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GLOCKENKUNDE.
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VON
D. Db. HEINRIOH OTTE.
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MIT HOLZSCHNITTEN UND ZWEI LITHOGRAPHIERTEN TAFELN.
ZWEITE VERBESSERTE UND VERMEHRTE AUFLAGE
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LEIPZIG.
T. 0. WEIGEL.
1884.
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Alle Rechte vorbehalten.
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DEM
KÖNIGLICHEN ORDENTLICHEN PROFESSOR
AN DER VEREINIGTEN FRIEDRICHS -UNIVERSITÄT HALLE -WITTENBERG
HERRN
Dr. JULIUS ZACHER
RITTER DES ROTEX ADLERORDEXS
IN HERZLICHER DANKBARKEIT
GEWIDMET.
Vorwort
zur ersten, im Jahre 1858 erschienenen Auflage.
Jcjs war im Jahre 1851, als mir der hochbetagte, ehrwürdige Gru-
ber nicht lange vor seinem Tode durch Vermittelung eines gemeinschaft-
lichen Freundes den Auftrag erteilte, für die von ihm herausgegebene
Hallesche Encyklopädie den Artikel „Glocke" zu schreiben. Bei damals
günstiger Müsse erklärte ich ifreudig meine Bereitwilligkeit imd durfte auf
eine möglichst allseitige Behandlung des für mich anziehenden Themas
um so mehr eingehen, als mir einerseits kein äusseres Mass für den Um-
fang der Arbeit gesetzt war, und anderseits der Druck der Encyklopädie
so langsam fortschritt, dass ich eine geraume Zeit vor mir zu haben ge-
wiss sein konnte. Die Unterstützung, deren ich bedurfte, wurde mir von
allen Seiten, wohin ich mich unter Berufung auf den hochgeachteten
Namen meines Auftraggebers wandte, auf das freundlichste zu teü, und
es gelang mir, mehrere mir bis dahin persönlich unbekannte Gelehrte
und Techniker ins Interesse zu ziehen, namentlich auch für das ganz
unangebaute Gebiet der musikalischen Eigenschaften der Glocke, welches
zu betreten ich wagen musste, wenn ich keine Lücke lassen woUte. Bei
dem bedeutenden Anwachs der Materialien hatte ich mich eines sehr ge-
drängten Vortrages zu befleissigen und musste besondere in der Anfüh-
rung von Beispielen und Belegstellen sparsam sein, um nicht zuletzt statt
des verlangten „Artikels" ein Buch abzuliefern. In zwei Jahren kam ich
zum Abschlüsse, und in der Erwartung, dass ich zur Einsendung meiner
Arbeit zu seiner Zeit aufgefordert werden würde, legte ich die fertige
Abhandlimg ruhig in mein Pult, unvergessen jedoch, neuere Ergebnisse
gelegentlich einzuschalten tmd nachzutragen.
Inzwischen war endlich nach Verlauf von sechs Jahren im Sommer
1857 der Druck der Encyklopädie von Ga (wo derselbe im Jahre 1851
stand) bis Gl fortgeschritten, und ich hatte die Überraschung gelegent-
lich zu erfahren, dass nach dem Tode des seligen Gruber, in dessen
hinterlassenen Papieren nicht die entfernteste Notiz über einen mir or-
teilten Aufkrag vorfindlich gewesen, der Artikel „Glocke" anderweitig ver-
geben und bereits druckfertig dem Verleger der Encyklopädie eingereicht
worden sei. Unter diesen Umständen gerate ich in Gefahr, denjenigen
verehrten Männern gegenüber, die mich, ohne mich pei-sönlich zu kennen.
VI Vorwort.
um des Grub er sehen Auftrages willen so freundlich litterarisch unter-
stützt hatten, in einem zweifelhaften Lichte zu erscheinen und mich selbst
vor meinen Bekannten, die von meiner Arbeit erfisihren hatten, zu kom-
promittieren. Deshalb entschloss ich mich zu gegenwärtiger Herausgabe
meiner Schrift, welcher ich den Titel „Glockenkunde" gegeben habe, da
ich glaube, dass der Inhalt denselben rechtfertigen wird.
Vorwort
zur zweiten Auflage.
Die immerhin etwas unliebsame Täuschung, welche für mich mit
der ersten Herausgabe meiner Schrift über die Glocken verknüpft war,
sollte sich durch ein günstiges Geschick in einen Vorteil verwandeln.
Meine Arbeit, die in der grossen Halleschen Encyklopädie wohl fast un-
beachtet geblieben wäre, wurde durch ihre selbständige Veröffentlichung
allgemeiner bekannt und erfreute sich einer beifalligen Aufnahme. Der
Absatz des kleinen Buches konnte in dem beschränkten Kreise der sich
dafür Interessierenden nur ein allmählicher sein, die Nachfiiige erwies
sich jedoch so nachhaltig, dass die Verlagshandlimg, nachdem der Vorrat
in fünfundzwanzig Jahren erschöpft war, glaubte mir zu einer neuen
Auflage die Hand bieten zu sollen. An diesen Erfolg hatte ich zwar
nicht im entferntesten denken können, war dessemmgeachtet aber aus
alter Vorliebe für den Gegenstand beflissen gewesen, im stillen für mich
an meiner Sclirift zu bessern imd gelegentlich weiter zu bauen. So wäre
die Veranstaltung einer neuen Auflage für mich ein leichtes gewesen,
hätte nicht vor sieben Jahren eine Feuersbrunst alle meine Rapiere und
Bücher in Asche verwandelt. Wenn es mir in meinem hohen Greisen-
alter dennoch möglich geworden ist, die Glockenkunde mit Benutzung
der neueren Litteratiir in der gegenwärtigen, verbesserten und ansehnlich
vermeluten Auflage erscheinen zu lassen, so verdanke ich diese Gunst
nächst Gott, der mir Lust und Kraft zu litterarischer Beschäftigimg bis
hierher gnädig erhalten hat, der gütigen Beihilfe freundlicher Korrespon-
denten des In- und Auskndes, vor allen den Beiträgen der Herren Bau-
inspektor G. Sommer in Wernigerode und Oberpfarrer E. Werüicke
in Loburg, die mir die reichen Früchte ihi^er einschläglichen Studien in
freigebigster Weise zur Verftlgung gestellt haben. Ihnen, sowie den
Herren Glockengiessereibesitzem, welche mir für mein Buch bereitwilligst
Mitteilungen über den Umfeng ihrer Geschäftsthätigkeit gemacht haben,
bleibe ich zu verbindlichem Danke verpflichtet.
Merseburg, den 8. September 1884.
Heinrich Otte,
Ehren-Doktor der Theologie und der Philosophie,
Pastor emer. yon Fröhden bei Jüterbogk.
Inhalt.
Seite
Übersicht der Litteratur . 1
I. Vom Ursprünge und von der Einführung der Glocken 7
IL Von der Weihe und der Taufe der Glocken 16
ni. Vom Gebrauche der Glocken 27
IV. Von der Verfertigung der Glocken 68
V. Von den Inschriften und Verzierungen der Glocken 115
VI. Vom Aufhängen, L&uten, Behandeln uud Reparieren der Glocken . . 138
VII. Zur Glocken -Statistik 163
VIII. Glocken- Sagen und Glocken -Aberglauben 169
Anhang. Glockengiesser- Verzeichnis 180
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UNIVEHSITY
Obersicht der Litteratur
in chronologischer Reihenfolge.
A. Schriften historisch -antiquarischen und liturgischen Inhalts.
Hieronymi Magii Anglariensis de tintinnabulis liber posthumus cum notis
Swertii F., abgedruckt in A. H. de Sallengre, Nov. thesaurus antiqui-
tatum Romanarum Tom. 2. Halae Comitum 1718. p. 1156 — 1200 u. im letzten
Separatabdruck herausgegeben von A. Lazzarini, Rom 1822. (Die älteste
Monographie über die Glocken, die der gelehrte Verfasser in der türkischen
Gefangenschaft, in welcher er 1572 oder 1573 stranguliert wurde, von allen
Büchern entblösst bei nächtlicher Weile vollendet hatte, und woraus die zahl-
reichen Dissertationen des 17. u. 18. Jahrh. über diesen Gegenstand haupt-
sächlich geschöpft sind.)
Rocca, Angelus, de campanis commentarius ad sanctam eccl. catholicam. Ro-
mae 1612. 4. Abgedr. bei Sallengre a. a. 0. p. 1233 ff.; auch im Thesaurus
pontif. sacrarümque antiquitatum; ed. 2da Romana. Romae 1745. Tom. I.
p. 151— 196.
Stockflet, Am., de campanarum usu. Altdorf 1665. 12.
Reimann, Jo. Chr., Dissert. de campanis. Jenaci 1679. 46 S. 4. (Hallische
Univ.-Bibl.: Eefersteinsche Samml. Bd. 293.)
Bierstädt, Alexius, Dissert de campanarum materia et forma (Praeside Nicoiao
E ggers). (Jena 1685.) 6 Bg. 4. (Von späteren Schriftstellern häufig un-
richtig unter dem Namen des Präses Eggers citiert)
Derselbe, Dissert.de origine et nomine campanarum. Jena 1685. 4.
Stohr, Joh. Maur., Dissert. de campanis templorum (Praeside P. Chr. Hilscher).
Lipsiae 1692. 37^ Bg. 4. (Zuweilen unrichtig unter dem Namen Hilscher
angeführt).
Pacichellii, J. B., de tintinnabulo Nolano lucubratio. Napoli 1693. 12.
Wallerii, Harald., Dissert. de campanis et praecipuis earum usibus. Holm. 1694. 8
Mizler, St. A., de campanis. Viteb. 1695. 4.
Thiers, J.-B., Traitö des cloches. Paris 171-9. 12. Abgedruckt in: Texier,
Dictionnaire d'orf^vrerie. Paris 1857. p. 391 — 435.
Irenius Montanus, Historische Nachrichten von den Glocken, deren Ursprung,
Materie, Nutzen und Missbrauch. Chemnitz 1726. 8.
Otto, Glockenknnde. X
2 Übersicht der Litterator.
Franke, Dan. Chr., Programma von den Glocken. Milhlheim a. Rh. 1736.
£ sehe u w ccker, Joh. Mich., Dissert. de eo quod justum est circa campanas. Vom
Recht der Glocken. (Praeside J. F. Lud ewig.) Hai. Magd. 1739. 72 S. 4.
(Hallische Univ.- Bibliothek a. a. 0. Bd. 24. — Gewöhnlich unter dem Namen des
Präses citiert.)
Baulacre, Recherches sur les horloges et sur les cloches des ^glises, im Jour-
nal Helvötique 1760 u. 1751.
W. C. J. (Chrysander), Antiquar. Nachrichten von den Eirchenglocken ; in der
Zugabe zu den Hannoverschen gelehrten Anzeigen vom J. 1754. Sp. 69 — 196.
(Auch: Rinteln 1755. 8.)
Garrä, R^mi, Recueil curieux et ^difiant sur les cloches. Gologne 1757.
Cancellieri, F., le due nuove campane di Campidoglio. Rom 1806.
Ledebur, Leop. v., Glocken im Fürstentum Minden u. in der Grafsch. Ravens-
berg, in seinem Allgemeinen Archiv für die Geschichtskunde des Preuss.
Staates. Bd. VIII. 1832. S. 71 ff.
Barraud, Notice sur les cloches (in de Caumont, Bulletin monumental. Vol. X.
1844. p. 93 — 129).
Schuegraf, Kurze Geschichte der Erfindung der Glocken, insbes. geschichtliche
Nachrichten über die ältesten Glocken und Glockengiesser der Stadt Regens-
burg, in Verhandlungen des histor. Vereines von Oberpfalz und Regensburg.
Bd. IX. (N. Folge Bd. I.) 1845. S. 294 — 308.
Gatty, Alfr., the Bell, its origin, history and uses. London 1848.
Arneth, J. C., Beschreibung der Turmglocken zu St. Florian. Wien 1851.
Ellacombe, H. T., Paper on Beils, in Report of Bristol Architectural Society.
1850. Angezeigt im Quarterly Review. Nr. CXC. Sept 1854. p, 308 — 337.
Corblet, Jules, Liturgie des cloches. Amiens 1855.
Otte, H., Mittelalterliche Glocken im Stift Merseburg, in der Zeitschrift für
christliche Archäologie u. Kunst, herausgegeb. von Ferd. v. Quast u H. Otte.
Bd. I (1856). S. 81—85. Bd. II (1858). S. 35—37.
Lukis, W. €., an account of church-bells. London and Oxford 1857.
Zehe, B., Histor. Notizen über die Glockengiesserkunst des Mittelalters, grössten-
teils gesanmielt aus den Glockeninschriften der Diözese Münster. Münster
1857. 16 S.*8.
Die Glocken. (Auszug aus Barraud, Abhandl. sur les cloches in Didron,
Annales arch^ol. Vol. XII. Livr. 6 sqq., und Jules Corblet, Notice historique ei
liturgique sur les cloches in der Revue de Part chr^tien. Livr. 2 sqq., sowie
aus mehreren in der englischen Zeitschr. The Builder, Jahrgang 1856, ent-
haltenen Abhandlungen.) Im Organ für christliche Kunst, herausgegeb. von
F. Baudri. Köln 1857, Nr. 11—14, 16, 17 u. 23. 1858, Nr. 2 u. 12.
Die Glocke. Eine archäologische Studie, in der Wiener Zeitung u. Abendblatt
1857. Nr. 173.
Unger, F., zur Geschichte der Kirchtürme, in den Bonner Jahrbüchern XXIX
(1857). (Geschichte u. Bedeutung der Glocken S. 32 f.)
K 1 unzin ger, C., zur Glockenkunde in Württemberg, in den Württembergischen
Jahrbüchern 1857. Heft 2.
Kratz. J. M., ein Beitrag zur Geschichte der Glocken, im Organ für christliche
Kunst 1858. Nr. 6. S. 64.
Übersicht der Litteratur. 3
Ledebur, Leop. v., Beitrage zur Glockenkunde in der Mittelmark, in den Mark.
Forschungen Bd. 6 (1858). S. 122 ff.
Die Glockenkunde in Alt- Bayern, in der Augsburger Postzeitung 1858, Nr. 65.
Fublications de la soci^tö pour la recherche etc. des monuments k Luxembourg
1858. p. 123 (4 Taf. spätmittelalterlicher Glockeninschriften aus dem Luxem-
burgischen).
Smeddingk, Erste chronologische Glockengiesser-Reihe, im Organ für christliche
Kunst 1858, Nr. 13—21. (Eine zweite Reihe ist nicht erschienen.)
(Sauveter), Essay sur le symbolisme de la cloche. Bayonne 1859.
Maller, F., zur älteren siebenbürgischen Glockenkunde, im Archiv des Vereins
für siebenbürgische Landeskunde. Neue Folge lY. 2. 1860.
Ueber Glocken, deren Alter, Form, Inschriften n. Schicksale, besonders in Deutsch-
land, in der Augsburger Fostzeitung 1861. Beilage zu Nr. 40 u. 41.
Hitzinger, zur Geschichte alter Glocken in Erain, in den Mitteilungen des
histor. Vereines für Erain. Jahrgang 1862.
Edel, F. W., von den Glocken. Strassburg 1862.
Straub, A., Nachlese zur Glockenkunde, aus dem Elsass; im Organ für christ-
liche Kunst 1863, Nr. 6.
van Endert, über Glocken; ebd. Nr. 7.
Vallois, les cloches de P^ronne. Päronne 1865.
Kratz ; M., Histor. Nachrichten über die Glocken im Dom zu Hildesheim, in
Zeitschr. des histor. Vereins für Niedersachsen 1865. S. 357 ff.
Dergny, les clöches du pays de Bray. L H. 1863. 1866.
Neue Beiträge zur Glockenkunde, im Organ für christliche Kunst 1866, Nr. 2.
E., die Glocke eine Erfindung des christlichen Nordens, im christlichen Eunst-
blatt, herausgegeb. von Grüneisen etc. 1866, Nr. 6 u. 7.
Derselbe, Glockeninschriften als Zeugen kirchlichen Glaubens, ebd. Nr. 10—12.
Busl, G. A., zur Glockenkunde, im Eatholischen Eirchenblatt für die Diözese
Rottenburg. 1866. Nr. 31 f. (Vergl. hierzu: Pastoralblatt dieser Diözese. 1882.
Beilage Nr. 1 f.)
Tettau, W. J. A. v., der Meister u. die Eosten des Gusses der grossen Dom-
glocke zu Erfurt 1866. Nachträge zu dieser Abhandlung (1868); im Sonder-
abdruck aus den Mitteilungen des Vereins für die Geschichte u. Altertumskunde
von Erfurt 2, 129 ff.
Gleitz, E. A., Geschichtliches über die grosse Glocke, die übrigen Glocken des
Domes u. einige Glocken der Severikirche zu Erfurt; desgl. über die Stimmung
u. Harmonie dieser Glocken. Erfurt 1867.
Sommer, G., zur Glockenkunde, im Anzeiger des Germanischen Museums 1867.
Nr. 9. Sp. 274—277.
Nordhoff, J. B., über das Leben u. die Arbeiten des Wolter Westerhues,
Glockengiessers zu Münster, im Organ für christliche Eunst 1868, Nr. 4 u.
1869, Nr. 2.
Lobe, Beitrag zu den Glockeninschriften, in den Mitteilungen der Geschichte etc.
des Osterlandes VII. 2. Altenburg 1869.
Jacobs, Ed., Alte Glocken der Grafschaft Wernigerode, im christlichen Kunst-
blatt 1869, Nr. 9; vergl. Zeitschr. des Harzvereins 1869. 1, 39.
Zur älteren Glockenkunde, im Katholik, herausgegeb. von Heinrich u. Moufang.
1869. Heft 11 u. 12.
1*
4 Übersicht der Litteratur.
C. 0., Geschichtliche u. artistische Notizen über Glocken, im Organ für christliche
Kunst 1871, Nr. 11—13.
Kratz, M., über die Glocken des Domes in Hildesheim, im Feuilleton der Hildes-
heimer Ztg. 1872, Nr. 276—288.
Sulzberger, Sammlung aller Thurgauischen Glockeninschriften, in Thurgauer
Beiträgen XIH. Frauenfeld 1872.
Bautraxler, G, Wert der Glockenkunde, im Kirchenschmuck (Sekkau). Graz
1872, Nr. 8—12 u. 1873, Nr. 1—6.
Hach, Th., Beiträge zur Lübeckischen Glockenkunde, in der Zeitschrift des Ver-
eins für Lübeckische Geschichte. 1872. 3, 593 ff.
Nebe, G., die Halberstädter Glocken, in der Zeitschrift des Harz -Vereins für
Geschichte etc. 1876. 9, 286.
Wernicke, £., Beiträge zur Glockenkunde aus Brandenburg a. H., im „Bär*'
1876, Nr. 20 u. 21.
Voges, mittelalterliche Glockeninschriften aus dem Herzogtum Braunschweig, im
Anzeiger des Germanischen Museums 1876, Nr. 7.
Casscl, Paulus, Turm u. Glocke (Symbol u. Name). Berlin 1877.
Blavignac, J. Dan., la cloche. £tudes sur son histoire et sur les rapports avec
la soci^tö aux difförents äges. Gen^ve 1877. (XXVIII u. 478 S.)
Grössler, Herm., Glocken des Mansfelder Seekreises, in der Zeitschrift des
Harz- Vereins etc. 1878. 11, 26—46. Mit 3 Taf.
Nüscheler-Usteri, die Inschriften u. Giesser der Glocken im Kanton Schaff-
hausen, in Beiträge zur vaterländischen Geschichte IV. Schaffhausen 1878.
Tissot, Ch. Eng., les vieilles cloches de Valangin, im Mus^e Neuchatelois. 1878.
15, 97—108.
Sommer, G., Glockenschau, als Anhang zu den Heften 1 — 9 der Bau- u. Kunst-
denkmäler der Provinz Sachsen. 1878 — 1883.
Lederle, die Kirchenglocken, ihre Geschichte etc. für die Pfarrämter, Bauämter
etc. Karlsruhe, Badenia. (40 S.)
Luschin v. Ebengreuth, A., Münzen als Glockenzierrat, in den Mitteilungen
der k. k. Central-Kommission. Neue Folge 1880. 6, LXXI ff.
Boeckeler, H., Beiträge zur Glockenkunde. Mit 28 autogr. Taf. Aachen 1882.
V u. 151 S. (Vergl. die Anzeigen von Steph. B eis sei in den Stimmen ans
Maria-Laach. 1882. S. 426 ff. u. von Hugo Loersch in der Zeitschrift des
Aachener Geschichtsvereins 1882. 4, 348-353.)
Derselbe, die Muttergottesglocke der Münsterkirch ein Aachen. Aachenl882. (40 S.)
Loersch, Hugo, Meister u. Entstehungszeit der grossen Glocke von St. Peter zu
Aachen, in der Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins. 1882- 4, 318 — 333.
Nüscheler-Usteri, Glocke uiuschriften im reformirten Teile des Kantons Bern,
im Archiv des historischen Vereins des Kantons Bern. 1882. IX. 3.
Hach, Th., Münzen u. Denkmünzen als Glockenzierrat, im christlichen Kunstblatt,
1883, Nr 1, S. 9—14.
R. F., von Glocken, im „Daheim" 1883. 2. Beilage zu Nr. 27.
Geiges, F., Unsere Glocken, im ,,Schau in*s Land" (Zeitschrift des Breisgau-
Vereins). 1883. X. S. 3-9. Mit 1 Taf.
Ausserdem finden sich in allen Encyklopädien (Konversationslexikons) und
ähnlichen Nachschlagewerken Artikel über die Glocken ; von genannten Verfassern :
Übersicht der Litteratur. 5
Daniel in der Hallischen Encyklop. (Ersch u. Gruber) Sekt. I. Bd. 70; Grün-
eisen in Herzoges theolog. Encyklop. Bd. 5; Viollet-le-Duc, Dictionnaire de
Tarchitecture fran^aise. T. 3 (Artikel Cloche); Muller und Mothes, Illustriertes
archäologisches Wörterbuch. Bd. 1. u. s. w. — Ebenfalls werden die Glocken in
den zahlreichen Werken der Theologen über den christlichen Kultus besprochen,
gelegentlich auch in Reisebeschreibungen, Ortschroniken, EiDzelbeschreibungeu
von Kirchen etc.
B. Schriften technischen Inhalts«
Biringoccio, Pirotechnia. Vinegia 1540, dann 1558. Die Ausgabe von 1558
befindet sich in der Universitäts-Bibliothek zu Göttingen (Ars militar. 183);
eine französische Übersetzung erschien von Jacques Vincent zu Paris 1556
u. später öfter. (Dieses mit Holzschnitten illustrierte Werk enthält in seinem
VI. Buche von Kap. 10-15 (Fol. 94—100 der Ausgabe von 1558) die älteste
gedruckte Anweisung zur Glockengiesserei.)
Stedman, Fab., Tintinnalogia or the art of ringing. 1668 u. bis 1680 in 3 Aufl.
Campanalogia improved or the art of ringing made easy. London 1733.
Roujoux, der künstliche u. harmonische Glockengiesser. Augsburg 1766.
Hahn, J. H. Gottfr., Gampanalogie oder Anweisung, wie Laut- u. Uhrglocken
verfertigt etc. werden. Erfurt 1802.
Ueber die wichtige Erfindung, gesprungene Glocken ohne Umguss zum
Gebrauche wieder herzustellen. Vorangehend: Gemeinnützige Belehrungen
über die Glocken überhaupt etc. Quedlinburg 182 t.
Launay, der vollkommene Glockengiesser. Aus dem Französischen. Quedlin-
burg 1834.
Pfnor, über die Akustik der Glocken, in den Verhandlungen des hessischen
Gewerbevereins (Darmstadt) 1848.
Otte, H.. über Alter u. Technik der Glockeninschriften, im deutschen Kunstblatt
1852, S. 409.
(Zehe, B.), über die Glockengiesserkunst n. die Gussstahlglocken, im Organ für
christliche Kunst 1853, Nr. 11.
S k, über eherne Glocken u. Gussstahlglocken. Ebd. Nr. 14 u. 15.
Harzer, Fr., die Glockengiesserei mit ihren Nebenarbeiten. Weimar 1854.
Perrey, Ed., Montage des doches et construction des befifrois, in der Revue de
Tarchitecture. 1855.
Ellacombe, H. T., an affectionate adress to ringers in every church and parish
London 1855.
Stein, A. G., Fingerzeige für Kirchenvorstände bei Anschaffung neuer Glocken,
im Organ für christliche Kunst 1867, Nr. 9 u. 10.
Schafhäutl, über die Töne der Glocken u. die Kunst des Glockengiessers über-
haupt, im Kunst- u. Gewerbeblatt für Bayern 1868.
Bau, Ed., Glockengiesserkunst, in der Wiener Allgemeinen Bauzeitung 1872.
S. 330 ff. (Mit 4 schönen Tafeln, im Texte jedoch fast ganz aus Otte's Glocken-
kunde 1. Auflage 1858 entlehnt.)
Hühner, T., die Glocke an krummer Schwingungsachse. Bonn 1875. (5 S.) Mit
1 lithographierten Tafel.
Veitmann, W., über die Bewegung einer Glocke, in Dingler's polytechnischem
Journal 1876, Bd. 220 (Heft 6). S. 481—495.
6 Übersicht der Litteratur.
Von den zu A angeführten Schriften behandeln besonders Lukisu. Böckeier
auch Technisches; ausserdem sind zu beachten die betreffenden Artikel in der
grossen Pariser Encyklopädie (Arts et Mätiers T. 1); in Krünitz, Encyklopädie
Bd. 19; in der Hallischen Encyklopädie (Sekt. I Bd. 70) die Artikel Glocke und
Glockengut von C. Rein war th; Glockenspiel von Döring; in Prechtl's Ency-
klopädie Bd. 7 der Artikel Glocke von Karmarsch; in Yiollet-le-Duc,
Dictionnaire de l'archit. T. 2 der Artikel Befifrois de charpente u. T. 3 Cloche;
ferner Fluche, Schauplatz der Natur (1766), Bd. 7; Sprengel, Handwerke u.
Künste, Bd. 5; Beckmann, Beiträge zur Geschichte der Erfindungen, Bd. 2;
Donndorff, Geschichte der Erfindungen, Bd. 2 u. 5 u. a. m.; die Schriften der
Physiker: Chladni, Akustik. S. 192 ff.; Euler, de sono campanarum in den Nov.
comment. acad. scient. Petropol. T. 10; Bind seil, Akustik. S. 402 ff.; Muncke,
der Artikel Schall in Gehler, Physikalisches Lexikon, Bd. 8. S. 261 ff.; auch
die Schriften der musikalischen Theoretiker: Mersenne, Harmonie universelle.
1. YIl; Kircher, Musurgia. T. 1 u. a. m.
V^ OP THK '^K
UNIVERSITY
L Vom Ursprünge und von der Einführung der Glocken.
Unter allen Völkern der alten Welt im Morgen- und im Abendlande
finden wir den Gebrauch der Schellen und kleinen Glocken, am ausge-
dehntesten indes bei den Römern, wo die Glocken schon als Öffentliches
Versammlungszeichen bei Eröffnung der Bäder, welche im Winter um die
neunte, im Sommer um die achte Stunde erfolgte, gedient zu liaben scheinen :
wenigstens hat man in einem Epigramme des Martial (14, 163) das
„smiat aes thermarum" und in einem Briefe desPlinius (3, 1) den Aus-
druck „hora halinei nuntiata est^' hierauf gedeutet. Dass dagegen die
ersten Christen sich der Glocken als Versammlungszeichen zu ihren gottes-
dienstlichen Zusammenkünften, welche ungeachtet der Verfolgungen schon
im dritten Jahrhundert einen hinlänglich öffentlichen Charakter hatten,
bedient hätten, davon findet sich nirgend eine Spur. Die Nachricht des
Baronius (Annal. ad a. 58 n. 102), dass in den Zeiten der Verfolgungen
die christlichen Gemeinde -Versammlungen durch Boten (^eod()Ofio&) seiei]
angesagt worden, erweist sich, insofern dieselbe nur auf einige missver-
standene Stellen in den Briefen des Ignatius gestützt wird, wie Bona (Rer.
liturg. 1, 21 — Tom. 2, p. 127. Aug. Taurin. 1749) und ßingham
(Origines. Vol. 3. 1. 8. c. 7, p. 280) erwiesen haben, als grundlos. Da-
gegen lässt sich für das vierte Jahrhundert aus der Applogie :de$ Atha^
nasius an den Constantius (Opp. 1, 682), wo es von einer unvorbereiteten
Versammlung heLsst, man wäre ovk Ik nccQeyysklccg^ also ohne Ankündigung,
zusammengekommen, indirekt beweisen, dass sonst eine naq^yyiEUoi , eine
Voranzeige des Gottesdienstes gebräuchlich sein niustste. Gleichzeitig findet
sich der Gebrauch eines eigentlichen VersaaimlungszeicheuiS in den ägyp-
tischen Klöstern erwähnt, wo (Regula Pachomii c. 3 u. 9 bei Hol-
^ Yersammlungszeichen.
sten, cod. regularum T. 4) die Ordnungsstrafe gegen diejenigen festgesetzt
wird, welche nach dem Klange der Tuba zu spät zur Sammlung erschienen ;
auch bei dem Syrer Ephraem (Paraenes. 43) ist von einem Bruder die
Eede, welcher „signo ad synaxin et officium dato^^ als der letzte gekommen
sei und nachher als der erste von allen die Versammlung wieder zu ver-
lassen sich unterstanden habe. Diese sich an die Mosaische Anordnung
(Num. 10, 2 — 11) anlehnende Sitte herrschte in manchen Klöstern auch
noch im sechsten Jahrhundert, wo nach dem Berichte des Sinaitischen
Abtes Climacus (Scala paradisi gr. 18. — Bibl. patr. ed. Paris. 1654.
5, 244) die Brüder durch das Zeichen der heiligen Tuba zusammengerufen
wurden. — In den Nonnenklöstern zu Bethlehem versammelten sich, wie
aus Hieronymus (ep. 19 ad Marceil., de aegrot. Blesillae. Opp. 4, 50)
erhellt, die Schwestern nach Absingung des Wortes „HaUeUijah*' anscheinend
durch diejenige Nonne, welche zuerst erwacht war. Anderwärts berief da-
mals der Abt die Mönche, wie Pal lad ins (bist, lausiaca c. 104 in Co-
teler, monument. eccl. Gr. T. 3), Cassian von Massilia (Institut, coenob.
4, 12) und Andere berichten, durch Anklopfen mit dem Weckhammer an
die Thüren der Zellen, was noch im siebenten Jahrhundert (bei Job. M oschus
— vgl. Bingham a. a. 0. 3, 282) vorkommt und sich in einzelnen Klöstern
bis ins spätere Mittelalter erhielt.^ Aus dieser häuslichen Gewohnheit der
Klöster scheint sich dann, doch wohl nicht vor dem achten Jahrhundert
(vgl. Bona a. a. 0. Tom. 2, p. 129), zu allgemeinerer Geltung als öffent-
liches Yersammlungszeichen herangebildet zu haben der noch heute im
ganzen christlichen Oriente, teilweise neben den Glocken, übliche Gebrauch
der heiligen Hölzer. Die Praxis dieses Hölzerschlagens besteht in der
griechischen Kirche darin, dass ein Geistlicher {laoavviy^xrig) mit einem
Hammer auf ein langes dünnes Brett, welches er vor sich mit dem linken
Arme balanciert, nach einem bestimmten Rhythmus klopft und durch dieses
Trommeln auf verschiedenen Stellen des Brettes verschiedene, starke und
schwächere, höhere und tiefere Töne hervorbringt. Das Instrument selbst,
von dem Hier. Maggi^ eine ausführliche Beschreibung und Didron
(Annales archöol. 5, 148) eine von einem Neugriechen verfertigte Abbildung
liefert, heisst Cfi^actvTqovy otjficcircTj^f arjfiavtriQtov (d. i. Signum) und kommt
grösser und kleiner (x^iQoarifiavTQbv), aus Holz und aus Eisenblech {ayioai"
^ So hängt noch unten in einer Ecke der alten Chorstühle der Viktorskirche
zu Xanten der kleine Eisenhammer, dessen Ton die Kanoniker zum Kapitel berief.
Vergl. Beissel, Steph., Baugesch. der Kirche des h. Viktor zu Xanten. 1883. S. 67.
* De tintinnabulis c. 16, bei Sallengre, Nov. thesaurus etc. p. 1190. —
Vergl. auch Alt, H., der christl. Kultus. 2. Aufl. Berlin 1851. I. S. 66.
Schallbretter. Glocken. 9
ÖTjQov) vor. ^ Dass dieses Zeichengeben auf einem Brett, sicherlich ein
uralter und mehreren morgenländischen Völkern eigener Gebrauch, auch
bei den Chinesen im 13. Jahrhundert zur Verkündigung der Tagesstunden
oder bei Feuersbrünsten und Aufständen durch eigens dazu bestellte Wächter
zu geschehen pflegte, bezeugt Marco Polo (bei Jäck, Taschenbibliothek
der Reisen durch China 1. 2, 37 f.).
Während also in der morgenländischen Kirche das Semantron üblich
wurde y finden wir im Abendlande, zuerst erwähnt nach der Mitte des
sechsten Jahrhunderts in den Schriften des heiligen Gregor von Tours ^,
ein Signum, welches zu Anfang des Gottesdienstes und zur Bezeichnung
der kanonischen Stunden mit einem Seile bewegt wird. Bass hier-
unter die Glocke zu verstehen sei, erhellt aus den Schriftstellern der
folgenden Jahrhunderte bis ins zehnte und elfte, von welchen die Glocken
noch häufig Signa genannt werden, sowie aus dem amtlichen Sprachgebrauche
der katholischen Kirche, nach welchem die Glocke Signum ecclesiae genannt
wird.^ Auch haben wir dafür ein ausdrückliches Zeugnis aus der ersten
Hälfte des neunten Jahrhunderts, des Reichenauer Abtes Walafried Strabo^
nämlich, welcher hinzufügt, man versichere, dass Italien das Vaterland der
Glocken sei, dass dieselben, deren Gebrauch nicht zu den alten Gewohn-
heiten gehöre, zuerst in der Stadt Nola in Campanien seien angefertigt
^ Ein grösseres, zwischen zwei Pfählen unter einem Schutzdach aufgehängtes,
mit Eisenstreifen beschlagenes Schallbrett befindet sich z. B. vor der Klosterkirche
Stiris in Rumelien und wird von zwei Mönchen mit gekrümmten eisernen Hämmern
bearbeitet; vergl. die Abbildung im (Stuttg.) Illustr. Sonntagsblatt 1883, Nr. 40
zu S. 160.
^ Gregor. Türen., de miraculis S. Martini 2,28: Eeverti autem cupiens
nocte ad funem illum de quo Signum commovetur advenit. — Ibid. 3, 23: Interea,
Signum movetur horis matutinis, aggregatur et populus. — E j u s d bist. Franc. 3, 15 :
Dum per plateam praeterirent, Signum ad matutinas motum est. — Ejusd. vitae
patrum c. 4 im Loben des Gregor von Langres: Observatores, ostium baptisterii
obseratum invenientes, clave sua solita aperiebant: commotoque signo sanctus dei,
sicut reliqui omnes ad officium dominicum conswrgebani ; im Leben des Nicetius
von Lyon : Presbyter audiens jussit Signum ad vigilias commoveri.
^ Pontificale Roman. IIb. 2 die Rubrik: I)e benedictione signi vel campanae.
^ Walafried Strabo, de exord. et increment. rer. eccl. c. 5: De vasis fusi-
libus vel etiam productilibus , guae simpliciter signa vocantur, quia eorum sono-
ritate quibusdam pulsibus excitata, significantur horae, quibus in domus dei
statuta celebrantur officia: de his, inquam, hie dicendum videtur, quod eorum
usus non adeo apud antiquos habitus proditur. Eorum usum primo apud Itcdos
affirmant inventum. Unde et a Ckimpania, quae est Italiae provincia, eadem vasa
maiora quidem campanae dicuntur : minora vero, quae et a sono tintinnabiUa vo-
cantur, nolas appellant a Nola eiusdem dvitcUe CampaniaCy ubi eadem vasa
primo sunt commentata.
10 Campana un(jh nola.
worden, und dass davon der Name campmva für die grösseren und nola
für die kleineren Glocken oder Schellen hergenommen sei. Diese Etymo-
logie des Wortes campana,^ welches anscheinend zuerst bei Cumenäus
Albus, Abt auf der schottischen Insel Hy um 660, im Leben des heiligen
Columba in der Bedeutung Glocke^ vorkommt, wird um so mehr für
richtig anzuerkennen sein, als nicht bloss das kampanische Kupfer ^ und
die daraus angefertigten Geräte ^, sondern auch die kampanischen Gefässe
aus gebrannter Erde ^ schon bei den Alten berühmt waren , und beide
Künste, die Formerei aus Erde und die Erzgiesserei, finden bei der Anferti-
gung von Glocken vereinigte Anwendung. Dagegen ist die Herleitung des
Wortes nola, welches schon bei einem Fabeldichter des vierten Jahr-
hunderts als klingende Schelle an dem Halsbande eines bissigen Hundes
nachgewiesen ist ^, von dem Stadtnamen Nola nichts weniger als sicher. ^
^ Vita S. Columbae c. 22 bei Mabillon, Annal. Bened. See. 1: Media nocte
pulsante campana; und c. 2ö: (Columba) quadam die ministro suo campanam
subito ptdsare praecepit, cuius sofiitu fratres excitati ecclesiam protinus sunt
ingressi, — Vgl. Bona a. a. 0., S. 134 f. (lieber die Form Campanum sc. aes
vgl. Du Gange, Gloss. med. et inf. lat. ed. Rens c hei 2, 59.) — Früher schon
erscheint das Wort campana bei Isidorus von Hispalis, f 636 (Orig. 16, 24:
campana, statera unius lancis, e regione Italiae nomen accepit, uhi primum eitis
usus repertus est), in der Bedeutung Schnellwage, wie Diez (Wörterb. der
roman. Sprachen, 4. Ausg., S. 83) sagt, „wegen der Ähnlichkeit der Einrichtung,
und entsprechende Bedeutungen hat auch das wallonische cumpene^^ Wagschale,
Brunnenschwengel. Bei Beda und fast allen Sp&teren zeigt campana oder cam-
panwn nur die Bedeutung Glocke; Anastasius Bibliothec. (9. Jh.) kennt beide
Bedeutungen Glocke uud Schnellwage/' Auch das griechische Zeitwort xa/ina-
viiiiv = wägen, ist aus campana gebildet; vergl. P. Cassel (Turm und Glocke,
S. 14), welcher meint, dass campana nur aus Missverständnis der angeführten
Stelle des Isidorus bei den mittelalterlichen Liturgen eine Bezeichnung der
Glocke geworden sei.
* PliniuB H. N. 34, c. 2 u. 8.
^ Horatii Serm. I. sat. 6, 118, wozu der Scholiast bemerkt: Capuae hodie
aerea vasa studiosius fabricari dicuntur. Vgl. Isidorus Hisp., Orig. 16, 19.
^ HoratiuB a. a. 0., IL 3, 144.
* AvienuB, Fab. 7, v. 6—9:
Hunc dominus, ne quem probitas simulata IcUeret,
lusserixt in rdbido gutture ferre nolam;
FaucibiM innexis crepitantia subligat aera,
Quae facüii motu signa cavenda darent.
P. Cassel, der a. a. 0., S. 12 die ganze Fabel mitteilt, weist aus dem Zu-
sammenhange nach, dass die für das ungewöhnliche nolam anderweitig (Schel-
ler, Latein. Wörterb. unter nola) vorgeschlagene Lesart notam nur Konjektur ist.
^ Die Adjektivform von Nola (N&la) müsste ^oZana heissen; ferner ist das
in nola bei Avienus nicht lang, sondern kurz gebraucht, bei Prudentius
Einführung der Glocken. 11
Schon HospiniauuSy de templis (Tiguri 1603), p. 338, erwähnt eine
onomapoetische Bildung, für welche sich auch P. Cassel a. a. 0. S. 14
entscheidet und auf das celtischc noll, neu = tönen, engl, knoll = läuten
hinweist.
Wenn sich nun, anscheinend lediglich in Anknüpfung an die beiden
Wörter campana und nola, jedoch «wohl erst seit dem 15. und 16. Jahr-
hundert, die fast allgemeine Überlieferung gebildet hat, dass der berühmte
Bischof Paulinus von Nola (um 400) der Erfinder der Kirchenglocken
sei, lässt sich dieselbe durch kein älteres Zeugnis bestätigen und wird da-
durch höchst zweifelhaft, dass Paulinus selbst in der genauen, bis ins
Einzelnste gehenden Beschreibung (ep. 12 ad Sever.) zweier von ihm zu
Nola erbauten Kirchen der Glocken keine Erwähnung thut, ebensowenig
als sein Zeitgenosse Hieronymus, welcher in mehreren seiner zahlreichen
Schriften dazu öftere Veranlassung gehabt hätte. ^ Ebensowenig beglaubigt
ist die Annahme Anderer unter den Neueren ^, welche den Nachfolger
Gregors des Grossen, den Papst Sabinianus (um 604) als Erfinder der
Kirchenglocken nennen, während doch vor seiner Zeit, wie bereits oben
erwähnt, die Glocken in Frankreich schon in kirchlichem Gebrauche waren ;
dagegen ist es wahrscheinlich, obgleich Anastasius, dessen Pontifikal-
Buch indes erst vom Jahre 708 an ausführlich wird, davon schweigt, dass
Sabinianus in den Kirchen, namentlich aber in der Peterskirche zu Rom,
die Bezeichnung der Tagesstunden durch Glockenschlag des Gottesdienstes
halber angeordnet hat^, was das damalige Vorhandensein von Kirchen-
glocken demnach voraussetzen würde, deren erste Einführung dunkel bleibt.
Wenn wir jedoch dieselben bereits nach der Mitte des sechsten Jahr-
hunderts in der fränkischen Kirche nicht nur, sondern unter Columba
(t 599) selbst in einem Kloster auf der entlegenen schottischen Insel Hy
(St. lona) gebräuchlich finden, und wenn dem irischen Mönche Dagäus
(t um 586) in Kloster Kieran, ob auch mit Übertreibung, nachgerühmt
wird, er habe „trecentas campa7ias^' verfertigt*, so wird, da nicht der
(Peristephanon Passio XI, p. 208: Campanus Capuae jamgue Nolanus adest), wie
P. Cassel a. a. 0. S. 13 bemerkt ^ freilich auch in dem aus dem Stadtnamen
gebildeten Adjektivum.
^ In einer diesem Kirchenvater von Lupus von Olmedo (f 1433) unter-
geschobenen Schrift „BegiUa monacharum^'^ kommen c. 33 und 39 ^^campanellae^'^
und der ,,campanilis sonus^^ vor. Vgl. Hieronymi Opp. 5, 421.
^ Vgl. Irenius Montanus, historische Nachricht von den Glocken. S. 15 f.
^ Kreuser, Christlicher Kirchenbau 1, 168. Vgl. Piatina, de vitis pontif.
(Colon. Üb . 1600), p. 84.
* Kai Cassel in Actis SS. Aug. III, 656, angeführt von W. Wattenbach
in der Zeitschr. für christl. Archäologie und Kunst I, S. 22.
12 Einführung der Glocken.
Norden, sondern Italien die eigentliche Heimat der Glocken sein soll, der
erste kirchliche Glockengebrauch daselbst in eine nicht unbedeutend frühere
Zeit versetzt werden müssen. Zieht man ferner in Betracht, dass schon
bei den alten Römern Klingeln als häusliche Weck-, iivohl auch als öffent-
liche Yersammlungszeichen üblich waren, so wird man auf die Vermutung
geführt, dass sich der Glockengebrauch ohne eigentliche Unterbrechung
aus der alten in die mittleren Zeiten fortgepflanzt habe, vielleicht zuerst
aus Gründen der Zweckmässigkeit von diesem oder jenem Kloster auf-
genommen worden und allmählich zur gemeinen kirchlichen Sitte ange-
wachsen sei, so dass wie im späteren Mittelalter aus den kleinen nach
und nach die Riesenglocken hervorgingen, so im frühesten aus den häus-
lichen Klingeln die ersten bescheidenen Glocken der Klöster und Kirchen. ^
Seit dem siebenten Jahrhundert finden sich nun im ganzen Abend-
lande immer zahlreichere Spuren vom kirchlichen Gebrauche der Glocken.
Als König Clothar die Stadt Sens in Burgund im Jahre 615 belagerte,
begab sich Bischof Lupus in die dortige Stephanskirche, und rührte (täti-
gere)^ um das Volk zu versammeln, das „sigjium ecclesiae'^i da wurden die
Feinde von so grossem Schrecken ergriffen, dass sie schleunige Flucht
nahmen. ^ — Als dem Bischof Rigobert von Reims (um 700) zwei Glocken
entwendet und nach der Gascogne gebracht worden waren, wusste er sich
sein Eigentum auf wunderbare Weise wieder zu verschaffen, und in der
betreffenden Erzählung des Flodoard ist vom kirchlichen Glocken-
gebrauche als von etwas Gewöhnlichem die Rede. ^ — Als Erinharius,
Propst in Wandrille, zwischen' 734 und 738 die dortige Michaelis-
kirche erbaut hatte, Hess er in dem Türmchen derselben, wie es
kirchlicher Brauch war^, eine Glocke aufhängen. — Gleichzeitig
gilt auch in England der Klang der Glocken für etwas Bekanntes,
und von hier aus, so scheint es, mag der Gebrauch derselben zuerst nach
Deutschland verpflanzt worden sein; mindestens findet sich erwähnt,
dass der englische Abt Gutberct, ein Schüler Beda's, dem Bischof Lullus
^ Als der heilige Benedikt um 495 seinen Aufenthalt in einer unzugänglichen
Felskluft bei Subiaco genommen hatte, wo er von einem vertrauten römischen
Mönche mit Nahrung versorgt wurde, befestigte dieser an das Seil, womit er den
Brotkorb in die Schlucht hinabliess, um dem Heiligen seine Ankunft kundzuthun,
ein parvum tintinnabulum. — Gab es vielleicht schon damals „majora tintinna-
hula?'' — Vergl. Gregorii M. dial. 2, 1.
^ Baronius, annal. eccl. ad a. 615.
^ Flodoard, bist. Rhemens. 2, 12. — Vergl. Binterim, Denkwürdig-
keiten IV. 1, 291.
* üt moris est ecclesiarum; vergl. Gesta abb. Fontanell. bei Pertz, Monuni.
Germ. SS. 2, 284.
Etymologisches über Glocke. 13
eine Glocke übersendet hatte. ^ — In Spanien, wo die Christen unter
arabischer Herrschaft bis zam Jahre 850 sich für die freie Ausübung ihrer
Religion des gesetzlichen Schutzes erfreut hatten, waren sie dennoch dem
Spotte des muhamedanischen Volkes ausgesetzt; besonders war es auch
das Läuten der Glocken, wodurch in den Kirchen zu allen kanonischen
Stunden die Gemeinde versammelt wurde, welches Anlass zu Schmähungen
des christlichen Glaubens gab ^; und als bald nachher nicht ohne Ver-
schuldung schwärmerisch übertreibender christlicher Eiferer der Argwohn
und die Verfolgungssucht des Kalifen rege gemacht war, liess derselbe die
Glocken samt den Zinnen der Kirchen hinabsttlrzen. ^ Aus dieser Nach-
richt erhellt, dass man ursprünglich die Glocken über den Kirchdächern
^ Gutberct schreibt (Bonifacii ep., ed. Würdtwein, ep. 124, p. 311):
Clocam gucdem ad ma/num hdbui (eine Handglocke — vergl. Didron^ Annales
arch^ol. 4 , 97) tuae paternitati mittere curavimus. — Das Wort cloca kommt
hier als Lateinisches zuerst vor, da in einem Briefe des Bonifatius selbst (a.
a. 0. ep. 37, p. 84), wo zwar einige Hss. „cloccam unam^^ haben, die Lesart
,,donum unum''' die richtige sein möchte. Anderweite Formen (vergl. Du Gange,
Gloss. t. 2) sind: clotcumy glogga, glocca, gloccum, clocha, clochum, klockum,
chlochiaj clogua. Als deutsches erscheint das Wort nicht vor dem neunten
Jahrhundert. Graff, Sprachschatz 4, 292 führt an: glocca in Emmeramer Glos-
sen des elften Jahrhunderts; glogga in einer Hs. des neunten Jahrhunderts;
docca in St. Galler Glossen des neunten Jahrhunderts. — Ho ff mann von F al-
le rsleben, Althochdeutsche Glossen, S. 57: cloca, clica in einer Wiener Hs.
des zehnten Jahrhunderts. — Angelsächsisch clticge (achtes Jahrhundert), irisch
clog, kymr. doch, auch im romanischen Sprachgebiete: provenzalisch cloca,
clocha, piemontesisch und comask. cioca, französisch cloche (während südlichere
Mundarten mit Italienern, Spaniern und Portugiesen das ältere campana, cam-
pano^ campaine, campainha, cambane gebrauchen); im Niederdeutschen klocke,
dänisch klokke, schwedisch Mocka. Das englische dock hat die Bedeutung Uhr
angenommen (die Glocke selbst heisst bdl von „bellen^', onomapoetisch). Nach
Diez a. a. 0. S. 549 ist die Herkunft des Wortes unsicher; man leitet es ab von
dem verlorenen althochdeutschen Thema CHLACHAN {f rangt, rumpi, dangere),
was Grimm (Haupt, Zeitschr. für deutsch. Altert. 5, 237) indes nicht wagen
mochte; vom angelsächsischen doccan, englischen duck, glucken, was P. Gas sei
(a. a. 0. S. 17) mit Hinweisung auf „die Gluckhenne*' (Matth. 23, 36) sehr ent-
schieden annimmt, während Diez bemerkt, dass es der Bedeutung nicht zusage ;
das französische cloche von clocher = hinken, in Beziehung auf das Hin- und
Herschwanken beim Läuten. — Jedenfalls ist das Wort schallmalend, wie (nach
Diez) schon Notker bemerkte: — a sono vocis, quod grammatici facticium
vocant, ut tintinnabulum et docca (Wackernagel, Voces animantium, p. 91). —
Auch das chinesische tchong ist onomapoetisch.
' Paulus Alvarus, Indiculus luminosus (in Flore z, EspaSa sagrada.
Ed. HI. Madr. 1792. 2, 229). — Vergl. Neander, Kirchengesch. 4, 91.
' Excelsa pinnacula, signorum gestamina. Siehe die Stelle des Eulogins
(t 869) bei Bona a. a. 0. S. 134.
14 Allgemeinheit des Glockengebrauches.
aufzuhängen pflegte, vermutlich, wie diese Sitte auch nach Entstehung der
Glockentürme von Einigen beibehalten wurde * und z. B. noch an Dorf-
kirchen des 12. und 13. Jahrhunderts im Magdeburgischen östlich der
Elbe beobachtet wird, zwischen zwei Pfeilern, in welche die westliche
Giebelwand zinnenartig ausläuft. ^ Mit dieser einfachsten Art, die Glocken
anzubringen, reicht« man indes nur so lange aus, als die Kirchen nur ein
Signum, eine Glocke besassen, was bis zum achten Jahrhundert überall
der Fall gewesen zu sein scheint; sobald das Bedürfnis mehrerer Glocken
entstanden war ^, wurden auch besondere Glockentürme erforderlich, zuerst
wohl blosse Dachreiter^ auf den Kirchen, dann, wie man in Italien die
meisten Beispiele davon findet, neben den Kirchen, dann an denselben,
endlich im gotischen Stile organisch mit dem ganzen Kirchengebäude ver-
bunden.
Die Zeit um die Mitte des neunten Jahrhunderts kann als die Epoche
bezeichnet werden, seit welcher der kirchliche Glockengebrauch als ein
ritus oecumenicus anzusehen ist: wir finden von da an die Glocken nicht
bloss in den Klöstern und in den Städten, sondern auch auf de^ Dörfern ^,
vielleicht sogar auf letzteren früher noch als in den Städten, um entfernt
wohnende Pfarrkinder herbeizurufen. — Auch in die morgenländische Kirche
ging damals der Gebrauch der Glocken über, indem im Jahre 865 (Baro-
nius, Annal. ad a. 865. n. 105. Vgl. Bona a. a. 0. S. 129) Herzog Ursus
^ Der Benediktiner Letal d am Ende des zehnten Jahrhunderts sagt in dem
Buche von den Wundem des Abts Maximinus von Mesmin bei Orleans (n. 3 —
inMabillon, Annal. Bened. sec. 1): Signum ttsibiM ecclesiae praeparari iusserat^
quod secundum guorundam morem per tectum ecclesiae elevatum est.
« Vergl. N. Mitt des Thür.-Sächs. Vereins III. 4, 106. Dergleichen Glocken-
giebel sind in Frankreich und England sehr häufig, auch für mehrere Glocken
eingerichtet.
^ Bei dem Tode des Abts Sturmi wurden nach dem Berichte seines Schü-
lers Eigil (Pertz, Moh. germ. SS. 2,377) zu Fulda alle Glocken (omnes glog-
gae) geläutet, also doch mindestens drei. — In der Traditio Abbatissae Emhildae
(bei Schannat, Corp. trad. Fuld. n. 140, p. 68) um 800 kommen vor: glockae IV,
et unum tintinnabuium,
* Nach Anastasi US baute Stephan III. im Jahre 770 einen Turm auf
St. Peter zu Rom für drei Glocken (Du Gange, ed. Hen^chel 2, 59). — - In
dem Inventar der Michaeliskirche auf der Insel Staphinsere (n. 2 Breviarium Ca-
roli M. c. a. 813, in Monum. Boica 7, 84) heisst es : pendentes super eandem
ecclesiam signa bona II etc. — In der um 734—738 erbauten Michaeliskirche zu
St. Wandrille (oben S. 12) war eine turricula zur Aufnahme der Glocke bestimmt.
^ Nach dem Traditionsbuche von St. Emeramm (Pezii, thesaur. noviss.
anecd. I. 3, 210) besass die Dorfkirche von Puebach in der Oberpfalz bereits im
Jahre 864 eine campana aenea und ein tintinndbulum.
Glockenhass der NichtChristen. 15
Patriciacus von Venedig dem .griechischen Kaiser Michael mit zwölf präch-
tigen Erzglocken ein Geschenk machte, welche auf einem bei der heiligen
Sophia zu Eonstantinopel erbauten Turme ihre Stelle fanden. ^ Doch hielt
man mit der berufenen orientalischen Zähigkeit und Stabilität an dem Ge-
brauch des alten Semandron fest, — nicht wegen Mangel an Erz, sondern
wegen des Altertums, sagt Fortunatus (de eccl. off. 4, 21. cf. 1, 12) — so
dass sich die Glocken nicht überallhin gleichmässig ausbreiteten ^, und über-
dies wurden dieselben nach der Eroberung Eonstantinopels durch die Türken
im Jahre 1452, meist wohl aus religiöser Antipathie % mit Ausnahme einiger
entlegenen Klöster^, förmlich wieder ausgerottet.
^ Nach Anderen (s. Du Gange a. a. 0., S. 60) sollen die Glocken erst im
Jahre 874 von Venedig nach Griechenland gekommen sein.
' Albert von Aachen, histor. Hierosol. 6, 40 sagt, dass die ersten Glocken
zu Jerusalem erst von den Kreuzfahrern unter Gottfried von Bouillon seien ein-
geführt worden.
° Schon unter den Arabern in Spanien waren die Glocken verhasst (s. S. 13),
und der türkische Schriftsteller Saadeddin hielt es für keinen der geringsten Vor-
teile der Eroberung von Jerusalem, dass die abscheulichen Glocken dadurch
seien zum Schweigen gebracht worden (Penny Magazine 3, 404). Überhaupt scheint
auch anderen Nicht- Christen der Glockenklang widerwärtig: die jüdischen Rab-
binen sind übel darauf zu sprechen, und es mag dahingestellt bleiben, ob aus
innerlicher Verachtung des Glockenaberglaubens der Christen. R. Bechai d. J.
(im 13. Jahrhundert) beschuldigt die Edomiten (d. i. die Christen), dass sie das
Läuten auf ihren Türmen, welches bei keinem andern Volke gebräuchlich sei,
von heidnischen Zauberern hergenommen hätten. (Comment. in llbr. Moys. fol. 96,
col. 1.) Im Sepher Nizzach heisst es zu Jes. 6, 18: „Das sind die Seile, womit
sie die Glocken Cjpnbpn) in dem Hause ihrer Gräuel zum Dienste ihres Gottes
ziehen.^^ Eifrige Juden verfehlten in früheren Zeiten wenigstens nie, wenn sie
das cfiristliche Glockengeläute hörten, die Verwünschungsformel zu murmeln:
Moschech bachevel jippol hasche fei y hachevel moschech jippol hachoschech (d. i.
Wer ziehet am Seil, soll fallen in Kot; am Seile wer ziehet, soll fallen in Fin-
sternis). Vergl. Alt, der christliche Kultus I, S. 64; Augusti, Denkwürdig-
keiten 4, 13. — In dem Leben des heiligen Anschar, geschrieben um 870 (Pertz
a. a. 0. 2, 716)^ wird erzählt, dass König Horicus der Kirche zu Schleswig, ,,quod
antea nefandum paganis videbatur^% den Gebrauch einer Glocke gestattet habe.
* Didron fand im Jahre 1839 in den Klöstern auf dem Berge Athos Glocken
vor, und schon Altatius erwähnt aus den Erzählungen eines Freundes, dass
daselbst mehrere und sogar sehr alte Glocken, sowie auch Schlaguhren befindlich
wären. (Annales arcb^ol. 5, 164. Bulletin monumental 10, 99.) — Auch auf dem
Libanon und in anderen Klöstern unter türkischer Landeshoheit kommen Glocken
vor. (Körte, das gelobte Land 1, 438.) — Alle diese Glocken scheinen jedoch
nur sehr klein zu sein.
16
IL Von der Weihe und der Taufe der Glocken.
Die kirchliche Weihe der Glocken, ehe sie ihrer Bestimmung über-
geben werden, ist für ebenso alt zu erachten, wie der kirchliche Gebrauch
der Glocken überhaupt: denn es finden sich neben der alten Kirchweihe
schon sehr frühzeitige Spuren von einer Weihung einzelner kirchlichen
Geräte, und im Zeitalter Gregors des Grossen, in welches, wie wir ge-
sehen haben, die Einführung der Glocken zu fallen scheint, war das kirch-
liche Zeremoniell bereits vollständig ausgebildet. Bei dem sich damals
immer mehr zum Magischen hinneigenden christlichen Zeitgeiste konnte es
nicht fehlen, dass man diese Weihe nicht sowohl für einen angemessenen
frommen Gebrauch zur Erweckung des christlichen Volkes ansah, als viel-
mehr dem W^ahne Raum gab, dass durch die geistliche Benediktion den
geweihten kirchlichen Geräten besondere höhere Gaben und Kräfte mit-
geteilt würden, welche sie vor der Weihe und ohne sie nicht besässen.
Dass sich namentlich an die Glockenweihe (benedwiio si-gni vel campanae)
frühzeitig abergläubische Vorstellungen angeknüpft haben müssen, lässt sich
aus einem die Glockentaufe betreffenden Verbote Karls des Grossen vom
Jahre ^89 schliessen : Ut docas non baptixent nee cartas per perticas appen-
dant propter grandinem (vergl. Pertz, Monumenta 3 [Legum 1], 69). Da es
dem Gesetzgeber nicht in den Sinn gekommen sein konnte, die kirchliche
Weihe der Glocken als solche schlechthin zu verbieten, so kann das Ver-
bot auch nicht gegen die Handlung selbst, sondern nur gegen gewisse damit
verbundene Missbräuche gerichtet gewesen sein. Letztere werden allerdings
nicht genannt, da aber das Gesetz die zwiefache Bestimmung enthält, das
Verbot der Glockentaufe und das Verbot des Aufhängens von Zetteln an
Stangen „propter grandinem^* , so wird es gestattet sein, die letzten Worte
auch auf die erste Hälfte des Gesetzes zu beziehen, also den Sinn so zu
fassen, dass beides verboten sein solle : des Hagels, überhaupt des Unwetters
wegen Glocken zu taufen und (mit Gebets- oder Zauberformeln beschriebene)
Zettel an Stangen aufzuhängen. Auf letzteren Umstand fällt genügendes
Licht durch die Erzählung des Gregor von Tours (de miraculis Martini,
1, 34), dass, da einer seiner Weinberge alljährlich durch Hagel verwüst •.
wurde, er an einem der höchsten Bäume ein Stück Wachs befesficrto,
welches vom Grabe des h. Martin hergenommen war, wonach der n t vor
schont blieb. Dass aber die Glocken behufs Abwendung vr;» ^lagri'.
^ Die Abwendung des Hagels wird in zahlreichen GlockeniDSchi ^^ifn iry <<
ders betont, z. B. auf der BrigitteDglocke der Pfarrkirche zu Burtscheid aus <! \
14. Jahrhundert: Grando michi cedit, tonitru fugit^ ignis obedit.
Liturgie der Glockentaufe. l 17
Sturm und Unwetter getauft (d. i. geweiht) wurden, und, da hier wie
gegen manchen andern Misshrauch der evangelische Sinn Kaiser Karls des
Grossen^ nicht durchgedrungen zu sein scheint, noch gegenwärtig in der
katholischen Kirche getauft werden, erhellt aus unbefangener Betrachtung
des Rituale, ist auch von den Verteidigern der katholischen Glockentaufe
wohl nirgends in Abrede gestellt, höchstens mit Stillschweigen übergangen
worden.
Solche Glocken, welche wie die städtischen Bannglocken ausschliess-
lich weltlichen Zwecken dienen, werden nicht kirchlich geweiht, und wenn,
wie es bei der Gegenreformation im 17. Jahrhundert in Deutschland und
Frankreich oft der Fall war, mit akatholischen Kirchen auch die Glocken
derselben an die Katholiken übergingen, wurden sie, wovon sich nach B 1 a v i g n a c
S. 461 viele Beispiele nachweisen la<;sen, zuerst exorcisiert und dann getauft. ^
Die liturgischen Vorschriften über die Glockenweihe, welche wegen des
dabei in Anwendung kommenden heiligen Chrisma zum bischöflichen Amte
gehört, obgleich es den Abten nachgelassen war, die eigenen Glocken ihrer
Klöster zu weihen^, finden sich, in wesentlicher Übereinstimmung mit den
übrigen alten Ritualen*, in dem Pontificale. Romanum (Bruxelles 1735. 2,
447 ff.) und sind folgende: Ehe die Glocke auf den Turm gebracht wird,
hängt man dieselbe in Mannshöhe so auf, dass man bequem herumgehen
und das Innere und Äussere berühren kann; dann wird neben d^r zu
weihenden Glocke xCür den Bischof ein Sessel hingestellt, sowie auf einen
Tisch verschiedene Gefässe: der Weihkessel mit Wasser, ein Salzfass, ein
reines Leinentuch zum Abtrocknen der Glocke, eine Flasche mit dem Öl der
Kranken, das heilige Chrisma, Thymian, Weihrauch, Myrrhen und das
Rauchfass mit Feuer. Der Diakonus bekleidet sich mit dem Schultcrtuch,
' Schnaase (Geschichte der bild. Künste 3, 657) hat das karoliug. Vetbot
der Glockentaufe auf die Namengebung bezogen, aber letztere ist doch nur ein
unwesentliches Moment, wie bei der Kindertaufe auch bei der kirchlichen Weihe
der Glocken. — Dass sich das Verbot hauptsächlich auf die mit abergläubischen
Vorstellungen verbundene Weihe von Hausuhren beziehe (Boeckeler. Beitr.
zur Glockenkunde, S. 8), kann nur als Verlegenheitsauskunft gelten.
^ Als nach der Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 die Katholiken zu
St. Barthölemi eine Glocke aus der zur Zerstörung verurteilten protestanti-
schen Kirche in La Kochelle erworben hatten, wurde die Glocke zuerst begraben,
dann zum Zeichen ihrer Wiedergeburt wieder exhumiert uud hierauf nach förm-
licher AbschwöruDg ihrer früheren Irrtümer getauft. So erzählt wenigtens der
streng katholische Konvertit Blavignac, la cloche a. a. 0.
^ Die Nachweisungen aus den Kanonisten s. bei Eschenwecker, vom
Recht der Glocken. S. 19.
* Meuard, ad Sacramentarium Gregor. Paris 1642. p. 207. Martine,
de ritibus. Rotomag. 1702. p. 369, 248 u. 269.
Otto, Glockenknnde. 2
18 Liturgie der Glockentaufe.
der Alba, dem GQrtel, dem Manipol, der Stola mid einer weissen Dalmatica.
Nachdem diese Anordnungen getroffen sind, hat sich der Bischof in der
Sakristei mit dem Schultertuch, der Alba, dem Gflrtel, der Stola und mit
einem weissen Messgewande bekleidet; eine einfache Mitra auf dem Hanpte,
den Hirtenstab in der Rechten, begiebt er sich nach der Glocke, setzt sich
vor derselben nieder und recitiert mit den Ministranten den 50. 53. 56.
66. 69. 85. und 129. Psalm, wobei am Ende jedes einzelnen Psalms das
Gloria Patri und das Sicut erat eingeschoben wird. Dann erhebt sich der
Pontifex, segnet mit bedecktem Haupte das Salz und das Wasser nach der
bei der Grundsteinlegung der Kirchen vorgeschriebenen Weise, nnd spricht
stehend barhaupt das Gebet Bene f die Domine hanc aquam etc. Nun
streut er das Salz in das Wasser, in der Gestalt des Kreuzes, sagend:
Commistio salis et aqttae etc. mit dem darauf folgenden Gebete, wie bei
der Grundsteinlegung der Kirchen, bedeckt das Haupt wieder nnd fängt an
die Glocke zu waschen, womit die dienenden Geistlichen fortfahren. Nach-
dem die ganze Glocke innen und aussen gewaschen ist, wird sie von den
Ministranten abgetrocknet; inzwischen setzt sich der Bischof nnd spricht
mit anderen Ministranten die sechs letzten Psalmen (145 — 150), wie vorhin
mit £inschiebung des Gloria Patri und des Sicut erat nach jedem Psalme.
Darauf steht er wieder auf, macht mit dem rechten Daumen mit dem
h. Öle der Kranken das Zeichen des Kreuzes äusserlich auf die Glocke,
legt die Mitra ab und betet: Deus, qui per beatum Moysetn etc. Nach-
dem er sich wieder bedeckt hat, trocknet er die Ölkrenze ab und stimmt
im achten Ton die Antiphon an: Vox datnini (Psalm 29, 3). Nun folgt
der Psalm 28 mit dem Gloria und Sieut^ worauf die Antiphon wiederholt
wird. Inzwischen macht der Bischof stehend mit dem rechten Danmen
äusserlich sieben Kreuze mit dem Öl auf die Glocke und innerlich mit
dem Chrisma, wobei er bei jedem Kreuze spricht: Sanctifficetur et conse-
icretur, Doynine, sigmim istud, in tiomine Pajtris et Fi flu et Spi-
ritus t Sancii. In honorem Sancti N. Pax tibi. (Nach den Vorschriften
des Lütticher Rituale [Martene a. a. 0. S. 370] werden von den sieben
äusseren Kreuzen vier in gleichen Abständen unten am Kranze gemacht
und die übrigen drei oben um die Haube der Glocke, so dass sie mit den
unteren Dreiecke bilden; die vier inneren Kreuze werden in gleichen Ab-
ständen von einander an den Schlagring gezeichnet. — Zum Auffangen
des abtriefenden Weihwassers wird ein Gefäss unter die Glocke gestellt,
und die Trockentücher werden nach beendigter Räucherung verbrannt.)
Wenn dies geschehen und der Gesang zu Ende ist, betet der Bischof stehend
und barhaupt die Kollekte: Oninipoteiui .sempiierne dnts etc. (worin die
bezeichnenden Worte: Tu hoc tintiminhulum coeksii Item^ diction^ per-
Kritik der Glockentaufe. 19
funde, ut ante sonihim eius longius effugentur ignita iacula inimici, per-
cussio fulminum etc.). Darauf setzt und bedeckt sich der Pontifex, streut
auf das Rauchfass Thymian, Weihrauch und Myrrhen, oder was von diesem
Rauchwerk gerade zu haben ist, und das Rauchfass wird unter die Glocke
gestellt, so dass sie den ganzen Rauch in sich aufnimmt, während der Chor
im achten Ton die Antiphon singt: Deus in sancto etc. (Psalm 76, 14).
Dann folgt der 76. Psalm mit dem Ohria und Siciit, worauf sich der
Bischof wieder erhebt und mit entblösstem Haupte die Kollekte Omni-
potens dominator Chrisie etc. (worin, wie vorhin Gott Vater, nun auch
Christus angerufen wird: Tu hoc tintifinabulum S. Spiritus rare perfundCy
ut etc.). Zuletzt endlich spricht der Diakonus: Dcytninu^ vobisciim (R. Et
cum spirüu tue) und verliest die Perikope Luc. 10, 38 — 42, nach deren
Beendigung der Bischof das ihm dargereichte Evangelienbuch küsst, über
die geweihte Glocke das Kreuz macht, sich bedeckt und entfernt.
Abgesehen von der ermüdenden Wiederholung derselben Gedanken und
Worte in den verschiedenen Gebeten dieser Liturgie, beweist schon, im
Vergleich mit dem viel einfacheren und kürzeren Ritus bei der Weihung
anderer heiligen Geräte, die Länge derselben (das Ritual der Karmeliter
bei Martene a. a. 0. S. 371 enthält ein bei weitem einfacheres Zeremoniell
ohne Anwendung des Chrisma, weshalb auch ein gewöhnlicher Priester als
Konsekrator hinreicht) die ganz besondere, übertrieben zu nennende Wich-
tigkeit, welche das Mittelalter auf die Benediktion der Glocken zu legen
beflissen war, und wenn auch die Kirche stets weit entfernt gewesen ist,
den Glocken und anderen leblosen Dingen das Sakrament der heiligen
Taufe zu erteilen, so ist es doch, indem die äusseren Gebräuche bei der
Glockenweihe mit den wesentlichsten Zeremonien bei der Kindertaufe über-
einkommen, fast als eine notwendige Folge anzusehen, dass in der Laien-
welt, welche von allen den lateinischen Gebeten nichts verstand und nur
dem äusseren Ritus zu folgen vermochte, nicht bloss der Nam^, sondern
auch der Begriff einer wirklichen Glockentaufe üblich werden konnte.
Auch wird sich die katholische Kirche von dem Vorwurf nicht reinigen
können, den Irrtum des Volkes nicht bloss nie bekämpft, sondern vielmehr
durch weitere Ausspinnung der Zeremonien ihrerseits noch bestärkt zu
haben ^; wir rechnen dahin die Namengebung und die Zuziehung von
Gevattern. ;,
Was zunächst die Namengebung anbetrifft, so lässt sich voraus- ^.
^ Benedikt XIV. (1740 — 1758) sagt Inst. 47: Animadvertendum est, huiq
henedictimii nomen haptismi concedi, qtiod quidem eccleitia non cooptavit, Rea
tantum aequo animo patitur.
2*
20 Glockenirameu.
setzen, dass, so lange jede Kirche nur Ein Signum hatte, das Bedürfnis
dazu nicht vorhanden war, sondern erst dann eintrat, als es im achten
Jahrhundert gebräuchlich wurde, mehrere Glocken zu einem Geläute zu ver-
einigen, um die einzelnen näher bezeichnen zu können, und um sie in der
Praxis nicht miteinander zu verwechseln. Das Naheliegende dieser ur-
sprünglich kein religiöses Moment an sich habenden Gewohnheit geht schon
daraus hervor, dass auch die Chinesen ihren Glocken Namen geben ^ —
wie aus ähnlicher Veranlassung alle Nationen den Schiffen Namen beilegen
und sie taufen ; gerade die an sich unschuldige Namengebung aber scheint,
in Verbindung mit den übrigen Zeremonien, den volksmässigen Begriff der
Taufe zu bedingen, weshalb auch wohl von einer Taufe der Kirchen und
Altäre die Rede ist ^, indem diese bei ihrer Konsekration einem bestimmten
Heiligen dediciert werden. — Die ältesten bekannten Beispiele von Glocken-
namen fallen in das letzte Viertel des zehnten Jahrhunderts, und Papst
Johann XIII., welcher im Jahre 968 einer Glocke der Laterankirche —
nach sich oder nach dem Patron der Kirche — den Namen Johannes
beilegte, wird gewöhnlich als Vater dieser Sitte bezeichnet^; allein etwa
gleichzeitig legte auch der im Jahre 975 verstorbene Benediktiner -Abt
Turketul von Croyland in Lincoln einer grossen Glocke nach dem Patron
seines Klosters den Namen Gutlue bei, und sein Nachfolger Egelric goss
ein aus sechs Glocken bestehendes Geläut: die beiden grössten Glocken
nannte er Bartholomäus und Bdtelin^ die beiden mittleren Turketul und
Tatmin^ die beiden kleinsten endlich Pega und Bega.^ — Nach dem Be-
richt des Mönchs Helgald von Fleury (um 1050) Hess um das Jahr 1000
König Robert von Frankreich für die Anianuskirche in Orleans fünf Glocken
giessen, deren grösste dem Geber zu Ehren Bobertus genannt wurde. ^ —
Einer aus derselben Zeit rührenden Nachricht zufolge liess der Abt Teuto
von St Maur-les-Foss6s für die von ihm neu errichtete Klosterkirche zwei
kostbare Glocken anfertigen, deren einer er seinen Namen beilegte.^ —
Schon aus diesen ältesten Beispielen erhellt, dass man die Glockennamen
von den Patronen oder Donatoren herzunehmen liebte; und wie man in
^ Nach der Angabe des Jesuiten Le Comte (Nouveaux m^moires sur Tetat
de la Chine. Amsterdam 1698. 1, 115) heissen die vier grossen Glocken in Nan-
king: Tcfumiy die Hängende; Che, die Essende; Choüi oder So, die Schlafende;
Fi, die Fliegende.
* Bona a. a. 0. S. 139. Luther bei Walch 11, 63.
' Baronius, Annal. ad a. 968.
* Ingulfus, Hist. Script, post Bedam (ed. Saville. London 1596), foL
505 b. — Vergl. Mabillon, Act. Bened. sec. 5. p. 619.
* Martine a. a. 0. S. 368.
« Martine a. a. 0. S. 309.
Glückennauien. ^^i
der älteren Zeit männHche Namen vorgezogen zu haben scheint, indem nur
die beiden kleinsten Glocken Egelrics die weiblichen Namen Pega und Bega
führten, so wählte man späterhin am häufigsten weibliche, wogegen sich
männliche Glockenuamen seltener vorfinden. (Der Dom von Erfurt hat
vier Glocken mit männlichen Namen: Andreas, Joseph, Christoph und Jo-
hannes, sämtlich erst aus dem 18. Jahrhundert; die Sigismund-Glocke der
Marienkirche in Danzig war unter diesem Namen schon im Mittelalter vor-
handen.) — Zu Anfang des zwölften Jahrhunderts Hess Abt Rudolf von
St. Trou sechzehn Glocken giessen und umgiessen, welche alle weiblich
benannt wurden, selbst dann, wenn sie ihre Namen von männlichen Heiligen
erhielten: Aurelia, Benedicta, Nicolaa, Tnida, Stephania; eine nicht für
das Kloster selbst, sondern für die Pfarrkirche St. Maria bestimmte Glocke
wurde Füiola getauft, und der Name einer andern Glocke ÄngtiMia sollte
daran erinnern, dass die Abtei im Jahre 800 von dem Herzoge von Löwen
mit Feuer und Schwert verwüstet worden war. ^ — Nach dem Chartula-
rium von Laon schenkte Bischof Wilhelm von Troyes auf seinem Sterbe-
bette der Kirche zu Laon im Jahre 1272 eine Glocke, welche Guülemettc
genannt und zum Läuten während der Prozession des heiligen Sakraments
bestimmt wurde.^ Manche andere Glockennamen sind nicht sowohl Nomina
propria, als appellativa, z. B. die Sonntagsglocke Dominica von 1575 und
die vermutlich für die kleinen Feste bestimmte, im Jahre 1667 umgegossene
Ajwstolica des Domes zu Magdeburg; die grösste Glocke daselbst heisst
Maxiina, und die auf dem Dome zu Halberstadt Damina; auf dem Dome
zu Merseburg findet sich eine Quarta und eine Nana, beide von 1458;
auf dem Freisinger Dome giebt es eine Secltserin, Fünferin, Vierer in u.
s. w. bis Einserin. Die beiden grössten mittelalterlichen Glocken des
Kölner Domes von 1448 und 1449 heissen Pteciosa und Spedosa; eine
Glocke zu Hildesheim aus dem elften Jahrhundert hiess Cantahana, eine
andere, ursprünglich vielleicht ebenso alte zu Merseburg heisst Clinsa
d. i. Klingerin, im Yolksmunde Schnarre; eine Glocke zu Houen hiess Rou'-
velle (von rauaier, dem Schnurren der Katzen). — Beim Umgusse älterer
Glocken behielt man entweder den alten Namen bei oder wechselte den-
selben, während zuweilen der ursprüngliche Name im Yolksmunde fortlebte.
Die grosse Glocke von Erfurt, welche an die Stelle ihrer im Jahre 1472
geschmolzenen Vorgängerin 1497 trat und wie diese Maria Glariosa getauft
wurde, heisst im Volke die grosse Susanna, wie es scheint korrumpiert aus
* Spicileg. chronic, abbat. S. Trudonis. 7, 459. — Vergl. Bulletin monumental
10, 102.
= Bulletin, mon. a. a, 0. S. 120
22 Glockennamen.
Osanna (Luther bei Walch 11, 63), ähnlich schallmalend, wie bei den
Franzosen Bourdon (Brummer) überhaupt Bezeichnung einer grossen Glocke
ist.^ — In Oxford lebt der „Great Tom/^ ebenfalls noch fort, obgleich die
betreffende Glocke schon bei einem Umgusse unter der blutigen Maria nach
dieser Königin Maria genannt wurde. — Ebenso wie die Eirchenglocken
hatten auch die ausschliesslich für weltliche Zwecke bestimmten Rathaus-
glocken, welchen eine kirchliche Weihe nicht zu teil wurde, ihre Namen,
wie es scheint ebenfalls oft mit Beziehung auf ihren Gebrauch : so heissen
zwei Glocken auf dem gössen Uhrturme des alten Rathauses von Ronen,
welche anscheinend aus dem 13. Jahrhundert herrühren, die eine Caelw-
Ribaud, die andere Rauvelle^, und eine Glocke des Rathauses zu Breslau,
ursprünglich vom Jahre 1360, heisst Pfennige. — Endlich hat man zu
unterscheiden zwischen eigentlichen Taufnamen und gewissen bloss volks-
massigen Benennungen: wie wenn eine Glocke des alten Doms von Köln
wegen ihres rauhen Tones das Eätiericlien und eine andere auf der Cäci-
lienkirche daselbst der Sau fang genannt wurde; auch der Name der Butter-
glocke auf dem vom Erlös des für das Butteressen zur Fastenzeit erteilten
Dispens erbauten Butterturme zu Ronen, und der Name Pimmierin für
eine Glocke von St Stephan in Wien und Brarnnie für eine Glocke in
Calbe a. S. gehören hierher, teilweise auch die in alten Inventarien des
Domes zu Halberstadt den dortigen Glocken gegebenen Benennungen:
Donna (d. i. Domina), Osanna, erste und zweite Spendeglocke, LangJwls,
Brattvurst, Sauerkohl, Länimelvßn, Stimpimp, Adam. Die jetzige Schlag-
glocke im Rathausturm zu Rheinberg von 1727 heisst im Yolksmunde die
Butter 'Agnes, vielleicht weil sie in früherer Zeit geläutet wurde, wenn
der Buttermarkt angehen sollte.
Für unumgänglich notwendig hat man es jedoch keineswegs gehalten,
den Glocken bei ihrer Weihung auch einen Namen beizulegen: denn nach
Mart^ne's Zeugnis ist, wie in dem römischen Pontifikale, so in den meisten
übrigen alten Ritualbüchem von der Namengebung nichts erwähnt, und das
Pontifikalbuch des Remigius von Reims aus dem zwölften Jahrhundert stellt
die Beobachtung dieser Sitte dem freien Ermessen anheim: „si velis,^^'^
Dagegen nimmt gerade die Namengebung in einem Lütticher Rituale, wo
^ Der bekannte Spruch : „Die grosse Susanna treibet die Teufel von danna'*
wird nicht bloss von der Erfurter Riesin angeführt, sondern auch von einer im
Jahre 1472 geschmolzenen grossen Glocke der Pfarrkirche zu Schwabach von 1415,
bei welcher eine Jungfrau, Namens Susanna, Patenstelle vertreten und ein Stück
Feld zum Eingebinde gegeben hatte. Vergl. Aufsess, Anzeiger für Kunde des
teut. M.-A. 1832. S. 66 f.
^ Richard, Cloches du Beffroy de Rouen (Rouen 1847. 11 S. 8).
^ Martcne a. a. 0. S. 369.
Glockenpaten. 23
die Glocke mindestens elfmal namentlich angerufen wird, die hervorragendste
Stellung in der ganzen Feierlichkeit ein, bei welcher wir hier auch der
Zeugen oder Paten Erwähnung gethau finden^; allerdings nicht gerade
unter diesem Namen, aber soweit die äusseren Gebräuche darüber ent-
scheiden können, offenbar in dieser Stellung, wie denn, abgesehen von der
mindestens zweifelhaften amtlichen Ansicht der Kirche, im späteren Mittel-
alter die grosse Masse des Volks sich keines Unterschiedes bewusst war
zwischen Glockentaufe und Kindertaufe, und zwischen dem Gevatterstande bei
einer Glocke oder bei einem Kinde: man erliess förjnliche Gevatterbriefe ^ und
machte einen Unterschied zwischen Paten und Zeugen (Gross-Paten und Godten).
Die Paten mussten ein an die Glocke gebundenes Seil anfassen, dem Weih-
bischof die Namen der Glocke, wie bei der Taufe der Kinder Gebrauch,
nachsprechen und eine Verehrung (Eingebinde) machen ^\ der Glocke wurde
nach der Taufe ein Westerhemd angelegt. Überdies war die Feierlichkeit
durch die Zuziehung des bischöflichen Suffragans, dem ein Geschenk ge-
macht werden musste, und durch das darauf folgende Festmahl oft sehr
kostspieliger Natura weshalb man viele und reiche Zeugen einlud, um sich
an den Patengeschenken wieder schadlos zu halten. Unter diesen Umständen
^ Martine a. a. O.S. 370 f. — Rocca (de campanis, im : Thesaurus pontif. anti-
quitat. 1, 165) nennt die Zuziehung eines Mannes und einer Frau aus den angesehenen
Gemeindegliedern als Paten eine namentlich in Spanien übliche Sitte.
^ Einen dergleichen von den Alterleuten zu Weissenfeis an den Rat zu
Merseburg vom Jahre 1423 findet man in Thümmel, Weissenfelser Neigahrs-
blatt von 1838, 8. 4, und einen ähnlichen von dem Kirchenpatronat und den
Alterleuten zu Klein- Vargula bei Langensalza an den Rat zu Tennstadt von 1516
in J. Chr. Olearius, Syntagma rer. Thuring. p. 364 f. und daraus im Christi.
Kunstbl. 1866, 8. 166 abgedruckt. Derselbe lautet: ,,Unsre freundlichen Dienste
zuvor. Ersatne, weise Herren. Wir seynd mlhfiSf loiWs Gott, unsrä Glocken
auf den Sonntag Exaltationis S. Cruds nächstkommende nach Ordnung der Hei-
ligen Christlichen Kirche zu weyhen und taufen zu lassen: Ist unsre gütliche
Bitt, wollet auf vermeldte Zeit um Gottes Willen bey uns samt andern unsren
guten Freunden erscheinend und Gross -Pate mit sein. Wollet das Lohn von
dem Allerhöchsten Gott und dem Patrono S. Sixto und der heiligen Jungfrauen
S. Julianen nehmen, so wollen wirs willig gern verdienen. Datum Sonntag nach
Egidii anno 1616."
° Eine Glocke zu Notre-Dame du Thil bei Beauvais von 1580 ist fast ganz
mit einer Inschrift bedeckt, in welcher die Zeugen und Gevattern mit allen ihren
Titeln aufgeführt werden. Vergl. Bulletin monumental 10, 108 f. — Bei der Taufe
der grossen Glocke für den Dom zu Halle unter Erzbischof Albrecht vertrat der
Stadtrat durch vier Deputierte Patenstelle und verehrte 50 Fl. Vergl. Olearius,
Ilalygraph. p. 236.
* Die beiden Mahlzeiten bei der Taufe der im Jahre 1510 gegossenen Wein-
und Messglocke auf der Moritzkirche zu Kobürg z. B. kosteten dem Rat 114 Fl.
24 Streitigkeiten über die Glockentaufe.
draugen die deutschen Reichsstäude auf der Versammlung zu Nürnberg 1522
in dem 51sten Bescbwerdepuukte bei dem päpstlichen Legaten auf Ab-
stellung der mit der Glockenweihe verbundenen volksverführerischen und kost-
spieligen Missbräuche, wollten sich jedoch, obschon sie das Unevangelische der
ganzen Zeremonie anerkannten, das übrige (Weihwasser, Salz, Räucherwerk
u. s. w.) noch gefallen lassen, falls nur jedem Priester die Weihe, nach gewohnter
Weise und ohne Kostenaufwand für die Laien, vorzunehmen nachgelassen
würde. ^ Hieran knüpfte sich nun ein Streit zwischen den katholischen
und protestantischen Theologen, in welchem letztere es den Gegnern da-
durch leicht machten, dass sie den Terminus „Taufe'^ zu stark urgierend,
lediglich im Hinblick auf den äusseren Ritus die katholische Kirche be-
schuldigten, leblose Dinge taufen zu wollen (vergl. Luther bei Walch
19, 1494), welches die Gegenpartei mit Hinweisung auf ihre nur von einer
benedu-iio camjjanaruvi sprechenden Ritualien als sinnlos und lächerlich zu-
rückwies (vergl. Sala zu Bona a. a. 0. S. 138 f.). Dagegen war es
eine schwache Ausflucht der Katholischen, dass sie, da die Übereinstim-
mung der äusseren Gebräuche bei der Taufe und bei der Glockenweihe nicht
in Abrede zu stellen war, um den Verdacht einer Persiflage des heiligen
Sakraments (Luther sagt auf Deutsch ^^Affenspiel^') von sich abzuwenden,
allegorisierend erklärten, es sei nicht die Taufe, sondern nur ein Sinnbild
derselben, was den Glocken zu teil würde.^ Abgesehen von dem Volks-
verführerischen in jener anstössigen Übereinstimmung des äusseren Ritus
liegt das eigentlich Unevangelische der katholischen Glockenweihe in der
magischen Konsekrations-Theorie der katholischen Kirche, wie sich dieselbe
in denjenigen Gebeten des römischen Pontiflkale, wo geradezu von Erfüllung
der leblosen Glocke mit dem heiligen Geiste die Rede ist, deutlich dar-
legt, mögen die Satzungen des sich im Gewissen getroffen fühlenden Pro-
vinzial-Konzils zu Köhi vom Jahre 1536 (vergl. Sala zu Bona a. a. 0.)
immerhin das Wegerklären des Magischen versucht haben. Dass der Glocke
durch die bischöfliche Weihe höhere Kräfte, besonders zur Vertreibung
der bösen Geister und Unwetter, zu teil werden, ist der Satz, den die
katholische Rechtgläubigkeit festhalten^, der evangelische Sinn dagegen
5 Pfd. 23 Pf. (vergl. Aufsess a. a. 0. S. 141); dies erscheint jedoch noch
massig, denn nach dem ständischen Gravamen (s. die folgende Anmerk.) sollen in
einem „schlechten Dorfe'' dabei oft etliche 100 Gulden darauf gegangen sein.
^ Siehe den Text des ständischen Gravamens bei Bingham a. a. 0. 4,
184 f. aus: Wolf, Lect. memorab. cent. XVI. ann. 1551. p. 539 f.
- Marlene u. a. 0. S. 368.
^ Steph. Durant, de rit. eccl. cathol. 1, 22 (Col. Agripp. 1592, p. 177): Ad
dbigendos et propulsandos nvalignos Spiritus, visum est patribus eas lavare^ betie-
Streitigkeiten über die Giockeutaufe. 25
im Bunde mit dem gesunden Menschenverstände verwerfen muss:' die Kraft
des lebendigen Gottesgeistes ist nur mitteilbar dem Lebendigen, nicht aber
dem Toten. ^
Der Streit über die Glockentaufe ^ dauert»/ zwischen beiden Kirchen
bis ins 18. Jahrhundert fort, zuletzt aber waren es katholische Rationa-
listen, welche die Entschuldigungen der römischen Verteidiger für seicht
erklärt ^ und sich am stärksten gegen diesen ihnen verabscheuungswürdigen
Gebrauch ihrer Kirche ausgesprochen haben ^, während andere katholische
Schriftsteller das magische Element des Rituale lediglich mit Stillschweigen
übergingen. * Wenn endlich ein Vertreter ^ der neueren, wenn auch nicht
neuesten und approbierten katholischen Rechtgläubigkeit sich über die
Glocken weihe folgendermassen ausspricht: „Wenn man erwägt, wie bedeu-
tungsvoll diese metallene Zunge (die Glocke) ist, und wie viel Freud und
Leid sie verkündet: so hat die Kirche volles Recht, auch bei dieser Ge-
legenheit durch einen frommen christlichen Spruch an den Ernst und
Wechsel des Lebens zu erinnern'^ — so könnte sich, wenn nur die magi-
schen Zeremonien nicht wären, die evangelische Kirche mit diesem schönen
Worte um so mehr einverstanden erklären, als sie ein solches „Erinnern^^
dicere et wigere, ut vestimenta eccleaiastica etc. — Völlig korrekt sagt unter
Berufung auf Benger, Pastoral theologie 2, 139 Boeckeler (a. a. 0. S. 72 f.):
„Die Glocke der katholischen Kirche ist nicht ein blosses Naturkind . Die
Segnung ist die Thür, wodurch sie aus der Natur in die katholische Kirche
gelangt, vom Fluche der Natur befreit und mit der Segenskraft der Kirche erfüllt
wird . Die katholische Glocke ist getauft und hat durch die Segensgebete
der Kirche gleichsam auch eine Seele, einen Geist bekommen.*' — Wenn Brenner
(Geschichtl. Darstellung der Verrichtung der Taufe, S. 183) sagt: Die Glocken-
taufe ist daher jetzt eine blosse Benennung der Weihe, welche mit denselben
Zeremonien auch bei anderen Gegenständen, z. B. Tempeln, Altären, Gefässen
vorgenommen wird — so steht diese beschönigende Behauptung im Widerspruche
mit den Ritualien.
^ Art. Smalcald. ed. Mar hei necke, p. 85. — Form. Concord. VIL ed.
Rechenb. p. 750.
^ Siehe die Litteratur bei Sala zu Bona a. a. 0. S. 138 f. und bei Bing-
ham, Origines 11, 4 §. 2 (ed. Grischow 4, 148). Vergl. P. Vergerius, de
aquae bened. et campanae baptizatae origine. — G. H. Goetze, de baptismo
campanarum. Lubec. 1712. — J. Plermannsen, de bapt. camp. Holmiae 1728.
— Augusti, Denkwürdigkeiten 7, 114; 10,208; 11,421. — Daniel in der En-
cyklop. von Ersch u. Gruber. I. Sect. 70, 99.
« Michl, Kirchengesch. 2. Aufl. 2, 146 f.
* Die kathol. Kirche Schlesiens. S. 323 ff.
^Z. B. Grundmeyer, Lexikon der röm.-kathol. Kirchengebräuche, unter
Glocke.
® Walther, Lehrb. des Kirchenrechts. § 273.
\
26 Glockenpredigten.
nicht bloss für ihr Becht erkennt, sondern für ihre Pflicht gegen die
gläubige Gemeinde ansieht and beobachtet; es vertritt daher die Stelle
der katholischen Glockentanfe bei den Protestanten die Glockenpredigt,
von welcher sich indes schon Spuren vor der Beformation finden: das
Lütticher Bitualc (Martine a. a. 0. S. 371) z. B. stellt es dem Kon-
sekrator frei, nach vollbrachter Weihe das Volk über die Ursache der-
selben zu belehren, dass dadui'ch nämlich die Glocken gegen Unwetter und
teuflische Anfeindungen gekräftigt würden, während das Kölner Provinzial-
Konzil von 1536 das Volk zu belehren verordnet, ,jUt signatis potitis,
quam signis inhaereaf^, ^ — Die älteren protestantischen Glockenpredigten ^
sind meist teils archäologischen, teils gegen die katholische Glockentaufe
polemischen Inhalts und riefen katholische Gegenpredigten hervor; die
späteren rationalistischen handeln namentlich in ästhetisch -sittlicher Be-
ziehung über den verschiedenen Gebrauch der Kirchenglocken im Sinne
von Schillers „Lied von der Glocke''; die neueren stellen sich mehr auf
einen kirchlich -gläubigen Standpunkt.^ — In der Begel erhalten die
Glocken der Protestanten keine eigenen Namen; ein sinniges Beispiel vom
Gegenteil giebt eine Glocke, welche König Friedrich Wilhelm IV. von
Preussen der Kirche in Oranienburg zur 200jährigen Stiftungsfeier der
Stadt im Jahre 1850 geschenkt und derselben den Namen „Zuversicht'^
beigelegt hat, hergenommen aus dem „eigenen Liede'^ der ehemaligen Stif-
terin der Stadt, Kurfürstin Luise von Brandenburg: Jesus, meine Zuver-
* P. 9, c. 14 (T. 6 conc. Genn., p. 295).
« Z. B. von Superint. Helwig Garthius über 4. Mose 10, 7—10 (Oschatz
1606), von D. Schubartus über das Sonntagsevangelium Matth. 22, 1—14 (Halle
1662), von Diakonus M. Seebisch (Dresden 1675), von Hofpred. Lic. Sam. Bal-
dovius über Ps. 27,4 (Schloss Bevem 1680), von Superint. Jac. Wächtler in
Beizig 1697 über das Sonntagsevangel. Matth. 22,15-22 (abgedr. in Eilers,
Chron. Belticense, S. 172 fP.). — Die Predigt von Baldovius handelt nur im
Eingange von den Glocken und beginnt mit dem Votum:
Gott, der uns zu der heügen Stät
Zu seinem Wort und zum Gebet
Durch Glocken rufet früh und spät,
Helf, dass zu seines Namens Buhm
Wir gerne gehn zum Heiligtum^
Uns auferhaun im Christentum
Durchs Gesetz und Evangelium,
Bis unser Jesus kommt heran
Und zeucht die letzte Glocke an.
* Z. B.: ü. Böttcher, Pastor zu Pinne, bei der Einweihung der ersten
Glocke zu Lewitz-Hauland 1854. Rede über den Namen derselben „Gratia", ab-
gedr. in den Werderschen Bibelberichten 1855, Nr. 10, S. 73—78.
Kirchliche FürbittCD. — Volksfeste. 27
sieht. Nach vorangegangener geistlichen Weiherede auf einem Platze der
Stadt wurde die geschmückte Glocke in Prozession zor Kirche geführt,
wo demnächst die eigentliche Glockenpredigt gehalten wurde.
Schliesslich mag die ältere Praxis der lutherischen Kirche Erwähnung
finden, wonach, da das Werk des Glockengusses ein gefährliches ist, kirch-
liche Fürbitten für das Gelingen desselben stattfanden^, wie auch schon,
falls die Glocken innerhalb der Klöster gegossen wurden, in der katholi-
schen Kirche ähnliche Gebete angeordnet sind ^, und in mancher Giesshütte
herrscht noch die fromme Sitte, mit entblösstem Haupte ein stilles Gebet
zu verrichten, während sich die Form füllt. — Die bischöfliche Kirche
Englands allein scheint jede religiöse Feierlichkeit bei der Erwerbung
neuer Glocken aufgegeben zu haben; es ist dort lediglich das in katholi-
scher Zeit mit der Glockentaufe verbundene Volksfest übrig geblieben und
in widerwärtige Boheit ausgeartet. ^ — In Frankreich ist es üblich, nach
der Einweihung neuer Glocken Geschenke an das versammelte Volk zu
verteilen. *
IIL Vom Gebrauche der Glocken.
Die in der Konsekrations - Liturgie enthaltenen Gebete deuten auf eine
zwiefache Bestimmung der Glocken hin: einmal sollen sie dienen als Ver-
sammlungszeichen für die Gemeinde, dann als Abwehr der Dämonen und
^ Eschenwecker, vom Recht der Glocken, S. 19. — Eine Fürbitte für
den GuBS der Apostolica des Magdeburger Domes 1689 ist mitgeteilt in den 6e-
schichtsbl. für Stadt und Land Magdeburg. 1868. III, 460.
' Martine a. a. 0. S. 371. — Als beim Gusse der grossen Glocke des Er-
furter Domes am 8. Juli 1497 die Speise um 10 Uhr Abends flüssig war, kamen
die Geistlichen der Kirche mit Litaneien und dem heiligen Sakrament und setzten
es auf einen Tisch, der schön geschmückt war mit mancherlei Blumen und wohl-
riechenden Kräutern, vielen Lichtem und Fahnen und Kerzen. Als alles gelungen
und das Werk vollbracht war, sangen die Geistlichen das Tedeum. Vergl. v. Tet-
tau, der Meister u. s. w. der gr. Domgl. zu Erfurt, S. 8.
^ Gatty, the Bell^ p. 29: Then cotnmences the profane christening. In
the bell, tohich h<i8 been inverted for the purpose, mine host mixes a motly Com-
pound of beer, rum etc. , which is liberally dispensed to the good-humowred by-
standers.
* Als im Jahre 1863 in Dijon drei neue Glocken eingeweiht worden waren,
warf man in Anschluss an die kirchliche Feier von einer Galerie der Kathedrale
eine halbe Stunde lang über 400 Pfund Bonbons unter die unten versammelte
Menge des Volkes, das sich lustig darum balgte. Unter die Armen wurden
23 Centner Semmelbrot verteilt. Vergl. Blavignac, la cloche, p. 371.
28 Verschiedene Bestimmung der Glocken.
der von denselben kommenden bösen Einflüsse. Aus dieser zwiefachen,
überhaupt aus der mehrfachen Bestimmung der Glocken erwuchs, um Irr-
tum zu vermeiden, sehr frühzeitig das Bedürfnis mehrere Glocken von
verschiedener Grösse und von verschiedenem Ton anzuschaffen, von denen
die einen den verschiedenen Versammlungszwecken, die anderen der Ab-
wehr der bösen Geister u. s. w. vorzugsweise gewidmet wurden; es finden
sich daher selbst in den kleinsten Pfarrkirchen mindestens immer zwei
Glocken, gewöhnlich aber drei, schon um der vollständigeren Harmonie
willen: wo sich weniger finden, ist Mittellosigkeit, wo sich mehr finden,
Reichtum der Kirchenfabriken imd höhere Bedeutung der betreffenden
Kirchen die gewöhnliche Ursache. Carl Borromäus (t 1584) setzt für
seinen Mailänder Erzsprengel (de instructione fabricae 1, 25) für eine
Kathedrale sieben oder mindestens fünf Glocken fest, für eine KoUegiat-
kirche drei, für eine Pfarrkirche ebenfalls drei oder wenigstens zwei
Glocken. — Bei gewissen Veranlassungen pflegt nur eine, bei anderen
pflegen mehrere, bei besonders feierlichen Gelegenheiten alle Glocken, zu-
weilen aller Kirchen eines Ortes zugleich gebraucht zu werden, worüber
die nähere Bestimmung meistens auf dem örtlichen Herkommen, bisweilen
auf ausserordentlichen obrigkeitlichen Befehlen beruht. — Dem ursprüng-
lich bloss kirchlichen Glockengebrauche gesellte sich bei weiterer Aus-
bildung des Städtewesens der bürgerliche Gebrauch hinzu, und infolge der
verschiedenen Bestimmung der an einem Orte vorhandenen verschiedenen
Glocken für kirchliche oder bürgerliche Zwecke wurden zur näheren Be-
zeichnung derselben besondere Gattungsnamen üblich. Der leichteren
Übersichtlichkeit wegeii knüpfen wir unsere ferneren Bemerkungen über
den Gebrauch der Glocken an die bezeichnenden Namen der einzelnen
Gattungen derselben, indem wir zunächst die kirchlichen und dann die
bürgerlichen Zwecke in Betracht nehmen.
Sonntagsglocke , Dominica, Predigtglocke, als Bezeichnung der-
jenigen Glocke, die vorzugsweise an jedem Sonntage gebraucht wird, um
den Anfang des Gottesdienstes zu bezeichnen. — Die Gemeinde wird zu
dem sonntäglichen Gottesdienste durch in Zwischenräumen von einer Halben-
oder Viertelstunde dreimal {ad invocandum^ ad congregandwrn et ad in-
c^ioandum. Durand , Hationale 1. I. c. 4, n. 12) oder mindestens zwei-
mal wiederholtes Läuten eingeladen. Die öftere Wiederholung in zwei
oder drei Pulsen^ (französisch couphts) geschieht wegen der entfernter
^ Ein langer Puls dauert eine Viertelstunde. — Nach einer Aachener
General -Vikariats- Verordnung vom Jahre 1820 (Rumpf, Handb. für Geistliche,
S. 394 ff.) soll ein Puls (une volee) nur zehn Minuten dauern dürfen; nach einer
Sonntagsläuten. 29
Wohuenden und am vor Verspätung zu warnen. Das erste Läuten heisst das
Vorläuten, das letzte Läuten (ad inchoandum) das Einläuten; es ge-
schieht gewöhnlich mit allen Glocken (comjmlsare. Cf. Beleth, Divin.
offic. explicatio. c. 86: classicum pulsare, Vergl. Sala zu Bona a. a. 0.
S. 140. Französisch: d toute volee^ au tour entierj. — Am Sonnabend
(wie auch am Vorabend der hohen Feste) pflegt mit dem Abendläuten ein
Einläuten des folgenden Sonntages (oder Festtages) zur Vorbereitung
des Volkes verbunden zu werden. Zu Wochengottesdiensten wird gewöhn-
lich nur mit einer Glocke ein Puls geläutet {simpulsare i. e. simpliciter
pulsare. Vergl. Beleth a. a. 0.). — Wenn in katholischen Kirchen an
Werktagen ausser der Messe des Pfarrers noch andere Messen gelesen
werden, so wird zu letzteren nur mit einem Glöckchen (AI Itagsg locke)
geläutet (geglöckelt). — Die an vielen Orten herrschende Sitte, vor dem
eigentlichen Geläute erst mit sogenannten kleinen Stimmglocken (Signier-
glocken) zu stimmen (dingein, bimmeln), schreibt sich daher, dass da-
durch ursprünglich seitens des Ostiarius oder eigentlichen Glöckners das
Zeichen zum Erscheinen der übrigen Pulsanten gegeben wurde. ^ — Als
Regel kann aufgestellt werden, dass in allen abendländischen Kirchen-
gesellschaften, falls ihnen überhaupt das Becht zusteht Glocken zu halten,
nie ein öffentlicher Gottesdienst stattfindet, zu dessen Beginn die Gemeinde
nicht durch Läuten eingeladen würde. Ebenfalls wird besonders auf dem
Lande und in kleineren Städten zu kirchlichen Amtshandlungen (Taufen^
und Trauungen ^) geläutet, was jedoch in der Provinz Brandenburg bei
Taufen ausserehelicher Kinder und bei Trauungen gefallener Bräute nach
neuerer strengen Praxis zu unterbleiben hat, da solche in der Stille vor
sich gehen müssen. — Beim Militär - Gottesdienste im Felde giebt ein
Trommelwirbel das Zeichen; auch auf der Insel Sicilien wurde seit den
Zeiten der Araber noch im Jahre 1800 durch trommelnde Kirchendiener
der beginnende Gottesdienst verkündigt. * — Auf armen Filialdörfern mag
es noch hin und wieder vorkommen, dass der Küster durch den Ausruf
einer bestimmten Phrase zum Gottesdienste einladet.
Verfügung der Regierung zn Frankfurt a. 0. (ebendas. S. 579) nur eine halbe
Viertelstunde. An anderen Orten rechnet man 60 — 120 Schläge auf einen Puls.
* Kölner Domblatt 1851, Nr. 74.
^ In der Nikolaikircbe zu Greifswald und in Tennstedt (Thüringen) wird die
kleinste Glocke T au fg locke genannt. — Wenn zur Taufe recht lange geläutet
wird, 80 wird nach dem erzgebirgischen Volksaberglauben das Kind klug.
^ Zuweilen (wie in Ilsenburg, Hannover u. s. w.) mit einer besonderen
Brautglocke.
* Hager, d^scription de Palermo et de la Sicile, bei Blavignac, la
cloche, p. 208.
30 Schweigen der Glocken.
In der römisch-katholischen Kirche schweigen die Glocken zum
Zeichen der Trauer in den drei letzten Tagen der Charwoche von der
Vesper des Mittwochs an bis zu dem Zeitpunkte, wo am grossen Sabbath
das Gloria in excelsis gesungen wird ; doch darf mit dem Läuten in keiner
Kirche früher angefangen werden, als bis die Kathedrale der Mntterkirche
des Ortes (in Rom St. Peter) das Zeichen dazu gegeben hat, nach einem
Edikte Leos X. von 1518 bei 100 Dukaten Strafe. (Rocca a. a. 0.
S. 184; Blavignac a. a. 0. S. 393.)
Die griechische Kirche kennt diese Sitte nicht, im Gegenteil tönen
in Athen am Charfreitage die Trauerglocken sämtlicher Kirchen den ganzen
Tag über. ^ — Auch in der evangelischen Kirche findet am Charfreitage
das gewöhnliche Festgeläut statt — Das am Charfreitag nachmittags von
4 bis 5 Uhr in Merseburg übliche feierliche Läuten mit allen Glocken
sämtlicher Kirchen schreibt sich erst aus der Zeit des letzten dortigen
Herzogs her, wo es im Jahre 1735 „Gott zu Ehren und zu des Herzogs
Erbauung" anbefohlen wurde. Nach Herzog Heinrichs 1738 erfolgtem
Tode unterblieb dieses Läuten wieder, wurde indes 1759 durch Konsisto-
rialverfügung für das ganze Stift abermals angeordnet. Auf dem Markte
wurden seit 1761 nach beendigtem Läuten einige Passionslieder mit In-
strumentalbegleitung gesungen, woran viele Landleute teilnahmen, die nach
alt hergebrachter Unsitte am Charfreitage in der Stadt ihre Festeinkäufe
machten und nachher truppweise die Merkwürdigkeiten des Domes und
besonders die grossen Glocken desselben in Augenschein nahmen. Nach-
dem das Zusammenströmen des Landvolkes nach der Stadt unter der
preussischen Regierung nach und nach aufgehört hat, wird auf dem Markte
nicht mehr gesungen, aber das Läuten besteht noch fort. ^ — In einigen
pommerschen Dorfkirchen (Gross -Justin, Schwiersen u. s. w.) singt am
Schlüsse des Charfreitagsgottesdienstes die Gemeinde das aus elf Versen
bestehende Lied: „Nun giebt mein Jesus gute Nacht", unter Glocken-
geläute, wobei das sanfte Orgelspiel nach jeder Strophe eine Pause macht. ^
In der Zeit, wo in der katholischen Kirche die metallenen Glocken
stumm und ihre Seile in die Höhe gezogen sind, rufen in Rückerinnerung
an die alte Sitte der heiligen Hölzer Holzklappern, provinziell Cres-
sellen, auch Radschen, Raspeln, Knarren (crepitacula ecclesiasticaj genannt,
zum Gottesdienste. Die grösseren, auf den Kirchtürmen (z. B. in der
Kreuzkirche zu Breslau und in vielen Kirchen Schlesiens) befindlichen In-
M\ V. Maligne in Über Land und Meer 1882/83, Nr. 25, S. 496.
' Merseb. Kreisbl. 1863. Beilage zu Stück 26.
"" Werdersche Bihelberir.hte 1855, Nr. 10, S. 78.
Holzklapper
31
strumente dieser Art sind Drehwalzen, durch welche Holzfedern in Be-
wegung gesetzt werden, die angeblich ein weithin hörbares Klappern er-
zeugen. Fig. 1 stellt die auf dem Pfarrturme zu Habelschwerdt befindliche
Raspel von 0,75 X l,oom Flächenranm dar, die zwar in der betreffenden
Zeit benutzt wird, was aber nur den Eingeweihten bekannt ist, da sie
unten von niemand gehört wird, i Statt der Measschellen kommen Hand-
klappem verschiedener Art (vergl. Fig. 2} zur Verwendung. * — In Rom
verstummen auch die öffentlichen Schlaguhren; deshalb laufen die Buben
mit grossen Klappern auf den Strassen umher, um durch diese Instrumente
Fig. I.
Fig. 2.
/F
den Gang der Zeit anzuzeigen, wodurch ein sehr unfeierlicher LSmi ent-
steht. ^ Solches Umherlaufen der Strassenjngend mit schnarrenden Klap-
pern in den drei letzten Tagen der stillen Woche kommt auch in Städten
des katholischen Deutschlands vor.
Während des Interdikts ist der Gebrauch der Glocken aufs strengste
' Winkles, Freoch Catliedrals p, 80 erwähnt einen hSlzemen Kranich (jn«)
in der Kathedrale zu Chartres, der in der Leidenswoche gebraucht wurde und
einen erstaunlichen Lärm verursacht. Tergl, Kreuser, Kirchenbau 1, 1G7. —
Einer hölzernen Charfreitagsglocke im Dom zu Braunschweig gedenkt KrUnitz.
Kncyklopadie 19, 24.
* Die deutsche GeBellschaft zu Leipzig ist im Besitz einer hölzernen Hand-
glocke, welche sonst bei den scherzhaften Gebräuchen der akademischen Depo-
sition in Anwendung kam. — tiber grosse und kleine Instrumente dieser Art in
französischen Kirchen und ihre provinziellen Benennungen (tro^uet, ■matraca,
tartarelle etc.) s, Blavjgnac a. a O. S. 394.
" Vergl. W. Müller, Rom. Römer und Römerinnen 18IS. 2, 182t.
32 Festgeläut.
verboten, und auch wo Milderungen eintreten, bleibt das Läuten stets
untersagt; ja nicht einmal die kanonischen Stunden dürfen durch Glocken
bezeichnet werden, doch ist zuweilen das Läuten zur Predigt und früh,
mittags und abends nachgelassen. ^ Die älteste Erwähnung dieses Verbotes
findet sich bereits in der ersten Hälfte des siebenten Jahrhunderts: die
Glocke einer im Bann befindlichen Kirche versagt von selbst den Ton,
und erhält ihn erst wieder nach Aufhebung des Bannes (St. Onen, Vita
Eligii 2, 21 bei D'Achery, Spicileg. 5, 250. Vergl. Bona a. a. 0.
S. 134).
Festglocke, gewöhnlich eine sehr grosse, darum schwer in Bewegung
zu setzende Glocke grösserer Kicchen, welche nur an den hohen Festen
und bei besonders feierlichen Gelegenheiten gebraucht wird. Von dem
häufigeren Gebrauche hält neben der liturgischen Forderung eines aus-
gezeichneten Festgeläutes schon die Kostspieligkeit ab, sowie der Umstand,
dass durch das Schwingen sehr schwerer Massen das Gebäude leidet. Als
hohe Feste wurden im Mittelalter diejenigen betrachtet^ deren Oktav eben-
falls gefeiert wurde; ihnen ging auch eine Yigilie voran, an welcher ein
vorbereitendes Läuten stattfand, welches noch jetzt an den Vorabenden
der hohen Feste allgemein üblich ist. — Im Magdeburgischen und Säch-
sischen wird an vielen Orten an den drei Hauptfesten, des ersten Tages
früh um 4 Uhr zur Mette geläutet^ aber wohl nur in der Christnacht eine
Mettenpredigt gehalten (Magdeb. Kirchenordn. c. 6, §. 9). — Abgesehen vom
Charfreitage, wo die Glocken bei den Römisch- Katholischen schweigen
(s. oben S. 30), wird im katholischen Süddeutschland an jedem Freitag (um
9 Uhr vormittags, resp. 3 Uhr nachmittags) die Todesstunde (Schiedung)
Jesu mit einer besonderen Glocke beläutet, die deshalb Scheidgiocke
genannt wird; diese Sitte soll auf einer Verordnung des Erzbischofs Eber-
hard von Salzburg aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts beruhen (Ger-
bert, de cantu et musica sacra 2, 242 f.) und sich erst später nach Ita-
lien verpflanzt haben, wo P. Benedikt XIV. unterm 13. Dezember 1740
dieses Läuten für die ganze katholische Kirche gebot und daran einen
Ablass von 100 Tagen knüpfte, wenn dabei für Ausrottung der Ketzer
gebetet werde. Das Läuten dieser Glocke findet sich in Süddentschland
auch bei evangelischen Gemeinden, nur dass aus lokalen Gründen die
Stunde hier und da eine andere ist. In neuerer Zeit haben einige katho-
lische Provinzen auch am Donnerstage nach dem Abendgebetläuten noch
ein besonderes Läuten, die sogenannte Angst, eingeführt, zum Gedächt-
* GoDz. Tellez, Comment in Decretal. Francf. 1690. 1, 187. — Vergl.
Rocca a. a. 0. S. 184. wo auch Ausnahmen erwähnt sind.
Ehrengeläut. 33
nisse an den Seelenkampf Jesu in Gethsemane. ^ — Die Gewohnheit, die
Stande des eintretenden Nenjahres mit Geläute zu begiüssen, ist in Eng-
land üblich ^, auch in der deutschen Schweiz ^, dürfte aber in Deutschland,
wo sie sich vorfindet, wie z. B. in Weissenfeis, Merseburg, Treuenbrietzenu.s.w.,
wohl erst aus neuerer Zeit herrühren. — In der katholischen Kirche wird
durch besonders feierliche Anwendung der Glocken das Fronleichnamsfest
ausgezeichnet, wo dem Volke das sonst verpönte B eiern (Anschlagen der
in Ruhe bleibenden Glocke mit dem Klöppel) gestattet ist. — In Russ-
land steht es am Ostersonntage jedem Menschen, selbst jedem Kinde frei,
den Kirchturm zu besteigen und so lange zu beiem, als qs ihm beliebt,
so dass man bei dem grossen Überflusse von Glocken aller Art, womit die
grösseren Städte versehen sind, vor Glockenlärm sein eigenes Wort auf
der Gasse kaum hören kann. Das gemeine Volk läuft in Scharen nach den
Kirchen, nicht um am Festgottesdienste teilzunehmen, sondern um mit den
Glocken zu lärmen. ^
Ehrenglocke, Freudenglocke. — Dem Festgeläute reiht sich an d^r
Gebrauch der Glocken bei freudigen Veranlassungen ^ überhaupt : bei Ein-
zügen der Fürsten und Prälaten, zur Sieges- und Friedensfeier u. s. w.
Der Ursprung dieser Sitte wurzelt darin, dass man hohe geistliche und
weltliche Herren bei ihrer Ankunft in einer Stadt zunächst in die Kirche
zu geleiten pflegte, worüber sich besondere rituelle Vorschriften finden
(Ordo ad redpiendum processumaliter Praelatum, Imperatorem^ Eegem etc.
in Ps. 3 des Pontif. Rom.). Ein Recht zu solchem feierlichen Empfange
gebührt Prälaten und Äbten nur in ihrem Sprengel, Fürsten und Herren
nur in ihrem Gebiet-, gegen fremde Würdenträger ist die Ehrenbezeigung
des Glockengeläutes eine* lediglich freiwillige. — Als im Jahre 969 Kaiser
Otto der Grosse in Rom erfuhr, dass bei einem Fürstentage in Magdeburg
Erzbischof Adalbert den Herzog Hermann Billing von Sachsen unter dem
Geläute aller Glocken und mit angezündeten Lichtem empfangen und in
Prozession in die Kirche geleitet hatte, musste Adalbert auf Befehl des
^ Christi. Kunstbl. 1866, S. 168.
« Gatty, the bell, p. 64.
' Blavignac, la cloche, p- 67.
* Röhr, Krit. Pred.- Bibliothek 12, 547.
^ Kurz vor der Ankunft des Papstes Pius VI. in Wien im Jahre 1782 fragte
der Erzbiscbof Migazzi zu Wien den Kaiser Joseph IL, ob der Papst mit Glocken-
läuten empfangen werden solle. Mich wundert^s, antwortete Joseph, dass Sie
darum fragen, die Glocken sind ja Ihre Artillerie! (Vergl. Hahn, Gampanologic,
S. 180.) — Diese Anekdote charakterisiert treffend das im Laufe der Zeiten fast
völlig verweltlichte Ehrengeläute.
Otte, Glocken knndo. 3
34 Freudengeläut.
darüber erzürnten Kaisers demselben so viele Pferde senden, als dem
Herzog waren Glocken geläntet oder Kerzen angezündet worden. (Thiet-
mari Chron. IL 20; rec. Wagner p. 35.) — Als Bischof Bernward von
Hildesheim im Jahre 1000 nach Yercelli kam, wurde er von dem dortigen
Bischof Leo unter Läutung aller Glocken bewillkommnet. (Calvoer, Sax.
inf. p. 426.) — Als im Jahre 1100 die Kreuzfahrer nach Brüssel zurück-
kehrten, zogen die Frauen der Stadt ihren heimkehrenden Männern ent-
gegen und trugen sie unter Glockenlänten nach Hause, weshalb am Frauen-
abend (19. Januar) alle Glocken in Brüssel eine Stunde lang geläutet
werden (J. W. Wolf, Niederländ. Sagen, S. 139 u. 172). — Als um das
Jahr 1114 Kaiser Heinrich Y. vor dem Klostor des heiligen Ermenold
vorüberzog, hatte dieser den Mut, das Glockenlänten zu verweigern, weil
der Kaiser im Banne war. (Bocca a. a. 0. S. 182.) — Als der Kaiser
Karl IV. 1378 nach Frankreich kam, wurde er in den Städten ohne
Glockenlänten empfangen, weil dieses ein Zeichen der Oberherrlichkeit sei.
(Pu Gange a. a. 0. s. v. Gcmtparuirum ptUsatio.) — Bei der Geburt
eines Dauphin von Frankreich wurde auf dem Stadthause zu Paris drei
Tage und drei Nächte hindurch geläutet. (Blavignac a. a. 0. S. 112.)
Horaglocke, Stundenglocke, Harologium, Uhrglocke, Seigersohelle.
— Betglocke, Morgen-, Mittag- und Abendläuten, Vesperglocke, Igni-
tegium, Achtglooke, Peierabendglocke , Thorglocke, Weinglocke. —
Ave Maria Glocke, Angelas. — Wandelglocke, Sanktusglocke. —
Türkenglocke, Eilfglocke u. s. w. — Wie wir im I. Abschnitt sahen,
soll es Papst Sabinianus gewesen sein, welcher zu Anfang des siebenten
Jahrhunderts die Bezeichnung der kanonischen Stunden durch Glocken-
klang, also ein siebenmaliges Läuten innerhalb 24 Stunden — viermal bei
Tage und dreimal bei Nacht — angeordnet hat. Dies geschah bald mit
einer, bald mit mehreren Glocken, teils in einem, teils in zwei bis vier
Pulsen, so dass den Tag über ein zwölfmaliges Läuten stattfand, und mit
besonderen Modifikationen in der Fastenzeit. ^ Man richtete sich dabei
nach Sonnen-, Sand- und Wasseruhren, mit welchen letzteren schon im
neunten Jahrhundert eine Vorrichtung zur hörbaren Bezeichnung der Stun-
den verbunden war: stündlich fiel eine bestimmte Anzahl von Metall-
* Vergl. die etwas verworrenen Angaben bei Durand a. a. 0. 1. 1. c. 4.
n. 9—13 u. 1. 6. c. 3. n. 30, aber auch Beleth a. a. 0. — Auf dem Convente
zu Aachen unter Ludwig dem Frommen im Jahre 817 war festgesetzt worden,
dasB zur dritten, sechsten und neunten Stunde nur „<2uo signa*''' geläutet werden
sollten. Vergl. Gerb er t, de cantu et musica sacra % 101, nach: Tom. 2. conc.
Germ. p. 6.
Horaläuten. 35
kügelchen aaf ein untergestelltes Cymbalum hinab \ und im zwölften Jahr-
hundert befanden sich an den Uhren Nolulae (Beleth a. a. 0.)- Biese
Horologia ^ dienten indes nur als Aushilfe der Sonnenuhren zur Regelung
des Horaläutens, welches mit der allmählichen Einführung der öffentlichen
Turmuhren seit der Mitte des 14. Jahrhunderts ^ sich nach und nach
lediglich auf Kloster- und Stiftskirchen beschränkt hat. ^ — Die protestan-
tische Kirche, welche die ,,Sieben Zeiten^' als opus operatum verwarf, be-
liess jedoch in den beibehaltenen Stiftern in Sachsen, Brandenburg u. s. w.
den Horadienst in alter Form zwar, aber mit evangelischen Gesängen; aus
unbekannten Grtlnden — vielleicht, weil der Natur der Sache nach ein
totes Werk daraus wurde — ist derselbe indes auch hier bis auf sehr
geringe Überreste nach und nach abgestorben. Im Dome zu Merseburg
z. B. wurde in der ersten Hälfte des laufenden Jahrhunderts allwöchentlich
nur noch einmal Hora gehalten, wo die „Horabimmel" und die „Quarta" die
Vicarien zu einem viertelstflndigen Gottesdienste rief; jetzt hat auch dies
aufgehört.
' Annales Franc, ad a. 807. Vergl. (Chrysander) Antiquar. Nachricht v.
Kirchenglocken (Zugabe zu den Hannover, gel. Anzeigen vom J. 1754), S. 71, 72.
^ Durand a. a. 0. 1. 1. c. 1. n. 35: Horologium, per quod harae leguntur,
t. e. coUiguntur,
^ Vergl. Beckmann, Beitr. zur Gesch. der Erfindungen 1, 151 f. u. 305 ff. —
Wenn für die Kathedrale zu Canterbury im Jahre 1292 ein „notTum orologium
magnum** für 30 L. angeschafft wurde, so ist darunter sicherlich keine Turmuhr
zn verstehen, da das Wort clock, welches im neueren Englisch ausschliesslich
die Bedeutung Uhr hat, noch im 14. Jahrhundert als Bezeichnung der Glocke
vorkommt, welche zu gewissen Zeiten nach einer Sonnenuhr angeschlagen wurde,
und es bei Schriftstellern des 15. und 16. Jahrhunderts zuweilen noch zweifelhaft
ist, ob man unter clock eine Glocke oder eine Uhr zu verstehen hat. — In
Frankreich war auf dem Schlosse Montargis eine Uhrglocke vom Jahre 1353, in
Valenciennes eine solche von 1368. (Blavignac a. a. 0. S. 69.) — Die Viertel-
Stundenglocke des Doms von Magdeburg deutet durch ihre Inschrift: Mcccxcvi
completum est oralogiwn istud, darauf hin, dass die erste Turmuhr daselbst 1396
beschafft worden sein mag, wie dies auf dem dortigen Rathause im Jahre 1420
geschah.
^ Eine alte Vorschrift des Benediktinerklosters St. Blasien besagt: Incipiat
[Secretarius] sonore duabus scillis ad nuUutinum. Postea fiat compiUsatio ab
Omnibus campanis in choro, gucie compulscUio dicitur terracio^ qucie vulgariter
dicitur Schreckt. Deinde sonentur maiores campanae in ang^ilari usque ad in-
troitt*m scholarium. Tunc faciant temas orationes in choro, deinde incipiant XV
gradiM, Interim pulsentur Herum maiores campanae in angularis ut priu^ usque
nocturnum XV. graduum. Cum legunt secundum nocturnum XV. graduum,
pulsentur duae maximae campanae in choro. Ad finem tertii nocturni graduum
fit compulsatio ab omnibus campanis tam in choro , quam in angulari. — Cf.
Gerbert, de cantu et musica sacra 2, 164.
3*
36 Betglocke.
Als Rückerinnerang an das ursprüngliche Stundenlänten und gewisser-
massen als ein Überrest desselben kann das noch allgemein verbreitete
Morgen-, Mittag- and Abendläuten angesehen werden, welches anter
dem Namen der Betglocke bekannt ist and aas einem dreimaligen An-
schlagen des Klöppels an eine grosse Glocke besteht oder doch stets damit
endet. Wenn eine kleine Glocke dazu verwendet wird, so geschieht es in
der Weise, dass man die Glocke in Schwingung versetzt und nach dem
zweiten Schlage plötzlich wieder anhält, wodurch, indem der Klöppel noch
einmal zurückprallt, der Rhythmus eines Amphimacers (-^ ^ — ) entsteht.
Dieses dreimalige (oder neunmalige) Anschlagen, welches man seit dem
15. Jahrhundert „da pacern lätUen^^ oder „pro pace schlagen" nannte \
scheint aus der frühen Zeit herzurühren, wo durch päpstliche Verordnung
in dem Agnus Dei der Messe statt des ursprünglich dreimal wiederholten
„miserere nohis" das dritte „miserere nohis" mit „da nobis paeem" ver-
tauscht wurde, wozu kirchliche Notstände die Veranlassung gegeben haben
sollen *; doch wird für den Ursprung dieser Sitte auch die Bulle pro pace
angeführt, in welcher zur Erflehung des Friedens unter den christlichen
Fürsten behufs ihrer Einigung zu einem Kreuzzuge Papst Nikolaus m.
(1277 — 1280) ein Gebet um den allgemeinen Frieden anordnete, welches
in den Mess-Kanon vor dem Agnus dei eingeschaltet wurde. ^ Ob diese
Anordnungen das später zur Verherrlichung der Transsubstantiation übliche
dreimalige Glockenanschlagen während der Messe, die sogenannte Wandel-,
Speise- oder Sanktus-Glocke, zur Folge gehabt haben, bleibt unge-
wiss ^, ebenso die etwaige Beziehung derselben auf das Morgen-, Mittag-
^ Statuten der Fronleichnams- und Marien-Brüderschaft in Müncheberg vom
Jahre 1446 (Gerken, Cod. diplom. 4, 609): denen, welche beim Anschlagen der
Glocke pro pace morgens und abends ein P. N. und drei A. M. für den Frieden
und die Einigkeit der Kirche beten u. s. w.
' Innocentius III. (1198—1216), Mysterior. missae 1. 6. c. 4. — Vergl.
Rocca a. a. 0. S. 187.
' Rocca a. a. 0. S. 186.
* Das Läuten während der Elevation oder „paulo ante^^ war in Frankreich
schon zu Anfang des zwölften Jahrhunderts gebräuchlich (Tom. 7. conc. Binii
p. 1. c. 14; und Ivo von Chartres [f 1115], Epist. 142) und soll in Deutsch-
land erst im Jahre 1203 durch den päpstlichen Legaten Guido, früheren Abt von
Citeaux, eingeführt worden sein (Cäsarius v. Heister bach [um 1220], Dial.
1. 9. c. 57. — Vergl. Bona a. a. 0. c. 13); in Italien noch später erst um 1238
durch Gregor IX. (Rocca a. a. 0. S. 177). — In England heisst die Messglocke
Sanctus bell oder Sacringe bell und wurde nicht bloss bei der Elevation, sondern
schon vorher während des Sauktus am Schlüsse des Ordo missae geläutet, um
das Volk auf den Beginn des Mess-Kanon aufmerksam zu machen (Bloxam,
Principles of gothic eccl. architecture. 4th ed. p. 170). Übrigens hat man hier
Betglocke. 37
und Abendläuten, welches in der katholischen Kirche zu Ehren der heiligen
Jungfrau geschieht ^ und nach dem dazu verordneten Gebete „der Engel
des Herrn^^ Angel us oder Ave Maria, in Frankreich wegen des damit
verbundenen Ablasses auch Pardon genannt wird.^ Bei den Protestanten
hat man diese Gewohnheit, nach kurzer lokalen Unterbrechung in der
ersten Zeit, in Übereinstimmung mit den Reichsabschieden von 1544 (§ 58),
1567 (§ 37) und 1598 (§ 46), auf den Wunsch des Volkes und nach den
Verordnungen frommer Fürsten bei Lutheranern und Reformierten beibe-
halten, als öffentliche Ermahnung zum rechten christlichen Gebete, nament-
lich um ein friedsames und geruhiges Leben unter einem guten, christ-
lichen Regiment, weshalb der Gesang des Liedes: Verleih uns Frieden
guädiglich u. s. w. (die luthersche Übersetzung des alten Da pacem, do-
mine) empfohlen ward. ^ Auch sollte dieses dreimalige tägliche Läuten
auf dem Lande den Mangel öffentlicher Uhren einigermassen ersetzen und
den Anfang der Schul- und Betstunden genauer bezeichnen^, wie denn in
der Praxis das Frühläuten zum Schulläuten, und das Mittag- und Abend-
die in der Kirche selbst während der Messe von dem Ministranten geschwungene
Handglocke, die mit einem Handgriffe versehene Messschelle, von der gleichen
Zwecken für die ausserhalb der Kirche befindlichen Gläubigen dienenden im
Chortürmchen aufgehängten kleinen Glocke (Silberglocke) zu unterscheiden,
auf welche letztere eine Verordnung des Bischofs Stephan von Canterbury (Gi-
ro nius, de celebratione missae c. 1) und eine Satzung des Konzils von Tarra-
gona im Jahre 1406 Bezug hat; beim Ertönen dieser Glocke sollen alle draussen
Befindliche die Kniee beugen und um Indulgenz flehen. (Vergl. Gonz. Teliez
a. a. 0. 1, 636.) — Wenn hin und wieder (in Sachsen und Ostpreusseti) die Pro-
testanten das Wandelglöckchen während der Einsetzungsworte um der Schwachen
willen beibehielten (Eschenwecker, vom Recht der Glocken, S. 22), so konnte
dies nur in dem von Luther (Jenaer D. W. 1, 436. b) angedeuteten Sinne der
lauten, öffentlichen Verkündigung geschehen, oder zur Herbeirufung der Kom-
munikanten.
^ Daher der erzgebirgische Provinzialismus: An die Marg (d. i. Marien-
glocke) schlagen. — Reimann, de campanis, p. 24.
' Das Läuten muss so lange dauern, als das vorgeschriebene Gebet (Ger-
bert a. a. 0. 2, 248), welches mit der Fürbitte für die Verstorbenen (Requies-
cant in pace. — Vergl. Rocca a. a. 0. S. 178 f) endet, aber nur von der Geist-
lichkeit gebetet wird, während sich das ungelehrte Volk gewöhnlich mit dem V.
Ü. und dem A. M. begnügt.
^ Vergl. Braunschw K.-Ordn. von 1569, S. 167. — Kursächs. General-Artikel
von 1580. § IX. 81. b. — Andachtsanstalten des Landgr. Georg v. Hessen. Mar-
burg 1638. S. 3 u. 35. — In der Schwad. K.-Ordn. Karls XI. von 1687, c. 12,
p. 55, wird als Gegenstand des Gebetes auch „ein seliges Ende*' mit angeführt. —
Ghrysander a. a. 0. S. 185 ff.
* Amtsbl. der Preuss. Reg. zu Bromberg von 1830, S. 841.
38 Abendläuten.
läuten für die auf dem Felde beschäftigten Arbeiter zn einem Zeichen der
Heimkehr grösstenteils herabgesunken ist, woüber schon zu Auüemg des
18. Jahrhunderts geklagt wurde. ^ — Übrigens ist die Stunde des Bet-
glockeschlagens eine sehr verschiedene : früh, von Sonnenaufgang bis 9 Uhr;
mittags, von 11 — 1 Uhr (daher z. B. der Name Eilfglocke); abends,
von 3 Uhr bis Sonnenuntergang (daher z. B. der Käme Achtglocke), in
Rom und Italien eine halbe Stunde nach Sonnenuntergang; an manchen
Orten früh und abends nach den Jahreszeiten verschieden. Wo, wie z. B.
in Schweden, nur ein zweimaliges Läuten der Betglocke üblich ist, geschieht
es gemeiniglich vormittags (um 10 Uhr) und nachmittags (um 4 Uhr). —
An Sonn- und Festtagen pflegt statt des Mittagläutens die Betglocke am
Schlüsse des Hauptgottesdienstes, an Busstagen schon während des auf die
Predigt folgenden V. U. angeschlagen zu werden.
Der eigentliche Ursprung der Betglocke lässt sich nicht mit Bestimmt-
heit nachweisen, doch wurde zuerst das Abendläuten, dann das Morgen-
läuten und zuletzt das Mittagläuten eingeführt, und scheinen nach dem
Sprichworte „Not lehrt beten^' stets ausserordentliche Notstände der Christen-
heit die Veranlassung gegeben zu haben. — Von dem Abendläuten finden
sich die ältesten sicheren Spuren anscheinend nach der Mitte des elften
Jahrhunderts in England, jedoch lediglich als Einrichtung der Feuer- und
Sicherheits-Polizei, nämlich die noch jetzt in England unter dem Namen
Curfew (d. i. couvre feu) bell oder Ignitegium bekannte Glocke,
nach deren Läuten abends um 7 oder 8 Uhr jedermann Feuer und Licht
auslöschen musste, und niemand ohne Leuchte sich auf der Strasse an-
treffen lassen durfte.^ Nach der gewöhnlichen Annahme soll dieses Ge-
setz von Wilhelm dem Eroberer ausgegangen sein, der es dem Lande als
ein Zeichen der vollständigen Unterjochung, oder um nächtliche Zusammen-
künfte von Verschwörern zu verhindern, aufgelegt habe; allein es sind ge-
nügende Anzeigen dafür vorhanden, dass dieselbe Einrichtung zu derselben
Zeit auch in Frankreich, Italien, Schottland und vermutlich in allen euro-
päischen Ländern bestand und wohl allein den Zweck hatte, die bei den
allgemein üblichen Holzbauten besonders gefährlichen Feuersbrünste und
nächtliche Raubanfälle zu verhindern.^ In England soll diese Verordnung
in ihrer ganzen Strenge nur unter der Regierung Wilhelms L und H.
^ Ver^. Calvoer, Rituale eccl. 2, 218. — Die Betglocke als kirchlich-
amtliche Mahnung zum Gebete ist sicherlich rein evangelisch, als etwaiges Signal
jedoch zum Abbeten bestimmter Formulare verwerflich.
' Vergl. Du Gange a. a. 0. unter Ignitegium. — Beckmann a. a. 0. 2, 439 f.
' Henry, Hist. of Great-Britain. 3,567. (Lond. 1777.)
Abendläuten. 39
(1066 — 1100) gehandhabt worden sein^; doch schlössen sich andere ähn-
liche Polizei-Einrichtungen daran an oder traten an die Stelle derselben,
z. B. die Wein- oder Trinkerglocke (campana bibitorum, vigneron),
welche, in Frankreich schon 1291 üblich, den Gastgebern die Polizeistunde
andeutete.^ Das religiöse Moment der Manenverehrung kam erst dadurch
hinzu, dass Job. Bonaventura im Generalkapitel des Franziskanerordens
zu Pisa 1262 seinen Ordensgeistlichen vorschrieb, die Gläubigen zu er-
mahnen, bei dem Abendläuten durch ein dreimaliges Ave Maria das Ge-
heimnis der Menschwerdung des Herrn zu verehren, was durch eine Bulle
Johanns XXII. vom 13. Oktober 1318 unter Erteilung von einigen Tagen
Ablass die päpstliche Bestätigung erhielt^, und durch eine französische
Kirchenversammlung vom Jahre 1347 neu eingeschärft wurde. ^ Es wäre
aber wohl möglich, dass dieser Papst eine um hundert Jahre ältere An-
ordnung, welche Gregor IX. (1227 — 1241) gelegentlich seiner Streitig-
keiten mit Kaiser Friedrich II. getroffen haben soll, nur mit dem Abend-
läuten in Verbindung gebracht hätte, dass nämlich zu gewissen Stunden
des Tages auf ein mit der Glocke gegebenes Zeichen in den Kirchen das
Salve regina gesungen, und die heilige Jungfrau bei Glockengeläute an-
gerufen werden solle, und zwar an Stelle einer nach dem Verluste des
heiligen Grabes in Vergessenheit geratenen noch älteren Einrichtung Ur-
bans n., welcher auf der Kirchenversammlung zu Clermont 1095 die Früh-
und Abendglocke als Gebetzeichen gegen die Ungläubigen und fdr das
Seelenheil der gebliebenen Kreuzfahrer vorgeschrieben habe.^ — Durch
Breve vom 14. September 1724 verhiess Benedikt XIII. vollkommenen
Ablass monatlich einmal denen, welche beim Angelus zugleich die Aus-
rottung der Ketzer und die Erhöhung der Kirche zu einem frommen Her-
zenswunsche machten.^
^ Brand, Populär antiqu. 4th. ed. 2, 136.
' Du Gange a. a. 0. unter Campana bibitorum. — Zu Würzburg hiess die
Weinglocke Schlafglocke (Organ f. christl. Kunst 1857, S. 190) und zu Ulm
Narrenglocke (Iren. Montanus, Histor. Nachr. y. d. Glocken, S. 87). —
Auch die Thor-, Sperr- oder Schliessglocke gehört hierher, nach deren
Schall die Stadtthore geschlossen und während der Nacht nur gegen Entrichtung
des Thorgeldes geöffnet wurden.
* Schneider, Jos, die Ablässe, S. 197 (7. Aufl., 1881).
* Conc. Sennonense a. 1347, c. 13 (bei Du Gange a. a. 0.): Praecipimus,
quod observetur invioldbiliter ordinatio facta per S. M. Joannem P. P. XXII.
de dicendo ter A. M. tempore seu hora ignitegii.
^ Arnold Wion, Lignum vitae 1. 5. embl. 3, c. 20, § 2 und aus demselben
bei FerreoluB Locrius, Maria augusta 1. 7, c. 16; Rocca a. a. 0. S. 179.
« Raccolta etc. (1877), S. 169; vergl, Schneider, Job., a. a 0. S. 199.
40 Morgen- und Mittagsläuten.
Das Morgenläuten als ein Weckzeichen (evigilans-sttUtum) in den
Klöstern und als Ruf zur Frühmesse ist sicherlich so lange im Gebrauche
der Kirche als die Glocken tlberhaupt, und verband man im zehnten Jahr-
hundert damit das Andenken an die Auferstehung des Erlösers^; als Bet-
glocke scheint es zwar schon im zwölften Jahrhundert vorzukommen^, ist
aber, wenigstens in Deutschland, wohl erst im 15. Jahrhundert allgemein
üblich geworden.^ Das Mittagläuten als sogenannte Türkenglocke
endlich beruht auf einer Anordnung des Papstes Calixt III., der alsbald
nach seiner Konsekration im Jahre 1455 in einem öffentlichen Konsisto-
rium, wegen der Erscheinung eines kritischen roten Kometen, woraus Pest,
Teuerung und Niederlagen prophezeit wurden, das Mittagsgebet wider den
Türken, dem er den Krieg ankündigte, einführte.^ — In Frankreich
ordnete König Ludwig XI. (1461 — 1483) die Mittags-Ave-Mariaglocke zur
Erflehuug des allgemeinen Friedens an ^, und auf dem Reichstage zu Speyer
1542 wurde das Mittagläuten wider den Türken wegen drohender grosser
Gefahr für das deutsche Reich wiederholentlich anbefohlen.^
Totenglocke, Seelenglocke, Sterbeglocke, ZügenglockO; Grabge-
läute, Tranerläuten. — Die Totenglocke ist ihrem Ursprünge nach eine
Betglocke, hervorgegangen aus dem Verlangen frommer Sterbender, sich der
Fürbitte der Gläubigen um ein sanftes seliges Ende zu versichern^, und
diese Sitte reicht bis in die ältesten Zeiten des Glockengebrauches hinauf;
es finden sich Spuren derselben im achten Jahrhundert. Als Abt Sturm
^ Consuetudines monast. S. Vitoni Yirdunensis: Oum lucem ales nunciaverit,
dabuntur omnia signa in resurrectione Domini nostri. Vergl. Beckmann a. a.
0. 1, 162.
' Rupert y. Dei^tz (t 1135), de divin. off. 1. 1. c. 16: Trinum itaque so-
lemnis diei classicumj id est mcUutinum, vespertinum et quod ad missae pulsatur
initittm etc. Vergl. Rocca a. a. 0. S. 176.
^ Das Konzil zu Mainz vom Jahre 1423 (T. 6. Conc. Germ. p. 209) setzt
fest, dass um Sonnenaufgang taglich, ebenso wie bisher bei Sonnenuntergang zu
Ehren der Verkündigung geschehen, zu Ehren der Eompassion der Jungfrau
Maria dreimal Betglocke geschlagen werden solle. — Vergl. Gerbert a. a. 0.
2,243. — In Halle a. d. S. wurde erst kurz vor 1499 „aufgerichtet, dass man
aUe morgen frühe eher und wann man die erste frühemesse . . . anheben will,
dreyens pro pace schlagen soll . . . inmassen sonst des abends gewöhnlich u. s. w.**
Vergl. Dreihaupt, Beschr. des Saalkreises 1,1034.
^ Piatina, de vitis pontif. Roman, p. 317.
* Gaguin, bist. Francor. 1. 10. c. 12. Vergl. Rocca a. a. 0. S. 179 f. —
Das erste Mal in Frankreich ertönte die Mittags -Betglocke zu Clery am 1. Mai
1472. Vergl. Bulletin monumental 12,600.
" Iren. Montanus a. a. 0. S. 81.
^ Steph. Durant, de rit eccl. cathol. p. 176.
Totenglocke. 41
zu Fulda im Jahre 799 seinen Tod herannahen fühlte, hiess er schleunigst
mit allen Glocken länten, damit die Brüder, von seinem nahen Ende unter-
richtet, in der Kirche versammelt, inbrünstig für ihn beten möchten. ^ Aus
naheliegenden Gründen wurde übrigens die Totenglocke gewöhnlich erst
nach dem eingetretenen Ende des Sterbenden, überhaupt also am Todestage
desselben geläutet, und pflegte man Geschlecht und Stand des Verstorbenen
durch besondere Modifikationen des Geläutes anzudeuten. Bei einer ster-
benden Frau wurde im 12. und 13. Jahrhundert zweimal, für einen Mann
dreimal geläutet; für einen Geistlichen dagegen so oft, als er Weihen hatte,
und das letzte Mal mit allen Glocken, damit das Volk wissen möchte, für
wen es beten solle. ^ Der Gebrauch dieser Seelenglocke hat sich nicht
überall in der Kirche bis auf die Gegenwart erhalten, oder ist doch in
das freie Belieben der Hinterbliebenen gestellt worden.^ Am seltensten
finden wir ihn in protestantischen Ländern, mit Ausnahme von England,
wo die Passing Bell noch jetzt üblich ist, um die Nachbarschaft von einem
eingetretenen Todesfalle zu benachrichtigen^; in Norddeutschland findet sich
in manchen Gegenden unter den Landgemeinden noch die Sitte des Läutens
am Todestage, um der Gemeinde einen eingetretenen Todesfall zu verkün-
digen (was im Anhalt-Köthenschen heisst: „einen Leichenzug thun^^), oder
man läutet (z. B. auf dem Fläming bei Jüterbogk) in der Zeit, wo für
den Verstorbenen das Grab gegraben wird. Allgemein herrschend dagegen,
etwa mit Ausnahme einzelner grossen Städte, ist das Glockenläuten wäh-
rend des Leichenbegängnisses zur Vermehrung der Feierlichkeit Im Mit-
telalter beabsichtigte man durch dieses Läuten die bösen Geister von der
Leichenprozession abzuhalten^, weshalb nicht bloss die Kirchenglocken
gingen, sondern auch von den im Zuge befindlichen Personen Handglocken ^
^ Eigil, Vita Sturmii^ in Pertz, Monumenta 2, 877. — Auch bei Beda,
Hist. ecd. 4, 23 wird dl« Totenglocke als gemeine Sitte der Klöster erwähnt.
Die Synode zu Calcut in Northumberland im Jahre 787 setzte fest, dass nach
dem Absterben des Bischofs auf ein mit der Glocke gegebenes Zeichen j^omnis
famutorum dei coetus^^ zur Kirche kommen solle. Vergl. Sala zu Bona a. a. 0.
2, 134.
' Durand, Rationale. 1. 1. c. 4. n. 13, nach Beleth a. a. 0. S. 567.
^ Aachener General -Vikariats-Verordn. von 1820, in Rumpf, Handbuch u.
8. w. S. 396.
* Penny Gyclopaedia 4, 188.
^ Durand a. a. 0.: Campanae in processionibus ptdsantur, ut daemones
timentea fugiant Es gilt dies nicht bloss von Leichenzügen, sondern von allen
Prozessionen und Bittgängen überhaupt. Cf 1. 4. c. 6. n. 19.
^ Campanae manuales ad tnortuos (Du Gange a. a. 0.) kommen schon im
14. Jahrhundert vor beim Leichenbegängnisse König Eduards von England und
in Frankreich noch bei dem Begräbnisse Ludwigs XIV., wo es von den Parisem
42 Handglocken bei Leichenzügen.
— eine Art tönender Weihwedel — geschwungen wurden. In Frankreich
ging der „crieur des defunta'* mit einer „sonnette des tr^xisses'^ dem Kon-
dukte voraus, und bei dem Leichenbegängnisse Franz I. im Jahre 1547
begleiteten die 24 „crieurs de Paris^^ unter fortwährendem Geklingel den
Zug, indem sie an den Strassenecken das Volk zum Gebete für die Seele
der allerchristlichsten Majestät in hochtönenden Phrasen auMefen (Blavig-
nac a. a. 0. S. 334). — Der auf das Magische drängende Zeitgeist der
Epoche, wo die Glocken aufkamen, und der aus derselben herrührende Weihe-
ritus dürfte zur Erklärung einer solchen des Christentums unwürdigen Sitte
ausreichen, ohne dass es nötig wäre, dabei auf den Gebrauch des tönenden
Erzes bei heidnischen Leichenbegängnissen und Aufzügen zurückzugehen.^
ins Lächerliche gezogen wurde (Blavignac a. a. 0. S. 334); man ersetzte daher
die Klingeln bei dem Kondukte Mirabeaus am 4. April 1791 um die Sache feier-
licher zu machen durch den chinesischen Tamtam (ebend. S. 322). — Wenn das
höchste Gut zu einem Kranken getragen wird, geht jemand mit einer Schelle
voraus, mit welcher er von Zeit zu Zeit ein Zeichen giebt, „um die Ordnung und
Ehrfurcht vor dem h. Sakramente zu handhaben'* (Rumpf a. a. 0. S. 396).
Gleiches verordnet schon eine Synode zu Lerida im Jahre 1219 (Gonz. Tellez
a. a. 0. 1, 636), eine Synode zu Worcester im Jahre 1240 und eine Synode zu
Würzburg von 1287. (Gerbert a. a. 0. 2, 163 f.) — Wenn der Papst reist, geht
das Venerabile auf einem weissen Zelter voraus, dem ein „ttnttnnaduZum hene
sonans^*^ um den Hals gehängt ist (Rocca, de s. s. Christi corpore Roman, pontif.
iter facientibus praeferendo. Rom. 1591, im Thesaurus T. IV — Dass solche trag-
bare Glocken auf den britischen Inseln für heilig gehalten und Eide darauf ab-
gelegt wurden, zeigt Du Gange a. a. 0.: Campanae hajulaej und dieser Gebrauch
hat sich unter dem irischen Volke bis in unsere Zeiten erhalten: man hat die uralte
sogen. Clog-Orgha („goldene Glocke*') in der Gegend von Cläre im Jahre 1832
in der ländlichen Kriminalrechtspflege benutzt, und es ist der Fall vorgekommen,
dass Diebe lieber ihr Verbrechen gestanden oder heimlich das entwendete Gut
wieder brachten, ehe sie sich entschlossen, einen falschen Reinigungseid auf die
heilige Glocke abzulegen. Diese Glocke, ohne jede Spur eines Klöppels, von
ziemlich rohem Bronzegusse, von ovaler Form und mit Platten von vergoldetem
Silber überzogen, befindet sich seit der Regiemngszeit der Königin Elisabeth in
dem Besitz einer Familie Keane aus Beech Park (Morgenblatt 1853, Nr. 34,
S. 415). — Handglocken führten auch die Bettler im M.-A.; ob aber die Glocke,
welche der h. Antonius der Einsiedler gewöhnlich auf seinem T-förmigen Stabe
oder in der Hand als Attribut führt, eine Bettlerglocke ist, oder eine andere Be-
deutung hat, bleibt ungewiss. ~ Vergl. (Helmsdörfer) Christi. Kunstsymbolik,
S. 73.
^ Über den antik-heidnischen Gebrauch, Dämonen durch tönendes Erz zu ver-
scheuchen, s. die betreffende Litteratur bei Gonz. Tellez a. a. 0. 1, 636, und
bei Chrysander a. a. 0. S. 175. — Rocca (de campanis a. a. 0. S. 181) sagt,
die Dämonen würden von den Leichenbegängnissen durch den Ton der Glocken
zwar abgehalten, aber nur insofern letztere geweiht seien; der heidnische Glocken-
lärm habe daher diesen Zweck nicht erreichen können.
Grabgeläut. 43
Eifernde Stimmen in der reformierten Kirche wollten um jenes Aberglaubens
willen das Grabgel&ute ganz abgestellt wissen \ sind aber damit nicht durch-
gedrungen. ^
Das Grabgeläute soll im allgemeinen zwar keinem Verstorbenen ver-
weigert werden, doch ist es in manchen Fällen einzuschränken : bei gemüts-
kranken Selbstmördern z. B. auf das halbe Geläute (au demi tour)\ bei
Untersuchungsgefangenen auf Eine Glocke; Exkommunizierten, Verächtern
des Wortes und der Sakramente, zurechnungsfähigen Selbstmördern, wird
es gänzlich verweigert, ebenso geständigen und fiberftthrten Verbrechern:
nicht zur Strafe an dem Leichnam, sondern zur Abschreckung Anderer. ^ —
Da jeder in seiner Parochie begraben zu werden pflegt, so findet auch
das Grabgeläute nur in dieser statt, doch ist das Ausläuten einer Leiche
auch in anderen Kirchspielen gestattet, falls nur die eigentliche Pfarrkirche
des Verstorbenen darunter keinen Schaden leidet. ^ — Im Mittelalter aber
scheint man das Gepränge eines Leichenbegängnisses auch durch Läuten in
mehreren Kirchen eines Ortes übertrieben zu haben; es findet sich wenig-
stens ein die Stadt Bologna betreffendes Verbot aus dem zwölften Jahr-
hundert, dass nur die Glocken der Pfarrkirche bei Begräbnissen sollten ge-
braucht werden dürfen. ^ — Das Läuten selbst geschieht mit mehr oder
weniger Glocken, zuweilen mit allen vorhandenen, zuweilen als Auszeichnung
mit einer besonderen, grösseren Sterbeglocke, je nach dem Stande des
Verstorbenen und nach der Bezahlung. ^ In mehreren Städten der Lausitz,
z.B. in Zittau, sind die sogenannten Bei er 1 eichen ein Vorrecht der an-
geseheneren Bürger: es wird dabei, während die übrigen Glocken alle
läuten, von Zeit zu Zeit die grösste Glocke nur angeschlagen, d. i. gebeiert. '^
^ Eschenwecker a. a. 0. S. 24 führt dafdr die Dordrechter Synode (1618
bis 1619) an. — Eine Synode von Neuch&tel hatte schon 1564 beantragt, ,,gue la
sonnerie pour Us moris, meme un tos de prieres que les anciena fönt au temple,
aaient de totUmises en hos, et les tetnples fermis,'^ (Blavignac a. a. 0. S. 118.)
' Vergl. Pfalz. K.-Ordn. von 1560, S. 390. — Schwed. K.-Ordn. (Stockhohn
1687). S. 91. — Erstere ordnet das Grabgeläute als Versammlungszeichen für
das Gefolge an, letztere ,,nicht aus einigem Aberglauben, sondern . . . bei Nach-
lebenden christliche Gedanken von der Sterblichkeit zu erwecken.*^ Chrysander
a. a. 0. S. 174.
^ S. die Belege bei Eschenwecker a. a. 0. S. 39 ff.
* Ebend. S. 64.
^ HüllmanD, Städtewesen des M.-A. 4, 164 (nach Ghirardacci 1, 347).
^ Reimann, de campaois S. 43: bei vornehmen Leichen wird „ihnen in
drei Zeichen geläutet''. — Im Preuss. Reg.-Bez. Frankfurt darf auf den Dörfern
bei Leichen nicht mehr als in drei Pulsen geläutet werden. Vergl. Rumpf a. a.
0. S. 579.
^ Richter, A. D., de funeribus . . . Beyerleichen. (Zittau 1764.) S. 3.
44 Trauerläuten.
— lu manchen italienischen Ortschaften pflegt man hei Begräbnissen die
Glocken so zu läuten, dass der Klöppel nur auf einer Seite anschlägt, und
zwar in laugsamem Zeitmass, gleichsam um die Trauer auszudrücken.^
Das Trauerläuten, welches nach dem Ableben des Landesherrn
(des Königs tön Preussen z. B. vierzehn Tage lang, mittags von 12 bis
1 Uhr^), des . Kirchenpatrons oder des Gerichtsherm durch einen nach
jedes Ortes Gewohnheit bestimmten Zeitraum (Preuss. Allgem. L. R. II. 11.
§ 593) in sämtlichen Kirchen des betreffenden Gebietes oder Patronats
stattzufinden pflegt, muss als eine Art des Ehrengeläutes angesehen werden
imd gehört zur Landes- oder lürchentrauer. In der mittelalterlichen Kirche
schwiegen die Glocken zur Zeit der öffentlichen Trauer^; es dürfte daher
das Trauerläuten erst späteren Ursprunges sein. — Nach dem Tode eines
deutschen Kaisers fand das Trauergeläute im ganzen Reiche statt, auf An-
ordnung der Stände^; sonst wird es von dem legitimen Nachfolger und
Erben, jedoch nicht mit Umgehung der kirchlichen Behörde veranlasst. —
Insofern das Ausläuten der gutsherrlichen Leichen als eine Feudallast der
Unterthanen anzusehen war^ ist es durch die neuere Gesetzgebung aufge-
hoben.^ — An manchen Orten gehört das Trauerläuten um den Kirchen-
patrou zu den Obliegenheiten des Küsters, während es bei dem Tode eines
eingepfarrten Gerichtsherm von den Gerichts-Eingesessenen besorgt werden
musste. Das Trauerläuten um den Landesherrn geschieht nach jedes
Landes und Ortes Gewohnheit auf Kosten der Kirche, der Gemeinde oder
des Staates.
Wetterglocke, Donnerglocke, Feuerglocke, Sturmglocke. — Der
Gebrauch der Glocken bei Ungewittern, welcher in seinem erstien Ursprung,
ebenso wie die Totenglocke, ein Zeichen zum Gebete um Abwendung der
drohenden Gefahr gewesen sein mag, nahm jedoch ebenfalls schon früh-
zeitig, mindestens zur Zeit der Entstehung des Weih-Rituals, die magische
Richtung des Zeitgeistes, und ungeachtet des karolingischen Verbotes der
Glockentaufe (um des Hagels willen; siehe oben Seite 16), setzte sich der
Aberglaube an eine übernatürliche Wirkung des Glockeuklanges wider feind-
selige, dämonische Naturkräfte immer fester, und die Mahnung an das
^ Rocca a. a. 0. S. 181.
* Landestrauer-Reglement vom 7. Oktober 1797.
^ Du Gange a. a. 0: Catnpanarum sonitum intertnissum in Ittctu publica
colligitur ex Matth. Paris, ann. 1172, p, 88.
* Eschenwecker a. a. 0. S. 39 ff., nach: Böhmer, de eo, quod iustum
est circa luctum publicum. § 26 f
^ Preuss. Gesetz vom 2. März 1850. § 2 ad 8.
Wetterglocke. 45
Beten ^ zu Dem, der hier allein Schatz verleihen kann, trat immer weiter
znrflck and geriet in fast völlige Vergessenheit. Die Erregung höser, ver-
derblicher Wetter wurde den Dämonen zugeschrieben, und da die Glocken
infolge ihrer Weihung gegen diese kräftig sein mussten, so sollten sie auch
zum Schatze gegen die von denselben ausgehenden schädlichen Wirkungen
dienend: nicht bloss gegen Wetterschaden aller Art, als Blitz, Wolkenbruch,
Hagel, Frost, Sturm u. s. w., sondern auch gegen andere Übel, die Pest,
überhaupt Krankheiten, Unfruchtbarkeit der Weiber^, Diebstahl* u. s. w.
und manche in dieser Beziehung als besonders kräftig in Kuf stehende
Glocken wurden durch die Opfer der Gläubigen keine unbedeutende Ein-
nahmequelle fQr die betreffenden Kirchen.^ Die Reformation erweckte
indes das Gewissen des katholischen Klerus in Deutschland, und man fing
an, sich der Duldung und Begünstigung jenes Unfugs innerlich zu schämen,
weshalb ein Provinzial-Konzil zu Köln im Jahre 1536 die objektive Wir-
kung der Glocken auf Abwendung der bösen Wetter ^ Abrede stellte und
von den durch den Glockenruf erweckten Gebeten der Gläubigen für ab-
hängig erklärte^, was indes vom Standpunkte des in Geltung gebliebenen
Weihrituals als heterodox wird müssen bezeichnet werden. Als am Schlüsse
des 16. und zu Anfang des folgenden Jahrhunderts Physiker, wie Baco von
Verulam und Cartesius, entdeckt zu haben glaubten, dass die angeblich erfah-
rungsmässige Zerteilung der dicken Gewitterwolken durch das Glockenläuten
lediglich von der Lufterschütterung herrühre^, so wurde dies von recht-
gläubigen Theologen für einige Fälle zwar zugegeben, in der Hauptsache
^ Du Gange a. a. 0.: Camparua ptäsari pro fructibus terrcue, ut pro iis
conservandis poptUus oret, proLecipiunt Stat. synod. ecd, Carcass, ann, 1321.
' Durand a. a. 0. 1. 1. c. 4. n. 15: Daemones . . . campatiM audientes . . .
fugiant et a tempestatis concitatione quiescant, et . . . fideles . . . provocentut . . .
orcUioni insistere,
^ In der Andreaskirche von Mantua wird eine Glocke gegen weibliche Un-
fruchtbarkeit erwähnt bei Stohr, de campanis c. 5. §. 8.
* Nach dem ostpreussischen Yolksaberglauben kann, so lange die Kirchen-
glocken läuten, ein Dieb nicht aus der Stelle. In Masuren bittet manchmal der
Bestohlene den Küster um ein Läuten, damit er den Dieb fassen könne.
^ Die grösste Glocke des ehemaligen Klosters Neu- Werk bei Halle a. d. S.
soll soviel Einkünfte wie ein Rittergut gehabt haben, weil ihr eine besondere
Kraft, den Teufel zu vertreiben, die Seelen aus dem Fegefeuer zu erlösen u. a. m.
zugeschrieben wurde. — Vergt. Dreyhaupt, Beschreibung des Saalkreises 1, 701.
— Für ganz besonders kräftig gegen böse Wetter galt auch das Geläute der
Cyriacuskirche in dem Dorfe Obergreislau bei Weissenfels, „dcis Bellen der Oy-
riaxhunde^^. Vergl. Geo. Ernst Otto, Geschichte u. s, w. von Weissenfels. 1796,
S. 435.
" Sala zu Bona a. a. 0. 2, 138.
^ Vergl. die Beweisstellen bei Iren. Montanus a. a. 0. S. 133 ff.
46 Wetterglocke.
jedoch für eine Folge der Konsekration der Glocken erklärt \ wie ja auch'
der Kanonendonner nnr insofern eine Zerteilung des Gewölkes za bewirken
vermöge, wenn mit geweihtem Pulver geschossen werde. Bis ins 18. Jahr-
hundert blieb es eine Streitfrage, ob die Erschütterung der Luft, die durch
das Läuten hervorgebracht werde, zur Zerteilung der Wetterwolke hin-
reichend sei oder nicht ^, wobei endlich diejenigen Recht behielten, welche
sich dawider erklärten; ja, das tiefere Eindringen in die Erkenntnis der
beim Gewitter thätigen Naturkräfte führte zuletzt zu der Ansicht, dass das
Glockenläuten bei Gewittern gefährlich sei % weshalb es von Polizei wegen
verboten wurdet wobei sich das katholische Volk und der Klerus beruhigt
* Rocca a. a. 0. S. 182. ~ Vergl. Chrysander a. a. 0. S. 161—162.
' Stockfleth (de campananim usu (1665) p. 174) und Iren. Montanus
(1726) sprechen sich dafür aus; Model (Diss. an campanarum sonitus fulgura
impedire possit?), Fischer, Joh. Nep. (Beweiss ^ dass das Glockenläuten bei
Gewittern mehr schädlich als nützlich sey. München 1784) u. A. dawider. —
Vergl. Chrysander a. a. 0. S. 177. — Der berühmte Physiker Arago erklärte
( Annuaire du Bureau des Longitudes von 1839) : Dans VHat actuel de la science,
ü n'est pas prouvi que le son des cloches rende les coups de tonnerre plus im-
minents, plus danger eux; il n*est pas prouve qu'un grand bruit ait januUs fait
tomber la foudre sur des bätiments que, sans cela, eile n'aurait point frappes.
Vergl. Blavignac a. a. 0. S. 157.
' Nach einem Berichte von Deslandes in den Abhandlungen der Pariser
Akademie der Wissensch. von 1719, der damals allgemeines Aufsehen erregte,
wurden bei einem Gewitter in der Nacht vom 14. auf den 15. April 1718 in
einem kleinen Bezirke der Nieder-Bretagne (von Landerneau bis St Paul de L^on)
24 nicht weit voneinander gelegene Kirchen, in welchen man, obgleich es Char-
freitag war, wo die Glocken nach kirchlicher Sitte zu schweigen hatten (s. oben
S. 30), dennoch läutete, vom Blitze entzündet, während andere, dazwischen ge-
legene, in welchen nicht geläutet wurde, unbeschädigt blieben. Es war dies
freilich eine Gewissensfrage gewesen, ob man bei Gewittern in den drei letzten
Tagen der stillen Woche mit den Glocken läuten dürfe oder nicht; die damalige
Erfahrung sprach dagegen. Vergl. Krünitz, Ökonom. Encyklop. 18, 263; Fi-
scher a. a. 0. 8. 12; Blavignac a. a. 0. S. 156.
^ In Frankreich 1784, und 1787 verschärft, bei 10 Frcs. und im Wieder-
holungsfalle 50 Frcs. Strafe (Blavignac S. 155), in Bayern schon 1783. Hier
begnügte man sich nicht mit dem Läuten der Kirchenglocken, sondern hatte den
Gebrauch, wenn eine Gewitterwolke im Anzüge war, mit einer kleinen Handglocke,
einem sogenannten Lorettoglöckchen, im Hause herumzulaufen oder zum
Fenster herauszuschelien (Fischer a. a. 0. S. 40]r. ~ In Rheinpreussen finden
sich noch Verbote aus neuerer Zeit, z. B. eine Verf. der Reg. zu Trier vom
1. Oktober 1821 (Fürstenthal, Sammlung aller das Kirchen- u. s. w. Wesen
betr. Gesetze 1 , 510) : „Wenn Gewitter am Himmel stehen , dürfen die Glocken
nicht geläutet werden.** — Vergl. Grundmeyer, Lex. der röm.-kathol. Kirchen-
gebräuche, Artikel „Glocke".
L&aten als Rettungszeichen. 47
zu haben scheint.^ — Die protestantische Kirche musste sich vom evan-
gelischen Standpunkte ans. von vorn herein gegen das Wetterlänten er-
klären, insofern das Volk an eine magische Wirkung desselben glaubte; wo
man dieses Läuten beibehielt — und die Abschaffung gelang nicht fiberall,
weil das Landvolk in seiner Gewitterfurcht daran hing, und die Efister
besondere Emolumente unter jenem Titel erhielten^ — , war es die von
Luther (Walch 10, 1966) kräaig befürwortete Pflicht der Geistlichen, den
Glockenruf in der Gewitternot als ein Weckzeichen zum frommen Gebete
zu erklären.^
Ton dem besprochenen Wetterläuten völlig verschieden ist der Ge-
brauch der Glocken bei schlimmem Wetter als Warnungs- und Ret-
tungszeichen für Reisende. Nicht bloss in Schweden, sondern auch in
den Alpenländem, in den Sevennen, in der Auvergne, in mehreren Teilen
des Elsass und des Grossherzogtums Baden ist es Sitte, an stürmischen
Winterabenden von 7 bis 10 Uhr von Dorf zu Dorf zu läuten, um ver-
spätete oder verirrte Reisende im Schnee zurechtzuweisen. Ebenso wurde
1851 in Russland von Polizei wegen das Läuten der Dorfkirchen-Glocken
bei Tage und bei Nacht angeordnet, um bei heftigem Schneegestöber Rei-
senden das Auf&nden eines Zufluchtsortes zu erleichtern.'^ Gleichem Zwecke
dient das Glöcklein des Klosters auf dem St. Bernhard, sowie die erst
neuerer Zeit angehörige Stiftung einer Glocke auf dem hohen Veen und
auf dem Splttgen, aber schon im Mittelalter Hessen diel Hospitalritter von
^ In einer 1841 erlassenen Pastoral -Instruktion des Kardinals Giraud (s.
den ausführlichen Text bei Blavignac a a. 0. S. 162) wird der Glaube an die
Kraft des Wetterläutens aus religiösen Gründen entschieden gemissbilligt
' „Die Wettergarbe'' (s. Ghladni, Inventarium templorum, p. 479), „das
Donnerbier'' (s. Unger, Sal. Glc, Chroaik der Stadt CöUeda, S. 168).
" Im Libell. visitatorum de 1528, c. 16 wird die Beibehaltung des Wetter-
läutens in Luthers Sinn gestattet; dagegen in der Kirchenordn. des Burggrafen
Heinrich V. von Plauen von 1652 als ärgerlich und nach Papsttum stinkend be-
zeichnet und in den Kursächs. General -Artikeln von 1580 (Art. 39. e) als ab-
göttisch schlechthin verboten. Die Magdeb. Kirchenordn. von 1685 c. 8. § 10
erlaubt das Wetterläuten unter gehörigem Vorbehalt, während Graf Heinrich XII.
von Reuss-Schleiz noch 1762 sogar befahl, dass bei einem Gewitter nahe oder
über einem Orte dreimal nach einander mit zwei Glocken geläutet und dem
Glöckner nach der Ernte dafür die Wettergarbe von jedem Gutsbesitzer entrichtet
werden solle (Gebhardt, Herrn., Thüring. Kirchenge seh. 3,240). In der Mark
wie in Pommern, bestand diese Sitte bis in neuere Zeit fort, und noch eine Verf.
der Preuss. Reg. zu Frankfurt vom 7. Juli 1815 (Rumpf a. a. 0. S. 397) rechnet
auffälliger Weise das „Gewitterläuten" zu demjenigen Gebrauche der Glocken,
wozu dieselben von der weltlichen Obrigkeit öfters in Anspruch genommen würden.
* Berlin. (Vossische) Zeitg. 1861, Nr. 236, Erste Beil. S. 3.
48 Sturmglocke.
Altopascio (bei Lncca) des Nachts eine deshalb „la Smarrita^^ genannte and
daselbst noch vorhandene Glocke läuten, um die in den nahen Wäldern
verirrten Wanderer wieder zurecht zu bringen und sie nach ihrem Kloster
zu leiten.^ — Einem ähnlichen Rettungszeichen in alter Zeit, wo über-
haupt Glocken die Stelle der Leuchttürme vertreten zu haben scheinen, ver-
dankt der Glocken-Felsen (Bell -rock) an der Ostküste von Schottland
inmitten der Tay Bay seinen Namen, wo die Mönche von Aberbrothok eine
Glocke aufgehängt hatten , die sie beim Steigen und Fallen des Meeres zur
Warnung der Schiffer vor dem bei gewöhnlicher Flut fast völlig vom Wasser
bedeckten Felsen zu läuten pflegten. Auch auf dem seit 1811 daselbst er-
richteten Leuchtturme werden noch jetzt bei nebligem Wetter die Signale
durch zwei Glocken von beträchtlicher Grösse gegeben. ^ Ahnliches geschah
in französischen Häfen: zu Dieppe, St.-Val6ry, Bourg d'Ault u. s. w. — In
Bergwerken (z. B. in Freiberg) ertönt bei jeder Hebung des Gestänges ein
heller Glockenschlag: ein Verstummen des letzteren würde eine Stockung
in der Maschinerie, somit Gefahr und Unglück anzeigen.
Der Wetterglocke verwandt erscheint die Sturmglocke (franz. tocsin;
Von ioquer le sain , die Glocke [sain = Signum] anschlagen , in Flandern
orde ; von ordre = Befehl), insofern der Aberglaube des Mittelalters auch
diesem Gebrauche rettende Kräfte zuschrieb, und man dieselbe in Zeiten
der Not und Angst, bei feindlichen Überfällen, Feuersbrünsten, Überschwem-
mungen u. s. w. zu läuten pflegte, wenngleich dies ursprünglich auch nur
den Sinn gehabt haben mag, die Wehrlosen zum Gebete zu rufen, während
^ Nach briefl. Mitteil, des Grafen £d. Mella in Yercelli. — An den Gebrauch
der Glocken zur Bettung Yerirrter knüpfen sich allerlei Sagen : Schalkhausen bei
Ansbach hiess eigentlich SchallhauBen. Einst hatte sich ein Fräulein von Dom-
berg im Waldesdickicht jener Gegend verirrt, und ihre Angst sie zum Gebete
getrieben. Da ertönte das Glöcklein eines Eremiten im Waldesthal und der Schall
führte sie zu seiner Klause; aus Dankbarkeit stiftete sie an dieser Stelle eine
Kapelle und stattete dieselbe mit Glocken aus. Ähnliches wird auch von dem
dicht dabei gelegenen Flecken Rossstall berichtet, wo sich ein ausgezeichnetes
Geläute befindet In Langingen erscheint diese Sage in weiterer Ausführung.
Hier wurden die Glocken von drei verirrten und erretteten Fräulein vom Dillen-
berg auf das von ihnen zum Dank für ihre Rettung gebaute Spital gestiftet.
Einst wollte ein träger Messner das Läuten daselbst abschaffen, weil ohnehin des
Läutens genug im Orte sei; aber da erschienen ihm im Abenddämmer in der
Kirche drei schneeweisse Jungfrauen mit ernster Gebärde und strafendem Blick.
Er erkannte wohl, was sie wollten und wartete vonstundan seines Läutens emsig-
lieh. (Christi. Kunstbl. 1866, S. 103.)
' (Brockhaus) Konvers.-Lex., Artikel „Bell Rock" nach dem Supplement der
Cyclopaedia Britannica.
Sturmglocke. 49
die wehrhafte Mannschaft dadurch ein Zeichen erhielt, zar Rettung und
Verteidigung zu eilen. So begab sich bei einer Belagerung von Sens im
Jahre 615 der Bischof Lupus im Vertrauen auf den Herrn in die dortige
Stephanskirche und rührte die Glocke, um das Volk zusammenzurufen:
darüber erschrak der Feind so sehr, dass er sein Heil in der schleunigsten
Flacht suchte. ^ Diesen Erfolg schreiben zwar einzelne unter den katho-
lischen Schriftstellern dem frommen Gebete des heiligen Bischofs zu, die
meisten jedoch sehen ^ darin lediglich eine Zauberwirkung der geweihten
Glocke und teilen den Glauben des «Volkes, dass man durch Glockenklang
Feinde vertreiben und Feuersbrünste löschen könne. ^ Nach dem Falle
dieses Wahnes in der Refoimationszeit versuchte man zwar durch Verord-
nungen (Magdeb. Polizei - Ordnung c. 33. § 37) in einzelnen evangelischen
Ländern die Sturmglocke als Betglocke zu erklären und zum Zeugnis dessen
das Läuten derselben mit dem Betglockeschlagen abwechseln zu lassen ; es
lag aber in der Natur der ganzen Sache., dass das Läuten unter solchen
Umständen zunächst nicht zum Beten und zu kirchlicher Versammlung,
sondern zu bürgerlichen Zwecken zusammenrufen musste, weshalb der Ge-
brauch der Sturmglocke, z. B. bei Verfolgung von Räubern und Zigeunern
(Reichsabschied von 1548 § 20; Kursächs. Polizei-Ordnung von 1661. Tit.
n. Ruhr. „Von Zigäunern"; ebenso ein verschärftes Königl. Preuss. Edikt
vom 25. Januar 1707) — übrigens nirgends ein wirkliches Läuten, son-
dern ein blosses Anschlagen — überall als eine polizeiliche Einrichtung
angesehen wird und dem sonstigen rein kirchlichen Charakter der Glocken
Abbruch zu thun geeignet ist.
Die in betreff des Glockengebrauches zu rein weltlichen Zwecken un-
ausbleiblichen Kollisionen zwischen geistlichen und weltlichen Behörden,
sowie das geistliche Verbieten der Kirchenglocken während des Interdikts
scheinen, indem die weltlichen Behörden nach Unabhängigkeit in dieser
Hinsicht strebten, die Veranlassung gewesen zu sein, dass die Stadtgemeinden
im Mittelalter sich eigene Glocken beschafften, die sie auf mit den Rat-
häusern, Kaufhallen, Thoren und anderen städtischen Gebäuden in Verbindung
stehenden Glockentürmen anbrachten.'^ Diese Glocken heissen Bürger-
^ Baronius, Annal. eccles. ad a. 615. Vergl. Rheinwald, Arcbäologie,
S. 149.
^ Die Clemenskirche zu Drontheim hatte eine Glocke, Gl öd genannt, berühmt
wegen ihres starken Klanges; nach einer Sage hörten die Soldaten Magnus des
Guten ihren Klang in einer Schlacht gegen die Wenden und wurden dadurch zum
Kampfe ermnntert. Minutoli, Dom zu Drontheim, S. 38.
•'' Vergl. Viollet-le-Duc, Dict. de Parchitecture 2, 193 — 197: Beifroi de
commune.
Otte, Glockcnkundo. 4
50 Kommunalglocken.
glocken (Bauerglocken auf den Dörfern), Gemeindeglocken,
Bannglocken (campanae bannales, catnpanae coinfnuniae, campanae com-
munitcUis ; altfranzösisch: la handoche , bandoque, clocJie du ban; angel-
sächs.: mötbel [von mot = Volk, und bei = Glocke]), und bei ihrem
Läuten waren alle Eingesessenen des Stadtbannes gehalten, sich zu dem
Bürgergeding einzufinden. Nicht immer begnügten sich die Städte mit
einer solchen Glocke, sondern beschaflften sich mehrere von verschiedener
Grösse, deren jede einzelne ihre besondere Bestinmiung hatte. So be-
stellte z. B. die Stadt Peronne im Jahre 1369 eine Bannglocke von
4 — 5000, eine Wachtglocke von 1600—1800 und eine Glocke des Ma-
yeur von ungefähr 1000 Pfund. ^ Auch waren auf den Wällen der St&dte,
z. B. in Genf, in bestimmten Entfernungen mit Wachen besetzte Glocken
aufgehängt, um beim Herannahen eines Feindes die Verteidiger zu alar-
mieren. Die Sitte, die Bürger durch Glockenklang zu kriegerischen Zwecken
zusammenzurufen, kommt schon zu Anfang des elften Jahrhunderts vor:
Thietmar von Merseburg (Chronicou 6, 9-, rec. Wagner, p. 143) erzählt,
dass bei einem beabsichtigten nächtlichen Überfalle von Prag im Jahre 1004
daselbst um Mitternacht die Glocken der nahe gelegenen Stadt Wissehrad,
welche die Bürger zum Kriege riefen (campanas cives ad heüif/m sonitu
hortarites), gehört worden seien; eigentliche städtische Bannglocken, auf
besonderen Glockentürmen^ (zuweilen aber auch auf einem bestinmiten
Turme der Hauptkirche, z. B. auf den Domen zu Metz, Soissons und St
Quentin), die als ein Ausfluss des Stadtrechtes galten, scheinen sich da-
gegen erst -seit dem zwölften Jahrhundert vorzufinden, namentlich in Belgien
und Frankreich, wo sie unter den fortwährenden Kämpfen bis ins 16*. Jahr-
hundert eine nicht unbedeutende politische Rolle spielten. — Die Floren-
tiner hatten zur Zeit Kaiser Friedrichs IL eine Glocke, welche sie Marti-
nella nannten und einen ganzen Monat vor dem Ausbruche einer Fehde zu
läuten pflegten, damit sich der Feind bereit halten möge. Das ausziehende
lieer nahm diese Glocke (auf dem Caroccio, dem Staats -Streitwagen) mit
sich, um nach ihrem Schalle den Wachtdicnst und sonstige militärische
^ Zeitschr. des Aachener Geschichtsvereins 4, 320.
^ Diese nicht kirchlichen Glockentürme heissen zum Unterschiede von den
kirchlichen C&mpanarien und Clocarien im mittelalterlichen Latein: Berfredus,
Verfredus, Belfredus; altfranzösisch: Belefroy, Belfroit, Beaufiray, was ursprüng-
lich einen transportablen Holzturm zu bezeichnen scheint, in welchem Falle die
Ableitung von dem angelsächs. bei = Glocke zu verwerfen wäre. Im jetzigen
Englisch bezeichnet das Wort belfry jeden Glockenturm .überhaupt, namentlich
auch den eigentlichen Glockenstuhl; letztere Bedeutung hat auch das französi-
sche beffroi neben der ursprünglichen eines städtischen Glockenturmes. Vergl.
Du Gange a. a. 0.: Belfredus. — Penny Cyclopaedia: Belfry.
Kommunalglocken. 51
Geschäfte zu regeln.^ — Aufstände der Städte gegen die Landesherren
gaben diesen die Veranlassung, denselben das Bannrecht und . die Bannglocke
zu entziehen: dies geschah im Jahre 1179 seitens des Königs Philipp August
mit der Stadt Hesdin; ähnliches Schicksal widerfuhr im Jahre 1295 der
Stadt Laon und unter Philipp von Yalois 1328 der Stadt Yperu. In
Cambray wurde auf Befehl Kaiser Friedrichs II. 1236 die Bannglocke herab-
genommen, und der städtische Glockenturm zerstört. ^ — In Gent verlangte^
Kaiser Karl Y . nach Dämpfung eines Aufruhrs , dass die auf dem Stadt-
turme befindliche Glocke zerschlagen werden sollte, gab indes auf Bitten
der angesehenen Einwohner so viel nach, dass sie nur durch Herausschlagen
eines Stückes aus dem Rande unbrauchbar zum Läuten gemacht wurde,
und mit heiserem Klange nur noch als Uhrglocke dienen durfte.^ — £s
müssen diese Konfiskationen der Bannglocken als Strafe für das ungesetz-
liche Sturmläuten bei Rebellionen angesehen werden, wie denn auch der
belagernde Feind den Belagerten den Glockengebrauch zu verbieten pflegte
und im Falle der Nichtbefolgung nach der Eroberung der Stadt, besonders
wenn diese mit schwerem Geschütze beschossen worden war, dem Kriegs-
rechte gemäss die Glocken entweder in Beschlag nahm oder dafür eine
besondere Kontribution (das Glockengeld, les docfies) beanspruchte. Dies
kam in Kriegsläuften auch in Beziehung auf die Kirchenglocken zur An-
wendung^, und es finden sich viele Beispiele aus alter und neuer Zeit,
dass der Feind die also eroberten Glocken fortschleppte und in den Kirchen
des eigenen Landes aufhängen liess. ^ — Auch in Städten, die von Feinden
^ Machiavelli, Bist. Florent. 1. 2. Lugd. Bat. 1645. p. 67. Diese Glocke,
welche den Florentinern in der Schlacht bei Monte -Aperto abgenommen wurde,
soll auf dem Kampanile des Doms zu Siena der Sage nach noch vorhanden sein
Yergl. Organ für christl. Kunst 1867, Nr. 11, S. 122, und weiter unten Abschnitt lY,
S. 88, Fig. 6.
' Die betr. Beweisstellen s. bei Du Gange unter Campana banndlis.
* Iren. Montanus a. a. 0. S. 65.
^ So musste das thüring. Städtchen GöUeda 1634 die grosse Glocke der
Wipertikirche für eine grosse Summe Geldes von den Pappenheimern auslösen,
als aber nach der Zeit eine andere feindliche Partei einrückte , konnte die Stadt
wegen Geldmangel die Glocke nicht abermals ranzionieren; sie wurde zu guterletzt
eine Yiertelstunde lang geläutet unter Yergiessung vieler Thränen der grossen
Menge Yolks, darauf heruntergeworfen, weggeführt und verkauft. Yergl. ünger
a. a. 0. S. 204. — Im Jahre 1807 musste die Stadt Danzig ihre Glocken bei
Napoleon mit Geld auslösen.
^ Auf dem Kapitole in Rom befindet sich z. B. die alte Thorglocko von
Yiterbo, die nach Dämpfung eines Aufruhrs im Jahre 1200 fortgebracht wurde.
In Ispahan ist eine 1662 von Schah Abbas in der portugiesischen Festung Ormus
eroberte Glocke mit der christlichen Inschrift Ave Maria. In Frankreich bezeugen
4»
52 Kommunalglocken.
besetzt waren, fanden Einschränkungen des bürgerlichen Glockengebranches
statt; so durfte z. B. in Halle a. d. S. die Thorglocke während der
Besatzung durch die Kaiserlichen im 30 jährigen Kriege 25 Jahre lang
nicht geläutet werden.^ — Je nach den verschiedenen Zwecken, welchen
die bürgerlichen Gemeindeglocken dienen, tragen dieselben verschiedene
Namen. In Menmiingen wurde nach Beendigung der Fronmesse das Eats-
glöcklein bei St. Martin geläutet, und wer von den Ratsherren bei dem
zweiten Zeichen noch nicht auf der Ratsstube war, zahlte drei Pfennig
Strafe. In Würzburg läutete im 14. Jahrhundert zur Zeit der Weinbergs-
arbeiten des Morgens die Heckerglocke, auf deren Zeichen die Wein-
bergsarbeiter sich für den Tag verdingen mussten; später kommende wurden
nicht mehr angenommen. In Aachen bezeichnete die Werkglocke mor-
gens und abends Beginn und Ende der Arbeit In Danzig rief allabendlich
die Bi erglocke die Gäste in den Artushof auf die Bänke. In rheini-
schen Städten war der Nachtwächter verpflichtet, viertelstündlich die
Wachtglocke anzuschlagen. In Messstädten (Frankfurt, Strassburg, Leipzig,
Naumburg a. d. S.) wird der Markt mit der Messglocke ein- und aus-
geläutet, was an die kirchliche Entstehung dieser Jahrmärkte erinnert und Be-
ginn und Ende der Messprivilegien und Freiheiten^ verkündigt^ welches Zeichen
auf französischen Jahrmärkten durch Trompetenschall gegeben wird. ^ Die
Zinsglocke (z. B. in Freiburg L B.) mahnt die Steuerpflichtigen an die
Zahlung; die Mordglocke (zu Strassburg) rief auf Befehl des Ammans
die bewaffneten Bürger zusammen. In mehreren Städten von Savoyen (z. B.
in Annecy 1742) gab die Empata (von pasta = Teig) das Zeichen zum
Kneten des Brotteigs. Im spanischen Amerika wird die Cabildo- Glocke
zur Zusammenberufnng von Yolksversanmilungen und in Kalifornien bei
Ausübung der Volksjustiz die Lynch -Glocke geläutet u. s. w. — Da zu
diesen verschiedenen bürgerlichen Zwecken an vielen Orten und namentlich
auf dem Lande die Kirchenglocken verwendet werden, so waren Verord-
nungen zur Verhütung des Missbrauches um so mehr erforderlich, als an
manchen Orten die Bauern „zum gemeinen Biersaufen" ^ oder (wie noch bei
viele niederländische, englische und spanische Glockeninschriften die fremd-
ländische Kriegsbeute, und auf dem nördlichen Turme von N. D. in Paris hängt
die grosse Glocke aus dem 1855 eroberten Sebastopol. Aus Indien und China
sind Glocken nach England gekommen. Vergl. Blavignac a. a. 0. S. 46.
^ Olearins, Halygraphia. Ps. 2, p. 367 und 443.
* Über hiermit zusammenhängende Kechtsfragen in Beriehung auf die Leip-
ziger Messe s. Eschenwecker a. a. 0. S. 63 ff.
^ Savary, Dictionn. de commerce 2. 654 f.
* Chiireächs. General-Artikel von 1580. XXXIX.
Gerichtsglocke. 53
MenschengedeDken in dem Dorfe Bocho bei Jüterbogk) durch die Bnll-
g locke ZOT Besichtigung des Samenrindes zusammengeläutet wurden. In
vielen, besonders in französischen Ortschaften war es üblich , die Stunde des
Gassenkehrens durch Läuten zu bezeichnen, was in Coutances erst 1840
auf Vorstellung des Bischofs abgestellt wurde. ^ In Bonn ist das Kehr-
glöckchen, eine Eirchenglocke, die sonst nachmittags 2 Uhr, jetzt früh
morgens an die Strassenreinigung erinnert, als polizeiliche Einrichtung noch
immer üblich. Der Glockengebrauch behufs der Frondienste galt in einem
deutschen Lande für erlaubt, in einem andern für verboten. — Im deut-
schen Reiche ist erst neuerlichst den Ortsvorständen aufgegeben worden,
bei Mobilmachungen des Kriegsheeres das Eintreffen der Ordre, imter gleich-
zeitiger Anzeige an die Kirchenbeamten, der Gemeinde durch Glockenläuten
sofort zu verkünden. -^ In gewissen Städten des Preuss. Reg.-Bezirks Frank-
fürt a. 0., wo alt-berühmte, treffliche Glocken geläute vorhanden sind, war
es unter bestimmten Einschränkungen zwar, aber doch noch in neuerer
Zeit gestattet, auf Begehren von Privatpersonen, die daran Wohlgefallen
fanden, die Glocken gegen Bezahlung an die Kirchenkassen zu läuten.^
Oberhaupt soll nach dem Preuss. Ministerialreskript vom 30. Juni 1842
der Gebrauch der Kirchenglocken bei billigen desfallsigen Anträgen auch
zu ausserkirchlichen Zwecken nicht versagt werden.^
Elageglocke, Geriolitsglooke , Diebesglocke, Arm-Sänderglocke,
Sehandglooke. — Für das Alter der Sitte, dass der Kläger behufs Zu-
sammenrufung der Richter eine öffentlich aufgehängte Glocke läutete, sprechen
mehrere Sagen, z. B. die von der Schlange, welche zu Zürich bei Kaiser
Karl die Kröte verklagte *, oder die von dem Schimmel zu Wineta, welcher
als Kläger wegen Undank seines Herrn auftrat.^ — Dass die Mitglieder
geistlicher Gerichtshöfe durch Glockenläuten versammelt wurden, war als
congregatio cleri in der Ordnung, und diese Sitte ging wohl erst auf die
weltlichen Gerichte über. In England wurden im 14. Jahrhundert die
ersten nicht kirchlichen Läutglocken (oder Uhren? — clocks) für die
Gerichtshöfe von den Strafgeldern der Parteien angeschafft und sowohl zum
Zusammenrufen der Richter, als auch der Zeugen und Parteien benutzt.^
— In der Karolina (Art. 82) wird verordnet, an den Gerichtstagen zur
gewöhnlichen Tageszeit das peinliche Gericht mit der gewöhnlichen Glocke
^ Blavignac a. a. 0. S. 65.
'' Rumpf a. a. 0. S. 397 f.
^ Ministerialbl. 1842, S. 263.
* Grimm, Deutsche Sagen, 2, 130.
* (0. Schulz), Berlin Lesebuch, 1, 160.
^ Beckmann a. a. 0. 1, 307 f.
54 Armsünderglocke.
(Diebesglocke) zu beläuten, damit sich Richter und Urteiler an die
Gerichtsstätte verfügen, was damals schon eine althergebrachte Gewohnheit
war. Als solche galt bereits um die Mitte des 15. Jahrhunderts das Läuten
der Blutglocke (caifvpana sanguinis) auf dem Dom zu Köln, wenn man
über Blut richtete.^ — Die Arm-Sünderglocke (cloche des pcUiens)^
gewöluilich eine nichtkirchliche, in England eine nur zu diesem Zwecke
bestimmte, pflegte bei der Ausführung und Hinrichtung der Verbrecher
geläutet zu werden; wenn aber das Preuss. Strafgesetz vom Jahre 1851 (§ 8)
die Vollstreckung des Todesurteils durch das Läuten einer Glocke anzu-
kündigen und damit bis zum Schlüsse der Hinrichtung fortzufahren ver-
ordnet, so soll darunter das Läuten einer Eirchenglocke verstanden und dabei
die Konfession des Delinquenten berücksichtigt werden^; doch geschieht dies
gegenwärtig in Berlin mit einer Glocke der Strafanstalt, auf deren Hofe
die Hinrichtung vollzogen wird, durch einen Geföngnisbeamten. In Aachen
gebrauchte man dazu die Bannglocke, wobei die Volksetymologie des
18. Jahrhunderts an die „Bangigkeit^' des zum Tode Geführten anknüpfte.
Auf der Arm - Sünderglocke zu Bern hat man die Namen aller derjenigen
eingraviert, bei deren Exekution dieselbe geläutet worden ist. ^ In Lau-
sanne soll die Glocke Cl^mence der Liebfrauenkirche um 1518 von einer
begnadigten vornehmen Verbrecherin zur Sühne gestiftet sein und ist mit
einem Belief geschmückt, welches dieselbe auf dem Schaffet knieend dar-
stellt: der Henker hat sie bei den Haaren ergriffen, aber ein Engel hindert
ihn an der Führung des Todesstreiches. * — In der Festung Neisse wurde
jeden Abend um neun Uhr mit einer kleinen Glocke des Rathauses geläutet,
die das Volk Arm -Sünderglocke nannte und an dieses seit 1844 aufge-
gebene Herkommen knüpfte sich die unverbürgte Rede von einer angeblich
über die Stadt verhängten Strafmassregel des Königs Friedrich II. — Nach
dem Hanseatischen Rechte wird über Baukerottierer, auch bei Austreibung
von Verbrechern die Schandglocke (cloche de Vifftiotninie) geläutet^,
* Kölner Domblatt 1851. Nr. 74.
^ Berlin. (Vossische) Zeitung 1852. Nr. 114. S. 3.
"* Blavignac a. a. 0. S. 192.
* Ebend. S. 191. — Es liegt übrigens die Vermutung nahe, dass das Relief
das Martyrium irgend einer Heiligen darstellt und sich die Sage lediglich an das
von dem Volke nicht verstandene Bild geknüpft hat.
^ Eschenwecker a. a. 0. S. 34. — Sokrates (Bist. eccl. 6, 18) erzählt,
dass man zur Zeit des Kaisers Theodosius zu Rom über Ehebrecherinnen, welche
zur Strafe öffentlicher Schändung preisgegeben worden seien, behufs Bekannt-
machung dieser Schmach mit Schellen geläutet habe (pulsarentur tintinnabula) :
also ein sehr altes Beispiel von dem Gebrauche einer Schandglocke, jedoch eben-
sowenig in irgend einem Zusammenhange mit dem späteren, als die angebliche
Glocken in den Klöstern. 55
was vielleicht daraus entstanden ist, dass die Verkündigung des kirchlichen
Bannes dem Ritual gemäss unter dem Läuten einer Glocke zu geschehen
hat, worauf sich der Spruch bezieht: Maledici nola, libro et candela.^ —
Schon ein Konzil zu Montpellier verordnet im Jahre 1214, dass über die
Landfriedensbrecher, als über kirchlich Exkommunizierte, geläutet werden
solle. ^ t
Glookeugebrauch in den Klöstern und Häusern u. s. w. — Den
Klöstern war nach Verordnungen mehrerer Päpste^, namentlich wenn sie,
wie die Bettelklöster gewöhnlich, in den Städten lagen, nur ein einge-
schränkter, nicht sowohl öffentlicher, als vielmehr bloss häuslicher Gebrauch
der Glocken gestattet, was nichts anderes heissen kann, als dass sie nur
kleine und wenige Glocken haben durften. Die meisten Orden, selbst die
Predigermönche, deren Statut ausdrücklich nur Eine Glocke gestattete,
wussteu sich jedoch nach und nach darüber wegzusetzen, und die päpstlichen
Verbote galten für obsolet^; nur diejenigen Orden, deren Tendenz über-
haupt allem Prunke abhold war, wie Cisterzienser und Bettelmönche, be-
dienten sich fortgesetzt nur weniger und kleiner Glocken, die von Einer
Person geläutet werden konnten. Namentlich warfen die Cisterzienser den
Cluniazensern vor, dass sie viele Glocken von verschiedenem Ton und Ge-
wicht hätten, von denen einzelne kaum von zwei Mönchen könnten geläutet
werden; dies sei ein unnützer Kostenaufwand, der keinen andern Nutzen
gewähre, als dass manche Mönche nach der grossen Anstrengung gebrech-
lich würden. ^ — Es fehlte in den Städten nicht au Streitigkeiten zwischen
Klöstern und Pfarren über das Läuten; auch stritten erstere sich unter-
einander: wie einst die Humiliaten mit einem andern Orden darüber,
welches Kloster den Anfang mit dem Frühläuten zu machen habe — was
dahin entschieden wurde : quod^ qui primo surgeret, jyrimo pulsare deberet, ®
— Die Franziskaner läuteten die Hungerglocke, wenn die Lebensmittel
zu Ende gingen, um mildthätige Herzen zu neuen Spenden zu ermuntern. ^
— Des Läutens in den Klöstern war überhaupt bei Tag und ]^acht kein
Sitte der heidnischen Griechen, den zur Richtstätte geführten Übelthätem Schellen
an den Hals zu hängen (vergl. Chladni, Inventahum templorum, p. 470), mit
der späteren Arm-Sünderglocke und dem Schellenwerk (roman. chalvert) der
Baugefangenen.
^ Eschenwecker a. a. 0. S. 27.
^ Du Gange a. a. 0. unter Campanas pulsare.
^ Gonz. Tellez a. a. 0. 5,495—497.
^ Steph. Durant, de ritibus, p. 178.
^ Ed. Martine, thesaurus nov. anecdot. 5, 1586.
^ Rocca a. a. 0. 1, 184.
' Blavignac a. a. 0. S. 168.
56 Schellen im häuslichen Gebrauche.
Ende, und ein italienischer Prälat des 17. Jahrhunderts sehnt sich nach
Erneuerung der alten Verbote, indem durch das viele Läuten in manchen
Klöstern eher Ungeduld und Unwille als Erbauung bei den Gläubigen er-
weckt werde. ^
Der Gebrauch kleiner Glocken im Innern der Klöster wird im zwölften
Jahrhundert als ein dreifacher geschildert: Tintimiabulum imlsaiur iti
triclinw et in refectorio, cyinhalum in charo, nola in moncLsterio^\ über-
haupt ist, wie schon bei den Alten, der häusliche Gebrauch der Schel-
len und Glocken auch im Mittelalter ein sehr mannigfaltiger gewesen, und
möge nur Erwähnung finden, dass die den Diener rufende oder Ruhe ge-
bietende Glocke des Vorsitzenden in beratenden Versammlungen nicht bloss in
Italien schon im 16. Jahrhundert bekannt war^, sondern auch in Deutschland
gebräuchlich gewesen sein wird.* — Der gegenwärtige Gebrauch der Glocken
in Fabriken und Bergwerken, auf Schiffen und Eisenbahnen, in Schulen u. s. w.
und wie schon bei den Alten an Thüren, in Zimmern, bei Lasttieren und
Viehherden u. s. w. ist bekannt. — Im 15. Jahrhundert trugen vornehme
Personen in Deutschland und Frankreich an ihren Staatskleidern Schellen
und Glocken, zuweilen silberne Gürtel mit Glocken von 10, 12, 15 und
angeblich sogar von 120 Mark Schwere^; der Ursprung dieser Mode ist
unbekannt: früher schon kommen die Schellenkappen der Narren vor, und
Geistliche trugen, vielleicht nach Analogie des hohepriesterlichen Kleides
bei den Juden (Exod. 28, 33-, 39, 25. 26. Sir. 45, 11), schon im zehnten
Jahrhundert und wohl seit den ältesten Zeiten Schellen an ihren Gewändern. ^
Gebrauch der Glocken bei nicht •christlichen Völkern. — Die
antiken Glöckchen und Schellen sind nicht bloss unter den christlichen
Völkern des Abendlandes zu grossen Glocken umgebildet worden, sondern
dasselbe ist auch unter verschiedenen heidnischen Völkerschaften in Asien
^ GasaliuB, de vet. sacr. Christ, ritibus (Francf. et Hannov. Iö81), p. 245.
^ Vergl. Beleth a. a. 0. c. 86, welcher ausserdem noch anführt: NoMa in
horologia^ campana in turribiis. — Vergl. auch Durand a. a. 0. 1. 1. c. 4. n. 11.
^ Magius, de tintinnabulis. c. 18. — Vergl. Rocca a. a. 0. 1, 183.
* Im Märkischen Provinz.-Museum zu Berlin befindet sich eine aus dem Rat-
hause zu Spandau stammende Handglocke mit der Jahreszahl 1563. Dieselbe ist mit
Geige spielenden und sich anderweit divertierenden Affendarstellungen geschmückt;
und Abgüsse nach demselben Modell kommen gelegentlich in Süddeutschland auch
unter der Bezeichnung von Messschellen (z B. zu Stuttgart in Privatbesitz mit
der Jahreszahl 1549) vor; der Meister, der diese Glöckchen offenbar fabrikmässig
zu jedem beliebigen kirchlichen oder profanen Gebrauche verfertigte, nennt sich
auf denselben: Johannes a Fine.
^ Chrysander a. a. 0. S. 93 f. — Blavignac a. a. 0. S. 340 ff.
^ Chrysander a. a 0. S. 95 f
i
Glocken der Chinesen. 57
vielleicht schon früher geschehen, woraus die offenbar geringe Vorliebe der
orientalischen Christen für den kirchlichen Glockengebrauch zu erklären
sein könnte.^
In den Originalwörterbüchern des Sanskrit aus den ersten Jahrhun-
derten hat bereits die Glocke einen echt sanskritischen Namen, gltana und
gJiati, die Tönende (von Jian = schlagen), woher gJiatika, die Stunde, und
im Hitopadesa, einem Werke des fünften Jahrhunderts, wird schon ein
solches Glöckchen von einem Diebe gestohlen und gerät in die Hände eines
Affen, der durch das Geklingel entdeckt wird. ^
Die grossen Glocken der Chinesen werden indes nicht geläutet, son-
dern nur mit hölzernen Keulen geschlagen; ihr Klang ist auch vermöge
ihrer cylindrischen Form durchaus unharmonisch, und der Gebrauch dersel-
ben scheint überall nicht mit dem Kultus zusammenzuhängen, sondern nur
bürgerlichen Zwecken gewidmet zu sein. Die mythischen Jahrbücher der
Chinesen erzählen aus der Regierungszeit des Kaisers Hoang-ti: Ling-lüne,
gebürtig aus Yuene-yu gegen Abend von Ta-hia, nahm Bohr aus dem Thal
Hion-ki und blies hinein, und dies gab Gelegenheit zur Erfindung der
Glocken. Darauf goss Yong-yuene auf Befehl des Kaisers Hoang-ti zwölf
Glocken von Kupfer, welche mit den Monden übereinstimmten und dienten,
die fünf Töne zu stimmen, die Jahreszeiten festzusetzen u. s. w. ^ — Marco
Polo, der Reisende des 13. Jahrhunderts, erzählt, dass, wenn in Tatu (Pe-
king) abends die Turmglocke aus der Mitte der Stadt ertöne, jedermann
nach Hause zurückkehre^; doch erwähnt er anderwärts (bei Quinsay oder
Hang-tsche), dass die Tagesstunden von Wächtern durch Schlagen auf ein
dürres Brett seien bezeichnet worden.^ — In dem Bericht über die Ge-
sandtschaftsreise des persischen Schachs Rokh an den Kaiser in China in
den Jahren 1419 — 1421 wird von der Stadt des Chans (Khanbalik oder
Khanbalu) gemeldet, dass auf dem Hofe des kaiserlichen Palastes ein Turm
stand , über dessen Thoren eine grosse Trommel mit einer Glocke ange-
^ Rubruquis erzählt (im Jahre 1254) von den buddhistischen Kiguren:
Auch haben sie Glocken, und ziemlich grosse, wie in Europa die Christen; des-
halb — meint der Mönch — hätten die Christen der orientalischen Kirche den
Gebrauch der Glocken verweigert, um nicht diesen Götzenanbetem zu gleichen. —
Vergl. Ritter, Erdkunde 7,438.
' Bohlen, das alte Indien 1, 346. — Der Gebrauch der Glocken bei den
Buddhisten, häufig erwähnt in dem Werke von Spence Hardy, the Eastem
Monachism. London 1850.
* Goguet, Ursprung der Gesetze u. s. w., übers, von Hamberger. 3, 273 f.
^ Jäck, Taschenbibliothek der Reisen durch China. I. 2, 14.
* Ebend. S. 37 f.
UNIVERSITY
"iiL^KVW^^^:^-
5g Glocken der Chinesen.
bracht war, worauf zwei Personen Zeichen geben mossten, sobald der Kaiser
sich auf dem Throne zeigte. ^ — Die ausführlichsten Nachrichten tLber die
grossen chinesischen Glocken haben die französischen Jesuiten der Mis-
sionen des 16. und 17. Jahrhunderts gegeben. Auf den Türmen des Klo-
sters Nanhoa sahen im Jahre 1589 die Väter Almeide und Ricci Glocken,
unter welchen eine war, wie sie sich nicht erinnerten in Europa gesehen
zu haben. ^ Le Comte führt es als gewiss an, dass die Chinesen in allen
ihren Städten sehr grosse Glocken haben, um die Nachtwachen damit zu
bezeichnen, deren es gewöhnlich fünf giebt, welche um 7 oder 8 Uhr
abends anfangen. Beim Beginn der ersten thut man einen einzigen Schlag,
den man bald darauf wiederholt, und so fort zwei Stunden lang bis zur
zweiten Wache. Von neuem werden zwei Schläge gethan, womit bis zur
dritten Wache fortgefahren wird; ebenso wird in der dritten, vierten und
fünften Wache die Anzahl der Schläge je um einen vermehrt, so dass man
wie nach einer Repetieruhr jeden Augenblick weiss, wie viel Zeit es ist.
An anderen Orten bediente man sich zu demselben Zwecke und in gleicher
Weise einer grossen Trommel.^ — Derselbe Missionär fand zu Nanking
mehrere grosse Glocken auf der Erde, unter deren Gewicht der Turm, auf
dem sie ehemals befindlich waren, zusammengestürzt war; ebenso lagen in
Peking sieben grosse Glocken^ welche der Kaiser Yong-lo zur Feier der
Übersiedelung seiner Residenz von Nanking nach Peking um das Jahr 1403
soll haben giessen lassen, und scheinen dieselben bei den Kriegsstürmen,
unter welchen China im Jahre 1644 seine angestammten Herrscher ver-
lor, herabgestürzt worden zu sein ; sie waren so lange unbeachtet geblieben,
bis die Jesuiten Adam und Yerbiest, welche sich durch Einführung der
Schlaguhren und überhaupt durch mathematische und mechanische Künste
bei Hofe beliebt zu machen wussten, auf den Wunsch der vier Gouverneure
des Reichs die eine dieser Glocken wieder aufhingen.^ — Eine Glocke
von dem Tempel in Ning-po wurde bei Gelegenheit der englischen Expe-
dition nach China genommen und nach England gebracht; sie war erst
1839 gegossen, hat mehr als neun Fuss im Durchmesser und ist jetzt im
Buckingham -Palast.^ — In Kioto (sonst Mijako) auf der Insel Nippon
befindet sich eine Riesenglocke, die 17 Fuss 2Y2 ^^11 hoch sein und
^ Jäck a. a. 0. S. 86.
« Ebend. S. 163.
^ Le Comte, Nouveaux memoires sur la Chine. 3. ^dit. Amsterdam 1698.
1, 115 ff.
* Kirch er, China illustrata. Amsterd. 1667. p. 222. — Penny Magazine
1834, p. 406.
^ filavignac a. a. 0. S. 321.
Glocken der BirmaneD. 59
20 400 Centner wiegen soll.^ — Die kleinen Glocken der Chinesen, die
sie als Vogelscheuchen und zum Zierat der Dächer u. s. w. gehrauchen,
hestehen, nach den auf der Londoner Industrie*Ausstellnng im Jahre 1851
befindlich gewesenen Exemplaren zu urteilen, grösstenteils aus Metallstücken
in der Form eines etwas gekrümmten länglichen Vierecks; andere chinesi-
sche Glocken nähern sich der Form nach sehr unseren Kasserollen.^
Auch die Birmanen haben eine grosse Vorliebe für die Glocken, und
eine im Jahre 1791 gegossene, Mana-Ganda genannte Glocke, welche 1853
im Kriege von den Engländern aus der Dagon Pagode in Rangün genommen
wurde, ward auf 17 000 Pfund geschätzt. Sie hat. etwa 7V2 Fuss im
Durchmesser, ist mit einer übermässig langen, 12 zeiligen Pali-Inschrift
historischen Inhalts bedeckt und hängt auf einer kleinen Erhöhung. Als
sie zu Schiffe weggeführt werden sollte, fiel sie in den Irawadi, wurde aber
später wieder herausgefischt und an ihre alte Stelle gebracht, wo die Opfern-
den äusserlich daran schlagen, um den Genien ihr Erscheinen anzumelden.^
~ Zu Pegü hängen auf der Nordseite des Gaudma -Tempels drei grosse
Glocken, und jeder Opfernde schlägt zunächst mit einem Hirschhorne
wechselsweise an die Glocken und auf die Erde, um den Gott von seiner
Ankunft zu benachrichtigen.* — In Japan soll es auch goldene Glocken
geben, und unter den amerikanischen Völkerschaften angeblich eiserne oder
kupferne.^
Musikalischer Oebranch der Olocken. •— Glockenspiele. — Herden-
geläute. — ^edes nur einigermassen gebildete Ohr verlangt, dass die zu
einem Geläute gehörigen Glocken von verschiedenen Tönen eine melodische
und harmonische Wirkung hervorbringen sollen, und ein auf Erreichung
dieses Zweckes gerichtetes Streben ist im Mittelalter sicherlich schon früh-
zeitig thätig gewesen. Der leichteren Technik wegen beschäftigte man sich
zunächst wohl mit der harmonischen Abstimmung von Glöckchen, und in
einer dem sechsten Jahrhundert zugeschriebenen Handschrift des Klosters
St. Blasien findet sich bereits die Zeichnung eines Mönches, welcher ein
aus fünf Glöckchen, die nebeneinander an einem Stabe vor ihm aufgehäugt
^ Neue Gartenlaube 1883, Nr. 9, S. 36.
^ Berlin. (Vossische) Zeitg. 1851. Nr. 172. Erste Beil. S. 4.
* Vergl. über diese Glocke: Quarterly Review (1864) Nr. 190. — Blavignac
a. a. 0. 206. Ein Faksimile der Inschrift (mit engl. Übersetzung) in Bd. XVI.
der Asiatic Researches (Calcutta). Die französische Übersetzung im Nouveau
Journal Asiatique nimmt über 200 Oktavzeilen ein und findet sich bei Blavignac
in einem 23 Zeilen langen Auszuge.
^ Jäck, Taschenbibliothek der Reisen durch Ost-, West- und Süd -Indien.
II. 2, 217.
^ Chladni, Inventarium templorum, p. 469.
60 Change ringing der Engländer.
sind, bestehendes Glockenspiel mit einem Hämmerchen rührt ^: nicht un-
wahrscheinlich bediente man sich solcher Vorrichtungen zur Bestimmung
der Töne des Kirchengesanges, unterhielt sich auch wohl an der Mannig-
faltigkeit aller möglichen Tonfolgen und berechnete die verschiedenen Kom-
binationen. Solche musikalische Versuche mit Glocken wurden in den
Klöstern bis in die neuere Zeit vielfach angestellt ^ und haben sich nament-
lich in England, wo der Buchdrucker Fabian Stedmann (geb. zu Cam-
bridge 1631) durch eine besondere Schrift^ Anleitung zur Kunst des
„change ringing in regulär peals^^ gab, seit dem 17. Jahrhundert zu einer
eigentttmlichen Volksbelustigung ausgebildet. Es giebt unter Leitung be-
sonderer Vorsteher (wamers) Gesellschaften von mehreren jungen Männern,
z. B. ehemals die Society of College YoiUhs, welche im Lande umherziehend
ihre Übungen auf den Kirchtürmen anstellen und ganze Tage lang von früh
bis in die späte Nacht alle irgend möglichen Melodienreihen lediglich nach
den Regeln der Kombinations-Rechnung, ohne alles eigentlich musikalische
Interesse, durchzuläuten unermüdlich sind. Man fand, dass in einer Stunde
jemand 720 Veränderungen mit 12 Glocken auszuführen im Stande sei,
und berechnete nun, dass, da mit 12 Glocken überhaupt 479 001 600 Ton-
versetzungen möglich sind, zur Absolvierung derselben eine Zeit von 57 Jahren,
10 Monaten und 10 Tagen erforderlich sein würde. Auch giebt es für
gewisse Tonreihen und Rhythmen besondere Kunstausdrücke, z. B.: Hun-
fing, dodging, snajyping und plou^ niaking ; single hob, piain hob, grandsire
bob, Single bob minor, grandsire trehle, bob major, caters, ien-in oder bob
royal, cinques , twelve-in oder bob maxinnis u. s. w. — Der Geschicklich-
keit und Beharrlichkeit der Engländer im Läuten solcher Tonreihen, zu
denen 5, 8, 10 bis höchstens 12 Glocken erforderlich sind, soll das Land
den Namen „tJie ringing i^land" zu verdanken gehabt haben, und vor
etwa 30 Jahren wurde die Anzahl der „ringer'^ auf nicht weniger als
70 000 veranschlagt. ^ — Die Heimat der eigentlichen Glockenspiele jedoch
sind die Niederlande, wo das erste grössere zu Alost im Jahre 1487 von
^ Gerbert, de c&ntu et musica sacra. I. Tab. 26. n. 3. — Auf einem Steiu-
relief zu Bocherville (Abbild, bei Otte, Kunstarchäol. 5. Aufl. 1, 331) sind es
nur vier Glöckchen, wie auch das franz. carillon (gleichsam quadrilio) = Glocken-
spiel, auf die Vierzahl deutet.
' Mersenne, Harmonie universelle. Paris 1636. Livre VH. p. 18.
' Tintinnalogia, er the art of ringing 1668, welche bis 1680 drei Auflagen
erlebte und noch im Jahre 1733 unter dem Titel „Gampanologia improved or the
art of ringing made easy*' zu London abermals in verbesserter Gestalt erschien.
* Burney, General Bist, of Music. Lond. 1789. 3, 413. — Hawkins, Bist,
of Music 4, 211. — Penny Cyclopaedia 4, 188. — Gatty, the Bell, p. 57 sqq. —
Ellacombe, an address to ringers. 1855. — Der Beschreibung zufolge scheint
Glockenspiele. 61
einem irren Künstler verfertigt worden sein soll. Sie bestehen aus vier
oder molir Oktaven diatonisch oder chromatisch abgestimmter Glocken und
einer mechanischen Vorrichtung zum Anschlagen derselben. Letztere war ur-
sprünglich sehr einfach, dieselbe wie bei dem sogen. B e i e r n ^ : der Klöppel
jeder einzelnen Glocke wird mittels eines um den unteren Stumpf desselben ge-
schlungenen Seils seitwärts in wagerechter Richtung befestigt, und an die Mitte
dieses Seiles ein Strang geknüpft, den man durch eine im Fussbodeu dfr
Glockenstube befindliche Öffnung in ein tiefer gelegenes Stockwerk des Turmes
hinableitet und hier mit einem hölzernen Tritte (wie an einem Webestuhle)
in Verbindung bringt. Wird nun dieser Tritt durch Faust oder Fuss des
Glockenisten niedergedrückt, so schlägt der Klöppel an die Glocke, prallt aber
durch das Nachlassen des wagerechten Seiles sogleich wieder zurück, ohne
jenseits die Glocke noch einmal treffen zu können. Es ist nun jede einzelne
Glocke mit der beschriebenen Vorrichtung versehen, und die Tritte sind
in ein Manual für die behandschuhten Fäuste und in ein Pedal für die
Füsse des Kampanisten verteilt, der nun das Glockenspiel nach Art des
Orgelschlagens behandeln kann. Diese ursprüngliche mangelhafte Mechanik
wich bald künstlicheren Vorrichtungen: an die Stelle der Seile traten Drähte,
und statt der Klöppel Hess man federnde Hämmer innerlich oder äusserlich
an die Giocke schlagen, so dass der Mechanismus dem der Klavier-Instru-
mente sehr ähnlich wurde. Endlich brachte man das Glockenspiel mit
Uhrwerken und Walzen in Verbindung, so dass die Kunst des Glockenisten
entbehrlich wurde, obgleich viele Glockenspiele (z. B. die in Berlin und Pots-
dam) eine zwiefache Vorrichtung haben: ein selbstspielendes Uhrwerk und
ein Klavier für den Kampanisten. In den Niederlanden findet man ziem-
lich in allen Städten auf Kirch- und Stadthaustürmen Glockenspiele: die
es sich bei dem change-ringing übrigens nicht um blosses Beiem zu handeln, und
es ist schwer, sich einen deutlichen Begriff davon zu machen. — Als im April 1870
in Lausanne plötzlich die Sturmglocke ertönte, und niemand zu sagen wusste
weshalb, fand man auf dem Turme einen englischen Touristen, welcher nach seiner
Erklärung vergleichende Studien über den Ton der Glocken auf dem Kontinent
machte; er wurde mit einer leichten Geldstrafe entlassen. (Blavignac a. a. 0.
S. 416.)
^ Abbild, imd Beschreib, in: Schütze, Holstein. Idiotikon. 1, 87. — Das
Beiern ist namentlich im Rheinland und in Westfalen als eigentümliche Volks-
belustigung an den Vorabenden hoher Feste üblich; eine Person dirigiert dabei
oft vier Glocken mit Händen und Füssen; es geschieht im lebhaften Tempo und
macht einen freudigen Eindruck. ~ Wenn in den Stadtrechnungen von Audenarde
zum Jahre 1408—9 (angeführt bei Blavignac a. a. 0. S. 148) ein Unterschied
gemacht ist zwischen y,8onner la cloche^*^ und „sonner le carülon**, wofür ein Mann
Bezahlung empf&ngt, so ist unter letzterer Verrichtung wahrscheinlich das Beiem
mit einem Viergeläut zu verstehen.
62 Glockenspiele.
älteren sollen minder harmonisch klingen, als die im 17. Jahrhundert ent-
standenen, unter welchen sich durch besonderen Wohlklang auszeichnen:
Zütphen mit 26 Glocken von 14 000 Pfund Gesamtgewicht; Enkhusen, eben-
falls mit 26 Glocken, aber von 16 000 Pfd.; Deventer mit 25 Glocken von
14 000 Pfd.; Bois-le-duc, auf dem Rathause, mit 15 Glocken von 17 000 Pfd.;
Utrecht, auf der Jakobikirche, mit 25 Glocken von 11 000 Pfd.; Amsterdam,
auf der Börse, mit 20 Glocken von 25 000 Pfd.; alle diese verfertigt von
dem Lothringer Franz Hemony zu Zütphen in der Zeit von 1645 — 1653,
von dem auch das auf dem Schlosse zu Darmstadt befindliche von 28 Glocken
herrührt.^ Dem Ruhm des genannten Meisters steht nur gleich der Am-
sterdamer Glockengiesser de Graave, welcher im Jahre 1714 das Glocken-
spiel auf der reformierten Parochialkirche zu Berlin von 35 Glocken ver-
fertigte. Eben so viele Glocken, im Gesamtgewicht von 9 016 Pfd., hat
auch das 1736 in Holland gegossene Glockenspiel der Katharinenkirche zu
Danzig, zu welchem der dortige Uhrmacher Daniel Böttcher 1741 eine
Walze von 4Y2 ^^^ Länge und 6 Fuss 8 Zoll Dicke verfertigte mit
7260 Löchern für die Notenstäbe; es kostete 30 000 Danziger Gulden.*
Auch das Glockenspiel zu Malmedy, gegossen 1781 — 1786 von Martin
Legros und seinem Sohne, mit einem Getriebe von G. J. Lejoncque besteht
aus 35 Glocken. Koch grösser sind die Glockenspiele zu Brügge (1675
mit 42, später, nach seiner Zerstörung durch den Blitz im Jahre 1741,
wiederhergestellt mit 47 Glocken von Y^ bis 5 Fuss Durchmesser) und
zu Antwerpen (1540 mit 60, jetzt mit 90 Glocken, deren kleinste einen
Durchmesser von 15 Zoll hat), das grösste von allen aber ist das Glocken-
spiel zu Delft, welches nach dem Journal des savants von 1695 angeb-
lich „800 tinibres"^ und nach den D61ices des Pays-Bas von 1743 sogar
mehr als „mille clocJies'^ enthalten soll.® — Bemerkenswert als eines der
ältesten in Deutschland ist das 1565 von Heinrich von Trier gegossene,
aus 12 Glocken (mit den Namen der Apostel) bestehende Glockenspiel
der Annakirche zu Düren; die Glocken desselben sind nicht gross: die
grösste hat 0,89, die kleinste 0,3 1 Durchmesser. Die Walze des von Heinrich
Ny in Hassel verfertigten Uhrwerkes hat in jeder Reihe 24 Löcher, je
zwei für einen Ton.^ — Das an Stelle des alten Aachener „Tinktanks'*
1857 in. Malmedy gegossene, aus 32 Glocken bestehende neue Glockenspiel
für den Münsterturm wird wegen seiner unreinen Stimmung als völlig miss-
^ Schott, Magia naturae 2, 368 ff.
' V. Duisburg, Versuch einer Beschreib, der See- und Handelsstadt Danzig
(Danzig 1816), S. 240.
^ Vergl. Blavignac a. a. 0. S. 149 f.
* Vergl. Boeckeler, Beitr. zur Glockenkunde, S. 34.
Glockenspiele. 63
raten geschildert ^ -^ Nach der Stimmung und der Schwere der Glocken werden
die Glockenspiele in fünf Klassen geteilt: l) Glockenspiele von A Chorton,
mit 36—40 Glocken, zum Gewicht von 36 000 Pfd., z. B. auf dem Rat-
hause zu Amsterdam. 2) Glockenspiele vom B Chorton, von 30 000 Pfd.
Gewicht. 3) Glockenspiele von C Chorton von 24 000 Pfd. ; z. B. auf der
Garnisonkirche zu Potsdam, welches im königl. Giesshause zu Berlin ge-
gossen ist. 4) Glockenspiele von D Chorton zu 20 000 Pfd. , wie das zu
Berlin. 5) Glockenspiele von F Chorton. Die dritte Gattung entspricht
der Stimmung der im Chorton stehenden Orgeln, die beiden ersten stehen
beziehentlich eine kleine Terz und einen Ton tiefer, die beiden letzten um
einen Ton, resp. um eine Quarte höher. ^ — Es eignen sich aus vorliegenden
Gründen die Glockenspiele nur zur Ausführung feierlicher Musikstücke,
als Choräle, Psalmen, Hymnen u. s. w., weshalb schon die Synode zu Haar-
lem im Jahre 1564 den Vortrag unpassender und mutwilliger Gesänge
rügte, ein Verbot, welches von mehreren niederländischen und rheinischen
Synoden des 17. Jahrhunderts wiederholt wurde. ^ — Wo die mit Uhr-
werken in Verbindung stehenden Glockenspiele fast unaufhörlich (in Berlin
und Potsdam z. B. jede Achtelstunde mit einer Kadenz) sich hören lassen,
müssten sie den Anwohnern höchst lästig werden, wenn nicht bald Ge-
wöhnung und Abstumpfung des Ohres einzutreten pflegte. — Freies Spiel
auf den Tastature n findet nur bei bestimmten feierlichen Veranlassungen
statt, und unter den niederländischen Glockenisten des 18. Jahrhunderts
zeichneten sich einzelne durch Virtuosenkünste besonders aus. Scheppen
zu Löwen soll ein sehr schweres Violinsolo ausgeführt haben, und Potthoff
in Amsterdam, der eben so berühmt war, komponierte dreistimmige Stücke
^ Vergl. Boeckeler, Beitr. zur Glockenkunde, S. 42.
^ Über das Technische der Glockenspiele vergl. Krünitz, Encyklopädie.
19, 183 ff. und Taf. 3, auch Kircher, Musurgia, 2, 336 und Taf. 19.
^ Vergl. Gerbert, de cantu et musica sacra. 2, 240. — Das vom Volke
,,Singeuhr*' benannte Glockenspiel zu Berlin spielt halbstündlich einen Choralvers
und monatlich wird damit gewechselt, da das Werk zu zwölf Melodien eingerichtet
ist, unter denen sich so schwierige befinden, wie: An Wasserflüssen Babylon
u. 8. w. Das aus 40 Glocken bestehende Potsdamer Glockenspiel, welches im
Jahre 1736 angefertigt wurde und 27 000 Thlr. kostete, spielt das ganze Jahr hin-
durch bei jeder vollen Stunde den Choral: Lobe den Herren, den mächtigen u. s. w.
und bei jeder halben Stunde die bekannte Volksweise : Üb* immer Treu und Bed-
lichkeit^ nach welcher auch Mozarts „Ein Mädchen oder Weibchen*' gesungen
wird. Das nur aus acht Glocken bestehende, 1749 verfertigte Glockenspiel in
Genf scheint stets nur weltliche Weisen gespielt zu haben, in der Revolutionszeit
sogar die berüchtigte Carmaguole, dann wieder ,fOu peut ofi etre mieux etc.**
und seit seiner Wiederherstellung im Jahre 1849 vier ziemlich leichtfertige Lieder;
vergl. Blavignac a. a. 0. S. 151 f.
(34 Uerdengeläute.
für sein uDgefQges Instrament Ein blinder Organist derselben Stadt trug
1772 Fugen mit Läufern und Trillern auf dem Glockenspiele des dortigen
Hathauses vor, obgleich jede Taste ein Gewicht von 2 Pfund erforderte.^
Erwähnenswert sind die im Thttriuger Walde gebräuchlichen, nach
einer eigentümlichen naturwüchsigen musikalischen Theorie abgestimmten
Herdengeläute, deren Schellen aus mit Messing zusammengelötetem
Eisenblech bestehen, und welche uach der dort üblichen Terminologie in
grobsche (tiefe) und kingsche (hohe) eingeteilt werden. Erstere stim-
men in B-dur, letztere in einer beliebigen höheren Tonart, wobei der
Akkord dreierlei sein kann : 1) der reine Dreiklang („nach dem Signalhorn
gestimmt^^); 2) der Sexten- Akkord („nach der Klarinette gestimmt^), 3) der
Quartsexteu- Akkord („nach der Bergmannszither gestimmt^^). Die einzelnen
Intervalle haben eigentümliche Namen: Ganzer Stumpf (Tonika), Mittel-
stumpf (Terz), Mengel (Quinte), Halbstumpf (Oktav), Auwschellen (Terz der
Oktav), Beischlag (Quinte derselben), Lammschellen (2te Oktav), grober
Biller (Terz der 2ten Oktav), klorer Biller (Quinte derselben), Gitzer und
Gitzerchen (3te Oktav und was noch folgt). Bei einem Geläute im Sexten-
Akkord wird die tiefste Schelle (die Untersexte der Tonika) Eonderbass
genannt, und beim Quartsexten- Akkord heisst der tiefste Ton (die ünter-
quarte der Tonika) Generalbass. ^ — Die schweizer Kuhglocken (Treiehele^
Tnfchele, franz. toupim) sind aus einer Metallkomposition, haben die Form
eines unten abgeschnittenen Eies oder Granatapfels, und die grössten halten
etwa 25 IJter; ihre gute Anfertigung ist ein Geheinmis der Privatindustrie. ^
Die im Orchester und als besonderes Register mancher Orgeln sonst
gebräuchlichen Glockenspiele sind in neuerer Zeit durch Stahlfedern ersetzt,
welche weniger kosten und eine reinere Abstimmung zulassen, als die Glocken.
Die Glasglocken der Harmonika sind schalenförmig; eine mittels eines
Fusstritte« drehbare gemeinschaftliche Achse geht durch die Mitte derselben,
und der Ton wird durch Streichen der R&nder mit den benetzten Finger-
Hitzen hervorgebracht
Reebtsverhältnisse. — Nach den Grundsätzen der katholischen Kirche
sind die Glocken res saerar: denn sie werden kirchlich geweiht, sind zu
heiligen Zwecken bestimmt und sollen nur von geweihten Personen geläutet
werden.^ Das Läuten der Glocken wurde in den frühesten Zeiten auf
* Dörini^ bei Ersch und Gmber, Encyklop. I. 70.98. — Blavignac a. a.
O. S. 148 ff.
- Ausführliches hierüber 8. in der lUustr. Zeitung vom 13. Juni 1857 (Bd. 28,
Nr. 728), S. 728.
' BlaTignac a. a. O. S. 336.
* Durand a. a, 0. L I. c. 4. n. 7.
Pulsanteii. 65
Grand karolingischer Verordnungen von den Priestern selbst besorgt. * Die
in den Kathedralen damit beauftragten Priester werden Cloketnanni ge-
nannt. ^ Nach dem kanoniscHen Rechte (c. 2, X. de offic. cust.) ist der
Küster gehalten, die einzelnen kanonischen Stunden unter Zustimmung des
Archidiakonus durch Läuten ^jpizeigen. — Die Kölner Synode vom Jahre
1300 verordnet can. 7, dass als campanarii nur litterati angenommen wer-
den sollen, welche in Ermangelung eines Respondenten bei der Messe am
Altare zu assistieren haben. ^ — Nach dem Ordo Romanus gehört das Läuten
zu den Verrichtungen des Ostiarius, welcher während dieses Geschäftes,
weil es zu seinem Amte gehört, mit seinem Amtskleide, dem Superpelliceum,
bekleidet sein muss.^ Gegenwärtig sind jedoch in der katholischen, wie in
der evangelischen Kirche die Pulsanten grösstenteils gewöhnliche Arbeiter,
welche dabei unter d^ nächsten Aufsicht des Küsters oder Glöckners zu
stehen pflegen. In Landkirchen hat der Küster das Läuten zu besorgen;
insofern das Küsteramt mit dem Schulamte in Einer Person vereinigt ist,
hat es in neuerer Zeit nicht an Stimmen gefehlt, welche das Läuten für
eine des Lehrers unwtLrdige oder ihm doch zu grosse körperliche Anstren-
gung zumutende mechanische Verrichtung erklärt haben. Das Überlassen
desselben an Schulknaben ist ein unverantwortliches Ärgernis, dem nur da-
durch abgeholfen werden kann, dass den Lehrern die ihnen lästige Ver-
pflichtung abgenommen wird.
Das Recht Glocken zu halten steht nur den eigentlichen Kirchen mit
* Aquis ann. 801 bei Pertz, Vol. legum 1, 87. Vergl. Capitul. Caroli M. 1. 6,
c. 168 (171).
' Du Gange a. a. 0. unter Campanarum piUsaiionem.
' Es eben weck er a. a. 0. S. 26. — Diese Campanarii bildeten oft eigene
Brüderschaften. So waren es in Köln die zwölf weltlichen Margaretenbrüder,
die das Läuten der Domglocken besorgten, es aber schon 1670 „seit unvordenk-
lichen Jahren'^ anderen gegen Bezahlung überlassen hatten (Organ für christliche
Kunst 1867, S. 145). — In der Amtsstadt Ehrenfriedersdorf im sächsißchen Erz-
gebirge besteht seit Anfang des 17. Jahrhunderts eine Turmbrüderschaft,
welcher das Läuten bei jeder festlichen Gelegenheit obliegt. Im Jahre 1772, wo
in dem Städtchen 596 Menschen Hungers starben, war der Verein bis auf drei
Mitglieder ausgestorben, doch kamen diese ihrer Pflicht mit Hilfe ihrer Frauen
getreulich nach, bis sich die Brüderschaft wieder durch neue Mitglieder ergänzt
hatte. Die Brüder halten alljährlich zum Hauptquartal am 7. Januar unter den
Klängen eines Chorals einen festlichen Umzug (C. Jul. Böttcher, Germania sacra,
1874, S. 654). — In Spanien sah ein Reisender vor etwa 30 Jahren in den Domen
von Sevilla und Granada das Läuten durch Vermummte als Bussübung verrichten
(Organ u. s. w., a. a. 0.).
* Bona a. a. 0. p. 138 u. 373. — Vergl. Pontif. Rom. 1, 21; 3, 653.
Otte, Gloekenkunde. ^
66 Rechte an den Glocken.
Ausschluss der PriYatkai>elleii zu ^ , und ist auch da, wo verschiedene Kon-
fessionen nebeneinander geduldet werden, in der Regel ein Privilegium der
herrschenden Religionspartei. In Beziehung auf den öffentlichen Gottesdienst
ist zwischen Katholiken und Protestanten durch den Westfälischen Frieden
(Art. 5, §31. — Vergl. Eschenwecker a. a. 0. S. 55) bestimmt, dass
auf die Observanz von 1624 zurückzugehen ist, und die Glocken derjenigen
Partei zustehen sollen, welche im gedachten Jahre sich im Besitze derselben
befand. — Bei ehrenvollen Begräbnissen haben nach § 35 a. a. 0. (Eschen-
wecker, S. 51 f.) Katholiken und Augsburgische Konfessions-Yerwandte
gegen Zahlung der Gebühren an die betreffende Pfarrkirche gleiche Rechte;
doch sind leider noch in allemeuester Zeit im Rheinlande und im Erfur-
tischen bei der Beerdigung von Akatholiken ärgerliche Streitigkeiten und
selbst Gewaltsamkeiten vorgekonmien. — Ein Streitfall zwischen Lutheranern
und Reformierten in Köthen wurde von den Juristen -Fakultäten zu Jena
und Halle auf Grund der Bestimmungen des Westfälischen Friedens ent-
schieden. ^ — Nach dem Kirchenrechte der Protestanten, welche im katho-
lischen Sinne res sacrae überhaupt nicht kennen, sind die Glocken, da sie
nicht ausschliesslich zum heiligen Gebrauche bestimmt sind, weder res sacrae^
noch res profanae. — Die Kirchenglocken sind zwar im allgemeinen Eigen-
tum der kirchlichen Gemeinde, und die Gestattung ihres Mitgebrauches für
geeignete nicht -kirchliche Zwecke hat von der kirchlichen Behörde auszu-
gehen, wobei der betreffende Pfarrer die nächste Instanz repräsentiert^;
allein die Einzel - Gemeinde hat über die ihr zugehörigen Glocken keine
unbeschränkte Disposition, ist vielmehr darin demjenigen untergeordnet,
welcher das höchste Recht in geistlichen und weltlichen Dingen ausübt und
auch über die Glocken und ihre Substanz zum öffentlichen Nutzen in letzter
Instanz verfügt.* Schon die alte Kirche gestattete, res sacrae in höchster
und absoluter Not zu profanen Zwecken zu gebrauchen ^ und die Fürsten
haben nicht selten in Notfällen das Kirchengut auch gegen den Willen der
Geistlichen veräussert. Besonders verhängnisvoll wurde in dieser Hinsicht
die Erfindung der Kanonen für die Kirchenglocken, welche seitdem in Kriegs-
zeiten häufig in die Stückgiessereien wandern mussten. Das vielleicht erste
Beispiel dieser Art gab Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg, dessen Geld-
not im Jahre 1414 so gross war, dass er, um sich den nötigen Kriegs-
^ c. X. de privil. — d. 1. de cons. c. 33 sqq.
' Eschenwecker a. a. 0. S. 52 ff.
» Preuss. Allgem. L. R. IL 11. § 191. — Vergl. Heckert, Handb. der kirchl.
Gesetzgebung Preussens, 1, 49.
^ Eschenwecker a. a. 0. S. 61.
^ Bingham, Origines 3, 338; 2, 296—298.
ümgnss von Glocken zu Kanonen. 67
apparat gegen den märkischen Adel zu verschaffen, Glocken der Marien-
kirche in Berlin dazu benutzen musste, um Büchsen (Kanonen) daraus giessen
zu lassen, was dem frommen Fürsten noch auf dem Sterbebette das Ge-
wissen drückte, und was er seine Söhne in seinem Testamente beauftragte,
nach seinem Tode wieder gut zu machen.^ — Auch Peter der Grosse liess
bei 500 Glocken zu Kanonen umgiessen^; der grossartigste Feldzug gegen
dieselben aber fand zur Zeit des National - Konvents in Frankreich statt,
und, nachdem ein darauf gerichtetes Dekret vom 30. Juni 1791 noch nicht
hinreichend durchgegriffen hatte, erwarb sich der Generalrat der Gemeinde
Lisieux den Übeln Buhm, durch eine bezügliche Petition das Dekret der Con-
vention nationale vom 23/25. Fevr. 1793 hervorgerufen zu haben, welches
die Gemeinden ermächtigte, „d. convertir leurs dodies en canons". Ein
förmlicher Fanatismus bemächtigte sich der Massen, jene für den Kultus
der grossen Nation entbehrlichen Meubles auszurotten, und das Gesetz vom
11. April 1796 untersagte nun geradezu den Gebrauch der Glocken und
jede andere Art der Einladung zu irgend einem Kultus. Zum Zerschlagen
der grossen, nicht anders von den Türmen zu schaffenden Bourdons kon-
struierte man besondere Maschinen, und acht Mann arbeiteten sechs Wochen
lang an der Zertrümmerung der aus dem Jahre 1472 herrührenden 25 000
Pfund schweren zweiten Glocke von Notre-Name zu Paris. ^ Hunderte, ja
tausende von Glocken wanderten in die Stückgiessereien und Münzstätten ^,
wo man sie gar nicht alle einzuschmelzen vermochte, so dass nach Wieder-
einführung des christlichen Gottesdienstes im Jahre 1802 Kaiser Napoleon I.
später Gelegenheit fand, gar manche Glocke wieder an Kirchen zu ver-
schenken.^ Da jede Gemeinde eine Glocke zu dem damals so häufigen
Sturmläuten hatte behalten dürfen, gab man sich die Mühe die alten In-
* Riedel, Zehn Jahre aus der Gesch. der Ahnherren des Preuss. Königs-
hauses, S. 242. — Vergl. Minutoli, Friedrich I. 1, 335. — Ebenso war es die
Not, die den Herzog Karl von Burgund nach dem Verluste seiner Artillerie bei
Grandson 1475 beweg, neue Kanonen aus Kirchenglocken und Küchengeräten
giessen zu lassen (Blavignac a. a. 0. S. 417).
' Voltaire, Charles XII. Leipzig 1816. S. 48.
^ Barraud im Bulletin monumental 10, 103. — Blavignac a. a. 0. S. 418
bis 421, 432.
* Es kommen Medaillen aus dem Jahre 1793 vor, welche aus Glockengut
fabriziert sind, mit folgender Legende:
Monument de vaniti
Ditruit pour Vutilite
JJan deu>x de la liberU.
^ Vergl.: Die wichtige Erfindung, gesprungene Glocken wiederherzustellen.
S. 82 f.
5*
68 Glockendiebstahl. Glockengeld.
Schriften n. s. w. abzufeilen und dafür eine Jakobinermütze und das be-
kannte Schiboleth der Bepnblik ^Jinherte^ Egalüe, Fratemüe^^ wie z. B. auf
der kleinen Glocke zu Kueil bei Paris, darauf anzubringen. — Der Ver-
fügung des Staates dürften, wie die öffentlichen, auch solche Glocken unter-
liegen, welche, wie die Pf&nner- odör Partikulierglocke (von 1468) auf der
Marktkirche zu Halle, Privateigentum von Korporationen sind. — Der Dieb-
stahl an Glocken ist nach katholischen Grundsätzen (und der Karolina,
Art. 172) als Sakrilegium anzusehen: zu Giebichenstein bei Halle wurden
im Jahre 1643 zwei Glockendiebe, der eine mit dem Strange, der andere
mit dem Schwerte gestraft.^
Das Glockengeld ist eine Abgabe, zu deren Entrichtung die Ein-
lieger und Dienstboten in Schwedisch -Pommern verpflichtet sind.^
IV. Von der Verfertigung der Glocken.
Wenn wir, abgesehen von den antik-römischen Klingeln {tintinnahtUa) ^^
zunächst den Stoff in Betracht ziehen, so finden wir im früheren Mittel-
alter zweierlei Arten von Glocken: eiserne, geschmiedete, und bronzene, ge-
gossene. Diesen Unterschied setzt Walafried Strabo (Rer. eccl. c. 5),
wenn er redet „de vasis fusüibus vel etiam productilibus'^ , und er findet
sich wieder in einem Yisitations-Berichte des Bischofs Erchambert von Frei-
sing (t 853), wo in dem Inventar einer Landkirche (ad Perechirichum) er-
wähnt werden: campanae duae, una aerea et alia ferrea.^ Hieraus ergiebt
sich die Grundlosigkeit der Annahme Pelliccia's (de Christ, eccl. politia.
£d. Ritter 1, 167 sq.), welcher unter campana oder nola ausschliesslich
bronzene, und unter tintinnabtUum eiserne Glocken verstanden wissen will.
^ OleariuB, Halygraphie, 2,423.
' Fürstenthal, Samml. aller das Kirchen- u.s. w. Wesen betr. Gesetze, 1, 610.
^ Barraud (im Bulletin monamental 10, 95) erwähnt eine kleine Bronze-
Glocke, mit der Aufschrift: Firmi balneeUoris, welche, aus den Bömerzeiten her-
rührend, in den Bädern des Diokletian im Jahre 1648 gefunden sein soll und sich
im Besitze des Ursinas befand. — Bei Gerbert (de cantu et mus. s. 2. Taf 36.
n. 1) findet sich die Abbildung eines in den Trümmern von Angst bei Basel ge-
fundenen, unten beschädigten, kegelförmigen Glöckchens, welches oben in einen
Ring ausläuft; sonst pflegen die römischen Glocken unten quadratisch zu sein. —
Ober römische Erzglöckchen : in Neuss s. Bonner Jahrb. Y, S. 413, in Nymwegen
ebend. VII, S. 69.
* Meichelbeck, Hist Fris. I. 1, 126.
Blechglocken. 69
Sehr wahrscheinlich waren die aus Eisenblech verfertigten Glocken die
ältesten, oder man wählte sie nur als Notbehelf, wenn znr Beschaffung des
teuern Erzes die Mittel fehlten. Gegenwärtig sind, mit Ausnahme etwa von
Irland, wo es noch mehrfach uralte eiserne oder Bronze-Blechglocken von
ovaler Form zu geben scheint^, diese alten Blechglocken äusserst selten.
Die bekannteste ist die von der Cäcilienkirche zu Köln im
Fiir 3
städtischen Museum daselbst: sie hat die Form der sogen.
Kuhschellen, besteht aus drei mit kupfernen Nägeln zusammen-
genieteten Platten und soll aus der Zeit des Erzbischofs Ku-
nibert um 613 herrühren; ihre Weite beträgt am ovalen Rande
0,36 und 0,22, ihre Höhe 0,4 1. Im Yolksmunde heisst sie der
Sau fang und soll im Peterspfiihl — dies ist der Name einer
Strasse in Köln — von Schweinen ausgewtlhlt worden sein.^
Ihr sehr ähnlich sind die (im Organ fUr christl. Kunst 1857
zu Nr. 23 Fig. 1 abgebildete) Glocke der heiligen Godeberta von 0,28 Höhe
und 0,22 grösstem Durchmesser in Notre-Dame zu Noyon und die tradi-
tionell von dem heiligen Columban herrührende im Schatze des Klosters
St Gallen. Auch Glocken zu Murnau und zu Motting in Bayern (letztere
aus Bronzeplatten bestehend)^ sollen von derselben Art sein, und Pelliccia
erwähnt a. a. 0. eine solche, die aus einem Benediktinerkloster herstammte
* Morgenblatt 1853, Nr. 34, S. 416. — Quarterly Review No. 190 (vergl.
Berlinische Nachrichten 1864, Nr. 268). Die alten irischen Glocken scheinen mit
der frühesten Geschichte der Einführung des Christentumes in England und Ir-
land in Verbindung zu stehen. Sie sind zuweilen zwar aus einem dunkelfarbigen
Erz gegossen, viereckig, 8—12 Zoll hoch und etwa 6 Zoll weit, meistens aber be-
stehen sie aus 2 bis 3 Platten, welche zusammengenietet und nachher in eine Masse
zusammengeschmolzen sind, und zwar vermittelst eines Verfahrens, dessen man sich
gegenwärtig nicht mehr bedient. Drei dieser Glocken sollen sogar Eigentum des
heiligen Patrik gewesen sein. — Auch eine von Blavignac a. a. 0. S. 325 be-
sprochene derartige Glocke zu Leon soll englischen Ursprungs sein: sie ist aus
Kupferblech geschmiedet, 9 Zoll hoch, von pyramidaler Form über einer recht-
eckigen Basis von 6X4 Zoll und wiegt 8V2 Pfund. Der aufgenietete Henkel zeigt
Spuren von Versilberung und endet in Form von Blättern, deren Geäder aus ein-
geschlagenen kleinen Kreisen besteht und an merovingische Verzierungsweise er-
innert.
* Vergl. die Beschreibung von v. Lassaulx in der 2. Aufl. von Klein*s Rhein-
reise, S. 493, und die Abbildung Fig. 3 (nach Didron, Annales arch^ol. IV, p. 95).
^ Eine „aus metallenen Platten gestaltete^' Glocke, befindet sich nach brief-
licher Mitteilung des Grafen Ed. Mella zu Vercelii im antiquarischen Museum
zu Turin; sie ist mit den Wappen der Sebandischen Herzoge verziert, aber von
unbekannter Herkunft. Da ihre Entstehung der Zeit um 1300 zugeschrieben wird,
mfisste diese Technik in Italien noch sehr spät geübt worden sein.
70 Glockengut.
und sich zu seiner Zeit in einer Kirche zu Benevent befand. — Viereckige
Glocken aus Schmiedeeisen sollen in Skandinavien vorkommen.
Das alte Glockengut, die Glockenspeise (franz. metcU neuf)
bestand wie das moderne, aus einer Legierung von Kupfer und Zinn, und
die Erzählung des St. Galler Mönchs (de Carolo M. 1, 29 bei Pertz,
Monum. 2, 744) von einem Glockengiesser, welcher von Karl dem Grossen,
um eine Glocke von vorzüglichem Tone giessen zu können, ausser vielem
Kupfer mindestens 100 Pfund Silber, welches er hernach unterschlug, erbat,
scheint die Quelle der unzähligen Sagen von silbernen oder mit Silber
legierten Kirchenglocken zu sein, obwohl letzteres in der That in einzelnen
Fällen geschehen sein mag. ^ Dagegen ist es bei weitem wahrscheinlicher,
dass man, wenn es an Zinn fehlte, das Glockenmetall mit Blei zu vermischen
sich genötigt sah: der Abt Gozbert von Tegernsee (t 1001) wendet sich
brieflich, als er eine grosse Glocke giessen wollte, an einen auswärtigen
Freund und bittet ihn um Obersendung von Kupfer, Zinn oder auch Blei,
da in den vaterländischen Städten alle diese Metalle um keinen Preis zu
erlangen wären. ^ — Theophilns (Sched. div. artium c. 62, Ausg. von
Ilg 1, 265) im zwölften Jahrhundert sagt, das Glockenmetall bestehe aus
Kupfer, dem ein Fanfteil Zinn beigemischt wird, in dem offenbar von einem
andern Verfasser herrührenden Kapitel (84) vom Glockenguss S. 325 da*
gegen ist missverständlich von 4 Teilen Kupfer und 5 Teilen Zinn die Rede.
— Im 13. Jahrhundert, im 36. Jahre der Regierung Heinrichs III. von
England (1216 — 1272) sollten drei Glocken für die Kirche zu Dover ge-
gossen werden : man verlangte dazu 1050 Pfund Kupfer und 500 Pfund Zinn. ^
^ Vielfach geht die Rede, dass die Glockengiesser das von frommen Leuten
während des Schmelzprozesses der Speise eingeworfene Silber unterschlagen hätten,
und wie eine solche Unterschlagung möglich gewesen sei, hat Reinwarth (in
Ersch und Gruber, Encykl. I. 70, 96) ans der eigentümlichen Bauart des Schmelz-
ofens nachgewiesen. Das durch das Loch für das Feuermaterial eingeworfene
Silber fiel gar nicht in die Metallmasse, sondern auf den Rost des Ofens, und
durch diesen in die Asche; anderseits enthalten aber die während der französi-
schen Schreckensherrschaft aus eingeschmolzenen Glocken verfertigten Soustücke
(oben S. 67) in der That eine freilich sehr geringe Menge Silber {„cependatU ü
s'y en troute*' sagt Viollet>le-Duc, Dict de Tarchit. 3. S. 282), so dass also
die Sage von silberhaltigen Glockmi nicht ganz grundlos zu sein scheint. Eine
Glocke in Carouge bei Genf von 238 Pfund, deren Metall aus 78 Teilen Kupfer
und 22 Teilen Zinn besteht enthielt nach B lavig na c a. a. 0. S. 366 „18 onces
d^argent ä 993 milliemes^'.
' Petz, Anecdot VI. 1, p. 129, n. 16. — Vergl. Günthner, Geschichte der
literar. Anstalten in Bayern. 1, 382.
' Quarterly Review (Berlin Nachrichten 1864, Nr. 267) a. a. O.
100
Glockengut. 71
— Im Jahre 1830 feilte der Chemiker Girardin in Rouen von der S. 21 f.
erwähnten Glocke Bouvelle (aus dem 13. bis 14. Jahrhundert), von deren
Silbergehalt man fabelte, so viel ab, als zu einer Analyse erforderlich war;
dieselbe ergab:
Kupfer . . 71
Zinn .... 26
Zink .... 1,80
Eisen .... 1,20
und eine 1849 angestellte Analyse der Schwesterglocke Cache -ribaud ergab
das nämliche Resultat. ^ — Die grosse Glocke zu Erfurt von 1497 enthält
nach V. Tettau (Nachträge u. s. w. S. 2) 20 Prozent Zinn und 80 Prozent
Kupfer, sonst aber keine Beimischung. — Im 16. Jahrhundert pflegte man
in Italien auf 100 Pfund Kupfer 23 bis 26 Pfund Zinn (bei grösseren Glocken
den geringeren, bei kleiperen den grösseren Zusatz) zu nehmen; auch be-
zogen die italienischen Glockengiesser aus Deutschland Antimon, indem durch
Beimischung eines gewissen Teiles von diesem Metall (etwa 2 Pfund auf
100 Pfund Kupfer) der Klang bedeutend verstärkt werden sollte.* — Die
Glocken des Glockenspiels zu Darmstadt aus dem 17. Jahrhundert enthalten
nach einer chemischen Analyse
Zinn 21,50
Blei 2,00
Kupfer 74,00
Nickel 2,50
nebst Spuren von Eisen und Arsenik. ^ — Die Angaben über die Zusammen-
setzung des Glockengutes sind übrigens so verschieden, dass auf 100 Teile
Kupfer 12 bis 50 Teile Zinn angeraten werden; gewöhnlich aber werden
4 Teile Garkupfer und 1 Teil englisches Zinn als die zweckmässigste Le-
gierung empfohlen. Eine chemische Analyse eines chinesischen Tamtam
(oder Goüg-gong) ergab 78 Teile Kupfer und 22 Teile Zinn*, und dieses
Mischungsverhältnis wird auch bei Glocken zweckmässig sein. Beim Um-
giessen alter Glocken gebietet die Vorsicht, das wieder zu verwendende Metall
vorher durch wiederholtes Schmelzen und Puddeln (Umrühren) zu reinigen,
dabei aber zu beachten, dass dadurch die Masse härter und spröder wird
und deshalb einen Zusatz von Kupfer erheischt. — Wenn alte Kanonen
^ Blavignac a. a. 0. S. 264; vergl. Reinwarth in Ersch und Gruber,
Encykl. I. 70, 96—98.
Biringoccio, Pirotechnia. Yineg. 1558. Fol. 28 u. 74.
Harzer, Glockengiesserei, S. 83.
^ Karmarsch in Prechtrs Encyklopädie 7,81.
2
3
72 Glocken aus Kanonenmetall.
zum Giessen von Glocken benutzt werden ^ , so ist ein Zusatz von Zinn er-
forderlich, weil das Kanonenmetall, welches ans circa 90 — 93 Prozent Kupfer
und io bis 7 Prozent Zinn besteht, zu weich ist. Zu dem Gusse der grossen
Glocke für St. Stephan in Wien gab der Kaiser Joseph I. im Jahre 1711
330 Centner Kanonenmetall (von 180 eroberten türkischen Geschützen) und
der Magistrat 40 Centner reines Schlaggenwalder Zinn. Der Glockengiesser
Morel zu Lyon nahm 1862 zum Gusse des Geläutes für den Dom zu Dijon
78 Teile bestes französisches Kanonenmetall und 22 Teile englisches Zinn. —
Kupfer wird durch geringen Zusatz von Zinn schon hart, mit zunehmendem
Zinngehalt immer härter und gelbweisser, zuletzt weiss; spröder, auf einer
gewissen Stufe des Mischungsverhältnisses stahlhart, krystallinisch und blau-
weiss; dann nimmt bei noch steigendem Zinngehalt die Sprödigkeit wieder
ab, die Dehnbarkeit zu, die Farbe wird gelbweisser, und zuletzt bei geringem
Kupfergehalt erscheint das Zinn nur härter, ganz wie bei der beginnenden
Beihe das Kupfer. ^ Hieraus folgt, dass eine Legierung, welche überwiegend
viel Zinn und wenig Kupfer enthält, ebenfalls zum Giessen von Glocken
tauglich sein müsste, wie man denn in Frankreich in der That in neuerer
Zeit Handglocken aus einer Mischung von 19 Teilen Zinn, 1 Teil Kupfer
und sehr wenig Antimon mit gutem Erfolge gegossen hat. ^ Diese Legie-
rung ist von weisser Farbe, während das normal« Glockengut rötlich weiss
aussehen und sich beim Reiben mit Tuch lebhafter rot färben muss. Eine
gelbliche Farbe würde auf Messing oder doch auf schlechtes Kupfer deuten,
eine silbergraue auf zu starken Zinngehalt. Im Laufe der Zeit nehmen die
Glocken durch Oxydierung eine andere Färbung an: manche, und nicht
bloss solche, die den Witterungseinflüssen stark ausgesetzt sind, werden
^ Wie in Kriegen die Kirchenglocken zum Kanonengiessen genommen wor-
den sind (8. oben S. 66), so haben anderseits die Sieger eroberte Kanonen zum
Glockengusse hergegeben. Eines der ältesten Beispiele sind wohl die 11 bei
Magdeburg eroberten Kanonen, die von Tilly der Kirche Maria -Hinmielfahrt in
Köln 1631 zum Glockengüsse überlassen wurden (Bö ekel er a. a. 0. S. 63). In
neuester Zeit sind nicht bloss die Kölner Kaiserglocke, die Gloriosa des Frank-
furter Domes und die beiden grössten Glocken der Nikolaikirche zu Hamburg, son-
dern auch viele kleinere Kirchenglocken aus eroberten Geschützen gegossen worden.
— Wenn in der französischen Revolution Soustücke aus Glockenmetall gemacht wor-
den sind, so hat nach Einführung des neuen deutschen Reichsgeldes der evange-
lische Gustav -Adolf- Verein in unseren Tagen alte verrufene Kupfermünzen des
Thalerfusses gesammelt und zur Glockenspeise verwendet. — Die kleine Glocke
auf dem Kapitel zu Rom ist 1804 aus antiken Bronzefragmenten gegossen worden
(Blavignac a. a. 0. S. 424).
^ Meyer in Erdmann 's Journal für Chemie 18, 10.
^ Karmarsch a. a. 0. S. 82.
Gasseiserne Glocken. 73
schwarz wie Gusseisen, andere werden bräunlich oder schmutzig dunkelgrau,
setzen auch wohl Grünspan an, im ganzen nur wenige bedecken sich mit
edler Patina. Die Gründe dieser Erscheinung sind nicht aufgeklärt; viel
wird dabei doch wohl von der Beschaffenheit der Metalle und deren Legie-
rungsverhältnis abhängen. — Im Bruche muss gutes Glockengut, wenn es
im Momente des Gusses den gehörigen hohen Temperaturgrad erreicht hatte,
ein dichtes und feines Korn zeigen ; kann man das Korn wegen zu grosser
Feinheit kaum wahrnehmen, so enthält die Legierung zu viel Zinn; ein
schiefriger, grobzähniger Bruch dagegen deutet auf zu starken Kupfergehalt.
Nach diesen Merkmalen pflegt das Glockenmetall von Praktikern beurteilt
zu werden; in den Zeiten der Alchymie bediente man sich zu diesem Zwecke
der Wünschelrute. ^ — Zu guter Glockenspeise darf nur gutes, reines Rot-
kupfer und bleifreies Zinn genommen werden; Zusätze von Zink, Messing,
Blei, Wismut u. s. w. sind nur für Uhrschalen und Klingeln statthaft, für
Läuteglocken ganz verwerflich. — Das Gewicht eines Kubikfusses Glocken-
gut ist auf 500 — 505 Pfund ermittelt.
Bei dem hohen Preise des Glockenmetalls hat man seit dem 17. Jahr-
hundert Versuche mit Gusseisen gemacht. In Genf wurden seit 1610
eiserne Glocken fabriziert^, später auch in Wien und Berlin. Man ver-
fertigte dieselben nach den nämlichen Schablonen wie die Bronzeglocken,
nur im allgemeinen, und besonders in der Zone, wo der Klöppel anschlägt,
etwas stärker; der Ton war stark, aber rauh und weniger klangreich;
dessen ungeachtet würden sie sich durch ihre Wohlfeilheit immerhin empfohlen
haben, wenn nicht im leicht möglichen Falle des Zerspringens das Metall
völlig wertlos wäre. Die jetzt aufgehobene Königl. Eisengiesserei in Berlin
pflegte Glocken von 1 Pfd. bis zu 30 Ctr. Schwere vorrätig zu halten
und überliess es den Käufern, sich die musikalischen Verhältnisse selbst
auszuproben. Der Preis für Glocken von 10 Pfd. an betrug, einschliess-
lich des geschmiedeten Klöppels und des ledernen Riemens zur Befestigung
desselben, für den Ctr. acht Thaler, aber eine Garantie gegen das Zer-
springen, das schon bei dem erstmaligen Läuten nicht ausser der Mög-
lichkeit lag, konnte nicht geleistet werden ; die Glocken fanden daher
meist nur als Geschenke des Königs Friedrich Willhelm III. an arme Land-
gemeinden Absatz und wurden, wenn sie sprangen, in diesem Falle den
Beschenkten von der Giesserei durch neue ersetzt In neuester Zeit hört
maü nichts mehr von gusseisernen Glocken.
^Koujoux (der künstliche und harmonische Glockengiesser, S. 93 ff.) giebt
das dabei beobachtete Verfahren an, dem er guten Glauben schenkt, obwohl er
Pastor (in Fismes) war und sein Buch 1765 schrieb.
' Blavignac a. a. 0. S. 187.
74 Gussstahlglocken.
Ganz unvergleichlich and in jeder Beziehung besser sind die Gnss-
Stahlglocken ^ , welche seit dem Jahre 1852 von der Giesserei des Vereins
für Bergbau und Gussstahlfabrikation zu Bochum in Westfalen geliefert
werden. Freilich waren es nicht bloss die nicht konkurrenzfähigen kleineren
Glockengiesser, welche sich gegen diese nur in einer grösseren Fabrik
durchzuführende neue Erfindung sträubten, sondern auch andere gewichtige
Stimmen, wie z. 6. noch 1865 der katholische Piusverein zu Trier % haben
sich dagegen ausgesprochen, während andere günstig urteilten. Der Gustav-
Adolf-Verein in Schlesien hat mit Gussstahlglocken glückliche Proben ge-
macht und sie wegen ihres guten Klanges, ihrer Dauerhaftigkeit und Wohl-
feilheit bei der Hauptversammlung in Heidelberg 1855 empfohlen.^ Die
Klangfarbe kann allerdings nicht die Fülle, Weichheit, Schwellung und
Rundung guter Bronzeglocken haben, was in der verschiedenen Rigidität
und Tenazität beider Metalle begründet ist, weshalb auch die Bochumer
Fabrik selbst die Vereinigung von Bronze- und Gussstahlglocken in dem-
selben Geläute widerraten hat. ^ Wenn aber, wie Bö ekel er a. a. 0.
^ London Journal of arts, Mai 1864, p. 264: „Die vorzugsweise zur Anfer-
tigung von Glocken verwendete Legierung besteht aus 20 Teilen Bandeisen oder
Eisendrehspänen oder Weissblecbabschnitzeln, 80 Teilen Stahlblech oder Stahl
in anderer Form, 4 Teilen Mangan, 4 Teilen Borax. Zur DarsteUung einer sehr
festen Legierung werden 2 — 3 Teile Wolfram zugesetzt. Ist der Kupolofen ge-
hörig vorgerichtet, so wird das Eisen und der Stahl, dann das Mangan und darnach
der Borax, und zuletzt eine frische Charge Koks oder Steinkohlen aufgegeben,
so dass das Metall im Ofen in direkter Berührung mit dem Brennmaterial ist.
Nachdem das Metallgemisch niedergeschmolzen, wird es in die Formen abge-
stochen. „Sollen dergleichen Glocken das äussere Ansehen (!) von
Bronze oder Kupfer erhalten, so werden sie zu diesem Behufe noch in ein gal-
vanoplastisches Bad gebracht.'*
* Organ für christliche Kunst 1866, S. 123; auch C. Otto (ebend. 1872,
Nr. 11, 13, 19) ist heftiger Gegner.
^ Grüneisen in Herzog und Pütt, Realencyklop. 5, 192. — Auch W. Eng.
Gicfers hat sich im Organ für christl. Kunst 1869, Nr. 24 sehr günstig ausge-
sprochen.
* In dem von der Fabrik 1878 ausgegebenen Prospekt S. 4. — Die Gründe
für die nicht in Abrede zu stellende Verschiedenheit der Klangfarbe von Bronze-
und Stahlglocken, die bei grossen Glocken imangenehmer hervortritt als bei kleineren,
sind in einem trefflichen Artikel von S . . . . k aus Köln im Organ für christliche
Kunst 1853, Nr. 14 f. auseinandergesetzt. Diese Verschiedenheit wird hier S. 121
auch graphisch veranschaulicht:
Bronxeglocke. Gassstahlglocke.
Hieraus dürfte sich auch erklären, dass unter Umständen Stahlglocken in grös-
serer Entfernung (weitertragend) gehört werden können als Bronzeglocken. Viele
Stahlstabgeläute. 75
S. 114 bemerkt, die auf der Industrieausstellung zu Düsseldorf 1852 aus-
gestellten Gussstablglocken allesamt unrichtige Tonverhältnisse hatten, so
war das nicht die Schuld des Metalles, sondern der Form und vielleicht
auch des Gusses, welche Fehler später nach den gemachten Erfahrungen
vermieden werden konnten. Auf der Ausstellung zu Paris von 1867 fanden
die vier Gussstahlglocken beifällige Beurteilung: drei derselben von 170,
80 und 35 Ctr. bildeten ein harmonisches Dreiklang-Geläute, und die vierte
war eine Riesenglocke von 295 Ctr. Eine 1873 in Wien ausgestellte
Glocke war auch mit Wappen und Inschriften geschmückt. Die mehr-
seitig ausgesprochenen Zweifel an der Haltbarkeit der Stahlglocken haben
bisher keine Bestätigung gefunden, da von den mehr als 2000 Kirchen-
glocken, welche die Fabrik im Laufe der Jahre geliefert hat (kleine
Glocken, die angeschlagen werden, ausgenommen), so weit bekannt, bisher
keine einzige gesprungen ist; überdies leistet dieselbe für Läuteglocken eine
5jährige Garantie gegen das Zerspringen und übernimmt ausserdem nach
Ablauf der Garantiezeit das Umgiessen gesprungener Gussstahlglocken für
den halben Verkaufspreis der neuen Glocken. Letzterer beträgt für Glocken
bis einschliesslich drei Ctr. schwer pro Ctr. 80 Mark, bei schwererem Gewicht
nur 65 Mark pro Ctr.; Verzierungen und Inschriften, sowie der Klöppel
werden ausserdem noch besonders berechnet. Da die Stahlglocken nur
etwa halb soviel kosten wie Bronzeglocken, so dürfen sich ärmere Kirchen-
gemeinden ohne Risiko an denselben genügen lassen, was auch seitens der
Gegner nicht in Abrede gestellt wird.
Die Gussstahlglocken sind übrigens nicht zu verwechseln mit den
früher als Ersatzmittel der Glocken anderweitig empfohlenen Stahlstab-
Gel ante n^, die in Amerika häufig sein sollen, in Deutschland indes nicht
haben in Aufnahme kommen wollen: für Dorfkirchen möchten dieselben
allenfalls ausreichen ; ein etwa im Jahre 1837 in Potsdam auf der (baulich
bedenklichen) Nikolaikirche damit angestellter Versuch fiel sehr unbefriedi-
gend aus und verdrängte bald den Gedanken, statt der Glocken Stahlstäbe
zu benutzen.^
unter den hunderten von günstigen der Fabrik erteilten Zeugnissen bekunden,
dass die Stahlglocken 2 bis 3 Stunden weit vernehmbar sind.
^ Prechtl, Encyklopädie 5,550. — (Ilartmann) Zeitschrift für Gewerb-
treibende 6, 305. — Die Beschreibung eines Modells zu einem Stahl stäbege^ute
u. 8. w. siehe in Bd. 11 der Verhandl. des Vereins zur Beförderung des Gewerb-
fieisses in Preussen.
^ Der Klang der Stahlstäbe ist zu schwach, um weithin gehört werden zu
können; es heben sich bei ihnen die von der äusseren und inneren Fläche aus-
gehenden Schallwellenzüge einai^der auf, während dieselben bei Glocken erst nach
76 Kosten der Bronzeglocken.
Der Preis der Bronze-Glocken berechnet sieb gegenwärtig dorchscbnitt-
lich auf 144 Mark pro Ctr.; je nach dem jedesmaligen Marktpreise des
Kupfers und Zinns, je nach der Einfachheit oder dem Reichtum der Ver-
zierungen, je nach dem höheren oder geringeren Preise des Arbeitslohnes
und der Materialien am Verfertigungsorte, je nach dem grösseren oder
geringeren Gewichte der Glocken (grössere lassen sich verhältnismässig billiger
herstellen als kleinere) auf 125 bis 150 Mark. Solide Glockengiesser
unserer Zeit klagen über das auch auf diesem Gebiete der Industrie ein-
reissende Submissionsverfahren an den Mindestfordernden, mit der Devise
„billig und schlecht^', und über gewisse schwindelhafte Manöver, durch die
sich einzelne Spekulanten Bestellungen zu verschaffen suchen und das Ge-
werbe herunterbringen. Das Akkordwesen begann zwar schon zu Ende
des 15. Jahrhunderts, aber man gab in älterer Zeit denjenigen Konkur-
renten den Vorzug, von welchen man sich die besten Leistungen versprechen
durfte, ein Grundsatz, den einsichtige Interessenten aUerdings auch ge-
genwärtig befolgen.
Folgende Notizen über die Kosten der Glocken in früherer
Zeit sind nicht ohne antiquarisches Interesse. Im Jahre 1372 wurden
vom dritten Sonntag nach Ostern bis Christi Himmelfahrt in Xanten für
die Viktorkirche zwei Glocken gegossen zum Gewichte von 1250 Pfd.
Der brabantische Meister de Veghel mit seinem Sohne erhielt per 100 Pfd.
9Y3 sol. , im Ganzen 9 mrc. 8% sol. und für den dann folgenden Guss
einer grösseren Glocke von 1900 Pfd. 14 mrc. 9 sol. 4 den.; drei Jahre
später für zwei weitere Glocken einen Lohn von 157$ ini'c. Da die grosse
Glocke missraten war, wurde sie 1376 umgegossen, wofür 15% nirc. be-
zahlt wurden. Ausserdem stellte das Stiftskapitel das Material, das gewöhn-
lichere Handwerkszeug und die Arbeitsleute und zahlte das Kostgeld. Das
Glockengut bestand aus dem alten Metall der bei dem Stadtbrande am
1. April 1372 geschmolzenen früheren Glocken, und aus kupfernen und
zinnernen Gefässen mit einem starken Zusatz von reinem Zinn. Den Glocken-
giessern musste nach alter Sitte dreimal Wein gereicht werden: bei ihrer
Ankunft zum Willkommen (pro bmieventoj, bei der Meldung vom Gelingen
des Gusses (pro bona mintio) und beim Abschiede, bei welchem man ihnen
aus gutem Willen (pro curialitate) noch ein neues Kleid oder drei Ellen
Tuch verehrte. ^ — Im Jahre 1448 wurde dem Glockengiesser Conrad Cranich-
mehrmaliger Reflexion an den Wänden der letzteren sich nach aussen verbreiten.
Vergl. Schweiger-Seidel, Jahrb. 18. (48.) S. 428.
^ Vergl. Steph. Beissel, die Baugesch. der Kirche des heiligen Viktor zu
Xanten. 1883. a 115 f.
Kosten der Bronzeglocken. 77
felde eine neae Glocke für Kloster Haasdorf zu giessen verdungen, ebenso
gross wie die alte, die auch dazu verwendet werden sollte, mit Zusatz von
neuer Glockenspeise, den Gentner zu zwölf alte Schock (nach heutigem
Gelde etwa 60 Mark) gerechnet; für Zehrung und Arbeit wurden drei alte
Schock (etwa 15 Mark) ausgemacht; den Giesserlohn sollte der oberste
Vormund des Klosters bestimmen.^ — Als die Giesser Johann Olivey und
Nicod Bueron zum Gusse der grossen Glocke 1462 nach Ififerten kamen,
erhielten sie und ihre Gehilfen vier Mass (pots) Wein, und die Domherren
feierten den Tag ihrer Ankunft durch ein Abendessen.^ — Die 33 Ctr.
schwere Uhrglocke von 1473 ftlr den Marktturm zu Regensburg kostete
95 Pfd. Pfennige. — Bei der Ankunft der Glockengiesser Jacques de la
Bouticle und Kobinet Beguin zu Troyes im Jahre 1475, wohin man sie
berufen hatte, erhielten sie von den Bürgern Wein, von den Domherren
Hftringe, Karpfen und andere gute Dinge, alles, ohne dass es ihnen aus-
gemacht war.' — Bei dem Gusse der 138 Ctr. 65 Pfd. schweren Osanna
für Weingarten im Jahre 1490 erhielt Meister Hans Ernst für den Ctr.
einen rhein. Goldgulden, ausserdem Wohnung und Kost für sich und seine
Gehilfen und Knechte, sowie das erforderliche Metall.^ — Im Jahre 1497
war der holländische Glockengiesser Gerhard Wou mit vier Dienern von
Neuss, wo er sich vorher befunden hatte, nach £rfurt gekommen und ver-
weilte daselbst, um drei Glocken: die Riesenglocke und die Osanna des Domes
und die Yincentia der Severikirche, zu giessen, vom 16. Mai bis 25. Au-
gust bei freier Beköstigung. Am Tage seiner Ankunft erhielt er für fünf
Pfennige Wein und trat zunächst in einer Herberge ab, bezog dann aber das Haus
eines Domherrn. Dieser hatte für die Bewirtung seiner Gäste zu sorgen und
beteiligte sich selbst mit an den Mahlzeiten, die recht opulent waren. £s
gab zuweilen dreierlei Fleisch und man trank öfter nicht bloss Einbecker
und andere fremde Biere, sondern auch Wein. An dem Tage, an welchem
die dritte und letzte Glocke gegossen wurde, speiste man nur Fische und
zechte nur Wein. Nach Ablauf der ersten Hälfte des 15 Wochen währen-
den Aufenthalts betrugen die Zehrungskosten 67 Schock, 27 alte Groschen
2Y2 Pfeunig und 12 Goldgulden. Der Lohn, welchen der Meister für den
Guss de^ beiden Domglocken von 275 und 80 Centner empfing, betrug 400
rheinische und 4 ungarische Goldgulden (nach heutigem Gelde 2916 Mark)
und die Vergütigung für die Herreise 15 Goldgulden (108 Mark). Die Ge-
» Rein, W., Thuringia Sacra 2, 236. N. 341.
* Blavignac, la cloche, p. 347.
« A. a. 0.
^ Pastoralbl. der Diözese Rottenburg 1882. Beil. Nr. 1, 2.
78 Kosten der Bronzeglocken.
hilfen erhielten 12 Goldgulden (86,4 Mark) Trinkgeld. Die Gesamtkosten
für beide Glocken, die sich aus den Rechnungen des Domes schon darum
nicht genau ergeben, weil zum Teil das Metall alter Glocken verwendet
wurde, hat v. Tettau (Mitteil, des Erfurter Geschichtsvereins 2, 137) nach
heutigem Münzfusse auf 18 157 Mark ausgerechnet, eine Summe, die, wenn
man den mindestens dreifach gesunkenen Geldwert in Betracht zieht, heute
eben so viel Thaler darstellt und zur Herstellung der beiden Glocken auch
heute ausreichend sein würde. — Die Marienglocke zu Strassburg, 420 Ctr.
an Gewicht, kostete im Jahre 1519 10 000 Gulden, und der Giesser erhielt
für den Centner 1 Gulden Lohn. — Eckhardt Kucher erhielt in Magdeburg
1574 für jeden Centner 2 Gulden meissnisch und als Zehrgeld für sich
und seine beiden Gesellen wöchentlich 2 Thaler und 1 Ort (Y4 Thaler). ^ —
Eine 29 Centner schwere, im Jahre 1595 für die neue Pfarre in Regens-
burg gegossene Glocke kostete 662 Gulden; die Speise bestand aus 2280
Pfund Kupfer und 6 Centner Zinn. ^ — Der niederländische Glockengiesser
Franz Hemony bekam um 1650 für das Pfund seiner künstlich abgestimmten
Glocken, für die grösseren 17 Stüber (50 auf einen Reichsthaler gerechnet),
für die kleineren 21 Stüber.' — Georg Schreiber in Magdeburg verlangte
daselbst 1651 — 1658 ausser den Materialien und zwei Handlangem bei
freier Kost für sich und seine Gesellen (oder 30 Thaler Zehrgeld) pro Ctr.
3 Thaler Giesserlohn, musste sich aber (ausser den Materialien) mit 200
Thaler in Pausch begnügen, und Jakob Wentzel erhielt 1689 für den Centner
2 Thaler. ^ — Im Magdeburgischen kostete Im Jahre 1694 das Pfund altes
Glocken- und Grapengut 3 gute Groschen. ^ — Bei dem Gusse der grossen
Glocke für St. Stephan in Wien im Jahre 1711, wo 370 Centner Metall
eingesetzt wurden, zahlte man an Arbeitslohn für den Centner 7 Gulden,
und ausserdem empfing der Giesser noch eine Verehrung von 100 Dukaten. ^
— Für die im Jahre 1721 gegossene 113 Centner schwere Domglocke zu
Breslau wurden 133Y2 Centner Metall eingesetzt (2 Teile feines Bergkupfer
und 1 Teil Zinn) und pro Centner 39 Y2 Thaler bezahlt.^ — Über die
^ Magdeb. Geschichtsbl&tter 1868. 3, 92—95.
* Schuegraf in den Yerbandl. des histor. Vereins von Ober-Pfalz und Re-
gensburg. 9, 299. 300. 304.
' Schott, Magia naturae. 2, 359.
* Magdeb. Geschichtsblätter a. a. 0.
'^ (Chrysander) Zugabe zu den Hannov. gelehrten Anzeigen vom Jahre
1754, S. 137.
® Nach dem im Wiener Stadtarchiv befindlichen Kontrakt; vgl. Tschischka,
die Metropolitank. zu St. Stephan in Wien. 2. Aufl. S. 117.
^ Chrysander a. a. 0. S. 143.
Qlockengiesser. 79
Kosten u. s. w. der grossen Glocke für die Stiftskirche zu Wernigerode im
Jahre 1742 vergl. die Zeitschr. des Harzvereins 1869, 1, 39.
Qlockengiesser. — Die Glockeugiesserei wurde ursprünglich in den
Klöstern von den Mönchen betrieben (s. S. 11 u. 20), welche überhaupt zuerst
alle auf das Kirchenwesen bezüglichen technischen Künste übten ; es scheint
indes, als wenn es schon im achten und neunten Jahrhundert geschickte
umherziehende Giesser gegeben Habe, welche, da sie sich nach der Bezich-
tigung mönchischer Schriftsteller Veruntreuungen zu Schulden kommen Hessen,
wohl dem Laienstande angehört haben mögen. Dahin gehört der kunster-
fahrene Meister (opifex in hoc arte eruditiis), dem um 734—738 der Guss
der füi* das Türmlein der neu erbauten Michaeliskirche zu Fontenelle be-
stimmten Glocke übertragen wurde, und der von dem hinreichend gelieferten
Metalle einen Teil auf die Seite brachte, wodurch die Glocke nicht voll-
kommen geriet.^ Kaiser Karl der Grosse dagegen bediente sich für den
Guss einer Glocke zu Aachen eines Mönches von St. Gallen, Namens Tanco,
dessen Werk sehr gut ausfiel, namentlich auch in Beziehung auf den Klang
die Bewunderung des Kaisers erregte; es befand sich aber gleichzeitig am
Hofe ein anderer Meister, der in aller Metall- und Glasarbeit vortrefflich
war, und sich erbot, aus. vielem Kupfer, das er durch Hitze reinigen wolle,
mit dem gehörigen Zusätze von Silber, statt des Zinns, eine Glocke zu
liefern, im Vergleich mit der das Werk Tancos stumm erscheinen solle.
Der Elende betrog den Kaiser, indem er statt des erhaltenen edeln Metalls
sehr reines Zinn hinzusetzte, und zwar in kurzer Zeit eine Glocke von un-
vergleichlicher äusserer Schönheit zustandebrachte, die aber niemand läuten
konnte : bei den fruchtlosen Versuchen wurde zuletzt der Betrüger von dem
hinabgeschleuderten eisernen Klöppel erschlagen. ^ — Im zehnten bis zwölf-
ten Jahrhundert finden wir die Glockeugiesserei in den Beuediktinerklöstern
in vollem Betriebe; vergl. oben S. 20. Der Abt Gozbert von Tegernsee
(t 1000) verschrieb sich von dem Bischöfe Godschalk zu Freysing von dort
den Glockengiesser Adalric^ und scheint auf diese Weise jene Kunst auch
in seinem Kloster eingeführt zu haben: denn Abt Herrand schenkte dem
Abte Gotahelm (f 1062) für das im Jahre 1032 wiederhergestellte und mit
sieben Glocken versehene Kloster zu Beuediktbeuern eine derselben.* —
Thiemo, später Erzbischof von Salzburg, erlernte in seiner Jugend zu Nie-
deralteich die Giesskunst^, und das Glockengiessen erscheint im Jahre 1128
^ Gesta abbat. FontauelL, Monom. Germ. SS. 2, 284.
^ MoDachus Sangaliens, ebend. 2, 744.
^ Meichelbeck, Hist Frising. I. 2,471.
^ Monumenta Boica 7, 16.
^ Canisius, lect. antiqu. IV. 2, 667.
V
gO Glockengiesser.
als allgemeine Beschäftigaug der Salzburger Mönche, welche jedoch dabei
ihre der Giessstätte benachbarte Kirche ans Unvorsichtigkeit in Brand steck-
ten. ^ — In einer Urknude des Mannsklosters Ghiemsee von 1135 kommt
als Zeuge vor ein: Eoudhertus^ cmnpanarum fusor,^ — In derselben Zeit
beschäftigten sich auch die Mönche in .französischen Klöstern mit der Glocken-
giesserei: Abt Radulf von St. Troud liess zu Anfang des zwölften Jahr-
hunderts mehrere grosse Glocken für versdhiedene Kirchen giessen und um-
giessen.^ — Im 13. Jahrhundert ging mit dem Aufblähen der Städte und
Innungen in Deutschland auch die Glockengiesserei an die letzteren über,
welche seit dem folgenden Jahrhundert dieses frühere Geschäft der Klöster
ganz übernahmen. Topf- und Kannengiesser, Grapengiesser und Apengiesser,
Rot- und Gelbgiesser, also überhaupt die Metallgiesser waren es, welche
nun das Giessen von Glocken, teils nebenher, teils, wenn sie genügende
Kundschaft fanden, als freies Hauptgewerbe ^ ausübten. So goss der Qro-
pengheter Bertold von Duderstadt 1399 eine Glocke zu Berenshausen im
Eichsfelde, der Duppenffiesser Heinrich Brodermann 1448 die Preciosa des
Domes von Köln, ein Kanngiesser Heinrich von Gesen 1485 Glocken für
Biedenkopf und Offenbach in Nassau, ein Topfgiesser Nikolaus von Mühl-
hausen i. Th. 1478 eine in dem nahen Dorfe Gross-ßrabe befindliche Glocke,
und Herman Kester bezeichnet sich 1494 auf einer Glocke zu Lauenstein
in Hannover (Kreis Hameln) als „ein Apengeter Knechi^^ war also ein
Gürtlergehilfe, der sich aufs Glockengiessen gelegt hatte. Das Gewerbe
wurde meist im umherziehen betrieben: die Glockengiesser wanderten von
einem Orte zum andern, da die Kirchengemeinden es wegen der leichteren
Au&icht über das gelieferte Metall und wegen Ersparung des mühsamen
^ Monumenta Boica 14, 394.
* Ebend. 2, 298.
^ Spicileg. ehren, abb. S. Trud. 1. 9, p. 459. Yergl. Barrand im Bulletin
monumental 10, 101.
^ In Erfurt, wo die dort lebenden wenig zahlreichen Glockengiesser niemals
unter sich eine zunftmässige Verbindung gebildet oder sich auch nur der dort
bestehenden Gürtlerinnung angeschlossen hatten, kam es im 15. Jahrhundert
dennoch vor, dass es dem Meister Claus von Mühlhausen als einem Fremden nicht
gestattet wurde, eine von dem Severistifte bei ihm bestellte Glocke von 100 Centner
daselbst zu giessen; der Guss erfolgte nun in dem nahen Gotha, von wo die (ilocke
mit zwölf Pferden nach Erfurt geschafft wurde. Erst nachdem Meister Claus später
nach Erfurt gezogen und daselbst Bürger geworden war, durfte er hier seine Kunst
ausüben; die Verfolgungen gegen ihn hörten indes nicht auf, weil er sich bei
seinen Arbeiten von fremden Glockengiessern helfen liess. Vergl. v. Tettau a.
a. 0. S. 144. — Auch später wurden in Erfurt die einheimischen Giesser, die aus-
wärts sehr gesucht waren, meist übergangen.
Grlockengiesser als Stückgiesser. gl
Transportes der immer grösser beliebten Glocken vorzogen, letztere an Ort
und Stelle fertigen zu lassen, wozu in der Nähe des Bestimmungsortes der
Giessofen errichtet wurde. Nach Vollendung einer jeden Arbeit reisten die
Meister entweder an andere Orte, wohin man sie berufen hatte, oder sie
kehrten neuer Bestellungen zum Glockengiessen gewärtig nach Hause zu
ihrem stehenden Gewerbe zurück. Wenn an einem Orte in der Fremde
einmal ein Ofen errichtet und alles zum Glockengusse Erforderliche vor-
handen war, so wurde dies noch im 18. Jahrhundert öffentlich bekannt ge-
macht und eine Einladung an die Eirchenvorstände gerichtet, dass sie die
Gelegenheit benutzen und ihre zersprungenen Glocken zum Umgusse heran-
schaffen sollten. Herumwandernde Glockengiesser, die das kümmerliche Ge-
schäft betrieben, kleine Kirchenglocken aus Tiegeln zu giessen, scheinen
jetzt ausgestorben zu sein, wie denn überhaupt gegenwärtig unter gänzlich
veränderten Verhältnissen die Glockengiesserei wandernder Meister längst
aufgehört hat, keineswegs aber das Herumreisen einzelner, um sich durch
allerlei Redekünste besonders auf Dörfern Bestellungen zu verschaffen und
womöglich gute alte Glocken gegen schlechtere neue einzutauschen.
Mit der Einführung des schweren Geschützes in das Kriegswesen des
15. Jahrhunderts änderte sich die soziale Stellung, namentlich der bedeu-
tenderen Glockengiesser. Diese Kunsthandwerker, die bisher nur den fried-
lichen Zwecken der Kirche gedient hatten, traten nun, da sie den Kern-
guss grosser Metallmassen verstanden, zugleich als die ersten Stückgiesser
auf und wurden dadurch für Fürsten und Städte wichtige und gesuchte
Persönlichkeiten. Anfangs betrieben sie auch diese neue Kunst im Umher-
reisen, wobei ihnen jedoch Schwierigkeiten erwuchsen, da man sie als Mili-
tärpersonen betrachtete, und um so mehr, als sich einzelne unter ihnen bei
Belagerungen auch als tüchtige Büchsenmeister (d. h. als Artilleristen) be-
währt hatten. Friedliebende Städte fürchteten durch Aufnahme dieser be-
denklibhen Reisenden das Misstrauen und den Verdacht ihrer Nachbaren zu
erregen und sich dadurch mit ihnen in Streitigkeiten zu verwickeln. ^ Dazu
kam bei der unendlichen Zersplitterung der Territorien und bei den fort-
^ Dem Gerhard von Wou wurde auf seiner Reise von Kampen nach Amster-
dam im Sommer 1480 in Harderwyk ein höchstens zweitägiger Aufenthalt zuge-
standen: „Ä. 1480. 4 July. Burgerm., schepenen en raad van Harderwyk ver-
gunnenj op vei'zoek der stad Campen, dat Geert van Wou, klokgieter van s^Her-
togenbosch^ met vyf zyner knechten en dienaars in de stad kome en naar Amsterdam
reize, om er te koopen, wat he tot het gieten der klokken te Campen noodig heeft
en van daar naar Campen terug te keeren, durende iSn dag of twee ten längste
na hun inkatnen.^^ Vergl. Register van Charters in het oude archief van Kam-
pen. 1863. II, 279.
Otte, Olockenknnde. ' 6
82 Glockengiessereien.
währenden Zwisten derselben untereinander, dass Fürsten und Städte sich
um den Besitz ihrer Stückgiesser beneideten und diese durch hohen Lohn
und Ehren ^ an sich zu fesseln suchten. Die Fürsten errichteten etwa seit
Mitte des 16. Jahrhunderts in ihren Residenzstädten Kanonengiessereien
unter Inspektoren und Direktoren, die ursprünglich Glockengiesser gewesen
waren und auch in ihrer neuen Stellung in den Stückgiessereien bei ge-
gebener Veranlassung nicht bloss Eirchenglocken , sondern auch nach den
Modellen der Bildhauer Bronzestatuen und andere Kunstwerke gössen. In der
Stückgiesserei zu Paris wurden noch unter Louis XVIII. Glocken gegossen,
und der Direktor derselben, Launay, hat 1827 eine schätzenswerte Abhand-
lung über Glockengiesserei veröffentlicht. Die bürgerlichen Glockengiesser be-
standen dabei allerdings fort, blieben aber mit ihrer Thätigkeit meist auf die
Umgegend ihrer Wohnorte beschränkt, und einzelne erwarben sich landesherr-
liche Privilegien zur alleinigen Ausübung ihres Gewerbes in der heimatlichen
Provinz. Die Neuzeit hat ganz veränderte Verhältnisse geschaffen. Die staat-
lichen Giessereien haben sich meist aufgelöst, oder liefern wenigstens keine
Glocken mehr; der Guss der Glocken ist vielfach zu einem Nebenzweige
geworden in den grösseren Privatetablissements, die sich hauptsächlich mit
der Fabrikation von Feuerlöschmaschinen u. s. w. beschäftigen und die unter
der Leitung von Civil-Ingenieuren stehen. Grössere Etablissements, in denen
nur Glocken gegossen werden, sind sehr selten, und auch die kleineren Ge-
schäfte von mehr handwerklichem Betriebe liefern Feuerspritzen und allerlei
Gelbgiesserarbeit. Der sich noch bis in das 18. Jahrhundert erstreckende Glanz
der Glockengiesserkunst, die meist ihre frühere Selbständigkeit eingebüsst
hat, ist dahin, und das Fabrikwesen hat das Eunsthandwerk fast gänzlich
verschlungen. Es ist damit indes keineswegs gesagt, dass nicht auch in
unseren Tagen in jeder Hinsicht mustergültige Glocken fabriziert werden.
Wenn es im Mittelalter überhaupt gewöhnlich war, dass der Sohn des
Vaters Geschäft fortsetzte, so lag es bei einer Kunst, deren Gelingen von
vielfältigen Erfahrungen abhing, und die der Einzelne im allgemeinen doch
nur selten auszuüben Gelegenheit fand, bei dem alt-herkömmlichen Neide
^ Der Ehefrau des schon erwähnten berühmten Erzgiessers {,,aerarui8*^ nennt
ihn die Inschrift auf einer von ihm gegossenen Glocke der Lambertikirche zu
Münster vom Jahre 1493, und auf der ehemals im Dom zu Naumburg a. S. be-
findlich gewesenen von ihm gegossenen Marienglocke vom Jahre 1502 war sein
^yingenium gracile^^ rühmend hervorgehoben) Gerhard de.Wou schenkte man 1486
in Osnabrück, wo er auch drei Glocken gegossen hatte, wegen seiner Geschick-
lichkeit im Büchsengiessen eine mit dem Stadtwappen geschmückte silberne Schale
(v. Tettau, a. a. 0. 3, 178). — Dem Stück- und Glockengiesser Martin Hilger
zu Freiberg verlieh Kaiser Karl V. 1521 einen Wappenbrief (Mitteil, des Freib.
Altert-Vereins 18, 44).
Glockengiesserfamilien. 83
der Handwerksmeister und Jünger untereinander, bei der Glockengiesser-
kunst mehr, wie bei irgend einer andern in der Natur der Sache, dass
sich die sorglich geheim gehaltenen Fertigkeiten fast ausschliesslich nur
unter Blutsfreunden fortpflanzten und durch mündliche, selten und erst
später auch durch schriftliche^ Überlieferung von den Vätern auf die Söhne,
Schwiegersöhne und Enkel forterbten: so entstanden bestimmte Glocken-
giesser-Familien, deren Namen wir schon in älteren Zeiten ganze Jahr-
hunderte hindurch würden verfolgen können, wenn es vor dem 16. und
17. Jahrhundert allgemeiner üblich gewesen wäre, dass sich die Meister auf
ihren Werken namhaft machten; und wenn es vor dem 16. Jahrhundert
bestimmte bürgerliche Familiennamen gegeben hätte. Wenn z. B. auf einer
ersichtlich noch dem Ausgange des 13. Jahrhunderts angehörigen Glocke
zu Ötzsch (Kreis Merseburg) in schönen Majuskeln steht „ffeinricii^ fUiu^^
Tiderid me fecit'% so muss der Vater des Giessers ein namhafter Meister
gewesen sein, obgleich wir nicht wissen, ob es derselbe Tidericics ist, der
in der Umschrift einer 1859 umgeschmolzenen Glocke von 1278 zu Lühnde
bei Hildesheim als Verfertiger genannt war. Wohl die älteste bekannte
Glockengiesserfamilie ist eine französische des 13. bis 14. Jahrhunderts;
sie benannte sich nach dem Hauptorte des Departement Pas de Calais de
Croisilles und ist in mehreren Gliedern durch Glocken von 1261 — 1396
in Aachen, Compiögne, Valenciennes, Beauvais, Tournay und Peronne nach-
gewiesen. Im 14. Jahrhundert kommen am Mittel- und Niederrhein die
Veghel und Duisterwald vor; im 15. Jahrhundert die aus Holland
stammenden Trier zu Aachen, deren Glieder bis über die Mitte des 18.
Jahrhunderts hinaus zu verfolgen sind, die hochberühmten Wou von Her-
zogenbusch und Kampen, deren die Zeit von 1461 — 1553 umfassende Thä-
tigkeit sich vom nördlichen Holland bis nach Thüringen erstreckte. Die
Ernst von Regensburg in Stuttgart seit 1470, deren Geschäft in Mem-
mingen noch heute besteht, dieSchelchshornin Regensburg von der Mitte
des 16. bis ins 18. Jahrhundert u. a. m. — Seit dem 16. Jahrhundert entstanden
die stehenden Giessereien, und die Städte Mainz, Köln, Münster, Hildes-
heim, Erfurt, Freiberg, Nürnberg, Augsburg, Regensburg u. a. m. waren im
Besitze ausgezeichneter Glockengiesser , worüber wir auf das als Anhang
gegebene bis zur Gegenwart reichende alphabetische Verzeichnis deutscher
und einiger fremdländischen Glockengiesser verweisen, welches indes VoU-
' Nach gütiger Mitteilung des Herrn Glockengiessereibesitzera Jean Col-
lier zu Danzig ist derselbe im Besitze eines umfangreichen Manuskriptes über
Glockengiesserei mit vielen Zeichnungen, das von einem seiner Vorfahren, Charles
Collier im Elsass um 1753 bis 1795 ausgearbeitet ist und als Familienbesitz sich
von Sohn zu Sohn vererbt hat.
6*
84 Verträge über den Gubs von Glocken.
ständigkeit nicht beanspruchen kann nnd wegen der verschiedenen Beschaf-
fenheit der benutzten Quellen auch von Irrtümern nicht frei gefanden wer-
den vird.
Patron der Glockengiesser ist der heilige Forckernus, ein Brite,
welcher vor seiner Priesterweihe Glockengiesser gewesen sein soll: er wird
in der Giesshütte dargestellt, wie er gerade eine aus dem Guss gekommene
Glocke vollends ausarbeitet. Zuletzt führte er ein Einsiedlerleben und starb
am 17. Februar; das Jahr seines Todes aber ist unbekannt.^ Ausserdem
sind &ie auch dem Schutze des Goldschmiede-Heiligen Eligius und des mit
der Bettlerglocke dargestellten Eremiten Antonius, sowie des heiligen Patrons
der Feuerarbeiter St. Laurentius empfohlen.
Bei den mit den Giessern abzuschliessenden Verträgen^ ist den
Kontrahenten die gehörige Vorsicht geboten; in Lüneburg goss im Jahre
1607 der dortige Meister Paul Voss sogar eine über 30 Centner schwere
Probeglocke (Mithoff, Kunstdenkm. im Hannoverschen 3, 147), und Peter
von Trier musste 1664 einen Bürgen stellen. Als wesentlich kommen fol-
gende Punkte in Betracht: Die Glocke muss in ihrem Äussern der Bestel-
lung gemäss verziert, mit den verlangten, richtig gestellten Inschriften ver-
sehen und im Gusse in allen ihren Teilen tadellos ausgeführt sein. Wäre
die abzuliefernde Glocke ganz oder teilweise mit Firnis überzogen, so ist
auf unreinen Guss zu schliessen. Die Glocke muss femer das bestellte
Gewicht haben*, sollte sie schwerer sein, so werden bei kleineren Glocken
25 Pfund, bei grösseren 40 — 60 Pfund dem Glockengiesser nach dem ver-
dungenen Preise vergütigt; für ein noch grösseres Übergewicht kann er
nur den Metallwert ersetzt verlangen. — Wenn eine alte Glocke umgegossen
oder dem Giesser das Metall zum Gusse einer Glocke geliefert wird, so ist
der durch Verdunstung und Verkalkung des Metalls beim Schmelzen ent-
stehende Feuerabgang zu berücksichtigen, den die heutigen Glockengiesser
auf 10 Prozent berechnen, was, abgesehen von dem sogenannten Kr ätz -
Metall (dem mit Asche und Schutt vermischten Metall von Glocken, die
* Acta Sanctorum. Febr. III, p. 313 sq.
'Den Entwurf eines den Verbältnissen der Gegenwart angepassten Vertrages
gieht Boeckeler, Beitr. S. 133 und teilt S. 139 die wesentlichsten Bestimmungen
des im Jahre 1881 abgeschlossenen Kontraktes über den Umguss der 116 Centner
schweren Marienglocke des Münsters zu Aachen mit Ältere Verträge, z. B. der
mit Konrad Cranichfelde zu Jena vom Jahre 1448 (Rein, Thuring sacra 2, 236,
Nr. 341), mit Hans Ernst von Stuttgart aus dem Jahre 1490 (Busl, in Pastoralbl.
der Diöz. Rottenburg 1882, Beil. Nr. 1, 2), mit Eckhardt Kuchen 1674, Georg
Schreiber 1661 — 1658 in Magdeburg (Magdeb. Geschichtsblätter 3,92 und 469),
mit Peter von Trier aus dem Jahre 1664 (Boeckeler a. a. 0. S 22) sind nicht
ohne kulturgeschichtliches Interesse.
Vertragsbedingungen. g5
bei Feuersbrünsten geschmolzen sind), unter den ungünstigsten Verhältnissen
das Maximum sein dürfte, da sonst wohl mit 5 — 6 Prozent in den meisten
Fällen gut auszukommen sein mag. ^ — Der Glockengiesser muss sich ver-
pflichten, der anzufertigenden Glocke den bestimmten musikalischen Ton zu
geben; man thut indes gut, hier nicht sowohl den Namen des Tons zu be-
stimmen, was bei der Verschiedenheit der Stimmung (ob Chor- oder Kammer-
ton) misslich ist, als vielmehr sich einer in den betreffenden Ton gestimmten
Orgelpfeife zu bedienen, mit welchen die Glockengiesser versehen zu sein
pflegen. Ist die Glocke fertig und wird frei schwebend aufgehängt, und
man bläst auf der erwähnten Pfeife den festgesetzten Ton in der Nähe der
Glocke, so wird, wenn die Glocke wirklich denselben Ton hat, wie die
Pfeife, ein lautes Mittönen der Glocke eintreten, was auf dem akustischen
Gesetze beruht, dass, wenn zwei Körper gleiche Fähigkeit und Neigung zu
gewissen Schwingungsarteii haben, und wesii ferner die Schwingung des
einen erst durch die des andern erregt wird, die Schwingungen beider gleich
sein werden. Zuweilen jedoch, wenn nämlich der Ton der Pfeife im Ver-
hältnis zur grösseren Rigidität der Glockensubstanz nicht stark genug ist,
versagt dieses Experiment und die Glocke bleibt stumm; Boeckeler (Beitr.
S. 117) hält es daher für besser (jedoch auch nur für „ziemlich sicher^'),
eine vorher auf den verlangten Ton besonders angefertigte und bis zur Ah-
lieferung der Glocke sicher (etwa versiegelt) aufzubewahrende Stimmgabel
in Schwingung zu versetzen und „mit einer Tuchunterlage^^ auf dem Schlag-
ringe der Glocke aufzusetzen. Nimmt die Glocke die Schwingungen der
Stimmgabel an, so dass sie vollständig ertönt, so ist der Ton getroffen.
Ebenso wie für Tonhöhe muss der Glockengiesser auch für die Beinheit
des Tones einstehen: ein schnarrender, unreiner Ton würde in Unreinheit
des Metalls oder in ungleichmässiger Dicke der Glockenwand in einem und
demselben Parallelkreise derselben, oder in einem regelwidrigen Profile be-
ruhen. (Nach längerem Gebrauche einer Glocke pflegt der Ton durch Ab-
glättung des Klöppelballens und des Anschlagortes reiner zu werden ; wenn
^ Das Domkapitul zu Konstanz vergütigte im Jahre 1512 dem Bürger Nikiaus
Glockengiesser auf 20 Centner einen Centner (Schreiber, Denkm. deutscher
Baukunst am Oberrhein 1, 32). — Der Glockengiesser Jakob Wentzel empfing 1689
beim Umgusse der 115 Centner wiegenden Apostolica des Domes zu Magdeburg
10 Centner Zusatz und der Stückgiesser Jacobi zu Berlin im Jahre 1702 beim
Umgusse der 266 Centner wiegenden grossen Glocke des Magdeburger Domes nur
14 Centner Zusatz. Dem Stückgiesser Aichamer in Wien wurden 1711 bei dem
Gusse der dortigen Riesenglocke 7 Prozent Feuerabgang zugestanden, und die
französischen Glockengiesser jener Zeit verlangten nur 5 — 6 Prozent, während sie
angeblich schon hätten mit 3 Prozent auskommen können. (Boujoux, Glocken-
giesser, S. 89.)
g6 Verfertigung der Glocken.
sich hier Splitter und Abschieferangen bilden, ist die glatte Fläche durch
die Feile herzustellen, schlimmsten Falls die Glocke umzuhängen.) — Der
Glockengiesser hat ferner die Besorgung des Klöppels und des dazu ge-
hörigen Riemens, sowie alles übrige Holz- und Eisenwerk, was zur Befesti-
gung und zum Läuten der Glocke erforderlich ist, gegen besondere Bezah-
lung zu übernehmen, auch dafür zu sorgen, dass die Glocke unter seiner
Leitung und mit seinem Geräte aufgewunden und auf den Glockenstuhl
gebracht wird, wobei er für allen möglichen Schaden einstehen muss. Nach-
dem die Glocke aufgehängt ist, wird sie entweder 24 Stunden lang, mit
kleinen Pausen alle halbe Stunden, oder nur einige Stunden zur Probe ge-
läutet: im ersteren Falle ist, wenn die Glocke ohne Schaden bleibt, der
Meister von aller künftigen Verantwortung frei, im andern Falle bleibt er
mindestens ein Jahr lang für die Güte seines Werks verantwortlich.
Die Verfertigung der Slocken. Wenn F. Harzer die Vorrede zu
seinem Buche über „die Glockengiesserei" (Weimar 1854) mit den Worten
beginnt: „Das Giessen grosser Glocken, welches frtOier als eine sehr schwie-
rige und kunstvolle Arbeit betrachtet wurde, ist nach den Fortschritten, die
man im Guss der Metalle überhaupt gemacht hat, zu einer ziemlich ein-
fachen Sache geworden ,^^ so steht damit die Erfahrung in auffaUendem
Widerspruch, dass es selbst den besten und renommiertesten Glockenfabri-
kanten der Gegenwart öfter, als es ihnen und den Bestellern lieb ist,
widerfährt, misslungene Glocken wieder umgiessen, oder die vorhandenen
Mängel nachträglich künstlich beseitigen zu müssen. Es handelt sich bei
der Herstellung einer Glocke nicht sowohl um Erzielung eines äusserlich
tadellosen Gusswerkes, sondern in erster Linie um den guten Klang und
den richtigen Ton, den mit Sicherheit zu treffen auch heute noch keine
„ziemlich einfache^' Sache ist Die erste Arbeit bei der Anfertigung einer
Glocke ist die Entwerfung ihres Profils, der sogenannten Glockenrippe:
die meisten Giesser von heute pflegen dabei nach überlieferter Weise zu
verfahren und im allgemeinen sämtliche ihnen vorkommende Glocken nach
derjenigen Rippe zu entwerfen, die sie einmal angenommen haben. Es be-
ruht bei ihnen alles auf handwerksmässiger Erfahrung, möglichste Metall-
Ersparnis und die Erzeugung eines möglichst tiefen Tones bei verhältnis-
mässig leichterem Gewicht und grösserer Wohlfeilheit der Glocke ist ihr
Hauptstreben, und um die dem eignen Thun zu Grunde liegende, freilich
zum Teil noch dunkele Theorie pflegen sich die ehrenwerten Männer wenig
zu bekümmern. Es ist zuvörderst notwendig, dass wir die
allgemeinen akustischen Eigenschaften der Glocken,
wie solche hauptsächlich durch die Untersuchungen von Chladni sind
dargethan worden, in ihren Hauptzügen nachweisen. Eine Glocke ist in
AkuBÜBches. V -- - J 87
akustischer Hinsicht ^ als eine gekrümmte, in ihrem Mittelpunkte unterstützte
kreisförmige Scheibe anzusehen. Es bilden sich daher, sobald sie klingend
gemacht wird, vier um Quadranten voneinander entfernte, sich im Halse
der Glocke durchschneidende Enotenlinien, und zwar so, dass der Punkt,
an welchem die Glocke (bei Glasglocken am besten durch Anstreichen mit
einem Violinbogen in der Richtung des Durchmessers) klingend gemacht
wird, gerade in die Mitte von zwei Knotenlinien fällt. In diesem Punkte
entsteht, wie sich dies an einer aufgerichteten mit Wasser*, dessen Ober-
fläche mit Bärlappmehl bestreut ist, gefüllten Glocke veranschaulichen lässt,
ein Schwingungsbauch, und demzufolge verwandelt sich durch die Vibration
der Kreisumfang in eine Ellipse, deren grosse Achse abwechselnd in die
gegenüberliegenden Quadranten fällt: das Bärlappmehl auf dem Wasser bildet
daher einen vierspitzigen Stern, dessen Spitzen in die Knotenlinien fallen,
wo sich die beiden schwingenden Ellipsen einander durchschneiden. In
den Knotenlinien selbst und um den Stiel herum, in welchem sich erstere
schneiden, bleibt die Materie der Glocke in Ruhe: man kann daher diese
Linien und die ganze obere Decke der Glocke, ja ihre Wandung selbst in
ihrem oberen Siebentel etwa, durch Belegung mit Filz dämpfen, ohne dem
Klange Eintrag zu thun. Eine Dämpfung der Glocke dnrch Umgtlrtung
ihres Randes oder parallel mit letzterem bis zu etwa % '"^^^ Höhe be-
nimmt ihr sogleich den Klang. — Beim Anschlagen einer Glocke hört man
indes nicht blos einen Ton, sondern gleichzeitig mit dem Haupttone ein
Gemisch mehrerer schwächerer höheren Töne, die, wenn, die Glocke, wie
bei Chi ad ni 's Versuchen, überall von gleicher Dicke ist, in einem meist
sehr unharmonischen Verhältnisse zu dem Grundtone stehen. Diese höheren
Beitöne lassen sich, wenn die Glocke gross und dünn genug ist, jeder einzeln
hörbar machen, wenn man den Rand der Glocke an bestimmten Stellen
mit dem Finger dämpft. Der dem Haupttone nächst gelegene höhere Ton,
von jenem um eine None entfernt, ergiebt sich, wenn man die Glocke an
zwei, um 60^ voneinander entfernten Stellen dämpft und dieselbe in der
Richtung ihres Durchmessers mit dem Geigenbogen an einer Stelle streicht,
die von dem einen Dämpfungspunkte um 90^ entfernt ist: die Glocke teilt
sich hierbei in Sextanten. Der dritte Ton, von dem zweiten um eine Sep-
time, von dem Grundtone um eine Doppel -Oktav entfernt, wird hörbar,
wenn man zwei Stellen, die um 45^ voneinander entfernt sind, dämpft und
an einer passenden Stelle, in der Mitte zweier Knotenlinien, deren sich bei
^ Chladni, Akustik, S. 192ff. — Vergl. Bindaeil, Akustik, S. 402 flf. —
Gehler, Physikal. Lex., bearb. von Gmelin, der Artikel Schall von Muncke,
8, 261 flf.
1
88
Akustisches.
dieser Schwingongsart acht ergeben, streicht. £s kann sich ferner die
Glocke in 10, 12, überhaupt in jede geradlinige Anzahl schwingender Teile
einteilen, und die möglichen Töne verhalten sich wie die Quadrate der
Zahlen 2, 3, 4, 5 u. s. w. Zunächst also würde auf den Grundton G die
None d, dann die Doppel -Oktav c folgen, dann der 25., 36. Ton u. s. f.
Es eignen sich zur Anstellung dieser Versuche am besten entweder etwas
grosse Harmonikaglocken oder Glasglocken von Luftpumpen, von gleich-
massiger Stärkt und mit mattgeschliffenem Rande ohne Wulst. Verschieden-
heiten der Dicke nach dem Halse oder dem Rande zu bringen Abweichungen
in der angegebenen Reihenfolge der höheren Beitöne hervor, und es er-
giebt sich bei der Konstruktion des Glockenprofils als notwendige Forderung,
die Rippe so zu konstruieren, dass die irrationalen Beitöne in rationale ver-
wandelt werden, damit eine Glocke von harmonischem Klange hergestellt
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 6.
^=::tx=^
werde, was man durch Schweifung des Profils und durch verschiedene Dicke
in den verschiedenen konzentrischen Kreisen der Glocke angestrebt und
erreicht zu haben scheint. Um hierüber Genaueres mitteilen zu können,
wären genaue Zeichnungen von dem Profile der ältesten Glocken erforder-
lich, an denen es indes noch immer fast ganz fehlt. Biringoccio be-
schreibt die alten italienischen Glocken als sehr lang und schmal, kegel-
förmig oder gar ausgebaucht, indem er dieselben mit langen und schmalen
Kürbissen, Körben und Laugenzobern (Waschfässern) vergleicht, während
die neueren aus dem Quadrat konstruiert würden.^ Die ältesten bekannten,
^ Biringoccio a. a. 0. Bl. 94: Forma di corbe, o conche da bucata, o
vero di zucche longhe e sottili. — Li modemi li piü le cavano del quadro,
Gestalt der ältesten Glocken. 89
durch ihre Inschriften fest datierten Glocken haben die Form eines Bienen-
korbes. Die Glocke Fig. 4, deren Zeichnung und Beschreibung wir der
gütigen Yermittelung des Herrn Reichs -Archiv -Assessors A. Kalcher in
Landshut verdanken, befindet sich in dem Dorfe Iggensbach (Amtsbezirk
Deggendorf) in Niederbayern und hat die Inschrift: Amu) MCXLIIII ab
incamatione Damini fu^a est campatia,^ Sie hat bei einer Höhe von 0,43
im unteren Durchmesser 0,35; der Umfang beim Schriftbande beträgt 0,82,
in der Mitte 0,92 und am Rande 1,12 m. Die Gussstärke ist unten =
0,04 und oben unter dem Gehänge 0,05 m. Während diese Glocke am
unteren Rande etwas ausgebogen erscheint, zieht sich die bauchige Form
der Fig. 5 (nach Didron, Annales archeol. 5, 180) abgebildeten, die
Jahreszahl 1159 tragejiden. Im hohen Glocke der Kathedrale von Siena
unterwärts etwas ein. Die Glocke Fig. 6 (nach Wiggert,in den N. Mitteil,
des Thür.-Säch.-Vereins, VI. 2, Taf. 1 zu S. 14) ähnelt der Iggensbacher;
sie ist 0,55 hoch, und zwar ohne Jahreszahl, aber sicher von ebenso hohem
Alter und liefert, da sie sich zu Diesdorf bei Magdeburg befindet, den Be-
Fig. 8. Fig. 9.
OLb'+O^E
weis von einer damals weiten Verbreitung der bienenkorbartigen Glocken-
form.^ Anderweitig kommen auch sehr alte, aber soviel bekannt leider
was wohl heissen soll : die Höhe (einschliesslich der Krone) ist gleich dem unteren
Durchmesser, wie dies wenigstens bei den neueren Glocken gewöhnlich der Fall
zu sein pflegt.
^ Vergl. das Faksimile der Inschrift bei Otte, Kunstarchäologie. 5. Aufl.
1, 404. II.
^ Auch die Glocken der Chinesen haben fast völlige, doch gewöhnlich etwas
ausgebauchte Cylinderform und sind am unteren Rande ausgezackt (Abbildg. im
Christi. Kunstbl. 1866, S. 99) und oben mit Löchern versehen, wodurch angeblich
der dumpfe Klang helltönender werden soll. Bemerkenswert ist, dass auch Theo-
philus ia. a. 0., bei Ilg, S. 321) aus diesem Grunde die Vorschrift giebt: ^.qua-
tuor foramina triangula juxta coUum ut melius tinnicU formabis^^ , und Gonz.
Tellez, Comment. in Decretal. 5, 497 sagt, dass in alten Klöstern die Glockeo
90
Gestalt der ältesten Glocken.
undatierte, schlanke zuckerhutförmige Glocken vor, z. B. die von Pastor
Teile zu Lunow entdeckte, an den Henkeln zerbrochene in dem Dorfe
Nordhausen bei Königsberg i. d. N. (Fig. 7) von 0,29 Höhe und überall
von 0,007 Dicke der Wandung; die vom Professor Grössler zu Eisleben
entdeckten, mehr der langen Kttrbisform ähnlichen in den im Mansfelder
Seekreis belegenen Dörfern Unter-Röblingen und Friedeburg (Abbild, in der
Zeitschr. des Harz Vereins XI, Taf. 3 zu S. 27 und 33), die schon mehr
proportionierte Fig. 8 (nach Hase, in Mittelalterl. Baudenkm. Kieder-
sachsens I, Bl. 32) abgebildete zu Mensen bei Wunstorf von 0,70 Höhe bei
0,65 unterem Durchmesser. Ganz ungewöhnlich erscheint die seltsame Pro-
Fig. 10.
Fig. 11.
' ^avo^-i^sgg^^
H>qfV««<if«««W«
filierung einer undatierten Glocke zu Wolmirstedt (Fig. 9, nach Wiggert
a. a. 0. Taf. 2 zu S. 36), deren Verfertiger jedenfalls in der Technik sehr
zurück war. Alle diese und ihnen ähnlich profilierte Glocken können nur
einen aus einem Geschwirr von disharmonischen Tönen gemischten Klang
durchbohrt seien, damit der Ton „terribilis^^ werde, und sich die Mönche dabei
an das jüngste Gericht erinnern möchten. — Auch die Kirche von Fröhden bei
Jüterbogk besitzt eine nach harmonischen Verhältnissen (geschweift) geformte,
mittelalterliche Glocke von circa IV« Centner ohne alle Verzierung, welche oben
in der Platte zwischen den Öhren zwei saubere runde Öffnungen hat: augenschein-
lich aus Vorsorge, um, wenn die Öhre ja abbrächen, mit Leichtigkeit eiserne Henkel
einsetzen zu können. Verstopfung der Öffnungen verändert den klappernden Ton
durchaus nicht.
Glocken von harmoniBchem Klang. 91
erzeugen. Erst im Laufe des 13. Jahrhundert«, so scheint es, gelangte man
zu einer rationelleren Glockenform, indem man die schlanke Gestalt an
ihrem unteren Teile in gefälliger Weise verbreiterte, wie dies, um bei da-
tierten Exemplaren stehen zu bleiben, z. B. der Fall ist bei einer Glocke
zu Helfta im Mansfelder Seekreise (Abbild, bei Grössler a. a. 0. zu S. 42)
aus dem Jahre 1234 von 0,94 Höhe und einem Öffnungsdurchmesser von
1,10 und bei einer (1837 umgegossenen) Glocke von 1238 zu Assisi, Fig. 10
(nach Didron a. a. 0.). Wenn hier jedoch der untere Rand noch dick und
breit belassen ist, so findet sich bei einer (1858 umgegossenen) Glocke zu
Lühnde bei Hildesheim, Fig. 11 (nach Kratz, im Organ f. christl. Kunst
1858, Taf. zu Nr. 6) vom Jahre 1278 die zur Verbesserung des E^langes
wesentliche Abschrägung des unteren Randes ^ und, wie schon in Helfta, eine
Kürzung der übermässigen Höhe. Zu Ende des 13. Jahrhunderts galt es
als Regel, der Klang einer Glocke müsse drei harmonische Töne in sich
vereinigen^, was aber nur durch ein nach bestimmten Normen geregeltes
Profil erreicht werden konnte. Letzteres wurde schon im Mittelalter und
später in der Renaissanceperiode in der Weise konstruiert, dass man zu
dem am Anschlagsorte des Klöppels liegenden Grundtone ausser der am
Halse befindlichen Ober-Oktav desselben in der Schweifung noch einen be-
liebigen harmonischen Mittelton anbrachte, bald die grosse, bald die kleine
Terz oder auch die Quarte. Dessenungeachtet sucht man bei den neueren
Technologen vergeblich auch nur nach einer Erwähnung dieses Umstandest,
^ Diese Glocke hatte (ohne die 0,38 hohe Krone) 1 m Höhe, unten 1,33 und
oben 0,78 Durchmesser, das Gewicht betrug reichlich 38 Centner; der Klang kann
nicht harmonisch gewesen sein.
' Yincentius Bellovacensis, Speculam naturale 1. 4, c. 14 [Speculum
maius 1, 241. Duaci 1624]: Campana in tribus locis, si pulsetur (d. i. wenn man
z. B. mit dem Finger anklopft), tres habere sonos invenihMr, in fundo mediocrem,
in extremitate subtiliorem, in media graviorem,
' In den älteren technologischen, akustischen und musurgischen Werken fin-
den sich wenigstens einzelne Andeutungen. Der berühmte niederländische Meister
Fz. Hemony (^Schott, Magia naturae 2, 358) schreibt an Kircher über die Ton-
verhältnisse der Glocken: Debet campana bona ita esse proportionata, ut exhiberi
per eam seu ex ea percipi possint tres octavae, dttae quintae, tertia maior et tertia
minor. Horum tonorum unus appellari potest capitalis, nempe cdtissimt^ tonus
dictarum octavarum, quia is longe clariits quam älii exauditur et praedominatur
caeterisj qui acddentalea sunt. — Roujoux (der künstliche Glockengiesser, S. 6)
sagt: „Wir erinnern . . . , dass eine Glocke an und für sich allein, wenn sie gut ge-
gossen heissen solle, mit ihr selbst zusammenstimmen und die ganze musikalische
Oktave in sich enthalten müsse .... Diejenige, welche einen tiefen Ton hat . . .
muss von Terzen zu Terzen hinaufsteigen U7id diese 6 Terzen ut mi sol si re fa la
ut hören lassen.'' Pluche (Schauplatz der Natur 7, 284) fordert von einer guten
Glocke, dass sie 3 Töne hören lasse, und bemerkt von der 209 Centner schweren
92 Glocken von harmonischem Klang.
und sie reden von den Glocken nur immer so, als ob es dabei bloss auf
Einen Ton (den Hauptton), nicht aber auf einen ganzen Akkord ankäme.
Wenn, wie unsere Technologen lehren und die Glockengiesser von heute
meist befolgen, alle Glocken eines Geläutes nach derselben Rippe geformt
werden, so wird, wenn letztere richtig entworfen wurde, zwar jede einzelne
Glocke f(ir s'ich einen harmonischen Klang geben , aber das ganze Geläute
wird, wie die leidige Erfahrung bei vielen modernen Glocken lehrt, dessen-
ohngeachtet Ohr zerreissend klingen. Wenn z. B. ein Geläute von drei
Glocken mit den Haupttönen C E G gegossen werden sollte, und die Rippe
für alle drei Glocken ist gleich (möge sie nun ihrer Konstruktion nach
diesen oder jenen Akkord erzeugen), so muss stets eine Disharmonie ent-
stehen. Wenn nämlich die tiefste Glocke den Dreiklang /* J ergäbe, so
dazu läuten: eine Musik, die höchst
^
würden die beiden andern
widerlich klingt. Soll das Geläute dagegen in der That den G-Dur-Akkord
darstellen, so ist erforderlich, die Rippe der zweiten Glocke so zu ent-
werfen, dass als Mittelton statt der grossen die kleine Terz erscheint, und
die Rippe der dritten Glocke so, dass statt der Terz die Quarte zwischen
• 1
beiden Oktaven liegt; also: v* J j^ )■ . Die hierzu erforderliche ver-
schiedene Rippenkonstruktion dürfte leichter auf dem praktischen Wege der
genauen mathematischen Untersuchung vorhandener Glocken, als in theo-
retischer Weise zu erforschen sein. Diejenigen Glockengiesser, welche mit
diesen verschiedenen Konstruktionsweisen vertraut sind, macben daraus
grössten Glocke des Doms von Reims, dass sie 3 Töne angebe : beide Oktaven und
noch einen Ton, der zu der Unter-Oktav die höhere Quarte bilde. — Die Pariser
Encyklopädie (Arts et Mdtiers 1, 711) redet ebenfalls von einem Dreiklang der
Glocken, der aus Grund ton, Terz und Oktav bestehe. — Der Akustiker Chladni
ignoriert die Ton Verhältnisse der Läutglocken völlig. Die neueren deutschen Tech-
nologen scheinen von diesem Gegenstande keine Ahnung zu haben, und der be-
rühmte Karmarsch, dem wir den sonst sehr ausfuhrlichen, iu Prechtls Ency-
klopädie fast einen ganzen Band füllenden Artikel Glocke verdanken, von dem
Kapellmeister des letzten Königs von Hannover auf obige Notenbeispiele (in der
1. Auflage) am Klaviere aufmerksam gemacht, wurde stutzig. Auch die Altertums-
forscher haben sich bis jetzt um die Tonverhältnisse der Glocken kaum gekümmert
und ihre Aufmerksamkeit fast nur den Inschriften gewidmet, und doch ist die
eigentliche Bestimmung der Glocken allein die, gehört zu werden.
Glocken von harmonischem Klang.
93
natürlich ein Geheimnis ihrer Kunst. Neuerdings hat Herr Domchor-Diri-
gent H. Boeckeler in Aachen (Beiträge zur Glockenkunde, S. 119 — 122
und Taf. 15 f.), anknüpfend an die von uns in der 1. Auflage gegebenen Bei-
spiele, diesen Gegenstand gründlich beleuchtet und die Beitöne von 22
durch ihn untersuchten Aachener Glocken speziell verzeichnet, worauf wir
uas zu verweisen erlauben und nur solche Beispiele anführen, welche dem
von uns Gesagten zum Beweise dienen. 1) Die grösste Glocke der Peters-
pfarrkirche in Aachen, ursprünglich eine Sturmglocke und 1261 von Jacob
von Croisilles untadelhaft gegossen, Fig. 12 (nach Boeckeler Taf. 3), hat
im Vergleich mit der nur 17 Jahre jüngeren Glocke aus Lühnde (oben
S. 90, Fig. 11) ein bei weitem weniger ausgebildetes Profil und folgende
Fig. 12.
Abmessungen: Kranzdicke 0,09, Durchmesser unten 1,30, oben 0,80, Höhe
1,04 m. Die Folge dieser irrationalen Konstruktion ist ein wirres Durch-
einander von Tönen, welches nicht einmal den Hauptton d mit Bestimmt-
heit erkennen lässt. — 2) Die Jacoba der Jakobskirche in Aachen vom
Jahre 1401 von 0,076 Kranzdicke, 1,02 unterem und 0,52 oberem Durch-
messer bei 0,83 Höhe; sie hat den Hauptton g und die konsonierende
kleine Terz b (ist also nach unserem Tonsysteme eine Mollglocke), wie
dies nach Boeckeler bis Ende des vorigen Jahrhunderts fast allgemeine
Regel (?) gewesen sein soll. Dergleichen Mollglocken sind z. B. die Nona
94 Glocken von hannonischem Klang.
des Domes zu Merseburg von 1458 mit den Tönen b des (Durchmesser
0,95) und eine andere Glocke desselben Domes von 1479 mit den Tönen
d f (Durchmesser 0,83 bei gleicher Höhe). Auch die im Jahre 1881 von
Rudolf Edelbrock in Gescher für das Münster zu Aachen gegossene Marien-
glocke von 116 Centner und 2,07 Durchmesser hat die Mollterz G B „zur
Erzielung eines weichen Tones"; wir entlehnen die Rippe dieser Glocke
von Boeckeler (Taf. 14 zu S. 142) unter Nr. XI auf unserer lithographierten
Tafel 1. — 3) Die Riesenglocke Gloriosa des Domes zu Erfurt, gegossen
1497 von Gerhard de Wou (siehe die Rippe derselben nach v. T et tau,
Nachträge u. s. w. S. 3 unter Nr. IX unserer Tafel), von 0,i84 Kranzdicke,
2,58 unterem und 1,29 oberem Durchmesser und 2,06 Höhe, hat nach der
Untersuchung des Domorganisten Gleitz (Geschichtliches über die grosse
Glocke zu Erfurt; S. 13) den Hauptton E und 'die konsonierende grosse
Terz, wie eine solche von Boeckeler (a. a. 0. S. 37) auch an der von
den Brüdern von Trier 1656 gegossenen Werkglocke des Aachener Rat-
hauses (Kranzdicke 0,065, Durchmesser unten 0,84 und oben 0,42, Höhe
0,65; Ton b) nachgewiesen ist, und sich schon bei der wahrscheinlich dem
zwölften Jahrhundert entstammenden Glinsa von 1,30 Durchmesser und 1,19
Höhe und der zwischen 1283 und 1300 gegossenen Benedicta (Durch-
messer 1,53) des Domes zu Merseburg, sowie bei fast allen guten modernen
Glocken nachweisen lässt, z. B. an der 1877 von Grosse in Dresden ge-
gossenen Riesenglocke des Domes in Frankfurt a. M., die für eine genaue
Kopie der Erfijrter gilt, und deren unterer Durchmesser auf 2,60 angegeben
wird. — 4) Die konsonierende Quarte findet sich nach Pluche (Schau-
platz der Natur 7, 284) an der 1570 von P. D^schamps gegossenen Char-
lotte des Domes zu Reims und nach Dreyhaupt (Beschreibung des Saal-
kreises 1, 1021) an der 1674 von Jacob Wentzel gegossenen, 60 Centner
24 Pfund schweren grossen Glocke auf dem südlichen blauen Turm der
Marktkirche zu Halle a. S. (A Chorton , d). — Unter den Glocken der
Glockenspiele, wo häufig übrigens zwei Hämmer an einer Glocke für die
verschiedenen Töne derselben angebracht sind, kommen solche vor, die den
Septimen-Akkord hören lassen, was bei gewissen Übergängen recht passend,
am Ende einer Strophe aber unangenehm klingt.^ Als völlig verunglückt
' Das einfachste VerfahreQ behufs Auffindung der verschiedeneD einzelnen
Töne, deren eine Glocke fähig ist, ist schon von Vincenz von Beauvais richtig
angegeben worden: man darf nur die Glocke unten, in der Mitte und oben leise
und möglichst punktuell mit einem Stäbchen oder dem Knöchel des Zeigefingers
anschlagen. Es kann jedoch aus dieser Erscheinung keineswegs gefolgert wet-den,
dasB sich an den Glocken zonenweise parallele Knotenlinien bilden, da es solche
gar nicht giebt, was Chladni (Entdeck, über die Theorie des Klanges, S. 16 f.)
Theoretisches. 95
sind diejenigen Glocken zu bezeichnen, die alle nur möglichen Mit- und
Nachklänge haben. Um die dem richtigen (d. h. hannonischen) Glocken-
profile zu Grunde liegende Theorie haben sich die Praktiker, die sich ledig-
lich auf ihre gemachten Erfahrungen zu verlassen pflegen, wohl niemals ge-
kümmert; um aber die praktischen Resultate möglichst erklären zu können,
wagen wir den Versuch, der unerkannten Theorie nachzuforschen, aus deren
Gesetzen sie sich herleiten lassen. — Die Akustik lehrt, dass wenn alle
Dimensionen eines beliebig gestalteten Körpers, also auch die einer Glocke,
nach demselben Verhältnisse wachsen und abnehmen, sich die Schwingungs-
zahl des Körpers (d. i. die Höhe seines Tons) nach dem umgekehrten Ver-
hältnisse der Dimensionen ändert.^ Nimmt man nun den (unteren, grössten)
Durchmesser einer Glocke als Mass für dieselbe an, nach welchem man
alle Dimensionen derselben wachsen oder abnehmen lässt*^ so ergeben sich
für den Durchmesser der Glocke dieselben Eigenschaften, welche eine ge-
spannte Saite hat, und die Töne mehrerer nach gleichen Verhältnissen ge-
formten und von demselben Metall verfertigten Glocken werden sich dem-
nach zu einander verhalten umgekehrt wie die Länge ihrer Durchmesser
(oder ihrer Peripherien): man bestimmte daher schon im 12. oder 13. Jahr-
hundert die Durchmesser einer ganzen Oktave von Glocken nach der Ein-
teilung des Monochords ^, welches, den Durchmesser der tiefsten Glocke = 1
gesetzt, für die gebräuchlichen 13 chromatischen Töne der Oktave folgende
Verhältnisse ergiebt:
Der Durchmesser der tiefsten Glocke auf den Grundton
C reduziert = 1 oder l,ooooo
Cis «r *</
gegen Eul er (de sono campanarum in Nov. comment. acad. scient. Petropol. T. 10)
und Golowin (ebend. Jahrgang 1779, Tl. 1), welche die Klänge der Glocken aus
den Klängen elastischer Ringe zu erklären suchten, bewiesen hat. Von den Klän-
gen elastischer Ringe ist auch Pfnor (Akustik der Glocken, in den Darmstädter
Verhandl. des Hess. Gewerbevereins von 1848, abgedr. bei Harzer, Glocken-
giesserei, S. 43 fr.) ausgegangen und zu eigentümlichen Resultaten gelangt, ohne
Chladnis Theorie widerlegen zu können. Schon der alte Vincenz von Beauvais
sagt (a. a. 0.) : Campana maasima si puhetur etiam tenui filo circumdata finditur,
— Die klingende Glocke teilt sich in vier in der Krone spitz zusammenlaufende
Sektoren, deren Schwingungsbauch unten herum bedeutender ist, als mehr nach
oben hin, je nach dem Durchmesser und der Metalldicke der verschiedenen kon-
zentrischen Zonen der Glocke. (Vergl. oben S. 87.)
^ Bindseil, Akustik. S. 568.
' Vergl. Anonymi de mensura fistularum in organis bei Gerbert, Script,
eccl. de musica 2,, 285. — Andere, ältere Theoretiker verfahren bei Bestimmung
der Glocken-Oktave zwar ebenfalls nach dem KalkiU des Monochords, wenden
denselben indes unrichtig statt auf das Mass auf das Gewicht der Glocken an.
96
Theoretisches
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Hiernach bestimmen die Glockengicsser die Tonverhältnisse der anzufertigenden
Glocken \ seltener durch Rechnung, gewöhnlich nach einem Massstabe, dessen
Konstruktion auf obigen Grundsätzen beruht.* Wenden wir nun dieselbe
Einteilung ajf die Verhältnisse einer einzelnen Glocke an, welche an ihrem
unteren Rande den Grundton und oben unter der Platte die höhere Oktave
desselben erhalten soll, so werden sich beide Durchmesser wie 1,0:0,5 ver-
halten müssen, d. h. der obere Durchmesser wird die Hälfte des unteren
betragen müssen : eine Forderung, die wir schon bei der Aachener Jakobi-
glocke von 1401 (oben S. 93, Nr. 2) ziemlich erfüllt fanden, die auch alle
Technologen seit dem 16. Jahrhundert an eine harmonische Glocke stellen,
und sagen, dass von der Beobachtung dieses Verhältnisses das Eonsonieren
der Oberoktav abhänge. Denken wir uns nun die Glocke als einen ab-
gestumpften Regel, dessen oberer Durchmesser halb so gross ist als der
untere, so müsste eine solche Glocke sämtliche innerhalb einer Oktave
möglichen Töne dynamisch in sich enthalten, und es würde beim Läuten
derselben ein unharmonisches Geräusch entstehen. Es kommt daher darauf
an, letzteres zu vermeiden und durch eine nach den Verhältnissen der
harmonischen Intervalle zu konstruierende Schweifung des Profils die Nei-
gung der Natur zu dem Rationalen und Eommensurabeln zu wecken und
zu begünstigen. Würde man die Schweifung so zeichnen, dass die Glocke,
von oben hinab gerechnet, bei */§ ihrer Höhe auch Ys ^^^^ grössten
Durchmessers erhielte, was dem Verhältnis der grossen Terz entspricht, so
wäre hierdurch das Eonsonieren der letzteren geweckt. Käme es darauf
^ Die drei grössten Glocken des Domes zu Braunschwei^r wurden im Jahre
1502 von dem berühmten Meister der grossen Erfurter Glocke, Gerhard von Cam-
pen, gegossen; sie geben die Skala BCD an, und ihre Durchmesser sollen be-
tragen 81, 74 und 65 Zoll, was mit der obigen Tabelle nicht genau überein-
stimmt; es fragt sich indes, ob die Masse (bei Görges, Beschr. vom St. Blasius-
dom zu Braunschweig, S. 46) richtig genommen, und in welchen 'Verhältnissen die
Schlagdicken dieser Glocken zu einander stehen.
* Vergl. Kircher, Musurgia. 1,524. — Roujoux a. a. 0. S. 52 ff.
Theoretisches. 97
au, eine Mollglocke herzustellen, so hätte mau das Verhältnis der kleinen
Terz zu wählen und die Rippe so zu zeichnen, dass die Glocke in Y^ ihrer
Höhe auch Ye ^^^^s grössten Durchmessers erhielte. Wollte mau da-
gegen das Eonsonieren der Quarte herbeifuhren, müsste man der Glocke
bei ^4 Höhe auch ^4 Durchmesser = dem Verhältnis der Quarte zum
Grundtone geben. Ausserdem wäre nun noch die Höhe der Achse nach
einem harmonischen Intervalle zu bestimmen, bei Glocken mit konsonierender
Terz nach dem Verhältnis der Quinte, also wie 2:3, so dass die Höhe ^3
des grössten Durchmessers beträgt, bei Glocken mit konsonierender Quarte
nach dem Verhältnis der Sexte, also ^5- Hieraus wird sich nicht nur das
Mittönen der Quinte (bczw. Sexte) ergeben, sondern es werden sich auch,
durch die Abschrägung und Verdtlnnung des unteren Glockenrandes be-
günstigt, noch andere, zum Teil tiefere harmonische ßeitöne erzeugen, weil
beim Anschlagen und besonders beim Läuten der Glocke die im Innern
derselben befindliche Luftsäule ebenfalls in Vibration gerät, und überdies
die Glocke ihren eigenen Resonanzboden in sich selbst bifdet, indem durch
die Durchkreuzung der Schallwellen im inneren Räume eine Resonanz der
von der Glocke umfassten Luftmasse entsteht, und es nun darauf ankommt,
dass diese mittelbaren Töne im gehörigen harmonischen Verhältnisse mit
den unmittelbaren Glockentönen stehen^ was weniger von der Weite als
von der Höhe der Glocke abhängt, aber vorzugsweise den Elangreichtum
derselben bedingt, indem die lediglich von der Lufterschütterung entstehen-
den mittelbaren Glockentöne ein viel schi^neres Gepräge (timbre) haben,
als die unmittelbaren, auch wenn das Metall selbst das reinste wäre. Da-
durch und überhaupt durch die Macht des harmonischen Dreiklangs wer-i
den auch die unharmonischen aliquoten Beitöue verschlungen, die sich un-
vermeidlich ergeben in der krummen Linie der Schweifung beim Übergange
vom unteren, grössten Durchmesser der Glocke nach dem Durchmesser des
harmonischen Hauptbeitones (der grossen oder kleinen Terz, oder der
Quarte) und von letzterem nach dem die Oberoktave bedingenden oberen,
kleinsten Durchmesser und in der ruhenden Glocke vernehmlich machen
lassen. — Endlich kommt es bei der Entwerfung des Glockenprofils auch
noch auf die Metallstärke des Glockenkörpers an, welche der Theorie zu-
folge sich zwar überall nach dem Durchmesser richten, also mit demselben
in gleichem Verhältnisse von unten nach oben zu abnehmen müsste, allein
die älteren Technologen und die Glockengiesser erklären gerade davon den
harmonischen Klang einer Glocke für abhängig, dass dieselbe in gewissen
Querdurchschnitten der Glocke in einem bestimmten angegebenen Verhält-
nisse zu der grössten Metallstärke, die jedesmal am Anschlagsorte des
Klöppels zu finden ist, stehe. Diese grösste Metallstärke der Glocke, nach
Otte, Qlockenkundo. 7
98 Theoretisches.
dem technischen Ausdrucke der Schlag, ist stets die Einheit des Masses
bei Entwerfung des Glockenprofiles in allen seinen Teilen, und von dem
Verhältnisse des Schlages zum Durchmesser hängt, wenn auch nicht der
harmonische Klang, so doch jedenfalls der grössere oder geringere Metall-
bedarf ab und diesen zu vermindern, soweit es mit der Dauerhaftigkeit
vereinbar ist, sind die Giesser stets beflissen gewesen; daher mag es kom-
men, dass bei alten Glocken sich der Schlag zum Durchmesser oft verhält
wie 1 : 12, 1 : 13, seit dem 15. Jahrhundert wie 1 : 14, und bei den
neueren stets wie 1 : 14 oder 1 : 15. Durch möglichste Verdünnung der
Glockenwand gewinnt der Klang erfahrungsmässig an Elastizität, und es
scheint, dass man, um das Verschwimmen des Tones hervorzubringen, den
unteren Rand der Glocke innerhalb abgeschrägt hat. Wenn dies in einem
bestimmten Verhältnisse geschieht, so wird dadurch noch ein tieferer har-
monischer Beiton hervorgerufen, indem die Vergrösserung des Diameters
und die gleichzeitige Verminderung der Dicke beides Momente sind, welche
ein Tieferwerden "des Tons bedingen:^ denn, nach Chladni (Akustik S. 198),
verhalten sich die Töne solcher Glocken, die an Gestalt ganz einander ähn-
lich sind, wie — —y — , wo n die einer jeden Schwingungsart zukommende
Zahl, D die Dicke der Glocke, L den Durchmesser, R die Steifigkeit
(welche man bei Glocken von gleichen Massen findet, wenn man das Quadrat
ihres Tones mit ihrem spezifischen Gewicht multipliziert. Vergl. ebend.
S. 102) und G das spezifische Gewicht bezeichnet Aus dieser Formel
geht zugleich hervor, dass nicht bloss die Klangfarbe, sondern auch die
Tonhöhe einer Glocke von der Beschaffenheit des Metalls abhängig ist: die
Töne verhalten sich wie die Quadratwurzeln der Sprödigkeit und umgekehrt
wie die Quadratwurzeln des spezifischen Gewichts der Metalle. Mehrere
zu einem Geläute bestimmte Glocken müssen also womöglich stets gleich-
zeitig gegossen werden, und auch dann kommen oft unvorhergesehene Schwie-
rigkeiten in Betracht, da bei dem Gusse grösserer Glocken die Steifigkeit
durch das Gewicht der Masse vermehrt zu werden, und das weniger reine,
also spezifisch leichtere Metall zuletzt aus dem Ofen zu fliessen und die
Formen zu füllen pflegt. Selbst der erfahcenste Glockengiesser hat es da-
her nicht in seiner Gewalt, unter allen Umständen für die reine Stimmung
der einzelnen Glocken untereinander einstehen zu können, und es ist ver-
hältnismässig wohl äusserst selten, dass der Guss in dieser Beziehung voU-
^ Schon Vinzenz von Beanvais (a. a. 0.) weiss, was Chladni älteren
Zeitgenossen gegenüber, die das Gegenteil annahmen, neu beweisen musste : Cam-
pana ubi spissior est, ibi acutior.
Modifikationen des Glockentones. 99
kommen gelingt, nnd ein sogenanntes jungfräuliches Geläute zustandekommt.
Es bleibt demnach namentlich bei der Verfertigung von Glockenspielen
nichts übrig, als der Stimmung durch Abdrehen der Glocken nachzuhelfen,
was jedoch nur dann anwendbar ist, wenn der Ton vertieft werden soll;
misslicher wird das Verfahren, wenn der Ton zu tief geraten ist und durch
Abstemmen des unteren Randes der Durchmesser der Glocke verkleinert
werden muss. Es wird daher beim Formen darauf zu sehen sein, dass die
Glocken lieber etwas zu dick als zu dünn werden. Der mehrerwähnte
Franz Hemony versichert, dass er Glocken bis zum Gewichte von 9000
Pfund durch Abdrehen in den erforderlichen Ton herabgestimmt habe \ und
die Londoner Giesser Warner und Söhne (City, Jewinstreet-crescent) haben
ein patentiertes Verfahren, die Glocken auf mechanischem Wege zu stim-
men (to tunC' hy machinery),^ Wenn es nun auch auf diesem Wege ge-
lingen mag, den beim Gusse verfehlten Hauptton zu verbessern, so wird es
dennoch nur auf Kosten des harmonischen Klanges geschehen, da sich die
Beitöne nicht mit ändern lassen.
ausser den vorgedachten verschiedenen wesentlichen Ursachen haben
aber auch noch manche andere mehr zufällige Umstände Einfluss auf den
Klang der Glocken. 1) Ob die Glocke geschlagen oder gelautet wird: im
ersten Falle gehen die mittelbaren Töne entweder ganz verloren oder sind
doch nur wenig zu hören; auch ist das Anschlagen des Klöppels beim Läu-
ten ein mehr elastisches, was auf die Klangfarbe einwirkt. 2) Das beim
Läuten beobachtete Tempo. Zugleich mit dem Anschlagen des Klöppels hört
man zuerst nur den stärkeren Hauptton der Glocke, die Beitöne vernimmt
man erst etwas später; sie entwickeln sich besser beim langsamen Läuten,
während sie bei sehr schnellem Zeitmasse völlig absorbiert werden.^ — Eine
Metallglocke, welche mit einer Geschwindigkeit von etwa 1800 — 2000 Mal
in der Minute um ihre Längenachse gedreht und mit einem Stabe geschla-
gen wurde, gab einen dem Schrillen einer Dampfpfeife ähnlichen Ton, der
um drei Oktaven höher war und mit gleichmässiger Stärke um das Drei-
fache länger forttönte, als der Ton, den sie in der Buhe gab ; bei einer bis
^ Schott, Magia naturae 2,358.
» Vergl. Gatty, the Bell, p. 33. — Organ für christl. Kunst 1857, S. 158;
1867, S. 117. — Über das bei einer Nachstimmung des von Hemony verfertigten
Glockenspieles auf dem Schlosse zu Darmstadt beobachtete Verfahren hat Pfnor
(s. bei Harzer, Glockengiesserei, S. 68 ff.) ausftthrliche Mitteilungen gemacht.
^ Es kommt daher namentlich beim Znsammenläuten mehrerer Glocken un-
gemein viel auf die Art und Weise an, wie geläutet wird. Die Bewohner von
Buhla in Thüringen gelten seit alten Zeiten für Virtuosen in der Behandlung der
Glocken.
7*
100
Modifikationen des Glockentones.
auf 800 Umdrehangen in der Minute verminderten Geschwindigkeit stellte
sich der normale Ton wieder ein.^ — 3) Die Stellung des Hörenden zur
Glocke und die in der Nähe der Glocke befindlichen Gegenstände. Wenn
die Ohröffnung des Hörenden in die Ebene des untersten Giockenrandes
gehalten wird, so hört er den Hauptton am stärksten, die Beitöne minder
stark. Hält man dagegen die Ohrachse senkrecht auf die Öffnung der
Glocke, oder auch nur in einem schiefen Winkel dagegen, so tritt der um-
gekehrte Fall ein, woraus folgt, dass der Hauptton einer grösseren Inter-
ferenz fähig ist, als die Nebentöne, und woraus sich erklärt, dass das
Glockengeläut an höher gelegenen Orten sich anders anhört, als auf ebener
Erde. — Von einer Glocke, die sich etwa 40 — 50 m von einer glatten
Wand entfernt befand, welche den Ton zurückwarf, hörte ein entfernter
Stehender einen tieferen, ein näher Stehender einen höheren Glockenton,
durch die ganze Skala, wie folgt :^
Beobachtete Abstände
Berechnete Wellenlftnge
Töne.
von der Mauer, in
Propor-
(den beobachteten Abstän-
tionszahlen.
den fast gleich).
C
^>00
IX 1 —1^
D
0.90
1X7. - 0^
E
0,81
1 X V» - 0,^
F
0,76
1 X »A = 0„„
G
0,«T
1X7. = 0^
A
0,61
1x7» - 0««,
H
0,54
1 X 7.6 - o,„.
c
0,50
V, X 1 = 0,^
d
0,45
A ^ /s ^ o,,444
e
Oui
V. xv« -0,^
f
g
'SB
'34
V. X 74
73 X 7»
-0,3,5
= 0,
'»338
4) Die Beschaffenheit der Temperatur und der Atmosphäre. Vinzenz
von Beauvais (a. a. 0.) bemerkt, dass der Ton einer neben dem Wasser
aufgehängten Glocke heller sein solle (clarior esse dicitur). Bei lockerem
Schdee verliert der Erdboden seine Resonanz, der Schall ist daher weniger
weit und hell zu hören, als bei hart gefrorner Erde; auch verdichtet der
Frost das Metall und macht es spröder, weshalb beim Läuten in grosser
Kälte die Gefahr des Zerspringens der Glocken eintritt.^ Nachts, wo die
* Dingler, Polytechn. Joum. CXX. 1. Erstes Aprilheft 1851, S. 74.
' Poggendorff, Annalen 76,468.
' Dies berücksichtigte man schon im Jahre 1499 in Halle a d. 8. Vergl.
Dreyhaupt, Saalkreis, 1,1034.
Zeichnung der Glockenrippe. 101
Luft von gleichmässigerer Dichtigkeit ist, als hei Tage, hört man den Schall
stärker und weiter. Bei heiterem Himmel vernimmt man den Glockenklang
ganz einfach, während hei hewölktem Himmel ein wogender, summender
Nachhall entsteht.^
Konstruktion der ßlockenrippe. Wir gehen unter Fig. 13 und 14
die deutsche^ und die französische^ Rippe, nach der einfachsten Pro-
jektion heider Gattungen. Das Verfahren hei Zeichnung der deutschen
Rippe ist folgendes: Man gieht dem Durchmesser der Glocke 14 Schlag,
zieht die dem halben Durchmesser gleiche, also 7 Schlag lange Grundlinie ca
und errichtet in c senkrecht die Achse der Glocke ce. Hierauf schlägt
man aus a mit dem Radius ah (= 1Y4 Schlag) den Bogen hgs, auf
welchem man von h aus ^2 Schlag abträgt {hg^ gx und x s) und nun durch
den Punkt 5 die Standlinie az zieht, welche, 11 Schlag lang, die Höhe
der Glocke darstellt Auf dieser Standlinie errichtet man ferner im 3.,
7., 10. und 11. Schlag Perpendikel, findet nun den Punkt m, indem man
auf dem im 3. Schlag errichteten Perpendikel 1 Schlag abschneidet, und
den Punkt /, indem man von m aus noch Y2 Schlag abträgt Der Punkt i
ergiebt sich, wenn man auf dem im 7. Schlage errichteten Perpendikel
7g Schlag abschneidet, der Punkt A;, indem man von i aus noch Ys Schlag
abträgt. Der Punkt n wird mit Y^ Schlag auf der im 10. Schlag errich-
teten Senkrechten abgeschnitten, der Punkt o mit einem Schlag auf dem
im 11. Schlage errichteten Perpendikel und der Punkt p ebendaselbst mit
Y4 Schlag von aus gemessen. Endlich zieht man durch den 11. Schlag
eine Linie senkrecht auf c e und findet den Punkt q durch Abtragung von
1Y4 Schlag. Von e wird zuletzt Yi Schlag abwärts nach r getragen und
von r aus eine Parallele mit e q gezogen. Wenn man nun noch den Hal-
bierungspunkt f zwischen dem ersten und zweiten Schlage auf der Stand-
linie bezeichnet hat, so sind alle zur Konstruktion der Rippe erforderlichen
Punkte gefunden. Man zeichnet zunächst den Bord oder Kranz der Glocke,
indem man g mit a und a mit f durch gerade Linien verbindet Wenn
man sich nun aus x mit dem Radius gx eine Kugel konstruiert denkt, so
repräsentiert der Durchmesser derselben die Schlag- oder Kranzdicke
•
^ Bind seil a. a. 0. S. 40, 49, 63. — Solche Veränderungen des Glocken-
klanges hat auch das Volk wohl bemerkt und ungünstig gedeutet. Zu Olvenstedt
bei Magdeburg sagt man: Läutet es bei der Trauung „Tiktak", sterben die Braut-
leute bald (Magdeb. Geschichtsblätter 1883. 18, 379). — Klingen die Glocken un-
gewöhnlich hell, so stirbt bald jemand (Oldenburg); klingen sie beim Begräbnis-
läuten dumpf, so folgt aus derselben Familie bald noch eine Leiche (Schlesien).
^ Vergl. Hahn, Campanologie, S. 28 und Taf. I, Fig. 2.
3 Karmarsch in PrechÜ's Encyklopädie 7, 83 f. und Taf. 128, Fig. 1.
102
Zeichnung der Glockenrippe.
der Glocke. — Die Zeichnung der Schweifung geschieht folgendermassen :
Der Bogen m f wird mit einem Halbmesser von 3 Schlag und der Bogen
nii mit einem Halbmesser von 11 Schlag entworfen, ferner der Bogen gl
mit einem Radius von 14 Schlag und ebenso der Bogen / k mit einem Radius
von 14 Schlag. Der Hals der Glocke entsteht, indem die Punkte it und
A /
kn durch gerade Linien verbunden werden, und die ebenfalls geradlinige Kon-
struktion der Haube und Platte durch die Punkte to, oq, qe und pr
ergiebt der Augenschein. — Die Konstruktion der Haube ist verschiedenen,
willkürlichen Veränderungen unterworfen, durch welche die Glockengiesser
mancherlei kleine technische Vorteile zu erreichen wissen. — Diese deutsche
Zeichnung der Glockenrippe.
103
Rippe ist sicherlich nur die Frucht langer Erfahrung und stimmt nicht in
allen Punkten mit der Theorie überein, da schon das Verhältnis des gross-
ten Durchmessers zur Höhe (14 : 11) inkommensurabel erscheint; dagegen
dürften bei dem Entwürfe der französischen Kippe (Fig. 14) auch
theoretische Erwägungen von Einfluss gewesen sein. Die Konstruktion ist
Fig. 14.
folgende: Auf der Basis ac (= 7V2 Schlag) errichtet man senkrecht die
Achse ce und ausserdem auf dem Halbierungspunkte von ac in b eine
Senkrechte bd, auf welcher man von a aus mit einer Zirkelöffnung von
12 Schlag den Punkt findet, durch welchen man die Standlinie al zieht.
Der Bord der Glocke wird gefunden, indem man aus a mit dem Halb-
104 Verschiedene Glockenrippen.
messer ah (= IY2 Schlag) den Bogen hg Y2 schlägt, auf demselben das
Stück von Y2 nach g = einem Schlag abschneidet und die geraden Linien
ag und a Y2 auszieht. Behufs Konstruktion der Schweifung errichtet man
im 6. Schlag einen Perpendikel, auf dem man IY2 Schlag abschneidet, um
den Punkt i, und yon i aus noch Ys Schlag, um den Punkt k zu be-
stimmen. Der untere Bogen von 1Y2 bis i v^ird mit einem Radius von
8 Schlag, der obere von i bis 12 mit einem Radius von 30 Schlag ge-
zeichnet; mit diesem ist der Bogen mk konzentrisch, und der Bogen kg
endlich hat einen Halbmesser von 12 Schlag. Die Platte wird von dem
Mittelpunkte f aus in konzentrischen Bögen entworfen, nachdem man in
der Achse ce den Punkt f mit einer Oeffnung von 8 Schlag von a aus
gefunden hat.
Zur Erläuterung der auf der beigefügten lithogr. Tafel I enthaltenen
Rippen, deren Konstruktion sich aus den eingeschriebenen Massen leicht
ergiebt, bemerken wir noch Folgendes: 'Die Rippe Fig. I ist abgenommen
von einer anscheinend sehr alten, 137 Pfund schweren Glocke von I8Y4 Zoll
Durchmesser mit dem Ton F, welche sich, mit abgebrochener Krone, im
Jahre 1857 im Besitze des Glockengiessers Kobitzsch zu Torgau befand,
und in der Zeichnung auf 3 Pfund reduziert ist. Sie ist oben 5 Schlag,
unten 12 Schlag weit und 11 Schlag hoch; der Bord ist noch platt. —
Fig. II von einer Glocke aus dem 17. Jahrhundert, angeblich auf 3 Pfund,
oben 6, unten 12 Schlag weit und 10 Y2 Schlag hoch. — Fig. III soll
angeblich von einer sehr alten Glocke abgenommen und auf 5 Pfund ent-
worfen sein; sie ist oben 6 Schlag, an der Mündung 13 Schlag weit und
12 Schlag hoch. — Fig. lY ist die Rippe des Glockengiessers Umberg in
Riga, auf 10 Pfund, oben 7 Schlag, unten 14 Schlag weit und 10Y4 Schlag
hoch. — Fig. V ist die Rippe von Weinhold in Dresden, dessen Glocken
den reinen Dur -Akkord in trefflicher Fülle hören zu lassen pflegen: auf
20 Pfund, 14 Schlag unten, 7 Schlag oben weit und IIY4 Schlag hoch. —
Fig. VI ist die Rippe des Glockengiessers Becker in Augsburg, auf 15 Pfund
Ntlrnberger Gewicht, 14 Schlag unten, 7 Schlag oben weit und 11 Schlag
hoch. — Fig. Vn die Rippe Bergers in Leipzig, auf 10 Pfund, in den
gewöhnlichen Verhältnissen. — Fig. VIII Rippe von Neuber in Riga in den
gewöhnlichen Verhältnissen, auf 5 Pfund Nürnberger Gewicht. — Fig. IX
die Rippe der grossen, von Gerhard de Wou von Campen im Jahre 1497
gegossenen Glocke zu Erfurt (1 = 7,04 Zoll rhl), nach v. Tettau, Nach-
träge u. s. w. S. 3. — Fig. X die Rippe der im Jahre 1659 von den
Gebr. von Trier gegossenen, 1818 gesprungenen Marienglocke des Münsters
zu Aachen, nach Boeckeler, Beiträge u. s. w., Taf. 14. — Fig. XI die
1
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&e»^r.arUit AhmL %. Ämn^e JCGlitAfur, Z^^ieü^
Berechnung des Gewichts der 61
Rippe der an Stelle der letzteren, 1881 von Rud. Edelbrock gegossenen
neuen Marienglocke daselbst (1 = 0,138 m) nach Boeckeler a. a. 0.
Vom Oewicht der Glocken. Die Vorausbestimmung des Gewichtes
der Glocken ist für den Glockengiesser von der grössten praktischen Not-
wendigkeit; in sehr frtlher Zeit, wo man nur erst kleine Glocken zu giessen
und sich hierbei, wie bei allen Hohlgüssen, wahrscheinlich der Wachsmodelle
zu bedienen pflegte, berechnete man den zum Gusse erfordedichen Metall-
bedarf nach dem verbrauchten Wachs und hatte hier schon im zehnten Jahr-
hundert recht richtige Erfahrungsgrundsätze über die gebräuchlichen Metalle
aufgestellt.^ Die Erfahrung musste indes sicherlich sehr bald darauf führen,
zu erkennen, dass sich die Gewichte ähnlicher (d. i. nach derselben Rippe
geformter) Glocken von gleichem Metalle zueinander verhalten wie die
Kubikzahlen ihrer Durchmesser ; es war daher, wenn mau erst eine Glocke
gefertigt hatte, nicht schwer, aus dem bekannten Durchmesser und Gewicht
derselben das Gewicht jeder beliebigen andern Glocke zu berechnen, nach
N^s
der Formel: S = — g-, wo S das gesuchte Gewicht und N den gegebenen
Durchmesser der zu verfertigenden Glocke bezeichnet, s das Gewicht und
n den Durchmesser der gegebeneu Musterglocke. Ebenso umgekehrt kann
aus dem gegebenen Gewicht der Durchmesser einer zu verfertigenden Glocke
nun eine
1 VS Tl 3
gefunden werden, nach der Formel: N= 1/ —' — . Man hat
nach der gemeinen deutschen Rippe (Fig. 13) verfertigte Glocke von 32 Zoll
rhein. Durchmesser und 700 Pfund Nürnberger Gewicht als Musterglocke
N^ . 700 N^ 700
angenommen*; es wird daher sein S = — ^-^ — o^®^ "^«7^^^? ^^^ ^^
== 0,0213 ist, so braucht man nur den in Zollen ausgedrückten in
32768
den Kubus erhobenen Durchmesser (N^) mit 0,0213 zu multiplizieren, um
das Gewicht (S) der Glocke in Pfunden zu finden. Umgekehrt wird der
^ Vergl. „De menaura cerae et metalUum in operihus fusüüms^^ ex Cod.
Froumundi ad fin. secl. X. in Günthner, Gesch. der litterar. Anstalten in Bayern,
1, 397 f. Vergl. Ober-Bayer. Archiv 1, 30.
' Hahn, Campanologie, S. 115. — Earmarsch (in Prechtls Encyklopädie
7, 87) giebt das Gewicht einer nach der französischen Rippe (Fig. 14) gegossenen
Glocke von 32 Wiener Zoll Durchmesser ungefähr auf 640 Wiener Pfund an. —
Blavignac, la cloche, p. 304 bestimmt das Gewicht einer nach gewöhnlichen
modernen Verhältnissen entworfenen Glocke von 1 m Durchmesser (wohl zu niedrig)
auf 550 kg und giebt zur Berechnung des (ungefähren) Gewichtes einer Glocke
von bekanntem Durchmesser (N) die einfache Formel: 1 : 550^=N^:x. Guettier
(de la fonderie etc. Paris 1844) hat mit Zugrundelegung der französischen Rippe
106
Berechnung des Gewichts der Glocken.
Durchmesser (N) einer Glocke zu dem gegebenen Gewichte (S) gefunden:
, d. h. man teilt das in Pfunden ausgedrückte Gewicht mit
r 0,0213
0,0213 und zieht aus dem Quotienten die dritte Wurzel, um den Durchmesser
der Glocke in Zollen zu erhalten. Aus dem also ermittelten Durchmesser
wird dann die Dicke des Schlages (die Kranzdicke) gefunden, welche das
Mass für die Konstruktion der ganzen Glocke bildet. Die Glockengiesser
finden indes die gesuchte Kranzdicke einer Glocke, deren Gewicht ihnen
bestimmt wird, nicht jedesmal durch Kechnung, sondern bedienen sich dazu
eines nach obigen Grundsätzen entworfenen (am besten tausendteiligen) Mass-
stabes \ von dem sie die Kranzdicke für jedes beliebige Gewicht einer Glocke
ablesen. Eine solche Skala kannte man im 16. Jahrhundert wahrscheinlich
schon längst^; aber der Nürnberger Mathematiker Georg Hartmann, Vika-
rius zu Si. Sebald, gab im Jahre 1540 zuerst den auf den nämlichen Grün-
den beruhenden Kaliberstab nach Nürnberger Gewicht für die Stückgiesse-
reien und fertigte dergleichen Massstäbe in Menge. ^ — Die Aufgabe des
folgende auch bei Harzer a. a. 0. S. 86 abgedruckte Tabelle entworfen: Eine
Glocke von
0,,3o Durchm. wiegt
0,
'»166
»186
'«26
}386
0,
316
'330
'»846
»876
»406
'»4S0
'»486
'»460
'610
'»666
0,
600
»646
'676
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3 kg
4
10
15
20
26 „
30
36
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40
46
60
76
100
125
160
176
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0,705 Durchm. wiegt 200 kg
»760
'8S6
'870
0»900
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^»976
^'110
^'«16
^'806
1'896
1'470
*'646
^'680
^'660
^»710
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250
300
350
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600 „
750 „
1000 „
1260 „
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1750
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2600
2760
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^'846 Durchm. wiegt 3600 kg
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6000
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6500 „
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9600
10000
11000
12000
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"
^ Vergl. die Abbild, eines solchen Massstabes bei Sprengel, Handwerke
und Künste, 6, 22 und Tab. 2, Fig. 1.
' Vergl. Biringoccio a. a. 0. Fol. 98 b.
° Beckmann, Beitr. zur Geschichte der Erfindungen. 2, 462 ff. — Um das
Gewicht alter, ungewöhnlich profilierter Glocken durch Berechnung zu finden, müsste
man, nach genauer Aufnahme des Profils, ihren Kubikinhalt ermitteln : man denkt
sich die Glocke in mehrere hohle Cylinder geteilt, die man einzeln berechnet und
summiert Die Platte wird als voller Cylinder berechnet, der Mittelbogen der
Verhältnis des Gewiehts zum Tone. 107
Glockengiessers pflegt indes dadurch insgemein verwickelter zu werden, dass
er nicht bloss das Gewicht, sondern auch den Ton der Glocke zu berück-
sichtigen hat; es ist auch hier auf eine Probeglocke zurückzugehen und
dann ein zweifaches Verfahren möglich: die Berechnung des verlangten
Tones entweder aus dem Masse oder aus dem Gewichte der Musterglocke.
Letztere giebt bei einem Durchmesser von 32 Zoll und einem Gewichte von
700 Pfund den Ton des zweigestrichenen C. Da sich nun die Durchmesser
ähnlicher Glocken umgekehrt verhalten wie die gleichartigen Töne, so können
die Verhältnisse der Durchmesser nach Anleitung der Einteilung des Mono-
chords der Tonberechnung zu Grunde gelegt werden.^ — Es verhalten sich
aber ferner die gleichartigen Töne ähnlicher Glocken auch umgekehrt wie
die Kubikwurzeln ihrer Gewichte^, doch wäre die Berechnung der Ton-
verhältnisse auf diesem Wege praktisch nicht zu empfehlen, und diejenigen
Giesser, welche mechanisch hiernach verfahren, dürften meist zu sehr mangel-
haften Kesultaten gelangen.^ — Wenn es nur darauf ankäme, Glocken von
Krone als Parallelopipedum und die Henkel als halbe Hohley linder. Vergl. Tri est,
Grundsätze zur Anfertigung richtiger Anschläge, 2, 175.
^ Vergl. die oben S. 95 f. angegebenen Teilungsverhältnisse.
' Vergl. Ghladni a. a. 0. S. 189.
' Vergl. Sprengel a. a. 0. S. 28; richtiger verfährt Hahn a. a. 0. S. 119.
Es kommt alles auf Mass, Gewicht und Ton der Mustergloeke an, weshalb die
verschiedenen hierüber veröffentlichten Tabellen in den Kesultaten nicht völlig
übereinstimmen können. Boeckeler hat a. a. 0. S. 125 eine Tabelle nach den
gebräuchlichsten Verhältnissen gegeben, auf die wir verweisen und zur Verglei-
chung die von dem Glockengiesser Jauek in Leipzig in seinem Geschäftsprospekt
veröffentlichte Übersicht für eine Oktave nachfolgen lassen:
Fis. Durchm. 2,^^ m = 90V, Ctr.
»» 1»9C9 ™ = 76V8 „
>» 1»868 m = 64 „
l„B,m = 637^ „
» ^»676 m = 38 „
Eine Oktave höher wird jeder Ton, wenn man das Gewicht mit 8 dividiert; doch
kann bei Glocken unter 20 Centner das Gewicht etwas vermindert werden. Das
aus 9 Glocken bestehende, 1877 von Grosse in Dresden „nach der mittelalterlichen
Glockenrippe" für den Dom zu Frankfurt a. M. gegossene Geläute hat folgende
Verhältnisse:
C. Durchm.
2t96o ™ = 256 Ctr.
Fis
Cis. „
2,T98 m - 2157^ „
G.
D. „ ,
2,02« m — 181 „
Ab.
Es. „
2,^3 m _ 1527, »
A.
E.
2,858 m — 128 „
B.
F.
2«i2 m - 10773 „
H.
E.
Durchm.
2,eoom— 12265 kg
gis.
Durchm.
1,0,0™ — 68^72 kg
A.
j»
l,^m— 4630 „
a.
»»
0,9,5 m — 552 „
cis.
19
h^m— 2380 „
h.
»
0,^ m — 403 „
e.
»»
1,300 m— 1520 „
cis.
>»
0,078 m — 276 „
fis.
J,
ht^m— 984 „
Vergl. Ehrenbezeugungen über gelieferte Arbeiten von F. G. Grosse. Dresden
(1879). S. 76.
108
Anfertigung der Glockenform.
tiefem Ton und sonorem Klang mit möglichst wenigem Metall, also für
einen billigen Preis herzustellen, ohne Rücksicht auf Dauerhaftigkeit, so
wäre die Aufgabe nicht schwierig zu lösen ; hatten doch die Brüder Mears
1851 auf der Londoner Weltausstellung eine Glocke ausgestellt, die bei
einem Durchmesser von 5 Fuss nur eine Eranzdicke von etwa 2Y2 ^oU
und ein Gewicht von nur 28 Centner ergab. Dieselbe hatte fast Schalen-
form und war allerdings nur zum Anschlagen, nicht zum Läuten bestimmt.
Anfertigung der Form und &uss. — Die Glockenform wird aus
Lehm verfertigt, der weder thonartig fett, noch zu sandig sein darf und
gehörig von fremden Körpern, Steinen u. s. w. gereinigt sein muss; man
vermischt ihn mit Pferdedünger und Kälberhaaren oder Flachsschäben und
macht ihn mit Wasser in einem Fasse an, um die ganze Masse gehörig
und gleichmässig durchzukneten. Die Form grosser (über 5 bis 6 Centner
schwerer) Glocken wird in einer dicht vor dem Giessofen ausgegrabenen
immmmmmm.
IVv^
geräumigen, vierseitigen und gehörig tiefen Grube (Da mm grübe) lotrecht
stehend errichtet; vergl. Fig. 15 (nach Karmarsch). Man schlägt zu-
nächst einen Pfahl h an der Stelle ein, welche den Mittelpunkt der Form
bilden soll und mauert um den Fuss desselben ein kreisrundes Fundament
aus Ziegelsteinen als Stand a für die Form. Auf dem Stande wird dann
ebenfalls aus Ziegeln ein unten mit vier durch das Fundament führenden
Anfertigung der Glockenform. 109
Zugöflfnungen c rings versehener, innerlich ausgerundeter Ofen f aufgemauert,
der Kern h d e der Form, dem man äusserlich möglichst die Gestalt der
inneren Glocke zu geben bemüht sein muss. Der mittlere Pfahl h darf
nur etwa die halbe Höhe des Kerns (bis Schlag 7) erreichen, und wenn
das Mauerwerk bis dahin vorgeschritten ist, so legt man einen platten
Eisenstab, welcher in der Mitte eine runde Vertiefung (Pfanne) hat, quer
über den Pfahl weg und vermauert dieses Grenzeisen i mit seinen beiden
Enden in der Wandung des Kerns. Bevor nun mit dem Mauern fortge-
fahren werden kann, muss erst der Zirkel zur gehörigen Abmessung und
Abdrehung des Kerns eingerichtet und aufgestellt werden, wobei mit äusserster
Sorgfalt zu verfahren ist. Man hat zuvor auf ein etwa 21 Schlag hohes
und 5 Schlag breites Brett von trockenem, sich nicht leicht werfendem
Holz die Glockenrippe aufgezeichnet, schneidet von demselben zunächst
alles genau weg bis an die innere Linie des Glockenprofils und schrägt
den Rand, der dann auch wohl mit Blech beschlagen wird, schief ab. Aus
dieser Schablone jp^ und einer eisernen Spindel A; Z, welche unten zu-
gespitzt und oben mit einem Zapfen versehen ist, wird der Zirkel zusammen-
gesetzt, indem man die Schablone unter dem gehörigen schiefen Winkel
mit der die Glockenachse darstellenden Spindel durch zwei oder drei
Scheren (gabelförmige Eisen) nn o o^ welche in Löchern der Spindel
eingekeilt oder mit Flügelmuttern eingeschraubt sind, in der Weise ver-
bindet, dass man das Brett zwischen die Scheren einklemmt und mit Schrauben
darin befestigt, wobei vor allem darauf zu sehen ist, dass die Entfernung
der Schablone von der Achse genau richtig ist. Nun wird die Spille auf-
gerichtet: ihre untere Spitze ruht in der Pfanne des Grenzeisens, ihr oberer
Zapfen steckt in einem mit Eisen ausgefütterten Loche, das durch einen
Balken (den Yorrichtbaum) m gebohrt ist, welcher oben quer über die
Dammgrulje unverrücklich befestigt wird. Das Loch im Balken muss sich
lotrecht über der Pfanne des Grenzeisens befinden. Die Schablone ist unten
so ausgeschnitten, dass sie etwa Y2 Schlag unter den Kemstand greift.
Der Kern, den man bisher nur durch Anhalten der Schablone dem Glocken-
kessel ähnlich aufgemauert hatte, wird nun mit Lehm gg überzogen und
ganz fertig gemauert, wobei oben eine Öffnung gelassen wird: durch Um-
drehung der Schablone wird der überflüssige Lehm der Yerputzung hin-
weggenommen und hiermit solange fortgefahren, bis der Kern genau nach
der Kippe abgedreht ist. Bevor eine neue Lehmschicht aufgetragen wird,
muss die frühere erst völlig trocken sein, was durch Kohlenfeuer im Innern
d^ Kerns befördert wird; die letzte Schicht Lehm muss von besonders
feiner, gut gereinigter Masse sein. Nachdem nun die Schablone mit den
Scheren aus dev Spindel genommen ist, wird durch ein lebhaftes Feuer
110 Anfertigung der Glockenform.
die Aastrocknung des Kerns gründlich vollendet. Darauf folgt das Äschern:
das Überwaschen des Kerns mit einer aus Bier oder Wasser und gesiebter
Asche bestehenden Tünche mittels eines Pinsels. Der Kern ist dann wohl
geraten, wenn er fest ist und weder Risse noch Unebenheiten hat, welches
durch gehörige Vorsicht und Wiederan feuchtung zu schnell trocknender
einzelner Stellen beim Ausbrennen erreicht wird ; vor allen Dingen hat sich
der Giesser* aber zu überzeugen, dass das Mass des Kerns im Durchmesser
richtig ist. — Wenn alles wohl gelungen ist, kann zur Verfertigung des
eigentlichen Glockenmodells (mit Ausschluss der Krone) geschritten werden,
welches technisch die Dicke oder das Hemdt't' heisst. Dasselbe wird
aus Lehm gebildet \ der mit den Händen aufgetragen und schichtweise durch
das Feuer ausgetrocknet wird, wobei entstehende Ri-sse stets sorgfältig aus-
gestrichen werden. Auf der Schablone hat man inzwischen die Rippe bis
an die äussere Linie des Glockenprofils (die punktierte Linie rs) ausge-
schnitten und den Schnitt abgeschrägt; nun wird das Brett wieder in der
Spindel verschraubt und durch Drehung desselben über frisch aufgetragene
Schichten besonders feinen Lehms das Hemd genau in die richtige Form
gebracht und oben durch die Lehmplatte w w gehörig geschlossen. Um die
gewöhnlichen Gliederungen zur Verzierung der Glocke hervorzubringen, hat
man das Querprofil dieser Reifchen oder Stäbchen in der Schablone (etwa
in Schlag IY2 — 2 zur Verzierung und in Schlag 9 und 10 zur Besäumung
der Inschrift) ausgeschnitten, und diese Ausschnitte formen sich bei der
Drehung im Lehm erhaben ab.^ — Zuletzt bekommt das Hemd einen Über-
zug von geschmolzenem Talg, der ebenfalls mit der Schablone abgedreht
wird. Wenn der Durchmesser der Form richtig ist, werden die Inschriften
und Verzierungen (siehe Abschnitt V) angebracht und nun als letzter Über-
zug der Form der Mantel verfertigt, welcher die äussere Be^enzung der-
selben beim Giessen bildet. Man macht ihn 1 Schlag stark, und da der-
selbe äusserlich keine streng regelmässige Gestalt zu haben braucht, so be-
dient man sich bei der Verfertigung desselben der Schablone, die zu dem
Ende weiter (bis an die punktierte Linie tu) ausgeschnitten wird, nur als
^ Nach Theophilus (a. a. 0. bei Ilg, S. 320), der allerdings nur kleine
Glocken vor Augen hatte, soll die Dicke aus Talg (oJeps) geformt, nach dem
Erkalten abgedreht und nach Anfertigung des Mantels heransgeschmolzen werden.
* Die alten Giesser hatten hier ein unvollkommeneres Verfahren : nach Vollen-
dung des Hemds knüpften sie oben und unten Schnüre oder Stricke herum, die
als Mass für die Richtigkeit des Modells dienten und sich nachher im Mantel mit
abformten. Beim Abheben desselben waren sie verkohlt und wurden entfernt;
die auf den alten Glocken (z. B. auf der Jakoba der Jakobskirche in Aachen von
1401) bemerkbaren Knoten an den Enden der umgeknüpften Schnüre liefern den
Beweis dafür, dass man also verfahren ist. «
Form zur Glockenkrone. Hl
allgemeines Mass für die gleichmässige und gehörige Dicke des Mantels.
Zuvörderst wird das Hemd mit Zierlehm überzogen: ein Gemisch aus ge-
siebtem Ziegelmehl, Tiegelmehl, gebranntem Lehm, geschlemmtem grünen
Lehm und Kälberhaaren, welches mit gekochtem Bier dünn genug angemacht
und mit einem Pinsel zwei bis dreimal sauber aufgetragen wird. Dieser
Überzug muss an der Luft trocknen, und erst die später mit der Hand
aufzutragenden Schichten des gewöhnlichen Formlehms, zwischen welche
man Hanf oder Flachs auszubreiten pflegt, werden wieder mit Kohlen im
Kern getrocknet, wodurch zugleich das Wachs und der Talg zwischen dem
Modell und dem Mantel schmilzt, sich in den Lehm saugt und einen leeren
Raum zurücklässt. Der Mantel muss unten tiefer hinabreichen als das
Modell, und sich hart an den Stand anleoren; oben wird mittels eines schräg
an der Schablone befestigten flachen Holzes eine trichterartige Öffnung zur
Aufnahme der Henkelform in demselben ausgedreht. Die Henkel oder Öhre
der Glocke, bei grösseren sechs, bei kleineren vier, jetzt gewöhnlich stets
nur vier, kommen auf die Platte symmetrisch zu stehen, aus deren Mitte
sich noch ein stärkeres Öhr, der Mittelbogen erhebt, mit welchem die
übrigen oben zusammenlaufen. Zur Bildung dieser Krone der Glocke be-
dient man sich eines Wachsmodells, das in p. .^
einer Gipsform verfertigt wird: letztere be-
steht aus zwei sich deckenden Teilen, welche
der Zeichnung Fig. 16 gleichen und jeder die
halbe Vertiefung für den Mittelbogen und zwei
Öhre enthalten. Man macht nun drei gleiche
Abgüsse in Wachs mittels dieser Form, von
denen man indes nur eiuen beibehält, von den
beiden übrigen bloss die vier Öhre nimmt, um sie symmetrisch an den ganz
gebliebeAen Abguss anzukleben. Das nun fertige Modell der Krone, welches
bei sehr grossen Glocken aus einzelnen Teilen zusammengesetzt wird, die
man aus Lehm über hölzernen oder irdenen Modellen formt, erhält oben
über dem Mittelbogen einen trichterartigen Aufsatz, der aus Wachs oder
aus einem hölzernen Zapfen besteht, um bei der Füllung der ganzen Glocken-
form mit Metall als Giessloch zu dienen; ausserdem werden auf die
Seitenöhre zwei Wachscylinder gesetzt, welche die Röhren bilden sollen,
aus welchen beim Glockengusse die in der Form befindliche Luft ent-
weichen kann, und die deshalb Windpfeif en heissen. Das ganze Modell
wird nun in Lehm gehüllt, ausgebrannt, wodurch das Wachs schmilzt und
ausfliesst und, wenn der Mantel abgebunden ist, aufgepasst. Das Abbinden
des Mantels geschieht, indem vier (bis sechs) eiserne Schienen genau an-
schliessend der Länge nach an den Mantel gelegt werden ; dieselben haben
112 Mantel der Glockenform.
unten einwärts gebogene Haken, mit denen sie unter den Mantel greifen;
oben sind sie mit auswärts gekrtlmmten Haken versehen, an weichen Stricke
befestigt werden, um, nachdem 4 — 8 eiserne, auc^ wohl zum Teil hölzerne
Reifen um die Form gelegt und wie an einem Fasse angetrieben sind,
nunmehr den Mantel mit einer Winde abheben zu können. Hierauf wird
das Hemd mit einem Messer von dem Kern abgelöst und letzterer noch-
mals geäschert, nachdem die in demselben befindliche Höhlung, da nun kein
Feuer in derselben mehr nötig ist, mit Erde fest ausgeftillt und oben glatt,
mit Lehm verschlossen ist. In diesen Lehm wird das Hang eisen für den
Klöppel der Glocke mit seinem Ringe eingedrtlckt, während die mit Wider-
haken versehenen Schenkel desselben emporstehen, um beim Gusse mit Me-
tali umflossen zu werden. Zweckmässiger ist es jedoch, in den Mittelbogen
einen Kern aus Lehm einzupassen, welcher nach dem Gusse herausgestossen
wird und die Öffnung zur Befestigung des Hängeisens bildet, indem es dann
leicht ist, die durch den Gebrauch am Schlage beschädigte Glocke umzu-
hängen, was sonst viel mehr Weitläufigkeit verursacht.^ Nachdem noch das
Innere des Mantels sorgfältig untersucht und, wo sich kleine Beschädigungen
finden, mit Lehm sauber ausgebessert und dann mit Kien ausgefiammt ist,
kann derselbe nun wieder über den Kern hinabgelassen werden. Hierbei
ist alle Sorgfalt anzuwenden, dass der Mantel nicht verrückt wird, sondern
sehr genau wieder auf seine ursprüngliche Stelle kommt: um dies zu er-
möglichen, hat man vor dem Abheben bereits an dem Mantel und an dem
Stande Zeichen eingeritzt, und diese Haft kerben müssen genau wieder
aufeinander passen. Endlich wird der Mantel noch durch Verstreichung
mit Lehm, mit dem Stande vereinigt und hierauf die ganze Dammgrnbe
schichtweise mit trockener Erde, die zwar mit Sand und Asche, niemals
aber mit Lehm vermengt sein darf, voll eingedämmt, wobei man sich vor
^ Zur Erleicbtenmg des Umhängens gab Hahn, Campanologie, S. 98 einen
Glockenhenkel in Form eines Hutpilzes an, den der Glockengiesser Fischer zu
Königsberg i. N. schon früher mit Erfolg, z. B. bei einer Glocke von 1 m Durch-
messer zu Lunow bei Angermünde im Jahre 1801 ausgeführt hatte. Dann nahm
vor etwa 30 Jahren der englische Architekt Baker die Erfindung in Anspruch,
eine Glocke so aufzuhängen, dass sie gedreht werden kann, y,to he tumed in the
stock*' (vergl. Organ für christl. Kunst 1857, S. 158). Eine von Morel in Lyon
vorgeschlagene und ausgeführte Vorrichtung, bei welcher die Glocke ganz ohne Krone
drehbar befestigt wird, s. bei Harzer a. a. 0. Taf. V, Fig. 77. und S. 133. Sehr
sinnreich, aber kompliziert ist die von Hamm in Kaiserslautern angegebene und
vielfach ausgeführte Methode, die Glocke durch Vermittelung eines lose und be-
weglich um die Krone gelegten Metallringes um ihre Achse drehbar zu befestigen ;
s. die Abbildung und Beschreibung in dem 1879 versandten Geschäftsprospekt der
G. Hamm* sehen Glockengiesserei.
Der Giessofen. 113
Yerletzungen der Form um so mehr zu hüten hat, als gerade rings um den
Mantel die Füllung am festesten sein muss.
^ Nun kann der Guss der Glocke vor sich gehen, zu welchem Zwecke
von dem Stich loche des Ofens an bis zum Giessloche der Form eine
Giessrinne aus Ziegeln gemauert wird, die man unmittelbar vor dem
Gusse mit Kohlen erwärmt. Wenn mehrere Formen zu füllen sind, so
werden Verzweigungen der Giessrinne angelegt, welche man nach der Reihe
dem zufliessenden Metalle eröffnet, und zwar für die grösste, allemal in
der Mitte anzulegende Form zuerst. Der Giessofen ist ein Flammofen^,
und beim Schmelzen der Metalle, sowie beim Gusse selbst findet das näm-
liche Verfahren statt, wie bei der Rotgiesserei überhaupt. Nachdem die
^ In älterer Zeit, als die Glocken noch an ihrem BestiB^uj^gsorte gegossen
wurden (oben S. 81), musste dazu jedesmal ein Giessofen neu: er^ut werden. In
Xanten geschah dies 1S7^ aus Rasen, und man feuerte mit Holz und Holzkohjen,
aber das Anfachen des Feuers kostete viele Muhe. Es wurde nach Wesel ge*
schickt, um Blasbälge zu mieten, mit denen eine Anzahl von Schmieden die
Glut steigerte, wobei auch die Schüler der Lateinschule helfen mussteo. (Beis-
sel, Baugesch. der Viktorkirche zu Xanten, S. 116.) — Bef dem Gusse der Rie-
seuglocke .und zweier anderen Glocken zu Erfurt 1497 Ivess der Meister zuerst
im Hofe bei der neben dem Dome belegünen Severikirche ein Hauß bauen, worin
er die Formen machte, und dann zwei hohe Öfen, wohl drei Mann lang hoch, in
der Nähe der Sakristei der gedachten Kirche. Das Feuer in beiden Öfen wurde
um 1 Uhr nachmittags angemacht und abends um 10 war die Speise gar. Nachts
um 1 Uhr stiess der Meister den Zapfen des einen Ofens aus, dann, als die Speise
aus dem ersten Ofen schier zu Ende war, auch den des andern, und um 2 Uhr
war die Form gefüllt. Die beiden anderen Glocken wurden erst, nachdem die
grosse Glocke gereinigt war, an einem späteren Tage gegossen, und s^ar beide
;{ aus einem Ofen. Als die eine Form voll war, wies der Meister die^pe!ö«, auf
* die zweite Form. (v. Tettau, in Mitteil, des Erfurter Gesch. -Vereins 1,134 f.) —
Für den Ofen und die Form der grossen Glocke des Domes zu Magdeburg ver-
langte der dortige GiesSer Georg Schreiber 1651 von dem Kapitel 1000 ungebrannte
und ebensoviel gebrannte Mauersteine, 20 Fuder Lehm, 25 Pfund Flachs, 15 Pfund
Talg, 4 Sckock Eier zu dem Zierlehm und für die Domherrenwappen ^^^^ 10
Pfund Wachs, dazu grosse Quantitäten Holz und Kohlen, erhielt abe/^niir 300
Mauersteine, 10 Fuder Lehm, 12 Pfund Wachs..^ Schock Eier, 12^ftuid tlächs,
1 Fud«r' Kohlen und 10 Schock Holz. Dem Jak. Wentzel daselbs^ wurden für
die nicht halb so schwere Apo$tolika 1690 gewährt 1000 gebrannte Steine zum
Giessofen, 15 Fuder Lehm, 12^ Pfund Wachs, 12 Pfund Talg^ 2 Stein Flachfte
10 Schock Eier, 1 Fuder Kohlen und 1 Schock Birl&hholz. (Jan icke, in Magd^
burger Gesch.^-Blätter 1866. 3,92.) — B oe ekele r a. a. 0. S. 115 warnt gewiss''
mit Recht wegen der auf den Schmelzprozess schädlich einwirkenden Schwefel-
gase vor dem Gebrauche von Steinkohlen und empfiehlt besonders Buchenholz;
wenn er aber bei dieser Gelegenheit Veranlassung nimmt, das Schillersche „Neh-
met Holz vom Fichtenstamme'^ kritisch zu erwähnen, so .wirkt das erheiternd.
Otto, Glockcnkundc. g
»
114 Das Formen kleiner Glocken.
Glocke sich mindestens 24 Standen hindurch verkühlt hat, kann man die
Dammgruhe öffnen und die Kronenform abschlagen, so dass die Metall-
henkel frei werden. Hierauf wird die Glocke (samt Mantel und Kern)
aus der Grube gewunden, der Kern stückweise herausgenommen, der Mantel
zerschlagen und das Gebinde abgenommen. Die Glocke selbst wird durch
Scheuem mit grobem Flusssand gereinigt, nach Befinden ziseliert, oder doch
mit Sandstein geschliffen. — Wegen des Kopfes und der fast unvermeid-
lichen Ausdehnung des Mantels und Zusammendrückung des Kerns, nament-
lieh aber auch wegen des Feuerabgangs muss der Giesser verhältnismässig
mehr Metall in den Ofen setzen, als das beabsichtigte Gewicht der Glocke
beträgt. Schon wenn die fertige Glocke genau das beabsichtigte Mass in
allen ihren Teilen hat, muss eine Ausdehnung des Mantels stattgefunden
haben, sonst müsste sie wegen des Schwindmasses, welches indes beim
Glockengute nur etwa 0,98 Prozent beträgt^, um ein weniges kleiner sein.
Sollte sich der Mantel aber gar gehoben haben, so wird sich ein bedeutend
grösseres Gewicht ergeben.
Beim Formen kleinerer Glocken, höchstens bis zu 6 Centner Schwere,
bedient man sich noch jetzt zuweilen des vermutlich ursprünglich beim
Glockengiessen beobachteten und von Theophilus a. a. 0. S. 319 be-
schriebenen Verfahrens, welches dem des Stückgiessens gleicht. Man nimmt
eine Spindel aus Holz oder Eisen und legt sie mit ihren Enden in die
Pfannen der Formbank (ein hölzernes Gestell), auf welcher die Spindel
wagerecht ruht, die an einem Ende mit einer Handhabe zum Drehen ver-
sehen ist.^ Die Spindel wird zuerst mit Fett bestrichen und dann mit
Stroh umwickelt, über welches der Kern aus Lehm gebildet wird, während
die Schablone in der gehörigen Entfernung auf der Formbank liegt, wo
sie fest genagelt ist; es findet hier also das umgekehrte Verfahren statt,
als vorhin: die Form wird gedreht, und die Schablone liegt fest; das Feuer
zum Austrocknen befindet sich unterhalb der Form. Sobald die ersten
Anlagen zum Mantel gemacht sind, wird die Form von der Spindel ge-
zogen und in die Dammgrube gebracht, um aus freier Hand vollendet zu
werden.
Der thüringische Meister*), in dessen Giesshütte der Dichter im Jahre 1788 sich
seine lebendige Anschauung vom Glockengusse verschaffte, wird sicher trockenes
Fichtenstammholz gebrannt haben.
^ Hartmann, Handb. der Metallgiesserei, S. 7.
' Vergl. die Abbildung bei Biringoccio a. a. 0. Fol. 98.
*) Nach Palleske, Schülera Leben 8,410 war es in einer Glockengiesseroi in der Nähe
der Stadt Rudolatadt, nach R. Föratera Text zur SchiUer-Oalerie bei einem Gelbgiesaer in
Apolda, also wohl bei dem dortigen Meiator Ulrich, dessen Firma daaelbat noch heute yiele Glocken
liefert.
Alter der Inschriften. 115
Kleiuere Glocken bis zu 2 Centner Schwere, wenn es nicht möglich
ist, sie mit mehreren anderen zugleich za giessen, werden (wie Theophilns
ebenfalls beschreibt) ans Schmelztiegeln gegossen, in denen das Metall in
einem Tiegelofen mit Kohlenfener geschmolzen wird. — Kleine Hand- und
Thürglocken werden nach Zinnmodellen in Sand mit den Handgriffen de?
Gelbgiessers geformt und in aufrechter oder urogestQrzter Stellung gegossen.^
— Uhrglocken, Schalen oder Kappen genannt, haben eine sich mehr
oder weniger der Halbkugel annähernde Gestalt, welche die zweckmässigste
zur Erzeugung eines hellen und scharf klingenden Tones sein soll; je nach
ihrer Grösse werden sie beim Formen und Giessen wie die grossen, be-
ziehentlich kleinen Läutglocken verfertigt.^
V. Von den Inschriften und Verzierungen der Glocken.
Das Alter der Sitte, die Glocken mit Inschriften zu versehen, lässt
sich nicht nachweisen. Die ältesten Beispiele sind aus dem zwölften Jahr-
hundert (s. oben S. 89), da aber anderweitig auch viele Glocken ohne In-
schriften vorkommen, deren ungewöhnliche Form ein hohes Alter zu ver-
bürgen scheint, so darf man annehmen, dass die seit dem 14. Jahrhundert,
höchstens mit Ausnahme einzelner kleinen Exemplare, bei den Läuteglocken
zur Regel gewordene Sitte früher keineswegs allgemein üblich war. Damit
stimmt auch die Ausdrucksweise des Theophilus überein, wenn er das
Anbringen von Inschriften und Verzierungen dem Belieben des Glocken-
giessers überlässt*, er giebt aber die sehr bemerkenswerte technische An-
weisung, dass man die Inschriften u. s. w. auf dem nach seiner Vorschrift
aus Talg (oben S. 110) bestehenden Hemd der Form ausgraben solle.
Wenn dies geschah, mussteu sich die eingegrabenen Buchstaben nach Heraus-
schmelzen des Talgmodells auf der Innenseite des Mantels erhaben ab-
geformt zeigen und nach dem Gusse der Glocke auf dieser vertieft. Von
^ Karmarsch bei PrechÜ a. a. 0. S. 105 ff. — Die ältesten Glocken schei-
nen, beiläufig gesagt, in umgestürzter Stellung gegossen worden zu sein; denn
sonst wäre es nicht möglich gewesen, eine Glocke, zu welcher zu wenig Metall
in den Schmelztiegel war eingesetzt worden, dennoch zu gebrauchen, was zu Fon-
tenelle im achten Jahrhundert geschah. Vergl. Pertz, Mon. Germ. SS. 2,284.
' Rippen zu Schalen s. bei Sprengel a. a. 0. S. 58 und Tab. H. Fig. 10
und 12, auch bei Hahn a. a. 0. S. 207 f. und Taf. H, Fig. 16, 17.
^ jjSi quid rari operis VQlueris circa latera campancte, florum sive literarutiiy
in ctdipe exarabia^' Schedula div. artium, c. 85 (Ilg 1,321).
8*
116 Technik der Inschriften.
vertieften Glockeninschriften sind zwei offenbar sehr alte, und die aas dem
zwölften Jahrhundert stammende technische Anweisung an Alter wohl noch
übertreffende Beispiele nachw^eislich, auf der bienenkorbförmigen Glocke
in Diesdorf (S. 88, Fig. 4) und auf einer beim Dome zu Merseburg aufbe-
wahrten schlanken Glocke von 0,455 Durchm. und 0,460 Höhe (s. Bau- u.
Kunstdenkm. der Provinz Sachsen 8, 161 u. Fig. 153 u. f.); allein die In-
schriften derselben sind angeblich nicht durch den Guss hergestellt, sondern
erst nach demselben eingeschnitten, wie dies auf einer Glocke zu Branderode
(Kr. Querfurt) 1 wohl auch der Fall ist.
Gewöhnlich erscheinen, abgesehen von solchen höchst seltenen Aus-
nahmen, die Glockeninschriften erhaben, und zwar in deijenigen Scbrift-
gattung und Rechtschreibung, welche in der betreffenden Zeit Mode war,
worauf hier nicht näher eingegangen werden kann.^ Das technische Ver-
fahren war ein zweifaches. 1) Man stellte die Inschrift im Innern des
Mantels her, nachdem derselbe von der Form abgenommen war. Dies
musste von rechts nach links und in verkehrten Zügen, also im Spiegel-
bilde geschehen, um im Abgüsse auf der Glocke richtig zu stehen, und
geschah entweder q) aus freier Hand durch Einkratzen mit einem spitzen
oder stumpfen Griffel, wie nachweislich schon auf der Glocke zu Iggens-
bach (oben S. 88, Fig. 4) vom J. 1144 und (ausnahmsweise) noch auf einer
Glocke zu Elstertrebnitz bei Pegau von 1409 in Kursivschrift^, weshalb
die Buchstaben stets einen gratigen (/\) Querschnitt zeigen. Wenn der
Schreiber in dieser Linksschrift nicht geübt war, gravierte er die Schrift
rechtsläufig ein, so dass der Abguss verkehrt ausfallen musste, weshalb
viele ältere Glockeninschriften dieser Art nur im Spiegelbilde lesbar sind,
oder doch von rechts nach links gelesen werden müssen, falls nur die Rich-
tung verfehlt war, während die einzelnen Buchstaben, wie es sein musste,
verkehrt eingraviert waren und auf der Glocke richtig erscheinen. Bei
^ Nach gütiger Mitteilung des Herrn Bauinspektor G. Sommer in Werni-
gerode ist diese Inschrift in einer erst seit etwa der Mitte des 14. Jahrhunderts
vereinzelt vorkommenden, erst später herrschend werdenden Gattung der Monu-
mentalschrift, ,,in sehr undeutlichen kleinen gotischen Minuskeln'^ hergestellt,
und lautet der Angabe zufolge: „anno dominus erat verbum hoc erat nervum in
inido erat deus et principio deus erat verbum'\ welches Kauderwelsch sich wie
eine aus Joh. 1, 1 gebildete Zauberformel ausnimmt.
' Vergl. in betreff des M. A.: Otte, Handbuch der kirchl. Kunstarchäol.
5. Aufl. 1, 395 — 411. Vom 11. bis gegen den Ausgang des 14. Jahrhunderts herrschte
die romanische Majuskel und von da ab bis gegen die Mitte des 16. Jahrhunderts
die gitterartige neugotische Minuskel, worauf die modernen Schriftgattungen
folgten.
' Vergl. Sommer, im Anz. des Germ. Museums 1867, Sp. 275 ff. mit Abbild.
Technik der InschrifteD. 117
diesem Verfahren worden gleichlautende Buchstaben oft in verschiedenem
Duktus geschrieben, wie es dem Schreiber gerade gefiel. Oder b) durch
Eindrücken von erhaben in Holz geschnitzten einzelnen Buchstaben in den
auf der für die Inschrift bestimmten Stelle wieder weich gemachten Mantel.
Durch diesen gegen Ende des 13. Jahrhunderts zu setzendeu Fortschritt^
gewannen die Inschriften an Begelmässigkeit und Zierlichkeit; die Buch-
staben waren oft stilvoll verziert, und gleichlautende erscheinen zwar ge-
wöhnlich in gleichem Muster, doch kommen auch, wenn es c^r Vorrat an
verschiedenen Holzstempeln gestattete, im Geschmacke der Zeit Variationen
eines und desselben Buchstabens vor. Zuweilen waren die geschnitzten
Buchstaben an den äusseren Rändern mit feinen Rundzäckchen besäumt,
zuweilen aber im Viereck umrahmt, und diese Einfassung druckte sich mit
ab.^ Im Abgüsse auf der Glocke erscheinen die Buchstaben flach erhaben
und von bandartigem Querschnitt. Wenn die Stempel aus Versehen nach
rechts laufend neben einander eingedrückt waren, so ist der Abguss nur
von rechts nach links lesbar. 2) Nicht viel später fing man an die In-
schriften u. s. w. dadurch herzustellen, dass man Wachsmodelle der Buch-
staben (mit gesalzener Butter oder mit Terpentin) auf das Hemd klebte,
die sich in dem darüber geformten Mantel vertieft abdruckten und beim
Ausbrennen der Form herausschmolzen, und zwar macht sich dabei ein
zweifaches Verfahren kenntlich. Entweder a) wurden die Wachsmodelle
aus freier Hand in leidlich ungeschickter Weise gebildet, oder indem man
die Buchstaben zierlicher aus Wachsstockfäden komponierte^; seit dem 15.
Jahrhundert aber bediente man sich b) dazu der Schablonierung, indem man
das Wachs durch eine nass gemachte Holztafel drückte, auf welcher das
Alphabet ausgeschnitten war. Stempel und Schablonentafeln vererbten sich
zuweilen in den Glockengiesserfamilien durch mehrere Generationen, woraus
sich erklärt, wenn z. B. auf Glocken in der Lorenzkirche zu Kalbe a. S.
von 1403 und zu Eckendorf (Kreis Kalbe) von 1440 die Inschriften
noch in den damals schon ganz unmodernen romanischen Majuskeln aus-
geführt sind, oder auf drei Glocken zu Escames (Oise) von 1613 noch im
mittelalterlichen Duktus. — In neuester Zeit hat man die auf das Hemd
geklebten Wachsmodelle wegen des immerhin nicht ganz sicheren Erfolges
^ Scheu die Inschrift auf der zwischen 1283 und 1300 gegossenen Benedikta
des Domes zu Merseburg ist ersichtlich in dieser Weise hergestellt, wobei aber
der Stempel für den Bucbslaben n konsequent verkehrt eingedrückt wurde. Vergl.
die Abbild, iu Kunstdenkm. der Prov. Sachsen 8, 160, Fig. 161.
» Viollet-le-Duc, Dictionn. de Tarchitect. 3, 285, Fig. 3.
^ Ebend. S. 284, Fig. 2, von einer 1845 zersprungenen, neuerdings umgegos-
senen Glocke zu Moissac (Tarn und Garonne) von 1273.
118 Papierabdrücke von Inschriften.
aufgegeben, und hat sich wieder für Handarbeit in dem abgehobenen Mantel
entschieden, in dessen Innenfläche kleine (vertiefte) Holz- oder Messing-
modelle der Bachstaben entsprechend eingeformt werden, um auf der Glocke
selbst erhaben zu erscheinen.
Aus den vorstehenden Bemerkungen geht hervor, dass das Lesen der
aus dem Mittelalter stammenden Inschriften oft mit Schwierigkeiten verbun-
den ist, welche durch Unzugänglichkeit der Glocken, durch Enge der Glocken-
stühle und Mangel an Licht noch vermehrt werden. Die besten Resultate
ergiebt in schwierigen Fällen die Anfertigung von Papierabdrücken, da blosse
Abzeichnungen gewöhnlich ungenau sind. Man legt einen Streifen weiches
durchfeuchtetes oder auf der einen Seite genässtes Papier mit der nassen
Seite auf die Inschrift und klopft mit einer dichten Kleiderbürste oder mit
einem trockenen Tuche, welches sparsam mit Graphitpnlver bestreut ist, so
lange darauf, bis die Inschrift erhaben und geschwärzt hervortritt.
Verfasser, und so lange die Inschriften und etwaige bildliche Verzie-
rungen freihändig hergestellt wurden, auch Schreiber und Zeichner derselben
waren die Geistlichen und später, als die Inschriften schon längst auf mecha-
nischem Wege hergestellt wurden, zog man zur Anfertigung von bildlichen
Darstellungen zuweilen sogar Maler hinzu. Auf der oben S. 91 erwähnten
Glocke zu Lühnde von 1278 nennt sich unter der dekorativen Haupt-
inschrift liturgischen Inhalts in einer besondern , kleiner und flüchtiger ge-
schriebenen Zeile mit dem Datum ausser dem Giesser Tiderikus auch der
geistliche Zeichner Hermann^, und ähnlich auf der ebenfalls (S. 116) schon
angeführten Glocke zu Elstertrebnitz von 1409 der Leipziger Maler Niko-
laus Eisenberg als Verfertiger der in den Mantel gravierten bildlichen und
anderen Verzierungen, während die Hauptinschrift über Wachsmodellen ge-
formt war. In Beziehung auf Formschönheit der Buchstaben und Verzie-
rungen blieben die Glockengiesser stets von den Verfertigern der Modelle
abhängig, und in Beziehung auf Korrektheit waren sie sicherlich weniger auf
eigene Schulkenntnisse als auf die Richtigkeit der gegebenen Vorschrift und
gewissenhafte Befolgung derselben angewiesen; wenn letzteres nicht der Fall
war, konnten mancherlei Fehler nicht ausbleiben, und die Inschriften wur-
den dadurch zuweilen bis zur Rätselhaftigkeit entstellt.^ Lateinisch dürften
^ Die historische Inschrift lautet: Anno domini MCCLXXVIII me fudit
Tidericus VI. K. Novemhris et me pinxit HermanntM plebaniM.
' Einem wackeren Meister der Neuzeit war aufgegeben worden, eine Glocke
für eine Dorfkirche zu giessen und mit dem Taufhamen der Frau Kirchenpatronin
ALBERTINA in grossen Buchstaben zu schmücken; leider verstellte er die Buch-
staben, und es stand zu seinem Schrecken LABERTINA auf der fertigen Glocke.
Sprache der Inschriften. 119
die ehrenwerten Meister wenig oder gar nicht verstanden haben, nnd wenn
sie überhaupt schreiben gelernt hatten, so war es mit ihrer Orthographie
in der Muttersprache selbst bis in neuere Zeit oft nicht allzuweit her. Wenn
z. B. auf einer Glocke zu Gross -Lübars bei Loburg von 1447 sinnlos
„Dmnt,rahor*^ steht statt „DumJrahor^^, so ist das erklärlich, weniger aber,
wenn der in seinem Fache ausgezeichnete J. G. Weinhold auf einer Glocke
zu Altenberg i. S. vom J. 1761 mit der lateinischen Inschrift „Verbum
Domini rrumtV^ seinen eigenen Amtstitel „Oiesserei Imbecder in Dresden*'
schrieb. Es gab solche Glockeninschriften, die im Mittelalter aus verschie-
denen, zum Teil abergläubischen Gründen allgemeine Beliebtheit und weite
Verbreitung fanden, diese und allerlei Handwerkssprüche hatten die Glocken-
giesser in ihrem zur Auswahl gestellten Vorräte, Origiualinschriften dagegen
wurden, wie es auch noch gegenwärtig geschieht, von der Geistlichkeit ver-
fasst oder von den Donatoren bestimmt und sind Zeugnisse von den reli-
giösen Vorstellungen, dem Volksglauben und dem poetischen Geschmacke
der betreffenden Zeit.
Die mittelalterlichen Glockeninschriften sind bis ins 14. Jahrhundert
nur in lateinischer Sprache abgefasst; etwa von der Mitte dieses Jahr-
hunderts an kommen auch Inschriften in den betreffenden Landessprachen
vor. Zu den ältesten datierten deutschen Majuskelinschriften gehören die
Inschrift: Maria, gotes cdle^ hob in huot, was ich tcber scIieUe. Anno
domini MCCCVI, auf einer Glocke zu Ersingen in Württemberg, und die
auf zwei (im Jahre 1851 umgegossenen) Glocken zu Multzig im Elsass be-
findlich gewesenen; auf der grösseren : In . sanie . Mauricien . Ere . so . lute .
ich . gar . sere . Meister . Andres . von . Kolmar . mathe . mich . Anno . Dni .
M, CCC , IL , Amen. Auf der andern, ersichtlich von demselben Meister
gegossenen : Gont . har , in .xe . Messe . das . Oot . iver . niemer . fir . gesse .
Amen, Ave Maria. — Eine der ältesten datierten französischen In-
schriften auf einer Glocke des Domes von Beauvais lautet: L'an MCCCXLIX
Ckiillaume Bertren Evesque de Biauves me fit faire. — In Schweden,
wo schwedische, dänische und niederdeutsche Inschriften vorkommen, befindet
sich zu Sätuna in der Marienkirche eine aus Russland stammende Glocke
des 15. Jahrhunderts mit slavischer Inschrift, die geschichtliche Notizen ent-
hält. — Zuweilen findet sich auch Hebräisches auf den Glocken, im
Mittelalter in lateinischer Schrift biblische und kabbalistische Gottesnamen
talismanischer Art, später als Zeichen pastoraler Gelahrtheit ausser dem Na-
Er feilte nun das L ab, so dass Abertina übrig blieb, was ihm nicht ganz so
schlimm erschien, aber dennoch den Archäologen der Znkunft ein Rätsel aufgiebt
Ähnliches mag öfter vorgekommen sein.
120 Worttrennungszeichen.
men Jehovah hier und da ganze Psalmenverse in hebräischer Quadratschrift,
wie z. B. auf einer von den Gebr. Möhringk in Erfurt 1593 gegossenen
Glocke zu Gross-Korbetha bei Wcissenfels Ps. 150, V. 1 und 5 und, da
diese Giesserfamilie die hebräischen Schablonen einmal besass, auf einer
Glocke der Andreaskirche zu Eisleben von Melchior Möhringk 1602 aus
Neigung zur Geheimniskrämerei wiederholt — Wenn auf einer Glocke der
genannten Kirche mit deutschen Inschriften aus dem Jahre 1845 der
Halberstädter Giesser unten am Rande in französischer Sprache hin-
zugefügt hat „Execute j)ar Guülaume Engelcke^% so wollte er dadurch seine
höhere Bildung bekunden, was als Kuriosum bemerkt sein mag.
Die Inschriften stehen gewöhnlich entweder rund um den Hals (s. oben
S. 110), oder seltener um den Kranz der Glocken; sehr selten wohl auch
oben auf der Platte (wie auf einer Glocke der Katharinenkirche zu Bran-
denburg von 1345 und auf der grössten der drei kleinen Glocken der Kloster-
kirche von Zinna bei Jüterbogk von 1491) oder gar auf der inneren Fläche
der Glocken (wie in einer Glocke der Nikolaikirche von Jüterbogk einige
unlesbare Worte eingekritzelt sind). Der Anfangspunkt zwischen dem ersten
und letzten Worte der ringsumlaufenden Inschriften wurde im Mittelalter
regelmässig durch ein gleicharmiges + (einfach oder verziert) bezeichnet^
im 17. Jahrhundert in evangelischen Landen, wohl um jeden katholisierenden
Schein zu vermeiden, zuweilen durch eine weisende Hand jgjf Wenn es
der Raum gestattete, wurden die einzelnen Wörter durch Punkte oder andere
konventionelle Zeichen von einander getrennt, und bei undatierten anonymen
Glocken ist die vergleichende Beachtung der Worttrennungszeichen oft von
Nutzen zur Bestimmung der Entstehungszeit und des Giessers einer Glocke.
Wir geben auf Taf. II eine Zusanmienstellung solcher Trennungszeichen von
mittelalterlichen Glocken aus der Provinz Sachsen und fügen zur Erläute-
rung derselben hinzu: 1) ein runder Punkt, als senkrechter Eindruck der
Griffelspitze in den Formmantel (oben S. 116 la), nachgewiesen auf Glocken
in allen Gegenden Deutschlands u. s. w. von 1144 — 1336; auf der Glocke
in St. Peter zu Aachen von 1261 ist das Trennungszeichen ein Doppel-
punkt (:), in den späteren, schablonierten Inschriften (oben S. 117 2 b) sind
die trennenden Punkte viereckig. — 2) Vorzugsweise in Majuskelinschriften,
z. B. auf einer Glocke der Oberpfarrkirche in Wernigerode von 1297, kommt
aber auch bei Minuskeln des 16. Jahrhunderts vor. — 3) Auf einer Glocke
in St. Blasien zu Mühlhausen i. Th. von 1281 und sonst oft in Majuskel-
inschriften des 14. Jahrhunderts. — 4) Auf einer Glocke der ehemaligen
Klosterkirche zu Weissenfeis, Majuskeln," bandartig ohne Datum. — 5) Zu
Gatterstädt bei Querfurt auf einer Glocke mit undatierter Majuskelschrifl. —
6) Zu Elstertrebnitz bei Pegau 1409. — 7) Zu Gross - Rodungen (Kreis
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Inhalt der Inschriften. 121
Worbis) 1383. — 8) Auf Glocken von 1444—1517. — 9) Zu Alterstädt
(Kr. Langensalza) 1482. — 10) Auf Glocken von 1440— 1535. — 11) Auf
einer Glocke mit Minuskelinschrift zu Eisdorf (Mansf. Seekreis). — 12) Zu
Veckenstädt bei Wernigerode 1465. — 13) Auf Glocken von Hans Rese
1505 — 1520, von Pantaleon Sydler 1517; aber auch noch auf einer Glocke
mit Antiquaschrift von 1561. — 14) Zu Gross-Görschen bei Ltltzen 1477. —
15) Zu Leisling bei Weissenfeis 1445. — 16) Zu Kirchheilingen beiThams-
brück 1477. — 17 und 18) Auf Glocken der Stephanskirche zu Osterwieck
von 1339 und in St. Ägidien zu Heiligenstadt von 1370. — - 19) Zu Tinz
bei Gera 1456. — 20) Auf Glocken mit nicht datierter Majuskelinschrift
in der Michaeliskirche zu Zeitz und in Droyssig. — 21) Zu Gross-Pörten
bei Zeitz 1403. — 22) Auf undatierten Glocken mit Majuskeln zu ünter-
nessa bei Weissenf eis und zu Eisdorf bei Lützen. — 23) Mit Rosetten
wechselnd, auf einer Glocke zu Unterwerschen bei Teuchern mit schöner
Majuskelschrift. — 24) Zu Werben bei Weissenfeis Auf einer Glocke mit
Minuskeln. — 25) In Gross-Pörten mit Nr. 21 wechselnd. — 26) Auf
Glocken mit alten gratigen Majuskeln in der Stephanskirche zu Aschers-
leben, zu Gnölbzig bei Alsleben a. S. und zu Wippra (Mansfelder Gebirgs-
kreis). — Die Zeichen 1 — 26 sind in wirklicher Grösse (nach Zeichnung
des Herrn Bauinspektor G. Sommer) dargestellt, 27 und 28, die abwech-
selnd auf der grossen Glocke zu Erfurt von 1497 vorkonunen, auf Yg ver-
kleinert (nach V. T et tau a. a. Ö. Taf. II).
Nach der Mitte des 16. Jahrhunderts wurde es üblich, oft die ganze
Fläche der Glocke mit Inschriften zu bedecken, die eben so weitschweifig
und abgeschmackt sind, als die mittelalterlichen grösstenteils kurz, kraft-
voll, wohlklingend und schön waren. Die alten Glockeninschriften sind oft
in gereimten Hexametern, selten in anderen antiken Versmassen abgefasst.
Ihrem Inhalte nach zerfallen die Glockeninschriften in folgende Klassen:
1. Gebetsformeln, Bibelsprüche, Namen einzelner Heiligen und magische
Zeichen, durchi welche man die Kraft der geweihten Glocken zu verstärken
meinte. Die beiden Inschriften, die wir, weil sie vertieft und in sehr alten
Schriftzügen hergestellt sind (oben S. 116), als die ältesten bekannten an-
sehen dürfen, enthalten ein einfaches Votum; in Diesdorf: In honore See.
Trinitaiis in ae, e., in Merseburg: In nomine Domifii. Amen, — Unter
den Gebetsformeln ist die schon im 13. Jahrhundert (z. ß. zu Freiburg im
Breisgau, datiert von 1258, 1281 und 1300) vorkommende, aber erst im
15. Jahrhundert sehr häufige Anrufung : rex gloriae Christe veni cum pace
(auf französischen Glocken gewöhnlich: Christus rex venit in pace^ und
auch in Deutschland später mit allerlei kleinen Varianten) in so auffälliger
Weise verbreitet, dass sie, besonders in manchen Gegenden, nicht nur auf
122 Religiöse Glockeninschriften.
den meisten mittelalterlichen Glocken steht, sondern selbst in evangelischen
Ländern noch nach der Reformationszeit vorkommt, z. B. zn Golzow bei
Lehnin 1603 und zu Lützow bei Angermtinde 1721. Der Ursprung der-
selben scheint unbekannt; man schrieb das prophetische Selbstläuten der
Glocke von Yelilla in Spanien der Kraft dieser Inschrift zu, die man aus
den sibyllinischen Büchern herleitete.^ Jedenfalls steht sie mit dem Ge-
brauche der Betglocke, dem bekannten Pro pace schlagen (siehe oben S. 36
und 39), in Beziehung, verdankt aber wohl ihre weite Verbreitung dem
Volksglauben an eine ihr einwohnende besondere magische Kraft, woraus
sich auch ihre vielmalige Wiederholung auf einer Glocke vom Anfange des
15. Jahrhunderts im Neograder Komitat ^ erklärt, deren ganze Oberfläche
damit bedeckt ist. In Sachsen kommt sie auch in deutscher Übertragung
vor: konig der eren cum uns yn frid und st uns gnedig. — Statt an
den König der Ehren richtete sich eine der ältesten deutschen Majuskel-
inschriften an die Himmelskönigin; sie lautete auf einer beim Brande des
Sixtiturmes in Merseburg 1845 geschmolzenen Glocke: Maria^ cu/m czu
trosthe unde czu gnaden allen den, di da han Christi nam, wie ähnlich
auch der obenS. 119 erwähnte Spruch auf der Glocke zu Ersingen von 1306. —
Sehr häufig ist im Mittelalter auch die, später nur noch von den Katho-
liken gebrauchte, ohne Zweifel mit dem Ave-Marialäuten (siehe oben S. 39)
in Verbindung stehende, jedoch zu Helfta bei Eisleben schon 1234 nach-
gewiesene Formel des englischen Grusses (Lucas 1, 28), gewöhnlich nur
in den sieben Anfangsworten desselben: Ave Maria gratia pUna Dotnimis
teeiim, auch zuweilen deutsch (z. B. zu Altheim. bei Ulm noch in Majuskeln):
Ave Maria gruest siest du Maria, oder öfter nur akgekürzt: Ave Maria
gruest, in Minuskeln, oder in weiterer poetischen Ausführung, z. B. in der
Marienkirche zu Greifswald auf der grossen Glocke von 1418:
Ave regina celorum^ mater regia angelorum,
Maria flos virginum, velud rosa vel lilium,
Funde preces ad filium, pro salute fidelium»
rex glorie, veni cum pace.
Mehrfach vertreten in der Majuskelzeit findet sich das Feldgeschrei des christ-
lichen Heeres unter König Philipp I. bei einem Siege über die Sarazenen:
Christus vificit, Christus regnat, Christus imperat (Variante : vivificai\ eine
auf französischen Münzen noch im 15. Jahrhundert gebräuchliche Le-
^ Vergl. Mersenne, Harmonie universelle 7, 46. — In den Oracula Sibyllina
(cura Alexandre lib. 3, v. 662) kommen folgende Verse vor:
Kai rdr an tjbUoio &eog nsfi'^si ßaail^a
"Og rraaav yalav xavaei nolifioio nayioio,
' Mitteil, der k. k. Central-Kommission 1856, S. 64.
Religiöse GlockeninBchriften. 123
gende.^ — Klangvoll und würdig ist die schöne Bitte: Dd agne, Jesu magne,
tu dignare nos scUvare, amen id est fiat, welche in dieser Vollständigkeit in
gratigen Majuskeln auf der Sountagsglocke der Nikolaikirche zu Jüterbogk,
anderwärts nur bruchstücksweise nachgewiesen ist. Wie diese, bezieht sich
auch die Inschrift: Agnus dei, qui toüis peccata mundi, miserere nobis,
deutlich auf den Gebrauch als Messglocke. — Verwandt erscheint die ebenfalls
öfter in Majuskeln vorkommende Formel: Vas^ deus, hoc signa, plebs salva
sit^ aura benigna, in welcher das „salva" (wie vorher das j,nos sdkare" und
„miserere'^) indes weniger auf das geistige, als auf das leibliche Heil und
Wohl des Volkes bezogen worden sein mag, was auch auf einer Glocke zu
Siessenbach bei Regensburg von 1478 deutlich ausgesprochen ist: Ubi campana
resonat^ sint mnnia sana.^ — Der weitesten Verbreitung in Italien erfreute
sieb die auch in der Schweiz und in England nachgewiesene, der von den
Engeln gestellten Grabschrift der heiligen Agatha entnommene (nur durch
Ergänzung einen Sinn gebende) Inschrift: Mentem sanctam spontaneam,
honorem deo et patriae liberationem; und zwar um deswillen, weil die Ein-
wohner von Gatanea bei wiederholten Ausbrüchen des Ätna der Gefahr
dadurch ein Ziel setzten, dass sie das den Sarkophag der Heiligen ver-
hüllende Tuch eilends herbeiholten und vor dem verheerenden Glutstrome
ausbreiteten, welcher dadurch erlosch.^ — Von der auf einer Glocke im
Kanton Thurgau stehenden Inschrift (in Majuskeln): CHrükts eps. p, in
Alexandria positu^ fugat sagittas tonitrui, erwartete man die beste Wirkung
gegen den Blitz.^ — Wenn auf einer Glocke der Magdalenenkirche zu
Genf von 1486 aus Lukas .4, 30 anscheinend unerklärlicher Weise die In-
schrift steht: Jesus auteni transiens per medium iUorum ibai, so ist das
dieselbe Bibelstelle, die sich auf Talismanen findet, denen man die Kraft
^ Le Blanc, Traitä bist, des monnoyes de France, p. 154, angeführt von
Mithoff, Kunstdenkm. im Hannoverschen 2, 22. Auf einer undatierten Glocke
mit Majuskelinschrift zu Dettingen bei Metzingen (Württemberg) ist der Spruch
in folgender Weise mit den Eyangelistennamen kombiniert: 8. Lucas :Xvs. vin-
dt : Marcvs : Xps. regnat : 8. Mathevs : Xps. imperat : 8. Johannes.
^ Noch zu Luthers Zeiten stand das Cyriaxglöcklein des Klosters Wimmel-
burg bei Eisleben in dem Bufe, dass durch das Anhören seines Klanges Kranke
und namentlich Besessene geheilt würden, weshalb täglich eine grosse Anzahl
Leidender auf den umliegenden Höhen sich lagerte, um der Heilwirkungen des
Vespergel&utes teilhaftig zu werden. Diese Glocke hat bei einem Brande des
Jahres 1680 ihren Untergang gefunden. Vergl. Grössler, in der Zeitschr. des
Harzvereins IX, 36 und oben S. 45, Nr. 3.
^ Bocca, de campanis im Thesaurus etc. 1, 166. Vergl. Petrus de Nata-
libus, Catalogus Sauctorum IIb. III, c. 84.
* Anzeiger des German. Museums 1864, Sp. 215.
124 Mystische Formeln.
zuschrieb den Träger unsichtbar zu macheu und ihn dadurch vor Ver-
folgern zu retten.^ Als ebenfalls für magisch wirksam gehalten ist auch
die auf der schon erwähnten Glocke zu Helfta von 1234 befindliche zweite
Inschrift zu erklären, die auch mehrfach anderswo in der Majuskelzeit
vorkommt: Tituhis triuinfalis Jesits Naxarentis Rex Judaeorum (noch 1586
in Kaisheim, und zwar mit dem ausdrücklichen Zusätze: defende nos ab
omnibiLs mcdis), — Unter den Bibelsprüchen sind Johannes 1, 1 und 1, 14
die häufigsten und auch sonst als zauberkräftig gegen die Dämonen gebräuchlich.
Dasselbe gilt von den Namen der heiligen drei Könige: Caspar, Meidiior,
Balthasar, der sogenannten „Wetterherren", welche in verschiedenen alten
Zauberformeln wiederkehren^; ferner die Namen der vier Evangelisten
Matthaeus, Marcus, Lucas, Johannes, die auf einer Glocke zu Stedten bei
Schraplau aus der Zeit gegen 1300 in dem reimlosen, und darum wohl
sehr alten Distichon:
Matthcieum signat vir, bos Lucam, Leo Marcum,
Ales discipulum, gut super carde fuit
in Beziehung zu ihren mystischen Symbolen gesetzt erscheinen. — Ähnliche
magische Beziehungen sind anzunehmen bei den Zusammenstellungen ver-
schiedener Gebetsanfänge, wie z. B. zu Unter -Nessa bei Weissenfeis in
Majuskeln: Markt Ootis. Osanna in eccelsis. Benedictus, oder von hebräischen
Gottesnamen ohne Zusammenhang, wie zu Hartmannsweiler im Elsass : Ely,
Eloy, Eloyon. SabaoL Emanuel, Ädonay, Tetragrammaton, Loth. Nova.
Margaryta, Yassaday. — Zu den mystischen Formeln und Zeichen gehören
das apokalyptische A und Sl (als Anfang und Ende der ringsum laufenden
Inschrift, von 1234 datiert zu Helfta-, isoliert an gegenüberliegenden Stellen
der Glocke schon früher auf der Clinsa des Domes zu Merseburg ; auf zwei
Glocken verteilt zu Gr.-Tessin bei Warin), der häufig, aber ebenfalls
nur in der Majuskclzeit vorkommende kabbalistische Feuersegen AGLA^,
die Namenschiffern IHS (Jesus), XPS (Christus), M (Maria), das (auf die
Löschung des Feuers zu beziehende) Coyisu7nmatwn est aus Johannes 19,
13, das Tetragrammaton (die mystische Bezeichnung des aus vier hebräischen
Buchstaben bestehenden Namens Jehovah) uud als unbewusste Erinnerung
hieran noch auf Glocken evangelischer Giesser des 18. Jahrhunderts dieser
Name in hebräischen Lettern nin-. — Kurze Anrufungen, wie Etilf Gott,
Maria berath, oder die besonders verehrter Heiligen, namentlich der Schutz-
patrone mit dem Zusätze ora 'pro nobis, deutsch bitte für uns, werden
erst seit dem 15. und 16. Jahrhundert häufig. Seit der Reformationszeit
^ Blavignac a. a. 0. S. 382.
^ Mone, Anzeiger u. s. w. 2, 62 und 3, 377.
^ Otte, Kunstarchäologie 1, 400 und 410.
Konfessionelle Inschriften. 125
macht sich bei den Evangelischen das konfessionelle Element im Preise
des göttlichen Wortes vorzugsweise geltend; am häufigsten ist, namentlich
in Sachsen die Devise Friedrichs des Weisen aus Jesaias 40: Verbum
Domini manei in aetemu/m, oder nur die Initialen dieser 5 Wörter, welche
die Nachfolger dieses Kurfürsten bis ins 17. Jahrhundert selbst in die
Livreen ihrer Dienerschaft einsticken Hessen : V. D. M.l,M\ deutsch : Oottes
Wart bleibt emig (1702). — Oottes Wort und Luthers Lehr vergehet nun
und nimmermehr (1698). — Vor Pabstes Lehr, Abgötterei behüt uns Herr
und mach uns frei (Neustadt in Sachsen 1718). — ErlvaU uns Wort und
Sakrament, o Jesu, bis an unser End (1744). — Ein feste Burg ist unser
Gott (1817, 1883). — Das Hauptdogma des evangelischen Bekenntnisses
ist in theologisierender Form ausgesprochen auf einer Glocke zu Briest bei
Passow von 1844: Sola, quam Augu^tana profitetur, fides in Jesum Christum,
Dei filium, salvatorem ju-stificat. — Beiden Kirchen gemeinsam erscheinen:
Die besonders im 16. — 18. Jahrhundert sehr häufige Doxologie: Soli Deo
gloria, der Psalmenspruch : Laudate Dominu/m in cymbalis bene sonantibus
(1538, 1614). — Te Deum lavdamus, — Non confundar in aeternu/m, —
Ehre sei Oott in der Höhe u, s. w, (1615). — Alles was Odern hat, lobe
den Herrn (1659, 1787, 1825). — Oott gieb Fried in allen Landen (1619,
1812). — Spezifisch katholisch sind die meist in lateinischer Sprache ab-
gefassten Inschriften zum Preise der heiligen Jungfrau, die in der Zeit der
Humanisten mehr heidnisch als christlich anklangen, z. B. in einem Distichon
auf der Marienglocke des Münsters zu Aachen von 1535:
Vox mihi dülcis erat, dülci famulaberis inguit
Nymphae, qvMm referes nomine voce tuo.
Daneben dauern die magischen Formeln fort; nicht bloss, dass auf einer
Glocke zu Dinkelscherben (Hegierungs-Bezirk Schwaben) von 1579 die uralte
griechische Doxologie steht: Hagios o theos, hagios ischyros, hagios atha-
natos eleyson ymas et libera nos a grandine, sondern dieselbe erscheint
sogar noch 1750 zu Mering (Regierungs-Bezirk Oberbayern): Agios + o
Theos + ischyros -f- athanaios, hier jedoch mit beigefügter lateinischen
Übersetzung, und zu Otmaring bei Friedberg in Bayern 1743 der formulierte
Bannspruch: In virtute sanguinis incamati et in essentiu patris aetemi et
in mrtute spiritus sancti discedite a territorio nostro spiritus maledicti in
n, P. et F, et Spir, S. — Seit dem 18. Jahrhundert finden sich örtliche
und persönliche Beziehungen in den Gebetswüuschen ; bei den Katholiken,
z. B. in Eversberg (Kreis Meschede) 1771 : Diese Olocke sei ein Wehr
gegen aUe Feuersgefahr , vor der Höllen Olut bewahr, Agatha in deiner
Ehr deine Kinder insgemein^ die zum Eversberge sein, oder zu Hagen 1789:
Vaterland und Hagen sei von den Unglücksplagen frei; bei den Evangeli-
126 Monologische Inschriften.
sehen, z. B. zu Schönebeck (Kreis Niederbamim) auf einer Glocke von 1722:
Höchster , schicke deinen Segen y auf die, so gesorgt für mich, dass sie
gehn auf deinen Wegen, weil sie sehr bemühet sieh, dass ich glücklich bin
gegossen, mache sie zu Hausgenossen deines Reiches zu der Zeit, wann
angelU die Eungkeit, oder auf Dorf kirchenglocken aas den ersten Jahrzehnten
des 19. Jahrhunderts in der Provinz Sachsen nicht selten: Ooä segne und
erhalte die Gemeinde N,
2. Inschriften, welche sich auf die Bestimmung der Glocken beziehen^
und worin letztere redend eingeführt werden, meist in Versen. Die Ein-
ladung zum Gottesdienste: Vox mea, vox vitae; voco vos ad sacra, venite
(schon in Majuskeln), mit den Varianten: Vox ego sum vitae etc.; Dwn
trakor, audite etc,; Vox ego vox vitae voco vos orare venite; oder deutsch:
Wer got söge, der cume wen ic rophe. Häufiger ist die Beziehung auf die
Vertreibung der Dämonen und bösen Wetter durch die Sturmglocke: Con^
sona campana depeüat singula vana (Variante: Aes haec campana etc.), auch:
Dum sonat hoc signum, fugiai procul omne malignufn, oder: Sit temper-
statum per me genus omne fugatum>; zu Lösteren bei Giessen auch mit
Einmischung des mittelalterlichen Humors: Est mea vox bam bam, potens
repeUere Satan. Am häufigsten jedoch die Zusammenfassung der Gesamt-
bestimmung der Glocken, zuerst nachgewiesen auf einer Glocke in St. Georg
zu Hagenau von 1268: Goetum voco, nuncio festa^ pando fori gesta, pro-
duco funera moesta, oder zu Lühnde bei Hildesheim 1278: Signo dies
fe-stos, fleo defunctos, voco vivos, und seit dem 14. Jahrhundert in den schon
von Johann Gerson (Tract I de canticis. Opp. UL 2, 628) erwähnten
leoninischen Hexametern:
Laudo deum verum, plehem voco, congrego clerum
Defunctos ploro, pestem fugo, festa decoro
mit sehr vielen Varianten, z. B. Sabbata pango, funera plango, nooda frango;
excito lentos, paco cruentos, dissipo ventos; nuncio festa, fnetum, nova qtdoe-
dam, flebile lethum; defunctos ploro, nimbum fugo, festaque honoro; dae-
mones ango cordaque tango, funera plango ; humilia pango festaque clango,
fulmina frango. Der auf einer Glocke zu Harsewinkel bei Gütersloh von
1354 stehende Vers : Funera deplango, plebem voco, fidgura frango, erscheint
1398 zu Bleicherode im Harz mit der Variante: Defunctos plango, vivos
voco etc. und mit Zerstörung des Versmasses in logischer Umstellung auf
der grossen Glocke des Münsters zu Schaffhausen von 1486 in der von
Schiller als Motto zu dem Liede von der Glocke gewählten Form: Vivos
voco, mortuos plango, funera frango.^ Auf einer Glocke der Nikolaikirche
^ Von der weiten Verbreitung dieser Verse zeugt die ZusammensteUung der-
Monologische Inschriften. 127
zu Leipzig von 1634 ist das dem protestantischen Gefühle Austössige ent-
fernt und ein regelrechtes Distichon hergestellt:
Laudo deum verum, plehem voeo^ congrego clerum
Lucius doque tonum laetitiaeque aonum.
Doch ging man anderseits auch zur Polemik und selbst bis zur Negation
über. So stand auf der grossen Glocke der Frauenkirche zu Jüterbogk
von 1697:
Mir gilt nicht Weyh noch Tauf, ein antichristisch Zeichen,
Doch soll mein heller Klang zum Gottesdienst gereichen u. s. to.
Gott lass mich allezeit zu seiner Ehre schauen
Und ja nicht wiederum in alten Misshrauch fallen^
Bis dass der Tag des Herrn erscheinet zum Gericht
Und mit dem letzten Knaü die Welt in Stücken bricht u. s. w. ^
selben in einer zu London unter dem Titel „a Helpe to [Discourse'' 1633 erschie-
nenen Abhandlung (vergl. Penny-Cyklopaedia 4, 188):
En ego campana, nunquam denuntio vana,
Laudo deum verum, plehem voco, congrego clerum,
Defunctos plango, vivos voco, fulmina frango,
Vox mea, vox vitae, voco vos ad sacra venite.
Sanctos collaudo, tonitrua fugo, funera claudo,
Funera plango, fulgura frango, sahbata pango,
Excito lentos, dissipo ventos, paco cruentos.
Verdeutschungen verschiedener Art finden sich in spätmittelalterlichen Handwerks-
Sprüchen der Glockengiesser, z. B. in St. Gotthard zu Brandenburg 1456:
Mi heft ghegaten meister Hennigk van Peine,
De doden hewene %k grot unde deine,
De Idoendeghen rope ik to gades denste unde eren
Blixem donre helpe ik afkeren. ,
Am häufigsten eingekleidet in die Form: Nn. (Taufname der Glocke) Jieiss^ ich,
die hochzeitlichen Fest, die belauf ich, die bösen Wetter (all quoit) vertreib^ ich,
die Todten bewein' ich, die Lebenden ruf ich, Nn., der goss mich.
^ Diese am Friedensfeste 1871 gesprungene Glocke wurde 1872 umgegossen
und hat jetzt folgende, von dem damaligen Pfarrer Hermes verfasste Inschrift:
Zu römschem Missbrauch erst gezwungen
Hab* ich mit Freuden Dank gesungen
Zum auferstandnen Gotteswort,
Das bleibe dieses Volkes Hort!
Als Gottes Hand uns Fried* errungen
Nach langem Kampf, vor Freud' gesprungen
Ist mir da Erz und Mund zugleich
Im auferstandnen Deutschen Meich,
Da hat der Dank das Volk gedrungen.
Die Alten gaben und die Jungen,
Nun rufe ich mit neuen Zungen:
Dass bald erstehe Gottes Beich!
128 Monologische Inschriften.
und auf mehreren von Hiering zu Leipzig um die Mitte des 18. Jahrhun-
derts gegossenen Glocken in dortiger Gegend:
Idi bin ja nicht getauft, vertreibe keine Noth,
Kein Wetter, keinen Geist, ich ruf euch nur zu Gott,
Zu seinem heiigen Wort, zum Beten und zum Grabe,
Wie wohl von Allem dem ich kein Erkänntniss habe.
Seid, Christen, nicht tote ich; ich thue, was ich kann,
Denkt ihr an euem Tod, ruft Gott von Herzen an.
Noch schärfer, aher lateinisch, hei den Reformierten, z. B. in Schaffhausen
1604:
Zelo fusa bono campanis priscis consono
Fulgura non frango nee plango morte peremtos,
Oder auf einer Glocke des Münsters zu Bern von 1611:
Divorum vanis servivi cuitibus olim
Scilicet sie voluit coeca superstitio,
At nunc, Christe, tuo servire unius honori
Vera fides, pietas religioque jubent.
Zu Ereischa hei Dippoldiswalde steht 1672 anscheinend eine Stelle aus einer
Glockenpredigt: Gleichwie die Glocken fein xusmnmen stimmen, also soll
auch unser Leben mit Gottes Wort übereinstitnmen und eine feine Har-
moniam mit demselben machen, Qui per campanarum pulsum excitare se
non patiuntur ad peragejida sacra, mulis et equis sunt stolidiores,* — Bei
den Katholiken erscheint im 18. Jahrhundert die Huldigung der Jungfrau
Maria als neues Geschäft der Glocken an erster Stelle, wenn es z. B. 1706
zu Kissing bei Augsburg heisst:
Virgini ave dico, propulso fulmina, functis ,
Moesta sono, vivos ad pia Sacra voco.
Anderseits fand man an heidnischer Aufförbung Geschmack, z. B. 1773
zu Nassenbeuern bei Mindelheim in dem Distichon:
Aes sum sacratum, dum coeli fulgura pello,
Martern, Vulcanum, funer a, festa cano.
Bei den Protestanten mit lehrhafter Einleitung, 1722 zu Etzin im Havel-
lande :
Finem usumque campanarum sequentes comprehendunt verstis:
Laudo deum verum, cJerum voco, convoco plebem,
Errantes revoco, fleo funera, festa decoro.
Ad res divinas cunctis pia classica canto.
Zur Zeit des ästhetisierenden Rationalismus wurden dann Schillers: Nur
ewigen und ernsten Dingen sei mein metallner Mufid geweiht, oder: Zur
Eintracht, xu lierxinnigem Vereine versammle sie die liebende Gemeine, oft
als Glockeninschriften gewählt, bis man in der Zeit des neuerwachten kirch-
lichen Bewusstseins auf passende Bibelsprüche zurückging; z. B. Kommt;
Inschriften der Neuzeit. 129
es ist alles bereit, — Höret meifie Stimme. — Kommt vor den Herrn und
betet ihn an, — Land., Land, Land, höre des Herrn Wort. — Die drei
Glocken der 1846 — 1850 erbauten Petrikirche zu Berlin sind mit folgenden
Inschriften versehen: Auf der grossen steht: Bufet mit voller Stimme,
sammelt etich; auf der mittleren: Preiset mit mir den Herrn und lasset
uns einander seinen Namen erheben; auf der dritten: Höret, ihr Weisen^
meine Bede und ihr Verständigen merket auf mich. Ausser Bibelsprüchen
und Strophen geeigneter geistlichen Lieder sind kurze volkstümliche Sinn-
sprüche kirchlichen Charakters auch den besten, erst gemachten längeren
poetischen Inschriften entschieden vorzuziehen. Zur Auswahl dürften sich
empfehlen: Meine Zeit in Unruhe, meine Hoffnung in Gott (Wahlspruch
König Friedrich Wilhelms III.). — Ich und ynein Haus., wir wollen dem
Herrn dienen (Wahlspruch Friedrich Wilhelms IV.). — Ach, bleib mit
deiner Gnade bei uns, Herr Jesu Christ, dass uns hinfort nicht scJiade des
' bösen Feindes List (Trostlied des zuletzt genannten Königs in seiner letz-
ten Krankheit).^ — Jesus, meine Zuversicht (vergl. oben S. 26). — Wa^s
Gott thut, dus ist woJügetJian (Lieblingslied Friedrich Wilhelms III.). —
Ich habe nun den Gfiind gefunden , der meinen Anker ewig hält (Lieb-
lingslied der Prinzessin Wilhelm von Preussen, t 1846). — Wachet auf,
ruft uns die Stimme, der Wächter sehr hoch auf der Zinne, — Kommt
und lasst euch Jesum lehren. — Lobt Gott, ihr Christen alle gleich, in
seineyn höchsten Tliron u. a. m. — Die drei 1877 gegossenen Glocken der
Johanneskirche in Dresden haben die Inschriften: 1. Gottes Stimme bin
ich an die Kinder der Zeit, kommet her zu mir, es ist alles bereit. 2. Als
in der Mitte, trage ich Dank und Bitte aus der 3fenschen Chor zu Gott
empor. 3. Die kleinste im BundCj regiere ich mit hellem Munde die flüch-
tige Stunde. — Von den beiden, 1883 gegossenen neuen Glocken der Luisen-
kirche in Charlottenburg trägt die eine das Reliefporträt des Kaisers Wil-
helm und dessen Wahlspruch: Im Glauben ist die Liehe und die Hoffnung,
die andere grössere das Porträt der Königin Luise und deren Wahlspruch :
Wie der Herr gewollt, also ist es gescJiehen.
Ausser den vorstehend besprochenen auf die Bestimmung der Glocken
im allgemeinen bezüglichen, kommen auch solche Inschriften vor, welche
auf die besonderen teils kirchlichen, teils bürgerlichen Zwecke Bezug neh-
men, zu welcher einzelne Glocken speziell bestimmt waren, wie folgende Bei-
spiele darthun. Auf das Frühläuten, zu Hersum bei Hildesheim 1521:
* Für ein Geläute von 6 Glocken könnte man die 6 Verse dieses Liedes
wählen und auch die Glocken danach benennen, die Gnade, das Wort, der Glanz,
der Segen, der Schutz, die Treue {Gratia, Verbum, Clara, Benedicta, Tutor,
Fides).
Otte, Glockenkunde. 9
130 Verschiedene Inschriften.
Petronilla vocor, sonitu quoqtte suscito pigros, — Auf das Freitags-
läuten, zu Esens im Harlingerland 1482: Man sal mie alle fridage lüden,
dal schall uns de pashen bedüden, wente got up den frigdach leht den dodt.
— Auf das Grabläuten, zu Lipprechterode 1507: Cum tumulum sier-
nis, cur non mortalia spernis, tali namque domo, clauditur omnis homo. —
Die Sturmglocke, zu Strassburg 1643: Mein Sdiall thut kund der Städte
Nothy Herr Oott behüt für Mord und Todt; zu Pontoise: ünda, tmda, unda,
unda, unda, unda, unda, accurrüe dves. Zugleich mit Beziehung auf die
verschiedene Art des Anschlagens, zu Osnabrück auf der ehemaligen Brand-
glocke der Marienkirche 1613: Wan ich gehe an einen Bordt, so ist Auf-
ruhr, Brand oder Mordt ; aber auf Sandgiftes Tach ^ , so ist an beide
Bordt mein Schlag, — Die Bannglocke, auf St. Peter in Aachen 1261:
Horrida sunt stolidis, kUronibus ae Iwmiddis, Ad commwie bonum servio
dando sonum; zu Compi^gne 1303: Bancloque suis moi fist on faire au
tums FouJcart Harel le maire, ä vnon son la vUe s'ahune pour la nece^site
commune, — Die Bierglocke, auf der Marienkirche zu Greifs wald 1569:
De Wachterglocke bin ick genannt,
Allen fliehten broders toolbekannt,
Kroger, wen du hörst mienen luth.
So jach de geste tom huse uth.
Auf dem Bergglöckchen von St. Peter in Freiberg, aus dem Jahre 1756,
im Museum daselbst: Auf, auf! Zur Orube ruf ich euch, die ich oben
steh; so oft ihr in die Tiefe fahrt, so denkt in die Höh. — Die Arm-
sünderglocke, zu Verona: Supplicium portendo reis moneoque monen-
dos, Hana nmeram in sortem, ne mala fata trahant. — Die Uhrglocke,
auf dem Dom zu Halberstadt, 1470: Me fecit Hafis Blome, hie pendeo to
dem dorne, non campanari nee campana vodtari, sed debeo horas per me
discutere cunctas ; oder zu Pilsum bei Emden um 1470: Hinderk KlifigJie
het my geghaten, de ure is mit in my beslaten.
Auf einer Glocke der Stadtkirche zu Marburg ist man beflissen ge-
wesen, alle nur denkbaren Zwecke, denen dieselbe dient, in folgenden Rei-
men humoristisch zu spezialisieren:
So lang ich sitze, bin ich stumm,
Doch schwingt ich mich im Thurm herum
Und werf mein Zungen hin und her.
So ruf ich dich zu Gottes Ehr\
Zur Predigt, Orgel und Gesang.
Ben Dieb ruf ich zum Galgenstrang,
Den Wittwen bring' ich Traurigkeit,
* Handgiftentag, der Tag, an dem zu Weihnachten die Trinkgelder aus-
gezahlt wurden; Mithoff a. a. 0. 6, 126.
Inschriften geschichtlichen Inhalts. 131
Dem Brautpaar bring* ich frohe Zeit,
Auch des creirten Doktors B^hm
Verkünd' ich in der Stadt herum.
Zu Märkten, Schlachten und zu Brand
Ruf ich die ganze Stadt zu Hand.
Was ynan verliest hei meinem SchaM,
Ein jeder Bürger wissen soll. *
3. Geschichtliche Notizen, welche sich in ältester Zeit anf das
Datum, auf den Namen oder die Dedizierong der Glocke und etwa den
Namen des Donators beschränken. Die Glocke zn Siena (oben S. 88) ist
einfach mit der Jahreszahl 1159 in römischen Ziffern bezeichnet, die Glocke
zu Iggensbach (ebend. Fig. 4) enthält nur die Worte: Anno M . CXLIIII
ab incar, Dhi. fusa est campana. Auf einer Glocke zu Gilching in Ober-
bayem steht ausser den zauberkräftigen und vielleicht absichtlich verkehrt
geschriebenen Namen der vier Evangelisten rechtsläufig: Amoldus sacerdos
de Oiltekin me fundi fedt, und dieser Priester findet sich in Urkunden
von 1162 — 1194 erwähnt. Im 13. Jahrhundert wird die Datierung durch
Hinzufügung der Indiktion und des Monatstages nach dem römischen Ka-
lender zuweilen vervollständigt. Auf einer Glocke zu St. Burchardi in Würz-
burg steht auf der Mitte der Name Katerina und unten herum : Anno . Dni .
MiU . CG . XL , Villi . Indictione . septima . Das . Ovnradus abbcts me fieri jiis-
Ht. Auf der Glocke zu Helffca (oben S. 91) ist das Datum: Anno M.
CC . XXX. Uli. fundata sunt, wie später gewöhnlich, einem frommen Spruche
beigefügt. Die grosse Glocke des Domes zu Minden enthält die Jahreszahl
1270 in Hexameter eingekleidet und des Versmasses wegen in Distributiv-
zahlen ausgedrückt, was nur durch Rechnung entziffert werden kann:
Ecce sub hoc titulo tua dicor, sancta Maria,
Ora pro populo, dum sono, virgo pia.
Annis a Christo plenis creor ere sub isto
Bis decies denis miUenis septuagenis.
Diese in poetischen Inschriften des Mittelalters sehr gewöhnliche Art der in
lateinische Verse gezwängten Jahreszahlen ist zwar auch auf Glocken von
1296 zu Seligenstadt und von 1313 (ehemals) in St. Pantaleon in Köln
nachgewiesen, ist aber später in Glockeninschriften nicht gebräuchlich. —
Datierte Glocken aus dem 13. Jahrhundert haben sich in Deutschland ver-
hältnismässig zahlreich erhalten^, dagegen scheinen die meisten der
dem 14. Jahrhundert entstammenden Glocken der später fast immer, und seit
dem 16. Jahrhundert stets hinzugefügten Datierung zu entbehren. Wenn,
was im Spätmittelalter höchst selten der Fall war und in neuerer Zeit gewöhn-
* Vergl. Daheim 1883. Beilage zu Nr. 27.
^ Vergl. die Übersicht derselben in Abschnitt VII.
132 Inschriften geschichtlicboi Inhalts.
lieh unterblieb, der Jahreszahl auch der Monatstag des Gusses hinzugefugt ist,
so geschah die Bestimmung desselben nach dem Ealenderheiligen des Tages.
— Geschrieben wurden die Jahreszahlen im Mittelalter stets mit römischen
Ziffern, doch bediente man sich während der das ganze 15. Jahrhundert
beherrschenden Minnskelschrift dazu selten der sonst gewöhnlichen grossen
Zahlbuchstaben, sondern regelmässig der kleinen eckigen Minuskeln. Aus-
nahmsweise kommen zwar im 15. Jahrhundert auch arabische (indische)
Ziffern vor, aber in Formen, die mehr oder weniger von den modernen
abweichen.^ — Im 17. und 18. Jahrhundert wurde die Jahreszahl nach der
damals auf Denkmälern jeder Art allgemein beliebten Sitte sehr häufig in
der Form eines Chronostichons ausgedrückt, während es ungewiss bleibt,
ob dies schon im Mittelalter zuweilen der Fall war, oder ob man erst da-
mals gewisse mittelalterliche Glockeninschriften nur chronostichisch gedeutet
hat, z. B. die Inschrift reX gLorle Venl CVM paCe auf das Jahr 1272,
oder den Spruch ConsoLor VIVa, fLeo MortVa, peLLo noCIYa auf das
Jahr 1422.
Den Taufnamen der Glocken verkünden die Inschriften des Mittel-
alters, wie überhaupt die der katholischen Kirche seit den ältesten Zeiten
sehr häufig, nehmen aber sehr selten auf den Aktus der Weihe Bezug. Zu
Clzen stand auf einer Glocke von 1511:
Nomine Caecüiae sum sacro crismaie tincta
Daemonis iimdias averto et ftdminis aestum.
Im 16. Jahrhundert erscheint in Niederdeutschland die Formel beliebt:
Sand JV. es myne name, my ghelute sy gode bequame.
Die Namen der Stifter oder derjenigen Personen, unter deren
Auspizien die Glocken gegossen wurden, finden sich in einfacher anspruchs-
loser Weise hin und wieder zwar schon ftUhzeitig erwähnt (z. B. in Gilching
bereits im 12., zu St. Burchardi in Würzburg im 13. Jahrhundert; s. oben
S. 131), aber erst seit etwa der Mitte des 16. Jahrhunderts wird die
trockene Aufzählung aller irgend beteiligten Personen, der Kirchenpatrone,
Geistlichen, Kirchväter und Gemeindevorsteher mit ihren resp. Titeln zur
Regel, wozu bei den Katholiken, namentlich in Frankreich, noch die rüh-
mende Erwähnung der Glockentaufpaten zu kommen pflegt. Auch der Lei-
stungen dieser Personen wird zuweilen besonders gedacht, wie z. B. 1564
auf einer Glocke des Neustadt. Rathauses zu Brandenburg ausser dem Namen
des damaligen Bürgermeisters steht: Die Birger Iiaben avch viel xu dieser
klocken gegeben oder^ 1608 (ehemals) zu Kerstlingerode bei Göttingen: Zu
der Ehre Jesu Christi hat die Edle und Viel-Tugendsahme Frau Maria von
^ Vergl. Otte, Handb. der Kunstarchäol. 5. Aufl. 1, 409.
Inscbriften geschichtlichen Inhalts. 1^3
Kerstlingeroda Witwe XXIV TJialer Qefen, Bis zur Blasphemie gesteigert
erscheint die Speichelleckerei auf dem Brummer zu N. D. von Paris von 1685:
J'ai Louis pour parrein, Therese pour marreine,
Le plus grand rai du monde et la plus grande reine.
L\in remporte le prix sur cent heros divers;
L'autre par ses vertus a surpasse les anges.
Que ne puis -je egaler le bruit de leurs huanges,
Je me ferais entendre au hout de Vunivers. ^
Angaben über das Gewicht des verwendeten Metalls kommen zwar
vereinzelt schon frühzeitig vor, z. B. in Helfta 1234: Ex tot cinctnariis
sum XVIII, in St. Florian bei Linz 1318: Suh Hamrico praeposito de
XXVI centenarii^ facta sum, und 1319: Fit Jioc opics ex X, c, sind später
aber fast nur auf französischen Glocken nachgewiesen, z. B. auf der „Marie
la grousse" vom Jahre 1401 in N. D. zu Etampes, wo das Gewicht von 4000
Pfund am Schlüsse der nur historische Notizen enthaltenden Inschrift in
folgender Weise angegeben ist: *" poise,
Koch seltener ist die Beziehung auf die musikalischen Eigen-
schaften der Glocken. Als Unikum gilt die Inschrift, welche auf einer
bei einem Brande 1717 geschmolzenen Glocke des Erfurter Domes stand:
Arte Campensis canimus Gerhardi
Tres deo trino, en ego sol, gloriosa uty
Mi sed Osanna, plenum sit diapente,
womit gesagt ist, dass von den 1497 von Gerhard von Kampen gegossenen
drei Erfurter Glocken (oben S. 113) die Gloriosa den Grundton Ut, die
Osanna die Terz Mi und die dritte die Quinte Sol angiebt, sie also mitein-
ander ein harmonisches Geläute bildeten. — Einige Glockengiesser der Neu-
zeit pflegen auf den von ihnen verfertigten Glocken den Ton derselben ohne
weitere Erklärung der Bedeutung durch einen aufgegosseneu Buchstaben zu
bezeichnen, wie z. B. auf den drei Glocken zu Haardorf (Kreis Weissenfeis),
welche 1847 von J. H. Ulrich in Laucha gegossen sind, die Buchstaben
G, H und D stehen.
Der später, besonders auf Dorf kirchenglocken mit Vorliebe erwähnte
Bestimmungsort wird zu Esens ausnahmsweise schon im 15. Jahrhundert
genannt: Dat karspel to Esense heft mi taten gheten 1483; zu Markolden-
dorf bei Einbeck 1557: Sanctus Martinus hin ich genannt, Den von Mar-
kolendorf wohl bekannt, Dess müssen sie oft und viel geniessen, Daru/m
sie mich auch Hessen giessen; in Verbindung mit einem Wortspiel zu Schafau
^ Nach Blavignac a. a. 0. S. 220 soll diese Inschrift, die nach Anderen
wirklich auf der Glocke gestanden hat, zwar beabsichtigt, aber nicht ausgeführt
worden sein.
134 Inschrifteu geschichtlichen Inhalts.
(Kreis Eckartsberga) 1772: Wenn Schafau du den Klang wirst spüren,
WiU Jesus auf die Au dich fuhren.
Zuweilen erzählen die Inschriften die früheren Schicksale der be-
treffenden Glockea, ?ne oft sie umgegossen worden sind u. s. w. Das wohl
älteste Beispiel dieser Art gab eine Glocke von 1313 in St. Pantaleon zu Köki:
Me veterem fidus renovat Äbbcu Godefridtis,
Fudit Suardus, mea vox dtUcis quasi nardus.
Annis mülenis ter C. tres cuidite denis.
Quater sum nata, quater Christina vocata.
Sehr ausführlich und durch andere ortsgeschichtliche Notizen bereichert
lautet der Bericht auf der grossen Glocke' zu Schmiedeberg bei Wittenberg:
Anno 1441 ward ich zuerst gebracht in Stande — Anno 1637 der Schwede
diese Stadt abbrandte — Doch uninderlich erhielt mich Oott — In der so
grossen Feuersnoth. — Anno 1656 Churßirst Johann Georg des J. Todes
Fall — Benahm im Trauern mir den ScfuUl — Aber durch Gottes Guitt
Ufui Gnad — Anno 1661 Billig mich umgössen hat — Doch da ich drauf
bedauern wollt — Den Tod des Kaeysers Leopold a. 1703 — Verlor ich
ein Gross Stück Medaü — Und büsste ein den vorigen Hall — Bis jetzt
durch Gottes grosse Gnad — Mich Weinholdt neu gefertigt hat. Sic me
fieri senatus loci fedt — 1753. -- Ausser ortsgeschichtiichen werden zu-
weilen auch merkwürdige Begebenheiten aus der allgemeinen Landes-
geschichte erwähnt, z. B. auf einer Glocke zu Dourdan (Seine und Oise):
Au venir des Bourbons, au finir des Valois Grande comJbustion etiflamma
les Fraficoys etc. Auf einer Glocke zu N. D. in Chartres von 1520 unter
anderem : Bio quippe anno quo Francus convenit Anglum, perpetuaque simul
diseuhuere fide. Zu Krakow in Mecklenburg: Begvn gos mich anno 1717,
in welchem jähr die evangelische Kirche ihr zweites Jubiläum gottlob ge-
feiert hat.
Die Namen der Glockengiesser, in die Inschriften verflochten
oder denselben am Schlüsse hinzugefügt, finden sich anfangs sehr selten,
werden erst im Laufe des 15. Jahrhunderts, wo sich überhaupt das Subjek-
tive in den Inschriften breit zu machen anföngt, häufiger und seit dem
16. Jahrhundert allgemein. Aus Inschriften des 13. Jahrhunderts, in denen
es dann einfach heisst: Nn. fedt, fudit me, oder a Nn. facta, fusa sum,
sind nur wenige Meister bekannt.^ Im 14. Jahrhundert begegnen wir in
der Inschrift auf einer nicht mehr vorhandenen Glocke zu Göttingen einem
sächsischen Meister von ausgesprochenem Selbstgefühl: Ich bin Maria ghe-
^ Vergl. in dem GlockengiesserverzeichnisBe die Namen: Albraht, Amiens,
Cöln, Conradus, Croisilles, Embo, Gofridus, Guidottus, Hein, Heinricus, Jacobus,
Johann und Gerhard von Lüttich, Tidericus.
Verzieriu|gen der Glocken. 135
nant^ mich ghous ain meister ux Sascenlant, Magister Harvties von Halver-
stat. Anno Dni MCCCXLVIII in die Syrnonis et Jude, Der mich unde
manich ghvit stucce werces ghemachet haii gliot ghebe siner sele rait (d. i.
Hohe). Im 15. Jahrhuudert kleiden die Giesser ihren Namen mehrfach in
den Beim: Nn. mi gJiaien Iiat, got geve siner seien rat^ oder N. (der Name
der Glocke) heisen ich^ Nn. (der Name des Meisters) gaus mich; im 16.
Jahrhundert bei Evangelischen: Gottes Wort bleibt ewig, Nn. goss midi,
oder: Nn. goss mich^ zu Gottes Ehr und Dienste gehör ich, oder: Durclis
Feuer bin ich geflossen, Nn. hat 7nich gegossen. Die Meister des 17. Jahr-
hunderts sagten gern : Durch Gottes Gnad (oder Mit Gottes Hilf und Gnad)
bin ich geflossen, Nn. hat mich gegossen. Zu Eaisheim bei Donauwörth
heisst es 1606: Zu Gottes Lob und Ehr braucht man mich so rundt, Va-
lentin Algeier in Ulm goss mich zu guter stmidt, und zu Yolpriehausen
bei üslar 1619: Got der schouf mich, und David Fobben gos 7nich, —
Zu Beelitz in der Mark folgender Scherzreim von 1733: David Billig, goss
mich miliig, Belitz ist mein Vaterland. Fragt man, wo der Meister her,
damals wohfU in Potsdam er, — Zuweilen setzten auch die Meister statt
ihres Namens einen Wahrspruch, etwa ihren oder des Stifters Hausspruch
auf die Glocken, wie zu Schmoditten bei Pr.-£ylau 1544, wo dem Gebete:
Hilf got maria maria berot als was wir begennen das ein gvt ened gevine
der Beim hinzugefügt ist: TVau hit vriefit, veint vnd gunst, gelt velt vnd
honst, oder zu Hegermühle in der Mark 1722, wo der selbstbewusste Mei-
ster sich selbst lobt: Trotz der Neider Streit und Possen, Mein Klang
rühmt den, der mich gegossen.
Als allgemein übliche, seit den ältesten Zeiten gebräuchliche Ver-
zierung der Glocken sind ausser den Inschriften, die ja auch meist oma-
mentalen Charakter habend die rings umlaufenden Schnüre und Stäbe
zu betrachten, welche über dem Schlage und um den Hals regelmässig an-
gebracht sind (oben S. 110). Wenn dieselben über wirklichen Schnüren
geformt sind, wie dies in früheren Jahrhunderten die Praxis war, oder doch
solche Schnüre nachahmen, so erscheinen sie rundlich im Profil und etwas
^ Es scheinen im Spätmittelalter MinuskeliDSchriften vorzukommen, die, weil
sie aus willkürlich aneinander gereihten Buchstaben bestehen, wenn es nicht doch
etwa Zauberformeln oder Kryptogramme sein sollten, lediglich nur als Dekoration
angebracht sein können. Es sollen selbst die Buchstaben des Abc in alphabeti-
scher Beihenfolge vorkommen. Auf einer Glocke zu Girlachsdorf in Schlesien von
1476 stehen die Buchstaben:
+ svfsvxrh + nfkxotvagtfbvxosxtgtstvrozrirohsfrbi,
und auf einer Glocke zu Kreblitz bei Luckau 28 Mal die Minuskel s in einer in
iinregelmässlgen Abständen von einzelnen Majuskeln unterbrochenen Reihe.
136 Verzierungen der» Glocken.
geriefelt; wenn dagegen diese Gliederongen nach dem späteren Verfahren
durch Einschnitte in die Rippe modelliert sind, hängt die Profilierung ledig-
lich vom Geschmacke des Qlockengiessers ah. Seit dem 15. Jahrhundert
erscheinen diese Gliederungen von einfachen Laubfriesen, Lilien- und Ro-
settenreihen u. s. w. en relief begleitet, die sich dann in der Renaissance-
Periode oft zu grossem und geschmackvollem Reichtum entwickelten^; ein-
zelne Giesser dieser Spätzeit verwandten auch wohl Büschel natürlicher Blät-
ter, vrie Lorbeer, Salbei u. s. w., die auf das Hemd der Glocke geklebt
wurden, sich im Mantel abdrückten und beim Ausbrennen des letzteren ver-
kohlten. Bildliche Darstellungen, die, wenn sie überhaupt beliebt
wurden, anfangs nur, wie zu Lühnde (Fig. 11), aus einzelnen kontourierten
Brustbildern bestanden, wurden bis ins 15. Jahrhundert in den Formmantel
graviert (s. oben S. 116), oder als Reliefs nach Modellen aufgegossen. Nur
wenn es sich um bedeutende Arbeiten handelte, wurden diese Modelle zu
dem vorliegenden Zwecke von Formschneidern neu angefertigt, sonst aber
gewöhnlich aus den Vorräten entnommen, die sich die Glockengiesser von
Goldschmieden und Gürtlern zu beschaffen pflegten.^ Es sind meist kleine
Rundbildchen mit den Evangelistenzeichen, der Kreuzigungsgruppe u. s. w.,
oder Heiligenfigürchen in viereckiger Umrahmung. Auf einer kleinen in-
schriftlosen Glocke der Eatharinenkirche zu Brandenburg sind Abgüsse von
zwei Rundbildern, einem grösseren mit* der thronenden Maria und einem
kleineren mit der Passionsgruppe, unregelmässig abwechselnd, nicht nur rings
um den Hals und um den Kranz angebracht, sondern auch in vier senk-
rechten Reihen symmetrisch über die ganze Gestalt verteilt Sehr frühzeitig
(schon zu Helfta 1234) kommen besonders als Teilungszeichen zwischen den
Wörtern der Inschriften Abgüsse von Münzen^ undMedaillen vor, und
^ Zu Bensheim befindet sich eine Glocke von nicht ungewöhnlicher Form
mit der Inschrift: Anno Dni. M. CCC. LX. IX. facta sum mense Marcii, die
zwar getreu in der damals herrschenden Majuskel gebildet, aber von einem Friese
im Barock-Geschmack begleitet erscheint, was zu der Annahme nötigt, dieselbe
für einen im 17. Jahrhundert erfolgten Umguss einer älteren Glocke zu erklären,
bei welchem die alte Inschrift und die figürlichen Reliefs nach Abformung der
ursprünglichen wieder Verwendung fanden, der Ornamentfries aber neu hinzuge-
fügt wurde. Vergl. die Abbildung in Nr. 12 des Correspondenzbl. des Gesamt-
vereins u. s. w. 1883.
' Eine Glocke der Katharinenkirche zu Brandenburg von 1345 z. B. ist mit
neutestamentlichen Rundbildern geschmückt, die mit den am Fusse eines Kelches
im Dom zu Stendal befindlichen Medaillons übereinstimmen, also nach denselben
Modelleu gebildet sind.
^ Auf einer Glocke zu Aussee von 1445 finden sich 43 Münzabgüsse, wirk-
liche Münzen als Trennungszeichen auf einer von Heinrich von Campen 1514 ge-
gossenen Glocke zu Mölln. Auf der Wandung einer Glocke zu luden bei Jülich
Verzierungen der Glocken. 137
diese Gewohnheit pflanzte sich bis ins 18. Jahrhundert fort. Dem Mittel-
alter eigen war auch der ebenfalls sehr früh und mehrfach nachzuweisende
Gebrauch, die Siegel der kirchlichen Würdenträger, welche die Glocke
anfertigen Hessen, auf derselben abzugiessen, wodurch es zuweilen möglich
wird, das Alter nicht datierter Glocken festzustellen. So befindet sich z. B.
auf der sogenannten Hasenglocke zu Halna das Siegel des Erzbischofs Sieg-
fried von Mainz (f 1225) und auf der Benedikta des Domes zu Merseburg
das Siegel des dortigen Bischofs Heinrich von Amendorf (t 1300) nach
Wachsabdrücken der betreffenden Siegelstempel, die auf das Hemd der Form
geklebt worden waren. Sein eigenes, eine Glocke vorstellendes und mit
seinem Namen bezeichnetes Siegel brachte der Giesser zweimal an auf einer
Glocke zu Hönnepel bei Calcar, deren Majuskelinschrift lautet: Johannes
de Trajecto me fecit Anderweitig scheinen aber auch Siegel, ähnlich wie
die Münzen, zuweilen lediglich als Zierat Verwendung gefunden zu haben,
z. B. auf einer Glocke des Dorfes Alt-Golssen in der Niederlausitz mit der
Minuskelinschrift o rex glorie eic, die anscheinend älteren mit Majuskel-
legenden versehenen Siegel einer Gräfin Elisabeth deWelepa, geborenen Gräfin
von Brehna (welche Geschlechter schon um 1290 ausgestorben sein sollen)
und der 14 Innungsmeister (de quatuordedm uniwiibtis) der Stadt Magde-
burg. — Wappen der betreffenden Kirchenpatrone u. s. w. sind auf Glocken
seit dem 14. Jahrhundert nachgewiesen, z. B. zu Veerssen bei Ülzen von
1332, zu Netzelkow auf Usedom u. s. w.
Was den Inhalt der bildlichen Darstellungen, deren Kunstwert sehr
verschieden und häufig nur sehr gering ist, anbetrifft, so findet sich im
Mittelalter die Kreuzigung Christi mit Maria und Johannes zu den Seiten
am häufigsten; auch das Brustbild Christi zwischen A und ..Q, sowie das
Veronikatuch, das Gotteslamm und die Jungfrau mit dem Kinde kommen
schon frühzeitig vor; sodann die Titelheiligen der betreffenden Kirchen, die
Schutzheiligen der Donatoren u. s. w., doch stets wohl nur einzelne Figuren,
sehr selten zusammenhängende Darstellungen. Wenn, was bis ins 16. Jahr-
hundert häufig geschah, blosse Umrisse in den Mantel eingeritzt wurden,
kam es wohl vor, dass man die Figuren nicht von der Gegenseite zeichnete,
weshalb im Abgüsse das Bild verkehrt erscheint und z. B. Ritter das Schwert
an der rechten Seite tragen und in der linken Hand die Lanze führen,
Geistliche mit der linken Hand segnen u. s. w. — Die Öhre der Krone,
die im Mittelalter entweder schlicht gelassen, oder höchstens seilartig ge-
von 1418 sind goldene und silberne Münzen eingegossen, vermutlich Geschenke
der erwählten Taufpaten ; dagegen sollten die echten römischen Münzen der Kaiser
Nero und Hadrian, die einer Glocke in St. Stephan zu Mainz aus dem 16. Jahr-
hundert eingegossen sind, derselben wohl nur zur Zierde dienen.
138 ^&s Aufhängen der Glocken.
wanden gebildet worden, benatzt man in der Neazeit gern als stattliches
Schaasttlck, indem man die Stirnseite derselben als Engelsköpfe oder Engel-
Statuetten ausgestaltet hat. — Überhaupt hielten sich die alten Meister hin-
sichtlich des Schmuckwerkes der Glocken in bescheidenen Grenzen, während
sich die späteren oft der Überladung mit sich breit machendem Wappen-
werk, neuerdings auch, besonders in Frankreich und Belgien, mit stark er-
habenen eingehäusten Heiligenfiguren schuldig machten, ohne zu berück-
sichtigen, dass dergleichen Hochreliefs nachteilig auf den harmonischen Klang
wirken müssen. In Deutschland befleissigen sich die besten Meister der
Gegenwart geschmackvoller Einfachheit nach den edelsten alten Vorbildern.
Das kunstschöne Äussere einer Glocke ist gewiss nicht zu verachten und
gereicht dem geschickten Meister zu ehrenvoller Empfehlung, ist aber immer
nur nebensächlich. Die Glocke im hohen, oft auch dunkeln Turme auf-
gehängt, wird nur von wenigen gesehen, von allen aber gehört, und darum
bleibt, wie bei jedem Musikinstrument, die Hauptsache die Erzeugung eines
guten Klanges.
VI. Vom Aufhängen, Läuten, Behandeln und Reparieren der
Glocken.
Das Aufwinden kleinerer Glocken an ihren Bestimmungsort ist zwar
ein einfaches und leichtes Geschäft, desto schwieriger aber verhält es sich
bei grossen, und namentlich bei sehr grossen Glocken. Im Mittelalter pflegte
man dergleichen Glocken oft erst Jahre lang in einem auf dem Kirchhofe
errichteten Gestell zu erproben ^ , um nicht die gefährliche und kostspielige
Aufwindung auf den Turm vergeblich unternommen zu haben. Die erste
lediglich nach lokalen Umständen zu entscheidende Hauptfrage ist, ob die
Glocke von innen oder von aussen am besten auf den Turm gebracht wer-
den kann; das Aufwinden selbst geschieht in der Regel mit Flaschenzügen.^
^ (Schreiber) Denkm. deutscher Baukunst am Oberrhein 1,29 und 36.
' Die ehemalige 1437 oder 1438 gegossene grosse* Glocke des Domes von
Köln wurde erst im Jahre 1444 auf den steinernen Turm gebracht; sie wog 250
Centner und war schwerer als 15 Fuder Wein. Das Aufwinden dauerte drei Tage
und geschah mit grossen Kabeln und Seilen. Dazu hatte man alle die Krahne
und Pleideu und Winden, die in dem Dom waren ; dennoch musste man der Stadt
Köln Gezaue auch dazu leihen. Das Aufhängen kostete 50 Gulden. — Von dieser
Glocke brachen schon im ersten Jahre während des Läutens zwei Öhre ab. (Vergl,
Kölner Dombl. 1851, Nr. 74,) — Um die grosse Glocke zu Ifferten 1646 auf defi
Der Glockenhelm. 139
Wenn die Glocke auf den Turm gebracht ist, wird sie an dem Helm
(Wolf, Joch, Schwingungswelle) befestigt. Der Helm ist ein Stttck trockenes
Eichenholz, länger als der grösste Durchmesser der Glocke, und nicht ganz
so breit als der Durchmesser der Krone; oben hat er noch in der Mitte
einen Aufsatz oder Kopf, durch des§en Wucht die ßewegung der Glocke
erleichtert wird. Die Enden des Helms sind cylindiisch und mit einem
eisernen Hinge versehen, aus welchem unterhalb zwei gleichfalls cylindrische,
glatte eiserne Zapfen einen Schlag lang hervorsehen, die mit einer vier-
seitigen Verlängerung in einen Falz an der Unterseite des Helms einge-
schoben, von oben verschraubt und mit zwei Ringen an jedem Ende des
Helms befestigt werden. An der unteren Fläche des Helms ist in der Mitte
eine Vertiefung ausgemeisselt, in welche die Krone der Glocke so weit ein-
gepasst werden kann, dass der wagerechte Oberteil der Krone nicht völlig
vom Holze bedeckt ist. Das Hangeisen wird durch Glocke und Helm ge-
steckt und oben verschraubt, und die Glocke selbst durch eiserne Beschläge
folgendermassen mit dem Helme verbunden : 1) Ein gabelförmiges Eisen wird
durch das Öhr des Mittelbogens gesteckt und geht durch zwei senkrechte
Löcher bis oben über den Helm, wo es mit Muttern verschraubt wird.
2) Durch jedes Paar Öhre steckt man einen Biegel, senkrecht darüber oben
auf den Helm legt man einen Überwurf. Zwischen den Riegelköpfen wer-
den zwei Schienen um den Helm gelegt und oben scharf verschraubt.
Nachdem die Glocke mit dem Helme verbunden ist, kann dieselbe in
ihr Zapfenlager gebracht werden, welches aus zwei metallenen, am besten
messingenen, gegossenen Pfannen besteht^ in welche die eisernen Zapfen des
Wolfs zu liegen kommen und zur Verminderung der Reibung mit Knochenöl
geschmiert werden. Die Pfannen sind in den Oberschwellen des Glocken-
stuhles eingelassen, und es kommt wesentlich darauf an, dass die lotrecht
am Helme hängende Glocke genau wagerecht in den Pfannen liegt. Der
Glockenstuhl ist ein aus trockenem und festem Holz konstruiertes Gestell,
das niemals mit den Turmmauern unmittelbar im Verbände stehen darf und
für eine Glocke gewöhnlich aus zwei langen und zwei Querschwellen be-
Turm zu winden, brauchte man nach dem Ratsregister f, setze puissants homtnes**.
— In Dresden gestaltete sich 1878 nach der am Fasse des Turmes der Johannes-
kirche durch Gesang und Rede vollzogenen kirchlichen Weihe der drei neuen in
feierlichem Zuge aus dem Giesshause herangeführten Glocken das Aufwinden der-
selben zu einem Volksfeste : An einem weit in die Strasse hineinreichenden Seile
zogen eine Anzahl Pferde und viele freiwillige Helfer aus dem Publikum, Männer
und Knaben, die 64 Centner schweren Glocken, eine nach der andern, in die
Höhe. Vergl. über die ganze, glücklich und würdig verlaufene Feier den ausführ-
lichen Bericht in den Dresdner Nachrichten vom 29. März 1878.
140 I^^r Glockenstuhl.
steht, welche letztere uach der Zahl der zu einem Geläute gehörigen Glocken
immer um eine vermehrt werden; auch erhält er Stiele und Streben, auf
welche die Kahme eingelassen sind, und die so weit voneinander abstehen,
dass zwischen denselben die Glocken hängen können. Für ein schweres
Geläute im engen Baume ist die sichere Konstruktion des Glockenstuhles
keine leichte Aufgabe und gilt für ein Meisterstück der Zimmerkunst.^ Sämt-
liche Glocken eines Geläutes müssen möglichst tief im Glockenstuhle hängen,
die schwerste Glocke in der Mitte, und alle müssen sich in derselben Eich-
tung bewegen. Die Erschütterung des Gebäudes beim Läuten ist immer
eine sehr beträchtliche und bringt zuweilen fast rätselhafte Erscheinungen
hervor. 2 Das Läuten sehr grosser Glocken wirkt gewöhnlich so nachteilig,
dass der Gebrauch derselben im Laufe der Zeit gefährlich und unmöglich
wird. ^
Der grosse Brummer auf dem südlichen Turme von Notre-Dame in
Paris hatte durch seine gewaltigen Schwingungen den alten Turm so er-
schüttert, dass vor etwa 40 Jahren ein Neubau unumgänglich geworden war.
In demselben wurde die Glocke im Jahre 1851 mittels eiserner Stangen
an einem Helme aus mächtigen Bohlen von Eichenkernholz, die durch eiserne
Bolzen verbunden sind, befestigt. Derselbe bewegt sich in eisernen Lagern,
die auf einem sehr starken Unterbau aus Eichenholz ruhen, welcher sich
auf das Balkenwerk des Turmes stützt, jedoch so, dass die Standfestigkeit
der Mauern nicht angegriffen werden kann. Die von Viollet-le-Duc an-
gegebene Konstruktion nach mittelalterlicher Methode Hess nach fünf Jahren
nicht die geringste Veränderung an dem ganzen Systeme wahrnehmen, wie
er wenigstens a. a. 0. S. 190 versichert, wo die Konstruktion beschrieben
und durch Zeichnungen erläutert ist. — In Deutschland ist zu Freiburg i. B.
der alte, jetzt 13 (meist 1842 umgegossene) Glocken tragende, der Zeit des
Turmbaues angehörige, ja mit ihm konstruktiv eng verwachsene, aus Föhren-
holz von seltener Stärke errichtete Glockenstuhl aus der Zeit um 1273 noch
^ Vergl. den durch zahlreiche Abbildungen erläuterten Artikel „Beffrois de
charpente'^ bei Viollet-le-Duc, Dictionnaire de rarchitecture 2,186 — 193.
^ Zu Anfang des 18. Jahrhunderts erregte es die allgemeinste Aufmerksam-
keit und verursachte allerlei Erklärungsversuche, dass beim Läuten einer be-
stimmten Glocke des aus 12 Glocken bestehenden Geläutes der Nikasiuskirche zu
Reims sich die schwingende Bewegung einem Pfeiler im Schiffe der Kirche mit-
teilte, der 18 Fuss vom Turme entfernt und beinahe 40 Fuss tiefer war, als die
Glocke. — Vergl. (Pluche) Schauplatz der Natur. 7,328.
® Im Jahre 1810 fiel der Glockenturm der Nikolaikirche in Liverpool bei dem
Läuten auf das Kirchdach, während die Gemeinde zum Gottesdienst versammelt
war, wobei 23 Menschen erschlagen wurden.
OrandrlM AB
142 Der Klöppel.
heute in tadelloser Erhaltung vorhanden.^ Es ist ein stattlicher, durch
Balkenlagen in 4 kleinere Etagen geteilter, tnrmartiger Holzbau, der, wie
Adler a. a. 0. unwiderleglich dargethan hat, sogar älter ist als die Turm-
wände selbst, und war nicht bloss zum Zwecke der Griockenaufhängung er-
richtet worden, sondern auch zur rascheren Förderung des Baubetriebes,
um Material, auch die Glocken selbst, im Innern aufzuzieheu, wozu in der
zweiten Etage (wenn auch nicht mehr in ursprünglicher Konstruktion) ein
grosses Tretrad als Aufzugsmaschine noch erhalten geblieben ist — In
neuerer Zeit hat man angefangen die Glockenstühle statt aus Holz ans Eisen
zu verfertigen, wozu nur in zu engen Türmen eine Notwendigkeit vorliegt,
während dabei allerlei nicht zu übersehende Bedenken obwalten ^; jedenfalls
ist erst durch längere Erfahrungen festzustellen, ob sich diese Neuerung
bewähren wird. Da Eisen weniger Elastizität besitzt als Holz, werden die
Glocken in eisernen Glockenstühlen minder weich klingen, als
Flg. 18. jj^ hölzernen. Da grössere Etablissements der Jetztzeit ausser den
(^ Glocken selbst auch die eisernen Glockenstühle zu denselben He-
I fern, so wächst ihnen durch die Empfehlung derselben ein Gewinn
bringendes Geschäft mehr zu.
Um die aufgehängte Glocke zum Läuten vorzurichten, muss
nun der Klöppel (auch Knöppel, Klächel, Glächel oder Schwengel
genannt) in das Hangeisen gehängt werden. Dies geschieht mittels
eines steifen aus mehreren Lagen Rindleder gefertigten Riemens,
welcher durch das Hangeisen und das Öhr des Klöppels geschlungen
und an den Enden zugeschnallt wird. Am zweckmässigsten ist der
Glockenriem mit einer Stellschraube zu versehen, durch welche
es möglich ist, den Klöppel, der weder schleudern, noch quirlen
darf, genau so aufzuhängen, dass der Ballen desselben gerade gegen
den Schlag der Glocke treffen muss. Der Klöppel selbst 'wird aus
weichem Eisen geschmiedet, und es kommt für ein gutes Läuten
und für die Dauerhaftigkeit der Glocke sehr viel darauf an, dass derselbe
* Vergl. Adler, F., in der Deutschen Bauzeitung 1881, Nr. 91, S. 505 und
Fig. 14—17, die wir auf S. 141 in unserer Fig. 17 wiedergeben. Die Hanptbalken
dieses in der Zeitschr. des Breisgau- Vereins (Schau ins Land) X, zu S. 3—9 von
Oskar Geiges in grösserem Massstabe gezeichneten Glockenstuhles haben 0,41 :
0,52, die Eckstiele 0,50:0,51, die Grundschwellen 0,53:0,68 Stärke. Besonders
interessant ist die von Geiges a. a. 0. S. 3 gegebene Abbildung der vorhandenen
ältesten Glocke vom Jahre 1258 mit ihrer ganzen Montage nebst Detail des Klöppels.
' Diese Bedenken sind von Boeckeler, Beitr. u. s. w. S. 130 f zusanmien-
gestellt; derselbe hat auf Taf XXIII— XXV gute Entwürfe zu Glockenstühlen aus
Zimmerwerk mitgeteilt
Vorrichtungen zum Läuten. 143
nach Mass, Gestalt und Gewicht in einem richtigen Verhältnisse zur Glocke
steht. Die Gestalt ist ans der beigefügten Abbildung (Fig. 18) ersichtlich.
Das Gewicht regelt sich nach der Schwere der Glocke, und zwar soll man
nach Hahn (Campanologie , S. 131) auf jede 100 Pfund der .Glocke 272
Pfund Eisen rechnen und diesem Gewichte noch 5 Pfund hinzufügen, bei
welchem Verfahren indes für kleine Glocken unter 100 Pfund der Klöppel
zu schwer werden würde. Nach Blavignac (la cloche, p. 249) sollen für
die ersten 1000 Pfund einer Glocke 5 Prozent, für 2000 Pfund A^j^ Prozent
uud für jedes 1000 Pfund mehr Y2 Prozent Eisen weniger genommen wer-
den.^ Der bimförmige Ball des Klöppels, dessen Durchmesser zu dem Schlag-
ringe der Glocke in dem Verhältnisse von 5:3 angenommen wird, muss
durchaus glatt sein; der untere Stumpf dient zur Umschlingung eines Seils,
wenn die Glocke bloss angeschlagen werden soll ; bei grösseren Glocken auch
zum Festhalten des Klöppels zu Anfang und zu Ende des Läutens.
Um die Glocke läuten zu können, genügt bei kleineren, die von einem
Menschen geschwungen werden, ein hölzerner Schwengel, welcher auf der
rechten Seite der Glocke an dem Helm unterwärts zwischen der Krone und
dem Zapfen befestigt wird, und an den man den Glocken sträng bindet.
Ist die Glocke für einen Mann zu schwer, so kann auf der andern Seite
des Wolfs ein zweiter Schwengel angebracht werden, ebenfalls rechts von
der Glocke, also übereck mit dem ersteren. Noch schwerere Glocken wer-
den durch Treten in Bewegung gesetzt, zu welchem Ende rechts von der
Glocke eine 2 — 3 Fuss lange Bohle (der Tretschemel) an der Unter-
seite des Helms dicht an den Zapfen befestigt wird. Der Läuter steht mit
dem linken Fusse auf einer oberhalb der Glocke angebrachten Stufe fest,
tritt mit dem rechten Fusse auf den Schemel und hält sich mit den Hän-
den an einer bequem angebrachten Querstange. Je nach der Masse der zu
bewegenden Glocke müssen noch mehrere (bis 4) Tretschemel zu beiden
Seiten des Helms angebracht werden. Die gewöhnliche Weise zum Schwin-
gen der grössten Glocken ist die, dass mau ein Schwungrad, dessen Radius
die Höhe der Glockenachse übertreffen muss, an einem Ende des Wolfs an-
bringt. Der Kranz dieses Rades hat zwei vertiefte Läufe für zwei in ent-
gegengesetzter Richtung um dasselbe geschlungene Seile, an welchen die
Glocke von einer hinreichenden Anzahl von Menschen gezogen wird. — Bei
der oben S. 140 erwähnten neuen Aufhängung der grossen Glocke von Notre-
' Tabellen über Gewicht und Mass des Klöppels im Verhältnisse zu dem
Gewichte der Glocken s. bei Biringoccio (a. a. 0. Fol. 99, wo das Gewicht zu
schwer angegeben ist), bei Hahn (a. a. 0. S. 132), bei Karmarsch (a. a. 0.
S. 88 u. 91) und bei Hartmann (a. a. 0. S. 130). — Die alte grosse Glocke
der Katharinenkirche zu Brandenburg hatte auf ca. 55 Gentner 297 Pfund Klöppel.
144 Mechanik des Läutens.
Dame in Paris im Jahre 1851 wurden nach Angabe des Gloökengiessers
Bandet aus le Maus auf beiden Seiten des Helms 8 eisrane Tretschemel
angebracht, die von ebensoviel Pnlsanten verhältnismässig mit Leichtigkeit
bedient werden, während früher 16 Mann an Seilen ziehen mussteu, um
die 320 Centner schwere Masse in Schwung zu bringen.^
Mechanik des Läutens. — Die Sitte die Glocken in vollen regel-
mässigen Schwung zu bringen, was unter „läuten" verstanden wird, ist keines-
wegs eine allgemeine, über alle christlichen Länder, wie in Deutschland und
Frankreich gleichmässig verbreitete. Viollet-le-Duc (a. a. 0. 3, 286)
meint, man müsse sich im frühen Mittelalter auch in Frankreich mit einem
blossen Bimmeln oder mit Beiem der Glocken („de les imttre en branle
de maniere d ce que le battant mnt frapper le hord inßrieur ou de lejf Unter
en attirant le battant svr le bord^^J begnügt haben, denn viele alte Glocken-
türme seien teils viel zu eng, um Glocken von nur mittler Grösse in den-
selben wirklich läuten zu können, teils sei ihre Bauart von der Art, dass
sie das Läuten (d. h. das Schwingen der Glocken im Halbkreise) wegen der
damit verbundenen Erschütterung nicht lange ausgehalten haben würden.
Sei dem nun wie ihm wolle, so ist doch soviel gewiss, dass der harmonische
Klang nur durch ein regelrechtes Läuten zur vollen Entwicklung kommt,
und dass gerade davon allein die gemütvolle Wirkung, ja der poetische
Zauber abhängig ist, den die Glocke erfahrungsmässig auf empfängliche
Seelen ausübt, wie dies Chateaubriand in tönenden Phrasen geschildert ^ und
Schiller im Liede von der Glocke so schön und unübertrefflich besungen hat.
Unter welchen Bedingungen ein „reguläres'^ Läuten zustandekommt,
scheint rein theoretisch kaum nachweisbar zu sein, und die Glockengiesser,
die bei Aufhängung der Glocken zwar darauf halten, dass die Glocke un-
verrückbar lotrecht am Helme befestigt und letzterer genau wagerecht ge-
lagert wird, in Beziehung auf Gewicht, Länge und Befestigungsart des Klöp-
pels aber lediglich ihrer Routine folgen, haben sich um die Theorie des
Läutens niemals gekümmert. Obgleich stets einzelne Fälle vorgekommen
sind, wo ungeachtet aller Änderungsversuche ein regelmässiges Anschlagen
^ Die ganze Einrichtung ist in grossem Massstabe abgebildet im Buch für
Alle 1883, Heft 14, S. 324.
* In den „Schönheiten des Christentums*-; siehe die betreffende Stelle bei
Daniel in der Halleschen Encyklopädie, Sekt I, Bd. 70, S. 81. Ein anderer,
freilich erzprosaischer Franzose, J. B. Thiers (Traitö des superstitions. Paris
1742. n, c. 12, p. 160) spricht sich im entgegengesetzten Sinne aus und erklärt
die Vorliebe der Deutschen für die Glocken aus ihrem Mangel an feiner Bildung
(„eela vient de leurpeu de politesse^^); vergl. Viollet-le-Duc a. a. 0. S. 281. —
Nach Daniel (a. a. 0.) habe Napoleon I. eingestanden, die Glocke sei eines der
vorzüglichsten Mittel der Gesittung der Menschheit.
Theoretisches. 145
entweder gar nicht, oder nur durch eigentümliches, etwa ruckweises Ziehen
des Pulsanten zu erreichen war, ist die theoretische Frage doch erst in-
folge der Katlosigkeit zur Sprache gekommen, in die sich die Techniker
versetzt sahen, als es durchaus nicht gelingen wollte, den 500 Centner
schweren Eoloss der neuen Kaiserglocke im Turme des Kölner Domes zum
ordentlichen Läuten zu bringen \ und man erst nach jahrelangen milhseligen
und kostspieligen Versuchen sich zuletzt mit einem nicht allseitig befriedi-
genden Resultate begnügen musste.
Wenn man eine Glocke zu läuten beginnt, so bewegt siih zuerst nur
die Glocke: sie trifft den Klöppel und lässt ihn nach der gegenüberliegen-
den Seite hinprallen, wodurch derselbe aus der Gleichgewichtslage in einem
Bogen aufwärts getrieben wird. Die schwerere Glocke schleudert den Klöppel
vor sich her, trifft ihn aber bereits wieder mit ihrer entgegengesetzten Seite,
bevor er seinen aufsteigenden Bogen hat vollenden können. Da der Klöppel
aber schon fast seinen höchsten Ruhepunkt erreicht hatte, wo seine Steig-
kraft = wird, kann die Berührung beider Körper nur eine augenblickliche
sein. Die sich abwärts bewegende Glocke besitzt Fallkraft und Übergewicht
zusammen und schleudert den leichteren und in seiner anfwärtsgehenden Be-
wegung bereits ermatteten Klöppel wieder vor sich her, um ihn nach der
entgegengesetzten Richtung aufwärts zu treiben, wo sie dann zurückkehrend
wieder mit ihm zusammentrifft u. s. f. Hieraus erhellt, dass das Anschlagen
der Glocke nicht bloss durch den Anprall, sondern auch zugleich durch die
eigene Bewegung des Klöppels geschieht, und dass, wenn dies in gleichen
Intervallen geschehen soll, die Schwingungszeiten der Glocke und des Klöp-
pels einander gleich sein müssen. Da nun die Glocke ein physisches Pendel
ist (dessen Schwingungspunkt stets nicht in den Endpunkt der Achse, son-
dern höher fällt), der Klöppel aber tiefer befestigt ist als die Glocke, so
muss, wenn die notwendige Übereinstimmung der Schwingungszeiten beider
Pendel eintreten soll, der Schwingungspunkt des Klöppels soviel unter dem
Schwingungspunkte der Glocke liegen, als der Aufhängungspunkt desselben
unter dem Aufhängungspunkte der Glocke. Theoretisch wird sich hiergegen
zwar kaum etwas einwenden lassen, dessen ungeachtet aber hat sich bei den
mit der Kölner Kaiserglocke angestellten Versuchen diese Theorie in der
Praxis angeblich nicht bewährt. — Fragt man nun, unter welchen Umständen
^ Boeckeler a. a. 0. S. 126 bemerkt: „Hätte man in Köln beim Aufhängen
der Kaiserglocke die neueren Systeme bei Seite gelassen und dieselbe mit einer
hölzernen Achse nach altem Gebrauche aufgehängt, so würde sie dort ebenso
regelmässig geläutet haben, wie (an der Giessstätte) in Frankenthal, wo sie, mit
einer solchen versehen, in Gegenwart der Kommission wie eme andere Glocke
regelrecht läutete."
Otte, Glockenkunde. 10
146 Erleichterungen des Mechanismus.
ein regelrechtes Läuten nicht stattfinden kann, so hat Yeltmann^ zwar
gezeigt, dass, wenn die Pendellänge der Glocke gleich ist der Pendellänge
des Klöppels, vermehrt um den Abstand der Anfhängungspunkte, ein An-
schlagen des Klöppels an die Glocke theoretisch überhaupt nicht möglich
ist, indem das Klöppelpendel dann stets in der Mittelachse der Glocke ver-
bleiben wird, hat jedoch selbst seine Theorie schliesslich, wenigstens bei
kleineren Glocken nicht stichhaltig gefunden. Die Lehre wird demnach wohl
aus praktischen Versuchen gezogen werden müssen.
In neuerer Zeit haben die Techniker ihre Aufmerksamkeit auf einen
erleichterten Mechanismus des Läutens gerichtet^, und verschieden modi-
fizierte Systeme haben bereits mehrfach Ausführung gefunden. ~ Je höher
die Achse einer Glocke ist, desto mehr Kraft wird nach dem Gesetze des
Winkelhebels erforderlich sein, um sie in Schwingung zu versetzen; schon
Biringoccio hat daher Vorschläge gemacht^, die Glocken so aufzuhängen,
dass die Zapfen der Welle dem Mittelpunkte ihrer Schwere näher gebracht
würden, was z. B. durch eine rechtwinkelige (oder bogenförmige) Abwärts-
führung der Zapfen zu erreichen wäre, so
dass diese nicht wagerecht wie jetzt, son-
>.^ dern zuerst lotrecht (oder im Bogen) abwärts
von dem Helme ausgingen nnd dann im
rechten Winkel auswärts umgebogen in den
Pfannen lägen. £s ergäbe sich auf diese
Weise der komplizierte Fall eines Doppel-
X^ pendeis, da zwei schwingende Massen, die
^ eine oberhalb, die andere unterhalb der
Welle, vorhanden wären, welche stets im
entgegengesetzten Verhältnisse der Beschleunigung und Verzögerung zuein-
ander stehen müssten. Gesetzt, die Schwingungswelle wäre durch den Punkt a
gelegt, so würde die Krone der Glocke in e durch ihre Schwere nach c,
die Glocke b in derselben Richtung nach d getrieben werden; da aber beide
Bewegungen gleichzeitig nicht möglich sind, so würde die kleinere zwar
von der grösseren absorbiert werden, aber die letztere Bewegung würde um
ebensoviel verkleinert werden. Wäre ae = a6, so ist überhaupt keine
* In Dingler 's Polytechn. Journ. 1876, S. 481 fi'.
' Vergl. die betreffenden Diskussionen der englischen Techniker in der Zeit-
schrift the Bnilder 1856.
« A. a. 0. Fol. 99. Vergl. Hahn, a. a. 0. S. 147; T. Hübner, die Glocke
in krummer Schwingungsachse. 1875. Letzterer behandelt die Sache eingehender
durch Zeichnung und Beschreibung und giebt zugleich eine eigentümliche Läute-
vorrichtung an.
Neuere Systeme der Glockenmontage. 147
Pendelschwingung mehr möglich, und wenn ae^ ab wäre, müsste ein Um-
schlagen erfolgen. Wenn dagegen ba"^ ae bleibt, so wäre zwar die schwin-
gende Bewegung möglich, aber sie würde langsamer erfolgen, als bei der
gewöhnlichen Aufhängungsart; der Klöppel dagegen, dessen Aufhängungs-
punkt unverändert bliebe, würde die alte beschleunigtere Bewegung beibe-
halten, wodurch ein regelmässiges Läuten unmöglich gemacht wäre. Wollte
man aber, was geschehen müsste, den Klöppel verlängern^ um seine Be-
wegung langsamer zu machen, so möchte dies zur Unmöglichkeit des An-
schlagens führen. Abgesehen aber auch von den theoretischen Bedenken,
scheint diese Aufhängungsart praktisch kaum versucht worden zu sein. Glück-
lichen Erfolg dagegen erreichte der elsasser Glockengiesser August Collier
(1796 — 1836) dadurch, dass er die Glocke zwar in der geraden Achsenlagerung
beliess, dieselbe aber über dem Helme mit einem genau abgemessenen Gegen-
gewichte versah, wodurch der Drehpunkt dem Schwerpunkte der Glocke mög-
lichst nahe gerückt wird, der Auf hängepunkt des Klöppels aber mit dem Dreh-
punkte in dieselbe Linie fällt. Dieses von den Nachkommen des Erfinders in
Danzig und in Berlin noch verbesserte System (Systeme Charles Collier) ist
in neuester Zeit auf dem Dom, dem deutschen Turm auf dem Gendarmen-
markt, der Jerusalemer- und der Nikolaikirche in Berlin, in der Obermarkts-
kirche zu Mühlhausen i. Th., in der Katharinenkirche zu Hamburg u. s. w. aus-
geführt worden und hat Beifall gefunden.^ Wesentlich auf denselben Grund-
sätzen beruht das von dem Gross-Zeugschmied J. Potzdech in Pest ange-
gebene, im deutschen Reiche patentierte System^, welches zuerst auf der
Pariser Ausstellung von 1867 die Aufmerksamkeit weiterer Kreise auf sich
zog. Hier war die Glocke mit einem eisernen Helme montiert und mit hohen
Helmpratzen versehen, überdies statt mit einer Krone, um ohne Mühe ge-
dreht werden zu können, mit einer Scheibe (s. oben S. 112) gegossen. Aus-
führungen sind nachgewiesen bei den Geläuten in Klausenburg, im Dom und
in der Prämonstr.-Kirche zu Grosswardein, in Debrezin, in Kaschau, Wien,
Neusohl u. s. w. ; durch J. G. Grosse in Dresden auf der Stadtkirche zu
Merseburg seit 1871, wo zwei Mann eine Glocke von 70 Centner bequem
läuten. — Nach dem von dem Baurat Ritter in Trier erfundenen paten-
tierten, für enge Türme besonders empfohlenen und vielfach ausgeführten
^ Bei dem im Sommer 1878 in Gegenwart einer Sachverständigen-Kommission
erfolgten Probeläuten der Berliner Domglocken hat Herr Hugo Collier die grosse,
etwa 105 Centner schwere Glocke allein geläutet, die Erschütterung war kaum
merklich, der Anschlag des Klöppels regelmässig und volltönend. Yergl. N. Preuss.
(Kreuz-) Ztg. 1878, Nr. 160.
' Theoretisch auseinandergesetzt von Prof. Kopeke im Protokoll der 75.
Hauptversammlung des Sachs. Ingenieur- und Architekten-Vereins.
10*
148 Neuere Systeme der Olockenmontage.
System sind die Zapfen an der Achse mit Zahnrädern versehen, die sich
in Zahnlagern hewegen, wohei in ganzen Geläuten die Möglichkeit gegeben
ist, dass die Glocken nicht bunt durcheinander, sondern in gleichmässiger
Folge nacheinander klingen. — Nach einer von Paul Burkhardt zu
Stuttgart im Jahre 1880 angegebenen Konstruktion haben die gusseisemen
Zapfen die Form von Scheibensegmenten, auf welchen sich die Glocke wie-
genartig bewegt mittels entsprechend geformter an dem Stuhle festgeschraub-
ter Gusssttlcke, die an ihrer inneren Seite mit Spurkränzen versehen sind,
um seitliche Verschiebungen auszuschliessen ; zur Vermeidung des Gleitens
in der Schwungrichtung selbst stehen die Lager mit den Wiegen durch
Verzahnung in Eingriff.^ — Überhaupt sind es verschieden modifizierte, zum
Teil auf denselben Grundsätzen beruhende Systeme, nach welchen gegen-
wärtig die Aufhängung der Glocken, wenn es verlangt wird, wohl von allen
bedeutenderen Glockengiessereien bewirkt wird, — In dem neuen Geläute
des Domes zu Frankfurt a. M. wurden die beiden grössten Glocken von
245 und 92 Centner im Jahre 1878 nach einem neuen, vom Baurate Den-
zinger angegebenen Systeme mit zweifacher, d. i. höher und tiefer liegen-
der Achse aufgehängt, wobei 8 Mann zum Läuten der grossen Glocke ge-
ntigen.2 — Boeckeler erklärt sich a. a. 0. S. 128 gegen alle solche
Neuerungen, er hält die althergebrachte Weise der Aufhängung, mit mög-
lichst leichter Achse, durchaus für die beste und meint, man dürfe zufrieden
sein, wenn durchschnittlich Glocken von 20 Centner durch einen kräftigen
Mann zum regelrechten Läuten gebracht werden können. Unter Umständen
wird indes den neueren Systemen stattzugeben sein, z. B. in sehr engen
oder wenig festen Türmen, aus Ersparungsrücksichten bei Bestellung von
Pulsanten, auch wohl wo auf dem Lande der Unfag bereits zur Sitte ge-
worden ist, die Glocken durch die Schuljagend bedienen zu lassen, da ein
Knabe sich eher kontrollieren lässt als ein ganzes Hudel von Kindern, die
sich an den Glockenstrang hängen. Auch ist es ein Vorteil, dass die neuen
Methoden ein zu hastiges Schwingen der Glocken verhindern, dem sich
überkräftige und ungeduldige Läuter nicht selten hingeben. Übung und Be-
dachtsamkeit verlangen aber auch die neuen Methoden mit ihrer sich stets
gleich bleibenden, maschinenmässigen, jede subjektive Einwirkung beschrän-
kenden Bewegung.
* Die Böchumer Gussstahlfabrik liefert ihre Glocken (oben S. 74) auf
Verlangen mit sogenannten Antifriktionslagern von eigentümlicher künstlicher Kon-
struktion; vergl. Zeichnung und Beschreibung derselben in dem Gesebäftsprogramm
dos Bochumer Vereins, S. 5 und Taf. III. Ausgeführt findet sich diese Montage
z. B. in Altendorf 1869. in der Pauluskirche zu Essen 1871, zu Graben 1873 u. s. w.
* Vergl. Fliegende BI. für kathol. Kirchenmusik. 1878, Nr. 4.
Keparatur gesprungener Glocken. 149
Vor Bekanntwerden der neuen Systeme musste man in baufälligen
Türmen die Glocken ganz ruhen lassen oder sich mit dem blossen An-
schlagen derselben als Notbehelf begnügen. Zu diesem Behufe gab es ver-
schiedene Vorrichtungen, deren Beschreibung und Abbildung man inErü-
nitz, Encyklopädie 19, 154 nachsehen kann; eine sinnreiche, durch ein
Pendel geregelte Vorrichtung zum Anschlagen von zwei federnden Hämmern
an feststehende Glocken ist von Möllinger in Berlin angegeben.^ Der
Erfolg wird in Hinsicht des Klanges stets ein sehr mangelhafter bleiben,
und bei mangelnder Vorsicht wird leicht ein Zerspringen der Glocken ein-
treten, namentlich bei grosser Winterkälte. Letztere ist überdies den Glocken
so gefährlich, dass man dieselben, um die Gefahr des Springens abzuwen-
den, an einzelnen Orten mit besonderen leichteren Winterklöppeln versah,
was aber auch nicht immer schützte.^ Um überhaupt das Zerspringen der
Glocken zu verhüten, wird man namentlich darauf zu achten haben, dass
der Klöppel genau an den Schlag der Glocke schlägt und nie so locker
hängt, dass er bei heftigem Läuten aufwärts fahren und der Glocke nach
ihrer Mitte zu Querschläge beibringen kann, in welchem Falle das Zer-
springen derselben fast mit Notwendigkeit erfolgen würde, besonders wenn
das Metall sehr spröde sein sollte. Auch die plötzliche Dämpfung der klin-
genden Glocke durch Berührung mit Filz oder Wolle soll nach der gemeinen
Bede das Zerspringen verursachen.
Wegen der Kostspieligkeit des ümgiessens zersprungener Glocken
hat man Versuche gemacht, die Hisse auszuschneiden oder durch Lotung
auszufüllen. Um den verlorenen Klang einer zersprungenen Glocke durch
Ausschneiden wieder herzustellen, muss oberhalb des Sprunges ein Loch ge-
bohrt und von da aus der Kichtuug des Sprunges folgend, etwa Y2 Zoll
breit, ein Sägenschnitt nach unten geführt werden, damit auf diese Weise
die Berührung des getrennten Metalls aufgehoben wird. Wenn, was ge-
wöhnlich der Fall ist, der Sprung sich nur am unteren Rande der Glocke
befindet, so kann durch einen im Winkel nach dem Endpunkte des Sprunges
geführten Schnitt das ganze auf der einen Seite durch den Sprung, auf der
andern durch den Schnitt getrennte Metallstück aus der Glocke von innen
nach aussen herausgeschlagen werden; hieraus folgt, dass das sonst gewöhn-
^ S. Abbildung und Beschreibung in den Verhandl. des Vereins zur Beför-
derung des Gewerbfleisses in Preussen. Jahrg. 22. Liefr. 6. S. 168 und Taf. 19. —
Eine andere Vorrichtung s. D. Bauzeituog 1861, S. 469.
^ Die 1519 gegossene grosse Marienglocke des Münsters zu Strassburg zer-
sprang nach kaum halbjährigem Gebrauch bereits bei strenger Kälte zu Weih-
nachten 1521, obgleich sie mit ihrem Winterklöppel versehen war. Vergl. Kraus,
Fz. X., Kunst und Altertum in Unter-Elsass, S. 407; Blavignac a. a. 0. S. 248.
150 Reparatur gesprungener Glocken.
liehe /\ förmige Ausfeilen des Glockenrandes, wobei man den Sprung in
die Mitte nahm, unnötige Arbeit verursacht. In manchen Fällen wird dieser
Reparaturversuch indes vergeblich bleiben \ wenn nämlich der Sprung sich
weiter ausdehnt, als dem Auge sichtbar ist, und überdies lässt sich das
Weiterspringen der Glocke, wenn sie auch wieder klingend geworden wäre,
niemals vermeiden. Der Klang einer also wiederhergestellten Glocke wird
einen höheren als den ursprünglichen Ton ergeben, und kann kein harmo-
nischer sein, weil die höheren Beitöne zu dem veränderten Grundtone nicht
passen werden. Da der Sprung regelmässig an einer der Seiten sich be-
finden wird, die vom Klöppel getroffen werden, so ist ein Uinhängen der
Glocke erforderlich, wobei man darauf zu sehen hat, dass der neue An-
schlagsort des Klöppels von dem Sprunge um 45 ^ entfernt genommen wird,
damit letzterer möglichst in eine Knotenlinie der Glocke falle, wonach die
Ausstämmung des Helms abzuändern ist. Wenn das Hangeisen fest mit in
die Glocke eingegossen ist, muss an demselben ein anderes gabelförmiges
Eisen befestigt werden, woran man den Klöppel hängen kann. — Von der
Lötung oder vielmehr Ausgiessung des Sprunges giebt Biringoccio (a. a.
0. Fol. 100b) durch Abbildung und Beschreibung eine ausführliche, aber
etwas unklare Anleitung und versichert, dass er auf diese Art eine Glocke
in Rom hergestellt habe : Es sei im Innern der Glocke eine Form zu machen,
vorzüglich da wo der Sprung ist, und wenn diese Form hinreichend dick
sei und auf alle Fälle mit 3 oder 4 «isernen Stäbchen befestigt und wieder
weich gemacht, so werde sie an ihren Ort gebracht und inwendig an den
Rändern mit nasser Erde verschmiert. Dann müsse die ganze Höhlung der
Glocke mit gestossener, etwas feuchter und gut eingestampfter Erde aus-
gefüllt und hierauf in einer Grube ganz mit Erde bedeckt werden, doch so,
dass der obenliegende Sprung irei bleibe; über demselben wird ein Rohr
(manica) angebracht, durch welches die Flamme eines kleinen öfchens streicht
und genau auf den Sprung geleitet wird : so lange, bis die Stelle der Glocke
so weich wird, dass ein Eisenstäbchen, welches man durch eine in dem
Rohre befindliche Öffnung steckt, in das Metall eindringt. In diesem Mo-
ment ist mit einem Giesslöffel oder Schmelztiegel ein wenig geschmolzenes
Metall über den Sprung zu giessen, welches man durch die darüber strei-
chende Flamme sich innig mit der Glocke vereinigen lässt. Wenn Kar-
marsch (a. a. 0. S. 105) das Bedenken äussert, die Glocke werde da,
wo sie durch die Flamme erweicht wird, wahrscheinlich sofort zusammen-
^ Nach den Magistrats -Akten zu Brandenburg wurden bei einer im Jahre
1810 gesprungenen, etwa 56 Centner schweren Glocke die Künste des Aussägen s
und der Anbringung eines sogenannten Schallrohres (?) vergeblich versucht, und
ähnliche kostspielige Erfahrungen hat man auch vielfach anderwärts gemacht
Reparatur beschädigter Glocken. 151
sinken, so ist diese Befürchtung durch die Praxis einzelner Virtuosen wider-
legt, welche die Kunst des Lötens zersprungener Glocken in der That mit
gutem Erfolg auszuüben verstehen.^ Für die Dauerhaftigkeit des Prozesses
ist es sehr wesentlich, dass der Sprung zuerst ausgestemmt und der Spalt
vor dem Ausgiessen durch eiserne oder stählerne Klammern verbunden und
so das spätere Weiterspringen verhindert wird. Die Glocke wird umgehängt,
so dass der Klöppel au den entgegengesetzten Seiten anschlägt. Selbstver-
ständlich bleiben die KlamiAern in der reparierten Glocke; es ist jedoch
äusserlich davon nichts zu sehen. Der Hauptton der wieder mit Klang
begabten Glocke bleibt derselbe, der Klang aber wird jedenfalls härter aus-
fallen, und die Kosten sind nicht ganz unerheblich, wenngleich viel geringer
als beim Umgiesseu einer Glocke. Als Notbehelf für ärmere Gemeinden
ist das Verfahren, die geschickte Ausführung vorausgesetzt, zu beachten.
Abgebrochene oder beim Guss ausgebliebene Glockenöhre können durch
eiserne ersetzt werden, zu welchem Ende Löcher durch die Platte der
Glocke gebohrt werden müssen. — Blätterig gewordene Stellen des Glocken-
randes und des Klöppelballens sind beizeiten glatt zu feilen; ausgieriebene
Ohre müssen durch Unterlagen von Eisenstückchen vor dem Durchreiben
verwahrt werden; für ein abgebrochenes (nach älterer Weise eingegossenes)
Hangeisen kann durch zwei Bohrlöcher der Platte ein neues eingesetzt und
oben mit Muttern verschraubt werden.*
Znsammenstellung mehrerer Glocken zu einem Geläute. — Bei
der Neubeschaffung ganzer Geläute hat man sich zunächst die Frage nach
der Zahl und der Schwere der Glocken zu beantworten, weil danach die
Kosten zu berechnen sind. Von der Zahl ist bereits oben S. 28 die Rede
gewesen ; in Beziehung auf die Schwere des ganzen Geläutes ist ein Unter-
^ Die Archäologen- Versammlung von 1855 in ChalonB-sur-Mame erwähnt im
Protokoll ihrer 22. Sitzung die (angebliche) Erfindung des dortigen Glockengiessers
Delcroix-Mangin, zersprungene Glocken durch Lötung wiederherzustellen.
Der Schwede Ohlsson übte diese Kunst schon seit 1805, hatte im Jahre 1827
bereits circa 100 Glocken in den verschiedenen Provinzen Schwedens repariert,
und erhielt fttr sein bewährtes Verfahren von der Patriot. Gesellschaft zu Stock-
holm eine Medaille. Sein Sohn L. Ohlsson in Ystad und sein Enkel 0. Ohls-
son in Lübeck betreiben das Geschäft erfolgreich weiter, und Reparaturen sind
von letzterem z. B. 1878 zu Lüchow und Lichtenburg in Hannover, 1879 zu Elrempe
in Holstein (2 Glocken von 56 und 45 Centnem), Riesdorf bei Jüterbogk, Buckow
im Regierungs-Bezirk Frankfurt, Book bei Osterburg, Ziebingen, Lieberose, 1880
Eckwarden in Oldenburg, 1881 Haselberg bei Wriezen a. 0., Flensburg, dann zu
Chrast in Böhmen, Waidenburg in Sachsen, an mehreren Orten in Ober-Ungarn
u. 8. w. ausgeführt worden. — Die 1879 reparierte, etwa 5 Centner schwere Glocke
in Riesdorf hat sich seit 5 Jahren bewährt, wie aus sicherer Quelle bezeugt wird.
» Vergl. Hahn a. a. 0. S. 189 ff.
152 Zasammensetzung ganzer Geläute.
schied zu machen zwischen Stadt und Land, zwischen grösseren und klei-
neren Ortschaften. FOr städtische Pfarrkirchen genügt erfahmngsmässig
im allgemeinen ein Dreigeläute von 70 his 100 Centuer, wohei auf die
grösste Glocke 40 his 70 Centner zu rechnen sind. Das 1878 gegossene
Geläute der Petrikirche in Hamburg besteht aus 4 Glocken, die zusammen
gegen 400 Centner wiegen; die grösste Glocke vriegt 204 Centner. Das
Domgeläute zu Frankfurt a. M. aus dem Jahre 1878 enthält 10 Glocken
von 540 Centner mit der grössten Glocke von ^45 Centner. Für ein Dorf-
geläute reicht ein Gewicht von 14 bis 30 Centner aus, wobei die grösste
Glocke zu 6 bis 16 Centner anzunehmen ist — Riesenglocken sind ein
Luxus, den sich reiche Kathedralen und Stifter seit dem 15. Jahrhundert
gestatteten^ Prunkstücke, die sich in der Praxis meist wenig bewähren.
Das Gewicht der einzelnen Glocken eines Geläutes regelt sich nach
den gewünschten Tonintervallen derselben, die entweder harmonisch nach
den Stufen des Dur- oder Moll-Dreiklanges, oder melodisch in beliebiger
Aufeinanderfolge der diatonischen Stufen der Skala geordnet werden können.
Das Mittelalter kannte beide Arten von (reläuten.^ Während eine Zeitlang
Csist ausschliesslich harmonische Geläute gegossen wurden, werden neuer-
dings von sehr beachtenswerter Seite ^ die melodischen eifrig empfohlen;
beide Gattungen haben ihre Vorzüge und ihre Nachteile: die Wahl bleibt
Geschmacksache. Dass es bei harmonischen Geläuten auch auf die harmo-
nischen Verhältnisse der Hauptbeitöne der einzelnen Glocken ankommt, ist
bereits oben S. 91 erwähnt, doch bemerkt Boeckeler a. a. O. S. 121:
„Wenn beim Zusammenklingen der Glocken irgend eine Unreinheit durch
Vermischung verschiedener Haupttöne mit dissonierenden Xebentönen anderer
Glocken entsteht, so wird diese hinlänglich gedeckt durch die Reinheit
der melodisch durcheinander klingenden Haupttöne.^^ Am besten wird es
sicherlich sein, wenn solche Dissonanzen überhaupt vermieden werden.
Als empfehlenswert bezeichnet Boeckeler a. a. 0. S. 118 folgende
ZusammensteUnngen der einzelnen Glocken zu einem Geläute nach den
Intervallen der Haupttöne:
für 2 Glocken: CD, oder CE, oder CF;
•, 3 „ C DE (in St Pantaleon und St Colamba zu Köln, in St Paul zu
Aachen^ D£F (St Michael zu Burtscheid), CDF (in Ludwigs-
hafen\ DFG (St Adalbert in Aachen), CEG (sehr häufig),
DFA (häufig);
^ Gerhard Wou Ton Kampen goss 1497 för Erfurt drei Glocken nach den
Intervallen des Dreiklanges (s. oben S. 133) und 1502 für den Dom zu Braon-
schweig drei Glocken in den diatonischen Stufen Bcd (s. oben S. 96V
- Vergl. Stein, A. G., Fingerzeige u. s. w., im Organ für christl. Kunst 1867,
S. 104 ff.
Zur Glockenstatistik. 153
für 4 Glocken: CDEF (im Dom, St. Severin, St. Martin, St. Aposteln, St. Andreas
und St. Mauritius zu Köln, Münster zu Bonn u. s. w.), DEFG
(Marienkirche zu Aachen), CEFG, DFGA, CEGA (St. Mi-
chael in Aachen);
„ 5 „ CDEFG (St. Gereon in Köln), DEFGA, CEFGA, CDEGA,
DFGAH;
„ 6 „ CDEFGA, DEFGAH, CEGAHc (Leeder bei Asch im Reg-
Bez. Schwaben), DFGAcd;
„ 7 „ CDEFGAH, DEFGAcd, CEGAHcd, DFGAHcd;
„ 8 „ CDEFGAHc (Dom zu Reims), CEGAHcde (Münster zu Aa-
chen), DEFGAHcd.
Die Läuteglocken des Domes zu Frankfurt a. M. haben die Töne EACÜs
(etwas zu tief) efisgisahcis^; die 5 Glocken der Michaeliskirche in Alten-
stadt desfasbc.
VII. Zur Glocken -Statistik.
Zu einer vollständigen systematischen Statistik der Glocken fehlen die
Quellen, wir müssen uns deshalb mit mehr oder weniger fragmentarischen
Notizen genügen lassen. Was zuvörderst die Anzahl eigentlicher Läute-
glocken anbetrifft, so behauptet Hu ssl and den Vorrang vor allen übrigen
Ländern der Erde. Die Kirchen daselbst sind mit Glocken aller Art und
Grösse bis zum Überflusse versehen, und in Moskau allein sollen 1700 sich
befinden. Der Turm Ivan Weliki hat in vier Stockwerken 37 Glocken.^
Eigentliches Läuten soll nicht Sitte sein ; die grösseren Glocken sind über-
haupt nicht zum Schwingen bestimmt und darum fest und unbeweglich auf-
gehängt. Aber nicht bloss durch die Zahl, sondern noch mehr durcb die
ans Fabelhafte grenzende Riesengrösse mehrerer seiner Glocken ist St. Ivan
in Moskau berühmt; es ist indes schwer, die sich widersprechenden ver-
schiedenen Berichte darüber miteinander in Einklang zu bringen. Der
Glockenturm hatte bei dem Brande von 1812 beträchtlichen Schaden ge-
litten. Eine Glocke Bolshoi (die Dicke) genannt, gegossen 1710 und
^ Beim Probeläuten im Februar 1878 stellte sich heraus, dass die Glocke gis
(Nr. 6) im Gesamtgeläute störend wirkte, weil sie als grosse Septime gegen die
Glocke A (Nr. 2) und als kleine Sekunde gegen die Glocke a (Nr. 7) eine zu
scharfe Dissonanz bildete. Yergl. A. Oberhof fer in den Fliegenden Bl. für
kathol. Kirchenmusik. 1878, Nr. 4.
' Über die Glocken in Russland vergl. Tann er, Legatio Polono-Lithuanica
in Moscoviam. (Nürnb. 1689. 4.) c. 13, p. 61. — Röhr, Prediger-Bibliothek. 1831.
Bd. 12, S. 647 f.; s. oben S. 33.
154 Glocken in Russland und England.
124 000 Pfd. schwer, war herabgefallen und dadurch unbrauchbar geworden.
Im Jahre 1817 befahl der Kaiser Alexander ihre Wiederherstellung und
gleichzeitige Vergrösserung bis auf 144 000 Pfund. Der Umguss geschah
durch Bogdanof und gelang wohl. Die Glocke hat 18 Fuss Durchmesser
und 21 Fuss Höhe; ihr Klöppel wiegt 4200 Pfund. Sie ist mit den Relief-
bildern der kaiserlichen Familie, sowie mit Darstellungen des Heilandes,
der heiligen Jungfrau und Johannes des Täufers geschmückt. Diese sogen,
„neue Glocke'' ist unter allen, welche gebraucht werden, die grösste, wird
aber durch eine andere, die indes anscheinend kaum jemals gebraucht wor-
den ist, noch bedeutend übertroffen. Dieser „Kaiser der Glocken" (Tsar
Kolokol), unstreitig die grösste Glocke der Welt, stammt aus der Zeit der
Kaiserin Anna und soll im Jahre 1734 aus einer noch grösseren älteren
beschädigten Glocke umgej^ossen sein. Ihr Durchmesser beträgt 22 Fuss
5V3 ZoU, ihre Höhe 21 Fuss 41/2 Zoll und ihre Kranzdicke 25 Zoll; das
Gewicht wird auf 400 000 Pfund geschätzt, und der Klöppelballen hat 6 Fuss
im Umfange. Die Riesin, welche bereits 1737 bei einem Brande des Dach-
stuhles herabgesttlrzt und zum Teil in die Erde gesunken war, wurde im
Jahre 1837 auf Befehl des Kaisers Nikolaus aus ihrem Grabe emporgehoben
und auf einen gemauerten Unterbau gestellt; sie ist mit Reliefs und In-
schriften geschmückt, aber auf einer Seite der Basis ist ein so grosses Stück
ausgebrochen, dass man bequem in das Innere der Glocke eintreten kann.^
Auch England, wo das Peal-ringing (vergl. oben S. 60) zu den Volks-
belustigungen gehört, ist sehr reich au Glocken, hat jedoch bei der Auf-
hebung der Klöster viele eingebüsst: sie wurden ausgespielt 2, nach Russ-
land und anderen fremden Ländern verkauft, wo denn gar manche, ohne
den Ort ihrer Bestimmung zu erreichen, ihr Grab im Ozean fanden. Man
hat berechnet, dass es in England 50 Geläute von 10 Glocken, 360 Ge-
läute von 8, 500 Geläute von 6 und 250 Geläute von 4 Glocken giebt.
Der Dom von Exeter hat 10 Glocken, St. Salvator in Southwark (London)
12, von denen 9 über 400 Jahre alt sind; St. Leonard in Shoreditch (Lon-
don) ebenfalls mit 12 Glocken, deren Läuten von der Königin Elisabeth
so sehr bewundert wurde, dass sie auf ihren Reisen von Halfield nach
London, wenn jene Glocken zu ihrer Bewillkommnung erklangen, stets an-
^ Vergl. Bulletin monumental X, p. 105. — The Penny Magazine 1834. Nr. 163,
p. 405. — Gatty, the Bell, p. 47. — Petri, Neue Pittoresken aus Norden, S. 285.
— Boeckeler a. a. 0. S. 146 nebst Abbildung der Glocke auf Taf. XXVIIL
' Heinrich YIII. soll einst bei einer Spielpartie mit Sir Miles Patridge 100
Pfund und einen Glockenturm Londons mit den vier grössten Glocken der Stadt
gesetzt und verloren haben: der Gewinner Hess die Glocken einschmelzen. —
Organ für christl. Kunst 1857, S. 158.
Glocken in England. 155
halten Hess, um sich daran zu ergötzen. Den Klang der Glocken in den
verschiedenen Kirchspielen von London malt ein in seiner Art treffliches
englisches Volkslied in humoristischer Weise:
Gay go up and gay go down, Kettles aud paus,
To ring the bells of London town. Say the bells of St. Anne's.
Halfpence and farthings, You owe me ten Shillings,
Say the bells of St. Martin's. Say the bells of St. Helen's,
Oranges and lemons, When will you pay me?
Say the bells of St. Clements. Say the bells of Old Bailey.
Paneakes and fritters, When I grow rieh,
Say the bells of St. Peter's. Say the bells of Shoreditch.
Two sticks and an apple, Fray when will that be?
Say the bells of Whitechapel. Say the bells of Stepney.
I am sure I don*t know,
Says the great bell of Bow.^
Geläute von 10 Glocken befinden sich in St. Margaret in Leicester, St.
Maria in Nottingham und zu Fulham, welche zu den schönsten in Eng-
land gerechnet werden. Die Glocken der Universitätskirche in Cambridge
fanden den besonderen Beifall des grossen Händel. Volkstümlich berühmt
ist der „grosse Tom" auf dem Christ -Church- College zu Oxford. Diese
Glocke befand sich ursprünglich auf der Abtei Oseney daselbst und kam
erst 1545 an ihren jetzigen Ort; sie hatte die Inschrift: In Thamae laude
resono bim bofn sine fraude. Nachdem sie zweimal zersprungen war, wurde
sie zuletzt 1680 auf Kosten des Bischofs von Oxford umgegossen. Sie hat
7 Fuss 1 Zoll Durchmesser, 6 Fuss 9 Zoll Höhe und 6Yg Zoll Kranzdicke;
ihr Gewicht beträgt 17 000 Pfund. Der im Jahre 1835 umgegossene und
vergrösserte „Qreat Tom^' zu Linkoln wiegt 12 000 Pfund. Die grosse
Glocke der Paulskirche in London von 1716 hat 9 Fuss Durchmesser bei
9 Zoll Kranzdicke und wiegt zwischen 11 bis 12 000 Pfund, der Klöppel
180 Pfund. Die grössten Glocken Englands sind aus neuerer Zeit: der
grosse Peter auf dem Münster zu York, gegossen 1845 von Mears, wiegt
24 080 Pfund und kostete 14 000 Thaler. Die Stundenglocke des neuen
Parlamentsgebäudes, gegossen 1856 von John Warner <fe Söhne in London,
hat ein Gewicht von 33 600 Pfund; sie sprang bald und musste umgegossen
werden ; mit 4 kleineren ist sie an einem gusseisernen, auf schrägen Pfosten
ruhenden Gebälke unbeweglich befestigt ^
' Vergl. Gatty a. a. 0. S. 78.
' Über die Glocken in England vergl. die Monographien von Gatty, Ella-
combe und Lukis (oben S. 2), Quarterly Review No. 190, Berliner Nachr. (Spe-
nersche Ztg.) 1854, Nr. 267 f., die Zeitschrift The Bullder 1866, Minutes of pro-
ceedings of the Institution of civil engineers, Bd. 17, 1859; auch oben S. 69.
156 Glocken in Frankreich.
Für die Glocken in Frankreich wurde der Yandalismos von 1793
(s. oben S. 67) höchst verderblich; die systematische Vertilgung bezweckte
überall nur eine Glocke übrig zu lassen; es haben sich dessen ungeachtet
noch manche alte und schöne Geläute erhalten. Die älteste datierte Glocke,
die Yiollet-le-Duc^ kannte, war der 1845 gesprungene Paulus von
1,46 m Durchmesser in der Abteikirche zu Moissac (Tarn et Garonne); sie
hatte oben herum in 6 cm hohen (aus Wachsstockfäden modellierten) Buch-
staben die Hauptinschrift : Salve regüia misericordiae, unter welcher in einer
zweiten mit kleineren Buchstaben geschriebenen Zeile zu lesen stand : Anno
domini nnllesimo CC^ LXX tercio Gofridtis me fecit et socios meos. Pau-
lus vocor. Als Trennungszeichen waren zwischen den Wörtern der Haupt-
inschrift 4 spitzovale Siegel abgegossen. Glocken von mittlerer Grösse aus
dem 15. und 16. Jahrhundert finden sich in den Domen zu Amiens, Beau-
vais, Sens, Chartres, Carcassone, Saumanes (Yaucluse), in den N. D. Kirchen
zu Orleans, Etampes und Trumilly (Oise) und auf den städtischen Türmen
von Yalenciennes, B^thune und Compi^gne. Unter 300 Glocken in der
Umgegend von Bray in der Normandie, die Dergny (les cloches du pays
de Bray) erwähnt, findet sich nicht eine einzige, die älter wäre als das
16. Jahrhundert. — Die volkstümlich berühmteste und grösste unter allen
französischen Glocken ist der Bourdon von Notre-Dame in Paris, welcher
während der Revolution als Sturmglocke diente. Dieselbe wurde ursprüng-
lich im Jahre 1400 der Kathedrale zum Geschenke gemacht von Johann
Moutaigu, dem Bruder des 95. Bischofs von Paris Gerard M., und erhielt
nach der Gemahlin des Donators Jacqueline von Lagrange den Namen Jac-
queline; sie wog 15 000 Pfund. Im Jahre 1680 wurde sie auf Veranlas-
sung des Kapitels umgegossen; aber der Guss misslang und musste im fol-
genden Jahre wieder vor sich gehen. Die Weihe geschah am 29. April
1682 durch Franz v. Harlais, Erzbischof von Paris, und Ludwig XIV. legte
ihr nach seiner Gemahlin Louise Therese von Österreich den Namen Ema-
nuelle Louise Therese bei. Indes der Ton der Glocke passte durchaus
nicht zu dem übrigen Geläute; man entschloss sich im Jahre 1685 zum
abermaligen Umgusse und vergrösserte sie bei dieser Gelegenheit bis auf
26 000 Pfund. Sie hat 8 Fuss Durchmesser und 8 Fuss Höhe, der Schlag
eine Dicke von 8 ZolL Der Klöppel wiegt 976 Pfund. Ihr gesangreicher
und imposanter Klang enthält einen vollkommenen Akkord. Im Jahre 1794
wurde sie herabgenommen, aus Furcht, dass sie zum Sturmläuten gebraucht
werden könnte. Erst bei der Feier des Konkordates im Jahre 1802 wurde
sie wieder aufgehängt und seitdem an Festtagen durch 16 Mann geläutet;
^ A. a 0. 3, 283. Älter ist eine Glocke im Museum zu Bayeux von 1202.
Glocken in Spanien und Italien. 157
nach dem Neubau des Turmes fand 1851 eine neue Montierung derselben
statt (s. oben S. 140). Als zweitgrösste französische Glocke galt der Georges
d'Amboise zu Kouen, gegossen 1501 und nach dem Donator Kardinal
Georges d'Amboise also benannt. Sie hatte 8 Fuss 4 Zoll Durchmesser
und 8 Zoll 6 Linien Kranzdicke und wog angeblich 36 364 Pfuild. Ihr
Klang war ein dumpfes, kaum vernehmbares Summen; sie sprang im Jahre
1789 beim Einzüge Ludwigs XVI. in Ronen, und die zum Umgusse der-
selben bereits getroffenen Anstalten kamen wegen der Revolution nicht zur
Ausführung; sie wurde vielmehr im Jahre 1793 zerschlagen. — Die grosse
Glocke des Domes zu Reims von 1570 wiegt 23 000 Pfund.^
In Spanien, wo die Glocken nicht geschwungen, sondern nur ange-
schlagen werden, soll es bis zu den neueren Staatsumwälzungen 84 108 Glocken
mit einem Metallwerte von etwa 6 Millionen Mark gegeben haben; infolge
der Säkularisationen gingen ganze Schiffsladungen Glockenmetall nach Eng-
land.^ In San Yago di Compostela wird eine Riesenglocke von angeblich
300 Centner erwähnt, und als die grösste des Landes wird eine Glocke zu
Toledo genannt. Wegen ihres spukhaften Selbstiäutens ist die Glocke zu
Velilla (oben S. 122 und unten in Abschnitt VllI, S. 176) berühmt.
In Italien hat Rom, wie die meisten Kirchen, auch die meisten und
grössten Glocken % von denen einige der neuesten Zeit angehören. In dem
alten Geläute von St. Peter wird eine Glocke aus dem 13. Jahrhundert
erwähnt, mit der Inschrift: Anno Doniini MCCLXXXVIIII ad lumorem
Dei et Beatae Mariae Virginis et Sancti Thomas Apostoli tempore fratris
Joannis de Leodio miniMri factum fuit hoc ojnis de hgato qiuyndam do-
mini Rikardi Domini Papae twtarii Giudotttis Pisamis me fecit. Eine im
Jahre 1786 gegossene 280 Centner schwere Glocke derselben Kirche ist
äusserlich sehr schön, soll aber ohne ordentlichen Klang sein. Auf dem
Kapitol befindet sich eine 175 Centner schwere Glocke, die Papst PiusVII.
ihrer Inschrift zufolge aus verrufenen Kupfermünzen (ex aereis nummis
proseriptis) hat giessen lassen. Auch Loretto und Parma sind wegen ihrer
grossen Glocken berühmt. Der Dom zu Mailand hat eine gegen 300 Centner
wiegende Glocke. In Oberitalien haben die Franzosen in ihren Kriegszügen
unter den alten Glocken stark aufgeräumt.
* Über Glocken in Frankreich vergl. Bulletin monumental 1844. Vol. X,
p. 103 sqq.; Yiollet-le-Duc a. a. 0.; Caumont, Ab^c^daire. 5. 6d. 1,582.
' Vergl. Organ für christl. Kunst 1857, S. 157.
^ Über die älteren italienischen Glocken vergl. Rocca, de eampanis, im
ThesauruB pontif. sacrarumque antiquitatum 1, 172 sq. ; auch oben S. 69 u. 88 f.
158 Glocken in der Schweiz und den Niederlanden.
In der Schweiz hatte St. Gallen das stärkste, aus 24 Glocken be-
stehende Geläute; sie wurden 1712 durch das Kriegsheer der vereinigten
Kantone Bern und Ztlrich weggenommen. Das Geläute von St. Ursus zu
Solothurn besteht aus 11 Glocken; N. D. des Ermites besitzt 10, St. Vin-
cenz in Bern 9, der Dom in Genf 8 Glocken. Die grösste Glocke befindet
sich in St. Yincenz zu Bern, sie datiert von 1611 und wiegt angeblich
240 Centner und der Klöppel 7Y2 Centner. Älter und nicht viel kleiner
ist die grosse Glocke des Münsters zu Schaffhausen von 1486. Grosse
Glocken aus dem 15. Jahrhundert haben sich in St. Felix zu Zürich (1405),
in Sion (1440), in Freiburg (1482) und in Basel (1493) erhalten. Die
grosse Glocke in Lausanne ist von 1583, die des Ursusmünsters zu Solo-
thurn von 1766, die in Neuchätel von 1823, die in Genf von 1867.^
Die Niederlande mit den in allen Städten befindlichen Glockenspielen
(oben S. 61 f.) haben eine Unzahl Glocken und Glöckchen aufzuweisen; aber
auch an Riesenglocken fehlt es nicht, doch scheint keine derselben das
Gewicht von 200 Centner zu übersteigen. Die grösste Glocke befindet sich
zu Brügge; sie ist 1680 gegossen und wiegt 200 Centner. Der Dom zu
Utrecht besitzt 7 Glocken des berühmten Gerhard de Wou von Kampen
(s. d. im Glockengiesser Verzeichnis) aus dem Jahre 1505, deren grösst«
164 Centner wiegt; zwei andere wiegen bezw. 118 und 84 Centner. Auch
Oldenzaal besitzt eine Glocke dieses Giessers aus dem Jahre 1493 von
150 Centner. Die grossen Glocken in Antwerpen, Brüssel und Gent wie-
gen bezw. 138, 136 und 106 Centner.
Aus den über die Glocken in Deutschland^ vorhandenen vielen
vereinzelten Notizen geht zur Genüge hervor, dass sich in unserem Vater-
lande wohl die meisten mittelalterlichen Glocken erhalten haben. Abge-
sehen von vielen von unbestimmtem, aber anscheinend höchstem Alter, be-
findet sich, soweit bekannt, die älteste mit einer Jahreszahl (1144) ver-
sehene Glocke zu Iggensbach in Niederbayern (oben S. 131) und von einer
andern zu Gilching in Oberbayem steht durch den daraufstehenden Namen
des Donators die Entstehungszeit zwischen 1162 und 1194 fest. Aus dem
13. Jahrhundert ist eine verhältnismässig bedeutende Anzahl inschriftlich
datierter Glocken nachgewiesen, wie folgende Obersicht derselben ergiebt,
in welcher die gegenwärtig nicht mehr vorhandenen mit einem Sternchen
bezeichnet sind.
' Vergl. Blavignac a. a. 0. S. 16 ff.
* Vergl. Otte, Handbuch der kirchl. Kunstarchäologie. 5. Aufl. 1, 352 — 359
und 442—447.
Glocken in Dentschland. 159
1234 Kirche zu Helfta bei Eisleben, i 1278 Kirche zu Gross -Uhrleben bei
1249 St. Burchardi in Würzburg.
Kirche zu Iber bei Einbeck.
1252 Dom zu Minden.
1258 Münster zu Freiburg i. Br.
1261 St. Petri in Aachen.
1263 Liebfrauenkirche zu Moringen in
Langensalza.
Kirche zu Lühnde bei Hildesheim.
1281 St. Moritz in Halberstadt.
St. Blasii zu Mühlhausen i. Tb.
St. Blasii zu Münden.
Münster zu Freiburg i. Br.
genau, 2 Glocken.
1270 Museum zu Braunschweig.
Dom zu Minden.
Hannover. ' * ^282 Grosse Kirche zu Emden.
1268 St. Georg und Stadttunn in Ha- * ^^ST Katharinenk. zu Brandenburg.
1290 Kirche zu Gonnab. Sangerhausen.
Kirche zu Wilsdruff.im Königr.
Sachsen.
* 1291 Kirche zu Fredelsloh.
1272 Stadtkirche zu Markgröningen , i295 Kirche zu Kampen in Ostfriesl.
(Württemb.), 2 Glocken. i297 St. Sylvestri in Wernigerode.
'*' 1274 Kirche zu Ochtersum bei Esens. 1299 Pfarrkirche zu Sinzig.
1275 St. Petri zu Würzburg. ! Kirche zu Pfaffenhofen.
Die Anzahl der Glocken aus dem 14. Jahrhundert ist viel grösser und
die der dem 15. Jahrhundert entstammenden überall noch erstaunlich gross.
Die alten Glocken vermindern sich selbstverständlich je länger je mehr,
doch ist es sehr zu beklagen, dass in unseren Tagen viele völlig brauch-
bare alte Glocken aus allerlei Scheingründen oft ohne Not umgegossen und
gegen neue von zuweilen zweifelhaftem Werte vertauscht werden. Ältere
statistische Nachweise decken sich daher nicht mehr mit der Gegenwart;
wie wenn z. B. vor 60 Jahren im Fürstentum Minden und in der Graf-
schaft Ravensberg 2 Glocken aus dem 13., 6 aus dem 14., 8 aus dem 15.,
23 aus dem 16., 36 aus dem 17., 59 aus dem 18. und 8 aus dem ersten
Viertel des laufenden Jahrhunderts nachgewiesen waren, so dürfte dies jetzt
schwerlich noch passen. Durch die sorgsame Aufmerksamkeit, die Herr
Bauinspektor G. Sommer zu Wernigerode auf seinen Kunstreisen inner-
halb der Provinz Sachsen den Glocken fortgesetzt widmet, ist es ihm mög-
lich geworden, zum ersten Male eine vollständige Statistik derselben zu ent-
werfen, die sich bis jetzt auf 7 landrätliche Kreise des Reg.-Bez. Erfurt,
auf 8 des Reg.-Bez. Merseburg und 5 des Reg.-Bez. Magdeburg, im Ganzen
auf eine Fläche von über 9400 qkm erstreckt und 2886 Glocken umfasst,
unter denen sich datiert 6 aus dem 13., 26 aus dem 14., 154 aus dem 15.,
239 aus dem 16., 341 aus dem 17., 582 aus dem 18. und 986 (!) aus
unserem höchst betriebsamen 19. Jahrhundert befinden; ohne bestimmtes
Datum sind 551 mittelalterliche Glocken. 171 Glocken, also 6 Prozent,
haben Inschriften in neugotischen Majuskeln, werden daher aus der Zeit bis
etwa 1360 stammen. Auffallend ist das Yerhältnis in dem 588 qkm grossen
Mansfelder Seekreise, in welchem die Zahl der Glocken mit Majuskel-
160
Glocken in Deutschland.
inschriften noch über 16 Prozent beträgt und die der spätmittelalterlichen
übersteigt. Durch die Güte des Herrn Verfassers sind wir im stände, die
folgende statistische Tabelle mitzuteilen, in welcher nur der von demselben
nicht vollständig bereiste Kreis Merseburg aus einer andern Quelle ergänzt
ist.i Im Kreise Weissenfeis, in welchem vor ca. 40 Jahren nur 7 Glocken
aus dem laufenden Jahrhundert nachgewiesen waren, hat sich seitdem die
Zahl derselben bis auf 80 vermehrt, ein Anzeichen davon, wie schnell unter
Umständen unter dem alten Bestände aufgeräumt wird. Die Zahl der erst
im 19. Jahrhundert gegossenen Glocken in den berücksichtigten Teilen der
Provinz Sachsen beläuft sich auf 34 Prozent.
.0
PQ
I
B
Kreise der Provinz
Sachsen, nach Regie-
rungsbezirken
Heiligenstadt
Langensalza
Müh] hausen
Schleusingen
Weissensee .
Worbis . .
Ziegenrück .
Anzahl
der
Glocken
überhaupt
155
146
133
85
95
118
80
Durchmesser
der
gross-
ten
Meter
der
klein-
sten
Meter
f
CS
Zahl der Glocken nach Jahr-
hunderten
IUI. i xiy.
1,36
1,88
2,01
1,38
.1,58
1,46
1,40
0,36
0,39
0,35
0,25
0,46
0,41
0,33
21
9
18
7
2
12
8
1
1
1
4
2
2
1
IT.
m. x?ii.
XVID.
6 ; 23
4 ' 22
19
10
5
5
5
5
4
4
18
5
15
20
9
14
13
16
11
20
34
27
19
37
20
20
IIX.
Mit In-
schriften
in
Maj.JMin.
69
52
47
36
32
46
dl
4
6
3
2
3
15
16
23
8
6
15
4
Eckardtsberga . .
Mansfeld. Gebirgskr.
Mansfelder Seekr.
Merseburg .
Querfurt . .
Sangerhausen
Weissenfeis .
Zeitz . . .
204
1,46
0,44
10
123
1,91
0,37
19
174
1,96
0,35
49
278
1,72
0,33
86
284
1,70
0,36
63
209
1,75
0,36
47
246
1,67
0,39
52
114
1,71
0,39
16
2
4
1
4 13
6 11
9 I 15
16 I 24
10 I 16
11 8
16 27
— , 13
8
19
61
96
16
32
39
22
19
58
36
51
65
31
65
97
18
35
85
29
41
80
20
22
35
4
8
29
13
15
18
11
3
12
12
20
50
I 26
19
40
19
na
Aschersleben
Calbe a/S. .
Halberstadt .
Oschersleben
Wernigerode
82
2,06
24
—
1
2
4
12
18
21
10
3
105
1,86
0,41
38
—
5
4
8
14
36
14
4
127
2,35
0,37
41
1
4
10
10
13
18
30
19
23
84
1,65
14
o
9
2
13
19
25
4
12
44
1,95
0,41
15
1
•
4
2
6
10
' 6
5
6
2886
551
127o
6
26
155
239
341
582
986
171
67o
333
11',.
Summa:
^ Beschreibende Darstellung der Bau- und Kunstdenkm. der Prov. Sachsen.
Heft YIH: Kreis Merseburg, von Dr. Joh. Burkhardt und O. Küstermann.
1883, S. 253 ff. '
' Glocken in Deutschland. 161
Besonders starke Geläate dtlrfben in Deutschland selten sein. Auf den
Türmen des Domes zu Hildesheim werden 15 Glocken erwähnt, das Mün-
ster zu Freiburg i. Br. besitzt 13 Glocken, ebensoviel der Dom zu Halber-
stadt (von denen 10 zum Läuten gebraucht werden können), St. Stephan
zu Wien hat deren 12, der Dom zu Frankfurt a. M. 9 Läuteglocken, da-
gegen hat der Dom zu Köln nur 7, der zu Magdeburg gar nur 3 Läute-
glocken. Das aus 9 Glocken bestehende Geläute des Stifts St. Florian in
Ober-Österreich hat 4 Glocken aus den Jahren 1318 und 1319 aufzuweisen,
und eine gleiche Anzahl so alter und noch dazu gleichzeitiger, wahrschein-
lich sogar von demselben Giesser herrührender Glocken dürfte kaum noch
anderwärts vorkonmien. In ähnlicher Weise ausgezeichnet ist das aus 11
Glocken bestehende Geläute des Domes zu Braunschweig, dessen drei grösste
Glocken von dem berühmten Giesser Gerhard von Kampen im Jahre 1502
verfertigt wurden, während die folgenden sechs aus dem Jahre 1506 von
Heinrich von Rampen herrühren. Auf dem Dome zu Merseburg sind zwar
die sämtlichen 6 Glocken aus dem Mittelalter, aber nur die beiden gröss-
ten aus der Majuskelzeit, die eine nach den darauf befindlichen Bischofs-
siegeln zwischen 1282 und 1300, die andere anscheinend im 12. Jahr-
hundert entstanden. — An Kirchen und an Glocken sehr reich sind die
Städte Prag und Köln: letzteres hat zu St. Gereon, St. Severin und St. Ku-
nibert treffliche Geläute des ausgezeichneten Meistc^^ Martin Legros aus
Malmedy aus der Zeit von 1760 — 80. — Das schönste Geläute in ganz
Deutschland soll die Elisabetkirche in Marburg besitzen, deren 7 Glocken
den reinen Dur-Akkord und den Quart-Sexten-Akkord ergeben, jedoch so,
dass die Quarte und Sexte als Mittelstimmen erscheinen. Sehr gerühmt
wird auch das von F. X. Gugg in Salzburg im Jahre 1830 gegossene Sieben-
geläute im Asdur-Akkord zu Mariazell. — An gar manchen Orten sind die
schönen Glocken zum Schweigen verurteilt wegen Baufälligkeit der Türme :
dies war lange Jahre bis zur endlichen Bestauration der Türme der Fall
auf dem Dome zu Erfurt, von dessen 10 Glocken regelmässig nur zwei in
Bewegung gesetzt werden durften, und das auf dem alten breiten Turme
der Stadtkirche zu Merseburg befindlich gewesene, aus 7 zum Teil sehr
alten Glocken bestehende Geläute konnte seit Menschengedenken gar nicht
gebraucht werden, und statt dessen erhielt der neu erbaute schlanke Turm
nur 3 neue Glocken.
Von den 4 grössten Glocken peutschlands stammt eine, und zwar die
kleinste, aber mit vollem Hecht wegen ihrer einfachen Schönheit und wegen
ihres Alters berühmteste dieser Riesinnen noch aus dem Mittelalter-, es ist
die Gloriosa des Domes zu Erfurt \ die ihren Namen von zwei zu Grunde
^ Vergl. oben S. 94 und im Glockengiesserverzeichnis die Namen Claus und Wou.
Otto, Glockeukando. XI
162 I^ie grössten deutschen Glocken.
gegangenen Vorgängerinnen ererbte. Die erste, 1251 gegossene Gloriosa,
die schwerer gewesen sein soll als die jetzige, wurde 1472 durch Brand
zerstört; die zweite des Namens war 1477 durch Claus von Mtthlhaosen
gegossen worden und nur 200 Centner schwer; als sie nach kurzer Zeit
gesprungen war, wurde die jetzige Glocke im Jahre 1497 mit Beiträgen
der benachbarten Fürsten und Herren, sowie der Erfurter Bürger auf Ko-
sten des Domkapitels durch Gerhard Wou de Campis gegossen und von
dem Weihbischofe Johann von Lasphe der Jungfrau Maria dediziert und
Gloriosa zubenannt Das Gewicht derselben wurde früher auf 252 Centner
abgeschätzt, soll aber nach neueren Berechnungen von Glockengiessem 276
oder 275 Centner betragen. Der Durchmesser hält 8Y4 Fuss rhein. bei 7,04
Zoll Kranzdicke und BYg Fuss Höhe. Die Inschrift, eine sapphische Strophe,
von einem unbekannten gelehrten Poeten, steht oben herum in einer Zeile :
f Lande, paironos, cano, gloriosa »* Fulgtir. arcens. et demones. ma-
lignos »* Sacra, ieinplis, a poptUo, sonanda ** Cartni7ie, pvlso ♦* Oer-
hardtis. wou, de. Campis, me. fedt ♦ Anno, Dni, M, CCCC. XCÜII f.
Die einzelnen Wörter sind durch heraldische Lilien, die einzelnen Verse
durch je zwei Rosen und die Zahlzeichen durch Punkte getrennt. Die
Krone besteht aus dem Mittelbogen und 7 Öhren, deren jedes 1 Centner
wiegen soll. Sie ist mit dem Relief der Madonna, und oben herum mit Lilien^
unten herum mit Eichenblättern geschmückt. Der Klöppel soll 11 Centner,
der Helm ^4 Centner wiegen. Die Glocke wird an 4 Tauen von 16 Per-
sonen mittels eines Schwungrades gezogen, und der Klöppel von 2 anderen
zum Anschlagen gebracht. Wenn sie indes ordentlich in Schwung kommen
soll, sind früher 24 Mann gebraucht worden. Ihr runder und voller Klang
ergiebt den Dur-Akkord in E, kommt aber gegenwärtig bei ihrem überdies
seltenen Gebrauche nicht in der grösstmöglichen Stärke zur Geltung, weil
sie nicht in vollen Schwung versetzt wird und deshalb der Anschlag des
Klöppels zu schwach ist. Die von demselben Meister gegossene Vincentia
(der Schreier) der Severikirche, deren Gewicht noch nicht den vierten Teil
dessen der Gloriosa erreicht ist mit ihrem überaus kräftigen Klange ziem-
lich ebonsoweit zu hören als diese, von welcher es heisst, sie sei bei gün-
stigem Winde in Weimar, bezw. Gotha noch gut zu vernehmen. Da diese
Riesenglocke als Wahrzeichen von Erfurt gilt, so ist sie seit Jahrhunderten
von unzähligen Fremden besucht worden, und da jeder Besucher dafür die
Taxe von einem guten Groschen (12 Pfennig) zu erlegen gehalten ist, bietet
sie dem Kirchner eine ansehnliche Einnahme. Nachdem sie ihren Rang als
Königin der Glocken des heiligen römischen Reiches über 200 Jahre be-
hauptet hatte, wurde sie von der grossen Glocke auf dem hohen Stephans-
türme in Wien an Gewicht übertroffen. Dieselbe (s. oben S. 72) wurde
Die grössten deutschen Glocken. 163
im Jahre 1711 von dem Stttckgiesser Joh. Aichamer gegossen, von dem
Bischöfe v. Kamel bei der Weihe der unbefleckten Empfängnis dedi ziert
nnd bei der Rückkehr Kaiser Karls VI. von der Krönung im Jahre 1712
zum ersten Male geläutet. Ihr Gewicht ist in der Inschrift auf mehr als
30 000 Pfund angegeben und beträgt nach dem Zeugnisse des Pater Rei-
fenstuhl, welcher die Glockenpredigt hielt, 324 Centner 31 Pfund, mit Helm
und Eisenwerk ca. 402 Centner. Im Volksmunde „Schustermichl" geheissen
hat sie bei einer Kranzdicke von 8 Zoll 10 Fuss Diameter, und ist mit
den Reliefbildern der heiligen Joseph und Leopold, der unbefleckten Empfäng-
nis und mit den Landeswappen geschmückt; der untere Rand ist mit Laub-
werk verziert, und vier verschiedene lateinische Inschriften sind darauf an-
gebracht. Der Klöppel sprang 1739 und wurde im folgenden Jahre *durch
einen neuen von 15 Centner 70 Pfund ersetzt; neuerdings wird sie nicht
mehr geläutet, weil die Turmpyramide dabei in ein Schwanken von 15 bis
20 cm geriet. — Kleiner als die Wiener, aber grösser als die Erfurter ist
die grosse Glocke zu Schenkenfelden im Mühlviertel von Oberösterreich;
sie wurde im Jahre 1764 durch Karl Potz von Linz gegossen und wiegt
298 Centner. — Als die jetzt grösste Glocke in Deutschland ist die Kaiser-
glocke des Domes in Köln (oben S. 72 u. 145) zu nennen, obgleich sie
trotz dreimaligen Umgusses in technischer Beziehung leider als missraten
bezeichnet werden muss. Sie wurde im Jahre 1875 an den Dom abgeliefert
und hat ein Gewicht von 525 Centner, ihre Schlagdicke beträgt 0,29, der
Durchmesser 3,40, die Höhe 3,25 m. Der Ton derselben war auf C be-
rechnet (als Unterquinte zu der vorhandenen grössten Glocke mit dem
Tone G), schwebt aber zwischen Cis und D. Der erste Klöppel war 3,i3m
lang und wog 21 Centner. Die sechs Ohre, aus denen die Krone besteht,
sind mit Engelsköpfen geziert und laufen unten in Löwenklauen aus. Unter
der Krone steht in drei Zeilen mit gotischer Schrift: Chiüelmus, au/fiistis-
simtis invperator Germanorum rex Borussoruni, pie memor coelestis mixüii
accepti in gerendo felicissime conficiendoqtie nuperrinio hello OaUieo, in-
staiirato imperio Germanico bellica tormenta captiva aeris quinqtuiginta millia
pando jttssit conflari in campatiam stispendendam in Jiae admirandae f^truc-
turae aede exaedifwationi tandem proxinm, Cui victariosissimi principi.9
pientissimae voluntati obsecuta sodetas perftciendo hiiic templo m£tropolitano
constituta F. C. Pio IX Pontifice Bommio Paulo Melchers ArcJiiep. Colo-
niensi A, D. MDCCCLXXIV, Auf der einen Seite ist das Bild des hei-
ligen Petrus, des Patrons der Kirche, angebracht, und unter demselben stehen
(nach Boeckeler, Beiträge, S. 147) die Distichen:
Fig. 1
164 GIockeD der aswtiacfaen Yölker.
Voce mea coeli populo dum imntio sortts
Sursum corda volant aemula voce aua.
Potronus qui voce mea templi atria pandii
Janitor et codi Umirui pande gimul.
Auf der andern Seite der tilocke steht das Wappen des deutschen Beichs
nebat folgenden Reimen:
Die Kaiserglocke hei»» ich.
Des Eaiierg Ehren preis ich.
Auf heiPger Warte steh tcft.
Dem deutschen Beich erfleh ich,
Boss FrietP und Wehr
Ihm Gott bescheer!
Die lange fhichtlosen Versuche, den Koloss in ordentliche Schwingung zu
bringen, die ancb bis zuletzt einen vollkommenen Erfolg nicht berbeiftkhrten,
riefen nicht bloss begreiflicherweise auch Aber die zunächst beteiligten
Kreise hinaus eine sich in Enttäuschung verwandelnde Spannong hervor,
sondern auch wohlfeilen Spott über „die
grosse Schweigerin" oder „die Stamme
von Köln". Wenn nicht von Russen nnd
Chinesen, so könnten wir ohne Schädi-
gung des deutschen NationalgefQhls wohl
von den Spaniern und Engländern lernen,
dass Glocken von so ungeheurer Masse
ttberhanpt nicht zum Läuten, sondern,
wenn man sie dennoch baben will , nur
zum Anschlagen benutzt werden können.
Ehemals war einem alten Spruche
zufolge unter allen Glocken Deutschlands
die I^andsbuter die höchste, die Strass-
burger die schönste und die Wiener Glocke
die grösste.
Von den Glocken der nichtchrist-
lichen Völkerschaften in Asien
ist bereits oben S. 56 und 89 einiges
gesagt worden. Um die Form der grösseren chinesischen Glocken zu ver-
anschaulichen, geben wir in Fig. 19 die Skizze einer solchen, die gegen-
wärtig im Vestibül des Kunstgewerbe-Museums in Berlin aufgestellt ist und
in der ganzen Gestaltung wesentlich dem Typus entspricht, in welchem
(nach älteren Abbildungen zu urteilen) auch die grössten Glocken der Chi-
nesen ausgeführt sind. Die aus Bronze gegossene runde Glocke ist 1,65
hoch, hat unten l,oo, in der Mitte 0,7C und oben 0,^7 Durchmesser, und
Chinesische Glocken. 165
das Gehänge hat Drachengestalt. Sie ist ganz mit Inschriften^ bedeckt,
welche nach Auskunft eines Sinologen in den rechteckigen Abteilungen Na-
men und kurze Wahlsprüche, wohl der genannten Leute, der Donatoren
oder derer, die Geld zur Beschaffung der Glocke gegeben haben, enthalten
und in den die rechteckigen Felder voneinander trennenden Yertikalstreifen
in viel grösserer Schrift buddhistische Sprüche, bezw. Sentenzen aus bud-
dhistischen Schriften, z. B.: „Das Rad des Gesetzes dreht sich ohne Unter-
lasse' oder „Das ist einzig des Herzens Stimme'^ u. s. w. Die Glocke, zu
welcher ein Klöppel gehört, ist keineswegs alt; nach dem darauf befind-
lichen Datum entstammt sie der Periode Kia-King (1795 — 1821). An-
ordnung und Form der Ornamente deuten auf europäischen Einfluss der
von den im Beginn des 18. Jahrhunderts nach China zur Erbauung des
bekannten Sommerpalastes berufenen französischen Architekten mitgebrachten
Eunstformen ihres Landes unter Louis XIV., die sich in missverstandener
und verkonunener Weise noch heute in China gelegentlich geltend machen.
Das Berliner Kunstgewerbe-Museum besitzt noch eine zweite kleinere und
etwa hundert Jahre ältere, nicht datierte chinesische Glocke aus Bronzeguss
von ovaler Form, deren Höhe 0,48 beträgt, und der grössere Durch-
messer am unteren ausgebogenen Bande 0,26, der kleinere 0,19. Sie ist
ganz mit Belieförnamenten (einem Drachen als Hauptzierde u. s. w.) bedeckt,
die zwar ziemlich flach, doch höher sind, als sie bei unseren Glocken gleicher
Grösse zu sein pflegen. Unter der gebogenen Platte befindet sich ein Loch
zum Aufhängen; die Glocke wurde von aussen mit einem Hammer bear-
beitet, ein Hangeisen für einen Klöppel hat dieselbe nicht. ^ — Die chine-
sischen Riesenglocken sind fast von völliger Cylinderform, doch etwas aus-
gebaucht, mit mehreren Leisten, wie Reifen, umgeben und, angeblich um
ihren dumpfen Klang zu verbessern, in der Platte mit Löchern versehen;
eine im britischen Museum zu London befindliche chinesische Glocke wird
wegen ihres tadellosen Gusses bewundert. Der Jesuit Verb i est versichert,
dass es in Peking 7 Glocken giebt, von denen jede 120 000 Pfund wiegt.
Die Öffnung betrüge 11 Fuss im Durchmesser, die Höhe ohne den Henkel
12 Fuss. Eine herabgestürzte grosse Glocke in Nanking ist von dem Je-
suiten Le Comte vermessen und beschrieben. Die Höhe betrug, ohne den
2 Fuss hohen Henkel, 11, der Durchmesser 7 Fuss. Die Dicke, am unteren
Rande 6^2 ^o\\ betragend, verringerte sich nach oben allmählich und war
unter dem Gehänge nur 2 Zoll, was durch das in der Haube angebrachte
^ Die Inschriften auf unserem kleinen Holzschnitte sind, wie wir ausdrück-
lich zu bemerken nicht unterlassen wollen, lediglich Erfindung nach Phantasie
des Zeichners.
^ Nach gütigen Mitteil, des Herrn Pabst, Direktorial- Assistent des Museums.
Xgg Birmanische Glocken.
Loch hinlänglich genau beurteilt werden konnte. Der Guss wird als un-
sauber und knotig geschildert.^ Das Gewicht ist auf 50 000 Pfund ge-
schätzt. — Zeitungsnachrichten vom Juli 1884 zufolge ist eine bronzene
Glocke aus der Pagode Bac-Ninh in Tonking als französische Kriegsbeate
in Paris angelangt; sie wiegt 300 kg und hat keinen Klöppel, da sie ver-
mittelst eines hölzernen Schlägels angeschlagen wird. Sie ist, sozusagen, so
feinfühlig, dass sie bei der geringsten Berührung mit dem Finger einen
hellen Silberton erklingen lässt. — £ine birmanische Glocke befindet sich
im Ethnographischen Museum zu München, mit der erklärenden Notiz:
„Glocke „Gantha" von ungefähr 200 Pfund und noch nie benutzt Sie
war ein kaiserliches Geschenk für den ersten Tempel der Stadt Ava und
wurde von den Birmanen für heilig geachtet. Die Krone ist von mytho-
logischer Deutung, und der untere Teil mit einer Inschrift in der Sprache
der Birmanen (ganz) bedeckt.'^ Sie hat gewöhnliche Glockenform; die er-
wähnte Krone ist aus zwei kreuzweise gestellten Hufeisen von etwa 0,30
Höhe gebildet, die an den äusseren Seiten mit ein und derselben GN^tzen-
figur von ca. 0,08 Höhe verziert sind. Getragen wird die 40 — 50 cm
hohe Glocke von einer runden, etwa 3 cm starken Eisenstange, die sich
frei um sich selbst drehen lässt und an den Enden mit einer Art Eichel
verziert ist^ — Japanesische Bronzeglocken, die angeblich aus in den letz-
ten inneren Kriegen dieses Landes zerstörten Tempeln herrühren sollen,
sind in neuester Zeit in grösserer Zahl als Handelsartikel nach Deutschland
gekommen, und dem Vernehmen nach hat eine Glockengiesserei in Dresden
deren 20 zum Einschmelzen als Glockengut vor kurzem angekauft
Indem wir schliesslich eine tabellarische Übersicht der grössten Glocken
folgen lassen, müssen wir jedoch bemerken, dass nach der Beschaffenheit
der respektiven Quellen die wenigsten Angaben über Gewicht und Mass
ganz zuverlässig sein dürften, indem man überall die Neigung wahrnimmt,
die Grösse der Glocken zu übertreiben, abgesehen von der Unbestimmtheit
des zu Grunde gelegten Masses und Gewichts und der Schwierigkeit einer
richtigen Berechnung des letzteren, weshalb wir auch die Umrechnung nach
dem Metermass lieber unterlassen haben. Es gut hier zumeist das von Bla-
vignac (a. a. 0. S. 9) mitgeteilte Sprüchlein der Genfer über ihren Brummer:
Cinq Cents guintaux je pese:
Qm ne me veut croire me descende,
Aux grands poids de Genete wit pese,
Me remante et me repende.
^ Le Comte, Nouveaux memoires sor la Chine. Seme 6d. Amsterdam 1698.
1, 115 sqq.
* Nach gütiger Mitteilung des Herrn Dr. Ratzin ger in München.
167
Übersicht
der grössten Glocken, bis zum Oewichte von 100 Gentner herab.
Name des Ortes
Name der
Glocke
Name des Giessers
~JäHr I Ge-
des wicht
Gasses
Centner
Durch-
messer
Moskau
Peking
Nowgorod
Köln, Dom
Nanking
Lissabon, Dom
Aberdeen, St. Nikolai
Toulouse
London, St. Paul
Wien, St. Stephan
London, Parlaments-
haus
Sens
Mailand, Dom
Schenkenfelden im
Mühlviertel
Rom, St. Peter
Erfurt, Dom
Magdeburg, Dom
Paris, Notre-Dame
Montreal, Katholische
Kirche
Frankfurt a/M., Dom
Bern, St. Yincenz
Schaffhausen, Münster
Prag, St. Veit
Köln, Dom
Breslau, St. Elisabeth
Amiens
York, Münster
Reims, Dom
Wien, St. Stephan
Brügge
Hamburg, St. Petri
Lyon, St. Jean
Tsar Kolokol
Trotzkoi
Bolshoi
St. Iwan
Grosse Glocke
»
Kaiserglocke
Grosse Glocke
»
Laurentia
Grosse Glocke
»»
>»
Big Ben of
Westminster
Grosse Glocke
S. Ambrosio
Grosse Glocke
>♦
Maria Gloriosa
Maxima
Emanuelle
Louise Therese
Grosse Glocke
Gloriosa
Grosse Glocke
»»
Sigismundus
Preziosa
Grosse Glocke
Bancloche
Great Peter
Charlotte
Pummerin
Grosse Glocke
Michael Monterine
Bogdanof
A. Hamm
Joh. Aichamer
Joh. Warner u. Söhne
Kari Potz
Gerhard Wou
Joh. Jakobi
Thom. Mears und
Söhne
J. G. Grosse
Jarosch
Heinr. Brodermann
u. Christian Cloit
Georg Milde
Thom. Mears u. S.
Pierre D^schamps
Urban Weiss
J. G. Grosse
1734
1817
1819
1403
1874
1881
1711
1856
1764
1786
1497
1702
1685
1847
1877
1611
1486
1549
1448
1507
1748
1845
1570
1558
1680
1878
3962
3280
1300
1120
1099
620
525
454
418
400
386
350
324
308
300
300
298
280
275
266
256
255
245
240
230
225
224
220
220
215
209
208
205
200
200
22' 5Vß"
18'
11'
3,40 m
11'
2,98™
10'
9' 5Va"
8' 7
44
8' 3"
7' 10"
8'
4 »41
8' 7
2h, m
7' 7"
2,46 m
2,61 m
168
Übersicht der grössten Glocken.
(5^
wicht
Centner
Name des Ortes
Name der
Glocke
Name des Giessers
Jahr
des
Gusses
Durch-
messer
Strassburg, Münster
Marseille, N.-D. de la
Garde
Rom, Kapitol
Florenz, Palazzo vec-
chio
Halberstadt, Dom
Hildesheim, Dom
Görlitz, Petri Pauli
Utrecht, Dom
Schneeberg, Marienk.
NOmberg, Lorenzk.
Oxford, Christchnrch-
College
Trier, Dom
Oldenzaal
Antwerpen
BrQssel
Weingarten
Olmütz, Moritzkirche
Auch, St. Maria
Halle a.d. S., Rote Turm
Hamburg, Nikolaik.
München, Frauenk.
Danzig, Marienk.
Köln, Dom
Boulogne
Regensburg, Don[i
Utrecht, Dom
Aachen, Münster
Magdeburg, Dom
Leipzig, St. Nikolai
Breslau, Dom
Lüttich, St Dionys
Exeter
Nürnberg, Sebaldsk.
Rodez
Gent
Brunn, St Jakob
Chalons sur Saöne, St.
Vincent
Ronen, Dom
Lincoln
Mariazell in Steiermark
Grosse Glocke
n
Domina
Cantabona
Grosse Glocke
Salvator
Donnerglocke
Grosse Glocke
Great Tom
Grosse Glocke
»
»»
f»
Osanna
Grosse Glocke
»
Goncordia
Susanna
Sigismundus
Speciosa
Grosse Glocke
Predigerglocke
Glocke
Maria
Apostolica
Grosse Glocke
n
1»
»>
Stundenglocke
Grosse Glocke
Roland
Hauptglocke
Grosse Glocke
Quatr*une
Great Tom
Kaiser Franz
Johann Gremp
J. G. Grosse
j»
Martin Hilliger
Gerhard Wou
Brulet
Gerhard Wou
H. Ernst
J. G. Grosse
H. Ernst
Joh. de Vechel
Gerhard Wou
Petit u. Edelbrock
Jakob Wenzel
Jakob König
Joh. Jak, Krumpfer
F. Causard
Conrad
Thom. Mears u. S.
Franz Xaver Gugg
1427
180
179
1803
174
—
170
1875
168
1876
166
1616
166
1605
168
—
166
1892
164
1680
162
1628
146
1493
144
—
143
141
1490
138V,
136
136
1480
130
1876
127
1493
«126
1463
121
1449
120
117
1325
116
1615
116
1881
116
1690
116
1634
114
1721
113
18..
112
1676
111
—
110
1841
110
—
110
1616
110
—
109
_
109
1836
108
1830
106
e'io'
2,„m
2,»™
2„.m
* Ot4
7*3
2.„m
2,07 m
6' 2"
* A*t
6' 4
t All *»
6' 47.
Übenicht der grössten Glocken.
169
<^'
Name des Ortes
Name der
Glocke
Name des Giessers
Jahr
des
Gusses
Ge-
wicht
Centner
Durch-
messer
London, St. Paul
Grosse Glocke
—
1709
104
6' 9V,"
Halberstadt, Dom
Osanna •
Hans Blume
1455
104
—
Weissenau bei Ravens-
Dreifaltigkeit
Peter Ernst
1763
1037,
—
burg
Dresden, Kreozkirche
Uhrglocke
Weinhold
1787
1Ö2
Regensburg, Emmeram
Grosse Glocke
Eonrad Has
1491
101
—
Amiens, Dom
Maria
—
1736
100
5' 11V„"
Magdeburg, Dom
Dominica
Eckhard Kucher
1575
100
6' llVa"
Frankfurt a/0., Oberk.
Osanna
1371
100
6' 4"
Braunschweig, Dom
Blasius major
Gerhard Wou
1502
100
6' 9"
Lattich, Dom
Grosse Glocke
F. Causard
18..
100
^
VIIL Glocken-Sagen und Glocken -Aberglauben.^)
In den mittelalterlichen Lokal -Sagen nehmen die Glocken eine nicht
unbedeutende Stelle ein. Ihr Ton schien nicht der sich stets selbst gleiche
Klang des toten Erzes zu sein, sondern bald frohlockend, bald klagend,
bald stürmend, bald zagend, 'bald heulend, bald wimmernd die nicht bloss
mitfühlende, sondern vorahnende deutnngsvoUe Stimme eines geheimnisvollen
in höheren Regionen heimischen Wesens, und wie die Kirche den Glocken
persönliche Namen in feierlicher Taufe beilegte, so schrieb ihnen das christ-
liche Volk ein eigentümliches Leben und wohlthätiges Streben zu.
Die Glocken lieben ihren Heimatsort; nngem trennen i^ie sich von der
Kirche, deren Schutzheiligen sie geweiht sind, von der Gemeinde, welcher
ihr Mund schon lange Generationen hindurch ein Bote des Höchsten gewesen
ist. Damm sind sie schwer fortzubringen, und leisten den auf ihre Fort-
schaffung gerichteten, oft fruchtlosen Versuchen allerlei Widerstand. Schon
wenn die Versetzung einer Glocke nur beabsichtigt wird, verschlechtert sich
ihr Klang oder hört ganz auf; kehrt aber hernach um so lieblicher wieder,
wenn man sie ruhig an ihrer Stelle lässt. Ein anderes Mal mögen viele'
Pferde die Last der Glocke nicht aus der Stelle bewegen, oder gelangen
damit doch nur bis an den nächsten Berg, wo die Glocke liegen bleibt,
bis an einen Sumpf, wo sie versinkt, bis an eine Brücke, mit welcher sie
zusammenbricht und ihr Grab in der nassen Flut findet. Steht man da-
gegen noch bei Zeiten von dem Unmöglichen ab und beschliesst die Um-
^ Vergl. auch oben die Noten zu S. 29, 46, 46, 48, 49, 101 und S. 123.
170 Heimatliebe der Glocken.
kehr, dann ist die Last leicht, und nun leistet ein Pferd mehr, als vorhin
wohl zwanzig. Gelingt indes in der That die schwierige Fortschaffung
einmal, so war die Mühe doch vergebens: die sonst volltönende Glocke
klirrt und schnarrt an dem neuen Orte so jammervoll, oder versagt gar
eigensinnig vollends das Läuten, dass man sie gern wieder zurückschickt^
wo sie dann daheim bald völlig gesundet; sonst stirbt sie am fremden Ort
leicht an Heimweh den Tod des Zerspringens. — Die stärkste Heimatliebe
beweist eine Glocke in Leinster in Irland, welche, wenn sie nicht jeden
Abend von dem Glöckner durch einen besondern Exorzismus beschworen
und mit irgend einem, wenn auch schwachen Bande gefesselt wird, sich am
nächsten Morgen nicht mehr vorfindet, sondern an den Ort ihrer ursprüng-
lichen Bestimmung zurückgekehrt ist, welches einige Male sich ereignet hat. ^
— Ist eine Glocke versunken, so hat sie auch in der Erde, oder im Was-
ser, wo sie liegt, keine Ruhe; zu gewissen Zeiten wenigstens tönt sie from-
men Ohren ^ und führt dadurch oft ihre Wiederausgrabung und durch
wundersame Künste ihre Zurückführung an den alten lieben Ort ihrer ersten
Bestimmung glücklich herbei; nicht selten gelingt ihre Wiederauffindung
auch durch Wildschweine, welche in Feldern, Sümpfen und Wäldern merk-
wtlrdige alte Glocken auswühlen. ^ — Die Sagen von der Heimatliebe der
Glocken knüpfen sich in Deutschland an die verschiedensten örtlichkeiten \
^ Giraldus, Topogr. Hibera. dist 2, c. 33: Est in Lagenia in terra sc.
Mactäleuvi campana quaedam, quae nisi a custode suo eccorcisuno quodam ad
hoc composito singulis noctibus adiuretur^ et vincido quolibet vel fragüi ligetur,
mane in Media apud Clunarech in ecclesia S. Finnani, unde venerat, reperitur.
Quod et aliquoties certum est contigisse. Yergl. Rocca, Thesaurus antiquitat.
1, 166. — Du Gange s. v. Campana fugitiva.
^ Im Jahre 1490 hörte in Valencia in einer der Maria geweihten Kapelle
eine alte fromme Frau abends ein unterirdisches Läuten: als man auf ihre An-
zeige nachgrub, fand man wirklich eine Glocke und unter derselben ein hölzernes
Marienbild: beides mochte in einem früheren Kriege mit barbarischen Völker-
schaften hier geborgen worden sein, und Einige führen an, dass auch eine Hostie
mit unter der Glocke gelegen habe. — Vergl. Rocca a. a. 0. S. 168.
^ Vergl. die Sage vom Saufange in Köln, oben S. 69. — Nach einer grossen
Sindflut wurden beim Ablaufen des Wassers die Glocken der Kapelle auf dem
Kapellenberge bei Trebbin hinweggespüit; eine davon geriet „tn den Sand'^ (wie
ein Stück Land bei dem nahen Dorfe Blankensee noch heute heisst), wo man
dieselbe, nachdem sie von einer Sau ausgewühlt war, auffand und in der Kirche
aufhängte; dort läutet sie: „Sau fand in^n Sand.'- — L. Schneider, in Mark.
Forschungen 5, 88.
* Beispielsweise folgende Sage, in welcher sich gerade die meisten der an-
gegebenen Z^ge zusammenfinden: „In das Kirchlein zu Bernhardsweiler stiftete
vor Zeiten eine Gräfin eine Glocke, die viel Silber enthielt, und nannte sie nach
ihrem Namen Anne Susanne. Bei einem Kriege flüchtete man die Glocke und
Heimatliebe der Glocken. 171
und wie gewöhnlich auf dem Gebiete der Sage spielen in Sie dichterischen
Gebilde wirkliche Ereignisse und geschichtliche Thatsachen hinüber^, und
so abenteuerlich die Sagen von aus der £rde gewühlten Glocken klingen
mögen — wenn es nicht hin und wieder verlorene Kuhschellen gewesen
sein dürften, so kommen doch auch hiervon verbürgte Beispiele vor.^
Die sagenhafte Heimatliebe der Glocken erkli^t sich aus der Glocken-
liebe des Volkes und aus dem hohen Werte, den die Gemeinden auf ein
vergrub sie im Walde. Erst etwa nach hundert Jahren wurde sie dort von Wild-
schweinen herausgewühlt und bald darauf von Leuten gefunden. Da niemand
wusste, wohin sie gehöre, so hängte man sie zu Dinkelsbühl in den Kirchturm.
So oft sie daselbst geläutet wurde, liess sie nur ein schwaches Getön hören, wel-
ches lautete:
Anna Susanna,
Zu Bemdsweüer mll ich hangen!
Nachdem man diese Worte verstanden, brachte man die Glocke in das Kirchlein
zu Bemhardsweiler , wo sie gleich beim ersten Läuten ihren schönen kräftigen
Klang wieder hatte." Vergl. Mone, Anzeiger für Kunde des teut. M.-A. Jahrg. 7,
Sp. 364. — Zu St. Pauls in Tirol steht gleich als Inschrift auf der Glocke:
Anna Maria heiss^ ich,
Alle Wetter weiss ich,
AUe Wetter vertreib* ich,
In St. PatUs hleib^ ich.
Organ für christl. Kunst 1866, S. 19.
^ Als Herzog Albrecht von Bayern 1487 eine dem Emmeramskloster in Re-
gensburg abgekaufte Glocke auf der Donau und Isar hatte nach München bringen
lassen, sprang dieselbe auf der dortigen Frauenkirche schon am Weihnachtsfeste
des gedachten Jahres. Vergl. Verhandlungen des histor. Vereins von Oberpfalz und
Begensburg, Bd. VIII, Heft 3 u. 4, S. 299. — Ettmüller erzählt in den Annalen
der Kreisstadt Jüterbogk (HS. im Eatsarchive daselbst), S. 218: „An. 1601 kam
Erzbischof Ernst (von Magdeburg) nach Jüterbogk . Die Ursache war, dass
er unsere Glocke auf dem Kikolaiturm gern nach Magdeburg haben wollte, weil
ihm berichtet worden, dass in Magdeburg dergleichen Glocke von so schönem
reinen Klange nicht zu finden sei. Da nun einen Tag der Wind aus dem Morgen
kam, so befahl der Bischof, die Glocke zu läuten. Da aber der Rat merkte, dass
der Bischof die Glocke austauschen würde, so gebrauchte er die List und liess
die Glocke mit einem Tuche behängen, davon sie einen dumplichen Klang bekam.
Als der Bischof die Glocke läuten hörte, so schüttelte er den Kopf und verlangte
sie nicht"
' Im Spätsommer 1861 wurde einige Meilen von Berlin unweit des Dorfes
Schönerlinde beim Pflügen an einer Stelle, genannt „der alte Hof*, ein metallenes
Gefäss gefunden, das man für eine Uhrglocke hielt. Dasselbe war etwa 0,7g hoch,
hatte 0,03 ^ Durchmesser und ca. 9 Centner an Gewicht; statt der Krone war
es mit zwei Seitenöhren, wie Handhaben versehen. — Berlin. (Vossische) Zeitung
1861, Nr. 236, Beil. 1, S. 6.
172 Wunderkräfte der Glocken.
schönes Geläut legten. Aberglauben und Eigennutz mischten sich hinein,
der Neid der Nachbarn wurde rege: sie wollten die schönen Glocken für
sich haben und für hohen Preis kaufen; wenn ihnen das abgeschlagen
wurde, suchten sie dieselben zu stehlen, was aber nicht glückte, da die
Glocken nicht fortwollten^, sich auch für die ihnen bewiesene Anhänglich-
keit durch Rache an den neidischen Nachbarn dankbar zeigten.^
Der ärgste Glockenfeind ist der Teufel ^; schon an dem reinen Klange
des Erzes nimmt er ein Ärgernis und flieht davor; Ketzern und Ungläu-
bigen giebt er den Glockenhass ein, von ihm Besessene können den Glocken-
ton nicht vertragen, die bösen Geister fliehen vor dieser Stimme Gottes in
der Höhe, und die Wetterhexe fällt (nach dem Volksglauben in der Ober-
pfalz) aus der Luft.* — Besonders gefährlich ist der Teufel den Glocken
vor ihrer Weihung ^; kann er einer gar nicht, oder mangelhaft geweihten
^ Die Ulmer wollten die schöne Glocke in lUertissen haben und boten dafür
so viel Sechser, als man von Ulm bis Illertissen (24 km) legen könne, bekamen
sie aber nicht. (Birlinger, Aus Schwaben. Wiesbaden 1874. S: 25.) — Die
Bottenburger wollten den Tübingern soviel Goldstücke geben, als man von ihrer
Stadt bis nach Tübingen legen könne, aber die Tübinger wollten auch dann nicht,
als* die Rottenburger noch den Weg bis Bebenhausen mit Kronthalem belegen
wollten. (Derselbe, Volkstümliches l, 149.) — Die Hamburger boten für die Glocke
in Krempe eine goldene Kette so gross, dass sie um ganz Krempe reichen sollte;
aber die Kremper wollten nicht. Nun stahlen die Hamburger die Glocke, aber
diese woUte selber nicht und liess sich nicht von der Stelle bringen. (Müllen -
hoff. Sagen aus Schleswig-Holstein, S. 119.) — Vergl. P. Gas sei, Turm und
Glocke, S. 20.
^ Zu Weingarten war eine Glocke, wenn die läutete gingen alle Gewitter
aus Schwaben weg und zogen nach der Schweiz.
' Der Satan, erbittert über die Frömmigkeit des heiligen Benedikt, zerschmet-
terte durch einen Steinvnirf die kleine Glocke, mittels welcher der Mönch, der
den Mann Gottes in der Einöde mit Speise und Trank versah, seine Ankunft an-
zumelden gewohnt war. Gregorii M. Dial. 2, 1. — Der vor den Gebeinen des
heiligen Wilhelm aus einem Besessenen fahrende Geist lässt seine Wut an einer
Silberglocke aus, die er zerschmettert. Mab il Ion, Acta SS. Ord. St. Bened. VI,
p. 482.
* Die Zwerggeister flüchten, wenn sie die Glocken hören; sie nennen sie
bellende Hunde, weil sie wachsam sind und die Gläubigen wecken. P. Gas sei
a. a. 0. S. 18. — In Süddeutschland meint man, die Zwerge vertragen kein Glocken-
geläut, sie weinen dabei und fliehen. Aus Böhmen sind sie mit Einführung der
Glocken ausgewandert, werden aber einst wiederkehren. — Noch in neuerer Zeit
klagte einer von Kerners Geisterseherinnen ein noch ungebesserter Kellergeist,
dass er bei dem ihm widrigen Glockenläuten sich immer tief in die Erde flüch-
ten müsse.
'^ Als Papst Leo dem Bischof Theodor von Sion in Wallis eine grosse Glocke
geschenkt hatte, gelang die Fortschaflung derselben bis auf die hohen Schweizer-
in
Wunderkr&fte der Glocken. 173
Glocke habhaft werden, so stürzt er sie vom Turme hinab in den ersten
besten Kolk. Da läutet sie in der Christnacht um zwölf Uhr, auch an den
vier Quatembem, und wer es hört, stirbt noch in demselben Jahre ^', macht-
los ist er dagegen gegen die von der Kirche richtig geweihten, denen die
Heiligen des Himmels bei seinen vergeblichen Anläufen zu ihrem Schutze
zu Hilfe eilen.^ Indes haben die geweihten Glocken keineswegs alle gleiche
Gewalt über die Mächte der Finsternis: die hierin ausgezeichneten haben
es verschiedenen Umständei» zu verdanken, namentlich ihrem wunderbaren
Ursprünge^, gewissen Zusätzen zur Glockenspeise ^ ihrer Taufe im Jordan
Alpen lediglich ,^er cUiemonum obsequia^^. Toletanus, Syntaxis rer. memorab.
1. 7, c. 16, p. 489. — Vergl. Stohr, de campanis templ. cap. 5, § 6. — In Wal-
lensee (im Fürstentum Kaienberg) wird erzählt, dass einst eine Glocke, die nicht
getauft war, weggeflogen und in einen Brunnen versunken sei, der deshalb „der
Glockenbrunnen" heisst Mithoff, Kunstdenkm. in Hannov. 1, 174.
^ Ghladni (Invent. templ., p. 580) erzählt dies von der Abtei Knechtstein.
— In Wahrendorf a. d. Fms fuhr der böse Feind beim ersten Läuten einer Glocke,
die man zu weihen vergessen, hohnlachend in Feuer und Rauch durch die Lüfte
und schleuderte die Glocke vom Turme eine halbe Stunde weit in einen grund-
losen Kolk in der Ems. Wenn es in Wahrendorf an hohen Festtagen Abend
läutet, und man wirft ein Geldstück in den Kolk, so hört man deutlich das dampfe
Läuten der versunkenen Glocke. Vergl. Ziehnert, Preussens Yolkssagen 1,218.
— Auch im Gohlitz-See in der Mark Brandenburg hört man Glocken läuten. Sie
gehören einem versunkenen Dorfe an und wurden einst am heiligen Weihnachts-
abend von einem Fischer im Netze gefangen ; der hörte sie sagen : Anne Susanne,
toülte mett to Lanne; aber die andere sagte : Anne Margrete, tvii toilln to Grunne
schete, und da schössen sie wieder zu Grunde. Vergl. Kuhn, Mark. Sagen und
Märchen. Sage 80. In etwas anderer Wendung kommt dieselbe Sage auch bei
anderen märkischen Seen vor. Brandenb. Anzeiger 1869, Nr. 41; L. Schneider
a. a. 0. — Auch im Veen bei Zout-Leeuw und in einem Wiel bei Herzogenbusch
läuten die Glocken. Vergl. J. W. Wolf, Niederländ. Sagen, S. 383—387 u. 560
bis 563. — Alle diese Sagen vom Glockenläuten in stehenden Gewässern sind
wohl auf den melancholischen Ruf der Unken zurückzuführen.
' Als der Teufel einmal in einer Gewitternacht seine Gesellen zum Angriffe
auf die Glocken der Giralda in Sevilla entsandte, wurden sie von den beiden
Schutzheiligen der Stadt (St. Justa und St. Rufina) verscheucht. (M. v. M.), Auf
Reisen. Wien 1882. S. 286. — Auch der heilige Theodulus, Patron von Wallis,
erwarb sich ähnliche Verdienste: zu seinen Füssen wird der Teufel dargestellt,
der eine grosse Glocke hält.
' Ein Glöcklein in Canale (einem Seitenthälchen in Wälsch-Throl) hält alle
heranziehenden Gewitter kräftig fern: es war vor alten Zeiten hoch oben im Ge-
birge ein Hirte, dem es eine in einen blauen Mantel gehüllte Frau himmlisch
gütig schenkte. — Christi. Kunstbl. 1866, S. 159.
* Z. B. Schi au gen fett, um die zähe Masse flüssiger zu machen. Von
einer Glocke (von 1660) zu Trampe in der Mark geht die Sage, der Glocken-
giesser habe eine Schlange in die Glockenspeise gethan, und seitdem seien die
174 Wunderkräfte der Glocken.
oder doch mit Jordan-Wasser^, oder der ]:)esonderen, wohl in spezifischer
Frömmigkeit beruhenden Virtuosität ihres Konsekrators *, oder gewissen den
Dämonen besonders feindseligen Inschriften^, zuweilen auch dem mächtigen
Klange ihrer riesigen Grösse.*
So oft die Kirchenglocken läuten, so ist dies zwar jederzeit ein segen-
bringender Moment, den es klug zu benutzen gilt^, aber es kommt dabei
doch auf bestimmte Zeiten und heilige Tage an^; auch ist es keineswegs
Schlangeu aus der Umgegend verschwunden. (Fontane, Wanderungen durch
die Mark Branden b. 2, 329.) — Auch in Stremmen und Trebatzsch bei Beeskow,
in Wrietzen, Bernau, Prenzlau, Stargard u. s. w. vertreibt der 'Glockenklang die
Schlangen und Gespenster aus der ganzen Umgegend. (Beckmann, Beschreib,
der Mark Brandenb. I. Tbl. 3, Kap. 3, S. 883 f.) — Vergl. Klöden. die Mark Bran-
denburg unter Kaiser Karl IV. 1,62. — Oder Reliquien der Heiligen. Aus
Biberach (Württemberg) wird gemeldet, dass als bei Einführung der Reformation
die Reliquien respektlos verschleudert wurden, ,,Vil fremder lit hund beten, wan
sy glocken wollen giesen, das man in da von gab ; man hets gern in den glocken
wan fnan zum weter luV Freib. Diözesan-Archiv 1876. IX, S. 198.
^ Beck, Luthertum vor Luther. S. 294.
' So verstand es namentlich der heilige Benno vortrefflich, Glocken so kräftig
zu weihen, dass die ganze Umgegend von Hagel und Unwetter für immer ver-
schont blieb, wovon sich im Meissnischen mehrere Beispiele finden, z. B. Schön-
burg. — Rocca a. a. 0. S. 182. — Über die Kraft, welche eine Glocke der hei-
ligen Mechthild und die grosse Glocke zu Wetterhausen gegen Unwetter bewiesen,
vergl. Picinelli, Mundus SymboUcus lib. 14, c. 4, § 28, p. 6.
« S. oben S. 123.
* Daher das £rfurter Sprüchlein (oben S. 22):
jjDie grosse Susanna
Treibt die Teufel von danna''.
^ So lange die Kirchenglocken läuten, kann ein Dieb nicht aus der Stelle
(Ostpreussen) ; s. oben S. 45. — Eine Glucke zum Brüten setzt man am besten
Sonntags, während des Kirchenläutens (Schwaben). — Beim Entwöhnen des Kin-
des muss sich die Mutter, solange es zur Kirche läutet, mit dem blossen — auf
einen Stein setzen, so bekommt das Kind steinharte Zähne (Thüringen).
^ Das Läuten am Johannistage und am Abend der heiligen Agathe (4 bis
5. Februar), wo die Hexen ihren grossen Sabbath halten, vertreibt Gespenster und
Unholden. (Iren. Montanus, Hi stör. Nachr. v. d. Glocken, S. 129; Blavignac,
la cloche, p. 243.) — Wenn die Hausfrau mit dem Schlüsselbunde im Keller ras-
selt, solange das Frühläuten am Ostertage (oder am Palmsonntage) dauert, so ver-
lassen alle Mäuse das Haus (Böhmen). — In der Wetterau säet man den Kohl-
samen, wcim es am Gründonnerstag zur Kirche läutet. — Wenn in Lausanne am
Tage Maria Verkündigung die grosse Glocke geläutet wird, und es ist jemand so
geschickt, mit einem Kürbiskem hineinzutreffen, so werden die von ihm gesteckten
Kürbisse so gross wie die Glocke (Blavignac a. a. 0. S. 233). — In Böhmen
schreibt man die Zahlen bis 90 ans Totenhaus während des Abendläutens, um
die Glücksnnmmem für das Lotto zu erfahren; die gesuchten sind am nächsten
Morgen ausgelöscht
Selbstlauten der Glocken. 175
gleichgültig, von wem die Glocke geläutet wird. ^ Übrigens dient nicht
bloss der Klang der Glocken zum Segen, sondern selbst die Materie der-
selben^ und das Glockenschmalz ^ sind Mittel gegen Zauberei und Krank-
heit; auch der Glockenstrang bildet den Vermittler.*
Die Glocken erweisen sich ferner dadurch als übernatürliche Wesen
oder doch als Organe höherer Mächte, dass sie zu Zeiten ohne alles mensch-
liche Zuthun * von selbst, oder doch mit eigentümlich verändertem, dumpfem
Ton läuten, was gewöhnlich einen bald darauf erfolgenden Todesfall oder
überhaupt öffentliches Unheil vorbedeutet. Besonders häufig finden sich in
Klöstern, namentlich der Benediktiner und Dominikaner, Totenglocken,
welche durch freiwilliges Läuten den nahe bevorstehenden Hintritt eines der
Bewohner vorhersagen.^ Den grössten Ruf in dieser Hinsicht hat sich eine
^ Wenn z. B. drei zum ersten Male schwangere Weiber mit vereinter Kraft
eine Glocke in einer belagerten Stadt läuten, muss der belagernde Feind ab-
ziehen. — Vergl. Stohr a. a. 0., cap. 6, § 8.
* Hs. IX. C. 147, des Museum zu Innsbruck, Bl. 110: yfiontra omnem zohriam
accipe squammcLS campanae ubi tangit clengel, bene tere, et patiens sumcU cum
vino vel aqua et liberabitur/^ (Mone a. a. 0. VII, Sp. 424.) — In Tirol giebt
man den Kühen zur Vermehrung der Milch Glockenfeilspäne.
^ Es heilt alte offene Fuss wunden (Reisen in den Mond u. s. w. Gesch.
einer Somnambule in Weilheim a. d. Teck. 7. Aufl. Halle und Leipzig 1850.
S. 309), dient in Preussen als Bnichsalbe, in Böhmen als Räuchermittel, in Wo-
chenstuben zum Schutze gegen Hexen und ist sonst auch gut bei der güldenen Ader.
* Wenn man ein Geldstück in den Glockenstrang dreht, so verliert man nach
dem ostpreussischen Volksglauben das Fieber. — Im südlichen Frankreich beissen
kinderlose Weiber tüchtig in den Glockenstrang, um fruchtbar zu werden. (Bla-
vignac a. a. 0. S. 242.)
^ Ohne menschliches Zuthun zwar und unter unheimlichen Umständen, aber
aus natürlichen Ursachen läuten die Glocken zuweilen von selbst, wie dies der
schauerliche Fall war z. B. am 3. August 1728 bei Erschütterung des Münster-
turms zu Strassburg durch ein Erdbeben, am 8. Mai 1842 bei dem Hamburger
Brande in dem Augenblicke vor dem Zusammensturze des Petriturmes, im April
1868 zu Kosel bei einem Orkan, im Juni 1883 in Kattowitz (Oberschlesien), wo
der in den Turm der evangelischen Kirche schlagende Blitz vermutlich die Glocke
gestreift hatte. Heiter löste sich das Phänomen zu Bergbuir (Kreis Düren) am
29. April 1838, wo, angelockt durch eine in dem Kirchlein hängende Krone aus
Eierschalen, zwei von oben gekommene Marder an dem Glockenstrang hinunter-
kletterten und das Gebimmel veranlasst hatten. Vergl. Prov.-Bl. für die Provinz
Sachsen 1838, S. 588.
^ Otholonus, de vita St. Bonifacii 1. 2, p. 86 (Acta Sanct. Ord. Beoed.
saec. 3, ps. 2): Interea Signum ecclesiae, quod vulgo appellari solet glocca, (ibsque
humano motu sonare coepit. Cf. Menard, not. jad Sacramentarium Gregorii,
p. 207. — Über selbstläutende Klosterglocken: Kircher, Musurgia 2, 233. —
176 Selbstiäuten der Glocken.
Glocke zu Yelilla in Aragonien erworben. Sie hängt auf dem Turme der
auf einem Hügel stehenden Nikolaikirche, hat 10 £llen im Umfang und ist
mit zwei Krucifixen verziert, von denen das eine östlich, das andere west-
lich angebracht ist. Wenn ein öffentliches Unglück droht, fängt sie, und
zwar einige Monate zuvor, ohne Menschenhände, ohne Wind, ohne Erd-
beben oder irgend eine wahrnehmbare Ursache, von selbst an zu läuten,
und zwar so, dass der Klöppel nach derjenigen Weltgegend zu anschlägt,
von wo das Übel kommen soll; doch geschieht das im allgemeinen nur
selten und stets als Vorbedeutung irgend eines grossen Ereignisses. Es ge-
schah in den Jahren 1435 (als König Alfons Y. von Aragonien das König-
reich Neapel in Besitz nahm), 1485 (während des Ejieges gegen Granada),
1527 (beim Anfange des zweiten Krieges mit Franz I. von Frankreich und
der Plünderung Roms unter Clemens VII.), 1558 (beim Tode Karls V.),
1564 (als Vorzeichen der Pest in Saragossa), 1568 (bei der Enthauptung
des Infanten Don Garlos, dem Tode der Königin Isabella und dem Aus-
bruche des Krieges gegen die Moriskos), 1578 (bei dem Tode Sebastians
von Portugal in der Schlacht bei Alkazar), 1598 (bei dem Hintritte Phi-
lipps II.) und endlich im Jahre 1601, wo vom 13. bis 30. Juni von einem
Tage zum andern in Zwischenräumen 24 Schläge gehört wurden, weshalb
sich an 4000 Neugierige versammelten — „und vielerlei Schreckliches er-
eignete sich infolge dessen." Das Wunder erregte damals auch Aufmerk-
samkeit unter den Gelehrten, und es fehlte nicht an zeitgemässen Erklä-
rungsversuchen: Einige schrieben dasselbe der planetarischen Konstellation
zu, unter welcher die Glocke gegossen worden sein möchte ; andere sahen den
Grund darin, dass in das Glockengut beim Gusse einer der dreissig Silber-
linge, woftlr Judas unsern Herrn verriet, gethan worden wäre; noch andere
Im Jahre 1470 läuteten die Korssunschen Glocken (KopcyHCKi'e KojoROJia) der
Kirche zur Erlösung auf der Chutunä in Nowgorod von selbst Vergl. Adelung,
die KorsBuaschen Tharen in Nowgorod, S. 99. — Ein Gleiches thaten die Glocken
in Smaland vor dem Tode Königs Gustav Adolf (vergl. Chladni a. a. 0. S. 483),
in der Stadtkirche zu Schleusingen im Jahre 1683 vor dem Tode Herzogs Moritz
zu Zeitz, und zu Kopenhagen gaben am 1. März 1701 abends halb 10 Uhr die
Glocken der H. Geistkirche ein erbärmliches Getön von sich, welches sich um 10
und um halb 11 Uhr ohne orgründbare Ursache wiederholte. Vergl. Iren. Mon-
tanuB, Histor. Nachr. v. d. Glocken, S. 53. — Auch zu Brock bei Groningen ist
eine Glocke, welche vor dem Tode grosser Männer von selbst zu läuten pflegt
Vergl. Rocca a. a. 0. S. 168; viele andere Beispiele auch bei Blavignac a. a.
0. S. 237—242. — Dieses Läuten, welches oft nicht von den Sterblägerigen selbst,
sondern nur von Anderen gehört wird, soll nach Einigen von bösen, nach Anderen
von guten Engeln oder von den warnenden Schutzgeiste ausgehen. Vergl. Grimm
a. a. 0. 1, 355.
Selbstlauten der Glocken. 177
endlich massen die Wahrsagerei der Glocke den auf derselben befindlichen
Inschriften bei: Christus rex venu in pace et deus homo fadiis est,^
Nicht immer jedoch ist das freiwillige Läuten der Glocken ein pro-
phetisches; es findet auch statt, zuweilen als verdiente Ehrenbezeigung^,
zuweilen in Vertretung des öffentlichen Gewissens, zur Abstellung und Ver-
hütung von unrecht^, zur Entdeckung begangenen Frevels*; ebenso schwei-
gen die Glocken eigenmächtig, wenn unberechtigtes Läuten versucht wird,
z. B. während des Interdikts, oder wenn es gestohlene Glocken^ sind;
namentlich auch um Betrügereien der Glockengiesser^, die gern das Glocken-
^ Rocca a. a. 0. S. 167, nach der Erzählung eines spanischen Prälaten
und Ohrenzeugen des Mirakuls von 1601. — Vergl. Mersenne, Harmonie uni-
verselle. Livre VII, p. 46 (nach der Abhandlung des Quignones über die Glocke
zu Velilla). — Greg. Michaelis, Notae in Jacobi Gaffarelli curiositates inau-
ditae. (Hamburg 1676.) p. 217.
^ Bei der Aufhebung der Gebeine des heiligen Isidor zu Madrid läuteten die
dortigen Glocken von selbst, weshalb König Philipp III. die Heiligsprechung des
Isidoms bei Clemens VIII. beantragte. — Am 24. Oktober 1610 ertönten die
Glocken der Paulskirche ausserhalb der Mauern Roms freiwillig, als man in der
Nähe der Kirche eine Untersuchung aufgefundener Reliquien veranstaltete. Vergl.
Rocca a. a. 0. S. 168. — Als die Hunnen die Nonnen zu Lieu schänden wollten
und diese durch den Schutz des heiligen Gommarus wunderbar gerettet wurden,
läuteten gleich darauf alle Glocken der Stadt, ohne dass ein Mensch an sie rührte;
zum Andenken daran läutet man noch alle Jahre am Fest des genannten Heiligen
von 5 bis 10 Uhr abends die Glocken zu Lieu. Vergl. Wolf, Niederl. Sagen, S. 431.
^ Als im Jahre 1062 zu Altenburg in Flandern während einer Hungersnot
eines Morgens ein während der Nacht vor Hunger Gestorbener auf der Strasse tot
gefunden wurde, und der Priester Godobert bei der Beerdigung dieses Unbekannten
das Läuten nicht gestatten wollte, läuteten die Glocken von selbst. — J. Mayer,
Annales totius Belgii, p. 26. Vergl. Rocca a. a. 0. — Als die Grünwettersbacher
vom katholischen zum lutherischen Glauben abgefallen waren, wollten sie das Ge-
läute um 12 Uhr abschaffen, allein die Kirchenglocken läuteten mehrere Tage
nacheinander um diese Stunde \Jn selbst, worauf das Geläute wieder eingeführt
wurde, welches auch bis heute fortbesteht. Mone, Anzeiger für Kunde des teut.
M.-A. VIII, Sp. 303.
* Als der Giesser Wolf nach mehrmals misslungenem Versuche die Feuer-
glocke zu Köln endlich mit des Teufels Hilfe zustande gebracht, aufgehängt und
zur Probe angeschlagen hatte, da hörte sie mit entsetzlichem Geheule nicht wieder
auf, und der Meister stürzte sich im Wahnsinne vom Turme. (Dichterisch ist
diese Sage behandelt von J. G. Seidl, Bifolien, S. 377.)
^ Flodoard, Hist. Rhemens. 2, 12.
® In den Sagen erscheinen diese Feuerarbeiter «auf ihre Kunst eifersüchtig
und im heissen Blute oft bis zum Totschlage ihrer Nebenbuhler hingerissen.
(Grimm, Deutsche Sagen, 189 f.) — .Zu Krempe in Holstein erstach der Meister
den Lehrjungen, der in seiner augenblicklichen Abwesenheit, weil die Speise gar
Otto, Glockonkundo. 12
178 Glockengiessersagen.
gut veruntreuen^ und dazu gelieferte edle Metalle unterschlagen, an den
Tag zu bringen und zu rächen.^ — Das Schweigen der Glocken in den
drei letzten Tagen der grossen Woche deutet die rheinische Kinderwelt
war, die Glocke gegossen und daran ein bewundertes Meisterstück gemacht hatte ;
nun läutet die Glocke immer fort:
Schad^ um den Jungen, Schad^ um den Jungen!
Vergl. Boeckeler a. a. 0. S. 108. — In Gross- Möringen bei Stendal sieht man
auf dem Felde ein Kreuz als Zeichen eines Streites zwischen zwei Glockengiessem
über eine für die dortige (seit alters wegen ihres schönen Geläutes berühmte)
Kirche gegossene Glocke, welcher mit dem Tode des einen endete. Ähnliches
""wird von einem alten Steinkreuze unweit Osterkappeln bei Osnabrück erzählt.
Vergl. Beckmann a. a. 0. I., Tl. 5, Kap. 2, S. 250; Boeckeler a. a. 0. S. 109.
^ Gesta abbatum Fontanellensium bei Pertz, Monumenta SS. 2,284:
Sub huius [Teutsindi abbatis, 734 — 738] denique tempore ErinhariuSy praepositus
eius, aedificavit basüicam heatissimi archangeli Michaelis [Fontanellae], licet mo-
dico, pulcherrimo tarnen opere .... Denique constructa idem propositus hac
basüica, campanam in turricula eiusdem coüocandamj ut moris est ecclesiarum,
opifici in hac arte erudito facere praecepit, qui dum iniunctum sibi opus per-
ficere contenderet, suadente inimico humani generis, de sufficiente metailo, unde
patrandum erat Signum, copia eiusdem imminuta, partim abstulit, partim in
cacaho liquefiendum composuit. Prqjectaque eadem copia metalli in forma, qua
futurum sperabatur Signum, ex parte aliqua deforme, deficiente copia metidli,
quae, antequam liquefacta foret, sublata fuerat, minusque est redditum, sie tarnen
turricuiae impositum. Denique quacunque hora diei pulscUum sonitum dabcU,
praedictus artifex, qui ülud metaUum forto susttUerat, in amentiam vertebcUur,
verbaque inepta ao latratus canum more dabat.
' Monachus Sangaliens., Gesta Caroli M. lib. 1, cap. 29 bei Pertz a.
a. 0. 2, 744: Erat ibidem (zu Aachen) dlius opifex, in omni opere aeris et vitri
cunctis excellentior. Cumque Tanco, monachus sancti Galli, campanum Optimum
confiaret, et eius sonitum Caesar noti mediocriter miraretur, dixit iUe praestan-
tissimus sed infelicissimu^ in aere magister : Domine imperator, iube mihi cuprum
multum afferri, ut excoquam ülud ad purum, et in vice stagni [i. e. stanni] fac
mihi, quantum opus est, de argento dari, sdltim centum libras, et fundo tibi tale
campanum, ut istud in eius comparatione sit mtUum. Tum liberalissimus regum,
cui licet divitiae affluerent, ipse tamen cor Ulis non apponeret, fädle iussit omnia
quae petebantur exhibere, Quae miser ille assumens, laetus exivit, et aes quidem
conflans et emundans, in locum vero argenti purgatissimum stagnum subiciens,
multo melius optimo iUo de adultercUo metallo campanarum in brevi tempore per-
fecit, probatumque Caesari praesentavit. Quod ille propter incomparcMem con^
formitatem satis admirtMtus, immisso ferro puZsatorio, iussit in campanario sus-
pendi. Quod cum sine mora factum fuüset, et custos aecclesiae vel reliqui ca-
pellani, nee non et erronei tyrones, ülud ad sonitum perducere, alii succedentes
aliis, nüerentur et nihü ef ficere potuissent, tandem indignatus attctor operis et
commentor inauditae fraudis appraehenso fune trahit eramentum. Et ecce ferrum
de medü) elapsum, in verticem ipsius cum iniquüate sua descendit, et per cadaver
Fliegende Glocken. 179
dahin, dass sie am Grün -Donnerstage nach Rom fliegen, nm Wek und
Milch zn essen. ^
Zuweilen fliegen die Glocken auch von den Türmen herah, sei es um
vorwitzigen Mutwillen zu strafen^, sei es um kirchenscheue Leute in das
Gotteshaus zu jagen.^
Die mit mancherlei märchenhaften Zügen ausgeschmückten Erzählungen
vieler Orts - Chroniken von ahsichtlicher oder zufälliger Vermischung der
Glockenspeise mit edlen Metallen, so sehr einzelnes darin im Geiste des
Mittelalters zu sein scheint, gehören doch, soweit in technischer Beziehung
zum Teil Unmögliches dahei vorausgesetzt wird, völlig in das Gebiet der
Sage, wohin wir auch den Umstand rechnen, dass Sachkundige die statt-
gefundene Beimischung von etwas Gold oder Silber dem Klange der Glocken
sogleich anzuhören im stände gewesen sein sollen.
Die Lügenglocke auf der Hochstrasse zu Gent hat seit Menschen-
gedenken nie zur rechten Zeit geläutet; sie rief die Nonnen stets eine
Viertel- oder Halbestunde zu früh oder zu spät, woher das Kloster den
Namen „Leugenaerster" erhielt.*
tarn iamque defunctum pertransiens, ad terram cum intestinis et mrütbiis venit
Memaratum vero pondus argenti repertum praecepit vustissimua Carolus inter
indigenUs pakUinos dispergi.
^ Kreuser, Christi. Kirchenbau 1, 167. — Die Marienglocke in Aachen nimmt
auf diese Reise gern ein Stückchen Tuch mit, welches die Kinder bei der ^Abreise
ihr in die Luft zuwerfen, und von welchem sie sich ein Kleid wünschen; fliegt
das Tuchstückchen hoch in die Luft und wird unsichtbar, dann bringt die Glocke
zu Ostern das neue Kleid mit. (Boeckeler a. a. 0. S. 111.)
' Als eine Braut durch das Städtchen Enger ihrem Bräutigam entgegenfuhr,
läutete eben eine Glocke, bei welcher sie einst als Patin gestanden hatte, und
sie rief in Scherz und Übermut: „Komm, Patchen, komm!" Aber die Glocke
nahm die Einladung ernstlich, flog vom Turme herunter und setzte sich hinter
der Braut auf den Wagen. Hier blieb sie bis Wester -Enger und flog dann in
einen Abgrund, welcher der Raumpott heisst. Da liegt sie noch jetzt, und wenn
eine Hochzeit nach Enger kommt, muss die Braut vor dem Orte absteigen und
darf sich erst jenseits wieder auf den Wagen setzen. (Boeckeler a. a. 0. S. 107.)
^ Goethes Werke. Ausgabe letzter Hand. 1,224: Die wandlende Glocke.
* J. W. Wolf, Niederländ. Sagen. S. 623.
12
Anhang.
Glockengiesser-
Dach alphabetischer Anordnang. ^
Acreden, Wilhelm vod, 1450 Glocke in Xanten. — Adalric, Mönch zu Frei-
sing, 8. S. 79. — Adelholt y Claus, in Erfurt um 1430, goss eine Glocke in See-
bach bei Langensalza und einige Kanonen für letztere Stadt — Agast, Peter,
Glocke von 1440 in Biedekopf (Hessen-Nassau). — Ahlers, Lieder, in Bremen,
Glocke von 1791 in Westen bei Verden. — Aichamer, Johann, Stück giesser in
Wien, goss 1711 die 324 Centner schwere Riesenglocke von St. Stephan daselbst —
Albertus, Glocke von 1449 in Wenholthausen (Westfalen). — Albraht, Glocke von
1296 zu Seligenstadt. — Albus, Johann, Glocke von 1655 in Beesten (Kr. Lingen).
Der Name Albus scheint lat Übersetzung von Weiss (s. d.) zu sein. — Alfter,
Johann van, Glocken von 1457 in Lovenich, 1476 und 1477 in Mechernich, 1481
in Antweiler (sämtlich in der Rheinprov.). — Algeier, Valentin, im 17. Jahrb. zu
Ulm. — Alkter, Hermann von, Glocke von 1684 zu Hamm bei Düsseldorf. — Allard,
Johann, Glocke von 1660 zu Haynrode (Kr. Worbis). — Altenburg, Joh. Friedrich,
in Sachsenhagen (Hessen-Nassau), Glocken von 1776 zu Eimbeckhausen und 1796
zu Erichsbagen im Calenbergischen. — Altenhaus, F. N., 1614 Glocke in Laer bei
Iburg (Osnabr.). — Alves (Aleves), Johann, Glocken von 1501 zu Wittmund (Kr.
Aurich), 1564 zu Gesmold (Kr. Melle) in Hannover. — Ambos, Jakob, 1479 Glocke
zu Werliswang (Schwaben). — Amiens, Jean d*, 1260 Glocke zu Ronen. — Amons,
Georg, 1571 Betglocke im Münster zu Strassburg (seit 1596 in Dorlisheim). —
Andernach, Johann von, I. Glocken von 1506 in St. Georg zu Köln, 1507 in St
Marien zu Duisburg, 1513 Tumpelfeld a. d. Ahr, 1516 Dom zu Trier. H. 1594 in
St Andreas zu Köln. — Andreas von Kolmar, Glocken von 1340 zu Molsheim, 1349
Multzig (ehemals), 1412 Molsheim und Troenheim in Elsass; ob etwa Vater und
Sohn? — Aneken, Joachim, 1684 Glocke in Ober-Rissdorf (Mansfelder Seekreis). —
Anthoni, M., 1309 Glocke in N.-D. des Tables zu Montpellier. — Antoine und Loiseau,
von Robäcourt; 1831 die Glocke Nicaisie des Domes zu Reims. — Appe, Michael, aus
Wolfenbüttel, 1657 Glocke zu Deersheim (Kr. Halberstadt). — Arnemann, Hans,
1 siehe oben S. 83 f.
Glockengiesser-Yerzeichiiis. 181
Glocken von 1505 in Hardegsen und 1507 zu KerstliDgerode (A. Reinhausen) in Han-
nover; er soll schon 1488 vorkommen. — Arnold, Hans, in Fulda, Glocke von 1562
in St. Burchardi zu Würzburg; Weigand Arnolt von Fulda, Glocke von 1602 in
Kückerod bei Montabaur (Hessen-Nassau). — Arnoldus me fecit, steht auf einer
alten Glocke (aus dem 13. Jahrhundert?) in Wolmirstedt a. d. Ohre (Magdeb.),
und stand auch auf einer nicht mehr vorhandenen in St. Moritz zu Naumburg a.
d. S. — Asten, Jan van, Glocken von 1447 zu Haelen, 1450 Raexen (Holland). —
Auber, eine französische Glockengiesserfamilie des 17. Jahrhunderts. — Aubert,
Nicolas, aus Romain -en-Barrois in Lothringen und Nicolas Ghollet in Por-
rentruy waren 1526 in Locles thätig. — Ausnym, Johann, 1697 Klein Marzehns bei
Niemegk (Er. Beizig).
Bachm^nn, Job. Christian, in Halle a. d. S., Glocken von 1711 zu Dahlena
und von 1731 zu Domnitz im Saalkreise. — Gebr. Bachmann zu Berlin, 1844 Glocken
in Gnesikow (Ej*. Ruppin). — Baldlauff, Mich., zu Freiburg i. d. Schw., 1480
Glocke in der Collegiatkirche daselbst. — Bargen, Cordt, 1597 Glocke zu Sack
bei Hildesheim. — Bargmann, Heinr., Glocke von 1510 im Dom zu Verden. —
Bartels, Hans Georg, Glocken von 1704 in der Barfüsserkirche und von 1707 im
Dom zu Frankfurt a. M., Vorfahre von „Gebr. Bartheis und Mappes'* da-
selbst, die 1837 eine Glocke fdr den dortigen Dom lieferten. Bartels in Hildes-
heim goss 1858 eine ca. 40 Centner schwere Glocke für Lühnde (Kr. Hildesheim).
— Barth, F. W., in Erfurt, Glocken von 1765 zu Gebesee und von 1766 zu Otten-
httusen im Kr. Weissensee. — Baudike, Hans, 1471 kleine Glocke der Frauenkirche
zu Jüterbogk. — Baulard, Gottfried, aus Lothringen, 1659 Uttum bei Emden. Vergl.
Voilo. — Beaumont, 1314 Brttckenglocke in Caen. — Becker, Familie des 15. bis
19. Jahrhunderts in Niedersachsen. Hinrick B., Bürger zu Halberstadt, Glocken
1462 und 1467 in Badersleben und Vogelsdorf (Kr. Oschersleben) , 1496 Lieb-
frauenkirche zu Halberstadt, 1502 Ottleben (Kr. Oschersleben), 1507 Ditfurth
(Kr. Aschersleben). Claus B. aus Halle, Glocke 1520 zu Klein-Quenstedt (Kr.
Halberstadt). Das Giesserzeichen beider (wahrscheinlich Vater und Sohn) ist
Johann Berward B. und Jost Heinr. Lampe in Hildesheim, 1682 Dom zu Hil-
desheim. Eggert Christoph B. daselbst, 1701 Glocke zu Harsum bei Hildes-
heim. Christoph August B. daselbst, 1741 Glocke zu Lamspringe. Peter B,
in Halle a. d. S. (f 1742), nachgewiesen auf vielen Glocken von 1708 bis 1738;
mit seinen Söhnen Friedrich August und Christian August goss er 1742
die grosse Glocke der Oberpfarrkirche zu Wernigerode, und beide Söhne allein
nennen sich auf der vierten Glocke dieser Kirche, Friedr. Aug. B. allein auf einer
Glocke von 1747 zu Giebichenstein. P. A. Becker in Hannover ist von 1779
bis 1788 besonders im Calenbergischen nachgewiesen, Carl Wilhelm 6. in Naum-
burg 1762—1763 auf 3 Glocken von Dörfern in den Kr. Zeitz, Weissenfeis und
Naumburg. Eine Glocke zu Schmiedeberg (Kr. Angermünde) ist 1801 von Beck er
in Stettin gegossen. G. C, Becker in Halle nennt sich auf einer Glocke von
1 82 Glockengiesser - Verzeichnis.
1817 zu Dörstewitz (Er. Merseburg) und C. G. Beckar daselbst auf einer Glocke
von 1846 zu Görzke im Kr. Jericho I. — Wohl nicht aus dieser, sondern ans einer
Augsburger Familie entsprossen, ist Eduard Becker in Ingolstadt, der, seit 1861
daselbst thätig, bis 1883 250 Glocken gegossen hat, darunter ganze Gel&ute von
5—2 Glocken, deren grösste 48 Gentner schwer ist. — Beduwe, J., in Aachen, goss
1850 die Messglocke des Münsters daselbst — Begun, Michael, ein französischer
Emigrant, Glocken von 1717 zu Krakow in Mecklenburg, 1720 und 1726 zu Wis-
mar im Kr. Prenzlau. — Beheim, Sebald, in N&mberg, goss 1505 die 150 Centner
schwere Kanone „Eole*^ und war als Glockengiesser nicht minder geschickt wie
als Sttlckgiesser. — Behem, Yorg, 1583 auf einer Glocke zu Dalldorf bei Berlin. —
Behme, s. Engsdorf. — Behrens, Christoph, in Salzwedel, Glocken in der Prigiiitz,
1758 zu Wittenberge, 1777 zu Sargleben, 1778 zu Nebelin. A. C. Behrens nennt
sich auf einer Glocke zu Wittstock von 1787. — Beinroth, George, zu Eisleben,
auf Glocken von 1580 zu Domstedt (Mansf. Seekr.) und von 1585 zu St Anna in
Eisleben. — Benninck, Stück- und Glockengiesserfamilie des 17. Jahrhunderts.
Ger dt B. zu Danzig goss 1617 das jetzt im Berliner Zeughause befindliche Prunk-
geschütz „Saturn*', Hermann B. aus Hamburg Glocken 1654 zu Wendorf bei
Wismar, 1667 zu Niedermarschacht (A. Winsen a. L.) in Hannover, Albert B.
zu Lübeck 1678 drei Glocken im Dom zu Ratzeburg. — Berckhof, Lucas, 1532
mit Jan Block Glocke zu Abbenrode (Kr. Halberstadt). — Bergen, H. v., und
C. Fremy, 1844 Glocke zu Esens in Harlingerland. — Berger, Martin, aus Dres-
den, Glocken in der Laurentiuskirche zu Dippoldiswalde und in Sadisdorf 1637,
zu Fischbach bei Stolpen 1644. Wendel in B. in Weimar, Glocke von 1652 in
Stödten (Kr. Eckartsberga), Johannes B. daselbst, Glocke von 1660 in Wiehe
(Kr. Eckartsberga), Hieronymus B. in Jena. 1662 Glocke in St Jakobi zu Sau-
bach (ebend.), J. H. und H. S. Berger (in Leipzig?) 1668 Glocke in Wiehe. —
Bertholdy Heinrich, aus Halberstadt, 1615 Glocke der Neustädter Kirche zu Aschers-
leben. — Bertoldus, Gropengheter, von Duderstadt, 1399 Glocke zu Berenshausen
im hannöv. Eichsfelde. — Bewer, Caspar, aus Sondershausen, Glocke von 1637 im
Kr. Sangerhausen. — Beyschen, Petrus de, wohnhaft in Trier (darum wahrschein-
lich identisch mit Peter von Trier; s. Trier), Glocke von 1410 in St Adalbert zu
Aachen. — Bielfeld, Friedrich, 1592 Glocke zu Iber im A. Einbeck (Hannover). —
Bienner (Biener), Georg, zu Dresden, 1595 Seigerschelle auf Schloss Lauenstein,
mit Hans Bilger Glocke zu Weesenstein bei Pirna 1596. — Bierling, s. Grosse.
— Bilger, s. Bienner. — Billig (Billich), Familie des 17. und 18. Jahrhunderts in
Sachsen. Georg B. aus Kemberg goss 1660 die nicht mehr vorhandene grosse
Glocke der Frauenkirche zu Jüterbogk und 1664 eine Glocke in St Jakobi da-
selbst; später wohnte er in Wittenberg (Glocken von 1672 in Beizig, 1678 Deutsch-
Bork bei Beizig und Schlalach bei Treuenbrietzen , 1680 Gomnick bei Beizig).
David B. giebt auf einer Glocke von 1722 zu Wulfersdorf in der Prignitz Bee-
litz i. d. Mark als seinen Geburtsort und Potsdam als seinen damaligen Wohnort
an. — Blatte, s. Hemony. — Biener, Hans, 1467 Steindorf bei Althegnenberg (Ober-
bayem). — Block, s. Berckhof. — Blume (Blome, auch Floris), Hans, Glocken 1439
in der Martinikirche zu Halberstadt, 1448 Martinistiftskirche zu Heiligenstadt,
1454 (ehemals) Dom zu Halberstadt (104 Centner). Arndt Blume, Glocke von
1524 zu Linde in der Altmark. — Bog, Nikolaus, aus Braunschweig, 1471 Glocke
in Döma (Kr. Mühlhausen) im Reg.-Bez. Erfurt. — Bodeker, Jost, zu Havelberg,
1599 Glocken zu Pessin und Retzow im W.- Havellande. — Bodo no8 fundebcU
Glockengiesser - Verzeichnis. 1 83
auf einer angeblich sehr alten Glocke in Deutz (Köln). — Bogdanof goss 1817
die 1300 Centner schwere Glocke Bolshoi in Moskau. — BOhm, Johann, im 18.
Jahrhundert zu Naumburg a. d. S. — Boll6e zu Le Maus goss 1849 die zweite
Glocke der Kathedrale in Reims. — Bonbon, C^sar, und Johann Rosier giessen
1691 die Thorglocke und 1692 mehrere Glocken für das Münster zu Strassburg.
— Borg, Hans van der, Glocken 1575 zu Esens, 1580 Hatzum, 1581 Marienchor
i. A. Weener (Hannover). Vergl. Borch und Terborg. -— Borch, Heinrich von,
wahrscheinlich aus derselben Familie mit Hans van der Borg und etwa dessen
Vater, 1521 Glocke zu Heersum bei Hildesheim. Johannes de Borch, Gl.
von 1568 in der Kikolaikirche, 1569 in der Marienkirche zu Greifs wald. — Bor-
cherdes, Hans, um 1500 Gl. zu Langenholzen i. A. Alefeld (Hannover). — Born-
stedt, Familie zu Magdeburg, bereits Anfang des 15. Jahrhunderts. Clawes Banne-
stet von Magdeburg steht auf einer Glocke zu Calbe i. d. Altmark. Hermann
Bonstede goss 1475 Metallleuchter für St. Marien in Perleberg und 1489 die
Taufe in St Job. zu Werben. — Borstelmann (Porstelmann) , Familie in Magde-
burg und Braunschweig, 16., 17. Jahrhundert Heinrich B. zu Magdeburg, 1530
Gl. zu Bötzow im Havelland, Heinrich P. aus Braunschweig 1546 Gl. zu Calbe
i. d. Altmark. Ein späterer Heinrich B. (P.) aus Magdeburg ist von 1588 bis
1620 vielfach auf Glocken in den Kr. Aschersleben, Calbe a. d. S., Mansfeld, Hal-
berstadt, Oschersleben, Wernigerode, sowie auch in der Mittelmark nachgewiesen.
— Btftger, Andreas, 1520 Gl. zu Udra (Kr. Heiligenstadt). — Bourlet, Johann, von
Gulich, thätig am Niederrhein; Glocken 1696 zu Mechernich, 1680 Randerath,
1682 Geilenkirchen, 1686 Münstereifel , 1687 Hehlrath bei "Eschweiler, 1693 im
Dom zu Köln. Mit ihm arbeitete Peter Michelen; s. diesen. — Bouticie,
Jacques de la, und Regium Robinet kamen 1475 nach Troyes. — Bouvier, Jean,
1435 Gl. in Aigle bei Genf. — Brachmann, Barth., 1560 Gl. der Johanniskirche
zu Barby (Kr. Calbe a. d. S.). — Brackenhoff, F. Gottlieb, in Halberstadt, 1798
Gl. in Veckenstedt (Kr. Wernigerode) — Brauhof, Joh. Heinrich, in Nordhäusen,
Glocken 1736 zu Ilfeld (Hannover), von 1739 bis 1754 in sieben ländlichen Ort-
schaften der Kreise Mühlhauseu und Langensalza in der Provinz Sachsen und in
dem hannöv. Amte Reinhausen. Eine Glocke von 1789 in der Martinskirche zu
Grossengottem (Kr. Langensalza) scheint von einem gleichnamigen Sohne des
Meisters herzurühren. — Braun, J. P., in Mühlhausen, 1801 Gl. zu Alterstedt (Kr.
Langensalza); Balthasar Braun daselbst, 1803 Gl. in Oberdorla (Kr. Mühl-
hausen); J. B. Braun in Wasserthalleben bei Greussen (Schwarzb.-Sondersh.)
1816—18 Glocken im Kr. Sangerhausen', 1819 Kutzleben (Kr. Weissensee); der-
selbe in Mühlhausen, 1827 Gl. zu Laugula (Kr. Mühlhausen). — Breitinger, Jakob,
aus Nordhausen, Gl. von 1663 in Rottleberode (Kr. Sangerhausen), 1666 in Gefeil
(Kr. Ziegeurück). — Breutel, s. Simon. — Brisich (d. i. Breisach), Hans von, goss
1516 zwei Glocken für den Dom zu Trier. — - Brocard, Guillaume, und Nicolas
Foissez, 1212 Gl. zu Vimpelle (fle de France). Eine Glockengiesserfamilie des
Namens Brocard zu Brevanne in Lotbringen kommt im 18. Jahrhundert vor;
von derselben rührt eine Glocke aus dem Jahre 1714 zu N.-D. in Paris her. —
Brodermann, Heinrieb, in Köln, ein Sohn des Reynard Brodermann, „der Duppen-
giesser von Durpmunde*' (Dortmund), ansässig in Köln; er war im Dezember 1468
bereits verstorben und wurde von zwei Söhnen, Heinrich und Jakob, beerbt. Von
ihm finden sich Glocken zu Ratingen 1440 und im Dom zu Köln die Preciosa von
224 Centner, die er mit Christian Cloit (s. d.) 1448 goss. Vergl. Boeckcler,
184 Glockengiesser - Verzeichnis.
Beiträge, S. 49, Nr. 53. — Broers, Joachim Hannibal, Glocke von 1701 zu Königs-
berg i. Pr. — Brom, Valentin, 1664 61. zu Wietzendorf (A. Sei tau) in Hannover.
— Bruggemann, Andreas, Gl. zu Blumenhagen bei Prenzlau mit der Jahreszahl
MLXXX, die wohl MDXXX (1530) heissen soll. — Brütet, Franz, 1628 Gl. von
146 Gentner im Dome zu Trier. — Bruwilre, Jaen (oder Yohan, Johannes), Glocken
von 1445 zu Marienfels bei Limburg a. L., 1447 Gemünden bei Hachenburg und
Nombom bei Montabaur, 1452 Ofifenbach in Nassau, Günterod bei Biedenkopf. —
Bryccius Pragensis fecit me auxilio divino, auf einer nicht mehr vorhandenen
Glocke zu Altenberg in Sachsen. — Buchholz, Ludwig, in Berlin, Glocken 1628 zu
Warnitz (Er. Angermünde), 1631 zu Garz (Er. Ruppin) und Fehrbellin, 1632
Kerzlin (Er. Ruppin). — Buerin, Luden, von Beauvais, 1573 Glocke zu Picqoigny
(Somme). — Bueron, s. Oiivey. — Burger, Glocke von 1617 zu Bendewisch (West-
prignitz). — Burkart, Wetterglocke von 1461 zu Strassburg. — Buscher, Heinrich,
in Hannover, Glocken von 1603 und 1605 in der Ereuzkirche daselbst. — Busquet,
Daude, in Montpellier, Glocke von 1375 in N.-D. des Tables daselbst — Busse,
Jakob, Glocke 1496 in Berkum, 1498 Burgstemmen und 1500 Nordstemmen im
Er. Hildesheim.
Caetmans, Glocke von 1458 zu Herten (Holland). — Caillet (Cailliet), Familie
von der französischen Eolonie in Berlin. Peter C., Glocke von 1714 in Deutsch-
bork bei Treuenbrietzen, auf einer Glocke von 1715 zu Schöpfurt bei £berswalde
steht: i,Caület et BoUiet feciV* und auf einer von 1722 zu Hegermühle bei Ebers-
walde „durch Peter und Abraham Cailliet Vater und Sohn.'* — Campis, s. Wou. —
Casem, Heinrich, zu Münster i. W. , Glocken von 1613 in der Liebfrauen-, und
von 1619 in der Lambertikirche daselbst. — Cauchois jun. und Sohn zu Ch&lons
(Marne), gebürtig von Champigneul (Haute-Mame), gössen 1823 6 Glocken für den
Dom zu Reims und 1844 die zweite Glocke desselben, die schon 1845 umgegossen wer-
den musstc und 18^7 wieder sprang. — Causard, F., Nachfolger von Perrin-Martin
mit zwei Werkstätten, Firmin und Adrien Causard, in Eolmar und als Haupt-
wohnsitz zu Tellin (Belgien). Die Firma besteht seit 1824 und hat für etwa 1000
Ortschaften in Elsass, Lothringen, Rheinprovinz, Belgien, Luxemburg, Frankreich
u. s. w. ganze Geläute von 8 bis 3 Glocken gegossen, und einzelne Glocken, davon
die schwersten von 112 Centner für die Dionysiuskirche und von 100 Centner für
den Dom zu Lüttich, von 90 Centner für Dammerkirch in Elsass, von 86 Centner
für den Dom in Luxemburg. Mehrere sehr reich verzierte Glocken befanden sich
auf der Brüsseler Ausstellung 1881. — Cavillier (Carvillier) , Familie zu Carre-
puits (Somme), deren Name auf den meisten Glocken wiederkehrt, die in den
beiden letzten Jahrhunderten im SOmeiligen Umkreise ihres Wohnortes neu be-
schafft worden sind. — Chapel, Nikolaus, Glocke von 1628 im Dom zu Trier. —
Chaudois^ 2 Glocken von 1732 in St. Mich, zu Aachen. — Chein, Andreas van den,
in Löwen, Glocke von 1763 in St. Leonhard zu Limoges. — Cherstan, s. Kersteu.
— Chollet, s. Aubert. — Chrisgin, Job., Glocke von 1483 in St. Caecilien zu Köln.
— Ciegeler, Heinrich, Glocken von 1502 in Tromsdorf (Er. Eckartsberga) , 1504
in der Marktkirche zu Langensalza und in dem nahegelegenen Dorfe Schönstedt
(Oberdorf), 1509 zu Bachra (Er. Eckartsberga), 1556 in Ostermonra (ebend.). Die
mit 1|, r* bezeichneten Glocken zu Tennstedt, zu Isser sheilingen (Er. Langensalza)
von 1518, zu Lindau (Er. Weissenfeis) von 1520 und in der Marienkirche zu Hei-
ligenstadt von 1547 können ebenfalls von diesem Meister herrühren. — Claus von
Glockengiesser- Verzeichnis. Ig5
Mühlhausen in Th. goss 1474 in Erfurt, wo er Barger geworden war, Glocken für
die Severikirche, von denen noch zwei von ca. 90 und 34 Centner existieren, und
formte 1475 die Vorgängerin der jetzigen Riesenglocke des Domes daselbst unter
Zuziehung fremder Meister aus Sondershausen imd Nordhausen, die den Guss
derselben am Tage seüies Begräbnisses vollendeten; er soll von den Erfurter
Glockengiessem aus Brotneid vergiftet worden oder infolge ihrer Misshandlungen
erkrankt und gestorben' sein. Dass er mit dem um 1448 nachgewiesenen Niko-
laus Tuppenesser von Mühlhausen (s. diesen) identisch sein möchte, ist nicht
wahrscheinlich, weil er bei seinem Tode noch ein junger Mann war. — Glocken*
geter^, Johann, 1442 Glocke zu Besel (HoUand), „Nikolaus Klockengheter de
Helmstede'' auf einer Glocke von 1432 in der kathol. Kirche zu Salzwedel. Ein
Peter Klockgeter goss 1486 Glocken zu Bedekaspel und 1496 die Taufe zu
Wiegboldsbur bei Aurich. Vergl. Glockengiesser. — Gleit, Christian, Glocken 1439
zu Gusdorf bei Köln und 1448 im Dom zu Köln; vergl. Brodermann. — Gnitker,
s. Snitker. — Gnobbel, Lübke, 1414 Glocke zu Döra. — Goblenz, Cobelenz, Familie
des 16. bis 18. Jahrhunderts. Heinrich von Coblenz, 1589 Glocke in Rans-
bach bei Montabaur. Antonius Cobelenz zu Ende des 17. Jahrh. in Köln
(Gl. im Dom). Math eins Cobelenz, 1718 Gl. in Münstereifel. — Gochols, Peter
Franz, der Jüngere, zu Chälons, goss 1823 das Viergeläute für N.-D. von Keims.
— Golart (Colas), Joseph, von Dinant, Stück- und Glockengiesser am Hofe von
Burgund, 1383 bis 1407 erwähnt. — Gollavln (Coulavin), Noä, Sohn des £tienne
C. von Faucigny, geb. 1575, wurde 1605 Bürger zu Genf, ,goss 1609 eine Glocke
und 1622 Geschütze für Genf. Sein Enkel Pierre Antoine C, geb. 1678, war
1731 Münzmeister daselbst; Gl. von ihm in Versoix 1738. — Celle (Kolle), Simon,
aus Brandenburg; eine Gl. zu Damsdorf bei Lehnin, angeblich mit der Jahreszahl
MD; dagegen Glocken mit diesem Namen von 1644 zu Phoeben, 1660 zu Kl.-Behnitz,
1662 zu Plane im Westhavelland. — Gelller, Familie des 18. u. 19. Jahrhunderts.
Charles C. im Elsass 1753 — 95, viele Glocken daselbst und im mittleren Frank-
reich. August C. in der Kheinprovinz und in Pommern 1795-^1836. Guillaume
C. in Pommern und Westpreussen 1836 — 1870 (Geläute für Mszanno, Lauenburg
in Pommern, Prangenau, Perichau, Rosenthal, Löbau^ Grabau, Lautenburg, Kamin,
Zwiniarz, Meisterwalde, Grodziczno, Mariensee u. s. w.; einzelne Glocken unter
anderen für Lemberg, Löbau, Carthaus u. s. w.). Jean C. in Danzig, seit 1870,
lieferte bereits 12 Geläute von 2 und 3 Glocken (unter anderen für die kathol.
Kirche in Dirschau 2 Glocken von 80 Centnem) und etwa 40 einzelne Glocken,
darunter die Apostolica der Oberpfarrkirche in Danzig von 70 Centnem. Hugo C,
früher in Zehlendorf, jetzt in Berlin. Gustav C. in Berlin lieferte im Jahre 1883
ein Dreigeläute von 54 Centnem für Peterwitz im Reg. -Bez. Breslau. — G0ln
(Collen), Conradus von, erwähnt 1231. Heinrich von C, Glocken von 1535 Brenig
bei Bonn; derselbe Name auf Glocken von 1589 zu Braubach im Rheingau, 1592
zu Grevenbroich bei Neuss. De rieh von C. , s. Överradt. — Gonrad, yjuvenis
magister de Mesburci^'' (Merseburg?) auf einer undatierten Glocke mit Miguskel-
umschrift in St. Ulrich bei Mücheln (Kr. Querfurt). Conrat zu Mencz (Mainz),
Glocke von 1489 zu Flacht bei Limburg a. d. L. Cunrat Füldensis nos fecit,
in neugot. Majuskeln auf einer Glocke zu Maulbronn. — Geplnus, Johann, aus Bau-
dissin, Glocke von 1724 zu Fischbach bei Stolpe in Sachsen. — Gernellus (auf der
1 Kein Familienname.
1 86 GlockengicBser - V eizeichnis.
Glocke steht yerschricben y^Canreh^^), Matis, 1502 zu Albersroda (£>. Querfort).
— Graft, Georg, zu Mainz, Glocke von 1508 zu Oberursel bei Homburg v. d. H. —
Gramer (Kramer), Heinrich Abel, zu Salzwedel. Glocken von 1690 zu Bennewitz
in der Prignitz, 1694 Capem (A. Gartow) in Hannover, 1698 Mödlich in der
Prignitz, 1699 Wedderstedt (Kr. Ascher8leben\ 1716 und 1717 zu Salzwedel. —
Granichfelde, Conrad, zu Jena, übernimmt 1448 den Guss einer Glocke für das
thüriiig. Kloster Heusdorf. — Gremer (Kremcr), Johann, 1514 Glocke zu Voldorf
bei Yiotho in Ravensb., 1518 Martfeld (A. Bmchhausen) in Hannover. — Croi-
silles, Familie des 13. bis 14. Jahrhunderts, welche sich nach diesem Hauptorte
des Departements Pas -de -Calais benannte. Jakob von Cr. goss 1261 die Bann-
glocke von St Peter zu Aachen, Wilhelm von Cr. 1303 eine Glocke für den
Belfrit zu (Jompiegne, Robin von Cr. Glocken 1386 für Yalenciennes, 1387
Beauvais, 1392 Toumay. Wilhelm von Cr. und sein Sohn Robert übernahmen
1396 den Guss von 3 Glocken für Peronne. — GDrsgin, s. Sarzgyn.
Dagaeus, s. oben S. 11. — Daller, Christoph, zu München, 1705 Glocke in
Marching bei Neustadt a. d. Donau. Franz D. daselbst um 1700. — Dam, Hein-
rich vom, 1650 Glocke zu Stepenitz i. d. Prignitz. — Dames, Martin, 1566 Glocke
zu Parstein bei Angermünde. — Damone, Thomas de, 1486 Glocke zu Aschendorf
im £m8lande. — Danneil tV) , Rogier, und Johann Korterich, 1373 Gl. in Diesdorf
(Kr. Oschersleben). — Delcroix-Mangin in Cb&lons sur Marne 1855, empfohlen als
Wiederhersteller gesprungener Glocken; s. oben S. 151. — Delecourt, Jean, und
seine Söhne, 1626 Uhrschelle zu Yalenciennes. — Dcnner, Georg, in Hameln, Glocke
von 1363 im älünster daselbst. — Derborg, s. Terborg. — D6schamps, Pierre, 1570
Bourdon von 209 Centner im Dom seines Geburtsortes Reims. — Desprez, Michel
Philippe, königl. Giesser zu Paris, 1766 drei kleine Glocken für N.-D. daselbst
— Deiiderode, Johann, 1389 Glocke (ehemals) in St. Joh. zu Göttingeu. — Diderek
mester me fecit steht auf einer Glocke von 1459 zu Hohnsen bei Coppeabrü^e
(Hannover). — Diderich f meza steht in romanischen Majuskeln auf einer Glocke
in der Altertümersammlung auf Schloss Marburg. — Dielmann, s. Thilmann. —
Dietrich von Priem i^Prüm), 1526 Glocke in Meisenheim. Dietrich, Caspar, von
Ingolstadt, 1554 Glocke zuPförring in Oberbayem. Dietrich, Michael (od. Matthias),
kurfürstl. Artillerie -Hauptmann und Stückgiesser unter Kurfürst Joachim II. in
Berlin, aus Burgund. Der auf einer Glocke von 1556 zu Wachow (Westhavell.)
vorkommende „Nickel Dietrich aus Lothringen^* soll sein Sohn sein. £in
Niclas Ditrich lebte im 17. Jahrhundert zu Augsburg als Glockengiesser. —
Dinkelmayer, Joh. Lucas, von Nürnberg, Glocken von 1677 in St. Columba und
1691 auf dem Rathause zu Köln; auch Kanonen. Gottfried und Joh. Hein-
rich D. zu Köln, Glocken 1717 in St. Lambert! zu Düsseldorf, 1723 Kreuzberg
bei Wipperfürth, 1726 Wald bei Solingen, 1727 Mettmann, 1730 St Joh. und St
Cäcil. in Köln. Von Gottfried allein Gl. von 1732 zu Dorsten und 1733 Polsum
(Kr. Recklinghausen). — Dobble, Didier, Glocke von 1447 in La Lande-de-Cubzac
(Gironde) mit der deutschen Inschrift: „Didier Dobble makade mi in jaer
m . cccc. xlvii.^^ — Dormen (Dorum), Peter van, 1447 Gl. zu Werdum (A. Esens)
in Hannover. — Dortmund (de Tremonio), Johann und Heinrich van, thätig in
Westfalen und am Niederrhein, Glocken 1465 und 1473 in Herrest bei Dorsten,
1465 Eislohe, 1467 St Salvator in Duisburg, 1473 Werne und Westerholt, 1476
Kaiserswerth und Wittlaer, 1485 Hoetmar bei Warendorf, 1489 Altlünen (Kr. Lü-
GIockeDgiesser-Veizeichnis. 187
dinghausen), 1517 Schöppingen (Kr. Ahaus), Dortmund, Gladbach bei Reckliug-
hauseo. — Greifet, Jean Dan., aus dem Wadtlande, Stückgiesser zu Genf, lebte
noch 1815. Glocke in Corsier bei Genf 1797, grosse Glocke in St. Gervais zu
Genf 1776. Pierre D. zu Vevey, Glocke zu Peney im Wadtlande 1810. — Drehus,
Bereut, 1560 Glocke in Klus bei Gandersheim (Hannover). — Drouart, s. Naiuville.
— Duisterwald, Johann, in Köln, 1380 Glocke in St. Severin, 1404 St. Job. da-
selbst. Christian D. in Köln, 1413 Glocke im Rathause und in St. Gunibert,
1416 in St. Peter daselbst. Gerart D., ein Bruder Christians, 1418 Glocke in
St. Petri daselbst. — DDren, Johann von, Glocke von 1491 Nikolaikirche zu Siegen,
1492 Allendorf bei Weilburg (Nassau).
Eberbach, N., Nachfolger von Th. Lehmann in Neuwied, erwähnt 1883. —
Ebers, Hans Martin, aus Erfurt, 1697 Glocke in Kirchworbis (Kr. Worbis); vergl.
Rausch. — Echtemach, Clais van, 1489 und 1490 Glocken zu Kirmutscheid bei
Koblenz. Peter van Eichtemach, 1509 Glocke in Niederlahnstein. — Edel, Fa-
milie des 17. bis 19. Jahrhunderts in Strassburg. Melchior E., 1659 Glocke zu
Epsig im Elsass. Johann Peter £., 1707 Glocke in St. Severin zu Köln. Mat-
thias E. , 1783 Glocke in St. Thomas zu Strassburg; derselbe und sein Sohn
Joh. Ludwig, 1806 drei Glocken im Mtlnster daselbst. Gegenwärtige Firma:
Louis Edel. — Edelbrock, Firma: Petit und Edelbrock, in Gescher bei Coesfeld.
Die Brüder Joseph und Wilhelm E. traten 1823 in das Geschäft ihres kinder-
losen Oheims Alexius Petit (s. d.), welches der ältere Bruder Joseph nach dem
Tode des jtlngeren seit 1857 allein fortsetzte und noch gegenwärtig mit seinem
Sohne Rudolf erfolgreich betreibt. Allein im Jahre 1881 sind von der Firma
unter anderen Glocken gegossen worden für Ibbenbüren, Plantlünne, Angermünd,
Fredeburg, Hönnepel, Rotterdam, Grefrath, Gelsenkirchen (ein Sechsgeläute von
150 Centnem) und die Marienglocke des Münsters zu Aachen von 116 Centnem.
Vergl. Boeckeler, Beiträge, S. 70 und 140. — Egelric, s. oben S. 20. — Eilmann
von Hachenburg^ 1451 Glocke zu Hadamar im Oberlahnkreis. — Elers, Otto, zu
Berlin wohnhaft, goss seine Glocken an verschiedenen Orten der Marken, z. B.
in Kyritz, Havelberg, Puttlitz u. s. w., anscheinend im Umherziehen. Glocken von
ihm: 1701 zu Gohlitz (Kr. West-Sternberg), Ferchesar bei Rathenow, Rönnebeck
im Ruppinischen ; 1702 Brandenburg die grosse Glocke in St. Gotthard, Stechow,
Döberitz, Grossleppin in der Prignitz; 1704 Puttlitz, Pirow, Krampfer; 1705 Ha-
velberg, Brunne bei Fehrbellin, Spaatz, Gumtow; 1706 Betzin. — Embo, 1295
Glocke in Campen (Ostfriesland). — Engeicke, Johann, in Bielefeld, Glocken 1667
zu Riemsloh (A. Grönenberg), 1670 in der evangel. Kirche zu Hunteburg (A. Witt-
lage) in Hannover. H. Engeicke in Halberstadt, Glocken 1838 in St. Nikolai
zu Treuenbrietzen, 1845 mit Wilhelm E. in St. Andreas zu Eisleben; von letz-
terem Glocken 1864 zu Brachwitz bei Treuenbrietzen, 1869 zu Beizig. — Engsdorff,
Matthias, und August Behme 1570, Glocke in Voigtstedt (Kr. Sangerhausen). —
Erhardus dictus Kesseler, urkundlich 1375 in Strassburg. — Ernst, Hans, von Re-
gensburg, Stück- und Glockengiesser zu Stuttgart, 1490 Glocke in Weingarten,
1493 grosse Glocke der Frauenkirche zu München von 125 Centner. Bernhard
Ernst, im 17. Jahrhundert in München thätig. Peter Ernst zu Lindau, 1753
Glocke in Weissenau bei Ravensburg. MelchiorErnst zu Memmingen, 1733 bis
1766, wo er das Geschäft an seinen Sohn Joh. Georg E. übergab, der dasselbe
bis 1808 fortführte und es dann an seinen Schwiegersohn Joh. Hermann (s. d.)
1 g8 Glockengiesser - Yerzdchius.
übergab. Eigenbändige Auizeicbnongen über die von Melchior £. gegossenen
Glocken sind in der Hermannschen Giesserei zu Memmiogen noch vorhanden. —
Ertmartis, 1339 Glocke in der Stephanskirche zu Osterwiek (Kr. Halberstadt). —
Ertz, Nikolaus, der altere, 1582 Glocke in Zorbau (Kr. Querfurt).
Fabri, s. Febure. — Febure, Edmundus le ^Fabri), zu Koblenz, 1695 Glocke
in Rheinbach, 1714 Wallhom (Kr. Eupen) ; später arbeitete er in Verbindung mit
Joh. Franssen (s. d.). — Feie, Walter, 1482 Glocke in St. Petri zu Mahlhausen
i. Th. — Felix von Feldkirch, in Bern, 1723 Glocke zu Romidnmötier. — Fevre,
SimoD, 1705 in Reims. — Fine, Johannes a, 1549—1553, Yerfertiger yon Hand-
glocken, vermutlich ein Oberdeutscher, s. oben S. 56. — Fischer, Paul, von Bin-
gen, 1539 Glocke (ehemals) in Wallendorf (Kr. Merseburg). Johann Chri-
stoph F. in Weissenfeis, dann in Zeitz, 1718 vier Glocken der Stadtkirche in
Weissenfels, 1720 Glocke in Rössnln bei Weissenfeis, 1721 Schimmel (Ejt. Eckarts-
berga), 1725 Quesnitz, 1727 Markwerben, 1733 Steingrimma im Kr. Weissenfels.
Fischer zu Königsberg i. N., 1798 drei Glocken zu Vierraden, eine zu Polssen,
1801 zu Lunow im Kr. Angermünde. — Raubaii in Paris, um 1793. — Fobbm
(Fobbin), David, in Göttingen, 1619 Glocke in Volpriehausen (A. Uslar), 1634
Sieboldshausen und 1636 Obemjesa (A. Reinhausen) in Hannover, 1648 Heuthen
und 1651 Rohrberg im Kr. Heiligenstadt — Folssez, s. Brocard. Nikolaus F.
1705 zu Diancourt in Lothringen. — Fdker (Volker), Johann, in Westfalen, Gl.
1464 in St Ludgeri zu Münster, 1474 und 1477 zu Schepsdorf bei Lingen, 1487
(ehemals) zu Yenne (A. Wittlage). — Forfcemus, s. oben S. 84. — Frideiiberger,
Johann, der Ulmer, 1440 Glocke zu Apfeltrach bei Mindelheim (Schwaben). —
Fran^ois, Isaak, 1656 kleine Glocke in St Frandscus zu Lausanne. — Frankfart,
Johann (Hans) von, 1377 zwei Glocken zu Erbach im Rheingau, Glocke in der
Dreikönigskirche zu Sachsenhausen; vergl. Hans. — Franssen, Johann in Aachen,
1711 im Rathause daselbst, 1721 und 1722 zu Berg bei Aachen, 1724 in St Mi-
chael und 1731 in St Nikolai u. St. Anna zu Aachen. — Fremy, Franz u. Joannes
Fremy, Familie des 17. bis 19. Jahrhunderts, 1676 Glocke in Bentheim, 1680 Lorup
und Heede im fimsland. Claudius und Johannes F., 1680 Glocke zu Heede.
Mammäus F., 1728 Glocke in Esens, 1794 Cirkwehrum bei Emden. Claudius
und Mammäus F. in Heidefeld, 1771 Glocke in Aschendorf, 1774 Leer, 1777
Oberlangen und 1786 Haselünne in Hannover. YergL Bergen. — Fricke, Johann,
von Gütersloh, 1681 und 1685 Glocke in Bawinkel bei Lingen. B. Heinrich F.,
1716 und 1752 Glocken in Laer bei Iburg, 1737 in Bersenbrück. — Fritzen, s. Petit
— Fuchs, Familie im 18. Jahrhundert zu Köln. Peter F., sein Sohn Engelbert
und seine (vermutlichen) Brüder Peter Heinrich und Johann Engelbert
kommen von 1724 — 1756 vor auf Glocken in Lautershoven bei Ahrweiler, Strumpf
bei Lank, Düsseldorf (St Lamberti), Antweiler und Flamersheim in der Rhein -
provinz. Johann Joseph um 1794. — Fnessli in Zürich, beschrieb seine um 1525
gemachte Pilgerfahrt nach dem heiligen Lande. Peter F. daselbst, 1628. — Fax,
Felix, 1511 Glocke in St NikoL zu Kopenhagen.
Gage, s. Wolle. — Gaillot, Abraham, von Flamersheim, 1614 Glocke in Brenig
bei Bonn. — Gans, Hermann to der, Glocke 1471 zu Gross-Borssum , 1472 Noer-
moor, 1475 Thunum in Ostfriesland. — GarMcr, s. Gros. — Can^ericm, Glocke der
Frankenb. Kirche in Goslar von 1325. — Qanibiot, D^ire^ 1551 Glocke in St Mar-
Glock engiesser - Verzeichnis. 1 gg
tial zu Limoges. — Geler (Geyer, Gayer), Familie des 16. bis 18. Jahrhunderts in
Erfurt. Johann Christoph G. nennt sich auf einer Glocke von 1561 in Straus-
furt (Kr. Weissensee), Andreas G. auf einer Glocke von 1587 zu Treffurt,
Hans Wolf (Johann Wolfgang, auch J. W.) G. auf vielen Glocken von 1631 bis
1681 in den Kreisen Ziege Drück, Worbis, Langensalza, Weisensee, Eckartsberga,
Querfurt und Sangerhausen , Franz Wolf G. auf einer Glocke von 1671 zu
Schwerstedt (Kr. Weissensee), Johann Christoph G. auf Glocken von 1703 in
Seena (Kr. Eckartsberga) und Oberdorf Nägelstedt (Kr. Langensalza), Adam
Wilhelm Geyer aus Nordhausen 1706, J. Arnold Geyer (oder Geiser? s. d.)
in Nordhausen auf mehreren Glocken von 1705 — 1724 in den Kr. Sangerhausen und
Weissensee. — Geilenkirchen, Johann von, 1432 Glocke zu Wtlrselen bei Aachen.
Geiser (oder Geyer? s. d.), Job. Arnold, in Nordhausen, 1736 zwei Glocken zu
Harste bei Götting«n; vergl. Mit hoff, Kunstdeukm. im Hannoverschen 2, 101. —
Gentsch, Daniel, aus Salzwedel, 1664 und 1665 Glocken zu Dallmin und Verbitz
in der Prignitz. — Georgius, auf einer ehemaligen Glocke zu Handorf bei Win-
sen a. L. (Hannover) aus dem 15. Jahrhundert — Gerardut, 1425 Glocke zu Vik-
torbur bei Aurich. Zu Laar im Bentheimischen steht auf einer Glocke von 1490
„GerJiardus is myn mMtn^*^ und auf einer anderen von 1511 „Gerardus me fecit.'^
Als Giesser einer Glocke von 1497 (?) zuNeuruppin findet sich ein DetlofGer-
hard von Erfurt angegeben, nach anderen Angaben ist jedoch die Glocke von
1490 und von Gerhard de Wou (s. d.) gegossen. — Gerke, H. G. G. A., und G.
F, L. H., auf einer Glocke von 1614 zu Bretsch in der Prignitz. — Gethwerth,
Johann Georg, in Halberstadt, 1791 Glocke zu Darlingerode (Kr. Wernigerode).
Ch. W. Gettwerth daselbst, 1844 Glocke in der Johanuiskirche zu Wernigerode.
— Geiz, Breslauer Familie des 16. bis 18. Jahrhunderts. Jakob G., Glocke von
1503 in der Nikolaikirche zu Brieg. Steffen G., erwähnt 1668, Jakob G. ICH
bis 1618, Sebastian G. 1646—1655, Sebastian und Sigismund G. 1708 bis
1710. Vergl. Schles. Vorzeit, Ber. 29, S. 66. — Giesser, Heintzo dictus, von Ha-
genau, urkundlich 1375 in Strassburg. — Gille, Johann, Glocken- und Stackgiesser
in Montpellier, goss 1462 die dortige grosse Glocke und war noch 20 Jahre später
thätig. — Glocken, Peter zur, in Speyer, 1500 Glocke zu Horchheim bei Worms. —
Glockengiesser. ' In Nürnberg werden als geschickte Glocken-, Stück- und Kmist-
giesser genannt: Konrad Gl. f 1480, Hans f 1369, Christoph f 1594, mög-
licherweise derselben Familie angehörig. Diederich Glockengeter giesst 1413
Glocken in Lüneburg, Wirieus Glockeng 1. (== Glockengiesser) , ein Deut-
scher, 1420 eine Glocke der Magdalenenkirche zu Genf. Ein NiklausGlocken-
giesser kommt 1512 in Konstanz vor. Vergl. Clockengcter. — Gnockhamer,
Konrad, zu Nürnberg, um 1440 verschiedentlich im Württemberg, thätig. — Gobel.
Auf einer Glocke zu Schkeitbar (Kr. Merseburg) wohl aus dem 16. Jahrhundert
steht: Condidit arte 8ua Gobel me proUhus una.^^ Ein Simon G. kommt 1523
auf einer Glocke des Domes zu Frankfurt a. M. vor. — Godiveau, Jakob u. Lud-
wig, 1790 Glocke in N.-D. zu Melun. — Gofridus me fecit et socios meos stand
auf der 1845 gesprungenen Paulusgloke zu Moissac von 1273. — Gossens (Goosens),
Titin, Glocke 1707 in Rhede a. d. Ems, 1716 in Heede bei Aschendorf (Hanaover).
— Götzger, s. Hamm. — Goulards fils von Malmedy, ein wandernder Glockengiesser,
der 1857 ein Glockenspiel von 32 Glocken in Aachen goss. — Goustel-Franpois in
1 Köln Familienname; uriiprungHch wenigstena gewisB nicht.
190 Glockengiesser- Verzeichnis.
Metz, schon seit dem 16. Jahrhundert bestehende Firma, welche unter dem jetzigen
Leiter seit 1850 bis 1883 bereits 2974 Glocken, die meisten jedoch vor 1870,
lieferte; darunter, abgesehen von vielen und noch schwereren für Frankreich, für
die preussische Rheinprovinz und die Rheinpfalz u. s. w. folgende Geläute: Pfarr-
kirche zu Saargemünd 5 Glocken (die grösste von 60 Centnern), Liebfrauenkirche
zu Gebweiler 3 Glocken (die grÖsste von öS^s Gentner), Liebfrauenkirche in Cre-
feld 4 Glocken (die grösste 62 Vs Centner), St. Mauritius in Köln 4 Glocken (die
grösste 54 Centner), St. Joseph in Duisburg 4 Glocken (die grösste 45V5 Centner),
Garnisonkirche in Metz 3 Glocken (die grösste 81 Vs Centner). Auf den Ausstel-
lungeu 1855 zu Paris, 1860 Besangen, Troyes und St. Diziers, 1861 Metz, 1867
Paris, 1873 Wien war die Firma vertreten und erhielt Preismedaillen, in Wien
als höchste Auszeichnung die FortschrittsmedaUle. — Ghuive, Jan Albert de, in
Amsterdam, 1714 Glockenspiel in Berlin (s. oben S. 62), Glocke von 1717 in
Sögel (Er. Meppen), 1727 Gymnasialkirche in Osnabrück. — Grasmeier in Brixen,
1792 Glocke zu Niederdorf und Welsborg im Oberpusterthale. — Gregory, s. Hem-
merich. — Gremp, s. Hennin. — Greten, Johann, aus Magdeburg, 1697 Glocken im
Dom zu Brandenburg, zu Beizig (ehemals), zu Marzahn (Kr. Niederbarnim). Eben-
falls zu Ende des 17. Jahrhunderts kommt Arnold Gr. auf einer Glocke im Dom
zu Braunschweig vor. — Greulig, Hans, 1360 Glocke (ehemals) auf dem Rathaose
zu Breslau. — Greve, Nikolaus, in Hannover, Glocke 1677 Nenstadt a. R., 1680
Schloss Bevem, 1689 Kreuzkirche zu Hannover, 1690 Kirchhoffen und 1694 Döbren
im Calenb. Johann Heinrich Gr., 1689 Glocke in Rulle bei Osnabrück. Rot-
ger Gr., 1776 Glocke in Eversberg (Kr. Meschede). — Griebel, Beriet, 1487 Glocke
in Brehme (Kr. Worbis). — Grompel, Engelbert, von Meren, Glocke 1687 in Giels-
dorf bei Bonn. — Grongnart, Paul Joseph, Glocke 1704 zu Brand bei Aachen. —
Grtfning, Sobald, von Erfurt, Glocke 1577 in Berdum (A. Wittmund), 1578 in Witt-
mund; 1577 und 1586 goss er Geschütze für Veste Leerorth a. d. Ems. — Gro-
pengheter', s. Bertoldus. — Gros, Raymond, von Perpignan, Johan Garbier von
Castros und Julien d*Hayric von Massilhaneques gössen 1370 zwei Glocken für
N.-D. des Tables in Montpellier. Eine Familie le Gros aus Malmedy war 1760
bis 1790 in Köln thätig. Von Christoph Gros rührt eine Glocke von 1607 zu
Daspig im Kr. Merseburg her. — Grosse, J. G., königl. Stück- und Glockengies-
serei in Dresden, Firma gegründet 1835, lieferte unter Leitung ihres Gründers
Johann Gotthelf Grosse bis zu dessen im Jahre 1868 erfolgten Tode 613
Kirchenglocken. In seinen letzten Lebensjahren und bis 1872 war sein Sohn
Hermann Gr. Geschäftsführer und von da ab bis zu Ende des Jahres 1879 Mit-
inhaber der Firma, welche bis dahin 994 Glocken geliefert hatte und seit Über-
nahme der Giesserei durch den Ingenieur RobertEbert bis Ende 1882 im Gan-
zen 1139 Glocken. Die grössten derselben von 160 Centner wurden in den Jahren
1875 und 1876 für die Dome zu Hildesheim und Halberstadt gegossen, und 1878
das grösste Geläute von 10 Glocken zum Gewichte von 540 Centner für den Dom
zu Frankfurt a. M. Der Glockengiessermeister HermannGrosseist neuerdings aus
der alten Firma ausgetreten und gegenwärtig in der Glockeugiessereiabteilung des
Etablissements von C. Albert Bierling in Dresden thätig. — Grahl, Friedrich,
in Kleinwelka bei Bautzen, lieferte seit 1803 bis Ende 1850 bereits 680 Glocken
für einen Umkreis von 50 Meilen, besonders nach dem Posenschen; die drei im
* D. i. GntpengieiMer, aUo kein Eigenname.
Glockengiesser - Verzeichnis. 191
Jahre 1843 gegossenen Glocken zu HoUsteitz (Kr. Weissenfels) tragen die Fabrik-
nnrnmem 642 — 544; zu Gaumnitz (ebend.) befinden sich zwei Glocken aus dieser
Giesserei von 1863 und 1864: viele andere und spätere an anderen Orten. — Grundi,
Martin, Glocke 1605 zu Linum, 1611 zwei zu Grossbehnitz in Ost-, resp. West-
havelland. — Grunewald, Heinrich, in Nürnberg, 1482 Benedikta in St. Sebald da-
selbst. — Grilninger, B., Söhne, zu Yillingen im Breisgau, seit dem 16. Jahrhundert
bl&bende, gegenwärtig 14 Ahnen zählende Familie, von welcher das grosse, aus
15 melodischen Glocken (die grösste von 130 Centner) bestehende Geläute der
Benediktiner-Abtei St. Blasien herrührte, dessen Glocken gegenwärtig in den Kir-
chen von Karlsruhe verteilt sind. Die Firma lieferte in den letzten drei Jahren
ausser vielen einzelnen Glocken 23 ganze Geläute, im Jahre i882 gegen 50 Glocken.
— Gugg, Franz Xaver, von Salzburg, 1830 Glocke von 105 Gentner zu Mariazell
in Steiermark. — Guidottus, s. Pisaiius. — Guillebert, J. H., Guillebert, J. J.,
von Neuchätel, und P. J. Meuron von Falk nennen sich auf einer Glocke der
Kathedrale zu Lausanne von 1726. — Guiot, Estienne, von Ste. Marie (Diöz. Lan-
gres), 1398 ührglocke von N.-D. in Montpellier; vergi. Rozier. — Gunder, Barthol.,
in Köln, 1753—1759 Glocken in St. Ursula, St. Severin und Gr. St Martin da-
selbst. •— Gunterus de Err. (Erfurt?), Glocke von 1351 in Görmar (Kr. Mühlhausen
i. Th.).
Habbo (Holbo?), angeblicher Name des Giessers zweier ehemals zu, Arie und
zu Rysum in Ostfriesland befindlichen Glocken von 1332. — Hachmann (Hag-
mann), Albert, in Kleve, Glocke von 1523 in St. Pantaleon zu Köln, 1537 Horst
in Holland. Wilhelm H. nennt sich auf ebenfalls dem 16. Jahrhundert ange-
hörigen Glocken zu Rindern und Qualburg im Kr. Kleve. — Hack, Hieronymus,
von Aschenburg, 1583 Glocke in Oberlahustein bei Riedesheim. — Haffen, Ger-
hard von, 1527 Glocke in Xanten. — Hagen, Uenricus de, Glocke von 1268 in der
Georgskirche zu Hagenau. — Hahn, Elias Gottfried, in Gotha, Glocke 1773 in Hen-
ningsleben, 1780 im Unterdorf Nägelstedt und 1787 Weberstedt im Kr. Langen-
salza. J. H. Gottfr. Hahn, der Verf. der Kampanologie (Erfurt 1802) war ver-
mutlich sein Sohn. — Halberstadt, s. Hannes. — Hamm, Georg, in Kaiserslautern,
seit 1861, lieferte bis zu seinem im Jahre 1878 erfolgten Tode 631 Glocken. Von
seinem Schwiegersohne Max Faber, welcher das Geschäft fortsetzte, wurden bis
Ende 1878 40 Glocken gegossen, und bis zum Jahre 1S83 unter dem nunmehrigen
Besitzer der Giesserei, Karl Götzger, ca. 300 Glocken, die meisten für die
Pfalz, Hessen, Baden u. s. w. , worunter viele ganze Geläute. Die schwersten
Glocken kamen im Jahre 1862 nach Kaiserslautem von 3642, 1867 nach Lampert-
heim bei Mannheim von 3112, 1869 nach Neunkirchen bei Saarbrücken von 3073,
1874 nach Gernsheim bei Darmstadt von 4888 Pfund, 1882 ein Viergeläute von
100 Gentner nach Ludwigshafen. Bei A. Hamm in Frankenthal bei Ludwigs-
hafen wurde 1874 die 500 Centner schwere Kaiserglocke des Domes in Köln ge-
gossen. Fritz Hamm in Augsburg, etabliert seit 1876, lieferte bis 1883 bereits
33 ganze Geläute, darunter das stärkste, 106 Centner wiegende und aus 5 Glocken
bestehende nach Lamerdingen (Bezirksamt Kaufbeuren) mit der grössten Glocke
von über 50 Ceutner. — Hankebosken (?), Kerstianus, 1465 Glocke zu Sittensen
(A. Zeven) in Hannover. — Hannes, „Magister, von HalverstcU ein Meister uiz
Sctszenlant^*^ nannte sich auf 2 nicht mehr vorhandenen Glocken von 1348 in der
Johanniskirche zu Göttingen und von 1350 im Dom zu Hildesheim. — Hans, zu
192 Glockengiesser-Terzeidims.
Fmüdbit, 1513 Glocke za Kiedrich im Bhemgu. — IfariWf, 1527 Glocke xa Lan-
genstnase (Kr. Lippsudt). — Hwflwidk. 1512 Glocke in Friedeosdorf bei Bieden-
kopl — Ibs, Konnd. imd Martin Hek in Regensborg. Glocke yoa 1478 daselbst,
1491 in Lössenbach bei Regensborg and in St Emmeram an Begensborg (118
Centiier\ Severinns Hase, erwähnt als Giesser einer ^pabstüchen Kloater-
ijocke^ im Hessischen (in HainaV^ die mit seinem Wappen (3 langohrigen Hasen)
geschmückt sei; Ter^ Eilers, Chron. Belticense, S. 185. — lliihwir, Kaspar,
za Ingdstadt im 17. Jahriinndert. — HaH, Michael Gottfried, in Gera, 1840 Glocke
zn Hohenkirchen (Kr. Zeitz^. — Hasser, Gerg. ein Deatscher in Italien, goss 1595
eine (Hocke för das 1618 dorch Bergstniz Teischöttete Dorf Pioro im PergaUa-
Thal bei (ThiaTenna, welche 1859 wieder ansgegraben, jetzt aof dem Tonne des
nächsten Dorfes Prosto häi^^ — Haabdi, Johann Christoph, Glocke 1765 zo
Dorfroark (A. Fallingbostd\ 1772 Schamebeck nnd 1777 KirchgiOlersen (A. Lüne>
borg) in HannoTcr. — Nafric, s. (jtos. — HcUa. Kort Tan der, (Hocke 1473 Haa-
dorf (A. Winsen a. L.\ 1485 Hittbergen (A. Limebarg\ 1486 Räthingen (A. Oldoi-
Stadt), 1490 ündeloh (A. Winsen a. L.), 1495 Hennannsborg (A. BergeD), 1498
Salzhanaen <,A. Winsen a. L.), 1507 Memerdingen (A. FallingbosteiX 1518 im Ki-
kolaihof zn Lnneborg in Hannoyer. — Hekter, Paol, und Christof^ ans Hildburg-
hausen, 1561 Glocke zn Christes (Kr. Schleosingen\ — HcMmricBS, „mtagisUr de
Aehim"^ (Aachen, goss 1246 zwei Glocken fiir das Peterskloster in Erfurt. —
in Tübingen, Glocke 1212 in Dätzingen (Obera. Böblingen) im Neckarkreis. —
(Heinicke. Heineken, Heinke, Hennecke). Andreas, Glocke 1591 zu Bee-
tzendorf bei Lüneburg, 1592 Rätzlingen (A. OIdenstadt\ 1593 Ebstorf (A. Me-
dingen) ehemals, 1G<» in der Johanniskirche zu Lüneburg in HannoTcr. — Hainrick,
Glocke angeblich Ton 1272 zn Echt in Holland. Heinrich von Koblenz, s. Co-
blenz. Heinrich \on Prüm, s. Prüm. Heinrich Ton Strassbnrg. s. Hennin. —
Hciaricn de Hagen (Hagenowe), Glocken tou 1260 und 1268 in St Georg zn Ha-
genau, ? Weissfraaenldrche zu Frankfurt a. M. Heinricus, .^lius Tideriei
me fedt^ steht in neogothischen Majuskeln auf einer Glocke zn Getzsch (Kreis
Merseburg); vergl. Hdericos. — ikial«i (Heinze, Hinze, Heintz, Hins). Familie des
17. nnd 18. Jahrhunderts in Beriin, Spandan, Perleberg und Leipzig thätig. Chri-
stian (I.) H. in Spandau, Glocke 1622 zu Retzow (WesthaTcUand) und (wahr-
sdieinÜch) 1640 zu Xennhaosen bei Rathenow. Yennntüch seine Söhne waren
die Bruder Johann und Martin (L), die 1673 kurfürstliche Stückgiesser in
Berlin wurden und vorher in Perleberg und Spandau wohnten. Von Johann
sind nachgewiesen Glocken Ton 1680 zu Sonmierfeld (GsthavelL) und zu Nichel bei
Trenenbrietzen, 1681 Gadow (Gstprignitz) , 1682 Gr. -Schönebeck (NiederbamimX
1691 (joUwitz bei Brandenburg. Von Martin sind sehr riele Dorfkirr henglocken
Ton 1672 — 1691 im HaTellande, in der Prignitz, im Rnppinischen und in der
Zanche nachgewiesen, im Dom zu Brandenburg eine von 1679. zwei von 1682 und
1691 im Dom zn Stendal; eine von 1689 in St. Nikolai zu Trenenbrietzen ist nicht
mehr vorhanden. Im Jahre 1697 lehnte er wegen hohen Alters den Goss der
Relterstatne des grossen Kurfürsten ab. Zwei seiner Söhne, Christian (H.) nnd
Georg sind nachgewiesen auf Glocken, ersterer 1695 zu Gr.-Luckow bei Prenzlow
nnd 1696 zu Kudow im Rappinischen, letzterer 1697 zn Dübow in der Prignitz.
Ein jüngerer Christian (IH.) kommt 1720 — 1745 auf vielen Dorfkirchenglocken,
> Mitteilnng des Grmfen Ed. XelU in VerrcIIi.
Glockengiesser- Verzeichnis. ' 193
besonders in der Prignitz vor, und ein jOngerer Martin (IL) 1748 zu Hakenberg
bei Fehrbellin, 1760 zu Deddin, 1758 zu Gr.-Werzin in der Prignitz. C. D. Heintze
nennt sich 1744 — 1776 auf Glocken von Dörfern im Havellande, in der Prignitz,
im Ruppinischen und 1757 auf einer Glocke zu Straussberg (Oberbamim). Sehr
wahrscheinlich gehört auch Martin Heintze in Leipzig einem Seitenzweige
dieser märkischen Familie an; er ist auf Dörfern der Kreise 2^itz, Merseburg,
Weissenfeis, Eckartsberga u. s. w. von 1716 — 1754 nachgewiesen, in der Nikolai-
kirche zu Eisleben 1734 und in der Neumarktskirche zu Merseburg 1748. — Hek, s.
Has. — Helling, Simon, von Ealkar, 1634 Glocke in Xanten. — Helmes, Braut,
1637 Glocke der Andreaskirche zu Hildesheim, 1527 zu Esbeck im Calenb. —
Heimond, s. YegheL — Hemmerich und Gregory, 1561 Glocke zu Neudorf bei
Eltville. — Hemony, Franz, und sein Bruder Peter, aus Lothringen, wohnhaft zu
Zütphen in Geldern, 1641—1655; s. oben S. 62. Einzelne Glocken sind nach-
gewiesen zu Düsseldorf 1641 zwei in der Jesuitenkirche, 1643 und 1644 zwei in
der Lambertikirche daselbst, erstere 34, letztere 68 Centner an Gewicht, von
Peter H. eine Glocke von 1648 zu GUdehaus (Amt Bentheim) in Hannover. —
Hennin von Strosburg (Hans Gremp), Glocken im Münster zu Strassburg 1427, 1429
zu Neuweiler und zu Ammerschwir (Elsass). — Henricus me fecit^ auf einer Glocke
von 1317 in St. Blasien zu Northeim (Hannover). Ein „Henricus fusor campa-
norum^'^ ist 1330 in Köln urkundlich nachgewiesen. — Henschele, Hans, von Mainz,
1636 Glocke zu Tringenstein bei Dillenburg (Reg.-Bez. \yiesbaden). — Herb, Con-
rad de, Glocke von 1352 im Nenmünster zu Würzburg. — Herkswaren, GlQcke von
1599 in Emsbüren (A. Lingen) in Hannover. — Herman in Ostfriesland, Glocke.
1316 in Siegelsum, 1350 Wüllen bei Ahaus, 1352 Grotegaste; ohne Jahreszahl in
neugothischen Majuskeln zu Ösede (A. Iburg). — Hermann, Glocke von 1475 zu
Esens im Harlingerland. — Hermann, Johann, in Memmingen, 1808 — 1843, Nach-
folger von J. G. Ernst (s. d.) daselbst, dem sein gleichnamiger Sohn folgte und
das Geschäft zu neuer Blüte brachte. Im Jahre 1864 hatte er die lOOOste Glocke
vollendet und in diesem Jahre auch die grosse Glocke für Ottobeuren gegossen.
Bei seinem im Jahre 1868 erfolgten Tode war die Zahl seiner Glocken auf 1159,
und von da ab bis 1883 unter dem jetzigen Besitzer der Firma Carl Götzger
(vergl. Hamm) aus Lindau auf 1690 gestiegen. Die grösste Glocke von 477^ Cent-
ner wurde im Jahre 1873 für Irrsee bei Eaufbeuren gegossen. Auf der Weltaus-
stellung zu Wien 1873 erhielt die Firma die Fortschrittsmedaille. — Hermannus
me fecit, auf dem Taufkessel von 1317 in Siegelsum (A. Berum) und auf einer
Glocke von 1352 zu Grotegaste (A. Leer) in Hannover. — Herold, Andreas, aus
Nürnberg, Inspektor der kurfürsü. Giesserei in Dresden und Nachfolger der Hil-
liger (s. d.), 1649 — 1695, von dem noch zahlreiche Glocken nachgewiesen sind,
z. B. in etwa 20 Ortschaften der Amtshauptmannschaften Pirna und Dippoldis-
walde, in 6 Ortschaften des Kr. Ziegenrück, zu Meineweh im Kr. Weissenfeis
u. s. w. , sowie Kanonenrohre auf der Yeste Königstein. Er bezeichnete seine
Glocken gern mit seinem Wappen, welches im quadrierten Schilde auf 2 Feldern
übereck ein H mit Glocke und in den beiden anderen den seine Jungen fütternden
Pelikan zeigt, auf dem Helm einen Mann mit Tasterzirkel und Kugel. — Hiering,
Christoph August, in Leipzig, nachgewiesen auf mehreren Glocken von 1714 bis
1749 in den Kr. Zeitz, Weissenfeis und Merseburg; auf zwei Glocken von 1749
zu Schelkau (Kr. Weissenfeis) steht (angeblich) Christian H., welcher dann
etwa ein Sohn des Vorgenannten gewesen sein müsste. — Hilden, Jakob, in Köln,
Otte, Glookenknnde. 13
194 Glockengiesser- Verzeichnis.
Glocke von 1769 zu Mausbach bei Köln, 1779 Burg a. d. Wupper. — Hiliiger
(Hiliger, Hillger, Hilger), Familie des 15. bis 17. Jahrhunderts in Freiberg und
Dresden. Als ältester des Geschlechtes erscheint in der (von Jul. Schmidt in
Mitteil, des Freiberger Altertumsver. 4, 341 — 364 u. 5, 508 aufgestellten) Reihe
1412 Hans, gen. Eannegiesser in Freiberg Dann folgt um 1460 Nicol H., aus
dessen Werkstatt bereits zahlreiche Glocken hervorgingen; sein einziger Sohn
Oswald goss nach dem Stadtbrande von 1484 die Freiberger Glocken aufs neue.
Als Stückgiesser zeichnete sich zuerst Oswalds zweiter Sohn Martin H., geb.
1484, seit 1514 aus; er wurde 1519 Ratsherr, und Kaiser Karl Y. verlieh ihm
und seinen Nachkommen 1521 ein Wappen, welches im roten Felde einen auf-
rechten silbernen Bären mit einem goldenen Tasterzirkel in der rechten Pranke
zeigt, und auf dem geschlossenen Stechhelm wachsend dasselbe Wappentier. Ein
jüngerer Bruder Martins, Namens Andreas H., Hess sich als Glockengiesser in
Breslau nieder. Von Martin H. rühren fast die sämtlichen Glocken in Freiberg
her, sowie die 165 Centner schwere Glocke der Petri- Paulikirche zu Görlitz von
1516. Er starb 1544 und hinterliess drei Söhne: Wolf, geb. 1511, Oswald,
geb. 1518, und Sebastian, geb. 1521. Oswald goss viele Glocken für Herzog
Philipp von Pommern, starb aber schon 1546 zu Stettin. Sein älterer Bruder
Wolf dagegen blieb in seiner Vaterstadt, gelangte daselbst zu wohlverdientem
bürgerlichen Ansehen, und durch seine ausgezeichneten Leisttmgen als Kunst-,
Stück- und Glockengiesser zu bedeutendem Vermögen und höchstem Ruhm, so
dass ihm 1567 auch die Leitung der kurfürstlichen Giesserei in Dresden über-
tragen wurde. Bereits 1657 war er zur Würde des regierenden Bürgermeisters
von Freiberg aufgestiegen und starb daselbst am 30. November 1576. Seine Wirk-
samkeit als Stückgiesser ging weit über die Grenzen Sachsens hinaus, am umfang-
reichsten aber war seine Thätigkeit als Giesser von Glocken, mit welchen er die
Städte, Schlösser und Dörfer fast des ganzen Kurstaates versorgte. Die Stadt
Leipzig allein besitzt von ihm 5 kunstreich verzierte Glocken: 2 auf dem Rat-
hause aus den Jahren 1556 und 1557. Künstlerisch bedeutsamer sind die 8 gra-
vierten und geschnittenen Messingplatten auf den Fürstengräbem im Dome zu
Freiberg und einige Epitaphien in der Schlosskirche zu Torgau, in der Thomas-
kirche zu Leipzig und in der Petrikirche zu Wolgast in Pommern. Sein Nach-
folger in Freiberg und Dresden war sein ältester Sohn Martin; er wurde als
kurfürstlicher Stückgiesser 1577 auf zehn Jahre nach Graz in Steiermark beur-
laubt und starb in Dresden 1601, wo ihm sein jüngerer Sohn Hans oder Johannes
(geb. 1567) nachfolgte, während der ältere, mit dem Vater gleichnamige Sohn als
kaiserlicher Stückgiesser nach Wien berufen worden war. Hans wurde 1614
regierender Bürgermeister in Dresden und starb daselbst 1640. Nun stand sein
Sohn Hans Wilhelm dem kurfürstlichen Giesshause bis zu seinem 1649 er-
folgten Tode vor, wo dann Andr. Herold (s. d.) sein Nachfolger wurde. Die
ursprüngliche Giesserei in Freiberg hatte der jüngere Bruder des 1601 zu Dres-
den verstorbenen Martin, Wolf gang Hilliger übernommen, welcher 1614 starb
und 14 Kinder hinterliess. Zwei seiner Söhne, Gabriel (geb. 1580, f 1633) und
Zacharias (geb. 1581, f 1648 ohne männliche Nachkommen) setzten das väter-
liche Geschäft gemeinschaftlich fort; Glocken von ihnen finden sich von 1615 zu
Geising und 1616 Hermsdorf in der A.-H. Dippoldiswalde, von 1625 und 1626 zu
Loitzsch (Kr. Zeitz), 1627 zu Niederpretzschendorf (A.-H. Dippoldiswalde) , von
Zacharias allein von 1640 zu Spora (Kr. Zeitz). Ein Sohn Gabriels (I.), geb.
Glockengiesser - Veraeichn is . 195
1614, ebenfalls Gabriel (II.) geheissen und 1684 gestorben, war der Nachfolger seines
Vaters; eine seiner Glocken von 1653 findet sich in Niederpretzschendorf. Der ein-
zige Sohn des letzteren, Gabriel (III.) ? geb. 1677, f 1756, widmete sich neben
der Glockengiesserei dem Bergbau, zu dem auch seine Söhne übergingen. Die
Hilligerschen Glocken, deren Zahl in Sachsen noch sehr gross ist, sind regelmässig
mit ihrem Famiiienwappen in trefflicher Ausführung en relief geschmückt, aber
häufig nur mit den Anfangsbuchstaben des Vor- und Zunamens bezeichnet, zu-
weilen selbst ohne Jahreszahl. Yergl. R. Steche, im N. Archiv für sächs. Ge-
schichte III. 1, 86—91; H. Gerlach, in Mitteil, des Freib. Altert. -Vereins 18, 43
bis 47. — Hirsdorffer, Hans, 1418 Glocke zu Bruckbach bei Regensburg. — Hoercken,
s. Veghel. — Hoff mann, Johann Jakob, in Halle , Glocke zu Kursdorf (Er. Merse-
burg), 1679 Hohenmölsen (Kr. Weissenfeis), 1681 Bennstedt (Mansfelder Seekr.),
1694 Merseburg Neumarkskirche, Annarode (M. Gebirgskr.), 1695 Kreipau (Kr.
Merseb.), 1696 Kötzschau (ebend.), 1700 Endorf (M. Gebirgskr.), 1700 und 1705
Frankleben (Kr. Merseb.). Christian H. in Leipzig, Glocke von 1749 zu Schal-
kau (Kr. Weissenf eis). — Holbo, s. Habbo. — Holliizer, Georg Christoff, in Frei-
berg, Glocken von 1689 und 1692 zu Hallbach bei Sayda. — Holste, 1648 Glocke
in Gross-Stein (Kr. Gr.-Strehlitz). — Hooghuys von Brügge, 1868 Glocke in Kiedrich
im Rheingau. — Horenbarch, Christoffer, Glocke 1567 zu Leveste (Calenb.), 1581
BÖmmen (A. Bockenen) und 1584 Kolenfeld (Calenb.) in Hannover. — Hornemann,
Jobst Wilhelm, in Zeitz, Glocken von 1692 zu Weikelsdorf, 1697 Deumen und
Köttichau im Kr. Weissenfels. — Hubinger zu Augsburg, 1815 Glocke in Hausen
(wo?). — Huitem (Hüthum?), Johann von, Glocken von 1428 zu Kellen bei Kleve,
1429 Grieth bei Emmerich. — Humpert, Heinrich, in Brilon hat bis 1883 neue Drei-
geläute geliefert für Warstein, Bredenborn (Kr. Höxter), Schliprüthen (Kr. Me-
schede), Hauren (Kr. Büren), Suttrop bei Warstein, Niedermarsberg (Kr. Brilon),
Amelunxen (Kr. Höxter), Schwaney (Kr. Paderborn), Heddinghausen (Kr. Brilon),
Ostuffeln bei Werl, Eissen bei Warburg, Diestedde (Kr. Bekkum), Vinsebeck bei
Steinheim und Messinghausen (Kr. Brilon), ausserdem einzelne Glocken für etwa
200 Ortschaften, besonders in Westfalen und im Waldeck^schen ; die schwersten
kamen nach Warstein von 65 Centner, Brilon 50 Centner, Bücken 39 V, Centner.
Warburg 36 Centner, Brilon und Steinheim ä 35 Centner. — Hustede, Karsten,
aus Lüneburg, Glocke von 1650 zu Wipshausen (A. Meinersen) in Hannover. —
Huter, Hans, von Weissenburg, Glocken von 1466 in der Stiftskirche zu Weissen-
burg, 1467 Sigolsheim, 1472 Weiersheim im Elsass.
Jacob, Johann, von Venlo, Glocken von 1403 in Wurm (Bj:. Geilenkirchen),
1404 Keyenberg (Kr. Erkelenz), Wanlo (Kr. Grevenbroich), 1411 Wurm; Glocke
von 1468 in Venlo, 1498 Ratingen. ~ Jacobi, Johann, geb. 1664 zu Homburg v.
d. H., lernte 1679 das Schmiedehandwerk, ging nach Paris, wo er, mit Balthasar
Keller, dem Aufseher der königl. Giesserei bekannt geworden, sich der Giesskunst
widmete. Im Jahre 1697 nach Berlin berufen, übernahm er den am 22. Oktober
1700 vollendeten Guss der Schlüterschen Reiterstatue des grossen Kurfürsten und
wurde nach Heintzes (s. d.) Tode Inspektor der königl. Giesserei, f 1725. Im
Jahre 1702 goss er die grosse, 266 Centner schwere Glocke des Domes zu Magde-
burg; auch finden sich Glocken von ihm zu Gr.-Glienicke bei Spandau von 1703,
Lentzen a. d. Elbe 1705, Gransee, ein Viergel&ute, 1711—1725, Flatow bei Krem-
men 1712, Pemitz 1717. H. J. Jacobi, vermutlich sein Sohn, nennt sich auf
13*
196 Glockengiesser- Verzeichnis.
Glocken von 1744 zu Schwarzenau (Kr. Prenzlau) und 1746 zu Nauen im Osthavel-
land. — Jacobus, Glocke von 1251 im Dom zu Minden, s. auch Croisilles. — Jacop
(Jacobus), Busse, Glocken von 1496 zu Ronnenberg (Calenb.), 1498 Burgstemmen
(A. Gronau) in Hannover. — Janke, Joachim, in Grossen-Salza (im Kreise Kalbe),
Glocken von 1644 in Schönebeck (ebend.), 1652 Lodersieben (Kr. Querfurt), 1661
Domstedt (Mansf. Seekr.), 1675 Dobergast (ehemals) und Teuchern {Kr. Weissen-
fels). — Jaque, vermutlich ein Lothringer, 1541 — 1591; von ihm eine Glocke von
1591 in St. Govre zu Nancy. — Jaquier, Isaak, zu Lausanne, Glocken daselbst
von 1656 und 1666. — Jarosch, grosse Glocke des Domes zu Prag aus dem Jahre
1549 (225 Centner). — Jauck, Andreas, Ratsglockengiessermeister in Leipzig, seit
1796 etabliert; Glocke von 1818 in Domsen (Kr. Weissenfeis). Seine Nachfolger,
die Brüder J., in Firma G. A. Jauck, seit 1834 thätig, lieferten teils in ganzen
harmonischen Geläuten, teils einzeln, bis 1883 755 grössere Kirchenglocken,
darunter im Jahre 1861 ein Yiergeläute für Duderstadt, 1869 ein desgl. von 155
Centner für die Nikolaikirche in Leipzig, 1878 ein solches von 115Y, Centner für
die zweite protestantische Kirche in München, die Dreigeläute der Johanniskirche
(1841) und der katholischen Kirche (1848) zu Leipzig, und in den letzten Jahren
4 Glocken für Düsseldorf (die grösste von 58*/, Centner), eine Glocke von öS*/*
Centner für Gotha, 2 Glocken von 41 und von 24*/, Centner für Dessau u. s. w.
— Jean d'Amiens, s. Amiens. — Jenderich (Genderich), Joachim, zu Havelberg,
Glocken 1585 in Bredow (Osthavell.), Schönhagen (Ostprignitz), 1587 Radewege
(Westhavell.) , 1590 auf dem Altstadt. Rathaus in Brandenburg, 1591 Quitzow
( Westprignitz) , 1592 Ribbeck (Westhavell.), Leddin (Kr. Ruppin). — Johannes
(Johann), verschiedene Giesser dieses Namens. Glocke mit Inschrift in neugoth.
Majuskeln zu Schierstein bei Wiesbaden, 1307 Glocke in Aschendorf (Emsland),
1328 zinnerner Taufkessel im Dom za Mainz. ,yJohan me conflavit dum stetit
jubileus annus^^ (1300 oder 1350) in neugoth. Majuskeln auf einer Glocke zu Oste-
rode am Harz. Johann und Gerard von Lüttich, Glocke von 1275 zu St.
Paul in Lüttich. „Johannes de Trajecto (Utrecht) me fecit*', in Majuskeln
auf einer Glocke zu Hönnepel bei Kaikar. „Johannes Bremensis me fecil^\
auf einer Glocke 1516 zu Loquard bei Emden. Johann von Menze (Maüiz)
auf einer Glocke aus dem 16. Jahrhundert zu Hallgarten bei Rüdesheim; vergl.
Mencd. Jan von Halberstadt, s. Hannes. — Jolly (Joli), Michel, aus Lothringen,
2 Glocken von 1674 im Dom zu Lausanne. Vergl. Paix. — Jörg von Speier, Gl.
von 1482 in Hermersheim bei Worms. — Jost, Thomas, Ratsglocke von 1473 (ehe-
mals) zu Strassburg, Glocke von 1475 in der Pfarrkirche zu Zabem. — Jouvente
(Jouvence), Jean, 1371 grosse Glocke im Palais von Paris, 1380 Glocke auf dem
Schlosse zu Montargis.
Kaiwort, Wigant, von Butzbach, Glocke zu Laubenheim ans dem 16. Jahr-
hundert. — Kangeser^, Heinrich (Heino), von Gesen, Glocke von 1485 zu Bieden-
kopf und Offenbach in Nassau. — Kantengiesser (offenbar = Kannengiesser), Michel,
von Heidelberg, Glocke von 1513 in ßraubach (Reg.-Bez. Wiesbaden). — Karado,
Jehan, Stück- und Glockengiesser in Paris, 1469. — Karsten , Ihonoe (?), Glocke
von 1445 zu Oberhelrasdorf bei Stolpen in Sachsen. Magnus K., Glocke von 1673
in Goslar. — Kästier (Kestler, Kessler), Andreas, zu Mühlhausen i. Th., Glocken von
1 KangeHor (KannengieHRer) ist kein eigentlicher Eigenname.
Glockengiesser- Verzeichnis. 197
1705 in Allerheil, daselbst, Horsmar (Er. MOhlh.) 1706 Trinitatiskirche zu Alten-
gottem (Kr. Langensalza).' Andreas Gottlieb Kessler in Mühlhaosen, Gl.
von 1717 in Treffurt und 1722 Saalfeld (Kr. MOhlh.). — Kaufmann, Feter, in Köln,
Glocke von 1644 auf dem Rathause daselbst. — Keiner, s. Keiner. — Keller, Johann
Balthasar, geb. zu Zürich 1638, t zu Paris 1702; s. Jacobi. Jacob K. in Unter-
strass, gest. 1867, goss 300 Glocken; sein Sohn setzte das Geschäft fort — Kel-
lermann, Hans, Glocke von 1490 in Gross-Lopke bei Hildesheim. Härmen K.,
Glocke von 1612 zu St. Georgswold (A. Weener) in Hannover. — Keiner, Her
Herbort, von Dom, Glocke von 1409 in Bleidenstatt (Reg.-Bez. Wiesbaden).
Andres Keiner (Keiner?), Glocke aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts in
Schloss Fröhliche-Wiederkunft bei Trockenborn (S.- Altenburg). — Keppel, s. Teil. —
Kerle, Hans, Glocke von 1591 im Dom zu Frankfurt a. M. — Kern, Franz, zu Augs-
burg im 18. Jahrh. -— Kemer, Kaspar, zu Nördlingen, Glocke von 1545 in Kaisheim
bei Donauwörth. — Kersten (Kerstan, Cherstan), Gort (Conrad), Gl. von 1482 in Alter-
stedt und 1499 Nägelstedt-Oberdorf (Kr. Langensalza), 1499 Niedertopfstedt (Kr.
Weissensee), 1503 Alterstedt, 1508 Bodenrode (Kr. Worbis), 1516 Martinfelde (Kr.
Heiligenstadt), 1517 Grossgrabe (Kr. Mühlhausen), 1518 Heroldshausen (Kr. Langen-
salza). Franciscus Kerston, Glocke von 1517 in Grossburscbla (Kr. Mühl-
hausen). — Kerstiens, Klaus, Glocke von 1518 zu Sögel (Kr. Meppen). — Kervand,
Georg, in Genf, grosse Glocke von 1830 in Caiouge. — Kessler, Michael, von
Stuttgart, Glocke von 1552 zu Malchow bei Berlin. Vergl. Kästier. Vergl. Er-
hardus. — Kirsch, £. B., zu Chemnitz in Sachsen, etabliert seit 1876, 'hat bis 1883
120 Kirchenglocken gegossen, worunter harmonische Dreigeläute für Auerbach bei
Thum im Erzgebirge von 32 Centner, für Neukirchen bei Chemnitz von 30 Centner,
für die evangelische Kirche zu Schroda in Posen von 28 Centner. Die grösste
Glocke von 28 Centner kam nach Güsen bei Burg (Keg.-Bez. Magdeb.), die übri-
gen bis zu 6 Centner Gewicht in die Umgegend von Chemnitz. — Klapperbach,
Christian, zu Mentz (Mainz), Glocke von 1578 in Asmannshausen, 1585 in Schup-
bach bei Weilburg; derselbe Name auch auf einer Glocke zu Medenbach bei
Wiesbaden (angeblich) von 1651. — Klaus, Gebrüder, zu Heidingsfeld a. Main,
stammen aus einer alten, angeblich thüringischen Glockengiesserfamilie, deren
früher Claus geschriebener Name an Claus von Mühlhausen (s. d.) erinnert; sie
haben bis 1883 660 Glocken geliefert, darunter ein harmonisches Siebengeläute
von 166Y, Centner (die grösste Glocke von 60 Centner) für Grafenrheinfeld bei
Schweinfurt, Viergeläute für Altbessingen (60 Centner), Bad Brückenau (60 Ctr.),
Euerdorf bei Kissingen (46 Centner), Salz bei Neustadt a. d. S. (327^ Centner),
auf der Bayer. Landes -Industrieausstellung zu Nürnberg 1882 mit der silbernen
Medaille gekrönt, und mehrere andere Geläute von 3 Glocken u. s. w. Ein grosses
Geläute von 6 Glocken zum Gesamtgewicht von ca. 132 Centner war für Kissingen
im Sommer 1883 in Vorbereitung. — Kleimann (Kleinmann?), „Hans Kleinmann
goth mick^' stand auf einer 1586 in Minden angekauften, 1871 umgegossenen
Glocke zu Ahlden (Kr. Fallingbostel) in Hannover. Von Christoffel Klei-
mann, in Lemgo, das Dreigeläute von 1662 zu Ärzen (Calenb.) in Hannover.
Arnold Kleinmann aus Lübeck, Glocke von 1687 in der Johanniskirche zu
Lüneburg. — Kleinschmidt, Heinrich Christoph, zu Mühlhausen i. Th., Glocke von
1726 zu Tre£furt, 1738 Oberdorf Schönstedt (Kr. Langensalza), 1756 Georgskirche
zu Mühlhausen. — Kleveldt, Hans, von Landshut 1444. — Klinge (Klinghe, Klingke),
Familie des 15. bis 16. Jahrhunderts in Niedersachsen. Als der älteste erscheint
1 98 Glockengiesser - Verzeichnis.
1404 auf einer Glocke in Eehdingbroch (A. Nenhaus a. d. Oste) Harm (Her-
mann) KL, und nur wenig später der zuerst 1409 auf einer Glocke zu Pilsum
(A. Emden) nachgewiesene Hinderk Klinge. Sehr häufig auf Glocken und
Tauf kesseln im Bremischen, Ost&iesland und in Lüneburg ist von 1407 — 1469
Gerd El. vertreten. Ton Hinrik Kl. sind drei Taufen in Ostfriesland von 1473
und 1474 bekannt. Bartolt Kl. kommt von 1472 — IbOb in Ostfriesland, Goteke
KL von 1475 — 1496 im Bremischen vor. Bernt (Berend) KL „von Bremen'* ist
auf einer Glocke von 1474 in Buttforde (A. Wittraund) und in Bremen selbst
nachgewiesen. Einem jfingeren Hermann Kl. gehören im Bremischen Glocken
von 1461 zu Hechthausen, 1463 Balje und 1505 Bulkau an. VergL Mithoff,
Kunstdenkm. im Hannoverschen 7, 22 und 240. — Klockgelar, s. Clockengeter. —
Knoblauch, C. H., in Halberstadt, nachgewiesen 1744—1787. — KobHzsck, Ed., in
Torgau um 1840 bis etwa 1860 thätig; Glocken von ihm in Landkirchen der Um-
gegend von Torgau und Jflterbogk. Sein Geschäft wird nach seinem Tode von
einem Sohne fortgesetzt. — Koch, Johann, Rotgiesser in Zerbst, Glocke von 1638
zu Müllerdorf (Mansf. Seekr.). Ein jüngerer Meister gL N., Glocken von 1661 zu
Hobeck u. 1666 Hohenziatz bei Loborg, 1684 Wamstedt und Weddersieben (Kr.
Aschersleben), 1698 Gr. -Lübars bei Lobnrg, 1699 Croppenstedt und Niederbömecke
(Kr. Aschersleben), 1701 Rathaus zu Loburg. Eine Familie Koch im 18. und
19. Jahrhundert zu Mühlhausen L Th. Johann Lorenz K. kommt zuerst 1767
auf einer Glocke zu Bothenheilingen (Kr. Langensalza) vor und steht noch 1812
auf einer Glocke zu Blankenburg (ebend.), ausserdem in 10 Dörfern der Kreise
Langensalza und Mühlhausen auf Glocken aus der Zwischenzeit und zu St Kiliani
in Mühlhausen auf einer Glocke von 1797 und zu Thamsbrück von 1807. Jo-
hann Georg K. ist 1798 in der Walpurgiskirche zu Grossengottem (Kr. Langen-
salza) nachgewiesen. Ton Ernst Christoph K. finden sich zu BoUstedt (Kr.
Mühlhausen) 3 Glocken von 1800, 1803 und 1818, und in 5 Dörfern dieses Kreises
Glocken bis 1828. — KOckerHz, Lorenz, in Stettin, Glocken in der Ukermark von
1653 zu Berkholz und Heinersdorf, 1671 Stolpe, 1681 Dobberg. — Koler (Köler,
Köhler). HansKoler (Köhler) aus Gandersheim, Glocken von 1593 zuLandolfe-
hausen bei Göttingen, 1595 Kaltenohmfeld, 1596 Neuendorf und 1597 Leinefelde
im Kr. Worbis (Prov. Sachsen). Alexander Kohler in Erfurt, Glocke von
1616 in Memleben (Kr. Eckartsberga). Johann Gottfried Köhler in Kassel,
Glocke von 1651 zu Speele bei Minden (Hannover). Johann Philipp Kohler
in Zelle, Glocken von 1701 und 1723 daselbst. — Kolle, s. CoUe. — KSnig (Konigk),
Hermann, in Erfurt, Glocke von 1599 zu Pettstedt (Kr. Querfurt) und Dchteritz
(Kr. Weissenfeis), 1606 Gössnitz (Kr. Eckartsberga), Schkauditz (Kr. Zeitz), Geusa
und Oberbeuna im Kr. Merseburg. Jakob König in Erfurt goss 1634 die grosse
Glocke von 114 Centner für die Nikolaikirche in Leipzig und ist ausserdem nachge-
wiesen auf Glocken von 1612 zu Uftrungen (Kr. Sangerhausen), 1614 Weissensee
l Th., 1633 Kleiü-Ballhausen (Kr. Weissensee), 1641 Tennstedt, 1644 Artera,
1648 Grossvargula (Kr. Langensalza). Johann Philipp K in Osnabrück goss
1703 eine Glocke zu Haselünne in Hannover. Ein Hermann K. ist zu Anfa ng
des 19. Jahrhunderts in Erfurt thätig. — Kopp, Paulus, zu München im 17. Jahr-
hundert. — Kdrber, s. Lampe. — Korckow, Bartholomäus, Glocke von 1596 zu Be-
verstedt (A. Lehe) in Hannover. — Koreist, Peter, Glocke von 1507 zu Wieders-
bach (Kr. Schleusingen). — Korn, Johann Nikolaus, goss 1697 mit Andr. Neithardt
(s. d.) aus Leipzig zu Jüterbogk die 1871 gesprungene grosse Glocke der Frauen-
Glockengiesser - V erzeichnis. 199
kirche auf dem Damm daselbst und gleichzeitig eine Glocke für das nahe Grafen-
dorf. — Korteriche, Johann von, s. Danneil. — Korver, Heinrich, Glocke von 1764
in Salzderhelden (A. Einbeck) in Hannover. — Koster, Hannen (Hermann) in Hil-
desheim, dessen Wirken sich über das Hiidesheimische hinaus bis in den Harz
erstreckte. Ob eine mit einem aus H und C gebildeten Monogramm bezeichnete
Glocke von 1499 zu Sehlde bei Elze von ihm herrührt, ist umsomehr zweifelhaft,
als er sonst seine Glocken ausser mit seinem Namen mit einem Giesserzeichen :
zu bezeichnen pflegte, welches zwar in verschiedener Bildung vorkommt, aber
wesentlich stets als solches kenntlich bleibt. Eine Glocke von 1494 zu Lauenstein
(Kr. Hameln) trägt die Bezeichnung ,,h€rmen kesUr ein apengeter knechP* und ist
ebenfalls zweifelhaft; dagegen erscheint eine Glocke von 1600 in der Silvester-
kirche zu Wernigerode, auf welcher er sich als Hiidesheimer Bürger bezeichnet,
als die älteste ihm bestimmt angehörige in einer bis 1520 (Glocke in Kloster
Ilsenburg) reichenden, etwa 20 Ortschaften umfassenden Reihe. In Hildesheim
selbst gehört ihm eine Glocke der Michaeliskirche von 1518 an. Wenn (nach
Mithoff, Denkm. im Hannoverschen 2, 21) eine Glocke von Hermen Koster
wirklich die Jahreszahl „tncccccxl" (1540) trägt und kein Irrtum zu Grunde liegt,
so ergäbe sich eine bis jetzt nicht auszufüllende Lücke von zwanzig Jahren. —
Kramer, s. Gramer. — Kraus, Johann Lorenz, in München, Glocke von 1773 zu
Nassen beuren bei Mindelheim in Schwaben. — Kridewit (Kreideweiss) zu Zell goss
1676 eine Glocke in Wipshausen (A. Meinersen), derselbe in Kolberg 1679 eine
Glocke zu Bevahl bei Kammin. J. G. Kreiteweis in Braunschweig, Glocke von
1735 zu Stapelnburg bei Wernigerode. — Krömmel, Engelbert, in Meyen, Glocke
von 1717 zu Kirspenich bei Münstereifel. — Krumpfer, Johann Jakob, Glocke von
113 Gentner im Dom zu Breslau 1721. — Kruse, Henny, Glocke von 1557 zuBrü-
nighausen und 1560 Springe (Galenb.), von 1562 zu Breinum und Wettebom (A.
Alfeld) in Hannover. — Kucher (Kuchen, Kuchgen, Küchger), Eckhard, in Erfurt,
dessen die Zeit von 1558—1602 umfassende Thätigkeit nach Norden hin bis Magde-
burg in etwa 40 Ortschaften nachgewiesen ist. Die älteste bekannte Glocke von
ihm aus dem Jahre 1558 findet sich zu Zorbau bei Weissenfeis, eine Glocke von
1575, in welchem Jahre er die 100 Gentner schwere Dominica des Magdeburger
Domes umgoss, besitzt die Stephanskirche zu Aschersleben und die Marktkirche
in Langensalza 3 Glocken von 1564 und 1592, deren grösste über 60 Gentner
schwer ist ; die übrigen bis jetzt bekannten befinden sich auf Dörfern, 2 von 1592
zu KöUme im Mansf. Seekreise, die jüngste von 1602 zu Dittchenrode im ICreise
Heiligenstadt. — Kuriz, Familie des 17. bis 19. Jahrhunderts zuerst in Reutlingen,
seit 1803 in Stuttgart, jetzt Wilhelm und Heinrich K., in Firma Heinrich
Kurtz daselbst, und sind aus der Stuttgarter Giesserei in der Zwischenzeit, teils
einzeln, teils in ganzen Geläuten, über 1000 Kirchenglocken hervorgegangen, z.
B. die Yiergeläute der Johanniskirche in Stuttgart von 76 Gentner im Jahre 1875,
der evangel. Kirche in Baden-Baden von 62 Gentner 1876, der Marienkirche in
200 Glockengiesaar-Yeizeicliiiis.
Stuttgart von 43 Centner 1879, der Kirche in Editerdingen bei Stuttgart Ton 67
Centner 1880, der neuen Kirche in der Vorstadt Heslach daselbst von 53 Centner
1881, femer das Dreigeläute der Gamisonldrche in Stuttgart von 105 Centner
1878 mit der Königs^ocke von 60 Centner. Die vielen sonstigen Geläute sind
meist kleiner. Prämiiert wurde die Firma auf der Pariser Ansstellnng von 1867
mit der sflbemen Medaille^ zu Dresden 1880 mit don Staatspreis und auf 13
anderen Ausstellungen in Deutschland, Ungarn und Belgien, viermal mit der gros-
sen goldenen Medaille. — Mschbach au Naumbui^, Glocke von 1744 in Klein-
BaUhausen (Kr. Weissensee); derselbe „aus Kalbitz'* (bei Dahlen in Sachsen),
Glocke von 1761 in Wohtmirstedt (Kr. Eckartsberga).
(Leybener), Tobias, zur Staw, Glocken von 1568 zu Sebnitz und
1570 zu Ulbersdorf in der Amtshauptm. Pirna. — I ■■hf ri, Jean, zu Dancourt in
Lothringen, Glocke von 1683 (ehemals) im Dom zu Reims. — Lamiral, Claude,
Glocken von 1640 zu Olfen, 1647 Si^burg und 1653 Dottendorf bei Bonn. —
Lampe (Lampen), Henni (Hennig) in Hildesheim, Glocken von 1649 zu Deinsen und
Aldendorf, 1653 Banteln im Calenbergischen und Sehnde (A. Burgdorf), 1667
Adensen (Calenb.); eine Glocke zu Steinwedel (A. Burgdorf) goss er 1656 mit
Jakob Körber. Jost Heinrich L. zu Beinum bei Hildesheim, Glocken von
1682 im Dom zu Hildesheim, 1686 zu Adensen, 1699 zu Mahlerten bei Hildes-
heim; er arbeitete zusammen mit Joh. Barward Becker (s. d.). — Lufe»
Familie des 18. und 19. Jahrhunderts in Erfioat. G. H. Lange, s. Sorber. Ge-
brüder Lange, 1819 Glocke im ünterdorf Schönstedt (Kr. Weissensee). Mi-
chael Karl L., 1836 Glocke in Niedertopfstedt (ebend.), 1818 zu Grossengottem
(Kr. Langensalza) in beiden Kirchen. — Lampcrli, Johannes, oder Hans Lanprecht
von Donievre (? Denenvre, Meurthe\ Glocke von 1474 zu Oberehnheim in ünter-
Elsass, zu Mittelweiher in Ober-Elsass. — latAacher, ürsus, zu Ingolstadt im 17.
Jahrhundert. — Lamay, J. B., von Avranches, Direktor der Metallgiesserei zu
Paris unter Napoleon I. und Louis XYHI., Giesser der Yendome-Säule, vieler
Geschütze und Glocken, verfasste 1827 die Schrift ,3Ianuel du fondeur'' (2. Aufl.
1836'*, welche sich auch über Glockengiesserei verbreitet — Lsff s ha w, Moritz, zu
Wittstock, Glocke von 1570 zu Gottberg tKr. Ruppin). Philipp L. zu Perie-
berg. Glocke von 1616 zu Schilde bei Dramburg. — Le§ros, Martin, geb. 1704,
t 1784, Bürger von Köln, und sein Sohn Peter Joseph Legros, geb. 1752,
t 1808 in Malmedj, Glocken 1754 und 1756 zu Brenig bei Bonn, 1756 St Quirin
zu Xeuss und Münster zu Bonn, 1771 St Kolumba und St Severin zu Köln,
1773 St Kunibert daselbst, 1776 Giebdorf, 1778 Lessenich bei Bonn, 1779 St Ge-
reon zu Köln, 1791 Echz bei Düren, 1801 St Pantaleon zu Köln, zu Yerviers,
ZüJpich, Malmedy (Glockenspiel). — Leguay, Florentin, von Koyon, um 1705 in
Paris. — Ldimaaa, Th., s. Eberbach. — Ukr, Johannes de, Glocke von 1652 in
der Jesoitc*nkirche zu Düsseldorf. — Letahardt, George, in Leipzig, Glocke von
1740 zu Böglitz (Kr. Merseburg). — Liditeao«, Bemt, Glocke von 1549 zu Bruch
im Osterstadischen. Adam und Salomon L., Glocke von 1576 zu Osterbmch
im Lande Hadeln. — UppoMus. per. me. feci steht in neugoth. Minuskeln auf
einer Glocke zu Bühlitz (A. Lüchow) in Hannover. — Uw am i, A., aus Pontarli
zu Ende des 17. Jahrhunderts, Glocke zu Compesieres. — La dw icas , mit unleser-
lichem Zonamen, auf einer Glocke von 1450 zu Rossbach bei Hachenburg im
Westerwald. — Laea, Joannes, de Snpe und Joannes Colon iensis, Glocke von
Glockengiesser - V erzeicbnis. 201
1646 zu Schönholthausen (Kr. Meschede). — UNHer, Peter, von Innsbruck, thätig
1490—1610. — Loiseau, s. Antoine. — Lorenz zu Mahlhausen i. Th., Glocke von
1866 im ünterdorf Schönstedt (Er. Langensalza). — Lösch, Johann Ernst, zu
Krailsheim, Glocke von 1780 zu Unterampfrach bei Schelldorf in Mittelfranken.
LQttken (Lütgen), Johann Henrich, in Göttingen, Glocken von 1688 zu Dingclstedt
(Kr. Heiligenstadt), 1699 zu Moringen in Hannover. — LOttich, Johann, u. Gerard,
von, s. Johann.
M . . . . (unleserlich), Josephus, Glocke von 1639 in Galle (Kr. Meschede).
— Mabilot und Stoke, Glocke von 1732 zu Barweiler (Kr. Adenau). Maurice
Mabillot, kurfürstlicher Stttckgiesser zu Koblenz, Glocke von 1777 zu Mesum
bei Rheine. Andreas M., Glocken von 1777 zu Notuln und in der Ludgerikirche
zu Billerbeck, 1777 und 1778 zu Rorup. Joan und Andreas M., Geläute zu
Stromberg bei Oelde 1781. — Machon, Jean le, in Chartres, 1601 die Glocke
George d*Amboise in N.-D. zu Paris. — Macmot le Merchier, Glocke von 1421 zu
St-Just-en-Chauss^e (Oise). — Maes (Mas, Mos, Moes), Paul (Pawel), Glocken von
1502 zu Haynrode (Kr. Worbis), 1606 Gatterstedt (Kr. Querfurt), 1606 Gatter-
stedt und Schraplau (Mansf. Seekr.), 1607 Bamstedt (Kr. Querfurt), 1608 Barn-
stedt und Bodenrode (Kr. Worbis), 1509 Eisleben in der Nikolaikirche und Petri-
Paulikirche, 1614 Tilleda (Kr. Sangerhausen). — Mancke, Hans, in Lüneburg,
Glocke von 1686 in Egestorf (Kr. Harburg). — Mangold, Johaim Jakob, Glocke
von 1695 zu Heinersdorf bei Angermünde, 1698 Prötzel bei Wrietzen. — Marclay,
Guerri de, ein Franzose, goss 1407 die grosse Glocke in Genf und wurde 1414
Bürger dieser Stadt. — Marei, Friedr. Wilh. la, in Dresden, Glocke von 1811 zu
Oberschaar bei B'reiberg. — Maritz, Stückgiesserfamilie in der Schweiz. Jean
Marc M., 1729 Glocke in Satigny. — Matias, Glocke von 1468 in Eddigehausen
bei Göttingen; vergl. Stenhem. — Maitheut, Heinrich, kommt angeblich 1602 in
der Provinz Sachsen vor. — Maubon, Pierre, Glocke von 1624 (ehemals) im Dom
zu Reims. — Mayer, Christian August, in Rudolstadt, nachgewiesen von 1801 bis
1830 auf Glocken in der Prov. Sachsen. Fr. Mayer in Eisleben und Rudolstadt,
Glocke von 1846 in Kreipau (Kr. Merseburg). Ernst und Robert M. in Rudol-
stadt, auf Glocken in der Prov. Sachsen 1849—1861. Johannes M. daselbst
Yergl. auch Meyer. — Mears, Thomas, 'und Sohn in London und Gloucester (s.
oben S. 166), Nachfolger der Rudalls (s. d.), lieferten unter tausenden von Glocken
1836 den Great Tom für Lincoki von 108 Centner, 1846 den Great Peter für York
von 216 Centner, 1847 die grosse Glocke fär die katholische Kirche in Montreal
von 266 Centner. — Mebert, s. Neubert. — Meier, s. Meyer. — Meiger, Hans,
Glocke von 1436 zu Eime (A. Gronau) in Hannover. — Mencd, Johann von, Glocke
mit romanischer Majuskelinschrift zu Braubach im Reg.-Bez. Wiesbaden; vergl.
Johann. — Monte (Meuten, Mende), Familie des 16. und 17. Jahrhunderts in
Braunschweig und Hildesheim. Heinrich M. in Braunschweig goss 1608 die
Taufe in Tangermünde, 1510 die in Northeim, 1611 eine Glocke in St. Ludgeri
zu Helmstedt, 1616 eine Glocke in Altencelle bei Celle. Cordt M. daselbst goss
1631 das Epitaphium des Livinus von Veiten im Domkreuzgang zu Hildesheim,
1639 Kanonen und einen Flaschenzug, 1641 eine Inschriftplatte in St. Blasien zu
Münden, 1666 eine Glocke in Wolfenbüttel. Diedrich Mende in Hildesheim,
Glocken von 1617 in Kloster Teistungenburg (Kr. Worbis), 1620 Eidagsen im Ca-
lenbergischen. — Menze, s. Johann und Peter. — Mertensdorf, Gregor, Glocke von
202 Glockengiesser- Verzeichnis.
1495 in St. Nikolai zu Jüterbogk. — Mester, s. Diderek. — Meurer, eine angeblich
aus Württemberg stammende Familie des 18. Jahrhunderts in Berlin. Friedrich
M., Glocke von 1727 zu Dalgow bei Spandau, 1730 Sydow bei Eberswalde. J. S.
M., Glocke von 1737 zu Sieversdorf bei Neustadt a. d. Dosse, 1738 Rixdorf bei
Berlin. — Meuron, s. Guillebert. — Meyer (Meier, vielleicht auch Maier, Mayer,
s. d.), eine oder mehrere Familien des 16. bis 19. Jahrhunderts. Hans M., Glocke
von 1578 in der Nikolaikirche zu Lüneburg. Heise (Hey so) M. in Wolfen-
büttel, dessen älteste bekannte seiner noch in vielen ländlichen Ortschaften der
Kreise Oschersleben , Wernigerode und Halberstadt vorhandenen Glocken sich in
Äspenstedt bei Halberstadt befindet und von 1664 datiert, die jüngste von 1702
zu Berssel bei Osterwieck; das Dreigel&ute der Klosterkirche zu Mühlhausen i.
Th. ist von 1701. Etwas später als Heise , zum Teil noch gleichzeitig mit ihm
kommt Chr. Ludwig M. in Braunschweig vor, der in der Grafschaft Wemige«
rode auf Glocken von 1671 und 1698 zu Wasserleben, 1710 zu Minsleben nach-
gewiesen ist und angeblich noch 1721 thätig gewesen sein soll. Zu Mühlhausen
i. Th. besitzen die Marien- und die Allerheiligenkirche von ihm Glocken aus dem
Jahre 1701; die der Marienkirche wiegt etwa 50 Gentner. J. Urban M. aus
Magdeburg wird 1712, und Job. Andreas M. aus Koburg 1753 erwähnt. Von
Otto Gerhard M. aus Rostock sind Glocken von 1751 in Schwerin imd Parchim,
1752 in Wittenburg nachgewiesen. J. Meier war gegen Ende des 18. Jahr-
hunderts herrschaftlicher Stück- und Glockengiesser in Celle; von ihm finden sich
Glocken aus dem Jahre 1775 zu Müden bei Hermannsburg und 1787 zu Hänigsen
(Kr. Celle). Gleichzeitig kommt eine noch im 19. Jahrhundert thätige Familie
Meyer in Berlin vor. Johann Christian (Friedrich) M., Glocken von 1774
zu Gräfendorf bei Jüterbogk und zu Sommerfeld (Oberbamim), 1775 Polssen bei
Angermünde, 1776 Sydow bei Eberswalde, 1780 Bheinsberg. Meyer aus Berlin
(ohne Vornamen) nennt sich auf Glocken von 1805 zu Dyrotz bei Nauen, 1807
Britz bei Eberswalde, 1811 Dalmin bei Perleberg und Strehlen; er bot 1813 in der
Berliner (Voss.) Ztg. Nr. 11 16 Centner Glockengut zum Verkaufe aus. — Mey-
feldt, Justus Andreas, aus Hannover, Glocke von 1736 zu Herzberg am Harz. —
Meza, s. Diderich. — Michelin (Michelen), Joseph, Glocke von 1645 in der Johannis-
kirche zu Osnabrück. Peter M., Glocken von 1669 zu Mechemich (Kr. Schiei-
den), 1670 Barweiler bei Adenau; s. auch Bourlet. — Miesen von Marburg, Glocke
von 1779 in Hilgerath (wo?). — Miggais, Steffan, zu Augsburg, Glocke von 1488
zu Agawang (Bez. Augsb.). — Milde, Georg, goss 1507 die grosse, 220 Centner
schwere Glocke der Elisabethkirche in Breslau. — Miller, Martin, zu Esslingen,
Glocke von 1586 in Kaisheim bei Donauwörth. Johann Christoph M. aus
Vetschau in der Niederlausitz zu Wittenberg nennt sich auf einer Glocke von
1683 in Kossenblatt bei Beeskow. Conrad M. zu Augsburg lieferte seit 1873
mehrere Geläute für bayerische Ortschaften, z. B. 2 Viergeläute von 50 und 80
Centner für Augsburg, ein Dreigeläute von 30 Centner für Gabiingen bei Gerst-
hofen u. a. m. — Mirar (Mirat?), Thomas, goss 1473 die Colette in St. Peter zu
Genf. — Misner, Hans, in Braunschweig, Glocke von 1601 zu Seershausen (A. Mei-
nersen) in Hannover. — Moer, Gobel, und sein Sohn Wilhelm aus den Nieder-
landen, Glocke von 1495 in Ste. Marie-Cappelle am Fusse des Berges Castel. Die
Brüder Wilhelm und Jaspar M., Glocke von 1515 in der Katharinenkirche zu
Brandenburg. — Moldenhauer (Moldenhewer, Muldenhewer), Familie des 16. Jahr-
hunderts in Brandenburg, wo dieser Name schon im 14. Jahrhundert vorkommt.
Glockengiesser-YerzeiclmiB. 203
Andreas M. in Alten-Brandenburg, Glocke von 1500 zu Deetz bei Brandenburg.
Ein jüngerer Andreas M., Glocke von 1655 zu Brachwitz bei Treuenbrietzen,
1557 Altstadt Brandenburg, 1558 Linum bei Fehrbellin; vereint mit Merten M.
konunt er auf einer Glocke von 1564 zu St. Pauli in Brandenburg vor, und letz-
terer allein 1571 zu Knobloch bei Wustermark. — Moll, Martin, aus Thüringen,
Glocke von 1468 in der Liebfrauenkirche und 1473 (ehemals) im Dom zu Frank-
furt a. M.; vergl. Möller, Mollner, Müller. — Moller, Martin, von Frankfurt a. M.,
Glocke von 1477 zu Hattenheim im Rheingau. — Mollner, Martin, Glocke von 1484
(ehemals) im Dom zu Frankfurt a. M.; er ist nicht unwahrscheinlich identisch
mit Moll und mit Moller (s. d.), und vielleicht gehörte auch Heinrich Müller
(s. diesen) derselben Familie an. — MUlich, Peter, und sein gleichnamiger Sohn,
Stück- und Glockengiesser im 15. und 16. Jahrhundert zu Zwickau; der Vater
war Schwiegersohn des Kotgiessers Hermann Vischer d. Ä. in Nürnberg; vergl.
R. Bergan in „Wartburg*' 1882, S. 9 ff. — Monterine, Michael, goss 1734 die
grösste Glocke von 3800 Centaer in Moskau. — Morel, G., renommierte Firma zu
Lyon, weiche ausser vielen anderen grossen Glocken 1862 die Bourdons von St.
Benigne zu Dyon und von N.-D. de la Garde zu Marseille geliefert hat. — M5-
ring (Möringk, Mörink, Möhring, Mehring), Familie des 16. und 17. Jahrhunderts
in Erfurt, von welcher in mindestens 100 thüringisch - s&chsischen Ortschaften
viele Glocken aus der Zeit von 1570 bis 1633 nachweislich sind. Als der älteste
erscheint Hans M. auf Glocken von 1570 zu Schilfa (Er. Weissensee), 1571 Delitz
am Berge (Kr. Merseburg) und Lodersieben (Er. Querfurt), 1572 Bodelwitz (Er.
Ziegenrück); 1577 Seisla (ebend.) und Birkenfeld (Er. Heiligenstadt). Nicht viel
später treten Melchior und Hieronymus (Geronimus, auch wohl Caspar Hie-
ronymus) auf, die sich teils jeder für sich allein, teils beide gemeinschaftlich auf
den vielen, aus dieser Giessstätte hervorgegangenen Glocken nennen. Der Name
Melchior M. ist zuerst 1580 auf einer Glocke zu Weberstedt (Er. Langensalza),
Hieronymus M. 1589 zu Gonna nachgewiesen, und beide zusammen 1593 zu Gross-
Eorbetha (Er. Weissenfeis). Eine von Hieronymus M. 1611 gegossene Glocke der
Bergk. zu Langensalza ist mit Nr. 67 bezeichnet. Wenn es richtig ist, dass dieser
Name noch auf Glocken zu Eölleda von 1667 und zu Eeuschberg (Er. Merseburg)
von 1681 vorkommt, so sind zwei verschiedene Personen dieses Namens (etwa
Vater und Sohn) anzunehmen; Melchior M. ist zuletzt 1633 in Artem nachge-
wiesen und kommt mit Hieronymus verbunden, so weit bekannt, zuletzt 1630 zu
Blankenburg (Er. Langensalza) vor. Von dieser Zeit an erscheint die Reihe der
Möringschen Glocken, in welcher, obgleich die speziellen Nachweise aus dem Er.
Erfurt, den angrenzenden thüringischen Staaten und dem Saalkreise fehlen, seit
1594 jedes einzelne Jahr vertreten ist, bis auf die erwähnten und deshalb un-
sicher erscheinenden Daten (1667 und 1681) unterbrochen. — Mourer zu Soleure,
grosse Glocke von 1646 zu Ifferten. — MUller, Hemrich, von Frankfurt, Glocken
von 1484 in Geisenheim; s. Moller, Mollner. Hans Jakob M. von Strassburg,
Glocken von 1596 im Münster daselbst, von 1599 und 1603 zu Schlettstadt. Hans
M. zu Naumburg a. d. S., Glocken von 1598 in Löbitz (Er. Weissenfeis), 1600
Schleckerode (Er. Querfurt), 1602 Elein-Helmsdorf (Er. Weissenfeis); auf Glocken
zu Gladitz (Er. Weissenfeis) von 1599, zu Raschwitz von 1600 und zu Ober-
Elobikau (Er. Merseburg) von 1601 hat er sich nur mit den Anfangsbuchstaben
H. M. bezeichnet. Joachim M. aus Magdeburg, Glocke von 1662 zu Adersleben
(Er. Oschersleben). Der Name Müller (aus Stettin?) ohne Jahresangabe wird
204 Glockengiesser- Verzeichnis.
als auf einer (neueren) Glocke zu Genz (Er. Prenzlau) befindlich erwähnt —
Munier, Andrieu, Handglocke von 1582 zu Foix (Somme).
Nainville, Nicolas de, und sein Schwiegersohn Claude Drouart zu Amiene,
Glocke von 1684 in N.-D. von Paris. Jean de Nainville 1679-1693, Glocke in
Gerberoy. — Neidhardt (Neitbart), Wolfgang, von Ulm, zu Augsburg, Glocken von
1636 (ehemals) im Dom zu Frankfurt a. M., 1642 zu Höchst Andreas N. zu
Leipzig goss mit J. N. Korn (s. d.) 1697 eine Glocke zu Jüterbogk. Yergl. Sten-
gel. — Nelmann, Peter, Glocken von 1592 in Reisten und Berentrop bei Meschede,
1609 Todtenglöcklein in Battenberg bei Biedenkopf. — Nettke, J., Gelb- und Glocken-
giessermeister in Berlin, 1883 Glocken für deutsche evangelische Missionsstationen
in Südafrika. — Neubert (Neuwert, Neuwerth, Newert), Jakob, Rot- und Stuck-
giesser in Berlin, der 1651 ein ausschliessliches Privilegium in der Eurmark zu
giessen erhielt und 1669 starb; Glocken von ihm finden sich von 1645 zu Miers-
dorf im Teltow, 1646 Guben, 1650 Markgrafpieske und Spreenhagen bei Beeskow,
1654 Schulzendorf bei Wriezen, 1655 Gross-Schönebeck bei Liebenwalde, 1657
Berlin in der Marienkirche, 1659 Havelberg. Zu derselben Familie scheinen
zu gehören Christian Siegmund Nebert aus Lüzow (Glocke von 1709 zu
Gross-Lüben bei Wilsoack) und M. G. S. Nebert aus Neuruppin (Glocke von
4717 zu Rägelin bei Neuruppin), der sich aber häufiger Mebert geschrieben hat,
z. B. 1714 zu Garlin und zu Warnow bei Perleberg, 1718 zu Gumtow bei Kyritz,
1721 Sonnenberg bei Gransee, 1725 Tramnitz und noch 1741 zu Rheinsberg. Auf
einer Glocke zu Kantow von 1706 nennen sich Mepert und Siebenbaum als
Giesser. Ein Glockengiesser Neuber kommt auch in Riga vor. — Neubert in
Ludwigsburg, Glocken von 1804 und 1832 zu Maulbronn. — Neuburg, Arnold von,
Glocke von 1667 in der Franziskanerkirche zu Düsseldorf. — Neusei (Nüsel, Nue-
stel), Hans, aus Hamburg, Glocken von 1616 in St Marien zu Stendal, 1622 zu
Yiesecke bei Perleberg, 1624 Dannenberg a. d. Jetzel. Yergl. Niesei. — Nicolaus
de Stetin nennt sich auf dem Taufkessel von 1392 in St Blasien zu Münden und
stand auf einer nicht mehr vorhandenen Glocke von 1393 zu Bursfelde bei Mün-
den. — Niesei, Matausson, zu Raudnitz a. d. £lbe, Glocke von 1602 in Fürstenau
bei Lauenstein in Sachsen. — Nimperli, s. Ranvelli. — Noel, Pierre, Glocke von
1510 in N.-D. zu Ghartres. — Norenbarch, Matthias von, Glocke von 1544 zu Staff-
horst (A. Nienburg) in Hannover. — Nortmeyer, Hans, Glocke von 1614 in Geerds—
weer a. d. Ems. — Notterot aus Nordhausen, Glocke von 1574 zu Sinsleben (Mans-
felder Seekr.). — Nuestel, s. Neusei. — Nuys (Neuss), Johannes van, und sein
Sohn Reynart, Glocken von 1522 in Eirchborchen, 1523 Ratingen (Kr. Düsseldorf).
Obenthrot (Obentbrot), Cornelius, Glocke von 1500 in Teistungen (Kr. Wor-
bis). Hans 0., Glocken von 1507 in Herrenschwende (Kr. Weissensee), 1518 Stadt-
kirche zu Naumburg a. d. S., 1533 Neunheilingen (Kr. Langensalza). -^ Oberftcber,
Niclaus, in Konstanz, Glocke von 1524 zu Wängi (Thurgau). — Ochtorpe, Michael
von, Glocken von 1620 in Mesum (Kr. Steinfurt) und Salzbergen (Kr. Lingen). —
Oemann, Lorentz, in Lüneburg, Glocke von 1735 zu Barskamp (A. Bleckede) in
Hannover. — Oeverradt, Heinrich von, 1494 bis 1538 Glocken zu Runderoth (Kr.
Wipperfürth). Die rieh (Derich) 0., Klockengiesser, Burger und Stadtmeister
bynnen Collen, 1550—1586. Glocken von ihm 1550 in St Cäcilien zu Köln, 1556
Rösberg bei Bonn, 1568 Rheinberg, 1570 in Gross-Martin zu Köln. Johann von
^
Olockengiesser - Verzeichnis. 205
Overait, Glocke von 1719 zu Kirmiitscheid bei Koblenz. — Ohiston, Familie aus
Ystad in Schweden, beschäftigt sich seit 1806 bereits in der dritten Generation
(gegenwärtig 0. Ohlsson, frOher in Hamburg, jetzt in Lübeck) mit d^r Repa-
ratur gesprungener Glocken; s. oben S. 151. — Olemann, Hans, von Magdeburg,
Glocken von 1581 zu Drosa bei Köthen, 1585 Eikendorf (Er. Kalbe a. S.). — Olivey,
Jehan, und Nicod Bueron, grosse Glocke von 1462 in N.-D. zu Ifferten. — Olricus,
Giesser einer ehemals in der Michaeliskirche zu Lüneburg befindlichen Glocke
von 1325. — Onkel (ünkel), Kerstgen van, Glocken von 1544 in Walsdorf (Kreis
Daun), 1605 Gusdorf bei Neuss. — Osmont, Jean, von Paris, Uhrglocke in Polders
von 1386. — Ottink, Hinrich, Glocke von 1619 in Gehrde (A. Bersenbrück) in
Hannover. — Otto, Giesser einer aus Dissibodenberg stammenden Glocke von 1387
in Meisenheim. F. Otto in Hemelingen bei Bremen lieferte u. a. im Jahre 1875
eine 37 V2 Centner schwere Glocke für Jemgum in Ostfriesland, 1876 eine von
367« Centner für die katholische Kirche in Harsum bei Hildesheim, ein Drei-
geläute von 37 Centner für Lehe bei Geestemünde, 1877 zwei Glocken von 257,
und 12^4 Centner für Aumund bei Vegesack u. s. w.
Paix, de la, aus Lothringen stammende Familie des 17. und 18. Jahrhunderts.
Johann de la Pax (Jean de la Paix) in Arnsberg, Glocken von 1655 in Schön-
holthausen (Kr. Meschede), 1662 Bergkirche in Langensalza, 1665 Bickenriede
(Kr. Mühlhausen i. Th.) und Arnsberg. Nicolas de la P. , Glocken von 1665 in
Mouy und vom Ende des 17. Jahrhunderts in St.-Samson (Oise). Estienne de
la P. goss mit seinen lothring. Landsleuten Michel und Alexis Joly (s. d.) 1678
eine Glocke für St Peter zu Genf. A. de la P., Glocke von 1684 in Chaumont
bei Langres. Charles und G. de la P., Glocken von 1745 in Meschede, 1748
Kirchrahrbach bei Fredeburg, 1767 Kalle bei Meschede. — Pape (Pappe, Pappe-
nius), Jakob, in Erfurt, vermutlich Vater und Sohn, Glocken von 1636 zu Woll-
brandshausen (A. Gieboldehausen) in Hannover, 1668 Steinbrücken (Kr. Sanger-
hausen), 1680 Frohndorf (Kr. Eckartsberga) , 1681 Dom zu Erfurt und in Haus-
sömmem (Kr. Langensalza), 1704 Griefstedt (Kr. Eckartsberga). — Paris, Johann
und Antonius, aus Lothringen; Nachfolger von Lamiral (s. d.). Johann war Frau-
ziskaner-Laienbrudcr ; Glocken von 1643 in Ahsen bei Recklinghausen, 1646 Frecken-
horst (Kr. Warendorf) , 1647 Siegburg (zum Teil jetzt in der Lambertikirche zu
Düsseldorf), 1650 Kamberg (Untertaunus), 1654 Hadamar (Oberlahn); ausserdem
viele Glocken im Münsterlande, 1633 Sudkirchen bei Werne, 1651 Albachten bei
Münster, 1654 Seppenrade und Ulfen bei Lüdinghausen, 1656 Bösensell bei
Münster. — Pegnitzer, Andreas, in Nürnberg, 1521 — 1538 nachgewiesen. — Peine,
Hennigk van, Glocke von 1456 in St Gothard zu Brandenburg. — Pelkingk (Pelc-
kink), Hans, in Hildeshelm, Glocken von 1555 in der Marienkirche zu Heiligen-
stadt, 1564 Jakobikirche zu Göttingen. Mente P. goss 1592 die Taufe in Heil.
Kreuz zu Hildesheim. — Perrin, Jean, 1705 in Reims; s. Causard. — Peter von
Agspurg (Augsburg), erwähnt 1020. — Peter, Hans Ernst, goss 1699 „bei dem
Hoen Offen zu Zehdenik" eine Glocke für Güterberg (Kr. Prenzlau). — Petit, fran-
zösische Familie des 17. bis 19. Jahrhunderts, wohnhaft anfänglich zu Aarle-
Rixtel bei Heimond in Nordbrabant, von welcher sich Glocken aus dem Jahre
1690 in Holland, 1723 in Haffem finden. Jean P. errichtete 1743 eine Giesserei
nebst Magazin zu Nieder-Elten bei Emmerich und 1745 zu Hünze bei Wesel,
während sein Bruder Alexius P. in dem früheren Wohnorte verblieb, wo er 1801
206 Glockengiesser-VerReichiiis.
starb. Von den drei Söhnen, ETerhardns, Henricns and Alex ins (IL), die
er hinterliess. wnrde der letztere am berühmtesten; er b^j^ann seine meist in Yer-
bindnng mit seinen Brüdern betriebene Thätigkeit im Jahre 1762, wohnte 1781
in EnthoTen, 1783 in Dinslaken, zog dann in die Grafschaft Bnigst^nfnrt and
endlich 1787 nach Gescher bei Koesfeld. Im Jahre 1791 errichteten die drei
Brüder bei fortgesetzter Thätigkeit in Gescher noch eine zweite Giesserei in
Yechta, welche nach einem Brande von 1805 wieder aufgegeben wnrde. Im Jahre
1806 heiratete er Theodora Edelbrock ans Horstmar, ond nahm, da diese Ehe
kinderlos blieb, 1823 die verwaisten Braderkinder seiner Fraa (s. Edelbrock) in
sein Geschäft aaf , das nach seinem 1843 erfolgten Tode von ihnen fortgesetzt
wnrde. Seine Brüder, die nnverheiratet geblieben waren, hatten sich nach Hol-
land begeben, wo sie einen Sohn ihrer mit Fritzen in Aarle-Bixtel verheirateten
Schwester in ihr Geschäft anf nahmen, der dasselbe später anter der Firma
Petit A Fritzen in Holland weiterführte. Glocken der Petit sind nachgewiesen
von 1762 in Süchteln, 1764 Heinsberg, 1765 Doisbarg, 1780 Crejfelt, 1781 Eett-
wig, 1787 Horstmar, 1788 Gescher and Haffen, 1789 Hagen, 1790 Barg und Oster-
wick, 1791 Yechta, 1793 Westersteden, 1794 Lornp. 1797 Spelle and Nienborg,
1806 and 1827 Borgloh. Yergl. Boeckeler, Beiträge, S.69f. -< Peyer, Ludwig,
in Basel, Glocke von 1482 in der Kollegiatkirche zn Freibarg L d. Schw. — Plu-
lipten, Johann, Glocke von 1636 in Anholt (Kr. Borken), die er mit Peter van
Trier (s. d.) gegossen hat. — Pipin» Edmund, in Köln, Glocke von 1721 in Klein
St Martin daselbst. — Piron, Jobann, Glocken von 1709 in der Stiftskirche zu
Heinsberg, 1713 zu Rheinbach. — Pisaiws, Guidottus, Glocke von 1289 in St Peter
zu Rom. — Pitio (Pithon), Jean Bi^tistto, in Carouge, Glocken von 1789 daselbst,
1792 in Veyrier (Kanton Genf)- — Platzsrt, Johann Georg, in Erfurt, Glocke von
1685 in Klosterhäseler (Kr. Eckartsberga), 1686 Kirchscheidungen (Kr. Querfurt).
— Poeck, Johann, von Petershagen (a. d. Weser), Glocke von 1586 zu Gehrden
im Calenbergiscben. — Pol, Herbort de, Glocke von 1551 zu Schlewecke (Kr.
Gandersheim). — Potz, Karl, von Linz, 298 Centner schwere Glocke von 1764 zu
Schenkenfelden im Mühlviertel von Oberösterreich. — Powate, Gert, in Emden,
Glocken von 1586 zu Berren im Emsland, 1587 Pewsum bei Emden, 1589 Jemgom
(A. Weener) und Nesse (A. Herum), 1590 Suorhusen (A. Emden), 1596 (ehemals)
in Etzen (A. Wittmund); er goss auch einen Zwölfpfünder f&r Veste Leerorth
a. d. Ems. — Preger, Bastian, aus Frankfurt a. 0., Glocke von 1592 zu Zinndorf
(Niederbamim). — Prome, Veiten, in Einbeck, Glocke von 1557 in Markoldendorf
bei Einbeck. — PrOm, Heinrich von. Glocke von 1509 (ehemals) in Nassau (Reg.-
Bez. Wiesbaden). — Piifeadorf, Friedrich Ernst, Glocken von* 1750 und 1753 in
der Dom-Peterkirche zu Avolsheim (Unterelsass).
QiMiistedt, Heinrich, in Hildesheim, Glocken von 1635 zu Benstorf (A. Lauen-
stein), 1643 Dinklar (A. Marienburg), 1644 Eidagsen (Calenb.). — Oainselbertar,
Johann Christian, zu Strassburg, goss 1643 die Mordglocke daselbst
Radler, J. J., und Sohne in Hannover, 1883 Glocke für die Christuskirche
daselbst — Ramrelli (Ravanel, Ranieli, Nimperli?), Jean, 1234, grosse Glocke der
Kathedrale zu Lausanne. — Rausch, Hans Heinrich, mit den Ortsbezeichnungen,
aus Gotha, Zeitz und Erfurt, arbeitete öfter mit Hans W. Geier (s. d.) und mit
Martin Ebers (s. d.); Glocken von ihm sind nachgewiesen von 1651 (zu Ulzige-
Glockengiesser - Verzeichnis^ ü; , ~" ' \ J^ 207
rode im Mansfeld. Seekr.) bis 1696 (in der Ulrichskirche zu Sangerhausen, zu
Rohrleben im Er. Weissensee und zu Wischroda im Er. Eckartsberga) und finden
sich aus der Zwischenzeit, ausser auf vielen thüringischen Dörfern, zu Zeitz in
der Michaeliskirche von 1677 und in der Schlosskirche von 1680, in der Petri-
kirche zu Sömmerda von 1690, zu Ilfeld in Hannover von 1693. Gleichzeitig' mit
ihm, also vielleicht ein Bruder von ihm ist NikolausKaasch aus Zeitz, dessen
Thätigkeit zwischen 1681 bis 1691 nachgewiesen ist; eine Glocke von ihm in der
Stadtkirche zu Querfurt trägt die Jahreszahl 1688 und von demselben Jahre da-
tiert sind Glocken zu Schleusingen, St. Eilian bei Schleusingen und Loitzsch (Er.
Zeitz). Ein älterer Rausch mttsste es sein, also etwa der Vater der vorstehenden
beiden Brüder, der sich auf einer angeblich 1634 gegossenen Glocke zu
Naundorf (Er. Weissenfeis) als Giesser nennt. — Reber, Familie von Avon im
14. Jahrhundert in den Bisthümern Basel und Lausanne; von Walter R. Glocke
in St. Nikolai zu Freiburg von 1367, von Johannes R. Glocke zu Delemont
(Basel) von 1396. — Reichart, Johann, Glocke von 1654 zu Unterampfrach in
Mittelfranken. — Rese, Hans, Glocken von 1505 in Martinfelde (Er. Heiligenstadt),
1520 Diedorf (Er. Mühlhausen i. Th.); er goss auch den Taufkessel der Ägidien-
kirche in Heiligenstadt. — Reuter (Reuters), Hans, in Göttingen, Glocke von 1607
in Wehnde (Er. Worbis), 1608 (ehemals) Eerstlingerode (A. Reinhausen). Jo-
hann Reuter von Mainz (oder Linz?), Glocken von 1620 zu Eöln in St. Johann,
1623 zu Graurheindorf bei Bonn, 1631 in Maria Himmelfahrt zu Eöln. — Revillard,
Louis, Glocken von 1760 in Satigny, 1765 Dardagny. — Richard, s. Rozier. — Ri-
chenet, Jean, von Vevey, Glocken von 1654 im College, 1674 Dom zu Lausanne. —
Richter, Elans Eerstens, Glocke von 1518 zu Sögel im Emsland. Lorenz R.,
in Halle, Glocken von 1602 zu Eollenbey, 1605 zu Thalschütz, 1606 und 1612 zu
Daspig im Er. Merseburg, 1612 Daspig und Höhnstedt (Mansf. Seekr.), 1613 Unter-
Esperstedt (daselbst). — Rideweg, Thomas, von welchem viele Glocken im Hanno-
verschen aus der Zeit von 1700 (in der Ägidienldrche zu Hannover) bis 1733
(ehemals im Dom zu Hildesheim) nachgewiesen sind. — Riederer, Glocke von 1661
zu Mündelheim (Er. Düsseldorf). — Riman, Nikolaus (Elans), in Naumburg a. d. S.,
Glocke von 1471 in Erumpa (Er. Querfurt), 1475 auf dem Rathause zu Naumburg,
1478 zu Gatterstedt und 1481 zu St. Micheln im Er. Querfurt. Sein Giesserzeichen ist:
1
Rincker, Familie des 17. bis 19. Jahrhunderts. Jakob R. von Aslar (bei Wetzlar),
Glocke von 1696 zu Eönigstein bei Homburg v. d. H. Wilhelm Anton K von
Aslar, Glocke von 1738 in Breithart bei Langenschwalbach. Wilhelm Anton
und Friedrich Moritz Rinken in Osnabrück, Glocken von 1773 in Salzbergen
bei Rheine, 1780 Rulle bei Osnabrück, 1798 Baccum bei Lingen, 1817 Bokeloh
bei Wunstorf. — P. H. Rincker zu Hof Sinn bei Herbom, aus dessen noch
blühender Giesserei eine Glocke von 1838 in Breithart. — Jakob Rincker zu
Leun bei Wetzlar, erwähnt seit etwa 1850. — H. Rincker zu Westhof en in West-
falen lieferte seit 1850 bis 1883 ausser ca. 400 Glocken von 1—5 Centner ein
melodisches Viergeläute von 35 Centner für die katholische Eirche zu Bohle bei Ha-
gen und gegen 30 grösstenteils harmonische Dreigeläute für westfäl. und rheinländ.
Eirchen, das schwerste von lllVs Centner für die 1. lutherische Eirche in Elber-
feld; je 2 Glocken kamen nach ca. 14 Ortschaften der beiden genannten Provinzen
208 Glockengiesser - Veraeichnis.
lud ins Oldehbnrgische, die schwersten von 40 Centner an die evangelische Kirche
zu Flierich bei Hemmerde. — Robinet, s. Bonticle. — Roden, Winert, aas Noit-
heim, Glocken von 1590 und 1591 za Wintzingerode (Er. Worbis). — Rolliel, s.
Caillet — Roming, Sebald, aus Nürnberg, Glocke von 1656 zu Niedem- Stöcken
bei Mandelsloh. — Rose (Roose), Diene, ein Niederländer, Glocken von 1504 zu
St Dionys bei Lüneburg, 1514 Eschede bei Celle. Johannes Rose aus Yolk-
stedt (bei Rudolstadt), von dem Glocken aus den Jahren 1701 bis 1707 in der
Provinz Sachsen vorhanden sind. Johann Christoph R. in Apolda, Glocken von
1731 in Meyhen (Kr. Weissenfeis) und in Steinburg (Er. Eckartsberga), 1732 in
Eckartsberga. — Rosen, Hans von der, von München um 1468. — Rosenhart, Hans,
in Nürnberg um 1550; Christoph R. daselbst um 1615. — Rosenkranz, Sebastian,
zu München, Glocke von 1550 zu Winkl bei Schwabhausen in Oberfranken. —
Rosier, s. Bonbon. — Rotcy, Guillaume de, Uhrglocke von 1398 in Poitiers. —
Rotger, Andreas, Glocke von 1517 zu Hilkerode und zu Gemershausen bei Duder-
stadt. — Roth, Familie des 17. und 18. Jahrhunderts in Mainz. Kaspar R., GL
von 1678 in Mosbach bei Wiesbaden. Georg Christoph R, nachgewiesen von
1711 — 1727 auf Glocken in Asmannshausen, Mosbach und Neudorf im Rheingan.
Johann Martin R, kurmainz. Artillerie-Oberstleutnant goss 1733 fünf Glocken
für den Dom zu Hildesheim. — Roudbertus, Mönch in Chiemsee um 1135. — Ro-
zler, Honor^, Franz Guyot und Johann Richard aus Lothringen gössen 1637
das Geläute in Einsiedeln. — Ruhen, Cornelius, in Berlin, f 1870; Glocken von
1841 zu Grossbreese und Grabow i. d. Prignitz, 1842 Britz bei Eberswalde und
Köritz bei Neustadt a. d. D., 1850 das Dreigeläute der kathol. Kirche zu Bran-
denburg a. d. H. — Rudall, Familie in London , welche von 1684 bis 1774 3595
Glocken lieferte; die Giesserei wurde von den Mears (s. d.) im grossten Umfange
fortgeführt — Rumpel, Ernst Christoph, zu Mühlhausen i. Th., von welchem
Glocken aus den Jahren 1830 bis 1859 im Reg.-Bez. Erfurt n. s. w. nachgevriesen
sind, in der Kilianskirche zu Mühlhausen eine Glocke von 1836, in Flarchheim
(Kr. Langensalza) 5 Glocken aus den Jahren 1835 bis 1852.
Sarzgyn (Cürsgin), Johann, Glocken von 1500 in St. Gereon und Klein St
Martin zu Köln. — Sautray, J.-B., Stückgiesserei- Kommissar zu Paris, Glocke
von 1729 inN.-D. daselbst — Savoie, Jean, von Romain -en-Barrois, Glocken aus
der 2ieit zwischen 1405 und 1521 in Locle (K. Neuchätel). — Scemis (Scherr?)
aus Northeim, Glocke von 1530 in Silkerode (Kr. Worbis). — Schallenborg, Glocke
von 1790 zu Dohren (A. Haselünne) in Hannover. — Scheel, Johann Heinrich, in
Stettin; Glocken von ihm aus den Jahren 1755 — 1769 in Dörfern der Uckermark
(E[leinluckow, Menkin, Dobberzin), von seiner .Witwe 1773 zu Schmiedeberg bei
Greifenberg, 1781 zu Lübbenow bei Strasburg i. U. — Schelchshorn, Familie aus
Regensburg um Mitte des 16. bis ins 18. Jahrhundert; von Georg Seh. eine Gl.
von 1668 in Montabaur (Reg.-Bez. Wiesbaden); von Christoph Seh. aus Ehren-
breitenstein, Glocke von 1715 in Serkenrade (Reg.-Bez. Arnsberg). — Schoslor,
Georg, aus Leipzig; Glocken aus den Jahren 1630 (Gerstewitz im Kr. Weissenfels)
bis 1692 (Löbitz, ebend.) mit diesem Giessernamen sind in etwa 15 Ortschaften
der Kr. Weissenfels, Merseburg, Zeitz und Qiierfurt nachgewiesen. Auf einer
Glocke von 1667 zu Oberschitz (Kr. Weissenfels) steht angeblich Christoph
Schesler. — Schirner, Hans, Rotgiesser und herzogl. Büchsenmeister zu Brieg,
giesst 1560 eine Glocke für Poppelau (Kr. Oppeln), deren Klang der Gemeinde
Glockengiesser - Verzeichnis. 209
bicht gefällt. — Schmid, Dilman, von Aslar (bei Wetzlar), Glocke von 1690 zu
Usingen (Reg.-Bez. Wiesbaden). — Schmidt, Stettiner Familie des 17. bis 18. Jahr-
hunderts. Johann Schmidt, Glocke von 1614 zu Gustow bei Prenzlau. Schmidt
ohne Vorname, 1704 und 1760 Neu-Eünkendorf und 1721 Melzow bei Angermünde.
— Schneidewindty Familie des 17. u. 18. Jahrhunderts in Frankfurt a. M. Bene-
dikt Sehn., Glocke von 1685 in der Barfüsser- und Dreigeläute von 1679 in der
Katharinenkirche daselbst. Johannes Sehn., Glocke von 1697 zu Mosbach bei
Wiesbaden. Johann und Andreas Sehn., Glocke von 1719 in der Barftlsser-
kirche zu Frankfurt a. M. Johann Georg Sehn., Glocke von 1738 zu Stecken-
rod bei Langenschwalbach. — Schober, Urban, Glocken von 1603 und 1606 zu Gol-
zow bei Brandenburg, 1607 Buckow bei Bathenow, 1608 Marzahna bei Branden-
burg. — Schoneburch (Schönenborch) , niederländ. Familie des 16. Jahrhunderts.
Gerhard Seh., Glocke von 1512 zu Emiichheim in der Niedergrafschaft Bent-
heim. Lüdern van Seh. und Johannes, Glocke von 1516 daselbst. ^Johann
Seh., Gehilfe des Gerhard de Wou (s. d.), Glocke von 1513 zu Oldenzaal in Hol-
land. Johannes Sconeborch und sein Sohn Wolter, Glocken von 1520 zu
Victorbur bei Aurich, 1524 Larrelt bei Emden, 1528 ehemals in der Grossen Kirche
zu Emden. Wolter Seh., Glocke von 1518, ehemals in Aurich-Oldendorf. —
Schorst, Hans, Glocke von 1478 zu Satemin bei Lüchow in Hannover. — Schott,
Ewald, von Mainz, Glocke von 1836 zu Eamberg bei Langenschwalbach. Vergl.
Zechbauer. — Schrader (Scrader), Joachim, in Hannover, Glocken von 1601 im Dom
zu Hildesheim, 1603 Hemmendorf (Kr. Hameln), 1605 Eitsdorf (Kr. Oschersleben),
1608 Leveste (Er. Wenigsen), 1612 Eirchwehren bei Hannover, 1615 Moringen,
1616 Benigsen bei Springe, 1625 Rössing bei Nordstemmen. — Schramm, Johann
Friedrich, Glocke von 1720 zu Selchow bei Storkow im Reg.-Bez. Potsdam. —
Schreiber, Georg, aus Magdeburg, Glocken von 1644 zu Schönebeck (Er. Ealbe),
1650 in der Jakobikirche zu Magdeburg, 1652 Borne und 1657 Stassfurt (Er.
Kalbe), 1660 in St. Nikolai zu Zerbst; auch Glocken der Dome zu Magdeburg
und Stendal und der Stiftskirche zu Wernigerode. Johann Justus Sehr, aus
Allendorf (a. d. Werra), Glocke von 1664 zu Brevörde (Er. Hameln). — Schuicar,
Daniel, Glocke von 1595 zu Sommerfeld (Er. Oberbarnim). — Schiller, Georg, in
Apolda begründete sein Geschäft 1873 und lieferte bis 1883 etwa 50—60 Glocken,
z. B. ein Viergeläute von 21 Centner für Beutnitz bei Domburg, ein Dreigeläute
von 26 Centner ftir Rothenstein bei Apolda; mehrfach arbeitete er auf Rechnung
anderer Eollegen und goss in dieser Weise z. B. 2 Glocken von 32 Centner für
Frohse bei Magdeburg; eine von 16 Centner für Lesse im Braunschweigischen u. s. w.
— Schulmeister, Johann Peter Joseph, und Matthias, wohnten 1798 zu Eöln. —
Schulthes, Dionys, von Passau, Glocke von 1615 zu Aurolzmünster. — Schultze,
eine oder mehrere Familien in Berlin, auch Schultz, Schulze, Schulz, Schulte ge-
schrieben. Besonders häufig kommt Johann Jakob Seh. vor, von dem sich
Glocken vom Jahre 1698 (Langen im Er. Huppin) bis 1716 (Gohlitz im West-
havell.) in den Eirchen der Mark Brandenburg befinden, die zum Teil nicht in
Berlin, sondern in Prenzlau gegossen wurden. Daniel Seh., Glocke von 1709
in Buskow bei Neuruppin. Andreas Seh., Glocken von 1711 und 1713 in Wie-
persdorf bei Jüterbogk. Wilhelm Seh., Glocke von 1718 in Schmargendorf bei
Angermünde. Job. Christian Seh., Glocke von 1850 zu Schilde i. d. Prignitz.
Ob der 1594 auf einer Glocke zu Postlin in der Westprignitz vorkommende
Schulte diesen Familien angehörte, ist fraglich. — Schwann, Gebrüder, in Stettin,
Otte, Glookenkunde. 14
210 Glockengiesser- Verzeichnis.
Glocke von 1825 zu Wismar (Ei^. Prenzlau). — Schweys, Johann, kommt 1650 im
Münsterlande vor, ein späterer desselben Namens zu Münster ist auf Glocken von
1727 (Rheinberg im Er. Mors) an bis 1778 (Lathen im Er. Meppen) nachgewiesen.
— See, Familie des 18. bis 19. Jahrhunderts in Ereuzburg a. d. Werra. Chri-
stoph S. um 1783. Gebrüder S. daselbst, nachgewiesen auf Glocken yon 1813
bis 1857 in etwa 8 Dörfern in den Ereisen Langensalza, Mühlhausen, Weissensee
und Eckartsberga ; ausserdem kommen vor: Johann Christian S. auf einer
Glocke von 1819 in Elein-Yargula (Er. Langensalza), Christoph S. 1821 in
Wachstedt (Er. Mühlhauseo) und Friedrich S. in Merxleben (Er. Langensalza).
— Seeger, Paul, in Gotha, Glocke von 1681 zu Alten-Dambach (Er. Schleusingen).
— Seel, Christian, zu Magdeburg, Glocken von 1730 in Dalchau und 1746 und 1767
in Ealitz bei Loburg im Beg.-Bez. Magdeburg. — Segen, Amolt van, Glocke von
1453 zu Altstadt bei Hachenburg im Westerwald. — Seghebodut, Glocke von 1377
zu Esklum bei Leer in Ostfriesland. — Sehne, Hans, Glocke von 1528 zu Hatten-
heim im Rheingau. — Senger, Easpar, in Zwickau, Glocke von 1584 zu Trebnitz
(Er. Merseburg). — Sermund, Franz, in Bern goss 1583 die grossen Glocken zu
Lausanne und Cossonay. — Seyfrid, „campanifex*\ Glocke von 1415 in Schwabach.
— Sidler, Pantaleon, von Esslingen, Glocken von 1501 zu Deizislau bei Esslingen,
1517 Adelberg bei Schorndorf. — Slebenbaum, Veit, zu Eölln a. d. Spree, sp&ter
in Mecklenburg zu Grabow, Schwerin und Rostock, Glocken von 1664 (ehemals) za
Treuenbrietzen, 1665 zu LaasUch in der Westprignitz und zu Schönhagen in der
Ostprignitz, 1690 Steven in Mecklenburg-Strelitz, 1697 Zechlin in der Ostpiignitz.
Vergl. Neubert — Sieber, Johann Christian, in Leipzig, Glocken von 1451 zu Altran-
stedt, 1771 Eötzschlitz; G. F. Sieber daselbst, Glocke von 1788 zu Elein-Lie-
benau, sämtlich im Er. Merseburg. — Siedle, Salomon, in Furtwangen 1883
giesst nur kleine abgestimmte Glocken von 8—30 Tönen und 4 — 50 cm Durchm.
für Musikwerke , auch Uhrglocken und gewöhnliche Elingeln u. s. w. — Siegfrid
(Siegefriedt), Ludolf, in Hannover, viele Glocken aus den Jahren 1640 (Erenzkirche
zu Hameln) bis 1673 (Marktkirche daselbst) meist im Calenbergischen. Georg
Siegfried in Hannover kommt auf einer Glocke zu Obernjesa (A. Reinhausen)
vor. — Simon, Thomas, und Fran^ois Breutel Cousin, Dreigeläute von 1617
zu Bischofrode (Er. Worbis). — Siop, Hans, in Hamburg, Glocke von 1596 zu
Harsefeld und 1597 (ehemals) zu Etzel im A. Wittmund. — Siwercz, Hans, 1547
in Hildesbeim. — Sniticer (Cnitker), Johann, Glocke von 1440 zu Embsen bei Lüne-
burg. — SolMr (Sorber? s. d.), Nikolaus Jonas, in Erfurt, Glocken von 1720 und
1721 im Dome daselbst. — Sdrber, Familie des 18. bis 19. Jahrhunderts in Er-
furt. Viele Glocken in den Reg. -Bez. Erfurt und Merseburg aus der Zeit von
1715 bis 1797 tragen den Namen N. J. Sorber; ausserdem findet sich G. C. Sor-
ber 1799 zu Obertopfstedt (Er. Weissensee) und 1801 zu Sömmerda in der Boni-
fatiuskirche. Er arbeitete gemeinschaftlich mit C. W. Lange und G. H. Lange.
— Sorge, Benjamin, in Erfurt lieferte, nachweislich seit 1835 (Wundersleben im
Er. Mühlhausen) bis 1874, etwa 15 Glocken für Ortschaften in den Ereisen Mühl-
hausen, Langensalza, Merseburg und Sangerhausen. — Spannagi, Otto, in Lands-
hut lieferte seit 1869 bis 1883 148 Glocken von über 1 Centner teils in ganzen
Geläuten von 2 bis 5 Glocken, teils einzeln; das schwerste Geläute von 100 Centner
kam nach Vilsbiburg (Bez.-A. Mühldorf), die schwerste einzelne Glocke von 18Vc
Centner nach Malching in Österreich. — Spatz, M. Chr., in Halberstadt um 1754
bis 1764. — Speyer, Georg von, Bürger zu Strassburg, Glocken von 1482 zu Herms-
Glockengiesser - Verzeichnis. 21 1
beim bei Worms, 1519 im Münster za Strassbarg. — Spronneaux, Franziskas, und
Hugo Weri, Glocke von 1690 za Larrelt und (ehemals) zu Bysum bei Emden.
— Siainhaim, Borchert von, und Mathias to Northeim, Glocke Yon 1445 zu
Northeim. — Siege (Steghe), Jan ter, Glocke von 1538 zu Delft; vergl. Wou. —
Steger, Wolfgang, in München, Glocken von 1549 zu Hochdorf bei Althegnenberg
und 1575 Winkl bei Schwabhausen in Oberbayern. Sixtus St. lebte im 17. Jahr-
hundert zu München. — Stengel, Peter, in Leipzig, Glocke von 1650 in Teuchern
(Er. Weissenfeis). Gottfried und Peter St. daselbst, Glocke von 1689 in Hor-
burg (Kr. Merseburg). Peter St. und Andreas Neithart (s. d.), Glocken von
1695 in Schkeitbar (Kr. Merseb.), 1697 Ebersroda (Kr. Querfürt). — Stephan von
Frankfurt, Glocke von 1517 zu Hallgarten bei Rüdesheim. — Stettin, s. Nicolaus.
— Stocke, Johann Michael, von Saarburg (Reg.-Bez. Trier), Glocken von 1767 und
1768 in Arnsberg, 1769 Kirchrahrbach bei Fredeburg, 1770 Eislohe, 1796 Dock-
weiler (Kr. Dann). Yergl. auch Mabilot — Stommeln (bei Köln), Goerdt van,
Glocken von 1660 in Wanlo bei Wickrath, 1666 Graurheindorf bei Bonn. — Strae-
len, s. Yenlo. — Strahlborn, Laurentz, Stückgiesser der Stadt Lübeck, grosse Glocke
von 1727 im Dom zu Batzeburg. — StOtzer, C. H., zu Benneckenstein im Harz,
auch Gebrüder St., nachweislich thätig von 1833—1874; Glocken z. B. von 1841 in
der Marienkirche zu Wernigerode, 1843 Ortskirche in Drübeck. Karl St. da-
selbst 1883 liefert Perron- und Fabrikglocken von 8—10 Kilo, abgestimmte Kuh-
und Schlittengel&ute u. s. w. — Suardus in Köln, Glocke von 1313 in St. Pantaleon
daselbst. — Sulris (Culris), Joris, Glocken von 1517 zu Guttekoven, 1524 Heel in
Holland. — Sunterut de Er. (Erfurt?) nennt sich auf einer Glocke von 1351 zu
Görmar (Kr. Mühlhausen), wo indes vielleicht Gunterus zu lesen ist. — Swys,
Johann, zu Wesel, Glocke von 1706 zu Unterbruch bei Heinsberg, 1715 in der
Marienkirche zu Duisburg. — Sydier, s. Sidler.
Tanco, Mönch von St. Gallen, s. oben S. 79. — Taupin, Jean, in Paris,
Glocke von 1714 in N.-D. daselbst. — Teil van Keppel (Kr. Siegen), Glocke von
1447 zu Niedererbach bei Montabaur. — Tepe, Otting, Glocke von 1583 zu Thuine
(Kr. längen). — Terborg (Derborg). Terhorg goet mi steht auf einer Glocke zu
Manslagt bei Emden. Hans Derborg, Glocken von 1579 zu Pogum (A. Weener);
1576 und 1577 goss er Geschütze für Veste Leerorth a. d. Ems. Yergl. Borg. —
Teslcendorfy Joachim, Glocke von 1569 zu Schulzendorf bei Wriezen. — Thiele, Fa-
milie, die von 1727 bis um Mitte des 19. Jahrhunderts meist in Berlin thätig war.
Der Name Joachim Friedrich Th., der schon auf einer Glocke von 1727 zu
Bölkendorf (Kr. Angermünde) und noch 1800 zu Bömicke bei Nauen, sowie auf
vielen Glocken der Zwischenzeit in der Provinz Brandenburg vorkommt, ist des-
halb auf mehrere Generationen zu verteilen. Zu Anfang des 19. Jahrhunderts
findet sich Johann Th. (auf einer Glocke von 1803 zu Paaren bei Nauen), und
dann folgt von 1817 (Glocken zu Herzsprung bei Angermünde und Markgrafpieske
bei Fürstenwalde) bis 1888 (Glocken zu Altruppinund Zechlin bei Bheinsberg) Ernst
Ludwig Wilhelm Th., welcher auch die Glocken der Nikolaikirche in Potsdam
und 1824 die wiedergesprungene grosse Glocke derKatharinenkirche in Brandenburg
gegossen hat. Zuletzt setzte eine Witwe Th. in Berlin das Geschäft fort. — Thiel-
mann (Dielmann) von Hachenburg, Glocken von 1462 zu Hoen bei Hachenburg,
1464 Breithart bei Langenschwalbach. — Thiemo, Bischof von Salzburg, s. oben
S. 79. — Thon, Kurth Karl, und Franziskus, Glocke von 1500 zu Körner bei
14*
212 Glockengiesser-VerzeichniB.
Mühlhausen i. Th. — Tidericus, Glocke von 1278, ehemals zu L&hnde bei Hfldes-
heim; yergl. Henricus filius Tiderici. — Tismeier, Geor^as, Glocke von 1574 zu
Tagewerben (Er. Weissenfels). — Tollhuis, Joannes, in Utrecht, Glocke von 1557
zu Xanten. — Tonis zu Köln, Glocke in Herkenrath (Er. Mühlheim a. Bh. mit
.deutscher Inschrift, vermutlich von 1509 (nicht von 1109, wie angeblich darauf
steht). — Treboux, Marc, Neffe des Peter Dreffet (s. d.), in Yevey, Glocke von
1812 zu Peney im Wadtlande. Samuel Tr. goss viele Glocken im Uferlande des
Sees Leman, u. a. die 42 Centner schwere Glocke in St. Peter zu Grenf. — Tre-
monio, Johannes de, s. Dortmund. — Trier, aus Holland stammende Familie des
15. bis 18. Jahrhunderts zu Aachen, über deren zahlreiche Glieder und umfassende
Thätigkeit als Stuck- und Glockengiesser sich Boeckeler (Beitr., S. 16 — 45) aus-
führlich verbreitet und Hugo Lorsch in der Zeitschr. des Aachener Gesch.-
Vereins IV, S. 350 Nachträge geliefert hat. Es werden der Reihe nach erwähnt:
Peter von Trier (s. Beyschen), Glocke von 1414 in dem hoUänd. Dorfe Hoens-
brock. GregorvonTr., der sich auf einer Glocke zu Simmerath von 1483
Gorgus von Aicben (Aachen) nennt, und dessen Thätigkeit bis 1513 nachgewiesen
ist, auf Glocken zu Brand bei Aachen, Gressenich bei Stolberg, Birgden bei Gän-
gelt, Oberzier bei Düren, in St. Jakob zu Aachen, St. Michael zu Burtscheid,
Buchten in Holland, Grevenbroich und Eall i. d. Eifel. Jan von Tr. (Johannes
Trevirus) kommt von 1510 bis 1620 vor, weshalb zwei oder mehrere gleichnamige
Glieder der Familie in diesem Zeiträume von 110 Jahren thätig gewesen sein
müssen; Glocken zu Düren, Gressenich, Freienberg bei Geilenkirchen, St. Adal-
bert zu Aachen, Adenau, Noorbeck in Holland, Bemelen in Holland, Frenz bei
Düren, Tümpelfeld (Er. Adenau), Münster zu Aachen (ehemals), Oberzier bei Dü-
ren, diese alle bis zum Jahre 1546; die folgenden von 1574 bis 1620: Eirspenich,
St. Peter zu Aachen, Randerath, Derichsweiler bei Düren, Düren, Tegelen in
Holland, Eirspenich. Hendrick van Tr., Glocken aus den Jahren 1557 bis 1576
zu Viersen, Münstermaifeld, Lorch, Bomich bei Rüdesheim, St. Anna in Düren
(Glockenspiel), Werth. Gregorius Treverensis, zweite Glocke in Lorch von
1565. Peter vonTrier kommt in dem langen Zeitraum von 1573 bis 1696 vor;
es wird mindestens zwei Meister dieses Namens gegeben haben, und von dem
älteren werden die zwischen 1573 und 1626 gegossenen Glocken zu Helferskirchen
bei Montabaur, Oberlahr ((Er. Altenkirchen), Afferden und Helden in Holland
herrühren, von dem jüngeren jedenfalls die Glocke zu Süchteln (Er. Eempen)
1690 und die 1875 umgegossene zu Millingen bei Rees von 1696. Franz von Tr.
1627 bis 1662, arbeitete seit 1650 zusammen mit Jakob von Tr., Glocken zu
Baesweiler, Würselen, Odenkirchen, Eraudorf bei Randerath, St. Jakob in Aachen,
Hahn bei Comelimünster, Linnich, und von 1650 an zu Eonzen (Er. Montjoie),
Simmerath (daselbst), im Rathaus zu Aachen (ehemals), im Münster daselbst
nach dem Brande von 1656 im Jahre 1659 ein Geläute von 8 Glocken, deren
grösste später umgegossen wurde, eine Glocke in St. Elisabeth, in St. Anna und
St. Nikolai daselbst, Burtscheid in St. Joh. Bapt und in der Marienkapelle, Broich
bei Aachen. Christophorus und Jakob von Tr. gössen 1688 die Bannglocke
zu Steijn und eine Glocke zu Urmond in Holland, um 1700 Glocken in Nideggen
und Düren. Der letzte des Geschlechtes war Franz Heinrich von Tr., von
welchem unter vielen anderen eine Glocke von 1761 in St Adalbert zu Aachen
und eine 1763 in Eschweiler gegossene Glocke zu Brand bei Aachen herrühren.
Die Trier pflegten ihre Glocken häufig mit ihrem Wappen zu schmücken, welches
Glockengiesser- Verzeichnis. 213
im Schilde eine Glocke und auf dem Helme eine montierte Kanone zeigt (Ab-
bildung belBoeckeler, Taf. 8); zuweilen sind demselben die Anfangsbuchstaben
der Namen hinzugefügt. — Triticus zu Köln, erwähnt im Jahre 1056. — Trost,
Jochem, Glocke von 1549 zu Kirchrahrbach bei Fredeburg (Kr. Meschede). —
Tuppenesser, Nikolaus, von Mühlhausen i. Tb., Glocke von 1448 zu Grossgrabe
(Kr. Mühlhausen). Der angebliche Name Tuppenesser erinnert an Topfgiesser.
Vergl. Claus.
Udodeni, Heinrich, Glocke von 1317, ehemals in St. Gereon zu Köln, nach
Boeckeler, Beitr., S. 47, wo der Name Udedoni geschrieben ist, auch eine Gl.
zu Nordheim (wo?) vom Jahre 1330. — Ulrich (ühlrich, Ullrich), aus Hessen stam-
mende Familie des 17. bis 19. Jahrhunderts zu Laucha und Apolda in Thüringen,
als deren Stammvater Johannes U. aus Hersfeld zu bezeichnen ist, der sich auf
Glocken von 1681 zu Eigenroda (Kr. Mühlhausen), Bickenriede (daselbst) und
1699 Kreuzeber (Kr. Heiligenstadt) nennt. Dann folgt Johann Georg U., der
auf einer Glocke vom Jahre 1730 in Rossleben (Kr. Querfurt) Laucha als seinen
Wohnort bezeichnet und vermutlich einen gleichnamigen Sohn hatte, da dieser
Name noch 1789 (Glocke zu Frohndorf im Kr. Eckartsberga) vorkommt. Gleich-
zeitig mit dem jüngeren Johann Georg in Laucha tritt dann Johann Gottfried
Ü. in Apolda auf (Glocken von 1782 zu Gebesee und Ottenhausen im Kr. Weis-
sensee); beide nennen sich als „Gebrüder zu Apolda^' auf einer Glocke von 1774
zu Herrengosserstedt (Kr. Eckartsberga), werden also ihr Geschäft als Begründer
der seit 1790 (Glocken zu Leubingen im Kr. Eckartsberga und zu Bothfeld und
Klein- Corbetha im Kr. Merseburg) nachgewiesenen und noch gegenwärtig be-
stehenden Firma Gebrüder Ulrich (Ulriche) in Laucha (in Apolda, auch in
Laucha und Apolda) meist auf gemeinsame Rechnung betrieben haben. Vermut-
lich ein dritter Bruder derselben war Johann Christian U. zu Apolda, der auf
einer Glocke zu Clettstedt (Kr. Langensalza) vom Jahre 1775 vorkommt, aber auf
Glocken von 1773 zu Profen (Kr. Zeitz) und von 1775 zu Gross- Welsbach (Kr.
Langensalza) Eckartsberga als seinen Wohnort bezeichnet. Im 19. Jahrhundert
erscheint der Name Johann Heinrich U. zu Laucha durch Glocken von 1805
(Waldau im Kr. Weissenfeis) bis 1850 (Rossen im Kr. Merseburg) vertreten, 1836
kommen auf einer Glocke zu Vehra (Kr. Weissensee) J. Georg und 0. Gott-
fried ü. in Laucha vor, und im letzten Jahrzehnt werden J. F. Ulrich in
Laucha, Franz U. und August U. und Sohn in Apolda und Laucha genannt.
Auf der Gewerbeausstellung in Halle im Jahre 1881 war die sehr thätige Firma
Gebr. Ulrich in Laucha durch ein Geläute vertreten und hat im Jahre 1883
zwanzig „Lutherglocken^^ für verschiedene Ortschaften geliefert. Die Firma Carl
Friedrich Ulrich in Apolda besteht seit 1826, und von derselben sind bis
Ende des Jahres 1882 1510 Kirchenglocken ausgegangen; eine Glocke von 80 Ctr.
kam nach Sondershausen, 3 Stück nach Halle auf den Dom, 3 zum Gewichte von
87 Centner nach Barby a. d. Elbe; die meisten waren für die thüringisch-sächsi-
schen Gegenden bestimmt (in denen überhaupt die seit ca. 150 Jahren von den
verschiedenen Ulrich gegossenen Glocken namentlich auf den Dörfern fast überall
anzutre£Pen sind), einzelne kamen westlich bis nach Westfalen (Warburg 65 Ctr.)
und an den Niederrhein, südlich nach Bayern und Hessen -Darmstadt, nördlich
nach der Provinz Preussen , wo der jetzige Besitzer der Firma , der dieselbe im
Jahre 1878 käuflich erwarb, 1880 zu AUenstein (Westpr.) noch eine zweite Gies-
1
214 Glockengiesser -Verzeichnis.
serei errichtet hat. — Umberg in Riga, s. ohen S. 104. — Unckel, Nikolaus, Glocke
von 1627 in St. Georg zu Köln. Yergl. Onkel. — - Usleve, Johannes de, Bürger zu
Erfurt, Glocke von 1367 ehemals in der Oberkirche zu Duderstadt.
Vallidier, Louis, grosse Glocke von 314 Gentner in St. Peter zu Rom 1775.
— Vam Dam, Nikolaus, grosse Glocke in Schloss Friedrichsburg bei Kopenhagen
1618. — Vandenchein, s. Chein. — Vannorkelme, drei Brüder in Flandern 1399, GL
von 1400 zu Hondegheen. — Veghgel (Yechgel, Yeghel, Yechel in Nordbrabant),
Familie des 14. und 15. Jahrhunderts. Johannes V., 2 Glocken von 1374 in
Kaikar. Wilhelm von Y. , vermutlich identisch mit dem gleichzeitigen Wilhelm
von Heimond (welches nur 12 Stunden von Yeghel entfernt ist), Yater und Sohn
gleiches Namens (vermutlich bezw. Bruder und Neffe Johanns), 4 Glocken von
1372 — 1376 in St. Yiktor zu Xanten. Johann Höreken von Y., vermutlich
Descendent der beiden Wilhelm, Glocken zu Köln in St. Gereon von 1446, im
Dom 1449, zu Burtscheid in St Michael 1451, zu Steijn in Holland und zu Noor-
beck. Yergl. Steph. Beissel, Baugesch. der St Yiktorkirche zu Xanten. 1883.
S. 115. Ein Wilhelm Hörken steht auf einer Glocke von 1458 zu Konzen
(Kr. Montjoie). — Venio (Yenloo), Gerhard von, mit Johann von Straelen,
Glocken von 1476 in Ameren St Anton (Kr. Kempen), 1506 Oedt (daselbst), 1514
Hinsbeck (Kr. Geldern), 1521 Boisheim (Kr. Kempen). Johann von Y., Glocke
von 1480 in £lsloo. Yergl. auch Jacob. — Venraid, Jakob, in Limburg, Glocke
von 1521 in Yenray. — Venrode, Jakob von, Glocken von 1477 und 1478 zu Süg-
gerath (Kr. Geilenkirchen). — Viewerger, Jogam, Glocke von 1654 zu Hassel (Kr.
Weissenfeis). — Vigoureu, Frangois, Dreigeläute von 1613 zu Escaches (Oise). —
Vogel, Hermann, Glocke von 1501 zu Folkritz (Kr. Osterburg). — Voigt, Familie
des 18. Jahrhunderts zu Isselburg im Klevischen und zu Münster. Christian Y.
und sein Sohn Christian Die der ich Y., Glocke zu Bochold nach Brand von
1745. Christian Wilhelm Y., Glocken von 1766 zu Wulfen bei Haltern, 1776
Bamsdorf (Kr. Borken), 1777 Dülmen, 1786 Wesecke, 1779 Wattenscheid und
Hövel bei Werne; gemeinschaftlich mit seinem Sohne Rutgerus nennt er sich
auf Glocken von 1767 in Herbem, 1768 Werne, auch in Dortmund. Johann Küt-
ger Y., Glocken von 1779 zu Wittlaer bei Kaiserswerth, 1790 zu Dingden. —
Voile (Yoillo), Claudius, aus Lothringen arbeitete mit Gottfried Baalard,
Glocken von 1645 zu Dykhausen, 1660 Haren, auch die Taufe von 1646 zu Engers-
hafe im Emsland. — Volker, s. Folker. — Vollgold, S., in Nordhausen um 1864. —
Voltschen, David, Glocke von 1572 zu Reckentin bei Pritzwalk. — Vordol von Köln,
als Giesser erwähnt 1160. — Voss, Familie des 16. bis 18. Jahrhunderts zu Lüne-
burg, aus deren Giesshütten nach einem Yerzeichnisse aus dem Jahre 1723 von
1589—1600 28 Glocken, von 1600^1699 122 Glocken und bis 1723 noch 2 Glocken
hervorgegangen sind. Yiele Glocken im Hannoverschen von 1607 (in Kirchgel-
lersen, Schamebeck, Suderburg) bis 1697 (in Raven), auch noch eine gegen 60
Centner schwere Glocke der Lambertikirche zu Lüneburg vom Jahre 1723 tragen
den Namen Pawel Yos (Paul Yoss). Eine Glocke zu Besehe (Kr. Ülzen) ist
1681 von Georg Wilh. Hans Y. gegossen. Yergl. Mithoff, Kunstdenkm. im
Hannoverschen 4, 147. Auf einer Glocke von 1719 zu Alfter bei Bonn nennt sich
Peter Y. von Köhi, und auf einer Glocke von 1844 zu Briest (Kr. Angermünde)
C. Yoss in Stettin, dessen Giesserei gegenwärtig unter der Firma Yoss & Sohn
im Betriebe steht. — Vrese, Johann, Glocken von 1494 zu Osterkappeln bei Osna-
GlockeDgiesser-VerzeicliniB. 215
f
brück und Bärkhansen bei Wittlage in Hannover/— Vrigbuse, Cord, vermutlich
in Hannover, nennt sich mit Laurens Apengeter auf dem Taufkessel in Bitte-
feld (A. Harburg) vom Jahre 1438 ; Glocken von ihm sind nachgewiesen aus dem
Jahre 1466 in Reinstorf (A. Lüne), 1467 Nikolaihof bei Bardowick, 1468 im Ni-
kolaihof zu Lüneburg.
Waghenens CWaghevens, Wagheners, Waghemans), niederländ. Familie des
15. bis 16. Jahrhunderts aus Mecheln. Henric Waghenens, Glocke von 1474
in der Eatharinenkirche zu Brandenburg. GeorgWagheners, Glocke von 1520
zu Bützflüth (A. Freiburg) in Hannover. Jan Waghemans, Glocken von 1535
zu Bilsen (A. Lingen), 1566 Trebnitz (£r. Merseburg). — Walle, Johann, Glocke
von 1500 in St. Gereon zu Köln. — Wärckherr, Heinrich Friedrich, in Gera, Glocken
von 1765 zu Bippicha und Wuitz im Kr. Zeitz. — Warner, Johann, und Söhne in
London, Parlamentsglocke von 308 Gentner 1856 daselbst — Wastenowig, Johann de,
Glocke aus dem 15. Jahrhundert in der Nikolaikirche zu Kopenhagen. — Wedel,
G. A., in Erfurt , Glocke von 1877 zu Battgendorf (Kr. Eckartsberga). — Wege-
waart, Wilhelm, Gehilfe Gerhards de Wou, Glocke von 1560 zu Albachten (Kr.
Münster in W.). — Weidemann, s. Widemann. — Weigel, Hilibrant, Glocke (ohne
Krone) von 1569 im Bayer. National -Museum zu München. — Weinhold (Wein-
holdt), Familie des 17. bis 19. Jahrhunderts in Dresden, Nachfolger Herolds (s.
d.), deren Glocken über den ganzen Umfang des kursächsischen Gebietes verbreitet
sind. Als der älteste erscheint Michael W., nachgewiesen auf Glocken von 1697
(in Seifersdorf und Schloss Lauenstein bei Dippoldiswalde) bis 1743 (Ottendorf
bei Pirna). Die Kirche zu Papstdorf bei Schandau besitzt von ihm eine Glocke
aus dem Jahre 1711, eine andere von Johann Gottfried W. von 1733, und
eine dritte von August Siegismund W. von 1787. Job. Gottfried kommt noch
auf einer Glocke von 1764 zu Nieder-Pretschendorf bei Dippoldiswalde vor. Zwi-
schen ihm und Michael sind einzuschieben Johann Gott hold W. (welcher schon
im Jahre 1700 auf einer Glocke zu Beizig vorkommt und vielleicht ein jüngerer
Bruder Michaels war; eine spätere Glocke von ihm aus dem Jahre 1739 ist zu
Bärenstein bei Lauenstein) und A. E. L. Weinhol dt (Glocke von 1716zuNaun-
dorf bei Dippoldiswalde). Zwischen Job. Gottfried und Aug. Sieg. W., der be-
reits auf einer Glocke von 1780 zu Röhrsdorf bei Dohna nachgewiesen ist, auf
3 Glocken von 1789 zu Rosenthal bei Dahme vorkommt und sich noch 1793 auf
einer Glocke zu Fürstenau bei Lauenstein nennt, taucht auf einer Glocke von
1773 zu Höckendorf bei Dippoldiswalde Johann Gottlieb W. auf. Als der jüngste
der Familie endlich ist der auf einer Glocke vom Jahre 1800 zu Rechenberg bei
Frauenstein nachgewiesene Heinrich August W. zu erwähnen. Die Weinhold
liebten es auf ihren Glocken Abgüsse von der Bildseite sächsischer Speziesthaler
anzubringen; eine der grössten aus der unter ihrer Leitung stehenden kurfürst-
lichen Stückgiesserei hervorgegangenen Glocken ist die 102 Centner schwere Uhr-
schelle der Kreuzkirche in Dresden vom Jahre 1787. — Weiss, Urban, in Wien
goss 1558 die 208 Centner schwere Pummerin der Stephanskirche daselbst. Yergl.
Albus. Ein Glockengiesser Weiss in München findet sich 1844 erwähnt. — Wenig,
Jakob, von Magdeburg wird als Giesser einer nicht mehr vorhandenen Glocke der
Annakirche in Eisleben von 1687 genannt. — Wentinger, s. Zweilinger. — Wentzel,
Hans, Glocke von 1660 zu ünterteutschenthal im Mansf. Seekreis. Jakob W.,
Glockengiesser, Bürger und Brauer zu Magdeburg, \ 1693, von dem Glocken nach-
216 Glockengiesser- Verzeichnis.
»
gewiesen sind aus den Jahren \666 zu Karsdorf, Leiha, Möckerling, Nebra und
Stöbnitz im Kr. Querfurt, 1667 Borne (Kr. Kalbe), 1670 Jakobikirche zu Magde-
burg, 1674 Marienkirche zu Halle, 1675 Ochteritz bei Weissenfeis, Felgeleben
(Kr. Kalbe) und Süd- Groningen (Kr. Oschersieben), 1677 Ermsleben (Mansfelder
Gebirgskr.), 1685 Dom zu Berlin, 1687 Marienkirche zu Wernigerode, 1690 die
Apostolica des Domes zu Magdeburg von 115 Centner. Johann Gottfried W.,
Glocke von 1705 zu Dalchau bei Loburg. Christoph W. in In^deburg, er-
wähnt 1870. — Weri, s. Spronneaux. — 9lferner, Emil, in Artem, Glocke von 1832
zu Hemmleben (Kr. Eckartsberga). F. A. Werner daselbst, Glocke von 1867 zu
Schillingstedt bei Kölleda; das Geschäft besteht noch jetzt — Werpe^ Johann,
Glocke von 1530 zu EmsbOren (A. Lingen). — Wessel, Gerhard, Glocke von 1546
im Münster zu Essen. — Westerburg, Konrad, Glocke von 1496 zu Offheim bei
Weilburg. — Westerhuys, Wolter, zu Münster i. W., thätig von 1499—1526; Glocken
von ihm sind unter anderen nachgewiesen von 1503 zu Albersloh (Kr. Münster)
und Haselünne, 1505 (ehemals) Yenne (A. Wittlage), 1507 Ludgerikirche in Mün-
ster, 1509 Berssen (A. Haselünne), 1510 Wietmarschen (A. Neuenhaus), 1516 Ha-
selünne, 1525 Yorhelm bei Ahlen. Yergl. Boeckeler, Beitr., S. 57 f. — Wettig,
Johann Georg, in Erfurt, thätig seit etwa 1825, wo er Glocken für die dortige
Predigerkirch c lieferte; Glocken von ihm finden sich von 1843 zu Herrenschwende
und Lützensömern im Kr. Mühlhausen, 1856 Herrengosserstedt (Kr. Eckartsberga).
Das Geschäft besteht noch fort — Wibert, wahrscheinlich ein Laie, geschickt in
den verschiedensten Zweigen der Metalltechnik, verfertigte in der zweiten Hälfte
des 12. Jahrhunderts in Aachen Glocken für das Münster. — Wickrath (Weckrat),
H., Giesser der Taufe in St Maria im Kapit zu Köln 1594. Johann Heinrich
und Laurentius W., Brüder, Stückgiesser in Köln, Glocken von 1682 und 1692
in St. Job. und von 1684 in St. Ursula daselbst — Widemann (Weidemann), Hans,
Glocken von 1557 zu Alihausen (A. Bersenbrück) , 1564 Gross -Hesepe bei Mep-
pen. Johann Heinrich Chris toffer Weidemann in Hannover, Glocken in
Dorfkirchen von 1743 (Hänigsen im A. Burgdorf) bis 1776 (Barsinghausen im A.
Wennigsen); eine Glocke von 1756 in der Marktkirche zu Hameln. — Wildt, Simon,
in Halle a. d. S., Glocken von 1652 ,zu Benkendorf und Langenbogen im Mansf.
Seekreis, 1653 zu Spergau, 1654 Beuchlitz und Dörstewitz, und 1661 Klein-Lauch-
stedt im Kr. Merseburg, 1662 zu Siebigerode (Mansf. Gebirgskr.), 1675 Weissen-
schirmbach (Kr. Querfurt). Peter W. in Halle, wahrscheinlich ein Sohn Simons,
Glocken von 1686 zu Yatterode (Mansf. Gebirgskr.) und Bischofrode (Mansf. See-
kreis), 1701 zu Ulzigerode (Mansf. Gebirgskr.). — Wilhelmus me fecit, steht auf
einer Glocke zu Bramsche bei Lingen von 1452 und „mester Wiüem^*^ auf einer
Glocke der reformierten Kirche zu Lingen von 1457; y,Wüle?i€lfn di machte mich^^
in verzierten romanischen Majuskeln auf einer nicht datierten Glocke zu Mardns-
rieth (Kr. Sangerhausen). — Wilken, Hans, in Braunschweig, goss eine im Dom
zu Halberstadt befindliche Grabplatte von 1588, Glocken von 1591 zu Hundes-
hagen (Kr. Worbis) und 1599 zu Mehrum im A. Peine. — Wirth, Glocke von 1706
in Hamm bei Düsseldorf. — Wolf, Doderich, von Prom (Prüm), Glocke Ton
1504 in Dockweiler (Kr. Dann). Heinrich W. von Proem, Glocke von 1511 im
Dom zu Trier und zu Longuich bei Trier. Dedericb W. von Wintzfeld, Glocke
von 1553 im Dom zu Trier. — Wolfgerus me fecit N, steht in breitgezogenen, alten
lateinischen Majuskeln auf einer Glocke zu Teissen (Kr. Weissenfeis). — Woilo,
Steffen, und Nikolaus Gage aus Lothringen, Glocke von 1661 zu Genin bei
Glockengiesser- Verzeichnis. 217
Lübeck. — Woriedt, Arnd von, Gehilfe Heinrichs von Kämpen (s. Woa) beim Gusse
der Annaglocke zu Gardelegen. — Wou (Wouw, ein Dorf in Nordbrabant), nieder-
ländische Familie des 15. und 16. Jahrhunderts. Johann de Wou, erwähnt um
1470 , identisch mit Johannes Glockengiesser von Hyntham (Dorf zwischen Bosch
und Rosmalen), von dem Glocken nicht nachgewiesen sind; vergl. jedoch Glocken-
geter. Sein Sohn war Wilhelm (I.) de W., welcher 1472 angesessener Bürger in
Bosch wurde, aber schon 1474 starb. Ein anderer Wilhelm (II.) de W. wurde
1461 zum Glockengusse nach Xanten berufen und war noch zu Anfang des 16.
Jahrhunderts thätig; Glocken von ihm aus den Jahren 1461 zu Xanten, 1474 zu
Eranenburg (Kr. Kleve), 1494 Til bei Kaikar, 1500 Oudewater, 1504 Utrecht, 1506
Soest. £in Bruder Wilhelms I. war der berühmte Gerhard (Gerrit, Gert) van
W., der 1474 im Bürgerbuche von Bosch (Herzogenbusch) als ,ymag%ster Gerar-
dtts de Woude"^ vorkommt, nach seiner Verheiratung nach Kampen zog und sich
deshalb (mindestens seit 1490) Gerhardus Wou de Campis (Campensis
schrieb. Mit meinen Gehilfen, unter denen Wolter und Willem Wegewaart,
Jan ter Stege, Jochem van Mollem und Johann Schonenborch genannt
werden, fortwährend auf Geschäftsreisen, die sich bis nach Thüringen erstreckten,
goss er nicht bloss viele Glocken (deren circa 50 bekannt, aber bei weitem nicht
mehr alle, vorhanden sind), sondern auch Geschütze, gelangte in seinem Wohnorte
zu Ansehen und bedeutendem Vermögen und starb daselbst in sehr hohem Alter
Mitte Dezember 1527 mit Hinterlassung von 4 Söhnen (Wilhelm, Jasper, Jan und
Gert) und 2 Töchtern. Die älteste bekannte seiner Glocken ist vom Jahre 1465
im Dome zu Osnabrück, welcher noch zwei andere von ihm von 1485 und 1486
besitzt; die weithin berühmteste ist die Riesenglocke des Domes zu Erfurt von
275 Centner, wo sich auch in St. Severi eine gleichzeitig von ihm 1497 gegossene
Glocke befindet; die jüngste bekannte Glocke mit dem Namen Gherhardus de
Wou, worunter aber wohl sein vierter gleichnamiger Sohn (s. weiter unten) zu
verstehen sein dürfte, ist zu Barfelde bei Gronau in Hannover vom Jahre 1523.
Andere sind nachgewiesen von 1476 zu Elten, 1480 in der Nikolaikirche zu Kam-
pen, 1481 in der Liebfrauenkirche daselbst, 1483 Haselünne, 1483 Kaikar, 1484 bis
1486 Liebfrauenkirche zu Zwolle, 1487 Petrikirche in Hamburg, 1490 Neu-Ruppin
(Glocke von 110 Centner), Marienkirche zu Stendal (2 Glocken, die Maria und
die Anna, erstere speziell datiert „pridie Idus Junif^), Krusemark (Kr. Stendal)
und Oldenzaal, 1491 und 1492 Michaeliskirche in Lüneburg, 1493—1496 Micbaelis-
kirche in Kampen, 1493 Ahaus, Lamberükirche zu Münster i. W., 1494 Wibelsum,
1495 Logum bei Emden, Rinkerode bei Münster i. W., 1496 WüUen und Wessum
bei Ahaus, 1497 Rorichum bei Emden, 1499 Wessum, 1500 Recklinghausen, 1502
Dome zu Braunschweig und Naumburg, 1503 Uhrglocke in Haarlem, 1505 Glocken-
spiel im Dom zu Utrecht, 1507 Lübeck, 1513 Oldenzaal. Das Geschäft des Vaters
setzte der jüngste (4.) Sohn Gert Wou fort; er erscheint 1541 als Glockengiesser
in Hamburg, verb'ess 1543 Kampen für immer und starb im Auslande; Glocken
von ihm finden sich von 1528 in Hooru, 1538, wo er mit Jan ter Stege (s. d.)
zusammen arbeitete, in Delft, 1540 in Leuwarden. Der dritte Sohn, Jan Wou,
lebte in Nordbrabant und starb 1553 in Oldebrock; eine Glocke von ihm aus dem
Jahre 1515 ist in Zon. Zu dieser Familie soll auch Heinrich von Campen
gehören, der in Lübeck und nach den Renteirechnungen von 1507—1517 als
Giesser zu Gadebusch thätig war, wo er für die Herzöge von Mecklenburg Ge-
schütze goss; sein Name findet sich auf 6 Glocken des Braunschweiger Domes
218 Glockengiesser -Verzeichnis.
von 1606, femer auf Glocken Von 1508 za Gadebusch und Eltttz, 1511 zu Ülzen,
1512 Wichmannsburg (A. Medingen), 1513 Schwerin, 1516 und 1518 in der Jo-
hannis- und in der Nikolaikirche zu Lüneburg, 1518 zu Perleberg; auch zu Mölln
in Lauenburg. (Yergl. von Tettau, in Mitteil, des Erfurter Geschichtsrereins
2, 129 ff. und 3, 178 ff. — Register van Charters en bescheiden in het oude archief
van Kämpen. Kämpen 1863 ff. 1, 263; 2, 279. — H. B. Poppe in Het Gildeboek
(Zeitschr. far kirchl. Kunst). Utrecht 1880. 2, 111—133. — Hach, im Bepertorium
fOr Kunstwissensch. 4,417—420. — Boeckeler, Beitr. u. s. w. S. 50 ff. — Über die
bisher noch nicht beachteten Glocken Gerhards de Wou zu Osnabrück und Bar-
felde s. Mithoff, Kunstdenkm. im Hannoverschen 6, 115 f. und 3, 19, zu Neu-
Ruppin und Stendal s. v. Ledebur in M&rk. Forschungen, Bd. 6. Ober Hin-
rik van Kampen s. Mecklenb. Jahrb. u. Berichte 3, 193 f.; 8, 142; 15, 162. Hach
a. a. 0.) — Wulf, Glocke von 1400 zu Markau bei Nauen im Osthavellande.
Zechbaur, Johann, in Erfurt, Glocke von 1787 in Haussömmem (Kr. Lan-
gensalza). Joseph Zechbauer und Ewald Schott von Mainz, Glocke von
1819 in Eltville. — Zeitler, s. Zeydler. — Zeitheim, Familie des 18. und 19. Jahr-
hunderts in Naumburg a. d. S. J. Christoph Zeitheim, Glocken von 1781 zu
W&hlitz, 1784 Jaucha und 1785 Deumen im Kr. Weissenfeis. C. A. Zeitheim,
nachgewiesen auf Glocken in den Kreisen Weissenfels, Zeitz und Eckartsberga
von 1812 (Zschorgula im Kr. Weissenfeis) bis 1849 (Haynsburg im Kr. Zeitz);
auch auf 2 Glocken zu Gross-Kayna (Kr. Weissenfeis) vom Jahre 1876 steht an-
geblich diese Firma. Auf anderen Glocken derselben Gegend aus der Zeit um
1822>-1846 findet sich C. G. Zeitheim. — Zender, Abraham, in Bern, Glocke
von 1595 in Romainmdtiers. — Zeydler, Hans, und Yorg Behem, Glocke von
1583 zu Dalidorf bei Berlin. Zeitler (ohne Vornamen) in Naumburg, steht auf
einer Glocke zu Lindau (Ki*. Weissenfeis) von 1798. — Ziegen, Jakob, Glocke von
1589 in der Annakirche zu Eisleben. — Ziegener, Familie des 18. Jahrhunderts.
Johann Christian Z. in Ltlneburg, Glocke von 1707 zu Römstedt (A. Medin-
gen). Johann Georg Z. in Salzwedel, Glocke von 1744 zu Wehniugen (A. Neu-
haus) in Hannover. Christian Gotthold Ziegner in Magdeburg, Glocken von
1788 zu Wittenberge, 1796 Gramzow bei Prenzlau; auf einer Glocke von 1786 zu
Friedrichsdorf bei Neustadt a. d. D. soll (statt Z.) Miegner stehen. In der Pro-
vinz Sachsen kommt der Meister auf Glocken von 1777 bis 1798 vor. — Zimmer-
mann, Paulus, Glocke von 1599 zu Berod bei Montabaur. Peter Z. von Mentz
(Mainz), Glocke von 1605 in Montabaur. Hermann Z., Glocke von 1620 in der
Bonifatiuskirche zu Sömmerda. — Zwellinger (oder Wentinger?), Jonas Paulus,
zu Berlin, auf 2 Glocken von 1743 zu Nauen, 1750 zu Schöpfurth bei Eberswalde.
Nachzutragen sind S. 191 im Buchstaben H Zeile 6:
Hackentchmidt, Job. Karl, in Berlin nachweislich seit 1818 thätig, gest. 1858
im 80sten Jahre; von ihm sind die Geläute zu Reppen und Kyritz, der Jakobi-,
Matthäi- und Petrikirche zu Berlin, der Nikolai- und der Friedenskirche in Pots-
dam. Die grösste von ihm gegossene Glocke wiegt 64 Centner und befindet sich
in Brandenburg. — Hadank in Hoyerswerda um 1850 bis 1860 u. s. w,
Monogrammisten. 219
4
Monogrammisten.
a« t* auf einer Glocke von 1522 zu Pleismar im Er. Eckartsberga.
irr auf einer Glocke zu Gross-Ürleben (Er. Langensalza) von 1616.
t* p* auf einer Glocke Yon 1466 zu Silkerode im Er. Worbis.
t* i* auf einer Glocke von 1666 zu Falken im Er. Mühlhausen i. Tb.
^« t* sind sehr wahrscbeinlich die Anfangsbuchstaben des thüringiBchen Glocken-
giessers Heinrich Giegeler 1602—1566; s. d.
H. M. ZV NAVMBVRG auf einer Glocke zu Raschwitz (Er. Merseburg) von
1600, bezeichnet ohne Zweifel den Glockengiesser Hans Muller (s. d.) in
Naumburg a. d. S.
I. G. V. (Job. Georg Ulrich) und |, QF. V. i^oh, Gottfr. Ulrich) neben einem
Wappen mit Glocke, Tasterzirkel und Geschtttzrohr, auf einer Glocke zu
Frömstedt (Er. Weissensee) aus dem 18. Jahrhundert; s. Ulrich.
IVI X auf einer Glocke von 1617 zu Lauchstedt.
T auf Glocken von 1482 zu Weigmannsdorf bei Sayda, 1483 zu Wiedersbach (Er.
Schleuisingen), 1499 Eämmerswalde bei Sayda, 1606 Zipsendorf (Er. Zeitz),
1507 Ober-Elobikau (Er. Merseburg). Auf einer Glocke zu Fredel (Er. Zeitz)
von 1479 steht neben einem gekrönten sehr grossen SS. (Maria?) in viel
kleinerer Schrift j^atw T^Htn« t»
T. O. M. auf einer Glocke von 1599 zu Emsbüren bei Lingen.
W. H. (WolfT Hilger) auf einer Glocke zu Gelsen bei Gottleuba von 1534 und
auf 2 Glocken des Rathauses zu Leipzig von 1556 und 1567 neben dem er-
erbten Familienwappen (s. oben S. 194) ; ebenso auf einer Glocke von 1627
zu Niederpretzschendorf bei Dippoldiswalde bezeichnen die neben dem
Wappen stehenden Initialen Q, H. und Z. H. die Brüder Gabriel und Za-
charias Hilliger (s. d.).
auf einer Glocke zu Pettstedt (Er. Querfurt) von 1615.
das Wappen der Stadt Halle a. d. S. auf vielen Glocken
aus der Zeit von etwa 1489 — 1518 in der Umgegend
dieser Stadt, ohne Zweifel als Zeichen eines daselbst
wohnhaften Giessers.
I
220 Monogrammisten.
auf einer Glocke der Bonifatiuskirche zu Sommerda von 1467.
Wicht selten finden sich besonders auf Glocken anonymer Giesser des 15.
und 16. Jahrhunderts den Hausmarken ähnliche Giedserzeichen ; wir geben davon
einige Beispiele aus der Provinz Sachsen, die wir der gütigen Mitteilung des Herrn
Bauinspektor G. Sommer zu Wernigerode verdanken.
1406. 1606. 1Ö06. 1508.
Ähnliche Zeichen neben den ausgeschriebenen Giessemamen des 15. und
16. Jahrhunderts s. oben unter Becker, Koster, Riman.
Berichtigung.
Seite 178 Note 1, Zeile 2 von unten lies furto statt forte.
■■^=^<^
Druck von A. Th. Engelhardt in Leipzig.
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