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BENEDICTINER ZU DEN SCHOTTEN IN WIEN.
MIT FACSIMILES MEHRERER WICHTIGER CODICES
MANUSCRIPTL
AUGSBURG 1880.
Druck & Verlag des Literarischen Instituts von Dr. Max Huttler.
ST. BENEDICT
GEWEIHT
i lOVANNl GERSEN UND SEIN WERK, welche den
Vorwurf dieser Arbeit bilden, fordern in gleicher Weise
zu einer genauen und eingehenden Behandlung auf.
Das Buch von der Nachfolge Christi übt auf die Kultur des
inneren Lebens nun schon fast siebenthalbhundert Jahre einen
mächtigen Einfluss aus, und es lohnt sich daher, es, seine Ge-
schicke und seine Geschichte genau kennen zu lernen. So all-
bekannt aber das Werk und so allgemein anerkannt seine Vor-
trefllichkeit ist, ebenso unbeachtet und ungekannt ist sein Verfasser.
Wäre nun eine neuerliche Aufzeigung und Urgirung des Johann
Gersen als Auktor des goldenen Büchleins, sowie eine ver-
suchte nähere Orientirung über denselben weiter nichts als eine
Genuglhuung für blinde Rechthaberei oder ein esprit d'ordre, so
wäre ich wol der ganzen Frage aus dem Wege gegangen und
hätte es mit dem gelehrten Bernhard Pez gehalten, der hierüber
unterm 22, November 1725 an einen seiner Freunde geschrieben
hat: »Uniuersim ab hac controuersia uehementer abhorreo et
mallem quoduis aliud certamen suscipere.* Doch mir scheint der
Hinweis auf den wahren Verfasser der Nachfolge im Interesse
der historischen Wahrheit geboten, als Akt der Dankbarkeit
gegen den gottgeweihten Auktor, der durch sein Werk so un-
zälig viel Gutes gestiftet hat, vollberechtigt und zum vollen, rich-
tigen Verständnisse des Buches selbst geradezu notwendig. Ich
verhele mir keineswegs, dass ich die Schönheiten der Imitatio
4
J
und üire Vortreffliichkdt ganz und gar nicht erschöpfend darge-
stellt habe, ich besdieide mich ebenso gerne des Ruhmes, etwa
in ganz unwiderleglicher Weise Gersen als Verfasser erwiesen
zu haben« wäre es vielmehr zufrieden, wenn man finden könnte,
dass ich die diesbezügliche Literatur sorgfaltig gesanundt und
zu einer objektiven Darstellung genützt hätte. Fem von Streit-
sucht und allem Gezanke abhold, wäre es mir das beste Bewusst-
sein, wenn ich jenes bescheidene Mass von Vollständigkeit und
jene Treue erreicht und bewahrt hätte« welche notwendig sind,
damit die so vortreffliche Imitatio allseitiger, richtiger und inniger
gekannt, geliebt und betrachtet werde. Wahrlich es schlägt dieses
Büchlein in uns die gott\-er¥randten Saiten an, es wedct alles
göttliche, das in uns ist, es lässt die beglückte Seele tiefe Blicke
thun in die Lichtregion des Himmels, die wahre Hdmat der Seelen !
In dem Streben, die einschlägige Literatur möglidist kennen
zu lernen und einzusehen, wurde ich kräftigst gefordert von dem
Direktor der hiesigen Universitätsbibliothek Dr. Friedrich Leithe,
welcher nicht nur die refchen Schätze in der ihm unterstehenden
Bibliothek mir freundlichst zur Verfügung stellte, sondern auch
durch persönliche Mühewaltung, in Correspondenzen mit aus-
wärtigen, Büchereien etc. dieser Schrift eine unverdiente Aufmerk-
samkeit geschenkt hat ; wx^fur ich hiermit meinen ehrfurchts\'ollsten
Dank spreche. Nichts destoweniger wird bei der fast unüber-
sehKiren Literatur manches entgangen sdn, und werde ich (ur
diesbezügliche l\rinnerungen besonders dankbar sein. Rücksicht-
lieh der Cixkl, manuscr, und des Handschriftlichen über die Imi-
tatio habe idi ein ^lehr, als der Anhang gibt , trotz eifrigster
Suche nicht in Hrf;ihrunir iM-incon können,
Sellv;t von einem etilen Bentxlictiner zu den Studien gebracht
und während dersolbiMi väterlich unterstütit. freue kii midi, auch
diese GalM> dem hl Orvlensv,iter Benedictus zu weihen.
Schottenstift, Schobstikafi^t iSSo.
P. CÖLESTIN.
INHALTS-ÜBERSICHT.
Seite
Vorwort VII
ERSTER THEIL.
Das Leben des Giovanni Gerscn.
1. Jugendgeschichte 3
2. Benediktiner 5
a. Mönch 6
b. Abt 9
ZWEITER THEIL.
Gersen's Schrift de Imitatiope Christi.
Uebergang 19
ERSTER ABSCHNITT.
Charakterisirung der Nachfolge Christi.
A. Titel und Inhalt '. 20
Der Weg der Reinigung (Irait. B. I. und II.) .... 1 22
Der Weg der Erleuchtung (Iniit. B. III.) 27
Der Weg der Vereinigung ^Imit. B. IV.) 33
B. Vortrefllichkeit der Imitatio 37
ZWEITER ABSHNITT.
Die Frage nach dem Verfasser.
A. Der Streit ", 43
I . Die verschiedenen »Verfasser« der Imit. Christi 44
Johannes Scotus Erigena, Bernhard ' 45
Gerso Giovanni 46
Innocens III., Scoto Giovanni, Thomas Gallus 47
David von Augsburg, Bonaventura, Ubertin von Cassalis 48
S«ite
Petrus de Corbario, I^udolf von Sachsen 49
Kaikar 50
Hilton Walther, Humbert, Martinus Carthus., Giovanni Michelc 51
Joannes Paumerii, Rickel Dionysius $2
Johann von Kempen, Gerson Johann (Kanzler) 54
Gerson Johann (Bruder des Kanzlers) 61
Thomas Hamerken . 63
A. Die Beweise für Thomas 64
Handschriften 64
Drucke 69
Zeugen .............. 69
Innere Gründe 75
B. Unsere Beweise gegen Thomas 7^
Argumente hergeleitet aus der Persönlichkeit des Thomas 78
Argumente gezogen aus dem Verhältnisse der ächten Schriften des
Thomas zur Imitatio 83
Unbekannter Verfasser des XIII. Jahrhunderts in Italien 96
Pessimisten und Unentschiedene, Ansicht des Abb^ Mercier 97
Die Spruchsammlungshypothese, französisch oder deutsch als Original ... 99
2. Die Geschichte des Streites 99
Das erste Jahrhundert des Streites 99
Das zweite Jahrhundert ..117
Das dritte Jahrhundert 124
B. Der Beweis des Gersen 146
1. Aeussere Gründe 146
Manuscripte 14^
Drucke 157
Citirungen 16 1
Zeugen 166
2. Innere Gründe 172
Der Verfasser der Imitatio ein Italiener 172
Der Verfasser der Imitatio lebte im XIII. Jahrhundert 185
Der Verfasser der Imitatio war ein Benediktinermönch 198
Anhang 207
I. Codices manuscripti der Imitatio 209
Oeffentliche Bibliotheken 209
Kloster-Bibliotheken 226
II. Handschriftliches Material über die Imitatio 241
III, Tabellarische Uebersicht der Controversisten und ihrer Schriften . . . 254
IV. Facsimiles.
I. THEIL.
DAS LEBEN
DES
GIOVANNI GERSEN
i bei so vielen, die auf die Nachwelt einen dauernden Einfluss
us^eubt und lausende gebildet und belehrt haben, der I-'aU ist,
iiss wir über ihr eigenes Leben und ihren Bildungsgang wenig
oder gar nithts wissen, das gilt auch von dem Verfasser der
Imitatio Chiisli Johann Gersen Das darf uns nicht befremden, über das
tiegentheil muMte man si<.h mehr verwundern. Gersen gehört dem Mittel-
aller an, in welchem die Sorge um Aufzeichnung geschichüicher Daten sehr
gering war er ist cm Kloslermann, und ein Kloslerleben verläuft, selbst wen«
es innerlich das reichste und inhaltsvollste ist, doch nach aussen still und
geräuschlos; ja Gersen ist nicht ein Klostermann gewöhnlicher Art: er besitzt
die Tugenden eines wahren Religiösen, Bescheidenheit, Demut, zurücktretendes
Wesen in besonderem Grade, er hat ja das goldene Wort gesprochen'): >Ama
nesciri«, »Habe lieb, ungekannt zu sein«. Trolzdem besitzen wir Nachrichten
genug itber unseren Asketen, um uns aus denselben sein Lebensbild zusanimen-
£u stellen. *)
Gersen«) Gio
i wurde geboi
1 Canabacum, dem heutigen Dorfe
16(^4; 1
I) Im. Chr. !. I. c, 2. n. 3.
•) er. Valgraviu», Vita GcrsenLs el eloeium libri cum kone. P
lieri, Notixie storriche e bibliogiaphiche di GL Ceisen di Cavaglia. Rom 1S09. p.ig.
387—348. Can. PLetro Canelli, NilLzie biographiche di Giov. Gcrsenio , nbbnle di S.
Siefano in Verceili. Vercclli 1876 und tiemrdinßs sehr vermehrt, 1879; G(risarj L d. Zcit-
schrifi rur knth. Theologie. Innsbruck 1877. tlefi 3. Seile 481— 87.
■) Uct Name Gersen hat verschiedene Ableiliiiigen erfahren. Wcfgl , Denkschrift
S. an, findet Name und Furm deutsch. Gor = ordor, propensio. Gersen (girsen)- heftig ver-
langen ; daher die Worte geni, gierig. Dagcgsn polemisirt Meltn, DcUa conlrovcrsia , pag. 87
und 197. Er behauptet, das W»rt sei ilalieniach nach Analogie von Ognibin, Dabbin,
Serin etc. Gersen ausgebrochen worden, Und Uole eigentlich Gerseni, Ger^enni. Wunderlich
zum mindeslen isl die Ansicht der Tbomisleii Amort (Ded. crit. 150; Moral. ceH. pag. 87)
i
('avoj<lia ) im Vcrccllcn«ischcn*j , am Ende des 12. Jahrhunderts. Heute
n(K:h zeigt man in diesem Dorfe die Einschiebt Dei Campi, welche Eigen-
thum der Familie Gerfcn war und ab Geburtsort unseres Gersen verehrt
wird. Au<:h fmdet man in der Umgegend noch I^ndleute mit dem Namen
ifCtncn, (ihirnjcn oder Garson.*; Und diese guten I^ute haben heute noch
dic! Gewohnheit, in jeder Familie einen der männlichen Descendenten Gio-
vanni /ii nennen, au» gewollter und bewusster Ehrfurcht g^en ihren Lands-
mann, (\t:u Giovanni Gersen, der die Nachfolge Christi geschrieben.
lyeider iiit e% uns versagt, einen Blick zu werfen in die schönen Tage
dirr iinentweihten Jugend unseres Gottesmannes. Eine Lokaltrad ition lässt
ihn dirn cr%len Unterricht in dem Kloster St. Vincenz und Anastasi'us, welches
uifi l'riorat von St. Stefan war, erhalten.*) Wenn ja diese Ueberlieferung eine
utui MultfU (Rt:L\urrc\it%. tfois, ed. p. 252.) Gersen sei nichts anderes als ein Epitheton des
fiftinftt, «U-f uititr den Deutschen verbannt gelebt habe. Bei den Israeliten habe das Land
#Vf V«'ffw«hUMj^ Otfcwrn geheissen, daher sei der verbannte Gerson auch Cessen oder Gersen
/uimtttttmt wtrtdcn, »Cette conjecture tr^- plausible (!) est confirm^, sagt Malou l. c, par
|r* if»M ri jHi'/fi« du manuncrit d'Arone, qui attribui trois fois l'Imitation a Gesen et k Gessen
H ittttr kful«: fiu k Ger»en« ! Der Name Gersen dürfte schliesslich doch ein deutscher sein,
WIM IatI ilrrn reffen wiAKenschaftlichen und politischen Verkehr der Deutschen mit Italien nicht
HuHHiUfi %dfi kann. «Noii loin de Verceil est une ancienne colonie d'emigr^ allemands, qui
f»iif<#rd'hui «Tficore parlent la langue tudesque. II est tr^ possible que Jean Gersen ffit issu
da M'lü? oilonie allemande, comme son nom semble Tindiquer.« Kohrbacher, Histoire uni-
vif^rlle de IVgli*e calholique. Deux. ed. Paris 185 1. tom. 18 pag. 479.
' j Den Ort Canal>aclim erwähnt schon eine Urkunde Otto's l. vom 29. Jänner 963. Canetti
I. L |#flg, 5. DaMi al>er das alte Canabacum oder Cab.illiacum identisch sei mit dem heutigen
< '«Vüfftia erhellt aui mehreren authentischen Dokumenten und ist unter anderen in Luigi Bruzza's :
I^ri/Joni antiche Vcrcelle«i. Rom. 1874 pag. XC seq. 2 unanfechtbar dargethan. Strittig ist
imr dU: Ableitung. Der gelehrte Orientalist Guiseppe Flecchia will als die ursprüngliche Form
''iilHilli<M.ufn « terra dei caballi und beruft sich auf Plinius, nach welchem das Cavaglia benach-
\mtUs IvreiMThe Volk berühmt war durch seine edlen Pferde. (Di 'alcune forme ne' nomi locali
dill' lialia •u|uriore. Torin. 1871. Aus den Berichten der Turiner Akademie ser. II. tom. XXVII
M|w»Ht gedruckt.) Mella dagegen stützt sich auf die Wurzel cav und erklärt cavanac, die ursprüng-
Mi lie Kurm, gleich bedeutend mit »Borgo delle cave.« Diesen Namen • Grubenkastell« habe C. er-
htillrn, weil nach Strabo (1. 5. c. i. n. 12. Didot. 1853) und Plinius (Nat. bist. 1. 3. c. 17)
viele (;old- und Silberbergwerke dort waren. Della contr. p. 89 und 198.
^) «Cavaglia dal IX. al XIV. secolo fu sotto la giurisdizione religiosa e civile dei Vescovi
dl Vercelli.« Pletro Canetti, Notizie . . Vercelli 1879 p. 4.
■) So berichtet schon Gregory (Histoire., tom. II. pog. 14. sq ) und neuerdings der
Cftfioiiku» Pletro Canetti, welcher in Vercelli selbst lebend und schreibend, hierin jedenfalls
UktMiiterrlchtct iHt. Er schreibt 1. c. pag. 10: »Ia famiglia dei Gersen abita non pro-
|iiliiniriite il iMirgo di Cavaglia, ma una sua frazione dei Campi. Vi si visita tuUavia la
MMidekta cn»a in cui si dice esscr nato il venerabile abbate Giovanni Gersen , c in quelle
vlt'Uwin/i« iti trovnno tuttora onesti contadini col nome die Gersen, Ghersen o (Jarson.«
*) Diiscs Filialkloster von »S. Stefan, errichtet zur Erziehung und zum Unterrichte der
Jugend in der Umgebung, lag auf einem sanften Hügel in der Nähe von Cavaglia und ist es
t*Hher mehr als wahrscheinlich, dass der junge Gersen hier den ersten Unterricht der frommen
richtige ist, so geht doch das übereinstimmende Urtheil der Historiker dahin,
dass Gersen bald zur weiteren Ausbildung in das Mnitctkloster St. Stefan
der Ciladelle zu Vercelli versetzt worden ist.')
Vercelli bot damals einem empfänglichen Sinne allseitige Anregung und
Gelegenheit zur Vertiefung in jegliche Wissenschaft. Es bestanden da nicht
weniger als drei gelehrte Schulen, unter denen sich die Klosicrschule von
St. Stefan befand. Kein Wunder, wenn in Vercelli reiches wissenschaftliches
Leben und Streben herrschte, welches durch die Uebertragung der General-
studien von Padua na:^h Vercelli mächtigst gefördert werden musste*). Be-
sonders bot aber Vercelli reichste Nahrung für einen mönchischen, asketischen
Geist wie Gersen war. Schon durch den heiligen liusebius wurde das ge-
meinsame Leben der Geistlichen in Vercelli eingeführt, welches der heilige
Maximus in so begeisterten Worten schillert. •) Ausserdem halte der Ver-
cellcnser Orico dem Humiliateii- Orden eine Constitution geschrieben und
denselben in seiner Vaterstadt eingeführt. Bischof Giacomo dei Vialardi ver-
pflanzte die .\ugiistiner- Eremiten nach der Stadt des hl. Eusebius, sowie eben-
daselbst auch die Franziskaner schon gleich von ihrer Gründung an eine
Nieilerlassimg halten. Auch Dominikaner und Karineliten finden wir zu
Välcr crhslten hnl. L'rkunilen über diises Kloster reichen bis ins Xt. Jnhrhunilert hiiinuf.
Duraiidi, dctl' anliin cuodi/ione de I Veredlest. 1766. pog. 126—18. L'existeticc de et iiüvi-
cial est reeie , sag! Gregory hislaire 11. pag. 15, car on voil encare les Testes de l't'gliäe
golhiijne sar iine colline pit& du village; aiijourd'hui 011 l'apclle In CtimoiBnderic ilc Salnt-
Vincent, et eile e«l posaedSe par les Feirero de la Marmoia , princes de Masserano«.
■J Wir besitzen eine werlhvolle Monographie Übet dieses Kloster von Pietro Canetti.
L'abl>aiia benedictina äi H, Stefano in Vercelli. Vercelli 1875. Als Appendix ist beigegeben
die Reihenfolge der Aebte von S. Stefan nach dem gcschfiwlen Geschichls werke des Bischofs
Uella Chiess: S. R. ecclesiae cardiaalium , aichiepiscoporum et ibbatum Pedemonlanae regionis
cbronologics historia aucture franc. .\ug. ab Kcciesia, Saluslieiisi epiacopo, Taurini, 1645. 4".
Auch Gregory, histoire du Vetcellais handelt lom. I und IV. aiufuhrlicb darüber. Muralori
(Antiquit. Ilttl, med. neui) und Irico (Hislor. Tridineiuis tom. V. p. 20) betichlen, und i*ar
ganz zufällig von der Taxe, welche das Kloster nach Rom Euhlte : ebenso erwähnen diese Abtei
Gabriel Pennolus, Hisl. tripan. L. Ilt. c. 45. pag. 745 und Augusiia Lubin , Abbatiaruro
Italiae breuis notitia. Romas 1693. IV. 415.
•) Diese Uebeilragung geschah izz8. Der Act, mit welchem die Commune von Vercelli
ihren Püdesli Rainatdo Trotlu beauftragt , die Verlegung der Studien 2U veranlassen , macht
der Einsicht und der Bildung der Vercellcnser- Bürger des 13. Jahrhunderts alle Ehre. «Quia, so be-
ginnt das diesbezügliche Schriftstück in den Statuta Communis Vercelbtum, Vercellis 1541,
fol. 61, nil ulilius, nil pulctius quam scientiae literarum et studiorum et aliis artihusel scienlüs
in'istere, per quae homioes nobilitantur el pauperes diviles efüciuntur, civilalesque et loca, ubi
sludia in »rtibus et scientÜs praedictis vigent, prae caeleiis decorantur . . . slatutum ... in
civilate Vercellarum sit et esse debeat semper el in perpeluum sludium generale». Vgl. noch
Prof Luigi lialliano, della Universilä degli studi di Vercelli nel medio evo. Vero^lli 1S6S.
') 'In diuersorio iUo non tarn hominum congregalio quam uirlulnm.' S. Maximns
Serm. V. sup. Euseb. Opp. pag 891 cd. Mignc EVI? 1S47. C(. S. Arabrotii episl. LVI.
% 68. lom. II. pag. loSS ed Maur.
H
Vercelli im 13. Jahrhundert ansässig. So wuchs also gerade im 13. Jahr-
hunderte wie allenthalben so besonders in Vercelli das Mönchthum frisch
und lebendig empor und trieb auch reiche Blüthen und brachte gute Früchte.')
Von entschieden grösserer Bedeutung als die genannten Orden war der des
hl. Benedict, welcher in Vercelli durch das Kloster St Stefan der Citadelle
vertreten war. Nach dem Historiker Markus Aurelius Cusano*) und dem
Annalisten der Benediktiner Mabillon^) fallt die Gründung von St. Stefan in
die allererste Zeit des Benediktiner-Ordens und soll der hl. Maurus auf seiner
Durchreise nach Gallien die Gründung dieses Klosters veranlasst haben durch
ein Wunder, welches er in Vercelli gewirkt.^) Das Kloster blieb in den
mannigfachen Wirrsalen durch alle Abfolge der Zeiten dem Geiste des hl.
Benedikt getreu^), und heben wir nur hervor, dass zu Anfang des 13. Jahr-
hundertes ein Abt desselben Giovanni Scoto erwähnt wird, dem in dem von
Monsignor Franc. Aug. Della Chiesa benützten Instrument das auszeichnende
Epitheton »dottore insigne« beigelegt wird. In diesem Kloster St. Stefan
und in dieser Umgebung voll religiöser Weihe, voll Liebe zur Wissenschaft
musste Gersens empfänglicher Sinn immer tiefer und tiefer sich hineinver-
senken in die rechte Kenntnis und sich dann von den Tiefen der irdischen
Erkenntnis zu den Höhen der rechten Gotteserkenntnis erheben.
Welche Officien der Sohn des hl. Benedikt und Priester Gottes ausgeübt
hat, darüber finde ich die Schriftsteller nicht einig; es sei denn in dem, dass
er das Amt eines Lehrers versehen habe.") Von den verschiedenen Lehr-
fachern, welche dem Gersen zugetheilt worden sind , scheint mir das ganze
Lebensbild und die Imitatio das Amt eines Novizenmeisters und Lehrers
der monastischen Jugend in der mystischen Theologie am meisten zu recht-
fertigen.') Jedenfalls hat Gersen in St. Stefan sehr eingehende biblische
und patristische Studien gemacht. Davon gibt uns Zeugnis sein Werk,
welches ja ganz mit Stellen der heiligen Schrift, der Väter und der Regel des
*) »Questi uomini cosi chiari per virtu religiöse, come si provano lo spirito, la tendenza
di quella et^, cosi ci spiegano lo sviluppo che in particolare vel seculo XIII ebbero le istituzioni
monastiche in Vercelli.« CaneUi 1. c. pag. 49.
*) Discours cap. 85.
■) Annales Bcnedictini tom. III. ad. an. 961.
*) Cf. Antonio Ranza, del miracolo fatlo in Vercelli da San Mauro al 17 marzo dell'
anno 543. Vercelli 1784.
*■) Canetti, L'abbazia benedcUina di S. Stefano in Vercelli pag. 9 ; Mandelli, II Com-
mune di Vercelli. vol. III. (Abbazia di S. Stefano).
*) So lässt Gregory (Weigl. Denkschrift pag. 33) unsem Gersen Moral tradircn;
Mella (Della controv. Gerseniana, Frato. 1875, pag. 108) das Decretalen recht lehren, während
Butzelin (Menolog. Benedict. Veldkirchii 1655, pag. 807) einfach von ihm sagt: »Theologicam
conscendens cathedram.«
^ Man en.vägc nur die eine Stelle 1. I. c. 20. n. 5: «Si in principio conuersionis tuae bene
illam (cellam) incolueris et custodieris, erit tibi postea dilecta amica et gratissimum solatium.«
heiligen Benedikt und aus der Messliturgie durchwoben ist und besonders die
heilige Schrift in einem Grade beherrscht und mit einer Leichtigkeit anwendet,
die uns wunderbar ist.') Auch sonst tnitsseu wir aus dem Buche auf einen
reichbegabten Auetor, auf einen scharfen Beobachter und genauen Kenner des
menschlichen Herzens bis in seine tiefsten Tiefen schliessen. Er ist in den
theologischen und philosophischen Disciplinen wohl zu Hause. Er handelt
von der Gnade*), von der Prädestination, von den Sakramenten der Busse
und der Eucharistie, sowie von der allerheiligsten Dreifaltigkeit.
Wie sich also diese Sache immer verhalten möge, Gersen hat jedenfalls
seinen Posten aufs trefflichste ausgefüllt und sich einen grossen Ruf als Ge-
lehrter und Geistesmann erworben. Das bestätigt uns das Zeugnis des Meno-
loginm Benedictinum und die Liebe, mit der Her Sera])hische unserem Gersen
seine beiden besten Schüler zur Ausbildung im geistigen Leben übergeben hat.
Bucelin schildert Gersen als einen Mann >von ausgezeichneter Wissenschaft und
bedeutendem Rufe, er nennt ihn »eine Leuchte unter den Theologen seiner
Zeit*.') Kein Wunder, wenn der hl. Franziskus bei seinem längeren Aufent-
halte in Vercelli (lais) unsern Gersen kennen und schätzen lernte und ihm
dann seine beiden Lieblingszöglinge Anton von Padua und Adam von Marisco
anvertraute. Der Annalist des Franziskaner-Ordens, Lukas Wadding aus Irland,
erzählt uns die Sache wie folgt*): .Ut soüdius et grauiori fundamenlo gratiam
pracdicandi exerceret (Fr. Antonius), uoluit {St. Franciscus) , ul sub abbate
Vercellensi apud sanctum Andream (Ordinis tunc st. Benedicti, ul eius insti-
tuti iiiri conlendunt, siue Canonicorum regularium St. Augustini, ul ipsi decer-
tant et <juorum modo est habitatio) mysticam audiret Iheotogiam.t In
diesem Zeugnisse ist ein Zweifaches hervorzuheben. Das eine ist, dass Wad-
ding diesen ganzen Vorgang in's Jahr iixs verlegt, das andere, dass Fran-
ziskus den Antonius zu einem »Vercellenser-Abt« in's Studium geschickt habe.
Darauf reducirt sich aber auch das Wahre an diesem Zeugnisse; denn es
miiss als irrig bezeichnet werden, dass dieser Schüler in das Kloster St. An-
dreas geschickt worden ist. Nicht nach St. Andreas, sondern in das Stift
St. Stefan wurde dieser Antonius geschickt, und nicht zu einem Augustiner-,
sondern zu einem Ben ediktin er- Abte. Das letztere deutet wohl der Annalist
selber an, indem er sagt: i Ordinis St. Benedicti, uel ut alti uolunt Sancti Au-
gustini' ; und auch betreffs des ersten Punktes ist unser Gewährsmann ent-
schuldbar wegen Mangels an Quellen. Nunmehr aber durch eine Reihe aus-
') Wer sidl liavoD Ulietieugcn
Ausgabe (Us Codex de Aduocalis illiu
') Heben ja doch die Janseiiis
herbeigezogen und unseren Getsen alli
will , sludire die Nolei
irt hat. Paris 1823,
■n auch die Cnadenichi
i Ernst« lu einem Ji
■ Magni Hominis siimmaeque erudilionis (
tempoiis splendidum 5idus,< 1. c. pag. 807.
*} Aminlei Minomm. nd unn. iizi. tom. 11
religiönis
pug, 48,
t welchen Gregory seine
Imitalio für ihr System
machen wollen.
. . . Iheologorum sui
J
8
gezeichneter Geschichtsforscher die Vercellenser-Geschichle aufs sorgfältigste
(luellenmässii; erforscht worden ist, ist auch sicherlichst festgestellt, dass es 1222
noch keinen »Abt« in St. Andreas, welches eben errichtet worden, gegeben
hat, sondern nur einen Prior, bis endlich 1226 dem Thomas »Gallus« (weil
er früher zu St. Victor in Paris war, so genannt) der Titel »Abt« verliehen
worden ist. *) Daher konnten die beiden Schüler des hl. Franziskus nur
zum Abte von St. Stefan geschickt worden sein. *) Schon a priori müsste
man, was die Geschichte bezeugt, annehmen. »St. Franziskus von Assisi
war ja 1214 oder 1215 persönlich in Vercelli gewesen. Da er später seinen
Schüler Antonius dorthin zu seiner geistlichen Ausbildung schickte, sollte er
nicht in den Mauern des hl. Benedikt den Mann kennen gelernt haben, dessen
Geistestiefe und Frömmigkeit ihm geeignet schienen, die in Antonius hervor-
tretenden Gaben zur Reife zu bringen? Welchen Lehrer mochte Franziskus
einem Mystiker von jener Liebe zu Kreuz, Armuth und Verachtung, wie sie
in der »Nachfolge« weht, vorziehen? Lst doch darin in der schlichte.^ten und
zugleich erhabensten Form sein eigener Geist verkörpert!«*) Bestätigt wird
dieses Factum noch durch einen Brief, welchen in unserer Angelegenheit Francis-
cus an »Johann« in Vercelli*) geschickt hat, sowie uns auch ein schönes
Zeugnis des Gersen über Antonius erhalten ist. '*) Dabei ist keineswegs ausge-
schlossen, dass Antonius auch den Thomas Gallus, der sich als Gelehrter einen
grossen Namen gemacht hat, kannte, zu ihm freundschaftliche Beziehungen hatte
und so gewissermassen als Schüler des Thomas bezeichnet wird ; nur war dieser
nicht derjenige, an den Franziskus seine Schüler sandte. •)
*) Dieser Gallische Thomas hat überhaupt viel Verwirrung angerichtet. Possevin,
Oudin und selbst Gregory halten ihn fUr einen Benediktiner und sein Kloster für ein Bene-
diktincrkloster. Daher auch Bcrnhnrd Pez mit Recht über ihn bemerkt (Thesaur. anecd.
tom. IL pag. i.J: >Vix de uUo auctore in hac nostra coUectione tractauimus, cuius res gestae
adeo perplexae ac obscurae sint quam Thomae Abbatis Verccllarum«. Den Beweis, dass er
Augustiner war und das möglich Sichere über sein Leben bei Canetti, 1. c. p. 81 ff.
*) Vgl. Canetti, Notizie pag. 53 — 80, wo gerade diesem Punkte eine ausführlichste
Beweisführung gewidmet ist.
■) Zeitschrift für kath. Theol. Innsbruck 1877, Seite 486.
*) ^Extat eiusdem seraphici p.itris ad Juhannem super hoc ipso digna lectu cpistola.«
Bucelin 1. c. pag. 807.
*") «Frcquenter amor penetrat, ubi cognitio physica foris stat. Legimus quosdam sanc'.os
episcopos minus imbutos fuisse physicis doctrinis , qui et mysticam theologiam captu mcntLs
haurientes caelos penetrabant omnem physicam cognitionem subitilissime transscendentes usque
ad beatissimam trinitatem. Quod et rgo in s. Antonio de ordine Minorum expertus sum. Qui
cum esset minus imbutus literis saecularibus, animi puritate et mentis ardore succensus, mysticam
theologiam captum mentis excedentem et feruenter desiderauit et abundanter hausit, ut possim
dicere de eo, quod de Joanne Baptista scribitur: Ille erat lucema lucens et ardens; amore
ardebat interius et exemplo lucebat exterius.« Bucelinus 1. c.
*) Wie ja auch die in obiger Anmerkung mitgetheilte Stelle aus der Hierarchia mystica
genommen ist, die viele lieber dem Thomas Gallus als Gersen zuschrtiben.
■ In dem eben Erörterten Iriit uns Gersen bereits als Abt entgegen.
Die äbtiiche Würde unseres Gersen ist sattsam bezeugt. Der beriihmte Ge-
schichtsschreiber Augiislin della Chlesa, Bischof von Saliizzo, hat die Bischöfe
und Aebte Piemont's zum Gegenstände eingehender Studien gemacht und
auch den Katalog der Aebte von St. Stefan geTunden; Napione hat dieses
handschriftliche Verzeichnis der Vorsteher des Benediktinerklosters zum hl,
Stefan noch zu Anfang dieses Jahrhunderts gesehen Durch die Unbilden
der Verhältnisse ist aber dieses Verzeichnis entweder zu Grunde gegangen
oder doch bis nun nicht wieder aufgefunden worden. Um so mehr sind
wir daher dem Della Chiesa für die Aufnahme des entdeckten Katalog's der
Aebte von Vercelli in seine Historia Chronologica episc. et abbat, Pedem.
verpflichtet. Die Zeit des Abithums unseres Gersen gibt unser Gewährsmann
approximativ um 1330 an und ist die gewöhnliche .Ansicht, Geisen habe
etwa 1220 -1245 die äbtliche Würde bekleidet. Dem steht nun allerdings
gegenüber der von imscren Gegnern oft angezogene Historiker Mandelli,
welcher in seinem Verzeichnisse Gersen nicht anführt. Aber dieses Factum
lässt sich leicht erklären und verwandelt sich sogar in ein Argument gegen
unsere G^ner. Mandelli ist der Abikatalog, wie ihn Della Chiesa benützen
konnte, nicht zur Verfügung gestanden, sondern er hat, wo er immer bei
seinen antiquarischen Studien einen Abt von St. Stefan zu Vercelli gefunden
hat, sich denselben notirt und so ein Verzeichnis zusammengestellt. Ist es
da nun gleich sehr bedauerlich, dass er Gersen nicht erwähnt, so miiss man
doch hinwiederum bekennen, dass Gersen nicht der einzige Abt ist, den er
übergangen hat, sondern dass das Register mehrfach niank ist, wie denn
auch für die Regierung unseres Abtes in Mandelli's Calalog der Raum frei-
gelassen ist. So verhält es sich mit diesem Verzeichnisse, auf welches sich
unsere Gegner viel lieber berufen, als auf das des Della Chiesa. Als Abt
schon hat Gersen auch die Imiiatio Christi geschrieben. Einestheils war ja
wahrscheinlich »der demüthige heilige FranEiskuss nimmer am Leben und ander-
seits kann man das aus vielen Stellen des Buches lesen. Man hört ihn den ehr-
würdigen, geläuterten, in vieler Trübsal und durch Leiden nur um so reiner
gewordenen Abt, zu seinen geistlichen Söhnen sprechen, wenn es heisst: ')
»Mein Sohn, wer sich dem Gehorsam zu entziehen strebt, der entzieht sich
der Gnade, und wer l'rivatinieresse sucht, verliert das Gemeinsame.- So
ernst und eindringlich die eben citirten Worte mahnen, eben so liebevoll
und freundlich tröstet der sorgsame Abt seinen zaghaften Schüler:*) »Was
fürchtest Du, das Kreuz zu tragen ... Im Kreuze ist Heil, im Kreuze ist
Leben, im Kreuze ist Schutz vor den Feinden, im Kreuze ist Einflössung
himmlischer Lieblichkeit, im Kreuze Kräftigung des Gemüthes, im Kreuze
') lU.
lO
Freude des Geistes, im Kreuze der Inbegriff der Tugend, im Kreuze die
Vollendung der Heiligkeit. . . . Nimm also dein Kreuz und folge Jesus
nach und du wirst in's ewige. Leben eingehen!« Hat er da einem Schwer-
beladenen das Tragen seines Kreuzes erleichtert, so hören wir unsern Abt
auch alle seine Brüder zu dieser Liebe zum Kreuz ermuntern. Niemand als
der Abt konnte ja die folgenden Worte an die Brüder richten: *) »Wohlan
denn, Brüder, wandeln wir mit einander fort : Jesus wird mit uns sein. Jesus
wegen haben wir dieses Kreuz auf uns genommen, Jesus wegen wollen wir
im Kreuze verharren. Er wird unser Helfer sein , der unser Führer und
Vorgänger ist.€ Und wie schön belehrt der liebe Vorstand seine Ordens-
gemeinde über die Pflichten eines guten Religiösen, *) wie predigt er den-
selben so eindringlich Liebe zu einander, dass einer die Fehler des Andern
ertragen müsse, •) dass man nichts besseres thun könne , als Eintracht und
Frieden halten,*) Gehorsam beobachten^) und Selbstverleugnung üben.«^
Wie steigt so eindringend tief in's Herz hinab die an letzter Stelle erwähnte
Mahnung zum Gehorsam und zur Selbstverleugnung, wie muss der weise
Vater den Jünger ganz gefangen nehmen, wenn er beginnt'): »Mein Sohn,
nun will ich dich lehren den Weg des Friedens und der Wahrheit. . . .
Befleisse dich , vielmehr den Willen eines Andern zu thun als den eigenen.
Erwähle immer eher weniger als mehr zu haben. Suche immer die nie-
drigere Stelle und allen unterthänig zu sein. Wünsche immer und bete,
dass der Wille Gottes vollkommen in dir geschehe. Siehe, ein solcher Mensch
geht ein in die Grenzen des Friedens und der Ruhe!« Wenn auch der
Verfasser der Imitatio zum unsäglichen Vortheile des Buches mit allem
Persönlichen ganz zurückhält **), so glauben wir doch, die angeführten
Stellen auch mit als Beweis für die äbtliche Würde ihres Urhebers an-
führen zu können , sowie uns auch festzustehen scheint, dass das Meiste
von dem, was der Auetor der Nachfolge Christi uns bietet, selbstgelebte
Erfahrung sei. Die übergrossen Freuden der Seele, welche er so wahr
beschreibt, das Glück des stillen und vertrauten Umganges mit Gott,
welches er so anschaulich schildert, er muss es selbst gefühlt haben. Aber
auch die schmerzlichen Klagerufe eines tiefleidenden Herzens, wie wir sie in
unserem Büchlein hören, sollten sie nicht treue Wiedergabe dessen sein, was
der gottgeweihte Auetor selbst schmerzlich hat empfinden müssen ? Gersen
soll mit der äbtlichen auch eine höhere weltliche Würde vereint haben ; einige
lassen ihn nämlich Consul der Stadt Vercelli sein. Das Wahre dieser Be-
hauptung lässt sich etwa auf folgendes zurückführen. »Mit dem Jahre 1169
») m. 56, 6. «) I. 19. «) I. 16. *) II. 3. *) I. 18. «) m. 23. ') 111,23,6.
*) Nur sehr vereinzelt bricht dasselbe durch. So wenn es gelegentlich der Mahnung,
den Menschen nicht leichtlich zu glauben heisst: »Ich bin es gelehrt worden zu meinem
eigenen Schaden, und wollte Gott zu grösserer Behutsamkeit.« B. III. 45, 4.
ist in Vercelli eine von Bürgern gebildete Societas s. Stephan! nachweisbar.
Sie fasste die Interessen der Stadt in's Auge und besnss einen ständigen Ver-
Ireter in der Commiin.il Verwaltung, welcher Cansul der Socielll genannt wird.
Die SpiUe der Vereinigung bildeten immer die Aebte von St. Stefan, thcils
in Folge des klösterlichen Reichthnms, iheils wegen ihres moralischen Ge-
wichtes, Der gewohnte Einfliiss auf die Leitimg der Stadt wird also auch
dem Johann Gersen als Abt zugefallen sein.» ') Stellen in der Nachfolge
scheinen anzudeuten, dass Gersen auch in dieser Richtung thätig war.*)
Das Todesjahr unseres Gersen bestimmen die meisten Historiker auf 1245,'
weil da im Verieichniss des Della Chiesa ein neuer Abt Fietro erscheint.
Auch über den Tag seines Hinganges und seines Gedächtnisses finde ich
die Benediktinermenologien von Butzelin und I.cchncr uneins. Bucelinus ')
handelt vom Able Gersen ausfdbrÜch unterm 27, November, während hin-
gegen Petrus I.echner*) denselben aufführt unterm 3. Juli.
Abt Gersen wurde nie canonisirt, nur in einer Handschrift, dem Codex
Parmcnsis, wird er ausdrücklich «heilig« genannt; die dankbare Nachwelt gab ihm"
den Namen des Ehrwürdigen. Leider müssen wir gestehen, dass wir mit den
letzten Worten viel m viel behaupten. Noch Ende des vorigen Jahrhunderts
ist Gersen vielfach als ein Phantasma mit groben Verläumdungen wie mit
beissendem Spotte und Hohne bekämpft worden, und auch bis nun wird
seine Existenz oftmals angezweifelt, von der Anerkennung seiner Rechte auf
das goldene Büchlein ganz zu schweigen. Der regulirte Chorherr Johann
Fronteau spricht von Gersen immer nur als: nemo, nihil, umbra, lariia, Phan-
tasma, tanti nominis umbra; Gabriel Naudtf legt ihm den Ehrentitel: .\bbas
stramineus bei, und ein anderer Thomist hatte den geistreichen Einfall, auf
der zweiten Seite seiner s Dissertation ^ unsern Abt todt und aufgebahrt dar-
zustellen mit einer hämischen Todesanzeige.*) Heute ist die Form dessen,
was man in unserer Frage schreibt und behauptet, eine polittere, aber die
Sache bleibt sich so ziemlich gleich. i-Die verbreiteten deutschen Encyclo-
') G(rüiar) 1. c. S. 487 Vgl. Csnelli, L'abbazia Bencileltina. Vercelli 1875, pag. 14, (T.
') Vgl. Mella, der diesbeilißlich auf Im. I. 8, t ; 31, 3: lO, I; ij, 3 verweist
uml hinzufügt: -e sopra lutlo la si (ina ntpericnia del iiiondo. [KiIrssDO apcriamenle il savio
«onsole dclla palria repubblica. . Della conlrovcrsta p. 1S4.
') Mcnologium tjenediclinum. Opern Gabr. Buccliiii. Aug. Vind. 1656 pag. 807;
iVetcellis in Isubria VenerabiKs uiri Joannls Gersen de Cnnalmci» uulgo Cnvoglia prope Vcr-
ccIIbs nbbalis s. Slefani magni nominis summat-que erudiliunis et rcligionis lliri . . .•
*) Ausführliches Martyrologium des Bcnedlkllner Ordens. Augsburg 1855 S. 363:
• In Vercelli in Italien des frommen Johannes Gersen de Canabaeo, Ablcs von Sl. Stefan,
eines Mannes von grosser Weisheit, Salbung und Gelehrsamkeit, in dessen Schule <lcr sera-
phische Frani von Assisi seine ausgeieichneten Schiller Anluti von Padtia und Adam um
Mariskci sendete'.
') Causac Kempensiä conieclio. ParisÜs Scb. Ciainuisy. 1651. Eine annnyiiic -Schrifl.
I 2
pädien,^ schreibt Grisar , *) »machen mit ihren Artikeln über unsere
Frage vielfach fast den Eindruck einer allgemeinen Verschwörung gegen
das Dasein Gersens. Kv ist ihnen offenbar nichts als ein Schreibfehler für
Gerson, *) oder, wenn es noch gut geht, eine zweifelhafte Person,') von
der es bis auf den heutigen Tag noch nicht nachgewiesen ist, dass sie existirt
habe.*) Noch im Märzheft der Precis historiques von diesem Jahre (1877) •*•)
erscheint Gersen als ein mythisches Wesen, welches nur in dem Gehirn
einiger Schriftsteller entsprungen sei.« Dass Gersen nie existirt habe, oder
dass zum mindesten seine Existenz historisch nicht erwiesen sei, das ist auch
heute noch bei allen Gegnern der gersenistischen Sache die stets wieder-
kehrende Behauptung, über die sich als Grundlage sehr bequem der Beweis
gegen Gersen aufbauen lässt. Wir glauben aber mit Grund zu behaupten,
dass es heute eine historische Unmöglichkeit ist, an Gersen's Existenz auch
nur im leisesten zu zweifeln. Wir werden im weiteren Verlaufe dieses die
Gründe und Zeugnisse für Gersen's Vaterrechte auf das goldene Büchlein,
ebenso viele für seine PLxistenz, einzeln erörtern und übergehen daher
hier die alten stillen Handschriften, deren stringenter Beweiskraft man sich
auf die Dauer unmöglich wird entwinden können, *") sowie die beredten Zeug-
nisse der Tradition und die übrigen Beweismomente, und erlauben uns nur nam-
haft zu machen jene Historiker, welche spezialgeschichtliche Forschungen über
Vercelli, das eine so grosse Vergangenheit hat, angestellt haben und die in ihren
Monografien alle von dem Abt Johann Gersen berichten: Canonicus Gian.
B. Bicchieri, zubenannt Modena'), Marco Aurelio Cusani, Generalvikar der
Diöcese Vercelli, (geb. 1599)*) Amadeo Bellini, Professor an der Universität zu
Turin**), Aürio Corbellini, Erzieher der Prinzen Karl Emanuel I., Durandi'*'),
*) Zeitschrift für kath. Theologie. Innsbruck 1877. Heft 3. S. 481.
*) Herzogs Realencyclopädie. Art. Thomas von Kempis. (Auch die el>en erschei-
nende zweite Auflage kennt Gersen nicht).
*■) Encyclopädie von Ersch und Gruber. Art. Gersen.
*) Kirchenlexikon von Wetzer und Weite. Art. Thomas von K.
*) Vgl. auch das April- und das Maiheft desselben Jahres und 1878. 537. ff.
•) Cf. t)elfav. DissiTtatio piojoan. Gersen ed. Wolfsgnibcr Vindobonac lS79pag. CVI. :
»Si quaeris, qüod sit auctori (^libri de Im. Chr.) nomen — Johannes inscribitur in codd. Aren.
Biscian. Mantuan. et Slusian. etc. Quod ei cognomen? Gersen appellatur in codd. iisdem
uno excepto Bisciano. Quae patria? Canabaco oriundus perhibetur cod. Bisciano. Quae
dignitas? Abbas comprobatur ex cod. Aron. et subnotatione exemplaris Venetiis excusi.«
') Della antichita e nobilti di Vercelli. In diesem Manuskript gebliebenen Werke
aus d. J. 161 7 berichtet Modena von einem Abt Giovanni zu St. Stefan in Vercelli noch vor
der Entstehung des ganzen Streites.
") Kaccolta dei Diocesani Vercellesi celebriscrittori. Handschriftlich in Vercelli aufbewahrt.
^) Storia dei santi vercellesi. Ebenfalls Manuskript. Die unsere Frage betreffenden
Stellen ausgehoben von Canetti, Notizie biographiche. pag. 16 ff.
* ) Della antica C(mdizione dei Vercellese. Turin 1766.
Cav. Cas|.. de Gregory'), Cav, Carlo Üionisotti»), C:iv. Vitiorio MandelÜ»
Barnaliit Luigi Bruzza,*) Canonic. Pietro Canelti.'') An diese reihen wir jene,
welche die Geschichte des grösseren piemontesischen Vaterlandes unseres Gersen
bearbeitet haben: Agost. della Chiesa, Bischof von Saluzio, Andreas Ros-
sotti aus Mandovi, Tiimmaso Mulatera von Biella, Denina, Cibrario, Pa-
ravia. Unter diesen sind Namen, die in der ganzen historischen Welt guten
Klang haben, alle kennen sie aber die Lokalgeschichte genauest und olle
zeugen für Gersen. Della Chiesa gibt einen Catalog der Aeble von St. Stefan,
in welchem uns um 1130 Giovanni Gersen begegnet mit dem Beisalze: .11
quäle scrisse rernditissimo trattato deila Imitazjone di Cristo.«") Andieas
Rossolli ') , Tommaso Mulatera ") , der hochgefeierte Historiker l.uigi
Cibrario ") nnd der Universitätsprofessor zu Turin , Pier Alessandro Pa-
ravia,") liefern in ihren Geschieh ts werken ausführliche Beweise für Gersen,
seine Existenz, wie nicht minder seine Anrechte auf das goldene Büchlein.
Um aus den alten Zengnissen nur eines zu hören, wollen wir den in unserer
Frage gewiss compelenten Literarhistoriker Piemonts Andreas Rossotti an-
fuhren, der unter den Schriltstellern seines Vaterlandes auch Gersen's Biografie
gibt") »Joannes Gersen, alias et Gessen, Vercellensis ex oppido Canabaco,
uulgo Cavaglia, ordinis sanctissimi patrinrchae Benedict!, uir sunimae pietaiis
et religionis . . .< Unter den netieren fasst Paravia das Resultat seiner
Forschungen über Gersen in die Worte zusammen'*): »Qnello perö che *i
fuori di ogni dubbiezza si ^, che nel XIII seculo un Giovanni Gersen fu
') Slorio della Vercdlese I
unseren (legenslqnd sithe Band I.
') Siehe Appendice sul vero aulore della
graphiche di vercclleEi ilhistri di Carlo DionisoUi
= 301 ff.
li. Turin. 1819-24. 4 Tom. in 4". Uebet
und Kand 4 Seile 474 {Supplcm.}
ImJlaEiolle dl G. C. in den Noliiic bililio-
. tiella iS6z.
") II Commune di Vcrccili nel media Evo: bes. Band 3. (AbbazJa di sanio Stifana.)
*) Dissertazioni storiche ; besondere aber in dem klassischeii Werke: Iscrüioni anliche
Vircellwi. Rom 1874.
') L'abbaiin benedellina di sanio Slefano in Verctlli 1875; Noii/ie biografiche di Clav.
Gemenio VerccUi 1876. z. Aufl. 1879.
') Hiüloiin craiiolog. Cardinal. Archicp. Episc. cl Abbat. Hcdemunl. region. Turin 1645.
pag. 29 r.
') Syllabus scriplorum I'edemonlii , D. .andren Rosolli a Munlercgali Cong tcg.il ioriis
S. Bemardi Ordinis Cislerciensis. Montereeail 166S.
') Memorte Cronulogiche Corogmphiche della ciuä di Biella , raccolle da Giovanni
Tommaiio Mulalera Dotlore in Medieina. Biella 177S.
") Nuovi indiii slorici rclalivamtnk all' aulure del übro dell' Imiiazione di Clirislo,
einhalten in den nperctte vnrie pag. 417, m|. Torinn iSäo.
"■) Dell' autoie del übro De Imilalionc Chrisli : DiscoRo del Cav. l'rof. Tier Allcs-
saiidro rarnvia Icllo all' Ateneo di Trcviso ai 2 di aprile 1846. 5. Auflage 1S74. Auch
aligedruckl in der Ausgabe iDella Imilaziniie di Christo des Alessandro Tum . • FircnKclS^j,
p.iC. l.lll— l.XXV.
•>) !. c, pag. 9- ") I. c. bu To»i pag. LXIM.
_^ _
abate di santo Stefano di Vercelli , monistero de' Benedettini, che giä era in
quella cittA (come notava test^) sin dallo scorcio del nono secolo; e il
cui abate era avuto in grande considerazione , se al tempo della lega lom-
barda era esso uno de' tre consoli che rappresentavano le tre principali
autoritä della repubblica Vercellese, cio sono il Vcscovo, il Clero e il Comune.t
Wir bedauern mit unseren Gegnern recht sehr, dass unsere direkten 2^ug-
nisse für Gersen — mit Ausnahme der Manuscripte der Imitatio Christi —
nicht über den Anfang des 17. Jahrhunderts hinausreichen und dass wir
keine gleichzeitigen Dokumente mehr haben. Aber einerseits finden wir be-
greiflich, *) dass ein so zurückgezogenes , tiefmnerliches Leben wie das des
Gersen einen Biografen nicht gefunden hat, und dass die wichtigen Dokumente
über unseren Abt und das Kloster S. Stefan, besonders seit dieses von
Paul III. 1536 den Regularkanonikern übergeben und 1581 gänzlich zer-
stört worden ist, in Verlust geraten sind ; andererseits ist uns aber unfindlich,
warum die vorgeführten Zeugen verdächtig sein und ihre Zeugnisse nichts
beweisen sollten,*) nachdem doch Della Chiesa und selbst Jakob Durand!,
welche sich durch ihre geschichtlichen Studien einen europäischen Ruf er-
worben haben, nebst anderen Dokumenten auch das Verzeichnis der Aebte
von S. Stefan vor sich hatten, so, wie es uns Della Chiesa, der Bischof von
Saluzzo und Historiograf des Herzogs von Savoyen mittheilt, und worin um
1230 der Abt Giovanni Gersen vorkommt, dem ein gewisser Robaldus voran-
geht und Petrus 1245 nachfolgt. Das sind denn doch gewiss competente
Zeugen und es dürfte wohl kaum zu leugnen sein, dass diese achtunggebietenden
Historiker, welche solche Special forschungen angestellt haben, auf unseren Glau-
ben wollen Anspruch haben, gewiss mehr denn jene, welche die ganze Lokal-
geschichte nicht kennen, Resultate mühsamer Forschungen vorweg ableugnen
und ausgezeichnete Historiker des absichtlichen oder unfreiwilligen Irrens zeihen.
Es existiren auch Abbildungen Gersens, für welche Treue beansprucht wird. •)
Das gründet sich auf den codex Cavensis, den Constantin Cajetan gefunden
*) Vgl. was schon Joannes Launonius hierüber angemerkt hat: »Qiiod Vcrcellenses,
Itali et aliorum nationum historici (coaeui) nullain Joanni Gersen fidem faciant, in causa fuit
christiana illius humilitas, qua maluit esse coram Deo quam ab hominibus uenditari. Qui de
contemptu mundi scripsit, mundum ipsum et quac in mundo sunt, uana omnia contempsit.«
Opp. omn. Colon. Allobr. 1752. tom. IV. part. II. pag. 46.
*) Schon Delfau antwortet auf diesen Einwurf, Dissertalio ed. pag. XCIX: »Nouum
hominem quis prohibeat e ueteribus monumenlis res ante actas eruere , aut quis tandem
nobilissimum Salutiarum ciuem atque episcopum . . . Serenissimi Sabaudiae Ducis historiographum
eo usque desipuisse crediderit, ut tam splendide mentirctur ac fabulam a se compositam pro uera
Pedemontanae regionis chronologica hisloria posleritali una cum suo nomine ridendam traderet.«
») Valsecchi bringt zum Beweise, dass das wirklich das Bild des Auctors der Nach-
folge Christi sei eine Menge von Handschriften »della libreria de' Benedettini di Fircnze c
deir altra di s. croc. de'Minori conventuali« ed. Im. Chr. p. XVI. sq.; Canccllieri, Notizie
hat und in welchem dem ersten Buchstaben, mit dem der Text der Imitatio
Christi beginnt, dem Q, das Bild eines schwarien Mönches, der ein Kreui
trägt, eingefügt ist. Seit Gaetani hielten Viele dieses Bild für eine wahre
Abbildimg des Verfassers des Buches und sie berufen sich auf die uralte
Sitte, welche aus zahlreichen Beispielen erwiesen werden kann, den Hand-
schriften das Bild ihres Verfassers en miniatiire beizufügen, besonders, wenn
der Auetor durch Heiligkeit und Tugend recht verehrungswUrdig war.*)
Dieses Bild wurde auch mehreren .\usgaben der Imitatio Christi beigegeben ')
und jüngst m jenem Denkstein benutzt , welchen ilas dankbare Cavaglia
seinem berühmtesten Sohne Giovanni Gersen gesetzt hat und der unter
grossen Feierlichkeiten am i8, Oktober 1874 enthüllt worden ist. Monsignor
I.uigi Moreno, Bischof von Jvrea, hatte sich schon über zwanzig Jahre mit
dem Gedanken gelragen, dem Gersen ein Monument zu setzen und als er
in dem Jvreer-Joumale iFamiglia e Scuola* eine Subscription zu diesem
Zwecke eröffnete, ergab die Sammlung schon in drei Jahren die nöthige
Summe.*) Mit der Ausführung des Werkes wurde der Bildhauer Martinelli
in Jvrea betraut. Der Stein ist aufgestellt in der majestätischen Pfarrkirche
zu Cavaglia, in der ersten Kapelle rechts vom Haupteingange in die Kirche.
Die Kapelle hat keinen Altac und ist so einzig für dieses Denkmal an Gersen.
Der Denkstein misst 3 Meter in der Höhe und ist 1,13 Meter breit, In
Mitte desselben hebt sich ein Medaillon aus reinstem Carrarischem Marmor
ah, aus welchem im Halbrelief das Bild des ehrwürdigen Mönches, der das
Kreuz umfängt, ausgemeiselt ist mit folgender Unterschrift:
JOANNI GERSEN
CABALLIACENSES
POPULARI SUO IMMORTALI
HONORIS CAUSA P. P.
AN. MDCCCl-XXIIII.
Unter dieser Widmung, welche Thomas Vallauri, Universitätsprofessor
zu Turin, gefertigt hat, ist ein Buch ausgemeisselt mit der Inschrift: Della
Imitazione. Am obern Rande zeigt der Stein das Wappen von Cavaglia,
unten aber drei bischöfliche. In Mitte das des Bischofs von VerceUi, die
I
I. 309 sq. Tilgt eine grosse Zahl anderer Codices bei. Vgl. auch Mnbillon, De re cliploin.
. V. 361; Moiitfaucon, Palaeogiaph. I. 3. c. ulu
*) Vgl. Dell' uso di dipingere in minbmre i rilrDtli degli nulori nclle letlcrc ini-
iili dei codici dell' cfftgie, che ii Irara nelln prinia Icltcra del CodlGc Cavense. bei ConeUi,
^oliiie Biographique, paR. 10t — lo8.
') So denen de» C'aielan, VaJgrav, Cregoty, Weigl, Mella. Das Bild sieht man auch
Luf den Facsimile-s des cod. Cav. Mabillons Tic re diplom. Üb. XV. Nr. 9 ; Euseh. Amort tnb.
II. Gregory, De imitatione. Paris 183J. pag. XXXVI: CnneUi, Notiiic, Vercelti 1879 lab. V.
■* LiT.ii7a'jo.
i
i6
der Bischüfe von Jvrea und von Biella seitwärts, weil seit Gersen's Zeiten
Cavaglia nach einander unter diese drei Bischorsitze gehorte, l^ie Enthillhing
dieses Denksteins gest'.hah am bezeichneten i8. Oktober mit grosser Feier-
lichkeit in Gegenwart von 6 Bischöfen, ') sehr vieler Geistlicher und etwa
10,000 Personen, die von Turin, Vercelli, Casale, Jvrea und Biella gekommen
waren. Mons. I-uigi Moreno von Jvrea pontificirte das Hochamt, verfügte
sich dann in feierlicher Prozession in die Ka|)elle und enthüllte die Gedenk-
tafel. Sodann hielt Monsign. Jacobo Bernardi, Generalvikar der Diöcese
von Pinerlo eine der Feier des Tages entsprechende Rede*), darauf Te Deum
und feierlicher Segen'). In neuester Zeit leitet Cardinal Lucido Maria
Parocchi, Erzbischof von Bologna, ein Comiti^, welches sich zur Aufgabe
gestellt hat, dem Giovanni Gersen in Vercelli wo das Kloster St. Stefan war,
und mithin die Wirksamkeit Gersen's ihren Hauptschauplatz hatte, wo auch
die Nachfolge Christi geschrieben worden ist, ein Denkmal zu setzen.') So
ehrt Italien, wenn auch spät, einen seiner einflussreichsten Söhne.
Dies die wohl dürftigen aber sichern und sicherlich auch genügenden Nach-
richten über ein klösterliches Leben, das still und ruhig dahin floss und auf die
Well unsäglichen Einfluss ausüble, das imgekannt von der Welt und unbekannt
der Menschheit das schönste und verbreitetsie Erbauungsbuch geschaffen,
das eingeschlossen in eine einsame Zelle den Erdkreis mit seinen Ideen er-
füllt und erfreut hat, das ein gesegnetes ist, weil es Allen ist zum Segen.
') Montign. ViHwre. Enbischof von Vercelli; Lcio Bischof von liielia; Moreno von
Jvren; Snlvai van AleüsanilTta ; Mnscarclti von Susa; Gatga von Gerico i. p.
'} •iTiaiigunuidosi nella chiesa. cli Cavaglia una lapide monumeiilale a Giov. Gersen.
Ditcorso recilalo dal J. Bernardi.« Eine frantöslsche Ausg.ibe besoigt« Canonic. Croset.
') Vyl. Uiovanni Gersen ... per Bartolomeo .Scaiola. Ivrea 1874. Dieser Bericht
gibt auch mehrere {■'cstgedlchte.
') V|;]. nclHl mehreren Ctrcularen drs belrefTendcn Comili's die •Disserlazione dell
eniinenlissimo signur cardinale l.iicid 1 Maria Parocchi, arcivescuvo di Bologna, su di un
iovanni Ger^nio in Vercelli' .-.i>gednickl in Canelti, Nuliiie biograph. Ver-
II. THEIL.
GERSEN'S SCHRIFT:
DE IMITATIONE CHRISTI
mmmmm
:n's Leben und Geist wird noch klarer vor unsere Seele treten,
wenn wir das unvergleichliche Werk betrachten, welches er ge-
schaffen, die unnachahmliche Nachahmung Jesu Christi. Spiegelt
sich ja in den Schriften der Geist des Mannes, Wir wollen hier
nur beinebens hervorheben, dass allerdings diese einzige Nachfolge nicht das
einzige Werk unseres Auetors sein dürfte und dass ihm auch wirklich von
Verschiedenen verschiedene Schriften als Auetor zuerkannt werden. So schreibt
zum Beispiele der gelehrte Bernhard Pez unserem Abte eine Schrift zu, weiche
er auffand und edirte unter dem Titel: »Traclatus Domini Joannis Abbatis
de Professione monachoriim.^) Sehr auffallend ist jedenfalls, dass dieser
Traktat in der Bibliothek des Stiftes Melk gefunden worden ist, wo ja auch
so viele und so alte Codices der Nachfolge Christi vorfindlich sind, die bei
der Reformirung dieses Klosters 1418 von den Sublacenser-Mönchen nach
Melk gebracht worden sind, wovon unten die Rede sein wird. Der gelehrte
Benediktiner Valgrav weiss von einem Commentar zum Dionysius Areopagita,
welcher von dem des Thomas Gallus verschieden sein und unseren Gersen
zum Verfasser haben soll, sowie von hundert Reden, die Gersen verfasst
habe*). Diese beiden Schriftstucke sind jelzt in der Manuskriptenbibliothek
zu Paris vorfindlich. Der Verceller Historiker Amadeo Bellini spricht "von
einer Abhandlung »De contractibus*, welche auch Gersen verfasst habe, ohne
dass Näheres hierüber angegeben werden könnte. Endlich findet sich in der
') ThesaimK anecdol. tiouiss. August. Vindcl. et Graccii 1721. lom, I, part. 11.
co!. 567—650, Da! Welk zerfallt in drei Theile und handell im ersten Über die .forma
protcssionis- , im zweiten Über die •Icmcritas pruälentiumi und im dritten VOD der inegligeDlii
profpssorum'. Peien's Unheil datllber in der Disserlal. i^ngog. pag, LiXX sq. n. li.
*) Siehe AnimaduersioDes apolugel. pag. 19. die ol 3 Anhang der Ausgabe der Imitatia,
welche Vnlgniv verenitallet bat, beigegeben sind.
i
20
königlichen Bibliothek zu Turin ein Codex mit der Ueberschrift : »Incipit
über Vercellensis super Cantica canticorumc Nun hat man auch diesen
Traktat dem Thomas Gallus vindiciren wollen, aber Mella meint mit Un-
recht; denn es heisst »Vercellensis«, was der aus Paris übersetzte Thomas
>der Gallier« nicht war, und dann werde der Verfasser sogar prononcirt und
katexochen als der Vercellenser hingestellt, was nicht auf Thomas Gallus, wol
aber ganz auf Gersen passe ^). Wir hoffen ein andermal über diese Schriften
Gersens ein Mehreres zu berichten und wenden uns jetzt gemäss der Inten-
tion dieser Schrift zu dem Werke, welches seinem Auetor unsterblichen Ruhm,
unzähligen seiner Leser Trost gebracht hat, das auch Tausenden ein holder
Friedensengel geworden ist, zu den vier Büchern de Imitatione Christi.
ERSTER ABSCHNITT.
CHARAKTERISIRUNG DER NACH-
FOLGE CHRISTI.
A. TITEL UND INHALT.
le »Nachfolge Christi c hat den Namen von den Eingangsworten
des ganzen Werkes erhalten und besteht aus vier Büchern, deren
jedes wieder in mehrere Kapitel abgetheilt wird. Wie die ersten
Worte des ersten Kapitels zur Nachfolge Christi auffordern, so handelt
auch das letzte Kapitel des letzten Buches davon, dass der Mensch ein
»demütiger Nachfolger Jesu Christi c sein solle. Die Nachfolge Christi
bildet auch den Kern, um den sich das Ganze krystallisirt, die Zelle, welche
sich ausbaut. Daher ist diese Bezeichnung »Das Buch von der Nachfolge
Christi € eine durchaus sachgemässe und entsprechende und die Behauptung,
der Titel der sogenannten editio princeps per Gintheum Zainer: »Incipii
libellus consolatorius ad instructionem deuotorum^)«, oder vollends wie
*) Mella, Della coniroversia p. 123.
*) Die Aufschrift dieser Druckausgabe wird uns auch betreffs der Frage nach dem
Verfasser noch interessiren, und desshalb setzen wir sie unverktirzt hierher: Incipit libellus
consolatorius ad instructionem deuotorum, cuius primum capitulum est de imitatione Christi et
contemptu omnium uanitatum mundi. Et quidam totum libellum sie appellant scilicet libellum
de imitatione Christi , sicut euangelium Matthei appellatur Über generationis Jesu Christi ; eo
quia in primo capitulo sit mentio de generatione Christi secundum camem«.
Aniort KU berichteu weiss'): iLibellits sententiarum< sei der cigontlldie Name
des ganzen Werkes und ilmitatio Christi« bloss der des ersten Buches nicht
nur handschriftÜch ungenügend be/eugt, sondern auch aus innerlichen Gründen
unwahrscheinlich.') Den Gedanken der Nachfolge Christi führt nun unser
Auetor durch an der Hand des bekannten Wortes unseres Herrn: »Ich bin
der Weg, die Wahrheit und das Leben.')« ilch, so lässt er den Herrn
selbst zum Sohne sagen, bin der Weg . dem du folgen , die Wahrheit,
der du glauben, das Leben, das du hoffen sollst.*)* In dem hat der Ver-
fasser selbst einen Fingerzeig gegeben, wie er in drei Stufen den Schüler zur
vollkommenen Jüngerschaft Jesu emporheben wolle. Der Schüler muss zu-
erst abkehren von dem Wege der Sünde und des Lasters, muss dann sein
Herz der Wahrheit von oben, welche wie ein Licht in die Seele fällt, auf-
thun, und endlich nur in Gott das wahre Leben hoffen und in seliger Vor-
ausnahme jetzt schon geniessen. Wir finden also den bekannten dreifachen
Weg der Reinigung, Erleuchtung und Vereinigung durchgeführt,*) wenn auch
nur in grossen Zügen, und oft ganz verdeckt durch reiches Wachsthum und
die zahlreichen ungeregelten Gestrüppe der Gefühle und des frommen Sinnes.
Eben weil das Herz bei unserem Werke so viel Antheil hat, vermisst man
die streng systemisirende Anordnung und Eingliederung, wie sie der kalte
Verstand fordern möchte. Aber behaupten wollen, es sei überhaupt kein
leitender Gedanke, der sich als roter Faden durch das ganze Werk hindurch-
zieht, sondern die einzelnen Bücher seien ein Ganzes für sich, ganz unab-
hängig von den anderen, was wol auch auf die Kapitel der Bücher auszudehnen
sei, beruht auf gänzlicher Verkennung des Thalsächlichen. Man wird, wenn
man nur nicht pedantisch den Massstab moderner Kritik anlegt, die Einheit
') Infotm. p. 49.
>} In den Hnndschrifteo erscheint die Nachrol^ Christi unter den verschledciuten
Titela; De reformatione hominis, (codd. Melicem.); miuica ecclesiulica (BrUsjcl, köaigl,
Bibliothek 15, 13S).
') Joh, 14. 6. *) B. 3. K. 56, 1.
') l'aEfe^" "kläil sich unler andeien Bührineet, Uic Kirche Chrisli und ihie Zeugen.
Slultgnrt 1S7B. 19. Bnnd. Seite 702 1 »Es möchte scheinen, als ob die drei bekannten Stande
der Mystik in den drei BUchern durchgeführt wurden ; im zweiten z. D. ist vom imierlichen
Menschen viel die Rede, tKsonders lu Anfang ; aber es vertnischl sich alles wieder , es ist
keine foruchieitende Cedon ken folge , es ist eine Perlenschnur . . .• F. L. Z. Werner ist
der Ansicht, die drei Wege seien -iin goldenen Buche von der Nachfolge Chrisli und iwai
in mehreren vortreMichcn Kapiteln desselben enthalten«, die er auch aushebt und nach diesen
diei Wegen lusammenslcllt. Vgl. Z, W. Vorwort lur Silbert'schen Uebersetiung. Wien 1813.
Zueile Auflogc S. XXU— XXXI. Auch Dr. Nickel's Summa der Mystischen Theologie
Mainz 1S51 gibt die vier BUcher von der Nachfolge Christi mit Beibehaltung aller Worte des
Verfa«sers derselben systcm.ilisch gcordntl nach den drei Wegen. Der Jesuit Heser und der
rcgutiite Chuthen Amort von HulÜHgcn haben schon früher einen ähnlichen Versuch gemacht.
1
22
und Planmässigkeit in unserem Buche nicht hinwegleugnen können *) In
den grossen Rahmen der drei bezeichneten Wege fügt unser Auetor den
reichen Inhalt, wie's eben aus der Fülle des Herzens kommt. Und zwar
wird der Weg der Reinigung im ersten und zweiten Buche, der Weg der
Erleuchtung im dritten und die uia unitiua im vierten Buche auseinander"
gesetzt. Die uita purgatiua ist der Anfang und das P'undament, über welchem
sich das Gebäude der christlichen Vollkommenheit auferbaut. Der Schüler
ist noch so unerfahren in geistlichen Dingen, dass er nur den stillen und
aufmerksamen Hörer abgeben kann und es nicht ein einziges Mal wagt, den
Meister zu fragen und sich mit ihm auseinanderzusetzen, noch ist auch die
Seele auf dieser tiefsten Stufe der Vollkommenheit nicht würdig der Beleh"
rung durch Gott selbst , sondern sie geniesst den Unterricht des Meisters.
Bedeutend weiter fortgeschritten finden wir den Schüler im dritten Buche
der Nachfolge, welches den Weg der Erleuchtung auseinandersetzt. Da
spricht schon Gott selbst zur Seele, und was eben das Wunderbare ist, Gott
spricht in einer Gottes würdigen Weise, und der Schüler ist schon so weit,
dass er den Herrn zu fragen wagt und das Gelernte in Thaten umsetzen
will. Da er hierbei grosse Anfechtungen leidet und oft strauchelt, bittet er
immer wieder um Gottes Beistand und Hilfe , um Gnade und Verzeihung ;
und das Wort des Trostes, sowie das Licht der Gnade sind die Flügel, auf
denen sich der ermutigte Jünger immer höher erhebt. Endlich feiert die
freudige Seele in heiliger Liebe Hochzeit mit dem geliebten Bräutigam, deren
Höhepunkt in dem Empfang des allerheiligsten Sakramentes, in der beseeli-
genden Vereinigung mit Christus liegt, zu welcher sich die übrigen Kapitel
als Belehrung über Vorbereitung und Danksagung vei halten.
DER WEG DER REINIGUNG.
(Erstes und zweites Buch der Nachfolge Christi.)
ie uita purgatiua wird im ersten und zweiten Buche der Nachfolge
[I abgehandelt so zwar, dass im ersten Buche der Anfang, im zweiten
der weitere Fortschritt auf dem Reinigungswege aufgezeigt wird. Der Verfasser
^) Der erste hat diese Planmässigkeit und einheitliche Durchführung unseres Werkes
vertheidigt Constantin Caietan in seiner Mcthodus practica libronim quatuor de 'Imitatione
Christi. Romae 1644. Aus neuerer Zeit sei erwähnt das Urtheil des Historikers Rohrbacher
in seiner Histoire universelle de l'eglise catholiquc. ed. c. png. 476 sq : » Apr^s avoir, dans
les deux premiers livres, fait passer le fidöle par la vie purgative, il le conduit, dans le troi-
si^me, k la vie illuminative ; et, apr^s l'avoir iustruit a fond par le desir de la pri^re, par
ToWissance , par la paix parfaite , avec l'aide des lumi^res et des secours de la grdce , il
le fait parvenir k la vie senitive, lui pn^posant le pain cöleste , la nourriturc du vrai catho-
lique, et le dispose, dans le quatri^me livre, a s'unir avec Dieu dans la sainle eucharistie. «
der Nachfulge handelt zueist grundlegend von dem fiegriüe der Nachahm-
ung Christi und setzt dem Neuling des geistlichen Lebens die Notwendigkeit
auseinander, einem geistlichen Meister und Lehret zu folgen, ilamit er nicht
abirre. Diesem Meister hat der Schüler zu gehorchen und dem Rate des-
selben gemäss vorerst sein ganzes Streben auf ISesiegung der Leidenschaften
und bösen Begierden zu richten. Aus diesem Streben ergibt sich der Wunsch
und das wirksame Verlangen, nicht weiter mehr zu sündigen, verbunden mit
einer innigen Reue und Herzenszerknirschung über die bereits begangenen
Sünden. Ist so die Reinigung gnmdgelegt, so wird der weitere Fortschritt
in derselben durch folgende vier Stufen bezeichnet. Hass der gottwidrigen
Welt, geduldiges Ertragen der desshalb feindlich entgegentretenden und ver-
folgenden WeltHchkeit, Ruhe des Herzens in dieser Abgezogenheit vom Irdischen
und endlich sogar Sehnsucht nach dem Kreuze Christi und nach Leiden für
Christus, womit der Höhepunkt auf dem Wege der Reinigung erreicht ist.
Die Nachahmung Christi besteht nicht etwa darin, dass man hohe und
erhabene Worte rede, sondern in einem tugendhaften Leben, (K.. i) ist es ja doch
unzweifelhaft besser, das Gute zu thun als es nur zu wissen; daher auch ein
einfacher und demütiger Bauer, der Gott dient, viel besser ist, als ein stolzer
Philosoph, der den Himmel betrachtet und sich selber vernachlässiget, (z)
Allerdings brauchen wir zum Wirken und Vollbringen des Guten Kenntnis
und Wissenschaft, aber nicht die, welche man durch eigenes tiefsinniges
Forschen, sondern durch demütige Erkenntnis seiner selbst und durch den
Unterricht durch die Weisheit selbst erhält. (3) Aber selbst nun darfst du
nicht jedem erstbesten Gedanken und Antriebe glauben, sondern erst musst
du Rat pflegen mit einem weisen und gewissenhaften Manne. {4) Von grösstem
Nutzen ist auch die rechte Lesung der heiligen Schrift und anderer frommer
Bücher, denn da haben wir die Wahrheit des Herrn, die in Ewigkeit bleibt. (5)
Gefährlich wäre es aber, selbst eines der vorgelegten Mittel zur Vollkommen-
heit ungeordnet zu betreiben. Das würde alsbald den Frieden der Seele
rauben und unruhig machen. (6) Der Novize des geistlichen Lebens vergisst
über diesen Hülfen gar leicht der Gnade Gottes und baut auf Menschen oder
Geschöpfe. Aber das ist auch eine Versuchung, die überwunden werden
muss. Eitel ist, wer seine Hoffnung setzt auf Menschen oder Geschöpfe. (7)
Darf man auf keinen Menschen, sondern nur auf Gott sicher bauen, so soll
man auch mit Niemand allzu grosse Vertraulichkeit pflegen, mehr darnach
streben, mit Gott und seinen Engeln vertraut zu sein, (8) Doch wäre es
schlimm, sich allseits nur auf sich selbst zu stutzen, nie seine Meinung ver-
lassen zu wollen; man soll bedenken, dass es sicherer ist, Rat anzuhören
und anzunehmen als zu geben, dass es etwas sehr grosses sei, unter dem Ge-
horsam zu stehen, sein eigener Herr nicht zu sein, unter einem Prälaten zu
leben. (9) Sehr zu meiden und ein Haupthindernis im Fortschreiten in der Voll-
2 4 _
kommenheit ist die eitle Geschwätzigkeit und das Aufsuchen von Gesellschaften.
Hierin will der Mensch gar häutig seinen Trost finden und verschliesst sich
so mehr und mehr dem himmlischen, (lo) Dass wir uns so in's Aeusserliche
zerstreuen, bewirkt, dass wir innerlich keinen Frieden haben und finden. Lege
hier die Axt an die Wurzel deiner bösen Begierden und ungeordneten
Neigungen. Das ist der Weg zum Frieden und zum Fortschritt, (ii) Gegen
diesen inneren Fortschritt kämpfen an: die Welt, der Teufel, der eigene
Hochmut. Gut ist es, dass wir zuweilen Widersprecher erleiden, wir werden
dadurch demütig; und wir suchen um so eifriger Gott, den inneren Zeugen,
wenn wir aussen gering geachtet werden von den Menschen, und man von
uns nichts Gutes denkt. (12) Auch der Teufel schlummert nimmer, sondern
sucht, wen er verschlinge. Darum soll jeder im Gebete wachen. Anderer-
seits sind die Versuchungen unvermeidlich, aber nützlich und durch Geduld
und Gottvertrauen überwindbar. (13) Endlich verführt uns die Liebe zum
eigenen leidigen Selbst zu vielem Bösen. Oft suchen wir in unseren Hand-
lungen uns selbst, und merken es nicht einmal. Gott will aber, dass wir
uns vielmehr ihm hingeben. (14) Eine sehr wichtige Sache in dem Heils-
plane ist der feste Vorsatz nicht zu sündigen, nur Gutes zu thun. »Um kein
Ding in der Welt und um keines Menschen Liebe soll man etwas Böses
thun.c (15) Sehen wir nun, wie wir und andere Böses thun, so sollen wir's
doch geduldig ertragen, bis Gott es anders ordnet, und bedenken, dass es
vielleicht so besser ist zur Prüfung und Uebung im Dulden, ohne welches
unsere Verdienste nicht hoch anzuschlagen sind. (16) Mittel gute Werke zu
thun und sich im Dulden zu üben, ist das klösterliche Leben, wenn es wahr-
haft, wie es soll, nur Gott sucht, Ordenskleid und Tonsur tragen ja wenig
bei, (17) und die Nachahmung des Beispieles der hl. Väter. Der Vergleich
des Lebens der Väter und der Religiösen fällt sehr zu Ungunsten der letzteren
aus, wenn sie auch vielleicht im Anbeginn ihrer heiligen Stiftung eifrig ge-
wesen sind. (18) Mittel zum wahren Ordensleben sind Uebungen, welche
je nachdem entweder öffentlich oder geheim anzustellen sind. Was nicht
gemeinschaftlich ist, soll man nicht äusserlich zur Schau stellen; im Ver-
borgenen wird das Private sicherer geübt. (19) Ferners dienen als Bewahrungs-
mittel Liebe zur Einsamkeit und zum Stillschweigen und Zerknirschung des
Herzens. Suche für dich zu sein; die grössten Heiligen wichen dem
Umgange mit Menschen aus, wo sie konnten, öf^er habe auch ich die Wahr-
heit dessen erfahren, was einer gesagt hat: »So oft ich unter Menschen ge-
wesen bin, bin ich weniger Mensch zurückgekehrt.« (20) Schliesslich hilft
wahre Herzenszerknirschung sehr vorwärts. Und zu trauern und zu weinen,
findet ein guter Mensch reichlich Stoff. Gegenstände zu gerechtem Schmerz
und zu innerer Zerknirschung sind besonders unsere Sünden und Laster, in
die wir dergestalt eingehüllt liegen, dass wir selten Himmlisches zu betrachten
'S
vermögen. (21) Da die Herzenszerknirschung so wichtig ist, will sie besondere
eingeschärft sein. Das geschieht durch den Hinweis auf das allseitige mensch-
liche Elend, auf den Tod, das letzte Gericht zusammt Hölle und Fegfeuer,
die himmlische Bestimmung des Menschen. Schon im Ji. Kapitel wurde
auf das Elend des menschlichen Lebens hingewiesen und dadurch die Brücke
zum nächsten Hauptstück geschlagen, welches das Thema ausführt; Elend
bist du, wo immer du sein magst und wohin immer du dich wendest, ausser
wenn du dich zu Gott wendest. Wahrlich ein Elend ist's, auf der Erde zu
leben. Und doch gibt es so Verblendete und Unglückliche, die sich ganz
dem Irdischen hingeben. Thue Busse, noch ist es Zeit. Du musst durch
Feuer und Wasser hindurch, ehe du zur Erquickung gelangest. (12) Erwäge
immer den Tod, lebe so, dass der Tod dich nie unvorbtreitet treffe. Glücklich,
wer sich bemüht, so im Leben zu sein, wie er im Tode befunden zu werden
wünscht. (13) Siehe auf das Ende und bedenke, was du dem strengen Richter
antworten werdest, der all' dein Böses weiss. Auch erwartet dich Strafe. Je
mehr du dich jetzt selbst verschonst, desto harter wirst du es hernach blissen
und desto mehr Stoff sparst du zum Verbrennen. Jedes Laster wird seine
eigene Qual haben. (24) Bedenke auch die ewigen Freuden. Geringes wirst
du jetzt arbeilen und grosse Ruhe, ja immerwährende Freude wirst du finden.
Erwäge sorgfältig diese Mahnungen, Suchst du bei keinem Geschöpfe mehr
Trost, so ist das ein Zeichen, dass du an Gott Geschmack findest. Der
Schlusssatz dieses letzten Kapitels ist gleichsam der Grundton dieses ganzen
Buches, das Fundament und die Hauptregel des Lebes der Reinigung: »Wache
über dich selbst, ermuntere dich selbst, ermahne dich selbst und, wie immer
es um andere stehe, vernachlässige dich nicht selbst, So weit- wirst du fort-
schreiten, als du dir selbst Gewalt angethan haben wirst.« (15)
Der weitere Fortschritt in der uita piirgatiua ist das Thema des zweiten
Buches der Nachfolge Christi.
Unser wahrhaft göttliches Buch behandelt die Rückkehr der Seele zu
Gott so unübertroffen psychologisch richtig 1 Wie oft klammert sich die Seele
immer wieder an Irdisches und sucht hierin ihren Halt. Daher kehrt auch
die Lehre, diese elende Welt ganz zu verlassen, die äusserlichen Dinge zu
verachten und den innerlichen sich hinzugeben, immer wieder. Wenn du den
Trost von aussen verschmähst, so wirst du das Himmlische schauen und oft
jubiliren können. (K. 1) Die Welt und die Menschen zu verlassen, sollte
nicht zu schwer sein. Gott kennt Zeit und Weise, dich in Not und Bedrängnis
zu erretten, und darum sollst du ihm dich ganz anheimgeben (z) Frieden
mit anderen, auch widerwärtigen zu halten, ist für den Jünger Jesu sehr
wichtig. Wie erlangt man ihn? Dieser Friede besteht nicht so sehr im
Nichtempfinden der Widerwärtigkeiten, als vielmehr in einem demütigen
Dulden. Den meisten Frieden hat, wer am besten zu leiden weiss. {3) Dieses
26
geduldige Ertragen des Wivienkärtigen und der Leiden crmcrben wir durch
einen lauteren Sinn, durch rechte Selbstbetrachtung und ein gutes Gemissen.
Wer lauteren und einfältigen Sinnes ist, dem ist jedes Geschöpf ein Spiegel
des Lebens und ein Buch heiliger Lehre; bist du innerlich gJt und rein, so
wirst du auch äusserlich in allem gut un<i r^-cht urtheilen. 4) Erwägen sollen
wir diesbezüglich auch, was wir selbst anderen für Beschwerden verursachen.
Wer das Seinige recht und gut erwägen möchte, der hatte keine Ursache,
über andere sich zu beklagen.i 5) Eine Haupt bedingung zum geduldigen Ertragen
der Leiden ist ein gutes Gem-issen. Ein gutes Gewissen kann sehr >"iel er-
tragen und ist sehr freudig unter Widerwärtigkeiten. Leicht wird zufrieden
imd beruhigt sein der, dessen Gewissen rein ist (6'* So unbeständig die Welt,
und so thönch: es ist, sie zu lieben, eben so ueu ist Jesus in seiner Liebe
zu uns. Ihn hel^e, ihn bewahre also zum Freunde, an ihn halte dich lebend
und stellend. Er wird d.ch nicht verlassen , menn auch alle Freunde von
dir weichen, {-;■ In den \-:er folgenden Kapiteln fuhrt der fromme Meister
ebenso vieie Beweggrinde, Jesum zu lieben, vor die Seele seines Schülers.
Wenn wir lesum haben, so haben wir alles. Ohne Jesus sein ist schwere
Höile, mit Jesus sein süsses Paradies. Wer Jesum iindet, ündet ein Gut über
alle Guter. Am ärmsten ist, wer ohne Jesus, am reichsten, wer mit Jesus
lebt- ^S^ In der Liebe zu Jesus muss man ausharren, selbst wenn uns der
gödichc Trost, dieses so grosse Gut, zuweilen entzogen wird. Geniessc den
himmlischen Trost mit Dank gegen Gott; wird er dir aber entzogen, so ver-
zage nich: sogleich, soniem erwarte in Demut und Geduld die himmlische
Heimsuch-iuig. denn Gott ist machrlg genug, dir abermals reichlichere Gnade
zi>i Trost zu schenken, ^o Wir köncen nicht fortwährend götdichen Trost
geciesse-, weil ^lic Zeit der Versuchung noch nicht zu Ende ist und weil
wir iiDCa-akbar sind gegen den L'rheber, indem m-ir nicht alles in den L'rquell
zcr-ckfiesse:: lassen. Dankbar musst du sein lar das Mindeste; selbst wenn
G-r-tt Scalen 'zud Schläge schenkt, muss es dir angenehm sein, weil er
immer n unserem Heile thut, was er über uns kommen lässt. So kann also
der wahre Liebaaber Jesu geraie durch Leiden seine Liebe zum Herrn
zeisen. i o Betrachten wir aber nach dieser Norm die Menscnen, so kann
nns nicht entgehen, dass die Anzal der Liebhal^r des Kreuzes Christi sehr
klein ist. Jes:is hit viele Liebhaber seines himmlischen Reiches, aber wenig
Träger seines Krejzes. vieie folgen üim bis zur Brodbrechung, aber wenige
bis znm Trinken des Kelches seiner Leiden. Viele verehren seine Wunder,
wenige folgen der Schmach des Kreuzes. Die Jesum we^n Jesus lieben,
werden fr-n selbst dann loben und lieben, wenn er ihnen keinen Trost geben
würde. O wieviel vermag die reine Liebe Jcsul Wc» ist aber ein solcher,
der Gctt ohne Lohn dienen mochte 1 ,11' IVr Weg des Kreuzes fuhrt sicher
zum H:aiu:el:eiche , er Ist zuv:leich der einziiie Hinimelsw^c;^:, levier wird
27
darum wol gerne sein Kreuz tragen , zumal es am göttlichen Tröste hierbei
nicht fehlt, und Gott gar nichts angenehmer ist, als dass man sein Kreuz
geduldig trage. Ja, und das ist ein gar schöner Gedanke, ein alles bewälti-
gendes Motiv, wenn irgend etwas anderes besser und für das Heil der Menschen
nützlicher gewesen wäre, als Leiden, so hätte Christus im Worte und durch
die That es uns gezeigt. Er aber sagt uns ausdrücklich: Wenn jemand mir
nachfolgen will, nehme er sein Kreuz auf sich. Haben wir also alles durch-
lesen und alles gethan, so bleibt uns- noch das eine: Kreuztragen und gerne
leiden um Christi willen.
DER WEG DER ERLEUCHTUNG.
(Drittes Buch der Nachfolge Christi.)
jer Schüler ist unter der Leitung des geistlichen Meislers sehr weit
gekommen , so weit , dass er Leiden , körperliche und geistige , aus
Liebe zu Jesu gerne erträgt, ja sie als einzigen Weg zu Gott erkennt und
liebt. Auf dieser Stufe ist die Seele schon fähig, unmittelbar durch Gott
Belehrung zu empfangen; den Unterricht über diese nächst höhere Stufe, in
der der Herr selbst zur Seele spricht und sich als Vorbild derselben gegen-
überstellt, erhalten wir im dritten Buche. Dieses ist wohl die Perle der
ganzen Sammlung. Schon der Gedanke des Titel: »Vom innerlichen Tröste«
d. i.-von der Seligkeit im Innersten, steigt jedem Leser tief in die Seele.
Und wenn wir erst die so wahrhaft göttlichen Lehren Gottes erwägen und
die frommen und so wahren Ergiessungen der beglückten Seele betrachten,
wenn wir beachten, wie im ganzen Buche Flut an Flut sich drängt, da können
wir nicht anders, wir müssen Gott danken für dieses sein Geschenk 1
Gerade so, wie wir das beim ersten Wege zur Vollkommenheit beob-
achtet haben, gibt auch hier der gottgeweihte Auetor zunächst eine Bestimmung
des Wesens der geistlichen Läuterung, der er im ersten Kapitel unseres Buches
vorausschickt, wie man eine Seele, die den Herrn in sich reden hört, glück-
lich preisen müsse. Selig die Seele, die den Herrn in sich reden hört, selig
die Ohren, die den leisen Hauch der göttlichen Eingebung in sich aufnehmen,
selig die Augen, die für das Aeusserliche verschlossen, dem Inneren aber offen
zugewendet sind, selig diejenigen, die mit Freuden Gott abwarten und von allen
Hindernissen der Welt sich losmachen. (K. i) Gottes Unterweisungen ge-
schehen innerlich, ohne Wortgeräusch, eröffnen den wahren Sinn und geben
auch die Macht, die Gebote zu erfüllen, die Kraft, den rechten Weg zu
wandeln. (2) Viele haben aber doch von diesen Unterweisungen keinen
Nutzen, hören selbe wol nicht einmal , weil ihnen die notwendigen Beding-
ungen fehlen: Demut, Herzensreinheit, Gottesliebe, Geringachtung seiner
28
selbst und andere, wie sie in den folgenden Kapiteln erörtert werden. Die
erste Bedingung ist die Demut. Gottes Worte soll man nicht auf eitles Wol-
gefallen beziehen, sondern in der Stille anhören und mit aller Demut und
mit grosser Begierde aufnehmen. (3) Worin besteht diese verlangte Herzens-
demut? Dass man seine Sünden mit grossem Missfallen und in Trauer
überdenke, und sich auf das Gute, das man etwa besitzt, nie und nimmer etwas
einbilde. Immer gefalle dir über alles die ewige Wahrheit und es missfalle
dir über alles deine eigene Schlechtigkeit. (4) Herzensreinheit und vor allem
Liebe zu Gott sind ebenfalls unerlässliche Bedingungen, um Gottes Worte
in der Seele zu vernehmen Heile darum mein Herz, o Herr, von allen
ungeordneten Neigungen, auf dass ich, innerlich geläutert, tüchtig werde zu-
lieben, stark, um zu dulden und standhaft, um auszuharren. Habe ich aber
die Liebe, dann habe ich alles und vor allem Gott; denn die Liebe will
droben sein und von keinen niedrigen Dingen sich zurückhalten lassen. Die
glühende Sehnsucht der Seele nach Gott ist ein lauter Ruf in den Ohren
Gottes, der Erhörung findet. (5) Wie keine Tugend ohne Prüfung ist, so muss
auch die wahre Gottesliebe sich erproben. Diese bewährt sich dadurch, dass
man in Versuchungen nicht unterliege, bei Stürmen nicht wanke. Ein starker
Liebhaber steht fest in Versuchungen und glaubt den listigen Ueberredungen
des Feindes nicht. Wie ich ihm im Wolergehen gefalle, so missfalle ich
ihm auch nicht in der Widerwärtigkeit. (6) Eine noch grössere Gefahr
liegt im glücklichen Geniessen der göttlichen Gnade, weil man sich gar leicht
überheben kann. Es ist nützlicher und sicherer, die Gnade zu verbergen und
immer zu fürchten, sie sei einem Unwürdigen gegeben. Der handelt nicht
besonnen, der siJh beim Genüsse der Gnade der Freudigkeit ganz hingibt,
uneingedenk der früheren Dürftigkeit. Es ist ein guter Rat, dass du, sobald
du den Geist des Eifers empfangen hast, bedenkest, was geschehen wird,
wenn das Licht dich verlässi. (7) Den Jünger haben die Worte des Herrn
mächtig ergriffen , er sieht ein , wenn er sich selbst überlassen bleibt , so ist
er nichts und eitel Schwachheit, wenn aber der Herr ihm verbleibt, so wird
er alsbald stark und mit P'reude erfüllt, das eigene Gewicht zieht ihn zur
Tiefe, Gott ist's, der ihn liebreich emporhebt. (8) Der Herr belehrt den
Jünger, dass man alles auf Gott als auf das letzte Ziel zurückfuhren soll,
und zeigt die guten Früchte dessen, wie die bösen Folgen davon auf, wenn
man sich ausser Gott in irgend einem Gute rühmen und daran erfreuen will.
Ich muss dein höchstes und letztes Ziel sein, wenn du wahrhaft dich sehnst,
selig zu werden. Sobald du dich selber suchest, nimmst du in dir ab und
verdorrest. (9) Der Jünger anerkennt und preist das grosse Glück der Seele,
die ganz allein nur Gott sucht. Reden will ich und nicht schweigen. Un-
aussprechlich ist die Süssigkeit deiner Beschauung, die du denen gewährt
hast, die dich lieben. (10) Im Uebermaasse der Liebe könnte der Jünger
"9
wol gar das rechte Maass Überschreiten und die Tugend , die doch eine
geordnete Liebe ist, darunter leiden. Daher die Lehre, die Begierden des
Herzens soll man prüfen und massigen; ja zuweilen ist es nützlich, selbst
bei gutem Verlangen und heiligen Begierden den Zaum anzulegen , damit
man nicht durch Ungestüm in Gemütszerstreuung gerate und verwirrt werde. {i i)
Der Schüler braucht und erbittet noch einen apeciellen Unterricht, wie der
Kampf gegen die mannigfaltigen Begierden zu finden sei. Die Antwort
lautet: Nicht will ich einen finden, der ohne Versuchungen ist oder der das
Widrige nicht empfindet, sondern auch dann sollst du erachten, Frieden zu
haben, wenn du in mancherlei Versuchungen geübt und in Widerwärtigkeiten
geprüft wirst. Das Bbsc mussl du ohne alle Rücksicht überwinden, Gewohn-
heit wird durch Gewohnheit überwunden, das murrende Fleisch wird durch
Geisteseifer bezähmt, die Schlange durch Gebet verscheucht , durch nütz-
liche Arbeit ferngehalten, (i j) Das beste Mittel zum Siege im Kampfe gegen
die Begierden ist Gehorsam. Lerne deinem Vorgesetzten dich schnell unter-
werfen, wenn dti dein eigenes Fleisch zu unterjochen wünschest, denn schneller
wird der äussere Feind überwunden, wenn der innere Mensch nicht verwüstet
ist. Entbrenne gegen dich selbst, lass keinen Stolz in dir leben, erzeige dich
so unterwürfig und klein, dass alle über dich wandeln können, (13) Wie
wäre denn auch Selbsterhebung möghch, wenn wir Gottes Gerichte betrachten.
Sterne fielen vom Himmel, und ich Staub, was vermesse ich mich.' Ver-
schlungen ist alles eitle Rühmen in der Tiefe deiner Gerichte über mich. (14)
Der Herr setzt den Unterricht über das Verhalten gegen die verschiedenen
Begierden fort So weit musst du es bringen, dass du Gutes und Böses
in gleicher Weise mit Dank von Gott annimmst; sprechen sollst du: Herr,
wenn es dir wolgefällig ist, wenn es dir zur Ehre gereicht, wenn du siehst,
dass es mir nützt, so geschehe dies also. Wenn es mir aber nicht zum
Seelenheile ist, so nimm dieses Verlangen von mir. (15) Der Jünger slimmt
dem Herrn bei, und spricht zu seiner Seele: Dies sei dir Trost und Friede, allen
menschlichen Trost gerne entbehren zu wollen, und wenn es an Gottes Trost
gebricht, so sei sein Wille und seine gerechte Prüfung statt des höchsten
Trostes. (16) Der Herr specificirt im Folgenden die Hingabe an ihn näher:
Alle Sorge mnss man auf dun Herrn werfen, (17) zeitliches Elend nach dem
Beispiele der mensch gewordenen Liebe gleichmütig ertragen, (18) selbst Un-
bilden geduldig leiden, (19) immer seines Elendes und seiner allseitigen
Abhängigkeit von Gott eingedenk sein. (20) Der Jünger fühlt sich zu solcher
Tugendübung zu schwach, ilaher die Bitte: Gib mir, o Jesus, dass ich über
alles Erschaffene in dir tuhe. O dass dich rühre mein Seufzen und so viel-
fache Trostlosigkeit auf Erden; nimmermehr werde i<;h schweigen, noch
nachlassen zu flehen, bis deine Gnade wiederkehrt und du im Innern zu mir
redest. Und der Herr antwortet; Sieh' da bin ich, deine Thränen und die
k
J
30
'^itu/irhx «W.utzt S«rcl»r führten n»ir,h z*j dir. izi Jetzt erhebt liie glück-
liche' H<?t!e ihr Lob utui ihren Dank, der leider nur allzu unwürdig ist. Zu
gerifige bin ich, für alle mir erwiesenen Gutthaten zu danken und betrachte
i' h deine- Majestät, vj vergeht mein Geist vor ihrer Grösse. (22) Wer diese
Hingabe in Gottes heiligsten Willen bewerkstellt hat, der erlangt wahren
Fric^len imd volle Freiheit des Geistes. Vier Dinge sind es nämlich, die
den vielgcsuchtcn Frieden des Geistes bringen: Lieber den Willen eines
anderen thun als seinen eigenen, lieber weniger als mehr haben, die niedrigere
Stelle suchen und endlich wünschen und beten, dass Gottes Wille vollkommen
in un» geschehe. (23; Gegen jedes dieser vier Dinge, die den Frieden
bringen, erheben sich verschiedene Versuchungen. Gegen die Unterwerfung
unter den Willen eines anderen stellt sich grübelnde und vorwitzige Unter-
KU<:hung über den Lebenswandel des anderen ein. Darum die Lehre: Mein
Sohn, sei nicht vorwitzig und hege nicht allerlei Besorgnisse. (24) Achte
vielmehr auf dich selber und beurtheile nie die Handlungen anderer ver-
messen, mische dich auch nicht in solche Dinge, die dir nicht aufgetragen
worden sind. Je mehr du von deinem Selbst absiehst, desto mehr wirst du
zum Frieden kommen. (25) Der Jünger erkennt, dass dies das Werk eines
vollkommenen Mannes sei, ohne die Gnade unmöglich, darum fleht er in
einem schönen Gebete um dieselbe. (26) Gegen die zweite Friedensregel,
dass man immer wünschen solle, das Mindere und nicht das Grössere zu
erhalten, erhebt sich die Eigenliebe. Es frommt aber nicht jede Sache, die
man erlangt oder vermehrt hat, sondern die welche man verachtet und vom
der Wurzel aus aus dem Herzen schneidet. Das gilt nicht nur von Geld-
erwerb und Reichthümern, sondern auch von der Sucht nach Ehre und von
Verlangen nach eitlem Lobe. Der Jünger bittet um diese himmlische Weis-
heit. (27) In seinem Streben, stets den niederen Platz zu suchen, hat unser
Jünger einen harten Kampf zu führen mit den Verläumdern, gegen welche
er sich vertheidigen uud hervortreten zu sollen meint. Aber, ertrage das,
mein Sohn, nicht mit Unmut. Denke selbst von dir noch Aergeres. Es ist
grosse Klugheil zu schweigen in böser Zeit (28) Als viertes Mittel zum
Frieden ist bezeichnet worden, wünschen, dass Gottes Wille geschehe. Da-
gegen scheinen die vielen und schweren Trübsale zu sprechen, welche Gott
schickt. (29) Der Herr antwortet tröstend und beruhigend: Komm zu mir,
wenn dir nicht wol ist. Wenn du recht verstehst und nach der Wahrheit
siehst, so sollst du wegen Widerwärtigkeiten nie so ganz niedergeschlagen und
traurig wcnlen, sondern vielmehr dich erfreuen und Dank sagen. (30) Nebst
ilem Frieden ist noch notwendig die Freiheit des Geistes, damit er unbeirrt
(lOtt diene. l>crJUngei erkennt gar woi, da^s alles, was der Mensch weiss und
wHs er hat, keinen grossen Wert hat, wenn er nicht im Geiste erhoben und
frei von allen Geschöpfen und ganz mit Gott vereinigt ist (31). \.\\^ Freiheit
des Geistes, lehrt der Herr, lässi sich mit einem krirzen aber erechäpfenden
Worte lehren; Verabschiede alles und du wirst alles finden. (32) Mittel, zu
dieser wahren Freiheil zu gelangen, gibt der Meister zwei an. Erstens, dass
man bei allem Thun die Endabsicht auf Gott richte. (33) Diese rechte
Intention bringt grosses Glück in die Seele, die nun versteht das köstliche und
süsse Wort: Mein Gott und Alles! (34) Allerdings stören dieses Glück gar
manche Versuchungen, aber ohne dieselben kann man nicht sein, so lange
man unter Feinden wandelt und die Ruhe ist ja erst im Jenseits. (35) Eine
solche schwerste Versuchung wird namentlich behandeil, die schiefen Urteile,
welche die Menschen (allen. Aber mau darf vielen wenig Glauben beimessen
und man kann es nicht allen recht machen. {36) Bevor zur zweiten Be-
dingung der Freiheit des Geistes übergegangen wird, wird kurz erklärt, dass
man rein und völlig auf sich Verzicht leisten müsse, gleichsam eine nähere
Specificirung des früheren Dimitte omnia, (37) Das besprochene zweite
Requisit zum Frieden ist die gute Beherrschung im Acusserlichen, dass man
alles unter sich habe, Herr und Lenker seiner Handlungen sei, nicht aber
ihr Knecht und Sklave, (38) dass man bei allem Thun auf Gott Rücksicht
nehme, ihm jede Sache anheimstelle, (39) Mag nun die Sache gut oder
schlimm ausgehen, jedenfalls hat der Mensch Versuchungen zu tiberwinden.
Geht's gut, so schleicht sich leicht Stolz und eitle Selbstgefälligkeit ein, (40)
im entgegengesetzten Falle sollst du nicht dich betrüben, wenn du siehst,
wie andere geehrt, du aber wegen des Misserfolges gedemütigt wirst (41) und
sollst überhaupt deinen Frieden nicht auf Menschen selzen. (4a) Hinderlich
in der Resignation in den göttlichen Willen wäre auch das blinde Vertrauen
auf eitle und weltliche Wissenschaft. Daher die Mahnung: Mein Sohn, lass
dich nicht berücken durch schöne und feine Sprüche der Menschen. Ich
lehre ohne Wortgeräusch und ohne Verwirrung der Meinungen. (43) Vieles
musst du daher mit tauben Ohren übergehen, nur trachten sollst du, mit
Gott gut zu stehen. (44) Der Sohn dankt Golt für diese guten Lehren: Wie
gut hast du gewarnt, dass man vor Menschen sich hüten soll, weil die Feinde
des Menschen seine Hausgenossen sind , und dass man ihnen nicht immer
glauben soll. (45) Die Menschen sind nicht nur untreu in ihrer Freundschaft,
oft verfolgen sie uns auch durch ihre Gehässigkeit. Auch dann stehe fest,
mein Sohn und hoffe auf mich I Wenn du schuldig bist, so denke, dass du
dich gerne bessern wollest; bist du dir nichts bewust, so denke, du wollest
dies Gottes wegen gerne ertragen, (46) Nicht werden diese um meinetwillen
ertragenen Unbilden unbelohnt bleiben. Würdig aller dieser und noch
grösserer Kämpfe ist das ewige Leben. Erhebe deine Augen und siehe,
alle die Heiligen, die in dieser Welt einen grossen Kampf gehabt haben,
erfreuen sich jetzt; jetzt werden sie getröstet, jetzt sind sie sicher, jetzt ruhen
sie nnd werden ohne Ende bei mir verbleiben. (47) Die fromme Seele,
J
3^
welche %*on der unaussprechlichen und endlosen Seligkeit im Himmel ver-
nommen, will alsogleich von den Fesseln des Leibes befreit in die selige
Ewigkeit gelangen. O wäre doch, so ruft sie, dieser Tag schon aufgegangen
und hätte all* dies Zeitliche schon ein Ende genommen! Wann werde ich
befreit von der elenden Knechtschaft der Laster? Wann wird dauerhafter
Friede sein, Friede von innen und von aussen r (48) Der Herr belehrt über
diese Aeusserungen den Schüler: Fühlst du, o Sohn, dass dies Verlangen
von oben dir eingegossen wird , so erweitere dein Herz , nimm es auf und
danke der himmlischen Güte; jedoch das Feuer steigt selten ohne Rauch
auf. Von dieser Art ist auch etwa dieses dein Verlangen, nicht ganz rein.
Du musst dich erst würdig vorbereiten und was du wünschen sollst ist das,
dass, sei es durch Leben oder Sterben, Gott immerdar in dir verherrlichet
werde. (4Q) Dem frommen Jünger verursacht diese Belehrung, welche dem
ungestümen Sehnen entgegentritt, innere Trostlosigkeit, doch findet er bald
wieder seinen festen Halt in Gott und erweckt jetzt seine Sehnsucht in der
von Gott angegebenen Weise. Herr Gott, heiliger Vater, gepriesen seist du
jeat und in Ewigkeit, denn wie du willst ist es geschehen und was du thust,
ist gut. Gib mir Herr, das zu ifk-issen, was zu wissen, das zu lieben, was zu
lieben ist und zu loben, was dir gefallt. (50) Gott tröstet die gedemütigte Seele,
es sei natürlich, dass sie zuweilen über die Last des Fleisches seufze, sie
müsse aber diese Verbannung und die Dürre des Gemütes geduldig ertragen,
bis sie endgültig von allen Aengsten des Lebens befreit werde. (51) Die
Gott hingecrebene Seele dankt nun Gott wie früher, hält sich aber jetzt schon
der göttlichen Tröstung nicht mehr für würdig und erhebt sich zu solcher
Höbe, cass sie nicht mehr die Zeit der Auflösung herbeiwünscht, sondern
noch zm Zeit zur Busse und Besserung bittet. Herr, so betet sie, nicht
wenn bin ich deines Trostes, sondern ich verdiene gegeisselt und gestraft zu
wenien. Ich habe gesündigt, verzeihe mir, lass mich eine kleine Weile, dass
ich meinen Schmerz beweine, ehe ich hingehe ins Land, das finster ist und
bedeckt von Todesschatten. ^,5^) t)cr Jünger ist fähig, eine nächste Stufe
der Vollkommenheit zu betreten. Will der Mensch wahrhaft geistlich sein,
so ma« er sowv>hl den Freunden als den Verwandten entsagen und vor
niemand mehr sich hüten, als vor sich selbst. Das kranke Gemüt fasst dies
noch nicht. 155^ wol aber der fromme Junger unseres Buches. Auf der
Hohe sittlicher Vollkommenheit, die er erreicht, ist er auch fähig nach dem
Unterrichte oes Herrn zu scheiden Natur und Gnade. Diese Regungen sind,
so lehrt der Meister, gar enlgegen§eseu"t und bewegen sich so fein, dass sie kaum,
es sei denn voneinem geistlichen und innerlich erleuchteten Menschen nnter-
schievien wenien. Je mehr du die Natur unierviruckst und besiegest, desto reich-
licher wini die Gnade eingegossen werden. ^54 1 IVr Sohn versteht die Lehre des
Vaters und bittet um diese Gnade, denn der Auserwählten eigenthümliche Gabe
33
ist die Gnade, während die Gaben der Natur Guten und Bösen gemeinsam sind.
Komm, steige zu mir herab, erfülle mich mit deinem Tröste, denn deine
Gnade genügt mir, wenn ich das übrige nicht erhalte, was die Natur ver-
langt. Ohne Gnade bin ich ein dürres Holz, ein unnützer Zweig zum weg-
werfen. (55) Doch der Herr will jetzt den Sohn zur höchsten Stufe der
Nachfolge führen. Diese ist das Kreuztragen und die Haltung der Gebote.
Folge mir nach, spricht der Herr, ich bin der Weg, die Wahrheit und das
Leben. Trage das Kreuz mit mir, denn die Diener des Kreuzes allein finden
den Weg der Seligkeit und des wahren Lichtes. Die weitere Mahnung des
Herrn : Mein Sohn, da du dieses weisst und alles gelesert hast, so wirst du
selig sein, wenn du es thust, (56) verursacht in der Seele des Jüngers grosse
Traurigkeit, weil er oft selbst Gottes Gebot übertreten und in Widerwärtig-
keiten zu wenig Geduld bewiesen hat. Daher das Trostwort des Herrn:
Halte wenigstens geduldig aus, wenn du es nicht freudig kannst, sei ruhig,
ein Mensch bist du und kein Gott, Fleisch bist du, kein Engel. Wie
könntest du immer in demselben Stande der Tugend verharren , da dies
nicht einmal die Engel im Himmel und der erste Mensch im Paradiese ver-
mochten. (57) Es ist eine für solche, die des Seelenlebens kundig sind ganz
bekannte Thatsache, dass mitunter die Vollkommneren auch einer tieferen
Einsicht in die heiligen Lehren der Religion sich erfreuen und rühmen dürfen.
Auch war beim Verfasser unseres goldenen Büchlein speciell eine zeitge-
schichtliche Erscheinung, die ihn nöthigte zu belehren, dass manches, was
zur Vollkommenheit zu gehören oder die Vollkommenheit einzelner Heiligen
und Orden zu erhöhen schien, mit der wahren Vollkommenheit nichts ge-
mein habe. Unnütz, lehrt der Herr, ist's, nachzugrübeln über Gottes verborgene
Rathschlüsse, warum dieser so reich begnadigt, jener trostlos sei, welcher Heilige
an Verdiensten höher stehe, wer im Himmel grösser sein werde u. s. w. Gross
ist's, auch nur der Geringste zu sein im Himmel, wo alle gross sind. (58)
Würdig schliesst das Buch, welches den Weg der Erleuchtung zeigt und ebnet,
mit der selbstlosen Hinopferung der Seele an Gott, seine Gnade und Er-
barmung und mit dem schönen Geständnis, lieber wolle sie mit Gott auf
Erden sein, als ohne Gott im Himmel.
DER WEG DER VEREINIGUNG.
(Viertes Buch der Nachfolge Christi.)
|ir betreten an der Hand unseres gottseligen, • mit Gott nunmehr ganz
vereinigten Lehrmeisters den dritten Weg, welcher die fromme Seele
mit ihrem Bräutigam vollkommen vereinigt. Auch auf diesem Wege führt
uns unser Lehrmeister Schritt für Schritt dem Ziele entgegen. Vorausschickend
3
ein liebliches und tiefergreifendes Inuitatorium des Herrn setzt er in den acht
zehn Kapiteln dieses Buches die dreifache Vorbereitung auseinander, welche
der sehnsüchtigen Seele notwendig ist zur Vereinigung mit Christus, wie sie
im allerheiligsten Sakramente der Eucharistie wahrhaft und wirklich geschieht.
Die erste und entferntere Vorbereitung wird eingeleitet durch die Her-
vorrufung des Bewusstseins von der gänzlichen Unwürdigkeit zum Empfange
des heiligsten Sakramentes und mit der Erweckung der tiefsten Ehrfurcht vor
dem eucharistischen Christus. Du befiehlst, o Herr, dass ich zutraulich zu
dir hinzutrete, wenn ich Theil an dir haben will. Aber es erschrecken mich
meine eigenen Vergehungen, und diese so grossen Geheimnisse hinzunehmen
schlägt mein eigenes Gewissen mich zurück. Ehrfurcht erzeigen dir die Engel
und Erzengel, es zagen die Heiligen und Gerechten, und du sprichst: Kommet
zu mir alle ! (K. i) Rein nur Gottes Güte und Liebe kann eine solche Auf-
forderung an uns ergehen lassen, und eben deshalb sollen und dürfen wir ihr
demütig folgen. Du ladest mich ein, spricht die fromme Seele, nicht meiner
Verdienste wegen, sondern damit deine Güte deutlicher mir kund, grössere
Liebe mir eingeflösst und die Demut vollkommener mir empfohlen werde. (2)
Diese Erwägung ruft eine brennende Sehnsucht nach der Vereinigung mit
Christus hervor: Ich sehne mich, dich nun andächtig und ehrfurchtsvoll zu
empfangen, ich verlange, dich in mein Herz einzuführen. Gib dich mir und
es genügt. (3) Diese Sehnsucht wird wol zunächst erregt und zumeist ge-
nährt durch die Erwägung der vielen Gnaden, welche den andächtigen
Kommunikanten gegeben werden. Viel Trost giessest du ihnen ein gegen
mancherlei Trübsal und von der Tiefe ihrer eigenen Niedrigkeit erhebst du
sie zur Hoffnung deines Schutzes. (4) Christus ist wahrhaft gegenwärtig:
Mehr musst du in diesem höchst erhabenen Sakramente Gott dem Allmäch-
tigen glauben, als dem eigenen Sinne oder irgend einem Zeichen. Daraus
folgt auch die Würde der Priester, welchen gegeben ist, was den Engeln
nicht verliehen wurde, aber auch ebenso deren schwere Bürde : Nicht erleichtert
hast du deine Bürde, sondern gebunden bist du mit noch engerem Bande an
die Zucht und gehalten bist du zu grösserer Vollkommenheit der Heiligkeit.
Ein Priester muss mit allen Tugenden geziert sein. (5) Der Jünger getraut sich
nicht zum heiligsten Sakramente hinzuzutreten, fürchtet sich aber auch, die
heilige Vereinigung zu vernachlässigen. Trete ich nicht hinzu^ so fliehe ich
das Leben, dränge ich mich unwürdig ein, so falle ich in deine Ungnade.
Lehre mich also, auf welche Weise ich andächtig und ehrfurchtsvoll dir mein
Herz bereiten soll. (6) Die nächste Vorbereitung, so lehrt der Herr in den
folgenden Kapiteln, besteht in einem Dreifachen. Erstens in der Prüfung des
Gewissens und in dem Vorsatze der Besserung: Erforsche dein Gewissen
sorgfältig und soviel du vermagst, reinige und verkläre es durch wahre
Reue und demütige Beicht, so dass du nichts drückendes auf dir hast oder
wissest, was an dir nage itnil den Trcicn Zutritt verhindere. Fasse dann den
festen Vorsatz dich zu bessern und in der Besserung immer furtnisch reiten. (7)
Zweitens wird als nächste Vorbereitung bezeichnet die totale Hingabc und
Aufopferung seiner selbst, so wie sich Christus selbst mit ausgespannten
Armen und enlblösstem Körper am Kreuze Gott dem Vater für die Sünden
aufgeopfert hat. Was immer du ausser dir selber gibst, so lautet der Ruf
des Geliebten, achte ich fiir nichts, denn ich suche nicht deine Gabe, sondern
dich. (8) Derjiinger thut nach dem Willen des Herrn und opfert in einem
rührenden Gebete sich und alle und alles Gott unbedingt auf Herr, so
betet er, in der Kinfalt meines Herzens opfere ich mich heute dir als einen
ewigen Knecht zum Dienste und zum Opfer unaufhörlichen Lobes. Nimm
mich auf mit dieser heiligen Opfenmg deines kostbaren Leibes, die ich dir
heute in Gegenwart der Engel, die derselben unsichtbar beiwohnen, dar-
bringe. (9) nie dritte Stufe der nächsten Vorbereitung ersteigt, wer eine
feurige Sehnsucht erweckt, das heilige Sakrament zu empfangen und zwar
oft zu empfangen, und der sich hierbei durch keinerlei Hindernisse, welche
der böse Feind bereitet, abschrecken lässt. Oft, sagt der Geliebte, musst
du hineilen zur Quelle der Gnade und göttlichen Erbarmung, zur Quelle
der Gtite und Reinigkeit. Der Feind weiss, dass die grosste Frucht und
Arznei in der hl. Kommunion liegt und darum strebt er auf alle Weise und
bei jeder Gelegenheit dahin, die Gläubigen und Andächtigen, so sehr er es
vermag, davon abzuhalten und zu verhindern. (10) Getreu der Vorschrift
des Herrn erweckt der Jünger in ebenso schönen als innig gefühlten Gebeten
den Vorsatz, das heiligste Sakrament öfter zu empfangen. Zweierlei, so be-
teuert er, ist mir höchst notwendig, so lange ich in dem' Gefängnisse dieses
Körpers zurückgehalten werde: Speise und Licht, Zur Speise hast du mir
Schwachen deinen hl. Leib, meinen Füssen hast du dein Wort zur Leuchte
gegeben. Ohne diese beiden könnte ich nicht leben. Dein Sakrament ist
das Brod iles Lebens. Ebendasselbe bedeuten die zwei Tische, welche nach
unserem frommen Lehrer links und rechts in der Schat/.kammer der heiligen
Kirche aufgestellt sind. Ein schöner Gedanke! (11) In den nächsten und
letzten Kapiteln dieses Unterrichtes über den Weg der Einigung gibt der
fromme Verfasser der Nachfolge Christi wieder in drei Abstufungen die un-
mittelbare Vorbereitung auf den Empfang der heiligsten Eucharistie an. Es
ist eine sehr sorgfältige Vorbereitung und grosser Fleiss notwendig, was ein
Geschenk der Gnade ist. Die Devotion bei und nach der hl. Kommunion
soll bewahrt bleiben als würdige Vorbereitung auf die nächste eucha ristische
Vereinigung mit Christus. Bereite mir einen geräumigen und geschmückten
Speisesaal, schliesse aus die ganze Welt und allen Tumult der Laster. Thu',
was an dir ist, und thu' dies sorgfältig; nicht aus Gewohnheit, nicht aus
Zwang, sondern mit Furcht, mit Ehrerbietung und mit Sehnsucht empfange
_ 36_ _
den Leib des geliebten Herrn. Es winl aber keine geringere Wachsamkeit nach
dem Empfange als eine andächtige* Vorbereitung vor demselben erfordert. Denn
eine gute Wachsamkeit nach der Hand ist wieder die beste Vorbereitung,
eine grössere Gnade zu erlangen. (12) Die Stimme des Jüngers bezeugt das
sehnsüchtigste Verlangen desselben, mit Christus vereint zu werden und gibt
den Vorsatz kund, Alles zu thun, um den Willen des Geliebten zu erfüllen.
Dies bitte ich, dies verlange ich, dass ich ganz dir vereinigt werde und mein
Herz von allen erschaffenen Dingen abziehe. Aber was soll ich dem Herrn
erwiedern für diese Gnade, für eine so überaus grosse Liebe. Es gibt nichts
anderes Angenehmeres, was ich zu schenken vermöchte, als dass ich meinem
Gott mein ganzes Herz dargebe und inniglich vereinige. (13) Der Jünger
hält sich selbst hiefür die leuchtenden Beispiele vieler Frommen vor: Ge-
denke ich einiger Frommen, die mit der grössten Andacht und Sehnsucht
zu deinem Sakramente hinzutreten, so schäme ich mich öfters vor mir selbst
und erröte, dass ich deinem Altare und dem Tische der heiligen Kommunion
so lau und kalt mich nähere , dass ich trocken und ohne Sehnsucht des
Herzens bleibe, dass ich nicht ganz entzündet bin vor dir, auch nicht so
heftig angezogen und gerührt bin, wie viele Frommen waren, die vor überaus
grosser Sehnsucht nach der Kommunion und vor fühlbarer Liebe des Herzens
der Thränen sich nicht enthalten konnten. (14) Der nächst höhere Grad
der unmittelbaren Vorbereitung besteht darin, dass man die Gnade der An-
dacht inständig suche, sehnsüchtig verlange, geduldig und zuversichtlich
erwarte, dankbar empfange, demütig bewahre, sorgfältig mitwirke und Gott
den Zeitpunkt, wann er kommt, anheimstelle; denn oft gibt Gott in einem
kurzen Augenblicke,* was er lange Zeit versagt hat, zuweilen gibt er nuch am
Ende, was er am Anfange des Gebetes zu geben gezögert hat. (15) Der
Jünger sucht die Gnade, wie der Geliebte es geboten, in einem herzlichen
Gebete. O süssester und liebreichster Herr, vor dir stehe ich arm und bloss
und begehre Gnade und flehe um Barmherzigkeit. Erquicke mich, den
hungrigen Bettler, entzünde meine Kälte durch das Feuer deiner Liebe, er-
leuchte meine Blindheit durch die Klarheit deiner Gegenwart. (16) Gemäss
den Intentionen des geliebten Herrn und Meisters spricht der demütige
Schüler den höchsten Grad der unmittelbaren Vereinigung mit Christus selbst
aus: Mit höchster Andacht und inbrünstiger Liebe, mit aller Sehnsucht und
Glut meines Herzens wünsche ich o Herr, dich zu empfangen. O mein
Gott, ich verlange dich zu empfangen mit der heftigsten Sehnsucht und der
würdigsten Ehrfurcht, die je irgend einer der Heiligen gehabt hat und em-
pfinden konnte. O mein Gott, mit solchem Glauben, solcher Hoffnung und
Liebe verlange ich heute dich zu empfangen, wie deine heiligste Mutter, die
glorreiche Jungfrau Maria dich empfing und nach dir verlangte, als sie dem
Engel demütig antwortete: Siehe, die Magd des Herrn; und so wie Johannes
der Täufer fröhlich aufhüpfte in der l-Veude des heiligen Geistes, als er noch
im Mutterleibc ein beschlossen war, so wünsche auch ich von grossen und
heiligen Begierden entflammt zu werden und dir vom ganzen Herzen mich
sdbst hinzugeben. (17) Kine grosse Versuchung hat der in Wahrheit mit
Christus Vereinigte noch zu bestehen. Es ist dieselbe, welche wir schon an
den zu Ende des Weges der Erleuchtung Stehenden herankommen gesehen
haben, nämlich vorwitzige Untersuchung und Nachgrübeln über die Mysterien
des Glaubens, hier des heiligsten Sakraments, Davor warnt der Geliebte im
letzten Kapitel der Nachfolge: Hüten musst du dich vor vorwitziger und
unnützer Nachgrilblung über dieses tiefste Geheimnis, wenn du nicht willst
in der Tiefe des Zweifels untergehen. Gott vermag ja mehr zu wirken, als
der Mensch begreifen kann. Wenn du nicht verstehst, was unter dir ist,
wie wirst du begreifen, was über dir ist? Alle Vernunft und natürliche
Untersuchung muss dem Glauben folgen, nicht ihm vorhergehen, noch
ihn zerstören. (18)
Wir glauben im Vorhergehenden einen Zusammenhang im grossen Ganzen
aufgezeigt zu haben. Freilich liegen die Fäden oft tiefer verborgen und sind
der Auffindung derselben mitunter selbst die Kapitelüberschriften hinderlich,
die nicht immer am besten auf den Inhalt des kommenden .Abschnittes vor-
bereiten. Kann man diesen ihatsächlich bestehenden Zusammenhang und die
im Grossen und Ganzen hervortretende Einheitlichkeit nicht abstreiten, so ist
das nicht ohne Konsetiuenzen Tür jene Hypothesen, welche keinen einheit-
lichen Verfasser zugeben wollen.
li. VORTREFFLICHKEIT DER, IMITATIO.
IS ial keine Uebertreibung, wenn man das Buch von der Nachfolge
risti das goldene Büchlein nennt, wenn man es. als das beste
I bezeichnet, welches je von Menschen ist verfasst worden, und wenn
man ihm den Ehrentitel eines gemeinsamen Handbuches aller Nachfolger
Christi beilegt. Jeder, der dieses Buch gelesen und wieder und oft gelesen
hat, wird das angegebene Lob desselben aus seinem Herzen gesprochen
Finden. Es ist ein goldenes Buch. Golde« ist sein Inhalt. Jeder Satz ist einem
Goldkörnlein zu vergleichen, gleichsam für sich eine Welt. Allerdings ist
dieser goldene Kern oft unter einer unscheinbaren Hülle verborgen, nicht
leicht tritt ja das Edelmetall offen zu Tage; und mancher könnte sich etwa
durch die bittere Schale und das harte Gestein der barbarischen Sprache
und des verschrieenen Mönchslatein abhalten lassen, den edlen Kern und das
verborgene lautere Gold zu suchen. Glücklich, wer sich durch diese äussere
Hullc nicht beirren iässt, er wird nach den Worten des hl. Franz von Sales
•
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an dem Inhalte unseres Buches einen Schatz finden, der seines gleichen nicht
hat. Ja selbst die Darstellung wird er gar bald dem Inhalte nicht unange-
messen finden können. Die liebliche, herzliche und so einfach schmucklose
Sprech- und Ausdrucksweise wird ihn fesseln, die vielen treuherzigen Mönchs-
reime und die schön klingenden Assonanzen werden sein Wolgefallen erregen.
Und schliesslich ist's ja doch gleichgiltig , ob der Schlüssel von Gold oder
Eisen oder Holz ist, wenn er nur das Herz öffnet. Mit ebenso grossem
Rechte hat man unsere Imitatio Christi auch als das beste Buch bezeichnet,
welches je ein Mensch verfasst hat. Wenn man den Wert eines Buches
umso höher anschlagen muss, je mehr Wahrheit es uns bietet und je näher
es uns der ewigen Wahrheit sowie dem letzten Ziele und unserer Bestimmung
bringt, so dürfen und müssen wir die Nachfolge Christi als das beste Buch
beichnen. Denn an der Hand dieses Büchleins gelangen wir, man vergleiche
nur den vorigen Abschnitt, aus den Tiefen der Selbsterkenntnis zu den Höhen
des Gottschauens. Dieser Freund geleitet uns aus dem Dunkel der Gottes-
ferne in das Lichtreich der unmittelbaren Vereinigung mit Gott. Es ist das
beste Buch, weil es für alle Menschen aller Verhältnisse passt. Es gibt
keinen religiösen Gedanken, dem hier nicht Worte, kein religiöses Gefühl,
dem hier nicht Sprache gegeben wäre, keine Verirrung des Geistes und des
Herzens, von welcher eine freundliche Warnung nicht abmahnte. Und was
das Beste an unserem Büchlein ist, man wird es nie in die Hand nehmen,
ohne Gedanken darin zu finden, die dem jeweiligen Seelenzustande ent-
sprechen. Insbesondere aber jene, welche viele innere Seelenkämpfe zu be-
stehen haben, von denen die Welt nichts weiss und von denen gerade die
zartesten und edelsten Gemüter am meisten betroffen werden, weil sie Alles
zart und tief und rein empfinden und auffassen, finden in der Imitatio Christi
eine reichste Quelle des Friedens, des Trostes und der Beruhigung. Wie Thau
träufeln die liebreichen Worte des Herrn in die ausgetrocknete Seele und be-
fördern in derselben reiches Wachsthum im Hoffen und Lieben , wie ein
warmer Sonnenstrahl schmelzen die innige und einfache Gläubigkeit, die
selbstlose Gotthingegebenheit, welche aus jeder Zeile unseres Buches hervor-
leuchten die Eisrinde, die kalt und starr um die Seele des Glaubensarmen
und Liebeleeren sich gelegt hat. Wie Vielen wird dieses Büchlein schon als
Führer zum Himmel gedient haben ! Die Welt kennt sie nicht , aber der
Himmel wird sie offenbaren am Tage der Vergeltung. Und diese wunder-
baren Wirkungen bringt unser Werk ohne alles Geräusch und ohne etwa
der Sinnlichkeit des Menschen Rechnung zu tragen hervor. Wie in dem Er-
löser die strahlende Gottheit unter dem schlichten Gewände der Menschlichkeit
verborgen war, wie der Heiland nicht ein König, sondern ein niedriger Knecht
und Diener aller geworden ist und durch's Kreuz uns befreit hat, so ist auch
in der Imitatio das Herrliche unter einem schlichten Gewände verborgen,
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dtirch Leiden und Kreuz führt sie den Menschen in den Himmel und lehrt
so wahre Nachfolgung Jesu. Das ist auch der Grund, warum das Buch von
der Nachfolge Christi zil einem gemeinsamen Handbuche aller Nachfolger
Christi geworden ist. Dass wir hiermit nicht zu viel behaupten, das beweisen
zaireiche Aussprüche erleuchteter Männer, dafiir geben laut Zeugnis die Aus-
gaben und UeberseUungen , welche von diesem Buche in ungezälter Menge
sind veranstaltet worden. Die Zal der Ausgaben im Originaltexte übersteigt
bei Weitem zweitausend') und zudem existiren Uebersetzungen in unge-
zählter Menge in allen Sprachen der Welt. Die Franzosen allein besitzen
beiläufig tooo Ausgaben der Nachfolge Christi in der Landessprache, mehr
denn 200 kenne ich in deutscher Sprache, darunter beispielsweise die Ein-
siedler Ausgabe mit mehr denn 25, die Franz MüUer'sche mit 10 Auflagen.
Achnlich verhält es sich mit den Uebersetzungen ins Italienische, Spanische,
Englische, Portugiesische. Ebenso wurden dänische, schwedische, holläniljsche,
böhmische, kroatische, slavonische, russische und ungarische Uebersetzungen
gefertigt. Sogar grönländische, isländische, armenische und türkische Editionen
sind bekannt. Auch in der hebräischen, arabischen, armenischen, chinesischen,
alt- und neugriechischen Sprache fehlt die Nachfolge nicht*) und es wurden
auch polyglotte Ausgaben veranstaltet.') Die ersten Kullursprachen be-
sitzen auch versiticirte Ausgaben, worunter namentlich die des berühmten
Pierre Corneille zahlreiche .\uflogen erlebt hat.*) Steinheil, Gaucheret,
Overbeck und besonders Führich-'') haben den Text der Nachfolge illustrirt.
') Ullma
n, Kcfur
nnlore
. Ilamb. 1842. a. Bd.
bibliographique
ur 1e liv
e <)c I
tiit. Clirisli. Li^ge 1864
') Bäcker
Essai, f
. 186-
-aoo.
') WtiE'i Jiul'sbaci 1837 (laleinisth, iwlienisch, spanisch, (raniünisch. ikulsch, englisch,
giiecliisch, Munlafalcon, Lyon 184! (lateiniKh, fmiuöiiscb, griechisch, cngli^b, deutsch,
iulicnisch, spanisch, portugiesisch).
*) Er iccbirerligt seine Arbeil io der Dediciltion an Alexander Vn., welche ihr voi'
RUGgescbickt isU »La Iraduclion qwc j'ni choisie, par la simplicilc de son slyle, fcrnie la
jHjrtc aux plus beaux omements de In poeiie, et bicn loin d'au gm etiler ma repulation, scnible
sacrifict i la gloire du aouverain auteur toul ce que j'en ai pu acquerii en ce geure d'^crirc.«
Die ]>octischen deuWchen Bearbeilungen siehe bei Wolfsgnil>er, nivolginge Wien 1879,
Seile IX.
') Vgl. Christliches Kutistblall von GrUaciscn , Schnaase und Schnorr. SluUgnrt
I. Juli 1871. IJtr Verfasser des hier angciogenen Arikels bespricht und erklärt die Original-
leithnunßcn FUhrichs (Alphons Durr, Leipzig 1871) iti der anerkenucndslen Weise, wenn
das auch nicht von .ilttn gilt. • Eigenlhtliulich katliolisch, dem liibclwurlc, dem Eviuigellum
Tum und fremd, darum aber auch minder nllgemcin verständlich sind nur ein paar Bilder, die
sich auf die Verherrlichtmg der Maria, der Kirche und der Messe beliehen und lu dem, fUr
nns Evangelische ungenicssbarcn vierten Buche der Nachfolge (I) gehören,« I. c. B. loa,
^40
die Elzevire, Richelieu,*) Didot jun., ^) Bodoni,') Napoleon III.*) haben
Prachtausgaben veranstaltet. Das höchst mögliche in dieser Beziehung leisten
Curmer in Paris (Ausgabe von 1858)*) und neuestcns Gruel-Engelmann
daselbst (1879),*) denen sich in würdiger, wenn auch den deutschen Absatz-
verhältnissen entsprechend einfacherer Weise das literarische Institut von
Dr. M. Huttier in Augsburg-München') anschliesst.
Der Ruhm unseres Büchleins ist also in die ganze Welt gedrungen und
seinem Einflüsse entzieht sich niemand. Es stimmen auch alle in dem Ix>be'
unseres Werkes überein. Katholiken und Protestanten aller Farben, Priester
und Laien, Gelehrte und Ungelehrte, aus alter und neuester Zeit, preisen und
schätzen und lieben das Buch von der Nachfolge Christi und selbst Nicht-
Christen erbauen sich daran, wofür ein leuchtendes Beispiel jener König von
Mauretanien und Jünger Mohammeds ist, der die Imitatio Christi in seine Biblio-
thek eingereiht und mit Vergnügen gelesen hat.^) Thomas von Aquin und
Bonaventura, diese hell leuchtenden Sterne an dem kirchlichen Himmel des
13. Jahrhunderts, bezeugten ihre Verehrung der Nachfolge, indem sie dieselbe
in ihren Schriften sichtlich benützten, wie noch ausführlich erörtert werden
wird. Der hl. Ignatius von Loyola las täglich zwei Kapitel dieses unver-
gleichlichen Buches: eines der Reihenfolge entsprechend, das zweite wie es
zufallig auffiel.^) Der hl. Papst Pius V. und der hl. Kardinal Karl Borro-
*) In der königlichen Druckerei zu Paris. 1640. Fol.
*) 1788. 4". Ge>vidmet dem M. de Uriennc, Krzbibchof von Toulouse.
^) '793- ^^1* (jt'widmet dem Louis, duc de Parme. •
*) Paris. 1855. Fol.
^) Die l)ei Curmer 1858 erschienene Ausgabe enthält einen altfranzösischen Text in
prachtvollster Ausstattung. Jede lUattseite des über 400 Seiten starken Grossoclavbandes
enth.ält in chromolithojjraphischer Nachbildung eine eigene Umrahmung , die den herrlichsten
und kostbarsten Coilices der reichen französischen Bibliotheken entlehnt ist. In einem eigenen
Appendixbande ist der genaue Nachweis ül>er die grapliisclie Ausstattung dieser Originalien
gegeben.
**) Wo möglich noch prächtiger wird die neueste Ausgabe von Gniel-Engelmann in
Paris, von welcher ungefähr ein Drittel bis jetzt (Knde 1879) erschienen ist. Als Format ist
das Folio gewählt, was der Entwicklung der Ornamentik viel günstiger sich erweist, und bei
dieser neuen Ausgabe ist auch die Schrift des Textes vollkommen stylgerecht behandelt. Der
Preis des Ganzen wird sich wohl auf 400 Mark berechnen.
') »Die vier Bücher von der Nachfolge Christi.« Augsburg 1880. 32°. in streng
mittelalterlicher Ausstattung. Diese Anstalt bereitet soeben auch eine Prachtausgabe der
»Nachfolge Christi-^ vor im 4"mai. Golh. Styl in reichster Ausstattung, mit mehrfarbigen
Initialen und Facsimiles von Holzschnitten aller Meister und aus dem Leben und Leiden des Herrn.
^) Wie Sommalius berichtet in einem Briefe an Leonhard Bethenius, Abt des Klosters
S. Trudo. Kuseb. Aniort, Scut. Kemp.
'*) Rührend in dieser Beziehung ist auch das Geständnis , welches i]tT ausgezeichnete
Cesare Cantu in seinem Dankschreiben für die Einludung zur Feier der Enthüllung des Gerden-
4'
maus trugen dieses Werk stets bei sich , und dasselbe gilt auch von dem
edlen Prinzen Eugen von Savoyen, wie J. B. Montfalcon berichtet. *) Marillac
sprach der erste das schöne Wort: der eigentliche Auetor der Nachfolge sei
der hl. Geist. *) Constantin Caietan, der die Imitatio Christi so genau kannte,
bezeugt, dass die Lesung derselben niemals ersättige und dass in derselben
eine gewisse unwiderstehliche göttliche Kraft verborgen sei.^) Fontenelle,
Corneille's Neffe bezeichnete sie als das beste von Menschenhand geschriebene
Buch.^) Dem Polyhistor Leibnitz ist unser Traktat vollends das beste Buch
und er preiset den glücklich, der nach demselben lebt.*^) Aus der neueren
Zeit nur einige wenige Zeugen für Viele. Ullmann äussert sich über die
Schriften des Thomas von Kempen und die Nachfolge Christi insbesondere,
welche er Thomas zuschreibt^): »Dies ist unseres Erachtens die Hauptsache:
Monumentes ablegte : «Quel giorno (28. Oct.) mi uniro con loro nclla preghiera e leggero
un capitolo dell Imitazione oUre qiiello che leggo ogni giorno.« Brief dd. 20. Oct. 1974
bei Scaiola, Cauaglia pag. 29.
') Etudes sur limitation de notre seigncur Jesus Christ. Gelesen in der Akademie
des sciences, belles lettres et arts de Lyon. 25. August 1837. Abgedruckt als EinleiUmg
zur Edition polyglotte Montfalcons. I>yon 1841. Das Citirte an letzlerer Stelle p. Xlll.
•) I^s IV livres de l'imit. de Jesus Christ, par M. le premier pr^sident de Marillac.
Paris 162 1: >Le premier et le plus sür auteur de I'imitation de Jdsus-Christ ^tait le Saint-
Esprit. «
') Nunquam satiat eius lectio aut nauseam parit et mirifice audientis animum delectat
etiamsi millies repetatur . . . Latet in ea diuina quaedam et occulta spiritus s. uirtus, quae
in legentis et audientis animum, modo id cum pielate et attcnte fiat ita illabitur, ut cum penitus
immutet et a rebus creatis in deum transferal. Methodus practica libror. IV de imit. Christi.
Romae 1644, p. 36.
*) »Livre le plus beau, qui soit parti de la main d'un homme, puistjue l'cvangilc n'en
vient pas.« Fontenelle in Vie de Corneille, im dritten Band seiner ges. Werke. Paris 1758, p. 109.
*) Otid. Hanov. pag. 77 : »Est un des plus excellents trait^s, cjui ayent elc faitums.
Ileureux celui, qui en pratique le contenu, non content de l'admirer. Man vergleiche hiermit
was I^martine im Jocelyn sagt:
Plus souvent desseche par mon aftliction, .
Je trempe un peu ma levre ä I'imitation,
Livre obscur et sans nom, humble vase d'argile
Mais rempli jusqu' aux bonds des sucs de l'Evangile :
üu la sagessc humaine et divine, a Umgs flots,
Dans le coeur altdre coulent en peu de mots;
C)u chaque dme a sa soif vient, se penche et s'abrcuve
Des gouttes de sueur du Christ ä son epreuve,
Trouve, selon le temps, ou la peine, ou l'eflurt,
Le lait de la mamelle ou le pain fort du fort
Et sous la croix ou l'homme ingrat le crucitie,
Dans le larmes du Christ boit sa philosophie.
•) Reformatoren vor der Reformation. Hamburg 1842. Bd. IL Seite 145.
Die Wahrheit des eigensten Lebens, die sich in jedem Worte kundgibt, das
Herz, das darin schlägt, der reine, unvermischte Ton, der Silberklang der
inneren Aechtheit, der einfältig kindliche Sinn, welcher durch das Ganze
hindurch geht.c Um aus dem akatholischen Lager neuerer Zeit auch einen
Kalviner über unseren Gegenstand zu vernehmen , wollen wir den Schweizer
Böhringer sprechen lassen: »Die Sehnsucht nach Gott, sagt er,*) dem allein
wahren Gute und dem Frieden in ihm, und der heilige Ernst, alles zu lassen,
was dem im Wege steht, und allem sich hinzugeben, was dazu fördert, ist
kaum, die Bibel ausgenommen, in einem Buche der Welt so einfach wahr und innig
niedergelegt worden, wie in diesem (von der Nachfolge Christi).! Als dem Natur-
forscher Ampere 1836 auf seinem Sterbebette ein Freund eine Stelle aus der
Nachfolge Christi vorlesen wollte, sagte er: er wisse das Buch auswendig.
Und dies waren seine letzten Worte. *) Dasselbe berichtet Ringseis von
König Ludwig L von Baiern. ') Wir können diese Zeugnisse mit keinem
würdigeren schliessen als mit dem, welches der nachher so unglückliche
Lamennais abgelegt hat. Er schreibt*): »Die Nachfolge Christi hat mehr
Heilige gemacht, als alle Controversbücher miteinander. Je mehr man sie
liest , desto mehr bewundert man sie . . . Ich finde in mir nichts , was
der wunderbaren Salbung dieses fast göttlichen Buches entspricht. Ich sage
zu mir selbst, das ist schön, entzückend, himmlisch, aber ich fühle es
nicht genug. Oft bin ich ganz beschämt, dass ich mich mitten unter
diesen so rührenden Wahrheiten kalt und frostig finde; und dann denke ich,
dass Gott es so will, und dass selbst darin von seiner Seite eine Art unüber-
windbare Freigebigkeit , eine, ich weiss nicht welch* heilige , seiner würdige
Verschwendung liegt, die ihre Gaben nicht zählt und den Thau des Himmels
auf das dürre, wie auf das grüne Laub fallen lässt.« So ist also in Wahr-
heit für alle Menschen aller Grade die »Nachfolge Christi« das gemeinsame heilig
ehrwürdige Handbuch, von ihr gilt, was der gottselige Verfasser Gersen den
Herrn zum Jünger sprechen lässt^): »Ich bin's, der in einem Augenblicke ein
demütiges Gemüt erhöhet, dass es mehr Verständnis der ewigen Wahrheit empfängt,
als wenn es zehn Jahre in den Schulen studirt hätte. « Kein Wunder, dass um
diesen so kostbaren Schatz religiöse Orden und Nationen sich gestritten haben.
*) Die Kirche Christi und ihre Zeugen. StuUgart 1878. 19. Band. Neue Ausgabe. Seite 702 f.
*) Ilettinger, Apologie des Christcnthums. Freiburg iSyi. I. 15d. S. 225.
«; Historisch politische Blätter. 1876. S. 585. f.
*) In einem Briefe vom 16. Jänner 1824. Aphorismen aus diesen ungednickten
Briefen des Vicomte de JJonald sen. und Lamennais. Mitgetheilt von A. Kobler in der
Innsbrucker Zeitsclirift ftlr katholische Theologie. 1879. ^I^'^^ '• '*^' '6.
») Nachfolge. B. 3. K. 43,3.
ZWEITER ABSCHNITT.
DIE FRAGE NACH DEM VERFASSER.
A. DER STREIT.
licht selten hört man behaupten, es sei ganz unnütz über denVet-
fasser der Nachfolge Christi lange zu streiten, wir sollten uns des
I Buches recht herzlich freuen, dem lieben Gott für diese seine
Gabe danken und sie fleissig nützen; wer das Buch verfasst habe, das sei eine
hübsch gleichgültige Sache. Das ist aber eine sehr schiefe Behauptung. Nie
kann und darf ja doch die Wahrheit jemandem eine gleichgültige Sache sein.')
Und sei's auch, dass der Auetor aus Bescheidenheit seinen Namen seinem
Werke nicht beigeschrieben hat, dass er verborgen und ungckannt bleiben
wollte, wird etwa seine Wahrheitsliebe minder gross gewesen sein als seine
Bescheidenheit? Auch scheint es die Dankbarkeit zu fordern, jenen Mann
sicher imd genau kennen zu lernen, welcher durch sein Buch einen so weit-
reichenden Einfluss ausgeübt, unsäglich viel Gutes gestiftet, so viele Schmerzen
gestillt hat und der durch sein Werk ungezählten ein Wegweiser zum Himmel
geworden ist, Doch die Eruirung des wahren Verfassers der Nachfolge
Jesu scheint nicht nur im Interesse der Wahrheit wünschenswert und ein Act
der Dankbarkeit, sie ist sogar notwendig, notwendig zum Verständnisse des
Buches. Es wird sich im weiteren Verlaufe zeigen, dass gar minche Stellen
des Buches, die an sich sonst dunkel und unverstandlich wären, im Lichte
der Zeit, in welcher sie entstanden sind und in Berücksichtigung der Ver-
hältnisse dessen, der sie geschrieben, ganz plan und klar werden. Viele
Stellen gibt es, von denen man nicht recht klar wird, was sie denn besagen,
wenn man den Auetor im 15. Jahrhundert leben lüsst, die hingegen aus der
Feder eines Schriftstellers des 13. Jahrhunderts ganz natürlich sind, was auch
von den Örtlichen Verhältnissen und den Lebensumständen des Verfassers
gilt. Deshalb ist die l'rage nach dem Verfasser jenes Buches, welches das
beste und verbreitetste nach der Bibel und von so eminenter Wichtigkeit war
und ist, auch eine vollwichtige. Auch lösbar ist unsere Frage, Es handelt
sich hier um ein historisches Factum, um die Abfassung der in Rede stehenden
') Cf.
Jonnnk l.ai,c,«U, Di
.srti
lio d« .iiJ,:lu
e libr. de Im, Cbrisü. Cul, Allubr, 173a.
•W- O"""'
om. IV. ,™s II.
!"K-
1: .Jasle
-iiKbLiililL'rqiic (de auclorc diuiiii proisiifi
operis) certan
pOICSl. ÜWMn CHI
1 et
,l«c rctdi i
ra umnia iioii tuiiccJuiit iiioiiu, scd el
pracciiiiunt, ■
4
44
Schrift durch Giovanni Gersen. Dieses behauptete und angestrittene Factum
will erwiesen sein. Bringen wir nun hierfür innere und äussere Zeugnisse
vor und zeigen wir auch noch auf, dass diese Zeugnisse acht und unver-
fälscht sind, so wird dem historischen Unglauben in unserer Frage keine
Berechtignng mehr überbleiben, um so mehr, wenn wir auch noch die Quelle,
aus welche unsere Gegner schöpfen als trübe, ihre Zeugnisse als Kinder eines
entschuldigten Missverständnisses erweisen. Ein Mehr kann man von uns
nicht verlangen , aber wir müssen ein Gleiches von dem Gegner erbitten.
Dass unsere Frage lösbar und die angegebenen Argumente eine vollbefriedigende
Ueberzeugung zu geben vermögen, dafür können wir faktische Beweise an-
führen, so u. a. an dem gelehrten Professor, nachher Kanonikus, Johann
Weigl in Augsburg. Weigl hat zuerst selbst eine lateinische Ausgabe der
Nachfolge Christi unter der Firma des Thomas von Kempis veranstaltet*)
und er gesteht in seinem Vorworte zu der von ihm veranstalteten Ueber-
setzung von Gregory*s Memoire sur le vdritable auteur de Tlmitation de
Jtfsus Christ, dass er »nicht ohne Kampf, nicht ohne reiche Prüfung seine
frühere Ansicht über den Auetor der Nachfolge geändert habe.«*)
I. DIE VERSCHIEDENEN »VERFASSER« DER IMITATIO CHRISTI.
|Er Hort der Nibelungen war einst ein vielumworbenes Gut, sieben
Städte haben sich um die Ehre, den Homer hervorgebracht zu
haben gestritten, dreifach so gross ist die Zal derer, welche ihre
Anwartschaft auf dieses goldene, köstliche Buch geltend machen. Und be-
sehen wir uns die Bewerber. Welch' buntes Gemisch! Der Aelteste und
der Jüngste, wie weit sind sie auseinander! Mehr denn ein Jahrtausend ist
zwischen ihnen vorübergerauscht. Und die Ansicht derer, welche einen
einheitlichen Verfasser annehmen, wie reimt sie sich zusammen mit der Be-
hauptung jener, welche vier, ja mehrere oder richtiger gar keinen Auctor,
sondern nur einen Redacteur unseres Büchleins herausgefunden haben ! Werden
je diejenigen , die das Buch ursprünglich in französischer oder deutscher
Sprache abgefasst sein lassen, einstimmen in den Jubelruf derer, welche sich
als die glücklichen Besitzer des lateinischen Autograph's preisen ! Wir wollen
die verschiedenen Väter der Imitatio Christi vortreten lassen, ihre Gründe
und Beweise vernehmen. Mir sind im Ganzen über ein viertel Hundert ver-
schiedene »Verfasser der Imitatio Christi« bekannt geworden. Wir behandeln
sie in folgender Ordnung: Erigena, Bernhard, Gerso, Innocens III., Scoto Gio-
*) Uenerabilis uiri Thomae a Kempis de imitatione Christi. Edilo accurata. Solis-
baci 18-15.
*) Denkschrift. Sulzbach 1832. S. VIII.
45
vanni. Thomas Galliis, David von Augsburg, Bonaventura, Ubertin Casal, Petrus
de Corbario (Nicolaus V.), Ludolf von Sachsen, Kaikar, Hilton, Humbert, Martinus
Carthusianus, Giovanni Michele, Joannes Paumerii, Rickel, Johann von Kem-
pen, Gerson (Kanzler), Gerson (Bruder des Kanzlers), Thomas von Kempen.*)
Johannes Scotus Erigena, dessen Lebensgeschicke in fast un-
durchdringliches Dunkel gehüllt sind, lebte um die Mitte des 9. Jahrhunderts.
Eine Schrift »De eucharistia« welche er gegen Gottschalk und Paschasius
Radbertus verfasst haben soll, scheint Veranlassung geworden zu sein , dass
wol sehr vereinzelte Stimmen ihm die Imitatio Christi zuschrieben.*) Aber
abgesehen von allem Uebrigen passt doch zum vierten Buche der Nachfolge
die verdächtige Haltung, welche Erigena im Abendmalstreite des neunten
Jahrhunderts eingenommen hat, ganz und gar nicht.
Bernhard, der honigfliessende Kirchenlehrer ward geboren zu Fontaine
in Burgund und starb als Abt von Clairvaux 11 53. Schon zwanzig Jahre
nach seinem Tode wurde er heilig gesprochen. Mehrere Manuscripte und
Drucke der Imitatio geben unseren Doctor mellifluus als Verfasser derselben
an. Mir sind folgende bekannt geworden :
I. Codex Braunau (Abtei in Böhmen). Arthur Loth sagt, es sei »de la
I'* moiti(! du XV. si^cle appartenant ä M. le comte Lafond Tun des plus
prdcieux, mais restd inconnu jusqu'ici. II contient les trois premiers livres
de l'imitation , avec cette inscription : Incipit tractatus P. Bernhardi , qui
intitulatur cathena aurea uel de imitatione Christi, L'explicit des deux premiers
livres reproduit le nom de saint »Bernard«. Revue des Questions historiques,
Paris 1874, p. 95.
II. Cod. Sangenovefanus I., aus der Kanonie der hl. Genovefa. »In-
cipit opus B. Bernardi saluberrimum de Imitatione Christi, quod Johanni
Gerson Cancellario parisiensi tribuitur.«
III. Cod. Sangenovefanus II. Davon berichtet Gregory, Histoir. de
rimit. I. 210.
*) Ganz grundlos und ohne irgend welche Bezeugung führt J. Albert Fabricius in seiner
bibliotheca latina med. et inf. aetatis, Patauii 1754, tom. II. pag. 222, als »Verfasser« der
Nachfolge an: Amandus siue Hcnricus Suso, Joannes de Franckenstein, Jo. Taulerus, M.
Marias Marulus. Des letzteren Imitatio Christi wird in der ersten Sitzung des lateran. Concils
V. J. 1521 gelobt und über Joan. de Franckenstein, eigentlich Brasiator, heisst es bei Jakob
Echard, Scriptores ord. praedicat. tom. I. pag. 804: »Scripsit ... de Imitatione Christi
et alia multa.« Wahrscheinlich liegt hier, wie sicher bei Tauler eine Ver\vechslung mit der
bislang Taulem zugeschriebenen »Nachahmung des armen Lebens Christi« vor, welches jüngst
Heinrich Seuse Denifle unter dem Titel : Das Buch von geistlicher Armuth, München 1877,
edirt und Taulem abgesprochen hat.
•) Vid. Angel. März, Dissert. crit., wo pag. 26 von Erigena als Verf. der Nachfolge
refcrirt wird, »ohne dass jedoch A. M. bei diesem ganz unbczeugten Auetor länger ver-
weilen möchte.«
46
IV. Cod. Raitcn Haslacensis (Cistercicnscrkloster in Bayern): tTrac-
tatus Divi Bernardi abbatis Claraevallis de Imitatione Christi, t
V. Cod. Angoul^me. Von einem solchen berichtet das 1467 ange-
fertigte Inventar des Grafen von Angoul^me. Er bietet eine französische
Uebersetzung der Imitatio: »La Imitation de sainct Bernard avec plusieurs
oraisons et devotions, en papier et lettre commune bien caduqiie.« Launoius
sagt, dieses Inventar sei zu Paris in der t curia Rationalium« vorfindlich.
Opp. omn. Colon Allobr. 1732, p. 25.
VI. Cod. Tolosanus, so genannt, weil er zu Toulous gefunden worden
ist, enthält eine französische Uebersetzung der Nachfolge unter dem Titel:
»Cy commence le livre tr^s salutaire de la Imitation de Jhesu Christ, et du
mesprisement de ce monde, compose en latin par S. Bernard ou autre
d(!vote personne, attribud ä messere Jehan Gerson, chancelier de Paris et
translattJ en frangois en la cite de Tholose.t Jetzt steht er in der bibl. nat.
zu Paris n. 7276.
Gence, De imit. Christi, Paris 1826, pag. LX. sq. verweist diese Ueber-
setzung in die Mitte des 15. Jahrhunderts; Montfalcon, De Timitat. ed. polygl.
Paris 1841, pag. LXIV. in das Jahr 1467.
Die Veranlassung, diesem hl. Abte die Nachfolge zuzuschreiben, war
wol nur das Bestreben, einen berühmten Namen derselben vorzusetzen, wie
Launoy ganz richtig bemerkt.') Die Unmöglichkeit der Abfassung durch
Bernhard erhellt schon daraus, dass in der Imitatio auf das Beispiel der
Cistercienser zur Nachahmung hingewiesen wird, welche doch erst Bernhard
gestiftet hat.
Gerso Giovanni. Diesen Gerso stellt zuerst Graf Luigi Cibrario
als Verfasser der Nachfolge hin,*) wenn er auch nach seinem eigenen Ge-
ständnisse diese Annahme durch Beweise annehmbar zu machen nicht im
Stande ist, sondern eben blos anregen wollte.') Gerso gehörte zu den
Spitalbrüdern vom hl. Antonius und lebte zu Ausgang des 12. Jahrhunderts.
Er soll nach Cibrario auch in Vercelli ein Spital für die vom »heiligen
Feuert Befallenen gegründet und hier die Nachfolge Christi geschrieben
*) »Cur ab alio editum opus de Imitatione Christi Bcmardo quondam adscripserint
librarii, summa Bernardi pietas fecit. Scilicet anepigraphon cum essent nacti exemplar iUudquc
describerent, ei tribuerunt, quem opere tanto dignum re non satis animaduersa iudicarunt.«
] c. pag. 25.
*) Siehe Cibrario, Nuovi indizi storici relativamcnte all' autorc del libro dell' Imitatione
di Cristo in dessen Operette varie Torino 1860. pag. 417 ff.
') «Nullo intendo affcrmaze o negare. Mi sto contento all' avere messo innanzi
qualche indizio storico, e qualche osservazione , che potranno aprire un nuovo campo alle
investigazioni dei dottic 1. c. pag. 417.
47
haben. Wir heben hervor, dass Gerso zeitlich und örtlich mit Gersen so
ziemlich zusammenfalle.
Innocens III. Von einigen^) wird auch dieser ebenso gelehrte und
tugendhafte Papst (i 198 — 12 16) als Verfasser der Nachfolge Christi genannt;
offenbar ein Missverständnis, daher kommend, dass der glänzendreichste aller
Päpste auch Auetor der Schrift ist: »De contemptu mundi sive de miseria
humanae conditionis«, welche man mit der Imitatio, die bisweilen unter
demselben Titel vorkommt, zusammenwarf.
Scoto Giovanni war Abt zu St. Stefan in Vercelli, der zweite Vor-
gänger des Giovanni Gersen. In der Series abbatum s. Stefani des Della
Chiesa wird er als »doctor insignis« bezeichnet. Eine Verwechslung mit
seinem zweiten Nachfolger Gersen war Veranlassung, dass man ihm die
Nachfolge Christi zugeschrieben hat. Gregory, Memoire sur le vdritable
auteur. Deutsch von Weigl. Seite 25.
Alle bisher genannten Competenten schliesst schon der einzige Umstand
aus, dass in der Imitatio s. Franciscus von Assisi erwähnt wird,*) der erst
1227 gestorben ist.
Gallus Thomas, regulirter Kanoniker zu S. Viktor in Paris, von
da nach S. Andreas in Vercelli als Prior berufen und nachher zum Abte
eben dieses Klosters erwählt, wurde zum Verfasser der Imitatio Christi ge-
macht von dem gelehrten Barnabiten Spotorno, Präfekt der genueser Bibliothek,
welcher 1838 unter dem Pseudonym Albo Docilio im Giornale Ligure di
scienze ed arti die Frage über den Verfasser der Nachfolge Christi behandelte
und in so fast geometrischer Methode, wie er sich selbst ausdrückt, den
Gallier Thomas als Vater des goldenen Büchleins erwiesen hat. Der Beweis
ist nur aus inneren Gründen geführt in folgender Weise: Der Auetor der
Imitatio war ein Religiöse (Im. B. 3. K. 10), aber weder Cistercienser noch
Karthäuser (Im. 1,25.), er muss ein Zeitgenosse des hl. Franz von Assisi
gewesen sein (Im. 3,50). Auch dem Orden des hl. Benedikt kann der
Verfasser nicht angehört haben, weil in der Imitatio viel scholastischer Lärm
und Zank wiederhallt, (Im. 1,1.3.34) den die Benediktiner nicht gerne hörten
und vor welchem sie sich in ihre stillen Zellen verkrochen haben !^) So
gewiss der Auetor der Nachfolge alles das nicht war, ebenso gewiss war er
') J. B. Monfalcon, De l'imitat. cd. polygl, pag. XVI.
•) 1. 3. c. 50. n. 8: »Ait humilis Franciscus.«
•) »Non pot^ essere un Benedcttino, perch^ vi si parla in piu luoghi di dispute
scolastiche, il che era lonlano dalla vita quieta dei monachi benedettini, che colli vavano bensi
le scienze e le lettere, ma nel silenzio dei loro chiostri, non in mezzo al rumore delle scuole
lamentato dall' autore dell' Imitatione« Canetti, Notizic 2. Aufl. pag. 109.
48
ein regulirter Kanoniker (Im. 1,24.25) und ans denselben wieder der be-
hauptete Thomas Galhis. *)
David von Augsburg, einer der hervorragendsten deutschen Mystiker
des 13. Jahrhunderts, war zuerst Novizenmeister und Theologieprofessor im
Franziskanerkloster zu Regensburg, seit 1243 ^u Augsburg, wo er bis zu
seinem Tode im Jahre 127 1 wirkte. Die vortrefflichen, sowol in deutscher
als auch lateinischer Sprache abgefassten ascetischen Traktate scheinen den
Gedanken erzeugt zu haben, er sei auch der Verfasser der Imitatio Christi,
als welchen ich ihn in einer ziemlich umfangreichen aber schlecht erhaltenen
Handschrift aus dem Benedictinerstifte Ottobeurn erwähnt finde, ohne dass
jedoch in dem gedachten 40 Folioseiten fassenden Manuskripte desselben
weiter gedacht würde.*)
Bonaventura, geboren 1221 zu Bagnarea im ehem. Kirchenstaate,
seit 1242 Franziskaner, starb am 15. Juli 1274, nachdem er 1256 Ordens-
general geworden und 1273 mit dem Kardinalspurpur bekleidet worden war.
Bonaventura (dieser jüngere Zeitgenosse Gersen's) ähnelt besonders dem Style
nach der Imitatio Christi gar sehr und wir dürfen uns deshalb nicht wundem,
wenn auch er, freilich nur sehr vereinzelt, als Verfasser des goldenen Büchleins
erscheint. Die Melker Bibliothek verwahrt in ihrer Sammlung des hand-
schriftlichen Materials, die Imitatio Christi betreffend, auch einen Brief des
Karthäusers Leopold Wydeman, in welchem die Imitatio-Codices genannter
Karthause beschrieben werden. Als nonus sub n. 58 erscheint folgender:
Cod. Gemnicensis n. 58. »Sequuntur tractatus de imitatione Christi,
qui sunt quatuor, eciiti abegregio Doctore B. Bonaventura de Balneo regio S. E. R.
Card.« Das dritte Buch enthält 64 Kapitel. Explicit: »Finitus anno Domini 1470
currcnte 17. die Aprilis feria 6. hora 6. in Nova Cella Brixnae.« Unmittelbar
darauf folgt: »Tam incipit liber de doctrina interioris hominis ad animam
contemplandam, qui alias imago aeternae uitae nuncupatur, Bonaventurae
Cardinalis: Qui Bonav. Card, etiam dicitur composuisse praedictos quatuor
tractatus de imitatione Christi, ut inueni in exemplari.« gezeichnet Gemnico
28. Augusti 1706.
Ubertin von Cassalis aus Casale in Italien geboren , trat zuerst
in den Minoritenorden und stand in dem bekannten Streite über das Gelübde
der Armut an der Spitze der »Spiritualen.c 13 17 trat er in das Benedictiner-
kloster St. Peter zu Gemblours über ; ob er noch später Karthäuser geworden
sei, ist nicht sicher.
*) Canetti 1. c. pag. 1 10 ff. würdigt diese Behauptungen sogar einer Widerlegung.
•) Fol. I, wo unter der Ueberschrift : »Ratio scriptoris huius susceptae defensionis«
nebst Bernhard, Bonaventura, Thomas von Kempen auch »David de Augusta« als vorge-
schobener Verfasser der Nachfolge erwähnt wird.
49
Siiarez, Her die vier Bücher von der Iniitntio vier verschiedenen Ver-
fassern zuweist,') beschenkt utisern Uberlin mil dem zweiten Buche; Jean
Grancolas, Iloctor der Sorbonne, erklärt sich in der Dissertation zu seiner
französischen Uebersetzung der Nachfolge bezugs aller vier Bücher fitr
Ubcrtin. •) Uberlin verrät in seinen Werken eine grosse Vertrautheit mit
der Imiiatio, ganze Geclankenreihen und Ideenverbindungen wiederkehren
darin. Das hat ihm den Ruhm, Urheber der Imitatio zu sein, eingebracht.
Auch soll et ein Buch »Ue iniitatione« geschrieben haben, wovon aber nichts
zu linden ist.
Petrus de Corbario, Franziskaner in den Abruzzen; von Ludwig
dem Baier uncanonisch als Papst aufgestellt, nannte er sich Nicolaus V. und
krönte Ludwig 1328 zum Kaiser. Bald that er, den Strick um den Hals,
Busse und schrieb nach seiner Abdankung ein ascetisches Buch.
Suarez schrieb diesem Petrus de Corbario das dritte Buch der Imitatio
zu , wogegen Daniel Papebroch eine Dissertation geschrieben hat. *) Auch
Nicolaus V, soll nämlich nach Suarez ein Buch De Imitalione geschrieben
haben. *] Für Ubertin genügte Siiarez obige Notiz vollkommen , ihn zum
Auctor des zweiten Buches zu machen, für Petrus de Corbario führt er noch
folgende sehr merkwürdige Congruenzgründe an: Aus den Worten:'') »sagt
der demütige Franziskus«, folgt, dass der Verfasser ein Franziskaner gewesen
und aus der Stelle^): »Niemand in der Welt, ob Kaiser oder Papst, ist ohne
Kreuz und Leiden« muss man schüessen, dass er die Tiara getragen. Klappt
einzig und wunderbar auf den abgesetzten Gegenpapst Nicolaus V, Doch
dürde, wie Papebroch nicht ungut bemerkt,') aus der angezogenen Stelle
auf einen Kaiser als Verfasser zu raten sein.
Mit scheinbar grösserer Berechtigung und mehr Nachdruck sind die
nun folgenden acht Karthäuser verteidigt worden.
Ludolf von Sachsen war zuerst durch 30 Jahre Dominicaner, trat
aber 1330, um ungehinderter der Hctrachlung des Göttlichen obliegen /,ii
') Conieelum de libris ile Imitalione Christi eonimquc aucloribiis. Romac 1667. 4".
•) DissertQliün sur raiileur »le T Imitation. Paris 171g. 12".
*J Sielic Acta sanclomm. cä, Antvctp. 16S5. Mal, loni V. (Conalus chronico-histoticus
ad catal. poiiliricum) png. So*^ — 83*.
*) •Potuenuit tum (.'bvrtitius quam Pelius de Corbario eudcm litulo de luiilalione
Christi scripsissc aliquid; sed tdciii quod in matiibus est, nlletius esu, solus liLulus nun probat,
lis exstaotibus sub eorum nomine exe miliar iliiis eonim, qiij nunc cum pracfato litulo habrntur,
librorum.i Act. sind. 1. c. pag. 81*. n. 8.
») 1. 3. c. so n. 8.
•) 1. I. c. 22. n. I,
') tAbdt a nobia taiii cei
Video, quam pro Kegei OIj. c.
prae^umplio : Pro l'apa nihil hie plus
L
können , in den Orden der Karthäuser zu Strassburg und starb als Prior ;
wann und wo ist ungewiss. Sein geschätztes, oft verlegtes und übersetztes
Leben Jesu Christi scheint zuerst die Aufstellung der Hypothese veranlasst
zu haben, dass er auch die Nachfolge Christi verfasst habe.
Delfau*) und Du Pin*) wissen von einem Codex m. s. und von einem
alten Druckwerke, welche den Namen des Ludolf Saxo an der Stirne tragen ;
sprechen diesem aber das Recht auf die Urheberschaft ebenso gut ab als
der Abt Carl Jos. Morotius. ')
Kaikar, eigentlich Heinrich Eger, ist geboren zu Kalkar 1328. Sieben
und dreissig Jahre alt entsagte er der Welt, legte seine Stelle als Kanonikus
in Köln nieder und trat hierauf in das daselbst soelien gegründete Karthäuser-
kloster. Nachdem er längere Zeit in der Karthause Mönchhausen bei Arnheiin
gewirkt, versah er zuerst die Priorstelle zu Strassburg, dann in Köln, wo er
auch 1408 gestorben ist. Kalkar ist vielfach für den Verfasser der Imitatio
Christi gehalten worden. So schon von Wcldebrand Vogt,*) und hat das
hannoveranische Magazin ihn mit Liebe vertheidigt. *) Uebrigens haben die
Obern des Karthäuser-Ordens selbst nicht gestattet, dass eine Abhandlung
eines ihrer Ordensglieder, worin Kalkar als Verfasser der Nachfolge erwiesen
werden wollte, im Drucke erscheine.®) Neuestens hat Hirsche den von
Liebner publicirten und Thomas zugeschriebenen Liber secundus de imitatione
Christi "*) Kalkarn zu vindiciren versucht, sowie er sich hinwiederum gegen den-
selben als Verfasser der Nachfolge Christi ausspricht.*)
*) Cf. Dissertatio Delfauü pro Joan. (Jersen ed. C. Wolfsgruber. Vindobonae 1879,
pag. C.
*) Vid. Nowvelle biblioth^ue des autcurs cccl6tiastiques. A Paris 1700, tom. XII.
pag. 162, wo vier Bewerber um die Imitatio namhaft gemacht werden (Bernhard, Gerson,
Gerscn, Thomas), »sans parier de I^udolphe le Saxon, a qui il est attribuö dans un manuscrit
et sous le nom duquel on en a imprim^ une ancienne traduction , qui y a si peu de droit
qu'on ne peut en aucune mani^re le mcttre en concurrence avec les autres.«
*) Vid. Theatrum chronologicum sacri carthusiensis ordinis per Carl. Jos. Morotium
o. s. Bemardi abbatem Taurini. Ibid. 1681, pars IV. fol. 74; «Ludolphi de Saxonia
Carthusiensis nomen aureo de imitatione Christi opusculo nonnumquam praefixum error
lypographorum est.«
**) Coniccturae de auctore libri de imitatione Christi: (in seinem Apparatus literarius)
Wittebcrgae 1718.
*) «Historische Nachricht von dem wahren Verfasser der 3 Bücher von der Nachfolge
Christi Heinrich Kalkarc im hannov. Magazin 1760. Von Seite 1607 ab. Cf. Gerard Casteel,
Controversiae eccles. histor. ed. 2. Col. Agrip. 1757. Controversia XLV. pag. 603, wo für
Pomerius, Kalkar und Ludolf Saxo je ein Codex angeführt wird.
•) V. Euseb. Amort, Moral, certitudo. p. 132.
') Göttinger Pfingstprogramm 1842.
^) Prolegomena S. 464 (T. und 518.
Hilton Walter, englischer Karlhüuser, rier unicr Heiiirirh Vt. in
der Rarlliaiisc Detlehm an der Tliemsc um 1440 lelilc. Nebst aiideiem,
zumeist noch ungedrucktem, soll er 1399 auch die Imitalio geschrieben
haben. Er kam aber au diesem Ruhme nur dadurch, dass er ein Buch »De
musica ecciesiasticat schrieb. Da in der Handschrift der Katthause zu
Brügge die drei ersten Bücher der Nachfolge ebenfalls unter dem Titel:
«De musica ccclesiastica« erscheinen, glaubten sich der Lond'ner I.ee in der
Vorrede zu seiner englischen Uebersetzimg der Imilatio Christi und der
Engläniler Warton berechtigt, ihm die Nachfolge Christi zuzuschreiben. Hen-
ricus Wharton, dessen Zeugnis wir anführen wollen, ') belehrt uns, dass er
im Allgemeinen den Ungereimtheiten der Mystiker abhold sei. Zu diesen
Mystikern gehörten besonders die Karthauser und unter diesen leistete das
Unmögliche Gualterus Hilton (quo non alius plus deÜrauil). Aber eines
fände er an ihm lobenswert, wenn sich's beweisen Hesse, dass er die Imitalio
Christi geschrieben habe: »Quod tarnen in laudem eius haud paruni cedit, celc-
berrimum illud opus de imitatione Christi non minus aequo iure sibi forsan
uendicare queai, quam Thomas Kempensis aut quiuis alius. Extant enim in
bibliotheca I.ambertina bini codd. ms. et aübi piures, qui tres priores operis
islius libros complcctuntur lilulo unusicae ecclesiasticae.« Codiciim alter Mil-
toni nomen, prae se fert; illumque eiusmodi opus conscripsisse Baleus
confirmat.«
Dagegen polemisirt Desbilion in der Dispulatio, qua übri de imitatione
Christi aiictorem esse Thomam Kemp. ostenditur. (Vorrede zu der Ausgabe
der Imitatio, Manh. 1780), Ebenso negirend, wenn auch in anderer Richt-
ung Gerbert, historia siliiae nigrae, tom, II. 106.
Humberl, ebenfalls ein Karthäuser. Von einer Handschrift, welche
Humbert als Auctor der Nachfolge nennt, berichtet der Karlhäuser Wydeman
mit folgenden Worten: »Freidnitzensis Carthusia in Carniola uel damnuni
passa ex incendio uel ex quorundam incurja vix viginli m. ss. Codices
numerat; in quibiis tamen unus continet tres primos de imiutione libros sed
ut mihi scribitur, sub Humberti nomine, saecido XV, scriptos.t*)
Martin der Karthauser. Als prätendirter Auetor der Nachfolge
angeführt bei Monfalcon, De l'imitation de notre seigneur Jösus Christ,
Lyon 1841, pag. XVI.
Giovanni Michele. In mi' cdizione fatta a Memininga nel 1493 del
') E<i slehl im Aucuiirium von Jacob) Usseri, armachani archiep. historia dogmalica il
scripinris el uicris vtmnculLi, Londini 16S9, pag. 443 sq. Dsi AucIUaTium Und die Noici
sind von H. Whnrton, nrchiep. Canlunr. a sacris domeslicjs.
*) Siehe dessen Mb. «Mbs. Codices Carlhiiülae Gcmnic. . . i\e imil. Christ'n in de
Melker Bibliolhck. Cf. Cosi«l. 1. c.
J
libro de imitationc Christi in 4® se nc fc autore Giov. Michele, Certosiiio
di Buxheim.« (Cancellieri 1. c p. 292). Vgl. Bäcker, Essai, p. 7.
Joannes Paumerii , Karthäuser in der Chartreuse du Parc au Maine,
gestorben 1476, scheint nur dadurch zur Ehre gekommen zu sein, auch
als Verfasser der Nachfolge mit angesehen zu werden, weil er den Samniel-
band, in welchem der Cod. Parcensis II. vorkommt, geschrieben hat und
auch am Schlüsse als Schreiber sich nennt: »Scriptum per fatrem Joannem
Paumerii. Anno 1460« ; was man auf den Verfasser missdeutet hat. Casteel,
controu. XL. ed. c. p. 603.
Rickel Dionysius, gewöhnlich Dionysius der Karthäuser oder
Dionysius von Leewis genannt, wurde 1403 in Rickel, Diöcese Lüttich, ge-
boren, studirte in Köln Theologie und Philosophie und trat im 21. I-^bens-
alter in die Karthausc zu Roermonde, wo er bis zu seinem Tode (12. März
147 1) unablässig thätig war durch Wort und Schrift. Auch er wurde als
Verfasser der Nachfolge, wenn auch ganz ohne Grund, genannt. *)
Es mag auffallend erscheinen, dass in der Reihe der angeblichen Ver-
fasser der Imitatio Christi so viele Karthäusernamen vorkommen. Der Grund
ist der, weil eine grössere Menge Handschriften sich findet, welche einen
Karthäuser als Verfasser angeben. Dieses allgemeine »ein Karthäuser« wurde
von Verschiedenen verschieden gedeutet. Ich bin in der glücklichen Lage,
alle Handschriften, welche die Karthäuser für sich haben, anzuführen. Ich
finde sie äusserst sorgfaltig zusammengestellt und aufs genaueste beschrieben
in dem Referate, welches der Karthäuser Leopold Wydeman als Resultat
seiner umsichtigen Forschungen an den Mölker-Bibliothekar Roman Mollitor
eingesendet hat, *} Darin hat der fleissige Karthäuser alle Imitatio-Codices
der Karthausen Gemniz, Agsbach, Olmütz, Freidnitz in Kärnthen, Seitz in
Steiermark, registrirt*) und den Bericht des Du Pin über die Handschrift
»in domo Carthusianonrum Parcensi apud Cenomanosc angeschlossen.
Demgemäss nennen einen Kartbäuser als Verfasser folgende neun Codices:
Cod. Gemnic. (un.); Agsbacens. (duo); Olumuc. (quatuor); Parcensis apud
Cenomansos (un.); Capellens. in Flandria (un.); Coloniensis (un.).
I. Cod. Gemnicensis^) (sign. n. 1 1) in 8 ® enthält die zwei ersten Bücher
*) Vgl. Pietro Canetti, Notizie biographiche. Vercelli 1879. pag. 106.
') Siehe die handschriftlichen Aufzeichnungen, das Buch «De imitatione Christi« be-
treffend, wie sie in der Melker Bibliothek aufbewahrt werden.
•) »An in Carthusiis Maurbacensi et Brunensi hal>eantur huiuscemodi Codices , rescire
hucusque non potui ; nee animum illuc scribendi habeo, utpote qui in alia niateria, dum scripsi,
responsum non obtinui.« Was wir gewiss nur zu bedauern hal)en.
*) Im (ranzen werden in obgedachter Handschrift 12 Imitatio-codices von Gemniz
verzeichnet. Ausser dem Cod. n. 1 1 nennt nur noch Cod. n. 58 einen Verfasser u. z. den
Bonaventura, alle übrigen sind anonym. Der älteste datirte stammt aus d. J. 1439, der
ilcr NachTülge unter dem in Minium geschriebenen Titel: »Sequitur iinidani
traclatiis de Imitatione Christi et de contemptu iianitatum nedum conlristantium
sed et consolantiuni in seculo huius mundi editus per quendatn Canhu^ianum
in Reno.i Explicit in Minium: »Finis huis opusculi 14. Kalendas Martü
feria secunda anno dorn. . . .391; was nur 1439 sein kann, weil damals
der XIV. Kai, Marlii auf einen Montag fiel.
II. Codd, Agsbacenses II, Der erste enthält das erste und zweite Buch
unter dem Titel: -Incipit tractatus de imitatione Domini nostri Jesu Christi
et de contemptu mundi, editus per quendam Cartusiensem in Reno.* Der
zweite enthält alle vier Bücher; »Incipit tractatus de imitatione Christi et
contemptu mundi editus pur quendam Cartusiensem in Reno multum aedi-
ficatorius pro salute animae.« Jetzt in der Benediktiner- Abtei Göttweih
sign, 476 vorfindlich,
Ill.Cod.CarthusiaeOlomucensis. Von den vier Handschriften dieser
Karthause, welche insgesammt einen Karthäuser als Verfasser annehmen, sind
zwei in der Ueberschrift corrigirt und verändert worden, indem ^Cartusiensi«
ausradirt und durch »Canonico regularis ersetzt worden ist, während ^inReno»
unversehrt stehen geblieben ist, wie P. Leopold Wydeman aus Autopsie
zu berichten weiss.
IV. Codd. Carthusiae Parcensis, II (Chartreuse du Parc au Maine).
Dieser Cod. stammt aus dem Jahre 1460, ist in 4" geschrieben und hat die
Nachschrift: 'Explicit hber Dei, nuncupatiis (lui setiuilur me, quem composuit
Roligiosus quidam ordinis Carlus. pro omnibus Deo devotis.«
V. Cod. Cartus. Capellae in Flandria, »In Flandria Carthusia della
Chapelle asseruat tractatus, quos composuit llenr. de Calcaria .... et inter eins
mss. reperinntur libri tres de imit. Christi sub nomine cuiusdam Carthusiani
anonymi. < Casteel, I. c. p. 60g. Das iliirfte wol die Handschrift sein,
welche jeUt als cod. 14069 in der k. Bibliothek zu Brüssel steht.
VI. Cod. Coloniensis, monasterii sanctae Barbarae. De interna Christi
locutione ad animam 6delem cuiusdam Cartusiani libri tres. {Montfalcon XL),
Doch Vertheidiger haben sich fiir einen bestimmten Karthäuser oder
allgemein filr irgend einen Karthäuser nur wenige gefunden. Das Einzige:
>Attende Carthusienses< Im. I, 35, 8 war ein zu deutlicher Fingerzeig.
)Uni;ste Ist gcschrii-ben 1470. BcHindcis beachlcnswerth Ul die Bemerkung unseres Katlhäusers.
da&s ilie acht Sllealcn Codices von Gemniz im Texte mit tiem vulgaren nicht seht Utierein-
tlimmca : 'Quod mlrgri sensuä, qiu in cditis sunt, !n his m. s. s. desiderantur : cl quud non-
□unquam sensiis in alium Irnlulur; sie ubi in edilis üb. I. c. 2. in linc Icgilur; •Omnci,
fragiles sumus. seil tu neminem Ic ipso fmgiliurem Icnebisi legitnr in diciis m. s. s. : lUmnus
fragiles siimiLs, et 111 fragiliorcm te invcnies, quanlura es putuis et futnus!i w.ts wol denselben
Sinn mit dem vulgirlcn gibt, wenn -It« nls .\zc, genommen wird, nidit aliet wenn man
CS aU Abtallv fa^l.
54
Johann von Kempen, älterer Bruder des Thomas Hemerken, ge-
hörte zu den ersten Bewohnern des Klosters Windesheim, seit 1399 war er
Prior von St. Agnetenberg. Als solcher zeichnete er sich bis zu seinem
Tode (f 1432) durch grosse Thätigkeit und praktischen Sinn aus, so dass
er sein armes Kloster zu einem ziemlichen VVolstande brachte, i^was er zum
Theil durch den Verdienst, den er seine Untergebenen durch fleissiges Bücher-
«
abschreiben gewinnen Hess, bewirkte ; » *) wie er denn auch selbst ein geschickter
Schreiber war und in Windesheim und anderen Klöstern des Ordens noch
lange nach seinem Tode Missalien, Gradualien etc., die er geschrieben, ge-
braucht wurden. Werke aber, die hernächst im Drucke erschienen wären,
sind von ihm nicht vorhanden. Nichts desto weniger glaubten doch einige,
ihm die Abfassung der Imitatio zuschreiben zu sollen. Hierher gehört be-
sonders Trithemius, welcher auch den Grund dafür angibt. Er sah nämlich
recht wol ein und stand zeitlich zu nahe, dass er nicht hätte wissen sollen,
dass Thomas unmöglich der Verfasser des herrliches Buches sein könne. Er
meinte daher, es möchte doch wol des Thomas älterer Bruder gemeint
sein. *) Dasselbe Motiv mag wol auch der Druckausgabe zu Grunde
liegen, welche zehn Jahre nach dem Tode des Thomas Hemerken zu Strass-
burg erschien unter dem Titel : Johannis Malleoli de Imitatione Christi.
Argentorati 148 1.
Während alle bisher namhaft gemachten li^Verfassert der Imitatio nur
mehr historisches Interesse haben, finden die nun folgenden bis in die Neu-
zeit Vertreter.
Gerson Johann, das Orakel des 15. Jahrhunderts ist geboren im
Jahre 1363. Seine Gelehrtheit und Frömmigkeit erwarben ihm den grösstcn
Einfluss. Als Kanzler der Pariser Universität und als einer der ersten Sprecher
auf der Synode zu Constanz entfaltete er eine staunenswerte Thätigkeit.
Doch war der Abend seines Lebens trübe. Von dem Herzoge von Burgund,
dessen am Herzoge von Orleans verübten Mord er freimütig tadelte, ver-
bannt, wanderte der sechzigjährige Gerson im Pilgergewande nach Baiern
und Ocsterreich und schrieb zu Rattenburg zu seiner Selbsttröstung das er-
bauliche Buch: >De consolatione theologiae.« Später verlebte er noch zehn
Jahre im Cölestinerkloster zu Lyon , wo sein Bruder Prior war , und starb
im 66. Lebensjahre in grösster Abgeschiedenheit und Armut. (12. Juli 1429.)
*) Siehe J. Mooren Nachrichten til)er Thomas a Kcmpis. Crcfeld 1855. Seite 13$.
*) Vide Catalogus illustrium viroram gennaniae , ed. 149$ pag« XXVI: »Nolandum,
quod duo fcruntur huius fuissc nonünis; am1x> de Keinpis, ambo reguläres in niontc sancle
agnetis. . . . I«ibellus de imitatione Christi primi fertur auctoris, quem ante multos annos
seniores nostri suos fcrunt legisse seniores.« So schrieb der gelehrte Abt von Spanheim,
zwanzig Jahre nach dem Tode des Thomas von Kemi)en!
55
Filr Gerson als Verfasser der Imitaiio Christi stehen mehrere Codices
111, SS, um! Driickausgaben ein, und fiir ihn lässt sich eine an ZaI und Ge-
wicht nicht unbedeutende traditionelle Bezeugung anführen. Die gerson ist Ischen
Codices m, ss, sind;
I. Cod. Cameracensis, in der Bibliothek von Cambray. >Incipit tabula
primi libri magistri Joanniü Gerson cancellarü Parisicnsis, et primtim capitulum
est de Imitatione Christi. i
Gence (Nouv. consid. sur l'auteur de l'imit. Chr. pag. 85) verlegt diese
Handschrift in's Jahr 1390, ohne zu bedenken, dass dadurch sein Candidat
Gerson unmöglich gemacht wird. Denn der i7Jähnge Charlier, voll Feuer
und Mut kann doch dieses stille, demütige Büchlein nicht geschrieben haben,
II, Cod. Pollinganus enthält nach dem Berichte des Dechant von
l'öltingen Euseb. Amort, Inform. pag, 146, alle vier Bücher der Nachfolge
unter dem Titel des Joan. Gerson, canc, Paris, Er soll aus dsni Jahre 1441
stammen, Gregory, Histoire, I. pag, 311.
ni, Cod, S Germanensis, membran. "Incipit liber devotus et utilis
Magistri Joannis Gerson, De Imitatione Christi.* Schluss: >Explicit über
quartus ultimus de sacramento allaris anno 1460. 13, Kai, sept,« [Dieser cod.
hcisst auch Bretonianus, weil er vom Arzte Charles Breton 1652 dem
Kloster Saint Germain de Pr^s geschenkt worden ist, befindet sich jetzt
in der Pariser Nationalbibliothek,]
Mabillon, De re diplom, tab, XV, n. lo und Euseb. .\mort, Moral,
ccrtitudo tab. 13 bringen Facsimile dieser Handschrift. Vgl. das »Inslru-
meiitumi von 1671, n. VIII,
IV. Cod. Lechassier, nach dem einstmaligen Besitzer Christof Leschas-
sier, Conseiller ä la Cour, so genannt, ist ein niembr. in 4", Fol, a: *In-
cipit liber prinius magistri Joannis Gerson Cancellarii Parisiensis, de Imiutione
Christi, Qui sequitur me . , .«
J. de Launoy, Dissert, pag. 117 und Gence, Descriptio histor. cn'tica
pag. LIV. sq. beschreiben diese Handschrift näher. Letzterer berichtet, dass
man auf der ersten Pergamentseite unseres Ms. ein sehr schönes Porträt
Gersons finde und dass die Handschrift Gcrsons Neffen gehört habe. Allein
die Kritik verweist die Schrift ins 16, Jahrhundert und thut auch dar, dass
man in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts vergeblich so schöne Miniatur-
gemäldc auf vergoldetem Grunde suche.
V, Cod. Reichersbergensis, nach dem Kloster Reichersberg so be-
nannt, soll aus dem Jahre 1477 stammen. > De Imitatione Christi J, Gerson
cancellarii parisiensis 1. IV. «
Mrjntfalcon, Edit, polygl. Lyon 1841, pag. LXII. Euseb. Amort, Inform,
pag. 146, welcher diesen Codex zuerst anfuhrt, fügt bei; >Similis cod, m, s,
repcritur in bibliotlieca nostra PoUinganai, ohne Näheres darüber anzugeben.
VI. Cod. C h i g i a n u s , nach der fürstlich chigischen Bibliothek zu Rom so
benannt, trägt die Aufschrift: tLiber deuotus et utilis compositus a magistro
Johanne Gerson cancellario Parisiensi.« Der gelehrte Bibliothekar Guerini
macht in dem m. ss. Catalog vom Jahre 1780. pag. 114, zu diesem Codex
die Bemerkung: »Fuit Gersen abbas Vercellensis ordinis S. Benedicti ab
anno 1230 ad 1245 et huic post uarias eruditorura contentiones , illis
iniusto auctoris titulo spoliatis, ab omnibus ferme sequens opus uindicatum
est.« Gregory. Hist. I. pag. 314.
VII. Cod. Taur inen sis, aufbewahrt in der kgl. Bibliothek zu Turin.
»Incipit liber valde devotus compositus a magistro Joanne Gerson cancellario
parisiensi de Imitatione Christi«. Bei Montfalcon 1. c. pag. LXIV ündet sich
noch die sehr wichtige Notiz: tAduertere oportet, codicem esse incompletum,
absque capitum designatione ueterique charactere in eo legitur : Auetor huius
libri fuit Johannes Gersen abbas S. Stephani Vercellarum ex Canabaco.«
VIII. Cod. Gregor ian US, Pergamenthandschrift aus dem 15. Jahrhundert
unter der Aufschrift des Pariser Kanzlers Gerson. Gregory. Hist. I. pag. 314. sq.
Noch seien hier erwähnt Cod. Padolir. Flor. I. II. Veron. Guelforb.
De la Valli^r, welche sämmtlich die merkwürdige, sehr beweisende Aufschrift
tragen: »De imit. Christi Joannis Gersen, cancellarii Parisiensis. « Diese Hand-
schriften sind mithin gersenistisch und sollen auch unter den gersenistischen
ihre Stelle finden.
Diesen Codices m. s. reiht sich an eine grössere Zal von Druckaus-
gaben unter dem Namen Gerson. Backer') zält bis zum Jahre 1500 nur
29 gersonistische Impressen, während Gregory 37 namhaft macht. Die
älteste ist aus dem Jahre 1470. Betrefs der Prouenienz stellt sich mir
folgendes beachtenswerte Verhältnis dar. Es entfallen auf Frankreich 15 Aus-
gaben (9 auf Paris allein), 3 auf Deutschland, während Italien mit 19 gerson.
Druckausgaben aus dieser Zeit vertreten ist. Die älteste erschien noch zu
Lebzeiten des Thomas — in Deutschland. Bemerkenswert ist noch, dass
da das Epitet. »Cancel. Paris. '^ noch nicht beigegeben ist.
Es ist zweifellos, dass diese gersonistischen Codices nur durch einen
Fehler der Abschreiber entstanden sind. Den demütigen und zurücktretenden,
bescheidenen Benediktiner-Abt Gersen kannten die Kopisten nicht, wol aber
den weltberühmten Kanzler von Paris. Dieser Irrthum und wolgemeinte
Verbesserung ist sehr erklärlich, während es hingegen unerfindlich wäre, wie
jemand statt Gerson fehlerhaft den unbekannten Namen Gersen schreiben
könnte. Wir finden die Rechtfertigung des Gesagten in mehreren Codices
angedeutet. Der Codex Florentinus I. und II. trägt die Aufschrift: »Incipit
libellus deuotus et utilis compositus a Johanne Gersen, cancellario parisiensi
') Essai bibl. pag. 2 — 8.
de Imitatione Christi.* Ebenso sagt der WoirenbUttler: »Capitulum pTimum
compilatum per Johannem Gersen canceHnrium parisiensem.i: Die Schreiber
fanden im Originale zu deutlich Gersen geschrieben, als dass sie das .e*
in "Ol zu verändern wagten, aber ihrem Gedanken gaben sie doch dadurch
Ausdruck, dass sie die Apposition Cancellarius parisiensis hinzusetzten. Sehr
befördert musste das Entstehen gersonistischer Handschriften auch dadurch
werden, dass mitunter der Name des Aüctors sich nicht ganz ausgeschrieben
fand. So liest der Salzburger Cod.: »De Imitatione Christi Johannis Gers.«
und der von Pollingen: i De Imitatione Christi a Johanne Ges.« Man kann
sicher sein, dass ein Copist dieser beiden Handschriften Gerson und nicht
Gersen ergänzt und geschriebeu hätte. ') Auch noch ein anderer Grund,
der betreffs der Codices des hl. Bernhard und Heinrich Kalkar der einzige
war, dürfte auch bei den Handschriften, welche für Gerson sind, mit im
Spiele sein, nämlich die Speculation der Buchdrucker. So meint wenigstens
Leibnits. >Typograjihi quidam, sagt er, *) lucri causa D. Bernardo, nonnulli
Joanni Gersoni, viro celebri, adscripsere (libr, IV de Im. Chr.)« Die Gersonislen
haben auch nie sonderlich auf die Beweiskraft ihrer Handschriften gebaut
und ist es nicht zu verwundern, wenn der neueste Gersonist in seinem Be-
weis für Gerson gleich im ersten Kapitel beweisen will, dass die Handschriften
in unser Frage nichts beweisen und dass mit Hilfe der Manuskripte sich unser
Streit nicht beilegen lasse. ')
Auch Vertheidiger der vermeintlichen Anrechte Gersons finden sich noch
immer. In der Vertheidigung Gerson's und in der Argumentalions weise seiner
Vertheidiger möchte ich zwei Phasen unterscheiden. Die erste reicht bis in
das Ende des dritten Jahrzehntes unseres Jahrhunderts. Man nimmt Gerson
als Verfasser der ilateinischen Itnitatioi und holt seine Gründe ins der
Rüstkammer des El. Du Pin.
Dieser will nämlich die Rechte des Gerson aus den Handschriften, den
') Cf. V.ilgrav. Ateiiiii- chrUDol. png. 109 sq
IhutU poncrelur per «u« in »o- conucrsiontm , cn
dociioribus pronus fuil. Ha accedit, ijuod numen Jonni
eo tempore ductrinau jHiritt^r et pivlalis famiL fuil celeli
Vcrccllcnsis Abbatis, inemurin factiunum praeccdenl
djutamitatc uel penitits oblltFratn ucl in GLTSonionim scu
In hanc sane scnlentiam ilum est d iloctissimis
.Quu
1 solum
i lyp.i-
Gci^on, Lugduni mipeirinic ileroiicli,
imum. Junnnis ueru Gersen , olim
m npuil Halus iluorum sacculurum
nnonicttnim forte famitiam drsciucral.
Jesu Tlalis Rnssignolio, Nigronio.
Possevino, Eminentissi[iio<|Ue Bellatniina, qui in libro de scriptoribus ecclcsiasltcis in •Gereone
candcm sie eupriissit: Et Line apparet huc opus Iribulum fuisse Joanni Gci^nni prupicr siiiiib.
ludincm nominis, quin ucnis auctor etat Joannes Unscn.r
') Script, rcnim Bnlns, U. paß. 43.
•) Jean Dnrche, Cle dt- l'imilalion de Ji-i.us Chml. l'ari> 1875. [«i«. 17 ; -I-.i
qimtion de l'nuleur de l'iiiiilaliuii de Jüühs Chrlil Sera intermi nable , lanl '|u'un ti'eii tivndra
58
alten Drucken und inneren Gründen erweisen. Wie mangelhaft der Beweis
für Gerson aus den Handschriften ausfalle, fühlte der gelehrte Du Pie selbst
am besten und leitet daher seinen diesbezüglichen Beweis mit der Bemerkung
ein, dass sicher Ende des 15. Jahrhunderts Gerson so ziemlich allgemein als
Verfasser geglaubt wurde, dass aber bedauerlicher Weise die gersonistischen
Handschriften noch nicht mit jenem Eifer gesucht worden seien, wie man
das von den Thomisten und Gersenisten sagen könne. ^) Doch ist bis heute
der Beweis Gersens aus den Handschriften nicht vollständiger und über-
zeugender geworden als ehevor, obschon man es an Sorgfalt und Fleiss ge-
wiss nicht hat fehlen lassen. Ausserdem lässt sich auch recht leicht und ganz
gut erklären, wie Gerson zu der Ehre gekommen ist, handschriftlich als
Verfasser der Imitatio genannt zu werden. Viele Abschreiber kannten den
Namen Gersens, den sie im Originale fanden nicht, vermuteten, es müsse
das wol Gerson, der Kanzler von Paris sein und schrieben auch demgemäss.
Das zeigt uns ganz deutlich der oben angeführte Codex de la Valli^re,
welcher in Italien entstanden ist und dessen Vorlage einen Gersen als Ver-
fasser angab. Der Abschreiber Hess Gersen, setzte aber »cancellarii parisiensis«
hinzu. Und obic^e Handschrift steht da nicht vereinzeint da. Ebenso lesen
auch der cod. Guelforb. Florentinus I et II. Wenn so Namensverwechslung
einen Teil der gersonistischen Handschriften erzeugt hat, so kann man den
andern Teil und die Drucke der Sucht zuschreiben, dem Werke einen be-
rümten Namen vorzusetzen. Buchhändlerische Spekulation spielte dabei eine
grosse Rolle, wie das schon Leibnitz sehr wahr anmerkt.*) Am schwächsten
gestalten sich die inneren Gründe für Gerson. Man hat auf die Aehnlichkeit
des Stiles hingewiesen, welche zwischen den erbaulichen Schriften des grossen
Kanzlers und der Nachfolge obwalte. So hat bereits Du Pin ') eine Reihe von
Stellen aus den Schriften Gersons ausgehoben, welche die innigste Verwand-
schaft mit dem Geiste der Nachfolge constatiren sollen und Gence hat diese
Stellen noch vermehrt. *) Aber es ist diese Verwandtschaft grossentheils eine
blos durch die Allgemeinheit des Inhalts gegebene und bezüglich der Sprache
des inneren Lebens herrscht einmal grosse Uebereinstimmung. Was folgt
*) Cf. El. Du Pin, Nouvelle biblioth^ue des autcurs ecclesiastiques. A Paris 1700.
tom. XH. pag. 179: »On ne peut nier que Topinion la plus commune sur la fin du quinzieme
si^cle en France et en Italic n'ait ^te que Gerson etoit l'auteur de l'iroitation. On n'a pas
pris le meme soin de rccucillir tous les manuscrits qui sont sous le nom de Gerson, qu'on
a fait de ceux qui sont sous le nom de Thomas de Kcnipis ou de Gersen ; parce qu'il n'y a point
de communautö qui sc soit intcresscc pour lui, mais il est certain qu'il y en avoit plusieurs.«
') »Typographi quidam lucri causa D. Bemardo, nonnulli Joanni Gersoni, viro celebri
(libros de im. Christi) adscripsere « Script, rcr. Brunsv. II. pag. 43.
') 1. c. pag. 181 u. 182.
*) Jean Gerson rcsiiluc et cxpliqud par lui meme. Paris 1836. cd. 2. -1837 ibid.
daraus, wenn sowol Gerson als Jie Imitaiio den demütigen Sinn der Einfalt
dem sich überhebenden Wissen vorziehen ? Das beweist noch kein Abhängigkeits-
verhältnis. Es gibt ja doch verwandte Geister und daher sind parallele
Gedanken nichts Auffälliges. Für's zweite glauben wir uns darauf berufen
zu sollen, dass schon Du Pin bekennen muss,') Gerson schreibe streng
methodisch, während in der Nachfolge das Gefül den Verstand beherrsche.
Vollends aber fasst einer der gründlichsten Kenner Gersons , Ur, Job. B.
Schwab, welcher uns mit einer wertvollen »durchgängig auf jahrelanges
Quellenstudium" gegründeten Monografie über Gerson beschenkt hat, sein
Urtheil bezüglich imserer Frage in die Wofte"): iDie gesammte Auflassung
und Darst el In ngs weise Gerson 's ist in seinen sämmtlichen Arbeilen eine
so durchaus sich gleichbleibende , bestimmt ausgeprägte und von jener
der Nachfolge so sehr verschiedene, dass ein derartiges Heraustreten
des Geistes aus sich selbst, ein plötzliches Hineinfahren in eine ihm gans
neue Form und eine sofortige Ruckkehr in die früher eingelebte Weise,
wie es die Annahme , Gerson sei der Auctor der Nachfolge . voraussetzen
muss , nur auf dem Wege des Wunders erklärlich würde, analog dem
plötzlichen Sprecher einer ganz fremden Sprache." Diesem gewiss strin
genten Beweise gegen Gerson sei nur noch angefügt, dass man in dem
Buche der Nachfolge durchgängig einen Mönch wahrnimmt, der zu seinen
Schülern redet, sie zum Mönchsleben ermuntert') unddgl. ; was auf Gerson,
der nie Mönch gewesen ist und unter den Cölestinern zu Lyon nur eine
Zufluchtsstätte gesucht und gefunden hat, nicht wol passt. In dem Werke:
»De perfectione ad Charthusiensest bemüht sich Gerson, den Karthäusern zu
zeigen,- wie sie Laster ausrotten und zur Vollkommenheit gelangen können
und sollen. Damit lässt sich der Aufruf*); lAttende Carthusienses > , mit
welchem sie als Muster und Vorbild hingestellt werden, schwer vereiniq;en.
Ucberhaupt will das ganze öffentliche und reichbewegte Leben Gersons mit
der Maxime der Nachfolge: Man solle in der Verborgenheit seiner Zelle,
von der ganzen Welt ungekannt, 'stille dahin leben, nicht recht stimmen.
Traditionelle Bezeugung für Gerson fehlt, wie wir schon oben bemerkt. Wir
besitzen ein nahezu autcntisches Verzeichnis aller Werke Gersons in einem
Briefe seines Bruders d.d. a. d. J. 1433. Darin kommt die Imitatio so
wenig vor als im Kataloge der Schriften des grossen Kanzlers, welchen
Caresius 1429 — dem Todesjahre Gersons — gefertigt hat. Die Cölestiner
«) er. Im, I
183, »II est vrai, que le Etile de Gerson est un peu. different de «lui
I traite Ics mnlüres d'unc mnni^re plus mclhodique et muins Bflecüve.i
n Jöh.innes Gerson. Kine Monographie, WUr^.burg 1858. .Seile 783-
3. c. 10 u. 46; Üb. I. e. 15.
6o
in Lyon und die Karthäuser zu Villencuve, wo Charlier seine letzten Tage
verlebt hat, wissen nicht, dass er ein Werk Imitatio geschrieben hätte. In
den ältesten Sammelausgaben der Werke Gersons fehlt unser Büchlein. ')
Die Ausgabe des Peter Schott, Strassburg 1488, spricht ihm dasselbe aus-
drücklich ab.
Die Parole des zweiten gersonistischen Eroberungsplanes wurde ausge-
geben von H. Barbier *) und Gence, ') welche die Ansicht des. Doctor der
Sorbonne Lenglet Dufresnoy zum Siege zu bringen gesucht haben, dass die
mitunter unter dem Titel J. C. vorkommende Uebersetzung der drei ersten
Bücher der Imitatio »Internelle consolationc das Original sei, dessen Ueber-
setzung in's Latein vielleicht Gerson selber besorgt habe. Dieser Ansicht
stimmte neuestens auch Leroy *) bei und Thomassy *) hat sogar die Situation
der Aufzeichnung gefunden. Gerson genoss nämlich nach seinem eigenen
Geständnisse während seines zehnjährigen Aufenthaltes zu Lyon eine solche
Freudigkeit und einen solchen Frieden der Seele, wie nie vorher; dadurch
sei sein Geist lichter und leichter zur Arbeit geworden. Auch sei er da mit
den Mönchen in offenem Verkehr gestanden, habe sich an ihnen erbaut,
andererseits aber auch ihre Fehler nicht übersehen. In einem Werke aus
jener Zeit klage er ja offen, viele Mönche seien so von dem Geiste der
Frömmigkeit abgekommen, dass sie bei jedem Worte, das man zu ihnen vom
inneren Leben spreche verstummen und so stumpfsinnig sich zeigen, dass
sie nicht einmal mit dem Pilatus fragen mögen: >Was ist Wahrheit, c nirgends
sich geistig, sondern vielmehr wie thierisch benehmen, voller Ansprüche,
aber ohne Weisheit.*) Dieses Zwittergefühl sei so die rechte Situation für
die Abfassung der Nachfolge. Leroy ') bestimmte in einem folgenden Werke
*) Die Imitatio kommt nicht vor in den Ausgaben der Werke Gersons : Colon. 1483;
Argentinen. 1494. et 15 14; Basil. 1489 et 15 18; Paris. 1521 et 1606.
') Dissertation sur les LX. traductions fran^aises de Viniitation. Paris 18 12.
') Siehe dessen zalreiche diesbezügliche Schriften im Anhange.
*) »Etudes sur Ics myslörcs« et »Etudes sur divers manuscrits de Gerson« par Onesime
Leroy. Paris 1837. Png. 413—475.
*) Jean Gerson. Paris 1843. ^^g. 335.
*) Da wir uns auf diese Stelle nochmals beziehen werden, setzen wir sie im Originale
her : »Videmus plures ex religiosis nostri temporis sencs cum junioribus servire Dco in ariditate
Spiritus uclut in horrorc descrti inaquosi. Et primum, quod si quaestio fiat, an gustaverint et
vidcrint quam suavis est dominus et (luia oportet adorare deum in spiritu et veritotc,
respondere ncqueunt ex scicntia, sed ncque si perstem et interrogari cum Pilato: quid est
yeritas? ita omnia agunt sine spiritu, animales ferc per omnia et in nullo paen6 spirituales,
imo vix ad vitam capescendam rationales. Nihilominus sibi ipsis aliter blandiuntur tanto
incurabilius quanto insolcntiae plurimum et sapientiae parum habcnt.« De stud. monach.
fol. II. col. 693 ed. Du Pin, Ilagae Comitum. 1728.
^) Siehe die preisgekrönte Schrift: Corneille et Gerson dans l'imitation de J. C.
Paris 1841.
die ganze I^ge nSher und wtiss zu belichten, die >Internelle consotatiom
sei schon während des Aufenthaltes in Bruges geschrieben (1397 — 1401) für
seine Schwestern, in Lyon habe Chariter sein Werk für die Cölestiner ins
Latein übertragen. Moland endlich und Hericanlt ') verlassen auch diese
Annahme und sagen, die •Internelle consolation« sei für die gewöhnlichen,
gemeinen Leute, die lateinische Imitatio aber für die Mönche und Original. ■
Aber die »Interneile consolation« ist eine Uebersetzung oder vielmehr eine
Paraphrase, die den Inhalt der Imitatio in die geregelte Theo logen spräche
bringt. Dies ist auch urkundlich bestätigt, indem die Bibliothek zii Amiens
einen Text der tintevnelle consolation« besitzt, welchem am Schlüsse die
Bemerkung beigefügt ist: lUebersetzt aus dem Latein ins Französische zu
Hesdin im Februar 1447.« Dies m. s, von Amiens ist aber eine Copie der
Handschrift von Valencien, daher ist auch dieses nur eine Uebersetzung der
ImiL-itio lind folgerichtig alle Schlussfolgerungen, welche Leroy und seine
(jenossen daraus gezogen haben, ohne Berechtigung.*) Es sind also die
neueren Kämpfer für den Kanzler nicht glückhcher als ihre Vorgänger.
Aus dem Vorstehenden wird man schon zur Geniige ersehen haben,
dass sich Gerson als Auetor der Imitatio nicht beweisen lösst. Die Gersonisten
selber müssen an der Macht ihrer Gründe schon verzweifelt haben, anders
wäre ja die Ursache des GewalUtreiches nicht zu ünden, der in der Erklärung
Thomassys liegt'): iMan müsse bei den vielen in ihrer Vereinzelung zwar
ungenügenden aber in ihrer Gesammlheit gewichtigen Wahrscheinlichkeiten
die für Gerson seien, so verfahren, wie man das im Leben pflege, nämlich
frisch die Auetorschaft Gersons behaupten, ohne sich um die Sicherheit der
Beweise viel Sorge zu machen. 5 Die Gegner Gersons haben alle Ursache,
mit dieser Erklärung zufrieden zu sein.
Gerson Johann, einer der vier Brüder des berühmten Kanzlers,
trat wie Nikolaus sein älterer Bruder in den Orden der Cölestiner, legte 1407
seine Gehibde ab und wurde später Prior der Cölestiner zu Lyon. Als der
tiefgebeugte Kanzler nach Frankreich zurückkehren konnte, verschaffte ihm
insbesondere sein Bruder, eben unser Johann, die Mittel, damit er in einer Zelle
des Klosters der Kollegialkirche St. Paul seine Tage in einsamer Thätigkeit be-
schliessen könne. In einem Briefe beschreibt er den patriotischen Schmerz seines
Bruders über das Unglück Frankreichs. (Ep. fralris Joan. de Gersono, ord.
') I* livre de rinlerncllc consolalion premitre versiuii frnii^aiw de l'iniiwiioti de J. C,
Nouvelle Mition avec un initoduclion et des noies pni M.M. Mol. rt Ch. Her. Paris 1856.
pag. XXIV. : -Arrangfc liouf Ic vulgaire, pour ks simples gens, («ur cel immciisc public de
1a boUTgeoisie et <lu pcuple.t
') Wie Malou, Recherches, 3. Aiufi. Paris 1858. pog, 306—315 austtlhrlichst
nacfaffeisl.
') 1
1'- 335'
62_
Coelest. Opp. Gersoni tom. I. pag.CLXXVII.(Schmab, Johonnes Gerson Seite 54
und 762.) Als Verfasser der Nachfolge gibt diesen Cölestiner- Prior Faita aus.')
Eusebius Amort würdigte diese curiose Ansicht aber in seiner Moralis cer-
tiludo einer Widerlegung: »Accedit responsio ad nouam speciosam Rdmi. d.d.
Petri Faita, Abbatis Cassinensis Brixiae, quod Johannes Gerson, Atbas Coe-
lestinorum Lugduni frater Gersonis Cancellarii sit Author Libronim de
Imitatione Christi«.
Thomas Hamerken ( Hemerken, Malleolus) ist 1378 oder 80 in
dem Städtchen Kempen, woher er den Namen trägt, geboren. Dreizehn
Jahre alt kam er nach Deventer in die Schule der Brüder vom gemein-
samen Leben, hatte da zuerst freie Wohnung bei einer Matrone, bis er
endlich im letzten Jahre seines siebenjährigen Aufenthaltes in Dei-enter ins
Bruderhaus aufgenommen wurde. Die Studienzeit zu Deventer war zu Ende.
Den Erfolg derselben beschreibt uns Thomas selbst mit folgenden Worten *) :
»Ibi (in schola Daventriensi) didici scribere et sacram scripturam legere et
quae ad mores spectant deuotos tractatus audire.« Hamerken begab sith
nunmehr nach dem Kloster der regulirten Chorherrn des hl. Augustin nach
dem Agnetenberge bei Zwolle und bat um Aufnahme. Hier musste er
unerklärlicher Weise ein sechsjähriges Noviziat durchmachen, bevor er
(1406) eingekleidet werden konnte,^) Im Jahre 1413 wurde er zum Priester
geweiht. Aus seinem Priesterleben ist bekannt, dass er mit seinen Brüdern,
als bei Gelegenheit der strittigen Bischofswahl nach dem Tode des Utrecbter
Bischofs das Land mit dem Interdicrt belegt wurde und die Klostergeistlichen
der Aufforderung, den feierlichen Gottesdienst zu halten, nicht nachkamen,
von dem Civil-Gubernium vertrieben, nach Lünekerk in Friesland flüchten
musste, welches Exil 3 Jahre, bis 1432, dauerte, dass er dann Subprior und
später Schaffner gewesen ist. Als solcher hatte er Marthadienste zu versehen
>in der Küche, in der Brauerei, im Keller, im Aussäen des Getreides, in der
Mühle« . . . Auch Novizenmeister soll er gewesen sein. *) Wann er zu
*) Vita Amoldi c. 14.
•) Vielleicht findet man diese Thatsache ans den geringeren Kenntnissen, die er
mitbrachte — denn seine Connovizen wurden regelrecht eingekleidet — und aus folgender
Bemerkung in einem Zusätze zur S. Agnes Chronik erklärlicher: »Er (Thomas) ertrug beim
Beginn des Klosters grosse Noth, Versuchungen und Arbeiten«. (Böhringer, Die Kirche
Christi, 2. Bd. 3. Abth. Seite 695.) Ich bin mir recht wohl bewusst, wie sehr diese Er-
klärung von den Anhängern des Thomas, perhorrescirt wird imd finde daher für nothwcndig
folgende Erklänmg aus Delfau, Dissert. pag. LXXXI e. c. zu wiederholen: »Haec a mc
iactata non sunt, ut ullam religiosissimo Kempensi labem inuram, sed ut ostendam eos longe
a ueritate aberrare, qui eum tam leui aetate tantae lucubrationi animum adiecisse putarunt.«
*) Wofür aber bestimmte Anhaltspunkte fehlen.
63
jedem dieser Aemter berufen worden ist, wie lange er sie verwaltet, ist gleich
unbekannt. Dagegen wissen wir, dass er 1447 zum zweiten (dritten ?j Male
zum Unterprior bestimmt worden ist. 1871 starb er 92 Jahre alt.
Thomas war ein guter Schreiber und pflegte seine freie Zeit mit
Abschreiben, Bemalen (illuminandis) und Verbessern der Handschriften zuzu-
bringen. ') Die Bücher , die er abschrieb , dienten theils zu seinem und
seiner Mitbrüder Gebrauche, theils wurden sie zum Besten des Hauses ver-
kauft. Denkmäler dieser Kunst des Thomas haben sich zwar bis heute nur
ein paar erhalten, aber geschichtlich bezeugt sind mehrere: Eine Bibel in
vier grossen Bänden, ein ungeheures Missale und einige 'Werkchen des
hl. Bernhard, sehr kunstreich geschrieben, waren noch hundert Jahre nach
seinem Tode auf dem Agnetenberge anzutreffen. *) Thomas ist aber nicht
blos als Schreiber, sondern auch als Verfasser mehrerer Schriften zu nennen ;
wenn wir auch in Verlegenheit kämen, so wir seine ächten Schriften auf-
zählen sollten. Seit der ältesten Sammelausgabe der Werke unseres Malleolus,
Utrecht bei Nikolaus Ketelaer 1473 — ^^ welcher unter anderen auch die
Imitatio Christi nicht aufgeführt wird — ist die Thomas-Literatur mit jeder
neuen Sammelausgabe bereichert worden, so dass endlich Sammalius, welcher
anderthalb Jahrhunderte nach Thomas eine Ausgabe der Schriften desselben
besorgte, sie ums »Dreifache! vermehrt herausgab.*) Das würde weniger
zu verwundem sein, wenn die Autenthie jedes einzelnen Werkes doch in etwas
bewiesen wäre. Doch macht Sommalius, wie sich jeder, der die citirte Aus-
gabe, welche als die beste Sammelausgabe der Werke des Thomas gerühmt
wird, befragt, überzeugen kann, nicht einmal den Versuch die Aechtheit der dem
Kempcnser zugeschriebenen Werke zu erweisen. Die neueste Kritik hat denn
auch an der Thomas-Literatur bereits strenges Gericht geübt. So haben
Gence und Vert nebst anderm die Unächtheit des Soliloquium animae und der
Epistolae nachgewiesen, und selbst Mooren, der begeisterte Thomist, welcher
eine eigene Biografie des Hämerken geschrieben hat, äusserst seine starken
Bedenken gegen die Autenthie des Soliloquium, De tribus tabernaculis , De
eleuatione mentis. De compunctione cordis. De tideli dispensatore , De soli-
tudine et silentio, einzelne Predigten und Briefe. *)
*) Vgl. Chron. wind. II. 409.
•) Mooren, Nachrichten über Thomas a Kempis. Crefcld 1855. S. 153.
•) Ven. uiri Thom. Malleoli a K. opp. omn. opera et studio Ilcnrici Sommalii. Ed.
xiouiss. cur. Euseb. Amort. Col. Agrip. 1728, wo Sommalius pag. i. n. 2. selbst sagt: »iam
primum a me tertia ex parte aucta.«
*) Vgl. Vcrt, Etudes 1856; M.)oren, Nachrichten über Thom. a Kempis nebst einem
Anhange von meistens noch ungedruckten Urkunden. Crefcld 1855.
Insbesondere wurde aber zur Evidenz btiwiesen, dass Thomas nicht
der Verfasser der Imitatio ist. Die Gründe, welche die Thomisten für
ihren Molleolus vorbringen, sind: Handschriften, gleichzeitige Zeugen, Druck-
ausgaben, Innere Argumente, gewonnen aus der Lehre und Ausdrücken, wie
sie in der Imitatio und den anerkannt ächten Schriften des Thomas parallel
vorkommen sollen. *) Wir lassen hier diese Argumente sammt einer kurzen
Würdigung derselben folgen, schliessen eine Uebersicht unserer Gründe gegen
Thomas an und verweisen als Ergänzung dieser beiden Kapitel auf die
Geschichte des Streites und die einzelnen betreffenden Abschnitte in dem
Beweise fiir Gerscn.
A. DIE BEWEISE FÜR THOMAS A KEMPIS.
inn auch nicht dem Range so doch der Anordnung nach erscheinen
als erstes Beweismoment der Thomisten die Codices mss. Man findet
die thomistischen Imitatiohandschrif\en am vollständigsten gesammelt und aus-
führlichst beschrieben bei Nolte *) und Malou. •) Es sind folgende :
I. Cod. Kirchhemianus. Papierhandschrift, enthaltend die drei ersten
Bücher der Nachfolge auf 77 Bl. kl. 4. fol. i*: >Incipit libellus de imita-
cione Christi et contemptu omnium uanitatum mundi.« ExpÜc. fol. 77b:
»perpetue claritatis. Amen.vc
Am unterm Rande vom fol. i** findet sich — von einer anderen
Hand — die Notiz: »Notandum, quod iste tractatus editus est a probo
et egregio uiro, Magistro thoma de monte Agnetis et canoni co regulari in
traiecto, Thomasde Kempis dictus, descriptus ex manu auctoris in traiecto
anno 1425 in sociatu prouincialatus.c
Die Handschrift ist jetzt in der Brüsseler Bibliothek. Vgl. noch Amort,
Deduct. critic. Pag. 119 sq.; Scut. Kemp. Pag. 24; Plena ac succ. inform.
Pag. 192; ferner Gence, Descriptio histor. critic. Pag. XXXII. und Gregor}',
Histoire, tom. i. pag. 229; Weigl Denkschr. S. 177.
II. Cod. von Gaesdonck bei Goch, gehörte einst dem Convente
von Bethlehem, Augustiner Ordens, bei Dotinghem unweit Zwoll und wurde
durch mehrere Hände endlich dem Kloster Gaesdonck geschenkt, wo er noch
ist. Ende des zweiten Buches: »Anno Domini 1425 in die S. Elisabeth;«
Ende des 4. Buches: »Anno Domini 1427 in die SS. Crispini et Crispiniani. «
*) Vgl. Malou 1. c. pag. 75 — 172, wo Alles, was je für Thomas gefunden und
vorgebracht worden ist, vereint sich findet.
«) Zeitschrift für die gesammte kath. Theologie. Wien 1855. Bd. 7 Seite 8—53.
') 1. c. pag. 99 — 112.
siehe Malou pag. 103 und KöUner Voikshnlle 1851, n. 77. 85. 87
und 1852. Letztere theilweise reproducirt im Journal histarique de M. Karsten.
t XIX. pag. 52.
Iir. Coii. Antverpiensis. Das berühmte, vielbesprochene Aiilographon
lies Thomas von Kempis ist in einem Sammcl bände der Brüsseler Bibliothek
erhalten. Die Handschrift ist Sedez, theils von Papier, theils von Pergament,
fol. 3b im Minium: »Incipiunt capitulat und am Schlusse der Inhaltsan-
gabe: ilncipiunt ammoniciones ad spiritualem uitam utiles.f Fol. asa folgen
zunächst wieder die Kapitel übersieht und dann der Titel: »Incipiunt am-
moniciones ad interna trahentes.". Fol. 39b steht am Schlusse der Kapitel-
angabe des folgenden Buches, dessen Titel: ^Incipit deuota exhorlatio ad
sacram communionem.« Dieses Buch reicht bis fol, gga, Fol. 6itt (weil
SQb — 6ib unbeschrieben): »Capitula libri sequentis,< dann dessen
Ueberschrift : ilncipit über internae consolationis,« welches fol, 64a — iiSb
einnimmt. Am Schlüsse des Sammelbandes fol. 191b findet sich folgende
mit roter Tinle geschriebene Notiz: »Finitiis et completus anno Domini M"
CCCC XLI" per manus fratris thome Kempensis, In montc S. Agneti.s
prope ZwoUis.»
Vgl. über diese Handschrift nebst Molte und Malou das Instrumentum
der Pariser Gel ehrten Versammlung von 1471. cod. n. i, sowie Gence, De-
scriptio |)ag. XXXVII stj. Gregory, Histoire, tom, I, pag. 249 sq., Mabillon,
de re diplom. tab. XV. 8 und Enseb. Amort, tab. 111 geben ein Facsimile
unserer Handschrift. Neuestens wurde der ganze Codex photografirt.
Der Bedeutendste unter den neuzeitlichen Thomisten Malou führt in
seinen Recherches ') fünfzehn Handschriften für Thomas an. Als die drei
ersten figunren die obgenannlen. Nur beiläufig merken wir an, dass gleich
die vierte und fünfte nur sagen: sCompilauit i^uidam canonicus regulae s.
Aiigustini cpiscopi" und dass die als siebente aufgeführte die Angabe: »Son
nom est Thomas ä Kempis du convent pr^s de ZwoU durch eine spätere Hand
erhallen hat. *) Alles in Allem gerechnet, meint Malou, liesse sich wol fast ein
Halbhundert Handschriften für Thomas finden;') und es mag diese Angabe
nicht einmal allzu übertrieben sein, wenn auch das Gros der Handschriften als
anonym bezeichnet werden muss, Wie dem immer sei, den Stolz der Anhänger
') Troisiime cd. png. 99 — 112.
') «Une main posiiiieiire a ajouli i In m
"} 1. c. p. 1 1 1 : Monrnkon fuhrt in »inci
de Jisvis Christi in der Eitil. poljglulle pag. I.VI
Bind: Kirchcimius , Anlucrpiensiä , Zn-yfillensis,
Lnuanirniiis, Viciiiiciisi;, Augustnnuü [I.
n nom.« Malou. I. c. p. 1
1 vir Ics msnuscrit« de l'imila
n Codices an, welche ihomist
nsis, Afnighemiensii, Griescr
S
_ 66
des Thomas bilden die drei ersten Codices, zumal das Autographon Antverpiense. ')
Dieser so gar nachdrücklichen Hervorhebung liegt die richtige Einsicht zu Grunde,
dass diese Trias das Fundament bildet, über dem sich der ganze Beweis aus
den Manuskripten aufbaut und womit wohl* auch der ganze Beweis des Thomas
steht und fallt. Wir wollen diese Codices Ms. nach ihrer Beweisstärke prüfen
und beginnen mit der Antwerpener Handschrift. Die Verfechter des Thomas
fuhren jederzeit und überall das stolze Wort im Mund: Wir besitzen das
Autographon des Thomas, vor diesem Codex müssen alle Manuskripte und
Beweismittel der Gegner auseinanderfiiessen wie Spreu im Sturmeswehen.
Es ist dies der Cod. Antverpiensis mit der Unterschrift: >Finitus et com-
pletus anno Domini MDDDD. XLI. per manus fratris Thomae Kemp. in
Monte Sanctae-Agnetis prope Zwoll.« Lange Zeit hindurch hielten die Tho-
misten diesen Codex fiir das Archetypon des Hämerken. *) Als aber viel
ältere Handschriften der Nachfolge gefunden und zalreiche Fehler in diesem
Archetypon entdeckt wurden, welche sich mit der bisherigen Ansicht der
Kempisten nicht vertrugen, degradirte man das Archetypon zu einem Ek-
typon, das Protographon zu einem Apographon. Nichts desto weniger gilt
diese Handschrift noch immer als das Schibolet der thomistischen Sache.
Wie einleuchtend besagt aber diese Handschrift nur, dass Thomas die
Imitatio geschrieben, mit Nichten aber, dass er sie verfasst habe. Und wie
uns Thomas selbst berichtet , •) stellte der Vorstand mehrere Brüder an,
welche zum Hausgebrauche und um für das arme Kloster zu verdienen,
>pro domo et pro pretio« fleissig Handschriften copirten. Thomas hat viele
Bücher abgeschrieben. Wir haben ein Missale und eine Bibel, letztere aus
dem Jahre 1439, ersteres von 14 14, welche genau dieselbe Unterschrift haben,
wie die vier Bücher der Imitatio. Besagt die Unterschrift schon klar und ein-
leuchtend , dass wir es hier nur mit dem Abschreiber des Werkes und nicht
mit seinem Verfasser zu thun haben, so schliesst die eigenthümliche Be-
schaffenheit der Handschrift Thomas gerade direct von dem Anrechte auf
Autorschaft des Werkes aus. Jedermann weiss, dass der Verfasser, wenn er
sein eigenes Werk copirt, weniger auf die Zierlichkeit und Schönheit der
Buchstaben als auf die Reinheit und Vervollkommnung der Sprache und
Wortformen bedacht ist oder dass er zum mindesten über dem Ersteren das
Letzte nicht vergisst Betrachten wir nun aber den Cod. Antv. , so werden
») Paul Keppler, Tübinger Quartalschrifl 1880. i. Heft. S. 72: »Von den Mss., die
sich über Entstehiingszeit und Verfasser ausweisen und denen allein ein entscheidendes Wort
zukommt, spricht folgende Trias für Kempen«, und es folgen der Kirchheimer, Gäsdoncker
und Antwerpener.
*) Rosweyd, Vindic. c. 19; Fronto, Vind. p> 3* § i ; Sommal im »Monitum« seiner
Ausgabe der Imitatio.
') Chron. montis s. Agnetis. c. 8.
«7
wir Sorgfalt verwendet finden auf Hie Zierlichkeit [ind das Ebenmas^i der
Schrift, dagegen aber zalreiche sprachliche Unrichtigkeiten, sogar grobe Ver-
stösse gegen den Geist und die Richtigkeit der Sprache. Die Handschrift
ist so angethan, dass sie das »per manus« ihres Schreibers lobt, »ingenio«
desselben aber ausschliesst. Die Fehler, Auslassungen, Versetzungen, Lituren,
Soloecismen ') sind so gross und anstössig, dass sie die gewöhnliche Ent-
schuldigung der Verfechter des Thomas, als seien das Uebereilungeu , die
gerade dem Abschreiber seines eigenen Werkes am leichtesten begegneten,
ganz ungerechtfertigt erscheinen lassen und den Thomas geradezu des Miss-
und Nichlverstehens des Geschriebenen zeihen. *) Halte ferner Thomas sich
aus Demut nicht als Verfasser genannt, so hätte er noch weniger das
geringe Verdienst des Abschreibens hervorgehoben wissen sollen. *) Dieses
Manuskript beweist mithin nichts für Thomas, alles aber gegen ihn. *} Und
doch verdankt es Thomas diesem Codex , so lange fiir den Verfasser des
Buches gehalten worden zu sein. Ungenaue Abschreiber, unwissende Buch-
drucker setzten ganz einfach Thomas, der sich doch nur selbst als Ab-
schreiber nannte, als Auetor und kein Mensch fragte darnach, bis endlich
der wahre Verfasser bekannt wurde. Dass nur aus diesem Codex der ganze
Itrthum geflossen ist, beweist der Umstand, dass bis heute die Thomisten
keinen älteren Codex haben finden können, der Thomas als Verfasser nennte.
Noch immer ist es den Partisanen des Kempensers nicht gelungen, der For-
derung Mabiilons zu genügen, doch endlich einmal ein M. s. vorzuweisen,
welches aufschriftlich und vor dem Jahre 1441 Thomas als Verfasser nennt.')
Doch wir scheinen den Thomisten Unrecht zu thun, denn sie fuhren vor
der einstigen Antwerpener, jetzt Brüsseler Handschrift zwei ältere auf, welche
') Sie wurden von der ersten Pariser Gelehrtenversainmlune 1671 lusamtnenfiislelll.
Sehe das •Instrumcnlum. der Mauriner Ausgabe der Imitatio ed. c. pag. XXIV^XXXVIII.
*) Neqüe uero ea errata sunt hominis in rtcta scribendi raiione nbcrranlis. sed haud
plane capientis, quid scribnl.« Delfau, Disscrtotio e, c, png. XLVI.
') Arthur Lnth isl vollends im Rechte, wenn er gerade aus dieser Unlerscbrifl des
cod. Anlucrp. den Schluss lieht, dass Thomaa die Imitalio Christi nicht verfassl habe, und
wenn er die Alternative stellt t lOu Thomas k Keinpis voulajt £tre connu, et alors il devail
signiüer clairemenl qu'il ^(ait Vauteur de l'Iniitalioo, qu il prefirait rcsler ignord. et dans ce
cai il ne devail cn aucune maniire joindre son nom k son oeuvre« bei Dr. Bernh. HÖIscher,
RecWlingshausen Gymnas. Programm 18789. S. is.
*) Cf. Papebrochius Act. S.S. Mai tom. V. pag. 82» n. II. ed. Ant«.: .Non übe,
mihi finalem csusae decisionem praeuerterc. contestata iain lite adhuc pendente. Ingeaue
lomcn fateoi, neque P. Godefredo Henscbenio neqike mihi umquam uisum esse, quod efÜcai
aliqaod pro Thoma argumentum possit u m.s. üic subacriplo (er redet vom cod. Anlu.)
*) Animadu. in Vind, Kemp. pag. 33^ »Si ergo alicubi tenarum extet codex ante
annum 1441 a uenerabili Thoma alioue quopiam cxaralus atque prima Tbomae ipsi manu
ndäcriptu'i, huncucl sero proferant etagilatae tot modis eontroucrsiae sie tandem fmem imponanl.«
6S
ausdrücklich für Thomas zeugen, nämh'ch die sogenannte Kirchheimer Hand-
schrift und die Gaesdoncker. Beide stammen aus dem Jahre 1425 und
nennen Thomas ausdrücklich als Verfasser. Das wäre nun freilich sehr
beweisend, wenn diese Angaben so wie bei den Handschriften des Gersen
in Form einer einfachen »Aufschrift« oder eines Titels uns entgegenträten.
Dem ist aber bei weitem nicht so. In der Kirchheimer Handschrift findet
sich die Bemerkung: »Notandum, cjuod iste Tractatus editus est a probo
et egregio uiro, Magistro thoma de monte Sancte Agnetis et canonico regu-
lär! in traiecto , Thomas de Kempis dictus , descriptus ex manu autoris in
trajecto anno 1425 in sociatu prouincialatus. « Aber diese Notiz liest man
»am untern Rande von fol. i a« und »sind, wie der übereifrige Kempist, den
wir reden lassen, ganz kleinlaut hinzufügt, diese Worte freilich von einer
andern Hand, mit einer anderen Dinte geschrieben, deren Farbe viel leb-
hafter ist . . .« Mit einer solchen Notiz, welche von einer anderen Hand
und In unbekannter Zeit hinzugefügt worden ist, lässt sich doch nichts be-
weisen. Der Codex ist kein thomistischer, er ist anonym und unter diesen
aufzuführen. Das zweite Manuskript, welches Malou für Thomas vorführt,
ist das von Gaesdonk, ehemals Kloster der regulirten Kanoniker bei Goch.
Diese Handschrift soll den Namen des Thomas von Kempis tragen und
aus dem Jahre 1425 stammen, indem das zweite Buch schliesst: »Anno
Domini 1425 in die S. Elisabeth« und das vierte aufhört mit den Worten:
»Anno Domini 1427 in die SS. Crispini et Crispiniani.« Trotz meiner
eifrigsten Bemühungen ist es mir bis nun nicht möglich geworden, die Hand-
schrift zu sehen, *) und muss ich ein definitives Urtheil darüber lassen, kann
mich aber nicht enthalten, einige schwere Bedenken, welche aus dem Referate
Malou's selbst über das Ms. sich ergeben, beizusetzen.
Mir fallt auf, dass Malou so gar reservirt sich ausdrückt, was sonst
nicht immer seine Sache ist. Er sagt:*; »On cite comme portant le nom
de Thomas ä Kempis et la date de 1425 un manuscrit des quatre livres
de rimilation;« Malou hat ja doch, wie mir Schoofs mittheilt, durch zwei
Gelehrte die Handschrift untersuchen lassen. Ebengenannter Dechant Schoofs,
Pfarrer zu Büderich bei Wesel am Niederrhein , ist der Auffinder unseres
Codex und hat mir denselben in einem Briefe des näheren beschrieben. Da
Malou's Bericht sehr mager ist, und die Kölner Volkshalle v. 1851, auf die
er sich beruft, nicht einmal in der Kölner Stadtbibliothek vorfindlich ist.
*) Die Bibliothek des ehemaligen Priesterhauses Gaesdonck ist noch so ziemlich intakt
beisammen und steht gegenwärtig unter der Aufsichi der Vcrmögensven^-altung ftir das Bv^thum
Münster, resp. des geh. Regir. Käthes Gedicke zu Münster. Geheim. R. Gedicke sicherte
zu wiederholten Malen die Ueberschickung der Handschr. zu, aber man konnte sie bis jetzt
nicht finden.
*) 1. c.
69
will ich hier wiedergeben , was mir rler Entdecker der Handschrift Schoofs,
der freilich auch schon >seit etwa fünfundzwanzig Jahren dies Manuskript
nicht mehr in Hiindeii gehabt,« brieflich miliutheilen so gütig war: sDer
Codex ist auf Pergament in handlicher Diiodezform sehr fein und schön ge-
schrieben. Nach den ersten Bdchern findet sich die Datirung der Beendigung
1437; beim dritten Buche in festo s. Elisabeth, am Ende des vierten Buches
sieht 1428. Dem Codex der Imitatio ist ein Anhang von Gebeten aus
Augustin, Bernhard, Bonaventura und vielleicht noch einigen anderen ange-
bunden; dieselben sind offenbar von derselben Hand geschrieben. Am
Schliisse steht: OreHir pro scriptore Thonn. de Millingen. Dieses ist aber
von anderer Hand und mit schlechter Diute beigefügt.« Dieser Bericht
bestätigt nur die Vermutung, dass Thomas a Kempis keineswegs als Ver-
fasser genannt wird , sondern dass die Handschrift einfach anonym ist. ')
So haben also die Thomisten nach nickwärts keinen Codex, der über
1441 hinaiisreicht. Viele thomistische Codices weist allerdings die Folge
atif. Allein allen diesen kommt keinerlei beweisende Kraft zu. Man weiss,
wie sie dazu kamen, den Thomas als Verfasser anzugeben. Kein nur ge-
täuscht durch den Cod. Antverp. War einmal der Anfang gemacht, so
durfte man um Nachtreter nicht besorgt sein. Einer schrieb in jener kritik-
losen Zeil dem Anderen nach und kümmerte sich nicht um die Richtigkeit
seiner Angabe. Einen Beweis aus den Manuskripten haben also die Tho-
misten nicht.
Wir werden beim Beweise des Gersen das Verhältnis der Drucke rück-
sichtlich der Verfasser, welche sie dem Buche beilegen, genau angeben und
da wir dabei ohnehin unter einem die Stärke des Beweises, welchen die
Kempenet aus den Editionen formiren, beleuchlen , so gehen wir gleich
jetzt zu jenem Beweise für Thomas, welchen seine Jünger als unumstösslich
preisen und welcher die Lücken, die eingesiandenermassen der thomistische
Beweis aus den Manuskripten aufweist, vollkommen ausfüllen, dem gani^en
Baue erst Kraft und Halt geben soll, zum Zeugenbeweise. Fragen wir
nunmehr, auf wen sich denn der ganze Traditionsbeweis der Thomisten stütze, so
verweisen sie uns insgesammt auf den Verfasser der Windesheimer Chronik,
Johann vom Busch. *) Dieser Johann üuschius lebte nämlich in dem Kloster
') So[[\e die llilschr.
11 Vur>choiu kuini
IC genaue lIcächiL'ibung
aU dankenswert,
') So meint FninHi, Ucfiil, pag. 63, diu früher nuch iwcifclhaTlc und duiiklc Frage
Sri durch ilic Chrunik di» Uiucb sonnenklar geworden; Aliug, Handb. d. Uiiiv, Kirubengcsuh.
Mainx iS6z. 9. Aull. li. 11. S. 95 sagl: -Die Aut(inM;haft des Thomns von Kempen jcLi
L bcKiodent durch du Zeugnis der Windväcnier Chronik gtstchtTl,* (Cc [tmuignugi: esl dctcsif
H k Dous ycux' declamirl Malou, Kechercb. pag. "jS.
jo
der regulirten Chorherrn des hl. Augustin zu Windesem, welches mit der
Bruderschaft des gemeinsamen Lebens verbunden und in der Nähe von
Zwoll gelegen war.
Er lebte also mit Thomas parallel, starb 1479, sieben Jahre nach
Thomas und hat, wie Ulimann versichert, ohne Zweifel den 147 1 gestorbenen
Thomas noch persönlich gekannt. Von ihm besitzen wir eine Chronik seines
Klosters, das Chronicon Windesemense , welches 1464 vollendet worden ist.
In diesem Chronicon nun erzählt unser Gewährsmann, dass wenige Tage vor
dem Tode des Johann van Huesden, Priors von Windesheim und eines der
Gründer der gleichnamigen Congregation, zwei Brüder vom Agnetenberge
bei Zwoll nach Windesheim gekommen seien, um den Prior dieses Klosters
betreffs mancher Dinge um Rat zu fragen. Doch wir wollen die wichtige
Stelle aus dem Munde des Chronisten selbst hören. Er schreibt: *) »Con-
tigit ante paucos dies sui obitus (es ist die Rede von dem Prior Johann
von Huesden), ut duo fratres notabiles de monte s. Agnetis prope Zwollis
ordinis nostri dictum Priorem nostrum super certis rebus consulturi in Windes-
heim aduenirent : quorum unus frater Thomas de Kempis, uir probatae uitae,
qui plures deuotos libellos composuit, uidelicet Qui sequitur me de imitatione
Christi cum aliis, nocte insecuta somnium uidit praesagium futurorum.
Aspexit namque in uisu noctis concursum spirituum beatorum üeri in cae-
lestibus , quasi pro alicujus obitu celeriter festinantium , statimque tabulam
tamquam pro morientis exitu in somnis audiuit pulsari, ut exinde exper-
rectus euigilaret. Surgens ergo de lecto et quidnam esset factum uolens
ire visum neminem percepit. Erat autem mane ante horam quintam et fratres
adhuc dormiebant.« Dem aufmerksamen Leser kann die hervorleuchtende
Absichtlichkeit, mit welcher Thomas als Verfasser der Nachfolge genannt
wird, unmöglich entgehen. Der Chronist rollt plötzlich ganz aus dem
Geleise der Erzählung seines Thema und beschäftigt sich so recht auf-
fallend mit dem Nebensächlichen. Die ganze Wendung von »quorum
unus« an soll gewiss nur dazu dienen, uns den Bruder Thomas, welcher die
merkwürdige Erscheinung hatte, vorzustellen. Da hat es sich aber Johann
von Busch vollkommen mit dem Beisätze »uir probatae fidei, qui plures de-
uotos libellos composuit« genügen lassen können und sicher auch genügen
lassen. Das stellt uns den frommen Bruder hinlänglich vor, um so mehr,
als wir mit seinem Begleiter gar nicht bekannt gemacht werden. Macht nun
aber unser Erzähler den grossen Seitensprung, lässt er sich weiter in die
Aufzählung der Werke des Thomas ein, wer erwartet da nicht nach dem
*) Dieses Chronicon wurde zusammt mit dem später zu behandelnden Chr. montis
s. Agnetis edirt von Heribert Rosweyd apud Petrum et Joanncm Belleros. Antuerpiae 1621.
Unsere Stelle fmdet sich 11. 21.
»uidelicetc die Aurzählung aller Werke und nicht nur die Namhaftmachung
des Einzigen mit dem darauffolgenden »cum aliis*, welches ganz unstatt-
haft ist, nachdem ipluresi kurz vorhergeht,'} Noch mehr, wie kommt
unser Chronist dazu, da j Werk des Thomas mit dem Namen: »de Imitatione
Christi« anzuführen, da doch nach dem Zeugnisse der Thomisten selbst
Kempis dieses Werk nur immer als: >Ammonitiones ad spiritualem uitam
ittiles« bezeichnet f *) Ferner muss noch der Umstand, dass mit solcher
Ostentation eben die Imitalio genannt wird, zur Ueberzeugung führen, dass
der Verfasser dieser Notiz vom Streite über den Verfasser der Nachfolge
wusste und ihn dadurch entscheiden wollte. Ziehen wir aus diesen inneren
Gründen das Resultat, so ergibt sich : Das Chronicon ist an unserer Stelle
inlerpolirt. Der Zusatz von luidelicen an stammt nicht von dem ursprünglichen
Verfasser des Chronicon , sondern wurde wol zuerst von einer interessirten Hand
nur in margine angemerkt, kam dann aber in den Text hinein. Wem hierbei
die inneren Gründe noch nicht zwingend genug scheinen sollten, dem werden
'wol die äusseren keinen Zweifel mehr über lassen. Wir besitzen nebst dem
Chronicon Wiedesemense auch ein Chronicon montis 's. Agnetis, welches
Thomas a Kempis abgefasst hat. In diesem nun erzählt Thomas selbst die
ganze Geschichte von dem Gesichte, das er in Wiedesheim gehabt, mit fol-
genden Worten:') »Contigit ante paucos obitus sui dies infra octauara
sancti Martini episcopi , ut duo fratres de monte s. Agnetis ad colloquen-
dum Priori in Windeshem uenirent. Tudc unus illorum eadem nocte tale
somnium habuit praesagium futurorum. Vidit namque in coelestibus concur-
Sinn spirituum fieri et quasi ad obilum alicuius festinare, Statimque tabulam
quasi pro exitu morientis in somnis audiuit pulsari, ut inde expergefactus
uigilaret . . , ( Originale dieser beiden gleichlautenden Berichte kann doch
nur der des Thomas über seine eigenen Erlebnisse sein und iwohl erst nach
seinem Tode kann die Stelle bei Busch, der ja in einem anderen TCIoster
lebte, jener Erzählung des Thomas nachgebildet sein, um nur den Zusatz
über ihn als Verfasser der Imitatio anzubringen. ')s Vom Busch hat diesen
Bericht des Thomas wörtlich abgeschrieben, so wördich, dass er sogar das
unverständliche >tabulam pulsaret beibehalten hat.
Da im Originaltexte des Thomas nichts von der ganzen Geschichte mit
der Imitatio steht, muss dieser Zusatz auf eine andere Hand zurUckgefiihrt
werden. Die Kritik hat denn auch mit vollem Rechte dieses Chronicon
Wind, als intergolirt erkannt. Wir verweisen statt Vieler nur auf das Unheil des
') Vel. KaihoUk 1877, S. a6. f.
') Pag. s:. cd. c.
») Ed. c. 19.
•1 Dr. Utnili. Hül>cliLT. l'roBrniiiiii aes, CyinimJiuns Rctkling^liauwii 1878/79 S
72
Quatremaires *) aus älterer und Verts *) aus der neuesten Zeit. Ja selbst
die Thomisten haben sich dieser Einsicht nicht entziehen können. Beweis
dafür sind die mehr oder weniger unglücklichen Versuche, welche man ge-
macht hat, die Stelle zu saniren. So tilgte der regulirte Canonicus Fontanns
die Worte: >De Imitatione Christi c, BoUandus expungirtc die Worte: »Som-
nium uidit, praesagium futurorumc usw. Was innere und äussere Gründe
als unzweifelhaft erweisen, bestätigen Codices des Chronicon Wind. Es gibt
solche, bei welchen die Worte von »uidelicetc an in einer Klammer stehen
und auch solche, bei welchen der Zusatz »Thomas de Kempis« bis
»cum aliis« ganz fehlt. Ein solcher befand sich unter jenen zwei Hand-
schriften, welche die Thomisten zur Gelehrtenconferenz 1681 nach Paris
brachten. Die Gelehrten (Du Gange, Baluze, Mabillon) hielten diesen für
das Original, der andere ist interpolirt. ^) Diesen Thatsachen gegenüber
') Johannes Gersen iterum assertus. Pars I. art. II. pag. 108. sq. Wir setzen die <
ganze sehr zutreffende Kritik dieses (telehrtcn hieher: *AIia sese tulerat occasio narrandi non
de libro solum sed etiam de Thoma, ubi tarnen praeter allissimum silentium legitur audiiurque
nihil. Joannis de Kempen (frater natu major Thomae est) Joannis inquam de Kempen res
gestas non solum narratione digessit sed etiam laudibus cumulauit; mirum est^ nc syllabam
quidem Thomae, Joanni gemiano , concessam. At Joannis laudi atque gloriae quantum
addidisset tam notabilis lam probatac uitae uiri tam insignis librorum auctoris sanguine et
uirtute conjunctio ! Talis discipuli informatio > tanti luminis Augusliniano ordini candore
Canon ico parturitio et consccratio ! Certc Buschius uolens ostendere, Joanncm non fuisse
sterilem in Israel narrat decem ab Joanne apud S. Agnctem discipulos uestibus initiatos,
(quorum primus accesscrat Thomas et paene uUimus indutus) nullam de Thoma nee nomine-
tenus ponit prae caeteris mentioncm. Numquid non erat hie addendi elogii locus quam in
illa somniosa narratione? e. g. Septem fratres clericos quorum unus erat Thomas de Kempis,
Joannis germanus^ uir probatae uitae, — qui plures deuotos libros composuit ; videlicct : Qui
sequitur me, de imitatione Christi, et tres conuersos ad ordinem suscepit. Cur adeo opportuna
praetermissa otcasio? Quis orator aut historicus, cum quempiam de magisterio commendat,
non continuo discipulos commcmorat? Laudas Heliam; statim Helisaeus occurrit. Antonium
praedicas; subito obuiat Athanasius. Benedictum commendas ; habes Maurum et Placidum, qui
laudes perficiant. Ut quid haec? »Quia gloria patris est Blius sapiens.« Quantum ergo
splendoris Joanni Kemi^ensi de illustri adeo discipulo accessisse debuit, quem et praeco eximus
silet et fidelis narrator praelerit. Nonne et Thomae historiam uitae Joannis subjungi a Buschio
deccbat? Ut quorum praeclara facinora maximam habuissent de affmitate de professione de
uirtute conjunctionem , horum historiae mutuam sibi parerent commcndationem. Talibus
praetermissis opportunitatibus furtiuae illi et cum soninio conjunctae narratiunculae fidem
rebimur adhibcndam?«
*) Etudcs crit. et histor. sur l'Imit. Toulouse 1856. pag. 205. ▼"
') Siehe Ouvrages iwsthumes de D. Jean Mabillon . . . par Vinc. Thuillier.
Paris 1724, tom. I. pag. 45. sq.: »Ils (die Thomisten) produisirent aussi deux chroniques
de Jean Busch, dans l'une desquelles, qui paruissoil originale, n'ctoit pas la parenthcse soup-
Qonnce de faux par Ics premiers dcfenseurs de Gersen, mais sculement dans la scconde, qu'ils
prötendirent avoir öle augmenlce par Buzilius mcme. D. Mabillon avoit appris ccs particulariles
71
nUUt auch nichts das von Amort veranlasste *} und von Malou *) mit Freuden
volHnhalttich reproducirte Document des Notars Joh. Kyckerniann. dass man
in dem Autographon des Busch diese ganze beanständete Steile gelesen habe.
Es war eben kein Autographon des Windesheiraer Chronisten, sondern irgend
ein Apographon, welches die ganze Stelle mit in den Text hinein verschrieb
und verwob.
Sehr beweisend für unsere Darstellung und sehr bezeichnend in dem
ganzen Streite tiber den Verfasser der Nachfolge ist es auch, dass der Fort-
setzer des Chronicon montis s. Agnetis, welches Thomas von Kempen ange-
fangen, über die Imitatio, als das Werk dieses frommen Gottesmannes Thomas
keine Silbe spricht. Und doch hat sich dieser Chronist zur Aufgabe gestellt,
alle Vorkommnisse im Kloster und alles Erwähnenswerte aus älterer und
neuerer Zeit, besonders was der Congregation Ehre einbrachte, sorgfälligst
zu registriren. Wir erfahren da Interessantes über Johannes, des Thomas
Bruder, es wird weit und breit abgehandelt über den Kleidercustos Henricus
und den Schneider Herbertus, auch der Koch Johannes und Albertus Win-
berger der Refectoriarius gehen nicht leer aus, sondern erhalten reichlich Lob.
Uebcr die Imitatio des Thomas aber, diese Zierde und den ewigen Ruhm
der Congregation, kein Sterbenswortlei n. :>Sollte Thomas«, so bemerkt ein
Neuerer, der gewiss gegen die Beweise der Thoniisten , wenn sie nur in
etwas annehmbar sind, nicht unzugänglich ist,') »als Verfasser der Imitatio
gepriesen werden, so wäre dazu vor allem Veranlassung gewesen in der
Chronik seines Klosters auf dem Agnelenberge bei der Miltheilung seines
Todes.*) Da ist jedoch keine Rede davon,: Umsomehr müssen wir uns
des Mr. ilu Caiif^e
'} Dinluct. crit. pa){. 93.
•) KeehercliM. paß. 79. Anni. i.
») Dr. Hölschcr. 1. c. S. 11.
*) Die betreßendc Slellt des Chrunkun i.a.1 an. 1471) laulcl . .Huc usqui; Thüiii.is a
Kcmpis, n:]ii]ua ab aliu coalinuala suiil. Ködern atinu In fesEu s. Jacob! minuria post com-
lilcturiani obiit pracdilectus. friitcr no^tei Thomas Ilemciki^n de KcmpU nalus ciuilale dioccesis
Cutunieiisüi annu aetatis suae 9a et inucülitulionis suae 58. Ilic in iuucnili oclatc fuit nudilcir
doinini floreiUü in Daucntri» et nb co directiu lal ad fratrcm suum gvraianum luiic temporis
rriurcm monlis Agnetis anno nelatis suac 20, a quo post xx annos probalionis suac inuestilus
eil. Üt susünnit ali|pDrdio inuna:i(erii magnani penuriam , tentaliones et laborcs. Scripsit
autem tHbliam noslraM talalitcr et alios multus libros pru domo vt pro prctlo. Inauper coni-
puniit unrius iroctatulos od aedifialioneni iiiUEuum in piano et »mplici stilo, sed praegrandes
in senleiitia e( u^ieris cfficacia. KuiL etiam niulluni amorusus in passione Uumini et mire conMi-
inliuus Icnlaiia ci Iribulails,' Su («hricb der Chronist, da schon die liuilalio Chribti unter
Gnwiis und Iternhards Nomen vursirle. Da tnussiv er sie doch anfahren! Noch bemerken
wir, da» nach d«n .\ngabcn der 'l'homislen die Abfassung der Nachfolge in die Anfaiig^ieit
1j_
wundem über dieses tiefe Stillschweigen, als ja damals bereits Ausgaben
unter verschiedenen Namen existirten, man das goldene Buch dem Gerson
oder Bernhard u. s. w. zuschrieb. Da musste sich der Chronist rühren und
die Wahrheit an den Tag bringen, es war seine heilige Pflicht. Auch glaube
man ja nicht, dass etwa die Brüder der Windesheimer Congregation sich
um die Vorgänge ausserhalb der Klostermauern nicht kümmerten. Wir
werden uns an anderer Stelle noch davon überzeugen, wie sie alle Vorkomm-
nisse, besonders in den Klöstern der alten Orden scharf beobachteten und
gegen diese und für sich in jedweder Weise auftraten. Daher die grossen
Streitigkeiten zwischen beiden. Unter diesen Umständen ist das Schweigen
unseres Chronisten sehr beredt, verkündet seine Stille so laut, dass Thomas
der Verfasser der Imitatio nicht ist.
Dies die Basis, das Fundament, über welchem der ganze vielgerühmte
Traditionsbeweis der Thomisten aufgebaut ist Die beiden Chroniken sind so
weit entfernt, dass sie für Thomas zeugen, dass sie vielmehr das gerade
Gegentheil recht klar beweisen. Mit der Verrückung des Fundaments aber
stürzt eben der ganze darauf gebaute Beweis in sein wolverdientes Nichts
zusammen. Denn die Zeugen, welche die Partisane des Subpriors vom Agnes-
kloster vorrufen, stützen sich entweder eben auf Johann vom Busch oder auf das
Antwerpener Autographon, oder sie kommen gegen ihr Zuthun zu der Ehre,
den Thomasbau zu stützen. Zum Beweise hiefÜr berufe ich mich auf den
Benediktiner-Abt Trithemius. Dieser wird von den Thomisten nolens uolens
in Beschlag genommen. ') Betrachten wir aber sein Zeugnis, so werden wir
die Freude der Thomisten kaum begreiflich finden. Der gelehrte, von den
Gelehrten der Neuzeit arg mitgenommene Trithemius, gibt in seinem Werke
»Catalogus illustrium uirorum Germaniam suis ingeniis et lucubrationibus
multifariam ornantiumc zuerst ein Verzeichnis der Werke des Thomas, wie
er es schon in seiner Schrift >De scriptoribus ecclesiasticisc *) gegeben hatte.
Dann fahrt er fort *j: »Et notandum, quod duo feruntur huius fuisse nominis
ambo de Kempis, ambo reguläres in monte sancte agnetis, ambo ingenio
prestantes et ambo uaria cudentes opuscula: quorum primus temporibus
magistri gerardi magni ad religionem conuersus diuinis revelacionibus dignus
habitus ea que supra recensuimus opuscula scripsisse dicitur: secundus uero
adhuc nostris temporibus pene uiguit in humanis et uaria composuit que ad
manus nostras non uenerunt. Et forsitan primo nonnnulla sunt ascripta, que
des Klosterlebens von Kempen fiele, wo er eben grosse Geistesdürrc, Versuchungen und Leiden
aushielt. Die angezeigten tractatuli für die iuuenes sind die sermones ad nouitios, dialogi
nouitiorum . . .
*) »Trithemius profecto noster est« definirte schon Fronteau. Refut. pag. 63.
') Vidc Fabricius Bibliotheca ecclesiastica. Hamburg 1718. pag. 164.
^) Ich citire nach der Ausgabe von 1495. pag. XXXVI.
7S
seoundus fecisse piitatiir, Libeüus aulem de imitacione christi pnmi fertur
auctoris: quem ante mullos annos seniores nostri suos fenint legisse seniores:
quamuts sciam nonnuüos in hac re sentire contrarium.* Der gelehrte Abt
von Spannheim steht dem Thomas nicht ferne; als dieser starb, war jener
neun Jahre alt. Trithemius wollte alle Berühmtheiten Deutschlands in seinem
angeführten Werke verewigen, schickte darum nach allen Seiten aus, damit
ihm Namen, Excerpte etc. geschickt werden. Wie schwankend in unserer
Frage der bewährte Geschieh (schreib er Trithemius gewesen, wird uns klar,
wenn wir uns vorhalten die Ausdrücke: duo »feruntur, i opuscula scripsisse
tdicitur,< »forsitan, t fecisse »putatun opus. De quibus »feruntur.« primi
»ferturt auctoris. So schreibt Trithemius 23 Jahre nach dem Tode des
Thomas. Es ist wol nicht leicht möglich schwankender und unbestimmter
zu schreiben. Und doch muss unser Abt den Thomisten als Zeuge dienen!
Ja noch mehr; die von den Thomisten vorgerufene Auctorilät fallt sogar
direkt gegen sie in die Wagschale. Trithemius sagt von dem Buche der
Imitatio Christi: 'Quem ante multos annos seniores nostri suos ferunt legisse
seniores.t Nehmen wir tseniorest nur in der Bedeutung als dieAeltem den
Klosiergeliibden nach , so wird wol aus diesen Worten Trilenheims jeder
Mathematiker noch über 1400 hinaufkommen, wo also bereits die Imitatio
gelesen wurde. Ausserdem verdient Beachtung, dass im angeführten Zeugnis
so nachdrücklich betreffs der Imitatio gesagt wird: »Libellus aulem de imitalione
Christi primi fertur auctoris. 1 Er will also den landläufigen Irrthum corri-
giren und verwahrt sich dagegen, dass etwa der jüngere Thomas, den seine
Mitbrüder, welche um 30 Jahre älter waren als ihr jSjähriger Abt, noch
kannten, wie er leibte und lebte, das Büchlein verfasst habe. Dieses Buch
reicht viel weiter zurück als Thomas, das ist der Beweis des Trithemius.')
Beleuchten wir uns also den thomistischen Zeugenbeweis, so werden wir wol
zugeben müssen, dass es mit seiner vielgerühmten Solidität noch seine guten
Wege habe, dass er nicht im Stande sei, eine schwache Sache zu stützen,
vielmehr einer Stutze bedürftig wäre.
Das dritte Beweismoment der Thomisten sind die inneren Gründe, die
Angemessenheit des Buches zu der Persönlichkeit, der Zeit und Umgebung
des Thomas, sowie in der Uebereinstimmung der Nachfolge mit den aner-
kannt ächten Schriften von Kempen nach Geist und Inhalt, äusserer Ein-
richtung und Sprache. Wir constatiren vorerst, dass man einstmals diesem
') Nur beiläufig ^i hier angemerkl , dass die rmnzöäiscbe Au<igabc von 1493 den
Leser belehrt, es sei nicht der bislang als Verfasser angenommene Gerson oder Bernhard der
wirkliche, sondern der Canon, tegul. u. s. Aug. Thomas .Prior in Windesheim', was doch
gewesen ist, sondern sein filterer Bnjder, der Johann hiess. Der Heraus-
geber wollte dem Chorherm dos Buch luschreiben. Aber Thomas war ihm lU nahe. Da
wtisste er, von diesem könne es nicht sein. Schrieb's also dem alteren lU.
76
Beweise grosse Kraft zugesprochen hat. Eusebius Amort meinte, es werde
durch denselben geradezu »geometrico modoc Thomas als Verfasser er-
wiesen, *) und Ullmann versichert*) »es falle in dieser Hinsicht ein solches
Gewicht der besten Gründe auf die Seite des Thomas, dass man sich die
Hartnäckigkeit, mit der seine Auetorschaft bekämpft worden ist , eigentlich
nur aus verblendetem Ordensinteresse und misverstandenem Patriotismus oder
aus dem Umstände erklären kann, dass manche Sprecher in der Sache die übrigen
Schriften des Thomas oder den geschichtlichen I^benszusammenhang, in dem er
stand, gar nicht kannten.« Der neueste Vertheidiger der Rechte des Thomas,
Paul Keppler,') möchte dieses Beweismaterial vorerst ganz auscheiden und
iliesen inneren Gründen kein besonderes Gewicht beilegen, so gross dasselbe
auch an sich wäre, weil dieser Boden der Subjektivität stark preisgegeben sei.
Wir glauben in der nächsten Rubrik denn doch auch gerade aus inneren
Gründen die Unmöglichkeit der Auetorschaft Kempens darzulegen. Um auf
das Meritorische unserer Frage einzugehen, so schreibt Hirsche*): »Ich
verglich die Imitatio mit all' denjenigen Schriften des Thomas, an deren
Aechtheit Niemand zweifelt. Und welche Ueberraschung wurde mir nun zu
Theil! Es war, als ob ich nur eine Fortsetzung der Imitatio lese» wenn ich
in den unbezweifelt ächten Schriften des Thomas las.« Welch' grosse Ueber-
treibung in diesen Worten liege, kann wol jeder bestätigen, welcher die
Leetüre irgend einer der ächten Schriften des Thomas von Kempen an die
aufmerksame betrachtende Lesung der Nachfolge anschliesst. Ich wenigstens
habe einen himmelweiten Unterschied gefunden und finde Mabillons Urtheil*):
»Gerte multum ego discriminis inter libros de Imitatione et genuina Thomae
opuscula deprehendo« nur allzu wahr und reel. Während Thomas Schriften,
selbst seine Reden z. B. »Ad nouitios« so ganz leer und kraft- und saftlos
sind, ^) ohne den wolthuenden Hauch erfrischender und belebender Andacht,
fesselt uns in der Nachfolge jeder Satz und birgt jede einzelne Sentenz
gleichsam eine Welt. Wir müssen für dieses Urtheil vom Einzelnen die Be-
weiskraft eines allgemeinen in Anspruch nehmen. Einen sicheren Gradmesser
hierfür haben wir ja im Gebrauche dieser Schriften. Die Bücher des Thomas
*) Polycrat. exauct. p. 31.
«) 1. c. S. 736 f.
•'') 1. c. S. 80.
*) ^'^ßl* hiermit bes. Euscb. Amort. Tolycr. cxauct. p. 31 und desselben Scutiim
Kempense, wo pag. 35— lin. die Aehnlichkeit, welche der Imitatio und den ächten Werken
des Thomas nach Materie, Plan und Durchführung, nach Ausdrücken, Redewendungen und
anderen charakteristischen Merkmalen eij;nen soll, dargestellt wird.
*) Animaduersioncs pag. 29.
**) Diese opuscula Thomae sind wirklich »si cum illo libro (de Imitatione) comparentur,
frigida, ieiuna attjuc exsanguia.« Siehe Mabill. 1. c. p. 28.
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liegen im Staube vergessen, die Imitaiio ist in Aller Händen; die Nachfolge
lesen Alle, kaum einer beschäftigt sich mit den Werken des Thomas von
Kempen; von der Nachfolge haben wir nnznlige Ausgaben und sie existirt
in allen Sprachen, die Ausgaben der opera Thomae a Kempis wären schnell
und leicht ge*ält und nur wenige Völker werden den Kempenser in ihrer
Sprache reden hören. Jene Uebereinstimmung ist also eben nur eine ijc-
suchte, '} und die Kraft dieses Argumentes erblassl noch mehr, wenn wir
bedenken, dass die Gleichartigkeit des Stoffes eine gewisse Aehnlichkeit und
ein Uebere in stimmen in der Form, in Ausdrucken und Wendungen gar wol
erklärlich mache, was erst gar bei Thomas um so weniger m verwundern
ist, als er ja De imitalione mehrmals abgeschrieben und wol, wie nicht r.u
bezweifeln ist, auch geliebt und öfters gelesen hat, und deshalb seine Reden
öfters Anklänge an die Nachfolge enthalten. Wegen der Aehnlichkeit des
Stiles mit seinen übrigen Schriften hat man ja auch unser goldenes Büchlein
dem hl. Bernhard zuschreiben wollen, imd ich bin bereit, aus S. Bonaventura,
mit dem unser Buch nach meinem Dafürhalten am meisten zusammenklingt
selbst in der Sprache und Ausdrucksweise, mehr und auffallendere Ueberein-
stimmungen und Parallelismen herauszusuchen, als das die Thoniisten aus
ihrem Thomas können. Aber einige gleiche Worte und Gefilge erlauben noch
nicht den Schhiss auf die Idendität des Stiles und die Uiheberschaft. Viele
mögen Vergib Phrasen nnd Ciceros prunkende Stellungen nachahmen, und
CS gibt doch nicht die Majestät des vergilischen und das Eindnicksvolle des
tidlianischen Stiles. So kennen auch alle, welche die Imitatio Christi kennen,
kein Werk des seligen Thomas von Kempen, welches die Sprache des Herzens
so natürlich und einfach schlicht sprechen würde. Wir geben denen, welche
auf die Aehnlichkeit des Stiles schwören, gar sehr zu erwägen das Urtheil
des Pariser Prokanzlers Mariliac, welcher in dieser Hinsicht gewiss gehört zu
werden verdient. Er sagt'j: »Quod stiluni attinet, propinquitas quidem
') Roman Hay hat eigens nach dieser Seile hin eine sorgßltige Untersuchung vor-
genommen und er5ii«serl sich in seinem ßncfe(7. Aug. 1651] : Erhübe sich vnn (lerganicD leidigen
i)ln:iirrage ferne hnlten wollen und fest hallend an jenem >Non quis hoc diieril . . .■ sieh
Slillschwcigcn aufcriegl ; nbei Wcrlin's AngrilTe und Heser's Dioptra hätten ihn bewiigcn,
sich von (leren Wahrheilslicbe lu lJl)erzeugen ; »Idcciquc oninia Opera 'l'homiie de Kempis, editn
Dilinipie an. 1576 per ordinem »ceumtiisiine ijsosquc qualuor de Imilalione Christi libcllos
seütNm minimuin duodecies a capile ad cnlcein perlegi; et quod ipse nbstupui, inueiü Thomam
ite Kempis honira qualuor auclorem rcuera non e!i5e. Pamlns quoque sum, hoc ipsum ex
iptismet potissimiim opnsculis utrimqiie inlei se collaUs et iuxla se posilis ad ocnlum demonslrare, ■
') Mariliaci Gall. »Compcnditisa pro Gersene djsserlalio. angefugl an Qunlremaires
Jiiannes Geisen ilerum assertus pag. 164. Vergleiche damit Bcllarmin. De Script, eccles. ed,
c. Art. Gersen : ullinc apparet hoc opus tributum ful<isc Thomae a K. ob simililudinem
mliquam Mili.« Die slilistuchcn Unterschiede zwischen der Imilatio und den Werken de»
Thomas beschreibt graphisch der HetnusgcbTr der ital. Version von Pannrni. 1641 , der
78
nonnulla est sed ea, si rite perpendatur, similitudo non unitas.c Den Beweis
im Einzelnen für das hier im Allgemeinen und mit Berufung auf Auctoritäten
Behauptete liefert der nächste Abschnitt. •
B. UNSERE BEWEISE GEGEN THOMAS.
achdem wir die Beweise fiir des Thomas Anrecht auf das goldene
Büchlein gewürdigt, legen wir unsere Argumente gegen den Kempener
vor. Das erste Beweismoment bilden Manuskripte, welche die Abfassung des
Buches durch Thomas chronologisch unnützlich machen. Wir theilen selbe
in datirte und in codd. achronoi, welche nach den Regeln der Paläographie
über Thomas hinausreichen. Da wir mit diesen Handschriften der Imitatio
dem Thomas und Gerson zugleich die Exclusive geben, so wollen wir sie als
indirekten Beweis für Gersen unter einem aufführen, wo wir von den gerse-
nistischen mss. handeln und uns hier lediglich mit den inneren Argumenten,
gewonnen aus der Person des Thomas und der Vergleichung seiner ächten
Schriften mit der Imitatio, begnügen.
Argumente, hergestellt aus der Persönlichkeit des Thomas.
Marienkult. Alle Biographien des Thomas stimmen darin überein,
dass er ein sehr eifriger, ein glühender Marienverehrer war, und würden uns das
die Biografen nicht mittheilen, wir würden es in seinen Schriften lesen. »In der
Verehrung der Maria , sagt Böhringer, *) geht Thomas ganz mit der Kirche
seiner Zeit. Es ist aber nicht bloss ihre Fürbitte, weswegen er sie verehrt
wissen will, er dringt auch auf Nachfolge ihrer Tugenden . . . Unzählige
Stellen finden sich dafür in den Werken des Thomas. So mahnt Thomas,
übngens Gersonist ist, in der Vorrede mit folgenden Worten: »Slilus diuini huius libri quem
uocamu% Gersonem totus est sententiosus et more caelestium aphorismatnm paucissimis uerbis
magna dicit, intellectum conuincit, mouet uoluntatem nee multum ecurrens nccendit alTectum
ad omnem uirtutem. E contra Thoiftas a K. tametsi in suis operibus imitari uoluit Gersonem
in conciso modo loquendi in discursu tarnen languidus est ; spirat quidem deuotionem , non
tamen habet diuinam iUam uim ad ferienda corda, quae in Gersone inuenitur. Et quod
summa rei est, opera Kempensis in hoc conueniunt, sicut quatuor libri Gersonis in hoc assimi-
lantur, ut omnes flamma coelestis existant. Et mihi dixit quidam seruus dei e societate Jesu
et magnus theologus, quod cum ab ipso novitiatu se totum dedisset lectioni et meditationi
librorum Joannis Gersonis et operum Thomae a Kempis motus hac sola stili diuersitate , quem
in re probauerat, semper existimauit: Thomam a Kempis non fuisse auctorem libelli de
imitatione Christi.«
*) Die Kirche Christi, ed. c. Bd. 19. S. 799. Vgl. Ullmann, Reformatoren. II. 171.
79
so eifrig er kann, znra Marien-Kultus.* Was hier berichtet wird, Tinden wir
in den Schriften des Heraerken bestätigt. Schon in seiner Jugend, wie er
selbst erzählt, ') durch himmlische Vision dazu aufgefordert, wurde er nicht
milde, Marien zu loben und zu preisen , sowie er auch Mariens Verehrung
und Anrufung nicht genug anempfehlen und die herrlichen Früchte solch'
besonderer Devotion gegen die himmlische Mutter nicht genug preisen und
schildern kann. Jede Gelegenheit benützt seine kindliche Liebe, um von der
Mutter Jesu zu reden. Ohne auf Vollständigkeit Anspruch erheben zu wollen,
seien folgende marianische Stellen aus den Schriften des Thomas aufgeführt :
Ad nouit. part. I. serm. I. und VII.; part, II. serm. ult. ; part. III.
öfter; besonders serm. I, 11, III, IV. V, VI. Soliloq. anim. cap. VII, XXI,
XXII, XXIII und XXIV. Ad Fratres, sermonc I, IV und VIII. Exercit. spiritual.
prior, cap. III, IV und XI. De tribus tabernac, cap. II. Dialog, novit. Im
letzten Kapitel. Doctrinal. iuuenum. cap. VIII und IX. De solitudine et silentio
cap. I wiederholt. Opusc. de humilitate num. 2. Opusc, de uita bona et
pacifica num. 3. Vita boni monachi cap. IX. De incarnat. meditat. I
{öfters.) VI, VII, VIII, X, XI, XII, XXIV, XXVII, XXXI, XXXV. De cleva-
lione mentis in deum cap. III. Cantic. II, V, VIII, XI, XVIII, XLX. Vallis
lilior. cap. XIII, XVIII, XXVI, XXIX, XXXIII, IX. Hortul. rosarum cap.
XVI, XVn. Exercit. spiritual. poster, cap. III, VIII. Enchirid. monachorum
cap. lU, V. Hospital, pauperum cap. III, VI, XVI, XIX. Vita Christi
part. I. medit. I. IV, V, VIII und X, XI, XII und XIII; part. II.
cap. XVII, XXV, XXVI, XXVII, XXIX, XXX, XXXIV; parte III. cap. I,
V, VI, VIII, X, XVI, XX und XXI.; part IV. meditat. I, II, IV. Cautic.
VIII, X, XI, XIII und XIX. Vita B. Liudwinae Üb. I. cap. II und XIII;
Üb. II. cap. IV, VII und XX. Eleval. mentis in deum cap. III. Vita
Florentii cap. XVJII, XIX. Vita Ludberti Berneri num. 29, 30 und 41.
Um auch inhalUich die eine und andere der auf Maria Bezug habenden
Stellen anzugeben und zum Beweise, wie so ganz es dem Thoraas zum hei-
ligsten und un ab weislichen Herzensbedürfnisse geworden ist, Maria zu loben,
heben wir hervor, wie er in jubelvoller Begeisterung wünscht, es möchten
doch alle seine Glieder zu Zungen und diese zu feurigen Worten werden,
damit er so, Maria, die Gottesgebärerin, in alle Ewigkeit glorificiren könne;
das sei sein Herzenswunsch, so würde seine innigste Sehnsucht, Maria zu
preisen, gestillt,') Ja, Thomas ist überzeugt, es freue sich der Himmel, die
Erde staune, es fliehe der Satan und die Unterwelt erzittere, wenn er sage:
Ave Maria. ') Eine natürliche Folge dieser glühenden Liebe zu Maria ist
es, wenn Thomas lehrt, bei jedem Werke soll man anrufen Jesus und Maria,*)
•) Specul. excmpl. Disl. X. § 7.
■) Soliloqu. 13,5. ') Ibid. n. 4. ') Serm. n<l. nouit. part. III. s. S- »■
_8o_
ungeheure Süsse und Lieblichkeit hege in den Namen Jesus und Maria/)
der Dämon fliehe, wenn er höre die Namen Jesus und Maria.*) Maria, so
tröstet Thomas, verlässt Niemand,^) sie ist der beste Hort Aller, ^) sie gleicht
Salomos Tempel,^) wir sollen sie eifrig nachahmen ; ^) Maria habe viele Frauen,
die typisch im alten Testamente auf sie hinwiesen, wie die männlichen T3q)en
auf Christus,') Maria werde von Allen gepriesen und überall verherrlicht,*)
Mariens Schmerzen seien gross und zahlreich, überragten die Leiden der
Märtyrer etc. •) Maria soll man in aller Trübsal anrufen, der Sohn schlage
der Mutter nichts ab, ja Maria führe uns zu Jesus.**') Noch mehr,
Thomas meint, die Welt könne nimmer bestehen ohne Maria. * *) Thomas ist
also voll des Lobes zu Maria, Marienminne ist ihm heiliges Bedürfnis, und was
wir noch besonders betonen wollen, er erwähnt und preist Maria nicht nur
in den Werken, die meditativer Anlage einen Erguss seiner innersten Gefühle
darstellen, sondern auch, wo er rein historisch referirt, bricht er sich die
Veranlassung- von Maria zu reden: so im Leben der Liudwina, in den Bio-
graphien des Gerh. Groot, des Meisters Florentius und seiner Schüler, im
Leben des Johann Cacabus und des Arnold von Schoenhoven, des Ludbertus
Berfterus.
Halten wir dem gegenüber das diesbezügliche Verhalten des Verfassers
der Imitatio. In den drei ersten Büchern der Imitatio wird Maria nicht
genannt und nicht erwähnt. Nur neben mit geschieht Mariens Erwähnung
an zwei Stellen des vierten Buches. **) An der einen Stelle heisst es: so
gross, neu und erfreulich soll es uns vorkommen, wenn wir das Messopfer
feiern und demselben beiwohnen, als wenn an eben demselben Tage Christus
erst in den Schooss der Jungfrau herabgekommen und Mensch geworden
wäre. Aehnlich die andere Stelle, wo die Seele betheuert, sie verlange
mit so grosser Sehnsucht, Christus zu empfangen , wie *die heiligste Mutter,
die glorreiche Jungfrau Maria ihn empfing und nach ihm verlangte, als sie
dem Engel, der das Geheimnis der Menschwerdung ihr ankündigte, de-
mütig und andächtig antwortete: Sieh', die Magd des Herrn . . .« Das ist
Alles, was in der Imitatio von Maria vorkommt. Der Benediktiner Martin
Mack von Wiblingen stellt nun die sehr lehrreiche Rechnung an , *') dass nach
der Antwerpener Ausgabe sämmtl icher Werke des Thomas vom* Jahre 1607
*) Ibid. s. 3. n. I. *) Ibid. s. 2. t\. 9. ') Ibid. s. 4. n. 2. *) Ibid. s. 5. n. 6.
*) Ibid. s. 6. n. 2. *) Ibid. s. 4. n. I. ') Ibid. s. 6. n. 2. *) Ibid. s. 6. h. 3.
') Ibid. s. 5. n. 2., s. 2. n. 2.
'") Ibid. s. 2, n. 4; s. 4. n. 3 : meditat. 10. n. 2.
") *Nisi enim Maria quotidie cum «winctis in coelo pro mundo oraret, quomodo niundus
adhuc Stare posset.« De disc. claustral. c. XIV.
") Imit. 1. IV. c. 2., n. 6 u. c. 17. n. 2..
^^) Dubia post agitat. controu. mscr. p. 222.
8t
nuf (Jessen Schriften ohne Imitatio 600 Seiten kommen. Ans diesen 600 Seileu
hebt er 100 exi)ress marianischc Stellen heraus, kommt also auf jede sechste
Seite eine Knvähming oder I.obpreisimg der Gottesmutter. Da nun die
Imitatio in eben angezogener Ausgabe 80 Seiten zählt, mlissle Mariens mehr
denn la mal Erwüiinung geschehen , dem aber das Thatsächliche gar sehr
widerspricht. Hirsche sucht sich den Stringenzen dieses Argumentes mit
dem /u entziehen, dass in ächten Werken des Thomas »Maria zwar genannt
und etwas über sie ausgesagt werde, dass sie aber nicht angeredet und an-
gerufen werde.* ') Diese Behauptung ist gleich unrichtig und hier nicht zur
Sache. Das Krstere beweist die Auflbrderung des Thomas, nur fleissig
»Ave Mariar und »Jesus Maria« zu beten, denn Maria stehe Gott am nächsten,
durch Maria zu Christus, durch den Sohn zum Vater 1 Anderseits gründet
sich aber auch speciell auf die Anrufungen der gegentheiüge Beweis gar
nicht einmal, sondern nur darauf, dass Maria softer^ erwähnt wird. Wahrlich
dieses einzige Moment schon sollte einem Thomisten die Augen öffnen.
Wie stark und beweisend dieser Beweis ist, kann sich kaum ein vor-
urtheils freier Prüfer verhehlen, und führt denn auch neuest ein reformirter
Preiliger zu Bremen als ersten der zwei Gründe, welche der Autorschaft
des Thomas gewaltig entgegenstehen, den »Gegensatz zwischen der geschicht-
lich wohlbezeiigten Mariolatrie (I!) des wirklichen Thomas a Kempis und
dem Fehlen aller M.iriolatrie bei dem Verfasser der Nachfolge Chrislii *) an.
Lieblingsideen. In diese Kategorie gehören auch gewisse I.ieblings-
ideen, welche in den Schriften des Thomas immer wiederkehren, rlie wir aber
in der Imitatio vergeblich suchen. Nur ein paar solcher Lieblingsthcmatc
seien hier erwähnt. Von Kempen widmete ganze Kapitel seiner Schriften
dem Chorgesange und thut fast in jedem seiner Werke des Stimdengebetes
Erwähnung ; so in seinen Reden an die Novizen , part. I. s. I, V, VI, Vll ;
part. II, s. n, III. Vll, IX, X, part. III, s. II, III, VI, VIII, IX, XI.
In den Meditationen über das Leben Christi, ])art. III, med, XX; p. IV,
med. VI. In den Meditat. seu Concion. IV, XIII, XIV, XXII, XXVII.
XXVin, XXXI, XXXIV. Ad Fratres, serm. VIII. Uita boni monachi,
Cap. V, VI, VIII. Exercit. Spiritual, prior. Cap. IIJ, V, IX, X. Ex-
ercit. Spiritual posterior. Cap. IV, VI, VII, VIII, XII, XV. Hospitale Pau-
perum Cap. X, XVII, XIX. Doctrinal. iuuenum Cap. II, VI, VIII, IX, X,
Enchirid. monachorum Cap. I, III. Manual, paruulorum Cap. XIII, XV.
De recognit. propriae fragil. Cap. VIII. Hortul. Rosarum Cap. XVII, XVIII.
Uita Florentii Cap. XI, XII. XIII, XXIX. Uita Henrici Brmie num. 9.
Uita Ludberti Bemeri num. 30. und 41. Uallis lÜiorum Cap. I, VIII, X,
') Prolcgomena S. 332.
') nr. Moriu Schwalb: D.is Bllchkii
der Nachfolge Christi
82
XXI, XXVII, XXIX. Epistel. VI. num. i. und 3. Dialog, novit. Cap. III.
Cant. I, II, IV. Exempl. I, II, III und IV.
In der Nachfolge Christi sind nur zwei Stellen nachweisbar, *) wo von
Psalmodie und süssem Gesang und Hymnen die Rede ist ; im ganzen dritten
und vierten Buche der Nachfolge findet sich gar nichts darüber. Thomas
müsste sich selbst unähnlich geworden sein , wenn wirklich die Imitatio
Christi sein Werk wäre. *)
Thomas war ein vorzüglicher Bücherschreiber, hat, wie der Fortsetzer
seines Chronikons vom Agnetenberge sich ausdrückt, »pro domo et pro
pretio« Bücher abgeschrieben. Wir wissen von einer ganzen Bibel, einem
Missale und zwei grossen Chorbüchern, die der geschickten Hand des Thomas
Kempen ihre Existenz verdanken. So hat er ja auch die Imitatio etwa so-
gar mehrmal abgeschrieben. Wie es schon geht, erfüllte sich auch an ihm
das Wort des Dichters:
»Nauita de uentis, de tauris narrat arator,
Enumerat miles proelia, pastor oues.
Thomas redete oft und gern zu den Seinigen von der^ Schreibekunst,
erschöpft sich ganz in Motiven, sie anzuempfelen. So heisst es im Doctrinale
iuuenum c. 4:
Scribito correcte, distincte; protrahe certe
Ne nimis acceleres, ne qua imperfecta relinquas.
Und um einige diesbezügliche Stellen aus Thomas anzuführen, ver-
weisen wir auf: Ual. lilior. Cap. I, XV, XXIII. Exercit. spiritual. prior.
Cap. IV. Doctrinal. iuuen. Cap. IV, V, VII. Ad nouit. part. II. serm. X.
Meditat. XX. num. i, 4, 5 und 6. Uita Florent Cap. X, XIV. n. 1 und 2.
Uita Arnoldi Schoenhou. num. 7, lo und 11. Uita Florentii Cap. XXIX
num. 7. Uita discipulorum Florentii Cap. I num. 2, Uita Ludberti Berneri
num. 6 und 21. Uita Gerard i Zulphaniensis num. 3 (zweimal) num. 4. f.
Ad. nou. part. I. s. VII. n. 3; part. II. s. V. num. i und 7, und serm. X;
part. III. s. IV. num. 2.
Auch hierdurch zeigt sich der Verfasser der Imitatio von Thomas a
Kempis so ganz verschieden. Es wäre sicherlich Gelegenheit genug in der
Nachfolge Christi gewesen, die Mönche zum Bücherabschreiben zu bewegen,
und Thomas hätte es auch gethan, sah er ja darin eines der allerbesten,
Gott wolge fälligsten Werke. •)
*) B. I. c. 25 ; I B. 2. c. g.
*) Treffend bemerkt M. Mack 1. c. pag. 231 : »An hie forte Kempisii character
erat, ut semper sibi in imitatione dissimilis sit, qui cacteris idem prorsus sibiqiie simiUitnus est.«
*) Cf. M. Mack 1. c. p. 231 : »Nulla profecto occupationum externarum est, quam
tanto conatu (Thomas a K.) religiosis commendauit, nulla ad quam inculcandam uires ingenii
sui magis exercuerit, atque haec ipsissima describendonim codicum.«
8 3
Der ehrwürdige Thomas wird uns als selir demütig geschildert und er
setzte unter keine der von ihm verfassten Schriften seinen Namen. ') Dagegen
pflegte er es bei den von ihm abgeschriebenen zu thun, *) Nun imterschreibl
sich Hämerken unter den Cod. Antuerpiensis und er unterschreibt sich als
Schreiber: »Finiliis et completus anno Domini 1441 per manus fratris Thomae
Kempensis in monte s. Agnetis prope Zwoll.« Daraus Tolgt doch mit Not-
wendigkeit, dass der ehrwürdige Thomas nur der Schreiber dieser Bücher
ist, nicht ihr Verfasser, wenn auch Rosweyd und seine Anhänget aus dieser
Unterschrift die Vaterrechte des Thomas auf das Buch herleiten. ')
Argumente, gezogen aus dem Verhältnisse der ächten Schriften
des Thomas zur Imitatio.
Vert *) und Tamizey de Larroque *) haben in neuester Zeit gerade auf
diesen Punkt ihre Aufmerksamkeit gerichtet und wirklich bis zur Evidenz
die totale Verschiedenheit der Imitatio von den ächten Schriften des Thomas
erwiesen. Hir.sche ') hat in mancher Beziehung die Angaben , besonders
des Larroques, berichtigt, ohne dass er jedoch im Stande gewesen wäre,
den Beweis als solclien zu entkräften. Gewisse Ausdrücke, Wortbildungen,
Salzformen, Styleigenthümlichkeiten der als acht anerkannten Schriften finden
sich in der Imitatio ganz und gar nicht oder in so geringem Masse ange-
wendet, dass es sehr beweisend und bezeichnend ist. Wir heben aus dem
Soliloquium, das nach Ullmann der Imitatio am nächsten steht, einzelne
solche Ausdrucks weisen aus und stellen sie der Imitatio gegenüber:
Tempore necessitudinis. (Prolog.) — Im. I, 18; II, i; III, 8; IV, 6: in
necessitate, in necessilatibus. Incompositionem dictaminis. {Prolog.) — Ho-
minum dicta III, 43. Philosophorum dicta, I, r, aliorum dicta. I, 11.
Faulatim uadit in deterius omne maliim non praecautum in principio. c. 4. —
'■■45'!'.53":
') Casteel.
täte nulla scripta
teste Rosweidu, Vindic. c. 4. nullis
*) •Finitus et completus am
Thomae a Kempis ad laudem dei ii
Luwen bewahrt
. c. ■! homasKemp. ut ipse Rusweidus »duertil ei humili-
puil.i Amort. Infonn. p. TJ : "Thomas Kempensis
s opusculis umquam Hiwn nomen apposuit.i
Domiui 1439 in Vigilin s. Jacobi per nianus fmlris
lontE E. AgoetU' steht zum Schlüsse einer Bibel. Zu
Missale: >Amio domini 1424 per f. Tfaomam de Kempen. •
propria, üc hunc librum composuisse.a Rxaweid. Edit. Imil.
Christ. Duac. 1621.
') t.ludes hisloriques, Paris 1855.
*) Preues, zuersl in den Annales de Philosophie Chietieane dirigj pnr A. Bonneltf.
Paris 1861. Dtei Artikel, tom III. p. 325—61; 405—431 und tom. IV. pag. 85 — 103.
SeparBt-Abdnick ibid. 1S62, Auth Maek behandelt diese Materie sehr ausruhriich, 1. c.
pag. 172 — 196.
') Proleßomcna, Ö. 3*7-4'3-
k.
1
_ ^4_
I, 13: Paulatim ingreditiir hostis malignus ex toto, dum illi non resisti-
tiir in principio. Peccatorum sarcina. cc. 6, 20, 25. — III, 8: proprium
pondus, ibid. 55. propriae corruptionis pondus. Ibid. 23. moles peccatorum;
nie aber Sarcina. Das Wort lethum c. 6. kennt die Imitatio nicht. —
I, 12. patiens mortem optat uenire. Ibid. 23. non multum mortem timeres.
u. s. w. Cap. VII. Apud saeculum relinquere. — I, 3. 7. in saeculo.
III, 12. 15. 47, in hoc saeculo. Retractare für recordari. (Ebendas.) — I, 25:
Memento finis tui. III, 35. memento verborum; nie Retractare. Bonum
utiquc esset, ut melius me praepararem. (Ibid.) — I, 22. Bene opus esset,
quod adhuc. IV, 12. magna diligentia und cum omni diligentia. Forinsecam
requiem. c. 10. — III, 54. Natura otium amat et quietem corporalem.
Non ignoras, quin. ibid. — III, 6. Scito, quod; ibid. Cap. tu scis, qualiter.
Ibid. Consocietatem. — III, 47. In coelo erit societas dulcis et decora.
Cap. XII. tractus für attractio — IV, i. Invitatio. Cap. XV. unicors. —
I, 3. unum in choritate, niemals unicors. Pausatio (Ibid.) — III, 15. 21.
II, I. requies. IV, 12. II, i requietio. I, 19. III, 25. quies. I, 6.
II, 1.3 und 6 pax. »Tentationes primitivae« (ibid.) kennt die ganze Imitatio
Christi nicht, obwol viel von Tentationes die Rede ist. An eben derselben
Stelle des Soliloquium wird Christus >animae virc genannt, während die
Imitatio sich immer ausdrückt »sponsus.« — IV, 17 und 3. III, 21. II, i.
Die Imitatio sagt nie »probamentum« solil. XXVI, sondern probatio. —
III, 7. 16. 49 und 59. I, 16. Cap. XVII. des solil. repedare. — Imit. : III,
21 »reverti.'-v II, 8 »redire.« Einen sermo de Deo »audibilis« sol. m. c.
kennt die Imitatio nicht, wol aber IV, i. dulce et amicabile verbum.
III, 34. sapidum et dulce verbum. Ibid. 3. verba suavissima. Gott sagt:
Ego bonitas, cujus entitas incapabilis. sol. 1, c. Wir bemerken, dass das
Wort entitas in der ganzen Imitatio nicht vorkommt und die bonitas dei wol
infinita III, 8 und superna III, 49. genannt wird, aber nicht incapabilis.
Colloquium cum Deo celebrare, solil. c. XVIII ersetzt die Im. — III, 8. lo-
quar ad Dominum etc. »Status« ist bei Thomas Neutrum (solil. c. XX), —
in der Imitatio aber Masculinum : O sacer Status I III, 10. In eben demselben
Kapitel des Soliloquium begegnen wir den Ausdrücken: Profluvius lacrimarum
und duellum. — Die Imitatio hat für's erstere fluenta lacrimarum und kennt
ebensowenig den Ausdruck duellum, für welchen sie certamen, pugna und
pugnatio nimmt. I, 25; II, 9; III, 30. 19. 43. Thomas construirt solil.
Cap. XXI und öfter aflectus »essendi« cum Deo — Dieses Gerundium
kennt die Imitatio wieder nicht. Eine Phrase culpas »transactas« sucht man
in der Imitatio vergebens. Sol. cap. XXV. construirt mihi recolligo, —
Imitatio hat III, 48 recoUige sensus meos ad te und öfter se colligere.
Die Phrase poenitudo peccatorum sol. XXV kennt glücklicherweise die Nach-
folge auch nicht. Sie sagt I, 23 und 24; II, 11; III, 49; IV, 9: poenitentia.
8s
Oben citirte Stelle constniirt: ne tanti beneficü sint ingrati — die Imitatio
III, 13: ut gratlls seniper beneßciis meis esisteres.
Ausserdem führt Larroque eine Zal von Ausdrücken an, welche sich
eineiig in der Imitatio und nicht auch in den unbe zweifelt ächten Schriften
des Thomas finden. Wenn dem gegenüber Hirsche behauptet, das hätte nicht
soviel zu sagen '), man müsste sonst Thomas als einen Schriftsteller von be-
schränktester Begabung ansehen, wenn bei Abfassung neuer Werke mit den
Gedanken nicht auch neue Worte sich geboten hätten, so zeigt das nur die Ver-
legenheit der Kempisten. Ks ist schon zu verwundern, wenn ein Schrift'
steller in einer grösseren Abhandlung einen ganz gewöhnlichen Ausdruck nur
einmal gebraucht. Dass aber Thomas — nicht wenige — Ausdriicke. die
er in der Imitatio promiscue gebraucht, in all' seinen anderen, von der Nach-
folge ganz unabhängigen und aus anderer Zeit herrtlhrenden Schriften, deren
doch die Thomislen viele zu nennen wissen, ganz und gar nicht angewendet
hatte, das ist ein Unding. Um so auffäiliger und für sich allein schon
peremptorisch entscheidend ist, dass Ausrufspartikeln, welche in den Schriften
des Thomas bei jedem Affekte des Verfassers wiederkehren , In der Imitatio
nur sehr vereinzeint oder gar nicht vorkommen, ") Das ist sehr beweisend
und Hirsche thut Larroque gewaltig Unrecht, wenn er dessen hierauf ge-
bauten Beweis'') so leichtlich hinnehmen zu können glaubt. Die Mauriner
haben gerade nach solchen Affek tau sd rücken und Ausrufen auf die Aecht-
heit oder Unächtheit augusti nischer Sermonen ganz richtig geurteilt.
Schlechte Latinttat. Eusebius Amort, welcher fast 50 Jahre un-
ermüdlich für des Thomas Anrechte auf die Imitatio Christi gefochten hat,
gesteht: »Thoniam ne quidem in idiomate latino satis fuisse instructum. = *)
Zu dieser Ueberzeugung wird wol die mm folgende >Biumenlese< hoffentlich
jeden Leser führen:
Parte I. serm. II. 3, ad novit: Servonim Dei pia studia, sua (ipsius) ^)
eril in coelo laelitia. Ibid. n. 6 ludilicaiiol Ibid. Coniecturant vulpem
latere et oveni se fingi. Part. I. serm. VI. i. phantasiare. Ibid. 3. Nee
'} Prol^. S. 399 u. f.
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infernalia tormenta raro perpendis. Part. II. serm. IV. 7. pro bono accipit.
Ibid. Serm. V. 3. consolatiosus. Part. II. serm. VII. 10. susurriuro für
susurratio. Ibid. 8: Prudentiae cogitatum subtiliter avisatum; Cftmitiva
ancillarum Parte II. serm. X wird experior im Passiv gebraucht und kann
man lesen: Ubi ipse non venit, für quo ipse non venit. Ibid. 9. Si cum
uno Ave Maria diabolum possum fugare. Parte III. serm. III. i. heisst
diligenter accommoda : Erwäge fleissig. Ebendaselbst serm. V. 6. nennt er
Maria regalem Domicellam. Parte III. serm. VI. 3. heisst es: originata ex
Davidica linea; adoptata für exoptata; gravia levigantur fiir alleviantur.
Parte III. serm. IX. 7. ist philomena = philomela. Parte III. serm. I. 7.
Ad rigorem disciplinae aversi, statt a rigore. Sermo I. 3. ad Fratres heisst
es : Timet, ne angustia illi fieret unius amor. Ibid. Serm. V. 3. Mens amori
(amaritudini) et dolori admiscetur. Ebendaselbst finden wir fornaculas dae-
monum flamigeras in infemo. Serm. VIII. 6. wird Satan wegen des ge-
brochenen Silentium aus dem Himmel getrieben und begegnet uns da der
Ausdruck : silentium confringere. Uita Arnoldi Schoenboviensis und uita Jac.
Viana kennt eine gratia internitatis. Medit. I. 4. Tribum et tempus, quo esses
adventurus, innotuit (verkündigte). Ibid. nee quisque (I) angelorum potest
tibi comparari. Meditatione II. 4. Christus magnis beneficiis te praerogavit.
Meditione IV. 2. pro aestu amoris habes, für prae aestu. Meditione VIII. 2.
heisst Jesus puer illustrissimus. Ibid. 5. erscheinen verba amativa. Medit.
IX. 6. Sed vir factus, non sie agere licet. Meditatione XIII. 4. Christum
antepone = vorstellen. Meditatione XV. 4. Usque ad finibilem unionem
Dei, für finalem oder fruibilem. Meditatione XVI. 2. Desine temporalia,
was eine beliebte Phrase des Thomas von Kempen ist. Ibid. 3. tempora-
litas; 5. Donec me iubeas aspectibus tuis assisti. Meditatione XVIII. 3.
exoccupare. Meditatione XIX. i. asinare. Medit. XXII. 14. Placentia für compla-
centia. Meditatione XXIII 3. Locus confusioni deditus. Meditatione XXIV.
15. appodiare. Meditatione XXVI. 6. unica deuotio = intima deuotio. Me-
ditatione XXVII. I. purgamenta peccatorum I Ebendaselbst 5. Christus fruitus
est necessitatibus corporis. Meditatione XXVII. 6. heisst es: Numera ver-
bera sibi inflicta, statt illi. Im zweiten Gebete, welches dieser Meditation
beigegeben ist, liest man : Adhuc revera pondus peccatorum meorum praeteri-
torum et quotidianorum gravibus me debitis admonet, cujus tamen, ut confido,
pars maxima erit solutionis sustinentia et divisio iniuriarum. Ibid. 2. Ut ad
te recurram pro ereptione necessitatum mearum. Oratione IV. 2. Mors tua
infernura ex morsu spoliavit. Oratione V. i. In longa appensione crucis.
Item I. manus conclavata. Meditatione XXIX. i. Pro asino breviler conce-
dendo = auf kurze Zeit. Ibid. Ut cunctis paupertatis suae nobilitatem
innotesceret (manifestaret.) Ibid. 4. hostiae pecuales, statt hostia ex pecoribus.
Meditatione XXXIV. i. liest man tbeologizare. Meditatione XXXV. 4. Ad-
8?
veaUtio Spiritus Sancti in Apostolos. Meditalione XXXVI. 4. proximo erranti
misereri: ibid, 2. Huic pestilero morbo et quemloso principio occurreriint
Apostoti. Sol. Cap. I. 2. heisst es voo dem Geliebten: Habetne nomen, aut iocum
aut habitationem ad quaerendum ? Ibid. n, 7. spricht man zur Seele: »Noli
protrahere sermonem, c|ui potes cito adhibere consolationem.i Ibid. Cap. III. 2.
Cogitans diversas tentationes — ad quid risus? Ebenso n, 3. Gravatus com-
pedibus peccaiorum quale mihi consiliumf Ibid. Cap, IX, 3. sagt Thomas:
Carnis peccatricis cognatas cogitationes esse. Cap. XI, 4. Vetera transient!
Cap. XVII. I, Repedare, was wir schon oben fiir redire kennen gelernt
haben. Ebenso kehrt affectus essendi XXI. i, wieder. Maria, die so innig-
lich verehrte, sagt durch den Mund des Thomas zur Seele: >Ego uidebo
pro te« c XXIV. 2. Tantae dignationis adhibitio XXV. 9. Hortulo Rosarum
Cap. I, 2. heisst der hl. Augustinus Doctor Ecclesiae illustrissime jam nomi-
nattis. Cap. V. 2. Felix, qui omnia ad bonum trahit. Imitat. II. 3. Paci-
licus homo omnia ad bonum converlit. Cap. VI, a. begegnet uns die ganz
merkwürdige Phrase: Malta pulchra verba non implent saccum. Wie schön
sagt dagegen Im. I. 1, multa verba non satiant animam , oder: Possuiit
quidem verba sonare, sed spirilum non conferunt; pulchriter dicuni, sed te
tacente cor non accendunl. III. 3. Cap. X. 2, verkündigt das Lob der
Wahrheit: Veritas liberabit te de omni mendacio et iniquitate de tua per-
sona fabulata! Imitatio 111. 4, Qui anibuäat coram me in veritate — veritas
liberabit euin a seductoribus et detractionibus iniquomm. Cap. XI. a kommt
fiir das »cautelae der Im. III. 6. 7. 45. »cautioc vor u. oft. Ebenso Cap. XII.
Cap. XIII. 2. berichtet: peroptime est. Cap. XVIII. 4. muss man lesen:
Uerba et gesta Jesu mente recoÜ, et dente conteri, Cap. XVIll, stosst
tenlamenta auf, was man in der Nachfolge vergeblich sucht, Cap. V, 2. con-
viciatus. Cap. VIII, Aufschrift: De pace cordis et quiete in Deum. Wir
haben schon oben zu bemerken Gelegenheit gehabt, wie Phrasen, als:
Capellaniis beatae Mariae und Cognatus sanctorum, welches XIII, 4. unseres
Lilienthals wiederkehrt, der Nachfolge Christi fremd sind. Cap. XV, 3,: Vae
eis — qui diuina judicia modicum attendunt et fere omnia pro levibus du-
cunt. Pro levibus ducere kennt die Imitatio nicht. Cap, XVIII. 5. taucht
wieder [cf. solil. X. et saep.) ein solatium forinsecum auf; abstechend davon
hat die Imitatio III, 54. •externum*. IV, 11. exteriora solatia, Cap, XIX,
heisst es: Anima fidelis — omnia possidet in Christo, pro nobis pauper et
dolens facto. Die neuere Ausgabe löst den Satz auf: qui pro nobis pauper
et dolens factus. Cap, XXII. 2. Palientiam Christus docuit et factis in
passione exeraplificavit (explicavjt.) Thomas allegirt den Papst »Dominus
Papa., nicht so die Imitatio I. za.' Cap, XXVIII. 3, heisst Gott apothecarius
und weiter werden wir belehrt: Insipidus omnis cibus, qui a Deo coctus
et paratus non est. Eine solche übertreibende, roh sinnliche Vorstellungs-
i
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weise kommt zum Glücke in der Imitatio Christi nicht vor. Cap. XXIX. 3.
heissen Jesus, Maria, die Angeli und die Heiligen »consules in dubio c, wofür
die Imitatio III. 59. einfach sagt »consiliarii,« IV. 6. Deus consiliator in
necessitatibus. Cap. XXXII. i. gratificatio Deo debita, wofür die Imitatio
sechsmal gratiarum actio sagt. De tribus tabernaculis. Da heisst es von
Christus, dass er *fuisse in Patris imperioc statt regno, wie die Imitatio sagt:
Regnum Patris, regnum Dei, regnumque suum III, 47. 56; II, i. 12:
III, 47. 58; II, 11; III, 48. Cap. II. 10. Humilis odit praelationem super
alios, womit zu vergleichen ist Im. I. 9. : Multo tutius est stare in subjectione
quam in praelalura. Cap. III. 11. liest man: Bonum propter obedientiam
dimittere (quandoque intermittere) ad »perfectumc vos ducit, wofür die Imit.
perfectio gebraucht. Cruciamenta, (1. c. n. 14) ist dem Thomas gegen das
cruciatus I. 24. der Nachfolge eigenthümlich. Die Construction des Attendcre
in: Attende de damnatione malorum, 1. c. n. 14. kennt die Imitatio auch nicht;
sie sagt I. 25: Attende Carthusienses , Cistercienses. ') In Exercitiis Spiri-
tualibus posterioribus Cap. VIII. i. liest man: Nee assuescas malum usum
posterior saepe veniendo. Cap. X. 1. quod pro bono dicitur, pro bono accipe.
In Doctrinali iuuenum Cap. III. i. gebraucht Thomas concordare rixantes
für conciliare et in pacem et concordiam reducere, ebendaselbst i . uindicare
iniqua agentes (iudicant omnes iniqua agentes) für in eos uindicare. Cap. VI. i .
nennt Thomas das Kloster »mensa Dei ad communicandum aegrosc, für ad
cibandum seu cibandos aegros. De vera compunctione num. 12. liest man
Consentire nobis, amicus esto noster, für consenti; num. 14. reversatus.
De Solitudine et Silentio Cap. I. 20. sequi in montem visionis et
gloriae, et in patibulo fiir in patibulum. Item 21. qualitercumque tecum
transierit, statt, factum fuerit. Ibidem 22. philochristus. Ibid. 24. inclu-
sorium, Orat. V. 2. Sit mihi omnis tribulatio beneventa. De Mortificat. i.
inoccupatus, adhaesio creaturarum unio Christi, 3. transeat mecum, 6. oportet
cum paupertate me iuuare, 7. ad profundum non intelligo me ipsum,
ad fundum se relinquere, natura operatur partem suam. Fast unverständ-
lich ist: 8. Ubique inuenitur defectus, contrarietas et resistentia in uno uel
in altero, et omnino superpati et premi ab intra uel extra uenire uult
res quaelibet in praesenti? Opusculo de Humilitate i.: Humilitas necessaria
ad peruentionem aetemae salutis; 2. humilitas semper triumphat inimicis.
Ist auch die Latinität der Imitatio Christi nicht gerade rein, so wird
man denn doch aus derselben einen solchen Distelstrauss nicht binden
können.
Styl des Thomas. Die Verschiedenheit der thomistischen Werke
und der Imitatio beschliesst sich nicht in einzelnen Wortbildungen und
') Beiläufig bemerkt nennt Thomas die Cistercienscr Bcmarditae. Vit. Gerard. Gross, c. 18
kleineren Sätzen, sie tritt noch lebhafter hervor, wenn man abschliessende
Erörterungen über gleiche Themate gegenüberstellt Unter den thomistischen
Werken kommt das Soliloquium der Imitatio am nächsten, imd wir wollen
sehen, wie dieses und auch die uallis liliorum beispielsweise das Thema über
das Gericht und die ewigen Strafen im Verhältnis zur Nachfolge ausfuhrt. ')
Das Soliloquium überhäuft uns mit Schriflstellen , so dass es eine Schriftlese
über diesen Gegenstand darstellt. Die Imitatio spricht auch mit Worten der
Schrift, aber seltener und vermählt den Ausdruck der Schrift mit den Em-
pfindungen und Gefühlen des Herzens, wie ihr das charakteristisch eignet.
Das Soliloquium bleibt bei den Schrecken des Gerichtes und der göttlichen
Allwissenheit haften; im Gegensatze dazu erhebt die Imitatio sich zur Tröst-
ung und Beruhigung und gibt die Mittel, dem Verderben zu entwischen.
W[e schön mall die Imitatio die Strafe der Hölle, derlei kennt das Soliloquium
nicht. Die lebendige Darstellung der Imitatio nimmt Verstand und Wille
gefangen und wirkt im Leser oder Hörer ernste Entschlüsse, gute Vorsätze;
ich würde eine gleiche Wirkung der saft- und kraftlosen Darstellung des
Soliloquium ganz unerklärlich finden müssen. Was in der ganzen Imitatio
überall so wirksam ist, das Volle und Rhythmische der Sprache, die geist-
reichen Wort- und Satzantithesen , das vermisst man hier, wie nicht minder
in der Uallis liliorum. Merkwürdiger Weise bleibt auch hier der Verfasser
bei einer breiten Beschreibung der Schrecklichkeit der Hölle stehen, kann
also höchstens Knechte, aber keine Kinder Gottes, die die Liebe zieht,
bilden. Das ist tief einschneidend.
Zusammenfassen und Numeriren. Thomas pflegt ferner das
Gleichartige zusammen zu fassen, schemalisch zu ordnen und sogar ziffer-
mdssig die ZaI der Funkte anzugeben. Z. B. ad nov. serm. 7. part. III,
num, 4, 5, 6. werden drei Arten von Kleidern der hl. Agnes erwähnt;
Serm. 10. ad nov, part, IL num. 4. 5. 7. 11. werden die mancherlei
Kriege und Kämpfe numerin angegeben; Serm. 6. part, II, num. 6,
linden wir die Geschenke, welche Christus seinen Streitern versjjrochen
hat, numerirt angegeben. Serm. 8. part III. num, 10. 11. la. 15, wird
die ZaI der Reife und der Blumen in der Krone der hl. Agnes ange-
führt und ausgedeutet; Serm. 11. part. IIL num. 2. 3. 5. 7, ad nov. sind
die Theile des geistlichen Hanses, nämlich Grundstein, Wände, Dach und
I-'cnster ihrer Zal nach erwähnt; Serm. 10. part. II. num. g. gibt Thomas
die verschiedenen Arten, auf welche Eva gesündigt, numerirt an. Med. 28.
num, 3. fmden wir wieder die verschiedenen Klassen von Menschen, die
dem göttlichen Willen gehorchen, und von solchen, die den Herrn loben,
iudicio Fl puctiis pcccaliinim ; Sulitoq. c. 2 : Du ilislrictu dd
, Siiinnial und llir^hc »teilt die .^ulheiilie dicArr beiden Werke fest.
90
specificirt angeführt; med. 29. num. 5. werden die Thaten Christi, die Ge-
burt und sein Leiden numerirt abgehandelt; med. i. num. 18. sind die
Gründe des Unglaubens der Juden aufgezält; Serm. 6. part. III. ad nov.
num. 2. stellt Thomas die Vorzüge der seligsten Jungfrau Maria numerirt
dar; med. 22. num. 7. wird in verschiedenen Punkten auseinander gesetzt,
inwiefern das Leiden der Heiligen von dem des Heilandes übertroffen wird ;
Cap. 2. Enchiridii num. 2. werden die Thiere und die Mittel, womit sie ge-
bändigt werden, numerirt erwähnt; med. 27. num. 2 — 18 führt Thomas
n um mern weise die hervorragendsten Punkte in der Leidensgeschichte durch;
desgleichen zält er in dem dieser med. beigefügten Gebete die Wunden
unseres Erlösers auf. Weiters Serm. 9. part. III. num. i — 6 wird die Aus-
schmückung des Tempels in mehreren Punkten abgehandelt; ebenso werden
uns die verschiedenen Bedingungen, welche sich auf den Bau eines Gottes-
hauses beziehen, Punkt für Punkt vor die Augen gefuhrt. Opusculo de trib.
tabern. gibt Thomas in überflüssiger Weise sogar schon in der Ueberschrift
die Zal an. Cap. 6. Hospit. pauperum lesen wir von dem dreifachen
Zeichen des Kreuzes. Cap. 3. num. 5. de fid. disp. werden zwei Fragen
numerirt behandelt. Cap. 26. vitae Florent. num. 2. 3. 4. werden die haupt-
sächlichsten Arten der Versuchung in verschiedene Punkte zusammengefasst,
ebendaselbst Cap. 29. num. 3. die mancherlei Tugenden des Flor, aufgezält.
Hosp. Paup. Cap. 20. num. i. 2. 3. legt Thomas die mannigfachen Tugenden
numerirt auseinander. In vita Ludberti Bemeri werden mehrere Gründe,
warum Casselius aus dem Leuterungsorte befreit wurde, zusammengefasst.
Cap. I. Exerc. Spir. post. num. 2. werden die einem Geistlichen notwendigen
Dinge numerirt erwähnt; desgleichen Cap. 5. num. i. In vita Joannis
Cacabi n. 12. werden jene Dinge, die besonders zu empfehlen sind, Punkt für
Punkt angegeben. Cap. 25. Soliloquii num. 7. 8. 11. gibt Thomas die
Wolthaten Gottes ihrer Zal nach an und führt dieselben auf verschiedene
Arten zurück. Epistola 6. wird der mannigfachen, einem Geistlichen schäd-
lichen Dinge Erwähnung gethan, ebenso der Fehler. Die zalreichen vorge-
führten Beispiele beweisen, dass diesen Modus Thomas nicht etwa vereinzeint
beobachtete, sondern dass er so seinen Stoff zu behandeln p f 1 eg t e , dass das so
seine Eigenart war, und da wir dergleichen in der Imitatio durch kein einziges
Beispiel aufzeigen können, muss ihr Verfasser von Thomas als Schriftsteller
verschieden geartet gewesen sein.
Prologe. Thomas setzt allen seinen »grösseren« und einigen kleineren
Werken Vorreden vor. So finden wir's bei den Reden an die Novizen und
Brüder, im Soliloquium, im Lilienthal, im Dialogus nouitiorum, im Buche
von der Einsamkeit und dem Stillschweigen, in der Uita Gerardi magni, in den
Lebensbeschreibungen des Florentius und seiner Schüler, im Buche De tribus
tabernaculis, in Uita boni monachi, ja der einzigen Uita b. Liudwina weist
er zwei Prologe zu. Hält man damit ftie Imitatio zusammen, die doch aus
vier zusammenhängenden Blichern besteht, so wird aus dem Fehlen einer
solchen Praefatio wol Niemand auf die Identität der Verfasser schUessen mögen.
Schrlftanwendung. Bewundernswert ist die Leichtigkeit, mit welcher
der Verfasser der Imitatio Stellen der hl. Schrift seinem Werke einwebt. Ist
ja doch die ganze Nachfolge eigentlich ein sehr künstliches Mosaik aus Worten
der Bibel und der hl. Vater, worin aber jedes einzelne Steinchen leicht, natürlich
und ungezwungen sich einfügt, keines die Schönheit und Einheit verletzend,
vom Ganzen sich abhebt. Hierin liegt nun wieder eine charakteristische Ver-
schiedenheit zwischen der Imitatio und den Werken des Thomas. Thomas
wendet auch gerne Schriftstellen an, verflicht selbe wol auch in den Text,
aber wie unnatürlich, wie weit hergeholt ist gar oft diese Anwendung ! Hemerken
will seinen Brüdern das silentium recht an's Herz legen und einreden. Zu
diesem Ende beruft er sich ') auf folgende zwei Stellen *) : »Stille ward in dem
Himmel wie auf eine halbe Stundec und'); »Der du gesprochen in
deinem Herzen: Zum Himmel will ich aufsteigen . . . .* Die erste Stelle
sollte in dem silentium auf Erden eine Nachahmung der Stille im Himmel
erscheinen lassen, die zweite die sckrecklicheStrafwitrdigkeit des gebrochenen
silentium darstellen, denn Satan ward vom Himmel gestürzt, weil er »ge-
sprochen, I also das silentium gebrochen hat. Gewiss ist diese Schriftver-
wendung eine sehr unglückliche zu nennen! Ebenso sonderbar scheint folgende
Schriftanwendung, Thomas verbindet*) die Stelle des Psalmes'): »Ich aber
wandelte in meiner Unschuld dahin* mit Matth. 19. Mark. 10 und Luk. t8,
wo es heisst, dass leichter ein Kameel durch ein Nadelöhr als ein Reicher in's
Himmelreich komme, und lässt Christus über sich selbst folgende merkwürdige
Behauptung machen; »Ich wandelte in meiner Unschuld durch ein Nadelöhr«,
welche Schrifttextverwicklung gewiss nicht wol gelungen ist, Beilsaias 11. 6
lesen wir: »Wohnen wird der Wolf bei dem Lamme und der Parder lagern
bei dem Böcklein; Kalb und Löwe und Schaf weilen bei einander.» Jeder-
mann weiss, in welchem Sinne diese Schriftstelle zu verstehen ist und dass
sie Thomas ganz gegen den Geist der hl. Schrift anwende, wenn er sie
heranzieht, um zu beweisen, dass allüberall Gute und Böse, neben und
unter einander sich finden! Die Worte des Hohenliedes*): >Introduxit me
rex in cellaria sua* werden auf den Cellerarius, den Kellermeister bezogen,
wobei nicht zu übersehen, dass Thoraas ausdrücklich erklärt, er werde die
Stelle »literalitert auslegen,') Die berühmten Worte Pauli*): »Alle zwar
laufen, aber nur Einer erlangt den Kampfpreis> finden bei Thomas zu fol-
gender Auslassung Verwendung: Man kann, so lange man sich viel nach
') Sc-rmo VIII. M fr.ilrc5. n. 6. *) Apoc. 8, 1. ») Ib. 14. 13. 14.
*) De trib. talÄmnc 3, 9' °) '''• 'S^ "■ ') '• 4-
') De fidel, diäpeusaliunc 3, 311. *) I. K^.iiiilli. 9, 24.
92
aussen verbreitet, nicht das Ziel erreichen ; das erhalte nur, wer gesammelten
Sinnes sei: »Unus, der in sich geeinte, accipit brauium.« Eine monströse
Verdrehung des schönen paulinischen Wortes!
Rhythmus. Mit Karl Hirsche ging über dem Text der Imitatio, »der
bis dahin von einem eintönig grauen prosaischen Wolkenhimmel bedeckt ge-
wesen, plötzlich die Sonne der Poesie auf. Die Prosa wurde zur Poesie. Fast
überall sprangen auf einmal Rhythmen hervor und die Rhythmen sie zeigten
sich meist durchflochten mit den Blumen der mannigfaltigsten Reime, c *) Wir
wollen den mitunter hervortretenden Rhythmus in der Imitatio gerne zugeben,
bewundern auch die etlichen recht ansprechenden Reime, meinen aber, dass
Hirsche dem Büchlein den eintönig grauen prosaischen Wolkenschleier sehr
mit Unrecht zerreissen will; dem Dädalus der Imitatio, der nunmehr in der
heissen Sonne hoch zu Ross dahinfahren soll, schmelzen nur zu oft die
Flügel und dieses Zwitterding erfreut uns nicht. Auch kann man wol schliess-
lich in jedem gnomenreichen Buche diesen Rhythmus aufzeigen und so ge-
wissermassen Reime herausschauen. Hirsche ist auch hierin nicht glücklich
gewesen und muss er, wie Dr. Paul Keppler selbst es ausspricht, zu künst-
lichen und erkünstelten Mitteln greifen •) : > Hirsche erweitert ungebührlich
den Begriff des Reimes, kennt Endkonsonantenreime und solche sind ihm
z. B. tenebris und Dominus, efficit und faciet; er heisst einen Binnenreim
deficiat in laude tua anima mea u. s. w.c In ähnlich elastischer Weise
fasst Hirsche auch den Rhythmus und sei , wie Dr. Keppler schliesslich con-
statirt, die Gewaltsamkeit, mit der Hirsche den Text der Imitatio in seiner
doch entschieden ungebundenen Rede in die Bande der Poesie schlägt, nicht
zu billigen. Schon aus diesem Grunde ist die Aehnlichkeit , welche diesbe-
züglich zwischen der Imitatio und den ächten Schriften des Thomas bestehen
soll, eine rein vorausgesetzte und wo Thomas und die Imitatio sich begegnen
sollten, leicht erklärlich. Wir wollen Proben, wie Thomas in seinen Schriften
reimt, ausheben, und wir werden bemerken: es tritt da die absichtliche
Spielerei hervor, oder es wird ganz unnütz und überflüssig zur Hervorbring-
ung des Reimes eine Zugabe gemacht, ja mitunter werden rein aus der
Absicht, einen Reim zu erzeugen, neue Wörter gebildet gegen den Genius
der lateinischen Sprache. Als Belege zum Gesagten führen wir an ^): »In
nulla creatura, uiua uel pulchra pictura, aut nobili genitura, aut alta statura,
aut magna praelatura pone cogitatum.c »Spcrabilis in solo Creatore, deo
tuo, qui fecit te sine onere et adiutore.« *) Im nächsten Kapitel des Lilien-
thaies ^) bittet die Seele Gott um Erbarmen, »Domine dcus meus summe
amabilis, memento mei pauperis, quia homo sum fragilis non angelus sanctus:
*) Prulegomena. Seite 8.
») 1. c. S. 84 und 85.
*) Vall. lil. 30, 4. *) O. C. 31, 2. ») n. 2.
peccatnr inngiiiis non innocens ngntis . . .> Ebenso spielencl ist, wenn riie
Seele den Vorsatz fassl, sich vor Golt und allen Menschen immer zu de-
mütigen und das aussjtricht in den Worten: »Miscreatiir mei pcccatoris nunc
et in omnibiis horls« ; mit einem rauhen Gewaltakt gegen die Sprache ist ge-
reimt: ') »Si tibi amarum uidetur pauper et modicus, diilcescat regni coelestis
introitus.t Im 7. Kapitel des Hospitale paupcnim wer<len alle die Vorzüge des
wahrhaft Demütigen angegeben und kommen rein dem Reime zu Liebe folgende
Wortbildungen gleich in einem Satze geeint vor: *) Compassiuus, consolatiuus,
instructitius, erectiuus, cenfirmatious. An einer anderen Stelle hanilelt Thomas
von der Gewissenserforschung im Uesonderen, hält der Seele alle SUnden
vor und bringt bei dieser so ernsten Betrachtung nnter anderem auch, rein
nur um zu reimen, den gar jocosen Vers:*) »Accelerasti ad finem et ad
lectum, et hoc mihi ualde est suspectumi«
Geist der Schriften. Wer immer die Bücher der Imitatio Christi
gelesen hat, wird gefunden haben, dass ihm die Worte derselben tief ins
Herz hinabsteigen. Die heiligsten und gelehrtesten Manner, man ilenke an
Bellarmin, haben sich an diesem Buche erfreut und erbaut. Ein CJleiches
könnte man von den Schriften des Thomas nicht behaupten. Ihre Mechanik,
lim das menschliche Herz, dieses ro flüchtige und schwer zu behandelnde
Ding zu gewinnen, ist plump und unbeholfen, die Persuasionsmittel oft
geradezu läppisch, oder trivial. Und hierin liegt das Geheimnis der Imitatio:
in der genauen Kenntnis des menschlichen Herzens. Ich meine, ein Schrift-
steller, der alle die guten Wege, dem Andern mit seinen Worten ins Herz
hinabzusteigen, in seinem ersten Werke kennt und wandelt wie kein zweiter,
der in seinem ersten Werke der Seele Alles vorsagt, was sie gerne
hört — ein solcher Schriftsteller sollte in allen seinen folgenden Schriften,
die eben denselben Zweck haben, diese feine Kunst nicht mit tmgeschickten,
liicherbarcn und darum ganz wirkungslosen Angriffsmitteln auf die Seele
vertauschen müssen, Hören wir, wie Thomas die Eroberung der Seelen an-
stellt. In seinem achten Sermo ad fratres handelt Thomas davon, was gutes
es um das Stillschweigen sei. Als Motiv des Stillschweigens stellt er seinen
Brüdern imter andern dar, dass Lucifer atis dem Himmel gestürzt worden
sei, weil er das Stillschweigen gebrochen,*) Wie ganz anders macht uns
zum Schweigen geneigt, was die Imitation hierüber vorbringt, i, c. 10. 17.
20. 14 1. 3. c. 45 1 Bei einer andern Gelegenheit, mediiatio 20. n. 4, will
') De i
labcni. I. II.
■Qui iiere huniilis est. . . . infirmo compnssiuus , Iribulaln i
cadenti erectiuus, dubilnnli conflmiatluus. t
lin spiritunliu. Cnp. lo: iDe scniünio cniucientiae in spcciRli. 11.
(silentium) lucifer, quia mm Icmiil, -proplercn cum omni omii
cocio ceciciit. Diiil cnim ; In coelum .
Thomas die Liebe zum fleissigen Bücherabsch reiben erregen. Das begründet
er aus der heiligen Schrift, indem ja Christus zu Gunsten der Hebräerin
(Joh. 8.) etwas auf den Boden geschrieben habe. *)
Wenig zutreffend und sehr kindlich ist es denn doch auch, wenn un-
mittelbar darauf der Himmel ein Kloster genannt wird, worin nach der
Regel des Abtes (so heisst Gott) ständiges silentium von allem Bösen ge-
halten wird. *) An anderer Stelle wird ein Kleriker ohne Bücher unter andern
verglichen mit einem Schuster ohne Ahle, mit einem Schmiede ohne
Hammer, mit einem Schneider ohne Nadel und Zwirn, sowie auch ein
Kloster ohne Bibliothek gleichgestellt wird einer Küche ohne Kohl, einer
Tasche ohne Geld, einem Keller ohne Fass. •) Den Novizen redet Thomas
in einer seiner Reden zu, aufs Kleid sich nichts einzubilden, weil ja das
auch ein Esel zusammenbrächte.*) Das ist nicht die Sprache des Verijassers
der Imitatio 1 ^) Wer andächtig communicirt oder Messe liest, ist ein Jünger
Jesu, »ein Kaplan der seligen Jungfrau Maria .... ein Verwandter der
Heiligen.« ®) Es scheint unfassbar, wenn das Gebet »oraculum uiuae uocis«
genannt wird. ') Der liebe Gott knakt den seinen geistliche Nüsse und
steckt den gewonnenen Kern ihnen in den Mund!*) Im »Rosengarten«
werden eine Menge Liebesdienste aufgezält, die man eigentlich Jesu thut,
wenn man dem Nächsten aus Liebe zu Gott Wol taten spendet. Die Allegorie-
sucht verleitet Thomas zu sehr sonderbaren Behauptungen. Wer müssige
Worte verhindert, jagt die Fliegen von Jesu Tische, wer Verläumdungen
nicht anhört und die unehrbare Unterhaltung anderer tadelt, schlägt und
verscheucht einen schwarzen Hund vor Jesu Haus, wer während des Essens
gut vorliest, der erfreut die Tischgenossen Jesu mit einem Himmelsbecher,
wer schlecht liest, vermindert den Wolgeschmack der Speise und wer gar
oft stottert, beschmutzt das Tischtuch Jesu*). Es klingt sonderbar, wenn
*) *0^^) scripsit, ut ars scribendi ac ardor legendi sacros Codices magis placeat.«
*) »In illo summo monasterio, ubi perpetuum silentium ab omni malo statutum est
ab illo supremo abbate.«
') Doctrinale inuen. c. 7.
^) Senn. 14. Ad nouit : »Non es ideo sanctus et magnus dominus dicendus, quia
cappam geris extrinsecus, quod asinus facere posset, si esset taliter uestitus.«
*) 1. I. c. 17: »Habitus et tonsura modicum conferunt, sed mutatio monim et integra
mortificatio passionum uerum faciunt religiosum.«
**) Vallis lilior. c. 13. n. 4: »Iste est discipulus Jesu, capellanus beatae Mariae uir-
ginis, . . . cognatus sanctonim.«
') 1. c. c. 10. n. 2.
•) Soliloq. anim. 15, 6: »Docuit me (deus), sicut mater paraulum, frangens mihi nuces
spiritales et inserens faucibus meis nucleos.«
•) Hortul. rosar. c. 17. n. i: »Qui otiosa uerba loqui prohibet, muscas de mensa
Jesu expellit. Qui detractiones audire renuit et loquentes inhonesta corrigit, nigrum canem
95 _
Thomas auFfordert, Jesum lals besonderen Freund unrl seinen Verwandten zu
erwählen,«') wenn Goll nebst anderem genannt wird: »Musik, Zither, Orgel,
Zimbel, Haus, Lager, Garten, Wiese, Hof, Tisch, Bett, Handtuch, Leuchter,
Vorleser, Arzt, Apotheker,«*) wenn Jesus und Maria und die Heiligen Vor-
leser bei Tisch, Kantoren im Chore') heissen. Es nimmt sich schleppend
aus die Aufforderung, vor alle Heiligen hinzutreten, aufzusuchen den hei-
ligen Johannes B. in der Wüste, ihn kniefällig zu begrlissen : Sei mir ge-
grüsst, heiligster und liebster Freund Jesu. Viel Gutes und Grosses habe ich
von dir gehört. Von ihm zu lernen, was er gegessen und getrunken, wer
ihn bedient habe, ob Vater und Mutler ihm was geschickt haben und mit-
unter zu ihm oder er zu ihnen gekommen sei, ob vielleicht der Erzengel
Gabriel zu ihm herabgestiegen sei und ihm viel Geheimes geolfenbarl habe,
ob etwa gar Jesus ihm persönlich erschienen sei und seine Hände gestärkt
habe, so wie im Evangelium geschrieben steht: »Denn die Hand des Herrn
war mit ihm.« *) Christus ist nach Thomas Lehrer Aller, Regelbuch für
die Religio.sen , Kommentar der Mönche, Text und Glosse der Dekrete.*)
Eine andere Stelle lässt einen schläfrigen Novizen doch etwas gar unsanft
an"): lO frater aselle, de genere dorraiianlium et numero fatuarum
uirginum.c
Thomas citirt die Imitatlo. Sehr beachtenswert ist folgende
Thatsache. Es kommen in den Schriften des ehrwürdigen Hemerken
Stellen vor , welche aus der Imitatio wörtlich oder mit kleinen Veränder-
ungen herübergenoramen sind. Einige dieser Stellen fügt Thomas seinen
Werken ohne weiteres ein, andere führt er als Apophthegmen anderer
an. Wir führen mehrere solcher Paralellstellen an »Corrumpunt bonos
mores et gratiam Dei perdunt, conscientiam maculant.» Dial. nouit. c, i,
Vergl. hiermit Im, 1. l, c. i.: iSecjuentes suam sensuahtatem maculani
conscientiam et perdunt Dei gratiam.« Dial. nouit. c. 3; >Non igitur
longos dies nee annos plures in religione computes« ist doch dem Sinne
Ae domo Jesu feril et fugat. (^ui ii
mensa Jeäu poculo coel«5ti laetificat,
Duit cl qui saepe litubat , lunppam Ji
das ganze Kapllel.
') Vall. lilior 19, 3; .Elige ilaque Jesum Christi
et cognntum tuum.i
■) Ibid. iS lot.
•) O. C. 29, 3.
*) 1. c- 33. 3, 4.
*) Sermon, ad nouil. Pars prima. Serm. 3. 11.
niiun, ipse Über cl regula reügiusui
gloua decretonim.*
•) O. C. serm. 6. n. 3.
tefectiontm beiie c( dislincte legil,
inebriat sitienles, Qui male legit saporem cibi mi-
macalat.i Und diese Allegorien spinnen sich durch
: .Ips. (Chm
(I) n„„,.hor>
a, i]>sc lextus e
k
96
nach aus Im. 1. i c. 23.: »Multi annos computant conuersionis. « »Non
securitatem a lentationibus, non requieni a laboribus audeas tibi poiHceri«
Dial. nouit. c. 3 und Ira. 1. i. c. 20: »Numquam tibi promittas securitatem
in hac uita.« Medit. XV de ascensu Mosis in montem: »Ibi (Moses) in
silentio uenas diuini susurri suscepit.« Im 1. 3. c. 1 : »Beatae aures, quae
uenas diuini susurri suscipiunt « Diese Stelle hat Thomas über alle Zweifel
nach einem andern Auetor angeführt, denn er selbst sagt sonst überall:
»susurrium« und nicht susurrus oder susurrum, wie hier. Cf. Serm. VII.
part. 2., serm. X; Libell. spirit. exercit. c. 6. >Vox uera: nemo potest hie
gaudere cum saeculo et postea regnare cum Christo, c Serm ad. nouit.
serm. X part. 3. und Im. 1. i. c. 24: >Non potes delectari hie in mundo
et postea regnare cum Christo.« Vallis lilior c. 18: »Dixit quidam deuotus
silentii amator: raro loquor diu hominibus sine aliqua laesione conscientiae
intus. «c Im. 1. i. c. 10: ?>Raro sine laesione conscientiae ad silentium
redimus.« Ad nouit. serm. 3. n. i: Dixit quidam deuotus religiosus: qui
de Omnibus alienis tacet de omnibus pacem habet.« Im. 1. I c. 11: »Multam
possemus pacem habere, si non uellemus nos cum aliorum dictis et factis
occupare.» Libell. exercit. spir. c. 11: »Modicum laborabis et magnam re-
quiem inuenies.« Im. 1. i. c. 25: »Modicum nunc laborabis et magnam
requiem immo perpetuam laetitiam inuenies.« Hym. spirit. VII: »Vita boni
monachi crux est, sed dux paradisi« aus Im. 1. 3. c. 56. Ibid. VIII: Tota
uita Christi Jesu crux fuit et martyrium<^ Im. 1. 2. c. 12: »Tota uita
Christi crux fuit et martyrium.« Thomas hat auch sonst viele Stellen aus
der Schrift und den Vätern seinen Werken eingefügt, ohne den Auetor zu
nennen, oder auch nur zu erwähnen, dass selbe anderswoher genommen
seien '). Wenn nun der Hemerken auch sonst Stellen entlehnt, so kann er
auch die eben angeführten entlehnt haben und wenn er bei einigen davon
selbst ausdrücklich dies bezeugt, so wird er sie entlehnt haben und es fallt
die Möglichkeit, dass Thomas sich etwa selbst abgeschrieben habe. Wenn
Thomas in seinen Schriften Stellen, die mit solchen der Imitatio Christi
gleichlauten, anführt mit dem Beisatze: »Vox uera, dixit quidam deuotus,
dixit quidam deuotus religiosus,« stellt er sich da nicht der Imitatio Christi als
nicht seinem Werke gegenüber?
Unbekannter Verfasser des dreizehnten Jahrhunderts in Italien.
Zu diesem sehr wichtigen und ganz wahren Resultate kam Em. Renan
in seinen Untersuchungen über unsere Frage. »L'auteur de Timitation
*) Z. B. Serm. VI. p. III ad nouit: «Non enim poena martyrcm facit, sed bona
causa.« cf. S. Aug. £p. 204. 81. 108.
97
de Jrfstis-Christ« in Eliides d'liistoire religieuse. Paris 1863. Stx, ed.
p, 317 — 336, wenn er sich auch vorderhand noch nicht für Gersen erklären
zu können meint. Auch Chateaubriand spricht in seinem Gi^nic du Christia-
iiisme von der Imitatio als einem Phänomen des* dreizehnten Jahrhunderts.
Die Stelle bei Gregory Hist. II, 109, Ebenso Degerando Josef Maria in
seiner Histoire compartie des systtfnies de philosophie. Paris 1823,
Pessimisten und Unentschiedene, die überhaupt an der Mög-
lichkeit den Auetor der Imitatio Christi zu bestimmen verzweifeln oder
wenigstens für keinen der bislang angegebenen sich zu entscheiden verniügen,
sind Ellies Du Pin,') Corneille,*) der regulirte Chorherr Boudet Anton,*)
Silvester Sacy , *) Moland und Hericault , ") Arthur I.oth , ") Dr. Moriz Schwalb ')
und iieuestens Hölschcr. ")
Als Kuriosum in unserer Frage fuhren wir an , dass Abb^ Mercier
de Saint Leger die Abfassung der Nachfolge bis hart an die Wiege des
Christenthums hinaufrückt, wenn anders dem Silben hierin zu trauen ist.
Der schreibt: Abt Mercier von Saint I.eger habe, ohne alle Beweise, fest
behauptet, das Werk sei griechischen Ursprungs und reiche an die Zeit des
hl. Klemens oder Polykarp.i
') Dupiii ächlifsst »ine diesbeiUgliche Abhandlung in <Ur Nouvelle bibliothek des
auteurs ccdcsiasliques. Park 1700. lom. Xll. pag. iSS. mit den Worten de<; Terenz :
■ Fecistis prube, malto incertior suni adhiic.
*) Siehe die Vorrcde-iu der des giotäcn Dichters würdigen Ulm. Jes. Chr. traduil
en ven fran^oii, zueist Rouen 1651 , seildem fiut unEälige Male verlegt, unter anderen auch
in jener Prachtaui^gabc der Iniitatia , welche Nnpolcall fUr die Parier Weltauü^lcllung 1S55
lial drucken lassen. Ful. S72 Seiten. Corneille spricht sich einfach für i'incn Mönch aus.
t)ic Stelle ausgehotien bei Gregory, Iltsl, II. 75.
•) Er kann weder an Thomas noch an flcrson glauben. Brief im Mercur de France.
Jänner 1743,
•) Et lKhnu|iti:t in der \'ürrcdc ?u der von ihm 1853 ^■e^an!llnllctcll AU'ignbc
der Nachfolge, der Verfasser sei die ganj:e christliche Menschheit.
') Ix livre de rtiitemelle consolalion, preiniirc uciiioii fran(aise de l'lniil, de Jisus
Chr. Avec un introd. et des notres Paris 1S56: »Man forscht vergeblich lisch einem Ver-
fasser, es gibt keinen,!
•) Revue des qucstions hUtoriques. Bde. XIII. XIV. Paris 1873. Verfasser der Im.
ist ein •Dcuolus- in Ueutschlanit zwischen 1350 — So.
') 'Der sich erlaubt, dem Leser gleichsam eu beichten, dass er an die Aolorschoft
des Thomas a Kempis, ohne sie gerade leugnen lu wollen, keinen vollen Glauben haben
kann.! Das Büchlein von der Nachfolge Christi. Berlin 1G71. .S. 4.
•) Programm des Gymn. lu Recklinghausen 1878. 7g. Ihm gilt in DeiUg auf unsere
Frage auch heute das Wort des Hora?:
QoLs , . , e
ailhuc
k
Die Spruchsammlungshypothese. Wie der Vater Homer und
das Nibelungenlied hat auch unsere Nachfolge Christi seinen Lachmann ge-
funden in Leclerc, Michelet und den Laacherstimmen. Mr. v. V. Leclerc ')
wollte beweisen, dass das erste Buch bei weitem älter sei, als die drei letzten
und kam endlich mit Michelet *) dahin, die Imitatio für ein »unpersönliches
und nicht nationales« Werk zu erklären, welches geboren im Mittelalter, ohne
dass man den Zeitpunkt genau angeben könnte, in der Abfolge immer mehr
und mehr anwuchs und zu einem Ganzen krystallisirte , bis es endlich in
jene Form kam, in der wir's Mitte des 15. Jahrhunderts finden. Zu dieser
selben Ansicht bekannte sich alsobald der Freund der Laacherstimmen, welcher
also schreibt: ') »Die Nachfolge Christi war eine im Mittelalter in den ver-
schiedenen Klöstern verbreitete Sammlung frommer Aussprüche und Be-
trachtungen, zu denen, wie es zu geschehen pflegt, bald hier, bald da ein
Spruch oder eine Betrachtung hinzugefügt und deren Sammlung zu verschie-
denen Zeiten und in verschiedenen Klöstern redigirt wurde, bis endlich die
des frommen Thomas von Kempis nach Erfindung der Buchdruckerkunst
allgemeine Anerkennung fand.« So lasse sich erklären, dass Deutsche,
Franzosen und Italiener um den Verfasser streiten, und der Deutsche viele
Germanismen, der Franzose Gallicismen und der Italiener Italicismen als
Beweise für sich anführen könne.
Französisch als die Ursprache unseres Buches behaupten nebst
Nicolaus Lenglet du Fresnoy*) alle neueren Gersonisten, indem sie die »In-
ternelle consolation« als das Originale betrachten. ^)
Deutsch als Original glaubte Van Vree, welcher das X. und XIII
Kapitel des IV. Buches der Nachfolge in niederdeutscher Sprache auffand.
Dieses Bruchstück erkannte er nach Sprache und Schrift für zu alt, als dass
an eine Uebersetzung aus einem Originale, welches Thomas van Kempen
verfasst hätte, zu denken war. Van Vree hielt daher den Thomas für den
Uebersetzer eines in niederdeutscher Sprache geschriebenen, von ihm vorge-
fundenen Original?. ^)
Betrachtet man diese lange Reihe von »Verfassern der Nachfolge,« die
mit mehr oder weniger Vorliebe und Geschick als solche ernst und steif ver-
*) In der Vorrede der Prachtausgabe der Imitatio 1855.
*) Hist. de France, tom. V pag. 4. not. 3; pag. 16. n. 2.
•) Siehe Jahrg. 1876. i. H. S. 121 und Jahrg. 1878. Heft i, Seite iio.
*) Vgl. die Vorrede zur Limitation de J. Ch. trad. par Mr. Du Fresnoi nouv. ed.
Paris 1737.
*) Siehe S. 60 ff. dieser Abhandlung.
«) Dr. Nolte Zeilschrift für kath. Theologie. Wien 1855. S. 63 und was wir gegen eine
deutsche Originalschrift in der »navolginge Christi» . Wien 1879. pag. XXXIII. notirj haben.
«_
theidigt und feslgehalten n'imlen, so dringt sich, so meine irh; Bezugs des
Thomas a Kempis und des Gerson der Gedanke auf, von diesen beiden
könne keiner der Verfasser sein , weil sich bei der jungen und konkreten
Gestalt des Lebensbildes tlieser beiden — sie sind die jüngsten von allen
Pritendenlen — dieses Schwanken und Umherirren nicht erklären lasse. Es
muss der Verfasser der Imilatio Chriüti viel mehr im Dunkel der Vorzeit
gesucht werden, es lässt sich annehmen, dass er an sich keine so historisch
beleuchtete und gekannte Persönlichkeit Lst, wie die beiden obgenannlen, denn
sonst wurde wol nicht eine solche Ungewisshelt über ihn herrschen. ')
II. GESCHICHTE DES STREITES.
fflSHülie Sache des Gersen lindet eine gliinzcnde Aj)ologic in einer ge-
P.EJMl nauen und vorurtheilsFreien Darstellung des geschichtlichen Ver-
laufes der ganzen Controverse. Die Zeugnisse von Freundes- und Feindes-
seite erscheinen ja bei der geschichtlichen Entwicklung in ihrem inneren
Zusammenhange, Motive und Veranlassungen derselben werden klar, so
man einen richtigen Masstab für ihre beweisende Kraft hat. Eine w
heitsgetreue Darstellung wird zeigen, dass keineswegs der Corpsgeist,
csprit des corps der Benedictiner den Streit heraufbeschworen , nicht
Nationaleitelkeit ihn angeregt haben, dass vielmehr das Streben, zur rt
und vollen Wahrheit durchzudringen, eine Reihe der edelsten und besten
Kämpfer (ür Gersen und seine Rechte in die Schranken treten liess.
Erstes Jahrhundert.*)
Gelreu seinem Ausspruche: »Ama nescirit setzte der gottinnige Ver-
fasser der Imitaiio Christi seinen Namen nicht unter sein Werk. Längst war
') Cf. Delfav. Disserlatio p. XCIII. cd. c. : .Qua« quiclem atnbiguilas oiiti non
potuit, nisi aut ex niulti ttinporis intericcllone nut ex obscuritale nominis ipsius nuclons aut
dcnique ex iactura enrum inslrtlmenlorum, qiiibus conlroucrsia dirimi posset. AI ea umnia et
a Joanne Gecsone et a Thonia de Xempis loDgissime absuDt : Dam in piimis Imud ita mngDum
intercessit temporis ipalium ab eorum e uiuis excessu ad usquE inucntam arteni Ifpographiconi,
ul tantae litcs ex eorum archetypis exemphtibiis üniri ncqulretit; quid ucra abäurdius dici
aut excogitaii polest, quam ut oputculum decimo quinto saeculo condilum, cius nuctQre In
uiais ■ geilte aut non ita nuper defundo, dhtersis hoininibus iisque antiquioHbus paadm
Iribulum !<il, ncque u^unm uetilas ad liquidum pcrduci poIueri(.<
") Mnn vergleiche Calalog. bibl. Bunav. v. II. p. 1648 sq.; Catal. de In Valli^re
lom. II. o. 180 sq.; Meuse] hislor. bibl. mag. P. I. p. 127 sq.; Miliin, lom. II, p. 361;
Barbier tom. I. p. 390 sq., (om. III. p. 414; Murnturi, anliquil. Hai. tom. III. p. gSo;
Scrapcuro 1861 no. iS sq. ; Meui, Dice tom. II. p. iS sq. ; Ersch und Gruber. Art. Genen,
GeiBun, Gence. Nachfolge Christi: Gr^joiy, hisloire lom. 11. p. 194 üq. ; Malou, Reche tc lies ;
Kcpplei, Tübinger Theol. Quanalscbrift 1S80. S. 4S— 59.
7'
i
lOO
die Naihfol^c weitest verbreitet, man freute sich dieses herzlichen und herr-
lichen Werkes recht vom Herzen, ohne nach seinem Auetor viel zu fragen.
Wie gleichgültig man in dieser Sache war, zeigt der Umstand, dass Original-
texte und Ucbcrsetzungen unter verschiedenen Firmen existirten, indem, be-
HonderH seit Erfindung der Buchdruckerkunst, die Buchdrucker aus keinem
(indem aln spcculativen Interesse die Imitatio bald unter dem Namen des
heiligen Hcrnhart oder Gerson, dann wieder des Karthäusers Ludolf von
Saxen oder Thomas von Kempen herausgaben. Alle diese verschiedenen
Aurtoren vertrugen sich ruhig und ohne Reclamirung neben einander, ein
gdlliger und fester Beweis dafür, dass keiner der wahre war und als solcher
hU'U fühlte, denn der Wahrheit ist's eigen, ausschliesslich zu sein ; Wahrheit
gilil'n eben nur eine. Aus dieser eingelebten Ruhe scheuchte nun zu allererst
ein NpaniHch geschriebenes Buch auf, welches 1604 zu Mailand erschien und
Mww Verfasser Petrus Manriquez haben dürfte, obwohl andere auch Josef
(IreHvelluH oder Wilhelm Batteus, beide Jesuiten, für den Verfasser halten.
Wie <lem immer sei, das steht fest, dass in diesem Buche die Autorschaft
deH Thomas auf die Imitatio geleugnet wird, weil ja der heilige Bonaven-
lurn, <ler fast zweihundert Jahre vor Thomas gestorben ist, in seinen Colla-
lionen die Nachfolge citirt. Waren mit diesem einzigen Schlage die früher
angegebenen Verfasser der Nachfolge aus chronologischen Gründen unmög-
li( h geworden, so sollte jetzt auch der wahre Auetor an deren Stelle treten.
Julius Nigronus, ein Jesuit, schickte nämlich an den berühmten Constantin
(!ttjetan, aus der Cassinensischen Congregation und Abt zum heiligen Baron-
tiuH in Rom eine Handschrift der Imitatio, welche 1579 von P. Majolus in
da« Jesuiten-Collegium zu Arona gebracht worden war. Auf Grund dieser
Handschrift (Cod. Aronensis) schrieb Bernardinus Rossignolius die Imitatio
dem Abte Gersen zu, was auch Anton Possevin im »Apparatus sacer« that
und auch dem Cardinal Bellarmin als das Wahrscheinlichste erschien, wes-
lutlb er auch in seinen schriftlichen Denkmälern sich für Gersen erklärte.
DttN iHt der Ursprung, die erste Veranlassung zur Eruirung des wahren
Auetors der Imitatio Christi, das sind die ersten Partisane des Gersen. Zu
K<im lebte damals ein ausgezeichneter Benedictiner-Abt Constantin Cajetan, *)
welcher durch Wissenschaft und Frömmigkeit gleich hervorragend war und
wann für die Geschichte seines Ordens und dessen Ehre fühlte. Schon hatte
ihn Paul V. zum Abt von St. Barontius und zum Custos der vaticanischen
HJbliothek gemacht. Als solcher betheiligte er sich an dem Riesenwerke des
') Wir geben eine detailirtere Schilderung seines I^bens und Wirkens, weil leider
Ut^KUfr »einer Sache auch manchmal seine Persönlichkeit und seinen Charakter angegriffen
^livn, So finde ich ihn bezeichnet als: Fabulinus, codicum corruptor et aduUerator, cui
^^IU hnbcnda fides, suspectus etc.
Baroniiis, war dessen Freund »ml Liebling. ') Papst Gregor XV. erhob iinsern
Constantin Cajetan zum Präses des von ihm gegründeten Collegiiim de
Propaganda 6de. Es war denn auch nur ein Zeichen der Anerkennung und
Würdigung des Verdienstes und der historischen Meisterschaft, wenn der Jesuit
Nigroni dem berühmten Able Cajetan den Codex von Arona überschtckte.
Aus diesem Codex gab denn auch Cajetan, 48 Jahre alt, 1616 die Iniitatio
zum ersten Male unter ihrem wahren und ächten Verfasser Joh. Gersen zu
Rom heraus. Der eigentlichen .\usgabe war eine gelehrte Dissertalio bei-
gegeben, in welcher Cajetan auseinandersetzte, die klare Ueberschrift des
Codex von Arona, welcher ausdrücklich und viermal Gersen als Verfasser
angibt, das Zeugnis des Bellarmin und seiner genannten Ordensco liegen, welche
darthun , dass bereits Bonaventura die Imitatio ausdrücklich citirt , was
sich auch betreffs des heiligen Thomas Aquinas erweisen lasse, ferner der
italisirende Styl, und dass der Verfasser sich Mönch nennt — alles dieses
;£Usammen rechtfertige die Ausgabe der Nachfolge unter dem Titel Gersen.
Kritisch, und gewissenhaft wie Cajetan war, tmternahm er jetzt noch eine
wissenschaftliche Reise in das cisalpinische Gallien und nach Ligurien, um
weiteres bestätigendes Material flir die ebenso interessante als wichtige Frage
zu sammeln. Er fand mehr als er gehotft. Zu Padolironae bei Mantua fand
er den beriihmten Codex Padolirouensis und zu Genua im Kloster der hei-
ligen Katharina die Dnickausgabe des Joh. B. Sessa vom Jahre J501, in
der die bekannte Bemerkung sich fand, dieses Buch sei nicht von Johann
Gerson, wie's der Titel angab, sondern von D. Joannes Gersen, Abt zu
Vercelli aus dem Orden des heiligen Benedictus, verfasst. Hocherfreut und
glücklich kehrt Cajetan mit seinen beiden Funden nach Rom zurück. Wäh-
rend er sich daran macht, mit Hilfe der aufgefundenen Materialien eine
neue Ausgabe der Imilatiu und eine vermehrte Dissertation über die unum-
stosslichen Rechte des Gersen auf die Imitatio zu verfassen, kommen aus
Belgien schon die Gegenschriften des Jesuiten Heribert Roswcyd, welcher
zuerst in einer Epistel gegen Rossignoli und dann gegen Cajetan auftrat.
Dieser antwortete, und so folgte jetzt Schrift und Gegenschrift rasch aufein-
ander. Wir glauben der Vollständigkeit unserer Darstellung nicht Abbruch
'J Bnrgnius nennt ihn (Itci Ferd. Ughclli llnlia sncra pag. 161) Joctus, renim aaü-
quaruin perilissimui. 1. c. ful. 797 : cruditus acncx^ aniicus mens. Und um nur noch äa
Zeugnis aniuruhren, irf:hreibl Tliuniiis de Rocabcrt (Riblioih. Fontir. tum. Vll. M. 27.)
Ulwr Unscm Abt also; iFiuIti V ob sacrarum reruui erudilioncni valdc acceptua, saciis
lilvrarum munumeDli^ el in valicana bibliulhcca studiu aDliijuilalis praepusilus fuit . . . Quocirca
ab aliquibu» aiilhoribus hisluiiugraphus romanj pualißcis appellalut . . . Ncc lanlum l'aulu V
i>Ed eUam Clcmeiiti VIII fuit grntu<i, qui Rouiani [Cunslantinum C) specialiler accecsivit, ul
praeissct impressiuni o|)cram s, Tctri Damiani, ut lentis est cnüuctilissimus cardinalU Baronius
ad uinum 107z.-
Ji
I02
ZU thun, wenn wir nicht alle Titel der Schriften, ja nicht einmal alle
Controversisten namentlich anführen, weil ja die im Anhange beigegebene
schematische Uebersicht einen ganz guten Einblick gewähren dürfte. Das
Resume der Rosweydisch-Cajetanischen Controverse gestaltet sich, wie folgt:
Der Codex von Arona ist das Werk eines ganz ungeschickten Abschreibers,
welcher sich irrte und Gersen statt Gerson schrieb. Aber Gerson war nie-
mals Abt, und überdies wird im Cod. Aron. auch Gesen oder Gessen ge-
schrieben, was doch nicht ein blosses Versehen für Gerson sein kann ; auch
müsste sich der Abschreiber dreimal verschrieben haben, was unwahrschein-
lich ist. (Es muss als auffallend bezeichnet werden, das Rosweyd selbst noch
in seinen Vindiciis vom Jahre 1621 sich gar nicht auf die von Cajetan
schon 161 8 in seiner Concertatio auctior ins Treffen geführten Cod. Pado-
lironensis und die Suessia- Ausgabe einlässt). Die Citirung der Imitatio bei
Bonaventura, wendet Rosweyd ein, beweist nichts; denn in den angegebenen
Collationen geschieht auch des Ubertin Erwähnung, welcher doch erst lange
nach Bonaventura gelebt hat. Und hätte er etwa noch mit s. Bonaventura
gelebt, so ist es nicht wahrscheinlich, dass dieser einen jüngeren Zeitgenossen
in seinen Werken anführt. Aber wenn man auch die Unächtheit der Col-
lationen zugäbe, welche doch unter anderen der grosse Franziskaner Annalist
und andere dem Dr. Seraphicus zuschreiben, so sind sie doch jedenfalls
älter als Thomas, weil sie bereits vor Marian's Chronikon und mithin vor 1400
existirten. Dass, die Aechtheit der Collationen, wie sich aus historischen
Zeugnissen ergibt, zugegeben, S. Bonaventura einen Zeitgenossen citirt, kann
man wohl als etwas ganz gewöhnliches nicht auffallend finden. Nicht Tho-
mas Aquinas hat nach Rosweyd aus der Imitatio, sondern umgekehrt der
Verfasser der Imitatio aus dem Engel der Schule citirt; der Styl ist nicht
italisch, sondern strotzt von Germanismen, unter den Mönchen sind nicht
die im 13. Jahrhundert in Italien aufblühenden Orden, sondern die Do-
minikaner, Franziskaner, Karmeliter, Augustiner des 15. Jahrhunderts, wie
sie in Belgien waren, zu verstehen. Wenn der Verfasser der Nachfolge sich
Mönch nennt, so geschieht das im weiteren Sinne des Wortes. Und das
waren die wichtigsten Streitpunkte, *) über welche seither über zweihundert
*) Der Mauriner D. V. Thuillier fasst sie kurz zusammen in seiner Histoirc de la
contestation sur l'auteur du livre de Vim. de J. C. Ouvrages posthumes d. I). Jean Mabillon.
tom. I. Paris 1724. pag. 7: »Presque tous les livres que Ton a faits depuis et qui sont en
assez grand nombre, ne roulcnt que W — dessus. Chacuns de son cotö apporte des editions
et des mss. de s. Bonavenlure , qui lui sont favorablcs; on se chicane sur la Chronologie
d'Ubertin, sur les difTerens ^tats de Thomas a Kempis; on ramasse d'un cote des phrases
italiennes, de l'autrc des phrases flamandes ; les uns exagdrent le reldchement des moines du
quinzi^me si^cle, pour elever jusqu'au ciel la piciö de ceux du treizi^me ; les autres sont
^03
Jahre mit einer ungläubigen Erbitterung in fast allen Sprachen gehadert
und gezankt worden ist, das jene Fragen, welche die Orden der Bencdic-
tiner, Augustiner und Jesuiten beschäftigen und von Deutschen, Italienern
und Franzosen schon fast als Gegenstand der Nationalehrc verschiedentlich
gelöst wurden. Es ist einleuchtend, dass der Streit auf diesem Wege nimmer
endgültig ausgetragen werden konnte, indem ja immer sich Einwendungen
gegen die Glaubwürdigkeit der vorgeführten Zeugen, sowie gegen die Unver-
falschtheit ihrer Schriften aufbringen liessen, und jeder nach vorgefasster
Meinung seinen Sinn aus den verschiedenen Auetoren herauslesen konnte.
Ebenso muss jeder, der die diesbezügliche Literatur gelesen, dem Urtheile
des D, Thuillier ') beistimmen, das?, wären derlei Schriften unterwegs ge-
blieben, die christliche Liebe den grössten Nutzen und die Wissenschaft
keinen Schaden erfahren hätte. Während so Rosweyd und seine Genossen
gegen die Gersenisten mit aller Macht und Kraft stritten, überrascht« der
englische Benedictiner D. Franz Valgrave, Klosterprior zu Lj Celle mit einem
ganz neuen Beweismaterisle. Valgrave halte nämlich besonders in Deutsch-
land Nachforschungen nach alten Codices der Imitatio anstellen lassen in
der ganz richtigen Ueberzeugung, dass einzig durch Codices m. s, der Streit
letztlich und endgültig entschieden werden könne. Als Frucht dieser Be-
mühungen veröffentlicht Valgrave eine Reihe von Schriften, in welchen er
geradezu grundlegend für alle folgenden Zeiten geworden ist. Er baut vom
untersten Grunde auf, beweist zuerst aus untrüglichen Zeugnissen Gersens
Existenz und Lebensumstände, sowie die Rechte desselben auf das goldene
Blichlein. Er führt zuerst die Imitatio -Handschriften von Ochsenhausen aus
dem Jahre 14*7, Weingarten 1433, Wiblingen geschrieben 1430, Molk aus
dem Jahre 1418 und den Cod. Cavensis ins Treffen. Gab so Valgrave dem
Auetor sein Büchlein wieder, so gab er auch dem Büchlein durch eine
Neuausgabe nach den besten Handschriften den ursprünglichen Text wieder.
Dem konnte Rosweyd nur den Cod. Antverpiensis finitus et completus
anno domini 1441 per manus fratris Thomae Kempensis entgegenstellen
und musste sich noch zu der Concession verstehen, dass kein einziger Codex
separat und in Form einer Aufschrift Thomas als Verfasser nenne. Glück-
licher Weise fand sich noch ein Schild, um den Rückzug zu decken, eine
Klammer war's, welche das von den Thomisten errichtete Gebäude noch zu-
pluE Wifiei du (luiniiime que Uu treiiiime tiicle : et
sont de nature i ne pouvoir jamais bien se dcmEler,
de la paitie : car □□ U-ouve alors dana 1e& auleurs [o
■) I. c. pag. 8.
ISS. farrent
i falls
m con(ui[ tiien que laus ms cmbatra«
ir taut lorHjUc k pusiana se metlcat
se quc l'an y chcrche.«
icz de lems Ä petdre pour lire lous les
iir celte qucslion, depuis lea deux premien, jusqu' ii l'AüScmblöe
par tcE expeits, cunvieiidronl que, tt janiais ils n'nvuient paniü,'
U clurit«^ y auruit beaucuup gagn6 et la iepubli<)ue des teures peu pcrdu.
k
J
I04
sammenhielt. Nämlich der Zeit- und Ordensgenosse des Thomas, Johann
vom Busch, behauptet in seiner Geschichte des Klosters auf dem Agneten-
berge irgendwo in einer Klammer, die Imitatio sei des Thomas Werk. Allein
Cajetan und Valgrave erwiesen diese Parenthese als unächt, und wir haben
schon gesehen, wie sehr sie dabei im Recht waren. Aber auch die Tho-
misten begannen jetzt die Codices, das Hauptbeweismittel der Gersenisten,
als unächt erweisen zu wollen, und wir werden noch sehen, wie sehr sie
dabei im Unrecht waren. Mit dem Jahre 1629 nämlich, in welchem der
wackere Kämpfer für des Thomas Rechte Rosweyd starb, ändert sich der
Schauplatz und die Führer der antigersenischen Partei. • Statt des Jesuiten
Rosweyd und Bollandus treten nunmehr Augustiner Chorherrn, statt der Deutschen
Franzosen in den Streit ein. Nach dem Tode Rosweyds 1629, welcher bis
nun ein tüchtiger Führer der Thomisten gewesen, traten auch die Regular-
kanoniker, bisher zuwartende Zuschauer, ftlr ihre Ordensbrüder ein, besonders
Canonici von St. Genofeva zu Paris. Jean Fronteau von St. Genofeva und
Werlin in Deutschland traten in demselben Jahre und in derselben Weise
agressiv und heftig auf. Ihnen gesellte sich noch im selben Jahre 1641
Thom CarrtJ, Beichtvater bei den englischen Fräulein zu Paris bei. Den
Reigen der Thomisten aus den Kanonikern führt Jean Fronteau, *) Lector
der Theologie zu St. Genofeva in Paris. Allein sein Thomas a Kempis
vindicatus vom Jahre 1641 wurde kaum gedruckt von den Augustinern zu
St. Genofeva alsbald zurückgezogen, unbekannt aus welchen Gründen. In-
zwischen veranstaltete der Kardinal Richelieu eine neue Ausgabe der Imitatio,
welche des Inhaltes und des Kardinals würdig ausgestattet werden sollte. Es
handelte sich um den Auetor, dem die Ausgabe zugeschrieben werden sollte.
Natürlich waren Gersenisten und Thomisten gleich bemüht, der Impressio
regia ihren Kandidaten als Verfasser vorgedruckl zu sehen. Richelieu wollte
die Sache gründlich untersucht haben und Hess eine Commission aus beiden
Parteien zusammensetzen, welche die Gründe hüben und drüben würdigen
nnd definitiv für einen Kandidaten entscheiden sollte. Allein de Noyers konnte
nicht kommen, die Streitenden sich nicht einigen. Dazu erwies Karl Labbt!
dem Staatskanzler den unangenehmen Dienst, mh Verwerfung der beiden
bisherigen Prätendenten Gerson als wahren Verfasser vorzuschlagen und
erweisen zu wollen. Der Kardinal decretirte, die Imitatio ohne Namen des
Verfassers zu drucken. Die Gersenisten konnten sich insofern darüber berech-
tigt freuen, als Richelieu ihnen ebenso grosse Berechtigung wie den Tho-
misten zuerkannte und somit deren geglaubtes ausschliessliches Recht
*) Fronteau bewies in einer eigens verfertigten Dissertation , dass sein Name latinisirt
Fronto laute.
anzweifelte, 'j Ganz mit Unrecht aber hat Naiidö und nach ihm Viele hiervon
Veranlassung genommen zu behaupten, Richeliea habe die römischen Codices
m. s. untersuchen lasseu wollen und von deren Unversehrtheit sein Ver-
fahren abhängig gemacht; denn damals dachte wol Niemand auch nur im
enlfemtesten an die Möglichkeit einer Fälschung; diesen Verdacht hat erst
eben Naude selbst gegen die Gersenisten ausgesprochen und verbreitet, *)
Zur Untersuchung besprochener Codices in Rom veranlasste der General-
procuralor der Mauriner P. Placidus Simon, welcher bei Cajetan die drei
Mss. gesehen hatte und sich überzeugt hielt, die Thomisten würden vom
Streite abstehen, wenn sie dieselben gesehen oder notarlich bezeugt davon
Nachricht erhielten, eine Besprechung, Besagter Placidus und Johannes, Procu-
ralor der englischen Benedictiner, erschienen also am 3 1 . Jänner 1 64 1 mit Ihren
vier Handschriften beim Kardinal Bagoi, welcher die Untersuchung dem Gabriel
NaudtS übertrug. Dieser untersuchte die Codices ganz allein in seinem Museum
und notirte sich verschiedene Fälschungen, die er in denselben bemerkt haben
wollte. Im Codex des I.eo Allalius, welcher den Titel fürt; Tractatus Joannis
de Canabaco de Imitalione Christi etc. kommt auch eine BuUe für einen päpst-
lichen Legaten für Deutschland vor. welche die Jahreszahl 1448 trägt, daher
wird auch der Codex nicht älter sein, da beide — Imiiatio und Bulle —
gleichen Schriflcharakler haben. Wichtiger als das sind die Entdeckungen,
welche Naudi? am Codex von Padolirone gemacht hat. Zuerst conslatirt er
den groben Fehler, dass die Aufschrift laute: Incipit Über Joannis Gersen
primus, wo doch das primus offenbar verstellt sei und eigentlich zu liber
gehöre. Ubendrein zeigen die Worte »Liber Joannis Gersen primus« ein
viel frischeres und jüngeres Minium als die folgenden: de contemplu mundi
et Imilatione Christi, so dass selbst ein Blinder aus dieser Verschiedenheit
im Minium den Betrug entdecken könnte. Ebenso sei der Schhiss »Ex|tlicil
liber ([uartus Joannis Gersen de Sacramenlo Eucharistiae« verfälscht, indem
man leicht aus dem früheren Cerson das »01 in tet habe ändern können. In
der Handschrift von Cava findet Naudii keine Fälschung, nur könne der
Mönch im ersten Bilde eben so gut den heiligen Benedict vorstellen. Die
') >Nec tibi ipiii pcrsuadens, ui
cODSulIatiune siniul rl Junnnes Gerstn a
videlicet an Kempensis possessio legitima
iBmquam clarus et Jndubitattls jaiii delinil
muKt (amquam requircns magis e
im, leclur , quixl aljdtcato Kcnipenu, ea hcruuni
:lic,iri dcbeat, quin cum diio esscnl in conlruverein,
esset et cui adjudicari dtberel; ac primus arlicnlus
s esset, allcrius uero decisiu prudenter fuit ptactcr-
tlibenitioQcm. quam ad sc regia majcstas speclare
Dcquaquam exislimavit.« Cunstuil. Cajet. Rcspons, apol. pag. 56. lläUc Malou (tcchcrchcs.
pag. 15 Anm. i.) die gante Sielte wiedergegeben, -so würde das ■entonna un nouveau chant
de vidoric« Cajelan kaum so Ificherlich erscheinen lassen.
') ThuiJliet 1, c. pag. II. tM. Naudi n'a pas raisea de dire, que la Cardinal de
Kichelicu et Ics BenedicLus de Paris vaulurent fair dccider4!i qucstion par Tciamen des piss.
ilc Runie. On n'avoit pas jiisi|u'a1i>ri »ongf it accuscr Ics mss. de ralsiücntion. •
i
io6
Nachschrift im Drucke des Stessa zu Venedig ist nach Naudd ganz jung
und könne man trotz des darüber geschriebenen Johannes das ausradirte
Thomas auch recht wol lesen. Ueber das beigefügte Abbas Vercel. verliert
unser Gewährsmann kein Wort. Naud^ fertigte über seine neuen Entdeckun-
gen kein öffentliches Instrument aus, sondern schickte seine Beobachtungen
insgeheim den Brüdern de Puys (fratres Puteani), welche dieselben auch
geheim hielten, bis endlich Fronteau 1649 ^^"^ Kempis vindicatus Naud^s
Zeugnis vordruckte. *) Allein Constantin Cajetan bekam Kunde, Hess die
Handschriften neuerdings untersuchen, worüber am 15, Jänner 1643
Sanctes Floridus, Notar der Kurie, ein Instrument aufsetzte, welches die
Unversehrtheit sämmtlicher Codices bezeugte. *) Inzwischen ging Cajetan
damit um, die Imitatio griechisch herauszugeben und mit den Typen der
Congregatio de propaganda fide. Kaum hatten das die Kanoniker gehört,
so richteten sie an diese Congregation einen flehentlichen Brief) mit der
Bitte, ja unter keinem anderen Namen als dem des Thomas die Imitatio Christi
drucken zu lassen, den Vorstellungen Cajetans, der es gewagt, in der Alma
Roma Altar gegen Altar aufzurichten, keinen Glauben zu schenken. Con-
stantin Cajetan antwortete darauf in der Responsio apol. pro Gersene, welche
er 1644, »ex typographica officina sacrae congregationis de propaganda fidec
herausgab. Die Thomisten schwiegen durch fünf Jahre. Die Vorrede zur
französischen Uebersetzung von Carrt§ 1644 und Chifflets Avies ou lectur 1646
enthielten keine Erwiederung. Da trat Fronto mit seinem schon lange vor-
bereiteten Werke: Kempis vindicatus hervor, in welchem er den Bericht des
Naud(5 über Fälschungen der Codices veröffentlichte und in bitterer und
leidenschaftlicher Weise gegen die Gersenisten, besonders aus dem Bene-
dictinerorden , zu Felde zieht.*) Die Benedictiner mussten jetzt Antwort
geben, weil sie durch den Brief des Naudt§ und durch Fronteau's Ausfalle
alz Betrüger hingestellt worden waren. Es antwortete denn auch der berühmte
*) Naud6 spricht da von falsitates, oppositiones, ineptiae Benedictinae. »Cum plures
(cod. mss.) profeirentur a nostris, qui Joanni Gerseni aperte fauerant, aduersarii praeeunte
Gabriele Naudaeo, qui ob susceptas Roniae cum Constantino Caietano Cassinensi inimicitias
iras deinceps per libellos suos ubique totis paginis aduersus Benediclinos enomuit, nodum hunc
secare conati sunt falsi postulando Codices« Bern. Petz , Biblioth. benedict. Maurina Aug.
Vind. 17 16. p. 113. sq. Den Grund der Feindschaft Naude's gibt Mabil Ion, De re diplom.
libri VI. Lut. Paris. 1709. 1. III. c. 3.
*) Eben dieser Sanctes Floridus bezeugte unter dem 3. März 1641, dass in dem Ver-
zeichnisse der Taxen, welche die Klöster an Rom zu leisten hatten, die Abtei S. Andra zu
Vercelli erwähnt werde.
•) Zu lesen bei Thuillier 1. c. pag. 16.
*) Er nennt ihre Behauptungen pcrpelua et pertinacia mendacia, consilium, atrox
impiclas, intolerabilis impudentia. Uebrigens ist nicht zu übersehen, dass Fronto selbst sein
Werk als »partus indignanlis animi et stumachantis-» bezeichnet.
Mauritier D Rob Qnatremaire noch in demselben Jahre 1649 in seinem
Gersen assertus, welcher schon 1650 in zweiter Auflage erschienen ist. Der
Erfolg Quairemaires war ein grossartiger. Auf den Kanzeln predigte und
verkündete man Gersens Lob, der gelehrte Jesuit Sirmond beglückwünschte
iinsem Auctor zti seinem überzeugenden und abschliessenden Werke, an
welchem ganz besonders die Mässigimg der Sprache und die leidenschafts-
lose Objectivitäl des Urtheils zu loben sei; gehe ja doch durch unmässige
Streitereien die Wahrheit verloren. Dem Werke Quairemaires war noch Jean
de Launoy's Dissertatio conlinens judicuni, welches dann separat in sieben
Auflagen, zuletzt zu Köln 1732, erschienen ist, beigedruckt. Den bedrängten
Thomislcn kam jetzt Hilfe von dem Jesuiten Georg Heser. Von mehreren
Seiten aufgefordert ') und vielfach ob seiner Arbeiten beglückwünscht, *)
wurde er mit einem Male der Hauplträger der thomistischen Sache, ver-
öflentlichte mehrere Schriften gegen die Gersenisten, in welchen er auf Con-
stantin Cajetans Apparatiis ad Gersen restitutum grob') wenn auch kraftlos zu
antworten und dem Qnatremaire die Palme zu entwinden strebte. Heser führt
zuerst den Codex von Augsburg ans dem Jahre 1440 für Thomas in's Treffen
und versteht sich als der erste, gedrängt durch die gersen istischen Hand-
schriften, zu der unnatürlichen Annahme, Thomas müsse wohl schon 1410
die Imitatio verfasst haben, also vor seiner Priesterweihe I Das bislang von
den Thomisten so hochgehaltene Protografon Antverpiense von 1441 musste
in Folge dessen zu einem autografischen Apografon des (unbekannten)
Protografon degradirt werden. Ausserdem führt P. Heser einen sehr starken
Traditionsbeweis, indem er ein iudicium cenlum virorum für Thomas
zusammenstellte. Es war kein Schweres, diesem Aiictoiilälsbeweise, durch
welchen die Anhänger des Hämerken den Mangel an Quellen beweisen er-
setzen wollen mochten, ein Centumvirat von Gersenisten gegenüber zu
stellen. Dieser Arbeit unterzog sich .\bt Gregor von Ottobeuern, aber mitten
') Vid. Gab. Rnjmnudus Epislol. M. 17. Jan. 1650: »Labor quem R. V, suscipll
pro asserendo aurealü opeie de imitnlioae Christi gemiatiü parcnti ciiu Tliuma n K. püs sc
peritü Omnibus pergratus nccidet.i cod. lat. mon. 1150^. a. fol. 17.
4
•) Obwol es aui
& mihi nunc elüitn. qm
quun ut sulTragari iis qi
pnclerea ponderie apud
controucraia causae nihil haberctil, cur gratiae (t) aliqnid tribuercnti poUora pro J(
ugan>ei\Ui ceusuenint.a Cud. 1. m. 11506. a. p. 30.
*) 'R. V. (absit ucrbo inuidia) admodum inmitericorditer
selbut Raynaud dd. 30. Sept. 1650. Cod. I. m. eil. f. 16 b.
1 gcgenlhciligen Zuschriften nicht fehle. So Sinnondus: »Falebor
in illum cod. oculos conicio uestustiorem hunc codicem uideri,
qui auctorem eius operis Tbunia^i Cenipcnsem arbitratilui, magni
seuiper fuisse sunimoium uiroruai praeiudicj
io8
in seinem Sammeln entriss ihm der Tod die Feder. *) Der Regular-Ka-
noniker Simon Werlin von Diessen hatte nicht so bald von diesem Plane
des Benedictiner- Abtes Gregor von Ottobeuern Nachricht erhalten,*) als es
auch schon in seinen Vindicae novae Kempenses in beleidigender Weise
gegen den verstorbenen Gregor und die bairischen Benedictiner loszog.
Dadurch wurde der Streit auf deutschen Boden verpflanzt und hier in
der unerquicklichsten Weise geführt. Den Vindiciae novae des Probstes
Werlin von Diessen war eine Widmung an den Erzbischof von Freising
vorgedruckt, in welcher Werlin und besonders Petrus, Propst von Gars,
im Namen der Pröpste von Chiemsee, Baumberg, S. Zeno, Au und Hegl-
wart den Schutz des Erzbischofs gegen die falschen und betrügerischen
Benedictiner erflehten. •) Auf diese ganz mutwillig vorgebrachten Schmäh-
ungen hin , reichten Abt Maurus von Ottobeuern , Fr. Jakob Prior und der
ganze Convent eine Bittschrift beim Freisinger Erzbischof ein, er möchte
doch seinen Namen diesem Schmählibell nicht weiter vorgesetzt sein lassen
und dasselbe unterdrücken. Vitus Adamus antwortete unterm 30. März
ziemlich ungehalten. Es sei ihm gar nicht in den Sinn gekommen, dass in
dem ihm dedicirten Buche eine Schmähung der Benedictiner enthalten
sei, ^) er könne die Approbation des Buches nicht mehr rückgängig
machen.*) Uebrigens wolle er einem diesbezüglichen Buche eines Benedic-
tiners ebenso gerne seine Approbation geben. •) Dem entsprechend lautet
*) Noch jetzt bewahrt das Bcnedictinerstift Ottobeum in seiner Bricfsammlung über
die Imitatio Briefe an Abt Gregur, in welchen seiner Suche nach Material geantwortet ist.
Leider ist durch die 1803 erfolgte Säcularisation gar viel verloren gegangen.
*) Oljendrein hielt er Abt Gregor auch für den Verfasser der »Animaduersiones
Apülögeticae« (MabiUonii): »Animaduersiones apologeticae . . . uidentur profecto a. D.
Gregorio Abbate scniore Uttenburano.« Cod. I. m. 11506 a. f. i. Brief von den Kai.
Mai. 1640.
') »Contra plagarios quosdam benedictinae familiae, librorum fures; contra homines
et vim Kempensi Thomae afferentes et infainiani ; contra homines indoctos, falsiloquos; contra
homines iniquissimae libidinis; inquietos, invidos, ambitiosos, fallaces, falsarios, falsi criminis
non semcl reos, I^uernae tandem, quae furum Dea est, sacerdotes!«
*) Abt Albert von S. Peter in Salzburg erklärt in einem Briefe an Abt Maurus von
Ottobeum dd. 30. April, dass diese Antwort des Freis. Bischofs keineswegs befriedige, übrigens
finde er sie erklärlich. «Pro certissimo habeo, so schreibt er, illum nee Uteram quidem
nedum vcrba illa (Ottonis Pura) in Vindiciis Kemp. vidisse aut legisse.«
*) Die spitzige Bemerkung des bischöflichen Rescriptes: »Quis te censurae nostrae
censorem constituit?« möchte Abt Albert in seinem Briefe an Maurus von Ottobeum dd. i I.Mai
dahin beantwortet wissen: »lUe, qui legem naturae condidit, qua iniuriam etiam a principe
mihi illatam censere et indicare non quidem punire licet. Ceterum , quis monasteriorom
iniuriarum censorem et approbatorem aliquem constituit?«
") So berichtet Abt Albert dem Maums von Otlob. unterm 25. Mai 1642.
denn aiirh der Widerruf des Propstes von Diessen ziemlich Eweideutig, ')
während hingegen der Propst Petrus von Gars iiii Consistoriiim zu Salzburg
einen entschiedenen Widerruf leisten musste *) und endlich VVerlins Libell
im ganzen Erzstifte streng verboten wurde. ^)
Zur selben Zeit, in welcher in Deutschland die Streitenden von der
Sache fast ganz abgingen und sich in persönlichen Jnjurien gefielen, berciteic
sich in Frankreich der Kempist Naudt^ zu ähnlichem Wagen. Durch Cajelan
und Quatremaire besonders war Naude der Unwahrheit in seinen Berichten
über die vier römischen Codices (iberfilhrt worden. Diese Mackel suchte er
Hm jeden Preis loszubringen. Dazu schlug er aber einen zweifachen Weg
ein, den der Gewalt und der Verleumdung. Kr richtete nämlich unterm
17. August 1650 ein Bittgesuch an den Präfekten von Paris, welcher zu-
gleich die Biichercensur hatte, in welchem er niciil weniger verlangte, als
da,ss er bei allen Buchdruckern und in allen BUcherläden zu Paris und auch
sonst allenthalben nach den diessbcziig liehen Werken Quatremaites und Valgravs
fahnden und selbe confisciren dürfe, dass die besprochenen Auetoren in der frag-
wuhl nuch dem Thoniae von
unabgcbracheii) Ew. Hocliw.
iiilüglicb veridhen, »Den im-
une] weilberUnilUen Gottihaui
nii an. 1643; iliitl ilemnaoh i:
1 Freisingen, als Approbatori, s
n Gottshaus ohne Nachtheil und S-chaden, :
Kempen in der Haupl-Snch, und Ordini Canoniconim RcEUlorii
wollen mir durch Lieb unsers ]Ietren Jesu Christi Cnicifixi n
Ifleichen Venlnnd fallen las»tn und mich fUi
Infamalureni nil halten.-
') fid. 16. Juli 1642.
') iDieweilen nun nil nllein in gcmeliilcn Vindiciis Kempensibiui , soniicm nuch in
deroan Ihr. HochfUrstl. Gnaden geslellten Dedicalion selbstcn dergleichen Sachen begriffen,
welche üwischen genreldlen S. Aueustini und dem Heil. Orden S. Beoedicli allerhand Weit-
Ineuriigkeit, Zwylracht und wnhl auch cndlllch Publica scandaLi verursachen; Es benebens da«
Ansehen gewinnen mocchle, weilen angcdeulc ohnbeschcidene Edition dissBüchels Ihrer Hochfiirsll.
Gnaden tarnquam Patrono dedicierel , als ob dieselbe herab ein sonders Wohlgefalteli tragen
llioclen, sich dieser Controx-ersien beladen, und hierinnfalls gleichsam einen Orden wider den
anderen handhaben wollen , da doch Ihrer HochlUrslI. Gnaden von mehr gelohter Edition
und Dedication, ehe dieselbe berait schon eüiche Zeit publiciert gewesen, das geringste nil
gcwust haben, wenigets voihero wie sichs wohl gecimbt halle unib Dero Gnaedigsten Consetis
hieriu er&ucht oder angelangt worden seynd. Solchemnach haben Ihr. Hochf. Gn . . . .
ernstlich anbefohlen, das oeffters angelogene Werlinische Edition des Bllchls de Imiintione
Christi in diesem Dero Erölifft keines weegs gedultiel sondern allerdings vcrboltcn, die
beiails dislrahirle Eiemplaria zusammen gebracht und gaenzlich supprimirt werden sollen. ■
Sülibarg den 30. Julü 164z. H. Crisloph BiscliolT /u Chicmsee. Auch schrieb Valgrav nn
Jacob Moiitor. Prior von Oltobeum , man möge sicti getrosten; 'Hoc scribendi gencre . so
lauten seine Worte dd. 22. Juli, parum proficil Diessensis ille praepositus Wcrlinus vel
contra nos vel audorem noslnim Joan. Genen de Canabaco, qui pro se ipso alqae nie con-
viciatori jam respondil eleganlissime ; Quid cnim sunt veiha, nisi verba ; Per ncreni volant,
led lapidem non Inedunlli
1
110
liehen Angelegenheit nicht mehr schreiben dürfen und dass die zuwiderhan-
delnden grosse Geldstrafen träfen. Als Gegenleistung aber versprach er die
vier Codices nach Paris bringen zu lassen und sie einer neuerlichen Prüfung
von Gerehrten zu unterwerfen. Er versprach looo turonische Pfunde bei
der Administration des pariser Krankenhauses zu hinterlegen, welche für ver-
fallen gelten sollten, wenn die vier Handschriften nicht seinem Berichte ge-
mäss gefälscht wären. Der Stadt-Präfect bewilligte die ganze Bitte. Valgravs
Gersen assertus wird unterdrückt, zu Gunsten Gersens zu schreiben bei Strafe
verboten. Naud^ scheint die Herbeischaffung der Codices nicht besonders
im Sinne oder doch wohl für unmöglich gehalten zu haben, weil die Eigen-
thümer der anicianischen Bibliothek sich gegen ein Weggeben gar sehr
sträubten. Daher war er schon im Vorhinein von der Ungefahrlichkeit seines
Unternehmens überzeugt; doch wollte er sich der übernommenen Pflicht ganz
entschlagen und verlangte, dass die Handschriften auf Kosten der Benedic-
tiner herbeigeschafft würden. Die Antwort vom 6. September 1650 lautete
dahin, dass Naude dem Versprechen vom August und zwar auf seine Kosten
zu entsprechen habe. Die bestimmte Frist von fünf Monaten war um, und
Naud^ machte gar keine Miene, sich die Handschriften in Rom zu ver-
schaffen. Daher reichten die Mauriner d.d. 13. Februar 165 1 bei der Pariser
Büchercensur eine Beschwerde ein und beantragten, Naudt§ solle jetzt als
Verläumder behandelt werden, indem er sich weigere sein Referat über die
römischen Handschriften durch Vorweisen derselben zu rechtfertigen, alle
Injurien gegen die Benediktiner sollen aus seinen Schriften gestrichen, weitere
mit einer Strafe von 3000 Pfund zu Gunsten der Gefangenen bestraft
werden. Naudt§ lässt am 14. Februar, um sein Geld vor dem Verfallen zu
retten, in der Stadtpräfektur die Erklärung abgeben, er habe trotz rastloser
Bemühungen die Handschriften nicht erhalten können und bitte überhaupt
um Befreiung von der auferlegten Verpflichtung. Die Curie bestimmte ihm
aber noch drei Monate, nach welcher Zeit die Schriften der Benedictiner
wieder freigegeben und den Söhnen Benedicts sowie allen Gersenisten das
Schreiben jvieder erlaubt werden sollte. Da nichts geschah, was einer Er-
füllung des Versprechens von Seite des Naud^ gleichsah, so fassten die
Mauriner das sogenannte Factum ab, in welchem sie sich beklagen, dass man
ungerecht und gewaltsam den »Gersen assertus c unterdrückt habe. Zugleich
wiederholen sie, dass die Incriminationen Naudt§'s ganz unbegründet seien
und beantragen, man möge den Gersen assertus freigeben.^) Auf dieses
^) Zugleich beklagte man sich , dass Naud6 den Constantin Cajetan »rabougri« genannt
hat, über dessen beleidigenden Begriff viel gestritten worden ist , bis endlich der Gerichtshof
dieses Wort für ein Schimpfwort erklärte. Les sentiments de TAcad^mie fran^aise sur la
signification du mot »rabougric recueillis des lettres de deux academistes ecrites au sieur
Naude. Unter den Briefen Chifflel' als ms. in der kön. brüs. Bibl.
»Fncium« antwortet NauciiJ in verschiedenen Flugscliriften, welche die Sache
so darstellten, als ob die Benediciiner die Auslieferung der Handschriften
hintertrieben hätten und durch welche er den Stachel seiner giftigen Zunge
rücksichtslos in die Ehre seiner Gegner einsenkte. Das Unglaubliche in dieser
Beziehung leistete die löji von Naudii herausgegebene »Coniectio Kem|)ensis.<
Man findet da auf der zweiten Seite den Abt Gersen aufgebaart mit fol-
Partdre :
Exequias
Jano Gersenio,
Terrae filio, Gigantum
Fraterculo, ijuibus est
Commodum ire, jam
Tempus est;
ollus ex aedibus
effertvir.
Das Buch selbst soll haiiptsiichlich die Wahrheit des Naude'schen Be-
richtes bezeugen. ') Als Beweismittel ist unter anderen angebracht das Zeugnis
der fratres Puteani, dass Naud^ ihnen wirklich schon 1641 jenen Bericht
über die Verfälschung der römischen Codices geschickt habe, welchen sie
dann bis 1649 geheim gehalten hätten. Zufällig sei Fronto zu dessen Kennt-
nis gelangt und habe ihn veröffentlicht. Die Benedictiner hatten Naudii l>e-
schnldigt, dass er nur aus Cnnnivenz gegen die Augustiner die Handschriften
für gefälscht ausgab und wie zur Bestätigung theilt der Beschuldigte in der
Coniectio Kempensis auch ganz passend das königliche Diplom mit, durch
welches er ein Augustiner Priorat erhielt. Solches geschah 1644, also drei
Jahre nach jenem famosen Bericht. Inzwischen war die letzte Frist von
drei Monaten um, Naud«; sollte der ausgemachten Strafe verfallen. Da
wendeten sich die Regular-Kanoniker von St. Genofeva zu Paris bitllich an
den Senat, es möchten doch die früheren Edicte gegen die Benedictiner
streng beobachtet werden, besonders solle den Benedictinern und deren
Helfershelfern streng verboten werden, die Imitatio imter dem Namen Gersen
oderGessen drucken zu lassen. Durch das Edikt vom 12. Februar 1652 wurde
zwar dem Valgrave die Erlaubnis ertheüt, seine bisherigen Schriften zu ver-
breiten, aber es dürfe fernerhin die Nachfolge nicht unter dem Namen
Gersen aufgelegt werden, und dabei habe es zu bleiben für alle Zukunft.
Die Freude der Thomisten drückte sich aus in dem Buche des Nie. Desnos:
"
') Wer den Geist des Buche« näher kennen lernen w:
dos er nuf den crslen 19 Seiten folgenden LiebenswUrdigkcii
widmet werden, begegnen wird : 'l'echiiae, fraudes inanirest.'ic,
pnlida mendacia. mBlilia, Stupor, quiHjuibae, vilia sciula, fron
tanr, stultilin, dedecus. nagitiuni, imptKlnra.
ill, den
diene lur Wissenschaft,
den Benedidinem ge-"
brnedictinum . nugoe,
i
112
Thomae a Kempis . . . triiimphus de adversariis, welches noch 1652 er-
schienen ist und dem sich »La Contestation touchant Tauteur de T Imitation, c
ebenfalls von einem regulirten Kanoniker, Gabriel de Boissy mit Namen, noch
1652 anschloss. Der Streit war in einer Weise gefUhrt und auf ein Gebiet
übertragen worden, wohin die Benedictiner nicht folgen wollten und nicht
folgen konnten. Während die Thomisten Triumphe feierten, ohne Siege
erfochten zu haben, sammelten die Mauriner mittelbar und unmittelbar
Handschriften aus aller Herren Länder. Dr. Johannes Rubeus versprach die
Uebersendung der vier römischen Codices zu erwirken, zugleich wendete er
sich an den Secretär des Jesuiten General mit der Bitte, den Cod. Aronensis
nach Paris schicken zu lassen. Allein der Secretär erwiederte, er könne die
gewünschte Handschrift durchaus nicht finden, obwol er sicher wisse, dass
sie von Arona nach Rom transferirt worden sei und er den Cod. selbst
öfters in den Händen gehabt habe. In Deutschland hat sich um die
Eruirung alter Imitatio-Codices und um deren Uebersendung nach Paris ins-
besondere D. Anton Lescalius, Prior der Abtei Münster im S. Georgsthale,
unsterbliche Verdienste erworben. Sein Werk war es, dass die schwäbische
Benedictiner-Congregation in einem Generalkapitel beschloss, dass der VisiUitor
auf seinen Reisen auch auf die alten Imitatiohandschrif^en eines jeden
Klosters zu sehen und ein Protocoll darüber zu iUhren habe. Aber auch
so wäre der Visitator besonders in Niederösterreich und den angrenzenden
Ländern nicht zum Ziele gekommen, wenn nicht der Abt von Münster mit
allen Gütern seines Klosters gutgestanden hätte, falls die Handschriften
innerhalb zwei Jahren nicht zurückkämen.*) Im Jahre 1668 gelang es
auch, den Codex des Leo AUatius zu bekommen. Da Allatius keineswegs
zu bewegen war, sein Kleinpd aus der Hand zu geben, so schickte man
ihm seinen Freund, P. Bona. Aber es wollte auch so lange nicht gelingen,
bis endlich Allatius, in Folge eines Schlagflusses schwer krank, gegen ge-
höriges Unterpfand in die Abgabe der Handschrift wüligte. Am 26. März des-
selben Jahres schickte der P. Franz Paravicino, Rektor des Jesuitenkollegs
zu Arona eine Authentika des unfindbaren Codex Aronensis. Auch die
Jesuiten von Antwerpen schickten das Autographon Antverp. Nach solchen
Vorarbeiten schien endlich die Zeit gekommen, die Codices genau zu prüfbn
und die Streitfrage entgültig zu entscheiden. Der Erzbischof von Paris, Dr.
*) In Folge dessen entwickelte sich eine lebhafte Korrespondenz zwischen den Maorinern
und den deutschen Benediktinern, welche jüngst Alphonse Dantier im Auftrage seines Unterrichts-
ministers besonders aus dem Archiv zu Colmar edirt hat in den Archives des missions scientifiques
et litteraires, tome VI. Paris 1857 pag. 291 — 296 und 475—495. M. Dantier meint,
pag 296, der Briefwechsel der Mauriner mit den Deutschen sei in die öster. Benedikünerstifte
Melk, S. Paul und Griess geflüchtet worden. Dies erwahrt sich nur an Melk, über dessen
hierhergehörige Piöcen der Anhang berichtet.
"3
Frani Harlay, nahm sich selbst Her Sache an. wählte die Koryphäen des
gelehrten Paris als Schiedsrichter und sagte diese (iJGelehrtenversamnilving
auf den 14. August tfiyi an. Alle fanden sich am festgesetzten Tag zur
bestimmten Stunde , S Uhr Morgens ein , nur Du Gange war verhindert,
rechtzeitig z« kommen und fasste daher später ein Separatvotura ab. Die
Mitglieder dieser Gelehrtenconferenz sind folgende: Drei Benedictiner, Dr.
Claud. Martin, Assistent des General-Superior, Prior zu St. Germain ; Dr. Joh.
Mabitlon und Dr. Franz Delfau; Faure. Doctor der Sorbonne; P. I.e Cointe,
Oratorianer, durch seine Annalen hochberiihmi; D. Valesius, durch /aireiche
wissenschaftliche Werke bekannt; Don Vion d'Herouval, grosser Kenner des
Alterthums; Dr. Balu; Dr. Colberti, gerade kein Freund der Benedictiner;
Dr. Cotelerius, Kustos der königlichen Bibliothek, Der F.rzbischof hält eine
entsprechende Anrede, welche beiläufig drei Miserere lang gedauert und in
welcher er besonders betonte, einen wie grossen Dienst die Versammlung ihm
und der Oeffentlichkeit erweise, wenn sie ohne jedes Vorurthcil ihr Unheil
abgebe, untersucht dann jeden der vorgelegten Codices genau, was auch
jeder der Theilnehmer thut. Zum Schlüsse wird Mabillon beauftragt, über
die ganze Untersuchung einen Verbal pro ze.ss abzufassen, den er auch nach
einer guten Stunde in der Skizze vorlegt. Der Erzbischof fragt sodann um
die Meinung der Theilnehmer. Das Urtheit ging dahin , dass Thomas von
der Vaterschaft auf das goldene Büchlein ausgeschlossen sei und das Büch-
lein Gersen als seinem Auetor zurückgegeben werde. Der Erzbischof bezeugte,
dass auch er dieses offen und unumwunden constatiren würde, wenn auch
die Augustiner durch Abgesandte vertreten gewesen wären. ') Vor der Hand
möge man sich mit einem dreifachen begnügen. Erstens unterschreiben alle
Anwesenden zusammt dem Erzbischofe den Verbal proz es s ; zweitens der Erz-
') Man findet den Bericht lll*r dicFC wichtige Entscheidung gat häufig enlülcllt und
es wird darauf hingewie^n, dass die Gelehrten sich nicht ausdrücklich lür Geisen crklSrl
hallen, überhaupt nichts bcslimmles entschieden worden sei. Dos letztere widerlegt sich
selbst, inAm ja die Gelehrlenconfeienz die InlegritiÜ aller von den Benedictinem vorgeführten
Codices und das Aller , wie diese es behanplet, ofTen und Uar tiesläligt. Mit dem war das
solide Fundament gegeben, über welches die Getsenisten in der Folge ihre ununistösslichcr
Beweise auHmuten. Auf das Erstere ist tu crwiedem, dass allerdings die Gelrhrtenconrereni
nicht ausdrücklich scbrifUich niedergelegt hat, Geisen sei der Verfasser, wie es die BenedicÜner
beantragt halten, dass aber die Versammlung selbst daran nicht im Mindesten gezweifelt hat.
Das erhellt aus dem authentischen Berichte (D, Vinccnl. Thuiliier. I. c. pag. 16). Die
Mitglieder der Versammlung aus dem Benediclincr Orden (U. Claude Marlin. D. Jean Mabillun,
D. Fran^ois Delfau) beantragen , in dos Instrument mit aufzunehmen die Erklärung, Gersen
sei der Verfatser und kein anderer. Die Benedictmer mUsen sich nun aus dem äaale ent-
fernen und der Eribischof beralhschlagt hierülicr mit den Gelehrlea. Nachdem die Benedictiner
lurilckgeworfen worden, erklärt der Erabischof wie folgt; »(II limoigna) que ces meKtieuis
£loienI persuadez de l'exclusion de Thomas, qu'ils U fignetoient si les patües eussent iti
M
ti4
bischof händigt eine Kopie des Instrument's den Regularkanonikern ein und
fordert sie auf, ihre Codices vorzubringen, wogegen sie sich von der Wahr-
heit dessen sollten überzeugen können , was die Conferenz constatirt hat.
Sollten die Thomisten aber drittens einer mündlichen Unterredung ausweichen,
und gar nichts an's Tageslicht bringen können, so geben sie dadurch eo ipso
einen Beweis ihres Rückzuges, und der Erzbischof werde hierüber den Bene-
dictinern ein eigenes Zeugnis ausstellen. Darauf unterschrieben alle An-
wesenden, bestätigten und bekräftigten die Aechtheit sämmtlicher Benedictiner-
handschriften. Hiermit waren alle Anklagen des Naudt§ und der Thomisten
von den grössten wissenschaftlichen Autoritäten Frankreichs als ganz unbe-
gründete Verläumdungen erwiesen. Die Benedictiner hatten inzwischen von
Rom aus einen neuen Codex, den Cod. Slusianus, der von dem einstmaligen
Besitzer Joh. Gual. Slusius, Sekretär und Hausprälat Clemens X. den Namen
trägt, erhalten und beriefen nach S. Germain zur Prüfung dieser Handschrift
die (2.) Gelehrtenversammlung vom 21. August 1674, welche das ms.
acht und tadellos fand. ^) Nachdem die Mauriner durch volle zwei Jahre
gewartet hatten, dass auch die Thomisten ihre Codices einer wissenschaft-
lichen Commission zur Begutachtung und Untersuchung vorlegten, wurden sie
endlich des Wartens müde und gaben die Registratur über die Handschriften
der Benedictiner, das sogenannte »Instrumentumc heraus. Dr. Delfau baute
über diesem Instrumentum eine Dissertatio für Gersens alleinige Ansprüche
auf das goldene Buch auf und fügte eine herrliche Ausgabe der Imitatio
bei unter dem Titel des Gersen. *) Die Dissertation des Delfau wirkte auf
die Gegner, wie ein vorgehaltenes Medusenhaupt. Noch zwei Jahre lebte
Delfau und wartete auf eine Entgegnung, doch die Thomisten waren still
und rührten sich nicht. Als aber der noch ganz junge Mauriner plötzlich
pres^ntes.c Also nur aus Rücksicht gegen die Thomisten hat man von der schriftlichen Er-
klärung für Gersen Umgang genommen. Vgl. darüber den authentischen Bericht, welchen
Mabillon acht Tage nach der Conferenz an den Generalprocurator der Congregation zu Rom
geschrieben hat, mitgetheilt von Dantier 1. c. p. 475 ff.
') Das Urtheil abgedrückt in der Mauriher Ausg. der Imitatio, bei Wolfsgruber,
1. c. p. XXXVU.
•) Paris apud Lud. Billainc 1673. 8". Die Disserüon erschien auch 1674 separat.
Das Instrumentum, die Dissertation des Delfau der zweiten und vermehrten Auflage findet
man in der durch Dr. Coelestinus Wolfsgruber (Vindobonae. Henric. Kirsch. 1879) erneuerten
Mauriner- Ausgabe der Imitatio Christi. Es muss die Mauriner Ausgabe der Imitatio als die
beste und correcteste bezeichnet werden , weil sie aus den besten und ältesten Handschriften,
welche die Mauriner eben wegen des Streites beisammen hatten, gefertiget ist und weil die
beiden auch sonst durch ihre wissenschaftlichen Arbeiten bekannten Mauriner Delfau und
Quatremaires die Handschriften aufs gewissenhafteste benutzt haben. Sagt ja doch Delfau
selbst, Quatremaires habe an dieser Edition, »iucredibili diligentia et improbo labore«
gearbeitet.
umkam, ') wagte sich Teslelette, Konzier von St. Genofev.i, mit einer Schrift
hervor, der er den Namen Vindiciae Kempenses aduersus R. P. Kranciscum
Delfau (der doch schon todl war) gab. So zierlich auch das Latein in dieser
Schrift ist, enthält doch das Meritorische derselben nur schon tausendmal
wiederholtes, dem grösseren Theile nach bietet sie ein recht unerfreuliches
Bild aufgeregter Partei lei den sc haft und blinden Hasses der Gegner. Was
aber das Bedauernswetteste daran ist, das sind die absichtlichen Entstellungen
des Herganges bei dem Gelehrlenconcij *) und die argen Verläumdiingen.
So wirft Teslelette den Benedictinern vor, sie hätten den Codex PadoJironeusis
durch 20 Jahre geheim gehalten und nicht herausgegeben, damit das Minium,
mittelst welchem die Söhne Benedicts den Codex gefälscht hätten, den Ginn/
verliere,*) auf der Konferenz seien die Gelehrten von den Benedictinern be
stechen worden, an Delfaii vermisse man Wahrheitsliebe, Bildung, Charakter
und Besonnenheit,*) Des wehrlosen, so misshandelten Todten nahm sich
sein Ordensbruder Mabülon an in seinen »Animadversiones in Vindicias
Kempenses,« worin er Testelette .seine unschöne Handlungsweise gegen
Delfau gebührend verwies^) und ihn mit sammt seinem Büchlein derart
widerlegte und zu Boden schlug, dass dieser keine Gegenschrift mehr wagen
konnte. Nur ein Brief eines Regulars-Canonikers, P, lie Paris von St. Genofeva
zii Paris, gerichtet an MabÜlon aus dem Jahre 1679 ist uns erhalten, in
welchem dieser dem grossen Benedictiner anzeigt, er habe ein Werk: »Joannes
Gersen de Cavaglia verum phantasmat verfasst, bestehend aus 14 Kapiteln,
in welchem Gersen aller seiner Insignien, seines Amtes und seiner Würde
entkleidet uml als reines Hirngespinn^t erwiesen werde. Auch kämen in
besprochenem Werke Mittheilungen vor, die für einige Benedictiner, speciell
für Mabillon nicht geradezu vottheilhaft seien. Er rathe Mabillon freund-
schaftlich an, die Publication dieses Werkes zu verhindern, was dadurch
möglich sei, dass die Benedictiner ihre Codices nach S, Genofeva schicken und
') Delfau wurde in Folge eines gelieinien königlichen Befehles dd. 28. Nov. 167S
nach der Abtei Landcvenec in Nieder- Brelagm: verbannt, «eil er durch sein Werk: ■L'abbf
cotniiiciulalairei sich den Zorn des Königs lUgeiogcn hatte. Der Tod rerkUnle seine I^ndes-
vcrweiiung. Er ertrank den 13. Oct. 1676 auf dem Meere noch mit mehreren Ordensbrüdein,
39 Jahre alt. Seine Werke erwähnt Tnssin, Gelehrtengeschichle der Congr. von S. Maur.
deutsch Frankfurt 1773. Bd. I. Seile 128 ff.
') Wie u. a. Martin Mack durch GcgenUbetsfellung der beliefTenderi Stellen des
Inslromenlum und des 'l'estelet'schen Berichtes darthul. 1. e. pag. 105. sqq. Und doch folgte
ihm Anioit, und folgen seinem Berichte die Thomisten heute noch I
') Vind. pag. 200.
•) I. c. pag. itS: »Veritatem, emdiüonem, consUmliam in iliclis uti et prudenlinm
ein* (DelfouiiJ multum desiderari I •
') Umhralica haec pugnn est
victori« sed non admoduin viclori gloi
m momio luclari . . . Faclli'
Mabiü, Animadu. png. 5).
o (Delfauic.)
1
ii6
dort von den Canonikern prüfen lassen. ') Dasselbe hatten die Regular-Canonici
schon wiederholt verlangt. Mabillon antwortet kurz und klar. Die Benedictiner
würden ihre Codices nie nach St. Genofeva schicken , um sie da vor einer
Privat- und Winkel-Commission untersuchen zu lassen, nachdem die grössten
wissenschaftlichen Autoritäten bereits ihr Urtheil abgegeben hatten, wol aber
Seien sie bereit, einer gelehrten Commission von Thomisten , welche im
Hause des Erzbischofs tagen solle, ihre Handschriften neuerdings vorzulegen,
nur möchten auch doch endlich die Canoniker von S. Genofeva ihre Hand-
schriften gleich mitbringen; damit waren die Genofevianer nicht zufrieden,
und sollte daher P. de Paris sein angekündigtes Werk veröffentlichen. Doch
hat de Paris es wolweislich bleiben lassen. Der ijohannes Gersen de Cavaglia
verum phantasmac ist nie im Drucke erschienen. 1681 beriefen endlich die
regulirten Canoniker eine Versammlung von Gelehrten zur Prüfung ihrer
Beweismittel. Sie brachten einen Codex aus dem Jahre 1448, der aber
anonym war. *) Nur war dem Sammelcodex ein Index vorausgeschickt,
durch welchen Thomas als Verfasser der Imitatio bezeichnet wurde. Die
Kritiker konnten sich aber nicht überzeugen, dass der Index von derselben
Hand wie der Codex selbst geschrieben sei und verweigerten daher auch
ihre Unterschrift. Wichtig ist, dass die Genofevianer auch zwei Chroniken
des Johann vom Busch vorlegten, in deren einer — und sie erschien den
Ridilbern als die ursprüngliche — die von den Gersenisten bezweifelte Klammer
fehlte.^) So wurde dem Mabillon von Du Gange und Baluze, die selbst
Schiedsrichter waren, berichtet, denn ein Schriftück ist darüber nicht ausge-
stellt worden.*) Indessen war Mabillon am i. April 1685 nach Italien
*) Der Brief, welchen Thullier in der oft citirten Contestation pag. 44. sq. mittheilt
ist zu merkwürdig, als dass wir nicht einige Proben daraus mittheilen sollen. Sein Werk,
schreibt de Paris, »porte pour titre, Jean Gersen de Cavaglia vrai phantome. Vous jugez
aiscment, mon R. P., qu'il n'est pas possible d'ex^cuter ce dessein sans faire connottre au
public beaucoup de choses qui ne sont pas trop avantageuses k la memoire de quelques
particuliers de notre Ordre, ni m^me, car je ne feindrai point de vous le dire, mais en ami
et en ami sinc^re, a l'honneur de votre ch^re personne.«
') Mabillon hatte also recht gehabt, als er den Spöttereien des Testelette gegenüber
bemerkte, man dürfe sich nicht wundem, dass die Benedictiner 19 Jahre brauchten (1652 — 1671)
um ihre Codices aus Italien, Belgien, Germanien, Oesterreich nach Paris zu bringen, »cum
jam sexenniura (die Animadversiones in Vind. Kemp., in denen unsere Stelle pag. 44 vor-
kommt, sind aus dem Jahre 1677) ab examine (1671) insumpserit Vindex cum collegis suis,
ut ex inferiori Germania pro suo Thoma impetraret nihil.«
') Thuillier. 1. c. pag. 45. »Ils produisirent aussi deux chroniques de Jean Busch,
dans Tune des quelles, qui paroissoit originale, n'ötoit pas la parenth^ sou]>gonn^ de faux
par les premiers d^fenseurs de Gersen, mais seulement dans la seconde, qu'ils pr^tendirent
avoir ^t^ augment^ par Buzilius m^me.«
*) Cf. Molou, recherches p. 23 sq.: »Cette assembl^c eut lieu en 1681, mais eile
gereist und da er im Herbste 1686 üurllckkehrle , brachte er unter den
3000 Büchern und Handschriften auch die Codices von Arona, Parma und
St. Columban zu Bobbio. Ein Gelehrtenconcil, das dritte (1687), sprach
sich dahin aus, dass die Handschrift von Arona wenigstens schon 300 Jahre alt
sei, die zweite 1466 geschrieben sei und die dritte mit der ersten gleich-
aherig sei; ') sämmtliche Handschriften bezeichnen ausdrücklich Gersen als
Verfasser des Bnches. *) Hiermit waren die Principien fragen im Streite der
beiden Parteien und damit auch der Streit eigentlich schon entschieden. Die
Gersenisten haben eine Menge von Handschriften, die ältesten gehen über
Thomas hinaus, vorgelegt, welche ausdrücklich in ihrem Titel Joannes Gersen
als Verfasser der Iniitatio angeben und als acht anerkannt werden, während
die Thomisten auch nicht eine vorzuweisen im Stande gewesen sind, welche
aufschrifllich Thomas als Verfasser nennt, ja im Gegenthell, das thomistische
Kleinod, der Cod. Antverpiensis, ihn ausdrücklich als Abschreiber angibt
Zweites Jahrhu
ider
Wenn trotz der Resultate des Streites im ersten Jahrhunderte der Sieg
der gersenist Ischen Sache im Leben nicht hervorgetreten ist, so hat das eben
Grund in der Handlungsweise der Kempisverfechtcr, welche mit vollkomme-
ner Ignorirung des Geschehenen Ausgaben unter dem Titel des Thomas^ und
Tractädein für denselben veranstalteten und ausstreuten, während die Gerse-
nisten ihren Sieg nicht recht ausnützten.
ne dicidn rien.t Wäre es überhaupt möglich gewesen, 50 hätten die Tlioniisten gewLss Be-
wcismBtcrial herbe igeschalTt !
*) Dieses Urtbeil füllten und unterschrieben (olt^nde 19 Gclcbrte ^ Anlon. Fauie,
de .Sainle-Benve , de Vion d'Herouval, Cousin, du Fresne du CanBe . Eusebe Renaudol,
Boluic, Jean lUrdouiti S. J., d'Herbelol, Claude Chasti-ldn, Fr. Noel Alexandre Domlnicün,
Elies du l'in, Francois de Launay, Caülc du Foumy, Emcric Bigül, Charles Bulteau, Fr,
Casimir Houdin, Clement, J. Cliamillnrd S. J.
*) Wetin M. Danlier in seinem wiederholt ßc-nolmlcn dcllx. rapporl es rieh nicht vcr-
mgen kann, von seinem Standpunkte aus Über Mabillon ;:u schreiben, pag. 194 : «Apris avoir
soutenu, avec un lalenl digne d'une meilleure cause, une disciissiun ä laquelle il s'ctail laisse
cnlralner par ce qu'on peut appeler [e poini d'bonneur b^ncdictln, Mabillon ne voulait plus
rcprendre les armes qu'il avait ddpos^.i . . so geschieht dem gelehrten Mauriner in iwet-
fächern Belüge gar sehr unrecht. Der ebenso gelehrte als fronime M. halle in der Geschichte
der Benediktiner Heiligen, wo er eine grosse Anzahl Heiliger, die bisher dem Orden vindicirt
worden waren . ausmätile und deshalb von Mege und Boslide bei den Ordensobem verklagt
wurde, (Taasin, Gelehrtengescichtc deutsch Frankf. 1773. Bd. I. S. 319) gezeigt, dass ihm
die Wahrheit heiliger sei als der Orden, sowie er dich auch in den späteren Werken De re
diplom. und im Museum Ilalicum doch immer wieder deutlich genug ausspricht. Uass sich
Mabillon ärgerlich Ulier lien Streit äussert, kann einem, der die Kanipfesweise der Thomisten
von dazumal in etwas licnnt, nicht auflnlltn. Wir haben uns über solche Inrinuationen schon
un Mainzer Katholik 1S77 S. 29 ausgesprochen.
1
ii8
Es ist im Allgemeinen das i8. Jahrhundert jene Periode unseres Strei-
tes, in der am wenigsten Neues geschaffen wurde. Man begnügte sich viel-
mehr damit, alles Materiale, welches die im vorhergegangenen Jahrhunderte
stattgehabten Kämpfe zu Tage gefördert hatten, neu zu bearbeiten, besser zu
gruppiren, die einzelnen Beweismomente für und gegen besser zu betonen
und hervorzuheben, zu verbinden und zu begründen. *) Freilich ging man
hiebei auch hin und wieder von dem Gegenstande, der doch mit allem Ernst
und in streng wissenschaftlicher Weise behandelt sein wollte, ab und suchte
durch Spitzfindigkeiten, Neckereien und dadurch, dass man die Gegner lächer-
lich zu machen suchte, seine Zwecke zu fördern. Auch der Hauptkampf-
plalz wird ein anderer. Während im 17. Jahrhunderte Deutschland eine nur
geringe Anzal von Kämpfern für Gcrsen, oder Kempis ins Feld stellte,
tritt im 18. Jahrhunderte eine ziemliche Schaar deutscher Streiter hervor und
nimmt am Verlaufe des Streites einen einflussreichen und ehrenvollen Antheil.
War in jenem Saeculum Paris der Kampfplatz, so sollte in diesem Bayern
die Wahlstatt werden. Leider ausartete da die wissenschaftliche Controverse
in eine Frage, bei welcher Ordensrivalität viel zu viel aufwendete. Benedik-
tiner und regulirte Chorherrn suchten ihrem Ordensgenossen zu seinem Rechte
zu verhelfen, ftir letztere nahmen auch die Jesuiten einen hervorragenden An-
theil. Der eigentliche Federkrieg, der zwischen den Benediktem: Thomas
Aquinas Erhard von Wessobrunn und Johann Herwin, femer Joseph Georg
Schellhornius, Joseph Valart und Angelus März von Scheyern einerseits und
den regulirten Chorherren des hl. Augustin: Amort Eusebius von Fölling,
Andreas Wilhelm von Gery, Gregor Trautwein und Publius Wenkerose an-
dererseits ausbrach und der fast ein halbes Jahrhundert währte, hatte ein
kleines Vorspiel. 1723 veröffentlichte der Italiener Lambert Cajetan Posom-
pieri, oder nach Anderen Posampieri oder Posombieri, eine Ausgabe der Imi-
tatio in italienischer Sprache, in der er als Verfasser Gerson angab. Dage-
gen trat nun der Benediktiner Virginius Valsecchi der Congregation von
Monte Cassino für Gersen in die Schranken. Gleichzeitig gab Vincenz Thuil-
lier eine treffliche Geschichte des Streites, *) welche von Hervin ins lateinische
übersetzt und auch von Thomas Erhard edirt wurde. In demselben Jahre
(1724) erschien zu Augsburg auch das erste Werk des Erhard, Benediktiners
von Wessobrunn, nämlich eine Ausgabe der Libri IV. de Imitatione Christi,
mit einer Vorrede, in der er Gersens Anrechte an die Autorschaft des gol-
denen Buches verteidigt. Thomas Erhard tritt in dieser Vorrede nichts we-
niger als herausfordernd auf, hält sich vielmehr rein an's Sachliche und führt
sich recht sehr die goldenen Worte der Nachfolge zu Gemüt: >Non quis hoc
*) Vgl. Keppkr. 1. c. pag. 51.
*) Histoirc, Paris 1723.
dixent, sed quid dicatur attende.« Nichts desto weniger entresselte diese
Schrift latente Leidenschaften.') Fusebitis Amort, regulirter Chorherr von Föl-
ling, ergreift über Aufforderung seines Probstes Albert, die Waffen z\i Gunsten
Thomas von Kempen in der: Plena et succincta informatio , . . . » . . ., die
eine Znsammenfassung alles dessen enthält, was (Ür seinen Schützling vorge-
bracht werden kann. Ueber die Art und Weise, wie da Amort gegen seinen
Gegner verfuhr, beklagt sich Erhard bitter in einem Briefe an den Prior
von Ottobayem mit den Worten.*) ^Neqiie dubitare possum, quin ad Plur.
Redm. Patr. vesirum scabiosus ille libellus cuiusdam Pollingani. Canonici re-
gularis, penienerit in omnes Gersenenses pari licentia grassantis, etsi neque
sit provocatus nee offensus, minus opusculo meo irritatus, ulpote iiuod Mai-
orura imperio et Romano riin elaboraui. ■^ Uebrigens erkennen wir gerne
die grosse Gelehrsamkeit Amorts an, und nicht ohne Grund wurde zu seiner
Entschuldigung vorgebracht, dass er zum Streite angeregt wurde*), und dass
auch seine Gegner sich in ihren Antworten nicht immer der gesuchtesten
Worte bedienten. Die Benediktiner wollten .anfangs, des langen Haders müde,
die von Bitterkeiten und Anfeindungen reich gespickte Schrift Amorts nicht be-
antworten, sondern sie beauftragten Erhard, ThuiUiers Geschichte des Strei-
tes neu zu ediren, der er dann eine Vorre<le an seine Ordensbrüder beifügte.
Noch ein Wiedersacher trat Amort in den Weg. Im Jahre i 745 richtete Thomas
Mezler, Benediktiner in Zwifalten au seinen Abt Ulrich einen Brief, worin
er Gersen verteidigte. *f Dieser nur wenige Seiten Zählende Brief war Amort
ein Dorn im Auge, und er schrieb dagegen seine ^rjiiEitiiaeig historico-criti-
cae. *) Amort wendet sich darin zuerst gegen Mezlers Ansicht, dass nicht
Cajetanus, sondern der Jesuit Negronius zuerst zu Gersens Gunsten aufgetre-
ten sei, nachdem er den Codex von Arona aufgefunden. Hier nimmt er
nun Gelegenheit dem Codex den grossen Wert, welchen derselbe für die Sache
des Abtes von Vercelli hat, abzusprechen, und er behauptet, Gersen sei nur
eine Verfälschung von Gerson, wie sie im ij. Jahrhunderte häufig vorge-
kommen sei. Der Schluss dieses ersten Theiles der in Rede stehenden Abhand-
lung ist, dass ein Gersen gar nicht gelebt habe. Darauf folgt der grobwitzige
Vorwurf, dass die Verteidiger Gersens schandlichen Aberglauben treiben, *)
') Ausführlich behondell die Entstehung dieses Slreiles Weigl in seinen Zusähen zu
Cregory's Denkschrift, S. 140 — 144.
') Brief an den Prior von Ottobayern vom to. Jänner 1726, Vgl. den Anhnng.
') So schreibt Amorl selbst an einen ihm befreundelen Benediktiner, ■Scriplionem ülam
sibi plnne fuisse eilortani.« Der Benediktiner antwortete; •Vehementer doleo, mi Eusebi,
quiHt alienatn bilem spuere cooclus fueris.« Weigt. S 143, Anm. 27.
') Abgedruckt in Srfiellhoms Amoenitales litterarioe tom. Xlll. pag. 265—270.
*) In Schellhoms Amoenilates liUcrariae lom. Xllt. png. 270— Z77.
') So beisl es pag. 273 t -el qui hunc abbnlem in iconismii sub tilulu Vcncrabili?
I
I30
Die Wiederholung der Ansichten Molinet*s über die Codices von Genua,
Mantua und Cava und über einige andere von Mezler erwähnte Manuscripte
schliesst die Abhandlung. Aber noch ftihlte Amort seine Leistungen fiir
Thomas nicht genügend. Es folgte eine grössere Schrift, das Scutum Kempense.
Auf diese Publikationen des Chorherrn von Pollingen gabs Viel zu antworten.
Darum schrieb Erhard den Polycrates Gersenensis , auf den Amort wieder mit
Polycrates Gersenensis exauctoratus antwortete. Noch nicht zufrieden führte
der gewaltige Schutzvogt Kempens drei Jahre später in Schellhorns Amoeni-
tates litterariae eine Abhandlung über die hauptsächlichsten Streitfragen ein.
Nach einigen einleitenden Worten, welche als Widmungsrede dienen, erhalten
wir ein Verzeichnis jener Werke, in denen Gersen verteidigt wird, sodann
kritisiert er die Argumente, welche von den Gersenisten zu Gunsten des
Abtes von Vercelli vorgebracht wurden und gibt hierüber seine eigenen An-
sichten; ebenso führt er auch die Manuscripte an, die für Kempis sprechen
und einzelne Schriftsteller, die in ihren Werken des regulirten Chorherm von
St. Agnes erwähnen. Einen unvermuteten Schlag erhielt der siegesfrohe
Amort von Schellhom, der in seinen Amoenitates alle Angriffe auf Gersen zu-
rückschlug und den Spiess gegen den Absender wendete. Damit hatte der
erste Theil dieses unseligen Streites in Deutschland sein Ende erreicht; dreissig
Jahre lang herrschte hier Ruhe.
Unterdessen schwiegen auch in Frankreich die Waffen nicht. Der viel-
gerühmte Historiker Lenglet Dufresnoy, Doctor der Sorbonne, veröffent-
lichte 1731 eine Uebersetzung der Imitatio, in der er Gerson als Verfasser
angab. Seiner Ansicht nach war das Original der Imitatio die Abhandlung
Gersons: De interna Consolatione. Er begründet es damit, dass in einer
Ausgabe der Imitatio aus dem Jahre 1500 am Ende des ersten Buches, das
25 Capitel zält, noch ein Capitel angefügt ist mit einer Ueberschrift in
alter französischer Sprache: Contre la vanitd de ce monde. Dagegen erhob
nun der gelehrte Mauriner De Plessis seine Stimme in einem anonymen
Artikel, der im Mercur vom November 1742 erschien und in dem er nach-
wies, dass die Imitatio ursprünglich in lateinischer Sprache verfasst und
Gersons Werk »De interna Consolatione« nur eine Uebersetzung desselben sei.
Auch in Italien traten um diese Zeit einzelne um die Wissenschaft
hochverdiente Männer auf, die sich in ihren Ausgaben der Imitatio fiir
Gersens Auctorschaft aussprachen, so der Erzbischof Fontanini, Cardinal
Enriguez, der Jesuit Zaccaria, einer der grössten Gelehrten des vorigen Jahr-
hunderts, und der berühmte Buchdrucker Remondini in Venedig. Doch war
ihr Auftreten für den Veriauf des Streites von minderer Wichtigkeit, da ja
Joannis Gersen, etc. colunl, contra leges romanonim pontificum turpi superstitione ido-
lum cülunt.c
von jeher von Italien a.n Gersens Autorschaft festgehalten wurde. Anders
war dies in Frankreich und Deutschland, wo Kempisten und Gersonisten
stelig gegen die Gersenisten auftraten und durch eine Unmasse von Streit-
schriften, Tractaten und Ausgaben der Jmitatio, mit dem Namen Gersons
oder Kempis als Verfasser die Anrechte ihres Schützlings an das goldene
Buch wahrscheinlicher zu machen suchlen. In diese Zeit fällt die in ihrer
Art wichtige Arbeit des Valart, welcher das Latein der Imitatio von den
schlimmsten Barbarismen reinigen und für klassische Ohren wolklingender
machen und unter einem auch die doppelsinnigen oder schwer verständlichen
Sielten deutlicher machen wollte. So unglücklich dieser Versuch zu nennen
ist, so berechtigt er doch nicht zu der Annahme, Valart habe absichtlich
den Text lalschen wollen. ') Am Schlvisse der zweiten wunderschön ausge-
stalteten Ausgabe der Imitatio ist eine Dissertation gegen Kempis angehängt,
dass Thomas nur der Abschreiber und nicht der Verfasser ist. Der Gang des
Beweises ist der: Das Manuscript von Antwerpen, worauf die Thomisten sich
stets berufen, hat so viele und solche Fehler, wie sie nur ein Copist, nicht
aber der Verfasser macht; die Fehler mehren sich nämiich um so mehr, je
öfter ein Buch abgeschrieben wird. Im Cod. Antwerp. finden sich eben die
Fehler in auffallender Menge, so dass man notwendiger Weise schliessen
muss, da-ss das Buch bis 1441 schon ziemlich oft muss abgeschrieben wor-
den sein. Dann reicht aber das Original über Thomas hinaus, da ja Thomas,
ein recht sorgfältiger Abschreiber, doch nicht die eigenen Fehler abge-
schrieben hätte. Er hatte das Buch mit den Fehlern, die sich nach und
nach eingeschlichen hatten, erhalten und so es auch copiert. Auch die
Anzal der Blicher und ihre Reihenfolge in den Codices von Antwerpen
und Löwen sei verschieden. Nur Gersen, dieser grosse Meister des geistigen
Lebens im 13. Jahrhundert, könne die Nachfolge verfasst haben. Diese
scharfe Argumentation suchte nun Andreas Wilhelm von Gery, regulirler
Chorherr von Sl. Genofeva, der später auch die IVopstwürde in jenem
Stifte erlangte, durch eine 40 Seiten lange Dissertation abzuschwächen. Doch
blieb es beim Versuche.
') Man lese nur die Viirrcde in seitiet erslen Aiisg.ibe ; »Seniiier mirifice lieli^clalus
sum huiusce libelli leclione; nl idem semper suni offensus mciidis Ueno mullis, quae edllioni-s
lalinas omn«, qua& vidcrim , vidi sulcm opiimas, fuedissimt: deruminnt ; cuiLi^niudi v. g. illc
locus csl Cap. I.VII, Libri III. n. I. cdilionuni vulganutn : AKende magnum frogililnlein
luani , quam saepim cxperiris in modicis ubjectis; Camen pro salule isla liunt, cum haue et
similia cnnllngunt, Pone , uC melius oosli, ex Corde*, et si te tetigit, non tarnen dejiciat.
In quibns pbrasibus duabus ncc apparel, qaaenam sit illit res, quam jubelur Lector ex corde
ponere; nee quaenam illa sit, quac quidein Icgilur tum Icligissc, quacquene cum ca dejicial,
cantio eise debel. Itis mnliä mcdicinam quacrendnin mihi credidl, ubi aut
djcam breviler.i
122
In diese Zeit fallen die Versuche der Dissenters, welche entweder an
der Angabe des wahren Verfassers verzweifeln, oder einen von den ange-
gebenen verschiedenen Auctor postuliren oder endlich die vier Bücher unter
verschiedene Verfasser austheilen. Wir haben davon schon gehandelt und
lassen es uns an dieser Stelle genügen, auf das über Peter Corneille, Suarez,
Grancolas, Boudet, Faita Bemerkte, einfach zu verweisen.
Während dieser Vorgänge in Frankreich und Italien, die für uns nur
insofern von Bedeutung sind, als sie Gerson und Kempis alle Anrechte auf
die Imitatio absprachen und sie Verfas ^rn zuschreiben, die längst vor Hä-
merken und dem grossen Kanzler gelebt, oder die Abfassung des Buches
wenigstens in diese Zeit zurückverlegen, hatte der Kampf in Deutschland
neuerdings begonnen. Im Jahre 1760 veröffentlichte P, Angelus März, aus
dem Benedictiner-Stifte Scheuern in Bayern, eine Dissertation gegen Amorts
Polycrates Gersenensis exauctoratus aus dem Jahre 1729, welcher bislang
noch keine Widerlegung gefunden hatte, und wies auf das Klarste nach,
dass Kempis keine Anrechte auf die Auctorschaft der Imitatio besitze, sowie
er auch alle Wunden und Blossen darlegt, an denen dessen Sache leidet.
Da war es wiederum Eusebius Amort, der sich um Thomas annahm, im
Joannes de Canabaco. Wenn uns auch der Mut und die Ausdauer dieses
Mannes, sein Festhalten an der übernommenen Sache, seine Hingabe an
den Orden, dessen ehemaliges Mitglied er verteidigte, Bewunderung einflösst,
so müssen wir doch die Art und Weise der Verteidigung, wie wir schon
früher erwähnt und wie sie besonders im letztgenannten Werk scharf hervor-
trat, mehr bedauern als bewundern. Die Frage nach dem Verfasser des
so wertvollen Buches war denn doch zu ernst, als dass sie Anlass für Witz-
übungen hätte werden sollen. Dazu benutzte sie aber Amort. Schon das
Titel-Blatt eben genannter Schrift besagt, dass das Buch auf Kosten der
Gersenisten erscheine. (Sumptibus haereduni I. Gersennii). Dem entspricht
vollständig auch der Inhalt. Von den Thomisten war es stets bezweifelt
worden, dass jemals ein Gersen gelebt habe; und nun macht sich Amort,
er, der eifrigste Verteidiger des regulirten Chorherrn von St. Agnes, daran,
die Existenz Gersens zu beweisen, und seine Verwandtschaft mit einem
deutschen Grafengeschlechte (de Canabaco-Rohrbach) — sogar das Wappen
dieses Geschlechtes fügte er bei — herzuleiten. Doch dient ihm dies nur
als Vorwand dir die heftigsten Ausfalle gegen die Verteidiger des Abtes von
Vercelli und gegen diesen selbst. Amort selbst mochte wol das Entwürdigende
eines solchen Vorgehens fühlen, indem er das Werk anonym erscheinen
Hess. Schon im nächsten Jahre 1761 erfuhr dieses Libell die gebührende
Antwort durch Angelus Maerz im »Angelus contra Michaelem.« Da Amorts
Joannes de Canabaco ohne Namen des Verfassers erschienen war, und es
nur hiess: a quodam Canonico regulari S. Augustini Congrcg. Lateranensis
so glaubte Maerz, dass nicht Amort, sondern Gregor Trautwein, Abt der
regulirten Chorherrn von Wingen, der Verfasser des obengenannten Buches
sei. In Folge dessen suchte nun tlieser in zwei Aufsätzen: »Lapsus Angeli
Schyrensis detecii et castigati* und »Lapsus deteriores Diilymi Vercellensis«
die Argumente in obengenannter Schrift Maerz zu entkräften; doch erreichte
er seine Absicht ebensowenig, wie Pubhus Wenkerosc, Canonicus aus
Mecheln, der in poetischer Weise, durch ein »Carmen laiirealum in Lap-
sum Schyrensemt Kenipis Sache zu fordern sich bemühte. Zugleich war
auch eine anonyme Schrift erschienen, die sich mit der Frage beschäftigte,
ob der Probst von Ulm Michael Kuen, der Verfasser des Joannes de Cana-
baco sei. In kurzen Zeiträumen folgte nun ein Werk dem andern. Der
Crtsis des Angelus Maerz trat Amort mit einer Anticrisis, tlieser Maerz wie-
derum mit einer Crisis in Anticrisin entgegen. Amort entgegnete mit einer
Kritik des Codex Venetus, wodurch er beweisen wollte, dass die Ausgabe
der Imitatio zu Venedig aus dem Jahre 1501 , von der Constantinus Caje-
taniis noch ein Exemplar zu Genua vorfand, für Gersen keine Beweiskraft
habe. Das Alles geschah noch im Laufe des Jahres 1761, Im nächsten
erschien AmorCs »Deductio criticac, ein Werk, das wohl unter allen seinen
übrigen, unsere Frage betreffenden, den ersten Platz einnehmen dürfte. Die
344 Seiten zälende Schrift enthält eine typographische Karte von Brabant,
dem Vaterlande Kempis', ferner ein Specimen des Codex von Arona, das
sehr sorgfältig ausgeführt ist. Neues gibt aber auch diese Schrift nicht. Da-
her antworteten die Gersenisten auf Altes mit Altem, indem sie in der
>Basis firma aedificii Gerseniani« Delfau's und Mabillons ArgumenUtion
wiederholten. Lange Zeit hat man als Herausgeber dieser »Basis firma«
Angelus Maerz angesehen. Mit Unrecht, Das Exemplar des Stiftes Otlobeuern
stellt hierüber folgendes Zeugnis aus: ;Huius Basis firmae , cum adjunctis
Documentis, Ratisbonae impressis, auctor referlur Rras. et Celsiss. Joannes
Bapt, Kraus, S, R. J. Princeps et Abbas ad,S. Emmeranum Ratisbonae
O. S. B, qui couditissimus Praesul hoc eodem anno 1761. Die 14. Junii
religio sissime obiit.* — Demnach dürfte wol Kraus als Verfasser anzusehen
sein. In demselben Jahre erschien auch noch ein anonymes Werk : Docu
menta historica von Windeshelm und St. Agnes, aus denen der Beweis
geliefert wird, dass Thomas der Verfasser der Imitatio nicht sein könne.
Auch diese Schrift ist nach obigem Zeugnis von Kraus verfasse. 1764 er-
schien auch Amorts letztes Werk, die »"Moralis Certitudo«. Hierin richtet
er seine Angriffe nicht nur gegen Maerz und gegen die letzten anonymen
Schriften, sondern auch gegen Boudet und Faila, die in ihren Werken gegen
Kempis' Ansprüche aufgetreten waren. Einen besonderen Wert hat diese
Schrift deshalb, weil ihr zwei Kupferstiche beigefügt sind mit den Facsi-
miles von 18 Handscbrifien. Maerz und Amort waren beide mutig für ihre
a
1^4
Sache eingetreten ; jeder suchte dieselbe zu Gunsten seines Ordensgenossen
zu entscheiden. Mit ihnen schliesst auch der eigentliche Streit über den
Verfasser der Imitatio im i8. Jahrhunderte, wo er nur zu sehr Sache der
Ordenseifersucht war. Nur noch wenige ziemlich unbedeutende Erscheinungen
mögen hier Erwähnung finden. Nach eilfjähriger Waffenruhe wagte sich der
Exjesuit Joseph von Ghesqui^re mit einer Dissertation hervor, wozu die
Vorrede der Abbd Mercier von St. Leger, auf dessen Veranlassung das
Buch auch erschien, schrieb. Ghesqui^re hatte nämlich neuerdings den
Kirchheim er Codex in einer von ihm nicht näher bezeichneten Stadt von
Nieder-Deutschland aufgefunden und ein Facsimile davon in seine Disser-
tation einfiigen lassen. Dieser Codex war 1628 von Kirchheim nach Ant-
werpen zu P. Rosweyd geschickt worden. Seit 1641 fand er sich aber
nicht mehr in Antwerpen. Ghesqui^re glaubte nun einen neuen, nicht
den schon bekannten Kirchheimer Codex, gefunden zu haben. Ebenso be-
ruft sich der Exjesuit Franz Xaver von Feller, anagramatisch geschrieben:
Flexier von Reval, auf jenes Manuscript. Dagegen zeigt Gobet Nikolaus,
Archivar von Monsieur, in einem Brief über jene Handschrift, dass die
Randbemerkung, welche die Imitatio Kempis zutheilt, von einer anderen
Hand und aus späterer Zeit stamme. Auch Desbillons und Godes-
Card legten fiir Kempis ihr Wort in die Wagschaale. Ersterer veröffentlichte
1780 eine neue Ausgabe der Imitatio. Als Vorrede schrieb er eine Disser-
tation, worin er sich zu Gunsten Kempis ausspricht und alle Beweismomente
die fdr ihn sprechen, noch einmal widerholt. Am Schlüsse gibt er jene
Veränderungen an, die Valart, um der Imitatio eine schönere Form zu geben
und mehrsinnige Stellen auszumerzen, an derselben vorgenommen hatte,
und stellte einen Vergleich zwischen diesem corrigirten und dem gewöhn-
lichen Texte an.
Godescard, Secretär des Erzbischofs von Paris, wirft in seinem Leben
der Väter, Märtyrer u. s. w. im XI. Bande, da wo Andreas Avellinus abge-
handelt wird, die Frage auf, ob Thomas von Kempis die Imitatio verfasst
habe und beantwortet sie zu dessen Gunsten; doch er selbst sagt, dass er
zu wenig eingehend die Frage studirt und sich nur der gewöhnlichen An-
sicht angeschlossen habe.
Das dritte Jahrhundert.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhundertes haben besonders Italiener
und Franzosen am Streite über den Verfasser der Imitatio theilgenommen
und zu dem schon vorhandenen Beweismateriale für Gersen neue entschei-
dende Argumente zu Tage gefördert. Die Reihe der italienischen Schrift-
steller eröffnet der Graf Franz Napione, Präsident des königlichen Archivs zu
r
"S
Turin In setner ersten Dissertation ans dem Jahre 1808 bespricht er ninächst
die Wiederauffjndung des Cod. Aron. durch den Präfekten der kgl. Biblio-
thek zu Turin Vernazza; hierauf wendet er sich gegen Desbilloiis, indem er
auf das Alter des Cod. Aron. hinweist. Napione hatte hier ein entscheiden-
des Wort zu reden, denn er hatte als Paläograph sich einen Namen gemacht. ')
Das Urtheil seiner Untersuchungen über die besprochene aronenser Hand-
schrift ist, dass sie dem 14. Jahrhunderte angehöre. Aber auch die anderen
von Desbilions erwähnten Manuscripte, (Codd. Padolironenis. Allatianus,
Clermontensis, Cavensis etc.), zog Napione in den Kreis seiner Untersuchun-
gen, gab bei den Einzelnen interessante palaeographische Aufschlüsse und
widerlegte die Angaben eben genannter Verteidiger des Thomas. Natürlich
interessirte sich Napione auch für die thomistischen Codices mscr, und hat
besonders Über die Kirchheimer und Löwener Handschrift sehr beachtens-
werte Aufschlüsse gegeben. Ausführlich betont er auch, dass Thomas in dem
jugendlichen Alter, in dem er nach den Angaben der Thomiaten schon die
Imitatio verfasst haben müsste, nicht die nötigen philosophischen und theo-
logischen Kenntnisse , nicht die nötige Lebenserfahrung besessen haben
könne. Während so N. einerseits die letzten Angriffe, die von den Tho-
misten gegen die Ansprüche Gersens erhoben worden waren , geschickt und
mit grosser Gelehrsamkeit zurückwies, tr.it er in ebenderselben Dissertation
gegen die Anhänger Gersons auf, namentlich gegen Dupin, dessen Ausfüh-
rungen zu Gunsten des Kanzlers von Paris er widerlegte und dessen Zweifel
über die Autorschaft Gersens er behob*). Gleichzeitig mit Napione trat auch
Franz Hieronimus Cancellieri als Verteidiger Gersens auf; seine geschicht-
lichen und biographischen Notizen über den Abt von Vercelli und über
andere Personen, die im Streite eine Rolle spielten, werden auch von den
Gegnern gebührend anerkannt. So sagt selbst Malou und im Anschluss
an ihn Backer*) : iDas Verdienst Cancellieris besteht darin, dass er interessante
bibliographische Noten über die Personen, welche an unserem Streite Theil
genommen , anhäufte. Gewiss wären seine Verdienste noch grösser, wenn
') Von ihm sngt Gregory, Hisl.
Intion) irautcur, en habile polcogrnphi
dfmoDlre qu'il appanient au XIV.
■ muges, et p.11 les lignes trai
4*. d'iiprk r^criture rondc
iMe
im. I(. pag. 10:: Au§ni. {nemlich «einer Disser-
fni) un evamcn du m^nie maniucrit d'Arone, et il
1°. pir \3 tine»^ du parchemin; a". par le» litrex
mine de plomb; 3°. pat tes sigrututcE dc> feuillM;
l'inlroiluctioii du »ini-gathique.i
') Gregory, Hisl. II, loi : 'Ensuile 11 (Napione) combat ses all^gsüons, Ki conjeclum,
par ses contiadictions. En efTct. Dupin nvalt di']h aümin ; 1°. que les droits de l'abb^ Genen
ü'apr^ le Codex Aroncnais ftaient ossäres ; a". que les plus anciens manusctils sont anonymes
ou potteot le noni de Ges. Ger, ei Gersea. Ainsi le changement d'opinion de Dupin ■ äiaumUi
sa fniblesse.«
') Malou, Rccherchcs, ed. c. pag, 31 ; Bncker, Essai, png. 134.
126
er (las kostbare , mühevoll gesammelte Material kritisch gesichtet und zu
einem wolgeordneten Ganzen verbunden hätte; aber auch in der Form, die
er dem Buche gegeben , bleibt es eine schätzbare Fundgrube für Jeden , der
sich mit der Frage über den Verfasser der Nachfolge beschäftigt.« Das alte
Sprüchwort: Duobus litigantibus tertius gaudet, bewährte sich auch in unserer
Frage. Wol waren schon gleich vom Anfange her Stimmen für Gerson laut
geworden, aber sie waren vereinzeint, ohne besonderen Nachdruck. Deshalb
verhallten diese Stimmen ungehört in dem Kampfe zwischen den Thomisten
und Gersenisten. Jetzt, nachdem durch den zweihundertjährigen Streit
ohnehin schon ungeheure Verwirrung in die Frage gebracht war, kündete
plötzlich der kaiserliche Bibliothekar zu Paris Alexander Barbier in seiner
:» Dissertation de soixante traductions frangaises.« die Bildung einer neuen Partei
an, die für Gerson in die Schranken treten wollte. Beigefügt erschienen die Unter-
suchungen, die der so fruchtbare und beharrliche Verfechter der Ansprüche
Gersons, Joh. Bapt. Gence, über unsere Frage gemacht halte. Gence hatte
sich schon seit lange mit der Imitatio beschäftigt, 1869 im Journal des Curt5s
die Verteidigung der lateinischen Ausgabe der Nachfolge von Beauzde über-
nommen und im folgenden Jahre die hervorragendsten französischen Aus-
gaben und Uebersetzungen der Imitatio kritisirt. lieber das Auftreten dieser
französischen Partei schreibt ihr Zeitgenosse Silbert, dessen Ansichten wir
hierin im Allgemeinen theilen, folgendes:*) »Misslich steht es immerhin um
eine Sache, für deren Verfechtung sich erst eine Partei bilden muss; und
was jeder Partei widerfahrt, das widerfuhr auch diesen beiden Schriftstellern,
den Herren Barbier und Gence; sie sahen den Wald vor lauter Bäumen
nicht; sie verflochten sich in eine Menge Widersprüche und gaben den Ver-
fechtern des Thomas von Kempen (soll wol heissen Gersens, denn haupt-
sächlich von den Gersensisten , Gregory zumal, wurden ja die Gersonisten
bekämpft und widerlegt) eine Menge Blossen, was ihnen sicherlich nicht
widerfahren wäre, wenn sie Amort's Werk, seine Moralis Certitudo und die
Dissertatio de auctore Imitationis Jesu Christi von Elias Dupin studirt hätten,
wo ihnen Beweise in grosser Anzal entgegengekommen wären, die ohne
Vergleich glänzender und haltbarer sind, als die seichten und unerwiesenen
Gründe, die sie für Gerson einführten.« Uebertriebener Eifer für die Ehre
der Nation hat kaum das geringste Theil an der Bildung der Gersons Partei
und ihrer so fieberhaften Thätigkeit fiir die vermeinten Rechte des grossen
Kanzlers. Um so angenehmer berührt es aber auch eben darum, dass in
Frankreich selbst hiergegen ein Mann sich erhob, der durch mühevolles
*) Gersen, Gerson und Kempis; ... mit einem kritischen Rückblick auf die Be-
hauptungen der neueren französischen Kritiker A. Barbier's J. B. Gence ; von J. F. Silbert
Seite 29.
Studium und rastloses Arbeiten nicht nur die Anhänger Gereons , sondern
auch die Thomisten durch Auffindung neuer Bewcisniomente fiir Gersen, zu
nichte machte ; es ist dies der Ritter Caspar von Gregory. Er ward durch
Napione, mit dem er innig befreundet war, in unsere Frage eingerührt, was
selbst Malou Napione hoch genug anrechnet. Ob zwar in Italien gebor
fallt doch Gregorys ganzes Leben und Wirken nach Frankreich , wie auch
seine Schriften mit wenigen Ausnahmen in französischer Sprache erschienen
sind. Zur Zeit des Kaisserreiches war er französischer Magistrats- Ben ml er.
Merkwürdiger Weise kommt er zuerst auf Gersen zu sprechen in einem
Werke, welches Über die Reiskultuj in der Lombardei handelt. Mehr Ge-
legenheit über den Verfasser der Nachfolge zu sprechen, bot sich schon in
der Studie' über die Pflege der Literatur und K.unst zu Vercelli, welche 1819
veröffentlicht worden ist und von Seite 302 ab ein kurzes Lebensbild des
gefeierten Gersen gibt. Hatte Ritler von Gregory bisher nur gelegenüich
über den Verfasser der Imitatio gesprochen , so widmet er von nun an der
Entscheidung dieser Frage alle seine Kräfte, Wir müssen es den Gegnern
Gersens sehr zum Lobe anrechnen , dass sie durch ihren lebhaften Wider-
spruch gegen die Resultate der Forschungen Gregorys und durch ihre unge-
gründeten Behauptungen, diesem zur Veranlassung wurden, eine bis in die
kleinsten Einzelnheiten gehende Begründung seines Resultates zu geben, und
insbesondere auch die Gegner bis in die äussersten Winkel zu verfolgen. Das
Studium der Controverse Gregory- Gence ist in unserer Frage ebenso in-
teressant als belehrend.
Gence hatte 1820 eine französische Uebersetzung der Imitatio veröffent-
licht und i8z6 erschien er schon wieder mit einer neuen Ausgabe der Imi-
tatio , die er nach einem sehr alten {er nennt es peruetustum} Exemplar
von Gersons Werk : De interna consolatione bearbeitet hatte. Gence und
mit ihm seine Partei, hielten nämlich letztgenanntes Werk lür das Original
des Buches, das den Namen: De Imitatione Christi führt, und behaupteten,
eine Uebersetzung der Nachfolge sei um so getreuer, je mehr sie sich dem
von ihnen aufgestellten Originale nähere. Indessen ist es nur, um uns der
Worte Silberts') zu bedienen, »eine breite, willkürlich paraphrasirte Ueber-
setzung des lateinischen Textes, die Alles hinwegläst, was die Mönche in
etwas angeht im allgemeinen Styl zu allen inneren Menschen spricht.« Sie
enthält die ersten 3 Bucher der Nachfolge, aber in umgekehrter Ordnung.
Besonders interessant ist diese Schrift Gence's durch die Vorrede und die
Noten, Alle Beweise, die für Gersen vorgebracht wurden, suchte er zu
Gunsten Gerson's auszubeuten, indem er behauptete, dass durch irgend einen
Irrtum das o in e verwandelt worden sei, wofür er jedoch den Beweis
'} Silben. 1. c. S. 38.
128
schuldig bleibt. Ausserdem behauptet er, dass kein Manuscript über das
15. Jahrhundert hinausgehe. Wegen des Manuscriptes von Arona, das Gence
am meisten Kummer verursachte, berief er sogar mehrere Gelehrte (Van
Pract, Dacier, Gosselin etc.) zu einer Versammlung. Natürlich ging ihr
ürtheil dahin , dass der Codex aus dem 1 5. Jahrhundert stamme ; auf diese
Weise glaubte Gence die Entscheidung des Congresses von 1687 aufheben
zu können. Ueber diese Ausgabe herrschte nun grosser Jubel im Lager der
Gersonisten und alsbald erschienen zwei Dissertationen über den Verfasser
der Nachfolge, die eine von Rent! Tourlet, die andere vom Archivdirektor
der Krone P. C. F. Daunou, in denen Gence und seine Ausgabe über Alles
erhoben werden, während sie gegen Gregory*s gersenistisch gehaltenen Aus-
führungen in seiner Vercellenser Geschichte zu Felde ziehen. Was*jedoch die
Ansprüche Gersons auf die Autorschaft der Imitatio betrifft, so gebrauchte
Daunou hierin weise Vorsicht, da sie ihm nicht sicher zu sein schien, wie
Gence, dessen intimer Freund er war, sie hinstellte.
Ebenso verhielt er sich auch, als Gregory mit einem neuen Werke
auftrat, worin er sich nur mit dem Verfasser der Nachfolge beschäftigte:
Memoire sur vtfritable auteur. Darnach war der Verfasser des erwähnten
Traktates ein Benediktiner-Mönch und in Italien. Dieser Benediktiner ist
Gersen, Abt von Vercelli, der um das Jahr 1240 das Buch geschrieben hat
und zwar zum Gebrauche für die Novizen. Dies gehe Alles aus den
Manuscripten hervor, von denen mehrere und gerade die ältesten, den
Namen Johannes Gersen tragen, während eines mit Johannes von Canabaco
beginnt. Dann weist er hin auf den Gebrauch, den die Schriftsteller des
13. und 14. Jahrhunderts von der Imitatio gemacht haben. Schliesslich
wendet er sich gegen Gerson und Thomas und beweist, dass die beiden
keine Ansprüche auf die Autorschaft der Imitatio haben können, worauf
noch eine Kritik über die lateinische Ausgabe der Imitatio von Gence folgt.
Auch Napione erschien wieder auf dem Kampfplatz mit einer Dissertation gegen
Gence, indem er den Beweis führte, dass alle 4 Bücher vom selben Ver-
fasser sind, was unter anderem auch die Worte des Manuscriptes von Arona
bewiesen: Explicit liber quartus et ultimus Abbatis Joannis Gersen de Sar
cramento altaris. Als Antwort darauf schrieb Gence : Nouvelles considerations
sur l'auteur de Tlmitation und zwei Flugschriften: Dialogue des morts und
Prtfcis envers avec des remarques sur le livre de 1' Imitation, die jedes
gründlichen Studiums entbehren und in denen er alle Einwürfe der Gersenisten
zurückgewiesen zu haben glaubt, durch das alte Hilfsmittel, dessen sich
Gersonisten und Thomisten bedienten, wenn sie keinen anderen Ausweg
mehr sahen, nämlich, dass Gersen nie gelebt habe, dass er eine erdichtete
Person sei und ähnliche Dinge mehr. Es zeigt sich in diesen Schriften klar,
dass Gence über die Ansprüche, die Gersen und Thomas auf die Imitatio
r
erheben können, noch mit sich selbst häufig im Widerspruche ist, indem er
sie, gar nicht selten, ganz verwechseit.
Während in Frankreich der Streit sehr heftig fortgeführt wurde, herrschte
in Deutschland vollständige Ruhe. Länger als ein halbes Jahrhundert währte
dieser Waffenstillstand, wesshalb auch gerade in dieser Periode Gersen imd
Gerson ihre entschiedensten Verfechter fanden, während Niemand sich um den
verlassenen Thomas annahm. Krst 1828 wagte sich Silltert mit einer Schrift
hervor: Gersen, Gerson und Kempis. So klein dieses Schriftchen ist, so
polemisirt es doch in sehr heftiger, mitiniter bitterer Weise namentlich gegen
Gence un'i Barbier. Im ersten Theile versucht Silbert Gcrsen's Ansprüche zu
bekämpfen und versteigt sich sogar zu der Behauptung, dass der ganze
Gersen nur ein Name ohne Sache sei und so oft man Gessen, Gersen oder
Gersam lese, so dürfe man darunter nur den Kanzler Gerson denken. Halte
er Gregorys Memoiren, welche damals schon erschienen waren, gelesen, so
würde er diese Behauptung wol kaum gewagt haben.
Aber auch Gersen fand in Deutschland seinen Verteidiger in Johann
Baptist Weigl, Lyceal-Rector und Professor in Regensburg. Er übersetzte die
Denkschrift Gregory's über den wahren Verfasser der Nachfolge in's Deutsche
und fügte dieser ergänzende und erklärende Noten bei. Damit verband er
als Anhang eine eigene Dis-sertation , in der er die Geschichte des Streites
im 17. und 18. Jahrhundert nach ihren Hauptniomenten Kusammenstellt. Der
zweite Theil handelt über die Hau]>t.=treiter beider Parteien: Amort und
Mabillon. Dann bringt er noch die Resultate von eigenen und älteren
Forschungen , die aber in Gregory's Denkschrift nicht vorkommen. Das
Zeugnis dieses Gelehrten ist um so wichtiger, als weder Ordens- noch Lands-
mannschaftsinteresse ihm vorgeworfen werden kann und er vorerst selbst
Thomist, erst durch das Studium der Werke Gregory's, durch dieUebcnnachl
der Gründe in's gersenistische Lager hinübergezogen wurde. ') Seine eigenen
Worte mögen das beweisen: »Da übrigens der Zweck unserer Bemerkungen
bloss ein irenischer und versöhnender ist, so sollnur die strengste Wahrheits-
liebe und Mässigung unsere Feder leiten.« *)
Wenden wir ans wieder Frankreich zu, wo der Streit am hitzigsten
entbrannt war. Dort hatte Gregory ein neues Beweismittel aufgefunden, das
in unserer Frage von entscheidender Wichtigkeit wurde und, wenn es noch
nötig gewesen wäre, ein endgültig entscheidendes Beweismoment formiren
') Weigl, Dcnlcschrift, Seile VIII.: .Ich sage bloss, dass ich — chemnU selbst
Kempist, und sogar Urheber einer Inleinischen Edilion unter dieser Firma — nicht ohne
Kampf, nicht ohne reife Prüfung meine frühere Ansicht geändert habe. Dieser L'mstnnd
tisit mich wenigstens eine schonende BcurtheilunE derjenigen hoffen, welche Über den Ver-
ftaset der Nachfolge andern Sinnes sind.«
') Weigl. Vorerrinnenmgcii lu seinen ZusKlicn ta Gregory's Denkschtifl. S. 104.
i
konnte. Kurz nach dem Ausbruche der Julirevolution, am 4. August 1830,
begab sich Gregor)' auf den Louvre-Platz, und obwol eigentlich nur Neugierde
ihn hieher gefuhrt, trat er beim Buchhändler Techener ein und fand hier zu-
fällig ein Manuscript der Imitatio ohne Datum. Die wällsche Schrift schien
auf Italien als Vaterland hinzuweisen und eine Note am Heftblatte dies zu be-
stätigen, denn dieselbe besagte, dass dieser Codex m. s. durch mehrere
Generationen den Grafen Avogradi von Cerione in Piemont gehört hatte.
Gregory setzte nun seine Forschungen fort und diese führten zur Entdeckung
eines alten Diariums, welches in einer Note, datirt vom 15. Februar 1349
bezeugte, dass jenes kostbare Manuskript schon längst (Longa manu) im
Besitze dieses Geschlechtes sich befunden habe. ') Jedenfalls musste also
1349 die Imitatio schon geschrieben und verbreitet gewesen sein. Wer
anderer als Gersen hätte unter solchen Umständen der Verfasser sein können ?
Schon 1833 veröffentlichte deshalb Gregory jenes Manuskript unter dem Titel:
De Imitatione Christi et Contemptu mundi omniumque eius vanitatum libri IV
nach dem Codex de advocatis saec. XIII. (so nannte er das Manuscript) mit
einer Vorrede. *;
Dagegen erhob sich nun neuerdings Gence und in mehreren Flug-
chriften kritisirte er den Codex, behauptend, das Datum über das Manuskript
sei falsch, und klagte den Notar von Biella getreu dem von Naudd gegebenen
Beispiele der Fälschung an. Aus den Abkürzungen, aus der Setzung des
Punktes über dem i, aus der modernen Numerirung und aus ähnlichen
Gründen schliesst er, dass das Manuscript erst nach dem 14. Jahrhundert
habe geschrieben werden können. Während sich Gence in jeder Weise be-
mühte, die Beweiskraft, welche der Cod. de Advocatis für Gersens Sache
hatte, zu schmälern, wenn nicht gänzlich aufzuheben, hatte der französische
Schriftsteller Onesimus Lcroy zu Valcnciennes ein Manuscript aus dem Jahre
1462 entdeckt, das die ersten 3 Bücher in französischer Sprache enthielt.
Wie schon Lenglet Dufresnoy, so behauptet auch Leroy, dass Gersons Schrift :
Internelle Consolation, die der Kanzler in französischer Sprache verfasst,
dann aber in die lateinische übersetzt habe, das Original der Imitatio
sei. Dadurch gerieten aber die Gersonisten unter sich in Widerspruch,
da Gence erklärte, Gerson habe den Traktat lateinisch geschrieben und
ihn dann für seine Schwestern ins französische übersetzt. Leroy schrieb
jenes Manuscript von Valenciennes deshalb Gerson zu, weil es auch noch
zwei bisher unedirte Reden Gersons über das Leiden Christi enthielt, die
*) Wir geben im Anhange ein Facsimile dieses Diarium.
') Name und Geschlecht der Advocati ist sehr alt und schon im VII. Jahrhunderte
lesen wir von einem Beatus Isidonis de Advocatis. Vgl. hierüber Gregor/s Vercellenses
historiae tom. I. pag. 164.
r
131
im selben Style geschrieben zu sein schienen. Schon im nächsten
Jahre 1837 veröffentlichte I-eroy seine diestieziig liehen Studien unter
dem Titel: fitmles sur les mysi^res et sur differents manuserits de Gerson.
Die Beweise , die er da für seine Ansicht vorbringt, verdienen aber kaum
diesen Namen, seine Schlüsse sind wiUkttrlich und erzwungen,') Selbst
Viltemain, der ihm doch beüüglich dieses Werkes manchen guten Wink gege-
ben hatte *J und selbst eifriger Gersonist war, krltisirt die Abhandlung im
Journal des Savants in höchst ungünstiger Weise. I.eroys zweites Werk: »Cor-
neille und Oerson in der Imitacioc ist vielfach nur eine Wiederholung des in
der ersten Abhandlung Gesagten. Die.se Thätigkeit der französischen Partei
für ihren Heros gieng aber noch weiter. Im Jahre 1836 setzte die Akade-
mie fran^aise sogar einen Preis aus für eine I.obschrifl auf den Kanzler,
welcher den Herren F.-iug6res und DupriJ zuerkannt wurde. Was I.eroy
nicht erreicht halte, suchte nun der Bibliothekar von Valenciennes Mangeart
durchzusetzen; jedoch brachte auch er mil wenigen Ausnahmen nur diesel-
ben Argumente, wie I.eroy, vor.
Indessen vergieng kein Jahr, in dem nicht Gence eine oder mehrere
Flugschriften ausgesandt hätte, die oft nur wenige Seiten zälten. Auch ge-
nügte ihm jetzt die Prosa nicht mehr, sondern mehrere derselben erschienen
im poetischen Gewände. z8 Jabre hindurch hatte er sich ohne Unterlass
mit unserer Frage beschäfiigl, die er zu Gersons Gunsten t.u lösen suchte;
die Zal seiner Parteischriften ist Legion, Er war aber auch das Haupt der
französischen Partei und mit seinem Tode 1840 war auch der Stern dieser
Fraktion im Untergehen begriffen. Die Gersonisten kannten auch seine
Verdienste an, und Villenave, der mit ihm und I.eroy befreundet war und ihre
Ansichten über unsere Frage theilte, hat in seinem »liloge de M. Gence« dem
mutigen Verteidiger Gersons und der französischen Nationalehre einen warmen
Nachruf gehalten. Inzwischen riss aber auch dem bedeutendsten Gegner Gersons
Gregory der Tod den Griffel aus der Hand 1S46, Vier Jahre vor seinem Tode
erschien die tHistoire du livre,« eine Art Magazin in unserer Krage, dem leider
nur die rechte Verarbeitung fehlt. Gregory hat um die gersenis tische Sache die
grössten Verdienste. Er allein bat den gewaltigen Kampf mit den fran-
zösischen Gersonisten aufgenommen und ihn siegreich durchgekämpft. Er hat
gezeigt, dass Gersen kein Phantom sei, dass dieser Gersen Abt des Benediktiner-
klosters zu Vercelli gewesen imd die Imitatio verfasst habe. Mochte man früher
noch anscheinend mit Grund an Gersens Autorschaft gezweifelt haben, die Be-
weise, die er für sie brachte, beweisen Gersen zur äussersten Evidenz. Selbst
Halou, der doch keinem Gersenisten, am wenigsten aber Gregory bold gc-
') Vgl. MoIdu. Rcclicrclics, td. c. pHg. 66.
*) Gregory, lli^l. t. 331,
L
1^2
sinnt ist, sieht sich genötigt dessen Bedeutung anzuerkennen, da er sagt: >Le
Systeme de M. de Gregory cut un certain <!cho en France et en Allemagne.
En Italie il obtint un veritable triomphe.« Gregory war todt; aber sein Geist
gieng über an die Verteidiger derselben Sache, der er sich mit der grössten
Hingebung geweiht hatte. So veröffentlichte 1837 Wcigl, dessen Wichtigkeit
in unserem Streite schon früher dargelegt wurde, eine editio polyglotta; in
der Vorrede dazu zält er die wesentlichsten Argumente, die für Gersen spre-
chen, nochmals auf, weist die Angriffe, die Amort und Gence gegen dessen
Ansprüche erhoben hatten, mit Entschiedenheit zurück und stellt neuerdings
die Behauptung auf, dass der Name Gersen deutsch sei, wodurch dann die
etwaigen Germanismen in der Imitatio erklärt wären; dann giebt er ein mit
vieler Mühe gearbeitetes Verzeichnis der fehlerhaften Stellen der Ausgabe der
Imitatio von Gence aus dem Jahre 1826. Während sich also in Deutschland
Weigl bemühte, seine Landsleute für die Anerkennung Gersens zu gewinnen,
versuchte das Gleiche Nolhac in Frankreich. In seinen Ausführungen hielt
er sich vorzüglich an Gregorys Werke und richtete seine Beweise namentlich
gegen Gence und Leroy. Er zeigte, dass der Verfasser der Nachfolge ein
Benediktiner gewesen sei, dass er das Buch für seine Novizen geschrieben
habe und indem er die Entscheidung der Palaeographen von 16 17 über
das Manuscript von Arona als vollständig rechtskräftig anerkennt, ist ihm
schon entschieden, dass Thomas und Gerson die Imitatio nicht verfasst haben
können. Um die angezweifelte Existenz Gersens zu beweisen, zieht er fol-
gendes in Betracht: Zur Zeit, als Gersen lebte, habe sich in Italien an der
Vorderseite der Messgewänder ein Kreuz befunden, wovon in der Imitatio
die Rede sei; die Communion sei damals unter beiden Gestalten gespendet
worden und Anklänge an diese Sitte sind in der Imitatio nicht selten.
Ferner weist der Verfasser auch auf die Disputationen hin, die zu jener
Zeit über das Geheimnis der Dreieinigkeit gehalten wurden. Nebst Nolhac
hat auch Rohrbacher die Verteidigung Gersens übernommen und sie in
seiner monumentalen Kirchengeschichte glänzend durchgeführt. Gegen diese
»Franzosen« die für Gersen geschrieben haben, kämpfte die französische
Partei in den ihr von Gence und Barbier gewiesenen Bahnen weiter.
Sie richtete ihre Angriffe hauptsächlich gegen Gregory, brachte aber keines-
wegs neue Beweismomente zu Gunsten des Kanzlers vor. Fast jedes Jahr
lieferte eine Verteidigungsschrift der Ansprüche Gersons. So wären ausser
Leroy und Mangeart noch Monfalcon in einer polyglotten Ausgabe, ferner
Geraud, Carton , Fouinet und Spencer-Smit zu nennen. Letzterer gab die
»Collectanea Gersoniana« heraus. Es ist dies eine Reihe von Zeitungsartikeln,
Annoncen, Studien und Untersuchungen, die grösstentheils Bezug auf die
Imitatio haben. Wenn wir Paulin Paris, der sich in unserer Frage kein festes
Urtheil gebildet zu haben scheint, indem er ohne alle weitere Begründung
die Itnitado bald dem heiligen Bernhard, bald Bonaventura bald Cerson
zuiheilt, und Thomassy, dor in seinem Leben Gersons einen grossen Theü der
Beweise, welche Maiigea.it und Leroy fiir dessen Autorschaft gebracht haben,
zurückweist, trolsdem aber keine neuen Grllnde bringt, bloss nennen, so
bleibt uns nur noch mehr Vert zu betrachten übrig, der als einer der
mutigsten Verteidiger Gersons in der Geschichte des Streites von Wichtigkeit
ist. Auch er bringt nichts neues, macht aber durch die Heftigkeit, mit
welcher er Gersenisten und Thomisten angreift, Aufsehen. Vor allem fühlen
wir uns durch den schönen lebhaften Styl , den er schreibt, eingenommen.
Durch die kühnsten Schlüsse, durch die verwegensten Gedankensprüiige
gelangt er za Resultaten, die man vordem für unmöglich gehalten hätte und
denen er durch seine glänzende Dialektik den Schein der Wahrscheinlichkeit
tu geben versteht. Mit seiner Widerlegung haben sich Gersenisten und Tho-
misten beschäftigt, und hat sich da besonders Malou Verdienste envorben, ')
Nachdem selbst Vert den Kanzler nicht mehr zu Ehren bringen konnte,
kann man wol annehmen, dass Gerson für die Zukunft als Ver-
fasser der Imitatio nicht mehr genannt werde. Zwar suchte noch. 1862
Philipp Tamizey de Larroque in den Annalen filr christliche Philosophie den
Gerson als Verfasser zu retten. Er gieng hierbei indirect vor, machte Thomas
unmöglich, aber dadurch Gerson nicht einmal möglich, um so weniger gewiss.
Es mangelte seiner Verteidigung jeder positive Beweis, und er selbst scheint
mir, wie die meisten Verteidiger Gersons, nicht vollkommen von der Autorschaft
des Kanzlers überzeugt gewesen zu sein. Als letzten uns bekannten Ver-
teidiger Gersons müssen wir noch jean Darche nennen, der in einem ziem-
lich umfangreichen Werke (363 Seiten), das auch ein Bildnis Gersons enthält,
besonders Malou angriff, dessen Ausführungen über Gerson er scharf kriti-
sirte; von Gersen spricht er — es zeigt dies, wie weit er hinter den neu-
eren Forschungen zurückgeblieben — wie von einem Phantome.
Wenden wir uns Deutschland n\. Zu Beginn der ersten Hälfte unseres
Jahrhunderts drehte sich der ganze Streit um Gersen und Gerson und die
wenigen Stimmen aus dem thomistischen Lager verhallten spurlos. Erst zu
Ende der dreissiger und in den vierziger Jahren rafften sich die Verfechter
der Ansprüche des regulirten Chorherrn zu einer energischeren Verteidigung
auf. . Zunächst waren es die Niederdeutschen, die für ihren Landsmann eine
Lanze brechen wollten. So stellte Delprat 1830 Thomas in einer Schrift,
worin er den Einfluss, welchen die Bruderschaft des gemeinsamen Lebens
auf Religion und Wissenschaft in Holland genommen, schildert, als Ver-
fasser auf. Ueber die Tendenz dieses Buches schreibt Dr. Noltc: »Das
Delprat'sche Buch ist nur eine Zusammenstoppelung von allerlei Notizen,
') Vgl. M:.l.
'34
die wenig verarbeitet sind. Und durch das ganze Werk zieht sich, wie ein
roter Faden, ein gar feindseliger Geist gegen die katholische Kirche; sicht-
lich tritt überall das Bestreben hervor, in den »Fraterhäusern« überall Vor-
läufer der lutherischen und reformirten Ketzerei zu entdecken. Was wird
man aus dem guten Thomas noch machen wollen 1 ') In dem gleichen Sinne,
wie Delprat, sprechen sich auch aus Kist, Ciarisse und Royaards, Professoren
an der Universität in Leyden. Im eigentlichen Deutschland ist es besonders
UUmann, der die Verteidigung Kempens mit grossem Erfolge führte. Zu
den j Reformatoren vor der Reformation« rechnet er nämlich auch Thomas
von Kempen. Um diesen als Verfasser des Buches zu erweisen, unternimmt
Ullmann vorerst die Bekämpfung der Ansprüche Gersons, worin ihm schon
Silbert Bahn gebrochen hatte. Schwieriger wurde es für ihn, die That-
sachen, die Gregory für Gersen aufgestellt hatte, zu entkräften. Ullmann
sammelt mit vieler Mühe Alles, was gegen Gersen vorgebracht werden kann,
und sucht es zu Thomas Gunsten auszubeuten. Zuletzt bringt er die
Argumente wieder, die schon andere Thomisten oft und oft angeführt
hatten : Das Zeugnis Johann Busch's gilt ihm als völlig beweiskräftig,
ebenso sucht er die Widersprüche in Trithemius' Schriften aufzuklären.
Neben den Zeitgenossen führt Ullmann auch die Handschriften und
Codices an. Er gesteht hierbei zu, dass nach den Worten: »Finitus et
completus per manus fratris Thomae« auch der blosse Abschreiber
verstanden sein könne. Zuletzt bringt er noch innere Gründe und schliesst
mit der Aufforderung, die Anrechte Kempis auf die Imitatio anzuerkennen.
Nebst Hase, Gieseler, Mayer, die in ihren geschichtlichen Werken gelegentlich
für Thomas sich erklären, nennen wir Bähring*), der wol eine fleissig ge-
arbeitete Biographie des Thomas geschrieben, aber, wie uns scheinen
will , viel zu wenig über dessen Verhältnis zur Imitatio , auf die es ihm
doch hauptsächlich ankommen musste, raisonirt hat. Das Wenige, womit
Bähring im V. Cap. über Thomas Schriften im Allgemeinen und über die
Nachfolge im Besonderen abhandelt, genügt nicht, uns zu überzeugen.
B, führt Busch's und Trittenheim's Zeugnis an, ohne aber dabei zu er-
wähnen, dass in jener Chronik von Windesheim der Zusatz, Thomas habe
die Nachfolge verfasst, eingeschoben ist und von späterer Hand her-
rührt und ohne die Widersprüche in Trittenheim's Schriften, die geradezu
gegen Thomas zeugen, aufzuklären. Auch die Handschriften führt er an;
und doch gesteht er selbst, dass sich Thomas am Schlüsse der Antwerpener
Handschrift als Abschreiber bekenne. Bähring findet auch, dass alle Schriften
*) Dr. Nülte. In der Zeitschrift für gcsammte Theologie, herausgegeben von der
theologischen Facultät zu Wien. VII. Hand. 2. lieft. S. 209.
*) Thomas v. Kempen, der Prediger d. Nachf. Leipzig 1872.
'33
des Thomas mit der Imitatio voUstänciig (Ibereinsiimmen , sagt aber nicht,
wieso es gekommen, liass die Nachfolge so hoch über den ttbrigen Werken des
regulineii Chorherrn stehe und dass gerade sie solche Verbreitung gefunden,
während die andern Traktate der Vergessenheit anheim fielen. Ein-
gehender beschäftigt sich allerdings Bühringer in seinem so lehrreichen Werke
=die Kirche Christi und ihre Zeugen oder die Kirchengeschichte in Biogratihien«
mit unserer Frage, Böhringer erwähnt mit wenig Worten den Streit und hält
CS, inn die Ans[)rüche Gersens zurdck^u weisen, für genügend, einfach ui
behaupten, die Manuskripte, die Gersens Namen tragen, stammen aus
dem 15. Jahrhunderte oder aus noch späterer Zeit. ') Gersen ist auch
ihm theils eine Verwechslung mit Gerson, iheils sollen die gersenistischen
Manuskripte nur den Eigentümer, nicht aber den Verfasser bezeichnen
wollen. Schliesslich wirft Bühringer die Frage auf, wie denn auch ein Buch,
wie die Nachfolge, durch 2 Jahrhunderte halte verborgen bleiben können.
Für Thomas Tührt er nur die alten Zeugnisse wieder an. Mit Deutschland
welteiferte in der Verteidigung des Thoraas Belgien und die Niederlande, So
halte 1845 Bormans, Professor an der Universität in Lütlich, eine Disser-
tation über ein Manuskript > des Thomas von Kempen » geschrieben, das dem
Seminar ebenerwähnter Stadt gehörte. Jedoch gesteht selbst Malovi, der jenes
Manuskript in Händen hatte, dass es durchaus nicht sicher sei, ob es von
Thomas ITand stamme. ')
Die bisherigen Verteidiger des Thoraas hatten, wie selbst seine entschie-
denen Verfechter gestehen, die Sache nicht wesenllich gefördert ^). Endlich fand
1848 die kempistische Sache wieder einen mutigen Verfechter in Malou,
Universitätsprofessor, nachher Bischof in Bruges. Er schrieb historisch-kri-
tische Untersuchungen über den wahren Verfasser der Imitatio mit Bezug
auf die neueren Verteidiger Gersens: Napione, Cancellieri, Gregory, Weigl,
Veratti etc. und Gersons: Gence, Daunou, Leroy, Thomassy, Verl etc. Ma
lou's Memoires haben grossen Anklang gefunden; aber auch Malou hat für
Thomas keine neuen Beweise gebracht, sondern bloss das, was schon
früher oft erwähnt wurde, neuerdings hervorgezogen, geordnet und auf die
neuesten Gegner Thomas angewendet. Das ist das Verdienst Malou's, imd
das wollen wir ihm ungeschmälert lassen. Besonders ist es Amort, dessen
Schriften er gründlich studirt hat, wie selbst Thomisten, die ihn doch so
hoch stellen und als eine starke Säule für die Sache des regulirlen Chor-
herrn preisen , nicht läugnen können *). Auch gar manche Unrichtigkeit,
■) Boehrinf^r. Baod 19. S. 706-
') Mnlrju. Kücherchcs. pag. 51. ;'
»} Vgl. Kq.pk.. paj;. S5-
') Vgl. Kcppkr. i-iit'. 55 11
_ 13^
und, um mich des Ausdruckes von Dr. Nolte zu bedienen, manchen grossen
Irrtum hat man ihm nachgesagt *). Noch schärfer spricht Jean Darche im
Cid de r Imitation (1875)*): »Malou t§tait un t§crivain extr^mement absolu
et excentrique dans ses opinions sur les hommes et les choses, parce qu'il
avait i'esprit peu logique et le coeur fort into1t§rant. Les Dominicains savent
assez comment ils les a maltraitt^'s, eux et saint Thomas, relativement ä la
cause de l'Immacult^e Conceptioii. On peut voir ceia dans i'ouvrage du
procureur gcfndral des Dominicains, le P. Spada, de Rome, intituld : »Saint
Thomas et Tlmmaculde Conceptionc, en rt^ponse aux attaques violentes et
aux calomnies odieuses de l'dv^que de Bruges. Le p^re Sicard, dominicain,
traducteur frangais dudit ouvrage, dit que »Malou fait de la question un
usage inique et ddloyal (sie), qu'il a <ftt5 excessif et qu* il s'est trompdc.
Le prdlat s'est-il rdtractd ? Non , certes 1 Ce qu'il a t§crit contre Gerson dans son
livre des »Recherches sur le vdritable auteur de l'Imitationc a justement soulevd
r indignation des ämes honn^tes et chrdtiennes. De grands dcrivains lui ont
ttfmoignt^ Sans biaisir leurs regrets de l'avoir vu prostituer ainsi sa plume pour
servir ses aveugles et ridicules prdjug<fs. Loin de se rdtracter, de rdformer ses
apprdciations si malveillantes, dans une nouvelle (fdition il les a maintenues et les
a mSme conürmdes avec un sans-gSne inqualifiable.c Besonders verletzt bei
Malou die Geringschätzung, mit der über Gelehrte, die nicht seiner
üeberzeugung sind, abgeurtheilt wird. Ueberall lässt er nur seine Ansicht
gelten und sobald jemand anderer Ansicht ist, — besonders bei Besprechung
der Codices zeigt sich dies — wird er für einen Schwindler erklärt oder
M. fasst das Ganze als eine Gefälligkeit auf, die gelehrte und redliche
Männer einem Gersenisten erwiesen haben. Es ist dies freilich das bequemste
Mittel, um sich über die Urtheile eines August Theiner, Schneller, Dr. Ständer
und zalreicher Philologen, die beispielsweise über die Codices ihr Urtheil
abgegeben haben, hinwegzusetzen und wir sehen keinen Grund, von dem
Urtheile solcher Auktoritäten abzugehen, insolange die Thoraisten keine zweiten
annähernd anerkannten vorweisen können. Malous Recherches zerfallen in
5 Kapitel, wovon das erste die Geschichte des Streites behandelt, im zweiten führt
er die Beweise für Thomas an, im dritten kämpft er gegen die Schwierigkeilen, die
von den Gersenisten wider Thomas erhoben wurden, im vierten spricht er
über Gersen, im fünften über Gerson. Um die Rechte Kempens zu beweisen,
zält M. zuerst die Zeugnisse von Zeitgenossen auf, wobei er besonders scharf
gegen Gregory und Vert vorgeht, weil sie es gewagt hatten, über die Aecht-
heit jener bekannten Stelle in Busch's Chronik Zweifel laut werden zu
lassen. Daran reihen sich die Manuscripte, die den Namen Thomas tragen.
*) Dr. Nolte führt mehrere an, so: I. Heft. S. lo, li, 18, 19, 22, 23 etc,
") Jean Uarchc. Clc l*rolog. pag. IX.
137
Als ersles gilt ihm der Kircheimer Codex. Nach einer Randbemerkang musa
er im Jahre 1425 schon geschrieben gewesen sein. Ueber diese Randbe-
merkung, von der ja doch der gan/e Wert des Codex abhängt, wagt er nur
in einer Anmerkung ') wenige Worte zu sagen; der Platz, wo die Bemerkung
stehe, andere nichts an Ihrer Beweiskrart, dieselbe Hand habe das Minium
für diese Note und für die Titel der Kapitel aulgetragen, das Rot zeige die
gleiche Nuaocirung. Anders spricht hierüber schon Keppler *). Er erklärt:
>Was die starke Beweiskraft dieser Inschrift etwas schwächt, ist der Um-
stand, dass sie nicht ganz zweifellos von der gleichen Hand wie der Codex
stammt«; noch anders gar der heftigste Kemjiist Dr. Nolte^); iDiese Worte
sind freilich von einer anderen Hand, von einer aftderen Dinte geschrieben,
deren Farbe viel lebhafter ist, als die jener, mit welcher das Werk selbst
geschrieben wurde; während die Farbe der roten DJnte, mit welcher die
einzelnen Linien unter jener Notiz gezogen sind, viel dunkler ist, als die
jener, mit welcher die Inhaltsangaben über den einzelnen Kapiteln geschrieben
wurden.« Der 2. Codex bei Malou ist der von Gaesdonk. Auch dieser soll
den Namen Thomas tragen. Doch sagt weder Keppler, noch Malou, noch
Mooren, wie denn jene Stelle heisse, wo Thomas als Verfasser genannt wird;
Keppler bedauert dies wenigstens. Der dritte Codex ist der von Antwerpen.
Malou selbst gibt zu, dass die Schlussbemerkung auf den Copisten hinweise,
entschuldigt dies aber mit der Demut des Thomas, der sich nicht als Verfasser
nennen wollte. So fuhrt er noch eine Reihe von Manuscripten an, die ent-
weder direkt auf Thomas als Verfasser hinweisen oder von einem regulirten
Chorherm als Autor sprechen. Die angeführten Beispiele zeigen deutlich,
wie Malou Alles so behandelt, wie es gerade für seinen Zweck passt. Was
die Einwendungen anbelangt, die er gegen Gerscn erhebt, so Iheilen wir
hierin vollständig die Ansichten des Recensenten in der Innsbrucker Quartal-
Schrift, der sagt ^) : »Uic Einwendungen, welche der Hau pl Wortführer der
gegenwärtigen Kempisten, Malou, gegen die Aechtheit jener Aufzeichnungen
(bezüglich des Cod. de Advocatis nämlich) und das Alter des Cod. de Advo-
catis vorbringt, scheinen fast nur die Verlegenheit der Kempisten gegenüber
diesen neuen Funden des Ritters de Gregory darthun zu sollen.« Unter den
Xieraonisten sind es vorzüglich Leroy, Thomassy und Vert, deren Ausfüh-
rtingen Malou bekämpft und deren Widericgung er sogar eigene Kapitel
widmet'). Nach Malou, der von Gersenlsten und Gersonisteu auf das Hef-
*) Rech, pag, 101. Anm. 3,
') Kq»plM. pag. 72.
') Dr. Nültc, paß. 11.
•) Zeilschrifl für kalhulische Theulogit aus liiiisbrutk. Ikinetliungen uiiJ Nachricht«.
Ccrscn von VerseHi und die NachruIgK CJuisü. 1877. S. 483
»' Vgl. Rech. pag. 306—325. 337-344- 344— J5S-
138
tigste bekämpft wurde, schrieb noch Qu^rard, der hauptsächlich den biogra-
phischen Theil bearbeitete und Dr. Nolte, der im 5. Bande der 2^itschrift
für die gesammte katholische Theologie, herausgegeben von der theologischen
Facultät in Wien 1853, zwei Hauptstiicke aus der Nachfolge Christi nach
einer alten niederdeutschen Handschrift veröffentlicht und im 7. Bande eben-
derselben Zeitschrift die Frage etwas ausführlicher behandelt, eine nicht un-
beträchtliche Anzal Manuscripte beschreibt, und manche Einwendungen, die
gegen Thomas erhoben wurden, zurückzuweisen sucht. Er lässt sich gegen
Thomisten sowol als gegen Antithomisten in seinem Eifer manchmal zu Aus-
drücken hinreissen, die durchaus nicht den versöhnlichen Charakter tragen, um
nicht zu sagen, dass sie ^rob und beleidigend sind. Nach Nolte wäre noch
Mooren, Pfarrer in Wachtendonk, zu nennen, der die über Thomas von Kempen
jahrelang hindurch gesammelten Nachrichten 1855 herausgegeben hat. Da-
von hat für uns nur das 9., 13. und 15. Kapitel Wichtigkeit, da die an-
deren — es sind deren 16 mit einem Anhange — über Verhältnisse be-
richten, die nur auf das Leben und Wirken Thomas* von Einfluss waren.
Von dem in unsere Frage einschlägigen behandelt er nur das Zeugnis des
Johann Busch ausführlicher.
Während Kempis unter den Deutschen Verteidiger fand, denen sich
einige Belgier und Niederländer anschlössen, feierte Gersen in Italien, Frank-
reich und selbst in Deutschland wahre Triumphe. Italien ging allen mit einem
leuchtenden Beispiele voran. Napione, Cancellieri uud Gregory hatten reiches
Material hinterlassen, das noch zum Theile ungeordnet war und der Bear-
beitung harrte. Dieser Aufgabe unterzog sich eine Ehrfurcht gebietende Reihe
von Gelehrten aller drei mehr betheiligten Nationen. Parenti fertigte 1844
eine ausgezeichnete Uebersetzung der Imitatio in 's Italienische an. Als Anhänger
Gersens traten auch Moroni und Melzi auf. Besonders hat sich letzterer
durch seine grossartigen palaeographischen Kenntnisse und durch den Eifer,
mit dem er Notizen über den Verfasser sammelte, grosse Verdienste er-
worben. Leider raffte der Tod zu früh den thätigen Gelehrten hinweg. Er
starb 185 1 mit Hinterlassung eines grossen auf unsere Frage Bezug habenden
Materials, welches dann nach seinem Tode dem Drucke übergeben wurde.
Chronologisch reiht sich an zunächst Alexander Paravia, Universitätsprofessor
in Turin. In seiner Abhandlung über den Verfasser des Buches von der Nach-
folge Christi tritt er in die Fussstapfen Gr^gory's, dessen Ideen er weiter aus-
führt. Ein Verdienst Paravias ist es auch, aus Grt^gory, der besonders in seiner
Geschichte eine Unmasse von Material gesammelt hatte, ohne es jedoch zu
einem Ganzen verarbeitet zu haben, manches unnütze und Nebenwerk, welches
bei einer gründlichen Bearbeitung von selbst wegfällt, entfernt zu haben. ')
*) Ernest Renan sagt in den Etudcs. ed. c. pag. 320 über ihn. »S'il n'ajoule aucun
^39
Besonderen Wert kann auch die Imitatio -Ausgabe beanspnichen, welche
Torri nach dem von Gregory aufgefundenen Codex de Advocatis veranstaltet
hat; seine diesbeziigliche Abhandlung ist besonders schätzenswert durch die
Aufzälung der Ueberselzungen der Imitatio in Prosa und Versen, der Manu-
Scripte, die Cersens Namen tragen und ebenso der Ausgaben, die unter seinem
Namen veröffentlicht wurden, der Palacographen, die Tür Gersen Zeugnis
gaben, der Congresse, die über unsere Frage gehalten wurden, und endlich
der Journale, die über die Nachfolge geschrieben haben, und der Schrift-
steller, die ffir Gersen eingetreten sind.
Bisher war der philologische Theil unserer Frage, wenn auch berührt,
doch immerhin stiefmütterlich behandelt worden. Die meiste Aufmerksamkeit
schenkte man den äusseren Beweisgründen. Es war aber auch schwer durch
innere , besonders aber durch philologische Grtinde die Frage nach dem
Verfasser eines Buches entscheiden zu wollen, in dem der Deutsche Batavis-
men, der Italiener Italianismen, der Franzose Gallicismen in Hülle und Fülle
entdeckt zu haben glaubte. Doch, wie fast in jedem strittigen Punkie unserer
Frage, so ist man auch hier zu weit gegangen und hat vieles als Germanismus
ausgegeben, was nicht Germanismus ist. Den Beweis hiefür gebracht zu
haben, ist das Verdienst Veratti's, Professors in Modena. Alle jene Einwürfe,
welche die Idiotismen in der Imitatio berühren, widerlegte er in der gründ-
lichsten Weise. Ein Beispiel mag uns genügen, seinen Sch.irfsinn kennen zu
lernen. Jeder Verteidiger des regulirtcn Chorherrn fuhrt bei Besprechung
der inneren Gründe als einen offenbaren Germanismus die bekannte Steile
an: Si scires (otam Bibliam exterius [Lib. I. cap. I.). Interessante, aber zu
anderen Resultaten führende Aufschlüsse gibt uns darüber Veratti. ') Zuerst
beweist er, dass mehrere Manuskrijite und gerade die ältesten das Wort
»exlerius« gar nicht haben; ferner prüft er, ob demi exterius zum Sinne des
ganzen passe, und findet , dass das Wort durchaus nicht in jene Stelle hinein
gehöre, denn der Verfasser meint mit jenen Worten gewiss nicht das blosse
Aus wendig wissen der Bibel in dem Sinne, wie »Verba teuere«, was doch
dadurch ausgedrückt wäre. Auch noch zalreiche andere Beweise bringt er bei,
und es genügt ihm hiebe! nicht, die deutsche, lateinische und italienische
Sprache in Vergleich zu ziehen, sondern er berücksichtigt häufig auch fran-
xösische, englische und spanische Redensarten und Versionen. Er wendet
sich in seinen Ausführungen namentlich gegen Malou, der in den Recher-
fait i ceux qti'avait laboricuscnient rccucillui dam \s inGme sens M. de Urcginyi 11 a i
i le mdiilv d'fcarlei Ics inauvaises laisom ul ies birs-d'ucvrc par lizsq^uL'Is cc pativ
colleckur avait fait tort & sa causu. Auf derselben Seile lieisat a welter; J'admela puur n
part comme Irin probable le scntiinent de M. Paravio, siirtgul dans «s eonclusions ncgaiiv
contre Gersoa et a-Kcmpb.<
') Vgl. VeraUi. Opuseuli religiusi, 1857. lom. I. paß. 113—118.
I
140
ches auch die philologische Frage behandelt und in der dritten Auflage
derselben auch auf die von Veratti erhobenen Schwierigkeiten zu antworten
sucht. Wir fuhren hier das Zeugnis Malou's als des grössten Gegners
Verattis selbst an. So spricht er über den Schriftsteller und dessen
Werke. *) »Seul peut-Stre parmi les adversaires rdcents de Thomas ä Kempis,
il oppose aux d^fenseurs de ce pieux religieux, des raisons ou solides, ou
du moins spdcieuses; seul parmi les (fcrivains italiens, il fait preuve d*une
certaine connaissance de la langue allemande. Und weiter heisst es : Quoiqu*il
n*ait pas atteint le but qu'il s'tftait proposd, ä savoir de nous arracher toutes
nos preuves philologiques, il en a cependaut t§branl<f ou dbr^chd quelques —
unes, comme nous le dirons en son lieu. D^s ce moment, nous le remer-
cions des dtudes qu'il a faites, et de l'obligeance avec laquelle il nous les
adressdes, au moment oü nous mettions la demi^re main ä la troisi^me
Edition de nos Recherches.c
In den sechziger Jahren erschienen wenige unsere Frage betreffende
Schriften. Als ein wertvolles Sammelwerk mit bibliographischer Angabe der
Uebersetzungen , Ausgaben, Schriften und Schriftsteller über die Imitatio mit
kurzen kritischen, häufig Malou entlehnten Bemerkungen, sei erwähnt Backer*s :
Essai bibliographique sur le livre de Tlmitation de Jesus-Christ. Um so
lebhafter aber gestalten sich die Untersuchungen über den Verfasser der
Imitatio im letzten Jahrzehnt.
Nachdem Mangeart, Vert, Tamizey de Larroque erfolglos filr Gerson
geschrieben hatten, hätte man glauben sollen, dass der Kanzler in unserer
Frage nicht mehr in Betracht komme; und dennoch erschien 1875 noch
eine Schrift von Jean Darche, wie wir schon früher erwähnt, die Gersons
Ansprüche aufrecht zu halten suchte. Auch Kempis fand seine Verteidiger.
Für ihn trat Karl Hirsche ein. In den »Prologomena zu einer neuen Aus-
gabe der Imitatio € bemühte er sich mit staunenswertem Fleisse und grossem
Scharfsinn aus inneren Gründen Thomas als Verfasser zu erweisen. Leider
ist die Darstellung wegen der uneingedämmten Breite ermüdend. Aus inneren
Gründien lässt sich jedoch nur beweisen, ob Gerson oder Thomas die Imi-
tatio nicht verfasst haben, da wir von beiden Schriften besitzen und also
einen Vergleich zwischen diesen und der Nachfolge anstellen können. Bei
Gersen ist dies aber nicht möglich, da bei ihm die für solche Untersuchungen
nötigen, historisch als authentisch erwiesenen Schriften fehlen. Was man
daher immer zu Gunsten Gersons oder Kempis an derartigen Gründen vor-
bringen mag, wird nie vollständig beweisend sein, da man ja das Gleiche
ebensogut möglicherweise auch von Gersen behaupten kann. Die Mehrzal
*) Rech. pag. 37 sq.
(ter Verleiiiigcr des Thomas sieht dies mich ein. So sagt Maloti: ') »Ia
(juestion philologique est tout k fait secondaire pour noiis.i Und ähnlich
drückt sich auch Reppler aus:*) »Man beachte doch, wie der inneren
Kritik die Definitivsentenz in unserer Streitfrage nicht zusteht und sodann,
wie dieser innere Beweis für Thomas in seiner ganzen Stärke nur gegen
Gerson geltend gemacht werden kann;» und Hirsche selbst mochte einsehen,
dass solche Beweise, obwol er viel darauf zu halten scheint, nicht genügen,
um die Autorschaft Kempens klar darzulegen, da er versprach, in kurzer
Zeit nach dem ersten auch den «weiten Band, der den Abschluss der inneren
Beweise mit einer Darstellung der äusseren Gründe und eine kritische Ge-
schichte des Streites bringen sollte, folgen zu lassen. Im ersten Bande ^-
den zweiten hat er uns bisher vorenthalten — behandelt H, Interpunktion
Reim und Rhythmus. Das Manuskript, dessen er sich bei seiner Atiseinander-
setzungen bedient, ist der Antwerpener Codex, lieber die Interpunktion
sagt der Kempist Keppler: ') »Was die Interpunktion betrifft, — sie sei so
vortrefflich und eigenartig als sie wolle — so wird man die Möglichkeit
nicht absohlt negiren können, dass Thomas mit derselben als Abschreiber
tum Zwecke der Vorlesung das Buch durchzogen habe; Thomas war zweimal
Unlerprior und mit der ascetischen Leitung der Novizen beauftragt, er kann also
ganz gut in den Büchern, die er benutzte und copirte, seine für die Vorlesung
bestimmten Zeichen angebracht haben. Somit beweise dieses Interpunktions-
System im Antwerpener Codex zunächst nicht für den Autor, sondern nur
für den Copisten Thomas.« Dass in der Imitatio Reime vorkommen, wird
Niemand läugnen; ob aber in dem Masse, wie Hirsche glaubt, ist eine
andere Frage. Denn neben zalreichen Stellen, wo nicht einmal Hirsche
trotz aller, häufig sinnwidrigen Zergliederung des Satzes einen Reim
ausfindig machen konnte, kann man auch vieles, was er als Reim ansieht,
nicht als solchen gellen lassen. So sagt er auf Seite 131: >Hinsichilich
der Beschaffenheit der Laute und Silben, die der Reim in der Imitatio um-
fassl, hebe ich mit Uebergehung des Zweifelhafteren folgende Arten hervor.
I.) Es reimen nur die Endkonsonanten, nicht aber die denselben voran-
gehenden Vocale ; z.B. Tenebris und Dominus, efficit und faciet. Dergleichen
Beispiele sind häutig, wie denn überhaupt alle Arten der imvollkomraenen
Reimformen, namentlich die sogenannten ungenauen Reime, wie disputare
und Irinitati etc. in der Imitatio sehr stark vertreten sind.« Hirsches ganzes
System trägt etwas Gekünsteltes, Gesuchtes und Unnatürliches in sich; zudem
hat er hier nur gezeigt, dass Gerson die Imitatio nicht h.-ibe verfassen können.
') MbIou. Rech. pag. 37.
•) Kq>plct, Tübinger Quartal schrifl 1880, pag. 85.
•) 1. c, S. S6.
indem er aus verschiedenen Traktaten des Kanzlers Stellen anführt, wo sich
entweder gar kein Reim oder nicht in der Weise, wie in der Imitatio, findet.
Dass aber die Reime in den übrigen als acht anerkannten Schriften Thomas
vorkommen, hat Hirsche nicht gezeigt, da der zweite Band seines Werkes,
der diesen Vergleich hätte bringen sollen, noch nicht erschienen ist.
Mag man aber wie immer über Hirsches Werk urtheilen, sein Verdienst wird
es bleiben, eine Schönheit der Imitatio, wenn auch nicht neu aufgedeckt,
so doch erschöpfend behandelt zu haben mit einem Fleisse, einer Umsicht
und Gründlichkeit, wie sie eines deutschen Gelehrten würdig ist. Nach Hirsche
haben, so viel uns bekannt ist, nur noch mehr Pfarrer Delvigni und Paul Keppler
geschrieben. Delvigni setzt das, was Malou begonnen, fort; Gersen ist für
ihn noch ein mythisches Wesen ; auch er wittert wie Hirsche, dessen Prole-
gomena er über alles hoch stellt, in der Imitatio ein metrisches Buch. Da-
gegen müssen Loth, Tamizey de Larroque, Mella und noch manche andere
ihre Frevelthaten, dass sie nämlich gegen Thomas geschrieben und Gerson
oder gar den fabelhaften Gersen verteidigten, schwer büssen. Neuestens gibt
Paul Keppler eine Darstellung des jetzigen Standes der Frage in einer über-
sichtlichen und ziemlich objectiv gehaltenen Weise, indem er uns fast das
ganze Beweismaterial für Thomas und Gersen vorfuhrt; Gerson kommt für
ihn weniger in Betracht. Schliesslich entscheidet er sich für Thomas, gibt
jedoch zu, dass der Beweis für ihn nicht so fest begründet sei, als dass
weitere Forschungen nicht noch ein anderes Resultat bringen könnten. »Der
Beweis für seine Autorschaft mag, — wir geben es gern zu, — nicht ganz
stringent, vollständig und lückenlos sein — aber er ist weitaus stringenter,
vollständiger und lückenloser, als der für Gersen geführte.« ^) Und weiter
heisst es: »Gleichwohl erklären wir den thomistischen Beweis für nicht so
fest, dass er nicht durch ihm entgegentretende historische Thatsachen könnte
erschüttert werden, durch den historischen Nachweis nämlich, dass die Imitatio
zweifellos früherer Zeit angehöre.« Keppler ist der letzte uns bekannte Ver-
teidiger des regulirten Chorherrn.
Wir haben schon früher erwähnt, dass in jeder Periode des Streites
Männer aufgetreten sind, die sich weder für Gersen noch Thomas noch
Gerson entschieden, sondern entweder einen anderen Verfasser aufstellten
oder ihre Beweise bloss gegen den Einen oder Andern führten oder gegen
alle drei zugleich, ohne aber hiebei zu einem positiven Resultate zu gelangen.
In unserer Periode war in Italien diese Richtung vertreten durch den
P. Spotorno aus der Barnabiten-Congregation, bekannter unter dem Namen
Albo Docilio. ¥.\ schreibt die Imitatio Thomas Gallus zu. In Frankreich hatte
sich neben der entschieden gersenistischen und gersonistischen Strömung
') 1. c. S. 107.
M3 ^^^^
eine dritte Pnrtei gebildet, deren Ansicliten in den Worten giprdten; »Es
gibt keinen Verfasser dieses Buches; der Verfasser ist die ganze cHrislliche
Mensdiheit.« ') So sehr verfiel man in das Gebiet des Mysticismiis und der
Phantasterei und es galt geradezu als eine der grössten Schönheiten des Buches
der Umstand, dass der Verfasser unbekannt ist; warum sollten also dem
Buche seine Schönheiten genommen und nach dem Verfasser geforscht
werden r'} Begründer dieser krankhaften Richtung ist der Chefredacteiir des
Journal des Dcbats, Herr von Sacy. Ihm schloss sich im Wesentlichen Ernst
Renan an. Nach seinen Erörleningen gehört das Buch dem 13. Jahrhundert
an und ist in Italien geschrieben. Darnach kann also weder Thomas noch
Ocrson der Verfasser sein. Le Clerc, den wir ebenfalls dieser Richtung bei-
Äälen können, stellt in der Vorrede zu einer neuen Ausgabe der Imitaiio
die Behauptung auf, dass sie ein Werk aus verschiedenen Händen und ver-
schieilenen Zeilen sei. Auch Molard und Höricault traten in einer neuen
Ausgabe der Internelle Consolation der Auffassung Sacy a bei. Keppler sagt
darüber: »Diese französische Periode ist die heiterste im ganzen Sreit und
überhebt zugleich jeder Mühe des Kritisirens.* ')
Grosses Aufsehen machte Arthur Loth , der zur Lösung der Frage
einen neuen Weg einschlug. 1869 wurde nämlich von der Bibliothcque im-
periale ein Manuscript, welches das erste Buch vollständig, von den übrigen
Fragmente und Auszüge enthält, erworben, das bisher in unsere Frage noch
nicht einbezogen worden war.
Diesen Codex wählte sich nun Loth zu seinen Studien über den Ver-
fasser der Nachfolge. Nach verschiedenen Gebeten, die zeugen, dass das
Manuscript einer religiösen Genossenschaft angehört habe, folgt eine astrono-
mische Tafel, der sich ein Kirchenkalender aus der vorgregorianischen Zeit
anschliesst. Durch Berechnung hat nun Loth gefunden, dass das Manuscri|)t
aus dem Jahre 1406 stammt, daran schliesst er den Beweis, dass weder
Gcrson noch Thomas die Imitatio haben verfassen können und stellt die
Vermutung auf, dass ein Devotus vor Thomas, ein Zeitgenosse des Gerardus
Groot, als wahrer Verfasser der Nachfolge zu betrachten sei. — -
In Deutschland schrieb Moritz Schwalb eine .\bhandlung über »das
Büchlein von der Nachfolge Christi«, worin er sich, wenn auch nicht mit
') Sncy. Vorrede. .11 u'y a pa< .ra.,
cur k un lirrc comme celiii in. Um! weiter
hek« es: Unuleur. c'esl l'humnnilt chrflicime
lout cnlÜre.. Im gleichen Sinne spricht sich
anch Renan aus. Vgl. S. 318.
') .L'mcertLli»le, qui plane sur le nora
de son aulcar est un des bennlfe moralcs du
livrcl' Und Renan begmiit steine Abhaiiilhmg
mil den Worten: «C'cäl on immense nvanlage
poUT Un livrc deslinf' h. la popiilari!^, que <ri:l
e annnj-me.»
') Keppler. pag. 55.
i
144
grosser Entschiedenheit gegen Thomas ausspricht *). Im Anschlüsse an
Loth und ungefähr das nämliche Verfahren beobachtend, schreibt auch Dr.
Hölscher, Direktor des Gymnasiums in Recklinghausen, über den Verfasser
in seiner Programmarbeit des Schuljahres 1878/79; nur schliesst er neben
Thomas und Gerson auch Gersen von der Autorschaft aus. Er scheint
Loth 's Ansicht bezüglich eines Devotus zu theilen und schliesst seine Ab-
handlung mit den Worten: Quis — emiserit auctor grammatici certant et
adhuc sub iudice lis est. *) An die von Victor Le Giere aufgestellte Hypothese,
dass nämlich die Imitatio ein Werk aus verschiedenen Händen und ver-
schiedenen Zeiten sei, erinnern auch die Artikel in den Laacher Stimmen,
nach denen die Imitatio eine Zusammenfassung von Kloster-Sprüchen, von
Meditationen und frommen Betrachtungen wäre, die bald in dem einen, bald in
einem anderen Kloster eine Bereicherung erfahren hätten und schliesslich
von Thomas zu einem Ganzen verbunden worden seien. Nachdem aber für
diese Hypothese nicht einmal ein Wahrscheinlichkeitsbeweis gebracht wurde,
so kann man sie billigerweise unberührt lassen.
Während die Verteidiger Gersons und Thomas im letzten Jahrzehnt
sich auf eine sehr geringe Anzal reduciren und entweder ausschliesslich
Frankreich oder Deutschland und Belgien angehören, machten sich in Frank-
reich, Deutschland und England ebenso wie in Italien zalreiche und ge-
wichtige Stimmen zu Gunsten Gersens geltend. Hiezu können wir noch
jene rechnen, die nicht direkt für Gersen sprachen, aber doch Gerson und
Thomas von der Autorschaft entschieden ausschlössen, wie Schwalb und
Arthur Loth. Unter den Franzosen trat Ahh6 Ducis gegen Loth*s Vermu-
tung auf, dass ein Devotus aus der Zeit Gerard Groot*s die Imitatio verfasst
haben könne, indem er nachwies, dass mehrere Manuscripte älter seien, als
der von Groot gegründete Orden der Fraterherren ; andererseits pflichtete
aber D. Loth's Ausführungen gegen Gerson und Thomas bei. In Deutschland
hat Grisar in der Innsbrucker theologischen Quartalschrift (1877. 3. Heft.
*) So sagt er, nachdem er kurz den Streit berührt hat S. 4: »Zwei Gründe stehen
(der Alltorschaft des Thomas nämlich), wie mich dünkt, gewaltig entgegen :
a) Der Gegensatz zwischen der geschichtlich wol bezeugten schwärmerischen Mario-
latrie des wirklichen Thomas a Kempis und dem Fehlen aller Mariolatrie bei dem Verfasser
der Nachfolge Christi;
b) ein in der Nationalbibliothek zu Paris befindliches Manuscript von der Nachfolge
Christi, der sogenannte Codex de Advocatis, von dem sich aus gewichtigen Gründen nach-
weisen lässt, dass ein picmontesischer Edelmann, Joseph de Advokatis, ihn von seinen Eltern
geerbt und am 15. Februar 1340, also 31 Jahre vor der Geburt des Thomas k Kempis,
einem geliebten Bruder geschenkt hat.«
*) Programm des Gymnasiums zu Recklingshausen. Schuljahr 1878/79 von Dr.
Hölscher. S. 20.
S. 481 ff] eine kritische Abhanrtliing ttlier die Existenz des Alites von
Vercelli geliefert, an dessen Autorschaft er festhält «ml dessen Sache er als
gewonnen betrachtet. Besonders aber ist es Italien, das Land, wo Gersen
lebte, wirkte und schrieb, das dem lange seiner Rechte beraubten Abte die
grössten Sympathien entgegenbrachte, die auch in dem 1874 ihm zu Ehren
errichteten Monumente Ausdruck fanden. Es erschienen da in rascher Folge
mehrere Schriften, unter denen die Werke Canefti's hervorragen. Es muss
uns daher um so auffallender erscheinen, wenn man selbst in unseren Tagen
von Gersen, wie von einer erdichteten Person, die nur in den Köpfen einiger
hyperitalienischen Patrioten spuke, spricht, da doch die denkbar sichersten
historischen Zeugnisse das Gegentheil beweisen. Man lese nur Canetti's
Schriften, und man wird den Gersenisten nicht mehr Aberglauben, Ueber-
treibung und ähnliche Dinge vorwerfen, Nuch reichhaltiger ist die 1879 er-
schienene zweite Auflage derselben Schrift. In französischer Sprache schrieb
für Gersen Blanche!, der von neuem die Verteidigung des Abtes von Vercelli
Gersens. besonders gegen I.ammenais, dessen Ansichten in den Worten Aus-
drtick finden: ȟn ne connait point l'auteurde l'lmitationt und gegen den Ver-
fasser des gersonistisch gehaltenen Cid de ITmitation unternahm. In der um-
fassendsten Weise hat aber Camillo Mella die Frage behandelt in mehreren
Artikeln, die in der Civiltä Cattolica erschienen und wegen ihrer Vortreffllichkeit
in einem Separat- Abdruck ungeheure Verbreitung fanden. Mella fiihrte nur den
positiven Beweis, nämlich, dass Gersen die Imitatio verfasst habe; den nega-
tiven, dass nämlich Gerson und Thomas sie nicht haben verfassen können,
lässt er unberührt, weshalb er auch thomistisch oder gersonistisch geschrie-
liene Abhandlungen nicht weiter berücksichtigt. Darüber schreibt nun
Keppler: >Es erweckt wenig Vertrauen, wenn man bemerkt, wie z. B.
dats Werk Malou's eine grundliche Berücksichtigung, die man ihm schuldig
war. nicht im mindesten erfährt«. ') Wenn aber die Imitatio vor der Geburt
Thomas und Gersons geschrieben wurde, was selbst deutsche (Jelehrte be-
weisen (Theiner, Schmeller, Dr. Ständer, Keiffenberg; die l'hilologen: Thi-
bald, Ludwig von Sinner etc.) und was eben auch Mella neuerdings gründlich
durchgeführt hat, so wäre es ihm doch unnütze Mühe gewesen, alles das, was
für Gerson und Thomas geschrieben wurde, zu wiilcrlegen.
Die Frage nach dem Verfasser des nach der heiligen Schrift crhaben.sten
Buches hat durch drei Jahrhunderte hindurch so. Viele edle Geister, die gelehr-
testen Männer beschäftigt, drei religiöse Orden in Mitleidenschaft gezogen
und drei Nationen in den Kampf eintreten lassen; selbst Staat und Kirche
wurden um Entscheidung in dieser Frage angerufen. Die absurdesten Ideen
und die geistreichsten Abhandlungen ; tiefe Studien und leichlh ingeworfene
') Kcpplrr, S. 57.
146
Behaui)tungen; Bosheit, Streitsucht, Verleumdung, Hass und Neid sowie
Liebe zur Wahrheit und zum Frieden; Leidenschaft und Mässigung wech-
seln in rascher Folge. Doch der Kampf hat ausgelobt, die Wahrheit den
Sieg errungen. Schon über ein Jahrhundert lang sind die Orden einig. Zu
Beginn unseres Jahrhundertes schien es dann , als ob aus der Verfasserfrage
eine National-Angelegenheit sich bilden sollte. Doch auch diese Periode ist
vorbei. Franzosen (Gregory, Nolhac, Rohrbacher, Duchatelet, Abbt§, Ducis, *)
Deutsche (Weigl, Neugebauer (im Serapeum) und Grisar (in der Innsbrucker
theologischen Quartalschrift), Engländer (in der Zeitschrift The Tablet) wett-
eifern mit den Bewohnern Italiens in Lobpreisung des Verfassers des gol-
denen Buches, der kein anderer ist als Giovanni Gersen.
B. DER BEWEIS DES GERSEN.
»ie Geschichte des Streites hat eine stattliche Reihe schwer wiegender
Auktoritäten vorgeführt, welche für Gersens Sache eingetreten sind.
Dass diese Verfechter der Rechte des Vercellenser Abtes nicht so leicht-
sinnig und ohne genügende Gründe aufgetreten sind, sondern dass sie
die Macht zwingender Beweise mit sich hatten , dass soll der folgende
Abschnitt zeigen. Die Gründe für Gersen zerfallen wir in äussere und
innere; die ersteren bilden Manuskripte, Drucke, Citirungen und Zeugen. Der
Beweis aus inneren Gründen beschliesst sich in dem, dass die vier Bücher
der Nachfolge Christi nach der selbsteigencn Aussage derselben Italien als
Vaterland, das 13. Jahrhundert als Geburtsjahr und einen Benediktinermönch
als Vater fordern. Bezeichnen die äusseren Gründe direkt Gersen als Ver-
fasser, so möchte man den Beweis aus inneren Gründen mehr indirekt nennen ;
die ersteren zeigen uns den Gersen als Verfasser der Imitatio, die letzteren
anerkennen ihn und bestätigen diese Angabe vollinhaltlich.
I. ÄUSSERE GRÜNDE.
Manuskripte.
|as erste und vorzüglichste sowie das untrüglichste Beweismaterial in
unserer Frage sind und bleiben die Manuskripte;*) denn es ist ja ein
literar-historischer Streit, und immer wird man Zeugen gegen Zeugeni
*) Ahh6 Ducis sagt selbst pag. VI. »Nous n'avons aucun int^et de caste ni de
clochcs dans cette question. Aussi oavons-nous cherchö que la veritö et nous l'avons affirniee
avec l'assurance que donne üne conviction raisonnee.«
•) »Itaque eo deucnit res, schreibt der unsterbliche Mabillon , Animadv pag. 22, ut
summum causae periculum ex codicibus scriptis pendeat.« Ebenso äussern sich neuest Thomassy
(Revue contenip. Tom. IV. p. 305) und Vert, welcher in seiner Schrift: Etüde sur Gerson
p. 1$ iK'merkt : »Los exempiaircs manuscrits du livrc sont la basc principale de certitude.«
|47__
Auktorität gegen Aiiktorität anrufen. ') Wen aber die Codices in bestimmter
und klarer Weise als Auetor nennen, der ist der Verfasser und kein
anderer. Darum wurden denn auch von den streitenden Parteien alle
Bibliothekswinkel durchstöbert und alle Codices m. s. der Imitatio her-
vorgezogen, so dass wol kaum in dieser Beziehung belangreiches Quellen-
material noch unbekannt sein dürfte. Die gefundenen Handschriften nun
sind zum Theile anonym, theils gehen sie in der Angabe des Verfassers
auseinander, und gibt es gersenistische , gersonistische und thomistische
Codices, denen sich selbst noch solche anreihen, welche den heiligen Bern-
hart, Heinrich Kaikar etc. als Verfasser angeben. Es hat daher die Diplomatik
ein reichstes Feld der Arbeit und Thätigkeit gefunden.
Wir lassen nunmehr die Handschriften, diese ältesten ehrwürdigen
2^ugen, selber reden und fügen dann das Resultat aus denselben bei. Aus-
drücklich zeugen für Gersen als Verfasser der Imitatio folgende 22 Hand-
schriften: Codex Aronensis, Parmensis, Bobbiensis, Padolironensis, Romanus,
Slusianus, Allacianus, (Biscianus), Cavensis, Pollinganus, Florentinus I., Venetus,
Schyrensis, Muratorianus I. II., Mabilloneus, Salisburgensfs, Florentinus II.,
Veronensis, Boloniensis, Quelforbitanus, Tubingensis, Petersburg.
I. Cod. Aronensis hat den Namen von Arona am Lago Maggiore,
wo er 1604 gefunden worden ist. Er ist ein membraneus und ist nach der
dritten Gelehrtenconfercnz zu Paris 28. Juli 1687 nicht unter 300 Jahre alt
(non videtur inferior annis trecentis), also mindestens 1387 geschrieben
worden. *) Mabillon (De re diplom. pag. 8.), De Gregory (Histoire. II. pag. 8.),
Gence (De imit. Chr. Paris. 1826 pag. 76) geben Facsimile. Gegenwärtig ist
er in der k. Univ. Bibliothek zu Turin. Gersen wird ausdrücklich an fünf
Stellen als Verfasser genannt.
Incipiunt capitula primi libri abbatis Johannis Gersen.
Incipit tabula libri secundi abbatis Johannis Gesen.
Incipit tabula tertii libri abbatis Johannis Gesen.
Incipiunt capitula quarti libri abbatis Johannis Gessen.
Explicit liber quartus et ultimus abbatis Johannis Gersen.
Dieser Codex bewog den Jesuiten Le Rossignoli nach reifliger Ueber-
Sehr bezeichnend wehrt sich dagegen der Thomist Malou und fertigt die Gegner ab: »C'cst
une erreur« Recherche pag. 1 1 1 .
*) »Oi)eram altercando ludimus. dum unus ait, aher infitiatur.« Delfau , Dissertatio
pro Joann. Gersen. pag. CXX in der von Wolfsgrubcr l>csorgten Ausgabe der Mauriner-
Edition. Wien 1879.
•) Der Codex wurde von Mabillon 1686 nach Paris gebracht zugleich mit dem Parm.
und Bob. Das Urtheil der Gelehrtenconfercnz von 1687 bei (ience (De imit. Paris 1826.)
pag. LXXI. sq. und Gregory (histoire tom. 2. pag. 475 sq.)
I4S
legung, (rem diu perpensani), Gersen als Verfasser des goldenen Buches
anzuerkennen (Possevin. appar. sac. t. I. p. 489). Ueber denselben existirt
auch eine reiche Literatur, welche bei Gence, De im itatione Christi Paris 1826
pag. LXXI por. zu finden ist. Wir heben noch besonders hervor drei dies-
bezügliche Dissertationen von Conte Gianfrancesco Galeani Napione. Fi-
renze 1808; Torino 181 1; in den Memoire dell'Academia delle scienze.
Pisa 18 14; dazu kommt noch ein Brief an cav. Rosmini a. d. J. 1824
(Lettere inedite di 4** uomini illustri del Seculo XVIII Milano. 1836. p. 153.)
II. Cod. Parmensis, m. 12®. trägt den Namen von der Benedictiner-
Abtei S. Johann B. zu Parma. Wie der vorhergehende wurde er auch von
Mabillon 1686 nach Paris gebracht, (her ital. p. 208) nicht wieder zurück-
gestellt und befindet sich gegenwärtig in der M. s. Bibl. zu Paris n. 1558.
Das vierte Buch schliesst: Explicit Über quartus et ultimus sancti Joannis
Gersen de sacramento altaris. Besonders wichtig ist diese Handschrift
wegen der Textvarianten. Facsimile bei Gregory ed. 1833. Tab. V. n. 3.
Auch diese Handschrift schreibt das dritte Gelehrtenconcil dem 14. Jahr-
hundert zu. »Tantae antiquitatis iudicarunt (codd. Parm. et. Bob.) ut res ex
illis confici posset.« Dupin act. erud. anni 1700 p. 100 sq.
III. Cod. Bobbiensis, so genannt, weil er einst dem so berühmten
Kloster Bobbio angehörte, ist nach dem Urtheile der 19 Gelehrten, welche
ihn 1687 untersuchten, »ejusdem aetatis ac temporisc wie die Handschrift
von Arona. Neuere wollen unserer Handschrift ein noch höheres Alter vindi-
ciren. Mabil. Iter it. p. 219 nennt ihn »optimae notae.c Gegenwärtig findet
man dieses m. s. in der Manuskripten-Bibliothek zu Paris n*' "SS- Nach
den drei ersten Büchern findet sich beim vierten folgende Aufschrift:
»Incipit libcr Johannis Gersem cum quanta reverentia et devotione
sacratissimum Dominicum corpus et sanquis sit sumendum.«
IV. Cod. Padolironensis, auch Mantuanus, gehörte einst zu der
im Jahre 1000 gegründeten Benediktiner-Abtei Padolirone bei Mantua. Von
den Maurinern nach Paris gebracht, kam er nicht wieder zurück und findet
sich jetzt in der National-Manuskripten-Bibliothek zu Paris als n. 1556. Be-
schrieben im Instrumentum der Gelehrtenversammlung von 167 1 als decimus,
facsimilirt von Gregory, 1. c. n. 4. Vergl. hierüber I^aunoy Opp. tora. IV.
part. 2. p. 41, dagegen Amort, Ded. crit. p. 89; Inf. p. 175: »Codex
scriptus in papyro, ergo saec. 15.« Doch man schrieb schon im 14. Jahr-
hundert auf Papier. Der Auktor ist zu Anfang und am Schluss genannt.
Incipit liber Johannis Gersen primus de contemptu mundi et imitatione
Christi.
Explicit liber quartus Johannis Gersen de sacramento Eucharistiae.
V. Cod. Rom an US, in der Vaticana n. 1556. papyr. 12®. gehörte
einst dem Kard. Baronius und hat den Titel : Opuscula ss. patrum. (Er gehört
'49
dem i-j, Jahrhundert an. Weigl, Denkschrift S. 37) Seite 67; Ex libria Jo-
annis Gersen in cap. XI non sis in celebrando nimis prolixus aiit festinus.
VI. Cod. SlusianuB, auch Parisieiisis, iz" n. 1558 in der Ms.
Bibliothek zu Paris. Kr wurde von J. Gualterus Baron dl Sluse zu Rom fllr
die Maiirincr angekauft. Vergl. Instrumentum ed. iSyq pag. XXXVI. s<i.,
wo er hei 200 Jahre alt und die folgende Uebcrschrift als acht (primaria
manu apposita, sana et integra) bezeichnet wird:
Incipit de Imiiatione Christi et contemplu omnium uanitatum mundi.
KKplicit über quartus et ultimiis de sacramento Altaris Johaiinis Cersen.
vn. Cod. Allatianus oder Biscianus, benannt von seinem letzten
Eigentümer Leo Allacci, Bibliothekar au der Valicana. Zu den Gelehrten-
congressen nach Paris gebracht blieb er bei den Maurinern zu St. Gcrniain
de Prts, bis die Assemble ihn 4. August 1791 nach Aufhebung der Orden
in die königl. Ms. Bibliothek stellen liess, wo er mit der Auszeichnung ijöo
noch steht. Gregory gibt ein Facsimile tab. V. n. i. Dieser Codex nennt
Gersens Geburlsort und obwol »de canabacot über der Linie beigesetzt ist
und daher von den Gegnern verdächigt worden ist, so ist doch von den
Kennern dieselbe Hand und das gleiche Minium zugestanden worden. Pag. 34z
dieses Miscellaneus wird von Joannes de Tambaco erwähnt , natürlich eine
ganz andere Persönlichkeit, welche mit dem ersten Theile des Codex nichts
zu schaffen hat.
Incipit iractatus Joannis do Canabaco de imitatione Christi et de con-
temptu omnium uanitatum mundi et diuiditur in quatuor libros.
Vni, Cod, Caueusis, nach dem Benediktiner- K.loster Kava bei Neapel so
benannt, kam in die anicianischeBililiuthek zu Rom, und wurde von dadurch
Mabillon nach Paris gebracht. Gregory suchte ihn 1814 vergeblich zu Rom
und Neapel, fand ihn aber zu Paris 1826, wo er in der Bibliothi^que
Nationale steht. No. 13599. ^'^ gehört in den Anfang des 14. Jahrhunderts.
Besonders merkwürdig ist diese Handschrift dadurch, dass sie das Bild des
Gersen en miniature gibt und zwar in folgender Weise. Der Anfang des
ersten Buches »Qui sequituri zeigt eine prachtvolle Initiale, ein Viereck in
Gold, Auf diesem Goldgrunde ist das grosse Q durch zwei ovale Linien dar-
gestellt. Zwischen diesen zwei Linien ist fein eingeschrieben: Joannes Gersen
de Canabaco Abbas S. Steph. Vercell. Ordinis S. Benedicti. damit An. izio.
In der von der iimeren Ovale des Q beschlossenen Fläche ist das Biid
dessen gezeichnet, den die Umschrift angibt, nämlich des Johann Gersen in
dem Gewände eines schwarzen Mönches, wie er in der Hand das Kreuz
trägt. Das letzte Kapitel iles vierten Buches fdilt, und schliesst der ganze Codex
mit der rätselhaften Nachschrift: D. Pelr. II S. XI, deren zwei ersten Worte
den Schreiber Petrus anzuzeigen scheinen, ein als Bücherabschreiber sehr
renomirter Müncli von Cava. Textlich schliesst sich unsere Handschrift dem
Codex de Advocatis an. Mabillon, tab. XV, Amort. pag. 184 und Gregory
geben Specimina, das Bild des schwarzen Mönches hat nur der letzte auf-
genommen. Obige Darstellung ist aus der jüngsten Beschreibung der Hand-
schrift in Paul Guillaume, Professor d'histoire ä l'abbaye de Cava: Elssai
historique sur L'abbaye de Cava. Cava dei Tireni 1877 pag. 195 ff.
IX. Cod. Florentinus I., aufgefunden von dem Benedictiner Virginio
Valsecchi in seinem Kloster zu Florenz. Er trägt die Jahreszal 1464 und
ist merkwürdig wegen der Ueberschrift :
Incipit libellus deuotus et utilis compositus a Johanne Gersen, cancellario
parisiensi, de Imitatione Christi. Fin. Explicit über quartus de sacramento
altaris expletus anno 1464. Cf. Valsecchi und Amort, Deduct. crit. p. 259.
X. Cod. Florentinus II., aus eben demselben Kloster, wie der
Flor. I, trägt auch dieselbe Ueberschrift, ist aber um zwei Jahre jünger. Be-
schrieben hat ihn Montfaucon, in der bibliotheca bibliothecarum.
XI. Cod. Quelforbitanus, Pergamentcodex steht in der Stadtbib-
liothek zu Wolfenbüttel. Jahresangabe fehlt. Ueberschrift:
Capitulum primum compilatum per Johannem Gersen cancellarium
parisiensem.
XII. Cod. Mabilloneus, welchen Mabillon in seinem »iter italicumc
erwähnt und den er als sehr alt bezeichnet. Er nennt überschriftlich aus-
drücklich: Johannes Gersen. Cf. Mella, Della con. pag. 149.
XIII. Cod. Muratorianus I., nach dem berühmten Muratori, der
ihn zu Venedig im Kloster S. Giorgio Maggiore gefunden hat und als sehr
alt (peruetustus) bezeichnet. Antiquit med. aeui uol. III. pag. 980. Mediol. 1738.
Die Handschrift nennt als Verfasser ausdrücklich Joannes Gersen.
XIV. Cod. Muratorianus IL, eine sehr wertvolle Membranhand-
schrift, welche Muratori in eben demselben Kloster fand, wie die frühere.
Sie trägt die Jahreszal 1401. Muratori knüpft an diesen Codex die Betrach-
tung, dass mit demselben alle Gründe und Einreden den Thomisten
und Gersonisten entfallen, l. c. Dissert. 44. Als Verfasser wird ausdrücklich
Johann Gersen angegeben.
XV. Cod. Schyrensis, nach dem Benediktinerkloster Scheyrn, ist
besonders bemerkenswert dadurch, dass der frühere Titel Johann Gersen
ausradirt und durch Thomas a Kempis ersetzt worden ist. Der frühere Name
Gersen ist aber noch kenntlich. Zum Schlüsse des Sammelcodex steht die
Jahreszahl 1467. So Gence, Descript. pag. XXI.
XVI. Cod. Veronensis, auch nach seinem letzten Eigentümer Iä
VallitJre zubenannt, gehörte nach einer eingefügten Note aus dem Jahre 1547
dem Kloster des heiligen Zeno zu Verona, wurde nach Paris geliehen und
_ 151 ^
verblieb dort. Gegenwärtig steht er in der Manuscriptenbibliothek dieser
Stadt n» 468. Der Codex trägt die Aufschrift:
Tractatus de Imitatione Christi et conteniptu uanitatum mundi magistri
Johannis Gersem cancellarii parisiensis.
XVII. Cod. Vcnetus, aus dem Kloster S. Giorgio Maggiore zu
Venedig, verschieden von den beiden muratori'schen Handschriften, wie
Napione in seiner Dissertation von 1825 ausführt. Der Codex datirt aus dem
Jahre 1465 und gibt ausdrücklich den Verfasser an:
Johann. Gersen de Imitatione Christi.
XVIII. Cod. Pollinganus, aus dem Kloster Pollingen in Baiern, ge-
schrieben 1441 in fol. Titelüberschrift :
De Imitatione Christi a Johanne Ges. libri IV.
Vergl. Gregory, De Imitat. Christi ed. Paris 1823 pag. XXXVII und
Mella, Della controv. pag. 151. Amort, der regulirter Chorherr im Stifte
Pollingen war, Inform. pag. 146 und Moral, certitudo, wo tab. II und VII
Facsimiles dieser Handschrift geben.
XIX. Cod. Salisburgensis, Papierhandschrift, dem Benediktiner-
kloster S. Peter in Salzburg gehörig, wurde nach Paris geschickt und findet
sich beschrieben im Instrumentum als cod. septimus. Name des Verfassers
und Schreibers, sowie die Zeit werden angegeben.
De imitatione Christi Joh. Gers.
Explicit liber quartus de Sacramento altaris expletus anno MCCCCLXIV.
XXl Cod. Bononiensis, in der Bibliothek der lateranensischen
Chorherrn zu Bologna vorfindlich mit der Auszeichnung 360, bietet eine
italienische Uebersetzung der Imitatio Christi, welche sich merkwürdiger Weise
fast durchwegs als getreue Version des Cod. de Advocatis erweist. Der Cod.
wurde vielfach untersucht, ist durch sein Alter, man weist ihn dem 14. Jahr-
hundert zu, und die titelhafte Nennung des Auetors besonders merkwürdig.
Incomincia lo libro composto da un sen'o di Dio chiaraato Giovanni
de Gersenis: della vita di Cristo e del dispregio del mondo.
Mella, Della controversia pag. 150.
XXI. Cod. Tubingensis, gehörig dem Wilhelmsstift in Tübingen, ist ein
Papier-Sammelcodex, dessen einzelne Stücke von verschiedenen Händen her-
rühren. Der erste Theil des M. s. enthält vier Nummern, von derselben sehr
schönen Hand geschrieben, auf 68 beiderseits beschriebenen Blättern. Diese
Nummern sind: Alberti magni: Tractatus De ueris viritutibus und Speculum
peccatoris; Opusculum fratris dauid ad juuenem, endlich von pag. 53^ ab
das erste Buch von der Imitatio Christi mit der Ueberschrift : Tractatus
Joannis Gersen abbatis. Fin. pag. 68-^ : Etc. e finis huius tractatus scripti in
concilio Basiliensi Anno domini MCCCCXXXIII. Die nächste Provenienz
_ iSf _
der Handschrift verrät auf Fol. i*dic Aufschrift einer späteren Hand: >Ex
libris S. Martini monasterii Wiblingensis.«
Bemerkenswert finde ich an unserer Handschrift : Das aufgeführte Buch
der Nachfolge kennt die Collectiv-Aufschrift : Admonitones ad spiritualem vitam
utiles, wie sie das Autographon des Thomas Kempen gibt, keineswegs, sondern
es folgt nach der oben angegebenen Aufschrift: Tractatus Joannis Gersen
Abbatis unmittelbar das Kapitelverzeichnis, abweichend von dem vulgären
darin, dass nach dem i. Kapitel gleich die Aufschrift, welche heute das i6.
trägt, folgt u. s. weiter, so dass nach unserem 25. Kapitel erst das zweite
bis zum 15. folgt. In der Textirung der Kapitelüberschriften fallt auf das
2. (16.) c: De humili i^sentire« sui ipsius ; c. 7 (21): De »bonac spe.;
c. 24 (14): De iudicio et poenis »inferni.« Sonst steht auch »si scires bibliam
cordetenusf statt des gewöhnlichen »exterius«, so dass also, selbst wenn die
Hauptüberschrift >Joannis Gersen abbatisc als Zufügsei einer späteren Hand
erwiesen würde, denn doch der Codex eine von den gewöhnlichen sehr ab-
weichende Recension bietet.
XXII. Codex S. Petersburg. Ueber diesen Codex findet sich in
Dudfk's »Historische Forschungen in der kaiserlichen öffentlichen Bibliothek
zu S. Petersburg«*) folgendes: Cod. 66 »Regula sti. Benedicti scripta 1466.
Was diesen Codex wichtig macht, ist der Anhang : De imitatione Christi libri
quatuor, mit der ausdrücklichen Bemerkung, dass der Verfasser Johann Gersen
heisse. Cod. membr. scc. XV, pag. 284 sig. 121.« An diesen Bericht schliesst
Beda Dudfk eine kurze Auslassung über den Autor der Nachfolge, als welcher ihm
Thomas von Kempen feststeht. Leider ist aus dem Berichte nicht abzunehmen,
ob der Cod. der Imitatio auch sicherlich aus dem Jahre 1466 stammt und
ob die Gersen nennende Angabe anfechtbar ist. In den FMäuterungen
Dudfk's ^) ist unrichtig, dass der älteste, bis jetzt bekannte noch vorhandene
Codex mit dem Namen J. Gersen der Salzburger von 1463 sei. Der Cod.
Salzb. ist weder der älteste gers. Codex, noch ist er mehr vorhanden. Auch
hat er nie »Gersen«, sondern nur Gers, geschrieben gehabt. Ebenso ist
ohne Begründung, >dass die kaiserliche Bibliothek in Wien Handschriften aus
dem 14. Jahrhundertc besitzt, welche den Namen Thomas a Kempis tragen.« (I)
Die kaiserliche Bibliothek in Wien besitzt nur eine einzige Handschrift,
welche den Namen Thomas a Kenii)is trägt und diese einzige ist nicht aus
dem 14. sondern aus dem 15. Jahrhundert.^) Deshalb ist denn auch der
*) "Wien 1879. Scparalabdruck aus der Wiener Akademie der Wissenschaften, philos.
histor. Klasse h. XCV. S. 329 ff.
*) 1. c. S. 29. f.
*) Die einzige thomistische Handschrift tler Wiener Hofbibliothek ist der längst be-
kannte cod. Hohcndorüanus. (cod. 1576). Vgl. den Anhang, wo wir eine genaue auf Autopsie
beruhende Beschreibung sämnitlichcr hicheigchörigcr cod. niss. der Wiener Hofbibliothek geben.
Schluss der Dudflc'achen Miitheilung, welcher auch so ohne Folgerichtigkeit
ist, nur noch tim so unberechtigter, ulass demnach ilie Frage über dun
Autor des asketisch eu Tractates bereits als abgelhaii erscheine und für
Thomas von Kempen entschieden sei.»
Alle diese Handschriften sind auf das sorgfältigste und von den
grossteii Auctoritäten untersucht worden, jeder Verdacht einer Fälschung
niusste vor den Namen, welche fUr die Acchtheil und Unversehrtheit dieser
Handschriften einstanden, sowie vor dem Umstände, dass in mehreren Hand-
schriften die Uebcrschrift mehrmal, im Cod. Aronensis allein schon fünfmal
vorkommt, schwinden. Fragen wir um den Namen des Verfassers der Imi-
tatio, so antworten uns klar und bestimmt alle Codices einstimmig Johannes,
fragen wir nach seinem Beinamen, und es verklingen uns alle. Handschriften
mit Ausnahme der des Leone Allacci, Gersen, wollen wir das Vaterland unseres
Auetors, so verweist uns der Cod. AUacianus (Biscianus) auf Canabacum,
erkundigen wir uns um Amt und Würde des Verfassers, so erfahren wir
durch den Cod. Aronensis, >Abbatis«, wo? der Genuensis sagt: Vercellis.
Und, was besonders hervorzuheben ist, unsere Handschriften tragen den
Namen des Auetors der Imilalio an der Stirne und bezeichnen den Verfasser
direct und ohne Umschweife. Was ist deutlicher als: »Incipiunt capitula
libri abbalis Johannis Gersen< oder: lExplicit liber ([uartus et ultimus
abbatis Joannis GersenN Aber nicht nur direct nennen diese Handschriften
den Gersen als Verfasser des goldenen Büchlein's, die meisten derselben
würden auch, wenn sie anonym wären, durch ihr Alter schon gegen Thomas
und Gerson und mithin indirect für Geissen zeugen. Von dem ■Aronensis*
urtheilten die 19 Gelehrten, welche den dritten Gelehrtencimgress in Sachen
der alten Codices hielten, dass der Aronensis .non inferior annis trecentisi
und der Bobbiensis »ejusdem actatis ac le«i|ions« sei. Mithin waren beide
Handschriften schon 1387 geschrieben, wo Thomas gerade 7, Gerson aber
24 Jahre alt waren. Bemerkenswert scheint es auch, dass die meisten Imi-
tat io- Handschriften in Italien und in (chemaligeD) Bencdictinerklosteru sich
befanden'), dass diese gerade die besten Texte darbieten, und dass sie die
ältesten sind. Das Alles weist auf Italien als die Heimat, auf ein Benedic-
tinerklnslcr als Entsteh ungsort unseres unvergleichlichen Werkes hin.
Kassen wir die Hauptmomente des Beweises aus den Handschriften
kurz zusammen, so werden wir konstatiren müssen; Die gersen istischen Co-
dices geben den Verfasser des Buches ganz einfach in Titelform und über-
schriftlich an; sie reichen durch ihr Alter db er Thomas und Gerson hinaus,
und verweisen auf Italien als das Vaterland, wo sie sich bereits finden und
gebraucht werden, ehe man von Thomas und Gerson wusste, ihr Text ist
') Mail vdgIpiLlii; nur die Zui
ildluu); di-t NschfuljjL'-lInniLicIjtirivii im Auliange.
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entschieden reiner und correcter als der vulgäre, den man aus der fehler-
haften Abschrift des Thomas und anderer deutscher Copisten geschöpft.
Vor 1441 wusste Niemand von der Autorschaft des Thomas, welche
erst durch das Autographon antverpiense falsch lieh aufkam.
Die gersonistischen Handschriften verdanken ihre Entstehung dem
fehlerhaften Ablesen für Gersen, oder, was auch von den sonst noch vor-
geschobenen Autoren gilt, der Gewinnsucht der Buchdrucker.
So klar und deutlich aus den angeführten Handschriften sich ergibt,
dass nur Gersen der Verfasser des goldenen Buches von der Nachfolge ist
und kein anderer; so bestätigen die anonymen Manuscripte diese Wahrheit
wenigstens indirect. Diesen indirecten Beweis aus den Codd. anonymoi
gliedern wir zweifach. Erstens reichen viele dieser Handschriften rück-
sichtlich ihrer Entstehung über Thomas und Gerson hinaus, führen also
einen Anachronismus gegen diese beiden Prätendenten herbei, und zweitens
lässt sich hinsichtlich ihrer Verbreitung darthun, dass die Imitatio in Ober-
deutschland in Benediktinerklöstem zumal früher gekannt war, als sie in
Niedcrdeutschland besonders durch die eifrigen Bemühungen und die Ab-
schriften der Brüder vom gemeinsamen Leben verbreitet wurde. Wir wollen
hier von den schon längst bekannten Codices absehen, welche Mabillon,
Sirmond, Du Gange dem 14. Jahrhundert zuweisen, wollen auch übergehen
jene Handschriften', die ausdrücklich 141 o, 1417, 1421 etc. als ihre Ent-
stehungszeit angeben, wo wenigstens Thomas die Imitatio noch nicht ge-
schrieben haben konnte, und wollen nur ausführlicher berichten von dem
berühmten Codex de Advocatis, weil er unter allen Codices unseres Werkes
der älteste sein dürfte und erst in neuerer Zeit aufgefunden worden ist.
G. V. Gregory, Ritter der Ehrenlegion, Mitglied mehrerer gelehrter Academien,
fand nämlich am 4. August 1830 bei Techener in Paris einen Codex m. s.
der Imitatio, welchen er aus unwiderleglichen Gründen dem »dreizehntenc Jahr-
hunderte zuwies *). Eine Unzal von Gelehrten , die ersten Auctoritäten
Frankreichs, Italiens und Deutschlands, welche die Handschrift untersuchten,
wiesen sie dem 13. oder dem Anfang des 14. Jahrhunderts zu*). Weil die
*) Die Gründe sind zusammengestellt in der Histoire de livre de l'imit. de J^u Christ,
wo Chev. G. de Gregory durch den grössten Theil des 2. Bd. (pag. 223 — 437) über unscm
Codex de Advokatis handelt, die Urtheile der Paleographen und Academien über denselben
mitthcilt etc. etc. Die Angriffe besonders von Gence dienten nur dazu, um diese wertvollste
Handschrift nach allen Seiten und in jeder Richtung zu untersuchen und um so sorgfKltiger
untersuchen zu lassen.
•) Wir führen folgende Namen an: Charles Kodier, Marcel, Augustin Theiner,
Ferdinand Hauthal, De Fortia, Buchon, Gazzera, Datta, Lombardi, Parenti, D. Celesüno
Cauedoni, Artaud, Baron Reiffenbcrg, Molini, Gironi, Dübncr. Ihre Zeugnisse bei Gregory,
histoire 1. 2. pag. 269—81.
Handschrift nach Aufzeichnungen, welche sich auf der Innenseite der Holz-
decke fanden, einslmalen einem Hieronymus de Advocatis gehorte, so er-
hielt sie den Namen Cod. de Advocatis. Gregory edirte auch alsobald die
Imilatio aus dieser Handschrift'). Dass nnan sich nicht geirrt, indem man
diese Handschrift dem 13. Jahrhunderte zuschrieb, sollte bald in anerkann-
tester Weise bestätigt werden. Das Geschlecht de Advocatis, ital. Avogadro
war ein italienisches, näher vercellensisches Geschlecht und dem Gregory,
der eine Istoria della Vercellese letteratura ed arti *} geschrieben hatte , be-
reits bekannt'). Er forschte denn überall nach Aufzeichnungen von und
Über das Geschlecht de Avogadro, fand wirklich um 1527 einen Hieronymus
de Advocatis, der sich als Eigcnthümer des Buches angibt, und was der
folgenreichste Fund in unserer Frage ist, er fand im Familienarchiv der
Grafen Avogadro de Valdengo ein uraltes Diarium oder Familientagebuch,
welches von 1345 — '3So reicht, und in welchem unter anderem aus dem
Jahre 1349 unterm ii. Febr. die Geburt eines Kindes, unterm iz. Febr.
Regen und endlich unterm 15. Febr. folgendes erzählt wird: >ista Die
Dominica mensis F'ebruarji post divisionem factam cum fratre meo Vinccntio
tjui Ceridonji abitat in signum fralerni amoris quod hoc temporalibus tantum
impulsus negotis feci dono ili preciosum Codicem de Imitatione Xq ti quod hoc
ab agnatibus meis longa manu teneo nam nonulli antenates mei hujus jam
recondarunl.i Gregory bringt das Facsimile dieses Diarium mit zalreichen
Attesten und Beweismitteln bei,*) Wenn nun Josef de Advocatis, der dieses
Diarium geschrieben hat, schon 134g seinem Bruder Vincenz das kostbare
Manuscript de Imitatione Christi zum Zeichen bruderlicher Liebe schenkt
und noch dazu setzt, dass er es von seinen Vorfahren »longa manut ererbt
habe, so sollte doch ein solches Zeugnis auch für einen Thoraisten oder
Gcrsonisten beweisend sein. Gregory schliesst darum diese Mittheilungen
mit Recht: Gersoniani igitur Kempensesquc omnes valete! In dieses Wort
stimmten auch alle vorurtheilsfreien Gelehrten ein, von welchen wir nur
anführen wollen die Ausführungen eines Deutschen, Friedr. Dübner, welcher
bei Besprechung der Im itatio- Ausgabe, die Gregory aus dem Cod. de Advo-
catis veranstaJtet hat, unter Anderem sich folge ndennassen äussert"): »Es
') De Imilalione Christi . . . lib. IV. Code» ile Advokalis saec. Xlll. cum nolis
et variis leclionibus ed. Equ. G. de Gregory. Paris 1830. editio secunda 1833.
') Turin, 1819. 1S20. iSai. 1824. IV lom. in 4".
») Cf. Istor. ddla Vercel. lom. 1. pag. 164. 383.
*) Hisloire. tum. 2. pag. 239; De ImiLilione Chribti. pag. VII. ed. all.
') Neue JnhibUcher Tur Philologie und PSdiLgogik , herausgeben von IJr. CoUfc,
Seebode, Joh. Cht. Jahn und Reinh. Kloti. 10 Bd, 1. Heft I^ipiig 1834. Seile 41. Vgl.
dam die inicressanten Arlikel im Joural de Florcncc : De In conlruvcrse Ccr».-iiiennc.
39. Juli 1875. [.
iS6
ist also sonnenklar, dass das Buch nicht verfasst sein kann von einem Manne,
der erst anno 1363 geboren worden (Gereon), noch weniger von Thomas
von Kempis, der 1380 das Licht der Welt erblickte. t Die Einwendungen
der Gegner sind ohne Berechtigung und bestätigen leider nur zu genau,
was Geheimrath Neigebauer über einen einzelnen derselben, Malou, schreibt:
» Dagegen, so äussert sich Neigebauer, ist der Professor der Bibliothek der
Universität zu Löwen, der jetzige gelehrte Bischof G. B. Malou in seinem
Werke Recherches mit der Behauptung aufgetreten : Das Tagebuch des Codex
de Advocatis mit der Jahreszal 1349 sei ein blosser Wisch Papier (cifFon),
welcher weder innere noch äussere Charaktere der Gewissheit an sich trage
und hat sich mit aller Leichtfertigkeit über alle die Urtheile derer weg-
gesetzt, welche die Aechtheit dieses Schriftstücks bekundet haben, um die
Ehre des Thomas von Kempen wieder herzustellen.« *) Die Thomisten
berufen sich dagegen auf das Urtheil einer Winkelkommission zu Mailand,
welche 1726 den Codex untersucht und herausgefunden hat »cod. illum
ante anne 1400 scriptum non esse«. Amort, Polycrat. exauct. p. 21.
Diese Conferenz zälte drei Mitglieder, deren Namen übrigens nicht be-
kannt gegeben worden sind.
Wie diese Handschriften cles Originaltextes durch ihr Alter indirect
gegen Thomas, Gereon und alle anderen vorgeschobenen Verfasser der Imi-
tatio sprechen, so führen auch die ältesten deutschen Handschriften einen
Anachronismus gegen Thomas hervor. *) Die gelehrte Maatschappij voor
nederl. Ictterkunde te Leiden besitzt einen prachtvollen gothisch geschriebenen
Pergamentcodex, 339, welcher die vier Bücher der Nachfolge und andere aske-
tische Traktate enthält. Welcher Zeit diese Handschrift angehört, erfahren
wir aus einem dem Heftblatte angeklebten Zettel, beschrieben von dem
einstmaligen Besitzer P. van der Mersch i. J. 1678, des Inhaltes: »O hey-
ligen en zaligen Eenvoudigheit! Dit is een bysonder wijs en godtvrugtigh
boeck: gcschreven omtrent het jaer 1428 ofi43o. Ick denk naest, dat
hetvroegergeschrevenis«! Der wolverständige Urheber dieser Notiz vereetzt
also die Entstehung dieses Codex vor 1428, was auch ein der Innenseite
des Einbandes eingeklebter gedruckter Zettel unserer Zeit bestätigt, der be-
sagt, die Handschrift stamme »ujt hct legin d XV ewe.« Dieser Handschrift
gegenüber haben wir die Urschrift, deren Abschrift uns im Codex m. s. 322
der Bibliothek des Benedictiner-Stiftes Schotten vorliegt^), als noch älter er-
*) Scrapeum, herausgegeben von Rol)€rt Naumann. 1857. Seite 179.
*) Vgl. hierül>cr Vander navulginge Cristi. Sex boccke. Aus dem Codex m. s.
der Bibliothek des Kenediktinerstiftes Schotten zugleich mit einem vijften bocck van ijui
sequitur nach der Handschrift der Maatschappij van nederl. Ictterkunde zu leiden. Wien.
Gerold 1879, wo wir über diese Materie ausführlicher abgehandelt haben.
'"') Vander navolginge Cristi pag. XVII. sq.
^57
wiesen. Was werden wir aus diesen Thatsachen für einen Schluss ziehen
müssen. Offenbar denselben, welchen schon vor uns Van Vree gemacht
hat. Dieser Van Vree, Präsident des Priesterseminars zu Warmond, später
Bischof von Haarlem, hat nämlich in einem alten Cod., welcher verschie-
dene Traktate asketischen Inhaltes fasste, das lo. und 13. Capitel des
vierten Buches von einer alten niederdeutschen Nachfolge gefunden und
veröffentlicht. ') Er sah ein , dass aus chronologischen Gründen diese beiden
Capitel unmöglich die Uebersetzung eines Originals sein können, welches
Thomas zum Verfasser hat, wollte aber doch aus naheliegenden Gründen
die Abfassung der Imitatio durch Thomas um jeden Preis sichern und stellte
darum die Hypothese auf, Thomas habe ein niederdeutsches Original mit
einigen Veränderungen in's Lateinische übertragen. Wir haben schon anderen
Ortes •) die absolute Grundlosigkeit dieser Annahme erwiesen , und da wir
auch die Abfassung durch Thomas nicht um den Preis der Wahrheit er-
kaufen wollen, so gestehen wir, dass sich aus dem eben Abgehandelten er-
gibt: Thomas a Kempis konnte der Zeit nach wol kaum den Cod. Maatsch.,
unmöglich den Cod. Scotensis, und schon gar nicht die lateinische Urschrift
verfasst haben, deren Uebersetzung die angezeigten Codices enthalten. Wie
sehr musste das lateinische Original bekannt, geliebt, gelobt, betrachtet
worden sein, bevor sich ein Bedürfnis nach einer Uebersetzung einstellte,
und ehe dieser Wunsch erfüllt wurde.
Drucke.
|s ist eine allgemein verbreitete und geglaubte Ansicht, dass die
Drucke mit verschwindenden Ausnahmen für Thomas von Kempen
zeugen und dass, was Drucke anbelangt, für den Subprior von Zwoll eine
Art von einem Recht der Thatsache existire^). Wie unrichtig diese Ansicht
sei, lässt sich ziffermässig erweisen. Da Thomas, der mit .solcher Hart-
näckigkeit gegen die Wahrheit präsumirte Verfasser der Imitatio, 147 1 ge-
storben ist, so müssen und dürfen wir wol erwarten, dass die Inkunabeln
bis 1500 einstimmig Thomas als Verfasser vorgedruckt haben, denn damals
haben ja die bösen Gersenisten den unschuldigen Thomas noch nicht ange-
fallen , ihn seines schönsten Schmuckes zu berauben. Wie gross wird aber
unsere Verwunderung, da die unerbittlich strenge und conscciuente Logik
*) Der Katholik. Septemberheft 185 1. fol. 142 — 151.
•) Vander navolginge Crisli. pag. XXXIII. ,
') So Malou, Recherches p. 115: »On peut ilire, que les ^diteurs du livrc de l'Imi-
tation ont constamment reconnu la tradition litterairc qui attribunit Tlmitation a Thomas h.
Kempis, et que cette tradition etait cncore intacte au commencement du XVIeme si^cle. La
preuve tiree des editions est donc tr^s-concluante en faveur de Thomas h Kempis.«
T58
(1er Zalen uns folgendes Resultat zu beherzigen liefert. Bis zum Jahre 1500,
also in den 29 Jahren unmittelbar nach dem Tode des Thomas, erschienen
im Cianzen 54 Ausgaben des unvergleichlichen Büchleins im Originaltexte;
davon tragen 28 den Namen des Gerson, 3 den des hl. Bernhard an der
Stirne, 9 erschienen anonym, eine unter dem Namen des Johann Malleolus
und nur 13 wurden unter der t'irma des Thomas a Kempis *) veröffent-
licht. Was folgt aus diesen Zalen? Dass die Thomisten gut thun würden,
sich auf die Drucke nichts zu gute zu thun. Die Frage um den Urheber
entspinnt und verwirrt sich , so zu sagen , unter den Augen des Thomas.
Wenn der Kempenser wirklich der Verfasser war, warum rührten sich seine
Ordens- ja Zellengenossen nicht, warum requirirten sie das goldene Buch
nicht als Eigenthum ihres geliebten, eben verstorbenen Subprior*s, warum
Hessen sie sich die Gelegenheit entgehen, ja warum versäumten sie die heilige
Pflicht, ihrer Congregation, die ja durch ihre Frömmigkeit und Tugend
ohnehin in der ganzen Umgegend Wolgeruch verbreitete, dieses Gefass voll
kostbaren Nardenöls zurückzufordern? Warum endlich liessen sich die
Brüder nicht herbei zu einer sachlichen Richtigstellung, dass mit nichten
Johannes Malleolus, wie es die Strassburger-Ausgabe vom Jahre 1481 angab,
sondern vielmehr sein Bruder Thomas der wahre Verfasser sei. Der Druck-
ort dieser Ausgaben lag doch nicht so unendlich ferne, und mussten auch
die Ausgaben, welche zu Löwen (i486), zu Antverpen (i486 od. 87) u. s. w.
unter dem Namen des Gerson erschienen waren, den Brüdern des Thomas
alsobald notorisch geworden sein. Aber kein Sterbenswörtlein von einem
Reclaniircn oder Indigniren über erfahrenes Unrecht; die Kanoniker von
Zwoll schweigen still. Betrachten wir ferner die Druckorte und die Druck-
zeit, so muss uns auffallen, dass von den 13 thomistischen Drucken nur
zwei Drucke ausser Deutschland, nämlich in Frankreich zu Lyon (1489) und
Paris (1500) und zwar von Deutschen sind veranstaltet worden. Alle anderen
thomistischen Drucke sind auf deutschem Boden entstanden, und zwar aus-
schliesslich der s. g. editio princeps, welche sicher vor 1478 gedruckt
worden ist*), von 1480 ab. Dem gegenüber ist Gerson mit mehr als
*) Siehe Backer, Essai bibliographique sur le livre de imit. Chr. Li^ge 1864. pag. i — 8.
Und Backer ist Thomist ! Uebrigens stimmen die Thomisten hier nicht ganz überein , indem
beispielsweise Amort (Inform, contr. pag. 198.) zwischen der Augsburger von 1472 und der
Nürnberger von 1494 zwölf thomistische Ausgaben im Originaltexte und in den Uebersetzungen
rechnet, während Panzer Annal. typ. I. 133; V. 275 ausser der Augsburger sine anno nur
sieben von der Strassburger 1489 bis zur Pariser 1493 angibt.
*) Das Alter der sogen, editio princeps »per Gintheum zainer ex Reutlingen« ist
nicht genugsam bezeugt. Wenn Malou 1. c. p. 113 l>ehauptet: »I^ plus ancienne de toutes
est Celle que Ginther Zaincr, iniprimeur a Augsbourg fit en 1468 in Fol. Elle ne port point
de date, mais Ics bibliographes sont parvenus par la comparaison des caracl^res h la fixer h,
'59
dem doppelten Conlmgente an Inkunabeln im Originaltexte vertreten in der
Weise, dass auf Italien gerade so viele Ausgaben kommen als auf Frank-
reich, und auch Deutschland stark mit/ält'). Die älteste gerson ist i sehe Aus-
gabe mit Angabe der Jahreszal ist vom Jahre 1474.*) Es tritt also Gerson
an Ausgaben tibermächtig dem Thomas gegenüber, und man war weder in
Frankreich noch in Italien noch in Deutschland von der Autorschaft des
Thomas überzeugt. Wäre ja das Zeugnis tlcs Johann von Busch , von wel-
chem wir noch hamleln werden, acht, er oder seine Brüder hätten gegen
die Gersonisten protestiren müssen; denn Joh. Buschius starb c. 1479, und
musste ihm also ilie 1474 U\ Löwen herausgegebene gerson is tische Ausgabe
bekannt geworden sein. Musste nicht ferner, da vom Jahre 1480 die
Druckausgaben unter dem Namen Gerson's in Frankreich, Italien, Deutsch-
land, sich so sehr mehrten, einer aus der Brüderschaft des gemeinsamen
I-ebens oder einer der mit diesen verbundenen Chorherm eine authentische
Ausgabe veranstalten , mit der bestimmten Erklärung, diese Ausgabe sei
vom Kloster Zwoll, wo Thomas das unvergleichliche Werk geschrieben,
selbst veranstaltet worden, kein anderer als Thomas sei der Verfasser. Dass
die Brüder des Thomas die Gersonisten und die Verfechter der Rechte
Betnhard's ruhig gewähren liessen , keine officielle Erklärung abgaben und
keine sogeartete Ausgabe veranstalteten, obwol die Congregation in dieser
Zeit Schriftsteller imter den ihrigen zälte, das scheint mir ein recht starker
Beweis gegen die Thomisten, Die Brüder haben eben kein Theil an der
ganzen Sache, Unkritische Buchdrucker haben , gelauscht durch das ant-
werpener Atitographon, in welchem sich Thomas als Schreiber unterzeichnet,
ihn gleich für den Verfasser gehalten und als solchen auch angegeben.
War einmal eine Ausgabe mit dieser irrtümlichen Angabe vorhanden, so ver-
vielfältigte sich der Irrtum schnell, weil gar bald landsmannschafUiches In-
teresse dazu kam, wie wir das io der Zeit der Inkunabeln leicht nachweisen
l^nnje que j'indique,« so uiuss man jedtiifalls be" iindcm , wie die Thomisten aus dem
Scfariftcharakln das Jahr su ganz bestiniinl liticcn können. El>ert n. 104S2 , Backer 1. c,
wollen diese Arsgabe jedenfalls vor 147S nnselien , weil Gunlh, Zainer in diesem Jahre ge-
sCortien sei, obwnl Zapf nach dem Todtenbuche des BuiheimeT Klosters zu berichten weiss,
dass Zainer G. prScisc i. Oktol>et 147S gesturben sei, (unnot. typ. August. Vrnd, 1778.
pag .XVllI.) was nnlUrüch wieder diese vielgerühmie Ersllingsausgabc um einige Jnhre junger
crechcinen ticsse. Wie dem immer sei, genugsam beieugte und datirtc thomisttsche Druck-
ausgaben mehren sich erst niil dem vorletzten Uecenoiutn des r5. Jahrb. Sieben Ausgaben
haben wir vom Jahre 80 — 90 ; drei im letzten Johrzente.
'} Kiankreich und llalien ist rerlrelen mit 1 1 Ausgaben , Deutschland mit 5 , zwei
g^ben den Drucknil nicht an.
') ■Inciptl Über Magislri Joannis Gerson, Cancellaiii parisicnsi* de Imitalione Christi,
Lovaniensis, Joannes de Wtstphalia, 1474. 4". Monfalcon. Edil. polyglotle. P.iris 1841.
p. XUII.
i6o
können, indem der geschäftige für Thomas begeisterte Deutsche Radius eine
thomistische Ausgabe in Paris veranstaltete, sowie früher schon der Deutsche
Trcchsel eine solche in Lyon hatte drucken lassen. Aber auch Gerson
konnte aus inneren und äusseren Gründen nicht der Verfasser sein. Die
Aehnlichkeit des Styles und der Ideen hatte veranlasst, die Nachfolge dein
hl. Bernhard zu vindiciren. Und so erschienen drei Ausgaben *) nach ein-
ander unter dem Titel des hl. Bernhard, welche die ausdrückliche Erkläning
abgeben: »Opus beati Bernardi, saluberrimum de imitatione Christi, quod
Johanni Gerson canc. Paris, tribuitur.« Das richtige hat eben nur jener
verccllensische Buchdrucker J. B. Scssa getroffen, welcher seiner in Venedig
1501 erschienen Ausgabe die Bemerkung beifügte: Hunc librum non com-
pilavit Joannes Gerson, sed Dominus Joannes ... Abbas Vercell.... ut habetur
usque hodie propria manu scriptum in eadem Abbatia. Die Schlussbemer-
kung lehrt uns, dass Sessa hier das Resultat vorausgegangener genauer Un-
tersuchung niederschrieb *). So wie es zalreiche Inkunabeln der Imitatio in
der Originalsi)rache gibt, so treffen wir auch nicht weniger Wiegendrucke
derselben in verschiedenen lebenden Sprachen an. *) Sie schliessen sich be-
treffs des Auetors im Allgemeinen den Originaltexten an. Nur ist ein zwei-
faches auffallend. Wir besitzen eine uralte italienische Uebersetzung , die
lombardische, welche in der Provinz unseres Gersen gefertigt worden ist,
sich als eine getreue Uebersetzung des Codex de Advocatis erweist und die
allen folgenden italienischen Uebersetzungen als Substrat gedient hat.*) Den
richtigen Schluss aus dieser Edition lehrt uns folgende Uebersetzung: »Inco-
mincia lo libro composto da un servo di Dio nominato Jovanni De Ger-
sen is de la vita di Cristo e dispregio di tutte le vanitä del mundo, f Nach
dem einstimmigen Urtheilc der (lelehrten stammt diese Uebersetzung, welche
*) Brixiac per Jacob. Britanicum 148 1 und 1485; während die älteste weder Jahr noch
Dnickort angibt. Man nimmt dafür das Jahr 1480 an.
*) Constantin Cajetan hat diese Incunabel nach Rom gebracht und seine Aussagen
und Angaben gerichtlich bestätigen lassen. Respons. apol. pro Gers. pag. 95. sq. Dass
die handschriftliche Bemerkung in dieser Incunal>el nicht nach 1580 geschrieben worden sein
kann, beweist der Passus : »ut habetur usque hodie propria manu scriptus in eadem abbatia,«
denn in diesem Jahre wurde das Kloster S. Stefan total zerstört.
*) Siehe Backer 1. c. pag. 34 (die französische); pag. 107 (italienische); pag. 127
(deutsche). Vgl. betreffs der letzteren des Verfassers : »Vander navolginge Cristi. Sex boeke.
Aus dem Codex m. s. des Benediktinerstiftes Schotten zugleich einem vyften boeck van qui
sequitur nach der Handschrift der Maatschappij van nederl. letterkunde. Wien. Druck und
Verlag von K. Gerold's Sohn. 1879.
*) Mella 1. c. pag. 168. Dr. Alex. Torri hat diese alte Uebersetzung dem Original-
texte in Cod. de Advokatis gegenübergestellt in dem Werke: »Della imitazione di Cristo
di Giovanni Gersenio. Anonima tradurione antica correspondente all' originale latino secondo
il codice de Advokatis del sec. XIV. <r Firenze 1855.
i6i
ausdrücklich Gersen als Verfasser nennt, aus dem 15. Jahrhundert^). Das
zweite besonders Bemerkenswerte ist der Umstand, dass sämmtliche deutsche
Uebersetzungen, und wir zälen deren bis zum Jahre 1500 vier in oberdeut-
scher und zwei in niederdeutscher Sprache, anonym sind. Sie geben nicht,
wie man erwarten sollte, Thomas als Verfasser an; und doch stehen sie ihm
zeitlich und örtlich so nahe, doch konnten die üebersetzer und Heraus-
geber sich gehalten fühlen, die überall hervortretende Verwirrung über den
Auetor des goldenen Buches zu beseitigen.
Citirungen.
|ie Spuren der Imitatio lassen sich ganz deutlich bis in das vierzehnte, ja
dreizehnte Jahrhundert verfolgen. Wir finden bei Schriftstellern dieser
Zeit gar manche Stellen, die eine Bekanntschaft mit der Imitatio ver-
raten, mehr oder minder aus derselben geflossen sind, ja ein Schrift-
steller und Kirchenlehrer des 13. Jahrhunderts citirt die Imitatio ausdrücklich.
Es ist das der heilige Bonaventura, dessen ganze siebente Collatio ad fratres
Tolosates eigentlich nur eine Meditation über Imitatio I. c. 25. n. 3. 4. 5.
6. 7. darstellt und zum Schlüsse ausdrücklich das goldene Büchlein citirt.
Diese Collatio beginnt mit den Worten : »Unum est, quod mukös a perfecta
et ferventi emendatione retrahit: horror difficultatis seu labor certaminisc
und sie schliesst, wie folgt: »Qui laxiora quaerit et remissiora semper in
augustiis erit, ut patet in devoto libello de Imitatione Domini
nostri Jesu Christi.« So schrieb Bonaventura, der 89 Jahre vor der
Geburt des Gerson und 105 Jahre, bevor Thomas das Licht der Welt er-
blickte, gestorben ist. Der erste, welchem diese Stelle auffiel und der die
Consequenzen daraus zog, war der Spanier Petrus Manriquez. Nicht so bald
hatte dieser Gelehrte in seiner Schrift: Aparejos para administrar el sacra-
mento de la penitencia *) auf Grund dieses Citates bei Bonaventura dargethan,
dass die Nachfolge nicht später als um die Mitte des 13. Jahrhunderts ge-
schrieben sein könne, als die Thomisten den verzweifelten Schritt wagten,
die acht Collationen für apokryph zu erklären. Dabei beharren die Thomisten
auch heute noch. Aber die Collationen sind noch immer nicht als unter-
schoben erwiesen. Für ihre Authentie zeugen: Der Annalist der i^ranziskaner
Wadding, gewiss in dieser Frage eine competente Persönlichkeit; ^) Bellarmin
in seinem Werke: De script. eccles. ; Possevin in seinem Apparatus, u. a. ;
femer die ältesten und besten Ausgaben der Werke des Bonaventura, welche
*) AI. Toni 1. c. pag. 431. Amoit bringt ein Facsimile bei in seiner Monilis cer-
tUudo pag. 184.
') Mailand 1604.,
*) Vid. De Script. Ord. Minor, pag. 176. col. 2.
II
l62
die Collationen aufführen. ') Wir wollen genauer sehen, welche Stellung der
neueste Herausgeber der Werke Bonaventuras gegen die Collationes ad frat
Tolos. einnimmt.*) Peltier führt tom. 14. pag. 641 die Collationes octo ad
fratres Tolosates nach der Editio Vaticana auf. In dem Examen openim
tom. XIV wird ausgeführt,«) dass sich die Collationen als unbezweifeltes
Werk Bonaventuras finden in der Ed. Argentinensis 1495, ^" ^?"^ ^^* "^' ^•
Mantuanus und in dem Katalog des Marianus. Doch wird ausgeführt, man
könne die siebente Collatio nicht wol dem heiligen Bonaventura zuschreiben.
Warum, weil der devotus libellus de Imitatione Christi darin citirt wird. Die
betreffende Stelle lautet: >/Laudatur in iisdem collationibus devotus libellus
de imitatione D. N. J. C, qui nisi fuerit libellus de imitatione Christi, quem
nostro Bonaventurae adscribit Bernardinus Bustius, sed potius alter venerabilis
Thomae Kepmensis, apud quem recitata in collationibus verba leguntur,
apparet earum scriptor multo rccentior.« Nun, wenn gegen die Aechtheit der
Collationen sonst kein Bedenken vorliegt, so können sie unbedenklich dem
Bonaventura eignen. Was den neuesten Herausgeber in Verlegenheit bringt,
ist in Wahrheit nicht vorhanden. Der Verfasser der Imitatio ist schon 1245
gestorben, mithin konnte Bonaventura dessen Werk namentlich citiren. Einen
Schein von einem Grunde, die Aechtheit der Collationen zu leugnen, bot den
Thomisten der Umstand, dass zu Ende der ersten die Worte sich finden:
Haec Ubertinus, und es unwahrscheinlich sei, dass Bonaventura seinen jün-
geren Zeit- und Ordensgenossen Ubertin citire. Doch der letztere trat 1256
in den Orden, lebte in demselben bis 1274 mit Bonaventura parallel, und
ist es gewiss nicht auffallend, wenn der seraphische Lehrer diesen seinen
Ordensgenossen anführt.^) Auch könnten die Worte: Haec Ubertinus als
Glossema sich in den Text verirrt haben. •'•) Dagegen ändert es an der
Sache nicht das Mindeste, wenn wir jenen unserer Gegner, welche behaupten,
in der siebenten Collation hätten sich die Worte : »Ut habetur in devoto
libello de Im. C.« vom Rande in den Text hineingeschlichen, die Freude
des Zugeständnisses machen. Die siebente Collation meditirt ja doch nur
über das angegebene Capitel aus der Imitatio und gibt mehrere Sätze daraus
wörtlich.
*) Cf. Ed. Argentin. 1475. P^''^- H i Vaticana 1596. tom. VII. pag. 565; Vcnet. 1611.
tom. II. pag. 29. Lugd. 1647. ^^"^ ^^- P-'^ß- 549 i Venet. 1756. tom. XIII. pag. 16.
*) Vid. S. Bonav. Opp. omn. ed. A. C. Peltier. Paris 1868.
») Pag. XXIX. § 28.
*) Siehe Quatremaire. Joaii. Gerscn iterum assertus, wo pag. 10 — 17 dieser Einwurf
grtindlich widerlegt wird.
*) Dieser Ansicht ist Wadding, Annal. ad an. 1299 nura. 4 und De scriptor. ord.
min. p. 76. wo er sich auf die erstere Stelle berufend sagt : »Alias largius probavi , notas
has ex margine in textum irrepsisse.«
i63
Wie der seraphische, so nahm auch der engHsche Lehrer manche
Stellen in seine Werke auf.*) In den angegebenen Stellen ist die Bekanntschaft
gewiss nicht zu verkennen, und es ist nur die Frage zu beantworten, ob nicht
etwa die Imitatio aus Thomas geschöpft habe. Die Unzulässigkeit des Letzteren
erweisen wir aus Mehrerem. Einmal steht fest, dass der heilige Bonaventura
die Imitatio anfuhrt, woher auch das Verhältnis der Imitatio zu Thomas
Aquinas sich von selbst ergibt. Ferner ist es eine tiefe und wahre Bemerkung,
die schon der gelehrte Delfau gemacht hat,*) dass die Späteren die von
ihnen benützten Stellen Früherer mehr ausgestalten, so dass derjenige für
den Urheber einer Sentenz zu halten sei, welcher die Sache mit weniger
Worten gibt, was besonders dann gilt, wenn ein oder das andere sehr wichtige,
besonders passende Argument fehlt. Ein solcher Fall ist der unsere. Thomas,
der Aquinate, hat (man vergleiche die Vesperantiphon und Im. l. 4. c. 13.
§. 2.) die betreffende Stelle der Imitatio copirt und einen sehr passenden
Versikel aus dem Evangelium des heiligen Lukas hinzugefügt. ^) Die Imitatio,
welche so gerne die heilige Schrift in ihre Darstellung verwebt, hätte sich
diese Stelle aus Lukas gewiss nicht entgehen lassen, wäre sie die Spätere.
Der Hauptbeweis aber liegt in Folgendem. Nachdem nämlich der Bischof
von Lüttich bereits 1246 für seine Diöcese das Frohnleichnamsfest eingeführt
hatte, wurde es von dem Papste Urban IV. 1264 für die ganze Kirche ange-
ordnet, und Thomas Aquinas 1465 mit der Abfassung eines Officiums für
dieses Fest betraut. Was war da natürlicher, als dass der gefeierte Theologe
den Tractat: De sacramento Eucharistiae sive de sacra communione eifrig
benützte; weshalb eben das Officium corporis Christi und das vierte Buch
*) Wir wollen hier nur einige Parallelstellen bieten:
Im. 1. IV. c. 13. § 2. Thom. Aquin. Offic. corp. Christi.
O quam suavis est spiritus tuus Dom ine, qui Antiph. ad Magn.
Ut duicedinem tuam in filios denionst rares, pane () quam suavis est. Domine, spiritus tuus,
suavissimo de caelo dcscendente illos rcficere qui ut dulcedinem tuam in filios demonstrares,
dignorisl pane suavissimo de caelo praestito esurientes
rcplens, divitcs dimittis inanes.
1, rV. c. 2. § I. S. Thomae oratio ante s. communionem.
Super bonitate tua et magna misericordia Omnipotens sempiteme Deus, ecce accedo
tna, Domine confisus ego miscr et acger ad ad sacramcntum unigcniti filii tui , domini
Salvatorem; esuriens et sitiens ad fontem nostri Jesu Christi, accedo tamquam infnmus
vilae ; pauper et egenus ad regem cacli ; servus ad medicum vitae , immundus ad fontem mi-
ad Dominum, creatura ad creatorem, desolatus sericordiae, caecus ad lumen claritatis aeternae,
ad meum pium consolatorem. pauper et egenus ad Dominum caeli et terrae.
Vgl. fenier verschiedene andere Parallelslellen, wie sie in unserer Ausgabe der Imitatio
pag* 227, 228, 232, 249, 251, 252, 263 angemerkt sind.
■) Dissertatio pro Joan. Gersen. Pag. LH. (ed. 1879.)
") Cap. I. V. 53.
II»
164
der Nachfolge so viele Berührungspunkte aufweisen. Wäre die Imitatio nach
Thomas Aquinas verfasst worden, so wäre es geradezu unbegreiflich, wie
das vierte Buch, das doch Zeile für Zeile von dem heiligsten Sacraraente
handelt, mit keiner Silbe des Froh nl eich nams festes erwähnt, so wäre uner-
klärlich, wie in keinem Kapitel dieses Buches von der besonderen Veran-
lassung zur Einführung dieses Festes, von der Vision der heiligen Juliana
von Lüttich, dem heiligen Eifer des Papstes Ürban IV, der brennenden
Liebe des Engels der Schule, den grossen Bezeugungen der Freude und
der Liebe Seitens der Gläubigen bei diesem Feste geredet wird. Auch wäre
doch wol vorauszusetzen, dass, wenn der Verfasser der Imitatio im vierten
Buche so oft auf den grossen Aquinaten sich stützt und ihn gebraucht, auch
in den drei ersten Büchern und auch im vierten Anklänge an verschiedene
Schriften des Thomas von Aquin sich fänden. Dasselbe lässt sich aber
umgekehrt von dem grossen Thomas nicht notwendig voraussetzen, weil er
eben nur das Buch vom Altarssakramentc für sein Officiun fruchtbar be-
nützen konnte, seine Vorlage auch nur vier kleine Bücher bot, während
dem Verfasser der Imitatio, wenn er nach Thomas gelebt hätte, dessen
überreiche und unerschöpfliche Literatur zu Gebote gestanden wäre.
Wir wollen Gerard von Rayneval, der bereits 1384 gestorben ist, und
dessen Buch: De conversatione interna eigentlich nichts anders ist als das
zweite Buch von der Nachfolge Christi, *) sowie den Karthäuser Dionysius
Leewis von Rickel, der in seinem Werke : De fönte lucis et semitis vitae die
Imitatio etwas stark plündert, was er, der Altersgenosse des Kempensers, wol
kaum gewagt hätte, wenn dieser die Nachfolge verfasst hätte, ganz über-
gehen ^) und nur hervorheben, dass man in Dante (fi32o) nicht wenige,
jedenfalls sehr merkwürdige Anklänge an die Imitatio gefunden hat, indem
die Strafen der Trägen, der Unzüchtigen, der Unmässigen, der Geizigen, der
Zornigen und Gcwaltthätigen zum Theile mit den Worten der Imitatio ge-
schildert werden. ^) Da Alighieri etwa zwanzig Jahre nach dem Tode Gersens
geboren worden ist, und in seinem grossen, unsterblichen Werke die christ-
lichen Ideen so verwertet, wird man die Benützung unseres so vorzüglichen
Büchleins nicht auffällig finden können. *)
*) Siehe Biographie universelle von Michaud. Artikel Gerson.
*) Uebtr diese beiden ist Weigl, Denkschrift Seite 65 f. zu vergleichen.
>) Wer Dante's Inferno III. 64-69; VI. 18; VII. 25—30; XXI. 7—16. Purg. X.
115 — 139; XIII. 58—82; XXII. 131 — 132, 136—37 aufmerksam liest, wird finden, dass
da eine weitere Ausführung der Im. 1. I. c. 24. n. 3 gegeben wird und dass die Ilauptzüge
der Schilderung mit der Nachfolge wortgetreu tibereinstimmen.
*) »NuUa di piü facile , che, per un' associazione d'idee naturalissima, alcune sentenze
delV aurco libro gli si siano poctando presentate alla mente , in virlü d'analogie conformit^
di discorso, o d'affetto. U che tanto piü probabilmente pare accaduto di fatto, in quanto
'65
Besonders bemerkenswert und wichtig scheint die Bemerkung, welche
der gelehrte Fürstabt Martin Gerbert vom Schwarzwald in seinem »Iter Ale-
manicumc *) macht. Nachdem er nämlich die Geschichte und die Schätze
des Klosters Wiblingen kurz angegeben, erzält er, dass ein hervorragender
Prälat ihm sein Werk über die damals acute Streitfrage betreffs des Ver-
fassers der Imitatio zur Begutachtung vorgelegt habe. Gerbert habe geant-
wortet, er halte dafür, dass es unter der Würde des äbtlichen Auetors sein
müsse, sich in diesen Streit einzulassen, wo man nur mit Sophismen und
Verleumdung kämpfe. ^) Uebrigens wolle er bemerken, dass Odoricus Ray-
naldus, der Fortsetzer des Baronius, zum Jahre 1333 den Brief des Papstes Jo-
hann XXII. an Philipp VI. von Frankreich in Angelegenheit des Looses der
gerechten Verstorbenen, ob sie gleich nach ihrem Ableben oder erst nach
dem letzten Gerichte zur Anschauung Gottes gelangen, anführe, •) in welch*em
unter anderen folgende Stelle vorkommt: »Et quia, fili dilectissime , forsan
dicitur, quod nos non sumus in theologia magister, audi quid unus
sapiens dicat: Nonquis, inquit, sed quid dicat, intendit«. Diese
Stelle ist um so gewisser aus Im. 1. i. c. 5, n. i, als der Text mit den
älteren Codices *) übereinstimmt, welche nicht »quid dicatur,« sondern »quid
dicatc lesen. Papst Johann XXII. führt also schon 1333 die Nachfolge an,
bezeichnet deren Verfasser mit dem vielsagenden Epitheton: Unus » sapiens c
und scheint vorauszusetzen, dass das citirte Buch und der Weise, der es
verfasst, auch dem Könige bekannt sei. Aus welchem anderen Weisen citirte
Papst Johann diese Stelle?
Solcher Citirungen der Imitatio Seitens alter Auetoren Hessen sich
noch mehrere anführen *) und haben wir die feste Ueberzeugung, dass sich
che le dcttc analogie non senibrano solo di pcnsicro o d'imaginc, ma si ancora di forma e
di locu ziore.« Mella, Della conirov. Gers. pag. 188.
^) Editio scc. typis Sanblasianis 1773. P^S* ^^o*
*) «Ingenuc rcspondi non viderc me , quomodo digiiitatem suam tueri possit , comnii-
tendo sc liü; ubi caviUationibuä et dicteriis lis agitiir. « 1, c.
') Annales ccclesiastici conünuati ab Od. Raynaldo. Colon. Agrip. 1691. tom. XV.
pag. 460. n. 46 und 47. Ebenso Natalis Alexander. Hist. eccles. sacc. XIII et XIV.
Diss. XI. arlic. II.
*•) Nämlich dem Cod. Aron. Cav. Leo. AUat.
*) Z. B. Job. Institore (f 1435) dessen Breviloquium animi cujuslibet reformativum
(Pcz. Bibliot. ascet. antiquo nova. vol. VII. n. 7. Katisb. 1725) eine ganze Stelle aus dem
45. Kapitel des 3. Buches fast wörtlich anführt , wie die folgende Gegenüberstellung zeigt :
Im. 1. III. c. 45. n. 4. Brevil. c. VIII. pag. 213.
O quam prudcntcr praemonuisti , cavcndum Vis nosse , quomodo invidus sit proditiosus
ab hominibus et, quia inimici hominis contra proximum. Ecce doctus sum damno
domestici ejus, nee credendum , si quis quoniam inimici hominisdomcstici ejus,
dixerit: Ecce hie auteccc illic ! Doctus sum Sed utinam ad cautelam majorem et
i66
in Manuscripten des 14. Jahrhunderts, welche ascetica und sermones ent-
halten, noch gar naanche finden werden, je mehr diese Schätze noch werden
gehoben und zugänglich gemacht werden. Diese Anführungen der Nachfolge,
dieses Sprechen mit den Worten der Imitatio, wie wir es bereits im 13. Jahr-
hundert angetroffen haben, ist wol nur ein indirecter Beweis für Gersen, aber
ein stärkster gegen Gerson und Thomas.
Zeugen.
|ie in manche historische Fragen ist auch in unsere Controverse
Licht und Klarheit gebracht worden durch ausgezeichnete Special-
forschungen. Geleitet von dem richtigen Grundsatze: »Lerne vor Allem dein
Vaterland kennen , « haben mehrere und ausgezeichnete Italiener genaue
specialgeschichtliche Forschungsn gemacht über Vercelli, welches eine so
grosse Vergangenheit hat, und über Piemont, Mit der Geschichte von Ver-
celli haben sich insbesondere beschäftigt: Marco Aurelio Cusani, General-
vikar der Diöcese des hl. Eusebius, Amedeo Bellini, Professor an der Uni-
versität zu Turin, Aurelio Corbellini, Erzieher der Prinzen Karl Emanuel's I.,
Canonicus Gian Battista Biccherieri, zubenannt Modena, Durandi, Cav, Casp.
de Gregory, Cav. Carlo Dionisotti, Cav. Vittorio Mandelli, und der Barna-
bit Luigi Bruzza.
Alle diese Historiker kommen in ihren Werken über Vercelli auch auf
das Kloster St. Stefan und dessen Geschichte. Einstimmig berichten sie,
dass es ein Benedictinerkloster gewesen, einstimmig erzälen sie, dass ein Abt
desselben, Gersen, der Verfasser der Imitatio Christi gewesen ist.
Mit den Monografien über Vercelli kommen die Nachrichten der pie-
montesischen Geschichtschreiber älterer und neuerer Zeit vollkommen überein.
Die Liste derselben enthält Namen, die weltbekannt sind. Ihre Reihe er-
öffnet würdig der berühmte Bischof von Saluzzo Agostino della Chiesa. Ihm
reihen sich ebenbürtig an: Andreas Rossotti von Mondovi, Tommaso Mu-
latera von Biella, Denina, Cibrario, Paravia u, s. w. Alle diese Auctoritäten
geben direkt für Gersen als Verfasser der Imitatio Christi Zeugnis, während
damno meo et utinain ad cautelnm non ad insipientiam mihi nee tibi!
majorem et non ad insipicntiam mihi! Cautus esto, ait quidam, serva apud
Cautus esto, ait quidam, cautus csto; te, quod dico; tene sub sccreto, et lege
scrva apud te, quod dico. Et dum silentio. Et, dum ego sileo, et ab-
ego silco et absconditum credo, nee sconditum credo, nee silere potest,
ille silere potcst, quod silendum quod silendum petiit; sed statim me
petiit, sed statim prodit me et se et et sc prodit et abit et saepe plus dicit
ab it. quam fuit.
Vgl. noch Im. 1. 3. c. 46. n. i. 2. und Brevil. ed. cit. pag. 215.
hingegen der Bibliothekar Napoleons I. Charles Denina in zweien seiner
Briefe ^) nur nebenher seine Ueberzeugung für Cersen aussprach und doch
dadurch schon den bekannten Barbier zum Aufgeben seines thomis tischen
Standpunktes vermochte.*) jGersen hat die Imilatio Christi verfasst und
kein anderer." — Dies ist das einstimmige und ausdrückliche, gewiss nicht
zu unterschätzende Zeugnis, welches die Geschichtsschreiber VerceUi's und
des Piemontesischen in unserer Krage abgaben. Und hierin stehen diese
Aiictoriläten keineswegs allein. Wir wollen aus der grossen, fast unilberseh-
bareo Menge von Zeugen und Zeugnissen für Gersen und seine Sache nur
noch einige der wichtigeren vorfuhren. Dahin zälen wir vor allen anderen
Bellarinin und Possevin.
Der gelehrte Kardinal Bellarmin hat in seinem vielgebrauchten Werke
»De scriptoribus ecclesiasticist offen für Gersen sich ausgesprochen. Aber
es ist sein Zeugnis Gegenstand einer lebhaften Debatte geworden und will
daher näher betrachtet sein. Die Sache kam so. Nicht so bald halte der
Jesuit Julius Negroni in Aroiia den berühmt gewordenen Codex Aronensis
entdeckt und seinen Ordensbrüdern Bernhard Rossignoli, Anton Possevin
und Robert Bellarmin Mittheilung davon gemacht, als auch die letztgenannten
vollkommen sich überzeugten, dass der Codex aus dem 13. Jahrhunderle
stamme und dass weder Thomas noch Gerson, sondern der Abt Gersen,
dessen Namen in dieser Handschrift bei jedem Buche genannt werde, der
Verfasser der Imitatio sei. Sie gaben ihrer Ueberzeugung auch in ihren
Schriften Ausdruck, Bellatmin äussert sich im Artikel Gerson des besagten
Werkes, man habe das Werk de Imitalione Christi dem Johann Gerson
wegen der Namensähnlichkeit zugeschrieben, da doch der wahre Verfasser
Johann Gersen sei. Dies ergebe sich aus dem Manuscripte der Nachfolge,
welches in Arona aufbewahrt wird, wozu noch komme, dass Bonaventura,
der Zweihunden Jahre vor Gerson und Thomas a Kempis leble, die Imitatio
ausdrücklich citire, ')
'} AurgefUliTl Lii Gn-güry's llisluire. Bil. 2. Seite 480, 4äl.
*) 'AggiunEo inlanlo« , sü scWicsst <ier zweite Brief, la riguardo dcUa diwerlaiione
cpistolnrc sutlo aulure dell' aureo libru De Iinitatiooc Christi, che, un ora fa, parlonilone col
mio collegn signur Barbier, antore ilcU' Opera D'üuteurs anonymes, egti mi asseriva clie
abbandona ta opiiiione per Tomtnaso a Kempis, ■
*) Es ist dieses Zeugnis Bellannins atv sich und wc^n der daran sich knUpfcDden
CoDtroversc zu wichtig, als dass wir es nicht in cxlcnso hieber setzen sollten : »Tribni solet
Johann! Gcrsoni pnieclarissimum opusculum de imitatione Christi , quatuoi libris dislinclum.
Scd qnia non numeralnr inter ejus opera ncc in caialogo ([ucm scripsit fralcr ipsius Geisonis
nee in tomis editis Argentoiati merilo dubitatuni csl an illui) sit Gersonis; immu comtnunitcr
iatn illud opos ailscriUilur Thomae de Kempis viru admodutn jäo, Sed valde prubabüe
est auGtorcm illius opusculi ose Joannen) qiicmdam abbaleiii de Gcisen sire de Gcssen , ut
habet iiiH:riplio vetustissitna huius libri , qui asservatur in tnonasterio Aronenai , quud oHm
i
i68
Aehnlich urtheilt auch Possevin. Auch er habe früher das Buch von
der Nachfolge Christi bald übereinstimmend mit der Meinung Vieler dem
Pariser Kanzler Gerson, bald aber dem Thomas von Kempen zugeschrieben,
weil in den Niederlanden das Autographon der Imitatio von demselben vor-
handen sein soll. Jetzt aber pflichte er seinem Mitbruder Rossignoli bei,
der nach langer und reiflicher Untersuchung den Gersen, Abt von Vercelli,
als Verfasser des kostbaren Buches angibt. Das werde durch das m. s. von
Arona, dem Kloster am See Verbanus bewiesen. ^)
Das Zeugnis dieser beiden Gelehrten ist für uns von Wichtigkeit
Denn so urtheilten sie, bevor noch der ganze Streit entstanden war, nach
reiflicher Ueberlegung, auf Grund des Codex Aronensis. Doch die Antiger-
senianer wollen uns wenigstens einen dieser gewaltigen Zeugen abstreiten.
Sie stellen den Kardinal Bellarmin als eine Art Protheus dar, welcher seine
Ansicht widerrufen habe. In der Kölner Ausgabe des Werkes iDe scripto-
ribus ecclesiasticis« vom Jahre 1613, steht nämlich Seite 404, Gersen sei wol
der Verfasser der Imitatio, aber gleich die nächste Seite lässt Bellarmin die
Bemerkung machen , er wolle die Sache auf das Ansehen des Sommalius,
dessen Schriften er eben erhalten, dahingestellt sein lassen,*) und in der
ebenfalls in Köln 162 1 besorgten Ausgabe dieses Werkes, findet sich wie
von Bellarmin selbst verfasst, die Bemerkung, dass Heribert Roswyd evi-
dent erwiesen habe, Thomas sei der Verfasser des goldenen Buches*).
Aber dieser zweifache Widerruf ist von der Geschichte* als unhistorisch zu-
rückgewiesen worden. Die Bemerkung in der Kölner Ausgabe von 161 3
erweist sich schon dadurch als unächt, dass in den Ausgaben, welche Bel-
larmin persönlich besorgt hat, nämlich Rom 16 13 und 1616, Paris 161 7 die
ursprüngliche Angabe uneingeschränkt und ungeschmälert bestehen bleibt.
Neuerdings bestätigt uns das ein Brief Bellarmins aus d. J. 161 9, welchen
fuit monachonim sancli Bencdicti et nunc est domus novitiorum societatis Jesu. Et hinc
apparet hoc opus tributum fuisse Johanni Gcrsoni propter similitudinem nominis ; quia verus
auctor erat Joannes Gersen; et tarnen quia non inueniebatur hoc opus inter opera
Tohannis (icrsonh cancellarii Parisiensis tributum fuit Thomae de Kempis ob similitudinem
aliquam stili. His acccdit quod sanctus Bonaventura qui fuit duccntis circiter annis antiquior
Joanne Gereone et Thoma de Kempis citat ex hoc auctore partem capitis uUimi libri primi ad
verbum et dicit, illa verba esse devoti cujusdam libelli de imitatione Christi.
*) Posseuin. Appar. sacer. Joan. Gerson.
*) »Postea quam haec scripscram , incidit in manus meas praefatio Ilenrici Sommalii.
Quoniam magni facio testimonium Henrici Sommalii, qui et ordinis mei est et notae probitatis et
doctrinac, nee tamen audeo superiorem conjecturam proreus rcjicere, idcirco rem in medio
pono et lectori Judicium rclinquo.«
•) »Scriptos et compositas esse ab eodem Thoma libellos de imitatione Christi supra-
scriptos, contrariis coniecturis euersis, demonstrat euidenter in vindiciis Kempensibus Heribertus
Rosweydus societatis Jesu, cuius mihi rationis plcnissime satisfecerunt. «
169
der hochverdiente Hugo Lämmer edirt hat. ^) Wie uns aber scheinen will,
hat der Herausgeber aus dieser Epistel betreffs der Autorschaft der Imitatio
ungerechtfertigte Folgerungen gemacht und lassen wir deshalb die diesbezüg-
liche Stelle aus Belkrmin's Schreiben unverkürzt folgen : *) »Mi son maravi-
gliato, che quel Libro che volgarmente si dice Giovanni Gersone, abbia titolo
di S. Bemardo, poich^ S. Bemardo fu piü antico di S. Francesco, nondi-
meno nel Libro, chiamato Gersone, si usano le parole di S. Francesco,
come piü antico, come Lei porria vedere nel terzo libro del Gersone al
cap. 50 in fine. La veritä si 6, che quel Libro chiamato Giov. Gersone
non fu scritto n^ da S. Bemardo, n^ da Gio. Gersone perchö S. Bernardo
fu piü antico, e Gersone fu piü moderno dell Autore di quella bella
Operetta de Imitatione Christi, che volgarmente si chiama Gio. Cersonc. II
nome vero dell' Autore di quell' opera secondo molti ^ Tommaso de
Kempis, secondo altri ^ Gio. di Gersen. E questa seconda opinione ha
dato nome a questa operetta di Gio. Gersone, che fu un Dottore di Parigi
molto celebre. E che l'autore di quest' opera non sia Gio. Gersone, lo tu-
tifica il fralello di Gio. Gersone, che fu Monaco Celestino, e scrisse il Ca-
talogo delle Opere del sue fratello, e chiaramente afferma non esser opera
de Imitatione Christi.« *) Aber die Authentie der Bemerkung in der Kölner
Ausgabe von 162 1 will man um jeden Preis retten. Bellarmin soll noch
162 1 unmittelbar vor seinem Tode förmlich widerrufen haben. Doch es be-
') Meletematum romanonim mantissa. Ratisbonae 1875. P^S* 3^5*
•) Ob. c. Der Brief ist adressirt AI. M. R, Cesare Bracci Archidiacono in Monte-
pulciano. Roma 13. Juglio 161 9.
') lümmer bemerkt zu diesem Briefe (1. c. pag. 3S5) dass »die Ansicht Bellarmins
Thomas sei der Verfasser der Imitatio« durch die neueren Forschungen bestätigt werde. Ein
unpartheiischer Leser und Beurtheiler wird das erstere nicht fmden und er kann das letzte nicht
bestätigen. Mir wenigstens scheint aus dem »II nome vero dell' Autore di quell' opera secondo
molti h Tommaso de Kempis« um so weniger der Schluss auf den Consens des Bellarmin
berechtigt, als er ja einige Zeilen früher ausdrücklich ausgesprochen hat, dass Gerson als
Verfasser unzulässig sei, weil er »piü moderno dell' Autore di quella bella Operetta de Imitatione
Christi« sei, wie viel weniger Thomas von Kempen , der doch jünger ist. Die fulminante
Bestätigung aber, welche die Meinung der Thomasjünger neuerlich erhalten haben soll und
wofür Lämmer die Dedication aus einer flämmischen Ausgabe der Nachfolge von 1552 an-
ftlhrt, welche besagt, das Buch sei »ghescreuen ontrent ouer hondert jaren, niet van . . .
Johannes Gerson , maer fals uwcr ecrweerdicheyt kenlyck is) van Thomas Hamerken van
Campen« wird kaum ein Beurtheiler noch mit finden. Was folgt denn so Besonders daraus,
dass in dieser 100 Jahre nach Thomas Tode veranstalteten Uebersetzung der Herausgeber
Thomas von Kempen für den Verfasser hielt? Er hatte ja genug lateinische Vorlagen, die
den Zwoller Subprior als Vater des Büchleins angaben. Daher entfallen auch alle Schluss-
folgerungun, die Lämmers Gewährsmann P. F. X. de Kam in dem 11. Bd. n. i. 2. Serie
der »Bulletino de la Comniission royale d'histoire de Belgique« , Brüssel bei M. Ilayez aus
dieser Uebersetzung zieht.
I70
zeugt die Geschichte das Gegentheil. Als nämlich der Kardinal bereits
todtkrank war, kamen Thomisten mit der Bitte, er möchte doch Thomas
das Buch zuschreiben. Bellarmin erwiederte, er habe einst niedergeschrie-
ben, was er für wahr gehalten, jezt denke er bereits an die Ewigkeit und
könne sich auf solche Streitereien nicht mehr einlassen. ^) Auch hätten
wül die Thomisten früher schon diesen Widerruf verwertet. Bellarmin hat
also seine Ansicht keineswegs geändert und ist es nicht zn wundem, wenn
die alten Kritiker hier über Fälschung klagen. *)
Ich will wol keineswegs mit den Alten die Thomisten direct der Fäl-
schung zeihen, ist es ja bekannt, dass die gelehrten Buchdrucker gar oft
nach Gutdünken und Geschäftsbedürfnis derlei Werke übel zugerichtet haben,
aber gemahnen möchte ich, zu welchen Unzukömmlichkeiten es ftihrt, wenn
Bellarmin um jeden Preis widerrufen muss. Ein Beispiel. Eusebius Amort,
der wackere Verfechter des Thomas, behauptet einmal, Bellarmin müsse
Wül 1613 widerrufen haben,') in einem anderen Werke lässt er ihn 1621
widerrufen*) und hinwiderum äussert er, der grosse Kardinal hätte am
Ausgange seines Lebens geschwankt.*) Amort meint, der Widerruf sei wol
schriftlich *) geschehen , dem Propste von Diessen Werlin genügt der münd-
liche. Von den Ausgaben des Werkes: De scriptoribus ecclesiasticis, welche
in der Folge veranstaltet worden sind, geben nur mehr die zu Lyon 1630
die beiden Pariser Editionen vom Jahre 1630 und 1644 den ganzen bellar-
minischcn Text zusammt dem Zeugnisse ftir Gersen, die übrigen glaubten
dann in der Hitze des Streites letzteres weglassen zu dürfen. Am merk-
wünligstcn sind wol jene Ausgaben, welche aus dem Werke des grossen
Kardinals das Zeugnis für Gersen weglassen und sich für Thomas erklären,
dabei aber die Collationen des heiligen Bonaventura als acht belassen, wo-
durch bekanntlich das Buch der Nachfolge um fast 200 Jahre älter erwiesen
wird als Thomas.
Wir geizen keineswegs nach dem Ruhme, dem Eusebius Amort gleich,
der frohlockend 170 Zeugen für Thomas vorruft, die ganzen traditionellen
Bezeugungen für Gersen in ihren einzelnen Vertretern vom Anfang bis heute
*) Si> berichten Ji)h. Confaloncrius, Archivar in der Engelsburg und Laurenz de Rubels,
ItvlK^rmin'N Lcikir/l nach Const. Cajelan Respons. a\\o\. pro Gersene. Rom. 1644. pag. 43 sq.,
der n».>ch CIoll /um Zcuj»cn annift, dass er getreu iK'richte.
•) Siehe (^>uatUMnaires , (icrsen itertnn reslitulus jxig. 163: »Si facta igitur mcntis
HeUarmini nuitatio , nioitis HeUarmini praecesserut dcfunctio , ut quod dixi , dormicntcs se
deuuniMivnt. tjui niortuuni testem adhil>ent.< Cf. Dclfau, Disscrtatio cd. 1879. pag, CIV.
') Inform. plen. pag. 167.
*) ToUkiat. e\auel. pag. 6.
*) Inform. plen. jKig. 16S.
* IVlvkrat. e\auot. 1. c.
vorzuführen. Wir wollen hier nur kurz aus der langen Reihe der äusseren,
nicht am Streite betheiligten Zeugen für Gersen, anführen die Päpste
Clemens XIV, und Pius VII. Clemens XIV hat seine Ueberzeugung ausge-
sprochen in einem Briefe an den Canonicus d'Osimo? Da wir auf dieses
Zeugnis noch an anderer Stelle zurückkommen werden, so wollen wir gleich
das hieherbezügliche vollständig ausheben. ^) »Quello , che ha reso l'Imi-
tazione tanto preziosa, e cosi penetrante, (t stato, che l'autore della medesima
Gersen, abbate di Vercelli nell'Italia, vi ha messo tutta quella gran caritä
dalla quäle era egli santamente infiammato. Si suole ordinariamente confon-
dere Gerson con Gersen. Ma ciö non ostante c molto facile il provare, che
Tautore di questo libro inarrivabile non 6 n6 Gerson ne Tommaso da Kempis.
Ed 10 ne provo un piacere infinito, lo confesso, restando incantato, che un'
opera cotanto eccellente provenga da un Italiano. Nel capitolo V del IV
libro vi 6 una prova evidente che chi a composto l'imitazione, non 6 stato
un francese. II sacerdote, dice egli, investito de* pararaenti sacri porta dinanzi
il segno della croce di Jesu Christo, Ora ognun sa, che in Francia le pianete
son differenti da quelle dell'Italia, in quanto che questa croce ^ solamente
dalla parte di dietro. Ma io perö non voglio fare una dissertazione.« Roma.
8. Febraro 1749. Diesem Zeugnisse des gelehrten Papstes Clemens XIV. reihen
wir an Pius VII. Als nämlich Graf Giovanni Francesco Napione seine Ab-
handlungen über Christof Columbus und Gersen in der Akademie von Turin
gelesen hatte und diese dem Papste zugemittelt worden waren, gratulirte Pius VII
dem gelehrten Napione in einem eigen Breve *) und begründet sein Lob
mit den Worten: »Quod ad augendam patrii nominis gloriam, viros toto
orbe celeberrimos Christophorum Columbum atquc admirandi operis de Imi-
tatione Christi auctorem Pedemontio strenue feliciterque asseruisti.<i Unter den
grösseren Kirchengeschichtswerken waren nur wenige objectiv und selbständig
genug, dem Gersen das güldene Büchlein zuzuerkennen. Ich nenne Graveson,^)
Rohrbacher.*) Insbesondere ist in Deutschland das Vorurtheil tief gewurzelt
und das Aufgeben des althergebrachten sowie des geliebten nationalen
Thomas fast einer unliebsamen und schmerzlichen Operation gleich. Doch
*) Siehe Canccllieri. Dissertaz. i)ag. 318 sqq.
•) *Apud. Sanctam Mariam Majorem die 29. Martii 1809.«
*) Historia ecclesiastica nov. lest. tom. VI. pag. 129. s([. Cf. Zicgclbaucr, Ilistoria
literaria Augiistae Vind. 1754 tom. II. pag. 211: ^ Joannes (icrsen de Canabaco Vercellcnsis
in Italia abbas. c. an. 1220; quem aurci libelli de Imitatione Christi conditorem et scrip-
torem esse, nemo hodie dubitat.^?
*) Ilistoire universelle de leglise catholique i)ar l'abbc Rohrbachcr. Paris 1S51.
Douxi^me edit. tom. 18. j)ag. 476: »En dernicr Resultat, le veritable auteur est Jean Gersen
de Canabaco, aujord'hui Civaglia, abbe Benediclin de l'ancien monastöre de Saint-Eti^nne ä
Verceil de Tan 1220 — 1240.«
172
Hess sich Hergenrother, ') der Fürst der gegenwärtigen Kirchengeschichts-
schreibung, durch die Gründe der Gersenisten überzeugen, auch Grisar*)
und Hermann Wedewer. *)
Weitere Zeugen rufen wir nicht vor. Uns scheint diese Beweisart, und
wäre der vorgeführten Zeugen Legion, ganz unzureichend, zum mindesten
nicht sehr betonenswert. Denn schliesslich kommt ja doch das Meiste darauf
an: Non quot sed quales, und wer der erste war und welche Gründe seine
Nachtreter haben, wie schon Baronius anmerkt. *)
II. INNERE GRÜNDE.
Der Verfasser der Imitatio war ein Italiener.
|as Buch von der Nachfolge Christi ist ein Weltbürger in des Wortes
schönster Bedeutung. Da es die Sprache des menschlichen Herzens so
rein und klar spricht, wird es überall gekannt und geliebt, wo menschliche Her-
zen in diesem Thale der Thränen sich sehnen nach dem trauten Umgange mit
Gott. Doch werden wir uns keineswegs wundern, wenn unserem Wanderer, den
wir sogleich als den unserigen betrachten, von dem Staube des Landes an den
Füssen klebt, aus dem er kommt, wenn das Kleid, die Physiognomie, der ganze
Habitus den Fremdling — den Italiener — verrät. Dass wir in unserem Urtheile
über die Herkunft unseres Freundes uns nicht geirrt, beweist das äussere
Zeugnis, welches als Heimatsschein ihm mitgegeben worden ist. Wir wollen
beides — den Totalhabitus und den Heimatschein uns besehen.
Den Heimatsschein unseres Lieblings stellt das österreichische Bene-
dictinerstift Melk aus. Dieses Stift besass nämlich einstmals nicht weniger als 2 2
Manuskripte der Imitatio aus dem 15. Jahrhundert; das älteste davon stammte
') Handbuch der allgemeinen Kirchengeschichte. Freiburg i. Br. 1876. i. Bd. S. 980:
*In Italien war . . . der dem hl. Franciskus enge befreundete Benedictinerabt Johann Gcrscn
von Vercelli (1220 — 1240), dem wahrscheinlich das dem Thomas von Kempen zugeschriebene,
aber schon vor diesem dem Bonaventura bekannte herrliche Buch von der Nachfolge Christi
zugehört. «
') Vgl. die eben so lichte als gründliche Sicbtungsarbeit G(risars) in der Zeitschrift
für kath. Theologie. Innsbnick 1877, wo es Seile 482 heisst: »Verfasser dieser Zeilen kann
nicht verhehlen, dass nach seiner Meinung die Sache des Bencdictincrabtes Gersen eine ge-
wonnene ist.«
•) Kirchengcschichle. Freiburg. 1879. S. 72.
*•) Annal. eccl, tom. 12. ed. Platiniana 1603 ad ann. II 25: »Non numero historicorum
vcritatem historiac consuevimus acstimare, sed quanta fide poUeat primus aulhor cujuslibet
assertionis, nam reliquos primum sequi auctorem et ejus vestigiis inhacrere frequcntiori usu in
more positum videmus. «
aus dem Jahre 142 1. (Cod. Meli. I.) ') Es fragt sich nun, wie denn Melk ganz
allein und abstehend von den übrigen deutschen Benedictinerstiften zu den
vielen Handschriften der Imitatio gekommen sein mag, die fast alle älter
sind als der älteste Codex, das antwerpener Autographon des Thomas, und
deren ältester geschrieben worden ist, (in Melk?), ehe noch die Thomisten
den ehrwürdigen Subprior von Zwoll das Buch abfassen lassen. Den Schlüssel
zur Lösung dieser Hieroglyphe reicht uns der gelehrte Prior von Melk Johann
Cellensis, Doctor der Theologie und was nicht zu übersehen, selbst ein ge-
borner Landsmann des Thomas von Kempen. Dieser gelehrte Prior thut in
überzeugender Weise dar, dass Melk nur von Italien aus mit der Imitatio
so frühzeitig bekannt geworden sein könne, und zwar bei Gelegenheit der
Reformirung von Melk durch die Subiacenser Mönche im Jahre 1418. Das
erste beweist er aus Folgendem:*) Melk hatte nie eine Verbindung mit
Belgien, nie Beziehungen zu den Augustinern dieses Landes, wie das die
alten Jahrbücher bestätigen. Daher finde sich denn auch kein einziges m. s.
in der Bibliothek, welches aus Belgien stammte. Hingegen hat Melk von
jeher reiche Beziehungen gehabt zu Italien, viele geistliche und wissenschaft-
liche Schätze, Privilegien, Indulgenzen, Constitutionen, Choralbücher, Brevire
u. s. w. von dorther bezogen. So geschah es auch mit der Imitatio Christi,
Die Veranlassung war folgende. Auf den Wunsch des österreichischen Herzogs
Albrecht V. sollte nämlich das Kloster Melk reformirt, in demselben die
Regel des heiligen Benedict in ihrer ursprünglichen Strenge wiederhergestellt
werden. ■) Zur Realisirung dieses Wunsches berief der fromme Herzog Brüder
aus dem strengen Kloster Subiaco. Wirklich erschien eine grössere Anzahl
strenger Mönche aus Italien, an ihrer Spitze der gottes fürchtige Nicolaus de
Matzen.^) Sie brachten asketische Bücher mit, besonders Exemplare der heiligen
Regel, Statuten, Schriften der heiligen Väter und dergleichen, hielten die
Brüder zum Abschreiben dieser Bücher an und, um die Reform dauerhaft
') Diese 22 Cod. m.s. der Imitatio werden in einem alten Ilandschriftencalalog der
Melker Bibliothek, geschrieben von P. Burchard 15 17, aufgeführt und beschrieben. Siehe den
djessbezUglichen Brief des Prior Ccllcnsis an Const. Caietan a. d. J. 1644 ^^ ^^s letzteren
Kcspons. apol. pag. 220 — 39, wo auch die notariatsmässigen Bestätigungen und die authen-
tischen Beschreibungen dieses Catalogs durch den Rector der Wiener Universität, Strasscr,
(pag. 233 sq.) und den apostol. Nuntius Camillus Meltius (pag. 226 sq.) abgedruckt zu
finden sind. Dieser Katalog ist noch vorhanden.
') Diese Begründung findet sich bei Constanlin Cajetan (ob. Cit.) nicht, wol aber
▼erwahrt die Melker Bibliothek unter dem handschriftlichen Nachlasse des Prior CcUensis
(In causa libelli de imit. Christi) die »XII. deducliones pro Italia.« Aus diesem m. s. hebe
kh im folgenden nur einige Gründe aus.
») Vgl. Ign. Fr. Keiblinger, (icschichte Melks. Wien. 1851. Bd. I. S. 480.
*) Keiblinger, 1. c. S. 482. ff.
174
zu machen, blieb ein grösserer Theil von ihnen, besonders auch der obge-
nannte Reformator Matzen, welcher Prior von Melk ward, in dem öster-
reichischen Stifte. So gelang das fromme Werk, dessen Beginn in das
Jahr 141 8 fallt. Dass nun die Reformatoren aus Italien wirklich auch dieses
goldene Büchlein mitgebracht haben, erhellt aus Folgendem: P. Peter de
Rosenheim, einer der Reformatoren, sagt ausdrücklich, dass er die Imitatio
abgeschrieben habe.*) Ferner ist der Tractat: >Qui sequitur mec zumeist
abgeschrieben in Verbindung mit den Ceremonien, der Regel und den
Privilegien, die notorisch durch diese Reformation nach Melk gekommen
sind. Vor dem Jahre 1418 findet sich das Buch: Qui sequitur, weder in
irgend einem deutschen Kloster noch in Melk, gleich darauf aber in diesem allein
in 2 2 Handschriften. Die beiden Hauptgründe sind aber die, dass der älteste
Mölkercodex und auch die anderen die Aufschritt tragen.*) »Dereformatiohe
hominis interioris,« ein Titel, unter dem diess herrliche Büchlein in keinem
Codex Deutschlands und Belgiens vorkommt, daher auch nicht von dorther
bezogen und abgeschrieben sein kann, und endlich, dass in allen diesen be-
sprochenen Melker Handschriften der Nachfolge, welche das vierte Buch
enthalten, dieses nicht achtzehn sondern einundzwanzig Kapitel zält, indem
ein Tractat: »Octo invitatoria praecipua de sanctissimo sacramento« als
19. Kapitel figurirt, sowie die beiden frommen Betrachtungen: »Duas consi-
derationes damus ut habetur in isto« und »De sacramento« als Cap. 20
und 21 aufgeführt werden. Diese drei Kapitel finden sich in gar keiner
deutschen Handschrift, aber in dem berühmten italienischen Codex Leo-
Allatianus kommen sie Wort für Wort so vor, wie in allen Melker Codices
dieser Zeit, welche auch das vierte Buch vorführen. *) Wir glauben deut-
lichere Beweise wird wol Niemand bedürfen, um zur Ueberzeugung gebracht
zu werden, dass die Imitatio aus Italien stamme und aus Italien nach Melk
') Cf. im obg. m. s. Ded. VII : *Ex atteslatione S. Petii de Rosenheim socii refor-
matoris Nicolai de Matzen , Prioris in monastcrio sublacensi i. e. sacro specu postea Prioris
in monastcrio Mclliccnsi , qui sua manu fatctur exprcsse , se hunc libellum descripsisse et
habetur adhuc in littera L. n. 28.«
*) Vgl. die Aufschriften der zwölf ersten Codices, welche bei Caietan 1. c. pag. 231 sq.
aus dem besprochenen Manuscriptcncatalog angeführt werden.
') Mit Recht fragt Cellensis Ded. XII: »Unde illa (tria capitula) nostri monachi de-
scripsenuit? Ex Belgio? Ex D.D. Canonicorum regularium s. Aug. autographis? At nuilum
autograpbum habent, nee haclenus ullum demonslrarunt nee demonstrare possunt.« Cf. Con-
stantin Caietan Apparatus ad Gersenem pag. 321, wo dieser berühmte Abt diese drei Capitel
aus dem Cod. Allat. abdruckt mit der Bemerkung, er habe sie bisher nirgends gefunden
und wolle sie deshalb auch nicht unbedingt für Gersens Werk halten. »Tria capitula
sequentia quae in I^o-Allatiano codice hal)entur immediate post cap. 18 libelli quarti de
imitatione Christi quasi pars illius csscnt , et titulo capitum 19. 20. 21. annotantur, quod ea
hactenus non legerim ncc impressa aut publici iuris viderim ; hie uolui inserere et publicae
175
gebracht worden ist zu einer Zeit, in welcher Thomas von Kempen nach
dem Urtheile der Thomisten selber sie noch nicht verfasst haben konnte. *)
Würden wir auch einen so klar und deutlich sprechenden Heimatsschein
unseres Freundes nicht vorgewiesen erhalten, wir würden den Italiener aus
dem Totalhabitus erkennen. Fragen wir zunächst nach der Sprache, so ruft
wol allerdings der Italiener und der Deutsche und der Franzose ganz ent-
zückt aus : Das ist meine Sprache. Und ich meinestheils muss gestehen, dass
ich fast geneigt gewesen wäre, alle die schlagenden Gründe für Gersen aufzu-
opfern, und einen Deutschen als Verfasser anzuerkennen, so zwingend schien
mir das Colorit der Sprache und so durch und durch germanisirend. Aber
gerade diesen Punkt hat philologische Akribie auch in allerneuestcr Zeit
festgestellt und kann der, welcher die Resultate dieser Forschungen erwägt,
auch nicht einen Augenblick an der italienischen Conception und Ausdrucks-
weise der Imitatio zweifeln. *)
Der allgemeine Sprachcharakter unseres Buches ist der des verdorbenen
und mit Barbarismen reich durchwirkten Latein des Mittelalters, näher jenes
Lateins, wie es im dreizehnten Jahrhunderte, wo sich die italienische, fran-
zösische und spanische Sprache mehr von der Mutter trennten, gesprochen
wurde. So nahe geht und steht der Urtext mit dem damaligen Vulgär-
italienisch, so ganz italienisch volksthümlich gedacht ist die Nachfolge, dass
die alten Uebersetzungen, wie sie Torri und Parenti veröffentlicht haben,
fast nur dem lateinischen Texte italienische Endungen oder Ausgänge geben.
So leicht war es also, das lateinische in's italienische zurückzuübersetzen.
Dieser Punkt ist gewiss sehr wichtig und von dem Erzbischofe von Siena,
Heinrich Bindi, in seiner ganzen Tragweite dargestellt worden. ')
• Als zweiten Grund scheinen mir die Verteidiger der italienischen Ab-
ntilitati dare ; non quod certe assererem , ca opus esse Joannis Gersen auctoris libelli de
imit. Christi ; sed quia noiui interirct, quod uel specietenus ad cum pertincret uel ad cum iUu-
strandum facerct.«
') Der neueste Thomist Malou sagt ausdrücklich, Recherches pag. 3. »Thomas a
Kempis publia les trois premiers livrcs de l'imitation 1424« und weist in einer Note , welche
er dazu macht, diejenigen Thomisten zurecht, welche Thomas schon 1406 (8 Jahre vor
seiner Priesterweihe!) oder 141 5 die Imitatio abfassen lassen. Dieser Verweis schliesst
mit den Worten: »Cette opinion repose sur de simples conjectures tir^es du sujet.» Nun
auf einer soliden Grundlage zum wenigsten ist auch Malou's Angabc nicht aufgebaut , da
der Codex Mellicensis I. ausdrücklich Fol. 200 mit den Worten schliesst: »Anno MCCCCXXI
in die sancti Joannis I^aptiste decoUationis. Gregorius : Non fit bonus conlemplalivus , nisi
qui fuerit sedulus activus.«
•) So dass Werlin , Rosweydus redivivus , sogar vermutet , die Gersenisten wollten
»hoc novo invento« ihre Gegner betrügen und hintergehen.
') D'un antico volgarizzamento toscano dell' Imitazione di Cristo« in Bindis Scritti
vurrii tom. 11. p. 321.
176
fassung mit allem Rechte geltend zu machen die vielen Assonanzen und
Reime, die schonen Antithesen, etc., welche etwa einem Deutschen nicht
so ohne weiters und ungezwungen, so gleichsam von selbst, dürften ge-
kommen sein *) und welche die Imitatio geradezu als ein italienisches Schrift-
stück des 13. Jahrhundertes erweisen, wofür die Belege unter anderen in
Tiraboschi's Literaturgeschichte Italiens zu finden sind. ■)
Als einer der Hauptbeweise wollen uns auch die Italicismen erscheinen,
welche in so grosser Zal in der Imitatio vorkommen. Schon dem Quatre-
maires sind folgende aufgefallen :
Italus : Gersen :
Sentiraento Sentimentum
bassare bassari
grossam ente grosse
polverizzare pulverizare
sentenziare sententiari
contentare contentare
ringraziare regratiari
huomo passionato homo passionatus
che importa la scienza scientia quid importat
conscienzoso conscientiosus
pone tiui in pace pone te in pace
quereloso querulosus
girare gyrare.
Diese Aufzälung von Italienern Hesse sich noch sehr vervollständigen,
z. B. : mortificatus, tristari, oblocutiones, affectanter, colorare, recommandant ;
passionatus, virtuose, licentiare, cordialis, regratiari, gaudiosa; sacramenta-
liter« etc.
Wir können daher nur beistimmen, wenn ein italienischer Gelehrter,
der gewiss hierin ein compctentes Urtheil hat, ausruft:') »Italiano ^ il colo-
rito, italiana la locuzione, italiano lo Stile: italiana, insomma, la vente tutta
quanta del pensiero, come ^ italiano il pensiero medesimo.c
*) Cf. Mella, 1. c. p. 76: »II quäle palesissimo divario si fari ancor piü manifesto
nell' onda, diremo cosi, del periodo, forse per l'uso della cathedra e del pulpito, singolarmente
sonante, nellc cadenze variamente numerose , nel giro armonioso delle spesseggiate antitesi,
nelle tante rispondenze d'incisi rimati, nella frequenza di veri vcrsi, nella continua regolaritii
delle clausole altematamente sdrucciole e piane: cose tutte che ogni lettore avrä awertite le
millc volle nel latino Gerseniano, e a cui non v" h chi toslo non riconosca Pinfluenza del
concepire armonioso, dello spiccato e rotondo pronunziare italiano.« Als Illustration dazu
kann die Ausgabe von Hirsche, Berlin 1874, dienen.
*) Stör, della letter. ital. tom. VIU. 1. II, c. IV. n. 4.
») V. Mella 1. c. p. 75.
177
Mit unserer Berufung auf Italicismen haben wir wol gar nur ein mit-
leidiges und ungläubiges Lächeln der Thomisten erregt. Denn hierin besteht
ja eben ihre Stärke, jenes Argument, auf welches sie immer wieder zurück-
kommen, die offenbaren und unleugbaren Germanismen! Wer möchte in
der Nachfolge solche leugnen? »Der Verfasser der Nachfolge war jedenfalls
ein Deutscher, sagt Nolte *), das beweist sein von Germanismen wimmelndes
Latein. ... Ja es hat sich sogar der Jesuit Georg Heser, welcher in ver-
schiedenen Streitschriften mit Erfolg für die Rechte des Thomas v. Kempis
aufgetreten war, veranlasst gefunden, ein kleines aber sehr merkwürdiges
T-,exicon Germanico-Thomaeum *) herauszugeben.« Kräftiger noch beschliesst
Malou sein Verzeichnis von etwa 20 Germanismen, welche unleugbar einen
Deutschen und speziell den Thomas zum Verfasser verlangen , mit den
Worten^): »Si les Gers^nistes et les Gersonistes ne tiennent pax compte de
ces arguments, c'est qu'ils ne les comprennent pas . . . leur ignorance seule
peut ici leur tenir Heu d'excuse; rien ne justifie cependant leur incredulite,
puisque, dans une question dont ils ne peuvent se rendre compte ä eux-
mömes, ils devraient s'en rapporter h des juges dtfsinttfrresses et comptftents.«
Weit entfernt, über diesen so wichtigen Punkt leichthin abzuurtheilen, wollen
wir vielmehr ein vollständiges Verzeichnis der Germanismen, wie sich 's der
Benediktiner von Ochsenhausen, Roman Hay, nachdem er die Imitatio we-
nigstens zwülfmal vom Anfange bis zum Knde durchgelesen, sorgfaltig notirt
hat, hier wiedergeben.*)
Germanismen der Imitatio Christi.
Libr. I.
1.1. Si scires totam bibliam »exterius« » auswendig c.
2,4, De seipso nihil teuere, nichts von sich selber halten.
4.2. Cum sapiente et »conscientioso-? viro consilium habe, »gewissen-
haft«:.
4.3. Non pertinaciter in propriis stare sensibus. s-Auf seinem Sinn be-
stehen.c
6,1. Leviter indignatus. »leichtlich.«
11,5. Si modicam violentiam faceremus in principio, »tunc postea«
cuncti possemus facere cum »levitate« et gaudis. :^Gar leichtlich.«:
*) Zeitschrift für die ges. kath. Theologie. Wien 1855. S. 3.
*) Ingolstadt 1651.
•) 1. c. p. 138.
*) Siehe in der Bricfsammlung von Ottobeiiem die Imitatio Christi betrefTcnd den
Brief des R. Hay an Jakob Molitor, Prior von Ottobeueni vom 7. August 1651. Wir merken
noch an, dass diese Germanismen den Verfasser des Briefes abhielten an Gersen als Verfasser
12
178
12,1. Bonum nobis est, quod aliquando habemus aliquas »gravitatesc
Beschwernis.
13.3. Semper aliquid ad patiendum habebimus. Immer etwas zu leiden
haben.
13,8. Si tempore adversitatis patienter se »sustinet«.
14.1. In judicando alios, homo saepius errat, et »leviter« peccat, leicht-
lich, facile.
16.2. Qui (sc. Deus) »seit bene« mala in bonum convertere, weiss wol.
21.1. Da te ad cordis compunctionem, gib dich darein.
21.2. Si tu scis homines dimittere, ipsi »bene te dimittent« facta tua
facere. Sie werden dich wol loslassen.
21,5. Sed quia ad cor ista non transeunt, gehen zu Herzen.
22.5. Oportet nos tenere patientiam, Geduld haben.
22.7. Quidquid de nobis adhuc in fine, qui tepescimus tam mane,
so frühe.
23.1. Valde cito erit hie tecum factum. Sehr schnell wird's um dich ge-
schehen sein.
ibid. Sic te in omni facto et cogitatu deberes tenere, dich also halten.
23.8. Nescis quid tibi post mortem sequetur, was dir erfolgen wird.
24.6. Disce te nunc in modico pati. Lerne dich leiden.
25.2. Bene securus eris. Wirst wol sicher sein.
25.4. Non omnes habent aeque multum »ad vincendum« etc.
25.5. Si ali([uando fecisti, citius emendare te studeas bälder, dann bald.
25.6. »Bene« verecundari potes inspecta vita Jesu Christi.
25.7. Rcligiosus fervidus omnia bene portat et capit, quae »illi juben-
tur«, religiosus ncgligens habet »tribulationem super tribulationem « .
25.8. Et ideo turpe esset, ut tu deberes in tam sancto opere pigritare,
solltest faullenzen.
25.9. O si nunquam »indigeres comedere« nee bibere nee dormire.
Libr. II.
1,5. »Tene te« cum Christo et pro Christo, si vis regnare cum Christo.
1,8. »Si recte tibi esset.«
der Nachfolge zu glauben, obwol ihm ebenso fest stand, dass Thomas selbe unmöglich ver-
fasst haben könne. Letzteres ist ihm so sicher als der Weg, auf welchem er zu demsell>en
gekommen ist, untrüglich: »Omnia opera Thomae de Kempis, so heisst es im angezogenen
Briefe, edita Dilingae an. 1576 jver otium accuratissime ipsosque quatuor de Imitatione Christi
libellos scorsim, minimum duodecies a capitc ad calcem perlegi et (quod ipse obstupui) inueni
Thomam de Kempis horum quatuor auctorem reuera non esse. Paratus quoquc sum, hoc
ipsum ex ipsismet potissimum opuscuHs utrimque inter se coUatis et juxta se positis, ad oculum
demonstrare.«
179
2,2. Quando homo pro defectibus suis se humiliat, tunc faciliter alios
placat, et leniter satisfacit sibi irascentibus, gar leichtlich facillime.
3,2. Tu »benec scis facta tua, excusare et colorare.
5.1. >Non possumus (i. e. non debemus) nobis ipsis nimis credere.«
5.2. Si debes habere pacem, et unionem veram, oportet quod totum
adhuc postponas, et te solum pro oculis habeas, wann du sollst,
i. e. wann du willst,
ibid. »Teneas te apud Jesumc vivens et moriens.
6.3. Bene semper agere et modicum de »se tenerec humilis animae
indicium est.
7.2. Si scires te »benec ab omni creatura evacuare, Jesus deberet te-
cum libenter habitare. Jesus sollte wol gern bei dir wohnen.
8.3. »Magna ars est« scire cum Jesu conversari.
ibid. Sine amico non potes »bene« vivere,
9i3. Quando homo »stat« super seipsum, facile labitur.
ibid. Verus amator Christi et Studiosus sectator virtutum, non »cadit«
super consolationes. Er legt sich nicht auf Ergötzlichkeiten, be-
gibt sich nicht darauf.
10» 5» Quidquid nobis »advenire« permittit, was er uns zukommen lässt.
12.3. Ecce in cruce »lotum constat« et in moriendo »totum« jacet.
ibid. Ambula »ubi vis«.
12.4. Non poteris effugere »ubicunque« cucurreris, quia, »ubicunque*
veneris, te ipsum tecum portas.
12,8. Sed tamen, aber doch.
12,10. Non est remedium evadendi a tribulatione malorum et dolore,
quam ut te patiaris, als dass du dich leidest.
12.12. Fiet cito melius, es wird bald besser werden,
ibid. Pati ergo »remanet tibi«, si Jesum diligere placet.
12.13. Utinam dignus esses aliquid pro nomine Jesu pati, quam in magna
gloria »remaneret tibi.«
12.14. Non »stat« meritum nostrum in multis suavitatibus , steht nicht
in . . .
Libr. III.
11.2. Non omnis affectio, quae videtur bona, statim est sequenda; sed
neque omnis contraria affectio, »ad primum« fugienda, zum
allerersten.
12.3. Juste illis fit. Es geschieht ihnen recht.
15,1. Difficile est »pro vero«« judicare, utrum Spiritus bonus an alienus
te impellat ad desiderandum hoc vel illud. Es ist fürwahr, per-
fecto, schwer zu urtheilen.
12*
i8o
15.3. Da mihi hoc semper desiderare et velle, quod tibi magis acceptum
est, et clariiis placet. Was dir lieber gefallt.
18,2. Dignum est, ut ego miserrimus peccator, patienter me sustineam,
dass ich mich gedulde.
20,2. Hoc est quod me frequenter reverberat et coram te confundit,
dies schlagt mich oft zurück. Verschlagt mich. i. retundit.
24,1. Nee vacuas gere sollicitudines. Leere Sorgen tragen >inanes':.
ibid. Tu non indiges respondere pro aliis, du darfst nicht reden und
Antwort geben für Andere, indigeo ich bedarf.
29.1. Et non est cordi meo >benec.
29.2. Ego bene merui tribulari et gravari. Ich habe wol verschuldet,
ibid. »donec melius fiat«.
30,2. »Quid importat« sollicitudo, de futuris contingentibus, nisi ut
»tristitiam super tristitiam< habeas? Was nützet es? Was tragt's
ein, quid confert?
30,5. Si tibi admisero gravitatem aut quamlibet contrarietatem, ne
indigneris. Wann ich dir eine Beschwerde — w«rde zusenden.
31.1. Oportet igitur omnem ?^supertransire< creaturam.
ibid. Domine, »bene indigeo« adhuc majori gratia.
31.2. Diu parvus erit, et infra jaccbit, wird unterliegen.
31.4. Ubi »jacent« aftectus nostri, non attendimus.
32.2. Domine, hoc non est opus unius dici, ncc »ludus parvulorum-^:.
ibid. Pili debet »ad minus« ad haec ex desiderio suspirare.
ibid. Adhuc multa habcs ad relinquendum, zu verlassen.
ibid. »Utinam sie tecum esset.«
33,1. Impraetermisse, ohne Unterlass.
34,1. »Si (lebet« gratum esse et bene sapere, oportet gratiam tuam ad-
essc debeo, ich solle.
35.3. Patienter »sustinuerunt« se in omnibus.
39.1. Ego »bene« disponam in tempore suo.
40.2. Cito »melius« fit cum tibi placuerit.
41.1. Fili, noli tibi attrahere, si videas alios honorari et elevari, te
autem despici et humiliari. Lass dich nicht anziehen; noli
moleste ferre.
42.2. Si scires te perfecte annihilare, atque ab omni creato amore eva-
cuare, tunc »deberem^^ in te cum magna gratia emanare.
44,1. Si bene steteris cum Deo. Wann du wol bestehest.
4G, I. Et quare tam parva tibi ad cor »transeunt«.
48.4. Mente omnibus rebus »superesse« volo. Obsein.
49,7. Pro bono totum accipias. Nimm Alles für Gut an.
57,1. Sed nunc permitte transire. Lass gehen, Lass fahren.
ibid. Satis virilis es, quamdiu nihil adversi obviat. Du bist Mann
genug.
57.2. Pone ut melius nosti ex corde. Schlag' es aus dem Herzen.
57.3. Non est totum frustratum. Es ist nicht Alles umsonst.
Libro IV.
1.1. Ad capienda tanta mysteria, me reverberat impura conscientia.
Es wiederschlagt mich mein Gewissen.
1,9. Novitas invisorum, id est non visorum, ungesehener Sachen.
3.2. Praeter te nuUa consolatio ivalet«.
10.4. Quia nihil limportatc diu anxiari.
10.5. Quam felix ille, qui sie vixit, ut et omni die communicari para-
tus, et >bene affectatusc esset.
11»3» Quod me nulla creatura quietare potest. Beruhigen.
13,2. Fidelibus tuis te tribuis ad edendum et fruendum, zu essen und
zu geniessen.
14, 1 . Pro nimio desiderio communionis , a fletu se non potuerunt ab-
stinere, haben sich nicht enthalten können.
Aus dieser ganzen CoUection ist das Schibbolet der Thomisten gleich
das erste: Si scires totam bibliam »exterius«. Das ist offenbar ein Ger-
manismus! Wenn du die ganze Bibel »auswendig« wüsstest, respective
niederländisch, um was es sich bei den Thomisten ja besonders handelt:
»van buten.« *) Weder ein Franzose, noch ein Italiener hätte je so ge-
schrieben , auch nicht so schreiben können. *) Ich meines Theils , muss
einleitend bemerken, dass mir der Germanismus, der da gefunden wird, nicht
so zum Schrecken grimmig erscheint. Ich glaube, der Ausdruck frappire
nur auf den ersten Augenblick, glaube aber nicht, dass je ein Lateinschrei-
bender ein concipirtes > auswendig« oder »van buten« mit »exterius« geben
würde. Doch das mir Unwahrscheinliche zugegeben, bemerke ich, dass
mehrere Codices, gerade die besten und ältesten — nicht blos italienische,
sondern auch deutsche — dieses exterius nicht haben oder doch einen an-
deren Ausdruck statt desselben haben. Freilich hat man gegen die Expun-
girung dieses »exterius« in der Maurinerausgabe als Textdeterioration sich
schärfst erklärt und damit ein Argument für Thomas zu retten gemeint.
Für die Expungirung dieses Wortes haben jedenfalls die Mauriner gute Grün-
*) Vgl. die von uns cdirtc Navolgingc Cristi. Wien. Gerold, 1879. Seite 4.
') »Jamais un auteur frangais , lel que Gerson , jamais un auteur ilalien , tel que
Gcrscn, n'a faire passer mat<$riellement dans le texte latin de son livre un idiotisme essenlielle-
ment flamand.« Malou. 1. c. p. 129.
l82
de gehabt. Aeussere liegen offen: Die ältesten und sonst bestschreibenden
Handschriften Codd. Aron. Cav. Ciaram. schreiben einfach »Si scires totam
bibliam«, der Schirens, schreibt »in mente«, der August und Wibling. I.
»cordetenusc. Also gerade deutsche Codices haben statt des deutschen ex-
terius einen »lateinischen« Ausdruck substituirt. *) Aber vielleicht beruhigen
unsere Gegner die inneren Gründe. Gleich im zweiten Kapitel Abschnitt I.
desselben Buches schreibt der Verfasser: »Si scirem omnia, quae in mundo
sunt« — gewiss ein ähnlicher Fall — und was ich noch höher anschlagen
möchte : Die Imitatio redet fast nur mit Worten der heil. Schrift und der
Väter, und beiweitem nicht alle Stellen sind schon hervorgehoben, für welche
die hl. Schrift die glänzende Folie bietet. Unsere Stelle stützt sich — dem
Gedankenanschlusse und den Worten nach — auf i. Corint. 13, 2: »Si
nouerim omnem scientiam . . . caritatem autem non habuero nihil sum«.
Dem aufmerksamen Beobachter wird das Anlehnen der Imitatio in Ausdruck
und Gedankengang nicht entgehen. Sollte aber trotz dieser äusseren und
inneren Bezeugung exterius beizubehalten sein, so irrt man, wenn man es
als haarsträubenden Germanismus erklärt, es ist dann rein nur ein Terminus
asceticus, entgegengestellt dem interius. Ver» ausser «lichung und Ver »inner «-
lichung sind ja dem Asceten stets gangbare Begriffe, und speciell unser
goldenes Büchlein anlangend, steht ja auch l. 3 c. 27. n. 3. Res adepta
»exterius« entgegengesetzt dem »ex corde« wie ex ore und ex animo. Dann ist
die Ausdrucksweise für jedweden beliebigsprachigen Asceten und Mystiker
begreiflich, um so mehr, als, zu allem Ueberflusse sei noch das zu unserer
vielvexirten Stelle hinzugefügt, der Italiener, einen ganz ähnlichen Ausdruck
hat und an unserer Stelle ebenso triumphirend einen Italicismus sieht, wie
wir einen offenkundigen Germanismus. Mir gegenüber könnte diesfalls leicht
ein Gegner die Rolle des hartglaubenden Thomas spielen, ich überlasse
daher einem Italiano das Wort. Camillo Mella schreibt zu unserer Frage •) :
»Ora ^ questa una semplicissima fräse lombarda, venuta manifestamente
dagli Scolari, che per »saper a mente« dicono »saper da fuora«(I) cio^ saper
recitare la lezione a libro chiuso. Tal fräse ^ viva tuttavita neiritalia setten-
trionale e segnatamente in Verona; e perö il Cesari, veronese, che ciö ben
sapeva, tradusse per non lasciare il menomo dubbio: »se tu avessi a mente
le parole di tutta la Bibbia, e le sentenze di tutti i filosofi«. II francese dice
analogamente »savoir par coeur« e il toscano »saper per lo senno a mente«.
Dubitiamo poi anche, a dir tutto il vero, della conoscenza che taluno di
*) Von den im Anfange angegebenen cod. mscr. der hies. Hofbibliothek lesen cod.
1576, 3859, mentctenus (ebenso der L. 98 signirte Mölker cod); cod. 3496 mente; 3916
und 4064 corde.
') L. c. p. 80.
■«3
questi critici possa avere della filologia latina, poich^ molti dei notati idio-
lismi sono latinismi belli e buoni, t^ppure qiiesto de'germanisnii attestanti
per l'Uemercken t il grande Achille dei dotti Germani U
Dieses selbe liesse sich auch betreffs der übrigen Germanismen, die
man in der Iniilatio Christi hat finden wollen, darthun.') Ich will, zugleich
noch ein kleiner Zusatz zu dein ganzen obigen Beweise, nur noch an ein zwei-
faches erinnern, Für's erste sind gar viele vermeintlich recht schlagende
Germanismen in der That weit weg von aller Deutschheit, und könnte der
Germanist ex professo solche deutsche Weisen auch in praedeutscher Zeit
lind bei Classikern finden, denen gewiss ein Germanisiren nicht zum Vor-
wurfe gemacht werden kann. Was wird ein Thomist, der eine sblche
xieutschei und .nur deutsche« und iganz deutsche« Phrase aus der Imi-
latiu siegesbewusst aufhebt, thun, wenn man ihm entgegenhält: »Ne digitum
ab argento discesserunti. Sie gingen nicht einen Finger breit vom Silber
weg, oder: ^ Nomen Vespasiani uitabundi circumibant.» Sie umgingen Vespasian ;
und iloch soll das eine Cicero'), das zweite Tacitus ') geschrieben haben.
Das letzte Wort in dieser Frage möchten wir aber besonders betont
wissen. Die historische Entwickelung Oberilaliens wird Germanismen und
deutsche Wendungen sattsam erklärlich machen. Die Longobarden waren
Deutsche, und herrschten denn nicht die Henrice, Friderice, Ottonen daselbst,
wurden nicht viele Deutsche gerade in dieser Zeit nach Italien verpflanzt?
Ausdrücke wie sdanzare, scherzare, stecca, stanga» etc. sollen dort noch vor-
kommen. Wer wagt zu behaupten, dass eine deutschartige Denk- und Aus-
drucksweise dazumal — und unser Auetor schreibt ganz volksthümliches
Vulgärlatein, wenn der Ausdruck erlaubt ist, — nicht in Oberitalien weitest
und tiefeinschncidend verbreitet gewesen sei? Erwägen wir alle diese vom
sprachlichen Standpunkte erhobenen Einwände und den wahren Verhalt der
Sache, so können wir nur beistimmen dem UrtheÜe eines sehr competenten
Richters, des Papebrochius , welcher sagt *) : >Agnosco eliam Idiotismos illos,
quos cum Teutonica nostra lingua communes habet opusculum islud, quique
nostris Henrico Somnialio et Heriberto Rosweido animos fecerunt, ad ipsum
tarn certo adscribendum Kempensi; agnosco, inquam, Idiotismos illos aeque
') Vgl. hierüber nel>st den einschlSgigcn Bemei'kunEeii Mabillon's iind VtXgmvc's be-
sonders: Prot. Veratti, Disquisizioni ülologichc e crillche inlomo aü' nulore del' Itnitatione
di Cristo : Nuovi Bind] lilologici e critici mtomo aU' nulore del lüiro de Im. Crisü. Modens,
Soliani 1857 — 58. Nisard , Du laiin de l'imit de J&us Christ m dem CorrOpoodent de«
Jahns 1874; Bindi; Malou etc.
') Act. 4 in VcTTcra. •) Tncit. hisl. 3.
*) Conatus chronico-hisloricus ad calal. Ponlific. Acta SS. Mai. lom. 11. Anliicrprae
MDCLXXXV. pag. 83'.
i84
aut raagis spectare Italicam linguam ex Latina formatam et ueteri Longobar-
dica, magnam cum Teutonica similitudinem habentec
Mit Vorstehendem glauben wir auf einen der geläufigsten Einwürfe
geantwortet zu haben. Der Pfeil wendet sich gegen die Absender. Italicis-
men finden sich ja in allen Handschriften der Imitatio und was hervor-
hebenswert ist, nicht bloss eingebildete italische Redewendungen, sondern auf
Italien hinweisende Wortformen und Wortbildungen, während die Spürer nach
Germanismen resp. Batavismen letztere nicht nachweisen können. Die Germa-
nismen sind bei einem im Ober-italischen Schreibenden erklärlich, nicht aber
wären die entschiedenen Italicismen bei einem deutschen Auetor einzusehen
und zu begreifen.
Als Beweis, dass die Imitatio eine Frucht Italiens sei, führen wir hier
ferner an die schon oben ^) angezeigte Stelle aus dem 12. Briefe des ge-
lehrten Papstes Clemens XIV. an einen Kanoniker von Osimo. Dort führt
nämlich der Papst anschliessend an Im. B. IV. c. 5 § 3 : »Sacerdos sacris
uestibus indutus . . ante se et retro dominicae crucis signum habet . . . Ante
se crucem in casula portat, post se cruce signatus est, ut aduersa . . toleret ! s
als Beweis für unsere These die historische Thatsache an, dass zwar wol die
italienischen Kasein das Zeichen des Kreuzes auf der Vorderseite getragen
haben, keineswegs aber die französischen und deutschen, welche nur auf der
Rückseite mit dem Kreuze geziert waren. Daraus lasse sich also mit
Sicherheit auf einen in Italien lebenden Verfasser schliessen.
Einen in Italien lebenden und schreibenden Autor der Imitatio dürfen
wir endlich wol auch erschliessen aus der Stelle*): »Attende Carthusienses,
Cistercienses et diuersae religionis monachos et moniales. ^)« Denn Italien
wies damals eine Menge Ordenscongregationen , welche in ihrer ersten Blüte
standen, auf; im Gegensatze zu Deutschland , wo nicht einmal so viele
Ordensgenossenschaften waren, die bestehenden aber keineswegs mustergiltig
gewesen sind.
Dies die Gründe, welche Italien als Vaterland der Imitatio rathen.
*) Seile 171.
*) 1. I. c. 25. n. 8.
*) Renan sagt darüber (pag. 328 seiner Ltudes d'histoire religieuse): »Les plaintes de
l'auteur et ses voeux de reforme roulenl dans un cercle d'idte fort analogues h Celles de
Saint Bemard. Nulle Irace de rimmcnse revolulion accomplie dans la vie religieuse par les
ordres mendiants. Quand l'auteur veut eiler h ses confr^res des modales d'ordres jeunes cl
dans toules leur fcrveur, il cite les fondalions du XI« et du XII« si^le , les Chartreux , les
Cisterciens. Nous avons iA ^videmment la derni^re voix du monachisme dans sa forme antiquc
et pure, avant la radicale transformation qu'U subit au milieu du XIII. si^lc ; vie tranquille
cl assez libre, poinl des pratiqucs mesquines, la saintet^ dans l'dme et non a Texterieur.«
Renan findet noch dne natürliche VerwaniUschart i
Volksgeiste und der Iniitalio. ')
tischen dem italienischen
Der Verfa
■ In
itatio Christi lebte im XIII. Jahrhitmlerl.
BSfler Altt Giovanni Gersen lebte und schrieb in der ersten Hälfte des
tSM 13- Jahrhundertes, Gerson und Thomas fallen ihrer Lebenszeit nach in
das 14, Jahrhundert. Oa nun jeder Schriftsteller mehr oder weniger in den Ideen
und Vorstellungen seiner Zeit wurzelt und dieselben auch in seinen Werken
zum Vorschein treten müssen , so wäre es wol zu verwundern , wenn wir in
unserer Schrift nicht Anhaltspunkte fanden, aus welchen wir sie dem einen
der beiden strittigen Jahrhunderte zuweisen. Schon a jjriori werden wir nicht
abgeneigt sein, jenes Jahrhundert, welches als die Blütezeit der Scholastik
bezeichnet werden muss, auch in dem Gotlsiichen des Gemütes ara meisten
vorgeschritten sein zu lassen, da ja Scholastik und Mystik aus einem und
demselben Streben hervorgingen, nämlich das Höhere und Göttliche zu er-
fassen , und die Mystik in der höchst entwickelten Scholastik die sichere
Grundlage für das rechte Schauen und Lieben Gottes halte. Jenes Jahrhun-
dert, welches den Thomas von Aquin, den Albertus Magnus, Alexander von
Haies, ja den seraphischen Bonaventura hervorgebracht; welches so ausge-
zeichnete Mystiker gereift, einen David von Augsburg, eine hl. Mechlüdis
von Magdeburg, eine hl. Gertrud von Eisleben und deren Ordenschwester,
die jüngere Mechtilde, es scheint üur Hervorbringung jenes Büchleins, »vel-
ches die Aufgabe der Mystik, den Menschen von der Aussenwelt in das
innere Heiliglhum des Geistes zu führen, ihn von den Tiefen der Selbster-
kenntnis zu den Höhen der Golteserkenntnis emporzuheben, am besten löst,
besonders geeignet zu sein,*) Nicht so wol lässt sich das Gesagte vom 15.
Jahrhundert behaupten, und sieht sich ein Thoraist unserer Tage gezwungen,
zu bekennen, dass das Buch der Nachfolge ziemlich unvermittelt auftrete.'*]
') !. c. png. 319, wg er auch die Gründe für seine Behouptung erbringt, Er sagt; iCom-
parfe ä utinte Thdr^, sainle CaÜierine tic Srcnne, la groud mystique de l'Italie, est cn realilif
an peisonnnge tout politique: rcconcilier Ics vüIes, ncgocier entre les guelfes et les gibeUDü,
juget les prelenlions des pnpea tivaux, dSfendre les inlerflt de Sienne, voili sa vie. De
Tctrarijue k Manwjni et i Pellico, on pourrait retrouver en Ilalie une sfric nun
interrompue d'Ames fines et distiogudes, inoddr^ment imbitieuses en pbilo-
Sophie, mais fort dflicates en motale, k la t§te desquelles j'aime & placer
t de rim
*) Vgl. Renan. I. c. pag. 326: «Vur alli
dem hohen Werte der Imitatio nicht aus de
einer Periode slomml. Die Geschichte leigl u
das 13. and aicht das 15. Jahrhundert ibi.-
') Fesslcr, Geschichte der Kirche Chrisli, W
wird man uns ziigebcD. dass ein Iltich von
leit des Verfalles, sondern aus der BlUtelelt
aber Vlar, dass die BlUlezeil des MiUelallers
i
i86
Und in dieser Beziehung gibt es doch auch keine Sprünge, keine unvermit-
telten Erscheinungen.
Um mit dem, was vorerst sich bei der Leetüre des goldenen Buches
geltend macht, zu beginnen, so treten verschiedene Wortformen und Wortbe-
deutungen auf, welche für uns ungewöhnlich sind. Wir haben aus einigen
derselben die Heimat der Imitatio erkannt und wir können selbe auch zu
Rate ziehen, um die Zeit der Abfassung des unvergleichlichen Büchleins zu
erkennen. Wir fragen doch wol einen gewiss sehr competenten und unver-
dächtigen Zeugen nach der Zeit, der diese Wortformen und gerade diese Be-
deutung derselben angehören, wenn wir Du Cange's Glossarium mediae et
infimac latinitatis ^) zu Rate ziehen. Du Gange verweist diese Ausdrücke
wie nach Italien so ins 13. Jahrhundert.
Eine andere Warnehmung, welche ganz entschieden die Abfassung
unseres Buches über das 15. Jahrhundert hinausrückt und zum wenigsten
ins 13. zurückschiebt, ist die, dass zur Zeit, als das 4. Buch der Nach-
folge Ghristi geschrieben wurde, die hl. Gommunion noch unter beiden Ge-
stalten ausgetheilt wurde und dass damals das Frohnleichnamsfest noch
nicht gefeiert ward. In dem vierten Kapitel des letzten Buches handelt
unser Autor von den vielen Gnaden, welche denen, die andächtig com-
municiren, verliehen werden. »Viel Gutes hast du gespendet und spendest
du noch öfters in diesem Sakramente deinen Geliebten, welche andächtig
communiciren ; ... so dass sie, die sich früher ängstlich und ohne Rühr-
ung vor der Gommunion gefühlt hatten, hernach mit himmlischer Speise
und Trank erquickt, zum Besseren sich umgewandelt fiihlen. ^« (Refecti
cibo potuque caelesti). vist es mir auch nicht erlaubt, zu schöpfen von der
P'ülle der Quelle, und bis zur Sättigung zu trinken, so werde ich doch mei-
nen Mund ansetzen an die Oeffnung der himmlischen Röhre (apponam tarnen
OS meum ad foramen caelestis fistulae). dass ich wenigstens daraus ein kleines
Tröpflein bekomme, meinen Durst zu stillen, damit ich nicht gänzlich aus*
trockne.^)« »Dank dir, o Schöpfer und Erlöser der Menschen, der du, um
der ganzen Welt deine Liebe zu erklären, das grosse Abendmal bereitet hast,
in welchem du nicht das vorbildliche Lamm, sondern dein allerheiligstes
Fleisch und Blut zum Genüsse vorgesetzt hast, (non agnum typicum, sed tuum
sanctissimum corpus et sanguinem proposuisti manducandum) erfreuend alle
Heiligen durch das heilige Mahl und mit dem heilbringenden Kelche sie be-
rauschend, (laetificans omnes fideles conuiuio sacro et calice inebrians salu-
wird, dass Scholastik und Mystik im 14. und 15. Jahrhundert gar sehr ausarteten, »die un-
vergleichliche Schrift von der Nachfolge Christi also ziemlich einsam stand.«
*) ed. Henschel. Parisiis 1840 — 50. 7 fol.
*) 1. c. n. 3. *) 1. c. n. 4.
i87
tari), in welchem alle Wonnen des Paradieses sind und wobei alle Engel
mit uns Mahlzeit halten, jedoch in seligerer Süssigkeit. ')-: Wir glauben nun,
dass in den angegebenen Citaten man die Behauptung gerechtfertigt finden
müsse, der Verfasser der Imitatio spiele auf den noch gangbaren Kelchgenuss
der T^ien an. Allerdings kann man sich etwa bezugs des ersten Citates
darauf berufen, dass die Worte: ^»Refecti cibo potuque caelesti< aus dem Mess-
buche entnommen sind und für einen Beweis in unserer Frage nicht wol
herangezogen werden können, aber anders verhält es sich mit der zweiten
Stelle. Da spricht der Verfasser ausdrücklich von einer Sumtion des Blutes
per foramen caelestis fistulae, von einem Ansetzen des Mundes an die Oeff-
nung der himmlischen Röhre. Gregory*) verweist nun mit Recht darauf,
dass bis zum fünfzehnten Jahrhunderte dreierlei Arten, die Laien zu commu-
niciren, gewesen seien. (Dass aber von der Laien-Communion die Rede ist,
gibt die ganze Stelle unzweideutig.) Man reichte ihnen entweder die silber-
ne oder goldene Röhre (fistula,^) oder auch den Kelch selbst, oder man
tauchte den Leib des Herrn in das hl. Blut. Die Thomisten haben auch
die Beweiskraft dieser Stelle gefühlt, und sie geben sich Mühe, selbe zu um-
deuten. Ullmann behauptet, »unsere Anwendung und Auslegung gebe einen
monströsen Sinn und vom Abendmahlsweine sei überall nicht die Rede. ^)c
Dem widerspricht, dass doch das ganze Kapitel von dem Communiciren han-
delt und dass es auch blasphemisch und monströs sein müsste, von einem
calix »inebrians« zu reden; des heiligsten Sakramentes und seiner Wirkungen
voll zu sein, ist kein »monströser Sinn,« und kann man einen solchen Ge-
danken gerade dem frommen ascetischen Verfasser der Imitatio schon zu-
trauen. Hätte aber ja, wie das die Thomisten wollen, der Verfasser von
dem himmlischen Röhrchen im bildlichen Sinne gesprochen, was übrigens
der Zusammenhang nicht zulässt, so wäre eine solche Sprachweise von Tho-
mas sehr unbesonnen gewesen. Er hätte ja dadurch die Gläubigen an den
alten Gebrauch nur wieder erinnert, dessen Beseitigung ohnehin so viel Wi-
dersprüche und Streitigkeiten erzeugt hat. ^) Noch weniger geht es an , die
letzte der angeführten Stellen, um sich der Consequenzen aus derselben zu
entledigen, auf die Priester zu beziehen, *^) heisst es ja in derselben ausdrück-
') 1. c. c. II. n. 5.
•) Weigl, Denkschrift, S. 59, Note 61. Cf. Marlene. De antiquis ecclesiae ritibus
toro. in.
•) Siehe Du Gange l. c. ad verb: »Fislula, cuins opera sangiiis domini a communi-
cantibus fidelibus hauriebatur, quod intclligcndum est de communione sub utra(juc specie.«
*) Reformatoren, 2. Bd. S. 722.
») Weigl. 1. c. vS. 60,
•) Vgl. Ullmann 1. c. Seite 723, wo ausgeführt wird, dass der Verfasser der Imitatio
an jenen Stellen , wo er zimi Abendmal auch das Blut Christi hinzunimmt und Christus zu-
i88
lieh, dass der Schöpfer und Erlöser das grosse Abendmal bereitet') und in
demselben seinen allerheiligsten Leib und sein Blut zur Speise vorgesetzt
habe, »alle Gläubigen durch dieses heilige Gastmal erfreuend und mit dem
Kelche des Heiles sie berauschend.« Folgt aus diesen und anderen Stellen,
dass die Nachfolge vor der Entziehung des Laienkelches abgefasst worden
ist, so ergibt sich aus dem Umstände, dass der Autor das Frohnleichnams-
fest ignorirt, dass er vor der Einführung desselben geschrieben habe, also
vor 1264, wo es Urban IV. für die ganze Kirche anordnete.
Ein zweiter Grund, der uns bewegt, die Abfassung der Nachfolge nicht in
das 15. sondern in das 13. Jahrhundert zu verlegen, ist folgender. (Nebenher
bemerkt spricht dieses Factum auch für Italien gegen Deutschland.) Die Nach-
folge spricht im letzten Kapitel des ersten Buches von der eifrigen Besserung des
Lebens, und verweist ihre Adressaten, die Mönche, an die sie gerichtet ist, auf
die Beispiele der frommen Religiösen. »Wie machen es so viele andere Religi-
ösen, die strenge genug unter klösterlicher Zucht eingeschränkt sind? Selten gehen
sie aus, leben abgeschieden, essen höchst ärmlich, kleiden sich grob, arbeiten viel,
reden wenig, wachen lange, stehen früh auf, verlängern ihr Gebet, lesen oft
und bewahren sich in aller Zucht. Betrachte die Karthäuser, die Cisterci-
enser und Mönche und Nonnen verschiedener Orden, wie sie jede Nacht
aufstehen, dem Herrn Psalmen zu singen. Und desshalb wäre es schändlich,
dass du in einem so herrlichen Werke träge sein solltest, wo eine so grosse
Menge von Religiösen Gottes Lobgesang anstimmt.*)« Der Verfasser der
Nachfolge verweist hier seine Mönche, um sie zum Eifer im Dienste Gottes
anzuspornen, auf so viele andere Religiösen, (tam multi alii religiosi) deren
gotthingegebenes, opferfreudiges und tugendreiches Leben er wirklich graphisch
zeichnet. Besonders verweist er sie auf die Karthäuser und Cistercienser,
sowie Mönche und Nonnen verschiedener Klostergemeinden. Das konnte ein
Schreiber des 13. Jahrhundertes, besonders in Italien, nicht aber ein deutscher
Verfasser aus dem 1 5 Jahrhundert. Der Beweis für diese unsere Behauptung
ist geliefert, wenn wir gezeigt haben, dass das Klosterwesen in Deutschland
im is.Säculum unserer Zeitrechnung keineswegs der gegebenen vortheilhaften
Schilderung entspricht und keine so nachahmenswerten Typen aufzuweisen
hatte, ja dass besonders der Cistercienser-Orden von seiner Blüte schon herab-
gesunken war, dass aber der Monachat des 13. Jahrhunderts, in Italien zu-
gleich als Trank bezeichnet, »vorzugsweise an Priester denkt, wie es z. B. sogleich in der
von Gregory gebrauchten SteUe II. 11, 5 u. 6 der Fall ist«. Das gilt in diesem Citate nur
von n. 6. Aber Gregory cilirt auch nur n. 5 und da nur steht die fragliche Stelle.
*) Das besagt schon der Anfang unsers Kapitels: »Domine deus meus, praeucni
seruum tuum in benedictionibus dulcedinis tuae, ut ad tuum magnificum sacramentum digne
ac deuote merear accedere ! «
*) L. I. c. 25. n. 8.
189
mal, ganz das ist, was die Nachfolge von ihm sagt. Der Zustand der Klöster
Deutschlands im 15. Jahrhunderte war ein ganz desperater. »Nahezu alle
Klöster, auch der übrigen Orden, waren damals (Ende des 14. Jahrhunderts)
in Deutschland von der ursprünglichen Strenge abgewichen, denn do zu mal
WZ wenig kan closter der bewerten Orden, da man die gaistlichait der obscr-
vantz recht hielt, c ') Der Zeitgenosse des Thomas Hämerken, Johann
vom Busch, sagt zum Beispiele in der Windesheimer Chronik, dass die
Klosterdisciplin fast ganz ausgestorben war,*) dass die wesentlichen
Ordensgelübde fast von allen Ordensgenossen offen und ungescheut über-
treten wurden und dass für einen solchen, der das Heil seiner Seele
erwirken wollte, in dem ganzen Gebiete auch kaum ein Ort geeignet und
empfelenswert war,^) ja dass die derzeitigen Mönche über den Gräbern
der heiligen Vorfahren die schändlichsten Frevel verübt haben, dass Schwel-
gereien, Aufgeben der altheiligen Satzungen, Nachlass im heiligen Officium,
Umkehr aller monastischen Einrichtungen, Abschüttelung jeden Jochs und
Verwilderung so überhand genommen haben, dass der Ehrenname Claustralis
zum Schimpworte geworden war. Dem fügen wir noch an, was Nicolaus
de Clemangis, ebenfalls ein Zeitgenosse, den Trithemius sehr hoch stellte,
und der ex professo über den Stnnd der Klöster jener Zeit sich verbreitete,
sagt:*) Ihm sind die damaligen Klosterleute lebende Gegenbilder dessen,
was sie eigentlich wirklich sein sollten, ein trauriger Beleg für die Wahrheit
des Satzes: »Corruptio optimi pessima.'? Halten wir nun dieses gewiss ganz
unverdächtige Zeugnis des Zeit- und Ordensgenossen des Thomas von Kempen
') Heinrich Sense Deniflc, Zeitschrift für deutsch. Alterthum. Berlin 1876. XIX. B<1.
Seite 488.
*) 1. 1 . c. 24 : »Rcgularis obseruantia pracsertim in noslro ordinc , colonensis et
moguntinensis prouinciae, iamdudum a1)o)ita fuerat et obliterata.»
*) 1. c. c. 47 pag. 211; »In terra et eccur noslra descrta sterili et infructuosa lo-
cus quondam non erat refugii, quo saluarentur animae , salutemque propriam posscnt operari
nee in saeculo nee in religione, uiris et feminis , senibus cum iunioribus lalam usam et spa-
tiosam ad pcrditionem ducentem communiter ingredientibus. Pauci quippe ordincs, Carlhu-
siensibus et quibusdam Cisterciensibus exccptis regulae et constitutionum suaruin tunc temporis
eiant obseruatores sed magis earum et trium totus ordinis substantialium in omni pene reli-
gione aperti transgressores. Et si tunc quidem fuissent, qui propter animarum suarum salu-
tem et regnum caelorum domino Deo creatori suo libenter deseruissent , locum ad hoc aptum
per totam prouinciam uix inuenlssent.«
*) De comipto ecclesiae statu, c. 21 : »De monachis autem et monastcriis patet ad
loquendum materia nisi jam me tudum taederet in tot tantarumque abominationum enumera-
tione demorari , ne tarnen sicco, ut ajunt, pede intacti abeant paululum aliquid dicere necessc
est. Quid autem de ipsis commendabile dicere possumus , qui quanto magis inter caeteros
ecclesiae filios ex votis suae religionis i>erfecti esse del>ebant , tanto magis abstracli cura
saecularium , quibus abrenunliaverunt in sola caelestium contemplationc suspensi , et quanto
magis contincntcs, magis ol^edientcs, minus vagabundi et c claastorum septis rarius cgrcdicnlcs
Über den Zustand der Klöster zusammen mit jener Lage des Monachates,
wie ihn die Nachfolge Christi voraussetzt, so werden wir erkennen müssen,
dass dieselbe unmöglich im 15. Jahrhunderte von Thomas verfasst worden
sein könne. Der Verfasser der Nachfolge Christi redet sich und seinen
Klostergenossen zu, nachzuahmen die Beispiele »so vieler anderer Religiösen,
die unter strenger klösterlicher Zucht leben« und er fahrt fort: »Betrachte
— die Karthäuser, die Cistercienser und Mönche und Nonnen verschiedener
Orden — wie sie jede Nacht aufstehen . . .« »Und deshalb wäre es schänd-
lich, dass du in einem so heiligen Werke träge sein solltest, wo eine —
so grosse Menge vom Religiösen — Gottes Lobgesang anstimmt, c Das passt
auf die klösterlichen Zustände Deutschlands im 15. Jahrhundert schon ganz
und gar nicht. Es kommt dabei folgendes besonders in Erwägung. Erstlich
der Verfasser der Imitatio Christi zieht sein und seiner Klaustralen Leben
in Vergleich mit dem der Väter und Vorfahren. Dieser Vergleich fällt sehr
zu Ungunsten der Gegenwart aus: *) »O wie gross ist der Eifer aller Reli-
giösen zu Anfang ihrer heiligen Stiftung gewesen! O welche Andacht im
Gebete, welcher Wetteifer in der Tugend . . . hat in allen geblüht. . .
Jetzt wird schon für gross gehalten, wenn er, was er auf sich genommen, mit
Geduld ertragen kann. O Lauigkeit und Nachlässigkeit unseres Standes, dass
wir so schnell abweichen vom früheren Eifer und schon das Leben uns ver-
driesst vor Müdigkeit und Lauigkeit. c Das kann Thomas nicht seinen eben
entstandenen und im ersten Eifer stehenden Klostergenossen zugerufen und
zugemutet haben. Diese Sprachweise setzt ein älteres schon lang bestehen-
des Kloster voraus, nicht ein eben erst gegründetes, das sich noch dazu auf
seine Heiligkeit den älteren Klöstern gegenüber viel zu Gute that. Für*s
zweite lässt der Thomas gleichzeitige Busch alle Religiösen seiner Zeit,
männlich und weiblich, alt und jung, offen ein ärgerliches, widerklösterliches
Leben führen*) und nur Karthäuser oder »einige Cistercienser« finden
in publicum , tanto ab bis omnibus rebus licet eos videre magis alienos , magis videlicct
tenaces , magis anxios , magis saeculari rei versis retrorsum animis immixtos , magis per loca
publica et inhonesta si modo frena laxentur , discursantes ; ita ut nibil aliis aeque odiosum
sit, quam cella et claustrum, lectio et oratio, regula et religio? Quocirca monachi quidem sunt
exteriori habitu, sed vita, sed operibus, sed intemae consientiae spurcitia a perfectione, quam
habitus ille demonstrat, longissime disjuncti.«
*) 1. I» c. 18. n. 5. 6.: »O tepor et negligentia Status nostri, quod tam cito declina-
mus a pristino feruore et iam taedet uiuere prae lassitudine et tepore ! « Beiläufig bemerkt
nehmen sich diese Worte auch sonderbar aus in dem Munde des Thomas in dem dritten
Jahre seines Priesterthums, oder wol gar von ihm geschrieben, da er noch Novize war, wie
manche Thomisten wollen.«
*) 1. c. lib. II. c. 3. pag. 268: »Praelalis ac deinde monachis et regularibus canonicis
ad vitia proprietatis , incontinentiae , et inobendientiae pariter prolapsis, sie omnis devotio,
caenobitarum religio, claustralis disciplina , amor Dei , timor gehennae , et cuncta virtutum
Gnade. Ganz anders zeigt sich der Stand der Dinge nach der Imitatio
Christi, er lobt die Karthäuser und Cistercienser und verweist auf eine »so
grosse Menge« braver Religiösen. Es wäre ganz unbegreiflich, wie ein Auctor
aus dem Anfange des 15. Jahrhundertes auf die Karthäuser und Cistercienser
mit so grossem Nachdrucke hinweisen könnte, wie es durch das »Attende'<
so recht demonstrativ geschieht.^) Zur Zeit, wo die Thomisten die Imitatio
abgefasst werden lassen, war der Orden des hl. Bernhard etwa 340 Jahre
alt und der Karthäuserorden zälte noch seine zwei Decennien mehr. Wir
sind auch nicht berechtigt, diese beiden Orden zu selber Zeit als taubes Salz
wegzuwerfen, aber Orlandus und Petreius selbst gestehen, dass sie schon von
ihrem alten Glänze viel verloren haben. *)
So sehr die Klosterzustände der Imitatio dem 15. Jahrhundert wider-
sprechen, so congruent sind sie dem 13. Kein Zeitalter war für die monastischen
Institutionen glücklicher und günstiger als das 13. Jahrhundert. Der Benedic-
tinerorden stand in voller Kraft, wir finden da die Cistercienser in ihrer
vollsten Blüte, die Karthäuser desgleichen, überhaupt ein reichstes nnd schönstes
Ordensleben besonders in Italien. Der Verfasser der Imitatio ruft da seinen Mön-
chen zu: Ahmt nach eure Brüder, die Cistercienser und Karthäuser, die ebenfalls
unter der »Regel des Meisters« dienen, und noch viele andere Mönche. Wer
konnte mit besserem Rechte so sprechen als ein italienischer Schriftsteller des 13.
exercitia in hujusmodi dissolutis Monnstenis, sexus ittriusque simul intcrierunt , et a conspectu
viventium prorsus evnnuerunt. Loca enim illa, in quibus patres corum, uiri religiosi , in veris
virtutibus, et virtutum operibus, a se ipsis et suis majorihus perfecli excrcitati, contra carncm,
mundum et diabolum, viriliter deccrtantes, per strictissimam regulac suae et constitutionum
observantiam triumphum victoriae cum gloria rcportantes centuplum in praesenti , et vitam
netemam jam in coelo recipere merucrunt, uiri isti solo nomine religiosi, regulac suae trans-
gressores maximis secleribus violare non formidant. Pudet dicere mala pcssima in dictis
monasteriis dissolutis actualitcr subsecuta; loca enim illa, in quibus corpora et exuviae sanc-
tonim patrum suorum praecedentium cum omni revercntia sunt recondita, facta sunt in prostibula
scortantium cum mcretricibus, et diversarum conditionum mulieribus, terrestriumque dacmonum
latibula, in quibus non solum lascivia regnat inaudita, sed etiam ingluvies, ehrictas, proprietas,
et caetera infinita mala.« Lopez de Agala spricht aber gar von einer »Chimera diabolica la
claustra.c Chron. 1. 2. c. 2. ad an. 1400.
*) Auch in der hl. Schrift wird dieses Wort zur Hervorhebung von ganz besonders
Bemerkenswertem gebraucht. Vgl. Sap. 14. 30; i. Timoth. 4, i ; i. Petri 2, 22 ; 2. Petri i, 19.
■) Beweis dafür das obige Citat des Johann vom Busch und Benedict XII. Bulle an
die Cistercienser a. d. J. 1335, in welcher der Papst von denselben u. a. sagt: »Qui suae
statutis obliti contra regulärem institutionem pecunia congregata, iura posscssioncs rcdditus
emerunt, seu emi fecerunt et emunt ; aliquando proprio et saepe nomino alieno nuiltus superbis
figmentis adhibitis.c Noch weniger würde wol zum Lobe, welches die Imitatio für die
Cistercienser hat, der Tadel Eugen IV. gegen denselben Orden passen. C. f. Nomast.
Cist. p. 664.
192
Jahrhunderts? Damals blühten ja gerade eine Unmenge von Mönchen, so nannte
man die Bencdictiner damals; der Name Benedictincr kommt erst im 13. Jahr-
hundert vor. Wir heben hervor die Camaldulenser, gestiftet um 1000, Valluni-
brosaner 10 12, Cauenser, 1050, die von Monte Virginis 1 121, Florenser in Cala-
brien 1 196, Humiliaten 1196, Silvestriner 1231 — lauter Benedictinermönche!
Vielleicht rührt und erhebt aber mehr der Hinblick aut die Ordensschwestern. Es
waren ja mehrere der angeführten Congregationen für beide Geschlechter :
Der Camaldulenser-, Vallumbrosaner-, Cistercienser-Orden. Nun konnte der
Verfasser der Nachfolge im 13. Jahrhundert mit seinem: mattende monialesc
nicht hinweisen wollen auf heilige Ordensschwestern: Hildegard f 11 60,
Bertha um 1163, Beat. Juliana 1193, Hildegardis 11 88, Mechtild 1207,
Hildeburgis 12 15. Das Angeführte dürfte einen Verfasser des 13. Jahrhun-
derts und Benedictincr zugleich beweisen, indem sich die Imitatio eben nur
auf reformirte Benedictiner beruft, regulirte Kanoniker aber nirgends und
nicht mit einem Worte erwähnt. *)
Es ist ein scheinbar ganz unbedeutendes Wort , welches uns auch
einen Fingerzeig für die Abfassungszeit unseres Büchleins gibt. Im 50. Ka-
pitel des dritten Buches n. 8 sagt der Auetor: lAit humilis Franciscus«.
Aus dem Praesens »ait« schliessen wir, dass die Imitatio von einem Zeit-
genossen des hl. Franziscus, also im 13. Jahrhundert, geschrieben ist. Wir
müssen nämlich bezugs der Allegation zwischen Historiker und Redner un-
terscheiden. So sagte zum Beispiele der heil. Paulus : ßeatius est magis
dare . . dixit Christus, weil Christus nicht mehr auf Erden lebte und weil
— sein Spruch sich nirgends aufgeschrieben fand. Der Verfasser der Imi-
tatio redet hier als Exhortator, und wäre es Thomas, so hätte er, wie das
beispielsweise Bonauen tura thut in seinen Apophthegmata, sagen müssen:
»solitus erat dicere«. Und woher wusste wol Thomas dieses geflügelte
Wort des hl. Franziscus? Dass in mehreren Ausgaben nebst »humilisc noch
»sanctus« oder bloss dieses steht, verstösst, wenn anders die letztere Leseart
hinlänglich bezeugt ist, schon gar nicht gegen unsere Behauptung, weil
manche schon zu Lebzeiten »heilig« genannt wurden, Franziscus aber, nach-
*) Das Gewicht dieses Beweis hat der ebenso eifrige als rücksichtslose Kempist Fronte,
regulirtcr Kanoniker zu St. Gcnofeva in Paris, recht wol gefühlt und das auch ausgesprochen.
Rcfut. contra I^iunoy. pag. 46: »Vidi id (argumentum) multis fecisse difficultatem et impe-
dimento fuisse, quominus Thomac Kcmpensi fauerent.« Auch Euseb. Amort goss über dieses
Argument den ganzen Sarcasmus seiner hierin reichen Feder aus : »Hascine laruas Gersenistac,
schreibt er Deduct. crit. pag. 45. § 76, serio ostentant, et scioli sine risu admirabundi adorant.c
Die vorgebrachten Einw.ändc Amort's hat der Emcraner Abt Johann Kraus in seinen »Docu-
menta historica ex chronico windcsheimcnsi.« Ratisbonae 1762. pag. 7. ponro gehörig
richtigstellt.
19
^
dem er am 4. Oct. 1227 gestorben war, schon 1228 von Gregor IX. in
Assisi selbst canonisirt worden ist. *)
Es ist als ein ganz eigenthümlicher Vorzug des Buches von der Nach-
folge Christi hervorzuheben, dass es sich von den verschiedenen theologischen
und philosophischen Zeitfragen ziemlich abseits hält und mehr das ächte,
tiefgehende christliche Leben betont. Aber es ist nicht ganz leer von derlei
Reflexionen, und wir wollen versuchen, ob wir nicht auch hierin bestärkendes
und bestätigendes Material für unsere Frage finden. Wir glauben wol.
Unser Auetor gibt zu wiederholten Malen seinen Unmut über die Grübeleien
im philosophischen und theologischen Gebiete zu verstehen. »Was fruchtet,
so spricht er, grosses klügelndes Gerede von verborgenen und dunklen
Dingen, um derentwillen wir am Tage des Gerichts nicht zur Strafe gezogen
werden, weil wir sie nicht gewusst haben. Und was kümmern uns Gattungen
und Arten?«*) Weiter heisst es im selben KapiteP) : »Nicht tadelhaft ist
zwar die Wissenschaft oder jede einfache Kenntnis irgend einer Sache , die
an sich betrachtet gut und von Goit geordnet ist; doch ist ein gutes Ge-
wissen und ein tugendhaftes Leben immer vorzuziehen. Weil aber Viele
sich mehr bestreben zu wissen als fromm zu leben , so irren sie oft und
tragen beinahe keine oder nur geringe Frucht. O wenn sie so grossen Fleiss
anwendeten, Fehler auszurotten und Tugenden einzupflanzen, als gelehrte
Fragen aufzuwerfai, dann würde nicht so viel Unheil und Aergernis im
Volke geschehen, noch auch so grosser Verfall in den Klöstern sein.« Diese
Hinweisung auf die Zeitphilosophie ist auch mit ein Beweis gegen das
15. Jahrhundert für das dreizehnte. Während in jenem Jahrhunderte die
Musen trauerten, blühten in diesem die Künste und Wissenschaften. Ein
reichstes wissenschaftliches Leben und Streben herrschte besonders auch in
Vercelli, wohin ja die Generalstudien eben von Padua übertragen worden
waren. Ja, dieser unser Beweis wird verstärkt durch die Thatsache, auf
welche wir schon anderswo hingewiesen haben, dass die ältesten deutschen
Uebersetzer die spezielle i)hilosophische Frage, welche erwähnt wird über
') Vgl. Card. Enriquez , welcher in der Präfation zum i. Bande seiner Uebersetzung
der Imitatio Christ pag. XXVI gegen dieses Argument der Gersenisten bemerkt: *Non h a
proposito , anzi pregiudica alla causa di Gerscn queso passlo, da cui falsamente si deduce,
che vivente il scrafico padre componesse questo libro. Laddove il titolo di «santo«, che gli
si da chiaramente, il dimostragia morto.'i Valsecchi und Cancellieri beweisen aber dagegen,
dass manche noch lebend »heilig« genannt worden sind. »S. Bonaventura« , bemerkt der
letztere, Nitizie storiche pag. 311, »fu chiamato sanlo da S. Tommaso d'Aquino, mentrc era
ancor viuo. f. Benedict XIV. Ue modcratione cultus erga non beatificatos nee a sede
apostolica canonicatos. 62.
«) B. I. K. 3. n. I. 2.
•) n. 4. 5-
«3
194
die genera und species, ganz und gar unverständlich übersetzt haben. ')
Wäre Thomas wirklich der Auetor des lateinischen Originals, so hätten be-
sonders die niederdeutschen Uebersetzer, welche zeitlich und örtlich dem
Thomas so nahe standen, die Stelle genau und gut wiedergegeben. Aber
einem Uebersetzer des 15. Jahrhunderts war eben der Streit, welcher aller-
dings das 13. Säculum stark beschäftigte, zu sehr in die Ferne gerückt.
Renan führt aus der Betrachtung der Zeitphilosophie und aus dem
Verhalte der Imitatio zu derselben noch einen anderen recht einleuchtenden
Beweis für das 13. Jahrhundert als die Entstehungszeit unseres Büchleins.
Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts, sagt er, wurde die Disciplin der
scholastischen Schule so absolut, dass sich niemand derselben entziehen
konnte; keine Stimme hat sich gegen sie erhoben. Selbst die deutschen
Mystiker: Eckhard, Tauler und Heinrich Suso, welche die Nichtigkeit einer
solchen Wissenschaft einsahen, haben sich nicht vollständig ihrem Einflüsse
entziehen können. Da gewiss jedermann zugeben wird, dass der Verfasser
der Nachfolge von dem Einflüsse dieser Schule unberührt geblieben ist, so
muss also das Buch von der Nachfolge Christi schon vor dem Ende des
13. Jahrhunderts verfasst worden sein. Und während seit jeper Zeit die
Schriften, die nur irgendwie mit Philosophie sich befassten, von Citaten aus
Aristoteles und seinem Commentar, dem Araber Averroes (Jbn Roschd)
wimmeln, findet sich davon in der Imitatio nicht die geringste Spur. Dem
Verfasser gelten nur die Bibel, die Väter und die Heiligen *).
Wäre Thomas von Kempen oder Gerson der Verfasser des Buches,
bemerkt eben derselbe Renan so geistreich als wahr, so müsste doch in
demselben irgendwie von den grossen Gedanken, welche damals den grössten
Theil von Europa in Aufregung erhielten, Erwähnung gethan werden. Die
Ideen der Reform der Kirche an Haupt und Gliedern, das allzufreie Leben
der Geistlichkeit, der Aufenthalt der Päpste in Avignon , die Klagen über
Simonie und Nepotismus sollten in einem Werke, wie die Nachfolge es ist,
ohne alle Berücksichtigung geblieben sein, da doch sonst Anspielungen auf
Zeitverhältnisse nicht gerade selten sind? Wie verhält sich jedoch All'
dem gegenüber der Verfasser. Ihm scheinen diese Ideen noch unbekannt;
^) »Et quid curae nobis de ^neribus et speciebus* i, 3. 2 übersetzt der Cod.Scot:
»Wat is ons belanx an dea dingen van buten?« der Cod. der Maatschappij in Leiden : »End
wat sorghe is ons vanden geslachtc ende van der gedaente?« Cod. 1155 von WolfenbUttel
fol. 171b: »Und wat bekümmere wy vns uan groten geschlechten vnde van groten wesende
vund groten werken?« Vgl. Seile XXXIV der navolginge Cristi. Wien 1879.
') Vgl. Renan, pag. 327. Er schliesst seine diesbezügliche Abhandlung mit den
Worten : »J'ose aflfirmer qu'un tel li\Te n'eüt pu etre ecrit apr^s saint Thomas et avec Ics habitudes
de p^dantisme que l'enseignement dominant faisait contracter, au XIII« et au XIV« si^le , k
tous les esprits.c
»95
er klagt nicht Über das Papstthum; was die Geistlichkeit anbelangt, so kann
er ganze Orden seinen Mitbrudern als nachahmenswerte Vorbilder hinstellen;
keine Klage liber Simonie oder Nei>otismus stört die heilere Ruhe und Zu-
friedenheit, die so sichtlich über der ganren Person des Verfassers liegt.
Er ist vollkommen unbesorgt um das Leos und die Zukunft der Kirche. ')
Mit Ende des ir. Jahrhundertes zieht ein geheimnisvoller Zug die
europäische Menschheit hin nach jenen Orten, die der göttliche Erlöser,
Maria und die Apostel durch ihre Schritte geheiligt. Es kann nicht anders
sein, als dass dieser gewaltige Strom, welcher nach dem tiefgesunkenen Ori-
ente sich hinwälzie , auch manche unlautere Elemente mit sich führte und
dass er nicht immer aus reinen Quellen sich nährte, sowie hinwiederum nach
dem Zeugnisse der Geschichte die Genüsse des Ostens manchem keuschen
Sinne das Grab gruben. Diese ganüe Bewegung, welche zwei Jahrhunderte
dauerte, durchzuckte noch um die Mitte des 15. Säculu.m die Menschheit,
wenn auch durch die vielen traurigen Erfahrungen der Sinn nüchterner und
die Begeisterung hiezu Seitens der Guten geringer geworden war. Was be-
sonders für Mönche, die ja auch vielfach in Kreuzheeren mitthalen, die Los-
geschaltheit von der Disciplin zu bedeuten gehabt haben wird, lässt sich
denken. Wir finden nun in unserem Büchlein ein paar Sentenzen, welche
für die eben kurz geschilderte Zeit, in weichet die früher Alles mit sich fort-
reissenden Wogen sich schon legten, gar gut passen. Im vorletzten Kapitel
des ersten Buches '1 finden wir das seither sprichwördich gewordene: Qui
multum [)eregrinantur raro sanctificantur, und ebenso bezeichnend sagt unser
Aiiclor I. Kapitel des 4. Buches"); »Oft ist an derlei Besuchen der Vor-
witz der Menschen und die Neuheit nie gesehener Dmge Schuld und gering
ist die Frucht der Besserung, die zurückgebracht wird, besonders wo ein so
leichtsinniges Umherlaufen ohne wahre Reue statt findet.j Eine Frucht der
Kreuzzüge war es auch, dass der Reliquiencult, welcher vom Anfange an in
der Kirche geübt wurde, mehr in Aufschwang kam. Aus Jerusalem und ganz
Palästina, aus Antiochia und Konstantinopei wurden ja zalreiche Keliquien
als die kostbarste Beute in verschiedene Gegenden des Abendtandes gebracht.
Unser Verfasser sieht über der Verehrung der Reliquien Christus im aller-
heiligsten Sacramente vernachlässige: >Es laufen viele, so schreibt er an der
letztgenannten Stelle, an verschiedene Orte, die Reliquien der Heiligen zu
besuchen und sie erstaunen bei der Anhörung ihrer Thaten. Sie beschauen
die prächtigen Tempelgebiude und küssen die in Seide und Gold gefassten
heiligen Gebeine. Und siehe — du bist hier gegenwärtig bei mir auf dem
Altare, mein Göttin
') Vgl, Renan, pag. 316 und 327.
») n. 4, ') n 8.
T96
Mag sein, dass die Verehrung der Reliquien in besonderer Weise ge-
fördert worden wäre durch die neuentstandenen Franziskaner und Domini-
kaner. Dann würde auch das eben behandelte Argument mit denselben zu
verknüpfen sein, sowie die nunmehr folgenden Beweisgründe mit diesen Or-
den in Verbindung stehen. Seit der Mitte des eilften Jahrhundertes suchten
die zalreichen Orden, welche neu entstanden, und die Zweige der alten Orden
einer den andern an Strenge zu übertreflfen. Um nur die beiden Mendican-
ten-Orden hervorzuheben, so thaten sich die Franziskaner viel darauf zu gute,
dass der seraphische Stifter die absolute Entäusserung jeden Besitzes zu einem
wirklichen Schatze im Christenthum gemacht habe, während hingegen der
hl. Dominicus noch für seine Stiftung zu Prouille Schenkungen annahm.
Franziskaner und Dominikaner stritten gleich in ihrer ersten Zeit über die
grössere Vollkommenheit ihres Ordens, beide nahmen die grössere Heiligkeit
für ihren Ordensslifter in Anspruch. Wie gegen einander diese eifersüchtige
Beobachtung war, und Christähnlichkeit, so herrschte sie auch besonders im
Inneren des Franziskanerordens, daher die beispiellos vielen Schattirungen
und die unerquicklichen Spaltungen. ') Mit sichtlicher Rücksicht darauf tadelt
unser Auetor die Misshelligkeiten unter 2 frommen und Religiösen« und gibt
die Mittel an, selbe hintanzuhalten, sowie er auch die Disputation über den
Grad des Heiligseins streng und mit grossem Nachdruck verbietet. Rück-
sichtlich des Ersteren heist es:*) »Zu dir selbst wende die Augen und hüte
dich, anderer Thaten zu beurtheilen. In der Beurtheilung anderer arbeitet der
Mensch fruchtlos, irrt öfter und sündigt leicht. . . . Viele suchen heimlich
sich selbst in Dingen, die sie wirken, und wissen es nicht. Sie scheinen
auch im festen Frieden zu bestehen, wenn die Sachen nach ihrem Willen
und Sinne gehen. Wenn es aber anders geschieht, als sie wünschen, dann
werden sie gleich aufgeregt und traurig. Wegen der Verschiedenheit der
Ansichten und Meinungen entstehen sehr häufig Missverständnisse unter
Freunden und Büri^ern, unter Religiösen und Frommen.« Deutlicher konnte
unser Schriftsteller nicht auch die dazumal in Vercelli gepflogenen Fehden
^) Schon Dante, der doch im 11. und 12. Gesänge des Paradieses den hl. Bonaventura
das Lob des hl. Dominikus, und den hl. Thomas das Lob des hl. Franziskus so schön ver-
ktlnden lässt, tadelt die beiden Orden deswegen. Siehe Parad. XL 124 ff. ; XII ff. ; sowie er
auch die Gleichheit der beiden Ordensstifter nicht umsonst so zu betonen scheint, ^ar. XL 37— 40 :
Der Eine war seraphisch ganz von Gluten,
Durch Weisheit war der Andere auf Erden
Ein Schimmer von dem Licht der Cherubinen.
Ebenso Par. XI I. 34, 37.
Wo Einer ist, darf nicht der Andre fehlen,
So dass, weil sie gedient bei einem Herrn,
Also der Ruhm auch leuchte Beider Seelen.
*) B. I. K. 14, I. 2.
.197
in politischer Beziehung, deren Berücksichtigung, nebenher bemerkt, auch ein
nicht zu unterschätzendes Argument für das 13. Jahrhundert als Abfassungs-
zeit unseres Buches bildet, sowie auf die Streitigkeiten in religiöser Beziehung
anspielen, wollte er seinem Buche die Universalität und Allgemeinheit wah-
ren. Nur mit Bezugnahme auf den angeführten Streit zwischen den Mendi-
canten, wie er im 13. Jahrhundert geführt worden ist, lassen sich in der
Imitatio Christi Stellen begreifen und in ihrer ganzen Fülle auffassen, wie
die folgenden: »Grüble und disputire auch nicht über die Verdienste der
Heiligen; wer heiliger als der andere, oder wer grösser sei im Himmelreiche.
Denn solches erzeugt oft Streite und unnütze Zänkereien, nähren auch den
Stolz und die eitle Ehrgier, woraus Neid und Uneinigkeit entspringt, indem
dieser jenen Heiligen und der andere einen anderen hoffärtig voranzusetzen
sucht. Solches aber wissen und erforschen wollen, bringt keine Frucht, son-
dern missfällt vielmehr den Heiligen. . . Schweigen sollen also fleischliche und
thierische Menschen von Erörterungen über den Stand der Heiligen, sie die
nichts als ihre Privatfreuden zu lieben wissen. Sie nehmen und thun hiezu,
je nach ihrer Meinung, nicht wie es der ewigen Wahrheit wolgefällt.« ') Stel-
len, die mit unserem Gegenstande zusammenhängen, sind auch die folgenden:
»Einige*) tragen ihre Andacht bloss in Büchern, einige in Bildern, einige aber
in den äusserlichen Zeichen und Gestalten.« »Einige') werden aus frommen
Eifer mehr zu diesen oder jenen (Heiligen) gezogen, aber mehr mit tnensch-
lichem als göttlichem (Eifer).« Wir glauben hier eine Anspielung auf Aus-
wüchse der sogenannten Tertiarier finden zu sollen, wie Gregory das längst
bemerkt hat mit den Worten:*) »Der Verfasser zielt hier auf die Sitten
una Gebräuche jener Zeit, wo sich Männer und Frauen in das Verzeichnis
des dritten Ordens fleissig einschreiben Hessen, wie dies später mit anderen
Bruderschaften und Vereinen der Fall war.«
Zu Anfang des dreizehnten Jahrhundertes wurde der italienische Abt
Joachim da Celico Veranlassung zur Entstehung der Secte der Joachiten,
welche die Lehre vom »ewigen Evangelium« aufstellten, nach welchem drei
Zeitalter zu unterscheiden wären, je eines für jede der drei göttlichen Perso-
nen, so dass dem Zeitalter des Vaters im alten Testamente und der Periode
des Sohnes im neuen Bunde nunmehr seit Abt Joachim folge die Periode
des hl. Geistes, mit welcher Christi Herrschaft, die von ihm eingesetzten
Sakramente und überhaupt das äussere Kirchthum sein Ende erreicht hätte.*)
Ueber dieses »ewige Evangelium« war im Verlaufe des 13. Jahrhundertes
») B. 3. K. 58, 2. 5. «) B. 3 K. 4, 4. «) B. 3. K. 58, 3.
*)'Bci Weigl. 1. c. S. 54. Anm. 54.
*) ^gl' Weigl. 1. c. S. 55 f. wo er den Abt Gerscn seine Summe gegen diese Irr-
thttmer seiner Zeit in folgenden Stellen erheben lässt : Im ersten Buche K. i, i; 8, i.
Buch 3i K. 3, i; 4, 3; 14, 4; 31, 3; 43, 3; 50, 8; 56, 2. Buch 4, K. 11, 4.
198
grosses Rumoren in Italien, und wir dürfen uns nicht wundern, wenn der
Zeitgenosse Gersen auf diese sehr stark ventilirte Lehre der Apokalyptiker
sich einlässt. Gregory hat solcher Stellen die Menge aufgezeigt, in welchen
»eine indirecte Widerlegung der Grundsätze des ewigen Evangelium c ent-
halten ist, und wer diese Citate sorgsam prüft, wird Gregory recht geben.
Prüfen wir die angegebenen Gründe, so werden wir in denselben eine
Bestätigung dessen finden, was die alten Handschriften und Citirungen unserer
Schrift bei Auetoren des 13. Jahrhundertes weisen, dass nämlich die Nach-
folge Christi im 13. Jahrhunderte verfasst sei. Viele Stellen bleiben uner-
klärhch, wenn das Buch > De imilatione Christi c im 15. Jahrhunderte verfasst
worden wäre und waren auch in solange nicht voll erfasst, als man Thomas
von Kempis als Auetor des Buches bezeichnete. Sie werden erst dadurch
recht klar und verständlich, dass wir sie an's Licht des dreizehnten Jahrhun-
dertes stellen und selbe in demselben betrachten.
Der Verfasser der Imitatio war ein Benedictinermönch.
|enn Herder mit Recht sagt '), dass ein Auetor mit seinem Buche die
Gedanken, die er fand und sich eigen machte, ja in denen er Jahre
lang wie im Eigenthum seines Geistes und Herzens lebte, also gewisser-
massen einen Theil seiner Seele dem Publikum Preis gibt, und offenbart,
womit sich sein Geist in gewissen Zeiträumen und Angelegenheiten beschäf-
tigte, so werden wir uns nicht wundern dürfen, wenn wir aus dem Inhalte
des goldenen unvergleichlichen Buches, welches so treu und einfach schlicht un-
verkennbar die Sprache des Herzens redet, einen Schluss auf die Lebens-
verhältnisse und den Charakter seines Verfassers machen können. Mehr
als sonst irgendwo bewahrheitet sich an der Imitatio der Satz, dass das Werk den
Verfasser abspiegle. Der Auetor unseres Buches legt uns in seinem Werke
gleichsam seine ganze Seele, sein ganzes Leben offen dar. Wir werden,
soferne wir aufmerksamen Geistes die ganze Schrift prüfen, nicht verkennen
können, dass ihr Verfasser ein Mönch im ganz ausschliesslichen Sinne, ein
Benedictiner, gewesen sei*). Wir erhärten das aus einzelnen ausdrücklichen
Stellen und aus dem Verhältnisse der Nachfolge zur Regel 'des heiligen
Benedict.
Es ist in der Nachfolge eine bedeutende Zal von Stellen zu finden,
welche mehr oder minder deutlich bezeugen, dass dieses Buch von einem Mönche
*) Ideen zur Geschichte der Menschheit. Erster Theil. Vorrede. Stuttgart 1844. S. 716.
*) Cf. Renan 1. c. pag. 328. »La vie religieuse teile qu'elle apparatt dans le livre
de rimitation nous reporte ^galement k la premi^re moiti^ du Xllle si^cle. Cette vie s'y montre
cncorc avcc la physionomie ben^dicline. «
^99
fiir Mönche geschrieben sei.*) Eine für viele: Im 58. Kapitel des dritten
Buches*) fordert der Herrr im liebenden Zwiegespräch den Schüler neuerlich
zur Nachfolge auf, der Schüler verspricht der Aufforderung des Herrn Folge
zu leisten und fordert seine Brüder auf, das Gleiche zu thun. »Suscepi, so
spricht der gottergebene Schüler, suscepi de manu tua crucem, portabo eam
usque ad mortem, sicut imposuisti mihi.« Und nun erklärt zu allem Ueber-
flusse unser Auetor, was er denn unter dem Kreuze verstehe: »Vere uita
boni monachi crux est sed dux paradisi«. Der Monachat ist also unter dem
Kreuze verstanden, aber er führt zum Paradiese. »Inceptum est, so mahnt
unser Mönch seine Mönchsgenossen, retro abire non licet, nee relinquere
oportet.« Schliesslich fügt er noch die Mahnung hinzu, doch ja sich nicht
schrecken zu lassen und so etwa gar dem Ruhme den Schandflecken an-
geheftet zu haben, dass man vom Kreuze gewichen ist. Indem hier der
Verfasser von sich selbst sagt: > Suscepi de manu tua crucem« und bald
darauf für die »crux« »uita boni monachi« substituirt, bezeichnet er sich
deutlich als Mönch, so gut als in den auffordernden Worten, ja nicht zurück-
zukehren und nicht etwa vom Kreuze zu fliehen, die Angesprochenen als
Mönche bezeichnet werden. Ebenso klar, wie hier, äussert sich unser Ver-
fasser wiederholt. So unterrichtet er die Seinen über den göttlichen Beruf
und die herrlichen Früchte eines ächten klösterlichen Lebens. Dankerfüllten
Herzens gedenkt er da der eigenen gnadenreichen Berufung zum monasti-
schen Leben und ruft aus'): »O Du Quell' ewiger Liebe, .... Ueber alle
Hoffnung hast Du an Deinem Knechte Barmherzigkeit gethan und über alles
Verdienst hast Du mir Gnade und Freundschaft erwiesen. Was werde ich
Dir für diese Gnade erwidern? Denn nicht Allen ist es gegeben, dass sie
Alles verlassen, der Welt entsagen und ein klösterliches Leben (uitam mo-
nasticam) auf sich nehmen.« Im letzten Kapitel des ersten Buches endlich
ermuntert er seine Schüler und geistlichen Söhne zum rechten Mönchsleben
*) >Piu luoghi danno a connoscere , che il libro h stato scritto per monaci da ud
monaco . . . c non g\k, comme farebbe un semplice ecclesiastico o un canonico regolare.«
Cancellieri, Notizie stoHche e bibliographiche di Giovanni Gersen. Rom 1809. pag. 308.
Weigl, Denkschrift 4 ff. beweist unsere These u. a. aus folgenden Stellen. B. i. K. 9, 3;
18, 5; 19, 4; 20i 3; 24, 3; 25, 8. B. 2. K. I, 3; 6, 2; 12, 3. B. 3. K. 5, 7;
10, 2; 12, 2; 19, 3; 23, 3; 26, 4; 32, 2; 39, 3; 46, 2; 49, 5; 53. »; 54. 3; 56,4.
B. 4. 8, I.
') Kardinal Enriguez erklärt in den einleitenden Notizen zu seiner lateinisch-italienischen
Ausgabe der Imitatio, Romae 1784, 3 vol., dass er schon durch dieses einzige Kapitel zu der
Ueberzeugung gebracht worden sei , der Verfasser der Imitatio könne nur ein Benedictiner-
mönch gewesen sein, wofür er noch andere Stellen die Menge anführt. Cf. Gregory, histoire,
I-, 47—49.
•) 1. 3. c. 10, 2.
200
und verweist sie auf so viele andere Religiösen, welche genug eingeschränkt
sind unter der klösterlichen Zucht, sowie das 17. Kapitel desselben Buches
ausdrücklich den Titel führt De monastica uita. ') Der Ausdruck MQnch
wurde aber als dem Benedictiner eigenthümliche Bezeichnung behandelt *).
Daher war der Auetor der Imitatio ein Benedictinermönch.^j
Die Thomisten berufen sich aber darauf, dass das Wort »monachus« im
weiteren Verstände auch die Mitglieder anderer Orden begreife und dass
Thomas von Kempen die Häuser der Regularkleriker monastcria, ihre Be-
wohner aber monachi nenne. Aber das Alphabetum boni »monachi^, auf
welches man sich als Beweis berufen hat, hält heute Niemand mehr für ein
Werk des Thomas; es gehört dem hl. Bonaventura. Im Gegentheile, der
ehrwürdige Thomas von Kempen hält die Regularkleriker und
die Mönche recht sichtlich und sorgfältig auseinander^) und nennt
*) Es ist sehr bezeichnend, dass gerade Gence in seiner Ausgabe der Imitatio statt
dieser allgemein angenommenen und handschriftlich beglaubigten Uebcrschrift das blasse: De
religiosa uita einführt. Das ist kein Beispiel für die zalreichen Stellen, an denen Gence gegen
alle Regeln der Kritik die Stellen , welche auf einen Mönch als Verfasser hindeuten , ver-
flüchtigt; er fühlte eben, wie sehr diese monastischen Stellen seinem Klienten Gerson, der nie
Mönch gewesen, schaden.
*) Du Gange, Lexicon med. et inf. lat. ed. c.
') Man vergleiche hiermit das Resultat , welches der berühmte französische Kirchen-
gcschichtsschrciber Rohrbacher aus diesen und ähnlichen Stellen ableitet. Er sagt: »Ces
passages et d'autres prouvent övidement, que l'auteur du livre de l'Imitation est un moine et
qu'il ecrit pour des moines. On voit m^me que quand il a öcrit son livre , il avait embrasse
la vic monastique depuis bien des ann6es.« Histoire universelle de l'^glise cath. Deux. ed.
Paris 1851. tom. 18. p. 478.
*) Vgl. darüber Sermo 19: Diabolus clericorum insidiator, monachorum ten-
tator. Sermo 20 : Haec (crux) regula monachorum, haec uita bonorum , haec lectio
clericorum. Sermo 24 De passione: Tibi inclinant reges et principes, dominus et domi-
cella, diues et egenus, monachus et clericus, magister et discipulus. De trib. tabem.
c. i: Hie est beatissimus praesul Augustinus, de quo ita canit clericorum chorus testamen-
tum nuUum fecit . . . Serm. 7. in fest. Pent. Ab his etiam apostolicis uiris et deo dilectis
eremitis gloriosus pater noster Augustinus doctor eximius ad contemptum mundi peruenit. Qui
postmodum presbyter et episcopus factus monasterium clericorum instituit coepitque cum
multis dei seruis secundum apostolicam uitam in communi uiuere, quibus et regulam suam,
quam scripsit, tradidit obseruandam; simili modo sanctus pater Benedictus [apostolicae uitae
sectator strenuus aliam edidit monasticae uitae regulam uirtutibus plenam, per quam monachi
religiöse uiuentes fclicitcr tcnderent ad aeternae beatitudinis gloriam. Aus diesen und anderen
Stellen zieht der hierin gewiss massgebende Launoy (Opp. omn. Colon. Allobr. 1732. tom. IV.
part. II. pag. 16, 17) den Schluss, der Verfasser der Imitatio Christi sei Benedictinermönch
gewesen , weshalb weder Gerson noch Thomas , sondern nur Gersen (nicht Gerson , wie das
Wetzer'sche Kirchenlexikou Art. I^unoi sagt) die Ehre der Abfassung des goldenen Büchleins
zukomme, was Launoi auch ausführlich genug im dritten Theile seiner Dissertation 1. c.
pag- 39—57 beweist.
20T
im Chronicon s. Agnetis, wo immer von Aufnahme und Tod der Brüder die Rede
ist, nie einen Augustiner »Mönch«. Bis heute noch ist auch kein Buch erschienen
untei dem Namen des Thomas von Kempen als eines »monachus s. Augustini«.
Auch stellt Thomas in seinen Schriften zu öfteren Malen den Seinen die Re-
gularkleriker als Muster des geistlichen Lebens vor, nicht so der Auetor der
Imitatio. Er beruft sich nur auf reformirte Benedictinermönche. Ein Beweis,
dass er selbst Benedictiner war. Auffallen muss uns ferner noch der Inhalt
des i8. Kapitels im ersten Buche der Nachfolge. Da stellt der Auetor zu-
erst die Beispiele der hl. Väter dar, bejammert dann das Verlassen der
Wege dieser hl. Männer in der Gegenwart, und fordert endlich zu einer
gründlichen Erneuerung des Lebens derselben auf. »O welch' ein strenges
und entsagendes Leben haben die hl. Väter in der Wüste geführt, welch'
lange und schwere Versuchungen haben sie ertragen ! Wie oft sind sie vom
Feinde geplagt worden, wie viele und inbrünstige Gebete haben sie Gott
aufgeopfert 1 Welch' strenge Enthaltsamkeit haben sie geübt. . . . Am Tage
arbeiteten sie und in den Nächten oblagen sie langdauerndem Gebete; wie
wol sie auch bei der Arbeit nicht im mindesten vom innerlichen Gebete ab-
Hessen. Alle Zeit füllten sie nützlich aus, jede Stunde schien ihnen kurz.
...In wahrer Demut bestanden sie, in einfältiger Gehorsamkeit lebten sie,
in Liebe und Geduld wandelten sie.« Ich überlasse die weitere Le6lüre
dieses Kapitels dem Leser und habe die üeberzeugung , dass er darin mit
mir eine Beschreibung des Wirkens und Werkens und Lebens, wie es uns an
den alten Benedictinern gegeben wird, findet. Zur Nachfolge dieses Lebens
fordert nun unser Kapitel auf, beklagt den Abfall von der ersten Liebe:
»Jetzt wird's schon für gross gehalten, wenn einer kein Uebertreter ist,
wenn er, was er auf sich genommen, mit Geduld ertragen kann !« Ich glaube
nicht, dass Thomas der eben gestifteten und in grosser Strenge aufblühen-
den neuen Congregation die unmittelbar folgenden Worte wird zurufen haben
können: »O tepor et negligentia Status nostri, quod tam cito declinamus a
pristino feruore!«
Der Verfasser der Imitatio gibt sich also Schritt für Schritt als Mönch
zu erkennen und er spricht auch zu Mönchen. Wie das so notwendig aus
dem Buche der Imitatio Christi folgere, dafür bürgt uns ein ganz unverdäch-
tiger Zeuge. Hirsche, der eifrigste Verfechter der Rechte Thomas in neuerer
Zeit, nimmt gerade diesen Umstand gegen die Partisane Gersons scharf
wahr in folgenden Worten : *) »In den Worten uita boni monachi, sowie im
darauf folgenden gibt sich der Verf. der Imitatio unzweifelhaft als Mönch
zu erkennen. An mehreren anderen Stellen der Imitatio geschieht das
Gleiche, und man ersieht zugleich aus diesen Stellen, dass der Verf. bei der
*) Prolegomena Seile 55 f.
202
Abfassung seines Buches zunächst seine Ordensgenossen im Auge gehabt
hat. Ich erinnere u. A. an 1. i. c. 9 n. 3: Valde magnum est in obedien-
tia Stare, sub pradlato uiuere et sui iuris non esse; ferner in demselben
Kapitel an v. 10 — 12: Curre huc vel illuc, non inuenies quietem nisi in
humili subiectione sub praelati regimine; ferner an 1. i. c. 17: De monastica
uita; an 1. i. c. 19: De exercitiis boni religiosi; an 1. 3. c. 10 v. 24 — 26:
Non enim omnibus datum est, ut omnibus abdicatis seculo renuntient et
monasticam uitam assumant.c Und nunmehr fahrt Hirsche fort: »Ist dies
aber nicht in Abrede zu stellen, so ist die Annahme unmöglich, dass der
Pariser Kanzler Gerson, welcher nie ein Ordensgeistlicher gewesen, obwol
er die letzten Jahre seines Lebens in klösterlicher Zurückgezogenheit zuge-
bracht hat, der Verfasser der Imitatio sei. Dass solchen sonnenklaren Be-
weisen gegen Gerson zum Trotz noch bis auf den heutigen Tag sich Schrift-
steller finden, welche die Imitatio als ein Werk des Gerson angesehen wissen
wollen, würde unbegreiflich sein, wenn man nicht aus der Geschichte des
Streites über die Authentie der Imitatio wüsste, wie viel Oberflächlichkeit und
Unverstand, wie viel verschmitzte Hinterlist, ja grobe Unwahrheit sich von
jeher in den Eifer, womit die betreff"enden Erörterungen geführt wurden, ge-
mischt hat.« Wir würden uns scheuen, den ganzen Nachsatz seinem Urheber
zurückzugeben, aber erlauben müssen wir uns schon doch zu bemerken, dass
ja aus demselben Grunde auch Thomas der Verfasser nicht sein könne. Er
war kein Mönch und gibt sich auch nie als solchen zu erkennen. Wir ver-
weisen diesbezüglich noch auf den Thomisten Nolte. Ihm handelt es sich
nachzuweisen, dass in der Hdschr. des ehem. Karthäuser Klosters in Brüssel,
welche gegenwärtig in der königl. Bibliothek derselben Stadt sich findet,
durch die Unterschrift: Explicit deuotus tractatus cuiusdam regularis de interna
locucione Christi ad animam fidelem . . . unter dem Namen »cuiusdem regu-
laris c wol niemand anderer zu denken sei als Thomas. Der Ausdruck,
so lautet die Begründung*), »cuiusdam regularis« kann nur auf ein Mitglied
des Ordens der Canonici regularis bezogen werden, weil diese selbst sich
schlechtweg so nennen und von der ganzen Welt so genannt werden 1 Ganz
richtig, müssen wir erwidern, denn diese regulirten Kanoniker waren eben
keine Mönche*) und daher Thomas, der canonicus regularis, so gewiss nicht
der Verfasser der Nachfolge , als dieser sich selbst Mönch nennt und zu
Mönchen redet.
Dass der Auetor der Imitatio ein Benedictinermönch gewesen sein müsse,
•) Wiener Zeitschrift für kathol. Theologie von Scheiner und Häusle. 1855. Seite 37.
*) Allerdings werden im Decretalenrechte 1. 3. Decretal. De statu monach. c. 5. auch
die regulirten Chorherm Mönche genannt, aber man findet kein Beispiel, dass sich ein Chor-
herr selbst so genannt hätte.
tässt sich noch mehr aus den Beziehungen dieses Buches zur Regel der
Benedictiner erhärten. Abgesehen davon, dass die Regel des hl, Benedic
ausdrücklich in der Nachfolge Christi citirt wird'), muss der, welcher
beiden Schriften sorgfältig vergleicht, bekennen, dass die Nachfolge über den
Leistet! der Benedictinerregel gefertigt ist, ilass sie aufgebaut ist über dem
Grunde der hl. Regel. Was die Renedictitierregel in kurzen Worten als Auf-
gabe des Schülers Christi und als Mittel der Vollkommenheit angibt: Demut,
Gebet, Entsagung und Selbstverleugnung, wdÜgen Gehorsam, sittliche Würde,
Klugheit, Milde im Umgange, Wechsel zwischen Gebet, Meditation und Arbeit,
Beschränkung der Lebensbedürfnisse, so dass man auf die Lebensannehmlich-
keiten verzichte , Geduld in Leiden u. s. w. finden wir das nicht fast dem
Worte und wo nicht Wort für Wort, doch dem ganzen Zusammenhange nach
in der Imitatio Christi wieder?^) Wenn man von dem hl, Bernhard gesagt hat,
er habe nicht aus der hl. Schrift, sondern die hl. Schrift gepredigt, so kann
man von dem Verfasser der Imitatio Christi, ebenso berechtigt, mit Quatre-
maire sagen, er verkünde die hl. Regel Benedikts,') Gilt dies insbesondere
vom ersten Buche der Nachfolge, so wird man das zweite und dritte Buch
als eine Anweisung betrachten können, wie die Instrumente bonorum operum
im 4, HaUjjtstücke der hl. Regel in Ausübung zu bringen seien. Wir lassen
die diesbezügliche Gegenüberstellung Weigl's folgen mit dem Beisatze, dass
der Inhalt der aufgezätlen Kapitel im Buche der Nachfolge weit besser, als
deren oft nicht ganz passende Titel Überschriften mit den kurzen Sätzen der
Benedictinerregel übereinstimmen.*}
Man vergleiche Benedictiner -Regel Kap. 4, zo, A saecuii actibus se
facere alienum mit Nachfolge Christi B. II. c. 1. De interna consolatione.
Relinqie hunc miserum mundum.
R 30. Injuriam non facere, sed factam patienter suffere; 50, Cogitationes
nialas — seniori spirituah patefacere — J, c, 2. De humili submissione.
') Oder wie erldärl Dum denn sonst I. I. c. :8. 11. 5 '■ "Quanla reuerenli.i et obedienlia
sub regula magislri in omnibus eflloruil.. den Begriff .5 üb rcgiila magislri?. Als
re{>alB magislri pflegte kunhin nur die Benedi Itlinerrcgel angegeben lu werden.
•) Cf. Qualremaire , welcher 1. c, pag. 143, das Vethällnis zwischen Kegel und
Imitalio so stellt : »Quldquid illic btcuibus pracceplis pracmillilur hie fusioii paraphrasi
exponiturj quod ulerque eadem de humilitale lubcal, quod uletque üsdem propris uocibus
iisdem certe lensibus obedienliam commendel , a luinultuaiia snecularis conuersationis lurba
auocet, ferllentem morum emendationem, excmpla snnclorum , exercilia monachorum , Studium
dJuinoTUni, amorem cnicis, purilalem DiatiDnb eodem ductu iofonnef , eodem sensu proponat,
nuwimani ingtrit de eadem professione , de praecessione in altcro et in altero sequutrice
itudinem nedum conjecturam. •
■) 1. c, pag. 145; .Auclor loquilur non de regula sed rcgulam . . . non uerbonim
1 wcie, non indice loconim s*d Iiansfoimato. in cundcm rrgulae scnsum spititu auctoris, ■
■•) Siehe Weigl. I. c, Stile 106 ff.
204
R. 25. Pacem falsam non dare; — J. c. 3. De bono pacifico homine.
24. Dolum in corde non tenere — c. 4. De pura mente et simplici
intentione.
58. Mala sua praeterita cum lacrimis vel gemitu quotidie in oratione
Deo confiteri — c. 5. De propria consideratione.
62. Praecepta Dei factis quotidie adimplere — c. 6. De laetitia bonae
conscientiae.
21. Nihil am ori Christi praeponere — c. 7. De amore Jesu super omnia.
42 Bonum aliquod in se, cum viderit — Deo applicet, non sibi —
c. IG. De gratitudine pro gratia Dei.
Regel 56. Lectiones sanctas libenter audire und Imit. B. II. c. 3. Quod
verba Dei cum humilitate sunt audienda.
28. Veritatem ex corde et ore proferre; 49. In omni loco Deum se re-
spicere pro certo scire — c. 4. Quod in veritate et humilitate coram Deo
conversandum est.
61. Non velle dici sanctum antequam sit, sed prius esse, quo verius
dicatur — c. 7. De occultanda gratia sub humilitatis custodia.
43. Malum semper a se factum sciat, et sibi repulet — c. 8. De vili
aestimatione sui ipsius in oculis Dei.
59. Desideria carnis non perficere, voluntatem propriam odire — c. 11.
Quod desideria cordis exanimanda sunt.
60. Praeceptis abbatis in omnibus obedire — c. 13. De obedientia
humilis subditi, ad exemplum Jesu Christi.
41. Spem suam Deo committere; 72. De Dei misericordia nunquam
desperare — c. 16. Quod verum solatium in solo Deo est quaerendum.
29. Malum pro malo non reddere; 33. Persecutiones pro iustitia
sustinere — c. 18. Quod temporales miseriae aequanimiter sunt ferendae.
46. Vitam aeternam omni concupiscentia spirituali desiderare — c. 48.
De die aeternitatis et vitae hujus angustiis und c. 49. De disiderio aeternae vitae.
Da zuerst von Fronto und auch nach ihm die Behauptung aufgestellt
worden ist, dass besonders Im. i, 17 den Vorschriften der Benedictinerregel
zuwiderlaufe, so wollen wir hier noch die leitenden Gedanken dieses Kapitels
der Nachfolge in Vergleich stellen mit den Grundsätzen, welche das 58. Haupt-
stück der Benedictinerregel aufstellt und wir werden nicht nur keinen Wider-
spruch, sondern sogar häufig eine ganz merkwürdige, selbst auf die Worte
sich erstreckende Uebereinstimmung wahrnehmen in der Art, dass die Imi-
tatio Christi weiter ausführt und begründet, was die hl. Regel mit kurzen
Worten vorschreibt. Dem Neuankommenden, der sich zum Eintritte in's
Kloster meldet, werde der Eintritt nicht leicht gewährt ; erst, wenn der Can-
didat gezeigt, dass er Unbilden und die gegen ihn erhobenen Schwierigkeiten
geduldig ertragen könne, wenn man erforscht hat, dass er wahrhaft Gott
^205
sucht, rechten Eifer* zum Gottesdienste, zum Gehorchen und zu den Ver-
demütigungen habe, gestatte man ihm den Eintritt. Der Aufzunehmende
gelobe dann Beständigkeit und mache ein Gelöbnis darüber auf die Namen
der Heiligen. Im Bethause sollen dem Aufgenommenen seine Kleider aus-
gezogen, und er mit dem Ordensgewande bekleidet werden. Die Begründung
und nähere Beleuchtung dieser Vorschriften findet man im obgenannten
Kapitel der Nachfolge. An zweifellosen Anklängen dieser beiden Kapitel
führen wir nur an:
Regel c. 58. Im. i, 17.
Senior intendat, an (nouiter ueniens) Qui aliud quaerit, quam pure Deum.
reuera Deum quaerit. Ad seruiendum uenisti, ad laborandum.
Nouitius sollicitus sit ad obedientiam. Hie probantur homines siciit aurum
ad opus Dei. in fornace.
Non probandus in omni patientia. Non est paruum in monasteriis uel
Si promiserit de stabilitate perseu- in congregatione habitare et ibi sine
erantiam . . . iterum probetur . . . nee quaerela conuersari et usque ad
Collum excutere de subiugo regulae mortem fideliter perseuerare.
licere (sciat).
Aus diesem Verhältnisse der Imitatio Christi zur Regel Benedict's lässt
sich's erklären, dass jedem Ordenskandidaten die hl. Regel zusammt mit der
Imitatio in seine Celle gegeben wurde, womit weiterhin ziKammenhängt, dass
die Nachfolge und die Benedictinerregel gar so oft in ein Werk zusammen-
geschrieben oder doch zusammengebunden sich finden und dass überhaupt
die meisten Imitatio-Handschriften — man vergleiche nur den Anhang —
in Benedictinerklöstern sich finden oder aus denselben in öffentliche Biblio-
theken gewandert sind.
Heben wir zum Schlüsse dieses Abschnittes noch hervor, dass die Sen-
tenz: »Habitus et tonsura modicum conferunt*)« gar merkwürdig zusammen-
stimmt mit dem Gedanken, welchen wir in der Benedictinerregel finden*):
»(Sarabaitae) mentiri Deo per tonsuram noscuntur,« dass sich die Ausdrücke:
Monasterium, congregatio, coenobita in Regel und Nachfolge so oft finden,
ja dass das specifisch Benedictinische »cclla,« welches in der Regel achtmal
wiederkehrt, in dem einzigen zwanzigsten Kapitel des i. Buches der Imitatio
dreimal zu lesen ist und dass dieses Wort sowie *Praelatus« ein specifisch bene-
dictinischer Terminus ist, indem ja die regulären Chorherrn ihre Behausung
»Camera« und ihre Vorsteher i^Praepositus« zu nennen pflegten, so werden
>) Imit. 1. I. c. 17, 2.
•) Kap. I. n. 3.
ao6_
wir gewiss in unserer Ueberzeugung , ein Benedictiner habe die Imitatio ge-
schrieben, mächtig gestärkt werden.'} Die Ermahnungen des 53. Kapitels
im dritten Buche; iPetere sccretum< und lAmare solus habitare secumi sind
nach Wort und Sinn aus dem Leben des hl. Benedict von Gregor dem Grossen
entnommen.*)
Der wol nnr vereinzeint gehörte Einwurf, der Auctor der Nachfolge
Christi bekunde sich als ein Glied der Windeshdmer Congregation , indem
er die Gepflogenheit nur an bestimmten Tagen zu celebriren constatire, ist
ohne Berechtigung, weil dieselbe Gewohnheit auch bei den Benedictinern
des 13. Jahrhunderts in Uebung war.*)
') Auch das Wort canueisio in dem Veistande, wie es
ist aus der Bcndiklinerregel c. i. 2. 5S (i*eimal} 63, wo coi
Kloster treten, vorkoutmt, daher die fiaties conuersi.
') Dial. B. a. K. 3.
') Wie man sieh aus Edm. Marlene, Regula 5. Beped.
Im. 1. I. c. 23 vorkommt,
tierti in dem engen Sinne, in's
. 35- Überzeugen kann.
ANHANG.
CODICES MANUSCRIPTI DERIMITATIO
CHRISTI.
Bibliolhdque d'Arras.
Catalog gdii^ral des manuscrits des bibliothiJcnies pabliiiiies tles dipartements
publiö sous leä auspices du niinistre de rinslruction publique.
Paris. Imprimerie imptJriale. Tom IV. 1872.')
><]. i&t). Chart. 12" XVII. .Traduclion eii franijais de quelques
ihapilres de I'imitation de Jesus-Christ. Provenaiil de Saint
Rdiurc en nmroquin roiige. Oorures et filets sur le plats.
S. 4 ff.
BrUssler Bibliothek.
Nolte i. .!. Zeilschrifl für kathol. Theol. Wien 1855. Heft 1
I. Cod. Kirch he miann-,. Vid. Oben S. 64.
II. Cod. I030. Chart, fol. 1 " stehen die Worte: ilncipit libellus humilis
c devotus dicius Über de imitatione Christi in alio folio, vette foHum;«:
3I, 2 * — 6 '' folgt das erste Buch der Nachfolge mit der Ueberschrift : »In-
1
'} Goslnv Hnencl veixrichnct in seinem Werke: iCatalDgi llbr. misr. qui in biblio-
ibccis Call. Helv. Bcig. Britnn. Hisp. Luiilan. assemaniun l.ip&iae 1S30 unter dem Schlag-
worte Thomas K. folgende eodd. mscr. :
1) Lyon. bibl. Hk Ja Ville. codi). 611: >Thümae a Kemp. opuic. «lec. XV. eh. fol.>
I) Maiseille. hilil. De la Ville. E. b. 99. und E. b. 100. Tbomu d. Kemp. membr. ta".
3) Soissons. Bibl, de la Ville. 1. 8. IJ4. Thumae de Kemp. Opusc \heol. saec. XV.
membr. fol.
4) Slr^s-^bnrE- Hibl. piibl. Thom. a Kemp. De idiil. Chri'^li el al. cimd fol. 1 Esempl.
i
2IO
cipit libellus humilis ac devotus dictus Über de ymitatione Jesu Christi« ;
gehörte einst nach Osnabrück.
III. Cod. Antuerpiensis. Siehe Oben S. 65 fF.
IV. Cod. 2581 — 2589. kl. membr. 4* saec. XV. Fol. i * — 60* enthält
das 3. Buch mit der Ueberschrift: »Incipit liber internae consolacionis de interna
Christi locucione ad animam fidelem.« Die Unterschrift lautet: »Explicit
devotus tractatus cujusdam regularis de interna locucione Christi ad animam
fidelem. scriptus per manus fratris iacobi baenst layci redditi Finitus in anno
iubileo MCCCL* XlII die mensis Octobris. Et pertinet ad carthusienn. donius
silve sancti martini prope Geraldi montem. Deo Gratias.« Fol. 60** enthält
die Kapitelangabe, worauf folgt: »Incipit tractatus puus (= parvus) dictus
regnum dei et sunt ammoniciones bone ad interna trahentes et primo de
interna conversacione;« er reicht von Fol. 61* — 76^, wo wir lesen: »Explicit
tractulus parvulus dictus regnum dei. Scriptus ppr manus fratris iacobi
baenst redditi layci oretis propter deum pro eo Finitus anno doniini MCCCC*
LI" XVI* die mensis marcii. Deo gratias semper.« Auf dem nun folgenden un-
numerirten Fol. steht: »Incipit tabula in libello sequenti de ymitacione Christi
et contemptu vanitatum mundi C. || (i. e. Capitulum). De vanitatibus mundi
ibid. LXXVII*^. ; auf fol. avers. steht: »Explicit tabula sequentis opusculi.«
Fol. 77* lesen wir: »Incipit parvus tractatus de ymitacione Christi et de
contemptu vanitatum mundi, '^ der von Fol. 77* -105 reicht, wo wieder
steht: »Explicit libellus de ymitacione Christi scriptus per manus fratris
iacobi baenst redditi layci. Finitus anno domini M^.CCCC" LI". VI die
aprilis oretis propter deum pro eo,« Fol. 105^ heisst es: »Incipit tabula in
opusculo sequenti de sacramento«, welches fol. 106 • mit der Ueber-
schrift: »Incipit tractatus de sacramento« beginnt und bis 133^ reicht,
wo es heisst: »Explicit tractatus dulcissimus de sacramento corporis et san-
guinis Christi. Scriptus per manus fratris iacobi baenst redditi layci.
Finitus anno domini MCCCC LI" XXVIIF die mensis iunii. Oretis propter
deum pro eo.«
V. Cod. 11841 — 11846 Chart et membr. 4" enthält auf Fol. 38» — 54*
das jetzige vierte Buch: »Incipiunt capitula libri de sacramento«, dem eine
spätere Hand beifügte: »fratris thomae Kempis ordinis canonicorum regu-
larium.« Diese Worte sind auch auf fol. 54* wieder von anderer Hand
beigesetzt. Diese Handschrift gehörte einst dem Kloster S. Paul in Rosenthal
und ist dadurch interessant, dass in ihr eine vita des Thomas enthalten ist.
VI. Cod. 2982. 12" XV. saec. enthält auf loi fol. die vier Bücher
der Nachfolge. Von fol. i * — 52 * steht unser drittes Buch: »De interna
Christi locutione ad animam fidelem.« Fol. 52 ^ — 72 ^ umfasst unser jetziges
erste Buch : »Incipit liber secundus de imitatione Christi et contemptu omnium
vanitatum mundi.« Fol. 73* — 84* enthält unser zweites Buch: »Incipiunt
ammonicioncs ad intiis trahenles.« Von 84"meil. — loi'' steht unser
jetziges vierte Buch, welches beginnt: »Venite ii. s. f.«
Vir. Cod 15138. membr, 8* XV. 112 fol. Auf fol. 1 1' steht: .Ex-
pliciunt capitula. Incipil über de imitatione Christi capitulum primum.«
Dieses Buch reicht bis 29'': »ExpUcil prima pars. Incipit secunda pars.
Ammoniciones valde ad interna trahentes.i Auf fol. 46 'beginnt das dritte
Buch und reicht bis 112'': »Explicit liber interne consolacionis.« Er gehörte
einst der Karthause Brügge.
VIII. Cod. 10821 — 10825. I2' XV. saec. 162. Fol. Von Fol. 1- -
23'' steht das erste Buch der Nachfolge : »De ymilacione Christi et contemptu
omnium vanitalum mundi.. Zwischen Ueberschrifl und Text sind wol von
späterer Hand die Worte eingefiigt : »Thonie de Kempis canonici regularis
in monte S. Agnetis.«- Fol. ^s": »De interna Christi locucione ad animam
fidelem.»
Dt. Cod. 14069 — 14089 Chart, etmembr. 4': »Incipiunt ammonitiones
ad spiritualem vitani valde utiles et habet capitula XXV. Capitulum primum
de imitacione Christi et contemptu mundanorum. • Hier fehlen c.ip. 4^13,
lind sind unvollständig cap. 3 und 19, Es umfasst 4 Blätter; Fol. 4 avers.
folgt: »Explicit prima pars istius. Incipit secunila et intytulalur sie ammo-
nitiones ad interna trahentes. Capitulum primum de interna conversalione, t
Dieser Theil ftillt 7 Blätter. Am Schlüsse steht: tF,t sie firiitur. Deo gratias.
Explicit secunda. Incipit lertia intytulata liber internae consolalionis. Et
habet LIX capitula Capitulum primum de interna Christi loquutione ad animam
fidelem.« Dieser Theil umfasst 28 Fol. Am Schlüsse lesen wir: »Explicit
devotissimus tractatulus interne consolationis.c
X. Cod. 4913 — 16. membr. 12' saec. XV. enthält auf 1 13 Fol. alle vier
Bücher der Nachfolge in der jetzigen Reihenfolge. Fol. 2^ steht: ^Incipiunt
capitula in libro ammonicioniim ad spiritualem vitam et primo de ymitatione
Christi et de contemptu omnium vanitatum mundi.« Auf Fol. 113' lesen
wir: lExplicithocopusculum devotissimumde venerabiü sacramento Deo-gratias, <
Xr. Cod. 4978. 12° saec. XV. enthält von Fol. 7Ö» — 95'' unser
jetziges vierte Buch. »Ammoniciones de sacramento cum quanta revereutia
Christus suscipiendus.« Fol. 76" stehen die Worte: >l,iber quartus Thomae
a Kempis de imitatione Christi,* welche aber einer späteren Hand angehöien,
XII. Cod. 11160. Chart. 4' saec. XVI. (1524)- Auf Fol. i» steht:
»Incipit liber primus fratris Thomae Kempis Canonici regularis de imitatione
Christi et contemptu omnium vanitatum mundi capitulum primum. i Das erste
Buch reicht bis Fol.
j^b
das
weite bis Fol. 40», das dritte bi
Fol. 100t,
das vierte bis Fol.
23'
wo e
s heisst; lExplicil liber quartus.«
Sie gehörte
einst nach Löwen.
2 I 2
XIII. Cütl. 11904. chait. 12" enthält auf Fol. 96*— 127* das erste
Buch. Fol. 96^: »Incipiunt capitula sequentis opusculi « Fol. 96**: >Incipiunt
amnionitiones ad spiritualeni vitam utiles.« »De iinitatione Christi et con-
tcmptu omnium vanitatum mundi Capitulum primum.c Auf Fol. 127* steht:
»Kxpliciunt amnionitiones.«
XIV. Cod. 20067. Chart. Fol. saec. XV. enthält auf sechs Blättern das
erste Buch: >I)e imitacione Christi et contemptu omnium vanitatum mundi. %
Am Schlüsse heisst es: >Expliciunt ammoniciones ad spiritualem vitam utiles. c
Fürstlich Fürstenbergische Hofbibliothek zu Donaueschingen,
ed. Barack. Tübingen 1865.
I. Cod. 249. Chart. XV. 234. fol. 4^*, fol. 97 — 234: Libri quatuor de
imatatione Christi , fol. 97*: -Incipiunt capitula primi libri, ^; fol. 234^: >>Ex-
plicit deuotus tractatus de uenerabilissimo sacramento an. dom. MCCCCXLV.n
II. Cod. 339. eh. anni 1453 und 1456. 132 fol. 4** fol. i: »De con-
temptu omnium uanitatum mundi et Imitatione Christi libri tres.<k Expl. fol. 54^*
»Finis adest modo per nie Cunradum Strytc apellanum in eszlingen an. 1456.':
K. Bibliothek Erlangen ed. Irmischer. Frankfurt a. M. 1852.
Cod. 1713. Thoniae a Kempis von der nachfolgung cristi vnd von
versmähung der weit. pg. 155 BU. in 4. auf breitem Rand zu 44 Zeilen.
15. Jahrhundert. Anfang: Der herr sprichet wer mir nachuolget der wandelt
nit in der vinsternusse . Ende: : Zu dem vatterland der ewigen selikeit amen.
Bittent gott ouch für mich. (Gleichmässig und schön geschriebene goth.
Minuskel mit vielfarbig verzierten und zum Theil vergoldeten Initialen.)
K. K. Universitäts Bibliothek zu Innsbruck.
Mitgetheilt von Dr. A. Jeitteles.
Cod. Chart, et nienibr. 8" XV. enthält auf 78 Fol. die ersten drei Bücher
der Imitat. »Inc. tractatus triplex de imitacione Christi et contemptu omnium
vanitatum mundi. Qui sequitur nie non ambulat in tenebris dicit dominus ;«
das Explicit: * Protege et conserua animam servuli tui inter tot discrimina vite
corruptibilis ac comitante gratia tua dirige per viam pacis ad patriam per-
petue claritatis. Amen. Kt sie est finis de quo laudetur dominus Jesus
Christus. <N Auf der Innenseite des rückwärtigen Deckels stehen die Worte:
>Obiit venerabilis dominus Johannes wylken anno domini 452.«. lieber die
Provenienz der Handschrift gibt auf der Innenseite des vordem Deckels die
Bemerkung Au fschluss: »Hie Hbellus est monasterii montis omnium angelorum
in ualle Snals ordinis Carthusianorum.<
213
Universitäts-Bibliothek Krakaii.
Mitgetheilt vom Herrn Bibliotheks- Vorstand.
Cod. 2401. XV, (pag. 135 — 290) »Inc. libellus consolatorius ad
instructionem deuotorum. Finis operis . . . per me dementen de Himbucimo-
wicze a. d. 1479.« Nachschrift: >Viri egregii Thome montis s. Agnetis in
Traiecto regul. can. libri Christi de imitacione niimero quatuor finiunt feliciterU
Biblioth<5que de l'universitd de Lidge. Li^ge 1875.
Cod. 359. Cod. membr. XV. min. form. p. 1—49: Thomae a Kempis
de imitatione Christi über primus. Ce ms. contient les 25 chapitres du pre-
mier livre de c^lt^bre traite.
Ob die Handschrift ausdrücklich Thomas als Verfasser nennt, wird
leider nicht angegeben.
Bibliothc^que de Lille par M. Le Glay. Lille 1848.
Cod. CXXXVIIL Liber ex charta, in octauo, continens tres libros de
imitatione Christi translatos de germanico in gallicum an. 1538 per authorem
anonymum, qui dictos libros attribuit Ludolpho de Saxonio Carthusiano, qui
scripsit uitam Christi, cum tamen communiter tribuantur Thomae a Kempis,
can. regul. uel quod minus probabile est Joanni Gersen, abbati ordinis
S. Benedicti.
Bibl. acad. Marburg ed. Hermann. Marburg 1838.
Cod. D. 17. Chart. XVL 326. fol. 12 ®. Miscellancod. fol. 169: »Sancti
Spiritus assit nobis gratia. De imitatione Jesu Christi caput primum qui sequitur
me non ambulat in tenebris.« Fin, fol. 187: »Explicit imitacio christi an. dorn.
MCCCCLXL feria quinta post natiuitatem marie semper uirginis in hallis
per me hildebrandum hardegesse scriptus . . .« fol. 194: Tractatus, qui intitu-
latur regnum dei intra uos est dicit dominus. Fin. fol. 219: -Expliciunt am-
moniciones ad interna trahentes anno dom. MCCCCLXXIX. ipso die sancte
scolastice uirginis per Hildebrandum p. plebanum in ellingen.
Bibliothek de Metz.
Catalog gen. des ms. des bibl. des dt^partements. Tom. V. 1879.
L Cod. 358. eh. 4° XV. (fin.) i) Incipit tractatus optimus de interna
Christi locutione ad animas fideles. Inc. »Audiam quid loquatur.« 2) Sequitur
tractatus B. Augustini de tribus habitaculis. 3) Tractatus de interna conver-
sacione. 4) Incipit notabilis tractatus de imitatione Jhesu Christi et contemptu
omnium uanitatum huius mundi. Inc. Qui sequitur me. 5) Tractatus devotus
de devota Christi susceptione in sacra communione. Inc. »Venite ad me.« De
Chartreux de Rettel.
214
II. Cod. 490. In-seize sur pap. (Recueil) XV. enthält 3 Stücke, i) De
Imitatione Jhesu Christi et contemptu inanitatum mundi. 2) Incipit dyalogus
siue coUoquium dorn, nostri Jhesu et monachi. Inc. Verbum michi ad te, o
princeps celi. 3) Excerptiones ad usum alicuius monachi.
III. Cod. 617. In-seize sur pap. (Recueil) XV. i. Liber de Imitatione
J. C. 2. Incipit tractatus de meditatione cordis magistri Johannis Gerson.
»De Cdlestins de Metz, i . Manque le commencement. Le premier et le
second livre sont confondus en un seul et terminds par cette souscription:
^>Explicit primus et secundus liber de imitatione Jhesu Christi et contemptu
omnium vanitatum mundi; incipit tercius de interna locutione ad animam
fidelem, scilicet audiam quid loquitur.c lib. IV fin: »Explicit liber quartus
et ultinius de sacramento altaris fratris Thome de Kempis de imitatione
Christi et de contemptu mundi, devotum et utile opusculum finit feliciter.<
Münchner Hof- und Staatsbibliothek.
Aus dem gedruckten Kataloge.
I. Cod. germ. Mon. (Cgm.) 218. 2®., v. 1487, 274 Bl. 87 — 109 de
imit. Christi deutsch, (sonst viel Ascet.)
II. Cgm. 262. 2^ XV. Jahrh. 361 Bl. Nach Cassians Collat. deutsch
(i — 244), folgt 244— -263. Von der Nachvolgung Christi, i. Buch von Bru-
der Thomas von SwoUis.
III. Cgm. 418. 4®, 1479. ^S^ ^^* I — 122 de imit. Chr. deutsch [131
— 185 Reg. S. Bened. deutsch. 185 — 192 von den Laibrüdern, 192 — 251
Auslegung der Bened. Regel.]
IV. Cgm. 4SI. 8". XV/XVI Jahrh. 222 Bl 1—48 Legende v. d. hl.
Ursula. 67 — 157, Von der Nachfolge Christi 4 Bücher.
V. Cgm. 458. 8^ XV. Jahrh. 337 Bl. Viel Ascetisches. 89 — 123.
Von der Nachfolge Christi i. Buch.
VI. Cgm. 3643. 2®. XV/XVI Jahrh. 269 Bl. Andreas Wallner Bene-
dictiner zu Aspach die 4 Bücher von der Nachvolgung Christi in deut-
schen Reimen.
VII. Cod. lat Mon. (Clm.) loi. chartac. misc. 2". XV. Saec. 398 f.
f. 335 — 446 de imitatione Christi et contemptu omnium vanitatum mundi
(alias Speculum theologiae.)
VIII. Clm. 3331 4®. 1502, 217 f. [aus dem Bened. Kl. Attel] i — iio
de Imitatione Christi libri IV.
IX. Clm 3594. 4^ S. XV. 216 f. [Aus der Stadtbibl. v. Augsburg.]
f. 43 — 72 de imit. Christi et contemptu omn. van. Inc. »qui sequitur me.c
X. Clm. 4775. 4^ 1447/48. 246 f. (Aus Benedictbeuern) f. 50 — 133
Liber de imit. Christi, compositus et collectus per Fr. Thomam canonic.
Regul. S. Augustini de obüervaiicia Hildensheimmensitim de nionasterio S.
Agnetis Trever, diöc,
XI. CIrfi. 3801. fol. S. XV. 209 f. (aus der Dombibl. Augsburg) f.
i8a — 191, Tractalulus de informatione fidelium ^ lib. I de i
XII. Clm. 478z»4". S. XV, 249 f. (Benediktbeuern) f. 147— 163 de
iinit. Christi I. I.
XIII. Clm. 4708. 2". 1469/83. 297 f. (Benedictbeuem) f. 30'' 42, f. 49 — 56.
de Imit. Christi, 1 I. & II.
XIV. Clm. 4619. membr. 4*. S. XIV. 141 f. (Benediktbeuern.) f.
39. de Imit. Christi pars IN-IV.
Dieser S am mel codex enthält 6 Stücke, welche sowol auf dem Pcrgamenl-
schilde der Einbanddecke, als auch auf der inneren Seite derselben angegeben
sind. Die Provenienibezeichnung, welche auf der ersten und ähnlich auf der
letzten mil Text beschriebenen Seite zu lesen ist: >Iste Über est monasterii
scti benedicti in Benediclenpewrent scheint von anderer, wenn auch sehr
alten Hand zu sein. Die Innenseite der Einbanddecke gibt einen Stiftbrief
des Abtes Thomas von Benedictenpewren. Fol. i*: Incipiunt capitula in
libro de solitaria uita (rot). Die Initialen der nun folgenden XLII. Kapitel-
Ueberschriften sind wechselweise roi und blau. Fol. 2": Incipit prologus
beati Berohardi abbatis ... De uita solitaria (rot). Dieser über schliesst
Fol. 37"; die nächsten Seiten sind unbeschrieben bis 39», Von diesen bis
iiS*" stehen die drei letzten Bücher Imitatio. 1. II. von 39» — 54". 1. III. —
iio''. 1. IV, — 118''. Fol. 29' ('■°0- »Incipit secunda pars de imitacione
Christi et conteraplu omnium uanitatum mundi et sunt ibi admonitiones ad
interna trahentes primo de interna inspiracione. Cap. prim.i Fol. 54": »Ex-
plicit secundus libellus huius operi.s. Incipit tercia pars de interna conso-
latione ad animam fidelem, capitulum primum (rot).« Dieses Buch zählt
64 Kapitel, weil die eingereihten Orationes als selbsLständige Capitei gerechnet
werden, was in alten Codices öfter vorkommt. Fol. iio** (rot): »Incipit quarta
pars libri, qui intilulatur de imitatione cristi et est de sacramento altatis et
de his que conceniunt ad sacramentum et specialiier de deuota praeparatione.
Capitulum primum.! Auch dieses Buch zählt im Vergleich zum recepirleii
Text mehr Capitei, indem als cap. XIX die octo inuitatoria precipua de
sanctissimo sacramento, als cap. XX. und XXI. »Duo considerare debemus
ut habetur infra isto cap.t und >de sacram.« figuriren. Folio 129' beginnt
das 3. Stück dieses Miscellencodex : sincipit tractatus dni Bonaventura de
humilitate. « Fol. 120" — 132^, dem sich noch eine 4., s.undö.Pi^ce anschliesst;
»Tract dorn, Petri cardin , camerac. de quatuor exerciciis spiritualibus, t Fol. 132'' —
136''. iDe quatuor gradibus spiritualis exercicii. Tractatus beali ßernhardi
abbatisf Fol. 136'' — 140* und tDe septem gradibus contemplacion.i 140' —
141''; und damit endet auch der Codex.
2l6
Nicht der ganze Codex ist von derselben Hand geschrieben. Die Schrift
des ersten Traktates wird jünger sein als die der Nachfolge Christi , welche
die Kürzungen nicht so übt und einen viel älteren Duktus hat. Der manu-
scriptenkundige Haupt, Kustos im Manuscripten-Kabinet der hiesigen k. k. Hof-
bibliothek, schreibt diese Handschrift unbezweifelt dem 14. Jahrhundert zu.
Sehr merkwürdig und sprechend sind die Textvarianten, welche auffallend
gegen das Autograf des Thomas mit der MaurinerRecension
stimmen So hat, um nur die diesbezüglichen Bemerkungen rücksichtlich
des zweiten Buches anzugeben, Buch II, c, 2 in der Aufschrift »sui« ; 2,2: »con-
tun)elia et;c 3,1. »Pone« te; 3,1: facere »teneanturc et negligit, »quod«
ipse »facerec »tenetur;« 3,2: »aut nobis contrariantibus;« 4,1: Non »debemusc
nobis credere ; 4,3: solatium »est« animae; 6,1 : Gloria. . . »est;<2 7,1 : :>prop-
ter« dilectum relinquere »omnia;« 8,1: »exterior consolatio;« 10,1: >diu;*:
12,15: »Si enirn« melius »aliquid« aliud.
XV. Clm. 4787. 4<*. 1451/52. 195 f. (Benediktbeuern) fol. 147- 169
de imit. Christi 1. III. c. 51 sq. et 1. IV.
XVI. Clm, 301 1. membr, 4®. S. XV. 90 f. (Andechs) f. 67. Dcvota
exhort. ad S. Christi communionem = 4. 1. Imit. Christi.
XVII. Clm. 3591. 4". S. XV. 223 f. (Stadt Augsburgj fol. 205: Tho-
mae de monte S. Agnetis et con. regul. in Trajecto de Imit. Christi et con-
temtu vanitatum mundi liber quartus. Hunc titulum inscriptum fuisse, prius-
quam tres libri priores manu impia exciderentur, Georgius Heserus in Charta
codici praefixa adnotavit. Cf. Euseb. Amort. diss. de auct. libri de imitatione
Christi. Aug. Vind. 1761. 4®.
XVIII. Clm. 4705. 2^ 1454. 184 fol. (Benediktbeuern) f. 177*» pars
quarta libelli de imit. Christi. Scripsit codicem Wolfgangus Klammer in
Gmimden.
XIX. Clm. 5607. 2®. S. XV. 239 f. (aus Kl. Diessen, Augustiner O).
f. 167 — 205. de imit. Christi libellus.
XX. Clm. 5662. 40. S. XV. 216 f. (Diessen) f. 47: Tractatus de
imit. Christi.
XXI. Clm. 5918. 40. S. XV. 151 f. (Ebersberg, Benediktbeuern) f.
133. de imit. Xi. [Partem cod. scr. Johannes Paumhacker de Stainhaim].
XXII. Clm. 5952. 4®. S. XV, 211. f. (Ebersberg) f. 78 de Imitatione Xi.
XXIII. Clm. 6033 8®. 1452. 227 f. (Ebersberg) f. 147 de imitatione
Xi. capp. 25. —
XXIV. Clm. 7791. membr. 8^ S. XV. 89 f. (aus Indersdorf, August.),
f. 19 De imit. Xi.
XXV. Clm. 7521. 2^. 1430. 291 f. (Indersdorf) f. 268. De imitatione
Xi. et contemptu vanit. mundi. Scripsit Chunradus Weingartner de Wain-
bergkh.
21 7
XXVI. Clm. 7666 4«. S. XV. 229 f. (Indersdorf) f. 1-78 de iniit-
Christi. Magnam partem cod. scr. Marciiiardus Holpain de Kaffpeyrn ca-
pellanus in Sentlingen a. 1451.
XXVII. Clm. 7729. 4". S. XV. 125 f. (IndersdorO f. 55 libri duo
de iniit. Christi. ( — 82.)
XXVIII. Clm. 7336. 4^ S. XV. med. 299 f. (aus d. Kanonie Gars)
f. 1 — 17. de imit. Christi Hb. I.
XXIX. Clm. 7830. membr. et chart. 8^ S. XV. 84 f. (Indersdorf)
Thomae de Kempis tres libri de imit. Christi.
XXX. Clm. 7714. 4". S. XV. 360 f. (Indersdorf) f. 189—205 Quarta
pars libri de imit. Christi, [f. 37 Johannes de Tambaco, de consol. theologiae."]
XXXI. Clm. 9740. 2^ 1456. 309 f. (Kl. Ober- Altach) f. 284 — 293
de imit. Christi capp. 25 Qui sequitur me . . . haec sunt verba Domini,
[Partem cord. scr. Thomas Unfogel plebanus in Geltolfing.]
XXXII. Clm. 9228. 4^ 1622. 124 f. (Jesuiten in München) Thomas
de Kempis de imit. Christi. Scripsit Car. Peutinger concionator S. J. Augus-
tanus.
XXXIII. Clm. 9841. 8^ S. XV. 141 f. (Ober- Altach) Tractatus aureus
et perutilis de perfecta imitatione Xi. et vero mundi contemptu (libri IV.)
fol, I — 129. Dann folgt Johannes Gerson de meditat. cordis.
XXXIV. Clm. 11467. 2« S. XV. 277 f. (aus PoUing) f. 158— 202 libellus
de imit. Xi. editus ut dicitur a quodam canonico regulari in monasterio
Poediken Bardeburg, dioec, provinc. Colon, f. 201 Johannes Gerson de con-
fessionibus audicndis.
XXXV. Clm. II 740. 40. S. XV. 312 f. (Polling) f. 126-202 de imit.
Christi libri II— IV.
XXXVI. Clm. 11946. 8«. S. XV. 209 f. (Polling) f. i — 147 De imit.
Christi libri IV ; in fine »Joannis Gerson cancellarii Paris, de contemptu
mundi devotüm et utile opusculum fmit.« Fol. 147 Thomae Kemp. de dis-
ciplina claust. finit.
XXXVII. Clm. 14 130. 2 ^ S. XV. 334 f. (St. Emmeran Rgbrg.) f. i. Joh.
Gewss fract. de peccato oris et linguae. f. 52—60. De imit. Christi lib. I.
Scripsit Joh. Aichlman in Straubing, a. 1462.
XXXVIII. Clm. 14785. 8». S. XV. 160 f. (St. Emmeran) f. 44 de
imit. Christi libri IV. ( — 146.)
XXXIX. Clm. 14808. 8^ 1453. 229 f. (St. Emmeran) f. 149—163 ex
libri I. de imit. Xi, . . , . scripsit Fridericus monach St. Emmerani.
2l8
XL. Clm. 14820. 8^ S. XV, 452 f. (St. Emmeran) f. i. de imit, Christi
über I. u. II. ( — 73.)
XLI. Clm. 14857. 8». S. XV. 351 f. (St. Emmeran) f. 206—216 de
imit. Christi über II.
XLII. Clm. 14919. 8». S. XV. 201 f. (St. Emmeran) f. i. de imit.
Xi. et contemptu omnium vanit. mundi 1. I. In fine »Expl. ammonitiones
ad spiritalem vitam utiles ad fratrem Cunradum de Friczlaria.«
XLIII. Clm. 14946. 8^ S. XV. 263 f. (St. Emmeran) f. 192—236
de imit. Xi. 1. I.
XLIV. Clm. 165 17. 4^ S. XV. 212 f. (St. Zeno bei Reichenhall)
f. 128. de imit. Xi. 1. I.
XLV. Clm. 18551. 4". S. XV. 321 f. (aus Tegernsee) f. 270—281
I. I. de imit. Xi.
XLVI. Clm. 18650. 4". S. XV. 175 f. (Tegernsee) f. 162. 1. I. de imit. Xi.
LXVII. Clm. 18731. 4«. S. XV. 372 f. (Tegernsee) f, 189— 205. 1. I.
de imit. Xi.
XLVIII. Clm. 18775. 4'- S. XV. 287 f. (Tegernsee) [1465] f. 197.
. II. et 111. de imit Xi.
XLIX Clm. 18964. 8®. 1460. 246 f. (Tegernsee) f. 40 1. IV. de imit. Xi.
L. Clm. 190 10. 8®. S. XV. 220 f. (Tegernsee) f. 132 1. IV. de imit. Xi.
LI. Clm. 19817. 8^ S. XV. 201 f. (Tegernsee) f. 83 de imit. Xi.
II. II— IV.
LH. Clm. 19819. 8^ S. XV. 325. f. (Tegernsee) f. 15. 1. IV. de imit.
Xi. a. 1442. Erfordiae scriptus.
LIII. Clm. 21070. misc. 2. S. XV. 222 f. (Kl. Thierhaupten) f. i.
Fratris Thomae O. Can. Reg. S. Aug. de imit. Xi. 11. III & IV.
LIV. Clm. 21 103. mscr. 4®. S. XV. 203 f. (Thierhaupten) f. i. Fr.
Thomae Can. Reg. O. S. Aug. Montis S. Agnetis Trajectensis 11. IV. de
imit. Xi. et de sacramento altaris a. 1466 (scriptus).
LV. Clm. 15 181. 4®. S. XV. 252 f. (aus Rebdorf) f. 64 de imit.
Xi. capp. 25 (= I. 1.)
LVL Clm. 16232. 4«. S. XIV. u. XV. 242 f. (St. Nicola b. Passau)
f. I. de imit. Xi. cpp. 25 (= 1. 1).
LVII. Clm. 19884. 8®. S. XV. 238 f. (Tegernsee) f. 133. Liber de
imit. Xi. In fine: »Ammonitiones ad spiritualem vitam ad Fratrem Cun-
radum de Friczlaria. c
LVIII. Clm. 20162. 8". 1452. 200 f. (Tegernsee) f. 14. Liber
de imit Xi.
2 19
K. K. Olmützer Bibliothek.
Mitgetheilt von Dir. Hausmann.
I, Cod. II. VIII, 17. Chart, fol. 92. XV. 4" min. charact. gothic. »In-
cipit tractatus de imitatione Christi et contemptu mundi editus per ([uemdam
Carthusiensem in reno (sie.) multuni aedificatorius pro salute animae.« Folgt
die Inhaltsangabe der Capitel des lib. I. ; es kommen aber hier anstatt der
25 nur 23 Capitel vor; so fehlt z. B. Cap. XVII. »De sufferentia defectuum
aliorum.» Das IV. Buch enthält 21 Kapitel. In fine: »In die sanctae
.... virginis et martyris per fratrem Benedictum Anno (nach der Titel-
copie 141 3); es steht nämlich: Anno 14. CX°. 111°. Es scheint demnach nur
eine Versetzung der Buchstaben CX zu sein, es sollte wahrscheinlich xc.iii
(1493) heissen, da der nämliche Frater Benedictus den folgenden Codex im
Jahre 1494 geschrieben; es ist auch auffallend dieselbe Hand. Stammt aus
der Olmützer Carthause.
II. Cod. II, VIII. 18. Chart, fol. 98. charact. goth. 4® min. »In-
cipit tractatus de imitatione Christi et contemtu mundi per quemdam de-
votum canonicum regulärem ad rhenum.« Die gesperrten Worte
stehen mit roter Tinte auf der mit schwarzer Farbe oder Tinte über-
strichenen beinahe ganzen Zeile u. z. steht vdevotum« ausserhalb des
Textes am Rande nebenbei, »rheniT< aber am obern Rande; wahrscheinlich
stand auch hier früher wie im vorigen Codex: »per quendam Carthusienem.«
Es scheint die Abschrift desselben Werkes zu sein, denn auch diese hat
»cordetenus« anstatt »exterius.« In fine: »Finit feliciter per fratrem Bene-
dictum anno Dom. Millesimo quadringentesimo nonagesimo quarto feria
sexta in die festi Sti Marci Evangelistae.« Derselbe Einband wie beim
früheren Codex.
Paris.
Catalogus codicum mss. bibl. regiae. Paris 1744. tom. III. et IV.
I. Cod. II. MCMXXII. membr. saec. XV. enthält das 17. Stück: vLibri
duo de imitatione Christi.«
II. Cod. II. MCMLXXX. membr, olim Puteanus XV. enthält als 2. der
15 Pi^cen: Imitationis Christi fragmentum de iudicio et poenis peccatorum.
Inventaire des manuscrits latins conserv^s a la bibliothdque nationale sous
les numdros 8823 — 186 13. par Ldop. Delisle. Paris 1863 — 71 setzt den
Catal. bibl. regia fort.
III. Cod. III. MDXCI. membr. olim Melchisedeci Thevenotii enthält
als erstes der drei Stücke: »Liber de imitatione Christi sive admonitiones ad
spiritualem vitam: authoris nomen noh comparet.« Der Katalog (tom. III.
220
p. 436) macht die Bemerkung: Js codex decimo quarto saeculo ex-
aratiis uidetur. r^
IV. Cod. III. MDXCII. Chart, olim Mazarianaeus saec. XV. enthält als
erstes Stück : »Liber primus de imitatione Christi : authoris nomen noncomparet.c
V. Cod. III. MDCXXIX. membr. et chart. olim Philiberti de la Marc.
XV. Als N. I erscheint : De interna conuersatione, siue de uirtutibus chrislia-
norum libri tres: porro tertius liber huius operis idem est cum primo libro
de imitatione Christi.
VI. Cod. 10706. 1467. Pap, enthält auch De imitatione Christi.
VII. 13596. Livre de l'Imitation de J. C. et divers traitds de piele de
Thomas a. K. s. XV.
VIII. 13597: Joannis Gerson libellus de imitatione Christi 1460.
IX. 13598. Livre de Tlmitation. s. 15. Pap.
X. 13599. Livre de l'Imitation XV. Pap.
XI. 13600. Liber interne consolationis XV. Pap.
XII. 13 601. Johannis Gersen liber de imitatione Christi. Pap. XV.
XIII. 13602. De imitatione Christi. Lib. I. — De sacramento altaris.
XV. Pap.
XrV. 13603. Liber Jo. Gersen de imitatione Christi. XV. Pap.
XV. 13604. De imit. spiritualis uite — De imitatione Christi XV. Pap.
XVL Tractatus Johannis de Canabato (wol Canabaco) de imitatione
Christi.
Diese Codices von 13596 ab gehörten einst in die Bibliotht^que Saint
Germain des Pr^s und finden sich verzeichnet im Inventaire des msc. lat.
der Nationalbibl. von Delisle. Paris 1863 — 71.
Inventaire des manuscrits fran^ais de la bibliotht^que natio-
nale par Leop. Delisle. Paris 1876, tom I.
I, Cod. 929 »Le livre de la ymitacion J. C. et mesprisement de ce
monde, premierement composd en latin par s. Bernard ou par autre devote
personne, attribut^ ä maistre Jehan Ge^on et apr^s translat^ en frangoys en
la cit6 de Tholouse — L'eschelle de paradis, par s. Augustin (fol. 87) — XV.
s. Peint, Armes d'Angoulöme au frontispice.
^I- 13234. Le livre de l'imitation N. S. J. C. et du contempt de soy,
du monde, et des vanitds de celuy. — Trait^ des commandements de la loi
divine — Copitf 1468, Papier. Appartenait au XV. s. ä Katharine d'Enghien.
in. 19320. (S. Germain); De l'imitation de J. C. translatd de hault
alemant en langue frangoise. La pr^face, dat^e de Vienne en Autriche, le
premier Umdi de careme 1537, est adresst^e i Marguerite, religieuse obscrvante
221
de l'ordre S. Dominique en la noble citd de Metz. II n'y a qiie trois livre.
Copie achevde le 21 jiiin 1564.
IV. 18 13. Le qiiairieme livre de Tlmitation. XV. S. Volume fait pour
la reine Charlotte de Savoie.
Kaiserliche Bibliothek in Petersburg.
Dudfk, historische P'orschungen. Wien 1879.
I. Codex 283, Z. (Dud. 52) char. XV. 187. Fol. S\ Thomas
aKenipis: Incipit liber interne consolationis. »Gehört zu den besseren Hand-
schriften mit dem Namen des Verfassers.«
II. Cod. 12 1. (Dud. 66.) Siehe Seite 152 f. dieser Abhandlung.
Bibliothek de Troyes.
Catal. gt!n. des ms. des bibl. des dt^partements. Tom. II. 1855.
Cod. 1428. cart. 4'. XV. enthält zwei Stücke, i) Tractatus utilis
cupientibus in moribus proficere , ([ui dicitur de Imitatione Christi et con-
temptu mundi, quem composuit deuota persona dominus Thomas de Quempis,
ordinis canonicorum regularium in Alemannia. 2) Flores et uariis Patribus.
Bibliothek de Verdun.
Catal. gen. tom. V. 1879.
Cod. 331. In-douze min. pap. vCollection d'Attel. Minuscule du XV.
si^cle, 62 Folios, dont 2 blancs en tete et 2 ;\ la fin; 16 lignes i la pages
rubriques. Sur le 5^ recto, marge inferieure, d'un eriturc de la fin du XV.
si^cle: Istud voltmien est conventus coebstinorum Metensium.^
K. K. Hof-Bibliothek in Wien.
Aus den Tabulae codicum ... in bibl. Palatina. Vind. 1863 — 75, mit
eigenen Ergänzungen.
I. 1354. XV. 219. 4® enthält als 16. Stück pag. 103^ — 122*» auf Papier
und Membrane die beiden ersten Bücher der Imitatio Christi unter dem Titel :
»Incipit hber scti Bernardi De perfecta imitatione Jesu Christi et de contemptu
omnium uanitatum mundi..
II. 1576 (Hohendorf) m. XV. 186 4** c. init col. et pict. enthält Fol.
I* — 186* Thomas a Kempis De imitatione Jesu Christi. (Alle vier Bücher.)
186*' folgt Johannes Gerson, Tractatus de meditatione cordis, Denis II,
DCLXXXIV. Die ersten sechs folia geben das Register Der Codex ist
222
sehr schön geschrieben Wir geben im Anhange eine Phototypie der ersten
Seite desselben.
III. 2248. (Lunaelac.) m. XV, 216. 12". Enthält unter andern die
Regel Benedikts und von pag. 105^ — 167^ das erste Buch der Nachfolge
unter dem Titel (pag. 106): »Incipiunt admonitiones ad spiritualem uitam
utiles de imitatione Christi et contemptu omnium uanitatum mundi.« Ein ein-
liegender Zettel besagt, diese Handschrift sei wol geschrieben von F. Henricus
Immertheuer, Prof. Monsee im 15. Jahrhundert.
IV. 3496. eh. XV. 267. 4" enthält als 26. Stück 204* — 215^ das
erste Buch der Nachfolge : »Incipit tractatus de imitatione Christi et de con-
temptu omnium uanitatum mundi.«
V. 3549 (Lunaelacens). eh. XV. 226. 8". Pag. 129*» — 143^ steht
das erste Buch der Nachfolge mit der Aufschrift : »Incipit prima pars tractatus
de imitacione Christi et cont. omn. uanit. mundi.«
VI. 3605 (Lunael.) ch XV. 221. 4** ein Misceliancodex von 8 Pi^cen.
An das Horologium sapientiae des Hugo de S, Victore, mit welchem der
Codex beginnt, schliesst sich als zweites Stück 121* — 138^ das erste Buch
der Imitatio Christi an überschrieben in Rubrum: »De imitatione Christi et con-
temptu omnium uanitatum mundi. Capitulum primum, qui sequitur me.« Wie
der Schluss der Schrift Hugo's gibt auch das Ende des ersten Buches der
Nachfolge expresse die Zeit der Abschrift an: »Et sie est finis huius tractatus.
Anno Domini 1447 die quinta mensis Julii.<^
VII. 3607 (Lunaelac.) ch. XV. 162. 4". Auf dem Tractatus S. Bemardi
Clarveaux De praecepto et dispensatione folgt als 8. Numer pag. 139* — 1 5 1* das
erste Buch der Nachfolge unter der Ueberschrift »Tractatus cuiusdam reli-
giosi de imitatione Christi et contemptu omnium uanitatum mundi et perfecta
uirtutum perseuerantia assidua et attuta (?) practica uirtutum religiosorumc ;
fol 151*; x>Explicit tractatus bonus de imitatione Christi et contemptu omnium
uanitatum mundi. <^.
VIII. 3617 (Lunaelac.) m. et ch. XIII. et XV. 275. 4'* enthält im
Ganzen 18 Stücke, das 11. die vier Bücher der Nachfolge. Fol. 118*: »In-
cipit tractatus de imitatione Christi et contemptu mundi et omnium uanitatum
mundi, Capitulum primum, qui sequitur me«. Das erste Buch schliesst Fol.
128*». »Explicit prima pars scilicet de imitatione Christi. Incipiunt ammoni-
ciones ad interna trahentes. De interna conuersatione capitulum primum.«
In Mitte des letzten Kapitels dieses Buches Fol. 136» bricht
die sehr schöne Hand ab und setzt eine viel neuere fort. Fol. 136**-
»Expliciunt ammoniciones ad interna trahentes secunde partis huius libri.
Incipit tercia pars huius libri De interna consolatione et primo de interna
Cristi locutione ad animam fidelem. Cap. primum.« Es weist dieses Buch
64 Kapitel auf, weil, wie öfter, die »Orationes« apart als Kapitel gerechnet
''3
werden, Fol. iSi": »Incipit quarta pars. De sacramento altans.i Fol. 197 folgt
die Kapitelübersicht und Fol. 199' der Schliiss in Rubrum: «Kx^jÜcit tractatus
de iinitatione Christi. Anno domini quadringentesiino sexagesimo secundo
Martini episcopi Tiironensis.« Diese Angabe rührt her von der jüngeren Hand,
welche die sehr alte der zwei ersten Bficher fortsetzt,
IX. 3640 (Lunaei.) iii, et eh. XIV. igö. 8" als vierte Piiice 74" — is<)^
auf Papier das erste Buch der Nachfolge Christi unter der Aufschrift: »Incipit
tractatus de reforniatione hominis aut de imitatione Christi et contemptu
omnium uanitatum miindi.u
X. 3645 (Lunael.}ch X, etXVI. a8i. 8". Von Z3'~4S'' enthält das zweite
Buch der Imilatio unter dem Titel: »Incipit secundus tractatus de imiL Christi
et de interna inspiratione. Expl. intrare in regnum dei, quod nobis praestare . . .«
XI. 3797 (Lunaelac.) eh. XV. (1451 — 1452) 104 4". Ein Miscellan-
codex von 7 Stücken, Fol. 109" — 161'' sind alle vier Bücher der Nachfolge
Christi; fol. 168'' in Minium: »Incipit tractaltls bonus de imitatione Christi,
siibdiuisiis in quatuor partes, in quarum prima iam immediate sequitiir de
extetioris hominis composilione, quae incipit: Qui sequitiir me. Capitulum
primum." Fol. 121'': »Explicit prima pars istius tractains de exterioris hominis
dispositione.i: 122" in Rubro: ilncipit secunda pars tractatus de imitatione
Christi et contemptu omnium uanitatum mundi et sunt ibi admoniciones ad
interna trahentes. De interna inspiracione. Cap. 1. fol. 128'': »Explicit pars
sec. de imitatione Christi et contemptu omnium uanitatem mundi. Incipit
pars terlia eiusdem tractatus de interna consolatione ad fidelem animam. De
interna Christi locutione. Cap. l.« Fol. 151 *: «■Explicit terlia pars tractatus de
imitatione Christi et contemptu omnium uanitatum, quae est de interna con-
solatione. Incipit quarta pars eiusdem tractratus de imitatione Christi et de
contemptu omnium uanitatum et est de sacramento allaris et de bis, quae
concernunt ad sacramentum et speciaJiter de deuola praeparatione. Cap, I.,*
fol. 161'': Octo inuitaloria praecipua de sanctissimo sacramento c. XIX.
fol. loa'*: Duo considerare debemus ut habetur infra islo capitulo, c. XX.
Ibid. De sacramento, c, XXI. fol, löai": »Explicit tractatus de imitatione domini
nostri Jesu Christi et de contemptu omnium uanit.itum in die s. Briccii episcopi
anno 1451. Folgt ein Traktat des hl. Bonaventura. Zu bemerken ist, dass
die Kapitel des ersten Buches keine Aufschrift haben, wol aber die der folgenden.
XII. 3799. (Lunael.) eh. XV. {1454) 262 f. Fol. 37"— 92'' stehen
alle vier Bücher der Nachfolge Christi, »Incipit tractatus bonus de imitatione
Christi subdiuisus in IV partes, in quarum prima iam immediate agitur de
exterioris hominis compositione, quae incipit : Qui sequitur me, Cap. prlmum ;<
fol. 48 beginnt das zweite, fol, 55" das dritte und c. 79'' das vierte Buch
der Nachfolge, Fol, 92^: :Finitum in die visitationis marie an. 1454.-
Alles so wie bei cod. 3797; es dürfte auch derselbe Schreiber sein.
224
XIII. 3^59 (I'Unaelac.) eh. XV. 228. 8" enthält als das 28. (der 30.)
Stücke das erste Buch der Imitatio Christi. Fol. 190^ — 216**- Fol. 190^:
De imitatione christi et contemptu omniuni uanitatum mundi.
XIV. 3916 (Salisb.) m. et eh. XV. 49 f. Sammelcodex, welcher als
N. 7 Fol. 37'' — 47*^ Buch I und II der Imitatio Christi enthält. 37^- Trac-
tatus de contemptu mundi. Kap. 1. De imitatione Christi. Fol 42^ in Minimn :
Secunda pars. Incipiunt ammoniciones ad interna trahentes. Kap. I. De regno
dei intra nos. Expl. Fol. 47. Die Kapitelüberschriften sind zumeist von
den recepirten verschieden: 1. I: c. 2 De cognitione sui, c. 18: De exemplis
patrum, c. 21: De compunctione cordis et meditacionibus, c. 22: De com-
punctione et dei consolatione, 24: De iudicio ultimo, lib. II c. 2. De humili-
tatione, c. 3. De pace interna, c. 4. De simplicitate et puritate, 5. De prae-
sumptione propria, c. 6. De gloria et conscientia, c. 8. De Jesu et eins
dilectione, c. 9. De alteracione consolacionum, c. 10. De gratiarum actione,
c. 1 1. Quomodo (piidam sequuntur Jesum, c. i 2. De cruce portanda in pacientia.
XV. Cod. 4009 (Lunaelac.) eh. XV (1435 ^^ M38) 216. 4". enthält
22 Stücke. Als vorletztes fol. 175*^ — 185^ das erste Buch der Nachfolge.
Fol. 175^. »Incipit de imitatione Christi et contemptu omnium uanitatum
mundi. Cap. prim. ^ Kxpl. 185: Benedictum sit nomen domini nostri
Jesu Christi Dei et gloriosae iiirginis marie matris eins in aeternum et ultra
Amen. . Datum von derselben Hand in Rubro. Anno 1438.
XVI. 4021. eh. XV. 208. 4. Als 5. Stück dieses Collectancodex er-
scheint das erste Buch der Nachfolge Christi fol. 115*' — 136*^ und zwar
ganz unvermittelt: ::()ui sequitur me.< . . fol. 135'': ;*F^xplieit traetatus de
reformatione hominis 1451. Registrum seu tabula contentorum capituloruni
traetatus perseripti de reformatione hominis et primo de imitatione Christi. ^
XVII. 4064. m. et eh. XV. 276. 8\ als 13. Numer erscheinen fol.
196 •'* — 240 * die zwei ersten Bücher Imitatio; fol. 196'* (rot, blau unterstrichen) :
»Sequitur quidam traetatus de imitatione Christi et de contemptu uani-
tatum nedum contristantium sed et consolancium in seculo huius mundi edi-
m
tus per quendam Cartusianum in Reno etc. Tabula primi libri. ^ fol. 196*^:
De Imitatione Christi. Capitulum primum. Fol. 219^* Explieit prima pars
huius. Incipit secunda ut sequitur. 219^ De regno Dei. Regnum dei intra
nos est. Fol. 240 finis huius opusculi 14 Kalendas martii. feria 2* Ann.
dom. etc. 39. Folgt unmittelbar Gersons Traetat de pollucionibus. Cap. 4 ist
ganz ausgefallen ; auch die meisten folgenden Kapitel erscheinen verstümmelt
und nur im Auszuge. Cap. XX beispielsweise unter dem ganz abweichenden
Titel: De conpunetione cordis et meditationibus, de solitudine et silentio et
de cella. Auch andere Kapitel tragen ganz willkürliche Aufschriften, so das
IG. des zweiten Buches: Jesum, quomodo ciuidam setjunntur; ibid 11: De
cruce portanda.
XVIII. 4oög. eh. XV. 409. 8\ Ein cocl^ coUectaneus von 4oPiöceii;
als II. von fol. 183^ — 3it^ die ersten 24 Kapitel vom ersten Buche der
Nachfolge. Fol. 183" und '■ gibt die Tabula, welche auch nur 24 Kapitel
anzeigt. Das nächste Folium trägt in Rubrum die Aufschrift: Incipit irac-
tatus de ymitacione Christi et conlemptu omnium uanitatum mundi.«
XIX. 4096 (Lunaelac.) eh. XV. (1478) 285. 16". enthält 27 Stücke,
das 4. gibt die zwei ersten Bücher der Nachfolge Christi von fol. lo*" —
6 7''; fol. lo^'; tlncipiuntcapituiaseqneniisopusculi.a Folgen die Kapitelüberschrif-
ten des ersten Buches der Imitatio; fol, 1 1 ' »Absolutiones.t ii*" uacat. fol. 12"
in Rubro. »Incipit tractatus priinus de imitatione Christi et de contemptu
omnium uanitatum mundi. Capitulum primura ; fol. 43*'- »Incipit pars secunda
de imitatione Christi, De interna inspiratione. Cap. primum.t Explicil fol,
68''; jintrare in regnum dei. Amen. Nobis parcere dignetur Jesus Christus,
quicum deo patre et spiritu sancto uiuit et regnat in saecula saeculorum.
Amen.-^ Die Jahreszal 147S steht fo!. 2S$^ des von einer und derselben
Hand angefertigten Codex.
XX. 41 16. (Lunaelac.) eh. XV. 347. 8". enthält 21 Diversen. Fol.
77' — 109'' das erste, fol. 316' — 339'' das zweite Buch der Imitatio
Christi. Fol. 77": »Incipit tractatus de ymitalione Christi et de contemptti omnium
uanitatum mundi. cap. pr.i F'ol. 316 = ; »Incipit secunda pars tractatus de
imitatione Christi et de contemptu omnium uanitatum mundi et sunt ibi
admonitiones ad interna trahentes. De interna inspiracione. Cap, pr. t Explic.
fol. 339'' lin regnum dei, quod nobis praestare dignetur Jesus Christus, qui
cum deo patre et spiritu sancto uiuit et regnat in saecula saeculorum. Amen.i
XXI. 4221, eh. XV. 3i5.f.;als lö.Stdck 303» — 31^^ erscheint das
erste Buch der Imitatio Christi. Fol. 303 in Minium: ilncipit tractatus de
formatione hominis et primo de imitacione Christi et contemptu omnium
uanitatum mundi. • Folgen die Kapitelüberschriften des ersten Buches. Expl.
fol. 313'' »Quantum tibi uim intuleris,*
XXII. 433S. m. et eh. XV. 144 f. 8'. Diese Handschrift enthalt nur
die vier Bticher der Nachfolge Christi. Fol. i" — 36'' enthalten das erste
Buch. Fol. 37", pergament., gibt die Kapitelaufschrifien des Über primus.
37'' beginnt das zweite Buch, auch ohne Kollektivtitel und ohne Kapitelüber-
schrift unmittelbar: »Regnum dei« . , . Fol. 48'': »Expliciunl admonitiones
ad interna Irahentes. Incipit tertia pars huius lihri, qui est de interna con-
solacione, de interna Christi locutione ad animam fidelem. Capitulum primum, <
Der Schluss des lib. IV ist verstümmelt. Die Kapitel haben keine Ueber-
schrifl und werden unnumerirt an einander gereiht. Auf der Innenseite der
ledernen Einbanddecke steht von späterer Hand {i 7. Jahrh): »Hunctractatumfecit
quidam regularis canonicus ordinis s. Augustini et intitulatur liber de Imitatione
Christi. Auf dem Pergament- Heftblatt am Schlüsse des Buches steht:» f Suin
i
226
Georgii Tanneri Juriscons. senioris, in perpetuum Tannerianae posterilatis,
filior. et nepotum usum; unde superioris seculi infelicitatem cognoscat et me-
cum Deo aeterno Patri Domini npstri Jesu Christi pro restituta luce uerae
doctrinae ardentius gratias agat.c
XXIII. 4347. eh. XV. 342. 8"- Ein Miscellancodex mit Stücken von
verschiedenen Händen. Fol. 299^ — 3^3* steht der Über primus de imit.
Christi. Fol. 299*: »Incipiunt capitula sequentis operis de imitatione Christi et
de contemptu omnium uanitatum mundi.c Gegen Ende dieser Blattseiten:
»Incipiunt ammoniciones ad spiritualem uitam utiles ad imitacionem Christi
et contemptum omnium uanitatum mundi. Qui sequitur me.« Explic.
fol. 313: »uim intuleris. Et sie est finis.€
XXIV. 4350 m. et Chart. XV. (1430 und 1433.) 1 7 1 f. 8" enthältals 3. Pi^ce
fol. 33* 56^ auf Papier das vierte Buch der Nachfolge Christi; fol. 33*: >Incipit
deuota exhortatio ad sacram Christi communionem. Incipiunt capitula. Cap.
prim. Cum quanta reuerentia . . .< Fol. 33^: »Expliciunt capitula. Incipit
deuoto exhortatio ad sacram communionem . . .« Fol. 56^: »Et sie est finis
huius libelli. Deo gratias.« Der Traktat gibt die recepirten 18 Kapitel des
vierten Buches; die Jahreszal 1433 steht Ende des zweitfolgenden Tractates:
»De modo communicandi« fol. 79*-
XXV. 4507. eh. XV. 300. 4 " enthält 27 Stücke; das 11. fol. 43*— 57*
gibt das erste Buch der Imitatio Christi. Fol. 43*: »Incipit tractatus de re-
formatione hominis et primo de imitacione Christi et contemptu uanitatum
mundi. Priraum cap.« Expl. fol. 57: »uim intuleris. Tu autem domine mise-
rere nobis.«
XXV^I. Cod. mscr. 3003 gibt eine deutsche Uebersetzung der vier
Bücher der Nachfolge. Siehe hierüber unsere navolginge, Wien 1879. S. VII. ff.
Klosterbibliotheken.
St. Gallen. Ed. G. Scherer, Halle 1875.
I. Cod. 786. Papier. 4". XV. 357 Seiten geschr. von Ulrich Aeppli
an. 1435. S« 95 — ^S^ ^^^ imitacione Christi et contemptu omnium uani-
tatum mundi. Qui sequitur. me.«
II. 814. Papier. 2^ v. J. 1464 — 68. 461 Seiten, zweispaltig und
durchlaufend geschrieben v. M. Burer. Ais 4. Stück. S. 81 — 125: »Incipit
liber de Imitacione Christi et contemptu omnium uoluptatum (corrigirt uani-
tatum) a suo primo capitulo intitulatus totusque liber denominatus. Qui
sequitur me non ambulat.« S. 90 zweites B. ; S. 95 drittes und S. 114
jedes mit seinem Register. Schussschrift S. 125: ^»Compilator huius libri fuit
quidam frater Thomas nomine, ordinis canonicorum regularium S. Augustini
monlis S. Agnetis Traieclensis.
hora 3--
»Der Schreiber Mathias Biirer von Lindau, Kajilan an verschieder
Orten, befand sich an 1467 in Ravensburg und Augsburg; seine Abschrift der
Imitatio ist die einzige mit dem Namen des Autors Thomas auf der Stifts
bibliothek». Scherer. 1. c. 273.
IH. 1)17. Papier 4" XV. 326 Seiten, geschrieben von
enthält die Regel des hl. Benedict und gleich nach dem '
venluras: De contemplacione deuote anime als 6. Stück S, 208 — 244 das
erste Buch der Iinitatio: sincipit tractatus de Im. Christi et Internarum in-
spiracionum. Qui sequitur me. Expl. uim intuleris.*
IV. 918, Pap. 4°v.J. 1435- 730 Seiten, geschrieben von Jos, Oettinger
de FUssen, enthält auch die Regula s. Benedicti und als PItee 7, S. 387 —436 :
»Registrum breuilogü uirtutum 25. Kap.* und: »Incipit breuilogus uirtutum
de Imitacione Christi et contcmplu mundi. <; (Erstes Buch der Imitatio, von
der Hand Üettingers, also vom Jahre 1435.) »Ueber diese und andere
St. Gallische Abschriften der Imitatio siehe Calmel's Diarium p. 73 — 74 und
Kolb's Briefwechsel bei Weidmann Geschichte p. 340 — 42. Von dem ersten
ältesten Buch der Imitatio gibt es in Frankreich eine Handschrift, die um
ein Jahrhundert vor Thomas a Kem[)is geschrieben ist; das
zweite Buch gleicht noch am meisten dem ersten, während das dritte schon
weit weniger altertümlich und schlicht, das vierte jtingste aber vollends ganz
scholastisch ist und erst im 15. Jahrhundert hinzukam. Die vier Aufsätze,
die Kerapis bloss zusammenstellte oder kopirtc, gehören also mindestens drei
Verfassern und ebenso vielen Jahrhunderlen an, S, Th, V. Leclerc in hist.
litt, de france tom. XXIV. a. 1863.« (Scherer 345.)
V. 927. Pap. 4" V. J. 1435. 724 S. zweispaltig; meist von einer
Hand. S. 235 — 62 ilucipit breuilogus uirtutum de imitacione Chr. et con-
temptu mundi,* S. 263—79 '"^'g* ''^ zweite Buch der Nachfolge unter dem
Titel: >Inc. opt. tractatus quomodo se ipse religiosus agnoscat. Cap. prim.«
VI. 941. Pap. 4° XV. Enthält 330 Seiten und gleich als ersten
Tractal (in schlechter Schrift): >Incip. admoniciones ad intemum trahentes
de interna conversacione cap, prim....* S, 33: «Explic. ammoiiic. ad in-
terna trahentes. Incip, tertia pars huius libri, quae est de interna Chr.
locutione etc,= sExplicil über interne consolatioiiis. ■
VII. 952, Pap, 4" XV. 192 S. mit Custoden, am Ende unvollsl. {Schriftzug
des P. Gall Kemly f a. 1497) enthält bloss das zweite, dritte und vierte Buch
der Imitatio Christi unter dem Titel S. i : »I.iber de imitacione loquens de
animonicionibus ad interna trahentibus primo de interna con uersacione < S. 28:
>Incipit über tercius loquens primo de interna Christi locucione.« S, 145 : »In-
i
22&
cipit deuota exhortacio de sacramento: Venite ad me omnes.« (Am Ende
fehlen i ^/^ Paragraphen.) Deutsche Handschrift der Imitatio Christi.
VIII. 965. Pap. 4* XV. 484 S. geschrieben von Fr. Cölner und drei
Anderen, den Beichttöchtern vom Kloster S. Georgen zugeeignet. S. i — 106
steht das dritte Buch der Nachfolge. Ueberschrift : >In dem namen . . . ain
buch von der Innerlichen rede cristi zu der . . . sei. « Der Schreiber Fr, Cölner
starb 20 Jahre vor Th. a Kempis.
IX. 970. Papier. 4". XV. 319 S. geschrieben von F. Cölner. S. 292 — 316:
»Dis nachgendi buch haisset daz buch von der weit versmänisse. = 2. Buch
der Nachfolge.«
»Fr. Kölner, der Uebersetzer des Thomas a Kempis in dieser Hand-
schrift und in cod. 998 starb 1451; lateinisch erscheint das erste Buch der
Imitatio schon 1435 i^ ^°^' 9^^- ^^ Werk ist somit älter als 1449 (oder
1441 ? Hirsche's Prolegomena 1873. p. 3), in welchem Jahre das Autographon
von Thomas, jetzt in Brüssel, zwar nicht verfasst aber geschrieben ist, »scripsit,^
wie auch eine Abschrift, die Ulrich Berger de Sancto Gallo davon machte.«
Scherer 364.
X. 972 <^ Pap. 4". XV. 360. S. Als 7. Stück (S. 265—328) erscheint:
»Incip. de interna locutione ad animam fidelem.« S. 328 — 343 ist dns Re-
gister und Text: >Regnum dei intra uos est.« »Explic. ammoniciones ad
interna trahentes.« (3. und 2. Buch der Imitatio.)
XI. 998. Papier 12®. mai. XV. 176 S geschrieben von Fr. Cölner
für die Nonnen von S. Georgen. Bl. 32 — 102: »Hie nohet ain buchli an von
gaistlicher vermanung zu einem gaistlichen Leben zum ersten von der
nachvolgung Christi und von versmähung aller uppigkait der weit.« Dann
folgt: »Das büchli ist gehaissen von der weit versmächt. Von der inner-
lichen Wandlung.«
XII. 1009. Papier 8". XV. 243 S. i. »Iste liber intitulatus est paradisus
anime et continet in se tres libros. Primus liber habet XXV. capitula.« S. 60
zweites Buch. S. 181 dritttes Buch.
»De Imit. Christi lib. I, II. III. in sauberer Schrift mit roten Rubriken
und roten und grünen Anfangsbuchstaben, ohne Namen des Schreibers.
Derselbe gehört dem XV. Jahrhundert an, da er die »i« punktirt oder accen-
tuirt, runde »s« am Schlüsse und spitze »a« setzt.« G. Scherer 384 f.
Benediktinerstift Göttweig.
Mitgetheilt von Bibliothekar Augustin Nüssl.
I. Codex 467 (286) ein Miscellanbd. XV. Jahrhdt., Papier 4® enthält
ein vollständiges M. S. der Imitatio. Cursivschrift verschiedener (3) Hände.
'J9
Der Katalog führt als Tbeilc a, b, c an. In b nun ist die Imiiatio enthalten
neben Gerson's tractatus de temptationibus und remedia contra aliquas ten-
lationes, nebst verschiedenen ascetischen Bruchstücken aus Bonaventura. Diese
Pii:ce b enthält 157 Blttr., auslaufende Zeilen, schwarz mit 'l'inle eingerahmt.
Aufschriften und Initialen, rote Schrift, schwer leserlich, I-'ol, i*" rote Auf-
schrili: >Incii>it tractatus de imilatione xpi et conlemptu mundi. Editus per
quemdam Carthus, in reno(Rheno) mullum aediticatorius pro salute animae.c
Darauf folgt das Capitel Verzeichnis des lib. I und zwar 23 statt 35 capp.
wegen der Zusammenziehung zweier in Eins; lib. I. endet: tvim intuleris.«
Lib II. beginnt V. 1 1» : »Incipit seciind. tractatus, de regnoDeicap, I.* und endet
mit Cap. X[ (weil zwei zusammengezogen); tintrare in regnum Dei. Amen,»
Darauf folgt Fol. 20»' üb. III: »Audiam quid loquatur in me Dens Deusi,
schüesst mit Cap. 64 statt 59 (weil mehrere capp. zertheitt sind) mit: iperpetuae
charitatis amen. Explicit tertius tractatus de regno dei in die Christine virginis.«
Ohne weitere Ueberschrift beginnt auf $2' lib. IV. mit: iVenitc ad me omnes« ;
cap, XVIIt, schliesst mit: »mirabilia dicenda.« Aber es folgen jetzt noch drei
capp. (Der Schreibet glaubte fest, dass sie dazugehören und hatte die drei
capp. auch im vorliegenden M. S.) Cap. XIX. Octo invitatoria praecipua ad
sacratissimum sacramenlum. Cap, XX. Duo considerare debemus. Cap. XXI,,
De sacramenio überschrieben, schliesst 6;'' mit den Worten: perficietur fruitio,
{Meine Meinung über diesen Zusatz ist, dass ein magister novitiorum den-
selben machte und die Abschreiber nahmen bona lide ihn als zum lib. IV
gehörig auf, obwol schon die ersten Zeilen den Zusatz als solchen kenntlich
machen,) Dieser Codex 967 stammt aus der Carthause Aggsbach, wie eine
dreimalige Einschrift von anderer Hand doch saec. XV, beweist: >Istelib.est
fratrum Carthusiensiiim domus portae b. Mariae Virginis Patav, Dioeces. Qm le
furatur, palibulo suspendatur.* Der Codex kam nicht erst zur Zeit der Auf-
hebung der Carthause nach Göttweig, sondern schon früher, vielleicht schon
im 15. Jahrhundert, denn der Einband ist auffallend ähnlich mehreren gegen
Ende des 15. Jahrhunderts in Götlweig gebundenen Codices.
Der Schreiber war jedenfalls ein Carthauser in Aggsbach, Der Text
diesesCodex ist ganz eigenartig; stellenweisesuccincler, Auslassungen ganzer Sätze,
bei cap. I, II des lib. II befindet sich die Correctur von anderer Hand saec. XV.
Die auflaltendslen Germanismen sind in diesem Codex nicht , so heisst es
auch: si scires toi. bibl. ohne »exterius.« Das Original für diesen Text stammt
meiner Meinung nach aus dem Süden, vielleicht auch aus der grossen Carthause,
denn bei dem Werke Gerson's: De temptationibus bemerkt derselbe Schreiber,
ein Mönch der grossen Carthause habe es aus dem Gallischen in's Latein
übersetzt mit Auslassungen und Zusätzen , wie es ihm gut dünkte. Der
Schreiber hat nach meiner Meinung abgeschrieben, es wurde ihm nicht diktirt.
In Aggsbach kannte man also den Verfasser nicht, man meinte aber, wie
die Ueberschrift zeigt, dass ein Carthäuser am Rhein es sei. Die einzelnen
Ordenshäuser standen mitsammen doch soweit im Verkehre, dass, wenn ein
Zeitgenosse des Schreibers der Verfasser eines so ausgezeichneten, hoch
geschätzten Büchleins gewesen wäre, man sicherlich sich um den Namen
des Auetor bekümmert hätte. Der Schreiber meinte also mit seiner Ueber-
schrift, vor Zeiten einmal habe ein Carthäuser das Werk verfasst. Die Ver-
mutung fiel auf die Gegend am Rhein, weil gerade am Oherrhein um Basel
schon im XIV. und auch im XV. Jahrhundert der Verein der mystischen
Gottesfreunde (wozu gewiss auch Carthäuser gehörten oder mit ihnen in reger
Verbindung standen) eine segensreiche Wirksamkeit entfaltete durch Verfassung
von erbaulichen populären Schriften. (Basler, Plenarien, Auslegung des Le-
bens Jesu und Mariens, Heilspiegel etc. existirten doch gewiss handschriftlich,
bevor sie gedruckt wurden.) Was die Zeit anbelangt, wann der Codex 467
geschrieben wurde, so ist einmal wahrscheinlich, nach 1429, weil Gersons
Werk von derselben Hand geschrieben ist. Ich erinnere mich jedoch, dass
auch schon zu Lebzeiten Gersons M.SS. seiner Werke in Göttweig waren,
aus einem datirten Codex wurde ich darauf aufmerksam. Vergleichung der
Schrift und vor allem das Papierwasserzeichen weisen auf die erste Hälfte
des XV. Jahrhunderts, also 1429 — 50; (dasselbe Papierzeichen ist beim fol-
genden Codex 456 der Fall). Auf mich hat der Codex mit seiner Text-
beschaffenheit und vorausgehenden Ueberschrift den Eindruck gemacht, dass
Thomas unmöglich Verfasser sein kann. Wie wäre es möglich, dass schon
in der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts so grosse Textvarianten auftreten,
und dass in den Benedictinerklöstern soviele MSS. sich finden (ich weiss
nur Molk mit 20, St. Gallen mit 12).
11. Codex 456 (256) Papier 4** Miscellanbd. XV. Jhrhdt. Als Be-
standtheile führt der Catalog an : a, b, c, d, e, f, g, h, i, k, 1, m , von 5
oder 6 verschiedenen Händen geschrieben und zwar nach meinem Dafürhalten in
Göttweig; denn in anderen Codices ist es bemerkt, wenn sie erworben oder anders-
wo geschrieben wurden. Der Einband ist derselbe wieder anderer datirter, in Gött-
weig geschriebener, aus dem Ende des 15. Jahrhunderts stammend, h nun ent-
hält in 50 Blättern II. III. IV. lib. derlmitatio. Fol. i*: »Incipit pars II. de
imitatione Xi. et omnium vanitatum mundi. Et sunt ibi admonitiones ad
interna trahentes, primo de interna inspiratione cap. primum.« Blatt 7^ schliesst
üb. II cap. XII mit: »Intrare in regnum Dei quod (gewöhnliche Predigtschluss-
formel des XIV. und XV. Jahrhunderts) nobis parare dignetur ihs xpc qui
cum Deo patre et sp. scto viv. et regnat in s. s. Amen. Deo gratias.« 7^:
»Incipit III. pars huius libelli de interna consolatione de interna Christi locu-
tione ad animam fidelem cap. I. Audiam etc. c und endet Fol. 35^ cap. 64 mit:
»Perpetuae claritatis Amen.« Fol. 35^ folgt in roter Ueberschrift: »IncipitIV.
pars libri, qui intitulatur de imitatione Christi. Et est de sacramento altaris
et tle his, quae concemunl ad sacramentum et specialiter de devota praepa-
ratione* (letzteres in Beziehung auf die drei hinzugefügten unechten Capitel.)
Auch in diesem Codex hat lib. IV. nach dem i8. noch 3 unechte Capitel
mit denselben Unterschriften und Schlüsse wie Cod. 467; nur ist hier
cap. XIX. vollständiger und der Text richtiger wie bei Cod. 467. Dieser
steht mit 456 jedenfalls in einer nahen Beziehung. Lib. III. und IV. zeigen,
dass 467 von 456 abgeschrieben wurde öder auch beide eine gemeinsame
Vorlage haben; bei lib, II. tritt schon die Verschiedenheit hervor. Der
Schluss des lib. IV. cap. XX[, lautet: »Perficietur fruitio. Explicit tractatus,
qui intitulatur Qui sequitur me.t Also der Beweis, dass der Schreiber die
3 Capp, für echt hielt, nicht selbst machte, sondern dass sie in der Vorlage
auch enthalten waren. Was die Cursive dieser Imitatio anbelangt, so gehört
sie nach genauer Vergleichung mit anderen datirten MSS. in die erste Hälfte
des 15. Jahrhunderts, auch das Papier Wasserzeichen fand ich genau wieder
in einem 1437 datirten Codex. Dieses Jahr kann also als Entstehungszeit
dieses MS. gelten. Der Text dieses Codex muss ausgezeichnet genannt
werden, der Schreiber hat sich keine Blossen gegeben ; so frappante bestechende
Textvarianten hat der Codex 467 nicht aufzuweisen. Z.B.Codex 456 lib.
11. cap I. . . fOmnis gloria ejus et decor ab intus et ibi complacet sibi fre-
quens visitatio cum homine interno etc.« Geschrieben scheint mir Codex
456 für ziemlich sicher in Göttweig, weil er keine Einschrifl hat, dass er
in anderem Besitze, vom Stifte erst erworben wurde. Der ursprüngliche
Einband ist ganz gleich mit bestimmt in Göttweig geschriebenen; auch die
Schrift findet sich in anderen Codd.
III. Codex 297 (332). Papier, Fol. Miscellanband. Cursiva. ■ Die
verschiedenen Theilc, von verschiedenen Händen geschrieben, bezeichnet der
Catalog mit; a, b, c, d, e, f, g, i, k, 1. Sub Blatt 2» beginnt lib. I de imi-
tatione; voraus gehl das Capitelverzeichnis mit 25 Capp., die einzelnen Capp.
ohne die gewöhnliche rote Ueberschrift. Dieses M.S. enthält nur lib. I von
3 Händen geschrieben. Die erste Hand war sehr sorgfältig und correct,
während die zwei andern Hände leichtfertig, eilig schrieben, Cap, XXV.
schliesst mit: «Uim intuleris. Tu autem D"= mis. nob. Deo gratias,« Sehr
auffallend ist es mir, dass gerade dieses ältere M.S. >si scires tot. bibl.
exterius« hat. Im cap, XXV: ^Altendite Carthusiensium astrictionem * (die
Cistercienses ausgelassen}. Das grobe Papier im Vergleich mit den obigen
Codd., die Schrift und das Papierwasserzeichen vom Jahre 1422 lassen dieses
Jahr als Entstehungszeit dieses M.S, annehmen. Nur darum glaube ich, hat
der Schreiber des Codex 456 mit Hb. II. angefangen, weil lib, I in diesem
Codex hier schon vorhanden war. Wo mag er die Vorlage hergehabt haben ?
Diese unsere 3 MSS. setzen 3 verschiedene .andere MSS. voraus, von denen
sie coiiirt wurden.
J
Benediktinerstift Kremsmünster.
Mitgetheilt von Bibl. Hugo Schraid.
I. Codex 9; Papier; saec. XV. Fol. 311. 4* verschiedene theologische
Tractate, meist ascetischen Inhalts, enthaltend. Dürfte' ursprüngliches Eigen-
tum von Kremsmünster sein. Fol. 196^ rot: »Incipiunt capitula sequentis
libri capitulum primum de imitacione Christi et de contemptu omnium vanitatum
mundi.c Nach dem Kapitelverzeichnis rot: »Incipiunt ammoniciones ad
spiritualem vitam utiles De imitacione Christi. c Fol. 197* rot: »De imi-
tatione Christi et contemptu omnium vanitatum mundi. Capitulum primum.«
Ansatz: >Qui sequitur nie« etc. Fol. 208^ endigt: »Quantum tibi ipsi vira
intuleris Explicit tractatulus utilis valde perlegenti.« Der Imitatio geht un-
mittelbar voran fol. 192^ — 96* Consideraciones XX quinque eiusdem doctoris
(i. e. Joannis Gerson) De confessionibus audiendis.
IL Codex 22; Papier; saec. XV. Fol. 276. 4^ verschiedene theologische
Tractate, kirchenrechtlichen, ascetischen und kirchengeschichtlichen Inhalts
in sich fassend. Fol. 247* rot: »Incipiunt capitula — vanitatum mundi«
(wie oben) Fol. 247^ rot: »Incipiunt ammoniciones ad spiritualem vitam
utiles De imitacione Christi et de contemptu omnium vanitatum mundi Cap. I.«
Fol. 161^ »vim intuleris Expliciunt capitula de fraterna correctione Anno
domini MCCCCL. vicesima Octava die Mensis Marcii feliciter Amen.« Der
Imitatio geht voran fol. 240* — 247* Collatio de exaltatione sancte crucis
M. L. H. (Leonard Huntpichler?). Der Schreiber des ganzen Codex nennt
sich fol. 240* (am Schlüsse des fol. 225^ beginnenden Wortes ^Puncta
religionis Christiane coUecta per Magistrum thomam ybernicum«): »Explicit
hoc opusculum per me fratrem vir. Schoppnczawn vltima die Mensis februarii
Anno domini 1450. scriptum.« lieber Ulricus Schoppnzawn, Professus Cremi-
fanensis, später 1454 — 1488 Abbas Cremifanensis handelt Pachmayr, Series
Abbatum et Religiosorum Monasterii Cremifanensis pag. 246 sqq.
IIL Codex 95 ; Papier; saec. XV. Fol. 250. 4"; verschiedene theologische
Tractate enthaltend, Provenienz unbekannt. Fol. 174^ rot: »Sequitur de
ferventi emendatione tocius uite Capitulum 25.« Anfang: »Esto vigilans et
diligens« etc. Fol. 177^ endigt: »vim intuleris« und rot: »Finita sunt
capitula de correctione fraterna.« Nach mehreren anderen Stücken folgt
fol. 216* rot: »Incipiunt ammoniciones — vanitatum mundi Capitulum pri-
mum« (wie Cod. 22). Beginnt ohne Kapitelverzeichnis : »Quisequitur me« etc.
Endigt fol. 23s*: »vim intuleris« und rot: »Finita sunt capitula de correc-
cione fraterna.« Der Imitatio geht vorher 139^ — 174^^ Epistola Humberti
de tribus essencialibus religionis, conscripta ad omnes religiosos.
IV. Cod 191; Papier; saec. XV. Fol. 284; 2. Enthält verschiedene
theologische Tractate. Provenienz unsicher. Fol. 47* rot: »Incipiunt
'$3
ammoniciones — vanitatum mundi Capitulum priraum« (wie Cod. 22}.
Beginnt: >Qui sequitur« etc. Schliiss Toi. Ss"" col. 1: >vini intuleris Amen.«
Hierauf rot: «Incipiunt capitula sequentis (corr. precedentis) libelÜ«, welches
Verzeichnis col. a schliesst. Der Im. geht voran fol. 45' — 46'' Pater noster
cum glossa, 2 Spalten. Der Schreiber ist unbekannt ; doch ist die .Abschrift
sicher 1457 oder 1458 zu. aetien; denn im selben Codex findet sich fol,
10* — 21'' ein Wort mit der Schlussschrift : vExplicit iractatus de modo ligandi
et solvendi Magistri henrici de hassia 1457.« und folTS?'' — löi'" enthalten
iCompendium Magistri Vdalrici (sie) de Argentina contemporanei S. T.t ^Tho-
mae), an dessen Schlüsse steht: lAniio domint 1458 In die S, Fabiani ei
Sebastiani;c beide von derselben Hand, die den weitaus grÖsstenTheÜ des
Codex schrieb.
V. Cod. 168; Papier; saec, XV, Fol. 423 8«. Enthält verschiedene
theologische Tractate, die grösstentheils auf Religiösen, besonders Ord. S.
Bened, sich bezieheo. Schreiber ist Fridericus Kerspeziger, Professus Cremi-
fanensis (anno 1419). Siehe Über ihn Pachmayr, op. Cand. p. 241, wo der
vorliegende Codex erwähnt und eine (nicht ganz vollständige) Inhaltsangabe
gegeben wird. Daselbst ist auch die hier fol. 316 '^ — 317 ' befindliche Schluss-
schrift mitgeiheilt; doch steht im Codex das Jahr der Abschrift nicht bald
luich Beginn dieser Schlussschrift zwischen den Worten »Krembsmenstert und
tferia tercia*, wohin sie allerdings dem Sinne nach gehört, sondern am Ende
heisst es: :Annodomim M™ CCCC" XXX.V11I*. Fol. 184' rot: »Incipiunt
capitula traclati (sie) de vanitate seci.t Nach dem Capitelverzelchnis f.
184^ rot: >Oe imitacione christi et contemptu omnium vanitatum mundi
capitulum primum. « Schluss fol. 208*: »vim intuleris Benedicta sil ens
encium cum intima ilevocione in secula seculorum AMEN i. e. fiat mihi
et Omnibus christianis Explicit tractalus vtilis valde perlegenli. 1 Nach einigem
Zwischenraum folgt »Sermo beati augustini episcopi de vanitate secuÜ*, was
wol die Ueberschrift von Fol. 184" erklärt. Der Imitatio geht voran Fol.
145"— 183'': Alphabetarium de diuino amoris (sie.).
VI. Cod. 384; Papier; saec. XV.; Fol. 166; 12". Enthält a) fol.
2a_8ob Regula S. P. Benedict!, b) f. 80*'— 97": »Speculum peccaloris
beati Augustini episcopi. t c) 97»— 117»: iPassus de virtute bonorum reli-
giosorum sancti thome de aquino.i d) f. 119' — 160"; »Tractatus de imi-
tacione chtisti.< Fol. ri7''— 118'', 160'' — 162'', fol, 165'', 166°'' sind
durch verschiedene Noten ausgefilllt. Provenienz und Schreiber unbekannt.
Fol. 119" rot: »Incipit tractatus de imitacione christi et contemptu omnium
vanitatum mundi Capitulum I.< Beginnt ohne Capitelverzeichnis. Schliesst
f. i6o": »vim intuleris« rot: »Amen.<
VH. Cod. 402; Pergament; saec, XV.; Fol. 72; 12". Enthält a) f.
i" — 45'' Tcgula beati benedicti Abbatis. • b) fol. 46" — 72'' ide imitacione
_234_
Christi.« Provenienz und Schreiber unbekannt. Fol. 46* rot: »Incipiunt ca-
pitula — vanitatum mundi« (wie Cod. 9). Nach dem Kapitelverzeichnis
fol. 46^ rot: »Incipiunt ammoniciones — vanitatum mundi. Capitulum
primum.« (wie Cod. 22.) Schliesst fol. 72^: »vim intuleris.c Hierauf rot:
»Finita sunt capitula de correccione fraterna.« Sorgfaltige Schrift, welche eher
der I. Hälfte des 15. Jahrhunderts anzugehören scheint.
8) Cod. 411; Pergament; saec. XV. Fol. 146; i2*. Enthält a) fol.
I a — 20* Kalendarium cum expositione. b) Nach einigen Vorschriften »Pro
hospitibus suscipiendis«, »Ad mandatum fratrum« etc beginnt fol. 21* das
Kapitelverzeichnis der Regula S. Bened. und die Regel selbst, welche bis
fol. 88^ reicht, c) fol. 89* — 129^ »Tractatus de imita'cione christi.« d) fol.
129^ — 239* »Tractatulus de quantitatibus sillabarum Excerptus ex doctri-
nali M. Allesandri per Religiosum patrem M. Joh. Slittpacher de Weylhaim.
professum Monasterii Mellicen.« e) f. 140* — 146* »Psalmi pro benediccione
mense.« Fol. 89* rot: »Incipit Tractatus de imitacione christi et contemptu
omnium vanitatum mundi.« Endigt fol. 128^: »vim intuleris.« Hierauf
folgt nach der roten Ueberscrift »Capitula« das Kapitelverzeichnis bis fol.
129^. Dieser Codex ist, wie die Ueberschrift fol. 21*: »Item uersus contineii
numerum virorum canonisatorum de Ordine Sanctissimi patris nostri Benedicti
Abbatis« zeigt, in einem Benedictiner-Kloster geschrieben und zwar, wie ich
aus dem Kalendarium schliesse, wahrscheinlich • in Kremsmünster selbst.
Sämmtliche Codices Cremifanenses enthalten also nur lib. I. de inMt-
Christi und zwar anonym; Cod. 95 ausserdem noch apart lib. I. cap. 25«
Benediktinerstift Molk.
I. Cod. L. 98 (früh. L. 29) eh. XVI. 195 (beschriebene) fol. i2». (Die
ersten Blätter fehlen.) Ein Sammelcodex, anhebend mit einem Kalendarium,
auf welches fol. 14* — 59*» das erste Buch der Imitatio Christi folgt; fol.
14* in Minium: »Incipit tractatus de imitatione Christi. Qui sequitur me«
fol. 59^: »vim intuleris. Amen. Deo gratias. Explicit liber primus huius
materiae.« Unmittelbar darauf fol. 60 * beginnt in Rubro der Tractatus : »De
meditatione mortis ioannis Gerson.«: Nach noch mehreren Stücken von der-
selben Hand gibt sie uns auch das Datum der Schreibung fol. 98^: »Finis
est huius operis sabbatho post octauam appostolorum Petri et Pauli post festum
N. D. M. anno 1503.« Ebenso steht fol. 161 * : »Finit hoc opusc. anno 1503.
Sabbatho post festum S. Augustini.«
II. Cod. E. 77. (früh. J. 83.) eh., nur die Heftblätter sind Pergament;
XV. 296. 8^ Ein Miscellancod., enthaltend 9 Stücke. Das erste ist: »Liber
de miseria humanae conditionis editus a Lothario diac. Cardinali Sergii et
Bachi postea Innocentius Papa tertius appellatus. Incipit feliciter prologus.i^
Ab letzte Pi^ce fi([uriren (fol. 197' — fin.) die vier Bücher Nachfolge, von der-
selben Hand, wie der genannte Traktat des Papstes Innoc. Ili. und wie der im
Codex unmittelbar vorhergehende liber Isidori contra Judaeos. Fol. 197"; »In-
cipit libellus primus de imitatione Christi et conlemptii oninium vanilalum
mundi C. I. Qui sequ, . .« fol. 220": »Explicit prima pars de imitatione
Christi et contemptu vanitatum mundi. Inciptit pars secunda. Et sunt ibi
admonitiones ad interna trahentes. Primo de interna consolatione c. I.c
fol. 232'': »Exphcit secundus libellus huius operis. Deo gratias.« fol. 233*;
• Incipit tertia pars huius libelli. De interna consolatione ad animam fidelem.«
fol. 272": ilncipit qiiacta pars libelli, qui intitulatur de Imitatione Christi
et est de sacramento altaris et de his, quae concemunt ad sacramentum et
specialiter de deuota praeparatione. Cap. prim.« An dieses vierte Buch
schliessen sich als cap. XIX. XX. XXI. die Octo inuitaloria praecipua de
sanctissimo sacramento, genau so, wie's auch Catetan aus dem codex Leo-
Allatianus edirt hat. De Imit. Christi Romae 1644. pag. 321. sqq.
III. O. 45 (früher J. 49) XV. 27S. 4* enthält nebst Vielem und un-
mittelbar nach dem »Tractatus mellifluus de iribiis essentiahbus religiosum
constituentibus editus per quendam honorabilem uirum in sancta religione
ordinis Carlhusiensium* fol. 148^ (Blatt 143 — 47 incl. fehlen)— 200" von 206" ab
(die zwischenliegeoden fol. fehlen wieder) — ^225 das erste Buch der Nach-
folge Christi. Fol. 206 in Minium: »Incipit tractatus de reformatione hominis
et primo de imitatione Christi el contemptu omnium uanitatum mundi. Qui
sequitur me.«
IV. D. I. eh. (bis auf das vordere Heftblatt, welches membr. ist) XV.
fol, 520. 4° enthält verschiedene Traktate von verschiedenen Händen ge-
schrieben. Fol. 432''--449'' das erste Buch De imitatione Christi. In rubro:
>Incipit tractatus de reformatione hominis et primo de imitatione Christi et
contemptu omnium jianitatum mundi. cap. pr.t Expl.. mim inluleris.c Die
Kapitel sind nicht numerirt, jedoch in Minium die Ueberschrift eingetragen.
Benediktinerstift S. Paul in Kärnthen.
Cod. Chart. XIV. Fol. 257. la* enthält ntir die vier Bücher Nachfolge
Christi. Fol. i": »Incipiunt capitula sequetitis libri Priraum. De ymitacione
Christi et contemptu omnium vanitatum mundi.» Folgen die Ueberschriften
der 25 Capitel des ersten Buches, welche Fol. !=■ und i ^ füllen und auf der
ersten Seite rot unterstrichen sind, Fol. 2": »Incipiunt ammoniciones ad
spiritualem uitam ualde utiles et notabiles. Et primo de ymitacione christi
et contemptu omnium vanitatum miindi, Cap, pr. Qui sequitur me.e Expl,
Fol. 58": >uim intuleris. Tu autem domine mei miserfere. Amen. In die
Aposloli Andree 1384. s Fol. sS"": Incipiunt ammoniciones ad iuterna tra-
1
i
hentes.f Nach der Angabe der Capitelüberschriften folgt unmittelbar, unver-
mittelt Regnum dei intra uos est. Expl. Fol. 86*»: »Regnum celorum. Incipit
tercia pars huiiis Hbri, que est de interna consolacione. Capitula. 1384.«
Fol. 87* gibt diese Ueberschriften. Fol. 90* unvermittelt: »Audiam quid
loquatur.c Expl. Fol. 211^: pcrpetue claritatis. Amen. 1384. Ibid. Sequitur
nunc quarta pars huius libri de sacramento eucharistie. Wieder Capitelüber-
schriften bis Fol. 212^, wo rot unterstrichen steht, dass das 4. Buch beginnt,
welches Fol. 257* schliesst: » Inscrutabila dicenda. Amen. 1385. Die feste
Pasche per N(icolaum) V(ogt). Urbano papa.« Fol. 257^ wiederholt; 1385
ürbano papa; dann Scriptor mente pia petit unum Ave Maria. Si nomen
quacris Nicolaum recte tenebis, si Vogt addatur, qui scripsit ipse uocatur.
Als Schreiber und Verfasser dieser Seite zeichnet sich F. Uolrich M* cccc'
XIIII". Dieser Fr. Uolricus ist wahrscheinlich der Habluzel, welcher auf
zwei Einlegblättern am Anfange der Hdschr. eine Art Tagebuch und die
Professformel des Uolrich Habluzel gibt, der bis 1432 Klostervorstand
gewesen ist. Der genannte Nicolaus Vogt ist nach des Wiblingers Martin
Mack (Dubia . . . pag. 26) Vermutung jener Wibl. Prior Nicolaus, welcher nach
den alten Nekrologien dieses Klosters zwischen 1380 und 1404 gestorben
ist. Der am Schlüsse des 4. Buches eingeführte Papst Urban kann nur
Urban VI. sein, der 1378—89 regirt hat und erst gerade nach 200 Jahren
einen Nachfolger seines Namens gefunden hat. Auch das Paschafest fiel
13 85. gerade auf ürbani. Es stimmt also Alles zusammen, der Codex ist
1384 und 1385, vier resp. 5 Jahre nach des Thomas von Kempen Geburt,
geschrieben worden. Obgleich nun dieses Alles stimmt, auch der Wiblinger
Martin Mack in seinem obgenannten uns als Manuscript erhaltenen Werke das
Instrument eines beeideten kaiserlichen Notars mittheilt, welches die chrono-
logischen Notizen dieser Handschrift als acht bezeugen, so bietet die Sache
doch Schwierigkeiten. Die Schrift ist dem Ductus und den Kürzungen nach
aus dem XV. Jahrhundert und die Zeitangabe der Handschrift S. 58 und 211
leidet an Rasuren und Nachhilfe, während wol die von S. 86* und 257*
rein zu sein scheint. Die hiesigen ersten Handschriftenkenner haben die
Lösung gegeben: Der Schreiber dieses Codex hat zugleich die Zeitangaben
und die Noten seines Originals mit abgeschrieben, so erklärt sich der Contrast
zwischen Schrift und Datirung. Interessant ist es auch, wie die Handschrift
aus Wiblingen nach S. Paul in Kärnthen kam. Das theilt uns auf der
Innenseite des vorderen Einbanddeckels und auf dem Averse des Heftblattes
Georg Ziegler mit. Aus der Heimat vertrieben schenke er und seine Ge-
nossen »gratitudinis et pietatis ergo hocce bibliothecae suae... pal-
ladium ueluti e Trojae ignibus ereptum,« nach S. Paul. Unterschrieben
sind nebst Gr. Ziegler : Roman Zängerle, Bernard Gantser an den Kaienden des
Juni 1817.
Benediktinerstift St. Peter in Salzburg.
Mitgelheilt von Prof. Willibald Hauthaler.
I. Hs. 0. VII. 17 membran., 2 Quaternionen, saec, XV ex. zu 5 Lagen
mit 19 BläUerii. Auf der Rückseite des 19. Blattes stehen nur noch 4 Zeilen,
das ao. Blatt wird leer geblieben sein und ist jetzt weggeschnitten. Der Cod.
enthält nach dem Registrum Fol. 1" zwölf Stücke, als letztes das erste Buch
der Nachfolge Christi. Auf dem ersten Fol. de.s letzten Stttckes steht iRe-
gislnim sequentis libclli« (rot), und dann folgen die Uebersch ritten der 25
Capitel des I. Buches der Imitatio. Unten am Schlüsse der ersten Seite steht
(rot): »Tractatus cuiusdam devoti religiosi de iraitacione Christi et contemptu
vanitatum mundi et profectu virtutum, perseverancia assidua et atlenta practica
actuum religiosorum.i Die Capitelüberschriften sowie die Anfänge und Schlüsse
der einzelnen Capitel stimmen fast ganz überein mit der Teubnet'schen Aus-
gabe (Lipstae 1866). Im letzten Capitel bemerke ich auch, dass es sub n" 8
nurheisst: >Attende Carthusienses Cystercienses et diversae< etc., so dass die
Benediktiner übergangen sind und so bei allen unsem Hss. Der Codex ist
sehr schön und geschmackvoll ausgestattet, mit sehr hübschen vielfarbigen
Initialen , ein wahres Prachtexemplar, Die Schrift dürfte dem XV/XVI.
Jahrhundert angehören.
II. Ganz dasselbe findet sich im Cod. membran, saec. XV. a, I. 11 in
iz' Taschenformat im Anschlüsse an die hl. Regel St, Benedicts und den
Ritus der verschiedenen täglichen Gebete. Ueberschrilt: »Traclatus cuiusdam
devoti religiosi de imitacione Christi et contemptu vanitatum mundi, et pro-
fectu virtutum, perseverancia assidua et attenta practica actuum religiosorum. t
Hierauf: »De imitacione Christi et contemptu omnium vanitatum mundi
Cap. I u. s, w.( Uer Schluss lautet hier: aTantum proficies quantum tibi
ipsi vim intuleris, Deo gracias.*
III. Cod. membran. a, I. 6 Taschenformat s. XV. enthält a capite
gleich das Registrum der 2$ Kapitel; dann eine rote Ueberschrift : »De imi-
tacione Christi et contemptu vanitatum mundic und darauf den Text mit
roten Cap.-Ueberschrifien von >Qui sequitur me« bis »vim intuleris.« Darauf
folgt: »Secundum venerabilem doctorem magistruni Nicolaum de Dinkispiihel;
»Ira multa mala operatur — caveant se a similibus?* Zum Schlüsse lesen
wir : »Opusculum scquens est reverendi magistri loannis Gerson, cancellarii Pari-
siensis de diversis temptacionibus et reraediis contra pericula ex rpsis immi-
ncncia,( lateinisch, beiläufig ebenso lang wie der erste Theil des Büchleins
und mit der Jahrzahl 1474 am Ende jener Vorbemerkung.
IV. Cod. chartac. a, II. 4s in 8° saec. XV. enthält auch gleich am
Anfang das i. Buch der Nachfolge Christi. Rote Ueberschrift lautet:
238
»Tractatus cuiusdam devoti religiös! de imitacione Christi et contemptu vani-
tatum mundi et profectu virlutum, perseverancia assidua et attenta prac-
tica actuum religiosorum. Capitulum primum de imitacione Christi et con-
temptu omnium vanitatum mundi.« Dazu befindet sich auf dem Vorstich-
blatt visä-vis dem Titel von einer Hand saec. 17™' geschrieben: »Sequitur
in tractatu de imitatione Christi et contemptu vanitatum mundi, auctore R. P.
Joanne Gersen abbate ord. S. Benedicti ubi dimissum est.« (?) Dann folgt
der Context des I. Buches von »Qui sequitur me« bis »vim intuleris. Expli-
cit,« und mit roten Aufschriften wie oben. Auf dieses folgt ein »Tractatus
nobilis de VII horis canonicis.«
V. Cod. chartac. b. VI. 2 in 4* saec. XV/XVI enthält auf Fol. 190^
bis 212** das erste Buch der Imitatio, geschrieben von einem gewissen Gab-
riel Distaler, wie er am Schlüsse rot unterschrieben ist. Fol. 190^ steht
eine Uebersicht der 25 Capitel rot und Fol. 191* die Ueberschrift »De imi-
tacione Christi et contemptu omnium vanitatum mundi.« Darauf beginnt der
Context: »Qui sequitur me« bis »vim intuleris. Et sie est finis, Gabriel
Distaler,« — nur durch rote Capitel-Ueberschriften und Initialen unter-
brochen.
VI. Cod. Chart, b, VI. 4 in 4° saec. XV. enthält zuerst »Tractatus
s. Bernardi de 4 gradibus spiritualis exercitii et de stimulo amoris«, welcher
Fol. 79* endigt und unterschrieben ist: »Et sie est finis huius operis anno
domini 1458.« Das folgende Stück, von derselben Hand, wie mir scheint,
geschrieben, beginnt erst Fol. 89^ mit dem Verzeichnis der 25. Capitel-Ueber-
schriften des I. Buches der Imitatio. Fol. 90 beginnt das i. Capitel ohne
Special-Ueberschrift direct mit: »Qui sequitur me« und läuft fort bis Fol.
104*, wo es aufhört mit: »ipsi vira intuleris,« nur dass die Capitel 2 — 25
immer je eine Specialaufschrift haben. Fol. 105 — 113* Mitte findet sich das
II. Buch der Imitatio von derselben Hand geschrieben. Voraus oben steht
folgende Aufschrift von anderer Hand: »Secundus liber de imitacione Christi
de admonicionibus ad interna trahentibus. Sequitur tractatus de contemptu
mundi.« Hierauf folgt das ganze II. Buch ohne Capitel-Ueberschriften und
nur capitelweise mit grossen roten Initialen. Fol. 113 Mitte schliesst sich
wie sonst bei Einzelncapiteln nur mit einer roten Initiale das III. Buch de
Imitatione an, in Folge dessen dann obige andere Hand am Rande beisetzte :
»Incipit 3* liber de imitacione Christi qui est interne consolacionis. « Dieses
III. Buch läuft dann ganz in derselben Weise wie das II. von Fol.
113* — 146^ Mitte. Das III. Buch beginnt mit: »Audiam quid loquatur« —
und schliesst mit »ad patriam perpetue claritatis. Amen. Explicit tercius liber
de imitacione Christi qui est interne consolacionis. Sequitur tabula eius*
dem.« Diese Tabula folgt aber nicht mehr, sondern leere Blätter fol. 153,
wo die Capitel-Ueb ersieht Tiir das sConsolatorium timorate consciencie ma-
gistri Johannis Nyder doctoris sacre theologie* beginnt. Bis fol. 14G ist von
Anfang an gleiche Tinte und Schrift, so dass das Ganze circa 1458 geschrie-
ben sein dürfte.
VII. Cod. chartac. a, II. 8 in 8". Taschen formal B.iec. XV (f}') ent-
halt nur die 4 Bücher der Imitatio, wie mir scheint von einer Hand, zuerst
mit etwas blasser, dann mit ganz sch*arzer Tinte geschrieben. Auf dem
vorderen Schmutzblatte steht: 'Anno dni, 1549 obiit frater Wolfgangus
presbiier et monachus, necnon subprior, in mane horam circa quinlam in die
Felicis in pincis ( — 14. Jan), cui deus sit propicius.i Dieser scheint keiner
von St. Peter gewesen zu sein. Auf der Rückseite des letzten Textblattes
steht: iOra pro Petro Hagen de Chemuaten huius libelli fideli scriptore et
conquisitore, qui et ipse in professione et ordine Cisterciensi diem clausit
extremum: homo miilia probitate singularique devotione preditus, Reqniescal
in pace. Wilhelmus Pürstinger.t Ich weiss nun weder, wo dieser Wilhelm
Pürstinger, noch wo Petrus Hagen gelebt, und kann daher auch nicht die
Zeit der Thätigkeit des letzteren bestimmen. Sicherlich gehört aber die
Textschrift des Buches dem 15. Jahrhundert an. Die Textanordnung ist fol-
gende. Zuerst steht das Verzeichnis der 35 Capitel Überschriften des 1,
Buches; dann kommt der Text desselben mit den roten Ueberschrifteii
von: »Qui sequitur me« bis »vim feceris. Amen.« Hierauf folgt: iLiber se-
cundus de ammoniciouibus ad interna trahentibust und die Uebersicht der
la Ca^iitellitel , worauf der L'ontexl mit den eigenen Capitelübet;schriften
kommt, von; »Regnum dei inter vos esU bis »per multas tribulaciones
oportet nos intrare regnum dei.« Weiter folgt: »Registrum capitulorum 3'
panisi und darauf der Text mit roten Ca pitel Überschriften von »Audiam
quid loquatur in me* bis >ad patriam perpetue claritatis. Amen.« Endlich
folgt die Capitel- Uebersichi des IV, Buches mit ao Capiteln, sodann die rote
Ueberschrifl ; ilncipit quatta pars libri et intitulatur de imitacione Christi
et est de sacramento altaris et de his que concernuut sacramentum et speci-
aliter de devota preparacione. t Der Text beginnt mit: >Venite ad me
omnes", und das 18, Cap. schliesst wie bei der Teubner' sehen Ausgabe mit;
• essent ineffabilia et mirabilia dicenda.« Dann folgt noch ein 19. Cap.
mit der Ueberschrift : >Octo invitatoria precipua de sacratissimo sacramento»
■) Die Schrift schien P. Hfluüialci .fUr K1V,XV, vi passen, Dehme man alier auf die
Nachschriften Ruckiichl, besonders auf die von Wilhelm PUrstinger, welche der i weiten Half le
oder dem Ende des XVI., wenn nicht XVH. Jahrhunderts aniugehüren scheine, so dilrfle
doch dieser Wilhelm PUislingcr den Schteilier Petrus Hagen noct) gekannt haben, so Jass dieser
auch erst Mitte des XVI. Jahrhunderts geschrictwn halten könnte.«
und der Text von : »Quamquam maximam multiplicitatem et varietatemc
bis :*ubi enim corpus, ibi est lesus.c Das 20. Cap. hat zur Ueberschrift:
»Duo considerare debemus ut infra in capitulo.c Text: »Miratur fortassis
aliquis — qua beata secundum intellectum perficietur fruicio. Amen.c
VIII. B. I 36. saec. XV. (c, 1463). Der Inhalt dieser Hand-
schrift ist:
i) Liber supputacionum s. Augustini de divinis scripturis collectus in
3 Theilen fol. i — 53*, wo noch i 7^ Textseiten stehen und worauf es
heisst: »Explicit tractatus beati Augustini epf de contemplacionis amore,
qui orando et meditando debet dici. i463.€ Am Schlüsse der Fol.
steht dann, wieder rot: >Incipit liber Soliloquiorum beati Augustini
Episcopic etc.
2) Liber Soliloquiorum b. Augustini epF fol. 54 — 124. Daran reiht sich
3) fol. 125 — 160 das I. Buch der Imitatio Christi und zwar zuerst
die Uebersicht der 25 Capitel ohne weitere Ueberschrift, rot. Dann
folgt fol. 125^ gegen die Mitte die Ueberschrift des I. Capitels
»Sequitur capitulum primum scilicet de imitacione Christi et con-
temptu omnium vanitatum mundi.c Aehnlich hat jedes Capitel seine rote
Ueberschrift. Schluss heisst: »vim intuleris. Tu autem Dne miserere
nobis. Deo gratiasc (Alles schwarz).
Die Schrift ist durchaus ziemlich gleichmässig, und wenn man auch
vielleicht mehrere Hände herausfinden wollte, so gehören sie doch ganz der-
selben Schule, bzw. Zeit an, nämlich der Mitte des 15. Jahrh., wenigstens
bin ich überzeugt, dass der Cod. seinem ganzen Inhalt nach, um das auf fol.
53^ angeführte Jahr 1463 geschrieben worden ist. Auf fol. i hat eine Hand
des 17. Jahrhunderts darübergeschrieben: >Sum ex libris coenobii S. P. S.
i62 2,f Die alte Standortsbezeichnung war R. 333.
Benediktinerstift Schotten.
Cod. 322 eh. et perg. 12°. 270. Von der navolginge Christi ses
boecke. Die Handschrift wurde zugleich mit einem »vyften boeck van qui
sequitur« nach der Handschrift der Maatschappij voor nederl. letterkunde zu
Leiden edirt zu Wien 1879, wo in der Einleitung die Beschreibung dieses
Maatschappijcodex und der deutschen Imitations-Handschriften, welche dieser
Anhang nicht aufführt, zu finden ist. l. c. pag. V — XL.
Benediktinerstift Seitenstetten
autbewahrt einige Kapitel des ersten Buches der Imitatio mitten in einem
Codex aus dem XV. Jahrhundert.
241
Cistercienserstift Hohenfurt.
Mitgetheilt vom Bibliothekar Raphael.
Cod. i8. Papier-Hdschr. mit 163 Bl. in 8« aus dem 15. Jahrhundert enthält :
1. Dialogus Caesarii Heisterbac. de contentione et fervore. (Fol. i^ ff.)
Am Ende: »Explicit Dialogus etc. Scriptus per fr. Leonardum.<' Dieser
Fr. Leonardus war Prior im Stifte Hohenfurt und starb 1475.
2. Tractatus de in formatione hominis, et primo de imitacione Christi et con-
temptu omnium vanitatum (Fol. 18* — 29*>). Inc.: »Qui sequitur me non
ambulat in tenebris.« Des.: :«' Tantum proficies, quantum tibi ipsi vim
intuleris.« Darnach : »Faciliter contemnit omnia qui se semper cogitat mori-
turum. Hec Jeronimus « Die Handschrift ist dieselbe wie oben Punkt i.
Vorstehendes ist also der ganze Lib. i der Imitatio Christi, ohne dass
in unserer Handschrift irgend ein Auetor namhaft gemacht würde. Die fol-
genden in dem Codex weiters vorkommenden Traktate sind ausser dem Bereiche
des fraglichen Gegenstandes. Dass die Handschrift wirklich aus der oben
angegebenen Zeit stammt, ersieht, man deutlich aus einer Notiz, die hier
Fol. 105* verzeichnet ist, und also lautet: >Hic profetie sancti vincentii ord.
Pred. de fine mundi finis extat feliciter 1477 etc.« Doch stammt dieser Traktat
(Fol 86* — 105*) von einer zweiten Hand.
Cistercienserstift Reun.
Von Bibliothekar Anton Weis beschrieben.
Cod. VI. in kl. 8" aus der II. Hälfte des XV. Jahrhunderts, welcher
unter zwölf verschiedenen längeren und kürzeren Stücken als drittes auf
Bl. 117 * — 163^ das I. und 2. Buch der Imitatio Christi enthält. Das i. Buch
(Bl. 117*— 146^) hat die Aufschrift: »Incipit tractatus de reformacione
hominis de imitacione Christi et conteptu. (!) omnium vanitatum mundi etc.«
Schluss: :» Explicit tractatus de reformacione hominis.« Das zweite Buch
(Bl. 147* — 163^) führt den Titel: »Incipit tractatus de interna conuersacione. '^
Schluss: »Explicit tractatus de interna conversatione. « Autor ist keiner ange-
geben. Die zwei Bücher sind in die herkömmlichen Kapitel abgetheilt. Ueber
die Provenienz des Codex findet sich keine Andeutung. Derselbe stimmt nicht mit
dem Texte Delfau's, iasoferne er die bekannten Germanismen enthält, überein.
HANDSCHRIFTLICHES MATERIAL ÜBER DIE IMITATIO CHRISTI.
Benediktinerstift Molk.
A. Briefe.
bt Karl von St. Gregor in Münster an F. Antonius de Leseale,
dd. I. April 1663. Letzterer wird beauftragt, alle alten Hand-
schriften über die Imitatio Christi, welche er auf seiner Reise durch die
Klöster Deutschlands finde, sich für einige Zeit zu erbitten.
16
243
II. F. Philibcrt v. Molk theilt mit, (las§ er einen Katalog von Stephan
Burkart aus dem Jahre 15 17 gefunden habe, in welchem drei Bücher über
die Nachfolge Christi aus den Jahren 1435, 143^ und 1434 angeführt werden;
dd. 28. Juni 1062.
III. Gregor Jodokus , Prior von St. Ulrich und Afra an Abt Valentin
von Molk, dd. 13. April 1663. Nachdem er die versprochenen Manuscripte
noch nicht erhalten habe, so schliesse er, dass es der Konvent von Molk
nicht zulasse, so wichtige Schriften ohne einen verlässlichen Führer zu über-
senden ; daher schicke er einen Boten , welchem er ohne Sorge dieselben
übergeben könne.
IV. Anton de Lcscale schreibt aus Regensburg, dd. 22. Juli 1663, ^"
Abt Valentin von Molk, er möge den Codex über die Imitatio Christi aus
dem Jahre 1433 an Gregor Jodocus von St. Ulrich übersenden.
V. Anton de Leseale an Valentin von Molk, dd. 27. August 1666.
¥a gibt die (irundc an, warum er so lange keine Nachricht über den Stand
der aus Molk entliehenen Bücher gegeben habe.
VI. Abt Karl von St. Gregor, dd. 15. Sept., verspricht dem Abte von
Molk, ihm baldigst das Manuscript über die Imitatio zu retourniren.
VII. Abt Karl von St. Gregor, dd. 23. Oktober, bittet den Mölker
Abt um Entschuldigung, dass er «las Manuscript noch nicht zurückgeschickt
habe , weil er selbst es von Paris noch nicht zurückerhalten.
VIII. Bernhard Audebert, Superior der Kongregation des hl. Maurus,
bittet den Abt von Molk, er möge ihm die geliehenen Bücher noch belassen,
da sie ihre Verwendung noch nicht gefunden hätten, dd. 25. Dez. 1667.
IX. Abt Karl von St. Gregor, dd. i.Juni 1670, entschuldigt sich aber-
mals beim Abt von Molk wegen der Nichtretournirung der entlehnten Codices.
X. F. Leopold Wydemann aus Gemnitz an Roman Molitor von Molk,
dd. 28. August 1706, des Inhalts, dass die beiden Codices aus Molk von
1421 und 1435 unter allen von den Kempisten und Gersenisten angeführten
die ältesten seien ; die Abweichung der Manuscriptenstellen vom Drucke
erkläre er sich so, dass sie entweder der Autor bei einer zweiten. Umarbeit-
ung, oder ein Abschreiber ganz willkürlich geändert habe.
H. Traktate.
I. Fünf Piecen, enthaltend: die Angabe der zu Gunsten Gersen's
.sprechenden Codices ; F^rorterung der Frage, ob und was für Ansprüche ein
Karthäuser am Rhein unbekannten Namens auf die Imitatio Christi habe;
Anführung der Codices für Gerson, Kanzler von Paris; Aufzälung der
Codices über die Imitatio aus Gemnitz und Agsbach ; endlich die Angabe
einiger Stellen aus der Imitatio, wie sie vom Karthäuser am Rhein geschrieben
worden sind, und wie sie im Codex von Gemnitz zu finden sind.
243
II. Beweisführung, dass der Traktat: »Qui sequitur me« nach Molk
aus Italien und nicht aus Belgien gekommen sei.
III. Gegenbeweis des F. Joh. Cellensis aus Molk gegen die von Simon
Werlinus zu Köln 1649 herausgegebenen Vindiciae vindiciarum, womit dar-
gelegt werden soll, dass die in Molk gefundenen Manuscripte der Imi-
tatio aus Italien gekommen seien.
IV. P>örterung der Frage, ob das Buch » De reformatione hominum et
contemptu omnium vanitatum, qui sequitur me«, einem Belgier oder Italiener
zuzuschreiben sei.
V. Schriftliches Bekenntnis des F. Anton de I^escale, dass er aus
Molk drei Codices über die Imitatio erhalten und versprochen habe, die-
selben nach Verlauf von 2 Jahren wieder zurückzustellen, dd. 25. Juni 1663.
Münchner Hofbibliothek.
I. Cod. 1. 1377. 2^ Chart.: Josephi de Garampis litterae de auctore
libri de imit. Christi.
II. Cod. 1. 11505. 2. XVIII. 130 fol. Georgii Heseri Dioptra Kem-
I)ensis (qua Thomas Kemp. auctor libri de imit. Christi esse demonstratur).
III. Cod. 1. 11505*' 2» XVIII. 71 fol. Catalogus editionum librorum
de imitatione Christi.
IV. Cod. 1. ii5o6*u. ^ 2«. XVIII. 222 und 312 f. enthält >literae
multorum Theologorum c, unter denen folgende die wichtigeren sind:
i) Briefe des Probstes Simon Werlinus von Diessen an: Probst Petrus von
Gars (1640 — 42); Probst Ubaldus von Gars (1646); Kaspar Zeiler
von Augsburg (1641).
2) Briefe des Georg Heserus von München an: Probst Anton von Diessen
[(1656 — 68) fol. 8. 9. 38. 39. 40 Cod. a] ; an Dionysius Rechlinger,
Dekan von St. Crux in Augsburg [(1649 — 51) fol. 14. 36. Cod. a;
fol. 80. Cod. b.]
3) Briefe an Georg Heserus von: Theophilus Raynaudus aus Rom
[(1649—50) Cod. a. fol. 17. 21. 23. 27. 29. Cod. b. fol. i — 12]; Ale-
xander Wiltheim aus Luxemburg [(1650) Cod. a. fol. 16. 22. 25. Cod. b,
fol. 44 — 47]; Johann Bollandus aus Antwerpen [(1647 — 65) Cod. a.
fol. 18. 24. Cod. b. fol. 38]; Probst Anton von Diessen [(1657) fol. 41.
Cod. a]; Wilhelm Enskirchner aus Trier [(1649) ^o^» ^- ^o^- ^9-]]
Jakob Sirmondus aus Paris [(1648) Cod. a. fol. 20. Cod. b. fol. 48];
Philipp Alegambe aus Rom [(1650) Cod. a. fol. 24. Cod. b. fol. 43]:
Roman Haij von Ochsenhausen [(1652) Cod. a. fol. 37. Cod. b. fol. 37];
Franz Boulon von St. Genofeva in Paris [(165 1) Cod. a. fol. 106];
Nikolaus Wysing von Ebersberg [(1658) Cod. a. fol. 47. Cod. b. fol. 51].
i6»
_244
4) Briefe an Dionysius Rechlinger, Dekan von St. Crux in Augsburg von :
Theodor Fantonus ausRom (1651) ; Franz Sulpicius aus Paris (1650 — 51);
Johann Fronto aus Paris (1650).
5) Georg Spaiser aus München an: Petrus von Gars (1641 — 42); Anton
von Diessen (1649).
6) Vitus Adamus, Bischof von Freising an Petrus von Gars (1641—42).
7) H. Wagner aus Freising an Petrus von Gars {1642).
8) Michael von Rottenbuech an Anton von Diessen (1657).
9) Bischof von Chiemsee, Johann Christoph an Petrus von Gars (1642).
10) Adam Weber von Augsburg an Balthasar Nesyng von Neuzell (1678).
11) Johann Gruber von Augsburg an: Balthasar Nesyng (1668); an Maxi-
milian Vogelmayr in Neustift (1690).
12) Augustinus Erath von Wettershausen an Max Vogelmayr (1692).
13) Dominikus Bisselius von Augsburg an Max Vogelmayr (1688).
14) Probst Bernhard von St. Zeno an Petrus von Gars (1642).
15) Epiphanius Klehamer aus Dillingen an Petrus von Gars (1642).
16) Athanasius Peithauser von Dillingen an Ubaldus von Gars (1642).
17) Dekan Riedel aus Landshut an Petrus von Gars (1643).
18) Probst Arsenius von Chiemsee an Athanasius von Gars (1650).
19) Sebastian Röhr von Ottobeuern an den Bischof von Augsburg (1642).
20) Albert von St. Peter in Salzburg an den Bischof daselbst (1642).
21) Bittschrift des Abtes Karl von Anhausen an Bischof von Augsburg (1642).
23) Kopie der vom Bischöfe zu Augsburg an Simon v. Diessen gerichteten
Bulle (1642.)
24) Abbitte des Petrus von Gars in Betreff der von Simon verfassten und
von ihm publizierten Vindiciae Kempenses (1642)
25) Briefe an Eusebius Amort v. Pollingen, geschrieben von: Joseph Falk
aus München [(1725) fol. 114 Cod. a]; Bernhard Pez aus Molk
[(1725.) Cod. b. fol. 131]; Johann Biechler aus Augsburg [(1726) Cod.
b. fol. 133]; Barrius aus Paris [(1732) Cod b. fol. 144]; Ludwig
Scheidius aus Hannover [(1760) fol. 154. Cod. b]: J. A. Jansen aus
Kempen [(17 61.) Cod. b. fol. 167]; Rosmans v. Windesheim [(1761.)
Cod. b. fol. 169]; Prälat Michael von Ulm [(1758.) fol. 148. 150.
162. Cod. b]; Joseph Hartzheim aus Köln [(1760) Cod. b. fol. 163.
164. 166.]
V. Cod. 1. 117 19. 4® XVn. Summa theologiae mysticae Thomae a
Kempis ex IV libris de imitatione Christi redacta a Georg Hesero S. J.
VI. Cod. 1. 11859. 4^ XVIII 293 f. Eusebii Amort collectanea pro
Thema a Kempis, quod ipse auctor sit.
VII. Cod. 1. 11860. 4^ 1764. 200. f. Eusebii Amort moralis certi-
tudo pro Thoma K.
245
VIII. Cod. 1. 11861. 4'. XVIII. 286 f. enthält folgende Stücke :
a) Dissertatio des Guillelmus Andreas de Gerij, Can. Reg. zu S. Geno-
feva in Paris gegen die Streitschrift des M. Valart, welcher die Imitatio
dem Gersen zuschreibt; sie stammt aus dem Jahre 1758 und umfasst
14 Fol. Im ersten Theile untersucht de Gerij die Frage, ob die Imi-
tatio älter sei als Thomas von Kempen, im zweiten forscht er nach
der Zeit der Abfassung. Aus dem in den beiden ersten Theilen Ge-
sagten zieht nun de Gerij im dritten Abschnitte den Schluss, Gersen
könne nicht der Verfasser sein.
b) Animadversio Canonicorum Regularium Congregationis Gallicanae de
libro, qui dicitur, de Imitatione Jesu Christi. 1687, 4 Fol. Diese Schrift
sucht zunächst Thomas* Autorschaft aus den Manuskripten nachzuwei-
sen, und wem das nicht überzeige, der möge sich den Beweis holen
aus den 1) authores, 2) editiones, 3) opera, 4) idioma. In Bezug auf
den ersten Punkt wird gesagt, dass, während für Gersen der erste
Verteidiger 16 13 auftrat, solche für Thomas schon 100 Jahre früher
existirten; desgleichen datiren auch die Imitatio-Ausgaben unter dem
Namen des Thomas 200 Jahre früher, als jene unter Gersens Namen.
Hinsichtlich der opera beruft sich diese Animadversio darauf, dass von
Thomas viele andere Werke existiren, über Gersen dagegen tiefes Dun-
kel herrscht, und man von seinen Werken nur die Imitatio kennt. End-
lich wird aus dem flandrischen Dialekt die Vaterschaft des. Thomas
erschlossen.
c) Bibliographia Kempensis, sive eorum, qui drssertationibus aut libris
editis Thomae Kempensi causam adversus Gersenistas tuendam susce-
perunt. Fol. 19 — 24.
d) Bericht von einer sich ney erregenden Kontrovers, betreffend den Au-
thorem des gottseligen Biechleins: Von der Nachfolgung Christi. Fol. 25
— 32. Der unbekannte Verfasser dieses Berichtes erzält hier, dass
Eus. Amort den Auftrag erhalten habe »einen zurlänglichen entwurff •
der ganzen Kontrovers an das Tageslicht vorzustellen«:, welchem Befehl
er Rechnung trug durch sein Werk: Plena ac succincta informatio de
statu totius controversiae de authore libelli de Imitatione Christi, Au-
gustae 1725.
e) Epislola critica de punctis constroversiae Kempisianae praecipuis. Fol
32 — 40. Hierin wird mathematisch nachzuweisen versucht, Gersen
könne die Imitatio nicht verfasst haben.
f) Liber primus de Imitatione Christi ab impressis diversus; necnon tria
ultima capitula hbri quarti in impressis hactenus omissa. Fol. 41 — 49.
Hierin wird der Beweis gegen Gersen geführt aus dem Ms. Codex von
Polling, aus dessen erstem Buche hervorgehe, dass der Verfasser der
246
Nachfolge sich der Werke des S. Bonaventura und des Kardinals Pet-
rus de Alliaco bedient habe; ausserdem sei in den 3 letzten Kapiteln
des 4. Buches der Congregatio von Windesheim erwähnt, die doch
zur Zeit, als Gersen lebte, noch gar nicht existirl habe.
g) Brief des Dionysius Rechling v. S. Crux zu Augsburg an Georg Heser dd.
22. März 1658. Sein Inhalt ist folgender. Bei einem vom Rektor des augs-
burg'schen Kollegiums veranstalteten Gastmahle sei man nach verschie-
denen Gesprächen auf die Frage über das Alter der anwesenden Gäste
gekommen; der Gastgeber hätte zur Antwort gegeben mit den Worten
der Imitatio: »Quid prodest diu vivere; multi annos computant con-
versationi.s, € und mit lauter Stimme hätte* er beigefügt: »Dicit Thomas
Kempensis.c Darauf hätte Niemand Einwendung erhoben bis auf einen,
welcher die Imitatio einem Manne zuschrieb, dessen Name allen Gäs-
ten vollständig unbekannt war.
h) De authore libri de Imitatione. Ex Elia du Pin. Bibliothecae Eccle-
siasticae tom. 12. Diese Schrift gibt eine kurze Streitgeschichtc von
Petrus Manriquez bis Mabillon. Fol. 51 — 58.
i) Specilegii appendix, Brixen 1762. Fol. 58 — 64. Verfasser dieses be-
hauptet, dass weder Bernhard, noch Thomas, noch Gerson, noch Ger-
sen die Nachfolge geschrieben haben, spricht sich aber nicht für einen
bestimmten Verfasser aus.
k) Brief des A. Franz Payen an Gabriel Naudd dd. Rom, 15. Juli 1651,
worin er schreibt, Constantin Kajetan wäre für Gersen nur eingetreten,
*um dem Benediktiner-Orden zu Ruhm und Ehre zu verhelfen; überdies
hätte Kajetan an einem » Delirium f gelitten. Diesen Brief erwidert Naud<5
am I. Oktober desselben Jahres, worin er den grossen Eifer des F.
Payen für des Thomas Sache lobt. Fol. 64 — 74.
1) Auszüge aus Manuskriptencodices von S. Nikolaus (bei Passau) und
von Fölling. (Fol. 112 — 113.)
m) Antwort des Kanzlers Gerson auf die Frage eines Karthäusers, welche
Bücher zur Lektüre am empfehlenswertesten seien. Fol. 133 — 135.
n) Brief des P. Duellius dd. 1725, worin er seinem Freunde Ph. Soller
mittheilt, er habe in Hohendorf einen M. Codex gesehen, in welchem
sich das Bild des Thomas befinde, und worunter die Wortfe ständen:
>Incipit liber I. f. Thomae de Kempis Can. Reg. Ordinis S. Augustini
de imitatione Christi et contemptu omnium vanitatum mundi.« Fol. 137.
o) Urtheil des Historiographen Baiduin de Housta, welcher, nachdem er
Amorts Werk gelesen hatte, behauptet, dass Amort zwar Thomas als
Autor anrate, aber über seine Vaterschaft nicht überzeuge; übrigens
neige er selbst sich mehr Thomas als Gersen zu.' Fol. 143.
247
p) Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen dd. i8. Juli 1761, in
welchen Erwähnung geschieht der von Eus. Amort zu Pollingen herausge-
gebenen Abhandlung: »Joannes de Canabaco ex Comitibus de Canabaco
oriundus, qui vulgo venditur pro authore IV librorum de imitatione
Christi recenter detectus a quodam Canonico Regulari S. Augustini
Congregationis Lateranensis.«
IX. Cod. 1. 17506 *""«^ Chart. XVIII 4". vier Faszikel, die fortlaufend
numerirt sind und folgende Stücke enthalten:
a) Eine Sammlung von Briefen, welche Konstantin Kajetan, Abt von S.
Barontius an Karl Stengelius, Suprior von St. Ulrich und Afra in
Augsburg geschrieben hat. Sie datiren aus der Zeit von 161 7— 29
und umfassen zusammen 18 fol. Mit Uebergehung der übrigen Briefe,
die sich auf den Druck und die Korrektur der Apologia Gerseniana
beziehen, sei nur eines Schreibens fol. 8 — 9 erwähnt, worin das Ur-
theil des Kardinals Bellarmin über den Verfasser der Imitatio ange-
führt wird. Das Zeugnis selbst haben wir oben S. 167 Note 3 ab-
gedruckt.
b) Thomas a Kempis pseudepigraphus libellorum de imitatione Christi seu
epistolicae dissertationis Cantimiri Kami*) partes prior et posterior;
pag. 9 * — 386 ^hierin werden alle von Eus. Amort für Thomas vorge-
brachten Argumente durch Vergleichung der Werke des Thomas mit
der Imitatio zurückgewiesen.
c) Notata circa causam Kempensem conscripta 1760 per P. Angelum
•Maerz O. S. B. Schirac. 28 fol.
d) Petrus de Corbario ordinis minorum libri aurei de Imitatione Christi
author recenter vindicatus per epistolam ad amicum Irenaeum Bibljo-
philum (Corbarii 1762, 16 Fol.) Nachdem der Verfasser dieser Dis-
sertation eine kurze Biographie des Petrus de Corbario vorausgeschickt,
geht er auf die Fragen* über den Stand und die Nationalität des Ver-
fassers der Imitatio, über die Anrechte des Thomas und Gersen auf
dieselbe, näher ein und kommt zu dem Resultate, Petrus de Corbario
müsse der wahre Autor sein.
Benediktinerstift Ottobeurn.
I. Briefe.
I. Abt Albert von St. Peter in Salzburg an Abt Andreas von Otto-
beurn dd. 7. Dez. 1631. Schreiber drückt sein Erstaunen aus, dass sich
der Abt so viel bemüht habe, das von Thomas a Kempis geschriebene Ori-
^) Dieser ist der Mönch Martinus Mack; nach Dr. Anton Ruiand. Der Streit über
den Verfasser der Im. Serapeum 1861. (S. 273—29; 321 — 330; 337 — 347). S. 330.
24$
ginal aus den Händen der Jesuiten zu bekommen , und dass er es sich so
sehr angelegen sein lasse, die Compositioii jenes Werkes einem Benedictiner-
Orden zuzuschreiben. (Originale.)
II. Brief des Maurus, Rectors im CoUegium St. Caroli zu Salzburg an
den Abt Gregor von Ottobeurn dd. 28. Sept. 1637, worin er mittheilt,
dass alle seine Bemühungen um die Erlangung des Codex von Tegernsee
fruchtlos seien; er hätte in Admont einen Manuscriptencodex über die Imi-
tatio Christi gesehen, welcher nur die drei ersten Bücher enthalte, an deren
Schluss die Worte angefügt waren: »Explicit liber internae consolationis per
fratrem Benedictum die sabbathi ante festum omnium sanctorum, anno 1463.«
Desgleichen hätte er einen Codex im Stifte Lambach gesehen, an dessen
Ende die Worte zu lesen sind: »Expliciunt tractatus de Imitatione Christi
anno Domini 147 1 in octava St. Stephani.c (Originale.)
III. Protest des Conventes von Ottobeurn dd. 12. Mrz. 1642 gegen
die vom Bischof zu Freising approbirten kempisischen Vindicien des Probstes
Simon Werlinus von Diessen, welcher daselbst behauptet, es gäbe keinen,
ausser einen fingirten, Franciscus Walgravius, sondern es stecke hinter diesem
Namen niemand anderer als der Abt Gregor von Ottobeurn, welcher auch
die Apologie, wogegen er in seinen Vindicien ankämpft , verfasst habe ; da
er selbst aber noch vor ihrer Publikation gestorben sei, hätte sie ein Mönch
von Ottobeurn dem Druck übergeben. Das alles wird aber durch diesen
Protest als Lüge und Betrug hingestellt. (Abschrift.)
IV. Brief des Abtes Albert von St. Peter in Salzburg d. d. 28. Mrz.
1642. (Der Name des Adressaten ist nicht angegeben.) Hiermit gibt Albert
bekannt , dass er den an den Erzbischof adressirten Brief übergeben habe,
welcher ihn nach reiflicher Erwägung dem Consistorium zur Entscheidung
vorlegte. Da aber die Commissäre gerade mit der Prüfung über den Autor
der Vindicien beschäftigt wären, so müsse die Untersuchung dieser Angelegen-
heit bis zu ihrer Rückkehr verschoben werden, damit dann ein rechtskräftiges
Urtheil gefallt werden könne , welches ohne Zweifel die angegriffene Ehre
restituiren würde. Auch den Brief an den Bischof von Freising habe er
Übersand t und zugleich seinen eigenen beigefügt, worin er Gerechtigkeit for-
dere. (Originale.)
V. Brief des Bischofs von Freising Vitus Adamus an den Abt Maurus
von Ottobeurn dd. 30. März 1642. Hierin spricht der Bischof aus, dass
der Abt Gregor von Ottobeurn und dessen Conventualen mit den kempi-
sischen Streitschriften, die von ihm approbirt worden sind, durchaus nichts
zu thun haben, dass seine Censur im Gegentheil nur auf Valgrave sich be-
ziehe. (In drei Abschriften.)
VI. Brief des Abtes Albert von St. Peter in Salzburg an Abt Maurus
von Ottobeurn d. d. 19. April 1642. Hierin wird die Uebersendung einer
249
Copie des Briefes angegeben, welchen Albert in Hinsicht der kempisischen
Streitschrift und der vom Probste Simon VVerlinus zu Diessen verletzten Ehre
des Stiftes Ottobeurn an den Fürstbischof von Augsburg geschrieben hat.
(Originale.)
VII. Brief des Abtes Albert von St. Peter in Salzburg an Abt Maurus
von Ottobeurn, dd. 30. April 1642. Darin meldet der Schreiber die Ueber-
sendung einer Kopie der Antwort, welche der Bischof von Freising
gegeben, welche aber keineswegs zur Satisfaktion genüge; man könne dar-
nach seine weiteren Schritte einleiten; im übrigen seien die Ottobeuern von
allem Verdachte, die kempisischen Vindicien verfasst und herausgegeben zu
haben, frei. (Originale.)
VIII. Brief des Abtes Albert von St. Peter in Salzburg an den Abt
Maurus von Ottobeurn, dd. 11. Mai 1642. Hierin spricht Albert seine
Ansicht über die bereits unter Nr. VII. erwähnte Antwort des Bischofs von
Freising aus. (Originale.)
IX. Brief des Abtes Albert von St. Peter in Salzburg an den Abt
Maurus von Ottobeurn, dd. 17. Mai 1642. In diesem Brief sagt der
Adressant, Valgrav sei kein eitles Phantasiegebilde, sondern ein Mann von
grossem Ansehen und geeignet, seine Ehre und seinen Ruf zu verteidigen.
Zugleich gibt Albert die Ueberschickung einer Kopie des Briefes bekannt,
welchen er vom Rector zu Bilingen, Stengelius, erhalten habe. Daraus könne
die Erklärung des Erzbischofs von Augsburg und der Rat des Stengelius
entnommen werden. (Originale.)
X. Brief des Abtes Albert von St. Peter in Salzburg an den Abt Maurus
von Ottobeurn, dd. 25. Mai 1642, dessen kurzer Inhalt folgender ist: »Als
der Abt von Tegernsee mit dem Bischof von Freising in Sachen der Vin-
dicien verhandelte, bekam er die Antwort, er werde seine Censur niemals
widerrufen , dagegen werde er , wenn wir ihm ein Werk zur Approbation
vorlegen, auch uns seine Censur und Approbation nicht verweigern, wofern
nichts gegen den katholischen Glauben darin enthalten ist.c (Originale.)
XI. Brief des F. Gbr. Buzlinus an P. Sebastian Röhr von Ottobeurn,
dd. Vineis, 30. Mai 1642. Der Schreiber dieses Briefes gibt bekannt, dass
er das so sehnsüchtig erwartete Schreiben des P. Wilfridus aus Rom erhalten
habe. Sein Inhalt ist der: »Ich habe die neuen kempisischen Vindicien des
Simon Werlinus gegen Franciscus Valgravius gesehen. Jener schreibt zwar
sehr schön, aber nicht so, wie es einem Verteidiger des Thomas a Kempis
geziemt. Gewiss ist, dass Fr. Valgravius der wahre Verfasser der Animad-
versiones apologethicae für Joh. Gersen ist. Die Praemonitiones habe ich
zwar nicht in meine Hand bekommen, trage aber kein Bedenken, dass auch
sie von demselben geschrieben worden sind.f (Originale.)
25Q
XII. Brief des Probstes Simon zu Diessen an den Abt Maurus von
Ottobeurn, dd. 24. Juni 1642. Simon erklärt hierin, dass er die >novae
vindiciae Kempenses« nicht dem Drucke übergeben habe, dass er auch nie
daran gedacht habe, den Abt Gregor von Ottobeurn als Verfasser und einen
Religiösen von Ottobeurn als Herausgeber der Praeraonition zu bezeichnen,
welche Fr. Valgravius zu Paris gegen Thomas a Kempis veröflfentlicht habe.
(Ein Originale und eine Abschrift.)
2. Kleinere Traktate.
XIII. Oeffentliche Abbitte des Probstes von Gersen, Petrus, geleistet vor
dem Consistorium zu Salzburg unter Beisein des Notars Bartholomäus Hegler.
Petrus bekennt, dass er die von Simon Werlinus verfassten novae vindiciae
Kempenses in seinem und im Namen mehrerer Pröbste herausgegeben, ohne
dass er früher deren ausdrücklichen Konsens dazu eingeholt hätte ; er bereue
diese seine That, weil er dadurch Feindschaft zwischen dem Augustiner- und
Benediktinerorden gestiftet habe, nicht aus Hass, sondern aus allzu grossem
und ungebührlichem Eifer; darum wünsche er, dass die genannten Pröbste
von aller Schuld frei gehalten werden. (Abschrift.)
XIV. Attestation des Franciscus Valgravius, geleistet vor dem General-
vikar Ludovicus de Guyard, des Inhaltes, dass er im Jahre 1638, zu Paris
durch Sebastian Huie die Ausgabe des Buches von der Nachfolge Christi be-
sorgt habe mit dem Titel : »Joannis Gersen , Abbatis Vercellensis Italo-Bene-
diktini de Imitatione Christi libri quatuor a nonnullis olim Joanni Gerson,
ab aliis nuper Thomae a Kempis falso tributi.« (Abschrift.)
XV. Brief des Franciscus Valgravius an den Prior von Ottobeurn,
Jakob Molitor, dd. Paris 22. Juli 1642. Hierin bittet Valgrav um ein Exem-
plar der Vindicien des S. Werlinus, welches er notwendig brauche zur Ver-
teidigung des Job. Gersen; zugleich äussert er sich, dass diese Verteidigung
besser von den Deutschen unternommen werden könne, da ihnen Manuskripte
zu Gebote ständen, welche zeigen, dass Thomas in einer viel späteren Zeit
gelebt habe, als dass man ihn als den Verfasser der Imitatio Christi betrach-
ten könnte. (Abschrift.)
XVI. Brief des Bischofs von »Chiembster« an dem Abt der Erzdiözese
Salzburg dd. 30. Juli 1642, worin der Abt aufgefordert wird, alle etwa zu
findenden Exemplare der Imitatio Christi von Simon Werlinus und der bei-
gefügten novae vindiciae Kempenses, welche zwar unter dem Namen ver-
schiedener Pröbste der Augustiner- Orden, aber ohne deren Konsens, zu Mün-
chen publizirt worden sind, zu sammeln und zu übersenden. (In zwei Kopien.)
XVII. Brief des Abtes von St. Peter in Salzburg an den Abt Maurus
von Ottobeurn dd. 3. Nov. 1642. Hierin berichtet der Schreiber den In-
halt des Briefes, den er vom Rector zu Bilingen erhalten hat: »Der Fürst-
bischof von Augsburg erwarte eine Klageschrift gegen die keineswegs genü-
gende Abbitte des Werlinus, und verspreche, er werde den öffentlichen Be-
leidiger zwingen, die gebührende Genugthuung zu leisten.« (Originale.)
XVIII. Brief des F. Romanus Hay an den Prior von Ottobeurn, Ja-
kob Molitor, dd. Ochsenhausen 7. Aug. 1651. Hierin sagt er, dass er, ob-
wol er sich früher um den Streit über den Verfasser der Nachfolge Christi
nicht gekümmert habe, durch die vindiciae vindiciarum Kempensium des Si-
mon Werlinus gegen Konstantin Kajetanus und Franciscus Valgravius den-
noch bewogen worden sei, sich etwas genauer über den Verfasser zu infor-
miren; nach reiflicher Erwägung sei er zur Ansicht gekommen, dass Thomas
a Kempis nicht der wahre Verfasser sein könne; er wolle sich auch nicht
für Johann Gersen entscheiden, sondern sich damit begnügen, zu zeigen, dass
Thomas von diesem Gebiete der Literatur weit entfernt, und dass ein deut-
scher Priester unbekannten Namens der Verfasser sei. Er sehe wol ein, dass
er durch sein beabsichtigtes Werk sowol die Verteidiger Gersens, Valgravius
und Cajetanus, als auch die Verehrer des Thomas, die Augustiner und
Jesuiten, sich zu Feinden aufrufe. Um jedoch keiner Partei zu nahe zu treten,
wolle er sein Werk betiteln: »Osculum pacis, inter Thomam de Kempis
Canonicum Regulärem Ord. S. Aug. Belgam, et Joannem Gersen Abbatem
Vercellensem ord. S. Bndti Italum, eorumve partes, quaestionem de nomine
Authoris quatuor vulgatissimorum librorum de Imitatione Christi hactenus
controvertentes. « Gleichzeitig wolle er auch eine neue Ausgabe der vier
Bücher der Imitatio besorgen nach 7 alten Manuskriptenkodices, von denen
sich drei im Stifte Molk, (zwei aus dem Jahre 142 1 und einer von 1427)
einer (aus dem Jahre 1427) in Ochsenhausen, einer in Weiblingen (1430)
und zwei in Weingarten 1^1433, und 1434) befinden. Diesem Briefe ist eine
Sammlung von Germanismen beigefügt, welche in der Imitatio Christi vor-
kommen. (Originale.)
XIX. Brief des Georg Seisrer, Priors von Villingen, an den Prior Al-
bert von Ottobeurn dd. 28. Nov. 1682, worin um Unterstützung durch
Manuskripte in der Verteidigung des Joh. Gersen gegen ein von den Re-
gular-Kanonikern gedrucktes Werk gebeten wird, worin Gersen als :>persona-
tus larvatusque« hingestellt wird. (Originale.)
XX. Brief desselben an denselben dd. 26. Nov. 1683, worin gemeldet
wird, dass die erhaltenen Manuskripte retournirt und die Vertheidigung Ger-
sens in Angriff genommen worden seien. (Originale.)
XXI. Brief des P. Thomas Aqu. Erhard aus Wessobrunn an den Prior
von Ottobeurn dd. 10. Jänner 1726. Hierin schreibt er, er hätte den
Auftrag erhalten, zu widerlegen, was ein gewisser >Polinganus^ mit gleicher
Frechheit gegen alle Gersenisten geschrieben hat; er bitte daher um Ueber-
Sendung des Formulars, welches das Urtheil des Bischofs von Augsburg über
Werlinus enthalte und im Kloster zu Ottobeum aufbewahrt sei, und etwai-
ger anderer Manuskripte, welche den Gersenisten nutzlich werden könnten.
(Originale.)
XXII. Bitte des Konventes von Ottobeurn an den Erzbischof von
Salzburg, er möge ihn in Schutz nehmen gegen die 7 Pröbste der Regular-
Kanoniker, welche ein förmliches Meer von Schmähungen über die Otto-
beuern ausgegossen haben in Folge einer von Franciscus Valgravius verfass-
ten Schrift, welche sie ganz fälschlich dem Abte Gregor von Ottobeurn zu-
geschrieben haben. (Abschrift ohne Datum.)
XXIII. Beriqht über ein im Stifte Molk aufgefundenes und von F.
Stephan Burkard 1517 verfasstes Register, aus dem folgende Werke zu ent-
nehmen sind: Qui sequitur me; auf Pergament, von Anfang bis zum Ende
denselben Charakter aufweisend, mit 109 fol. Explicit 1440 am 6. Tag
nach Frohnleichnam. De reformatione hominis in IV. partes, quarum prima
est de imitatione Christi (fol. 27); beendet am Tage des hl, Kilian 1435.
De reformatione hominis et imitatione Christi, fol. 147, vollendet am Tage
der Enthauptung des hl. Johannes 142 1. Bericht über ein im Stifte Krems-
münster vorhandenes und von F. Friedericus Hersperger verfasstes Werk, worin
25 Kapitel von der Imitatio Christi aufgenommen sind. Hierin ist das
Datum, wann das Buch geschrieben worden ist, dreimal angegeben, nämlich
am 4. November 1438, woraus deutlich hervorgehe, dass die Imitatio bereits
vor Thomas existirte. Bericht über ein in Admont aufgefundenes Werk, dessen
vierter Theil die Ueberschrift trägt: »De Imitatione Christi Joh. Gers.-^ Es
ist geschrieben und vollendet durch F. Benediktus im Kloster St. Peter
in Salzburg, am Samstag vor Allerheiligen des Jahres 1463. Bericht über
ein im Stifte Nunberg vorhandenes Werk, in welchem die 4 Bücher der
Imitatio enthalten .sind; es ist verfasst.von einem Priester aus St. Peter in
Salzburg, F. Laurentius Cbamler und beendet 1455. Anonyme Dissertation für
Thomas a Kempis; 40 fol.
Pfarrbibliothek zu Unterkirchberg.
Dubia post agitatam diu controversiam . . . qualia communicat a Gersene
aeque ac Kempisio adhuc alienus P. Martinus Mack O. S. B. Biblioth.
monasterii Wiblingani 173 fol. Angehängt ist der Dissertatio die durch den
kaiserl. Notar Falkner unterm 6. April 1763 ausgestellte Urkunde, dass
sämmtliche (5) Imitatio -Codices von WibHngen acht und recht seien. (Bis
jetzt wurden zwei dieser Handschriften wieder gefunden: Cod. Tubing. und
Paulanus.) Diese lange verschollenen »Dubia« wurden durch Direktor Reisser
in der Pfarrbibliothek zu Unterkirchberg wiedergefunden. Tübinger Quartal-
253
Schrift 1868 S. 670 und 1879. S. 303. Obwol Mack bezeugt, er sei
»a Gersene aecjue ac Kempisio adhuc alienus«: , so sind denn doch diese
Dubia eigentlich der Beweis der Ausschliessung der antigersenistischen Kan-
didaten, des Thomas zumal. Zum positiven Beweis des Gersen schreitet
Martin Mack in seinem Thomas a K. pseudepigraphuß (Cod. lat. mon. 17506 b.),
welchen er unter dem anagrammatischen Namen Kantimiri Kami verfasst hat
und der gegenwärtig in der Münchner Staatsbibliothek aufbewahrt wird.
Pariser biblioth^que Nationale.
Delisle, Inventaire.
Cod 12434 — 12437 »Documents sur l'Imitation de J. Gh. XVII. S.«
Bibliothek Alexandrina in Rom. Ed. Henr. Narducci. Rom 1877.
God. 102, welcher nicht weniger als 175 Stücke enthält. Stück 100
pag. 445 * bis 447 ** Epistola acephala D. Gonst. Gajetani data Romae 15 7bris
1650 De Joanne Gersen. Die ersten vier Folia dieses Briefes sind durch
Versen pag. 451* — 454 ^ beigebunden.
God. 102. Stück loi pag. 448*^ »Exemplar litterarum S. Heriberti
Rosweydi S. J. datarum Antuerpiae 4. Juli 161 5. ad S. Jacobum Quaglia
Romam, an Thomas a K. auctor sit libelli de Imitatione Ghristi.«
God. 102 Stück loi. pag. 449*449 bis** »Jacobi Quagliae S. J. Rei-
futatio concertationis D. Gonst. Gajetanis, qua Thomae a K., uero libelli de
Im. Gh. authori substituere conatur Joan. Gersen, Abbatem Benediktinum.c
DIE CONTRÜVERSLITERATUR.
Erstes Jahrhundert des Streites.
Ge
Kos
'S""
SuperiordcsJesuHeii CoUtg.
zu Arona. Epistola ad !'□£-
sevin. 1605. (De cod. Aron.)
Possevi n. Jesuit. Apparalus
sacer. VcdcIüs. 1606.
Negroni. Jesuit in Genua.
Epistola de cod. Aron. 1610.
ItelUrmin Robert. Cardi-
nal. Desciiploribus ccclesi-
aslicis. 6 ^.Arlike üersen.
CajetanusConstantinus.
Abt.
1 . Concerlalio pro Ucixm. Ko-
mae 1613 liei Mnscordi.
I'aris 1616.
2. Apologelica responsio ad-
versus Roswcidum . Paris
161S.
3. Apparalus ad Geisenem f es-
lituluni. Romac £44 •
4. Ketpun^io advcrsus VJadJ-
cias K«inpeDscs Rosweidi.
l^oniae Ö44.
5. ReäpDDäiu >polo£tlica [»o
Gerxen. Komac 1644.
6. Epistola ad Qnniienienum
■de auctore liWi de ImlUiJ-
one 1650. Veiüffcnllicbtvou
'rhom.Erhird^AiiguBtaeVin-
del. 1716. pag. 68—87.
MarilUc Michael. Paria-
mcntsral und Siegelbe wahrer
lu Paris.
I. Ave Hisse nie nl au leclcur.
3. Advij sur ]a controverse lou-
chant l'aulcur du Itvte de
l'Imit. de node Scigncur
Jcaus-Chriat.
»uzeUino Gabriel, llene-
diktincr. I^ttres sur deux
mnnuscripts de l'Imitalion
des annte 1418 und 1430.
Rosi
eHei
s.Je-
I. Epistola ad F. Bemardinum
RosiignoliuTn. 1615. Inder
AusE.vonr„ni,,anli,msCaje-
tanus. Rom 1616. pBg. 6.
1, VilaTbomaeaKempis; apud
Elzcviriun. 1616.
3. ViudiciaeKempenses. Ant-
verpiae 16 7 und 1621.
4. Cumnionitoriuni adversus
Cajetani apologiam. Ant-
verpiae löll.
5. Certissima lestitnonia, qui-
bus Thomas a Kempis auctor
asserilur librorum de Imita-
tione Christi . In der Ausgabe
Fnrandi Prosper. Priester
in Mailand, Certissima pro
Thoma Kcmpensi ai^men-
ta. Romae. In der Vorrede
255
O ersenisten.
Gcrsonislen.
Besolde Christophe. Be-
rühmt. Rechtsgelehrter. Spe-
cilegia iudicio-politica. III.
cap. I. 1636.
Valgrave Franz. Benedic-
tiner.
1. Animadversiones apologe-
ticae contra Vindicias Kem-
penses a Rosweida. Paris,
Iiur6 1638, 1639, 1643.
2. Praemonitioadlectoremcum
coroUariis. In einer Ausgabe
derlmitatiovon 1639. Paris,
Billaine.
3. Epttre dedicatoire a la reine
Anne d' Au triebe. Inder Aus-
gabe von 1643, Paris I LeBe.
4. Argumentum chronologicum
contra Kempenses. Paris,
Billaine 1650.
5. Vita Gersenis et elogium
libri. Paris 1664.
Mezlcr Thomas.' Benedic-
tiner. Epistola dedicatoria ad
R. P. Udalricum abbatem.
In seiner Ausgabe der Imi-
tatio 1645. 11. ed. BrUssel
1649.
F ranz -Augustin dellaChie-
sa. Bischof von Saluzzo.
Camus. Bischof von Belley.
D'Avrigni zeigt in seinen
»Memoires chronologiques«
1709, lom. III. pag. 103
zum Jahre 1671, dass Ca-
mus schim im Jahre 1642
sich für Gerson ausgespro-
chen habe.
T h o m i s t en.
der Ausgabe von 1627. Ita-
lienisch 1645.
Pontanusjohann. Histoire
de Gueldre. 1638.
Fronteau Joannes. Regu-
lirter Chorherr von St. Gene-
vieve.
1 . Thomas aKempisvindicatus.
Paris, Cramoisy 1 641. ed. II.
mit Briefen von Xaude 1649.
2. Refutatio eorum, qui contra
Thomae Kempensis Vindi-
cias scripsere (Quatrcmaire,
Launoy , Valgrave V Paris 1 650.
3. Epistolae et Dissertationes.
Veröffentlicht von Perner.
Paris und Verona 1703.
4. Argumenta duonovaprimum
Eustachii, alterumFrontonis,
Paris 1 65 1 . Mit einer Vor-
rede von Naude.
5. De Imitatione Christi.
Werlin US Simon. Regulir-
ter Chorherr.
1. Vindiciae novae Kempenses
contra fratrem Valgravium.
Monachii, Lcyer 1641.
2. Rosweidus redivivus (gegen
Valgrave und Cajetanus.)
Köln 1649.
Carrö Thomas. Priester zu
Paris.
1. Limitation de Jesus-Christ
avec unepr^face sur l'auteur.
Paris 1641.
2. Les quatres livres del'Imita-
talion avcc une dissertation
contrc Valgrave. Paris 1 644.
3. Thomas a Kempis a se ipso
restitutus. Paris 1651. Vor-
rede von Naude.
Chifflet Philipp. Regulir-
ter Chorherr.
2^G
(] e TSC ni -If t\.
(ier-vo nisten.
T h o m i < t c n.
1. Ilistorin caniinalium, cpiv-
co|Mjruni et ahbatum Pcdt-
niontanae regionis. Taurini
164s.
2. Catalogo di tutti gli scrittori
Fieinonti-si. Taurini, I>rf>ssi.
Laiinoy Johann. Doctor der
SorlKjnnc.
1. DissiTtatio continens iudi-
cium deauctorelibri delmit.
Christi. Paris 1649. II. edit,
1650. III. edit. auctioretcor-
rcctior. 1663.
2. Remarques sonimaires. Paris
1652. II. edit. 1663.
Quatrcmairc Robert.
1. Joannes Gerscn aucU>rasser-
tus libr. de Imitat. Christi.
Paris 1649.
Iterum ossertus contra rc-
futationem Joan. P'rontcau.
Paris 1650.
2. Factum (Denkschrift vom
April 1651.)
Joh. Bapt. Soucheti. Veri-
tatis dcfcnsiu contra Joh.
Frontoncm. Camuti 165 1.
Labbö Carl. Advokat. Si-
nopsc ou sommairc des ob-
servations de Charles I^bbc
pour la rcstitution du livre
de Imitatione Christi en son
enti^re splendcur et a son
vrai auteur Jean Gerson.
Paris 1653.
I
1 . Avis au Itcteur sur Thomas
a Kempis. Als Vorrede für
eine französische Uebersetz-
ung der Imitatio. Anvcrs
1646.
2. Deux lettre sur le v^ritable
auteur du livre de Plmita-
tion. 1651.
Heser Georg. Jesuit.
1 . Dioptra Kempensis. Ingol-
stadii 1650.
2. Vita et sy Ilabus openim om-
nium Thomae a Kempis. In-
golstadii 1650.
3. SummulaapparatuiConstan-
tini Cajetani ad Gersenem
restitutum opposita. 1650.
4. Praemonitio nova ad pseudo
Gersenistas.Ingolstadii 1 650.
5. Bibliographia Kempensis
(Vorrede von Naude.) Paris
1651.
6. Scptuaginta Psalmae in lau-
dem librorum Thomae a
Kempis. Ingolstadii 1651.
7. Obeliscus Kempensis. Mo-
nachii 1669.
8. Hecatompylos scu apologia
pro Thoma Kempensi.
9. Mantissae Gerseniae.
Rcvius Jacob. Historiae ur-
bis Daventriensis libri VI.
Lugd. Bav. 1650.
Naudc Gabriel.
I . Pi^es du procbs entre Nau-
dö, les Chanoines regulicrs
et les Benedictins. 165 1.
Detailangaben über diesen
Streit finden sich in der Dis-
sertation de Barbier 18 12.
Von Seite 176 an.
257
Gersenisten.
G ersonisten.
Ha sie Ludwig. Ein wenig
bekannter Schriftsteller. Er
stellte am 20. Jänner 1653
in der Sorbonne eine These
für Gerson auf. L'Ecuy:
Essai sur la vie de Gerson,
tom. II. pag. 276. Paris
1832.
Lescale Anton. Benedikti-
ner. Artikel Lescale in der
Biblioth^uc de Lorraine
von Calmet. 1663. Nancy
1751-
Rambeck Aegidius. Apo-
logia contra Hcserum.
Kossotti Andreas. Bcne-
dictiner.
Syllabus scriptorum Pede-
monti, ubi Gersen inter
Tho misten.
2. Velitatio prima Kempen-
sis. Paris 1651.
3. Causae Kempcnsis conjectio
pro curiaKomana. Paris 1 6 $ i .
4. Fraefatio ad lectorem , in
opere Carraei, cuius titulus,
Thomas de Kempis a se
ipso restitutus. Paris , Bla-
geart 1651.
5. Relatio Naudaei de Imita-
tione Christi. Editio Veneta
I50X-
6. Testimonium adversus Ger-
senistas triplex (Holsteni
Allatii, Camilli de Capua).
Paris, Cramoisy. 1652.
Fr. V. H^ cell es. Regulirter
Chorherr.
1. Apologie pour Thomas a
Kempis. Vciöffenllicht von
Cramoisy. Paris 1651.
2. Apologie en faveur de Kem-
pis. Paris, Cramoisy 1651.
Desnos Nicolaus. Regu-
lirter Chorherr. Thomac a
Kempis triumphus de ad-
versariis. Nivcrni , Fourr^e
1652.
Ant. Franciscus Payen.
Testimonium adversus Ger-
senistas duplex. Parisiis 1652.
Gabriel v. Boissy. Regu-
lirter Chorherr. La Contes-
tation touchant l'auteur de
rimitation de Jesus-Christ.
Paris, Cramoisy 1652.
17
25^
c r s e n 1 s t e n. ,
scriptores enumeratur. Mon- |
dovi 1667. I
Paravicini Franz. Rektor j
des Jesuiten -Collegiums in
Arona. Testimonium 1668.
Gersonisten.
Karl Du Gange. Glossarium
Latinita tis medii ae vi. 1671.
Delfau Franz. Benedikti-
ner. Libri de Imit. Christi
Gerseni asserti. Paris 1674.
Mabillon Job. Benediktiner.
1. Animadvcrsiones in Vindi-
cias Kempenses. Paris, Bil-
laine 1677.
2. De re diplomatica lib. V.
cap. 15, pag. 372etni. 3. 3.
3. In Museu italico pag. 21,
28, 208, 219.
Genfer opera Mabillonii pos-
tuma tomo priore. Mem. de
Trevoux A. 1724. p. II99.
seq. et A. 1727. p. 573. seq.
Andry Ant. Abt. Disserta-
tion sur le livre de I'Imi-
tation de Jesus-Christ et sur
son auteur. Paris 1690.
Aguirre Joseph. Cardmal
(Bencdictincr). Prolegomc-
na de vero auctore operis de
Imit. Christi. Komae 1697.
T h o m i s t e n.
Dupin Lud. EI. Doctor
der Sorbonne. Dissertation
sur l'auteur du livre de
rimitation de Jesus-Christ.
Paris 169S. Auch in's I^-
tein übersetzt. 1706.
Lindeborn Johann. Hi-
storia sive notitia Episco-
patus Daventriensis, execcle-
siarum membranis, mona-
sterionim tabulis, authentice
annotatis et classicis authori-
bus enita et public! juris
facta a Joh. Lindebomio.
Coloniae 1670.
Anonym. Thomas a Kem-
pis de Imitatione Christi.
Gatalauni 1670.
Testelette Philibert. Re-
gulirler Chorherr. Vindiciae
Kempenses adversus Del-
fau. Paris, Cramoisy 1677.
Brewer Heinrich. Theo-
log. Thomae a Kempis
Biographia, vita, controver-
sia super libris de Imitatione
Christi, Coloniae Agrippinae
1681.
Gl. du Molinct. Regulirter
Chorherr von St. Genevi^ve.
Avertissement de Chanoines
r^gulieres sur le livre de
rimitation de Jesus-Christ.
1687. In der Bibliotheque
critique des Richard Simon.
Zweites Jahrhundert des Streites.
Gersenisten.
EdmundusMartene et Ur-
sin us Durand. In tomo
utroque itinerarii sui literarii
Galiccediti, passim. Confer.
Gersonisten.
T h o m i s t e n.
259
Gerse nisten.
Acta Enid. 1718. pag. 488,
Vet. A. 1725. pag, 55.
Thui liier Vinc. Benedik-
tiner von 8t. Maur. Histoire
de la Contestation sur l'au-
teur du livre de Tlmitation.
Paris 1724. Erschien auch
lateinisch.
Valsechi Virg. Benedikti-
ner. Giovanni Gersen sos-
tenuto autore dei libri dell'
Imitazione di Cristo. Flo-
renz 1724.
Philipp le Cerf.
l.Bibl. historique et critique
des autheurs de ia Congre-
gation de S. Maur. pag.
93. 249. 256. 416.
2. Hist. litt^raire de l'Europe
1726. Sept. p. 23. seq.
ErhardThom. Benediktiner.
I. Libri IV. de Imit. Christi
Joannis Gersenii de Cana-
bacco. Augusta Vindelico-
rum 1726.
2 . 1 listoria concertationis. 1 726.
3. Polycrates Gersenensis con-
tra scutum Kempense. Au-
gustae Vindelicorum 1729.
Herwin Joh. Benediktiner.
Historia concertationis de
auctore libelli de Imit. Chri-
sti. Augustae Vindelicorum,
Stroetlcr 1726. Aus dem
Französischen des Vincenz
Thuillier.
S che 1 hörn i US Joseph. Dis-
sertation contre Amort. In
den Amoenitates litterariae
Francofurti 1 730. (Nach
Gregory's Histoire. tom. II.
pag. 208.)
Bernardus Pez. Benedic-
tiner von Molk. Bibliothcka
Bcnedictinorum Congregat.
S. Mauri p. 113 seq.
Fontaninijust. Erzbiachof
Gersonisten.
Ponsampieri Lamb. Ca-
jetan.
Gabdielmitatio in italienischer
Sprache mit Gerson als Ver-
fasser heraus. Lucca 1723.
T h om i stcn.
Van Rhyn. Oudheden en
gestiebten van het bisdom
van Deventer, of beknopte
beschryving. I^yden 1725.
Amort Eusebius. Regulirter
Chorherr.
1 . Plena et succincta informatio
de statu totius controversiae
de auctore libri delmitatione
Christi.
AugustaeVindelicorum 1725,
2. Epistola critica de punctis
controversiae Kempisianae
praecipuis. Im VIII. Band
der Amoenitates Litterariae
von Schelhom. Frankfurt
1728.
3. Animadversiones historico-
criticae in epistolam dedica-
toriam Thomae Mezleri. Im
VIII. Band der Amoenitates
Litterariae. 1728.
4. Scutum Kempense. Coloniac
Agrippinae 1728.
5. Polycrates Gersenensis ex-
auctoratus. Monachii 1729.
6. Joannes de Canabaco . . .
recenter detectus. Canabaci
1760.
7. Anticrisis in Crisin apolo-
geticam inscriptam. Cana-
baci 1761.
8. Appendix in Anticrisin.
1761.
9 . Notitia historico-critica de co-
diceVeneto. Coloniae 1761.
10. Deductio critica. Augustae
Vindelicorum 1761. Mit einer
Karte von Kempis Vaterland
und einem Abdruck des Ma-
nuscriptes von Arona.
1 1 . Moralis ccrtitudo pro Tho-
17»
TOD Ancyra. I.'tluquciua
ilaliana. Korn 1736. !
Du Plcssis. Benedictiner. I
KeponsE k I ,cnf;tel IDufres- |
nay. Im Mtrcur vom No- |
vember 1741. ,
Znccaria Ant. Jesuit. Kx- |
cunuä lillerarü pi^r ilaliuin.
I
Aposlülo Zcno, ein sehr I
gelehrter Vcoeiianer, spricht 1
in seinen Noten Über Fod- I
tiinini und in ticn Briefen I
über die 1 .ilkt.T [iirßtschichte
rur GcTsen. 1744. '
Enrique?. Heinrich, Car- i
dinal. I/ImitazioneiliCrislu |
in litinueiiinilaliano. Korne I
I7S4-
Zicgelbai
Ml
r (Oliverio.) '
I lilerariae urd. 1
S. h. (om. II; pag. 3II. |
'754-
Vilatt Joseph. Abb6, Dis-
»ertationiiurrauleurilenmi- |
lation de Jesus-Christ. Pa- j
ris 1758, 1764. 1775. I
KemonJini Joh. Bekann- i
ten Buchdrucker lu Venedig. 1
L'Imitaiiune di Crislo da
aicunt per errore attribuita a
Giovanni Gcrsone. 1758.
Angel US. Benctlik-
t. Üisserlatio crilica Freising,
Ludwig Boeck. 1758.
3. Angelus contra Michaeleni,
Freising 1761 ; weil er Ttlr
den Vcrl'a.iwr der anonymen
Schria fAriiorlä Joannes de
Canabaco recenter deleclus
den Probst Michael Kuen
von Ulm hielt.
3. Crisii in Anticriain. Mo-
nachii 1761.
Jo ha nn&flpt. Kraus. FUrst-
.ibt V. S. Emmeron.
ma ■ Kempis. AugwUe
VindeliconuD 1764.
Mit Abdrucken von mehreren
auf die Imitatio beztlgNcbcn
Handschriften.
\ndT. Wilh. von Gerj.
Regal irter Chorherr. Disser-
tation sut le viritable autenr
deTImitationde J^ns-Cbrist.
Paris, Cavelier 1758.
Trautwein Georg. Rego-
hiter Chorherr.
I.Lapsus Angel Schyrensis.
AugusIaeVindelicomm 761
3. Lapsus deleiiorcs l!)iilyiiii
Veiccllensis. Augustne-Vin-
delicoram 76 .
3. Actus academici adversu*
pseudo-üldjmi Vercellensit
epistolas IL AuguiUe-Vin-
delicoruin 1761.
I.Basis firma acdilicü Geise-
nUni a F. DeUau et J. Ma-
billon ann. 1Ö74 et 1677
posita. Ratisbonae 1762.
*. Documenta hinlorica tschro-
nico WindcsemetLii et chro-
nico S. Agnelis, quibus os-
tenditiir Thomam a Kempis
libelli de li»ii.-iii«ncChi
auctoTcm dici non debere.
Kattsbonae 1763.
Thuopbilus de laGrani
D»qaisiliuJuridica,DUmM
cbael Kuenauthorsitjoann
de Canabaco. 1763.
Gubet Nicolaus. Archiv:
desGrafenvQn Atlois. Lettre
sur le miDUscrit de l'Inii-
tatiun, qui est l'ubject de la
dissertalion de i'abbt Ghes-
qui^, Dii^cc Brief erschien
im Dezember 1775 im Jour-
nal Ecciesiastique.
MullateraThom. BerUhm-
Tühmter Arzt. Memoire chnv
nolo^che delln ciita di Bi-
ella. 1778.
&uni Schyrcnsem. ZvoUis
1761.
Zuiiggo Antonius, (.^n .
Kegul. I^ler. VitaVencra-
bilis ^ervi Dei 'l'humae a
Kcmpis. Vcnetiis 177I bei
S. Occhl
Ghesquitre Joseph. Ex-
Jtsuit. Dissertation sur l'au-
teuT du livTU de l'Imilalion
de Jesus-Chriät. I'atis, Lyon
I77S-
Feiler Kranz Xaver. Ek-
Jesuit. Jugement siu' l'auteur
det'lmtlationetsDr laDisier-
lalion de Fabbc de Ghes-
quiire. Im Journal hisloriqne
I et litteraire in Luxemburg.
I Man 1776.
Desbillona Franz. Ex-
~hais Job. Benedikliner.
Zwei Briefe an den Abt Fel-
ler, Redakteur des Journal
hislorique et litlcrnire in
Lnicmburg. Apiil und Au-
gust 17SS.
De Iniitationc Christi libri
IV. nuctori äuo 'I'hoinac a
Kempis denuo vindicali.
Manbemii 1780.
Godescard Joh. Secrelär
des iLribischofs von Paris.
iiWcTkc I.es vi
l'ires, dcsMartyrs elc be-
handeil er die Frage ; »War
Thimias a Kempis der Ver-
fnsscr üdei 1)1 üss Abschreiber
derlmitatlo ?• XI. Band. Pa-
rb 178S.
Wercier Bartholomäus.
Rcguliiler Chorherr von St.
Genevitve. El schrieb einen
Brief an den Redakteur des
•l'Aniiee litlcrairei , Über
zwfi (Bcnu/ce's und Desbil-
262
Gersenisten.
Gersonisten.
Thomisten.
Ions) Ausgaben derlmitatio.
I/ann6e IHt^raire 1788. tom.
I. pag. 196 — 205.
Drittes Jahrhundert des Streites.
Gcrsenislen.
Jüh. Franz Graf Napione.
Erster Präsident des königl.
Archivs zu Turin.
1. Dissertazione epistolare in-
tomo all' autore dell' Imi-
tazione di Christo. Firenze.
Molini 1808.
2. Dissertazione intorno al ma-
nuscritto de Imitatione Chri-
sti. Torino 181 1. Firenze.
I^ndi.
3. Dissertazione seconda. 1829.
Cancellieri Fr. Abt. No-
tiziestoriche e bibliografiche
di Giov. Gersen di Cavagliä.
Rome 1809.
Denina Carl. Historiograph .
Er schrieb zwei Briefe vom
21. und 22. März 1809.
Milin Alb. Lud. Er spricht
in seinem Werke : Voyage
en Savoie, cn IM^mont et
k Nice tom. II. pag. 361
von Cavagliä (Canabaco) als
der Vaterstadt des berühm-
ten Gersen. 18 16.
G. V. Gregory. Dr. I>eidcr
Rechte etc. I . De la cul-
ture du riz en Lombardie.
Paris, Huzard i8i8. S. 86.
2. Storia della Verccllesc Lit-
teratura ed Arti. 18 19. Seite
302 : IJiographie des Abtes
Job. Gersen vrm Cavagliä.
3. Memoire sur Ic v^ritable au-
teur de I'Imitation de Jesus-
Christ. Paris 1827. Deutsch
von Weigl. Sulzbach 1832.
4. Cotiex deAdvocatis cumno-
Gersonisten.
Gcnce Johann B.
1. Defense de l'edition latine
de Beauzöe. Im Journal
des Cur^ vom 30. August
und 4. und 10. November
1809.
2. Notice sur le charact^re des
editions ou traductions fran-
gaises de I'Imitation. Im
Journal des Cur^ vom 13.
14. 19. 20. 27. und 28.
September 1810.
3. Considerations sur la quc-
stion relative k l'auteur de
I'Imitation. 18 12. 46 Seiten.
4. De I'Imitation de Jesus-
Christ, traduction nouvelle
Paris, Treuttel 1820.
5. De Imitatione Christi, libri
IV. Paris, Treuttel 1826.
6. Dialogue desmorts sur l'au-
teur de I'Imitation , Paris
1828.
7. Prccis en vers avec des re-
maiques sur le livre de
]'Imit:iti(m de Jcsus-C'hrist
et son .lutcur. 1829.
8. Nouvellcs considerations hi-
storiques et critiques sur
l'auteur et le livre de l'Imi-
tation de Jcsus-Chrisli. Paris,
Treuttel 1832.
9. Manuscrit cel^bre de l'Inii-
tation et portrait de Jean
Gerson. Paris 1833. Es
ist eine Kritik des Cod. de
Advocalis.
10. I^ vrai portrait du ve-
ncrable docteur Gerson et
Thomisten.
Lambinet Peter. Prämon-
stratenser. Remarques cri-
tiques sur plusieurs 6ditions
latines de I'Imitation. Im
Journal des Cur^s vom 22.,
26. und 28. August 1809.
J. B. Silbert. Gersen, Ger-
son und Kempis. Mit Bezug
auf die neueren französischen
Kritiker. Wien 1828 bei
Armbruster. Erschien wieder
1846.
Anonyme. Lebensgeschichte
des Thomas von Kempis,
nebst Spiegel christlicher
Tugenden. Barmen 1829.
G. H. M. Delprat. Pastor
in Rotterdam.
1 . Verhandeling over het Broe-
derschap van G. Groot. Ut-
recht 1830.
2. Die Brüderschaft des ge-
meinsamen Lebens. Deutsch
und mit Zusätzen von Gottl.
Monikc. Leipzig 1840.
263
Gersenisten.
tis et variis lectionibus. Pa-
ris 1827.
5. De Imitatione Christi edit.
II. magis accurata. Parisiis,
Didot 1833.
6. Della Tmitazione di Cristo.
Nach dem Manuscripte de
Advocatis XIII. sec. Paris,
Didot 1835. Erschien auch
französisch.
7. Histoire du livre de l'Imi-
tation de Jesus- Christ. Paris
1843. 2 Bände.
Ferrer oj oh annNicola US.
Canonicus in Montanara.
Brief vom 29. Juli 1824 an
Gregory zu Gunsten des Be-
nedictinerabtes Joh. Gersen.
Lan juinais Job. Brief vom
18. Oktober 1825.
Fortia d'Urban. Marquis.
Sur l'auteur de l'Imitation de
Jesus- Christ. In der Revue
encyclopediquc 182 7.
Morra.
Brief an G. von Gregory
vom 12. Juli 1832.
Avogrado Gustav. Graf
V. Valdengo und Cerione.
Fünf Briefe vom 30. März,
18. Juni, 17. und 31. Juli,
II. Dezember 1832 und
14. April 1833.
Weigl Johann. Professorin
Regensburg.
1 . Memoire sur le v^-ritable au-
teur de rimitalion de Jesus-
Christ. Sulzbach 1832. Aus
deniFranzösischen übersetzt.
(Seite 101—222 eigene Zu-
sätze des Ueberselzers) .
2. De Imitatione Christi libri
quatuor. Solisbaci 1837.
48 Seiten Einleitung.
Keratry.
Steht in seinem Romane
Gersonisten.
manuscrit precieux(2i). Pa-
ris 1833.
11. Coup d'oeil sur l'edition
d'un Codex de Imitatione
Christi. Paris 1833.
12. Deux articles. Im Journal
general de la litterature de
France. VomNovember 1 833
und August 1834.
13. Epttre h un ami sur la
lilhographie du portrait de
Jean Gerson. Paris 1834.
14. Nouvelle öpttre ä un ami
sur la T^paration du mal
par la puissance du bien.
Paris 1834.
15. Jugements motives sur
l'dge du Codex de Advo-
catis. Paris 1835.
16. Les interprkes frangais de
l'Imitation de Jesus-Christ
et sa restitution k Gerson
conürmee. Paris, Moquet
1835.
17. Biographie litt^raire de I.
B. Gence, editeur du livre
de rimitition. Paris, Mo-
quet 1835.
18. L'ombre d'un grand nom
au personnage fictif devoile.
Auszug aus dem Journal de
la litterature frangaise vom
Oktober 1835.
19. A nos v^nörables patrons
Agricola, Fortia d'Urban et
Julie de Sainte-Colombe.
Paris, Moquet 1836.
20. Jean Gerson restitue et
explicjuc par lui mcme. Pa-
ris, Fournier 1836.
21. Jean Gerson restitue et
expliquö de nouvcau , Pa-
ris, Thomassin 1837.
22. Supplement aux amis de
Gerson. Paris 1837.
23. Addition aux Supplement.
November 1837.
T h o m i s t e n.
Saphirs nut Seile Uers
(Tom. 111. cap.l.pag. 173)
1S34.
J. A. C. Bouchoi».
Noiice sur l'nuteur de l'lmi-
intton <W J^us-Cliri«1. Im
Faiith«on lilteraiit^. Pari&
iS3S.
lleltano Johann. C.iDoni-
cus in Veictlli. Artikel vom
30. Scplember 1836.
MonaitliAlexander.Clwr-
<|je Imi
s Itali.
lischt. Korn. Mariiii 1837.
Avogadro Gusliiv. Abbe,
Itesilzer ties Diarium de
Advocalis : Analisi della
conlroversia sul itro aulure
Jel preiioso 1ibru della Imi-
24. La vrai philosophje de
l'bialoire. Ein philosophi-
sches Gedicht. Paris, Mo-
f)uet, 1837,
25. Nuuveiles slances sur le
prflcDdu livte du Xm.
si^le , et sur les Mileurs
el les traducleurs franeais
de rimilaüod. Paris, 'llio-
massin 1837-
z6. L3 grande oeuvie et la
longue queslion rapiieljes ei
tesumfes dans des slances
sut l'aDcien texte de Imita-
tione Christi. Paris 1838.
17. La gcande oeuvre latine
definitivement ratlach je .
pdlcrinjean GcTson, refugi£
dans l'abbayetle Melk. 1S38.
;8.1)enii*re5Con5itI(^rülionssur
le v£rilable auteur de la
grande oeuvre latine . Paris im
JuliiS3S Durchgesehen nni
vennchn im August 1838.
29. 1-a Modulation danb la
pnn de oeuvre Inline diipdc-
TlnJennGereon. Paris 1838,
30. Stancesenqantrainslibres
(S9.) Paris 1839.
31. LaViergeMarie, miredes
chreti^ns , dont Gerson ii
voque le cult. Stances
lyriques. Paris 1839,
33. Motils d'unitf et d'ordre
dans l'fdition de l'lmitatioD
polyglotte de Lyon. Paris
1839.
33. Slances aphomtiques sar
l'accent de la pensfe et de
la religioQ daDs lesprogris
de la Philosophie rationelle.
Paria 1839.
BatbierAlexandet. Kaiser-
licher Bibliothekar. Disser-
1i OD & franf aises derimitalion
de Jesus- Christ. Paris 181».
lati. Notifie della
B Kempis.
ni 1835
di Jesli-Cristo.
Im Calbolico di Lugano
1837.
Noihac Joh. B. Mitglicdder
Academie der Wissenschaf-
ten in Lyon. Du livre de
rimitation de Jesus-Christ.
Paris, Lyon 1841.
MorenoLudw. Bbchof von
Jvrea. Brief vom jS. Fe-
bruar 1842.
Parenti Anloo. Dclla Imi-
lazionediCristo libriquattro,
sccando l'atitico volgarizza-
mento loscano , ridoilo ■
Cerella lezione, colriscontro
di vnrii lesti. Modena 1844
uud 1847. Neapel 1850.
In der Coli eiione di buoni
liliti a favore della vtütk e
de IIa virld.
M. Moroni. Dizionario di
enidiiione slorico-ccclcsia-
slica etc. 1. XXX. pag. 6.
art. Genen, Venedig 1845.
Hist<
■- de
Vign^e. Nancy. 1846.
DlichStelet. Sur l'aulear de
rimitation de Jesus-Chriat.
Im Journal .Le Si^^lei vom
15. Juii ■851.
Melzi, Einer der berühmte-
sten Bibliographen Italiens.
Dizionario di opere anonime
epscudonimcdi Scritlori ita-
liani. Milano. Piroln 1851.
Parnvia Alexander. Pro-
fessor an der Universität in
Tutin. Dell' nutore del libto
■ De Tmitatione Christii. In
seiner Meraorie Piemontesi
di Litteiatura e di Storia,
Torino 1853.
CapecelatroAlfons.Pro-
logo al volgariiiamenlo
poelico della imitaiione di
Christo per Gaetano Gag-
Mit einem chronologiichen
Vcricichniss der Werke und
Handschrifien Über die Imi-
Joh.v.Labouderie. Abb6.
Notice hislorique sat ITmi-
taüon de Jesus-Christ. Pa-
ris 1824.
Tourlet R. M, Sur le
table nuteur de l'Imilation
de Jesns-Christ. Im. Moniteur
de Paris vom ij. Den
bei 1826.
Da unou Peter, Mitglied und
SekretSr der Akademie des
Inscriplions.
■ . DissertatiOQ sur rfdilion la-
tioe de l'lmitation de Je«u-
Christ, Ira Journal des Sa-
vants vom Deiember 1816,
3. Sur l'auleur de l'Lmitation.
Im Journal des Savanls vom
Duember 1836.
3, Crilique du Memoire »ur le
viritablc BUteur de l'Imita-
titm de Jesui-Cbrisl. Im
Journal des Savanl» vom
Oktober 1837.
Leroy Onesimus. Grosser
Gelehrter.
I, EludeBsurlesMystireselsUT
dtff^renU manusctils de Ger-
soD. Paris, Hochctie 1837.
3. Quet est le vtrilable aulear
derimJliiliondeJeaus-Christ? 1
Diese Frage stellte Leroy
in der leiiten Sitzung dos
Congressn des historischen
Institutes am 17. Uktobet. \
3. Cumeille et Getson dans
l'Imitalion de JesOB-Cbrist.
Paris, I^ Clerc 1841,
4. Monnment de Geison k Lyon.
Brief ati die Mitglieder des
historischen Institut«, Paris
r84S,
Vicar von Montpellier. Ser-
mons de Thomas a Kem-
pis tmduits du latin. Avig-
"S37-
Kist
■yards, Clarisse,
Professoren an der Univer-
sität in Leyden. Ihre An-
sichten im Archief vooi
Kcrkelijke Geschiedenis, ie-
Sonderheit van Nederland
lauten lu Gunsten des Tho-
mas a Kempis. 1837.
Scholl Ludwig. Dissertatio
hislorico-llieologica. Gro-
ningae, W. van Boekeren
1839.
Schmidt Carl. Essai hu
Gerson. Strassbourg 1839.
Aliog. Handbuch der ge-
samniten Kirchengeschichte
1840. 1. AiiH.
U I ! m BD n C ar. Keformatoren
vor der Reformation , vor-
nehmlich in Deutschland
und den Niederlanden, Ham-
burg 1S42.
M, Bormans. Professor an
der Universitäl in Luttich,
Noiice sur uo manuscrit de
Thomas e Kenpls. Brüx-
elles 1S45.
Schottel. Mag. et Lit, hum.
Jels over de Navolging van Jc-
sus-Cbtislus. Breda 1845.
J. F. E. Meyer. Professor m
Eulin. Thamae a Kempis
capita quindecim ineditaetc.
Lubec 1845.
H e i 11 r i g s. Kalligraphisches
Gedenkblatt an Thomas a
Kempis in Stahl gestochen.
Cäln 1847.
J. B. Malou. Professor der
llieologie an der Univer-
sität in Löwen, später Bi-
Canetti PietTO. I. NotizJe
biagraphiche di Giovanni
Ger«iiia> Abbale di Sanlo
Stefano in Vereelli. Ver-
celli 1876. Danelbeiniwti-
ICT Auflage, vennehK durch
eiDc Parte aeeonda: tHe-
morie lul sno libro della
Imitazione di Ctjsto di
Giovanni Gcraenio* und
mehrere •Documeati illu-
itrativii zugleich mit einer
Dissertatio des Kard. Baroc-
chi : 'Disiertazione dell'
eminentissimo signor Clrdi-
aale Lucido Maria Parochi,
arcivescovQ di Bologna
4i i
i Gio-
vanni Genenio in Vereelli'
ist 1879 EU Vereelli er-
schienen.
2. L'Abbaiia BenedettJna di
Sanlo Stefano in Vereelli.
Vereelli 1875.
Brixner Kirchenblatt 1876.
n. 7. Der >Katholik.> J<
nuarbeft 1877, S. 15—35
Zeitschrin fUr kath. Theo-
logie. Innsbruck 1877. 3.
Heft. 480—87.
1 Thomisten.
I
I Ad. Delvigne.Pfarret.Nou-
{ velle rechercbes sur l'suteur
de »rimltation de Jesus-
Christ.« In der Zeitschrift :
j Prfcii hisloriques mflanges
religieux, litleraires et <cien-
ühques. 1877 und 1878.
Bruxelles, Alfred Vrumanl.
Paul Keppler, Rcpcientki
Tubingen. Der Verfaaserder
! Nachfolee Christi. EineStu-
die über den gegenwärtigen
Stand der Frage. In der TU-
bingei Iheoltigischen Quar-
I tal-Schrift. 1880. Heft t.
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TAFEL VI.
Cod. Monac. lat. 4619. saec. XIV.
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TAFEL VII.
Cod. Holiendorfiaiuia Biljl. Paliit \*mdob. i,S/6
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