Skip to main content

Full text of "Goethe's Faust: Ueber die Entstehung und Composition des Gedichts"

See other formats


Google 



This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct 

to make the world's books discoverablc online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the 

publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prcvcnt abuse by commcrcial parties, including placing technical restrictions on automatcd qucrying. 
We also ask that you: 

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain from automated querying Do not send aulomated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc 
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attributionTht GoogX'S "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct andhclping them lind 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of 
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. 

Äbout Google Book Search 

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs 
discover the world's books while hclping authors and publishers reach new audiences. You can search through the füll icxi of ihis book on the web 

at |http : //books . google . com/| 



Google 



IJber dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 
Das Buch hat das Urheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nu tzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in partnerschaftlicher Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche für Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials für diese Zwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch fiir Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .corül durchsuchen. 



^SS' 









Js^sf 



(iöetl)e'0 JFattjl. 



Ueber bie 



c;gniüe$ung mb §ompo|lüon 5e$ ^e5i(Qf$. 



Söon 



ünno f^if^et. 



-♦♦^ 



Stttffgart. 

ajetlag ber 3. ®. Gotta'fd^cn ®u<i^^anblung. 

1878. 




Ueberfe^ungdceti^i ))orbe]^aIten. 



Su^bruilerei bfr 3f. Q. Goiia'f^en Sud^^anbluno in Stuttgart. 



'i 



l 
I 



4 



^OXXOQXt. 



©fefie Sdp^ift tp; cm« Vortragen entlian- 

in ©DjeüfB'g lDatjer|i(Xbt gjetfcdtjen uiib in iuer 
<4Form ijer fjoigjenben ^Ibljonblungen in iuer 
„DButfrijjeri ^ftnnbfdjcm" (-Sctlprgang IV. ^jeft 
1 unb 2) tjjerfiffenüidjt ijabje* DiB <4Fan|l- 
literotnr i|} in ber |nng|ien Bett bjenuegter 
nnb rfiljrigBr cd» je, nnb bie ®in(tdit in 
©ojetije*» nnjerfdjjöpflirljje JDixljtnng ipt eine 
Änfgabe genjcirben , an ber bie <4lTennbe ber 
)Pnefte cmss ctUen Cnitnmlkern ttreUneijfnten, 



£ 



n 



fJunuM b0mmt itL 

m 



§ n ^ a f f . 



(Etiles (Ea^tiel. 

X^tma 1 

«rt beS ©toffS 4 

%xi unb ?luföQBc bct etflörunö 8 

1)te ^oguSfagc .15 

1. 9lllertl^um unb gJHttelaltcr 15 

2. S)qS ledJa^^tt*^ Sal^rl&xinberi 21 

3. ®ic ©runbaüge 33 

SmeiieS @:a:t>ttel. 

^ie gfattftfage* 

©efd^^te unb ©age 36 

3)ic SolfSbüdJer 44 

S)q8 l@oIfSf4au{))tel 56 

1. aRorIott)*8 Xrogöbic 56 

2. ^aS beut{4e $u:k)^en{4){el 61 

2ef|ing'S gouft 68 

drittes ^apiitl 

®tWiiiUt^t (Stitfte^itttg nitb 9iumihnuq beS ©oet^e'fi^eif 

afauft. 

^orgefd^id^tc 79 

3)qS er^c ^tojcct unb bic erftc S)tditung 83 




VI 



Seife 

1. 3)ie ©IrafeBurfler Seit 83 

2. Sranffurt. aöeftlat 90 

3. aßeimar 104 

4. 3toIien 106 

5. 5)q8 SrttflTnent . . • 110 

^te Erneuerung beg ©ebt^tS 112 

^ie SoIIenbung 123 

Viertes Sa^itel. 
^ie neue ^i^tuttg. 

2)ie ©runbibee ber neuen ^td^iung 130 

2)er Sßrolog . 138 

1. S)ic 3bee be8 Prologs 138 

2. @intt)tirfc bogegcn 148 

3)er atoeite S^eil 157 

SQSiberftreii ber Betben ^idS)tungen 163 

fünftes Ea^itel. 

^ie alte ^til^tuiig. 

3)ic ©runbibee ber ölten 5)ic5tung 178 

S)ie ^luSfü^rung 185 

1. fJauft'S aWonoIog 185 

2. S)er erbgeift 191 

3. S)er 8fantulu§ ^^ 

S)te gfoufttrogfibie 200 

SRfrttftorteleS 205 

1. S)o})|)elgefloIt. S)er \x)>x]6)e 2)änton . ... 205 

2. 2)ie erfte (Sr{4einung beS ^epl^ifto))]^ele8 . . 216 



©rpteg CaptteL 

Die Ma^nsfa^t. 

i 

SKit bctt fiebjiger Sollten bci^ \)oriflCtt ^a^v^ 
^unbertÄ tarn, tool^I vorbereitet, na6) einer ©nt^ 
toidelung, bie t)on ben bürftigften Sünfängen tnü]^= 
fam auftüärtö geftiegen, burd^ filo^jftod beflügelt, 
burd^ Seifing gefül^rt unb ju bem ©efül^l il^rer 
@igenmad^t erftarlt toax, in bie beutfd^e Sntpfim 
bungS' unb ©ebanlenloelt jene gemaltige @&l^rung, 
n)oraui$ unfere claffif(^e S)id^tung l^ert^orging. 3(ud 
bem ©türm nnb S)rong jener 3^1^^^/ ^uf bie tt)ir 
l^eute Don ber $6l^e eine? S^^^^i^^b^^^ l^erab- 
bilden, flammen bie Slnfänge bed ®oetl^e'f(i^en 
gaufi. ^unbertjäl^rige ®rinnerungen fold^er Slrt 
toollen mir immer aU B^^^S^iff^ erfd^einen, bag 




2 



eine nienfd^lid^e ©röfee bic »cltgefc^id^tlid^e 5ßrobe, 
gleid^fam baS Examen rigorosum be^ Stul^tnd^ bt: 
ftanbcn \)at, baB il^rc gortbaucr im Slnbenfen ber 
3Bcft gcfid^crt ift biird^ i^xe gorttüirfung in ben 
©cmütl^crm aKand^erlci ®xü^en rül^mt ber %aQ, 
bie Püd^tig finb, iDic bic ©cfd^lcd^ter unb bic Qn« 
tercffcn bc§ ^agciS. SDBaiS ftd& im Saufe ber ^at)x^ 
l^unbcrtc erl^ält, fortlebcnb unb forteirfenb in ben 
©emütl^etn, erl^cbt fid^ auf bic ^öl^e ber Qeit unb 
n}ädpi^t mit ben Seiten, ©old^e ©röfeen finb in 
ber Sanbfd^aft unferer geiftigen SBelt toic bie ©e^ 
bitge^ )u beren ragenben ©ipfcin n}ir em))orf(i^auen. 
SKan feiert bie Subiläen grofeer 3Ränner an i^ren 
©eburt^tagen ^ erfäQt üon bem @inbrud i^rer 
äSerEe; maxL foQte [x(S) gemeinfam aud^ ber ®e^ 
burtSicit biefer äSer!e erinnern^ ber unüergeBli(|en^ 
bie immer t)on 3teuem erlebt^ aber nie ausgelebt 
trerben unb fi(| mit ben ©enerationen Dcrliingen. 
S)ad ©ebiij^t^ üon bem id^ fpred^en n)ill^ ifl ber 
tieffte älui^bruä eines )}oetifd^en SebenS^ me» ber 
größten unb rei(|ften, »cM^e bie SBelt fa^^ eines 
3eitaIterS, eines SSolISgeifteS. 3n bem Umfang 
unferer gefammten Siteratur toirb lein )U)eiteS ©e- 
bid^t ju nennen fein^ \>on bem man fagen fann. 



3 



bag fein 3tame unb fftuffm fo iDeit xti^t, atö bk 
äuJBerfien ©renken ber j^nbe beulfd^er 2)i<$tung, 
fein jtDeiteS, in tocld^em ber bcutfd^c ®eifi fo fcl^r 
eine Utfunbe feinet innerften ©igentpmlid^eit er* 
tennt^ bad et toie \>a^ ^ä) feinet ©el^eimniffeiS 
betrautet nnb banim mit einet SieBe etgtiffen l^at, 
bie feine Ätitif je »egjnteben obet jn etfd^fittern 
»etntag. 3fi bod^ jebem SDeutfd^en^ bet einmal 
»on biefem ©ebid^te betül^tt tootben unb feine 
3an6et empfunben "fyat, fo oft eS il^m begegnet, 
jn aJlntl^e, toie bem ^x^tex felbfl, al0 et nad^ faft 
einem ÜBenfd^enaltet ju il^m jurüdfel^rte nnb bie 
etfien SQBotte bet S^^ifl^^^S f^rieb: „^^x \idS)i 
end) toiebet, fd^toanfenbe ©eßalten, bie ftül^ ftd^ 
einft bem ttilben SSliÄ g^jeigt; betfu(^' i^ too^ 
euä) bieiSmol fejljul^alten?^ 

Unb abgefel^H üom älUertl^um lon^te i^ in bet 
gefammten eutof>äifd^en Sitetatut nnt @in @ebid^t, 
ba^ in bet SBittung auf äBelt unb SSoIfiSgeift fid^ 
bem ®oetl^e'fd^en ^aufl betgleid^en lie^e: S)ante'S 
©ebid^t Don bet ^öUe, bem gegefeuet unb 5pata:: 
biefe. 3lu8 bem innetfien @eniuiS beiS italienifd^en 
93oIIe8 geboten^ ifl biefe^ ®ebid^t voeit l^inauiS übet 
bie nationalen ©tenjen eine Dffenbatung füt bie 



Ck 



Wltn\^\)eit getüorben, baö poctifd^c 9l6bilb bci^ 
aKittelaltcrg unb feiner SEBeltatifd^auung. SBSic fid^ 
3)ante'S göttliii^e ©omöbie ju bcm ©eifie bei^ ita^ 
Iienif(3^en aSolIe« unb be« 3JlitteIalter8 \>exf)alt, 
Sf)vlx6) t)er]&ält fid^ ber ©oetl^e'fd^e gaujl ju bem 
©eifte beg beutfd^en SSoKe« unb bet neuen 3^^*- 
©iefeg ©cbid^t ift unfere divina commedia; e§ 
ifl niiä^t afg fold^e cntfianben, aber unter ben 
Rauben be§ 5E)id^terg attmäJ^lig boju gettjorben. @§ 
be!unbet ©d^eHingi^ S^iefblitf , ba§ er fd^on auS ben 
Stnfängen be8 SBer!e§ biefe Sebcutung erfannt l^at: 
„Sotüeit man ©oetl^e'Ä gaufl aud bem gragment, 
bag bat)on t)orl^anben i[i, beurtl^eilen !ann, fo ift 
biefeS ®ebi(^t bie innerfie, reinfte ®ffenj unfereg 
3eitalter^, gefd^affen auS bent^ toa& bie ganje 
3eit in pd^ fd^lofe, unb felbjl bem, tt)omit fte 
fd^iDanger toav ober nod^ ift. ®al^er ifl e8 ein 
tüal^rl^aft m)?tl^oIogifd^e§ ©ebid^t ju nennen." 

II. 
litt be$ $toff$. 

SBBenn bie grage ifl, in toeld^em aSBerl fid^ 
unfere« größten ©id^ter« Oenie unb ßeben am 







umfaffenbfien unb tiefften abfpiegelt, mit iJ)m juglcid^ 
beutfd^e ®eniüff)^axt unb ber ©eiji, bct bic neue 
3eit burd^toel^t, fo finbe id^ fcinei^, ba« biefc brci 
Sebingungen auf QUiö)et ^Sf)e t)ereinigt, aU ber 
©oetl^e'fd^e gaufi. ©ein Xf^tma ift rein beutfd^, 
^iefej^ %f)ema \fat fid^ im ©eifie be^ beutfd^en 
SSoHeiS üUv 3tt)ei ^a^fx'^urAexte entmidelt, beüor 
e« in bcm betoegteften S^i^P^^^t unferet fi(ä^ er* 
neuenben ßitetatut ein ^roject ©oet^e'« »utbe. 
Unb in bem Seben biefe^ ©id^terg l^aben 5ßlan, 
älui^fäl^rung unb Soffenbung feinet ^auft über jtpei 
3Renfd^enaIter erfüllt^ bie jur ^älfte bem t^origen^ 
jur ^älfte biefem Qal^rl^unbert angel^ören. Jlel^men 
tt)ir ba}u^ n)ie aDmöl^Iig ber @toff ju biefem ©e^ 
biii^t fid^ au^bilbet^ n)ie navo, einfad^, unfd^einbar 
feine 9(nfänge finb — juerft Sage im SRunbe bed 
93oI!eS^ bann @r3&](^Iung in ber ^orm Don ^olfö- 
bfid^ern, ^olföbrama^ S9änfelfängerbaDabe, baiS be- 
liebtefie affer 5ßu^}penfj)iele — fo erlennen loir 
Ifxex bie anläge unb ben 3)rang ju einer f ort= 
fd^reitenben ©nttoidtelung , big ber g^itP^wK ^wb 
mit il^m baiS ©enie lommt, bem bie äSoffenbung 
in einer SEBeife gelingt, bafe biefeg SBerf jtoar be^ 
ft&nbig ;ur 9{ad^eiferung anlodft, aber jugleid^ bie 




aSilrgfd^aft in fi(^ trägt, bafe c§ nie Jüirb ü6er= 
troffen, nie tjerbunfelt werben. 

S)i(|terftoffe toexhen ni^t fünftlid^ gentadj^t unb 
fabricirt. @ie entiDideln ft^ toit ba^ Seben felbft 
unb unterliegen äl^nli<|en @ntn)i(ieIungSgef e|en , n)ie 
bie Säilbung^formen organifd^er Rötpex. 3^ ber 
$^antafie ber 9Renf(|en tererben fi(^ biefe @tofe 
wn ®efd^le$t auf ©efci^Ied^t, üeränbern unb kpan? 
beln il^re ©eftalt na^ ber ©timmung unb ®e- 
ntütl^Sart ber Qeitaltex, üoQenben fie, toenn ju 
il^rer )7onen Entfaltung im Saufe ber 3^^^ ^<^^ 
glü(fli(i^e Rlima gelommen. ^ann über 3laiS)t 
ftel^en fte ))U}|Iid^ in »lüt^e. 

3Ran {ann in ber SBal^l poetifd^er @toffe leiii^t 
fel^Igreifen auf gtoeierlei Sttrt. SBenn man ©toffe 
nimmt, bie in ber $]^antafie ber 3Renfd^en gar 
!eine S3orgef<i^i(|te l^aben, ni^t^ Erlebtet, ©m- 
:pfunbened, SSererbte^, n}oraui^ bann S)id^tungen 
entflel^en, bie ber ^id^ter UinfUid^ auiSbrfitet im 
SCreibl^aufe ober am Säadofen feiner ^ßl^antafie, 
unb fär toelc^e bie 3^i^3^ttoffen fid^ n)enig ober 
nur (ünfllid^ exto&xmen auf fur}e S)auer. äBenn 
ifci^ @ebadEene altiaäen n)irb, tuiQ e^ lein äRenfd^ 
mel^r. Ober e^ finbet ber cntgegengefe|te gatt 



I 

ftatt. ®^ tüerbctt ©toffe getoäl^U, 6ei bcncn e^S an 
iencr SJorgcfd^iti^tc f einej^toeg« f cl^U : ©egenftätibc, bie ' 
feit fo Dielen ^al^rl^unberten ©emütl^ unb 5jSl^antafie 
ber SBenfii^cn erfüllen, aber in einer fo eingelebten, 
gültigen unb nnantaftbaren gorm, bafe l^ier feine 
Sntmö^nung geflattet unb bal^er jebe Umgeftaltung 
ate ettt)ag grembeö em^funben n)irb unb jule^t ate 
DJ^nmäd^tige flunft fd^eitert. SD3a« in fold^er t^pifd^n 
äSeife au^et^rägt unb ))oSenbet ift, foQ maxi nid^t 
jum gtoeitenmale barfteHen- 2Benn man e^ tl^ut, 
toirb ber mißlungene SSerfud^ biefe SBarnung be^ 
ftätigen. @in fold^er in ber ®e\ä)i^te unferer Litera- 
tur benfiuürbiger unb le^rreid^er %tSflQxif( toax e^, 
aU Mop^toä bie ^anb an bie S)i€^tung beS ^ef f ia§ 
legte! Unb \>a^ toax ein toxxtliäfex ^oet, ber für 
fein aOBer! bie günftigftc 3^itftiwimung traf! 

®ani anberS t)erl^ält e^ fid^ mit bem ©oetl^e'fd^en 
gauft. S)er ©toff h)ar in ber SJolflpl^antafie eins 
l^imifd^ unb eingelebt, pgleid^ nod^ ungeftaltet unb 
xd^ , bie erl^abenen 3üge n)o]^l l^ier unb ba {enntlid^, 
aber no(^ im Stol^ftoff begraben, surüdgel^alteU/ 
t)er))uppt. äßer lieiSt l^eutjutage nod^ Alopftoäd 
SKeffia^? SBer liegt ben ©oetl&e'fd^en gauft nid^t? 




8 
IIL 

Jitt tttib ^ufgitBc hex ^xhtäxun^. 

ajlan l^at ben tieffinnigen (5^ara!ter biefer S)i(ä^' 
tung t)on je^ier empfunben nnb unter biefem übet: 
triegenbcn ©inbrud ^iä) baran gett)ö^nt, ben ©oetl^e^ 
fd^cn gaufi »ie ein fd^toereg sproblem, tt)ie bie 
grofee ©pl^inj nnferer Siteratur ju betrad^ten. SEBaS 
bebeutet baS ©ebid^t? SCBaö ifl ber ©iun ober bie 
3bee be§ ©anjen? SBie erflären fi(j^ baraujS bie 
einjelnen 3^9^? SßBie oft finb biefe fragen auf- 
geworfen unb 6rHärungSt)erfud^e gemad^t toorben, 
bie auf bie Söfung jielen! ®i8 muffe eine SBal^r- 
l^eit geben, ju ber fici^ baj8 ©ebid^t \)et^alte, iDie 
bie gabel jur SBloral; im S9efi| biefer SBal^rl^eit 
fönne man erft baiS ©ebid^t toürbigen unb feine 
ge^eimnigboffen S^gc enträtl^feln. 3)al^er lomme 
SlBeS barauf an , bie ©runbibee ju finben unb mit 
il^r ben ©d^lüffel jum SSerftänbnife. 3Ran l^at eine. 
aJlenge ©d^Iüffel probirt. 6^ gibt in biefem Qal^r« 
l^unbert laum ein pl^ilofopl^ifd^e« ©pficm, bai^ nid^t 
ben aSerfud^ gemacht l^ätte, ber J^auptfd^Iüffel ju 
fein. S)aiS SQBerl tt)urbe angefel^en ate ein pl^ilo^ 
fop^ifd^e^ Sel^rgebid^t im bunten ©etoanbe brama^ 



9 



tifd^cr Silber, aU eine 2lrt ©nofi^ in poetifc^er 
gorm. Sie ©rllärung tourbe jur SJeutung, bic 
überatt auf 3been aui^ging unb jeben 3^9 ^Ke- 
gorifd^ nal^m. 

@g ift unglaublid^, ju tt>eld&en SSerirrungen ber 
öermeintlid^e 3;ieffinn fold^er ©rflärer geführt unb 
tt)ie tjiel betfelbe im %a^ beg Sbfurben geleiftet 
J)at ©0 ift }. f6. bie ganje Äerferfccne aU eine 
f^mbolifd^e S)arfienung ber d^riflU^en ©laubenS^ 
lel^re gebeutet werben. SBenn gauft mit bem 
©(i^Ifiifelbunbe unb ber 3la^tlampe !ommt, um 
©retd^en au§ bem Äerfer ju befreien, fo wollte 
einer jener S;iefben!er in bem ©^lüffelbunbe ein 
S^bol falfd^er ©elbftl^ilfe unb in ber Siad^tlampe 
ein ©innbilb feid^ter SSerftanbeöaufflarung entbedt 
l&aben. 6in Slnberer fal^ in bem bämonifd^en 
^unbe ein ©^mbol bei8 SRaturgeifieg unb in bem 
äug ber 3;ifd^Iabe ^ertoorgejauberten SOBein bie rmn^ 
bilblid^e S)arfieIIung ber 5pf[anjenmetamor^)]^ofe. 
®inem ©ritten würbe tlax , bafe bie jed^enben ©tu^ 
beuten in 9(uerbad^g AeQer eine ^inbeutung auf 
bic augfd^weifenbe ^ß^antafie ber jweiten fd^lefifd^en 
S)id^terf(j^ule entl^alteh, unb toa^ bergleid^en ^^or- 
l^eiten mel^r finb, ©oetl^e l^at biefe Deuteleien 




10 



nid^t ungern gefeiten unb fogar in eingelnen %äUen 
iuxäj ttttt)crbietttc^ £ob bcflönfiigt. S)a er mö) 
feinem eigenen 9lnj^brud )}iel in ba0 ®ebi(|t ^.J^ineiti- 
gel^eimnifet" l&atte, fo belufiigte * il^n ber SlnBKdf, 
toie fid^ bie Seute bie Äöpfe borüfier jerbra^en. 
2Ran muffe il^nen bi^toeikn, fagtc ber SDiii^ter mit 
SBejiel^ung auf bie SBalpurgiSnad^t, fo einen Sroden 
l^inttjerfen, tüie ben SBroden! Slm beften auf biefe 
ä(rt ©rflärer pa^t ha& belannte ©oetl^e'f^e .SBort : 
„^m Sluglcgen feib munter, legt il^r'g nid^it aus, 
fo legt il^r'S unter." ^ä) l&abe biefe Stuglegung^- 
att, bie itoax 'oexaltet, bod^ immer nod^ l^ier unb 
ba auftaud^t, nur beBi^alb angefüJ^rt, um il^ren 
©runbf^l^Ier barjut^un. SSBie falfd^ fie ift, jeigen 
bie ^Proben, bie fie liefert. aOBo aber ifi ba^ 3»rr= 
lid^t, bem fie folgt, gleid^Diel auf voel^m 5ßfabe, 
gleid^t)iel mit »eld^em größeren ober geringeren 
Ungefd^id? 

Um ben ©oetl^e'fd^en gauft au^ einer ®runb= 
ibee l^erau^ ju crttären unb SCHe^ Don l^ier auß 
ju beuten, müfete ber ©id^ter eine fold^e 3bee bem 
©anjen ju ®runbe gelegt, er mufete fein SSBerf 
aui einem ©runbgebanfen concij)irt, nad^ einem 
einl^eitlid^en 5ßlane gleid^fam au8 einem ©tüdt 



11 



gebilbet, er tnüfete jur SSeranfd^auIi^ung bicfcr 3bec 
bie ©efd^td^te Dom %au^t entmeber ganj ob^ tDenig- 
fltenS in einer SlRenge Don SH^^ erfunben l^aben. 
5Rur fo fönnte eine ßompofition ju ©tanbe ge« 
lomnten fein^ bie einer aQegorifd^en @r!Iärungdart 
burii^gängig bebiirfte/ nur bann )oäre eine fold^e 
SDletl^obe ber 2)etttujng an il^rem Ort. 9tun finb 
biefe SSoraii^e^itngen fämmtlic^ falf<i^. 3)ie @age 
t)om gduft l^at ijor ben anfangen beö ©oetl^e'fii^en 
©ebid^ti^ eine literarifd^e ©nttoidelung Qd)dbt, bie 
faft jn>ei S^^^^^nberte }&I^It; ©oetl^e l^at biefe 
Sage in i^ren t)erf<ä^iebeaen formen genau gefannt, 
er l^at Don bem Dorgefunbenen Stoff eine 3Kenge 
Sviqß, fßll^ft nebenfä^Iiiä^e, entle|rnt, toeit mel^r atö 
man meinen möd^te, fo lange man bie Sage unb 
beren (Sntmidelung ni(i^t genau fennt. ^ann \)at 
@oetl^e feine S)id^tung teinei^ioegi^ aud einer 3bee 
concipirt, feineötoegg in einem ®uffe DoHenbet; 
ei^ ftnb Dielmel^r fed^jig ^afyxe barü6er vergangen, 
burd^ Diele unb grofee 5ßaufen unterbrod^cn. $Ian 
unb ©runbibee l^aben fid^ toäl^renb biefer Qeit Der- 
änbert^ ba^ @ebid^t l^at fi^ mit bem ^i^tex-ent' 
loiäelt, einzelne S^l^eile^ in bem @ebid^t unmittel^ 
bar Dcrfnü^ft, finb in il^rer ®ntftel^unfl burd^ mit^ 




12 



3eiträume getrennt, il^rem ^^alt naä) me bnrd^ 
eine Äluft gcf(^icben. 

5J)aiS ®ebid^t |>at feine ©inl^eit, fie ift bie 
lebenbigfie, bie gebadet werben fann, fie liegt nid^t 
ba, tt)o man fie getüöl^nlii^ fud^t, in einem unb 
bemfelben ®runbgeban!en, ber aDe X^eile trägt 
unb üerlnilpft, fonbern in ber 5ßerfon unb 
enttoidelungögefd^iiä^te bei^ ©id^terg. S)a5 
iux^ toirb freilid^ ber einl^eitlid^e ©l^arafter ber 
ßomj)ofition beeinträd^tigt unb aufgcl^oben, aber 
ber SBerti^ unb bie »ebeutung beg ©ebid^te^ für 
Seben erl^öl^t, ber bem Seben^gange biefei^ ®i(ä^ter^ 
in feinen toerfdf>iebenen SQBenbungen unb 5ßl^afen 
mit gleid^er Siebe unb gleid^em Qntereffe naiä^gel^t. 
©oetl^e l^at feine ©id^tungen feine Seid^te genannt 
3)ae ©ebid^t toom gauft ift feine üoUftänbigfie 
sßei^te, fein Sebeni^gebid^t in einem Umfange, 
ioie fein anbere^. ©elbfi ba, tt}o biefe^ ©ebid^t 
im Seben ©oetl^e'^ Qal^re lang t)erftummt unb ber 
2)id^ter felbft eg nid^t m,e]^r l^ören tt)ottte, rebet e« 
burd^ fein ©d^toeigen. 3n biefem Sid^te betrad^tet, 
aII»@oetl^e'd Sebenilgebid^t genommen, ift, fottte 
i$ meinen, ber äBertl^ unb bie äSebeutung beiS 
©ebld^teÄ unbeflreitbar in jebem feiner S^l^eile. 



13 



SDIon n)trb bat)on bie ^rage na^ bem äfll^etifd^en 
SBcrt^ ber cinjelncn ^cile »ol^l unterfd^ciben 
bürfen; eg ift ju erttjattcn, bafe bie Urtl^cilc über 
btefen $un!t ungletd^ aitiSfallen, bod^ foQte anä) 
bie äfil^etifd^e Ätiti! il^r le^te« SBort erfi augf»)red^en, 
naiä^bcm fie baÄ ®ebi(ä^t, tüie e8 un« vorliegt, 
burd^brungen unb au^ bem ©nttDidelungggattge be§ 
SJid^ter« erflärt l^at. 

S)er ®efid&f^^)unft ju ber ©rllärung beiS ©oetl^e^ 
f(i(^en gaiift ift bamit gegeben. Um ba§ ©ebid^t 
}u loerftel^en , mug man )}or älllem feine Sntflel^ung 
fennen. ©oetl&e liebte eg tool^l, bie Sntftel^ung 
feiner S)i<i^tungen gel^eim ju Italien unb bie ©puren 
il^re^ Urfprunge^ ben 9lugen bei^ ^ublicumi^ ju 
üerl^üllen, er iPoHte nid^t, ba§ man il^m in bie 
9Ber!ft&tte fal^; barum fanb er jene @F))erimente 
,jur ©rflärung feineiS gaufl fo ergö|lid^, ba fie 
augenfällig genug beriefen, n)ie toenig ben Sr- 
flärern bie ©ntjiel^ung be8 SSJerfeÄ befannt tt)ar; 
fie nal^men e^, afö toäre eg toie mit einem 3RaIe 
aus bem ®eifte beg S)id^teri8 entfprungen, gleid^ 
ber ^allad aus bem Raupte beS 3^^- ®i^ ^tage 
nad^ bem Urfprung unb ber Sntflel^ung eined Ob- 
jecto, gleicbüiel ob baffelbe ein 2Ber! ber 5Ratur 




14 



ober Äunft ift, nennen »ir fritifd^ nnb ben georb= 
neten ©ang bcr Unterführung jnr äuflöfung einer 
foI(|en grage bie fritif(ire SRetl^obe* @ine fold^e 
SRet^pbe toill angetoenbet fein auf ben ©oetl^e'f^en 
gaufi, bamit »ir bie SSebingungcn einf^l^en, aug 
benen ba§ ©ebid^t l^ertoorging, S)ie erfte biefer SSe« 
bingungen ijl ber ©toff, tuorau^ ia& ©ebid^t ent^ 
ftanben; bie jtDeite ift ber @ntn)i(Ie(ungSgang beS 
^iä)tex& in ben toerfc^iebenen ©po^en, njorin bie 
einjelnen Zf)dle beg SBerfeiS eniftel^en unb fid^ au^« 
bilben. @rft bann ift e^ möglid^, eine riiä^tige 
aSorfieHung ju getoinnen bon ber ©ontpofition beg 
®anjen. ®^ finb bemnad^ brei ^au^ptfragen , in 
bie fxä) unfere 3lufga6e jerlegt: 

1) SDSie l^at fid^ t)or ©oetl^e bie ©age üom 
gauft auSgebilbet unb enttoirfelt? SBie ift fie au^ 
ber aSoIföfage übergegangen in bie SSolÖliteratur, 
iDie l^at jie au8 biefer fid^ erl^oben ju einem ©egen* 
ftanb nationaler ©id^tung? 

2) SaSie iji in ©oetl^e ba« ®ebi(]^t t}om gaufi 
entftanben unb tt)ie l^at eiS ft(^ entn>i(lelt? 

3) SBorin befielet bie ©ompoption, fowo^I toa^ 
ben 5pian ober bie 3bee aU bie Sll^eile ber ^iä)* 
tung betrifft? 



j 



15 



3)ie erfte bicfer %xaQcn bcbarf nod^ einer totu 
leren aSefümmung, benn fie trägt eine SSorfrage in 
fid^. S)ie gauftfage ift bur(^' bie SKagu^fage be- 
btngt unb ^at fid^ au^ biefer enttt)idclt; in bem 
®oetl^e'f(^en gaufi l^at fi(^ bie gauftfage üoHenbet, 
in btefer bie äWaguSfage. 3d^ tt)erbe bal^er toon 
ber @d^ilberung ber SRagn^fage meinen 3Beg jn 
ber ©ntfiel^ung ber S^^ftf^fl^ nel^men unb burd^ 
bie 'oolUt^ümli^m gormen, in benen biefe ©age 
fid^ Uterarifd^ enttt)idelt, bi8 ju bem ä^^punfte 
fortfd^reiten, too bid^t ijor ©oetl^e bie ganfifage 
auf ber Jpöl&e unferer nationalen Sßoefte erfd^eint. 
Slud^ in ben ©(^öpfungen ber Äunft gilt baÄ ®efe| 
ber Slbjiammung. ©i^ gibt in bem ©oetl^e'fd^en 
goufl man^e Qü^e vererbter SRatur, bie wn feinen 
^^m l^errül^ren, unb bie Sfteil^e biefer Sll^nen 
ift grofe. 

IV. 

Pte ^agüdfiige. 

1* ^Uert^nm unb WliHtlaUtu 

3n ber ©nttoidfelung ber 3Ragugfage, bie auf bem 
@runbe religiöfer SBeltanfd^auungen rui^t, laffen 




16 



fid^ brei ^auptfortncn unterfd^eiben : bie be« l^cib^ 
nifd^en »Itertl&um«, beS ä)xi\tli6)en aRittcIaltcr«, 
be^ fed^jel^tttctt ^al^rl^unbertiS. 

S)ie rclifliöfc aSergöttcrung bcr SRaturfräfte, toie 
fie baS gcmeinf ante, mannigfaltig tjertl^eiltc unb 
abgeftufte %S)ema bcr 5RaturreIigionen nnb SSößer 
ber Dord^rifilid^cn SBcU bilbct, bcgrfinbet unb er^ 
l^ebt ben ©lauBen an bie aJtagie. ©ötterfrafte 
n?attcn unb l&ertfd^cn in ben ©ebicten ber Statur. 
Söer biefe Äräfte ju erreid^en, mit il^rer Jpilfe ju 
tpirfen termag, bie SfJlittel beftfet, felbfl auf fie ju 
ipirfen, ber l^at etiüaS in fid^ üon ber ©öttermad^t, 
ber ift ein SJ^curg, ein SKagu^, er überragt bie 
anberen ©terblid^en, bie ben ©öttern nur bienen 
fönnen, unb erfd^eint in il^rer SKitte ate ein ©e* 
tüaltiger, ate ein ^errfd^er in ber güHe religiöfer 
©rl^abenl^eit, ein Urbilb l^öd^jler SBei^l^eit, grömmig^ 
feit unb priefterlid[;er SDBürbe. ©o l^at auf ber 
legten Slnl&öl^e beS 3lltertl^umg bie ^eKenifd^e ^l^an- 
tafie jenen 5pi&iIofo:p]^en ber alten Seit gefeiten, 
ben bie ^al^rl^unberte fd^on ge]^eimni6t}off gemad^t 
l^atten, unb auf ben fie am liebften il^re ganje 
aOBeigl^eit jurildgefü^rt l^ätte: pe er^ob ben ^ija^ 
gorag in bie ©lorie beö SDlagui^, einei^ SBunbcr^ 



j 



17 



tl^äterS tm aitnbc mit ben ©öttern. SBicttcid^t 
foBtc bicfe Slu^Bilbung bcr 9RaguSfage in ben ®e« 
ftaltcn eines 5ß^t]&agoraS , eines SlpoHoninS toon 
S;9ana baS Ie|te ©laubenSbelenntnift beS Stltettl^umS 
fein, im Slngefid^t fd^on ber nenen SBeltreligion unb 
beS nenen ©laubenS : ,,Unfi(^tbar toirb ®iner nnr 
im ^immcl, nnb ein J^cilanb tüirb am Äreuj üerel^rt !" 

5)aS ß^riftentl^nm belämpft nnb fiürjt ben 
©ötterglanben. ®S tritt il^m entgegen als ber 
feinblid^en religiöfen SBcltmad^t, als ber üon ®mnb 
ans falfd^en nnb toerfälfd^ten SReligion, in ber eS 
bal^er nid^ts anbereS feigen fann, als ein SBerf 
bmtfler, bämonifd^er SDläd^te. SBer biefem ®lauben 
bient, liegt in ben SSanben bcr ©ämonen; »er in 
biefem ©lanben SQBnnber tl^nt, fielet im Snnbe mit 
ben SJämonen, bie il&m l^elfen. 

Sefet tritt in SRüdtfid^t anf ben 3KagnS nnb bie 
3RagnSfage an bie ©teile beS qbttliä)en ßl^aralterS 
ber biabolifd^e. SRid^t mel^r als göttlid^e SRad^t 
crfd^eint bie SUlagie, fonbern als SlbfaH Don @ott 
unb als Snnb mit bem S36fen. S)ie Siebe jn ®ott 
forbert nnb übt SBeltentfagnng , benn baS SRcid^ 
©otteS ift nid^t t)on biefer SBelt; bie menf(i^lid^e 
©elbfifnd^t forbert nnb begel^rt ben SBeltgennfe. 




18 



SBcr bie ©üter bicfer SBcIt bcgcl^rt, bcr erfd^eint 
fd^on beftridt \>on bcr ©etoalt bcÄ gflrficn biefer 
mit, ton ber SWad^t be« Söfcn. »urd^ ben Sei* 
ftanb biefer 3Kad^t, burd^ bie Äräfte beiJ ©atanS 
fällt il^m leidet unb mü^eloÄ ju, xoa^ er »ilnfd^t 
2)iefe teuflifd^e Äunji ifi bie SKagie. ©ie ifl im 
©piel, toenn uniS bie Seibenfd^aften t)crblettben; fie 
tritt in Äraft, um ins SBerl ju fe|en, toa^ bie 
betl^örte ©elbjifud^t begel^rt ©o fxe gebietet, fielet 
eg ba — ba« SSlenbtoerl ber Seibenfi^aft, ba§ 3^^! 
felbfifüd^tiger unb l^od^mütl^iger SBünfd&e, eS fei 
®^re unb Slnfel^en, ober SReid^tl^um unb ©inneS^ 
luft, ober bie äRad^t l^öl^erer, ben natürlid^en 
SKenfd^enfräften überlegener ©rfenntnife. , 3Kel^r gc^ 
niefeen, befi|en, vermögen, mit einem SEßort me^r 
fein n}oIIen, ate man ifi nad^ bem ber Äreatur 
toerliel^enen 3Ra6, biefeS gefieigerte S)afein nid^t 
et\oa mfil^eDott erfäm^fen, fonbem im ginge er« 
greifen, eben fo fd^nell genießen ^aU pl^antafiren: 
bas ift ber baare, üppige SBBeltgenufe, ben ber 
baare, üppige ^od^mutl^ begel^rt, bad ifi bie 93es 
gierbe, bie fid^ ton ®ott loÄreifet unb bem SIeufel 
bie ©eele ergibt. @ö ifi ein fel^r d^ara!terifiifd^er, 
au8 ben inncrfien 3Kotit)en biefer Sfrt ber Segierbe 



19 



gcfd^öpftcr Sug, ber bcfonbctg in bcr gauftbid^tung 
l&ert>ottritt: bafe bie ^öUengeijier naü^ bcm ®rabe 
il^rcr ®cf<]^ipittbigleit ausgefragt unb ber fd^neDfte 
geiDäl^lt tüirb. 3BBie bie Sw^ögination begel^rt unb 
gebietet, foH eiJ baftel^en, \>cS 3Berf ol^ne Slrbeit, 
baS SBlenbtperl beS ©enuffei^! 

^6) f)Qbe ben btaboUf(]^en ®runb}ug ber d^rifi- 
lid^n aRagui&fage gcfd&ilbert. ^m 83efi|e beS ^ßd^« 
ften fein tooDen, um baS eigene ©elbfi nii^t ju 
übertoinben, fonbern ju fteigem, ju genießen, fid^ 
}u brilfien ate „bie große Äraft": biefe ungemeffene 
©elbfifud^t erfd^eint ate ber innerfie ©eweggrunb 
ber 3Äagie. ©o finb il^re 3öfl« DorgefteHt fd^on in 
iener urd^riftli^en ©age t>ovx ©imon äJtaguS, 
ganj abgefe|en "oon ber bogntatifd^en unb polemi- 
fd^en Seittenbenj, toAd^e biefer ©age intool^nt. 
©elbfi ben ®aUn beS l^eiligen ©eifieiJ gegenüber fragt 
biefer SKaguS: xoa» foften fie? Sie l^eutige SEelt 
nennt baiS nid^t.mel^r iaubexn, fonbern grilnben! 

3u bem biabolif^en ©^aralter ber d^riftlid^en 
SRagui^fage tritt in ber ntittelalterlid^en SSorfteQungi^' 
toeife nod^ ein jtoeiter, nid^t »eniger d^aralteriftifd^er 
3^0* @^ fli^t l^ier aud^ eine göttlid^e, ber ^ird^e 
toerlie^ene 3Hagie, bie im Flamen unb in ber Äraft 




20 



bcg l^eiUgcn ©etfieS geflbt tüirb, bie bcn Xcufcl 
löcrtreiben unb nod^ im legten HRotneut il^nt bic 
Scutc entreiBeti fann. ®ie 5ßforten bcr ^öffe fotten 
fte nid^t iibemältigen ! S)ie ^ir<]^e ift tnäd^tiger 
ald bie ^öSe, bie göttltci^e SRagie geiDaltiger als 
bie biabolifd^e. äßenn ber gottlofe äRagui^ im 
Slugenbltd, too ber SJeufel fd^on nad^ ber ©ecle 
greift, bie $anb nod^ ber flird^e auSjlredEt, fo ifl 
er gerettet. @r l^at mit ^ilfe beiS @atani^ bie 9Belt 
genoffen unb mit §ilfe ber ^eiligen ben Satan 
befeitigt. @o rettet ben %^eopf)ilvi^ bon Slbana, 
ben ©l&rgeij beftridft unb jum SSunbe mit bem 
SCeufel gefül^rt l^atte, bie gfirbitte ber SWutter 
©otted ; f iDirb ber au^ Siebe jum äBeltgenuB t)on 
feinem lird^Ud^en 3(mt abgefallene 3RiRtariuiS ba= 
burd^ gerettet, bafe er ben ©ienfi ber Sölaria nid^t 
ab jufd^tDören toermod^t l^at; SRobert, bem S^eufcl, 
beffen ©eele fd^on t)or ber ®eburt burd^ bie SRutter 
bem Teufel berf daneben toax, l^ilft bid^t bor bem 
®nbe baS fird^Iid^e ©acrament; unb felbjl ben 
S;eufefefo^n 3Rerlin, ben Sauberer ber Slafelrunbe, 
biefen Z)9pu^ ber mittelalterlid^en 9Raguj^fage, fd^tt|t 
bor ber ^ölle bie ©laubeuÄtreue feiner 3Jlutter. 
S)ie 9Ragie beS ürd^lid^en äBerfeiS ifl baiS unfel^Ibare 



21 



©cgenmitlel gegen bie ©mibe ber 3Ragie. 3)ie 
mittelalterlid^e äKagui^fage fiätjt il^re gelben nur 
bann in ben 3lbgrunb, wenn biefe ©egenmac^t aug= 
bleibt SOlerlroürbig genug, bafe fie jtoei 5ßäpfte 
ni^t ju retten getoufet l^at, tt)el^, ber eine toegen 
feiner ©eijiegmad^t unb$errf^fu<i^t, ber anbere megen 
feiner finnlid^eu Seibenfd^aften unb ©enufefud^t, im 
SJerbad^t ftanben, e2 mit bem S;eufel ju balten: 
S^löefler IL unb ^aul IL! 

®ie (^riftlid^e SRagu^fage beö SUlittelalteri^ ift ber 
Slu^bruä i^rer 3cit: fie fpiegelt baöfeinblit^e unb 
{tegreid^e Sen^uj^tfein be^ fird^li^en ©laubeni^ gegen^ 
über bem Jpeibentl^um, fie Derfnüpft mit bem biaboli^ 
fd^en S^arafter ber äRagu^fage ben {ird^lid^en. 

@ine l^öd^ft eigentl^ümlic^e , ben Sl^arafterjügen 
unb ©runbftimmungen ber 3^it angeipafete Um^ 
n)anbelung erfäl^rt bie äßagui^fage in bem ^affx^ 
l^unbert, ba§ bie beiben äßeltalter ber mittleren 
unb neueren ßßit f<^eibet. SDlit ber SBiebergeburt 
beS ß^rifient^um^ , ber Sieformation, ftel&t bie 
SBiebergeburt beS Slltertl^umg, bie 9tenaiffance, 
in einem »eltgefd^id^tlid^en Suffti^ntenl^ang, fte brid^t 




22 



bie 33al^n üom SUlittcIaltcr jur neuen 3^it/ ^^i^ 
©ante ju Sut^cr. 35ott biefcn 3Kä(i^ten ber ^eit 
fxnben toir bic SUlaguafage beö fed^jel^ntcn Sal^r^ 
l^unbertd burd^brungen : t)on ber altd^rifUid^en ©runb^ 
anfd^auung , üon bem g^i^'&^wufetfein ber SHeforma* 
tion ^ "oon einem t}erj[ün9ten ©lauben an bie ^ol^eit 
ber 9Kagie, bie mit bem SSlltertl^nm toieber auf* 
gelebt »ar. a)ie 3Ragugfage biefe^ ^eitalteti ift 
gleid^fam geftimmt auf biefen ©reiflang be^ alt^ 
(i^tifUid^en SJoKöglauben^^ ber lird^Ud^en 9teforma« 
tion, ber SRenaijfance. 

S(uiS ber d^riftli($en ©runbanfd^auung bel^&lt 
fie ben biabolifd^en S^aralter: bie SRagie gilt aU 
. l^öHifi^e Äunfl unb ftel&t im Sunb mit bem ©atan. 
©oiüeit bleibt bie alte fj^ffi^ttfl i« Äraft $ier aber 
greift mit einer burd& bai^ religiöfe S^it^emufetfein 
geforberten SÖenbung ber 5ßrotefianti«muö unb ber 
il^m angel^örige SSoffSglaube umbilbenb ein in bie 
@e{laltung ber SRagu^fage. aide 3Jtagie erfd^eint 
aU biabolifd^, bie tDunbertl^dtige SRad^t ber äBerfe 
erfd^eint ate aRagie. (£« mfifete, fo empfinbet jene 
3eit, mit unred^ten ©ingen, b. 1^. mit bem S^eufel 
jugel^en, toenn burd^ irgenb ein äufeereiS SGBerf bie 
göttlid^e @nabe lönnte angejogen unb mirffam ge« 



23 




ma(i)t tDerben. S)er ©laube an bie tixäß^e SJlagie 
gilt je|t ate iDiberd^rifilid^. 3Bie ber proteftanttfd^e 
SBoMöflIaufie jener S^it i"i ^^Pft ^^^ Stntid^rifl 
fal^ unb im ^ßajjfttl^um ba§ bämonifd^ t)erfälf<i^te 
ßl^riflentl^unt, fo ftimmt bie SoIfiSfage ba$ ^l^ema 
ber SRagie feinblid^ unb fatprifcfi gegen bie Äird^e, 
@ie lägt ben gottlofen SJlagu^ aud^ txxä)li(i)e^ 
3aubertt}efen treiben, im SSatican ©einei^gleid^en 
finben, ben 3;eufel aU aWönd^ erfd^einen unb, aU 
ob fie biefe fat^rifd^en ßfige in einen Gffect fam« 
mein mottte, ben äRaguS im @ett)anbe beS ^apfted 
t)or bem ©ultan in ßonflantinoi)el ben 5ßropl^eten 
Wtaf)omtt fpielen. SBBaS aber bie ^auptfad^e ift, 
fo änbert jid^ l^ier ber ipoetifd^e (S^arafter ber ©age 
t)on ®runb au?. ®ie SRagie lird^Iid^er SBerle gilt 
nid^t mel^r atö Heilmittel gegen bie ©ünbe ber 
SRagie, fonbern erfd^eint mit biefer auf gleid^em 
gug unb felbft atö l^eilloiS. @iS gibt fein magifd^ed 
@egengift mel^r^ feine rettenbe @d^u^mad^t, bie 
nod^ im legten äRoment }n)ifd^en ben @ünber unb 
ben ©alan treten fönnte. SBer fid^ ber aJlagie 
unb bem Teufel ergeben, ifl rettungslos ber JqöIIc 
erfaHen unb n)irb nad^ abgelaufener grifi unfel^l^ 
r t)om 2^eufel gel^olt. ^ier ift bie S)ifferenj ber 




24 

mittelalterlichen unb proteftantiid^en 3)^a8Ui^fage. 
S)ort l^eigt ed: @ube gut^ SlEeSgut! ^ierbagegen 
gibt e§ fein anbetet, als ba§ tragifd^e unb 
granenüoHe @nbe in ber greif barften, für bic Säolte^ 
pl^antafie* populärften gorm. @o tjctbinbet bie 
üRagudfage beS fed^jel^nten Söl^tl^unbertS mit bem 
biaboUf(i^en S^arafter ben tragif(j^en nnb ifl ba? 
burd^ angelegt, ber ©toff eineg erfd^ütternben 
^olföbramai^ 3U tperben. 

3u biefen beiben Qüien fommt ein britter,. 
]ä)Dn in ben ©runbbebingungen entl^alten, unter 
benen baS fe(^}el^nte i^^^l^tl^unbert feinen Sauf an^^ 
tritt. 3Rit bem älltertl^um mar aud^ ber ®laube 
beS 9(Itertl^umiS, bie Sieligion nnb ^l^ilofopl^ie ber 
gried^ifd^en SBelt mieber lebenbig getporben. @iS toax 
eine »irHid^e SBiebergeburt. Qene lefcte ^ßj^ilofopl^en* 
f d^ule ber ©ried^en, bie nod^ einmal gegen bai^ Sl^riften^ 
tl^um gerüftet unb alle ©ötter ber gefammten l^eibni- 
fd^en SBelt gleid^fam mobil gemad^t unb toie eine 
älrmee in 9lei]^' unb ©lieb gefieUt ^atte, aU gelte t& 
mit ber 3J{enge }u fiegen: bie platonifd^e ällabemie 
))on 3ltl^en toar untergegangen burd^ bai^ 9){ad^tn7ort 
QuftinianS. 3Jad^ neun Qal^rl&unberten fielet fte 
tt)ieber auf unter bem großen SRebiceer in ber pla^ 



n 



25 






'S 



tonif d^cn Slfabcinie üon glorenj ! 2Bo bie alte ^ 

ipi&ilofopl^ie geenbet l^atte, ba itiinnen bic erftcn 
Segungctt bcr neuen. 3^ ber SBorfteHung , bajs bie 
mit ein Sluäflufe ber ©ott^eit fei, bafe bie fjfiae 
göttlici^er Ätäfte in abgejinfter Dtbnung t)on ben 
^immlifd^en ©pl^ärcn l&erabfteige in bie irbifd^en . 1 

unb in geläuterten SRenfd^enfeelen tt}ieber juriidE^ 
feiere in bie überirbifiä^en 3lei(^e, in biefer religiös 
gemeinten 2Beltt)ergötterung l^atte bie gried^ifd^e 
^^ilofopl^ie il^r lefete^S SBort gefprod^en unb fid^ ab- 
geiDenbet loon bem 6l^riftentl&um unb ber d^riftlid^ . ;^ 

geworbenen SBelt. Sie tt)ar tt)ie bie Sraut i)on 
Äorintl^ gefd^ieben: „SBBenn ber gunfe fprü^t, toenn 
bie Slfd^e glül^t, eilen mir ben alten ©öttem ju!" 
3n bcrfelben ©eftalt, in ber bie alte $l^iIofop^ie 
ins @rab geftiegen tuar, regt fid^ nad^ einem faft 
taufenbiäl^rigen Sd^Iaf ber erfle S)rang nad!> einer 
neuen äBelt^ unb SRaturerf enntnife , ber Ueberbrufe i^ 

an ber unfrud^tbaren unb ijerlebten ©d^olaftif. 3toä) . -^ 

manche ^puppengeflalt wirb abgeftreift, nod^ mand^e >| 

^iiHe buri^brod^en toerben muffen, beüor bie SBiffen- ; \ 

fc^aft in ber gereiften gorm voirüid^er gorfd&ung u 

aU Sid^t tritt. ^ 1 

3)ic aSorftellung, bafe in ber 9Jatur baS ©e- 







26 



l^cintnife bcr ©ottl^cit verborgen fei, nennen tt)ir 
%\)eo\o^\)k. $ier erfd^eint bie 5Ratur nid^t ate 
©egenflanb einer metl&obifd^ einintid^tenben Unter- 
fud^ung, fonbem afö ein SR^fierium, für toeld^e« 
ba^ äBort ber Söfnng gefud^t toixt>, aU ein ben 
irbifd^en ©innen t)erfd^loffeneiS S3ud^, beffen 3^^^^ 
ju üerftel^en ein Sd^Wiffel erforberlid^ ift^ fo ge- 
]^eimni6t)oa aU ba« »nd^ felbfl. ©al^er bürfiet 
biefe ©enlart nad^ einer rätl^fellöfenben ©eJ^eim^ 
lel^re, nnb e^ gibt in ber SRenaiffance einen Wlos 
ntent/tt)o bie iübifd^sfabbalifiifd^en ©üd^er, bie 
an^ götllid^en Offenbarungen ber Urjeit jene Söfung 
empfangen l^aben njoffen, ju $ilfe gerufen unb 
gläubig ergriffen tt)erben t)on bem italienifd^en ^la- 
tonitex 5ßico t)on' ÜRiranboIa unb bem beutf(^en 
^umaniften ^ol^ann 9leud^Iin. 

Smmer mäd^tiger tt)irb ber tl&eofopl&ifd^e ©inn 
angelodft toon bem Silbe ber SRatur, immer be= 
gieriger t)erliert er fid^ in bereu SSetrad^tung, er* 
tt}artung«\}ott fpäl^enb, tt)o er il^r ba« große ©el&eim- 
nife ablaufd^en, bie verborgenen ©ötterfräftc entl^fillen 
lönne. SBenn er fie entbüfft unb fid^ bienflbar 
mad^t, fo ift er ein SDleifler über bie ©eifler, ein 
aWaguÄ. an biefe SWagie glaubt ba« ^eitaltex: 



27 



^ie .@eiftemett ift nic^t ))erfd^(of[en : 
^ein Sinn ift §u, bein $er§ ift tobt! 
3luf! babe, Sd^üler, unt)erbrof[en 
Sic itb*f(^c fflruft im 2Rorgcnrot^! 

S)icfe8 Sffiort be« ©octl&e'fd^en gauft l^at in ber 
gm^finbunflSttJclfc beS fcd^jel^nten Qa^rl^unbert^ gc= 
Ie6t 9[ud^ bie SBeltanfd^auung, bie il^m }u @runbe 
liegt unb t}on bet SRenaiffance l^erfam, lägt fid^ 
nid^t bcffcr unb )?l^antafict}oIIcr auöbrurf cn , aU mit 
bcn SBorten unfere« gaufl, tüic er in einem jener 
mago^fabbalifiifd^en S3üd^er ba^ 3^i^^^ ^^^ SQBcIt- 
aaiS etblidt: 

3Bie Me^ ftc^ }um ©anjen xoebt, 
(Sin^ in bem 3lnbem »irft unb lebt! 
©ie ^immeUfräfte aufs unb nicbcrftcigen 
Unb ftcb bie golbenen @imer reid^en, 
Tili fegenbuftenben ©c^toingen • 
iBom $immel burd^ bie 6rbe bringen, 
^amtonifcb aU! baiS M, burd^Hingen! 
mW ©dbaufpiel! 

auf bem SBBege üon ber S^l^eofopl^ie jur SRatur^ 
pl^ilofopl^ie unb SRaturerfenntnife liegt, ate eine jener 
3eit entf^jred^enbe SnttoidlungÄf orm , bie ÜRagie, 
fte finbet il^ren ÜRann in einem ber betoegtefien 




•1 



28 



unb a&enteuerli^ften (S.f)axattexe , an betten baS 
fed^}e^te ^^^^^i^nbert fo reid^ tuar: Sgrippa "oon 
^etUSfyeim. 9U($tung unb 9lufgabe biefer Wtaqie 
ftnb cinlcud^tenb, fo pl^antafiifiä^ fie finb. Sic toill 
in§ innere ber 9latur fc^auen, üerl^üHte Ärafte 
ent^üUen, bie ^üDe burd^bred^eu, bie ipemntungen 
entfernen, feinblid^e ©influffe angfd^eiben. 2)iefe^ 
3iel ju erreid^en, rnng fie felbfi $anb and äßet! 
legen, fie ntug mit ben AOtpem operiren in ber 
3l6fid^t, toie bie 5Ratnr, Äörj)er jn erjengen: fie 
n}irb jnr magifd^^en ©d^eibelnnft, jur magifd^en 
^eilfunft. 3l^r 3Beg ifl fd^ön ber SSerfud^, nnr 
nid^t ber ntetl^obifd^e, il^r Qiü bie @rfinbnng, nnr 
nid^t bie georbnete. ©ie finnt nod^ immer auf jtDei 
©rofetl^aten: @olb mad^en unb Seben, ben Stein 
ber aSeifen finben unb bie $anacee. S)iefe aWagie, 
bie fid^ fclbft bie 5ßrobe ftettte, bie nid^t ju befleißen 
tüar, fal^ baS 3^itölter üerförpert t)or pd^ in bem 
SBunberarjt 5ßaracelfng! 

^nbejfen barf iä) anä) bad tiefere Qid 
nid^t nnbemerlt laffen, bem biefe magifd^e aEBelt« 
anfd^auung }nftrebt. 3ft göttlid^ei^ &then gegen« 
tpärtig unb mirifam in ben natürlid^en S)ingen, 
fo fann ed nirgenbiS unmittelbarer erfaßt unb 



29 



crfii^aut »erben, ate in ber Sliefe unfereS eigenen 
Snneren. 3lnr mn^ anS) l^ier bie ^üffe burd^== 
brod&en toetben, bie ben flöttlid^cn Sebengfunfen in 
uns umgibt unb ))erbunlelt; aud^ l^ier ift eine 
©d^eibelunft notJ^toenbig, bie ba« geinblid^e unb 
grembe abfonbert, bie Hemmungen entfernt unb 
bad @oIb ber @eele reinigt t>on ben ©einladen ber 
Segierben unb Seibenf d^aften , bie uni^ in bie melt- 
lid^en S)inge t)er{lri({en unb mad^en, ba| tpir uns, 
tDie ein tiefftnniget 9Rann jener 3^t gefagt l^at, 
in bie @reatur t)ergaffen. @S gibt fär bie tl^eo^ 
fo^)l^if(i^e Slnfd^auung einen SBeg, ber unmittelbar 
iu ©Ott filiert; er gel^t burd^ \>a& menf(|lid^e jperj, 
er forbert bie SBertiefung in uniJ felbjl, bie flille 
@infel^r in unfer S^nerftei^, bie SS&tDenbung ))on 
ben SBegierben, bie lautere, befd^auli($e, tieffinnige 
grömmigfeit, »oburd^ »ir njerben, toa^ von im 
tiefflen Urfprung unfere« SBefen» finb. ®ag ift 
ber äßeg nid^t ber SRagie, fonbem ber äßpftit 
SBeibe pnb gormen ber Sll^eofo^l^ie, bie ben SQBeg 
2U @ott fud^t burd^ bai^ SRpflerium ber Singe J^in- 
burd^: bie 9Ragie nimmt il^ren 9Beg burd^ bie öugere 
9latur, bie äJtpftil ben übrigen burd^ bie innere; jene 
mfid^te bie JpilHe ber ©innentoelt burd^bred^en, biefe 




30 



butd^brid^t bie @elbflfud^t bei^ ntenfd^tid^en ^ei^enS 
unb entJ^itHt in ber göttlid^en Siebe ba^ ©el^eimnig 
: aQer ©el^eimniff e. S)en erften 9Beg ging ^aracelfud^ 
; ben jttjeiten 3[acob SSöl^m in ben ©^?uren beiS ^Paracet 
fuÄ. SJBenn bie 9lat«r fid^ im Snnerjien beö aRenfdj^en 
t)oIIenbet, fo ifi ber Wtaqit ein SJtieb eingeboren, ber 
in ber aRpflif fein ^id unb feine Söfung finbet. 

3)iefe SWagie unb biefe aRpftif toerl^alten fid^ tt)ie 
2lnfang unb ®nbe beg ®oetl&e'fci&en gauft. S)er 
. äJlagu^ im älnfang beiS ©ebid^tS fielet entjüdt bor 
bem $ilbe t>e& fBeltaU: „me SlOeS ftd^ }um ©am 
jen loebt, ®ing in bem 2lnbern toirft unb lebt, 
tt) e l (|>' ©(^aufpiel ! " Unb ungebulbig f äl^rt er fort : 
„aber ad^! ein ©d^aufpiel nur! SBo fajf' \6) 
bid^, unenblid^e Siatur?" S)er mpftifd^e . ©I^or am 
@nbe bed ©ebid^ti^ im baa älätl^fel: er fd^aut in 
ber göttUd^en Siebe ba8 entl^Ötttc SK^fterium, finn- 
bilblid^ bargefteUt in ber mater gloriosa, n}ie fte 
einft ber lird^Iid^en SW^ftif beiS SKittelalterg in ber 
f5ran}iÄlancr^)oefte öorgefd^ioebt : 

^Qe^ ä^erg&nglid^e ift nur ein ©(eic^ni^, 
3)a§ Unjulanglid^e, ^ier tpirb*^ ©reigni^, 
!Da^ Unbefd^reibtid^e , l^ier ift*S get^an, 
^0^ elüig SBeiblid^e jtebt unS binan. 



31 



@^ gibt eine greise fail^olifd^e 3)i(i^tiing au^ bem 
fiebjel^ntcn Söi^rl^iutibert, bic man oft mit unferem 
gaufi t)crgU(^en l^at, in bet bie SJRagic burc^ bie 
SK^fiif bcfiegt unb in ben Slmmpl^ ber Slcligion 
üertoanbclt n>irb : ©albetong »unbertl^ätiget 3Kagug. 

5Ro^ ift ein Quq übrig, ben bie SRagni^fage 
beg fed^jel&nten S^^^^wnbertÄ ausprägen mufete, ber 
mit il^rem Urfprung au« ber SRenaiffance in einem 
genauen S^fammenl^ang fielet unb ben $l^antafte= 
bebiirfniffen be^ 3^itfttterg ent^pxi^t 8QBa0 fonnte 
biefer t)on bem (Seifie ber SRenaiffance fo mäd^tig 
erregten 3^it/ "^^^^ äwgen ®ra8mn8 unb 9leu(]^Iin 
l^iefeen, toillfommener, Mnfd^eni^lüertl^er, pl^antafie^ 
gemäßer fein, aU bie ©ejialten be^ tt)ieberauf gelebt 
ten SUtertl&umg gleid^fam leibl^aftig ju fd^auen? 
S)ie 3Ragie bei8 fed^jel^nten ^a^xf)ur(text& im S3unbe 
mit ber SRenaijfance erffittt biefen SEBunfd^, fo »iH 
e^ bie Sage, fic ruft bem $abei^ ju: „tl^ue bid^ 
auf!'' unb läßt bie ©d^atten ber gried^ifd^en SBelt 
emporfieigen unter bie Sebenben, @o befd^toört 
gauft t)or Äarl V. bie ©efialten beiS grofeen Sllefan- 
ber unb ber Sftojane, er läßt feinen ©tubenten in 
Erfurt bie gelben ber $^lxa^ unb Db^ffee ^erfön« 
lid^ erfd^einen, unb juleftt — bie geloaltigfie feiner 




32 



Xfjaten — iaubcrt fein Wla^ttooxt bie gricd^ifd^c 
Helena auf bie Obemelt. ®ie3Ragic bcr@(i^öns 
J^eit beficflt ben SKagug. Jpingeriffen "oon bem Sn- 
blid ber fd^önftcn grau ber SBelt , ton Seibenfd^aft 
unb Siebe fibertpältigt, termäl^lt er fi(| mit bem 
©chatten ber griecä^ifd^en $elbenfrau. 3Kan fann 
ben ganjen El^arafter ber SSoIföfage auiB ber 2trt 
unb SBeife erfennen, tpie fie biefe SSerbinbung bei 
gauft unb ber ^elena barfteHt. ®iefe ®etoalt über 
baS S;obtenrei(^, biefen S3efi| be« fc^önften SBeibeS, 
biefe SSermäl^Iung mit ber ipeibin em^)finbet bie 
aSoIflfage atö ba« größte SBer! aller SUlagie, ate 
ben l^öd^ften aller ©enüjfe, aU ben gottlofejlen aller 
%xeoet ^aä) ber Helena fomlnt bie ^ötte. JDie 
SSermäl^lung mit ber Jgelena bilbet in bem ©oetl^e^ 
fd^en gauft baiS ©runbtl^ema be« jtoeiten S;i^eileg, 
bejf en ©ontpofition i)on l^ier au^ . gefeiten unb beur- 
tl^eilt fein toiß. 3ta6) ber Stimmung feine« geit- 
alter«, ba« »on SQBindelmann erleud^tet »ar unb 
t?on Seffing l^erf am, vermöge feiner eigenen ©nt- 
toidfelung, bie fi(| frlll^ bem Stltertl^um t)ertt)anbt 
fül^Ite, na(^ einer auf bem SSoben be« Slltertl^um« 
felbft erlebten SEBiebergeburt, mußte ©oetl^e ben gug 
be« 3Ragu« pr Jgelena ganj anber» em^jfinben unb 



33 



^eriDertJ^en , aU bie t)on bcr Sienaiffance bemegtc, 
aber nod^ fird^lid^ benommene iBoIföfage. @r fal^ 
bie SSctmäl^Iiinfl beg gawft mit ber l^cHenifd^en ^eU 
benfrau, bie Siebe be8 üRagu^ jur gried^ifd^en ©d^ön^ 
^eit nid^t l^art t)or bemälbgrunb ber ^üUe, fonbern 
auf bem ^ßöl^enwege ber Sanierung. 

3* ^rttttbsüge. 

3d^ fajfe bie ©runbjüge ber aHaguSfage beö 
[ed^jel^nten 3<i]^r]^unbertö^ bie fid^ gleid^f am in bie 
gaufifage ergiefet, jufammen. ©ie vereinigt jtoei 
eindnber toiberfireitenbe 3^9^ • P^ i)erbammt bie 
3Ragie rettungiSlod in ben Slbgrunb ber $5IIe unb 
erl^ebt fie jugleid^ auf ben ©ipfel menfdS>Ud^er ®ei- 
fteölraft unb menfd^lid^en ©trebeni^. S)er erfte gug 
ftammt aui^ ber SBiebergeburt beiS Sl^rifientl^umJS, 
bem (^riftUd^ :proteftantifd^en SSoIföglauben , ber 
jtDeite au0 ber SQBiebergeburt beiS SKtertl^umö, ber 
Sflenaijfance, bie, loie fein jtoeite« geitalter ber 
äBelt, bie äßad^t beS Snbitibumd, bie ©etoalt be^ 
menfc^lid^en ßönneni^, bie ptx^ünlxö)e äßagie 
beö 3Renfd^en erlebt, befeffen, betounbert l^at. 

S)ie ajlagie gilt ate ber untoiberruflid^e Slbfatt 
t)on ©Ott unb jugleid^ - als bie l^öd^fte @rl^ebung bed 




34 



3Kcnfd^en. S)ie beibenSögc öerciniflen fid^ in einer 
aSorftellung : ber gottlofe 3Kafln8 erfd^eint in feiner 
Srl^ebnng toiber®ott toie ein^itan, »ie ein jloei* 
ter ^ßrometl^eu^. 3)a]^er finb es brei ßl^arafterjüge, 
bie uns in ber SRagnSfage be« ^e^ief)nten Sal^r- 
l^unbertö entgegentreten: ber b ia boUfd^e, ber au§ 
bem aWittelalter forttt)irft, ber tragif(^e, mit bem 
ber 5proteftantii8mug (grnft mad^t, ber titanifiä^e, 
ber ans ber SlenaifiTance ftammt 

@iS gibt eine 9Ba]^It)ern7anbtfd^aft and^ jtpifd^en 
3eitaltern. Qener beutfd^e ©titrm unb ©rang, ber 
fid^ in ben 3lnfängen beg feiä^jel^nten Qal^rl^unbertS 
erl^ob, ein ©eifleÄftnrm ber getoaltigften Slrt, übt 
eine untoiKlürlid^e Slnjiel^nngi^fraft auf bie beutfd^e 
©turm:^ unb ©rangjeit, bie am ®nbe beiS i[)origen 
Sal^rl^unbertiS unfere Siteratur ergriff unb empor- 
trug auf bie ^ö^e ber SBelt. „Äraft, Äraft" 
l^iefe bie Sofung jener Slage. SP ^^ ^^ SBunbcr, 
bafe in bem gröfeten ®enie jener ©pod^e, bai^ biefe 
ffiraft toirßid^ befafe, »ie lemS^txtex, bafe in ber 
jpi^antafie Ooetl^e'« bie beutfd^en Äraftgefialten au« 
bem atnbrud^ ber neuen 3eit ftd^ toieber erl^eben 
unb tjerjängen: ber Sftitter be« SSauernfrieg«, ber 
3JtagujS ber SSolfSfage? SlliS ein tt)a]^It)ertt)anbte« 



35 



Objcct trifft bic gaufifagc baS poetifd^e »cbürfnife 
uttb Äraftflcfül&I gerobe bicfe^ S)i(ä^ter8 unb be:= 
m^iaxt fid^ l^ier unter ben ©nttDilrfen, bie feine 
^ßl^antape erfüBen, mit ber ©efd^iii^te beg ©öfe t)on 
»erlid^ingen unb bem SBlptl^u« be8 ^rometl^eu« : 

$icr fi^* i(j^, forme SMenfd&en 

SRad^ meinem Silbe, 

(Sin ®efd^le(i^t, ba§ mir glei* fei! 




Btoettes CaptteL 

Die I aufifa^t. 

I. 

UntDiDfürlid^ f)dben ftd^ in bie üorl^ergel^enbe 
©d^ilberung fd^on tnand^crlci Seftanbtl^eile bc8 gauft= 
m^tl^u^ eingemifd^t^ in tpeld^em leiteten aQerl^anb 
gfifle bcr Saubcrfage aus il^rcr S^^ftteuung gcfam- 
mclt unb ju einem Silbe öerbid^tet »utben, baS 
itd^ ber ^l^antafte unfereS SSolfeS tief unb forttpir- 
lenb einprägte. $ier f)at fid^ bie äRaguiSfage er^ 
fd&ö^)ft; bie ©efd^id^te t)om gauft ifl beten iüngfte, 
öolfötl^ümlid^fie, gültigpe gorm, fie l^at unter 
mannigfad^en ©ejialten, nad^ 3^it wnb Ort üer^ 
fd^ieben, bie SSölfer Suropa'g burd^tpanbert, ben 
3eitaltem fid^ angepaßt unb ifl au3 ben Untbilbun- 
gen ber te|teren l^erüorgegangen in ü^rer mobernen 
§orm aU bad Sl^ema ber gemaltigften beutfd^en 



37 



S)id^tuttg. SBir tnüffen ben ©ntoidElimg^gang bicfer 
©age üon il^rcm Urfpningc bid ju ©oetl^c ticrfot 
gen, um ju feigen, woraus bcr ©octl^e'fd^c gauft 
cntjianbcn ijl. ®ic natütlid^c ^olgc toerlangt, bafe 
tt)ir gattfi jucrft als gefd^id^tlid^c 5ßcrfon, bann ate 
m^tl^ifiä^e ober ate ©agengebilbe, enblid^ ate (Segens 
fianb ber tooKstl^ümlid^en Siteratur unb ©id^tung 
ins Singe faffen. Qd^ »erbe bie ^aniptjüge l^ertjop 
lieben, immer im ^inblid auf baS 3icl. 

3)en äluSgangSpunft bilbet bie gef(]^i($tli(^e 
$erfon. ©d^on aus ber ©eltung ber SWagie im 
fed^jel^nten Sal^rl^unbert , »o fie bie SloHe einer 
verbreiteten, in ©d^iioung unb Slufnal^me gefomme^ 
neu 2;ageSrid^tung fpielt, ift ju »ermutigen, bafe 
ber Jpelb ber toolfstl^ümlid^ften ÜJlaguSfage, bie baS 
3eitalter |^ert)orbrad^te , toirllid^ gelebt l^at. Slben- 
teucrli(^, toom SReuerungSbrange ber S^it fiürmifi^ 
bett)egt, auf ber SBilbbal^n fd^ioeifenb, toie bie $iRagie 
felbft, finb bie E^araftere, in benen fie auftritt; 
ber Originallopf mifd^t fid^ l^ier mit bem ©J^arla« 
tan , baS ©enie mit bem ©aufler, ^an gefällt fid^ 
in bem SSeifatt unb ber ©etounberung ber leidet 
gläubigen, t)on bem Sinbrud magifd^er Sl^aten unb 
aSerfpred^ungen fd^neU gefeffelten, gern jum ©taunen 




38 



bereiten Wlenqe, ballet bie t^agabonbe Seben^art 
toeld^e biefe mobemen SRagier fiU^ren^ bon Sanb 
}ufianb^ t>onfEiittffS^au^iu3&xxiffSf)ava] fo fd^af^ 
fett fie fid^ citte toolfötl^ümlid^e gama unb tragen 
il^r perfönK(^eg Slnfel^en toeit nnb breit nnter bie 
Seute. S)ie bunte Sleil^e fold^er abentenerliiä^en 6^a^ 
raftere reiiä^t üon ben ipöl^en ber geitbilbung bis 
l^erab unter ba^ ©etriebe ber fal^renben ©d^olaflen 
unb ©außer. Siele gelten im Slnbenlen be^ SoII^ 
unbemerft unb namenlog i}r)rüber; 6iner, ber bie 
3üge ber üolfi^tl^fimli^en 3Ragie in feiner $erfon 
t)ereinigt unb ejemplarifd^ barfiellt, l^interläfet einen 
mäd^tigen unb forttoirlenben ©inbrud, an feine 
<2}}uren l^eftet fi(ä^ mit ber 2;rabition bie SJoIföfage : 
eg ifl feine gefd^id^tlid^ benftoürbige $ßerf on , bie im 
SIngefid&t ber SBiffenfd^aft fortlebt, tüie ^Qxippa unb 
5ßaracelfug, aber an Originalität ein biefen äl^n- 
lid^er 3Hann, nod^ abenteuerlid^er in feiner Sebengs 
art, einl^eimifd^er in ben unteren SSolföJreifen, bo« 
rum üolfgtl^ümlii^er unb populärer, ein SUiann, in 
bem ber Driginattopf unb ber aRarftf(]^reier, bie 
erl^abenen unb niebrigen güge ber geitgemfifeen aJlagie 
jufammentrafen in einbrudgüoHfter SEBeife* 

tiefer ©ine ift ^ol^ann gauft au« Äunb-- 



39 



lingen (ftnittlingcn) , einem Drte in ber M^e t}on 
ärctten,- ber ©eburtsftabt ^elanö)t^oni , beffen 
SanbÄmann unb Seitgcnoffe er mar, Sluf ©runb 
einer SReil^e gefd^id^tlid^er S^wflwiif^/ 1^^^^^ Slufjä^s 
lung nnb fritifd^e SSergleid^ung id^ l^ier unterlaffe, 
ifl bie ©fiftenj biefe« SRanncg, ben bie SSoIföfage 
iu il^rem gelben gemad^t l^at^ nid^t }u be}to)eifeln. 
@r l^at in ber erften ^älfte beg fed^jel^nten ^dS)X: 
l^nnbertg gelebt, bei feinem Sugenbfreunbe 3oi&<iiiii 
©ntenfufe, bem ftlofterabtc üon SRanIbronn, in ben 
Salären 1516 — 1525 fid^ eine 3^itlang aufgel^alten, 
tt)o nod^ l^eute bie gauftfnd^e nnb ber gaufttl^nrm 
an i^n erinnern; in ben folgenben Qal^ren t)on 
1525 — 1532 erfd^eint er in SBittenberg, tt)o il^n 
3Reland^t]^on ))erfönlid^ gefannt unb öfter megen 
feiner biabolifd^en Sänfte ernftlid^ üermal^nt l^at. 
jpier l^abe er jtd^ einem SSerl^aftöbefeble beö fiur- 
fürpen Sol^ann burd^ bie glud^t entgegen unb enb^ 
lid^ bai^ abenteuerlid^fte Seben , in bem er bie SBelt 
tt)eit unb breit burd^ftreift, auf bie abenteuerlid^fte 
SBeife in einem toilrttembergifd^en S)örfd^en geenbet, 
tt)o il&n ber Sl^eufel um aWitternad^t gel^olt unb er 
be8 anberen 3Korgen^ mit umgebrel^tem Jpalfe ge- 
funben Sorben, ©r foK in SSenebig ju fliegen 




40 



gefuci^t unb in SBiltenberg ^ä) gerühmt ^aien, bic 
©iegc bcr faif erliefen $ccre in Qtalien feien bag 
aöerf feiner niagifd^en Äünfte gcmefen; ber S;enfel 
l^abe il^n fteW in ©eftalt eine^ ^unbeö begleitet. 

S)ie iDid^tigjien S^i^Ö^iffß tiü)xen mittelbar t)on 
bem Sieforntator felbft l^er bnrd^ jtDei feiner Schüler, 
bie auö bem 2Runbe SReland^t^onS er jäl^len : Sol^ann 
9Kennel anS Slnöbad^ nnb Slnguftin Serii^eimer au^ 
Steinfeiben, ber im Qal^re 1585 fein „ßl^riftlid} 
SSebenfen unb ©rinnernng öor gauberei" l^eranS= 
gab, tüorin er beS gaufl in SBittenberg unb ber 
Tarnungen 3KeIand^tl^ong gebenft. 

Um aRi6t)erftänbniffe ju üerl^üten, fei bemerft, 
bafe Sodann ganft , ber^elb ber 3RaguSfage, »eber 
bem 3flamen nod^ ber Sad^e nad^ ®ttt)a^ gemein l^at 
mit Qol^ann guft , bem SBuii^bruder üon SKainj / mit 
bem il^n eine toeit fpätere ©id^tung ol&ne jeben ge^^ 
fd^id^tlid^en Slnlafe ibentipcirt l^at. ^u6) ifi er iDol^l 
faum biefelbe $erfon mit einem gemiffen ©eorgiuS 
©abellicng, ber Rd^ ben jüngeren gaufl nannte unb 
in Briefen auö bem anfange be^ fed^jel^nten ^al^r^ 
l^unbertg ertDäl^nt »irb; id^ laffe bal&ingeflellt , ob 
3o]^ann gaufi auö ©immern, ber im gal^ire 1509 
in ben Slcten ber llnit)erfität ^eibelberg afö Sacca- 



41 



laurcui^ aufgcfül^rt tPirb, ibentifti^ ift mit betn 
unfrigcn. 

3luS ber gefd^i(^tli(^en ^ßcrfon be^ So^^tin gauft 
entfielet in bcr jttjeiten ^älfte bciS fcd^jel^nten ^a^x- 
l^unbertö ein ©agengcbilbc, baö gegen ®nbe biefe§ 
3ßitalterg Ktcrarifd^ ftfirt wirb. Wlan überträgt 
auf ben gatoriten ber SSoIföfage eine SRenge anber« 
tt)ärtg jerftreilter Süge unb erweitert fo bie gefd^idit- 
Ii(i^e gigur jnr m^tl^ifd^en. 3Rit befonberer SSorliebe 

w 

ergel^t ftd^ bie ^olliSfage in ber (Srjä^Iitng t)on aQer^ 
l^anb 3öuberiiüden belnjiigenber nnb burleöler SKrt, 
bie in baS ©ebiet ber Qaubex^o^e gel^ören; naä) 
biefem ®t^6)mad n)irb aud^ bie ^aufifage auSge- 
ftattet unb toermel^rt, unb e& läßt fic^ gerabe an 
fold^en 3ügen roafyxnt^men, n)ie baS @agengebilbe 
n)ä(i^£t. @tatt toieler Säeifpiele gebe i^ eines ^ baS 
unfer Qntereffe näl^er berül^rt. 

p3n feiner eben ertoäl^nten ©d^rift erjä^ilt Serd^^ 
eimer, bafe bei einem geftmal^I am $ofe ju Reibet 
berg ein fal^renber^ übrigen^ ungenannter MaQU& 
ein merfmärbigeS äSunbermerf k)errid^tet : er l^abe 
aus ber Sifd^platte äBeinftöde t)oDer Strauben tt)ad^:: 
f en laff en unb jebem ber ®dfte gel&eifeen , fein SRef^ 
fer an ben ©tengel einer J£raube ju legen, aber 




42 



nid^t el^er ju fd^neibcn, aU er e« fagc; barauf fei 
er fortgegangen, «nb bei feiner Siüdfel^r l^abe jebcr 
©aft nod^ fein SUleffer gel^alten, aber unter bemfel= 
im nid^t mel^r bie Straube, fonbern bie eigene 
5Rafe. ©in Qal^r fpäter toirb biefelbe ©efd^id^te öon 
gaufl erjä^lt, ol^ne angäbe beg Drte^. S)ann 
iDirb fie t)ergrö6ert. ©ie fpielt je^t nid^t in Reibet 
berg, fonbern in ©rfurt, bei einem ©ajimal^I be§ 
©tabtjunf er^ ; bie ©äfte bebauern, bafe Sauft, ber 
auf Sfteifen in toeiter gerne ift unb jtd^ eben in 
5)Srag auf l^ält , nid^t in il^rer 3Ritte fei ; plö|lid^ er« 
f(^eint er, im 3ttwberfluge jurädfgef el^rt , unb toirb 
toon allen ©eiten auf baö freubigfte begrübt unb 
tjortrefflid^ ben)irtl^et; jule^t tüitt er aud^ feinerfeiti^ 
@ttüa§ jum Seften geben, er »erftel^t burd^ 3^^== 
berei SBein ol^ne Strauben p mad^en, eine Äunft, 
tooju man l^eutjutage gar {eine äJlagie brandet; eS 
»erben SiJd^er in bie Slifd^platte gebol^rt, unb bar^ 
au§, al8 ob eiS gäffer ttJären, läfet er bie ebetflen 
SBeine fliefeen. @o »erttoanbeln fid^ unter ben Jpäns 
ben biefe^ SUlagu» bie Slifd^e in SSeinfäffer; e« 
bauert nid^t lange^ fo »erben unter il&m bie SBein- 
f äffer lebenbig, toa^ in unferen Siagen nur nod^ bie 
2;ifd^e fertig gebrad^t l^aben. ©d^on in einem ber 



43 



älteftcn SSoIfebüd^er toirb aufeer biefer eben crtoä^ntcn 
©efd^id^tc nod^ crjäl^It, tote gauft ein SSßcinfafe, ba^ 
niemanb »on bcr ©teile bewegen lann, a\x6 bem 
ÄeHer l^erauSreitet ; bie ®a(S)e fpielt in Seipjig unb lo- 
califtrt fi($ tnXuerba^i^ Heller, too ftd^ baiS93tIb 
biefeg gaferitte^ mit ber ^ai)xe^a^l 1525 nod& l^eute 
befinbet unb lüo eg ©oetl^e als ©tubent fal^. 3n 
bag Sal^r 1525 fe|t balb barai^f ein fpätercö SSolI«^ 
bud^ baS erfle öffentliche Stuftreten unfereS SRagui^. 
Wie biefe Suge, voelä^e bie Sage an tjcrfd^iebene Orte, 
^eibclberg, Erfurt, Seipjig, üertl^eilt unb in ber ^ßer- 
fon bei^ gauft gefamntelt \)at, fafet ©oetl^e in einer 
©cene feines ®ebi(!^ts, bem S^i^^^Q^ ber ©tubenten 
in SKuerbad^S Äetter, jufammen, nur bafe eS ni^t 
gauft, f onbcrn SBlepl^iftopl^eleS ifl, ber bie S^uberpcffe 
auffül^rt. SSBie bei bem ©aftmal^I in ©rfurt flicken 
bie SBeine auS ber 3;ifd^[abe, toie bei bem @aftmal^l 
in ipeibelberg feigen bie Sprinter Sieben unb Strauben 
toor fid^ unb tüerben auf biefclbe 2lrt als bort ent= 
jaubert. SBenn nun einige ©rflärer beS ®oetl^e'f(^en 
§auji bie 2luerbad^fcenc tiefftnnig unb aüegorifd^ 
l^abcn beuten lüoHen, fo fürd^te id^, bafe eS biefen 
®rHärern mit ben Qbeen gel^t, toie bort ben ®äften 
mit ben Strauben: fie finb an ber SRafe geffil^rt! 




44 

n. 

35ie litcrarifd^e ©nttoidlung bcr gauftfage bc* 
ginnt mit ben SSolfSbüd^crn , gehaltet \i^ jur bra« 
matifd^en SSoIf^bid^tnng unb erliefet fid^ jule^t anf 
bte ^öl^e unferer nationalen ^oefie. äBenn iä) f)itt 
,,t}oIföt]^üniIid^" nnb ,,national" nnterfd^eibc, fo gilt 
bie erfte äSejeic^nnng im befd^ränlten, bie jtpeite 
im umfaffenbcn ©innc bcS SQBortg , jene betrifft bie 
nieberen, biefe aUe »irifamen Silbung^lreifc be« 
aJolfei^, Unter ben bentfd^en SSoltebüd^ern , „wn 
bem tDcltberül^mten ®rjjanberer S^l&ann ganft/' 
bie fid^ t7om @nbe beiS fed^jel^nten biiS in bie erflen 
©ccennien beg ad^tjel^nten Sal^rl^nnbert« erfireden 
unb fämmtlid^ ben gelben ber SSolföfage ate »ar^ 
nenbeiS S3eifpiel mit bem Slccent iprotefiantifd^er 
äted^tgläubigfeit bel^anbeln, finb jn^ei ^auptformen 
ju nnterfd^eiben: balS ältefte^ ed^t tolf^t^ümlic^e 
^anftbud^ t)on einem ungenannten SSerfaffer unb 
bie bidEleibigen, geleiert auSfiaffirten Quartanten, 
bie fid^ eine „toal^rl^aftige ^ifiorie" nennen, üon 
®. 91. SGBibman; bag erfte SBerf erfd^eint ingranl= 
fürt a. SK. 1587, baiS anbere jtüölf ^al^re fpäter 






45 



in Hamburg. ®em granffurter tjciuftbud^ folgen 
unmittelbar (in ben S^i^ren 1587 — 1592), aufeer 
einer gereimten Bearbeitung, eine Sleil^e anberer 
Ätti^gaben, bie fi<i^ buri^ aOBeglaffungen unb 3^* 
traten unterfiä^eiben unb in Ueberf efeungen fe^^r balb 
nac^ ©nglanb, g^anfreid^, ^oHanb unb ©äncmarf 
verbreiten, ^m S^^re 1593 erf(]^eint aU jn)eiter 
a:]^eil ber ©efd^id^te Dom gauft ba^ fßolUbvai) t}on 
feinem gamulu» ©l^riftopl^ SBagner, ber fd^on 
im älteften gaufibud^ feine SHoEe fpielt. SBibmanö 
breite §ifiorie mit il^ren geleierten ©rinnerungen, 
ßitaten unb ^ßlattl^eiten toax naä) bem ©efd^mad 
beg fiebjelj^nten Sal^rl^unbertS unb erful^r l^ier burd^ 
ben SRürnberger SKrjt 5Pfi^er eine neue SBear^ 
beitung. 3n biefer ©eftalt, bie ein Sfal^r^unbert 
älter ift, ate ©oetl^e'^ erfte gauftbid^tung (1674), 
emipfing bie gauftfage ba§ ad^tjel^nte Sal^rl^unbert, 
für beffen bcfferen ©efd^mad eine iniS Äurjje ge^ 
fafete S)arfteEung nötl^ig tourbe. S)iefe gab ein 
ungenannter SSerfaffer, ber fid^ auf bem Sitel aU 
„ün d^rijilide SKeinenber" bejeid^nete. S)ie ©d^rift 
be« ^^d^rijttid^ 3Reinenben" ifi bie Sal^rmarft^auSs 
gäbe geworben, bie ©oetl^e aU ^inb la§. 

S)a« gran!furter ^olUHö) ijl ber ©tammtater 




46 



ber gauftütcratur. 3lux au^ il^m lonnte eine S)i(j^= 
tung l^erüorgel^en,. bie mit bramatifd^er Äraft bic 
gorm ber ©rjäl^Iung jerbrad^ unb bie tragifd^e Sin« 
läge be« Stoffe^ ju freier unb mäi^tiger SEBirfung 
entfaltete. SlUe 3^9^/ i^i^ i^ ^w ber SDlagui^fage 
beS fcd^jel^nten Qal^rl^unbertg gefd^ilbert l^abe, finb 
in biefer S)arfiettung ber g^nfifage untoerfennbar 
ausgeprägt : ber biabolifd^e unb tragifd^e ßl^arafter^ 
bie granbiofen Q&Qe unb bie burleSfen. Qn biefem 
3Soßgbud^, iji fd^on baS Slol^material jum ©oetl^e« 
fd^en gaufl enthalten, unb id^ begreife nid^t, toie 
man an bem Silbe beffelben ben erl^abenen 3lu^ 
brudE i}ermiffen lonntc. 

®er ^elb unferer ©age ift ein SBauernfol^n aus 
SRoba bei SBeimar. 2luf ben SCBunfd^ feiner from* 
mm Eltern fommt er ju einem reid^en unb finber« 
lofen SSertoanbten nad^ SBittenberg, um ein ©otteS^ 
geleierter ju toerben, ,,benn er ^atte/ toie ia& 
SSolföbud^ fagt, „einen ganj gelernigen unb ge^: 
fd^toinben Äopf, jum jhibiren qualipcirt unb geneigt." 
6r überragt atte feine ©enoffen unb mirb balb 
3Äagifter unb SJoctor ber Sll^eologie. Slber bie 
©otteSgelel^rfamleit bef riebigt il^n nid^t, er trad^tet 
nad^ ©rlenntni^ ber tjerborgenen ®inge unb üer^ 



47 



tieft fid^ in magifd^e 93üd^cr. „S)ie l^eiliflc ©d^rift 
legte er weit leintet bie Sll^ür wnb unter bie Sanf, 
benn er l^atte einen unfinnigen unb l^offärtigen 
Äopf , unb man nannte il^n aUejeit ben ©pecuUrer/' 
%ai unb SRad^t grübelt er in magifd^cn -©d^riften, 
er ttJoHte ni(^t mel^r Sll^eologe l^eifeen, fonbern 
nannte fid^ ®octor ber . SKebicin unb loarb ein 
3SßeItmenf(^, ein Slflrologuö unb 3Ratl^ema= 
ticuS. ®r liebte, toa^ nid^t ju lieben toar, unb 
tra^tete barnad^ 3;ag unb Sflad^t. 9laiü, tt3ie ber 
Slbfd^eu toor ber SRagie in bem frommgefinnten 
aSoKgbud^ , ift feine SSetounberung tor bem ©eifieg- 
brange , ber in bief em ber l^eiligen ©d^rif t untreu ge^ 
»orbenen Jünglinge l^crrfd^t ,,®r nai&m Stbler^- 
flilgel an fi(^ unb toollte alle ©rünbe im 
ipimmel unb auf 6rben erforfd^en." Stegt 
pd^ in biefen SBorten nid^t fd^on ber erfte aRonolog 
bes ©oetl^e'fd^en gaufi? ; 

©eiJ 3laä)t^ in einem bid^ten SJBalbe bei SBitten- 
berg am ftreujtoege toerfud^t er bie Äunfl ber 
3;eufetebefd^tDörung , xod^t . bie gel^eimnifetJoHen 
aWld^er i^n geleiert l^aben. f,S^tt^i K^fe ber 2;eufel 
fid^ an, aU ob er nid^t gern an bie Sieil^e tarne/' 
bann folgen mannigfad^e biabolifd^e ©ebilbe fd^redt- 




48 



l^after ««b blcnbeitbcr Slrt, bi« enblici^ ber S^cufel 
fclbft aU grauer 3Könd^ erfd^eint unb bcm gai^P 
eine Swföw^w^ß'i^wnft für naSf^e SKittcrnad^t toer^ 
fprid^t; e« ift ni^t Sucifer, ber ^errfd^cr ber Unter- 
lüett, fonbern ein bienenber ^ößengeifl, SRantenS 
aWepl^oflo^l^ileg (SUlepl^ifiopl^ele« bei ©oetl^e), mit 
bem t)on je|t an gauji toerfel^rt, Unterrebungen 
pflegt unb jule^t einen Sunb fcä^liefet. ®r forbert 
Äraft unb ®eftalt eineg ©eifteS, ©rfüEung aller 
SJBünfd^e unb ba§ ber S;eufel il^m fiet« gegenwärtig, 
aber nur il^m attein pd^tbar fei; bagegen »erlangt 
ber S;eufel SlbfaH ton ®ott, ^afe be« d^rijilid^en' 
©laubens, unb bafe xf)m naä) abgelaufener grift 
gauftiS ©eele gel^öre. S)ie grift fott bierunbjtoanjig 
Saläre betragen, bann ifi ber ©d^ein üerf aßen, ben 
gauft mit feinem 33lut unterf^reibt. SSergeben^ 
tt)arnt Hl^n bag eigene Slut, ba^ in bie S^i^c^i 
jufammenfßefet: homo fuge! 

3n biefem 5ßact erblidt bie Sage gauft^ tra- 
gifd^e, untilgbare @d^ulb. S)a^ alte ^olUinä) em- 
^)finbet biefelbe in il^rer ganjen biabolifd^en ©röfee. 
„gauft," fo lauten feine SDBorte, „toar in feinem 
©tolj unb Jpod^mutl^ fo t)ertt3egen, bafe er feiner 
©eelen ©cligleit nid^t beben!en tooHte; er meinte. 



I 



49 



Der 2;cufel toärc nid^t fo fd^tüarj, alg man i^n 
malt, unb bie ^ölle nid^t fo f)ei^, aU man fie 
fii^ilbcrt/' SSon bcm SKomcnt bcr SSerfd^reibung 
l^ciBt c§: „3n bicfcr ©tunbc fällt bicfcr gottlofc 
SDlann toon ®ott ab, biefcr äbfaB ift nid^t^ Sttn^ 
bcrcg, als fein ftoljer ^od^mutl^, S8erjtt)eiflung, 
aScrwcgung unb SBcrmeffcnl^cit; eS voax il^m tüie 
bctt Sliefcn, baton bic 5ßocten bid^tcn, 
bag fie bie Säerge }ufammentragen unb 
»iber ©Ott friegcn wollten, ja tt)ie bem 
böfcn @ngel, ber fid^ toiber ®ott fefete. 
aSBer l^od^ fteigen loitt, ber fäHt auä) f)oä) l^erab!" 

$ier ift in bem älteflen SSoIföbuc^ f(^on bie 
SSerglei(^ung unfereS SUlagug mit ben Slitanen. 
3^n treibt ber ©rfenntnifebrang. „3<ä& tt)itt bie 
©lemente f^eculiren!" fagt biefer ^auft; „ba id) 
bie Äraft baju »eber r>on ©Ott nod^ toon 3Renfd^en 
erlangen lann, fo l^abe id^ mid^ bem ^öttengeift 
ergeben, ber foB e^ mir berid^ten unb lel&ren!" 

SSBäl^renb ber erften ad^t Qal^re bleibt gauft 
in feinem ^aufe ju Wittenberg, gro^entl^eite mit 
gorfd^en unb fragen befd^äftigt, bie il^m ^ep^u 
flopl^leS beanttoortet. 6r toirb ein berühmter 
afirolog, SBettetpropl^et unb SBal^rfager. @g fommen 




50 



aud^ älugenblide ber ©etDiffendregung^ aber fte eu 
liegen unter ben SBIenbtt?er!en beiS ©enuffe^ unb ber 
@irenenmuft(^ bie ber Teufel il^m borjaubert. @tnen 
fold^en äRoment fd^ilbert bai^ fßolUinä) unb burd^^^ 
fd^aut mit menfd^enlunbigem S^iefblid bie 3Irt ber 
©etoiffenötäufd^unfl , bie fld^ gauji toorfpieflelt: ,^er 
badete nid^ti^ anber^^ aU er küäre im Fimmel ^ ba 
er bod^ beim Teufel tt)ar; fold^ei^ iDäl^rte eine Qauit 
@tunbe^ fo ba^ f^auft fid^ üornal^m^ eiSl^abe 
il^n no(^ niemals gereut/^ 9lud^ in bem alten 
'^oUSbuä) l^ören mir ben ©irenengefang, ben ©oetl^e 
bie ©eifier ber SSerfud^ung anftimmen läfet: 

Sd^totnbet; i^x bunfeln 
SBoIbungen broben! 
Steijenber fd^aue 
e^reunblid^ ber blaue 
^et^er hierein! 

9la(^bem bie ©enfiffe biefei^ biabolifd^en @till< 
lebeni^ erfd^öpft finb^ beginnt bie groge äBeltfal^rt 
burd^ ^bUe, Fimmel unb @rbe, t)on bem SBoIfö« 
bud^ gefd^ilbert^ toit ein bunteiS burle£{ei$ $ano« 
rama. @S fel^It auf ber irbifd^en ^al^rt nid^t an 
^benttutxn unb Saubertoerlen. 3m Säatican ju 
9tom, im @erail }u Sonjlantinopel f^ielen gauß 



51 



unb äJlepl^iftopl^elei^ bie ttn^ fd;on bekannte 3io\Le, 
tDie fte ber anti)}apiftifd^ gefinnten äJlagu^fage bed 
fed^jcl^nten Sct^tl^uttbcrti^ gepcl. SKm J^ofc Äarr^ V. 
ju 3nnd'^ni(f 6efd^tt)6rt gauft auf ben SBun[<i^ bei^ 
Aaifetd bie ©d^atten S(le;anber be^ (Stoßen unb 
feiner ©emal^lin SRojane; bei einem ©tubenteus 
ban!ett in SBittenberg läjjt er auf bie 93itte eine^ 
feiner ®ä|ie bie grieii^ifd^e ^elena erf (feinen, 
beren tounberbare ©d^ßnl^eit afle bejaubert unb ben 
üRagug felbji fo getoaltig ergreift, ba^ er ben 2ln- 
bliö nid^t t)ergcffen unb miffen fann. ©ein Ie|ter 
unb l^ßd^fter SSBunfd^ ifi ber SBefife biefer grau. ®ie 
SSemiäl^Iung mit ber Helena, beren Oefialt il^m 
^fP^iftopl^eleS borjaubert, fäQt in ba^ t)orIe|te 
Sal^r, im legten gebiert fie il^m einen ©ol^n Suftu^ 
gauftug, bie greube be^ SSater», 3Kit gauft*^ ®nbe 
terfd^iDinben äRutter unb ^inb. 

SSon bem S)urfle nad^ SBelterfenntni^ finft gauji 
immer tiefer in ben S^aumel beiS äBeltgenuffe^, 
immer enger fd^Iiegen ftd^ um if)n bie S3anbe beS 
S^fete, immer fd^njäd^er tt)irb ,,ber SHeft öon finb? 
lid^em ©efill^l," ba« fid^ ju ®ott jurii(ftDenbet. 
Ütad^bem fed^jel^n O^^te abgelaufen finb, fud^t il^n 
fein SRad^bar in SBittenberg, ein frommer Slrjt, ju 




52 



belehren unb ermedt in i^m eine nad^benflid^e 
©timmung, aber "Sft&pffx^o^p^eU^ feffclt il^n üon 
9lcuem bur(]^ eine jlDeite SSlutterfd^reibung. S)a^ 
Ie|te ^a^x neigt ft(]^ }u ®nbe. 3^ n&l^er biefei^ 
tüdt, um fo gtöfeer toitb bie SIobeÄangft; mit fid^ 
aQein, ber ©enäffe fatt^ bereut gaufl feine Sd^ulb 
unb bejammert fein ©d^idffal. ©einer Seute fidler, 
t)erf))ottet il(in äRef^l^ifto^pl^eled. @iS fei nid^t gut, 
mit bem SIeufel Äirfd^en effen! 3n ber näd^flen 
äJlittemad^tdftunbe ifi ber Q^tin üerfaDen. S)en 
legten Sag t)erlebt ^aufi mit feinen ^reunben im 
S)orfe 9limmli(^ bei SBittenberg, m jid^ unter bem 
Stoben ber Elemente fein @nbe auf fd^redKid^e älrt 
erffiHt. 

lieber 9Bibman'iS 99earbeitung ber f^auftfage faffe 
id^ mid^ !ur}. S)ie großartigen SüQt aul bem 
granifurter gauftbud^ finb toertoifd^t, unb bie l^ifio* 
rifd^cn, bie ben ©d^ein ber ©rünblic^fcit l^aben 
möd^ten, fmb toott ber gröbfien d^ronologifd^en Un^ 
gereimtl^eiten unb gel&ler, S)aÄ Seben unfere» SDlagug, 
ben äBibman aU einen Sauemfol^n au& ®al)tt)ebel 
bejeid^net, fott in ben Stxttäum ^on 1504 — 1545 
faOen. 3^ 3^^^^^ ^^^1 f daließt er baiS aud^ l^ier 
auf toierunbjnjanjigiäl^rige 5Dauer geficllte Sflnbnife 



53 



mit bcm SIcuf el ; mit f cd^jcl^n Qal^rcn lommt gauft 
auf bte llnit^etfttät^ mit ad^tjel^n tpirb er S)octot 
ber Sl^cologic, mit itoanjifl S)octor ber SKcbicin, 
alfo ein ^af)x, ttad^bem er fi$ bem Teufel t)er^ 
fii^ricbett, toirb er 3)octor ber Geologie: ein eigen- 
t]^ämli($er äCnfang ber biabolifd^en (Sarri^re! @in 
3a]^r, nad^bem er ©octor ber 5IKebicin getoorben, 
beginnt er bie SBeltfal^rt, b. i, im Saläre 1525, 
bie Sal^regjal^I beg gaferitteiJ in Slnerbac^^ ÄeHer! 
3lud^ ®oetl^e läjst mit ber äluerbad^fcene bie äßelt- 
fal^rt beginnen, t)iellei(^t naä) biefer SßJibman'fd^en 
angäbe. ®er Äaifer, bem ber Sßibman'fd^e gaufl 
baS macebonifd^e jtönigdpaar erfd^einen lägt, ifi nid^t 
Statt V., fonbern beffen @roi5t)ater SKafimilian I., 
ber bereite fed^S Saljire tobt ttjar, al8 gauft nad^ 
ber S^l^ronologie unfere^ ^iftorileri^ feine äSeltfal^rt 
antritt; er l^ätte bal^er erfi ben römifd^en ßaifer 
auÄ ber Untertoelt Idolen muffen, bet)or er ben 
maoebonifd^en A6nig bemül^te. 9Rit befonberem 
©fer l^at SBibman in feiner gauflgefd^id^te bie prote^ 
fiantif(^e SWoral nnb beren ^}olemifd^e Slbfid^t aufs 
getragen. @r I£^t feinen gelben ton ber @d^ule 
in SEBittenberg erft auf bie Uniberptät Sngolfiabt 
gelten unb bann naä) äBittenberg jurildEfel^ren, offen« 




54 



bar iDeil il^m für bag gottlofe ©tubium ber aSagie 
eittc Uttberfität üon auggeprägt römifd^^fatl^oUfd&em 
ßl^araftcr gcbeil^Iid^er crfd^icn, ate bic lutl^erifd^e. 
6r fagt c§ mit bürren aBorten: „äte aber toa§ 
alte papifiifd^e aSefen no(]^ im ®ange tpdr «nb man 
t)iel ©egenfpred^en «nb anbcreg abergläubifd^eg 
aBefcn unb Abgötterei trieb, MieUe ©old^eiJ bem 
gauft überaus fel^r." S^beffen l^inbert biefer Um- 
fianb ben SBibman'fd^en ganfi nid^t, bie grfidS^te 
feiner magifd^en ©tubten in äBittenberg jn ernten. 
$ier befd^tt)ört er ben 3;eufel, erfl im SBalbe, bann 
in feinem ^immex. 3)ie Slrt, toie nnfere @rjäl^= 
Inng biefe le|tere S^enfeföerfd^einung gefd^cl^en läßt, 
l^at toietteid^t ©oetl^e bei ber gleid^en ©cene t)orge= 
fd&irebt. „gauft/' fo berid^tet SBibman, .^pel&t 
einen ©d^atten bei feinem Ofen i^ergel&en , unb bünf t 
il^m bod^ , eg fei ein 9Renf d^ ; balb fielet er ©old^e« 
in anberer SGBeife, nimmt alfo ein SBnd^ l^ert)or, 
befd^tt)ört il^n, er foH fid^ red^t feigen laffen. 3)a 
ift ber ©d^atten l^inter ben Ofen gegangen unb l^at 
ben Äopf afö ein 3Kenfd^ l^ertoorgefiredEt , fid^ fid^t= 
barlid^ feigen laffen unb ol^ne Unterlaß gebüdft unb 
9let)eren} gemad^t." 

3n bem granifurter Solföbud^ fd^ließt gauft 



55 



bcn $act mit bcnt S^eufel an^ bcm ©rang tyid^ 
ßricnntnife. SSci SÖBibman l^ciBt eö: „tx begehrte, 
feine SBoBufl unb fein SRütl^d^en affigier ju füllen, 
er badete, xoxe na^ bent 9(udfprud^ jenei^ Fatl^O' 
lifd^en gürfien auf bem SÄeid^i^tage in 3lug§burg 
bie Sutl&cr'fd^en gefinnt feien: ,„;$imniel l^in, 
^immel l^er ! id^ nel^me mir bag 3Keinige , mit bem 
id^ mid^ erluftige /iinb laffe ^immel ^immel fein!"" 
UntoiDfürlid^ erinnern biefe Sßorte an ben Slu^^ 
fprud^ beg ©oetl^e'fd^en gauft: 

^aS S)tüben !ann ntid^ tuenig fümmern; 
SdfeWgft bu crft biefc äBctt ju Krümmern, 
Sie anbre mag batnad^ entfielen. 

^oä) finb aud^ in bem SBibman'fd^en gauft bie 
3üge einer mäd^tigen unb geifte^ftarlen SRatur no(| 
immer erlennbar, eö tt)irb toon il^mgefagt: ertoar 
ein groBeg, l^errlid^eS Sngenium." ®a§ 3Bibman 
t}on ber ^elena 3lid^tg übrig behält ate „ein er« 
fd^redtlid^eg 3Ronftrum" unb bie SSerbinbung beg 
gauft mit ber ^eibnifd^en ^elbenfrau „au« l^od^- 
bebenflid^en d^riftlid^en Urfad^en" gar nid^t erjäl^len 
tt}itt7 tt)irb man bei feiner ©eifteSart natürlid^ 
finben. liefen tt3id^tigen, in ber Sage unerläfe^ 
lid^en gug l^at ^ßfi^er in feiner S3earbeitung be§ 




56 



SGßibman'fd^en ^nä^^ toicbcr j^crgefiettt, er i)at einen 
anbeten, fel^r bemerfenetoertl^en 3^8 i>amit tjer- 
bunben, ber, fo t)iel iö) ]t^e, l^ier jum erften 3RaI 
auftritt: ganjl'iJ Siebe ju einem einfad^en, brauen 
SSürgermäbd^en, ber Xoäfttt eineiS Ärämerö in 
SBittenberg, bie er jur @l^e begel&rt, aber auf« 
gegeben l^abe^ n)ie SDtepl^iftopl^ele^ il^m bie ^elena 
jugefül^rt. 

HL 
Päd ^otftdfi^aitftiiet. 

1. a^adotti^iS 2:ragdbie* 

S)ie Sage toom gauft, tt)ie fie bag granlfurter 
^oUdbud^ bietet, cntl^ält einen fold^en 9leid^tl^um 
bemegtefler ^anblung unb tragif($er Wtoüot, ba^ 
fie uniDiDIörlid^ baju treibt, ben Snl^alt ber ©r^ 
jäl^lung in ein S3oIföf^auf)}ieI ju t)enDanbeln. Unter 
ben gleid^geitigen Snl^nen ift ju biefer poetifd^en 
Xf)at nur eine f filzig unb berufen: bie englifd^e in 
ber ©pod^e, au^ ber ©l^alef^}eare l^eröorgel^t. $ier 
merben bie 'oott&t^ümlic!^ n)ir!famften Stoffe gefud^t, 
bie @ntfe|en erregenben finb bie n}ir!fam{len. @o 
entfielet bie fogenannte englifd^e ©d^auertragöbie. 



57 



beten ]^ert)orra0enber 3)id^ter Sl^rifiopl^üRarlott) 
' ifi, Äein ©toff fann ber Sflatur biefer ©id^tung ge^ 
mäfeer fein, atö bie bentfd^e Sage öom gaufl; ber Slb^ 
fall 'oon ©Ott, ber SSunb mit bem ©atan, bie aben^ 
teucrlid^c SBeltfal^rt, bie Slngfi toor bem @nbe, baS 
grauenvolle @nbe f elbft : toeld^er 9iei(|tl^um ^parmen- 
ber unb erfd^fitternber SUlotiüe ! ®aÄ beutfd^e SSolf ^^ 
in^ lommt toie gerufen, ©d^on im Saläre 1590 
erfd^eint ei^ in englifd^er ©prad^e, unmittelbar barauf 
folgt SKarloto'g S;ragöbie „S)octor gauflu«". 

®Iei(^ in ber erflen ©cene, bie ber ^rolog 
burd^ feine @r}al^Iung einffil^rt, erfd^eint ^aufi am 
©tubirtifd^e, unter aSiid^ern, tjott unbefriebigten 
aöÖiffenSburjieg , aller ® elel^rf amieit fatt, entfd^loffen, 
fid^ ber 9Ragie )u ergeben. 3Bad innerl^alb ber 
fefien 5ßoIe fid^ betoege, fei bem 2Reifler biefer flunft 
untertl^an, Könige l^errfd^en über Sänber, ber äßaguiS 
über bie Sßelt „®in großer 3Ragud ifl ein l^alber 
©Ott, l^ier ftrebt ber ©eift, bie ©ottl^eit gu er« 
reid^en." ®er gute unb böfe @ngel toerben um 
^auft'd ©eele, er mäl^It ben böfen, ber il^m bie 
iperrfd^aft über bie Elemente berfprid^t. SRit feinen 
))ertrauten ^reunben, bie in bie ©el^eimniffe ber 
fd^ttjar Jen Äunfi f d^on eingeioeil^t finb , feiert er j[e|t 




} 



58 



burd^ ein SDlal^I feinen Eintritt in bie SJlagie, ©ein 
etfteg aSerl ift bie Sefii^ttJöninfl be» SeufeK, mep^u 
flopl^eleS erfd^eint in biaboUfd^et ©efialt, gauft 
ipiO, bag er ato ^ranjiScanermönc^ !omme, bad 
l^eilige Slnfel^en jlel^e il^m beffer. ®en $act, ben 
er mit xf)m fd^Iiefet, foH ßucifer, ber ^err be« 
^öttenreid^g, beflätigen. 3« tnitternäd^tiger ©tnnbe 
nnb fd^toermiltl^iger Stimmung extoaxttt gaufl bie 
3iüälef)t beiS äRepl^iftopl^eled. SBieberum werben 
um il&n bie beiben ®ngel, tt)ieberum fiegt ber böfe. 
„®ott liebt mi(5 nid^t/' ruftgauft, ,,mein ©ottifl 
mein aSBille, ber begel^rt, toa^ nur SJeeljebub geben 
lann." Slud^ bie blutigen 3^^^^^ ^homo fuge!'' 
f d^redEen il^n nid^t. „-^ä) tt)erbe nid^t fliel^en ! " 3Witten 
unter ben S3lenbtt)erfen, bie ber S^eufel, toit in beut 
beutfd^en 3Solf§bu(^, feinen ©innen borjaubert, über^ 
fäQt il^n bie 9teue, bie ber böfe @ngel fd^neU üer^ 
fd^eud^t, aber ein ©efpräd^ mit SUlepl^iflopl^eleS über 
ben verlorenen ^immel erfc^üttert fein fd^on erregtet 
©etoiffen fo gewaltig, bafe er ie|t auf bie ©timme 
bed guten ©eifteiS l^ört unb baiS Erbarmen Sl^rifli 
aufteilt; ba erfd^einen bie dürften ber $öffe felbjl 
unb bieten aQe teuflifd^en 3Jl&d^te unb Sodfungen auf, 
il^n ju beftridten, unb er ftürjt in'5 SSerberben. 



• 59 



5flad^bi5m er bie ^öDe im SCraumbilbe gefd^aut 
unb auf einem ^xaä)mvoaQm ben ^immel bur(ä^= 
flogen, beginnt er bie irbifd^e SSßeltfal^rt, \)on ber 
baS ffirama ben SKufentl^alt am $ofe beö 5ßai)fle§, 
bcg fiaiferS unb be8 JperjogS t)on Slnl^alt barfteDt. 
®er ,gJapft ifl ^abrian, ber Äaifer ifi fiarl V.: 
ber Ärieg jtt)ifd^en Beiben, ber faiferlid^e ®egen^}apft 
S3runo, ber in ^abrian'iS ©efangenfd^aft gerätl^ nnb 
burd^ gauft unb aJlepl^ifiopl^eleg , bie aU Earbinäle 
auftreten, befreit tt)irb: ba^ aHe^ flnb $lRarlott)'^ 
gefd^id^tglofe unb gefd^i(]^tgtt)ibrige gictionen. 

3li^t^ fann für bie 5P^antafie biefeö ©id^terl^ 
n)iniommener fein, ategaufi'g lefete @d^i(f fale , bie 
SBirfung fpannt unb fleigert fid^ 'oon SUloment ju 
SKoment. ©(j^on erfüllt ben 3Ragu« Slngft unb 
6ntfe|en üor bem l^eraneilenben ®nbe, er feiert mit 
feinen ©d^ülern bag le|te SJlal^I, bag bie Steufel 
unter ©onncr unb S3Iife bereiten. Sluf bie Sitte 
eine« ber ©äfte befd^tt)6rt gaufl bie gried^ifd^e Helena. 
Umfonjl ift bie SKal^nung eine« frommen aKanne«, 
ber il^n belel^ren miß, umfonft pacft il^n SReue unb 
aSerjtoeiflung ; SKepl^ifiop^ele« l^ält i^n feft unb 
jtoingt mit l^errifd^er ©enjalt il&n ju einer jtoeiten 
SBerfd^reibung. ©er Seft| ber Helena erfüllt feinen 




\ 



60 



lefeten SBunf(^ unb tooUcnbct feinen gretoel. Sefet 
erfd^cinen bie bciben Sngel jnm Ie|ten 9RaIe, nid^t 
mel^r njerbenb, fonbern rid^tenb, ber gute ©eijl jeiflt 
il^m ben Ott ber ©eligleit, bie er toerfci^erjt l^at, 
ber böfe ben ber SSerbammnife, bie il^n erwartet, 
eg fd^Iägt elf Ul^r. 3n ungel^eurer ängft fielet 
gauft, bie3cit möge ftiHjlel^en, „bieStunbe möge 
jii^mSal^r, jumSRonb, jur SBod^e, nurju einem 
%aQ »erben, ba^ gauft bereu' unb feine ©eelc 
rette." S)ie ©tunbe fliel&t unerbittlid^, ^^on ifl bie 
$älfte ber legten i^orüber. @r toitt bie SSerbamm* 
niB bulben, mnn fie nnr nid^t etpig toäSftte, toenn 
nur ein 6tral^I ber Hoffnung leud^tete , fei ei aud^ 
nac!^ Sal^rtaufenbcn ber Üual; er möd^te unter? 
gelten, ttjie ein S;^ier, gerfliefeen tt)ie ein S^ro^fen 
im aSeltmeer! S)ie aJlitternad^tgfiunbe f dalagt, bie 
^öBengeifier ergreifen il^n. Sin feiner Seilte trauern 
bie @d^uler, bie feine äBeii^l^eit gepriefen l^aben. 
S)aö ^o^t ©treben unb ber tiefe gaü! S)ie ©d^lufe* 
n)orte be^ Sl^ord üagen: 

©cbrodfeen ift ber 3tt>eig, tcr nac^ ben Söolfen ftrcbtc, 
^Semelft 2(pol(o*^ grüner Sorbeerfprofe, 
iDer nt&d^tig toat in biefeni meifen äRann! 
gauft ift ba^in! 



61 



2. ^ad bentfcl^e ^upptn^pitl 

3RarIott)'g gaufitragöbic bUbct bag 3RitteIglicb 
itoi^6)en unferctn ^ottSbuä) unb unfcrem SSolfö- 
fd^aufpiel. S)ie ©ntoidlutig bcr bcutfd^cn SSoIfö- 
fagc t)om gaufl }U einem beutfd^en SSott^brama l^at 
biefen Umlüeg üfeer bie englifd^e SSiil^ne nel^nten 
mäffcn; ba« englifi^^e Xxanex^^kl „®octpr gaufhiS" 
ijl ein beDeutfante^ SSorjcid^en, bag crfie S^^Ö^ife 
ber poetif^ett ©eifteiSVjernjanbtfd^aft jtoifd^en nnS 
unb bem cnglifd^en Solf ! 3n bem gortgange 
nnferer neueren ißiteratur tüirb ber S^itpunlt !omnten, 
ber bag Setoufetfein biefer SSernjanbtfd^aft toedt, ba§ 
SBorbilb ber ©nglänber auf bag l^eKjie erleud^tet 
unb ben fjauft unter bie Slufgaben unferer natio^ 
naien Sid^tung erl^ebt. 

6jS ift getüiB, bafe fd^on im Saufe beg fiebs: 
jel^nten 3<^^^'^w^^ßrt8 ein beutfd^c« SJoH^fd^aufpiel 
©octor gauft toorl^anben tcar, toal^rfd^einlid^ ent- 
jianben unter ber ®intt)irlung ber 3KarIott)*fd^en 
Slragöbie, bie unter ben ©tüden fein mod^te, bie 
englifd^e SBanbertru^pen bamalS in S5eutf(ä^Ianb 
auffül^rten ; »enigficng finbet ein foI(ä^e§ ©d^aufpiel 
pd^ im „©im^)licijfimu8" ertüäl^nt. aber j|e Weiter 




62 



bie Äluft tt)urbe jtpifd^en bcr alten aSoIföbid^tutifl 
uttb ber neuen fiunfilitcratnr unter ber ^ctrfd^aft 
einer gefunlenen Slenaiffance, um fo geringer fd^äfete 
ntan bie ©eltung ber äSoIföftüde. äll§ bann @ott« 
fd^eb bie ^errfd^aft ber Siegel ixa^tt nad^ fran« 
jöfifd^em aSorbilbc unb bem !unflgere(^t fabricirten 
®rama baiS beutfd^e Si^l^eater unterwarf, t)crftummte 
aOntäl^Iid^ ganj ba$ SSoIfdfd^aufpiel auf ben 83rettern^ 
n)eld^e bie 9BeIt bebeuten; eS n}anberte üon ber 
93äl^ne in bie S3ube^ ))on ben Sd^aufpielem ju ben 
Marionetten^ unb aui^ bem beutfd^en ^olU^äfau- 
fpiel „©octor S^^^^ww gauft" »urbe ein 5ßuppens 
fpiel. ©g liegt ni(^t in meiner gegentoärtigen Sluf^ 
gabe^ bie (Sntftel^ung unb Sßanblungen beffelben 
näl^er }u ))erf eigen; id^ gebe bie &|iaralter)äge biefeS 
merfmürbigen ©tildteiS, beffen frül^er ®inbrudt in 
©oetl^e forttoirfte, aU er feine ©id^tung unternal^m. 
S)ie großartigen unb geloaltigen @lemente^ bie 
loir in ber gauflfage !ennen gelernt, finb in baiS 
$u^))enf))iel öbergegang|p ; baS ßomifd^e unb S3ur« 
lei^fe, bai^ bie QauUx^aQe mit fid^ bringt, finbet 
l^ier feinen Ort, ber t>on ber SBül^ne berjagte ^an&» 
n)urft gebeil^t unter ben Marionetten aU Aai^perle, 
unb fo fommt in baö ©tädt in greKfier aCBirfung 



63 



jener ©ontrafi unb jene 3Rifd^ung be« ^ragifd^en 
uttb ßomif(]^en, beg gurd^tbaren unb Säd^erlid^en, 
bie ber natürlichen ^l^antafte nnb bem ©efd^maäe 
bcg aSoffe^ eittleud^ten , bem na(ä^ ber Siegel brejfir- 
ten Äunftfinn aU barbarifd^ erfd^einen. Slud^ SKarloto 
l^atte in feine ^ragöbie lomifd&e Swtemiejji einge= 
legt mit burle^fen SSolföfiguren, toie SRobin unb 
S)itf. 

aSJäl^renb gauft burdt) bie grofee SBeltfal^rt feine 
Saufbal^n jur ^öQe mad^t, at)ancirt AaiS:perle }um 
U)ol^lbeflaSten ^lad^tn^äd^ter nnb }um geplagten @l^e^ 
mann. S)aS ^ßuppenfpiel läfet bie SRagie in il^rer 
gurd^tbarfeit unb in i^rer Sä(^erlid^feit erfd^einen, 
beibed in ber nait)ften äBeife. äBenn man bie Teufel 
befd^tt)ören lann^ fo muB man fie au^ ium S^eufel 
jagen fönnen unb alfo leid^teg ©piel mit il^nen 
l^aben, ®iefe8 leidste ©piel l^at Äa8»)erle. 5Der 
i^ocuSpDCuS iß bie $of[e ber SJlagie^ Sla^pexU ter- 
fielet fid^ auf ben ^ocugpocuö; toenn man „^ßer* 
lippe" fagt, ftnb bie ^öffengeijler ba, fagt man 
„Sßerlappe", fo laufen fie batoon. gauft toirb auö 
bem aWeifter ber SIeufel bereu Seute; l^ätte er im 
legten 3Jloment ,,5ßerlappe" gefagt, fo loar er ge^ 
rettet, — toäre er nid(it gauft, fonbern Äa8perle 




' 64 

gctüefen, benn man mu^ fo butnm toie Äa«))erle 
fein, um fo gcfd^eibt ju fein, bafe man mit ber 
SRagie 3liä)t& gemein l^at, atö ben JpocniS^ocug ! 

®ag ©tüd in t)ier Slufjügen fpielt in 3Jlaina 
unb (im btitten Slct, ber in bie SGBeltfal^rt gel^ßrt), 
am $ofe be^ l^erjog« toon 5ßarma. SRan erfennt 
fogleid^ aJIatlotü'S SSorbilb. S)ie erfie <Scene ift 
gaufl'g SKonoIog am ©tnbirtifd|e, er l^at alle Sudler 
nnb SBiffenfd^aften burd^ftubirt mit l^eifeem SSemül^en 
unb SRic|it§ gefunben, ba« il^n erfüllt, bie gru(ä&t 
feiner burcä^tcad^ten SRäd^te ifl bag elenbefte ©afein 
nad^ Snnen unb SKugen. 

3d^ mu^ micfe mit ber ^öUe ücrbinben, 

^ie verborgenen Sliefen ber 5Ratur ^u ergrünben; 

Slber um bie ©elfter ju citiren, 

aWu^ id) mi6) in ber SWagie informiren. 

2Bir l^ören fd^on ben Slnfang beg ®oetl^e'f<^en 
gauft : „®rum l^abe id^ mid^ ber SDlagie ergeben ! " 
aOBol^I fagte ber ©i^ter mit Siedet: ba« alte 5ßup^?en= 
fpiel Hang unb fummtegar tieltönig inmir toieber!" 

3ur Sinfen gauft'g ertönt eine lodenbe, jur 
Siedeten eine ttjarnenbe ©timme : bie Sll^eologie »amt, 
bie aRagie lodft, Jene läßt fid^ im ©iiScant, biefe 
im 83aj5 t)erne]^men. gaujl folgt ber biabolifd^en 



65 



©timtne; toon ber einen ©eite l^ört man SBel^cruf, 
t}on ber anbeten ^ol^ngeläd^ter. S)a ntelbet ber 
gamuluS bie Slnfunft breier ©tubenten, bie il^m 
ein S3ud^ überreid^en tootten, e^ ift bag erfel^nte 
3auberbud&: äftartuS' ©d^Iüffel ber SÖIagie." SÖIit 
triunH)l^irenber grenbe empfängt eS ^au^ unb 
möd^te jum $)anl bie Ueberbringer gaftlid^ be? 
tDirtl^en, aber fie pnb frurloS t}erfd^tounben. ©0= 
gleich befd^toört er bie ^öUengeifter, beren a^t in 
äffengejlalt erf d^eincn , er fragt [ie nad^ Stamen unb 
®ef d^toinbigleit ; 9Re^)l^ifto^)]^ele^ , ber Ie|te ift fo 
fd^nett tt}ie ber ©ebanfe beg aJlenfd^en. „S)u bift 
mein 3Kann!" ruft gauft aui8. „SBie ber ©ebanfe 
be^ SWenfd^en ! 9Ba^ f ann iä) mel^r verlangen , aU 
bafe meine ©ebanfen erfüllt iperben, fobalb i^ fie 
beule? SBeiter bringt e« ®ott felbft nid^t. Eritis 
sicut Deus! SQSiHft bu mir bienen?" ®er SSer- 
trag toirb gefd^loffen unb t)on ^piuto betätigt, er 
foB 24 Saläre bauern, bai5 Qal^r ju 365 ^agen 
gered^net. gauft forbert aUe ^errlid^Ieiten ber SBelt, 
3lul^m , ©d^önl^eit unb mal^rl^afte S3eantlüortung dHer 
fragen; er fd^toßrt ®ott unb ben d^riftUd^en ©lauben 
ai unb t)erfd^reibt mit SSIut feine ©eele bem Sleufel. 
2Wei)]^iftop]^eIei5 erfd^eint j[e|t in menfd^Iid^er ©eftalt, 

ftuno 8rifd)cr, ©oel^e'S gfauft. 5 




66 



in rotl^cm Älcib unb fd^ttjarjem 3Jlantel , baS $orn 
an ber ©tirn. 

Sluf feinem Sufttnantel trägt er ben fj^ufi jur 
l^erjoflliii^en ^od^jeit nad^ ?ßarma. $ter läfet biefer 
toor bem l^erjoglid^en ^aare ©alomo unb bie Äönigin 
t)on ©(iba, ©amfon unb S)elila, §oIofemeg unb 
Subitl^, ©oliatl^ unb S)atoib crfd^einen; ©alomo, 
©amfon, 3)at)ib gleid^en i^m felbft, bie Äönigin t)on 
©aba, S)elila, Subitl^ ber ^erjogin, ^oloferne^ unb 
©oliatl^ bem ^crgog* Sine Siebe^erflärung in Sil- 
bern ! ®er ^erjog err&tl^ bereu ©inn unb befd^liefet 
im ©tiHen , ben t}erfül^rerif d^en SRaguS gu loergiften, 
aber SKepl^iflopl^eleS burd^fd^aut biefe Slbpd^t unb 
entfül^rt bei 3eiten ben gaufl nad^ ßonfiantinopeL 

3tt)ölf ^Qi)xt ftnb \}erlebt unb bie greuben ber 
aSBelt erfd^öpft, leine l^at i^n bef riebigt, fie »aren 
alle leer unb nid^tig; er l^at feine ©eligleit ge^ 
o))fert gegen ben ^ädCerling t)on lauter ©d^einge« 
nüffen. Qe^t übertoältigt il^n bie tieffte Sfteue, er 
n)ill beten, aber er lann nid^t, auc^ bad ©ebet ift 
eine ®nabe be^ ^immefö , bie il^m berf agt ifl ; bod^ 
bie Steue ifi aud^ eine. 3Re))]^iflo))]^ele^ l^at il^m 
üerfprod^en, jjebegrage gu beanttoorten , feine Ie|te 
grage If^ei^t: „Äann id^ nod^ ju ®ott fommen?" 



67 



S)a jittert unb Bebt ber Teufel unb cntflicl^t l^culenb. 
gauft ftürjt t)or bcm SJilbe ber SKaria niebcr unb 
tuft: ,,^6) bin erlöst, bet Quell ber SReuc ifi nid^t 
ücrfiegt." 3n biefem Slugenblic!, mitten im ®ebet 
öor ber 5!Rutter ®otteS, jeißt il^m SUlepl^iftopl^eleö 
bic gried^if(]^e ^elena. ®in Süd, unb bie SReue 
ift ni(^t mel^r. 93erauf(^t ruft er au^: „S5a§ ifl 
ba« göttlid^fte SBeib, gib, gib fte mir!" ®er SBunfd^ 
tt)irb erfüllt, aber in feinen 2lrmen t}ertüanbelt fi(ä^ 
bie ^elena in eine ©(^lange. ®ie SSerfül^rung 
triumpl^irt, er ifi t)om Teufel betrogen, boppelt be« 
trogen: biegrift ift abgelaufen, bie 24 Qal^re finb 
ttoD, obgleid^ erft bie ^älfte t)erjlri(^en, benn ba§ 
Sal^r tpar ju 365 3;agen gered^net, unb ber S^eufel 
]^at il^m aud^ bie 3täö)tt gebient. 

S)ag ßnbe nal^t, bie ^lobe^angfi fteigert fid^ 
üon ©tunbe ju ©tunbe. Um neun IX^r ruft eine 
©timme toon oben: ,,Sauft, gauft bereite bid^ jum 
2;obe!" §Ra(^ einer ©tunbe ertönt ber SRuf: „S)u 
biji angellagt! Quid sum miser tunc dicturus, 
quem patronum rogaturus?" 9lbd^ einmal fud^t 
er ju beten, ttod^ einmal toirft er fid^ bor bem 
aJlarienbilbe nieber, aber bie güge ber $IJlutter 
®otte8 bertoirren fid^ toor feinen Slugen unb ber^ 




I 



I 



ßS 



»anbeln fid^ in bic bcr gricii^ifcl^ett ^elena! S)ie 
©timmc t)on oben ifi unerbittUiä^. Qie ruft jum 
brittenmale : „S)u bift gerid^tct!" S)ag Opfer 
f)^mn\>, bcr fixeren SScutc getoärtig, ftel^t 3Kep]^i» 
fto^jj^cle« unb tröfict i^n mit bcn SQBortcn: ,,S)ie 
dual ber SScrbammten ifi fo grofe, bafe bie armen 
©eelen auf einer Seiter t?on ©d^ermejfem jum 
§immel l^inauffieigen tüfirben, tt)enn fte nod^ ^off* 
nung l^ätten." ®a f dalägt e« jtDöIf- S)ie ©timme 
t?er!ünbet ben SttuiSfprud^ beg ©erid^t^: ,,5auft, 
gauft, bu bift auf etoig t?erbammt!" 

IV. 

S)ie gormen ber SSoIfefage unb SJoIföbiiä^tung 
öom gaufi finb enttoicfelt* SGBir fiel^en i)or bem be^ 
beutf amen S^itpunlte , in »eliä^em unfere Äunftpoefie 
n)ieber jufammengel^t mit ber SSolfepoefie, unb bie 
beutfd^e Siteratur eine nationale @rl&ebung unb 
SBiebergeburt erlebt. ®ie ©pod^e biefer Sfteformation 
ift jugleid^ bie einer neuen gauftbid^tung. 

Sebe SReformation, gleid^toiel ob fie Sfteligion^ 
Äunfi ober SDBif[enfd^aft betrifft, ifi eine (Srneue^! 



69 



rung bcö Sebeni^ aug betn ©tunbe feiner eigenfien, 
innerPen Sebingungen, bie SBiebeil^erfleHung feiner 
SBal^rl^eit unb Urfprilngltd^feit auS einem gufianbe 
ber SSerttlnfielung unb ©ntartung, fie ijl aUemal 
SHüdfel^r jur 5Watur,«S)ur(^bru(^ ber Driginalität. 
@S foUen niii^t nlel^r SSorbilber nad^geal^mt »erben, 
uned^te unb fünfilid^ erlernte, bie felbft SRad^s 
geal^mteg nad^al^men; ba2 ganje ©ePrüp^e fd^ut 
mäßiger 2;rabitionen, ba§ ben UrqueU tjerbedt, 
JDirb aus bem SBege geräumt. S)ie reformatorifd^e 
X^at beginnt mit ber gorberung: ,,erfenne bie 
ed^ten Driginalmerfe, erlebe unb burd^bringe pe, 
nimm fie ju beiner SRid^tfd^nur!" Qft biefe gorbc* 
rung erfüllt, fo bleibt nur @ineS übrig: felbft 
originett fein ! S)qS 6r jie ift nod^ ©ad^e ber ©d^ule 
unb SKufgabe ber Äritif, ba« Steile unb ^öd^fte 
iji ©ad^e ber SRatur unb beiS ©enieg. SBeibeS l&at 
auf bem ©ebiete unferer S)id^tung Seffing ge« 
forbert unb geleijlet, er l^atte, um feinen befd^ei^ 
benen äuSfprud^ ju toieberl^olen , ettoag in fid^, 
baS bem ©enie nal^e fam, er »ar ein Iritifd^eS 
©enie, tpie man !ein )n7eited gefeiten. @tatt ber 
falfd^en unb ))erbraud^ten äSorbilber gab er uns 
bie cd^ten unb unerfd^öpflid^en, ftatt ber granjofen 




70. 



tt)ic^ et uni3 l^in auf bie Sllten unb ©^alcfpearc/ 
er hxa^ bie Sal^n unb filierte ben beutfd^en ©eniuS 
ben SBeg in' bie Jpßl^e, toon ber ©dritter iurüd« 
blidenb jagen fonnte: 

Selbft in ber Äünftc ^eifi^tl^um ju fteigcn, 
$at fxd^ ber beutfcfte ®eniu§ crfft^nt, 
Unb auf ber ©pur ber Oriecfeen unb be§ ©ritten 
3ft er bent beffern dtul^me na(^gef(i^ritten! 

©oH für biefe große SBenbung ein S^^U^unlt 
unb eine ©d^rift bejeid^net toerben, bie glei(3^fani 
bie SÖBafferfd^eibe bilbet }n}if(^en unfcrer üerlaffenen 
Siteratur unb ber lebenben, fo finb e8 bie Siteratur* 
Briefe t)om Qal^re 1759, bie mitten im ftebenjäl^rigett 
Äriege entftanben, nid^t juffiHig, fonbem in be- 
tüufetem Sufammenl^ange mit biefer ©pod^e; pe be^ 
gannen jenen geiftigen Äampf, in bem Sejfing für 
bie beutfd^e Siteratur bie ©d^Iad^t bei SRofebad^ gc^ 
roannl 3»m fiebjel^nten jener S3riefe toenbet er fid^ 
gegen ©ottfd^eb, 'oon bem man gefagt l^atte, ba§ 
nicmanb feine Sßerbienfte um bie beutfd^e Sü^ne be^ 
ftreite. „3d^ bin biefer 5Riemanb/' fd^reibt £effiii9/ 
,,id^ leugne e^ gerabeju; e^ toäre ju »finfd^en, 
baB fid^ ©ottfd^eb niemals mit bem 2;^eater t)ers 
mengt l^ätte." „@r l^ätte au^ unferen alten brama- 




71 



tif d^cn ®tü(f cn , bic er öertticb , l^inlänglid^ ah 
merlcn föuncn, bafe toir mel^r in bcn ©efd^marf 
bcr ©nglänber, ate ber granjofcn einf dalagen, bafe 
tt)ir in unfcrcn SIrauerfpicIcn ntcl^r feigen unb 
benlen tooUcn, ate uniJ ba« furd^tfamc franjöfifd^c 
2;raucrfpiel ju feigen nnb ju benicn gibt; bafe 
ba2 ©rofec, bai^ ©d^rcdlid^e, bai5 SDlelan- .. 
d^oIif(^e beffer auf un« toirft, al^ baö ^ 
artige, bag gärtlid^e, bag SSerliebte." „ein ' 
©enie fann nur üon einem ©enie entjilnbet toerben. 
^xiä) nad^ bem SJlufler ber Sllten ju entfd^eiben, 
ijl ©l^alefpeare ein toeit größerer tragifd^er S)id^ter, 
ate ©orneiDe, obgleid^ biefer bie Sllten fel^r tüol^I, 
jener faft gar nid^t lannte." „9lad^ bem Debi^?ui5 
bei^ €opJ)otle& mu§ in ber SBelt fein ©tüd mel^r 
©etoalt über unfere Seibenfd^aften l^aben, ate 
DtJ^eHo, ate Äönig Sear, ate ^amlet u. f. f." 
Unb Sejfing fäljirt fort: „^a^ aber unfere alten 
@tüdfe h)ir!Iid^ fel^r ))iel @nglifd^eiS gel^abt l^aben, 
lönnte id^ ^^nen mit geringer WlHäfe tt)eitläufig he^ 
»eifen. 5Rur bai^ befanntcjie berfelben ju nennen: 
S)octor %au^t l^at eine SDlenge ©cenen, bie 
nur ein ©l^alefpearifd^ed ©enie ju benfen 
i^ermögenb getpefen. Unb toie verliebt 



>i 

, I 
I 



« 




72 



toax S)cutfd^Ianb uiib ifi e^ jum Sll^cil 
nod^ in feinen ®octor gauft!" 

®ag ifl bic ©teile, bie id^ ijorl^er im ©inn 
l^atte, aU iä) jene englifd^e, and bem beutfd^en 
^oltSbuä) gefd^öpfte ganfttragöbie ein bebentfamei^ 
aSorjeid^en nannte für bie ©^idfale nnferer Sitera^ 
tut. S)er S^itpww'ft ift ba, tt)o gleid^fam toeg« 
' n)eifenb anf ben ganfl l^ingejeigt toitb ate eine 
notionalpoetifd^e 3lnfgabe. Ilnb eis ift nid^t genng, 
bafe Scffing bie SBeifnng gab, er legte felbfi ipanb 
an bad SEBetf einer neuen gaufibi(^tnng, bie er 
entwarf, ausarbeitete, t)iele 3^^^^ l&inbnrd^ im 
Sluge bel^ielt, ttjal^rfd^einlid^ nie tjoHenbete. SBir 
tpiffen nid^t, tüie tt)eit baö SBerf gebiel^en, nnb 
lennen bon ber äludful^mng nur eine ©cene, bie 
Seffing in bemfelben Siteraturbriefe mittl^eilt ^ 

3[n einem alten S)om, nm 2Kitternad^t, l^at ber 
Teufel bie ^öHengeifter ju einer Seratl^ung ber^ 

1 ^a fid^ in iüngfter S^it ^i^ ^unbe Don einem loteber* 
Qufgefunbenen unt> DoKenbeten Seifing'jd^en f^auft nid^t ol^ne 
^eifatt tjerBreitet l^atte, fo ^oBe iÜ^ Bei Gelegenheit einer 
äBürbigung biefeS literarifd^en ginblingS Seffing'S gauflbid^' 
tung 8um ©egcnftanb einer eingel^enben fritifdjen Unterjueljung 
gemad^i; auf bie id^ ^ier tiemeife. (9{otb unb 6üb; eine beutfd^e 
ÜWonotSfdJrift, 83b. I, §eft 2, ©. 262—283.) 



fatnmelt, jeber betteltet, toa& et SJerberblid^c 
l^an, einet rü^mt (i^ befonbeter ©rofet^a 
^abe einen ^eiligen Detfü^tt unb KoIIe b 
lörgeflet grifi aui^ Sauft »erberben, beffen eil 
geiler unflemefTener aBiilenSbrang fei. 3)a8 U 
biefei £etbenft$aft foQ il^n fläi}en, aug ei 
Segler (önnen alle entfpringen. 3n Sßroblemi 
tieft, befc^wött gaufi ben SCeufel, um i^m 
3»eifet ju löfen. 35a erf^eint jener ^cffenge 
ber @eflalt ies ältiiloteleS unb beantwortet 
bie fpitfigften gragen; bem ®efprfi(|e folgt 
jweite Sefc&ttörung, in bet goufi bie fieben fi 
ften ©eifter herbeiruft. ®iefe bem ^ujjpe 
niii^gebilbete @cene i|it bie einzige, bie u 
ber älusfit^rung fennen, dSk& SSor^erge^en' 
nur ffijjirt unb an« bem SWa^loffe SeifingS 
get^eilt. %üi ben $aufl beS ^uipipenfpieU m 
gef^tvinbelle SIeufel fo fc^neU aU ber ©ebanl 
SJJenf^en. Srnb biefer ifl bem SejTing'fd^en 
ju langfam. 91d^ fc^neHer i[l bie SRo^e. 
ber gefd^roinbeße ifl fo fi^nell aU ber ©ünbi 
ali „tet Uebergang som ®uten gnm $i) 
„®u bijl meinS^enfel!" ruftgaufi, „fo fc^ne 
ber Uebergang bom ©Uten jnm SBfen! ^a 



74 



ift fd^neU, fd^ncHcr ift Sftid^tö aU ber! SQBeg tjon 
l^icr, il^r Sd^nedfen be8 DrcuS! SBcg! Site bcr 
Uebergang t)oni ©utcn jum Söfcn! 3d^ l^abc ciS 
erfal^ren, tote fd^neff bcr ift! 3>d^ l^abc e§ erfal^ren!" 
@inen naiveren unb n)i($tigen Sluffd^Iug über bie 
3bee ber Seffing'fd^en gauftbid^tung erl^alten toir 
burd^ bie Serid^te jtüeier SKänner, Slanfenburg unb 
®ngel, bie mit bem ©id^ter unb feinem SBerfe 
befannt toaren. 3^^^ 33efd&reibung beiS ^ßrologij^ 
ber näd^tlid^en ^eufeberfammlung, flimmt in ber 
^auptfad^e überein mit ben fd^on angefül^rten ßflgen 
be« Seifing'fd^en enttrurfg. Site ba« SUteiflerflfldE 
teuflifd^er Äunft gilt gaufi^ SSerfül^rung. ®r l^abe, 
fo berid^tet einer ber S^eufel, einen SWann auf 
erben gefunben, bem nid^t beijufommen fei, ber 
leine ßeibenfd^aft, feine ©d^toäd^e, nur einen 
2;rieb, nur eine Steigung b^be, ben unauSlöfd^- 
lid^en ®urfl nad^ Söal^rl^eit unb ®rlcnntni§. „5)ann 
iji er mein!" ruft ber Dberfte ber S;eufel, ,,unb 
auf immer mein, unb pc^erer mein, ate bei j[eber 
anberen Seibenf d^af t ! " ajlcpl^iftopl^elei^ fott ha» 
SKeijierjlüdC au^fübren. 5Rod^ au«brud«t)oirer unb 
tDie ein* SSorbote fd^on beiS ©oetl^e'fd^en $roIogi^ 
erfd^eint biefer 3^8 6^i i>^"i anberen Serid^terfiatter. 



75 



$ier ctllärt einer ber bienfttl^uenben S^eufel: „^^ 
l^abe SRid^t« gctl^an, iS) l^abe nur einen ©ebanfen 
gel^abt, teuflifd^er aU aUe'^aten ber anberen, id^ 
tüill ©Ott feinen Siebling rauben, einen 
einfamen Süngling, ganj ber SBBal^rl^eit ergeben, 
nur für fte atl^mcnb, ieber Scibenfd^aft abfagenb, 
aufecr ber einjigen für bie SBal^rl^eit!'' Sr l^abe 
^aufi umf($Iid^en, aber nirgenbi^ eine Bä)XDä^e 
gefunben, um il^n ju faffen, bod^ ©atan ift feiner 
©ad^e gen)i6 unb freut fic^ fd^on im borauS be§ 
gelungenen SBerfö. gaufi foH burd^ feinen SJBiffeni^s 
burfl inö SSerberben geftürit tperben, ©o ifi e& im 
Statte ber S^eufel befd^Ioffen. S)a ruft eine Stimme 
aui^ ber $öl^e: ^^x follt nid^t fiegen!" 

'3w biefen SBorten liegt baiS SKotit) ju einer 
neuen gauftbid^tung , ju einer poetifd^en Umge* 
jialtung bed SSottiSmptl^u^ : fte bebeuten eine @pod^e 
in ber ®nttt)idflung ber SUlagu«- unb gauftfage. 

SBie Seffing feinen großen ©ebanfen au^gefül^rt 
l^at, ifl aug ben geringen SKnbeutungen, bie Slanlen^ 
bürg gibt, nid^t Itar ju erlennen. ©o t)iel fielet 
feft: gaufi foll gerettet toerben unb tt)irb 
gerettet! ®er ©ieg ber ^ölle über eine fold^e 
SRatur ift nur ein ©d^einpeg , ber menfd^lid^e SSal^r? 




76 



Jeit^bran^ ifl leine Scute be§ .Satans. Sic gauft- 
fagc tütH bcm ©eiflc be§ ad^tjel^nten Sal^rl^unbert^ 
ange^^afet tücrbcn, wie ft(| cinfl bie äJlagu^fage in 
ben beö fed^jel^nten gefügt l^atte. 3Jlit Seffing ift 
bie Spod^e eineg großen Sluffd^toungS für ben 
beutfd^en ©eift angebrod^en; biefer begel^rt bie Sttn* 
fd^auiing unb ben ©cnufe ed^ter Driginalmerfe fiatt 
ber ijerfümmerten 3flad^bilber, er begel^rt bie eigene 
Originalität ftatt ber fremben, er ift biefer feiner 
eigenen Äraft fd^on getoiß, fd^on ungebulbig, fie 
fd^öpferifd^ ju betl^ätigen, bie ©eifier toel^en fd^on, 
bie balb ftürmen tt)erben! SffiaS fann biefem ©eijie 
i}ertt)anbter unb naiver erfd^einen, als jenes mäd^* 
tige ureigene ©treben nad^ ^ö(^fier ©rfenntnife, ate 
jener titanifd^e unb prometl^eifd^e 3^9/ *>^^ i^^ ^W' 
ferer alten gaufifage lebt, in bem Sauft, ber bie 
Elemente fpeculiren toiU, 'oon bem baS Solföbud^ 
fagt: „er nal^m SIblerSfittige an fid^ unb 
toollte alle ©rünbe im Fimmel unb auf 
@rben erforfd^en; er toar »ie bieSliefen, 
batoon bie 5ßoeten bid^ten, bafe fie bie 
Serge gufammentragen unb toiber ©Ott 
Iriegen toollt^n!" SUlufete nid^t biefer neue 
©eiji, ber in Seffing unb feinem B^itolter aufge^ 



77 



gangen toax , t)on bief em aWaguS "ber beutf d^en SSoIfö^ 
fage untoilffürUd^ ergriffen unb angejogen njerben? 
SRufete er biefem S3ilbe gegenüber nid^t fiiä^ felbft 
jurufen: de te fabula narratur? 3)ag ift ®eift t)on 
beinern ®eifi, Seben tjon beinern Seben! S5u bift e^ 
felbft! S)ag geuer, bai^ biefen gauft bur(^glil]^t, 
ift göttlid^er Sübfnnft! Sag 5ßromet^eifd^e ifl 
nid^t biabolifd^! 

3n il^ren ©agen fpiegeln fid^ bie g^it^tt^^- 
Qeftt iji bie nene ^t\t gefommen, bie Sejfing l^erauf- 
fül^rt, aud^ eine 3^it geijitger SBiebergeburt ; fie 
fd^aut mit ben l^eUften SKugen, bie fte l^atte, mit 
Seffingi^ Singen, in ben ©picgel ber gaujifage, 
unb bie 3*9^ i>^^ 3Hagug üerttjanbeln fid^. SOBie 
Seffirig feine 2lufgabe fafete, ifl Mar; nid^t ebenfo 
flar ift, tt)ie er fie löiJte. ®ie 3^it ^(^xxi ber Söfnng 
in . einer neuen ganftbid^tung , eS fielet in ben 
©ternen beg beutfd^en ©eifte^ feit lange gefc()rieben, 
bafe biefe Sid^tung eine feiner größten ^joetifd^en 
%)ioXtn fein f ott , einer feiner l^errlid^ften 2:rium^)]^e. 
Um ben SKagu« ber alten SSoIföfage im ©eifte ber 
neuen ^t\X ju geftalten, mugte ber groge äRagui^ 
unferer ^ßoejie fommen, bem t$> gegeben tüar, SRen* 
fd^en ju formen nad^ feinem SSilDe. SKI« Seffing 




78 



auf bcn gaujl l^inmieg, tt)ar ©oetl^e ein finabc t>on 
jcl^n ^af)xen; ein S^i&rjcl^nt fjjäter, unb hex QüU 
^junft ift nal^e, too in il^m ber ©ebanle ber gaufis 
bid^tung ju q&^xtn beginnt. SGBir feigen »orauiS, 
iDol^in ber neue gug, ber fd^on bie umjugefialtenbc 
©age ergriffen l^at, bag ©ebid^t treiben ü)irb. 3>enei5 
SBort mufe erfüttt »erben, boig bei Seffing bie 
l^immlifd^e Stimme ben SIeufeln guruft: ^^l^r f ollt 
nid^tfiegen! am @(]^Iufe beg Ooetl^e'fd^en @e^ 
bxä)t^ triump^iren bie ®ngel, bie ben unjlerblid^n 
^auft emiportragen : 

®erettet ift bas^ eble ©lieb 
a)er @eifter»elt tjom Söfcn! 
9Ber immer ftrebenb fxä) bemül^t, 
S)en !önnen toir erlöfen. 

©0 fielet e^ fefi im 5ßroIoge beS ®oetl^e'f(^en 
gaufi naä) bem SGBorte be^ $enn, ate er ben gaufi, 
feinen Äned^t, ber SSerfud^ung be^ Sotani^ preisgibt: 

9lun gutl eS fei bir überlaffen! 

3ielEl biefen ®eift üon feinem Urauett ah 

Unb fü]()r' i^n, fannft bu il^n erf äffen, . 

Sluf beinern SGBege mit l^crab, 

Unb fte^* befd^&mt, menn bu befennen mu^t: 

Sin guter SDlenfd^ in feinem bunleln 3)range 

3ft fid^ beS redeten 9Beged lool^l bemüht. 



L 

3laä)'t>em in ben beiben frül^ercn SKbfd^nittcn 
batgetl^an ift, tporauö bcr ©oetl^e'fd^e gauft ent* 
ftanbcn, gibt fid^ t}on fclbft alg unfcr ttäd^ficS S;^enta 
bic grage : toie ift er cntfianbcn ? SBir »erben bem 
Sebcnggange be« ®i(^ter3 folgen muffen in ber 
attdfd^Iiejsenben dtääfid^t auf ben @ntn)i(!Iung^gang 
bicfer S)i(i^tung, beren ©inl^eit unb SEBiberfprüd^e fein 
anbereg SSorbilb l^aben, aU ©oetl^e felbft, leinen 
anberen ©rllämngggrunb, ate bie ©tnfen nnb ©egen« 
fäfee feiner eigenen Seben^anfd^auung. SJerglei(]^t 
man ben Sntmidlung^gang ber gauftfage mit bem 
beS ©oetl^e'fd^en ©ebiiä^ts, fo toirb man öon bem 
6inbru(! einer Uebereinftimmung getroffen, bie un8 




so 



erfennen läfet, tt)ic tief biefc ©ic^tung in bem 
©eniuS ©oct^e'^ angelegt nnb gleid^fam ^)rabeter« 
minirt toax. S)ie ©ntfiel^ung unfereS SBerle«, in bem 
fid^ bie gauftfage jum SJBeltgebid^t entfalten foHte, 
^^at im Seben ©oetl^e'g au(]^ il^re SSorgefd^i(^te ; er l^at 
bie Elemente ju feiner 2)id^tung erlebt , beöor er in 
fi(^ felbft bie ©emütl^gbetoegungen nnb ©timmnngen 
erfnl^r, bie [xä) im SDlagnS ber SSoIf^fage fpiegeln. 

S)ie alte ©agengefialt beg ganft in il^ren beiben 
öoIIgt]^nmli(^fien gormen, n)ie fie im S^'^^^^tarfti^s 
iuä) nnb im 5ßn^}^)enfpiel erfd^eint, gel^ört nnter 
feine frül^eften ©rinnernngen, UnbergefeUd^ ift il^m 
bag le|te SBeil^nad^t^gefd^en! feiner ©ro^mntter ge« 
blieben, tüomit bem vierjährigen Äinbe eine nnge« 
al^nte S<^ubtxtoelt anfging: e^ toar ein ^Pnppen^ 
tl^eater, anf bem nnter anberen ©tnden »ol^I and^ 
bag beliebtefie aller 5ßnp^}enfj)iele' il^m jnm crften 
3RaIe üorgefül^rt lünrbe. Sflcd^ Ijfatte er bie ©renjc 
beiS ÄnabenalterS nid^t überfdj^ritten, atö er nnter 
abentenerlid^en ©enoffen, beren Umgang feine ^ßl^an« 
tafle gelodt, jnm erften SUlale ba^ ®Iüdf nnb ben 
©d^mer j ber Siebe mit leibenfd^aftlid^er ©etoalt' er* 
fnl^r. @g toax ©oetl^e'« erjle« Siebe^gebid^t, bag 
nnr S^^ränen fanb, nod^ feine SQBorte: bie Seiben* 



81 



f(3^aft beiS fiittfje^niäl^rigcn Änabcn für ein ältere^ 
ajläbd^eti niebercn ©tanbcg, baö granlfurter ©rct- 
ci^en, beten Slubenfen er in ber ©retd^entragöbie 
feines gauft t)erllärt l^at. ©ie roax unter jenen 
©elftem ber SSergangenl^eit, bie bem Siebter üor^ 
f d&n)ebten , al« il^nt auf feiner SebeniSl^öl^e bie SWaci^t 
ber Siigenbcrinnerunflen »ie mit S^w'&^^fl^to^W bie 
Zueignung feinei^ gauft eingab: 

3]^r bringt mit eudfe bie Silber f toller S^agc, 
Unb mand^e liebe Schatten ftcigcn auf, 
©leid^ einer alten, l^albüerllungnen Sage 
^ommt erfte Sieb' unb grcunbfd^aft mit l^crauf! ^ 

Sluf bie erfte S^genbjeit in ber SSaterftabt fol- 
gen bie afabemifd^en S^^te in Seipjig. ^a& ^ünq- 
ling«altcr beginnt, mit il^m bie Saufbal^n beS S)id^5 
terS, beren erfte grüd^te nid^t l^öl^er reid^en, aU 

* 34) fcl&c nid^t, mit toeld^cm IRed^t man baS Sfronffurtcr 
©rctd^en in „2)td^tunö unb SBal^r^eit" für eine Blofec $)i(i^tun0 
erfl&rt l^ot. 3n bem ^^antafiet)olIen unb abenteuernden (Sr« 
leBnife, baS ©oct^e fo ouSftil^rndJ fd^ilbcrt, treten un§ 93ilber 
cntöegen, bie fld^ in gouft toieberfinben: ©rctd^en in ber Äird^e, 
©rcld^en om ©^jtnnrabe! Ober toiU man onnel^men, bafe biete 
Scenen in ^id^iung unb SBal^r^eit erft nac^geBilbet ftnb bem 
Sauft? 3d^ glaube bem Höorie ber Sueignung: „gleid^ einer 
olten l^alBucrÜungenen ©age fommt erfte Sieb' unb grcunb« 
fd^aft mit l^erauf!" 




82 



„bie Saune beg SScrliebten /' „bic SKitfd^uIbigcn," 
bag Sci:pjiger Siebcrbud^. „®a finb fie nun! ba 
^abt il^r fie! bie Sieber ol^ne 3lafi' unb 3Wfi]^*, am 
Slanb be§ S3ad^0 entfprungen ! " @i^ ftnb anmutl^ige, 
leidste 5ßoefien, nad^ bem ©efd^maä unb S^f^^itt 
ber SWobe, tttoa^ gelräufelt naü^ ärt ber Stococo^ 
grajie, bie an bie ©c^äfer ton ber 5piei§e erinnert, 
©ein Sbeal ift SQBielanb« 3Rufarion, feine Siebe bie 
^übfd^e mtt^^toä)tev Äät^d^en ©d^önfopf, beren 
3uneigung er gewinnt unb burd^ .feine ©ferfud^t 
t}erliert. 63 ifi ni(^t bag ^euer ber Siebe, nur „bie 
Saune be§ SSerliebten!" 35iefe S^it ^at nid^tö gau- 
fiifd6eä. 3SBa§ au3 ben Seipjigcr ©riebniffen in ben 
gaufl übergegangen , ift bie Erinnerung an baS SSilb 
in Sluerbad^g ÄeHer unb ber SSerbrufe über bie lang* 
tüeilige ^unftgelel^rfamleit in ben Seipjiger ^örfälen. 
3n erJranftem 3#<^^*^^/ ^erbeigefül^rt burd^ 
einen Unfall, terfc^Iimmert bur(^ mancherlei Un- 
üorfid^tigfeit unb au^fd^toeifenbeSd^uIb, feiert ©oetl^e 
in feine aSaterfiabt jurüdf. ©eine ©timmung iji ge^ 
brüdCt, fd^toermüt^ig, mit SlobeiSgebanfen erfüllt 
@r vertieft fid^ in religiöfe ©etrad^tungen m^fli^ 
fd^er Sttrt unb lebt ganj unter bem ©influfe feiner 
mütterlid^eti greunbin, bie in ben frommen Äreifen 



83 



beö bamaligen granffurt einen aRittelpnnft bilbete, 
unb beren »al^rl^aft religiöfe SKalnr bem 5Did^ter 
fielS gegenwärtig blieb: ©ufanna Äatl&arina üon 
Älettenberg ; fie toar fein SBotbilb in ben ,,93efennts 
niffen einer fd^önen ©eele." 

Sie m^fiifd^e 9li(|tung filiert i^n jur m a gif d^en. 
^uä) in bem filettenberg'f(|en ftreife ttjaren beibe 
eng miteinanber terfnüpft* SSon einem befrennbe^^ 
ttn Slrjt, einem SCnl^änger ber niagifd^en JpeiHunbe, 
glanbt ftd^ ®oet^e bur^ ein ©el&eimmittel gerettet, 
er fhibirt je^t bic magifc^en ©d^riften be^ ^axaceU 
fn8, tan ^elmont, SBeHing unb ejperimentirt in 
• feiner SUlanfarbe mit SBinböfd^en unb ©la^folben, 
um liquor silicum jn bereiten. @o toirb i^m bie 
magifc^e SSorfiettungStüeife geläufig. Dl^ne an eine 
gaujibii^tung ju benfen, nähert er fid^ fd^on auf 
felbft erlebtem 3Bege bem SRaguS ber SSoIfSfage. 

n. 

Pa$ etfle ^xoiect nnh hie etfte Pi^tun^. 

h 2)ie @trapttrger 3c^t* 

S)ie 3ßit i>^^ S)urd^brud^g nal^t, bie aus bem 
a^alcnt ba§ ©enie entfaltet. S)iefe für je, beben« 




84 



tungStJoBc, glüdlid^e ®pod^e ijoKer Äraft unb 3us 
fünft erlebt © oetl^e in ©trafeburg , gerabe -ein SaJ^r* 
l^unbert, beüor S5eutfd^Ianb bie geraubte ©tabt ^i6) 
jurüdEeroberte. Qiex in ber beutfd^en ©tabt unter 
franjöfifd^er $errf(^aft toirb er beutf(3^, h)irb er 
ber 3)i(ä^ter, ber er ift. S)ag enge, abgejirJelte 
SEBefen, ba^ er fi(^ in Seipjig angetüöl^nt l^atte, 
fällt öon il^m ab; an granlreid^g ©renje toirb er 
mit einem 3Kale aÄe^ franjßfifd^en SEBefen« baar 
unb lebig. 

®ie Sebeutung biefer Sebenge^)0(|e läßt [i6) mit 
jtt)ei SBorten au^^pxe^en: ®Iei(^e§ ttjirb burd^ ©lei« 
6)e& erfannt, ber ^uxäjbxu^ ber eigenen Drigina* 
lität öffnet i^m ben ©inn für äße« Urfprünglid^e, 
Originette, ß^aralteriftifd^e. SEBa« Seffing toon bem 
beutfd^en SSoIfe gefagt l^atte, beiüäl^rt fid^ jefet an 
biefem SÄ^Oliwfl "^it ^^^ ^}ra(^tt>oIIen ©tirn unb 
ben graben, J^eHen Slugen, an biefem „SQBoIfgang 
Sl^JoUo/' bem ebelften %'g)pn^ unfereS fßolU: er 
liebt nid^t mel^r ba§ 3lrtige, 3i^^ti<^^r 3SerIiebte, 
fonbern i>ä& ®ett)altige, ©r^abene, geurige, S)ag 
©el^eimnife ber Äunft gel^t il^m auf, aller Äunft, 
aller 5ßoefie. ©ie ift fein ted^nifd^eiS S)ing, baS feine 
beftimmten ^Regeln unb formen l^at, fie ift inncrfte 



f 



1 



85 



Sebeiigoffenbarung , Bifxaäjz ber SDieitfd^l^cit, bcr 
miltx, ber 3eitalter. 

3n ber SCnfc^auung be§ ungel^euren 3Künfler 
erf(3^Iiefet fid^ il^m bie mittelalterlid^e urtb gerwanifd^e 
S3aii!unft, bie man got]^if(^ genannt l^atte, toeil 
\naxi pe für barbarifd^ l^ielt, toeil man ben ©cifiegs 
brang nnb bie ®ni^finbung nid^t t)erftanb, bie biefe 
3Jlaffen bemeiftert nnb belebt, gettjßlbt nnb getl^nrmt 
l^atten. ®ie ^eDenen l^aben borifd^e Xtvx^tl gebaut, 
bag d^riftlid^e Söliltelalter bebarf l^imntelanftrebenber, 
bie gerntanifd^e ©aufnnft öoHenbet fte. Sing biefer 
ßmpflnbung, an§ biefem 6^ara!ter beg ^dicXitx^f 
lüirb il^m ber gigantif(^e Sau flar, ans bem ©an^ 
jen erleuchten fid^ bie einjelnen 2:^eile, er ter fielet 
bie 6pra($e, bie ber aKiinfter rebet, er l^ört il^n 
reben aud^ ba, h)o für bie äußere SBal^rnel^ninng 
feine ©prad^e t}erfluntmt; im (Seift fie|)t er ben 
fd^einbar fertigen ^uxvx l^öl^er auflDärtSftreben, 
über ben ftumpfen S^necfen nod^ toier I^CI^ere, 
leid^tere ^^urmfpi^en, bie l^öd^fie ba, too baS 
plum>>e Ärenj ftebt. ©o lüar e» im S3au^)lan \o\xh 
WS) getDoDt, Stuf bie erftaunte grage eines Äunbi- 
gen, toer il^m baS gefagt l^abe, fonnte er anttoors 
ten: „®er 3;]^urm felbft l^at zi mir gefagt!" ©o 




\ 



8f) 



entfielet feine ©d^rift: „SJon beutfd^er SBauhinft/' 
beren ©runbgebanle in bem Sttu^fprud^ liegt : ,,b i e 
d^aralteriftifd^eÄunft ift bie einjig toal^re." 
©iefen ©a| l^aben i^m juerji bie ©teine gei)rebigt I 
®ig gibt einen ©id^ter, ber in biefer einjig 
tüal^ren Äunft, ber d^araf teriflif d^en , baö ^öd^fte 
geletftel, in ber lebenbigften aller Äunftformen, in 
bem lebenbigflen .^ aller ©toffe, in ber bramatifd^en 
©d^ö^jf nng menf (^lid^er ßl^araftere : ©l^afefpearel 
3e|t erft toirft ©l^afefpeare in feiner ganjen Äraft 
anf ©oetl^e unb beffen ©trajsbnrger greunbe. @r 
toirb nid^t fritifd^ flubirt, fonbern genoffen nnb ge^ 
lebt. ,,S)ie erfte ©eite, bie id^ in i^ra laö/' fagt 
©oetl^e in einem 38ortrage au3 jener 3^i^ ,,mad^te 
mid^ auf jeitleben^ il^m eigen, unb tt)fe id^ mit 
bem ©tüdfe fertig toax, ftanb id^ mie ein SSlinbs 
geborener, bem eine SBunberl^anb bag ©efid^t in 
' einem Slugenblid fd^enft. 3<ä^ erfannte, id^ fül^lte 
auf^ lebl^aftefte meine ©piftenj um eine Unenblid^^ 
feit ertoeitert " 

JDamate J^atten tt}ir fd^on ben gül^rer, ber in 
unferer Siteratur bie Sal^n brad^ i?on Seffing ju 
©oetl^e, ber, wie fein jtoeiter, bie 5ßoefie jur SRa* 
tur unb Urfprünglid^feit jurüdEf flirrte, bie Urquette 



87 



aller ©ii^tung na(ä^toic§ ni(i&t in biefem ober jenem 
SJorbilbe, fonbem im innerflen ißeben ber SDienfd^- 
f)eit unb ber SSötler felbft, in ben religiöfen unb 
\)olUti)ixmli^en Stnfd^auungen unb ©mpfinbungen, 
bie )Don ©eburt bid^terifd^ finb. 5ßoefie ift feine 
5ßrit)otfad^e, fonbern SKenfd^l^eitg^ unb SSöHergabe. 
®er 2Rann, t)on bem biefgg neue unb getoaltige 
Sid^t ausging unb fid^ über bie S)id^tungen ber 
Sßelt verbreitete, bejfen JBebeutung für unfereSite- 
ratur nid^t ffo^ genug gefd^ä|t »erben fann, ift 
Sol^ann ©ottfrieb ^erber. ©leid^jeitig mit 
©oetl^e fommt er nad^ Strasburg, ein SKugenübel, 
wn bem er opexixt fein njottte, l^ält il^n 3Konate 
lang l^ier fefi. ®3 toax im SBJinter t)on 1770 ju 
1771. 3n feinem aJloment feine« Seben« l^ätte 
©oetl^e für i^erberg ©influfe empfänglid^er , für feine 
oft abjiofeenbe ^erbigfeit nachgiebiger fein fönnen, 
atö in biefer ©trafeburger 3^it- 3^ S^f^w^wen* 
leben mit bem älteren greunbe erfennt ©oetl^e, bafe 
aud^ bie einjig toaste $oefie allein bie natürliche 
unb d^arafteriftifd^e ift. @ine äßelt ))on Sid^tungen 
gel^t il^m auf: bie ^oefie beS äRorgenlanbeiS , ba« 
alte ^eftament, ba« ^olfi^Iieb, ferner, Offian, 
@l^afef^}eare* 3n feiner ©eelc betoegen fid^ fd&on 



88 



grofee ©nttüürfe. 3^^i ©eftaltcn au§ ber beutf(3^en 
SSoIfggefd^td^tc unb SSoH^fage treten il^m tial^e unb 
loden untüiberftel^lid^ feine ^oeti\(S)e Äraft: ®ö| 
üon Serlid^ingen unb gauff! 2)er erfte ®e== 
banfe biefer SBerfe ftammt aus bcr ©ttafeburger 
3eit, tt)ir toiff^n e§ au§ feinen Sefenntniffen in 
S)id^tung unb SEBal^rl^eit unb bem Xa^eiu^, baS 
er in Strasburg filierte. 

3Son je^t an bii^tet Ooetl^e, toa^ er in fid^ er? 
lebt* ©eine (SmpflnbungSart ift feine S)i(^tunglart. 
S)ie ©d^eibetoanb jtoifd^en ^ßj^antafte unb SDBirfli^? 
feit, $oefie unb &eben fättt, beibe gelten ol^ne S3rud^ 
in einanber auf unb »erben toöttig ®ing, toie bei 
feinem anberen 35id^ler ber neuen S^it, »ieffeid^t 
ber Seit. SEBag er lebt, rebet, f(ä^reibt> ift 5ßoefie. 
^erber l^at il^m ©olbfmitljiiS ®r jäl^Iung : „3)er Sanb:? 
priefter tjon SBafefielb" üorgelefen; lebenbtg fiel^en 
bie ^erfonen ber S)id^tung Dor feinen Singen im 
5ßfarr]^aufe t}on ©efenl^eim. S)a« ©efenl^eimer 
Sb^a ifi baS glüdlid^fie feinet SebenS. SBBer möii^te 
l^ier S)id^tung unb SBal^rl^eit trennen? ^m SSoBges 
fül^I ber S^genb unb Äraft eine feurige, Don feiner 
Saune »erbitterte , üon feinem öerfagenben ©c^idfal 
fcj^on in il^rcr ©ntftel&ung getrübte Seibenf d^af t ! 



89 



Sie gau} anber§ ift ba« gcfenl^cimer &ieiexbu^ 
aU baS Seipjiger ! Äeinc ©pur ntcl^r t}on f ofiümir* 
tcr ©mpfinbimg, t)on gef räufelten ßödd^en; feffel- 
frei ergießt ftd^ ber 6troni feurigfler @tTH)finbung 
unb Seibenfi^aft in baö ©ebid^t. S)ie Octobertage 
be§ Sal^reg 1 770 l^atten il^n junx erflen a)kle nad^ 
©efeul^eim gefül^rt , eine für je 5ßauf e unterbricht im 
SRotoember bie SSorlefungen, unb ber $rofeffor em^ 
ipfiel^lt feinen S^^^^^^^^^^^^H^ ^^ ^iß Umgegenb. 
ytoä) am Slbenb fc^hjiugt fi(ä^ ©oet^e auf« ^Pferb unb 
fliegt in einer raul^en, ftürmifd^en SRobembernad^t 
naö) ©efenl^eim, tt)o il^n bie ©eliebte al^nenb erwartet : 

ßg fd^Iug mein ^er^; gefdfeminb ju ^ferbe, 
Unb fort, lüilb, toie ein $elb Jur ©d^lad^t! 
2)cr Slbenb miegte fdfeon bie @rbc, 
Unb an ben Sergen l^ing bte ^a6:}t; 
©d^on ftunb im SRebelfleib bie ßidfee, 
SBie ein getJ&ürmtcr Miefe, ba, 
SGÖo ginfternij au^ bem (Sefträud^c 
9Mit l&unbert fd^margen Slugcn fa^. 

3)ie SRad^t fd^uf taufenb Ungel^euer — 
3)od& taufenbfad^er mar mein 3Kutl^; 
DMein (Seift mar ein tjcrjel^renb gcuer, 
aWcin ganjeS $erj jerflo^ in ®lut^. i 

1 3)cr iunßc ©oct^c. 2:]^eil I. S. 269. 




90 



2. gfratiffurt unb ^t^iat. 

S)ie 3cil bcg genialen ©d^affen^ beginnt ®a§ 
aSorgefäl&l litanifd^er Äraft gol^rt in bem S)id^ter, 
unb eg bemäd^tigt fid^ feiner jene fd^ß^)ferifd^e tln= 
tnl^e, bie gett?altigen %'S)aten üoraulgel^t unb nod^ 
nid^t bie geffel ber concentrirten Slrbeit erträgt. 
3n biefer Stimmung ift er 6nbe SKuguft 1771 öon 
Strasburg nad^ granffurt jurlldfgelel^rt. Slud^ in 
feinem äußeren Seben »irb biefe ©eifle^unrul^e 
fid^tbar, bie SBänbe beÄ SiwtmerS finb il^m ju eng, 
ef treibt il^n „l^inaug inS toeite Sanb/' am njol^l* 
fien fül^It er ftd^ in ber freien $Ratur, in SBetter 
unb ©türm. Unter feinen greunben l^eißt er ,,ber 
SBanberer." Stuf einer jener einfamen ©treife^ 
reien, in granffurtiS Umgegenb, entfielet jeneö merl* 
tpürbige ©ebid^t, ba^ er, üom ©türm ber Elemente 
umtobt, toanbelnb toor fid^ l^infummt, ein d^arafte^ 
riftifd^er Slugbrud ber in il^m gäl(irenben mad^tüotten 
Unrul^e : 

SDBen bu nid^t tjerläffeft ®eniu§ 
3liä)t ber Stegen nid^t ber Sturm 
$aud^t i^m Schauer überd $er) 
2Ben bu ntd^t t^erlaffeft @entu^ 
SBtrb ber Stegen Sßoüe, 



91 



SCBirb bem ©d^Ioffenfturm 

(Sntgegenftngen, tote bie 

Serc^e bu babroben. 

ffien bu ni*t bertöffeft ®cniu§ 

2)cn bu nxdit Derläffcft, ®cniu§ 

SBirft i^n lieben übern 6(^(aminpfab, 

3Rit ben gcucrflügcln 

SBanbeln »irb er, 

SBte mit 93Iumenfü^en, 

Ucber S)cufalion*g glutl&f^latnm, 

$9t(on t5btenb leidet gro^, 

^ptl^iuS Wpoüol 

©octl^e nannte bicfe^ ©cbid^t ,,bc8 SCBanbc^ 
rcr^ ©turmlicb," eg öcrfünbet ben 3lnbrnd^ 
feiner ©turm^ unb ©rangjeit. 3^ Sßotoeniber 1771 
bramatifirt er bie „®e\6)iä)te ©ottfriebenS toon 
SSerlid^ingen mit ber eifemen $anb", ang beren 
Umarbeitung baÄ ©d^anfpiel ®ß| öon Serlis 
(]^ in gen l^ertoorgel^t. 3n biefe Qdt fallen bieSln^ 
fange feiner greunbfd^aft mit bem S)armftäbter 
ÄriegiSratl^ Sol^ann ^einrid^ 3Rerc!, in beffen ^ßer* 
fönli^feit einige jener farfajiifd^en 3^9^ fc^^rf auÄ* 
ge)}ragt toann, bie ©oetl^e in bie (Sl^aralterifKf 
feineiS SRepl^iflopl^eleiS anfnal^m. 

SSerfenft man fid^ in bai^ ©emütl^i^Ieben nnfere^ 




92 



®id^ferg, fo fül^It man an ber ©tcHe, tDo ipir 
[teilen, bafe eine Ärifiä nötl^ig toax, bie aug bem 
„SBanberer" ben S)id^ter unb fd^affenben Äünftler 
l^erüorrief. ®r mufete burd^ eigene Äraft bie n}il= 
ben 2:riebe unb bag ungeftünie 2;i^un bemeiftern 
unb bef d^tt)id^tigen , um fid^ felbft ganj in bie ©e-- 
toalt ju befommen unb feiner mächtig ju fein. 
®ine anbere ßm^finbung \oe^t in be§ SBanbererS 
©turmlieb : baS SSorgefül^I ber Äraft im SSertrauen 
auf feinen ©eniuS ; eine anbere in bem ^Prometl^eu^^ 
gebid^t unb ben Äünftlerliebern: ba§ ©elbftgefül^l 
ber Äraft im Sefi|e beg ®eniu§! 

®er 2Beg gel^t burd^ bie S:iefe be^ ©d^merje«, 
burd^ bie dual »erjel^renber ßeibenf d^aften , bie 
gegen SBelt unb ©d^idfal ringen unb fid^ feiner bis 
}ur 3;obeSfel^nfud^t, bi§ jum ©ebanfen ber ©elbft^ 
jerftörung bemäd^tigen. S)ag finb „bie Sei ben 
be§ jungen SBertl^erS/' eine S)id^tung, bereu 
erfte, aber feineSttJegg cinjige öueHe ©oetl^eS ©r^ 
lebniffe im ©ommer 1772 ju SBeglar toaren. ,,2Ber^ 
t|>er mu fe fein", fd;rieb er bem unjufriebenen greunbc 
atö er ba« erfd^ütternbe S3ud^ in bie SBelt gefenbet. ' 

1 @oel^c unb Sßcrt^er. S3riefc @oct§e'§ u. ], to. §crQU§» 
gegeben öon %, Äeflner. B. 234. 



93 



„Siel^, bir n}iu!t fein ©eift aug feiner ^öl^Ie, fei 
ein 3Kann unb folge mir ni(|t nad^!" ®iefei8 SQBort 
mufete ©oetl^e erfüllen. $Rad^bent er ben SBertl^er 
gebi(^tet, ift ©oetl^e feiner Wtaäjt fiä) betrnfet unb 
fidler. SSon j[e|t an ift er ber 3)i(i^ter, ben er in 
einem SBorte feinet Slaffo foDiel fpäter gefd^il= 
bert l^at: 

Unb wenn ber SUlenfd^ in feiner Oual üerftumittt, ' 
©ab mir ein ®ott ju fagen, irie ii) leibe! 

SBäl^renb ber a5Be|Iarer g^it gäl^rt in il^m ber 
gauft, eg ift nnter feinen grennben befannt, bafe 
er mit biefer ©id^lung umgel^t. S)amal§ fd^rieb 
il^m ©Otter, ber eben feinen Srief über bie ©tarf- 
geiflerei üerfafet l^atte, jene Änitteberfe, loorin er 
ben gauft ate ©egengefd^en! forbert: „©d^idf mir 
bafür ben S)octor gauft, fobalb ©ein Äopf il^n 
auggebrauft!" 

©eit bem 3lbfd^iebe t>on SBe^Iar (IL ©eptem^ 
ber 1772) bii^ ju ber 2lnfunft in SQBeimar (7. 310^ 
üember 1775) Dergel^en ettoaS über brci ^afjve, 
e^ finb bie ber Doflenbetcn 3ti"9Kng«jeit , bie leg^ 
ten in granifurt, bie frud^tbarften feinet Sebeng. 
3e|t ift ba« geniale ©(Raffen in tooBem 3^9^/ i>iß 
probuctiüe Äraft auf'8 l^öd^fte gejieigert unb ftet« 




94 



geöcntoärtig. SJag-^^l^r 1774, in beifen Slnfängen 
©oetl^e ben SBcrtl^er fd^ricb, iji bcr ©ipfel biefcr 
unt)ergletd^li(i^ett S^it „3^ i^Ättc mi<^ burd^ bicfe 
ßompofition mel^r afe butd^ jcbc anbcre au^ einem 
ftürmifd^en ßlemente gerettet, i(]^ fül^Ite mid^ toie 
nad^ einer ©eneralbeid^te toieber frol^ unb frei unb 
ju neuem Seben bered^tigt." „2lte Sefiätigwng 
meiner ©elbfiänbigfeit fanb id^ mein iprobuctitje^ 
S^alent, eS terlie^ mid^ feit einigen Qal^ren feinen 
SlugenblidE, in jieber 3cit lonnte man Don mir for- 
bem, xoa& man tooHte, id^ toax fiets bereit nnb 
fertig." „3d^ betrad^tete bag mir inttjol^nenbe bid^» 
terifd^e 3;alent ganj aU ^Ratur unb bie äufeere 
Srtatur aU beffen ©egenfianb." „3)iefe 
9laturgabe gel^örte ganj mir -eigen, unb id^ mod^te 
barauf gern in ©ebanfen mein ganjeS S)afein grfin^ 
ben," 3« biefem merftüürbigen Sefenntnife l&aben 
toir ben S)id^ter. ^a& ©elbjlgefill^I, baö er un^ 
fd^ilbert, üertoanbelt fi(^ in ein Silb, in bem fid^ 
©oetl^e anfd^cmt unb barjieflt: ^ßrometl^eug , ber 
menfd^enbilbenbe Sitan! ®inen fold^en S)id^ter 
burfte id^ bod^ tool^I ben SRagu« unferer 5ßoefle 
nennen, il^n, ber \>on fid^ felbji fagen tonnte, id^ 
befa§ eine 5Panacce, ein ^auÄmittel, ba^ mir fietiS 



95 



l^alf, cS beftanb barin, bie SBirnid^fcit in 
5ßocficju t)ertt)anbcltt? ®ie S^it ift gc- 
fommcn, ido bicfcr S)i(^ter ben SJlagug unfcrer 
aSolföfage Tia(^ feinem Silbe geftaltet. S)iefer 5ßro- 
metl^eu« - ©oetl^e ift nnfer ganft! „$ier fife' i(^, 
forme 3Benfd^en m^ meinem Silbe, ein ®ef(^Ie(^t, 
baiJ mir gleid^ fei!" 

Wlit bem ed^ten SRatur^ unb Äraftgefül^l, bag 
il^n erfüllt, contrajiirt alle§ Uned^te unb @(^ti)ä(^5 
lid^e, alleg Sentimentale unb 5Riebrige, ba^ fid^ in 
ben literarifd^en unb gefelligen Äreifen unb Um^ 
gebungen beiB S)i(^terg breit genug mad^te. ©old^e 
®rf(^einungen toerben mit überlegenem ^umor em« 
pfunben unb bargefteHt. @o entfte^t eine Sfteil^e 
fat^rifd^er aji^tungen: später Srep, ©atpro^ 
ber vergötterte SQBalbteufel, ber S^^^^warft t)on 
Punberötoeilem, ^an^tüurjii^ ^od^jeit SQBielanb 
l^atte burd^ Semerfungen über ©l^alefpeare, nod^ 
mel^r burd^ fein ©ingfpiel Sllcefle, ba8 er für )foe^ 
tifd^er l^ielt aU bie SKcefti« beg ßuripibeg, ben SSer-- 
brufe ©oetl^e'g unb feiner gleid^gepnnten greunbe 
erregt. ®ine^ ©onntagg SRad^mittag« bei einer 
glafd^e Surgunber fd^reibt er in ber SUlanfarbe 
feine« SJaterl^aufe» in einem guge bie föjilid^e 




96 



©at^rc: „©ßtter, gelben unb SBielanb." S)a§ utiu 
gearbeitete ©(^aufpiel ©öfe üon Serlid^ingen erfd^eint 
im grül^jal^r 1773. 3m Sommer biefeS Qal^rcg 
bid^tet er auf ©pajiergängen ben SBertl^er, im 
gebruar unb 3Jfärj beg folgenben ^dS)xe^ tüirb in 
einem Qu%^ ba§ SBer! gef(|rieben / baiS im. Dctober 
1774 erf(^eint. Sinnen a^t ^agen entfielet ber 
6lat?igo. 6in gewaltiger ©ntlDurf neben bem an= 
beren erl^ebt fi(^ in ber ©eele be^ ©id^terö: 5pro= 
metl^euS, ßäfar, ber etoige Qube, SUtal^omet. 3m 
SSorbergrunb fielet gauft. 

S!ln biefer ©teile mill iä) einen SKngenblid »er? 
weilen. 3d^ möd^te gern in einigen SJlomenten, 
bic fi(^ in ber Äürje f(^ilbern. laffen^ nniS ben 
©oetl^e biefer 3cit t)ergegenn)ärtigen, il^n gleid^fam 
belauf d^en in ber Slrt, Wie er lebt unb bid^tct. 
3m ©ommer 1774 em})fängt er balb nad^einanber 
bie Sefud^e jweier merfwürbiger 3Ränner, bie in 
sperfon unb S)enfart ni(^t entgegengefe^ter fein 
fonnten, jeber in feiner SEßeife ein ^Propl^et ber 
menfd^Iid^en SRatur nad^ ber Slid^tung ber 3ßit, nur 
baS ber eine bie SRatur magifd^ unb gel^eimnifeüoH, 
ber anbere in berbfter SBeife gemeintjerftänbig nal^m, 
jener bie SBieberl^erfteHung auf religiöfem, biefer 



97 



auf ipäbagogifd^em 3Bege ^uäjtt: Saüater unb 
Saf ebott)! ®oeifye ertoibcrtc il^rcn S3e[ud^ in ®mS 
unb ntad^te mit il^nen gemeinfant bte Sal^nfal^rt 
nad^ eoWcnj. ®« »ar am 18. Suli 1774. 3m 
SSorübcrfal^rcn fielet er bie Sftuine Sal^ncd, Wlti 
belebt {t(]^ in feiner ^l^antafte^ er fd^aut im ©eifte 
ben SBurgl^errn, eine SRiefengejialt gegenüber bem 
5P9gmäengefd^le(|t ber ©egentoart, toilb, Iraftt)olI, 
t)on fiilrmifd^er Saaten = unb SebenSlufi ftro|enb; 
tt)enn er nid^t lämpft ober }ed^t^ fd^Ieid^t il^m ba$ 
Sebcn bal^in trag unb ol^ne Snl^olt. SBie bem 
©id^ter biefe« SJilb mittelalterlid^er ^elbenfraft lüol^t 
tl^ut! ©8 fielet i)or feinen 2lugen, aU ob e& il^m 
jutoinft^ er toinft il^m jurüdE unb fd^reibt in biefer 
Stimmung in bag Sud^ be« Q^i^^exi, ber £at)ater 
begleitet, feinen „©eijleSgruft": 

^od) auf bem alten S^nne ftel^t 
S)eg gelben eblcr (Seift, 
S)er, mie ba^ ©<j^iff t?orübcr gc^t, 
Q^ \Do\fl }u fal^ren l^ei^t. 

„Siel^! biefc ©e^nc toat fo ftarf, 
„®ie^ $er$ fo feft unb toilb, 
„3)ie ^no^en Doli Don 9ltttermarf, 
„S)er 8c<3^ct angefüllt — 




98 



„aJlcin l^albciS Sebcn ftürmt' icfe fort, 
„SBerbcbnr bic $aift' in Mub, 
„Unb bu, bu SKcnWcnfdb'ffW" bort, • 
„%a\)x immer, immer ju!" 

3)ann ba§ 2)incr im ©aftl^aufe ju ©oblcnj! 
©octi&e jtoif^en Sat}ater ttnb S3afcbott), jctter flan- 
firt t)on einem Sanbiprebiger , bicf er t)Ott einem S^anj« 
meifter, beibe fofort in il^rem Seruf tl^ätig: Sa« 
toatcr bemonjlrirt bem 5ßrebiger baS l^immlifd^e 
3erufalem auf bem Slifd^tud^, Safebott) l^ält bem 
2;an}meifier eine ^ßrebigt gegen bie Äinbertaufe: 

^äi roax inbe^ nid^t meit gereift, 
$atte ein 6tüci 6almen aufgefpeift. 

Unb »ie nac^ ömau^ meiter ging*!^ 
SMit ©eifts unb Seuerfd^ritten, 
$ropbete re<j^tg, ^ropbete linf^, 
3)a§ 2Beltfinb in ber ÜRitten! 

®ie SRl^einreife filiert il^n toeitet abtt3ärti8 naä) 

m 

©öln unb ©üffelborf , too er ben greunb trifft, ber 
il^m "tamaU tjcrtoanbter unb gleid^gepnnter toax ate 
jeber anbere: griebrii^ ^einrid^ Qacobi. 
man fd^n}elgt in ber güHe be« ^in= unb SBieber:* 
gebeniS, bie Suft ber SRittl^eilung ifl ol^ne ©renjen. 



99 



3acobi l^atte ben S)i$ter 6tö Solu begleitet; l^ier 
iDol^nen 6eibe im @aftl^ofe }unt @eift, bed 9lad^tiS 
fud^t ©oetl^e ben ^reunb ju neuer äRittl^eilung auf^ 
beibe fteljien am genjier, ber SDlonbfd^ein jittert über 
bte ^Breite beS Sll^eini^^ unb ©oetl^e recitirt bem 
^reunbe bie S3aIIaben, bie er bamafö gebid^tet, eine 
bat)on lebt l^eute im !Dlunbe bei^ %oIfö : 

@S toax ein ßönig in Sl^ule, 
@inen golbenen äJed^er er l^&tf 
@tn))fangen oon feiner f&u\)U 
^uf il^rem Sobe^bett. 

3n ber ®rinfterung jener 3ßit tuft Qacobi nod^ 
^^ierjig 3<il^re fpäter entjüdt aud: ,,3BeId^e Siage^ 
toeld^e ©tunben!" Slud^ ©oetl^e'iS iperfönlid^er ©im 
brud toax üon magifd&er ©etoalt. „@r ift fo offen 
bem ®inen/' fd^ilbert il^n £at)ater, ,fy geipanjert 
bem SKnberen, l^ord^enb ti7ie ein ^inb^ fragenb n)ie 
ein SEßeifer, entfd^eibenb toie ein Wlann, auÄfül^renb 
tüie ein^elb!" 3n einem ^Briefe aud bem^emipet 
forter Areife l^eigt eiS: ,,®oet^e toax bei uniS^ ein 
fc^öner 3unge toon fänfunb3tt)an3ig S^^ten, ber loom 
äBirbel bis jur S^^^ ®^i^ ^i^^ ©tärle ifi^ ein 
^erj t)oQ ©efül^I^ ein ©eift Doli geuer mit 
ablersflügeln." ©inb »ir nid^t toörtlid^ an 




100 



ia§ alte ^olUiu6) erinnert^ töie eS ben jugenb:: 
litifm SRagug üon SQBittenbcrg fd^ilbert.? S^cobi 
fd^ricb batnate an SBiclanb : „®oetl^e ifl felbftänbig 
t)otn Scheitel hi& jur ^o^U; je tncl^r i6)'^ über« 
ben!e, j[e lebl^after etnpfinbe i^ bie Untnöglid^feit 
bem, ber ®octl(>c nid^t gefeiten nod^ gel^ört ^at, 
tttoai ^egreiflid^ed über btefei^ aiigerorbentIi(|e ©e- 
fd^ßpf ©otteS ju fd^reiben." 

SRod^ gegen @nbe biefeg l^od^poetifd&en S^l^re^ er^ 
greift ben S)ici^ter eine neue Seibenf^aft, bie balb in 
tjoller ©lutl^ fielet, eS ift bie Siebe iu ber granffurter 
5ßatricierto<i^ter ©lifabetl^ ©d^önemdnn, in feinen Sie- 
bern Sil i genannt. Äein ernfl^aft öerfagenbeS ©d^id^ 
fal, aud^ ni(ä^t bie ©d^eu, feinem ©eniui^ unb feiner 
3ufunft juiüiberjul^anbeln, l^inbert bie ©rfüHung, 
We fd^on nal^e ju fein fd^eint, atö fid^ ungönftige 
gamilienftimmungen t)on beibenSeiten regen, gefall^ 
füd^tige unb eiferfüd^tigc Saunen jwifd^en ben Sieben^ 
ben baju fommen unbbaö junge SiebeöglildE umWölfen. 
Salb emi)finbet ®oeifyt , bäfe il^m eine neue ©ntfagung 
beüorftel^t. 3n biefer ©timmung trifft il^n im 3ßai 
1775 berSSefud^ ber ©ebrüber ©tolberg, bie ber 
SBunfd^, ben bewunberten S)id^ter bed ©ö$ iperfön^ 
lid^ lennen ju lernen, nad^ granlfurt gefiil^rt ^at. 



'«. 14... 



101 



©emeinfam mit iJ^nen maä)t er bic Steife nad^ ber 
©^toeij, unb l^ier auf ber gal^rt über ben 3ä^i<ä&^^ 
©ee, im 3lnbli(f ber großen 3flatur, all^met er feine 
ge})reBte Stimmung au^ in bem l^errlid^en ©ebid^t: 

Unb frifd^e Slal^rung, neue^ Slut 

Saug* 169 au^ freier SBcIt; 

ffiie ift Statur fo ^olb unb gut, 

S)ie mid^ am 99ufen l^ö(t! 

Die SBeCIe »ieget unfern Äal^n 

3nt 9)ubertact hinauf, 

Unb Serge, »olfig l^immelan, 

begegnen unferm fiauf. 

2)a§ ift bie €(^tt)ei}, toie* fie leibt unb lebt! 
S)a3 ift SRaturbi^tung ! S)ag ift ber S)i<i^ter, ton 
bem ha^ 2Bort ^eine'd mit wUex SQSa^rl^eit gilt: 
„S)ic SRatur »oUtc »iffen, lüie fte au^fiel^t, ba 
fti^uf fie ©oetl^e!" 

3tuS biefer S)id^terfraft unb au& biefer g^it ift 
ber gauft l^ertoorgegangen in feiner erften ältefien 
©efialt. SBag ©oetl^e im 3a^r 1790 afe „grag= 
ment" öeröffentlid^t l^at, toax jum größten Sil^eil 
fd^on je^t üoHenbet, toal^rfd^einlid^ fd^on im Saläre 
1774. Ooetl^c felbft erjäl^It, bafe er auf feiner 
Steife nadf^^ber Sd^toeij Älopjiod in Äarförul^e be* 
fud^t unb i^m bort bic meiften ©cenen feine« %au^ 




102 



öorgclcfcn l^abc. ®cr SDlarfgraf Äarl gricbrid^ toon 
Sabcn l^atte bcn ©id^tcr beg 3Rcffiag an feinen 
i^of eingelaben, flioipftod fam im ©eiptember 1774 
nnb ging im 3Märj be^ folgenben S^l^reS, beibe 
3Kale befud^te er ©oetl^e in granffiirt. ©al^er ift 
e§ unmögüd^/ bafe il^m biefer in flarföml^e einige 
aRonate f})äter feinen ganft toorgelefen ^at, bie 
älngabe berul^t auf einer ©ebäd^tnigtänf d^nng ^ tDie 
beren fid^ monci^e in S)id^tung unb äBal^rl^eit ftnben. 
®ie SSorlefnng f)at in grantfurt ftattgefunben, roaffx^ 
fd^einlid^ im ©eiptember 1774. S^^if^^^ V^^ beiben 
»efnd^e Äloipftodfg faDen jtoei aSefud^e ^acobi'«, ber 
6nbc S^tinar 1775 nad^^ ÄarWrul^e ging nnb bier 
äßod^en fpfiter jurädlel^rte ; aud^ i^m tl^ieilte ©oetl^e 
bie fertigen ©cenen feineiJ ganft mit, nnb atö 
Sacobi fed^jel^n Salj^re fpäter ha& gragment gelefen 
l^atte, fd^rieb er an ©oetl^e: ,,^6) fannte beinal&e 
fd^on Sitte«," ®§ ift bal&er fidler, bafe im Anfang 
be8 Saläre« 1775 ba« ältefte ©ebid^t in feinen 
Jßaui)tbeftanbt]&eilen feflftanb. S)aju finb im ßanfe 
be» S^l&re« 1775 nod^ einige ©cenen gelommen, 
tt)ie mir an« einem ©riefroed^fel erfol^ren, ber ge- 
rabe in biefer 3^t/ W'orin ©oetl^e'« Seibenfd^aft 
für ßili flnt^et nnb ebbt, bie reid^flen 2luffd^Iüffe 



103 



Über fein Seben unb feine ©timmutigen gibt, e§ 
jtnb feine Sriefe an bie ©räfin 2lugufte ©toi« 
berg, bie ©d^mefter feiner greunbe. SSon bem 
©id^ter begeiftert, l^atte fie, bamate einunbjtüanjig 
Saläre alt, ben brieflid^en SBerlcl^r begonnen; fie 
ift ate ©räfin Sernfiorff, eine jtoeiunbad^tjigiäl^rige 
©reifin, gejlorben, ol^ne ben ©id^ter je gefeiten ju 
l^aben. 5Den 6. 3Kärj fd^rieb il&r ©oetl^e: „^abt 
gejeid&net, eine ©cene gebid^tet^, o toenn id^ jefet 
nid^t S)ramad fd^riebe, id^ ging ju ©runb." ®en 
17. ©e^)tember Stad^tg fd^reibt er auiJ Offenbad^, 
gequält t)on bem SSorgefül^I ber naiven ®ntfagung: 
;,S)er Sag ift leiblid^ unb ftum^f l^erumgegangen. 
®a id^ aufftunb, toar mir'iS gut, id^ mad^te eine 
©cene an meinem %au% 3Kir n^at'e in aU bem, 
ti)ie einer Hatte, bie ©ift gef reffen l^at, fie läuft 
in afle Söd^er, fd^Iürft alle geud^tigleit, t)erfd^Iingt 
atte^ ©febare, bag il^r in SBBeg fommt, unb il^r 
Snnerfted glül^t t)on unauiSlöfd^Iid^ toerberblid^em 
geuer." SJBir l^ören baiJ Slattenlieb anli ber ©cene 
in Sluerbad^g JleKer: „®ie Äöd^in l^at il^r ©ift ge= 
ficflt, ba-»arb'g fo eng i^r in ber SEBelt, ate l^ätf 
jie Sieb' im Seibe/' SBSer möd^te al^nen, bafe in 
biefem ©pottliebe auf ©iebel — „er fielet in ber 




104 



gcfd^tooH'nctt SRatte fein ganj leibl^aftig ßbcnbilb" — 
©oetl^e feine eigene gequälte ©emütl^Sflimmung paro- 
birt ^a\l ^ä) t}erniutl^e, baß bie S)id^tung ber 
SKuerbad^fcene in ben ©eptember 1775 fättt unb mit 
i^ter ganjen grifd^e in bem ©riefe an bie. ©räfin 
©tolberg nad^wirft. SBenige Xa^e fpatcr lö^t fid^ 
ba^ äSerl^ältnig ju Sili, ba0 fid^ in etn^r Stetige t)on 
©ebid^ten jener S^it, in ©rtoin unb ®Imire, ©lau'- 
bine t)on SSitta SBella , aud^ in ©teKa, bem ,;©d^au' 
fpiel für Siebenbe/' abfpiegelt, obtoo^l bie I^id^tung 
ber 'f)xex gefd^ilberten ©oppelliebe ton 3W€tit)en mit- 
betDegt toax, bie ®oetl^e in ben ©d^idfalen unb Skt^ 
l^ältniffen feinet ^^eunbe« S^cobi Dor Slugen l^atte. * 

3. SSeimar* 

S)ie ©türm- unb S)rang}eit ifi aui^gelebt^ n)ir 
[teilen an ber ©d^toelle einer neuen (SntiüidtlungSs 
ftufe beg ffiid^teriS, bie getoöl^nlid^ feine ,,claffifd^e 
5Periobe" genannt »irb; baiJ SBerl ifl fd^on bes 
gönnen, in bem, toie in leinem ajiberen, bicfer 

1 3u öcrelcid^en Deutle . 9lunb|(^au 5Bb. I? §eft 10. 
8. 78—83. (3u ©oetlfic'S Stella, öon UrlidJS.) «b. IV. 
^eft 4. 8. 66—86. (SBemeTfungen übet ©oeil^e'e 8teHa Don 
SD. Sd^eret.) 



105 



Uebetgang ftd^ t)oD}ie]^t iinb gleid^fam bie ^lutl^en 
bet bciben Sii^tungSjciten unb 3)ici&tung^tt)eifen 
fid^ mifd^en: @gmont. 9lud^ bie aitgeren Seben^- 
terl^älttiiffc ©octl^c'iS änbcrn fi$, er toerläfet feine 
SSaterftabt unb trägt ben ffttiffm unferer claffifi^en 
S)id^tung na^ SBeimar. @r l^alte bie ^anbfd^rift 
feinet %au^ bei fid^, aU er ben 7. 5Rot>ember 
1775 in feiner neuen ^eimatl^ eintraf. 

S)iefe^ ©ebid^t luar eineiJ ber erfien, bafe er 
bem »eimar'f^en $ofe t>oxla^. S)er liebeniStoürbige 
unb originelle @inftebel fd^rieb bamald jene fd^erjen^ 
ben Anittelreime, bie ben S)id^ter bei^ SBertl^er nnb 
ganft jur ßirif^^ibe nal^men: 

^it feinen Schriften unftnngt)oQ 
Tla6)t er bie I^albe 9Be(t ie^t toü, 
Schreibt *n SBuc^ von einem albernen 3^ropf^ 
2)er feiler $aut ftd^ fd^ie^t oor'n ^opf^ 
2)enft munber, toa^ er au#geba(^t, 
^enn er einem äRdbel ^eritoe^ mad^t, 
$arobirt ftcb brauf aU ^octor Sauft, 
S)o6 bem Seufel felber cor ibm grauft. 

älud^ bie ^elena toax ober tt)urbe begonnen. 
3Bir n)if[en nid^t^ loie mit biefe S)id^tung bamaU 
gebiel^ unb xodd)e ^oxxa fie l^atte, aber fo biel 




106 



ftel&t feft, bafe fie ©oetl^e im Saläre 1780 ber $er^ 
jogtn ältnalie unb ein j^^iteiSmal ben gotl^a'fd^en 
5ßrinjen üorlai^. ^ie ®nttt)ürfc neuer SBBerle, bie 
ber da jfifd^en 3^it angel^ören, btängen ben §auft 
in ben Jpintergrunb. Sd^on im erften 3<J^^^ß f^iti^^ 
lüeimar'fd^en 2lufentl&altei^ beginnt er bie ^pffU 
genie, bie 1779 in ungebunbener Sftebe üollenbet' 
»irb, im folgenben Qal^r unternimmt er ben 3; äff o; 
aU fein näd^fter ©eburtstag (ber 28* 2lugufi 1781) 
in ber SIKooiSI&ütte be^ Sliefurter ^axU burd^ ein 
geftfpiel, ,;3Mineröa*g ©eburt/' gefeiert »urbe, 
erfd^ienen in feuriger S^f^rif t bie beiben SRamen : 
Spl^igenie unb gauft. 

@S ftnb mer groge ))oetif(i^e Sluf gaben ^ bie ben 
3)id^ter nad^ Italien begleiten: bie Umarbeitung 
ber 3?>^igenie, bie aSoBenbung bei» Saufi, beg ©g^ 
mont, beg 3;ajfo. 

SEBäl&renb feinet erften römifd^en Slufentl^altiS * 
toirb bie erfte jener Aufgaben gelöW. 3laä) feiner 
Slildtfel^r t)on ©icilien fd^reibt er ben 11. Sluguft 

1 28. Cctobcv 1786 BiS 21. gcbruar 1787. 



107 



1787 an ipcrber: „®flmottt ift fertig unb toirb ju 
6nbe bicfeS aWona« abgelten fönnen. a;af f o lommt 
nad^ bcm neuen Sal^r, %au^ foH auf feinem 3RanteI 
aU ©ourier meine Slnfunft melben!" Slber biefe 
Beiben ©id^tungen rüden ni^t Dortoärt«. ,,5Run 
liegen," fd^reibt ber 3)id^ter ein SSierteljal^r fpäter, 
„noä) fo fd&toere ©teine t)or mir, »ie gauft unb 
Slaffo.'l ©oetl^e bid^tet, toa^ er erlebt, er erlebt 
nid^t«, bag biefe SBerfe betoegen fönnte. „SBBenn 
eg fo fortgel^t," l^eifet e« in einem SBriefe auö ben 
erften S;agen beS Sal^reiS 1788, „fo muß id^ mid^ 
im Saufe biefe^ Qal^reiS in eine ^ßrinjeffin verlieben, 
um ben S^affo, ic^ mu^ midj) bem SJeufel ergeben, 
um ben gaufl fd^reiben iu fönnen, ob id^ gleid^ 
ju beibem »enig'Sufl fälble." Gnblid^, fo fd^eint 
e«, fommt &titn in ben gaufi. SSir finben unter 
bem 1. aRärj 1788 in bem a^agebud^ feiner ita« 
lienifd^en SReife ein fflr jene ffiid^tung fd^ merf- 
tt)ürbiged SBefenntnig: ^/®i$ toax eine reid^l^altige 
2Bod^e , bie mir in ber @rinnerung loie ein SWonat 
öorlommt. Snex^t toarb ber ^lan ju fjaufi ge^ 
mad^t, unb id^ l^offe, biefe Diperation foU mir ge* 
gludt fein. SRatärlid^ ifl eiS ein anber S)ing, bad 
©tüdE ie|t ober Dor fünfjel^n ^o:fyxm aui^fd^reiben ; 



108 



id^ bcnfe, c^ foll nid[iW babci tocrlietcn, bcfonber^ 
ba i^ j|e|t glaube, ben f^aben tüieber^ 
gefunben ju l^aben. 9lud^ toa^ ben S^on beiS 
©anjcn betrifft, bin id) getrßjlet; iä) l&abe fd^on 
eine neue ©cene auggefül^rt, unb »enn i6) ba0 
5pa^)ier räud^ere, fo foll fie mir nienianb auiS ben 
alten l&eraui&finben. 2)a id^ burdj; bie lange SRul^e 
unb Slbgefd^iebenl^eit ganj auf ba^ 9f2it)eau meiner 
eigenen Syifienj jurfidgebrai^t bin, fo ifi e^ merfc 
tt)ürbig, mte fel^r iä) mir gleid^e unb mie roeniq 
mein Sunere^ burd^ S^^re unb Segebenl&eiten ge« 
litten l^at. S)ag alte SRanufcript mad^t mir mand^- 
mal )u ben!en, toenn id^ e^ )}or mir fel^e. @d i{l 
nod^ baS erjle, ja in ben Jpauptfcenen 
gleid^ fo ol^ne Soncept l^ingefd^rieben; nun 
ijl es fo gelb t}on ber Qtit, fo »ergriffen, bie 
Sagen »aren nie geheftet, fo mürbe unb an ben 
Siänbem jerftogen, ba^ eS toirlUd^ n)ie bad ^rag^ 
ment eines alten Sobej: ausfielet, fo ba^ id^, toie 
id^ bamalS in eine frül^ere 38elt mid^ mit ©innen 
unb äll^nen t)erfe|te, id^ mid^ j|e(t in eine 
f elbftgelebte SJor jeit toieber toerf e|en mufe." 
S)iefe älufieid^nung @oetl^e'S ^alte id^ für eines 
ber bemerfenSioertl^ejlen S^^S^^ff^/ »eld^e bie ®es 



109 



fd^id^te ber @ntfle^ung unb 9[ud6ilbung feinet §auft 
crleud^tcn; @o »cit l^atte [lä) bcr S)id^tcr bcm 
genialften feiner S^senbiperle entfrembet, bag il^m 
bie Spod^e bcffelben toie feine eigene SSorjeit er- 
fd^eint, bafe er ben gaben verloren l^at, bafeeril^n 
glaubt tüieber aufgefunben }U l^aben! ®r ift nid^t 
mel^r im ©lemente feiner ©id^tung, er mad^t ben 
SSerfud^^ in biefeS Clement surüdEiuIej^ren. 9ln 
einem ber fd^önfien Orte fSiom^, in bem ©arten 
ber SSiSa ^orgl^efe, l^at @oetl^e eined SSormittag^ 
eine @cene beS gaufl gebid^tet. 9liemanb tDürbe 
auÄ biefem Orte biefe ©cene erratl^en: eg luar bie 
^eycnfüd^e! @o erjäl&It er feinem greunbe 
@dEermann. 

Qd^ »ermutige, bafe in ben italienifd^en Sluf^ 
entl^alt nod^ eine }n)eite @cene \äUt, bie ftd^ in 
einer @telle auf bie ^ejcenlüd^e juriidEbeiiel^t^ mit 
bem ^lanc be^ erften ©ebid^t^ üerftiüpft, aber nad^ 
gorm unb $ir(ffa\t eine grnd^t fpäterer 3^it ift: 
gaufld l^errlid^er SRonoIog in äBalb unb 
^ei^le, ©id^er ift biefer für bie fritifd^e S3eur- 
t^eilung bed SBerled au^erorbentlid^ tt^id^tige SRono« 
log nid^t früher aU ber SlufentJ^alt in Italien. 




110 



5. ^ad gfragmetit. 

®en 18. 3uni 1788 fel&rtc Ooet^e t)ou feiner 
italienifd^en Steife nad^ SQBeimar jurüdf. ^aufi 
unb S:affo toaxen unüoBenbet ^m 3uli bei5 
folgenben ^afyct^ toirb bcr S^affo ju Q^ribe gefül^tt. 
9ln einen älbfd^lu^ bei^ gauft tft mä)t ju ben!en. 
@o erfd^eint im VII. Sanb ber ©efammtauggabfe 
biefe^ @ebi(]^t aU „gtagment" (Dftem 1790). ^iet 
enbet in ber ®ntfiel^ungiSgefd^id^te beÄ fjauft bie 
erfte 5ßeriobe (1770—1790). 

2öir muffen ben Qnl^alt beiS gragmentö genau 
ins SKuge f äffen. ®S befianb auS folgenben 2;i^eilen: 
1) 3)en Sttnfang mad^t gauftö erfter SWonolog, bie 
@cene mit bem @rbgeift, baS ©efpräd^ mit bem 
gamuluS. ^ann folgt eine große Südfe. 2) 6rft 
gegen @nbe ber jtoeiten Unterrebung jtoifd^en gaufi 
unb 9Jlep]^ifto))l^eleiB beginnt ia^ Fragment n)ieber^ 
mitten in ber Siebe gauftS, »o ei^ mit ben SBorten 
einfe|t: „ — unb toa^ ber ganjen SRenfd^l^cit iu* 
getl^eilt iji, »iH iä) in meinem innern ©elbfl ge* 
niefeen." 6i^ folgt ber Keine ajlonolog beS SRepl^i« 
jiopl^eleS: „SSerad^te nur SSernunft unb SBiffen* 
f($aft u. f. tt)./' ba§ ©efpräd^ mit bem Sd^üler, 



111 



bie SBorbercifuTig jur SBeltfal^rt, bie Slucrbad^fcene, 
bic ^ej enfäd^c* 3) S)ann folgt bie ®rct(|cntragöbic, 
mit Sugfd^Iufe ber SSalcntinfccncn biiS ju bcm äuf^ 
tritt im S)om, ber mit ben SGBortcn f daließt: „3laä)s 
barin, euer gläf (i^d^en ! " $ier enbet ba« gragment. 
S)ie ^aupttl^eile toann f(|on im Slnfange be^ 
^df)xe^ 1775 gebi(|tet; baju fam im Saufe biefe« 
Sal^reS bie 3luerbad^fcene, breijel^n S^l^re fpäter 
bie $efen!ü(^e, banft ber ÜRonolog in SBalb unb 
^öl^Ie^ ber !änftlid^ in bie @retd^entragöbie ein? 
gefügt unb an einer ©teile untergebrad^t tDurbe, 
bie geänbert tuerben mugte. SSerglid^en mit bem 
fpäteren ©ebid^t , toie e« al& erfier 3^eil uni8 üor? 
liegt, fel^lten: 1) bie 3wcig«ung, bag SSorfpiel auf 
bem Sll^eater, ber ^rolog im §immel, 2) alle 
@cenen, bie jene groge Sfidfe aui^fäüen: nämlid^ 
^auftiS }tDeiter 3RonoloQ, ber Oftergefang , bie 
©cenen- t}or bem 2;i^or, ber britte SJlonolog im 
©tubir jimmer : ;,SSerIa|feu l^ab' i^ ^elb unb äuen/' 
bie Sefd^mörung unb erfle @rfd^einung ht& Wtep^u 
fiopl^eleiS, bie beiben @efpräd^e jtDifd^en ^ufl unb 
Wtep^^p^dt^ bid )u ber angefäl^rten ©teOe bei^ 
}tt)eiten, 3) bie SSoUenbung ber ©retd^entragCbie, 
bie ben ©d^IuB bed erflen 3^eil8 bilbet: bie äBal^ 




112 



purgi^nad^t, bie ^Mlc^x, bie Äerferfcenc. Unter 
bicfcn 23^cilen gab c« fold^c, bie, tl^cite flijjirt, 
tl&cite tnel^r ober loeniger auSgeffll^rt unb ber tlm= 
arbeitung bebürftig^ in ber ^anbfd^rift iurM- 
blieben. S)iefe @cenen ]^eraud}nfinben unb baS 
grül^ere t)om ©päteren ri^ti^ ju fd^eiben, ift bie 
9lufgabe einer forgföltigen unb einftd^tdtoQen jtritif. 

in. 

|>ie ^iieiieniii0 be$ ^ebii^t^- 

SBir näl^ern unS in ber @ntn}i({Iungdgefd^id^te 
beiS ©oetl^e'fd^en f^aufl einer &l^nlid^en Ariftd^ aU 
Dor ®oetl^e bie SSoIföbid^tung tont ^aufl in unb 
burd^ Seffing erlebt l^at. 

9iad^ einer Sleil^e t)on S^^'&^^ii ^^^t ©oet^e t)er' 
fud^t, bie alte S)i(i^tung fort}uffil^ren unb ju doU- 
enben; er l^at in baiS @Iement berfelben suritd' 
leieren moQen unb einen älugenblid aud^ geglaubt^ 
n)ieber in biefem (SIemente ju fein. @i^ n)ar eine 
@elbftt£ufd^ung. 9)et SSerfud^ mißlang ^ bie alte 
S)id^tung {ebte nid^t mel^r fort in bem S)id^ter, unb 
fie lieg fid^ nid^t Hlnfilid^ tt)ieberbeleben. SBaS 
beibe trennt^ war bie Äluft ber ^a^xe, ber SKbftanb 



113 



jlpifd^en ©oetl^e beni Süngling wnb ©octl^c auf bct 
^öl^c beö tnännlid^en SKlterS; bajlpifd^cn lag bic 
toeitnar'fd^e 3^^^ «wi^ ^^^ SKnfcntl^alt in Italien. 
Senc alte ©id&tuiig toax bcr gcmaltigftc iinb fcurigftc 
©rgufe bcr Sfurm* unb ©rangjeit, bicfcr ©pod^c 
l^atte fid& ©oet^c mit iebem ßcbcn^fd^ritte toeitcr 
cntfrembet, bie ©ntfrctnbung ftieg bi« jur Slb^ 
neigung, ja big jum SSiberiDittcn , ate bie iinges 
l^uerlid^e %lvii\) iura stueitenmale in ben ad^tjiger 
Salären mit ©d^illcr l^creinbrad^. Sen gauft 
toieberauf leben ju laffen, gab eS nur ein einjige^ 
SJlittel, eine (Erneuerung toon Orunb au^, eine 
Umbilbung be^ 5ßIaneÄ, bie ol^ne 5Rad^al^mung in 
ben StBeg einlenfen mufete, ben fd^on Seffing er- 
griffen, älber ber SKnßpg baju fam nid^t au^ 
©oetbe felbft, fo entfd^ieben lüar bamate feine ^h 
toenbung bon biefem ©ebid^t. Slud^ erfüllten il^n 
Dbjecte anberer Silrt, ©efd^äfte, toiffenfd^aftlid^e 
Stubien^ poetifd^e 2lrbeiten. 6r übernimmt bie 
Seitung beiS ^oftl^eaterg, begleitet ben ^erjog auf 
bem ^elbjuge in granfreid^^ bei ber. ^Belagerung 
t)on 3Rainj, er lebt in botanifd^en, optifd^en, ana^ 
tomifd^en SBeobad^tungen. 3laä) ben römifd^en Ple- 
gien folgen bic e^ifd^cn Sid^tungen, SRcinefe %ud)§f. 




114 



SBUl^cIm aReiftcrS Scl&rjal^rc, ^ermann unb Soro» 
t^ea. ®r fafet ben $lan cineö großen @poS Sffiill^elm 
%eU, baS bic gru^t feiner britten ©d^tüeijcrreife 
im Saläre 1797 fein foBtc. 

3n bic aRitte biefeg ^al^reg faßt bie @pod^e be§ 
„mieberaufgelebtcn gauji," ber SfBenbciJunft, 
ber baS ©ebid^t jur bcutfd^en divina commedia 
gema(ä^t f)at ®ie erfte ajlal&nung an ben öerlaffes 
nen fjaufi xoax t)on bem S)i(|ter auiSgegangen, ber 
afö ber gewaltigfte (gpigone jener ©türm« unb ©rang? 
jeit ]^ert)ortrat, auf bie ©oetl^e fd^on juröds unb 
^erabbUdte, ate auf einen „©unfi* unb 5RebeIipeg." 
^em S)id^ter ber S'pl^igenie unb be^ Xä^o mufeten 
gd^iHerg Swgenbtoerle, ©id^tungen tt)ic bie Stauber 
unb giegco, ate ber forcirte Siädfall in eine ®äl^- 
tung erfd^einen, bie in feiner eigenen ©ntmidlung 
aufgelebt unb übertounben toax. 3n ber @ntfreni5 
bung, bie er feinem gaufl gegenüber empfanb, 
xoaxtn einige berfelben SRotibe toirffam, tt)el<i^e bie 
Äluft begrünbeten jtoifd^en il^m unb ©dritter. S)ie 
Sluft mu^te fid^ ebnen, ©oetl^e toax bom @gmont 
emporgeftiegen ju ben 3)id^tungen ber $ip^ienie 
unb bed ^affo; ©d^iUer voax fd^on auf bem SBege 
begriffen 'oon ßarloS jum SBäallenjiein. ^ier mufete 



115 



bie flciftigc ätnnäl^erung ftattfinbcn, bic jperfönlid^e 
gab \i^ t)on f clbfi , autS bcr ein aScrl^ältnife ber f et 
tcnfien unb reinfien SKtt l^eröorging, ein SSunb ^tx^ 

m 

fßnlid^er greunbfd^aft, gegenteiliger gCrberung , gc^ 

• 

meinfamen ©d^affeniS. ®^ toar baS le|te S^^tjel^ht 
im Seben @(|ifferiS! 3Rit einer g^ß^ ^enlid^er, 
banibarer unb toerflärenber (Erinnerungen ^at ©oell^e 
in feinem Spilog jur ©lorfe biefe 3^it ii^*> ^^^ 
©ebäd^tnife beö erl^abenen greunbeg gefeiert : 

2)enn er toar unfer! 9Bie bequem gefeUtg 

^en ()o()en ÜRann ber gute 2:ag gezeigt , 

2Bie balb fein (Smft, anf(]^lie^enb , »ob^gefftflig 

3ur ^ed^felrebe beiter ft(b geneigt, 

Salb raf(bgemanbt, geiftrei(b unb ft(berfteQig , 

S)er Seben^planc tiefen Sinn erzeugt, 

Unb frudfetbar fi(b in SRatb unb Sbat ergoffen: 

jag baben »ir erfabren unb genoffen. 

S)iefer 2)id^ter tpar e^, ber ©oetl^e an feinen 
^auft mahnte unb mit feinem Statine gegenn)ärtig 
roai bei ber äBieberbelebung unb Umbilbung beS 
®ebic^td. 

93alb na(i^ ber erflen perfönlii^en 9(nnä^erung 
berül^rt ©dritter in einem ©riefe auS bem SRobem^ 
ber 1794 biefen ©egenfianb. ;,3Rit »al^rer ©e^n» 




116 



\uä)t »ilrbc i^ bie ^rud^jifidc toon Ql^rem gauft, 
bie nD(ä^ ungebrudt finb, lefen; benn i^ geftel^c 
3il^nen, baB mir baS, toa^ id& t)on biefcn ©tfidfcn 
gclefen, bcr a;orfo bcÄ ^erlule» ifl. 6S 
l^crrfd^t in biefen Beerten eine Äraft unb eine güDc 
beÄ ®eniei3, bie ben erflen SReifler unüerfennbar 
jeiflt , unb i(!9 möd^te biefe große unb ftil^ne Siatur, 
bie r>axin atl^met, fo Weit ote möglid^ verfolgen/' 
SBie einft iSeffing ha^ alte beutfd^e SSoIf^fd^aufpiel 
t)om gauft empfunben l^at: „@iJ finb ©cenen barin, 
bie nur ein ©l^afefpeare'fd^e« ®enie ju beuten ter^ 
mögenb gemefen" — fo empfinbet jefet ©(|iller ben 
©oetl^e'fd^en gauft ! 

Unb toa^ antoortete ©oetl^e? ,,35om gauft !ann 
iä) jjegt 9lid^tö mittl^eilen; td^ mage nid^t, baS $adfet 
auf juf d^uüren , ba8 i^n gefangen l^ält; id^ fönntf 
nid;t abfd^reiben, ol^ne auiSjuarbeiten, unb baju 
fül^Ie id^ in mir leinen 3Rutl^. * Äann mid^ 
{ünftig ®tn)ai^ ba}U vermögen, fo ift ed geloijs 3^re 
Si^eilual^me/' Qm Sluguft bei^ folgenben Sal^re^ 
toerfprid^t ©oetl^e für ba§ S)ecemberl^eft ber ^orcn 
^,®tn}a5 t)om gauft/' unb ©(Ritter »ieberl^olt feine 

1 S)cn 2. 2)ecember 1794. 



117 



prbittc.^ 3cneg „ettoa«" bleibt ungebrudt 5Rod^ 
immer lann ftd^ @oe% nid^t entf^Iie§en , an biefen 
©egenftanb ju tlll^rcm „6« gel^t mir bamit »ic 
mit einem 5pulöer, bo5 fid^ au^ feiner äuflöfung 
nun einmal niebergefe^t l^ot; fo lange Sie baran 
rütteln, fci^eint eg fici^ toieber ju bereinigen; fobalb 
i^ n)ieber für mid^ bin, fe|t eS fid^ nad^ unb nad^ 
}u ©oben." 

@nblid^ lommt eine bem gauft günfiige ©tim^ 
mung, fie extoaä)t unter ben S)id^tungen, tporin 
bie beiben ^eunbe für ben SDtufenalmanad^ eben 
wetteifern. „Unfer SaHabenjinbium/' fd^reibt ©oetl^e 
ben 22. Sutti 1797, „\)ai mid^ »ieber auf biefen 
S)unfis unb 9lebeln)eg gebrad^t/' S)er neue $lan 
ift erfunben, bie SluÄfü^jrung »irb nä^er torbereitet. . 
„S)er 5ßlan felbji," fo lauten ®oetl^e'ö SBorte, „ifl 
eigentlid^ nur eine Qbee." „SRun l^abe id^ aim biefe 
3bee unb beren S)arftellung t}orgenommen unb bin 
mit mir felbft jiemlid^ einig/^ @r begel^rt jegt ben 
fHaü) bed greunbed. Sd^iQer möge in ein'er fd^laf^ 
lofen Sflad^t bie @ad^e burd^benten unb il^m bie 
^orberungen, bie er an ben ^aufl al^ ©anjeS 

1 S)en 17. ^Tufluft. 1795. 




118 



ftcHc, mittl^cilen. ,,6rjfi]^Ien unb beuten Sie mir 
ate ein toal^rer 5ßropl^et meine eigenen S;räume!" 
©ingel^enb antn)ortet ©dritter, foglcid^ nnb em))fiel^lt 
bie IXmbilbung. „^^ ttjill ^l^ren gaben auf jufinben 
fud^en, unb »enn aud^ bag nid^t gel^t^ fo toitt id^ 
mir einbilben , al§ ob id^ bie fjragmente Dom gauft 
jufäHig fänbe unb fie auiJjufül&ren l^dtte." „333eil 
bie gabel iniS ©rette unb gormlofe gel^t unb gelten 
muB/ fo toiU man nid^t bei bem @egen{lanbe fttU 
ftel^en, fonbem t)on i^m ju Qbeen geleitet tt)erbeu. 
Äurj, bie Slnforberungen an ben gauft finb ju« 
gleid^ pl^ilofopl^ifd^ unb !poetifd^, unb Sie mögen 
Rd^ »enben, tt)ic ©le tooHen, fo. toirb S^nen bie 
Statur be3 ® egenflanbeiJ eine pl^ilofopl^ifd^eSJe» 
l^anblung auflegen. ®ie 6inbilbung8fraft toirb 
fi(^ jum ©ienfi einer 3Sernunftibee bequemen muffen." 
ÜRit SRed^t fügt ©dritter biefen SQBorten J^inju: „3d^ 
fage S^nen fd^ttjerlid^ bamit ettoa^ 5Reue«." ®ie 
pl^ilofopl^ifd^e Umbid^tung ift fd^on im SSBerf. 3n 
ben ^agen biefe^ ^^^^^AU^i^ufd^^^ ^it ©dritter 
bid^tet ©oetl^e ben ,,^roIog im ^immel/' gleid^= 
jeitig ifl bie „S^eignung" unb »ol^l aud^ bag 
,,aSorfpieI auf bem Sil^eater." S)er Prolog 
entl&ält bie Slnlage unb ben ©runbgebanfen ber 



119 



neuen gaufibid^tung ; biefc neue S)i<i^tung foll j|e|t 
mit bem bereitö gebrudten Fragment ))erfnu^ft, ba§ 
leitete foQ na(i^ bem neuen ^ il^m fremben $Ian er« 
gänjt unb t)oQenbet n)erben. @o fielet bie Aufgabe be$ 
©oetl&c'f^en gaufi feit ber aWitte be« Sal^reiS 1797, 
@« l^anbelt ftd^ um bie Swfatnmenfügung jtüeier 
Sid^tungen, einer alten unb einer neuen^ fte 
flammen au^ grunbberfd^iebenen Stimmungen unb 
Seben^epod^en bed S)id^terd^ {te ftnb il^rer Slnlage 
nad^ burd^auiS l^eterogen^ fte ftnb ed bi^ }um DöUi- 
gen SBiberftreit. ^ier lagen bie @d^tt)ierig!eiten^ 
meldte bie f^ortfe^ung bed ©ebid^tiS^ bie Slu^fül^' 
rung bed neuen ^laneiS @d^ritt f^r @d^ritt l^emm^ 
ten. 9lud^ em^fanb ©oetl^e fogleid^ biefe Hemmung, 
biefen SBiberftanb, ben bad alte @ebid^t ber (Sin-- 
fül^rung ber neuen S^ee entgegcnfeftte. ©d^on ben 
1. 3uli 1797 fd^rieb er bem greunbe: ,,aKeinen 
gaufl l^abe id^ in älbfid^t auf Qäfvxta uttb Heber« 
fid^t in ber @efd^ti)inbig{eit red^t üorgefd^oben ^ bod^ 
bat bie beutlid^e 93au!unfl bie Suftp^an- 
tome balb wieber terfd^eud^t." S« »ar in 
bie S)id^lung eine jlDiefpältige S)op))elnatur gefom^ 
men, bie ©oetl^e felbft einem „2;ragelapl^eu" üer- 
flK^' //3^ möchte biefen ^ragelapl()cn fog iperben/' 




120 



fd^ricb er bcn C. S^ecetnber 1797 nad^ feiner SWld^ 
fel^r aitd ber Sjd^tDeij, ,^iim tnid^ }u einer ^S^eten 
unb reineren ©timmung, t)ieDeid^t jum 5EeII, öors 
jubcreiten." 

äßan mug jid^ ®oetl^e ben Aünftler toergegen« 
»artigen, bcn größten epifd^en $»id^ter feit J&onier, 
ber eben ton einer ber ))oDenbetflen Sompofttionen, 
bie ed gibt, l^erlommt, Don i^ermann unb 3>oros 
tl^ea, ber fd^on ben $Ian bed 2:eQ gefaxt l^at, eined 
SpolS, bai^ nur il^m gelingen lonnte, gelungen träre, 
— unb ber fi^ jcftt in eine ©id^tung toerfiridft 
fielet, bie il^n nid^t lodlägt, bie jebe einflimmige 
Sompofition untnöglid^ ntad^t,.aud ber nie ein 
ßunfhoerl in bem 6inne merben !ann, in bem er 
e§ verlangt, ein \f)m l^omogened, in fic^ abgerun^ 
beted JtunfhDerf, unb man begreift boOIommen, 
roit ifyx biefer §aufi balb anjiel^t, balb abftfigt, 
unb n)ie ed ben fänfUerifd^en Steigungen unb §or« 
berungen @oetl^e'S nte^r entfprad^, il^n liegen ju 
laffen aU ju förbern. 

2)ie erfte unb größte ^auptfd^tpierigleit beftanb 
in ber @rgän}ung bed ^ragment^ nad^ bem $Ian 
ber neuen S)i^tung, in ber Sudffillung jener großen, 
offengebliebenen Südfe. ^n ber erfien ^älfte be2 



121 



^affxe^ 1800 »urbc bicfe Aufgabe gelöst, ju An- 
fang bc« folgenbcn ^a^xe& finb X)on bcn Sccncn, 
bic nur fKjjitt ober unoollcnbet tearcn, einige auö« 
gebid^tet, anbere aniSgeffl^rt ober umgearbeitet toor^ 
ben; barunter toaren bie ©^lufefcenen be« erfien 
%f)tHe^, roal^rf^einlid^ aud^ bie beiS jibeiten. S)er 
erße ftl^eil^ loie er uni^ vorliegt, erfd^ien Oftern 
1808. ^ier enbet in ber ©ntioidlungSgefd^id^tc 
unfere« ©ebid^te« bie jtoeite Sßeriobe (1790—1808). 

3unäd^ft badete ©oetl^e nid^t an bie Sludfül^rung 
t)t^ }n)eiten S^l^eiled, fonbern an bie Slufffil^rung 
beÄ erfien, bie ben 27. 9llot)ember 1810 auf ber 
n)eimar'fd^en ^ül^ne ftattfinben foSte. S)aiu roax 
eine ntuftfalifd^e Säeil^ilfe nötl^ig, bie ftd^ ©oetl^e, 
nanientlid^ für ben Dftergefang unb baiJ ©infd^lä- 
ferungglieb, oon feinem greunbe 3^^^^ i^^ S3erlin 
erbat. Seibeö unterblieb, bie S^Ker'fd^e ßompofi« 
tion unb bie n}eimar-fd^e älufful^rung. 

$on ganj unerwarteter unb einf[ugreid^er @eite 
fam bie mufifalif^e ipilfe unb jugleid^ \>a^ rcgfie 
Sntereffe für bie 2>arfienung bei^ gaufl. ©ä roax 
hin 2)eutfd^er, ber juerft biefei^ ®ebi^t in ben 
Areifen ber großen Sielt, id^ meine bie ^öl^en ber 
©efettfd^aft, in ©d^toung brad^te, fonbern ein pol^ 




122 



uifd^cr, bcr preufeifd^en Äönig^familie tjeriDanbter 
gürfi, änton SRabjitoil, im gad^c bcr 3Rufif 
fünfilcrifd^cr ßiebl^abcr, für bcn ©octl^c'fd^cn ^aufi 
©ntl^uftaft im befteti Sinne bc8 SBort«. ^uxä) il&n 
lernten bie prcufeifd^en 5ßrinjen juerft bag ©ebld^t 
!ennen nnb faxten ben fül^nen Sntfd^lug^ ben ^aufi 
unter fid^ im fürfilid^cn 5ßrit)atfreife auftuful^ren. 
®en 18. S)ecember 1816 fd^rieb g^ter an ©oetl^e: 
,,3)er Äronpring lebt unb rotbt im gauft." @i8 folg- 
ten eine 9lei]^e )}on Sefe^roben^ e^ gab ber anfiöBt- 
gen ©teilen genug ^ bie burd^ äiertufd^ung unb aEer^ 
l^anb Feigenblätter erft mußten courfäl^ig gemad^t 
toerben. ®nblid^ am ©eburti^tage ber gürftin Slab* 
jitoil, ben 24. SKai 1820, feurbe bcr gaufi guf- 
gefül^rt, bcn SKepl^iflopl^clcS fpielte 5ßrinj Äarl üon 
SDtedf lenburg ; ber Aönig mit ben $rin}en unb bem 
ganjen ^ofe toax jugegen. S9alb barauf tüurbe bie 
©arfteHung im ©d^loffe aWonbijou »ieberl^olt. Set- 
ter fd^ilbertc biefe merftoürbige Slufful^ruttg bem 
S)id^ter in ben lebl^aftcflen garben. „^tine treue 
Slelation," antwortete ©octl^e, „Derfe|t mid^ ganj 
Ilar in bie munberlid^fte Siegion. S)ie 5ßoefie ift 
bod^ n)ir{lid^ eine jllapperfd^langc, in bereu Stadien 
man fid^ mit »ibertoiHigem SEBiUen ftürjt." S5aj5 



123 



SSerbienft bc§ gürfien atabjimil ^at gelter rid&ttg 
unb treffenb getoürbigt. „SBcnn Sftabjimifö 6otn!pO' 
ption auä) gar fein eigene^ SJcrbienfl * l^ättc , [o 
iDürbc man il^m bod^ ba« grofeö jngejlel&cn muffen, 
biefeg Hoffet im bidften ©d^attcn verborgen ge- 
»efcne '©ebid^t anö Sid^t ju Bringen." IXnb an 
baö &i6)t fold^er Äreife! „^ä) »üfetc ttjenigftenä/' 
fügt S^Itcr l^inju, „feinen anbern, ber baju iperj 
unb Unfc^ulb genug gel^abt ^ätte!" 

Sin ©oetl^e'^ ad^tjigftem ©eburtötage erfd^ien ber 
gauft jum erften 2WaIe auf ber öffentlid^en Sül^ne. 
®r lüurbe nad^ S^iedf^ 2lnorbnung in SBeimar , granf ^ 
fürt, S)reöben unb Seipjig aufgefül^rt. 

* 
IV. 

pie ^offenbung. 

S)ie gortfe|ung unb SSottenbung be§ ©ebid^t^ 
^ä)\en ®otÜ)e aufgegeben }u l^aben. S)er mal^nenbe 
greunb lebte ni(i^t mel^r. Slnbere poetifd^e SBerfe 
jogen benS)id^ter ab unb brängten bengaufl ganj 
in ben ©(i^atten; iä) nenne nur bie natürlid^e SCod^- 
ter, bie aBanberja^re, bic SBal^lüerttjanbtfd^aften, 
^anbora, S)id^tung unb SBal^rl^cit, ben njeftöftUd^en 




124 



S)it)an. ©itt ^albeS Qal^rl^unbcrt toar feit bcr ©nt« 
ftel^ung bcg ©ebid^ts »ergangen, afö ©oetl^e im S^^Ii 
1824 bem^pian jur gortfc^ung be^ gauft in feinen 
©elbfibefenntniffen mittl^eilen tooHte. S)er terttau« 
tefte greunb feiner legten ^^i^re, 6cf ermann, erbat 
)\^ bie Srui^fiftd e jur Prüfung , ob nid^t \)ielme]^r 
ba§ ©ebid^t felbft fortjufefeen fei, unb auf ben SRatl^ 
beS greunbeg entf(|lo6 fid^ ber fünfunbfiebjigiäl^rige 
^\ä)tex }u einer jtoeiten SBieberbelebung be^ %au% 
3m aWittelpunfte beS jtoeiten ^eiU^ fielet bie 
§ e I e n a. ® oetl^e l^atte bief e 2)id^tung f rfil^ begon^^ 
nen, bann im Sommer beiS Saläre« 1800 bei einem 
3lufentl;alt in Qena lieber aufgenommen unb fo 
»eit geförbert, bafe er balb barauf ©c^iHer eine 
Sleil^e t)on ©cenen 'ooxla^. ©eit einem SSiertelja^rs 
l^unbert rul^te biefe S)id^tung unb »urbe jefet in 
ben erfien aJlonaten beS ^df)xe^ 182G unter bem 
eiubruä be^ gried^ifd^en greiJ^eiti^fampfe« jum 2lb* 
fd^Iufe gebrad^t. ©ie erfc^ien im folgenben ^afyx (im 
IV. Stl^eil ber ©efammttoerfe) unter bem S^itel: 
,,^elena, claffifd^^romantifd^e 5ßl^anta^ 
magorie, ein 3^if^^wfpi^I i'^^ fjauft." 
SB. ID. Jßumbolbt l^attc fie lurj toorl^er in ber ^anb:= 
fd^rift gelefen unb einer greunbin feinen ©inbrud 



125 



mitgel {feilt: ^,6d läfet fid^ öiellcid^t barübcr fprcd&cn, 
fci^reiben nid^t. Slbcr ba« ©anje unb ®injeltte finb 
beiDunberungStDärbig." @o erfd^cint auä) t)on bem 
ilüeiten. S^eil junäd^ft ein Fragment tmb jtDar ein 
3n)ifd^enfpiel, bag in bie SWittc be§ ©tüdfe^ gehört. 
Se^t mufetcn öon jtt)ei ©eiten l^er bie großen Sfidteu 
auegefällt unb ergängt werben: )7om ©d^Iug bed 
erften X^dU^ bi« jur ^elena, toom ©d^Iufe ber 
^elena bid jur SSoDenbung be^ ©anjen. S)a ber 
Ie|te Slct fd^on vorbereitet unb ber ©d^Iufe bereits 
))oIIenbet toax, fo l^anbelte eiS [xä) um bie beiben 
erften Scte unb-ben t)ierten, beffen SKnfangSpunft 
im aßai 1827 errtid^t tourbe. ^ 

©in Sal^r nad^ ber Helena »irb ein jn)eiteS 
SBrud^flüdt üerßff entließt, ba« ben Slnfang be« jmeiten 
S;^eileg unb ein bcbeutenbe« ©tildf beö erften Slctcg 
entl^ielt (Ofiern 1828). Unb nod^ im Sommer 
biefeiS Sal^red fd^reibt ©oetl^e Don S)ornburg, bag 
ber SKufang beS itodten 9(cteiS gelungen unb ber 

1 ^Id Sulpts ^oifiex^e , m&l^renb beS ^uguft 1815 in iäg* 
Itci^em ^txU^x mit ®oetl()e, ftd^ nad^ betn @nbe be§ gauft et' 
funbtgtc, anhoorlete ber S)id^tcr: ,,3d^ fogc c8 nid^t, borf cS 
ntd^i fagen, aber eS ift au4 jd^pn fertig, unb fel^r gut unb 
granbioS gerat^en, ouS ber beften Seit." ©ulpij ^oif|er6e I. 
6. 255. 




126 



erfte gu fd^Ucfeen fei. ^ S)od^ baucrt e^ brci tooBe 
^a^re, bis biefc beibcn erftcn 2lcte t^oüfonimcn auS« 
gcbid^tet finb unb bic ^clena afö britter [xä) an^ 
fd&liefet. ©egcn ßnbe bcg Saläre« 1829 flagt ©oet^c, 
bafe bie SSoUenbung • bcr beibcn erjien Slcte nod^ 
immer feine einjige ©orge fei; e^ toäl^rt noc^ ein 
tollet ^aS)x, bid enblid^ in ben erfien S^agen beS 
^a\)xt^ 1831, e§ toar bag lefete, baS er t)onenben 
foUte, er bem greunbe in SSerlin toerfünben fonnte, 
bag bie Slufgabe gelöiSt fei. S)ie fd^merjlid^fien @r$ 
f (^Fütterungen , bie er nod^ erleben !onnte, l^atten 
ba§ langfam fortrüdenbe SEBerf unterbrod^en : ber 
%o\> feines fürjili(|en greunbeS,*be§ ©rofel&ergogS 
Äarl Slnguji, am 14. Suni 1828, bann ber ^ob 
feinet einjigen ©ol^ne«, ber ben 28. Dctober 1830 
in 9lom ftarb. SBenige S^age nad^ biefer Slobeg:^ 
nad^rid^t traf ben ©id^ter ein l^eftiger SBIutfhiri. 

^oä) blieb eine Slufgabe übrig, bie le|te Don 
allen: bie SluSfül&rung beS öierten Stete«, ©iefet 
SDid^ter foHte nid^t fd^eiben, ol^ne fagen ju !önnen : 
id^ bin fertig! 3^^ ber. tiefften S^^ü^S^iOfl^^^it 
feineiS ©artenl^aufei^ l^at er im ©ommer 1831 bie 

1 2)en 27. ^ufiuft 1828, 



127 



Ic|tc $anb an baS grofec aßBcrf gelegt. „3d^ bin," 
fd^rieb er ben 1. 3uni 1831 an S^ter, „in'^ innere 
Äloftergartenleben bef(^rän!t, um ben jtoeiten ^l^eil 
bed f^auft }u t)oIIenben. @d ift leine ^leinigfett, 
\r>a^ man im jtoanjigfien 3al^re concipirt l^at, im 
jtoeinnbad^tjigften anfeer ft(^ barjmMen." Setoor 
er fein )tt)eiunbad^t)igßei^ Sal^r befd^IoB, tt)ar bad 
Serf ))oSenbet @r atl^mete auf, afö er ben 
20. 3uli 1831 feinem ^eunbe Jp. aWe^er fd^rieb, 
er fei fertig. ,,@o ift ein fd^toerer ©tein über ben 
35erggipfel auf bie anbere ©eite l^inabgetoäljt." 6r 
l^atte bad ©effll^I, bag mit ber äSoUenbung biefe^ 
SEBerle«, ba8 fein fernere^ ©id^terleben begleitet l^atte, 
er älbfd^ieb nel^men lönne Don ber Slufgabe bei^ 
S)afeinÄ. ,,SWein fernere^ ßeben/' äußerte er in 
jenen S^agen ju Sdermann, „!ann iä) nunmel^r atö 
ein reineiS ©efd^enl anfeilen, unb eS ift je^t im ®runbe 
gans einerlei, ob unb wa^ i6) nod^ eüoa tl^ue." 

S)a8 SBerl mar begonnen in ber erften SSoU« 
fraft beg ®enie8, in jener probuctiüften Seit feines 
Seben«, toon ber fein eigene« SBelenntnife erllärt: 
„Wim Xcimt üerfagte mir nie, eS gel^ord^te mir 
iu jeber ©tunbe!" Sßie ganj anberi fd^ilbert er bie 
^a^xt ber legten Arbeit! „Seit, am feiten S^l^eil 




128 



weinet Sauji, fann i^ nur in ben friil^cn ©tunben 
be« SCagcö arbeiten , tpo i^ mid^ toom ©d^Iaf erquidf t 
unb geftärti fül^Ie unb bie ^tai^en bed täglid^en Sebeni^ 
mi^ nod^ nid^t ücrtoirrt l^aben. Unb bod^ roa& ifl el^, 
baS id^ auSfiil^rc! 3^ aBerglildEltd^ften gaOe eine 
Seite, in ber Siegel nur eine ^anbbreit, oft bei un* 
probuctiüer ©timmung nod^ toeniger." SBenige ©tun- 
ben t}or feiner legten töbtUd^en ®rfranf ung , eS war. 
am 17. aJlärj 1832, fd^rieb ©oet^e an SB. t). $um= 
bolbt: ,,@^ finb fiber fedjijig 3^bte, bag bie Sonce^tion 
beS gaufl bei mir jugenblid^ wn üornl^erein Har, bie 
Sleil^enfolge hingegen weniger auSfü^rlid^ tjorlag." 
Sei biefen SSBorten l^at ben jtt)eiunbad^t}igj[äl^s 
rigen ©reid bie grinnerung längft vergangener 
3eiten getäufd^t. SBäre eg wirflid^ f o getoef en , bafe 
bie ßonception be^ gauft t)on tornl^erein flar unb 
befiimmt fefljlanb, fo »iirbe bie SKui^ffil^rung be3 
SDBerfö nid^t fed^jig Qa^re gebauert l^aben. @g ter* 
l^ielt \i(i) nid|)t fo. S)a$ äBerl befielet and jwei 
S)id^tungen, nad^ ©runbftimmung unb älnlage ter- 
fd^ieben. Ol^ne bie (Sinfid^t in bie SSerfd^iebenl^eit 
biefer feiner ©runbbeftanbt^eile unb in bie älrt 
il^rer S^fött^wic^füfl^^ifl ift ba8 SDBerf nid^t ju üers 
fielen. Site ®ottife feinen gaufi »icberbelebte, mar 



« 



129 



feit ben anfangen bcö ©cbid^tö faji ein aWcnfd^cn^ 
alter X)ergan8cn, baö toic eine Äluft ben 5Dlann 
üom Süngling, 4)cn mafetollcn Äönftlcr t)on bcm 
toeltpürmenben S)id^tcr fd^ieb. ,,3Reinc titanifd^cn 
3Decn maren Suftgeftalten, bie einer ernfien @pO(^e 
t)orfpuIten," fo befannte ©oetl^e in SRom^ afö er 
t)on ^ier aug anf bie granffurter ^ßromet^eugjeit 
jurfidblidte. Unt) mie er neun Qal^re naö) feiner 
gflädfel^r au& Italien ben gauft ttjieberaufnal^m, 
rief er bie Wta^t^ feiner gugenberinnerungen an, 
gleid^ einer SRufe, um fein ©emütl^ noä) einmal für 
biefeg SBerf feiner Sugenbfraft ju ftimmen, ba^ l^inter 
il^m lag in tueiter gerne, tt)ie ein S)unffc unb SRebeU 
gebilbe, Sie 3Ruf e f am , bie ©timmung überiüältigte 
i^n mit magifd^er ©eroalt, bie ©egentoart roid^, bie 
SBergangenl^eit erfafete feine ©ecle mit ©eifiermad^t : 

S^r nali^t eud^ tuieber, fc^toanfcnbe ©eftalten! 
^ie frü^ ftc^ einft bem trüben 93(td gezeigt. 
S8erfu4 XÖ9 tt)o^I, eud& bie^mal feftju^alten? 
gül^r \6) mein ^erj noc^ jenem SBa^n geneigt? 
3^r brängt eudfe ju! 5Run gut, fo mögt i^r »alten, 
2Bie tl^r au^ 3)unft unb 9^ebel um mid^ fteigt; 
2)lein SBufen fü^Itftc^ jugenblid^ erfd^üttert 
SBom Sauberl^aud? , bcr euren 3ug umtoittert. 



ftuno ^ifd^er, (Soei^e'S JJfaufi. 9 




ilierteß dCaptteL 

l|te neue Dii^titns* 

i. 

S)ie ^age nad^ bet Sompofttion gel^t in bad 
3nnere be« SBerfö: eS^ foBcn bic bcibcn in if)m 
enüfaltenm unb üerf^molienen S)id^tungen^ j[ebe in 
i^rer eigentJ^üntUd^en Slnlage , beibe in intern tot^^ 
fcifciligen SSerl^ältnife crlannt toerbcn. ©octl^c felbft 
nonntc ben neuen Sßlan eine ^^ec" unb mad^te 
balb bie @rfal^Tung , ba§ bie älui^fä^rung berf elben 
auf ber ©runblage be^ fd^on gegebenen SQSerfö mit 
ben größten @^tpierig{eiten fömpfte^ bag i^m biefe 
Suft^l^antome bie beutlid^e SSaufunfl toieber toer« 
fd^eud^ten. S)ie 3bee, n)eld^e bie neue 3)ic^tung 
be^errfd^en follte, fanb fid^ im SBiberftreit mit ber 
alten; fie »urbe eingefill&rt burd^ ben „Prolog im 
^immel/' iDomit ©oetl&e in ber aRitte beg 3a^re§ 



131 



1797 bie IXmbilbung feinet ®ebid^teiS begann. Sir 
fragen: tt^orin befielet bie Sbee ber neuen S)id^tung, 
il^r SBiberpreit mit ber alten, biefe Ie|tere felbft? 
@($on in bem gelben unfrer )}ol!iSt]^üntIid^fien 
ÜÄagugfage toar ein bebeutfamer S«fl i&erüorgetreten, 
ben baS ältefte gauflbud^ n)ie bad fßolU^äfau^pid 
em^funben unb in feiner ©ro^l^eit audge)}rägt l^atte : 
ber S)rang na^ @rfenntnig, baS Streben auS eigen- 
fler Araft nad^ bem l^ö($ften geifiigen 3^^!/ ^^^ 
Eingebung an bie 3Ragie unb beren 'Sftääjte auS 
unbefriebigtem SBiffengburfi. „(^x nal^m SlblerS^ 
flügel an fid^ nnb toollte alle ©rünbe im ^immel 
unb auf Srben erforfci&en!" Qe geller bie 3ßit^» 
tüerben , um f o mel^r erleud^tet fid^ in bem Sagen- 
gebilbe be8 gauji biefer gug, biefe angeborene 
^öl^enrid^tung feiner ßraft, fie erfd^eint afö ba^ 
eigentlid^ f^auftifd^e, al8 bie Signatur einei^ er« 
l^abenen SRenfd^en. äBiffendburft ifl au^ äSeltburft. 
@ine fold^e Statur mu| bie äSelt erleben, fie ge^t 
ben SBeg mäd^tiger Seibenfd^aften, ber, mit ©ante 
}U reben, burd^ ben 3BaIb ber 9}erirrungen fiil^rt, 
fie tDirb üon ben SSerfud^ungen ber 3BeIt erfaßt unb 
tief in Sd^ulb terfiridtt »erben, fie lann fatten, 
aber Iraft i^rer ^öl^enric^tung nid^t ftn!en, fonbern 






132 



mug mitten in ben SSerbunlelungen be^ Sebend bem 
ßid^t unb ber Sauterung jufireben. Sine erl^abcnc 
unb aufmärt^ flerid^tetc aJlcnfd^cnnatur ifi gut, ,,cin 
guter aJlenfd^ in feinem bunfeln S)range ift fid^ beg 
redeten äBegeS n)o]^I bemüht/' (S& flanb fd^on bei 
Seffing f eft , bafe bie Teufel nid^t fiegen foDen. S)a« 
gauftifd^e ift unjerftörbar, unöerberblid^ ! SSon 
biefem ®runbgeban!en au^ f)at ©oetl^e feine neue 
2)id^tung geflaltet. Sßenn e^ möglid^ ifl, jenen 
ßontpafe , ben bie Statur jur Sölitgift beg gaujl ge- 
mad^t l^at/ abjulenfen unb ju t^erf eieren , ha& f)0^e 
©treben ftein 5U mad^en unb ju üernid^ten, bie ex- 
^abenen 3;riebfebern nieberjutoerfen unb bie nieb^ 
rigen jur ^errfd^aft ju bringen, fo ift er verloren 
unb ba^ SBöfe ^at gefiegt. 

®iefe Sbee forbert, bafe %an^ mit bem ©elfte 
ber aSerfud^ung jufammengefül^rt mirb unb eine SIrt 
aSunb ober SSertrag eingeigt mit bem Satan. $ier 
»enbet fid^ ©oetl^e in feiner neuen 35id^tung jur 
alten SSoIföfage jurüdE ; er brandet j|e|t ben 3;eufel 
in einem ©inn, ben feine erfte 2)id^tung nid^t tooHte 
unb "oon fid^ auiSfd^Iofe. S)a aber gauft'g Sauterung 
baä notJ^toenbigc 3ißl ift/ fo fann jener SSertrag 
jtüifcC^en il^m unb bem ^atan fein $act fein, ber 



133 



auf eine bcfümmte grifl lautet, naä) bereu Sttblauf 
^aufi rettuugi^Iod beut Teufel gel^ört uub ber ipöUe 
iDerfäHt : in biefem 5ßuult »erläßt uuf erc ©id^tuug 
jauj beu 2Beg uub bie Slid^tuug. ber SSoIf^fage. 
gauji ift uur in eiueui gaUe üerloren: »euu er 
fi^ felbft verliert,, toeun er aufl^ört ju ringeu uub 
}U ftrebeu, »euu feiue Äraft im ©euuffe ber SBelt 
üerfd^üttet, begraben, crfticft toirb, toenn er im 
©enuffe — jeber ift befd^ränft — bel^arrt uub fid^ 
ber Sujl — jebe ift momentan — "oettneä^M, toenn 
mit einem SBorte an bie ©teile bei^ ©trebenS bag 
»e^agen ber ©elbfigefattigleit tritt. S)ag läfet fid^ 
nid^t auiSmad^en burd^ einen 5ßact, fonbern uur 
burd^ eine $robe, burd^ eine fold^e, bie bag gaujc 
&ebm umfaßt: bie £ebeniS)}robe! ®& lommt 
barauf an, ob er biefe 5ßrobe befielet; barum 
aSein !ann z^ fid^ l^anbeln in bem äJertrage }n}ifd^en 
il^m uub bem Satan. ,,3d& »erbe fie beftel^en!" 
„%u 'tt}irft fie nid^t befielen!" 60 treten beibe 
einauber gegenüber. S)ie @ntf(^eibuhg liegt in 
feinem X^ermin, fonbern in einer junäd^ft ungetoiffen 
3ulunft; bal^er iji bie gorm beiJ SSertragea bie 
aSBette: ,,S)a2 ©treben meiner ganjen Äraft ijl 
gerabe baS, toai i^ tjerfpred^e ! " 




^ 



134 



SDetb* td^ beruhigt je ntic^ auf ein ^aulbett legen, 

@o fei eiS gleich um mid^ getl^an, 

^annft bu ntid^ fd^meid^elnb je belügen, 

S)a^ id^ mir felbft gefallen mag, 

Äannft bu mid& mit (Scnufe betrügen: 

^a^ fei für mid^ ber le|te Sag! 

^ie SBette biet* id^! 

SBerb* id^ }um ätugenblide fagen: 
SSermeile bod^! bu bift fo fc^ön! 
S)ann magft bu mid& in geffeln f(!^lagen, 
^ann toill idft gern ju ®runbe gel^n! 
Sann mag bie Sobtenglode fc^aUen, 
Sann bift bu beined Sienfted frei, 
Sie U^r mag fte^n, ber Qti^ex fallen, 
(Eg fei bie 3cit für mid^ vorbei. 

S)er Termin ifl bai$ &ebeniS}ieI, bebingt ni^t 
burd^ eine grift, fonbcm burd^ ben SBerlufl ber 
äBette. @o erfd^eint naö) bem älu^gange bet Ie|« 
terctt gaufl'S ©d^idfal junäd^ft ungcttJife unb pro- 
iUmati\ä), !einei^tpegiS audgemad^t^ tote in ber 
SSoIföfage. S)iefe ifi t)öllig üerlaffen. Wlan molle 
tnir nid^t entgegnen^ bag \a aud^ bei @oetl^e auf 
bie SEBettc ein fd^riftlid^er, mit ©tut unterjeid^neter 
^act folgt SBeit entfernt, bie S5oH«fage in biefem 
3uge nad^jual^men, loollte ber ©id^ter toielmel^r ben 



\ 



L 



135 



tltttcrfd^icb jtrifd^en einer fold^en SBette unb einem 
folci^en $act greD babur(]^ erleud^ten. ipier ifl ber 
$act ni($t fnrd^tbar^ fonbern abfurb unb lädier« 
tid^. /,3lii$ mag ©efd^riebneS forberfi bu, 5ße= 
bant?" ^SBenn bieS bir tjöttig ©'nüge tl^ut, fo 
mag eö bei bergrafec bleiben/' SGBennfJauft bie 
SBette üerliert/fo f)dt er f id^ üerloren, unb Sitte« 
ift entfd^ieben. ,,SBie id^ bel&arre, bin id^ Äned^t, 
ob bein, ipa« frag' id^? ober toeffen?" 6« ift öolI= 
fommen läd^erlid^, einen @d^ein auiSjufteQen unb 
mit S3rief unb ©iegel ju toerfpred^en, bafe Kltoa« 
gefd^el^en foll, \oaf^ gefd^el^en ift! 

(S^bm befe^alb, weil ber ©egenftanb biefer SDBette 
gauft felbft ifi, fein eigenfie« innerfteiS SBefen, fann 
ibr äluiSgang nid^t jioeifelbaft fein. ^ Snttoeber ber 
älugenblid, ber il^n bef riebigt ^ lommt nie, fo ^at 
er bie Sßette anä) bem äBortlaut nad^ gemonnen, 
n)enn fie bann öberl^aupt nid^t unentfd^ieben bleibt ; 



1 5n bem öor^in emjö^ntcn ®cjpräd;c jtoifd^en ©oct^c unb 
@. ^oiffer6e l^aite biefer über ben Sd^Iug ber gaufttragdbie 
bemcrft: ,,3<S bcnfc mir , ber SIcufel be^iolte Unred^t.'^ ©oetl^c 
ertoiberte: ,,Saujl modjt im Einfang bem S^eufel eine SBebin- 
ßung, woraus ÄlleS folgt." ®iefe ©eblngung liegt in ber 
aBette. 




136 



ober er fommt, bicfer Slugcnfilicf bcr SJefriebigung, 
tt)ic er f omtncn tnu§ im SBegc cd^tcr Säutcrung, 
tt)ic er fommen mufe, um ba^ 3^^'^ ^^^ ßebcn^ unb 
ber ^anblung ju crfüDen , um bic SBette jum Stu«* 
trag ju bringen, fo tt)irb gauft bie legtere fd^ein* 
bar verloren, |n SBal^rl^eit gewonnen l^aben. SBag 
il^n je^t befriebigt, liegt nid^t im ®etoixf)l ber aBelt* 
jerftreuung unb bcr SBelt^enüffe , fonbern ift ein 
fo geläuterte« unb burd^ eigene Äraft erl&ßl^teg ©a^ 
fein, bafe ber Steufel erfi red^t fein gpiel verloren 
^at. ©ein ©enufe ifl bie gru(|t feiner arbeit , ijl 
ber Slid auf ben großen, fegengreic^en SBirlung^s 
frei« , ben er gef d^aff en , auf bad Sanb , ba« er ben 
Elementen abgerungen, Uhant unb in eine SWch* 
f(i^enn)clt termanbelt l^iat, in einen ©d^auplafe ftre= 
ben ber ©efd^Iec^ter nad^ feinem 33ilbe. 3Ba« il^n 
beglüdt, ifi bieSaat, bie er au^ftreut unb anberc 
ernten foHen: ba« SJorgefül^I biefcr Ernte, 
bie nad^ il^m !ommt! @« gibt nid^t« ©rögere« ! 
®in fo erfüKte« Sebenöjiel, eine fo beftanbene Seben«« 
^)robe ift ein SBol^lgefatten für ©fitter, fein 2;riump^ 
für ben 3;eufel, unb ttjenn er nod^ fo oiele ©d^eine 
l&ätte! ©in erl^abener ©rei«, am äufeerfien 3i«I ber 
2;age, in ber S^l^atfraft be8 Jperrfd^er«, fid^ ntx^ 



137 



geffcnb in feinem Serfe, befennt er in feinen Ie|ten 
©orten: 

3a! biefem Sinne bin idft ganj ergeben, 

3)ad ift ber SBei^^eit le^ter @d^Iu^: 

SRur ber »erbicnt fic^ Srcibeit lüic ba8 Scben, 

^er tftglid^ fie erobern ntu|. 

Unb fo t)erbringt, untrungen Don @efabr, 

,pier fiinb|)eit, SRann unb ®reis fein tücj^tig 3abr. 

6old^ ein ©eioimmel ntöc^t' td^ febn. 

Stuf freiem @runb mit freiem ^oI!e fte^n. 

3um ^ugenblide bürft' id& fagen: 

Serioeile bod^l bu bift fo fcbön! 

@g tann bie 6pur t)on meinen Srbentagen 

9li4t in Sleonen untergebn! — 

3m aSorgefüH ^on fold^em boben ©lud 

®enie^' i(b je^t ben b^^^ften Slugenblicf. 

@r l^at \xä) bie Unfterblid^Ieit errungen ate bie 
^rud^t feineiS StrebeniS, @ngel tragen ben unflerb- 
lid^en ganjl empor unter 2;riumpl^ef ang : 

©erettet ift t>a& eble ©lieb, 
2)er ©eiftemelt Dom SBöfen: 
9Ber immer ftrebenb p(b bemübt, 
3)en tonnen iDtr erUfenl 




138 



IL 

Per ^tofog. 

S)ag ift bie 3bce, toeld^e bcn $lan unb bic 
Einlage }u ber neuen S)td^tttng audmad^t unb aud- 
gefprod^en tüirb im 5ßroIog. SSon ber SBette au^ 
]^a6en iDir ben 93Ii(! frei über bie gonje S(udbepung 
bed SBer!^ t?om Prolog biiS junt @d^Iug. S)er €d^luB 
ber ©id^tung, „baö @nbe be§ @nbe§/' ijl burd^ bie 
aBette bebingt, toie biefe burd^ ben ßl^arafter beö 
gauft. S)ag Streben nad^ bem ^öd^ften ift non 
©Ott unb nidjit t}om Satan., e^ flnbet burd^ bcn 
SBalb ber SSerirrungen ben SBeg jum Sid^t: barin 
erfüllt eine erl^bene ÜRenfd^ennatur, toie bie fau- 
ftifd^e, baS ®efe$ i^rer ©nttoidflung. SBer eine fold^e 
SRatur mit bem SlidEe ber ^erjeni^fünbigung burd^= 
f^aut, fielet bai5 giel öorauö; eg erfüllt fic^, Xoxt ber 
^err im Prologe aus göttlid^er ©infid^t üerlünbet: 

SBenn er mir je^t auc^ nur oerioorren bient, 
©0 tDcrb* i4 i^n balb in bic Älar^ctt führen. 
9Bet^ bod^ ber ©Artner, ivenn ba^ SAumd^en grünt, 
Safe ©lüt^' unb gru*t bie fünft'gen Sa^re 

jiercn. 



139 



$icr \va%t eg ber Batan, bem ^errn bie SBettc 
ju bieten: 

2Bo§ toettct i^r? S)en foüt iftr npd^ Dctliercn, 
^enn i^r mir bie ßrlaubnig gebt, 
3^n meine Strafe fadfct ju führen! 

S)er ^err toettet nid^t, er burd^fcfiaut ben Gnt^ 
iDicflungiJgang be« gauft, er tüeife, ,,ba6 Slütl^* 
unb grud^f bie Iflnft'gcn S^l^re jieren," er ant- 
wortet bem Sßerfud^er nur: ,,®u barfft!" 

@o Idng' er auf ber 6rbe lebt, 
So lange fei bir'j^ nid&t »erboten; 
. (S^ irrt ber SMenfdfe, fo lang' er ftrebt. 

Stn ber l^oci^ftrebenben Siatnr be0 gauft möge 
ber Satan aUe feine Äünfte aufbieten: 

SRun gut! c« fei bir überlaffcn! 

3ic?;' biefcn ®eift üon feinem Urquell ah 

Unb fü^r* i^n, fannft bu x\)n erfaffen, 

^uf beincm SBege mit l^erab, 

Unb fteV befd^ämt, menn bu befennen mu^t: 

6in guter 3Renf(^ in feinem bunfeln S)range 

3ft fid^ bc« redeten 2Begc§ »ol&l betonet. 

Jpier finb »ir an jener 6teDe ber ©oetl^e'fd^en 
S)id^tung, bie un8 in ber gerne erfd^icn, ate roii? 
in bem ©ntwidlungi^gange bei^ gauilmtjtl^ug bie 




140 



^ö^e i^effingS erreid^t l^atten. S)ad %f)ema bed 
^IßroIogiS toax aud^ bei Seff ing ^a& l^immlif d^e SBort : 
gi^r follt ttid^t ficgctt! aber bicfe« SOBort l^atte 
l^ter nur bie SSebeutung etned @piIogd ^ ed tuat ipte 
ber äludfprud^ eine^ deus ex machina, nad^bent 
eine aScrfamtnlunfl ton ^öUcngciflem gaufl^ 98cr« 
bcrben befd^lojfen l^atte. ®cr JJrolog jum ©octl^e* 
fd^cn ganfl fpielt nid^t unter S^eufeln, fonbern im 
^immel : bie ©ntfi^eibung über ben %auft wirb nid^t 
ipie. ein bunlied €d^iäfal bel^anbelt^. baiS il^m be^ 
reitet teirb^ fei e^ ber SSernid^tung ober ber Slet^ 
tung, fonbern e^ ift bad ®efe| feiner eigenen 
dntmiälung, baS uni^ in l^imnilifd^er jtlarl^eit 
einleud^tet^ bet)or e§ ftd^ im S)range beÄ-SebeniJ er* 
füllt S)a» ift bie Sebeutung beg ©oetl^e'fd^en gJro:* 
logg, ber bie neue S)id^tung be^enfd^t, unb beffen 
tiefen @inn loir nur unter biefem @efid^ti^))unlt 
))er{iel^en ISnnen. 3<$ berfud^e, bie Srflärung in 
il^rem gaujen Umfange }U geben. 

Qu bem ©d[|idfal be« gaufi, bag einen SKugcn* 
bliä n)ie fd^n?ebenb erfd^eint }tt)ifd^en bem $erm 
unb bem @atan, ^anbelt ei^ fid^ um bie SebeniS- 
frage ber SRenfd^l^eit. ^enn ein fold^ei^ Stre- 
ben, aug eigenßer ^raft entfprungen unb auf baiS 



141 



^öd^fte gcrid^tet, ju 5Rid^te gemad^t unb crfiidft tüe^ ' 
beit fann , wenn fid^ in biefem 3Rcnfd^en bad SBort 
bcsaRe^]^ifioj)l^clcStt)irIIi($bett)äl&rt: „^taub foB er 
treffen unb mit Sufi, tt?ie meine SKul&me bie berül&mte 
©d^langc!" fo gibt e^ üiexjfavcft in ber SDlenfd^en^ - 
tüelt nid^tiS toal^rl^aft ©rl^abeneS, fo ift bag 9Rens 
fd&engetriebe ein leereä 5ßoff enfpiel , fo ift alleg 
menfd^Iid^e ©treben erfolglos, fein ©mporfteigen, 
fonbern ein beftänbigeS fallen, unb ber SJlenfd^ ift, 
tt)ie 2Repl^ifto^]^eIeiS bem ^errn in§ SUngefid^t bie SKrt' 
beS SDienfd^en i)erfpottet: 

(Sr fdbeint mir, mit Serlaub üon @». (Snaben, 
^ie eine ber langbeinigen Sicaben, 
S)ie immer fliegt unb fliegenb fpringt, 
' Unb gleicb im ®ra^ ibr alte3 Siebd^en fingt, 
Unb lag er nur nocb immer in bem ©rafe! 
3n jeben Quar! begräbt er feine Slafe. 

S)ann ifl baiS l^öd^fie ©treben ba8 erfolglofefte, unter 
ben menfd^Iid^en S^l^orl^eiten bie größte, unter ben 
SRarrl^eiten bie ,,S;oIII^eit!" S)a6 e8 fid^ nid^t fo 
toerl^ält/bafe bie aWenfd^l^eit jurSöfung einer gfitt* 
lid^en SBeltaufgabe berufen ift, bafe biefer S3eruf 
fid^ in il^rem ©treben offenbart, bejeugt ber ^err 
mit einem Seifpiel, inbem er bin^^i^t auf ben 




142 



gauft. @t nennt il^n feinen „Äned^t." ,;Äennft bu 
ben gaufi?" „S)en S)octor?" fragt aRep^ifioj)^eleS 
teräd^tli^^ al^ ob er tt)üBte, tDte Soctoren gemad^t 
»erben. S)er gilt für mici^! Unter ben 2;i^oren ift 
er ber grögte, unter ten SRarren ber 3;oIIc, um fo 
terrüdter, ate er felbji fäl&lt, toie erfolglos fein 
Streben iji, unb bennod^ barin bel^arrt: 

gürmal^r! er bient eud^ auf befonbre SBeife. 
S^lid&t irbifd^ ift bc§ 2:^oren Zxant no(ft ©peife. 
3^n treibt bie ©ftb^^ung in bie gerne; 
@r ift fi* feiner Xoll^eit balb be»u6t:| 
SBom ^immel forbert er bie fd&önften ©terne 
Unb üon ber (Srbe jebe bö^fte Suft, 
Unb ade Sldb' unb ade gerne 
Sefriebigt nicbt bie tiefbewegte S3ruft. 

©0 gilt gauft bem §erm roie bem Satan ate 
Sfleprafentant ober %^pu^ ber 3Renfd^]&eit. 
Qn biefem ©inne nimmt i^n bie neue, burd^ ben 
^rolog begrilnbete S)id^tung. S)a2 ift bie i)l^iIofo* 
pl^ifi^e gaffung be8 gaujhn^tl^u^ , bie ©dritter for 
berte, aU ©oetl^e fte bereit« ergriffen l&atte, unb 
beren S^^ee, bie be§ abfoluten ©treben«, gid^te 
gleid^ jeitig ium Qnl^alt feine« pl^iIofoj)l^ifd^en ©Aftern« 
mad^te» 



g 



143 



@S l^anbelt fid^ um ben großen $roce§, ben 
im $inblid auf bie aWenfd^l^eit, auf bereu ©ebred^eu 
uub (Slenb^ ber advocatus diaboli gegeu bie Sd^ö- 
pfuug fül^rt; ei ^anbelt fid^ barum, ob ber S^eufel 
mit . ber SRid^tigfeit ber aReufd^euloelt Sled&t bel^ält 
ober uid&t. 6r barf uid^t bloJB, er foll beu Setoeig 
ful^reu. Mai toäre aud^ baiS menf(|Iid^e Strebeu, 
toenu es uid^t bie Ißrobe ber SQSelt befifiube? 3BaS 
tüäre biefe ^robe o^ue SSerfud^uug? SEBeuuSott 
getoiuueu fott, utufe ber Sleufel feiu ©piel berliereu; 
er mug bal^er mitf))ielen mit bem ganjeu älufgebot 
aller il^m bieufibareu Äräfte. ®er ®eifi ber SSer= 
fud^uug gel^ört iu bie fittlid^e SBelt uub l^ilft n)iber' 
toiDig am 3Ber!e ber @d^e))fuug; eiu@trebeu, tai 
bie SBelt uub il^re Serfud^uugeu uid^t erfal^reu, 
burd^gelämpft^ fibertouubeu l^at^ flult fd^Iaff uub 
IraftloÄ ju Sobeu. ©al^er ba« SBort beS ^erru: 

3)eS SDlenfd^en S^&tigtett !ann aQjuleid^t erfd^Iaffen, 
6r liebt ftc^ balb bie unbebingte 9lu^'; 
2)rum geb' xi) gern i^m ben ©efeflcn §u, 
^et reijt unb loirft unb mu^ als Seufel 

f(i&offen. 

aSBaS aber toäre ber ®eift ber SSerfud^uug gegeu= 
über einem ^auft, tomn er uid^t unter beu SBBiber^ 




144 



f ackern ber göttlid^en SBeltorbnung, unter bcn ®eu 
jicm, bic „\>emeintn /' »eil fte t)emid^ten \DoUm, 
ber lifiigfie unb t)erfd^Iagen{le to&re, ein SReifler in 
allen fünften ber Säufd^ung unb SSerfud^ung? 
Sinen S:eufel biefer ärt, einen fd^Iauen unb men- 
fd^en!unbigen , ber ju reijen terftel^t, ber ei^ Der^ 
ftel^t^ einen ^aufl ju rei}en^ brandet ber $err unb 
lägt il^n mit l^immlifd^er Stulpe geiDäl^ren: 

^u barfft audi ba nur frei erf^^einen, 

^d) f)dbe beine^gleic^en nie ge^a^t: 

Son allen ©eiftern, bie Derneinen^ 

3ft mir ber @d^al! am toentgften {ur Saft. 

2ln einem SKanne voie gauft lann ein fold^er 
2;eufel fein SReiflerflüd mad^en. ©ie- geioöl^nlid^e 
2Renfd^enart reijt i^n n\6)U „^ä) mag fogar bie 
Särmen felbfl nid^t j)lagen." Slber ein fj^^^ft/ ^^ 
ber . ^err felbft feinen flned^t nennt ! SuS bem 
Äned^te ©otte« ben be« S;eufefö mad^en! S)a2 ifi 
eine Slrbeit, bie ber SKül&e lolS^nt: ,,SBBenn id^ gu 
meinem 3^^^ gelange, erlaubt il^r mir 2:riump^ 
aug tjoller SSruft." Sine fold^e Slrbeit gemalert unb 
gönnt i^m ber ^err. SIRep^iftop^eleÄ toeife biefe 
®unft ju fd^ä^en. ®egen einen fold^en Arbeitsgeber 
tüirb ein foldber S^eufel nid^t ftrifen: 



145 



' SSon S^xt ju ^\t Ui idb bcn 2l(tcn gern 
Unb Hte mid^, mit i^m ju bred^en. 
e^ ift gar l^übfc^ t)on einem grofeen §errn, 
60 menfdblidb mit bem S^eufel felbft ju fpred&cn. 

©iefer ©oetl^e'fc^c Prolog toerflegcnmärtigt un^ 
utttüinfürlid^ ein biblifc^eg SSorbilb. eine« Sageö 
treten bie fiinber ®otte§ üor ben ^errn, unter 
il^nen ber Satan. äCuf bic grage beg ^errn, 
Wolter er fomme, antwortet ber ©atan, er l^abe tueit 
ba^ Sanb uml^er buri^^jogen. „^a^ bu nid^t ^ä)i 
gel^abt auf meinen Äned^t $iob? Q& ifl 6eine^.- 
glcid^en nid^t im Sanbe." Unb ber ©atan crmibert: 
„ajleinft bu, bafe ^iob bid^ umfonft fürd^tet? ©tredte 
beine $anb gegen il^n au^, tafte an ällled^ toa^ er 
l^at, tt)ag gilt'^, er n?irb bir flud^en!" 

©oetl^e l^atte ben Slnfang beiS S3ud^ei^ $iob t)or 
Singen, als er ben ^ßrolog jnm gauft bic^tete. Die 
Jtinber ©otteiS finb l^ier bie Srjengel, ber ©atan 
ift aWepl^iftopl&eleS. ®ie (Srjengejf greifen bic SBerle 
ber ©(]^öj)fung, baS Seben ber Sflatur im ©anjen 
unb ©rofeen, in ber oberen unb unteren SBelt, im 
@ang ber ©eftirne, in ben 38anblungen bed irbi^ 
fd^en S)afcin§, im 9Bed^feI bon ^ag unb 9lad^t, 
))on Qibbe unb glutl^, ))on ©türm unb ©eioitter. 




} 



146 



SQßeld^ed grogartige Silb beiS @rbenleben^^ mächtig 
in iebent SBort unb in iebcm Saut, in feiner ftraft 
äl^nlid^ ben elemcntarif(|en ®ett?alten, läfet ber 
S)id^ter in bem ©efange ©abriete toor uni^ aufgellen: 

Unb f^neü unb unbegretflici^ fd^neHe 
Xxt})t f\6) uml^er ber @rbe $rad^t; 
@a med^felt $arabiefe§l^eae 
Tili tiefer, fd^aueiijoller ^lad^t; 
@§ fdb&umt ba^ SReer in breiten ^lüffen 
2lm tiefen @runb ber gelfen auf, 
Unb geig unb üReer »irb fortgeriffen 
3n emig fc^neUem Spl^&renlauf. 

(Srl^abeil über ben SBed^fel ber irbifd^en S)inge 
tt)irb bie ^errlid^feit ©otteiS gefd^aut in l^immlifd^er 
Älarl^eit: 

S)o(^ beine Soten, ^err, »ere^ren 
^aS fanft^ SBanbeln beine§ XagS. 
S)er Slnblid gibt ben ©ngeln ©tärfe, 
3)a feiner bid^ ergrünben mag, 
Unb alle beine ^o^m Sßerfe 
.Sinb J^errlidfe, »ie am erften Sag. 

^en @r}engeln gegenüber fielet ^ep^^op^de^, 
bie SBeltorbnung meijiernb, toie ein ©jercitium 
©otteg, worin eine ganje 5ßartie toon gel^lern 
toimmelt: bie Heine, bi^l^armonifd^e , oon @Ietib 



147 



unb ©ebred^en erfüllte SRenf d^entoelt ! ©ie ifl auä), 
tt)ie am erfien S^ag, nid^t eben touribexbax, nur 
,,tt)unberU(^ /' fie Bleibt fid^ anä) gleid^, ungereimt 
unb t]&6ri(i^t, mie immer. 5£)ie fogenannte S8er= 
nunft ifi bai^ Srrlid^t, ba« il^r ®ott auf benSBeg 
in bie äBelt mitgegeben l^at:. 

33on Sonn* unb äBelten mi^ xd) Sli^tS ju fagen, 

34 fel^e nur, »ie ftc^ bie äßenfd^en plagen. 

^er !(eine ©ott ber 3Belt bleibt ftet§ t)on gleid^em Sd^Iag, 

Unb ift fo munberlid^ aU tote am erften Sag. 

@in toenig beffer n)ürb' er leben, 

$dtt*ft bu ibnt nid^t ben Schein be^ $immelSK(i^t^ gegeben; 

@r nennt'^ äiernunft unb braucbt'^ allein, 

3lux tbierifcber aU jebed S^^ier ^u fein. 

Unb nun lägt SRe^pl^iftcpl^ele^ über baiS $offen= 
fpiel ber SOtenfd^l^eit unb bereu erfoIglofeiS abreiben 
jenen @))ott ergel^en^ bem ber^err bie §rage ent- 
gegenfeftt: ,,ftennfl bu ben gaufl?" 

3e$t ifl bie ©runbibee^ toeld^e ben $lan ber 
neuen S)id^tung aui^mad^t, DoUftänbig Har. @8 ift 
ein ^l^ema t)on en)igem S^tl^alt, ber ^all unb 
bie Säuterung beiS SReufd^en, baiS t)on j[e|t 
<xn bad ©oet^e'fd^e @ebid^t burd^bringt unb bie 
^Parallele mit ©ante rechtfertigt. S)ie SBette, bie 




*148 

SKcpl^iftopl^elcS bcm §crrn anbietet unb ble ber 
$err nic|it afö SBette annimmt, fonbern ate gauji* 
probe bem SSerfud^cr jugleid^ getoäl^rt unb aufgibt, 
bebingt bie SQBette jtüifd^en gaufl unb SKe^il^iftop^ele^ 
unb mit biefer ben Bä)l\x^ unb bie Söfung. @o 
getoinnen voix t?om 5ßrologe auÄ einen freien Slitf 
über bie ©oetl^e'fd^e gaufttragöbie in il^rem gan§en 
SSerlauf , t)om SKnfang im ^immel burd^ bai^ große 
aOBelt' unb Sebenöproblem , ba^ fid^ in jenem Sünb- 
nig jtoifd^en ^auft unb ^^\)x^p^eU& barfleUt, bi^ 
jur beflanbenen ^robe, bem @d^Iug beiS {toeiten 
St^cifö, ber SBoHenbung be« ©anjen. 

2» GtniQftrfe bagegcu. 

3d^ mufe biefer meiner ®rllärung be« 5ßrolog«, 
bie, n)ie id^ glaube, 9tid^t^ unbeutlid^ lägt, nod^ 
einige Erörterungen l^injufügen, um gemijfen äRig- 
üerpiänbniffen ober SBebenfen, »eld^e laut getoorben 
finb , }u begegnen. Sie betreffen jtoei ^ßunf te. S)er 
erfte erlebigt [xi) leidet. @iS ifl laum }U ffird^ten, 
bag man bem S^^ema, n^eldj^ed ber Prolog entl^filt 
unb bie S)id^tung aui^fäl^rt, baiS @d^Iugtt)ort bed 
„Sßorfpiete auf bem 3:]^eater" im ©rufte entgegen* 
fe|en toirb: 



149 

So fc^tcitet in bcm engen Sretterljjau^ 
2)en ganzen AreiS ber Sdftöpfung auS, 
Unb manbelt mit bebä(i^t*ger Sc^neOe 
Sont ^immcl burc^ bie 9BeIt ^ur $ölle! 

35er ©intüanb, ber l^ier enl [teilen fßnnte, meint, 
in t>en äSorten beiS S)id^terS einen äBiberfireit 
)tt ftnben: na^ bem Prologe foD baiS 3^^^ ^^^ 
f^anfitragöbie ber ^imntel^ na6) bem gleid^jettigen 
aBorfpiel, baS bem 5ßroIoge unmittelbar torauS- 
gel^t, bie $ölle fein, Qnbeffen löst [i^ biefer f^ein^ 
bare SBiberfpmd^ ol^ne äJläl^e^ toenn man nid^t 
t)ergi6t, bafe im ^ßrologe ber ^err unb im 
SSorfpiel ber 2;^eaterbirector baS grofee SBort 
ftt^rt, 6in SubereS ift baS ^Programm beS SJi* 
rector«, ein SKnbereiJ ber 5ßroIog beS S:id^ter3. 
3)em SJirector ^at ber S::id^!er nic^t bie 3bee 
feines SBerfeS, nur ben Sil^eaterjettel anvertraut unb 
burfte i^m nic^t mel^r überlaffen. Unb cerfiel^t man 
unter ißöHe niii^t baS legte ^ fonbem erfte S^d 
unferer S)id^tung, gleid^fam bie Äopfftation il^rer 
gal&rt, id^ meine bie SBette, bie gauft mit bem 
6atan eingeigt ^ fo batf felbfl ber Sweater }ettel mit 
9ted^t fagen: ,,t?om ^immel burd^ bie 2Belt jur 
J0ölle!" UeberbieS erfd^eint am legten @nbe, totnn 





150 



anä) feineStpegS ber @ieg^ hoä) ba^ SReid^ ber 
ipöttc. 

©d^toieriger ifl bet jloeitc $unft, ber citictt SluS* 
fprud^ be« Jgcrtn im ^ßrologc betrifft unb tjon ber. 
bead^titngi^kpArbigfiten ©eite jum ©egenftanb n^ieber:: 
Isolier llnterfud^ungen gentad^t iDorben«^ ^ ift 
jeneiS SBort beiS Jperm auf bie i^m angebotene 
äBette, bad bem @atan bie SSerfud^ung freigibt: 

@o lang* er auf ber (Srbe lebt, 

@o lange fei bir*S nidftt t^erboten, 

6g irrt ber SWenfd^, fo lang* er ftrebt. 

©iefer aiu^fprud^ foH einen gorbifd&en finoten 
enthalten, ber julegt nur burd^ einen deus ex ma-* 
China, einen ^ad^tfprud^ @otted gelöst tt}erben 
fönne unb aud^ in ber ^at nur fo gelfiSt toerbe. 
©in fold^er ©intourf trifft ben ftern ber S)id^tung; 
e^ ift bal^er nötl^ig , if)n naiver inS Sluge ju f äffen. 
|)6ren mir feine Segriinbung. SBenn nad^ ben 
SBorten beö iperrn mit bem menfd^Iid^en Streben 
ber Srrtl^um notl^toenbig üer!nüpft ift unb fort- 

1 St. SC^. SJtft^cr: ©oetl^c'S Sauft. 9lcuc Beiträge 
Sur Rritif bc§ ©ebid^tS (1875) 9lbfdjn. IL ©. 20Ö— 260. 3u 
ögl. Stxxt S3emci!. über ben I. S^cil beS (Soct^e'jd^en fjaufl 
itnb nomcntlicj ben ^rolog tnt §tmntel (ÜWonatSjdJrift be§ 
tt)lf|enfd^aftlt*en SJereinS in Sürid^. 1857). 



i 



151 



bauert, fo toeit baS irbifd^e ® afein reid^t, fo lange 
überl^au^t bie ftrebenbe ftraft toixtt, bann ift bon 
bem ntenfd^Iid^en Seben, gleid^biel ob unb n)0 eS 
auf^üxt, ber ^rrt^um nie auSgefd^loffen ^ bann 
gibt eis nad^ bem SBemtögen beiS menfd^Ii($en S)a^ 
f ein« leinen über ben Srrtl^um erl^abenen, leinen 
ber SSetfnd^nng enttüdten 3Woment, feinen, bem 
"gegenüber ber SSerfud^er fein ©piel verloren geben 
müfete. SBirb ber @j)ielraum ber SSerfud^nng be^ 
fd^ränft anf ha^ irbifd^e ©afein, fo fd^eint bem 
©atan bie SlnSftd^t auf ben ®ett)inn um fo fidlerer, 
benn ber ftnnlid^e äJlenfd^ fäQt bon einer ä^er^ 
fud^ung itt bie anbere nnb ifi n)ie eine SBeute, mit 
ber ftd^ fpielen Ififet, »eil fte nid^t entrinnt. 3luf 
bie öefiimmnng be« ^errn: „©o lang' er auf ber 
6rbe lebt, fo lange fei bir'Ä nid^t verboten, " ents 
gegnet ä)te))l^ifiop^eleiS : 

S)a banf i(b eu(b; benn mit ben Sobten 

^h' xii mid^ ntemaU gern befangen. 

^m metften lieb' ic^ mir bie r)oüm, frtf^en 9Bangen. 

gür einen Seic^nam bin idb nidftt )u $au§; 

9Rir ge^t e^, mie ber Aa^e mit ber Tian^, 

Unb toie ber ^err auf bie l^od^jlreben be SRatur 
bf« gaufl l^intoeiat, ber , fid^ in feinem bunflen 




152 



3)range beS rechten SBegeiS n)o^I bttou^t \ei, gibt 
il^m bcr ©atan fein eigene« SBort jurficf : ,;6« irrt 
ber ÜJlenfd^, fo lang' er ftrebt!" SBenn nur bie 
SlüäfäQe nid^t tvären, bie langbeinige @icabe, bie 
fliegenb f)>tingt unb gleid^ im ®rad i^t alted Sieb^^ 
äjen fingt! 9)ad tft e«, roa^ Wlepf)x^op^eU& bem 
^errn ermibert: 

Sc^on gut! 07ur bauert eo nic^t fange. 

Tlxx ift für meine 2Dette gar nidjt bange. 

♦. 

S)er $err ftreitet nic^t ; eiJ fd^eint , er l^at 5Ri<i&td 
tt)eiter ju fagen , eS gibt in bief em ©treit fein le|teS 
Sßort. Serifigt ftd^ ber ^err auf bad Streben, 
fo toerlfifet fid^ ber S^eufel auf ba« Srren unb wirb 
immer toieber ^injufflgen: „S)u fagfi eS felbfi, e8 
irrt ber ÜKenfd^, fo lang' er firebt!'' 2luf biefe 
älrt bleibt ber ©treit unentfd^ieben unb ber SluS- 
gang ber äBette für immer problematifd^ ; e« gibt 
feinen S^tpuntl, in bem ber Jleufel betoiefener^ 
mafeen fein Spiel t»erloren l^aben fßnnte ober üer^ 
loren geben mügte. ©oD bie ©ad^e ju @nbe ge- 
brad^t »erben, fo fann e« nur gef^el^en burd^ 
einen aWad^tfprud^ be8 $errn, burd^ eine SIrt l^imm^ 
lifd^en ©toatdflreid^, ben. aud^ ber iperr fd^on im 



153 



€ä)xite fü^tt; er ^at bei fid^ befd^Ioffcn, in einem 
gegebenen S^i^P^^ft einjnfti^reiten unb ^alt ju ge? 
bieten , er wirb bem 2;euf el jurnf en : e8 ifl genng ! 
b(n gaufl toer Mären unb empor fJeigeu laffen ju ben 
Seligen. S)a^er lonnte bie S)id^tung nur mit einer 
f olc^en m^tl^ifd^en ^immelf al^rt fd^Iiegen ; il^re SSoDen- 
bung ift nid^t bai^ naturgemäße Qiü einer tragifd^en 
Sntmiälung, fonbern baiS 9Ber! einer gSttlid^en 
aRad^ination , unb ed fonntc nid^t anber« fommen 
unter ter aSorauÄfeftung be^ 5ßroIogi^ unb ber Qbee 
ber neuen S)id^tung. S)ie8 ift ber Siumurf mit 
äUen feinen ©rünben^ ber bie neue S)id^tung in 
ber 9Sur}eI angreift unb il^ren m^t^ifd^en S^ara!ter 
üem)irft. 3la^ meiner Ueberjeugung gefd^iebt burd^ 
biefed Urt^eil bem @ebid^t Unre^t^ n^ie bem ©runb- 
gebanlen beS ©oetbe'fd^en ^roIogiS. ®er «^err foDte 
tDirflidl^ auf jene ©egenreben beS ^tp^i^o^J)tU^ 
^id^td JU antworten miffen unb im @tiDen beulen : 
fage^ mad bu n)i(l|l^ bu mirft fc^on fe^en^ mie bie 
@ad^e }u @nbe ge^t^ idb n)erbe einf d^reiten , tüenn 
ed mir gut bttnlt^ unb baiS äBeiterfpielen verbieten? 
9lein! fo fte^t bie Sad^e nid^t. ^er $err b^t fd^on 
erflärt, »ad er nur n}ieberboIen fönnte, ic^ meine 
bie SEBorte: 




154 



'SBcnn er mir jeftt aucfe nur bertDorrcn bient, 
Bo merb' id^ il^n balb in bie ^lar^eit führen. 
9Bei^ bod^ ber ©ärtner, iDenn baS Säumd^en grünt^ 
2)a6 SlütlS)* unb grud^t bie fünft'gen Sa^re jicrcn, 

Sad l^eigt bod^ tpol^l : bie £äuterung be^ f^aitfl 
ift bie %xu6)t feiner naturgemäßen ©nüDidflung , bie 
ber $err nur burd^fd^aut, niii^t fabricirt, fie ifl 
feine SSerflärung \)on aufeen l^erein, feine %xan^' 
ftguration, bie bem ^auft mit äBoIfen unter bie 
älrme greift. Unb bai^ SSiort^ tDeld^ed im SRunbe 
be§ §crrn unmittelbar folgt unb einer f^arffinnigen 
^Prüfung fo tjiele SBebenfen tjerurfad^t l^at: ,,®^ 
irrt ber SReufd^, fo lang er ftrebt/'fprid^t 
feineÄtt)eg« gegen eine fold^e naturgemäße Säuterung. 
Säuterung ift nid^t Unfel^Ibarfeit. @d gibt eine ex- 
uiä)te Säuterung, bie ba« Streben unb ben Qrrs 
tl^um nid^t t)on fid^ au^f daließt, lool^l aber ben ^aU 
in bai^ 9le| beS äSerfud^^erd. @iS n)äre fd^Hmm^ toenn 
bem nid^t fo loäre! 2lud^ ber 3Reifter irrt, ber 
große Genfer, toie ber große Äunftler, fie ftreben 
unb irren; aber ber Si^ll^uin ^^^ SReifteri^ mad^t 
ü^n nid^t jum ©tümper unb nid^t jum @d^üler, toirft 
il^n nid^t surüd in bie ^robejeit. 9Bad Dom ä^alent 
gilt, toirb bod^ aud^ Don ber fittlid^en SBittenÄfraft 



155 



gelten bürfen. @ö toaxe fd^Iimm, luenn. bem itid^t 
fo lüäre, lüenn eg m6)t eine fittlid^e ^ßl^e gäbe, 
bic erreici^t derben foll unb fann, nid^t frei tjon 
3frrtl^UTn, aber uttatitaftbar für bie ^Serfud^img, 
nid^t unfel^lbar, aber untjerfül^rbar, eine 
ßj^aralterj^öj^e , bie fid^ anS bent Strubel ber aOBelt 
emporgeningen l^at nhb in bereu ©enüffe nie tpieber 
untertaucht, bie erl^abcn unb unerf(^ütterli(^ feft- 
fte^t über jenen 5Segen, ipo ber Si^eufel fein SBilb 
jagt unb mit il^m Ra%e unb SRauS fpielt. Um 
eine fold^e fiäute^ung l^anbelt eiS ftd^ in ber S^ra- 
göbie beö gauft. SBirb fie erreid^t, fo ift bie SSÖette 
gettjonnen, gleid^öiel ob 3Jlep^ifto>)l&ele§ 3^ fagt 
ober nid^t; er toirb 3tein fagen, benn für il^n gibt 
ei^ in ber 3Renf(^entt)elt feine Sntioidflung , feinen 
gortfd^ritt, feinen ipöl^entoeg ; bag ift eine ©nfid^t, 
bie aud^ ber fd^lauefte ber Sileufel nid^t faffen fann. 
3ene Säuterung aber, t)on bereu ^öl^e fein SBeg 
mel^r abtoärtÄ fül^rt in bie gallftridfe bclS SSer= 
fud^erÄ, tt)irb erreid^t unb gtoar ol^ne l^immlifd^e 
3utl^at. 6ben barin liegt bei ber ©leid^artigfeit 
beÄ %f)ema^ ber Unterfd^ieb jtt)ifd^en S)ante unb 
©oetl^e , }tt)ifd^en bem X)id^ter beS 3Rittelalter^ unb 
bem ber neuen S^it, bafe bei biefem ba^ ßeben 




156 



felbjl ha§> gctoaltige gegefeuer, bic 2Selt fclbjl baö 
gtoic ^urgatoriutn ift iinb bie ©ntiDidflung^ftufcn 
einer bebeutcnben SUlenfd^ennatur jugleid^ Säutc^ 
rungSflufen finb. 2lfö bic ^elena jum erfien SKal 
erf^^ienen \oax, erllärte fld^ ©oet^e in einem feinet 
^efte „vbex fiunft nnb Slltertl^um" über ben ^lan 
feiner neuen gauflbic^tnng. * „^^ mufete nti<i^ 
»unbern, bafe biejjcnigen, »eld^e eine gortfe^ung 
unb (Srgänjung meineiS ,,gragmentg" nnternal^men, 
nid^t auf ben fo na^e liegenben ®ebanfen getommen 
finb, ej5 muffe bie ^Bearbeitung eiue^ jtociteu S;]&eiU 
fid^ not^n^enbig aus ber biSl^erigen Ütmmerlid^en 
6pl^äre ganj erl^eben unb einen fold^en ^ann in 
^öl^ere älegtonen, burc^ n)ärbi9€re äkrl^äßniffe burd^^ 
führen." Qeber Slct bed jweiten ZffdU bebeutet 
eine foldjic SäutcrungSfiuf e : bie SSJelterfal^rung am 
faiferlid^en ^ofe, bic baä Sebcn im ©rofeen bor 
fid^ fielet, bie ben SJerfall eines SReid^cS, bic öffent- 
lid^en Uebel unb bereu Urfad^en burc^fd^aut; bann 
f^auft'S @x(^ebung in baS SReid^ beS 3bealen, ber 
® ang ju ben äRüttern , bie Sefd^mörung ber ipelena, 
bie äBanberung burd^ bie Sd^attenn^elt beS Sllter« 

1 5m 3af)re 1827. 



157 



t^um^, bic claffifij^c SBalpurgi^nad^t, bic SSermäl^s 
lung mit bcrjpelena; enbUd^ bic Vertief uttg in bic 
aufgaben ber iüirfU(i^en SBelt, bic praltifd^e SSolI= 
cnbung, bie Slrbcit für fommenbc Ocfd^Icd^tcr, bic 
nid^t ben SRnl^ni begcl^rt,. fonbetn bie Sll^at: „^^ 
füllte Ätaft ju föl^ncm ^Icife!" „S)ie St^at ift 
»De«, SRid^tS ber Slul^m!" ©r fielet fd^on auf einer 
^öl^e, tDO er tief unter fid^ ben ®enu6 fielet unb 
ba2 erl^abcne SBort au^fprid^t : „©eniejjen mad^t 
gemein!" ^ier beginnt feine Ie|tc SäuterungS? 
fiufe, bie fid^ in ber Arbeit, in bem SBcrfe einer 
felbftgcfd^affenen SBelt, in ber freubigen Sntfagung, 
in bem Sriumpl^ , bafe fommenbc ®ef d^lcd^ter ernten 
»erben, tüag er gefäet, toottenbet. 

m. 

Per iweiU '^^eit. 

6iB ift eine toeit berbreitcte Slnfid^t, bafe ber jmcite 
S^eil unfere« ©ebid^ted unouflöÄlid^c Mt^d etiU 
l)alte unb befel^alb »eit fd^toieriger ju tocrftel^en fei 
ate ber erfte- ^6) ^alte biefe anficht für falfd^ 
unb fflr ein 3^i<^^n, bag man bai^ @ebid^t nid^t 
genau fennt, gefd^meige burd^brungen l^at. SSer- 




158 



jicl^t man unter Sd^toierigfciten fold^c gragen, bereu 
9luflöfuug "okl }u benleu uub }u ergrüubeu gibt 
fo ifl ber erfte 2;i^eil f^ou toegeu ber un%Uid)' 
artigeu (SXemente, morau^ er }ufamtnengefägt ift, 
bei tDeitem fd^tDieriger aU ber jlceite, ber gleiii^? 
mäfeig öou einer Qlbee bel^errfd^t »irb, ber Qbee 
f ortf d^reitenber Säuterung , bie f^mbolifd^ auggeful^rt 
fein tDoUte. "SRan mag über beu ))oetifd^eu SBert^ 
einer f old^en ©Emboli! fhreiteu uub , toenu man fie 
einräumt, prüfen, ob bie ^betn bei^ S)i(ä^terg in 
biefem j»eiten 2;i^eil in SBal&rl^eit fortfd^reiteube, 
in ber Sliefe ber menfd^lid^en SRatur begrünbete 
Säuterung^ftufen auSbrüdfen, ob bie Symbole biefen 
3!been entfpred^en; man mag enblid^ in ber SIu«- 
fül^rung felbfi bie cinjelnen X^eiU naä) ber ©tärfe 
ober @(j^b)&d^e il^rer ipoetifd^en jtraft bid in beu 
Stpl uub bie (Sigentl^ümUd^feiten ber äBortbilbung 
hinein forgfältig unterfd^eiben : alle biefe gragen, 
fo erl^ebltd^ fie finb, betreffen nid^t bad %\)ema bed 
jiDeiten %f)üU unb beffeu innere S9ered^tigung, fom 
bern bie barin betoiefeue ©rfinbungS- unb ©eftal« 
tungdtraft beiS ^x6)tex8. "^a^ Xffema ift bebingt 
burc^ bie neue S)id^tung, bie f^mbolifd^e äluisfül^rung 
ift bebingt burd^ boiS S^l^ema. $ier mugte t)ieIeiS 



159 



crfünjielt lücrbcn, unb ©oetl^c l^at nad^ feinem 
eigenen äluSbrud „\)kl ^ineingel^eimniBt''; bal&er 
ifi biefer ^eil ber ^xä)tuni äberrei($ an foge^ 
nannten Keinen Problemen, Slnfpielungen auf S^it» 
begebenl^eiten unb S^it\xaitn^ bie bem S)i(|ter 
toxä)tiq toaxen, unb aud beten AenntniB ft($ jene 
^Probleme untergeorbneter Slrt leidet auflöfen laffen* 
Sd^n)ierig!eiten, bie man burd^ 9lotijen, @rläujte= 
rungen, ©d^olien lieben lanu, finb !eine großen 
Slät^fel unb l^oben mit bem eigentlichen unter:« 
fud^enben S>en!en tuenig ju fd^affen. 3&a^ auf ben 
erfien SBIid rätj^fell^aft erfd^eint, tt)irb burd^ einen 
SQinf bie üerftänblid^fle ®a^t ber äBelt. ^6) nel^me 
beifpietelpeife eine ber erfien f^mboUfd^en ^anb« 
lungen^ bie ber j^eite S^l^eil bietet: baiS Wta^Un^ 
fefl ober ben ^,9Rummenfd^onj" am faiferlid^en ^ofe. 
(Sine ÜJlenge )oon £ebenSbilbem, tt)eld^e bie äReufd^en^ 
n)elt im Aleinen unb ©rogen^ in il^ren äBertl^en 
unb Untt)ertl[ien barftetten, jiel^en an gaufi afe Qu-- 
fd^auer ))orüber, nur an einem ber älufjüge nimmt 
er eigenen SSntl^eil; e& ifl nid^t nötl^ig/ bag er in 
biefe äSelt felbfttl^&tig eingel^it^ eiS ift genug/ bag 
er fie ivie im Silbe !ennen lernt unb burc^fd^aut. 
S)iefe 9lrt ber äBelterfa^rung unb 3Renfd^euIenntniB 




160 



gcl^ört a\iä) gut Säuterung. ®ic Silber in bcr 
Speisenfolge ber äRadlenaufjuge tuerben immer um- 
faffenber unb bcbeutfamer, eine« ber toid^tigfien ifl 
bad Symbol bed @taat$Iebeni8 : ein tuanbelnber 
SoloB^ auf bem SSictoria, ,,bie ®ötttn aQer ^&tig- 
feiten/' thront, unb bcn bie Älugl^eit lenft, er 
f(i^reitet langfam unb fidler öortoärW. 3n biefem 
Silbe erfd^eint eine aRifegeflalt, ein Smerg gegen- 
über bem &dIo§ , ein 2)oppel}n}erg^ }ufammengefe|t 
au^ Soilo^, ber ben ferner ^ unb au^ S^^erftte^, 
ber ben ^ä)iUe^ gefd^mSl^t f)at; ber S)i<i^ter nennt 
bal^er \>ieU^MiiQe^ä)&)p^ „SoUotf)ex\ite^", ein 
©innbilb ber neibifc^ert unb pöbell^aften ©d^mäl^fud^t, 
tüie fie fid^ im öffentlid^en 2tben funbgibt. Saffen toir 
biefen goilotl^erfiteS ju SBorte fommen, er fd^reit: | 

$u! $u! S)a !omm* iä) eben red^t! 
^d} fd^elt* eu(^ aQjufammen fc^led^t! 
S)odb toa^ xi) mir jum 3icl erfo^, 
3ft oben grau SBictoria» 
SDtit tbrem toei^en glügelpaar^ 
6ie bünft fi(6 too\)l, Pc fei ein 3(ar, 
Unb n)o fit ftd^ nur bingemanbt, 
©el^ör' i^r aUe^ SSol! unb Sanb; 
S)o4 ft)o h)aiS 9lü|imli(i6e^ gelingt, 
(ii mid^ fogIei(i^ in $ari;fif(i6 bringt 



161 

^a§ Siefe l^od^, baS ^ol^e tief, 
3)0^ ©(i^efc grab*, baä ®rabc fd^ief, 
^a§ gati} allein ntad^t tnid^ gefunb; 
@o iDin id^*S auf bem (Srbenrunb. 

^ören roix au^, tüie bicfen 3tt>cr8 bcr ^ctolb, 
bet SBäd^ter ber ßffcntlid^eti Drbnung, bcl^anbclt, 
ä^nlid^ \oxe einjl $clb Db^ffcu« ben ^ex^teS: 

@o treffe bi(i6, bu Sumt^enl^unb, 
3)eS frommen @tabed SReifterftreid^l 
S)a frümm* unb loinbe bid^ fogleid^! 
3Bie ft4 bie S)o)}))el5n)erggeftaIt 
So fd^neQ §um eüen Pumpen baut. 
^oii äBunber! klumpen toirb ^um @i, 
S)a^ bldl^t \x6) auf unb pla^t ent5n)ei: 
9lun f&nt ein 3^iQing^paar If^erau^, 
S)ie Otter unb bie glebermau^; 
^ie eine fort im Staube frieii^t, 
S)ie anbere fd^n)ar§ gur 3)e(ie fliegt; 
Sie eilen brausen gum SSerein, 
®a möd^t' i* nid^t ber S)ritte fein. 

aSa« ifi baran untoer jiänblid^ ? Sag S3ilb ijl 
ad vivum, fo trcffcnb, bafe cÄ gegcnn)ärtig ift, tt)ic 
ber Ij^eutige Zaq ! ©cgen bie beutfd^c SSictoria l^aben 
jx(ä^ l^cutjutage bie Ottern mit ben glebermäufen 
vereinigt, um in ber SRoHe beö S'^ilot'&^^fttei^ ju 




n 



162 



tüetteifem: ba paart ftd^, „\Da^ im Staube {ried^t/^ 
mit bem, ^Voa^ fd^tDar) gut S)e(fe fliegt/^ 

SBBa^ aber ben jtDeiten 3^eil im @ro|en unb 
©anjett betrifft — er ijl gleid^ feiner Helena „be- 
toiittbert t)iel unb üiel gefd^olten" — fo jttib bie 
3been beffelben, nämn<$ bie Sfiuterungi^fhifen be$ 
%au\t, bem S)id^ter aitö feiner eigenen innerften 
SebenSerfal^rung ]^ert)orgegangen unb l^aben biefelbe 
normale @iiltigleit, bie toir an ©oetl^e'g perfönlid^er 
(SnttDtdelung an}ufd^auen mit Sted^t gett>6]^nt ftnb* 
S)ie ©id^tung ijl in il&rer 2;iefe erlebt troft aller 
^unfteleien^ iDeld^e l^ier unb ba bie Oberf[&d^e 
fräufeln unb toerfi^nörfeln. SBenn auf ber äufeerften 
^öl^e beS meufd^Ii(^en SHter^ bie @e{taltungdfraft 
abnal^m^ fo l^at biefe 3lrt ber ällterdfd^möd^e, bie 
aud^ erlebt fein tt)iQ unb beren ftd^ ©oetl^e felbft 
fel^r tt)o]^I betoufet toar, bie aOBeiiSl^eit feiner SBelt- 
betrad^tung niemals getrübt, unb biefe äBeiiSl^eit 
barf fid^ ben SSortourf gefatten laffen/ bafe fle alt 
roax. ®ie burd^gängige ©Emboli! ber legten ®id^s 
tung beg gauft ifl nid^t erKlnfielt, bie 2lufgabe 
toar nid^t anber^ ju löfen. SBag ber 3Renfd^ in 
feinem Snnerften gewinnt unb toirb , ifl ein S^l^alt, , 
ber in feiner ^Jorm einer äufeeren ^anblung aufs 



163 



gcl^t, bcr itd^ nid^t bramatifd^, fonbern nur f^m^^ 
bolifd^ barfleüen lägt. SBSie fid^ bie bratnatifd^e 
^anblung jur Seibcnfd^aft tjcrl^ält, fo \)tx^&lt fid^ 
}ur £äuterung bie bebeutfatne. SBaiS ©oetl^e in 
Stalten erlebt l^at, lägt fid^ erjäl^len nnb ijl, toa^ 
fein S^agebud^ f($ilbert; bagegen bie SBebeutung 
biefer Seben^epod^e, bie in i^m forttoirfte, unb an^ 
ber^ bilblid^ ju reben^ feine SSemtäl^Iung mit ber 
Helena tourbe, i|l lein äußeres ©rlebnife unb bod^ 
mt^x al^ aUe S3egeben]^eiten }ufanimen. 9tid^t in 
bem, toaS man erlebt, fonbern toie man ei er* 
lebt, liegt bie Sebeutung be8 S)afeing unb ber 
©inn unferer SebeniSereigniffe. ^n ben ©d^Iufe« 
tDorten beS ^auft ifl ei gefagt, ein 3Bort, baS bem 
jtoeiten SJ^eile ber ©id^tung lüie jur Ueberfd^rift 
bienen lönnte: „2ine8 SJergänglid^e ift nur 
ein ©leid^nife." 

IV. 
piberftreit hex (etben pif^iitngeii. 

3n jlebent SRenfd^enleben, hai einen ^n\)alt unb 
ein %f)ema toon normaler 83ebeutung l^at, lajfen 
ftd^ jtoei groge @ntti)idKung^t)erioben unterfd^eiben: 





164 



in bcr crjicn tpiE man bie SB dt erleben, in ber 
jtpeiten fid^ felbpt; bort toaltcn bie Seibenfd^aften, 
bie ftd^ mit nammemben Organen an bie SBelt 
Italien , l^ier l^errf d^t ber Säuterungi^brang nnb baiS 
9Ber{ ber Aatl^arftiS beginnt. 3<^ n)ügte leine 
gormel, bie filrjer nnb treffenber in ©oetl^e'^ gauft 
bie alte unb nene 3)id^tung auiSeinanberl^alten, 
il^ren Sl^aralter be}ei(i^nen, il^ren äBiberfheit an^ 
beuten lönnte. 

S)iefer SBiberflreit fott ic|t feflgefieEt toerben 
auf ®runb ber in ber SDid^tung felbfl entl^altenen 
^atfad^en. ^ ber Stnlage ber alten S>id^tung 
finben jid^ ©lemente, bie in ber neuen f purlog ber^ 
tjerf (^loinben ; bie lefttere folgt einer ©runbrid^tung, 
loeld^e ber erften fd^nurflradi^ }utt)iberlfiuft. @iS gibt 
tjietteid^t feinen größeren Seioeis für bie feffeinbe 
©eloalt beS @ebid^tiS, als ba§ bie nteifien ben 
©oetl&e'fd^en gauft fefen, ol^ne ju nterlen, ba§ jxe 
in einer Sleil^e t)on ©teHen ba« ©egentl^eil )oon bem 
toernel^nten, tt)a8 fie eien gelefen l^aben. S)arunt 
toar eä fo toid^tig, bie ©ntfiel^ung be« ©anjcn 
fennen ju lernen, benn in il^r attein liegt ber Er« 
flärungagrunb. ^ä) toerbe ben SBiberflreit bartl^un 
erft t}on ©eiten ber alten ©id^tung, bann toon 



165 



©citen bcr neuen; iä) erflärc jefet nid^t ben ßl^a' 
taf ter ber alten Di^lung , f onbem braud^e fie nur 

®Ieid^ in bcr erjien ©cene, bic ol^ne S^^^^^^ 
bie ältefie ift, befd^njört ^auft, \>om ®urjl na^ 
®tfenntnife, nad^ Seben unb SBcIt ergtiffen, nid^t 
einen ^öffengeifi, fonbern ben ©rbgeifl, ber il^m 
in feuriger SKad^t unb Sebenöfütte t)on Slngefid^t 
ju Singe ji(|t erfd^eint, \>a& Silb beS irbifd^en Seben^ 
im ©roBen^ »wogegen bie Ol^nntad^t be^ tt}in}igen 
SKenfd^en in 5Wid^tö jurfldtfxnft. „S)u gleid^ft bem 
©eift, ben bu begreiffl, nid&t mir!" 

SSon bem ® r b g e i jl . pnben wir in ber f^}äteren 
©id^tung feine ©pur mel^r; in ber alten toar er 
bepimmt, eine füfjrenbe SRoDe ju fpielen; tpir er^ 
fennen eö au3 jtüei ©cenen, t)on benen bie eine 
nod^ im ^agment entl^alten ifl^ bie anbere itoav 
erfi fpäter in bie S)id^tung, ben ©d^Iufe beiS erfien 
%^ziU, aufgenommen tourbe, aber ol^ne S^^f^I 
n)eit frül^er entworfen »ar unb unter bie ältejien 
©onceptionen gel^ört. S3ie erjie ©cene ifi gaufii^ 
//3RonoIog in 3BaIb unb^öl^Ie/' toal^rfd^eim 
!id^ unter ben Seftanbtl^eilen beiS ^ragmentiS ber 
iflngfie. ®r beginnt mit ben SBorten: 




166 



erl^ab'ner ®cift, bu gabft mir, gabft mir äUe^, 
9Borum i(b hat. S!)u baft mir nid^t umfonft 
^ein 9(ngert(i^t im f^euer ^ugetoenbet 
@abft mir bie l^enliä)^ ^atur ^um ^önigreid^, 
^raft, fic }u füllen, 5U genießen. 

©icfer exfjdbene ©cift, bcr il^m fein Sltigefid^t 
im geuer jugclücnbet, ift bcr ©rbgcift. SluS bcn 
SBorten beg aRonoIogiJ ifi toöHig cinleud^tcnb, bafe ci5 
mit bcr erflcn öc|t cinjigen) ®rfd^cinung beffclben 
nid^t fein Scwcnben l^aben fotttc; er l&at il^m SlIIcÄ 
gegeben, »orum er bat, alfo ben SBunfd^ erfüllt, 
ben er il^m bei ber erjien ©rfd^einung toerfagt l^at. 
S)ie alte ©id^tung tpar bar auf angelegt, bafe ber 
©rbgeijl im Seben beg ^au^ forttoirlen foHte; fie 
beburfte bal^er leiner überirbifd^en unb nnterirbifd^en 
SKäd^te, toeber beg ^immete nod^ ber ^ßUe. 3)er 
SUlonolog f daließt mit ben SBorten: 

ba^ bem SDlenfd^en niiit^ SoQfomm'ned mirb, 
Gmpfinb* \ä) nun. S)u gabft ju biefer SBonnc, 
3)ie mid& bcn (Göttern nab* unb nftber bringt, 
9Rir ben ®ef&brten, ben \6) fc^on nid^t mebr 
@ntbebren !ann, menn er qUO), falt unb ^xeif, 
Ttiäi t)or mir felbft emiebrigt, unb ^u ^td^tS 
ÜRit einem äßortbaud^ beine ®aben h)anbelt. 
Qt fad^t in meiner 33ruft ein »ilbeiS 3cuer 



167 



^adf jenem fd^önen ©Üb gefd&dfttg an» 

@o tauntl' \(b t7on 93egierbe §u @enu|, 

Unb im ®enu^ üerfd&mad^t* id^ na4 ©egierbe. 

34 ^cmcrfc beiläufig, bafe unter „icncm fd^ßnen 
Silb" nur bag graucnbilb im Sauberf^}icgel bcr 
^cnfüd^e tjcrflanben werben !antt; fd^on au8 
bicfem Umjianbc crl^cUt, bafe bcr „STOonoIog in 
SQ3alb unb ^ö^Ie" fpäter ift, ate bie ^cfcnfüd^e, 
bie im ©arten bcr SBilla Sorgl^efc gcbid^tct tourbc. * 



1 S)aB ber S^onolog fpöter ift, als bie äliefte S)td^tung, 
f^ai neuetbingS aud^ 3. Sd^mibi nad^brüdflid^ betont; bod^ 
ift bo§ Sol^t 1779 au frü^ , er fonn nidjt öor bem Srül^ial^r 
1788 gcbid^tet fein. (®oet^e»§ Souft. ein »erfudj. ?reu6. 
Sal^rbüdjer XXXJX. 6. 376 ff.) ajlan toirb bcn ^uSbrudE 
„ieneS fd^öne 5BiIb" nid^t im drnft auf ©rctd^en Bcjie^en 
»oUen, jebcr fü^It, ba^ in bcr ©lutl^ feuriger Seibcnfdjoft 
Sfauß nid^t fo t)on ber (beliebten rebet. Unb bag ber SRonoIog 
bem SaEe (S^retd^enS im gfragment nad^folgt, im bollen« 
beten erften %^exl bagegen t)orau§gel(|t , Beweist jur Genüge, 
n)ie toenig berfclbe in bie ^id^iung ber ®retd^entrag5bie ge« 
l^ört unb in i^r feinen Urf^rung l^at. 9CIS ©oetl^e feinem 
Sauft bie aOBorte eingab: „er fad^t in meiner ©ruft ein »ilbeS 
Seuer nad^ jenem fdjönen ©ilb gefd^öftig an/' »ar in ber 
€om|)ofttion beg ®ebid^ts ntd^t bie @arienfcene borangegangen, 
fonbern bie ^ejenfildje (f. oben @. 109). 3« ^en angefül^rten 
®rünben, bie über bie ^bfaffung be§ Sl^onoIogS na(li ber 
„§csen!üd^c" feinen Sioeifel laffen, fommen gorm unb ®e- j 

banlenin^alt, bie beibe ben itotienifdjen 9Cufent§aIt borauS* 




168 



9SaiS aber bie ^aitptfa^ ifl, fo erfd^nt l^ier 
fBtep^i^p^e^, ber „(Se^Q^ttt," x>on bem bie 
€d^ltt^OTte bed äRmtologd reben, aß bem ^cai^ 
^ugefeDt burd^ ben Srbgeifi: ^9)it gabfl mtt beit 
0efä]^rten!'' 3>er SRepl^iflo^^eled ber alten S)td^tun9 
ifl bal^er lein @atan, !ein ^oDenseifi, fonbem ein 
(SIementargeifl irbifd^er 9latur, ber mitunter bie 
9loDe beiS S^eufete parobirenb fpielt, aber fein 
Sieufel ifl im biabolifd^en @inn^ !ein 6atan, tt>ie 
i^ bie neue 3>td^tung brandet unb ber Prolog ein« 
fül^rt. ^a& finb nid^t @d^lü{fe, bie toir aud ben 
SBorten be0 3)id^ter^ toermutl^en, fonbem ed ifl 
ber au8brlldflid^e Snl^alt bicfer SBorte fclbfi. 2Bir 
finben bie SSeflätigung in einer jtpeiten @cene, am 
©d^luffc be8 erftcn 2:i^eifö, mit ber Ueberfd^rift: 
„2;rllber SJog." gaufi eilt toom ^eftn^aibatf) jurütf, 
um @retd^en }u retten ; empört^ bag Sßepl^iflopb^IeiS 
il^m bereu furd^tbare^ ©d^idffal t}erborgen, i^n fclbfl 

fejen, nftmlid^ bie SSel^anblung bcS 3amBit§ unb bie 3bec 
bet O¥0aniid^en (&nixoxdlunQ, bie bem ^ic^iet mit ber ^ftan^en« 
meiamot|)l^o{e to&l^tenb jeinet 9leife in Italien aufging. $on 
bleuet «nWauung etfüHt, pxtiU gauft ben ©rbgeift: 

,,^u fül^T^ bie IReil^e bet Sebenbigen 

S5or mir torbei unb lel^rft mid^ meine SBrüber 

3m füllen »ufdj, in 2uft unb SBafler lennen." 



169 



in abflcfd^madten Sctfircuungen getoiegt i)at, ruft 
er toutl&ctitbrannt : ,,Jpunb! abf(]^culid^e« Untl^ier! 
— SBanblc i^n, bu unenblid^er ®cifl! voanW ben 
SBurm toicbcr in feine $unb3flefialt, — toauW i^n 
tüieber in feine SieblingSbilbunfl, bafe er bor mir 
im ©anb auf bem SBaud^ fried^e, id^ il^n mit %ix^en 
trete, ben SJertoorfenen!" — ,,®ro6er, l^err« 
lid^er ©eifi, ber bu mir ju erfd^einen 
toilrbigtefi, ber bu mein ^erj fennft unb 
meine ©eele, toarum an ben ©d^anb^ 
gefellen mid^ fd^mieben, ber fid^ am ©d^a= 
ben tDeibet unb am SBerberben fid^ lefet?"* 



1 ^icje @cenc, bic eingigc im Souji, bte in $rojo öerfafet 
ift, ^at ®oct^c im Sal&rc 1803 'eincS 3Rorgcn8 9liemer in bic 
Sfebet biciiti unb juer^ im ^orgenblatt, ben 5. ^oi 1808, 
t)er5ffenili4i. ^an l^at bavauS unftitifd^et SBeife auf bie ]päit 
^bfoffunQ {^liegen lootten. SDogegen f))re(i^en bie oben ange« 
führten inneren ©rilnbe, wonod^ biefe @cene auf baS genauefte 
guiammenl^fingi mit bem älieften $Ian. SBielanb lannte bie 
ungebrudEien @cenen unb fptad^ fein ^efremben barüber auS, 
bo^ eine ber intereffanteflen auS bem fifragmente toeggelaffen 
^ci, eine ©cene, worin Sfauft in eine jold^e fBnif) geratl^e, 
ba^ 9]ile))^tftopl^eIeS felbft auger Soffung fomme. 2)iefe j^enn« 
jeid^en ipaffen unier allen ©cenen beS 0ebid^t8 nur auf bie, 
Don ber loir reben. SBielanbS ^leugerung ift auS bem Saläre 
1796. 9Benn eS l^eigt, ©oeil^e l^abe bie ©cene „qUiä) naä) 
ber Sonce^tion" bidirt, fo !ann auS ben bargelegten inneren 







170 



@d fielet bentnad^ auger aQem 3^^^f^I/ ^^B tia<]^ 
betn $Iane ber erften S)id^tun3 ^auft nid^t mit betn 
^öHcnrcid^e, fonbern mit bcm ©rbgeift \>eüe^xt, unb 
§IKcpl^iftop]^cIei^ nid^t ate Satan, fonbern ate irbifd^cr 
tarnen gefaxt n)aT, bem §auft jugefenbet burd^ 
bcn ©rbgcifl! 5Rur in einer ©ccne, ber erjlen-unb 
ältefien, erfd^eint ber ©rbgeift; nur in itoei ©cenen, 
ben eben angefül&rten , ift öon biefem SSerfel^r iXou 
fd^en gaufl unb bem ©rbgeift, ton biefer SSerbin^ 
bung sU)ifd^en bem @rbgeift unb SRepl^iflopl^eleS nod^ 
bie SRcbe; eS gibt anbere ©cenen, bie nid^t in bem 
gragment ftanben, unb in benen bie ©puren be§ 
alten 5ßlane« tool^I erlennbar finb , toenn aud^ nid^t 
in »örtlid^er Slnfül^rung. 3^ feiner erfien gaufl* 
bid^tung l^at ©oetl^e aud ber SSoRdfage ®ott unb 
2:eufel toeggelaffen. S^iefe Slbtoeid^ung be^ crjicn 
©ebid^tö t)on ber alten ©age ifi fo grofe, bafe bo^ 
gegen bie fpätere ©id^tung atö eine SQBicberan- 
näl^erung gelten mufe, 

3n ber neuen ©id^tung ift ber betoegenbe ®runb= 
gebanfe ^auftiS SSerfud^ung unb £ebendprobe, bie 

unb Sudeten @rünben bie ^once^tion in biefem Satte nur bie 
le^ie ^uSfül^rung ober Ueberarbeitung bebeuien. Sagegen 
§. Sünder, ©oet^e'S gauft (Öei|)3ig, 1854), @. 373 ff. 




171 



SBcttc jtt)if(ä^en il^m unb 3Rep]^ijiop]&elc«. &n fold^e^ \ 
ajlotit) ifl in ber alten SJid^tuug unmöglid^. 6« ift 
unbcnlbar/ ba^ ber t)Ott Seben^^ unb SBeltburft 
terjel^rte gaufi, ber ben ©rbgcift begel^rt, mit biefem 
ober, toag bajfelbe bebeutet, mit einem ©iener be^ 
©rbgeifteö — nid&tö SKnbereiJ ifi l^ier Wtep^iflop^tUd 
— eine SEBette eingeigt auf bie S3ebingung: S)u 
toirfl mid^ nie befriebigen! 66en biefe Sie* 
friebigung iji ja, toa^ er bem (Srbgeift gegenüber 
aus aUen jträften begel^rt. 3)a]^er mugte bie alte 
S)id^tung ber ©infül^rung ber neuen Qbee t)önig 
tüiberfireben unb, nad^bem ©oetl^e bie nent S)id^5 
tung iDirllid^ mit ber alten gemifd^t l^atte, }ti}ifd^en 
beiben ein flaffenber SEBiberflreit ju S^age treten. 
(Sbtn ift bie SEBette gefd^loffen, bie gauft bem SSer- 
fud^er bietet: „S)u tt)irjl mid^ nie befriebigen, nie 
wirb ein Äugenblidf lommen, ber mi^ erquidtt, ben 
id^ fefil^alten, ju bem id^ fagen möd^te: üertoeile 
bod^, bu bifi fo fd^ön! R&me je ein fold^er üRo^ 
mcnt gefeffelten ©trebeni^, fo bin id^ t)erIoren unb 
toitt e« fein!" ®a« ifi bie SEBette, bie gauft ge^ 
boten unb auf bie ^epf)i^opf)eU^ //^opp!" gefagt 
l^at. Unmittelbar nad^ ber Unterrebung, worin biefe 
Sßette flattgefunben, folgt ein @elbflgefpräd^ beiS 




172 



aWcpl^iflopl^elc», in bcm er ol^nc ^toti^d aufrid^tig 
fagt, toaiS er beult. ®r beginnt mit ben SBortcn: 

* 

Serad^tc nur SJernunft unb SBiffcnf^aft, 
S)eS aßenfti^en aUer^öd^fte ^raft, 
8a| nur in Slenb« unb 3Änbermcr!cn 
^i^ ))on bem Sügengeift beftftrfen, 
60 l^ab' i(i^ bid^ fd^on unbebingt. 

S>ag foHte ber 3^eufel be« 5ßroIogS fagen fönnen, 
ber bem ^exm t)ortt)irft, bafe er bic SRenfc^en burd^ 
bie ®abe ber SSernunft erfi red^t elenb gemad^t? 

@in irenig beffcr ȟrb* er leben, 

$&tt*ft bu t^m nid^t ben @d^ein be^ ^ttnmel^lid^t^ gegeben ; 

@r nennt'^ Vernunft unb braud^f^ aQein, 

3flur tl^ierifd^er ate jcbeg S^^icr gu fein. 

Unmöglid^ fann ber 3Hepl^ijiopl^ele« , ber bic 
aSernunft ali bag 3^rli(ä&t be8 SKenfd^en toerfpottet, 
bie SJemunft afe „beiS SKenfd^en aUerl&öd^fle Äraft" 
bejeid^nen; nnmöglid^ lann ber Snepl^iftopb^I^^/ ber 
im ^Prologe erflärt, ber ©ebraud^ ber SSernunft 
bringe ben aWenfd^en erfl red^t ju %aU unb mad^c 
il^n tl^ierifd^cr aU jebeiS Z^kx, in feinem SDlonoIogc 
fagen: bie SBerad^tung ber SSemunft ffil&rc ben 
üJleufd^en in ben älbgrunb unb itoax unbebingt! 
^ier l^ören toix offenbar jtoei üerf d^iebenc ?ßerf onen : 



173 



im 5ßrolog rebet 3Ke))]^iftopl^eIcg ber ©atan, im 
aWonolog SDie^l^iftopl^cIeg bcr irbifd^c ®ämon; jener 
gel^ört in bie neue, biefer in bie alte ©id^tnng. 
aSerfolgen toix bag ©elbfigefpräd^ ttjeiter. (Si^ fd^Iiefet 
mit ben SBorten: 

Unb l^ätt' er ftd^ aud^ nid^t bem S^eufel übergeben, 
6r mü|tc \>oä) ju ®runbe gel^n!. 

Sllfo gauji beforgt unb bewirft felbft, toag ju 
befotgen unb ju betoirien bei^ X^eufefö SJleifierfiüd 
fein foHte! SBo bleibt ber ^riumpl^ be§ ©atan§, 
tt)o bleibt ber Teufel be^ 5ßroIog8: „SQBenn i6) ju 
meinem gtoed gelange, erlaubt il^r mir 2;rium^]^ 
au8 botter Srufl?'' Qn feinem ©elbftgef^räd^ ^)lant 
3Jlep]^iftoi)]^ele8 ben SGBeg unb ba^ Qid, xoo^n er 
ben gaujl fül^ren toitt: 

31&m l^at ba§ ©d^idtfal einen ®eift gegeben, 
3)er ungebdnbigt immer )}orm&rt§ bringt, 
Unb beffen übereiltet Streben 
®er @rbe greubcn überfpringt. * 
' S)en W^W i<^ burd^ ba^ toilbe Seben, 
S)urd^ flati^e Unbebeutenbl^ett, 
@r foQ mir Kappeln, ftarren, Heben, 
Unb feiner Unerfdttlid&feit 
©od ©pcif* unb Sranl tjor gierigen Sippen fc^toeben ; 
er toirb ßrquidung fid& umfonft erflel^n. 




1 



174 



S)icfe SBorte, fagc id^, pa^en auf bie eien ge^ 
fd^Ioffcne SBctte, tüie bic gaufl auf« SJlugc. S)ic 
SBettc l^eifet: „S)u lüirft mid^ nie bcfriebigcn, nie 
erquidcu; toenn bu e§ fertig bringfl, l^ajl bu ge^ 
toonneu!" Hub bctfclbe 3Jlc^)]^ifto^l^cIeg , bcr auf 
biefe SBctte fo eben „S^o^p" gcfagt, foffte bei fi(^ 
im Stillen befd^Iicfeen : „3^^ ttJcrbe SOIeS aufbieten, 
bafe er nie befriebigt, nie erquidt toirb, i^ tüerbe 
Me8 fffnn, um ju i)erlieren"? @r müfete fagen: 
,,gaufl foll um ©rquidung betteln unb fie bann 
l^aben!" ®r fagt baS ©egentl^eil: er foH fie nid^t 
l^aben! „®r toirb Srquidung fi(^ umfonfl 
er fielen." S5iefe SßJorte finb naä) berSEBette un- 
vxöqUö). 9Bir lefen fie naä) ber SßJette, aber fie 
toaren lange öorl^er gebid^tet. 35er 3Rep]^iftoj)]^eIe« 
ber SBette gel^ört in bie neue, ber be« ©elbfige^ 
fpräd^g in bie alte 3)id^tung. 

^enn tt)ir bie alte S)id^tung ijerfolgen, ben SlidE 
auf bie aSette gerid^tet, fo muffen iDir erleben, bafe 
biefe Sffiette t)on 3Koment ju 3Koment berloren iDirb, 
ol^ne bafe 3Kep]^iPop]^ele8 jugreift. ^an terjiel^t fd^on 
nid^t , tüie nad^ einer f old^en SBette ber ^leufel toagen 
fann, ben gauft auf bie „fd^ßne, grüne SOSeibe" ju 
laben, al8 ob er anfangen follte ju grafen: 



175 

3d& fag' e^ bir: ein Äerl, bcr frecwßrt, 
3ft lüic ein Silier auf bürrcr $eibe, 
SSott einem böfen ®eift im ÄrciS l^erwmgefü^^rt, 
Unb ringg um^er liegt fd&öne, grüne SGBcibe. 

SRod& tocnigcr toerftel^t man, tote auf eine fold^e 
©inlabung, bie SBelt als ©alat rol^ ju genießen, 
gauft anttoorten !ann, aU ob er Süp^etit 6e!ämc: 
,,aBic fangen toir baS an?" 

SBJarum greift SRe^jl^iftopl^eleg nid^t ju, fd^on 
in bcr §eyen!ü(^e, tote gauji, fiarr üor ©ntjüden, 
ba^ 93ilb im S^niex^^pieQel betrachtet: 

3ffg mögli*, ift baS SBeib fo f*ön? 
9Ru^ t^ an biefem ^ingeftredtten Seibe 
S)en Snbcgriff öon allen ^immcln febn? 
©0 etmag finbet fi^ auf ßrben? 

SBarum lägt er il^n nid^t ))or bem Silbe [teilen 
unb gönnt il^m ben Slnblid, in bem gauft fo gern 
ö er »eilen möchte: „&a^ mid^ nur fd^neK nod^ 
in ben Spiegel fd^auen! baö grauenbilb toax gar 
ju f(i^ön!" 

Unb nun gar im SSerlauf ber ©retc^enepifob^, 
bie flleid^ mit bem SBerlujl ber aBette Beginnt, gauft, 
in ber tJoHflen, leibenfd^aftlid^fien ©lutl^ ber Siebe, 
ijl mit aSenigem pfrieben: 




176 

• 

©d&aff* mir ©ttoal üom ^gcKfd&afe! 
gü^r* mid^ an il&ren SRul^eplaj! 
Schaff* mir ein ^al^tud^ t)on il^rcr ©ruft, 
ßin Strumpf banb meiner Siebe^luftl 

©0 leidet toax bie SBettc ju genjinncn, mit einem 
$atetud^, mit einem ©trumpf banb! SBie SDlepl^i* 
ftopl^eleö bie SBal^rl^eit lommenber Siebe^fd^müre 
f j}öttif(^ bejlDeifeÜ : ,,3Q3irb ia^ au(^ f o t)on Jperjen 
gel^n?" brid^t gauft in bie aSBorte auiS: 

2a6 baSl 63 h)irb! — 2öenn 16^ empfinbe, 

gür bog ©efül^l, für ba3 ®e»ü^l 

SRad^ 9lamcn fud^e, feinen finbe, 

Xann burd^ bie SBelt mit allen ©innen fd&toeife, 

SRad^ aßen (^öd^ften SBorten greife, 

Unb biefe @Iut^ Don ber id^ brenne, 

Unenblid^, etoig, etoig nenne — 

3ft bag ein teuflif* Sügenfpiel? 

Unb aWep^iftopl&ele^ anttt)ortet: „3(ä^ ^ab' bod^ 
9le(^t!" @r müßte il^m jurufen: „3>d^ l^abe ge* 
Wonnen!'' S)ieaBette ift ttjörtlid^ verloren! 3)iefer 
leibenfd^aftlid^e ©rguß ift unmöglid^ in einem 3Runbe, 
tfer fid^ !urj t}orl^er tjermeffen l^at: ^i(^ Witt üer^ 
loten fein, toenn id^ je ju einem 3[ugenblide fage: 
t)ern)eile bod^, bu bift fo fd^ön!" 3n SBÖal^rl^eit fagt 
er eis im ®eifte beg ©id^terg aud^ nid^t öorl^er. 



177 



fonbcrn »eit, tocit fpäter, nur »ir lef cn cg frül^cr. 
®cr gaujl ber SEBctte gcJ^Crt in btc neue, ber gauft 
ber ©retd^enliefcc in bie alte SJid^tung, SBeber feine 
Siebe nod^ fein ®lau6e, n)ie tf)n bie alte ©ii^tung 
f(ä^ilbert, ^afet ju bem S^uft, ber bie SQBette ge* 
fd^Ioffen. ®ibt e^ für il^n leinen SugenMid ber 
erfüHung unb ber ©eligleit, fo fann er aud^ nid^t 
im ^inblid auf baS göttlid^e Sdlleben unb bie gött^ 
lid^e SlIIgegeniDart }u ©retd^en fagen: 

@rfüU' batjon bein ^erj, fo gro^ eg ift, 
Unb toenn bu gan) in bem ©efül^Ie feltg bift, 
9?enn' ed bann, h)ie bu n)inft, 
3lenn'^ ©lud! $eral Siebe! @ott! 
3d^ babe (einen 9tanten 
S)afür! ©efübl ift aile^; 
3lame ift Sd^aQ unb 9lau(b/ 
Umnebelnb ^immetöglutb. 



Jtuno Sfifi^er, (Soei^e'd 3fau{l. 12 




Die alte ])id)tun$. 

i. 

Pie ^ntnbibee bei: atim IHi^inng. 

®er ©runbgcbanlc ber neuen ©id^tnng ifl ein^ 
leud^tenb^ nid^t ebenfo ber $lan unb @l^ara!tet ber 
alten, bie ©oetl^e t)erlie6. SBa« toar bie 3bee, 
tüelii^e bem S)id^ter in feiner erfien gauftbid^tung 
i)orfd^toe&te, bie auf ber ^öl^e ber ©türm* unb 
©rangjeit in ben ficbjiger Salären in feiner SBater* 
ftabt entftanb? 

®iefe grage ifi toeit fd^toicriger ju beantworten, 
als bie i)or]^ergc]^enbe. ©oetl^e l^at feine erjie ®id^s 
tung burd^ feinen 5ßroIog eingefül^rt, er l^at ftd^ 
über ben 5pian berfelben nirgenb« mit naiverer SBe^ 
ftimmtl^eit geäußert, unb toenn er nad^ einer langen 
Sleil^e bon ^^l&ren in jenem merftoürbigen Selennt* 
nig bei^ italienifd^en S^agebud^eiS erHärt, er glaube 



179 



ben gaben toicbetaufgefunbcn ju l^abcn unb in baS 
©Icmcttt ber frül^eren ©id^tung jurüdgefel^rt ju 
fein, fo barf man tool^I mit Sid^erl^cit fd^liefectt, 
bafe ein berechneter unb genau beftimmtet spian nid^t 
üorlag , benn ein f old^er ©nttourf toergifet ftd^ nid^t* 
S)ie ©efialtung ber erjien gaufitragöbie l^atte feinen 
^lan t)on fefien UmrifTen; jeneg aOBort ber S^^ifl- 
nung, al& ©oetl^e bie neue ©id^tung unternal^m, 
ifl meit bejeid^nenber unb prägnanter, aU man 
tt)o]^I meint: „^^x nal^t eud^ n)ieber, fd^toan« 
fenbe ©efialten!" SBir finb jur Seurtl^eilung ber 
erjien ©ompoption auf ben ßl^arafter ber 3ßit, in 
ber fie entftanb, auf bie ©elbftbelenntniffe beiJ 
®id^terg, unb üor 2lIIem auf bie Säge ber S)id^tung 
fclbfi angetoiefen. SBag trieb ben S)id^ter, bie 
gauftfage ju ergreifen unb in il^ren »efentlii^en 
©runbjügen ganj ju toerlaffen, jlatt ber über^ unb 
unterirbif d^en ÜRäd^te , n)eld^e bie Sage bemegt , flatt 
beiS ^immefö unb ber Jp5De nur irbifd^e ein^uful^ren, 
flatt bed ipenn ben @rbgeifi, flatt beiS @atan8 
einen irbifd^en S)ämon? ^n ber SCufIßfung biefeS 
5ßunfteS liegt ber Äern ber grage. 

©oetl^e er}äl^It in S)id^tung unb SSal^rl^eit, mie 
feit ber ©trafeburger ©pod^e bai^ Qntereffe am @6| 




180 



uttb am gaufl fid^ tief bei i^vx einfletourjclt l^atte 
unb (eibe ft(^ naä) unb naä) }u poetifd^en ©e- 
flalten auiSbilbeten. ,^^ie Seben^befd^reibuttg bed 
®ö| l^atte mid^ im ^^ittctjien ergriffen, bie ©eftalt 
eine» rollen, tüol^lmcinenben ©elbftl^elferi^ in toilber, 
anard^ifd^er 3^^* erregte meinen tiefjlen Slntl^eit. 
®ie bebeutenbe 5pu^)^)enfpielfabel be8 Slnberen Hang 
nnb fummte gar t)ielt6nig in mir n)ieber. ä(ud^ 
id^ l^atte mid^ in oHem SJBiffen uml^ergetrieben nnb 
toar frü^ genng anf bie ©itetteit beffelben l^in* 
getüiefen toorben, Qd^ l&atte eiS and^ im Seben auf 
allerlei SBeife tjerfnd^t unb toar immer unbefric« 
bigter unb gequälter }urfidtge!ommen. 9lun trug 
x6) biefe S)inge, fo toie mand^e anbete, mit mir 
l^erumunb ergö^te mid^ baranin ei nf amen 
©tunben, ol^ne jebod^ 6ttDa8 bat)on auf* 
jufd^reiben-" ^ S)ie !urje 3^^ jtoifd^en feinem 
Slufentl^alt in Strasburg unb 9Se|Iar l^abe id^ aU 
bie be§ SSorgefll^te titanifd^er Äraft bejeid^net. 
,,§aufl mar fd(|on t)orgerüdEt, l^eiBt e& toon ienen 
ä^agen, ,;Unb ®bi \)on SBerlid^ingen baute fid^ na($ 
unb nad^ in meinem ©eijle jufammen; bai^ 6tU' 

1 «oct^c'S @. a». (1851) 83t). XVII. ©. 374. 



181 



bium bc)g fünf jcl^ntcn unb fed^jcl^nten Sal^rl^unbcrtg 
6efd^äftigtc miä), unb jcnciJ SDWinftcrgebäube l&atte 
einen fel^r emjlen ©inbrud in mir jurficfgelaffen, 
ber afö ^intergrunb ju fold^en S)id^tungcn gar ttjol^l 
ba ftel^en fonnte." ' SRad^ ben ®rlebniffen in SBe^- 
lar fam bie noUt %lut^ bei8 genialen ©d^affen^, ber 
fieti^ bereiten poetifd^en geugungiSfcaf t ; e8 waren 
bie leiten S^^te in feiner SSaterftabt. 5IWit bem 
5ßromet]&eu8gebid^t gel^t ber gauft ^anb in $anb. 
©oetl^e felbjl l&at biefe ^dt in einer SBeifc (i^araf* 
terifirt, tüeld^e bie erfte ßonception feinet gaufi 
l^ett erlend^tet. ^S)ie ©pod^e, in ber toir lebten, 
lann man bie forbernbe nennen, benn man 
mad^te an \i^ unb Slnbere gorberungen auf 
bai$, toa& no^ fein Wten^ä) geleiftet l^atte. 
®« war nämlid^ üorjüglicä^en, ben!enben unb fill^s 
lenben ®ei{iem ein &x(S)t aufgegangen, ba^ bie un^ 
mittelbare origineDe 3(nftd^t ber 9tatur unb ein 
barauf gegränbeteiS ^anbeln baS SBefle fei, toa^ 
ber SRenfci^ Rd^ »ünfd^en !önne, unb nid^t fd^toer 
}u erlangen. " '-^ „SEBie man nun aud^ l^ier jur 

1 ®oet^e*S ©. SB. (1851) »b. XVIII. ©. 65. 

2 ebcnbaf. 8. 189 ff. 




182 



StuSübung fd^ritt, fo fal^ man, am Kirjeften fei 
}ule|t auö ber Qad)e ju fommcn, tDcnn man ba^ 
@cnie ju $tlfc tiefe, baö buri^ feine magifd^e ®a6e 
ben ©treit fd^lid^ten unb bie gorberungen leijien 
h)ürbe/' 

©0 entfielet ber gauft, tt)ie bcS SBanbererS 
©turmlieb , toie ber SEBertl^er , in einfamen ©tunben, 
auf einfamen ©pajiergängen , IDO ber S)id^ter ben 
meid^en ©toff ber ©age nad^ feinem SSilbc geftaltet, 
fid^ in ben SWaguS ber Solföfage l&ineinbilbet unb 
^pl^antafirt. Slffmäl^Iig eriDäd^St baö ©ebid^t au& 
biefen tiefbewegten poetifd^en ©elbftgefpräd^en, bie 
nod^ in ber fpäten ®rinnerung beg S)id^terS fort? 
lebten: „Sld^! toa« in tiefer SBruft un^ ba ent= 
fprungen, roa^ fi(^ bie Sippe fi^üd^tern öorgelattt," 
— eg gewinnt Seben unb ©eftalt. ^ann erft 
ftrömt e^ afö voller, ungcl^emmter 6rguj5 in bie 
gorm eineg ©d^rifttoerfeS. Unb nur fo fonnte e^ 
gefdpel^en, baß {tne^ erfte SKanufcript, iai ber 
S)id^ter mit nad^ SBeimar brad^te , mit nad^ Statten 
nal^m, „in ben^auptfcenen gleid^ fool^ne 
ßoncept l^ingefd^rieben würbe/' 

S)ie alte ©id^tung beginnt mit gauffi^ weit-" 
befanntem SWonoIog am Süc^erpult, im l^od^ge^ 



183 



tüßlbten, engen, gotl^ifd^en ©tubirjimmer. ©leid^ 
in ben erften SBorten finb loit an ben Wla^u^ beÄ 
granffurter SSoIföbud^eg , an ben gelben bcr SUlar« 
Iott)'fd^en S^ragöbie unb be8 bcutfd^en ^n:|)penfpietö 
erinnert, ©elbft bie äußere ©inrid^tung ber ©cene 
ift biefelbe aU im fßolU^^au^pitl, SQBir erlennen 
in biefem ©oetl^e'fd^cn ganft bie gamilienjüge toieber, 
bie er toon feinen Stirnen geerbt l&at: ben ©rang 
nad^ @r{enntniB^ bie Sm^örung gegen bie unfruii^t' 
bare Siüd^ergelel^rfamleit, bie Eingebung an bie 
SRagie * au^ unbefriebigtem aSijf en?- nnb SBeltburft. 
Slber unmiQtürlid^ mifd^t fid^ in biefen ^i;pui^ ein 
ber SBolföfage nnb SSolföbid^tung ganj frember ^vi&^ 
t>pxä, eine @m))finbung , bie and^ in bem Seffing- 
fd^en gaufl nod^ ntd^t l^ert)orgetreten U}ar, bie erft 
l^ier burd^brid^t SEBieberum änbern fid^ bie SH^ 
beiS 9)lagui$, n)ie @oetl^e mit bem f(euerblidt feiner 
3ugenb l^ineinfd^aut in ben @piegel ber ganftfage. 
®ief en neuen 3^8 wüjf en xoix in^ äuge f äffen , er 
ifi e», ber ben 9)lagud ber beutfd^en SSoIföfage )um 
©oetl^e'fd^en gaufl gemad^t l^at. Um e^ mit 
einem SBorte fagen : eÄ ift ber ©runbjug ber beutfd^en 
©turrn^^ unb SJrangjeit, an beren ©d^toette Seffing 
ftanb, ber er bie 33a]^n brad^, bie er nid^t felbft 




184 



in fld^ erlebte ; eg ifl baS Äraftgeful&l jener @po^e, 
bie ©oetl^e „bie forbernbe" nannte, bic in bcn 
\)orjügIid^fien ©eifiem jeneiS neue Sid^t aufgellen 
liefe, „bafe bie unmittelbare, originelle änRd^t ber 
Statut unb ein barauf gegrünbete^ ^anbeln bad 
Sefle fei, toa^ ber SWenfd^ ftd^ tounfd^en fönne." 
SBie eine neue Sotfd^aft toar ber ©laube an bie 
3flatur toon SBo ufTeau ^g feuriger S^n%e ausgegangen 
unb l^atte auf bie ganje bamalige äBelt eine tpal^r- 
l^aft magifd^e SBirlung geübt, üon ber mir uniS 
l^eutjutage feine SSorfteQung ntel^r ntad^en lönnen. 
©in ©türm ber @m}>6rung gegen bie Unnatur ber 
gefammten S^it^i^ti^^^S entfeffelte in ©eutfd^lanb 
©emütl^ unb 5pi^antafte ber aufftrebenben ©enerdtion, 
unb baS grofee ©en)itter bra($ aus, in n?el(]^em 
baS größte ©enie bie feurigften 35li|e fd^Ieuberte, 
bie morfd^e Unfraft toerni(^tenb unb ben S)unflfreiÄ 
reinigenb. ®ief eiJ größte ©enie toar ©oetl&e , bief eS 
feurigfle aJleteor feine erfte gauftbid^tung. Sie ijl 
unter allen ©ebilben ber ©turm^ unb ®rang§eit 
bei toeitem bie gett)altigfte, grofeartigfte unb feurigfie 
5Did^tung. Sarin liegt i^re Sebeutung unb fort« 
bauernb jünbenbe SBirlung. 



185 
IL 

I 

3(^ fjobe ben Spunft bejcid^nct, toon bem au§ 
©oetl^c bie g^auftfage ergriff ober, beffcr gefagt, \)on 
i^x ergriffen tourbe. S)a^ ©runbtl^enta ber Qdt 
brang in bie @agc, eS l^iefe: Urnatur gegen 
Unnatur! SJÖenn i^ mir bie gragc ju Ißfen 
fud^e, ü)el(3^e SSebingungen tool^I in bem menfd^- 
lid^en ©emütl^ jufammentreffen muffen, um bie 
leibenfd&aftli(]^fte ©el^nfud^t na^ ber erften, bie leiben- 
fd^aftlid^fie Empörung gegen bie jtüeite bi« auf ben 
®i!pfel ju fieigern unb in il^rer l^öd^fien ©tärfe 
auöbred^en ju laffen, fo meine id^ bie (Smpfinbungen 
ganj ju burd^fd^auen, toomit ©oetl^e ber gauftfage 
gegcnüberfianb, unb toorauS feine erfte gauftbi(^- 
tung l^erüorging. S)ie ©el^nfud^t nad^ ber SRatur 
mu^ um fo gcioaltiger fein, je größer unb f(^mer5s 
lid^cr bie ©ntbel^rung toax; i6) t)ergegentt}ärtigc mir 
jiefet ba^ naturtoibrigfte &tim, ein S)afein, 
l^ingebrad^t unter SBüd^erflaub , 'otxUit in frud^t» 
lofem ©rübeln, nid^t ba« Seben eineiS Säd^crs 
menfd^en, ber fid^ im ©taube tDo\)l fül^It, fonbern 





186 



ein genialem Sebcn toott gcucr unb flraft, getrieben 
^on l^eifeem SBBiffenSburft, immer l&offenb, ber ©taub 
tcerbe fid^ lid^ten unb bie ßucHe ju 2;age fommen, 
bie ben SabettunI bietet, immer mieber getäufii^t 
unb toon JReuem entfagenb, alle Siegungen unb 
Siriebe jugenblid^er Sebeni^Iufl getoaltfam unter« 
brüäenb aud Siebe }ur äSa^rl^eit, fld^ an bad 
SBüd^erpuIt [(^miebenb, toie an eine ©aleere: l^ier 
muß ber SBloment fommen, tt)o eine fol^c $Ratur 
bie Oual ni(]^t mel^r trägt, fid^ loiSreigt, ben @taub 
abfd^üttelt unb bie unterbrfldte ©el^nfud^t nad^ Seben 
unb SRatur untoiberftel^Iid^ h)ie ein geuerftrom l^er« 
toorbrid^t. 3e|t toerftel^e id^ 3Bort für SGBort ben 
Slnfang bei^ ©oetl^e'fd^en gauft. S)al^er jene^ aug 
ber S;iefe fd^merjbemegter S3rufi ]^ert)orgefiöl^nte 

$abe nun, ad^! $^Uofopbie, 
Suriftcrci unb SWebicin 
Unb, leibet! aud^ S^eologie 
^urd^au^ ftubirt, mit b^i^em SBemü^n. 

3e naiver er ber SRatur ju lommen l^offte, um 
fo tociter l^at i^n ber SQBeg ber jünftigen SBiffen* 
fd^aften bat)on entfernt. Salier ba8 SBort: ,,Unb 
leiber aud^ 2:bßoI«>flic!" — ®^ W ^lid^t« erreid^t 



187 



aU ^äufd^ung unb leeren ^ä)em, ttnb ntd^t genug 
an biefer inneren Slrnintl^, bie er bnrd^fd^aut, er 
mnB fi(i^ toerfteUen, bie S5Iö§e tjerl^üHen burd^ eitle 
SBfirben, ate ob er l&ätte, toa^ er nid^t l^at, er 
muß bie S^äufd^ung auf Slnbere fort^^Panjen, ate 
ob er geben fönnte, toa^ er ni(^t beft^t: 

S)a ftel^* iä) nun, id^ armer 2^l^or! 
Unb bin fo !(ug aU h)ie }ut7or; 
$et^e ÜRagifter, l^ei^e S)octor gar, 
Unb jie^e fd^on an bie ^e^en 3al^r, 
herauf, \)exah unb quer unb frumm, 
3Mcine ©(i^üler an ber SRafe J^erum — 
Unb fel^ie, bag ivir ^id^tS miffen fönnen! 
S)a3 tt)in mir fd^ier ba§ $erj * verbrennen. 

9lur ®ineS f)at er ))oraui^^ bie )}oDe @inft($t 
in bie t^oSe 9lid^tig!eit bei^ ganzen geleierten Arant^, 
bcn bie Slnberen in^ ©d^aufenjier fieHen, womit 
fte Staat mad^en unb fid^ bruflen: „3^^^ '&i^ i<3^ 
gefd^eibter al8 alle bieSaffen, S)octoren, SUlagifier, 
©(^reiber unb Pfaffen/' ®S ijl bie ©etoiBl^eit ber 
t.oBfien SSerjttjeiflung, bie nid^t mel^r iweifelt 
unb feine €crupel mcl^r l^at, bie mit ber gurd^t 
aud^ bie Hoffnung }u Soben fd^Icigt unb 3tx^t^ 
übrig bel^ait aU ba^ ©efül^I ber bdUigen SebeniSöbe : 




188 

SRid^ planen feine Scrupet nod^ 3t»^^f^Ir 
Sfürd^te ntid^ tveber t>ot $5tte nixj^ Seufel — 
S)afilr tft mir aud^ alle gi^eub' entriffcn, 
99ilt)e mir nicj^t ein, tocS ^täiV^ }u tDiffen, 
Silbe mir nid^t ein, icj^ fdnnte toaS Ie(^ren, 
3)ie SRenfd^en §u beffem unb |u befe^ren. 

tlnb in bem ®efu^I biefer Debe nid^t einmal 
bie S3et&n6ung bntd^ ben ©enuB fiuBerer @ütet: 

Hud^ })äb' idb meber @ut nod^ ®elb, 
5Rod^ e^r' unb ^crrlidfefeit ber SBelt; 
@^ mdd^te fein $unb fo langer leben! 
S)rum iah' idf mic^ ber Tlaq\t ergeben. 

S3ii^ l^ierl^cr l^öten toir nod^ in bcm ©oetl^e'fd^en 
gauft bcn SBiberl^all ber ©age unb bie SHad^Kängc 
be^ ^uppenfpiete , obtool^l .aud^ biefc @mpftnbungcn 
fämmtlid^ aud einer ganj anberen , ber @age frenu 
ben ©emätl^^art l^erüorgel^en. 3^|t fiel^en toxi an 
bem ©d^eibetoege , ber ben ©oetl^e'fd^en §anfi bon 
bem aJlagu» ber SSoIföfage trennt. SBol^in treibt 
nnferen gaujl bie 3Kagie? SlUe bie ®mpfinbnngen, 
bie tt}ir gel^ört l^aben, finb nur ber 2lugbrnd^ feiner 
Smpörung gegen bie Unnatur, fie jleigern bie ©el^n^ 
fud^t nad^ ber Urnatur in'^ Ungel^eure, fie pnb 
gleid^f am bai^ Sd^toungbrett, öon bem biefe ©el^n^ 



189 



fui^t fi^ autf(^tt}ingt ©icfer gauft breitet feine 
9lmte a\x& nid^t ua^ ber ^öOe^ fonbern nad^ ber 
SRatur, bie er an fein ^erj brücfen, in bie'er 
einlel^ren ntöd^te als in feine ^eintatl^^ n)ie .ber 
t)erIorene ©ol&n in'Ä SSaterl^an«. S)ie Statur ift 
nid^t bie ^ötte, biefe ©el^nfu(^t nad^ ber 5Ratur ift 
nid^t biabolifd^, fonbern nrmenf d^Iid^ ; eine fold^e 
Smpftnbung tonnte bem äRaguiS ber SBoüi^fage nid^t 
in ben ©inn fommen, felbft ber Seffinß'fd^e gau[l 
!^at \>on biefer SBJenbung nod^ feine Spur ; bei il^m 
foH bie ^ölle befiegt toerben, bal^er ift fte nod^ mit 
im Spiel. S)en ©oetl^e'fd^en gauft lodfen bie gauber 
ber 9Ronbnad^t: 

fai^'ft bu, üoDer SMonbcufd^cin, 
3unt legten 3Ral auf meine $ein, 
^en xäi fo mand^e SRittemad^t 
^n biefem ^uü l^erangemad^t : 
'S)ann über IBfld^em unb Rapier, 
SrübfePger greunb, erfd^ienft bu mir! 
Sld^! fönnt* id^ bod^ auf SSergeS^ö^n, 
3n beinem lieben Sid^te gel^n, 
Um ^erge^^öl^Ie mit ©eiftern fc^tueben, 
Sluf SBiefen in beinern 3)dmmer meben, 
Son ädern äBiffen^Qualm entlaben 
!3n beinem Z\)au gefunb mid^ baben ! 




190 



S)aS enge, bnmup^t SRaucrlod^, in bcm er "fyauit, 
unb bie freie 5Ratnr! ®ag ifl ber ©ontrafl, ber 
il^n quält: 

Unb fragft bu nod^, toarum bein $er) j 

@id& bang in beinern Sufen {(entmt? 

SBatum ein unerflftTter Sd^met} 

^it ade Seben^regung l^emntt? 

Statt ber lebenbigen ^atur, 

3)a ®ott bie SMenfd^cn fdfeuf hinein, 

Umgibt in Slaud^ unb ÜRober nur 

S)i4 a^Wctgeripp' unb Slobtcnbcin. , 

SUe^l Slufl hinaus inS mette £anb! 

äSäre e^ um bie ^öUeugeifler ju tl^un^ bie 
lann man aud^ im ©tubirjimmer l^aben^ tDie e& 
bie @age, bai» SSoüiSfd^aufpiel unb felbfi Seffingd 
©id^tung fd^ilbert! S)ie 3Ragie bciJ ©oetl^e'fd^en 
^aufl l^at nid^ti^ mit ber $öSe gemein, t^ ift bie 
3auber{raft be« ®enie^, bie 3Raö)t tiefjier SRatur- 
empfinbung, unmittelbarer SRaturoffenbarung, ber 
S)rang unb baiS 3Sermögen , bieSRaturju erleben 
biö in il^ren innerften ©runb. S)aS bebeuten im 
aJlunbe biefe« gaufi bie Söorte: 

„S)'rum l&ab' i* mi* ber SWagic ergeben!" 
Oh mir burd^ Seifte« Äraft unb SWunb 
3li4t mandfe* ©el^eimnij Würbe funb, 



191 

2)a^ ic^ ntd^t tnel^r mit faurem ©(^toei^ 
3u fagen braud^e, toaS t^ nid)t mei^; 
3)a^ id^ etfenne^ toaS bte 9BeIt 
3m Sttnerftcn jufammen^dlt, 
64au* alle ®irfen§fraft unb ©amen, 
Unb tl^u' nid&t me^r in 3Borten framen. 

2. ^er ^rbgeifr. 

6incn Slugcnblid fcä^cint c«, ate ob bic magifd^e 
SEBcItanfd^auung (nid^t ber »SSoIföfage) fonbern aug 
bem 3ritalter ber aSoItefage il^n feftl^ält, et ergreift 
eine^ jener magolabbaliftif d^en SBüd^er , lüie fie bad 
fed^jel^nte Qal^rl&wnbert l^ertorbrad^te, utib ba8 ber 
Sid^ter l^ier fingirenb bem franaöfifd^en SKrjt 5Rofiras 
bamu^ jufd^reibt; baS 3^i<^^n i>c^ SRalrofoiSmu^ 
feffelt il^n, mit f^mpatl^ifd^er Säcgeifierung fielet er 
in biefem geid^en baS SBilb beiS göttlid^en äUId, bad 
l^atmonifd^e Sufammentoirlen göttlicher Äräfte, bie 
[xä) bem geifiigen SSIidt offenbaren. 2ln eine biabo- 
lifd^e SRagie, an eine ^öKenbefd^toörung ifl nid^t 
}U benfen. aber felbji in biefer entjüdften Setrad^* 
tung toeilt er nnr einen SWoment ®g ift ja nur 
einS^i^cW/ ein fhimmeiJ SSilb, e« ift ja nur ein 
83 ud^, in bem er bie aBelt-fd^aut: „SBSeld^' ©d^au^ 
fpiel! abera($! ein ©d^aufpiel nur! 9Bo faB id^ 




192 



bi^, unenblid^e 9{atut?'' 9Beg mit bem Sud^e! 
@r loiD bie aBett felbfl erfaffen unb erleben. S)ie 
@efHtne ftnb bem ßrbenfo^n p loeit ititb gu ^oü^, 
bie bloge SSetra^tung fann feinen äBettbutfl nid^t 
fHSen: 

^VL, @eift ber @rbe, Hfl mir nft^er; 

Bd)on \ü\)V iäi meine ^ftfte ^5^er, 

6d^on glü^' xdi toie üon neuem 9Bein. 

3(^ fü^Ie 3Rut\), mx6i in bie SSelt }u toagen, 

S)et @rbe 3Be^, ber ^rbe ®lüd }u tragen, 

SRit Stürmen mi<]^ ^erum^ufd^lagen , 

Unb in be^ Sd^iffbru^S ^nirf^n nid^t }u sagen. 

^ier finb toir im Elemente bed ©oetl^e'fd^en 
^anfl, an ber entfd^eibenben @teDe ber urfprüngs 
lid^en ganflbid^tung ; l^ier ift ber gett}attigße 9(uiS^ 
brud^ ber beutfd^en ©turm^ unb ©rangjeit, ber 
forbemben ®poifye, n}ie ©oetl^e fte nannte: id^ meine 
f^aufliS a3efd^tt)6rung beS @rbgeiflei$, bie 9lrt biefer 
feiner »ef d^tofirung ! SRid^t bie ^ötte unb i^reSei« 
fter ruft er an^ fonbern bie Srbe^ ben @eniuiS 
aQeS irbifd^en S)afeini^^ bie ©rbentüelt im Stben ber 
9latur nnb SRenfd^l^eit; bie ^efd^mörung gefd^iel^t 
nad^ leiner SBorfd^rift au& einem Sud^e ber SWagie, 
nad^ leiner labbalifiifd^en gormel, fie entl^fitt nid^t» 
toon Sflwterlram; eö ift bie natilrlid^e SRagie be« 



193 



aotenfd^en^ bie üott jel^er aQed ®xo^t in ber äBelt 
(etDtrft ffot, bie untoiberflel^Iid^e 3Rai)t beiS äSiSeni^, 
ipenn fi(i^ ein ^erjcni^iüunfd^ attet Scbcnögcifter 
gaii} bemäii^tigt itnb fie l^^inbrängt auf ein ein}ige§ 
3icl. ®ag aOBort ber »efd^tüerung l^eifet: 

@nt^ülle bic^! 

$a! tt)ic'^ in meinem ^erjen rei^t! 

3u neuen ©cfül^Ien 

M* meine @inne fxä) emü^^Ien! 

34 fü^Ie ganj mein $er§ t)ir (eingegeben! 

^u mu^t! bu mu^t! unb foftet e^ meinfieben. 

S)a§ ift bie ©timnie, bie in iebem gewaltigen 
aWenfdfien rebet, ber berufen ifi ju einer großen 
SBBelttl^at, ber ©eifi, ber il^n treibt unb untoiber* 
ftel^lid^ mad^t. 9)er ^ropl^et^ ber getrieben iDirb, 
einen neuen ©lauben inf^ Seben ju rufen , ber $elb 
unb @taatiSmann^ ber Sleid^e erobern/ Staaten um^ 
geftalten fott, ber S)enler unb Äünfiler, ber in fid^ 
ba« SDBerl l^egt, bag bie SBelt im Snnerften treffen 
unb ergreifen tt)irb : fie l^aben aUe im ©tiHen bief eiS 
3iel toor fid^ gefel&en, nad^ il^m gerungen mit bem 
Aufgebot aller firaft unb il^m jugerufen: 

3(i& fü^le gan§ mein $er| bie l^ingegeben! 
S)u mu^t! bu mu^t! unb foftet eS mein Seben. 

ftuno griffet, ®oet^e'd fjfaufi. 13 




194 



©in fold&er Sffiittc ift »cltbcjtDittflettb. Sluf biefcu 
SRuf gaujig erfd^eint ber Srbgcift, nid^t gebannt 
hvixS) eine ^ormel^ angejogen aUetn burd^ ba^ ntäd^- 
tigfie SJegcl^ren, burd^ ba^ gleiten ber ©eele: 

3)u l^aft mtd() mächtig angezogen, 
Sin meiner Spl^äre lang gefogen, 



S)u fle^ft erat^menb ntic^ ju fd&auen, 

aWeine ©timme ju ^ören, mein SlntliJ ju feigen: 

^id^ neigt t)ein m&d^tig @eelenfle^cn. 

^a bin ic^! 

®et ©rbenfol^n wnb ber ©rbgeifl! S)et 
^üd&ergelel^rte in feiner S^Ut, plö|lid^ gefiettt tjor 
bie gütte be8 Söeltlebeni^ ; toeltfd^eu bebt er tor bem 
anblidf iurildE: „Sd^redEIid^e« ©efid^t! SBel^! id^ er^ 
trag' bid^ nid^t!" 'S)a& ifi nur bie erfte ©ntpfinbung» 
®er ainblidt erl^ebt il^n, au« biefeni 3lntli| leud^tet 
il^m bie ©rfüHung aller feiner SBünfd^e entgegen, 
fein Äraftgefül^I rül^rt fi(^ unb ftrebt bem ©rbgeifi 
}u: „©Ott id^ bir, glammenbilbung, loeid^en? 3d^ 
bin'iS, bin §anft, bin beineö ©leid^en!" 

3)a lä^t i^n ber @rbgeiß ben ganjen Soutraft 
f ül^Ien jloifd^en bem »eltfd^euen Seben unter SSüd^ern 
unb bem Seben ber irbifd^en SESelt, umfaffenb unb 



195 



betoegcnb Statur unb SWenf d^l^eit , felbft unergtiffen 
üom SBcd&fel unb SSergel^en bcr Singe: 

3n Seben^flut^en, im Sbatcnfturm 

^aW id) auf unb ab, 

^ebe bin unb })tx\ 

©ebuTt unb @rab, 

@in emigeS SReer, 

@in metbfelnb SGßeben, 

@in glübenb Seben; 

@o fc^aff' i(b am faufenben Sßebftubl ber 3^it 

Unb mir!e ber @ottbeit lebenbigeS Aleib. 

3tüif(ä^cn bem Süd^ertifd^ unb bem ^atcnfhimi 
in ben glutl^cn bcr SBelt, jtoifd^en beut cinjelncu 
SWenfd^cn, biefcm iDinjigcn ^l^eile bc8 SBcItförperi^, 
unb ber Seben^füDe be§ ©anjen, jtoifd^en bem 
SBunf(]^e be« ^er jeniS unb ber ®rfiUIung in ber SOBirt 
lid^Ieit, bem erfel^nten ^icl unb bem erreid^ten liegt 
eine toAte ßluf t : ei ifl ber Slbftanb {tuif d^en §aufi unb 
bem erbgeiji ! gauft fü^lt nur bie aWad^t feine« SEßun- 
fd^e«, bie il^n beflfigett; er fül^It t>a& giel öor fid^, fo 
nal^e, bafe er toäl^nt, e« fei ju ergreifen: ,,S)er bu bie 
toeite SBelt umf(i^tt)eifft, gefd^äftiger ©eift, toie naf)* 
fü^r id^ mid^ bir!" S)er (Srbgeifi fie^t nur bie D^n« 
mad^t bed ^l^antafteraufd^eiS ^ ber iai ^tbm unb 
beffen 3Jläd^te nid^t fennt: ,;35u gleid^ft bem ®eift. 




196 



bell bu Begreiffl, nU^ mir!^ Son btefem SBorte ge= 
troffen, fifiT}t ^[anfl ndt bem Xndruf }uf amnten : 

9li4t bh? 

3X>flU OflUlf 

3(^, ebenbUb bei Sottet! 
Unb iti^t einmal bir! 

S)a§ ifl bie erfle Srf^eiiiiiitg bed erbgeißed, 

bie in nnferem @ebid^te bie einzige geblieben ifl, 

obtt)ol^I fte e& nid^t fein foDte. Sßit burd^fd^ouen 

j[e|t bie (Stunbflimmung biefed @oet^e'fd^en %auft 

unb bie i^t gemäße Srfd^einung beS 6rbgeifle^. 

993ir feigen, tDie toeit biefe (Sonception abliegt fo^ 

tDol^l t)Ott ber früheren ganflfage unb bcr in il^r 

l^errfd^enben äßagie, bie mit ber ^öDe ioer!e^rt, aU 

ton ®oet\)e*& fpäterer gaufibid^tung unb jener äBette, 

bie eis mit bem @atan aufnimmt; bie erfle ^au^ 

bid^tung ift in t}5lligem @in!lang mit bem genialen 

9latura(i^mu8 ber 6turm= unb ©rangjeit, fte ifl 

ber intenfiüfte äluiSbruä, ben biefe ©pod^e gel^abt 

l^at. @inem gauft, n)ie biefem, ber üon SBeltburfi 

glül^t^ ber 'oox bem S^^^^^ ^^^ äßeltaHiS aufruft: 

$a! toAäie äBonne fliegt in biefem Slidt 
Stuf einmal mir burd^ aQe meine Sinnen! 
Sd^ füHe ivLXiQe^, ^eiTgeS Sebendg(ü(! 
Jleufllü^enb mir burd^SRerb unb Äbern rinnen! 



197 



fann cg bod^ unmöglid^ in ben ©inn tommm, ba« 
SebeniSgläd unb ben Sngenblit! ber a^efriebigung^ 
ben er fejll^alten möd^te, ju berfd^wören! 

3)ie ©runbfiimmung, bie ©oetl^e'g jugenblid^e 
gaujibi(^tung toöHig bel&errfd^t, ergreift nntoillfärs 
Ii<3^ eine 5Rebengeflalt ber ^aujifage unb toeränbert 
bief elbe in einem @inne , ber ben alten SBoIföbfid^em 
gan} fremb toax, aber bent genialen SRatnralidmuiS 
ber ©oetl^e'fd^en %au\ttpo^e öoHIommen im ®riff 
lag* 68 ifi ein bopi)eIter ®egenf aft , ber ganfliS ©e^ 
mütl^iSfiimmung betpegt unb in unferer S)id^tung 
bramatifd^ »erfordert fein toitt. S)ie ©el&nfut^t nad^ 
ber Urnatur forbert ben ®rbgeifi l^eraug unb tjer- 
pnft üor bem SKngefid^t fd^affenber SebenSfütte in 
baS ©efäl^l il^rer Ol^nmad^t; aud^ biefeiS ©efitl^I iß 
eine erl^abene ©mpfinbung: „^ä) fül^Ite mid^ fo 
Hein, fo grofe!" 5Dem ©rbgeijl gegenüber ber grfib* 
lerifd^e ®enfer, flberfatt aller ©elel^rfamfeit unb 
aQe^ ^orfd^eni^^ tt)eltburflig }ugleid^ unb tüeltfd^eu: 
ba8 ifi ber erfte ©egenfa§. Ql^m folgt unmittelbar 
unb toie jur (Ergänjung ber jtoeite: bem genia^ 
len Genfer gegenüber erfd^eint bie perfonificirte 




198 



Unnatur, bie geleierte, felbfijufriebenc, öom Sudler- 
ftaub ate ii^rcm Sabfal erquicftc: 

5tob — id^ fcnn'g — bag ift mein gantulul, 
Q^ lüirb mein fd^önfte§ ®liid )u nid^te! 
^a^ biefe güße bet (^eftti^te 
^er troifne Sd^Ieid^er [töten mu^l 

$ier toerioanbelt ©octl^e ben ,,böfen verlaufenen 
Subcn" ber SSoIföbüd^er in einen für äffe 3^itc*t 
gültigen unb erl^eitembcn 3:;ppu« j)ebantifd!;er ©d^ul- 
gelelE^rfantleit, an bem fein fpred^enber 3^8 f^^ft. 
gür biefen ^amulud l^at nur bad Erlernte unb au^ 
Sudlern Sn^ammenQelt^ent SBertl^, er lernt ieben 
5£ag @ttt)ad ba}u^ bais @ümmd^en lüäd^^t, ber ©ad 
n)irb immer größer, unb tomn ber arme SIeufel 
nid^t flerben mü^te, tüürbe er mit ber S^it ^Ile 
©elel^rfanifeit 2u[ammenf(^lep))en auf einen Raufen: 
„S^ax \oe\^ iä) toiel, bod^ möd^f td^ 3llle^ tt)iffen!" 
fßon einem @rguB naturmäd^tiger ©mpfinbung l^at 
er feine Sll^nung; n)ie er ben f^aufl laut fpred^en 
l^ört, ift il^m 9lllei^ flar: er beclamirt, natfirlid^ 
etmai^ @elel^rted unb ju geleierten Qmäm, er übt 
fid^ im Vortrag ^ wal^ eine fel^r nüllid^e unb pro- 
fitable Äunjl ijl! ©a mufe er jul^ören, babei fattt 
ttxoa^ ab für ba^ ©ümmd^en: 



199 



Sergei^t, id^ l^dr' eud^ beclamiren; 
^^x last qm'xb ein griedftifdft Srauetfptel? 
aSon biefer Äunft möd&t' 14 h)aS proRtircn, 
Senn J^eutgutage gilt baS üiel. 

@r!ennen bebeutet bem gantului^ fo t)iel aU naä): 
lernen, fc^Iuden, „tüaö toor utiiS ein grofeer äWann 
gebadet/' es tüiebertäuen ol^ne alle ©pur eigener 
(Sntpfinbuug unb ®eifleS!raft. S)agegen f^auft: 
,,2Benn il^r'S ni(ä^t fül^It, il^r »erbefg nid^t er^ 
jagen!" 

^a, n)aS man fo erfennen l^ei^t! 

2Bcr barf baS Äinb beim redeten 9?amcn nennen? 

S)ie SBenigen, bie lüaS baijon erfannt, 

S)ic tl^ön^t g*nug il^r \)oücS $erj ni^t lüa^rten, 

2)em $öbcl ibr @cfü^l, ibr ©(bauen offenbarten, 

$at man Don je gefreujigt unb Derbrannt. 

3* bitt' eu(b, greunb, eS ift tief in ber Stadfet, 

2Bir muffen*^ bie^mal unterbred^en. 

®er gatnuIttiJ ifl unDcrbefferlid^, er l^ört niij^t 
bcn aJlcnfd^en, nur ben 5ßrof ejf or ! äu(| biefe« au8 
inuerfter ©celc bringenbe, ton ©d^nterj unb SBiber^ 
roxUen bebenbe Sßort nimmt er für eine geleierte 
Unterl^altung : „3d^ l^ätte gern nur immer fortge^ 
»ad^t, um fo geleiert mit eud^ mid^ ju bef preisen." 

®ag finb bie brei älteflen Scenen unfere» ©e* 




200 



bic^iS , mit bereit 6<|Iug bie gro^e SudCe im ^og- 
ment eintritt: ^aufld SRimoIog, ^itfi uiib btr (Erb^ 
d^fi/ S^ttfl itnb ber ^amuluiS. €ie ftnb burd^brun- 
gen t)on einem unb bemfelben X^ema, baiS ber 
beutfd^en Sturm nnb iDrangeyod^e auf bie 6eele 
gelegt luar: tlrnatur gegen Unnatur! 

m. 

|He §fait^trii«9bie. 

S)ie erße Srf^ieinung beS (Srbgeißed enbet mit 
feiner Serfagung. ^atte fte bie einzige fein foDen, 
f tt)firbe ber Srbgeifl bem ^aufi fein SCngefid^t ums 
fonft }ugetDenbet l^aben^ fo lonnte biefer in leiner 
fp&teren @cene fagen: ,;@r^a6ener @ei{l, bu l^afl 
mir nid^t umfonfi bein angeftd^t im ^euer ju^ 
gewenbet!" 6r fonnte vx einer heiteren ©ccne um 
möglid^ auiSrufen: ,,@ro6er, l^errliii^er @eifl, ber 
bu mir ju erfd^einen roürbigtefi, ber bu mein $erj 
lennfi unb meine ©eele!" 3a^ jene erfie (grfd^eis 
nung, atö bie eingige gebadet ^ ifi in ftd^ felbft un- 
mßglid^^ f(i^on barum^ n^eil fie ol^ne forttDirfenbe 
99ebeutung tPäre^ \^q& eine bramatif^e ©cene ni(3^t 
fein barf. i^atte ^auft bie "^diiiX, ben Srbgeifl ju 



201 



rufen «nb in feinen Seben^freiö ju bannen, er* 
fd^int ber Srbfleifi nur auf biefen 9luf, tt)ie er 
f elbfl f agt : ^,^u l^afl ntid^ ntäd^tig angezogen ! mtd^ 
neigt bein ntfid^tig Seelenflel^n!^' fo liegt f(|on barin 
bie Sfirgfd^aft, bag biefer 3Renfd^ fo ol^nm&d^tig 
nid^t i{l, bag il^nt ber @rbgei{l für immer t)erfd^n)in« 
ben fönnte. $at er fein gleiten crl^ört, fo tt)irb 
er aud^ feine SQSiinfd^e erl^ören. 

t^auft tt)in ben @rbgeifl erleben. Dl^ne 
®innbilb ju reben, er n)iQ eintaud^en in bie SebeniS^ 
f(utl^en ber großen ®rbenh)elt^ er n)iO ,,ber @rbe 
mOf unb ©lud tragen," „ber SKenfd^l&fit SBol&I unb 
9Bel^ auf feinen Sufen bAnfen:" ba^ ifl fein mäd^^ 
tig ©eelenffel^en , fein glül^enber $erieniSn)unfd^. 
2)iefer 9Bunfd^ foO il^m erfäOt loerben auf feine 
ton il^m felbfl geiooUte unb l^erauiSgeforberte @efabr. 
6ein S9egel^ren ift ber SluSbrud^ eineiS iügellofen 
^raftgefiil^tö, bad aber bai^ menfd^Iid^e äRag l^in- 
aufgreift unb bie ©d^ranlen ber fierblid^en 9latur 
täbn überfd^reitet. äBer fid^ in bie aSelt {lflr}t au« 
brennenbem Shirfi, um il^n ju fliOen, toer fie er^ 
leben toiU im ®ett)&l^l unb Strubel ber S)inge, ber 
ergreift nid^t bie äBelt^ fonbern tt)irb wn i^r er- 
griffen, Dom ©trome fortgeriffen unb ju ©oben 




202 



flCtt)orfcn. SSon feinem Äraftgefül^l gebrängt unb üer^ 
blenbet, l^at gaufi fid^ in feiner g^rberunfl öer« 
meffen itnb bie ©renje t>etad^tet^ bie ben SKutl^ 
))om Uebermutl^ fci^eibet @iS gibt einen Ueberniut^ 
Heiner SRaturen, bem tt)ir im Seben anf ©li^ritt 
unb Sritt begegnen, bem mit aQer inneren ®igen^ 
mad^t aud^ jeber toal^re nnb berechtigte äJlutl^ fe^lt 
ißier ift Slid^t«, tt)a8 im 6mjie überf^ritten werben 
fönnte, fein 6toff su uoirflid^em Uebermut^; toa^ 
man gen)e^nlid^ fo nennt, flammt nid^t au^ bem 
SBcUen, fonbern au& bem Seeren, ift nur l^ol^Ied 
@elb(lgefül&l, ba« nid^t unter bie Sftfiber ber SfBeft, 
fonbern blofe unter bie gufetritte ber ÜKenfd^en 
lommt, too ed ol^ne @rfd^ütterung, l^dd^fleniS mit 
einem Keinen jtrad^ enbet, n)ie bad aufgeblafene 
S)ing, n)omit bie Ainber fpielen. ©eitbem ©oetl^e 
ba« paroboje SQBort l^ingemorfen l^at: „5Kur bie 
fiumpe finb befd^eiben/' bilben fid& SSiele ein, bafe 
bie erfte SSebingung, !ein Sump ju fein, in ber 
Unbefd^eibenl^eit beftel^e unb ha& ^robefiüd in ber 
gred^l^eit. ^ier ifi bie Siebe Don jenem bämonifd^en 
Uebermutl^, jener untoiHIfirlid^en Ueberl^ebung, bie 
au^ ber Ueberfraft ^ertorgel^t unb bie SUläd^te ber 
SBelt gegen Rd^ l&erau^forbert; l^ier fielet SRad^t gegen 



203 



SKad^t, bic eine untemorfen bcm SKafe unb ber 
©d^ranle, bie anbcre SKafe unb ©d^ranfc fcftenb; 
bie notl^koenbige golse biefed SonflictiS i(i bai^ tra^ 
flifd^e Bä)id^al, rroburd^ ba§ rid^tige SKafe fxä) 
»icbcrl&etfiettt. ®iefcn Uebcrmut]^ nannten bie SKUen 
„^r)ivi&/' biefeg ©d^idfal ,,giemefig." ©in fol(]^er 
Sufammenl^anfi »altet jwifd^en gaufl unb bem @rb- 
geiftl S)er beutfd^e €turm unb ©rang toax, mit 
©oetl^e felbfl }u reben, eine ^forbembe 6^)od^/' 
bie aU fold^e eine l^eraudforbernbe xoax unb 
fein mufete. ^^^ mad^tifljier Z\)pu^ ifi gauft. ®r 
^at ben ©rbgeifi erflel^t unb l^erauiSfleforbert^ er 
tt)ill bie SBelt tt)ie ein ©d^idfal erleben, beö ©tür- 
me« getoärtifl, im furd^tlofen SSorgefül^l be« ©d^iff- 
brud^ö, baö tragifd^e S^el^^^ äugen: 

^d) fü^le WtvLti), ntidft in bie SBelt }u koagen, 

S)er ^be 3Bel^, ber @rbe ®(üdt }u tragen, 

9Rit Stürmen mic^ l^erum gu ((plagen, 

Unb inbeg Sd^iffbrudfeä Änirfd^en nt^t ju jagen. 

S)iefe» ©d^i(|fal foll er erleben bii& ju bem 
SDloment, too er eö t)ertt)ünfd^en unb fd^ulbbelaben, 
bi« in« Qnnerfie jerlnirfd^t, in feinen ®runbfe(len 
erfd^uttert, aufrufen »irb: „Q to&x' id^ nie ge- 
boren!" 




204 



^a^ toax ber ©runbgebanle ber erßen ^aitfl« 
tragöbie^ bie einen genan entloidelten unb auSgebad^ 
ten $Ian nid^t "fyatte, bie eine {unftige Sänterung 
unb Stettung nid^t audfd^IoB; aber n)ie bie leitete 
gef^e^en fcQte, toar bantate bem S)i<J^ter ebenfo 
ungen)ig, aU feine eigene 3u(unft, bennbiebämo« 
nifd^en Staturen finb au($ ,,probIematifd^e/' S)aB 
in ber alten S)id&tung bie neue nid^t Dcrgefe^en 
toax, ffaim mir feigen gejeigt. S)ie erfie 3)id^tung 
toax ein @rgu^ , auf gut ©Ifid begonnen unb fort« 
gefül^rt bid ju einem $un!t, tt)o ®oetl^e nid^t Lei- 
ter !onnte^ tt)o feine eigene @ntn)i(IIung mit bem 
®ebi(i^te nid^t mel^r .^anb in $anb ging^ ))ielmel^r 
bemfelben völlig entfrembet toax. aOBäre ba8 grag« 
ment nid^t toeröffenllidt^t tüorben, »er toeife, ob 
©oetl^e jemaU ben ^aufl fortgeführt unb t)oIIenbet 
^ätte? Unter aUen feinen SBerfen ift ber Station 
bad tl^euerfte gemorben, n}ad il^m felbfl oft bad 
läjligfte mar^ benn ber gen}altige äßenfd^ trägt an 
\iä) felbfi am fd^toerften. 

3)ie abenteuerlid^e äSeltfal^rt ber ^olföfage Der« 
»anbelt ftd^ in ©oet^e'iS erfler ^auftbid^tung in ben 
tragifd^en. Seben^gang beiS genialen SBeltflürmeriS^ 
er ge^t ben 3Beg beS ©troni« }u feinem ©turje: 



205 



Sin ic^ ber g^üd^tling nic^t, ber Unbel^au^te, 

^er Unmenfdft ol^ne 3^»^ unb 9iuV, 

®er, toie ein SBaff crfturj , »on getö in gclfcn brauste, 

begierig tvütl^enb na6) bem 3(bgrunb ju? 

IV. 

3u biefer irbifd^cn SEBcItfal^rt, bic nad^ gauft^ 
eigenem äBiQen fid^ tragifd^ DoDenben foQ^ fenbet 
il^m ber ®rbgeifi ben bienenben ©el^ilfen, einen 
jener irbifd^en SJämonen, tt)eld^e bie norbifd^e Sage 
in ber ®rbe l^aufen läfet, nedfifd^ nnb tildfifd^, toic 
ein Jtobolb^ gemütl^Iod nnb ol^ne äRitgefäl^I^ tpie 
bie (Slementargeifler ber Sagenmelt/ !unbig aQer 
irbifd^en Sßege, bie abfd^üffig gerid^tet ftnb^ e6enfo 
lunbig ber irbifd^en 3Wen[d^ennatnr , ganj orientirt 
über' il^re ©d^toäd^cn, Segierben nnb ©elbfitänfd^un- 
gen. Um in ber 9Ren[d^enn}eIt bie abfd^nffigen SBege 
}u finben nnb jn filieren ^ ba}u bebarf eiS leined 
^öSengeifiei^ , baju genügt ein 9)ämon au^ irbifd^en 
gactoren, tt)ie bie then genannten. ^U %uf)xex auf 
bem SBege }nm älbgrnnbe barf er bie Stolle bei^ 
2:eufelg erfe^en nnb fpielen: l^ier toerttjanbelt fid^ 




206 



ber S^eufel ber SBoSiSfage in ben @oet]^e'fd^en 
Wlep'^iftopffele^ ber erflen S)id^tung. lieber 
ben (Sffaxaltex biefer ©oel^e'fd^en gigur, fotDol^l 
mag bie auffaffung aU S)arfieIIiiTtg betrifft, ift Diel 
ge^anbelt unb gefiritten iporben: ob er in menfd^- 
lieber ober bämonif d^er SQäcif e ju nel^men , ob biefer 
^ämon aU ein irbifd^e^ ober fatanifd^e^ äSefen ju 
f äffen fei? S)ie grage ifi auÄ unferem ®efid^ti8^)unft 
ber !ritifd^en Sinftd^t in bie Sontpofition bed ganzen 
2Berl8 mit ©id^er^eit ju entfd^eiben: ©oetl^e'S 3Res 
p^ijio:>)]^eIeg ift ein S5 o !f) :>) e I to e f e n , toie feine gan jl* 
! trogöbie eine Soppelbid^tnng, er vereinigt smei ^ete^ 
; rogene @lemente, bie ftd^ jn einanber Der^alten, 
tt)ie bie beiben 5S)id^tnngen; er ift in ber erflen ein 
irbifd^er, in ber gleiten ein fatanifd^er 5£)ämon; 
bort fielet l^inter il^nt ber ©rbgeifi, l^ier fielet x^m 
gegenüber ber iperr; bort erfüllt er einen Sluftrag, 
l^ier fpielt er anf eigenen ®ett)inn nrtb SBerlnfi.* 

®8 gibt gett)iffe 3^8^/ ^oxin bie beiben bämo- 
nifd^en ©eftalten tro| i^reS terfd^iebenen Urfprnng» 
einanber ä^nlid^finb: überaQ ba, ipo ber @d^elm 
nnb ber ©^all ^evooitxiü, bie Sifl unb ber ^ol^n 
be^ aSerberberi^. 3^^ ben ©runbjügen finb fie tjöllig 
oerfd^ieben. Sflel^men tt)ir ben SJeufel beS Prolog« 



207 



unb bcr SBcttc, fo ifi jcneiS Selbfigcfpräd^: ,,a8crad^tc 
nur aSemuttft unb SBiffenfd^afi" u. f. f. SBort für 
SEßort nid^t bIo6 imtocrfiänblid^, fonbcm uxmbQfxd). 
SJagegctt bcr irbifd^e 3)änton, bcr Dom Srbgcift au^s 
gcl^t, bcr fcl^r mf)l »cife, roa^ aScrnutift unb ®r!cnnfc 
nife in bcr Srbcntoclt bcbcutcn, nnb iDol^in ein gereifter 
unb gieriger äScltburfl treibt^ bcr ifl ganj in feiner 
dtoUe , njcnn er fi(^ an ba« übereilte , ton bcr SJcr^ 
nunft nid^t nte^r gclcnfte Streben gauflS ju l^alten 
benft, bcr feinem ©ränge bic gügel fd^iefeen läfet unb 
fc^on bie abfc^üffige SBal^n läuft. W\i biefem ^auft 
ifl leidet fertig ju »erben, er l^at bie SSemunft fatt, 
er ifl fd^on gierig; ^Jlcpl^iftopl^ele^ mirb bicfe @icr 
t)on @enu{3 }u ©cnuB l&e|en, nie ju ältl^em fomnten 
laffen, nie erquiden, batnit fie nur gerei}ter unb un^ 
crfättlid^er »irb, bii8 pe im ©taube tcrenbct. ©iefem 
^aufi ifi bcr älbgrunb fidler aud^ o^ne gül^rer! 

2)en fc^lepp' id^ burc^ t)aS toilbe fieben, 

%vxit flache Unbebeutenbbeit , 

@r fott mir jappcln, ftarrcn, Heben, 

Unb feiner UnerfättUdftleit 

©od @petf unb Xran! )7or gierigen Sippen fc^meben: 

@r tvirb (Srquidung fic^ umfonft erflebn; 

Unb \fiMC er ftd^ auc^ nid^t bent Teufel übergeben, 

@r mü^te bodft ^u @runbe gebn. 




208 



9lud bem (Sfyxxdttex bed irbifd^en S)ämcn§ ifl 
jiebeiS biefet SBotte einleuiS^tenb^ tuie ed ouS bem 
bed @atan^/ ber auf ^oufld Sefriebigitng im @e^ 
tttt§ ber 9SeU getoettet, itnm5glid^ toar. 

3n einer Stellte Don ©teilen^ bie fämmtlid^ in 
bie alte S)id^tung gel^Bren^ rebet äRepl^iflopl^ele^ 
ganj im @inne beiS Srbgeiße^ nnb gar nid^t in 
bem beS @atan^. 3Bad ber @rbgeifl bem gauß in 
erl^abener ^rje }ugerufen: ^,S)u gleid^fi bem®eifi, 
ben bu begreif ft^ nid^t mir!" »ieberl^olt il^m WtepffU 
fto))l^eIed, balb toarnenb^ balb fpöttifd^, mit ein^ 
fd^ärfenber ®eutli(3^!cit, auf lamerabfd^aftlid^e Slrt. 
,,S)u »illft mel^r, aU bu »ermagft, bu fannft nid^t 
l&inau« über bein SDIaft!" S)aS ift ba« %f)ma, bag 
er in fo fielen SBenbungen toariirt: 

ScJ* bir ^Pcrrüden auf t)on aWiHionen^ Soden, 
©et' beinen guj auf eöeitl^o^e ©odfen, 
S)u bleibft bod^ immer, mag bu bift. 

S)er einjelnc aJienfd^ in ber lurjen ©panne fei* 
ne« irbifd^en S)afeini^ t)ermag nid^t bie SBelt in 
il&rer gütte ju umf äffen unb }u erleben: 

glaube mir, ber mai^c&e taufenb Sa^re 
Sin biefer l^arten ©peife taut, 



209 



l>a^ t)on ber SBiege bis )ut 99al^re 

^ein äRenfcft ben alten Sauerteig verbaut! 

®Iaub* unfer einem: biefe^ ©anje 

3ft nur für einen (Sott gentadftt! 

@r ftnbet fiäi in [einem eto'gen ©lanje, .. 

Un^ b^t er in bie ginfterni^ gebrad^t, 

Unb e\i6) taugt einzig Xag unb Stacht. 

Unb roa& er il^m tDamenb gefagt/ koieberl^olt 
er tl^ni al^balb mit fpottenber S^onie. 3n ber 
großen 3Renfd^enb)eIt, in ber SRatinigfaltigleit il^rer 
Sl^araltere unb Sebendjuftänbe^ ffinnen aSe ntenfd^^ 
lid^en @igenf(i^aften unb Gräfte beifantmen fein unb 
n)irlen^ aber nid^t im einzelnen SRenfd^en; ber !ann 
ft(i^ eine fold^e SSoUIommenl^eit nur im aSal^ne ber 
@elb{ltäufd^ung einbilben unb fid^ t)or))]^antafiren^ 
er fei ein fold^er 3ti6cflriff aller »önfd^eni^toertl&en 
Oualit&ten: 

^d) b&c^t*, ibr liefet eudb belebren, 

^ffociirt euäi mit einem $oeten, 

fia^t ben $erm in ®eban!en fd^meifen 

Unb aQe eblen Oualit&ten 

^uf euren @brenf(beitel b&ufen, 

3)e^ Samen SRutb, 

^ed $irf(bed 6(bnenig!eit, 

^ed ^tcHxenex^ feurig 99Iut, 

^ed 9?orbend S)aurbarteit ; 




210 

fia^t i^n eudb baS (Sel^eimnil finben, 
©ro^mut^ unb 3(rgUft ^u Derbtnben, 
Unb eud) mit tDarmen Slugenbtrieben 
^aäi einem ?Ianc 5U üerlieben, 
Tlid)t' felbft fold^ einen Ferren fcnnen, 
3BBürb' i^n i^errn 3Ri!ro!o3mu§ nennen. 

ällle biefe äluiSfprüd^e ftttb untnöglid^ im äRunbe 
beS ©atanS, ber bod^ nimmennel^r ben gaufl 
tDirb glauben mad^en rooUm, biefei^ ©anje fei nur 
für einen @ott gemalt! S)iefer Wtepffi^top^zUd, 
ber bem ^auft irbifd^e SSernunft unb irbifd^ei^ 9Rag 
förmlid^ prebigt, ifl bod^ nid^t berfelbe ©ämon, 
ber {urj t)orl^er i^m jugerufen l^at: ;^@ud^ ifl 
fein 3KaB nod^ giel gefeftt!" — 68 ip ein 
großer Unterfd^ieb^ ob au8 bem SRepl^ifiopl^eleiS ber 
®eifi be« SSöfen rebet ober ber @eijl ber 
@rbe! 9lu8 biefen beiben ©efialten ifl fo roeniq 
ein @^ara{ter }u mad^en, aü auiS ben beiben 
^auflbid^tungen eine einmütl^tge S^ompofttion. 3^|t 
fielet man, tool^er in SRepl^iftop^eleS jener realifü* 
fd^e ©runbjug fommt, ben man in ber Slnal^fe 
biefe« ß^arafter« fo nad[|brfidEIid^ l^erüorgel^obcn 
unb in einem Umfange geltenb gemad^t ^at, att 
ob in gaufi ber ,,3beali8mu8/' in STOepl&iflo* 




211 



^)]^eIeS, ate bcm ergänjenben ©cgcntl^cil, bem alter 
ego beg gaiifi, bcr „SRealigmu^" te:|)räfentirt 
fein tooHe. .68 ift bic Vertretung ber irbifd^en 
aSernunft unb be§ irbif(]^en SRafee«, benen SIKe^l^is 
fio))^eIe8 ald Vote bed @rbgeifteiS bai^ 9Bort rebet. 
Snnerl^alb biefer ßl^aralterf^l^äre , bie aud^ il^re 
®ä)alff)e\t nnb il^ren fatirifci^en Slu^bruä l^at nnb 
forbert, ftnb bie SH^ i« fud^en, lootin 3* $• Sßerd 
bem 3Rep]^iftopl^eleiJ ber alten ©id^tung jnm SSor* 
bilbe gebient. 

@§ ift toa^x, ba§ in bem Fragment, toeld^eS 
ben ©atan, tt)ie er im 5JJroIoge erfd^eint, nid^t fennt, 
aReipl^ifto^l^ele« in einer Sfteil^e t)on ©cenen atö 
„S^eufel" bejeid^net toirb; aber »enn man bie fämmt- 
lid^en einfd^Iagenben ©teilen nöl^er anfielet, »irb 
man leidet erlennen, bag nirgenb^ l^ier ))on einem 
ä^eufel bie SRebe ift^ n)ie il^n bie äSoH^fage glaubt 
ober eine l&öl&ere Sluffaffung finnbilblid^ nimmt atö 
ben :|)erfonificirten ©eift beö SäCfen. @r erfe|t ben 
Seufel, er fpielt unb :>)arobirt il^n, er fül&rt blo8 
feinen 3tamm, ate ob er fo l^eifee. Äein ©atan 
tt)irb t)on feiner Seute fagen: „Unb l^ätt* er fid^ 
aud^ nid^t bem S^eufel übergeben^ er milgte bod^ 
ju ©runbe gel^n!" ®r ifi ein S^eufel, toie man 




212 



bad äBott int getoöl^nlid^en Sitien bxavi(fyt, ol^ne 
aUen SSeigefd^ntad ber ^bUe, et iß eS^ tt)ie %aa^ 
fein eigener S;enfel ift; er gibt-biefem auä) ben 
Planten {urüd: ,,3)u bifi bod^ fonfl fo iiemlid^ 
eingeteufelt. 3li^ti älbgefd^madteriS ftnb' id^ auf 
ber aSßelt, aU einen Sleuf el, ber üerjioeifelt." 3« 
bem leibl^aftigen Batan fönnte gaufl nimmermehr 
fagen: „2)u tüärep a;eufel g'nug, mein ©lud 
mir nid^t a^ gönnen/' SBenn ^epffi^op^tU^ im 
Oefpräd^ mit bem ©d^üler im Stillen fagt: „^ä) 
bin bei^ txodnen %on& nun fatt^ mujs loieber red^t 
ben aieufel f^ielen!" fo l^ören toir ja bon il^m 
felbfi^ bag er il^n f))ielt. S)ie jei^enben @tubenten 
in äluerba^'iS AeQer tooKen il^n f($rauben unb mer^ 
fen nid^t, »ie er fte fo:>)!f)t; fie fiimmen guter S)inge 
in ba8 glol^Iieb ein unb merlen ni^t, bafe fiefelbfl 
unter bie glöl^e gel^ören^ auf bie bad Sieb gemän}t 
ift, unter ba« jubringlid^e ©efd^meife, ba8 fid^ ge* 
beät fill^It unb nad^ ^erjeniSlufl @tid^e aui^tl^eilt; 
fie merlen baiS geuer erft, baiS il^nen auf bie 9lägel 
brennt; »enn bal^er 3Refi)ifto)f^de^ beim Eintritt 
in biefe OefeKfd^aft ben grofd^ rufen l&ört: ,,®ib 
äd^t, id^ fd^oube fie!" unb barauf jum gaujl 
fagt: ,,S)en Sleufel fpürt baiJ SBölfd^en nit, unb 



213 



totnn er {te beim Jlragen l^&tte!'^ unb am @nbe, 
n)ie bie @efeDen $euer fd^reien^ fie mit bem 9Botte 
nexlä^t: „XMt) mertt eu^, tt)ie ber S^eufel f^a^e!'^ 
fo l^at man biefen S^eufel nid^t in bet. igSQe )u 
fud^en. @iS ifi^ beiläufig gefagt^ ein grober Un« 
t>erßanb^ tomn ia^ ^lol^Iieb, iPte i^ ed felbflt)on 
berill^mten unb benlenben @d^auf))ielem gel^Srt l^abe^ 
biabolifd^ betont unb auiS l^eiferer Ael^Ie l^aui^:: 
geltä^it tt)irb, ate ob ed tounber toeld^n fatani^ 
fd^en ©inn entl^alte, lo&l^renb eS mit bem l^eiterfien 
@pott bloiS bie 3nfecten trifft^ bie in ber 98elt 
]^aufenn)eife herumlaufen unb l^eutgutage nid^t bei 
$ofe^ fonbern im @oIbe jeber fd^Ie<i^ten B^^t^i^S 
il^r aSefen treiben. äSenn aRepl^iftopJ^elei^ im {omi^^ 
fd^en aerger über bie 5ßfaffenKjl, bie bcn Strand 
l^intoeggerafft l^ot^ auiSruft: ^^ä) mb^V mid^ gleid^ 
bem S^eufel übergeben^ toenn id^ nur felbft {ein 
SIeufel toärM" »enn er bon grau SKartl^e fagt: 
,,a)ie l^ielte tt)o^l ben Teufel felbji beim SBort/' 
unb t)ün ©retd^en: ,,@ie ffil^It^ bag id^ gan} ftd^er 
ein ©enie^ t)ieDeid^t tool^I gar ber ä^eufel bin/' fo 
fielet iebermann^ toie er mit ber SSorfleSung unb 
bem äBorte S^eufel J^umorißifd^ umgel^t unb fpielt. 
9Sad man im menfd^lid^en Seben S^eufeleien nennt 




214 



bie fd^Ianen ^ünfie ber SSerf&l^rung^ bie t)erber6s 
lid^e Sift unb i^re @rfoIge^ ben beigenben unb bod- 
l^aften @))ott, bad ifi in SRepl^iflopl^eleS bargefleat 
ate in einem S)ämon, fo geiftooQ unb fo berb, bag 
^auff^ }orniged Sßort biefe äRifti^ung auS bem 
feurigen ®eifi unb bem gemeinen Stoff ber 6rbe 
treffenb bejeid^net: /,S)u ©pottgeburt üon ©red 
unb geuer!" 

9hir eine ein}tge ©cene aud bem Fragment 
lönnte man mir entgegenl^alten : bie ^e^enluti^e, 
»0 3Rep]^iftopl^eleg aU ,,3unler Satan" begtüfet 
tt)irb. . S)ie Scene ifi nad^tpeiiSlid^ fpät unb üon ber 
alten S)i(i^tung burd^ eine lange Steil^e t)on S^'&i^^ti 
getrennt; man fönnte meinen, bag in biefer 
Satan^üorfteQung fd^on ein gemiffer llebergang ju 
ber fpäteren S)i(^tung fid^ vorbereite, nid^t plan- 
wiäfeig , f onbem untpillfürlid^. S^beff en ift ber 6in= 
tourf ungültig , ber irbifd^e S)ämon ber alten ^{(J^- 
tung bleibt in boHer ffiraft unb filiert afe ,, Spott- 
geburt t)on S)redt unb geuer" baÄ SSappen feiner 
9lb{unft. 9ltd^t ettoa, bag l^ier ber Satan fpa^-- 
l^aft auftritt, beijor er neun Qal^re fpäter im ^ßro- 
löge emftl^aft eingeffil&rt loirb, f onbem ber SCeufel 
mad^t fid^ aber ben Satan luftig, ber Teufel be^ 



215 



Srbgeifle^ über ben ber ^öQe. @r lel^nt ben $ej:en' 
gtufe ab: ,,S)ctt Slamcn, SBeifi, toerbitt' id^ mir! 
@r ifl f(i^on längft in'd gabelbud^ gefd^tieben ; aQein 
bie äRenf^en ftnb itid^t beffer b'ran: ben äSöfen 
finb fic log, bie S36fcn finb geblieben." 
5Der @intt)urf mit ber $eyen!üd^e ift fo übel ge« 
mäl^It, bag er t^ielmel^r unferer Sluffaffung baS 
beutUd^jie unb betoeisfräftigfte SBort rebet. 

9(udj; bag 3Rep]^iftopl^eIeg bem gauft juerft in 
tl^ierif^er ©eftalt erf(|eint, pagt ju feiner irbi- 
fd^en ^roteuiSnatnr unb ju bem $erm beg ©rb- 
rei(]^d, ber il^n fenbet, beffer aU jum @atan, ob- 
h)o]^I bie @age erjäl^It, ein ^öUengeift l^abe ben 
Sauft in ^unbi^geftalt begleitet, ©oet^e liejs biefe 
©eftalt t)om (Srbgeiß au^gel^en, tpie aui^ jener 
©cene erl^eHt, in ber gauft ruft: „SBanble il^n, 
bu unenblid^er ©eift! toanble ben SBurm toieber in 
feine ^unbiSgeftalt, toie er fid^ oft näd^tlid^er SSSeife 
gefiel üor mir l^erjutrotten, bem l^armlofen ©an» 
berer \)ox bie güfee ju fottem unb fid^ bem nieber^ 
ftürjenben auf bie @d^ultem ju l^ängen. SBanbr 
il^n ti)ieber in feine £ieblingi^bilbung!" Unb bie 
Slb^ängigfeit üom ©rbgeift bei ©eite gefegt, toirb 
l^ier lein ©atan d^araf terifirt , f onbern bie 2lrt eineg 




216 



iener nedif(^en unb tfi(ftf(|en Roiottt, tüte fte bie 
@age t)on >ben Glem^ntargeiflern f<]^ilbert. 

2. 3)te erfte (lh;fi|etitiin§ be8 ay2ct>(i|l«^(c(ed. 

@iS toar in ber urfprätiglid^en S)i(i^tung be« 
fd^Ioffcn, bafe aRcp^iftopl^cIc« t)om @rbgcift l^ct^ 
fommctt unb bcm gauft jucrfl in bamonifd^cr S3^ier* 
gcjialt begegnen foHte. ©iefeiJ Sufarnntentreffcn ifi 
in einer @cene bargefieHt, bie ftd^ itoax nid^t im 
^agment finbet, aber ol^ne 3^^if^I i^ i^^^ äK^ 
®t(j^tung gel&Crt: ber Dperfpajiergang „üor bem 
%^ox'\ 8ltt8 ber localen ©d^ilberung ifi ©oetl^e'« 
SSaterflabt unb beren Umgebung fo beutlid^ erienn- 
bar, ba§ fd^on biefer äußere Umftanb bie fräl^ere 
SIbfaffung bezeugt ; ba}u lomntt eine 9leil^e anberer 
5J)aten, SBefenntniffe au8 gleid^jeitigen SBriefen,* 



1 (S^oei^e {einreibt ben 3. ^ugufl 1775 qu§ Offenbar an 
^lugufte ü. Stolbetg: „UnfeligeS Sd^idfol, baS mit feinen 
!DlitieI)uftanb erlauben toiQ. ^nttoeber auf einem $unlt, 
fofljenb, f eftüammernb , ober fci^»eifen gegen alle üier SQßinbe, 
@elig f eib. if)x , DerÜätte @pa)iergänger , bie mit jufriebener, 
anft&nbiget ^ollenbung leben ^enb ben Staub toon il^ten 
8(i^u^en fd^lagen unb il^teS ^ogetoerlS gSttergletd^ ftd^ freuen, 
^ier fliegt ber ÜRain, grab brüben liegt ^Bergen auf einem 
^ügel l^inter l^omfelb. t)a linfS unten Hegt baS graue gfranl' 



217 



üor SlDem bcr innere ©l^atafter nnb bie ®runb= 
jiimmnng biefer ganjen @cene , einer ber l^enlid^flen, 
bie ©oetl^e gebid^tet. S)ie ©enbung be« Mepfyi^O' 
\)J)tU^ burd^ ben @rbgeifl ift eine mittelbare ober 
inbirecte @rf d^einung beiS @rbgeifted felbft ; iä) ntn^ 
bal^er meine fräl^ere Srfl&rung ba^in ergänzen : bie 
erfie Srfd^einung be^ (Srbgeifled ifl bie einzige un- 
mittelbare^ bie 3läf)e beffelben erlebt ^^anft au^ bem 
Ofierf^aiiergang }um }tt)eiten 3RaIe. 

2)ie ib^Uifd^e Stimmung ber ern)ad^ten %tü^^ 
ling^natur l^at ben Sufrul^r feiner @m^ftnbungen 
bef(i^n)id^tigt unb bie Sd^tDermutl^ bed @tubir}immeriS 
terfd^eud^t. 2)ie Erinnerung an bie furd^tbare $efl 
unb ber unt)erbiente S)an! für eine ipilfe , bie leine 
toax, tielmel^r burd^ bie ©el^eimmittel einer aber^ 
gläubifd^en 3Ragie nur getfiufc^t unb gefd^abet l^at^ 
tDedtt t)on Steuern bie fd^n)ermiit]^ige Stimmung: 

g(ü(!U(^, mer noc^ hoffen fann, 
%u^ biefetn UReer beS ^^t^umd auf^utaud^enl 
9BaS man nid^t mei^, ba^ eben braud^te man, 
Unb ma^ man toei^, fann man ni(^t brauchen. 

futt mit bem ^maefdbij ten X^uxm, baS je^t für mi* jo leer 
ifl oIS mit S3efemcn öe^cl^rt, bo rcc^iS auf ortiße S^örfdjen, 
ber ©arten bö' unten, bieXerraffe auf ben aWain hinunter!" 




218 



Stber biefer (Seelenbrud toe^t bem übetmaä)- 
tigen 9laturgefül^l im Silnblid ber untergel^enben 
©otttic: 

^od^ Id^ uns biefer Stunbe fc^öneS ®ut 
3)uT(j^ fold^en S^rübr^nn nidt^t t}er!ümmern! 
Setradftte, tote in S(benbfonnes®(utb 
SHe grünumgeb'nen ^ütten fd^immem. 
Sie xüdt unb toeid^t, ber Sag ift überlebt, 
S)ort eilt fie bin unb förbert neuel Seben. 

9)et SSieltburft, ber bai^ Seben ber @rbe er^ 
greifen unb fammeln mCd^te in einen timfaffenben 
Slid, ertoad^t »icbcr in t)oIIer ©tärfc: 

ba^ fein g^^gel micb t)ont iBoben b^bt, 
^\)x nad& unb immer nadb ju [treben! 
!3d& W im eto'gen Slbenbftrabl 
^ie ftille Seit ^u meinen ^ü^en, 
6nt}ünbet aUe ^bVn, berubigt jebed Sbat, 
S)en @ilberbad^ in golbne Ströme fliegen. 
9Ii(bt bemmte bann ben göttergleid^en Sauf 
S)er milbe SSerg mit allen feinen Sd^Iud^ten; 
Scbon t^ut baS äJlcer ft(b mit ermdrmten iBud^ten 
Sor ben erftaunten 2lugen auf. 

©ein ®eiftc3bli(f fliegt l^inaug über bie Grbem 
fd^ranlen unb folgt ber ©onnenbal^n unb bem Sidjitc : 



219 



S)od6 fd^eint bte @dttin enbüd^ ivegsurmten; 
^Qein ber neue Xrieb erlvac^t^ 
3* eile fort, il^r eto'gegSid&t ju trinfen, 
SSor mir ben Sag unb l^inter mir bic SRadfet, 
. 3)en $immel über mir, unb unter mir bie SBellen. 
@in fd&öner Sraum, inbeffen fie cnttoeid^t! 
mi SU beS ©eifted klügeln mirb fo leidi^t 
^ein fdrperlid^er S^ugel fidft gefeOfen. 

®^ ift bie ©el&Ttfud^t in bic imermefelici^c gerne, 
bie i^n toie ^eimtoel^ ergreift unb mit ber ma* 
gifd^en ®ett)alt einer 9laturftimmung rebet. SBie 
oft l^atte @oetl^e biefe @ntpfinbung erlebt, beoor fte 
in t)oQenbeter @eftalt l^ier an biefer tounberbaren 
©teile überging in feinen ganft ! ©ie [tammt au^ 
ber SBert^erieit, auiJ ben ©inbrüdfen feiner erften 
©d^tpeijerreife, \odä)e bie SSßertl^erbriefe an§ ber 
©d^toei} fd^ilbem. ÜJlan fann in ber ©eele beiJ 
S)id^terd baiS fortleben biefer @m:pftnbung ii^ in 
bie Sflaturbilber nnb ben tt)6rtlid^en SluSbrncf l^inein 
t)erfoIgcn unb feigen, ttjie fie bie gorm getpinnt, 
bie je^t in unferem @ebid^te l^erüortritt. ,,S8ie o^ 
f)aie i6) mid^/' fd^reibt SBertl^er, „mit gittigen 
eineöÄranid^S, ber «ber mid^ l&inflog, ju bem 
Ufer beg ungemeffenen SWeereS 9cfcl(>nt, auö bem 
fd^umenben Sedjier beS Unenblid^en jene fd^tpettenbe 




220 



£ebendtt)onne }u trinlen unb nur einen Xugenblid 
in ber eingefd^rönlten Araft nteineiS Sufend einen 
S^topfen ber Seligleit be$ Sßefend ju fftl^Ien, bad 
9UIei^ in ftd^ unb burd^ fid^ l^ert)or6ringt.'' Unb in 
ben @(i^n>ei}erbriefen: ,,93ir ffil^Ien bie S^nung 
törperlid^er Anlagen, auf beren SnüDidSung b)ir 
in biefem Seben Sergid^t tl^un mäffen: fo ifi eiS 
^ani sen)i6 mit bem fliegen. 60 tPte mid^ fonfl 
bie SSoIIen f4ion reiften , mit i^nen fort in frembe 
Sauber }u sielten ^ toenn fie l^od^ über meinem 
Raupte l^intoegiogen^ fo ftel^' id^ ie|t oft in ®e- 
f al^r , bag fte mid^ üon einer ^elf enfpiie mitnehmen, 
mnn fie an mir t)orbei)iel^en. SBeld^e SBegierbe 
ffil^r id^, mid^ in ben unenblid^en Suf träum )u 
ftärjen^ über ben fd^auerlid^en älbgriinben gu fd^toe« 
ben unb mid^ auf einen unsugänglid^en Reifen nieber« 
julaffen. Wlit loeld^em Setlangen l^ol' id^ tiefer unb 
tiefer Sltl^em^ tt^enn ber 9lbler in buuRer, blauer 
2;iefe unter mir, über gelfen unb SSälber fd^toebt 
unb in ©efeUfd^aft eined aSeibd^enS um ben ©ipfel, 
bem er feinen $orfl unb feine jungen anwc^ 
traut l^at, groge fireife in fanfter @intrad^t jiel^t/'^ 

1 ®oet^e'8 @. m. (1851) »b. XIV. @. 46. 118. 



221 



^ier ifl biefelbe @mpftnbung, üerfenit in biefelben 
gtogartigen Silber, nur aUe^ ftörenbe Seimer! tDeg^ 
gelaffen, rein in bie ^öl^e gerid^tct, Bettofiltigt unb 
ilbertt)&Itigenb : 

^o(b ift e^ jebem eingeboren, 

S)a^ fein ©efü^l binauf unb t)ortt)drtö bringt, 

SBenn über und, int blauen SRaum t)erIoren, 

3br fd^mettemb Sieb bie Zttda^ fingt, 

3Benn über fc^roffen gid^tenböben 

S)er Slbler ausgebreitet fd^toebt, 

Unb über glAd^en, über @een 

S)er ^rantd^ nad^ ber ^eintatb ftrebt. 

@r ^at bad ®efä^I, bag aud^ ber geftiOte äBelt^ 
burfl bcn S)rang, ber fein 3nner[leiS betoegt, nie 
DöEig befriebigen h)irb, benn in il^m n)altet ein 
2;rieb, ber fx^ über bie ©innentoelt l^inauSf d^toingt ; 
er möii^te ,/aud bem fci^finmenben Sedier bed Unenb- 
Hd^en fd^meOenbeSebeni^tDonne trin!en, einen ä^ropfen 
ber ©eligleit bei» äBefend fül^Ien, bad Wle^ in ftd^ 
unb burd^ fid^ l&ert)orbringt." S)iefe ©el^nfud^t, in 
äBertl^er gebrfidt unb mit bem SBeltburfH t)ermifd^t, 
tt)irb im f^auft ganj frei, loSgelöi^t unb erl^aben: 

3n)ei Seelen n)obnen, ad^! in meiner SBruft, 
2)ie eine toiK ftd^ tjon ber onbem trennen; 




222 



•M 



^te eine l^&It in berber Siebe^Iuft 
@i(i^ an bie 9Belt mit flammernben Organen; 
^ie anbre b^bt gemaltfam ftd^ ))om S)uft 
3u ben ©efilben l^o^ex ^bnen. 

2l&er ber Sffieg ju biefcm Qiü gel^t burd^ bie 
SBelt, er mufe fie erleben; !önnte er fic imgluge 
biird^Ieben, nid^t mit flammetnben Organen, fon« 
bern bcfd^iüitigten SaufeiS mit gittigen! 

gibt e8 ©ciftcr in ber Snft, 
^ie 5n)ifc^en (Srb* unb ^tntmet b^trf(^enb meben, 
60 fteiget nieber au^ bem golbnen S)uft, 
Unb fübrt ntid^ n)eg gu neuem , buntem fieben! 
3a mdrc nur ein 3aubermantel mein 
Unb trüg' er mid^ in frcmbe Sänber, 
aRir foUt' er um bie föftlid^ften ®e»änber, 
3l\(S)t feil um einen Äönig^mantel fein. 

S)a8 iß t)Ott Sflcuem unb in erl^öl^ter ®ett)alt 
ber Seele Sfluf, baö mächtige gleiten, bag ben ©rb- 
geijl betüegt, ben ®ett)altigen am faufenben SBeb- 
ftul^I ber 3^it/ ^^^ ^i^ ©lementargeijler bienen. 
gaufl'S Stimmung ifi »ieber in jenem Slufrul^r, ber 
in bie SEBorte au«bra^: ,,^6) ful^Ie ganj mein 
^erj bir Eingegeben, bu mußt! bu mufet!" S)er 
Srbgeifi neigt ftd^ i^m ^um jiDeiten SRale, er er^^ 
f c^eint niiä^t unmittelbar , er f enbet t^m ein S^^^^^^ 




223 



wnb gaufi ffll^lt, bafe eine ge]&eiinm6t)oBe SKad^t 
ftd^ i^m nähert, ©ein nä^fteg SBort l^eifet: 

@ieMt bu ben fd^tvar^en ^unb burd^ Saat unb 

Stoppel ftreifen? 



iBemer!ft bu, toie int tDeiten S^nedenf reife 
@r um und l^er unb immer n&^er jagt? 
Unb irr' ii) ni(^t, fo ^iel^t ein g^uerftrubel 
2luf feinen ^faben ^interbrein. 

9Rir fd^eint eS, ba^ er magifc^ (eife Solingen 
3u fünft* gern Sanb um unfre gü^e §ie^t. 

S)er ^reig »irb eng, fci^on ift er na^l 

35er ßrbgeifll^at iJ^n erl^ört, er ift burd^ feinen 
Soten in bämonifd^er S^^iergefialt eingetreten in 
feinen SebenSireid! 9flad^ ber alten S)id^tung foQte 
ein irbifii^er S)ämon^ naä) ber neuen ein ^öQengeifi 
aug biefer 5ßuppengejialt l^erüorgel^en. Sin bem 
@d^eiben)eg beiber S)id^tungen fielet bie Sefd^tüSmng. 
gatift befd^toßrt juerji ben ©lementargeift, ben bie 
alte S)id^tung im @inn ^atte, er ruft bie 'oxtx 
(SIeniente: 

6rft 3u begegnen bem ^l^iere, 
Sraud^* xd) ben Sprud^ ber Siere: 




224 

@alatnanber foQ gtül^en, 
Unbcnc fxö) »inben, 
'©plp^e öerfc^toinbcn, 
Aobolb ftc^ mü^eti! 
9Ber fte nid^t fennte, 
^ie (Elemente, 
3^te Äraft 
Unb (Sigenfii^aft, 
9B&re fein aRetfter 
lieber bie @eifter! 

fficr 3)ämott bleibt unbeiöeflt : „Äeineg ber SSict c 
ftedft in bem S^l^iere ! " S)ie alte S)i(j^tung ))erfiummt. 
5£)ic neue rcbet in ber jtDcitcn Scfd^toörung : „Sift 
bu ©efcllc ein glä(i^tlin3 ber ^eile?^ 3e|t rfi^rt 
ftd^ ber SJfimon unb c» crfd^eint ber Sßerfud^er, 
toie il^n bic neue ©id^tung bebarf unb forbert. 






-oo»?o« 



l^"""^««^«—