pompas longo anteeellit intervallo. In omnibus vero imago generalissima et pro- 
priissima est constitutio humanae vitae, quia omnia habent debile exordium, ado- 
lentiam, consistentiam, declinationem et interitum. Sed horum quaedam sie sunt 
comparata, ut simul nata, vel in ipsa adoleseentia moriantur et dissipentur: quae- 
dam in quarundam speeierum similitudinem brevibus annorum spaeiis omnes aetatis 
compleant partes, quaedam vero longioribus: sieut et eanes eitius seneseunt quam 
equi, equi quam homines, homines quam cervi. 

2) Summa terminor. mbtaphysicor. (Gfrörer, pag. 500) anter Per- 
fectio : non omnia possumus omnes sigillatim , sed bene omnia possumus omnes 
summatim. Intelligentiae ergo perfectio non est in uno, in alt er o, vel in plurtbus, 
sed in omnibus. 



206 V. Bruno's Geschichtsphilosophie. 

Lebewesen verliehen worden ist, sondern auch noch das Meer, 
ja vielleicht gar noch einmal die Luft 1 ). 1 ' 

Diesem freudestrahlenden Optimismus in der Betrachtung 
der zu den höchsten Hoflhungen berechtigenden Uranlagen der 
Menschheit steht nun bei Bruno ein Pessimismus in der Kritik 
der Vergangenheit und Mitwelt gegenüber, dessen grimmige Welt- 
verachtung an König Lears Mark und Bein erschütternde Flüche 
erinnert. Durch Bruno's sämmtliche Werke zieht sich bald 
in elegischen, bald in satyrischen Tönen jener die ganze Renais- 
sance und auch unsere classische Literaturperiode beherrschende 
Schmerz über den Untergang der schönen Welt des Alterthums 1 
die ein Halbgott erbarmungslos zerschlagen hat. Die Welt, die 
einst so glanzvolle, liegt nun da in greulicher Zerrissenheit und 
raffinirtem Unsinn, rathlos nach neuer Erlösung schmachtend. 
Bruno's Kritik der Reformationsepoche ist wohl der vernich- 
tendste Hohn, den je ein Denker über seine Mitwelt ausgegossen 
hat : „Was ist das für ein Zustand ? Siehe da unter menschlicher 
Hülle thierische Gesinnungen ! Ist etwa gar die Menschengestalt 
dazu da, um als finstere, trugvolle Behausung eine bestialische 
Seele zu beherbergen? Wo sind noch Rechtszustände? Wo 
giebt es noch natürliches Recht oder Unrecht? Wenn Astraea 
zum Himmel zurückgekehrt ist, von der die Erde auch nicht 
die Spur sieht, warum erscheint denn nicht endlich Astraea 
vom Himmel herab ? Siehe, wir sind in ein schlechterdings nicht 
zu verbergendes Chaos versunken! Warum vermischen sich 
denn nicht die Meeresfluthen mit den Feuersflammen und die 
hellen Gestirne mit den finstern Erdstrichen, wenn in diesen 
Erdstrichen selbst und ihren Regierungen nichts mehr ist, welches 
noch seine wahre Gestalt zeigt? Täuscht uns am Ende nicht 
Mutter Natur selbst? Soll ich sie noch eine Mutter oder eine 
Stiefmutter heissen 2 )." 

1) Spaccio del la BESTiA trionf. (Wagner II, 200) : lutti magntfioano 
Veta de toro e poi ttimano e predicano per virtu quella manigolda, che la eetinee, 
queüa eh' ha trovato il mio et il tuo, quella oh 1 ha divisa e fatta propria a eoetui 
e colui non solo la terra, la quäle e data a tutti gli animanti suoi, im et oltre 
il tnare, e forae Varia aneora. 

2) Cantüs Circaeus (Gfrörer, pag. 186). Moeris: Quis quaeeo verum 
modus est ? JSece sub humano cortice ferinos animos. Convenitue hominis corpus, 
ut caecutn atque fallax habitaculum , beetialem animam ineolere ? Vbi sunt Jura 



V. Bruno's Geschichtsphilosophie. 207 

Jia, Bruno lässt sich über dem grausen Anblick, den ihm, 
im Hinblick auf Peru und Mexiko, die wahrhaft teuflische Wirk- 
samkeit der europäischen Civilisation in überseeischen Ländern x ) 
darbot, manchmal zu Ausfallen gegen die Fortschritte der Civili- 
sation selbst verleiten. Für Bruno ist es nicht zweifelhaft, dass 
die Ausdehnung des Verkehrs eins ist mit der Verbreitung des 
Lasters und weit entfernt, von der kirchlichen Mission cultur- 
freundliche Erfolge zu erwarten , bedauert er auf das tiefete die 
armen Völker, welche den Frieden ihrer von den Vätern ererbten 
Lebensweise mit der Gemtithszerrissenheit der neuen Menschh&ts- 
beglticker vertauschen sollen. „Die Tiphys haben die Methode 
ausfindig gemacht, den Frieden der andern zu stören, die einhei- 
mischen Genien fremder Weltgegenden zu vergewaltigen, das 
was die Natur in ihrer Vorsehung geschieden hat, untereinander 
zu wühlen, durch den Handelsverkehr die Noth zu verdoppeln, 
die Laster aller Generationen auf die Spitze zu treiben, mit roher 
Gewalt neuausgeheckte Thorheiten zu verbreiten und die un- 
erhörtesten Dummheiten dahin zu verpflanzen, wo sie sonst noch 
nicht sind, indem sie am Ende gar den Schluss ziehen, das, was 
doch nur grössere Stärke ist, sei grössere Weisheit, ferner neue 
Methoden, Instrumente und Künste zu zeigen, wie der eine den 
andern tyrannisiren und ermorden soll, bis mit alledem endlich 
die Zeit kommen wird, da jene alles das, was sie auf ihre theuern 
Kosten gelernt haben, in Folge des Wechsels aller Dinge an 
uns (Europäern) selbst erproben und uns zu ähnlichen oder noch 
schlechtem Früchten so verderbenschwangerer Erfindungen zu 
machen wissen und vermögen werden 8 ). tf 



verum ? ubi fas nefasque naturae ? si repetivit Astraea coeium cujus ne vestigium 
quidem terra videat, cur non de coelo sattem apparet Astraea? JSece subivimus 
minime occultum Chaos. Cur non miscentur ignibus maria et limpida nigris terris 
astra, si in terris ipsis et earum gubernaculis nihil est, quod faeiem demonstret 
suamt Ipsane nos mater natura decipit? Matrem dixerim an novercam? 

1) Vgl. darüber jetzt Emil Deckert, Die civilisatorische Mission der 
Europäer -unter den wilden Völkern. 8°. Berlin, 1881 (Heft 364 von 
Virchow's und Holtzbndoeff's Sammlung von Vorträgen). 

2) Cbna dblle Ceneri (Wagner I, 128): Li Tifi han ritrovato ü modo 
dt perturbar la paee attrui, violar % patrri genii de le regioni, di confondere qud 
che la provida natura distinse, per il comtnerzio radoppiar i diffetti, e giunger 
vizii. a' vizii de l'una e VaUra generazione , con violenza propagar nuove foUie^ 



208 V* Bruno's Geschichtsphilosophie. 

Der Hass gegen die Mission, die Ueberzeugung von der 
die Naturvölker decimirenden Wirksamkeit der europäischen 
Cultur, verfolgt Bruno durch alle Lebensstadien und lässt den 
Dichterphilosophen mit Rousseau um die Wette den stillen Frie- 
den weltabgeschiedener Insulaner beneiden. In dem an poeti- 
schen Schönheiten so reichen Werke De Immenso nimmt dieser 
elegische Ton über die traurigen Erfolge der christlich-europäischen 
Civilisation plötzlich erhöhten Schwung und krystallisirt zu folgen- 
dem herrlichen Gedicht, in welchem insbesondere auch die gross- 
artige, ob zwar phantastische Schilderung des Nordpols unsere 
Bewunderung hervorlockt Der Abschnitt mag den Titel führen: 

Naturstand und Civilisation. 

War es Fügung, Vernunft, Gesetz der Natur, dass es endlich 
Altem Erfindungseifer gelang, mit thessalischer Fichte 
Schaaren ins ferneste Land und zurück in die Heimath zu 

flihren, 
Um nur das sonst schon so lockere Band der Menschheit zu 

lösen? 
Nicht mit Einem Tiphys l ) allein hat das Schicksal bestraft dich! 
Denn Columbüs hat doch das Weltmeer nur dazu eröflhet, 
Um Amerika in die Gewalt des Spaniers zu bringen! 
Ihr, glückseliges Volk, ihr, o berühmte Geschlechter, 
Die ihr dieses Gestirns, des herrlichen, Gipfel bewohnet, 
Welchen die Pfeile des Lichts der Sonne nur schräge berühren, — 
Nicht erftdlt euch die Nacht mit grausiger Finsterniss Schrecken, 
Sonderndes strömen euch Wärme und Licht in reichlichem 



Unter den Angeln des Nordpols zu, wo gewaltige Mauern 
Jegliches Unterpfand der Gunst des Himmels umschliessen, 
Wo den Gesichtskreis rings tiberragende Berge umthtirmen, 



e piantar Vinaudite pazzie , ove non sono , eonehiudendoti cd ßn piu taggio, quel 
eh 1 e piu forte, mottrar nuovi etudii, istrummti, et arti di tirannixar et aeeaeeinar 
Vun Valtro, per tnerce de* quai gesti tempo verrä, ch' avendono quellt a eue male 
epeee imparato, per forza de la vicieeüudine de le eoee % tapranno e potranno ren- 
derei aimili e peggior fruit* di ei perniziöse invenzioni. 

1) Tiphys war der Steuermann der Argonauten. 



V. Bruno's Geschichtsphilosophie. 209 

Weit die Gestirne im Kranz in verschlungenen Reihen erglänzen 
Und der Felsenkoloss abschüssiger Klippe emporstarrt. 
Als ein beschützender Wall ausdehnt sich mit dunkelem Mantel 
Zwischen den Klötzen umher die Fluth des eisigen Weltmeers. 
Nirgends zeigt sich ein Strand, nur Stürme brausen und Stürme 
Und zerwühlen mit Wucht die himmelanstrebenden Riffe. 
Hoch von dem Gipfel herab der jähen Riesengebirge 
Wirbeln sich ununterbrochenen Laufs Unmassen von Stäubchen 
Schnees, mit welchen der wüthende Sturm in rasendem Um- 
schwung 
Felder und Thäler bedeckt bis hinan zu der Höhe der Berge 
Und in wirrem Gestöber die Atmosphäre verdichtet. 
Aber geläng' es einmal, die Hindernisse zu heben, 
Dann erwacht die vor nichts erschreckende Thatkraft des Briten, 
Welcher, das stürmische Meer und die ragenden Berge verachtend 
Und, zum Trotz dem Coloss der grandiosen Umwallung, 
Kiele besteigt, die hoch über selbst argonautischer Kunst stehn 
Und die Gestade bezwingt, die ein rauher Himmel mit ewig 
Schmutzig dunkeler Graue beengt von unfreundlichem Aussehn. 
Und nicht lange, so wird er aus Gier das gewaltige Bollwerk, 
Das die Natur ihm umsonst entgegengethürmt, überschreiten. 
Freundlich wird der durchaus nicht Wilde den Fremdling empfangen, 
Aber dieser wird ihm das verderbenschwangere Schicksal 
Der schon im fernesten Land erkrankten Menschheit bereiten. 
O dann werdet auch ihr, falls ihr selber noch unverdorben, 
Bald erfahren, wieviel der Verkehr euch fromme und einsehn, 
Wieviel rascher bei euch die Saat des von jenen verstreuten 
Lasters zu keimen vermag, als eure Tugend von euerm 
Welttheil aus sich zum Glänze des andern Volkes verbreitet 
Mögen auch sie sich dann mühn, die Schranken der Schöpfung 

zu öflhen 
Und einen heimischen Herd sich zu gründen, wo Unschuld noch 

wandelt. 
Möge dann solchergestalt der Sohn der Erde von neuem 
Ringen, die Welt gleichsam sich zum Heile neuzugestalten 1 ). 

1) De Immenso, Lib. VII, cap. 16, v. 4—51, pag. 615—617: 
Quae S0T8? quae ratio? qui naturae ordo probavit 
Antiqui inventum studii, quo Thessala pinus 

14 



210 V. Bruno's Geschichtsphilosophie. 

Trotz diesem Mangel an Vertrauen auf die beglückende 
Kraft der europäisch-christlichen Cultur verfällt aber Bruno dess- 
wegen noch nicht der Verzweiflung an der Wiedergeburtsfähig- 



ExUrno advexit turbas patriaeque revexit, 
Dum bene dissepti turbavü foedera munäi 1 )? 
Invida non unum Tiphyn tibi f ata dedere. 
Claustra etenim Oceani Ligur out Etruseus avarus 
Solvit ut Amerieam premeret violentus Iberus. 
Vos felix mundi genus, o vos clara propago 
18ÜU8 insignis attri sublime t&nentes, 
Ardua quos Iuris tum tangunt tela diurnae, 
Non horror noctis perterritat iUe profunda*, 
Quorum pro tnerito oalor ei lux lanee benigna 
Influit Arctoo sub cardine, ubi omne favoris 
Caelestis pignus conclusum est mojenibus altis x 
Cireum ubi contingunt turrito corpore »monUs 
Sidera muUipliei spaeiosoque ordinc paseun, 
Ingentis scopuli praeruptaque machina surgit; 
Pro vallo pontus caeeo glacialis amictu, 
Saxosas inter rupes sese explicat ample, 
Tempestasque tnanet cupito pro litore major, 
Caucaseae ut prono subeant molimine ripae, 
Froeero AtUmtesque feri eurvamine, quorum 
JPulvereus summo recidit de culmine nimbut 
Sparsarum nivium, rapidi qua vorticis aestu 
Montibus exaequant campos vallesque profunda* 
Et solidant caelum reflui spiramine venti. 
Sed quando haee superare datum, etat cura Britanno, 
SoUiritusque labor et nimie imperterrita virtus, 
Quae mare ventosum temnens montesque superbos, 
Deridene tanti numeroea Volumina vaUi 
Plus quam Tiphyeia fabref actis arte earinis 
Orts edomitis mediis quas Jupiter asper 
ßquaUidus et furvo tristis paüore coercet, 
Celsas naturae turres transcendet avarus, 
Oceurret vuUu non barbarus hospes amieo, . 
Attamen aegroti veniens a limine mundi 
Pernidem feret invisi nova caüssa timoris. 



1) Wörtliche Anklänge an die berühmte Stelle aus dem Tragiker 
Seneca. S. Cena de lk Ceneki (Wagner I, 128 — 129): 
Bene dissepti foedera mundi 
Traxit in unum Thessala pinus. 



V. Bruno's Geschichtsphilosophie. 211 

keit der Menschennatur. Sein Glaube an die Menschheit, sein 
Vertrauen zu den unverlierbaren Erbkräften des Menschengeistes 
sind so unerschütterlich, dass er im Spaccio della bestia 
trionfante den Jupiter, der sich und die olympischen Götter 
der härtesten Selbstkritik unterwirft, im Kreise der Seinen aus- 
rufen lässt: „Durch die Kette unserer Fehler haben wir uns 
besiegen lassen; durch die Hand der Gerechtigkeit wollen wir 
uns wieder heraushelfen. Wo unser Leichtsinn uns zu Falle 
gebracht hat, möge uns der Ernst wieder emporrichten! Be- 
kehren wir uns zur Gerechtigkeit, durch deren Entfremdung wir 
uns selbst entfremdet worden sind und zwar dermassen, dass 
wir nicht mehr wir selbst sind. Kehren wir zur Gerechtigkeit 
zurück, wenn wir zu uns selbst zurückkehren wollen! .... Wenn 
wir eine Staatsveränderung vornehmen wollen, so laset uns, ja 
lasst uns zuvor uüfiere Sitten verändern! Wenn wir wollen, 
dass der Staat woÜ und besser daran sei, so seien jene eben- 
falls gut oder nicht schlechter! Lasst uns unser Inneres rei- 
nigen, insofern es uns dann von der Verbesserung dieser innern 
Welt aus nicht schwer sein wird, zur Erneuerung dieser realen 
Aussenwelt fortzuschreiten 1 ). u 

So spricht der über die verlorene Schönheit der zerschla- 
genen Welt trauernde Jupiter im Sinne Goethe's den Faustischen 
Gedanken aus, welcher die deutsche Reformation geschaffen hat 
und die Zukunft der Menschheit immer von neuem wieder im 
Morgenglanze erblicken lässt: 



June et vos (si forte Status violabilis Ute est) 

J&cperiri hominum quantum commercia prosint. 

PrompHue et quantum semet male Jaeta propagent 

Semina vom inter, quam virtue vestra in alius 

Splendorem gentis vestro fundatur ab orbe. 

Ut deinceps studeant naturae olauetra aperiri, 

Appetier simili patriae ubi Cynthia dorso 

JBscplicat et mundo quasi pro meUore laboree 

Intentare novo» Tellurie ßhue aus it. 
1) Spaocio della Bestia trionf. (Waoner II, 139): Per la eatena efe 
gli errori siamo avvinti; per la mono de Ja giustizia ne diseiogliamo! Dove la 
nostra levita ne ha deprimuti, indi büopna, ehe la gravük ne malt*. GmvenUa- 
moci a la giustizia, da la quäle essendo not aUontanatij siamo aüontanati a not 
stessi; di sorie ehe non siamo piii dei, non siamo piu not. Ritorniamo dunque a 

14* 



212 VI Bruno's Religionsphilosophie. 

/ 

Mächtiger 

Der Erdensöhne, 

Prächtiger 

Baue sie wieder, 

In deinem Busen baue sie auf! 

Neuen Lebenslauf 

Beginne, 

Mit hellem Sinne, 

Und neue Lieder 

Tönen darauf! 



VI. 
Bruno's Religionsphilosophie. 

Insofern der Begriff Gottes das Centrum und den Eckstein 
aller Religion bildet, Bruno aber diesen Begriff in den der Natur 
einschmilzt 1 ), kann der Nolaner keine positive Religionsphilo- 
sophie haben 2 ); oder aber, wenn sich eine Religionsphilosophie 
bei ihm vorfindet, so wird sich dieselbe nur negativ äussern 
können. Mit andern Worten: Bruno's Religionsphilosophie wird 
sich nur in der Kritik aller positiven Religionen zu 
erkennen zu geben vermögen. Und diese Kritik übt denn 
Bruno allerdings mit jener an Tollkühnheit grenzenden Un- 
befangenheit, wie sie nur dem unverfälschten Wahrheitstriebe 
des echten Genies entspringt. 



quella, ae vogliamo riiornare a not! ...... (pag. 141): Se vogliamo mutar etalo, 

cangiamo, eangiamo costumi! Se vogliamo, ehe quella ata buono e migliore, questi 
non sieno aimili o peggiori. Furghiamo iinteriore affecto , atteeo ehe da Vinfor- 
mazione di queato mondo non aara diffieile di far progreaao a la rifortnazione 
di queato aenaibile et eaterno. 

1 ) S. oben unter Bruno's Naturphilosophie den Abschnitt : Bruno's 
Lehre von der Gott-Natur, pag. 145 — 164. 

2) Was G. Ch. Bernhard Pünjbr in seiner „Geschichte der Christ- 
lichen Religionsphilosophie seit der Reformation", Bd. 1 (Braunschweig, 
1880), pag. 69—75 als Bruno's Religionsphilosophie vorträgt, ist in Wahrheit 
nur eine, hauptsächlich nach Cabriere gearbeitete Verquickung von Bruno's 
Metaphysik und Ethik, jene vorzugsweise nach Ds la Causa, diese nach 
den Hauptsätzen von Degli Eroici Furori ausgeführt. 



VI. Bruno's B eligionsphilosophie. 213 

Bruno ist sich vollkommen darüber klar, dass die positive 
Religion, d. h. die Gesammtsumme der Vorstellungsbilder, mit 
welcher sich ein Volk oder Theile der Menschheit den Begriff 
des Absoluten nahe zu bringen versuchen, das Produkt der ga- 
staltenschaffenden Phantasie ist. Er hat über die bertiokende 
Macht der Vorstellungswelt eindringlicher nachgedacht, als irgend 
ein Philosoph vor Schelling und Hegel. Seine Kritik und Ver- 
urteilung der Gemüthsbeängstigung, als in welcher die Herr- 
schaft jeder mythologischen Vorstellungswelt , die es zu einer 
Vertretung durch eine hierarchisch gegliederte Priesterschaft ge- 
bracht hat, gipfelt, ist ein Meisterstück überlegener Darstellung. 
Folgender Abschnitt aus dem Gedicht De Immenso schildert in 
unübertroffener Klarheit und zugleich mit wahrhaft diplomatischer 
Vorsicht in der Form des Ausdrucks die 

Macht der Phantasie. 

Ausgeburten der Phantasie sind die in den Himmeln 
Kreisenden Himmel. Ein Willkürtraum hat den äussersten 

Himmel 
Ausgeheckt als den Träger der Sterne, mit welchem das All 

schliesst. 
Alle Bewegung im All ist ein Kampf, gleichwie die Titanen 
Und die Giganten im Chaos sogar sich bestritten den Vorrang. 
Nur in dem ewigen Streit des einander Entgegengesetzten 
Findet das Dasein Bestand und gebiert sich am Gegensatz wieder. 
So befehdet denn auch ein poetisches Traumbild das andre, 
Bis das eine zur Herrschaft gelangt und mit Galgen und Bad 

droht. 
Alsdann schleppt sich der Mensch mit der Todesverzweiflung 

durchs Leben, 
Oder entstellt sich den sonnigsten Tag mit den Schatten der Hölle, 
Denn so verfügt es die Phantasie im Joche des Zwingherrn. 
Sie, handwerkernd nunmehr als hinkende Lügenschmiedin, 
Jetzt ein monströses Gespenst und jetzt ein durchtriebener 

Schulfuchs, 
Schmiedet beständig am Blitz, dass der Weltenrichter unsühnbar 
Die ihm verhasste Menschenvernunft dreifältig erschlage. 
Weltenrichter ingrimmiger Wuth sind ihr Lieblingsgedanke. 



214 VI* Bruno's Religionsphilosophie. 

Doch um so reichlicher stattet sie aus die Cyclopengeschwister 

Dummheit, Gewohnheit, die Pest Leichtgläubigkeit, die in der 

Menschen 

Köpfen Vulkane erblickt, in den Herzen flammende Krater. 

Fällt's dem gefräss'gen Gelichter nur ein, den Hammer zu 

schwingen, 

Gleich ist des Volks Wahnwitz bei der Hand, um als Ambos 

zu dienen, 

Und verpfändet mit Lust sein Vorstellungsbildungsvermögen. 

Denn in die Klemme sie nehmend, andonnert und foltert der 

grause 

Richter von oben herab die Armen unmassen und endlos, 

Während von unten herauf der Eumeniden Verliesse, 

Eherne Ketten, der Sumpf des Cocytus , der stygische Eisstrom, 

Und diamantene Pforten den Rückweg ewig versperren. 

Geistabstossender Kram und widernatürlicher Unsinn 

Hemmen den ruhigen Gang der Entwicklung des Menschen- 
geschlechtes, 

Löschen des Geistes Licht und zerstören die häusliche Sitte. 

Denn wie lautet das Glaubensgesetz der Seelenverkäufer? 

Gottes Zorn ist des Hochsinns Lohn, doch über des Frevlers 

Schuldbeladenes Haupt ergiesst sich die Gunst des Alleinen! 

Setzt sich nun aber der Wahn noch gar als Norm und Princip 

durch, 

Dann entfremdet ein Volk sich dem andern, die Kinder ver- 
lassen 

Ihre Eltern, man grüsst den Andersgläubigen nicht mehr. 

Jeder fanatische Wicht von ganz hinfälliger Ohnmacht 

Spielt den Propheten, wofern er nicht gar als die Allmacht rieh 

aufspielt *). 

t) De Imienso, Lib. VII, cap. 11, v. 1—41, pag. 607—609: 
Phantasiae partus scrie* est itta tneantum 
Caelorum in caelis. Extremum insomnia caelum 
Astrtferum irwexere iUud quodque omnia ßnü, 
Motoresque horum sunt gut bette bella moverent 
Centimano Briareo, Eneelado atque Typhoeo. 
Nempe genus speetant aemper contraria ad unum, 
Ncmpe elementa aliis contraria sunt elementis. 






VI. Brnno's Religionsphilosophie. 215 

Trotz dieser vernichtenden Kritik des die Vorsteüungsbedürf* 
tigkeit des Volkes ausnutzenden Pfaffenthums ist aber Bruno 
noch lange nicht irreligiös. Er verweist im Gegentheil den 
verruchten Unglauben und den wahnwitzigen Atheismus in die 
Hölle 1 ). Ja, er begreift sogar die Notwendigkeit eines äusser- 
lichen Cultas*). Er hält den Altar, das Heiligthum, das Bet- 
haus flir sehr nothwendig und ohne den Administranten flir 
zwecklos 3 ). Er spricht sogar von berufenen und würdigen 



Mgmentis etiam ßgmenta opponere dignum est. 
Unde duces ßant populo atri carnijicesque, 
Unde immortalis vivos mors urgeat ultro, 
Atque tenebrarum poenas sub luee receptent. 
Phatttasia hoc totum pro quaestibu prompsit avarti. 
• Bis opi/sx, Uta est fabrefactrix, Mulciber, itta 
Zoripes, insuavis, monstrosus, trux, veter ator, 
Assiduo ineumbens operi jaeula illa trisulca, 
Tempsrat, immitesque Joves crudeliter artnat 
Tantum eonsortes intergaudendo Cyelopas 
Stultitiam, Morem, malesanam Credulüaiem, 
Feetora cui hominum Lipares sunt, cor da camini. 
Zurconum generü varii vex malUus, aureis 
Insani populi eonstans substemitur ineus, 
Materies est orbis objectum sensibu quidquid. 
Fulmine sie medios minitanti torquet ab alto 
Horrendus judex tniseros sine ßne modoque. 
De in/ernis thalami JSumenidum, tensaeque catenae, 
Coeyti stagnum, Stygis irremeabiUs unda 
Arctant st portae solido ex adatnante perennes. 
Absona quae ingenio et sensu eonstantia nutto 
Humanuni turbant paeem seelique quietem, 
Exstinguunt mentis lucem, neque tnoribu prosunt 
Nam quid eoneludunt sycophantum dogmata passimt 
Non male pro f actis Justus Divüm opperit iram, 
Non bens pro /actis capitur Deus Optimus ünus. 
Sed si animo tantum dominetur opinio qua se 

1) Spaccio della Bestia trionfante ((Waombb II, 120): Viniqua im- 
pistads et insanoateismo vanno in preeipizio. 

2) Sioillus Siöillorüm, (Gfrörer, pag. 587): .... per sxternum eukum 
(quem etiam Deus a nobis requirere videturj. 

3) Spaccio della Bestia trionf. (Wagner II, 249): M per ehe 
XaUare, ü fano, toratorio e neeessarissimo, e questo sarebbe vano senta Vammini- 
strante. 



216 VI* Bruno's Religionsphilosophie. 

Priestern im Gegensatz zu den pfttffischen Caricaturen, deren 
die Welt jetzt voll sei l ). 

Allein im Hinteigrunde lauert bei Bruno doch die von ihm 
wiederholt ausgesprochene Ueberzeugung, dass alle positive Reli- 
gion doch nur ein allegorischer Abglanz und Schatten der meta- 
physischen Erkenntniss oder, wie Hegel sagt, das absolute Wissen 
in Form der Vorstellung ist. Bruno spricht sich darüber schon 
in seinem philosophischen Erstlingswerke „Ueber die Schatten 
der Ideen" mit wtinschenawerthester Klarheit aus. „Der Schatten, 
sagt er, führt zum Licht, und wenn er auch nicht die volle 
Wahrheit ist, so stammt er doch von der Wahrheit und 
hat die Wahrheit zum Ziele. Desshalb musst du nicht glauben, 
er sei lediglich Irrthum, sondern du musst anerkennen, dass die 
Wahrheit in ihm verhüllt zum Vorschein komme 8 )." „Das 
blendende Licht der vollen Wahrheit vermögen nur auserwählte 
Geister zu ertragen, andere verfallen bei seinem Anblick rettungs- 
los der Blindheit. Desshalb dient der Schatten ab Uebergangs- 
stufe zum Licht, weil er dessen blendende Wirkung m8ssigt 3 ). tt 

Wie Goethe von der Masse urtheilt, sie müsse zuschlagen, 
wenn. sie rpspectabel sein wolle, da ihr das Urtheilen miserabel 
gelinge, so meint auch Bruno: „Mit den wissenschaftlichen Aus- 
drücken der Wahrheit reden, wo es nicht nöthig ist, hiesse vom 
Haufen und der dummen Menge, fiir welche die äusserliche 
Religionsübung erforderlich ist, verlangen, sie solle ein besonderes 
Venständniss haben, hiesse verlangen, die Hände sollten Augen 



Subtrahat a populo populue, nattuque patentes 
Beterat atque aiiter eredentem nemo aalutet, 
De/endatque deos eint quamvis cunctipotentes 
Quivit mortalü, eine vi, fanatieus, excora. 

1) Dbgli Eroici Fubori (Wagner II, 384): .... Ugüitno $ degno . 
dote. Ges. Ben dici di degno e legitimo eocerdote. per ehe de gli opoetieei n' e 
pieno oggi ü mondo. 

2) Dk Umbris Idbargm, Intentio XIII (Gfrörsb, pag. 307): fumbraj 
oondueene ad lueem, quae etiam si non eit verüae, est tarnen a verüaU, et ad ver%~ 
tmtem, ideoque in ipta non credat eeee errorem, §ed veri latetUiam. 

3) Ebendas., Intentio XV (Gfrörbr, pag. 308): Naturalem videndi po- 
tentiam perdidere nonnuüi de tenebrü m repentinam lucem prodeuntee tantum 
mbeet ut perquuüo potirentur objecto. Umbra igitur vieum pr aep mrat ad lu oe m « 
ümbra lu ee m temper at. 



VI. Bruno's Religionsphilosophie. 217 

haben, sie, die doch von der Natur nicht zum Sehen, sondern 
zur Arbeit und dazu geschaffen sind, dem Gesicht beizustimmen 1 ). 
Der Haufe und die dumme Menge wird mehr durch Sophismen 
und den äussern Anschein, die der oberflächlichen Betrachtung 
der Dinge entstammen, als durch die Wahrheit geleitet und ge- 
führt, denn die Wahrheit ist in der Substanz jener Sophismen 
und Scheingriinde verborgen, ja sie ist der eigentliche Kern der- 
selben 8 ). Nach meiner Ansicht, sagt Bruno, ist des Volkes 
Stimme nur da und in soweit fiir Gottes Stimme zu halten, wo 
Verfassungen einzuführen, Kirchenbräuche zu heiligen und sociale 
Fragen zu berathen sind, nicht jedoch, wo es sich um die 
philosophische Wahrheit handelt 8 ). Am klarsten spricht Bruno 
seine Ueberzeugung aus im Dialog De i/Infinito, wo er die 
historische Erfahrung betont: „Diejenigen Theologen, welche 
nicht weniger gelehrt als fromm waren, haben der Freiheit der 
Philosophie niemals vorgegriffen. So auch haben die wahren, ge- 
bildeten und lebenserfahrenen Philosophen stets der Religion das 
Wort gesprochen. Denn die einen wie die andern wissen, dass 
es des Glaubens bedarf, um rohe Völker, die regiert werden 
müssen, zu erziehen, sowie des wissenschaftlichen Beweisverfah- 
rens fiir die denkenden Köpfe, die sich und andere zu regieren 
wissen 4 )." 



1) Cena dele Cekeri (Wagner I, 173): Pariare con i termini de la 
veritä, dove non bisogna, e voler, die il volgo e la seioeea moltäudine, da la 
quäle si richiede la pratica, abbia il particolar intendimento ; aarebbe come volere 
ehe la tnano abbia focehio , la quäle non e stata fatta da la natura per vedere, 
tna per oprare, e consentire a la vista. 

2) Degli Ekoici Furori (Wagner II , 403) : . . . . (il) volgo e seioeea 
moltitudine, ehe viene piu ineamminata e guidata con soßsmi e apparenze, ehe si 
trovano ne la superßcie de le cose, ehe de la verita, cti e occolta ne la sustanza 
di quelle, et e la sustanza medesima loro, 

* 3) Acrotismüs (Gfrörer , pag. 12)t non ubi de verüate deßniendum est, 
sed ubi leget instituendae, religionum eultus saneiendus, et eirea eas, quae ad po- 
pulorum convictum faeiunt deliberationes , vocem populi pro voee Bei habendam 
(ubi eonsenseritj esse censeo. 

4) De l'Inpinito (Wagner II, 27) : li non men dotti ehe religiosi teologi 
giammai hart pregiudieato a la libertä de 1 ßlosoß; e li veri, ewüi e bene aeeo- 
stumati ßlosoß sempre hanno favorito le religioni; per ehe gli uni e gli altri 
sanno, che la fede si richiede per Vistituzione di rozzi popoli, ehe denno esser 
governati, e la dimostrazione per li eontemplativi, ehe sanno govemar se et altri. 



218 VI. Bruno's Religionsphilosophie. 

Die unvermeidliche Schlussfolgerung aus diesen Vordersätzen 
führt zu einer durchschlagenden Verurtheilung aller positiven 
Religionen. Bruno nennt dieselben „Gifte*, deren Ausbreitung 
durch die Mission au nichts anderm geführt habe, als zur Be- 
förderung der Lasterhaftigkeit, der Zwietracht und der Aus- 
rottung der Naturvölker. Und gegenüber diesen Leistungen 
einer verkehrten Cultur lasse sich auch nicht eine günstige 
Lichtseite entdecken ')- Bruno betrachtet und schätzt die 
positiven Religionen als pure Erziehungsfactoren, die nur inso- 
fern relativen Werth haben, als sie die philosophische Freiheit 
begründen helfen. Damit gelangt aber Bruno zur Anerkennung 
der reinen, unverfälschten Naturreligion, als welche der Freiheit 
der menschlichen Vernunft am wenigsten Eintrag thut. Bruno 
findet £ie Sonnenverehrung, welcher die alten ChaldÄer, Aegypter, 
Pythagoräer, Platoniker und die andern Naturphilosophen, Plato, 
Pythagoras und Socrates an der Spitze, mit glühender Inbrunst 
anhiengen, gar nicht so verwerflich götzendienerisch , da ja doch 
die gläubige Andacht in der Verehrung lebender Bilder und der 
herrlichsten Spuren der Gottheit nichts anderes bezwecke, ab 
dieser schon durch äussere Cultushandlungen den glühenden 
Drang ihrer religiösen Gluth kundzugeben ] ). Da nun aber 
Bruno der Ueberzeugung lebt, dass das Zeitalter jener Natur- 
religion zugleich die Periode des höchstgesteigerten Glttckselig- 
keitsgeftihls der Menschheit darstellt, so widmet er den, den 
Naturreligionen der Chaldäer, Aegypter und Griechen nachfol- 



4) De Immbnso, Lib. VII, cap. 16, pag. 617: A regione quippe in 
regionem vitia et perversarum legum et religionum venena in dissidii ex- 
terminiique tnateriam propagata sunt et disseminata usque ad sufocationem omni* 
bonos frugis repuäularunt nulla vero sunt quas cum iisee possimus reeensere 
cotnmoda. Vgl. auch das Gedicht Naturstand und Civilisation , pag. 198. 

7) Sigillus Sioillobum (Gfböbeb, pag. 586), 7: Propterea antiqui 
Chaldaei, Aegyptii omnes, Pythagorici, Platoniei eaeterique naturae contemplatores 
optimi hunc solem (quem Plato visibtlem ßlium et summi flei imaginetn appellavü, 
oni orienti Pythagoras hymnos lyra coneinebat, quem exorientem Socrates salu" 
tans in extasin rapiebatur) inter alias Stellas visum auditumque habentes, memoria 
non earentes et preees exaudientes , arder.tius adorabant; quorum non adeo dam- 
nanda est idololairia, siquidem ad viventes imagines et optima divinüatis vestigia 
eorporeos oeulos convertentes , tamquam per externum oultutn (quem etiam Deus a 
nobis requirere videturj interna ardentioreque animi reUgione amplius intenduntur. 



VL Bruno' s Relig-i onsphilosophie. 219 

genden Offenbarungsreligionoi, nur Worte des ingrimmigsten 
Hasses, nur Ausdrücke der unverheMtwten Verachtung. Den 
genialsten Ton schlägt diese Stimmung an im Spaccio öülxa 
Bestia Trionfante. Da gentigt ihm aber auch nicht der Helle- 
nismus , um wie viel weniger das Judenthum mit seinen beiden 
Absenkern, dem Chrktenthum und dem Muhamedanismus, deren 
Schrifterklärung ihm beissenden Hohn entlockt. Im Ascher- 
mittwochsmahl verspottet er die von den Exegeten aller semiti- 
schen Offenbarungsreligionen gleicherweise an der Bibel geübte 
Methode, welche alles der philosophischen Auffassung Wider- 
strebende in Metaphern auflöst, um alsdann diesen Metaphern 
jeden beliebigen Sinn, dessen man gerade bedarf, unterzuschieben, 
indem man aus dem Ja ein Nein und aus dem Nein ein Ja 
macht, wie beispielsweise an gewissen Stellen, wo sie sagpn, hier 
spreche Gott aus Ironie 1 ). 

Die Quelle alles Unheils in der Weltgeschichte ist für Bruno 
das Semitenthum überhaupt 2 ). Die prägnanteste Erscheinung 
desselben erkennt er im Judenthum. 

Nicht dass der Nolaner unfähig gewesen wäre, die werth- 
vollen Leistungen des althebräischen Geisteslebens im vollsten 
Maasse zu würdigen. Mit Vorliebe citirt er Stellen aus den 
Propheten, dem Psalter, dem Hohen Lied und dem Prediger Salo- 
monis als Belege flir seine eigenen Sätze 5 ). Das Buch Hiob gilt 
ihm als eines der merkwürdigsten Bücher, die man lesen könne, 
reich an jeder guten Theologie, Natürlichkeit und Sittlichkeit, 

1) Cena delle Ceneri (W agner I, 175): Or quanto siino eoetanti queste 
metafore, lo poesete giudicar da questo, ehe la medesima serittura e in mano di 
Giudei, Cristiani $ Macumetisti, eette tanto differenti e eontrarie, ehe ne partorie- 
cano aüre innumerabüi eontrarimme e diferentissime, le quali tutte vi san trovare 
quel proposito, ehe le piace e meglio le vien eomodo , non solo il proposüo diver 90 
e diferente, ma ancor tutte il contrario , faeendo d'un ai un no, e d\n no un 
8t, eotne verbi grazia in eerti passi, dove dieono, ehe dio parla per ironia. 

2) Spaccio della Bestia Trionfante (Wagner II, 217): legge da 
qualehe Giudeo e Saraeeno b'eetiale e barbaro, non da Greco e Romano civile 
et eroieo. 

3) So z. B. Summa terminor. metaphysicor. (GfrÖrer, pag. 482) -und 
Degli Eroici Furori durchweg. Vgl. auch Sigwart, Kl. Sehr., Bd. I 
(1881), pag. 119, wo der Ausspruch des Predigers Salomonis: Nihil tub sole 
novum als Eintrag Brcmo's in das Stammbuch eines Herrn Hans von Warns- 
dorff nachgewiesen wird. 



220 VI- Bruno's Religionsphilosophie. 

den Ausbund der weisheitsvollsten Vernunftgespräche, welche 
Moses seinen Gesetzbüchern gleichsam als ein Heiligthum an- 
gehängt habe 1 ). Der Erklärung der hl. Schrift geziemt Würde, 
Reinheit und Ehrfurcht *). Wie jedermann sich aufe klarste tiber- 
zeugen kann, ist die hl. Schrift ein Lehrbuch sittlichen Lebens- 
wandels, die, weit entfernt, sich auf Demonstrationen und Specu- 
lationen der Naturverhältnisse einzulassen, als ob sie Philosophie 
sein wollte, sich vielmehr nur darauf beschränke, unsere Vernunft 
und Empfindung zur Uebung der Sittengesetze zu erziehen. Da 
nun der göttliche Gesetzgeber nur dieses Ziel vor Augen habe, 
im Uebrigen aber sich nicht darum kümmere, von jener Wahr- 
heit zu sprechen, durch welche der gemeine Mann nichts ge- 
winnen würde, so überlasse er das Nachdenken darüber den 
contemplativen Menschen und spreche zum Volke in der Weise, 
dass jenes nach seiner Denk- und Ausdrucksweise das Haupt- 
sächliche zu begreifen vermöge. Denn es müsste einer ein Narr 
sein, wenn er, in der Absicht, allem Volke Gesetz und Lebens- 
form zu geben, sich derjenigen Ausdrücke bediente, welche nur 
er und ganz wenige andere verstünden .... weise und gross- 
gesinnte Geister, sowie jene, welche wahrhaft Menschen sind, 
als welche auch ohne Gesetzesvorschrift dasjenige thun, was 
frommt 3 ). 

Aber all solches der Bibel gespendete Lob ist bei Bruno 
nur unumgängliches Zugeständniss. Denn in seines Herzens 



1) Cena dellk Cenebi (Wagnek I, 174): Dieo ad un libro di Qiobbe, 
quaV e uno de singulariesimi, ehe n poesan leggere, pieno tfogni buona teologia, 
naturaUth e moralita> colmo di sapientüsimi dücorsi, che Mose cotne un eacramento 
ha congiunto ai libri de la sua legge. 

2) De Lampade Combinatoria (Gfröreb, pag. 630): qualie eeripturae 
divinae interpretanda* gravitatem, puritatem majestatemque decet. 

3) Cena delle Cenebi (Wagner I, 172): Ma eome chiarUeimamente og- 
nuno pub vedere, ne li divini Kbri in servizio del nostro intelktto, non ei trattano 
le ditno8trazioni e tpeculazioni, circa le eose naturalis cotne ee fueee ßlosoßa, ma in 
grazia de la nostra mente et afetto, per le leggi ei ordina la pratiea circa le 
azioni morali. Avendo dunque ü divino legielatore questo eeopo avanti gli occhi, 
nel reeto non ei cura di parlar aecondo quetta veritä , per la quäle non proß- 
tarebbono i volgari, per ritrarei del male et appigliarsi al bene, ma di questo pen- 
siero laecia a gli uomini contemplativi , e parla al volgo di maniera^ che seoondo 
il suo modo cPintendere e di parlare venghi a eapire quel, ch* e prmcipaU* Fazzo 



VI. Bruno'B Religionsphilosophie. 221 

innersten Tiefen kocht vererbter Rassengroll gegen Alles, was 
aus jüdischem Geblüt hervorgegangen ist 1 ). Ausdrücke wie: 



sarebbe uno ehe vuol dare a Vuniverso volgo la legge e forma di vivere, se usasse 
termini t ehe le capisse lui solo et altri poehiuimi . . . eavii e generoti spirti e 
quei ehe sono veramente uomini, U quali tenza legge fanno quel ehe eonviene. 

1) Bruno'B fanatischer Semitenhass erklärt sich zum Theil ans lebendig 
gebliebenen Jugenderinnerungen , die sich an eine Judenverfolgung knüpften, 
über welche der Nolaner im Kreise seiner Familie wohl häufig genug mag 
erzählen gehört haben. Inr Jahr 1509 nämlich wurden sämmtliche Juden 
nach siebenzigjähriger Wucherwirksamkeit aus Nola und dem ganzen da- 
maligen Spanischen Reiche vertrieben. Der nolanische Chronist und Bischof 
Ambeosius Leo berichtet darüber in seiner Geschichte von Nola (Venetiis, 
1514) bei Schott, Italia illustrata (Frcft., 1600), pag. 970—971 Folgendes: 
Anno millesimo quatereentesimo quadragesimo in urbe Nola incolere eoepere Judaei 
atque perquam pauci. Quorum fuit Vilielmus ehirurgus medieus, homo pannosue 
ae paupereulus: veluti seneee nostri retulere; ia übt Nolam ingressus est, urbetn 
statim totam commovit novitate praesentiae Judaicae; usque adeo, ut postquam 
auditum fuisset, adventaase Judaeum, turmatim Nolani per urbetn ruere, ut illum 
tuerentur: tamquam sperassent unum ex Ulis eernere f qui Dominum Jesum cruei 
affixer e. Uli vero conductis aedibus eoepere vivere civitatem Nolam; quum antea 
nullum in urbe Judaeum habitavisse auditum eognitumve sit a senioribus nostris. 
Deinde hisee veluti initium adüumque faeientibus advenere paulatim alii totque, ut 
ad viginti aedes eonduxissent. Frieret vero paueos annos ditissimi evasere foenore 
faeiendo, namque vestes omnis generis, vom aenea, stannea, argentea, annulos, 
gemnuu eaeteraque preeiosa quaeeunque potuissent aeeipere in fidem et pignora 
capientes foenerabant. Foenua autem erat menetruum, velut pro sexagenis mutuatis 
nummis singulos cum semisse expilabant, quae lueella super pignore ultra mutatam 
peeuniam adjeeta brevi augebant sortem adeo , ut usurae debitum preeio justo rei 
aequaretur, unde res de pignoris proprietate in Judaei possessionem silenti devora- 
Hone tr anaig ebaiur. Neque id eis satis fuit; sed Vilielmus eiiam primus; senex 
jam aUsus est aedes magnas mereari, easque fabriea majores pulehrioresque eficere, 
idque super via Vineanciatia. Item agrutn amplum emere ad Turrem Martianam. 
Quae aedes agerque postea possessi sunt a Cesarinis tum, quum adventantibus 
Gaüis Judaei omnes expoliati fuere. Incoluerunt vero Judaei in urbe Nola annis 
septuaginta. Namque millesimo quingentesimo nono ejeeti fuerunt, non solum a 
Campania, sed etiam de Felignia, Apulia, Calabria nunc dieta, ae longe antea de 
Sieilia omnique Hispania ab altro Ferdinande Aragonaeo, qui prius Hispaniarum 
rex erat ae Sieiliae , deinde pulsis nostris regibus longo hello habito cum Gallis, 
ipse sueeessit imperio Neapolüano, quo in hello Oallieo Judaei plurima passi sunt 
damna. Namque divitiis omnibus spoliati sunt partim a militibus, partim a po- 
pulis, idque anno 1506 post Jesum dominum. 



222 VI. Bruno'a Religionsphilosophie. 

„beschnittener Sinn und geschorener Verstand 1 )" bilden deutliche 
Hinweise auf Judenthum und Christenthum. Die grausame 
Härte jüdischer Strafgesetze, welche zum traurigen Vorbild christ- 
licher und muhamedanischer Gesetzgebungen geworden ist, er- 
klärt Bruno aus der Verworfenheit des jüdischen Stammcharak- 
ters. Ein Gesetz, welches flir den Fehler des Vaters auch die 
unschuldigen Kindlein und die Mutter btissen lässt, konnte nach 
Bruno nur einer so pestilenzialischen, aussätzigen und gemein- 
gefährlichen Basse, wie der jüdischen, entspringen, einer Basse, 
die eher ausgerottet als geboren zu werden verdiente 2 ). Die 
Juden sind der Abschaum der Menschheit 3 ), das nichtswürdigste 
und verdorbenste Volk der Welt, von der niedrigsten und 
schmutzigsten Natur und Gesinnung 4 ). Das Unerträglichste an 
ihnen ist ihr grenzenloser Hochmuth. Sie waren von jeher ein 
gemeines, feiles, sich absonderndes, unmittheilsames, mit den 
andern Bässen unverträgliches Volk, die es bestialisch verachten 
und von welchem sie aus jedem Grunde nach Gebühr wiederum 
verabscheut werden 5 ). Einst als sie noch die Sklaven der 
Aegypter waren und in die Wüsten verbannt wurden, da wurden 
sie von ihrem Propheten getröstet und gestärkt mit der Hoffnung 
auf Freiheit und der Erwerbung eines Vaterlandes. Als sie 
dann zu Besitz und Buhe gelangt waren, wurden sie mit Zer- 
streuung und Gefangenschaft bedroht. Heut zu Tage aber, wo 



1) De Immenso, Lib. I, cap. 13, v. 47, pag. 196: 

Quis circumdso sensu, et ratione retonsus . . . 

2) Spaccio della JUestia Tbionf. (Wagner II, 197): Mereurio: JBte 
contra ogni legge, ehe per difetto del padre, vegnano mukati gli agnelli e la madre. 
Sofia: E vero , ehe tnai ho trovato tal giudizio, se non tra i fieri barbari, 
$ credo, ehe prima fusse trovato tra i Qiudei, per eeser queUa una generaeione 
tanto pcstücnte, leprosa, e generalmente perniciosa, ehe merita prima csser spmta 
che nata. 

3) Ebendas. (Waoneb II, 236): gli Ebrei son eonviiti per eseremcnto de 
VEgitto. De Immenso, pag. 512 and 625 : faex populorutn, faex hotninum. 

4) Ebendas. (Wagneb II, 239): la piu indegna e fraeida generazion del 
mondo, di piu bassa e sporea natura e spirto. 

5) Ebendas. (Wagner II, 268): gli Ebrei . . . gente setnpre vüe, mer- 
eenaria, solitaria, incommunieabile et meomersabile con faltre generationi, le quali 
bestialmente spregiano f e da le quali per ogni ragtone son degnamente dispregiate. 



VI. Bruno's Religionsphilosophie. 228 

es kein Uebel oder Laster giebt, dem sie nicht unterworfen 
wären, giebt es kein Gut und keine Ehre, die sie sich nicht ver- 
sprächen *). Das Schlimmste aber ist, dass sie, als der Auswurf 
Aegyptens *) die missverstandene Naturreligion der Aegypter in 
verfälschter Form auf die Nachwelt vererbt haben. Während, wie 
die Weisen wissen, die Aegypter von der Betrachtung der äussern, f* 

natürlichen Formen lebendiger Thiere und Pflanzen emporstiegen y> 

und, wie die Geschichte zeigt, bis zur Gottheit durchdrangen 3 ), haben 
jene und die nach ihnen gekommen sind, den alten sinnigen 
Thierdienst in einen aller Vernunft spottenden Eselsdienst ver- 
kehrt. Und nun erzählt Bruno eine köstliche Geschichte, die er 
vor Jahr und Tag selbst erlebt hatte. „Als ich (i. J. 1576) nach 
Genua kam, stellten die Mönche des Castells gerade den ver- 
schleierten Schwanz zum Kusse aus, indem sie riefen: Berührt ihn 
nicht, küsst ihn ! Dieses ist die heilige Reliquie jener gebenedeiten 
Eselin, welche würdig erachtet worden, unsern Herrgott vom 
Oelberge nach Jerusalem zu tragen. Betet ihn an! Küsst ihn! 
Reicht Almosen! Ihr werdet hundertfältig empfangen und das 
ewige Leben erwerben 4 )!" Durch solche kläglich carrikirende 
Nachäfferei des tiefsinnigen Naturcultus der Aegypter, durch 



1) Dbgli Eroici Furori (Wagner II, 380): Coet gli Ehret, quando erano 
schiavi ne XEgitto , e banditi ne li deeerti, erano confortati da lor profeti eon 
V aspettazione di libertä, et aquisio dt patria ; quando furono in etato di domino e 
tranquillitä, erano minaeciati di disperstone e cattivita. Oggi ehe non e male ne 
vitupetio, a eui non siano suggeiti, non e bene ne onore, ehe non ei promettano. 

2) Spaccio della Bestia Trionfante (Wagner II, 236): gli Ebrei 
eon eonvitti per eecremento del Egitto. 

3) Ebendas. (Wagner II, 234): Gli Egizf, eome sanno i eapienti, da 
queste forme naturali eeteriori di bestie e piante vive aecendevano *, eome mostranc 
li lor successi, penetravano a la divinita. 

4) Ebenda 8. (Waoner II, 232): Cosi hovitto io li religiosi di CasteUo in 
Genova mottrar per breve tempo efar baciare la velata coda y dieendo: Non toceate, 
baeiate ! queeta e la eanta reliquia di quella benedetta asina, ehe fu fatta degna 
di portar il noetro dio dal monte Oliveto a Jerooolima. Adoratela, baeiatela, 
porgete Umoeina! Centuplum aeeipietü, et vitam aetemam possidebitis. ' Diese 
Eselaschwanzrerehrung muss tiefen Eindruck auf Bruno gemacht haben, 
denn er kommt von seinem ersten Werke bis zum letzten immer wieder 
darauf zurück. Vgl. Candelajo (Wagner I, 17) und De Immenso , pag. 625 
unten. 



224 VI. Bruno's Religionsphilosophie. 

derlei Verehrung von todtem Unflat verfallt Gott und die Natur 
dem Spott und Hohn wahnwitziger Götzendiener, die noch oben- 
drein den besiegten Anhängern des reinen Naturdienstes gegen- 
über hochmüthig vermeinen, im Lichte zu wandeln, wenn sie 
ihre lächerlichen Gebräuche so hoch im Ansehen erblicken 1 ). 

Bruno ist unermüdlich, den Schaden zu betrauern, welchen 
die Menschheit erlitten habe, als das Semitenthum dem sinnigen 
Naturdienst der antiken Culturvölker ein grauenhaftes Ende be- 
reitete, indem es an die Stelle der ehemaligen Unschuld raffinirte 
Bosheit und an den Platz der einstigen Begeisterung für die 
Forschung nach der Wahrheit Heuchelei und Lüge, Ignoranz 
und Intoleranz gesetzt habe. Nirgends aber nimmt dieser elegisch- 
satyrische Ton rundere Gestalt an, als in folgendem Gedichte 
über den 

Ursprung der Verkommenheit. 

Astronomie war in ältester Zeit nicht eine Erfindung, 

Um den geordneten. Plan des Alls zu ergründen; sie diente 

Lediglich zu dem vernünftigen Zweck, die Erkenntniss des 

Ganzen 
Auf dem Berechnungsweg dem Menschenverstand zu erleichtern. 
Aber die Dummheit kam in die Welt und die stattliche Basse 
Wucherte bald tiberall. Da begann sich des Geistes der Menschheit 
Jene Verstrickung im Wurzelgeflecht des Wahns zu bemeistern. 
Jegliches Dichtungsgebilde der Vorwelt — sei's dass das Schicksal 
Oder des Menschen Gemüth so wollte — galt für Reales. 
Eitle Berechnung ersann Systeme phantastischer Welten. 
Was den Aegyptern einst ein Mythus gewesen, ein Mittel, 
Um der Mysterien Sinn bequemer und tiefer zu fassen, 
Ein Symbol, um das, was dem menschlichen Blicke entrückt ist, 
Durch ein poetisches Bild dem Geiste näher zu bringen, — 



1) Ebendas. (Wagner, II, 225): Ma quel ehe mi par da deplorare, e ehe 
veggio aleuni inseneati e etoUi idolatri, li quali, non piit ehe Vombra s'avvieina a 
la nobilth del corpo , imitano VeceeUenza del culto del l'Egitto , e ehe eereano la 
divinithj di cui non hanno ragione alcuna, ne gli eeerementi di eose tnorte et w- 
animate ; che eon twtto eib si beffano non eolamente di quei divini et oeulati cultori, 
ma anco di noi, .... trionfano , vedendo li lor pazzi riti in tanta riputazione, 
e quellt de gli altri a fatto svaniti e cassi. 



VI. Bruno's Religionsphilosophie. .225 

Das galt nun für Realität! Da rückte des Geistes 
Sonnenfinsterniss an und der Wahnwitz ruhte nicht eher, 
Bis das Judengeschmeiss die antiken Symbole verfälschte, 
Und sie alsdann für des eigenen Geists Erfindungen ausgab. 
WahrKch ein Musterbild von Verkommenheit ! Wirklich erlosch auch 
Jegliches Licht und die Völker verfielen der hässlichen Fabel. 
Los brach jetzt die barbarische Zeit, die Epoche der Schande, 
Welcher das Wissen ein Wahn und der Menschenmord Pietät 



Welcher die Religion nur als Mittel erscheint, um die Völker 
All' zu entzwei'n und brutal die Satzungen aller zu brechen. 
So verblieb von dem Urideal des Rechts und der Wahrheit 
Nur ein Ltigengespinnst, zum Verderb der Vernunft und der 

Sitte 1 ). 

Bruno ist, nach Massgabe solcher Auslassungen, die seines 
Herzens innersten Tiefen entströmen, weder ein Freund des 
Judenthums, noch der historischen Erscheinung der christlichen 
Kirche, deren Dogmatik er mit den schneidigsten Waffen seines 
an witzigen Wendungen und beissendem Hohn nie verlegenen 
Geistes bekämpft. Jehova nennt er nur: „die Gottheit der 



1) De Immens©, Lib. I, eap. 2, v. 41 — 65, pag. 511: 

Suppositiones Astronomorum factoe sunt positiones pküosophorum ad 

extremam usque insaniae speeiem. Sicut Aegyptiorum fabulis (ex Mer- 

curii vatieinio in Foimandro) aecidit. 

Adde quod haec primum studio conßcto Mathesis 

Non sicut caperet mundutn in hoc disposituram 

Comprensum vere: sed eerte ad cotnmoditatem 

Doctrinae facilis tandem qua eomputus esset. 

Forro ubi stultitiae coepit generosa propago 

Creseere, et ingenio implantatae sunt magis alte 

Radices Mae, eoeperunt vera putari 

Mobilia, atque anima motrice, aut numine pulsa. 

Inde sibi ratio ßnxit phantastica seela : 

TJt quondam Aegypto fuerant quae fabula, ut apte 

Objieier menti quaedam mysteria possent, 

Ferque quod in promptu est a sensibus omne remotum 

Aptius in signo vel imagine eonciperetur : 

Usque adeo erassi tandem est insania vulgi 

(Abdidit ut divum lux vultumj semper adaucta, 

15 



226 VI. Bruno's Religionsphilosophie. 

Hebräer" *) und Christus, wenn er ihn auch in seiner Rede an den 
Wittenberger Senat rücksichtsvoll „den Hirten nicht Eines Volkes 
allein, sondern den einzigen und höchsten Hirten aller Völker" 
nennt, ftihrt Bruno in ei n er Reihe auf mit den Göttern, Religions- 
stiftern und Philosophen aller Zeiten, er zählt hintereinander auf: 
Zoroaster, Trismegistus, Charondas, Solon, Zamolxis, Plato, Minos, 
Numa, Romulus, Muhamed, Moses, Ormazd, Mercur, Saturn, 
Minerva, Vesta, Jupiter, Apollo, Egeria Nympha, Mars, Gabriel, 
Jehova , den Gott der Hebräer und Gott den Allmächtigen, 
den Allvater und Herrn des Weltalls 8 ). Kein Zweifel, dass 
Bruno selbst den Stifter des Christenthums nicht mit seiner Ironie 
verschont. * Er spricht z. B. im Gedicht: De Monade von dem 
Ursprünge, welchen verschiedene Religionsstifter aus bösen Oon- 
stellationen genommen haben. Unter denselben versteht er: 
Romulus, Merlin, Apollonius von Tyana, Theut, und andere, 



TJt vitiata etiam simulaera ea faex populorutn 
Verterit in proprii generis flgmenta profana 
Pessimum in exemplum vitai: atque inde sepulta est 
Lux ac per genteis invecta est fabula turpis 
Barbartes genita est, seelum eveetum scelerosum 
Cui scire insanutn est, erudelia, et impia facta 
Sunt pietas, et Religio est in schismate tnundum 
Servare, atque super Jura omnia tollere vires, 
Sie veri ac Justi normae corrupta remansit 
Fabula quae vitae rationem evertit et usum. 

1) De Monade, cap. 8, pag. 111 unten: 

Septenis glauea latuit ealigine Moses 
Cum fieret viso Hebraeorum numine laetus. 
Ferner De lampade combinatoria Lull. (Gfrörer, pag. 632): Leus He- 
braeorum Jehova. 

2) De lampade comb, ad Vitebebgae senatum (Gfrörer, pag. 632): 
fnunus inquam quäle per prineipes gentium , duees et pastores populorutn , Zoro- 
•astrem, Trismegistum, Charondam, Solonem, Zamolxim, Platonem, Minoem, Numam, 
Romulum, Mahumetum, Kosen et non unius gentis, sed omnium unieum summum- 
que pastorem Christum eommunicasse dicuntur numina , Oromasis, Mereurius, Sa- 
turnus, Minerva , Vesta, Jupiter, Apollo, Egeria Nympha, Mars, Gabriel, Leus 
Hebraeorum Jehova, et Leus ' omnipotens, pater omnium et dominus universi. 
Ebenso in Sigillus Sigillorüm (Gfrörer, pag. 569), 35: Pythagoras, Zoro- 
usUr , Zamolxis , Abaris , . . . . Moses , . . . . Jesus Nazarenus , . . . . Raymundus 
Jjullius, .... Paraeelsus! 



VI. Bruno's Religionsphilosophie. 227 

die Ungewissen Eltern entstammt sind 1 ). Im Sigillus 
Sigillorum schildert er die Erfindungsgabe der Ekstatiker, 
sich durch künstlich hervorgebrachte Melancholie die Wollust 
mystischer Versenkung in Gott- zu verschaffen: „Diese verab- 
scheuen wir am meisten, da die Thoren bisweilen nicht allein 
ihre eigene, sondern auch der andern Unwissenden und Esel 
(denen sie wie Propheten und Offenbarer der Frömmigkeit er- 
scheinen), schändliche Dummheit nähren. Nachdem sie durch 
Verschmähung jeder natürlichen Nahrung abgemagert und zu 
einer krankhaft saturnischen Complexion gelangt sind, und sich 
gewissen zur Verwirrung der Phantasie höchst geeigneten vor- 
gängigen Betrachtungen, die sie für fromm halten, durch das 
Dunkel der Nacht begünstigt, hingegeben haben, verfallen sie in 
einen Zustand der Traurigkeit, worin sie, mit Geissein sich leicht 
schlagend, aus den innern Theilen die Wärme nach den äussern 
locken, damit so die melancholische Stimmung mächtiger auf 
den Geist einwirke; und damit zur Erreichung der Exstase ja 
nichts versäumt werde, wenden sie die Gedanken ihrer Seele 
dem Tode irgend eines Adonis zu, und zur Traurigkeit eine 
angenehme Traurigkeit hinzufugend (denn wir wissen, dass auch 
die Thränen ihre Wollust haben), erleiden sie eine körperliche 
Erregung anderer Art, und treten, kraft der verwirrten Sinne, 
aus Antrieb des eigenen Geistes leichtlich mit einem jener un- 
reinen und der Vernunft spottenden Geister in Verbindung, wäh- 
rend sie selbst am Ende sich zu einer, ich weiss nicht welcher, 
offenen Anschauung elender und erbärmlicher Gott- 
heiten entrückt glauben, so dass sie Dinge hören und wahr- 
nehmen, die niemals in ihre Gedanken hätten kommen können. 
Diese Gewalt der verwirrten Phantasie ist bei Einigen bis dahin 
gestiegen, dass durch die Gluth der brennenden Phantasie die 
Wundmale der durchbohrten Gottheiten, deren Bild sie 
mächtig ihrem Gemüth eingeprägt hatten, ihrem eigenen Leibe 
eingebrannt wurden 2 ). tt Clemens, dessen Uebersetzung wir hier 



1) De Monade, ptg. 75: ...ad tales referunt ortum Romuli ^ Merlini, 
Thianei, Theuti et aliorum gm inoertü parentibus prodiere. 

2) Sigillus Sigillorum. De duodccima contraetionis specie. 46. (Gfrörek, 
pag. 576 — 577): Jam ad non magis ingeniosos Apoealypticos tiostros respieiamuSy 

15* 



228 VI. Brnno's Religionsphilosophie. 

gefolgt sind, bemerkt mit Recht: „Jeder sieht, dass hier zu- 
nächst auf die Wundmale des hl. Franz von Assisi, auf die Be- 
trachtung des leidenden und sterbenden Christus, und auf die 
Nachfolge desselben in der Abtödtung der Sinne und des Fleisches 
angespielt ist 1 )." 

Die Wunder Christi müssen sich die bitterste Ironie 
gefallen lassen, als schöne „Kunststücke", die „das Naturgesetz 
zur Büberei herabwürdigten. 44 Bruno wählt zum whipping boy 
seiner Satyre den auf dem Wasser wandelnde n Orion. „Darauf 
fragte Neptun : Was werdet ihr, o Götter, mit meinem Lieblinge, 

meinem Herzblatte anfangen, mit jenem Orion .? Da pr-, 

wiederte Momus: Lasst mich euch einen Vorschlag machen, 
ihr Götter. Uns ist, wie das Sprichwort in Neapel- sagt, der 
Maccaroni in den Käse gefallen. Diesen, weil er Wunder zu 
wirken versteht, und, wie Neptun weiss, auf den Wogen des 
Meeres einherschreiten kann, ohne einzusinken, noch sich die 
Füsse zu netzen, und weil er folglich wohl auch noch viele andere 
schöne Kunststücke zu machen vermögen wird, ihn lasst uns 



qui cum ejusdem pishime olentis melancholiae specie laborent, fine tarnen, per Ubi- 
dinis diver8ita(em, differunt ; hos maxime detestamur, quandoquidem intet im stulti 
tum propriam modo, sed efaliorum ignorantum et asinorum (quibus prophetae et 
revelatores pietatis apparentj turpissitnam stultitiam tnutriunt. Hi möge naturale 
nutrimentum contemnentes postquam in macietn et vieiose saturniam complexionem 
fuerint adacti, quibusdam fad phantasiam perturbandam) aptissimis praeviis (qua* 
pias creduntj meditationibus ipsi faventem noctis tttnbram potiti, tristüiam quan- 
dam subeunt, ubi fiagris lenius caedendo sese , ab internis ealoretn ad partes ex- 
triores evocant, ut hoc interius mage remisso amplius in spiritu tnelancholieus 
tepor intendatur , et ut nuüa ad ecstasin contrectandam desit occasio , animi ex- 
cogitationcm ad alicujus Adonidis mortem adpellentes tristitiaeque suavem quandam 
addentes triatitiam (haud tnim et lacrimis suam deesse libidinem comperimusj 
alterius gener is horripilationem subeunt, interimque virtute perturbaU sensus, facile 
proprii Spiritus adpulsu alieui de immundis iisdemque irrisoribus intelligentiae 
spiritibus copulantur, cum demum neseio in quem miserorum trittiumque numinum 
apertum intuitum et ajfatum adeo promoti credantur, ut ea audiant atque pereipi- 
ant, quae nunquam in eorum cogitationem eadtre potuissent. Quem quidem phan- 
tasiae turbatae impetum eousque in quibusdam invaluisse novimus, ut eonfossorum 
numinum , quorum speeiem intensius animo contraxerant , ardentiaris phantasiae 
fervore eicatrices in proprio corpore inustas comperirent. 

1) F. J. Clemens, Giordano Bruno und Nicolaus von Cusa (Bonn, 1847), 
pag. 176. 



VI. Bruno's Religionsphilosophie. 229 

unter die Menschen senden, um durch ihn denselben kund zu 
thun, was uns irgend gut däucht und beliebt, indem er sie 
glauben macht, dass das Weisse schwarz, dass der menschliche 
Verstand, wo* er am deutlichsten Etwas einzusehen wähnt, nur 
eine Blindheit, dass das, was der Vernunft vortrefflich, gut und 
das Beste scheint, gemein, verwerflich und durchaus böse; dass 
die Natur eine niederträchtige Metze; dass das Naturgesetz eine 
Büberei sei; dass die Natur und die Gottheit nicht zu dem 
gleichen guten Zwecke zusammenwirken können, und dass die 
Gerechtigkeit der einen nicht der Gerechtigkeit der andern unter- 
geordnet, sondern sich entgegengesetzt sei, wie Finsterniss und 
' Lfcht; dass die Gottheit ganz und gar Mutter der Griechen und 
nur wie eine feindliche Stiefmutter aller andern Geschlechter sei, 
wesshalb auch keine den Göttern angenehm sein könne, ergräcisire 
denn, d. h. er werde zum Griechen; denn der grösste, Bösewicht 
und Taugenichts, den Griechenland besitzt, ist, weil er dem Ge- 
schlechte der Götter angehört, unvergleichlich viel besser, als der 
gerechteste und edelste Mann, der aus Rom zur Zeit der Bepublik 
oder aus irgend einem andern Volke hervorgehen konnte, mag 
dieser auch in Sitten, Wissenschaft, Stärke, Schönheit im Ansehen 
jenen noch so sehr übertreffen. Diese sind nämlich natürliche 
und von den Göttern verachtete, denen überlaesene Gaben, die 
unfähig sind höherer Bevorzugungen, d. h. jener übernatürlichen, 
die die Gottheit schenkt, als da sind: auf dem Wasser zu springen, 
die Krebse tanzen, die Lahmen hüpfen, die Maulwürfe ohne 
Brille sehen zu machen, und unzählige andere Galanterien. Er 
wird damit die Menschen tiberzeugen, dass die Philosophie, jede 
Betrachtung und Magie, die sie uns ähnlich machen könnte, nur 
Thorheiten sind, dass jede heroische That nur eine Feigheit, und 
dass di e Unwisse nheit die schönste Wissenschaft von der Welt 
ist, indem sie ohne Mühe erworben wird und den Geist nicht 
mit Melancholie erfüllt. Damit wird er vielleicht den Cultus und 
die Ehre, die wir verloren haben, wieder herstellen und noch 
vermehren, indem er bewirkt, dass unsere Spitzbuben für Götter 
erachtet werden, weil sie entweder Griechen oder griechisch ge- 
worden sind. Nicht ohne Furcht jedoch, ihr Götter, ertheile ich 
euch diesen Bath, denn irgend eine Mücke surrt mir ins Ohr, 
es könne geschehen, dass dieser am Ende, wenn er das Wild 



230 VI. Bruno's Beligionsphilosophie. 

in Händen hat, es dabei nicht bewenden lasse , sondern sagen 
und den, Menschen glauben machen werde, der grosse Jupiter 
sei nicht Jupiter, sondern Öriön sei Jupiter, und alle Götter seien 
nur Chimären und Einbildungen. Insofern scheint es nur ge- 
rathen, nicht zu glauben, dass er per fas et nefas, wie es heisst, 
solche Geschicklichkeiten und Fertigkeiten an den Tag lege, 
wodurch er sich in seinem Rufe über uns emporschwingt." Hier 
antwortete die weise Minerva: „Ich weiss nicht, o Momus, in 
welchem Sinne du diese Worte sprichst, diesen Rath ertheilst, 
diese Behutsamkeit empfiehlst. Ich denke, dass deine Worte 
ironisch' gemeint sind; denn ich halte doch nicht für so thöricht, 
zu glauben, dass die Götter durch solche Armseligkeiten sich 
ihren Ruf bei den Menschen erbetteln, und dass, in Bezug auf 
jene Betrüger, ihr falscher, nur auf die Unwissenheit und Bestiali- 
tät Derjenigen, die sie schätzen und ehren, gegründeter Ruf ihnen 
wirklich zur Ehre, und nicht vielmehr zur Bestätigung ihrer 
Unwürdigkeit und höchsten Verwerflichkeit gereiche. In dem 
Auge der Gottheit und der Allem vorstehenden Wahrheit kommt 
es darauf an, dass Einer gut und würdig sei, mag er auch keinem 
Sterblichen bekannt sein; aber dadurch, dass ein Anderer es 
dahin bringt, fälschlich als Gott von allen Sterblichen geachtet 
zu werden, wird sein Werth nicht erhöht; denn er ist vom 
Schicksal nur zu einem Werkzeuge und Wahrzeichen gemacht 
worden, wodurch die um so grössere Unwürdigkeit und Thorheit 
Jener, die ihn werth halten, an den Tag tritt, je niedriger, 
verächtlicher und verworfener er selbst ist. Wenn also nicht 
allein Orion, der ein Grieche und ein Mensch von einigem Werthe 
ist, sondern Einer aus dem nichtswürdigsten und verdorbensten 
Volke der Welt, von der niedrigsten und schmutzigsten Natur 
und Gesinnung gewählt und als Jupiter angebetet wird, so er- 
wächst sicherlich ihm daraus keine Ehre, noch dem Jupiter in 
ihm eine Schmach, denn nur verkleidet und unbekannt erhält 
er jenen Sitz oder Thron ; wohl aber erwerben sich Andere in 
ihm Geringschätzung und Tadel. Niemals also wird ein Schelm 
dadurch Ehre erlangen können, dass er mit Hülfe feindlicher 
Genien blinden Sterblichen zum Affen und zur Posse dient 1 )/' 

1) Ebendas. (Wagner II, 238; Clemens, Bruno pag. 180): apresso 
dimando Nettuno: „che farete, o dei, del mio favorito, del mio bei mignone, di 



VI. Bruno's Religiogsphilosophie. 231 

Auch sonst macht sich Bruno über die Wunderthaten lustig: 
„Mache man doch mit einem desswegen weil er einen elenden und 



queW Orione, dico, che fa per spavento, eome dicono gli etimologisti , orinare il 
eielo?" Qua rispose Momo: „Zosciote proponere a me, o deil Ne e caseato, 
eome e proverbio in Napoli,. il macoarone dentro ü fortnaggio. Questo, pa ehe 
sa far di maraviglie, e come Nettuno sa, pub eamminar sopra Vonde del mare 
senza inf ossär si, senza bagnarsi li piedi, e con questo eonseguentemente poträ far 
motte aXtre helle gentilezze. Mandiamolo tra gli uomini, e faceiamo , ehe li done 
ad intender tutto quetto , ehe ne pare e piace, faeendoli credere , ehe ü bianco e 
nero , ehe VmteUetto umano, dove gli par meglio vedere, e una eecitä, e cCo ehe 
seeondo la ragione pare eccellente, buono et ottimo, e vile , seellerato et estrema- 
mente malo; ehe la natura e una puttana bagassa; ehe la legge naturale e una 
ribaldaria; ehe la natura e divinitä non possono concorrere in uno medesimo buon 
fine, e ehe la giuetizia de funa non e subordinata a la giustizia de faltra, ma 
son coee contrarie, eome le tenebre e la luee; ehe la divinitä tutta e madre di 
Greci, et e eome nemiea matrigna de ialtre gener azioni, onde nessuno pub esser 
grato a' dei akrünenti ehe greehizando, i, e. faeendoai Greeo: per ehe il piu gron. 
seellerato e poltrone, eh' abbia la Greeia , per essere appartemente a la generazione 
de li dei, e ineomparabümente migliore che il piu giusto e magnanimo, eh' abbia 
poMUto useir da Roma in tempo, ehe fu repubblica, e da quäl ei voglia altra 
generazione, quantunque miglior in eostumi, scienze, fortezza , giudizio, bellezza et 
autorita. Per ehe questi son doni naturaU e spregiati da li dei, e laseiati a quellt, 
che non son eapaci di piu grandi privilegi, oioe di que' sopranaturali, ehe dona la 
divinitä, eome questo di saUar sopra Vaeque, difar battare i granchi, di far fare ca- 
priole ä zoppi, far veder le talpe senza occhiali, et altre belle galanterie innumerabili. 
Persuaderä eon questo, che la ßlosqßa, ogni eomtemplazione et ogni magia, che possa 
farli simili a noi, non sono altro che pazzie; ehe ogni atto eroieo non e altro che 
vigliaeearia, e ehe la ignoranza e la piu bella seienza del mondo, per che s'acquista 
senza fatiea, e non rende ianimo affetto di melaneolia. Con questo forse potra 
riehiamare e ristorar il eulto et onore, cA' abbiamo perduto, et oltre avanzarlo^ 
faeendo, che li nostri mascalzoni siano stimati dei per esserno o Greci o ingreeati. 
Ma eon dimore, o dei, io vi dono questo consiglio; per ehe qualche mosca mi su- 
surra ne Voreechio, atteso ehe potrebbe essere, ehe costui al fine trovandosi la 
caeeia in mono , non la tegna per lui , dicendo e faeendogli oltre credere, che il 
gran Giove non e Oiove, ma che Orione e Griove, e che li dei tutti non sono 
altro ehe ehimere e f antaste. Per tanto mi par pure eonvenevole, che non per- 
mettiamo, ehe per fas et nefas, come dicono, voglia far tante destrezze e dimo- 
stranze , per quante possa farsi nostro superiore in riputazione." Qua rispose la 
savia Minerva : „Non so, o Momo, con ehe senso tu dici queste parole, doni questi 
eonsigli, metti in eampo queste eantele. Penso, eh* ü parlar tuo e ironico; per 
ehe non ti stimo tanto pazzo , ehe possi pensar , ehe li dei mendieano eon queste 
povertadi la riputazione a presso gli uomini, e quanto a questi impostori, ehe la 
falsa riputazion loro, la quäle \fondata sopra t ignoranza e bestialitä di chiunque 



232 VI. Bruno* s Religionsphilosophie. 

unnützen Lahmen geheilt hat, der, wenn er auch gesund wäre, 
eben so wenig oder nichts taugte als wenn er krank ist, nicht 
soviel Aufhebens als mit einem andern, der das Vaterland be-, 
freit oder einen gestörten Geist wieder hergestellt hat; man fnache 
doch nicht eine so grosse Heldenthat 'oder noch mehr daraus, 
wenn einer auf irgend eine Art und 1 Weise hat das Feuer eines 
brennenden Ofens ohne Wasser löschen können 1 )! 1 ' 

Aber mit dem beissendsten Spotte verfolgt Bruno die Grott- 
menschheit Christi, zu deren symbolischem Träger, er den 
Centauren Chiron nimmt, nicht ohne denn doch schliesslich den- 
selben wegen seiner Menschenfreundlichkeit flir des Himmels 
sehr würdig zu erklären. „Es ist Zeit, dass wir zum Centauren 
Chiron kommen. . . . Und Momus sprach: was sollen wir mit 
diesem einem Thiere aufgepfropften Menschen oder mit diesem 
an einen Menschen gefesselten Thiere anfangen, bei welchem 
zwei Naturen eine Person bilden, und zwei Substanzen sich zu 
einer hypostatischen Einigung verbinden? Zwei Dinge vereinigen 
sich hier zu einem dritten Wesen, und darüber kann kein Zweifel 
obwalten. Aber die Schwierigkeit besteht darin, zu wissen, ob 
dies dritte Wesen etwas Besseres, als der eine und der andere, 



li reputa e stima f sia lor onore piu presto, ehe eonßrmazione de la loro indignita 
e 8ommo vituperio. Importa a Vocehio de la divinita e preaidente verüä, ehe 
uno sia buono e degno, ben ehe nissuno de mortali lo eonosea; ma ehe un aitro 
falsamente venisse sino ad essere stimato dio da tutti mortali, per eib non si 
aggiongera dignitä a lui, per ehe solamente vien fatto dal fato instrumenta et 
indice, per eui si vegga la tanto maggiore in lux dignitä e pazzia di que tuttu 
ehe lo stimano, quanto eolui e piu vile, ignobile et abbietto. Se dunque si prenda 
non solamente Orione, il quäle e Greeo et uomo di qualehe pregio , ma uno de la 
piu indegna e fraeida gener azion del mondo, di piu bassa e sporca natura e spirito, 
ehe sia adorato per Giove: eerto mai verrä esso onorato in Oiove, ne Giove spre- 
giato in lui, atteso che egli maseherato et ineognito ottiene quella piazza o solio, 
ma piu tosto altri verranno viUpesi e vituperati in lui. Mai dunque potra un 
forfante essere capaee di onore per questo , ehe serve per seimia e befa di citchi 
mortali eon il ministero di genj nemici" 

1) Ebendas. (Wagner II, 164): non faeeia tanto trionfo d } uno f 

per ehe abbta sanato un vile e disutil zoppo, ehe poeo o nulla vale pfä sano ehe 
infermo, quanto d'un altro, ch 1 ha liberata la patria, e riformato un animo per- 
turbato; non stime tanto, o piu gesto eroico Vaver in qualehe modo e qualehe 
maniera possuto estinguer il foeo cfuna fornace ardente senz 7 aequa. 



VI. Bruno's Religionsphilosophie. 233 

oder der eine von den beiden Theilen ist, oder aber ob etwas 
Geringeres? Ich will sagen, ob aus der Verbindung der Pferde- 
natur mit der menschlichen ein des himmlischen Sitzes würdiger 
Gott qntetehe, oder aber ein Thier, welches in eine Hürde und 
einen Stall gewiesen zu werden verdient? Kurz, mögen Isis, 
Jupiter und Andere noch so viel über den Vorzug, ein Thier 
'zu sein, gesagt haben, und dass der Mensch, um göttlich zu 
sein, Etwas vom Thiere an sich haben und in dem Grade, als 
ein Thier sich zeigen müsse, in welchem es al s göttlich zu glänzen 
verlangt; ich werde nie glauben können, dass da, wo'der Mensch 
nicht ganz und vollkommen ist, noch vollkommen und ganz das 
Thier, sondern nur ein Stück Thier mit einem Stück Menschen 
verbunden, dies besser sein könne, als wo ein Stück Hose mit 
einem Stück Wamms verbunden ist, woraus nie ein besseres 
Kleid, als ein Wamms oder eine Hose ist, entsteht, ja nicht ein- 
mal ein eben so gutes, als das eine oder die andere. a „Momus, 
Momus, erwiderte Jupiter, das Geheimniss ist verborgen und 
gross, und du kannst es nicht begreifen; es muss dir also ge- 
nügen, es als eine hohe und erhabene Sache zu glauben." - 
„Ich weiss wohl, sagte Momus, dass dies weder von mir, noch 
von irgend Einem, der einen Funken Verstand hat, begriffen 
werden kann, aber damit ich, der ich ein Gott bin, oder ein 
anderer, der so viel Krütz' im Kopfe hat, als ein Hirsenkorn 
beträgt, es glauben soll, wünschte ich, dass es mir von dir erst 
in irgend einer schönen Weise zu glauben vorgestellt würde. u 
„Momus, sprach Jupiter, du musst nicht mehr wissen wollen, als 
zu wissen nöthig ist, und, glaub' es mir, dies ist nicht nöthig zu 
wissen. a „Sieh' da also, sagte Momus, das, was zu hören Noth 
thut, und was ich wider meinen Willen wissen will; und um 
dir gefällig zu sein, o Jupiter, will ich glauben, dass ein Aermel 
und ein Beinkleid mehr werth und zwar sehr viel mehr werth 
seien, als ein paar Aermel und ein paar Beinkleider, dass ein 
Mensch kein Mensch und ein Thier kein Thier sei, dass die 
Hälfte eines Menschen kein halber Mensch, noch die Hälfte eines 
Thieres ein halbes Thier, dass ein halber Mensch und ein halbes 
Thier kein unvollkommener Mensch und kein unvollkommenes 
Thier, sondern ein Gott und pura mente zu verehren sei." Hier 
baten die Götter den Jupiter, dass er sich eiligst entschliessen 



234 VI. Bruno's Religionsphilosophie. 

und über den Centauren nach seinem Gutdünken verfugen möge. 
Desshalb -legte Jupiter dem Momus Stillschweigen auf und ent- 
schied in dieser Weise: „Mag ich selbst gegen Chiron vorgebracht 
haben, was ich will, so widerrufe ich es gegenwärtig und sage, 
dass Chiron, der Centaure, weil er ein sehr gerechter Mensch 
war, der einst auf dem Berge Pelias wohnte, wo er den Aescu- 
lap in der Arzneikunde, den Hercules in der Astrologie und den 
Achilles im Zitherspiele unterrichtete, weil er die Biranken heilte, 
zeigte, wie man zu den Sternen emporstieg, und wie die tönen- 
den Saiten ciit dem Holze verbunden und gehandhabt werden, 
mir des Himmels nicht unwürdig scheint. Sodann erachte ich 
ihn dessen für überaus würdig, weil in diesem himmlischen Tempel, 
bei diesem Altare, dem er nahe steht, sich kein anderer Priester 
ausser ihm befindet, da er, wie ihr seht, das Opferthier in Händen 
hält und die Opferflasche an seinem Gürtel hängt. Und weil 
der Altar, das Heiligthum, das Bethaus nothwendig ist, und ohne 
den Administranten vergeblich sein würde, so mag er hier leben, 
hier bleiben, hier ewiglich beharren, wenn sein Schicksal nichts 
Anderes über ihn verhängt." Hier fugte Momus hinzu: „Deine 
Entscheidung, o Jupiter, dass dieser der Priester am himmlischen 
Altare und im Tempel sein solle, ist würdig und klug; denn 
wenn er dies Thier, das er in Händen hält, geopfert haben wird, 
so ist es unmöglich, dass ihm jemals das Thier fehlen sollte, da 
er selbst zugleich als Opfer und als Opferer dienen kann, d. h. 
als Priester und als Thier." — „Wohlan also, sagte Jupiter, die 
Bestialität, die Unwissenheit, die unnütze und verderbliche Fabel 
entferne sich von diesem Orte, und wo der Centaur sich befindet, 
verbleibe die schlichte Einfalt und die moralische Fabel. Von 
dort, wo der Altar ist, entferne sich der Aberglaube, die Un- 
gläubigkeit und die Gottlosigkeit, und es nehme Platz die nicht 
eitle Religion', der nicht tfiörichte Glaube, die wahre und auf- 
richtige Frömmigkeit 1 )!" 



1) Ebendas. (Wagner II, 248; Clemens, Bruno pag. 183): adesso e 
tempo, ehe vegnamo a ragionar del centauro Chirone, il quäl venendo ordinatamente 
a proposito, fu dotto dal vecchio Saturno a Giove: „Per ehe, o figlio $ eigner mio, 
vedi eh' il sole e per tramontare, ispediamo presto questi altri quattro, seUi pütee!" 
E Motno disse: ^Or, che vogliamo far di quett' uomo insertato a bestia, o di 



VI. Bruno's Religionsphilosophie. 235 

Auch der Heiligen Familie, sowie dem Heiligen- 
dienst überhaupt, spielt Bruno sehr übel mit. Während die 



questa bestia inceppata ad uotno, in cui una persona ejatta di due nature, e due 
sustanze eoncorreno in una ipostatiea unione? Qua due eose vegnono in unione 
a far una terza entüa, e di questo non e dubbio oleum. Ma in questo consiste 
la diffieuUa, cioe, se cotal terza entüa produee co»a migliore, che Vuna e l'altra, 
o et una de le due parti, o veramente piu vile ? Voglio dire, se essendo a f esser e 
umano aggionto Vessere cavallino, vien prodotto un divo degno de la sedia Celeste, 
o pur una bestia degna di esser messa in un armento e staüa? Inßne, sia stato 
detto quanto si voglia da Iside, Giove et altri, de VeeceUenza de t esser bestia, 
e ehe a iuomo, per esser divino, gli conviene aver de la bestia, e quando appetxsce 
mostrar si altamente divo, faecia conto di farsi vedere in tat misura bestia, mai 
potrb eredere, che, dove non e un uotno intiero e perfetto, ne una perfetta et in- 
Hera bestia, ma un pezzo di bestia eon un pezzo d' uotno, possa esser meglio , che 
cotne, dove e un pezzo di braga con un pezzo di giubbone, onde mai provegna veste 
miglior ehe giubbone o braga, nemmeno eost, eome questa e queUa, buona. il — 
„Momo, Momo," rispose Giove, „ü misterio di questa cosa e occollto e grande, 
e tu non puoi capirlo ; perb eome cosa aüa e grande ti fia mestiero di solamente 
crederlo." — „So bene, a disse Momo, „che questa e una cosa, ehe non pub esser 
capita da me, ne da chiunque ha qualehe picciolo granello tfinteüetto ; ma che io, 
che son un dio, o aUro , che si trova tanto sentimento , quanto esser potrebbe un 
aeino di migUo, debba crederlo, vorrei, che da te prima eon qualehe bella maniera 
mi vegna donato a eredere. u — „Momo," diese Giove, „non devi voler sapere piu 
di quel ehe bisogna sapere, e credimi, che questo non bisogna sapere" — „JEeeo 
dunque, u disse Momo, „quel eh'' e necessario intendere, e eh* io al mio dispetto 
voglio sapere; e, per farti piaeere, o Giove, voglio eredere, che uno maniea e un 
eaizone vogliono piu che un par di maniehe e un par di ealzoni, e di gran van- 
taggio aneora ; ehe un uotno non e uotno, ehe una bestia non e bestia ; ehe la meta 
d'un uotno non sia mezzo uotno y e che la meta d'una bestia non sia mezza bestia; 
ehe un mezzo uotno e mezza bestia non sia uotno imperfeUo e bestia imperfettOy 
ma bene un divo, e pura mente eolendo" Qua li dei solleeitarono Giove, che 
s'espedisse presto, e determinasse del Centauro seeondo il suo voler e. Ferb Giove 
avendo comandato süenzio a Momo, determinb , in questo modo: 1r Abbia detto io 
medesimo contra Chirone quäl si voglia proposito , al presente mi ritratto, e dico, 
che, per esser Chirone centauro uomo giustissimo , che un tempo abitb nel monte 
Felia, dove insegnb ad Escülapio di medieina, ad JSrcole ePastrologia, et ad Achüle 
di cüara, sanando infermi, mostrando, eome si montava verso le stelle, e eome 
li nervi sonori s'attacavano al legno, e si maneggiavano , non mi par indegno del 
cielo. A presso ne lo giudico degnissimo, per che in questo tempio Celeste, a 
presso questo altare, a cui assiste, non e altro sacerdote ehe lui, il quäl vedete 
con queüa ofrenda bestia in mano, e eon un Ubatorio ßasoo appeso a la eintura. 
E per che Valtare, il fano, Voratorio e necessarissimo, e questo sarebbe vano senza 
t amministrante, pero qua viva, qua rimagna, e qua per severe eterno, si non dis- 



236 VI. ßruno's Religionsphilosophie. 

Aegypter nur den höchsten Leistungen der Gottnatur Ver- 
ehrung dargebrächt hätten, gelange jetzt der Abschaum der 
Menschheit: Ignoranz, Fanatismus, Niedertracht zu Heiligen- 
schein und Idealisirung. „Die Aegypter, wie dies den Weisen 
bekannt, erhoben sich von diesen äusserlichen, natürlichen Formen 
lebendiger Thiere und Pflanzen zur Gottheit, und sind bis zu 
ihr, wie dies die Erfolge zeigen, vorgedrungen; ihre Schmäher 
aber steigen von dem prächtigen Aeussern ihrer Idole, indem 
sie den Einen die vergoldeten Strahlen des Apollo , Andern die 
Grazie der Ceres, Andern die Reinheit der Diana, Andern den 
Adler, Andern den Scepter und den Blitz des Jupiter beilegen, 
so weit hinab, dass sie als Götter der Substanz nach Solche an- 
beten, die kaum soviel Geist haben, als unsere Thiere; denn 
am Ende beschränkt sich ihre Anbetung auf sterbliche, unbedeu- 
tende, schlechtbertichtigte, thörichte, fanatische, entehrte, unglück- 
liche, von bösen Genien* geleitete Menschen, Menschen ohne 
Talent, ohne Gaben, ohne alle Tugend, die im Leben nichts flir 
sich selbst getaugt haben und unmöglich todt etwas flir sich oder 
Andere taugen können 1 ). tt 

Selbst der Teufel, diese dem Christen der alten Kirche 
so unentbehrliche Spottfigur des Rivalen Gottes, geht vor Bruno' s 
Witz nicht leer aus. Nachdem der Nolaner verschiedene Methoden, 
sich von der Kugelgestalt der Erde augenfällig zu überzeugen, 



pone aUrimenti il suo fato /" Qua suggionse Momo : »Degna — e prudentemente 
hai deciso, o Oiove, che questo sia il sacerdote nel Celeste altare e tempio ; per che, 
quando bene arä spesa quella bestia, che tine in mono, e impossibile, che gli possa 
mancar mai la bestia ; per che lux medesimo et uno pub servir per sacrißfiio e 
sacrißcatore, i. e. per sacerdote e per bestia.*' 

1) Ebendas. (Wagner II, 234; Clemens, Bruno pag. 179): OH JSgizj, 
eome sanno i sapienti, da queste forme naturali esteriori di bestie e piante vive 
ascendevano e, come mostrano li lor successi, penetravano a la divinitä; ma loro 
da gli abiti magnißci esterni de H lor idoli, ad altri accomodandoH al capo li 
doraH raggi apollineschi, ad altri la grazia di Cerere, ad altri la purita di Diana, 
ad altri Vaquila, ad altri il scettro e folgore di Oiove in mano, discendono poi 
ad adorar in sustanza quei dei che a pena hanno tanto spirito , quanto le mostre 
bestie; per che finalmente la loro adorazione si termina ad uomini mortali, da 
poco , infami , stolti } vituperosi, fanatici, disonorati, infortunati, inspirati da genj 
perversi, senza ingegno, senza facundia e senza virtude alcuna, i quali vivi non 
valsero per se, e non e possibile, che morti vagliano per se o per altro. 



VI. Bruno's Religionsphilosophie. 237 

besprochen, rühmt er den unvergleichlich vortrefflichen Einfall 
Satans , Christus auf einen Berg zu fuhren und ihm von dessen 
Spitze aus die Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit zu zeigen. 
Nur sei dabei zu bedauern, dass man selbst vom höchsten Berg- 
gipfel aus in die Runde nicht über eine Meile hinaus blicken 
könne x ). 

Die christliche Dogmatik in allen ihöglichen Sätzen wird 
fortwährend mit der ätzenden Lauge heidnischen Hohnes be 
gössen. Den Christenglauben im Ganzen nennt Bruno 
„eine Scheinreligion", die Passionsgeschichte gilt ihm als 
eine „ich weiss nicht was flir eine cabbalistische Tragödie", 
für „ein gewisses tragisches Mysterium aus Syrien 2 )". — 
Das Abendmahl in beiden Gestalten ist ihm „ein Histörchen 
von Ceres und Bacchus 3 )", er moquirt sich über die „guten 
Verkündiger bessern Brodes, bessern Fleisches und Weines, 
als selbst der Greco von Somma , der Malvasier von Candia 
und der Asprinier von Nola ist 4 )." Das hl. Brod verspottet 
er unter dem Bilde eines Hasenbraten, nachdem er zuvor den 
Hasen zum Sinnbild feiger Todesfurcht gemacht. „Ich weiss, 
o Jupiter, sagte Momus, dass, wer Hasenbraten isst, sich schön 
macht Schaffen wir desshalb, dass wer immer von diesem himm- 
lischen Thiere essen wird, sei es Männlein oder Fräulein, aus 
einem hässlichen Wesen ein schönes, aus einem abstossenden ein 
anmuthiges, aus etwas Garstigem und Widerlichen gefallig und 

1) De Immenso, Lib. III, cap. 3, pag. 282: Sed incomparabüiter circum- 
speetiorem judieo artem diaboli illatn, quam melius de caeumine excelsi montis 
potuit ostendere omnia regna mundi quam de antro Trophonii. Sed et illud est 
ad prcpositum addendum , quod quamvis altum tnontem quispiam eonseenderit ad 
terrenae globositatis rationem, non est quod ita plus se ad unius miUiaris ulteriorem 
promoveat aspectum, sieut et altüsimus motu vix potest unius miUiaris perpendi" 
cularem lineam superare. 

2) Ebendas. (Wagner II, 162): Li nostri (uomini) de la ßnta religione 
tutte queste glorie le ehiamano vane, ma dieono, ehe bisogna gloriarsi solamente 
in non so ehe tragedia eabbalistica. De Monade, pag. 88 : Tragico et Syro quo- 
dam mysterio informativ 

3) Sigillüs Sigillobum (Gfrörer, pag. 569): de Cerere et Baccho ere- 
dulitates. 

4) Spaccio della Bestia Trionfante (Wagner II , 209 : .... buoni 
nunzj di miglior pane, di miglior carne e vino. che non possa esser ü Greco di 
Somma, Malvagia di Candia e Asprinio di Nola. 



288 VI. Bruno's Beligionsphilosophie. 

liebenswürdig werde, und selig sei der Bauch oder Magen, der 
JEhsenbrat^empf&ngt, verdaut und sich in solchen verwandelt 1 ). a 
Die willkommenste Beute bietet sich Bruno's Malice in dem Ge- 
zänk der Lutheraner und Reformirten über die Allgegenwart 
des Leibes Christi, in der Lehre von der Ubiquität. Er ver- 
höhnt dieselbe unter dem Bilde des Flusses Eridanus, der zu- 
gleich im Himmel und auf Erden ist „Wir kommen jetzt, 
sagte Jupiter, zu dem Flusse Eridanus, von dem ich nicht recht 
weiss, was ich mit ihm anfangen soll , da er auf Erden und im 
Himmel ist, während die andern Gegenstände, die uns beschäf- 
tigen, als sie im Himmel emporstiegen, die Erde verliessen. Aber 
dieser, welcher hier und dort, und innerhalb und ausserhalb, 
und in der Höhe und in der Tiefe, und etwas Himmlisches und 
etwas Irdisches, und dort in Italien und hier im Mittag ist, 
scheint mir kein Ding, welchem ein Ort angewiesen, sondern 
vielmehr einer genommen werden muss." „Im Gegentheile, 
o Vater, sagte Momus, mir scheint's, da der Fluss Eridanus 
diese Eigenschaft hat, zu gleicher Zeit in unterstellter und per- 
sönlicher Weise an verschiedenen Orten sein zu können, wir 
sollten ihn sein lassen tiberall, wo man es beliebt, sich ihn ein- 
zubilden, ihn zu nennen, anzurufen und zu verehren, was Alles 
mit den geringsten Kosten, ohne Zinsen, und vielleicht nicht . 
7 j nur °^ ne e ^ nen erklecklichen Gewinn thunlich. Doch muss dies auf 
* ' i eine Xrt geschehen, dass, wer von seinen eingebildeten, genannten, 

angerufenen und verehrten Fischen isst, sei, als hätte er nichts 
gegessen; und ebenso wer von seinen Wassern trinkt, sei wie 
Derjenige, der Nichts zu trinken hat; dass wer ihn in seinem 
Gehirne hat, sei, als hätte er das Gehirn hohl und leer, und wer 
die Gesellschaft seiner Nereiden und Hymphen geniesst, nicht 
weniger allein sei, als wer ausser sich ist. u „Wohl, sagte Ju- 
piter, darin geschieht Niemandem ein Unrecht, weil denn doch 
die Anderen darum nicht um ihre Speise, ihren Trank, ihr Ge- 



iz^ ,V>k 5 



; 



1) Ebendas. (Wagner II, 241): Qua diese Momo: „Intendo, o Giove, che 
chi mangia la lepre, si fa hello; faeciamo dunque, che chiunque mangiarä di 
questo animal Celeste, o masehio o femina cK egli sia, da brutto divegna formoso, 
da disgraziato grazioso, da cosa feda e dispiaeevole piacevole e gentile, e sia beato 
il venire o stomaco, che ne cape, e digerisce, e si converte in essa." 



VI. Brnno'8 Religionsphilosophie. 289 

hirn und ihre Gesellschaft kommen, dass diese ihr Essen, ihr 
Trinken, ihr Gehirn und ihre Gesellschaft nur in der Einbildung, 
dem Worte, dem Wunsche und der Verehrung haben. Es ge- 
schehe also, wie Momus vorschlägt und wie ich sehe, dass die 
Anderen es bestätigen. Eridanus soll im Himmel sein, aber nicht 
anders, als im Glauben und in der Vorstellung 1 )." 

Masslos sarkastisch ist schliesslich Bruno's Protest gegen 
den Gottesbegriff des Christenthums. „Unsere Ver- 
vollkommnungsfähigkeit, wenn dieser Ausdruck beliebt, besteht 
darin, dass wir Vieles thun können, was wir nicht thun. Es 
ist aber eine Blasphemie, Gott zu einem andern als Gott zu 
machen, so zwar, dass sein Wille bald der, bald wieder ein 
anderer sei , bald mit seiner Allmacht parallel läuft, bald wieder 
in diametralem Gegensatz zu derselben stehe, bald zwischen 
zwei einander widersprechenden Möglichkeiten das Bessere, bald 
wieder das Schlechtere wähle 2 )." »Wir geben über den Willen 



1) Ebendas. (Wagner II, 240; Clemens, Bruno pag. 182): „Venemo^ 
diese Oiove, v al ßume Eridano, il quäle non so come trattarlo, e ctf e in terra, 
e eh 1 e in cielo, mentre le altre cose, de le quali eiamo in proposito, facendosi 
in cielo, laseiaro la terra; ma questo eh 1 e qua, e eh' e lä, e eh 7 e dentro, e ch y 
e fuori , e eti e alto , e cK e basso , e che ha del Celeste , e che ha del terrestre, 
e eh' e lä ne V Itaita, e ch' e qua ne la region australe , or non mi par cosa, a 
cui bieogna donare, ma a eui convegna che sia tolto qualehe luogo. u „Anzi," 
diese Momo, „o padre, mi par cosa degna; poi che ha questa proprietade V Eri- 
dano ßume di posser medesimo esset e suppositale- e personalmente in piit parti, 
cfie lo facciamo euere ovunque sara imaginato, nominato, chiamato e riverito; 
ü che tutto si pub far con pochissima spesa, senza interesse alcuno , e forse non 
senza buon guadagno. Ma sia di tal sorte, che chi mangiarä de 1 suoipesd imagi- 
n*H, nominati, chiämati e riveriti, sia come verbi grazia non mangiasse: chi 
mmilmente beverä de le sue acque, sia pur come colui, che non ha da bere; chi 
parimente Vara dentro del cervello, sia pur come colui, ehe Vha vacante e vuoto: 
chi di medesüna monier •a arä la compagnia de le sue Nereidi e Ninfe, non sia 
men solo, che colui, ch 9 e anco fuor distesso." — „Bene!" diese Cfiove, »qua non 
e pregiudizio alcuno, atteso che per costui non avverrä, che gli dUri rimagnano 
senza cibo, senza da bere , senza che li reste qualehe cosa in cerveUo , e tenere in 
compagnia, in imaginazione, in nome, in voto, in riverenza; perb sia, come Momo 
propone e veggio, che gli aüri conßrmano! Sia dunque V Eridano in cielo, ma 
non aUrimenti, che per credito et imaginazione! 

2) De Immenso, Lib. III, cap. 1, Schlusssatz des Commentars, pag 267: 
Est perfectio in nobis (si ita placetj ut possimus muüa facere quae non facimus, 
Blasphemia vero est facere Leum alium a JDeo: voluntatem ejus aliam atque alt am, 



240 VL Bruno* s Religionsphilosophie. 

Gottes keineswegs eine Begriffsbestimmung nach der Art der 
Schurken und Thoren, sondern glauben, man müsse Gott bei- 
legen, was es Herrlichstes und Ruhmwürdigstes, sowie seiner 
Natur am. besten Entsprechendes giebt; ja wir halten es für 
eine Schmach, Gott zu suchen im Blute eines Wichts, in einem 
beschnittenen Leichnam, im Schaume eines Wehbefallenen, unter 
dem Fussgestampf der Henker, unter den Grämlern oder in den 
Geheimdiensten der Schwärmer, sondern vielmehr suchen wir ihn 
in dem unverletzlichen, unvergewaltbaren Naturgesetze, in der 
ehrfurchtsvollen Stimmung eines nach diesem Gesetze sich rich- 
tenden Gemüths, im Glanz der Sonne, in der Schönheit der 
aus dem Innern dieser unserer Mutter Natur hervorbrechenden 
Dinge, in dem Abglanz von dem Antlitz unzählbarer Gestirne 
und Lebewesen, welche am unendlichen Gewandsaume des 
Himmels leuchten^ leben, fühlen, denken und dem Allguten, 
Alleinen und Allhohen lobsingen *)." 

„Wir verfolgen nicht eine flüchtige und aussichtslose, son- 
dern die ernsteste und eines vollkommenen Menschen würdigste 
Bahn der Weltbetrachtung, indem wir den Glanz, die innige 
Verschmolzenheit Gottes und der Natur, nicht in einem ägypti- 
schen, syrischen, griechischen oder römischen Individuum, nicht 
in Speise, nicht in Trank, auch nicht wie die Welt der Zer- 
knirschten, in gar noch etwas Unedlerem zu finden glauben und 
erträumen : sondern wir suchen dieselbe in der erhabenen Königs- 
burg der Allmacht, in der unermesslichen Tiefe des Aethers, in 
der Allfähigkeit der vermöge ihrer Keimkraft alles werdenden 



unam quae eurrit cum potentia, aliam qttae aöhorret a potentia, in melius contra- 
dictoriorum alterum, vel deterius. 

1) Ebenda»., Lib. VIII, cap. 10, pag. 653, zum Schluss des ganzen 
Werkes : Atqui nos de illiue voluntate haudquaquam ignobüium et stukorum more 
deßnimus, cui quod Optimum et gloriosissimum est, et naturae suae optimae eon- 
venientissimum tribuendum ducimus, quem nefas est quaerere in sanguine citnicis, 
recutito cadavere, epileptiei spuma et »üb eonculcantibue carnißeum pedibus, et 
melancholicis nee romantieorum viUum mysteriie; sed in inviolabili, interner abüi- 
que naturae lege, in bene ad eandem legem instituti animi religione, in splendore 
solis , in specie rerum qttae de hujus noetrae parentis vieeeribus educuntur , in 
imagine illiue vera corporeo modo explicata de vultu innumerabilium animantum, 
quae in immensa unius eaeli ßmbria lucent, vivunt, sentiunt, intelligunt, optimoque 
uni applaudunt maximo. 



VI. Bruno's Religionsphilosophie. 241 

und alles schaffenden. Natur . . . ., deren Unendlichkeit kein end- 
TicherWohnort und Tempel genügen, deren Erhabenheit in ihrer 
ganzen Fülle anzuerkennen und gründlich zu verehren auch die 
Zahl sämmtlicher Pfarrer nicht hinreichen würde 1 )." 

Die gesammte christliche Symbolik wird von Bruno 
als eine durch die Juden vermittelte, aber, wie wir schon oben 
in dem Gedicht über den Ursprung der Verkommenheit (pag. 224) 
gesehen haben, zugleich auch missverstandene Nachäfferei der 
ägyptischen Naturverehrung verhöhnt. Bruno lässt Sophia ent- 
rüstungsvoll ausrufen: „Die unsinnigen und wahrhaft vernunft- 
losen Thiere spotten über uns Götter, als in Thieren, Pflanzen und 
Steinen verehrt, und über meine Aegyptier, die in dieser Weise uns 
erkannten, und bedenken nicht, dass die Gottheit sich in allen Dingen 
zeigt, wiewohl sie sich zu allgemeinen und vorzüglichen Zwecken in 
grossen und erhabenen, und zu nächsten Zwecken, zu Bequemlich- 
keiten und Bedürfnissen des menschlichen Lebens in Dingen, die 
man die verächtlichsten nennt, blicken lässt; und doch enthält jedes 
Ding die Gottheit in sich verborgen, da diese sich bis in die 
kleinsten hinab ihrer Fähigkeit gemäss entfaltet und mittheilt, 
und Nichts ohne ihre Gegenwart das Sein haben würde, da sie 
die Wesenheit des Seins vom Ersten bis zürn Letzten ist ... . 
Und warum tadeln sie die Aegyptier in dem, worin ja auch sie 
selbst befangen sind? Um von Denjenigen zu sprechen, die von 
uns geflohen oder als Aussätzige in die Wüste vertrieben worden 
sind, haben sie in ihren Bedrängnissen nicht Zuflucht zu dem 
ägyptischen Cultus genommen, als sie in einem Falle mich unter 
der Gestalt eines goldenen Kalbes anbeteten, und in einem an- 
dern sich vor Teut in der Form einer ehernen Schlange nieder- 
warfen, die Kniee beugten und die Hände zu ihm emporhoben, 



1) De Monade, pag. 151 : Non levem ac futilem atqui gravüsimum perfecto- 
que lumwne dignumimum eontemplationis partem persequimur, ubi dwmitatis naturae- 
que splendorem, fueionem et oommunicationem non in Aegypto , St/ro, Graeeo, 
sipe Romano individuo , non in eibo , potu et ignobüiore quadam materia cum 
aitonüorum eeculo per quirimus et inventum conßngimus et eotnniamus, sed in 
augusta omnipotentis regia, in imtnenso aetJieris spaeio, in inßnitae naturae ger- 
mine omnia ßmti* et omnia facüntü potent ia: . . . . eui imtnenso tnensum non 
quadrabit domieilium atque templum ; ad cujus majtstatis plenitudinem agnosoendam 
et pereolendam numerabilium ministrorum nullus esset ordo. 

16 



242 VI. Bruno's Religionsphilosophie. 

wiewohl sie mit der ihnen eingeborenen Undankbarkeit, nach- 
dem sie von beiden Gottheiten erhört worden waren, die beiden 
Götterbilder zerschlugen. Darauf, als sie sich mit den Titeln 
von Heiligen, Göttlichen und Gebenedeiten beehren wollten, wie 
vermochten sie es anders zu thun, als indem sie sich Thiernamen 
beilegten, wie deutlich zu sehen da, wo der Vater der zwölf 
Stämme, seinen Söhnen zum Testamente seinen Segen ertheilend, 
sie mit den Namen von zwölf Thieren hochpreist? Wie oft 
nennen sie nicht ihren alten Gott einen geweckten Löwen, 
einen fliegenden Adler, ein brennendes Feuer, einen gewaltigen 
Sturm, und den von ihren Nachfolgern neuerdings 
gekannten einen blutenden Pelikan, einen einsamen Sperling, 
ein getödtetes Lamm? So nennen sie ihn, so malen sie ihn, so 
begreifen sie ihn, wo er sich in einer Statue oder auf einem 
Bilde, mit einem Buche in der Hand, das kein Anderer als er 
öffnen und lesen kann, dargestellt findet. Werden weiterhin 
nicht Alle, die an seine Göttlichkeit glauben, von ihm seine 
Schafe, seine Weide, seine Hürde, seine Herde genannt, und 
legen sich sogar, sich dessen rühmend, selbst diese Namen bei? 
Abgesehen davon, dass sie auch durch die Esel bezeichnet wer- 
den, das jüdische Volk durch die Eselin, die andern Geschlechter, 
die sich ihm durch den Glauben anschliessen sollten, durch das 
Fohlen. Seht also, wie diese Gottheiten und dass dies aus- 
erwählte Volk durch so elende und niedrige Thiere bezeichnet 
wird, und dann spottet man noch über uns , die wir durch viel 
stärkere, würdigere und herrlichere dargestellt sind 1 )?" 



1) Ebendas. (Wagner II, 23 1 ; Clemens, Bruno pag. 178): Le insensate 
betstie e veri bruti si ridono di noi dei, come adorati in bestie, e piante e pietre, 
e de gli miei Egizj\ che in questo modo ne rieonoseevano ; e non considerano, ehe 
la dininitä si mostra in tutte le cose, ben cfie per ßne universale et eeeeüentissimo 
in cose grandi, e principj generali, e per fini prossimi comodi, e neeessarj atti de 
la vita umana si trova e rede in cose dette abbiettissime , ben che ogni eosa, per 
quel c)C e detto , ha la divinila latente in se; per che lä si esplica e comunica 
in sino a li minitni, e da li minimi secondo la lor capacitä, senza la quäl presenza 
nicnu arebbe Vessere, per ehe quella e tessenza de V esaer e delprimo sin a V ultimo" 
A quel cti e detto, aggiongo e dimando: Per quäl ragione riprendeno li Egizj in 
quello., nel cte esst ancora son cotnpresi? JE da venire a coloro , ehe da noi o 
J'uggirono, o furno come Uprosi scaceiati a- li deserti , non sono essi ne le loro 



% VI. Brunn's Religionsphilosophie. 243 

Den Christennamen vertauscht Bruno auf echt julianisch 
mit dem der „Galiläer". Er kann „das Geheimniss gewisser 
Galiläer nicht begreifen, die plötzlich zu grossen Theologen ge- 
worden sein und andere durch Auflegung der Hände zu gleicher 
Vollkommenheit erhoben haben sollen J ). a Er verhöhnt sie auch 
als „Gottmacher" 2 ) und mit unverkennbarer Anspielung auf 
scherzhafte Diminutivformen : „Christicolae, Christusverehrer, doch 
im Sinne von Ghristiculi, Christlein" 8 ). 



necessitadi rieorsi dl culto egizio , quando ad un bisogno mi adoravano ne Vidolo 
d'un vilello d'oro, e ad un altra necessith s'inchmorno , piegaro le gtnocchia , et 
alzaro le mani a Teut in forma di serpente di bronzo , ben che per loro innata 
ingratitudine, dopo impetrato favore de Vuno e VaUro nume, ruppero Vuno e l'altro 
idolo? A presso quando u hanno voluto onorare con dirsi santi, divini e bene- 
detti, in che maniera hon possuto farlo, eceetto con ihtitularsi bestie, come ei vede, 
dove il padre di dodici tribu , per testamento donando a' figli la aua benedizione, 
le magnifieb con notne di dodici bestie? Quante volte chiamano il lor vecchio dio 
risvegliato leone, aquila volonte, fuoco ardente, pioeella risonante, tempeeta valorosa, 
e il nuovamente conosciuto da gli altri lor sueeessori pellieano insanguinato, passere 
solitario, agnello uceiso. E cost lo chiamano, cosi lo pingono, eosi l'intendeno, 
dove lo veggio in statua e pittura con un libro, non so, se posso dire, in mano, 
che non pub altro che lui aprirlo e leggerlo. Oltre tutti quei, che son per erederli 
deificati, non son chiamati da lui, e si chiamano essi aneor gloriandosi, pecore 
sue, sua pastura, sua mandra, suo ovüe, suo gregge. Lascto, ehe li medesimi 
veggio significati per li asini , per la femina madre, il popolo giudaico, e Valtre 
generaziont, che se li doveano aggiongere , prestandoli Jede , per il polledro figlio. 
Vedete dunque, come questi divi, questo gern eletto vien signißcato per sl povere 
e basse bestie, e poi si burlano di noi, ehe siamo presentati in piu forti, degne et 
imperiose altre? 

1) Sigillus Sigillorum (Gfrörer, pag. 559): Et vix eapio mysterium 
de quibusdam Galüaei* x , qui repente in summos evasere t/ieologos, et alios ma- 
nuum imposüione in eandJm sufßcientiam promovebant. 

2) De Immenso, Lib. IV, cap. 10, pag. 398: isti altitonantis secretarii, 
grammatici Latini, Graeci. Ebraei, t Syri, Chaldaei et consequenter Theotochi. 

3) De compendiosa Architectura (Gfrörer, pag. 265): iis omnibus 
quae contra omne ratiocinium , philosophiam , aliam fidem et credulüatem solis 
Christieolis sunt revelata. Ebenda, pag. 267: Quibusdam Christieolis. De Im- 
mbnso, Lib. V, cap. 5, v. 99, pag. 472 : . . . signum Christicolarum. Sigillus 
Sigillorum (Gfrörer, pag. 570): Sine olim Aegyptiis et Babyloniis otiosi 
eontemplatores , Gallis Druidae, Fersis Magi, Judaeis Pharisaei, Indis Gymnoso- 

phütae, Christieolis monachi, babassi Mahumetanis, ut vel naturae eontemplatores, 
vel morum juxta leges essent moderatttres, optime fuerant instituti. 

16* 



244 VI. Bruno's Religionsphilosophie. 

Am ärgsten kommt die römische Hierarchie fort. Seine 
Schilderung d es Pfaffenthums und dessen Einflusses auf die 
Geistesfreiheit und Sittenurischuld der Völker übt noch heutzu- 
tage, wo die Kirche doch, dank der auch sie beherrschenden 
Zugkraft; der deutschen Reformation, in manchen Beziehungen 
reiner dasteht, als zur Zeit der Renaissance, durch ihre er- 
schreckende Wahrheit und hinreissende Beredtsanikeit einen un- 
widerstehlichen Reiz aus. Wer hat das faule Mönchsthum, diesen 
Mehlthau an der Arbeitskraft der glücklichst beanlagten Völker, 
drastischer dargestellt, als Bruno, wenn er ausruft: „Wer da 
sagt: Mönch, der bezeichnet damit zugleich den Aberglauben, 
die Habsucht, die Heuchelei, kurzum den Inbegriff aller Laster; 
desshalb sage du lieber gleich : er ist ein Mönch *)." Den römi- 
schen Kirchenglauben nennt er: „die nichtswürdigste Religion" 
und die päpstliche Curie „die tiberinische Bestie gewaltthätiger 
Tyrannei" 2 ). Schonungslos geisselt er das Kirchendogma von 
den ewigen Höllenstrafen und weist in der von der Kirche 
damit auf die Gläubigen ausgeübten Macht nur die, listig der 
Herrschsucht der Curie dienstbar gemachte, Allgewalt der Phan- 
tasie nach. In der gedrungensten Form, welche beweist, wie 
intensiv Bruno über die Machtgrundlagen der römischen Kirche 
nachgedacht hatte 3 ), stellt der Nolaner die gemütherbeherr- 
schende Zauberkunst des päpstlichen Roms dar in jenem Gedicht 
von der Macht der Phantasie, das wir an den Anfang dieses 
Abschnittes verlegen mussten, welches jedoch zu zwei Dritteln 
seines Inhalts auch hier seine geeignete Stelle einnehmen könnte. 
Wenn Bruno dort (pag. 213) hauptsächlich das römische Papst- 



1) Aktificiüm perorandi, cap. 17, pag. 67: Qui dicit monaehum, signi- 
ßeat ipsatn super stitionem, ipsatn avaritiam, hypocrisin ipsam, et tandem omntum 
vüiorum apothecam: uno ergo die verbo, monachus est. 

2) Oratio consolatoria : nequtssimae iüius religionis et violentae tyrannidis 
Tiberinae. 

3) Schon im Acrotismus, Excubitor (Gfrörek, pag. 13) begegnen die 
nämlichen bilder, unter welchen Bruno sechs Jahre später in De Immen so 
a. a. O. die Beängstigungskunst der Kirche geisselt: Jam ex Mo inßnitae mor- 
talitatis, fatalis irae, plumbei judicii, ineertissimae salutis, partialis amoris, JSrin- 
nyumaeternarum, adamantinorumque ostiorum atque eatenarum nusquam existentium 
horrore solutus etc. 



VI. Bruno's Religionsphilosophie. 245 

thnm im Allgemeinen gekennzeichnet hat, so stellt er dagegen in 
dem folgenden Gedichte ans De Immenso vorzugsweise das 
öffentliche Auftreten des römischen Papstes selber dar. Das 
Gedicht betitelt sich wohl am geeignetsten: 

Die Weltseele und der Pontifex. 

Urquell seliger Huld und unendlichen Seins Machtfülle, 
Der du der Wahrheit Bild den Dingen von aussen und innen 
Aufgeprägt und eingesenkt zum klaresten Anblick, 
Dass es der Menschen Sinne ergreif und den Geist tiberzeuge, 
So wie dein strahlendes Licht aus allen Wesen hervorbricht. 
Ueberallher wiederhallt die mächtige Stimme der Weisheit, 
Pocht an jegliches Herz, Einlass sich erbittend bei. Jedem. 
Aber wie Wenige sinds, die sie freundlich am Thor bewill- 
kommnen 
Und wie viöl weniger noch, die dem laut erhobenen Rufe 
Willig folgen und gern der Holden ins Angesicht schauen; 
Während sie doch wohl wissen, der himmlische Richter erzürne, 
Wenn sie die Wahrheit selbst, um schmutzigen Vortheils willen, 
Zur taglöhnenden Magd erniedrigen, wenn sie der Sinne 
Aufruhr nicht allein nicht erbändigen, sondern noch heiTgen. 
Darum tritt an der Wahrheit Statt berückender Wahnsinn, 
Der um das Langohr den Kranz, die Tiara sich schlingt und 

die Mitra. 
Köstliches Edelgestein erglänzt an den Hufen des Esels 
Und ein Talar umhüllt ihm den Wanst. Als Begleiter der 

Bestie 
Folgt das Collegium des Glaubens, bewehrt mit Sigillen und 

Bullen. 
Unter des Goldschmucks Last und den hundert Falten des 

Purpurs 
Keuchend, processionirt durch die wimmelnden Strassen das 

Monstrum 
Allwärts nickend. Und siehe, das Volk, es kniet in den Staub hin, 
Betet und fleht, dass der Gauch in seine Zügel es nehme, 
Dass er ihm möge den Weg ins Jenseits weisen, ja dass er 



246 VI. Bruno's Religionsphilosophie. 

Möge die Kanzel besteigen und da so gewaltig den Teufel 
Exorcisiren, bis dieser ein Bauch in den Lüften verpufft ist 1 ). 

Seinen ganzen Ingrimm, seine vollste Entrüstung wirft aber 
Bruno auf den in der Mitte seines Lebens eben aufstrebenden 
Protestantismus und zwar in dessen specieller Form als 
Calvinismus. Er begreift und feiert zwar zu Wittenberg 
Luther als den neuen Hercules, der es gewagt und zu Stande 
gebracht, jenes Monstrum, das grösser und unheilvoller sei, als 
irgend ein anderes in allen vorhergehenden Jahrhunderten, zu 
erlegen, den mit der dreifachen Tiara geschmückten dreiköpfigen 
Höllenhund zum Ausspeien seines Giftes zu zwingen und Deutsch- 
land aus den ehernen Pforten der Hölle und den dieselbe drei- 



1) De Immenso, Lib. VIII, cap. 1, v. 52—86, pag. 023—627: 
Ahne parens nullo cui clausa potent ia ßne est, 
Qui spe eiern veri in rerum /acte atque profundo 
Express am atque impressam, conspieuam inspieuamque 
Jussisti ut sensus pulset mentemque penetret, 
Quantumvia tua lux sit eunetis insita rebus, 
Cunetie deque loeis effert sapientia voeem, 
Invitansque omnes cujusque per ostia pulsat 
Mirum quam paueis immütitur ingeriturque, r 

Mirum quam rari non surdis auribus altatn 
Exeipiunt vocem, darum vultumque tuentur. 
Nam veri lueem summi aetheris arbiter illos 
Indicat indigne quaerentes, quando ministram 
Vilis eam eupiunt fortunae, seque par entern 
Proque hominum sensu moderandam hoeque probandam. 
Illius ergo loeo blando vesania vultu 
Aurieulas conteeta venu fronde atque tiara 
Et mitra, et gemmis asininum circinat unguem. 
Brutum veste tegit bustum talare patrumque 
Cireumstat laudata ßdes, buUae atque sigilla. 
Parte omni nutans quamvis se sustineat vix, 
In Big ni 8 graditur tarnen haec, proprioque colore 
Et titulis eelebris. Quart illatn poplite flexo 
Exorant sensum ut propiis moderetur habmis, 
Ut vitae rimetur iter melioris et aitam 
Puppim animae teneat, mentis subeatque eathedram 
Illius atque hostis pereat, longeque recedat, 
Ut levis in tenues fumi vapor efugit auras. 



VI. Bruno's Religionsphilosophie. 247 

fach umgebenden Mauern, die der Styx neunfach umwindet, zu 
befreien 1 ). Ebenso anerkennt er in Helmstädt, gegenüber „dem 
abergläubischen und im höchsten Maasse wahnsinnigen Cultus" 
der römischen Kirche „die reineren Formen der Gottesverehrung" 
im Protestantismus; kurzum er weiss die Befreiung der Geister 
aus den die Selbständigkeit der Völker zusammenschnürenden 
Fesseln der römischen Hierarchie vollauf zu würdigen. Aber 
Bruno ist weit davon entfernt, damit nun auch zugleich die durch 
den protestantischen Glaubensstreit hervorgerufene Zwietracht zu 
begünstigen oder auch nur gelten zu lassen. Im Gegentheil ver- 
folgt er die alle Bande der Familie und der Staaten auflösende 
Streitsucht und Hetzkunst der Katechismen Verfasser und Con- 
cordienformelschreiber mit glühendem Hasse 2 ). Nicht allein die 
persönlichen Erfahrungen, die er als Herold der philosophischen 
Freiheit gerade bei den Protestanten, und insbesondere bei den 
Reformirten, in Genf, in Oxford, in Marburg, in Wittenberg, in 
Helmstädt, vielleicht wohl auch in Zürich gemacht hätte 3 ), son- 
dern namentlich die Lehren vom alleinseligmachenden Glauben, 
von der Nutzlosigkeit der guten Werke, der Unfreiheit des Wil- 
lens und der Vorherbestimmung 4 ), alles Dogmen, die seiner 
Ethik schnurstracks widersprachen, mussten ihn mit Widerwillen 
gegen das Gebahren des Protestantismus erfüllen, dessen geist- 
liche Träger leider gleich nach dem Aufgang des neuen Lichtes 
auch schon aufc lebhafteste sich ans Werk legten, die befreiende 
Lehre zu neuen Ketten des Geistes umzuschmieden. Am wider- 
wärtigsten ist ihm der diese angeblich befreienden Reformatoren 
beseelende Hang nach neuer Gewissensknechtung auf Grundlage 
buchstabengläubiger Schrifterklärung im Gefolge philologischer 
Silbenstecherei. Er bezichtigt dieselben der frechsten Arroganz ö ). 



1) S. oben pag. 6j — 67. 

2) In der Oratio consolatoria : ibi superstitioso insanüsimoque cullui 
adstrietum, hie ad reformatiores rüus adhortatum. S. oben pag. 74 Anmerkung. 

3) Vgl. oben pag. 18, 33, 59, 63, 75. 

4) S. Clemens, Giordano Bruno, pag 229. 

5) S. oben pag. 26. Vgl. auch De tripl. Min., pag. 98: Sie inviola- 
bilia philosophioe simplicitcUem librorum et commentotionum multiplicatione , super- 
stitioeü variisque quibmdam excursionibus atque quaestionibus, nee non demonstra- 
tionum supervaeanearum noväate, pro ingenii ostentatione sophisU diu ante nos. 



248 VI. Bruno's Religionsphilosophie. 

Da erklärt Sofia: „Wohlweislich, o Saulinus, hat Jupiter dem 
Gericht aufgetragen und befohlen, es möge zusehen, ob es wahr 
sei, dass dieselben die Völker zur Verachtung oder doch wenig- 
stens zur Vernachlässigung der Gesetzgeber und Gesetze ver- 
leiten, indem sie denselben vorspiegeln, dass diese ihnen unmög- 
liche Dinge auferlegen und gleichsam nur zum Hohne Gebote ' 
erlassen, wodurch die Menschen glauben sollen, dass die Götter 
ihnen etwas befehlen, was sie nicht vollziehen können. Es möge 
zusehen, ob dieselben, wägend sie behaupten, dass sie das 
deform irte Gesetz unch die deformirte Religion refor- 
miren wollen, nicht vielmehr Alles das, was noch Gutes darin 
ist, verderben und Alles, was darin. Verkehrtes und Eitles sein 
oder scheinen mag, bestätigen und bis zu den Sternen erheben. 
Es möge zusehen, ^ob sie andere Trüchte hervorbringen, als den 
geselligen Umgang zu stören, die Eintracht aufzuheben, die Eini- 
gungen aufzulösen, die Söhne gegen die Eltern, die Diener gegen 
die Herren, die Untergebenen gegen ihre Obern aufzuwiegeln; 
zwischen Volk und Volk, Stamm und Stamm, Freunde und 
Freunde, Brüder und Brüder Zwietracht zu säen und Familien, 
Städte, Republiken und Reiche zu veruneinigen; kurz, ob sie, währ_ 
rend sie den Friedensgruss bieten, nicht vielmehr überall, wo sie hin- 
gelangen, das Messer der Trennung und das Feuer der Zerstörung 
hinbringen, den Sohn dem Vater, den Nächsten dem Nächsten^ 
den Eingeborenen seiner Heimath entziehen, und andere schreck- 
liche Scheidungen, gegen alle Natur und alles Gesetz, bewirken. 
Es möge zusehen, ob, während sie sich für Diener Eines aus- 
geben, der die Todten erweckt und die Kranken heilt, sie nicht 
vielmehr solche sind , die , schlimmer als alle Andern , die die 



Quibus deinde ad nostra tempora praesumtuosorum et arrögantissimorum gramtna- 
tieorum diluvium successit, qui reeitatis a fönte Oraeeorum textibus, synopsibus, 
problematibus, enehiridiis, spieilegiis, tkesauris, ad Ciceronis et veri Latii amussim 
interpretationibus variis (cum originalium falrißcatione üb aliquid inde noviter 
sibi cudendum pro literario specimine conquxrerent) lectionibus ut novarum litium 
de legitimo textu e regione adjecto, protoplastes et archimandritae asi- 
norum patres censerentur, innumerabilibus tabulie, lexiconibus (sie l) , itetn isa- 
gogiis , i e. introduetoriis seu si dieere mavis exolusoriis, in extremam eonfusionem 
perduxerunt : Quemadmodum a semiferis Centauris invulnerabilis Caeneus innume- 
rabüium saxorum atque sylvarum congerie oppressus jacuit. 



VI. Bruno's Religionsphilosophie. 249 

Erde nährt, die Gesunden verstümmeln, die Lebendigen tödten, 
nicht sowohl mit Feuer und Schwert, als mit ihrer unheilvollen 
Zunge. Es möge zusehen, was das für ein Friede und für eine 
Eintracht sei, die sie den unglücklichen Völkern vorspiegeln, 
und ob sie vielleicht verlangen lind darauf ausgehen, dass die 
" ganze Welt ihrer boshaften und anmassehden Unwissenheit zu- 
pflichte und beistimme, und ihr böswilliges Gewissen gutheisse, 
während sie selbst keinem Gesetze, keinem Rechte, keiner Lehre 
beistimmen wollen und in der ganzen übrigen Welt und in allen 
Zeiten niemals und nirgends so grosse Uneinigkeit und Zwie- 
tracht geherrscht hat, als unter, ihnen. Denn unter Zehntausen- 
den solcher Pedanten findet sich nicht Einer, der sich nicht seinen 
eigenen Katechismus gebildet und denselben, wenn auch nicht 
veröffentlicht, so doch zur Veröffentlichung ^bereit hätte; der 
nicht jede andere Einrichtung, mit Ausnahme seiner eigenen, 
missbilligte und in jeder Etwas zu verdammen, zu verwerfen 
und zu bezweifeln fände. Zudem ist der grösste Theil von ihnen 
nicht einmal mit sich selbst einig und vernichtet heute, was er 
gestern geschrieben hat u. s. w. 1 ). 



1) Ebendas. (Wagner II, 165; Clemens, pag. 2S4): Sofia. MoUo benc, 
o Saultno, Giove ha comandafo, impoeto et ordinato al giudizio, ehe veda, s*egli e 
vero, ehe costoro indueano li popoli al dispregio, et al meno a poea eura di iegis- 
latori e leggi, eon donarli ad int endete , che quellt proponeno eose impoeeibili, 
e ehe eomandano cotne per burla, cioe, per far conoscere a gli uomini, ehe li dei 
»anno eomandare quello che loro non possono. metfere in esecuzione. Veda, se, 
mentre dicono, ehe vogliono riformare le difformate leggi e religioni, vegnono per 
certo a guaetar tutto quel tanto, che et e di buono , e confirmar et inalzar a gli 
astri tutto quello che vi pub % essere o fingere di perverso e vanö. Veda, se appor- 
tano altri frutti, che di togliere le conversäzioni, dissipar le eoncordie, dissolvere 
tunioni, far ribellar li figli da 1 padri, li eervi da padroni, li mdditi da 1 superiori, 
mettere scisma tra popoli e popoli, gente e gente, compagni e compagni, fratelli e 
fratelli, e mattere in disquarto le fatniglie, eittadi, repubUche e regni; et in eon- 
clusione, se, mentre talutano, ovunq'ue entrano, il coltello de la divüione, et il foco 
de la ditpersione, togliendo il figlio al padre, il proetimo al proseimo, Vinquilino a 
la patria^ e facendo altri divorzj orrendi, e contra ogni natura a legge. Veda 
se, mentre si dicono ministri d'un. ehe resuscita morti e sana infermi, essi eon 
quei, che peggio di tutti altri, che pasce la terra, stroppiano li sani , e ueddeno li 
vivi, non tanto con il foco e con il feiro, quanto eon la perniciosa lingua. Veda, 
che specie di pace e Concor dia e quella, che proponeno a li popoli miserandi, se 
forse vogliano e ambiscono, che tutto il mondo eoncorde e consenta a la lor ma- 



250 VI. Bruno's Religionsphilosophie. 

Gegenüber solcher die Völker entzweienden Glaubenshaß 
hofft Bruno auf das baldige Erscheinen eines heroischen Fürsten, 
dessen unbesiegter Arm dem jammervollen und unglücklichen 
Europa die so lange gestörte Ruhe wieder geben wird, indem er 
jenem Ungeheuer die zahllosen Köpfe zerschmettert, jenem Mon- 
strum, das schlimmer als die lernäische Hydra, mit Ketzereien 
aller Art das verderbenschwangere Gift ausstreut, das mit nur 
zu grossen Schritten durch alle Adern dieses Welttheils dahin- 
schleicht. Es wird jener müssiggängerischen Sekte von Pedanten 
den Garaus machen, die, ohne Gutes zu wirken, gemäss dem 
göttlichen und natürlichen Gesetze, sich für religiöse, den Göt- 
tern wohlgefällige Leute halten und gehalten wissen wollen und 
die da sagen, dass Gutes thun gut, Schlechtes thun schlecht sei, 
aber nicht dass man durch gute Handlungen und Unterlassung 
der bösen, den Göttern werth und lieb werde, sondern dies 
allein dadurch, dass man ihrem Katechismus gemäss hoffe und 
glaube. „Hat man jemals eine Büberei gesehen, die so offen am 
Tage läge wie diese, die aber nur von denen nicht gesehen wird, 
die eben nichts sehen *)!" 

ligna e presuntuosissima ignoranza, et approve la lor malvag ia eoecienza, mentri 
essi non vogliono concmdare rie consentire a legge, a giustizia e dottrina alcuna, 
et in tutto il resto del tnondo e de' secoli non appare tanta diseordia e dissonanza, 
quanta si eonvinee tra loro ; per cxb ehe tra dieci mila di simili pedanti non si 
trova uno, ehe non abbia un auo coteeismo formato se non pubblicato, al meno per 
pubblicare: quello ehe non approva neesuna altra inttituzione, che la propria, tro- 
vando in tutte Valtre ehe dannare , reprobare e dubitare ; altre ehe 8% trova la 
maggior parte di esst, che son discordi in se medesimi, coseando oggi quello, che 
s er üser o Valtro giorno. 

1) Ebendas. (Wagner II, 146; Clemens, pag 230): „Rimagna in cielo 
(la Corona bor edle) ^ rispost Qiove, u aspettando il tempo , in cui dovra essere do- 
nata in premio a quel futuro invitto braccio (di*qualche eroioo preneipe), che eon 
la mazza et il fuoeo ripoetarä la tanto bramata quiete a la misera et infeliee 
Europa, ßaceando li tanti eapi di queeto peggio ehe lerneo mostro , che eon multi- 
forme eresia sparge il fatal veleno, che a troppo lunghi passi serpe per ogni parte 
per le vene di quella" — Aggiunse Momo: „Baslara che done ßne a queüapol- 
troneeca setta di pedanti, ehe, senza ben fare, teeondo la legge divina e naturale, 
ei etimano e vogliono essere etimati religiosi grati a dei, e dicono, che ilfar bene 
e bene, il far male e male, ma non, per ben che ti faccia, o mal, ehe non sifaeeia, 
si viene ad essere degno e grato d dei, ma per sperare e credere seeondo il eate- 
eismo loro. Vedete, dei, se si trovb mai ribaldaria piü aperto di questa, che da 
quei soli non e vista, li quali non veggon nulla. il 



VI. Bruno's Religionsphilosophie. 251 

Werfen wir nun noch einen prüfenden Gesammtüberblick 
über die zahlreichen Stellen, an welchen sich Bruno erstens in 
Bezug auf die Religion im Allgemeinen, sodann aber zweitens 
bezüglich der Offenbarungsreligionen im Besondern geäussert hat, 
so gelangen wir zu folgendem Resultat. 

Bruno ist kein Christ. Er hat mit der ganzen Glaubens- 
lehre der römischen Kirche, wie des Christenthums überhaupt, 
schon als Jüngling und zwar flir immer gebrochen 1 ). Er hat 
sich aber die Objectivitüt seines Urtheils trotz der bittersten Er- 
fahrungen von Seiten des Pfaffenthums niemals in dem Grade 
trüben lassen, dass er die Notwendigkeit einer Kirche nicht 
mehr hätte begreifen wollen oder können. Es drängt ihn 
vielmehr mit zunehmender Reife seines Geisteslebens immer 
stärker das Bedürfhiss, mit der Kirche in Frieden zu leben und 
sich mit deren massgebenden Autoritäten auszusöhnen 2 ). Nicht 
dass er jemals zu der „trivialen Ansicht" herabgesunken wäre, 
„als sei der eigentliche Inhalt der Religion die Moral, und die 
Moralpredigt das eigentliche Werk der Kirche" 8 ), mit der es sich 
dann, als einer einmal unentbehrlichen Institution zur Darnieder- 
haltung der Massen lohne, auf gutem Fusse zu stehen. Sondern 
die Religion und deren organisirte Lebeform, die Kirche, ist 
ihm ihrem Wesen nach eine Anleitung zur Sittlichkeit. Er will 
eine Religion, die nicht inhaltlos, einen Glauben, der nicht ab- 
geschmackt, eine Frömmigkeit, die wahrhaft und aufrichtig ist 4 ). 
Aberglauben, Unglauben und Gottlosigkeit sind ihm gleich ver- 
hasst/ Was Bruno der bestehenden Kirche entfremdete und so- 
dann später hinderte, sich mit ihr auszusöhnen, das war ihre 



1) Noack, Ludw. , Philofophiegeschichdiches Lexikon (Leipzig, 1S79), 
pag. 164: „Der Bruch mit beiden ist seine eigene Geistesthat gewesen, er 
ist der erste philosophische Denker gewesen , der sich ganz ausserhalb des 
Christenthums stellte.'' 

2) Vgl. Clemens, Giördano bruno, pag. 207, Anm. 1, und Lasson, 
Anmerkung 58 zu seiner Uebersetzung von Bruno's Dialog: Von der Ur- 
sache, pag. li)0. 

3) Lasson, Ad., Ueber Gegenstand und Behandlungsart der Religions- 
philosophie (Leipzig, 1879), pag. 22. 

4) S. die Stelle bei Lasson in seiner Uebersetzung von Bruno's Dialog : 
Von der Ursache, pag. 171. S. auch oben pag. 234 Schluss. 



252 VI. Bruno's Religionsphilosophie. 

f hartnäckige Weigerung, den engen Rahmen ihrer Weltanschau- 

! ung mit den riesigen Errungenschaften der realen Forschung zu 

bereichern. Desshalb lässt ihn denn der Katholicismus , den er 

i 

äusserlich nie abgeschworen 1 ), ebenso kalt, wie der Protestan- 
tismus, dem er sich innerlich nie befreundet hat. Oder aber 
auch, wenn er sich in seinem leidenschaftlichen Hasse gegen die 
Schattenseiten der Kirche zu den bittersten Sarkasmen fort- 
reissen lässt, so verschont sein Spott den blinden Glaubenseifer 
der Protestanten ebensowenig, als den entwürdigenden Formel- 
dienst der Römlinge. Was er in beiden Confessionen aufs 
schmerzlichste vermisst, das ist die volle, warme, rückhaltlose 
Anerkennung der sichergestellten Naturgesetze 2 ), in deren freu- 
diger Erforschung und Befolgung er zugleich die reinere Gottes- 
verehrung der kommenden Jahrhunderte erblickt. „Er ist sich 
dessen klarbewusst, er weiss es und rühmt sich dessen , dass 
seine Religiosität heidnischer Natur ist. Bruno ist ein heidni- 
scher Christ oder ein christlicher Heide 3 )." Aber dieser Heide 
glüht von heroischer Begeisterung „für jenes Gesetz der Liebe, 
das, wie er sagt, nicht vom Teufel einer Nation, sondern von 
Gott, dem Vater aller Völker, ausgegangen ist, für jenes Ge- 
setz der allgem einen Meflgfihenliebe , welches so schön im Ein- 
klang steht mit der Natur des Weltganzen und welches uns 
lehrt, dass wir sogar unsere Feinde lieben sollen, auf dass wir 
nicht den wilden Thieren und Barbaren ähnlich seien, sondern 
nach dem Bilde Jenes umgeschaffen werden, welcher seine Sonne 
aufgehen lässt über Gute und Böse und den Regen seiner Gnade 
auf Gerechte und Ungerechte ausschüttet 4 )." 



1) Wie Noack a. a. O. , pag. 170 trotz der Ansicht aller neueren 
Brunoforscher fälschlich als Thatsache annimmt. 

2) Vgl. z. B. De Monade, pag. 88: Ulis succurrunt de alia multitudine 
plures etiam peripatetiee (licet non apprime) saptentes, qui tragieo et Syro quodam 
mysterio informati quasi divinantes foedera quaedam atque pacta praesumunt prae- 
judiciosüsxma , quae divina» naturale sque discindant lege*. Uebrigens ist auch 
die ganze Cabala del cavallo Pegaseo nur ein einziger fortgesetzter 
Hohn auf die der Wissenschaft abholde Verhimmelung der Armuth im 
Geiste. 

/ 3) Scartazzini, J. A., Giordano Bruno, ein Blutzeuge des Wissens. 

| 8°. (Biel, Steinheil, 1867), pag. 28 

**» 4) S. die Stelle oben pag. 70. Schon in einem Hymnus des Rigveda 



VI. Bruno's Religionsphilosophie. 253 

Tiefdurchdrungen von der welthistorischen Aufgabe seines 
Jahrhunderts, das Reich des Geistes und der Natur neuzube- 
gründen, glaubte Bruno, hierin ganz Protestant, an den Sieg 
der wissenschaftlichen Wahrheit und Gerechtigkeit?" Er glaubte 
unerschütterlich an den einstigen Sieg der reinen, aus Herzens- 
tiefen quellenden, aber durch den sittlichen Fortschritt und fort- 
währende Denkarbeit sich beständig läuternden Vernunftreligion, 
denn er war fest überzeugt, dass die neue, durch Copernicus nur 
angeregte, von ihm aber philosophisch begründete Welt- 
anschauung mehr als jede andere Weltansicht die Geister wieder 
zur Ehrfurcht vor dem Unendlichen und Erhabenen und damit 
eben wieder zur uralten Quelle all er Religion hinanleiten werde *). 
In diesem Glauben dichtete Bruno die herrlichen Verse: 

Ueberall hin durch das All sind Sonnen wie unsere Sonne, 
Und wie diese ein Schwärm von Planeten umkreist , so umwandelt 
Jegliche andere Sonn' ein System von Planeten, die unser m 
Auge nicht weniger unsichtbar sind, als die unseren jenen. 
Lass denn den Glauben ans Sphärengewölb' und den ersten Be- 
weger : 
Ist es mit diesen doch aus! wie denn schon ein vorahnender 

Seher 
Wahr prophezeit hat, es werde in unsern Tagen geschehen, 
Dass, wann sich einstmals die Gunst der Zeiten erfüllt und das 

Schicksal 
Tritt flir die Wahrheit ein, bald auch der Gerechtigkeit Sieg dann 
Folgt und wieder erblüht die heilige Gottesverehrung. 
Dann erstehet das lang und sehnlich erwartete Weltreich: 
Nieder zum höllischen Pfuhl wird es weisen der Finsterniss 

Mächte 
Sammt des Irrthums Geschwärm und der Krämerwage der 

Selbstsucht, 



lässt Gott seine Sonne leuchten über Gerechte und Ungerechte. S. Kakgi, 
Adolf, Der Rigveda (Leipzig, 1881), pag. 190, Anm. 207. 

1) Cena de le Cenkri (Wagner I, 175): ... questa ßlosofia non eolo 
contiene la verith, ma aneora favorisee la religione piü ehe quäl ei voglia altra 
eorte di ßlosofia. 



\ 



254 VII. Bruno's Ethik. 

Welche so lange das Licht erlogen und blutigen Führern ö:^u> 
Weihten die durch die Nacht hinirrenden Herzen der Menschen. 
Von der geheiligten Brust erstrahlt dann wieder die hehre 
Majestät der Gottesnatur durch die Tiefen des Weltalls; 
Dann erst wieder erscheint der wahre Unendlichkeitslenker 
Wahrhaft gross und es jauchzt ihm die Heerschaar göttlicher 

Mächte, 
Welche mit seinem Licht die unendlichen Räume erhellen 
Und was im All sich noch regt von Lebewesen im Kleinern 1 ), 



VII. 
Bruno's Ethik: 

Im Spaccio de la Bestia Trionfante hatte Bruno die 
Umrisse einer Moralphilosophie geben wollen. Indem er seinem 
Roman die Fiction einer Götterversammlung zu Grunde . legte, 
in welcher beschlossen wird, an die Stelle der am Thierkreis 



1) De Immenso, Lib. IV, cap. 10, v. 66—91, pag. 339: 
Ergo mancnt velut iste manet sol undique soles. 
Et velut Ute suis sie quilibet Hie planetis 
Vallatur quos non ulla ratione videtnus 
Qua ttee et inde välent isti hoc cum sole videri. 
Ergo tibi nee sit eoelum neque mobile primum, 
Nam subjeeta duo haec periere ut voce prophetae 
Fraedictum vera est nostra hac aetate futurum: 
Quandoquidem aeeessü favor et sententia divum 
Veri pro speeie quam mox justique sequetur 
Judicium et sanctae jundamina religioms 
Speratumque diu seclum succedet in orbe hoc. 
Nam relegata dabit tenebrarum numina in orcum 
Erroresque vagos cum pondere lancis iniquae, 
Quae lucem mentita diu, palantia crudis 
Per noctem ducibus mortalia eorda dedere. 
Ergo renüebit sancto de pectore divae 
Natur ae species mundum diffusa per amplum, 
Immensique operis moderator verus et unus 
Noscetur vere magnus, cui numina plaudunt 
Inßnita, sua quae immensum luce serenant 
Totque quot in cunctis vivunt animata minor a. 



VII. Bruno's Ethik. 255 

haftenden Bestien die diesen entsprechenden Tugenden zu setzen, 
hatte sich der Dichterphilosoph die Möglichkeit geschaffen, auf 
poetisch-kritischem Wege eine Tugendlehre vorzutragen. Die- 
selbe sollte jedoch nur eine Art Ouvertüre, der Qrundriss, die 
Grundlinien, der Grundstein einer Ethik sein, die, vorläufig 
nur in unbestimmten Zügen entworfen, später ausführlicher dar- 
gestellt werden sollte J ). Er wollte den Gesammtbau dessen, was 
er sich nach dem Mass seiner individuellen Erkenntniss als eine 
wahrhaft allumfassende, Religion, Gottesdienst, Recht, Sitte und 
Lebenspraxis aus einheitlichem Princip entwickelnde, Heilslehre 
zurecht gelegt hatte 2 ), später in andern und besondern Dia- 
logen voll, ganz und abschliessend ausführen 8 ). Und zwar 
sollte diese seine Ethik im Gegensatze zur kirchlichen 
Heilslehre, welche nur für die als Mittelpunkt der Welt betrach- 
tete Erde mit ihrer Menschheit berechnet war, eine universelle 
Gültigkeit erhalten und nicht nur auf den Planeten Erde , son- 
dern auf alle andern Welten im unendlichen Räume anwendbar 
sein 4 ). Bruno erfüllte sein Versprechen in den Dialogen, denen 
er den Titel: Degli Eroici Fürori oder „Vom heroischen 
Enthusiasmus" gab. 



1) Spacoio de la BB8TIA triokf. (Wagnbr II, 110): Epütola esplieato- 
ria al Sign. Fü. Sidneo : . . eseendo io in intenzione di trattar la moral filoeofia 
secondo il lume interno, ehe in me ha irradiato et irradia il divino soU inteUet- 
tualc, mi par espediente prima di preporre certi preludj a similitudine de' musici; 
imbozzar certi occuiti e eonfusi delineamenti et ombre, eome i pittori; ordire e 
distendere certe fila , eome le tessürici; e gittar certi bassi, profondi e cicchi fon- 
damenti, eome i grandi e difieatori: il che non mi parea piu convenientemente 
poter eßettuarsi, se non eon porre in numero e eerto ordine tutte le prime forme 
de la moralttäj che sono le virtu e vizj eapitali . . . 

2) Ebendas. (Wagneb II, 188): £cco qua, Mica, eon cui prudentemente t 
eon sagacita , aeeortezza e gener osa ßlantropia eaprai instituir religioni, ordinär 
li eulti, metter leggi et esecutar giudizj , et approvare, conßnnare , conservar e 
difendere tutto il che e bene imtüuito, ordinato, messo et esecutato aecomodando, 
quanto ai pub , gli offetti et efetti al eulto de' dei e convilto de gli uomini. 

3) Ebendas. (Wagner, II, 111): quando determinando del tutto secondo il 
nostro lume e propria intenzione , ne espUcheremo in altri et altri partieolari dia- 
logi, ne ■ quali V universal architettura di cotal ßlosoßa verrä pienamente compita, 
e dove ragionaremo piu per modo definitive 

4) Ebendas. (Wagner II, 187): VLtica, quanti possono essere costumi, 
consuetudini, leggi, giustizie e delitti in questo et altri mondi de Vuniverso. 



256 VII. Brunos Ethik. 

Nun haben Carl Sigm. Bar ach in seinem Aufsatze „Ueber 
die Philosophie des G. Bruno mit besonderer Rück- 
sicht auf dessen Erkenntnisslehre und Monado- 
logie" (Philosophische Monatshefte, Bd. XIII [1877], pag. 40 
bis 57, 179 bis 196) und Ernst Bruno Härtung in seiner 
Doctordissertation : „Grundlinien einer Ethik bei G. 
Bruno besonders nach dessen Schrift Lo Spaccio de 
la Bestia Trionfante." 8° [Leipzig, 1878] unmittelbar hinter- 
einander den Versuch gemacht, die Ethik des Bruno übersicht- 
lich und nach ihren werthvollsten Gesichtspunkten darzustellen. 
Während aber Härtung sich ganz überwiegend nur an den 
Spaccio gehalten hat, der, wie Bruno selbst eingesteht, zunächst 
nur die Bausteine zu einer Tugendlehre liefern soll, so hat 
dagegen allerdings Barach speciell die Dialoge Degli Eroici 
Furori zum Ausgangspunkt genommen, den Grundgedanken 
derselben jedoch zu ausschließend in der Erkenntniss- 
theorie gesucht. In Bruno's Ethik greifen aber die Zahn- 
räder der Erkenntniss und des Willens so kräftig ineinander, 
durchdringen sich die Schärftmg der Intellekts und das Streben 
nach sittlicher Veredelung zu einer so innigen Einheit, dass die 
Bezeichnung Ethik für Bruno's Lehre von der Einswerdung mit 
dem Ideal im letzten Grunde sich als unzutreffend erweist und 
mit grösserm Recht eingetauscht werden müsste gegen den um- 
fassenderen Begriff einer Heils lehre für freie Geister, einer 
Religion heroischen Hochsinns. 

Fragen wir uns nun, auf welchem Wege gelangte der No- 
laner zu dieser grossartigen, in der ganzen philosophischen Lite- 
ratur unerreicht dastehenden Anleitung zum seligen Leben, so 
ergiebt sich uns auch hier wieder die Einsicht, dass des Dichter- 
philosophen kühnste Conceptionen aus seiner Verwerthung der 
copernicanischen Entdeckungen geflossen sind. Wjr haben schon 
in früheren Abschnitten erkannt, zu wie reichem Gewinne Bruno 
die neuerstandene Astronomie bis in ihre metaphysischen Con- 
sequenzen verfolgt und ausgebeutet hat. In Bruno's Ethik 
haben wir wieder einen neuen Beweis, wie nahe verwandt sich 
die copernicanische Weltanschauung und die Theosophie sind ! ). 



1) Barach a. a. O. (Philo». Monatsh. Bd. XIII, pag. 45). 



VII. Br.no's Ethik. '^^J-,^ 

„Wer in die Tiefe zu blicken vermag, erkennt zuleßr^Sfirtfie 
Grundlage aller und jeder Natur Gott J ). u Wenn aber Bruno 
von Gott spricht, so wissen wir, ist es Goethe s Gott-Natur , das 
hinter allen Erscheinungen im letzten Hintergründe diätige Welt- 
Subjekt, die Quelle alles Seins, aller Ideen, aller Wahrheit, die 
Wahrheit selbst. Die Wahrheit aber ist ihm eins mit der Schön- 
heit und beide zusammen stellen das Gute dar, die Vollkommen- 
heit, welcher zuzustreben der allgemeine Weltzweck, und in 
Folge dessen auch das Ideal der Ethik ist, insofern dieselbe die 
Gesetze erkennt, nach welchen der einzelne Mensch innerhalb 
der ihm gezogenen Schranken den universellen Wßkzweck zu 
erfüllen vermag. 

Alterthum und Mittelalter hatten ihre Weltanschauung vom 
gäocentrischen Gesichtspunkt aus entwickelt. Rund um die im 
Mittelpunkt dfes Alls ruhende Erde drehte sich in ewig gleichen 
Kreisbewegung«! die Sonne mit ihrem Planetensystem und hoch 
über demselben die krystallene Fixsternsphäre, welche alle mit- 
einander das Empyreum, der Sit?: der Seligen um den leuchten- 
den Thron Gottes, hermetisch einschloss. 

Das Weltall drehte sich im eigentlichsten Sinne nur um den 
Menschen, um dessentwillen allein auch Gott, der Lenker des 
Alls, mit weiser Vorsicht die Geschicke bald so und bald so 
kommen und gehen hiess. Nicht anders als im Homer auf dem 
Olymp oder im Mahabhärata auf dem Götterberge Meru thronte 
bis auf Copernicus auch der Gott der Christenheit hoch im 
Aether und erliess von da aus, orientalischen Despoten gleich, 
in völliger Willkür unfehlbare Gesetze, denen sich seine Unter- 
thanen unweigerlich und in kindlichem Vertrauen zu unterziehen 
hatten. Bis auf Copernicus herrschte so- mit dem gäocentrischen 
Gesichtspunkte auch die heteronome Moral, denn von Ethik 
kann im Grunde nicht gesprochen werden, wo die Sittlichkeit 
nur im blinden Gehorsam gegen die Zumuthungen eines Tyrannen 
gesucht und gefunden wurde. Als nun Copernicus den helio- 
centrischen Gesichtspunkt fand, als er die Sonne in den Mittel- 



TYjl 



1) Summa tbrminob. metaphysicor., De Deo aeu Mente, Actio (Gpbörer, 
pag. 473): Sieut enim natura est unieuique funäamentum entitatie^ ita profundiue 
naturae uniuscujusque fundamentum est Dem. 

17 



258 VII. Bruno's Ethik. 

punkt des Weltalls setzte, da hatte zu gleicher Zeit schon "der 
Protestantismus dem Bollwerk der heteronomen Moral, dem Stuhle 
Petri, den Gehorsam gekündet, ohne sich jedoch von der Herr- 
schaft der heteronomen Moral, deren Träger man nun einfach in 
der Bibel suchte, völlig befreien zu können. Erst Bruno war 
die heroische That vorbehalten, die Menschheit aus dem Banne 
der alten Weltanschauung zu erlösen, indem er auch den helio- 
centrischen Gesichtspunkt des Copernicus dadurch , dass er 
denselben zum kosmocentrischen erweiterte, tiberwand und an 
der Stelle der heteronomen Moral die autonome Ethik ent- 
wickelte *). 

Durch den schrankenlosen Raum hin kreisen von Ewigkeit 
zu Ewigkeit Myriaden von Biesenorganismen, auf deren unend- 
lich verschiedener Oberfläche unendlich verschiedene Lebewesen 
in ungezählter Mannigfaltigkeit ihre Bahnen vollenden. Die Un- 
ermesslichkeit der Welträume, deren relative Horizonte sich selbst 
dem schärfsten Blick und der kühnsten Phantasie in immer 
weitere Fernen hinausschieben, die Zahllosigkeit der nach Ana- 
logie unserer terrestrischen Fauna und Flora zu erschliessenden 
Organismusgattungen , dann aber die überwältigende Schönheit 
der Erscheinung des Ganzen als gestirnten Nachthimmels und 
die Gesetzmässigkeit aller Funktionen des Grössten und des 
Kleinsten, vom wärmestrahlenden Feuerball der Sonne bis hin- 
unter zum Stäubchen, das nur im Glänze dieser Sonne sichtbar 
wird, Alles das erfüllt das Gemtith des Menschen mit ehrfurchts- 
vollem Staunen und erweckt in ihm die Ahnung einer wunder- 
baren, die heftigsten Gegensätze zur Einheit verbindenden Har- 
monie *), in welcher auch das scheinbar Geringfügigste seine Auf- 
gabe für das grosse Ganze findet, da auch das scheinbar Kleinste 
ein lebendiger Spiegel des Weltalls ist. Aber diese Weltharmonie, 
die uns, jedem nach dem Masse der ihm verliehenen Sinnes- 
organisation, so vernehmlich in die Ohren klingt, ist doch wieder 
nur ein kleiner Theil derjenigen Harmonien, zu welchen unsere 
Sinne nicht hinanreichen, die aber für anders und höher orga- 



1) Vgl. Barach a. a. O. (Philosoph. Monatshefte, Bd. XIII , pag. 44). 

2) De la Causa {Wagner I, 291 ; Lasson, pag. 136): Jhofonda magia 
e saper trar ü contrario, dopo aver trovato ü punto de Vunione. 



VII. Bruno's Ethik. 259 

nisirte Lebewesen auf höher organisirten Weltkörpern verständ- 
lich sein werden. So baut sich alsdann nach Analogieschlüssen 
dem ahnenden Gemüth wie dem mit logischer Schärfe erkennen- 
den Geiste neben der wunderbaren Welt der sichtbaren Erschei- 
nungen eine noch wunderbarere Stufenfolge höherer- und immer 
höherer Weltharmonien auf, empfunden und erkannt von immer 
höher und immer höher organisirten Lebewesen, bis sich flir das 
zur höchsten Kraftleistung gespannte Auge der Phantasie die 
Pyramide der erkennenden Wesen schliesslich zu jener obersten 
Einheit zuspitzt, in jener letzten Urmonade gipfelt, welche, Sub- 
jekt und' Objekt, die bewirkende und die erkennende Ursache 
zugleiph 1 ), ebendesshalb auch der Inbegriff aller Harmonien, 
die Quelle aller Naturgesetze, die Natur der Natur, Gott 
selbst ist. 

Wenn nun Gott, die Natur der Natur, Alles ist, was da 
ist; wenn die unendliche Mannigfaltigkeit des Seienden nichts 
ist, als die Summe dessen, was sich in Vergangenheit, Gegen- 
wart und Zukunft aus dem unendlich entwickelungsfahigen Ur- 
einen an Formen zu entfalten vermag, so muss noth wendig 
Alles, was aus dem Feuer der göttlichen Urvollkommenheit ins 
Dasein geperlt ist , das unverkennbare Siegel der Vollkommen- 
heit selbst an sich tragen. So ist denn in Wahrheit Alles über 
die Maassen schön und gut, aber nur im Hinblick auf das ganze 
Universum 2 ), das sich ja eben selbst im Kleinsten widerspiegelt. 
Aber untereinander und für sich selbst können sich diese Einzel- 
wesen ausserordentlich zu widersprechen scheinen oder auch 
wirklich widersprechen. Denn jedes Einzelne ist ja eben, weil 
es nur ein Einzelnes ist, nicht das Ganze, sondern nur ein Theil 
des Ganzen und entbehrt desshalb manches, zur Vollkommenheit, 
die nur im Ganzen ist, Noth wendigen ; und weil es insofern 



1) Summa tebm. metaph. , De Leo seu Mente (Gfrörer, pag. 483): 
Bolum ens . . . hoc est nomen , quod ipsius maxime possvmus efferre et quod au- 
ditutn tt reveiatum aeeepimus, ut appelktur: „qui est vel quod est". Ferner Eben- 
daselbst, InteUectus seu Idea (Gfrörer, pag. 504): idem est objectum et co- 
gnoseens. Ferner Ebendas. (Gfrörer, pag. 508): universalis inteUeetus qui est 
omne eognoseiMU et cognoseens in omnibus. Ferner Ebendas. (Gfrörer, pag. 
498): InteUectus est eaussa tum qua res sunt tum quarrt* cognoseuntur. 

2) Vgl. oben pag. 165, Anmerk. 2, 3, 4. 

17* 



260 VII. Bruno's Ethik. 

einem andern Einzelnen eben als mangelhaft erscheint, als der 
Vollkommenheit des Gänzen entbehrend , so gilt es dem nur auf 
das Endliche gerichteten Blick fttr böse. An sich zwar ist Alles 
gut, aber sowie das Einzelne sich in ausschliessliche Beziehung 
zum Einzelnen setzt und über den Selbsterhaltungstrieb den 
Blick für den Zusammenhang mit dem grossen Ganzen verliert 1 ), 
so ist auch schon der Abfall von der Einheit des Wahren, 
Schönen und Guten da und tritt auf als das Nichtseinsollende, 
als das Falsche, das Hässliche, das Böse. 

[ In der Welt der Menschen ist daher das Böse, insofern es 
/der Selbstüberhebung des Individuums, der Missachtung der 
/ Wohlfahrt des Ganzen entspringt, geradezu unvermeidlich und 
I schlechthin nothwendig. Aber eben desshalb, weil es noth- 
wendig ist, dass die Einzelnen, da sie alles nur auf sich be- 
ziehen, gegenüber dem Ganzen sich widersprechen und sich be- 
kämpfen; gerade desshalb, weil es in der Menschen weh aHe 
möglichen Arten von Personen giebt und die Zahl der Unvoll- 
kommenen, Schlechten und Gottlosen überwiegt, gerade desswegen 
ist die Welt, so, wie sie ist, nothwendig und darf, nicht anders 
jein, aJs sie ist*). Wenn die 2ahl der Vollkommenen und 
Guten die Zahl der Unvollkommenen und Schlechten jetzt schon 
überwöge, so würde damit die Entwickelung des Welt-Subjekts 
zur Unendlichkeit der in ihm liegenden Formenfülle schon gegen- 
wärtig dem Abschluss nahe, d. h. der Zeitlichkeit verfallen, der 
Endlichkeit unterworfen sein. Nun aber ist der einzige und 
universelle Zweck des Welt - Subjekts die Vollkommenheit des 
Welt - Objekts und diese besteht darin, dass alle Formen , deren 
dasselbe fUhig ist, in der Unendlichkeit des Raumes und der 
Zeit ins Dasein treten. Der Process der Vervollkommnung alter 
Individuen bis zur Höhe des Ideals bedarf der unbegrenzten 
Ewigkeit. 



1) Vgl. oben pag. 165, Anm. 4. 

2) Deoli Ekoici Furori (Wagner II, 404—405): Mar ian o: In pro- 
posito di questo mi piace quello che voi medesimo poeo avanti dicette , ehe bitogna 
ch' ü mondo *ia pieno di tutte torte di persone, e ehe il numero de gli imperfettiy 
örutti, poveri, indegni e seelerati sia maggiore, et in conclusione non debba euere 
altrimenti che come e. 



VII. Bruno's Ethik. 261 

Welches ist nun der Weg, der zur Vollkommenheit fuhrt? 
Welche Mittel giebt es, die dem, in seiner Endlichkeit immer 
unvollkommenen, Einzelnen die Erreichung des Ideals der Voll- 
kommenheit in Aussicht zu stellen vermögen? Oder vielmehr, 
giebt es überhaupt einen Weg, zur Vollkommenheit zu ge- 
langen? Giebt es Mittel, welche dem Einzelnen den Blick für 
das grosse Ganze zu schärfen vermögen; Mittel, welchen die Kraft 
innewohnt, dem Einzelnen, der mit allen Schlacken der Endlich- 
keit behaftet ist, den wohlthuenden Goldglanz echter Idealität 
zu verleihen, ihn selbst zum würdigen Vertreter des Ideals des 
Wahren, Schönen und Guten zu erheben? Und wenn es solche 
Mittel giebt, welches sind die Hindemisse, zu deren Beseitigung 
sie angewendet werden? Da doch der Mensch, wie" Alles, was 
aus der Künstlerhand der Natur hervorgegangen ist, im innersten 
Kern die Anlage zur Selbstvervollkommnung besitzt? 

Fassen wir zunächst die Hindernisse ins Auge, die dem 
Menschen die freie Bahn zum Ideal der Vollkommenheit er- 
schweren. Es sind deren viele, es mögen desshalb hier nur die 
wichtigsten hervorgehoben werden. Betrachten wir vor allem 
die Stellung der Menschenseele gegenüber der Weltseele. „Es 
giebt gleichsam ein einziges Centralindividuum, aus dessen Schoosse 
sich für unsere Erkenntnis» von Uranfang her die sämmtlichen 
Gattungen als Emanationen verschiedener und unzähliger Linien 
ergossen haben, zu welchem hin und in welches hinein sie sich 
schliesslich wieder zurückziehen. Es giebt im Makrokosmos eine 
alleserleuchtende und mit lebenerweckender Wärme bestrahlende 
Oentralsonne, gleich dem im Kreise der Musen mitteninnesitzen- 
den Apollo. Eine Einheit auch bildet der Tempel oder die 
Flur, wo die zahllosen göttlichen Gestirne ohne Unterbrechung 
ihren wunderbaren Singreigen tanzen. Und nun im Mikrokos- 
mos ist dieses einheitliche Centrum das Herz, aus welchem durch 
den ganzen Organismus die Lebensgeister ausströmen, um den 
Baum des AUlebens, der in ihm keimt und wurzelt, fort und 
fort zu hegen und zu pflegen 1 ). tt Die Individualaeele ist mit der 



1) De Monade, pag. 22: TJnum vehtii centrum ett Individuum ex quo «t 
de quo originalster omnes tpeeiee veluti dmnarum innumerabiliumque lineartm 
effluxue esse eognoteimu*: ad quüd item et in quod te^e rtcipiendo reduountur. 



262 VII. Bruno's Ethik. 

Wft l feftftla in ihrer letzten hüllenlosen Form eins und dasselbe, 
aber insofern die Weltseele, gemäss der Zahllosigkeit der in ihr 
schlummernden Lebensformen, nur in der Zahllosigkeit ver- 
schieden beanlagter Individuen den ihrem universellen Charakter 
relativ entsprechenden Ausdruck zu finden vermag, spiegelt sie 
sich in jedem ihrer zahllosen Individuen in zwiefacher Form 
wieder, denn einmal liegt in jedem Individuum , wie wir soeben 
gesehen haben, ein mit der Weltseele identischer Keim verborgen 
und dieser kann, wenn die Weltseele lauter Geist und Vernunft 
ist, ebenfalls nur Geist und Vernunft sein; dann aber erscheint 
die Weltseele in jedem Individuum noch in einer andern, niedri- 
geren Form, insofern sie, an die Materie gebunden, die Aufgabe hat, 
das, das Individuum speciell charakterisirende und dasselbe von 
den andern Individuen unterscheidende Sein zu erhalten: es ist 
dieses das System der Sinnesthätigkeit. Aber indem sich die Welt- 
seele, insofern sie im menschlichen Individuum in die Erscheinung 
tritt, auf diese Weise in zwei , einander gewissermassen wider- 
sprechende Wesen spaltet, ist sie im Menschen auch der Kampf- 
platz und die immanente Ursache jenes nie erlöschenden Zwistes, 
in welchem sich Geist und Sinn auf Tod und Leben bekriegen. 
„Denn die höheren Potenzen streben fortwährend ihrem un- 
getrübten Urbild zu, während die niedrigeren, nur auf die Selbst- 
erhaltung des Individuums gerichteten Seelenkrftfte fortwährend 
von diesem Urbild wegstreben, indem sie die Gesammtthätigkeit 
des Individuums auf das Leben innerhalb der Wendekreise der 
Zeugung und des Verfalles beschränken möchten *)." 

Zu diesem innern Widerstreit der Seelenkräfte, der allein 
schon hinreichend erscheinen könnte, ein einheitliches Streben 



Unus in Megacosmo sol omnia illuminans, et vivtyco calore irradians, velutque 
in medio resident Nympharum ApoUo. Unum Templum seu Area ubi tot Nu- 
mina admirabilem sine intermissione choream celebrant. Unum in Microcosmo 
eentrum est cor a quo per totum animal spiritus vitales egrediuntur, in quo arbor 
universa vitae ßgüur et radicatur , et ad cujus primitivatn eustodiam et conser- 
vationem referuntur. 

l) Degli Eroici Furori (Wagner II, 351): Cost essendo eomposto 
di potenze superiori et inferiori, con le superioH versa circa la divinitade, con 
Vinferiori circa le mole y la quäl viene da essa vivißcata e tnantenuta intri U 
tropiei de la generazione e corrozione de le cose viventi in essi mondi. 



VII. Bruneis Ethik. 263 

nach dem Urbild des Wabren, Guten und Schönen unmöglich 
zu machen, gesellen sich nun aber noch* ganz andere Hindernisse 
kräftigerer Natur. „L)er Körper nämlich ist in beständiger Be- 
wegung, Umwandlung und Veränderung begriffen und damit 
in Folge dessen auch sämmtliche Thätigkeiten , welche die Auf- 
rechterhaltung des charakteristischsten Seins eines jeden Individuums 
zum Zwecke haben. Wie soll denn da das Unbewegliche, die Sub- 
stanz, das Wesen, die Wahrheit begriffen werden können von jenem, 
das immer und immer wieder ein Anderes ist und immer anders 
und wieder anders schafft und geschaffen wird? Welche Wahr- 
heit, welches Abbild derselben kann sich im Auge abspiegeln 
und einprägen, wenn sich die Pupillen in Wasser, die Wasser 
in Dampf, der Dampf in Flamme, die Flamme in Luft und diese 
in immer und immer wieder etwas anderes tibergehen, sodass das 
Subjekt der Sinnesempfindung und der Vernunftthätigkeit die 
Kreisbahn der Umwandlungen ins Unendliche beschreibt 1 )?" 
Ergiebt sich aus solchen Betrachtungen nicht die völlige Unzu- 
länglichkeit der Mittel unserer Erkennthiss, das Erkennbare zu 
erkennen 2 )? Erscheinen unter diesen Verhältnissen unsere dem 
Urlicht zugewendeten Augen nicht wie die Augen der Nacht- 
vögel, die unfähig sind, die Sonne wahrzunehmen 3 ) ? 

Dazu kommt nun noch die Unfähigkeit unseres Auges, 
unserm Geiste die Dinge unmittelbar zuzuführen. Wir begreifen 



1) Ebendas. (Wagner II, 427): La sesta (cagione de la cecita) tignißcata 
nel seguente, non e altrimenti cagionata che da la imbecillita et insussistenza del 
corpo, il quäle e in continuo moto, mutazione et alter azione, e le operazioni del 
quäle bisogna ehe seguiteno la condizione de la natura et essere. Come volete voi, 
che Vimmobilüa, la sussistenza, Ventita, la verita, sia compresa da quello eh f e 
sempre altro et altro, e sempre fa et e fatto aUri-et altrimente ? Che verita , che 
ritratto pub star dipinto et impresso , dove le pupille de gli ocehi si dispergono 
in aeque, V aeque in vapore, il vapore in ßatntna, la ßamma in aura, e questa in 
altro et altro, senza ßne diseorrendo il suggetto del senso e eognizione per la ruota 
de le mutazioni in inßnito? , 

2) Ebendas. (Wagner II, 426): La quinta (cagione di cecita J procede da 
la imprqporzionalitä de li mezzi di nostra eognizione al eonoseibile. 

3) Ebendas. (Wagner II, 263): l'oggetto, cK e la divina luce, in questa 
vita e piu in laborioso voto, ehe in quieta fruzione, per che la nostra mente verso 
quella e come gli occhi de gli ueeelli noturni al sole. Aehnlich Ebendaselbst 
(Wagner II, 321): gli ueeelli notturni dovegnon eiechi per la presenza del sole. 



264 VII. Bruno 1 s Ethik. 

von der Gottheit nur unsern eigenen Geist, oder wenigstens einen 
dieser gegenüber viel tiefer stehenden. Denn gerade wie das Auge 
durch das Sehen nicht das Licht des Feuers oder das Gold als 
Substanz in sich aufnimmt, sondern nur als Vorstellung und 
Gleichniss, so auch nimmt der Geist, auf welcher Stufe er auch 
stehen möge, die Gottheit nicht substantiell in sich auf. sonst 
gäbe es so viele Götter ak es Intelligenzen giebt, sondern nur 
im Gleichniss, in Folge wovon wir nicht förmlich, sondern nur 
bezeichnungaweise Götter sind, indem die Gottheit und die gött- 
liche Schönheit immer ein und dieselbe und hoch über alle 
Dinge erhaben ist 1 )." 

Hemmender aber noch als die Unzulänglichkeit unserer 
Mittel, die Wahrheit im vollen Sonnenglanze zu schauen, wirkt 
auf die Trübung unseres Strebens nach der Wahrheit die aus 
der falschen Erziehung unserer Vorstellungen fliessende Vorein- 
genommenheit den Dingen gegenüber, das ererbte Vorurtheil, 
die Macht der Gewohnheit „Es ist ganz unglaublich , welche 
Gewalt in der Verhinderung bestimmter Einsichten die Gewohn- 
heit des Glaubens, das sich Wiegen in gewissen Ueberzeugungen, 
ausübt^injvdchejnan von Kindesbeinen an eingelullt *worden_ 
Jst,^ Es verhält sich damk-nicbt anders, als bei denen, die, von 
Jugend auf gewohnt, Gift Jsu essen, schliesslich sich mit ihrer 
Constitution so sehr an dasselbe gewöhnen, dass es, weit ent- 
fernt, auf sie noch als Gift zu wirken, 'ihnen vielmehr als unent- 
behrliches wohlschmeckendes Nahrungsmittel vorkommt, sodass 
ihnen dann selbst das Gegengift zum wirklichen Gift umschlägt *). u 

1) Ebendas. (Wagner II, 427): ne la regione intelluale, dove splende ilL nCi w j 
$ole de VmteUetto agente mediante la apeeie inteüigibile formata come procedente t 

da VoggtUo, viene a aomprendere de la divinith Vintelktto noetro, o altro inferiore 
a quell*. (Vgl. den Ausspruch des Erdgeistes in Goethe' s Faust: „Du 
gleichst dem Geiste, den du begreifst, nicht mir!") Fer che, come Vocchio 
noitro, quando veggiamo, non rieeve la luce del foco et oro in stutanza, ma m 
ttmüitudine : cosi Vmteiletto, in qualunque stato che ei trete, non rieeve surtanzial- 
mente la divinith, onde eieno euetawsialmente tanti dei quante sono intelligente ma 
in simititudine , per eui non formaknente ton dei, ma denominativamente divini, 
rimanendo la dMnüh e divina beUezza una et esaltata eopra le coee tutte. 

2) La Cena de le Cbneri (Wagner I, 136): Non tat quanta forza 
abbia la coneuetudine di credere et e$eer nodrito da fanciullezza in eerte persua»ioni t 



VII. Bruno' s Ethik. 265 

Wenn nun trotz aller Hindernisse, welche dem Streben nach 
geistig -sittlicher Vervollkommnung entgegenstehen, gleichwohl, 
wie die Geschichte beweist; die Selbstvollendung der Menschheit 
ihren unaufhaltsamen Lauf nimmt, wie ist das zu erklären? 
Welche Bahnen schlägt die Menschheit ein, um dem Urlicht, 
dem sie entstammt, allmälig wieder nahe zu kommen? Wie 
ist es dem Einzelnen und der Gesammtheit möglich, das Mensch- 
heitsideal schrittweise zu verwirklichen und das Reich des Wah- 
ren, Schönen und Guten, dessen tiberirdischer Glanz dem mensch- 
lichen Geiste am lernen Horizont der Erkenntniss aufleuchtet, 
zu dauerndem Bestände schon auf Erden zu stiften? Bruno 
denkt sich die Möglichkeit dieser Vollendungslaufbahn also: 

In jedem Wesen schlummert ein Funke l ) des gottentstammten 
Urlichts, welcher seiner Wiedervereinigung mit seinem Ursprung 
sich entgegensehnt. Kein Wesen ist absolut hässlich oder böse, 
in allen wirkt, allerdings auf unendlich verschiedenen Stufen, das- 
selbe Weltgesetz des Selbstvervollkommnungstriebes, des ein- 
geborenen leidenschaftlichen Enthusiasmus nach höherer Lebens- 
gestaltung. Gemäss der Zahllosigkeit der Wesen giebt es zahl- 
lose Arten dieses Enthusiasmus. „Aber im Grunde lassen sich 
dieselben auf zwei grosse Hauptgattungen des leidenschaftlichen 
Strebens nach dem bald niedriger, bald höher, bald dumpfer, 
bald heller erkannten Lebensziele zurückführen. In den einen 
tritt dieser immanente Lebenszweck beinahe nur in der Form 
roher Selbsterhaltung zu Tage und so dürfen wir uns alsdann 
nicht verwundern, wenn in denselben nichts als Dumpfheit, 
Bornirtheit und unvernünftiger Daseinsdrang, der in thierische 
Wuth ausartet, wahrzunehmen ist. In den andern aber wirkt 
ein gewisser Eifer, sich über die Dinge dieser Welt hinaus zu 
Gott zu erheben, durch welches Streben dann manche in der 



ad mpedirne da Vintelligenza dieote manifestissime; non aürimenti eh' accader 
euole a quei, ehe sono avezzati a mangiar veleno, la eomplession de* quali al fine 
non eokmente non ne sente oltraggio, ma aneora so tha eonvertito in nutrimento 
naturale: di terte ehe Vantidoto ieteeeo li e divetiuto mortifero. Ganz überein- ^ 
•timnrond auch Dboli Eboici Fübori (Wagner II, 426). ~ti3&-\) 14+ t'$'FChl<>W i 

1) Sioillus sioillorüm (Gfbörbr, pag. 58 t): naturalis faliultae qua duee 
veluii semtiUa sttam appetens sphaeram, a retardantibue turtum revoeat et etiam 
neeeime avertitur. 



266 V1 *« Bruno's Ethik. 

That besser werden, als gewöhnliche Menschen. Diese Letztem 
unterscheiden sich nun wieder in zwei Gattungen. 

Die einen machen sich zum Tempel der Götter oder gött- 
lichen Geister, sie sagen und bewirken wunderbare Dinge, ohne 
dass sie oder andere sich Rechenschaft davon zu geben wüssten. 
Sie gelangen zu diesem Zustand aus innerem Mangel an Bildung 
und Wissen; da sie all$s eigenen Geistes und Sinnes baar sind, 
so dringt der göttliche Sinn und Geist in sie ein wie in ein ge- 
kehrtes Zimmer, was bei denjenigen, welche eigenen Verstandes 
und Sinnes voll sind, weniger leicht möglich ist Wenn nun die 
Welt sieht, wie diese Menschen nicht aus eigener Einsicht und 
Erfahrung sprechen, so folgert sie daraus, dass sie aus höherer 
Erkenntniss reden und handeln. Es ist der Mehrzahl der Men- 
schen würdig, wenn sie alsdann für jene Wunderthäter höhere 
Bewunderung und Glauben hat. 

Andere sind dagegen der philosophischen Betrachtung fähig 
und gewohnt, sie haben einen klaren und erkenntnissttichtigen 
Geist, die Liebe zur Gottheit, zur Gerechtigkeit, zur Wahrheit, 
zum Ruhme lebt in ihnen als eingeborene Inbrunst und natür- 
licher Schaffensdrang. Im Feuer dieses Verlangens und im An- 
hauch dieses Triebes schärfen sie ihre Sinne und entflammen 
am Brennstoff ihrer Denkkraft das Licht der Vernunft, mit 
welchem sie über den gewöhnlichen Gesichtskreis hinausblicken. 
Solche Menschen sprechen und handeln alsdann nicht mehr als 
pure Gefässe und Werkzeuge; sondern als Künstler und Schöpfer 
aus eigener Machtvollkommenheit 1 ). 



1) Degli Kroici Fürobi (Wagner II, 329—331): Pomno e sono piu 
specie di furori, li quält tutti si ridueono a doi geni , seeondo che altri non tno~ 
atrano che cectta, stupiditä et impeto irrationale, che tende al ferino insensato, 
altri consisteno in certa divina astrazione, per cui dovegnono alcuni migliori in 
fatto che uomini ordinär/. E guesti sono di due specie ; per ehe altri, per esserno 
fatti Hanta de 1 dei o spiriti divini, dieono et operano cose mirabüi, senza eJte di 
quelle essi o altri intendano la ragione; e tali per Vordinario sono promotsi a 
quetto da Vesser statt prima indisciplinati et ignoranti, ne li quali, eome vuoti di 
proprio epirito e senso, cotne in una stanza purgata eintrude il senso e tpirito 
divino, il quäl meno pub aver luogo e tnostrarsi in quei, che son colmi di propria 
ragione e senso, per che tal volta vuole, c)te, te il mondo sappia certo, ehe, ne quei 
non parlano per proprio studio et esperictiza, cotne e manifeste, seguita , cJie par- 



VII. Bruno's Ethik. 267 

Die ersten haben mehr Würde, Macht und Wirksamkeit, denn 
sie hab en die Göttlichkeit; die andern sind an und für sich wür- 
diger, mächtiger, wirksamer; denn sie sind göttlich. Die ersten 
sind würdig wie der Esel, der die heiligen Sacramente trägt; die 
andern sind selbst etwas heiliges. In den ersten betrachtet 
und schaut sich in der That die Gottheit, in den andern be- 
trachtet und schaut sich die Erhabenheit des eigenen Menschen- 
thums. Der in dieser Form sich darstellende Enthusiasmus ist kein 
Selbstvergessen, sondern ein Selbstgedenken, keine Vernachläs- 
sigung seiner selbst, sondern Liebe und Verlangen nach dem 
Schönen und Guten, womit es sich in der Weise zur Voll- 
kommenheit heranbilden will, dass es sich in jenes umzuwandeln 
und sich demselben ähnlich zu machen sucht. Es ist nicht 
ein plötzlicher Willensausbruch unter den Gesetzen eines elenden 
Schicksals, hervorgezaubert durch die Fallstricke thierischer Be- 
gierden, sondern ein vernünftiger Antrieb, wie er der geistigen 
Wahrnehmung des Guten und Schönen zu folgen pflegt .... 
Es ist kein leidenschaftlicher Ausdruck der Schwarzgalligkeit, 
der, jeder Vorsicht, Klugheit und Vernunft baar, ihn vom Zu- 
fall geleitet und vom blinden Sturm dahingerissen herumschweifen 
lässt, wie jene, die, wenn sie über gewisse Gesetze der göttlichen 
Weltordnung gestrauchelt sind, alsdann der Henkerwuth der 
Furien verfallen, die sie ebensowohl mit körperlicher Dissonanz 
heimsuchen, indem sie den Leib mit dem Aufruhr der Sinne, 
mit Siechthum und Krankheiten verfolgen , als mit geistiger , in- 
dem sie den Intellekt mit dem Verlust der Harmonie der Er- 
kenntniss- und Willenskräfte bestrafen. Sondern es ist ein von 
der Sonne der Intelligenz in unserer Seele angezündetes Feuer, 
ein göttlicher Aufschwung, welcher der Seele Flügel leiht, so- 
dass sie, mehr und mehr sich der Sonne der Intelligenz nähernd 



Uno et oprino per intelligenza super iore : e con quetto la moltitudine de gli uomtni 
in tali degnatnente ha maggior ammirazion e fede. Altri , per eetere avvezzi o ■ 
abili a la content plazione, c per aver innato un spirito lueido et inteUettuale , da 
uno interno itimolo t fervor naturale suseitato da famor de la divinitade, de 
la giuttizia, de la veritade, de la gloria, dal fuoeo de desto e soffio de l'intenzione, 
acuiscono li stnsi , e nel eolfro de la cogüativa facuUade aecendono il lume razio- 
nale, eon cui veggono piü che ordinariamente : e questi non vegnono al ßne a 
parlar et opeiar come va*i et imtrumenti, ma come principali arteßei et effieienti. 



268 VD- Bruno'« Ethik. 

und den schäbigen Rost menschlicher Sorgen von sich streifend, 
endlich ein echtes, pures Gold wird, sein Inneres in Einklang 
fehlt mit der göttlichen Harmonie und sein Denken und Thun 
nach dem Ebenmass des göttlichen, allen Dingen eingepflanzten, 
Gesetzes einrichtet. Nicht wie berauscht von den Schalen der Cürce 
taumelt er in diesen oder jenen Abgrund oder klimmt er auf dieses 
oder jenes Riff, oder findet, als ein zweiter Proteus sich bald in 
diese, bald in jene Gestalt verwandelnd, niemals eine Stelle, eine 
Art und Weise oder einen Stoff, in welchen er sich endgültig 
festsetzte; sondern er besiegt und überwindet, ohne die Harmonie 
zu stören, die grauenhaften Ungeheuer und kehrt in demselben 
Maasse als er sich zum Niedergange neigt, gern zur Sinnlichkeit 
mit jenen geheimen Naturtrieben zurück, die wie neun Musen 
um die Herrlichkeit des universellen Apollo tanzen und singen, 
und unter den sinn.enßüligen Bildern und materiellen Dingen 
erkennt er nun göttliche Ordnungen und Rathachläge *). u 



]) Ebendas. (Wag n kr XI, 330 — 331): Li primi Hanno piu dignita, poleeta 
et efficacia in se; per ehe hanno la divinita; li secondi eon eesi piu degni, piu 
potenti et eficaci, e son divini. Li primi son degni eome Vasino, ehe porta li 
taeramenti; li tecondi eome una com sacra. Ne li primi §i eonsidera e vede in 
effetto la divinith, e queUa s'ammira, adora et obedisee; ne li seeondi si eonsidera 
e vede Veoeellenza de- la proprio uman&ade* Or venemo al proposito! Queen' 
furori, 4a quali noi ra$ioniamo t e ehe veggiamo me*si in esecuzione in quesfie 
sentenze, non son oblio, ma una memoria; non ton negligenze di se steseo, ma 
amori e brame del hello e buono , con eui ti proeure farsi per/etto eon trasfor- 
marei et assomigliarsi a queUa. Non e un rattamento sotto le leggi oVun fato 
indegno, eon li laeei di ferine affezioni, ma un impeto razionale, ehe siegue tap- 
prension inuUeieualo del buono e hello, ehe eonosee, a oui vorreHe eonformanSosi 
parimenu piaoere, di eorte > ehe de la nehilta e luee di quelle viene ad aoemdersi 
et uwestirsi di quaUtade e confätione, per oui appaia iUuetre e dogno. Dovieue 
un dio dal eontatto intellettuale di quel nume oggetto , e d'altro non ha pen- 
siero, ehe di eose divini, e tnoetraei itisensibile et impassibüe in quelle eose, ehe 
oomunemente maesime nmteno, e da le quali piu vegnon altri formmtati, niente 
Urne, e per amor da la dtvinttade spreg.a gli altri piaosri, e non fa pemeiero 
aleuno de la tüa. Non e furor ffiatra Hie ehe fuor di eonsigUo , ragione et atä 
di prudenza lo faeoia vagare guidato dal oasa e rapito da • la dieordinata tempeata, 
eome quei f eh 1 avendo prevarioato da eerta legge de la divin* Adrastia, vegnono 
eondatmati »Otto la earnifieena de le ßirie\ a etb sieno esagitati da una dissonanea 
tanto oerporalo, per sedieioni, rtäne e morbi, quanto spirituale, per la iattura de 
Farmonia de le potenze eognotoüive 9t appotüive; ma e un oalor^ aeosso dal sole 



VII. Bruno's Ethik. 269 

Bruno schildert im Vorgehenden die psychologische Grund- 
lage des Glaubens an Offenbarung und des Enthusiasmus Air 
die Erkenntniss des Weltgesetzes. Nach Bruno ist die Religion 
für die Armen im Geiste, während die Philosophie für die aus- 
erwählten Intelligenzen bestimmt ist. Eine Scheidewand zwischen 
beiden, durch welche Jemand verhindert würde, aus dem Bereich 
der Religion in das Reich der Philosophie hinüberzutreten , ist 
nur in der geringeren Geistesanlage vorhanden, alle können 
und sollen, sei es auf diese oder jene Weise, nach dem Höch- 
sten streben, und wenn es schliesslich auch nur wenigen be- 
schieden ist, das Ziel zu erreichen, so genügt es doch für die 
Andern, dass sie nach Kräften sich angestrengt haben und jeder 
sein Möglichstes thue 1 ). Insofern die Religion diejenige Form 
der Anleitung zur Sittlichkeit ist, welche dem Verständniss 
grosser Massen zugänglich bleibt, gereicht sie der Menschheit 
zu grossem Heue. „Zur Erziehung roher Völker, die doch ein- 
mal regiert werden müssen, ist der Glaube erforderlich, das 
wissenschaftliche Beweisverfahren hat seinen Sinn und Zweck 
nur im Hinblick auf die nachdenkenden Köpfe, die sowohl sich 
als andere zu regieren wissen 2 )." „Und selbst wenn es wahr 
wäre, dass die Zauberer vermittelst des Glaubens mehr auszu- 



intelligenziale ne Vanitna; et impeto divino, che gl'impronta Tale, onde piüepiü avviei' 
nandosi al $ole imeliigenziale, rigettando la ruggine de le umane eure, dovien un 
oro provato e puro , ha sentimento de la divina et interna artnonia , concerda U 
suoi pensieri e gesti con la simmetria de la legge insita in tutte le cote. Non 
come inebriato da le tazze di Ciree va cespitando et urtando or in questo, or in 
queW altro foeso, or a questo, or a quell 1 altro ecoglio, o come un Troteo vago or 
in questa, or in quell* altra faeeia cdngiandosi, giammai ritrova loeo , modo , ne 
materia di jermami e. stabilirn; ma senza diatemprar V artnonia , vinee e »upera 
gli orrendi mostri, e per tanto ehe vegn a adiehinare, facilmente ritorna al eeseo 
con quellt intimi instinti, che come nove Muse saltano e cantano circa il »plendor 
de Vuniversale ApoUine, e sotto* Vimagini lensibili e coee materiali va eomprendendo 
divini ordini e consigli. 

1) Die Stelle ausführlich am Schlüsse dieses Abschnittes VII. 

2) De l'Infinito (Waoner II, £1): la fede ei richiede per Vimtituzione 
di rozzi popoli, che denno esser governati, e la dimostrazione per li contemplativi, 
c)ie sanno governar ee et altri 



*\ 



270 Vn. Bruno's Ethik. 

richten vermögen, als die Aerzte vermittelst der Wahrheit 1 ), so 
gilt doch die Ueberzeugung des muhamedanischen Philosophen, 
Oberpriesters und Theologen AI Ghazzali : Zweck und Ziel der. Re- 
ligion sei nicht sowohl die Erforschung der Naturwahrheit und 
der Speculationen , als vielmehr die Veredelung der Sitten, die 
Milderung der gesellschaftlichen Umgangsformen, die Erleichte- 
rung des Völkerverkehrs, die Aufrechterhaltung des Friedens 
und die Wohlfahrt des Gemeinwesens 2 )." 

Die Religion also hat nach Bruno ihre tiefbegründete Be- 
rechtigung in der Schwäche und Unfähigkeit der grossen Mehr- 
zahl der Menschen, die höchsten Ideen in ihrer unmittelbaren 
Form zu fassen und festzuhalten. Aber auch im Unmündigen 
sehnt sich der matte Strahl des ihm innewohnenden Urlichts 
wieder nach seinem Ursprung zurück und ergreift mit Freuden 
den Ariadnefaden, den ihm die Religion bietet, auf dass er sich 
aus dem Labyrinth des irdischen Daseins herausfinde, dem 
Sonnenglanz des Sittlichkeitsideals entgegen. Und es ist die 
Aufgabe der Kirche, jedem Menschen, auch dem in dumpfer 
Unbewusstheit und roher Verkommenheit dahin Strauchelnden 
die rettende Hand zu bieten, um, wenn auch nur mit Mysterien 
und Symbolen, mit Sagen und Gebräuchen, die Sittigung der 
geistig Schwachen und moralisch Unzurechnungsfähigen anzu- 
bahnen und zu fördern*). 

Aber die Kirche sollte nie verkennen, dass sie nicht Alle 
zu befriedigen vermag, dass es höhere Intelligenzen giebt, welche 
die Wahrheit in ihrer unverhüllten Gestalt schauen wollen; 
Menschen, welche, schon von Natur aus mit schärferer Einsicht 
und überlegener Willenskraft ausgerüstet , aus selbsterworbener 
Weisheit, wie aus angeborenem Hochsinn das Rechte von selbst 
thun, ohne dass sie erst von Seite der Kirche und ihrer Gesetze 



1) üboli Eeoici Fubohi (Wagner II, 35b): Fiü possono far U moghi 
per mezzo de la fede, che li mediei per via de la veritä. 

2) Cena de le ceneri (Wagner I, 172): Per que&to diese Alcazele, filo- 
8ofo, sotnmo ponteßce et teologo macutnetano, ehe il fine de le Uggi non e tanto 
di cercar la rert'tä de le cose e speculazt'oni, quanto la botita de* eostumi, proßtto 
de la eivillä, convitto di popoli, e pratiea per la comodita de Vutnana eottversaziotie, 
tnantenimento di pace et aumento di repubbliehe. 

3) Vgl. darüber oben pag. 216—217, sowie früher schon pag. 24. 



VII. Bmno's Ethik. 271 



dazu angeleitet werden mtissten. Dieses sind diejenigen Geister, / • , 
welche mit vollem Recht Menschen genannt werden dürfen 1 ).^; ""t/ 
Aber ihrer sind überaus wenige 2 ). Diese Wenigen aber tragen • ' % ^" 
das Subjekt und das Objekt des Heroismus lebendig in sich*), '\*< " * ' 
sie sind im Stande, sich durch den dichten Wald der unserer 
Erkenntniss gezogenen Schranken hindurchzuschlagen zu der 
Quelle der Diana 4 ), wo sie die Wahrheit der Natur und die 
Majestät ihres Urhebers in unverhtillter Gestalt schauen. Das 
ist die kleine Schaar auserwählter Intelligenzen, welche sich nur 
am wissenschaftlichen Beweisverfahren genügen lassen, jene In- 
dividualitäten, welchen nur die Philosophie das Herz zu erwärmen 
und den Geist zu befriedigen vermag. Und fiir diese Menschen 
allein will der Nolaner, allerdings nicht als Theologe, sondern 
als Philosoph 5 ), seine neue Heilslehre verkünden 6 ), tiberzeugt, 
dass das von ihnen nachher ausgehende Beispiel ausreichen 
werde, allmälig auch die intellectuell und moralisch Schwächeren 
auf die Bahn der Selbstvollendung mit sich fortzureissen und 
dem dreieinigen Ideal des Wahren, Schönen und Guten entgegen- 
zufahren 7 ). 

Auf der Schwelle einer Darstellung von Bruno's Anleitung 
zum Ideal der Vollkommenheit wird es aber angemessen er- 



1) Cena de le Ceneri (Wagneb I, 172): tavii e gencroti »pirti, e quei 
che ton vei awente uotnini, li quali eenza legge fattno quel che eonviene. 

2) Ebendas. poclittimi, rarütimi. 

3) Degli Eroici Fürori (Wagner II, 301): questi fürori eroiei ottegnono 
t tuggeito it oggetto eroico .... 

-1) Ebendas. (Wagner II, 407): Di molti dunque ehe . . . diteotreno in 
quetta deeerta telva, poehwimi ton quellt, che sabattono al fönte di Diana. 

5) Ebendas. (Wagner II, 360): 

Mari an o. Sappiamo, ehe non fate il teologo , tnafilosofo, e ehe trattate filo- 

toßa, non teologia. 
Cesarino. Cost e. 

6) Db l'Infinito (Wagner II, 27): M faeümente eondonaranno a not 
di utar le vere propotizioni, da le quali non vogliamo inferir altro, ehe la verita 
de la natura e de tcecellenza de Vautor di quella; e le quali non ton propotte 
da not al volgo, ma a* tapienti toU, che possono aver accetto a VinteUigenza di 
nottri ditcorti. 

7) Degli Eroici Fürori (Wagner II, 417): il eore . . . e fatto divo e 
conteguenfemente con la tua speeie pub inamorar aUri. 



272 VII, Bruno's Ethik. 

scheinen, zunächst zu untersuchen, inwiefern der Mensch das 
Vollkommene handelnd darzustellen vermöge. Es fragt sich: 
hat der Mensch die Kraft und die Fähigkeit, das ihm vor- 
schwebende Ideal vergeistigter Sittlichkeit im Leben zu verwirk- 
lichen? Mit andern Worten: wie verhält sich der Mensch, der 
doch nur ein Theil des Allganzen ist, gegenüber dem das Welt- 
ganze beherrschenden Gesetz der Notwendigkeit? Nur das' 
Selbstgewollte hat sittlichen Werth, die Freiheit einzig adelt den 
Willen: aber hat der Mensch auch Willens- Freiheit? Bruno er- 
klärt: ja! 

Gott ist als Inbegriff alles Seins zugleich die Quelle aller 
Wahrheit, Weisheit, Macht und Güte. Da er ausser dem, was 
in ihm ist, nichts anderes wollen kann, als er will, so handelt 
er mit Notwendigkeit 1 )? Die Notwendigkeit ist das allwaltende 
Naturgesetz, aber insofern immer auch Gesetz des Urhebers der 
Natur 2 ). Desshalb ist diese ewige Naturnotwendigkeit als un- 
endlich selbstgewollte zugleich auch die ewige Freiheit, die Vor- 
sehung, das Schicksal. Aber Gott ist alles das nur im Sinne 
seiner unendlichen Selbstbestimmung, von einer Freiheit 
Gottes im endlichen Sinne kann nach Bruno's drastischer 
Ausdrucksweise nur ein Verrückter reden, der anstatt einer 
Seele den Teufel im Leibe hat 3 ). 

Aber gerade aus demselben Grunde, aus welchem das Un- 
endliche, weil es nur das Ganze im Auge hat, nichts anderes 
thun kann, noch thun will, als das diesem Ganzen Ent- 
sprechende, aus demselben Grunde muss der Mensch, dieses 
Theilganze, weil es immer nur einen Theil des Ganzen im 
Auge hat, sich für ein Einzelnes unter Vielen entscheiden 
können. „Das ist die Vollkommenheit in uns, dass wir Vieles 



1) Vgl. darüber oben pag. 149 — 151. 

2) Degli Eboici Füroki (Wagner II, 348): Questa e legge di natura, 
questa per eoneeguenza e legge del autore e prineipio de la natura, 

3) De Immenso, Lib. VIII, cap. 10, Schluss des ganzen Werkes pag. * 
653 : Voluntas (inquies) efficientis liberi et optimi dignitatem facti et indignitatem. 
Sed o bone, quid est, quod tibi de ittiut voluntate constat? an hoe te aliquie 
docuit energumenu», aliquie qui eaeodaemonem pro anima habuit, hoe edocuit? 



VII. Bruno's Ethik. 273 

thun können, was wir nicht thun 1 )." Ganz im Gegensatz 
also zu den landläufigen Begriffen ist Gottes die Notwendigkeit, 
des Menschen die Freiheit. 

A Es erhebt sich nun die Frage: Wenn der Mensch die freie 
Wahl hat, das dem Weltzweck Entsprechende entweder zu thun 
oder nicht zu thun, warum thut er dann das Weltzweckgemässe 
und aus welchem Vermögen ist er es zu thun im Stande? 
Die Antwort kann im Sinne Bruno's nur lauten: „Die Vernunft 
des Weltganzen, der das All erkennende und belebende Universal- 
geist) ist in allen Dingen und zwar wie die Form im Subjekt 2 )." 
„Jedem Wesen wohnt gemäss seiner Organisation jene Erkenntniss- 
gabe inne, welche hinreicht, es zu seiner Selbsterhaltung, zur 
Erfüllung seines immanenten Lebenszweckes, nämlich seiner 
Selbstvervollkommnung, zu befähigen 3 ). a „Es findet sich in uns 
ein heiliger Geist, eine Erkenntnisskraft, der ein eigener Affekt 
zu Diensten steht Dieser Affekt hat seinen Rächer, der mit 
der Gewissensqual wie mit einem harten Hammer das seinem 
Lebenszweck zuwiderhandelnde Gemüth peinigt. Dieser Geist 
beobachtet unsere Handlungen und Affekte und wie diese von 
uns behandelt werden, so schafft er, dass wir auch wieder von 
ihm behandelt werden 4 )." Dieser heilige Geist ist die Gottheit, 
die allgegenwärtige, die nichts sehnlicher wünscht, als in uns 
völlig einzuströmen, sich unserer Erkenntniss zu erschliessen und 



1) Ebendas. Lib. III, cap. 1, pag. 267: Est perfeetio in nobis (si ita 
placetj, ut possimus multa faeere quae non facimus. Blasphtmia vero est faeere 
Deum alium a Deo: voluntatem ejus aliam atque aliam, unam quae eurrit cum 

potentia, aliam quae abhorret a potentia, in melius contradictoriorum aüerum, vel 
deterius. 

2) Summa terminor. metaphysicor. , Intellectus seu Idea (Gfrörer, 
pag. 512): Intellectus et omnis potentia eognoscitiva non est alicubi, tanquam in 
loco, sed tamquam forma in subjecto. Intellectus vero qui est universalis substantia 
et causa universae cognitionis in omnibus et singulü, est una substantia seu essentia 
ubique tota, sieut anima in corpore^ 

3) Degli Eroici Fürori (Wagner II , 407) : . . . ogni cosa ha innata 
Vinteüigenza di quelle cose , che appartegnono a la eonservazione de findividuo e 
specie^ et oUre a la perfezion sua finale . . . 

4) Ebendas. (Wagner II, 368): Si trova in not certa sacrata mente et in- 
telligenza, cui sumministra un proprio affetto , che ha il suo vendicatore , ehe eol 

18 



274 VII. Bruno 's Ethik. 

sich in unsern Willen umzuwandeln 1 ). Er kann sich aber nur 
denjenigen zur Erkenntniss bringen, die ihn suchen 8 ). 

Die Gottheit offenbart sich nun aber den Sinnen als das 
höchste Ideal der Sehnsucht in der Form des Schönen, welches 
zugleich das Wahre und das Gute ist 3 ). Des Geistes einzige 
Nahrung, um welche sich all sein Wünschen, Suchen, Verlangen 
und Sehnen dreht, welche allein ihn befriedigt und beruhigt, ist 
die Wahrheit, welcher er zu jeder Stunde, in jedem Zeitalter 
und in jedem Zustande, in welchem sich der Mensch auch be- 
finden mag, zustrebt, und um deren willen er jede Mühsal zu 
verachten, an die er alles zu wagen, um die er sich nichts aus 
dem Körper zu machen, für die er selbst dieses Leben ein- 
zusetzen pflegt 4 ). So auch leiht die Liebe zu körperlicher 
Schönheit dem Menschen guter Art Flügel, mit welchen der 
Liebende sich bestrebt, sein Ziel zu erreichen, nämlich des ge- 
liebten Gegenstandes würdig oder vielleicht noch grösser, besser 
und schöner als dieser zu werden 5 ). Gott, die göttliche Schön- 



rimorso di certa sinderesi al tneno, come con certo rigido marteüo, flagetta il spirito 
prevaricante. Quella osserva le nostre azioni et affetti, e come e trattata da noi, 
fa ehe not vengamo trattati da lex. 

1) Ebendas. (Waoneb II, 359): Ter ehe da qua avverra, ehe eenza dubio 
gV influisea la divinüä, la quäl da per tutto e presente e pronta ad ingerirsi « 
cht $e le volta con VaUo de lUntelletto et aperto se Veepone con faffetto de la 
voluntade. Vgl. auch Ebendas. (Wagner II, 304): la divina luce e tempre 
presente, s'otfre sempre, sempre chiama e hatte a le porte de* nostri sensi et altre 
potenze cognoscitive et apprensive. 

2) Ebendas. (Wagneb II, 425): non appare (la divina mente) a tutti, he 
pub apparir ad altri ehe a color ehe la eercano. 

3) Ebendas. (Wagneb II, 332): Tutti gli amori, se sono eroiei e non ton 
puri animali, ehe ehiamano naturali e eattivi a la generazione, come inserumenti 
de la natura in eerto modo hanno per oggetto la divinita tendeno a la divina bettete*, 
la quäle prima ei eomuniea a Vanime e ritplende in quelle, e da quelle pei, o per 
dir meglio, per quelle poi ai eomuniea a K eorpi. 

4) Ebendas. (Wagneb II, 406) : Or tesca de la mente bieogna dire ehe eia 
quella sola, che sempre da lei e bramaia, oercata, abbraceiata, e volentieri put eh* 
aüra eosa gustata, per cui s'empie, s'appaga, ha pro, e dovien migUore, cioe la verita, 
a la quäle in ogni tempo, in ogni etade, et in quäl si voglia stato ehe si trove 
Vuomo, sempre aspira f e per cui suol spregiar quäl si voglia fatiea, tentar ogni 
studio j non far easo del corpo, et aver in odio questa vita. 

5) Ebendas. (Wagneb II, 381): Ben sai ehe Vamor di beUezza corporate 
a color, ehe son ben disposti, non solamente non apporta ritardamento da in 



VII. Bruno's Ethik. 275 

heit widerstrahlt aber und ist in allen Dingen 1 ). Sie ist das 
Entzücken des Auges, nicht allein in seiner sinnlichen, sondern 
noch viel mehr in seiner geistigen Bedeutung als das Organ 
höherer Erkenntniss 2 ). Die körperliche Schönheit ist zwar auch 
«chon ein Strahl und Abglanz der Form und der Wirklichkeit 
des Geistes, ein Spiegelbild und Widerschein der den Körpern 
immanenten Vernunft 8 ). 

Aber Liebe vermag der Anblick einer Gestalt an und fiir 
rieh noch nicht zu erwecken. Die Liebe zu einer Gestalt ent- 
zündet sich vielmehr erst von dem Augenblicke an, da die Seele 
die ihr vorschwebende Gestalt nicht mehr in ihrer sinnlich sicht- 
baren, sondern in ihrer reinen Denkform, nicht mehr als eine 
Summe von Theilen, sondern als ein Ganzes nicht mehr unter 
dem speciellen Gesichtspunkte des Guten und Schönen, sondern 
als deren Inbegriff erblickt. Dann plötzlich entsteht liebe *). 
Die sinnliche Liebe ist uns dann nur noch ein Anzeiger der 
Schönheit des Geistes. Das was uns an den Körpern entzückt, 
ist eine gewisse Geistigkeit , die wir in ihnen erblicken 5 ). Wir 



maggiori, ma piu toato viene ad improntarli Vale per venire a quelle, allor ehe 
la necessita de tamore e eonvertita in virtuosa studio, per cui Vamante aiforza di 
venire a termine nel quäle sia degno de la cosa amata, e forse di cosa maggiore, 
migliore, e piu bella an cor a. 

1) Ebendas. (Wagner II. 382): Eio, la divina bellezza e splendore riluee 
et e in tutte le cose; perb non mi pare errore cTammirarlo in tutte le cose. 

2) Ebendas. (Wagner II, 345): Ogni amore proeede dal vedere: Vamore 
inteUigibile dal vedere intelligibilmente , il sensibile dal vedere sensibilmente. Or 
questo vedere ha due eignißeazioni ; per ehe o significa la potenza visiva , cioe la 
vista, eh' e VinteUetto, o veramente senso; o significa Vatto di quella potenza, cioe 
queXC applieazione, ehe fa toechio, o Vintelletto, a Voggetto materiale o intellettuale. 

3) Ebendas. (Wagner II, 381): la beUezza materiale, la quäle e un raggio 
4 splendor de la forma et atto spirituale, di cui e vestigio et ombra. 

4) Ebendas. (Wagner II, 346): non e la ßgura o la specie sensibilmente 
o intelligibilmente representata , la quäle per se muove; per che, mentre aleuno 
sta mirando la ßgura manifetta a gli occhi, non viene ancora ad amare ; ma da 
quetto istante, che Vanimo condpe in se stesso quella figurata non piu visibüe, 
ma cogitabiU, non piu dividua, ma in dividua , non piit sotto specie di buono e 
bello, aUora subito nasee Vamore. 

5) Ebendas. (Wagner II, 332): Vaffetto ben formato ama li corpi o la 
corporal bellezza, per quel che indice de la bellezza di spirito. Anzi queUo che n f in- 
amora delcorpo, e una certa spiritualitä ekeveggiamo in esso, la quäl si ehiama bellezza. 

18* 



276 VII. Bruno's Ethik. 

erheben uns dann schon zur Betrachtung und Verehrung der 
göttlichen Schönheit, so zwar, dass wir das Gemüth von der 
Bewunderung der sichtbaren Aussenwelt weg zur Verehrung 
jener Dinge erheben, deren Herrlichkeit um so viel grösser ist, 
je ferner sie der Materie und der Sinneswahrnehmung entrückt 
sind 1 ). Hat aber der Geist einmal die Entdeckung gemacht, 
dass er es ist, der in den Körpern die Schönheit hervorzaubert, 
so erhebt er sich sofort auch zu der noch höheren Einsicht, dass 
der Geist unvergleichlich schöner ist als jene Schönheit, die in 
den Körpern zur Erscheinung zu kommen vermag 2 ). Alsdann 
versucht der heroische Mensch noch höher hinauf, sich bis zu 
jenem Geiste emporzuschwingen, der an und für sich schon 
die göttliche Schönheit selbst, der an und für sich schon gut ist 3 ). 
Seine Sehnsucht fühlt sich nicht eher befriedigt, als bis er die 
Wahrheit und Schönheit, die hoch über den körperlichen Dingen 
liegt, wie sie selbst unkörperlich ist 4 ), ohne Hülle, nicht mehr 
in der Form von Gleichniss, Bild und Vorstellung erblickt 5 ). Das 
ist dann jener einzige, höchste Kriegsoberst, der, den Gedanken, 
gleichsam seinen Soldaten, kaum nur vorgesetzt, diese sofort er- 
leuchtet, ermuthigt, kräftigt und ihnen zum Siege verhilft, sodass 
sie hinfort alle andere Schönheit verachten und jedes andere Gut 



1) Ebendas. (Wagner II, 381): da la belkzza materiale , la quäle e un 
raggio e splendor de la forma et atto spirituale, di eui e vestigio et ombra, vegna 
ad inalzarsi a la cofiaiderazion e culto de la divina bellezza, luee e tnaestade; di 
tnaniera ehe da queete eose visihili vegna a magnißear ü eore veno quelle f ehe eon 
tanto piu eeeellenti in se, e grate a Vanimo ripurgato, quanto son piü runoese da 
la materia e serno. 

2) Ebendas. (Wagner II, 300): La ragion dunque apprende il piu vero 
hello per eonversione a quello , ehe fa la beltade nel corpo , e viene a formarlo 
betto; per eonversione a quello, ehe fa la beltade nel corpo; e queeta e tanima, 
ehe Vha talmente fabrieato et inßgurato. A presto Vinteüetto sHnalza piu et ap- 
prende bene, che tanima e ineomparabilmente bella sopra la bellezza, ehe possa 

esser ne li eorpi. 

3) Ebendas. (Wagner II, 360): Bisogna dunque alzarsi a quello intel- 
htto iuperiore f il quäle da per se e hello e da per se e buono. 

4) Ebendas. (Wagner II, 406): la verita e eosa ineorporea, per che neesuna, 
o sia ßsica, o aia metaßeica, o sia matematica, si trova nel corpo. 

5) Ebendas. (Wagner II, 381): JS cosi sempre verrä tentando ü spirito 
eroico, sin tanto che non si veda inalzato dl desiderio de la divina bellezza in 
se stessa, senza similitudine, ßgura, imagine e specie, se sia possibile. 



VII. Bruno's Ethik. 277 

ausser ihr verschmähen. Das endlich ist alsdann jene Geistes- 
verfassung, welche jeder Schwierigkeit überlegen ist und jeder 
Vergewaltigung obsiegt 1 ). 

Hat nun aber einmal der Geist irgend eine bestimmte Form 
des Ideals sich zur Anschauung gebracht und der Wille ein be- 
stimmtes Mass der Zuneigung zu dieser Anschauung gefasst, so 
macht der Geist dabei nicht Halt. Denn sein eigenes Licht 
drängt ihn, an das zu denken, was jede Gattung des geistig 
Erfassbaren und sinnlich Begehrenswerthen in sich schliesst, bis 
er die Herrlichkeit der Quelle der Ideen, den Ocean aller Wahr- 
heit und Güte zu schauen beginnt. Alsdann kommt es, dass, 
welche Gattung sich ihm auch zur Anschauung biete und von" 
ihm begriffen wird, er von dem aus, das sich ihm zur Anschau- 
ung bietet und von ihm begriffen wird, urtheilt, es gebe über 
dieser Gattung noch eine höhere und immer höhere Gattung, 
sodass der Geist auf diese Weise sich in beständiger Unruhe 
und Bewegung befindet. Denn er sieht beständig, dass jenes 
Ganze, das er besitzt, etwas Schrankenhaftes ist, das folglich an 
sich nicht genügen, für sich allein nicht gut, für sich allein nicht 
schön sein kann. Denn & ist nicht das All, nicht das absolute 
Wesen, sondern concentrirt, um diese Natur, diese Gattung, 
diese dem Geist zur Anschauung gebotene, der Seele vor- 
schwebende Form zu sein. Darum schreitet der Geist unaufhör- 
lich vom erschauten Schönen, das eben desshalb auch ein nur 
Schrankenhaftes, folglich auch ein nur durch Theilnahme am 
Ganzen Schönes ist, fort jenem wahrhaft Schönen zu, das 
keine Schranke noch Grenze hat 2 ). So schwingt sich der hero- 



1) Ebendas. (Wagner II, 360): Questo (intelletto euperiore) e quell 7 unico 
e supremo eapitano, quäl solo meeeo a la preeenza de gli oeehi de' milüanti pen- 
<tm', gt illuitra, incoraggia, rinforza, e rende vittoriosi sul düpregio d? ognialtra 
bellezza, e ripudio di quäl H voglia aUro bene. Questa dunque e la presenza, ehe 

Ja tuperar ogni dißieulta, e vincere ogni violenza. 

2) Ebendas. (Waoner II, 342—343): Eeeendo ? intelletto divenuto a Vap- 
preneion cFuna certa e deßnita forma intelligibile , e la volunta a Vafezione com" 
memurata a tale apprensione, VinteUetto non ei ferma Ih; per ehe dal proprio 
Urne e promouo a penaare a queüo ehe eontiene in tie ogni geno cT intelligibile et 
appetibüe; ein ehe vegna ad appr ender e con t intelletto Veminenza del fönte deVidee, 
cceano cCogni verita e bontade. Indi awiene, ehe qualunque speeie gli vegna pre- 
eentata e da lui vegna eompreea, giudica , ehe sopra etea e altra maggiore e mag- 



278 VH. Bruno's Ethik. 

ische Mensch, wenn er einmal eine Vorstellung von der gött- 
lichen Schönheit gewonnen hat, mit den Flügeln des Geistes und 
des vernünftigen Willens empor zur Gottheit 1 ), welche zu- 
gleich die Quelle seiner eigenen Substanz und Wesenheit ist 2 ). 
Die Verehrung der körperlichen Schönheit führt den freien Geißt 
hinan zum Cultus der in ihm selber bildlos wohnenden göttlichen 
Schönheit 

Der unhemmbare Trieb und Drang nach dem Ideal der 
Schönheit, Güte und Wahrheit und somit alles sittliche Streben 
entspringt der niebefriedigten Lust des Geistes an der Schärfung 
unserer Erkenntniss. Der Aufschwung zum Ideal geht in un- 
seren Geiste hervor aus der Fähigkeit und dem Antrieb, der den 
Flügeln Vernunft und vernünftiger Wille innewohnt, durch welche 
der Geist auf naturgemässe Weise seine Beziehung und seinen 
Zug nach Gott hin findet, als dem höchsten Gut, dem Urquell 
aller Wahrheit, wie der absoluten Güte und Schönheit 8 ). Die 
Erkenntniss eines Gutes entzündet den Wunsch, dasselbe zu be- 
sitzen 4 ). Sie erregt zuerst den Willen, dann aber umgekehrt 



giore, con cib sempre ritrovandosi a discorso e moto in certa maniera. Per ehe 
sempre vede, che queV tutto, che possiede, e cosa misurata , e perb non pub euere 
bastante per se, non buono da per se, non hello da per se; per ehe non e Vuni- 
verso, non e Vente assoluto, ma eontratto ad csser questa natura, ad euer questa 
speeie, quetta forma rappresentata a l'intelletto, e preeente a Vanimo. Sempre a\m~ 
que dal betto compreso e per conseguenza misurato e conseguentemente beüo per 
partieipazione, ja progresso verso queUo ch 1 e veramente hello, ehe non ha margine 
e circoscrisione aleuna. 

1) Ebendas. (Wagner II, 392): S. die folgende Anmerkung 3. 

2) Ebendas. (Wagneb II, 392): La potenza inteUettiva mai ei quüta, ma* 
s'appaga in verüh compresa, ee non sempre oltre et oUre proeede a la veritä in- 
eomprensibUe. Cosi la volontä, ehe seguita fapprensione, veggiamo ehe mai e'mp- 
paga per cosa finita, Onde per conseguenza non ei riferisee Vessenza de fanima 
ad aUro termine, ehe al fönte de la sua sustanza et entita. 

3) Ebendas. (Wagner II, 392): Z'ascension proeede ne Vanima da la fa- 
culta et appulso ch* e ne Pale, ehe son Vintelletto et inteUettiva volontade, per le 
quali esea naturahnente si riferiece et la la sua mira a dio , eome a sommo hene 
e primo vero, eome a Passoluta bonta e hellezza. 

4) Ebendas. (Wagneb II, 410): Veramente Vintendere, il vedere, il cono- 
scere e quelle ehe aeeende il desto, e per conseguenza per ministerio de gli oceM 
vien infiammato il core. 



VIL Bruno's Ethik. 279 

reizt auch der Wille die Erkenntnis» an *). Die Grade, in wet 
chen der Wille thätig ist, die Grade der Neigungen, Liebe*- 
empfindungen und Leidenschaften entsprechen desshalb den Gra- 
den stärkeren oder schwächeren Lichtes der Erkenntniss und 
Vernunft 2 ). Aber wenn auch die Thätigkeit des Geistes der 
Thätigkeit des Willens vorausgeht, so ist doch dieser, der Wille, 
an Kraft und Wirksamkeit jenem, dem Geiste, tiberlegen*). 
Denn wohl erhebt der intellektuelle und speculative Liebesdrang 
zum Ideal den Geist um so höher und reinigt das Erkenntniss- 
vermögen um so gründlicher, je kräftiger er selber ist: er weckt 
den Geist und das Erkenntnissvermögen auf, treibt ihn zu eifriger 
Thätigkeit an und schärft seine Umsicht; damit wieder drängt 
er ihn zu heroischer Begeisterung und zum Wetteifer nach den 
Tugenden, nach der Grösse, denn er erweckt das Verlangen, 
dem geliebten Gegenstande zu gefallen und sich seiner würdig 
zu machen. Aber die Zahl derer, welche der Liebesdrang zu 
höherer Thätigkeit antreibt, ist verschwindend klein gegen die 
überwiegende Masse Jener, in welchen er dumpf und stumpf 
bleibt, weil er sie ihr eigen Selbst verlieren und in den Ab- 
grund der Ausschweifungen versinken lässt 4 ). Geschieht es doch 
selbst den Besten, dass der doppelantlitzige Liebesdrang sie an- 
statt nach oben zum Ideal des seelenhaft Schönen vielmehr hin- 
unter verleitet in die Regionen der rein sinnlichen Schönheit, wo 
sie dann, wenn sie die göttliche Schönheit nicht im Spiegel zu 
schauen fähig sind, dieselbe doch in deren Schattenbild bewun- 
dern können, ähnlich den Freiern der Penelope, welche, da sie 



.1) Ebendas. (Waoner II, 417): primieramenU la eognizione tnuove Vaffetto, 
et a preseo Vaffetto muove Vafezione. 

2) Ebendas. (Wagner II, 351): eon li gradi de gli amori, affezioni e 
furori seeondo li gradi di maggior o minore lume dt cognizione et intelligenza. 

3) Ebendas. (Waoner II, 339): V Operation de Vintelletto proeede toper azion 
de la voluntade; ma queeta e piü vigoroea et effieace, ehe queUa, 

4) Ebendas. (Wagner II, 320): in qualunque e piit inteileUuale e specu- 
lativoy (Vamore) inalza piü Vingegno e piu purißea Vintelletto , facendolo wegUate, 
studioso e circotpetto, protnovendolo ad un animoeüate eroiea et emulazion di vir- 
tudi e grandezza per il desto di piaeere e farei degno de la eoea amata; in altri 
poi, che ton la tnaasima parte, s' int ende pazzo e etoUo, per ehe Ufa uteir de* 
proprj eentimenti, e li precipita a far de le stravaganze. 



280 VU. Bruno s Ethik. 

sich der Herrin nicht nähern konnten, sich mit deren Mägden 
unterhielten *). 

Die Geistesthätigkeit erhebt den Menschen zur glänzenden 
Höhe der Weisheit und Gerechtigkeit, während die Einbildungs- 
kraft ihn zum schmutzigen Boden der Wollust herniederzieht 2 ). 
Die Sinnesaffekte und andere Regungen des Körperlebens sind 
es, die den Geist fortwährend an der Erkenntniss der Wahrheit 
hindern, indem sie ihn unversehens überfallen und bewältigen 3 ). 
Wenn da der sinnliche Liebesdrang die Verstandesthätigkeit 
überrumpelt, so erscheinen alsdann dem also zur Erkenntniss 
der Wahrheit unfähig Gemachten alle Dinge in der Farbe seiner 
eigenen Affektion, während doch derjenige, der die Wahrheit 
auf dem Wege der Contemplation erfassen will, die gereinigtste 
Denkkraft haben muss 4 ). 

Aber kaum hat die Seele die Entdeckung gemacht , dass 
Leidenschaften, die ihrem Liebesdrang nach dem Ideal schnur- 
stracks widerstreben: als Furcht, Zorn, Eifersucht, Hass, sie 
verwirren, so fasst sie, weil sie weiss, dass deren Gegentheil sie 
beruhigt, auch schon den Entschluss, ihre natürliche Schönheit 



1) Ebendas. (Wagner II, 331): i vero pere, ehe ordinär iamente va spas- 
segiando, et or piü in una , or piü in un ultra forma del gemino Cupido si tra~ 
sporta ; per ehe la lezion prinzipale, ehe gli dona amore, e, ehe in ombra contemple, 
quando non puote in speeehio, la divina beltade, e eome li proei di Fenelope s'in- 
trattegncc con le fanti, quando non gli liee eonvertar con la padrona. 

2) Ebendas. (Wagner II, 338): la tnente Vinalza (l'anima) a le cose sublime, 
eome Vimaginazion Vabbassa a le cose inferiori. Vgl. auch (Wagner II, 391 — 
392) : il quäl volgo (de le potenze de Vanima) tutto generaltnente e diviso in due 
fazioni, quantunque subordinate a queste non mancano de V nitre, de le quali altre 
invitano a Valto de Vinteüigenza e splendore di giustizia , altre allettano , ineüano 
e forzano in eerta maniera al basso, a le sporeizie de le voluttadi, e eompiacimenti 
di voglie naturali. 

3) Ebendas. (Wagner II, 843): Cieada. Quali son quei pensieri, ehe ü 
riehiatnano a dietro t per rürarlo da si generosa impresa? Tansillo. Gli affetti 
sensitivi et altri naturali, ehe guardano al regimento del eorpo. 

4) Ebendas. (Wagner II, 428): La settima (cagione della oecitäj deriva 
dal fuoeo de Vafezione, onde alcuni ei fanno impotenti et inabili ad apprendere 
ü vero, con far, che Vaffetto precorra a fintelletto. Questi son coloro, ehe prima 
hanno Vamare che fintendere: onde gli avviene, ehe tutte le cose gli appaiano 
secondo il eolore de la sua affezione, stante ehe ehi vuole apprendere il vero per 
via di contemplazione, deve essere ripurgatissimo nel pensiero. 



VII. Bruno's Ethik. 281 

-wieder zu erlangen und so legt sie sich denn mit Eifer auf die 
Gewinnung der Mittel, sich zu reinigen, zu heilen und zu refor- 
miren l ). 

In diesem Bestreben kommt der Seele die Trauer zu Hülfe, 
die sich ihrer selbst bemächtigt, sobald sie erkennt, dass sie sich 
211m Extrem hat hinreissen lassen 8 ), dass sie sich durch die 
Verstrickung in den Widerspruch der Leidenschaften um ihre 
innere Einheit und Harmonie gebracht hat. Die Trauer um die 
Teriorene Schönheit ihrer selbst erfasst die Seele in Form der 
Reue, die nun Bruno mit allem Glanz seiner Poesie umgiebt. 
„Die Reue ist unter den Tugenden, was der Schwan unter den 
Vögeln; denn sie ist nicht dreist, noch kann sie fliegen; in 
Folge der niederziehenden Schwere der Scham und demüthigen 
Erkenntniss ihrer selbst, Verharrt sie in Unterwürfigkeit. Indem 
sie sich desshalb dem hasswürdigen Erdboden entrückt und doch 
nicht wagt, sich zum Himmel emporzuheben, liebt sie die Flüsse, 
taucht sich in die Wasser, welches die Thränen der Zerknir- 
schung sind und sucht sich in denselben zu waschen, zu reinigen 
und zu läutern, nachdem sie, als vom Uferschlamm des Fehl- 
tritts beschmutzt, sich selbst missfallen hat. Von dem Gefühl 
dieses Missfallens an sich selbst bewogen, verfällt sie der Be- 
stimmung, sich zu bessern und sich der reinen Unschuld mög- 
lichst ähnlich zu machen. Mit dieser Tugend kommen die Seelen 
wieder obenauf, wenn sie vom Himmel heruntergestürzt und in 
den finstern Orcus versenkt waren, sich im Cocytus der sinn- 
lichen Lüste gewälzt und am Pyriphlegethon der Liebeslust und 
des Zeugungstriebes entzündet hatten, von welchen der erste 
den Geist mit Traurigkeit erflillt, der zweite die Seele verächt- 
lich macht. Gleichsam in der Erinnerung an ihre hohe Abkunft 
bei sich selber Einkehr haltend, missfUllt sie sich selbst in ihrem 



1) Ebenda«. (Wagner II, 368): Non e amore eenza timore, zelo, gebaut, 
rancore et altre pateioni, ehe proeedeno dal contrario , ehe ne perturba , $e Vaitro 
contrario ne appaga. Talmente venendo Vanima in peneiero di rieovrar la beUezza 
naturale, »tudia purgarri, eanarsi, riformarei. 

2) Ebendas. (Wagner II, 325): il vizio eladov* e eontrarietade ; la eon- 
trarietade e tnassime Ih dov* e Vestremo ; la eontrarieta maggiore e la piu vieina 
a Veetremo ; la minima o nulla e nel mezzo , dove li contrarj convegnono e sott 
uno e indifferente. 



282 VII. Bmno's Ethik. 

gegenwärtigem Zustande. Es schmerzt sie jetzt, was sie einst 
entzückte. Sie möchte jetzt um Alles sich nicht selbst willfährig 
gewesen sein und so gelangt sie dazu, sich allmälig ihres gegen- 
wärtigen Zustandes zu entkleiden, indem sie ihre Sinnlichkeit 
und den Druck, den die Materie auf sie ausübt, auf das kleinste 
Mass herabsetzt. Sie wirft sich vollständig in weisses Gefieder, 
wärmt und entflammt sich an der Sonne, fasst die glühende 
Liebe zu erhabenen Dingen, wird ätherisch, folgt der Sonne und 
wendet sich endlich von neuem wieder ihrem Ursprung zu. 
Die Reue ist aber auch eine strahlende Rose, welche sich au* 
den schwarzen, stechenden Domen losringt; sie ist gleichsam 
ein hell leuchtender Funken, der aus dem schwarzen, harten 
Kiesel fahrt, sich emporschwingt und der ihm verwandten Sonne 
zustrebt *). a 

Hat sich die Selbsterkenntnis die begangenen Irrthümer 
eingestanden und der Entschluss, sich dem hellleuchtenden Ur- 
bild des Wahren, Guten und Schönen vermittelst der Selbst- 



1) Spaccio de la Bestia trionfante (Wagner II, 188): Mi par molto 
convenevole (diaae Oiove), che vi sia locata la Fenitenza , la quäl tra le virtudi $ 
come il eigno tra gli uccelli; per ehe la non ardiaee, ne pub volar aho per il 
gravos de Verubeaeenza et utnüe reeognizione di ae eteaea, ai mantiene aommeam: 
perb togüendoai a l'odioea terra, e non ardendo di e'inalzare al cielo, ama slißumi, 
sattuffa a Vaeque, ehe aon le lagrime de la compunzione, ne le quält cerca lavarai* 
pur gar si , mondarai, depo che a ae nel limoso Udo de V error e inaporeata dispiacque, 
moaaa dal aenao di tal diepiacere, e incorsa la determinazione del correggerai , e, 
quanto poaaibil ßa, farai »imile a la Candida innoeenza. Con queata virtu riaaleno 
Vanime, ehe aon ruinate dal cielo e immerae a VOreo tenebroeo, paasate per ü 
Cocito de le volutta di sensitive, e aeeeae del Perißegetonte de Vomex cupidmeeco e 
appetito di generazione, de' quali il primo ingombra il epirto di trittizia, et ü 
aeeondo rende VaVma disdegnoaa. Come per rimembranza de Valta heretitade ritor- 
nando in ae medeaima, diepiace a ae medeaima per il atato preaente; ai duole per 
quel che ai dilettb, e non vorrebbe aver eompiaciuto a ae ateaaa f et in queato modo 
viene a poeo a poco a diepogliarsi dal preaente atato, attemuandoaele la materia 
carnaU et il peso de la eraaaa auetanza; si matte tutta in piume, s'aeeende e ei 
aealda al aole, coneipe \ü fervido omor di eose aublimi, diviene oerea, s'appiglia 
al aole, e di bei nuovo si eonverte al auo principio. „Eegnomente la Fenitenza 
e meaaa tra le virtudi, 1 ' diese Saturno 1 it per ehe, quantunque sia ßglia del padre 
errore e de Viniquitade madre, e nuüa di meno come la vermiglia rosa, ehe da 
Vadre e pungenti epine ai coeeia; e come una lucida e liquida seintüla, ehe da la 
negra e dura seien ai apieca, faaai in alto, e tende al auo eognoto aole." 



VII. Bruno's Ethik. 283 

reinigung durch die Tugend wieder zu nähern, ernstlich gefesst, 
so ziehe sich der heroische Weise zunächst in sich selbst zurück 
und lasse die Menge mit ihren Meinungen und Gemeinplätzen. 
„Es ärgere ihn nicht, dass er Vielen nicht ähnlich sei, weil sie 
die Vielen sind; auch sei er kein Feind der Vielen, desswegen 
weil sie ihm unähnlich sind. Er verkehre mit denjenigen, die 
er entweder besser machen oder von welchen er besser gemacht 
werden kann, so nämlich, dass er entweder jenen Glanz zu 
verleihen, oder von jenen Glanz zu erhalten vermöge. 
Ein einziger guter Freund sei ihm mehr werth, als der ganze 
Haufe der Blöden. Er wähne nicht, wenig errungen zu haben, 
wenn er es soweit gebracht hat, für sich selber weise zu sein, 
wenn er sich nur an das erinnert, was Demokrit sagt: Einer 
gilt mir soviel als das ganze Volk und das Volk soviel als einer; 
ferner was Epicur zu einem seiner Studiengenossen gesagt hat, 
dem er schrieb: Das ist für dich, nicht Air die Menge! Denn 
wir Alle sind einer dem Andern ein grosses Theater vollauf 
genug 1 )! Solchergestalt wird der heroische Weise allmälig der- 
massen ein Anderer, dass er sich aus Mühe und Beschwerde 

nichts macht, sondern dieselben verachtet. Je mehr sich dann 

7 • 

die Affekte und Laster in seinem Innern untereinander bekriegen 
und die lasterhaften Feinde von aussen ihn umzingeln, um so 
kräftiger darf er jetzt aufathmen und sich emporrichten, um end- 
lich womöglich in einem Athemzuge den jähen Berg zu er- 
klimmen. Hier angelangt, bedarf er alsdann keiner andern 
Schutz- und Trutzwaffen mehr, als der Grösse einer unbesiegten 



1) Degli Eroici Furori (Waoner II, 366): So aspira al splendor atto, 
ritkresi quanto pub, a Vunitä, eontrahasi quante e possibUe, in se sUseo, di sorte 
ehe non sia simile a molti, per ehe son molti; e non sia nemico di tnoUi, per 
ehe son dissimüi, se possibil sia serbar V uno e faltro bene; altrimenti fap- 
piglie a quel ehe gli par migliore! Converse con quellt, U quali a lux possa far 
migliore, o da U quali lui possa essere fatto migliore, $>er spUndor ehe possa donar 
a quellt, o da quellt possa ricever lui! Conientesi piü o?uno idoneo, ehe de Vinetta 
moltüudine! Jie stunara d'aver aequistato poeo quando e devenuto a tale, ehe 
sia savio per se, sovenendogU quel ehe diee Bemocrito : JJn us mihi pro populo 
est, et populus pro uno, e ehe disse Bpieuro ad un eonsorte de 1 suoi studj, 
scrivendo: Baee tibi, non multis! Satis enim magnum alter alteri 
theatrum sutnus. 



284 VII. Bruno's Ethik. 

Seele und des Wohlwollens, welche das Gleichgewicht und 
den Einklang des Lebens aufrecht erhalten, jenen Einklang, 
der aus der Wissenschaft hervorgeht und geregelt wird durch 
die Kunst der Speculation über die erhabenen und niedrigen, 
über die göttlichen und menschlichen Dinge 1 ). Der heroische 
Weise ist auf dieser Stufe der Selbstreinigung im Sinne seiner 
Selbstvollendung zugleich in Besitz und Uebung jener Fülle von 
Tugenden, in deren poetischer Beschreibung sich Bruno im 
Spaccio de la Bestia trionfante Genüge thut und welche 
Härtung in seiner Abhandlung über die „Grundlinien 
einer Ethik bei Giordano Bruno" systematisch dar- 
gestellt hat. Bruno fuhrt im Wirrwarr seiner geistreichen Ein- 
fälle über die Art und Weise, wie die am Himmel unter der 
Folie von Thieren prangenden Laster durch die ihnen gegen- 
sätzlich entsprechenden Tugenden ersetzt werden könnten, fol- 
folgende Tugenden auf, worunter sich mehrere befinden, die, da 
sie im Grunde nicht Tugenden heissen können, sondern Institu- 
tionen sind , als Tugenden etwa im Sinne von Hegels objectiver 
Sittlichkeit genommen werden müssen. Bruno zählt zu den 
Tugenden : Humanität und Menschenliebe, Grossmuth, Hochsinn, 
Edelmuth, Liberalität, Eifer fiir's Vaterland, Verkündigung der 
Wahrheit, Tyrannenmord (!), Ruhmesliebe, Fleiss und Thätigkeit, 
Kriegskunst, Streben nach Idealen, Kirche, Ehe, Zusammenleben, 
Geselliger Verkehr, Eintracht, Brüderlichkeit, Freundlichkeit, 
Liebenswürdigkeit, Freundschaft, Liebe, Mitgefühl, Friede. Kuss 
und Umarmung, Aufrichtigkeit, Billigkeit, Gerechtigkeit, Treue 
und Glauben, Hoffnung, Reue, Besserung und Bekehrung, Ent- 
haltsamkeit, Keuschheit, Schadhaftigkeit, Reinheit, Bescheiden- 
heit, zarte Scheu, Ehrbarkeit, Geduld, Aufmerksamkeit, Seelen- 
ruhe, Concentration, Selbstbesinnung, Geistessammlung, Contem- 
plation, Speculation, Entzückung, Begeisterung, Studium, Scharf- 
sinn, Schlangenklugheit, Geistesfreiheit. 

1) Ebendas. (Wagner II, 387): A preeeo deve dovenir a tale, ehe non 
ttitne , ma spregie ogni fatiea , di »orte ehe , quanto piu gli effetH e vizj eom- 
battono da dentro, e li vizioei nemici contrattano di fuori, tanto piU deve reepirar 
e risorgere, $ eon un »pirito, se poeeibü ßa , euperar queeto elivoso monte. Qua 
non bieagnano altre armi e eeudi, ehe la grandezza d'un animo invitto e toleranza 
di epirito, ehe manHene Vequalith e tenor de la vita> ehe proeede da la eeienza, et 
e regolata da tarte di tpeeolar le cose alte e baste, divine et umane. 



VII. Bruno's Ethik. 285 

Der heroische Weise besitzt diese Tugenden alle schon in 
Folge der überlegenen Stufe der Sittlichkeit, zu welcher er sich 
durch die sein Selbst reinigende Thätigkeit der. gegenseitig 
ineinandergreifenden Räder des intellectuellen und moralischen 
Fortschrittes allmälig emporgearbeitet hat. Seelen grosse und 
Wohlwollen sind .die beiden, unter sich übereinstimmenden, 
Haupttugenden, aus welchen die andern Tugenden frei hervof gehen. 
Bruno bezeichnet dieselben im Spaccio della Bestia Trion- 
fante auch als Tapferkeit (fortezza) und Guter Wille 
(solleciiudine). Die Tapferkeit soll, mit der Leuchte der Vernunft 
voran, ohne welche sie nichts als Stumpfheit, Wuth und Toll- 
kühnheit wäre *), diese Laster ebenso wie Geistesarmuth, Nieder- 
gedrücktheit, Furchtsamkeit, Schwächlichkeit, Eleinmuth und 
Verzweiflung meiden 2 ). Sie soll nichts fürchten, was uns nicht 
schlechter machen kann, weder Hunger, noch Durst, noch 
Schmerz, noch Armuth, noch Vereinsamung, noch Verfolgung, 
noch Tod, dagegen alles meiden, was schlechter machen kann, 
als crasse Ignoranz, Ungerechtigkeit, Treulosigkeit, Verlogenheit, 
Habsucht und dergleichen Laster 3 ). Dagegen soll sie, wo die 
Ehre, das Gemeinwohl, die Würde und Selbstvervollkommnung, 
die Beobachtung der göttlichen und Naturgesetze auf dem Spiele 
stehen, weder auf Drohung noch Todesschrecken achten, sondern 
rasch bei der Hand sein, wo die andern stumm und starr zurück- 
bleiben 4 ). Die Tapferkeit ist der einzige Schutz der Tugend, 
das einzige Bollwerk der Gerechtigkeit, der Wehrthurm der 
Wahrheit, uneinnehmbar für jedes Laster, unbesiegt von Müh- 



1) Spaccio della Bestia Trionfante (Wagner II, 185): Suceedi tu, 
fortezza, con la lanterna de la ragtone innante, per che altrimenti non »areeti for- 
tezza, ma ttupiditä, furia, audaeia. 

2) Ebendas. (Wagner II, 286): la poverta di epirto, dejezione, timore, 
villade, pusillanimüade, desperazione. 

3) Ebendas. (Wagner II, 186): le eose, che il forte non deve temere, 
cioe quelle ehe non ne fanno peggiori, come la fame, la nudita, la eete, il dolore, 
la poverta, la soläudine, la perseeuzione, la morte, e de taltre eote, ehe, per ne 
rendere peggiori, denno euere con ogni diligenza fuggite, come tignoranza erasea, 
Vingiustizia, finßdelitä, la bugia, Vavarizia, e eose eimili. 

4) Ebendas. (Wagner II, 186): quella (fortezza) fara, che dove importa 
tonore, utüita pubblica, la dignita e perfezione del propria essere , la eura de le 
divine leggi e naturali ivi non ti smovi per terrori, ehe minacciano morte. 



286 Vn. Bruno's Ethik. 

salen, ausdauernd in Gefahren, rücksichtslos gegen Wollüste, 
die Verächterin des Keichthums, die Bändigerin des Glücks, die 
allbesiegende Triumphatorin l ). Der Tapferkeit zur Seite steht 
der Gute Wille, Arbeitslust, die „Beschäftigung, die nie ermattet, 
die Sandkorn nur für Sandkorn streicht", unterstützt von der 
Strebsamkeit (Ihdustria), dem Fleiss (Diligenza) , der Strapaze 
(Fatica), dem Wetteifer (Zelo), der Hoffnung (Speranza), dem 
Ruhmesdrang (Amor di gloria), dem Scharfsinn (Sagacitä), der 
Ueberlegung (Consultazione), der Geduld (Paziewsa), der Duld- 
samkeit (Tolleransa) 2 ). 

Indem der heroische Weise diese Tugenden frei aus sich 
bervorstrahlen lässt und die ihnen widersprechenden Laster von 
der Höhe seines geistig sittlichen Zustandes herab aus sich ver- 
bannt, gelangt er in jene Gemüthsverfassung, in welcher sich 
die Gegensätze seiner Neigungen und Triebe fortwährend die 
Wage halten; da aber, wo sich Gegensätze gegenseitig zu höherer 
Einheit aufheben, da ist Harmonie, da ist Tugend, da ist Selbst- 
befriedigung und Glückseligkeit 3 ). Der unaufhörliche Kamp£ 
in welchem sich der heroische Mensch fort und fort zu erneuter 
Einheit seines Wesens emporringt, ist zunächst allerdings die 
Quelle nie versiegender Qual 4 ), aber, da den Helden das Be- 
wusstsein erfüllt, dass er aus jedem Kampfe als Sieger hervor- 
gehen werde, so verwandelt sich ihm diese Qual unausgesetzt in 
beseligende Wonne. Mitten in der Qual fühlt er die reinste 
Freude und mitten in aller Freude die verzehrendste Qual. 



1) Ebendas. (Wagner II, 184) : earai sola tutela di virtudi, uniea cu- 
etodia di giuetieia, e torre singulare de la veritade, ineapugnaöile da? vizj, in- 
vitta da le fatiche, coetante a li perigli, rigida contra le voluttadi, epregiatrice de 
la richezza, domitriee de la fortuna, trionfatriee del tutto. 

2) Ebendas. (Waoner II, 192—194). 

3) Degli Eroici Fürori (Wagner II, 326): Allora ein stato di virtude, 
quando e% tiene al mezzo, declinando da Vuno e Valtro contrario: tna quando tende 
a gli estremi, inchinando a tuno e Valtro di quellt, tanto gli manea eteeeer vir- 
tude, eh' e doppio vizio, il quäl coneiete in queeto, che la coea recede da la eua 
natura, la perfezion de la quäle coneiete ne Vunüa, e lä dove convegnono li een- 
trarj, Consta la compoeizione e conaiete la virtude. 

4) Ebendas. (Wagner II, 324): Vamore eroico e un tormento y per che 
tton gode del preeente, come il brutale amore, tna e del futuro, e de Vaeeente, e 
del contrario eente Vambizione, emulazione, euepetto e titnore. 



VII. Bruno's Ethik. 287 

Aus einem friedlichen Princip entwickelt sich schlechterdings 
nichts, sondern alles, was entsteht und vergeht, ist das Produkt 
des Kampfes, von Gegensätzen, von welchen bald dieser, bald 
wieder jener siegreich wird und zur Herrschaft gelangt. Dess- 
halb giebt es keine Freude des Werdens ohne den Schmerz des 
Vergehens. Da aber, wo sich Werden und Vergehen in dem- 
selben Subjekt verbinden, da stellt sich das Gefühl der Wollust 
und der Traurigkeit ein. Wenn aber dies Subjekt von dem 
Bewusstsein durchdrungen ist, dass es im Kampf der Gegensätze 
stets mit dem bessern Element siegreich sein werde, so schlägt 
selbst der Schmerz über die ewige Wiederkehr des Kampfes 
in siegesfreudige Wollust um, sodass im Grunde nur noch die 
höchste Seelenfreude übrig bleibt 1 ) t Das ist alsdann die höchste 
Wonne in diesem Zustand, nur noch die Wollust zu* flihlen und 
das Gefühl des Schmerzes gar nicht mehr zu haben 2 ). In die- 
sem Gemüthszustande zeigt sich das Herz, d. h. die Einheit 
aller Affekte, sowohl verhüllt als offen, zurückgehalten vom Eifer 
und doch getragen von erhabener Gesinnung, gekräftigt durch 
die Hoflhung und ungeschwächt durch die Furcht 3 ). 

Nichts ist wahrem Heldenthum unerträglicher, als die 
Furcht. Auf kein Ziel ist desshalb Bruno's Philosophie des 
Heroismus wesentlicher gerichtet, als auf die Befreiung von der 
Furcht. Er lässt diese im Spaccio de la Bestia Trion- 
fante zusammen mit der Feigheit und der Verzweiflung, vom 

1) Ebendas. (Wagner II, 3 $3): Eeeo duuque, cm quali condimenti il 
magietero et arte de la natura fa, che un ei strugga sul pütcer di quel che lo 
disface, e vegna contento in mezao del tormento, e tormentato in mezzo di tutte 
le conteniezze ; atteeo che nuUa ei fa aeeolutamente da un pacißco prineipio , ma 
tutto da contrarj principj per vittoria e dominio d'una parte de la contrarietade, 
e non e piacere di generazione da un conto, eenza diepiacere di eorrozione da Vaüro ; 
e dove queste coee, che si generano e eorrompono , eono congionte e eome in mede- 
simo euggetto eompoeto, ei trova il eeneo di delettazione e trietizia ineieme. JH 
eerUf ehe uegna nominuta pik presto delettazione ehe trietizia , ee avviene, che la 
eia predominante, e con maggior forza poeea eolicitare il eeneo. 

2) Ebendas. (Wagneb II, 363): JE queeto e toeear la aomma beatüudine 
in queeto etato, Vaver la voluttk, e non aver eeneo di dolore. 

3) Ebenda«. (Wagneb II, 18t>): Quindivüne il cor, che eignißca tutti gli 
affetti m generale, ad euere aecoeo et aperto, ritenuto dal zelo, suttevato da magni" 
fioo peneiero t rinforzato da la speranza, indebolüo dal timore. Et in queeto etato 
e condizione si, vedera sempre, ehe trovaraeei eotto il fato de la generazione. 



288 VIL Bruno's Ethik. 

Hasen geleitet, in den Abgrund fahren, wo sie den dummen,, 
unwissenden Seelen erst recht die wahre Hölle und den Orcus 
der Qualen bereiten sollen 1 ). Die tiefste Verachtung widmet 
Bruno der Todesfurcht. Diese quält nach seiner wiederholt aus- 
gesprochenen Ansicht nur jene trockenen Thoren, welche wähnen, 
dass es mit der Auflösung des menschlichen Organismus nun 
auch überhaupt zu Ende sei. Der Weise aber, der von der 
unzerstörbaren Substantialität des Leibes und der Seele überzeugt 
ist, fühlt, weil er weiss, dass er durch den Tod nur zu höherem 
Beruf auf höherer Organisationsstufe abgelöst wird, keine Todes- 
furcht 2 ). „Jener falsche Argwohn und die blinde Angst vor dem 
Tode zusammen mit jenen, Ungedanken, die der dumme Glaube 
und die armselige Leichtgläubigkeit gebiert, ernährt und auf- 
zieht, würden sich mit vergeblicher Mühe einem Bollwerk nähern, 
welches die uneinnehmbare Mauer der philosophischen Contem- 
plation umgiebt, in welchem die Buhe des Lebens als starker Thurm 
in die Höhe ragt, wo die Wahrheit sich unverhüllt zeigt, wo die 
Notwendigkeit der Ewigkeit jeder Substanz klar ist, wo keine 
andere Furcht aufkommen darf, als diejenige, jener Vervoll- 
kommnung und Gerechtigkeit verlustig zu gehen, welche besteht 
im Einklang mit der höheren, niemals irrenden Natur 3 )." 

1) S. Anmerk. 3 unten. 

2) De la Causa (Wagner I, 243; Labson, pag. 62): contra la quäl 
pazzia (del spavento de la tnortej erida ad alte voei la natura , assicurandoei, ehe- 
nun li eorpi, ne Vanima deve temer la morte, per ehe tanto la materia, quanto la 
forma, sono prineipj eonstantissimu Ferner Spaccio de la Bestia Tbionp. 
(Wagner II, 111); Degli Eboici Ftjrori (Wagner II, 336 ; De 'Monade, 
cap. v. 25 — 20, pag. 2 : visque Bruta voluptatis mortis turbata timore est. De 
Immenso, Lib. I, cap. 1, pag. 151: Anima sapiens non timet mortem. Vgl. 
ferner den Abschnitt IX, Bruno's Unsterblichkeitslehre. 

3) Spaccio della Bestia Tbionp ante (Wagner II, 241): ü vano 
timore, eodardigia e disperazione vadano insieme eon la lepre a basso a cagionare 
ü vero inferno et Oreo de le pene a gli animi stupidi et ignoranti! Ivi non sia 
luogo tanto oceolto, in eui non entre questa falsa suspettazione et il eieeo spavento 
de la morte, aprendosi la porta ffiogni rimossa stanza mediante li falsi pensieri T 
ehe la stolta fede et orba eredulita de parturisce, nutrisee et allieva ; ma non gia, 
se non eon vane forze, s'aecoste , dove Vinespugnabil muro de la ßlosoßea eontem- 
plazion vera cireonda, dove la quiete de la vita sta fortißeata e posta in alto, dov r 
e aperta la veritä, dov' e ehiara la neeessitade de Vetemita d'ogni sustanza, dove 
non 8i dee temer tfaltro , ehe cVesser spoliato da tumana perfezione e giustizia r 
che eonsiste ne la eonformüh de la natura superiore e non er r ante ! 



VII. Bruno's Ethik. 289 

Der heroische Mensch, einmal von der beengenden Furcht 
erlöst^ feiert den Triumph seines unablässigen Ringens nach dem 
Ideal im erquickenden GefUhl der Freiheit. All sein Streben 
innerhalb der Aussenwelt mündet in das hohe Ziel geistiger 
Selbstbefreiung, gilt dem einen Zwecke schrankenloser Förde- 
rung geistiger Freiheit 1 ). Und selbst die widerstrebenden Ver- 
hältnisse müssen dem heroischen Geiste zu Willen sein und er 
weiss, auch wenn er vorübergehend in Gefangenschaft geräth, 
sich selbst dieser zur Gewinnung höherer Freiheit zu bedienen 
und die etwa erlittene Niederlage in desto glänzenderen Sieg 
umzuwandeln 2 ). „Der sittliche Held flihlt sich durch einen un- 
auflöslichen Schwur zu den göttlichen Dingen hingezogen und 
an dieselben gebunden, so zwar, dass er flir die sterblichen 
Dinge weder Liebe noch Hass mehr flihlt, da er wohl weiss, 
dass er höher steht, als dass er Knecht und Sklave seines Kör- 
pers sein dürfte. Vielmehr betrachtet er seinen Körper nicht 
anders denn als Kerker, der seine Freiheit gebannt hält, als 
Vogelleim, der ihm seine Federn verklebt, als Kette, die ihm 
seine Hände zusammenpresst, als Fesseln, die ihm seine Füsse 
festklammern, als einen Schleier, der ihm das Gesicht raubt. 
Aber alle diese Hemmnisse machen ihn nicht zum Sklaven, zum 
Gefangenen, zum Angeleimten, zum Angeketteten, zum Ein- 
gethürmten, zum Dingfesten und Geblendeten. Denn der Körper 
kann ihn nicht mehr stärker tyrannisiren, als er ihm selber ge- 
stattet, weil der Geist im Verhältniss eben so hoch über ihm 
steht, als die Körperwelt und die Materie zusammen der Gott- 
heit und der Natur untergeordnet sind. Auf diese Weise wird 
sich der heroische Mensch tapfer gegen das Geschick, hoch- 
herzig gegen die Beleidigungen, unerschrocken gegen die Ar- 
muth und die Verfolgungen machen 3 )." 



1) Degli Eroici Furori (Wagner II, 426): (tuomo eroicoj da la eomu- 
nitä non vorrebbe impetrar altro ehe libero passag gio e progresto di contem- 
plazione. 

2) Ebendas. (Wagner II, 3S1): a gli uomini di eroico epirito tutte U 
cose »i eonverteno in bene; e ei »anno servire de la cattivitä in frutto di maggior 
libertade; e Vetter vinto una volta convertiteono in oeeatione di maggior vittoria. 

3) Ebendas. (Wagner II , 387) : Talmente trovandoti pretente al corpo, 
ehe eon la miglior parte di se tia da queüo attente, fartieome con indittolubü 

19 



290 VII. Bruno's Ethik. 

Geistig frei geworden, der Fleischesbanden, die ihn noch an 
die Materie fesselten, ledig, erlöst von den Fallstricken verwirrter 
Sinne, der blinden Menge abgestorben, ein Actäon, der von 
seinen Gedanken an göttliche Dinge, gleichsam wie von seinen 
eigenen Hunden verzehrt wird, schaut der Geistesheld fernerhin 
seine Diana nicht mehr durch Löcher und Fenster, sondern ist, 
nachdem er die Kerkermauern, die seinen Ausblick ins Freie 
verhindert hatten, eingerissen, nunmehr ganz Auge im Anblick 
des ihm nun nicht länger verengten Horizonts. „Nunmehr schaut 
er Alles nur noch als Eines, er erblickt es nicht mehr durch 
Unterschiede und Zahlen, die ihn früher das Ganze, gemäss der 
Verschiedenheit der Sinne, gleichsam aus verschiedenen Mauer- 
ritzen, als chaotische Masse erblicken und wahrnehmen Hessen. 
Vielmehr schaut er nun die Amphitrite, die Quelle aller Zahlen, 
aller Vorstellungen, aller Gründe, welches da ist die Monas, die 
wahre Wesenheit des Seins aller Dinge, und wenn er sie nicht 
in seiner Wesenheit schaut, in ihrem absoluten Licht, so erschaut 
er sie in ihrer Tochter, die ihr ähnlich, die ihr Ebenbild ist: 
denn aus der Monade, welche die Gottheit ist, geht diejenige 
Monade hervor, welche die Natur, das AU, der Kosmos ist, in 
weicher sich jene betrachtet und widerspiegelt, wie die Sonne 
im Mond und mit welcher sie uns erleuchtet, während sie selbst 
sich in der Hemisphäre der intellectuellen Substanzen hält. Diese 
Tochter ist die Diana, jenes Eine, welches das Seiende selbst, 
jenes Seiende, das die begreifbare Natur ist, in welche das 
Sonnenlicht und der Abglanz der höheren Natur einströmt, je 
nach den zwei Seiten, in welche die Einheit sich auseinanderlegt, 
als .die zeugende und gezeugte, als die hervorbringende und her- 



saeramento congionto et alligato a le cose divine, di »orte che non aenta atnor, ne txtio 
di cosemortalx^ considerando (fester maggiore, cti esser debba servo e schiavo del suo 
corpo, cd quäle non deve aUrimenti riguardare, ehe come earcere, ehe tun riehiusa la 
sua libertade, vüchio, ehe tiene impaniate le sue penne, catena, ehe tien streite se tue 
mani, eeppi, che hon ßssi li tuoi piedi, veto, che gli tien abbagliata la vista. Ma 
eon eib von sia servo, cattivo , inveschiato, ineatenato, discioperato, saldo e eieeo! 
per ehe il eorpo non gli pub piu tirannegiare, eh* egli medesimo si lasce; atteso 
ehe eosl il spirito proporzionalmente gli e preposto, come il mondo eorporeo e 
materia e suggetta a la divinüade et a la natura. Cosi farassi forte contra la 
fortuna, tnagnanimo contra fingiurie, intrepido contra la poverta. morbi e perse- 
euzioni. 



VII. Bruno's Ethik. 291 

vorgebrachte Natur 1 )." „Wohl kann die Sonne, der universale 
Apollo, das absolute Licht zwar nicht selbst erschaut werden, 
dafftr aber sein Abglanz, seine Diana, der Kosmos, das All, die 
Natur, die in den Dingen ist, das Licht, das sogar noch im 
Schattendunkel der Materie leuchtet a 

„Es sind ihrer viele, die durch die Wildniss des grossen 
Waldes Welt rennen, um die Wahrheit zu suchen, aber nur 
äusserst wenige vermögen sich bis zur Quelle der Diana hin- 
durchzuschlagen. Viele bleiben zurück, indem sie sich an der 
Jagd auf wilde, weniger ruhmvolle Thiere vergnügen und weit- 
aus die Mehrheit findet gar nichts zu fangen, hält die Vogelnetze 
gegen den Wind ausgespannt und bekommt die Hände voll 
Fliegen. Rar, sehr rar sind die Aktäone, denen vom Schicksal 
beschieden ist, die Diana nackt zu schauen und es soweit zu 
bringen, dass sie, gereizt von der schönen Anlage des Körpers 
der Natur, und verführt von dem zweieinigen Lichtglanz der 
göttlichen Güte und Schönheit, sich selber in den Hirsch ver- 
wandeln, sodass sie dann nicht länger mehr die Jäger, sondern 
die Beute sind 8 ). 44 „So steigt das Wahrnehmungsvermögen zur 



1) Ebendas. (Waoner. II, 408—409): Coet U eani peneieri di eose divine 
vorano questo Atteone, faeendolo tnorto al volgo, a la tnoltüudine, eeiolto da li 
nodi di perturbati sensi, libero dal oarnal carcere de la materia, onde non piu 
vegga eome per forami e per feneetre la eua Diana, ma avendo gittaU le muraglia 
a terra, e tutto oeehio a taepetto di tutto Vorizonte. Di »orte ehe tutto guarda, 
eome uno, non vede piu per dütinzioni e numeri, ehe eeeondo la divereita de' eensi, 
eome di diverse rime, fanno veder et apprendere in eonfusione. Vede VAmßtrüe, 
ü fönte di tutti numeri, di tutte tpeeie, di tutte ragioni, eh' e la monade, vera 
eeeenza de Veesere di tutti, e ee non la vede in eua eesenza. in aeeoluta luee, la 
vede ne la eua genitura, ehe t e simile eh 1 e la eua imagine: per ehe, dala monade, 
eh* e la divinitade, proeede queeta monade, eh 1 e la natura, Vunwereo, il mondo, 
dove ei contempla e epeeehia, eome il »ole ne la luna, mediante la quäle ne illu- 
mina , trovandosi egli ne l'enMpero de U euetanze intellettuali. Queeta e la Diana, 
quello uno, eh' e fieteeeo ente, quelle ente t eh' e la natura eompreneibile , in eui 
inßuieee il eole et il eplendor , de la natura eupcriore eeeondo ehe Vunith e distinta 
ne la generata gener ante , o producenfe e prodotta. 

2) Ebendas. (Wagner II, 407—408): Pero a neeeun pare postibile di 
vedere il eole, t universale Apolline, e luee absoluta per speeie euprema et eceellen- 
tieeima: ma et bette la eua ombra, la eua Diana, ü mondo, Vunivereo, la natura, 
eh 1 e ne le cote, la luee, eh 1 e ne Vopacita de la materia, eio e quella , in quanto 
eplende ne le tenebre. Di molti dunque, che per dette vie et altre aseai dieeorreno 

19* 



292 VII. Bruno' s Ethik. 

Vorstellungskraft, die Vorstellungskraft zum analysirenden Ver- 
stand, der analysirende Verstand zur begreifenden Vernunft, die 
begreifende Vernunft zur intellectuellen Anschauung empor. 
Alsdann verwandelt sich der Geist ganz in Gott und wohnt in 
der intelligibeln Welt 1 ), denn die Liebe lässt den Liebenden in 
den geliebten Gegenstand aufgehen 8 ). 

Inwährend sich so der heroische Weise durch seine nie- 
gestillte Lust an der Erforschung der Wahrheit und der Betrach- 
tung der Schönheit Gottes in der Natur, zu Gott selbst um- 
wandelt, gelangt in ihm die göttliche Liebe, welche die Gottheit 
selbst ist s ), zum Durchbruch, jene Liebe, welche selbst die 
Feinde brüderlich umschliesst und uns aus wilden Barbaren 
zu wahrhaften Menschen umschaffit 4 ). Durch die Liebe aber 
sind wir sogar im Stande, jenes eherne Gesetz der Notwendig- 
keit, das sonst aller Gegenbestrebungen spottet, zu überwinden. 
Die Notwendigkeit unterwirft sich nur der Liebe. Lasst uns 
deeshalb uns nur der Liebe weihen, lasst uns uns ganz in sie 
verwandeln, indem wir nicht nur drei Punkte ins Auge fassen, 
sondern Alles, und nicht nur drei oder siebenmal; sondern flir 
und flir uns von ihr erwärmen lassen ö )." Die Liebe weckt den 



in quetta deserta selva, pochit«imi eon quellt, ehe iabattono al fönte di Diana. 
Molti rimagnono eontenti di caceia di ßere talvatiehe e nteno Ulustri, e la mos- 
eima parte non trova da comprendere, avendo teee le reii al vento, c trovemdoei le 
tnani piene di tnotehe. Xarieeimi, dico, ton gli Atteoni, a li quali sia dato dal 
destino di poteer eontemplar la Diana ignuda, e dovenir a tale, ehe da la bella 
diepoeizione del eorpo de la natura invaghüi in tanto, e eeorti da que' doi lumi 
del gemino splendor di divma bonta o bellezza, vegnano traeformati in cervio, per 
quanto non eiano piü eaceiatori, ma caceia. Per ehe ü ßne ultimo e ßnale di 
quetta venaziqne e di venire a lo aequisto di quelia fugaee e »elvaggia preda; per 
cui il predator dovegna preda, il caeeiator doventi caceia. 

1) Ebenda 9. (Wagner II, 349): quando il eeneo monta a Virnaginazicne, 
Vimaginazione a la ragione, la ragione a Vintelletto, tinteüeito a la mente, aUora 
tanima tutta ei converte in dio, et abita il mondo inteUigibxle. 

2) Ebenda«. (Wagneb II, 340): Vamore trasforma e converte ne la eoea 
amata, 

ö) Ebenda«. (Wagner II, 418): famor divino, eh* e tistetea deita. 

4) S. oben pag. 70, Anmerk. 1. 

5) SiGiLLue Sigillorum, De Amore (Gfrörer, pag .582): Neeeeeitae enim, 
quae omniöue insultat, soli paret amori. Ad hune igitur eolendum , non tria ad 
loca respiriertet, sed ad omnia, non ter, non teptiet pereiH % ted eemper convertamur. 



VII. Bruno's Ethik. 293 

Menschen zu unausgesetzter Werkthätigkeit. „Gemeiner, that- 
loser Müssiggang ist für einen hochsinnigen Geist die denkbar 
grösste Beschwerde. Müsse gönnt sich dieser nur zur Erholung 
nach löblicher Anstrengung und Arbeit 1 ). Selbst die grössten 
Uebel schlagen Gottbegnadeten zum höchsten Heile aus, denn 
die Noth und das Bedürmiss gebären das Nachdenken, den 
Fleiss, die Anstrengung und diese hinwieder in den meisten 
Fällen den Glanz unsterblichen Ruhmes 2 ). „Hochsinnigen Gei- 
stern geziemt es darum, wach zu sein, um, bewaffnet mit der 
Wahrheit, erleuchtet durch die göttliche Intelligenz, die Waffen 
zu ergreifen gegen die düstere Ignoranz, indem sie auf die 
ragende Hochwacht der Philosophie steigen. Diese Geister soll- 
ten jedes andere Unternehmen für feil und eitel halten. Sie 
sollten ihr Leben nicht an unbedeutende und nichtssagende Dinge 
vergeuden, denn die Schnelligkeit der Zeit ist unendlich, wunder- 
bar rasch stürzt sich die Gegenwart in den Abgrund der Ver- 
gangenheit und ebenso rasch naht die Zukunft heran. Die Zeit, 
die wir verlebt haben, ist nichts; was wir leben, ist ein Punkt, 
was wir noch zu leben. haben, ist nicht einmal ein Punkt, kann 
aber ein Punkt werden , der zugleich sein und gewesen sein 
wird 8 )." Indem so der heroische Weise seine ganze Thätigkeit 
nur noch darauf wirft, sich, den durch Concentration seines 
Denkens auf Gott in Gott selbst verwandelten, zum Vorbild flir die 



1) Spaccio de la Bestia trionfante (Wagner II, 209): L'ozio vile 
et inerte voglio, ehe ad un animo gener obo sia la maggior fatica, che aper egli 
possa, »e non segli rappreeenta dopo lodabile esercizio e lavoro. 

2) Degli Eroici Furoui (Wagner II, 316): a color che son favoriti 
dal eielo, li piu gran malt si converteno in beni tanto maggiori: per ehe le neeet- 
eitadi parturücono le fatiehe e studj, e questi per il piu de le volte la gloria <T im- 
mortal splendore. 

3) Ebendas. (Wagneä II, 404) : massime denno eeeer isvegliati li ben nati 
spiriti armati da la verüa et Ülustrati da la divina intelligenza diprender Yarmi 
contra la fosea ignoranza , montando tu VaUa rocea et eminente torre de la con- 
templazione. A eostoro conviene d'aver ogni aUra imprem per vile e vana. 
Questi non denno in eose leggieri e vane »pendere il tempo, la eui velocita e in- 
finita, eesendo che et mirabümente preeipitoso seorra il preeente, e con la mede- 
sima prestezza eaeeoste il futuro. Quel ehe abbiamo vüsuto e nutta, quel ehe 
viviamo e un punlo, quel eh' abbiamo a vivere, non e aneora un punto', ma pub 
eetere un punto, il quäle ineieme eara e sara atato. 



294 VII. Bruno'* Ethik. 

geistig Niedrigerstehenden auszugestalten, sie durch sein Beispiel 
zu nachahmendem Wetteifer anzuregen, indem er sich ihnen 
selbst zu dem liebeeinflössenden Ziel ihrer Wünsche macht 1 ), 
kennt er keinen andern Beruf mehr, als sich zum Werkzeug 
des Weltgeistes zu machen 2 ) und dessen Willen, der zugleich 
das Gesetz der Natur und somit der Noth wendigkeit ist, aus 
freier Wahl und doch zugleich aus dem vollen Zwang seines gott- 
ähnlichen Wesens heraus, zu verwirklichen. Der Wille Gottes 
ist aber kein anderer als seine unendliche Selbstoffenbarung in 
der Welt der Endlichkeit, deren Selbstzweck wiederum nichts 
anderes als ihre unendliche Selbstvervollkommnung ist. Diese 
Selbstvervollkommnung gelingt aber der Menschheit nur dadurch, 
dass recht Viele ihre gesammte Thatkraft daran setzen, zuerst 
sich selbst zu vervollkommnen und alsdann durch ihr mächtig 
wirkendes Beispiel auch die Andern zur Selbstvervollkommnung 
anzureizen, immer die Ueberzeugung festhaltend: „Wir können 
nicht Alle Alles als Einzelne, wohl aber können wir Alle Alles 
als Gesammtheit. Die Vervollkommnung der Intelligenz (und 
— dürfen wir im Sinne Bruno's hinzufügen — aucah der Sittlich- 
keit) beruht nicht auf Einem, auf dem Andern odeX^Mehreren, 
sondern auf der Gesammtheit 3 )." 

Das sind die Grundzüge einer Ethik, welche, mit 
und Piaton den Fortachritt auf dem Gebiete der Sittlichkfc 
der immer höhern Ausbildung des Intellekts suchend, schon X 11 » 
diesem Grunde für das Verständniss und die innere Befne 
der Menge nicht bestimmt sein kann. Kein Zweifel, dass ein3 
Heilslehre, welche sich auf den Heroismus der Lebensauffas-^ 
sung stützt, ausschliesslich nur der zu jederzeit sehr kleinen Zahl 
hervorragender Intelligenzen das Herz zu erwärmen und that- 
kräftigen Enthusiasmus zu wecken vermag. Bruno ist sich dar- 
über vollkommen klar gewesen und hat den specifisch aristokra- 



1) Ebenda*. (Waoner II, 417): (Talma) <mndo eontratta in $1 la divini- 
tade, e fatto divo, e conseguentemente eon la $ua speeie pub inamorar altri: oome 
ne la luna pub $t$ere ammirato e tnagnißcato il splendor du wie. 

2) SüMMA TERMINOR. METAPHYS., De DtO StU Mente (GfRÖRBR , pRg. 479): 

Quaeeunque definitam habent naturam, illius sunt tnstrumentum, ipse vero nullius: 
nemo enim agit ipso, sed ipse agit in omnibus. 

3) S. die Stelle oben pag. 181, Anmerk. 2. 



VII. Bruno's Ethik. 295 

tischen Charakter seiner Ethik nie verleugnet. In einem Ge- 
spräch des zweiten Dialogs seiner Eroici Fürori (Wagner II, 
pag. 336) lässt er sich über die Grundlagen seiner Anleitung 
zum werkthätigen Leben im Jdeal folgendermassen» vernehmen: 

Cicada. Die Peripatetiker und Averroes sagen, die höchste Ä 
Glückseligkeit des Menschen bestehe in seiner Selbstvervoll- jl 

kommnung durch die speculativen Wissenschaften. \\ 

i 

Tansillo. Das ist wahr und sie haben sehr recht. Denn in 
demjenigen Zustande, in welchem wir uns befinden, können 
wir weder eine höhere Selbstvervollkommnung wünschen 
noch erreichen als diejenige ist, welche wir gemessen, wann 
unser Geist sich vermittelst irgend einer edeln geistigen 
Vorstellung entweder mit den erhofften Substanzen, wie jene 
Peripatetiker sagen, oder mit dem göttlichen Geiste, wie 
die Platoniker zu sagen pflegen, vereinigt. Dabei will ick 
für jetzt unterlassen, mich über einen andern Zustand, eine 
andere Seinsart der Seele oder des Menschen auszusprechen, 
welche entweder wirklich vorkommen oder doch geglaubt 
werden kann. 

Cic. Welche Vollkommenheit oder Befriedigung kann aber der 
Mensch in jener Erkenntniss finden, welche nicht voll- 
kommen ist? 

Tans. Sie wird niemals vollkommen sein, soweit das höchste 
Objekt begriffen werden kann, wohl aber insoweit unser In- 
tellekt dasselbe zu begreifen vermag. Es genügt, wenn 
ihm in diesem oder einem andern Leben die göttliche Schön- 
heit vor Augen schwebt, soweit sich der Horizont seiner 
Sehkraft ausdehnt. 

Cic. Aber nicht alle Menschen können es dahin bringen, wohin 
nur einer oder zwei gelangen können. 

Tans. Genug, wenn Alle nach Kräften ihren Lauf nach dort- 
hin richten und jeder sein Möglichstes thut. Denn der 
heroische Geist zieht vor, in hehren Unternehmungen, in 
welchen er die Würde seines Geistes zu zeigen vermag, 
eher zu Grunde zu gehen oder geringen Erfolg zu erzielen,, 
als in weniger edeln und niedrigen Glück zu haben. 



296 VII. Bruno's Ethik. 

Cic. Sicherlich! Besser einen würdigen und heroischen 
Tod als einen unwürdigen und feilen Triumph l ) ! 

Also schon das pure Ringen nach dem Ideal des Wahren, 
Schönen und Guten reicht hin, unser intellectuell-ethisches Heil 
zu sichern und damit auch den der Menschheit immanenten 
Zweck ihrer Selbstvervollkommnung relativ zu erfüllen. Jeder 
ist im Stande, nach dem Mass seiner Kräfte mächtig einzugreifen 
in den Selbstvervollkommnungsprocess des Menschengeschlechtes, 
aber nur einer verschwindend kleinen Minderzahl auserkorener 
Geister ist es beschieden, die höchste Staffel der uns überhaupt 
erreichbaren Vollkommenheit zu erklimmen, die unverhtillte 
Wahrheit der Natur zu schauen, sich mit dem Weltgeist eins 
zu flihlen und alsdann durch gottbegeisterte Thätigkeit auf Jahr- 
hunderte hinaus vorbildliche Wirksamkeit zu entfeiten. 

In Bruno's Ethik verbinden sich die sittlichen Urmotive 
des ältesten Heidenthums mit den grossartigen Grundsätzen, 



1) Degli Eroici Furori (Wagner II, 33(5): 

Cic a da. Mi par, che U JPeripatetici, come esplica Avcrroe, vogliono intender 
questo, quando dicono, la somma felicita de tuomo cons ister e ne la per- 
fezione per le scienze speculative. 

Tan 8 Mo. E vero, e dicono tnolto bene; per che noi in questo stato, nel quäl 
ne ritroviamo, non possiamo desiderar ne ottener maggior perfezione, che 
queUa , in cui siamo, quando il noströ intelletto mediante qualche nobil specie 
intelligibüe s'unisee o a le sustanze sperate, come dicono costoro, o a la 
divina mente, come e modo di dir de 1 Platonici. Lascio per ora di ragionar 
de Vanima, o uomo in altro stato e modo di euere , ehe possa trovarsi o 
credersi. 

Cic. Ma che perfezione o satisfazione pub trovar Vuomo in quella cognizione, la 
quäle non e perfetta? 

Tans. Non sara mai perfetta, per quanto taltissimo oggetto possa esser 
capito; ma per quanto Vintelletto nostro possa capire. Basta , che in questo 
et altro stato gli sia presente la divina bei lezza, per quanto s 1 est ende Vori- 
zonte de la vista sua. 

Cic. Ma de gli uomini non tutti possono giongere a quello , dove pub arrivar 
uno o doi. 

Tans. Basta, che tutti corrano assai, e ehe oynun faccia il suo possibüe; per 
che Veroieo ingegno si contenta piü tosto di eascar, o mancar degnamente 
ne falte imprese, dove mostre la dignita del suo ingegno , che riuscir a per- 
fezione in cose men nobili e basse. 

Cic. Certo; cK e meglio e una degna et eroica morte, che un indegno e vil 
trionfo. 



VII. Bruno's Ethik. 297 

welche aus der speculativen Verwerthung der kosmologischen 
Funde der Neuzeit fliessen. Den Lebensfaden der brunonischen 
Ethik bildet Plotins Lehre von der Umwandlung der Liebe zum 
sinnlich Schönen in die religiöse Hingebung an das geistig Schöne. 
Aber bestimmenden Einfluss auf Bruno's Ethik übt auch die 
Tugendlehre des Aristoteles, deren Pfeiler: Tapferkeit und Ge- 
meinsinn, nach zwei Jahrtausenden christlicher Abwendung vom 
Ideal der Bürgerlichkeit hier zuerst wieder auferstanden sind. 
Nicht geringern Einfluss auf Bruno's Sittenlehre hat der Ursatz 
der Stoa und Epikurs ausgeübt: Lebe im Einklang mit dem 
dir innewohnenden Dämon, gemäss dem Willen des Weltord- 
ners. Sehr schön auch verschmilzt in Bruno's Ethik das antike 
Motiv der Selbstreinigung mit der christlichen Forderung der 
Reue. Der Träger dieser ästhetisch - ethischen Motive aber ist 
der epische Heros mit seinem Enthusiasmus für das Grosse und 
Gemeinnützige. Dass aber Bruno's Ideal einer vom Heroismus 
getragenen Menschheit kein müssiger Traum ist, sondern schon 
in der Urzeit einmal wirklichen Bestand hatte in jenem Aus- 
nahmevolk der vedischen Arier, habe ich nachgewiesen in meinem 
Essay: Ueber den Geist der indischen Lyrik 1 ). 

Bruno's Ethik hat den Einen grossen Gesammtzweck , den 
jämmerlichen Kleinmuth, die feige Niedergeschlagenheit und die 
thörichte Angst vor dem Tode zu verscheuchen, dagegen die 
Seele mit jenem kampfesfreudigen Muth zu erfüllen, der da, wie 
es später Goethe aussprach, uns lehrt: „im Ganzen, Grossen, 
Schönen resolut zu leben." 

Bruno's ethisches Ideal ist der Culturheld, der Heros des 
Hochsinns, dem es ebensowenig an den höchsten Einsichten in 
Wissenschaft, Kunst und Philosophie gebricht, als ihm jene Cha. 
raktergrösse mangelt, welche zur Verwirklichung der nicht nur 
klar ins Auge gefassten, sondern auch enthusiastisch umworbenen 
Menschheitsziele befähigt. Bruno's in Selbeterkenntniss und 
Lebenserfahrung geübter Blick unterscheidet aber sehr scharf 
zwischen dem ihm vorschwebenden Ideal einer leitenden Mensch- 



1) Ueber den Geist der indischen Lyrik. Mit Originalübersetzungen 
aus der Hymnensammlung des Rigveda, den Spruchdichtern und Häla's 
Anthologie volkstümlicher Liebeslieder. 8°. Leipzig, Schulze, 1882. 



298 VIII. Bruno's Socialismus. 

heitsminorität, welche sein heroisches Lebensprincip sich eigen zu 
machen vermöchte, und der in Wirklichkeit noch überwuchern- 
den Majorität der geistig Armen und sittlich Schwachen, welche, 
damit sie das Rechte thun, der bestimmenden Pflichtgebote einer 
priesterlichen Heilsanstalt bedürfen. Die einen sind die Freien, 
die das Gute aus eigener Wahl vollbringen, indem sie sich im 
Einklang wissen mit dem Wellgesetz ; die andern sind Sklaven, 
die im blinden Gehorsam gegen den nun einmal unerforschlichen 
Willen des Weltschöpfers ersterben. Aber diese beiden Abthei- 
lungen, in welche Bruno das Menschengeschlecht scheidet, sind 
nicht zugleich zwei Kasten mit unübersteigbaren Traditions- 
schranken. Vielmehr findet im Laufe der Weltgeschichte ein 
fortwährender Uebergang aus den untern Schichten in die höheren 
statt, denn der Selbstvervollkomnmungsprocess der Menschheit 
ist eine aus der Anlage des Kosmos fliessende Thatsache. Wohl 
wölbt sich bis jetzt über der Menschheit die Rotunde der Gottes- 
knechtschaft, aber die Gemeinde derer, die sich innerhalb der 
alten Kirche aus freier Selbstbestimmung zum Leben im Ideal 
des Wahren, Schönen und Guten bekennen, ist in unaufhalt- 
barem Wachsthum begriffen. Die Zukunft der Menschheit ge- 
hört im Sinne ßruno's nicht dem kreuztragenden Säugling mit 
dem Lämmlein, sondern dem universalen Weltkünstler Apollo mit 
Platon's philosophischem Jüngling Eros. 



VHI. 
Bruno's Socialismus. 

Wenn Bruno seine sämmtlichen Gedankenkreise aus dem 
Zusammenhang mit der mittelalterlichen Weltanschauung losgelöst 
hatte oder loszulösen versuchte, so darf es uns nicht iü Erstaunen 
versetzen, wenn ihm auch die Sonne seines Gesellschaftsideals 
weit jenseits der Gewässer der seinen Zeitgenossen landläufigen 
Ansichten über das Wohl und Wehe der Massen aufging. Bruno 
erklärt rundweg: „Die Gesetze und Gerichte entfernen sich von 
dem Begriffe eines wahrhaft guten Gesetzes und Gerichtes in 
dem Maasse, als sie sich der Aufgabe entziehen, vor allem aus 
Dasjenige zu befehlen und zu befördern, worin die sittlichen 



VIII. Brnno's Socialismus. 299 

Handlungen der Menschen in Rücksicht auf die andern Menschen 
bestehen 1 )." Ferner: „Kein Gesetz, welches sich nicht den Be- 
dürfnissen der menschlichen Gesellschaft anschmiegt, darf an- 
erkannt werden 2 )." 

Mit diesem Satze schwingt sich Bruno kühn über alle 
Schranken der hergebrachten Ordnung und Convenienz hinweg 
und verkündet in demselben Athemzuge folgerichtig das Evan- 
gelium der Bepublik 3 ), deren Feinden Statuen zu errichten er 
für ein Unrecht hält 4 ). 

Auf dem Boden des Naturrechtsstehend, erblickt Bruno im 
Begriffe des Eigenthums nur einen Eingriff in die Rechte der 
Gesammtheit Es erfähllt ihn mit Trauer, dass das weite Erden- 
rund, dass für Alle ausreichen würde, den Einen sich als ein 
wahrer Stiefvater, den Andern aber als nichts weniger denn dieses 
sich erweist. „Daher kommt es denn auch, dass die Einen un- 
willkürlich prassen und schwelgen, während die Andern schier 
Hungers sterben 5 ). u Bruno schreckt sogar — und wir müssen das 
seinem Junggesellenthum zu gute halten — nicht vor der Zurück- 
forderung der Polygamie zurück, jenes Naturgesetzes, kraft dessen 
es einem jeden Manne erlaubt ist, soviele Frauen zu haben, als er 
ernähren und befruchten kann; „denn es ist etwas Ueberfiüssiges, 
Ungerechtes, in Wahrheit Naturwidriges, wenn an schon Schwan- 
gern oder aber, noch schlimmer, an andern Weibsbildern, die 
aus Furcht vor Strafe abörtiren, jener menschenschöpferische 



1) Spaccio dblla bESTix trionfante (Wagner H, 163): tanto le leggi 
e giudisj son lontane da la bonta e verita di legge e giudizio, quanto ai ditcottano 
da Vordinare et approvare, maeeimamente quelle ehe conaiate tie Vazioni morali 
de gli uomini a riguardo de gU altri uomini. 

2) Ebendas. (Wagnek II, 160): bene dici, o Sofia, ehe neaeuna legge, 
che non e ordinata a la pratica del convitto umano , deve eaaere aeeettata. 

3) Ebendas. (Wagner II, 161): aieno favorite le repubbliche. 

4) Ebendas. (Wagner II, 164): non permette che ai addrizzeno atatue a 
poltroni, nemici del atato de le repubbliche. 

5) Ebendas. (Wagner II, 200) : Quella (manigoUa) eK ha meaea la legge 
a gli altrui diletti, e ha fatto, ehe quel tanto, ch? era baatante a tutti, vegna ad 
eaaere aoverchio a queati, e meno a quell 1 altri. Onde queati a euo nuü grado 
erapulano, quegli altri mqj'ono di fame. 



300 VIH- Brüno's Socialismus. 

Same verschwendet wird, der Helden erwecken und die leeren 
Sitze des Empyreums zu bevölkern vermöchte 1 )." 

So unzweifelhaft es sich aus diesen Sätzen ergiebt, dass 
Brunos Weltanschauung sich schon stark nach der Richtung 
des heutigen Socialismus hinneigt, so bitter würden sich die 
Herren von Gog und Magog täuschen, wenn sie auch Bruno, 
wie Goethen und andere hervorragende Geister, zu ihrem Heer- 
bann zu zählen sich vermässen. Bruno war zwar, trotz seines 
Optimismus, der ihm die Zukunft der Menschheit in idealem 
Schimmer erscheinen Hess, nicht unempfindlich für die Leiden 
der Armen und Elenden , die er auf seinen Kreuz- und Quer- 
zügen durch Europa genugsam zu bemitleiden Gelegenheit hatte, 
ja, er verstieg sich sogar bis zu der kühnen Behauptung: „Es 
giebt keinen Sklaven, der nicht von Königen alter Zeit, keinen 
König, der nicht im letzten Hintergrund von Sklaven abstammte, 
so vermag die Länge der Zeit und das Schicksal die mensch- 
lichen Verhältnisse untereinander zu mischen 2 )." Aber Bruno' s 
Natur war viel zu vornehm und seine Bildung stand viel zu 
hoch, als dass er die Majestät der Menschennatur beim grossen 
Haufen und nicht, wie Schiller, nur bei einzelnen Wenigen ge- 
sucht hätte. Ihm hat sich das Mitgefühl mit den nothleidenden 
Volksschichten noch nicht umgesetzt in die der Menschennatur 
spottende Forderung, dass es keine Herren und keine Diener 
mehr geben solle. Im Gegentheil erblickt er in der reichen 
Mannigfaltigkeit und Abstufung der Intelligenzen und Cha- 
raktere zugleich die Ursache der Ständeunterschiede. „Es muss 
Handwerker, Techniker, Bauern, Bediente, Handlanger, arme 
Teufel, Pedanten und dergleichen geben, sonst gäbe es auch 



1) Ebendas. (Wagnkr II, 126): Ivi si riatorara quetta legge naturale, per 
la quäle e lecito a ciascun masehio di aver tante mogli, quanie ne pub nutrire e 
impregnare; per ehe e coea superfiua et ingiusta, et h fatto contraria a la regola 
naturale, che in una gih impregnata e gravida donna, o in altri soggetti peggiori, 
come altre illegitime procacciate, che, per tema di vituperio, provoeano täborto, 
. vegna ad esser sparso qutl omifico seme , ehe potrebbe suscitar eroi e colmar. le 
vaeue eedü de tempireo. • 

2) Acrot ismus. Exeubitor (Gfrörer , pag. 9) : Nemo aervus non ex anti- 
quia regibue, nemo regum non ex antiqui» »ervis, quando quidem ita res hominum 
longa aetae atque fortuna permiecet. 



^ 



VIII. Bruno's Socialismus. 301 

keine Welt weisen, Denker, Erzieher, Prineipale, Officiere, 
Adelige, Ruhmeshelden, Crösusse, Lebenskünstler und andere 
Leute heroischen Wesens, das sie den Göttern ähnlich macht. Wozu 
sollten wir uns also abquälen, die Natur zu verpfuschen, die das 
All in höhere und niedrigere, in überlegene und untergeordnete, 
in glanzvolle und unbedeutende, in würdige und unwürdige 
Dinge geschieden hat, nicht allein in der Aussen weit, sondern 
auch in unserm innersten Wesen selber, bis zu jenem Theile 
unserer Substanz, der sich als immateriell darstellt? Wie es unter 
den Geistesanlagen solche giebt, die zur Unterwürfigkeit und 
solche, die zum Hervorragen bestimmt sind, so sind die einen 
dazu da, um zu dienen und zu gehorchen, die andern um zu 
befehlen und zu regieren. Ich bin jedoch nicht der Ansicht, 
dass man daraus praktische Forderungen ableite. Sonst kommt 
der Untergebene und will Herr, der gemeine Mann und will 
adelig sein, und so käme man zu einer vollständigen Verkehrung 
und Umwälzung aller Verhältnisse, so zwar, dass schliesslich 
ein allgemeines Nivellement, eine bestialische Gleichheit sich 
herausentwickelte, wie sich dergleichen höchstens da und dort 
in halbwilden und rohen Republiken vorfindet 1 )." 

Das ist wohl klar gesprochen. Aber auch abgesehen von 
dieser merkwürdigen Stelle, strotzen Bruno's Schriften förmlich 
von Ausdrücken der tiefeten Verachtung für den grossen Haufen, 
der, unfähig, philosophische Gedanken interesselos zu fassen, 
selbst unter dem Titel und Deckmantel der Philosophie die 
Wahrheit ausschliesslich zu Zwecken unedler und verlogener 



1) Degli JEroici Furori (Wagner 11,402): Bisognaehe siano artigianiy 
meccanici, agrieoltori, servüori, pedoni, ignobili, vili, poveri, pedanti, et altri simili : 
per ehe altrimente non potrebbono esser ßlosofi, contemplativi , eoUori de gli animi, 
padroni, capitani, nobili, ittustri, riecht , sapienti et altri, ehe siano erdet simili 
a li dei. Perb a ehe doviamo forzarci di eorrompere il stato de la natura , il quäle 
ha distinto tuniverso in com maggiori e minori, superiori et inferiori, ittustri et 
oseure, degne et indegne non solo fuor di noi, tte la nostra sustanza medesima, 
sin a quella parte di sustanza ehe s'afferma immaterielle? Come de le intelligenze 
aUreson suggette, aUre preminenti, altre serveno et ubediseono , aUre eommandano 
e governano. Ferb io erederei, ehe questo non deve esser messo per esempio, aßn 
ehe li sudditi volendo essere superiori, e gl 9 ignobili uguali a li nobüi, non vegna 
a pervertirsi e eonfondersi Vordine de le eose , ehe al fine sueeeda eerta neutralüä 
e bestiale equalita; quäle ti ritrova in eerte deserte et inculte repubbliche. 



302 VIII. Bruno's Socialismus. 

Selbstsucht verwerthet l ). „Niemand liebt das Wahre und Gute 
ernsthaft, der nicht auch gegen die Menge aufgebracht wäre, 
wie Niemand verliebt ist, der nicht für den geliebten Gegenstand 
Eifersucht und Furcht empfende 2 )." „Es ist geradezu der Be- 
weis schmutziger und niederträchtiger Denkungsart, seine Em- 
pfindungen und Gedanken schon desshalb nach der Menge ein- 
zurichten, weil sie Menge ist *). u Lieber will er vor den Augen 
der Götter — und er glaubt die Welt mit Götteraugen zu be- 
trachten — den Ruhm ohne das Reich, als vor der stockdummen 
Menge das Reich ohne den Ruhm 4 ). „Die unsinnige Menge, der 
blinde Pöbel, der dumme Haufe u und dergleichen Titulaturen, 
wie sie bei Bruno massenhaft vorkommen, berechtigen jedenfalls 
zu nichts weniger, als Bruno's Heldenlaufbahn im Sinne und zu 
Gunsten der Socialdemokratie zu verherrlichen 5 ). Und wenn 
darüber noch der geringste Zweifel zu walten vermöchte, so 
müsste wohl selbst dem begeistertsten Apostel der Herrschaft 
des blinden Haufens die Lust vergehen, den Nolaner als Herold 
seines Evangeliums zu preisen, wenn ihm der folgende Erguss 
des Dichterphilosophen unter die Augen käme: 

Nichts Entsetzlicheres, als übermüthige Freiheit 
Und ein Bauerngeschlecht, ein gieriges, welches mit Willkür 
Jegliches Recht handhabt, ja bis in den Himmel zu reichen 
Wähnt, wenn es Recht und Gesetz straflos zu verachten die 

Macht hat 

1) De Immenbo, Lib. III, cap. 9, pag. 329: Hominis pküosophi cogita- 
tiones a vulgi judicio sunt remotae propterea quod ülius Studium sit in rebus 
omnibus inquirere verttatem per se; eui istud mereenarium et ignobile etiam sub 
philosophiae titulo reeepta mmdacia anteponit. 

2) Degli Eroici Furori (Wagner II, 425): Certo nessuno ama vera- 
mente il vero buono , che non sia iracondo contra la moltüudine: cotne nessuno 
volgarmente ama che non sia geloso e timido per la cosa amata. 

3) Acrotismus. JLxeubitor, (Gfrorer, pag. 12): Sordidi nimirum ingenii 
est cum mukitudine, quia muHüudo est, sentire velle. 

4) Ebenda», (pag. 10): Interim tnalo eoram oeulis Leorum (cum quibus 
me videre arbitror) sine regno gloriam, quam inglornm eoram stukissma moUi- 
tudine regnum. 

5) Ausdrücke wie: la sciocoa moltüudine, insanum vulgus, mundus caeeus 
u. a. m. kehren in Bruno's Schriften dutzendfach wieder. 



IX. Bruno's Unsterblichkeitslehre. 303 

Und was irgend an Vorzug glänzt und edelm Charakter — 
Freilich verfallt es denn auch nach Gebühr der Verachtung der 

Edeln 1 ). 



IX. 
Bruno's Unsterblichkeitslehre. 

Die uralte Eäthselfrage nach dem Fortbestand unserer In- 
dividualseele beschäftigt Bruno's ahnungsvolles Gemüth mehrfach, 
aber, wie zu erwarten steht, in einer von der christlichen Beant- 
wortung der Frage fernabstehenden Weise. Bruno glaubt nicht 
an die persönliche Unsterblichkeit, im Sinne nämlich einer Fort- 
dauer unseres gegenwärtigen Ichbewusstseins, wohl aber ist 
er felsenfest tiberzeugt von der Unzerstörbarkeit der, unser 
innerstes Wesen ausmachenden, Centralmonade. „Wir sind das, 
was wir sind, nur durch die eine und untheilbare Substanz der 
Seele, um welche, gleichsam wie um ein Centrum hemm, die 
Atome knäuelweise sich ansetzen und entwickeln. Desshalb 
dehnt sich der in uns gestaltend schaffende Geist, in Folge ur- 
wüchsiger Anlage und Wachsthums, zu demjenigen Körper aus, 
durch welchen wir bestehen, er ist das Produkt der vom Herzen 
ausgehenden Bildkraft. In diese mag er sich dann zum Schlüsse 
wieder, gleichsam sich in den Zettel jenes Gewebes zusammen- 
wickelnd, zurückziehen, um auf demselben Wege, auf welchem 
er ins Leben getreten war, und zur selben Thtire hinaus, durch 
welche er den Eingang genommen hatte, endlich wieder zurück- 
zutreten und hinauszugehen. Die Geburt ist also das sich Aus- 
spannen eines Mittelpunkts, das Leben die Aufrechterhaltung 
des so geschaffenen Kugelballes, der Tod ist das sich Zurück- 



1) De Monade, cap. I, v. 57—63, pag. 3. Dedication an Herzog 
Heinrich Julius von Brannschweig, 1591. 

Nam gravius nihil est quam libertate euperba 

Juraque pro arbitrio pollene tibi fingere avara 

Eustica progenies: quae tune ae ottingere ooelum 

Credit, cum potia est impunia temnere Jura • 

Et quidquid splendet virtute ae nobilitate, 

De genere unde videt merito contemnier ipsam. 



304 IX. Bruno's Unsterblichkeitslehre. 

ziehen in seinen Mittelpunkt l ). u „Unsere Unsterblichkeit lässt sich 
aber namentlich auch aus dem Gesichtspunkte beweiskräftig 
folgern, dass die eine und untheilbare Substanz, welche aufbaut, 
gruppirt, entwickelt, ordnet, belebt, bewegt, webt und, einer 
wunderbaren Künstlerin gleich, so bedeutender Thätigkeit vor- 
steht, doch ganz unmöglich geringerer Art sein kann, ab die 
Körper, welche sie gruppirt, entwickelt, ordnet, bewegt, und in 
deren Dienst dasjenige genommen wird , dessen Substanz in 
Wahrheit ewig ist 2 )." 

Der Glaube an die Unzerstörbarkeit der Substanz führt nun 
aber mit zwingender Consequenz zur Lehre von der Seelenwan- 
derung. Wenn, nach Bruno, das All nichts ist als der in der 
Unendlichkeit des Raumes und der Zeit abfliessende Entwicke- 
lungsprocess der zahllosen Einzelseelen, deren innerster Kern ja 
nur wieder die eine und untheilbare Substanz oder vielmehr das 
eine selbstbewusste Welt-Subjekt ist, und wenn dieser, durch 
zahllose Stufen hindurchgehende, Entwickelungsprocess die gött- 
liche Vollkommenheit der Einzelseelen zum letzten und höchsten 
Ziele hat, so ergiebt sich mit logischer Notwendigkeit der Schluss, 
dass dieser Stufengang der Entwickelung dfcn denkbar untersten 
Grad ursprünglicher Anlage zum Ausgangspunkte wird nehmen 
müssen. Wenn nun ferner die menschliche Seele ein Entwicke- 



1) De Triplice Minimo, pag. 13: Quart solum per individuam anmae 
substantiam sumus id quod sumus, quam cireum veluti centrum quoddam ubique 
totutn atomorum exglomeraiio sit et agg lomerat io. TJnde per nativüatem et ado- 
leniiam spiritus architector expandüur in hafte qua eonsistimus molem, et a corde 
difunditur: in quod tandem veluti telae istius stamina compUeans, sese reeipiat, 
ut ex eadetn per quam proeesserat viam, intraveratque portam reeedat demum et 
egrediatur. Nativitas ergo est expansio eentri, vita consütenUa sphaerae. Mors 
eontraetio in centrum. 

2) Ebendas., pag. 13: Est et immortalitatis nostrae validissimum ex eo 
principio argumentum, quod individua quae aedißcat, agglomerat % exgUmeratque, 
ordinat , vivißcat , movet , intexjt , et ut mirabilis opifex tanto operi est praefeeta 
substantia, minime deterioris debet esse conditionis (aecidens utpote quoddam, ente- 
lechia, energia, harmonia et eontemperamentum, ut omnium stupidissime deßnierunt, 
Aristoteles * et GalenusJ quam eorpora quae agglomerantur, exglomerantur, ordinan- 
tur, moventur, et in illius usum assumuntur haec quorum substantia vere est 
aeterna. 



tj(A j4!«l'-> n*(V-i %**■■ *"< V. <-<ifr ^cl. v v. 

IX. Bruno's Unsterblichkeitslehre. 305 

lungsstadium darstellt, welchem gegenüber wir schon unter 
unsern Augen unendlich niedriger stehende Wesen sich ent- 
wickeln sehen, so ist wiederum der Schluss unabweisbar, dasg 
die menschliche Seele, um überhaupt die Stufe menschlicher 
Existenz einnehmen zu können, eine unendlich lange Reihe von 
Vorentwickelungsstufen zurückgelegt haben muss, deren Realität 
dadurch um nichts von ihrer Gewissheit einbüsst, dass wir uns 
derselben nicht bewusst sind. J)ie Postexistenz bedingt die Prae- 
existenz der SeeleX Der SelbstvervoUkommnungsprocess der un- 
zähligen Einzelwesen ist eine ungereimte Hypothese ohne die 
Voraussetzung zahlloser Entwickelungsstadien , welche die Seele 
zu durchlaufen hat, in der unendlich kurzen Spanne ihrer 
irdischen Existenz jedoch unmöglich durchlaufen kann. Wie 
nichtig ist doch das den Lebewesen unseres Planeten Erde 
gesteckte Mass ihrer Dauer gegenüber der dem Lebensprocess 
des Planeten selbst vergönnten Ablaufsfrist! Wie verschwindend 
klein ist aber dann erst das Lebenszeitmass des Planeten Erde 
gegenüber der in zahllosen Aeonen sich bewegenden Unendlich- 
keit des universellen Weltprocesses! Diese Betrachtung flihrt 
denn wieder zu dem weitergehenden Schlüsse: Da der Selbst- 
vervollkommnungsprocess der Menschenseele, welcher sich nur 
in der Unendlichkeit des Raumes und der Zeit abspinnen kann, 
weder auf dem Planeten Erde seinen Anfang genommen haben 
kann, noch allda sein Ende wird finden können, so kann nur 
das All, als der Inbegriff sämmtlicher Entwickelungstadien, die 
der Seele würdige Arena ihres Selbstvervollkommnungsprocesses 
bilden. 

Wir finden diese Idee bei Bruno allerdings nur angedeutet, 
die Andeutung genügt aber, um den Beweis zu fuhren, dass 
Bruno in der That das unendliche All und nicht etwa bloss 
den Planeten Erde sich als den Raum vorstellte, in welchem 
sich die Seelenwanderung abspielen soll. „Die Wohnsitze der 
Seligen sind die Gestirne. Der Wohnsitz der Götter ist der 
Aether oder Himmel: ich nenne nämlich die Gestirne mit gutem 
Grunde Götter. Der Wohnsitz Gottes aber ist das überallhin 
sich ausdehnende All, der ganze unermessliche Himmel, der leere 
Raum, dessen Fülle er ist, der Vater des die Finsternisse er- 

20 



306 'IX.. Bruno's Unsterblichkeitslehre. 

greifenden Lichtes, der Unaussprechliche 1 )." Wenn- Bruno die 
Gestirne die Wohnsitze der Seligen nennt , so leitet ihn offenbar 
jler uralte Gedanke eines, weil hier auf Erden nicht wahrzuneh- 
menden , so doch iu der Unendlichkeit sich vollziehenden Aus« 
gleiche zwischen Tugend und Belohnung, zwischen Laster und 
Strafe. „Je nach der Art und Weise nämlich, wie sich die 
Seele in einem Körper aufgeführt hat, bestimmt sie sich selbst 
zum Uebergang in einen andern Körper, sagt Pythagoras, sagen 
die Saducäer, sagt Origenes. Desshalb nehmen die einen ihren 
Fortentwickelungsgang durch menschliche Leiber, andere gehen 
in die Leiber der Heroen über, andere wieder werden in niederere 
Leiber zurtickgeschleudert. Soweit wenigstens diejenigen, nach 
deren Ansicht Alles in einem ewigen Kreislauf begriffen ist, nur 
Einer 2 ) theilt diese Ansicht nicht 3 )." Ausführlicher lässt sich 
Bruno über diese Frage im Spaccio de la Bestia Trion- 
fante vernehmen : „In Folge der hohen Gerechtigkeit, die über 
allen Dingen waltet, geschieht es, dass der innere Mensch, der Heros, 
das Dämonium, der Individualgott, der Geist, der, weil die 
mannigfachsten Organisationen und Körper in ihm, aus ihm und 
durch ihn gebildet werden und sich bilden, so denn auch ver- 
schiedene Seinsarten, Namen, Schicksale durchzumachen hat, in 
Folge zügelloser Leidenschaften entweder wieder in demselben 
oder in einem andern Körper bestraft und erniedrigt wird, so- 
dass alsdann, wenn er die Herrschaft über eine vorhergehende 
Behausung schlecht geführt hat, er die Leitung und Verwaltung 
einer bessern Wohnung nicht erwarten darf. Wenn er z. R 
hienieden das Leben eines Bosses oder Schweines geführt hat, so 
werden, wie viele und ausgezeichnete Philosophen gelehrt haben 



1) De Immenso, Lih. IV, cap. 14, pag. 422: Sedes ergo beatorum sunt 
astra; sedes deorum est aether seu caelum: astra quippe deos secunda ratione dico. 
Sedes vero Bei est Universum ubique, totum immensum caelum, vaeuum spatium 
cujus est plenüudo; pater lueis eomprehendentis tenebras, ineffabilis. 

2) Aristoteles? Christus? 

3) De Tripl. Min., pag. 11: Pro eondüione qua anima se gessit in uno 
corpore ad aliud sortiendum disponitur , inquit Pythagoras, Saduchini, Origenes. 
Quapropter aliae per hutnana eorpora discurrunt, aliae in heroutn corpus assu- 
tmmtur, *Uae vero in deteriora deturbantur. Hase Uli qui aeterna omnia in 
quadam revolutione exagitata intelligunt praeter unum. 



IX. Bruno's Unsterblichkeitslehre. 307 

und auch ich, wenn nicht glaubwürdig, so doch höchst behera- 
genswerth halte, so werden ihm von der verhängnissvollen Ge- 
rechtigkeit nach Massgabe und im Yerhältniss zu dem und dem 
Vergehen oder Verbrechen der und der entsprechende Leib als 
Kerker zugewiesen, die und die entsprechenden Organe und 
Werkzeuge zu der und der Hantirung und Kunst beschieden 
werden. Auf diese Weise erlebt er im ruhelosen Kreislauf, ge- 
mäss dem Schicksal der ewigen Umwandlung, immer andere 
und wieder andere, bald schlechtere, bald bessere Daseins- 
und Glttcksformen , jenachdem er sich auf der unmittelbar vor- 
hergehenden Entwickelungsstufe besser oder schlechter aufgeführt 
hat 1 ).* 4 „Wenn desshalb eine Seele, welcher gerade die Werk- 
zeuge eines Pferdeleibes beschieden worden sind, wüsste, dass 
ihrer, sei es nun in bestimmter Reihenfolge, sei es in beliebiger 
Ordnung, die Werkzeuge des menschlichen Leibes und der 
Körper aller übrigen (noch höheren Organismen) harren, und 
dass der Tod der ihr gegenwärtig beschiedenen Werkzeuge mit 
dem zukünftigen, sich durch unzählige Daseinsformen hindurch- 
bewegenden, Leben gar nichts zu schaffen hat, so würde sie sich 
nicht grämen. Eine weise Seele fürchtet den Tod nicht, ja sie 
geht ihm sogar zeitweise freiwillig entgegen. Es wartet also 
aller Substanz. hinsichtlich der Dauer: die Ewigkeit, hinsichtlich 



1) Spaccio della Bbstia tbionfante (Waoner II, 113): Questo e il 
nume, Veroe, ü demonio, il dio partieolare, VinteWgenza, in cui, da cui, e per cui 
come vengon formale e siformano diverse complessioni e eorpi, cost viene a suben- 
trare , diver so euere in ispecie , diver ei uomi diverse fortune. Questo , per esser queUo 
che, quanto a gli atti razionaU et appetiti, seeondo la ragione muove e governa ücorpo^ 
e superiore a quelle, e non pub essere da lui neeessitato e eo stretto ; aviene per taUa 
giwtizia, ehe soprasiede a le eose tutte, ehe per i disordinati affetti venga nei mede- 
simoj o in aüro eorpo, tormentato et ignobüüo, e non debba aspettar il governo 
et amministrazione di migliore stanza, quando si sara mal guidato nel reggimento 
ePun altra. Ter aver dunque ivi menata vita, per esempio, cavallina, o porcina, 
verrä, come molti JUosoß de' piu eceellenti hanno inteso, et io stimo, che, se non e 
da esser creduto, e molto da esser considerato, disposto da la fatal giustizia, che 
gli sia intessute ineirca un earcere conveniente a tal delitto o crime , organi e stro- 
menti eonvenevoli a tale operajo o artefice. E vost oltre et oltre sempre discorrendo 
per il fato de la mutazione eterno verra incorrendo altre et oltre peggiori e mi- 
gliori speeie di vita e di fortuna, seeondo ehe 8 e maneggiato miglior- o peggior- 
mente ne la prossima preeedente eondizione e sorte: come veggia. 

20* 



308 XI. Bruno's Unsterblichkeitslehre. 

des Baumes: die Unendlichkeit, hinsichtlich der Existenz: die 
Fülle sämmtlicher Daseinsformen 1 )." 

Das sind die Grundzüge eines Glaubens , den Bruno mit 
vollem Bewusstsein getheilt hat mit den Priesterphilosophen des 
antiken Morgen- und Abendlandes: mit den Brahmanen und 
Magiern, den Chaldäern und Aegyptern, den Pythagoräern und 
Druiden ; eines Glaubens übrigens, welcher noch jetzt drei Vier- 
theile der Menschheit, nämlich die brahmanistische und buddhi- 
stische Culturwelt, lebensbestimmend beherrscht und — in einer 
vom Darwin der Zukunftspsychologie allerdings erst zu reinigen- 
den Form — eines Tages auch die europäischen Glieder der 
indogermanischen Menschheit mit elementarer Gewalt packen 
wird. Bruno's christliche und jüdische Nachfolger in Deo et 
Natura haben sich freilich wohl gehütet, diese Ansicht, nach 
welcher jede Seele berufen und im Stande ist, sich durch an 
Zahl unendliche Entwicklungsstufen hindurch zur Vollkomm- 
heit zu erlösen, auch nur zu beachten, geschweige denn, dass 
sie sich getraut hätten, sich offen zu derselben zu bekennen. 
Nur Leibnitz, der sonst so diplomatische Metaphysiker, dem es 
zunächst immer darauf ankam, nach oben nicht anzustossen, be- 
kennt sich einmal, freilich nur in einer bei des Philosophen Leb- 
zeiten verschwiegen gebliebenen Briefäusserung, halbwegs zur 
Metempsychose : „Ich glaube, schreibt er am 30. April 1709 an 
den Pater Des Bosses von Hannover aus, ich glaube gar, es 
lasse sich vertheidigen, dass Gott neue Monaden schaffe : vielleicht 
ist aber das Gegentheil noch viel wahrscheinlicher, ja sogar die 
Präexistenz der Monaden 2 )." 



1) De Immenso, Lib. I, cap. , pag. 151: Ideo si anima cui instrumenta 
corporis equini sunt comparata, seiret tarn man er e corporis humani et omnium 
reliquorum instrumenta seriatim vel confuso ordine quodam, neque defunctionem 
praesentium instrumentorum ad futuram deinceps (secundum innumerabiles species) 
vit am pertinere quippiatn, non tristaretur. Anima sapiens non timtt mortem, immo 
interdum illam uüro oceurrit. Manet ergo substantiam omnem pro duratione aeter- 
nitas, pro loco imtnensitas, pro aetu omniformitas. 

2) Leibnitz, Opera philos, (ed. Erdmann) LXVIII, pag. 457: Imo puto, 
defendi posse (a Deo novas monades crearij et probabilius esse contrarium, adeo- 
que praeexistentiam monadum. 



IX. Bruno's Unsterblichkeitslehre. 309 

Leibnitz fiel es nicht ein, dieser Paradoxie auch öffentlich 
das freie Wort zu schenken. Und so blieb denn Bruno's Lehre 
wieder verschollen bis auf Lessing, der 1780, ein Jahr vor seinem 
Tode, die „Erziehung des Menschengeschlechts" mit den tiefgrün- 
digen Worten schliesst: „Warum könnte jeder einzelne Mensch 
auch nicht mehr als einmal auf dieser Welt vorhanden gewesen 
sein? Ist diese Hypothese darum so lächerlich, weil sie die 
älteste ist? weil der menschliche Verstand, ehe ihn die Sophisterei 
der Schule zerstreut und geschwächt hatte, sogleich darauf ver- 
fiel? Warum könnte auch Ich nicht hier bereits einmal alle die 
Schritte zu meiner Vervollkommnung gethan haben, welche bloss 
zeitliche Strafen und Belohnungen den Menschen bringen können? 
Und warum nicht ein andermal alle die, welche zu thun, uns 
die Aussichten in ewige Belohnungen so mächtig halfen? Warum 
sollte ich nicht so oft wiederkommen, als ich neue Kenntnisse, 
neue Fertigkeiten zu erlangen geschickt bin? Bringe ich auf 
einmal so viel weg, dass es der Mühe wieder zu kommen etwa 
nicht lohnet? Darum nicht? — Oder, weil ich es vergessen, 
dass ich schon dagewesen? Wohl mir, dass ich das vergesse. 
Die Erinnerung meiner vorigen Zustände würde mir nur einen 
schlechten Gebrauch des gegenwärtigen zu machen erlauben. 
Und was ich auf itzt vergessen muss, habe ich denn das auf 
ewig vergessen? Oder, weil so zu viel Zeit für mich verloren 
gehen würde? — Verloren? — Und was habe ich denn zu ver- 
säumen? Ist nicht die ganze Ewigkeit mein?" Vgl. damit die 
übereinstimmenden Sätze Lessings am Schlüsse von dessen, viel- 
leicht auf Anregungen Bruno's zurückführenden Abhandlung: 
„Dass mehr als fünf Sinne ftir den Menschen sein können", 
in der Ausgabe von Lachmann, Bd. 11, pag. 460—461. 



Namen- und Sachregister. 



Abendmahl ironisirt. 237. 

Abplattung der Erde geahnt. ] 69 An- 
merk. 4, 5. 

Acrotismus, Bnrao's Physik. 62 An- 
merk. 2. 

Albericus Gentilis, Rechtslehrer und 
Freund Bruno's in Wittenberg. 61. 

Albert a Lasco, polnischer Fürst, be- 
sucht Oxford während Bruno's 
Aufenthalt daselbst. 27 — 28. 

Albertus Magnus, von Bruno als 
Heros deutscher Wissenschaft ver- 
herrlicht. 64. 

Albinus, Rektor der Universität Wit- 
tenberg. 60. 

Alcazele — AI Ghazzali, arabischer 
Philosoph. 8. 

Allbeseeltheit der Materie. 154 — 158; 
163; 175— 176. 

Allegorische Interpretationsmethode 
der Exegeten der drei semitischen 
Offenbarungsreligionen verhöhnt. 
219. 

All-Einheit des Lebens. 149—151. 

All-Subjekt, versteht das Ganze aufs 
vollkommenste in Einer Anschau- 
ung. 148. 

Alonso, Jesuitenpater in Paris, er- 
klärt Bruno, er könne nicht absol- 
virt werden. 93. 

Andeutung jeder Gattung höherer 
Organismen durch vorhergehende 
niedrigere Stufen. 177. 

Animal bei Bruno =* Organismus. 131 
Anm. J. 



Antisemitismus Bruno's. 221 — 222. 

Antoninus, hl., dessen Bild von Bruno 
verschenkt. 11. 

Aquino, Thomas von, von Bruno ge- 
feiert. 8, 104. 

Arche Noah's, ein verlorenes Jugend- 
werk Bruno's. 9. 

Aristoteles, der echte, von Bruno 
vertheidigt. 29 Anm. 1; ironisirt 
49; ferner 64, 182, 183, 185 An- 
merk. 4; -197 Anmerk. 1 unten; 
304 Anmerk. 2. 

Articuli CLX adversus hojus tem- 
pestatis Mathematicos atque Philo- 
sophos. 69. 

Askese von Bruno verabscheut und 
verhöhnt. 227. 

Atheismus von Bruno als unsinnig 
verworfen. 215. 

Atmosphäre, als integrirender Be- 
standtheil der Erdkugel anfgefasst. 
169. 

Aufhebung der Standesunterschiede 
führt zur Umwälzung alles Beste* 
henden, zum allgemeinen Nivelle- 
ment, zu bestialischer Gleichheit.301 . 

Averroes, spanisch-arabischer Philo- 
soph. 8. 

Barach, Karl Sigmund, Brunofor- 

. scher. 256. 

Bartholmess, Verfasser einer Vi« de 
G. Bruno. 9 Anm. 1 ; 22 Anm. 1 ; 
28 Anm. 2; 29 Anm. 1 ; 53 Anm. 1 ; 
92 Anm. 1; 123 Anm. 1; 144 An- 
merk. 3; 147 Anm. 1; 168. 



312 



Namen- und Sachregister. 



Bartholomäus, Kloster zum hl., in 
Campagna bei Salerno. 7. 

Bauernregierung , das entsetzlichste 
aller Uebel. 302. 

Bedenken, zu welchen das Protokoll 
von Bruno 'ö Verhör vor dem In- 
quisitionsgericht zu Venedig berech- 
tigt 113 Anm. 2. 

Bellarmino, Cardinal, der Rechts- 
gelehrte in Bruno's Process vor 
dem römischen Oberinquisitions- 
gericht. 118. 125. 

Bertano, venetianischer Buchhändler. 
95 Anm. 4; 98 Anm. 2; 102; 107. 

Berti , Brunoforscher , fast auf jeder 
Seite. 

Beschränktheit der Ansicht, es gebe 
nur fünf Sinne. 162—163. 

Bewegung ist immer zugleich auch 
Veränderung und Umwandlung. 1 79. 

Bewohntheit der Weltkörper. 162-1 64. 

Bibel, von Bruno mit Ehrfurcht be- 
handelt. 220, giebt Lehren der 
Sittlichkeit, will aber keine Natur- 
erklärung sein. 220. 

Bisler, Hieronymus, Nürnberger Stu- 
dent in Padua, copirt für Bruno ein 
Manuscript. 96. 

Bodemann über Herzog Heinrich Ju- 
lius von Braunschweig. 72 Anm. 1. 

Boethius, Superintendent der Kirche 
zu Helmstädt. 75. 

Büchmann kennt noch nicht den Ur- 
sprung des Sprichwortes: se non 
e vero, e ben trovato. 38 Anm. 2. 

Böse. Ursprung des Bösen. 260; Re- 
lativität des Bösen. 165; Notwen- 
digkeit des Bösen. 260. 

Bruno. Sein Aeusseres. 102 Anm. 3; 
Seine Bildungsquellen. 8; Seine 
Sprachgewandtheit. 26, 80; Seine 
frühen Zweifel an der Trinität. 1 1, 
12, 13; Seine Versuche, sich mit 
der Kirche auszusöhnen. 93; Sein 
demüthiger Kniefall vor dem vene- 
tianischen Inquisitionsgericht. 116; j 
Seine letzten Worte vor dem römi- | 



sehen Inquisitionsgericht. 127; Seine 
poetische Selbstcharakteristik. 132 
— 133; Sein Urtheil über die Kraft 
seiner Philosophie. 95, 139; Seine 
Lehre von ihm selbst dargestellt 
vor dem venetianischen Inquisitions- 
gerich t. 110 — 112; Kurzer Abriss 
seines Systems. 137—140; Betrach- 
tung über Bruno's Bedeutung in 
der Geschichte der Philosophie. 
130; Seine Offenheit und Wahr- 
heitsliebe. 9, 108; Seine Ueberzcu- 
gungstreue. 124; Sein Patriotis- 
mus. 91—92. 

Cabala del Caballo Pegaseo coli' 
Aggiunta del Asino Cillenico, zwei 
satirische Dialoge Bruno's. 49 — 50. 

Calvinismus von Bruno gehasst und 
verachtet. 67, 246—251. 

Campagna, Stadt in Principato cite- 
riore, östlich von Salerno. Bruno 
sang hier seine erste Messe. 7. 

Campanella, über die von ihm er- 
littenen Folterqualen. 123 Anm. 2. 

Candelajo, II, Der Lichtzieher, Lust- 
spiel Bruno's. 9, 25—26. 

Cantus Circaeus , ein Jugendwerk 
Bruno's. 24—25. 

Caraccioli, Galeazzo , Marchese von 
Vico, in Genf, will Bruno zum Cal- 
vinismus bekehren. 16, 17. 

Carriere, Moritz, über Bruno. 129 
Anm. 2, 130 Anm. 2. 

Cassiopeia, Das im November 1573 
plötzlich in derselben aufleuchtende 
Gestirn nach Bruno ein Komet. 
173. 

Castelnau, Michel de, Herr von Mau- 
vissiere , französischer Gesandter in 
London. 27; Sein Familienleben. 54. 

Cena de le Ceneri, ein kosmologischer 
Dialog Bruno's. 33—34. 

Centralsonne des Alls. 261. 

Centrum des Universums überall. 39; 
Es giebt so viele Centren als Wel- 
ten, Gestirne, Lebewesen und Her- 
zen. 84. 



Namen- und Sachregister. 



313 



Chambery, Zufluchtsort Bruno's. 16. 

Christus, in Einer Reihe mit den 

- Religionsstiftern, Gesetzgebern und 
Philosophen aller Zeiten und Völ- 

. ker aufgeführt 226. 

Chrysostomus , hl., dessen Werke 

• Bruno mit den Anmerkungen des 
Erasmus liest. 14. 

Cicada, Berg in der Nähe von Nola. 1 74. 

Ciotto , venetianischer Buchhändler 
und Zeuge im Inquisitionsprocess 
Bruno's zu Venedig. 90, 91, 96 
Anm. 1, 98, 102, 107, 116. 

Clemens VIII., römischer Papst. 97; 
feiert sein Jubiläum mit der Ver- 
brennung Bruno's. 128. 

Clemens, F. J., Brunoforscher. 8 An- 
merk. 5, 67 Anm. 2, 228 Anm. 1. 

Contarini, Procurator, fasst für den 
Dogen von Venedig ein Gutachten 
ab über des päpstlichen Nuntius 
Verlangen nach einer Auslieferung 
Bruno's an Born. 121. 

Copernicus. 58, 64, 158, 159, 182,253. 

Cultur, das Produkt der Noth und 
der Arbeit. 203 ; das Geschenk der 
Hand als des Organs der Organe. 
204. 

Cultus, Notwendigkeit eines äusser- 
lichen Cultus. 215. 

Curie, römische, geschildert und ver- 
abscheut 244. 

Cusa, Nicolaus von, Cardinal, von 
Bruno gefeiert 8, 64. 

Dalbene, Petrus, Abt von Belleville, 
Bruno's Freund. 56. 

Darwins Entwicklungslehre vorge- 
ahnt 174. 

Deckert, Emil, über die Wirksamkeit 
der europäisch - christlichen Civili- 
sation unter den Naturvölkern. 207 
Anm. 1. 

De Compendioea Architectura etCom- 
plemento Artis Lullii, Pariser Werk 
Bruno's. 25. 

Degli Eroici Furori, Bruno's Ethik. 
51—52. 



De Imaginum, Signorum et Idearum 
Compositione, Bruno's Kunstphilo- 
sophie. 85—86. 

De Immenso, Bruno's Kosmologie. 87. 

De la Causa, Principio et Uno, 
Bruno's Metaphysik. 89—44. 

De Lampade combinatoria Lulliana. 

61 Anm. 1. 

De l'Infinito, Universo e Mondi, 
kosmologisches Werk Bruno's. 37. 

Demokrit. 148. 283. 

Denkfaulheit des Mönchsthums ver- 
höhnt. 49—50. 

Denunciation Bruno's durch seinen 
Schüler Mocenigo. 103—107. 

De Progressu et Lampade Venatoria 
Logicorum, lullisches Werk Bruno's. 

62 Anm. 2. 

De Sanctis über Bruno*sBedeutung.l 31. 

De Sigillis Hermetis, Ptolemaei et 
Aliorum, ein Manuscript, welches 
sich Bruno von dem Nürnberger 
Studenten Hieronymus Bisler co- 
piren lässt 96. 

De Specierum Scrutinio et Lampade 
Combinatoria Raymundii Lulli. 69 
Anm. 2. 

De Umbris Idearum, ein Pariser Werk 
Bruno's. 22—24. 

Dens et Natura. 151—153. 

Deutschlands Weltberuf als das Boll- 
werk der Geistesfreiheit. 65. 

Dialogi duo de Fabricii Morde ntis 
Salernitarii prope divina adinven- 
tione ad perfectam cosmimetriae 
praxim, ein Pariser Werk Bruno's. 56. 

Domenico, San, Kloster zu Neapel, 
Bruno's Bildungsstätte. 7, 10. 

Donato, Venetianischer Procurator, 
im Geschäftsverkehr mit dem päpst- 
lichen Nuntius bezüglich der von 
diesem verlangten Auslieferung Bru- 
no's an Born. 120. 

Dreieck, ein Symbol des Einklangs 
der Gegensätze. 42 — 43. 

Üubois-Reymond's „Weltformel" eine 
lnllische Idee. 22. 



814 



Namen- und Sachregister. 



Da Prel, über die Möglichkeit von 
mehr als fünf Sinnen. 131 Anm. 1, 
192—193. 

Eglin, Raphael, Schüler Bruno's in 
Zürich. 60 Anm. 1, 78-81. 

Eichbaum, Der. Ein Sonett Bruno's 
übersetzt. 52. 

Einfinsslosigkeit der höchsten Gebirge 
auf die Kugelgestalt der Erde. 34 
-35, 169. 

Einheit des Principe im unendlichen 
Schwall der Gegensätze. 43. 

Elisabeth, Königin von England, von 
Bruno überschwänglich gefeiert. 53. 

Emanation der Natur und der Einzel- 
geister aus Gott als der Central- 
monade. 261—263. 

Empedokles' Vorahnung von Darwins 
Entwicklungslehre. 174. 

Empirie, Werth derselben. 145. 

Entropie, Unmöglichkeit derselben. 
166. 

Entwickelungsfähigkeit des Menschen- 
geschlechts unendlich. 180. 

Entwicklungslehre Bruno's eine Vor- 
ahnung derjenigen Darwins. 174 
—181. 

Erde, Die, ein beseeltes Lebewesen. 
169; Ihre Umwandlung hat nichts 
Gewaltsames, sondern zeigt einen 
natürlichen Verlauf. 17U; Die Chi- 
nesen berechnen das Alter dersel- 
ben auf 20 000 Jahre. 180 

Erdmann, Joh. Fd. , dichtet Bruno 
Unverträglichkeit an. 27 Anm. 1. 

Erfahrung, Werth derselben. 144. 

Erkenntniss der Einheit des Principe 
im Kampfe der Gegensätze bildet 
Ziel und Grenze aller Philosophie 
und wahrer Naturbetrachtung. 43. 

Erneuerung des Staatslebens nur mög- 
lich auf Grundlage einer Erneue- 
rung und Reinigung der Welt des 
Charakters und Gemüths. 211. 

Eselsschwanz verehrung in Genua. 223. 

Ethik Bruno's, eine Religion heroi- 
schen Hochsinns, eine Heilslehre 



für freie Geister. 256 ; Ihre histo- 
rischen Grundlagen. 296—297. 

Evidenz, die Grundlage aller Wissen- 
schaft. 141. 

Ewigkeit der Höllenstrafen ironisirt 
213—215, 244. 

Explicatio Triginta Sigillorum, lulli- 
sches Londoner Werk Bruno's. 28. 

Fabricio Mordente aus Salerno, Ma- 
thematiker, Bruno's Freund in 
Paris. 56. 

Figuratio Aristotelici Auditus Phy- 
sici, ein Pariser Werk Bruno's. 56. 

Filesac, Johann, Rektor der Sorbonne. 
57. 

Fixsterne sind zahllos. 170: haben 
ihre eigene Bewegung. 170 — 171. 

Formfehler, grammatische und me- 
trische, in Bruno's Latein. 87 An- 
merk. 1, 2. 

Forscherloos , eine Episode aus dem 
Gedicht De Immenso, übersetzt 
88—89. 

Frankfurt a. M. , das Leipzig des 
16. Jahrhunderts. 77; Zufluchtsort 
Bruno's. 77—78. 

Freiheit der philosophischen For- 
schung von Bruno gefordert, ge- 
feiert und vertreten. 247. 

Freiheit des Willens kommt nach 
Bruno den Menschen zu, Gott da- 
gegen die Notwendigkeit 273. 

Freiheit und Notwendigkeit in Gott 
identisch. 272—273. 

Furcht das dem Heroismus verhass- 
teste Laster. 287 — 288. 

Gäocentrische Weltanschauung des 
Alterthums und des Mittelalters. 
257. 

Galiläer, ironische Bezeichnung der 
Christen. 243. 

Geistigkeit aller Materie. 1 56 Anm. 3. 

Gemma, Cornelius, berühmter nieder- 
ländischer Astronom des 16. Jahr- 
hunderts. 173. 

Gemüthsbeangstigungskunst des römi- 
schen Priesterthums. 213. 



Namen- und Sachregister. 



315 



Genf, Bruno's Aufenthalt in dieser 
Stadt. 16—18. 

Genua, Zufluchtsort Bruno's. 14. 

Geschichtsauffassung Bruno's beruht 
auf ethnologischer Grundlage. 201 
—202. 

Gestirne sind Gottheiten. 305, 306 
Anm. 1. 

Gewohnheit, ihre Macht; 264. 

Giannetasius, Parthenius, ein Jesuit, 
schildert die Landschaftsreize des 

- Golfs von Neapel. 10—11 Anm. 1. 

Glaube nothwendig zur Sittigung und 
Beherrschung grosser Massen. 217. 

Glauben ohne Werke verhöhnt 49. 250. 

Glaube, es gebe keine andern Lebe- 
wesen, keine andern Sinne, keine 
andern Denkvermögen, als gerade 
sich uns er n Sinnen darbieten, 
geradezu albern und pöbelhaft. 
163 Anm. 1. 

Glückseligkeit des heroischen Men- 
schen nur das Produkt unaus- 
gesetzten Kampfes und Sieges in 
der Bändigung gegensätzlicher Nei- 
gungen und Triebe. 286— 2S7. 

Goethe's und Spinoza's Gott -Natur 
hat ihren Ursprung bei Bruno. 
151—154. 

Goldenes Zeitalter die Periode des 
Thierthums der Menschheit. 203. 

Gott, Reiner Begriff desselben. 147 
—148; 239— 241 ; Immanent 151— 
154; Die Monade der Monaden. 84; 
Handelt mit Notwendigkeit 272; 
. -Ist frei nur im unendlichen Sinne, 
wogegen die Freiheit Gottes im 
endlichen Sinne nach Bruno eine 
Verrücktheit. 272; Kann zwar nicht 
selbst in seiner Absolutheit, wohl 
aber in seinem Abglanz als Natur, 
begriffen werden. 290 — 291. 

Gottmenschheit Christi ironisirt 232. 
—235. 

Gott-Natur. 151—154. 

Grade der Wülensthätigkeit entspre- 
chen Graden der Erkenn tniss. 279. 



Gravitation als gegenseitige magneti* 
sehe Anziehungskraft der Welt- 
körper geahnt. 161 Anm. 7. 

Häckel, Ernst 178 Anm. 3. 

Hainzel, Junker, Joh. Heinrich, 
Augsburger Patricier, Freund Eg- 
lins und Gönner Bruno's, zu Zürich. 
79-80, 81 ; treibt Falschmünzerei 81. 

Hand, „das Organ der Organe 11 . 32. 

Harmonie der Welt, bestehend im 
Einklang der Gegensätze. 165. 

Hartmann, Eduard von, über den 
Protestantismus. 68 Anm. 1. 

Härtung, Ernst Bruno, Brunoforscher. 
256, 284. 

Hegers Panlogismus lullisch. 22; 
Seine Geschichtsphilosophie schon 
bei Bruno. 204; Seine Darstellung 
der Religion als des in Form der 
Vorstellung gefassten Absoluten 
schon bei Bruno. 213. 

Hehn, Victor, über den Fortschritt 
der Weincultur nach dem Norden 
hin. 36 Anm. 1. 

Heiligendienst ironisirt. 236. 

Heinrich Julius, Herzog von Braun- 
schweig, Freund Bruno's. 74. 

Heinrich IH., König von Frankreich 
und sein Verhältniss zu Bruno. 20. 

Heliocentrische Weltanschauung des 
Copernicus. 258. 

Hellwald, Ph. 35 Anm. 1. 

Helmstädt, Universität 71. 

Hennequin, Johann, Schüler und 
Freund Bruno's zu Paris. 57. 

Heroismus befähigt den Weisen, sich 
zum Werkzeuge des Weltgeistes zu 
machen. 294. 

Herren und Diener sind in der Na- 
turanlage der Menschheit begründet 
301. 

Hierarchie Roms in ihrer verderb- 
lichen Wirksamkeit dargestellt 
214, 244—246. 

Hieronymus, hl., dessen Werke Bruno 
mit den Anmerkungen des Eras- 
mus liest. 14. 



316 



Namen- und Sachregister. 



Hindernisse auf dem Wege zur 
Selbstvervollkommnung. 26 1 — 265. 

Hiob, „eines der merkwürdigsten 
Bücher". 219—220. 

Hippolytns Maria, General des Do- 
minicanerordens, noch zn allerletzt 
an Bruno in den Kerker abgeschickt. 
126. 

Hofmann, Daniel, Theologe und 
Rektor der Universität zu Helm- 
stedt, von Bruno charakterisirt. 75 
—76. 

Humboldt, Alexander von, schreibt 
Bruno falschlich das Verdienst der 
Entdeckung der Sonnenflecken zu. 
168. 

Immanenz Gottes wechselt bei Bruno 
mit Gottes Transcendenz. 151 — 
154. 

Inquisitionsgericht , venetianisches, 
Zusammensetzung desselben wäh- 
rend Bruno's Process. 101. 

Instinct, ein Wort ohne Sinn, ein 
Deckmantel crasser Ignoranz. 194; 
vielmehr eine bestimmte Sinnes- 
gattung, ein bestimmter Grad und 
Zweig der Universalvernunft. 190, 
193, 194; Geschichte des Begriffs 
Instinct. 194—195. 

Italianismen in Bruno's Latein. S7 
Anm. 1. 

Judenthum, der Abschaum der Mensch- 
heit. 222; die Quelle aller Ver- 
kommenheit. 224 — 225. 

Julius, Herzog von Braunschweig, 
Freund Bruno's. 72 — 73. 

Kabbala, die mystische Geheimlehre 
der talmudischen Juden. 8 Anm. 1. 

Kaegi, Adolf. 253 Anm. 

Katharina, hl., deren Bild von Bruno 
weggeschenkt. 11. 

Kepler schaudert noch vor Bruno's 

. Lehre von der Unendlichkeit der 
Welt. 34 Anm. 2, 158 Anm. 3. 

Klein, Geschichtsschreiber des Dramas 
über Bruno's Lustspiel II Cande- 
lajo. 26 Anm. 2. 



Kometen, eine besondere Gattung von 
Planeten. 172; sind zahllos. 173. 

Kosmocentrische Weltanschauung 
Bruno's. 258—259. 

Kowallek über Scioppius. 129 An- 
merk. 3. 

Krause, Ernst, über Bruno's Darwi- 
nismus. 174. * 

Kreislauf der Gestirne nicht regel- 
mässig. 166—167. 

Kritik der Mitwelt bei Bruno. 206. 

Kritik der Verbreitung europäisch- 
christlicher Cultur in neuentdeckten 
Erdtheilen. 207. 

Kunstphilosophie Bruno's. 195—200. 

Lampas de Entis Descensu, neuplato- 
nisirendes Werkchen Bruno's. von 
Baphael Eglin als Anhang seiner 
Marburger Ausgabe der Summa Ter- 
minorum Metaphysicorum heraus- 
gegeben, eine paraphrastisch be- 
nutzte Quelle von Spinoza's Ethik. 
81 Anm. 

Lasson, Adolf, Brunoforscher. 131 
Anm. 1, 174, 251 Anm. 8. 

Lebenserfahrungen bezeichnet Bruno 
als die Quelle seiner Geistesreife. 
65, 71. 

Leibnitz. 48 Anm. 3; glaubt an die 
Seelenwanderung. 308. 

Leo, Ambrosius, Chronist, über den 
Wucher und die Austreibung der 
Juden zu Nola. 221 Anm. 1. 

Lessing vertheidigt die Lehre von 
der Seelenwanderung. 309. 

Liebe hebt das eherne Gesetz der 
Notwendigkeit auf. 292. 

Liebmann, Otto. 24 Anm. 2, 30 An- 
merk. 1, 135 Anm. 1. 

Lob der Eselheit, ein Sonett Bruno's, 
übersetzt. 50. 

Luca, Sisto di, Procurator des Do- 
minicanerordens zu Born. 13. 

Luftschiffahrt, nach Bruno das letzte 
Ziel technischer Cultur. 205—206. 

Lullus, Baymundus und seine Ars 
Magna. 20—22. 



Namen- und Sachregister 



317 



Luther als der Befreier Deutsch- 
lands von römischer Geistesknecht- 
schaft gefeiert. 65—67. 

Lyon, Bruno's kurzer Aufenthalt in 
dieser Stadt. 18. 

Macht der Phantasie, geschildert in 
einem Gedicht aus De Immenso. 
213—215. 

Madrucci, Cardinal, Oberinquisitor 
im Processe Bruno's zu Rom. 118. 
127. 

Mainz, Zufluchtsort Bruno's. 59. 

Materie, die Quelle aller Actualität. 
39; Geistigkeit derselben. 154— 
158. 

Mensch, In der Species Mensch wie- 
derholen sich die Gattungen sämmt- 
licher Lebewesen. 178. 

Menschengeschlecht, besteht aus drei 
schon uranfänglich verschiedenen 
Kassen. 200. 

Meteore sind kleinere Planeten. 173. 

Methode Bruno's. 140—145. 

Milderung des Klimas nach dem 
Nordpol zu. 35 — 36. 

Minerva, Sta Maria della, Domini- 
canerkloster in Rom, Bruno's Zu- 
fluchtsstätte. 14. 

Minimum, das Objekt aller wissen- 
schaftlichen Forschung. 143. 

Mirandula, Paulus von, Vicar des 
Generals des Dominicanerordens 
Hippolytus a Maria, mit diesem 
noch zu allerletzt zu Bruno in den 
Kerker beordert. 126. 

Mocenigo, Giovanni, junger venetia- 
nischer Edelmann, Bruno's Schüler 
und Verräther. 91, 95 Anmerk. 3; 
96, 97, 98, 99 Anm. 2; 100, 101, 
103—107, 115. 

Mönchsthum , der Inbegriff aller La- 
ster. 241 Anm. 1. 

Mondflecken sind das feste Land des 
Mondes. 170. 

Morosini, Andreas, vornehmer Vene- 
tianer, in dessen Hause Bruno viel 
in Gesellschaft verkehrt. 96, 116. 



Müssiggang, die denkbar höchste Be- 
schwerde eines hochsinnigen Gei- 
stes. 293. 

Natur, reiner Begriff derselben. 145 
— 146; ist eine Künstlerin. 195; 
ein Musikdirektor 165; ist begreif- 
bar. 145; 290-291. 

Natura et Dens. 153—154. 

Naturphilosophie Bruno's. 145 — 181. 

Naturreligion der Aegypter durch 
die Juden in verfälschter Gestalt 
auf die Nachwelt gebracht. 223 — 
225. 

Naturreligionen den Offenbarungsreli- 
gionen an innerer Vernunft über- 
legen. 218. 

Naturstand und Civilisation, ein Ge- 
dicht aus De Immenso, übersezt. 
208—209. 

Neapel, Aussicht auf den Golf. 10, 11, 

Nettleship, H. , Professor in Oxford, 
über das Fehlen jeder zeitgenössi- 
schen Pamphletliteratur über Bru- 
no's Disputationen in Oxford. 
33 Anm. 1. 

Niceron giebt das Bildniss von Sciop- 
pius. 129 Anm. 3. 

Nigidius, Rektor der Universität 
Marburg. 59. 

Noack, Ludwig. 251 Anmerk. 1; 252 
Anm. 2. 

Nola, Lage und Geschichte. 5. 

Noli, reizendes Hafenstädtchen am 
Golf von Genua, wo Bruno schul- 
meistert. 14. 

Notwendigkeit durch die Liebe auf- 
gehoben. 292. 

Oratio Consolatoria in Academia Ju- 
lia. 73 Anm. 2. 

Oratio Valedictoria in Academia Vite- 
bergensi. 63—67. 

Oxford, Bruno's Vorlesungen an der 
dortigen Universität. 28; „Die 
Wittwe wahrer Wissenschaft". 33. 

Padua, Universität, Bruno's erster 
Aufenthalt daselbst. 15; Bruno's 
zweiter Aufenthalt daselbst. 95. 



S18 



Namen- und Sachregister. 



Panegyricus auf Deutschland. 64—68. 

Pantheismus Bruno 's poetisch schil- 
lernd zwischen Immanenz und 
Transcendenz Gottes. 151. 

Papst als Höllenfürst geschildert. 
66-67. 

Paracelsus als ein Heros des deut- 
schen Geistes gefeiert. 64. 

Parallelität der Stufenleiter der Natur 
in der Hervorbringung der Dinge 
und derjenigen der Vernunft im 
Emporsteigen zur Erkenntniss der 
Dinge. 40, 81 Anm. 1. 

Paris, Brano's erster Aufenthalt da- 
selbst. 19; zweiter Aufenthalt da- 
selbst. 54—58. 

Pasqna, Ambrogio, Prior von San 
Domenico in Neapel. 7. 

Passionsgeschichte ironisirt 237. 

Pedant, Bruno's Lieblingsfigur und 
komisches Ideal. 26, 249. 

Peschel, Oskar, reproducirt Bruno's 
Ansicht von den Continenten als 
den höchsten Gebirgsmassen. 35 
Anm. 1. 

Phantasie zieht den Geist herunter 
in die Regionen der Wollust. 
280. 

Planeten sind zahllos. 171; viele der- 
selben mögen unsichtbar sein. 171; 
wie es denn auch noch andere, 
als die uns bekannten Planeten 
geben mag , die um u n s e r e Sonne 
kreisen. 171. 

Piaton. 51 Anm. 1; Seine Ideenlehre 
als der Urquell aller Phantasterei 
verhöhnt. 83. 

Plotin. 51 Anm.l ; 151, 185 Anm. 1; 
Seine Lehre von der erziehenden 
Macht der Schönheit bildet den 
Lebensfaden von Bruno's Ethik. 
297. 

Poesie, nicht aus Regeln, sondern die 
Regeln aus der Poesie schöpferischer 
Dichter abzuleiten 199; es giebt 
ebenso viele Dichtungsgenres als es 
geniale Dichter giebt. 199. 



Poetische Bücher des Alten Testa- 
ments von Bruno hoch geschätzt. 
219-220. 

Pol-Landschaft in phantastisch-poeti- 
scher Schilderung. 208—209. 

Polygamie, auf Grundlage der Huma- 
nität gegen die Mütter, vertheidigt. 
299—300. 

Pontanus, Philosoph, ein Nolaner. 5. 

Pontifex in den Strassen Roms pro- 
cessionirend. 245—246. 

Präexistenz der Seele von Leibnitz 
verfochten. 309 Anm. 2. 

Praxis Descensus seu Applicatio Entis, 
ein neuplatonisirendes Schriftchen 
Bruno's, herausgeg. von Raphael 
Eglin. 81. 

Protestantismus, als Befreiung aus 
den Banden Roms, gefeiert. 68; 
als Quelle dogmatischen Gezänkes 
verachtet. 247. 

Psychologie Bruno's. 181—188. 

Pünjer, G. Ch. Bernhard, Religionsi- 
Philosoph. 212 Anm. 2. 

Pythagoras lehrt die Seelenwande- 
rung. 306. 

Bänke, Leopold von. 118 Anm. 1. 

Raum, Eine Denknothwendigkeit des 
Verstandes. 1 83 ; schrankenhaft 
nach Aristoteles. 182, 183; schran- 
kenlos unendlich nach Bruno. 1 83. 

Reinigung der Denkkraft unumgäng- 
lich nothwendig zur Befähigung 
der Erkenntniss der Wahrheit auf 
contemplativem Wege. 280. 

Religion, ein Mittel, schwache Geister, 
auf das ungeschwächte Licht der 
Philosophie vorzubereiten. 216— 
218; Ihr Zweck und Ziel die Sit- 
tigung der Menschheit. 269-270; 
Offenbarungsreligionen als Gifte 
bezeichnet. 218 Anm. 1. 

Renaissance , ein Wiedererwachen 
uralter Gedanken und Empfindun- 
gen. 4. 

Republik, Bruno's Staatsideal. 299. 

Reue , poetisch verherrlicht. 28 1—282. 



Namen- und Sachregister. 



319 



Rotation der Sonne um ihre eigene 
Achse. 168. 

Rückzug von der Menge, Voraus- 

. setzung höherer Selbstreinigung. 
283. 

Rudolph II., Kaiser von Oesterreich, 
beschenkt Bruno in Prag. 68, 69-71. 

San demente, Wilhelm von, Spani- 
scher Gesandter zu Frag. 69. 

Sanseverina, Cardinal, die Seele des 
römischen Oberinquisitionsgerichts. 
118. 

Savolina, Geschlechtsname der Mutter 
Bruno 's. 5. 

Savona, Stadt an der Riviera, Zu- 
fluchtsort Bruno's. 14. 

Scartazzini, J. A., über Bruno's Hei- 
denthum. 252 Anm. 3. 

Schmick's „Umsetzung der Meere" von 
Bruno vorgeahnt. 36. 

Schönheit, der Einklang von Gegen- 

. sätzen. 196; Schönheit der sinn- 

- liehen Erscheinung, ein Spiegel- 
bild und Widerschein der den 
Körpern immanenten Vernunft. 
275, 279. 

Schopenhauer. 198 Anm. 
Scioppius, Caspar. 48 Anm. 2; 123 

Anm. 1 ; berichtet als Augenzeuge 

über Bruno's Verbrennung. 127 

Anm. 1. 
Seelengrösse und Wohlwollen, die 

zwei Grundpfeiler der Ethik des 

Heroismus. 283—284. 
Seelenkräfte, die höheren centripetal, 

- die niedrigeren centrifugal wirkend. 
262. 

Seelenwanderungslehre eine Folge 
des Glaubens an die Unzerstörbar- 
keit der Substanz. 304—305. 

Sehnsucht des. heroischen Geistes 

- nach der Quelle seiner eigenen 
Substanz und Wesenheit, dem 
Ocean aller Wahrheit, Schönheit 
und Güte. 277—278. 

Selbstvervollkommnungsfähigkeit der 
Menschennatar unendlich. 219. 



Semitenthura , die Quelle alles Un- 
heils in der Weltgeschichte. 181. 

Seneca, Tragiker, Anklänge an den- 
selben bei Bruno. 210 Anm. 1. 

Sidney, Filipp , Bruno's Freund in 
London. 53. 

Sigwart, Chr. 22 Anm. 1; 34 Anm. 2; 
59 Anm. 2; 77 Anm. 1; 78 An- 
merk. 2; 80 Anm.; 91 Anm. 1; 
107 Anmerk. 1; 125 Anmerk. 1; 
128 Anm. 2; 158 Anm. 3; 219 
Anm. 3. 

Sieg der Wahrheit und Gerechtig- 
keit, ein stehender Glaubenssatz 
Bruno's. 253—254. 

Sinne, Deren Unzulänglichkeit. 189; 
ihre Zahl ist nicht auf die mensch- 
lichen fünf beschränkt 189, 190; 
Phänomenalität der Sinnesvorstel« 
lungen. 191. 

Sixtus V., römischer Papst, von wel- 
chem Bruno Absolution hofft. 93. 

Socialismus Bruno's. 298—303. 

Sonne, rotirt um ihre eigene Achse. 
168—169; beherbergt höhere Lebe- 
wesen als die Erde. 163 Anm. 5. 

Sonnenverehrung nicht Götzendienst. 
218. 

Spaccio de Ja Bestia Trionfante, 
Bruno's Religions- und Moralphilo- 
sophie, analysirt. 44 — 49, 211. 

Spinoza, schreibt Bruno wörtlich aus 
81 Anm. 1; vgl. 145—154. 

Standesunterschiede begründet in der 
Verschiedenheit der Geistes- und 
Charakteranlagen. 300—301. 

Stolberg, Graf, schildert die Um- 
gebung von Nola. 6 Anm. 1. 

Substanz der Seele um nichts weniger 
unzerstörbar als die Substanz des 
Körpers. 304. 

Summa Terminorum Metaphysicorum, 
Bruno's logisch-metaphysisches Be- 
griffslexikon, hrsg. v. Raph. Eglin. 
80—81. 

Symbolik des Christenthums ironisirt 
als miss verstandene Nachäfferei der 



320 



Namen- und Sachregister. 



ägyptischen Naturverehrung. 241 
—243. 

Tansillo, Dichter und Freund von 
Bruno's Vater, ein Nolaner. 5. 

Tapferkeit und Gemeinsinn, die zwei 
Cardinaltugenden. 285. 

Teufel, ironisirt. 236 — 237. 

Todesfurcht, das verabscheuungs wür- 
digste Laster für die heroische Welt- 
anschauung. 288. 

Toulouse, Bruno's Lehrthätigkeit in 
dieser Stadt. 18—19. 

Transsubstantiation, von Bruno schon 
in der Jugend bezweifelt. 12; spä- 
ter ironisirt. 237. 

Tugenden, aufgezählt. 284—285. 

Turin, Zufluchtsort Bruno's. 14. 

Ubiquität, ironisirt. 238. 

Uebergang der Cultur des babyloni- 
schen, persischen und griechischen 
Weltreiches auf das römische. 204. 

Umwandlung des heroischen Geistes 
in Gott. 292. 

Unendliche Zahl der Welten. 137, 
161. 

Ungerechtigkeit in der Vertheilung 
des Besitzes. 299. 

Universalvernunft, ihre Ausbreitung 
durch die ganze Materie. 175 — 176; 
ihre dreifache Stufenfolge. 176 — 
177. 

Unregelmässigkeit der Kreisbewegun- 
gen der Gestirne. 167 Anm. 1. 

Unsichtbarkeit vieler um unsere Sonne 
kreisenden Planeten. 171. 

Unsterblichkeit des Körpers und der 
Seele. 155. 

Unterschied, im letzten Hintergrund 
nur Accidens. 40, 41 — 42. 

Unzerstörbarkeit der Substanz des 
Körpers und der Seele. 303. 

Ur-Intelligenz, versteht das Ganze auf 
das vollkommenste in Einer An- 
schauung. 41. 

Verkommenheit , ihr Ursprung, ge- 
schildert in einem Gedicht aus De 
Lmmenso, übersetzt. 224—226. 



Valla, Laurentius, Philologe, ein No- 
laner. 5. 

Varrano, Fra Theofilo da, Augustiner, 
Bruno's Lehrer in der Philosophie. 7, 

Venedig, Zufluchtsort Bruno's 1576. 
15; zweiter Aufenthaltsort daselbst 
1592. 95. 

Verachtung der Menge. 302. 

Veränderlichkeit der Pol-Stellung in 
grossen Zeiträumen. 167. 

Vergeltungslehre führt zur Lehre von 
der Seelenwanderung. 306 — 307. 

Verschiedene Länge der geschicht- 
lichen Entwickelungsstadien bei 
verschiedenen Völkern. 205. 

Vispure (Wiesbaden?) luoco poco 
lontano da 11 (Magonza). 59 Anm. 

Vita, Fra Domenico, Provincial des 
Dominicanerordens zu Neapel. 13. 

Vollkommenheit der Welt. 260. 

Wahlverwandtschaft zwischen Malern, 
Dichtern und Philosophen. 196,197. 

Wahrheitserkenntniss das die Mensch- 
heit auf jeder Stufe beseligende 
Ideal. 274. 

Wechel, Joh. und Peter Fischer, 
Bruno's Verlagsbuchhändler und 
Gönner zu Frankfurt a. M. 77. 

Weltkörper sind zahllos. 160; be- 
stehen alle aus denselben Elemen- 
ten. 161 Anm. 4; werden von innen 
beseelt und gelenkt 169 Anm. 1. 

Weltseele, das constitutive Formal- 
princip des Universums. 39, 156 
Anm. 2. 

Weltsystem , das aristotelisch-ptole- 
mäische. 29—30; 182; 257; das 
Bruno's 31; 258—259. 

Werneke, Hugo, Brunoforscher. 31 
Anm. 1. 

Wilhelm IV., Landgraf von Hessen- 
Kassel, Vertheidiger des Coperni- 
cus. 64. 

Willensfreiheit des Menschen von 
Bruno bejaht 273. 

Wunder Christi, ironisirt. 228—232. 

Würde der menschlichen Freiheit 70. 



Nachträge und Berichtigungen. 321 



Zeit, Subjectiyität derselben. 184; 
Zahllosigkeit der Arten derselben 
im Universum. 184; Absolute Zeit 
als Dauer. 186; Kein objektives 
Mass der Zeit. 187, 188. 

Zeller, Eduard. 51 Anm. 1. 



Zweck und Endursache des Wirk- 
lichen die Selbstvervollkommnung 
des Universums. 164. 

Zweifel, ist der Ausgangspunkt aller 
Forschung. 141. 



XI. Nachträge und Berichtigungen. 

1) Zur Vorrede pag. XVII oben. Ueber den Einfluss von Leibnitz auf 
Pope und Haller vgl. jetzt insbesondere auch Alb. v. Hallers Gedichte, 
hrsgeg. von L. Hibzel (Frauenfeld, Huber, 1882), pag. LXXIX, besonders 
aber CXXX und CXXXI, ebenso pag. 44 Anm. 17. 

2) Zu pag. 5. Aus den durch Francesco Fiobentino veröffentlichten 
Censu8li8ten von Nola (vgl. oben Vorrede pag. VIII) ergiebt sich in Kürze 
für Bruno's Stammbaum Folgendes. Bruno's Grossvater Hieronymus war 
1545 46 Jahre alt, seine Frau Mariella 41. Ihre Ehe war kinderreich. Der 
Sohn Nocenzio, 25 Jahre alt, war verheirathet mit einer Fiorenza von 
21 Jahren. Ein jüngerer Sohn Giovanni von 20 Jahren wurde der nach- 
herige Vater unseres Giordano. Ein noch jüngerer hiess Felix, von 18 Jahren, 
ein Geistlicher ; die noch jüngeren Kinder hiessen: Marc Anton von 11 Jahren, 
Augustin von 9 Jahren. Diese 5 Brüder hatten 4 Schwestern: Prudenza 
von 19 Jahren, Isabella von 14, Camilla von 6 und Katharina von 4 Jahren. 
Giovanni, Giordano's Vater, lebte nicht im Hause seines Vaters, sondern in 
einem Hause am Fusse des Berges Cicala, also nicht in der Stadt Nola, 
sondern ausserhalb derselben, in der Vorstadt, die jetzt Santo Pa,olo heisst. 
Während in jener Censusliste über die zahlreichen Geschwister Giovjuini's 
Randbemerkungen spärliche Nachricht geben, wer sich verheirathet habe 
und wer nicht, fehlt dagegen über Giovanni jede Notiz. Ob er mit seinem 
Söhnlein Filippo nach Neapel gezogen sei oder nicht, darüber geben auch 
die Censuslisten von 1563 keine Auskunft. 

Nach Bruno's Aussage vor dem venetiani sehen Inquisitionsgericht hiess 
seine Mutter Fbaulissa Savolina. Liegt in Bebti's Veröffentlichung der 
Venetianer Dokumente ein Druckfehler vor? Fiorentino wenigstens ver- 
sichert, unter Dutzenden nolanischer Frauennamen keine Fbaulissa, wohl 
aber mehrere Savolino getroffen zu haben. Dagegen scheint es ihm mög- 
lich, dass eine Silvia, die 18jährige Tochter des von Bruno im Spaooio 
de la BB8TIA Trionfante erwähnten Antonio Savolino, Giordano Bruno's 
Mutter gewesen sein könne. Aber wie wäre es gedenkbar, dass der Name 
Silvia in Fbaulissa verschrieben oder verlesen worden sein könnte? Ich 
gestehe, dass (möge mir Italien die Ketzerei verzeihen!) sowohl der Name 
Bbitno als Fbaüli88A für mich deutschen Anklang, Anklang nämlich an 
deutschen resp. sächsischen Ursprung von Bruno's Voreltern hat. Bruno's Eltern 
wohnten, wie sich aus Fiobbntino's Forschungen ergiebt, ausserhalb der 

21 



322 Nachträge und Berichtigungen. 

Stadt in einem hauptsächlich von Deutschen bewohnten Dörfchen am 
Cicala, unter diesen befand sich ein auch von Bruno erwähnter Martinello, 
1545 der dreizehnjährige Sohn eines Masco Antonio de Alemanno, eines 
deutschen Landsknechts nämlich, von welchen sich viele in Italien nieder- 
gelassen hatten. Jener Nachbar Fränzchen, der Melonenzüchter Fbanzino 
(s. oben pag. 92), war laut der Censusliste von 1545 Fbanzinus Allemanna, 
ein Mann von 25 Jahren. Neben diesen erscheint, wiederum auch von 
Bruno erwähnt, der 25jährige Schneidermeister Mastro Danese, dessen 
Name für sich selbst spricht. Auch der Antonio Faiyano, der ebenfalls 
in dieser Nachbarschaft lebte, welchen Bruno im Spaccio erwähnt und den 
Wagner fälschlich Fajuano schreibt, scheint mir germanischen Anklang zu 
haben und auf gothisches *faihu-vana, pecore egens, zu deuten. Stammt 
etwa auch Giordano aus einer, wohl schon lange in Nola ansässigen, ur- 
sprünglich niederdeutschen Landsknechtsfamilie, wie denn ja Bruno's Vater 
Giovanni selbst wieder Soldat geworden ist? Ist es da ferner ein 
Wunder, wenn wir bei dem ja allerdings unitalienischen Namen von 
Bruno's Mutter direkt an althochdeutsches Fraulich (vgl. Förstemann, 
Altdeutsches Namenbuch, Bd. I, pag. 416 Frbclich, ferner mhd. vröu-lich 
adj. = vrouwe-lich, fbouwen - lich , frew-lich, femineus, bei Lexer 
Mittelhochdeutsches. Handwörterbuch, Bd. III [1878], pag. 541). Oder sollte 
der Name verschrieben sein für Fraulinda (bei Föbstemann a. a. O., pag. 
416)? Mag die Sache sich verhalten, wie sie will: das ist sicher und über 
jeden Zweifel erhaben, dass, wenn auch in Giordano Bruno von Alters her 
vielleicht ein germanischer Blutstropfe nachrollte, gleichwohl der Dichter- 
philosoph von Nola selbst nur als Italiener gelten wollte, und nur von 
den Italienern als Landsmann in Anspruch genommen und gefeiert werden 
kann. 

3) Zu pag. 27. Von diesem Albertus a Lasco verzeichnet Hyde a. a. O., 
pag. 386 die Schrift: Exhortatio ad Milites in Expeditione Moldavieä. Franc- 
fort, 1581. 

4) Zu pag. 57 oben. Die Werke des Sorbonnerektors Joh. Files ac ver- 
zeichnet Hyde s. unten, pag. 252. 

5) Zu pag. 57. Der für Berti, Vita di G. Bruno pag. 198 noch 
räthselhafte Joh. Hbnnequin fun tat nobile parigino Hennequin, ehe eerto 
appartmeva cd novero dei auoi Scolari od amicij kann aus der zahllosen Menge 
der Hennequin, deren Stammbaum Morebi's Universallexikon, Bd. IV 
(Basel, 1732), pag. 492 — 476 verzeichnet, nur der in der Geschichte der 
französischen Rechts- und Finanzwissenschaft berühmte Dr. Jur., der (vergl. 
Zedlers Universallexikon, Bd. XXII, pag. 1406) auf des Juristen Dionv- 
sius GoTHOPREDüß (seine Werke verzeichnet Hyde, Catal. ttbror. impressorum 
Biblioth. Bodkyanae. fol, Oxonii, 1674, pag. 298) Anregung Notae ad Aecur- 
eium schrieb, die (s. Hyde a. a. O., pag. 229) von Petrus Bbossabus 
(s. dessen Schriften bei Hyde a. a. O. , pag. 110) zusammen mit dessen 
schon 1589 erschienenen Thesaurus Accursianus noch einmal 1606 zu Lyon 
und Venedig in 2 Bänden gedruckt wurden. Am berühmtesten ist dieser 



Nachträge und Berichtigungen. 323 

-Hennequin durch sein oft aufgelegtes Werk über die französische Finanz- 
Verwaltung, dessen voller Titel nach Brunst, Manuel du Libraire T. III 
(1862), pag. 97 lautet: Le Guidon genital des Finances, contenant la eonser- 
vation et tinterpr Station des Droictz saerez et inalienables du Domaine du roy et 
eouronne de France; aveo Instruction du maniement de toutes sesßnances, tont 
ordinaires qy? extraordinaires , par Jean Hennequin, seere'taire de la ehambre du 
roi. Paris, Abel 1/ Angelier, 1585 faussi 1586 petit en 8°J. Dieser Guidon 
erschien später, 1594 und Öfter, avec les annotations de M. Vinc. Gelee 
(vgl. die Nouvelle Biographie Generale von Hobfer, T. 23 (Paris, 1558) pag. 
946 — 947). Ohne Zweifel war Bruno durch seinen Gastfreund, den Ge- 
sandten von Castelnau, mit dem königlichen Secretär Hennequin bekannt 
und befreundet worden. Nur das grosse Ansehen eines schon durch seine 
adelige Abkunft, wie nicht weniger durch seine wissenschaftliche Stellung 
und sein hohes Amt ausgezeichneten Mannes konnten Bruno im Kampfe 
gegen das auch kirchlich approbirte aristotelisch - ptolemäische Weltsystem 
vor der Behandlung schützen, die am 24. Aug. 1572 noch Petrus Ramus 
durch den Aristoteliker Charpentier zu Theil geworden war. Es gehörte eben 
der ganze Heroismus eines Bruno dazu, um die Vertheidigung des Coper- 
nicus in Paris überhaupt nur zu wagen. 

6) Zu pag. 58 Anm. 2. Statt Rudolph I. ist zu lesen : Rudolph II. 

7) Zu pag. 59. Auf meine Anfrage an Herrn Dr. Sauer, kgl. Staats- 
archivar zu Wiesbaden, ob sich in Wiesbaden irgendwelche Notizen über 
Bruno's Aufenthalt in dieser Stadt vorfinden, hatte Herr Dr. Sauer die 
Güte, Herrn Prof. F. Otto, als „den genauesten Kenner der Wiesbadener 
Localgeschichte", über meine Vermuthung zu Rathe zu ziehen. Herr Prof. 
Otto schreibt mir nun mit verdankenswerthester Freundlichkeit unterm 
8. Sept. 1882 Folgendes: „Mir ist von einem Aufenthalt des Giord. Bruno 
zu Wiesb. a. 1586 oder überhaupt nichts bekannt. — Bedenken macht: 
1) die Form des Wortes, 2) der Weg. — Der Weg von Mainz nach Mar- 
burg führt über die sog. Elisabethenstrasse (Hofheim, Ursel u. s. w.), 
während ein Weg von Wiesbaden nach der Lahn nicht gangbar war — 
damit fällt auch Weilburg. — Von Mainz aus führte der sog. Holzweg 
(zwischen Wiesbaden und Dolzheim) nach Schwalbach (vgl. mein Merker- 
buch), berührte aber nicht Wiesbaden. — Die Form Wispure führt eher auf 
Wiesborn, Hof bei Idstein, oder W isper, beides hier unthunlich. 

Dagegen: war Wispure loco poco lontano, d. h. doch locus paullutn longin- 
quu», natürlich von Mainz, so bleibt am Ende doch die Deutung auf 
Wiesbaden allein übrig; im Mund des Volkes heisst Wiesbaden heute 
vielfach: Wisbare oder Wisbore, mit Uebergang des Dentals in die 
Liquida -ß. In früherer Zeit habe ich diese Form nirgends gefunden, doch 
ist sie vorauszusetzen. Kehrein in seinem Namenbuch hat sie auch. 

Man müsste dann annehmen, die Reise sei etwa über Idstein ge- 
gangen. — Möglich , dass Bruno den Namen des Ortes nach der Volksaus- 
sprache kennen lernte und behielt. — Auf Weilburg möchte ich wegen des l, 
dass nie in « übergeht, nicht schliessen." 

21* 



324 Nachtrage und Berichtigungen. 

8) Zu pag. 61. Ueber zwei Dutzend Werke und Schriften von Al- 
bericus Gbntilis verzeichnet Hxde a. a. 0., pag. 22 — 23. 

9) Zu pag. 62 Anm. 2 unten. 34 Werke von Joh. Heinr. Alstedius 
verzeichnet Hrne a. a. 0., pag. 22—23. 

10) Zu pag. 79 Anm. 1. Ueber Baphael Eglin vgl. auch Strieders 
Hessische Gelehrtengeschichte, Bd. III (1783), pag. 299—318. Aus pag. 301 
und 318 geht hervor, dass Eglin auch in Marburg von der Alchemie nicht 
lassen konnte und mit dem Landgrafen Moritz von Hessen -Kassel einen 
lebhaften Briefwechsel über die Goldmacherkunst geführt hat, welcher noch 
jetzt auf der Landesbibliothek Kassel aufbewahrt wird. 

11) Zu pag. 96. Hieronymus Besser (nicht Bisler, wie Berti ent- 
weder irrthümlich abgeschrieben oder Bruno nach der Volksaussprache 
selber gesprochen hatte), war nach Will's Nürnberger Gelehrten-Lexikon, 
Thl. 1 (1775), pag. 104—105, der Sohn des Michael Besler von Nürnberg, 
eines unmittelbaren Schülers von Luther zu Wittenberg, Pfarrers zu Wörth 
bei Nürnberg, welcher 1577, 65 Jahre alt, starb. Hieronymus, sein Sohn, 
nachmals berühmter Arzt in Nürnberg, wurde geb. den 29. Sept. 1566. Im 
Herbst 1 591 fanden wir ihn laut Bruno's Angaben zu Padua, 1 592 doctorirte 
er an seinem Geburtstage in Basel mit der Inauguraldissertation „De hydrope". 
Im Jahre 1 593 wurde er in das ein Jahr vorher gegründete CoUegium 
medicum seiner Vaterstadt aufgenommen und zum lebenslänglichen besoldeten 
Visitator der Apotheken erwählt, welches Amt er 36 Jahre verwaltete, während 
welcher Zeit er siebenmal das Decanat seines Collegiums bekleidete. Er starb 
den 22. Nov. 1632. Er schrieb eine Epistola mediea, welche der Cista medtea des 
Joh. Hornung beigedruckt ist. Bekannter ist er durch seine Vorrede zu seines 
berühmteren Bruders Basilius botanischem Prachtwerk JSortus Eystettensis. 
Basilius, ein blosser Apotheker, aber reich an chemischen und botanischen 
Kenntnissen, beschrieb nämlich die Pflanzen, welche der Bischof von Eich- 
städt, Joh. Cornelius von Gemmingen, in seinem Garten zu St. Wilibald, 
ziehen liess. Da Basilius das Lateinische nicht genügend beherrschte, so 
Hess er seinen Bruder Hieronymus die Vorrede zu seinem Werke schreiben. 
Dasselbe, reich mit Abbildungen von Pflanzen geziert, ist betitelt: Hortus 
Eystettensis , seu diligens et aceurota omnium plantarum, ßorum, stirpium ex 
variis orbis terrae partibus singulari studio collectarum, quae eeleberrimis virida- 
riis arcem episcopaletn ibidem eingentibus hoc tempere eonspieiuntur, delineatio et 
ad uiuum repraesentatio. Norimbergae, Impensis Auetoris, 1613 in max. fol. IV 
Voll Neuaufgelegt 1640. Den Namen der Gebrüder Besler verherrlicht 
die nach diesen benannte südamerikanische Pflanzengattung Besleria aus 
der natürlichen Familie der Personaten oder der 14. Klasse Linnens. 

12) Zu pag 129 Anm. 3. Kowallek's sonst so fleissige Biographie der 
unzähligen Lateinschriften Schopp's wäre noch beträchtlich zu vermehren 
aus Hyde's Catal. libror. impressor. BibUoth . Bodleyanae s. v. Scioppius 
wo zu den 15 von Kowallek verzeichneten Pseudonymen Schopps noch die 
6 folgenden erwähnt werden: Just. Mejer, Berenicus, Heinsius, Hebius, Joh. 



Nachträge und Berichtigungen. 325 

Crusius, JTrid. Balduinus. Von Conr. Rittershusius weiss Hyde, a. a. 0. 
sub lit. R, pag. 109, 12 Werke aufzuführen. 

13) Zu pag. 178. Bruno hat nicht nur Darwin' s Entwickelungslehre, 
sondern auch schon Moritz Wagner' s Migrationstheorie vorgeahnt. Vgl. 
De Tmmenso, pag. 622 : Forro sicut omnia terra producü omnia animaUuity gener a t 
ut in intulis patet inaccessis , neque enim fuit unue primus lupus et leo et bos 
a quo sunt omnes leones, lupi et boves geniti et ad insulas omnes transmissi, sed 
quaque ex parte teUus a principio dedit omnia: Factum porro est ut quaedam 
aliis in loeie manserint, quaedam vero assumpta eint, ut in Anglia lupi et vulpes 
et ursi propter loci culturatn, in quibusdam aliü insulis homines propter vim 
potentiorum bestiarum , vel defectum nutriminis. Ueber Bruno's Hinneigung zur 
Ansicht von der Urzeugung „absque 'ministerio coitus" vgl. auch 
Barach, Philos. Monatsh., Bd. XIII (1877), pag. 194. 

14) Nachdem der Druck meines Werkes schon abgeschlossen war, 
empfing ich die ersten drei Hefte des Bd. I der Internationalen 
Monatsschrift (Chemnitz, Schmeitzner, Januar-März 1882), in welchen 
Heinrich von Stein „Bemerkungen über Lehre und Person Giordano Bruno's" 
veröffentlicht hat. Die hohe Bedeutung Bruno's wird in dieser Abhandlung 
vollständig erkannt und mit liebevoller Wärme zum Ausdruck gebracht. Schade 
nur, dass der Titel dieser Aufsätze „Der Wahn eines Helden" als Ueber- 
setzung von Degli Eroici Furori gänzlich verfehlt ist, nicht ohne mehr- 
fach einen auf das Verständniss von Bruno's Lehre erheblich trübenden Ein- 
fluss auszuüben, vgl. z. B. pag. 165, 176. Auch ist an verschiedenen Stellen 

1 davon die Rede, der Ueberläufer Scioppius sei ursprünglich Bruno's Freund 
gewesen und von diesem „einmal bis in den Himmel u erhoben worden 
(s. pag. 38), ferner (pag. 177): „Ein ,Freund k schrieb ihm ein Wort des 
Hohnes zur Grabschrift. u Von einer Freundschaft Bruno's zu diesem 
Menschen kann ja aber keine Rede sein. Scioppius wurde am 27. Mai 1576 
zu Neumarkt in der Oberpfalz geboren. Mit dem 17. Jahre (1593) bezog 
er die Universität Heidelberg, also ein Jahr später, nachdem Bruno schon 
in Venedig eingekerkert, und zu einer Zeit, als er bereits an die römische 
Inquisition ausgeliefert worden war. Nach Rom kam Scioppius zuerst im 
December 1598, also ein Jahr vor Bruno's Verbrennung. Wo bleibt da 
nur die Gelegenheit zum Abschluss eines Freundschaftsbundes? 



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Pierer'sche Hofbuchdrnckerei. Stephan Geibel & Co. in Altenburg. 



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