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Full text of "Gottfried Kellers Leben ..."

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Ör 


«tfrieb  Mors  ttkn. 

$tiut  Briefe  mit»  ^ößeßfid}«. 

3»elter  SSanb:  1650-1861. 

ÜBU  einem  titlbni«. 


gcrltK. 

iBcrlag    con    2B_i  1  $  1 1  m    $tT«. 


2ys/6o. 


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'-<=^Z^V 


5*  |tt  $tvlin+ 

(Styrtt  1850  HS  ©cjcmbcr  1855.) 

2lu$  bem  einen  Sa^re,  ba&  ©ottfrieb  Äelter  in  Serlin 
gu  üerleben  gebaute,  jinb  ifyrer  beinahe  fcd)$  geworben. 

fjrür  ben  ©id)ter  bebeutet  biefer  äufentljalt  bie  entfdjeibenbe 
©djaffenSjeit,  wäljrenb  weldjer  ber  längft  angefangene  Sugenb* 
roman  jum  größeren  Seile  gefdjrieben  unb  in  peinöoHer  8r« 
beit  mit  3Biberwiflen  unb  Söß*™  twßenbet,  bie  erften  Selb* 
rotier  @efd)id)ten  bagegen  faft  fpielenb  ausgeführt  würben, 
©aju  fam  anbereS,  ba$  erft  lange  nadjljer  erfdjien,  fo  „©er 
äpotfyefer  üon  Gl)amouni;r" ,  ein  Seil  ber  „@inngebid)t"*9to* 
öellen  unb  ber  „gegenben".  SRur  bie  bramatifdjen  Sßläne,  um 
berentwillen  er  eigentlid)  nad)  ber  preufeifdjen  ^auptftabt 
ging,  blieben  Entwürfe. 

$fir  ben  9Henfd)en  würbe  Serlin  eine  ftrenge  SeibenS* 
fdjule,  fein  Sufcort  unb  feine  ©ramfpelunte,  ober  —  wie  Äelter 
einft  braftifd)  fcfyrieb  —  „feine  ÄorreftionSanftalt,  bie  tym  coli* 
fommen  ben  ©ienft  eines  pennftjtoanifdjen  ßrffengefängniffeS 
geleiftet".    6r  Ijat  tapfer  an  2Binb  unb  SBetter  ausgemalten. 

Seine  Verberge  fdjlug  er  gunädjft  im  britten  ©totf 
be$  £aufe3  ber  Wofyrenftrafee  Kummer  6,  (Scfe  ber  Äanonier* 
ftra&e,  bid)t   neben   ber  ©reifaltigfeitSfirdje,    bem   heutigen 

©ottfrieb  Äeffer.    IL  1 


Slnfunft  in  33erltn. 


„Äaiferljof"  gegenüber,  bei  einem  9Mer  Slrnbt  auf1).  3*n 
gleidjen  £aufe  wohnte  bamalö  Sßrofeffor  ©neift,  ebenfo  ein 
Slrgt  mit  gmei  nmnberüollen  Södjtern,  bie  Äeller  alle  SßierteU 
jaljre  einmal  flüd)tig  gu  fe^cn  befam.  3"  Anfang  1854  gog 
er  nad)  Stummer  58  ber  ÜJtoljrenftrafje.  Seit  Slpril  jene« 
3al)re$  wohnte  er  33auljof  2,  einem  ftiHen  SBinfel  groifdjen 
©orotl)eenftra&e  unb  Äitpfergraben.  ©ie  berliner  83er- 
eljrer,  (Srnft  Don  SBilbenbrud)  an  ber  ©pifce,  Ijaben  tym 
gu  feinem  ftebengigften  ©eburtötage  ein  Aquarell  biefer 
feiner  legten  ^Berliner  33el)aufung,  üon  2Ubert  £ertel  gemalt, 
überreicht. 

©em  eigentümlidjen  ©djweiger  mifefiel  an  ber  neuen 
Umgebung  gunädjft  fo  giemlid)  alte«:  Sanb,  ©tabt,  2eute, 
ßitteratur  unb  $olitif.  9ttit  bem  Stolge  beS  3lepublifaner$ 
fal)  er  fyerab  auf  bie  jammeroollen  3uftfinbe  ber  SReaftion,  bie 
auf  ben  großen  SRaufd)  Don  1848  gefolgt  mar.  9?ur  Iangfam 
gemannte  er  ftdj  im  Sorben  ein,  bafür  um  fo  bauertjafter. 
3ubem  befanb  er  ftd)  nad)  feinem  ©elbftbefenntniS  innerlid) 
nod)  immer  in  bem  Suftanb  einer  großen  unb  trübfeligen 
SHaufer  unb  lebte  ftiH  feiner  Slbflärung  unb  ©elbftrettung 
auö  allerlei  9tafed)tung  unb  kämpfen.  3>n  feinem  Snnern 
trug  er  taufenb  ©eftalten,  aber  er  ^atte  nid)t  bie  geringfte 
6ile,  aud)  anbere  biefe  2BunbermeIt  flauen  gu  laffen.  6r 
mar  immer  berfelbe  unentfdjloffene,  fdjmeigfame,  baf)in  trau« 
menbe  ©ottfrieb  Äeller,  melier  jebeömal  erft  gum  #anbeln 
gelangte,  menn  tfym  baö  SBaffer  bis  an  bie  ©eele  ging;  aber 
immer  berfelbe  efyrlidje,  maljrf)aftige,  jid)  felbft  getreue  SKenfd). 


J)  2*gl.aud&  3uliu§  Abenberg,  Silber  au§  bem  ^Berliner  &ben,  III: 
Unter  ben  8inben  ©.  123  ff.  (1888). 


$eimtte$.  3 

©ein  £erg  roeilte  weit  weg  uon  Serlin,  im  33aterlcmbe,  im 
Sugenbparabiefe.  Sinige  unäefannte  5ßerfe  mögen  biefer  fefym 
füdjtigen  Stimmung  SluSbrud:  geben: 

„£ief  im  SRorben  auf  ben  fanbigen  $aiben 
©etyt  ein  ©otyn  oon  bir,  o  SSaterlanb, 
3)er  ju  beinen  ^o$en  gefteSfreuben 
3)iefe  Siebertaube  abgefanbt. 

Unb  e8  folgt  fein  £erj  bem  teilten  Stfuge 
$oty  über  ba$  beutfdje  Sanb,  hinauf  ben  SRljein, 
fliegt  üorau  bem  trägen  SBolfenguge  — 
$alt  —  ba  blifct  ber  ©ee  im  SKorgenfdjein! 

2lu3  ben  fyettergrünen  fluten  fleigen 
£o$e  Sinben,  fünfter  unb  «btei, 
Unb  im  ©ptegelbilb  toitt  groiefad)  geigen 

33(ü^nbe3  Uferlanb  ftc^  ftolj  unb  frei * 

(ÜKärg  1851). 

5D?üfytenromantif. 

2118  idj  ben  SRljein  herunter  gefahren, 
$aben  bei  Sonn  bie  SBtnbmüljlen  begonnen, 
£aben  mir  Firmen  nun  fd)on  feit  $aljren 
Smmer  ibr  traurige^  Sieb  gefponnen. 

@eb'  in  ber  Dämmerung  id)  über  bie  $aibe, 
©tfcen  im  9Jcbel  bie  gräulichen  ©pinnen, 
Sine  §ier,  eine  bort!  gum  Sotenfteibe 
$afpeln  ben  fjfaben  bie  Unljolbinnen. 

©njl  fafj  idj  SWüfyten  an  grünenben  Stauten; 

Sieblidj  befdjattet  üon  Suchen  unb  Erlen, 

©prang  bie  ftoxtW  in  ben  flie&enben  ©djeinen, 

©täubten  bie  SRaber  ^Demanten  unb  perlen. 

1* 


4  «Spetmtoeb. 


9?ofen  unb  helfen  oor  Haren  gcnflcrn; 
duftig  am  ©artentyag  flattert7  ba8  Sinnen; 
Unb  burdj  bie  33üfd>e  oon  »eigen  ©efpenfkrn 
©afy  man  im  SWonbfdjein  ein  $uf  djen  beginnen. 

3)odj  $u  33cr(in,  im  *äft^ettfc^  eroetften, 
3)a  fa§  idj  nagelneu  unb  auf  bad  bcflc 
äuSgefityret  Dom  ©taatSardjiteften 
©ine  gemaltige  normännifdje  93cfle. 

Unb  e8  toar  eine  SDle^tfabrife, 
$odj  unb  $err(id}  mit  3^nncn  unb  türmen1); 
©djäumenb  unb  braufenb  unter  ber  ©rüde 
©efyn  bie  33eriiner  bie  (Spree  tyerftürmen! 


©ottfrteb  Äeller  bradjte  Don  ^ermann  Jpettner  eine  6m* 
Pfeilung  an  eine  litterarifdje  33erüf)mrt)eit,  gräulein  gannt) 
ßeroalb.  ©iefe  war  jebod),  als  er  ftd)  anfd)icfte,  iljr  feine 
Aufwartung  ju  madjen,  ben  Jag  jUDor  uerreift,  worauf  ftd) 
in  iljm  ber  ©igenfinn  feftfefcte,  fürs  erfte  füll  unb  unbefannt 
ju  bleiben  unb  ansunefymen,  ein  anberer  ©önner,  SBarnljageit 
öon  @nfe ,  fei  ebenfalls  abwefenb.  SBäforenb  be§  erften 
2Binter§  befud)te  er  gwar  ben  ©alou  ber  g-anng  fiewalb 
einigemal,  faub  jebod)  ba§  Sxeiben  ber  ©efellfd)aft  unange* 


!)  £>ie  „Sfteuen  ÜRüljlen",  oon  5ßerfiuö  bem  älteren  an  ©teile  ber 
1838  abgebrannten  9Rül)len  gebaut,  Ijeute  $u  einer  Jiliale  be§  9totl)aufe£ 
umgeroanbelt.  23gl.  Öubmig  9ReUftab,  Berlin  unb  feine  nädjften  Um- 
gebungen (1855)  @.  253  ff.  SiefeS  äeüerföe  ©ebicfct,  gebrueft  im 
Seutfdjen  Sftufeum  oon  SR.  Sßrufe  1852  I,  882,  mürbe  oon  tytn  in  feine 
(Sammlung  aufgenommen. 


ßtnjainfett. 


nefym  unb  blieb  wieber  weg.  ©a3  geiftoolle  £au3  ber  Set* 
tina  üerfdjlofe  er  jtd)  fyartnädig.  Umfonfi  fyatte  iljm  33ad)* 
maqr  eine  (Smpfeljlung  üerfd)afft  unb  i^n  bringenb  gebeten, 
er  fofle  jtd)  bieömal  ©etoalt  antljun  unb  Ijingeljen.  Seine 
Mittel  Ratten  aud)  ntdjt  au§gereid)t,  fiel)  in  foId)en  Äreifen 
frei  unb  ftd)er  ju  bewegen,  unb  fo  taudjte  er  für  ben  Anfang 
in  eine  felbftgeroäljlte  ©unfelljeit  unter.  Sein  Umgang  be* 
fdjränfte  ftd)  auf  ba$  abenblid)e  3ufammenfein  mit  SanbS* 
leuten,  meldje  in  Serlin  ftubierten  ober,  wie  einige  junge 
arifiofratifdje  Sßeuenburger,  in  ber  preufeifdjen  Slrmee  bien* 
tot.  Qu  jenen  gälten  ber  fyeute  in  Argentinien  Iebenbe 
Dr.  6t)riftian  ^eufeer,  ber  oerftorbene  fdjmeijerifdje  Sunbes- 
rat  Anbermert,  ber  nadjmalige  Sßorboftbaljnbireftor  StloiS 
©ailer  (geft.  1883),  namentlich  ein  @t.  ©aller  3urtft,  (Sbmunb 
TOoo^eer  (1826-53),  jit  beffen  £od)jeit  ©ottfrieb  tfeller 
ein  grofceä  feltfameS  Sßoem  lieferte.  Am  liebften  ergab  er 
jtd)  aud)  l)ier  nneber  ber  ©infamfeit  ber  9?atur,  bie  er  gerne 
brausen  an  bem  föfyrenumfäumten  SEegelfee  auffudjte,  roo  im 
9Jooember  1850  l>a&  Sieb  entftanb: 

„?ieblid)e8  3aljr,  tote  Warfen  unb  flöten, 
2)ftt  toe^enben  Süften  unb  2lbcnbröten 
©nbejt  bu  beute  Saljn!" 

Ober  er  flaute  ben  auf  bem  trägen  fyluffc  baljinjieljenben 
f,ftillen  2Benbenfd)iffen"  nad). 

©ie  überaus  jaljlreidjen  unb  ergiebigen  Sriefe  au&  biejer 
Seit  gewähren  üollen  ßinblid  in  feine  äufeere  unb  innere 
Sage.  Sie  mar,  baö  erfte  3at)r  abgeregnet,  bie  alte  forgen* 
öotte.  ©ie  befdjeibenen  Mittel  ber  TOutter  moHte  er  Don 
nun  an  nidjt  meljr  in  Anfprud)  neunten,     ©ie  ©ttpenbien* 


6  Sflcuc  Srübfal. 


gelber  üerftegten  feit  1852  ööllig1).  SGBie  öormalS  lebte 
er  wieber  öon  ber  $anb  in  ben  5Kunb.  ©er  im  ganjen 
mäfeige  ©djriftfteHeröerbienft  reidjte  feiten  l)in,  bie  aufge* 
Iaufenen  ©djulben  jn  beefen.  ©aju  famr  bafe  er  aud)  jefct 
nod)  nid)t  ba£  geringfte  Salent  jum  §au$t)alter  befafe.  3ur 
litterarifdjen  £aglöt)nerei  fid)  gu  erniebrigen,  bafür  trug  er 
baS  £aupt  Diel  gu  l)od).  Snbem  er  allen  tonangebenben 
ßirfeln  fern  blieb,  fdjnitt  er  jtd)  felbft  jeglidje  görberung 
burd)  frembe  $roteftion  ab.  ©afür  erwarb  er  ftd)  furo 
gange  Seben  jene  ftolge  fd)riftftellerifd)e  Unabfyängigfeit,  bie 
roeber  nad)  linfS  nod)  redjtö  3ftütfftd)ten  gu  nehmen  braud)t, 
öon  niemanbent  etroa3  öerlangt  unb  niemanbem  öerpflid)tet 
ift,  immer  ben  eigenen  geraben  Sßeg  geljt  unb  für  jeben  freunb* 
lidjen  ©rufe  unempfänglid)  gu  fein  fdjeint. 

©te  ^Berliner  3fal)re  waren  feljr  entbehrungsreiche, 
©ottfrieb  Äeller  ftanb  in  ben  breifeiger  Safyrcn,  ba  man  jid) 
nid)t  mefyr  mit  bem  leidsten  ©inne  ber  Sugenb  über  bie 
flöten  beö  Scbenö  l)inttegtaufd)t.  ®ie  bitterften  SBerlegen* 
fjeiten  unb  bie  bamit  üerbunbenen  ©emütiguugen  peinigten 
iljn   unaufljörlid).     ©eine  roarme  5Watur  erftarrtc  äufeerlid) 


*)  Dr.  Sllfrcb  (Sfdjer,  bamalä  (5rgiel)ung§bireftor,  fd>rieb  iljm  am 
29.  Qftat  1852,  ber  (SrjiefyungSrat  fyabe  nidjt  oljne  ©ebenfen  ben  (SntfdjluS 
gefaßt,  ein  lefeteS  ©ttpenbium  oon  600  granfen  für  ßetter  auSjufefcen. 
£>ie  93el)örbe  fyätte  gern  enblid)  etioaS  oon  ben  ^Bühnenerfolgen  gehört. 
„(5§  loitt  —  fäfyrt  (Sfdjer  fort  —  bem  (SrgieljungSrate  überhaupt  f feinen, 
ba%  (Sie  fic^)  eljer  gu  wenig,  als  gu  Diel  auftauen.  Senn  bie§  auä) 
Sfyrer  S3efcf>eiben^ctt  alle  (Sljre  ma$t,  fo  bürfen  ©ie  auf  ber  anberen 
6eite  nidjt  au§  bem  $luge  oerlieren,  bafj,  roenn  Sljre  (Srgeugniffe  oor 
bem  ftrengen  ©eridjte  Sfyrer  felbft  nidjt  ooüftänbig  beftefyen,  fie  Diel- 
leid)t  beffenungearfjtet  bei  anberen  oiel  mefyr  ©unft  gu  erwerben  ge- 
eignet flnb.  2Bir  glauben  im  (SrgiefyungSrate,  ©ie  follten  mit  Sfyten 
S>i$tungen  etroaS  gperficfytlictyer  unb  mutiger  ans  SageSlidbt  treten.* 


Sflcuc  Srubfal. 


meljr  unb  meljr,  unb  feinem  SBefen  mifdjte  fid)  immer  aus* 
gefprodjener  jener  ßug  bitteren  3ngrimmS  unb  rauher  ©djroff* 
fyeit  bei,  ber  ifym  geblieben  ift.  2)aS  ©efdjitf  fyat  iljn  freilidj 
mit  entfpredjenber  £ärte  befyanbelt.  9Kel)r  als  einmal  ftanb 
tf)atfäd)lid)  ber  nadfte  junger  öor  feiner  Sf)üre.  ©anj  wie 
öor  geljn  Sauren  in  TOündjen.  §unbert  aubere  Ratten  öor 
biefem  (Slenbe  bie  2öaffen  geftredft.  Heller  fd)leppte  fid)  ftetS 
weiter  burd)  feine  Srübfal.  3n  einem  an  ben  SBiener  Sitteratur* 
Ijiftorifer  (5mü  Äul|  gerichteten  Sriefe  aus  bem  @nbe  ber 
ftebenjiger  3aljre  ift  eine  bewegte  ßrinnerung  aus  biefen 
Sagen  ber  9£ot  niebergelegt.  (JS  war  ungefähr  im  gwetten 
Safyre  feines  berliner  Aufenthalte,  er  felber  bereite  in  gute 
©efellfdjaft  eingeführt,  (SineS  SlbcnbS  befafe  er  nod)  bare 
fünf  @rofd)en,  als  it)n  ein  5Mlbl)auer  (woljl  ^ermann  §etbel) 
in  bie  SBagnerfdje  SSierftube  abholte,  wo  allerlei  litterarifdje 
Stabilitäten,  unter  ifynen  aud)  9Reld)ior  5Ke*)r,  beifammen 
fafeen.  ÄeUer  trug  blofe  ©orge,  bafe  er  nod)  einen  ©rofdjen 
übrig  behielt,  um  ftd)  jum  Unterhalt  für  ben  nädjften  Sag 
ein  33rot  laufen  ju  fönnen.  3tid)tig  gef)t  er  am  folgenben 
SKittag  mit  feinem  ©rofdjen  in  einen  grofeen  33äcferlaben  ber 
9tod)barfd)aft;  bie  elegante  33äcferStod)ter  befielt  benfelben 
uerädjtltd)  unb  fagt:  r/ber  wirb  nid)t  genommen!"  ©ie 
ÄeHnerin  oom  vorigen  Slbenb  fyatte  tfym  einen  verrufenen 
®röfd)ling  herausgegeben.  S)er  hungrige  mufete  fein  SSrot 
wieber  Einlegen  unb  ftd)  tief  befdjämt  aus  bem  Saben  weg 
fd£)leid)en.  @r  braute  ben  Sag  ofyne  ©peife  ju  unb  fafy  ftd) 
bann  am  folgenben  SRorgen  bod)  genötigt,  ©elb  gu  borgen; 
was  übrigens  leidjter  öon  ftatten  ging,  als  er  geglaubt 
^atte/ 

©er  ofynefyin  befümmerten  SJfutter  fud)tc  er  feine  2age 


8  tfranfyett. 


fo  lang  als  möglid)  3U  oerf)el)len  unb  verfiel  babei  auf  bat 
graufamen  SluSroeg,  jeitwetlig  gar  nichts  öon  ftdj  frören  ju 
Iaffcn.  9?id)t  blofe  auf  TOonate  ober  Ijalbe  Saljre  md)t: 
einmal  blieb  er  faft  jtoet  3aljre  lang  ftumm  für  baS  9Rutter= 
^erj.  2öa£  follte  er  fdjreiben,  ba3  biefeS  md)t  nod)  meljr 
befdjwert  tjätie?  ©o  mufete  benn  bie  arme  Srau  etma  oon 
tyeimfeljrenben  3ünd)er  ©tubenten  ju  erfahren  fudjen,  ob  ifyr 
©ottfrieb  nod)  lebe;  ober  fte  ging  bei  feinen  greunben  fyerum, 
um  oon  irgenb  einer  Srieffpur  Äunbe  ju  befommen. 

Um  2Beil)nad)ten  1851  ertranlte  er  ernftlidj  unb  be* 
fanb  ftd)  faft  brei  SJlonate  in  leibenbem  ßuftanbe.  ©ein 
3ürid)er  gfreunb  ,  ber  in  SSerlin  ftubierenbe  Gljriftian 
£eufcer,  ftanb  it)m  jefct  rote  fpäter  roatfer  jur  Seite.  Sin 
einem  ber  legten  Sage  be3  forgenoollen  3aljre$  fefcte  er  ftd) 
enblid)  fyin,  an  bie  SJlutter  gu  fdjreiben.  @r  braute  ben 
fflrief  nid^t  gu  ftanbe.  Statt  beffen  löften  ftd)  au£  ber  ge= 
preßten  Sruft  bie  ergreifenben  -Kerfe,  bie  man  unten  abge* 
brudft  finbet.  6ec$)$  SBodjen  fpäter  würbe  ber  »rief  (SRr.  66) 
enblid)  fertig.  6r  oerfudjte  e£,  benfelben  mit  einigem  £umor 
ausstaffieren.  Slbcr  man  fteljt  roieberum  bie  S^^re  im 
8luge  blinfen. 

SBäfyrenb  be3  erften  3al)re£  öerfefyrte  ÄeHer  aufeer  mit 
ben  genannten  SanbSleuten  faft  nur  mit  bem  gleichaltrigen 
öfterretd)ifd)en  ©ramatif er  Sodann  9iepomucf  S3ad)mat)r, 
auf  ben  bamalä  Dieler  äugen  eraartungSöoll  geridjtet  waren1). 


l)  $gl.  G.  oon  SBurabad),  33iograj)l)iföe8  Sepfon  beS  äaifertumS 
Dfterreid)  14,  386.  —  S3ad)tnai)r  an  ©.  äeUer,  Seidig,  8.  ©eg.  1850: 
,,3d)  Derließ  93erlin,  oljne  oon  Sfynen  nod)  einmal  orbentiid)  &bf$ieb 
genommen  unb  3^nen  für  bie  freunbfdjaftlid)e  unb  roaljrljaft  tooljl- 
tljuenbe  Seilnafjme  an  meinen  ©eftrebungen,  für  bie  IiebeooHe  9to3)fid)t 


33a$mat)r. 


©erfelbe,  Don  §au§  au$  3urift,  fam  nad)  Serlin,  um  fein 
fdjöneS  Ürauerfpiel  „®er  Sranf  ber  SBergeffenljett"  auf  bie 
Süljne  gu  bringen.    Lettner  ^atte  il)n  an  ßefler  gemiefen. 


mit  meinem  gerabe  jefct  fo  unruhigen  SBefen  f)er$lid)ft  gebanft  ju  fjaben. 
SRefjmen  ©ie  biefe  wenigen  Seilen  al§  33ewei§,  wie  fefyr  id)  Sfyten  Um- 
gang au  würbigen  unb  Sfyte  greunbfdjaft  ju  fd)äfcen  weif*,  ©ie  Ijaben 
mir  wieber  bewiefen,  bajj  ein  poetifd)er  2Renfd)  nur  wieber  oon  einem 
poetifd^cn  ÜRenfdjen  am  leidjteften  oerftanben  unb  in  feinem  geljelmni§» 
oolljten  ©$öpfung§afte  begriffen  werbe.  2Benn  mein  Sßrobuft  bie  2ln- 
erfennung  finbet,  bie  iljm  trofc  aß  metner  bisherigen  frudjtlofen  8e- 
müljunge'n,  e§  auf  bie  33üf)ne  ju  bringen,  nod)  in  SluSfidjt  fteljt,  fo  Ijab' 
id)  allen  ©runb,  mir  ©lüdf  ju  münfa^en,  bafj  ein  poetifdjeS  unb  ge* 
funbeS  $luge,  wie  ba&  Sfytige,  eS  injwifdjen  mit  fotriel  Seüna^me  be- 
trachtete.   3$  Ijoffe,  bafj  mir  un§,  wenn  nidjt  wieber  in  SBerlin, 

freilief)  in  SGöien  wteberfeljen  roerben.  arbeiten  ©ie  inbeffen  mader 
brauf  lo3!  3$  freue  mia),  3*)ten  Vornan  unb  bie  neueren  ©ebidjte  31t 
lefen."  (£benberfelbe  fdjreibt  am  11.  Sanuar  1851  oon  SGßien  auS:  — 
—  „3$  erfudje  (Sie,  bie  paar  @ilbergrofa>n,  bie  ©ie  mir  ncd)  fdjulbig 
ju  fein  glauben,  gur  SBeaaljlung  be§  93riefporto8  [^aa^fenbung  oon 
^Briefen]  oermenben  ju  wollen,  meil  id)  beforgen  mu&,  ©ie  ju  beleibigen, 
wenn  id)  Sfynen  biefermegen  ©elb  fdjicfen  wollte.  (58  fdjmerjt  mid), 
wenn  ©ie  glauben,  id)  wäre  im  ftanbe,  ©ie  ber  geringften  uneblen 
£anblung§meife  fäf)ig  ju  galten,  weil  id)  ©ie  für  einen  S)ia)ter  Ijalte 
unb  felbft  bafür  gehalten  fein  möa^te.  S)ie  erbärmlidjfte  Überlegenheit, 
bie  e8  geben  !ann,  ift  bie  be§  ®elbe£.  Söenn  id)  ladjen  mufjte,  al§ 
©ie  mir  „mit  jungfräulidjem  (Srröten  im  üerfdjämten  Slngepdjt1'  am 
legten  Sage  unfereS  3ufantmenfein3  Unter  ben  Stuben  Sfyre  ©elboer* 
legenfjeit  einbefannten,  fo  oergeffen  ©ie  ntd)t  bie  3ronie  be§  ©d)icffal§, 
bie  in  jenem  Stugenblidfe  mit  un3  iljr  ©piel  trieb  unb  ©ie  bei  Sfyrer 
©ewiffenfjaftigfeit  erröten  unb  mid)  bei  meinem  $etd)tfinn  lachen  madjte. 
3d)  beforgte  nämlid)  erft  fpäter,  bafc  ©te  mir  mit  ber  jebem  ea^ten 
$>ttt)ter  eigenen  (5mpfinblid)feit  f)icr  in  ©ebaitfen  etma§  unterf Rieben 
mürben,  xva%  meinem  2Befen  nid)t  gur  (Sljre  gereidjen  bürfte.  3d)  weife 
nämlid)  nidjjt,  erröteten  ©ie  erft  über  mein  Öadjen  ober  fdjon  früher; 
id)  weif}  nur,  bafj  id)  über  3fyr  Erröten  fe^r  balb  ernft  geworben  war. 
3ft  ein  S^aler  fo  Diel  2öorte  wert?  ©ie  Ijaben  aber  bie§mal  oielleia^t 
otel  ©elb  für  mid)  auszulegen  —  barf  ta^  bitten,   mir  aua;  ba§  nidjt 


10  SBacfyma^r. 


33ad)mat)r  griff  ba3  2Ber!  mit  beinahe  gubringlidjer  33etrieb= 
famfett  an.  @r  Iedjjte  nad)  8tut)m,  lief  allen  Äritifern  nad): 
öon  ©erüinuS  roanbte  er  fid)  nun  an  9tötfd)er  unb  Äoffaf  unb 
fud)te  fid)  mit  ben  ©djanfptelern,  fo  mit  ©effoir,  auf  guten 
grufe  ju  ftellen.  2llte§  war  umfonft.  3"  @nbe  9ioöember3 
1850  »erliefe  er  33erlin  unb  fetyrte  über  Seipjig  nad)  2ßien 
3urudf.  ©ort  geriet  er  in  $änbel  mit  ßaube  unb  mit  gnebriejj 
Hebbel,  ber  ben  „Sranf  ber  SBergeffenfyeit"  öffentlid)  für  I)trn* 
öerrüdft  erflärte.  Lettner  unb  Äeller  legten  jmei  blanfe  Sanjen 
für  ba§  angegriffene  (Stüdf  ein.  ©in  jmeiteö  Srauerfptel, 
„Äönig  SUfonfo"  (1860),  fiel  ebenfo  fiangloS  ber  »ergeffen* 
f)eit  anfyeim.  3m  Sommer  1864  madjte  ber  Unglficfltdje, 
nadjbem  fein  Streben  ööllig  gefdjeitert  mar  unb  aud)  feine 
(Sljre  ©djaben  gelitten  Ijatte,  allen  fieiben  ein  freiwilliges 
(Snbe.    @r  foll  fid)  in  bie  S)onau  geftürjt  fyaben. 

©ottfrieb  ÄeKer  befugte  im  erften  %at}xt  etma  eine 
SBorlefung  ber  Untöerfttät:  fo  Ijorte  er  2Bill)elm  ©rimm  ein* 
mal  über  ben  „Sroein"  lefen;  3afob  ©rimm  im  roftbraunen 

3U  üerfdjroeigen?"  Unb  im  ÜRai  1851:  ,,3d)  fdjicfe  Sfynen  fjeute  erft 
bie  geroünfdjten  6mpfel)Iung§3eilen  oom  alten  Slrnbt  [Dr.  SuliuS  Slrnbt, 
SBerf affer  ber  (Sdjrift  „2)a§  SBeroufetroerben  ber  3Henfd)I)eit"  1850]  für 
Settina.  3d)  toünfdje  unb  bitte  ©te,  fid)  bie§mal  ©eroalt  an^ut^un 
unb  in  f)öd)fteigener  Sßerfon  ber  berühmten  grau  S^re  Slufroartung  ju 
machen,  ©ie  raeig  oielleid&t  fdjon  burd)  ©rimm  oon  mir,  ber  i^r  gu» 
Dcrläfftg  feljr  nalje  fteljt.  —  —  33>  mufe  erft  erfahren,  ob  id)  blog 
für  meine  Unfterblidjfeit  unb  öar  nid)t  für  mein  SBrot  ju  fdjreiben  fyabt, 
ober  ob  id)  oon  meiner  ©djriftfteHerei  roeber  btö  eine  no$  baä  anbere 
§u  erwarten  habt.  ©eroinuS  f)at  mir  ja  aud)  Hoffnung  gemacht,  roenn 
id)  m\6)  brao  aufführe.  3d)  fycfoi  einen  fer)r  melandjolifdjen,  aber  über- 
aus roof)lroollenben  ©rief  oon  iljm  in  £änben." 

Über  ben  „Sranf  ber  SBergeffenljeit"  ogl.  aud)  gr.  Hebbels  Sage» 
büdjer  2,  346. 


@cfyerenberg.  11 


SRocfc  begegnete  er  faft  alle  Sage  im  Tiergarten  auf  feinen 
einfamen  ©ängen.  @r  merlte  jtd)  aud)  bie  ©tunben  an,  in 
benen  SRanfe,  SRaumer  unb  Sepftuö  ifyre  33orIefungen  ju  galten 
pflegten. 

©d)on  badete  er  baran,  öon  bem  märfifdfyen  ©anbljaufen 
roegjulaufen,  unöerrid)teter  ©inge  fyeimjufeljren  unb  fpater 
öieHeidjt  in  ©reSben,  in  SBien  pd)  umjufeljen,  als  er  unöer* 
Ijofft  in  eine  9Rännerge[eIIfd)aft,  ber  er  manche  geiftige  fjför* 
berung  üerbanfte,  Betritt  fanb.  3m  Sommer  1851  mürbe  er 
mit  bem  auf  ber  £öfye  be3  SftufymeS  fteljenben  ©dfylacfytenepifer 
(Sljnftian  griebrid)  ©djerenberg  (1798—1881),  bem 
Sinter  t>on  „Signij",  „Sßaterloo"  unb  „geutljen",  befannt. 
ffierfelbe  !am  bem  grembling  mit  oäterlidjem  SBoljlmollen 
entgegen,  wofür  biefer  bamalö  nod)  gerne  geneigt  mar,  feinen 
33efd)fifcer  für  einen  ber  erften  Poeten  ber  3^it  gu  galten, 
©djerenberg  oerfal)  bie  nichtige  ©teile  eines  UnterbibliotljefarS 
im  ÄriegSmtmfterium.  $egafu£  befanb  ftd)  fefyr  im  3odj 
ober  melmeljr  —  mie  ifyn  Fontane  föftlid)  fdjübert1)  —  auf 
ber  Ijoljen  fflüdjerleiter,  mo  er  nad)  2lnmeifung  feines  9Sor= 
gefegten  am  einen  Sag  bie  Südjer  oon  red)t§  nad)  linfS, 
am  anbem  öon  linfS  nadE)  red)t£  Ijin  aufjufteUen  fyatte. 
Äetler  fafe  oft  in  ©djerenbergS  patriardtjalifdjer  SBo^nung 
ober  ftapfte  mit  bem  liebenSmürbig  finblid)en,  jmar  etmaS 
tfyeatralifdfyen  $errn  f)inau£  in  bie  ©egenb  ber  legten  Rappel 
bidjt  an  ber  Sßotöbamerbrücfe,  mo  hinter  einem  33retterjaun 
ein  ©artenminfel  verborgen  lag,  in  bem  man  Äaffee  tranf. 
(gS  fonnte  iljm  nid)t  fehlen,  baft  er  aud)  ©djerenbergS  be* 
rüf)mtem  3H)a))foben,  @mil  SßatleSfe  (1823—80),  gugefüljrt 

l)  %f)tobox  gontane,  (Sljrifttan  griebriety  ©djerenberg  unb  baä 
litterarifetje  Berlin  öon  1840  bt§  1860  (Berlin,  2B.  £erfc  1885). 


1*2  SPaUeSfe. 

würbe,  u.  a.  einer  SBorlefung  oon  „Seuttyen"  burd)  biefen 
Stecf  ebenbürtigen  SRecitator  beiwohnte.  @r  erinnerte  ftd) 
ein  93terteljal)rl)unbert  fpäter  nod)  mit  ©enufe  an  bie  Doli* 
enbete  SBtebergabe  be£  ,,2Bintermärd)en§JJ.  ßbenfo  naljm  er 
Sntereffe  an  SßaHeSfeS  eigenen  bramatifdjen  ©idjtungen,  fo 
an  „Äönig  3Ronmout^,lr  ben  jener  im  engen  greunbeSf  reife 
öortrug.  811S  ber  JR^apfobe  fpäter  im  Söjüringerroalbe,  in 
3d)ter§l)aufen  bei  ©rfurt,  fid)  anjtebelte,  ermunterte  er  Äefler, 
biefer  möge  ebenfalls  in  bie  iRälje  gießen,  nad)  Slrnftabt  ober 
©effau,  roo  man  bann,  ba  ©uftaö  §ret)tag,  SBillibalb  älejriS 
unb  griebrid)  SJobenftebt  nid)t  roeit  entfernt  wohnten,  eine 
poettfdje  Äolonie  bilben  fönnte.  „Sie  jtnb  —  fdjrieb  er  i^m 
—  ber  eingige  Don  allen  mir  befannten  ©intern,  ber  nid)t  bie 
gefamte  beutfdje  Brunft  allein  nerfpeifen  will,  unb  ba&  ift 
für  unfer  einen,  bie  nod)  in  miferablem  ©uufel  ftetfen,  feljr 
tröftlid)."  $afles!e$  fpätereS  ©djitlerbud)  mar  unferm  ©id)ter 
fet)r  fompatfyifd),  unb  al§  jener  im  £erbft  1875  auf  feiner 
•Bortragöretfe  aud)  Süxid)  berührte,  mürbe  bie  alte  Sefannt* 
fdjaft  erneuert,  ©ottfrieb  ßefler  mibmete  ifym  bamalä  gur 
Qanfüljrung  einen  frönen  SSuffafc1),  öon  bem  SßalleSfe  Ijodjer* 
freut  befannte:  ,,©a3  ift  benn  freilid)  feine  JReflame,  fonbem 
ein  $z\\gn\$,  &a*  m*r  nieftt  in  ber  glut  neuer  ©tunben  unb 
Sage  üerloren  geljen  wirb,  ©a3  foH  man  in  meinem  9le* 
frolog  einmal  abbruefen,  unb  meljr  braud)t  nid)t  brin  gu 
fteljen,  bamit  id)  fanft  barauf  fd)lafe." 

Sluf  eine  3e*l  oerfammclte  jid)  jeben  ©ienftag  Slbenb 
in  ber  SBofynung  beö  Äangleiratö  9Hard)  an  ber  s3Jtattl)äifird)= 
ftrafee  eine  Heine  ©efellfcfyaft,  bie  bei  einer  Stiffe  !£ljee  über 

')  S)erfelbe  ift  mir  erft  feit  Verausgabe  ber  9tad)Qelaffenen  ©Triften 
befannt  getoorben.    (5.  Slnfyang. 


£.  ü.  Drelli.  13 


Jhmft,  2Btffenf$aft  unb  $olitif  fid)  unterhielt l).  ©eueren* 
bergr  griebberg  ((Sbuarb,  ber  ©tabtrat,  ber  33ruber  be§ 
nochmaligen  preufeifdjen  SuftijminifterS),  Slffeffor  £ierfemengel 
u.  a.  geborten  tljr  an.  2lud)  ©ottfrieb  ÄeHer  mürbe  l)ier, 
öermutlid)  burd)  ®d)erenberg,  eingeführt.  6r  lernte  ba  feinen 
originellen  SanbSmann  £etnrtd)  oon  Drelli  (1815—1880) 
fennen.  ©ie  beiben  Qüxxijtx  pnb  fid)  inbeS  nid)t  näljer  ge* 
fommen.  DreHt,  aus  einer  ariftofratifdjen  Sfamilie  Ijeroor* 
gegangen,  feinem  ganjen  SEBefen  nad)  t>ornel)m  fonferüatiö, 
baneben  ein  ebler  6ntl)ufiaft,  mt)fttfd)  angefyaudjt,  ^atte  in 
©öttingen,  bann  bei  ©aöigni)  in  Serlin  juriftifcfye  unb  ftaats* 
ttriffenfdjaftlidje  ©tubten  betrieben  unb  lebte  feit  1844  ununter= 
brocken  bis  ju  feinem  Stob  als  freier  ©elefyrter  in  fdjeuer 
Surücfgegogenljeit  in  SSerlin.  3lllem  Srotberufe  grunbltd)  ab* 
geneigt,  nadj  unb  nad)  gänjlid)  mit  bem  norbbeutfd)en  2Befen 
t>enoad)fen,  roanbte  er  ber  Heimat,  bereit  3uf*än&e  ^m  iu 
freie  fdjienen,  Ijartnädfig  ben  SRücfen  unb  vertiefte  fid) 
in  feine  umfaffenben  ©tubien.  DreUi  ift  namentlich  burd) 
ein  Sud),  „S)a§  SBefen  beö  SefuitenorbenS"  (1846),  befannt 
geworben.  6r  war  ein  begeifterter  ©djüler  unb  Sfreunb  öon 
©eroinuS,  ben  JMer  nid)t  leiben  tonnte,  roeber  ben  Sßolitifer, 
nod)  ben  Sitterarljiftorifer.  3u  DretliS  3>ntimen  gehörten 
©djerenberg  unb  ber  fdjroäbifdje  3ftomanbid)ter  unb  2)ra* 
matifer   ätöolf  SBibmann.     ©eine   3rt   ift  in   bem   33ud) 


l)  3ftard)  befugte  Heller  im  (Sommer  1857  in  3ürid),  na$bem 
er  üjn  am  10.  Sluguft  angefragt  fyatte:  „SBor  atten  S)ingen  möd)te  id) 
roiffen,  ob  (Sie  überhaupt  gegenwärtig  in  3ürid)  finb.  3d)  möchte 
nämlidj  nidjt  rote  griebberg  unb  ©djerenberg,   ^ierfemenjel  u.  f.  m. 

bort  geroefen  fein,  oljne  ©ie  gefeljen  gu  Ijabeu. 9fteine  grau  null 

burd)au§  bie  Steife  Don  S^rer  Slnmefenljeit  in  3M6)  abhängig  machen. 
®ic  fe^en,  melden  SRefpeft  meine  grau  nod)  immer  oor  Sfynen  I)at." 


14  Reibet  unb  ©enoffen. 


SHjeobor  gontaneS  über  Sdjerenberg  liebeöoll  gefd)ilbert. 
Unter  bem  9iameu  §einrid)  oon  ßffert  erfd)emt  er  in  2Bib* 
mannS  Stoman  „3)er  Sanuljäufer"  (1850). 

3e  meljr  fein  gefenfdjaftlicfcer  Ärete  ftd)  erweiterte,  befto 
locferer  rourbe  ÄeHerä  gfreunbfdjaft  mit  bem  guten  Scheren- 
berg.  3"  feinen  näheren  ^Berliner  Srreunben  gäljlte  oor* 
güglid)  ber  SUbljauer  ^ermann  £etbel  (1810—65),  ein 
©d)üler  ©d)roantl)aler§,  ber  ©d)öpfer  ber  £änbelftatue  in 
£atle,  eine  ernfte  Äünftlernatur  unb  ein  9Jtoim  oon  Haf ftfdjer 
Silbung,  namentlich  aud)  burd)  bie  Umrifoetdjnungen  ju 
©oetljeS  „SP^Ö^nie"  befannt.  5Wit  tt|m  blieb  Äefler  nad) 
feiner  £etmfel)r  einige  ^aty*  fyinburd)  brieflich  in  Serbin- 
bung1).  3«  §eibel£  Umgebung  bewegten  ftd)  bie  IBrüber 
5Jia;r  unb  grebor  3agor,  Unterer  ber  befannte  JReifenbe  unb 
SScrfaffer  gefd)äfeter  Steiferoerfe,  ber  $iftorifer  2lbolf  £elffe* 
rid),  ber  üielfeitige  geniale  S£f)eobor  ßaltbe,  ber  SHuftfer  SBier* 
Hng,  Dr.  ©tort,  Sibliotfjefar  Dr.  Srunö,  2lrd)ttcft  @buarb 
Äaempffer,  ^aitptfad)lid)  aber  Dr.  ©uftaö  ©iegmunb,  mit 
Äeller  fdjon  feit  1844  oon  3"rid)  Ijer  befannt,  unb  ber  Sftro* 
nom  Slbolf  $irfd).  3m  „JfapsÄetler",  in  ber  2ßeinl|anblung 
t>on  $apa  Biquet  an  ber  Sägerftrafec  ober  im  „©d)roeren 
SBagner"  traf  man  ftd)  jiemlid)  regelmäfeig.  Sluf  alle  madjte 
ber  ©djroeijer  $oet  einen  nad)l)alttgen  ©inbruef. 

S)a3  erfte  litterarifdje  ©efd)äft  in  Serlin  mar  barin 
beftanben,  bafe  er  feinem  r/®rünen  Jpeinrid)"  bei  SBteroeg  in 


l)  ^ermann  £eibel  an  ©.  tfeller,  13.  3Rat  1856:  ,;*öir  Ijaben 
frfjon  roodjenlang  öortrefflic^eö  grütylingSroetter,  unb  £elfferid)  unb  id) 
befugten  fleißig  ben  S3ocf  auf  bem  tfreuaberg  unb  badjten  Sfyrer  jebe§» 
mal  —  bejonberä  bei  ber  Sftalefijftiegen!"  8eiber  gelang  e§  mir  ni$t, 
ben  ©riefen  tfellerS  an  £eibel  auf  bie  (Spur  gu  fomtnen. 


2)ramatifd}e§.  15 


Sraunfdjweig  einen  Verleger  gefudjt  unb  gefunben  Ijatte. 
©exSrucf  be£  bamalS  erft  gum  Keinen  Seile  mebergefdjrie* 
benen  IBudjeS  foflte  auf  feinen  bringenben  SBunfd)  unoer* 
güglid)  beginnen,  ©aöfelbe  laftete  feit  Sauren  auf  if)m,  unb 
er  glaubte  an  feine  9J?öglid)feit  weiteren  frifdjen  gort- 
fdjreüenS,  fo  lange  biefe  fflürbe  nidjt  abgeworfen  war.  ©a£ 
9tteberfä)reiben  unb  2lbfd)licfecn  beS  3Roman3  follte  i^m  eine 
Quelle  großer  ßeiben  werben. 

@r  war  gunädjft  mit  ber  auSgefprodjenen  2lbftd)t  nad) 
Serlin  gefommen,  eine  grofce  SBüfyne  fennen  gu  lernen,  eine 
2tajal)l  bramatifdjer  Entwürfe  gu  (Snbe  311  führen  unb  bie 
fertigen  Städfe  wenn  möglid)  gleid)  auf  ba£  Sweater  gu 
bringen.  <5r  fanb  biefe  feine  £auptunterrid)t£anftalt,  bie  er 
freilief)  feiner  Armut  wegen  nidjt  fo  fyäupg  befudjen  tonnte, 
als  er  gewünfdjt  Ijatte,  giemlid)  üernad)läfjigt.  9iad)  feiner 
ÜKeinung  fehlte  es  an  einer  funftoerftänbigen  ßeitung,  e§ 
fehlte  an  Äünftlern,  einige  wenige  routinierte  ©arfteller  au£= 
genommen.  S)a£  war  wemgftenS  ber  erfte  (Sinbrucf,  ben 
er  aus  ben  Aufführungen  be§  „fandet",  ber  „9Jtaria  9Kag* 
balena"  oon  Hebbel  empfing.  3*n  ©djaufpieHjaufe  Ijörte  er 
nad)  unb  nad)  bie  gange  Steige  ber  flafjifcfyen  £>id)tungen 
t>on  ©Ijafejpeare,  ©oetlje,  ©djiller,  ebenfo  manches  frangöjifdje 
S)rama.  Am  intereffanteften  waren  il)m  bie  beiben  ©aftfpiele 
ber  genialen  3ftad)el.  ©in  greibiUet,  baS  tym  nad)  SaljreS* 
frift  üon  ber  Sntenbang  angeboten  würbe,  lehnte  er  trofc 
feiner  ärmlidjen  Sage  ab. 

©eine  erften  berliner  Sriefe  an  ^ermann  Lettner  bilben 
eine  f ortlauf enbe  Abljanblung  über  bramatifdje  unb  brama* 
turgifdje  ©inge  unb  finb  iljrem  Snfyaltc  nad)  fo  bebeutenb, 
ba&  Lettner  gange  Abfdjnitte   aus  benfelben  in  fein  23ud) 


16  £ramatiföe  (Entwürfe  uon  1844 — 49. 

„SaS  moberne  ©rama"  aufnahm,  überhaupt  gerne  befannte, 
bafc  bie  ©djrift  eigentlich  ein  Ergebnis  gemeinfdjaftltdjer 
Unterhaltung  barfteüe. 

@d)on  in  £eibelberg  oerfügte  Äeller  über  einen  Keinen 
Sßorrat  fetterer  unb  tragifdber  33ül)nenfioffe,  t>on  früheren 
unreifen  Suflenboerfudjen  gängltdj  abgelesen.  6ine  namenlofe 
bramatifcfye  ©jene  oofl  realiftifdjer  Äraft  aus  bem  3aljre  1844 
—  fte  mag  „Sie  ftlüdjtlinge"  Reiften  —  tyatte  er  unfertig 
liegen  laffen.  ©ie  politifdjen  3uftänbe  feiner  £eimat,  fyaupt* 
fäd)Hd)  bie  Berufung  ber  Sefuiten  nad)  Sujern  unb  baS 
Serratien  ber  fonferöattoen  Reformierten  ju  biefem  (SreigniS, 
oeranlafete  einen  feefen  pllegonfd)*fattrifd)en  @d)wanf, 
ber  jtd),  ebenfalls  unüollenbet,  auf  einigen  üergilbten  Sogen 
beS  9Zad)laffeS  gefunben  fyat.  @r  gehört  jebenfaßS  gu  ben 
wertvolleren  bramatifdjen  Reliquien  unb  bürfte,  nad)  ben 
Staffelungen  ju  urteilen,  etwa  aus  bem  3al)r  1846  ftammen. 
@S  fallen  namlid)  beutltdje  £iebe  auf  bie  bamalige  fat^olifdtje 
@cfd)id)töf d^reibung ,  auf  bie  Stellung  ber  ©rofemädjte  gur 
(Sdjweij  u.  f.  w.  9Jlit  bem  SBolfe,  baS  fid)  unter  bie  ©djlaf* 
müfce  legt,  jinb  ofyne  3^eifel  bie  fcfjweijerifcfyen  Äonferoattoen 
gemeint,  meiere  bie  Slugen  ber  broljenben  ©efa^r  gegenüber 
fd)loffen  unb  nid)ts  oon  energifd)en  5)ia&regeln  gegen  bie 
Sefuitenpartei  wiffen  wollten,  äufeerorbentlid)  originell  ift 
ber  Prolog  mit  feinen  Ijeroorragenben  bid)terifd)en  @d)ön* 
Reiten.  1849  griff  Äeller  ben  Stoff  nochmals  in  anberer 
erweiterter  SBeife  an.  @r  wollte  ben  ganzen  Verlauf  jener 
grofeen  Bewegung,  bie  Don  ber  fllofterauffyebung  gur  Sefuiten* 
berufung  unb  jutn  ©onberbunbe  führte,  in  ein  ©rama 
äufammenf äffen,  über  welches  jwar  nur  ungenügenbe  Sin* 
beutungen    oorliegen.     3luS   benfelben    ergibt  pd),    ba§  bie 


„Sfcerefe"  1849.  17 


Hauptfiguren  ber  eljrlidje  ultramontane  33olf$mann  Sofef  2cu 
unb  bcr  weniger  fempatljifdje  Sujerner  @d)ultf)eiB,  @iegmart= 
SMüUer,  auf  freijtnniger  (Seite  (Sajtmir  $ftffer  unb  Dr.  Ro- 
bert Steiger  fein  foltten.  £>ie  Sefuitenberufung  uon  1844, 
bie  greif d)aren jüge,  2eu$  Gmnorbung,  enblid)  bie  ftegreid)e 
Sftieberwerfung  be$  <Sonberbunbe3  wäre  wol)l  in  bie  §anb* 
lung  fyineingejogen  worben. 

2lu3  £eibelberg  braute  ÄeHer  ferner  jwei  18491)  mit 
fiiegenber  geber  Ijingeworfene  Slfte  be£  SrauerfpielS  „%\)t* 
refeJJ  mit.  2lud)  fte  blieben  furo  erfte  ruljen.  ®aö  ©anje 
follte  burd)  nod)  ju  erlangenbe  SüfynenfenntniS  erf)öf)te  tf)ea* 
tralifdje  gärbung  erhalten. 

SBieberljolt  öerjtdjerte  er  ben  teilneljmenben  §ettner,  er 
fönne  \><x§>  @tüdf  jeben  2lugenblidf  fertig  madjen.  Suöerpd)tUd) 
hoffte  er  aud),  mit  bemfelben  beim  Äöniglidjen  @d)aiifpiel= 
fyaufe  anjufommen.  9?ur  f)egte  er  3roeifel,  ob  fein  £>rama  für 
ein  erfteS  auftreten  nid)t  ju  einfad),  ju  wenig  geräufd)t>oll 
wäre.  3^ar  §Wt  cr  ßinfadj^eit,  Shtfye  unb  Älarfyeit  für  ben 
einigen  2öeg,  ber  jur  23ollfommenl)ett  füljre.  (SS  fomme 
im  ©djaufpiele  weniger  auf  Überrafdjungen  unb  fünftlirtje 
33erwidfelungen,  als  barauf  an,  bafe  ber  Sujdjauer  eine  öoll= 
ftänbige  Überftdjt  über  bie  23erl)ättniffe  unb  $erfonen  erlange. 
Sie  reinften  bramatifdjen  (Sr[d)ütterungen  feien  immer  bie* 
jenigen,  weldje  ftufenweife  Dörfer  empfunben  unb  öorauSge* 
feljen  worben.  ©iefen  3Beg  betrat  er  in  bem  auSgefüfyr* 
teften  unter  allen  Entwürfen :  e$  ift  ewig  fdjabe,  baß  er  il)n 
umwUenbet  gelaffen  fyat.  ©en  Stoff  fanb  er  in  ber  gamilieu* 
gefd^ic^te   feiner    SBerwanbten  am    Söndjer  SR£)eine.     S)er 

l)  £ternad)  ift  Me  Saljreäjaljl  1851  in  ben  SRadjgelaffenen 
©djriften  ®.  297  unb  350  ju  berichtigen. 

©ottfrieb  fttUtx.   II.  2 


18  „$l?erefe." 

urfprünglidje    $lan   burd)Iief   üerfdjiebene   ©tufen,    bis   er 

■ 

bie  öorliegenbe  ©eftalt  annahm,  ©er  fdjroerc  Äonflift,  bcr 
baburd)  entfielt  f  bafe  SKutter  unb  Stodjter  einen  unb  ben* 
felben  Sftann  lieben,  ift  mit  ebenfo  grofeer  ßüljnfyeit  ate 
:pft)d)ologtfd)er  SBertiefung  befyanbelt. 

Sfyerefe,  eine  reidje  SBitwe  öon  fedjSunbbreifcig  Sauren, 
bewohnt  mit  iljrer  blüljcnben  SEodjter  ein  SanbfyauS  an 
einem  fyluffe.  (Sine  brofyenbe  §rül)ling§überfd)wemmung,  bei 
roeldjer  iljre  ftdjerc  9tul)e  fid)  erprobt,  begrünbet  bie  @jrpo- 
jition.  hierbei  Ijat  fte  ©elegenfyeit,  bie  überlegene  S^atfraft 
eines  jungen  SngenieurS  ju  berounbern.  ©erfelbe  betritt 
iljr  £auS,  unb  Sfcfyerefe  wirb  öon  einer  unbejtt)inglid)en  Seiben* 
fd)aft  ju  iljm  überfallen,  aber  SRidjarb  liebt  ifyre  Softer 
unb  fommt,  um  3ftö£d)en3  Jpanb  anhalten.  2(uf  foldje  33or* 
auSfejjungen  baut  fid)  ba&  39rud)ftfitf  auf.  SEIjercfe  verliert  bie 
fdjeiubar  unerf  Mütterliche,  auf  bem@runbe  ftrengfterSteligiofttät 
ruljenbe  Haltung  immer  mefyr.  SlUe  @d)ranfen  einer  weifen, 
öon  (Sitte  unb  SReligion  eingebämmten  fiebenSffiljrung  ftürgen 
oor  bem  Sluffcfyrei  ber  Stimme  ber  Sftatur  jufammen.  ©er 
SBerfud),  ifyre  Sodjter  jur  (äntfagung  ju  jwingen,  mißlingt. 
Slm  Sßfingftmorgen  fud)t  üljerefe  in  ben  beruhigten  fluten 
ben  Stob. 

3d)  glaube  ganj  ftdjer  gu  geljen  mit  ber  SBeljaiiptung, 
bafe  bem  ©idjter  für  bie  Anlage  feines  Srauerfpielö  Hebbels 
„'Maria  TOagbalena"  äu&erlid)  jum  s3J?ufter  biente.  ©a§ 
ift  mit  ein  ©runb  für  bie  Slnnaljme  ber  brei  Slfte  (e8  ift 
fdjwer  einjufefyen,  wie  bie  §anblung  bereu  fünf  Ijätte  füllen 
Tonnen).  $ier  mie  bort  bebient  fid)  ber  ©ialog  ber  $rofa. 
©aju  tritt  bie  Übereinftimmung  ber  Äataftropfye,  Job  im 
2Saffer,  unb  bie  2lf)nlid)feit  ber  begleitenben  Umftänbe:  Älara 


„S^erefe."  19 


Betet   bei  Hebbel  ein  SBaterunfer,   $fcl)erefe  fud)t  ba$  2Bort 

ber  (jeiltgen  ©djrift  nod)  einmal  gu  üerftefyen.    Slber  in  6tnem 

fünfte    f)at  Äeller    gum   @d)aben  feines  S3rud)ftficfö   ba§ 

Sorbilb   md)t   erreicht.      SBenn   bie   ©pradje    in    „Sftaria 

SJtagbalena"    nad)    ber    äufeerften   bramatifd)en   Änapp^eit 

ftrebt,  tönt  baä  2Bort  bei  ©ottfrteb  Äeller  in  fyrtfd)er  fflreite 

aus  unb  ergebt  fid)  mit  SBorliebe  im  langen  Monolog.   2lud) 

bie  Sedjnif  ift  nod)  ungeübt.    Slrofc  aller  Unfertigfeit  unb 

allen  SJiängeln  eine$  erften  Saftigen  (SntrourfeS  bebeutet  ba§ 

ftragment   nid)t   nur   eine   roefentlid^e   SSerme^rung  unferer 

Äenntnte  be3  ©id)ter3,  roeldjer  ju  Sebgeiten  roeber  als  ©ra* 

matifer  nodj  üon  ber  Seite  einer  berartig  überfcfyroenglidjen 

©efü^löinnigfeit   befannt    roar,    fonbern    „Sljerefe"    bilbet 

gerabeju  eine  23ereid)erung  ber  ÄeKerfdjen  ©id)tung.    3(ud) 

l)ier  ift  9?aturaliömuöf    aber  Sßoefie  unb  ©djönljeit.     ©a£ 

fingen  t>on  9Jtutter  unb  Softer  gefyt  weit   über  ben  ge* 

toöfynlidjen  ßroeifrauenfonflift  fyinauS.    3e  wzty  SEljerefe  in 

iljrer  Seibenfdjaft  roädjft,  befto  ftärfer  wirb  SftöSdjen  in  ber 

irrigen,    ©er   erfdjüttembe   auftritt,    wo   bie   SRutter   ber 

Sodjter  311  Sfü&en  fällt  unb  iljr  guruft:  „Segnung1  bein  23Iut! 

3d)  ttriß  bid)  auf  ben  Rauben  tragen  unb  rote  meine  TOutter 

üerefyren",  ober  bie  ©djlufefgene  ftnb  oon  roafyrljaft  brama* 

tifdjer  ©röfce.    ©ie  allgu  pafjtoe  Statur  SftidjarbS,  ber  oor 

bem  Äonflift  fogufagen  bie  gludjt  ergreift,  roäre  in  ber  3lu$= 

ffiljrung   rooljl   energifdjer  geftaltet    roorben.      ©ie    büftere 

bürgerliche  Sragöbie  füllte  burd)  ein  fomifd)  fjeitereö  Clement 

eine  freunblidje  SJtilberung  erhalten,   ©ie  feinen  SJemerhmgen, 

mit  benen  ber  ©idjter  bie  oerfdjiebenen  Sßljafen  be$  planes 

begleitet,  laffen  aljnen,  roelcfye  SBoHfommenfyeit  fein  Srauerfpiel 

fjätte  erretten  fßnnen.   Spätere  furge  Anläufe  in  ben  fed)$* 

2* 


20  „Sfcrefe." 


giger  unb  ftebengiger  3<ri)ren,  b^n  ©toff  nod)  einmal  beigu* 
fommen,  fmb  fo  diel  wie  ergebnislos  geblieben,  ©inen 
jüngeren,  nid)t  bebeutenben  ©ntmurf  ber  erften  Auftritte  eines 
erften  2lftes,  fobann  einen  gleiten  ungleich  glücflidjeren 
2lnfa{j  gu  einer  (SingangSfgene,  bicSmal  in  -Kerfen  gehalten, 
finbet  man  im  2fal)ang.  Sie  in  bem  33rud)ftütfe  faft 
burdjgängig  Ijerrfdjenbe  Icibcnfc3t)aftlid£)e  ©efüljlSf eligf eit ,  bie 
pd)  aus  bem  £eibelberger  SiebeSfommer  erflärt,  mag  bem 
2)id)ter  fpäter  fo  gang  unmännlid)  öorgefommen  fein,  bafc  er 
bamit  fyerauSgurücfen  pd)  fdjämte  unb  an  baS  6nbe  feines 
SRanuffripteS  mit  graufamem  ©arfaSmuS  eine  geberjeidjnung 
fejjte:  gmei  fyeulenbe  SBeiber  „frud)tbefd)tt>erten  SeibeS"  ftefycn 
cor  einem  ©ebäube,  baS  bie  2luffd)rift  „obftetrigtfd)c  Sin* 
ftalt"  trägt. 

9Jlan  Ijat  bie  SSüfynennrirfung  beS  gragmenteS  begroeifelt 
unb  geleugnet.  S3ei  einem  erften  ungenügenben,  redjt  eil- 
fertigen 6fperimente,  einer  Slupfjrung  am  ©tabttljeater  in 
3ürid)  am  20.  Sanuar  1893 l),  märe  ber  munberöoHe  SEorfo 
allerbingS  beinahe  gu  Schaben  gefommen.  Sie  unbegreifliche 
SeilnafymSlofigfeit  beS  SßublifumS  unb  eine  unöerftänbige 
fleinlidje  Äritif  fyaben  mefentlid)  baju  beigetragen.  Sefctere 
glaubte  für  bm  nad)  ifyrer  Meinung  fyödjft  gefäljrbeten  Sftuf 
©ottfrieb  ÄetlerS  eintreten  gu  follen.  ©er  ©arfteKerin  ber 
SitelroQe  jebod)  mürbe  baS  Seilen  eines  erften  SfteS  unb 
bie  fiänge  beS  einfejjenben  TOonologS  DerfyängniSöolI.  ©ie 
fiel  mit  ber  SE^ürc  ins  §auS,  b.  t).  fte  legte  gleid)  in  bie 
erfte  ©jene  einen  ©rab  Don  ßeibenfdjaft,  ber  feiner  Steigerung 
uteljr  fäljig  mar. 

')  3ufömmen  mit  S3rüUS  „©olbenem  ^reuj"  unb  einige  Jage 
naä)l)tv  mit  bem  „Serbrodjenen  ßrug"! 


Söcitcre  bramattföe  5ßlänc.  21 

Sei  ©ottfrieb  Heller  tterbrängte  ein  $lan  ben  anbern. 
9tur  Ijielt  bic  2lu§füf)rnng  nid)t  gleidjen  @d)ritt  mit  ber 
Suft  ber  (Srfinbung.  (S§  war  eine  feiner  d)arafteriftifdjen 
6igentümlid)feiten,  ein  SBerf  erft  im  tfopfe  fir  unb  fertig  3U 
mad)en.  2Bar  bieö  gefdjeljen,  fo  fyielt  er  bie  £auptfad)e 
für  getljan.  S)a£  SRieberfdjreiben  fdjien  tym  eine  Äleinigfeit 
ju  fein.  3n  biefer  SBeife  gebad)te  ber  erfinbungSfrolje  Siebter 
eine  l)öd)ft  umfaffenbe  bramatifdje  SBetriebfamfeit  ju  eröffnen, 
©arüber  oerlor  er  fld)  in  träumerifd)e  ?ßroj|eFtmadt)erei.  (Sr 
glaubte,  bie  3c*t  fc*  cor  allem  bem  ßuftfpiele  günftig,  unb 
entwarf  im  3faf)re  1851,  nad)bem  er  nod)  fernen  ein  jweiteö 
Srauerfpiel  (rooljl  „(Sljt,  bie  feltfame  SRagb")  auSgefyetft 
fyatte,  eine  SReiE^c  Don  Äomöbien.  9Jtan  foKte  meinen, 
bafc  bem  fpäteren  großen  ^umoriften  biefeS  ©ebiet  nidjt 
fefyr  entlegen  gewefeu  wäre.  Unfer  Urteil  hierüber  ent» 
befyrt  jebod)  einer  feften  ©runblage:  aus  bem  fpärlidjen 
SRateriale  Iaffen  ftd)  feine  fixeren  @d)lüffe  jiefyen.  9?ur 
Don  bem  einen  biefer  $ßrojefte  ift  eine  umfangreiche  @,r- 
pofitionSfjene  in  boppelter  ©eftalt,  uebft  einigen  33rud)ftücfen 
üorfyanben;  ber  übrige  @ang  ber  .ipanblung  bagegen  ift  nur 
fdjwer  ju  erraten.  2Son  bem  anbern  fennen  mir  lebiglid)  ben 
Stoff  unb  beffen  ßntwidflung:  ausgeführt  ift  md)t  eine  ßeile. 
Seneö  erfte  Suftfpiel  follte  benStitel:  „Sebem  ba£  ©eine" 
tragen.  ÄeKer  blieb  wieberum  in  Anfängen,  bie  ifym  nidjt 
nad)  2Bunfd)e  gerieten,  fteefen.  (Spredjer,  ein  SBitwer,  mnfe 
über  ber  ©rjieljnng  feiner  Sodjter  9Jtarie  unb  einer  -Midjte 
Soljanna  feine  Siebfyaberei ,  bie  Sagb,  entbehren.  3roei 
freier  ftellen  fict)  ein  unb  galten  bei  ifym  um  bie  9Jiäbd)en 
an.  6r  ift  fyerjlid)  frei),  fie  auf  gute  SBeife  loSjuwerben. 
Sie  beiben  Jungfrauen  jeigen  ftd)  bei  ber  Mitteilung,  bie 


22  2>ramatifa)e  Sßlane. 


iljnen  bcr  jooiale  2llte  mad)t,  fefyr  beftürgt.  (53  werben  je  gwei 
äljnlidje  ßtjaraftere  uorgefüfyrt:  bie  ftolge  So^anna  unb  ber 
l)od)ftrebenbe  Sßrofeffor,  baneben  bie  ftille  befdjeibene  5Rarie 
unb  ber  äfynlid)  geartete  3fteinl)arb.  SBenn  id)  red)t  feJ>ef 
wenn  überhaupt  einige  weitere  im  Slnljang  mitgeteilte  33rud)* 
ftüdfe,  nun  plö^Iid)  in  SBerfe  gefleibet,  bem  nämlichen  Sßlane 
angehören,  ftöfet  ftdE>  baS  ©leidje  ab,  baS  Ungleiche  fommt 
fdjliefelid)  gufammen  unb  jebem  wirb  ba°>  ©eine.  ©ie  eine 
©jene,  in  ber  Sfteinljarb  um  So^anna  wirbt,  ift  bem  £eibel* 
berger  ©ottfrieb  ÄcIIer  wie  auf  ben  2eib  gef djrieben1). 

©er  aubere  gleidjgeitige  Suftfpielplan  war  politifdjen 
gn^altö:  ,,©ie  ftoten".  6r  ftreift  bidjt  an  eine  $ojfe. 
(Sin  roter  9Jionard)ift,  alter  ©olbat,  unb  ein  roter  Stepubli* 
faner,  33orftef)er  einer  9Ääbd)enfd)ule,  fteljen  gegen  einanber. 
©er  erfte  wirb  Don  (einer  Umgebung  bafyin  mgftifigiert,  er 
Ijabe  einem  ©tanbgerid)te  uorgufifcen;  bem  anbern  madjt 
man  weife,  er  fei  baö  £aupt  eineö  revolutionären  SribunalS 
geworben.  6iner  verurteilt  ben  anbern  gum  Sobe.  Stadler 
oerf allen  beibe  närrifd)c  Äerle,  ba  fie  bie  Zijat  ooügogen 
warnen,  fürchterlichen  ©ewiffenSqualen,  bis  fte  ftd)  unüer* 
mutet  auf  einfamem  $fabe  begegnen,  ©teilt  man  ftd)  oor, 
wie  bie  beiben  fdjwermütigen  Ferren,  gefenften  SMicfeS  bafyin 
wanbelnb,  plöfclid)  mit  ben  9tafen  auf  einanber  prallen, 
ergibt  fid)  ein  ©djlufeeffeft  uon  unbänbiger  Suftigfeit. 


')  Sofjanna  &app  fdjreibt  ü)nt  am  7.  (September  1852:  „Stafe  Sie 
ein  Suftfpiel  fdjreiben,  glaube  id) ;  aber  nidjt,  bafj  Sie  mir  ben  wahren 
Snfjalt  mitgeteilt  Rotten.  Seit  ber  (Srjäfjlung  ber  <£d)nnber  oon 
SBartenfee  9knfing-5nqrprefftble3  (ogl.  *Rad)gel.  ©Triften  ©.  23)  glaube 
id)  bie  Hälfte  3*)rer  Gqä^Iungen  nidjt  (£S  foütc  mtd)  freuen,  wenn 
id)  aud)  in  einem  Suftfpiel  braudjbar  wäre,  fei  e§  nur  al§  Äarifatur/ 


SDramatiföe  *ßlane.  23 


3n  Serlin  richtete  Äeticr  eine  3*it  tong  (ein  Sfogenmer! 
auf  3eremiaS  ©ottfyelf  unb  gebaute  eine  5Snjal)l  Heiner  (5r* 
jäfjlungen  beSfelben  ju  bramatijteren.  So  jenes  Äleinob  unter 
©ottyelfs  Eichungen,  „@lfi,  bie  feltfame  Sflagb",  bie 
ifjm  an  innerem  ©ehalte  würbig  fdjien,  neben  „^ermann  unb 
Sorottjea"  geftellt  ju  werben.  (SS  follte  ein  SSrauerfpicl 
barauS  entfielen.  6iu  anberer  ift  ifym  jebod)  juDorgefornmen. 
SRofentljal  benufcte  ftillfd)meigenb  einige  wefentlidje  9Jtotioe 
aus  ber  ©ottfyelffdjen  SßoüeHe  für  feinen  „Sonnenwenbljof", 
ben  Äelter  1854  auf  bein  Sljeater  faf).  ©ie  SluSplünberung 
feines  SanbSmannS  unb  baS  alberne  „3e  nun,  fo  bann"  bei 
SKofentfyal,  welkes  baS  fd)wei3erifd)e  „£ennfobe"  fein  foll, 
ärgerten  tyn  fo  unmäfeig,  bafe  er  bie  Sad)e  in  fd)ärffter 
SBeife  an  bie  £)ffentlid)feit  jog1). 

Slufeerbem  fyatte  er  ftdE>  im  £erbft  1852  folgenbeS  notiert: 
„ßuftfpiel  nad)  jwei  ©rjäfylungen  Don  33ifciuS:  ,2Bie 
Soggeli  eine  ?jfrau  finbet'  unb  ,9ftidjelS  SBrautfcfyau'. 
Hauptinhalt:  bie  antife  ©eftalt  eines  fdjlauen  unb  erfin* 
bungSreidjen  SfreierS;  bie  urfprünglid)en  23erf)ältniffe  unb 
Situationen  eines  alten  edjten  3SolfSlebenS  auf  bem  2anbe. 
Äluge  flauen  etc.  ©aS  5ßrooinjielle  unb  Sofale  ift  in  all* 
gemeine  Sßoefte  aufaulöfen."  Slud)  Neroon  fam  nid)ts  ju- 
ftanber  angeblich,  weil  bie  ^Berliner  „Sxüffelfyunbe"  nun 
über  ©otttjelf  Verfielen  unb  ftd)  ifyre  Dpern-  unb  Suftforiel* 
ftoffe  bei  iljm  polten. 

Gnnen  anbern  Stoff,  mit  bem  fld)  ÄeKer  trug,  „SlgneS 
SSernauerin",  fal)  er  burd)  9Jteldjior  SJtegr  unb  fpäter  burd) 
Sriebrid)  Hebbel  auf  baS  Sweater  gebraut.   SSrofcbem  wollte 


')  SBgl.  9ta$gelaffene  ©griffen  6. 163. 


24  2)ramatif($e  $lane. 


er  beibe  gufammen  mit  einem  gleichnamigen  ©tücfe  attafieren. 
@r  fyätte  ben  Stob  ber  §elbin  in  bie  (Sjpofttion  oerlegt  unb 
ba&  tragifd^e  SBüten  be§  ©ofyneö  gegen  ben  SSater  jum 
Hauptinhalte  feine«  SrauerfpielS  gemadjt. 

33ereit£  brangen  feine  3lbftd)ten  in  bie  JDffentlidjfeit. 
£)a§  „©eutfdje  9Jtufeum"  fcon  [Robert  $rufc  braute  am  erften 
Slpril  (einem  fatalen  ©atum)  1854  bie  Sßadjridit,  ©oitfrieb 
Äetler  fyabe  ein  Suftfpiel  ooKenbet.  Seinafye  brei  S^rjetynte 
fpäter  (1881)  fd)rieb  biejer  an  SuliuS  Stobenberg:  „3$ 
füfyre  Don  ber  SBcriiner  3eit  fjer  ein  paar  Suftfpiele  als 
anonyme  Sßaffagiere  im  £irnfaften  mit,  bie  aber  wofyl  nid)t 
mefyr  auSfteigen  werben". 

9iid)t  eines  biefer  Sßrojefte  fyat  ©eftalt  angenommen. 
2Ba§  ifyrer  2Iu£fül)rung  in  ben  2Beg  trat,  mar  bie  Arbeit 
am  „©rünen  £einrid)",  mit  ber  er  ftd)  alle  berliner  3af)re 
Ijinburd)  fd)leppte,  bie  feierlid)  übemommene  33erpflid)tung, 
nidjtS  anbereS  ju  fd)reiben,  bis  ba£  3ugenbbud)  feinen  2ib* 
fdjlufe  erreidjt;  bann  bie  9?ot  be£  SebenS.  ,,3d)  glaubte  — 
fagte  er  eiuft  ju  mir  —  man  müfete  für  fo  n>id)tige  ©adjen 
ben  Sonntag  abwarten  unb  feine  @d)ulben  fyaben."  Qrx 
ben  Umtrieben,  beren  e£  bebarf,  bis  ein  ©tüdf  jur  3lupl)* 
rung  angenommen  ift,  märe  er  aud)  nid)t  ber  SKann  gewefen. 
©nbltcf)  leitete  iljn  t>ielfeid)t  unbewufet  baS  ©efüfyl,  bafe  feine 
©tärfe  bod)  anberSwo  liege. 

ßwar  lehrte  er  fpäter  immer  wieber  ju  feiner  erften 
Siebe  juriief.  £)ie  £eimatluft  follte  biefe  $läne  reifen.  Um 
baS  oiergigfte  ^aijx  fjerum  Ijoffe  er  enblid)  auf  bie  Ijolje 
@ee  beS  S)ramaS  auslaufen,  fdjrieb  er  an  Sfreiligratlj. 
©cn  Anfang  wollte  er  mit  einem  oaterlänbifdjen  geftfdjman! 
machen. 


spätere  bramattföe  Sßlane.  25 

3n  bcm  wafyrljaft  flafftfdjen  auffafce  „Hm  9Jtytl)en= 
ftein"1),  ber  SBefdjreibung  jener  finnigen  ©djillerfeier  am 
llrnerfee  im£erbft  1860,  legt  ©ottfrieb  Äeüer  fein  großartiges 
Programm  oaterlänbifdjer  geftfpiele  oor,  einen  SBorfdjlag, 
beffcn  5Berwirflid)uug  bie  ©djweij  irielleid)t  eben  jefct  ent= 
gegen  geljt.  @r  entwickelt  bie  Sbee  einer  SBüljne,  bie  Dom 
SBolfe  felbft  bei  feinen  großen  nationalen  geften  alle  paar 
3>al)re  einmal  t>or  einer  SBerfammlung  t>on  aeljntaufenb  ernft* 
haften  SRännern  aufgefdjlagen  werbe.  Sei  ben  eibgenöfftfdjen 
ftreifdjießen  fönnte  ber  ©egenftanb  ein  in  ber  gefttjütte 
ober  unter  freiem  £immel  etwa  nadj  Sonnenuntergang  auf* 
jufüljrenber  furjer  ©cfywanf  Doli  Slnfpielungen  auf  l)eimifd)e 
Suftänbe  fein,  ©en  geeignetften  Stoben  für  berartige  ©ar* 
ftellungen  bürften  jebod)  bie  großen  ©efangSfefte  bilben,  ba 
biefe  junäcfyft  auf  bie  fd)önen  Äiinfte  gerid)tet  feien.  %üx 
bie  ©efamtaupljrungen  wären  neue  SJafynen  einjufdjlagen, 
etwa  in  gorm  weltlicher  nationaler  Oratorien,  xoa$,  folcfyer 
Daterlänbifdjer  ©ängermaffen  würbig,  ben  SJeftrebungen 
berfelben  einen  neuen  3nf)alt  oerlie^e.  „SBenn  nun  biefeö 
Jonmeer  erbraufte,  unb  auftaud)enb  aus  bemfelben  eine 
SReiljc  fünffyunbertftimmiger  ,£>albdjöre  einanber  bie  (Srjäl)* 
lung  ober  bie  großen  ^fragen  unb  antworten  einer  5Jiufif 
geworbenen  @tl)if  abnähmen,  fo  wäre  ein  ©ialog  im  (5nt* 
flehen,  ber  feinen  9Jiaßftab  in  nid)t$  Sorfyanbenem  f)ätte,  unb 
bie  Srrage  be3  ©rama§  in  ein  neues  ©tabium  getreten." 
©er  ©id)ter  er^äEjIt ,  wie  man  fid)  in  ßürid)  jum  fd)weije= 
rifdjen  fjreifdjießen  oon  1859  mit  einem  foId)en  33erfud)e 
befdjäftigt   fyabz.      (Sine    bünbige    SHIegorie    in    gereimten 


')  SRa^gelaffene  ©djrtften  ©.  34  ff. 


26  «Spätere  bramatifcfye  Sßlane. 

SBerfen  unb  mit  Diel  §anblung  foHte  olle  Strien  beS  unechten 
Patriotismus  jur  Slnfdjauung  bringen.  5Jlutter  £etoetia 
fyätte  mit  ifyren  ^ö^nen  ftrengeS  ©eridjt  gehalten,  worauf 
biefe  in  ifyrer  3tagft,  um  wenigftenS  einige  Staaten  unb 
Srüdjte  oorjuweifen,  ifyre  Äinber  in  bcn  S£rad)ten  fämt* 
lidjer  Äantonc  herbeiholten  unb  bie  jürnenbe  ©ante  einiger* 
mafeen  befcfywidjtigten.  ©iefer  ganje  $ßlan  fei  infolge  beS 
italienifd^cn  Krieges,  ber  nidjt  nur  baS  geft  in  Sfrage  ftellte, 
beffen  ©d^lac^tcn  üielmel)r  alle  Keinen  Iofalen  Pointen 
abgeftmnpft  fjaben  würben,  unausgeführt  geblieben,  „©ne 
oerjei^lidje  gurdjt  —  jagt  Äeller  —  befdjlid)  uns  Dor  ber 
trocfnen  Äritif  beS  wortfargen  ©d)ü£enüolfeS.  ©enn,  wenn 
biefe  §erren  ben  Sabaf  nidjt  ftarf  genug  fanben  unb  bem 
©pafee  ftillfcfyweigenb  ben  dürfen  lehrten,  fo  war  baS 
fdjlimmer  als  baS  pfeifen  eines  Parterres."  8tafeer  biefen 
Slnbeutungen  liegt  nid)ts  oor,  ©agegen  mufe  baS  eble  fleine 
geftfpiel,  irS)ie  3of)anniSnad)t"  (1876),  freilid)  mtijt 
eine  blofe  bialogifierte  ©jenenreifye,  fyier  wenigftenS  genannt 
werben. 

Sänge  erwog  er  bie  @efd)id)te  Don  ben  S£öd)tern  ÄarlS 
beS  ©rofeen,  bie  tym  für  ein  Dpernlibretto  l)öd)ft  geeignet 
crfd)icnen,  bann  Ijauptfädjlid)  einen  „Saoonarola".  Sub* 
miHa  Sfftng  wies  U)n  1865  auf  bie  ©arfteüung  bei  $aS* 
quäle  SBiUari  t)in,  wo  erwähnt  wirb,  bafe  ftd)  jener  wegen 
unerwiberter  Siebe  in  ben  Drben  ber  ©ominifaner  begeben 
Ijabe.  ©iefe  Quelle  ftubierte  ÄeHer  eifrig  unb  las  aud)  $re* 
bigten  feines  ^eiligen,  ©erfelbe  follte  —  nad)  münblicfyer 
Mitteilung  —  an  einer  Süge  ju  ©runbe  gel)en,  inbem  er  eine 
göttlidje  SKiffton  Dorjdjüfcte  unb  bis  jum  @d)eiterf)aufen  bie 
©ajwifd)enfunft   beS  $immel3   brofyenb  in  2luSftd)t  ftellte. 


(Spatere  bramatifd&e  $Iäne.  27 

©er  Sdjlufeeffeft  Ijätte  fid)  fc^r  tfjeatralifd)  geftaltet:  baö 
0otte§urteil  bcö  Scheiterhaufens  gefyt  uor  ftd),  ein  ©ewttter 
bridjt  herein,  Saüonarola  erwartet,  bafe  bie  gluten  beö 
£immel£  ben  brennenben  £olaftofe  löfdien  werben.  Slud)  gu 
biefem  ©rama  fyat  fiel)  nidjt  ein  SBort  üorgefunben. 

3m  ©ejember  1874  fdjrieb  Äeller  an  (Smil  Auf),  er 
gebenfe  fiberS  3tof)r  mit  bem  @raäf)lung3wefen  abjufdjlie&en 
unb  bann  auf  bem  frifdjen  S£ifd)e  ba§  ©rama  üorjune^men, 
wobei  eö  einzig  barauf  anfomme,  bafe  er  nod)  einige  3^* 
rüjtig  bleibe:  ,,3d)  *)a&e  &en  Aberglauben,  bafe  jeber  irgenb 
einmal  mad)t,  waö  ifym  jufommt,  früf)  ober  fpät,  wenn  er 
nur  leben  bleibt.  Aommt'3  nid)t  baju,  fo  ift'8  aud)  23urft!" 
3njwifd)en  erlebe  man  freiließ,  bafe  biefer  ober  jener  Stoff, 
ben  man  ftd)  aufgehoben,  üon  einem  anbern  aufgefd)nctppt 
werbe.  (9)tofentl)aI.)  (Sin  Stoff,  ben  er  ftd)  alle  jeljn  3a^re 
einmal  aufbaue,  befiele  in  folgenber,  auö  f)ieftger  ©egenb 
überlieferter  ^Begebenheit:  (Sin  SHann  begräbt  feine  gute  grau, 
bie  er  mifeljanbelt  fyat.  Sie  war  fdjeintot  unb  fteigt  in  ber 
9tad)t,  al£  ber  Totengräber  bie  Seidje  berauben  will,  au§  ber 
©rube,  nimmt  bie  ßaterne'beS  gliefyenben,  gefyt  rjor  ifyr  £auS 
unb  jieljt  bie  ©lodte.  ©er  rud)Iofe  TOann  ftöfet  fte  in  ba§ 
Unwetter  IjinauS.  -ftad)  langem  Umherirren  finbet  fte  ben, 
ber  fte  längft  liebt  unb  rettet.  Sflun  Ijabe  Sofef  SBeilen  in 
feiner  ,,©olore3"  ba$  foloffale  ffyafefpeareljafte  SKotiü  benufct, 
baSfelbe  jebod)  l)öd)ft  unbramatifdj  lange  üor  ben  Seginn 
ber  ^panblung  oerlegt.  ©iefe  aufeerorbentlid)  wirljame  gabel 
benannte  Äeller:  ,,©ie  ^ßrouenjalin".  ©abei  gab  er  iljr 
bie  SBenbung,  bafe  bie  tot  geglaubte  grau,  eine  Sdjaufpielerin, 
iljren  9Kann  wieber  jn  gewinnen  fud)t,  inbem  biefer  bie  im 
Sfjeaterfoftüm  au3  bem  ©rab  §eimfeljrenbe  nid)t  aus  ©rau* 


28  fcefcte  brcunotifdje  Sßlane. 

famfeit,  fonbern  im  SBatjn,  ein  ©efpenft  gu  fefyen,  Der* 
flogen  fyatte. 

Seit  9teujal)r  1884  war  ©ottfrieb  ßeller  auf  3  neue  mit 
bramatifdjen  planen  befd^äftigt.  „©ie  ©toffe  fallen  mir  t>on 
aKen  Seiten  gu",  pflegte  er  gu  fagen.  SBorfäHe  aus  bem  Saljr 
1878,  bie  in  &üt\ü)  nod)  in  frifdjer  (Srinnerung  fielen,  gaben 
Slnlafe  gu  einem  Entwurf:  „3m  grrenljaufe".  SBiffenfdjaft* 
licfye  Seftüre  führte  if)n  auf  ben  intereffanten  Stoff:  ,,©a3 
©äff en gerid)t\  2lu3  münblidjen  (Srgäfjlungen  fd^öpftc  er  bie 
Entwürfe:  „©er  ^rogefeliebfyaber"  unb  „©erneue  ©raf 
Don  ©leidjen". 

2113  er  enblid),  jebod)  erft  furg  t>or  feinem  !£obe,  an 
ber  33ertmrfiid)ung  feiner  3lbjtd)ten  gu  gweifeln  begann, 
wollte  er  wenigftenö  einiges  baoon  für  <5rgäl)lungen  retten, 
©eine  1889  gefd)riebene  ©elbftbiograpfyie  fdjlofe  gtemlid) 
refigniert  mit  ber  23erf)ei&ung:  „Serner  burften  [nod)]  einige 
jener  bramatifdjen  Sßrojefte  au$  ben  Jüngern  Sa^n  in  ©eftalt 
üon  (Srgäfylungen  erfdjeinen,  um  bie  fo  lange  Safyre  Borge* 
fcfywebten  (Stoffe  ober  (grpnbungen  wenigftenS  als  ©Ratten 
ber  ©rinnerung  gu  erhalten  unb  gu  gewahren,  ob  bie  2Belt 
Diefleidjt  bod)  ein  au^gclöfrf)tc3  2ampenlid)t  barin  erfennen 
wolle.  Sollte  e3  ber  galt  fein,  märe  ber  Schaben,  n>o  bie 
Süfyne  wie  ein  ©ornrösdjen  Don  bem  abfd)recfenben  SBer* 
fallSgefdjrei  umfdjangt  ift,  nidjt  grofe." 

Über  bie  fjrage,  ob  er  baS  ßeug  gum  ©ramatifer  über* 
Ijaupt  befafe,  braucht  man  jtd)  nid)t  gu  ereifern.  (5r  mar 
üov  allem  ein  ganger  ©id)ter.  Unb  bie§  ift  unb  bleibt  bie 
erfte  SBebingung  für  ben  ©ramatifer.  2MeS  übrige  fommt 
in  gmeiter  Sinie. 


„teuere  ©ebidjte"  1851.  29 

2Bir  jinb  unferm  @d)auplafce  unb  ber  Seit  DorauSgeeilt 
unb  teuren  nad)  Scrlin  jurüdf. 

1851  ließ  ©ottfrieb  ßeHer  bei  SBieroeg  in  SBraunfdjtoeig 
ein  fdjon  feit  gwei  Sauren  gefammelteS  39cmbd)en  „teuere 
©ebidjte"  crfd)eincn.  @r  ^atte  baö  SKanuffript  1849  ofyne 
ßrfolg  Srocttjauö  gur  Gnnßdjt  gefd)icft.  (SS  jinb  jumeift  @r* 
jeugniffe  ber  gafyre  1846—49:  ber  &)flu$  „SBon  2Beibern" 
j.  SB.  ift  1846,  bie  ©l)afeleu  1847  entftanben.  @ie  [teilen 
trofc  be£  ©id)terö  eigenem  abfdjäfeigem  Urteil  ber  älteren 
Sammlung  gegenüber  einen  roefentlidjen  fjortfdjritt  bar, 
namentlid)  in  ber  fcermeljrtett  SluSgabe  uon  18541).  8Hte§ 
ift  ruljiger,  abgeflärter.  S)ie  Iärmenbe  politifdje  ßqrif  tritt 
faft  ganj  jurücf.  Seinafje  gar  nid)t  oertreten  ift  in  ber  erften 
aufläge  ber  „teueren  @ebid)te"  ba£  epifdje  9Koment:  bie 
Montan jen   famen   erft    1854  t)itt$u,    ebenfo  bie  Abteilung 


*)  SBieiueg  übernahm  ben  SBerlag  ber  „teueren  ©ebid)te"  im  Stuguft 
1850  nad)  unangenehmen  Sluäeinanberfefcungen  mit  Söinter  in  £eibel* 
berg,  bei  •  bem  bie  erften  ©ebidjte  erfdjieneu  roaren,  ftellte  jebod;  bie 
33ebinguttg,  bajj  ba&  Büchlein,  mofern  e§  nad)  jroet  3al)ren  nid)t  Der» 
!auft  fei,  als  gmeite  2lu£gabe  mit  einigen  3ufäfeen,  bie  burd)  Kartons 
eingefügt  werben  Tonnten,  gur  Sßerfenbung  gelange.  3m  £erbft  1853 
fanbte  Heller  biefe  3ufä*j}e  ein;  fie  fonnten  nidjt  aUe  aufgenommen 
roerben,  „roeil  ba&  23ud)  fonft  nid)t  mefjr  in  ben  alten  £)ecfel  hinein« 
paffe",  ©o  ift  bie  gmeite  Sluägabe  oon  1854  tfjatfädjlid;  eine  ©djein- 
aufläge:  neu  ift  ba$  Titelblatt  unb  SnljaltSueraeidjntö,  eingefdjoben 
als  tfartonS  bie  Seiten  55— 68 :  „2lu3  Berlin",  ferner  23latt  169—70, 
baä  „2tuö  ber  33rieftafd)e"  ftatt  roie  früher  „2lu3  bem  Seben"  betitelt 
ift,  neu  ift  enblid)  bie  3ugabe  ber  „^Romangen"  ©.  209—41.  —  3u 
bem  ©ebidjt  ©.60  ber  neuen  Sluögabe  ift  ju  bemerfen:  „^ßolfaftrdjc" 
mürbe  bamalö  bie  (St.  5Wattf)äuöftrcf)e  genannt,  aud):  „unferä  Herr- 
gotts ©ommerrooljnung  im  Tiergarten".  S)er  „germanifa>d)riftlid)e 
$aftor"  mar  ber  beliebte,  ftreng  ortl)oboye  ©eneral-Superintenbent 
33üd)fel. 


30  „Steuere  ©ebttye." 


„2luS  »erlin"  (1852  unb  1853  entftcmben).  ©agegen  bradjte 
bie  frühere  eine  2fajal)l  Sonette,  bie  erft  roieber  in  bie  @e* 
fammelten  ©ebid)te  aufgenommen  mürben.  ©aS  $ropl  beS 
2griferS  geigt  fid)  bereite  in  fc^arf  gefdjnittener  ß^^nung. 
Überall  urfprünglidje  frifrf>e  SRatur,  bie  ganj  in  ftd)  felbft 
beruht.  Äein  frember  Älang.  Überall  ernfte  einfache  9Rämi* 
lidjfeit,  gefunbe,  urfräftige,  ruhige  ©mppnbung ;  Fein  ©ämmer* 
lidjt,  fonbem  geller  Jag.  @ine  eigentümliche  ÜKifdjung  beS 
überaus  Sorten  unb  anmutigen  mit  nafyrfjafter  fernerer 
©ebanfenfoft,  bie  ftetS  fcon  einem  eigentümlich  gerben  @rb- 
gerud)  ift.  ©ie  @infad)l)eü  wirb  nid)t  feiten  9iüd)ternf)eit. 
Sieben  überrafdjenber  9Jlelobi!  ein  auffallenber  Mangel  beS 
2Bol)llautS  unb  ber  Stygtljmtf.  Gljarafteriftifd)  jtnb  bie 
fdjlagenben  SBenbungen,  —  man  fennt  fte  t>on  weitem,  mo 
man  ifynen  begegnet  —  jene  auSfdjliefelid)  ÄeKer  angehören* 
ben  SluSbrücfe,  mit  benen  eine  @ad)e  ftetS  fo  ungemein  be- 
jeidjnenb  fyingeftellt  ift.  @r  l)ängt  nod)  eng  mit  ber  mädjtig* 
ften  litterarifcfyen  Semegung  nnfereS  SaljrljunbertS,  mit  ber 
Sftomantif,  jufammen.  ©ieS  geigt  ftd)  nirgenbS  beutlidjer  als 
in  feinem  SBerfyältniS  gur  9tatur,  bie  er  ju  befeelen  unb 
lebenbig  ju  mad)eu  weife.  Unb  als  edjter  SRomantifer  Der* 
fteljt  er  baS  ßeben  fo  ju  erfaffen,  bafe  es  jur  Sßoepe  wirb. 
©aS  ftarf  ©ubjeftiöe,  fowie  baS  pf)antaftifd)  3Billfürlid)e 
»errät  eben  jenen  3ufamment)ang.  Heller  beluftigte  fief)  fpäter 
oft  an  einer  Sefyauptung  Stfyeobor  StormS:  fein  ©idjter, 
nid)t  ber  gröfete  —  ©oeti)c  nidjt  ausgenommen  —  bringe 
meljr  als  ein  IjalbeS  ©ufcenb  wal)rf)aft  fdjöner  ©ebidjte  fertig, 
©er  äuSfprud)  ftimmte  ifyn  jebod)  aud)  nadjbenflid),  unb  er 
mar  mandjmal  geneigt,  bem  norbbeutfdjen  greunbe  3Ficd>t  ju 
geben.    (Sin  fo  wunberbar  gefdjauteS  unb  empfunbeneS  @e* 


„teuere  ©ebtd&te."  31 


bitf)t  rote  „2Binternad)t"  („9ttd)t  ein  ftlügelfd)lag  ging  burd) 
bic  SBelt")  wirb  ftetS  gu  ben  größten  Äoftbarfeiten  unfcrcr 
Sittcratur  gehören.  TOan  öergi&t  ba3  unenblid)  rüfyrenbe  SBilb 
mit  bcm  ©id)ter  nie  meljr:  bic  9ti;re,  bereit  bunfleS  2lntU&  burd) 
ba§  grüne  <£i3  be§  erftarrten  @eeS  emporfdjaut,  roäljrenb  fte  mit 
crfticftem  Sammer  an  ber  garten  ©ecfe  Ijin  unb  l)er  taftet1)- 
3n  ifyrer  SRatoetät  nid)t  minber  ergreifenb  ftnb  Sieber  rote 
„Sung  gewohnt,  alt  getfyan",  „©er  alte  Settier" ,  „©er 
£augenid)t3".  ©ie  SBIutroeKe  fyeifeer  €innlid)feit  roKt  burd) 
bie  SRomanjen  „SBalbliebe"  (fpäter  „2Balbfreüel")  ober  „®ie 
SBinjerin".  33on  bem  prächtigen  (SqfluS  ber  SiebeSlieber, 
ober  roie  ifyn  Äeller  rauf)  nennt:  „33on  SBeibern",  fprad)  er 
fpater  mit  Unredjt  übel,  als  mären  fte  nid)t  gelebt.  2115  iljn 
Äinfel  einmal  fragte,  ob  benfelben  etroaS  2l)atfäd)lidje3  ju 
©runbe  liege,  antwortete  Äelfer  ärgerlid) :  ßlc'ml  ©eöfyalb  ftnb 
fte  aud)  fd)led)t."  @3  gebe  jroeterlei  5flinnelteber  —  läßt  er 
feinen  £ablaub  fagen  — ,  foldje,  bie  man  felbft  empfinbe  unb 
erlebe,  unb  anbere,  bie  man  fonft  fo  au$  Suft  am  (Singen  unb 
geroiffermafeen  jum  SBorrat  mad)e.  @S  fann  nun  fein  ßroeifel 
meljr  fein,  roeldjer  Älaffe  bie  feinigen  im  allgemeinen  juge= 
Ijören.  6bel  unb  fräftig  finb  bie  SBeinlieber  (feine  „©auf* 
lieber").  ©a$  ©rotere,  baS  @atirifd)e,  ber  £umor  feJ)It  bei 
Äeüer  nie.  Äöftlid)  gemifd)t  ftnbet  ftd)  aHeS  in  „Sürfifdjer 
Sraud)"  ober  in  ber  „3Bod)enprebigt".    ®a§  ^fäfflein  l)ält 


')  3n  fetner  Ijanbföriftlidjen  ©eftalt  (SKanuffrtyt  Dr.  ©fclinger 
in  3ürid))  fe^lt  bem  ®ebidjt  bie  britte  ©tropfe.  *Rad)  ber  jefcigen 
öierten  ftanben  bie  mit  SRedjt  nunmehr  getilgten  SBerfe: 

„$ll§  ein  öetter  (Stern  oom  £immel  fiel, 

fju^r  fte  föreienb  in  bie  $tefe  ba. 

Wiü)  burdtfdjauerte  ein  bong  Gtefitf)!, 

2Bie  roenn  id)  bie  eigne  (Seele  fal)." 


32  „Steuere  @ebid&te." 


bcm  £fiufdjen  müber  lebenSfatter  ©reife  unb  alter  9J?ütterd)en, 
bie  blofe  nod)  red)t  grünblid)  rufyen  unb  fdjlafen  motten, 
fcor,  bafe  nad)  bem  Sobe  brüben  tu  ber  ßwigfeit  mit  ifyren 
9JtiHionen  3afyren  bie  Arbeit  üon  neuem  losgehe.  ©aS 
müfeige  $ßfäfflein  felbft  fann  freiließ  bie  brei  armen  ©tunben, 
bie  e5  nod)  oon  einem  ©djmaufe  trennen,  faum  entarten 
unb  pnft  bis  bal)in  einem  füfeen  ©Plummer  in  ben  ©djofc. 
©er  Äontraft  gwif djen  (Swigfeit  unb  @nblid)feit  wirft  fd)lagenb. 
ÄelferS  Suft  am  geben  unb  an  ber  9?atur,  bie  il)m  ^Kutter 
unb  ©eliebte  ift,  Ijat  etwas  Unt>erwiiftlid)eS.  SBegeidjnenb 
für  ben  9Jienfd)en  unb  ©idjter  ift  fein  Ijerglidjer  Anteil  an 
ben  Ernten  unb  SBefummerten :  ein  armes  Äinb,  ein  ©etiler, 
eine  arme  9Jtagb,  eine  SJerlaffene,  ©rambelabene  jtnb  immer 
wieberfeljrenbe  ©eftalten  feiner  ©id)tung.  ©aS  gange  Saub- 
ren enthält  faft  nur  ©elbfterfunbeneS.  SBlofe  ber  ©toff  gu 
„Sßanarb  unb  ©alet",  ben  beiben  weinfeligen  frangöjifdjen 
Poeten,  üon  benen  ber  eine,  beffen  Sippe  nie  ein  fdjnöbeS 
SSäfferlein  betrat,  nad)  feinem  S£ob  unter  einer  gemeinen 
©ad)traufe  begraben  wirb,  fo  baß  nun  ber  Überlebenbe  in 
feinem  naffen  Sammer  ftd)  felbft  wie  ein  Söafferfafe  uorfommt, 
—  biefer  ©toff  ift  ©rimmS  „correspondance  litteraire"  ent* 
nommen. 

@S  mar  baS  ©d)idffal  ber  ÄeDerfdjen  Sgrif,  bafe  jie 
aufeer^alb  feiner  engen  £eimat  wenig  SBeadjtung  fanb.  39e* 
Iefene  2 i ttera tu r^i ft orif er  geftanben  nod)  gu  @nbe  ber  fiebengiger 
3aljre,  bafe  fie  weber  biefeS  nod)  baS  frühere  fflänbdjen  ber 
@ebid)te  je  gu  @efid)t  befommen  fyätten.  ÄeKer  flagte  nie 
barüber.  SBenn  man  mit  einer  ©adje  nid)t  burdjbringe  — 
pflegte  er  gu  fagen  —  r  liege  bie  @d)ulb  nid)t  an  ben  anbern, 
fonbern  am  Urheber  felbft,  ber  entweber  voreilig  unb  leicht* 


•  „S)er  grüne  6emrid&."  33 

pnnig  oerfaljren  ober  fd)led)t  beraten  war,  roa£  bei  feinen 
erften  SqriciS  leiber  beibeö  ber  %aü  gewefen  fei.  @rft  bie 
groge  ernfte  Sammlung  fcon  1883  lehrte  bie  JDffentlidjfeit 
ben  grofcen  ©idjter  red)t  fennen. 

©ine  föftlicfye  Äomöbie  ber  3rrungen,  weldje  ba$ 
Sänbdjen  öon  1851  oeranla&t  Ijat,   fei  im  Anfang  ergäbt. 

©ottfrieb  ÄeHerö  faureS  berliner  Sagewerf  fünf  3al)re 
Ijinburd)  war  „©er  ©rüne  Jpeinrid)".  ©ie  2eiben3gefd)id)te 
biefeö  33ud)e8  reid)t  in  bie  3e*t  guritcf,  ba  ber  junge  SKaler 
entläufst  aud  9Jtünd)en  fyeimfeljrte  unb  nid)t  wufete,  was 
gu  tljun  war1).  @S  ift  fdjon  erjagt,  wie  feine  erfte  Sqrif 
ben  bamalS  erfaßten  SBorfajj,  „einen  traurigen  fleineu  SRoman 
gu  f djreiben  über  ben  tragifd)en  Slbbrud^  einer  jungen  Äünft* 
Ierlaufbaljn,  an  melier  9Jtutter  unb  Soljn  gu  ©runbe  gingen", 
ntd)t  fogleid)  gur  Ausführung  fommen  liefe.  ©aS  ältefte  er* 
Ijaltene  Srud)ftücf  b£§  „©rünen  Jpeinrid)'1  ftammt  aus  bem 
Safjre  1846.  68  ift  ein  furgeS,  nadjträglid)  wieber  oerworfeneS 
ober  öielmeljr  in  ber  fpäteren  Anlage  beS  33ud)e£  weiter  aus* 
geführtes  ©ingangSfapitel,  ba$  man  im  Anfange  nadjlefen 
fann.  ©eitler  befdjäftigte  er  fiel)  mit  ungleichem  Sifer  an.  bem 
33ud)e,  fprad)  jebod)  im  gebruar  1847  bereits  oon  enblidjem 
$ertigmad)en.  @r  naljm  baS  bifjtf)en  9?iebergejd)riebene  mit 
nad)  £eibelberg,  wo  bie  eigentliche  Ausarbeitung  begann. 
Seine  bortigen  (Srlebniffe  boten  ifym  ein  fleineS  neues  sJJtotto, 
bau  gu  Anfang  beS  vierten  SBanbeS  feine  ©teile  erhalten  Ijat: 
£einrid)  fängt  an,  SBorlefungen  über  Anthropologie  gu  fyören. 
©er  Aufenthalt  in  IBerlin  trug  wenig  gur  SSermeljrung  beS 
SnfyalteS  bei:  eigentltdt)  nur  bie  ©ortd)en@d)önfunb*@pifobe; 


l)  »gl.  33b.  l,  220  f. 

©ottfrieb  ftetter.    IL 


34  „$>er  grüne  £emric$." 


aber  er  gab  bem  ganjen  Dierten  SBanbe  bic  eigentümlich  ele- 
gifdje  Stimmung. 

33or  ber  3?ü  faf)  ftd)  ber  SBerfaffer  genötigt,  ba§  Sud) 
einem  SBerleger  anzubieten.  @r  roanbte  ftd)  im  Februar  1850 
burd)  Vermittlung  ^ermann  Lettners  an  bie  S3ud)l)änbler* 
firma  §r.  SBiemeg  in  S3raunfd)meig  (Gtjef  beS  £aufe§  mar 
bamalö  ßbuarb  SBieroeg)  unb  trug  il)r  feinen  SRoman,  ber 
einen  mäfeigen  SBanb  umfaffen  foltte,  jum  SBerlag  an.  33ien>eg, 
bem  ber  juDerftd)tlid)e  Jon  unb  bie  nidjt  gewöhnliche  Honorar* 
forberung  be§  tym  fo  gut  mie  unbefannten  Tutors  auffiel, 
geigte  ftd)  jur  Übernahme  geneigt  unb  erhielt  üon  ÄeHer 
eine  fleine  $robe  auö  bem  ?Kanuffripte.  @r  bat  um  eine 
gebrängte  Überfielt  be§  gefamten  3nfyaltS,  worauf  iljm  jener 
am  26.  Slpril  oon  fflerlin  aus  ba&  Ijodjintereffante  6jrpof6 
beS  33ud)eS  (©rief  9?r.  45)  überfanbte.  „©er  Stoman  unter 
bem  Stitel  ,©er  grüne  £einrid)'  —  Reifet  e§  in  einem  oon 
ÄeUer  aufgefegten  23erlag3entwurfe  —  wirb  etwa  fünfunb* 
jroanjig  bis  breifeig  ©ruefbogen  ftarl  werben,  mooon  fed)S 
Sogen  ©ebidjte  als  ju  bem  SRoman  gehöriger  Sln^ang1). 
.  .  .  .  8(8  Honorar  bebinge  id)  bie  runbe  ©umme  oon 
70  fiouiöb'or,  mooon  e§  mir  roünfdjbar  märe,  breifeig  beim 
^Beginne  unb  oierjig  nad)  SJeenbigung  beö  ©rutfe£  gu  er* 
galten,  ©ie  aufläge  bürfte  nid)t  über  1400  (Syemplare 
ftarf  fein." 


')  SebenfaHS  follten,  rote  baä  fett  ©oetf)e  unb  ben  JRomantifern 
im  Vornan  üblicr)  roar,  roeit  tnefyr  ©ebidjte,  al§  bieg  gefdjetien,  in 
bie  (Srjäf)lung  Derflodjjten  roerben.  34  glaube,  ba&  „Stänbdjen,  einer 
SBerlafjenen  gebraut"  („2Bir  Ijaben  beinen  tiefen  ©ram  oernomnten") 
gehörte  ba$u  unb  roar  beftimmt,  ber  oerlaffenen  SlgneS  oom  ©otteS- 
tnadjer  unb  beffen  ©enoffen  bei  ber  ©erenabe  gefungen  $u  roerben. 


„S)er  grüne  £einrtc§".     beginn  be$  SrutfS,  Sluguft  1850.     35 

ßbuarb  SBieweg  fafete  fofort  ein  ungewöhnliches,  mefyr 
als  gefd)äftlid)eS  3nterefje  an  bem  in  SluSfidjt  fteljenben 
SBerf  unb  beffen  Sinter.  6r  fdjrieb  biefem  am  7.  5Hai, 
ba&  er  eine  bauernbe  Söerbinbung  mit  iljm  ^erjufteKen  bringenb 
roünfd)e,  unb  fanbte  iljm  jugleid)  im  oorauS  100  S^aler 
unb  ein  33ierteljaf)r  fpäter  150  S^aler.  ©er  2eif)bibliotf)efen 
wegen  wünfdjte  er  eine  Teilung  be£  ©anjen  in  brei  23änb* 
djen.  ©ruef  unb  3luöftattung  follten  bem  furg  juoor  bei 
i^m  erfdjienenen  „Silberbud)  au%  meiner  Änabenjeit"  Don 
Suftinuä  Äerner  gleich  fommen.  3"ßtöd)  würbe  vereinbart, 
bafc  „©er  grüne  #einrid)"  im  ©pätljerbft  1850  jitr  23erfen* 
bung  gelangen  follte.  ©a  Heller  auf  raffen  Seginn  be$ 
®rucfe§  brängte,  aber  nur  wenige  Sogen  9Hanuffript  ab* 
lieferte,  fonnte  berfelbe  erft  ju  6nbe  beö  Stuguft  1850  in 
Singriff  genommen  werben. 

6ine  Äorrefponbenj  gwifdjen  SBerleger  unb  Slutor,  wie 
biejenige  über  ben  „®rünen  £einrid)"  wäfyrenb  beä  ©rudfeg, 
tourbe  fdjwerlid)  je  geführt,  ©er  S3ud)l)änbler  uolt  warmen 
menfd)lid)en  Slnteilö  an  ber  ©idjtung,  in  ben  gelben  berfelben 
förmlid)  oerliebt,  nobel,  oon  wahrer  £immel£gebulb ;  ber  93er* 
faffer  furj  angebunben,  unmirfd),  faumfelig,  wortbrüchig  bi£ 
jur  äufeerften  SRüdEjtdjtSlofigfeit.  ©ottfrieb  ÄeKer  fyatte  einen 
Vertrag  eingegangen,  ben  ju  galten  iljm  eine  Unmöglidjfeit 
war.  ©ein  33ud)  ejriftierte  eben  wieber  einmal  nur  in  feinem 
tfopfe,  ba£  9ttanuffript  befanb  jid)  im  3uftanbe  be£  erften 
ju  Überarbeitenben  ßntwurfeö,  größtenteils  aber  war  es  nod) 
gar  nid)t  üorfyanben.  (SS  fteefte  in  Heller  ein  nad)läfjtgcr 
3ug  bei  23erlagSfad)en,  ben  er  eigentlich  nie  überwanb.  (Sr 
fyat  in  ber  golge  mefyr  als  (Sinen  Äontraft  über  ein  £>pu£ 
abgefd)loffen,   ba$  entweber  gar  nie  erfd)ien,   ober  ba£  ber 


36  „£>er  grüne  ^eiitrhty." 


gum  SBerlage  berechtigte  33ud)ljanbler  nie  erhalten  formte.  %nx 
iljn  Ijatte  lebiglid)  bie  @rftnbung  einer  ©idjtung  unb  ba$ 
ftiQe  8u§benfen  berfelben  Steig,  ©obalb  es  an  bie  fd^rift* 
Iid)e  Ausführung  ging,  n>urbe  U)m  baS  ©efdjäft  Iäftig,  unb 
er  [teilte  ftd)  bemfelben  mit  einer  gemiffen  ®leid)gütigfeit,  ja 
Sfeinbfeligfeit  entgegen.  3m  oorliegenben  §aQe  gab  er  fpäter 
mit  Unrecht  bem  Verleger  an  ber  Unfertigfeit  feines  (SrftlingS 
fd)ulb.  w@r  Ijabe  mit  bem  rafdjen  ©ruef  nidjt  (Schritt 
galten  unb  bie  fertigen  Kapitel  unb  Seiten  faft  nie  gum 
gmetten  9Jtal  burdjlefen  fonnen.  ©afyer  feien  eine  SJlenge 
©efd)tnacf=  unb  Stiftlofigfeiten,  bie  man  fd)on  bei  einer  erften 
SBieberlefung  gu  entbeefen  unb  gu  befeitigen  pflege,  fielen 
geblieben.  @o  glcidje  baS  DpuS  einer  3*id)nung,  auf  melier 
neben  ben  lejjten  §eberftrid)en  nod)  alle  anfänglichen  Äoljlen- 
unb  Sleiftiftftridje  neben  einanber  gu  fefyen  feien,  ja  fogar 
nod)  ber  SBerberb  unb  ©etymufc  beS  $apiereS  burd)  bie  ar* 
beitenbe  £anb  l)afte."     (8n  (Smil  Auf).) 

6r  Ijatte  ben  ©ruef  beS  39ud)eS  beginnen  laffen, 
nidjt  etwa,  weil  er  mit  ber  Arbeit  fertig  mar,  fonbern  um 
gegmungen  gu  fein,  mit  tfyr  fertig  gu  werben.  SSBenige 
2Bod)en  fpäter  ging  bem  ©efcer,  ber  bem  &utor  ftetS  bid)t 
auf  ben  Werfen  folgte,  baS  5Ranuffript  aus,  unb  im  SSinter, 
als  baS  39ud)  fyätte  ausgegeben  werben  f ollen,  waren 
oon  ben  fyunbertjieben  Sogen  beS  ©angen  ad^t  gebrudft. 
SBieroeg  mufete  pd)  auf  nädjfte  Dftern  oertröften  laffen  unb 
nafym  ingroifdjen  (im  8Luguft  1850)  aud)  ÄeQerS  „teuere 
©ebidjte"  in  feinen  SBerlag.  Sluf  immer  bringenbere  Sßlai)* 
nungen  nad)  einer  ftortfejjung  beS  Romano  fdjmieg  ftcf)  ÄeQer 
geroöfynlid)  aufs  befyarrlid)fte  aus,  ober  er  führte  rätfei* 
fyafte,  bem  SBerleger  oöQig  unoerftänblidje,  „fyierogtypljtfdje,  in 


„$er  grüne  £einri$."     25er  erfte  Sanb,  ^>crbft  1851.        37 

einen  tmjftifdjen  Sdjimmer  öerfjüKtc  Sieben".  9Jtand)mal  breite 
er  fogar  ben  Spiefe  um  unb  oerfudjte  e£,  bem  unbequemen 
2Jtol)ner  gu  Seibe  gu  gelten.  2lb  mtb  gu  fanbte  er  ein  Heines 
Stücf  nad)  Sraunfdjroeig  ab,  verlangte  unb  erhielt  neue  23or* 
pfiffe,  liefe  jebod)  bie  Äorrefturbogen  Monate  Ijmburd)  fid) 
anhäufen,  ober  gab  fte  nur  auf  ©rot)ungen  fyin  aus  ber  £anb. 
ßeitmeilig  mufete  ber  ©ruef  gang  eingeteilt  werben,  Sdjon 
im  Slpril  1851  erflärte  ber  33ud)f)änbler,  er  fyabe  !eine  ßuft, 
nod)  meljr  Sogen  OTafulatur  gu  bruefen,  ba  ber  Sftoman 
üorau$|id)tlid)  ein  33rud)ftücf  bleibe.  3m  September  ging 
ber  Sdjlufc  gum  erften  fflanb  in  bie  ©rudferei.  Sfteue  33er* 
fpretf)ungen  blieben  ungehalten.  93ieroeg  fdjrieb  irjm  am 
9.  Df tober:  „9?ad)  meiner  2lnjtd)t  trägt  nur  bie  3^rfplitte= 
rung  %f)m  Äräfte,  bau  Streben  nad)  üerfd)iebenen  S^kn,  bie 
©djulb  an  bem  aKen.  3d)  rjermag  minbeftenS  nidjt  eingu* 
feljen,  maö  fonft  ber  Soflenbung  ber  Slbfdjrift  unb  Überar» 
beitung  SfyreS  Romano  Ijätte  in  ben  2Seg  treten  fönnen; 
benn  bafe  Sie  Satyr  unb  Sag  gegen  Sfyre  urfprünglidje  2lb* 
ftd)t  unb  rjteQeid)t  unter  manchen  Sorgen  für  3f)re  materielle 
ßjrifteng  in  33erlin  länger  bleiben  als  Sie  wollten,  lebiglid) 
um  ein  Stücf  gur  8lupf)rung  gu  bringen,  öon  bem  Sie  be* 
Raupten,  bafe  Sie  es  gar  nid)t  efyer  anfangen  fönnten,  bis 
ber  Sftoman  ooDenbet  fei,  ift  bod)  meiner  ©utgläubigfeit  etwas 
öiel  gugemutet."  ©a£  Stempo  mürbe  bei  ber  §ortfejjung 
nod)  Iangfamer  genommen.  3m  SRooember  brängte  bie  33er* 
lagSljanblung:  „abermals  erfudjen  mir  Sie  bringenb  um  Qu- 
fenbung  neuen  5RanuffriptS,  wenngleid)  mir  wofyi  enblid) 
bie  Hoffnung  aufgeben  muffen,  bafc  irgenb  ein  Mittel  ber 
SBelt  im  ftanbe  ift,  3^  f)artnäcfigeS  ignorieren  unferer 
Sitten  unb  SRa^nungen  unb  3fyr  fortgefefcteS  Schweigen  auf 


38  „3)er  grüne  &inri6)." 


unfere  3"f Triften  ju  brechen."  3n  bei  Sljat  Derzeit  fid) 
ßeller  auf  tiefen  wie  bett  oorauSgegangenen  imb  folgenben 
SSrief  mäuSdjenftill.  ,,3d)  weife  nidjt  —  feufäte  SBieweg  — 
woran  id)  ferner  bei  3ljnen  appellieren  foQ,  unb  bitte  nur 
um  SRfidf'fenbung  ber  ßorrefturen,  bamit  wenigftenS  bie  Sogen 
gebrueft  unb  bie  barin  ftecfenbe  @d)rift  anberweitig  benufct 
werben  fönnen." 

2lm  12.  Sebruar  1852  mufcte  ÄeQer  feinem  SBerleger 
eine  fd)riftlid)e  (Srflärung  auf  ©Ehrenwort  abgeben,  bafy  er 
rjor  SBoKenbung  beS  „©rünen  £einrid)"  nidjtS  anbereS  fdjrei* 
ben  werbe.  SluSbrütflid)  fügte  er  tjinju,  er  tonnte  baS  Sud) 
bei  anljaltenber  Arbeit  in  längftenS  fed)S  3Bod)en  red)t  gut 
beenbigen.  hierauf  trat  wieber  eine  feierliche  Sßaufe  bis  gum 
3uli  ein.  (SS  feien  ifym,  ruft  SBiemeg  einmal  aus,  in  feinem 
langen  unb  auSgebeljnten  ©efd)äftSoerfel)r  allerlei  litterarifdje 
ßuriofa  begegnet,  faum  aber  ein  pifantereS  als  bie  Slrt  unb 
SBeife,  wie  er  oom  33erfaffer  beS  „®rünen£einrid)"  beljanbelt 
werbe.  ©S  bleibe  ifym  nun  nid)tS  merjr  als  ber  SBeg  ber 
geridjtlidjen  Älage  übrig.  SSorfyer  aber  biete  er  Leiter  freie 
SBofynung  unb  SSerppegung  in  23raunfd)meig  an,  falls  ftd) 
tiefer  entfdjlie&en  fönne,  in  ber  füllen  altertümlichen  ©tabt 
fein  39ud)  ju  Gnbe  gu  führen.  ©er  Siebter  gab  einfad)  feine 
Antwort,  beutete  inbeffen  furg  nadjfyer,  feines  (Ehrenwortes 
eingeben!,  giemlid)  tterftänblid)  an,  bafe  il)m  öiergeljn  Sage 
3eit  gur  SBoDenbnng  feines  ©ramaS  erwünfdjt  wären.  S3ie- 
weg  gewährte  iljm  aud)  biefe,  wofern  ber  Stoman  bis  (Snbe 
Septembers  abgeliefert  werbe;  ja,  er  erflärte  fid)  fogar  gum 
©ruef  beS  bewußten  ©ramaS  beljufs  33erfenbung  an  bie 
Sühnen  bereit.  (Sbenfo  fagte  er  iljm  auf  teffen  SBerftdje* 
rung,  bafy   alles   wieber  im  beften  ©eleife  fid)  befinbe,  bie 


„$er  grüne  ^einric^."     2)er  $t»eite  SBanb,  (Snbe  1852.        39 

Übernahme  einiger  neuer  (Srgäljlungen  gu,  üon  benen  ÄeHer 
ifym  ßunbe  gegeben.  Slm  @d)lufc  be£  SafyreS  1852  war  glüd> 
Iid)  ber  gmeite  Sanb  fertig  gebrudft,  unb  ber  SSerfaffer  ftellte 
jefct  bie  fjorberung  eineö  größeren  £onorar$,  ba  fein  Sud) 
ben  urfprünglid)  feftgefefcten  Umfang  überfdjreiten  werbe, 
öieweg  ging  aud)  hierauf  ein  mit  bem  Söunfdje,  ber  ©id)ter 
wolle  ja  nidjt  ängftHdje  SRüdffidjt  auf  ben  auSbebungenen 
SRaum  nehmen,  fonbem  lieber  nod)  einen  öierten  S3anb 
fdjreiben,  ba  ein  übereilter  2lbfd)lu&  biefem  5J?eiftermerfe, 
bem  er  nid)t3  StynlidjeS  an  bie  (Seite  gu  fefcen  wiffe,  Sdjaben 
braute. 

If8luf  bie  (Sntwidfelung  —  fdjrieb  ber  tterftänbige  SBieweg, 
12.  Sanuar  1853  —  bin  id)  gefpannt.  9?ac^  Syrern  Gfrpof^ 
liegen  @ie  Sljren  gelben  fd)liefelid)  untergeben,  nadjbcm  nod) 
öiel  fyerbeö  SBefye  burd)  ben  Sob  ber  öernadjläfjtgten  SJlutter 
über  if)n  gefommen.  3d)  mag  vorläufig  nid)t  annehmen, 
bafe  ba§  fo  geblieben:  in  bem  jungen  ift  gu  Diel  originales 
unb  5Raturmüd)figeS,  als  bafe  er  oerfommen  barf."  S)afe  fein 
lieber  ©rüner  £einrid)  in  5Ründ)en  öoDenbS  eine  föniglicfye 
Ohrfeige  einfteefen  mufe,  wollte  33icroeg  bem  ©idjter  nid)t  Der* 
geilen,  ©utmütig  fd)icfte  er  jebod)  mieber  ©elb  in  ©rmartung 
ber  fommenben  9?oüeHen  unb  be£  Poeten  felbft,  ber  nun  auf 
einmal  feine  ©eneigtljeit,  nad)  Sraunfdjmeig  übergujtebeln,  in 
2lu$jtd)t  ftellte.  3>m  9Jiai  wollte  bie  SBerlagSfyanblung  bie  gwei 
erften  Sänbe,  alfo  bie  £alfte  beS  SudjeS,  beren  ^perfteßung 
beinahe  brei  gafyre  in  Slnfprud)  genommen,  (auf  weldje  erfte 
£älfte  SSieweg  bereits  im  Seiblatt  gu  9?r.  23  feiner  „©eutfdjen 
$t\i)&3tit\m$u  üom  28.  Sanuar  1853  aufmerffam  gemacht 
Ijatte,)  Derfenben.  Sluf  ÄellerS  ungeftüme  33orfteHung  foHte 
ber  Vertrieb  bis  gu  bem  in  allernäd)fter  2luSftd)t  ftefyenben 


40        „£>er  grüne  £eum$."     $er  brüte  ©anb,  3fan>.  1853. 

aatbfcfjluffc  beS  ©anjen  unterbleiben.  3m  Sftai  1853  ging  ber 
britte  33anb  in  ben  ©afc.  Um  feinen  ©idjter  bei  guter  2aun$ 
gu  erhalten,  ftreidjelte  iljn  SSicrocg  oon  nun  an  öfter  mit  fanfter 
£anb  —  benn  bie  Unmögltd)feit,  bemfelbcn  mit  ©emalt  betgu* 
fommen,  fyatte  er  xootj/l  eingefeljen  — ,  er  machte  iljm  ben  33or* 
fd)lag,  Heller  möge  einen  (SgfluS  Don  9?ooeQen  aus  bem  Seben 
unb  treiben  feiner  fcfyroeigerifdjen  £eimat,  baS  er  im  3ugenb« 
roman  fo  rounberfam  anfpredjenb  fdjilbere,  fdjreiben.  ©iefer 
antwortete,  er  gebenfe  einige  folcfyer  bereits  auSgeljedften  ©e* 
fd)id)ten  bem  r/©rünen  ^einric^'1  ctnguöerleiben  unb  biefen 
über  einen  fünften  Sanb  auSgubefynen.  SBiemeg  Ijielt  iljn 
öon  bem  33orf)aben  ab,  reifte  perfönlitf)  nad)  ^Berlin  unb 
glaubte,  ben  ©idjter  gu  ©unften  beS  fog.  glücflidjen  8toS* 
gangS  umgeftimmt  gu  fyaben;  allein  fdjon  im  3uni  erfuhr 
er,  ba&  jener  bei  feinem  erften  $lane  3U  bleiben  gebenfe. 
3m  September  gog  er  gur  2lbtt)ed)felung  rauhere  ©aiten  auf: 
„Sie  fdjeinen  meine  ©ebulb  big  gum  aufeerften  erfd)öpfen 
gu  roollen;  bod)  möchte  id)  Sie  bitten,  eines  alten  ©prid)* 
roorteS  eingeben!  gu  fein:  ,ber  ßrug'  etc.11  3m  Sftoüember 
1853  fonnte  enblid)  ber  britte  Sanb  im  ©ruef  abgefcfyloffen 
werben.  ?Rad)bem  ber  33erfaffer  bie  fefte  ßufage  gegeben 
fyatte,  baß  ber  ©djlufe  auf  2öeü)nad)ten  nadjgeliefert  wer« 
ben  fönne,  üerfd)idfte  bie  SBerlagStjanblung  bie  brei  erften 
33änbe  beS  unöoQenbeten  2Bar)rf)eits  unb  ©id)tungSbud)eS. 
Sie  tragen  bie  Sa^redjafyl  1854.  ©er  ©id)ter  gab  tljnen 
ein  anfangs  9Jlai  1853  gcfd)riebeneS  SBorroort  mit,  in 
meldjem  er  bie  lange  3^t»  &tc  groifdjen  bem  gebrudtten 
erften  unb  britten  Sanbe  liegt,  mit  „öerfdjiebenem  Unglück 
entfdjulbigt  unb  ftd)  aud)  über  bie  ÜJlängel  ber  ßompofttion 
unb  beS  3«l)öltS  etjrltct)  unb  befdjeiben  auSfpridjt.    abermals 


„2)er  grüne  #einri$."    2)er  lefcte  Sbanb,  grityling  1855.      41 

üerftrtd)  ein  Satyr.  3"  @nbe  DftoberS  1854  tyatte  SBtemeg 
nod)  feinen  Sogen  öom  öierten  Sanb  erhalten  fönnen.  6r 
fieHte  bem  2)id)ter  eine  erneute  Älage  auf  3ftücfjal)lung  beS 
geleifteten  ^onorarg  unb  (Srftattung  ber  bisherigen  £er* 
fteHungSfoften  in  2iuSftd)t,  fofern  er  bis  3Beit)nad)t  nid)t  im 
Seftfce  beS  ©djluffeS  fei.  SErofc  bem  anerbieten,  baS  Honorar 
auf  anberttyalb  EouiSb'or  pro  Sogen  ju  erfyöfyen,  war  es 
\ijm  unmöglid),  baS  @nbe  ju  befd)leunigen.  ©er  Sudgang 
würbe  jubem  oon  Äeller  überfyaftet.  8lm  $almfonntage 
1855  „fdjmierte"  biefer  f/bud)ftäblid)  unter  Styränen"  baS 
lefote  Äapitel  feines  3ftomanS  unb  lieg  barin  jum  großen 
2etbn>efen  beS  gequälten  Sud)l)änblcrS  feinen  £einrid)  f*ers 
ben.  3«t  ÜRai  oerliefc  baS  fertige  Sud)  enblid)  bie  treffe 
unb  würbe  ben  Sud)tyanblungen  mit  50  $rojent  SRabatt 
(ftatt  ber  üblidjen  25)  3ugefteHt.  @o  tyatte  ber  ©rudf  beS 
„©rüneu  £einrid)"  faft  fünf  Safyre  erforbert,  ber  Sntyalt  ben 
feftgefejjten  Umfang  um  fänfgig  Sogen  uberfd)ritten.  (Sbenfo 
erhielt  ber  SSerfaffer  beinahe  baS  ©oppelte  beS  auSbebun* 
genen  Honorars  (742  Styaler). 

6in  fo  eigenartiges  Sud)  inufe  aud)  feine  gait3  befonbere 
©ef d)id)te  tyaben ;  aber  f o  toll  burfte  man  ftd)  bief e  faum  üor* 
ftellen.  Unb  fo  wirb  man  bem  peinlidjen  Sendete  nid)t 
otyne  fülle  Vorwürfe  gegen  ben  faumfeligen  ©id)ter  gefolgt 
fein.  3Lber  man  überfeine  bie  (SntfdjulbigungSgrünbe  nid)t! 
2Bir  moHen  nid)t  bie  £emmniffe  äußerer  8Lrt  tnS  %tlb  führen, 
ben  ©rudf  ber  SRot,  welcher  feinem  freubigen  Schaffen  9taum 
gab,  unb  nidjt  ben  Umftanb,  bafe  bie  SBeröffentlidjung  beS 
„©rünen  £einrid)"  für  ©ottfrieb  Äeller  in  einen  3*itpuuft 
fiel,  ba  iljm  bie  fjörberung  bramattfdjer  Sßrojefte  wichtiger 
erfdjien,  als  bie  Ausarbeitung  feiner  l)öd)ft  fubjefttoen  Sugenb* 


42  „2)er  grüne  ^einric^.' 


gefd)id)te,  bie  im  grofeen  ©angen  eine  fiberwunbene  SebenS* 
epodje  für  ifyn  bebeutete.  3roifd)en  ben  anfangen  beS  SBerfeS 
unb  bem  Slbf  d)lufee  liegt  ein  bebeutungS&oDeS  Salpgetytt :  fein 
Urheber  mar  ein  anberer,  ein  Steiferer  geworben,  ©ie  ßämpfe, 
bie  barin  gef  Gilbert  finb,  lagen  weit  hinter  tym;  nun  nod)  eins 
mal  in  bie  abgeftreiften  #äute  gu  fd)lüpfen,  erfdjien  if)m  ein 
gang  unerfreuliches  Jljun.  £eid)tt)in  fyatte  er  ein  ©tücflein 
SJtonuffript  in  ben©rudt  gegeben,  bieSmal  fogar,  ofyne  über 
bie  SBeiterfü^rung  beS  SßerfeS  bei  fid)  felbft  im  Älaren  gu  fein. 
Saniit  fyängt  jener  ungebührlich  laut  getabelte  ÄompofitionS* 
fehler  ber  erften  Saffung  gufammen,  beren  Unförmlid)feit  ber 
23erf  affer  ja  felbft  guerft  fignalifterte :  bie  @infd)iebung  ber 
breiten  ©elbftbiograpfyie  in  bie  begonnene  ©rgafylung.  ©iefe 
3ugenbgefd)id)te,  welche  faft  ben  gangen  erften,  ben  gmeiten 
unb  beinahe  bie  £älfte  beS  britten  SanbeS  ausfüllt,  lag  nid)t 
im  ursprünglichen  5ßlane.  Sie  ift  erft  fpäter  Ijingugefommen, 
follte  jebod)  nad)  beS  S)id)terS  Meinung  nur  wenige  Äapitel 
umfaffen.  ffleim  (Srgäfylen  geriet  er  in  immer  breitern  Sflufe; 
ber  ©efcer  verlangte  fo  gu  fagen  bie  nod)  naffe  9?ieberfd)rift, 
unb  Äeller  mufete  feljenben  SlugeS  ben  erfannten  geiler 
ftetS  gröfeer  madjen.  2US  bie  3ugenbgefd)id)te  fdjliefclid) 
gebrueft  öor  ifym  lag,  überfam  iljn  eine  leid)tbegreiflid)e 
Slngft,  ber  SBelt  feine  5MlbungSwirren  unb  §ergenSangelegen* 
Reiten  in  biefer  finblidjen  <SljrHd)feit,  beren  er  ftd)  nun 
fdjämte,  preis  gu  geben. 

gerner:  immer  unfd)lfifftger  barüber,  wie  er  feinen 
gelben  enben  laffen  werbe,  erwog  er  immer  unruhiger  baä 
Problem  bcS  ausgangs.  @S  ift  gwar  nid)t  angune^men,  bafe 
er,  trofc  ben  ©inwenbungen  beS  Verlegers  unb  ber  greunbe, 
bamals    je   emftlid)    an    einen   glütflid)en   ©djlufe    badete. 


„SDer  grüne  ^einriefy."  43 


?lbcr  .$emrid)  foßte,  wie  aus  einer  alten  3lufgeid)nung  Ijer* 
Dorge^t ,  ftd)  felbft  ben  $£ob  geben.  3n  einem  9?otig= 
budje  finbet  ftd)  unter  bein  ©ahmt:  „#eibelberg,  Sanuar 
1850"  folgenber  Eintrag:  „©rüner  £einrid).  Über  ba£ 
SReiffetn  gum  Stöbe.  2Ser  gelebt  unb  feine  SSeftimmuug 
mefyr  ober  weniger  erfüllt  unb  bie  redeten  ©runbfäjje  über 
baS  Sterben  l)at,  fann  jeben  äugenblicf  fterben  oljne  Sitter* 
feit,  ©elbft  ber  ©elbftmörber,  wenn  er  rein  nid)t8  mtijr 
angufangen  weife  auf  ber  (Srbe,  aber  bod)  etwas  gewefen 
ift,  finbet  füfeen  ©enufe  im  Stöbe.  Sei  £einrid)  ift  eS'eben 
fein  bitter  tragifdjeä  ©efd)icf,  bafc  er  ftd)  gum  Stöbe  Der* 
bammt  fte^t  in  beut  Slugenblitfe,  wo  ftcf)  ifym  ein  fdjöneg 
geben  auftaut  ofyte  bie  3Dtöglid)feit,  eö  angutreten.  6r  fjat 
leine  Vergangenheit  unb  oerliert  eben  beSwegen  ba3  9ied)t 
auf  bie  Sufunft.  6r  gibt  ftcf)  mit  bem  ooQften  SSewu&tfein 
biefeS  UnglficfeS  ben  Stob."  Unb:  „®ie  l)öd)fte  Sefriebigung 
unb  ba£  ©elingen  ift  nur  in  ber  Eingabe  unb  in  SHitwir* 
fung  an  ber  irbifdjen  wirflid)en  3Henfd)lid)feit  gu  finben. 
©erabe  weil  ^einrid)  mit  bem  fdjweren  SBewufetfein,  fein 
9fäd)fte§  unb  fein  #etligfte§,  ba§  SKutterleben,  gerftört  gu 
l)aben,  auf  biefe  Saljn  treten  follte,  wirb  fte  tym  t>erfd)loffen 
burd)  baö  eigene  ©ewiffen.  Unb  alfo  feine  Verfolgung,  fein 
Sfcroft,  feine  Hoffnung  rnefjr?  Stein!  ©ie§  ift  ba$  wafyre  Unglficf. 
Stur  in  ber  gangen  uoflen  Gmtfagung  an  Söelt  unb  ßeben  für 
immer  liegt  bie  ©emtgtljuung,  unb  bie  eingig  mögliche  33er* 
följnung  in  bem  willigen  Sterben  unb  Scheiben  oom  warmen 
Beben,  ber  eingige  Stroft  in  ber  ewigen  Vergeffenljeit." 

©er  Siebter  oerwarf  biefeS  6nbe  burd)  ©elbftmorb. 
Slber  er  »erharrte  auf  bem  ütobe  JQz'mxiijä,  ber  ftd)  in  ber 
Selbftqual   über   ein   &erfet)lte£  Seben,   über   ben  Stob   ber 


44  „£>er  grüne  ^einri^.'1 


9Kuttcr  unb  eine  nid)t  geftanbene  Siebe  Derart  „©er 
einmal  befd)loffene  Untergang  —  Reifet  es  in  ber  autobio* 
grapbifdjen  ©figje  —  würbe  burdjgeffibrt  teils  in  ber 
2tbfxd)t  etneS  grünblid)en  3fted)nungSabfd)luffeS ,  teils  aus 
meland)oltfd)er  Saune.  @o  würbe  ber  @rüne  £einrid)  alfo 
begraben."  „Unb  eS  ift  —  fd)liefct  bie  erfte  SluSgabe  — 
auf  feinem  ©rabe  ein  red)t  frifdjeS  unb  grünes  ©ras  ge* 
warfen."  3n  bem  ergebnisreichen  Srief  an  ^ettner  Dom 
9.  9Jlai  1855  fpriebt  fiel)  JMer  auSfä^rlid)  über  tiefen  ©djlufc 
aus  unb  geftefyt,  ba&  berfelbe  an  ber  ungenügenben  SluSfüb* 
rung  leibe,  inbem  er  urfprünglid)  etwa  brei  ßapitel  ftarf 
unb  eine  förmliche  ©legte  über  ben  Job  werben  foHte. 

©iefen  SluSgang,  gegen  melden  aufcer  bem  SBerleger 
fogleid)  Lettner,  SBarnbagen  unb  fpäter  aud)  33ifd)er  @in* 
wenbungen  erhoben,  empfanb  ber  ©id)ter,  nad)bem  er  iljn 
erft  fo  entf Rieben  oerteibigt,  im  Saufe  ber  Saljre  feibft  als 
einen  gebier  unb  b<*t  tbn  geänbert  unb  bamit  eine  weitere 
Slnnäberung  an  ©elbfterlebteS  DoUgogen.  Ob  er  wotyl 
getfyan?  Sftan  fann  in  biefer  grage  öerfdjiebener  änftdjt 
fein  unb  jebe  mit  ftarfen  ©rünben  ftüfcen.  3d)  neige  mid) 
jefct  aud)  ber  Meinung  gu,  ba&  ber  erfte  fog.  tragifdje  8uS* 
gang  rid)tiger  gefüllt  war,  bafe  er  in  £einrid)S  3Befen  trofe 
aller  ©efunbbeit,  bie  in  tym  ftetft,  tief  begrünbet  lag, 
unb  bafc  niemanb  bie  9?otwenbigfeit  beSfelben  beffer  bargelegt 
bat  als  ber  2)id)ter  feibft  in  bem  angeführten  SBrief  an 
Jpettner.  Unb  baS  6;rpofe  für  33iewcg  fprid)t  bie  SKoral 
beS  SudjeS  nüdjtern  gerabegu  ba^in  aus,  bafe  berjenige,  bem 
eS  nid)t  gelinge,  bie  SSerljältniffe  feiner  ?erfon  unb  feiner 
fyamilie  in  petjerer  Orbnung  ju  erbalten,  aud)  unbefäljigt 
fei,  im  bürgerlichen  Seben  eine  Stellung  eingunebmen. 


„£>er  grüne  £einri(fy."  45 


©ie  3lrt  unb  Söeife  ber  SScröffcntlid^ung  beS  „©rünen 
£einrid)",  nad)  roeldjer  ber  Sefer  ber  brci  crften  SSänbe 
ben  @d)lu&  anbertfyalb  Saljre  fpäter  erhielt,  tfjat  ber  bid)* 
terifdjen  SBirfung  wie  bem  bud)l}änblerifd)en  @efd)äft  er* 
Ijeblidjen  Eintrag.  813  ber  SScrfaffer  furj  nad)  bem  <&r* 
jd)einen  beS  legten  5£eil$  an  bie  SBerlagSfyanblung  jiemlid) 
ftegeSgetotg  bic  Srrage  ftellte,  rote  es  nun  mit  einer  neuen 
aufläge  ftelje,  befam  er  bie  Slntroort:  oon  ben  taufenb  ge* 
brudften  @;remplaren  feien  Ijunbertffinfaig  abgefegt.  2ln  biefem 
roiber  Smarten  ungunftigen  Qhrgebniffe  trage  einjig  bie  S3er- 
jögeruug  be3  ©tdjterö  bie  ©djulb.  ©er  nid)t  unbeträd)tlid)e 
SRcft  rourbe  oon  biefem,  als  er  311  Gfnbe  ber  ftebenjiger 
Saljre  ba£  Sud)  umgearbeitet  Ijatte,  gurücfgefauft,  unb 
Sungfer  SRegula  mufcte  auf  ben  ftrifteir  33efel)l  be3  £erru 
SBruberS  roäfjrenb  beS  SBinterö  1878  auf  79  mit  xooljU 
geilten  breil)unbertfed)$3tg  Sänbdjen1)  ben  (Stubenofen  auf 
bem  „SBürglt"  feigen. 

2Ba$  bie  5ßerfonen,  bie  ftd)  im  „©rünen  #einrid)"  er* 
fennen  mußten,  baju  fagten?  ©a$  Urteil  ber  oerftänbigen 
TOutter  liegt  in  bem  fdjönen  SSriefe  00m  11.  SJlärj  1854 
oor.  ©ie  aufnähme  beö  2Berfe§  oon  Seite  ber  mafegebenben 
jeitgenöfpfdjen  Äritif  roar,  oon  wenigen  mifetoollenben  ©tim* 
men  abgefeljen,  eine  freunblidje.  ©er  alte  33arnljagen  Don 
ßnfe  nannte  in  einer  öffentlichen  33efpred)ung  bie  ©tdjtung 
„in  jebem  ©innc  eine  ungemeine,  eine  jtoar  ber  Untermal* 
tung  geroibmete,  aber  nid)t  für  geroöljnlidje  Sftomanlefer  be= 
rechnete:  fte  forbere  Sefer  oon  ©emüt,  oon  Ijöljerem  ©eift, 
oon  eblem  Äunftjtnn."    6§  roelje  in  bem  burd)au$  urfprüng* 

2)  (£3  roaren  nur  bie  brei  erften  93änbe,  ber  werte  fyatte  auf  bem 
Säger  ©djaben  gelitten. 


46  „2>er  grüne  $ttnru$." 


licfyen,  aus  fräftiger  ßigenljeit  Ijerrjorgeroadjfenen,  öon  aller 
ßiererei  freien  2öerf  ed^te  ©djroeijerluft,  ber  ©eift  allgemeiner 
greifyeit  unb  perfönlidjer  @elbftänbigfeit.  ©ie  flare  ©djreibart 
erinnere  an  bie  fyelle  fjeftigfeit  beS  „2öil()elm  SSKeifter"  unb  an 
bie  garte  Slnmut  beS  ,,£einrid)  oon  Ofterbingen".  „3n  @inem 
@tücfe  nur  —  jdjlojj  Sarnljagen  oon  (5nfe  —  fönnen  mir 
unfere  Unjufrieben^eit  nid)t  oerljeljlen;  mir  roünfdjen,  bem 
©rünen  £etnrid)  nid)t  einen  fo  frühen  $£ob  belieben  ju 
fefyen,  er  foD  mit  feinen  fdjönen  ©aben  unb  Gräften  weiter* 
leben,  fid)  felber  unb  uns  jur  greube.  9Jtöge  er  als  ein 
glüdflidjer  redivivus  uns  fernerhin  begegnen1)!"  2tod)  am 
bere  Seurteiler  wie  Seroin  @d)fidfing,  3ulian  @d)tmbt  unb 
3uliuS  ©roffe  füllten  jtd)  an  ©oetfye  erinnert.  @ben  fo 
einig  gingen  fte  in  ber  SBerroerfung  beS  elegifdjcn  ©djluffeS. 
Sei  allen  8taSfe£ungen,  namentlid)  in  begug  auf  bie  fjorm, 
fpracfyen  cS  faft  fämtlicfye  tfritifer  aus,  baß,  wer  im  ftanbe 
fei,  oier  fflanbc  mit  einem  fo  einfachen  3nljalt  otyne  Ijtn* 
länglid)  uridjtige  ober  gar  pifant  oerfd)lungene  ©reigniffe  ju 
füllen,  unb  babei  bie  ÜEeilnafyme  nidjt  im  geringften  verliere, 
fid)  fdjon  eines  großen  SteidjtumS  &on  ©elbftempfunbenem, 
Erlebtem  unb  =©ebad)tem  beroufet  fein  mfiffe.  ©ie  ©id)* 
tung  fei  ber  frifdjefte  Sergquell,  ber  je  aus  ben  SSbälem 
£eloetienS  in  bie  glut  beutfetyer  ©eifteSftröinung  einge- 
münbet  f)abe. 

©nen  originellen  Son  fd)lug  ÄellerS  fjreunb,  £aupt* 
mann  SBtlfjelm  ©djulj  in  ^ottingen,  an.  @r  erliefe  in  ben 
„Slättern  für  lit.  Unterhaltung"  1855  (?Ro.  37)  einen  offenen 
Srief  an  ben  SBerfaffer  ber  ©idjtung:  „©er  ©rüne  £einrid)? 


')  Slbgebrucft  im  Sllbum  be§  litterariföen  SBereinS  in  33ern  (1858) 
@.  113  f. 


„SDcr  grüne  $einri<§."  47 


Sfter  baS  ift  ja,  wie  er  leibt  unb  lebt,  ber  ©ottfrieb 
ÄeUer  felbft,  aus  ©lattfelben  im  tfanton  Sfirid)!  2BaS 
fott  id)  alfo   oiel   Umftänbe  machen?   Söir  lernten  uns  ja 

fdjon  lange. 3d)   rebe  ©id)  gerabegu  mit  bem  üer= 

traulichen  ©u  an,  unb  wir  führen  gwifd)en  Serlin  unb  3önd) 
eine  Htterarifdje  Unterhaltung  über  btefeS  unb  jenes,  u.  a. 
über  ©einen  ,@rünen  £emrid)"'.  9iad)bem  ©djulg  bem 
©id)ter  nun  fetyr  breitfpurig  ersä^It  tjat,  was  bie  Qüxityr 
SanbSleute  öon  bem  Sbufyc  fagen  (bie  einen  behaupten,  e£ 
fei  ein  Stoman,  bie  anbern,  eine  ©elbftbtograprjie)  unb  mit 
il)m  in  ©ingen  ber  Sßolitif  unb  Sfteligion  btöfutiert  Ijat,  ruft 
er  ifjm  ju:  „©laube,  rua3  ©u  willft  unb  bid)te,  was  ©u 
mufet!  Unb  ein  ©id)ter  bift  ©u;  baS  mufc  man  ©ir  nach- 
jagen. 2Bie  fyaft  ©u  eö  nur  gelernt?  Slber  wafjrfcrjeinlid) 
tyaft  ©u  eö  gar  nid)t  gelernt,  fonbern  es  fteefte  fd)on  in 
©ir,  ba  ©u  nod)  eine  Heine  9tteerfafje  warft,  unb  ift  feitbem 
nur  grofe  unb  gröfeer  gewad)fen."  ©en  laut  geworbenen 
Vorwurf,  ber  SBerfaffer  Ijabe  feinen  £einrid)  oorfdjnell 
fterben  laffen,  bloS  um  mit  bem  oierten  Sanb  gu  6nbe  gu 
fommen,  weift  @d)ulg  gang  in  iMerö  Statt  gurücf:  „©er 
©ritne  ^einrid)  unb  feine  Butter  ftnb  in  geben  unb  Siebe 
fo  feft  in  einanber  gewad)fen,  bafc  e£  ber  @ol)n  gerabe  im 
©efflr)I  ber  ©idjertjeit  be£  unauflöSüd^  fdjeinenben  SSerr)ält* 
niffeg  um  fo  eljer  oerfäumt,  feine  Siebe  aud)  nod)  in  befon* 
beren  äufeern  fyiäim  ertennen  gu  laffen.  3lber  an  biefer 
Serfäurnnte  ftirbt  feine  SJiutter,  unb  nun  mufc  it)r  ber  feinet 
toegS  lebenSfatte  #einrid)  in  ba£  ©rab  nad),  ba  it)n  felbft 
bie  leibenfd)aftlid)e  Siebe  gum  lebensfrohen  ©ortcfyen  nid)t 
meljr  aufrecht  gu  galten  oermag.  SRod)  nie  ift  ein  @ebid)t 
ber  Siebe  gwifdjen  SRutter  unb  Sotjn  gebietet  worben,  fo 


48  „S)er  grüne  £einri$." 


einfach  unb  innig,  fo  waljr  unb  fd)fln.  llnb  id)  —  fäljrt 
©djulg  fort  —  mürbe  mtd)  nid)t  genieren,  e$  gerabegu  raun- 
berfd)ön  gu  nennen,  wenn  td)  md)t  befürchtete,  bafe  ©u  mid) 
fogleid)  als  SBunbergläubigen  mtfftanbeln  würbeft."  ©te 
©arftellung  be$  fpejfifcl)  fd)weigerifd)en  SBolfölebenS  fei  fo 
treu  unb  waljr,  bafc  jid)  gerabe  barauä  manche  Don  ÄellerS 
ganböleuten  am  allerwemgften  machen,  weil  iljnen  bie  @r* 
gäljlung  Don  Singen,  bie  fte  täglich  mit  £änben  greifen  unb 
bie  nidjt  üiel  anberö  fein  fönnen,  fefyr  überflüfftg  üorfomme. 
Übrigens  foflen  bie  ©djmeiger  unb  bie  ©eutfdjen  frolj  fein, 
einen  gangen  9Äann  unb  gangen  ©id)ter  an  Heller  gu  Ijaben. 
„©arum  —  fo  fdjliefet  ber  Srief  —  forbern  mir  äße  bie* 
jenigen,  bie  Iefen  gelernt  unb  an  ©einen  @ad)en  nod)  allgu 
Diel  auSgufefcen  Ijaben  (benn  ba&  gar  nid)ts  auSgufefcen  märe, 
Ijabe  id)  aud)  nidjt  gefagt)  hiermit  förmlid)  unb  feierlich  auf, 
ben  ,@rünen  ^einrict)'  unb  ©eine  @ebid)te  gum  erften,  gum 
gmeiten  unb  gum  britten  9Jlale  gu  lefen.  llnb  wenn  fte  aud) 
gum  britten  SJlale  nid)t  miffen,  waö  fte  an  ©ir  Ijaben,  fo 
eiflären  mir  beibe  iljnen  runbweg,  bafe  ifynen  ber  ©inn  für 
ed)te  $oefte  für  immer  oernagelt  ift.  .  .  .  3Wein  ungeachtet 
biefer  beiberfeitigen,  reiflich  erwogenen,  ernftlid)  gemeinten, 
aber  leiber  unmaßgeblichen  SSefcfylufefaffung  wäre  e$  gut, 
wenn  ©u  balb  in  bie  ©djweig  fämeft,  um  wieber  einmal  in 
ba£  Sebcn  be$  SBolfö  unterzutauchen  unb  einigen  beutfdjen 
©cfyulftaub  abguwafd)en,  ber  l)ier  unb  ba  ©einer  ©id)terl)aut 
anhängen  mag.   Sljue  ba$lu 

©ennod)  fanb  ber  „©rüne  ^einrid)11  nur  einen  fe^r 
Keinen  SUtljang.  @£  gibt  ©id)ter,  bie  fo  abfeitS  oon  ben 
breiten  Sßfaben  beö  SefepublifumS  wanbeln,  baß  ifyre  SBüdjer 
nie  populär  werben  fönnen.    ©af)tn  gehört  g.  39.  in  erljöl)' 


„SDer  grüne  ^einriety.'1  49 


terem  SÄafee  9»örifeS  „SMer  holten"  (ben  toller  übrigens 
bamalS  nod)  nid)t  fannte). 

©ie  frühere  2itteraturgefd)id)te  mad)te  bem  33ud)e 
baS  Seben  nad)  Äräften  fd)mer.  ©ie  wufete  eben  nid)t 
red)t,  was  fte  bagu  jagen  foHte.  SJtan  ftöfet  ba  auf 
bie  fonberbarften  Urteile,  wobei  meiftenS  böfer  SBiUe  ins 
Spiel  fommt.  Slm  um>erf)üllteften  tritt  bieS  Ijeruor  in  %m* 
brid)  ÄrerjfeigS  „SJorlcfungen  über  ben  beutfcfyen  SRoman  ber 
©egenmart"  (1871)  ©.  138  ff.,  wo  fogar  bie  blofeen  inljatt* 
liefen  Süjatfadjen  fdjnöbe  oerfeljrt  uub  entftellt  nnebergegeben 
werben.  Äregfeig  fpottet  über  ben  grünen,  „Ieiber  fetjr  unb 
bauerljaft  grünen  S$t\m\i)lk  unb  fd)Uefet  feine  fyämifdje  33e* 
fpredjung  mit  ben  SBorten:  „Unb  biefer  Vornan  fyat  feinem 
SSerfaffer  einen  tarnen  gemacht  unter  ben  beutfdjen  9lft^e= 
tifern  unb  Iocft  nod)  fyeute  eine  gläubige  ©emeinbe  Don 
fdjönen  ©eelen  in  feine  traumhaften  2abrjrintl)e:  eines  oon 
Dielen  Seifpielen  für  bie  gangfamfeit  unb  Ungleidjmäfeigfeit, 
mit  ber  bie  fulturijiftorifdjen  2Banblungen  ftd)  in  unferm 
öielgeglieberten  unb  gebrodjenen  SBoife  üollgiefyen."  Stöbert 
$rufc  in  feiner  flüchtigen  „©eutfdjen  fiitteratur  ber  ©egen* 
wart"  2,  209  (1860)  fdjeint  baS  333er!  gar  nid)t  gu  @nbe 
gelefen  gu  fyaben,  fonft  würbe  er  unmöglid)  fdjreiben:  ,,©od) 
gewährt  ber  ©djlufe  beS  33ud)eS  feine  Sefriebigung.  ©er 
©idjter  weife  für  feinen  gelben  feinen  anbern  Ausgang,  als 
bafe  er  iljn  raaljnfinmg  werben  läfet,  ja  fdjliefelid)  entbeeft 
es  ftd),  bafe  er  fd)on  öon  jeljer  roaljnfinnig  geroefen."  ©oldje 
unb  äljnlidje  ^Beurteilungen,  bie  nid)t  über  bie  Ungleichheit 
ber  Äompoption  (jinroegfamen,  fyatte  Äeller  im  21uge,  als  er 
fpäter  in  begug  auf  ben  Sitelfyelben  feines  33ud)eS,  ben  er 
für  immer  begraben  gu  fyaben  glaubte,  bie  unmutige  Slufee* 

«ottfrieb  ÄcDct.    IL  4 


50  „£cr  grüne  ^einri^." 


rung  tljat:  „Allem  er  fdjläft  ntd)t  fetyr  rufyig;  benn  roie  id) 
fyöre,  wirb  ber  arme  Äerl  in  ben  9Käbd)enj>enjionaten,  wenn 
ber  ©prad)*  unb  Sitteraturleljrer  auf  baS  Kapitel  beS  9to* 
inaneS  fommtr  fiets  Ijeraufbefdjworen  unb  oor  bie  unauf* 
merffamen  (Schülerinnen  Ijingeftellt,  Ijerumgebrefyt,  Ijin*  unb 
l>ergefül)rt  unb  inufe  als  abfdjredfenbeS  SJeifjriel  btenen,  wie 
ein  guter  Vornan  md)t  befcfyaffen  fein  foß,  unb  eS  l>ilft 
gegen  biefe  graufame  Seläftigung  nid^t  ber  Umftanb,  ba& 
ber  Strafte  ja  mittels  ber  eigenen  Borrebe  bie  ©rflärung  in 
ber  5£afd)e  mit  ftd)  füljrt,  bafe  er  fein  rechter  JRoman  fei!" 
©in  granjofe  üerftieg  ftd)  fogar  ju  ber  abenteuerlichen  33e* 
Ijauptung ,  baS  33ud)  fei  eine  graufame  Satire  auf  baS 
beutfdje  SBefen,  gefdjrieben  oon  einem  geiftreidjen,  aber 
fdjnöben  9Kenfd)en.  ©rft  bie  fd)öne  tiefe  ©tubie  SStjdjerS 
in  ber  Seilage  jur  „allgemeinen  ßcitung"  1874  (9tr.  203 
bis  210),  welche  ÄellerS  bid)terifd)eS  Snfeljen  mächtig  förberte, 
Ijat  aud)  biefeS  Sugenbroerf  nad)  bem  Dollen  SBerte  ge- 
würbigt. 

„©er  grüne  ^einnd)"  ift,  mie  man  nun  weife,  in 
erfter  2inie  eine  Autobiographie  im  Sinne  ber  fünftlerifdjen 
Äuffajfung  ©oetljeS:  2BaI)rljeit  in  bitf)terifd)eS  ©ewanb  ge* 
Reibet,  ©aneben  fteefen  eine  SRenge  nooellifiijdjer ,  rein 
poetifdjer  Anlagen  in  bem  Sudje.  ©er  Sn^alt  ber  brei 
erften  SBänbe  fornmt  ber  5BMrflid)fcit  manchmal  in  über* 
rajdjenber  SBeife  na^e;  er  bilbet  eine  et)rfid)e  SBefemttmS* 
fdjrift  oljne  unnötige  unb  eitle  9touffeaufd)e  Sntblößung,  ift 
©arfteQung  eines  SebenSmorgenS ,  mie  er,  öom  ©ufte  ber 
$oejte  oerflärt,  an  ber  ©eele  beS  gum  TOanne  reifenben 
®id)terS,  wehmütig  9töfd)ieb  neljmenb,  nod)  einmal  Dorbei* 
gie^t  unb  in  ber  ßrinnerung  jtd)  bid)terifd)  ausweitet,    ©er 


„2>er  grüne  £eum<§."  51 


©djlufc  be3  legten  StetlS  bagegen  ift  romanartig  angelegt: 
er  geigt,  wie  e£  Ijatte  werben  tonnen,  wenn  ftd)  ©ottfrieb 
ÄeHer  md)t  gufammengenommen  Ijätte. 

9Kag  man  ben  „©rünen  ^einrid)"  ©elbftbiograpljie  ober 
3?oman  nennen,  gewife  ift  ba§:  er  ift  ein  2Serf,  wie  e£  in 
imferer  Sitteratur  nur  einmal  üorljanben  ift,  eine  ©idjtung 
Doli  SBerfenfung  in  bie  geprüften  Stiefen  einer  träumerifdjen 
©emütSwelt.  SBenn  man  barin  lieft,  wirb  einem  gu  9Äute, 
alö  ginge  man  Sonntags  bind}  ben  ftitlen  ©ommerwalb. 
2)a3  ©efüljl  ber  Seglfitfung  jieljt  in  bie  Seele,  unb  was 
2Bof)Uautenbe3  in  ifyr  oorljanben  ift,  Hingt  Ieife  mit.  Sie  Iafet 
fid)  üon  bem  Sauber  umfpinnen,  weiter  in  bem  SBudje  feine 
golbenen  graben  um  baö  SWtäglidje  webt,  ffienn  barin  be* 
fteljt  bie  unt>ergletd)Iid)e  Äunft  ©ottfrieb  ÄellerS,  bafe  er  bag 
©ewöf)nlid)e  jum  Ungemeinen,  faft  gum  SBunber  gu  ergeben 
weife.  2Beld)e  SüKe  üon  $oejte,  wof)in  wir  fdjauen!  23eld)e 
©eftaltungöfraft,  welche  2lnbad)t  für  bie  aJjnungSöolle  SBelt 
be§  jugenblidjen  §ergenS,  welche  SHannigfaltigfeit  unb  2lb* 
ftufung  öom  Ijolb  3brjllifdjen,  tief  SRüfyrenben,  bi§  gu  bem 
golbenen  ladjenben  ©ottfrieb  ÄeHer=§umor!  33i§  baljin  Ijatte 
ber  ©id)ter,  aufeer  einigen  fritifdjen  Sluffä^en  für  SageS* 
Matter,  wie  g.  33.  bie  in  4i)eibelberg  unb  Sßerlin  gefdjriebenen 
Stubien  über  feinen  Sanbömann  3feremia$  ©ottljelf,  leine 
umf  affenben  $rof  aleiftungen  aufguwetfen;  um  fo  bewunberungS* 
würbiger  jtnb  bie  Sugenben  ber  @pradje  unb  beö  ©tilö 
feinet  (SrftlingS. 

Sfteidjlid)  gwangig  galjre  fpäter  Ijat  ber  alternbe  9Kann 
nochmals  £anb  an  fein  Sugenbwerf  gelegt  unb  gwar  in 
ber  2lbftd)t  einer  grünblidjen,  namentlich  ben  üierten  S3anb 
tief  berüljrenben  Umarbeitung.    £)b  ber  @ed)£gtger  bie  glütf* 

A* 


52  $)er  neue  „©rime  6einri($". 

Hefte  Stimmung  wieberftnben,  ob  er  mit  ber  nötigen  Unbe* 
fangenljeit  unb  Sdjonung  an  bie  Arbeit  gelten,  ob  er  nid)t 
bie  grünen  Jone  grau  übermalen  würbe:  baS  waren  ba* 
mals  wofyl  aufguwerfenbe  fragen. 

@r  fdjrttt  fclbftüerftätiblid)  oljne  Sentimentalität  ans 
2Serf,  etwa  wie  ein  Waler,  ber  fein  altes  Silb  nad)  langer 
Seit  wieber  auf  bie  Staffelei  fteltt  unb  ftalb  beftür^t,  Ijalb 
ärgerlich  jum  SimSftein  greift  unb  unbarmherzig  bamit  über 
bie  Seinmanb  weg  fäljrt.  9Wand)eS  erfdjeint  bem  ©ereiften 
albern,  unb  er  Derfteftt  nirf)tr  wie  ein  vernünftiger  9Äenfd) 
auf  foldje  ©inge  geraten  fonnte;  mandjeö  ju  entfernen  tyut 
ifym  faft  leib,  benn  e£  ruljt  ein  Heiner,  wenn  fdjon  greller 
Streifen  Sugenbfonnenfdjein  barauf.  3m  SBorbergrunb  liegen 
einige  9?aturblöcfe,  bie  oftne  ©nabe  weggeräumt  werben. 
3unäd)ft  mnfete  e$  ftd)  banim  Ijanbeln,  bie  ttnförmlidjfeit  ber 
äußeren  Äompofition  ju  oerbeffern.  Gnnen  9J?oment  feftwanfte 
er,  ob  er  nid)t  ben  Sd)lu&  an  ben  Anfang  fteQen  unb  rücf* 
wärts  bliefenb  erjagen  foüe.  ©ann  aber  bebiente  er  ftd) 
eines  einfachen  Äunftgrip:  er  fd)icfte  bie  frühere  Ginlage, 
bie  3ugenbgefd)id)te,  t>orau§  unb  liefe  feinen  gelben  ba$  ©ange 
bis  jum  Sd)lufe  in  ber  3ct)form  oortragen,  moburd)  bie  ge* 
fdjloffenere  einf)eitlid)ere  §orm  erreicht  würbe.  Sie  auto* 
biograpfyifdje  6rjäf)lung§meife  fyat  freilief)  —  wie  er  feljr 
woljl  erfannte  —  aud)  if)re  9tad)teile,  inbem  fie  nid)t  feiten 
bie  abfolute  Steinzeit  unb  Dbjefttoität  ber  wahren  ©id)ter* 
fpradje  beeinträchtigt,  ©a3  Sarodfe  unb  Spuffyafte,  ba$ 
einft  in  bem  merfwürbigen  33ud)e  fein  ungebunbeneS  SEBefen 
trieb,  ift  entfernt  ober  gemilbert,  33erle{$enbeS  befeitigt,  mafe* 
lofc,  nidjt  organifd)e  fiängen  ftnb  gefürjt;  ba3  gumal  im 
legten  Seil  ermattenb  unb  oft  jugenblidt)  grüne  JRefleftieren 


S)er  neue  „©rüne  £etnricfy".  58 

über  $olitif,  ^Religion  unb  ßrgieljung  ift  befdjnitten,  enblid^ 
ber  trübfeltge  @d)U$  burd)  einen  Ausgang  erfejjt,  ber  in 
eine  faft  befyaglidje  SRefignation  auSflingt. 

Äelter  Ijat  ben  vierten  Sanb  üöllig  neu  geftaltet.  ©er 
üiiferfianbene  £einrid)  roanbelt  nod)  einmal  Mbie  alten  grünen 
$fabe  ber  Gmnnerung".  ©einer  SSrübfal  entgeht  ergroarmit 
nidjten.  ©er  ©id)ter  beugt  ben  Slrmften  gubem  nod)  unter 
ba3  3fod)  einer  beniütigenben  fiiebfdjaft  („£ulba"),  bie,  ju- 
fammen  mit  bem  „Slötennnmber",  gu  ben  fdjönfteu  neuen 
Sßartieen  gehört.  S^ne  ßpifobe  ift  übrigens  mifeüerftanben 
roorben.  Sie  foll  jelbftoerftänblid)  geigen,  mie  im  [heben* 
ben  SSKcnfdjen  bei  fortmäfyrenbem  9Kifcgefd)icfe  mand)mal  ba& 
©elüfte  uad)  bem  SBerfinfen  in  bie  ©unfelfyeit  auftauet,  roie 
er  bei  jid)  beult :  wie  gut  fönnteft  bu'3  mit  biefem  Söienfd)* 
lein  fjaben,  ba$  üou  uid)t$  als  Slrbeit  unb  Siebe  rcbet,  wenn 
bu  allem  anbent  [tili  entfagteft  unb  in  ben  befdjeibenen 
SBenuoberg  einträteft !  9JMt  bem  @d)dbel  beö  SUbertuö  S^ieljan 
unb  feiner  3ugenbgefdjid)te,  ber  einjigen  $abz,  roeldje  er 
aus  bem  6d)ifibrud)e  gerettet,  tritt  £>einrid)  ben  ^eimroeg 
an.  9lcu  ift  ferner  ber  auf  bem  @rafenfd)loB  anrütfenbe 
$eter  ©tlgu£  mit  feinem  ©ad£  unb  bem  magren  Sluge  ©otte3 
—  ©ilguö  ift  eine  Äarifatur  be£  §euerbad)ianer$  —  ein 
^auptftüd  ÄeUerfdjen  gornigen  £>umor£. 

©a3  9)tütterd)en,  meld)e$  unterbeffen  bie  laugen  Safyre 
über  umfonft  täglid)  ba&  fladje  ©ad)  beS  Kaufes  erllommen 
unb,  bie  §anb  über  bie  Slugen  tjaltenb,  unüerroanbt  nad) 
ber  gerne  l)inauSgefd)aut  Ijatte,  ftel)t  mit  bem  legten  bredjen* 
ben  SBlidfe  ben  luieberfeljrenben  ©oljn,  -ber  nun  in  einer 
aubem  SebenSftellung  feine  ftillbefcfyränfte  3ufrtebenl)ett 
pnbet.    Unb  roie  ber  ©rüne  §einrid),  ber  auSgegogen  mar, 


54  2)cr  neue  „©riine  ^rinriefc." 

bie  Aunft  gu  fudjen  unb  bie  2eben£funft  heimbringt,  feine 
Läuterung  burd)gemad)t  fjat,  ba  tritt  aud)  jenes  Äraftbilb 
ber  Jugenb,  3ubitl),  roieberum  in  feinen  @eftd)t£freis.  ©er 
S)id)ter  wollte  fid)  nad)  feinem  eigenen  ©eftänbniffe  felbft 
nod)  einmal  am  Sbglanje  tiefet  oon  feiner  2Birflid)feit  ge= 
trübten  $f)antaftegebilbeS  erfreuen.  3"bitl)  fommt  aus  ber 
ftrembe  jurücf,  unb  mir  fielen  in  einem  ©djlufcfapitel  Don 
übermdltigenber  ©d)önf)eit  mit  ben  beiben  am  „Sifcb  ©otteS", 
oon  beut  fte  nun  nehmen  fönnten,  ma£  bte  SSBelt  ba$  ©lücf 
nennt,  aber  fte  frönen  ftd)  md)t.  5Kit  einer  £eirat,  bie 
bod)  t)icr  baö  gewöhnliche  [Romanhafte  weit  hinter  fief)  ge* 
Iaffen  ijätte,  burfte  ba&  33ud)  md)t  abfdjliefeen.  SBir  l)ören 
ba  gugleid)  eine  fleine  Apologie  beS  SunggefeHentumS  heraus. 

SWemanb  fann  bem  ©id)ter  mehren,  mit  feinem  SEBerfe 
nad)  ©utbünfen  umjugeljen,  namentlid)  wenn  bie  Umgeftal* 
tung  eine  grünblidje  SSerbefferung  bebeutet.  SBenn  nur  ber 
urfprünglidje  ©uft  nid)t  oerloren  geljt.  aber  oud)  bem  2efer 
bleibt  eS  unbenommen,  ftd)  an  bie  Raffung  ju  galten,  bie  ifym 
bie  liebfte  ift.  2113  Äunftwerf  ftcl)t  ber  neue  „ ©rfine  ^etnrid)" 
gewtfc  weit  über  bem  alten,  aber  ba$  frühere  33ud)  ift  mit 
all  feinen  feiern  unb  „©djauerlid^eiten"  (wie  ber  Siebter  ju 
fagen  pflegte)  fo  mit  bem  jungen  ©ottfrieb  ÄcHer  oerwacfyfen, 
bafc  e$  jum  SBerftänbmS  feiner  (Sntwicfelung  nidjt  ju  ent* 
beeren  ift.  3$m  felbft  war  freiließ  baS  33erfd)winben  ber 
erften  Ausgabe,  bie  Ijeute  feljr  feiten  unb  teuer  geworben  iftr 
eine  waljre  Herzensangelegenheit.  „Sie  £anb  —  fprad)  er 
einft  faft  feierlid)  —  möge  oerborren,  welche  je  bie  alte 
gaffung  wieber  jum  Slbbrucf  bringt \u 

6ine  britte  Arbeit,  meldje  in  Serlin  leidjt  unb  müljeloS 
neben   ber   am  „©rünen  £einrid)M  einljerging,   f>at   fpäter 


SftotteUenentnmrfe,  1851.  55 

feinen  ©idjterruljm  begrünbet,  bie  9?ot>ellen.  @d)on  im 
September  1851  fdjrieb  er  ^ermann  Lettner,  er  Ijabe,  um 
ben  fd)led)ten  ©inbrucf  gu  öenmfdjen,  ben  fein  formlofer  mtb 
ungeheuerlicher  SRoman  auf  bie  'iJJienge  madjen  werbe,  einige 
farbenreiche  @rgäf)lungen  auSgefyecft.  SÜfo  toieber  auSgeljecft, 
ntc^t  ausgeführt!  @§  ftnb  9?oöeHens@ntoürfe;  bie  fic^  teil« 
ju  ben  Selbrogler  ©efd)id)ten  ober  gu  benjenigen  be8  „€>inn* 
gebidjteS"  auStimdjfen,  teil«  unauSgearbeitet  blieben.  SBtr 
lernen  bie  3ftoIjfioffe  au§  ben  folgenben  Zotigen  fennen. 

„«Berlin  1851. 

<Srgäf)lungen. 

1.  Variationen  311  bem  Sogaufdjen  <5inngebid)t: 
„Sßie  unllft  bu  weifte  Silien"  :c. 

2.  Dbige  9?oöeHe  contra  Sluerbad)1). 

3.  9tot>elle  in  Serlin.  S)er  fjrembe  unb  bie  frembe 
S)ame  im  9Jttetl)aufe.  sJJiotio:  ftummeS  Sieben  wäljrenb  ber 
9iad}t.  3ebe$mal  tauften  fie  einen  am  Sage  gefd)riebenen 
Srief  aus,  welcher  teils  33iograpl)ifd)e$,  teils  poetifd)=S)ä* 
monifdjeS,  teils  ein  unbeftimmteS  bitl)t)rambtfd)eS  Subilieren 
enthalt.  @rft  bei  ber  Trennung  für  immer  eine  feierlidje 
ßufammenfunft  am  Sage,  münblidje  ©rflärung  unb  gegen* 
feitige  Übergabe  oerftegelter  ©riefe,  roeldje  ben  tarnen  unb 
SBofynort  enthalten  unb  nur  in  bem  %aüt  gu  öffnen  fmb,  100 
eines  bie  £ülfe  beS  anbern  bebürfe  ober  nid)t  mefyr  ofjne  baS* 
jelbe  leben  fönne.    (Sonft  aber  motten  fte  fid)  unbefannt  bleiben. 

4.  ©efd)id)te  oon  ben  brei  ©cfyreinergef eilen,  meldte 
alle  red)t  traten  unb  beSnafyen  nidjt  neben  einanber  epiftieren 
fonnten.    Äoftüm  beS  ad)tgef)nten  3af)rl)uubertS. 

!)  offenbar  gegen  5luerba$§®orfgefd)id)te  „®tegrau$ßrofefi"orin\ 


56  sRoüefleneiüwÜTfe. 


September  1851. 

5.  SRoüelle:  „@in  roed)felöoller  Sag".  Anfang: 
SJtorgen  im  ©djlafjtmmer  ber  §rau.  Soilette.   StpoQo  k. 

6.  9tot>elte:  SReapel.  Sie  beiben  9Bäbd)en  unb  ber 
Saufdjenbe. 

7.  9Jtard)en.  6ine  Überfdjroemmung.  ©d)ilberung  ber 
(Slementarfräfte  im  Äampfe.  ©ie  SBaffergeifter  [türmen  ein 
£au§  am  Ufer,  bringen  in  alle  Staunte  unb  fd)lagen  fld), 
triefenb  Don  ©dfyaum  unb  ©djlamm,  auf  ben  geuerftellen, 
in  £>fen  unb  Äamin  mit  ben  rufeigen  £au$*  unb  Breuer* 
geiftern  fyerum.  hieran  gefnftpft  bie  (Sntfüljrung  eine$  Wäb* 
d)en£  burd)  ba3  ÜSaffer,  als  §onb  ber  Säbel. 

8.  abelige ÄorruptionS*@efd)id)te.  £ufarentafd)e. 
(©ieö  ift  „Sie  arme  SBaronin"  im  „@inngebid)t"  geworben, 
breißig  3af)re  fpäter1).) 

Berlin,  Dftober  1852. 

SRoöelle:  ,,©ie  ©träflingin".  Sunger  erfahrener 
unb  geiftüoQer  Wann.  Sie  pnbet  @d)u{$  unb  Arbeit  bei 
ifym.  ©rljolt  ftd).  Um  pe  ganj  ju  ftdjern  unb  it)re  3ufunft 
gu  begrünben,  fyalt  er  fid)  ftreng  jurüdf  unb  rnagt  e8  nid)t, 
ber  frönen  9Bagb  nur  baS  Äinn  ju  ftreidjeln  ober  fte  an* 
juladjen.  6in  junger  Änedjt  fommt  in«  £au3:  ernftljafter 
unb  ftoljer  5Renfd),  toeldjem  nod)  fein  9Jtäbd)en  genügt  l)at. 
6r  f)ält  fe^r  auf  Gljre,  ift  aber  ein  guter  Üeufel  bei  alle  bem. 
©er  §err  merft  an  feinem  Brummen,  bafe  iljm  bie  SJlagb 
nid)t  mefyr  gleichgültig  ift.  ©a  er  aud)  an  Ujr  eine  traurige 
tjoffnungSlofe  Neigung  bemerft,  fagt  er  einft  üertraulid)  ju 
ibr:    „2SaS  meinft  bu,  armes  ©ing?     ©u  foüteft  flauen, 


')  (Spätere  S3emerfung  tfeUerS. 


Dtotoeflenentwürfe.  57 


bafj  bu  ben  £an3  befommft!  3f)r  Kirntet  gut  jufammen 
paffen."  Sic  gibt  ju  erfennen,  wie  bieS  ja  unmöglid)  fei, 
ba  £anS  fdjon  unbefdjoltene  imb  fd)öne  9)?äbd)en  üeradjtet 
unb  an  pe  gar  nid)t  benfen  fönne.  9iun  erflärt  er  iljr  im 
Stillen,  »ie  gerabe  iljr  ©djicffal  fie  bem  §an§  nidjt  gleid)* 
gültig  laffe  unb  ifyn  jwinge,  fte  ju  beadjten;  bafe  baS  Unge* 
wotjnte  üiel  meljr  geeignet  fei,  i^n  ju  feffeln  unb  für  iljre 
SBorjüge  aufmerffam  ju  machen,  als  wenn  fie  ein  gewöhn* 
lid)eS  9Jtäbdjen  ofyne  biefe  traurige  ©rfaljrung  wäre.  @S 
gef)t  ifyr  ein  2id)t  auf,  fte  lädjelt  burd)  iljre  fflfjräntn,  wirb 
aufmerffamer  unb  lädjelt  jebeSmal  freunblidjer,  wenn  fie  ben 
£errn  allein  fiefyt,  guni  S^'cljen,  bafc  fie  feine  93orauSfe{jung 
bereits  für  waljr  befinbe.  ©ie  beiben  ©ienftboteu  finb 
bereits  ffoti  SBertobte:  ber  Änedjt  f)at  fid)  nad)  langen 
Äämpfen  entfd)loffen,  fie  ju  heiraten.  3n  ifyrem  ©lüde  läuft 
fie  gum  unverheirateten  #errn,  iljm  if)r  banfbareS  $erj  gu 
öffnen.  @r  ift  ifyr  unenblid)  lieb.  3n  ifyrer  ^erjeuSfrcube 
mochte  fie  iljn  beim  Äopfe  Wegen  unb  abfüffen,  wenn  fie 
nid)t  fo  gewaltigen  Sfiefpeft  fyätte.  ©od)  erfdjeint  fie  tym 
in  iljrer  gutraulidjen  iiberftrömenben  $reunblid)feit,  üerflärt 
burd)  ßljrerbietung  unb  ©anfbarfett,  fo  liebenSwürbig,  bafe 
er  fid)  für  einen  SHugenblidf  üergifet,  bie  (ärrötenbe  umarmt 
unb  auf  ben  SSlmxb  füftt,  bod)  weit  meljr  wie  jemanb,  ber 
eine  grofee  f$reube  an  einem  burd)  ©orge  lieb  geworbenen 
©egenftanbe  fjat,  als  wie  ein  lüftemer  £err  bie  tjübfdje  9J?agb. 
Sn  biefem  ©efüljle  fträubt  fie  jid)  aud)  nid)t:  fie  fyält  Diel* 
meljr  anbädjtig  ftiH,  ja  fie  gibt  il)rem  banfbaren  unb  un* 
fdjulbigen  ©ränge  fogar  einen  Slugenblicf  nad),  üergifet 
ben  SRefpeft  unb  legt  iljren  Srm  um  feinen  £alS.  (©ne 
fröfylidje  5Raiuetät  ift  früher  fdjon  angebeutet.)    3n  biefem 


58  „2>te  Seutc  »on  igelbtttyla",  1856. 

äugenblicf  ftct)t  £an£  unter  bcr  $l)üre.  Alles  ift  öerloren 
unb  fann  nur  mit  sJJlüI)e  wieber  ins  ©eletfe  gebracht  werben." 
33on  biefen  SrgäljlungSftojfen  ftnb  aufcer  bem  „€>tnn* 
gebiet",  beffen  5Hotto  Ijier  lebiglid)  angebeutet  n)irbr  nur 
„Sie  brei  gerechten  Äammmadjer"  unb  „S)ie  arme  ^Baronin" 
ausgeführt  worben.  ©aneben  entftanb  ber  $lan  gu  einem 
fpegiftfd)  fdjweigertfdjen  SRooeKen * (SijfluS.  6r  würbe  im 
Saufe  beS  SaljreS  1853  entworfen  unb  feinem  erften  Seile 
nad)  1854  unb  1855  in  @inem  glücflidjen  3uge  nieberge* 
fdjrieben:  „©iefieute  oon  ©elbwgla",  ofyne  bafc  iljr  33er* 
faffer  twrfyer  je  auf  biefem  ©ebiet  ftd)  geübt  fyatte.  Sieweg, 
ber  ÄeHer  gu  folgen  @rgäf)lungen  aus  ber  ©cfyweig  ermuntert 
Ijatte,  fyielt  feit  bem  ©ommer  1854  bie  anfange  bagu  in 
feinen  £änben  gleid)fam  als  Sßfanb,  welches  er  im  £erbft, 
als  er  baS  Gmbe  beS  „©rünen  ^emrid)"  erwartete,  freiwillig 
Verausgab.  Äeller  wollte  nämlid)  bamals  ben  SBerlag  biefer 
„©fjarafteriftifen  unb  Säuberungen",  in  ber  Art  feiner 
3ugenbgefd)id)te,  einem  angeljenben  Sudj^anbler  in  3?ifc  über* 
Iaffen.  @r  befann  ftd)  jeboc^  anberS,  löfte  ben  üBertrag  wieber 
unb  lehrte  gu  feiner  Sraunfdjweiger  Sirma  gurfief .  ©iefe  er- 
flärte  ftd)  gwei  3Äonate  nad)  SBeenbigung  beS  SftomanS  im 
3uli  1855  bereit,  baS  neue,  t>on  feinem  Urheber  als  §ort* 
fdjritt  begeidjuete  2Ber!  in  SBerlag  gu  nehmen.  %nx  ben  auf 
fünfunbgwangig  Sogen  berechneten  einen  Sanb  würbe  ein 
Honorar  t>on  350  Sljalern  feftgefefct;  ÄeKer  felbft  fällig  für 
ben  %aü  twfpäteter  Ablieferung  beS  TOanuffriptS  eine  Äon- 
öentionalftrafe  oon  25  Sfjalern  für  ben  2Konat  oor.  3m 
(September  geigte  es  ftd),  bafy  baS  twrljanbene  Material  nid)t 
in  einen  Sßanb  untergebracht  werben  fonnte;  ba^er  würben 
öon  ben  fteben  @efd)id)ten  gwei:  „Sie  mifebraudjten  Siebet 


„<Dte  8eute  toon  eelfcmtyla'V  1856.  59 

briefe"  unb  „©er  Sdjmieb  feines  ©lücfeS"  auSgefdjieben. 
Sie  füllten  mit  anbcrn  ben  Seftanb  eines  gweiten  33anb* 
d)en$  ausmachen,  wie  im  ©egember  1856  üertraglid)  feft* 
gefegt  würbe,  ©er  SScrfaffcr  foQte  bis  fpäteftcnö  gum 
1.  Styril  beS  nädjften  3>aljreS,  mieberum  unter  Slnbroljung 
ber  bejeidjneten  33ufce,  bie  nod)  feljlenben  SftoöeHen  für  ben 
jweiten  Seil  einfenben.  ©iefer  ift  belanntlid)  erft  1873 
ju  ftanbe  gefommen,  jebod)  nid)t  meljr  in  33raunfd)meig  er» 
fdjienen.  ©ie  gwei  ©efd)id)ten,  auf  benen  ein  33orfd)ufe  oon 
200  Spolera  Iafiete,  blieben  l)anbfd)riftlid)  beinahe  gwangig 
Sa^re  in  ber  bortigen  ©rueferei  liegen,  ©ie  eine  bauon:  „Sie 
mißbrauchten  StebeSbriefe"  bradjte  SBieweg  im  ^>erbft  18G5 
im  geuiQeton  feiner  „©eutfdjen  SfteidjSsSeitung"  gum  2lbbrudf. 
®a$  3Jianujfript  gum  „Sdjmieb  feines  ©lücfeS"  ging  in« 
gwifdjen  verloren,  unb  ber  äutor  mußte  biefe  5ftot>eHe  1873 
neu  Ijerftellen.  Äurg  öor  bem  Sobe  ©buarb  SBiewegS  machte 
bie  SBerlagsfyanblung  im  Sommer  1869  ben  legten  SBerfud), 
ben  ©idjter  gur  fjfortfejjung  feiner  (Srgäljlungen  gu  bewegen. 
©aS  gange  33ertragSöerf)ältmS  mürbe  im  9Kärg  1873  redjt* 
lid)  gelöft. 

Sener  erfte  unb  auf  lange  fyinauS  eingig  gebliebene  Sßanb 
ber  „2eute  mm  Selbwtjla1'  fonnte  im  Januar  1856  ausgegeben 
werben.  9Kit  biefen  SRoüellen  tritt  ©ottfrieb  Heller  aus  ben 
bisherigen  fubjefttoen  ©efüf)ls!reifen  IjerauS  unb  ergebt  jtd) 
auf  eine  objefttoere  unb  üollfommenere  Stufe  feiner  bidjte* 
rifdjen  (Sntmtcflung.  ©aS  33ud)  öon  ben  unfterblidjen  Selb« 
wglern  wurgelt  mit  all  feinen  geifern  in  ber  Heimat  beS 
®id)terS,  aber  einjelne  biefer  ©ebilbe  ragen  in  bie  Sphären 
^öd^fter  $oefte  hinein.  2WeS  ift  fünftlerifd)  gereifter:  Stil, 
©arftellung ,    anläge.     2ln   bie   Stelle   ber   Stomantif   beS 


60  „2)te  Seilte  toon  ©elbw^Ia",  1856. 

„©rünen  ^einnd)"  tritt  ein  IebenSfräftiger  urgefunber  9tea* 
ltSmu§.  SBteil  biefe§  ©elbmgla  überall  unb  mrgenbä  in  ber 
@d)weij  liegt,  befommen  bie  i)ier  erjä^Iten  ungewöhnlichen 
unb  bod)  fo  alltäglidjen  SBorfäüe  einen  poetifdjen  ©efyalt, 
ber  jwar  Don  auSgefprodjen  fdjweigerifdjer  (Sigenart  unb  bodj 
&on  tt)pifd)er  Sebeutung  ift. 

@elbwt)Ia  ift  ein  fonnigeö  altes  92eft  irgenbwo  in  ber 
©djweig  unb  öon  feinen  ©rünbern  eine  gute  Ijalbe  ©tunbe 
Bon  einem  fd)tffbaren  glufe  entfernt  angelegt  worben,  „jum 
beutlidjen  8^d)en,  bafc  nidjtö  barauS  werben  folle".  Sie 
@elbwt)ler  futb  ein  forgloS  luftiges  Söölflein  unb  ftetö  guter 
©inge.  ©emütltdjfeit  ift  ifyre  oorneljmfte  Sugenb.  ©enü* 
genbe§  £olg  liefert  ber  ©tabtwalb,  unb  ein  giemlid)  guter 
SBein  gebeizt  ringsum.  @ie  laffen  bie  frembett  Seute  für 
pd)  arbeiten  unb  benufcen  iljre  ^rofefpon  lebiglid)  jur  33e* 
treibung  eines  auSgebeljnten  ©djulbenoerfeljrS.  ©ewoljnlid) 
werben  pe  in  iljren  beften  Sauren  fertig  unb  gießen  bann, 
als  23erftofeene  aus  bem  ^arabiefe  be§  gegenfettigen  Ärebiteö, 
auf  Abenteuer  au3,  galten  fid)  tapfer  in  frembem  Äriegöbienft 
unb  wtffen  in  allen  Sagen  beö  Sebeuö  unb  in  fämtlid)en 
SBeltteilen,  wo  fte  nid)t  übel  gebeifyen,  einen  gebratenen  $ifd) 
gu  beljanbeln.  2Ba£  am  Drte  felbft  jurücfbleibt,  lernt  nad)* 
träglid)  etwas  arbeiten,  wenn  aud)  nid)t  ttiel  unb  nidjtS 
3fted)teS.  SBirb  baS  ©elb  rar,  ftellen  fte  Lotionen  auf 
SBerfaffungSre&ipon.  £errfd)t  ein  rabifaleS  Regiment,  fo 
f djaren  fte  pd),  baSfelbe  ju  ärgern,  um  ben  fouferüattoen 
Pfarrer;  ift  ein  liberales  am  Siuber,  fo  brangen  pe  pd)  an 
ben  @d)ullel)rer  ber  ©tabt  unb  werfen  bem  Pfarrer  bie 
©djeiben  ein,  ba  pe  ju  ben  auSgefudjteften  Teufeleien  jeber* 
jeit  aufgelegt  pnb.   Qnr  ©ommerSgeü  bepnbet  fid)  ber  fämt* 


„S)te  2eute  »on  <selbt»vla",  1856.  61 

Iid)e  ©lang  Don  @elbwi)la  auf  ben  Äegelbafjneu  ober  in  ben 
fühlen  ©djenfftuben.  SRur  bie  Saüiten  —  wenn  pe  nid)t 
bei  fcfymütem  SBetter  in  fd)Wetgfamen  ©d)aren  am  ftluffe 
fielen  unb  angeln  —  fyämmern,  näljen,  fdjufiern  nnb  baftelu 
gegen  SIbenb  empg  barauf  loS  in  SKuSpdjt  auf  einen  üer* 
gnügüdjen  ©tntjl  im  SBirtStjaufe.  2lu3  aßen  Käufern  gtdjoriert 
bann  ber  SBeSperfaffee.  3m  ^&erbft  aber  buftet  ba§  gange 
©tabtwefen  nad)  jungem  2öem,  unb  bie  @elbwt)ler  taugen 
bann  gar  nid)tö.    ©a$  ift  ba$  alte  @elbwt)la. 

©ie  9^eufeIbtt)Qler  (in  ber  fpäteren  gortfefcung  biefer 
®efd)id)ten)  pnb  einplbiger  geworben,  lachen  weniger  unb 
führen  nid)t  meljr  bie  ehemaligen  Sdjwänfe  auf.  2113  ge* 
borene  Agenten  fpefulieren  pe  in  Stftien,  Saummolle  unb 
Seibe  unb  fyaben  genug  gu  tfjun  mit  bem  Eröffnen  unb 
Slbfenben  üon  ©epefdjen.  „@d)on  fammelt  pd)  ba  unb  bort 
einiges  Vermögen  an,  roeldjeS  bei  eintretenben  JpanbelSfrifen 
gwar  gittert  roie  ©fpenlaub,  ober  pd)  fogar  ftiH  roieber  aus 
einanber  begibt,  tote  eine  ungefe{jlid)e  SBerfammlung,  wenn 
bie  Sßoligei  fommt."  .  .  .  „SSon  ber  ^ßolitif  pnb  pe  beinahe 
gang  abgefommen,  ba  pe  glauben,  biefe  füljre  immer  gum 
ÄriegSwefen":  biefeS  jebod)  fürdjten  pe  als  angefyenbe  33epjj* 
luftige. 

3n  einer  bergeftalt  befd)affeneu  Stabt  fann  pd)  fd)on 
etwas  gutragen,  unb  an  aßertjanb  Saugen  unb  Ääuginnen 
nrirb  es  aud)  nid)t  fehlen.  Slber  man  mufe  fdjon  ein  ©ott* 
frieb  Äeßer  fein,  bie  fdjönften  Originale  eingufangen.  ©a 
fteljt  g.  33.  öor  bem  Stljore  bie  alte,  oon  ÄurbiSftauben  um- 
ranfte  5Ragelfd)miebe  beS  Soljn  ÄabtyS;  in  ber  trubfeligen 
3Binfelfd)en!e  mirtet  ber  oerlumpte  Sauer  SKang;  E)ier  wofynt 
ber  SEudjIjerr  2Bengel  ©trapinSfi.    Sluf  bem  warmen  ^ßflafter 


f'ß'2  m&t  Zote  wn  Sdttrria*.  1856. 

blinzelt  ber  eble  Spiegel  im  Sonnenid)ein  vmb  ruft  bem  ge* 
plagten  StaMfpixtimeiftenein:  „Smmer  fleißig,  $crr  fSineife?- 
yi.  8m  Sonntag  9tad)imttag  trägt  ein  geredeter  Äannnmac^er 
in  flappernben  fJantoffeln  ba§  fnfd)e  £emb  imb  ben  Sater* 
morber  auf  ber  flachen  £anb  ans  bem  $anfe  ber  tugenb* 
nnb  lehrreichen  3>w\qict  3^  SSünjlin  n.  f.  ro. 

2Bo  ift  Selbimjla*  3*t  jd*r  Stobt  unb  in  jebem  Sjale 
ber  Sdjroeij  rage  ein  £ürmd)en  Don  Selbinqla  —  lautet  bie 
Antwort  be3  S>id)ter^.  6e  fei  mithin  eine  ßufammenftellung 
folcfyer  £ürmd)en,  eine  ibeale  Stobt,  auf  Sergnebel  gemalt 
unb  mit  iljm  weiterjieljenb,  meüeidjt  über  bie  ©renjen  be$ 
lieben  SßaterlanbeS  fyinauS.  2Sarum  oergißt  man  biefe  @e- 
fd)id)ten  nie  meljr,  menn  man  fte  einmal  gelefen?  2)a§  tljut 
nid)t  bie  ungeroöf)nlid)e  Gegebenheit,  bie  fog.  jpamtenbe  auf- 
regenbe  ©rgätyung,  unb  bod)  ift  etoas  ganj  Unerhörtes, 
thtüergefcbares  baran.  w3ftomeo  unb  5ulfa  «if  bent  ©orfe", 
biefeS  3uroel  nooefliftifdjer  Äunft,  „Sie  brei  gerechten  Äanmw 
madjer" ,  ein  $rad)tftäcf  groteSf en  graufigen  £umor$,  brauchen 
blofc  genannt  ju  werben.  6$  ift  bie  tüchtige  Urfprünglid)* 
fett,  bie  unöeraelflid)  frifcfye  garbengebung ,  bie  macfytoolle 
Gfjarafteriftif,  unb  ein  $umor,  ber,  gerne  als  löfenbe  unb  be= 
fd)toid)tigenbe  Äontraftrotrfung  angebradfjt,  fpejiftfd)  ©ottfrieb 
JMerf  d)e£  ßigengetoädjö  oorftetlt:  trodfen,  brollig,  pljantaftifd}, 
fdjalttjaft,  barotf,  farttierenb,  ingrimmig,  auSbünbig  närrifdjl 
Grfunben  pnb  biefe  Sdjroänfe  oft  fo  toll  —  fagt  ein  Ärittfer 
—  als  fyätte  gar  nidjt  ein  einjelner  5Hann  fle  erfonnen, 
fonbem  ein  luftiges  ©efd)led)t  jahrelang  an  iljrer  föftlicfyen 
Starrheit  gearbeitet.  Srofe  aller  Änappfyett  überaß  bie  be* 
tjaglid)  epifdje  SarftelfungSroeife.  ©anj  eigenartig  ift  bie 
Sprache:  nid)t  alt,  nidjt  neu,  in  natürlicher  Slnmut  bo$in* 


„<Die  geute  »ort  (Belbroyla" ,  1856.  63 

ßiefcenb,  burd)  ifyre  cble  (5infad)ljeit  immer  bic  größten 
JBirfungen  fyerüorrufenb. 

©neS  fei  befonberS  betont:  baS  ift  bie  ©emut  unb 
6d)Ud)ti)eit  beS  ©idjterS  in  ber  2Bat)l  feiner  Stoffe,  ©enn 
eö  gehört  gu  ben  tiefften  Offenbarungen  ber  ßunft,  bafe 
uns  gur  Slnfdjauung  gebraut  wirb,  wie  baS  ©emöfynlidje, 
baS  ßroiggeftrige  ftetS  aud)  baS  roaljrljaft  $oetifd)e  ift. 
©ottfrieb  Äefler  bebarf  nid)t  ber  ©rofeen  biefer  (Srbe,  um  an 
iljnen  ein  Sd)icffal  gu  üollgiefjen;  feine  ©eftalten  Ijolt  er 
ftd)  aus  bem  33olf  unb  greift  oft  tief  hinunter;  aber  er  üer* 
fteljt  es,  ben  ©eringften  menfd)Iid)  unb  burd)  feine  Äunft 
gu  Ijeben.  Selbft  ben  moralifd)  ©efunfenen  Iäfet  er  nie  gang 
fallen,  ba  fogar  „jebeS  Unmefen  nod)  mit  einem  golbenen 
S3änbd)en  an  bie  9Henfd)lid)fett  gebunben  ift".  „Selbft  bie 
Seele  beS  Safterljaften  —  fagt  er  fo  fd)ön  —  reibt  fid)  öor 
Vergnügen  ifyre  unjidjtbaren  bunfeln  £änbe,  wenn  pe  fid) 
übergeugt,  bafe  anbere  für  fte  gut  unb  tugenbfyaft  finb." 

2Btr  Ijaben  eS  l)ier  gunäd)ft  nur  mit  bem  einen  1856 
IjerauSgefommenen  SBanbe  ber  „ßeute  uon  Selbtotyla"  gu 
tljun.  ©erfelbe  umfafet  oier  @ejd)id)ten:  „Sßanfrag",  „%xau 
Siegel  Slmrain",  „Sftomeo  unb  3ulia",  ,,©ie  Äammmadjer" 
unb  bas  9Jlärd)en  „  Spiegel,  baS  Ääfcdjen". 

©ie  groei  erften  biefer  (Srgafylungen  gehören  nad)  iljrem 
gangen  Stoffgebiet  unb  ber  SluSfüfjrungSroetfe  nod)  gum 
„©rünen  $einrtd)"  unb  es  ift  nid)t  unbenfbar,  bafy  fte  jene 
■Jio&ellen  ftnb,  bie  ber  ©idjter,  einer  Borübergefyenben  81n= 
toanblung  folgenb,  als  fünften  SBanb  in  ben  Sugenbroman 
eingugietjen  beabjtdjtigte.  ©ie  gwei  ^auptgeftalten  ber  beiben 
©rgäljlungen  tragen  gang  beutlid)  djarafteriftifdje  Söge  i^eS 
Urhebers  an  fid). 


64  „£ie  £eute  »on  (Selbmpla",  1856. 

3n  „^ßanfrag  bem  @d)moller"  lebt  ein  gut  Steil 
beS  jungen  ©ottfrieb  Äetter,  weldjer  gu  §aufe  beim  @ffen 
beäwegen  fd)mollte,  weil  ba$  ©efüfyl  an  iljm  nagte,  er  Der* 
biene  biefeS  (äffen  ntd)t,  ba  er  anfdjemenb  ntd)t$  9ted)te£ 
tfyat.  (5rft  bie  »übe  SRot  beS  2eben§,  ein  fofetteS  grauen* 
gimmer  unb  —  gut  ÄeHerifd)  —  ein  wilbeS  Sier  feilen 
^anfrag  Don  feinem  @d)moflen.  6ftf)erd)en  trägt  —  als 
ßrfafc  bafür,  bafe  fte  ftd)  nidjt  im  „©rünen  $einrid)"  fanb 
—  einige  Sü$e  t>on  ber  ©djwefter  SRegula,  obfdjon  biefe  nie 
fo  luftig  gelad)t  fyat;  unb  eS  war  ein  fanfter  brüberlidjer 
£teb,  wenn  es  Don  biefer  ©djwefter  Reifet:  fte  fei  nidjt  nur 
aus  ÄinbeStreue  bei  ber  alternben  9Jiutter  geblieben,  „fonbern 
eben  f o  woljl  aus  Sfteugierbe,  um  ja  in  bem  Slugenblicf e  ba 
gu  fein,  wo  ber  33ruber  ftd)  entließ  geigen  mürbe".  Srofcbem 
fonnte  ber  Sinter  gelegentlidj  red)t  böfe  werben,  wenn  ein 
frember  33efudjer  bie  Sßofjnung  etwa  mit  ber  StebenSart 
öerliefc:  „@el)r  erfreut,  aud)  @ftl)erd)en  gefefyen  gu  ^aben". 
3n  ber  £eimfel)r  beS  verlornen  ©ofyneS  führte  er  ftd)  ein 
fleineS  lünftigeS  ©lud  t?or,  welches  bem  in  ber  Unbilbe  beS 
SebenS  unb  ber  grembe  ©teljenben  tröftlid)  täufcfyenb  t>or* 
fdjwebte.  S>afc  in  bem  Süngften  ber  „grau  Siegel  2lmrain" 
abermals  ein  ©tfidf  eigener  (SntwidflungSgefd)id)te  fieeft, 
würbe  früfjer  gegeigt1).  (SS  ift  ein  fyergerfreuenber  Slnblidf, 
btefeS  (SrgieljungSwerf,  baS  eine  grau,  mm  iljrem  ^Warnte 
öerlaffen,  mit  fefter  §ax\b  an  bem  ©ofyne  fertig  bringt,  bis 
biefer  ein  ganger  OTamt  unb  33ürger  wirb.  SftirgenbS  gu« 
bringlidje  Jenbeng  in  biefer  ©efd)id)te,  bie  an  päbago* 
gifd)em   ©olbgeljalte    Sßänbe    tt)eorctifd)cr  (Srgiel)ungSbüd)er 


')   fßb.  1,  244  ff.,  DQl.  and)  S.  44. 


„2>ie  8eute  »im  6elbw>la\  1856.  65 

aufwiegt.  ©er3u&  wie  &cr  ^cine  &riJJ  mit  ber  ©arbinen* 
ftange  auf  ben  feine  SJlutter  bebrängenben  SBerfmeifter  lo§* 
geljt,  ift  einem  roirflid)en  SBorfall  entnommen,  ben  ftd)  Leiter 
notierte:  ,,©ie  ©efdjidite  üom  ©eneralfonful  $.,  beffen  üier* 
3eljn}äl)riger  ©oljn  roeinenb  mit  einer  ©arbinenftange  auf 
einen  fremben  9Rann  loSljaut,  ben  er  bei  feiner  SHutter 
futbet". 

(Sine  ©idjtung,  roeldje  jeben  SSergleid)  mit  bem  £öd)ften 
iljrer  2lrt  befielt,  ift  bie  nädjfte,  „3ftomeo  unb  3ulia  auf 
bem  ©orfe".  ©ie  reidjt  in  ifyren  Anfängen  in  baö  %a$x 
1847  juriitf.  3m  September  jenes  3al)re$  öerjetdjnet  ÄeflerS 
Sagebud)  ba§  eine,  ba$  (Singangömotto  oon  ben  jmei  pp> 
genben  Säuern,  bie  über  ben  böfen  SBeltlauf  fpredjen  unb 
mit  ftdjerer  §anb  einem  awifdjen  ifynen  liegenben  fremben 
Slcfer  einige  gurdjen  abfahren1),  ©er  Äern  ber  ©rjäfjlung 
jebod)  beruht,  ttrie  ber  ©id)ter  im  ©ingange  auSbrfidlid) 
ljeroorf)ebt,  auf  einer  roirflidjen  ^Begebenheit.  3«  fo* 
Ausgabe  öon  1856  folgt  bie  9ioüeHe  unmittelbar  nad) 
„Srau  SRcgcI  ämrain".  9Son  biefer  ijatte  e$  in  ber  erften 
Raffung  am  Sdjluffe  gefyei&en  —  bie  2Borte  finb  fejjt  ge* 
ftridjen  — : 

,,©a§  SBcftc  an  iljrem  Gljarafter,  oon  ifyren  Meinungen 
unb  Sieben  aber  ift,  bafc  biefelben  burd)au$  nid)t  ettoa  er= 
funben,  fonbern  in  einer  mirflid)  Iebenbigen  grau  begrünbet 
geroefen."  ©ann  fefct  „föomeo  unb  3uKa"  ein  unb  jmar  mit 
folgenber  Sffienbung:  ,,2iud)  biefe  ®efd)id)te  gu  erjäfylen,  würbe 
eine  muffige  (Srfinbung  fein,  roenn  fte  nid)t  auf  einem  magren 
SSorfaU  beruhte,   jum  SBemeife,   mie  tief  im  Wenfcfyenleben 


»)  S3b.  1,  297. 

©ettfrieb  SLtUn.   IL 


66  *$>ic  Seutc  *en  gefcwpla",  1856. 

jebe  ber  fronen  gabeln  nmrjelt,  auf  roeldje  ein  grofeeä 
©idjtenoerf  gegrünbet  iß."  Unb  am  6nbe  betont  ber  ©idjter 
eS  nochmals,  man  Ijabe  in  ben  Balingen  Don  bem  Sobe 
jmeier  jungen  2eute  gelefen,  ben  Äinbern  gtoeier  gu  ©runbe 
gegangener,  in  unoerföljnlidjer  geinbfcfyaft  lebenber  gamilien. 
3ene  beiben  Ratten,  nad)bem  fte  einen  ganzen  9lad)mittag 
mit  einanber  getanjt,  im  SBaffer  ben  £ob  gefud)t.  2ll§  bie 
@öfd)enfd)e  93ud)l)anblung  1875  bei  ber  neuen  Auflage  ber 
„geilte  t>on  (Selbtotyla"  eine  Streichung  be£  angefahrten 
Eingangs  nmnfdjte,  roiberfefcte  ftd)  ©ottfrieb  Äeller  biefem 
Staftnnen,  weil  ifjm  burd)au3  baran  gelegen  fei,  ju  jagen, 
bafe  bie  @efd)id)te  ftd)  tfyatfädjlid)  ereignet  Ijabe,  „weil  nur 
baburd)  bie  Arbeit  ftd)  rechtfertige" .  3d)  umfete  Don  il)m, 
bafe  ftd)  bie  Gegebenheit  in  ber  SRälje  Don  Seidig  zugetragen, 
unb  bafe  er  burd)  bie  „Qüxityx  fjreitag^ettung11  Kenntnis 
baoon  erlangt  fyattc.  9?ad)  furjem  Slättern  Ijabe  id)  aud) 
ben  ©tanbort  ber  Siotij  in  Kummer  36  öom  3.  September 
1847  ber  „greitagSjeitung"  unter  ber  JRubrif  @ad)fen  auf* 
gefunben.  „3m  ©orfe  SUtfeHerljaufen  bei  Seidig  liebten 
fiel)  ein  Jüngling  oon  neunjeljn  3öl)ren  unb  ein  5Räbd)en 
Don  ftebjeljn  Sauren,  beibe  Äinber  armer  2eute,  bie  aber  in 
einer  töblid)en  f?einbfc^aft  lebten  unb  nid)t  in  eine  93ereini* 
gung  be3  $aare3  roilligen  wollten.  2lm  15.  SUiguft  begaben 
ftd)  bie  SBerliebten  in  eine  2Birtfd)aft,  roo  ftd)  arme  Seute 
Vergnügen,  tanjten  bafelbft  bi§  nadjts  ein  \ü)x  unb  entfernten 
ftd)  hierauf.  2lm  borgen  fanb  man  bie  Seichen  beiber 
fiiebenben  auf  bem  gelbe  liegen:  fte  Ratten  ftd)  burd)  ben 
Äopf  gefeftoffen1)."  ©a3  ift  bie  Quelle  oon  „SRomeo  unb  Sulia 

*)  £err  ©eorg  ^trgel  in  Setyjig  I)at  bie  greunbltdjfeit  gehabt, 
golgenbeS   feföufteUen.    3m  Seidiger    äreiSblatt  {bem  Organe  ber 


„<Die  8eute  oon  ©elbtttfa",  1856.  67 

auf  bem  ©orfe".  SRur  bic  Sübeöart  be£  $aareS  f)at  bcr 
Sinter  geänbert;  er  bettet  bic  beiben  in  ben  fluten  beö 
©tromeS. 

Urfprünglid)  gebaute  er,    bie  beiben  TOotiüe  gu  einem 

fleinen    epifdjen   ©ebid)te  gu   üerroerten.     ©er    nidjt    eben 

glfidlidje  Anfang  bagu,  üon  bem  Saumgartner  am  28.  Sunt 

1849  Äimbe  erhielt1),  Ijat  fid)  im  9?ad)lafe  üorgefunben.   @r 

autet: 

„äuS  etned  jfromburdjgognen  reiben  ©runbeS 
©ebetynten  gelbern,  Sßälbern,  glur  nnb  3Woor 
$tbt  eine  SBcHc  biefcö  SrbenrunbeS 
Den  breiten  dürfen  fonnbeglängt  empor. 

9iid)t  eine  SBefle,  bie  im  ßampf  ftd)  baute, 
üRit  fdjarfem  ©rat,  üon  toeijjem  ©djaum  gefrönt, 
9?etn!   bie  nod)  tangfam  §in  unb  frieblid)  maßte, 
2118  ftd)  bie  Elemente  auSgefö^nt. 

3)aS  ©rtin  be8  grieben3  fteibet  i^re  Senben, 
Sin  garteS  ©rün  Don  jungem  SBirten^ain; 
®odj  Don  ber  #ö§c  toinft  ben  Sßenfdjenfjänben 
3)a§  Jjarte  ©olb  im  Reitern  ©onnenfdjein. 


St.  HmtSfymptmannföaft)  5Rr.  105  öom  2.  September  1847  finbet  fid) 
folgenbe  Sftotig:  „JBolfmaräborf.  2lm  16.  Sluguft  Ijat  ber  ad)tgei)n- 
jährige  £anbarbeiter  ©uftaö  2BiIf)cIm  oon  Ijier  burd)  einen  Sßiftolen- 
fdjufi  bie  fed)§geE)njät)riöe  Slugufte  Slbidjt,  SBoUarbeiterin,  getötet 
unb  fobann  fid)  felbft  erhoffen."  93gl.  au$  Seipjiger  Seitung  1847 
9h.  203  oom  17.  Sluguft.  S)a3  #ird)enbud)  üon  8Ut«<Sd)önefelb  bei 
8eipgig  enthält  ben  unrichtigen  Eintrag,  na#  meinem  ber  3ünQling 
£einrid)  (j^riftian  2(bid)t  ge^eigen  f)ätte.  begraben  rourbe  er  am 
18.  Sluguft  auf  bem  alten  Öotteäacfer  gu  Sfleubnifc. 
J)  ©b.  1,  361. 

5* 


68  „Sie  8eute  mm  ©eibwpla",  1856. 

Dort  bedien  fidj  brci  mächtige  SWertängen, 

Drei  SBanber,  über  bie  fanftc  SBötbung  §in, 

993er  in  ber  9?iebrung  ftetyt,  fte^t  brfiber  ben  £immet  fangen 

Unb  burdj  bie  Äetyren  bie  toeifcen  2Botfen  jiefyn1). 

Drei  Slecfer,  eine  u>al)re  äugemoeibe 
3ffir  jeben,  ber  geführt  fdjon  einen  ?flug, 
Die  taufen  neben  einanber  über  bie  £aibe 
3n  graber  gfadjt  üor  unfreS  SlugeS  3flug. 

9Cuf  jtoeien  biefer  2U(fer,  bie  ben  britten 
3n  iljre  Sßitte  fdjtiefcen,  »ar  bie  fjrudjt,. 
Die  unfdjafcbare,  eben  abgefdjnitten, 
©effiljrt  fdjon  in  ber  ©djeunen  ftd^re  Sudjt. 

Da  lagen  fte  geffreeft  in  braunen  garben, 
Die  ungafytöar  bie  toetfe  ©toppet  tief},  „ 
33ertaffne  3>ugenbljeimat  gotbner  ©arben; 
Der  (Sommermorgen  nur  betraute  fie." 

Die  rf)t)t()mtfd)e  gorm  mürbe  aufgegeben  unb  bafür  bie 
Sßrofa  gewählt.  £ier  ift  ber  Stoff  üofl  in  $oefte  aufge* 
gangen.  ©a§  ©aiije  —  ben  fdjnmlen  @d)lufe  nic^t  auöge» 
nommen  —  ift  oon  einer  mafetlofen  Steinzeit  unb  einem 
feltenen  fünftlerifdjen  äbel.  @injig  ift  bie  ttmnberöofle  33er* 
fd)tnel3ung  ber  Sragif  be§  ©efamtoorgangeS  mit  bem  #umor 
be§  (ämjelnen.  OTan  fyat  bie  §olgerid)tigfeit  beS  tragifcfyen 
2tuSgangS  angejweifelt.  Die  groet  Siebenben  fönnen  fid)  im 
Seben  nid)t  beftjjen.  S8rend)en$  93ater  ift  buref)  ben  ©tein* 
fdjlag  öon  @ali§  £anb  blöbftnnig  geworben,    ©iefe  $f)at 

*)  2>ie  Stnflänge  an  bie  ©efdjreibung  ber  roeitgebeljnten  „(grb* 
melle"  im  (Singang  $u  „föomeo  unb  3ulia  auf  bem  S)orfe"  unb  an 
eine  fpätere  ©teile  (©.  273  ber  erften  Ausgabe),  roo  @ali  gu  ben  brei 
Slecfern  f)inaudge^t,  Skendjen  p  erwarten,  finb  faft  wörtliche. 


„2)te  Seute  t>on  ©elbwpla",  1856.  69 

ftel)t  als  fittlidjeS  £inbernis  gwifdjen  ben  bcibcn.  ©nrd)  bie 
@d)Ied)tigfett  bcr  33äter  fefyen  fid)  bie  .Äinber  aus  bcr  ©e= 
feUfdjaft,  in  bie  fie  fid)  gegen  ben  ©djlufe  Ijin  nod)  einmal 
getrauen,  ausgeflogen,  „ßbenfo  ift  aber  —  wie  SBifdjer  fagt 
—  bie  Siebe  als  abfoluteS  $atf)oS,  weil  als  ibeale  Seiben» 
fd)aft,  mit  gleid)  gutem  3ted)te  befyanbelt  wie  üon  @l)afe= 
fpeare  in  bem  ©rama,  beffen  -Käme  Äeller  entlehnt  l)at." 
©er  £ang  jur  SRomautif,  oljne  bie  nun  einmal  bie  $oefie 
nid)t  befielen  fann,  mad)t  fid)  namentlich  gegen  baS  (Snbe 
l)in  geltenb:  in  jenem  totentanjäfynlidjen  näd)tlid)en  Sieigen 
Don  bem  üerfallenen  Sanbft{$  aus  burd)  bie  fd)Iafenben 
ftluren,  in  ber  gigur  beS  fdjmargen  ©eigerS  ober  bem  bei* 
nal)e  geifterfyaften  ftromabwärtS  gleitenben  5tobeSfd)iffe. 

9ttd)t  lange  nad)  bem  @rfd)einen  biefer  -KoDeBe  ging 
in  3find)  ein  SiebeSpaar  ins  SBaffer.  ©tc  fog.  frommen 
beuteten  mit  gingern  auf  ÄellerS  „3iomeo  unb  3«lta  auf 
bem  ©orfe". 

©ie  liebften  unter  feinen  @elbwt)ler  ©efdjöpfen  blieben 
bem  ©idjter  ,,©ie  brei  gered)ten  Äammmad)er'\  beren 
3Bertfd)äfcung  er  aud)  jebergeit  gum  $rüfftein  feiner  ^Beurteiler 
madjte.  Sebenfallö  ift  Ijier  feine  Eigenart  Doli  ausgeprägt, 
©er  tiefe  ©inn,  ber  fid)  unter  bem  barotf  tollen  SBorgange 
berbirgt,  wirb  Don  if)in  bafyin  auSgefprod)en,  „ba&  wot)l  eine 
gange  ©tabt  oon  Ungerechten  ober  Seid)tfinnigen  gur  9iot 
fortbefteljen  fann  im  2Bed)fel  ber  Seiten . . . ,  bab  aber  nid)t  brei 
®ered)te  lang  unter  einem  ©ad)e  leben  fönnen,  ofync  jid)  in 
bie  Jpaare  gu  geraten",  ©emeint  ift  „jene  blutlofe  ©ered)* 
tigfeit,  weldje  aus  bem  SBaterunfer  bie  Sitte  geftridjen  Ijat: 
unb  üergib  uns  unfere  ®d)ulben,  wie  aud)  wir  vergeben 
unfern  ©djulbnern !  weil  fie  feine  ©djulben  mad)t  unb  aud) 


70  *£*«  Scutc  uon  ©elbwpla*,  1856. 

feine  ausfielen  Ijat".  3n  ba£  ©elädjter  über  ba$  #o<fy= 
fomifdje  uub  8bgefd)tnacfte  mifd)t  ftd)  fd)lie&lid)  ba§ 
©raufen  unb  ©ntfefcen.  3n  btx  Jhmft,  baS  9tid)tige  unb 
2äd)erlid)e  inö  ©rofee ,  beinahe  ©rfyabene  umfdjlagen  gu 
laffen,  fyatte  ÄeHer  —  woran  $aul  £egfe  erinnert  — ,  nur 
Ginen  überlegenen  Sorgänger,  GeroanteS  mit  beut  „2)on 
Quijrote11  unb  in  begug  auf  berbe  Euftigfeit  etwa  StabelaiS, 
beffen  unfterblicfyeS  Sud)  in  ber  Überfefcung  Don  JRegiS  in 
ÄeHerS  #au$bibliotl)ef  ftanb.  Jener  Sdjlufe  ift  übrigen«  ju 
graufam  für  bie  DerIjaltniSmäfeig  Ijarmlofe  6d)led)tigfeit  ber 
groei  altern  Sröpfe;  wie  bagegen  3^3  33ünglin  unb  ba£ 
junge  @d)wabletn  gur  Strafe  einanber  befommen,  ift  Don 
Dorgfiglidjer  SBirfung.  ÄeHer  güdjtigt  in  feinen  S)id)tungen 
fein  ©ebredfyen  maßlos  härter  aU  bie  Äleinltdjfeit  beS  2Befen$. 
Sarin  geigt  ftd)  bie  bem  ©idjter  unentbehrliche  „SWalice1', 
Don  ber  er  in  einem  SJriefe  fprid)t,  bie  unnad)ftd)tlid)e  Sitter» 
feit  gegen  alles  23erfcl)rte  unb  ©efpreigte,  gegen  jebe  falfdje 
©röfte  unb  Sfter*$ugenb,  gegen  alle3  innerliche  Suntpentum. 
9Ran  erinnere  ftd)  an  ben  „SBurmlinger11,  ben  eitlen  Skrren, 
im  alten  „©rünen  ^peinrid)" !  63  ftel)t  gugletd)  au£.  als  ob 
bem  @rgäi)ler  bie  oorgebradjteu  übermütigen  Starrheiten 
oft  felbft  gu  bunt  mürben  unb  er  plöfclid)  mit  einer  grellen 
©iffonanj  innehielte.  DJiir  fällt  bei  folgen  ©teilen  immer 
ber  ©ottfrieb  Äeller  einr  meiner  einc^  fröl)lid)en  SbenbS 
luftig  fingenb  bie  Trommel  fdjlug  unb  bann  plöfclid), 
mütenb  über  feine  äuSgelaffenljeit,  ba$  Snftrument  an  bie 
23anb  marf1).  S)ie  ^auptgeftalten  ber  Äammrnad)er*2)id)* 
tung  ftnb  fd)lagenbe  33elege   für   ben   alten  6d)ulfafc,   wie 

>)  »b.  1,  37. 


„2)ie  Seilte  t>on  (Selbtotyk",  1856.  71 

au$  bem  #a&lid)en   in   bcr  Sßoefte   bic  ©mpfinbungen  be$ 
Sädjerlidjen  unb  ©djretfltdjen  Ijeröorgeljen  fönnen. 

2Bie  ba§  SRomanttfdje  unb  baS  SRealiftifdje  bei  iljm  ftets 
neben  etnanber  fdjreiten,  geigt  ba%  anmutüoHe  2Rärd)en 
„©Riegel,  ba&  Ääfcdjen",  roo  jeber  eingelne  nod)  fo  pljan* 
taftifd)e  3«8  oon  c*ner  fdtenen  SBafyrfyeit  ift. 

©ottfrieb  Äeller  l)at  bie  l)umoriftifd)*pl)antaftifd)e  5Rid)- 
tung  ber  SRomantifer  weiter  geführt,  aud)  ben  romantifdjen 
Spuf  #offmann§  fröfjltd^  weiter  getrieben.  33on  allen  fyat 
er  —  feiner  Originalität  unbefdjabet  —  gelernt,  gumeift  üon 
SEiecf.  9ttd)t  umfonft  gehörte  bie  fomifdje  9Mrdjennot>elle 
Don  bem  ©djneiber  „2lbral)am  Sonelli"  gu  feinen  littera* 
rifcfyen  Sieblingen.  @r  fjat  1853  ben  Sob  beö  SJieifterS, 
ben  er  gtoar  niemals  gefefyen,  in  Serlin  miterlebt.  3"  &*r 
t)umortftifd)en  Äleinmalerei  erinnert  er  mitunter  entfdjieben 
an  GlemenS  Srentano.  ßingelne  Snöentarftüdfe  in  ben  „Wef)* 
reren  SBefymüllern"  g.  23.  fönnten  aud)  au§  ÄellerS  Äurio* 
fitätenfammer  fjerftammen,  fo  ber  gufammenlegbare  SReifeftocf, 
ber  ein  33la3*  unb  ein  ^Pfeifenrohr,  einen  9Jtol*  unb  einen 
Singelftod  gugleid)  barftellt;  überbieö  bepnben  fid)  ein  Stiefel* 
fnedjt,  ein  ^Barometer,  ein  gernrofjr,  ein  geuergeug  unb  eine 
#ftl)neraugenfeile  barin.  ©ergleidjen  Sachen  bejtfcen  bei 
bem  ©djweiger  £)id)ter  ßüö  Sünglin,  Soljn  Äabt)8,  £err 
Saqueö,  $eter  ©ilguS  u.  a.  2lud)  Slijnlidjfeiten  mit  2ld)im 
öon  Slrnim  ftnb  ba.  S)ie  meifterlid)e  Anleitung  gu  „S)o* 
loreS"  fönnte  ©ottfrieb  Äeller  feljr  rooljl  gefd)rieben  Ijaben. 
8lber  er  fteljt  gum  Unterfdjieb  üon  ben  SRomantifern  ftet§ 
auf  feftem  S3oben  unb  auf  ftd)ern  gü&en. 

„Sie  Seute  üon  @elbrot)la"  teilten  lange  baS  @d)icffal 
be§    „©rünen   $etnrid)":    fte  erfuhren  mefyr  bie  ©unft   ber 


72  „2)ie  Seute  uon  ©elbwpla",  1856. 

Äenner  als  bcr  Ääufer  unb  brauen  fid)  nur  langfam  breitere 
SBafyn.  SebeStnal,  wenn  ffc  fyalb  üergeffen  fd)ienen,  taudjfe 
ein  fog.  ©ottfrieb  ÄeIIer*@ntberfer  auf.  2Bie  mele  Ijaben  im 
Saufe  ber  Seiten  unfern  Süridjer  Poeten  entbedft!  3US  einer 
ber  @rften  geigte  Sertfjolb  Sluerbad)  am  17.  Slpril  1856  ba§ 
Sud)  in  ber  „2lug$burger  allgemeinen  Bettung"  mit  l)erg< 
lieber  Sfreube  an.  „3m  gangen  genommen  —  fagte  er  — 
mödjte  \ö)  ba$  SBerf  ©ottfrieb  ÄeHer§  ein  fyelleS  ©ommer* 
bud)  nennen;  e$  mag  ftd)  feljr  bagu  eignen,  in  grüner  Saube 
an  Weiteren  Sagen  gelefen  gu  werben."  @r  öerglid)  „SRomeo 
unb  Sulia'1  mit  einem  SBolföliebe.  Äeller  banfte  üergnüglid) 
ladjenb  am  3.  3«ni  unb  fd)überte  braftifd^  bie  SBirfung,  roeldje 
jene  Sefpredjung  in  ßünd)  fyerüorgerufen.  3116  Sluerbad) 
fpater  roieber  einmal  mit  9iad)brucf  auf  feinen  nod)  lange  nidjt 
nad)  Serbienft  geroürbigten  Äeller  fyinroieS,  mad)te  biefer 
(unb  fein  anberer)  ben  guten  SBijj:  „9hm  fei  er  balb  SJfoer* 
bad)S  Heller"!  9Ban  ftiefe  ftd)  groar,  namentlich  in  9torb* 
beutfdjlanb,  an  allerlei  ©erbfyeiten  be£  SdjroeigerS,  an  fnor- 
rigen  äuSioüd)fen,  of)ne  red)t  gu  bebenfen,  bafe  foldje  ffiinge 
gum  Seil  im  «Stoffe  begrünbet  lagen.  SBenn  er  einft 
ttorneljmere  Singe  ergäbe  —  meinte  Äeller  —  werbe  er 
aud)  eine  e^rbarlidjere  @prad)e  führen.  9Jtit  öerbrie&lidjer 
Mergelet  äufeerte  ftd)  Staxl  ©u&fom1):  „©ottfrieb  ÄeHer  ift 
ein  ©djroetger  unb  gibt  ftd)  fd)on  feit  geraumer  3^t  in 
unferer  Sitteratur  mit  einer  geroiffen  @onbertümlid)feit.  6r 
gehört  gu  ben  neuem  Tutoren,  bie  öon  ber  faft  auSfd)liefc 
lidjen  SBenbung  unferer  Sitteratur  gur  @rgäf)lung  unb  gum 
prooingialen  Äolorit   berfelben   ben   SBorteil   gegogen  fyaben, 


>)  „Unterhaltungen  am  f)äu£Iia>n  £erb"  1856  ©.  591. 


„2)ie  Seute  uon  <5elbt»üla",  1856.  73 

bafe  jtc  nur  im  Sone  iljrer  §eimat  ju  rebcn  unb  ifjre  3"flcnb* 
einbrfidfe  auSgubeuten  brauchen,  um  fogleid)  am  $arnafc  eine 
gutjorfommenbe  SBegrüfeung  ju  erleben.  2tod)  er  bepfct  ein 
reidjgefüHteä  ©ebäd)tni$  mit  allerfyanb  @d)nurren  unb 
©djnafen  unb  Sdjwänfen,  öon  feltfamen  abenteuern,  9Ken- 
fdjen  unb  ©rlebniffen  au§  feiner  ©egenb  fyer.  6r  fiel)t  fein 
IjeimatlidjeS  SBefen  mit  einer  Älarfyeit  oor  fid),  wie  ein  'äJialer 
unb  l)at  j.  33.  in  ben  Äommobenfdjublaben  eines  fentimen* 
talen  ©ienftmäbdjenö  mit  einem  foldjen  ©djarfblicf  geftöbert, 
bafe  man  feine  innigfte  greube  Ijaben  mu&  an  ben  sJ5rad)t* 
ftücfen  üon  gemalten  ©tiflleben  biefer  Sphäre.  .  .  .  ©owie 
aber  ber  Slutor  feine  Sphäre,  b.  f).  bie  ©rinnerung  oerläfet, 
wanbclt  ifjn  benn  bod)  ein  auffallenbeS  Ungefdjitf  an,  bafy 
man  fagen  möd)te:  er  gibt  £)pferfd)alen  in  ber  ©eftalt  Don 
Sutterbüdjfen  unb  Iäfet  9J?enfd)en  üor  unö  waubeln,  benen 

bie  lebemen  £ofen  am  £>alfe  gugefnöpft  finb 9JiifcItd) 

ift  au  bem  SBerfaffer,  bafe  er  in  feiner  (Sigenart  auffatlenb 
breitfpurig  unb  befyaglid)  unb  an  feinen  guweilcn  red)t 
fdjwadjen  SSifcen,  wie  in  ben  „Äammmadjeru",  fogar  gefall- 

füdjtig  fein  fann $l)legma  unb  2lpatl)ie  laffen  bei  iljm 

felbft  bie  ©atire  nid)t  red)t  auffommen,  unb  fo  fdjlenbert 
ber  Slutor  in  einer  gemiffen  menfdjenfeinblidjen  ©elbftgufrie* 
benljeit  l)in,  bie  und  um  bie  SBirfungen  eines  grofeen  Talents 
bringen  wirb." 

3ntereffant  unb  geiftreid)  ift  baö  Urteil  Dtto  SubwigS 
in  einem  fflriefe  Don  1861  an  SBertljolb  Sluerbad):  „Sllfo  ,©ie 
geute  twn  @elbwt)la'!  5Rit  einem  Äleinftabtroman  ging  id) 
audj  um,  wie  id),  glaube  id),  S)ir  einmal  fagte;  fo  etwas, 
wie  ber  ÄeHerfd)e  märe  er  weit  nid)t  geworben,  ©er  SteufelS* 
Äerl,    ber  Äeller,    fyat   ein   wunberoolleS  Äolorit  in  feiner 


74  *$>ie  8eutc  uon  (Selbi^la",  1856. 

9Kad)t.  @o  tiefe  glüljenbe  färben  IM  nur  ©torgione  ober 
Sijian;  mein  innerer  ©tnn  ift  baüon  nod)  immer  wie  eine 
gotljtfdje  Äirdje  mit  gemalten  Senftern,  burd)  meiere  eine 
Sluguftfonne  ljereinfd)eint.  .  .  .  SBunberbar,  wie,  gerabe  wie 
bei  ben  SBenetianern,  bei  Äeller  baS  Äolorit  S^^nung  unb 
Äompofition  aus  feinen  SHitteln  fyerfteflt,  b.  I).  au£  be£ 
Äoloriteö  Mitteln;  unb  wie  betbe§,  waö  öon  S^nung  unb 
Äompofttion  üorljanben,  wieberum  nur  bem  Äolorite  bient. 
Sie  garbe  tritt  für  alle  anbern  änforberungen  ein,  erfejjt 
unb  bejaht  jte.  9Jiel)r  Betonung  unb  eigentliche  Äompo* 
fttion,  unb  bie  Sfarbe  märe  nidjt  möglich,  unb  mir  üerlören 
meljr  als  jene  erfejjen  fönnten.  ©ejeicfynet  mären  bie  meiften 
©eftalten  unb  ©ruppterungen  abenteuerlich ;  mit  bief er  garbe 
gemalt,  werben  fte  maljr,  mie  fte  wieberum,  unb  nur  eben  fte, 
wie  fte  ftnb,  bie  Sfarbe  waljr  unb  natürlich  mad)en,  bie  bei 
eigentlicher  ßeidjnung  unb  tf ompofttton  abenteuerlich  erfdjeinen 
würbe.  @3  ift  SRomantif,  ber  baS  gäl)e,  gefunbe,  fdjweije* 
rifd)e  $ljlegma  ben  ©djwerpunft  unb  bie  fefte  2eiblid)feit 
gibt,  bie  unferer  beutfd)en  SRomantif  fehlte  ober,  wenn  man 
eS  fo  nennen  will,  bie  poetifd)e  2Bal)rf)eit.'J 

Sieben  ber  gortfefcung  gu  ben  ©elbmgler  @efd)id)ten, 
Don  benen  aud)  „©ietegen"  in  SBerlin  bereits  geplant  war, 
—  bie  „llrfula"  ber  „3ürid)er  9Jot>ellen"  taud)t  ebenfalls  fdjon 
im  Entwurf  auf  —  fann  Äeller  einen  gweiten  -Roüctten-Äranj 
aus,  ber  bie  auffrfmft  ff©alateaJi  führen  foHte.  @S  ftnb 
bie  fpäteren  „©inngebidjt^SRoDellen  („Äüf*1  eine  weifee  ©a* 
latee"  u.  f.  f.).  Snnerfyalb  biefeS  JRafymenS  Ratten  aud) 
„Sieben  d)riftlid)e  Segenben"  iljre  ©teile  gefunben.  9?od) 
beöor  ber  ©idjter  Serlin  üerliefe,  fd)lo&  er  am  30.  Sep- 
tember 1855  mit  bem  23erlag3bud)t)änbler  granj  ©unefer 


„©alatea."  75 


ben  SBertrag  Aber  „jwei  öon  it)m  gu  fd^rcibenbe  Sänbe  SRo* 
Dellen  in  einem  Umfang  oon  jufammen  c.  öiergig  ©rudf* 
bogen  unter  bem  Sitel  ©alatea"  ab.  6r  üerpflid)tete  ftd), 
baS  üoflftänbige  brurffertige  9Hanuffript  fpäteftenS  bis  jum 
«äfften  15.  Sftoüember  einjureidjen  (Säumnis  war  mit  einer 
fjoljen  33ufee  bebroljt);  bafür  würbe  il)m  fogleid)  bie  ^älftc 
beS  JponorarS  eingefyänbigt.  B^ei  S^^e  barauf  erfunbigte 
pd)  §ranj  ©uncfer  nad)  bem  SSerbleiben  beS  nod)  nid)t  ein- 
getroffenen SKanuffrtpteS.  ©alatea  fd)lief.  ©te  Sftoüellen 
feien  ftecfen  geblieben,  weil  fte  lauter  2iebeSgefd)id)ten  bilben 
unb  er  burd)  baS  Seben  in  ber  §eimat  ju  fefteren  unb  lob* 
lieferen  ©ingen  angeregt  werbe  — fdjrieb  er  1858  in  ßürid) 
an  fyrau  Sina  ©undfer,  ber  bie  Sammlung  gewtbmet  fein 
folfte.  1872  im  Df tober,  nadjbem  bie  fiegenbeit  in  einem 
anberen  SBerlage  erfdjienen  waren,  fragte  ©uncfer  befdjeU 
bentlicf)  nochmals  an,  ob  ÄeHer  nun  oielteidjt  etwas  ©rudf* 
bares  befifce,  womit  er  bie  ©ebulb  feines  alten  Serliner  23er= 
IegerS  belohne.  ®leid)e  ©efudje  würben  in  ben  oier  nädjften 
Sauren  wieberfjolt,  worauf  bie  3unidferftattung  beS  33or* 
fdjuffeS  famt  ben  Sinf?"  erfolgte. 

5Ran  fennt  an  ©ottfrieb  Leiter  ben  auSgefprodjenen 
£ang  für  baS  Sijarre  unb  baS  Sd)auerlid)e.  3lnwanblungen, 
Stoffe  biefer  ärt  bidjterifdt)  ju  befyanbeln,  patften  ifyn  nament* 
lid)  wäfjrenb  ber  trüben  3^en  öölliger  SBereinfamung.  So 
jeid)nete  er  im  Sejember  1853  folgenbe  entfefjlidje  ^Begeben* 
^ettauf:  „3>n  2Bien  würbe  eine  grau  verurteilt,  weldje  iljren 
breijet)niäl)rigen  Soljn  ermorbet  fyat.  ©ie  grau  unb  ifyr 
SJlann  unbefd)oltene  e^rlid)c  2eute,  bie  ftd)  burd)  ifyrcr  £änbe 
Slrbeit  gewiffenljaft  ernährten  unb  barauf  faljen,  ftd)  mit 
ßljren  burd)jubringen.    ©er  Änabe  aber  würbe  Don  früher 


76  9ieue  3icDcflcnentrrürfc. 


Sugenb  au  bösartig  unb  mufete  t»ielfad^  wegen  fd)led)ter 
©treidje  geridjtlid)  unb  elterlich  abgeftraft  werben.  ßr  ent* 
wid)  oftmals  unb  warb  trofc  feiner  Sugenb  Don  allen  9?ad)* 
barn  gefürchtet.  6r  war  wieber  entwichen  unb  gurütfgebradrt, 
aud)  Don  ben  @Item  in  übergroßem  Kummer  unb  25er* 
gweiflung  Ijart  gegud)tigt.  ©er  üHann  als  Äutfdjer  ab- 
wefenb.  S)te  Sftutter  allein  mit  bem  ©djeufal,  baSfelbe 
fyütenb.  @ie  fud)t  iljn  fortwatyrenb  burd)  arbeit  ju  be« 
fdjäftigen  unb  Dom  Sojen  abgalten.  €ie  weiß  nid)t,  wo 
fte  iljn  fyintljun  foll,  bamit  er  ben  -Rad)barn  ntc^t  fd)abe. 
(Sie  fd)ämt  ftd)  in  iljrem  SRed)tlid)feitSgefül)l,  mit  bem  jungen 
unnatürlichen  ©djelmen  auf  ber  ©trafee  ju  gelten,  über» 
winbet  ftd)  aber  bod),  um  ifyn  irgenbwo  aufeerljalb  auf  bie 
Arbeit  ju  führen.  6tneS  Borgens,  als  er  lange  fdjlaft, 
werft  fte  tl)n  unb  muntert  iljn  mit  fummerDollen  SBorten  gur 
Arbeit  auf,  biefelbe  als  feine  Rettung  Dom  Serberben  an* 
pretfenb.  (5r  gibt  Ujr  eine  fredje  Ijarte  Antwort  unb  fagt 
gerabegu,  er  brauche  nidjt  gu  arbeiten,  er  fömte  peilen,  was 
er  bebürfe  :c.  £)a  bemädjtigt  ftd)  eine  grimme  2But  unb 
SSergmeiflung  ber  grau,  unb  als  ber  Surfdje  unbefümmert 
fid)  auf  feinem  gotterbette  beljnt  unb  wieber  einfdjläft,  fafet 
fte  ben  @utfd)lufe,  ftd)  Don  betn  ©ämon  gu  befreien  unb  iljn 
gu  töten.  ©ie  Ijolt  ein  Seil  unb  fd)lägt  ben  böfen  ©djläfer 
in  gwet  wol)lgefül)rten  ©tretdien  tot  (Mutterliebe  ober  Äumuter 
in  äufeerfter  $otenj).  Sie  trifft  93orf errungen ,  fyatft  bie 
©lieber  Dom  2eibe  :c.  Sann  fjolt  fte  i^r  33rot,  SÄild)  :c. 
gum  Srü^ftüc!  unb  fod)t  baSfelbe.  2Baf)reub  breier  Sage 
trägt  fte  nad)  unb  nad)  ben  gerftüdfelten  Setdjnam  aus  beut 
£aufe,  bie  Seile  gerftreuenb  wie  3Kebea.  Sie  forgt  aber, 
bafe  biejelben  nid)t  Don  wilben  Jieren  ober  £unben  gefreffen 


SRcuc  sttoüeHetientwürfe.  77 


mürben  unb  legt  fie  baljer  überall  an  offenfunbige  Drte,  wo 
fie  gleid)  gefunben  werben :  fo  ben  Äopf  auf  ben  SRanb  eines 
SBrunnenS  (crf)t  weibltd),  weil  ba  SSeiber  Ijinfommen).  5Hand)= 
mal  t)at  fte  ein  ©tütf  beS  Soten  im  Äorb  bei  ftd),  wo  fte 
in  Sirbett  ftef)t,  wäfdjt  u.  f.  f.  unb  trägt  baSfelbe  nad)  ooH* 
brad)ter  faurer  Slrbeit  erft  ins  gelb  (faurer  ©ang).  S)em  5Jtomt, 
ber  nad)  bem  Änaben  fragt,  fagt  fte,  er  fei  wieber  geflogen, 
aiö  alles  öoHbradjt  war,  bricht  fte  gufammen  unb  gel)t  franf 
ins  ÄranfenfjauS,  öon  wo  fie  jum  (Srlennen  beS  ütjwifdjen 
gufammengefunbenen  SeidjnamS  geholt  wirb.  @ie  wirb  gum 
£obe  verurteilt.    fflloraL" 

Cber  er  notierte  fid)  gu  fomifdjer  SSermenbung  eine 
ffurrile  3*ttwtg$nad)rid)t:  „Sie  brei  ©iebe,  bie,  in  einen 
©elifateffenfeller  eingebrochen,  burd)  ein  fd)tnale$  Sodj  ge* 
fdjlüpft  finb  unb  fid)  bort  fo  ooQ  freffen,  baß  fie  nid)t  wieber 
IjinauS  fönnen  unb  gefangen  werben  wie  SXale  in  ber  SReufe", 
®amit  in  ßufammenljang  ftel)t  eine  ä^nlid)e,  ans  Sibfurbe 
ftreifenbe  $ßrobuftion£reit)e  beS  ©id)ter£.  6r  fing  an,  fdjretf* 
Ijafte  SageSgräuel  in  ber  bänfelfängerifd)en  Sallabenmanier 
beS  früheren  ad)tjel)nten  SaljrfyunbertS  ober  im  Stile  ®d)arten* 
megerS  unter  bem  SEitel  „Sd)wurgerid)t§gefd)id)ten"  gang  für 
fid)  in  SReime  ju  bringen.  @fin  ff  äterer  SBerfud),  auf  biefe  ©inge 
3urücfjufommen,  liegt  in  bem  merfwürbigen,  in  ber  ©efamt* 
ausgäbe  ber  @ebid)te  gebrutften  ©tücf  „6in  @d)wurgertd)t" 
uor,in  beffenGnngangSüerfen  auf  jenes  wunberlidje  Unterfangen, 
baS  ifyn  „befiel  in  wunberlicfyer  Qdt,,l  angezielt  wirb.  @S 
ift  bie  ©efd)id)te  eines  SübleinS,  baS,  bie  9J?unbl)armonifa 
blafenb,  burd)  ben  2Balb  gel)t  unb  Don  einem  öerfommenen 
Surften  um  biefeS  feines  finblicfyen  SnftrumenteS  willen 
rud)loS    erfdjlagen    wirb.      (Sine    @d)auerballabe  öon   bem 


78  ©antragen  von  (5nfe. 


^Berliner  ©djneiberleljrling  £aube,  ber  feinen  SKeifter  er* 
morbet,  ftd)  aus  bem  geftofylenen  ©elbe  Äonfeft  fauft 
unb,  ein  £erj  üon  Quäcx  jum  SÄunbe  füljrenb,  gefangen 
wirb,  mag  mitgeteilt  werben,  ©old)e  feltfamen  Slafen 
Ijat  bamalS  fein  ©eljim  getrieben,  ©er  al^ugrofjen  Sri« 
otalität  wegen  ift  er  oom  weitem  Setriebe  abgeftanben. 
©anj  Derctngelte  SRefte  batton  jtnben  ftd)  nod)  in  bem 
1853  in  Serlin  gebtd)teten,  wieberfyolt  umgearbeiteten, 
erft  nad)  brei  3af)rjel)nten  oeröffentlidjten  „Slpot^efer  üon 
(EljamouniiT" . 

©ett  bem  üorle^ten  3>at)re  feines  ^Berliner  Aufenthalte 
befud)te  ©ottfrieb  tfeHer  mitunter  ben  gegationSrat  Sßarn* 
(jagen  tton  6nfe  an  ber  9Jlauerftra&e.  ©iefem  bereitwillig* 
ften  §örberer  aller  jungen  Talente  war  eö  erft  im  Sanuar 
1852  gelungen,  bie  SEßo^nuug  be§  ©d)weiger  Poeten,  beffen 
„teuere  @ebid)tc"  er  einige  2Bod)en  juttor  erhalten  Ijatte,  ju 
ermitteln.  Äetter  ftattete  iljm  auf  eine  ßinlabung  fyin  im 
SÄarj  einen  einmaligen  SBefud)  ab,  fam  aber  nid)t  wieber 
biö  nad)  bem  (Srfdjeinen  be§  „©rünen  ^einrid)".  SSStan  lieft 
unterm  30.  9Kärj  1854  in  SSarnljagenS  Sagebüdjern,  Sanb  11, 
14:  „9tod)mittag$  Sefud)  tton  £errn  ©ottfrieb  ÄeHer.  ©ein 
„©rfiner  £einrid)"  ift  ein  SRoman,  wie  SRouffeauS  Sefennt* 
niffe  einer  ift,  ooll  $ft)d)ologte,  unbeabftd)tigter  ^äbagogif, 
frifcfyer  Sftaturbilber,  alles  in  ebler  ^ötjcrer  Haltung;  gu  ben 
bort  abgelegten  bid)terifd)en  Sefenntniffen  fugt  er  münblid) 
nod)  anbere  meljr  profaifdje.  @in  eigentümlicher  gehaltvoller 
9Jienfd)f  aber  für  bie  SBelt  etwas  oerfdjoben,  nidjt  ganj 
brauchbar  jugeridjtet!  6r  lebt  feit  ttier  Sauren  l)ier.  ©ein 
boppelteS  S£alent  für  ©idjtung  unb  Malerei  ftdjert  i^n  gegen 
£arfd)er3  Unglüdf.     3tf)  rief  ßubmifla  Ijerju.     (Sr  erjagte 


SBarnfjagen.    Submida  Sljpnft.  79 

feljr  merfroürbtg  Don  ©djerenberg,  bcffen  SBefen,  unb  mad)te 
babei  bic  treffcnbften  Semerfungen l). u 

Söarnljagen,  „ber  Statthalter  ©oetfyeS  auf  (Srben",  eine 
Dorneljme  roürbeüofle  (Srfdjetnung,  ein  Äenner  üon  fetnftem 
Urteile,  gab  fid)  äu&erlid)  Doli  üerbinblidjfter  SRilbe  unb  ®e* 
laffen^eit;  im  3nnern  brütete  ber  gurücfgefejjte  ©ipfomat  be* 
fanntlid)  eine  Unfumme  üon  £afe  gegen  $reufeenS  unb  ©eutfd)* 
lanbö  berühmte  Sßerfönlidjfeiten  aus  unb  legte  ifyn  in  feinen 
£agebüd)em  nieber,  roeldje  nad)  be$  DnfelS  £obe  gu  aÜge* 
meinfter  Seftürgung  bie  Sftidjte  Submilla  2lfftng  fd)onungsloS 
unb  ftoferoeife  an  bie  £)ffentlid)fett  fd)leppte.  Submilla,  eine 
unfdjöne  f leine,  I)öd)ft  ben)eglid)e  $erfon,  ftanb  bamate 
beut  £au§roefen  SSarnfyagenS  üor  unb  lub  ©ottfrieb  tfeUer 
gu  (Snbe  2lpril  1854  gum  erften  53ial  in  tljr  Äaffeefränjdjen 
ein.  Scitbem  würbe  biefer  ein  gern  gefeljener  ©a(t  biefeS 
3irfel§.  ©ine  S?odf)ter  be3  Hamburger  Slr^teS  Slfftng  unb  ber 
SRofa  'ÜJlaria  23arnt)agen,  war  Submilla  fd)on  als  5JJäbd)en 
mit  ber  Sitteraturs  unb  Sfanbaldjronif  be$  £age§  vertraut, 
©er  junge  Sfriebrid)  Hebbel,  roeldjer  1839  fyäuftg  in  iljrem 
bäterlidjen  «£>aufe  t>erfef)rte,  nannte  fte  unb  ifyre  @d)mefter 
frittelnbe  ®efd)öpfe  bon  fanatifd)  jungbeutfdjer  ©eftnnung, 
ber  grauenemanjipation  ljulbigenb,  ©eorge  @anb  al£  $o^e= 
priefterin  üereljrenb.  Sfyr  ganje§  2öefeu  mar  ein  pljantaftifd)* 
e;rjentrifdje$.  Sie  l)at  fpäter  fdjmer  bafür  gebüßt.  §ür  itjre 
Sreunbe  jebod)  legte  fte  eine  roaljrljaft  aufopfernbe  ©üte  an 
ben  Sag.  3"  tyrer  Äaffeegefeltfdjaft  fal)  Äeller  allerlei  inter* 
effante  $erfönltd)feiten :  ben  alten  ©eneral  6.  oon  $fuel,  ben 

')  Sgl.  femer  Sagebüdjer  8,476;  9,  100;  11,4;  11,93;  12,  96; 
12,  116;  12,  122;  13,  78  ff.  —  Über  9fttfolau§  £arfd)er  üon  8afel 
(1783-1845)  ogl.  SantljagenS  ©enfroür bigfeiten. 


80  ©ansagen.    SubmiQa. 


ehemaligen  preu&ifdjen  tfriegSminifter  unb  greunb  £einrid)$ 
oon  Äleift;  gerbinanb  fiaffalle,  2lbolf  Stafyr  u.  a.  Süon  93arn* 
l)agen  erhielt  er  SRafyelS  §anbejremplar  be£  „Gljerubinifdjen 
2SanberS=5JJannS'J  oon  SlngeluS  ©tlepuö  jum  ©efdjenf  in 
ber  TOündjner  abgäbe  fcon  1827.  @S  ift  bat  33üd)lein, 
roeldjeS  ber  Pfarrer  am  Sdjluffe  be£  y@rünen  ^einrid)"  jum 
gntjütfen  ber  ©efeUfd^aft  in£  ©rafenl)au§  bringt,  £ier 
jtnbet  §einrid)  neben  ben  übrigen  tieffinnigen  ßweijeilen 
beS  „Dezernenten  ©otteöfdjauerS"  auf  @.  71  unter  ber  Sluf* 

fdjrift  „Sefct  mufet  bu  blühen"  jene  munberfd)önen  33erfe: 

»8HM)'  auf,  gefrorner  (5f)rift!   ®er  3Rai  ift  oor  ber  SIjür: 
2>u  bleibeft  eroig  tot,  blufft  bu  nid)t  jefct  unb  f)ter"  •). 

§ür  SBarnfyagen  bewahrte  ÄeHer  lebenslang  grofce  3Ser= 

efyrung,  nid)t  jum  minbeften  für  ben  öorgüglidjen  ^rofaiften 

—  ©arfteHungen  roie  ,,©a$  geft  be§  gürften  oon  Sdjroarjen* 

bergJJ  l)ielt  er  für  unt>ergleid)lid)e  9Jleifterftüdfe  —  unb  fyatte 

bie   greube,  bafc  ifyn  jener   im   Sommer   1856  in  Qüxiij 

befudjte.    S)ie  9iid)te  SubmiHa   Ijatte   jid)   fd)on    in  Serlin 

„Ijöttifd)"  für  ifyn  erflärt:  fie  porträtierte  i(jn2),  legte  bereits 

bie  eleganten  rofenroten  unb  meergrünen  Sogen  ^Briefpapier 

in  Sereitfdjaft  unb  fpifcte  bie  geber,  um  nad)  feiner  Slbreife 

uugefäumt  einen   Ii)öd)ft   eljrenreidjen   Sriefroedjfel  mit  U)tn 

ju  eröffnen.    Seine  Slntroorten  galten  inbeffen  ftd)erlid>  mefyr 

bem  Dljeim  als  ber  9?id)te;  roie  jene  benn  aud)  nad)  93am* 

Jagens  Stöbe  (Oft.  1858)  fefjr  einftlbig  ober  malitiöS  werben. 

»)  3n  ber  SBorrebe  gum  nämli^en  IBüc^letu  @.  XII  traf  ©ott- 
frieb  Heller  auf  ba$  ÜÄotto  au  „2)orotf)ea3  S3Iumenförb(^entt  au§  8ubo- 
mcu§  93lojiu3  „©eiftlidjen  Unterridjtungen":  „Slber  fo  fid)  üerlieren,  ift 
meJ)r  fidj}  finben,"  ebenfo  auf  bieienigen  gu  ben  Segenben  „2>te  Sung« 
frau  unb  ber  Seufel"  unb  „2)ie  Sungfrau  al§  Sfhtter". 

3)  33icücicf)t  ift  biefe§  Porträt  in  8ubtmUa3  Stadjlajj  auf  ber 
fl.  33ibIiott)cf  in  Berlin  $u  finben. 


$a3  3)im<ferföe  £auä.  81 

Sn  ben  fed)3giger  3ö^en  mo^nte  gubmitta  wieberljolt 
unb  auf  längere  Qnt  in  3ürid),  ba  ifyr  in  biefer  @tabt  bie 
Verausgabe  ber  Sagebüdjer  foroie  ein  ^Brogefc  über  biefelben 
mit  einer  3^^cr  23ud)f)anblung  ju  fdjaffen  machte.  3m 
§erbft  1873  geigte  bie  3weiunbfünfaigjäl)rige  i^re  SSerlobung 
unb  3Sermät)lung  mit  einem  fdjmucfen  Serfagliereoffijier  an. 
£>a§  ücrfpätete  £>erjen$glücf  nafym  ein  Gmbe  mit  ©djrecfen. 
3ll£  bie  Sielgeprüfte  im  Sluguft  1879  öon  Streng  nod)  ein- 
mal nad)  3»n^  fam,  meinte  Äefler  nad)  bem  erften  Sefud)e 
bei  ifyr:  bie  Submilla  fyabt  jefct  aud)  ein  „abgebranntes 
©orf  im  fflhmbc. 

(Sin  anberer  ÄreiS,  ber  ftd)  ifym  roäfjrenb  ber  legten 
^Berliner  3^it,  roafyrfdjeinltd)  burd)  £>eibel§  Vermittlung, 
öffnete,  mar  bie  prädjtige,  bamals  faft  fürftlidje  £au$lid)feit 
be£  roadferen  altpreufeifdjen  SBolfemanneS  Sfranj  ©undfer. 

©iefer  Ijodjfyerjige  freifinnige  SBerleger  naijm  ftd)  ÄellerS 
auf  bie  ebelfte  SBeife  an,  unb  feine  ©atttn,  grau  Sina 
SJundfer,  eine  originelle  9Rf)einlänberin,  eine  geiftoolte,  für 
alles  @d)öne  mie  für  jeben  nobeln  ©port  empfängliche  %xan, 
fafete  eine  ungewöhnliche  Steilnafyme  für  ben  urroüd)jtgen 
©djroeijer,  mit  bem  fte  nad)  beffen  ^eimfefjr  einen  eigen* 
artigen  Srieföerfefyr  führte.  3>n  bem  gaftfreien  £aufe  an 
ber  3ol)anm£ftra&e  fyatte  Äeller  ba$  gange  berühmte  Serlin 
beifammen.  £ier  lernte  er  u.  a.  Sogumil  ©olfc,  bann  ben 
©efd)id)tsfd) reiber  ber  f leinen  beutfd)en  £öfe,  (Sbuarb  33el)fel), 

')  $el)fe  gebenft  tu  bem  SSormort  ju  ber  ©efantf)te  ber  fleinen 
£öfe  1,  9  unter  Slnfü^rung  einer  ©teile  auö  bem  „©rünen  £etnriay 
4,  97,  bie  öom  f)tftorifa>n  unb  politifdjen  Seroufjtfetn  Ijanbelt,  ßeUerS 
mit  folgenben,  ja  faft  propfyetifdj  flingenben  ©orten:  „3$  empfehle  ben 
guten  üftecflenburgern  auf§  roärmfte  biefen  furjmeiligen  Vornan,  eines 
ber  getftreidjften  23üa>r,  ba$  in  ben  legten  Sauren  bte  treffe  oerlaffen 

©ottfrieb  fieOer.   II  6 


82  $a$  3)un(ferf$e  #au3. 


Dr.  SuliuS  %xe\t,  ber  ifym  fpäter  in  3öndj  nrieber  über  ben 
SSeg  lief,  lernten. 

gubroig  Sßietfd)  f djilbert  in  feinem  pbfdjen  33ud)e:  „SBie 
id)  ©djriftfteller  gemorben  bin"  (1893)  ba$  ©undferfd>e  #auö 
unb  beffen  ©afte  feljr  anfdjaulid).  ,,©ie  merfumrbigfte  Sßer* 
fönlidtfeit  —  tjei&t  eö  6.  109  —  mar  {ebenfalls  ©ottfrieb 
Äetler,  1853  trojj  feiner  ad)tunbbreifeig  (lie§  üierunbbreifeig) 
Safyre  in  SBerlin  als  @d)riftfteller  nodj  faum  gefannt;  — 
feine  ©ebidjte  ^atte  man  nid)t  gelefen,  fein  JRoman  ,©er 
grüne  #einridj'  erfdjien  erft  im  folgenben  Safyre.  3n  feiner 
urwfidjflgen  fdjroeijerifdjen  ©erbljeit  madjte  ber  Heine,  breit» 
fdjulterige,  unterfejjte,  eifenfefte,  wortfarge,  bartige  3)lann 
mit  ben  fdjönen  ernften  unb  feurigen  bunflen  Slugen  unter 
ber  mächtigen  ©tirn,  ber  inbeS,  menn  i^n  etwas  ober  irgenb 
mer  ärgerte,  nid)t  nur  fe^r  unüerljofylen  feine  Meinung 
äußerte ,   fonbern   aud)   immer  bereit  mar,    iljr  mit  feinen 

fyat.  £)er  Stofajfer  ift  ein  SRepubltfaner,  aber  ein  geborner  unb  ein  ein* 
facfyer  echter,  feiner  oon  ber  £typerfultur  unferer  bur$  unb  burdj  »er» 
eitelten  unb  oerfaulten  mobernen  Genialität  angefteefter  ,furaatnugcr 
£elb  unb  SR^etor4,  ein  geborner  3üri$er,  ber  in  bem  SBuc&e  feine 
eigne  ©efd)id&te  oorfüfyrt;  er  lebt  gegenwärtig  nod)  ©tubien  falber  in 
SBerlin,  wirb  aber  mit  nädjftem  in  feine  Heimat  gurfiefgeljen,  wo  er 
oorauSfid&tlid)  eine  Ijeroorragenbe  SRoIIc  in  ben  ©efetjäften  feines  Staats 
einmal  einnehmen  nrirb;  benn  biefer  oortrefflidje  Sßoet  ift  au$  ein  fern« 
gefunber,  profunb  gefreiter  polittfdjer  #opf  unb  ein  burd)auS  unab« 
gängiger,  fefter,  im  ebelften  ©inne  be£  SBortS  einfacher  Styarafter,  ein 
üflann  gang  anberen  ©djlageS  aI3  ber  jefct  fein  £anb§mann  geworbene 
(Sjrbemagog  £erwegl),  ber  bereinft   ,auf  ber  3mne  ber  Partei*  ftanb. 

2BaS  würbe  au&  5)eutfd)lanb   geworben  fein,  wenn  foId>e 

©enteS  ber  Sßartei  an  bie  ©pifce  gefommen  wären,  woljin  fte,  ©äffen 
tragenb,  ftrebten!  3n  £errn  fleflerS  IBudje  wefyt  ein  gang  anberer, 
frieblictyer,  aber  frifetyer,  neuer,  gefunber,  burdjauS  SRajj  fyaltenber, 
befferer  ©eift  —  barum  eben  empfehle  id)  ba§  Sud)  ben  guten  SWecf» 
leuburgern." 


SuliuS  SRobenberg.  83 


fräftigen  Rauften  meljr  9tad)brudf  gu  geben,  gwifdjen  ben 
abgefdjliffenen  ^Berliner  3Renfd>en  eine  gang  eigentümliche 
Sfigur.  ©afj  er  nid)t  aflguöiel  Don  iljnen  fyielt,  barauS 
machte  er  lein  ©eljeimnte.  9iur  für  <$frau  ©uncfer  felbft 
f)egte  unb  belunbete  er  jebergeit  warme  aufrichtige  SBerefyrung." 
Unrichtig  ift  bloS,  wa§  Sßietfd)  über  ben  SluSgang  beS  5Ro* 
man§  fagt,  als  fjätte  ber  ©idjter  feinen  #emridj  gang 
wiber  bie  urfprfinglidje  3H>ftd)t  unb  innere  SBeranlaffung, 
Iebiglid)  bem  ©rängen  beö  SBerlegerS  nad)  einem.  @d)luffe 
nadjgebenb,  Dom  Seben  gum  SEobe  gebraut. 

Ungefähr  ins  3af)r  1854  fällt  eine  erfte  pd)tige  33e* 
gegnung  mit  3uliu$  Sftobenberg,  ju  bemÄelter  nachmals 
in  enge  litterarifdje  unb  freunbfdjaftlicfye  33egief)ungen  trat. 
3n  ber  Äonbitoret  §ud)3  würbe  Sftobenberg  burd)  Situs 
ttlrid)  auf  ben  @d)tt>eigerbid)ter  aufmerffam  gemacht.  „(Sr 
war  —  ergäbt  SRobenberg  in  feinen  „Silbern  aus  bem  ber- 
liner Seben11  III,  @.  123  ff.  —  unter  einer  grofjen  Bettung 
gleid)fam  verborgen,  bod)  fo,  bafe  id)  iljn  üon  ber  Seite 
jeljen  lonnte:  bie  furje  gebrungene  Statur,  ba$  marfige 
@eftd)t,  bie  mädjttg  fyolje  Stirn,  bie  treufyergigen  Slugen,  bie 
Sftafe,  ber  SÄunb  ftarf  auSgebilbet,  aber  ebel  geformt,  unb 
SBangen,  Äinn  unb  Sippen  oon  einem  ftattlidjen  SBoHbart 
umrahmt".  Sftobenberg  fanb  ben  fo  ©efdjilberten  mefyr  als 
gwet  Saljrgefynte  fpäter  unoeränbert  bt£  auf  ben  ergrauenben 
Sart.  $rau  3uftine  SRobenberg  bewahrt  als  ©efdjenf  ©ott= 
frieb  ÄelterS  eine  Söalblanbfdjaft  mit  bem  ©atum  „Serlin 
1855"  auf.  6in  Seleg  bafür,  bafc  es  ben  SJlaler  in  it)tn 
oon  Seit  gu  Seit  nad)  Setfyätigung  verlangte1). 

l)  2luf  bie  Sftficffette  fd&rteb  ©ottfrteb  tfeller  am  29.  Sluguft  1878 
folgenbe  S3erfe: 


84  ßarl  ©gröber. 


3u  feinen  bamaligen  33e!annten  geborte  weiter  ber 
junge  2Jlecflenburger  ©ramatifer  Äarl  ©gröber,  Serfaffer 
einer  „Spfyiflenia  in  ©elpl)i",  eines  „Gatilina",  foroic  eines 
geiftreidjen  fomifd)=fattrifd)ett  @po$  ,,©ie  Äretfyipletljiabe". 
er  ift  fdjon  am  3.  april  1856  in  TOndjen  geftorben.  3m 
Sfuni  1855  fyatte  er  Äelter  auf  feinen  anmutigen  Sanbftfc 
SBittenljagen  bei  Sfelbberg  in  2JiedElenburg*©trelifc  eingelaben: 
„2Beg  mit  bem  Stiergartcnftaub  unb  ben  öerfrüppelten  fiinben 
—  fyier  ift  frifdje  Suft  unb  ein  SBalb  Doli  l)unbertjäf)riger 
SBudjen  unb  (Stehen.  @in  paar  2Bod)en  in  behaglicher  Un* 
gebunbenfyeit  gu  öertollen,  ftd)  gefyen  gu  Iaffen  in  £emb3- 
ärmeln  unb  Summelfyofen,  glauben  ©ie  mir,  es  tljut  einem 

rooljl. 9lur  nidjt  lange  befonnen!    ©epaeft  unb  jur 

sßoft!" 

©ottfrieb  Äelter  mar  ingroifd)en  immer  tiefer  in  öfono* 
mifdje  23erlegenl)eit  hineingeraten.  SSarum  er  ntd)t  fyeim* 
feljrte?  ©eine  Sljre  ftanb  auf  bem  Spiele,  tftod)  mar  „©er 
grüne  £einrid)"  nid)t  öottenbet  unb  öon  allen  33üt)nen* 
planen  ntd)t  einer  jur  SReife  gebieten,  ©ie  heimatlichen 
Sefyörben,   meiere    ifym    bie   Mittel  ju   feiner   Sluöbilbung 


„2)ieS  trübe  Silbdjen  ift  öor  breiunbgroan^ig  Sauren 
3m  einftigen  ©erltn  mir  burefy  ben  $opf  gefahren; 
9ttit  Söaffer  rourb'  e§  bort  auf  bem  Rapier  fixieret, 
S5on  grau  3uftinen  nun  bafyin  aurücfgefüljret, 
2Bo  eö  entftanb,  öom  regneriföen  3ftrid)fee 
S3i§  f)in  3m  altberüljmt«  unb  roafferreidjen  (Spree. 
2luf  2öeüen  fähret  fo,  ein  *Rieberfd)lag  ber  SBette, 
S)e3  &ben§  Slbbilb  fyn,  bie  blöbe  Aquarelle." 
Heller  äußerte  fpäter  fcfjergfjaft  SRobenberg  gegenüber,  er  fyäbt  t>or* 
unb  nadjljer  beftänbig  eine  33rille  getragen,  nur  in  ^Berlin  nidjt;  „üiel» 
leicht  au$  (Sitelfeit  nidjt,   beider  möge  e§  aud)  rooljl  fommen,   bab  er 
in  Berlin  nichts  gefefyen  fyabt." 


£tlfe  in  bcr  fflot.  85 


an  bie  £anb  gegeben,  bie  $-reunbc,  bie  erwartungsvoll  auf 
tt)n  fallen,  Ratten  ein  gewiffeS  3fted)t,  enblid)  auf  einer  pojt* 
tiuen  Seiftuug  ju  befteljen.  23on  Serlin  wollte  er,  fdjon 
feiner  bortigen  Sejieljungen  wegen,  nur  in  Dollen  ©Ijren, 
ofjne  Surfidfaffung  üou  93erbtnblid)leiten  weggeben. 

3>n  biefen  SSirren  blieb  ^ermann  £ettner  fortwäfyrenb 
ein  treuer  Reifer  in  ber  -Kot.  3m  9JJärj  1854  tarn  er  felbft 
auf  einige  Sage  nad)  33erlin,  als  er  in  ber  ©ingafabemie 
feinen  SBortrag  über  „Sftobinfon  unb  bie  SRobinfonaben"  ju 
galten  Ejatte. 

33or  allen  waren  bie  §reunbe  in  3ö"d)  tfjätig.  Äeller 
fjatte  feine  gange  Notlage  beut  t)eimgefet)rten  ßfyrifttan  §eufcer 
im  £>erbft  1853  eröffnet,  ©iefer  jog  TOänner  wie  Safob 
©ubS  unb  aifreb  gfdjer  ins  SBertrauen.  Äeller  follte 
3unäd)ft  ein  genaues  SBerjeidjniS  feiner  ©djulben  in 
3ürid),  ^eibelberg  unb  SSerlin  jufammenftelten.  „SSergife 
unter  ben  Berlinern  —  mahnte  §eufcer  —  aud)  @d)neiber 
SB.  nid)t!  @S  ift  immer  ein  oerfludjter  £ärm  in  9?r.  22  an 
ber  ©orotljeenftrafee,  ber  Quelle  ber  ©djweijerifdjen  3fama 
in  Serlin."  ©aS  oerlangte  JRegifter  traf  ein,  worauf  ftd) 
Dr.  ©ubS  anö  2Berf  madjte  unb  fedjS  Sftien  ju  300  Stanfen 
bei  öertrauten  ft-reunben  jum  ßmecfe  ber  SoSeifung  beS  33e* 
brängten  abjufefcen  fud)te.  ©aS  Unternehmen  war  munterer 
als  lufratiü  für  bie  Slftionäre.  Heller  braudje  nichts  juräd* 
guga^len,  fdjrieb  £>eu&er.  -Kationalrat  Planta  j.  33.,  ber  ben 
Poeten  Weber  fenne  uod)  fonft  ein  großer  ©idjterfreunb  fei1), 
nefyme  eine  Slftie  auf  bie  SSebingung  fyin,  ba&  ©ubs  baS 
?>Iantafd)e  8ufmanier'-(5tfenbal)nproieft  unterftüfce  unb  Äeller 

0  (Später  würbe  ber  treffliche  2lnbreaö  SRubolf  uon  Planta 
(geft.  1889)  bem  Siebter  nafje  befreunbet. 


86  Antrag  einer  Sßrofeffur. 


f.  3-  ritte  2ufmanier*£)be  öerfaffe.  ©S  gelang,  bis  gum  %xüty 
ling  1854  bie  ©umme  aufjubringen.  3US  fie  bei  ÄeQer,  ber 
bie  #auptaftionäre  fpäter  inSgefamt  befriebigte,  eintraf,  reichte 
fte  eben  gur  Tilgung  ber  $afftDen  bin. 

Um  bie  nämlid)e  Seit  festen  ftd)  iljm  ein  2Beg  aus 
allen  SBirrniffen  gu  öffnen,  ©er  genannte  fdjroeigertfdje 
(Staatsmann  Safob  ©ubS,  bamals  3önd)er  Staatsanwalt 
unb  SRationalrat,  fdjrieb  bem  greunb  aus  Sern,  aus  einer 
©ifeung  ber  SunbeSüerfammlung  oom  7.  Februar  1854: 

„©u  l)aft  waljrfdjeinlid)  in  ben  3eitungen  oon  unferm 
SBerfud),  eine  fdjweigerifdje  Unioerfttät  gu  grünben,  gelefen. 
©iefe  würbe  gwar  üerworfen;  hingegen  würbe  mit  geftern 
erfolgter  Sufiimmung  beiber  SRäte  ein  Sßotytedjnifum  be* 
fdjloffen,  an  baS  eine  Sälrt  pt)ilofopt)ifdjer  gafultät  angefnüpft 
wirb.  Unter  ben  I)ier  gu  leljrenben  grädjeru  i(t  gitteratur* 
unb  Äunftgefd)id)te  befonberS  herausgehoben,  unb  eS  fdjeint 
mir  nun,  ©u  wäreft  ber  SÄann,  biefe  gäcfyer  gehörig  gu 
repräfentieren.  SBäreft  ©u  bamit  einoerftanben ,  fo  würbe 
id)  fofort  ©djritte  tljun.  SBenn  bie  Stellung  DieHeid)t  an* 
fänglid)  aud)  nid)t  glängenb  botiert  würbe,  fo  lie&e  fid)  bodj 
möglicher  SBetfe  eine  etwas  I)öt)ere  Summe  auSfefcen  unter 
bem  Sitel  oon  ÜberfieblungSfoften.  ©aS  $olt)ted)nifum  wirb 
mutma&lid)  auf  £erbft  1854  eröffnet."  auf  bie  brei  erften 
S3änbe  beS  „©rünen  $tinf\ä)u  eütgeljenb,  fa^rt  ©ubS  fort: 
„3d)  bin  fein  fompetenter  Äritifer;  id)  glaube  ©ir  febodj 
propfjegeien  gu  fönnen,  bafe  ©u  mit  ©einer  ftitl,  aber  tief 
gemütlichen  2Belt=  unb  gebenSanfdjauung  Sir  33af)n  bred)en 
wirft,  wenn  ©u  ©id)  nid)t  etwa  gu  feljr  ins  SBreite  ent* 
widEelft,  wenn  ©u  ©einer  fd)weigerifd)en  @infad)t)eit  getreu 
bleibft  unb  nid)t  etwa  in  bie  Stridfe  beS  ^Berliner  @eiftretc^« 


«Reue  Siebe.  87 


tum§  oerfäflft.  ©od)  es  l)at  bamit  feine  -Not,  wo  Sd)rot 
unb  Äorn  fo  gut  unb  ba3  ©efüljl  fo  reid)  entwicfelt  ift." 

9kd)  einer  grünblidjen  Selbftprüfung  lehnte  Heller  bie 
iljm  jugebad)te  $rofeffur  ab  unb  empfahl  ^ermann  Lettner 
in  Sena,  weldjer  ungleich  beffer  baju  tauge,  ©iefer  würbe 
jebod),  beöor  bie  Angelegenheit  oon  Sörid)  aus  jum  Slb= 
fdjlufe  gelangt  mar,  nad)  ©reiben  berufen.  SRad)  ßüridj 
ging  griebrid)  Sfyeobor  SBifdjer.  ©ie  greunbtn  S^^anna 
jtapp  fdjrieb  bem  ©idjter  am  31.  Sftärj:  „6rft  tfyat  mir'3 
leib,  ba&  Sie  lein  sJ5rofeffor  würben;  bann  aber  bin  id)  fro^ 
geworben:  benn  in  Sfirid)  wirb  ebenfo  gut  wie  anberwärtS 
ber  Sßrofefforenftuljl  ba£  $fyilifterium  fyerüorlodfen.  Sleiben 
Sie  eine  frifdje  freie  Seele  3^  Seben  lang!" 

©ottfrieb  Äeller  blieb  in  Serlin.  6§  foflte  nod)  beinahe 
jwei  %ai)xt  bauern,  bis  ftd)  ba$  £erüorfteigen  aus  feinem 
Fegefeuer  oerwtrflidjte,  unb  gwar  beburfte  es  einer  -Mot  ganj 
befonberer  Art,  Dor  ber  er  bie  Segel  enblid)  einftrid). 

3n  feinem  „Sanböogt  Don  ©reifenfee"  läfet  er  feinen 
trefflichen  Sanbolt  in  einer  frönen  Sommernacht  ben 
$lan  faffen,  eine  Heine,  aber  auSgefudjte  ©efellfdjaft  ein* 
julaben.  „SBeldje  ©efeUfdjaft,  ^err  ganbüogt?  2Ber  wirb 
fommen?"  fragt  bie  fyanbfefte  £au3l)älteriu,  grau  Marianne 
ÄIctfener  aus  £afl.  „„<&i  wirb  lommen  —  oerfefcte  er 
Ijuftenb  —  ber  ©iftelfinf,  ber  §an3wurftel,  bie  ©raSmücfe, 
ber  Kapitän  unb  bie2lmfel.""  ©ie  grau  fperrt  3Hunb  unb 
Augen  auf  unb  erwibert:  „2Ba3  finb  benn  baS  für  Seute? 
Soßen  jte  auf  Stühlen  ftjjen  ober  auf  einem  Stänglein?" 
„„©er  ©iftelfinf  —  befennt  £err  Sanbolt  —  ift  ein  fd)öne$ 
grauenjunmer.""  „Unb  ber  anbere?"  „„©er  £anSwurftel? 
ber  ift   aud)   ein  graue^immer  unb  aud)  fd)ön  in  feiner 


88  9leue  Siebe. 


Slrt.^  Unb  fo  gel)t  e3  fort  bt$  gut  8mfel.  „„sjtttt  einem 
SBort  —  fagte  er  —  es  fmb  baö  alle  meine  2tcbfd>aftcnf  bie 
ict)  gehabt  Ijabe  unb  bte  id)  einmal  beifammen  fefyen  roin."11 
„Slber  IjeiltgeS  Äreugbonnenoetter!  —  fdjrie  nun  grau 
SJtarianne  —  £err  Sanboogt!  €>ie  ijaben  geliebt  unb  fo  ötele? 
O  #tmmelf  af  erment !  Unb  fein  SSeufel  Ijat  eine  Slljnung  baöon 
gehabt,  unb  @ic  fyaben  immer  getfyan,  ate  ob  @ie  bie  SBeiber 
nidjt  ausfielen  fönnten!  Unb  @ie  fyaben  alle  biefe  armen 
SBürmer  angefdjmiert  unb  fifcen  laffen?"  „„Stein,  enoiberte 
er  öerlegen  läcfyelnb,  fte  fyaben  mid)  md)t  gemottt.""  „9iidjt 
gewollt?"  rief  Marianne  mit  roadjfenber  Aufregung,  „feine 
eingtge?"  „„Stein,  feine!""  „©u  oerfiudjteS  $acf !"  wetterte 
Marianne. 

©enau  fo  rote  feinem  fianbolt  ift  e§  ©ottfrieb  ÄeQer 
felbft  ergangen.  Sogar  bie  3^1  bürfte  leidet  ftimmen. 
6§  Ijat  tljn  leiber  feine  eingtge  oon  allen  feinen  ©djäfcen 
gewollt.  6r  ijat  Dielmefyr  einen  SBorrat  gierltdjer  Äörbe  ein« 
geljeimft,  ber  bem jenigen  be£  fianboogtS  nichts  nachgibt. 
Unb  bann  tfyat  ber  alte  Änabe  immer  fof  als  ob  er  ba3 
SBeibSoolf  nidjt  leiben  fönnte.  3m  legten  3aljre  feinet  ^Berliner 
Aufenthaltes  fyatte  e§  il)n  mieber  einmal  tüchtig  gepaeft,  ober, 
wie  er  ftd)  auSbrüdfte:  ber  Steufel  Ijatte  iljm,  nad)  fünf- 
jähriger  guter  SRufye,  eine  ungefüge  2eibenfd)aft  auf  ben  £al§ 
gefdjidft.  @£  fei  bie  wunberlidjfte  TOifdjung,  bie  fid)  in 
einem  9)tenfd)en  gufammenfmben  fönne:  Ijod)faI)renb,  bettel* 
arm  unb  oerliebt  gugleid)  gu  fein,  ©a  bie  ©ante  Ijeute  nod) 
lebt,  mufc  ftd)  ber  Sefer  mit  einigen  Slnbeutungen  gufrieben 
geben.  <2o  mit  ber,  bafe  ber  fletne,  oft  fo  bärbeißige  £err 
©ottfrieb  fein  2luge  allegeit  auf  bte  fdjönfte  warf.  3ni 
©uncferfdfyen  £>aufe   fyatte   er  fte  gum  erften  3Bal  gefeiten. 


SReue  Siebe.  89 


Seine  fiiebe  geftanb  er  iljr  niemals.    Slbcr  jte  fprid)t  aus 
gtebern,  wie  bem  1854  gebid)teten: 

„SBeife  nidjt  öon  bir  mein  fd^Iid^ted  $er^ 

2Beil  eS  fdjon  fo  öiel  geliebet! 

Einer  ©eige  gleicht  eS,  bte  geübet 

Sang  ein  SKetfter  unter  2uft  unb  Sdjmerj1)." 

Sie  rebet  ju  uns  aus  bem  in  eben  jenen  Sagen  feiner 
üerfdjroiegenen  Siebe  gefdjriebenen  Sdjlufe  beS  „©rünen 
£einrid)w,  in  natofter  SCBeife  aus  einem  großen  blanen  Sogen, 
ben  er  bamals  als  Schreibunterlage  benufcte  unb  forgfam 
aufgehoben  fyat.  SBie  .$einrid)  ben  tarnen  ©orteten  Sd)ön* 
funbS  fo  oft  roieberfyolt,  bis  ifyn  ber  Star  gu  feinen  Raupten 
auSroenbig  lernt  (4,  419),  fdjretbt  fyier  ber  Sinter  ben  ge* 
liebten  SRamen  triele  fyunbert  9JtoI  in  ben  aierlictyften  formen, 
oft  mit  bem  3ufa{)  „la  bella  trovatau  (Sd)önfunb).  Ober 
er  geidjnet  ein  SanbljauS,  beffen  reidjeS  ©itter  iljre  Initialen 
trägt,  ein  3immer,  J>effcn  ©erat  if>r  gehört,  £>ann  trägt  er 
auf  biefen  merhoürbigen  Sogen  bie  Strophen  eines  fdjroer* 
mutigen  Sdjroarjroälber  SolfSliebeS  ein: 

„SBenn  einer  eine  Siebe  Ijat  unb  toeijj'S  nit  g'madjen, 
2Wufj  er  auf  bie  Seite,  Seite  fielen  unb  freunblid^  lachen. 

Sadfjen,  baS  ift  ein  ferneres  3)ing,  leidster  ift'S  SBeinen. 
2BaS  id)  am  liebften,  liebften  §aV,  ba§  mufc  id^  metben." 

Sluf  ben  „naffen  So^rgang"  fyinbeutenb,  in  bem  er 
ftd)  befanb,  fdjilt  er  ftd):  w£err  ©ottfrieb  Sfyränenberger, 
Sfcljränenmeter,  Sljränenftnlper' .  Dber  er  flogt  mit  ©oetlje: 
„2Ber  nie  fein  Srot  mit  Spänen  afe."  u.  f.  m. 


')  3uerft  in  ®d)ab%  3Hufenalmanad)  1854.    4.  3<*l)rg.  ®.  39, 
bann  in  ben  „©efammelten  ©ebidjten"  ©.  284  gebrueft. 


90  SRcuc  Siebe. 


©orteten  ift  baS  lebenbige  Slbbilb  jenes  9J?äbd)enwefenS, 
cmd)  bcr  äufceru  (Srfdjeinung  nad).  211S  „ein  I)od)gewad)feneS 
fd^öneS  grauenjimmer  mit  fdjwargen  Socfen"  wirb  eS  im 
Sugenbbudje  gefdjilbert.  ©ottfrieb  ÄeHer  Dertraute  feinen 
Äummer  wenigen  greunben,  f  djliefelid) ,  ba  er  bei  längerem 
Sleiben  franf  ju  werben  fürd)tete  unb  burdjauS  Ijeim  mu&te, 
fogar  ber  9Jtutter.  ©ortdjen  tjatte  biefer  auf  i^rer  Steife  nad) 
ber  ©cfyweij  im  ©ommer  1855  einen  Sefud)  jugebadjt,  fie 
aber  nid)t  getroffen. 

5Ran  erinnert  ftd)  aus  bem  „©runen  ^einnd)",  wie 
biefer  fterbenSüerliebt  in  ©ortdjen  ©djönfuub  ftd)  in  Selb  unb 
$lur  untertreibt  unb  eines  S£ageS  fein  £erjen$melj  auf  ben 
SRücfen  eines  Sauernburfdjen  prügelt,  ©iefer  3ug  ift  fo  ed)t 
ÄeHerifd),  ba&  man  fid)  nid)t  gu  üerwunbern  braucht,  beim 
Sefen  ber  S3riefe  88  unb  106  auf  eine  äfynlidje  Äeilerei,  bie 
einen  ^Berliner  ©djriftftelter  betraf,  ju  ftofeen. 

Unterbeffen  Ijarrte  in  &üx\d)  bie  alte  SKutter  fummer* 
t>oH  auf  ben  @of)n,  ben  fie  fo  lauge  entbehrte.  3at)r  um 
3af)r  mar  ins  2anb  gegangen:  feines  wollte  ben  ©ottfrieb 
heimbringen.  3m  §erbft  1852  Ijatte  fte  iljr  £auS  am 
SRinbermarfte  mit  einem  befdjeibenen  ©ewinne  öerfanft  unb 
war  nad)  ber  „platte'1  übergefiebelt,  wo  unöerweilt  ein  Sinimer 
für  ben  Erwarteten  in  23ereitfd)aft  gefegt  würbe.  „SBenn  ©u 
warten  wiUft,  bis  ©u  genug  ©elb  fyaft  —  fdjrieb  fte  iljm 

—  fo  fommft  ©u  nie  meljr  fyeim."  3"  Oftern  1855  gog 
fie  an  bie  ©emeinbegaffe  nad)  £>ottingen  unb  würbe  bort  bie 
■ftadjbarin  öon  2öilf)elm  ©djulj.     „2Bie  lange  gel)t  es  nod) 

—  feufjte  fie  im  £erbft  —  bis  eS  bem  Fimmel  gefällt,  ©id) 
^einzubringen?"  Dfyne  ifyre  fräftige  §ilfe  wäre  tym  bie  balb 
barauf  erfolgte  SRücffefjr  überhaupt  nidjt  möglid)  gewefen. 


(£n»artung.  91 


©ie  #eimfel)rfjenen  in  ©ottfrieb  ÄeHerS  ©idjtungen, 
baS  bange  Darren  eines  alten  einfamen  9Jtütterd)enS,  einer 
Sdjwefter,  einer  ©attin,  wie  pe  im  „Orfinen  £einrid)",  im 
„^anfraj"  im  „OTartin  Salanber"  fo  fefyr  an«  £erj  rühren, 
pnb  alle  burdjgelebt. 

Sieben  ber  alten  9Jlutter  erfefynte  ben  in  ©eutfd)lanb 
SBeilenben  niemanb  aufrichtiger,  als  ber  treue  SBilljelm  ©d)ulj 
unb  feine  jweite  §rau  Äatljarina  an  ber  ©emeinbegaffe  in 
§ottingen,  wo  pe  —  wie  Sdjulj  fdjon  im  9Kärj  1851  an 
Heller  gefdjriebeu  fyatte  —  „im  (Spljeu*  unb  SlSflepiaSum* 
rauften  ©tfibdjen  fefynlidjft  barauf  warten,  bis  ©u  wieber 

@d)u— u — u— lj  rufft,  um  uns  jum  23ier  abjufyolen 

SRidjarb  SBagnern,  bei  bem  id)  unlängft  eine  fefyr  intereffante 
SBorlefung  angehört,  Ijabe  id)  ©id)  bereits  angefünbigt.  33or 
furjem  Ijaben  wir  aud)  wieber  ©eine  ©ebidjte  Don  31  bis  3 
gelefen  unb  uns  um  fo  mefyr  baran  erlabt,  als  wir  pe  mit 
ben  *eien  gufammenljielten ,  biefem  f d)iQernben ,  glatten 
leeren  3ftemtmSgenjen*@ammelfurium  in  ber,  id)  weife  nid)t 
wie  dielten  Auflage.  Unb  nun,  atlerliebfter  ÄeHer,  mad)e 
©id)  enblidj  fort  aus  ber  ,@auftabt'  unb  fomme  Ijieljer  — 
balb,  redjt  balb,  feljr  balb!  £aft  ©u  qud)  fein  ©rama  in 
berSEafdje  —  aber  um  fo  beffer,  wenn  ©u  eS  ^afi — ,  fo 
bift  ©u  bod)  t|öd)lid)ft  unb  fefyreft  millfommen  ©einem  fefyr 
alten  unb  treuen  2BilI)elm  ©djulj.'1  3m  Dftober  wieberfyolte 
biefer  feine  SHaljnung  mit  ben  SBorten:  „®u  bift  jejjt  eine 
fdjweigerifdje  SRotabilitat  geworben  unb  wirft  Ijter  unb 
anberwärtS  bei  ©einer  9tücffet)r  mit  offenen  armen  empfangen 
werben,  giubeft  ©u  ©id)  längftenS  bis  SJiärj  1852  nid)t 
ein  trofc  ©ramen,  ©amen,  ©djnlben  :c,  fo  erfläre  id)  ©id) 
öffentüd)  für  einen  ©finber,  für  einen  Sßietiften,  Streiften, 


92  2lu3  ©riefen  üon  SB.  (Scfculj. 

3rfjcl,  9Jtid)el  u.  f.  w.  ©ein  ,©rüner  ^einrid)'  foH  jefct 
gebrutft  fein,  nadjbem  ©u  iljn  erft  nod)  eines  elenbiglicfyen 
Sobes  Ijabeft  fterben  laffen.  Slbcr  wir  Ijaben  nod)  nichts 
baöon  ju  @eftd)t  befommen."  gm  September  1852  fd)rieb 
@d)ul3  nad)  fcfywerer  Äranfljeit,  wät(renb  melier  U)n  fyrau 
Äittg  wie  ein  (Sngel  gepflegt :  „Sitte,  heirate  bod)  balb  eine 
grau  wie  bie  meine!  SllleS  anbere  2Beibert>olf  magft  ©u  aus 
©einer  SMlje  wegbrummen  ober  mit  ©einem  ungeheuerlichen 
Sracfe  oon  bannen  fdjeudjen.  Äommt  aber  bie  redjte,  fo 
bejtnne  ©id)  nid)t  lang  unb  greife  ju!  SSaS  fold)  eine  Stau 
für  ein  bifctfyen  Wann  am  Äranfenbette  t^ut,  wiegt  mefyr 
als  bie  Saaten  aller  beutfd)en  greiljeitsfämpfer  oon  änno 
1848  unb  früher."  ©er  Sriefroedjfel  fd)eint  öon  ba  an 
längere  S*ü  geftoeft  gu  fyaben;  erft  am  15.  Sanitär  1854 
antwortet  @d)ulj  wieber:  „©einen  legten  33rief,  ba  er  ein 
litterarifdjeS  ©eljeimnis  enthalt,  fyaben  wir  pflidjtgemäfj  für 
un§  behalten  gu  E)ctmlid)er  (Srbauung.  ©ein  oorlejjter  aber 
fjat  bie  Stunbe  gemadjt  oor  dielen  wißbegierigen  Slugen  ber 
Senfer  beS  Staats.  Sllle  freuen  jtd)  fefyr  barauf,  bafy  ©u 
mit  einigen  unfterblicfyen  SBerfen  im  @d)nabel  wieber  in  bie 
£>eimat  geflogen  fommft.  ©leid)  nad)  ©einer  Slnfunft  werben 
,©ie  Sürdjerinnen'1)  in  Uniform,  in  mittelalterlidjer,  aufge* 
füfyrt.  SSaS  wirb  baS  für  ein  3>ud)l)e  unter  bem  SBeiber- 
oolf  geben!  TOeine  3*<w  l)at  ftd)  fd)on  einen  Äürafe  am 
meffen  laffen;  jte  will  abfolut  mitfpielen.  ©u  wirft  nad) 
jebem  Slfte  auf  bie  SBütjne  gerufen  unb  nad)  bem  legten 
Slufjuge  wirft  ©u  gleid)  Dom  Sweater  weg  geheiratet  unb 
brand)ft  nid)t  einmal  3a  gu  fagen."    grau  ßatljarina  melbete 

')  Skatefyt  ftd)  auf  einen  reo!)!  nur  im  ©djerj  geäu&erten  brama- 
tifd)en  $lan  äellerS,  bie  Belagerung  oon  Sürid),  1292. 


Slu3  Briefen  do\\  2B.  unb  £.  @c$ul$.  93 

am  16.  3uni  1855:  „Sfyre  9Jiutter  ift  unfcre  näd^fte  9?ad)* 
barin,  unb  id)  fei)'  fte  bei  meinen  ©djulgangen1)  mit  ßifer  am 
genfter  arbeiten,  fo  eifrig,  bafe  id),  morgend  menigftenS, 
nid)t  einmal  ein  liefen  anbringen  fann.  8ln  bem  öierten 
33anb  beS  ,@rünen'  Ijabe  id)  fte  ftfcen  feljen,  als  id)  fort 
ging,  unb  falj  fte  nod)  mit  gleicher  2lnbad)t  ftfcen,  als  id) 
nad)  gmeieinfyalb  ©tunben  mieber  lam.  Slber  fte  ,planget', 
bis  @te  fommen.  SCßegen  ber  Sßrofeffur  braudjen  @ie  jefct 
nid)t$  met)r  gu  fürdjten:  5Bifrf>er  in  Tübingen  ift  gemault." 
Sfyr  9Kann  fiigt  bei:  „SBon  ftreiligratf)  Ijaben  mir  üor 
etlichen  SBodjen  ober  9Jtonaten  red)t  erfreuliche  -Kadjridjt 
erhalten.  %xau  greiligratf)  Ijat  jejjt  eine  Sßenfton  gegrünbet 
für  angefyenbe  englifdje  §od)oerräterinnen,  unb  fte  foll  ftd) 
babei  öfonomifd)  redjt  gut  fielen.  Sllfo  mieber  eine  §off* 
nung  auf  bie  3u^nft  &er  allgemeinen  europäifd)en  3ftepu* 
blif.  .  .  .  ©arin  bift  ©u  ein  ärgerlicher  $erl,  ba&  ©u  immer 
nod)  in  ber  marflofen  SKarf  fyotfen  bleibft.  SBiUft  ©u 
benn,  ©rüner  £einrid),  mirflid)  fo  lange  märten,  bis  ©eine 
SRutter  —  —  ?  @ie  ift  übrigens  frifet)  unb  gefunb  unb 
ftfymelgt  ftrafylenb  Dor  Vergnügen  in  ben  SBerfen  ifyreS  un* 
gejogenen  ©oljneS."  Slm  25.  3uli  1855:  „2Bir  jtnb  fefyr 
betrübt  unb  fel)r  ärgerlich,  ©enn  mir  fyaben  baS  grau* 
lein**8),  bie  ,beifolgenbe  junge  ©ante',  leiber  nidjt  gu  ©eftdjt 
befommen.  (Ss  mar  gerabe  an  einem  Sonntag,  als  fte  fid) 
in  ber  ^ottinger  ©emeinbegaffe  einfanb.  2Bir  maren  aus* 
gegangen,  fdjmetften  auf  bem  3ünd)berg  unb  in  ben  2Bälbern 
untrer,   !amen  fpät   abenbS  nad)  £aufe  unb  fanben  ©ein 

1)  S)a§  i&typaax  ©djulg*$Bobmer  fytelt  am  SRennroeg  eine  5ßriöat* 
fcfyule. 

2)  ©orteten. 


94  2fo3  ©riefen  üoit  2ö.  ©<$ulj. 

offenes  @enbfd>reiben  nebft  SBifltenfarte.  Slm  frühen  9Äorgen 
ftürgte  ftd)  meine  Äätljerli  in$  ,6d)wert'r  wo  ,btc  beifol^ 
genbe  junge  ©ame'  in  Dorne^mer  abeliger  unb  weiblicher 
©enoffenfdjaft  logierte.  (Sie  war  foeben  gum  ©ampffdjiff 
abgegangen.  Sie  5Reinige  will  nad),  ba  reifet  ber  ©ampf 
bie  ©einige  Don  bannen,  unb  bie  SKeinige  t)at  nur  nod)  baä 
9tad)fel)en  auf  eine  fd)lanfe  wetbüd)e  ©efialt  im  grauen 
Sfteifefleibe.  ©ie  SBoIjnung  ©einer  9Rutter  fyatte  bie  befagte 
junge  ©ame  gu  iljrem  in  S3Ieiftift  auSgebrücften  grofeen  33e* 
bauern  nidjt  aufpnben  tonnen.  2Bir  mußten  un§  alfo  an 
ben  5ßerfonalfd)ilberungen  genügen  laffen,  bie  uns  bie  oon 
iljrer  ItebenSwürbigen  ©egenwart  beglüdften  ^err  unb  grau  St. 
öon  iljr  entwarfen.  ©iefeS  5ßaar  Älöfce  —  ©u  fennft  fie 
j|a  unb  weifet,  was  baS  gu  bebeuten  Ijat  —  loberte  nod) 
Ijod)  auf  in  ben  glammen  beS  6ntl)ufiaSmuS.  9tie  unb 
niemals  —  fo  erflärten  übereinftimmenb  bie  fonft  md)t 
immer  übereinftimmenben  Älöfce  —  Ratten  fte  ein  foldjeS 
grauengimmer  gefeiten,  fo  froljmütig,  fo  fdjön,  fo  prächtig 
,gerüftet'  unb  baS  eine  fo  gute  ,@attig'  madje.  Unb  nun 
fingen  bei  ©einer  SHutter,  bei  uns  unb  bei  ber  gefamten 
Se!anntfd)aft  bie  nad)träglid)en  fdjarfftnnigen  SBermutungen 
an.  2Bir  argumentierten  übereinftimmenb  wie  folgt:  ein 
in  einem  offenen  Schreiben  als  ,beifolgenbe  junge  ©ame' 
ftgnalifterteS  grauengimmer  oon  fo  guter  ,@attig'  fte^t  un* 
gweifelljaft  mit  bem  Schreiber  beS  @d)reibenS  auf  feljr  der- 
trautem  gufee.  @S  ift  alfo  nad)  ben  jefcigen  fd)led)ten  fogialen 
Einrichtungen,  Sitten  unb  ©ebräudjen  nidjtS  anbereS  möglich, 
als  ba^  baS  befagte  grauengimmer  entweber  felbft  bie  SBraut 
beS  SdjreiberS  ift,  ober  bafe  baSfelbe  im  fdjlünmften  galle 
bod)  wemgftenS  bie  ©djwefter  ber  33raut  beS  ©djreiberS  ift. 


2lu8  ©riefen  um  2B.  (S^ulj.  95 

Überbieg  geljt  au§  bcr  lebhaften  Gljarafterfdjilberung  be§ 
£errn  unb  ber  grau  Ä.  aufs  beutlidjfte  fyeröor,  bafa  bie 
benannte  **  bie  unüerfennbarfte  Stynlidjfeit  mit  bem  ©ort* 
d)tn  ©djönfunb  Ijat,  unb  ba§  fie  bermalen  an  feine  anbere 
Unfterbltd)feit  glaubt,  als  an  bie  be$  ©idjterS  ©ottfrieb 
Heller,  ©arum  ift  nur  ba$  @ine  ju  wünfdjen:  bafe  eS  biefer 
©ottfrieb  ÄeHer  nid)t  ebenfo  inadje,  wie  fein  ©rflner  £einridj 
bei  bem  ©orteten  6d)önfunb,  fonbern  bafj  er  gegenüber  ber 
**  bei  Seiten  ba&  SRaul  auftaue,  was  er  inbeffen  —  nad) 
feinem  offenen  (Schreiben  ju  fdjliefcen  —  mit  üoUftänbiger 
Dffen^erjigteit  ütefleidjt  fd)on  wirflid)  üoUjogen  Ijat.  ©ieS 
ftnb  in  ber  £au})tfad)e  bie  OTutma&ungen,  wie  fle  gegen* 
»artig  über  ©ein  SBerljältniö  ju  fcpnen  Serlinerinnen  ober 
SRljeinlänberinnen  in  allen  Styee*  unb  Äaffeeoipten  ber  6tabt 
ßürid)  in  Umlauf  gefommen.  2Bir  hoffen  alfo,  ba&  ©u  in 
©einem  näd)ften  33riefe  unferen  ©djarf  jtnn  nid)t  ju  ©djanben 
machen,  fonbern  unfere  fämtlidjen,  fyödjft  mafyrfcfyeinlidjen 
§gpotl)efen  auSbrücflid)  unb  unumwunben  als  tl)atfäd)lid)e 
2Baf)ri)eit  befräftigen  wirft."  —  3m  14.  Oft.  1855:  „SBarum 
fommft  ©u  nid)t  enblid)?  33on  SBodje  ju  2Bod)e  erwartet 
©id)  ©eine  Sttutter,  unb  nid)t  bieg  ©u  felbft  bleibft  au§, 
fonbern  aud)  ©eine  Sriefe.  ©eine  Butter  möd)te  ©id)  gar 
ju  gern  gegen  einen  §errn  ©jronif  eintaufdjen,  ber  bei  ifyr 
wofynt  unb  SSerfaffer  eines  fcerrücften  ©ramaä  ift,  ,3Hja3* 
öeroS'  betitelt,  worin  bie  ©ftljer  mit  bem  9Dtorbod)ai  in 
ifyrem  ,gel)eimen  SBinfelgemadje'  jufammenfommt  unb  iljm 
ben  baju  gehörigen  jSeljälter'  eigenfyänbig  öffnet1),  ©u 
t)oft  ja  nod)  nidjt  einmal  auf  unfere  bringenben  anfragen 

*)  3-&ßl)ronif,  Sll)a§öero§.  (£in  2>rama  aus  bem  Sftorgenlanbe. 
ßfirid)  1855.) 


96  2ht3  »riefen  »on  2ö.  unb  St.  <5c$u(§. 

geantwortet  betreffenb  bic  fd)öne,  frofjmütige  unb  trefflid) 
,gerüftete'  gräulein  **!...  Seitbem  l)aft  ©u  üielfeid)t  meine 
änjeige  ©eines  ,@rfinen  ^einrid)'  in  ben  ,33lättern  für 
literarifdje  Unterhaltung'  gelefen.  ©u  wirft  bod)  nid)t 
barüber  gebrummt  ober  gar  auögefpucft  fyaben?  3cfe  mufete 
einige  SRarrljeiten  machen,  um  bie  2Utjeige  für  ein  grö&ereS 
^Jubltfum  fdjmadfljaft  ju  bereiten." 

grau  @d)ulg  berichtete :  „3Äorgen  wirb  baS  ^Sol^ted)- 
nifum  eröffnet,  unb  wenn  Sie  ba  mären,  bürften  ©ie  oljne 
ßroeifel  trojj  be§  ÄorbeS,  ben  ©ie  unferm  SRegierungörat 
gegeben,  im  fcfyroargen  Sracf,  meiner  (Sraöatte  unb  fdjmargem 
ßglinber  aud)  mit  im  3uge  gelten ;  unb  eine  bem  @d)aufptel 
gufeljenbe  reifere  meiblidje  3ugenb  mürbe  mit  gingern  auf 
Sie  beuten  unb  fagen:  ,@udf,  ba  ift  ber  ©tdjter  ©ottfrieb 
Äeller,  ber  ftd)  nid)t  getraut,  bem  ©orteten  feine  Siebe  ju 
gefielen'.  @3  mar  eigentlid)  fel)r  pfiffig,  fo  etmaS  in  bie 
2Belt  I)inau§  gu  fdjreiben;  benn  nun  rotrb  jebe  junge  ©ante, 
neben  ber  Sie  etma  eine  ©tunbe  ftumm  gefeffen,  fid)  für 
3$re  fyeimlidje  ©eliebte  galten."  3"  einem  nädjften  Sriefe 
mufe  ©ottfrieb  Äeller  meiblid)  über  biefe  Älatfcfyereien 
öon  ,©ortd)en'  auö  SÖerlin  gefdjimpft  fyaben:  menigftenö 
gibt  jid)  ber  alte  gute  @d)ulj  alle  IJJiülje,  ben  ©rjürnten  ju 
befd)U)id)tigen.  auf  bie  (Srjctylung  öon  ber  ^Berliner  Prügel* 
gejd)id)te  unb  ber  ^olijeibufee  ermibert  ber  luftige  £err 
Hauptmann:  „Saffe  ©ein  ©djlagmerf  nid)t  aHju  oft  repe* 
tieren!  ©onft  bringft  ©u  bie  preufetfdjen  ginanjen  in  bie 
Jpöfye  unb  rtdjteft  bie  ©einigen  ju  ©runbe!"  (Snblid)  am 
14.  9?ooember  1855  jubelt  er:  „3ud)l)e!  @r  fommt,  ber 
©rüne  £>einrtd) !  .  .  .  .  ©eine  Sftutter  ift  per  se  in  gro feern 
Vergnügen   über  ©ein   £iefyerfommen ,   unb   £err  ßljronif 


45.    Sin  Gbuarb  #ie»eg,  26.  Slprü  1850.  97 

wirb  gerabc  nod)  mit  feiler  £aut  aus  ©einer  SBofynung 
ö^gejogen  fein,  efye  ©u  iljm  bie  £aut  öollgeprügeU  I)aft." 

3n  ber  Sfyat  fam  ©ottfrieb  Äeller  enblid).  6r  fyatte 
eS  in  33erlin  nid)t  länger  anhalten  fönnen.  SBtteberum  mar 
eö  bie  treue  9Jtutter  gewefen,  welche  taufenb  ©ulben  aufge- 
nommen unb  ifym  bie  ©umme,  oermittelft  beren  er  ftd)  nad) 
allen  ©eiten  abgufiuben  üermod)te,  flberfanbt  Ijatte. 

3n  ben  erften  Sagen  beS  ©ejemberS  1855  befanb  er  fid) 
auf  ber  £eimreife.  Sei  Lettner  in  ©reSben  madjte  er  einen 
achttägigen  £alt,  wobei  er  SBertfjoIb  2luerbad)  mteber  fal) 
unb  auf  Äarl  ©ufcfow  [tiefe.  Äurj  oor  2Beil)nad)ten  traf 
er  in  ber  £>eimat  ein  unb  tjatte  es  nun  —  wie  fein  ^ein* 
rid)  —  gut  t>or. 


45»  &n  (Staat*  $ittvt&  in  $vannf<btvt\$l). 

8erltn,  ben  26.  Styril  1850. 

£od)geet)rter  £err !  3>d)  rnufc  üor  allem  aus  bringenbft 
um  6ntfd)ulbigung  bitten  für  bie  lange  SBerjögerung  einer 
^Beantwortung  SljreS  geehrten  Schreibens  oom  6.  Warb,  unb 
id)  erfudje  (§w.  2Bot)lgeboren ,  bie  ©rünbe  meines  langen 
Schweigens  nidjt  in  meiner  galjrläffigfeit,  fonbern  in  einem 
anfänglichen  Unwofylfein  unb  fpäter  in  meiner  Überfiebelung 
oon  #eibeiberg  nad)  Serlin  fudjen  ju  wollen.  3d)  fonnte 
3^nen  natürlid)  nidjt  el)er  fdjreiben,  als  bis  id)  jugleid) 
wieber  eine  fefte  Slbreffe  beifügen  fonnte. 


')  Unöottenbeter  (Sntrourf  im  SRadjlafj. 

©ottfrieb  ÄcHer.   II. 


98  «erlitt. 

3u  meinem  ©cfyredten  fyabe  id)  erfefyen,  ba&  @ie  mein 
SJtanuffript1)  nid)t  bequem  lefen  fönnen;  bemt,  abgefefyen 
baoqn,  ba&  id)  bie  größte  9Jlfl^e  fyatte,  einem  Äoptften 
meine  Äongepte  beutlid)  gu  machen,  unb  idC)  für  benfelben 
alle«  bod)  Dörfer  ins  JReine  fdjreiben  müjjte,  fann  id)  mid) 
aud)  überbieS  nid)t  leidjt  entfdjliejjen,  auf  einen  ungetmffen 
©rfolg  l)in  eine  Ausgabe  gu  machen,  meldte  in  SSerlin  nid)t 
flein  fein  fann.  Snbeffen  bin  id)  im  ftanbe,  bei  gehöriger 
ßeitnafyme  bebeutenb  leferlidjer  gu  fdjretben  unb  tyätte  e$ 
aud)  bei  bem  fd)on  überfanbten  Fragmente  getfyan,  wenn  id) 
ÄenntniS  öon  Syrern  bebauerlidjen  Unfälle  gehabt  l)ätte*). 

3d)  glaube  3ftnen,  l)od)geel)rter  §err!  fd)on  gefdjrieben 
gu  Ijaben,  bafe  mit  ber  3fteinfd)reibung  be§  ©angen  (meiere 
au§  ben  oben  angegebenen  Urfadjen  feitfyer  aud)  aufgehoben 
mürbe)  gugleid)  eine  nochmalige  ©urd)ftd)t  unb  Keine  SBer* 
befferungen  oerbunben  ftnb.  ©a  id)  nun  aber  au§  Der* 
fd)iebenen  ©rünben  ben  fofortigen  Seginn  beS  ©rucfeS 
münfd)en  mu&,  fo  fällt  e3  mir  ebenfalls  ferner,  biefen  bis 
nad)  S3oQenbung  be§  gangen  9Kanuffripte§  aufgefdjoben  gu 
wiffen,  roäfyrenb  id)  mit  bemfelben  in  Ablieferung  größerer 
Sßartieen  @d)ritt  galten  fönnte.  3d)  will  aber,  bamit  @ie 
fid)  öielleid)t  bod)  entfdjliefeen  fönnen,  bie  @ad)e  gu  über- 
nehmen o^ne  geftüre  beS  ©angen,  nid)t  unterlaffen,  fyier  eine 
Überfielt  ber  3"tention  unb  be8  planes  beigufügen. 

©ie  9Jioral  meinet  Sucres  ift,  bafe  berjenige,  bem  es 
nid)t  gelingt,  bie  33erl)ältniffe  feiner  ^erfon  unb  feiner  §a* 

')  rr^er  grüne  £etnridj1'. 

8)  SMeroeg  mar  bei  einem  2*olf§auftaufe  be§3a^reä  1848  gefäijr- 
1x6)  am  Sluge  öerrounbet  roorben,  rooburd)  bie  ©eljFraft  fe§r  gelitten 
§atte. 


45.    2ln  (Sbuarb  «teweg,  26.  Styril  1850.  99 

milie  in  fixerer  Drbnung  gu  erhalten,  aud)  unbefäljigt  tft, 
im  bürgerlidjen  Scbcn  feine  nrirffame  Stellung  einguneljmen. 
2)ie  ©djulb  fann  in  Dielen  $ällen  an  ber  ©efellfdjaft  unb 
am  Staate  fclbft  liegen,  unb  aisbann  wäre  freilid)  ber  Stoff 
berjenige  eines  fogialiftifdjen  StenbengbudjeS.  3m  gegebenen 
SfaHe  aber  liegt  fte  größtenteils  im  Gtyarafter  unb  bem  be* 
fonberen  ©efdjidfe  beS  gelben  unb  bebingt  Ijterburd)  eine 
mefyr  etf)tfd)e  Sebeutung  beS  JRomaneS.  Unternehmung  unb 
SluSfüljrung  beSfelben  finb  nun  nid)t  etwa  baS  SRefultat  eines 
blofe  tfyeorettfdjen  tenbengtöfen  SBorfafceS,  fonbern  bie  tJrudjt 
eigenfter  änfdjauung  unb  leiber  teilweifer  Grrfaljrung.  3d) 
Ijabe  nod)  nie  etwas  probujiert,  was  nid)t  ben  Shtftofc  aus 
meinem  äußeren  ober  inneren  Seben  bagu  empfangen  Ijat, 
unb  werbe  es  aud)  femer  fo  mad)en;  bat)er  fommt  eS,  ba& 
id)  nur  wenig  fd)retbe,  unb  wirflid)  weiß  id)  gegenwärtig 
nid)t  gu  fagen,  ob  id)  je  nod)  einen  Koman  f djreiben  werbe, 
ßinige  SRpüellen  ausgenommen,  fyabe  id)  für  bie  Swfunft 
auSfdjlie&lid)  bramatifdje  SBerfndje  im  SCuge. 

3J?ein  £elb  ift  ein  tafent*  unb  lebensvoller  junger 
SKenfd),  weldjer,  für  alles  ©ufe  unb  Sd)öne  fdjwärmenb, 
in  bie  SBelt  t)inauSgiet)t,  um  fid)  fein  ©d)tcffal,  fein  fünftigeS 
SebenSglücf  gu  begrünben.  (Sr  fte^t  alles  mit  offenen 
Haren  äugen  an  unb  gerät  als  ein  liebenSwürbiger  lebenS* 
froher  ©efelle  unter  allerlei  Seute,  f  erliefet  greunbf haften, 
welche  feinem  ßtyarafterbilbe  gur  (Srgängung  bienen  unb  be* 
redjtigt  gu  großen  Hoffnungen.  211S  aber  bie  3*tt  nafyt,  wo 
er  ftd)  in  ein  fefteS  geregeltes  £anbeln,  in  praftifdje  2J(ätig= 
feit  unb  ©elbftbel)errfd)ung  pnben  foll,  ba  fefyU  ii}m  biefeS 
alles.  @S  bleibt  bei  ben  frönen  SBorten,  einem  abenteuer* 
lid)en  SBegetieren,   bei  einem  pafftoen   ungef Rieften  Untrer* 


100  Berlin. 

treiben.  6r  bringt  baburd)  pdf)  unb  feine  Angehörigen  in 
dufeerfteS  (Slenb;  wdljrenb  minber  begabte,  aber  praftifdje 
Naturen  aus  feiner  Umgebung,  bie  unter  ifym  ftanben, 
refifperen  unb  il)m  über  ben  Jfopf  madjfen.  6r  gerät  in  bie 
abenteuerli c^fte  traurigfte  2age,  abgefdfymtten  t>on  ben  ©ei* 
nigen  unb  ganj  üerlaffen.  ©a  wenbet  ftd)  fein  ©d)idffal 
plöfclid)  günftiger;  er  pnbet  @lüdf  unb  einen  JfretS  ebler 
3Äenfd)enr  erholt  pd),  befefHgt  feine  ©runbfäfce  unb  betritt 
eine  neue  reinere  SebenSbaljn,  auf  welcher  tljm  ein  fdjöneS 
3iel  roinft.  ©o  rafft  er  pd)  jufammen,  eilt  mit  golbenen 
Hoffnungen  in  feine  Heimat,  um  feine  alte  ^Kutter  aufju* 
fudjen,  uon  roeldjer  er  feit  geraumer  Seit  nid)tS  mefyr  gehört 
fyat,  fo  wenig  al§  fte  öon  iljm.  @r  ftö^t  öor  ben  Sporen 
feiner  S3aterftabt  auf  iljr  2eid)enbegängniS,  mifdjt  pd)  unter 
bie  Segleiter  auf  ben  Äird)l)of  unb  l)ört  mit  an,  roie  ber 
Pfarrer  ben  Sob  ber  verarmten  unb  öerlaffenen  §rau  tl)rem 
ungeratenen,  in  ber  gerne  meileuben  ©ofyne  beimißt. 

2>a  er  im  @nmbe  ein  ehrenhafter  unb  nobler  Gfjarafter 
ift,  fo  wirb  e§  tym  nun  unmöglid),  auf  ben  Ürümmern  beö 
üon  H)\n  jerftörten  SfamilicrrfebenS  eine  glüdflidje  wtrfungS* 
reiche  Stellung  im  bürgerlichen  2eben  einjuneljmen.  S)a3 
Sanb,  ba§  iljn  nad)  rütfrodrtö  an  bie  sJJ?enfd)l)eit  fnüpft, 
fdjeint  Üjm  blutig  unb  freoelljaft  abgefdjnitten,  unb  er  fann 
beSroegen  aud)  ba§  lofe  fyalbe  @nbe  be§jelben,  baö  nad)  t>or- 
märte  füljrt,  nid^t  in  bie  £änbe  faffen,  unb  bieö  füljrt  audj 
feinen  Sob  Jjerbei.  ©iefer  roirb  baburd)  nod)  tragifdjer,  bafe 
ein  gefunbeS  fd)öne£  2iebeöoerl)altnt$  gebrochen  wirb,  roeldjeS 
ifym  nad)  früheren  franffyaften  2iebeSgefd)id)ten  aufgegangen 
mar.  Qnn  9?eben3iig  in  feinem  (Sfyarafter  ift  eine  gewiffe 
aufgeflärte  rationelle  3fteligiofität,  eine  nebulofe  ©djtoärmerei, 


45.    »In  ©buarb  «teweg,  26.  2tyrit  1850.  101 

weldje  barauf  fyinauSläuft,  bafe  in  einem  unberechtigten  Ver- 
trauen auf  einen  ©ott,  an  ben  man  nur  Ijalb  glaubt,  Don 
bemfelben  genialer  2Beife  bie  Söfung  aller  SBirren  unb  ein 
Dorn  £immel  faflenbeS  ©lücf  erwartet  wirb.  9lad)  biefer 
Seite  fyin  ift  bie  SJloral  beS  33ud)eS  baS  ©prid)tr>ort:  §ilf 
bir  felbft,  fo  l)ilft  bir  ©ott!  unb  bab  eS  gefünber  ift,  nidjtS 
ju  fjoffen  unb  baS  9ttöglid)e  ju  fd)ajfen,  als  gu  fdjwärmen 
unb  md)tS  $u  tljun. 

S)a,  rote  fd)on  gefaßt,  ber  SRoman  ein  Sßrobuft  ber 
©rfafyrung  ift,  ausgenommen  bie  unglücfltcfye  Äataftropfye 
am  ©d)luffe,  fo  glaube  id)  mir  fd)meid)eln  }tt  fönnen,  bafe 
es  fein  fabeS  Senbenjbud)  fein  wirb.  @S  ift  roofyl  feine 
Seite  barin,  roeldje  nicfyt  gelebt  unb  empfunben  roorben  ift. 

2BaS  Sfyre  Slnftdjt  über  baS  l)ot)e  Honorar  betrifft, 
weldjeS  id)  mir  Dorjufd)lagen  erlaube,  fo  weife  id)  in  ber 
Sfyat  nidjt  red)t,  roaS  td),  oljne  unbefdjeiben  3U  fein,  barauf 
erroibern  foH;  benn  id)  fann  mid)  bod)  nid)t  felbft  als  ein 
©enie  l)erauSftretd)en,  beffen  SBerf  gleid)  bei  feinem  6rfd)einen 
grofeeS  auffegen  erregen  werbe.  3d)  Ijabe  oor  fdjon  üier 
Sauren  fed)Sjig  SouiSb'or  für  ein  fleineS  33änbd)en  ©ebidjte 
empfangen,  roeldje  bei  $errn  änton  SCBinter  in  £eiöelberg 
erfd)tenen  fiub,  ofyne  mein  eigenes  ©ajutljun,  inbem  greunbe 
unb  ©önner  bie  ©adje  für  mid)  abmalten,  ©eitler  l)abe 
id)  für  Äleinigfeiten,  bie  id)  ba  ober  bort  etwa  einrütfen 
liefe,  oer^ältniSmäfeig  nod)  meljr  erhalten.  2lud)  glaube  id), 
bafe  id),  obgleid)  id)  nid)t  alle  2Bod)en  in  ben  ß^itungen 
ftefye,  meines  langen  €>d)roeigenS  wegen,  bod)  gu  ber 
befferen  litterarifdjen  ©efellfcfyaft  gehöre,  unb  fyabe  aud)  fold)e 
Sreunbe  unb  SBerbinbungen,  meldje  meinem  Sudje  bei  feinem 
6rfd)einen  eine  burdjauS  anftänbige  Slufnaljme  ftdjern.  gerner 


102  Berlin. 

fct)c  id)  ntd)t  ein,  warum  id)  allein,  wenn  id)  enblid)  etwas 
fertig  l)abe,  babei  ntdjtS  Derbienen  foQ,  wäljrenb  id)  täglich 
gewahre,  bafe  ring$  um  mid)  Seute,  welche  baS  $anbwerf 
öielleid)t  mit  weniger  33eruf  unb  weniger  gewtffenfyaft  be* 
treiben,  eben  fo  Diel  unb  meljr  mit  Seid)tigfeit  ficfj  juetgnen, 
als  id)  verlange.  ÜberbieS  wirb  mein  33nd)  feit  geraumer 
Seit  Don  Dielen  erwartet,  weldje  barum  wiffen,  unb  audj 
glaube  id),  bafe  baöfelbe  jiemlid)  neu  unb,  obgletd)  e£  fld)  an 
feine  Sageöereigniffe  fnfipft,  bennod)  geitgemäfe  fein  bfirfte. 
3d)  weife  wofyl,  bafe  mit  allem  biefem  bem  ©efd)äft$manne, 
welcher  ftdjer  gefyen  will,  nidjt  Diel  geholfen  ift  —  — 

46.  &t  $**Mttatt*  gvtiliQvatty  itt  jtalm 

Motto: 
d9  {lebt  ein  ©irtifau«  an  bem  9t$ein, 
X*  Teuren  alle  &ub>leut  ein, 
grau  ©irtin  ftfct  am  Ofen, 

)tub>tnit'  fifcen  um  ben  Xiftfc 

Xer  SWaitran!  toar  jebo$  gut. 

©erlin.  ben  30.  Styril  1850. 

2ieber  greiligrat  (nad)  Sßlaten  unb  £erweg  {treid)'  id) 
baS  l))!  ®a  !3för  waljrfdjeinlid)  balb  ßuren  28ol)nflfc  änbern 
werbet,  fo  will  idj  mid)  beeilen,  einige  9?ad)rid)t  oon  mir 
ju  geben,  bamit  wenigftenö  bie  äbreffen  in  gegenfeitigem 
Seftfce  bleiben,  ©enn  fonft  weife  id)  Don  mir  wafyrlid) 
nid)t  Diel  ju  fdjreiben.  2)ie  Sewalb  war  ben  äbenb  oor 
meiner  Slnfunft  Derreift  unb  wirb  erft  im  Dftober  jurutf* 
fommen;  td)  fonnte  alfo  weber  ba£  bewufete  mörberifd)e  ober 
opl)tl)almologifd)e  (Jjrperiment  Dome^men,  nod)  burd)  fle  in 
bie  Pforten  be§  Ijieftgen  fojialen  unb  litterarifdjen  £immel$ 
eingeben,  unb  bis  jefct  tjabe  id)  nod)  feine  litterarifdje  2au$ 
l)ier  gefefyen.    Söerbe  nun  aber  bod)  ben  £arnwagen   Don 


46.    2to  gerbinanb  greiligtat^  30.  Styril  1850.  103 

@nfc  auffitzen  imb  mid)  befd)eiben  hinten  auffegen;  bemt 
jemanb  mufj  man  bod)  fennen,  fonft  Ijättc  id)  mein  ©tipen* 
bium  bei  meinem  Äonrab  Sfteier  in  Sülad)1)  oeqeljreri 
fönnen. 

3d)  Ijabe  bie  Sage  bis  jefct  benufct,  bie  ©tabt  in  iljren 
materiellen  unb  räumlichen  Grtgenfdjaften  gu  ftubieren,  wo  unb 
wie  man  am  beften  ifet,  trinft  tc.,ljabt  baS  Subget  gemad)t 
unb  mtd)  ganj  artig  einlogiert.  3$  roofyne  s3floI)renftrafee 
9?o.  6,  bret  Sfcreppen  bei  einem  SJtoler,  SftamenS  Slrnbt,  weldjer 
ben  ©Treiber  meinet  SßaffeS  fefyr  notwenbig  l)ätte,  wenn  er 
oon  einem  gewiffen  Sewofyner  beS  „(Suropäifdjen  £ofeS"  in 
©üffelborf  untertrieben  [ein  will.  3d)  Ijabe  ein  fd)öneS 
ßdfjimmer,  oon  meinem  aus  id)  brei  ©trafeen  bel)errfd)e, 
glaube  aber  nid)t,  bafe  id)  bie  gange  Qtxt  Ijier  bleiben  fann, 
ba  bie  SBirtSleute  entfe^Iid)  bumm  unb  unbeholfen  finb. 

©ie  ©fiffeiborfer  Ijaben  mid)  nad)  ©einer  Slbreife  nodj 
mit  5Kaitranf  getötet,  unb  id)  bin  erft  in  Serlin  wieber 
lebenbig  geworben.  9?un  bin  id)  ein  9Jlufter  oon  9tüdjtern* 
Ijeit  unb  TOelandjolie,  effe  weltfd)merjlid)en  Slpfelfudjen  neben 
lefenben  33lauftrumpfen  unb  gefye  um  neun  Ul)r  ins  33ett. 
©ie  Äonftabler  fyaben  mid)  feljr  auf  bem  Äorn  unb  galten 
mid)  für  einen  SEBü^lcr.  Slm  erften  Sag  fam  id)  ins  gremben* 
blatt  al§  Äunftmaler  unb  nad$er,  nad)bem  idE>  auf  ber 
Sßoltjei  weitläufig  meine  Senbeng  unb  (Sjiftenj  auSeinanber* 
gefegt  ^atte,  als  ©taatSftipenbiat  aus  8ünd),  was  mir  ©pott 
unb  £oljn  oon  Seiten  meiner  Diepgen  SanbSleute  gujog. 

3d)  fyoffe,  bafe  ©eine  liebe  Familie  famtlidö  wohlauf 
ift:  oon  ©einer  oereljrten  grau,  welker  id)  mid)  banfbarft 


J)  e.  $b.  1,  322. 


104  Berlin. 

entpfeljle,  bis  gur  Suife  herunter,  einfdjliefelid)  beS  Qfuljr* 
mannS1)*  welchem  ein  guter  Gmgel  ferner  baS  redete  ©eleife 
burd)  ben  Urwalb  ber  öäterlidjen  ©rgieljungSmetljobe  l)inburd) 
geigen  möge,  unb  ber  Äätlje,  meld)e  ftet)  öon  felbft  raupen 
wirb.  SBerben  ©eine  übrigen  SBerfe  balb  gebrudft?  3n  einem 
fünftigen  ©riefe  t>offc  id)  23ernünftigeS  fdjreiben  unb  melben 
gu  fönnen  unb  bitte  ungeachtet  biefeS  2umpenbriefeS  um  ein 
gefälliges  SebenSgeidjen,  wenigftenS  bie  neue  Slbreffe. 

(Suer  ergebener 

©ottfrieb  ÄeHer. 

47*  |ltt  Sertttatttt  g*tttter  itt  gfifrtUwrg3)» 

Berlin,  ben  29.  gRai  1850. 

SBere^rtefter  £err  unb  Sfreunb!  SBer  ernten  will,  mufc 
erft  fäen!  2)eSnai|en  feEje  id)  mid)  gegwungen,  enblid)  bie 
geber  gu  ergreifen,  wenn  id)  9tad)rid)t  unb  freunblidjeS  2Bort 
aus  einer  mir  fefyr  lieb  geworbenen  2anbfd)aft  unb  einigen 
fcon  mir  Ijodjgeljaltenen  3nfaffen  berfelben  erhalten  min. 
©od)  benfen  Sie  nid)t,  lieber  £ettner,  bafy  bieS  ©äen  ein 
faureS  @efd)äft  beS  (SigennufceS  für  mid)  fei;  fonbern  ge- 
nehmigen (Sie  allerfreunblid)ft  bie  SBerftdjerung,  bafc  eS  ein 
wahres  Sabfal  unb  ein  (Srfajj  für  manche  ber  in  Syrern 
£aufe  plauberfyaft  gugebradjten  ©tunben  gu  fein  üerfucfyt 
werben  fofl.  33ielleid)t  finbe  id)  aud)  im  Serlaufe  beS  SriefeS 
©elegenljeit,  etwas  uon  bem  füfeen  ©alge  unfdjulbiger  93er« 
leumbung  beigumifdjen,  um  bie  gnufion  fo  Dollftänbig  als 


*)  S)en  f leinen  SGBoIfgang  greüigratf)  nannte  man  fo;  SB.Sucfcner 
2,  264. 

a)  $ie  ©riefe  an  Lettner  ftnb  b\xx6)  bie  ©üte  oon  grau  ©ef).«9tot 
5lnna  Lettner  in  Bresben  bem  $eUer»9tact)laiJ  jugeroanbt  roorben. 


47.    5ln  £ermcmn  Lettner,  29.  Wlai  1850.  105 

möglich  3U  madjen;  unb  e§  würbe  mid)  beglücf'en,  bfirfte  idj 
annehmen,  bafe  3t)rc  öereljrte  grau  ©emaljlm  nod)  mit  eben 
ber  fdjweigfamen  unb  nadjftdjtSöollen  ©ebulb  unfer  fritifdjeS 
©eplauber  Ijingeljen  lagt,  wie  in  jenen  üertraulidjen  Äon= 
öentifeln  auf  Sftrer  Stube. 

3d)  bin  alfo  in  Serlin.  SDfleine  erfte  $J)at  in  biefer 
©tabt  war,  bafy  id)  für  bte  SBefanntfdjaft  ber  Sannt)  Semalb 
um  einen  Sag  gu  fpät  fam.  3d)  fanb  jmar  nod)  eine 
SöetbSperfon  öor,  weld)e  fagte,  fte  würbe  xijt  fflriefe  nad)* 
fdjicfen.  3d)  gab  berf eibigen  meinen  Srief  ab,  unterliefe 
aber  au§  purer  momentaner  ©ummljeit,  bie  brei  Stfyaler  bei* 
jufügen.  9J?an  jagte,  gräuletn  Seroalb  werbe  bis  jum 
Df tober  wieber  erf feinen,  unb  ba  id)  bann  {ebenfalls  l(ier 
bin,  fo  werbe  id)  baS  ©elb  bis  baljin  behalten,  im  gälte 
@ie  nid)tS  anbereS  injmifdjen  üerfügen.  3$  ^citte  nun, 
wollte  id)  in  33crlin  in  Iitterarifd)e  Äretfe  fommen,  feinen 
anberen  2Beg,  als  ju  SBarn^agen  ju  geben  unb  311  fefyen, 
ob  er  fid)  meiner  nod)  erinnerte.  33iS  jejjt  bin  id)  aber  — 
nid)t  gegangen,  unb  eS  fyat  jid)  ber  (Sigenjtnn  in  mir  feftgefefct, 
ben  ©ommer  über  ganj  ftiH  unb  unbefannt  gu  bleiben;  aud) 
benfe  id),  33arnl)agen  werbe  nun  ebenfalls  üerreift  fein. 

@o  befdjränft  fid)  alfo  mein  Umgang  auf  baS  abenb* 
Iic£>e  Sufammenfein  mit  ftubierenben  ©djweijern  unb  — 
preufeifdjen  SteutenantS!  nämlid)  in  ber  Slrmee  bienenben 
■Keuenburgem  I)öd)ft  ariftofratifdjen  SluSfefyenS,  weldje  aber 
trofcbem  gute  Äinber,  artige  ©efellfdjafter  unb  patriotifcfye 
SanbSleute  ftnb.  ©onft  befinbe  id)  mid)  infofern  wol)l  Ijier, 
als  man  ungeftört  unb  anljaltenb  für  fid)  fein  unb  arbeiten 
fann,  ber  grofeen  ©infamfeit  wegen  in  ber  grofeen  ©tabt; 
unb  ift  man  mfibe,  fo  pnbet  man,  aud)  wenn  man  allein 


106  Berlin. 

ift,  aujjer  bem  £aufe  balb  S^rftreuung.  3d)  wollte  fefyr 
angenehm  in  einem  ©cffyaufe  ber  9Jtoli)renftra&e,  btd)t  neben 
ber  ©reifalttgfettSfirdie,  auf  welker  e$  im  anfange  beS  3fto* 
maneS  „Sßring  SouiS  §erbinanb"  *)  fieben  Uljr  fd)lägt.  @egen 
Dften  ragt  ba$  ©ad)  be§  @d)aufpieU)aufe8  über  bie  Käufer 
empor,  unb  ba3  auf  feinem  weftlicfyen  ©iebel  ftel)enbe  §lfigel= 
pf erb,  baS  mit  bem  SBorberfufce  fdjarrt,  fdjeint  mir  mand)* 
mal  auf  ttalienifdje  2Beife  freunblid)  guguroinfen;  tnbeffen 
fefyrt  mir  Slpolfo,  auf  bem  öftlidjen  ©iebel,  ben  Sftücfen  gu, 
unb  (5r  Ijat  bod)  ben  Ärang  in  Jpänben!  ©ine  gtüeifelljafte 
Äonftellation.  @oü  id)  mid)  umquartieren  unb  unter  feinen 
Slugen  rooljnen?  ©ann  öernadjläfftge  id)  ben  ©aul,  toeldjer 
mid)  eingulaben  fdjeint,  Ijinter  bem  SRücfen  beg  ©otteS  auf* 
guftjjen.    3d)  miH  mid)  an  £errn  3ftötfd)er9)  menben. 

2BaS  ba$  Sweater  betrifft,  fo  bin  id)  erftaunt  unb  er» 
fd)redft  über  bie  &rt,  rote  baS  gefdjriebene  SBort  beS  ©id)ter$ 
in  Serlin,  nadjbem  bie  beutfdje  Äritif  über  ein  IjalbeS  Saljr* 
ljunbert  gewütet  l)at,  mifeöerftanben  ober  beliebig  aufgefaßt 
wirb,  unb  wie  an  einer  Slnftalt,  toie  ba§  Ijieftge  £oftl)eater, 
neben  einigen  routinierten,  gut  gu  nennenben  Sßerfonen  bie 
oolfenbetften  ©tümper  eriftieren  fönnen.  9Zur  einige  Sei* 
fpiele.  $m  „Hamlet"  werben  gerabe  biejenigen  ©genen  ge* 
[trieben,  welche  feine  Unentfdfyloffenljeit,  Sfyatloftgfeit,  furg 
ben  eigentlichen  Slngelpunft  be$  ©tüdfeS  am  beutlidjftett 
barfteQen,  g.  29.  wo  fandet  bem  tljatenfrofyen  gtortinbraS 
gegenüber  ftd)  bie  erfd)ütternben  SSormürfe  mad)t.  ©er  ©djau* 
fpieler  felbft  gibt  ben  fandet  gu  lebenbig  unb  unflar  ge* 
räufdjüoll,  fo  bafe  man,  alles  gufammen  genommen,  gegen 

1)  S5on  gannt)  Öeroalb. 

2)  £en  Dramaturgen. 


47.    Sin  ^ermann  £ettner,  29.  gflai  1850.  107 

ben  ©djlujj  ba«  Sßatljo«  unb  Sragifdje  gar  nid)t  mottoiert 
finbet,  wenn  man  ba«  ©tütf  nid)t  fonft  ftubiert  Ijat.  3n 
£ebbel«  „TOaria  SJiagbalena"  fpielt  ber  S£ifc^lcrmctftcr  in 
feiner  2trt  öortrefflid),  aber  für  bie  JRolIe  öiel  gu  bewegt  unb 
bunt;  ber  ©oljn  $arl  erfdjeint  al«  ein  roljer  2ump  au« 
irgenb  einer  SEBienerpoffe,  mäfyrenb  man  üjm  bod)  beutlid) 
benr  wenn  aud)  leidjtftnnigen  @ot)n  au«  einem  guten  £aufe 
unb  befonber«  ba«  @d)ofefinb  einer  guten  üortreffltdjen  £au«* 
frau  in  Äleibung  unb  Seneljmen  nod)  anfeilen  foKte. 

©oldje  oberflächliche  fraffe  Sluffaffung  ftort  mid)  pein* 
lid);  gu  wa«  bienen  bie  #unberte  öon  SSljeatergeitungen,  bie 
Satjrbüdjer,  bie  SJtonograpfyieen,  all  baä  enblofe  ©ewäfdje, 
wenn  nid)t  einmal  bie  einfachen  widjtigften  ©runbfäfce  unb 
Stypen  unüerlefclid)  feftgeftellt  werben  fönnen?  Unb  meld) 
blinbem  Ungefähr  ift  baä  @d)idffal  eine«  Sßrobufte«  prei«* 
gegeben!  Um  fo  ärgerlicher,  wenn  man  bebenft,  bafe  bie 
©djaufpieler  nur  burd)  bie  woljtoerftanbenen  frönen  SBorte 
be«  ©id)ter«  ifyre  Sriumplje  feiern  fönnen,  unb  bafe  fte  trofc 
be«  beften  Spiele«  immer  nur  bann  gum  33eifall«fturme  fyin* 
reiften,  wenigften«  ben  grojjen  Raufen,  wenn  ber  Sejrt  redjt 
fd)ön  unb  imponierenb  ift. 

Snbeffen,  um  nid)t  ungeredjt  gu  fein,  liegt  wieber  ein 
grofeer  SEroft  barin,  bafe  Diele«,  xoa$  in  trodfener  Saune  ge* 
fd)rieben  würbe,  burd)  bie  lebenbige  ©arfteflung  einen  (Sin* 
brudf  mad)t,  ben  man  nie  geahnt  ijätte.  ©iefe  meine  93e* 
merfungen  fdjetnen  nad)  bid)terifd)em  6goi«mu«  gu  rieben, 
ber  bie  ©djaufpieler  nur  al«  ein  SRittel  betrautet,  wie  e« 
biefe  oft  mit  un«  umgefeljrt  gu  galten  pflegen.  Sd)  bin  aber 
öon  biefer  @d)nöbl)eit  frei  unb  möd)te  jebeSmal  ben  Äerlen, 
befonber«  aber  ben  ©amen,  um  ben  £al«  fallen,  wenn  fte 


108  Berlin. 

red)t  gut  unb  oerftänbig  gefpielt  Ijaben.  9?ur  oerlange  id), 
bafc  fie  originell  unb  urftmmglid)  feien  unb  mir  mein  2Serf 
in  einem  neuen  &bm,  gleidjfam  einer  gioeiten  Watur  toieber 
oorfüf|ren,  bamit  id)  in  iljnen  eine  anbere  felbftänbige  Äraft 
achten  unb  eljren  fann.  ©iejemgen  aber,  toeldje  bie  ©lang- 
[teilen  eines  ©tücfeS  nur  bagu  benufcen,  burd)  abgetroffene 
SJHttel  unb  6ffeftmad)erei  momentane  woljlfeile  ©iege  unter 
ben  6feln  gu  erringen,  finb  mir  gmoiber,  wie  fd)led)ter 
Sabaf.  6s  finb  btefeS  alte  @efd)id)ten;  id)  mufe  aber  aQeS 
neu  unb  oon  üornfyerein  erleben. 

©en  „SRobcöpierre"  Ijabe  id)  in  granffurt  gefefyen  unb 
mujj  leiber  aud)  mit  feinen  geinben  fdjreten.  Dbgleid)  oor* 
treffliche  ©genen  barin  finb,  fo  fann  id)  einem  ©rama  bod) 
feine  grofee  33ebeutung  beilegen,  wenn  jebe  ©gene  mit  oor* 
gefdjriebenen  Pointen  unb  bonmots  fd)liefet.  @S  ift  eine 
3frud)t  ber  ßeftüre  oon  SamartineS  „©ironbiften" ;  fo  fam 
eS  mir  roenigftenS  oon  Anfang  an  9 leid)  t>or,  unb  bagu 
braud)t  eS  meines  (SradjtenS  feinen  bramatifdjen  OTefftaS. 
©ie  fyofye  oielgerüljmte  Unparteilidjfeit  beS  @ebid)teS  rebu- 
giert  ftdt)  auf  eine  unflare  3ufammenfteflung  oon  aübefannten 
Gfrpeftorationen,  trafen  unb  §afta.  ©ie  Reiben  oerfunben 
groar  ofyne  Sßiberfprud)  ifyre  fd)önen  ©runbfäjje,  aber  man 
ftel)t  nirgenbS,  wie  ftc  bagu  gelangen;  baS  33olf  erfdjeint 
burcfyauS  niebrig  unb  lädjerlid);  unb  baS  ift  nid)t  nur  Hein* 
Ud)  oon  £errn  ©riepenferl,  fonbern  aud)  gemein  unb  un« 
loaljr.  SRobeSpierre  f elbft  ift  eine  fonfuf e  6rf  d)einung ,  in 
beren  inneren  SebenSprogejj  nur  einige  fd)toad)e  Slicfe  oer* 
gönnt  finb.  Seffer  angelegt  ift  ©anton,  toeldjer  fe^r  banf- 
bar  ift  für  eine  energifdje  ßffeftrolle;  wenn  nur  nid)t  ber 
ermähnte  fatale  Umftanb  ba  toare,  bafe  er  immer  mit  einem 


47.   2fa  ^ermann  £ethter,  29. 3Dtot  1850.  109 

Iängft  gebrucften  SBifce  abgebt,  ©ie  tlafftfdjen  trafen 
eine«  ©bafefpeare,  ©oetlje,  ©d)iQer,  weldje  taufenb  Supern 
jum  TOotto  bienen,  würben  nid)t  aus  Gljronifen  unb  9fte« 
moiren  abgefdjrieben,  fonbern  felbft  gemalt.  3d)  weife  wof)l, 
bafe  bei  ber  gettlidjen  5Räl)c  unb  fflebeutung  ber  franjöftfcfyen 
SReöolution  jene  Pointen  nidjt  ju  überfein  waren;  aber  e$ 
ift  Ijalt  ein  fataler  Umftanb  für  bie  2Bertbeftimmung  be3 
©icfyter«. 

6tne  3Koral,  ein  fabula  docet,  Ijat  ba$  ©ebid)t  gar 
nidjt,  wenn  nid)t  etwa  bie  £>erabfefcung  be£  SBolfeS  eine 
foldje  fein  foll.  ©ie  gelungenfte  ©eftalt  ift  weitaus  ber  alte 
SBabier  unb  wirflid)  ber  beften  Umgebung  würbig,  bie  man 
ftd)  benfen  fann,  befonberS  ba,  wo  er  mit  ©trol)  befränjt 
an  bem  Sfeftjuge  erfdfoeint,  um  JRobeSpierre  unb  fein  l)öd)fte$ 
SBefen  lad^erlid)  ju  machen,  ©iefer  Gljarafter,  fowie  mehrere 
©jenen,  g.  33.  ein  SSanfett,  wo  ©anton  unb  SRobeSpierre  ftd) 
als  Sfcobfeinbe  erfennen,  ober  3fiobe3pierre  in  ber  alten  ÄönigS* 
gruft,  wo  ein  uralter  9Wönd),  ber  £üter  biefer  ©räber, 
weber  Don  ber  SReöolution  nod)  öon  bem  gewaltigen  9tobe8pierre 
ein  ©terbenSwörtdjen  weife,  fm&  ^om  beften  ©toffe  unb 
madjert  (Sinen  jweifelljaft.  28enn  nur  ©riepenferl  ein  junger 
9Kenfd)  unb  nid)t  fo  ein  alter  ©ünber  unb  ^Srofeffor  wäre, 
fo  Iiefeen  ftd)  bie  fd)önften  Hoffnungen  fdjöpfen. 

2luerbad)$  „£ofer"  Ijabe  id)  auf  ber  SReife  gefauft  unb 
gelefen.  SEßenn  ein  polittfdjer  ßretin  eine  bramatifdje  @e* 
ftalt  ift,  fo  ift  es  biefer  £ofer  auf  jeben  %aü.  9flifeöerftel)en 
©ie  mid)  nidjt!  £öd)ft  bramatifd)  unb  tragifd)  mufe  ber 
Äonfltft  fein  3wifd)en  bem  ftdE)  opfernben  betrogenen  SBoIte- 
gelben  unb  ber  falfd)en  elenben  ©tjnaftie  unb  aud)  gewife 
bebeutungSöofl  unb  jeitgemäfe;  in  biefer  £inftd)t  ift  2luerbad)§ 


110  ^Berlin. 

Sntcntion  burdjauä  gu  anerfennen  unb  gu  loben.  ?ßur  mujjte 
ber  £elb  aud)  etwas  jagen,  etwas  Ijanbeln,  furg  und  ein 
wenig  unterhalten.  6in  9Jtenfd)  aber,  welcher  nie  baS  9Jtaul 
auftaut,  als  nur  bann  unb  mann  gu  fagen:  „9Kem  Äoafer"! 
unb  bann  wieber  ftiH  ift  unb  ftd)  gulefct  erfdjiefeen  läfet,  ber 
ift  in  meinen  3lugen  fein  tauglicher  9Hitfpteler  in  einer 
£aupt*  unb  ©taatSaftion.  SRetneS  6rad)tenS  liegt  bie 
©djulb  hierin  an  einem  affeftierten  £afd)en  SluerbadjS  nad) 
fd)lagenber  2afonif,  SRatoetät  ober  weife  ber  Seufel  was,  unb 
e§  ift  fd)mäf|lid)  mißlungen.  ÜJtit  anerfennenSmertem  grei* 
mut  l(at  er  ben  ßrgljergog  Johann  gu  einem  Schuft  geftem* 
pelt;  wenn  aber,  wie  id)  fyöre,  unb  id)  Tenne  bie  ©efd)td)te 
nid)t  genug,  um  felbft  gu  urteilen,  wenn  bie  SBerfyältniffe 
unwahr  unb  entfteQt  wären,  unb  Sodann  bagumal  entfdjie* 
beu  gegen  ben  £>of  gewefen  ift,  fo  wäre  es  oon  2luerbad) 
bod)  etwas  willfürlid)  unb  gewiffenloS  gegenüber  einer 
lebenbigen  Sßerfon,  bie  baS  Sewufetfein  üom  ©egenteil  in 
ber  Sruft  l)at.  ©aneben  Ijat  eS  genug  munberl)übfd)e  @ad)en 
in  bem  Sudje ;  baS  SScr^ältniö  gwif d)en  ben  beiben  gefallenen 
©atten  ift  oon  wafyrljaft  anttfer  ©röfee,  wenigftenS  bie  grau. 
SBon  Sluerbad)  bin  id)  übergeugt,  bafc  er  meifterfjafte 
©ramen  fdjreiben  wirb,  wenn  er  md)t  gu  l)od)mütig  ift, 
bie  ßfonomie  ber  aSfifyne  unb  bie  gorberungen  beS  fdjau* 
luftigen  SBolfeS  fowo^l,  als  bie  l)unbertiäl)rigen  Erfahrungen 
unb  Gmtwicflungen  ber  Sljeaterwelt  unb  i^rer  Äritif  gu 
beachten  unb  feinen  fouöeränen  perfönlid)en  (Stnf  allen  über* 
guftellen.  Seiber  fdjeint  mir  baS  gange  {teuere  unb  naioe 
auftreten  mit  biefem  bramatifd)  giemlid)  übel  eingerichteten 
©tfiefe  eljer  barauf  Ijingüweifen,  bafe  er  einftweilen  ftd)  an 
feine  allgemeinen  Erfahrungen  unb  @rrungenfd)aften  gu  galten 


47.    2ln  Jpermatm  Lettner,  29.  9)to  1850.  111 

gebenft.  @£  märe  jammerfd)abe,  wenn  feine  reiche  unb  tiefe 
^ergenS*  unb  sJJlenf djenf enutnis ,  fein  ftarfeS  ©emüt  burd) 
©igenftnn  für  bie  SJüljne  Derloren  gefyen  unb  eö  nur  einer 
39ird)s$ßfeiffer  gelingen  foHtc,  au$  feinem  9teid)tume  9iu{jen 
3U  jieljen. 

33ei  ber  Slupljrung  ber  „5Haria  SJtogbalena"  Ijabc  id) 
entbeeft,  wa$  id)  früher  überfein  fyabe,  bafc  aud)  bieö  ©tücf 
nod)  gewaltig  am  ©d)idffal  unb  3ufaH  laboriert,  ©leid)  an* 
fangS  bie  @efd)id)te  mit  bem  ©rab,  in  weldjeS  bie  grau 
tt)ren  ©traufc  wirft,  unb  nadjljer  bie  Äataftro:pl)e,  welche 
eigentlid)  nur  burd)  ben  3ufaH  herbeigeführt  wirb,  bafc  ber 
©efretär  in  ber  6ile  öergifet,  ber  tflara  gu  fagenr  er  wolle 
fie  bennod)  heiraten,  unb  er  fte  alfo  in  bem  2Bat)ne  läfet,  aud) 
biefe  lefcte  Hoffnung  fei  geftorben. 

©o  fd)ön  nun  baS  £ereingieljen  biefe3  erften  ©eliebten 
in  bie  Gmtwicflung  ift,  fo  wotjltljnenb  für  bie  Sütjnenges 
redjtigfeit  fein  Äoramieren  be£  Seonljarb,  fo  petnlid)  ift  e£, 
baS  arme  Äinb  lebiglid)  an  biefem  3*rtum  unb  nid)t  an 
ber  inneren  9totwenbigfeit  fterben  ju  feljen.  Steffen  ift 
Hebbel  baburd)  ju  entfdjulbigen,  baf$  ber  geiler  eigentlid) 
nur  ein  embarras  de  richesse  ift,  inbem  oljne  bie  2Bieber* 
fünft  beS  ©efretärö  bie  Äataftroptje  fd)on  motioiert  unb  un* 
öermeiblid)  gewefen  wäre,  e$  alfo  aud)  nid)t  Verlegenheit 
unb  ©ebanfenarmut  ift,  weldje  ben  leibigen  Rtfaü  ueranlafet. 

2Bir  fyaben  in  SJtonnfyeim  bei  ber  „©eboral)"  ba$  ttn* 
glücf  gänjlid)  burd)  ein  fleinlidjeS  jufäHigeä  9)iij3&erftänbni§ 
tjerembredjen  gefefyen,  unb  nun  Ijöre  id)  aud),  bafa  in  einem 
neuen  Srauerfpiel,  ba§  jefct  gepriefen  wirb,  bem  „ßrbförfter" 
Don  Dtto  Subwig,  bie  Äataftroplje  ebenfalls  burd)  einen 
3ufaH  herbeigeführt  wirb.    SBoljer  fommt  e3,  bafc  alle  biefe 


112  «Berlin. 

entfd)iebenen  Talente  an  biefcm  wtd)tigften  fünfte  fcf)ritern 
unb  in  einer  ärt  gciftiger  §aull)eit  ftedfen  bleiben?  @nt* 
weber  glaube  id)r  es  ift  bie  oerfünftelte  unb  gefud)te  SBaljl 
beS  ©toffeS,  weld)e  jte  auf  baS  6iS  füljrt,  ober  fte  legen  ju 
Diel  ©ewid)t  auf  baS  ©elingen  ber  ©pradje  unb  ©jenerie, 
ein  ©elingen,  weld)eS,  wie  anbere  poctifc^c  formen,  nad)  unb 
nad)  gum  ©emeingut  unb  Don  ben  3nljabern  ju  i}od)  ange= 
fd)lagen  wirb.  2Bir  Ijaben  erlebt,  bafc  ein  h)rifd)eS  ©ebid)t, 
beffen  Silber  unb  SBenbungen  öor  gwangig  Sauren  ben  SBer* 
fafjer  berühmt  machten,  jefct  faum  gelefen  wirb;  id)  benfe,  eS 
wirb  aud)  mit  bem  ©rama  fo  getjen. 

3d)  benufce  jefct  bie  5Wäd)te,  mid)  mit  Sannt)  Seroalbs 
arbeiten  näfyer  gu  befreunben.  SBenn  man  ben  SÄoman  baS 
moberne  ©poS  nennt,  jo  fyat  fte  atlerbtngS  baS  3fted)t  gehabt, 
mit  bem  Stöbe  beS  gelben  abgubredjen.  ©ann  fyatte  jte 
aber  aud)  bem  ©ebid)te!)  meljr  epifdje  Sreite  geben,  weniger 
bilettantifd)e  ©efd)id)tfd)reibung  unb  mefyr  33efd)reibung  unb 
Sßoejte  hineinlegen  foHen.  ©ie  2ewalb  t)at  einen  fdjarfen 
SBerftanb,  aber  wenig  Sßljantafte  unb  SBärme.  Sie  lä&t  und 
gu  wenig  allein  in  ben  33erfef)r  unb  §auSljalt  iljrer  Sßerfonen 
fyineinfefyen.  3d)  möchte  jagen,  bafc  eS  eine  angenommene 
gelehrte  23ornef)mt)eit  ift,  meld)e  jte  oon  einem  liebeooHen 
freubigen  ausarbeiten  unb  ausfüllen  ifyrer  Schriften  abhält 
unb  ftd)  mefyr  einem  falten  SRaifonnement  Eingeben  läfet  in 
flüchtigen  Umriffen,  welche  jte  mefyr  als  eine  femme  spirituelle, 
als  eine  SM  Sterin  erjdjeinen  läfjt.  2Benn  td)  ein  ©ebtd)t 
lefe,  jo  will  id)  mid)  jättigen  an  ber  Segeijterung  unb 
^Ijantafte,  am  ted)nifd)en  unb  mujtfalifd(en  ©enie  beS  93er* 


')  „^rinj  öouiS  gerbinanb." 


47.    9ln  Hermann  Lettner,  29.  3ttat  1850.  113 

fafferS  unb  nid)t  immer  fyinweggetrieben  werben,  wenn  eine 
intereffante  Situation  faum  angegeben  ift.  3d)  wünfdjte 
fefynlid),  bafy  bie  Semalb  weniger  öfterer,  aber  bie  wenigen 
DoHer  unb  üppiger  fd)reiben  würbe.  SBenn  iljr  bie  bamalige 
©efellfdjaft  ber  ©Riegel,  @enfc,  Ungelmann  u.  f.  f.  objeftio 
war  unb  jte  beabjtdjtigte,  biefelbe  red)t  in  ein  ungünftigeS 
2id)t  gu  [teilen,  fo  ift  iE>r  biefeS  meifterljaft  gelungen;  benn 
nid)t  balb  t)at  mid)  etwas  fo  angewibert  als  ber  SBerfetjr 
jener  TOenfdjen,  unb  id)  bebaure,  baS  fd)öne  fflilb  3ftal)elS 
barunter  ftedfen  gu  fetjen.  Übrigens  ad)te  id)  SewalbS  ßnergie 
unb  männliche  (JrfaljrungSgabe,  fowie  iljre  $enbeng  feljr  Ijod). 

©od)  flatfd)e  unb  frittle  id)  ofyne  6nbe  brauf  loS,  ofyue 
gu  bebenfen,  bafe  mein  eigenes  @;ramen  oor  ber  SEfyüre  fteljt, 
unb  bafc  td)  allen  ©runb  tjabe,  mit  ©emut  unb  33efd)eiben* 
Ijeit  umljergugefyen.  9Hit  Sßicroeg  bin  id)  jefct  im  SReinen;  er 
l)at  gwar  baS  9J}anuffript  nid)t  gelefen,  ift  aber  über  mein 
©jrpof«*1)  entgüdft  unb  fängt  nun  an  gu  brudfen.  ©ebe  ber 
£immel,  baf$  id)  baS  <5;r:pof6  nid)t  gu  fd)ön  gemalt  fyabe! 
@S  mad)t  mir  angft.  <5r  ift  gang  oergnügt,  Ijat  mir  fogar 
vorläufige  Befangen  angeboten  unb  will  nun  aud)  meine 
©ebid)te  unoerfefyenS  bod)  bruefen,  fo  baf$  id)  alfo  and)  an* 
nehmen  fann,  er  werbe  bie  bramatifdjen  @ad)cn  aud)  nehmen, 
©en  9toman  will  er  ©pefulationS  falber  erft  im  Dftober 
öerfenben;  jebod)  will  id)  bafür  forgen,  bafc  id)  Sfynen  Dör- 
fer bie  Aushängebogen  fd)icfen  fann.  3d)  fefye  erft  jefct  ein, 
bafe  id)  ifym  bod)  öielleidjt  gu  öiel  geforbert  Ijabe,  unb  münfdje 
nur,  bafe  bie  @ad)e  gut  abläuft  unb  er  nid)t  petfdjiert  ift. 

SÄeine   rounberlidje   Sragöbie9)   mufe   nod)   ein  wenig 

»)  33rtef  45. 
')  „Sfjerefe". 

©ottfrieb  Adler.    II.  8 


114  «erltn. 

tfyeatralifdje  gfärbung  befommen.  3>d)  glaube  nidjt  gegen 
bie  Statin:  eines  StrauerfpielS  gu  ffinbigen,  wenn  id)  in  ben 
erften  Slftett  einige  £eiterfeit  hineinbringe,  unb  fyalte  mid) 
mannen  Äritifern  jum  Strofce  an  ©Ijafefpeare  hierin.  3Bie 
ber  £umor  oft  auf  bem  bunflen  ©runbe  ber  größten  Trauer 
feine  UebUdjften  ffllüten  treibt,  nad)  aübefannter  ßrfafyrung, 
fo  barf  ober  mufe  DieHeidjt  fogar  bie  Sxagöbie  im  ganjen 
unb  allgemeinen  biefen  Gljarafterjug  beibehalten  unb  gwar 
nid)t  nur  in  t)umoriftifd)en  ober  ironifdjen  Ausladungen  ber 
einjelnen  ^erfonen,  fonbern  an  red)ter  ©teile  in  luftfpiel* 
artiger  SBenbung  ganjer  ©jenen,  ©od)  genug  hierüber! 
SBeifc  id)  bod)  nid)t  bei  meiner  geringen  Selefenfyeit,  ob 
alles,  was  id)  oorbringen  fann,  ntdtjt  fcfyon  beffer  unb  grfinb* 
lidjer  befprod)en  ift. 

©en  oerfprod)enen  Sluffajj  über  bie  ^Berliner  SfaSftellung 
fyabt  id)  nid)t  gcfdjrieben.  ©ie  SluSfiellung  ift  ein  foldjer 
AuSbrucf  einer  inneren  geiftigen  Armut  unb  Settelljaftigfeit 
ber  jejjigen  ©taffeleifunft,  t>a$  nichts  ju  fagen  war,  als  etwa 
über  biefe  Armut  felbft.  Unb  baju  füllte  id)  mid)  nid)t  auf» 
gelegt,  ba  id)  mid)  nun  lieber  ber  pojitioen  33efd)afttgung 
juwenbe.  greilid)  ift  aud)  nid)t  triel  gefanbt  worben  öon 
aufeen  I)er.  Aus  granfreid)  unb  ßnglanb  gar  nichts,  oon 
SJlüudjen  unb  SBien  jwei  ober  brei  Silber  unb  felbft  aus 
©üffelborf  wenig.  ©ie  glänjenbfte  SRepräfentation  genofj 
bie  öornefyme  $orträtmalerei  in  gut  gemalten  Silbniffen  oon 
Surften,  Abelidjen,  ©iplomaten  unb  eleganten  ©amen,  ©elbft 
bie  guten  Sanbfdjaftcn  überfteigen  nid)t  ein  IjalbeS  ©ufcenb; 
gute  ©enrebilber  bringen  es  nid)t  einmal  fo  fyod),  unb  bod) 
jät)lt  bie  Aufteilung  1300  Kümmern!  ©ie  biblifd)e  ©e* 
fd)id)te   war   in   grofeen  ©imenftonen   öon  nid)t  talentlofen 


47.    3fa  Jpcrmann  Jpettner,  29.  3flai  1850.  115 

Saiten  üorgefüfyrt,  aber  ebenfalls  mit  einem  foldjen  Mangel 
an  ©nergie  unb  8ebenSfrifd)e,  baf$  3t)r  in  3^em  Sudje 
über  bie  romantifdje  Sd)ule  auSgefprodjener  Sajj1)  in  biefen 
Sälen  (eine  Seftätigung  leiber  nid)t  ftnbet.  Unb  bod)  liegt 
2ßal)rl)eit  barin,  befonberS  wenn  man  nod)  bie  9Jtgtl)ologie 
im  roeiteften  Sinne  Ijerbeigiefyt.  3$  füllte  biefeS,  als  id) 
lüngft  t»on  einem  Silbe  9iat)lS  in  5JJhmd)en9)  las.  £)t)ne 
eS  gu  fefyen,  fann  id)  mir  lebhaft  öorftellen,  wie  ber  Äünftler 
ben  uralten  Stoff  aufgriff,  lebiglid)  als  ÜDiittel,  ein  Stüd 
gewaltigen  fdjönen  9totur*  unb  Sinnenlebens  unb  einen 
namenlofen  SJloment  begeifterter  Stimmung  mit  einem  legi* 
timen  tarnen  unb  Saufpafj  gu  toerfeljen. 

3d)  mar  feljr  luftig  am  SRljein;  greiligrat!)  fam  mit  mir 
nad)  ©üffelborf,  n>o  brei  Sage  lang  fdjroer  OTaitranf  ge* 
trunfen  würbe.  Sejjt  bin  id)  aber  gänglid)  ausgenüchtert, 
unb  bie  norbifcfye  9Jiäfcigfeit  ift  mir  fefyr  roillfommen  für 
meine  S^ecfe.  Sreiligratt)  ift  gang  abforbiert  burd)  politifdje 
Umgebung  unb  ©efdjäfte  unb  fiagt  über  gänglidje  SBerlaffen- 
Ijeit  in  litterarifdjen  ©ingen.  SefefaberS  tfjat  er'S,  als  mir 
gufammen'3^  33ud)  befpradjen  unb  id)  fagte,  bab  id)  baS 
Vergnügen  fyätte,  Sie  naljer  gu  fennen.  ©abei  naljm  id) 
mir  öor,  Sie  red)t  feft  beim  SRodfgipfel  gu  galten,  lieber 
£err  ©oftor!  SBotlen  Sie  roofyl  bie  ©üte  Ijaben,  mir  ge= 
legentlid)  ein  paar  Qzikn  gufommen  gu  laffen!  • 

£offentlid)  befinbet  ftd)  alles,  roaS  Stjnen  lieb  ift,  alfo 
aud)  auf  jeben  %aü  Sie  feibft,  wohlauf!    ©iefeS  verlange 


')  ©.201.  S)ie  £iftorienmaIerei  werbe  immer  gut  tfjun,  fid)  an 
bie  altteftamentltcfyen  ©eftalten  gu  galten,  Dorauägefefct,  bafy  fie  biefe 
in  freiem,  roafyrfyaft  Ijiftortfdjem  ©ttl  befjanble. 

')  2Bof)l  Sirion. 

8* 


116  »erlitt. 

id)  aud)  in  geredeter  SBeife  öom  Äappfdjen  £aufe,  in  meinem 
mid)  inbeffcn  red)t  fyerjlid)  ju  empfehlen  id)  Sic  erfudje,  fo 
wie  £errn  5KoIefdjottö.  Sagen  Sic  £errn  ÄappS,  bafc  id) 
bei  biefem  frönen  SBetter  oft  ba$  £einnoe!)  nad)  itjrem 
©arten  unb  bem  £eiligenberge  empfänbe.  3d)  foltte  aud)  an 
bie  3ot)anna  unb  an  grieS1)  fd)reiben,  fürdjte  aber,  beibe 
funftbefliffene  Äinber  ©otteS  feien  irgenb  wo  int  ©ebirge 
unb  wäre  Sfynen.  öerbunben,  wenn  @ie  mir  in  Syrern  ge* 
legentlid)en  33riefd)en  hierüber  9?ad)rid)t  geben  tonnten. 
6mpfel)len  ©ie  mid)  inSbefonbere  Stau  Lettner  unb  bitten 
©ie  HJoljlbiefelbe,  bie  Gmnnerung  an  mid)  freunblidjer  fein 
gu  laffen,  als  ber  (Stnbrudf  meiner  fleinen  ftruppigen  $cr- 
fonnage  fein  mag. 

gljr  ergebender  ©ottfrieb  ÄeHer2). 


l)  53b.  1,  335. 

*)  Lettner  am  21.  Sunt  1850  an  $eHer:  „3$  ^anfe  3J)nen  auf§ 
fyeraltdjfte  für  3&ren  lieben  ©rief.  (Sr  tft  für  mtd)  eine  roaljre  $an* 
borabüdjfe  geroefen;  mit  fo  melSReidjtum  rjaben©ie  mid),  ber  id)  arm 
unb  einfam  in  ober  Söüfte  fa)mad)te,  au§  ber  Julie  3fyreä  ©c^a^eö 
überfdjüttet.  gareren  ©ie  recr)t  fleißig  fort  mit  S^ren  33erid)ten!  33ielleid)t 
fönnen  SÖnen  biefe  üftitteilungen  baju  btenen,  ba&  ©ie  bann  unb 
mann  Styre  ©ebanfen,  Slnfdjauungen  unb  Stimmungen  refümieren; 
unb  mir  bieten  ©ie  mit  tiefen  rafa)  Ijingeroorfenen  2tyf)oriömen  un« 
enblidjen  ©enufj  unb  3ßufcen.  Skrlaffen  Don  aßen  äufjeren  Anregungen 
einer  funftreidjen  ©tabt,  ja  felbft  abgefdjnitten  Don  bem  33erfer)r  gleia> 
gefrimmter  $unft«  unb  gadjgenoffen,  bin  id)  jefct  lebiglia)  ba$u  Der« 
bammt,  bie  Srofatnen,  bie  oon  beS  SReidjen  5£ifa)e  fallen,  31t  fammeln. 
SHefe  Ungunft  ber  Sage  möffen  ©ie  bebenfen,  roenn  id)  aua)  barin 
bem  Settier  gleite,  ba$  id)  3t)re  reiche  Qbabt  nidjt  mit  einer  ©egen» 
gäbe  errotbern  fann,  fonbern  nur  mit  einem  armfeligen:  3d)  banfe, 
ober:  ©ort  Dergelt'3!" 


48.    STn  bic  Flitter,  12.  Sunt  1850.  117 

i 

48.  &n  feie  |Htttter« 

©erltn,  ben  12.  3uni  1850. 

Siebe  SKutter!  3t)r  roifct  gemifc  ju  £>aufe  nid)t  mefyr, 
iDQ*  S^r  oon  meinem  langen  StiUfdjroeigen  benfen  müßt, 
unb  mir  felbft  ift  eS  unmöglid),  langer  ofjne  SRadjridjt  Don 
ben  9J?einigen  ju  bleiben.  (53  ift  mir  oft  angft,  bie£  ober 
jene§  möd)te  in  ber  3*it  öorgefaüen  fein,  unb  id)  benfe 
immera>al)renb  an  <5ud).  3d)  Ijatte  mir  öorgenommen,  nid)t 
meljr  ju  fcfyreiben,  bis  id)  jugleid)  ©elb  fd)itfen  fönnte,  roeil 
id)  e$  fo  oft  oerfprodjen  l)dbt;  allein  immer  neue  £inber* 
niffe  traten  ein.  3d)  mufcte  nod)  ben  ganjen  SESintcr  in 
£eibelberg  bleiben  unb  bin  erft  im  Stpril  nad)  33erlin  ge* 
fommen.  W\t  ben  S3ud)ljänblern  l)abe  id)  bie  SeufelSnot 
gehabt  unb  mürbe  immer  jum  Darren  gehalten,  inbem  bie* 
felben  mofyl  meine  ©adjen  brucfen,  aber  bei  ber  fd)led)ten 
3eit  am  (Snbe  fein  ©elb  ^ergeben  wollten.  3d)  fjabe  nun 
enblid)  mit  bem  33raunfd)meiger  eine  fefte  SBerbinbung  an- 
gefnüpft;  er  brudft  alles  öon  mir  unb  mirb  mid)  orbentlid) 
bellen.  3d)  fyabe  aud)  fdjon  150  ©ulben  oon  iljm  er* 
galten,  biefelben  aber  felbft  gebraucht,  ba  id)  öon  meinem 
SftegierungSgelb  nid)t  meljr  oiel  nad)  fflerlin  gebraut  tjabe. 
6r  Ijat  mir  aber  nun  regelmäßige  3<ri)lungen  ju  madjen, 
einftmeilen  bis  auf  800—1000  ©ulben,  unb  für  bie  ßuhinft, 
roenigftenS  bie  näd)ftcn  Sa^re,  Ijabe  id)  einen  orbentlidjen 
SScrbienft  in  2luSjtd)t.  ©obalb  nrieber  einmal  einige  Sachen 
Don  mir  in  bie  2BeIt  fommen,  fo  gefjt  es  beffer,  unb  mein 
Slufentljalt  in  33erlin  ift  mir  fefyr  nüjjlid)  bafür.  ©obalb 
es  mir  irgenb  möglid)  ift,  werbe  id)  ©elb  fd)icfen,  jebod)  fann 
e$  immer  nod)  fed)S  bis  ad)t  SBodjeu  geljen.    3#)  fünfte,  bafe 


118  ^Berlin. 

©u,  liebe  3Rutter,  Don  meinen  ©laubigem  Diel  Unannetjm* 
üdjfeiten  gehabt  Ijaft  unb  fclbft  in  gro&e  SSerlcgcn^eit  ge* 
fommen  bift;  ba  eS  aber  leiber  nun  einmal  fo  lange  ging, 
fo  wirft  ©u  es  mefleid)t  aud)  nocl)  eine  furje  &\t  inadjen 
fönnen.  ©od)  bitte  id),  auf  jeben  %dü  mir  fogleid)  ju 
f d)reiben,  wie  alles  fteljt. 

SBenn  ©u  uid)t  fd)on  fo  alt  roäreft,  fo  mürbe  id)  midj 
nidjt  öiel  fümmern;  beun  roaS  bie  äußeren  Umftänbe,  bie 
(Sfiftenj  betrifft,  fo  weifj  td)  geroifc,  baf$  id)  mid)  nod)  (jerauS* 
beiden  werbe,  unb  meine  ©d)ulben  [\nb  gar  md)t  wid)tig. 
aber  eS  quält  mid)  immer,  bafe  ©u  in  ber  3*it  ©id)  üb* 
fafteieft  unb  alles  entbehren  mußt,  bcfonberS  ba  id)  weife, 
baf$  ©u  nod)  unnötiger  SSeife  ©ir  alles  fdjroer  mad)ft. 
2BaS  SRegula  fdjon  für  mid)  getljan  unb  entbehrt  Ijat,  fyoffe 
id)  fdjon  nod)  gut  madjen  3U  fönnen.  ©od)  l)offe  id),  bafe 
aud)  ©eine  gute  9?atur  unb  ©efunbfyeit  nod)  lange  fld)  be* 
mähren.  SBenn  immer  möglid),  fo  fomme  id)  im  £erbft 
nad)  £aufe,  obgleid)  eS  für  mid)  notmenbig  fein  wirb,  bafe 
id)  uad)f)er  wieber  für  einige  3^*  »^d)  ©eutfdjlanb  jurüdf* 
feljre.  3>d)  Ijabe  baS  £eimwef)  nad)  unferm  £aufe,  aud) 
nad)  ©lattfelben,  fonft  aber  nad)  feinem  95tenfd)en  in  3ünd). 
©afc  fte  ben  alten  £>infi*@ulserl)  aus   ber  Regierung   ge* 


l)  (Sbuarb  ©uljer,  einer  ber  ©efdjüfeer  be§  jungen  $eUer  (an  it)n 
gef)t  ber  ©rief  39  be§  erften  23anbe3),  eine  $erfönlid&feit,  bie  Dermöge 
tl)rer  Sebeutung  al§  Staatsmann,  ©d)riftfteüer  unb  aud)  £>id)ter  eine 
befonbere  £arfteHung  öerbiente,  rourbe  nad)  bem  SRefrolog,  ben  bie  „(5ib- 
genöfftfdje  Seitung"  Dom  12.  2tyril  1867  (*Rr.  102)  brachte,  1789  in  8eip- 
jig  geboren,  ©eine  reiben  (Sltern  oerloren  im  öfterreicfcifdjen  @taat& 
bauferott  oon  1815  ifjr  Vermögen.  (Sin  ferneres  ^üftleiben  uerbüfterte 
au&erbem  feine  Sugenb.  (Sr  rou$3  in  Söhnten  auf,  ftubierte  in  Sßrag 
bie  9fted;t3ruiffenfd)aft,  mar  eine  Seit  lang  auf  einem  (Somptoir  tJjätig 


48.    3fo  bte  ÜJhitter,  12.  Sunt  1850. ,  119 

fdjmiffen  Ijaben,  ift  eben  nidjt  fefyr  fd)6n  unb  gefdjeit;  unb 
wenn  id)  nad)  £au$  fomme,  fo  werbe  id)  ifym  bod)  meine 
Aufwartung  madjen,  wenn  er  fdjon  nid)t  mefyr  in  ber  SRe* 
gierung  ftfct.  3n  §eibelberg  t)abe  id)  einen  ßürdjer,  namenö 
Slaigg  (oon  bem  ehemaligen  fjlaigg  an  ber  SBüljre)  fennen 
gelernt,  weldjer  fdjon  jeit  3aljren  ©antpffdjiffsÄapitän  in 
#eibelberg  ift.  Srrüljer  mar  er  Sefunbarlefyrer  in  ©tnbrad) 
unb  l)at  nun  bort  eine  33raut,  weldje  fein  ehemaliger  @d)aty 

mar1). — 

3n  Serlin  ift  es  feljr  teuer,  aber  man  ifct  unb  trinft 
bafür  weniger.  3d)  trinfe  nie  meljr  al8  jwei  ©las  fd)led)te$ 
SBier  ober  ein  ©Ia$  Sucferwaffer  am  Sbenb.  SMeS  Ijat  aud) 
feinen  SBorteil,  weil  mau  immer  woljl  unb  nüdjtern  ift. 
Dbgleid)  id)  in  £eibelberg  nicf)t  gelumpt  fyabe,  fo  gab  es 
bod)  bann  unb  wann  einen  f leinen  w@tüber",  weil  e§  ein 
SBeinlanb  ift.  ©od)  gielje  id)  mid)  immer  meljr  oon  allen 
©ummljeiten  gurücf  unb  möchte  am  liebften  in  einer  eigenen 
£äuSlid)feit  leben.  SSBenn  id)  einmal  wieber  in  Qixxxi)  &e* 
6ud)    bin,   wo   man   am  Slbenb   in  feiner  eigenen  gamilie 


unb  ging  bann  1823  nad)  £ofrogI,  wo  er  eine  Stelle  als  ßeljrer  ber 
beutfdjen  ©pradje  unb  ßttteratur  am  fteflenbergfdjen  Snftttut  erhielt. 
1828  flebcltc  er  na*  3üridj  über  unb  mar  feit  1830  TOtglieb  beS 
©ro&en  «Rats.  Sin  ber  Degeneration  beS  tfantonS  fyatte  er  bebeutenben 
Anteil.  1831  rourbe  er  in  bie  Regierung  gewählt,  melier  er  bis 
1850  angehörte.    <£r  ftarb  am  10.  Slpril  1857. 

l)  ffiubolf  Slaigg,  geb.  1817  in  3ürid),  bilbete  fi*  unter  SfjomaS 
@*err  in  tfü&nad)  311m  Seljrer  aus,  ging  1839  als  3nftitut§lef)rer  na* 
Württemberg,  bann  mürbe  er  Kapitän  eines  «RecfarbampferS,  liefe  ftd) 
in  bie  23emegung  uon  1848  Ijineinrei&en  unb  uertor  feine  ©teile. 
1850  mürbe  er  ^Beamter  am  flauffyauS  in  3ürid),  ftäter  Safjninfoeftor 
in  *RomanSf)orn  unb  1860  tf  ornljauSbireftor  in  3üri*.  <£r  ftarb  1863. 
glaigg  mar  aud)  litterarifd)  tf)ätig. 


120  »erlin. 

fein  femn,  fo  werbe  id)  wenig  meljr  ausgeben.  9tur  mu& 
man  ftd)  aud)  gemütlid)  einjuridjtcn  wiffen.  3d)  bitte, 
mir  bod)  fogleid)  öon  allem  9?ad)rid)t  gu  geben  unb  grüfee 
alle.  3d)  fyoffe,  ber  Dnfel  werbe  aud)  nod)  wohlauf  fein, 
nnb  laffe  il)n,  fo  wie  £einrid)  öielmalS  grüfeen.  —  — 

©ie  £emben  fmb  etwas  grob  für  ben  Diepgen  ©ebraud), 
unb  id)  ntufc  mir  feinere  laufen,  ©afür  werbe  id)  fte  aber 
beffer  fronen  unb  länger  baran  Ijaben;  benn  id)  aftimiere 
fte  bod)  meljr  als  bie  gefauften. 

3d)  fürchte,  baf$  wieber  biefer  unb  jener  Sefannte  ge* 
ftorben  fei,  wenn  ©u  mir  fdjreibft;  benn  bis  jefct  enthielt 
faft  jeber  ©rief  eine  fold)e  9?ad)ridE)t.  ©er  SRuff  ift  audj 
franf  gemefen,  wie  id)  f)örtc;  wenn  iljn  jemanb  feljen  follte, 
fo  laffe  id)  iljn  ^er^IidE)  grüben. 

@uer  ©oljn  unb  ©ruber 

©ottfrieb  ÄeHer. 

©ie  ßtotmer  ftnb  fdjänblid)  treuer:  id)  mufc  monatlich 
8  preu&ifdje  Sfyaler  ober  14  ©ulben  bejaljlen. 


49,  &tt  §tvmann  fittintv  ttt  grifceUierg» 

IBerlin,  ben  16.  (September  1850. 

3d)  fomme  foeben  oon  einem  Slbenbgang  im  Tiergarten 
aurüdf  unb  weife  in  meiner  gottoergeffenen  ßinfamfeit  nid)t, 
xoa$  id)  anfangen  will,  ba  id)  junt  @d)riftftetlen  nid)t  auf* 
gelegt  bin.  ©rei  3ftefercnbare,  welche  neben  mir  woljnen  unb 
ftd)  ben  ganzen  Sag  über  gegenfettig  Sßanbeften  in  ben  Äopf 
treiben,   jammern  in   biefem  Slugenblid  auf  einem  Älaoier 


49.  9(n  J&crmann  .fcettner,  16.  (September  1850.  121 

Ijerum,  unb  ba§  6d)0,  ba$  iljre  inbisfreten  ginger  in  ben 
nur  gu  roillfäl)rigen  Saften  finben,  erroeeft  aud)  in  mir  bie 
Suft,  mid)  mitguteilen,  unb  ba  fallt  e§  mir  ein,  bafc  id)  ein 
wenig  auf  3ftrer  ©ebulb  Älauier  fpielen  fönnte,  inbem  id) 
Sfynen  einen  SBrief  fabrigiere,  oljne  erft  eine  fonüentionelle 
Slntroort  auf  ben  jüngft  abgefenbeten  erhalten  gu  Ijaben1). 
©a  e$  mir  rein  felbftfüdjtig  umS  $laubern  gu  tljun  ift,  fo 
brauchen  Sie  ba&  ©efdjreibfel  nidjt  auf  einmal  gu  lefen. 

3d)  geniefee  enblid)  ba$  SBergnügeu,  bie  ©rudfbogen  beö 
„©rünen  £enri"  gu  forrigieren,  melier  in  brei  ffläuben,  jeber 
öon  ungefähr  fed)3get)n  Sogen,  erfdjeinen  roirb.  SSicroeg 
roirb  Sfynen  ben  erften  33anb  gufd)itfen,  fobalb  er  gebrueft 
ift,  bamit  Sie  nad)  bem  unenblidjen  ©efdjroafc  enblid)  bie 
©pur  einer  Sfyat  fefjen.  ©a$  „2Berf"  liegt  wie  ein  Slip  auf 
mir,  unb  id)  werbe  gu  feinem  frifdjen  unb  rafdjen  SBormärtS* 
fdjreiten  fommen,  bis  e£  enblid)  gang  au§  bem  £aufe  ge* 
fegt  ift. 

3fngn>ifd)en  treibe  id)  mid)  in  ben  SHjeatern  Ijerum,  maö 
aber  mit  einer  eigentümlichen  ©trapage  oerbunben  ift,  inbem 
bie  guten  ^Berliner  33ürger£frauen  unb  Jungfrauen,  gwifdjen 
roeldje  id)  einfamer  grembling  im  $arfett  gewöt)nlid)  gu 
ft^en  fomme,  fo  ftarf  &on  allen  erbenflidjen  foftbaren  $arfüm§ 
buften,  bafc  id)  mandjmal  gang  betäubt  werbe,  ©od)  erhole 
id)  mid)  wieber  burd)  bie  otogen,  unb  id)  mürbe  mir  balb 
getrauen,  einem  anfeljnlidjen  $u{jmad)ergefd)äft  würbig  t>or* 
guftefyen  öermittelft  ber  genauen  ©tubien,  weld)e  id)  in  ben 
Swifdjenaften  an  ^äubdjeu  unb  £>al§fraufen  aller  Slrt  öor* 
nefyme. 


l)  tiefer  ©rief  ©.  #efler§  ift  uerloren  gegangen. 


122  Berlin. 

3d)  Ijabe  lefctljin  aud)  ben  „Saffo"  gefeljen,  unb  er  I)at 
mir  fcljr  Diel  SBergnügen  Derurfadjt  unb  Diel  bramatifdjer  ge* 
fd^icncn,  als  baS  IjanblungSlofe  ©türf  nüd)  Dermuten  liefe. 
©ieS  mag  baljer  fommen,  baß  er  ftd)  jenen  Gf)araftertt)pen 
ber  mobernen  SBelt,  wie  wir  fte  im  „fandet"  unb  „Sauft" 
beftjjen  unb  U)eld)e  bie  alte  2Belt  burd)auS  nid)t  fannte,  gu 
ifyrem  ©lüde,  gelungen  unb  meifterljaft  anreiht,  S)iefe  Un- 
gufriebcnljeit  unb  §qpod)onbrie  beS  ©enieS,  fein  perfönlid)cd 
fingen  nad)  unerreichbarem  SebenSglücfe  unb  baS  ungefd)idte 
33erfet)len  beSfelben  finb  ebenfalls  eine  Spielart  biefer  mobernen 
Stragif,  meldte  ©oetlje  l)ier  im  glüdflidjen  2Burfe  DerooH* 
ftänbigt  unb  baniit  manchem  aus  ber  Seele  gerebet  fyat. 
2)ie  ©cfd)id£)tc  ber  ©appljo,  weldje  man  einwenben  fönnte, 
geholt  meines  @rad)tenS  gar  nid)t  fyierfyer.  Übrigens  ift  ber 
^Berliner  Saffo  (ein  Diel  bewunberter  £err  £enbrid)S)  ein 
l)öd)ft  trauriger  SJlenfd). 

S)ie  SRadjel  Ijabe  id)  einige  9J?ale  gefeljen  unb  faft  2ujt 
befommen,  mid)  gu  entnationalijteren  unb  frangöftfd)  gu  lernen. 
Sie  l)at  Diel  SKanier,  ift  aber  trofcbem  eine  großartige  $er* 
fon  unb  bie  ober  Dielmeljr  ber  größte  Äünftlcr,  ben  id)  fenne. 
2lm  beften  Ijat  jte  mir  in  JRacineS  „Sltljalie"  gefallen,  wo 
fte  eine  altorientalifdje,  tgramtifd)e  unb  blutbeflecfte  Äonigin 
fo  barfteHte,  wie  es  nur  ein  SBeib  fann,  bie  in  ber  2Birf* 
lidjfeit  unb  in  bm  gegebenen  SBerljältniffen  baS  Original 
felbft  gemefen  wäre.  Sie  fpielte  nur  bm  gweiten  Slft  unb 
biefen  faft  gang  in  einem  Seffel  ftjjenb,  in  einem  prägnanten 
glanjoollen  Äoftüm,  mit  großen  ergrauten  2odfen.  3f)*e  5te 
wegungen  waren  fo  foloffal  einfad),  berb  unb  faft  männlid), 
unb  bod)  fo  majeftätifd),  wie  man  es  jid)  Don  einem  ÄönigS* 
weib  aus  ber  ^qramibengeit  nur  benfen  fann;  es  lag  aud) 


49.   Sin  ^ermann  Jpettner,  16.  (September  1850.  123 

fo  triel  roilbe  Süiajeftät  unb  ©rö&e  in  iljr,  bafy  man  für  fte 
gartet  naljm  gegen  bie  frommen,  aber  langweiligen  Sßriejter 
SeljoöaS,  roenigftenS  id).  ©em  beutfdjeu  $ublifum  l)at  fle 
freiließ  in  biefer  SRoKe  am  roenigften  gefallen;  man  fal) 
nur  ein  böfeS  „2Beib"  unb  berounberte  jte  hingegen  aW  Sßir* 
ginia,  wo  fte  als  liebenbe  Sraut  ifyre  3uiigfräulid)feit  gegen 
einen  Scannen  bewahren  mufcte.  ©ieje  Aufgabe  ift  nid)t 
nur  ifyrer,  fonbern  aud)  jeber  tragifdjen  Sßer jonnage  unroürbig; 
tuenigfiettö  fann  id)  nid)t  umfyin,  einen  feineren  unb  für  ein 
SBeib  weniger  peinlichen  Äonpüt  für  eine  tragifdje  Situation 
auf  ber  SBüljne  gu  verlangen,  al£  baö  angftooHe  unb  tapfre 
Sufammen^alten  tljrer  Unterröcfe  ift.  ©aö  ©tüdf  ift  übrigen^ 
nid)t  ofyne  SBirtung  unb  öon  einem  jefctlebenben  grangofen 

gef  (^rieben1). 

SBäljrenb  SRadjelS  2lufentf)alt  fyabeu  eine  5Kenge  Sitte* 
raten  SBeranlaffung  genommen,  in  alter  SBeife  über  baö  alt* 
frangöfifdje  Sweater  gu  falbabern,  roaö  mid)  fefyr  geärgert  f)ata). 
Seit  2ef  fing  glaubt  jeber  Sump  in  ©ermania  über  SomeiHe 
unb  SRacine  fd)led)te  28i£e  madjen  gu  bürfen,  ofyne  gu  be= 
benfen ,  bafc  Sefftng  bie  Aufgabe  fyatte,  ba$  frangöjtfdje 
Sweater  alö  ein  £inberni§  für  eine  nationale  eigene  (5nt* 
toidflung  roegguräumen,  unb  ba&  biefe  Aufgabe  nun  längft 
gelöft,  alfo  baö  §inbenti§  nid)t  mefyr  ba  unb  ber  Slnerfen« 
nung  roieber  SRaum  ju  laffen  ift,  rooljl  gu  eigenem  frommen. 


l)  „SBirginie"  uon  Sfibore  Latour  (de  Saint-Ybars). 

')  Lettner  an  tfeUer  17.  Oft.  1850:  „Sinnen  furgem  roirb  3l)nen 
ein  £eft  ber  „SBIätter  für  lit.  Unterhaltung"  in  bie  £änbe  fallen,  in 
benen  id)  mir  ben  ©a^erg  erlaubt  fydbt,  unmittelbar  an  Streit  legten 
33rief  anfnüpfenb  meine  ©ebanfen  über  bie  altfrangöfifdje  Sragöbie  in 
bie  Söelt  f)inau§*ufd)reiben."  2)iefer  Sluffafc  über  bie  altfrangöftfc^e 
Sragöbie  ift  neu  gebrueft  in  £ettner§  kleinen  ©d;riften  S.  397  ff.  (1884). 


124  33erlm. 

6d)iller  t)at  felbft  bie  „$t)äbra"  überfefct  unb  ©oetlje  fogar 
ben  „3Rat)omeb"  wie  überhaupt  bcr  rotere  ÜJletftcr  jeberjeit 
nte^r  $ietät  für  alles  Süchtige  fyat,  al$  bcr  $fufdjer  unb 
Saufer.  SMe  Sfrangofen  feien  Sßljrafenmadjer,  Reifet  eö  immer. 
9Jlad)t  einmal  foldje  trafen,  bie  fo  burdjgetjenb  mit  ber 
£anblung  öerwebt  ftnb,  wenn  iljr  fönnt!  2Benn  eö  in  gleicher 
9Jlülje  gugefyt,  fo  min  id)  bod)  lieber  fd)öne  2Borte  fyören 
alö  triöiale.  ©ie  Ratten  bie  ©ried)en  fd)led)t  nadjgeafymt! 
S)a§  ift  nid)t  wat)r:  fie  ftnb  eben  bie  §rangofen  iljreS  &t\U 
alters  geblieben  imb  bie  gange  ©eftnnungSweife,  3Ranier  unb 
§orm  ift  originell,  unb  fowofyl  ©tjafefpeare  als  (Salberon, 
fowol)l  @opl)ofle$  als  ©oetlje  unb  6d)iller  gegenüberfieljenb, 
bered)tigt  unb  unbefangen  ju  genießen.  Grft  jefct,  ba  wir 
fte  ntd)t  mefyr  nad)guaf)men  brauchen,  ftnb  fte  aud)  für  uns 
mieber  fdjön  geworben.  fflefonberS  wenn  id)  ifyre  3*ü  unb 
Umgebung  betrachte,  beneibe  id)  fte  boppelt  um  ifyre  eble  Sin* 
fadjfyeit  unb  moralifd)e  Srifdje,  um  itjre  finblid)e  unb  bod) 
fo  männliche  SRatoetät  unb  ljauptfäd)Iid)  um  ifyre  reine  mafyre 
Stragif.  @S  wirb  aud)  bei  uns  ber  Jag  erfdjeinen  muffen, 
wo  ber  junge  ©ramatifer  nid)t  met)r  glaubt,  er  bringe  am 
ftdjerften  burd),  wenn  er  ein  rcd)t  öergwidftcS  unb  üerfünftelteS 
OTotio  ju  OTarfte  füfyre1). 

@S  ftnb  biefen  ©ommer  f  d)on  mehrere  SBiener  Äomifer  l)ier 
als  ©äfte  aufgetreten,  unb  id)  gelje  beSwegen  aud)  in  baS  grie* 
brid)s2Bilf)elmftäbtifd)e  Sweater  unb  oergnüge  mid)  allbort  in 
allen  möglidjcu  ©ummljciten  ber  2Bienetpoffen.  SBenn  bie  tra- 
gifd)e  ©djaufpielfunft  täglid)  meljr  in  SBerfaU  gerät,  fo  fyat 
ftd)  bafür  in  ber  fogenannten  niebern  Äomif  eine  SStrtuofttät 
auSgebilbet,  meldje  man  früher  nid)t  fannte.  Unabhängig 
J)  Lettner  l)at  bicfe  ©teile  in  bem  angeführten  STuffa^  abgebrucft. 


49.  5(n  Hermann  ^ettner,  16.  (September  1850.  125 

Dom  £eri  ber  ©tüdfe  werben  mit  allen  möglichen  Organen 
hoffen,  ©djlingeleien  unb  §a;ren  ausgeführt,  weldje  einen 
unenblid)en  Subel  erregen  unb  SSCIt  unb  Sung  aufheitern. 
Salb  ift  es  ein  S3ein,  balb  ber  gange  Äörper,  balb  nur  baS 
©efid)t  ober  gar  ein  einjelner  Jon,  gleid)  bem  Äräljen  eines 
jungen  £aljneS,  was  unjer  Sadjen  erregt,  ©iefe  SBiener* 
poffen  finb  feljr  bebeutfame  unb  wichtige  SBorboten  einer 
neuen  Äomöbie.  3d)  möd)te  fte  faft  ben  ßuftänben  beS  engli* 
fd)en  Sweaters  oor  ©tjafefpeare  oergleidjen.  2lud)  fyier  ftnb 
fd)on  eine  2Renge  fraktioneller,  fefyr  guter  SBijje  unb  ©itua* 
tionen,  SHottoe  unb  (Sljaraftere,  unb  eS  fefylt  nur  bie  £anb, 
weldje  ben  ©toff  reinigt  unb  burd)  geniale  Verarbeitung  unb 
2lnwenbung  ben  großen  ffiüfynen  aufzwingt.  @in  oortreff* 
lidjeS  Slement  finb  aud)  bie  (SoupletS,  weldje  Don  ben  $awpU 
perfonen  gefungen  werben  unb  gewöljnlid)  politifdje  ober 
fogiale  SSnfpielungen  enthalten.  3"  ^16  wehmütiger,  fjalb 
mutwilliger  5JMobie,  begleitet  oon  ben  wunberlidjften  ©eften 
unb  Sprüngen,  werben  biefe  anjüglidjen  33erfe  gefungen,  unb 
es  ift  jebeSmal  ein  befriebigenber  SJtoment,  wenn  wäfyrenb 
beS  raufchenben  Seifalls,  ben  baS  SBolf  reidjlid)  fpenbet,  jwei 
tolle  Ääuge  gufammen  als  SRefrain  einen  ergöfclid)en  Sang 
aufführen  unb  bie  jierlidjen  SBaben  auf  bie  läd)erlid)fte  Slrt 
fyerumfdjlenfern.  ©er  beutfdje  9)iidjel,  SelagerungSjuftanb, 
beutfd)e  @int)eit  u.  f.  f.  finb  meiftenS  ber  ©egenftanb 
biefer  (SoupletS  unb  jiemlid)  erbärmlid)  sufammengereimt,  unb 
bod)  ift  in  allebem  meljr  ariftopljanifdjer  ©eift,  als  in  ben 
@gmnaftale;rer$itien  Don  ^laten  unb  $ru£.  S)ie  ©djaufpieler 
ober  befreunbete  Sitteraten  madjen  biefe  SSerfe  immer  nad) 
ben  SageSbebürfniffen  neu  unb  wedjfeln  bamit  ab  in  ben 
©tücfen;   baS  33olf  befommt  baoon  nie  genug  unb  forbert 


126  ^Berlin. 

bcn  Äomifer  jebeSmal,  wenn  er  enblid)  abtreten  will,  auf, 
nod)  mefyr  üorgutragen ,  worauf  er  mit  fomifdjen  SSerbeu* 
gungen  jurücffefyrt,  wäfyrenb  ba$  SSolf  in  tautlofer  Spannung 
wartet  unb  benft:  nun  fommt%  nun  bringt  er  gewifj  ben 
£affenpflug!  nun  fommt  ber  £atynau  u.  f.  f.  S5er  6d)au* 
fpieler  fpielt  enblid)  ben  legten  Srumpf  au«  unb  bleibt  bann 
gemöljnlid)  entweber  ber  $olijet  ober  eigenen  Unvermögens 
wegen  fyinter  ben  Erwartungen  gurücf;  aber  e§  ift  rüljrenb 
aitjufefyen,  wie  unoerfennbar  fyier  23ol!  unb  ßunft  gufainmen, 
unbewußt,  nad)  einein  neuen  Sufyalte  unb  nad)  ber  ^Befreiung 
eines  aKmälig  reif  werbenben  SbealeS  ringen1). 

3$)  befürchte  als  Äaualier  md)t,  [in]  3^rer  Sldjtung  ju 
ftnfen,  wenn  id)  bie  Vermutung  auSfpredje,  bafy  bie  33ier* 
brauer  Don  Sonbon  audj  3fönen  einige  SatiSfaftion  oerfdjafft 
fyaben.  fyaft  alle  fyalbliberalen  2Bafd}blätter  unb  £eute, 
meldje  felbft  niemals  einen  #anbel  „ritterlich11  auSgufedjten 
im  ftanbe  ftnb,  wollen  ftd)  jefct  baburd)  ein  ritterlidjeS  9fo* 
feljen  geben,  bafe  fie  über  bie  waeferen  Surfte  fdjimpfen, 
weld)e  Gerrit  £at)nau  auSgeflopft  Ijaben2).  Unb  bod)  ift 
bie  ^Begebenheit  gerabe  für  ben  Slftljetifer  unb  ^uiiflltebfyaber 
fefyr  erwünfdjt  gewefen.  £atjnau  l)at  uns  in  Ungarn  fo 
Dortrefflid)  pfyantaftifdje  Silber,  gang  ä  la  Callot  geliefert, 


')  Slud)  biefer  2lbfd)nitt  rourbe  Don  £ettner  benufct  in  bem  33ud) 
„2)a§  moberne  S>rama"  (1852)  @.  179  f. 

»)  Gemeint  ift  ber  rücffitf)t§lo8  t^atfraftioe  öftcrrcid&ifd^c  ©eneral 
öon  £amiau  (1786—1853),  ber  ftd)  im  italienifd)cn  gelbguge  öon  1848, 
im  folgenben  3af)r  im  Äampfe  gegen  bie  aufftänbifdjen  Ungarn  aus- 
gezeichnet fyatte.  Söegen  ber  3üd)tigung  33re8cia8  fyatte  er  fld)  als 
„£t)äne  Don  93re§cia"  ber  öffentüd)en  üfteinung  bamalS  fefjr  üertya&t 
gemacht.  3n  Oonbon  mürbe  er  bei  einem  ©efudje  ber  SBarcfatyföen 
Brauerei  Don  ben  ©raufnedjten  burdjgeprügelt. 


49.  2ln  Hermann  Lettner,  16.  (September  1850.  127 

©algen  in  9Dftaffe,  mit  langen  Steigen  ©eljängter,  gepettfdjte 
SßeibSbilber,  gequälte  3uben  u.  bergt.,  baju  ba&  Sanb  ber 
3igeuncrf  bie  malerifdjen  Äoftüme  k.,  ba$  mir  bei  btefen 
SBorfteQungen  eine  Sammlung  ßallotfdjer  Äupferblätter  ober 
eine  alte  Gljrontl  mit  £oljfd)nttten  gu  burd)ftöbern  glaubten, 
rooju  aud)  ber  Sßanburenfdjnauj  be£  ©eneralS  gut  pafcte: 
ift  ba  nidjt  bie  Sonbonerfjene  ein  üortreffltdjeö  ©egenftüdf  tu 
33reugl)el$  ober  Senierö  ©efdjmatf?  ©efdjnnmgene  Sefen  unb 
©trot)roifd)e,  jerfefcte  ©trafcenjungen,  berbe  33raufncd)te,  ba* 
jn>ifd)en  rollenbe  23ierfäffer,  Äet)rid)tl)aufen  unb  in  ber  TOitte 
bie  abenteuerliche  ©eftalt!  68  nimmt  mid)  tonnber,  wo  ber 
Äunftf reunb  einen  geeigneteren  Sßenbant  fyätte  finben  f önnen ! 
hieben  einen  Sftieberlänöer  l)ängt  man  nid)t  einen  SRapfyael, 
fonbern  aud)  einen  Sßieberlänber,  unb  bie  3e*t  wM>  beiben 
Silbern  fd)pn  bie  erforberlidje  Sräune  unb  jenen  büftem 
girniS  geben,,  roeldje  fte  für  bie  ©alerie  ber  ©efd)id)te  auf* 
nafymSfäljig  mad)t.  3d)  fyoffe,  baö  SBolf  merbe  fortfahren 
mit  einem  munteren  33reugl)el  aufjuroarten ,  wenn  man  Ujm 
einen  (5allots§offmann  oorfefct. 

©iefer  Sage  Ijabe  id)  mit  oergitüglicfyer  Erinnerung 
3i)ren  SXxtffa^  über  ©d)Uler$  Slntljologie  gelefen1),  fowie 
früher  bzn  Don  ©tafyr  über  S^re  unb  33ifd)ers  2Berfe;  id) 
fyabe  mid)  babei  geärgert,  bafy  SBrotfljauS  bie  lefctere  SXrbctt 
in  bie  #interfammer  feines  33latte3  rangiert  fyat,  mäfyrenb  er 
ba$  llnbebeutenbfte  mand)mal  in  bie  £auptjpalten  rücft. 
2Bie  fte^t  e3  mit  gfjren  arbeiten?  3<*)  fürd)te,  id)  ^abe 
S^neu  jüngft  fefyr  trioialeö  ßeug  gefdjrieben  über  3f)^n 
©ebanfen  eine£  bramatifdjen  ÄatedjiSmuS;  menigftenö  fyabe 


')   glätter  für  lit.  Unterhaltung"  1850,  ftr.  220  f. 


128  Berlin. 

id)  nad)träglid)  flarere  ©ebanfen  gehabt;  bod)  will  id)  e$ 
nid^t  gum  gleiten  9Kal  risfieren,  platt  gu  fein. 

3d)  fyoffe,  5rau  £ettner  unb  gräulein  £od)ter  werben 
fld)  beS  üollfommenften  2Bol)lfeinS  erfreuen,  fo  wie  aud)  Sie 
felbft.  2BaS  mid)  betrifft,  fo  (jabe  id)  bie  (Spolera  nod)  nid)t 
befommen  unb  gebenfe  es  aud)  nid)t  gu  tfyun.  9iad)  ©reiben 
gefye  td)  nun  ntd)t  mefyr,  fonbern  will  meinen  bortigen 
Slufentljalt  mit  meiner  gänglidjen  Slbreife  gufammenreimen. 
Sluf  jeben  %aü  fpefuliere  id)  aud),  nad)  SBien  gu  fommen; 
ob  in  biefem  Qmq,  °^er  uac*)  e'ne^  üorljergeljenben  Sfafent* 
fyalt  in  ber  ©djmeig,  weife  id)  nod)  nid)t. 

5Rein  namenlofeS  STrauerftnel  ift  ben  6ommer  über 
liegen  geblieben,  unb  obgleid)  id)  nid)t  Diel  barauf  gebe,  will 
id)  es  bod)  nädjftenS  fertig  madjen  unb  es  Sfynen  fd)irfen, 
wenn  6ie  nod)  fo  freunblid)  ftnb,  eS  lefen  gu  wollen. 

2öaS  td)  benn  eigentlid)  tfyue?  3d)  fann  3^"^n  nid)tS 
fagen,  als  bafe  id)  immer  allein  bin,  etwas  f djretbe,  leje, 
fpefuüere,  büftle,  ober  träume  unb  bie  S^t  abwarte,  wo  baS 
rafdje  fertigmachen  enblid)  fld)  einftellen  will;  benn  id)  mufe 
3I)nen  ftatt  aller  anbern  Slufflärung  fagen,  bafy  id),  fdjon 
elje  id)  nad)  £eibelberg  fam,  in  einer  großen  unb  trübfeligen 
Käufer  begriffen  war,  herbeigeführt  burd)  mehrere  33erf)ält* 
niffe.  2>iefer  fonberbare  3uftanb  ift  enblid)  im  5Berfd)winben. 
Statt  ber  fiebern,  weldje  ben  SBögeln  wäfyrenb  ber  SRaujer 
ausgeben,  ftnb  mir  alte  greunbe  ausgegangen,  unb  neue 
Ijaben  ftd)  bereits  angefejjt;  unb  im  ganjen  bin  id)  frol),  bafy 
id)  breifeig  Safyre  alt  geworben  bin,  ofyne  fd)on  ge^n  Stäubt 
hinter  mir  gu  fyaben,  bie  id)  nur  wiberrufen  müfete.  ©ujjforoä 
neuer  Vornan1)  ober  ber  erfte  Seil  beSfelben  l)at  mir  fefyr 

l)   „2>ie  SRitter  Dom  ©eifte". 


50.   9ln  gerbinanb  greiligraty,  22.  September  1850.         129 

gefallen,  obgleid)  er  etwas  lieberlid)  gef d)rieben  ift.  @S  ftnb 
fc^r  treffenbe  unb  feine  3*it=  unb  Gljarafterfdjilberungen,  unb 
er  geigt  feine  TOeifterfdjaft  im  33eobad)ten.  34  glaube,  eS 
wirb  ein  bebeutenbeS  2Berf  fein,  wenn  bie  mannigfaltigen 
Anlagen  gleidjmäfcig  fortgeführt  werben,  unb  wirb  eine  Surfe 
in  unferer  Sitteratnr  ausfüllen.  2Bie  geljt  es  bem  alten 
Äapp?  SBiffen  @ie  nid)ts  Don  geuerbad)?  SKit  Ijerglidjen 
Gmpfefylungen  unb  ©rüfeen  3l)r  ergebenfter 

©.  ßetler. 

50*  &tt  £*rMttatt>  $vtitt&vatty  in  Qnfftlbtvf. 

33erltn,  ben  22.  September  1850. 

Sieber  gerbinanb!  ©a  id)  in  gwet  biö  brei  2Bod)en 
meine  jefcige  2Bol)nung  öerlaffe,  um  eine  neue  gu  begießen, 
fo  mufe  id)  befdjeibentlid)  wieber  an  ©eine  £l)üre  flopfen, 
um  ©id)  gu  warnen,  mir  nid)t  etwa  ©eine  rürfftembige 
Antwort  auf  meinen  legten  23ricf  t>om  fdjönen  sJRonat  SBlai 
biefeS  SafyreS  an  bie  bamalS  angegebene  Slbreffe  gu  beförbern, 
inbem  biefelbe  (SDRofyrenftrafee  6)  nur  nod)  üiergeljn  Sage  gültig 
unb  bie  neue  nod)  unbefannt  ift;  benn  id)  bin  eben  im  33e* 
griff,  ein  gemütliches  SBinterquartier  auSgufunbfdjaften.  3d) 
bleibe  näinlid)  über  3Sinter  nod)  alliier,  um  im  §rül)jal)r 
über  SBien  nad)  £aufe  gu  reifen.  SSenn  jebod)  nid)t  meine 
SWutter  in  ©eftalt  einer  alten  müben  grau  feljnlid)  auf  mid) 
fyarren  würbe,  fo  bliebe  id)  nod)  lange  in  ©eutfcfylanb,  benn  für 
ben  Slugenblirf  giel)t  mid)  foiift  nid)tS  nad)  ßurid).  SBeife 
ber  Teufel,  was  baS  greunbeSgeftnbel  alles  bafelbft  burd)- 
einanber  mad)t!  ©enn  auf  »erfdjiebene  SBriefe  befam  id)  feine 
Antwort,  unb  aus  ben  9tad)rid)ten  meiner  3Jlutter  erfefye  id), 

©ottfrieb  fteOer.  II.  9 


130  Berlin. 

bafe  leine  ©eele  etwa  ftd)  um  meinen  jeweiligen  Sfofentljalt 
ober  äbreffe  erfunbigt. 

©er  £auptgwecf  biefer  ß^ilen  ifi  aber,  ©einer  öerefyrten 
Srrau  unb  ©ir  fyerglid)  gu  @urem  ?Reuftgeborenen  ©lüdt  gu 
wünfdjen,  obgleich  mirbeffen  rr@cfc^led)t  nod)  unbefannt  ift", 
wie  cinft  #eingen§  ©d)ufter  in  &miö)  fd)rieb.  3d)  fyabe 
namlid)  fyeute  glüdflid)er  SBeife  in  ber  w©iba$!alia"  einen 
fyübfdjen  33erid)t  aufgefdjnappt,  wie  bie  inbianifdje  SRotfyaut 
@a  ©e  @t  ©o  ©u  ©ir  ein  Äinb  au£  ber  Saufe  gu  fyeben 
im  Segriffe  fei  (wa§  fjoffentlid)  feiger  gefdjeljen  ift),  unb 
ber  gange  Slrtifel  t|at  mid)  fo  gefreut,  bafy  id)  auf  ber  ©teile 
gu  f djreiben  befdjlofe1).  9Jlöge  ba§  Äinb  florieren  unb  urwalbö* 
fräftig  werben  gu  ßfyren  feines  merfwürbigen  $aten,  unb 
möge  ba3  SSCIp^abet  fortgefefct  werben,  bis  ©u  ben  Sta  Äe 
Sil  Äo  Äul),  nämlid)  meine  SBenigfeit,  gu  ©eoatter  bitten 
wirft!  33iS  bann  werbe  id)  ein  orbentlicfyer  unb  foliber  ©e* 
uatterSmann  fein.  —  gerner  l)abe  id)  früher  gelefen,  bafc 
im  ©üffelborfer  „sJJlalfaften"  baö  ©djmeinfurtergrün  unb  bat 
3ubenped)  nebft  einigen  ©adjöpinfeln  jtd)  gegen  bie  Dftro* 
ierung  einer  biefen  roten  3innoberblafe  auflehnten;  fyoffe 
aber,  ©u  werbeft  ba§  gelb  behauptet  fyaben  unb  ©id)  luftig 


')  $ie  „SibaSfalia"  *Rr.  221— 222  uom  16.  u.  17.  ©eptember 
1850  berichtete  über  einen  originellen  33efud),  ben  ber  3nbianert)äuptling 
&aty®t>®a<®aty%oml) ,  felbft  Siebter  fourie  Uberfefeer  beö  9ieuen 
£eftament3,  im  Sluguft  bei  greiligratf) ,  bem  famofen  Sterbeutfdjer 
be3  „£iaroatl)a"  machte  unb  bei  btefem  Slnlafj  ^ßatenfteße  bei  Dtto 
Sreiligratt)  oertrat,  ber  feiger  ben  tarnen  be§  3nbianer3  gum  ©djerje 
führte.  33gl  and)  2B.  25ud)ner  2,  321.  (Später,  1877,  fdjrieb  bie 
8d)roägerin  gretltgratl)3,  ÜHaria  ÜJMoS,  an  ©ottfrieb  Heller:  „3ba  be» 
bauert  e§  jefct  nod),  ba&  ber  „8a  tfe  8\  8o  8u"  nic^t  bei  $ercp  gu 
©eoatter  gebeten  rourbe.  (£3  wäre  bod)  f)übfd)  geroefen,  roenn  er  mit 
ber  2fta  üKe  ÜJtt  2fto  3ttu  gufammengeftanben  f)ätte.Ä 


50.   8n  gerbtnanb  greüigraty,  22.  (September  1850.         131 

madjen1).  —  ©onft  weife  id)  md)t§  Don  Ghirem  Sfyun  unb 
fiaffen;  baä  jweite  £eft  ©einer  politifdjen  ©ebid)te  ift  nid)t 
erfd)ienen,  obgleid)  td)  eö  wünfdjte,  weil  id),  angeregt  burd) 
©ein  „3n)ifd)en  ben  ©arben",  ber  miferabeln  JageSfritif 
ein  wenig  unter  bie  arme  greifen  unb  einen  Sluffafc  über 
©eine  ©cimtlidjfeit  fabrijieren  mochte,  ©aö  einfeitige  unb 
unbefugte  ©emäfdje  fyat  mid)  neuerlid)  wieber  bei  SenauS 
Stöbe  geärgert;  ba  I)ört  man  immer  bie  gleidjen,  einmal  an- 
gegebenen trafen  unb  Schlagwörter,  unb  t>on  bem,  xoa$ 
einen  am  meiften  freut,  über  baS  man  @leid)gefinnte§  Der* 
nehmen  möchte,  wirb  feine  ©übe  gejagt. 

ScnauS  Seid)enbegängni$  Ijabe  id)  um  fo  ftiller  unb  ernfter 
in  meinem  £erjen  gefeiert,  als  td)  weber  in  irgenb  einem 
äftljettfdjen  Äränjd)en  nod)  fonft  mit  einer  litterarifdjen  ©eele 
ein  SBort  baruber  wed)feln  fonnte,  ba  id)  in  einer  totalen 
&bgefd)iebenl)eit  lebe,  ftumm  unb  nüd)tern,  wie  eine  ©d)ilb= 
Iröte.  „©ringen  ©ie  SBaffer  herein!  ©ie  ©peifefarte!  3d) 
Ijabe  feine  Äerjen  meljr!  3d)  toünfdjte  ein  ©ufcenb  Gigarren!" 
fmb  fo  äiemlid)  bie  einjigen  SBorte,  welche  mandjmal  wocfyen* 
lang  über  meine  Sippen  fommen.  3d)  fpefuliere  aber  befto 
meljr  innerlid)  unb  ladje  in  bie  Sauft,  wenn  meine  ©önner 
glauben,  id)  fei  eingefdjlafen.  63  wirb  ein  fdjrecflidjeS  @r* 
wadjen  fein  für  biefelben,  wenn  meine  fdjwargen  Sfyaten 
enblid)  ba3  2id)t  erblirfen. 

„©er  grüne  §einj"  ift  enblid)  unter  ber  Sßreffe,  unb  id) 
fyabe  bie  erften  ad)t  Sogen  forrigiert.  @r  wirbr  l)öre  unb 
gittere!  brei  Sanbe  ftarf  werben,  au8  3ftüdfpd)t  für  —  bie 


')  Betrifft  Sreiligrat^  austritt  aus  ber  ©fiffelborfer  flünftler- 
gefellfd&aft  „«Kalfaften".    20.  S3uö)ner  2,  219. 

9* 


132  »friin. 

geiljbibliotfjcfen,  rocldje  übrigend  bamit  angefd)miert  ftnb; 
beim  ber  Stil  be§  Sucres  ift  nod)  gieralid)  breit  unb  nriü* 
fürlid)  unb  ber  3nfyalt  monoton  unb  trübjelig.  Um  fo  me^r 
freue  id)  mid)  auf  ein  forfd)e£  lebensfroh  Schaffen,  ba^ 
nun  beginnen  foü,  nad)bcm  e§  allmälig  in  mir  reif  ge* 
roorben  ift.  2)a£  fubjeftioe  unb  eitle  ©eblümfel  unb  Un* 
fterblid)feiten>efen,  ba$  pfufd)erl)afte  ©lücflidjfeinrooQen  unb 
ba$  impotente  fJoetenfieber  fyaben  mid)  lange  genug  befangen. 
Sd)  lobe  nur  mein  $i)Ieginar  roeld)e£  inid)  nid)t  nod)  mefyr 
S)umm()eiten  begeben  lieg,  als  id)  fd)on  begangen  Ijabe  gum 
©aubium  ber  anbem  ©fei. 

SBieroeg  roill  nun  au3  freien  Stücfen  bod)  nod)  meine 
©ebidjte  brucfen,  unb  id)  bin  beSfyalb  in  Verlegenheit;  menn 
id)  nid)t  ba$  @elb  brauchte,  fo  gäbe  id)  fte  U)m  nidjt,  ba 
fie  gum  Jeil  aud)  nod)  ftümperfyaft  fmb.  6S  ift  mit  ber 
Sgrif  eine  eigene  ©ad)e;  fie  bulbet  nur  feiten  eine  rinali* 
fterenbe  S^ätigfeit  neben  ftd)  unb  erforbert  ein  ganges  unb  unge* 
teiltet  geben,  um  au£  beffen  ebelftem  Slute  al£  unDergänglidje 
SBlüte  fyerüorgefyen  gu  fönnen.  3^be§  gute  Sieb  foftet  einen 
fd)recflid)en  Sufwanb  an  fonfumierten  Siftualien,  SlerDen* 
t>erbraud)  unb  mandjmal  Stjränen,  Dom  2ad)en  ober  Dom 
©einen,  gleic^oiel,  unb  bann  wirb  e8  einem  bogenroeife  be* 
rechnet!  Unb  bie  fed)3  ©tropfen  füüen  nid)t  einmal  gwei 
Seiten  —  ba  gel)'  einer  f)in  unb  merke  Sgrifer!  3Ln  genug* 
famer  Aufregung  unb  SBemegung  fet)It  e$  mir  gmar  nid)t; 
aber  id)  Ijabe  bei  meiner  nmnberlidjen  SebenSart  erft  ange* 
angen,  fraftig  unb  roafyr  gu  empfinben,  nad)bem  bie  erfte 
unb  reid)fte  Singluft  fdjon  verpufft  unb  oertunftelt  mar. 
3d)  muf$  erft  jefct  lachen,  menn  id)  baran  benfe,  mie  fe^r 


50.   8n  gerbinanb  Sreiligraty,  22.  September  1850.         133 

bic  guten  @d)ulge,  (Solinger1)  u.  f.  f.  jene  gemachten  unb 
roäfferlidjen  Siebeölteber  protegierten  unb  für  bare  SJJNmje 
nannten,  ©ntoeber  öerftanben  fte  fid)  nid)t  auf  bie  Sßoefte, 
ober  nid)t  auf  bie  Siebe,  unb  beibeS  ift  in  biefem  ^alle 
gleid)  fdjauerltd);  bod)  roiQ  id)  annehmen  —  unb  ba£  gu  ifyrem 
Shifjme  —  ba$  erftere  fei  ber  gaU.  ©od)  fyatte  id)  ben  ©djaben 
baüon,  inbem  id)  auf  ben  mir  unbefugter  SBeife  erteilten 
Sorbonnen  ausruhte,  anftatt  gu  machen,  ba&  td)  etwas 
Drbentlidjeö  erlebte,  ©od)  id)  null  toeber  unban!bar  nod) 
lümmelhaft  fein  unb  entflamme  beSfyalb  in  biefem  2tugen* 
blidfe  bie  griebenSpfeife  in  gutem  türfifd)em  Sfcabaf  unb  raudje 
fie  allen  guten  greunben  gu.  2ln  bie  liebe  Caroline3)  benfe 
id)  oft  unb  an  iljren  #afenbraten;  er  loftet  groar  in  Serlin 
nur  fed)ö  @ilbergrofd)en  bie  Portion,  ift  aber  nidjt  fo  gut 
gefod)t,  unb  bie  £ifd)gefellfd)aft  ift  abfd)eulid),  lauter  SRe- 
ferenbare  unb  ©oftoren,  roeldje  Älaoier  fpielen! 

Slud)  ©idjter  gibt'S  eine  9Henge,  an  jebem  £ifd)e 
einen,  meiere  überlaut  Dom  ^anbmerf  fpred)en,  ofyne  gu 
afynen,  bafe  in  meiner  5ßerfon  ein  gefährlicher  unb  efyrgeigiger 
9iebenbut)ler  auö  ber  gleidjen  ©Rüffel  ifet.  ©ie  effen  unge* 
fyeuer  üiel,  erfdjeinen  jebod)  unregelmäßig  bei  Sifdje,  ba  fie 
oft  gelaben  finb  unb  eö  ben  Jag  nadjfyer  erjagen:  „geftern  bei 
©eljeimeratö"  k.  ©aljer  ftc^t  man  gegen  ein  Uljr  eine  SKenge 
btefer  Seute  über  bie  ©äffen  rennen,  ben  munberbaren  graef 
gugefnöpft,  nur  ein  (Snbcfyen  roei&er  äSefte  unten  fyeroor* 
ragenb,  oft,  roenn  e£  roarm  ift,  ben  £ut  in  ber  £anb 
tragenb  unb  bie  blonben  Soden  fliegen  Iaffenb.    2ll§  id)  fie 


*)  SBilljelm  unb  Caroline  @d)ulg  foroie  SRegierungSrat  ÜR.  ©6« 
Itnger  in  3ürid) ;  ogl.  335. 1,  234. 
*)  ©c^ulg. 


134  Berlin. 

gum  erften  9Jlale  fal),  glaubte  id),  es  waren  elegante  ©djneiber, 
welche  gu  xljren  Äunben  gefyen ;  merfte  aber,  bafc  e8  Äunben 
jinb,  weldje  gu  ifyrem  33orfd)neiber  geljen.  9Kand)mal,  wenn 
eö  nod)  nid)t  gang  bie  ©tunbe  ift,  treten  fte  fdjnell  in  eine 
^onbitorei  unb  burd)fliegen  gefdjwinb  bie  „©uropa"  ober  ba$ 
„SWorgenblatt",  um  etwa«  ©toff  mitguneljmen ;  bagu  effen  fte 
ein  gierlicfyeö  Saifer  unb  medjfeln  ben  unabänberlidjen  analer, 
ben  fte  immer  bei  ftd)  führen.  Sfyr  SieblingSgetränf  ift  ba$ 
fogenannte  Sairifdje  Sier,  eine  abfd)eulid)e  JBrülje,  welche 
franf  mad)t,  unb  Don  welkem  ftd)  übrigens  aud)  bie  fyieftge 
©emofratie  näljrt.  3$  ^flbc  eö  im  Anfang  aud)  getrunfen, 
oerfpürte  aber  balb  ein  DerbädjtigeS  aftatifdjeS  SRouoement 
in  meinen  ©ingeweiben  unb  fafte  jefct  lieber  fo  lange,  bis 
ber  Setrag  einer  falben  ftlafdje  5Rotwein  erfpart  ift,  wogu 
id)  bann  jebeSmal  aus  ber  ^ßrioatfdjatoulle  meiner  fiieberlid)* 
feit  bie  anbere  §älfte  füge  unb  füll  unb  Dergnügt  eine  ©ange 
trinfe.  S)ieS  gibt  mir  SBcraniaffung,  beffere  ©efeQfd)aft  gu 
feljen  in  ben  SBeinftuben,  wo  oemünftige  Sßemlänber  mit 
biefen  Saudjen  unb  joüialen  ©efprädjen  gufammenpjjen, 
benen  id)  gern  gufyöre  in  einer  6dfe  ben  fjeimatlidjen  Sauten 
befferer  3onen  laufdjenb.  8tuf  ber  ©trafee  ftel)t  man  biefe 
r^einifdjen  ©eftalten  nur  feiten;  id)  glaube,  bie  JRacfer  pfcen 
am  ßnbe  ben  gangen  Sag  in  ben  Södjern,  wäfyrenb  id)  gu 
£aufe  ftfce  unb  bie  ginger  frumm  fd)reibe. 

3Jlit  bem  Sweater,  meiner  &auptunterrid)tSanftalt,  bin 
id)  gut  gufriebeu;  bie  ©djaufpieler  fönnen  gwar  titelt  Diel 
nad)  meinen  Segriffen,  bod)  werben  möglidjft  Diel  inftruftioe 
©tfidfe  gegeben,  fo  g.  S.  in  biefer  Iaufenben  2Bod)e  gwei  Don 
©Ijafefoeare,  „?RatI)an",  unb  eine«  Don  ©opfyofleS;  bagu  war 
jüngft  bie  SRadjel  l)ier  unb  führte  SorneiHe  unb  SRacine  Dor; 


50.  «n  Serbinanb  greiligraty,  22.  (September  1860.         135 

fo  baß  id)  eine  jiemlidje  Überfielt  faft  aller  bramatifd)en 
Stidjtungen  gewinne,  wie  fte  ftd)  auf  ber  33ül)iic  ausnehmen. 
Übrigens  bin  id)  t)ier  in  meinem  33orf)aben  beftärft  morben 
unb  werbe  womöglid)  üor  meiner  £eimreife  ein  ©tücf  in 
©eutfdjlanb  jur  Sluffüfyrung  ju  bringen  fud)eu.  SBenn  es 
ftd)  geigen  fotlte,  bafy  id)  mit  bem  Srofe  mitlaufen  fann,  fo 
wären  fpätere  geitweife  Aufenthalte  in  ©ermania  unb  „ein 
freies  geben  fuhren  wir"  »ermittelt. 

3d)  traf  l)ier  fd)on  mehrere  3Kale  ben  Dr.  SRuftorf  ober 
(Smil  5Reflenburg,  beffen  ©u  ©id)  gemtfe  nod)  erinnerft,  auf 
ber  ©tra&e;  fyfite  mid)  aber  woljl,  ifyn  ju  Fennen1),  ©agegen 
unterhalte  id)  mid)  oft  mit  S^eobor  9Hugge,  baS  Reifet,  mit 
einer  guten  s)?ot>elle  oon  il)m  in  bem  Feuilleton  ber  „National« 
jeitung"  unb  erinnere  mid)  babei  feiner  berbeu  ©eftalt,  bie 
id)  in  3önd)  fal)  wä^renb  jenes  famofen  2itteraturfommerSa). 
3m  nädjften  SBinter  werbe  id)  wieber  etwas  in  bie  ©djule 
gefyen,  wenn  etwas  SftüfclidjeS  gelefen  wirb,  unb  aud)  fonft 
unter  bie  Seute  fommen,  ba  es  bod)  einmal  gefdjeljen  mufe. 
@mpfet)le  mid)  ©einer  fämtlidjen  lieben  Familie  unb  melbe 
mir  gelegentlid)  ben  ©efunbfyeitsftanb  beS  gufyrmann,  ber 
beiben  9Ääbd)en  unb  beS  neuen  Unbefannten!  ©rüfce  aud) 
Äöfter3)  unb  §afenclet>er  öon  mir,  wenn  fie  mid)  nid)t  fdjon 
oergeffen  fyaben,  unb  gefye  nid)t  gu  oft  in  ben  „Subwig"  unb 
in  ben  3tntimuftfoerein!    3$)  fd)icfe  biefen  33rief  an  ©einen 


')  ®.  ÄeHer  l)atte  in  bm  „Stottern  für  lit.  Unterhaltung"  1848 
9tz.  304  öon  (5mü  SMlenburg  gefaßt:  baS  fei  ein  Sßoet,  ber  in  ab* 
furben  unb  greuelfyaften  [Reimen  [Rugefdje  2öei3I)eit  oortrage. 

*)  1846.  8118  (Ergebnis  jener  ©dfjroeigerreife  üttüggeö  ersten  fein 
©u$:  „S)ie  ©djtueia  unb  if)re  3uftänbe"  (1847). 

8)  £einrtd)  flöfter  in  ©üffelborf,  ©entmann  (1807—1881). 


136  Berlin. 

SSerleger;  fottteft  ©u  benfelben  nid)t  erhalten,  fo  melbc  e8 

mir  fogleid)!  ©enn  id)  befürchte,  ©u  Ijabeft  ben  legten  aud) 

nid)t   befommen.      9lun   fd)irm   ©id)    ©ott,    ©u   beutfd)er 

2Balb! 

©ein  getreuer  ©ottfrieb  ÄeHer1). 

Berlin,  ben  10.  Oftober  1850. 

Sieber  fr  §. !  3Benn  id)  ©ir  fdjretbe,  bafc  id),  nur  baS 
3immer  djangierenb,  in  meiner  bisherigen  SBoIjnung  ge* 
blieben  bin  unb  alfo  immer  nod)  bie  äbreffe:  3Hol)renftra&e  6 
trage,  fo  befdjroöre  id)  ©id),  beSmegen  meinen  legten  Srief 
nid)t  als  eine  fdjnöbe  ßtpreffungSma&regel  anfeljen  gu  »ollen; 
ftntemal  id)  toirflid)  entfdjloffen  war  auöju  jieljen ,  nad)l)er 
aber  ein  beffereS  SBinterjimmer  öom  alten  SBirt  offeriert  be* 
lommen  I)abe.  Snbfcffen  bitte  id),  trofc  ber  ummUfürlidjen 
SJtyftififation  ©ein  Sßort  ju  erfüllen. 


')  gerb.  Sreiligrat!)  an  ®.  tf euer,  93ilf  bei  Süffelborf,  4.  Oftober: 
„Sieber  Äefler!  Seine  legten  ^Briefe  (id)  l)abe  übrigens  alle  beibe  erhalten) 
trafen  !)ier  ein,  als  td)  eben  auf  einer  fleinen  [Reife  abroefenb  mar. 
3d)  tjabe  fomit  roiber  SSillen  bie  groei  Socken,  meiere  Su  nod)  in 
Seiner  alten  SBofynung  gugubringen  gebadjteft,  uerftreidjen  laffen  muffen, 
ofyne  eine  Sir  längft  gebufyrenbe  ausführliche  Antwort  an  Sidj  abgu» 
fertigen.  3$  mag  eine  foldje  aber  nidjt  gießen  laffen,  ofjne  gu  uriffen, 
bafe  fie  Std)  aua)  beftimmt  trifft.  Sarum  Ijeute  blog  biefe  anfrage 
auf  gut  ©Iütf,  wo  ein  längerer  SBrief  mit  6id)erf)eit  barauf  rennen 
fann,  Sid)  3U  treffen,  gaffe  mid)  foldjeS  nmgefjenb  mit  einer  Stxit 
roiffen,  unb  id)  roerbe  Sir  meine  $orrefponbengfd)ulb  fofort  mit  taufenb 
greuben  abtragen.  Sein  lefcter  «Brief  fjat  mir  grofee  greube  gemalt 
@S  gel)t  uns  allen  roof)l.  SWeine  grau  grüfet  Siaj  mit  mir  aufS 
t)erglid)fte.  tllfo,  nid)t  roafyx,  el)'  aa)t  Sage  t)erum  ftnb,  meife  ia) 
(Straße  unb  £auSnummer?  Suerljältft  bann  augenblicflid),  id)  roieber« 
tjok  eS,  eine  SRufterepiftel  oon  Seinem  alten  g.  g." 


51.   3to  gerbincmb  greüigraty,  10.  Dftober  1850.  137 

2Ba3  fagft  S)u  ju  ber  £fd)erfeffengefd)id)te1)?  SP  & 
uidjt  ein  ©tücfletn  nad)  Seinem  ©efdjmacf  unb  eine  gute 
naturroüd)fige  (Srfdjeinung  gegenüber  bem  pafftoen  Sßiber* 
ftanb  unb  bem  preufeifd)  *  öftreid)ifd)en  Söerfeljr  unb  beu 
$arifer  (Sreigniffen?  ©ie  blafterten  ^Berliner  interefjteren  ftd) 
jmar  wenig  für  bie  armen  Jeufel,  unb  bie  gro&en  Sogifer 
unb  Äonfequenjftedjer  behaupten,  biefe  5tfd)erfeffen  feien  eben 
blo&e  unbewußte  Seftien,  weld)e  iljr  ©djicffal  an  ben  Ungarn 
Derbient  Ijätten.  2BaS  wiffen  aber  biefe  waeferen  Äaufajter 
Don  unfern  unnatürlichen  europäifdjen  ©auereien?  Unb  id) 
faffe  fte  aud)  nid)t  als  politifdje  Parteigänger,  fonbern  als 
natoe  friegerifdje  unb  tfyatfräftige  Naturen  auf,  weldje  ber 
SBelt  unb  ber  $oefie  wieber  einmal  einen  guten  SMffen 
üerfd)afft  Ijaben  unb  gegeigt,  was  waljre  3iitterlid)feit  unb 
2obeSüerad)tung  ift.  ©ie  Slffaire  ift  fyauptfädjlid)  aud) 
barum  preiSwfirbig,  weil  baS  ©djöne  unb  (Sfjrenljafte  gang 
auf  6iner  Seite  unb  baS  ©d)ofle  unb  33eftialifd)e  ganj 
fompaft  auf  bie  anberc  Seite  bcfdjränft  ift.  ©iefe  Surfdje 
fyaben  aud)  in  ifyrer  Uuwiffenfyeit  mit  iljren  Äugeln  unb 
SBurfboldjen  einen  gang  guten  Seitartifel  gefd)rieben,  welcher, 
an  feinem  Drte,  unüermerft  meljr  SBirfung  fyinterlaffen  wirb 
al§  gwangig  3^tungen. 

@old)e  ©inge  gewähren  einem  armen  Sitteraten  eine  gute 
(Srljolung,  wenn  er  tum  ber  Sitteraturmadjerei  beS  £errn 
©xngelftebt  unbflonforten  erntübet  ift.  ©oldje  SJtifere  war 
bod)  nod)  nie  in  ©eutfd)lanb,  wo  foldje  Äerle  ftd)  baburd) 
intereffant  gu  madjen  fndjen,  bafy  jte,  anftatt  etwas  SRunbeS 
gu  probujteren,  immer  über  Sßerfonalien  furnieren  unb  be= 


l)  5)ie  erfolgreichen  kämpfe  (Sd^anitylö  geoen  bie  Muffen. 


138  S3erlin. 

Ijaiipten,  jie  felbft  unb  nod)  mancher  anbere  feien  aud)  wafyn* 
finnig,  nidjt  nur  ber  Senau,  unb  eS  fei  biefeS  baS  tragifdje 
©efdjidt  ber  heutigen  Poeten.  ß$  will  nun  jeber  ein  ©tfief 
tragifdjen  SBaljnfinn  ober  £einefd)e  2äl)mung  in  ftd)  tragen! 
Sd)  meine  t)ier  ©ingelftebtS  „Sitteraturbriefe"  in  ber  „SUtg. 
SlugSburger  Scüung11,  wo  er  foldjcö  Seug  öorbringt,  anftatt 
etwas  SnftruftiDeS  unb  wirllid)  SitterarifdjeS  gu  fagen. 

äud)  Sllfreb  TOeifener  ift  ein  foldjer  offerierter  SRidjtS* 
fager  geworben,  wenigftenS  in  feinem  eitlen  unb  einfältigen 
Seridjt  über  feines  ßranlenlager.  2BaS  foH  benn  baS 
fjeifcen,  wenn  er  fagt,  $eine  fei  religiös  auf  feine  SBeife 
gegenüber  einer  offenfunbigen  Slt^eiftentlife  unb  bann  einige 
fonfufe  ©eitenfyiebe  austeilt?  S)aS  will  nid)tS  anbereS  fagen, 
als  bafe  man  auf  ber  einen  ©cite  einen  pifanten  Sqronfdjen 
2ltt)eiSmuS,  gang  belletriftifcfyer  -Watur,  für  pd)  allein  als 
haut-gout  in  $ad)t  nehmen  unb  bod)  auf  ber  auberen  Seite 
einen  ebenfo  pifanten  Slnftrid)  Don  fonberbarer  Pietät  unb 
Sentimentalität,  wohinter  nid)ts  ftedft,  bewahren  will.  9Äan 
will  eben  ä  tout  prix  intereffant  fein.  3d)  meine  fyier  natura 
lid)  nidjt  ben  £eine  fclbft  r  welker  biefe  Sßtberfprücfye  mit 
wahrem  SBefen  barftellt,  fonbern  ben  5Heifener,  weldjer  nid)t 
gu  wiffen  fdjeint,  was  er  anfangen  foll,  um  Don  ftd)  reben  ju 
machen,  ©o  lefe  id)  Don  einem  neuen  33ud)e  Don  iljnt:  „SluS 
ber  falben  £eimat".  2BaS  ift  benn  baS  für  ein  Derrfidfter 
Sitel!  6r  will  nun  nidjt  nur  ein  intereffanter  Söhnte  unb 
£ufpt,  fonbern  aud)  ein  merfwürbiger  SBalter  ©cottfdjer 
©djotte  fein;  unb  id)  rate  ifym,  aud)  feine  S£rad)t  bentgemäfj 
gu  mifdjen  unb  oben  eine  böljmifdje  SergmannSjadte  nebft 
#interleber,  unten  aber  narfte  Seine  ju  tragen.  3d)  mufe 
geftefyen,  frol)  gu  fein,  bafe  id)  mid)  burd)  meine  fiangfamfeit 


52.   Sin  Hermann  tfettner,  23.  Dftober  1850.  139 

unb  Staulljett  über  biefe  franftjafte  unb  impotente  ^eriobe 
fyinauSgerettet  fyabe  unb  gur  SSernunft  gefommen  bin,  ofyne 
bergleidjen  (Sfeleien  gu  mad)en,  wogu  id)  aud)  grofee  Anlagen 
Jjatte. 

©uftao  ©tegmunb  ift  über  bie  gerien  nad)  Serlin  ge* 
fommen,  unb  id)  foll  nun  meiner  gemütlichen  (äinfamfeit  be* 
raubt  werben  unb  tjeute  in  feinem  £aufe  effen.  34  mufc 
beSljalb  fyier  fdjUe&en,  ba  id)  nod)  ein  2od)  in  meinen 
fd)U>argen  SJeinfleibern  gugunafyen  fyabe. 

2luS  bem  Sitel  „Äunftmaler"  erfefje  id),  ba§  ©u  btö 
@ebäd)tni$  für  üerworfene  ^aÜunlereien  nod)  nid)t  öerloren 
fyaft.  SKetn  33ud)l)änbler  tituliert  mid)  auf  feinen  ©riefen 
„©oftor";  anbere  fdjretben  „Sitterat",  anbere  „©tubiofuS"; 
bagu  fommen  täglid)  Äorrefturbogen  unter  Äreugbanb,  meiere 
man  für  oerbäd)tige  ©rurffdjriften  galten  fann,  fo  bafy  id) 
am  (Snbe  einer  poligeiltdjen  Snquijttion  unb  SluSroeifung 
nid)t  entgegen  werbe,  ba  bie  Äonftabler  mid)  meines  SarteS 
wegen  fdjon  lang  auf  bem  $orn  fyaben  unb  Don  ber  Seite 
auffielen. 

^jcrglidje  Segrüfcung  an  ©eine  ©ämtlid)feit 

euer  @.  Äeller. 

SBergifc  nid)t,  mir  ba$  ©efd)Icd)t  ©eines  jüngften  ÄinbeS 
gu  melben  nebft  ber  Senamfung! 

5fc*  |ltt  $*rtttatttt  gktttter  itt  $tfttlbtv&. 

34  fyabe  bie  verlangten  ©d)riften  bei  feinem  Antiquare 
gefunben,  fenbe  3^nen  bagegen  fünf  £efte  ber  SKötfd^crfd}cn 
3aljrbüd)er,    welche   i4   früher  für  einige  ©rofdjen  aufge* 


/ 


140  Scrlin. 

trieben  unb  längft  burdjgelef  en  Ijabe 1).  SBenn  idj  einmal  nad) 
£eibelberg  tomine,  miH  id)  pe  gelegentlich  roieber  mitnehmen, 
wenn  id)  ingn>ifd)en  mir  nid)t  ba$  gange  2Berf  anfd)affe, 
moju  id)  grofee  £uft  fyabe,  ba  wir  {ebenfalls  in  einer  bebeu» 
tenben  6ntn>idflung§periobe  leben,  auf  meldte  mirfpäter  einmalr 
wenn  mir  an  geben  unb  ©ebenen  bleiben,  DieHeidjt  gern 
jurücffdjauen.  9tad)  bem,  ma$  6ie  mir  über  Hebbel  fdjreiben*), 
madjen  einige  arbeiten  Don  iljm  in  biefen  ^eften,  befonber§ 
bie  im  Dierten,  einen  roal)rl)aft  traurigen  Sinbrucf  auf  mtd), 
welker  meit  entfernt  Don  allem  fdjabenfrofyen  ©potte  ift. 
©iefe  ©rübeleien,  biefeS  muffige  £erau§forbern  unb  fouoeräne 
Se^aupten  Don  ©tagen,  meldje  niemanb  beftreiten  wirb, 
fefyen  au$  nrie  ein  geroaltfameS  £eraufbefd)roören  feines 
jefcigen  3uftanbe8.  3d)  Ijabe  lefctl)in  ben  ©ingelftebt  in 
meinem  #er$en  Derl)öl)nt,  alö  er  bei  Slnlafe  Senau§  in  ber 
„21%  SlugSburger41  SBort  l)aben  mollte,  e§  feien  nod)  mel)* 
rere  3«tgenoffen  bem  SBa^npnne  Derfallen,  unb  Ijielt  e$  für 
gemöl)nltd)e  &ffeftation,  weldje  ä  tout  prix  intereffant  fein 
mill,  felbft  um  ben  $rei§  ber  SBerrücftljeit.  aber  e8  ift  bod) 
etroaS  2Bal)re$  baran,  unb  balb  entfd)lüpft  einem  ber  äuSruf : 

sauve  qui  peut! 

2luf  S^ren  2htffafc  über  baä  franjöftfdje  Sweater  bin  idj 


])  Lettner  ^atte  Heller  am  17.  DFtober  um  einen  IBanb  ber 
JRötfdjerfdjen  3a*)rbüd)er  unb  um  bie  fleinen  Dermifdjten  ©Triften  öon 
föbuarb  Öanö  gebeten. 

»)  Lettner  an  Äeller,  17.  Dftober  1850:  „GJeftern  ijabe  td&  „Sulia* 
Don  Hebbel  ($l)eatermanuffrij)t)  gelefen.  68  ift  meine  ööHtgfte  Über« 
fleugung,  baß  Hebbel  nunmehr  ba&  Sdjicffal  SenauS  unb  £öIberlinS 
teilt  ober  näd)ften§  ftdjer  teilen  roirb."  Lettner  mar  mit  Hebbel  feit 
feinem  2lufentl)alt  in  Neapel  im  Sommer  1845  perfönlid)  befannt. 


52.   2fa  Hermann  £etiner,  23.  Df tober  1850.  141 

feljr  begierig;  Ijoffentlid)  »irb  er  nid)t  fo  lange  liegen  bleiben, 
als  es  fonft  oft  ber  gaH  tft. 

SEBenn  Sie  in  3^rer  Scfyrift  über  baS  mobeme  ©rama 
bie  ©fyalefpearomanie  befprecfyen,  fo  werben  @ie,  wie  td) 
benfe,  barauf  aufmerffam  madjen,  bafj  biefe  meljr  an  Siu&er* 
lidjfeiten  Ijängt,  unb  werben  bann  barauf  ^inn>eifenr  bafe  es 
meljr  barauf  anfomme,  ben  Äern,  bie  ljöd)ften  Aufgaben, 
welche  ©fyafefpeare  ftd^  ftellte  unb  weld)e  er  wieberljolt  mit 
SBoljlgefallen  gu  löfen  fd)ien,  mit  äljnlidjen  ßieblingSaufgaben 
anberer  Srita*  unb  ©idjter  gu  Dergleichen.  @S  gibt  in 
Sljafefpeare  gewiffe  einjelne  gewaltige  ©jenen,  weld)e,  oon 
aller  S^^fultur  unb  iljrem  Slnljängfel  entf leibet,  narft  unb 
ergaben  an  uns  herantreten  unb  gu  uns  fagen:  „2Bir  pnb 
bie  wahren  groben  oon  feinem  £ergblute,  uns  müfet  iljr 
faffen  unb  mit  unfern  ©efd)wiftern  im  ©opljofleS,  im  (5al* 
beron.  im  Gorneitte,  im  @djitler  oergleid)en,  wenn  iljr  ben 
magren  s3Jta&ftab  pnbeu  wollt!"  @S  ^anbelt  ftd)  nicf)t  fowoljl 
um  SDfonomie  unb  ©generie,  um  ©pradje  unb  Silber,  um 
Gfyaraftere  unb  ©itten,  um  Religion  unb  Sßolitif  —  biefeS  pnb 
alles  öergänglidje  ©inge  (b.  Ij.  in  Segieljung  auf  biefe  fpe* 
gielle  33ergleid)ung)  —  als  um  biefe  majeftätifd)  Ijeroor* 
tretenben  eingelnen  furchtbaren  Situationen,  für  welche  bie 
©id)ter  alles  anbere  nur  gemadjt  gu  fjaben  fdjeinen  unb  an 
welchen  eingig  man  erfennen  fann,  wie  pe  ftdj  oon  einanber 
unterfdjeiben  würben,  aud)  wenn  alle  gufammen  leben  würben. 

6ine  ©gene  biefer  55rt  bei  ©fjafefpeare  ift  für  mid) 
g.  33.  bie  gweite  beS  erften  SlufgugeS  im  „3tid)arb  III. ", 
unb  er  Ijat  pe  wieber^olt  in  ber  oierten  ©gene  beS  oierten 
SfafgugeS.  gerner  bie  Situationen  im  „2ear"  unb  anbere 
meljr. 


142  Berlin. 

9Jlan  mufj,  um  beurteilen  gu  fönnen,  wa§  ein  foldjer 
Ätajpfer  für  mirllid)  fdf)ön  Ijielt,  auf  biejenigen  Söge  merfen, 
mit  welchen  er  gern  ju  fofettieren  fdjeint.  Sei  ©fyafefpeare 
i[t  ein  fold)er  mieberljolt  ba$  SRePeftieren  über  einem  (Segen* 
ftanbe,  einem  attribute,  einem  SRöbel  u.  f.  f.  unb  ba§  enb* 
!id)e  SBegroerfen  beSfelben.  ©o  Hamlet  mit  2Jorifö  @d)öbel 
unb  3ftid)arb  ber  Sprite  mit  bem  Spiegel  (IV,  1).  2)iefe8 
ftnb  bie  wahren  genialen  3&ge,  n>eld)e  man  ablaufen  muft, 
unb  nidjt  bie  2Billfürlid)feit  unb  BufäÜigfeit  in  33el)anblung 
unb  3"troi$.  3"  ben  äußerlichen  ©ingen,  weldje  id)  oben 
angefahrt  Ijabe,  wogu  nod)  manche  fritifdje  Streitfragen 
lommen  mögen,  muß  ber  2)id)ter  fid)  aQerbingS  ber  tljeore* 
tifc^en  unb  praftifdjen  Silbung  feiner  3«t  unterwerfen  unb 
pd)  mit  ifjrem  33ebfirfniffe  fortenhoirfein.  SBiQ  er  aber  auf 
bie  Sterne  ber  Vergangenheit  gurüdfjcfyauen  unb  pd)  an  iljnen 
ftärfen  unb  3ftatS  erholen,  fo  mu&  er  pdf)  an  biefe  fiofflidjen 
2idf)tblicfe  galten  unb  gu  ergrünben  fudjen,  maS  fte  mit 
Vorliebe  für  fdjön  unb  impofant  gehalten  Ijaben.  Stur  eine 
Vergleidjung  in  biefem  ©inne  wirb  roirflid)  fruchtbar  fein. 

6$  oerftefyt  pd)  oon  felbft,  bafc  id)  mit  biefer  lang* 
atmigen  Semerfung  nid)t  etwa  bem  freien  ^rogeffe  ber  Äritif 
unb  ber  notroenbigen  ©nttoicflung  be$  @efd)matfeS  ju  nafye 
treten,  fonbern  Sie  nur  fpejictt  t)ier  in  ber  SBefämpfung  ber 
9Dlanie  unterftüfcen  möd)te.  Unb  wie  fe^r  biefe  immer  l>err* 
lid)  an  iljrem  &klt  oorbeifd)iefet,  feljen  mir  au  ben  Sftoman* 
tifern,  roeldje  nur  ba£  2Biflfürlid)e  unb  SBi^ige  an  6l)ale* 
fyeare  gepadft  fyaben,  unb  anbrerfeitS  an  ©eroinuö,  roeldjer 
nur  t)on  feiner  tiefen  $fyilofopl)ie  unb  männlidjen  SBeid^eit 
gu  fagen  meife.  3*ne  Iaffen  pd)  nad)aljmen,  biefe  fönnett 
aud)  bei  jebem  anbern  auSgegeicfyneten  3Jlenfd)en  üorfyanben 


52.  5ln  Hermann  £ettner,  23.  Dftober  1850.  143 

fein.  33on  ben  fpegififd)  poetifdjen  Urfraften  aber,  Don  ber 
eigenften  wunberbaren  ©rfmbung  bramatifdjer  Situationen 
unb  Verläufe,  mit  benen  ©tjafefpeare,  entblößt  oon  jebem 
3eitgeroanbe,  mit  feinen  olqmptfdjen  SBrübern  fonfurriert, 
baüon  Ijören  wir  nur  wenig  fagen;  e§  öerfte^t  fid)  ja  Don 
feibft,  wie  ©eroinuS  fagt,  ba§  in  Sljafefpeare  „poetifdje 
@d)änf)eitenw  fo  beiläufig  gu  finben  feien. 

kommen  bie  Seute  einmal  bagu,  bie  magren  ^Kittel  gu 
erfennenr  burd)  weldje  bie  grofeen  ©id)ter  wirften  (wenigftenS 
biejenigen,  weldje  nid)t  gu  fefyr  burd)  bie  ©rübelei  einer 
fritifdjen  ÜbergangSgeit  gerfefct  waren),  fo  werben  fie  auf 
größere  (5infad)f)eit  unb  Älar^eit  geführt  werben  unb  bamit 
ba3  gntriguenwefen  oon  feibft  fallen  [laffen],  unb  alle  anbern 
SHittel  werben  in  bequemfter  SluSwaljl  nur  gu  @rreid)ung  jene3 
6tnen  ßwerfeS  angewanbt  werben. 

6$  fommt  im  Sweater  lebiglid)  barauf  an,  bafj  man 
fomifd)  ober  tragifd)  erfdjüttert  werbe;  unb  ba8  gefdjiefyt 
weit  meljr,  als  burd)  Überrafdjungen  unb  fünftlidje  33ermicf* 
hingen,  burd)  bie  oollftanbige  Überfielt  be3  3ufdjauer8  über 
bie  33erl)ältniffe  unb  ^ßerfonen.  (Sr  ftet)t  mit  bem  ©id)ter, 
wie  alles  fommt  unb  fommen  mu&;  er  wirb  baburd)  gu 
einem  göttlichen  ©enuffe,  gu  einer  2lrt  23orfel)itng  erhoben, 
ba§  er  oollfommen  flar  bie  ergreifenben  ©egenfäfce  einer 
Situation  burd)fd)aut,  welche  ben  beteiligten  Sßerfonen  feibft 
nod)  verborgen  ftnb,  ober  welche  gu  beadjten  fie  im  ©ränge 
ber  #anblung  feine  &\t  fyaben.  6ö  finb  biefeS  bie  ebelften 
unb  reinften,  bie  eingig  bramatifdjen  6rfd)ütterungen,  weldje 
ftufenweife  Dörfer  fdjon  empfunben  unb  öorauSgefefyen 
worben  ftnb;  unb  wer  nad)  ifynen  trautet,  wirb  unfehlbar 
auf  ber  Safyn  innerer  9totwenbigfeit  wanbeln.    ©amit  aber 


144  ©erlin. 

fo  öielc  als  immer  mögüd),  bamit  baS  gange  3Solf  auf  biefen 
^o^en  ©tanbpunft,  gu  biefem  wahren  ©cnuffe  gebraut  wer« 
ben  fönne,  ift  aud)  Don  felbft  bie  größtmögliche  (5infad)ljeit, 
SRufye  unb  Älarfyeit  bebungen,  weld)e  gur  Älafftgität  füljrt 
unb  wieber  führen  wirb,  wenn  bie  £errfd)aften  einmal 
wteber  für  eiufadje  unb  ftarfe  Smpjtnbungen  empfänglich 
ftnb. 

3d)  will  Jebodö  nid^t  beftreiten,  baß  aud)  bie  gefd)itfte 
unb  lebensvolle  ©arftellung  eines  munteren  ©tüdf  2ebenS 
ober  ©efd)id)te  mit  allen  feinen  abenteuern  unb  SBerwitflungen 
ifyre  Berechtigung  fyaben  lönne;  ber  lefete  unb  Ijödjfte  ©enuß 
wirb  inbeffen  immer  jener  bewußte  fein. 

©od)  werben  @ie  ofyne  Sroeifel  glauben,  baß  id)  mid) 
fefyr  gern  fdjretben  unb  falbabern  fefye,  was  inbeffen  nid)t 
ber  %dü  ift.  3<Jj  reite  mid)  nur  hinein  wiber  SBiUen,  inbem 
id)  S^nen  irgenb  eine  (Srfafyrung ,  welche  id)  gemacht  gu 
Ijaben  glaube,  mitteilen  möd)te;  unb  bei  bem  Mangel  an 
bialeftifdjer  ©efd)ultl)eit  gerate  id)  in  SBieberljolungen  unb 
fogar  ©iberfprfidje  hinein,  SeSnaljen  merfen  @ie  fid)  nur, 
wa§  S^nen  etwa  plauftbel  fdjeint,  unb  oon  bem  Übrigen 
nehmen  ©ie  an,  bafc  id)  es  t>ielleid)t  ben  anbent  Sag  felbft 
wiberrufe!  ftür  meinen  Sßrtoatgebraud)  bin  id)  gang  flar; 
meine  ßrfaljrungen  unb  Übergeugungen  bilben  fid)  fd)neH  unb 
leidet  unb  geljen  fogleid)  in  baS  33lut  über  unb  finb  fdjneller 
praftifd)  angewenbet  als  fritifd)  mitgeteilt. 

Dr.  Sadjmagr  f)at  mid)  mit  S^ren  ©rußen  fowofyl  als 
mit  feiner  eigenen  $erfon  erfreut.  6r  l)at  mir  einige  ©genen 
aus  einem  Strauerfpiel  „2UpI)onfo"  unb  oon  feinem  £aupt* 
ftütfe  ben  erften  2lft  oorgelefen.  ©a  er  bie  SJtanuffripte  für 
feine  Qwtdt  bei  ben  SRotabeln  girlulieren  laffen  muß,   fo 


52.   3in  Hermann  £ettner,  23.  Df  tober  1850.  145 

Fonnte  id)  nod)  feine  6inftd)t  in  ba£  ©tüdf  gewinnen,  unb 
es  mangelt  mir  aller  unb  jeber  33egriff  baoon,  obgleich  id) 
fc^r  neugierig  bin,  ba  jtd)  l)ier  aud)  SRötfdjer  ftarf  bafür 
tnterefftert,  wie  S3ad)mat)r  fagt. 

Über  feine  SSufpijien  wirb  er  S^nen  felbft  beridjten. 
2luf  jeben  %dü  i(t  er  nad)  bem,  ma£  id)  biö  je|$t  weife,  ein 
bebeutenbeS  SEalent,  wenn  er  aud)  nid)t  biejenige  JRu^e  unb 
Unbefangenheit  beßjjt,  welche  id)  an  poetifdjen  SEalenteu  gu 
treffen  wünfdfye.  ®od)  mögen  bieg  meljr  Solgen  lange  er* 
bulbeter  £inberniffe  unb  (51)ifanen,  als  perfönlidje  @igen* 
fdjaften  fein,  unb  ber  enblidje  Striumpt)  wirb  iljm  in  mefyr 
als  einer  üBejieljung  auf  ben  ©trumpf  Reifen.  2Bir  fneipen 
Diel  mit  einanber  Ijerum,  unb  idj  Ijabe  babei  ben  SBorteil, 
bie  nötigen  Umtriebe  für  bie  Sluffü^rung  eines  ©tütfeS  üor* 
laufig  ju  ftubieren. 

SBon  meinem  Vornan  nrirb  Ieiber  nur  ber  erfte  Sanb 
nädjftenS  öerfenbet  werben  fönnen,  meldjer  allein  faft  fo  ftart 
ift,  als  baS  ©ange  urfprünglid)  mar.  SBieweg  bringt  aber 
barauf,  bafj  balb  etwas  öerfenbet  werben  muffe  wegen  feiner 
merfantilifdjen  Sntereffen.  £)aS  SErauerfpiel  fann  id)  leidet 
fertig  madjen,  fobalb  id)  will;  id)  weifj  aber  nidjt,  ob  es 
nid)t  ju  einfad)  unb  ju  wenig  geräufd)t>oll  ift  für  ein  erfte« 
auftreten.  3<J)  Ijabe  perfiber  2Beife  faft  2uft,  ein  ©tütf 
eyprefe  für  Serlin  gu  berechnen,  um  ben  Anfang  3u  madjen 
unb  babei  alle  einflufereidjen  ^erfonen  im  Sluge  ju  behalten, 
gräulein  Sewalb  werbe  id)  biefer  Sage  auffud)en;  td)  Ijabe 
wirflid)  ba«  fflebfirfniS,  unter  bie  Seute  ju  fommen. 

3d)  wollte  S^nen  nur  einige  ßetlen  fdjrcibcn  unb  Ijabe 
nun  über  biefem  ©efdjwäfe  bod)  bergeffen,  was  idj  feit  bem 
legten  S3riefe   an  ©ie  fdjreiben  wollte.    3$  banle  Sljncn 

©ottfrieb  «eller.   II  10 


146  Berlin. 

namens  ber  jungen  Äunft  für  ba$  lebenbtge  3nlereffcr  ba$ 
6ie  an  ifyr  nehmen  unb  grfifce  ergebenft  grau  Lettner  nebft 
£öd)terlein  unb  wer  mir  fonft  nachfragt. 

3^r 

@.  Äeller. 

Berlin,  23.  Oftober  1850. 


53*   |l«  Herrn**«  A*tt*er  in  Arifrflfrrrg. 

Berlin,  ben  24.  Dftober  1850. 

3d)  wollte  geftern  ba§  $acfet  auf  bie  fJoft  tragen,  ober 
trug  e$  aud)  roirflid)  l)in,  würbe  aber  abgeroiefen  wegen 
mangelnber  Formalitäten  ($reufcen  ift  ein  fonftitutionefler 
€taat),  unb  fo  blieb  e$  über  9?ad)t  nod)  I)ier.  Slnftatt  aber 
fogleid)  nad)  £aufe  311  geben  unb  3U  arbeiten,  fd)lenberte 
td)  ben  ganzen  übrigen  Sag  mit  23ad)matjr  fyerum,  üon 
Äneipe  gu  Kneipe,  ba§  fJäcfdjen  unter  bem  arme,  unb  glid) 
hierin  jenen  bie  freie  2uft  liebenben  grauenbilbern ,  n>eld)e, 
il)re  *al)lreid)en  €:pajiergänge  ju  befd)önigen,  etwa  ein  leere« 
Äörbdjen  ober  einen  Ärug  an  ben  Sinn  Rängen.  23er  mid) 
fo  batjineilen  fat)  mit  bem  $arfet,  ©trafeen  burdjfreujenb 
unb  über  ©offen  büpfenb,  fa  fonnte  mid)  für  ben  eifrigßen 
©efdjäftsmann  unb  \>a$  $arfet  für  eine  Sammlung  ber 
n)id)tigften  Urfunben  galten,  roäfyrenb  fünf  verlegene  unb 
abgegriffene  3Röifd)erjd)e  3abrbüd)er  barin  roaren.  $rinj 
£>einrid)  fud)te  in  galftaff*  gutteral  eine  $iftole  unb  fanb 
eine  ®eftflaid)e.  ©ie  Kellnerinnen  in  ben  öerjdjiebenen 
Sdjenfen  glaubten  burd)gängig,  e§  enthalte  ein  feibene» 
Äleib  unb  betafteten  e£  neugierig,  roa$  ben  Sadjmaijr  fo 
fefyr  beleidigte,  i>a$  er  ju  Sepreffalien  fd)ritt.     ©od)  famen 


53.   3ln  Hermann  #ettner,  24.  Dt  tober  1860.  147 

mir  enblid)  auf  ben  Gnnfall,  er  fönnte  mir  nod)  fein  ©rama 
oorlefen,  maö  er  bann  in  feiner  33el)aufung  mit  foldjer 
Energie  tfyat,  bafy  bie  SSänbe  gitterten.  33om  Sefen  befam 
er  S)urft,  icf)  öom  £ören  junger,  unb  mir  faljen  uns  ge* 
nötigt,  nod)  einen  jener  fauren  ©änge  gu  tljun  unb  lafen 
bann  hinter  bem  ©djenftifd)  S^en  fritifdjen  Srief. 

SBadjmaijr  Ijat  fid)  Sfyre  Semerfungen1)  fefyr  gu  bergen 
genommen  nnb  ift  aufeerorbentlid)  aufgeregt,  Sie  gu  miber* 
legen,  ba  gerabe  ba$,  maS  Sie  al$  überpffige  ßutyat,  als 
barberinifdje  (5feI§ol)ren  fjinmegmünfdjen,  tym  bie  £auptfad)e 
unb  ber  eigentliche  fflrennjmnft  be$  (Stücfeö  ift.  3d)  aber 
fann  Sljnen  beiben  JRed)t  geben,  unb  gmar  in  bem  ©inne, 
bafy  ba&  ©tuef  nad)  ben  Don  Sljnen  oorgefdjlagenen  Slbän* 
berungen  allerbingS  immer  ein  flareS,  regelred)te$  unb  fdjöncS 
®ebid)t  märe,  meld)e§  jebe  .ffritif  oon  oornljerein  abfdjneiben 
mürbe,  bafj  aber  bod)  biefe  Sebenfen  nur  fd)einbar  jinb  unb 
ba§  ©tücf  ba$  Wotio  beS  ©ifttranfeS  ntdjt  nur  noefy  erträgt, 
fonbern  an  iljm  eine  mefentlid)e  Sereidjerung  bejifct  unb  gmar 
eine  fold)e,  meldte  man  nid)t  mefjr  miffen  mag,  nadjbem  man 
fte  einmal  fennt.  S3or  allem  aus  muffen  mir  bebenfen,  bafe 
SBadjmaqr  biefeS  TOotto  in  feiner  £eimat  mirllid)  oorfanb, 
unb  bafe  bort  in  ben  ©örfern  ber  ©laube  an  foldje  33er* 
geffenfyeitstränfdjen,  als  im  33ejtfc  alter  fyejrenljafter  SBeiber 
ftd)  bepnbenb,  fjerrfd)t.  2tn  jidj  felbft  alfo  nimmt  e£  billig 
feinen  Sßlafc  in  bem  fogenannten  SSolfäbrama  ein. 

fttun  miQ  ber  ©id)ter  meiter  baS  Ungulänglidje  unb 
baS  SBerunglücfen  einer  gmar  Rumänen,  aber  nid)t  natur« 
müd)figen   unb  oberflächlichen  Äultur  fd)ilbern,   meldje  ftd) 

')  Über  ba$  ©rama  „®er  Srairf  ber  $ergeffentyeit\  »gl.©. Retters 
ftadjgelaffene  ©Triften  @.  165  ff. 

10* 


148  Berlin. 

bem  SBolfc  aufbringen  will  oljne  ÄenntniS  feiner  tiefen  eblen 
Seibenfdjaften  unb  oljne  2ld)tiing  oor  feinen  urfprünglidjen 
©emütsfräften.  2)ie$  wu&te  id)  Dörfer  au£  33ad)magr3  6r* 
jäljlungen.  3d)  fanb  es  ba^er  ganj  in  ber  Drbnung,  ba% 
bie  £elbin,  ba§  gwar  aufgeflärte  unb  bilbung3reid)e  Sorf- 
mäbdjen,  in  bem  Slugenblicf,  wo  itjr  öon  ber  ©eite  ber 
Slufflärung  unb  33ilbung  tiefet  3Bet)  unb  3erriffenl)eit  be* 
reitet  wirb,  fid)  wieber  auf  bie  Seite,  an  baö  träumerifdje 
m^ftifd)e  £ers  beS  SSolfeö  wirft,  wo  ifyre  Siebe,  il)re  Sugrob, 
ttjre  ©eligfeit  ift.  ßwbem  gewinnt  burd)  biefeS  ©urd)fpielen 
alter  SSolfömgftif  burd)  bie  Rumäne  Silbung  bie  gauje  gigur 
einen  5Reij  mefyr;  nur  l)at  er  bieS  nid)t  genug  vermittelt. 
6r  Witt  iljren  £ang  jum  SBunberbaren  unb  9Jtärd)enf)aften 
jwar  genugfam  angebeutet  Ijaben  in  ber  anfänglichen  Seftüre 
ber  @rimmfd)en  9Hard)en  unb  in  ifyrem  tarnen  ©ertrub 
(Srube  =  £e;re,  9torne  u.  f.  f.),  unb  er  lä&t  ftdj  nid)t  oon 
ber  Unjulänglid)feit  biefer  Momente  überzeugen. 

Sie  tragifdje  ©djulb  ©ertrubS  ift  baburd)  nod)  nid)t 
genug  bargeftellt,  bafc  fie  bem  ©tefan  entfagt,  weil  e§  nid)t 
allein  unb  am  wenigften  üielleidjt  au$  ÄinbeSpflidjt  gefd)iel)t, 
fonbern  weil  nod)  ein  Moment  fjingufommt,  welches  biefe 
(Sntfagung  eljer  ju  einer  üugenb  mad)t:  nämlid)  bie  fd)one 
(Srfjebung  burd)  baS  3fnnewerben  ifyrer  grauenwürbe  burd) 
ben  23rief  be3  SaronS,  burd)  bie  ganj  neue  ^erfpefttoe, 
welche  fid)  ifyr  eröffnet,  in  jenem  wirflid)  fdjönen  Monologe 
nad)  Unterbrurfung  ifyrer  perfönlidjen  Neigung,  bem  Saron 
in  feinen  fd)önen  Seftrebungen  für  23olföüereblung  eine  treue 
unb  einflufereidje  Helferin  unb  ifyrem  25olfe  felbft  ein  guier 
(Sngel  werben  ju  fönnen.  2>ie£  äubert  bie  ganje  Sad)e  auf 
einmal  fo,  ba$  i(jr  Untergang  nun  efyer  oerlefcenb  erfdjeinen 


53.   2ln  Hermann  Lettner,  24.  Dftober  1850.  149 

würbe.  s)?un  fyat  aber  Sadjmaijr  in  bem  „Srant  ber  33er- 
geffentjeit"  eine  poetifdje  $erle  gefunben,  um  meldte  id)  ityx 
DieQeicfyt  beneiben  würbe,  wenn  id)  ©ufcfow  wäre.  5Rid)t 
nur  wirb  baburd)  bie  (Sntwiefelung  aus  bem  ©ebiete  beS 
rf)etorifd)en  JRaifonnementS  unb  ber  mobernen  Äonüerfation 
in  eine  fyöljere  Legion  ber  poetifdjen  ©t)mbolif,  ber  plafttfdjen 
S^at  gehoben,  welche  aufeerbem  ber  fmnlidjen  SRatur  be£ 
SSoIfcö  trejflid)  entfpridjt:  (onbern  erft  burd)  biefeS  öorfäfe- 
lid>e,  nad)  langen  geiftöollen  (Srwägungen  folgenbe  Sfrrinfen 
beS  §läfd)d)en$  wirb  bie  @ad)e  gu  einer  fongentrierten  Sljat. 
6rft  jefct,  burd)  biefeS  gewaltfame  #anbanlegen  an  iljre 
fyeüigften  ßebenSerinnerungen,  an  iljre  garte  unb  unoerlejjlidje 
Siebe,  wirb  bie  @d)ulb,  bie  oorljer  nodj  gweifelljaft  war, 
plöfclid)  feftgefteßt.  6§  i(t  ein  wahrer  unljeimlidjer  9Korb, 
welcher  nur  ben  beutlidjen  förperlidjen  Stob  gur  §olge  Ijaben 
fann.  Srft  burd)  biefe  freoelljafte  %l)at  wirb  aud)  ber 
23al)njtnn  anfd)aulid)er  unb,  abgefeljen  oon  bem  wivfungö* 
reidjen  TOomente  beS  SErinfenS  (benfen  ©ie  ftd),  bafj  jte  mit 
ßinem  3«ge  ba3  SBilb  beö  ©eliebten  in  iljrer  Seele  ertöten 
wiD),  gewinnt  ber  ffiidjter  ben  weitern  SBorteil,  bafe  er  jte 
öon  ifyrem  SBa^npnne  nod)  einmal  erwägen  Iaffen  fann,  unb 
ba$  auf  eine  ebenfo  rüfyrenbe  als  originelle  SGBeife,  um  fte 
bann  nad)  flarer  ßrfennung  wirflidj  fterben  gu  fefyen.  ©o 
wäre  bie  Ginf)eit  ber  Sbee  gerettet,  unb  wir  muffen  nid)t  fo* 
rool)l  ba&  Sfabelljafte  unb  Unwahre  be3  ßöubermitteK  an  fid) 
im  äuge  galten,  als  ben  ©ebraud),  welken  ba$  9Wäbd)en 
baoou  machen  will. 

2Bie  gefagt,  bürfte  ifyre  gange  (Srfdjeinung  gu  biefem 
SBeljufe  etwas  bämonifd)er  gehalten  fein;  wenn  wir  jebod) 
annehmen,  bafa,  ie  natoer  unb  garter  bie  £elbin  oon  Statur 


150  Berlin. 

ift,  um  fo  wirfungöooller  ifyre  SSfyat  ift,  fo  mödjte  id)  eljer 
wiberrufen.  gfreilidj  bürftc  nod)  ber  Übelftanb  bleiben,  bab 
ber  $ob  bann  bod)  nur  eine  %o\Qt  aberglaubifd)er  Unwiffen* 
Ijeit  fd)einen  unb  fomit  bie  AufflärungSpartet,  welche  ba£ 
£erg  t>ergafe,  red)t  behalten  mödjte.  @3  ift  bieg  aber  eine 
blofe  äufjere  ©ad)e.  ©ie  fjat  einmal  ben  Sranf  nehmen 
wollen,  unb  bafj  pe  baburdj  gugleid)  ftirbt,  ift  nur  eine 
gröfjere  SSequemlidjfeit  für  ben  ©id)ter,  welcher  barin  einen 
guten  @d)lufj  pnbet.  <S§  ift  aud)  öerföfynenber  unb  woljl* 
-tfyuenber,  fie  tot  gu  wiffen,  als  pe  wafynpnnig  gu  üerlaffen 
in  ber  Ungewißheit,  ob  pe  üielleidjt  je  wieber  gu  Serftanb 
f omme  u.  f.  f.  ferner  fjat  ber  ©id)ter  bie  JRed)tf  ertigung :  ba 
jie  pd)  einmal  auf  fo!d)e  ©inge  einliefe,  mufcte  pe  auf  ba£ 
@d)redlid)fte  gefaxt  fein  unb  baSfelbe  oerbienen.  6ie  fagt 
aud)  in  bem  Monologe:  wenn  e£  pe  töten  foQte,  fo  wollte 
pe  ben  Sranf  nehmen,  benn  lieber  fterben,  als  mit  bem 
fflilbe  Stefano  im  £ergen  in  ben  armen  eines  anbern 
9JtonneS  liegen.  (SS  ift  bafyer  nur  eine  Sdjönfyeit  weiter, 
bafj  pe;  inbem  pe  93ergeffenf)eit  fud)t,  ben  £ob  pnbet.  2Bir 
bürfen  \a  nid)t  profaifd)  bie  Sldjfeln  gutfen  unb  fagen:  baS 
fommt  Dorn  Aberglauben!  ©a  pefyt  man'S  wieber  einmal, 
weldjeS  Unheil  er  anrichtet;  ba  Ijat  baS  arme  ©ing  ein 
$läfd)d)en  ©ift  erwifd)t!  ©ramatifd)  ift  es  freilief)  nid)t!  — 
©onbern  wir  muffen  bie  gange  Stiefe  unb  ©ewalt  ber  2eiben* 
fd)aft,  ben  bamonifdjen  Äampf  im  äuge  behalten,  in  welkem 
baS  urfprünglidje  SBolfSfinb  gu  biefem  ^Kittel  griff,  gn  ber 
Saronefe  unb  bem  Amtmann  wollte  ffladjmagr  ben  ©egenfafc 
ber  oberflächlichen  unb  feidjten  ftäbtifcfyen  Silbung  gu  bem 
unoerfälfdjten  unb  ftarfen  ©emüte  beS  33olfeS  auSbrücfen. 
©ie  33aronefc  läfct  pd)  burd)  baS  SBerlaffenwerben  eines  @e* 


53.   8Tn  Hermann  £ettner,  24.  Dftober  1850.  151 

liebten  nid)t  anfechten,  unb  ber  Amtmann  glaubt  mit  aller» 
fjanb  kniffen  unb  armfeligen  SRänfen  bie  Sauern  bef)errfd)cn 
gu  fönnen,  mäfyrenb  bie  ©orfweiber  über  ber  unglfidflid)en 
ßiebe  gu  ©runbe  gefyen  unb  bie  Sauern  gu  2eibenfd)aften 
aufgereigt  werben,  weldje  bem  flachen  Amtmann  weit  über 
ben  Äopf  warfen.  Snfofern  ift  bie  ßpifobe  üollfommen  be* 
redjttgt;  nur  fyätte  id)  mir  beibe  giguren  nobler  gewünfd)t, 
ofyne  bafe  jie  an  Dberfläd)lid)feit  oerlören  unb  fjabe  e§  33ad)* 
magr  aud)  gefagt,  worauf  er  jebod)  nid)t  eingeben  fann. 
©ie  ©djaufpieler  fönnen  inbeffen  üieleS  oerbeffem. 

Sie  fagen  in  3(jrem  Sriefe  an  Sadjmatjr,  fein  ©tüdt 
fei  nid)t  auf  Aberglauben,  fonbern  auf  bie  flare,  nad)  Sil* 
bung  ringenbe  Sftatur  ©ertrubS  gebaut.  SBielmeljr  möd)te 
id)  fagen:  ofyne  gerabe  jenes  anguneljmen,  bafe  biefeS  aud) 
nid^t  ber  %aü  feif  inbem  wir  in  ber  SBafynfinnSfgene  be= 
merfen,  bafe  baS  fdjnett  eingepfropfte  SBielwiffen  fte  in  iljrem 
3rrpnne  mefyrfad)  quält  unb  bcfdjäftigt.  SBenigftenS  fjabe 
id)  e£  fo  öerftanben.  Sadjma^r  f)at  groar  bie  £auptinten* 
tion  gehabt,  bie  fjeilige  unb  unüeräufeerlidje  ©elbftbeftimmung 
ber  freien  Sßerfon  bargufteHen  nnb  tfyut  fid)  Diel  barauf  gu 
gute,  al$  auf  etwas  üßeueS.  3<Jj  bagegen  fyalte  biefeS  3Re* 
fultat  bei  weitem  für  nid)t  fo  neu,  oielmeljr  für  feljr  alt 
unb  für  bm  ©egenftanb  ungäfyliger  ©djaufpiele  unb  SRomane, 
als  mir  bie  anbere  ©eite  beS  ©tficfeS,  bie  fdjlimmen  2Bir* 
fungen  erfaljrungSlofer  Humanität  (Saron)  unb  ber  eljrgei* 
gigen  £albbilbung  beS  ©orfreformatorS,  bie  fid)  bem  fern« 
fyaften  SSolfe  gewaltfam  aufbringen  wollen,  ebenfo  neu  als 
glüdltd)  unb  auf  männlidje  SBeife  burd)gefül)rt  fdjeinen. 
gür  mid)  wenigftenS  liegt  hierin  bie  ^auptbebeutung  beS 
©tüdfeS. 


152  »erlin. 

gfir  mid)  ift  eö  nun  ebenfalls  aufjer  ßroeifel,  bafc  33ad)* 
maqr  mefyr  bramatifdjeS  ßeug  on  ftdE)  Ijat,  als  alle  unfre 
jungen  ©ramatifer  jufammen  genommen,  ©od)  tann  id) 
ntd)t  üerljeljlen,  bafj  id)  eS  für  ein  ©lucf  ^alte,  bafc  er  bei 
biefer  Gelegenheit  aus  bem  allju  naioen  unb  gemütlichen 
JDftreid)  fortfam  unb,  wie  id)  Ijoffe,  eine  3«t  lang  in  bem 
fritifcfyen  Sorben  leben  wirb,  ©enn  es  finb  in  feinem  ©türfe 
nodj  gar  ju  naioe  unb  pfyrafenfyafte  Stellen,  weldje  man  bei 
und  ju  Sanbe  nunmehr  belächelt.  @r  wirb  eine  feftere  unb 
bebeutenbere  ©pradje  enterben,  meiere  feine  SBerfe  aud)  für 
ben  ©ruef  gu  wahren  Äunftwerfen  mad)t. 

3d)  madje  Sie  nod)  einmal  barauf  aufmerffam,  wie  baS 
©tücf  erft  burdj  ben  Sranf  an  eigentlicher  $laftif  gewinnt, 
unb  wie  fd)ön  unb  ergreifenb  bie  Situation  ift  r  wo  baS 
Waberen,  aus  feiner  reinen  unfd)ulbigen  SBelt  in  bie  SEicfe 
unb  SfinfterniS  beftimmter  unheilvoller  Sfyat  tytnabgefio&en 
wirb,  unb  wie  neu  unb  unfyeimlid)  biefe  SUjat  ift.  ©od) 
barum  feine  geinbfdjaft  nid)t.  2Bir  werben  beSwegen  bod) 
auf  unferer  S3al)n  ber  Steinigung  unb  33ereinfad)ung  fort« 
fd)reiten. 


54.  |ltt  Wilhelm  $üum$üvtutv  itt  ?äridj* 

Berlin,  16.  jjebruar  1851. 
©urd)  biefen  ß^tel,  lieber  ftreunb,  möchte  id)  nur  ein 
einftweiligeS  fieben^eidjen  Don  mir  geben,  ba  id)  biefer  Jage 
eine  Heine  SReoifton  meiner  „auswärtigen"  S8erl)ältmffe  oor« 
genommen  unb  ermittelt  l)abe,  welche  berfelben  burd)  wieber« 
belebte  93erbinbung  ju  erhalten  unb  ju  pflegen  fein  möchten 
unb  weld)e  nid)t.    3d)  Ijabe  nämlid)  bie  jiemltd)  begrünbete 


54.   9ln  Söifyelm  ©aumgattncr,  16.  gcbruar  1851.  153 

SSermutung,  bafy  midj  mefyr  als  ein  greunb  unb  ©önner  nad) 
einem  alten  ©pridjworte  üergeffen  unb  begraben  Ijat  in  feinem 
©ebäd)tniS,  obgleich  id)  oft  unb  öiel  an  alle  benfe.  ©ie 
©rünbe  finb  mir  freilid)  unbefanntr  wenn  fte  nid)t  etwa 
barin  liegen,  bafc  man  mid)  für  Derloren  unb  oerfdjollen  er* 
adjtet,  weil  id)  einige  Saljre  Ijinburd)  ftiH  meiner  Slbflarung 
unb  ©elbftrettung  auö  allerlei  inneren  unb  äufeeren  kämpfen 
gelebt  Ijabe,  anftatt  mit  ©peftalel  unb  ©eräufd)  blinben 
2ärmen  $u  madjen,  wie  e$  Ijeutjutage  9J?obe  ift.  3d)  fytöz 
öon  £eibelberg  aus  jwei  ober  brei  33riefe  an  ©idj  gefd)rieben, 
ol)ne  je  eine  Antwort  gu  erhalten,  unb  weife  beSnatyen  nidjt, 
ob  aud)  in  ©ir  irgenb  eine  jener  SBenbungen  vorgegangen 
ift,  bie  in  einer  bauernben  2lbwefenl)eit  in  Stimmung  unb 
Urteil  über  ben  2lbwefenben  öorjufommen  pflegen. 

Unb  bod)  ftnb  aHermärtS  bie  orbentlidjen  Scute  fo  rar, 
bafj  id)  mid)  gebrungen  füfyle,  üon  meinen  greunben  ju 
retten  unb  jufammenjuljalten,  maö  immer  möglid)  ift. 

Slber  ef)e  id)  einen  größeren  SBrief  abgeben  laffe,  wünfd)te 
id)  gu  wiffen,  ob  aud)  ©u  nod)  ber  Stltc  für  mid)  bift,  ober 
wie  eS  überhaupt  mit  ©ir  fteljt.  Sitte  ©id)  bafyer,  mir  red)t 
balb  3U  fd)reiben,  wenn  ©u  ßuft  baju  füljlft,  unb  werbe  ©ir 
bann  einen  ausführlichen  Seridjt  über  mid)  felbft  abftatten. 
(Srfyalte  id)  feine  9?ad)rid)t  Don  ©ir,  fo  werbe  id)  e£  bod) 
für  eine  $Rad)rid)t  anfefyen  unb  einftweilen  ju  ben  übrigen 
SBitterleiten  legen ,  bie  id)  in  meinem  Seben  fdjon  ge* 
fammelt  Ijabe1).    9JJagft  ©u  mir  aber  fdjreiben,  fo  f djreibe 


!)  Saumgartner  antroortete  am  22.  Wläxi  1851  mit  ber  SBerfidje* 
rmig  treuer  greunbfdjaft  fürs  ganje  Seben.  „2Ba8  2)i$  interefjteren 
bürfte,  ift,  ba%  mir  [ber  öon  Saumgartner  geleitete  ©tubentengefang- 


154  ©erlitt. 

mir  red)t  Diel,  Don  £)ir  unb  anbcrn!  fficnn  jebeS  SESort  auS 
bcr  £eimat  freut  mid)  um  fo  meljr,  als  mir  ber  2lufentt)alt 
nun  förmltd)  gu  einem  ©jrile  geworben  ift,    ba  id)  mir  üor* 


öerein  in  3und;  in  feinem  Äongert]  groei  Sieber  oon  S)ir,  bie  icr)  fom- 
ponierte,  fangen,  nämlid),  einftimmig:  ,2ln  bie  iftatur'  unb  S)ein  fc^öne§ 
©ebid)t  ,£)  mein  SSaterlanb'  für  (Sl)or,  baS  namentlich  fe^r  gefiel 
unb  gern  gefungen  mürbe;  e§  toirb  awf;  im  nä$ften  (Sommer  am 
großen  3üria>r  •  ©ee  •  SängeröereinSfeft  gefungen  »erben  ....  S5on 
einer  neuen  ©efanntfdjaft  roüfjte  id)  2)ir  fefjr  Diel  gu  fdjreiben,  roenn 
eS  für  einmal  ntdjt  gu  roeit  führte:  nämlid)  oon  unferem  greunbe 
Slia^arb  SSagner,  ber  mit  bem  gangen  geuer  feines  ©eifteS  unb 
feiner  (Energie  auf  mid)  günbenb  einwirft,  roie  äfynlid)  ein  geuerbad) 
auf  S)id),  natürlia)  überu)iegenb  in  mufifalifdjer  33egiet)ung.  (5r  ift 
burd)  unb  burd)  genialer  *Ratur  unb  in  feiner  &unftanf$auung  bura) 
unb  burd)  SReoolutionär.  3d)  mödjte  ©id)  einftweilen  auf  feine  f)ier 
gefdjriebene  Arbeit,  bie  er  in  Seidig  bei  SBiganb  Verausgab,  aufmerf« 
fam  madjen,  nämlia)  feine  ,$unft'9&eoolution4,  befonberS  auf  fein 
,&unftu>erf  ber  3ufunft'  (worunter  er  baZ  S)rama  in  SBerbinbung  unb 
üttitnrirfung  aller  fünfte  öerftanben  tmffen  icill).  3n  biefen  Sagen 
gibt  er  un§  in  einer  Steige  oon  SSorlefungen  (oor  einem  flehten  Äretfe 
oon  greunben)  feine  neuefte,  nod)  ungebrutfte  Arbeit  ,£)a3  SEBefen 
ber  Dper4,  toorin  er  ftd)  auf  l)öd)ft  geiftrcia^e  SBeife  über  bie  ©efdjidjte 
ber  Dper,  bie  (Sntroitf  fang  be£  ©ramaS,  ber  ©pradje,  unferer  ßgrif  u.  f.  f. 
auSfpridjt  unb,  um  e§  mit  Einern  Bort  gu  fagen,  ben  ©ebanfen  aus- 
fuhrt, baj$  unfere  moberne  JDper  eigentlid)  fein  ftunftroerf,  fein  £rama 
fei,  Jonbern  bafe  ber  roafjre  £id)ter  ein  fola^eö  nod)  erft  fa^affen  muffe, 
inbem  ber  Sftuftfer  erft  in  jroeiter  Sinic  (ftatt  wie  bisher  als  £aupt« 
faftor)  mit  bem  2one  ben  £>id)ter  3U  öoUem  magrem  SerftänbniS  unb 
gu  ooUer  SBirfung  mit  aUen  feinen  unenblid)  reiben  Mitteln  ju  bringen 
Ijabe,  natürlid)  unter  SRitroirfung  ber  anberen  fünfte.  3ftef)r  baoon 
fpäter,  ba  er  feine  SBorlefung  nod)  nid)t  gefd)loffen.  3um  @d)luffe 
lieft  er  feinen  neueften,  nod)  nidjt  fomponierten  Dperntert  ,@iegfrieb', 
nad)  bem  altnorbifdjen  Sagenfreife  bearbeitet.  SBir  fennen  e8  fa^on; 
er  bringt  barin  ben  altbeutfdjen  Stabreim  unb  ©praa^accent  tmcber 
jur  ©eltung  gegenüber  bem  roillfürlidjen  unb  äu&erlia^en  Steint  unb 
Metrum." 


55.  2ht  Hermann  Lettner,  17.  gebruar  1851.  155 

genommen  Ijabe,  nid)t  eljer  nad)  §aufe  ju  teuren,  al3  id) 
gemiffe  &mdt  erreicht  unb  einen  beftimmten  2lbfd)lufe  Ijinter 
mir  fyabe,  ma£  nodj  immer  ein  fyalbeS  3^  gefyen  fann. 

3Jltt  l)er$lid)em  ©rufee  ©ein 

©.  Äeller. 


55*  £tt  $tvmaun  getttttr  in  $t\*tlbev$. 

©erltn,  17.  gebruar  1851. 

Sieber  greunb!  (Sin  I)einuuart£faljrenber  Stubent  wirb 
Don  mir  benufct,  S^nen  nur  einen  pdjtigen  ©rufe  gufommen 
ju  Iaffcn  unb  bie  ©totfung  unfereS  SSerfe^reö  ein  bifcdjen  ju 
fyeben. 

33or  allem  au$  mufc  id)  Sie  beglücfmünfdjen  ju  S^er  Se» 
rufung  nad)  3ena,  toeldje  id)  au£  einem  Sljrer  SBriefe  an 
33ad)mat)r  erfetjen  fyabe1).  Qu  Oftern  werben  mir  alfo  ein 
©tuet  näfyer  gerürft  fein,  ©ann  banfe  id)  3$nen  Ijerjlid)  für 
3t)ren  fo  fet)r  eleganten  unb  galanten  fflrief  in  ben  „^Blättern 
für  Iit.  Unterhaltung"2).  (5r  l)at  mir  grofce  §reube  gemad)t, 
unb  id)  fann  nur  im  allgemeinen  fagen,  bafc  id)  alles  roafyr 
unb  fd)ön  gefunben  Ijabe.  (Sine  fpejiellere  ^Beantwortung 
marb  mir  leiber  unmöglich,  ba  id)  im  Sluffafe  nid)t  jum 
jmetten  5Hal  mit  stufte  lefen  tonnte,  inbem  jene  Kummer 
alfobalb  au$  ben  Sefefabinetten  oerfdjroanb  unb  feitfyer  nid)t 
erl)ältlidj  mar.  2luS  bem  gleichen  ©runbe  Ijabe  id)  and} 
Sfyren  äuffafc  über  Hebbel,  oon  meld)em  id)  gehört,  biö  jefct 


!)  ^ettnerö  ^Berufung  nad)  3ena  als  aufeerorbentlidjer  Sßrofeffor 
für  Äunft«  unb  &itteraturöefd)id)te  icar  im  SRooember  1850  erfolgt. 
3n  feinen  neuen  SBirfungöfreiS  trat  er  im  SRärj  1851. 

,J)  ©.  o.  <S.  123. 


156  »erftn. 

nodj  gar  nidjt  gu  @efid)t  befommen1).  ©enn  es  ift  in  biefer 
©tabt  bcr  anteiligen)  ungeheuer  fdjiuierig,  etroaS  bergleid)en 
gu  erhalten,  wenn  man  nidjt  am  erften  Sage  beS  6rfd)einen8 
glücflidjermeife  bagu  fommt. 

33on  SSadjmatjr  meifc  id)  nidjtS.  34  §<*&*  tyn  «n 
wenig  im  33erbad)te,  bafc  er  pd)  nid)t  aKjufe^r  um  jemanb 
fummert,  wenn  man  gerabe  nidjts  gu  feiner  bramatifdjen 
Karriere  beitragen  fann,  meldje  er  mit  at^ugrofcer  ©ubjefti* 
Dität  oerfolgt.  ©odj  münfdjte  idj  fein  ©tücf  redjt  balb  mit 
39ebad)t  lefen  gu  fönnen,  ba  id)  e$  nur  einmal  jdjnell  t>or- 
Iefen  fyörte.  Snbeffen  fyat  er  mir  ©teilen  aus  anberen  ©tüdfen 
remitiert ;  aud)  Ijabe  id)  ein  Suftfpiel  gelefen,  unb  alles  geugte 
Dorn  gleiten  großen  Salente.  ©iefes  ift  um  fo  beadjtenS* 
werter,  als  e£  faft  au§fd)liefclid)  fpegififd)  bramatifd)en  ßljaraf* 
terS  ift  unb  nid)t  etwa  eine  allgemeine  Ijalbpoetifcfye  ©tim* 
mung.  6$  tljut  mir  nur  leib,  baß  er  roieber  in  ba£  Der« 
fludjte  SBien  gurücf  mufcte,  roo  bie  2eute  gar  md)t§  t>on  ber 
SBelt  roiffen.  6r  ift  nod)  fo  fonfuS,  bab  e$  notmenbig  feinen 
arbeiten  bie  rechte  Älarfjeit  unb  Seroufetfein  etroa$  rauben 
mu&.  6r  glaubt  bliub  an  ©eröinuS  unb  ©agern,  ift  religiös, 
pantfjeiftifd),  bemofratifd)  unb  fonftitutioneK,  aHe$  burd)* 
einanber.  ©a  er  nun  nod)  bagu  ein  gemaltfamer  unb  ge* 
räufdjooHer,  faft  aufbringlidjer  5Henfd)  ift,  fo  ffirdjte  id), 
bafc  bie$  feltfame  üBefen  iljm  in  feinen  Angelegenheiten  faft 
mef)r  fdjabet,  als  bie  (Jljarafterloftgfeit  unb  ©ummljeit 
ber  Sljeaterttjrannen.  6r  Ijat  in  feinem  SBien  eben  nid)t 
©elegenljeit  gehabt,  fid)  gu  fultioieren,  ba  bie  tferle  bort 
alle    felbft    Quer-    ober    ©ummföpfe  pnb;    um    fo    mefyr 

J)  „Hebbel  unb  bie  Sragifomöbie"  in  ben  „80.  f.  Itt  Unterf>aIt(J." 
1851  fftv.  13. 


öö.   &n  Hermann  #ettner,  17.  gebruar  1851.  157 

bcbaitrc  id),  bafc  er  mieber  l)in  oerfdjlagen  mürbe.  3d) 
felbft  fam  inbeffen  gut  mit  iljm  auS,  ba  id)  ben  eblen 
Äern  öon  biefen  äufeern  3ufälltgldten  3U  unterfdjeiben  roufete, 
unb  fyabe  ifyn  red)t  lieb  gewonnen. 

Set  Sannt)  Seroalb  bin  id)  crft  öor  etwa  geljn  Jagen 
geroefen;  |te  gefiel  mir  gut  unb  mar  fet)r  freunblid),  fo  baß 
id)  nun  öfter  fyingetjen  werbe.  @ie  ift  eine  munberlidje 
Sßerfon,  unb  eS  flang  mir  gar  feltfam,  als  fie  ergäljlte,  fie 
^ätte  @ie  bei  iljrem  greunbe,  bem  ©rofeljerjog  Don  Sßeimar, 
angelegentlid)  empfohlen  als  Senenfer  Untertan. 

3d)  roerbe  mid)  alSgemad)  hinter  bie  Ijieftgeu  Sweater* 
öerfyältniffe  madjen  unb  feljen,  ob  id)  meljr  ©lud  finbe,  als 
33ad)tnat)r  ©eredjtigfeit. 

93on  meinen  Sßrobuften  fdjreibe  id)  Sljnen  fein  SBort 
meljr,  als  bis  @ie  biefelben  in  ben  §änben  fyaben. 

üBenn  @ie  mir  gelegentlich  fdjreiben,  fo  beridjten  Sie 
mir  um  ©otteSroitlen,  roaS  bie  Ferren  in  ^eibelberg  nun 
für  ©eftdjter  madjen,  unb  ob  fie  fid)  nod)  nidjt  fdjämen1)! 

3d)  Ijabe  im  §erbfte  gelefen,  ba&  ^agen2)  nad)  Sß^id) 
uerreift  fei,  roeife  aber  nidjt,  ob  infolge  einer  enblidjen  33e= 
rufung,  ba  id)  feit  Saljr  unb  S£ag  feine  9?ad^rid)ten  aus 
3ürid)  Ijabe,  roeil  id)  aud)  nid)t  l)infd)rieb. 

SBotfen  ©ie  mid)  roofyl  Sfyrer  oereljrten  %xa\x  ^rofefforin 
red)t  fyerjlid)  empfehlen  foroie  Syrern  Ijoffentlid)  munteren 
ßlifabetf)d)en.  2lud)  ^errn  SJlolefdjott  bitte  id)  ju  grüfeen. 
3d)  Ijabe  mit  Vergnügen  geuerbad)S  äuffa^  über  fein  33ud) 


J)  ©egen  £ettner$  SBegßang ;  dqI.  ttb.  6ternf  £.  Lettner  S.  109  ff. 
*)  S)er  £iftorifer  $arl  £agen  (1810—1868),  ber  1855  nad)  93ern 
überftebelte. 


158  «erlitt. 

gelefen1),  bagegen  mit  ärger  feine  neulidjc  2lu8meifung  au§ 
SttPSiflr  &od)  tyinwieber  mit  SBergnügen,  bafe  er  bort  feine 
£eibelberger  SBorlefungen  bruefen  läfet. 

©ie  berliner  £f)eatermenfdjen  werben  balb  toll  toor 
©ummljeit.  ©te  bringen  eine  erbärmlidjere  •Wottität  nad) 
ber  anbern  auf  bie  SJütjne.  ©od)  bepnbe  idj  mid)  nod) 
immer  üortrefflid)  bei  ©fyafefpeare  unb  SBeifcbier!  3$  rooljne 
nod)  immer  5Rot)renftrafee  6  unb  bin 

Sfyr  ergebender 

©ottfr.  ÄeHer. 

56«  |ltt  $ert»amt  Qtttutv  itt  jjeüielberg. 

«Berlin,  ben  4.  SKärg  1851. 

Sieber  greunb!  ®o  fefyr  mid)  3ljre  freunblidje  Ant- 
wort auf  meinen  jüngften  33rief  erfreut  unb  erquidft,  war 
fie  mir  bod)  ein  ©onnerfd)lag,  als  id)  barauS  erfal),  baj$ 
3ftnen  mein  £>etr  33erleger  ooreiltger  SBeife  Aushängebogen 
meines  StomaneS  jugefteflt  tyat,  ofyne  menigftenS  ben  2tb* 
fd)lufe  beS  erften  SanbeS  abzuwarten'),  ©tefer  Umftanb  ift 
eö  oorjüglid),  weld)er  mid)  antreibt,  @ie  fdjon  wieber  mit 
einer  ßpiftel  ju  beftürmen,  um  bem  mangelhaften  unb  gemife 
feltfamen  Ginbrudf,  welchen  baS  §ragment  auf  ©ie  madjeti 


l)  8el)re  ber  Nahrungsmittel  1850.  Sgl.  8ubro.  geuerbad)§  ©rief- 
roedtfel  unb  Nadjlafe  2,  81  ff   (1874). 

»)  Lettner  an  tfeüer,  25.  gebr.  1851:  „gür  3^re  freunbltctje  3ufen- 
bung  beö  grünen  #einriay  banfe  idj  rjeralidrft.  33iSr)er  r)abe  idj  aber 
erft  bie  erften  20  93ogen,  bie  aber  gerabe  rjinreidjen,  mid)  nad)  bem 
©enuffe  be§  CÖanjen  leefern  ju  madjen.  (SS  ift  mir  innig  roorjlttyuenb 
geroefen,  in  biefer  geräufdjoollen  3eit  nrieber  einmal  ein  ftiUeS  liebeä 
SRomanleben  mit  burdjleben  $u  bürfen  :c ". 


56.  8fa  Hermann  Lettner,  4.  9R5r$  1851.  159 

mufe,  oorlöufig  mit  einigen  SSnbeutungen  nad)juljelfen,  ba 
fcaS  Unheil  einmal  gefdjeljen  ift.    ©od)  baoon  weiter  unten. 

ßuerft  muß  id)  Sonett  fagen,  bafc  id)  mit  fefynlidjer 
©rwartung  bem  fertigen  Seile  3Ijrer  bramaturgifdjen 
©tubien  entgegenf etje l)  unb  ba$  nid)t  fowofyl,  um  Sie 
nad)ljer  eifrig  mit  meinem  fonfufen  unb  empirifd)en  Urteile 
bebienen  3U  fönnen,  als  baran  meine  eigenen  bramatifdjen 
2eben£geifter  ein  wenig  ju  wärmen  unb  unterhalten,  ba  fte 
burd)  anbere  Slrbeitörütfftänbe  unb  Äonfujton  ber  ©efdjäfte 
immer  nod)  fd)lummern  unb  brad)  liegen  muffen,  ©ie  treff* 
lid)e  ©efd)id)te  Don  bem  übel  beratenen  3ftocfe,  welche  ©ie 
mir  3U  ©emüte  führen,  läfet  mid)  ber  Überzeugung  leben, 
bafj  aud)  (Sie  nid)t  blofe  au§  äufjerlid)er  ober  innerlicher 
Sfreunblidjfeit  ein  fo  eljrenbeS  Betrauen  in  mein  SRäfonne* 
ment  fowie  ba§  öorlauftge  Sob  beö  „©rünen  £enri"  au§= 
fpredjen9).  ©od)  f erliefet  bie§  feine§weg§  auö,  bafe  Sie 
bennod)  meine  Äräfte  überfdjäfcen  fönnten,  unb  id)  werbe 
bafyer  meine  anfälligen  SBemerfungen  über  Sfyre  ©tubien  gu- 
gleid)  mit  einer  ©elbftfritif  begleiten,  bamit  Sie  gleid)  feljen, 
bafc  felbige  nid)t  etwa  apobiftifd)  fein  foflen. 

3Ijre  Steifet  an  ber  inneren  Seredjtigung  3ljrer  Arbeit 
ftnb  infofent  ganj  in  ber  Drbnung,  als  jie  beweifen,  bafc  e§ 
Seinen  ernft  mit  ber  @ad)e    ift    unb  bafc  ©ie  eine  maljre 


*)  Lettner  an  Heller  a.  a.D.:  „$iefe  ©tubien  Ijabe  iä)  in  ©e« 
banfen  eigentlich  an  ©ie  gef  abrieben,  mein  teuerfter  greunb.  (£8  ift 
fein  2öort  bann,  bei  bem  id)  mia^)  nidjt  gefragt  fyätte,  ob  e§  roofyl 
3^re  einfidjtige  3uftimmung  erhalten  mürbe." 

*)  Lettner  bat  Heller  um  ein  rücffid)t§lofe§  Urteil  über  bie  ©tubien, 
bamit  er  nidjt  mieber  oor  ber  Seit  blofegeftent  mürbe,  wie  e8  tym 
jüngft  mit  einem  fRod  gegangen,  ben  er  auf  anraten  eine§  greunbeS 
gefauft  tyabt. 


160  Berlin. 

Pietät  für  3*)*™  ©egenftanb  empfinben.  ©ies  feftgeftellt, 
bürfcn  6ie  bann  aber  aud)  um  jo  überzeugter  fein  Don  ber 
^Berechtigung  unb  bem  SBillfommenfein  beS  SSudjeS;  beim 
wo  redjteS  Streben  unb  lebenbiger  ©eift  jufammenwirfen, 
fann  cS  feinen  abfoluten  Srrtum  geben.  34»  bei  id)  mid) 
einftmeilen  nod)f  bis  auf  weitere  DieHeid)t  eintreffenbe  6nt* 
täufdjung,  für  einen  $robujenten  unb  (Srperimentator  galten 
möd)te,  mu&  ^nen  offen  gefielen,  bafc  id)  bisher  nod)  feine 
bramaturgtfdje  Arbeit,  fei  es  Don  9tötfd)er  ober  Don  immer 
wem,  gelefen  tjabt,  ot)ne  etwas  barauS  gelernt  ju  !)aben, 
wenn  id)  aud)  über  ben  fonfreten  $öH  nid)t  einig  mit  bem 
$l)ilofopI)en  mar.  Selbft  in  bem  Don  ©djiefljeiten  wimmeln* 
ben  biefen  Sucfye  beS  £errn  ©croinus1)  Ijabe  id)  eine  reict)* 
lidje  Ausbeute  an  Anregungen  gum  SBeiterfpinnen  gemad)t. 
Um  wie  Diel  meljr  barf  ftd)  alfo  bie  klaffe  ber  gernbegierigen 
unb  SebenSfroljen,  welche  id)  mit  repräf entiere ,  Don  3tynen 
Derfpredjen,  ber  Sie  ja  unfern  anerfannteu  Sebürfniffen  unb 
©runbfäfcen,  fowie  bem  Seben  ber  ©egenwart  unb  ben  £off* 
nungen  ber  3ufanft  unenblid)  näfyer  ftefyen,  als  alle  jene 
Ferren.  2)od),  abgefeljen  Don  allen  ©oentualitäten,  fage  id) 
Sfynen  mit  aufrichtigem  (Smfte,  ba&  S^r  23ud)  nad)  bem, 
was  id)  oon  Sfynen  weife  unb  Don  anbern  täglid)  Iefe,  baS 
Sefte  unb  Sebeutenbfte  fein  wirb,  was  in  neuerer  3^t  ge* 
fdjrieben  würbe,  unb  baß  id)  mir  eine  äufeerft  wofyltljuenbe 
SBirfung  baoon  Derfpredje  in  jebem  gaQ. 

Sei  aller  inneren  Söaljrljeit  reichen  für  unfer  jefcigeS 
fflebürfniS,  für  ben  gütigen  ©ejtd)tSfreiS,  unfere  alten  flaffc 
fdt)en  ©ofumente  nid)t  mef)r  aus,  unb  idj  glaube  feine  fraffe 

!)  „(Sfyafefpeare." 


56.   Sin  Hermann  £etttter,  4.  SRars  1851.  161 

©ummljeit  gu  fagen,  wenn  id)  behaupte,  bafc  bie  fiefftngifdje 
©ramaturgie  un$  meljr  in  Ijiftorifdjer  unb  formeller  £inftd)t 
tiod)  berührt,  faft  wie  fein  Äantpf  mit  bem  $aftor  ©öjje. 
Unb  ma§  ift  feiger  gefdjrieben  worben?  ©ie  praftifdjen, 
ebenfalls  flafjifdjen  Erfahrungen  unb  23eobad)tuugen  Don 
@oetf)c,  ©djiller  unb  Sied.  8lber  biefe  8eute  pnb  längft  ge* 
ftorben  unb  ahnten  nidjt  ben  riefenfdjnellen  SBerfafl  ber  alten 
SBelt. 

(53  Derfyält  ftd)  ja  eben  fo  mit  ben  9Jleifterbid)tungen 
©oetljeS  unb  @d)ifler§.  @§  ift  ber  wunberlidje  Sali  einge* 
treten,  wo  wir  jene  flafftfdjen  OTufter  aud)  nid)t  annäfyernb 
erreicht  ober  gliidflid)  nadjgealjmt  Ijaben  unb  bod)  nid)t  mefyr 
nad)  iljnen  jurüdf,  fonbern  nad)  bem  unbefannten  9ieuen 
ftreben  muffen,  baS  uns  fo  Diele  @eburt§fd)merjen  madjt. 
©afc  e3  fo  lange  (?  laßt  bod)  ber  SRatur  ein  wenig  3ftul)e!) 
ausbleibt,  berechtigt  unö  ju  feinem  $efftmi£mu$;  fobalb  ber 
rechte  9Jtann  geboren  wirb,  ber  erfte  befte,  wirb  e§  bei  fein. 
Unb  alebann  werben  oeränberte  ©itten  unb  SBölfcrDerljält* 
niffe  Diele  Äunftregeln  unb  TOotioe  bebingen,  weld)e  nidjt  in 
bem  2eben3*  unb  ©enffreife  unferer  Älafjtfer  lagen  unb 
ebenfo  einige  auSfdjliefeen,  weld)e  in  bemfelben  feiner  ßeit 
ü)r  ©ebenen  fanben.  @o  felje  id)  wenigftenS  bie  @ad)e  an 
unb  begrübe  batjer  jeben  2id)tblicf  mit  ftreuben,  weld)er  bie 
gegenwärtige  ©ämmerung  burijblijjt.  2Sa§  ewig  gleid) 
bleiben  mufc,  ift  baS  Seftreben  nad)  Humanität,  in  weld)em 
uns  jene  Sterne,  wie  biejenigen  früherer  Seiten,  Dorleud)ten. 
2BaS  aber  biefe  Humanität  jeber^eit  umfaffen  fofle:  biefeS  gu 
beftimmen,  I)ängt  nid)t  Don  bem  Talente  unb  bem  Streben 
ab,  fonbern  Don  ber  $z\t  unb  ber  @efd)id)te. 

2Ba8  bie  fünftige  politifdje  Äomöbie  unb  ifyr  waljrfdjeins 

©Ott f rieb  getter.  II.  11 


162  ©erlin. 

lidjeS  ^erüorgefyen  aus  ber  jefcigen  Sofalpoffe  betrifft,  fo 
glaube  id)  3f)nen  fcfyon  im  vergangenen  galjre  etwas  bar* 
über  gemelbet  gu  l)aben.  3>d)  weife  baljer  nidjt,  ob  id) 
mid)  jefct  wieberljole,  wenn  id)  Sftnen  meine  9foftd)ten  unb 
Vermutungen  unmaßgeblich  mitteile1),  ©erabe  bieS  ift  ein 
©egenftanb,  ein  ©ebiet,  in  weldjeS  bie  Älafftfer  vor  fünfgig 
Sauren  nod)  feine  3foSftd)ten  Ratten,  unb  id)  bin  übergeugt, 
bafy  wenn  wir  jefct  einen  breifeig*  ober  oiergigjäljrigen  ©oetlje 
Ratten,  ja  felbft  nur  einen  Sßielanb,  fo  würbe  biefer  aus 
ben  oor^anbenen  Anfängen  balb  etwas  gemacht  Ijaben. 
©enn  fowofyl  bie  fyorm  als  bie  SXrt  beS  SBifceS  unb  feines 
Vortrages  flnb  neu  unb  urfprünglid).  Unb  maS  baS  S3efte 
unb  §errlid)fte  ift:  baS  SBolf,  bie  j&tlt  Ijaben  pd)  biefe  ©attung 
felbft  gefd)affen  nad)  iljrem  Sebürfniffe,  fte  ift  fein  $robuft 
litterarfjiftorifdjer  Gfrperimente ,  wie  üxoa  bie  'gelehrte  2hif* 
warmung  beS  SlriftopfyaneS  unb  2lt)nlid)eS.  ©erabe  beSwegen 
wirb  meQeid)t  ifyre  SBebeutung  oon  ben  gelehrten  Ferren 
ignoriert,  bis  fie  ifjnen  fertig  unb  gewappnet,  wie  bie  junge 
SßatlaS,  oor  äugen  fteljt. 

3n  ber  gegenwärtigen  SBefdjaffenljeit  ber  hoffen  ragen 
oorgüglid)  gwei  wichtige  Momente  Ijeroor.  S)qS  eine  ift  bie 
freie  2Siflfür  in  ber  Cfonomie  unb  bie  SUlegoriperung  po* 
litifdjer  unb  moralifdjer  ^Begriffe,  aber  in  burdjauS  unfern 
Suftänben  homogener  SBeife  unb  nid)t  wie  eS  g.  33.  $laten 
in  blinber  Sftadjaljmung  getfyan  Ijat.  ©aburd)  wirb  ber  für 
bie  politifdje  Äomöbie  burdjauS  nötige  göttlid)e  Unftnn  unb 
unbefcfyränfte  Mutwillen  wieber  Ijergeftellt.  S)aS  anbere 
Moment  ift  bie  33erbiubung  ber  OTufif  mit  ber   ©idjtung 

*)  S)te  folgenbe  (Stelle  f)at  Lettner  in  feinem  „?Diobernen  ©ratna* 
@.  177  faft  roörtltd)  abgebrueft. 


56.   5ln  ^ermann  Lettner,  4.  ÜRarg  1851.  163 

in  ben  6ouplet§.  ©iefe  fyat,  wenigftenS  in  ifyrer  jejjigen  S3e* 
beutung,  baö  SBiener  33olf  mit  feinen  obffuren  $offenbid)tem 
erfunben  unb  ber  Süfyne  gefd)enft,  unb  c8  ift  weiter  nid)t3 
baju  ju  tfyun,  als  reinere  $oejie  unb  ein  tüd)tiger  Snfyalt, 
welches  übrigens  für  baS  ©anje  ebenfalls  gilt. 

©ie  SBeifye  ber  Sßoejte  wirb  oon  magren  ©idjtern, 
meldte  ben  SBiHen  unb  baS  SebürfniS  beS  SBolfeS  barju* 
ftellen  im  ftanbe  fein  werben,  gebracht  werben  unb  pdjer 
nid)t  ausbleiben,  wenn  ber  tüchtige  %rifya\t  burd)  bie  @e* 
fd)id)te  üerfdjafft  wirb,  ©egenwärtig  reitet  man  immer  auf 
bem  $l)ilifter  unb  feiner  SMifere  Ijerum,  weldjeS  ehm  fein 
poetifdjer  (Stoff  ift,  unb  auf  bm  6rbärmlid)feiten  ber  jejjigen 
Sßolitif,  infofern  bie  ^olijei  es  erlaubt.  ©ieS  ift  fdjon  lohnen* 
ber;  jebod)  wirb  ber  rechte  (Stoff  erft  bann  oorljanben  fein, 
wenn  bie  SBölfer  frei,  georbnete  würbige  Suftänbe  unb  wafyre 
Staatsmänner  unb  anbere  Sräger  ber  Äultur  öorljanben 
ftnb.  9USbann  werben  aud)  bie  Äonflifte  unb  ©ifferenjen 
ber  üBölferfdjaften  würbiger  Slrt  fein  unb  einen  tüd)tigen 
3nljalt  für  eine  mafyre  $oejie  abgeben,  ©enn  im  Sweater 
über  einen  Sumpenfyunb  ju  lachen,  ift  nidjts  (SrbaulidjeS; 
erft  wenn  wirflid)  grofee,  aber  einfeitige  (Staatsmänner,  grofc 
artige  Summierten  ganger  SBölfer,  eble  $F)ilofopf)en,  bie  ftd) 
in  irgenb  ein  $arabo;con  hineingeritten  Ijaben,  ©egenftanb 
beS  bramatifdjen  Spottes  werben,  wirb  aud)  bie  Sßoffe  eine 
eblere  Statur  annehmen  fönnen  unb  muffen. 

3njwifd)en  ift  es  immerhin  fdjon  ein  bebeutenbeS  (Sdjau* 
fpiel,  bie  Seoölferung  einer  fo  pfiffigen  SBeltftabt,  wie  33erlin, 
öor  ber  33üt)ne  oerfammelt  unb  bem  mutwilligen  ©djaufpieler, 
ber  ifjr  feine  Slnfpielungen  mit  wehmütiger  Saune  Dorftngt, 
eifrigft  laufdjen  unb  jujubeln  ju  fefyen. 


164  »erlin. 

SemerfenSwert  ift  aud),  bafj  bie  ihmft  bcr  fomtfdjen 
©arfteflung  bcr  Sichtung  weit  DorauSgefcfyritten  ift  unb 
bereits  fdjon  jefct  für  eine  flafjtfdje  Äomöbie  beinahe  fertig 
unb  reif  wäre;  roäljrenb  in  ber  Sragöbie  bie  ©arfteüung  faß 
ebenfo  weit  hinter  ben  ©idjtungen,  bie  wir  bqlfcen,  jurücf- 
geblieben  ift.  SJorgüglid)  beim  SBortrage  ber  GoupIetS, 
welche  bie  jeweilige  Äritif  ber  ü£age$*ÜJlifere,  be$  politifdjen 
unb  moralifdjen  Unfuges  enthalten,  erjellieren  bie  Äomifer. 
@ie  maeften  wunberlidje  unb  t)öd)ft  mutwillige  ©eften  unb 
Sprunge  bagu,  meiftenS  gwei  gufammen;  ba%  SBerfen  ber 
belebten  Seine  gibt  ber  ©atire  nod)  91ad)brudf,  roäljrenb  ba$ 
Ord)efter  bei  unb  nad)  ben  SRefrainS  burd)  brummige  Raufen* 
fd)läge,  burd)  einen  fdjritlen  ^feifentriUer  ober  einen  lädier* 
liefen  ©trid)  auf  ber  Safegeige  ben  (Sinbrucf  nod)  erl)öf)t 
unb  ba$  @eläd)ter  üermeljrt.  3$  fyabe  lebhaft  mitgefühlt, 
wie  in  foldjen  Momenten  ba$  arme  SSoCf  unb  ber  an  fid) 
felbft  öerjmeifelnbe  ?$l)ilifter  ©enugtfyuung  finbet  für  ange* 
tljane  Unbill,  ja  wie  fold)e  Ieidjte  2uf triebe  tiefer  bringen 
unb  nachhaltiger  gu  wirfen  vermögen  als  manche  Äammer- 
rebe.  3d)  fii^re  bie  6ingelt)eiten  ber  ©arftellung,  üorgüglid) 
bie  SJlimif  unb  bie  3Jluftf,  nur  beSmegen  an,  bamit  €ic 
feljen,  roie  aud)  hierin  ein  wichtiger  SebenSfeim  für  bie  3Us 
fünft  liegt;  benn  fie  bebingen  ein  inniges  Bufammenwirfen 
beS  ©idjters  mit  ben  anbern  Süljnenfönften  unb  ein  Qnn* 
get)en  beSjelben  in  bie  lebeubigen  ©ebräud)e.  6r  wirb  ftd) 
öor  unplaftifdjen  unb  unftngbaren  $t)antafieen  l)üten  muffen, 
waljrenb  bieje  luftigen  ©djnurren  il)m  neue  gbeen  unb 
einen  fräftigen  Jon  angeben  werben. 

S)ie  ^atur  biefer  Äomöbie  bebingt  e$  ferner,  bafe  öieleS 
in  Übereinfunft  mit  bem  gangen  Sßerfonal  ber  SSüljne  unb 


56.  9ln  ^ermann  £ettner,  4.  9Rars  1851.  165 

nad)  ben  momentanen  SBorfommniffen  unb  (Stimmungen  ber 
Dffentlidjfeit  eingerichtet  werben  mufe,  unb  barauS  wirb 
wieber  etwas  i*ebenbigeS  unb  SöaljreS  entfielen.  ®eun  eS 
ift  eine  8üge,  was  bie  litterarifdjen  @d)Iafmüfcen  behaupten, 
bafe  bie  Angelegenheiten  beS  SageS  feinen  poettfcfyen  bleiben* 
ben  SBert  Ratten. 

3n  93erlin  ift  eS  ber  ©idjter  Äalifd),  weldjer  baS  für 
jefct  Seftmoglidje  Ieiftet.  ©eine  6ad)en  werben  auf  bem 
Äönigftäbtifdjen  Sweater  gegeben;  allein,  wie  gejagt,  ber  3>n* 
Ijalt  ift  £>alt  nod)  nid)t  Diel  wert. 

9?un  nod)  einige  SSorte  über  ben  „Henri  vert".  3d) 
l)abe  bei  biefem  Unglücflid)en  baS  gewagte  ^DJanooer  g*mad)t, 
bafa  id)  meine  eigene  3>ugenbgefdjid)te  gum  Snfyalt  beS  erfteu 
Seilet  machte,  um  bann  barauf  ben  weiteren  Verlauf  beS 
JRomaneS  gu  grünben  unb  gwar  fo,  wie  er  mir  felbft  aud) 
t)ätte  pafficren  fönnen,  wenn  id)  mid)  nid)t  gufammen  ge* 
nommen  t)ätte.  @S  fommt  nun  alles  barauf  an,  ob  eS  mir 
meljr  ober  weniger  gelungen  fei,  baS  ©ewöfynlidje  unb  jebem 
SRafyeliegenbe  bargufteHen,  oljne  gewöfynltd)  unb  platt  ober 
langweilig  gu  fein;  unb  bieS  ift  eS,  was  id)  mir  vorgeworfen 
gu  feljen  befürdjte.  3d)  fjcitte  nid)t  bie  Intention,  aus  eitler 
©ubjefttoität  biefe  3ugenbgefd)id)te  einzufügen,  weil  fre  bie 
meinige  ift,  fonbern  obgleid)  fte  eS  ift,  unb  ftellte  mir  babei 
einfad)  bie  Aufgabe,  mid)  felbft  mir  objeftto  gu  machen  unb  ein 
(Stempel  gu  ftatuieren.  ©eSnafyen  liefe  id)  aud)  alles  weg, 
was  nid)t  djarafteriftifd)  für  ben  (Snbgwedf  beS  S3ud)eS  ift. 

3(d)  t)atte  bie  boppelte  Stenbeng:  einesteils  gu  geigen, 
wie  wenig  ©arantieen  aud)  ein  aufgeflärter  unb  freier  Staat 
wie  ber  Qmdjzrffye  für  bie  fidjere  (Srgieljung  beS  eingelnen 
barbiete,  Ijeutgutage  nod),  wenn  biefe  ©arantieen  nidjt  fd)on 


166  Berlin. 

in  ber  gfamilie  ober  bcn  inbtoibueQen  33erf)ältniffen  öor* 
Ijanben  jtnb,  unb  anbemteilS  ben  pft)d)ifd)en  $rogefc  in  einem 
reid)  angelegten  ©emfite  nadjguweifen ,  weldjeS  mit  ber 
fentimental-rationeQen  SReligiofttät  beS  heutigen  aufgeflärten, 
aber  fd)Wäd)lid)en  ©eiSmuS  in  bie  SBelt  geljt  unb  an  iljre 
notwenbigen  (Srfdjeinungen  beu  willfürlidjen  unb  pljantaftifdjen 
SKa&ftab  jener  wunberlidjen  JReligiofttät  legt  unb  barüber  gu 
©runbe  geljt.  ©ie§  wirb  ber  Snljalt  beS  groeiten  Seilet  fein, 
©od)  ift  mir  bie  angewanbte  SRoüeQtftif,  gum  Seil  auf  äufcereS 
unb  inneres  (SrlebniS  gegrünbet,  nod)  weit  bebenflid)er  al$ 
bie  3ugenbgefd)id)te,  unb  id)  Ijabe  eine  jämmerliche  8ngft, 
ba§  33ud)  aus  ben  £änben  gu  laffen,  ba  e£  mir  Diel  Der* 
berben  fann  unb  id),  nad)  bem  langen  Säubern  unb  ©predjen 
baüon,  mid)  fdjämen  mufe,  wenn  e£  burdjfäHt.  TOeine  ^aupt* 
ftüjje  ift  bie  Hoffnung,  bafe  baS  fpegififd)e  ©eplauber  unb 
©efd)wäjj  be§  33ud)e£  für  ftiflere  unb  feinere  Seute,  weldje 
nid)t  auf  groften  ßflat  fefyen,  angenehm  unb  unterfyaltenb 
fein  mödjte.  Unb  bieS  märe  mir  am  (Snbe  genug;  benn  id) 
fyätte  wenigftenS  ben  S3ewei£,  bafe  id)  fd) reiben  fann,  unb 
fönnte  biefe  eble  Äunft  bann  fpäter  beffer  anwenben.  2Wein 
gerabe  bei  bem  erften  Seil  ift  e£  mir  ljöd)ft  unangenehm,  bafo 
Sie  nur  bie  §älfte  bat>on  gelefen  Ijaben,  inbem  berfelbe  gu 
feiner  (Sljrenrettung  burd)auö  abgerunbet  fein  mufc.  £aben  Sie 
bie  ©üte,  mir  nad)  3f)rer  Slnfunft  in  Sena  balb  ^fyrt  Slbreffe 
gu  fdjicfen,  bamit  @ie  bann  baS  gange  Sud)  erhalten  fönnen! 
9Hexne  Derefyrte  ©önnerin,  bie  grau  ^rofeffor  Lettner, 
bitte  id)  bis  baljtn  aud)  nod)  für  ben  £einrtd)  woljlgeftnnt 
gu  bleiben;  er  wirb  ftd)  balb  genug  fd)led)t  aupljren  unb 
bann  ifjrer  ©nabe  Biefleidjt  öerluftig  werben. 

Sfyr  immer  gleicher  ©ottfr.  ÄelTer. 


57.  Sin  Sityelm  IBaumgartner,  27.  TOärj  1851.  167 

57*  |ltt  IßUlpeUit  $üum$üvintv  itt  iüridj* 

»erlin,  ben  27.  ÜRärg  1851. 

Sieber  greunb!  3»d)  banfe  ©ir  fefyreft  für  ©einen  freunb* 
liefen  SBrief,  welcher  mid)  in  boppelter  Söeife  überrafd)t  l)at. 

ßrftenS  war  er  ein  anmutiger  SBorbote  eines  SriefeS 
Don  Sllfreb  (Sfdjer  unb  rife  mid)  um  einen  Sag  früher  au§ 
ber  Ungewifefyeit  über  bie  500  SanbSinänner,  welche  mir 
unfere  ^Patriarchen  wieber  Dotierten.  3d)  fyatte  @fdt)er  blofe 
angefragt,  ob  er  meine,  bafe  id)  ben  (Staat  nod)  einmal  an* 
pumpen  fönne,  unb  erwartete  erft  eine  Antwort  hierüber. 
Statt  beffen  [teilte  er  aber  fogleid)  ben  Antrag  unb  realifterte 
bie  ©adje.  6S  fängt  aber  bod)  an,  mid)  gu  genieren,  ba 
id)  einen  alten  unb  feltfamen  ©tipenbiaten  Dorfteile  unb  e£ 
bei  unferen  Weinen  unb  fnappen  23erf)ältniffen  nod)  nie  Dor* 
fam,  bafe  man  einen  im  2llter  fd^on  Dorgcrütften  jfrmftmenfdjen 
reifen  liefe. 

ßweitenS  Ijat  mid)  ©ein  Sßrief  aud)  fonft  aufgeheitert, 
unb  id)  fefye  nun  ein,  bafe  id)  mit  meinen  mifantljropifd)en 
©rillen  im  Unrechte  war.  @S  war  inbeffen  nid)t  fowoljl  ©eine 
gaulfyeit  im  Schreiben,  welche  id)  an  mir  felbft  genugfam 
Fenne,  als  anbere  Seidjen,  aus  welken  id)  eine  (Srfältung 
gu  erfennen  glaubte.  So  als  g.  33.  ber  junge  23ofel)arb  Dom 
C&U  lit<Sraire  nad)  Serlin  fam,  id)  ifyn  angelegentlid)  nad) 
allen  ©tammgäften  unb  ?freunben  fragte  unb  er  aud)  nidjt 
Don  @inem  einen  ©rufe  an  mid)  gu  beftellen  Ijatte.  3d) 
fefcte  nämlid)  DorauS,  t>a^  fowofyl  feine  3?eife  als  meine 
2lnwefenl)cit  in  ^Berlin  befannt  wären.  Steffen  Ijabe  idj 
wirflid)  einige  bittere  Erfahrungen  gemalt,  bod)  glürflidjer* 
weife  nur  an  Seilten,   bei  benen  es  fid)  oerfebmergen  läfet. 


168  Berlin. 

©ann  Ijabe  id)  aud)  ben  eigentümlidjen  Unftern,  bafj  man 
mir  oft  33orroürfe  über  bcn  5Hangel  an  9iad)rid)ten  mad)t  unb 
mit  einem  fleinen  mageren  SBriefe  einen  großen  unb  bitfen  öon 
mir  IjerauSlocft,  in  welkem  id)  gang  gemütlid)  frafeljle  wie 
ein  Äinb;  wenn  man  aber  bie  S3eute  Ijat,  fo  lagt  man  mid) 
fäuberlid)  wieber  pfcen  unb  gibt  feinerfeitS  fein  2eben£jrid)en 
metjr.    ©od)  genug  fyieöon. 

©u  unb  9ftuff,  welcher  mir  lejjtljin  audj  getrieben  fyat, 
Ijaben  pd)  öon  aller  ©unbe  gereinigt,  unb  id)  ermahne  ßud) 
nur  gu  fernerem  SBofytoerljalten,  als  ju  weldjem  id)  mid) 
hiermit  aud)  öerppidjte,  ba  ein  öernünftigeS  SBort  jwifcfyen 
alten  greunben  am  @nbe  ba$  SBeftc  ift  im  2Bed)fel  be§  SebenS 
unb  id)  leiber  nod)  einige  Qtit  fent  bleiben  mufc.  ©abei 
müfct  3^  bebenfen,  bafe  berjenige,  meldjer  allein  in  ber  28elt 
l)erumfäl)rt,  weit  fdjlimmer  baran  ift,  als  bie,  roeldje  gemäd)* 
lid)  gu  £aufe  pjjen  unb  bie  Äöpfe  jufammenfteefen  fönnen. 

@eE)r  gefreut  Ijat  mid)  bie  2lrt,  wie  ©u  meinen  2lnfd)lu{j 
an  geuerbad)  aufgenommen  fjaft,  unb  id)  erfefye  barauS,  bafo 
®u  bie  &a&}t  im  red)ten  2id)te  anpefyft.  2Bie  trivial  er* 
fd)eint  mir  gegenwärtig  bie  Meinung,  ba&  mit  bem  8uf* 
geben  ber  fogenannten  religiöfen  Sbeen  alle  Sßoepe  unb  er* 
l)öljte  Stimmung  aus  ber  SBelt  öerfdjwinbe!  gm  ©egenteil! 
©ie  28elt  ift  mir  unenblid)  fdjöner  unb  tiefer  geworben,  ba$ 
ßeben  ift  wertvoller  unb  intenpoer,  ber  Sob  ernfter  bebenf* 
lieber  unb  forbert  mid)  nun  erft  mit  aller  3Jiad)t  auf,  meine 
Aufgabe  ju  erfüllen  unb  mein  Sewufjtfein  ju  reinigen  unb 
ju  beliebigen,  ba  id)  feine  2luSpd)t  Ijabe,  baS  33erfäumte  in 
irgenb  einem  2Binfel  ber  2Belt  nad)gui)olen.  @3  fommt  nur 
barauf  an,  wie  man  bie  Sac^e  auffaßt;  man  fann  für  ben 
fogenannten   2ltl)ei$mu$    eben    fo    fdjöne   unb   fentimentale 


57.   Sin  Söttyelm  SBaumgartner,  27.  ÜKarj  1851.  169 

Sieben  führen,  wenn  bieS  einmal  SJebürfniS  ift,  als  für  bic 
Unfterblid)feit  u.  f.  f.;  unb  biejenigen  Kröpfe,  weldje  immer 
öon  Ijöfyeren  ©efüfylen  fpred)en  unb  unter  SltljeiSmuS  nichts 
weiter  als  roljen  Materialismus  gu  üerftefyen  im  [tanbe  pnb, 
mürben  freilid)  aud)  als  Reiften  bie  gleichen  grobjinnlicfyen 
unb  eigenfüdjtigen  Sengel  bleiben,  bie  fte  als  „Ijöfyere" 
©eiften  fcfyon  ftnb.  3d)  fenne  fold)e  Ferren!  3nbeffen  bin 
id)  meit  entfernt,  intolerant  gu  fein  unb  jeben,  ber  an  ©ott 
unb  Unfterblid)feit  glaubt,  für  einen  fontpleten  (Sfel  gu  galten, 
mie  eS  bie  ©eutfdjen  gewöfjnlid)  tfyun,  fobalb  fte  über  bem 
Siubifon  ftnb.  (SS  mag  manchen  geben,  ber  bie  gange  @e* 
fd)id)te  ber  $fyilofopl)ie  unb  felbft  geuerbad)  grünblidjer 
ftubiert  i)at  unb  t>erftel)t,  wenigftenS  formell,  als  id),  unb 
bod)  ein  eifriger  Seift  ift,  fo  mie  id)  mefyr  als  einen  efyrlidjen 
£anbwerfSmann  fenne,  ber  ben  Seufel  was  Don  Sßfyilofopfjie 
fennt  unb  bod)  fagt:  3d)  fann  in  ©ottSnamen  einmal  nid)t  au 
bergleid)en  ©inge  glauben!  Sot  ift  tot!  ©afyer  fommt  es, 
obgleid)  nad)  unb  nad)  alle  TOenfdjen  gur  flaren  (SrfenntniS 
fommen  werben,  einftmeilen  nod)  auf  bie  innere  Drganifation 
unb  Diele  äußere  3uftänbe  an.  3d)  möchte  baljer  aud)  nidjts 
Don  grobem  £ofyne  unb  gemaltfamer  8lufDringlid)feit  miffen. 
9?ur  für  bie  Äunft  unb  Sßoejte  ift  öon  nun  an  fein  £eil 
meljr  ofyne  öollfommene  geiftige  greiljeit  unb  gangeS  glühen« 
beS  (Srfaffen  ber  ÜRatur  oljne  alle  yitbtw*  unb  §intergebanfen; 
unb  id)  bin  feft  übergeugt,  bafc  fein  Äünftler  meljr  eine  j&u* 
fünft  Ijat,  ber  nid)t  gang  unb  auSfdjliefclid)  fterblidjer  SJtenfd) 
fein  miH.  ©afyer  ift  mir  aud)  meine  neuere  (Sntmicflung 
unb  fjeuerbad)  für  meine  bramatifdjen  Sßläne  unb  Hoffnungen 
weit  wichtiger  geworben,  als  für  alle  übrigen  Segiefyungen, 
weil  id)  beutlid)  füfyle,  bafe  id)  bie  9Jtenfd)ennatur  nun  tiefer  gu 


170  IBcrün. 

burd)bringen  imb  gu  erfctfjcn  befähigt  bin.  SebeS  bramatifd)C 
©ebid)t  wirb  um  fo  reiner  unb  fonfequenter  fein,  als  nun 
ber  lefcte  Deus  ex  machina  öerbannt  iftf  unb  ba&  abge* 
brauchte  Sragifcfye  wirb  burd)  ben  mirflidjen  unb  ooQenbeten 
Job  einen  neuen  Sebenöfeim  gewinnen. 

sJKein  alter  unfterblidjer  SRoman,  „S)er  grüne  £einrid)\ 
ift  enblid)  fo  weit  gebieten,  bafy  ber  erfte  33anb  gebrucft  ift. 
3d)  weife  nod)  nid)t  beftimmt,  ob  id)  aus  bem  SRcfte  einen 
ober  gwei  SBänbe  madjeu  werbe,  ob  alfo  baS  ©anje  jwei* 
ober  breibänbig  fein  wirb;  bie§  wirb  jid)  jebod)  nädjftenS 
wäljrenb  beS  ©rucfeS  entfdjeiben.  3d)  t)abe  nur  feiten  au 
bem  39ud)e,  weldjeS  inbeffen  ein  ganj  anbereS  als  ba%  ur- 
fprünglid)  angelegte  geworben  ift,  gefdjrieben,  ba  id)  aud) 
in  9iüdfftd)t  auf  meine  ©taatSunterftüjjung  etwas  lernen 
mufete  unb  oorjüglid)  aud)  bramaturgifdjen  ©tubien  unb 
$rojeften  nad)f)ing.  ©er  SSerleger  behauptet  nun,  bie  33er* 
fenbung  für  biefe  Dftern  fei  nun  wieber  oerfpätet,  unb  muffe 
man  ben  £erbft  abwarten.  Snbeffen  werbe  id)  jebenfaHS  balb 
©jcemplare  nad)  £aufe  unb  anberweitige  gfteunbe  beforbem. 

(äinen  S3anb  ©ebidjte,  ben  er  fdjon  feit  9?euja^r  in 
£änben  Ijat  unb  beffen  erfte  fed)S  Sogen  aud)  gebrucft  ftnb, 
läfet  er  nun  ebenfalte  liegen,  wafyrfdjeinlid)  weil  er  beibe 
Dpera  jufammen  Derbreiten  will.  ®ieS  ift  ärgerlid);  inbeffen 
Ijat  er  mir  baS  Honorar  bejaljlt,  unb  ift  felbigeö  in  biefem 
oerbammten  ©anb^aufen  Serlin  fd)on  fpurloS  öerftegt. 

Dr.  6fd)er  fdjrieb  mir,  er  wolle  biefe  $5robufte,  wenn 
id)  fie  gefdjidft  t)ätte,  ben  Seljörben  oorlegen.  3d)  weife  aber 
nid)t.  weldjen  (Sinbrutf  biefelben  machen  werben,  ba  meine 
^euerbad)ifd)en  „'DJhiggen"  beutlid)  baran  l)erumfd)wirren,  ob- 
gleid)  burdjauö  anftänbig  unb  gemeffen.    3d)  befürchte  faft, 


57.   3ln  Söttyehn  SBauuißartner,  (September  1851.  171 

e$  fönnten  twn  übelwollenber  Seite  etwa  fpöttifd)e  SBorwfirfe 
laut  werben,  baf$  man  ein  fold)e§  Äräutlein  gepflegt  unb  ge* 
näljrt  fyabt.  Schreibe  mir  bod)  ©eine  2lnftd)t  hierüber,  oljne 
inbeffen  einftweilen  baoon  ju  fpredjen! 

(September  1851. 

ßnblid),  nad)  fjalbjäljrigem  Unterbind),  will  id)  bod)  an 
bie  Seenbtgung  biefeS  Briefes  geljen  unb  baS  alte  33latt  bei* 
behalten,  obgleid)  ber  3nl)alt  beSfelben  nun  teilweife  überlebt 
i(t.  3>d)  glaubte  bajumal  um  biefe  Seit  felber  wieber  unter 
(Sud)  ju  wanbeln  unb  gelegentlid)  einen  Stoppen  mitju* 
trinlen;  allein  meine  SSerbannung  oon  ber^eimat  wirb  nod) 
ein  paar  Monate  anbauern  unb  jwar  fo,  bafy  id)  ben  Sag  ber 
^peimfeljr  nod)  gar  nid)t  beftimmen  fann.  S)enn  id)  möd)te 
nid)t  nur  einen  etmeldjeu  (£rfolg  alö  Sftefultat  ber  gehabten 
Äoften  mit  nad)  £aufe  bringen,  fonbern  id)  mufe  aud)  trachten, 
mit  bemfelben  etma§  flingenbe  Bewaffnung  jufammenjuraffen, 
um  nid)t  wäfyrenb  meines  erften  Aufenthaltes  in  &üxid)  gleich 
wieber  mid)  fo  mtferabel  unb  gelbloS  umljer  ju  treiben.  SMeS 
altes  fjoffe  id)  burd)  meine  bramatifdjen  Arbeiten  gu  bewerfen. 
3d)  Ijabe  erft  in  ben  legten  TOonaten  einige  gute  Befannt* 
fdjaften  gemacht,  burd)  weldje  id)  Ieid)t  an  ben  je^igen  3n* 
tenbanten  ber  fgl.  Sühnen  gelangen  fann.  kleine  neuen 
fjreunbe  wollen  tfjm  ein  Suftfpiel  oon  mir,  ba£  nädjftenS 
fertig  fein  wirb1)  oftrotyieren;  unb  wenn  e£  einigermaßen  fiid)* 
faltig  ift,  fo  wirb  bie  Aupljrung  im  @d)aufpiell)aufe  nidjt 
ju  ben  Unmöglidjfeiten  gehören,  jumal  ba$  wunberlid)e  2efe* 
fomite  beS  ^rofeffor  SRötfdjer  unb  Äonforten,  an  weldjeS  id) 
früher  ju  gelangen  bad)te,   nun  umgangen  wirb;   benn  ber 


l)  w3ebem  5a3  ©eine". 


172  SerliiL 

neue  Sntenbant1)  fyat  ben  Äonpitutionali§mu§,  als  ehemaliger 
©arbelieutenant,  abgejdjafft.  @n  groeüeS  £u|tfpicl  iji  fdjon 
angelegt2),  bagegen  ein  Srauerfpiel,  ba&  id)  früher  grofeen* 
teile  fertig  Ijatte,  gurücfgeftellt,  ba  man  mit  2uftfpielen  für  jefct 
beffer  anfommt.  £abe  id)  mid)  einmal  burcfygebiffen,  fo 
»erbe  id)  fdjon  meinen  eigenen  2Beg  gelten  unb  meine  ernfteren 
bramaturgifd)en  ©tubien  anmenben.  ©ie  9iot  lefyrt  ßinen 
leiber  flug  fein. 

©od)  bitte  id)  ©id)  biefe  $rojefte  unb  2lu$jtd)ten  einfb 
meilen  nod)  ju  oerfdjroeigen,  ba  id)  nid)t  immer  2ärm  fd)lagen 
mag,  efye  bie  alten  £d)üf[e  einmal  au§  ber  glinte  fmb. 
Vornan  unb  ©ebidjte,  beibe  fdjmad)  unb  für  mid)  fd)on  über* 
lebt,  werben  im  Cftober  üerfdjicft  »erben.  SBenn  id)  nidjt 
ba$  Honorar  fo  nottoenbig  gebraucht  I)ätte,  fo  ttmrbe  id) 
biefelben  gang  gurüctbe^alten  I)aben.  ©od)  mögen  fte  gur  anberen 
verlorenen  unb  mit  ©ummfyciten  gugebradjten  S^it  gum  Seufel 
gelten!  3d)  fdjaue  nur  nad)  üortoärt§  unb  bin  einjig  be* 
badjt,  mit  meljr  SBcrftanb  au§  bem  6tüdfd)en  Seben,  ba$ 
nod)  bleibt,  l)erau§gufd)Iagen,  ma§  möglid)  ift,  unb  einen 
guten  9Jamen  aus  ber  jämmerlichen  ©taubmolfe  I)erau§gu* 
fatoieren. 

SBenn  id)  in  fflcrlin  mit  einem  ©tücfe  refifftere,  fo  bin 
id)  für  einige  3^t  geborgen,  ba  bieS  für  bie  meiften  Heineren 
Sweater  mafegebcnb  ift.  ©od)  Ijabe  id)  nod)  eine  fritifdje 
3eit  bi§  bafyin  burdjgumaten,  befonbcrS  ba  ba3  eingangs 
bicfe$  33ricfe3  empfangene  ©tipenbiwn  nun  glücflid)  aufge* 
braud)t  ift.  ©od)  tljut  bieö  nichts  gur  @ad)e;  bin  id)  ein* 
mal  au3  bem  ©recf  I)erau§,    fo  werbe  id)  mid)  freuen,  eine 

')  «frerr  von  hülfen. 
»)  2öof)l  „Sie  3Kot&en\ 


57.   2ln  SBttyetm  äßaumgartner,  (September  1851.  173 

gute  ßcit  an  2Binb  unb  Sßetter  geftanben  gu  fyaben.  ©enn 
meine  SJtojrime  ift  geworben:  wer  feine  bitteren  (Srf aljrungen 
unb  lein  Seib  fennt,  ber  fyat  leine  5Kalice,  unb  wer  feine 
SHalice  t)atf  befommt  nidjt  ben  Seufel  in  ben  Seib,  unb  wer 
biefen  nid)t  f)at,  ber  fann  nichts  ÄernljafteS  arbeiten1).  2to 
fonftigen  leibenfdjaftlidjen  Erregungen  f)at  e§  mir  aud)  nidjt 
gefehlt,  unb  bieS  aQeö  £)at  mid)  üor  bem  geiftigen  5ßt)tlifter* 
tum  bewahrt,  welches  manchem  nciljer  flfct,  als  er  glaubt 
unb  mid)  menigftenS  fdjon  gang  artig  umfponnen  Ijatte. 

SRidjarb  Sßagner  fyabe  id)  fdjon  in  £eibelberg  in  feinen 
erften  Schriften  fennen  gelernt  unb  fertiger  alles  mit  großem 
Sntereffe  üerfolgt,  xoa&  id)  öon  iijm  erfuhr,  g.  33.  ben  2tof* 
fafc  öon  SiSgt  über  ifyn.  ©ein  @d)riftd)en  über  „(Sin  Sweater 
in  Sü"d)"  fyabe  id)  mir  fommen  laffen  unb  mit  $reuben 
gelefen;  unb  obgleich  e§  leiber  gunädjft  nid)t  triel  folgen 
f)aben  wirb,  fo  Ijat  eS  bod)  meine  fdjon  früljer  gefaxte  £>off= 
nung  beftärft,  bafe  id),  nacfybem  id)  mir  in  ©cutfd)lanb  üiel* 
leicht  einigen  ßrfolg  unb  Erfahrungen  erworben  ^aben  werbe, 
gu  §aufe  nidjt  gang  abgefdjnitten  fei,  fonbern  ein  %db  gur 
SBirffamfeit  in  üaterlänbifdjer  Suft  pnben  bürfte.  3d)  bin 
mit  bem  @d)riftd)en  gang  einoerftanben,  nidjt  fo  mit  ben 
legten  Äonfequengen  bon  2Bagner3  3&*en  fl^er  bie  Äunft  ber 
ßufunft.  @S  oerftefjt  ftd)  atlcrbingS,  bab  alte  fünfte  ber* 
einft  nod)  in  größerer  Harmonie  al3  jefct  im  ©rama  auf* 
gelten  werben,  unb  gewife  aud)  bie  9Jiaffe,  ba§  SSolf  felbft, 
fid)  beteiligen  unb  felbft  oerflären  wirb  burd)  bie  Äunft; 
allein  baneben  wirb  immer  ba$  entfdjiebene  33ebürfui§  inbi* 
öibueUer  SSirtuofttät  im  eingelnen  befielen  bleiben;  baS  tyri* 

!)  „II  faat  pour  reussir,  qtTun  artiste  ait  le  diable  au  corps." 
Voltaire. 


174  Berlin. 

fdje  ©ebidjt,  ba3  ©taffeleibtlb  (mit  Äupferftid)  k.)  unb  alle 
foldje  ©inge  entfpredjen  einer  be[timmten  unb  öorljanbenen 
©emutSlage  unb  Sfäfyigfeit.  Überbieg  ift  bag  gemalte  unb 
in  Marmor  gehauene  fyleifdE)  bes  menfdjlidjen  ÄörperS  fo* 
toie  bie  ganje  ©eftalt  etroaS  himmelweit  33erfd)iebene3  Don 
ber  Sftatur,  unb  in  biefer  33erfd)iebenljeit  ift  e§  ©elbjt* 
groedf.  Sie  fd)önfteu  TOenfdjen  mögen  in  ben  burd)bad)teften 
©ruppen  gufammentreten,  fo  ift  eö  immer  nidjt  ba*,  roaS 
man  im  gemalten  ober  plaftifdjen  SEBerfe  fudjt  unb  pnbet. 
Snbeffen  bie  £iftorienmalerei  ift  immerhin  preisgeben,  in» 
fofern  fte  nad)  bisherigem  UfuS  nur  arrangierte  ©jenen  bar* 
ftetlt,  bie  aflerbingS  eljer  bem  Sweater  anheimfallen. 

3d)  erfefye  au§  ©einem  SSriefe,  ben  id)  tmeber  Ijeroor* 
gefudjt,  ba&  ©u  beE)acjlirf)  unb  jtdjer  geftellt  bift  unb  lebft. 
Um  fo  eljer  roünfdje  id),  bafe  nun  aud)  balb  bie  ©rfußung 
©einer  Ijöljeren  3fatereffen  fyinjutritt. 

Äann  ©ir  beim  §err  Söagner  nid)t  ju  beutfd)en  33er* 
legem  Reifen?  34)  fyabe  in  Serlin  bie  ©elegenfyeit  benufct 
unb  fyabe  Diele  Äonjerte  befugt;  allein  mein  mufilalifdjeS 
Urteil  ift  nod)  jiemlid)  auf  bem  alten  Sßunfte,  ba  id)  feiger 
feinen  Umgang  mit  SRujtfern  fyatte.  hingegen  bilbenbe 
Äünftler  lernte  id)  feljr  tüdjtige  fennen  unb  erfreue  mid) 
it)re§  Umganges,  ©ie  £)per  mufcte  id)  leiber  oernad)läfftgen; 
ba  id)  mein  ©elb  auf  ben  Ijäufigen  33efud)  be3  ©djaufpteleS 
oerroenben  mufe,  fo  Ijabe  id)  roeber  ben  „^ropfyeten11  nod) 
trgenb  ein  anbereS  ©tücE  ber  ütteugeit  gejeljen  unb  befcfyränfte 
mid)  barauf,  bie  berüfymteften  alten  ©adjen  oon  ©lud  unb 
3Kojart  fennen  gu  lernen.  $m  @d)aufpiel  aber  f)abe  id), 
begünftigt  burd)  bie  s3Jiarotten  ber  Diepgen  Ferren,  ber  9teil)e 
nad)  alle  ©idjtungen  oon  ©Ijafefpeare,  ©oetlje,  ©exilier  unb 


57.  3ln  2öttyelm  SBauingartncr,  (September  1851.  175 

triel  franjöftfdjeS  Suftfpiel  aufführen  gefeljen,  wa§  metner  @r* 
faljrung  ju  gute  fam,  fo  wie  id)  auSgejeidjnete  ©äfte  falj 
imb  mit  ber  3fiad)el,  bie  gmei  TOal  tyier  war,  ba£  franjöfifdie 
SBefen  unb  äugleid)  eine  geniale  ©eftalt  ftubieren  fonnte. 

©ie  ^Berliner  (Sdjaufpieler  finb  oljne  ©enie  unb  bewegen 
ftd),  mit  feltenen  SluSnaljmen,  in  langweilig  anftänbiger 
9Hittelmafeigfeit.  ©od)  finb  fte  in  ber  Äomöbie  nod)  ganj  gut 
gebraudjlid).  @3  ift  mir  üon  ber  Sntenbanj  aus  erft  jefct 
ein  gfreibillet  angeboten  worben  al§  einem  ftrebenben  Süng* 
ling;  allein  id^  nat)tn  e£  nidjt  meljr  an,  ba  id)  bod)  öfter 
t)ingel)en  müfcte  unb  id)  gerabe  jefct  nidjt  mefyr  $z\t  ^be 
unb  mit  meinen  eigenen  $robuften  gu  fet)r  befdjaftigt  bin. 
3d)  fyabe  eine  mäfcige  SReifje  öon  Stoffen,  fomoljl  fomifdje 
wie  tragifdje,  bie  id)  burdjffifyren  will,  ©od)  ftnb  biefe 
©adjen  nirf)t  ba£,  was  id)  für  ba£  Slbfolute,  aud)  in  £in* 
fld)t  meiner  perfönlidjen  S3erf)ältniffe,  fyalte:  uielmeljr  betraute 
id)  jte  für  eine  ÜbergangStfyätigfeit  ober  einen  Anfang,  ba 
einerfeits  id)  felbft  nod)  nid)t  bei  ber  t)öd)[ten  (ärfafyrung, 
beren  id)  mid)  fä^ig  glaube,  angelangt  bin,  unb  man  anbrer* 
feitS  nid^t  wiffen  fann,  weld)e  Sforberungen  bie  fommenben 
3at)re  burd)  ifyre  gefd)id)tlid)e  wie  wiffenfcfyaftlidje  Gmtwidlung, 
beibe  nid)t  öorauSjufeljen,  aufftellen  werben.  3>njwifd)en 
fyabe  id)  mir  bie  gröfcte  (5mfad)I)eit  unb  Älarljeit  jum  $rinjip 
gemacht:  feine  gntrigue  unb  23erwicflung,  fein  Befall  u.  f.  f., 
fonbern  ba£  reine  Slufeinanberwirfen  menfdjlidjer  Seiben* 
fcfyaften  unb  innerlid)  notwenbige  Äonpifte;  babei  möglid)ft 
öoQfommene  Überftdjt  unb  2Sorau§ftc^t  be£  8ufd)auerS  alles 
beffen,  wa§  fommt  unb  wie  e£  fommt;  benn  nur  fyierin  be* 
ftefyt  ein  wahrer  unb  ebler  ©enufc  für  i^n. 

Serlin  Ijat  mir  Diel  genügt,  obgleich  id)  e§  nid)t  liebe; 


176  Berlin. 

benn  ba§  Soll  ijt  mir  guwiber.  3fm  SBinter  frequentierte 
id)  einige  Qixttl  j.  33.  ben  ber  ganrü)  2ewalb,  fanb  aber 
baZ  treiben  unb  ©ebaren  ber  2eute  fo  unangenehm  unb 
trimal,  bafy  id)  halb  wieber  wegblieb,  hingegen  gibt  e$ 
treffliche  geute,  bie  im  Stillen  leben  unb  nid)t  Diel  ©eräufd) 
machen,  fowie  aud)  überhaupt  l)ier  6inem  immer  etwaä  an- 
fliegt, waS  man  in  ben  fleinen  Stäbten  ©eutfd)lanb$  nidjt 
l)at.  6in  reger  geiftiger  Serfe^r,  mag  er  nod)  fo  Derfeljrt 
fein,  regt  ben  ßinjelnen  immer  Dorteil^aft  an.  ©od)  feljne 
id)  mid)  red)t  fyerjlid)  einmal  nad)  £aufe  unb  toünfc^e 
Serlin  gum  SScufel.  33efonber£  bie  Dielen  gefttage  beS  Der* 
gangenen  Sommert  im  SBaterlanbe  fyaben  mir  oft  £eimwel) 
gemacht. 

3d)  würbe  bei  biefer  ©elegenfyeit  gern  meine  ©ebidjte 
unb  Vornan  mitf djiefen;  allein  id)  Ijabe  fte  nid)t  unb  toeiB 
nidjt,  warum  ber  Serleger  fte  nidjt  fdjicft.  33on  lefcterem 
beftjje  id)  nur  ben  erften  unb  gweiten  Seil  unb  will  bafyer 
nod)  warten.  3d)  lege  einige  gefcen  ber  ©ebidjte  bei,  bie 
gerabe  bei  ber  £anb  pnb.  ©od),  wie  gefagt,  e$  pnb  alte 
@ad)en,  unb  id)  bin  mit  Dielen  €>d)mergen  ein  gang  anberer 
TOenfd)  unb  Sitterat  geworben,  alö  bort  erftd)tlid).  3d)  mufete 
bie  frühere  ©ebanfenloftgfeit  unb  gaul^eit  büfeen,  befonberS 
bie  3eit,  bie  id)  in  3ünd)  öerlümmelt  fyabe.  ©od)  war  aud) 
meine  SfoUerung  Diel  fdjulb;  benn  e3  galt  in  Qüxxd^  nid)t 
für  guten  £on,  litterarifdje  unb  poctifdje  33eftrebungen  grünb* 
lid)  unb  wofylroollenb  ju  burd)fpred)en. 

Dbgleid)  ba$  fortwä^renbe  2lftt)etiperen  ä  la  glugt)  aud) 
ju  nid)ts  füfyrt,  fo  ift  baö  entgegengefefcte  Gfrtrem  bod)  nad)* 
teilig.  ©te  greunbe  aber,  wie  Rollen,  ©djulg,  ß&linger  u.  f.  ro. 
waren  bod)  eigentlich  nidjt  au  fait  unferer  jefcigen  S3ebürfniffe; 


57.  3ln  2Bttyelm  33aumgartner,  September  1851.  177 

roenigftenS  erinnere  id)  mid)  nid)t  eines  eingretfenben  unb 
fruchtbaren  litterartfdjen  ©efprädjeS,  ba$  auf  mtd)  einen  @in= 
brudE  gemalt  f)ätte.  Sretltc^  abforbierte  bie  üerpudjte  Äanne* 
giefeerei  bajumal  alles.  Ad  vocem  5ßoIitif  mufc  td)  bod) 
bemerfen,  bafc  bte  SSerner  ©efd)id)ten  red)t  läufig  unb  lang* 
tocilig  auSfeljen.  3d)  mufe  hierin  ba£  Serratien  ber  „@ib* 
genöfpfdjen"  unb  „Sürdjer  3*itung"  beloben,  in  ber  Hoffnung, 
beibe  SSlätter  werben  ben  „SReuen  ©d)tt)cigcrf piegel 'J  au£ 
@t.  ©allen,  beffen  Sftefüm^  id)  in  ber  „3ürd)er  B^fang"  biä 
anfyin  las,  gehörig  abroeifen.  SßenigftenS  ber  SJMlitätpunft 
ift  mir  öerbädjtig,  roie  if)n  SBaumgartner1)  befprid)t.  —  2Senn 
bie  ©djmeijer  müßten,  roaS  ba£  alles  für  fdjrecflidje  (Sfel 
pnb,  bie  in  fflerlin  unb  2Bien  w.  immer  bie  SfateroentionS* 
@erüd)te  madjen,  fo  mürben  pe  gar  feine  SRotij  baöon 
nehmen.  Überhaupt  barf  man  nad)  meiner  Überzeugung  Der* 
pdjert  fein,  bafc,  roenn  bie  reaftionären  3Jläd)te  etmaS  mit 
ber  @d)U)eig  anfangen  wollen,  fie  bteS  ganj  plöfclid)  unb 
ofyne  öorfyerigeS  ©eräufd)  tljun  mürben,  unb  am  menigften 
jene  alten  2Bafd)tt>eiber  baöon  unterrichtet  pnb.  auf  bie 
Settartifel  ber  minifteriellen  £5rgane  fommt  e§  aud)nid)tan; 
benn  bie  Harmonie  jmifcfyen  SBort  unb  £l)at,  jrotfcfyen  fyeute 
unb  morgen,  gmtfdjen  bem  angeftellten  SRebafteur,  bem 
OTinifter  unb  bem  Regenten  u.  f.  f.  ift  in  jenen  33erljält- 
nipen  hinlänglich  befannt. 

Sftod)  fyabe  id)  eine  Sitte  an  ©id),  infofern  e£  angebt, 
roaS  id)  ©einem  Urteile  anfyeimftelle.  ?Dtan  Ijat  mir  öon 
3ena  au£  gefdjrieben,  bafe  £einrid)  Simon,  ber  @j>3fteid)8* 
regent,  ba§  33ürgerred)t  in  unferm  Danton  ermerben  mödjte 

')  S)er  @t.  ©aller  Staatsmann,  ber  SSerfaffer  be$  „(Sdjroetser* 
fptegelS". 

©ottfrieb  Äctta.  II.  12 


178  $eritn. 

unb  bafe  bcrfclbc  eS  gu  feinen  ßroerfen  nüfclid)  eradjte,  wenn 
entweber  in  ber  treffe  ober  bei  ber  ^Regierung  eS  gelegentlich 
gejagt  mürbe,  ba&  er  in  feiner  £eimat  als  ein  burcfyauS 
efyrenfefter  unb  unbefdjoltener  Gljarafter  geartet  fei1).  34 
würbe  erfudjt,  meinerfeitS  aud)  fo  oiel  möglid)  baf)in  ju 
Wirten.  3d)  Fann  nun  atlerbingS,  fo  weit  unb  Diel  id)  Ijier 
l)öre,  betätigen,  bab  Simon  in  feinem  bisherigen  Saterlanbe 
ber  gröfeten  Sdjtung  genofe.  23iellcid)t  fannft  2)u  bem  ftounb 
Spgri8)  eS  beibringen,  bafe  er,  im  %dü  Simons  ^Bewerbung 
gur  Sprache  fommen  foHte,  in  feiner  3«tung  irgenb  eine 
Semerfung  ober  Strafe  beifügt,  was  er  trieQeid)t  um  fo 
et)er  tljäte,  als  er  ftd)  immer  nobel  in  ber  §lüd)tlingSfrage 
gegeigt  fyat.  ©r  fönnte  nur  fagen:  w9Bie  wir  Ijören,  oberfo 
joiel  befannt,  märe  £err  Simon  ein  burdjauS  :c.  ic.u  So 
weit  Ijabe  id)  nun  meiner  33erpflid)tung  gegen  bie  3fatenfer 
Sreunbe  genügt  unb  bamit  bafta! 

©rüfee  mir  alle  Sefannten,  Suljer,  Sprjri,  S)ubS, 
5tteijer,  Änieper,  wo  möglich  ben  3Rötl)elis?Beibenmann,  wenn 
©u  il)n  jie^ft,  ben  Sali  Sobler3)  k.    S)em  SRuff  fdjreib  id) 

l)  Lettner  fragte  ©ottfrieb  tfeUer  am  12.  September  1851  an, 
ob  er  bem  3ftetd)3regenten  £etnrid)  Simon  baS  3üria)er  Sürgerredjt 
©ermitteln  fönne.  «freinriä)  (Simon  (1805—60)  ber  feit  184b  in  ber 
SdjtDeij  lebte,  fiebelte  im  £erbft  1851  oon  Sttariafelb  bei  teilen  nadj 
ber  nahegelegenen  Stabt  3ürtd)  über,  too  üjn  baS  ©reflauer  Urteil 
roegen  £oa>erratl)e§  traf.  <§x  erhielt  bann  im  5uli  beS  nädrfien 
3af)re3  einen  Sdjroeiaerpafe;  ogl.  3-  Sacobg,  £einrta)  Simon  2,  149. 

*)  S3ernbarb  Spt)ri,  bamalS  SRebacteur  ber  „(Sibgenöfftfdjen  3ei« 
tung",  ber  fpätere  Stabtfdjretber  oon  3ürtcb. 

s)  £einrid)  ©eibenmann,  gubenannt  „SRötfjelt"  (ber  3Kote),  gtoeiter 
Staatsfdjreiber  in  3ürid).  —  Salomon  Nobler  (1822—54),  eoljn  beS 
gleidjnamigen  £id)ter§,  ftubierte  in  3üricb  unb  Seipjig  gftebijin,  naljm 
1854  beim  Sluöbrud)  be§  rufftfä>türFifa)en  Krieges  S)ienfte  als  2Rilüär« 
arjt  unb  ift  im  gleiten  3al)r  an  ber  (Spolera  in  Saturn  geftorben. 


58.   2ln  Hermann  £ettner,  16.  STpril  1851.  179 

• 

felbft.  2Ba£  madjt  bcnn  $lugij?  #at  er  ftd)  nod)  nid)t  oon 
feinem  oerrücften  „(Sarbenio"  erholt?  Sft  Sßalber  fdjon  Dberft* 
Iieutenant?  Schreibe  mir  bod)  einige  Älatfdjereien!  @£  ift  ge* 
tüife  manches  paffiert!  ©enrifj  Ijat  etwa  eine  3ungfrau,  hinter 
ber  man  e$  nid)t  gefud)t  t)ätte,   ein  uneheliches  Äinb   be* 

fommen  mit  einem  ©djafsfopfe 2fad)  berid)te  mir, 

ob  ©u  immer  nod)  bamit  umgebt,  ©eine  3ungfernfd)aft  ju 
opfern,  unb  ob  bie  ©limora  SReifer  ntd^t  ju  biefem  S^edE 
roieber  nad)  Sönd)  lomme?  Ober  Ijaft  ©u  üielleidjt  ernftlid) 
„gemä^lt"  ober  „gefunben"  unb  gebenfft  ©eine  Sefiionägulben 
mit  5Rett)obe  burd)jubringen,  mit  §rau  unb  Äinb? 

SBenn  ©u  trofc  meiner  Felonie  mir  bod)  roieber  fdjreiben 
roiUft,  fo  tfyue  es  balb,  ba  id)  nid)t  roeife,  roie  lange  id) 
nod)  in  meiner  jefcigen  Söoljnung  ober  überhaupt  in  SSerlin 
bleibe. 

TOit  taufenb  ©ruften  ©ein  alter 

©ottfr.  Heller. 

58*  JUt  Hermann  Seltner  itt  f  eisa* 

Berlin,  ben  16.  Stpril  1851. 

Sieber  Lettner!  6ie  fyaben  mir  burd)  Überfenbung 
3f)reö  trefflichen  TOanuffripteS  eine  große  greube  bereitet, 
unb  id)  banfe  Sljnen  auf  ba$  loärmfte  bafür1).  Saft  be= 
baure  id),    bafc  ber  ©enufc  ein  fo  einfeittg  egoiftifd)er  mar 


!)  ©emeint  fhtb  bie  bramatifdjen  ©tubien,  unter  bem  Sitel  „S)a3 
moberne  2)rama"  1852  erfd)tenen.  „£ie  unb  ba  —  fdjreibt  Lettner 
am  25.  ÜRära  1851  —  ©erben  (Sie  bie  ©enufcung  Sljrer  lieben  Briefe 
finben.  Bergeisen  (Sie  e§ !  3$  mochte  nic^t  mit  ßupfer  bejahen,  roaö 
©ie  mir  in  ©olb  eiii0ef)änbigt  Ratten." 

12* 


180  Berlin. 

unb  id)  3tönen  nid)t  wenigfteng  mit  einigem  gegrünbeten 
Säbel  nüfcen  unb  vergelten  fann.  3d)  weife  nidf)tr  liegt  eö 
an  ber  burdjgeljenben  33ortrepd)feit  S^rer  Schrift,  ober 
meinerfeitS  an  einem  TOangel  an  leerer  Überjtd)t  unb  39e* 
lefenfyeit,  bafc  id)  wirflid)  mit  bem  beften  SBillen  nichts  ju 
jagen  weife,  ©er  befte  2lu$weg  wirb  ber  fein,  bafc  unfcre 
Slnftd^ten  unb  Erfahrungen  gu  gleich  jinbr  als  bafe  ftdj  eine 
erfyebltdje  33emerhmg  entwicfeln  fönnte.  Seim  Seginne  ber 
Seftüre  glaubte  id)  mefyr  ©ingeljen  in  baö  eigentlich  $oetifd)e 
beanfprudjen  gu  muffen,  fyabt  mid)  aber  alfobalb  befeljrt 
burd)  bie  Älarljeit  unb  ben  feften  Serlauf  Sljrer  Schrift 
felbft.  3d)  ^öbe  bemgufolge  biefer  $rtoatliebl)aberei  für  baö 
fogenannt  fpegififd)  $oetifd)e  ben  legten  äbfdjieb  gegeben, 
inbcm  id)  füllte,  bafe  fie  rein  als  @ad)e  be$  probujierenben 
SnbioibuumS  oorauögefefct  werben  mufe  unb  nid)t  gur  prin* 
jipieflen  23erl)anblung  gehört,  ©iefe  finblid)e  §reube  an  ber 
munberlidjen  Situation  unb  an  ber  poetifdjen  Slusfüljrung 
(jat  bie  (Stürmer  unb  ©ränger  unb  nadjfyer  bie  Sftomantifer 
beftod)en  unb  ifyren  fritifdjen  Sölicf  öermirrt,  fo  bafe  wir  nod) 
jefct  an  ben  legten  9tarrljeiten  gu  bauen  fyaben.  ©ie  wun* 
berbare  unb  gewaltige  poetifdje  SluSfüfyrung  in  ben  £iftorien 
beö  ©fyafefpeare  tjat  bie  Seute  oerfüfjrt,  bafe  jte  ba§  ©anje 
für  mufter*  unb  enbgültig  gelten,  unb  bie  nadjljerigen  Sau« 
fdjungen  oerurfadjt,  inbem  e£  pd)  erwies,  ba$  gerabe  biefe 
2lu3fül)rung  fo  wenig  wieber  erreidjt  werben  fonnte,  als  ber 
©d)iflerfd)e  3beali8mu8  öon  ben  3aw&enmad)ern  eingeholt 
würbe. 

S^t*  S3ud)  entmitfelt  ftd)  feljr  fdjön  unb  leljrreid)  burd) 
baS  SSefen  ber  ^tftorifdjen  Sragöbie  l)inburd)  bis  gum  bür- 
gerlidjen  Srauerfpiele  unb  pnbet  ftd)  julefct  in  biefem  wieber 


an  .fjmnnnii  Seltner,   16.  äpril  1851. 


auf  ber  £öE)e  ber  waEjren  ©efdjidjte.  ©djneibet  fdjon  ber 
Hbjdjnitt  über  bie  bürgerliche  Sragöbie  tief  in  unfere  ©egenwart 
ein,  )o  Derfpredje  icl)  mir  um  \o  metjr  tum  ber  „ÖFonomie 
ber  tragifdjeu  Äunft"  bie  befte  SBirfung.  ßs  ift  fjter  fein 
3Bort,  ba«  ftd)  nirfjt  geltenb  machen  wirb;  freilid)  werben 
Diele  £erren  ftd)  nninbern,  baß  aüeä  fo  einfad)  unb  natür* 
lid)  fd>eint  unb  bod)  Don  (einem  gemerft  werben  ift  in  ber 
allgemeinen  ©ebaitfenlopgfeit.  Ungeheuer  begierig  bin  id), 
roaS  gftre  (Öftlidje  SJefrjredjung  beS  „©roförfter"  für  ©efidjter 
probujieren  wirb.  §ter  ift  bod)  ©runb  Dorrjanben,  fid)  ein 
roenig  ju  fd)ämen.  3d)  freue  mid)  ferjr  auf  beu  übrigen 
Seil  3b\rer  SIrbeit;  fjoffentltd)  werben  @ie  ba«  ©an$e  fralb 
herausgeben. 

9fur  Strien  unmaßgeblichen  SBunfd)  Ijabe  id)  auf  bem 
§erjen,  betreffenb  ben  tjiftorifdjen  6bHuS  ober  aud)  bie  5tri= 
logie.  3d)  mödjte  nämlid)  (b.  fj.  nur  in  biefem  bejdjeibenen 
Briefe),  bafe  ®ie  bie  Suldffigfeit  beSfelben  nid)t  unbebingt 
unb  für  alle  QtUm  Derroerfen.  2Senn  wir  Don  ben  ju  er= 
wartenben  großen  ffiidjtem  ber  Sufunft  fpredjen,  fo  fefoen 
wir  natürlid)  aud)  größere  3"ftä"be  unb  eine  gewaltige 
©efd)id)te  vorauf  «ms  uns  jwingen  roirb,  gugleid)  aud)  ein 
gebilbeteö  unb  bewußtes  SBolf  anjuneljmen.  Sllöbann,  glaube 
id),  tonnte  ba  ober  bort  ber  $au*  eintreten,  wo  ein  33oIf 
ober  ein  Stamm  ein  fold)e3  mit  feinem  eigenften  Sein  burd)= 
roebteS  Stficf  rurmwoner  @efd)id)te,  getragen  non  großen 
SSerfonen  ober  @reigniffeu,  burd)Iebt  t)ätte  unb  es  jugleid) 
mit  feinem  ganjen  ©emüte  eirtpfönbc,  baß  ber  bramatifdje 
3bjd)lu6  unb  bie  poetifdje  Serflärung  itjm  ein  SebürfniS 
wäre.  2>ieS  Soli  fjätte  bann  gewiß  fo  oie!  SMIbung  unb 
geifiige  Sfoäbaucr,  bafj  eS  entweber  einen  foldjen  fein  eigene« 


182  SBerlin. 

©djidffal  friftaQifterenben  (Sgfluö  entmeber  an  Ijoljen  gefttagen 
nad)  cinanber  aushalten,  ober  ftd)  bei  jebem  eingeln  gegebenen 
Seile  orientieren  fönnte,  inbem  ifym  baä  ©ange  immer  ge* 
laufig  märe.  6$  fann  natfirlid)  nid)t  bie  Sftebe  fein  i>on 
einem  grunbfafclidjen  unb  fdjulmeifterlidjen  ©erfahren,  fonbern 
nur  üon  ber  ^Berechtigung  be$  eingelnen  oorfommenben  33e* 
bürfniffeS.  SMefeS  SebürfniS  mürbe  nur  ba  gang  Ijeroor* 
treten,  mo  eine  Station  burd)  bie  beljanbelte  ©efdjidjte  grofje 
errungene  5öaljrf)eiten  unb  einen  fdjönen  Sriumpl)  über  jtd) 
felbft  mie  über  %e  geinbe  im  fonjentrierten  fiidjtbilbe  ge* 
nöffe.  2Bo  nun  eine  TOonotragöbie  nid)t  ausreiste,  müfete 
eben  ber  Gijfluö  Ijerfjalten;  benn  id)  mürbe  mit  Siebe  anö* 
geführte  2tt>fd)nitte  einem  gemaltfam  gufammengepre&ten  unb 
aßgu  fombolifdjen  ©id)tmerfe  öorgieljen,  meld)e$  aud)  meniger 
im  Sinne  be£  SBolfeS  liegt,  ©od)  ift  bie£  aHe$  nod)  in 
blauer  gerne,  unb  id)  möchte  eingig  ein  tljcoretifc^eö  ©djlupf* 
lod)  nidjt  gang  oerftopft  toiffen,  meldjeä  übrigen«  burd)  ein 
glängenbeS  gaftum  balb  mieber  eingefto&en  ift. 

©en  5tteld)ior  5Rei)r,  über  ben  Sie  fid)  mit  5Red)t  fo 
mofieren,  Ijabe  id)  öfter  in  ber  @efellfd)aft  gefefyen :  er  ift  ein 
SntimifuS  üon  SRötfdjer,  unb  e$  mirb  nadjftenS  ein  „grang 
[§ang]  tum  ©itfingen"  oon  il)m  Ijier  aufgeführt,  roeldjer 
nad)  ber  Sluöfage  feiner  eigenen  greunbe  ein  pures  @d)uU 
meiftermerl  fein  foll.  @r  ftel)t  aud)  gerabe  nid)t  aus  mie 
ein  $oet.  ffladjmatyrS  ©tücf  ift  enblid)  gu  t)aben,  unb  id) 
merbe  e§  biefer  Sage  laufen  unb  mit  großem  Sntereffe  lefen. 

3d)  lefe  jefct  ben  ©djitter^örnerfetjen  Sriefmedjfel  (nad)« 
träglid)!)  unb  ergebe  mid)  bafyer  in  ben  ©egenben,  bie 
3ftnen  gu  Syrern  fünftigen  2Birfung$freife  angemiefen  finb. 
Wögen  bie  freunblicfyen  ©eifter  ©ie  freunblid)  umfdjmeben 


59.   &n  Hermann  #ettner,  29.  «uguft  1851.  183 

unb  fegnenb  an  bcr  ©renge  entgegenfommen,  wenn  Sie  biefer 
Sage  %l)xm  ©ngug  galten,  wogu  id)  ^er^Iidf)  ©lud  wünfdje! 
9Äit  nochmaligem  S)anfc  empfehle  idj  mid)  feierlidjft 
3^rer  gangen  üerefyrten  ©reifaltigfeit. 

3^r 

©ottfr.  ÄeHer. 

GrS  wirb  nid)t  met)r  lange  bauern,  bi£  id)  S^nen  enblid) 
jenes  erfte  Strauerfpiel  fenben  werbe.  Überhaupt  bitte  id) 
@ie  an  bie  Unöermeiblidjfeit  jebeS  meiner  angefünbigten 
$robufte  gu  glauben,  wenn  baS  gatum  ben  unglücflicfyen 
Sefer  aud)  nod)  fo  fpät  einholt! 


59*  JUt  gtrusams  gettttev  in  $tibtlbtv$}). 

Berlin,  ben  29.  Sluguft  1851. 

Soeben,  liebfter  £ettner,  empfange  id)  Qfoxt  Seilen, 
roeldje  mid)  bei  af)nlid)en  ©ebanfen,  bie  id)  feit  einigen  Sagen 
über  unfere  SBerabrebung  f)egte,  betrafen.  2üfo  einftmeilen 
bie  9iad)rid)t,  bafc  id)  allerbingS  nod)  in  SBerlin  bin,  unb 
gwar  immer  in  ber  alten  2Boi)nung  unb  aud)  tjierfelbft  Der* 
bleiben  werbe  bis  gum  ©pätfyerbfte,  ba  id)  enblid)  t)ier,  fd)on 
im  begriffe,  mid)  baöon  gu  machen,  nod)  gute  neue  greunbe 
unb  Sefannte  gefunben  unb  mid)  entfd)Ioffen  Ijabe,  in  Serlin 
ben  ©runbftein  gu  meiner  reftaurierten  poetifdjen  (Saniere 
gu  legen. 


!)  25a§  Original  biefeS  Briefes  befinbet  fld)  in  ber  reiben  Sluto- 
grapljenfammlung  oon  £errn  SUeyanber  2ftener«(5oljn  in  Berlin.  S)em 
oereljrten  £errn  Verleger  banfe  id)  für  bie  freunblidje  SJMtteilung  einer 
Slbförift. 


184  Berlin. 

äu3  öerfdjiebenen  SRücfftdjten  ift  e3  mir  unmöglich, 
Syrern  lotfenben  33orfc^lagc  einer  $(jüringerreife  gu  ent* 
fpredjen ;  fyauptf ad)lid)  oerfyinbert  mid)  bie  arbeit.  3$  fyabe 
unerwartet  einen  ©eitenpfab,  einen  bebeeften  Schleichweg  in 
bie  $lanfen  beö  je^igen  Stljeaterintenbanten  gefunben,  mit 
Umgebung  be£  furd)tbaren  Sftötfdjerfdjen  SBorwerfeS,  unb 
werbe  ben  guten  SÄann  mit  einem  foeben  fabriziert  werben- 
ben  Suftfpiele  überfallen.  SBenn  alles  gut  geljt,  fo  fefyre 
id)  im  SBinter,  nad)  einem  33efud)  in  ber  ©djweij,  wieber 
l)ie(jer  jurücf  unb  fudje  mid)  bann,  ju  öermefyrter  Übung, 
einigermaßen  am  .Sweater  f  eftjuf  efcen ,  wo  jid)  für  unfern 
33ad)tnai)r  bann  üielleid)t  audj  etwas  tl)un  läßt.  3d)  t)abe 
mit  Vergnügen  3^en  Sluffafc  gelefen.  @d)on  längft  fyabe 
id)  aud)  einen  in  petto,  weife  aber  nid)t,  wofyin  bamit,  ba 
mir  alle  bie  Mutabilitäten  ber  Slätter  gleidjgiltig  ober  feinb* 
lid)  fdjeinen.  ßubem  fann  id)  meinen  tarnen  nid)t  barunter 
fd)reiben,  ba  id),  felbft  balb  mit  mehreren  Sßrobuften  fyeroor* 
tretenb,  nid)t  Dörfer  als  IjerauSforbernber  SRejenfent  auftreten 
fann  unb  mag. 

©iefen  £erbft  foll  eS  mit  mir  enblid)  üormärtS  geljen. 
3d)  fann  faft  nid)t  mefjr  atmen  in  ber  alten  oerborbenen 
2ltmofpf)äre  ber  Vergangenheit  unb  freue  mid)  auf  ein  woljl* 
gemutet,  rafdjeS  unb  anfprudjSlofeS  Sßrobugieren  twn  2uft*, 
Trauer*  unb  allen  möglichen  Spielen;  benn  eS  ift  meine 
Überjeugung,  bafc  man  nur  burd)  Ijarmlofe  unb  nidjt  grüble* 
rifcfye  Arbeit,  mit  welcher  man  nidjt  ben  £>immel  ftürmen 
foll,  enblid)  ju  etwas  ©efunbem  unb  ©lüdtlidjem  gelangt. 

3d)  fyabe  feitbem  bie  „Subita  oon  Hebbel  gefe^en  oon 
feiner  grau  (id)  glaube,  id)  fafc  im  Sßarfett  neben  i^in,  wenn 
mid)   nid)t  einige  S^idjen  unb  ©gmptome  trügen),  unb  er 


59.   3ln  Hermann  Lettner,  29.  Slufluft  1851.  185 

machte  mir  großen  (Sinbrutf.  63  ift  ein  ganj  gewaltiges 
unb  tiefet  ©tütf ,  »enigftenS  fotüel  id)  baruntcr  berftanb; 
bie$  JRingen  ber  23orroeltmenfd)en  mit  ben  ©öttem  unb  bem 
©otte,  bie  ftc  in  itjrer  5Raturroüd)ftgfeit  ftd)  gefdjaffen,  ift 
ein  majeftätifdjeS  ©djaufpiel.  3d)  backte  fortroäljrenb  an 
Stuerbad),  unb  wie  ber  einfache  unb  flare  ©ebanfe,  beffen 
allfeitige  3luöfäl)r^ng  feine  Sebenöaufgabe  ift,  fld)  fo  fd)ön 
bewährte,  bafc  man  if)n  überall  anwenben  fann,  in  ber  Äirdje, 
wie  im  Sweater  unb  auf  bem  SÄarfte,  im  ©prüdje  befcfjrie* 
benen  9Haufoleum  ber  ^Berliner  Äönige  wie  in  ifyrer  @d)lofc 
firdje  unb  auf  bem  $erron  ber  33al)nl)öfe,  mo  Sfriebrid) 
©illjelm  feine  SReben  Ijält. 

3d)  lebe  jefct  in  einem  angenehmen  Äreife  einiger  geift- 
reichen  Seute,  einiger  Äaufleute,  SBeainte  unb  $ßrioatgele(jrte, 
ruhige  unb  folibe  Männer  öon  freier  ©eftnnung,  obgleid)  ftc 
nid)t  mit  einer  Partei  geljen.  ©ie  £>am>tbefanntfd)aft  ift 
jebod)  ber  ©idjter  ©djerenberg,  melier  ba$  @po§  „Söaterloo" 
gemacht  Ijat  unb  nun  ein  grofeeS  6po3  über  $riebrid)  ben 
©rofjen  madjt  *).  (Sr  ift  ein  ganger  unb  Doller  ®id)ter,  f aft 
fünf  jtg  3aljr  alt,  aber  oon  jungem  «£>ergen.  6r  Ijat  pd)  nad) 
Dielen  ©djtdffalen  erft  jefct  33at)n  gebrodjen.  ©er  ©egenftanb 
feines  @ebtd)te$  manbte  ifjm  natürlid)  bie  SSufmerffamfeit 
unb  bie  ©unft  beS  Sreubunbeö  unb  ber  fpegifif djen  ^reufcen 
gu,  fo  bafc  auf  bemofratifdjer  ©eite  unb  aufwärts  ba3  33or* 
urteil  Ijerrfdjt,  als  märe  er  felbft  ein  Sreubünbler.  ©em  ift 
aber  nid)t  fo.  (5r  lägt  bie  fieute  machen.  SBrangel  unb  anbere 
©enerale  befugen  ifjn  in  feiner  einfachen  SBoljnung,  aber 
er  gel)t  nirgenbS  f)in  unb  lebt  ganj  frei  unb  ftiH  für  pd). 

')  „&utf)en"  (1852  gebrückt). 


186  Berlin. 

3d)  bin  überzeugt,  bafc  biefer  5Rann  einer  ber  größten  $oeten 
ber  näd)ften  gwangig  unb  legten  jwanjig  galjre  ift.  6r  Ijat 
Diel  bramatifcfye  6injtd)t  unb  Gfrfaljrung,  unb  wal)rfd)einlid) 
»erben  wir  einige  Seit  jufammen  galten  unb  arbeiten,  wobei 
es  nod)  gu  [tatten  fommt,  bafy  iljm  Ijier  bie  Spüren  offen 
fielen.    @o  geljt  e$  in  ber  SBelt! 

©od)  bitte  id)  @te,  biefe  $rojefte  nod)  geheim  gu  galten, 
üorgfiglid)  weil  id)  nid)t  immer  über  ungelegte  ©er  gaefern 
mag,  el)e  bie  alten  einmal  in  ber  Sßelt  ftnb. 

3d)  felje  einem  weiteren  33riefe  unb  balb  Sljren  brama* 
turgifcfyen  ©tubien  entgegen. 

£aben  Sie  feine  Suft,  ftd)  33erltn  wieber  einmal  angu* 
f eljen  ?  Äennen  Sie  einen  Dr.  SBibmann  in  Sena,  ber  einen 
JRoman  „Sannfjäufer"  gefd)rieben  Ijat1)?  @S  wirb  unter 
meinen  Sefannten  Diel  öon  il)m  gefprod)en  unb  er  intrefftert 
mid)  gewifjer  Slntejebenjien  wegen.  2Ba3  tfyut  er  bort  unb 
für  xoa$  gilt  er? 

Sllfo  üicle  ©rufte  unb  Empfehlungen  üon  3Ijrem 

©ottfr.  Äefler. 


60*  &n  Qtvmann  grtttter  itt  fr*** 

Berlin,  [18.]  September  1851. 
Sieber  Lettner!    SBorerft  wünfd)e  id)  3fönen  unb  3förer 
geehrten  grau  ©emafyltn  Ijerglid)  ©lue!  ju  ber  abermaligen 
^Bereicherung  3fl)re§  $aufe$   unb   um  fo  meljr,    ba  e$  ein 


!)  Über  SBibmannö  „Sannrjäufer"  (1850)  t>gt  5$.  gontane, 
(Srjrifrian  grtebrid)  (Sdjerenberg  <S.  97.  S)er  ,pelb  beS  StomanS  ift 
Jriebrtd)  *Rorjmer;  2Bibmann  felbft  porträtiert  ficr)  in  ber  gigur  beS 
Farcen. 


60.  Sin  Hermann  #ettner,  [18.]  (September  1851.  187 

glücföerljeiftenber  Stammhalter  ift1).  ©ie  alttjerfömmlidjen 
unb  einfachen  9tamen,  bte  Sie  3$ren  SRad)fommen  geben, 
erquiefen  einen  befonber§  in  Serlin,  too  in  ben  ££)eejirfeln, 
wenn  öon  ben  Äinbern  ber  ©efyeimräte  bie  SRebe  ift,  bie 
2uft  oon  lauter  $ulba§,  DttomarS  unb  Üanfreben  gefd^än* 
gert  ift.  Slmalien  unb  (Smilien  jhtb  Ijier  bereite  bem  unterften 
Proletariat  angeimefen;  Seatrif  unb  Sotljar  galten  ftd)  nod) 
mit  SJtttye  im  9Q(Utfeiftanbe. 

©en  SSLuffa^  über  Sacfymatjr  ijabe  id)  nad)  3f)rer  Sin» 
Ieitung^errn  oon  3flod)au  jugefdjicft,  unb  er  ift  geftern  mit 
einigen  ärgerlichen  ©rudffefylern  erfdjienen*).  Übrigen^  ift  e8 
ein  flüchtig  gemachter  SluSjug  ber  gröfeern  frühem  Arbeit, 
bie  id)  in  ifjrem  Umfange  nid)t  ber  „JffonftitutioneHen]  Q[tu 
tung]w  übergeben  fonnte. 

3d)  beufe,  Sie  jtnb  jefct  au§  bem  SBalbe  jurücf  unb 
fyoffe,  ba&  Sie  Diel  Weiteres  unb  ©uteS  erlebt  Ijaben. 
hoffentlich  werben  Sie  ungeachtet  £errn  oon  StodjauS  <5nt* 
fernung  Don  Serlin  bod)  nod)  Ijieljer  fommen.  3d)  bin 
immer  ju  Sljrer  ©ispojttion,  bod),  ba  eö  3l)nen  nid)t§  oer= 
fd)lägt,  in  ber  erften  ober  jtoeiten  SBodje  be$  Dftober  nod) 
freier  al§  im  September. 

9Rein  2uftfpiel  betreffenb  i)at  ftd)  feiger  nod)  ein  jroeiteS 
ifütjugefunben:  Stoff  unb  $lan  jtnb  aber  ganj  einfad)  unb 
fyarmloS  unb  bejfer  ju  münblidjer  SRitteilung  geeignet8). 


')  Seliy  Lettner. 

s)  S)tefer  Sluffafc  öon  ©.  Heller  über  5tod)mabr§  „Siran!  ber 
JBergeffenljeit1'  erfdjien  in  ber  „ßonftituttoneHen  3eüung"  oom  19.  ©ep« 
tember  unb  ift  nrieber  abgebrueft  in  ben  üftadjgelaffenen  ©Triften 
©.  165  ff. 

8)  Lettner  an  Heller,  29.  Buguft  1851 :  „S)er  ©ebanfe,  ba%  (Sie 
frifd)  unb  luftig  probujieren  unb  näc^ften  SBinter  auf  bem  berliner 


188  ©crlin. 

3ngmifd)en  mad)c  id)  einige  Ijiftorifdje  ©tubien  gu  einem 
Srauerfpiele;  benn  id)  möchte  mid)  fo  einrichten,  bafe  e£  mit 
nädjftem  9ieuja^r  rafd)  nad)  einanber  losgeht  f  ba  id)  oon 
ber  Sroecfmaftigfeit  frifd)  fortgefejjter  $robuftion  in  meljrfadjer 
£injtd)t  übergeugt  bin.  ©e§naf)en  benufce  id)  bie  bisherige 
Sarenljautera  nod)  gu  mef)rfad)er  Söorbereitung. 

3d)  freue  mid)  feljr  auf  31jr  33ud)  unb  werbe  fogleid) 
eine  Slngeige  frfjrcibcn.  SßaS  bie  Grrwctymmg  meines?  geringen 
9?amenS  betrifft,  fo  ift  biefelbe  Bebenflid)1);  bod)  öorauS- 
gefefct,  bafy  Sie  bie  £altbarfeit  meiner  briefiidjen  l&ppdtoxa* 
tionen  gewife  wofyl  erwogen  unb  biefelben,  wo  e£  nötig, 
purifigiert  Ijaben,  mag  bie  ©acfye  immerhin  bleiben,  ba  man, 
offen  unb  eljrlid)  gefagt,  nid)t  wiffen  fann,  meinem  einflufj- 
reid)en  ©fei  ba  ober  bort  bergleid)en  nüfclid)  in  bie  9tofe 
ftidjt.  ©od)  werben  ©ie  ftd)  auf  einiges  5Rafenrümpfen  ge* 
fafet  gu  machen  Ijaben,  wenn  Sie,  nebft  3ftren  burd)greifenben 
Unterfudjungen  unb  Urteilen,  mit  fo  obf füren  Seuten  auf» 
marfdjiert  fommen,  wie  33ad)matjr  unb  id)  ftnb.  ©iefer 
lefctere  bürfte  übrigens  Balb  etwas  SReueS  l)ören  laffen,  bemt 
er  wirb  nid)t  woljl  abwarten  fonnen,  bis  ba8  alte  ©türf 
burdjgebrungen.  SMe  Ijieftgen  Äerle  Ijaben  iljm  \a  gefagt, 
er  möd)te  ifynen  balb  xoa$  anbereS  vorlegen !  SBarum  nimmt 
er  fte  nidjt  beim  SBort?  Statt  beffen  faut  er  immer  nodj 
am   2Rifegefd)icf  feinet  „Sxante   ber  SBergeffen^eit"    Ijerum 

Sfjeateraettel  prangen,  tröftet  mid).  (Sorgen  (Sie  nun  aber  aud)  roirf« 
lid)  baf  ür,  ba$  ba8  aüe§  fdjnell  oon  ftatten  0ef>t !  3Ran  mufc  t>a&  (Sifen 
fdjmieben,  fo  lang  c§  nod)  roarm  ift.  2lbcr  roarum  ftnb  Sic  benn  fo 
farg  unb  laffen  mid)  nidjt  einmal  (Stoff  unb  Xitel  SfyreS  neuen  Suft* 
fpielS  rotffen?" 

!)  @.  o.  6. 179  2lnm.  1. 


61.  2fa  «ansagen  r>on  (Snfe,  18.  ©eaember  1851.  189 

unb  belauert  ben  trügerifd)en  Sarometer  ber  3citung§regen* 
{tonen. 

3d)  fyobt  aud)  einige  @rjäf)lungen  unb  SRooellen  aus* 
geljeeft,  roeldje,  farbenreid)  unb  ftnnlid)  unb  reinlid)  unb  be* 
badjtig  gefdjrieben,  in  einem  33änbd)en  üereintgt,  ben  fd)led)ten 
©inbruef  üenmfdjen  (ollen,  ben  mein  formlofer  unb  ungeheuer* 
lieber  Vornan  auf  ben  großen  Raufen  machen  wirb. 

3llfo  auf  SKMeberfeljen?  3$  empfehle  mid)  ergebenft 
grüfeenb  S^rer  grau  £ettner,  ber  lieben  ©lifabetl)  unb  bem 

Selijr. 

3$r  alter 

©ottfr.  Heller. 


61»  &n  tyavnt)<x$tn  von  <£nft  in  §tvlin. ') 

£od)t>erel)rter  £err!  SBor  fünf  Sauren  ift  S^nen,  l)od)* 
üerefjrter  £err,  burd)  bie  ©efdjäftigfeit  meines  früheren  SBer* 
legerS  ein  Sänbdjen  ®ebid)te  jugefteüt  roorben,  roelcfyeS 
glücf lidjer  SBeife  jtd)  einer  freunblidjeren  aufnähme  erfreute, 
al§  e§  öerbiente;  benn  mir  roarb  barauf  bie  frofye  Über* 
rafdjung  unb  (Sfyre  eines  roo£)ln)olIenben  @d)reibenö  öon 
S^rer  £anb  gu  teil2),  bejjen  freunblid)  beifällige  £älfte  ben 
befferen  Sßrobuften  jenes  33änbd)en§  in  meinen  Slugen  nun 
roirfltd)  einen  geroiffen  2Sert  gab,  beffen  !ritifd)er  Seftanb* 
teil  aber  mid)  faft  augenblitflid)  erfennen  liefe,  bafa  id)  es 
fyier  nod)  mit  einer  guten  ©djule  befferer  Sage  ju  tfjun 
fyätte.  3n  ber  SEljat  geftanb  id)  mir  balb  bie  Sßaljrfyeit  Sfyrer 
gutigen  33emer!ungen   ein   unb   mufete   aud)    Slrnolb  SRuge 

')  S)as  Driginal  befinbet  firf)  auf  ber  itgl.  2Mbliotf)e!  in  ©erlitt. 
2)  Sgl.  33b.  1,  252  ff. 


190  ©erlin. 

red)t  geben,  welcher  bie  Heine  Sammlung  irgenbroo  eine 
öoreilige  nannte. 

SBenu  id)  mir  nun  bie  greiljeit  nefyme,  bie  ÜBorauS* 
fefcung  3ftrer  gütigen  Erinnerung  benufceub,  3ftnen  oorlie* 
genbeS  33ünbeld)en  neuerer  ©adjen  gu  überreichen,  fo  muß 
id)  leiber  mit  33efd)ämung  gum  üorau§  anfünbigen,  bafe 
felbige  mit  ber  oben  angerüfymten  ©elbfterfennung  nid)t 
©djritt  gehalten  unb  in  anberer  SBeife  wieber  nid)t  ein 
gutes  Sing  gu  nennen  fuib.  ©djon  feit  groei  Sauren  in§ 
Steine  gefdjrieben  unb  feit  faft  einem  Safyre  gebrudft  auf 
bem  Sager  be$  SBerlegerS  liegenb,  ftnb  fie  mit  wenigen  3u§* 
nahmen  bie  äußerlichen  lonoentionellen  ^robufte  einer  ©tim* 
mung  unb  Seit,  meiere  mefyr  nad)  ftofflidjer  unb  lompafterer 
S^ätigfeit  fyinbrängte,  wäfjrenb  bod)  fein  Ergebnis  hinter 
mir  lag,  meines  mid)  /ba$  innere  SebürfniS  unb  ben  SBert 
magrer  Srjril  fyätte  empfinben  unb  fdjäfcen  laffen  lönnen. 
©enn  nad)  bem  erften  SRaufdje  ber  Sfugenb  lann  meiner 
SJJeinung  nad)  nur  ba$  intenftoe  2ebenSgefüf)l  beS  s3Äanne$, 
ber  in  ftiHen  Momenten  auSrufyt,  etwa$  urirflid)  ©ute$  in 
ber  Sgrif  gu  ftanbe  bringen. 

3d)  möd)te  Sie  alfo  bitten,  Ijodjgeeljrter  #err,  ba$  burd) 
bie  äufeeren  gufälligfeiten  unb  9iad)Iäfjtgfeiten  beS  2eben$ 
bennod)  öeröffentlid)te  Südjlein  mit  einer  äljnlidjen  freund 
liefen  9iad)fid)t  aufnehmen  gu  wollen  roie  ba$  frühere.  Sa, 
id)  werbe  biefe  9iad)fid)t  in  gleich  ftarfem  ©rabe  balb  aud) 
für  einen  SRoman  erbitten  muffen,  weldjer,  feit  geraumer  Seit 
unter  ber  treffe,  bemnacfyft  erfd)einen  wirb,  aber  ein  form* 
lofer  unb  wunberlidjer  33erfud)  fein  bürfte. 

3lu3  allen  biefen  Söirmiffen  Ijoffe  id)  mid)  l)erau$gu* 
fd)lagen  burd)  eine  fefte  bramatifd)e  Stjätigfeit,  beren  ftctm, 


©tatt  eine«  »riefe«  an  Me  3ttutter.  191 

wenn  id)  mid)  nid)t  felbft  taufte,  nod)  oor  ben  anbern 
ffleftrebungen  in  mir  lag,  unb  ju  beren  (Sntwicflung  unb 
2lu§bilbung  id)  mid)  ungefähr  fett  einem  Saljre  in  Serlin 
aufhalte. 

3d)  mürbe  mir  längft,  Ijod)üerel)rter  £err,  bie  greifyeit 
genommen  Ijaben,  mid)  Sfynen  öorjuftellen,  wenn  e§  mir  nid)t 
an  aller  Srorm  pjr  t>cn  norbbeutfd)en  SSerfc^r  gebräcfye,  fo 
bafc  id)  mid),  nad)  einigen  öerunglüdften  93erfud)en,  gleid) 
anfangs  reftgnierenb  gurütfjog. 

3fd)  fd)tneid)le  mir  aber  mit  ber  Hoffnung,  ba&  @ie 
meine  befcfyeibene  unb  ergebene  Mitteilung  nid)t$  befto  minber 
mit  bemjenigen  ©rabe  oon  SBo^IrooHen  unb  9lad)fid)t  ent* 
gegennefymen  wollten,  welchen  @ie  oielleid)t  einer  ©enbung 
au$  ber  §erne  öerliefyen  Ijaben  mürben,  unb  empfehle  mid) 
baljer,  Ijod)jUDereI)renber  £err,  biefem  SBo^lmoHen  mit  tieffter 
£od)ad)tung  unb  Gegebenheit 

©ottfrieb  ÄeHer. 

Serltn,  am  18.  2>egember  1851. 


S)en  28.  3>ejember  1851. 

Söäljrenb  eines  33rtefe§  an  bie  ÜJhitter,  nadjbem  id)  anbertljalb 
3af)re  nicfjt  gefdjrieben: 

3$  fdjmtebe  ©erfe,  fdjretbe  Sttdjer, 
3d)  fdjreibe  SBodjen,  SRonben  lang, 
Sag'  gelben  groge  SBortc  fpredjen, 
©tetö  gibt  bie  ©djeHe  tyren  Slang. 

3$  fdjreibe  an  gelehrte  greunbe, 
Sin  jier=  unb  geiftbegabte  3frau'n, 
2tn  lebensfrohe  SBifcgenoffen; 
Sßetfc  alle  letdjtltd)  ju  erbau'n. 


192  «Berlin. 

■Kur  menn  tdfj  an  bie  ungele^rte 
Unb  arme  SKutter  fdfjreiben  toiH, 
©teljt  meiner  £§orljeit  fcrt'gc  3feber 
auf  bem  Rapiere  jagenb  ftifl. 

2)a  gilt  e£  erfttidfj,  groß  ju  fdfjreiben 
Unb  beutlidj  für  baS  äKutterauge, 
2)aß  für  baS  atternb,  t^ränenbtöbe 
®e§  ©öljnleinS  ©dfjrift  §um  2efen  tauge. 

Unb  bann  —  o  »eldfje  fdjmerjenüoHe 
Unb  fernere  fiunft!  —  baS  SBort  ju  n>ä§len, 
Da3  fd&lid&te  2Bort,  baä  Hoffnung  fpenbet 
Unb  mafjr  ift  mitten  im  Serbien! 

£),  wie  gefiel)'  id)  all  mein  %if)Un 
Unb  töte  i$ren  ©tauben  nid^t? 
©oll  \ti)  üoH  ?ifi  ben  Jrofc'gen  fpielen, 
3u  locfen  ityre  3wöerfid^t? 

»redfj'  i$  bie  alte  fd&lid&te  2Beife 
Unb  neunte  Ijeigeä  ©dfjmeidfjelroort, 
35a§  id)  fo  gerne  fpräc^c?   2lber 
©d^eud^t  bieö  nicfyt  iljr  Sertrauen  fort? 

<3i}rtib'  idfj  in  glänjenben  ©ebanfen, 
3n  reifer  Hoffnung  Senjgefüfyl? 
3Bä^r  idj  ber  2)emut  enge  ©djranfen? 
£>,  immer  bleibt'3  ein  trtiglidj  Spiel! 

mty'  id)  Rapier  unb  ©tegel  FöfHidj? 
Serien  fte  bie  33e$agli$Feit  ? 
©d)rieb'  icfj  an  eine  blaffe  fjürflin, 
2Bie  Mein  toär'  bie  SJcrtcgcn^ett! 


62.  Sin  Butter  unb  ©c$n>efter,  18.  gebruar  1852.  193 


Sag'  t$  fte  trüglid)  SBoljlftonb  a§nen, 
Um  tfyrem  bergen  mo^l  gu  ttyun? 
£lju'  id)  ba8  ©egenteil,  bamit  fte 
9?idjt  meinem  muffe  Unrecht  tljun? 

2Rid>  $at  bie  2Bett  fo  oft  betrogen, 
©o  oft  trog  id)  mein  2Rtitterlein! 
3)te  SBelt  gebiert  ftet$  neue  gormetn, 
2Rir  aber  fällt  balb  nidjtS  me$r  ein. 

$emmt  euren  Sauf,  gefdjmäfc'ge  Steinte, 
2)ie  üjr  mid)  meiner  ^ßflidjt  ent$ie§t!  — 
S3alb  lern'  id)  nun  geffiljtüott  bieten! 
3n  Sljränen  fdjrieb  id>  biefeS  Sieb. 


©erlin,  18.  gebruar  1852. 

Siebe  SJlutter  unb  ©djwefter!  ©ein  Srief  Ijat  mir  aus 
einer  grofcen  SScrlegen^eit  geholfen,  inbem  er  mir  einen  guten 
Slnlafj  gab,  enblid)  einmal  9iad)ric^ten  üon  mir  ju  geben. 
3d)  befürchtete  nämlid),  bafc  e$  fd)limmer  bei  (Sud)  ftünbe 
wegen  meinet  langen  Ausbleibens  unb  meiner  Ijinterlaffenen 
SBeroirrungen,  unb  id)  mufcte  nid)t,  was  id)  fd)reiben  foßte. 
SRun  felje  id)  aber,  bafe  SEjr  (Sud),  banf  bem  treulichen  2tu$* 
tjarren  JRegulaS,  nod)  fo  leiblich  burdjgeljolfen  bis  baljin; 
aud)  fefye  id)  an  bem  33riefe,  bafc  S)u  nod)  nid)t  gealtert  unb 
alle  9Kunter!eit  beS  @eifte§  beibehalten  fyaft,  ma§  fdjon  aus 
ber  £anbfd)rift  tjerüorge^t.  @o  fällt  e§  mir  alfo  etwas 
leid)ter,  enblid)  ju  fdjreiben.  3d)  Ijabe  öfters  grofce  Sriefe 
an  Seute  nad)  j&üxid)  gefd)icft,  bie  mir  meit  ferner  fielen, 
aber  bort  fyatte  id)  gut  fdjreiben. 

©ottfrieb  ÄeOer.    II.  13 


194  ©erlitt. 

SHein  langer  Slufentljalt  in  33crlin  Ijatte  gum  S^ecf 
mid)  am  Stljeater  befannt  gu  madjen,  baSfelbe  gu  ftubicren 
unb  alles  gu  lernen,  was  nötig  ift,  gute  ©djaufpiele  ju 
fdjreiben.  3fd)  werbe  bamit  fd)liefeen,  ein  Stücf  auf  ein 
gro&eS  ^Berliner  SEfyeater  gu  bringen,  »eil  id)  baburd), 
wenn  e8  gelingt,  für  äße  bie  ljunbert  anberen  Sweater 
in  ©eutfdjlanb  ben  Stritt  Ijabe,  weld)e  mir  bie  ©adjen  ab- 
laufen muffen,  bie  id)  aisbann  in  Sfirid)  mad)en  unb  üer* 
fenben  fann.  Slber  aller  Anfang  ift  fctjroer;  nid)t  nur  ging 
e£  nid)t  fo  fdjneU  mit  bem  TOadjen,  wie  id)  geglaubt,  fon* 
bern  e$  jtnb  eine  5Jtenge  @d)arwengeleien  unb  Umtriebe  er- 
forberlid),  um  gum  S^I  gu  gelangen,  ba  bie  93orgefefcten 
föniglid)e  Seamte  unb  2lbelid)e  ftnb,  beneu  ein  unanjefjnlidjer 
republifanijd)er  ©djweiger  fd)on  oon  »eitern  ein  ©reuel  ift. 
2lud)  gibt  eS  eine  Sftenge  üon  intrigantem  unb  aufgeblafenem 
©djriftfteHerüolf,  weldje  baS  SßarabieS  belagern  unb  niemanb 
Ejineinlaffen  wollen.  SBemTid)  nid)t  einige  einflußreiche  33e* 
fanntfdjaften  fyätte,  fo  bliebe  mir  otelleidjt  wenig  Hoffnung, 
©a  id)  feit  einem  3af)re  'e'n  ®e^  mefyr  ö^n  unferer  3Regie* 
rung  begieße,  fo  mufcte  id)  baS  33ud)l)änblergelb  felbft  braud)en, 
anftatt  eS  nad)  £aufe  fd)icfen  gu  fönnen,  fo  bafe  id)  nad) 
unb  nad)  baS  Honorar  für  bie  erft  jefct  erfd)einenben  ©adjen, 
oon  benen  id)  fdjon  3^^re  lang  gefprodjen,  gum  öorauä 
oergefyren  mufete. 

3d)  fann  bafyer  aud)  nid)t  nad)  #aufe  fommen,  bis  id) 
nid)t  nur  meine  ©d)ulben  begaben  fann,  fonbern  aud)  etwas 
ÜBorrat  l)abe,  um  auf  anftänbige  SBeije  bie  erfte  3*it  guju* 
bringen,  bis  mir  entweber,  wenn  id)  unabhängig  bleiben 
fann,  weiterer  Grrwerb  eingebt,  ober  bann  bis  id)  eine  orbent* 
Iid)e  ©teile  fyabe,    welche  id)  jebergeit  immer  nod)  erhalten 


62.  2fo  Sttutter  unb  ©<$»efter,  18.  gebruar  1852.  195 

fannr  wenn  unfere  politifd)en  SScr^ältniffe  mcfyt  infolge 
ctneö  allgemeinen  Krieges  jufammenrumpeln,  was  (Sott  Der* 
^fite!  3fd)  benfe  fpäteftenS  im  anfange  be$  ©ommerö  Ijeim* 
gufeljren,  werbe  aber  {ebenfalls  nun  fleißiger  fcfyreiben.  9Jlit 
meinem  33ud)f)änbler  werbe  id)  einen  lebhafteren  SBerfefyr  an« 
fnüpfen.  @r  ift  fefyr  reid)  unb  bejaht  gern,  fo  bafc  id)  mir 
bort  auf  jeben  fjall  aud)  eine  beftimmte  (Sinnaljme  ftd)ern 
miß  burd)  Nebenarbeiten.  ©ieS  alles  mufe  nun  näd)fter 
Seit  öorwarts  getjen.  2eiber  Ijabe  id)  foeben  jwei  gute 
Monate  verloren  burd)  Äranfljeit.  3d)  mufe  mid)  irgenbmo 
fdjänblid)  erfaltet  Ijaben;  benn  öor  2Beil)nad)t  befam  id) 
ftarfe  rfyeumatifdje  ifopffdjmerjen,  Ruften,  mie  id)  i£)n  nod) 
gar  nie  gehabt,  unb  gleichzeitig  eine  ftarfe  ©efdjwulft  in  ber 
redeten  Seiftengegenb,  weldje  id)  anfangt  nid)t  adjtete  unb 
mit  !alten  Umfd)lägen  üertreiben  wollte,  woburd)  id)  fte  fo 
t>erfd)!immerte,  bafa  ein  befreunbeter  junger  Slrjt  bis  jefct  ju 
tljun  fyatte,  um  fte  nad)  unb  nad)  mit  @d)mieren  unb  Salben 
wieber  311  verteilen,  unb  id)  nod)  frol)  fein  mufete,  bafe  fte 
nid)t  aufgefd)nitten  werben  mu&te.  3d)  fyatte  jwar  weber 
grofee  Äoften  nod)  ©djmergen,  hingegen  ben  ßeitoerluft  gerabe 
jefct,  wo  mir  berfelbe  boppelt  emppnblid)  ift.  Steffen  bin 
id)  nod)  gut  weggefommen;  ein  älterer  £err,  ben  id)  fenne, 
fagte  mir,  bafy  er  früher  einmal  bretoiertel  Saljr  an  ber 
gleichen  @efd)id)te  311  tfyun  gehabt  ijabe. 

(SS  tt)ut  mir  fefyr  leib,  bafe  S)u  nid)t  nur  immer  Sorgen 
wegen  meiner  ©djulben  Ijaft,  fonbem  aud)  nod)  einen  unan- 
genehmen 93riefwed)fel  gu  führen.  S)em  Dberridjter  ©öfcefel 
in  Slarau  braudjft  ©u  gar  nidjt  mefyr  gu  antworten:  id)  werbe 

ifym  näd)ftenS  ben  £e;rt  lefen. ©en  Äutfdjer  ©ulanb 

in  £eibelberg,  bei  welchem  id)  gewohnt  fyabe,  bejahte  id)  ab* 

13* 


196  Berlin. 

fid)tlid)  nid)t,  unb  er  wirb  aud)  nid)t§  befommen,  btö  id) 
burd)  $eibelberg  nad)  £aufe  reife.  6r  foH  fiir  feinen  @d)neiber 
büßen,  feinen  greunb,  ben  er  mir  gur  Arbeit  empfohlen  Ijat. 
©iefer  $ujon,  nad)bem  er  mir  23erfd)iebeneS  gut  gemad)t 
Ijatte,  fanb  e$  bei  meiner  Slbreife  für  gmeefbienlid),  mid)  nod) 
ein  wenig  ju  bemogeln.  3d)  liefe  einen  fdjwargen  fyradf  bei 
iljm  madjen  unb  wählte  in  ber  9Jtufterfarte,  bie  er  mir  oor* 
legte,  £ud)  gu  2  Ärontijalern  bie  6He.  S)er  %xad  erfdjien 
unb  falj  fefyr  fein  auS;  al§  er  aber  in  Serlin  anfing  abge* 
tragen  gu  werben,  ba  id)  il)n  oft  trug,  fo  ftellte  es  fld)  Ijer- 
auö,  baß  ber  £aHunf  £albtud)  ober  fogenannten  $fäH)\T 
genommen  fyatte,  unb  id)  entbedfte  nun  erft,  warum  id)  an 
füllen  3frül)Iing$abenben  fo  feljr  gefroren  fyatte  in  bem  graef. 
3d)  werbe  e£  bem  £errn  unb  ber  SKabam  ©ulanb  freunb* 
fcfyaftlid)  erflären,  baß  fie  ba$  lange  SBarten  iljrem  §<mfr 
freunb  gu  banfen  Ijaben.  ®od)  foH  nun  aW  bieS  6lenb 
balb  ein  (Snbe  nehmen. 

SBenn  3^r  ba$  $au§  oertaufen  fönnt  gu  einem  orbent* 
liefen  greife,  fo  wäre  bie§  allerbingS  gut1);  nur  müßte  ber 
Käufer  nid)t  etwa  ein  „@d)lufi"  fein,  bem  man  bie  23arade 
nad)  einem  Saljre,  nad)  oerlorenen  Stnfen  wieber  abnehmen 
müßte;    benn  ba  ©u  baS  gewonnene  Kapital  wafyrfcfyeinlid) 


")  <Sa>n  am  24.  Suni  1850  ^attc  bie  Butter  geblieben:  „§rft 
jefct  roirb  mir  öa§  £au§  auf  einmal  gur  $aft  unb  SBurbc;  id)  bereue, 
bafy  ia)  eS  nid)t  oor  Sauren  uerfauft  fjabe,  ob  eä  gletdj  bi§  baljin 
einen  guten  Vorteil  getragen  f)at.  Mein  bafe  meine  ©etfteS«  wie 
bie  Gräfte  be§  $örper3  fo  fefjr  oerfdjroinben,  bafjer  fällt  mit  aud)  aüeS 
boppelt  fdjiuer  unb  luftig."  Unb  am  1.  gebr.  1852  fd&retbt  fte,  bai 
bie  greife  ber  £äufer  nrieber  fteigen  unb  fte  roegen  be§  irrigen  oon 
einem  Käufer  angefragt  werben  fei.  2öenn  fte  eS  für  9000  (Bulben 
anbringen  fönnte,  nmre  fie  einer  2aft  unb  Dielen  23erbruffe§  enthoben. 


62.  3in  SRutter  unb  ©cfcwefter,  18.  gebruar  1852.  197 

auf  bcm  £aufe  müfcteft  fteljen  Iajfen,  fo  warft  ©u  bie  lefcte 
Ärebitoriu  unb  müfeteft  e$  gießen.  (Sin  ©runb  gegen  ben 
SBerfauf  wäre  allenfalls,  wenn  Sftegula  ftd)  mit  einem  $ro* 
fefjtoniften  oerfjeiraten  würbe,  welcher  ba$  £auS  brauchen 
lonnte.  ©od)  weife  id)  nid)t,  was  fte  jefct  für  $rojefte  fyat, 
unb  will  mid)  weiter  nid)t  f)ineinmifd)en.  TOein  eingiger 
SEBunfd)  ift,  bafy  jte  ftd)  Balb  Don  ifyrer  geljnjäf)rigen  Arbeit 
gur  Sftulje  fegen,  ober  öielmeljr  öon  ifyrem  langen  ©igen  auf 
bie  Seine  machen  lann.  2Ba$  id)  in  biefem  ©auneft  jä^r* 
Iid)  brauche,  bafür  fönnten  wir  in  &üxi(t)  alle  brei  Ijerrlid) 
leben,  unb  fooiel  fyoffe  id)  aud)  ferner  gu  üerbienen. 

3d)  fyabe  feiner  3eit  gelefen,  bafe  ber  3unfer  SReife  ge* 
ftorben  ift,  unb  Ijabe  ifyn  bebauert.  6ö  nimmt  mid)  wunber, 
ba&  feine  gamilie  bie  Simonie  mit  bem  ©ufaten  nod)  be* 
obad)tet  Ijat,  nadjbem  ict>  mid)  feit  meiner  Sugenb  uid)t  meljr 
um  iljn  befümmert1).  6r  wäre  ein  @fel  gewefen,  wenn  er 
mir  etwas  öermadjt  Ijätte.  3d)  befürchtete  immer  etwa  ben 
Job  be£  DljeimS  öemeljmen  gu  muffen,  ba  er  fo  lange  fränf* 
lid)  ift.     6$  freut  mid)  nun,    bafe  er  nod)  lebt  unb  feine 

©öljne   ba8  2eben$gefd)äft  rüftig  fortfegen. ©ie 

Jüngere  £älfte  ber  ©d)eud)gerifd)en  Äinber  oerfte^t  hierin 
leinen  ©pafc. 

3d)  woljne  nod)  immer  im  gleichen  ßintmer  unb  l)ätte 
e§  {ebenfalls  gefdjrieben,  wenn  id)  eine  anbere  Söoljnung  be* 


*)  £>ie  3Rutter  an  ©ottfrieb,  1.  gebruar  1852:  „Stafc  3>ein  Sunfer 
©ötti  oorigeS  Satyr  geftorben  ift,  roirft  S)u  rooljl  au§  3e*tungen  Der- 
nommen  Ijaben.    91acf)  feiner  23eerbigung  überbrachte  mir  bie  Sftagb 

für  S)id)  nod)  ein  Slnbenfen,  einen  ©ufaten  an  2>eine  Slbreffe. 

(£§  tuäre  mir  aroar  lieber  geroefen,  roenn  Sunfer  ©öttt  S)ir  ein  $er» 
mäd)tni§  öon  etroa  100  ©ulben  jugeftdjert  Ijätte,  bamit  icf)  einige 
©einer  ©laubiger  bef riebigen  fönnte."    33gl.  33b.  1,  9. 


198  ©erlitt. 

gogen  Ijätte.  9iod)  öiel  weniger  würbe  id)  öon  ©erlitt  weg* 
reifen,  ofyne  e$  anzeigen;  fo  weit  ge^t  meine  9tad)läfftgfeit 
bod)  nid)t,  ba  man  ja  nie  weife,  was  eS  geben  fann.  @S 
wäre  mir  baljer  lieber  gewefen,  wenn  ©u  fd)on  längft  an 
mid)  gefdjrieben  Ijätteft,  anftatt  burd)  frembe  Seute  mid) 
gu  mahnen,  welche,  weife  ber  Seufel  was,  barüber  benfen 
unb  fcfywafcen.  ©er  Dr.  @d)ulg,  weiter  6ud)  einmal  be* 
fud)te,  wufete  bod)  immer,  bafe  id)  bie  gleite  alte  Sföreffe 
fjabe,  unb  fdjrieb  mir  erft  fürglid).  @o  lang  id)  e£  nidjt 
auSbrücflid)  anzeige,  fann  man  fic£>  barauf  üerlajfen,  bafe  id) 
nod)  am  alten  %ted  fei. 

38a3  jtnb  benn  nun  für  Seute  im  ftauS*  (SS  Ijätte 
mid)  wunber  genommen,  etwas  öon  ber  grau  Sinn  unb  bem 
Säbeli  gu  öerneljmen.  ©iefeS  fdjwänglet  gewife  fd)on  fyödjft 
ftattlid)  in  ber  ©tabt  Ijerum1).  3P  benn  ber  ©djaufelberger 
nod)  in  ber  Söerfftatt?*)  ffiie  Sungfer  ©otte  wirb  gewife  aud) 
I)öd)ft  bebenflidje  Setradjtungen  unb  ernftljafte  Sieben  führen 
über  meine  Summelei. 

3fd)  mufete  jfingftljin  meine  fämtlidjen  SBinterftrümpfe 
„anliSmen"  laffen.  5Jtit  ben  £emben  bin  id)  in  Seriegen* 
Ijeit;  id)  Ijabe  mir  fd)on  ein  paar  9Jtal  einige  baumwollene 
gefauft,  ba  bie  leinenen,  weldje  id)  oon  £aufe  Ijabe,  teils 
be£  @d)nitte$,  teils  ber  ©robljeit  wegen  in  ber  ©efellfd)aft 
nid)t  31t  tragen  ftnb ;  benn  es  wirb  Ijier  mit  ber  SBäf d)e  ein 
fd)änblid)er  Su^uS  getrieben,  geine  leinene  mod)te  id)  nid)t 
anfdjaffen,  ba  bie  £au£frau,  welche  mir  wäfd)t,  alles  gu* 
fammenreifet  unb  bod)  nid)t  fd)ön  wäfd)t;  fte  lafet  um  ben 
Steufel  feine  frembe  SBäfdjerin  in'S  £auS,  welche  bie  Sadjen 

*)  6.  335.  1,  23. 
2)  6.  23b.  1,  24. 


63.   2(n  SBityelm  »aumgartner,  7.  üRai  1852.  199 

bod)  toci§  unb  glatt  machen  für'S  ©elb,  wenn  fte  biefclbcn 
fd)on  aud)  jerreifeen.  Sinjig  ba8  £emb,  welches  eine  breite 
SBruft  oijne  galten  Ejat,  trage  id),  aud)  wenn  id)  wofyin  ein* 
gelaben  bin,  ba  es  wegen  feines  wunberbaren  ©djnitteS  auf» 
feljen  erregt.  2ÜS  mid)  ein  grauenjimmer  befragte,  ob  man 
in  ber  @d)wei j  foldje  £emben  trage,  fagte  id) :  ja,  e§  jei  ein 
fdjweijerifdjeS  9tationalt)emb,  unb  als  foldjeS  barf  id)  es  in 
ben  üorueljmften  @efellfd)aften  tragen,  ba  baS  3remblänbifd)e 
immer  nobel  ift. 

Snliegenbe  Sriefe  bitte  id)  in  ben  Briefeinwurf  ju  tfjun. 
3d)  weife  nod)  nidjt,  ob  id)  franfieren  werbe,  ba  id)  gegen* 
wärtig  nid)t  feljr  oiel  ©elb  Ijabe.  3d)  will  mid)  über  9tod)t 
nod)  beftnnen.    3d)  grüfce  (Sud)  taufenbmal  bis  auf  weiteres. 

(Suer  ©oljn  unb  Sruber  ©.  Heller. 

©aS  SRationalijemb  geljt  nun  aud)  bergab. 3fd) 

Ijabe  neulich  entbedft,  bafc  id)  nun  fed)S  Saljre  nid)t  meljr  in 
©lattfelben  war.  —  —  Sie  ©ad)en,  bie  oon  mir  gebrueft 
werben,  will  id)  felbft  mitbringen  ober  fte  jemanbem  mit* 
geben,  ber  fyeimreift1).  3m  9Jlärj  laufen  bie  (Stubenten  wieber 
nad)  £aufe. 

63«  |ltt  Dßilljrlm  gtatttttgarttttr  itt  iüridj* 

Berlin,  ben  7.  Wlai  1852. 

Sieber  SBaumgartner !  Dbgleid)  S)u  meinen  legten  Srief 
nod)  nid)t  vergolten  Ijaft,  fo  oeranlaffen  mid)  bod)  bie  Um* 

')  ®ie  9)httter  an  ©ottfrieb,  1.  gebr.  1852:  „ßfiralid&  Jjabe  id> 
aus  ber  ,<£ibgenöffifd)en  3eitung'  oernommen,  bafe  enblid)  tmeber 
einmal  ©ebidjte  öon  2)ir  erfdjienen  ftnb.  ©ott  8ob  unb  S)anf,  badete 
ia),  ba&  bod)  roieber  etroaS  ins  geben  getreten  ift.  (§£  ging  mir  roieber 
einmal  ein  8id)t  $ur  Ermunterung  auf.  Söenn  nur  balb  roieber  etroaS 
meljr  nadjfolgt,  bafj  2)u  genug  ©elb  befornrnft!" 


200  ©erlitt. 

ftänbe,  baS  ftolge  ©ered)tigfeit§gefül)l  betfeite  ju  fefeen  unb 
©id)  mit  gegenwärtigen  Qtilm  ju  belaften.  $d)  l)abe  biefer 
Sage,  burd)  bie  9tot  gebrängt,  um  ein  nochmaliges  4>alb= 
jaljrrjiatifum  an  SHfrcb  6fd)er  gefd)rieben.  ©a  biefer  ©d)ritt 
aber  nun  in  ber  Stfyat  auffällig  unb  fein  ©rfolg  feljr  gmeifel- 
^aft  fein  bürfte,  rfidfjtdjtlid)  meiner  gögernben  unb  obfluren 
33aljn  feit  einigen  Sauren,  aud)  rfitfjtdjtlid)  be$  fd)on  ©mpfan* 
genen  unb  ber  3tu8nal)m$ftellung,  bie  id)  inne  fyabe:  fo  mochte 
id)  ©ir,  ba  ©ein  Sreunb  ©ulger1)  nun  ©elbftregent  ift  unbf 
fo  Diel  id)  mid)  ju  entftnnen  glaube,  aud)  im  ßrgieljungärate 
ftfet,  ju  feinen  £anben  einige  redjtfertigenbe  Slnbeutungen 
(fo  weit  bieg  möglich  ift)  mitteilen,  meldte  je  nad)  ©einem 
Sefinben  unb  ber  momentanen  t>ertraulid)en  Stellung  ju 
©uljer  id)  ©id)  ju  oerwenben  bitte.  34  i^  baS  einem 
förmlichen  ©^reiben  an  ©uljer  oor. 

Suerft  mufc  id)  oerjtdjern,  bafe  bie  2lupl)rung  eines 
©tüdfeS,  bem  balb  mehrere  nun  Ijinlänglid)  öorbereitete, 
folgen  foHen,  burdjauS  nid)t  ausbleiben  wirb.  34  IM* 
mid)  nun  jiemlid)  orientiert  unb  Ijabe  in  feiner  SSejieljung 
©runb  gur  Entmutigung ,  wenigftenS  im  #inblidf  auf  bie 
Saaten  anberer  Sebenbiger,  bie  gegenwärtig  als  ffiramatifer 
gelten.  Slber  biefe  Orientierung  ober  bieS  SReifwerben  war 
weit  umftänblidjer,  als  id)  eS  nod)  oor  einem  Sa^re  geträumt 
^atte.  Slm  meiften  SSJlüijt  loftete  baS  SoSmadjen  öon  ber 
©tubenpoefte  unb  ben  lrjrifd)en  SHuftonen,  um  nur  gur  ®e* 
wanbtfyeit  eines  praftifd)en  2lnfangS*  unb  ÜbergangSftücfeS 
ju  gelangen.  ©ieS  Ijabe  i4  aud)  an  £errn  6f4*r  gefdjrieben, 
nid^t  aber,  weil  id)  eS  nidjt  für  fdjicflid)  f)ielt,  au4  bie  8m 

!)  3-  3.  ©uljer,  öfll.  S3b.  1,  363  Slnmerfg.  1. 


63.   9ta  SGBttyelm  ©aumflattner,  7.  2Rai  1852.  201 

beutung  beigefügt,  bafc  fortmäfyrenbe  öfonomifdje  9tot  mid) 
an  einem  rafdjeren  gortfd)reiten  gel)inbert  unb  mir  Diele  3«t 
geraubt  Ijat.  ©enn  eS  festen  mir  nid}t  am  $lajje  unb  l)öd)ft 
unangenehm,  ber  wofylwoÖenben  unb  generöjen  Sefjörbe  gu 
gefielen,  bafj  bei  ber  mifclicfyen  Sage,  in  toclc^er  id)  jdjon 
Don  3önd)  abgereift  war,  bie  jeweilig  erhaltenen  Summen 
immer  gum  Seil  DorauSgegeffen  waren  unb  id)  baljer  nie 
reinen  Söfd)  fyatte,  wie  bie  tf)eologifd)en  ©tipenbienjünglinge, 
welche  meiftenS  aus  einem  nid)t  gerabe  unbehaglichen  %ami* 
lienleben  heraustreten  unb  ein  unb  anberen  9Jtutterpfennig 
fyingufügen  fönnen.  3d)  fyabt  gwar  einige  fyunbert  S^aler 
Honorar  eingenommen,  welche  td)  wäfyrenb  gwei  $albjaf)ren, 
wo  id)  fein  Stipenbium  begog,  unb  gur  übrigen  2litSl)ülfe 
gebrauchte;  allein  in  bem  teuren  Serlin  fyatte  aud)  bieS  feinen 
ertlecflid)en  ©egen.  3d)  fönnte  mir  gwar  burd)  neue  litte* 
rarifd^c  23erpflid)tungen  wieberSluSftdjt  auf  Honorar  mad)en 
unb  werbe  es  fpäter  aud)  tl)un;  allein  für  bie  nädjfte  ßufunft 
würbe  mid)  bieS  wieber  gänglid)  Don  bem  Dorgeftetften  Qitte 
abführen,  oljne  welches  erreicht  gu  fyaben  id)  nun  unb  nimmer 
Ijeimfomme,  fo  fefyr  id)  mid)  aud)  nad)  ber  £eimat  unb  einem 
füllen  unb  gefammelten  arbeiten  in  berfelben  je^ne.  ärger» 
lidjer  SEBeife  Ijabe  id)  aud)  faft  brei  5Jtonate  burd)  Äranffjeit 
Derloren  feit  lefctem  SReujafyr  unb  f)üte  biefen  9lugenblicf  in 
folge  eines  SRücffaHeS  baS  Sanier.  (Sine  rljeumatifdje  3lffef= 
tion  beS  ÄopfeS  unb  ber  Sruft  fulminierte  in  einer  Seiften* 
brüfengefdjwulft ,  weldje  burd)  falfdje  Sefyanblung  f)öc^ft 
langweilig  unb  fyartnäcfig  würbe  unb  jefct  nod)  nid)t  ge* 
lieilt  ift. 

©od)  genug  IjieDon.    OTcine  jungen  SanbSleute  brachten 
mir,  als  id)  auf  ber  ©tube  fdjmierte  unb  jalbte,  bie  „(Sib* 


202  »erlitt. 

genöfftfdje  Scituug"  aus  ber  Äonbitorei  mit  einer  feierlichen 
Stejenfton  meiner  neuen  ©ebidjte.  Srage  bod)  fjreunb  ©ptyri, 
ben  Sräutigam,  wer  biefelbe  gemacht  fyabe;1)  benn  id) 
münfdjte  feljr,  in  näc^fter  Seit  einen  SBrief  öon  ©ir  311  er* 
galten. 

Sie  politifdjen  kämpfe  gu  £aufe  machen  mir  tiiel  ju 
fd)affen,  unb  jie  erregen  ein  feljr  lehrreiches  S^treffe.  ©ie 
lefcte  ©ro&ratejtjjung  mar  l)öd)ft  bejeidjnenb  unb  ba$  SRen* 
contre  Sreidjlerö  mit  Oberft  fjierj  wegen  ber  ©ummljeiten, 
roeldje  in  bie  33erfaffung  3U  fefcen  ba§  Söolf  befugt  fei,  war 
meljr,  als  in  ber  Unfdjeinbarfeit  biefed  @reigniffe$  ju  t>er* 
muten  wäre,  ein  ©enfftein  in  ber  (Sntroicflung  unferS  poli* 
tifrfjen  Sebenö9).  Sluf  ber  einen  ©eite  bie  Qlten  e^rroürbigen 
2Bäd)ter  öon  S3rief  unb  Siegel,  bie  Männer  beS  ÄontrafteS 
unb  beö  gegebenen  2Borte§,  welche  iebe  natoe  unb  objeftbe 
33e(janblung  beäfelben  atö  331a&pl)emie  unb  ©afrilegium  be* 
tradjten;  auf  ber  anberen  eine  morgenfrifdje,  finblid)  unbe* 
fangene  SBürbigung  foldjer  ©inge,  über  gugleid)  bie  finbijd) 
fonfufefteu  Segriffe  öon  SBolf,    ©ourjeränetät  unb  greifet. 


')  S)cr  93crfaffcr  ber  «Regenflon  in  9h.  25  ber  „<Sibg.  Seirmtö* 
Dom  25.  3anuar  1852  mar  Stobolf  glaigg,  f.  0.  ©.  119. 

3)  S>ie  Lotion  Sreidjler  oerlangte  3toijion  be3  «rttfelS  93  ber 
3ürid>er  SSerfaffung,  nad)  melier  baä  atenftonSredjt  nid&t  beim  Solle 
fonbern  beim  ©ro&en  dtat  [tanb.  60  oft  eine  geroiffe  3^1  oon  ftimm« 
fähigen  bürgern  eine  33erfaffung§dnberung  öerlange,  foUe  bie  grage 
einer  folgen  bem  33olfe  oorgelegt  roerben.  2)er  #auptgegner  £reid)ler§, 
alt  SRegierungSrat  Oberft  gierj,  interpretierte  bie  SRotion,  bie  mit  129 
gegen  2  (Stimmen  abgelehnt  rourbe,  fyeute  bagegen  Idngft  oermirf lid)t  ift, 
bal)in,  baZ  33olf  fei  aud)  befugt,  2)umtnl)eiten  in  feine  SBerfaffung  ju 
fefien.  Über  bie  fer)r  erregte  Debatte  ogl.  „9t.  3fird>er  3eitung"  9tr.  93 
Dom  2.  tlpril  1852;  bagegen  aud)  £reid)lerS  „9leue3  ©c^meij.  $olB* 
blatt",  2.  3al)rg.  SRr.  14  u.  15. 


.   63.  Sin  SBilljelm  SBcwmflartner,  7.  3ttai  1852.  203 

Sßenn  baS  aufwallenbe  SBolf  eines  StageS  baS  permanente 
SSolf  beS  ganzen  S^reS,  bie  epibemifdje  3&ee  ober  Sftarotte 
etneö  jufälligen  Agitators  baS  ©efamtbewufetfein,  eine  garbe 
ber  ganje  Regenbogen  wären,  fo  fyätte  S£retd)ler  gewifc  red)t. 
Snbeffen  ift  bie  SScrfaffung  nid^t  fowoljl  ein  Freibrief  für 
ju  begefyenbe  ©ummfyeiten,  als  ein  ©djufcmittel  gegen  foldje, 
nid)t  mefyr  unb  nid)t  weniger;  unb  3reid)ler  fyat  nur  barin 
red)t,  bafc  man  aud)  über  eine  SBerfaffung  fpredjen  barf, 
wie  ber  Sdjnabel  gewadjfen  ift.  Slber  aus  bem  gleichen 
©runbe,  warum  eine  SScrfaffung  nid)ts  ÜberirbifdjeS  unb  Un» 
DergänglidjeS  ift,  aus  bem  gleiten  ©runbe  ift  bie  Selbft* 
regier ung  eines  SBolfeS  nid)t  ber  Qroed,  fonbern  nur  ein 
SRittel  feiner  ©fiftenj;  unb  ein  SBolf,  baS  bie  ganje  Qdt  mit 
biefem  ^Kittel  gubringen  mu&,  gleicht  einem  9Kenfd)en,  ber 
eine  @d)üffel  Ärebfe  bearbeitet  unb  bei  aller  Arbeit  hungert. 
—  —  —  ©ie  repräfentatioe  ©emofratie  wirb  baljer  fo 
lange  ber  ridjtigfte  SluSbrucf  ber  gürdjertfdjen  SBoltSfouoerä* 
netät  fein,  bis  alle  pft)d)ifd)en  unb  p^qftfdjcn  9Raterien 
fo  Aar  unb  pfjtg  geworben  ftnb,  bafj  bie  unmittelbarfte 
©elbftregierung  ofyne  ju  Diel  ©efdjrei,  ß^toerluft,  Reibung 
unb  Äonfupon  oor  pd)  geljen  fann,  bis  baS  golbene  3t\U 
alter  fommt,  wo  alles  am  @d)nürd)en  gel)t,  unb  nur  einer 
ben  anbern  angufefyen  brauet,  um  fid)  in  iljn  ju  fügen. 

©od)  fyole  ber  leufel  meine  SBeiSljeit!  3d|  weife  nid)t, 
wie  id)  in  biefen  altflugen  Jon  hineingerate.  Schreibe 
mir,  was  3^  treibt,  unb  grüfce  oon  mir,  wer  gegrüßt  fein 
mag! 

9J?it  Vergnügen  fyabe  ict>  öerfd)iebene  3^d)^n  ©einer 
mujtfalifcfyen  Sljätigleit  in  ben  Seitungen  entbedft  unb  benfe, 
©u  werbeft  balb  einen  orbentlid)  runben  SJhtjtfmeifter  oorftellen. 


204  Berlin. 

©u  fannft  aud)  machen,  bafc  ©u  fefct  balb  einmal  Ijeiratejt 
£anfttng!  fonft  trodfnen  ©ir  ©eine  Qualitäten  ein.  ©er 
Äniepei>©ofling  foD  eö  aud)  tfyun,  e$  ift  3^*  mit  il)ml). 
3ft  er  in  3önd)?  ©em  £eiri  SBeibenmann8),  ber  Staate 
ffribajr  geworben,  Iaffe  id)  l)öflid)ft  gratulieren,  roenn  ©u 
ü)n  fiel)ft. 

Sllfo  öerbleibe  id),  trofc  Stidjarb  SBagner,  ©ein  gum  dm 
fettigen  muptlofen  SBorte  toerbammter 

©ottfr.  ÄeHer. 

SBenn  ©u  SRuff  jtel)ft,  fo  fage,  id)  lag  ifyx  grüben,  unb 
id)  tonnte  auf  bie  öerfprodjenc  Seit  nod)  nidjt  Ijeimfomtnen. 
Sllfo  foD  er  mir  nod)  einmal  fdjreiben. 


64.  3Ut  *U  »tittttr» 

Serlin,  ben  12.  Suni  1852. 

Siebe  SJlutter!  9Kein  greunb  S3anmgartner,  melier  mir 
fürjltd)  gefdjrieben,  bemerfte  mir  in  feinem  ©riefe,  ba%  ©u, 
wie  £err  $laigg,  ber  nun  in  Sund)  ift,  i^m  gefagt  tyabe, 
mid)  nun  täglich  gu  $aufe  eroarteft  unb  beStyalb  nid)t  auf 
ba3  2anb  geljeft.  ©o  fefyr  id)  mid)  mieber  einmal  nad) 
unferer  alten  ©tube  gurfitffeljne,  fo  mufe  id)  bod)  leiber  nod) 
einmal  abfagen  unb  melben,  bafc  ©u  immerhin  nad)  ©latt* 
felben  ober  (SgliSau  ober  roofyin  ©u  eingelaben  bift,  gefyen 
follft;  benn  meine  £eimfel)r  ift  nod)  nidjt  möglid),  inbem 
meine  Slffairen  nod)  nid)t  fo  fielen,  bafe  id)  gu  £aufe  meine 
©Bulben  begaben  unb   ttxoaä  in  bie  £au$f)altung  liefern 

1)  S)er  33b.  1,  363  genannte  £onegger. 

2)  £einrid)  Söeibenmann  ift  furg  netter  geftorben. 


64.   2ln  bic  9Hutter,  12.  Sunt  1852.  205 

Knute1).  Dfyne  biefeS  tonnte  id)  freilief)  jcben  Slugenblicf 
nad)  £aufe  fommen;  aber  baS  will  td)  einmal  nid)t.  ©amit 
eS  aber  leichter  fledft,  fyabz  id)  bei  ber  SRegierung  nod)  ein 
lefcteS  SBiaticum  nad)gefud)t.  ©ie  Ferren  fyaben  gwar  faure 
©epdjter  gemalt,  jtnb  aber  bod)  nod)  mit  600  Uranien 
(neues  ©elb)  auSgerucft  unb  fyaben  mir  babei  ^erbeutet,  bafj 
bis  jefct  nod)  leine  Sßerfon  fo  öiel  öom  Staate  begogen  I)abe. 
3d)  bin  baljer  nun  aud)  oon  biefer  Seite  gebrängt,  balb  etwas 
oon  mir  fyören  gu  laffen  unb  mid)  Jjeröorgutfyun;  benn  für 
bie  3000  Sfranfen,  bie  id)  im  gangen  begogen  fyabe,  will  man 
enblid)  etwas  geleiftet  fefyen. 

Übrigens  werbe  id)  bieS  aud)  nad)  meinen  Äräften  tl)un, 
wenn  id)  einmal  erft  anfyaltenbe  JRuJjc  Ijabe  unb  nid)t  immer 
gu  gleicher  Seit  an  baS  offen  benfen,  fpefulieren,  lernen  unb 
arbeiten  mufc;  unb  biefieute,  weldje  etwa  glauben  (wie  mir 
gu  Dfpren  gefommen),  id)  fei  eingejdjlafen  ober  öerftmpelt, 
werben  ftd)  feljr  getäufdjt  finben.  3d)  beneibe  biejenigen 
md)t,  welche  auf  ber  @d)neDbleid)e  Ujr  bif$d)en  2BeiSl)eit  unb 
@rfaf)rung  ober  öielmefyr  ofyne  (Srfafyrung  gufammenftoppeln, 
gleich  etwas  ©elb  oerbienen,  heiraten  unb  fogenannte  woljl* 
geratene  Ferren  ftnb,  um  nad)  einigen  Sauren  erft  ungu* 
frieben  unb  unruhig  gu  werben  unb  erft  im  oiergigften  Sfafyre 


l)  5)ie  Sttutter  an  ©ottfrieb,  22.  Suni  1852:  „®ie  SKaienfonne  l)at 
mir  abermalen  nid&t  gefd&ienen.  Db  mir  nun  bie  fdjroadje  £erbftfonne 
fräftiger  leuchten  wirb,  mufe  id)  eben  gewärtigen.    2ötr  erwarten  2)id) 

täglid). ÜÄöc^te  id)  bod)  baZ  glüdflid&e  Erlebnis  nod)  Ijaben, 

ba%  mir  ©ott  meine  Sitten  unb  2öünfd)e  einmal  gemährt,  S)id)  balb 
unabhängig  in  einer  guten  (Sriftenj  oerforgt  ju  roiffen!  Qu  beffen  S3e- 
l)uf  eS  eben  erforberlid)  märe,  menn  2)u  f)ier  bei  £aufe  eine  erträgliche 
©teile  oon  unfren  gnäbigen  Ferren  erhalten  mürbeft;  benn  ofyne  bie§ 
fannft  S)u  al§  ©achter  ©einer  Sebtag  in  9tot  unb  Sftangel  leben." 


206  «eriin. 

nod)  au$  Ungufriebenljeit  unb  erfat)rung$Iofer  ©ummljeit 
plöfclid)  ftd)  als  öerfpätete  lieberlidje  &äuge  bargufiellen  ober 
fonft  oerrücft  gu  werben,  tote  bie§  fdjon  öfter  Dorgefommen 
ift,  wo  bann  fein  STOenfd)  baS  SBunber  begreifen  fann.  34 
t)offe  nod)  ein'  unb  anberen,  ber  jefct  ein  wichtiges  ©ejidjt 
mad)t  unb  mid)  für  einen  „Sdjluft"  l)ält,  ber  gu  nichts 
fommt,  ju  Überbauern. 

greilid)  fallt  e$  mir  fd)wer  aufs  $erg,  wenn  id)  benfe, 
ba&  ©u  unb  SRegula  gugleid)  barunter  leiben,  unb  bafe  6ud) 
beiben  barüber  bie  Saljre  »ergeben.  SUIein  id)  fann  meine 
Statur  nid)t  änbern,  unb  wenn  id)  einft  mir  einige  @f)re  er- 
werbe, fo  fjabt  3^r  ben  grofeten  Stateil  baran  burd)  Sucre 
ftiQe  @ebulb.  3$  n>iQ  6ud)  übrigens  nid)t  weiter  mit 
fdjönen  2Borten  abfpeifen  unb  nur  bitten,  nod)  ein  flein 
wenig  auSgutyarren  unb  ingwifd)en  balb  fd)  reiben,  wie  e$ 
jefct  gel)t,  obgleich  id)  es  mir  ungefähr  benfen  fann. 

SBenn  ©u  ben  Slaigg  fleftft,  fo  laffe  id)  tt)n  freunb* 
fd)aftlid)  grüßen;  id)  werbe  iljm  näd)ften3  aud)  einmal  fdjreiben, 
ba  er  fo  guten  Anteil  an  mir  nimmt.  2Ba§  madjt  benn  ber 
©pinner?  ift  er  aud)  nod)  am  geben1)?  3d)  möd)te  aud) 
woI)l  wiffen,  wie  e$  in  ©lattfelben  ftet)t;  id)  laffe  alle  grüßen, 
unb  id)  fyoffe  mit  bem  Onfel  nod)  manchmal  gu  politijteren. 
2)ie  33erl)ältniffe  t)aben  ftd)  feit  fünf  ober  fed)$  gatjren  feljr 
geänbert,  unb  unfer  alte  politifdje  ßanfftoff  ift  giemlid)  umge* 
ftaltet  worben,  unb  bie  SRabifalen  tion  bamals,  bie  ber  £err 


J)  S>ic  Butter  an  ©ottfrieb:  „(Spinner  [23b.  l,  121]  lebt  immer 
in  feinem  armfeligen  3uftanbe  fort,  ©enn  er  nidjtS  gu  folorieren  Ijat, 
fo  rjauftert  er  mit  einem  ätftlein  Rubeln  unb  ,#üppenfc,  bie  feine 
grau  madjt." 


65.   $n  Bttyelm  ©aumgartner,  3uli  1852.  207 

Dljeim  fo  tapfer  befefybete,  roerben  iljm  jefct  nid)t  mel)r  fo 
gefäfyrlid)  oorfommen.  3d)  grüfce  (Sud)  taufenbmal,  foioic 
jeben,  ber  nad)  mir  fragt,  ofyne  bic  9iafe  ju  rümpfen. 

<5uer  ©ofyn  unb  33ruber      ©ottfrieb  ÄeDer. 

2Ber  regiert  benn  jefct  im  #öfli  un&  in  ber  SBerfftatt? 

SBenn  ein  SBrahmirfter  im  Sabeu  ift,  fo  ift  baS  geroi& 
ein  fd)önerÄrieg  mit  bem  &flLzTl),  unb  auf  unferer  „SBinbe" 
werben  jefct  wieber  ©arme  fangen  unb  im  Stbenbroinbe 
Päftem  gegen  33aben  hinunter. 

65*  &u  $lity*list  $aum$avtntv  in  Särtdj* 

«Berlin,  3uli  1852. 

fiieber  fjreunb!  3d)  empfehle  ©ir  angelegentlich  al$ 
einen  tüdjtigen  unb  refpeftablen  jungen  9Jlann  £errn  Slbolpl) 
£>irfd)a),  ber  $f)ilofopl)ie  Sepijfenen  unb  (Srjiefyer  bei  5Rabame 
Sßiaget,  ber  ©djwefter  öon  ©uftao  ©iegmunb  unb  t>on 
£em>egl)$  §rau.  @r  mad)t  gefunbl)eit£f)alber  eine  ©djroeijer* 
reife,  unb  roenn  ©u  ifym  roäljrenb  feines  Aufenthaltes  in 
ßürid)  gefellfdjaftlid)  an  bie  £anb  geljen  fannft,  fo  tt)ue  es. 

ßugleid)  benufce  id)  bie  ©elegen^eit,  ©einen  legten  ©rief, 
roeldjer  mir  miQfoinmen  mar,  mit  einigen  furjen  SBorten  ju 
erroibern.  Sefonberö  banfe  id)  §errn  ©uljer  für  feine  freunb* 
licfye   ©eftnnung  unb  SSermenbung3).     3d)  fya&e  allerbingö 


')  (Sinem  benachbarten  SSratrourfter. 

8)  S)er  befannte  ©ireftor  ber  Sternwarte  in  Neuenbürg. 

8)  Staumgartner  an  fleller,  4.  3uni  1852:  „Sul^er  TDr.  3. 3.,  bamalS 
gtnanjbireftor]  grfi&t  S)icb  fyeralid)  (5)u  §aft  an  ifym  einen  tüchtigen 
Vertreter  im  Ijoljen  Statt  ber  ©ötter  gefunben) . . .  unb  labet  2)id>  ein, 
Steinen  $I)t)rfu3ftab  nur  tüdjtig  $u  fc&nringen,  nidjt  begioeifelnb,  bafe 
balb  ber  8orbeer  in  bieten  hänfen  ©ein  £aupt  befränjen  werbe." 


208  Berlin. 

an  £errn  6fd)er£  Srief  gemerft,  bafe  id)  mit  meinem  @efud) 
nid)t  ben  beften  ßtnbrudf  gemalt  Ijabe.  ©od)  Ijoffe  id), 
benfelben  roieber  auSjumifdjen.  34  mu£  nun  burd)au3  bie 
©efd)ic^te  t)ier  ju  6nbe  führen.  34  roeife  »djl,  bafe  id) 
oon  3ürid)  aus  aud)  anfnüpfen  f önnte ;  allein  ba  id)  f o  lange 
f)ier  ge^odft,  fo  wäre  es  £l)orl)eit,  no4  furj  üorfjer  toegju* 
laufen.  SHeine  @ebid)te  jinb  feijr  bünn  unb  pauöre  unb  ein 
DerungläcfteS  Sing,  n>ie  e§  überhaupt  mit  meiner  gangen 
Sgrif  gegangen  iftf  roa§  i4  genug  §abe  büfcen  muffen  burd) 
baburdj  entftanbeneS  lotteriges  SBefen,  bis  id)  mid)  felbft  wieber 
^urec^tgefunben  *)•    34  bin  aber  froij,  bafc  i4  in  allem  auf 


!)  SB.  ©aumgartner  a.  a.  £).:  w£eine  <&ebi$te  Ijaben  unä  311m 
Seil  fefjr  f)oI)en  ©enufc  berettet;  ©uljer  nrie  id)  finbet,  bafe  einzelne 
namentlich  oon  bebeutenbem  gortfdjjritt  in  formeller  ©e$ier)ung  jeugen. 
2)ie  Unfterblid>feit§frage  ift  unpoerifö.  ,93on  Skibern4  fjat  £eru>egl) 
fc^arf  hergenommen,  wie  id)  mit  i^m  barüber  fprad);  er  ftnbet  ju  roenig 
roafyre  £eibenfa)aft,  roafyreS  geben  barin.  S)ie  3fce$enfion  in  ber  öli- 
gen öfMc^en'  mar  oon  glaigg,  ber  S)irf)  oon  £eibelberg  t)er  fennt  unb 
fid)  fetjr  freut,  £id)  roieber  ju  fetjen.  @r  fjat  t)ier  eine  8nfteflung  am 
#aufl)aufe.  (Sr  fagte  mir,  baf$  S)eine  SRutter  2)id>  täglich  fo  feljnlic& 
erwarte,  ba$  fte  beStjalb  feinen  2lu§flug  auf§  8anb  oon  längerer  £auer 
unternehme,  um  gu  £aufe  ju  fein,  roenn  S)u  einträfeft.  £erroeglj  ift 
nod)  !)ier  unb  ftefjt  SRidjjarb  SBagner  mitunter,  ber  nidjt  ol)ne  (ginftuß 
auf  tfjn  blieb;  er  befdjäftigt  ftd)  in  le&ter  3eit  namentlich  mit  TOerrif 
unb  SRi)t)tf)mtf.  £a£  23ud>  2Bagner<S  ,£)per  unb  S)rama'  ift  jebenfaCß 
für  jeben  Sidjter  fet)r  lefenöroert,  unb  ia)  mürbe  2)ir  raten,  eS  einmal 
emftlid)  gur  £anb  §u  nehmen,  befonberä  im  britten  Seil  ba§  9Jhift< 
falifdje.  Sfluff  grüßt  2iü)  l)erjlici)  unb  roill  Sir  balb  f  ^reiben;  er  ift 
aber  im  SRtlitärbienft  unb  fann  fi$  über  Mangel  an  <£d)roei&  nia)t 
benagen.  £onegger  [ber  tfnieper]  ift  in  S3ern;  e§  ger)t  U)m  ni$t  gut  alö 
Sournaiift.  Unfer  ,roter  £emerlia)k  [2Beibenmann]  ift  immer  ber  Süte, 
nod)  unoerfjeiratet,  obfdjon  er  mitunter  baoon  fprict^t,  unb  füt)rt  nod) 
immer  ein  orbeutlidje^  ©d)öppd)en.  2öir  fi^en  I)ie  unb  ba  in  ber 
Sdjlemme  unb  erjagen  un§  alte  ©efdjjidjten,  oon  fremben  3)^enfa)en 
unb  Sänbern.    ©uijer  ift  al§  Jinan^bireftor  fel)r  t^ätig  unb  energifa), 


66.   2ln  Söttyelm  ©aumgartner,  3uli  1852.  209 

eigene  (Srfafyrung  gurfidfgefüljrt  werbe  unb  gemalten  ßuftänben 
unb  Befallen  nic^tö  gu  öerbanfen  fyabt.  ^tbod)  bin  id)  gerabe 
mit  beut  fremben  Säbel  nid)t  gang  einoerftanben.  „33on 
SGBeibern11  fyalte  id)  für  gang  erträglid);  e$  foHen  gerabe  feine 
Säuberungen  ber  £eibenfd)aft,  fonbern  blofe  weiblidjer  9Ka* 
rotten  unb  @d)itffale  fein,  unb  aud)  bieg  nid)t  auSbriitflid), 
fonbern  leidjte  rounberlid)e  Älänge,  oon  benen  id)  felbft  nid)t 
red)t  weife,  wie  fte  entftanben.  2Ba$  £erroegt)  betrifft,  fo 
bürfte  er  am  wenigften  im  ftanbe  fein,  wal)re  fieibenfdjaft 
gu  begeidjnen,  ba  er  nie  weldje  gefüllt  fyat.  ©ie  Unfterb* 
lid)feit$frage  ift,  abgefefyen  öon  meinen  [Reimereien,  fo 
poetifd)  wie  jebe  anbere,  fobalb  fie  mit  einem  magren  ®e* 
füfylSoerlaufe  oerbunben  ift. 

Söagnerö  neue  Schriften  werbe  id)  ftubieren,  fobalb  id) 
©elegentyeit  bagu  ftnbe;  benn  abgefeljen  öon  ber  3tft  ift  e§ 
in  bem  intelligenten  Serlin  weit  fdjroieriger,  neue  23üd)er  gu 
befommen,  ofyne  fie  gu  faufen,  als  in  Sülad)  ober  Sßinter* 
tl)ur.  Snbeffen  fyabe  id)  oor  ber  £anb  genug  gu  tfyun  mit 
ber  SR^t^mif  be3  menfd)lid)en  ©emüteä  unb  ber  SJtetrif 
ber  (Sljaraftere. 

2Ba§  bie  ^Berliner  ©tubenten  oon  mir  fd)wafcen  gu 
£aufe,  weife  id)  nid)t.  3d)  weife  nur,  bab  id)  nid)t$  tfyue, 
beffen  id)  mid)  gu  fd)ämen  braudie:  id)  bin  immer  ber 
©leicfye1).     3d)  Ijabe  manchmal  mit  einigen  gemütüd)   ge= 

ift  überhaupt  nadj  meinem  dafürhalten  oiefletc&t  unfre  bebeutenbfte, 
ülelfettigfte  unb  tüctjttgfte  ßapaattät,  babei  üon  noblem  (Sfyarafter  unb 
burdjroeg  roafyr  unb  gerabe." 

')  33aumgartner  an  Heller  a.  a.  O.:  „©et  etroaS  üorft^ttger  mit 
©einen  fdjroetaerifcrjen  berliner  Sefannten! . . .  ©ie  föroafcen  mitunter 
Unfinn  öor  beuten,  bie  nidjt  roiffen,  roa§  fle  bauon  galten  foUen  unb 
2)id)  ntdjt  fo  fennen  rote  rotr." 

©ottfrieb  Äeflar.   II.  14 


210  ©erlin. 

fneipt,  ba  meine  älteren  Berliner  Sefannten  nur  Butterbrot 
mit  SBeifebier  genießen,  unb  fyabe  bann  rücfljaltloS  meine 
gewöhnlichen  hergebrachten  ©ummfyeiten  gemad)t;  wa§  nun 
ba  gu  flatfdjen  ift,  weife  id)  nid)t.  SBenn  id)  einmal  wieber 
in  3ö"d)  bin,  fo  wirb  man  ftd)  öielleid)t  etyer  über  Quxüd* 
gejogenljeit  gu  beflagen  l)aben,  als  über  ba£  ©ntgegenge* 
fejjte.  ©onft  gefye  id)  nur,  mit  2lu8nal)me  £eußer§,  ber 
aud)  jiemlid)  ifoliert  ftef)t,  mit  einigen  anftänbigen  älteren 
fieuten  um,  bei  benen  id)  und)  unferer  fd)weijerifd)en  Unbe- 
fangenheit unb  @d)lid)tl)eit  unb  ©rob^eit  wegen,  bie  nun 
einmal  ben  beften  Berlinern  fpanifd)e  ©örfer  ftnb,  gewaltig 
in  Stefpeft  gefegt  fyabe. 

3d)  fyabe  mit  Sergnügen  Don  bem  Basier  geft  gelefen; 
nur  finbe  id),  bafy  bieje  ©efangS*  unb  OTuftffefte  ber  ©djroeij 
nadjgerabe  jur  blofcen  $olie  werben  für  bie  2Bifce  beS  £errn 
©djngber  tion  SBartenfee,  wenigstens  in  ber  treffe1).  2BaI)r* 
fd^einlidE)  tierfenbet  er  feine  geiftreidjen  SReben  felbft  überall  l)in. 

tDiein  SRoman  wirb  nun  beftimmt  im  Dftober  üerfenbet 
werben.  @r  ift  in  formeller  Bejief|ung  gur  erften  £älfte 
oerfel)lt,  ba  biefe  fo  lange  fd)on  ba  liegt;  jebod)  glaube  id), 
wirb  baS  Bud)  ftd)  bod)  galten.  SJlein  SSerleger  ift  ein 
orbentlidjer  Äerl;  er  Ijat  mir  fdjon  angeboten,  meine  3>ramen 
be^ufö  ber  SBerfenbung  als  5Jtanuffript  unentgeltlid)  ju 
bruefen,  was  eine  grofce  (Srleid)terung  ift,  wenn  es  einmal 
losgeht,  ©od)  fage  id)  Dörfer,  baß  id)  feinerlei  pompofe 
unb  auffällige  ®efd)id)ten  ju  Sage  bringen  werbe.  SBielmeljr 
werbe  id)  mit  einigen  ganj  einfachen,  burd)fid)tigen  unb  an* 


*)  ©djntober  Don  SBartenfee  wav  bei  jenem  gefte  &ampfrid)ter, 
f)ielt  feine  übliche  geftrebe  unb  jroar  über  ba&  Süjema  „vox  populi, 
vox  Deia. 


65.   2ln  Söttyelm  33aumg,artner,  3uli  1862.  211 

fprud)lofen  Sachen  anfangen;  unb  erft  fpäter,  wenn  id)  ein* 
mal  SRufje  unb  Suft  fyabe,  roerbe  id)  mid)  Don  neuem  orien* 
tieren  unb  fold)e  arbeiten  öerfud)en,  mit  benen  man  „etroaS 
nrifl".  9Meine  Sugenb  ift  nun  einmal  jum  Seufel,  unb  id) 
i)abe  mid)  fdjon  in  bie  Sfteüje  berjenigen  9Kenfd)en  gcfteüt, 
weldje  erft  mit  bem  ©djwabenalter  iljre  rechte  33eftimmung 
erreid)en. 

63  freut  mid),  ba$  eS  ©ir  wol)l  gel)t.  3d)  fyabe  le{jtf)in 
eine  SRegenjton  gelefen  über  ©eine  fleinen  Sieber  ober  wie  fte 
Reiften,  bie  in  Seipjig  fyerauSgefommen1);  rüdfe  nun  mit  ben 
anbern  ©adjen  balb  nad) !  (5$  tljut  mir  leib,  bafc.  ber  Zqc t 
meines  £eIoetialieDe§,  ba§  ©eine  Stubenten  wat)rfd)emlid) 
pngen,  ein  bifcdjen  einfältiglict)  unb  finblid)  ift. 

©pgri  wirb  aljo  #eufcerS  ©djwager.  ©aö  ift  ein  ge* 
fdjeiterer  ©treid),  als  fein  ©treit  mit  Soltier  wegen  ber 
Selegrapfjenftangen3).  ©en  Siötfyeli  laffe  id)  grüben;  er  foQ 
balb  heiraten,  bamit  wenigftenS  wieber  ein  Seil  ßfirdjerifdjen 
^Regimentes  unter  ben  Pantoffel  fommt;  fonft  oerliert  nnfere 
£>ageftoIjenregierung  ja  allen  Ärebit  bei  ben  grauen,  welche 
ftd)  alle  2BeiSl)eit  unb  ßrfa^rung  einmal  nur  als  in  ber 
Äinberftube  unb  unter  Äinbergefd)rei  gereift  benfen  fönnen. 

Slaigg  laffe  id)  aud)  begrüben;  id)  werbe  il)m  f djreiben, 
fobalb  id)  S^t  fyabe.  2BaS  macijt  benn  Sflugt)?3)  ©einen 
„Garbenio"  Ijabe  id)  erft  in  Serlin  recf)t  üerfteljen  lernen  bei 


l)  (Sine  grül)ling§liebe.  fieberfreie  für  ©efang  unb  Sßianoforte 
(93reitf<xpf  unb  £ärtel).    S)ie  Oieber  ftnb  SRtcfyarb  SBagner  genribmet. 

')  3m  Sanuar  1852  fd)rieb  ber  33unbe§rat  bie  Lieferung  ber 
©langen  für  baä  fdjroeij.  £eiegrap!)enamt  aus.  S)amit  aufammen 
fyängt  bie  gel)be  ©pgriä  mit  9ftegierung3rat  53olüer. 

8)  SUfonS  öon  glugi,  ber  8ünbner  S)ia;ter  unb  gorfdjer  auf  bem 
©ebtet  be§  följätoroniamfdjen. 

14* 


212  ^Berlin. 

ben  ©el)eimeratstöd)tern.  3lud)  begriff  id)  nun  frine  ©c^n- 
fudjt  nad)  Berlin.  ©iefeS  fyat  ftd)  aber  burd)  bie  legten  oier 
3al)re  gewaltig  geänbert  unb  ift  nun  blofj  nod)  gemein  ober 
commun,  unb  — 

„Oolb'ne  Äette,  ©lang  unb  füge  »Übung, 
$olbbufttgft,  aflertyetterft  eble  ^ßljantafet 
©tnb  aU  üerfdjrounben,  tya!  e§  mar  ein  Xrug! 
äbe,  bu  ^olber  Stern"  — 1). 

Unb  fo  aud)  abieu! 

©ein  alter  @.  Äefler. 

3d)  bitte  ernfilid),  nid)t  an  mir  gu  öergweifeln  k. 


66*  Jttt  Ptttter  nnh  $4ttr*ß*r« 

^Berlin,  ben  16.  gebruar  1853. 

Siebe  9Jlutter  unb  ©djwefter!  3d)  Ijabe  bie  beiben 
©riefe  erhalten  unb  will  fic  nun  enbltci)  beantworten.  6$ 
wirb  immer  nod)  brei  SJionate  gel)en,  bis  id)  nad)  £aufe 
fommen  fannr  ba  eS  ftd)  nid)t  nur  um  bie  ©djulben,  fonbern 
aud)  um  einen  ehrenhaften  3lbfd)lu&  meines  langen  gort* 
bleibend  Ijanbelt.  S)ie  [Regierung  erwartet,  bafe  etwas  Or- 
bentlidjeS  gefdjelje;  aud)  mufc  id)  mit  bem  33ud)l)anbler  in 
Sraunfdjweig  nod)  perfönlid)  gufammenfommen  unb  alfo  für 
einige  Seit  nad)  33raunfd)meig  gel)en,  um  für  bie  fyituxift 
etmaö  feftgufefcen.  3d)  bin  nun  fo  weit,  bafe  id)  jäfyrlid) 
oon  if)m  allein  400  3fteid)Stl)aler  ober  gegen  1600  granfen 
öerbienen  fann ;  unb  wenn  id)  nur  erft  einmal  gu  #aufe  bin, 


!)  Sßarobterenbe  SScrfe  im  ©ttle  ber  bramatiföen  S>i$tung  „CSar« 
bento"  Don  SUfonS  Don  Jlugt  (ßf)iir  1848). 


66.  2fo  «Kutter  imb  @<§wefter,  16.  gebruar  1853.  213 

fo  roin  id)  rul)ig  für  mid)  leben  unb  brauf  loS  arbeiten  unb 
mid)  nid)t  Diel  um  anbere  Seute  befümmern;  benn  baö  i)ilft 
bod)  nid)tS. 

Slufjerbem  werbe  id)  burd)  baS  Sfyeater  ®elb  einnehmen, 
unb  wenn  e3  mir  gut  gel)t,  jiemltd)  oiel;  benn  id)  fc^e  Seute 
f)ier,  bie  id)  als  (Sfel  betrachte  unb  bie  rote  Ferren  leben. 
SBon  meinem  alten  SRoman,  ber  nod)  nid)t  erfd)ienen  ift, 
Ijabe  id)  twr  oier  SBodjen  bie  legten  200  3fteid)Stf)aler  ein* 
genommen,  alfo  im  gangen  nun  600  SErjalcr  ober  über  2000 
©djmeijer  granfen.  SBenn  id)  bie  &z\t  jufammenred)ne,  bie 
id)  baju  öerwanbt,  fo  ift  eg  nid)t  über  ein  3al)r;  benn  id) 
war  meiftenö  mit  anbern  ©ingen  befdjäftigt.  ©er  S3ud)* 
l)änbler  ift  mir  fefyr  gewogen  unb  i)ält  Diel  auf  mid);  xoaä 
fd)on  beweift,  bafc  er  mir  fo  Diel  ©elb  gum  DorauS  gibt. 
SBenn  id)  nur  Arbeit  liefere,  fo  bejaht  er  gem.  ©a§  ®elb 
ift  jwar  balb  wieber  fort,  weil  id)  bis  jejjt  immer  oorgegeffen 
fyabe  unb  immer  auf  SRedjnung  lebte,  ©er  SRoman,  ber 
näd)ften§  enblid)  fyerauäfommt,  wirb  mid)  aber  um  einen 
9tucf  vorwärts  bringen,  ba£  ftd)  aUeö  günftiger  geftalten 
wirb.  @3  jtnb  jefct  fdjon  in  beutfdjen  3citungen  lobenbe 
Sendete  barüber  erfd)ienen  Don  Beuten,  bie  ein  ©tficf  baoon 
ju  fefyen  befamen.  Seit  id)  in  SBerlin  bin,  Ijabe  id)  800 
Spater  eigenes  ©elb  unb  350  $l)aler  Don  ber  Regierung 
gehabt,  ©a  e8  in  Sürid)  Diel  wohlfeiler  ift,  fo  tjätte  id) 
bi8  jejjt  fd)on  mit  jenem  eigenen  ©elbe  bort  auSfommen 
fönnen  unb  werbe  baljer  fd)on  erjftieren.  ©eöwegen  pref jtert 
eö  mir  md)t  mit  einem  $öftd)en;  wenn  id)  ju  £aufe  arbeite, 
fo  fann  id)  mefyr  Derbienen;  unb-id)  werbe  abwarten,  biS 
ftd)  etwa«  geigt,  wo  id)  gugleid)  etwas  nfifcen  unb  etwa« 
DrbentHdjeS  oorfteDen  fann. 


214  SBerlin. 

6$  ift  gut,  bafc  baS  £au£  nun  öerfauft  ift,  obgleid) 
id)  gern  nod)  einmal  barin  gefd)lafen  fyätte1).  Sluf  ber 
„platte"  ift  eS  t)übfd)  gu  wohnen,  ©aS  3tmmer  mufj 
{ebenfalls  leer  gehalten  werben,  ©teile  meine  6ad)en  hinein, 
weldje  alle  mit  muffen,  bamit  mir  nichts  verloren  geljt,  toa$ 
id)  etwa  nod)  braudje,  fogar  ber  grofee  SRafymen  mit  ber 
3eidjnung  barauf2);  benn  id)  verliere  nid)t  gern  bie  wenigen 
©ad)en,  bie  id)  nod)  üon  meiner  ?Dtalerjeit  fyabe,  ba  id) 
fd)on   in  SJiündjen  um   ba$  meifte  gefommen   bin3).     3d) 

*)  $ie  Butter  an  ©ottfrieb,  25.  Dftober  1852:  „Surd)  biefe* 
©^reiben  mufj  id)  2)ir  ein  (Ereignis  anzeigen,  roeld)e£  fic5^  lefcte  ©od)« 
bei  un§  gugetragen:  id)    fyabe  nämlid)  unfer  £au§  oerfauft  unfenn 

Sratrourfter  [S)ietrid)]  für  bie  (Summe  oon  9000  unb  600  ©ulben. 

Sefet  aber  mu&  id)  auf  fünftige  Dftern  um  eine  äBoljnung  flauen; 
beSroegen  möchte  id)  bod)  roiffen,  ob  id)  aud)  ein  3immer  mefjr  für 
&id&  mieten  fann.  3d)  benfe  in  ber  SRälje  ber  Umgebung  ber  6tabt, 
ober  in  einer  frönen  £age  in  ber  ©tabt,  roegen  Regula  feinem  Berufe, 

bamit  e3  aud)  nid)t  fo  oiel  gu  laufen  fjat. (£§  mad)t  mir  freiltd) 

9Hül)e  unb  (Sorge,  auö  bem  #au3  gu  gießen,  meines  id)  nun  32  3af)re 

bewohnte  unb  fo  Diele  (Erfahrungen  burc^gelebt  fyabe. ©djreibe 

mir  nur,  ob  unb  mann  S)u  tjeim  fommen  fannft!  SBenn  S)u  nur  fo 
oiel  ©elb  fyaft,  Seine  ©Bulben  gu  befriebigen!  SBiS  Cftern  Ijaft  £u 
ja  bei  uns  Sßlafc  gu  roofjnen.  S)u  fannft  in  ©einem  Kämmerlein 
fdjlafen,  unb  in  ber  (Stube  fannft  £>u  ungeftört  ft^eii,  ba  ic§  bie  ganje 
SBodje  immer  allein  bin.    «Regula  ift  nie  als  ©onntagö  bei  £aufe. 

Sann  tjaft  Su  fein  3intmergelb  unb  nid)t£  gu  rennen. grau 

Sefan  ©d)ing  ift  oor  einigen  Söodjen  aud)  geftorben.  3n  ©lattfelben 
fjaben  fic  jefct  ben  38egirf3ftattl)aiter;  <Sd)uHef)rer  Keller  [geft.  1861]  fyd 
biefe  ©teile  erhalten,  barauf  er  fefyr  ftolg  ift."  Sie  ÜHutter  flebelte  nad) 
gluntern,  nad)  ber  platte  (£au§  gur  „(Sommerau"),  über. 

2)  Offenbar  ber  Karton,  ber  in  8b.  1,  212  betrieben  ift. 

8)  SDie  SKutter  an  ©ottfrieb,  11.  Slpril  1853:  „Unfer  «uögug  ift 
gut  oon  ftatten  gegangen.  Seine  ©olbrafymen  pnb  nic^t  neben  bem 
©erümpel  gebogen :  einige  Jage  oorfyer  l)at  Slnneli  ÜRarti  alle  $orträi$ 

unb  ©laSmaren  hinaufgetragen. 2113   id)  miety  im  £aufe  oer« 

abfdjiebete,  meinten  bk  2öeiber,  befonberS  Slnneli  unb  SBäbi." 


66.  2ln  SWutter  unb  ©d&rcefter,  16.  gebruar  1853.  215 

werbe  fommen,  fobalb  als  möglid)  unb  öielleid)t  unoerljofft. 
Übrigens  fann  man  jejjt  öfter  fdjreiben,  ba  bie  SSriefe  xoofyU 
feiler  geworben;  and)  braudjft  S)u  nid)t  gu  franfieren;  benn 
bei  bem  Dielen  ©elbr  baS  mir  Ijier  gum  Steufel  gel)t,  fommt 
es  auf  bie  paar  ®rofd)en  nid)t  an. 

3d)  fyabe  fdjon  mefyrmal  üergeffen,  ben  (Sbuarb  ÄeHer 
grüfeen  gu  laffen,  was  id)  hiermit  tljue;  eS  Ijat  mir  lefctfyin 
öon  ifym  geträumt.  3d)  will  feiner  Qut  ben  SRoman  (Sud) 
fd)irfen  laffen  unb  bitte  bann,  benfelbigen  bem  Slaigg  gu 
Iefen  gu  geben.  3d)  würbe  raten,  wenn  3l)r  umgießt,  bie 
alten  ®trot)feffel  nid)t  etwa  weggutfyun,  fonbem  im  Gegenteil 
biefelben  alle  renovieren  gu  laffen,  ba  fte  fo  lange  gebient 
unb  efyrmürbige  TOöbel  ftnb.  (SS  wirb  übrigeng  fomifd) 
ausfegen,  wenn  %l)x  mit  ber  SJJenge  meiner  ©olbrafymen 
unb  bem  alten  ^auörat  auSrücft,  was  gar  nid)t  im  93er- 
IjältniS  ftefyt  gufammen.  2BaS  ben  Sproßt  betrifft,  ber  am 
£aufe  gemacht  worben  ift,  fo  will  id)  nidjtS  bat>on,  unb 
fann  SRegula  benfelben  als  itjr  fünftigeS  Vermögen  betrad)ten; 
benn  mir  ift  mit  1500®ulben  nid)t  geholfen,  unb  wenn  id) 
ol)ne  biefelben  nidjt  leben  fann,  fo  fann  id)'S  aud)  mit  ben* 
felben  nidjt,  wäfyrenb  baS  ©ange  für  eine  SSeibSperfon,  bie 
nod)  einen  SSeruf  f)at,  fdjon  etwas  ift. 

SBenn  eS  gefyt,  wie  id)  fjoffe,  fo  foll  fie  fogar  bie  3infen 
baöon  eingießen  unb  oerwalten,  wie  eS  il)r  beliebt;  benn  id) 
benfe  balb  bie  Soften  unfereS  £auSt)aIteS  felbft  gu  übernehmen. 

3d)  bin  jejjt  breiunbbreifcig  Saljr  alt  unb  fange  gerabe 
ba  an,  wo  mein  SSater  aufgehört  fyat.  8lber  fo  gefyt  eS  t)alt 
oerfd)ieben  gu  in  ber  SSelt. 

3>d)  laffe  alles  grüben  unb  oerbleibe  einftweilen 
6uer  @ol)n  unb  S3ruber  ©.  ÄeHer. 


216  Berlin. 

67*  Jln  itvmtuu  #rtttter  in  fett** 

Serltn,  ben  16.  Sult  1853. 

fiieber  £ettner!  3d)  fann  eS  nun  nid^t  langer  am 
fielen  Iaffen,  fo  fcfywer  e§  mir  aud)  faßt,  burd)  einen  leeren 
S3rief  ein  Sebenöjeidjen  t>on  mir  gu  geben.  3d)  Ijabe  t>or 
anbertljalb  Sauren  eine  ©umme  Don  S^nen  geliehen,  unb 
biefe  uuglüdflid)e  SÜjai  brolji  unfer  93erl)älini$  gänjlid)  ju 
©runbe  gu  ridjien.  3$rett  legten  S3rief,  worin  Sie  mir 
mitteilten,  baß  ©te  ba$  @elb  brausten,  Ijabe  id)  ein  Sa^r 
lang  unbeantwortet  gelaffeu,  weil  id)  mid)  fdjämte,  einen 
leeren  SBricf  gu  fdjidfen,  unb  lieber  aHe3  brauf  anfommen 
lieg,  bis  id)  im  ftanbe  märe,  mid)  burd)  bie  Sljat  gu  redjt* 
fertigen.  Seiber  ift  mir  bieS  aud)  jefct  nod)  ntdjt  moglid), 
wäfyrenb  e$  mid)  peinigt,  faft  bie  ©ewtfel)eit  gu  l)aben,  bajj 
ftd)  inbeffen  eine  üble  SHeinung  Don  meinem  @l)arafter  bei 
3$nen  auSgebilbet  Ijat.  Unb  bennod),  obgleich  Ijietoon  bie 
@d)ulb  gang  an  mir  läge,  mürben  ©ie  mir  Unred)t  tljun. 
SBenn  id)  Sfynen  t>erfd)iebenilid)  Derfprad),  meine  33erpflid)tung 
balb  ju  löfen,  fo  glaubte  id)  felbft  aufrichtig  baran,  unb  nur 
ein  bämonifd)e£  Ungefd)itf  in  wie  auger  mir  Ijtnberte  mid). 
3d)  bin  leiber  feine  fioreng  ÄinblemSnatur,  welche  bei  2Baffer 
unb  ©orgen  immer  munter  brauf  loö  jcfyreibt1).  S)aS  Der* 
worrene  9?e£  t>on  ©elbmangel,  fleinen  ©orgen,  taufenb  33er* 
legenljeiten,  in  welches  id)  mid)  unDorftd)ttger  SBeife  mit 
meinem  ©intritte  in  S)eutfd)lanb  öerwidfelte,  wirft  mid)  immer 
wieber  gur  Untfyäiigfeit  gurfidf;  bie  SHülje,  wenigftenS  ber 
täglichen  Umgebung  anfiän&ig  unb  eijrlid)  gu  erfdjeinen, 
brängt  bie  ©orge  für  bie  (Sntfernteren  immer  gurfidf;   unb 

*)  öorena  fltnblein,  bie  Sammerfigur  in  flofcebueS  „Armem 
$oeten". 


67.   5ln  Hermann  Lettner,  16.  3uli  1853.  217 

bie  fortwäl)renbe  Aufregung,  bte  man  öerbergen  mufj,  biefe 
iaufenb  9?abclftid>e  abforbieren  alle  äufeere  Sßrobuftiüiiät, 
wäljrenb  freilid)  ba8  ©efüfyl  unb  bic  Äenntmä  be§  9Wenfd)* 
Iidjcn  an  SEiefe  unb  Sntenfität  gewinnen.  3d)  »ürbe  mir 
biefe  brei  legten  %a\)xt  fpäter  md)t  ablaufen  laffen.  @o 
rüdften  meine  ©acfyen  mit  fabelhafter  Sangfamleii  DorwärtS, 
roeldje  ©ie,  al£  rühriger  unb  fleißiger  9Wann,  nur  begreifen 
fönnen,  wenn  ©ie  einft  ba§  ©etail  fennen. 

SSCQed  bie$  wirb  nun  balb  ein  6nbe  nehmen;  benn  e3 
ift  nun  ßcit.  SBenn  ber  SRoman  IjerauS  unb  etwas  SDra* 
maiifdjeS  fertig  ift ,  fo  werbe  id)  aus  ber  ©djweij  eine 
rabüale  SBerbefferung  meiner  Sage  bewirten  unb  überhaupt 
ein  anbrer  9Jlenfd)  werben.  SBieweg  wirb  nädjftenS  brei 
Sänbe  beö  SRomanS  öerfenben,  unb  ber  Dierte  wirb  @nbe 
Sluguft  nachfolgen.  @r  ift  aud)  beS  SteufelS!  ©a$  eine 
9Kal  fd>rctbt  er  mir,  ba$  Sud)  fei  feiner  Meinung  nad)  ba§ 
S3efte  in  feiner  2lrt,  unb  e£  muffe  (Srfolg  l)aben;  baS  anbere 
3Wal  madjt  er  mir  ©robljeiten.  ©in  Suftfpiel  Ijabe  id)  nun 
gang  öoH  unb  reid)  gufammengebadjt,  unb  id)  Ijätte  eS  längft 
in  ad)t  Sagen  gefdjrieben,  wenn  id)  nid)t  ba8  SBort  gegeben 
Ijätte,  nichts  anbereS  gu  machen,  e^e  ber  SRoman  fertig  ift; 
unb  gerabe  bieS  fd)ien  ein  ftlud)  gu  fein,  bafc  ber  unfelige 
md)t  fertig  würbe. 

©ie  £eine*9tomangero  ©efd)id)tel)  werbe  id)  ber  gweiten 
aufläge  meiner  @ebid)te  einverleiben,  weldje  SBieweg  auf 
9Rid)aeli8  ueranftalten  will,  ßunäd)ft  werbe  id)  jwei  Sänb* 
d)en  SRoueHen  machen,  weldje  SBieweg  bruefen  will;  biefe 
werben  in  gwei  Monaten  fertig  fein  unb  ben  ©runb  gu  einer 
einzeiligen  fortlaufenben  6rwerb3queHe  legen.    SWen  Äon* 

*)   „2)er  Styotfjeler  oon  Gljamounij:". 


218  ©erlitt. 

fteHationen  nad)  uub  nad)  beut,  wa£  id)  auf  bem  SEljeater 
florieren  fefye,  fyabe  id)  burdjauö  feinen  ©runb,  in  begug  auf 
meine  ©ramen  mutlos  gu  fein. 

3ljr  gried)ifd)e§  Sud)  Ijabe  id),  obfdjon  id)  e§  befomuten 
fonnte,  nid)t  gelefen,  weil  e§  mir  gu  peinlidje  Sorfteüungcn 
erregte,  fowie  mir  3^  9?ame  immer  ein  33ormurf  ift,  wenn 
id)  iijii  irgenbwo  crtoätjnt  finbe.  9)tonfieur  SEßibmann  roar 
im  legten  $rül)jal)r  l)ier  unb  Ijat  14  Steiler  für  ©rofd)fen 
ausgegeben,  um  in  ©erlitt  wieber  eine  Aufteilung  gu  fudjen, 
fyat  fte  aber  nid)t  gefunben.  <5r  ift  ein  gang  miferabler 
©djwäjjer  unb  t)at  aud)  über  ©ie  gefdjimpft,  fo  wie  über 
anbere  ßljrenleute,  gang  blöbfinnig  unb  taftloS.  Sangen 
©ie  gerabe  feine  £änbel  mit  il)tn  an,  aber  nehmen  ©ie  jtd) 
in  ad)t  twr  ifym!  ©eine  (Srgäfylungen  „2lm  warmen  Dfen" 
finb  ein  interefjanteS  Seifpiel,  wie  man  fyeutgutage  ol)ne 
Seruf  fdjeinbar  gute  uub  bod)  fd)led)te  Sudler  mad)t:  ab* 
fid)tlid)  gemadjte  ©tubien  in  SBalb  unb  gelb,  3RemmiSgengen, 
gute  Zotigen,  ben  Säuern  unb  3ägern  abgefragt  unb  auf* 
gefdjrieben,  gierlid^e  ©ädjeldjen  appetitlid)  gufammengefdjmiebet 
unb  mit  reinlidjem  ©tile  oergolbet,  aber  inwenbig  nid)t  eine 
©pur  Don  9totmenbigfeit,  Don  burdjgeljenber  Stiefe,  unb 
nid)t£  fertig.  9JJan  mufe  gefteljen,  bie  Seutdjen  geben  ftd) 
Ijeutgutage  bod)  einige  5Rül)e. 

©od)  id)  Dergeffe,  bafe  id)  nid)t  gu  biefen  Klaubereien 
bered)tigt  bin,  elje  ©ie  mir  mit  einigen  Qdkn  f djreiben,  ob 
@ie  boS  finb  ober  nid)t,  unb  ob  ©ie  mir  gu  meiner  33er* 
urteilung  nod)  eine  Stift  oon  einigen  TOonaien  geben 
wollen.  3d)  glaube  ©ie  eruftlid)  üerfidjern  gu  fönnen,  bafe 
©ie  bieg  nidjt  bereuen  werben. 

S$r  ©ottfr.  ÄeOer. 


68.   2ln  Hermann  £ettner,  3.  Sluguft  1853.  219 

3>d)  Ijabe  in  lefjter  S^t  einige  gute  Sefanntfdfjaften  ge* 
madjt  unb  attbere  in  3lu£ftd)t  unb  werbe,  fo  balb  tfyunlid), 
einen  Sradf  erwerben,  um  au$  meinem  $egefeuer  glorreich 
tyeroorjufteigen. 

68*  &n  §tvmüun  $etttter  in  I*tt** 

Berlin,  ben  3.  Sluguft  1853. 

Siebfter  greunb!  3d)  banfe  Sfynen  für  %t)Tt  freunb* 
lidje  6rwiberung  unb  äbfolution1).  SdJL  war  feinen  äugen? 
blitf  ber  SReinung,  bafe  nidjt  ein  einjigeö  SBort  unb  }eben* 
falte  mein  fdjlie&ltd)e$  SBerljalten  nnfer  SBcr^ältniö  wieber  in 
©ang  bringe;  es  bauerte  mir  nur  ju  lange,  bis  id)  ben 
Stein  beö  2lnftofee§  aud)  jugleid)  weg  räumen  fonnte;  unb 
barum  fdjrieb  id)  enblid).  SBarum  id)  eö  aber  nidjt  Dörfer 
getljan,  warum  td)  wirflid)  in  ernftlidjer  SSerlegenljeit  unb 
SBerftimmung  war,  fanb  feinen  ©runb  barin,  bafe  Sie  Der* 
betratet  unb  gamilienoater  finb;  unb  wenn  id)  mid)  oor 
Sftnen  allein  im  ©runbe  genommen  nie  redjt  fdjämte,  woljl 
wiffenb,  ba§  ©ie  erfahren  unb  flug  genug  finb,  um  ein3it* 
feljen,  bafc  id)  nidjt  mit  foldjen  ©efdjidjten  jämmerlid)  enben 
werbe,  fo  tljat  id)  e§  befto  mefyr  öor  S^rer  grau,  weldje  id) 
waljrfyaft  ad)te  unb  Derefyre.  ©ie  war  ieberjeit  fo  einfach 
unb   freunblid)  gegen  midj  gewefen,    unb  nun  auf  einmal 


»)  Lettner  an  ©.fetter,  18.  3uli  1853:  „3$  fyabt  Ijunberttnal 
jenen  unfeligen  Slugenblitf  üerroünfdjt,  ba  id)  mir  beifommen  liefe,  @ie 
um  bie  9ifitffenbung  ber  bewußten  (Summe  ju  bitten.  3$  mar  aber 
bamalä  in  grofeer  Verlegenheit.  S^fet  ift  biefe  Verlegenheit  Iängft 
öorüber,  unb  mir  ruar  au§  berfelben  feine  anbere  ©pur  3urütfgeblieben 
als  ba§  brilcfenbe  IBeroufetfein,  mir  burd)  biefelbe  leichtfertig,  einen 
magren  unb  roaderen  greunb  üerfd;er3t  3U  Ijaben." 


220  Berlin. 

tiefe  fyäßlidje  unb  lädjerlidje  ©efd)id)te,  inbem  id)  tyren 
teuerften  5Hann  anpumpe,  in  Verlegenheit  fefce  unb  bann 
nid)ts  meljr  Don  mir  fyören  laffe!  ©od)  genug  Ijieöon  für 
einflmeilen. 

3d)  bin  feljr  betroffen,  bie  grofje  ©efaljr  unb  ©orge  ju 
öerneljmen,  in  welcher  Sie  gefdjroebt  §aben,  unb  Ijoffe  nur 
Don  gangem  bergen,  bafc  bie  ©enefung  S^rer  öere^rten  grau 
nun  für  bie  ©auer  mafcgebenb  fei1).  3d)  l)telt  Sie  mit 
31)rer  lieben  Sfamilie  für  gejtdjert  oor  folgen  frühen  unb 
emften  Prüfungen;  aber  laffen  mir,  al£  aufrichtig  ©trebenbe, 
uns  geigen,  bafc  mir,  oljne  gefalbte  Gljriften  ju  fein,  bennod) 
auf  unfere  SBeife  bem  ©rnjt  be3  ©afeinS  eine  erfpriefjlid)e 
©ette  abjugeminnen  miffen! 

3^re  griedjifc^en  ©figjen  miß  id)  biefe  Sage  Iefen  unb 
3ljnen  gerne  unmafegeblid)  barüber  fd)reiben.  2Ba§  id)  baoon 
auSgugömeife  in  3«tf Triften  las,  liefe  mir  feinen  ßwrifel, 
bafc  ©ie  fefyr  glüdflid)  fdjilbern. 

3^r  fdjlejtfcfyer  SanbSmann  9Majr  9ting,  meldjem  id) 
öon  3^er  jefcigen  Strbeit  erjagte,  trug  mir  feierlidjji  auf, 
3^nen  eine  3&^  mitzuteilen,  meldte  er  Ijabe:  er  Ijalte  nämlid) 
SBoltaire  für  bie  Sfortfefcung  ber  geiftreid^wifcigen  gronbeurS, 
Sftouffeau  hingegen  für  biejenige  ber  religiös  *  patfyetifd)* 
bemofratifdjen  S^nfeniften.    34  tyue  **  hiermit. 

SRing  ift  übrigens  ein  rühriger  unb  talentvoller  Surfte, 
melier  nod)  DieleS  machen  mirb.  ©a§  Semalbfdje  ©Ijepaar 
Ijat,  glaub'  id),  feinen  einjigen  aufrichtigen  greunb  meljr. 
Überall,  fo  Diel  id)  fyöre,  erregen  fte  2lnftof$,  nidjt  nur  burd) 
bie  Dftentation,  mit  meldjer  fte  ifyr  33eri)ältni8  probugieren, 

*)  Lettner  an  tfeUer,  18.  Suli  1853:  „3Reine  grau  mar  im  3Rdt3 
unb  Slpril  fo  franf,  bai  bie  Diepgen  &rate  pe  alle  aufgegeben  trotten/ 


68.  $n  ^ermann  £ettner,  3.  Stuguft  1853.  221 

fonbcrn  audj  burd)  bie  2lnma&ung,  mit  meldjer  fte  in  litte« 
rartfdjen  ©efprädjen  gufammen  gegen  gange  ©efeHfdjaften 
Sront  madjen.  Äurg  el)e  ©tafyr  feine  arrogante  unb  unge* 
fdjidfte  (Spiftel  an  bie  ©anb  brudfen  liefe,  oerljanbelien  fte 
bm  gletdjen  ©egenftanb  in  einer  ©efeUfdjaft,  unb  matten 
bie  ©eorge  ©anb  herunter,  wie  man  eine  unbequeme  Äon* 
furrentin  heruntermacht.  6in  befd)eibencr  i^nb  ftiKer  Sßrofeffor 
wagte  etroaS  über  ben  neueften  Sftoman  ber  ©anb  gu  jagen, 
als  bie  ganmj  ftd)  großartig  öom  ©ofa  erfyob  unb  Der* 
ffinbete:  ,,3d)  backte,  mein  £err,  id)  fyätte  Ijter  aud)  ein 
©ort  mitgufpred)en!" 

©tafyr  treibt  tnbeffen  feine  Feuilletons* ©djreiberei  ins 
Silberne,  ©ein  neulieft  er  Slrtifel  in  ber  „Äölnifdjen  ßeiiung" 
mar  gerabeju  erbärmlid).  2BaS  ift  benn  ba&  für  ein  fultur* 
ftiftorifcfyer  SBerftanb,  ben  erften  beften  ©djmödfer  au£  bem 
Saftr  1699  fyerauSgugreifen  unb  banad)  eine  SBergleidjung 
anguftellen?  2Benn  er  nur  bebadjt  fyätte,  maS  Sutljer  über  bie 
alte  Äomöbie  gefagt  f)at,  9Jteland)tl)on,  (SraSmuS  unb  anbere 
gu  gefd)toeigen,  fo  fyätte  er  etngefefyen,  bafe  fein  £ärmfd)lagen 
gang  unbegrünbet  mar.  aber  SBincfelmann  unbßefftng  mufeten 
als  bie  erften  33ejieger  ber  ^Barbarei  glängen,  bamit  bie  Über« 
geugung,  bafe  Slbolpft  ©tafyr  ber  britte  unb  größte  fei,  um  fo 
fefter  im  Sefer  rourgle.  ©iefe  Slffefttertftett,  mit  roeldjer  ©tafyr 
feinen  gried)ifd)en  ©inn  unb  fein  Seffmg-Serou&tfein  allüberall 
aufwärmt,  fyebt  beinahe  fein  mirflid)eS  SSerbienft  auf;  benn 
gulefct  mirb  alles  mieber  ßopf>  felbft  bie  33ilbung. 

2öaS  fagen  ©ie  gu  ben  @efd)id)ten  in  £eibelberg? 

©ie  alte  pftilofopftifefte  Unfttte,  an  irgenb  einer  ©teile  ber  Seftre 
bie  SEßaljrfteit  gut  unb  beutlid)  merlett  gu  laffen,  bann  aber 
fogletd)  ein  ftanbroerfSmäfeigeS  oerroorreneS  Softem  barum  gu 


222  Berlin. 

wicfeln,  fd^eint  einmal  nid)t  auSfterben  gu  wollen,  fonbcrn  in 
ben  jüngften  ©pröfelingen  erft  red)t  gu  wuchern.  Seilroeije 
ber  fleinlidje  beutfdje  SlutoritätSneib,  teilweife  bic  glacfyljeit  ber 
Seit  machen  bie  Seilte  förmlid)  taub  für  bie  tiefe  unb  granbiofe 
Monotonie,  mit  welcher  geuerbad)  feine  eine  fjTage  ein  IjalbeS 
geben  lang  abgeljanbelt  unb  erfdjöpft  fyat,  unb  fein  etjrlid)-- 
HafftfdjeS  leibenfd&aftlidjeS  2Befen  wirb  öon  biefen  @tro^ 
föpfen  trioial  unb  oberflächlich  genannt,  weil  pe  eben  Äon* 
fufton  unb  @d)ule  brauchen,  um  gu  ejriftteren.  ©elbft  wenn 
fteuerbad)  gänglid)  auf  bem  £olgwege  wäre,  fo  wirb  e£  jtd) 
IjerauSftellen,  baß  er  für  bie  ßniwitfelung  be§  ©efamtgu- 
ftanbeö  unb  =33ewufetfeinS  unenblid)  wichtiger  unb  wefent* 
Iidjer  war  alö  alle  bie  Ferren  gufammen. 

2Ba8  mad)t  benn  ber  9?ad)laf$  feines  Derftorbenen 
Sruberö1)?  Soljanna  Äapp  malt  nun  ernftlid)  unb  leiben« 
fdjaftlid)  5Renfd)en  unb  menfdjlidje  ©inge  unb  foQ  pd)  tief 
hineingearbeitet  fyaben.  3m  £erbft  wirb  pe  nad)  £eibelberg 
geljen.  %rk$  unb  Sodjer  feien,  wie  mir  Soljanna  fdjreibt, 
eifrige  @d)üler  unb  Sparer  gifd)er£  in  £eibelberg.  grie$ 
foll  im  September  auf  Safyre  nad)  SRom  gefyen. 

2Ba£  meine  arbeiten  betrifft,  fo  fürdjte  id),  td)  Ijabe 
ben  gegenwärtigen,  mehrere  Sialjre  herumgetragenen  @d)ub 
»ertragen  unb  oerfdjleppt.  2lber  id)  fyabt  babei  gum  Srofte  für 
meine  ßufunft  bemerft,  bafe  id),  wenn  id)  frei  au§  mir  IjerauS 
pnne,  original  unb  wef entlid)  fein  bürfte;  unb  eine  folcfye 
Quelle  oerpegt  nie.  3d)  Ijabe  täglid)©elegen!)eit,  bei  bramatur* 
giften  Sefereien  unb  Unterhaltungen  gu  entbedfen,  bafj  id}  unbe- 
wußt manches  fd)on  lange  gewollt  unb  gefüllt  Ijabe,  wa$  al$ 

')  £ettner  fjat  furj  barauf  bic  Ijinterlaffenen  Schriften  oon  An« 
fclm  geuerbad)  ^erauägeöeben. 


Sin  ^ermann  £ettn«,  3.  Sluguft  1863, 


bie  neuefte  ©ntbeclung  angerjriefen  wirb.  3d)  fe^e  ju  meinem 
■Berbrufc  ober  ju  meinem  Vergnügen  oft  im  Sweater,  bafj 
id)  Situationen  unb  HJiotiüe  berühmter  Stürfe  faft  genau  fo 
fd)on  felbft  auSgeljecft  Ijnbe.  3n  meinem  Siotnan  fann  id) 
midj  rühmen,  bajj  id)  bie  SCRenge  Don  Änabengefdn'djten,  bie 
in  lefcter  3«t  erfdjienen  unb  alfo  an  ber  Seit  ju  liegen  fdjeinen, 
antejipiert  unb  ofjne  etwa«  8efonberlid)e«  ju  wollen,  weit 
roefentlidjer  unb  objeitiuer  aufgefaßt  fyabt,  al«  aüe  bie  be> 
rühmten  Ferren,  io  wie  bet  gange  SRoman  jmar  alter  Sertiir, 
aber  neuen  Stoffe«  fein  bürfte.  Äönnte  id)  ba«  Sud)  nod) 
einmal  umfdjreiben,  fo  wollte  id)  jefct  etwas  ©auerljafte« 
unb  burdjan«  SädjtigeS  barau«  madjen.  ©8  finb  eine  3Renge 
unerträglicher  ©ejiert*  unb  gladjtjeiten,  oudj  grofee  Sonn* 
fehler  barin.  Sie«  alle«  jdjon  oor  beut  @r[d)einen  einju> 
fe!jen,  mit  biefem  gemifd)ten  ©ewu&tfem  nod)  baran  fd)reiben 
ju  muffen,  roäfjrenb  gebrutfte  SSänbe  lange  oorlagen,  war 
ein  Segefeuer,  weldje«  ntäjt  jebem  ju  gute  fommen  börfte 
ijeutjutage.  3d)  Ijabe  aber  fortroätjrenb  mein  innere«  Ütuge 
offen  unb  fd)liirfe  alle  fflitterfeit  mit  ruhiger  unb  DoHer  Se- 
fonnenljeit  unb  fcrjmedfe  (eben  Kröpfen  mit  ber  Äenntni« 
feine«  Saiden«.  @«  gefjt  mir  im  Äopfe  tjerum,  baft  id)  ein= 
mal  irgenb  etwa«  rwtdjeit  werbe,  welches  burdjauö  not* 
menbig,  bered)tigt  unb  au«  Einem  @uffe  ift,  unb  id)  laffe 
biefen  Slugenblicf  ruljig  fjeranfbmmen;  benn  er  wirb  al«bann 
ein  ganje«  Seben  in  fid)  tragen. 

3d)  bin  fetjr  begierig  auf  Sljr  38err  unb  fjoffe  Biel 
barau«  ju  lernen1),  ©ie  finb  für  mid)  gegenwärtig  ber 
Elarfte  unb  oerftänbigfte  unb  roeitau«  braud)barfte  8ittcrar= 
&,iftorifer,   ber  mit  biefen  ßigenfdjaften  jugleid)  Srifdje  unb 

')  Sie  8itteraturßefd)i<f)te  beS  18.  3af)rf)unbert3. 


224  Berlin. 

ftreunblidjfett  beS  ^crjcnS  Derbinbet,  was  ben  übrigen  ab* 
ge()t.  Stofenfranj,  melier  aud)  ein  freunbltdjeS  @emfit  ift, 
fdjeini  bagegen,  foDiel  id)  aus  feiner  „Slftljetir  beS  £ä&lid)en- 
erfefye,  Don  ffierftanb  unb  wahrer  Jfriti!  nidjtS  meljr  ju 
afynen;  benn  SBelefenljeit  tljut'S  nid)t,  unb  lefctere  galten  Diele 
für  Äritif.  ©djon  ber  Xitel  ift  wiberftnuig  unb  romantifd). 
6d)ön  ift  fd>ön,  unb  l)ä&ltd)  ift  ^ä&lid)  in  alle  gwtgfeit. 
@S  ift  weiter  nichts,  als  maS  bie  $^ft!er  mit  ber  aBärme 
tfyun;  fie  lennen  feine  pojitiDe  Äälte  unb  braudjen  bie«  SBort 
nid)t,  fonbern  fte  lennen  nur  geringe  SBärme.  ©o  wirb  e$ 
mit  bem  ©djönen  gehalten  »erben  muffen,  ©ie  Lanier, 
Diele«  in  ber  Äunftgefdjidjte  als  abftdjtlid)  DertDanbte  unb 
fd)ön  gemalte  £äfelid)feit  ju  rangieren,  ift  fiberfommeneS 
unb  irrationelles  5Räf  onnement ;  benn  genau  betrachtet  ge* 
fdjal)  bteS  in  ber  magren  Äunft  ntrgenbS  (bie  Ausartung 
ift  gar  nid)t  gu  berüdfftd)tigen),  unb  was  man  bafür  be* 
jeidjnen  will,  ift  eben  nid)tS  als  bie  pure  ©djönljeit.  €o 
muffen  mir  uns  aud)  Ijier  ganj  an  ben  immer  meljr  mafe* 
gebenb  merbenben  Vorgang  ber  SRaturwiffenfdjaft  galten,  unb 
gegenüber  ber  allgemeinen  unb  abfohlten  einzigen  @d)önl)eit 
nid)t  einen  ©egenfafc  beS  pofttiD  ^äfclidjen,  wie  einen  Steufel, 
annehmen,  fonbern  nur  einen  geringeren  ©rab  ber  ©djönfyeit. 
SBie  gefagt,  baS  ©leidjniS  mit  ber  Sefyre  Don  ber  SBärme 
bürfte  gang  anroenbbar  fein,  befonberS  wenn  man  bagu  nod) 
an  bie  gebunbene  ^Bärme  :e.  benft. 

6S  mürbe  mid)  freuen,  menn  Sie  mir  Dom  ©eebabe1) 
aus  f d)reiben  wollten;  id)  wünfdje  Sfynen  inbeffen  eine  gute 
Äur  unb  @rfrifd)ung  unb  Derbleibe 
3^r  getreuer  ©ottfr.  Äeller. 

')  Söangeroog. 


G9.  tun  Hermann  $ettner,  15.  Dßober  1853.  225 

69.  3Ln  gcrtnitmt  fittttttt  in  Jena. 

SBerlin,  ben  15.  Ottober  1853. 

Sieber  greunb!  31)"  freuublid)  beforgte  9(ad)fragel), 
tueldje  mid)  rootjlltjuenb  berührte,  obfdjon  id)  als  Unfraut  in 
feineriei  @efab,r  fdjroebe,  ueranlafet  mid),  3t)nen  enblid)  ben 
fdjulbigen  Brief  ju  entrichten. 

33or  allem  ruünfdje  id),  bo.fi  fid)  bie  @efunbr)eit§äuftänbe 
in  Sjjrer  '«ben  gamilfe  gebefferr  Ijaben.  ©ie  jinb  \a  bie§ 
3at)r  ein  orbentlidjer  ÜKartnrer  geworben!")  ©a&  es  Sljnen  nm 
sDteere  gut  erging  unb  gut  gefiel,  freut  mid);  id]  bin  nur 
neugierig,  ob  id)  nud)  nod)  ben  Sag  erlebe,  roo  id)  wieber 
in  eine  »ernünftige  ©egenb  fomine  unb  entroeber  SJteer  ober 
©ebtrg  fefje.  ©ie  SRärlifdje  £nnbfd)aft  tjat  jtoar  etroaS 
red)t  ISIegifdjeS,  aber  im  ganjen  ift  fie  bod)  fdjroädjenb  für 
ben  ©eift;  unb  bann  fann  man  iiidjt  einmal  Ijinfommen,  ba 
mau  jebeSmal  einen  JdjrecfHdjen  Anlauf  netjmen  mufc,  um 
in  ben  @anb  tjinein  $u  waten.  Sttj  bin  feft  überjeugt,  bafj 
eS  an  ber  ßanbfdjaft  liegt,  bafe  bie  Seute  rjier  improbuRto 
werben.  3d)  fagte  e§  fdjon  tjunbertmal  gu  Diepgen  $oeten, 
bie  fid)  bomijiliert  baben,  unb  fie  ftimmen  alle  ein  unb 
(djimpfen  roomöglid)  nod)  metjr  als  id);  aber  [einer  weidjt 
Dom  Sied:  lieber  fterben  fie  elenbiglid)  uuf  bem  Sßlafce, 
etje  fie  non  bem  »erfuidjten  Älatfdjneft  roeggeben.  2Bie  fel)r 
werbe  id)  mid)  fuuten,  wenn  id)  einmal  fann!  ©enn  id)  fürjle 
rootjl,  bafj  id)  tfier  aud)  eintrotfnen  würbe.  (Sin  £auptgrunb 
ju  ber  3mpotenj  ift  aud)  bie  ocrfludjtc  Jpotjlfjeit  unb  Sfjarafter* 

')  Ob  ÄeHer  etroa  oon  ber  in  Berlin  fjerrfdjenbeii  Erjolera  er- 
griffen  mürben  (et. 

'')  ffiraTiItieit  ber  Jrau  unb  Sob  eines  SfldjterdjenS. 

®ett[xirt  »tll«.  II.  15 


226  f^erlüL 

lojigfeit  bcr  Diepgen  9Jlenfd)en,  bic  gar  feinen  orbentlidjen 
fruchtbaren  ©effiljlSroedjfel  unb  s&uSbrucf  möglid)  mad)t.  So 
fommen  bie  Beute  aus  bem  Steckten  IjerauS,  oljne  gu  wiffen, 
rote  eS  eigentlich  gugegangen.  ©od)  mufe  id)  gefielen,  bog 
für  bie  eigentliche  ©elefyrtenwelt  bie  6ad)e  pd)  anberS  Der* 
Ijält  unb  l)ier  eine  gute  2uft  gu  fein  fcfyetnt  ober  wenigften§ 
einmal  roar. 

6in  Dorübergeljenber  Aufenthalt  l)ier  hingegen  ift  jeben* 
falls  aud)  für  ffinftlerifd)e  unb  anbere  ©eiltängernaturen  gut. 
S)en  Vornan  ber  Seroalb1)  Ijabe  id)  nod)  nid)t  gelefen  unb 
werbe  eS  fdjwerüd)  balb  tfyun.  2Bie  eS  fdjeint,  will  fie  fid) 
mit  ©emalt  gur  älleinljerrfdjerin  beiber  ©efd)led)ter  bies*  unb 
jenfeitS  beS  9if)eineS  ergeben  unb  roomoglid)  bie  einzige  Stoman* 
fdjretberin  iljrer  &t\t  fein.  ®en  „SRobinfon"  will  id)  fobalb 
möglid)  lefen.  können  Sie  mir  eine  gute  Überfefeung  be* 
geidjnen? 

3d)  l)tbe  nun  mit  großer  Sfreube  3töre  w  Steif  effiggen11  ge* 
lefen  unb  fann  Sie  Derjtdjern,  baß  id)  lang  fein  fo  gmetf* 
mäfjig  gefdjjriebeneS  unb  gelungenes  33ud)  biefer  ©attung  ge* 
lefen  Ijabe.  Sei  %t)m  Äonftruierung  ber  alten  ©enhnäler 
mufjie  id)  mid)  freilief)  als  Semenber  Debatten  gang  unb 
gar ;  aber  auf  wie  angenehme  plafüfdje  unb  genu&Dotle  SEBeife 
lernte  id) !  Sei  ben  lanbfd)aft(id)en  Sd)ilberungen  l)aben  Sie 
fein  SBort  gu  Diel  unb  feines  gu  wenig  gefagt,  fo  bafe  gerate 
bie  rechte  SorfteHung,  Anregung  unb  6et)nfud)t  nad)  bem 
Sanbe  entfielt;  unb  bieS  5Jtaf$  ift,  wie  id)  glaube,  etwaSfeljr 
®lficflid)eS  unb  Seltenes,  was  nid)t  afle  ober  Dielmefyr  nur 
luenige   treffen.     6s  mar  bisher  nod)  am  meiften  bei  ben 


')  „SBanblunöen"  (1853). 


69.   3In  ^ermann  £ettner,  15.  Dttober  1853.  227 

geiftreidjen  eleganten  ©djriftfiellern  früherer  Sßerioben  gu 
finben  imb  bürftc  ungefähr  bem  ©inne  ber  8lten  felbft  an* 
gemeffen  fein.  3d)  ^obe  gufäQig  gugletd)  ben  ©opljofleö 
gelefen  unb  beibe  Seftüren  fyaben  ficj)  aufs  fd^onftc  Der- 
fd)molgen.  3d)  fann  nidjt  begreifen,  wie  bie  2lnjtd)t  I)at 
auffommen  fönnen,  welche  erft  £umbolbt  wtberlegt  Ijat,  bafe 
bie  alten  feinen  ©inn  für  baS  2anbfd)aftlid)e  gehabt  Ratten, 
©ie  brauchten  ja  nur  tfyre  ©ötter  gu  nennen,  fo  falj  man 
$Jieer,  ^immel  unb  ©ebirge  üor  jid);  unb  wenn  ber  Siebter 
ben  £elio§  über  bieS  ober  jenes  SSorgebirge  fyertwrfommen 
liefe,  fo  war  bie  SBorfteHung  aller  ©riedjen,  bie  bie  Sofalität 
lannten,  gewifc  feine  bittere!  3Ba£  braudjt  e8  ba  nod)  einen 
Sfeuerwerfer  wie  3*<*n  $aul  ober  einen  ©üftler  wie  Stbalbert 
Stifter! 

3töre  ©d)ilberung  beS  9Jlenfd)lid)en  im  jefcigen  ©rieben* 
lanb  ift  ebenfalls  trefflid).  ©afc  Sie  wegen  ber  rufjtfdjen  @e« 
fd)id)ten  mifeoerftanben  würben,  lag  an  ber  £)berfläd)lid)feit 
unb  ©ebanfenloftgfeit  unferer  lefenben  unb  fdjmafcenben  ©e* 
feßfdjaft,  welche  blofc  ein  oermeintlidjeS  Äenngeid)en  aufgu* 
fdjnappen  braucht,  um  in  ifyrer  §aul^eit  bann  bie  @ad)e 
eingufd)ad)teln.  @o  Ijat  man  ©ie  gleid)  gu  Sruno  33auer 
geftellt,  welcher  auf  abfolute  unb  pojttioe  SBeife  jefct  baS 
SRuffentum  oerfunbet. 

3d)  fc£)idfc  morgen  bie  legten  Äorrefturen  be8  britten 
fflanbeö  beS  „©rünen  §einrid),J  fort,  ©ie  brei  SBänbe  werben 
nun  fofort  oerfanbt.  (5$  ift  mir  wünfdjbarer,  bafe  ber  oierte 
allein  fommt,  ba  er  eigentlid)  baS  Sud)  ber  urfprünglidjeu 
Sntention  ift.  3d)  mufe  mid)  nun  aHerbingS  an  Sie  galten 
behufs  ber  Sefpredjung,  ba  id)  fyier  niemanb  fenne,  ber  ge* 

fällig   genug  wäre,    etwas  für  mid)  gu  tljun.     2Benn  ©ie 

15  • 


228  ©erlin. 

baljer  eine  Slnjeige  machen  wollten,  fo  würben  ©ie  fefyr  Diel 
baju  bettragen,  ba&  id)  balb  aus  ber  ^ßatfdje  fätne,  inbem 
meine  fianbSleute  barauf  lauem,  ©ie  „SlugSburger  3eitungfl 
ift  bort  ber  Sarometer  ber  Seru^mttjeit.  3d)  glaube  ge* 
lefen  ju  ljaben,  ba§  ©ie  über  Siecf1)  bort  etwas  gefd)riebeu 
unb  naljm  beSnafyen  an,  ©ie  t)ätten  ftd)  mit  ben  SßafdjaS 
in  SlugSburg  auSgeföljnt.  Sßenn  bem  fo  ift,  fo  würben  ©ie 
mir  faft  einen  ftdjeren  (Srfolg  im  ©elbpunfte  öerurfadjen, 
wenn  ©ie  etwas  fyinpraftijieren  fönnten.  SSerfte^t  ftd)  oon 
fclbft  ganj  fadjgemäfe  unb  tritt  jd);  benn  bieS  Ijilft  felbft  in 
jenem  fünfte  mef)r  als  gewaltfameS  2ob,  abgefetjen  uon 
Slnftanb  unb  6f)rlid)feit,  an  bie  mir  uns  galten  wollen. 

3d)  faun  jefct  enblid)  jagen,  bafe  id)  in  ein  fontinuier* 
lidjeS  unb  ergiebiges  arbeiten  Ijineingefommen  bin  unb  benfe 
mid)  binnen  einem  33ierteljal)re  f)erauS3ufreffen.  ®aS  SRoman* 
gerogebid)t  werbe  id)  auf  2ßeit)nad)ten  nun  bod)  allein  fyer* 
ausgeben,  ba  eS  in  bem  @ebid)tbänbd)en  nid)t  metjr  $lafc 
Ijatte,  „weil  bie  vorrätigen  gepreßten  unb  öergolbeten  $app* 
betfei  ju  eng  feien".  ©aS  fommt  Don  unferer  33ud)binber* 
poefte.  sJ)tan  wirb  näd)ftenS  leere  (Sinbänbe  faufen  mit 
fdjönen  Sitein.  23ieweg  Ijat  oor  jwei  3fa^n  i>it  ftarfe  3^' 
Don  1500  gebrueft,  mit  ber  S3ebingung,  bafc  er  nad)  einiger 
3eit  ben  SReft,  ber  nid)t  Derfauft  fei,  als  jweite  Auflage  mit 
23ermef)rung,  bie  id)  unentgeltlich  liefern  mufj,  Derfenbe. 

6twaS  ^offierlid)eS  ift  mir  mit  meinem  SeremiaS  ©ott* 
fjelf  paffiert,  ben  id),  mie  ©ie  wiffen,  mir  jum  ©ramatifteren 
aufgefpart.  ©ie  Serliner  futb  jefct  plöfclid)  barüber  ^erge* 
fallen,  einer  fjat  eine  Dper  gemad)t,  unb  3£.  will  ein  2uft* 

')  „SiiDroig  Siecf  als  ßrttirer"  in  ben  „«Blättern  f.  lit.  Unterhalt. * 
1853,  !Rr.  IG;  neu  gebrueft  in  £ettner§  Stl  ©djriften  ©.  513  ff. 


70.   2ln  SRutter  unb  <Sc§wefter,  24.  $ejember  1853.         229 

fpiel  madjen,  baS  nad)  bcr  33erl)ungung,  bte  er  mir  mitteilte, 
gang  wäfferig  wirb.  Sd)  mar  gang  üerblüfft  unb  Derwunbert 
über  biefe  Srüffelljunbe,  bie  fortroäfyrenb  ba£  gute  Material 
aufwühlen  unb  e$  bann  Bergungen.  3d)  teilte  il)m  abfielt* 
lid)  mein  SBorljaben  mit  unb  »erbe  nidjtä  beftoweniger 
meine  ©ebanf  en  ausführen ;  benn  eö  reigt  mid)  nun,  gerabegu 
barauf  loSgugefyen  unb  ade  ba$  93olf  abgutacfeln.  3d)  werbe 
aud)  ejrprefe  eine  „Sgneä  33ernauerinw  machen  unb  bamtt 
Hebbel  unb  3KcIrf)ior  SJlegr  gufammen  attadfieren. 

@in  Sänbdjen  9?oüellen  ift  gang  fpielenb  entftanben, 
unb  SBieroeg  wirb  e$  mal)rfd)einlid)  mit  bem  inerten  SBanb 
be3  3ftoman$  gufammen  I)erau$fd)icfen.  9htr  fürchte  id),  bajj 
nun  guuiel  nad)  einanber  fommt  unb  id)  ben  Snfdjein  eineö 
anmafjlid)en  6d)imerer$  gewinne,  ba  bie  Seute  nitfjt  wiffen, 
tote  Iangfam  unb  iämmerlid)  es  bei  mir  Ijerging. 

3d)  werbe  Sljnen  nädjftenö  wegen  be$  3ftomane§  nod) 
einmal  fdjreiben  unb  fdjliefce  baljer  für  Ijeute. 

9Rit  taufenb  ©rüfeen  3f>r 

@.  ÄeHer. 


70*  Jln  INttttev  nnh  $d)t**ßev» 

©erlin,  ben  24.  ©ejember  1853. 
Siebe  TOntter  unb  @d)wefter!  Selber  bin  id)  immer 
nod)  nid)t  fo  weit,  bafe  id)  fjeimfommen  fann;  inbeffen  fteljt 
bie  ©ad)e  ntd)t  fo  übel,  als  3^r  melleidjt  benft.  SReine 
33üd)er  ftnb  nod)  nid)t  ausgegeben;  ber  ©runb  ift,  weil  idj 
mit  bem  33ud)Ijänbler  in  Unterljanblung  ftefye  wegen  ber 
Sufunft.  SBenn  er  fte  nun  auSgiebt  unb  biefelben  etwa  ein 
für   mid)   günftigeS   Stuffe^en-  erregten ,   fo   mürben   meine 


230  »erlin. 

Srorberungen  baburd)  unterftüfct,  unb  er  fuc^t  beSwegen  bic 
Sadje  Ijinjuljalten.  Steffen  werbe  id)  iljn  rul)ig  machen 
laffen;  id)  ftnbe  je£t  Verleger  genug  unb  Ijabe  für  meine 
arbeiten  für  bie  nädjfte  $t\t  wenigftenS  2000  f$Tanfen  (um 
in  ßurem  ©elbe  ju  rechnen)  in  8faSjtd)t.  ©ieS  ftnb  feine 
SRebenSarten,  fonbern  es  oerfjält  jtd)  fo.  greilid)  Ijabe  id) 
eben  fo  Diel  alte  unb  neue  ©djulben.  ©amit  eS  nun  nidft 
ju  lange  gef)t,  ftnb  in  ßürid)  einige  junge  2eute,  teils  bon 
ber  ^Regierung,  teils  anbere,  juf  ammengetreten  unb  Ijaben, 
nacfybem  fte  einen  Überfdjlag  meiner  Sdjulben  verlangt,  bie 
gange  Summe  gufammengelegt,  weldje  mir  nädjftenS  getieft 
werben  wirb,  fo  bafc  id)  enbltd)  einmal  meinen  Serbienft 
in  ber  £anb  behalten  fann.  S3on  biefer  ©ad)e  fagt  3tör 
aber  niemanb  etwas. 

3d)  Ijätte  fdjon  etwas  ©elb  gefdjtcft.  3d)  backte  aber, 
3l)r  werbet  Dom  £auSDerfauf  uieHeidjt  ein  ungrabeS  ©tücfli 
©elb  gum  ©ebraud)  übrig  behalten  fyaben,  fo  ba&  3^r  aus* 
fämet.  Sollte  inbeffen  bieS  nid)t  ber  %aü  fein,  fo  f treibe 
es  mir,  liebe  9Rutter,  bamit  id)  nod)  Dor  meinem  5Rad)l)aufes 
fommen  ©elb  fdjtcfen  fann.  —  —  SBaS  baS  Simmer  betrifft, 
fo  ift  es  mir  lieber,  baSfelbe  fte^e  leer:  man  fann  es  nie 
wiffen,  ob  man  plöfclid)  Ijeimreifen  mufc;  aud)  mag  id)  nid)t 
gern  ein  frembeS  ©ubjeft  ba  im  £aufe  Ijaben,  baS  bie  Siafe 
in  alle  meine  SSer^ältniffe  fteeft. 

©er  Sßunft  wegen  ber  Sdjulben  unb  wegen  beS  33er* 
bienfteS  wäre  alfo  nun  befeitigt.  9hm  fommt  aber  nod), 
bafe,  elje  id)  Ijeim  fomme,  meine  ©adjen  muffen  IjerauS  fein 
unb  mein  3roedf  wegen  beS  5£f)eaterS  in  SBcriin  erreicht 
werbe,  bamit  id)  gegenüber  ber  ^Regierung,  bie  aud)  bafür 
uerantwortlid)  ift,  etwas  getljan  f)abe.    3d)  will  überhaupt 


71.   2ln  ^ermann  #ettner,  5.  3«nuar  1854.  231 

mit  gutem  Slnfeljen  nad)  £aufe  fommen  unb  als  ein  fclb* 
fiänbiger  SKann  in  jeber  4?inftd)t.  ©eSnaljen  fönnen  nod) 
root)l  einige  SRonate  oorübergefyen.  2luf  Dftern  aber  fomme 
i*  ganj  gemife. 

©a&  bie  Sungfer  Simmann1)  geftorben  ift,  tfyut  mir 
feljr  leib.  3d)  fyoffe  nur,  bafc  ©u  felbft  merbeft  nod)  gefunb 
bleiben  unb  bitte,  and)  ba£  ©einige  baju  ju  tljun  unb  ©id) 
ntd)t  mefyr  fo  abplagen  wie  früher.  Slud)  gönne  ©ir  etamS 
mtijx  im  (äffen  unb  Srinfen  unb  fleibe  ©id)  gut! 

SEBenn  e$,  efye  id)  nad)  £aufe  fomme,  an  ®elb  fefylt, 
fo  fdjrctbc  e$,  wie  gefagt!  ©a  id)  felbft  jefct  in  einem  2üter 
bin,  wo  man  nid)t  gern  blofe  Kartoffeln  ifet,  fo  möchte  id) 
nid)t  gern,  bafe  e3  aisbann  Ijeifjen  würbe:  feit  meiner  SRficf* 
fefyr  tfyue  man  auf  einmal  bicf. 

2Ba8  madjt  benn  ber  D^eim?  Unb  wie  geljt  eS  in 
©lattfelben? 

9tun  münfd)e  id)  @ud)  fyerjlid)  ein  gutes  neues  Sa^r 
unb  bafe  3l)r  in  guter  ©efunbljeit  unb  befferer  Hoffnung 
meine  9tücffet)r  erwartet. 

@uer  getreuer  @ol)n  unb  Sruber 

©ottfrieb  ÄeHer. 


71*  Jltt  germamt  $tttntv  in  $tn*. 

Berlin,  ben  5.  Sanuar  1854. 

Sieber  $reunb !  3d)  erfahre  erft  burd)  Sfyren  ©rief,  bafc 
SBtemeg  mein  Sud)  enblid)  oerfanbt  Ijat.  ©en  üierten  33anb 
I)at  er  tum  mir  nod)  nid)t,  unb  id)  fdjrieb  tfym  nod)  jfingft, 


')  ©ottfrieb  ßeDerä  «Patin,  geb.  1781;  8b.  1,  10. 


232  Serlra. 

bafc  er,  ba  e§  einmal  fo  toett  fei  r  nod)  fo  lange  warten 
möge.  3U§  id)  tfyn  früher  bat,  einzelne  Sänbe  gu  oerfenben, 
wollte  er  ntdjts  baüon  wiffen.  3d)  fürchte  nun,  bai  ba$ 
33ud)  oerunglücfen  wirb;  benn  wie  id)  eS  näfyer  betraute, 
fann  feine  33ered)tigung  erft  burd)  ben  €>d)lufe  ftd)  auSweifen. 
©lauben  Sie  e$  trofcbem  gmedfbienlid),  unb,  bafc  bie  „ÄUge* 
nieine  S^tung11  eine  gweite  33efpred)ung  be3  (Sangen  auf* 
nehmen  werbe,  fo  ift  e3  mir  lieb,  wenn  wenigfienä  irgenb 
eine  gute  Stimme  fiel)  öorläupg  ^ören  läfct,  bie  einen  be- 
ftimmten  Ston  anfd)Iägt.  3d*nfall§  un&  &or  öDem  au£ 
wünfd)e  id)  aud)  für  mid)  felber  S^re  unumwunbene  3Rei* 
nung  gu  wiffen. 

2Benn  @ie  ba§  gjremplar  öon  Syrern  33ud)l)änbler  auf 
einige  2Bod)en  im  £aufe  behalten  fonnen,  ofyne  e§  gu  laufen, 
fo  fd)neiben  6ie  e§  einstweilen  gu  ^ijxtm  ©ebraudje  auf; 
id)  werbe,  fobalb  id)  meine  ßjremplare  Ijabe,  bie  id)  fyoffent* 
lid)  bod)  befommen  werbe,  Sftnen  eines  burd)  bie  $oft  franfo 
gufenben  gur  SRefiitution  an  ben  ©ortimenter.  Sollte  bann 
33ieweg  ingwifdjen  S^nen  ein£  f djiefen,  fo  melben  ©ie  ee 
mir  mit  gwei  SSorten. 

©er  oierte  33anb  als  Seeluft  enthält  bie  Antwort  ober 
äuflofung  ber  grage,  weld)e  in  ber  Swßcnbgefc^ic^te  liegt. 
S)er  grüne  £einrid),  in  erfter  3u3en&  öu§  bem  öffentlichen 
Unterridjt  hinaufgeworfen  unb  anberer  Mittel  entbefyrenb, 
einen  ungenügenben  Seruf  wäfylenb,  weil  er  feine  Überfidjt, 
feine  2lu§roat)l  Ijat,  mufe  ftd)  burd)  3ufaü  eingelne  gefcen 
ber  SBilbung  aneignen  unb  burd)  eingelne  9tiffe  in  ben 
Ijcllen  ©aal  ber  Äultur  gu  guefen  fud)en.  @r  entbeeft  enb* 
lid),  ba%  feine  Äünftlerjdjaft  nur  ein  Srrtum  war,  ba$  er 
ebenfo  gut  ein  geiftreidjer  fitebfjaber  in  irgenb  einer  anbem 


71.   5ln  $ertncmn  Lettner,  5.  3&nuar  1854.  233 

@pegialitat  fyätte  werben  formen  tt)ie  in  ber  2anbfd)aft8= 
maleret.  @r  fieljt  f djmerjlic^ ,  bafe  nid)t  ber  SBoben,  bie 
SBegetation,  bie  Sltmofp^äre ,  fonbern  ber  9ftenfd)  felbft 
ber  ©egenftanb  feiner  Anlagen  ift;  unb  jroar  läuft  e§  nid)t 
etwa  auf  einen  Poeten  l)inau§  (um  ba§  ewige  ßitteratur- 
bieten  311  umgeljen),  fonbern  auf  baö  reine  ©efüljl  be§ 
9Jlenf  d)lid)en ,  ba$,  mit  ber  $erfönlid)feit  ober  inbiDibueflen 
©rfafyrung  auögeftattet,  unter  fonfreteä  TOenfdjentum  (ba$ 
t>aterlänbifd)e)  tritt  ober  treten  unb  nad)  ben  ©efefcen  be$ 
SBa^ren  unb  Grinfadjen  mirfen  will. 

§einrid)  mad)t  jtd)  enblid)  flar  unb  felbftänbig  unb 
gewinnt  bie  gäfyigfeit,  als  ein  anberer  in  bie  £eimat  3urücf* 
gufefyren,  al§  er  fortging.  Slber,  inbem  er  mit  energifdjen 
unb  fd)önen  ©ebanfen  unb  SBorfäfcen  fid)  bem  alten  ©täbt* 
djen  nähert,  ftöfet  er  auf  ben  Seidjenjug  feiner  ^Kutter.  @ie 
ift  über  bem  langwierigen  ^rogeffe  biefer  (Selbftcrjic^ung 
aufgerieben  worben,  nadjbem  fie  in  feltener,  wenigftenS  in 
biefen  ©täuben  feltener  Eingabe  afle$  geopfert  t)at.  £einrid), 
ber  ba§  ßeben  nur  al$  ein  ©anjeö  unb  3ufammenl)ängenbe$ 
3U  nehmen  nermag  unb  alfo  nid)t  nad)  Dorwärfö  fdjauen 
unb  fiel)  als  SBeltoerbefferer  gerieren  fann,  ofyne  eine  öer* 
följnte  SBergangenljeit  hinter  fid)  gu  Ijaben,  ift  nun  plöpd) 
gebrochen,  ©enn  ba$  Seben  ber  einfachen  unwiffenben  §rau 
ift  t$m  ein  ebenfo  wichtiger  Seftanbteil  feiner  SBelt,  wie 
jeber  anbere.  ©a  er  ben  ©ebanfen  ber  Unfterblidjfeit  auf* 
gegeben,  füf)lt  er  ben  SBerluft  um  fo  tiefer  unb  inten  jfoer, 
fowie  baS  ganje  33erl)ältni§ ,  ba$  förderliche  Sanb  ber 
§amilie,  bie  unmittelbare  Queue  be$  £)afein§. 

3n  foldjer  SBeife  f erliefet  baö  Sud)  tragifd),  aber  flar; 
unb  befonberS  glaube  id)  ben  fogenannten  2ltl)ei$mu$  refpef* 


234  33eTl«n. 

tabel  unb  poettfd)  gemadjt  gu  Ijaben,  fo  ba&  er  felbft  in  ben 
Slugen  ber  frommen  roenigftenS  als  eine  Sxagöbie  gelten 
fann,  welche  gur  Steinigung  il)re$  ©ottgebanfenS  beiträgt. 

©ooiel  nur,  bauüt  Sie  ungefähr  fefyen,  auf  wa$  e§ 
anfommt. 

©3  freut  mid),  Sie  im  9DRärg  fyier  gu  feljen  unb  bin 
begierig,  ma§  @ie  in  ber  ©ingafabemie  auffteDen  wollen. 
£err  33ieroeg  mad)t  fonberbare  9Jtanöoer  mit  mir,  roeldje 
ein  bifedjen  nad)  ©tarrjinn  ausfegen,  ©arüber  münblid), 
etwa  bei  Biquet,  welcher  3fynen  hoffentlich  jene  @an8  ge* 
fdjidft  Ijat.  Sie  ©adjen1)  oon  Sogumü  ©olfc  l)abe  id)  nod) 
nid)t  gelefen,  will  e3  aber  näd)ften$  tfyun.  ßbenfo  ©erbe 
id)  ben  legten  Sa^rgang  beS  ©ufcfomfdjen  SMatteS  laufen, 
um  nad)juf etjen ,  roa§  @ie  über  „$amtetu  barin  Ijaben'). 
3d)  las  bie  SfnfyaltSangeige  jener  Kummer  in  S^tongS* 
annoncen,  ba$  SSlatt  l)abe  id)  nod)  nirgenbs  ©elegenfyeit  ge* 
funben  ju  lefen,  ebenforoenig  ba$  ,,©eutfd)e  9Huf eum* 3). 
©ie£  ift  Serliner  Äomfort.  28enn  6ie  fommen,  fo  werben 
Sie  mid)  als  uniformierten  Sitteraten  im  Sracf  unter  Syrern 
äubitorium  finben. 

3m  (Sommer  werbe  td)  gu  £aufe  fein  muffen,  ba  meine 
Butter  nid)t  länger  märten  u>iQ.  ©od)  werben  aud)  bie 
Srül)ling3tage  in  Springen  fd)ön  fein.  3nbem  id)  mid) 
3fyrer  grau  ©ema^lin  empfehle,  verbleibe  id)  bis  auf  weitere* 

3^r  @.  ÄeDer. 

1)  „Sugenbleben". 

2)  3n  ©ufcForoS  „Unterhaltungen  am  tyEuftlüften  ^erb"  18M  II, 
88  ff.;  neu  gebrueft  in  £ettnerä  AI.  (Sänften  S.  413  ff. 

3)  3al)rgang  1852  II,  172  ff.  bradjte  einen  Seitrag  £ettner$: 
„2>er  Urfprung  ber  $unft". 


72.   8n  Hermann  #ettner,  11.  gebruar  1854.  235 

72*  3ln  $tvmann  grttner  in  fttta* 

Berlin,  ben  11.  gebruar  1854. 

Sieber  greunb!  ©a  id)  öon  Siemeg  enblid)  ©jremplare 
befommen  fyabe  unb  aus  erhaltenen  ©riefen  erfefye,  baf$  er 
aud)  anberömo  nad)  meiner  Slnweifung  weldje  oerfanbt  fyat, 
fo  erfudje  id)  ©ie,  mir  ju  berichten,  ob  eS  aud)  bei  3l)"en 
gefdjeljen  fei.  3m  entgegengefefcten  §aHe  will  id)  Sfynen 
fogleici)  eines  burd)  bie  $oft  aufteilen,  ©od)  laffen  Sie  bie 
Slnjeige,  falls  Sie  burd)  bie  Seftüre  nod)  ju  einer  foldjen 
aufgelegt  blieben,  nun  bis  Sie  ben  ©djlufc  fyaben. 

©ie  Sbec  einer  fd)weijerifd)en  £od)fdjule  l)at  nad) 
garten  Äämpfen,  worin  fid)  wunberlidje  ©egenfäfoe  offen* 
barten,  fm  frönen  SKonat  3fanuar  ober  gebruar  enblid) 
giaSfo  gemacht,  ©ie  9Belfd)en  ftemmten  fid)  mit  aller  un* 
biSjiplinierten  Söilbfyeit  beS  SftomaniSmuS  gegen  biefen  SBor* 
poften  germanifdjer  Äultur  unb  liefen  bie  fatl)olifd)en  Dbffu* 
ranten  ber  beutfdjen  Urfdjmeij,  bie  jid)  aud)  bagegen  fperrten, 
al§  unfd)ulbige  Sämmlein  erfdjeinen.  ©ie  wollten  fogar 
ben  ©firaciSmuS  ausüben  gegen  einen  ber  Sfyrigen,  meldjer 
bafür  geftimmt  fyatte,  Da&  auf  gemeineibgenöffifd)e  Äoften 
„bie  Träumereien  unb  ber  Unfinn  ber  beutfdjen  $l)ilofo:pl)ie'J 
eingeführt  unb  gefüttert  mürben! 

©S  ift  nun  ein  $otyted)nifum  in  Qüriöj  beliebt  morben, 
oerbunben  mit  einer  gafultät  für  ejrafte  2Biffenfd)aften  unb 
Humaniora,  ©eftern  erhielt  id)  einen  33rief  aus  Sern, 
worin  id)  gefragt  werbe,  ob  id)  Suft  fjabe,  eine  ©teile  für 
2itteraturgefd)id)te,  Äunft  :c.  anjuneljmen.  9Kan  gab  mir 
jugleid)  ju  oerftefyen,  ba$  bieS  bie  lefcte  ©elegenfyeit  fein 
bfirfte,    auf   anftänbige  2lrt   unternommen   unb  eine  fefte 


236  SBerlin. 

Stellung  gu  gewinnen.  33i§  gum  £erbft  biefeS  SafyreS  wirb 
baö  Snftitut  wafjrfdjeinlid)  errietet. 

©iefer  Srief  f)at  mid)  in  bie  gröfete  Verlegenheit  gefegt. 
Ratten  wir  monard)ifd)e  3uftänber  wo  e$  mefyr  barauf  an* 
fäme,  einen  ä  la  ©eibel  ober  SRebwifc  in  eine  bequeme  Sage 
gu  oerfefcen,  fo  würbe  id)  nüd)  feinen  Slugenblicf  bepnnen, 
inbem  id)  ba$,  waS  jene  Ferren  etwa  üorbringen,  aud)  öor- 
gubringen  xoüfyt.  S)a  aber  an  ber  projeftierten  Snftalt  für 
ben  aufgefegten  Sofyn  warfer  gepauft  werben  mufc,  fo  liegt 
bie  fyrage  anberS.  SBon  Äunftgefd)id)te  bürfte  bie  erften 
paar  3a*)re  feine  JRebe  fein,  ba  mir  alle  ard)äologifd)en 
Äenntniffe  abgeben.  W\t  gufammengefdjminbelten  heften 
gu  hantieren,  wäre  mir  unmöglid)  unb  bürfte  mir  fd)led)t 
befommen,  befonberS  gegenüber  oon  jungen  Sedjnifern,  2r- 
d)iteften  u.  f.  f.  ©eutfdje  gitteratur  hingegen  würbe  td)  mir 
üorgutragen  getrauen  famt  ben  nötigen  ©pifoben  englifcfyer, 
fraugöfifdjer  unb  anberer  ©nflüffe,  b.  I).  wenn  id)  ba$  ©e- 
famtmaterial  burdjlefen  Ijabe,  maö  gum  erften  9Ral  in  meinem 
geben  geftfyeljen  würbe. 

(53  ift  mit  bem  ©ogieren  oon  ©id)tern  im  eigentlichen 
Sinne  be3  3Borte£  nie  weit  fyer  gemefen,  unb  wenn  id)  auf 
bie  Sad)e  eingebe,  fo  fann  e§  nur  in  bem  Sinne  gefdjeljen, 
bafa  id)  mir  bie  SBerljäUniffe  allmälig  nad)  meiner  Snbioi- 
bualität  geftalte  unb  jroinge,  inbem  id)  fpäter  nur  bann 
Iefen  würbe,  wenn  id)  ber  fdjweigerifdjen  Sugenb  etwas  Don 
innen  ^erauSgefommeneS  gu  fagen  Ijabe  unb  gu  fagen 
wünfd)ef  fei  e£  in  einzelnen  etljifdjen  ober  fritifdjen  9Rono- 
grapljieen,  ober  burd)  ba§  ftefyenbe  Stfyema  ber  gitteratur* 
gefd)id)te.  S)urd)  probuftioe  Sptigfeit  lie&e  fid)  eine  folcfye 
Stellung  am  6nbe  erlangen,  wenn  id)  unferm  patriotifdjen 


72.   2(n  Hermann  #etrner,  11.  gebruar  1854.  237 

SBcfen  baburd)  einigen  33orfd)ub  unb  @l)re  jubrädjte.  ©a 
bie  alte  Unioerptät  baneben  fortbefiefyt,  fo  mären  genug 
jüngere  ©ojenten  twrljanben,  welche  materiell  fleißig  öor* 
tragen,  unb  bei  benen  bie  jungen  Seute  l)ören  fönnen. 

@S  ift  mir  aber  oor  altem  aus  nötig  ju  toiffen,  unb 
hierüber  wfinfd)e  id),  befter  greunb,  Sljren  aufrid)tigen 
3ftat:  ob  es  mir  überhaupt  möglich  fein  würbe,  anfällig  im 
nädjften  SBiuter  fd)on  aud)  nur  Gnn  Äollegiunt  über  Sittera* 
turgefd)idE)te  ju  galten?  £>b  eS  nid)t  bie  ganje  3^t  abfor* 
bieren  würbe,  ftd)  bagu  üorjubereiten?  Db  man  etwa  bie 
£älfte  beS  Sorgutragenben  nod)  wäfyrenb  beS  SemefterS 
felbft  ausarbeiten  fann  unb  babei  bod)  nod)  etwas  anbereS 
tfyun?  @ie  fennen  meine  ungefähre  2luffaffungSfvaft  unb 
baS  SRtoeau  meines  Urteils  ober  üielmeljr  bie  33eweglid)feit 
beSfelben,  unb  bitte  ©ie  Ijiernad)  mir  3t)rc  SOReinung  gu 
fageu,  aud)  babei  ju  bebenfen,  bafe  eS  nid)t  meine  Seftim* 
mung  fein  fann,  aus  einem  erträglichen  Poeten  ein  fd)led)ter 
fie^rer  }it  werben,  bafy  id)  aber  in  einigen  3at)ren  bie 
&ad)t  immer  wieber  an  ben  Sftagel  Rängen  fflnnte,  nad)bem 
id),  was  ber  befte  SBifc  wäre,  nod)  etwas  DrbentlidjeS  babei 
gelernt  fyätte1)! 

2BaS    einen   $rofeffor  par  excellence  für  2lrd)äologie 


')  Lettner  an  Heller,  12.  gebruar  1854:  ,,3d)  rate  3l)nen  gur 
feften  Slnnafyme  unb  gratuliere  Sfynen  3U  biefer  ©teile  gang  aufrid)tig. . . 
SBenn  ©ie  33ebenfen  tragen,  ber  Aufgabe  getuaa^fcn  ju  fein,  fo  pnb 
(Sie  in  ber  Sfyat  ju  befdjeiben.  3d)  glaube  nid)t  nur,  bafj  ©ie  öor- 
treffliche  SBorträge  galten  roerben,  fonbern  freue  mid)  fdjon  im  oorauS 
auf  bie  feinen  ©adjen,  bie  fta)  bei  biefen  Sßrofefforalftubien  Sfynen 
unter  ber  #anb  ergeben  roerben;  id)  tueife  nur  aHju  fer)r,  rote  gerabe 
bie  feinfteu  SBemerfungen  in  metner  brantaturgifdjen  ©djrift  3f)nen 
entflammen." 


238  Berlin. 

unb  Äunftgefd)id)te  betrifft,  fo  würbe  id)  mid)  eingig  freuen, 
Sie  in  einer  erträglichen  Stellung  in  3ärid)  ju  troffen; 
Ieiber  aber  »Arbeit  Sljnen  bie  äufjeren  SBerljältniffe  in  feiner 
SBeife  erfefcen,  roaS  S^nen  bie  Sufunft  in  5Rorbbeutfd)lanb, 
t>ieHeid)t  in  Serlin,  ocrfprid)t.  ©od)  fdjreiben  ©ie  mir 
{ebenfalls  hierüber  %tjTt  ©epnnungen1)! 

3$r  @.  ÄeHer. 

3d)  roof)ne  jefct  TOofyrenfira&e  9?r.  58,  gtuei  Sreppen. 

SBenn  Sie  l)iel)er  fommen,  jo  fönnen  ©te  gleid)  bei 
mir  abfteigen  unb  ba  wohnen,  ba  id)  neben  ber  SBo^nfhibe 
eine  geräumige  ©djlafftube  fyabt. 

7&.  |lit  Üermutttt  jjettner  in  Setta* 

S3erlin,  ben  14.  gebruar  1854. 

Sieber  Srreunb!  Umgecjenb  fenbe  id)  3ftnen  ba$  Sud)1) 
nebft  ben  rjermefyrten  neueren  ©ebidjten  in  einem  abfdjeulidjen 
Umfdjlage. 

3d)  banfe  3l)Mn  für  ^ijxt  Mitteilungen  in  betreff  meiner 
Aufteilung.  Obgleid)  ©ie  ftd)  über  mein  Äönnen  ju  günftig 
aussprechen,  fo  roiH  id)  nun  bod)  ben  @ntfd)lu&  faffen,  roaS 
mid)  auf  eine  gaitj  verteufelt  unangenehme  SBeife  pridfelt. 
Aber  e$  f)ilft  nidjtö,  e£  mufe  probiert  roerben.  3d)  mufe  mid) 
mit  ©eroalt  in  ausgefüllte  ftarfe  Sefdjäftigung  werfen,  fonft 


l)  Lettner  an  Heller  a.  a.  D.:  ,,3d)  mürbe  einen  folgen  9tof, 
wenn  er  midj  ntd^t  pefuniär  fd)led)t  [teilt,  mit  greuben  annehmen,  ba 
bie  beutfcfje  SReaftion  für  bie  Sufunft  mir  menig  (£r)ancen  bietet  .  . 
(53  märe  fd)ön,  menn  mir  Kollegen  mürben.  2Sir  fönnten  bann  aller» 
t)anb  fct)öne  S)inge  fpintifieren  unb  ausführen." 

3)  Sie  brei  erften  8änbe  beS  „©rünen  £einricr)\ 


73.   2(n  Hermann  Lettner,  14.  gebruar  1854.  239 

ge^t  bie  ©ufelei  in§  llnenblidje  fort.  9Zatürltcf)  werbe  id) 
gum  üorauS  bebingen,  bafj  id)  für  ben  Anfang  nid)t  gu  üiel 
lefen  mufe. 

©en  äufeern  3fted)tfertigung$grunb  bagu  mufe  id)  freilid) 
bieö  Sfrüfyjaljr  unb  ben  ©ommer  über  fyerftellen  burd)  einen 
honorigen  2lbfd)lufj  meine«  bisherigen  ^robugierenö.  ©er 
@ntfd)lu&  fallt  mir  aber  um  fo  fd)werer,  als  id)  gerabe  jefct 
glaubte,  eine  freie  unb  einträgliche  3;f)ätigfeit  öor  mir  gu 
fefyen  unb  burd)  ben  Slufentljalt  in  33erlin  ba&  fogenannte 
©elbüerbienen  mir  abgemerft  Ijabe. 

©er  £aupttroft  würbe  mir  fein,  ©ie  in  QMd)  ju 
wiffen.  3d)  werbe  fogleid)  mein  TOöglidjfteS  tfyun,  bie 
3ürid)er  9Jtitglieber,  meldje  einen  ftarfen  ßinflufe  in  bem 
neuen  fdjweigerifdjen  @rgiel)ung$rate  I)aben  werben,  gu  in= 
ftruieren.  @3  ift  mir  lieb,  bafe  ftöctyg  ba  ifts).  3$  weife 
nid)t  genau,  weld)e§  ber  f)öd)fte  ©efyalt  für  ba$  neue  Snftitut 
fein  wirb,  id)  glaube  ungefähr  2400  granfen.  ©ie§  ift 
freiließ  nid)t  triel.  ©od)  wirb  jid)  bie  ßinna^me  ber  ein* 
gelnen  ^rofefforen  im  SSerlaufe  öermeljren,  unb  bann  benfe 
id),  fönnten  ©ie  e§  immerhin  für  einige  3***  wagen.  @nt* 
weber  beffern  ftd)  bie  öffentlichen  3"ftönfo  in  ©eutfdjlanb, 
unb  S^e  Garriere  leibet  burd)  einen  2lufentl)alt  in  ber 
©djweig  nichts;  ober  e£  wirb  fd)limmer,  unb  bann  muffen 
©ie  unter  allen  Umftänben  au3  bem  3*u3  heraus.  Slud) 
bin  id)  übergeugt,  baf$  ©ie  bei  näherer  23efanntfd)aft  aud) 
für  bie  alte  Uuioerfität  unentbehrlich  würben,  fowie  aud) 
burd)  bie  fdjweigerifdje  pf)ilofo:pl)ifd)e  ftafultät  ein  Äeim  ge* 
geben  ift,  qu8  bem  pd)  mit  ber  &\t  ein  Umfang  entwicfeln 

*)  2>er  $l)ilolog  Hermann  $ö$lt)  lehrte  fett  1850  an  ber  Uni- 
öerfität  3üric^  al§  SRadrfolger  3-  tfafoar  DreliiS. 


240  Berlin. 

wirb,  ber  bie  gevetterte  £od)fdmle  erfefct.  9Han  wirb  bie 
©elegenfyeit  roaljrnefymen  unb  bie  3Biberfpenftigen  beim  Sdjopf 
nehmen,  roenn  fte  bie  beutfdjen  Sd)roeijer  roieber  einmal 
nötig  fyaben. 

Schreiben  Sie  mir  bod)  fogleid),  roenn  Sie  ben  Vornan 
gelefen  Ijaben,  meldte  geiler  Stynen  aufgefallen  ftnbr  unb  ob 
Sie  glauben,  baf$  burd)  eine  gelegentliche  Umarbeitung  unb 
Äürjung  ba§  33ud^  einen  bleibenben  Sßlafc  erhalten  lonnte, 
ober  wenigftenö  eine  relatioe  Sebeutung.  ©ie$  wirb  ftd) 
freilid)  erft  nad)  bem  Sd)luffe  ganj  beurteilen  laffen.  ÜRit 
heften  ©rü&en  3^r  ©ottfrieb  Äeller. 


Lettner  fdjilbett  ben  (Sinbrucf,  ben  er  Don  ber  Seftüre 
ber  erften  brei  Sänbe  erhielt,  in  folgenbem  ©riefe: 

„3ena;  ben  19.  JJebruar  1854. 

©eftern,  mein  lieber  g*reunb,  Ijabe  id)  S^ren  ,@rünen 
§einrid)'  ttollenbet.  §eut  ift  e3  mein  erfteS  ©efdjäft,  3l)nen 
für  ben  tiefen  unb  anregenben  ©enufe,  ben  Sie  mir  öerfdjafft 
fabelt,  ben  fyerjlidjften  ©anf  ju  fagen. 

3d)  erfülle  bamit  ein  roafyrljafteö  ^erjenöbebürfniö.  6$ 
ift  bas  3eid)e"  l^ber  tüd)tigen  ^robuftion,  bafa  jte  wieber 
probuftto  mirft.  3>l)r  SRoman  l)at  eine  Slufye  unb  Sammlung, 
id)  mödjte  fagen  eine  Stille  ber  33efd)aulid)feit  in  mir  ^eroor- 
gebrad)t,  bafy  e3  mid)  brängt,  biefe  (Sinfeljr  in  mid)  felbft 
in  mir  nod)  einige  j&tit  feftjufyalten  unb  mir  über  bie  fünft* 
lerifdjen  Mittel,  bie  biefe  Ijarmonifdje  Stimmung  fyeroor* 
riefen,  SRedjenfdjaft  abzulegen.  3<i)  K>ünfd)e  Sljnen  ju  Sljrer 
Sdjöpfung  aufrichtig  ©lücf.  Sie  fiebert  Sfynen  ungweifel^aft 
in  unferer  Sitteratur  für  immer  eine  fyeroorragenbe  Stellung. 


Lettner  über  ben  „®rünen  £einri$".  241 


3Bct3  un$  in  S^em  SRoman  fo  tief  unb  nad)l)altig  an= 
fpridjt,  ba&  ift  baS  ©efüljl,  bafe  wir  e§  Ijier  mit  einem  not* 
roenbig  geworbenen,  nid)t  nrillfürlid)  gemachten  2Berfe  gu 
tt)un  fyaben.  9Jlan  fül)lt  überall  bie  SBärme  beö  erlebten 
Ijinburd);  wir  Ijaben  l)ier  im  f)öd)ften  Sinne  ©id)tung  unb 
2BaI)rf)eit.  3>eber,  ber  felbft  ein  innerlidjeö  33ilbung$leben 
geführt  Ijat,  finbet  fein  eigenfteg  SBefen  ijitx  mieber,  nur 
flarer  unb  tiefer,  als  er  felbft  e3  barjuftellen  öermodjt  Ijätte. 
3d)  bin  gewife,  bafe  jeber  finnige  Cefer  gern  immer  roieber 
gu  3l)rem  33ud)e  gurücf  Ferren  roirb;  immer  roirb  er  fid)  an 
ber  Stafdjauung  ber  reichen  unb  fräftigen  9tatur  be§  l)ier 
bargeftellten  gelben  tröften,  erbauen  unb  förbern  fönnen. 

Unb  bie§  um  fo  mefyr,  al§  in  ber  Sljat  bic  einzelnen 
Sd)ilberungen  oon  ber  rounberbarften  $rifd)e  unb  $oefie 
burd)^aud)t  pnb.  SRamentlid)  bie  ibtytlifdjen  Sommer  auf 
bem  Sanbe,  bie  gamilie  be§  $aftor$,  ber  Sdjulmeifier,  bie 
lieblid)  feelenfyafte  Slnna  unb  bie  gefunb  finnlidje  3ubitl),  fo 
roie  ber  §elb  felbft,  wie  er  naio  unb  bod)  immer  flar  unb 
taftoofl  burd)  alle  biefe  mannid)fad)en  Situationen  unb  23er* 
roicflungen  l)inburd)fd)reitet,  finb  oon  unübertrefflicher  sBleifter= 
fd)aft  ber  Situationsmalerei  fomoljl  wie  ber  Gtjarafteriftif. 
©agu  bie  flare,  einfache,  im  ebelften  Sinne  ©oetfyefcfye  Spradje, 
bie  bod)  nur  roieber  ber  naturnotwenbige  SluSbrucf  ber  mafc 
üoHen  Älarljeit  ber  Äonjeption  ift.  Sd)  feige  3f)nen  in  SBafyr* 
fyeit,  biefe  3ugenbgefd)id)te  ift  ein  %i\xt)tU  unb  id)  bin  ftolj 
barauf,  ben  gelben  unb  ©id)ter  berfelben  meinen  §reunb 
nennen  gu  bürfen. 

SRun  will  id)  3tönen  aber  aud)  meine  Sebenfen  nid)t 
oerljefylen. 

Sie  felbft  machen  in  %t)m  Sorrebe  auf  ba£  9Kifjoer* 

©ottfrieb  Sttütx.  II.  16 


242  ^Berlin. 

l)ältni$  aufmerffam,  ba£  gwifdjen  ber  3ugenbgefd)id)te  unb 
bem  eigentlidjen  Stoman  ftattfinbet.  SltlerbingS  ift  bteS  3Rifr 
oerfyältniö  unleugbar  öorljanben.  Sebod)  lege  id)  nid)t  atlgu 
grofeeS  ®emid)t  auf  biefen  Äompofition$fel)ler,  gumal  ba  er 
ftd)  bei  einer  gmeiten  SluSgabe  leidet  Ijeben  läfet.  SBieHeidjt 
fönnte  man  oljne  wetteret  ben  SRoman  mit  bem  Anfang  ber 
3ugenbgefd)id)te  beginnen  unb  aud)  ba&  übrige  in  biefe 
tyneinoerweben ;  benn  ba&  ®ange  trägt  bod)  einmal  bie 
Haltung  autobiograpl)ifd)er  Sefenntniffe. 

2Bid)tiger  fd)eint  mir  baö  Sebenfen,  bafe  ber  9toman 
ungleid)  fdjmädjer  ift  als  bie  3ugenbgefd)id)te.  <5§  ergebt 
S^nen  wie  Sftrem  gelben  in  'JHünctyen:  bie  Srrifdje  ber 
5ßaturwaf)rljeit  nimmt  ah,  bie  ©arfteHung  wirb  ftriritna* 
liftifd)err  bie  Gtyaraftergeidjnung  fonoentioneQer.  63  ift  mög* 
lid),  bafc  ber  üierte  33anb  l)ier  mandjeS  ©unfel  aufhellen 
wirb.  Slber  wie  bie  6ad)e  jefet  öorliegt,  fragt  man  fid)  Der* 
gebenS,  warum  bie  2iebeSgefd)id)te  gwifdjen  9tofalie  unb 
(Sriffon,  ja  felbft  gwifdjen  SlgneS  unb  £9$  fo  weit  auSge* 
fponnen  ift.  9Kan  fteijt  nidjt  red)t  ein,  was  au$  biefen 
©ingen  für  eine  innere  SBanblung  be$  gelben  entfpriefcen 
foll.  Sebod)  will  id)  f)ier  mein  Urteil  nod)  unentfd)ieben 
laffen;  man  mufe  erft  ben  @d)luf$  abwarten.  60H  aber, 
wie  e£  mir  fdjeint,  gerbinanb  bm  Übergang  oom  3tatio* 
naliSmu»  gum  2ltf)ei£mu§  ober  SßantljeiSmuS,  ober  wie  man 
unfere  menfdjlid)  freie  2lnfd)auung$weife  fonft  begeidjnen  will, 
vermitteln,  fo  t)ätte  er  allfeitiger  ausgeführt  werben  muffen. 
3e{jt  erfrfjetnt  er  un£  als  allju  fdjwanfenb  unb  lumpenljaft. 
<3ei  bem  aber,  wie  ifym  wolle.  3>ebenfall§  ift  ber  OTaSfengug 
oiel  gu  weitläufig.  @r  ift  eben  ein  9)?aSfenjug,  nichts  weiter. 
6r  fann  jtd)  weber  an  innerer  $oefie  mit  ber  öortrefflidjen 


74.    2to  ©ansagen  »on  (Snfe,  23.  3Karg  1854.  243 

fcfyweigerifdjen  ©arftellung  beS  ,2Bill)elm  Seil'  meffen,  nod) 
fann  er  für  ben  gelben  eine  anbere  Sebeutung  fyaben,  als 
ba&  er  ba&  9Jtotio  für  feine  SBermirflung  mit  Sferbinanb 
abwirft. 

©od)  genug  Don  biefen  ©ingen!  @ie  feljen,  bafc  id) 
efyrltd)  bin  unb  bürfen  bafyer  um  fo  unbebenflidjer  aud)  an 
bie  ßfyrUdjfeit  meiner  unbebingteften  Slnerfennung  glauben. 
3d)  bin  fidjer,  ba&,  wer  pd)  ben  Sinn  für  bad  SSaljre  unb 
©infadje  in  ber  Äunft  bewahrt  l)at,  benfelben  mädjtigen 
ßinbruef  burd)  S^ren  SRoman  befommen  wirb,  ben  id)  be* 
lommen  Ijabe." 


74>  Jln  $attt^*0ttt  tum  fünft  in  gtvlin. 

£od)guöerel)renber  £err!  Seifolgenben,  in  jeber  23e* 
gieljung  etwas  langatmigen  ?ßrofaoerfud)  Sfyneu  ergebenft 
mitzuteilen,  wollte  id)  warten,  biö  ber  oierte  SSanb  crfdjienen 
wäre,  ©a  eö  aber  inbeffen  9Jtai  werben  bürfte,  unb  @ie 
öon  meinem  ©afein  überhaupt  einmal  freunblidje  5ftotij 
genommen  ^aben,  fo  fyalte  id)  eö  nun  ber  @d)itflid)feit 
gemäfj,  nidjt  länger  3U  gaubern,  fonbern  bie  üorliegenben 
brei  Sänbe  ^xtx  gelegentlichen  geneigten  Slnftdjt  anleint  gu 
ftellen. 

(Sin  wiberwärtigeö  ©efdjicf  fügte  eS,  baf$  biefe  Arbeit 
üorweg  gedurft  würbe  unb  bann  bod)  immer  liegen  blieb, 
fo  bafy  id)  baö  ^Jianuffript  beftänbig  in  2lu3f)ängebogen  oer* 
wanbelt  oor  mir  fal)  unb  nid)t  mefjr  bie  5Kad)t  l)atte,  frfil) 
ober  fpät  erfannte  9Kifjlungenl)eiten  gu  ftreidjen.  @o  fam 
e$,   ba$  jwifdjen  bem  Ungezogenen  unb  Unbebauten  felbft 

16* 


244  Berlin. 

baS  ©elungene,  weldjeS  auf  einen  guten  2Biüen,  ftd)  an  Die 
fDleifier  gu  galten,  fyinweift,  efyer  einen  beleibigenben  ©inbrutf 
mad)t,  inbem  man,  beS  Herganges  unfunbig,  ftd)  mit  SRedjt 
fragen  wirb,  warum  id)  benn  nidjt  ein  reineres  unb  beffere* 
33ud)  gemadjt  fyabe? 

Sd)  erlaube  mir  biefe  etwas  aufbriuglidjen  2lnbeutungen 
nur  beSljalb,  f)od)guDerel)renber  £err!  um  6ie  Don  bent  Soor* 
fyanbenfein  eines  fd)riftftellerifd)en  ©ewiffenS  in  mir  gu  über* 
geugen  unb  bei  ber  Seftüre  3t)re  Seilnafyme  Dieüeidjt  gu  er* 
regen  für  baS  watyrlid)  tragifdje  ©efdjicf,  ein  gweifel* 
^afteö  SBerf  in  bie  SBelt  fenben  gu  muffen  gerabe  in  bem 
2lugenblicfe,  wo  mau  bereits  ein  DoHfommenereS  33ilb  bcS* 
felben,  wie  es  fein  follte,  in  ftd)  trägt! 

2Benn  id)  benfe,  bafc  @ie  bieS  33ud)  etwas  näljer  an* 
gefefyen  Ijaben  werben,  werbe  id)  fo  frei  fein,  Sfynen  wieber 
einmal  meine  ergebeufte  Aufwartung  gu  mad)en  unb  Derbleibe 
tngwifd)en,  inbem  id)  mid),  fyod)guDerel)renber  £err,  mit  ber 
größten  §od)ad)tung  empfehle,  3tjr 

©ottfr.  Heller. 

Berlin,  ben  23. 5Wärg  1854. 


75.  Jln  §tvmann  $tttntv  in  S**a» 

[Berlin,  31.  3Rärg  1854.] 
Um  feine  Äonfufton  fyerbeigufüljren,   melbe  id)  Stjnen, 

baß  id)  Dom  1.  Slpril  an  Sauljof  2  bei  ©djmibt  wol)ner  wo 

id)  mid)  etfrigft  beftreben  werbe,  fo  balb  möglid)  Don  33erliu 

wegjufommen. 

Jpoffentlid)  ftnb  ©ie  mit  %fom  §rau  ©emafylin  gut  in 

3ena  augefomnieu  unb  Ijaben  bort  alles  in  beftem  Sufttmbe 


75.   Slti  Hermann  £ettner,  31.  3flar$  1854.  245 

gefunben1).  3>d)  Ijabe  nad)  3^«r  Slbreife  nad)  3«rid)  0*s 
fd)rieben,  für  mid)  eine  motioierte  Slbleljnung  jener  2lnmu« 
tungen  au$ge[prod)en,  bagegen  nod)  einmal  weitläufig  auf 
©ie  Ijingemiefen. 

©eitler  fyabe  id)  nur  eine  furje  Sinnige  erhalten,  bafc 
bie  früher  Besprochene  ©elbljilfe  nunmehr  erfolgen  »erbe; 
über  bie  ©d)ulfad)e  würbe  nichts  ermähnt.  3d)  fyabe  inbeffen 
erfahren,  bafj  erft  fürglid)  gwei  TOänner,  wooon  ber  eine 
Dr.  (Sfdjer  a\\§  ßünd)  (mein  fpegieHer  Sftjranu),  begeidjnet 
worben,  um  über  bie  Organifation  ber  Slnftalt  gu  beraten. 
Berufungen  fteljen  alfo  nod)  im  weiten  Selbe.  3d)  glaube 
faum,  baf$  bie  ©djule  im  §erbft  eröffnet  wirb.  3d)  bin 
überzeugt,  bafj  meine  93orfd)läge  jebenfalte  ermähnt  werben, 
rate  S^nen  aber  nun  felbft,  einftweileu  nid)t  an  bie  ©ad)e 
gu  benfen.  (5$  fommt  fyauptfädjlid)  barauf  an,  ob  bie 
9Jteffieur3  überhaupt  eine  ©teile  für  Sitteratur  unb  Äunftge* 
fd)id)te  Ijaben  wollen,  ober  biefelbe  nur  für  mid)  freieren 
wollten,  um  mic^  ein*  für  allemal  üom  £alfe  3U  l)aben. 
©enn  bafe  jie  .fid)  fein  ©ewiffen  barauö  machen,  ba$  Dffent* 
Iid)e  gu  bergleidien  2lu$fünften  gu  benufcen,  bafür  Ijabe  tdj 
einen  neuen  SeweiS,  inbem  baö  gu  erwartenbe  ©elb  erft 
red)t  nid)t  au3  iljrer  Safere  fommt,  fonbern  ein  2$orfd)ufc 
ber  ©taatSfaffe  ift,  wofür  fedj§  9ftann  ftd)  öerbürgen  unb 
id)  gum  öorauS  eine  Quittung  einfenben  mufcte3).  Sftad)  aufeen 
Jjin  flefyt  alles  bie§  gang  anftänbig  auS  unb  gereicht  eine 
|old)e  ^Soetenunterftüfcung  ber  SRepublif  üon  gmeiJjunbertfünf* 
gigtaufenb  ©nwofynem  gu  aller  <5l)re.    ©enau  befeljen  aber 

l)  Lettner  f)attc  am   11.  ÜRärg  in  ber  (gingafabemie  gu  ^Berlin 
einen  Vortrag  über  SRobinfon  unb  bie  SRobinfonaben  gehalten. 
«)  £ier  irrte  fid)  fetter. 


246  Berlin. 


fommt  e$  nur  barauf  an,  bafa  biefe  retten  jungen  Staats* 
männer,  bic  3um  Seil  ©ugbrüber  Don  mir  ftnb,  nid)t  in  bie 
eigene  Üafdje  greifen  wollen,  ©in  ©ruub,  unb  ein  fe^r 
fd)lauer,  ift  aüerbingS  aud),  baburd)  eine  ©emalt  über  mid) 
gu  behalten,  im  §all  id)  etwa  nun  meine  $flid)t  als  Sitterat 
nid)t  tfyun  unb  nid)t  fleißig  fein  wollte. 

SBarnljagen,  ber  bi§  in  bie  9Kitte  beS  gweiten  SanbeS 
gelefen  fjat,  fprad)  pd)  feljr  günftig  unb  überrafd)t  über 
meinen  Vornan  au§.  @3  wirb  aber  wol)l  nod)  anber£  tönen, 
bi§  er  gu  Qxibt  ift. 

3d)  werbe  jebenfalls  über  3fcna  fommen  unb  grüfee  €ie 
ingwifdjen  aufs  befte.  Qfox 

©ottfrieb  Heller. 


76*  Jta  Ptttter  tut*  $d}ttr*ßer* 

Berlin,  ben  10.  Stpril  1851 

Siebe  9Jiutter  unb  ©djwefter!  ©en  legten  33rief  l)abe 
id)  erhalten  unb  mufc  leiber  benfelben,  ftatt  mit  meiner 
eigenen  $erfon,  nodjmalg  mit  einem  &uffd)ub  vergelten 
©aburd),  bafe  bie  Ferren  in  Qixxxd)  ba$  öerfprodjene  ©elb 
nid)t  fd)idften  unb  mid)  fortwäfyrenb  im  Ungewiffen  liefeen, 
t)aben  fid)  meine  23erl)ältniffe  nidjt  öerbeffert,  inbem  alle 
meine  Seredjnungen  umgeftofjen  mürben  unb  id)  bagu  nod) 
um  bie  3eü  fr*1"/  wdd)*  id)  nid)t  in  gehöriger  SSeife  Der* 
menben  fonnte.  6rft  Dor  Diergefyn  Sagen  enblid)  erhielt  id) 
eine  2lufforberung,  einen  @mpfangfd)eü|  eingufenben  unb  bin 
nun  in  (Erwartung  ber  Summe  Don  1800  Sranfen,  b.  I). 
wenn  e£  enblid)  geraten  will.  3d)  werbe  nun  wol)l  erji 
(Snbe  TOat  nad)  §aufe  Fommen. 


76.   2ln  «Mutter  imb  <Scfa>efter,  10.  »tyrü  1854.  247 

@ä  ttyut  mir  leib,  bafe  ©u,  liebe  TOutter,  ©id)  nid)t 
be^aglid)  füfylft  in  ber  2Bof)nung  auf  ber  „platte";  bod) 
braud)ft  ©u  bie  §au$leute  nidjt  gu  berücf  ftdjtigen  unb  aud) 
ben  £>au3oerfauf  nid)t  ju  bereuen1).  2Bir  Ratten  ba&  alte 
£>au§  bod)  nid)t  meljr  brausen  unb  e$  f)öd)ften3  ate  ©igen» 
tum  behalten  fönnen,  was  nur  unnüfce  ©efdjäfte  gemalt 
tjätte.  3n  ber  jefcigen  SBofynung  »erben  wir  wof)l  nod)  ein 
Satyr  bleiben  fönnen.  3>d)  tyobe  barin  $laj$  genug;  ba  JRegula 
wenig  gu  £aufe  ift,  fo  lann  id)  aud)  in  ber  SBotjnftube 
arbeiten ;  unb  aud)  wenn  jte  ba  ift,  fo  ift  e$  mir  angenehm, 
nad)  fo  Dielen  Safyren,  wo  id)  wie  ein  wilbeö  Stier  immer 
allein  unb  freinb  in  meinem  möblierten  3tatmer  fyocfte,  wieber 
einmal  in  unferer  jpauSljaltung  ju  fein.  3d)  fyabt  am  glüdf* 
lid)ften  gearbeitet,  al$  id)  nod)  gänjlid)  unbefannt  in  unferer 
alten  ©tube  unb  bem  Äämmerli  tyerumtyocfte.  3d)  werbe 
alfo  erft  etwa  ein  tyalbeS  ^ai)X  in  ber  gegenwärtigen  23oty- 
nung  pteifeig  arbeiten  unb  bann  erft  fefyen,  waö  für  eine  2lrt 
oon  SBotynung  ben  Umftänben  angemeffen  ift.  3Jtan  tyat 
mid)  angefragt,  ob  id)  eine  ^rofeff  orfteile  an  bem  neuen 
eibgenöfjtfdjen  Snftitut  oerfefyen  fönne  unb  wolle.  Buerft 
Ijabe  id)  e$  bejal)t,  bann  aber  wieber  abgelehnt,  inbem  e§ 


l)  S)ie  SRutter  an  ©ottfrieb,  11.  gHärg  1854:  „[üttit  ben  neuen 
£au§leuten]  t)abt  id)  wenig  tfonferenj  unb  bleibe  lieber  allein  in 
meiner  @tube.  greilid)  Ijat  ba&  Meinfein  (beffen  id)  mid)  eben  nid)t 
gewohnt  mar)  in  ben  langen  SBinterabenben  mid)  öftere  mit  einem 
J&eimroelje  nad)  bem  StfnbermarFt  angefodjten,  manchmal  eine  2Irt  Steue, 
id)  l)ätte  bod)  ba%  alte  £au3  nid)t  üerFaufen  follen,  in  roeldjem  id), 
trofc  fo  Dielen  ©türmen  unb  (Bdjlägen  beö  ©d)icf[alä,  roenn  aud)  nidjt 
im  Überflufj,  bod)  ftetö  genug  unb  gefegnet  barin  $u  leben  unb  frei  gu 
rooljnen  t>atte.  ©oldje  ©ebanfen  unb  ©rillen  bemächtigen  mic§  l)ier 
Diel  in  meiner  (Sinfamfeit." 


248  ©erltn. 

mid)  311  fe^r  oon  meinen  litterarifdjen  ßweefen  abgießen  unb 
alle  meine  Äräfte  in  Slnfprud)  nehmen  würbe.  SBenn  e$ 
nötig  ift,  fo  min  id)  lieber  einen  fonfiigen  einfachen  Soften, 
ber  nid)t  Diel  ju  benfeu  gibt. 

@3  ift  eine  originelle  3bee  oon  SRegula,  ba$  fte  glaubt, 
id)  fdjäme  mid)  ifyrer  unb  fjätte  beSfyalb  ifyrer  in  bem  Sudje 
iiid)t  gebad)t.  !$d)  glaubte  bod),  über  einen  folgen  Slrgrocljn 
fyinmeg  ju  fein  in  meinem  Sllter  unb  mit  meinen  Grrfal)- 
rungen.  3d)  Ijabe  mit  bem  Vornan  einen  ganj  beftimmten 
Broecf,  roeldjer  ftd)  erft  im  üierten  33anb  geigt,  unb  nad) 
roeldjem  id)  feine  ©djmefter  braudjen  fonnte.  Überhaupt  ift 
lange  uidt)t  alles  barin,  roa$  id)  erlebt,  fo  mie  Dielet  aud) 
gar  nid)t  mafyr  ift,  mie  g.  23.  bie  2iebe§gefd)id)ten.  Siele 
Figuren,  roeld)e  gang  gut  gu  braudjen  mären  für  eine  poe* 
tifdje  ^Bearbeitung ,  mie  g.  33.  ber  3ean  Äünbig  unb  anbere 
©efeUen,  an  melden  ftd)  leljrreidje  SBeifpielc  geftalten  liefcen, 
babe  id)  aud)  roeggelaffen,  fo  mie  ben  5Hatt)i£  ©pinner, 
meldjen  man  feljr  meljmütig  fomijd)  oermenben  fonnte. 
SBenn  id)  in  fpäteren  Saferen  einmal  meine  eigentlichen  ßr* 
lebniffe  fdjübere,  fo  mirb  meine  @d)mefter  aud)  ifyre  gebüf)* 
renbe  ©teile  ftnben1).    Übrigens  mirb  ba$  munberlid)e  33ud) 

')  Sie  Butter  an  ©ottfrieb,  11.  3Härj  1854:  „Sein  Vornan  ift 
legten  Sejember  enblid)  I)ier  angefommen,  aber  nur  brei  33änbe;  ber 
inerte  ift  jefet  nod)  nidjt  ba.  £err  glaigg  fyat  biefe  bei  [Sudjrjänbler] 
«£>öf)r  befommen.  (Sobalb  einmal  ber  öierte  fommt,  mirb  er  bie  An- 
zeige in  bie  3eitung  machen.  Siefe  23änbe  Ijaben  mir  oon  £enn 
Slaigg  $um  ßefen  befommen.  ©ie  Ijaben  un§  beibe  fefjr  angefprodjen, 
befonberö  ba  ber  Hauptinhalt  meiftenö  Sein  Sugenbleben ,  Seine 
S3uben*  unb  ©d)ulgefd)id)ten  betrifft.  Dbfdjon  aüeö  in  anberen  ©e- 
ftaltungen  unb  frembartigen  Umroanblungen  bargefteüt  ift,  fo  fönnen 
bie  Sßerfonen,  roeldje  biefe  (Srlebniffe  am  beften  roiffen,  aud?  bat 
2Barjre  fyerauS  nehmen!  9Kit  befonberm  2öof)lgefaUen  la3  ic^  bie  Gr- 


76.   9ln  üttutter  uitb  <&0>efter,  10.  Stprtl  1854.  249 

überall  günftig  beurteilt  unb  fyat  mir  fogar  in  Serlin,  wo 
e§  fyunberte  öon  ©d^riftftcHern  gibt,  in  ganj  Ijetflen  unb 
nobeln  Äreifen  eine  fdjmeidjelfyafte  Slnerfennung  Derfcfyafft. 
@S  wirb  inbefjen  erft  feine  SBirfung  tljun,  wenn  ber  @d)lu& 
erfd)ienen  ift,  unb  id)  glaube,  ba$  e$  mid)  um  ein  gutes 
©tüdf  vorwärts  bringen  wirb,  obgleid)  es  Diele  geiler  fyat 
unb  lange  nid)t  baS  ift,  was  id)  eigentlich  mad)en  fann, 
Dielmeljr  eine  blofje  ©tubte  ober  ein  „fiefjrbläfc"  in  biefer  3lrt. 
3d)  bebaure,  ba$  id)  ben  armen  9Künd)  nidjt  meljr  gcfe^en  unb 
it)m  aud)  nie  gefdjrieben  Ijabe1).  Snbeffeu  glaube  id),  bafy  er 
mit  feinem  3Jtetier  in  Slmerifa  nidjt  übel  fahren  wirb,  wenn 
er  nidjt  gu  oerlaffen  unb  mittellos  bort  anfommt. 

3d)  laffe  ben  §laigg  grüben.  (5r  nrirb  bod)  mein 
Sud)  nid)t  gefauft  Ijaben,  inbem  id)  il)m  nad)  meiner  £eim* 
Ui)x  fd)on  eins  t)ätte  geben  fönnen;  inbeffen  banfe  id)  iljm 
für  feine  treue  Seilnaljme. 

3d)  bin  eingelaben  worben,  auf  meiner  ^eimreife  einige 
SBodjen  in  Sena  aufbringen  bei  einer  befreunbeten  S^milie. 
2Benn  eS  tfyunlid)  ift,  fo  werbe  id)  l)ingel)en,  unb  bann 
bürfte  eS  3Jlitte  3uni  werben,  bis  ici)  Ijeunfomme.    Übrigens 


tnnerungen  unb  bie  ©ebenfyeidjen  £>eine§  teuren  unüergefjltdjen  SBaterS. 
Regula  rourbe  jroar  empfinblid),  bafy  nirgenbs  feine  (Snuäljnung  öon 
einer  ©djroefter  fid)  finbet:  man  Fönnte  barauS  fdjlie&en,  alö  nmrbeft 
S)u  S)idj  fd;ämeu,  fle  als  2>eine  ©djroefter  ju  betrauten.  ,<SoId)  ein 
©runb  nrirb  eS  ijoffentlid)  nid)t  fetnfc ,  fagte  id).  ,(S3  ift  im 
ganjen  ein  Sftoman,  unb  mir  mollen  bie  Beurteilung  barüber  anberen 
beuten  überlaffen'.  S)ie  £auptfad)e  ift,  menn'3  guten  löeifalt  finb't, 
forme  aud)  bie  ameite  Auflage  oon  ©einen  ©ebid;ten,  roeldje  barin 
angejeigt  finb." 

')  ftupferbrucfer  (Sbuarb  Sflfiua)  au§  2)armftabt  fjatte  im  Wläxi 
1853  bie  Sftutter  in  3&rid)  befugt,  $ura  barauf  geigte  er  it)r  feine 
ÄuSroanberung  naa)  Slmerifa  an. 


250  ©crltn. 

wirb  bie  Seit  fdjnell  t>erget)en,  unb  eS  wirb  fld)  alles  guredjt* 
finbcn. 

Snbeffen  lannft  ©u  mir  wofyl  nod)  einmal  fd)reiben. 
3d)  freue  mid)  immer,  etwas  gu  l)6ren,  toaS  bei  uns  Dor* 
gef)t.  3d)  fyabe  fd)on  einmal  gefdjrieben,  ba&  ©u  bie  Sriefe 
nid)t  gu  franfieren  braud)fi;  eS  fommt  leiber  nid)t  auf  einige 
©rofd)en  an  bei  mir,  fonbern  um  ljunberte,  weldje  mir  jiets 
fehlen,  ©o&iel  ift  inbeffen  ftdjer,  um  ©eine  ©orgen  ein 
wenig  gu  mäßigen,  bafc  id)  gu  £>aufe  mit  bem,  maS  id)  fyier 
brauche  unb  bis  jefct  immer  aufgetrieben  i)abe,  mit  6ud) 
orbentlid)  werbe  leben  Rinnen. 

Sd)  fyabe  meine  alte  SBoIjnung  enblid)  aufgeben  muffen 
unb  wofyne  nun  Sauljof  9io.  2  bei  ©djmibt. 

Saufenbmal  grüfeenb  öerbleibe  id)  bis  auf  weiteres  unb 

beffere*  euer  @ot)n  unb  »ruber 

©ottfr.  ÄeDer. 

77*  3to  gmttamt  getttur  in  £ttt«» 

Berlin,  ben  6.  3Rai  1854. 

Sieber  £-reunb!  gj)rc  jRcgenfion,  bie  id)  geftem  IaS, 
erinnert  mid),  ba&  id)  3fynen  nod)  meinen  ©anf  für  Sljren 
©efoe  fd)ulbtg  bin  unb  aud)  beiiiegenbeS  Suftfpiel  guftellen 
mu&,  baS  mir  SKing  nebft  ©rü&en  für  Sie  übergeben  l)at. 
(5S  gefiel  fefyr  gut  bei  wieberljolten  Slupljrungen  ,  enoeift 
ftdt)  aber  bei  ber  Seftüre  als  etwas  triüial,  nad)  meiner 
9fojid)t.  SRing  fyat  überhaupt  fefyr  mit  ber  ©ewöf)nlid)feit 
gu  fämpfen,  neben  grofjer  $robuftionSgewanbtt)eit. 

Sfjre  Siegenfton1)  r  für  welche  id)  bemütigft  banfe,  war 

')  Lettner  cm  tfeller,  l3.  Slpril  1854:  „Sie  SRegenjion  fiberS^ren 
S&ontan  ift  fcf;on  längft  in  ben  #änben  ber  ,9iationalgtg.'j  ber  Äbbrucf 


77.  5ln  Hermann  £ettner,  6.  *Nai  1854.  251 

fel)r  nottöenbig  nad)  bem  gemeinen  5ßf)ilifterquatfd),  »eichen 
Äüfyne  in  feiner  „(Suropa"  losliefe1). 

©ie  eibgenöfftfcfye  Schule  in  Bürid)  toirb  erft  im  £erbft 
1855  orbentlid)  eröffnet  unb  befonberö  an  bie  ^Berufungen 
für  bie  l)umaniftifd)e  gafultät  nod)  nid)t  gefcfyritten.  ©ie 
pf)iIofopf)ifd)e  gafultät  ber  alten  llniöerjttät  wirb  eingeben, 
um  bie  brei  übrigen  gafultftten  glängenber  ausstatten, 
©ie  eibgenöfftfdje  Safultät  bagegen  foll  bann  ebenfalls  grofc 
artig  angelegt  werben.  3d)  Ijoffe,  unter  biefen  Umftänben 
felbft  nod)  ju  rechter  Seit  in  ber  ©djroeij  gu  fein,  um  in 
unferm  Sntereffe  einjuttnrfen.  Sflir  fyaben  bie  Äerle  nod) 
nid)tS  gefd)icft;  Dor  t)iergef)n  Sagen  muftte  id)  erft  eine 
gerichtlich  betätigte  S3erfd)reibung  für  bie  ju  erroartenbe 
©elbfumme  einfenben.  auf  biefe  äßeife  bin  id)  bie  gange 
Seit  über  fo  in  Sorgen  geroefen,  ba$  id)  nidjt  Diel  tljun 
unb  alfo  nid)t  einmal  baä  SBerfyältniS  mit  Söiemeg  ^crfteOen 
fonnte   burd)  2lbfenbung  be$  üierten  23anbe§.    3d)  fürdjte 


nrirb  nun  mot)l  in  ben  nädjften  Sagen  erfolgen.  (£§  ift  mir  lieb, 
wenn  ©ie  mir  offen  3l)re  SReüumg  fagen.  Über  SBarnfyagenS  Urteil 
Ijabe  id)  mid)  gefreut,  ©ie  foflen  fel)en,  bafj  ©ie  einen  glängenben 
(Srfolg  Ijaben  werben.  £eut  fünbigt  bereits  baZ  Sßrufcfdje  ,SWufeum' 
ein  ßuftfptel  öon  Sfynen  an.    tfurg,  2111er  2lugen  rieten  fld>  auf  ©ie. 

Lettner  war  inbeS  mit  feiner  23efpred)ung  be3  „©rfinen  £einrtaV 
naä)träglid)  l)öd)ft  ungufrieben.  (£r  fd;reibt  an  iMer  am  6.  SJtoi: 
„3dj. Ijabe  ba,  wo  ba§  bidjterifdje  SRadjempfinben  malten  foll,  nur  furg 
öerroeilt,  unb  bagegen  ba,  roo  ber  grofjfpred)erifd)e  Sterftanb  fein  SBefen 
treibt,  nur  um  fo  länger,  ©o  ift  e§  mir  begegnet,  ba$  bie  £Regenjion 
ben  &nfa>in  gewinnt,  als  lege  fie  ein  grojjeö  ©eraidjt  auf  bie  eiugelnen 
Mängel,  bie  id)  meiner  Slbfidjt  nad;  bod)  nur  fefyr  beiläufig  berühren 
wollte,  $urg,  bie  Sftegenfion  ift  tabelnber,  al§  3l)r  fdjöner  Spontan 
oerbient  unb  al§  in  ber  ST^at  meine  £ergen§meimmg  ift.  Über  biefe 
Ungefdjicftfjett  bin  id)  raaljrijaft  untröftlid).     ' 

l)   „Europa",  3Rr.  36  oom  27.  Slpril  1854.  2öol)lrooIlenb  blöbe. 


252  ^Berlin. 

immer,  er  Ijat  ftd)  mit  ben  fieuten  in  &mid)  in  JRapport 
gefegt  (ba  id)  iljm  befyufS  Überfenbung  üon  ©jremplaren  bie 
Slbreffen  unb  gutmütiger  SBeife  aud)  ben  ©runb  mitgeteilt), 
unb  bafy  nun  bie  beiben  Parteien  ein  l)öd)ft  weifet  @rgief)ung& 
fyftem  gu  befolgen  oermcinen,  inbem  fte  mid)  gappeln  laffen. 

3d)  fomme  jefct  öfter  in  bie  Äaffeefrängdjen ,  bie  frdE> 
bei  SBarnfyagen  gufammenftnben.  83on  Sitteraten  ift  nid)t 
Diel  6rf)eblid)e§  ba:  SRing,  SBeljfe1)  u.  f.  f.  ftnb  bie  £aupt* 
Iid)ter;  bagegen  futb  einige  woljlgebilbete  ©amen  unb  allerlei 
Dornefyme  Ferren  ba,  wie  g.  33.  ber  ©eneral  $fuel*),  wo= 
burd)  man  loenigftenö  ©elegentjeit  Ijat,  ftd)  etwa£  abgu* 
fd)leifen  unb  einen  beweglicheren  Son  gu  erwerben  gu  Der« 
fd)iebenen  nüfclidjen  3roedfen.  ©ie  9lid)te  fiubmiUa  i\at  ftd) 
IjöHifd)  für  mid)  erflärt  unb  mid)r  ba  fte  in  ^Jaftelt  malt, 
fdjon  abfonterfetet.  ©iefe  @f)re  teile  id)  inbeS  mit  £errn 
Don  ©ternberg3),  mit  3Sef)fe,  mit  SRing  :c.,  meldje  alle  an 
SubmiHaö  SBanb  Rängen,  unb  bie  befferc  £älfte  biefer  ge* 
malten  @efellfd)aft  finb  einige  l)übfd)e  9Wäbd)engeftd)ter. 

Obgleich  ftd)  @d)icffal  unb  SRegenfenten  fo  renitent  unb 
gälj  gegen  mid)  öerljalten,  bafc  id)  für  bie  ©auer  biefer 
Su&geit  gang  ooH  9ftad)egefül)le  bin,  fo  Ijoffe  id)  bod)  balb 
wie  ein  wof)Igefd)Wängter  Äomet  an  einem  glücflidjeren 
£>immel  aufgugefyen,  oon  wo  id)  €ie  bann  beffer  gelaunt 
begrüben  werbe.  gljr  getreuer 

©.  ÄeQer. 


l)  (Sbuarb  SBcI)fe  (1802—70),  Scrfaffer  ber  „©efd)td)te  ber  fleinen 
£öfe". 

3)  S)er  befannte  5ftintfterpräfibent,  greunb  £etnri$8  t>.  Äletft, 
geft.  1866. 

3)  21.  oon  (Steruberg,  ber  SRoüeflift  unb  üftemoirenfdjreiber. 


78.   2ln  «Kutter  unb  ©c^efter,  13.  Sunt  1854.  253 


3()rer  ftrau  ©emafjlin  Iaffe  id)  mid)  f)öflid)ft  empfehlen, 
fo  wie  S^vcn  Äinbern  in  ©ebanfen  einen  Sßfefferfudjen  über 
reidjen,  ober,  falls  jle  eS  Dornen,  eine  ©üte  SonbonS. 


a 


78.  &tt  Ptotter  tut*  $d)wt$tv. 

Siebe  Butter  unb  @d)tt>efter!  Sd)  Ijabe  baS  ©elb  aus 
ßürid),  meldjeS  mir  fdjon  auf  lejjteS  Sfteujafyr  toerfprodjen 
war,  erft  Dor  Dievgef)n  Sagen  erhalten,  ©aburd)  ift  meine 
ganje  SBeredjnung  umgeftofcen  worben.  3d)  fonnte  nur 
meine  ©djulben  in  SBerlin  bejahen  unb  mufe  jur  £eimfel)r 
unb  für  bie  ©djulben  in  B"rid),  meldte  nid)t  metjr  bebeutenb 
ftnb,  aber  aud)  für  btn  erften  2lufentt)alt,  eine  neue  Summe 
Dom  33ud)l)änbler  erhalten,  ©ieS  wirb  auf  (Snbe  biefeS 
^HonateS  gefdjeljen,  fo  bafy  id)  woljl  erft  im  3"K  nad)  &aufe 
fommen  werbe.  Snbeffen  fielen  meine  SXuöftd)ten  jefct  gut. 
Sie  33ud){)änbler  ftnb  nid)t  fdjulb  an  ber  @efd)id)te,  U)ie 
©u  immer  glaubft,  Hebe  SHutter;  fonbern  wenn  id)  erft 
einmal  forgenloS  arbeiten  fann,  nadjbem  id)  bie  nötigen 
©tubien  beenbetr  bejahen  ftc  gern  meine  arbeiten,  ba  id) 
erft  jejjt  eine  grünblicfye  ©eltung  im  weitem  Sßublifum  er* 
worben  fyabe  unb  nod)  erwerben  werbe,  ©ie  frühere  @e* 
fd)id)te  mit  ben  ®ebid)ten  mar  eben  nid)ts  als  ein  oerfrüljter 
blinber  Särm. 

©ie  ©teile  an  ber  eibgenöffifdjen  ©djule  lann  id)  immer 
nod)  befommen,  wenn  eS  nötig  ift,  ebenfo  eine  anbere; 
überhaupt  münfdjte  id)  um  Seinetwillen ,  bafc  ©u  nid)t  fo 
unnüfce  ©orgen  unb  ßweifel  fyegeft.  3d)  werbe  gewiß  balb 
Ijeimfommen  unb  jwar  als  ein  anberer,  als  id)  fortgegangen 
bin.  SBenn  id)  Ijätte  als  ein  „£ubel"  IjeimFefyren  wollen, 
fo  Ijätte  id)  es  Iängft  tfyun  fönnen,  ba  id)  baS  SReifegelb 


254  Berlin. 

fd)on  manchmal  in  ber  Safdje  fyatte  ober  jeben  Sfagenblicf 
erhalten  fonnte.  ©afc  id)  aber  lüctjt  fo  inS  Slaue  hinein 
nad)  $aufe  fomme,  fotlte  @ud)  bod)  ein  39ewei3  fein,  ba§ 
id)  wot)l  weife,  was  meine  $eimfel)r  3"  bebeuten  Ijat  in 
jeber  Sejieljung.  Übrigens  bin  id)  in  bem  großen  Serlin 
geadjtet  unb  fomme  in  fe^r  anftänbige  Käufer;  unb  bic 
3ürd)er  werben  ntid)  wol)l  aud)  nod)  adjten  lernen,  wenn 
id)  fdjon  bisher  fein  ©elb  ^atte. 

auf  bic  3Bed)felgef d)id)te  beS  Äutfdjer  ©ulanb1)  l)ättejt 
©u  ©id)  gar  nidjt  fo  weitläufig  einlaffen  follen,  fonbern 
einfad)  fagen,  ©u  nefymeft  feinen  2Bed)fel  an.  3$)  werbe 
inbeffen  bic  @ad)e  näd)ftenS  abmalen.  3$  fyabe  mir  enblid) 
wieber  einmal  eine  Ufyr  gefauft,  um  meine  3^it  genauer 
ab  juteilen,  ba  id)  mid)  f eiber  uad)  £aufe  feljne.  2Benn 
meine  23ert)äUmffe  geregelt  finb,  fo  famt  id)  Don  ©eutfd)lanb 
auö  bequem  ein  ßinfoinmen  Don  2000  Sranfen  fyaben ;  unb 
wenn  id)  ba3u  nod)  eine  gute  ©teile  befomme,  fo  wirb  e$ 
bod)  wot)l  geljen. 

SBenn  ber  Ärieg  unb  bie  ©elbfriftS  nid)t  gefommen 
wären,  fo  wäre  fd)on  alles  längft  in  Drbnung  unb  id)  in 
3ürid).  ©aS  9JlaIt)eur  Ijat  alfo  einen  rein  äußerlichen 
©runb,  ber  nid)t  in  mir  ober  in  meinen  Hoffnungen  unb 
^rojeften  liegt,  wie  3fyr  öietteid)t  glaubt. 

3d)  wünfdje,  bafe  biefe  furje  9?ad)rid)t  @ud)  nidjt  in 

fo  fd)led)ter  Hoffnung  unb  trüber  Stimmung  antreffen  möge, 

unb  bafe  3^r  6ud)  barauf  oerlafjt,  bafc  id)  balb  möglidjß 

unb  in  guten  Umftänben  fyeimfomme.    Saufenbmal  grüfcenb 

(Suer  treuer  ©ofyn  unb  Sruber 
Serltn,  ben  13.  Sunt  1854.  ©.  Äetter. 

])  2>e£  ehemaligen  £eibelberger  £au8ljerrn. 


79.   2ln  Hermann  £ettner,  26.  Sunt  1854.  255 

79*  &tt  gerammt  grtttter  in  fett«* 

9Rein  lieber  Sfreunb!  ©a  Sie  öielleidjt  mid)  mm  tag* 
lief)  erwarten,  treibt  e$  mid),  3l)nen  einige  9lad)rid)t  Don 
mir  gu  geben.  3Sor  Dierget)n  Jagen  Ijaben  mir  meine  SanbS« 
leute  enblid)  einiges  ©elb  gefdjicft,  aber  nad)  bem  ©tat, 
welchen  id)  fd)on  im  Oftober  Dorigen  SafyreS  eingefanbt 
fyatte.  @ä  waren  420  SEIjaler,  weld)e  alfo  gu  einer  bequemen 
unb  ehrenhaften  Drtöoeränberung  nid)t  auöreidjten.  3d) 
mufc  alfo  nun  Dom  @d)luf$  beS  SRomaneö  unb  Don  ben  9?o* 
Dellen,  überhaupt  Dom  SBcrleger  ba$  übrige  erwarten,  ©rünb* 
lidje  2lbl)ilfe  unb  3lu§fommen  werbe  id)  ftdjer  burd)  bie 
bramatifdjen  @ad)en  Ijaben,  worauf  id)  mid)  täglid),  feit  id) 
baS  Sweater  wieber  meljr  befudje,  mefyr  Derlaffe;  e§  mü&te 
benn  mit  bem  Seufel  gugefyen.  ©er  fehlerhafte  SRoman  Fann 
nid)t  maftgebenb  fein,  weil  biefe  weitfd)td)tige  unabfefybare 
©tri efftrumpf form  nid)t  in  meiner  5Ratur  liegt.  ©anj  etwas 
anbereö  ift  eö,  wenn  man  nur  einige  Sogen  gu  füllen  f)at, 
unb  ba3  auf  peripatetifdje  SBeifc  unb  in  naturgemäßer  ©ia* 
lettif.  3d)  werbe  näd)ften§  bem  SBieweg  ben  oierten  23anb 
abfd)icten  unb  muß  bann  Dor  allem  abwarten,  wie  er  e§ 
mit  bem  ©rudfe  f)ält,  ob  id)  benfelben  nod)  oon  Serlin  aus 
forrigieren  fotl  :c. 

©eftew  befam  id)  eine  3ufd)rift  Don  einem  angcf)enben 
33erleger  £ugo  @d)eube  in  Qtty,  meldjer  mir  mit  feljr  Der* 
binblid)en  unb  Dieloerfjeifcenben  SBorten  feinen  in  £>eibelberg 
gu  grünbenben  SBerlag  anbietet  unb  anjeigt,  baß  er  mit 
S^nen  über  3^r  litterart)iftorifd)e$  2Berf  Äontraft  ab* 
gefd)loffen  l)abel).     SBafjrfdjeinlid)   fyaben  @ie  bie  ftreunb* 

l)  S)ie  8itteratur0efc^td)te,  bie  bann  bei  SBieroeg  ersten. 


256  Berlin. 

fd)aft  gehabt,  iljn  aufinerffam  gu  madjcn  unb  gu  Der* 
führen,  fo  ba&  id)  mir  alfo  nidjt  gu  Diel  einbilbett  barf  auf 
biefen  Srief,  meldjer  fonft  ein  aufmunternbe§  3cid)en  wäre 
unb  in  Serlin,  wo  mandje  Derblüljenbe  ©röfcen  gegenwärtig 
mit  9JJanuffri:pten  Don  Saben  gu  Saben  Dergeblid)  laufen, 
mir  9?eib  erwedfen  bfirfte.  6$  fommt  inbeffen  aQe3  auf 
SBiemeg  anr  was  er  fyören  lagt,  wenn  er  ben  @d)Iuf$  be$ 
JRomaneö  l)at.  Sie  werben  oljne  Steife!  9?äl)ere£  wiffen 
über  befagten  Anfänger,  welker  mir  allerlei  weitauSfeljenbe 
Mitteilungen  mad)t.  Sie  wiffen,  ba&  id)  einen  SBerleger 
braudje,  ber  ba$  ©elb  nid)t  peinlid)  fyerDorflauben  mufe. 
2lud)  mufe  man  an  bie  Brunft  benfen  unb  ftd)  eine  all' 
fällige  Sammlung  nid)t  gum.  DorauS  gerfplittern  ober  er* 
fdjweren.  3d)  Ijabe  immer  bie  Hoffnung,  abgefefyen  Don  ber 
bramatifdien  Saufbaljn,  eine  nid)t  grofce,  aber  gute  Sammlung 
ergäfylenber  Schriften  gu  ftanbe  gu  bringen,  gu  weldjem  3u>ecfe 
id)  aud)  ben  „©rünen  £>einrid)"  nod)  einmal  umarbeiten  unb 
if)m  eine  gemeingeniefjbare  gönn  geben  würbe.  3Luct)  werbe  id) 
in  brci  bis  Dier  3fal)ren  bod)  nod)  eine  glftdflidjere  Sammlung 
meiner  ©ebid)te  gu  ftanbe  bringen,  unb  gu  allebem  barf  id) 
meine  93erljältniffe  mit  ben  Verlegern  nid)t  Derpfufdjen,  ba 
fte  wol)l  meine  Ijauptfadjlidje  Gr;riftenggrunblage  fein  unb 
bleiben  werben.  $d)  will  einftwcilen  beut  £errn  <Sd)eube 
üerbinblidie  Antwort  geben,  ba  feine  Mitteilung  unter  allen 
Umftänben  unb  befonberS  jefct,  wo  alle  orbinären  33ud)* 
f)önbler  peinlidje  unb  widjtige  ©eftd)ter  fd)neiben,  ©anf  DfT* 
bient.  @d)reiben  Sie  mir  aber  bod),  wa§  Sie  Don  ber 
©ad)e  benfen! 

3fyr  @d)riftd)en  über  ben  „SRobinfon"  f)at  mid)  feitfyer  Diel» 
fad)  befd)äftigt.  3>d)  wollte,  id)  Ijätte  es  Dor  betn  ©d)reiben  M 


79.   Sin  Hermann  £ettner,  26.  3uni  1854.  257 


„©rünen  £etnrid)"  gefannt,  inbcm  id)  baburd)  auf  mandjeS 
aufmerffam  würbe.  3d)  lefe  jefct  bie  23efenntniffe  beö  ^eiligen 
2luguftinu$,  welche  aud)  nid)t3  anbereS  ftnb  als  eine  geiftige 
SRobinfonabe,  nämlid)  infofern  man  jufdjaut,  wie  ftd)  ein 
3nbiüibuum  alles  neu  erwerben,  aneignen  nnb  ftd)  einrid)ten 
mu{$.  3n  biefem  Vorgänge  liegt  ber  9leig,  ob  bie  @nt* 
bedfungen  unb  5i"bungen  bann  neue  §rüd)te,  £iere  unb 
bequeme  S£^alfd^lud)tcn  ober  moralifdje  ©egenben  unb  ©egen* 
ftänbe  betreffen.  3d)  lefe  aud)  ben  SRabelaiS  gum  erften 
9Jiale  unb  bin  frappiert,  wie  Diele  Iitterarifdje  sJJJotioe  unb 
SWanieren,  weldje  man  fo  gewöfynlid)  für  nagelneu  ober  Don 
einer  gewiffen  Schule  fyerftammenb  anfleht,  fdjon  feit  %ai)x* 
Ijunberten  Dorfjanben  ftnb,  Ja  wie  man  etgentlid)  fagen  fann, 
ade  wirflid)  guten  ©enreö  feien  Don  jeljer  bagewefen  unb 
nichts  -Neues  unter  ber  ©onne.  Um  nur  ein  Seifpiel  anju= 
führen:  fyielt  id)  ben  SBi^,  einen  unDerftänblidjen  ©allima* 
tljiaS  Iitterarifd)  anguwenben,  für  neu  unb  glücfltd)  in  ber 
Ütiecffdjen  JiooeKe  „Sie  SReifenben",  wo  jwei  SBerrücfte  ber* 
gleichen  SReben  galten,  weld)e  mit  großer  Suftigfeit  unb  @e* 
fdjicf  gemadjt  ftnb.  9?un  finbe  id)  im  jweiten  33ud)e  beö 
„^antagruel",  Aap.  11  u.  f.  f.  gwei  Sieben  Don  SRabuliften, 
in  welchen  ba§  förmlidje  SBorbilb  gu  jener  2lrt  Don  @d)inb* 
luber,  in  weld)em  ftd)  bie  Ferren  SRomantifer  fo  fefjr  als 
„patentiert"  gu  bewegen  gefielen,  ju  pnben  ift.  s3Jian  follte 
allen  fieuten,  welche  anfangen  wollen,  ftd)  mit  ber  ^robuftion 
gu  bef äffen,  bringenb  raten,  burdjauö  allen  Dorfyanbenen 
©toff  ft)ftematifd)  burd)gulefen  unb  fo  mit  allen  eitlen  6in* 
bilbungen,  als  würben  fte  neu  fein,  tabula  rasa  gu  madjen. 
63  bringt  nun  gwar  mancher  ein  SJlotiD  ober  eine  SJlanier 
aufs  Sapet,  weldjeö  er  wirflid)  nirgenbS  gelefen  Ijat,  unb 

©ottfrieb  Äefler.   II.  17 


258  *  Scrlin. 

baS  bod)  fdjon  alt  ift.  3n  folgen  fallen  glaubt  man  pd) 
gerabe  fdjmeidjeln  gu  bürfen,  auf  baS  öcrfaQen  gu  fein, 
worauf  früher  fdjon  beffere  Seute,  oljne  bod)  etwas  baoon 
gu  wiffen.    Sie  ©adje  ocr^ält  pd)  aber  aisbann  fo: 

Söiele  SBifce  unb  9Jtottoe,  gabeln,  9faefboten  u.  f.  f. 
werben  Don  ben  93olfSfd)id)ten  gehegt  unb  geljanbljabt, 
fommen  in  bie  9ftobe  in  Sauern*  wie  ©tubentenfneipen, 
2Berfftätten  unb  SRarftplä^cn,  Derfdjwinben  l)ier  unb  taudjen 
bort  wieber  auf  unb  fdjwimmen  in  ber  Suft  untrer.  9hm 
fommt  fo  ein  Driginalgenie  unb  glaubt  SBunber  maS  gu 
tljun,  wenn  er  unmittelbar  an  ber  SRutterbruft  ber  Siatur 
liege,  auö  ber  „lauteren  ^BoüSquetle"  #fd)öpfe,  unb  wie  bie 
&uSbrüdfe  alle  Ijeifeen,  wenn  er  ljimmtertaud)e  in  bie  Siefe 
beS  immer  neuen  SBolfSgemüteS  unb  Stoff  ba  fammle,  wo 
bie  „©alonmenfdjen"  nid)t  Ijinfommen.  6r  f treibt  pd)  alfo 
berlei  SGMjje  hinter  baS  Dfyr  unb  bringt  pe  als  nagelneu 
unb  urfräftig  glütflid)  gum  ©rüde,  wäljrenb  biefelben  fc^oit 
Dor  Sa^rtaufenben  Diefleidjt  Iängft  in  flafpfdjen  ©ebidjten 
aufgefd)rieben  würben.  @o  gibt  eS  ©inge  ber  DerfdjiebenPen 
SM,  welche  pd)  baS  93olf  immer  wieber  ergäbt,  g.  33.  erotifdje 
Slnefboten,  bie  ^Boccaccio  flafpfd)  geformt,  aber  nid)t  erfunben 
fyat,  weldje  Dielmefyr  fdjon  in  3nbien  gang  unb  gäbe  waren; 
fo  eine  TOenge  SBeluftigungen,  ©d)erge,  ©ialoge,  gabeln 
u.  f.  f.  Unb  baS  ©ange  beS  poeKfdjen  ©toffeS  bepnbet  pdj 
in  einem  merfwürbigen  ober  Dielmeljr  feljr  natürlichen  fort« 
wäljrenben  Kreisläufe.  6S  wäre  ber  9Jlüf)e  wert,  einmal 
eine  2lrt  ©tatiftif  beS  poetifdjen  ©toffeS  gu  machen  unb 
nad)guweifen,  wie  alles  wirflid)  ©ute  unb  ©auertyafte  eigent* 
lid)  oon  Anfang  an  fdjon  ba  war  unb  gebraucht  würbe, 
fobalb  nur  gebidjtet  unb  gefdjrieben  würbe.    Sticht  einmal 


79.   8n  Hermann  £ettner,  26.  Sunt  1854.  259 

ber  Igrifcfye  SBeltf djmerg ,  ben  man  immer  mobern  nennt,  ift 
neu;  er  ift,  fofern  er  fd)ön  ift,  fcfyon  DoHfommen  in  d)ine* 
jtfdjen  Siebern  auögebrfitft,  mit  allem  heutigen  Apparate: 
lanbfdjaftlidjen  Stimmungen,  flehten  netten  Pointen  u.  bgl. 
SBeldjer  3fteid)tum  an  fonfreten  plafiifdjen  unb  braftifdjen 
©infällen  unb  Silbern,  mit  benen  man  ftd)  fyeute  fo  abquält, 
in  ber  inbifcfyen  unb  anbern  orientalifdjen  $oefte  liegt,  ift 
belannt.  9Rtt  einem  SBorte:  e3  gibt  feine  inbimbuefle  fouöe* 
räne  Originalität  unb  Steuljeit  im  ©inne  ber  SßiflfürgenieS 
unb  eingebilbeten  ©ubjeftimften  (Seroete:  Hebbel,  ber  genial 
ift,  aber  eben  weil  er  burdjauS  neufudjtig  ift,  fo  überaus 
fd)led)te  gabeln  erpnbet).  5fteu  in  einem  guten  Sinne  ift 
nur,  was  aus  ber  ©ialeftif  ber  Äulturberoegung  Ijerüorgeljt. 
@o  mar  Gert>anteö  neu  in  ber  2luffaffung  be§  S)on  Duijote 
(id)  weife  nid)t  einmal,  ob  burdjauS),  aber  nid)t  in  ber  2lu§* 
füfyrung  unb  in  bcn  einzelnen  poetifdjen  Singen.  Unb  bieS 
ift  ber  befte  Singergeig,  wonad)  ein  ©id)ter  ftreben  unb  in 
roaS  feine  (Sfjre  fefcen  fofl. 

3d)  Ijabe  mid)  fefyr  gefreut  an  ben  „Rennen a  Don  $aul 
£et)fe,  b.  t).  an  ben  neueren  Sadjen,  bie  er  in  Stallen  unb 
feiger  gemadjt  fyat,  an  ber  „Surie" ,  „??erfeu$",  gum  Seil 

aud)  an  ben  „Sbgllen  au§  ©orrent". 9J?öd)ten  bod) 

alle,  meldte  tym  bie  ßufunft  abfpredjen,  ftd)  erinnern,  was 
fie  eigentlid)  in  jenem  2Uter  gemacht  unb  nadjgeafymt  Ijaben; 
I)öd)ften$  mar  e3  ^eine  ftatt  ©oetfje.  Unb  bann,  wer  fo  nad)* 
aljmen  fann  unb  eine  foldje  @prad)e  füfyrt,  wirb  gewiß  einmal 
etwas  2üd)tige§  auffteHen,  wenn  biß  SRinbe  fällt.  2Benn  ber 
arme  §egfe  nur  balb  au§  ber  unglüdflid)en  ÄonfteÜation 
gwifdjen  ben  beiben  @üf$wafferfifd)en  Äugler  unb  ©eibel,  über 
welcher  ber  Äönig  oon  Saiern  fdjwebt,  IjerauSfommt!    SBenn 

17* 


/ 


260  Berlin. 

etroaS  ©elbftänbigcö   in   ifym   ftetft,    fo  xoirb  unb  mufe  er 
balb  über  bie  @d)nur  (jauen. 

SReulid)  fal)  id)  aud)  ben  „©onnewoenbfyof  Don  5ßofen- 
t()all).  @3  iftr  roie  im  „©truenfee",  eine  mit  ed)t  jübifdjer 
©emeinljeit  unb  §red)l)eit  jufammengeftoppelte  Sammlung 
Reiner  @ffeftd)en,  bie  auf  alle  6d)roäd)en  be§  SßublifumS 
fpefulieren.  9lid)tS  wirb  üerfd)mäl)t,  roaS  einem  ©ueffaften 
rooljt  anftefjt.  2Ba3  in  ber  ©ottljelffcfyen  (Srjäljlung,  bie  Sie 
f ernten,  gut  unb  bramatifd)  üenuenbbar  war,  fyat  er  mit 
aufeerorbcntlidjer  ^unft  oerfyunjt  unb  in§  ©egenteil  uerfeljrt, 
ebenfo  fe^r  auS  angeborener  ©emeinljeit  als  au*  oft* 
reid)ifd)cr  Summiert.  (Sin  förmlidjeS  SlrmutSjeugnte  [teilte 
er  ftd)  baburd)  aus,  bafe  ba$  ganje  ©tücf  im  SMaleft  ge* 
fdjrieben  ift.  28er  einen  33olf£ftoff  nid)t  in  bie  @d)riftjprad)e 
überfefcen  fann,  fonbem  ben  ßljarafter  in  „no  fdjaun'S,  i  [>ob 
jte  liab  gtjobt"  w.  fud)en  mufe,  ber  weife  überhaupt  nid)t,  wa$ 
ein  ©rama  ift  unb  fein  fofl,  ober  fann  roenigftend  feines 
madjen.  2)a£  Sraurigfte  ift  inbefjen,  ba$  ein  ^Berliner  £of* 
tljeater  auf  biefen  3opf  anbeißt;  ©eforateur,  iDJafd)inift  unb 
Scfyaufpieler  wetteiferten,  btn  9Jtofentf)al  nod)  gu  übermofen- 
tfyalen,  unb  ba$  ^ublifum  läuft  nun  fd)on  311m  gtuanjigften 
9Jkle  t)inein.  3d)  fal)  übrigen^,  wie  bie  2eute  bei  patljeti* 
fdjen  ©teilen  lachten  unb  fidE)  nur  an  bem  ©atmneljurium 
Don  bunten  Spielereien  amüfierten.  Dbgleid)  ba$  6tüdf  im 
öftreid)ifd)en  ©ebirge  fpielt,  trägt  bie  eine  ©djaufpielerin 
ein  Sernerfoftüm,  bie  anbere  ein  SlppengeHer,  bie  britte  ein 
ütiroler,  bie  werte  ein  @teirifd)e$  u.  f.  f.  $erbengeläute, 
Silpeuglüljen,  $)tild)effen,  pöbeln  (unb  jroar  fefyr  fd)led)t  unb 
ungefd)irft)  unb  lauter  foldje  ©ummfjeiten  wedjjeln  ab. 

l)  Sgl.  &.  ßellerS  ^adjgelafiene  £d;riften  @.  163. 


79.   5ln  ^ermann  £ettner,  26.  Sunt  1854.  261 

S)er  ©ufcfom  ift  bod)  ein  jämmerlicher  9Kenfd)  in  feinen 
„Anregungen"  in  feinem  Statte1).  6r  weife  bod)  wtrflid) 
nid)t  meljr,  wa$  er  will. 

©od)  für  einmal  ift  eS  nun  genug  gefdjufiert;  ijkx  tjabe 
td)  gar  feine  ©elegenljeit  ju  plaubern,  benn  alle  fieute,  oom 
alten  SBarnfyagen  bis  jum  9Ka;r  3fting  herunter,  Ijaben  fein 
unbeftodjeneS  unb  gefunbeS  Urteil  meljr.  SBarnfyagen  lebt 
eben  in  ber  Vergangenheit;  bie  jüngeren  aber  ftnb  förmlidje 
§allunfen,  bie  e3  nid)t  über  ftd)  oermögen,  etwas  ju  loben, 
woran  fte  feinen  Seil  Ijaben,  ober  etwas  ju  tabeln,  xva$  eine 
ifynen  gewogene  ©röfee  gemalt  fyat.  ©ute  ©runbfäfce  werben 
genug  auSpofaunt,  aber  jeber  tljut  ba£  ©egentetl  Don  bem, 
xoa$  er  fagt,  mit  ber  größten  ©djamloftgfett. 

23aö  meine  33erf)ältniffe  betrifft,  fo  benfen  Sie  etwa 
nid)t,  baf$  biefelben  nod)  lange  auf  bemfelben  $unft  bleiben, 
unb  laffen  @ie  ftd)  überhaupt  barüber  nid)t3  fümmern.  2öa3 
id)  fd)on  lange  fagte,  eine  ÜBeränberung  wirb  ^ebenfalls  mit 
bem  abgefdjitften  oierten  SBanbe  eintreten. 

9Kit  beften  Empfehlungen  unb  ©rüfeen  an  3>ljre  grau 

unb  Sie  3l)r 

©ottfrieb  Äeller. 

Berlin,  ben  26.  Sunt  1854. 

l)  3n  feinen  „Unterhaltungen  am  f)öuSltc^en  £erb"  braute  ©ufefow 
eine  ftefjenbc  *Rubrif  „Anregungen".  Heller  ärgerte  ftd)  waljrfdbemlia) 
nid&t  wenig  über  bie  Anregung,  bie  fpäter,  1855  39b.  3,  671  biefeS 
IBlatted  unter  bem  Sitel:  „©ine  alte  Aufgabe  Berlins"  gu  ber  Qdt 
braute,  ba  gr.  £f).  SMfdjer  naa^j  3örid)  berufen  würbe,  ©ufcfotü  fjielt  bie 
SBerpffanjung  be§  berühmten  3(ftt>ctifcrö  an  einen  Drt,  ber  ben  ©tubien 
beSfelben  nur  „bie  bürftigfte  Sprung  geben  Faun",  für  bebauerlia). 
„S5a§  geben  beS  ©djtueijerä,  fo  tüdjtig  feine  anberroeitigeu  ©runblagen 
flnb,  fjat  mit  ben  Anregungen,  bie  ein  SBtfd>cr  bebarf,  nid)t§  gemein. 
2öo  er  bort  f)tnftel)t,  nrirb  ü)tn  ein  praftifdjer  unb  oft  gerabeju  auf 


262  »erlitt. 


80*  &tt  Hermann  Qtttutv  its  %tn*. 

Berlin,  ben  21.  Oftober  1854. 

fitcbcr  greunb!  Sljr  Srief  enthebt  mid)  einer  ntonten* 
tanen  Verlegenheit.  3nfoIge  be§  gürd)erifd)en  2lu§fd)reiben3, 
baö  id)  gelefen,  gebaute  id)  fogleid)  nod)  einmal  gu  fdjreiben, 
war  aber  ungemtfc,  ba  id)  bie  ttniDerjität$=@tiquette  unb 
*(5l)re  nid)t  fenne,  ob  id)  Sfynen  bie  SelbftmelDung  gumuten, 
biefelbe  anfünbigen,  ober  auf  freie  ^Berufung  antragen  k. 
folle1).  Sie  auSgefünbigten  Reibungen  »erben  $um  guten 
Seil  gefefcltdje  gönn  fein;  benn  gewifc  ftnb  fdjon  manche 
Stellen  fo  gut  wie  befefct. 

©a  Sie  nun  ftd)  aber  bereits  gemelbet  Ijaben,  fo  will  id) 
fogleid)  nod)  einmal  fdjreiben,  mufc  aber  ben  ßrfolg  meiner 
Stimme  aus  ber  SBüfte  ben  ©Ottern  anleint jicllen.  S)a  id) 
aber  bod)  nod)  ju  redjter  Qtxt  ^eimjulommen  Ijoffe,  werbe  id) 
müublid)  nod)  operieren,  ©ie  eigentliche  Sdjule,  infonberljeit 
bie  pf)ilofopt)tfd)e  ftafultät,  wirb  im  £erbft  1855  eröffnet 
unb  oor  Dftem  gemife  in  bejug  gerabe  auf  unfer  ©ebiet 
nid)t$  befinitio  befefct.  63  wäre  freilid)  ollju^übfd),  wenn 
wir  im  nädjften  3aljre  jufammen  in  Qüxiä)  leben  würben. 


ba&  Unfcfpne  gerichteter  @inn  begegnen."  ©ufcforo  roünföte,  Sifdjer 
roäre  nacl)  ©erlin  al§  erfrifdjenbeö  (Clement  für  bie  bortige  nnioerfität 
geroonnen  roorben. 

')  Lettner  an  Heller,  19.  Oft.  1854:  „Sie  werben  au§  ber, «Dg. 
3tg.'  (Setlage)  erfetjen  fyaben,  bafy  ba§  $oh)ted)nifum  jefct  offöieü  bie 
^ßrofeffureu  ju  offener  33eroerbung  ausgetrieben  fjat.  33)  fyabe  in« 
folge  beffen  geftern  an  ben  Dr.  £ern  (^räftbenten  beS  fdjroei^.  Sktyil* 
rate)  gefd)rieben  unb  meine  ©Triften  unb  ftebenjäfyrige  8er)rtr>5ti0Feit 
öorgerirten,  e§  ben  8euten  anljetmgebenb,  ob  fie  mitf)  al§  Sßrofeffor  bei 
Slrdjäologie  unb  äuuftgefd)id)te  ober  ber  beutfd&en  ßitterarur  ober 
ötelleicfyt  auct;  gar  ntdjt  I)aben  motten." 


80.    2fo  ^ermann  Lettner,  21.  Dftober  1854.  263 

23aS  mid)  betrifft,  fo  ftfce  id)  immer  nod)  Sauljof  2  in 
Serlin  unb  gwar,  um  e$  nur  ju  gefteljen,  fd)änblid)er  Sßetfe 
aus  bem  einjigen  ©runbe,  weil  id)  ben  üterten  Sanb  nod) 
nid)t  fertig  Ijabe.  (So  ift  eine  ffanbalöfe  ©efd)id)te  mit  biefem 
üerfludjten  31  tp  oon  Vornan!  3d)  barf  md)te  anbreS  fdjretben, 
bis  er  abgeliefert  ift;  unb  bod)  mag  id)  iljn  jeitweife  gar 
nid^t  anfeljen ;  unb  bie  S3ud)Ijänbler,  SBieweg  wie  anbere,  oer= 
berben  einem  bie  Saune  nod)  ganj. 

2BaS  id)  benn  tljue?  3d)  madje  @ad)en  fertig  im  @e* 
bädjtniS,  ba  id)  nid^t  baran  fdjreiben  barf,  unb  fabriziere 
mit  bem  größten  ^latftr  ©ramen,  Stooellen,  @ebid)te,  Stuf* 
fäfce  ünb  alles  mögltdje.  was  idj  alles  fdjreiben  »erbe,  ber 
3fteil)e  nad).  ©aneben  fülle  id)  meine  Sefelüdfen  aus.  €>o 
Ijabe  id)  bie  alte  ©acierfdje  franjöfifdje  Überfe^ung  beS  Sßlutard) 
burdjgelefen  unb  fann  nun  gar  nid)t  begreifen,  wie  man, 
ol)ne  Sßlutard)  gu  fennen,  l)abe  epftieren  fönnen.  @o  gefyt  es 
mit  biefer  oerfludjten  Slutobibafterei. 

9JJit  ©djeube  nafym  es  folgenben  Verlauf.  3ÜS  er 
wieberfyolt  in  mid)  brang  unb  mid)  perfönlid)  befudjte,  bot 
id)  i^m  enblid)  bie  -KoDeHen  an,  weldje  id)  nad)  bem  Stoman 
fertig  machen  wollte.  3d)  fagte  ifym,  ba§  SBieweg  fte  fd)on 
feit  einem  Saljr  in  Rauben  Ijabe  unb  nid)tS  darüber  äufcere. 
<5r  wollte  fte  fogleid)  nehmen,  aber  baS  9Jianuffript  oou 
SBteweg  erft  IjerauS  Ijaben,  um  feine  Slnfprüdje  oon  biefem 
ju  risfieren.  3d)  fdjrieb  an  SBieweg,  er  folle  ftd)  entweber 
felbft  erflären,  ober  mir  baS  9Jianuffript  fogleid)  überfenben, 
ba  id)  einen  33erleger  bafür  mü^tt,  ber  mir  aus  ber  SSer* 
Iegen£)eit  fyelfe.  3d)  fdjrieb,  ba  id)  feine  Antwort  erhielt, 
wieberfyolt  unb  ftellte  tfym  beutlid)  oor,  welchen  Gljarafter 
ein  foldjeS  Surätffyalten  üon  OTanuffript  Ijabe  k.;  aber  bis 


264  Berlin. 

auf  fyeute  Ijabe  id)  feine  Stntoort  erhalten.  SBIofe  tiefer 
Jage  erljielt  id)  ein  Äouoert  Don  58ieroeg  mit  einem  SefteH* 
gettel  auS  SBremen,  roonad)  eine  bortige  Sudjljanbhing  brei 
werte  SSänbe  be$  „®rünen  ^ehrnd)"  bringenb  üerlangt. 
SDieö  foH  roaf)rfd)einlid)  eine  SKafynung  fein.  3?n3roifd)en 
rourbe  id)  mit  Sdjeube  einig,  bie  9toüeHen  etnfttoeilen  auf 
fidfc)  benign  ju  Iaffen  unb  bafür  einen  33anb  üon  jroanjig 
biö  fünfunb3manjig  Sogen  Gljaraftertfttfen  unb  ©d)ilberungen 
in  ber  2lrt  meiner  3ugenbgefd)id)te  ju  projeftieren,  roofür 
id)  nod)  reid)lid)en  Stoff  fyabe,  ber  nic^t  in  ben  „©rünen 
£einrtd)"  pafcte  unb  ben  man  in  ber  britten  Sßerfon  üeroenben 
fann.  &d)tubt  follte  mir  fogleid)  300  Zijakx  bafür  jugefyen 
Iaffen  unb  fd)icfte  mir  biefelben  in  2öed)feln  mit  üiermonat* 
lid)er  Verfall jeit  auf  fein  §au$  in  Qzi§,  ba&  in  Berlin  fein 
tJJtenfd)  fennt.  6r  l)atte  mid)  alfo  nujftiftjiert,  benu  id) 
fonnte  bie  2öed)fel  rein  ju  nidjtö  anberm  brauchen,  als  jum 
@djulbenjal)leu,  roäfyrenb  id)  etmaö  bares  ©elb  ju  behalten 
beabftdjtigte,  unb  er  felbft  jal)It  in  ber  Stfyat  alfo  bie  Summe 
erft  fpäter  au§.  $10)1$  beftoroeniger  glaubt  er  mid)  nun 
burd)  tiefen  Äniff  fo  oerbunben  ju  Ijaben,  bafc  er  üon  nid)t$ 
ale  $reunbfd)aft  fpridjt,  projefttert  unb  mid)  in  jeber  2öeife 
in  33efd)lag  genommen  roiffen  min,  fo  bafc  id)  mir  fd)on 
feftgcfteßt  Ijabe:  Dorläupg  einmal  unb  nie  mieber  mit 
Sdjeube!  —  —   — 

sBlein  werter  Sanb  ift  inbeffen  allmälig  bod)  ange* 
mad)fen,  unb  ba  id)  gerabe  je£t  gut  baran  bin,  fo  wirb  er 
bis  ßnbe  Dftober  abgeben  fönnen.  SBenn  33iemeg  atebann 
anbinben  will,  fo  werbe  id)  Ujm  fagen,  rva$  bie  ttljr  ift. 

3d)  wünfdjte  am  liebften  mit  einem  33erleger  einen 
tfontraft  abjufdjliefcen,  roonad)  id)  etwa  600  Sljaler  jäljrlid) 


80.  Sin  ^ermann  Lettner,  21.  Dftober  1854.  265 

(etwa  auf  fünf  %al)re)  pd)cr  einnehmen,  unb  wogegen  er 
alles  brutfen  fann,  wag  id)  madje.  2Bie  ber  Sremer  33e* 
fteüjettcl  auSwetfi,  brauet  alfo  öon  bem  Vornan  eine  einjige 
bortige  33ud)l)anblung  brei  (Sjemplare:  fyiernad)  muß  ba& 
33ud)  bod)  gut  geljen.  2öaö  meinen  Sie  nun,  wenn  id) 
SBieweg  als  erfte  Sebtngung,  in  fernerer  SBerbinbung  gu 
bleiben,  bie  gorberung  ftelle,  baß  er,  gum  Qeiijexi,  baß  er 
mid)  anftänbig  ju  befyanbeln  gefonnen  fei,  ju  allererft  unfer 
abfommen  über  ben  „©rünen  £einrid)"  rembicre  unb  mir 
ein  fefteS  unb  anftänbigeS  9Ktttell)onorar  oon  278— -3  SouiSb'or 
per  Sogen  jugeftelje?  §ierburd)  mürbe  id)  auf  einen  @d)lag 
6—800  Spater  für  fdjon  ©etljaneS  erhalten,  unb  mit  bem 
9?eujat)r  mürbe  ober  müßte  jugletd)  baS  regelmäßige  ©in* 
fommen  beginnen.  ®urd)  bie  bramattfdjen  @ad)en  benfe 
id)  ebenfalls  etwas  ©uteS  einjuneljme  n.  Slber  freilid)  müßte 
id)  bei  biefer  Srorberung  feft  bleiben  unb  bann  mirflid)  mit 
SBieweg  abbrechen,  wenn  er  nid)t  barauf  einginge;  was  jtdj 
aud)  bebenfen  läßt. 

23enn  id)  aber  mieber  bebenfe,  was  er  ber  Semalb  gibt, 
fo  fefye  id)  nid)t  ein,  warum  id)  nid)t  bie  £älfte  baüon 
beanfprudjen  föune?  ©djreiben  ©ie  mir  bod)  3töre  Meinung 
hierüber!  S)enn  id)  möchte  nid)t  etwa  aus  Übereilung  eine 
Slrroganj  ober  Unge[d)icfltdjFett  begeben,  bie  ungweef  mäßig 
wäre. 

3d)  werbe  ben  fünftigen  9Jtonat  enblid)  toierjefyn  Sage 
ju  bem  erften  Suftfptele  öerwenben,  um  einen  Anfang  ju 
machen  mit  bem  Sljeater.  £>te  übrigen  Sadjen  werbe  id)  erft 
in  berSdjweig  unb  bei  befferer  Serfaffung  oerfolgen  föunen. 

Unb  fomit  Slbieu!  ©djimpfen  Sie  mid)  nid)t  aus,  benn 
id)  tljue  es  fdjon  felbft! 


266  »erlin. 

©er  alte  tfapp  unb  bcr  junge  Sluguft  (meldjer  nad) 
Slmerifa  gel)t)  jtnb  Ijier  geroefen;  beu  Sitten  erwarte  id)  roieber 
mit  bem  Wap,  bm  er  t)ter  auf  bie  Unioerjttät  bringen  miß. 
Sofyanna  i(t  in  ^eibelberg  unb  immer  traurig,  ttrie  pe  fdjreibt. 
3d)  lann  iljr  ntd)t  Reifen:  ein  jebeS  Surfen  braud)t  fernen 
eigenen  Araber. 

©a$  3ugenbibt)U  öon  ©olfc  fyabe  id)  gelefen  unb  be* 
rounbere  mit  Sfönen  ba&  famofe  Salent  unb  baS  Sluge  biefeS 
9Kenfd)en,  bin  aber  ärgerlid)  über  ben  unDerfdjämten  fupra* 
naturaliftifd)en  £>öflen3raang,  ben  er  mit  üerroerflidjen  unb 
l)ol)len  Stilmitteln  ausüben  min.  2lud)  ift  ber  gute  alte 
Jüngling  fo  öerfyefct  unb  oerljebbert  in  fünftlidjen,  öergei* 
ftelten  unb  forciert* blajterten  Lebensarten,  ba$  bajmifdjen 
feine  maljren  unb  frönen  Stellen  rote  Sügen  fielen.  63  ift 
bie  alte  @efd)id)te:  wer  bte  2Borte  9?atur,  Sieberfeit,  ©efüljl, 
£>er<$  k.  immer  im  9Jiunbe  füfyrt,  ift  eine  fortroäf)renbe  ©e$* 
aoouierung  feiner  felbft  unb  geroöljnltd)  ein  Derjmicfter  ©efelle 
ober  ein  9?ad)troäd)ter.  9teu  ift  biefe  oft*  unb  roeftpreufcifdje, 
pommerfcfye  unb  marfifdje  Sieberfeit  unb  9laturfultur,  biefe 
patriottfcfye  ©efüfylSeifenfrejferet,  wie  fte  jtd)  in  ©djerenberg, 
9iienborf,  jum  Seil  im  alten  §äring*2ne;ri$  unb  Sogumil 
©oljj  auftaut,  ©olfc  ift  rote  tum  ©djerenberg  Ijerunterge* 
fd)nttten,  nur  bafe  er  ein  anbereS  ©enre  bebaut.  Sllle  biefe 
9?orbIanbö-  unb  $reufeenretfen  gebärben  jtdj,  als  ob  nod) 
fein  9Jienfd)  aufoer  ifynen  etroaS  gefüllt,  geglaubt  unb  ge* 
fungen  tjatte.  63  ift  bod)  eine  fdjöne  @ad)e  um  bie  unoer* 
roüftlid)e  9Jienfd)ennatur  unb  um  ben  ©onnenfdjein.  ©iefer 
fyat  gang  pojttio  in  biefen  blaffen  preufcifdjen  2anbftrid)en 
einige  9Wal  ein  bt&djen  ftärfer  auf  bie  SMrfen  unb  auf  bie 
©anbraine   gefd)ienen,    unb   fogleid)    entfielen   einige    gute 


81.    2fo  gerbinanb  Sreiligraty,  @nbe  1854.  267 

©id)ter,  meld)e  iljren  Soben  beßngen,  als  wäre  er  erft  freute 
entbcdft  worben.  @S  fmb  nun  fünfzig  Safyre,  feit  jur  S^t 
ber  „SRufen  unb  ©rajien  in  ber  9Karf"   btefe  ßauberlanbe 

aud)  einmal  entbcdft  waren. 

Sfyr  treuer 

@.  Äeller. 


Berlin,  (Snbe  1854. 

Sieber  §reunb!  £err  9Jtajor  ©toeller1)  aus  Sürid), 
bato  Ijier  burdjreifenb,  will  fo  freunblid)  fein,  ©einen  Staub» 
ort  in  fionbon  auSjufpüren  unb  einige  ©rii&e  üon  mir  ju 
überbringen,  weld)e  wofylgefinnt  ju  empfangen  id)  ©id), 
©eine  werte  fjrau  unb  fämtlidjeS  junges  @ewäd)S  ange* 
legentltd)  bitte,  ©u  fyaft  ©id)  fo  oljne  Slbmelbung  aus 
©eutfd)lanb  weggemacht,  bafe  e£  mir  unmöglid)  war,  (Sud) 
oon  Qtxt  ju  3*it  ju  berieten,  bafc  nid)t£  SReueS  oor  ©ebafto* 
pol  fei,  b.  f).  ba£  id)  immer  nod)  in  33erlin  mofyne.  ©ieS 
gaftum  bitte  id)  ju  nehmen,  wie  es  ift  unb  oljne  bie  faft 
unoermeiblidje  3beenaffociation  einer  bamit  notwenbig  öer* 
bunbenen  33erfd)led)terung  meiner  $erfon. 

3d)  möd)te  ©ir  gern  meinen  fdjrecflidjen  Vornan  in 
üier  Sänben  jufommen  Iaffen,  wenn  id)  müfete,  wie?  ©ollteft 
©u  etwa  ju  einem  löblichen  SebenSjeidjen  in  gorm  eines 
Keinen  SriefeS  fdjreiten,  fo  tfyue  bieS  mir  funb  unb  ob  mein 
SSerleger  ober  id)  ba$  $afet  füglidjer  abfenbe?  5Biel  würbeft 
©u  inbeffen  nid)t  baran  öermtffen,  benn  eS  ift  ein  öbeö  unb 
ungefdjicfteS  9Kad)merf.    %üx  mtd)  Ijat  es  bie  tragtfdje  33e* 


l)  ®eutfd)er  giüd&tlin0. 


268  ^Berlin. 

beutung,  bafc  e3  bie  Urfadje  metneö  langen  £terfein$  ift. 
3fd)  f)atte  ba&  33ud)  nod)  in  ber  fubjeftiöen  unb  unwiffenben 
Sümmelgeit  angefangen  unb  ben  ©ruef  beginnen  laffen,  o^ne 
gu  bebenfen,  wa3  ein  Vornan  eigentlid)  ift.  3d)  blieb  balb 
fteefen,  Don  anberen  ©ingen  angeregt,  unb  gab  bod)  bem  Ver- 
leger mein  SBort,  oor  ber  Seenbigung  nid)tö  anbereS  gu  begin* 
nen.  ®o  fam  id)  in  bie  feltfame  Situation,  alle  Qroedc,  ^Srojefte 
unb  guten  ©inge  unterbrürfen  gu  muffen,  wäfyrenb  e$  mir 
gange  Vierteljahre  unmöglich  war,  ben  üerfludjten  Stricfftrumpf 

4 

aud)  nur  angurüfyren.  ©urd)  afleö  bte$  geriet  id)  in  allerlei  be* 
benflidje  ßuftänbe,  weldje  nun  enblid)  balb  abgewicfelt  ftnb, 
unb  id)  lebte  Ijier  wie  in  einer  Süfcergett  unb  Serbannung, 
weldje  um  fo  tieffreffenber  war,  al§  fte  nid)t  etwa  bie  §olgc 
meiner  Saaten,  fonbern  ütelmefyr  meiner  Untaten  war.  6$ 
gibt  aber  aud)  feinen  befferen  Sufoort  unb  ÄorrefttonSanftalt  ald 
33erlin,  unb  e$  l)at  mir  öollfommen  ben  ©ienft  eines  penn^I* 
oanifdjen  3eHengefängniffe§  geleiftet,  fo  bafc  id)  in  mid) 
ging  unb  inid)  wäfyrenb  biefer  au3gefud)t  IjunbSföttifdjen  Sa^re 
gu  befferen  ©ingen  würbig  mad)te;  benn  wer  bergleidjen  an* 
ftrebt  ober  fouft  fein  (Sfel  ift,  ber  bepnbet  ftd)  Ijier  noD* 
fommen  ungeftört  unb  fid)  felbft  überlaffen.  3d)  fyabe  aber 
meinem  Sieweg  bod)  einen  hoffen  gefpielt  unb,  ofyne  etwas 
gu  fd)reiben,  mir  eine  woljlgeorbnete  unb  *organifterte  $robuf* 
tionSreifye  auSgeljetft  in  ben  langen  Sagen,  unb  werbe  nun 
gu  .£>aufe  mit  widjtigem  ©eftdjt  mid)  an  eine  f)öd)ft  raffi- 
nierte  unb  auSgebüftelte  Üfyätigfeit  mad)en. 

3n  ßönd)  wirb  eine  fd)weigerifd)e  po!t)ted)nifd)e  unb 
pl)ilofopI)ifd)e  ©d)ulel)  errid)tet,  unb  man  beutete  mir  an, 
bafe  id)  nun  woljl  follte  im  ftanbe  fein,  etwa  bie  ©teile  für 

')  S).  t).  eine  fiebente  SlbteiliuiQ  am  Sßolptedjnifum  für  greifädjer- 


81.    %n  Serbüuutb  Sfreiligraty,  (5nbc  1854.  .   269 

beutfdje  2itteraturgefd)id)te  jc.  $u  übernehmen,  um  aud)  etroaö 
ju  leiften  unb  mein  Srötdjen  gu  oerbtenen.  2öenn  id)  nun 
fyeim  ginge,  fo  fönnte  id)  ber  @d)ulmeifterei  fdjroerlid)  ent- 
rinnen, ba  aud)  meine  93Jutter,  Sötlljelm  6d)ulj  unb  alle 
fieute  angeftedft  ftnb  Don  biefer  fyerrlidjen  Sadje.  3d)  bleibe 
alfo  moljlroetelid)  fo  lange  weg,  bis  man  bie  ©teile  anber= 
roeitig  befejjt  fyat,  unb  Ijabe  aud)  ben  Ferren  ben  Lettner 
empfohlen,  ber  für  fo  roa§  beffer  taugt  als  id). 

Srofebem  feljne  id)  mid)  fefyr  nad)  £>aufe  unb  nad) 
frifdjer  Suft,  ba  nid)t  ju  leugnen  ift,  roie  feljr  ber  'äftenfd) 
öon  bergleidjen  abfangt;  unb  wenn  man  fd)led)te  Suft  atmet, 
fo  fanu  man  trofc  aller  6inftd)t  bod)  feine  gute  ftigur  madjen. 
SlQeS  bieS  ju  füllen  unb  grünblid)  aushalten,  nenne  id) 
meine  frudjtbringenbe  ßeibenSfdjule  unb  eine  enblidje  Slbreife 
ben  frö^lidjen  glücffyaften  @d)luft  berjelben,  meldjer  aber  rooljl 
begrünbet  unb  abgerunbet  feiu  mufc,  gleichwie  Slbolf  ©taljr 
unb  %anx\t)  Semalb  iljre  nod)  immer  beljinberte  £eirat  ben 
2lbfd)lufe  beö  ÄuuftroerfeS  iljreS  SebenS  unb  Siebenö  nennen. 

$on  ben  oom  Äönig  oon  Saoarien  angeftellten  Poeten 
ift  $aul  §eqfe  ein  roirflidjeS  unb  fd)öneö  Talent.  Slud) 
©djereuberg,  mit  bem  id)  eine  ßeitlang  oerfefyrt,  ift  ein 
©enie,  aber  ein  alter  unmiffenber  ^pauömurft,  ber  ben  sJJlangel 
an  SelbfibeaufftdjtigungS*  unb  33ilbung£fäljigfett  burd)  aller* 
§anb  Gfjarlatanerie  ju  oerbedfen  fud)t.  ©elbft  $rujj,  ber 
neulid)  eine  ßljarafteriftif  tton  iljm  gab,  l)at  auf  biefen  Äöber 
üollftänbig  angebiffeu.  Überhaupt  ftnb  bie  Seute  in  -Korb* 
germanien .  bermalen  oon  fd)recflid)  furgem  ©ebärm,  großer 
Äonfujion  unb  ©ebanfenloftgfeit  unb  jeber,  Sllte  unb  Sunge,  ift 
aftionär  in  ber  allgemeinen  ^fufdjeret.  33runo  Sauer  fdjeiut 
foft  redjt  ju  Ijaben,  menn  er  bie  fiefyenben  £>eere  als  bie  eingi= 


270    .  «erlitt. 

gen  [Regulatoren  unb  fritifdjcn  3nftttute  begeidjnet;  wenigstens, 
wenn  wir  eS  mit  btefem  Sßarabojron  aud)  baljin  gepellt 
wollen  jcin  lafieit ,  muffen  mir  bod)  befennen  ,  ba&  ftc 
bie  einzigen  ftnb,  bie  nod)  was  SRed)teS  fönnen  unb  leifien 
unb  geigen,  ba&  nod)  ntd)t  alles  öerfault  i(t.  Unb  felbjl 
biefer  Sfrroft  wirb  wieber  problematifd),  wenn  wir  betradjten, 
wie  gur  Seit  &e$  römtfdjen  33erfaUS  gerabe  bie  ©olbaten 
aud)  fefyr  tapfere  Äeute  waren. 

34'  wollte  gern  etwas  über  ©td)  felbft  fd)reiben  unb 
alles,  was  ©ir  anfangt,  wenn  i4  nur  etwas  baüon  wüfcte; 
unb  eS  ift  mir,  als  ob  id)  an  einen  grofjen  Unbefannten 
fyinrebete.  Unb  bod)  mochte  i4  fo  gern  wiffen,  wie  eS  Gud) 
ergebt  unb  was  3^r  mad)t  alle  gufamuten.  ©eine  &ntf)o* 
logie  t)abe  id)  erftanben  unb  (aure  fd)on  lange  auf  etwas 
SReueS;  mad^ft  ©u  benn  gar  feine  ©ebid)te  mel)r?  34  glaube 
immer,  ©u  follteft  einmal  etwas  $rofa  fdjreiben  gu  aÜge* 
meinem  9htfc;  benn  eS  fyat  fid)  neuergeitli4  IjerauSgefteQt, 
bafc  faft  nur  nod)  bie  üerpönten  33erfemad)er  eine  orbentlid)c 
Sßrofa  fdjreiben  fönnen  unb  berfelben  auf  ben  ©trumpf  gu 
Reifen  im  ftanbe  jlnb.  SBomit  id)  aber  nid)t  etwa  auf  meine 
eigenen  Untaten  anfpielen  möchte;  benn  wenn  id)  aud)  Don 
jefct  an  beftrebt  fein  werbe,  befonnen  gu  fdjreiben,  fo  wirb 
bieS  {ebenfalls  nid)t  oon  meinen  fd)le4ten  33erfen  Ijerfomuten 
ober  bann  nur  aus  ber  5ftegattoe. 

34  grü&e  (Sud)  alfo  taufenbmal.  34  wollte,  id)  fönnte 
©id)  einmal  feljen;  td)  wü&te  allerlei  Teufeleien  gu  ergäben, 
bie  allgufomifd)  finb,  wie  eS  mir  f)ier  ergangen  u.  f.  m.  mit 
mancherlei  $erfoneu.    @S  ift  ein  gu  närrifd)^  Solf  l)ier. 

3d)  werbe  für  bie  nädjften  gwei  9Bonate  nod)  wohnen 
JBauljof  5Rr.  2.  ©uer  alter  ©.  ÄeOer. 


82.   Sin  ^ermann  £ettner,  Sanuar  1855.  271 

82»  ^tt  $tvmanu  jjrttner  in  fetta» 

[Berlin,  Sanuar  1855.] 
Sieber  Lettner!  S^re  Slngeige  Ijat  mid)  angenehm  unb 
aud)  feljr  unangenehm  überrafdjt1).  (SrftereS  in  ber  £off* 
nung,  @ie  werben  jtd)  in  SreSben  mofyl  bepnben  unb  weil 
bie  ©djweijer  für  iljr  läpptfd)e$  Seneljmen  beftraft  werben. 
3d)  Ijatte  um  9?ad)rid)t  gebeten  unb  feine  erfjalten,  obgleid) 
id)  erfuhr,  ba&  man  auf  ©ie  fpefuliere  unb  überhaupt  für 
Slftljctif  etroaS  DrbentlidjeS  tt)un  wolle;  fo  l)at  man  aud) 
eine  ©ipöfammlung  befd)lof[en,  obfdjon  eine  gang  artige 
Heine  Sammlung  ba  ift  mit  ben  Hauptfiguren  (au&er  ben 
großen  ©nippen),  ©egen  mid)  benimmt  man  jtd)  ebenfalls 
fo  fonberbar.  Seit  idj  bie  2itteraturgefd)id)te  abgefagt,  fyat 
mir  fein  9Äenfd)  ein  2Sort  gefdjrteben,  unb  bod)  erwartet 
man  immer  nod)r  bafc  id)  mid)  ftelle. 

Äürjlid)  reifte  ein  9Jtajor  burd)  nad)  (Snglanb  mit  einem 
grofeen  ©djnauj,  ber  mir  münbltd)  ju  fagen  beauftragt  war, 
aber  gang  lafontfd),  id)  füllte  unoequglid)  nad)  £aufe 
fommeu,  ba  nunmehr  bie  Singe  jtd)  entjdjeiben.  3d)  werbe 
mid)  aber  wof)I  fyüten  ju  gefyen,  obfcfyon  meine  Butter  mid) 
ebenfalls  flefyentlid)  antrieb,    ba  ber  $rofeffor  unb  ber  ftre 

l)  Lettner  an  Heller,  10.  Sanuar  1855:  „33)  weife  nid&t,  wie 
bie  ©aajen  für  mid)  in  3ürta)  fteben.  9laä)  einem  ©riefe  tföd)h)3 
aber  barf  id)  öermuten,  bafy  bie  2lu§ji$ten  gut  finb.  Srofcbem  f)abe 
id)  geftern  an  ben  (SraiefyungSrat  getrieben,  baf$  id)  meine  SBetoerbung 
jurücfneöme.  (Sbenfo  fdjneU  al3  unerwartet  nämltd)  bin  ia)  311m 
©ireftor  ber  Slntifenfammlung  in  Bresben  ernannt  roorben  unb  fieble 
näa^fte  Oftern  baf)in  über.  ©0  fefjr  e§  mufy  fdjmerat,  bie  reijenbe 
SluSfldjt,  mit  Sfynen  wieber  längere  3eit  jufammen leben  gu  fönnen, 
aufgeben  gu  muffen,  fo  fann  id)  bod)  faum  in  3*oeifel  fein,  bafc  bie 
Stellung  in  S)re§ben  ber  3üna)er  ©tellung  ben  SRang  abläuft.'' 


272  Berlin. 

©efyalt  il)r  fe^r  in  bie  9?afe  ftedjen  unb  fte  von  meinen 
bortigen  Sfreunben  aufgeftad)elt  mürbe.  2lber  gerabe  bic 
2lrt,  mie  td)  tiitd^  erft  jeigen  foll  unb  ber  Umftanb,  bajj 
man  mid)  nidjt  fd)led)tl)in,  ofyne  änmelbung  unb  23erl)ör, 
berufen  fann,  bemeift  mir,  bafc  id)  e$  nid)t  tljun  fann.  6$ 
mürbe  jefct  unter  allen  ttmftänben  ein  blofceS  gezwungenem 
Unterfommen  fein.  2Senn  bergletdjen  roünfdjbar  ift,  fo  fyoffe 
id)  binnen  groei  S^reu  fo  meit  ju  fein,  bap  id)  mid)  an 
ber  Slnftalt  als  ^rioatbojent  habilitieren  fann,  unb  alebann 
einen  fo  felbftänbigen  unb  braud)baren  Äram  Dorjubringcn, 
ba&  man  mid)  honoris  causa  anfteHt  ober  anfteüen  muß, 
unb  nid)t  auö  23arml)ersigfeit. 

9iäd)fte  3Bod)e  mirb  rooljl  enblid)  ber  trierte  35anb 
meines  S3ud)e§  erfdjetnen.  SSei  ©djeube,  ber  nun  in  ©otfja 
rejibtert,  mirb  auf  Dftern  ein  33anb  (Sfyarafteriftifen  wn 
mir  erfdjeinen,  nooetliftifdjer  9iatur,  mit  beut  Sitel:  B35ic 
2eute  oon  ©elbmqla".  S)ie  eigentlichen  SRooellen  Ijabe 
id)  nod)  aufbehalten  unb  min  nun  fefyen,  rote  fid)  £err  SSie* 
meg  fdjließlid)  ftellen  mirb. 

S)iefer  Sage  mar  Sogumil  ©oljj  bei  mir.  ßr  ift  ein 
alter  £>err  Don  üierunbfünfjig  S^ren,  unb,  perfönlid)  ange* 
feljen,  ift  fein  9Jtyfti$i$muö  ju  begreifen  unb  311  oerjeifyen, 
ba  er  ein  leibenfd)aftlid)eS  Original  ift,  ber  e3  im  ©runfcc 
ganj  menfd)lid)  unb  freifinnig  meint.  63  gel)t  tljm  fd)lintm, 
inbem  bie  Äonjeroatioen  fagen,  er  fei  fein  (Sfyrift,  bie  Semo- 
fraten,  er  fei  reaktionär.  6r  ift  fo  eljrlid),  ba$  er  ben 
Pfaffen,  bie  tym  ©laubenSbefenntniffc  abjmingen  wollen, 
fyerauefagt,  er  glaube  gar  nid)t  an  ifyren  ©ott  u.  f.  f. 
^ebenfalls  etroaS  burdjeinanber,  mie  mir  fdjeint.  ^nbeffen 
ift  eS  fdjänblid),  bafc  bie  Äritif  iljn  fo  oberfiäd)lid)  befyanbelt. 


82.   Sin  ^ermann  £ettner,  Sanuar  1855.  273 

(SS  ift,  als  ob  alles,  was  man  Ijeutjutage  mit  guten  ©rünben 
unb  mit  %k\b  fdjteibt,  nur  fo  Äofyl  wäre,  uon  bem  man 
fclbft  nidjt  wiffe,  wie  man  baju  fomme;  bie  Ferren  urteilen 
immer  nad)  ftdt)  felbft.  ©olfc  Ijat  aud)  immer  Quängeleien 
mit  ber  Unterbringung  feiner  S3üd)er  unb  mu&te  bis  jefct 
jebeSmal  eine  teure  SReifc  machen,  um  fein  SHanuffrtpt  an 
Ort  unb  ©teile  3U  oerfyanbeln.  ©amit  er  ein  wenig  in  bie 
Äonfurrenj  Ijineinfommt,  fo  fönnten  @ie  einmal  (ba  Sie 
gewifc  beffer  im  Ärebit  fielen  als  id))  bei  SBieweg  anfragen, 
ob  er  ©ol^1  Schriften  unter  guten  Sebingungen  ju  verlegen 
geneigt  wäre.  $d)  glaube,  Sie  fönnten  iljn  woljl  barauf 
aufmerffam  yiad)en,  wie  ©olfc  gewife  nod)  ein  feljr  gelefener 
Slutor  werben  wirb.  —  ©er  „@renjboten"*©d)mibt  tft  bod) 
gumeilen  nid)t  übel;  feine  lefctc  Stummer,  wo  er  bie  SBalbau 
unb  ©ufcfow  burdjfyedjelt,  ift  fe^r  ergöfclid)1). 

©a  ©te  nunmehr  (trifte  auf  ben  geheimen  SRat  juge^en, 
fo  empfeljle  id)  mid)  mit  aller  <St)rfurd)t,  befonberS  aud)  ber 
Srau  ©emaljlin,  weld)er  ju  Syrern  jüngften  Äinbe  in  meinem 
legten  ©riefe  fd)led)ter  SBeife  gu  gratulieren  öergefjen. 

3d)  fyoffe,  ©ie  feien  alle  red)t  gefunb  unb  woljl.  £err 
2Bibmann  l)at  Ijter  ein  ©rama  „Staujtfaa"  eingereicht;  ber 
probiert  aud)  alles,  ob  eS  Reifen  möd)te;  wirb  aber  nidjtS 
Ijelfen. 

2Benn  Sie  S^t  Ijaben,  fo  machen  ©ie  bod)  fofort  nad) 
©mpfang  beS  üierten  SanbeS  bie  ©djluferejenfton !  $ür  bie 
-fünftigen  ©adjen  werbe  id)  ©ie  nid)t  meljr  plagen,  ba  id) 
Don  mir  aus  alle  fünftigen  33üd)er  ftd)  felbft  überlaffen 
werbe.    ©ieSmal  aber  ift  es  nod)  nötig  wegen  beS  Sud)« 

")  3ulian  ©cfjmibt  in  ben  „GJrenjboten"  1855  I,  81  ff. 

©ottfrtcb  AcQer.   II.  18 


274  ©erlin. 

IjanbelS;   bctm  ber  Vertrieb  mufe  burd)  bcn  Dterten  Sanb 
gerettet  werben. 

Dbfdjon  id)  feljr  betrübt  bin,  bafe  ©ie  md)t  nad)  ber 
©djweij  fommen  (befonberö  au d),  weil  man  nid)t  weife,  was 
für  ein  @fcl  jefct  fytnfommt;  Äinfel  ift  ganj  unmöglid)  be$ 
beutfcfyen  SunbeS  wegen),  fo  fyat  bie  @ad)e  bod)  bie  gute 
Seite,  bafc  id)  mid)  auf  ber  £eimreife  unter  Sbrer  ägibe 
unter  ber  ©reSbener  Sanbe  umfeljen  fann.  98or  3Jlat  ©erbe 
id)  nun  nid)t  meljr  f ort! ommen ,  inbetn  id)  bod)  bier  nod) 
ba$  Suftfpiel  unb  ba$  Irauerfptel  mad)en  miß.  3d)  fte^e 
jefct  tägltd)  um  fünf  ober  fed)S  U^r  auf  unb  gefye  um  groölf 
ju  33ette  unb  Derbrenne  wödjentltd)  für  ameiunbjwanäig 
©ilbergrofdjen  £>l. 

3^r  alter  ©.  ÄeOer. 

83.  Jltt  bie  mntttv. 

2iebfte  9Kutter!  3>d)  Ijabe  beibe  Heben  33riefe  ridjtig 
bef ommen  unb  auf  ben  erften  nid)t  geantwortet,  weil  id) 
glaubte,  auf  9?eujal)r  felbft  ju  fommen.  ©§  ift  nid)t  nur 
beS  ©elbeS  wegen,  warum  id)  nod)  l)ier  bleibe,  fonbern  auct)f 
um  in  bejug  auf  meine  arbeiten  einen  foliben  &bfdjlufe  ju 
Ijaben  unb  nod)  einige  Umftänbe,  bie  id)  im  Slugenblicfe  nod) 
nid)t  begeid)nen  fann,  pd)  entwirfein  ju  laffen. 

SSegen  ber  $rofeffur  in  Qüxxd)  tjat  mir  ein  3"rd)er 
ber  vergangene  2Beü)nad)t  l)ier  war,  oon  ©eiten  eine*  Sc« 
gterungSrateö  münblid)  gefagt,  id)  foilte  madjen,  bafe  id) 
jefct  auf  ber  ©teile  nad)  £aufe  fäme.  SBenn  e$  nod)  etroa4 
barauS  werben  fann,  wenn  id)  ba$  %xütj\a^r  fomme  (ba 
nodj  lange  nid)t  alle  ©teilen  befefct  werben  unb  bie,  weld)e 


83.   *4fa  bie  Sflhitter,  15.  gebruar  1855.  275 

id)  Derfefyen  fönnte,  eine  ber  minber  preffanten  ift),  ober 
wenn  bie  Ferren,  ofyne  mid)  weiter  ^u  fragen  unb  gu  Der* 
l)ören,  mid)  fo  berufen  würben,  fo  würbe  id)  bie  ©elegenljett 
allerbingö  nod)  ergreifen,  um  wenigftenS  einen  guten  SBiUen 
gu  geigen,  unb  würbe  fcfyon  ber  ©adje  gewadjfen  fein,  ütelleid)t 
beffer  alö  ein  ©ufcenb  jtd)  fyergubrängenber  ©djulmetfter. 
Snbeffen  ift  e§  nid^t  fo  gefäfyrlid),  wie  ©u  glaubft. 

SBenn  id)  erft  einmal  in  ßörid)  bin,  fo  wirb  man  fd)on 
fefyen,  wer  id)  bin  unb  bafe  man  nid)t  fo  gur  9tot  unb  aus 
©nabe  mir  ein  Unterfommen  gu  gewähren  braucht.  3$ 
mad)e  jefct  ein  gang  anbereS  @eftd)t,  alö  wie  id)  öor  fed)S 
Sauren  fo  traurig  abgog.  S3raud)bare  unb  tüd)tige  Seute 
fann  man  überall  brausen;  unb  wenn  fte  e§  bort  nid)t 
fönnen,  fo  ift  bie  2Belt  weit,  £ier  in  SBerlin  gelte  id)  als 
ein  orbentüdjer  Äerl,  unb  alle  2eute  fagen  mir,  id)  folle 
t)ier  bleiben.  ©ie$  werbe  id)  natürlich  mdjt  tljun,  unb  öor* 
gügltd)  Seinetwegen  unb  meiner  ©d)mefter  wegen.  SBon 
©elboerfdjajfen  unb  -fdjidfen  auf  ©runb  ber  iftauöbriefe1) 
fann  feine  JRebe  fein;  erftenS  l)abe  id)  fd)on  gefagt,  bafc 
ba3  ©elb  ber  SRegula  gehöre,  unb  gweitenS  würbe  auf  biefe 
2Beife  ba$  ©ing  nie  ein  6nbe  nehmen.  3d)  mu&  mir 
burd)au$  aus  eigenen  Äräften  Reifen  unb  wenn  id)  nod)  ein 
l)albe$  3aljr  fortbleiben  müfete. 

gür  bie  näd)ften  gwei  3^^re  würbe  mir  bie  bemufete 
©teile  iubeffen  öfonomifd)  nur  -Kadjteil  bringen;  ba  id)  alle 
Seit  bafür  oerwenben  müßte,  ber  ©eljalt  aber  nur  gering 
fein  wirb,  fo  ift  e§  flar,  bafc  id)  mit  meinen  arbeiten  meljr 
üerbiene,  weldje  id)  atebann  auf  bie  Seite  legen  müfete. 


')   SGÖaö  ifjm  bie  Sttutter  nrieberljolt  anbot. 

18' 


276  Berlin. 

2Ba§  ba£  ßiromer  betrifft,  fo  werbe  id)  auf  Öfter», 
Kenn  id)  alebann  nod)  nid)t  gurüdf  bin,  ettDa$  @elb  für 
ben  3w3  fdjidfen,  bamit  Sfyr  e§,  wenn  $f)r  nämlid)  wollt, 
fönnt  leer  fielen  laffen1);  fonft  muft  id)  fyalt  in  ben  ©aftljof 
gefyen,  wenn  id)  fomme.  3"öem  würbe  eö  mir  unangenehm 
fein,  einen  fremben  w39ögg"  ba  bei  ben  Sßeinigen  ju  finben 
in  einer  fo  engen  Söoljnung.  3d)  fyabe  mid)  lang  genug 
unter  ben  gremben  herumgetrieben. 

Sern  SSürgi9)  feinen  $roje&  fyabe  id)  mit  Sntereffe  ge* 
Iefcu.  S)aö  ift  aud)  einer  Don  ben  Älugen,  Söetfen  unb 
l)öd)ft  $raftifd)en  unb  ©parfamen,  ber  feinen  Äarren  bod) 
nod)  in  ben  alten  Sagen  in  ben  ©recf  geführt  fyat.  6r  ift 
ein  gemeiner  ßfjarafter  unb  tfyat  nur,  was  er  nid)t  laffen 
fonnte;  aber  er  ift  nidjt  Diel  fd)limmer  als  taufenb  anberc 
foldjer  f lugen  unb  foliben  ßrmerbSmanner!  Slud)  l)öre  id) 
Don  mandjen  jüngeren  Seuten,  bie  el)er  bergab  gefyen  als 
bergauf  unb  ftd)  bod)  t)öd)ft  weife  bünften.  @3  ift  bod) 
mandjmal  gut,  wenn  man  ntdjt  fo  fir  unb  flinf  ein  große* 
Sier  wirb,  fonbern  etwas  langfam  wäd)ft,  wie  bas  £artI)ol$, 
ba£  befto  länger  brennt. 

©a$  £olj  betreffenb  braudje  id)  Diel  biefen  SBinter 
unb  ift  e$  fefyr  teuer.  2lud)  Derbrenne  id)  alle  2Bod)en 
einen  Ärug  Doli  £>l,  etwa  3wei  5Raj$,  bie  bret  granfen 
foften  nad)  unferm  ©elb. 


*)  £>ie  ÜKutter  ftebelte  $u  Dftern  1855  nad)  ber  ©emeinbegafie 
«£>ottingen  über.  „Dr.  Söityelm  <sd)ul3  —  fdjrteb  fte  am  7.  SRoDemfrr 
1854  —  I)at  große  greube,  ba&  roir  in  feine  5Ra$barfd>aft  Jonuncn. 
(ix  fyabe  früher  aud)  in  biefem  #aufe  getuofyit." 

3)  ehemaliger  SRegierungSrat,  ber  al3  ©pitafoerwalter  ftd)  Un« 
regelmäBigfetten  fyatte  ju  fdjulben  fommen  laffen. 


84.   2In  .^ermann  £ettner,  9.  3Rat  1855.  277 

3d)  f)abc  jefet  nidjt  3^  mc^  ju  fdjreiben,  unb  will 
bafür  balb  wteber  fdjreiben.  9Kad)t  nun  mit  bem  ßintmer, 
was  3t)r  wollt!  SBenn  td)  nid)t  ©elb  fd)tdfe,  fo  fönntS^r 
e£  {ebenfalls  ausmieten. 

©rüfee  Dr.  ©djul^enS;  id)  werbe  ifynen  balb  fd)reiben, 
ba  biefer  Sage  ber  merte  fflanb  meines  StomanS  abgefanbt 
wirb.  3ln  33ud)l)änblern  fjabe  id)  jefet  2luSmal)I,  unb  mehrere 
fyaben  mir  ifyren  SSerlag  angetragen  gu  guten  greifen,  was 
jefct  nid)t  jebem  pafftert  SBenn  §err  SSieweg  alfo  nidjt 
parieren  will,  fo  gibt  es  ätoSwege  genug. 

3>d)  möchte  bod)  wiffen,  was  (Sure  £auSmeifter  für 
böfe  2eute  finb.  ©ie  werben  bod)  {ebenfalls  niemanbem 
ben  Äopf  abbeifeen  fonnen!  ©ie  wollte  td)  mir  bod)  ein 
wenig  näfyer  anfefyen,  wenn  id)  ba  wäre!  SBenn  (Sud)  in* 
beffen  baS  ©eringfte  pafftert,  fo  werbe  id)  mit  ben  Seuten 
nod)  abrechnen,  wenn  id)  anfomme.  Sollte  eS  ju  arg  fein, 
fo  wenbe  ©id)  ftradfS  an  ben  ^olijeibireftor,  SRegierungS* 
rat  ©ubs,  welker  ein  greunb  Don  mir  ift  unb  fid)  ©einer 
annehmen  wirb! 

95iit  taufenb  ©rüjjen  an  (5ud)  alle  (Suer  treuer  @ot)n 
unb  ©ruber 

©erlin,  ben  15.  gcbruar  1855.  ©.  Ä. 

84*  £tt  Qtvmann  §tftntv  in  $vt**tn. 

Sieber  Lettner!  ©er  Umftanb,  bafe  Sie  ^fyxm  SBofynort 
geänbert  unb  nad)  ©reSben  übergefiebelt  jmb,  ofyne  mir  etwas 
baruber  ju  fd)reiben,  läfet  mid)  faft  befürchten,  bafc  Sfynen 
entweber  etwas  gugeftojjen  fei,  ober  bafe  Sie  etwas  gegen 
mid)  fyaben.    ©djeube,  ber  oor  mehreren  SBodjen  fyier  war, 


278  Berlin. 

fagte  mir,  baft  er  ©te  in  ©reäben  gefeiert,  unb  bafe  Sic 
franf  feien1).  £offentlid)  ift  bie$  vorüber  unb  überhaupt 
nid)t  Don  6rf)eblid)feit  gewefen;  wenn  ©ie  jebod)  wot)l  fmb, 
fo  bitte  id)  ©ie,  mtd)  etwas  fyören  gu  lajfen  unb  üorgüglid), 
wenn  ©ie  ftd)  über  mid)  gu  befd)weren  fyaben,  mir  es  bcut= 
lid)  gu  fagen;  benn  gu  allen  Erfahrungen  wäre  mir  bieS  bic 
bitterfte,  alte  Sreunbe  gu  oerlieren  nur  aus  bem  ©runbe, 
weil  id)  mid)  nid)t  rühren  fann  unb  weil  mid)  bie  nieber* 
trächtige  ©emeinljeit  ber  Seute  fo  lang  alö  möglid)  in  einem 
unfeligen  Sann  eingefdjnürt  f)ält. 

3d)  l)abe  erft  öor  fed)S  2Bod)en  baö  lefcte  Kapitel 
meinet  JRomaneS  unb  gmar  am  Sßalmfonntag  bud)ftäblid) 
unter  Stljränen  gefd)tniert  unb  werbe  biefen  Sag  nie  öergeffen. 
sJiad)bem  mtd)  nun  33iemeg  Dörfer  faft  gefreffen  um  ba« 
9Jtanuffrtpt,  Iäfct  er  ben  oierten  fflanb  rufyig  liegen  unb  oor* 
enthält  mir  jebe  Antwort  unb  billige  2lbred)nung,  wal>rfd)em* 
lief)  auä  erbärmlicher  9tad)fud)t,  weil  id)  gezwungen  warr 
mit  @d)eube  einen  Äontraft  eingugefyen.  3d)  fyatte  mid)  fo 
barauf  gefreut,  nun  jeben  9Jtonat  biefeö  3früf)ling8  unb 
©ommer$  einen  alten  ©ntwurf  abgutfyun  unb  mid)  bis  gum 
£erbft  in  jeber  SSegiefyung  IjerauSgumadjen ! ©enn  ab- 
gefeiert Don  ber  pefuniären  8lu§gleid)ung  entgiefyt  er  mir  burd) 
bie  perjtbe  33erfd)tep:pung  ober  gar  Unterfdjlagung  beS  üierten 
33anbe§  bie  notwenbige  Slufeinanberfolge  meiner  ^robufte 
unb  ben  Keinen  äußerlichen  Erfolg,  ben  idj  gegenwärtig  fo 
wofyl  brauchen  fönnte. 

©agu  fommt,  bafa  td)  gegenwärtig  etwa«  erlebe,  wa$ 
einem  Reitern  unb  fdjönen  ©terne  gu  gleichen  fd)etnt  unb  mir 

l)  Lettner  mar  in  ber  £l)at  an  einem  heftigen  ©elenMjeumatiS- 
mu§  erfranft. 


85.  $fo  ^ermann  £ettner,  18.  SKat  1855.  279 

DieHeidjt  nur  burd)  biefc  ÜHifere  unb  Verbitterung  öerloren 
geljt.  ©ie  werben  alfo  mofyl  füllen,  bafy  id)  meinerfeitS 
nid)t  jum  SBricffd^reiben  eingerichtet  bin,  ba  id)  manchmal 
ntd)t  weife,  wo  mir  ber  Äopf  ftefyt,  unb  id)  tl)ue  eg  jefct  nur, 
weil  mid)  eine  Unruhe  plagt  unb  eine  fdjlimme  Sl^nung,  als 
ob  überall  etwas  gegen  mid)  oorgefye. 

©d)eube  wirb  einen  SBanb  @r$äl)lungen  oon  mir  brudfen 
unter  bem  Stitel  ,,©ie  Seute  oon  ©elbw^la".  @r  ift  aud) 
felbft  baran  fdjulb,  bafe  er  iljn  nid)t  fdjon  l)at;  bod)  bin  id) 
jefct  bran  unb  werbe  tyit  wofyl  biefen  93ionat  fertig  bringen. 

63  nimmt  mid)  wunber,  wie  ©ie  in  ©reiben  leben 
unb  waö  Sfyre  oerefyrte  %xan  unb  Sftre  Äinber  madjen. 
SBenn  Sie  alfo  immer  fönnen  ober  aufgelegt  ftnb,  fo  feien 
©ie  fo  gut,  mir  ein  paar  QeiUn  jufommen  ju  Iaffen!  3d) 
wo^ne  nod)  33aul)of  9tr.  2. 

9Jtit  beften  ©rufeen  an  ©ie  unb  bie  Sangen 

Berlin,  ben  9.  gttat  1855.  ©ottfrieb  Äeller. 

SBirb  benn  Sfyre  Sitteraturgefd)id)te  nun  l)erau£fommen? 


85*  £tt  $tvmann  §tüntv  in  $vt**tn. 

Sieber  greunb!  £ier  ift  enbltd)  ber  vierte  SBanb 

©a3  ift  \a  eine  traurige  @efd)id)te  mit  Sfyrer  langen 
unb  ärgerlichen  Äranffjeit,  unb  wünfd)e  id)  Jljnen  nur  t)on 
£er$en  eine  gemütliche  unb  gänjlidje  ©enefung.  Sefen 
werben  Sie  wol)l  in  ©reiben  nichts,  befto  mel)r  Südjer 
werben  wir  ju  erwarten  Ijaben.  ©ie  werben  gelefen  fyaben, 
bafc  SSifdjer  nun  nad)  ßürid)  fommt  unb  gwar  mit  ftarfem 


280  ©erlitt. 

©efyalt.  9hm  wirb  es  {ebenfalls  eine  erfreuliche  ©efeHfdjaft 
bort  geben.    SBenn  id)  nur  erft  bort  wäre! 

SBenn  rttein  langweiliges  Surf)  pdf)  ntd^t  an  mir  er* 
waljrt,  fo  min  id)  trauten,  enblid)  fyetmjufommen;  bod)  muß 
id)  mid)  jejjt  gänjlid)  auf  mid)  felbft  fteHen  unb  feinen  6paß 
mefyr  üerfte&en. 

©efteru  farj  id)  ein  prächtiges  Suftfpicl  „S)aS  laute  ©e* 
fyeunniS11  nad)  ©ojjt  unb  Salberon,  unb  es  fyat  mir  fpllifd) 
(Sourage  gemadjt.  @S  ift  aud)  ein  fpafefyafteS  SBefen,  bafe 
id)  al§  ©ramatifer  in  spe  2lrmut  falber  faft  nie  ins  Sweater 
fann,  mäfyrenb  alle  £unbe  unb  Sumpen,  bie  nichts  fönnen, 
alle  Sage  jid)  bort  l)erum  fielen,  aber  baS  ift  eben  baS 
2Bal)re,  wie  ju  fyoffen  wage;  unb  wenn  id)  einmal  l)in* 
fomme,  fo  fefye  id)  unb  empftnbe  id)  meljr  an  biefen  aSrofamen, 
als  bie  im  Überfluß  @d)melgenbcn.  3dj  glaube,  bie  ftief* 
mütterliche  Cfonomie  beS  SebenS  Ijat  mid)  mol)l  fonfenriert; 
unb  wenn  mein  £erj  jefct  nidjt  bricht  in  biefem  S^rgang, 
fo  werbe  id)  mid)  wofyl  nod)  anrauhen. 

Snbeffen  l)abe  id)  jefct  grofce  2lngft,  bafc  ber  trierte  33anb 
burd)fäHt.  ©ie  autobtbaftifcfjen  SilbungSfapitel  ftnb  fd)le*t 
geraten,  weil  id)  gerabe  bamalS  oljne  alle  £ülfSmittel  unb 
SRu^e  war  unb  alles  aus  bem  ©ebäd)tniS  fd)reiben  mufete, 
fo  bafe  feine  folibe  SluSfüfyrung  barin  ift.  (Sbenfo  fonnte  ich 
ben  @d)Iujj  im  ©ränge  ber  Sage  nidjt  madjen,  wie  id)  iljn 
eigentlich  machen  wollte  ©djreiben  @ie  mir  bod)  balb 
barüber  unb  galten  @ie  mir  and)  SBort  mit  Syrern  93erid)t 
über  ©reSben!  ©S  intereffiert  mid)  fefyr.  TOid)  beftenS 
empfeljlenb  unb  tjerjlid)  gril&enb 

^erlitt,  ben  18.  üttat  1855.  gjjr  ©ottfrieb  ÄeQer. 


86.  Sin  Hermann  .fcettner,  25.  3uni  1855.  281 

86.  |to  $tvmunu  §ettntv  in  g)r****it* 

$erlin,  ben  25.  3uni  1855. 

gieber  Lettner!    3d)  banfc  Sljnen  ffir  Sljre  freunblidje 

Senrtetlung  meines  öierten  SanbeS1).   3d)  fa&e  aud)  nrieber 

ein  wenig  5Kut   gefafet,   unb  baS  unglücflidje  (Snbe  biefeö 

t>erfd)Ieppten    33ud)e3 ,    baö    trofc    aller   3^itt)erfd^n)enbung 


')  Lettner  Ijatte  auf  ben  merten  SBanb  be§  „Grünen  £einridj" 
am  11.  Sunt  1855  foIgenbe§  geantwortet :  „9eun  gunädjft  meinen 
fyeralidjften  3>anf  für  ben  f)oI)en  ©enufe,  ben  ©ie  mir  mit  3*)rer  frönen, 
milb  ^eiteren,  gebanfenflaren  SMdjtung  gemacht  Ijaben.  3)ie  ruhige 
Sßfaftir  be£  ©WS  ift  watjrljaft  goetf)ifo),  bie  ©efamtmirfung  eine  fo  rein 
bidjterifdje,  wie  man  fie  wenigen  2)id)twerfen  ber  neueren  Qdt  naa> 
rüfjmen  fann.  £)a3  SbnUion  auf  bem  ©djloffe  be8  ©rafen  ift  ein 
OKetfterftücf,  fo  gart  unb  innig  empfunben  unb  fo  burdjauS  lebenSfrifd) 
unb  gefunb,  ba%  alle  neuen  Sßoeten  famt  unb  fonber§  bei  Sfynen  in 
bie  ©djule  gefyen  !önnen.  SGBie  fein  ift  namentlich  bie  Steigerung 
biefer  rein  Ijarmonifdjen  Siebe,  oerglidjen  mit  ber  ätfjerifdjen  Siebe  311 
SlgneS  unb  ber  finnlidjen  311  3ubitf)!  ©o  gewahrt  man  am  beften, 
roa§  für  grüd)te  fid)  ber  £elb  injmtföen  au8  feinen  Srrfaljrten  ge- 
wonnen, ©ie  fpredjen  in  Syrern  lieben  ©riefe  bie  gurd)t  au§,  ba§ 
bie  Partie  über  bie  antljropologifdjen  ©tubien  ein  wenig  $u  boftrinär 
fei.  ©iefe  gurc&t  teile  td)  burdjauS  nic&t.  dagegen  fönnte  e§  meiner 
Einfielt  nad)  nid)t  fdjaben,  wenn  ©te  bie  (Sraäf)lung  oon  ben  ^eimatS- 
träumen  be§  gelben  fürjer  gehalten  Ratten.  5)od)  werben  flc  lieblid) 
burdjbrodjen  oon  ber  oortrefflidjen,  äufjerft  lebhaft  gejeidjneten  ©eftalt 
be§  alten  tfunfttröblerS.  SebenFen  Ijatte  ic^  anfangt  gegen  ben  ©d)lu&. 
Söarum,  fragte  id)  mic&,  laffen  ©ie  3*)ren  gelben  fterben?  gaft  bünft 
e§  mir,  ©ie  prebigen  baS  ,3n  ber  Sefdjränfung  geigt  fid)  erft  ber 
9Reifter4_  etwas  allgu  einbringlid),  wenn  ber  £elb  feine  ftrebfamen 
SMlbungSmirren  mit  bem  £ob  büßt.  3ft  er  nid)t  fd)on  genugfam 
geftraft,  wenn  er  fia)  fagt,  ba$  er  ba$  fümmeriidje  Hiter  unb  baZ 
gramoolle  Slbfterben  feiner  treuen  Butter  oerfdjulbet?  Sebod)  Ijaben 
fid)  mir  biefe  53ebcnfen  aHmäljlid)  gemilbert,  inbem  ia)  mir  fage,  bafc 
ber  (Srnft  ber  S9ilbung§tragöbie  nur  um  fo  burd)fd)lagenber  auftritt. 
<g§  wäre  mir  lieb,  wenn  ©ie  mir  hierüber  etma§  fdjreiben." 


282  «erlin. 

bcnnod)  in  unfeliger  £aft  gefd^ricbcn  ift,  mag  ein-  für  allemal 
ein  (5ube  fein. 

Sfyre  Sebenfen  wegen  beS  ÜobeS  beS  ©rünen  £einrid) 
ftofeen  waljrfdjeinlid)  Dielen  2euten  auf,  wenigftenS  tyaben 
mir  ganj  fd)ltd)te  unb  ungefdjulte  Sefcr  gefagt,  bafe  fte  biejen 
Job  nid)t  erbaulid^  fänben.  S)aS  rütjrt  barjer,  weil  ba$ 
Iefcte  Kapitel  nid)t  ausgeführt  ift  unb  bie  3RoraI  eigentlich 
nur  jwifdjen  ben  3eilen  gelefen  werben  fann,  was  hoffentlich 
mit  ber  3*it  gefdjeljen  wirb,  wenn  baS  Sud)  überhaupt  fo 
lang  bie  9lufmerf|amfeit  ju  feffeln  im  ftanbe  ift.  S)ie$ 
@d)Iujjfapitel  follte  eigentlid)  urfprfinglid)  etwa  brei  Äapitel 
ftarf  werben  unb  eine  förmliche  (Slegie  über  ben  SEob  bilben, 
inbem  ljauptjäd)lid)  baS  aufgegebene  SSewufetfein  ber  perfön* 
lidjen  ttnfterblidjfeit  bem  £einrid)  baS  ©ewiffen  unb  SBeiter» 
leben  fd)wer  mad)t,  ba  bie  Butter  bieS  einjige,  einmalige 
unb  unerfefclidje  Seben  für  tljn  oerloren.  ©teS  wäre  ein 
£auptgeftd)tspunft  gewefen  unb  ift  gerabe  ganj  weggefallen, 
ba  e§  mir  teils  3uwiber  würbe,  nochmals  über  biefen  ©egen* 
ftanb  breit  ju  werben,  teils  id)  aber  aud)  nic^t  meljr  %t\t 
baju  fyatte,  inbem  es  baju  eines  tiefen  unb  wohlüberlegten 
SluSbrucfeS  ober  ©tilS  beburfte. 

Gin  anbereS  5Rotio  beS  SobeS,  wenigftenS  beS  fqmbo* 
lifdjen,  ift  baS  (Scheitern  feiner  neuen  Hoffnungen,  ©enn 
wie  fann  er,  ba  er  in  bejug  auf  bie  Familie,  welche  bie 
©runblage  ber  @taatSgememfd)aft  ift,  ein  öerlefcteS  ober 
wenigftenS  befd)werteS  ©ewiffen  fyat,  ein  öffentltd)eS%'2Birfen 
beginnen  ober  pd)  für  baSfelbe  oorbereiten?  Serner,  ba  er 
mit  ber  ßrfaljrung  ber  geläuterten  Siebe  jurüdfgefe^rt  unb 
eine  lebenbige  Hoffnung  barauf  trägt,  mad)t  it)m  gerabe 
biefe  Hoffnung  baS  ßeben  unmöglich,    weil  ftd)  wo^l  fein 


86.  $n  ^ermann  #ettner,  25.  3um  1855.  283 

ebleS  unb  ungetrübtes  gebeng*  ober  6l)eglüdf  benfen  läjjt 
nad)  bem  fo  befdjaffenen  Sobe  ber  SRutter. 

©a  aber  alfo  alle  biefe  neuen  3luSjtd)ten,  in  begug  auf 
bie  SebenSt^ättgfeit  fowofyl,  als  auf  ben  SebenSgenufe,  ge* 
brodfyen  ftnb,  was  foH  er  benn  weiter  anfangen?  Sie  3cü 
unb  bie  $l)ilofo:pl)ie  fowie  bie  Soleranj  ber  @efetlfd)aft 
würben  i^n  allerbingS  rehabilitiert  fyaben,  ba  im  ©runbe 
fein  ©oluS  in  ifym  war.  allein  bie  ©ac^e  trifft  tljn  gu 
plojjlid)  unb  am  @nbe  einer  langen  aufgeregten  Qtxt,  meld)e 
fein  ganzes  SBefen  unterwühlt  l)at.  ©iefer  Schlag  ift  nun 
allerbingS  eine  2BtflfürIid)feit,  ober  wie  man  eS  nennen  will, 
allein  bie  @ad)e  ober  baS  33ud)  mufcte  bod)  ein  @nbe 
net)tnenr  unb  id)  glaube,  biefer  @d)lu&  l)at  meljr  SBebeutung 
bei  aller  blojjen  Slnbeutung,  als  ein  fummarifdjeS  £eiratS* 
fapitel  gehabt  fyätte. 

©od)  genug  oon  biefer  alten  ®efd)id)te!  TOit  ©djeube 
Ijabe  id)   gegen  ratenweife  JRficfgafylung  feines  ©elbeS  ben 

Äontraft  wieber  gelöft. ßugleid)  begmeefte  id)  baburd) 

mit  SSieweg  in  fd)einbar  gutem  SBerfeljr  gu  bleiben,  um  mit 
ber  Sei*  ifyn   gu  fdjnüren  unb  an  ben  neuen  @ad)en  ben 

@d)aben  gut  gu  machen,  ben  er  mir  gugefügt. 3d) 

werbe  tym  bie  Gnrgäfylungen,  bie  ©djeube  Ijat  befommen 
follen,  bis  Anfang  ^nü  abliefern  gu  einem  größeren  Honorar; 
aberid)  weife  faum,  wie  id)  bie  S^t  bis  baljin  burdjbringen 
foll,  unb  oorgüglid)  ift  es  mir  in  meiner  SBoIjnung  nid)t 
bequem  unb  gemütlid)  wegen  einer  etwas  aufgelaufenen 
Sftedjnung.  2Benn  Sie  mir  bal)er,  lieber  Lettner,  trojj 
meines  fd)led)ten  93erl)altenS  mit  bem  grüneren,  nod)  öor 
bem  1.  3uli  etwa  jtebengig  Stfyaler  leiten  fönnten  gegen  baS 
beftimmte  SBerfpredjen,  bafe  Sie  biefelben  bis  gum  15.  Suli 


284  ^Berlin. 

wieber  pfinflid)  gurücf  fyaben ,  fo  würben  6ie  mir  eine  grojjc 
6rleid)terung  gewähren  fönnen.  3d)  würbe  baS  ©elb  cor 
allem  anberen  einwarfen  unb  auf  bie  $oft  ttjun.  2)a§ 
früher  ©elte^ene  im  Setrag  oon  103  Jljaler  müfcte  freilid) 
in  ein  ober  jmei  5Balen  gegen  ben  #erbft  J)in  bejaht  ©erben. 
®od)  betrauten  Sie  biefe  Sitte  ja  nid)t  als  ben  geringsten 
moralifd)en  S^ang  ober  95iifjbraud)  unferer  greunbfcfcaft 
unb  benfen  Sie  nid)t,  bafc  im  ftaH  ber  Unmöglidjfeit  ber 
minbefte  ©chatten  einer  fd)led)ten  Saune  ober  Unbanfbarfeit 
in  mir  aufzeigen  mürbe!  3$)  Bnntc  l)ier  an  einem  falben 
©ufcenb  Orten  oorfpredjen,  ofyne  bafe  man  eS  mir  abfd)lagen 
bürfte;  allein  an  jebem  biefer  Orte  mürbe  td)  meine  unbe- 
fangene Stellung  ruinieren  unb  in  eine  abfdjeulidje  Älatfdjerei 
hineingeraten. 

Stjre  Mitteilungen  über  bie  ©reöbner  Sßotabeln  tyaben 
mid)  l)öd)lid)  amüftert.  6$  ift  aber  fefyr  Iäd)erlid)r  ba  biefen 
Quängeleien  bod)  eigentlich  fo  gar  menig  ju  ©runbe  Hegt, 
uub  eS  am  6nbe  l)öd)ft  gleichgültig  ift,  ob  biefe  ©eneration 
fid)  gut  ober  fd)led)t  unter  ftd)  fteljt.  3Benn  wenigftenS  nur 
ein  abgeblaßter  lenienfampf  babei  IjerauStäme  ober  ein  tbealeS 
@eifte£bünbni$  *c. 

3f)r 

©ottfr.  Heller 

mit  beften  ©rü&en. 

87*  Jln  pttttttr  uub  $fJ)i»efttt% 

©erltn,  ben  17.  Oftober  1855. 
Siebe  Butter  unb  ©djroefter!   3d)  bin  leiber  nod)  nic^t 
im  ftanbe,    fyeimjufommen,   obgleid)  id)  ganj  geimfe  barauf 
gerechnet  tjatte;   benn  id)  t)abe  Diel  ärger  unb  3*noürfnijfe 


87.   Sin  SRutter  unb  <gd?u>efter,  17.  Dftobcr  1855.  285 

mit  ben  33ud)I)änblern  gehabt,  ©er  SBerleger  in  S3raun= 
fdjroeig  fud)te  mid)  eben  unten  ju  galten,  fo  lang  als  mög* 
Ud);  id)  wollte  baljer  mit  anbern  probieren,  ba  eS  mir  an 
Anträgen  nid)t  fc£>lt,  unb  Ijabe  baoon  nur  SBerbrufe  gehabt. 
3d)  Ijatte  nämlid)  einem  in  ©adjfen  ein  33ud)  oerfauft  für 
300  Sljaler  (beinahe  1200  granfen),  el)e  eine  Seile  baran 
gefdjrieben  mar,  unb  baS  (Selb  erhalten,  £>a  id)  aber  merfte, 
bab  bieg  ein  junger  ©djnaufer  fei,  ber  für  bie  ßufunft  feine 
©td)cr()eit  bietet,  fo  madjte  id)  bie  ®ad)t  mieber  rücfgängigr 
teerte  ju  bem  alten  unb  reidjen  23iemeg  jurüdf,  ber  fid) 
bereitwillig  anftellte,  unb  gab  jenem  unter  grofeen  ©cfynnerig« 
feiten  fein  (Selb  gurücf.  3njroifd)en  fyabe  id)  baS  fraglidje 
Sud)  in  jmei  SJlonaten  gefdjrteben,  unb  ba  mid)  ber  5Bieroeg 
mieber  am  Sänbel  fyatte,  fo  roollte  er  mid)  mieber  brang* 
falieren,  fo  bajj  id)  abermals  öon  tym  abjprang  unb  einem 
berliner  SBerleger1),  in  beffen  £auS  id)  feit  Sauren  fomme, 
ein  SBerf  oermarjdjanbierte  für  500  S^aler,  moöon  id)  bie 
£älfte  am  1.  Dftober  empfangen,  unb  weldjeS  bis  ßnbe 
91ooember  fpäteftenS  fertig  fein  mufc.  £eute,  urie  id)  eben 
bieje  ©riefe  fdjreibe,  fdjidte  enblid)  SBieroeg  ben  3teft  beS 
(Selbes  für  baS  fertige  33ud).  —  —  GS  mürben  nun  ^unbert 
anbere  Ferren  mit  einem  foidjen  ©ümmdjen  enblid)  abreifen 
unb  baS  Sßeitere  ber  Sufunft  überlaffen.  3d)  tjabt  mir  aber 
vorgenommen,  bie  ©adje  aushalten,  ba  id)  aus  Grfaljrung 
mei&,  mie  fdjmer  man  baju  fommt,  nadjträglid)  ©Bulben 
gu  bejahen,  bie  man  an  einem  £)rte  Ijinterlaffen,  unb  fo 
manbert  alles,  roaS  id)  einnehme,  fogletd)  in  bie  Jpänbe 
meiner  ©laubiger  unb  id)  behalte  immer  nur  baS  üftotbürf* 


l)  grang  S)uncfer. 


286  ©erlitt. 

tigfte  jurüdf.  93i3  im  SRooember  werbe  id)  mit  bcn  ^Berlinern 
ungefähr  fertig  fein,  unb  bann  werbe  id)  für  eine  Summe 
fontraljieren,  mit  roeldjer  td)  fyetmreifen  fann,  benn  bie 
©djulben  in  ßünd)  {inb  unbebeutenb.  dagegen  roiü  id) 
genug  ©elb  in  ber  Stafdje  tyaben,  bamit  bie  ^Bettelei  auf- 
^ört. 

2Bie  bie  Sachen  jefct  ftetyen,  fo  ift  e§  blofe  eine  lefcte 
SBerljejrung,  bie  mid)  fyinbert  unb  beläftigt,  ot)ne  weitere  39e* 
beutung,  ba  id)  fouft  woljl  weife,  roaä  id)  will  unb  genug 
rjerbienen  lann.  2Benn  id)  baS  ©elb,  weldjeS  id)  feit  brei 
Monaten  eingenommen,  Ijätte  in  ber  Üafdje  behalten  fönneii, 
fo  fönnte  id)  lachen,  ©od)  muffen  bie  ©djulben  einmal  auf- 
j)ören,  ba  id)  jefct  Ieid)t  unb  Diel  arbeite  unb  mit  9u3naf)tne 
ber  2BoI)nung  roenig  brauche  (b.  f).  fo  wenig,  als  in  Serlin 
moglicf)  ift!).  Sie  2Bot)nung,  meldje,  ba  id)  mid)  an  gute 
3immer  gewöhnt  fyabe,  teuer  ift,  rentiert  fid)  aber,  weil  id) 
gern  barin  Ijotfe  unb  fleißig  bin.  Sie  £auptfad)e  ift,  baB 
id)  jefct  nur  fleine  unb  luftige  arbeiten  unternehme,  bie  Ieid)t 
unb  rafd)  fertig  finb  unb  mir  gut  bejaht  werben,  fo  ba§ 
es  enbltd)  oom  fjlecf  gefyt. 

2Benn  id)  nur  einmal  flu  #aufe  bin,  fo  min  id)  ein 
3al)r  lang  fo  oerjmeifelt  fd)uftern  in  bem  etübeben,  ba$ 
S^r  ba  ju  fyaben  fdjeint,  bafe  ein  guter  SRucf  rjorwärtS  get)t 
unb  id)  mid)  bann  um  eine  größere  SBotjnung  umfd)auen 
fann.  G§  ift  mir  fd)änblid)  oerleibet,  mittags  unb  abenbS 
immer  auSjugeljen,  um  etwas  au  effen,  ob  e£  gut  ober  fd)ledjt 
SBetter  fei.  3d)  trinfe  jwar  öfter  Üfyee  $u  £aufe  bee  SbenbS; 
aber  bteS  ift  bei  fremben  Seuten,  bie  an  allem  etwas  Der* 
bienen  wollen,  aud)  nid)t  baS  2Bal)re.  SBenn  id)  fo  einen 
ganzen  2öinterabenb  ju  £>aufe  bin,  fo  foftet  berfelbe,  bamit 


87.  2(n  «Kutter  unb  ©fyöefter,  17.  Dftober  1855.         2Q7 

3f)r  fef)t,  wie  teuer  eö  ift,  folgenbeS:  für  etwa  3  ©rofdjen 
Öl  r  für  6  ©rofdjen  Sljee,  ^Butterbrot  unb  etwas  fdjledjte 
2Burft,  für  2  ©rofd)en  £olj,  weldjeS  jufammen  11  ©rofdjen 
tnad)t,  ober  1  ftranfen  unb  3  33a{jen.  2Benn  id)  freilief) 
fedjS  ©tunben  nadjeinanber  fd)reiber  fo  Ijabe  id)  für  8  bis 
10  Später  gefdjmiert;  aber  baS  fann  man  nid)t  fo  Sag  für 
Sag  nehmen,  ©od)  genug  oon  biefen  Sunipereien!  3^r  fel)t 
roenigftenS,  ba§  mir  enblid)  etwa«  ©elb  burd)  bie  #änbe 
gef)t,  unb  bafe  bie  Sroifdjenräume  immer  Heiner  werben,  wo 
id)  feines  f)abe;  unb  fomit  wirb  eS  rao^I  balb  anberS  fommen. 
ßS  ift  mir  fefyr  lieb,  wenn  Sfyr  ben  ßitteraten  fortfpe* 
biertr  ba  eS  mir  fd)on  bie  ganje  &t\t  ärgerlid)  war,  einen 
foldjen  Ferren  in  meinem  tiefte  ju  wiffen,  ba  biefe  ärt 
Ferren  gewöljnlid)  Ijämifdje  Sluflaurer  unb  SZotijenfammler 
flnb,  meldje  allerlei  Älatfdjereien  unb  $erfönlid)feiten  auf- 
f knappen  unb  erft  f  päter  ju  Sag  bringen l).  3d)  fyoff  e,  3^r 
werbet  6ud)  nid)t  ftarf  in  Unterhaltung  über  unfere  33er* 
tyältniffe  unb  über  mid)  mit  bemfelben  eingelaffen  fyaben. 
©od)  feib  red)t  artig  mit  fym  unb  lagt  nichts  merfen.  ©enn 
biefe  Älaffe  oon  beutfdjen  ©djriftftellern  ift  eine  falfcfte  ©orte 
unb  ärger  als  alte  2Bafd)meiber,  befonberS  wenn  jte  in  bie 
ßeitungen  fd)reiben. 


J)  S)ie  üttutter  an  ©ottfrieb,  12.  3uni  1855:  „2)a  id)  auS  ©einem 
legten  (Schreiben  oom  gebruar  roenig  Hoffnung  oon  ©einer  balbigen 
SRücffeljr  faffen  tonnte,  fo  fyabt  id)  S)cin  3"nmer  oermietet,  groar  erft 
feit  einem  SRonat,  einem  Öitterat.  (Sr  ift  ein  spreufj  unb  foll  cor  circa 
brei  3a^ren  als  glüdjtling  rjergefommen  fein.    2Ba§  man  bemerft,  ift 

er  aiemlid)  arm. (SS  märe  mir  fer)r  lieb  unb  errofinfdjt,  menn  eS 

S>ir  balb  einmal  gelingen  mürbe,  nad)  £aufe  ju  fommen,  ba  id)  mid) 
nid)t  meljr  gern  mit  fremben  beuten  fc^leppe.  3d)  will  benn  boc§  Heber 
meinen  eigenen  ßinbern  bie  (Stiefel  unb  @d)ur)  pufcen  als  gremben!" 


288  Berlin. 

Vergangenen  Sommer  wollte  ein  junges  grauengimmer 
©id)  auffud)en,  weldje  eine  ©djwet^erretfe  mad)te,  unb  id) 
gab  \i)x  einen  93rief  an  6d)ulgenS  mit,  bamit  biefe  mit  tyr 
Ijerüberfämen,  weil  eS  ein  oorneljm  ausfefyenbeS  unb  t)übfdje$ 
©tüdf  SBeibSbilb  ift,  meldte  bie  ßeute  verblüfft  mad)t.  Sd) 
weife  nid)t,  wie  id)  bagu  fam,  fte  nidjt  bireft  an  ©id)  ju 
weifen;  id)  glaube,  id)  befürd)tete,  ©u  möd)teft  ttma  fonber* 
lid)e  ©ebanfen  faffen  unb  nid)t  miffen,  was  ©u  gu  ber 
$crfon  jagen  follteft.  fflie  id)  aber  aus  einem  ©cfyulgifdjen 
SSriefe  faf),  Ratten  biefe  öielleidjt  nod)  größere  ©ummt)eiten 
gemadjt,  was  mid)  geärgert  fyätte;  unb  fo  ift  es  gut,  baß 
fie  gar  niemanb  getroffen  ^at;  benn  fte  fyatte  gar  nichts  bei 
6ud)  gu  t^un.  ©afe  fte  meine  SJJutter  auffudjen  wollte, 
war  einerfeits  eine  gewö^nlidje  Slrtigfeit,  ba  id)  bie  ©ame 
in  einem  befreunbeten  £aufe  öfters  f  efye  unb  fte  tfyat,  als  ob 
fte  öiel  auf  mir  hielte.  2lnbrerfeitS  aber  follte  eS  aud)  eine 
®d)ufterei  fein,  bamit  id)  mir  etwa  einbilbe  weiß  ©ott  wae; 
benn  fie  fyat  mir  eine  gange  Steige  fold)er  ©efdjtdjten  gc* 
mad)t,  unb  eS  Fam  il)r  nid)t  barauf  an,  nad)  $ottingen 
l)inauSgulauf  en ;  wogu  id)  Diel  Vergnügen  wünfdje!  3d)  ^oefte 
injwifdjen  lang  gut  in  SSerlin.  6s  ift  übrigens  ein  reidjeS, 
fd)öneS  unb  grofeeS  9Jiäbd)en,  weldjeS  weber  93ater  nod) 
9Hutter  mefyr  i)at,  nid)t  weife,  was  fie  will,  unb  befonberä 
nid)t  leiben  fann,  wenn  il)r  nid)t  alle  2Belt  ben  £of  madjt. 

Übrigens  behaltet  biefe  ©iuge  für  6ud)! 

3d)  fyabe  jefct  nid)t  Qdtt  mei)r  gu  fd)reiben  unb  will 
bafür  lieber,  fo  lauge  id)  nod)  l)ier  bin,  öfter  fdjreiben. 

Sd)  grüfee  (Sud)  taufenbmal,  fowie  alte,  bie  mir  nachfragen. 
6uer  @ot)n  unb  33ruber 

©ottfrieb  Äefler. 


87.  gn  SRutter  unb  ©c^wcftcr,  17.  Dftober  1855.  289 


3d)  Ijabe  grofce  Slngft  gehabt,  wctyrenb  bie  Spolera  in 
3ürtd)  war,  unb  alle  Sagebaö  ßfyolerabülletm  gelefen,  be* 
fonberS,  ob  in  £ottingen  aud)  ßeute  erfranft  feien.  3$  mU 
beefte  aber  einen  einigen  unb  badjte,  biefer  werbe  nid)t  grab 
in  unferem  #aufe  fein. 

2Sa£  madjt  benn  ber  Dnfel? 

3d)  fyabe  mit  SetrübniS  gelefen,  wie  ber  Sürgermeifter 
(Sfdjer  fd)on  fertig  ift  mit  feiner  ©efunb^eit l).  2öaS  Ijilft 
it)m  nun  fein  grofcer  ßifer?  ©enn  er  l)at  fld)  offenbar  burd) 
feine  SRegiererei  unb  Slrbeit  ruiniert.  @3  ift  am  6nbe  bod) 
bauerljafter,  wenn  man  ftd)  nid)t  ju  fe^r  anftrengt.  3nbeffen 
fyabt  id)  SKitleib  mit  ifym,  ba  e$  traurig  ift,  in  foldjer 
Stellung,  in  foldjer  3"gwb  unb  bei  folgern  3fteid)tum  ab« 
gießen  ju  muffen,  ©er  33ränbli9)  ift  aud)  abgefragt,  ber  arme 
SEeufel,  unb  ber  Sollen  mit  feinem  Vermögen  fertig. 

3üngft  traf  id)  einen  ^Berliner  an,  ben  id)  alle  3a^r 
einmal  felje,  unb  nid)t  einmal  wufcte,  wie  er  Reifet,  ©iefer 
war  in  &üxid)  unb  Ijat  jufälliger  SESeife  mit  bem  £errn 
©ietrid),  bem  SKflUer  im  #arb,  33efanntfd)aft  gemalt, 
welker  iljn  fragte,  ob  er  mid)  fenne.  ©ieS  war  ein  grojjer 
3ufall;  benn  e£  ift  mit  ben  Berlinern  nid)t,  wie  wenn  man 
einen  (Sgltfauer  antrifft;  bod)  fyat  e£  mid)  feljr  gefreut.  3$ 
laffe  bie  ©ietrid)8  grüfeen.  ©ie  grau  ©ietrid)  werbe  id) 
alfo  aud)  nid)t  meljr  feljen;   fte  fyat  e3  aber  nod)  lang  ge* 

»)  Sie  Butter  an  ©ottfrieb,  7.  *Rouember  1855:  „5)ie  (Spolera« 
tfrantyeit  ift  nun  bereite  roieber  erlogen.  —  £errn  Slifreb  (Sfcfjer  feine 
$ranK)eit  foH  nidjt  mefyr  gefäljrlid)  fein ;  er  fei  öielmefyr  roegen  oieletn 
SSerbruB  ausgetreten.  Dnfel  in  ©lattfelben  lebt  mie  immer,  balb 
franf  unb  balb  nrieber  gefunb  unb  in  einer  fürchterlichen  ttnorbnung 
unb  ©auerei  mit  einer  SKagb  unb  einem  tfnedjt." 

*)  S3enj.  Sränbli,  tüchtiger  gürfpred) ;  geb.  1817,  geft.22.3uni  1855. 

©ottfrieb  Äefler.   II.  19 


290  ^Berlin. 

madjt.    2ll£  id)  oor  jteben  Sauren  abreifte,  war  fxe  ja  jd)on 
fe^r  fd)led)t  jutueg. 

hoffentlich  ift  biefe  Qafyl  febm  nun  bie  üotte  3aty  kr 
3al)re,  welche  id)  weg  getoefen  bin,  unb  ift  eS  aisbann  bod) 
eine  anftänbige  unb  bebeutfante  3^¥r  welche  man  mit  ben 
jteben  mageren  Äüfyen  Dergleichen  fannr  auf  meiere  umgefe^rt 
bie  fteben  fetten  folgen. 


88.  |to  gtvkinautf  gttiii&vafy  in  $on*en. 

Berlin,  im  Dflober  1855. 

Sieber  gretligratl) !  Sßebenanliegenben  Srief1)  l)abe  id) 
oor  balb  einem  Safyxe  gejd)rieben;  ein  'üWajor,  ber  bamatö 
oorgab,  nad)  ßonbon  gu  geljen,  wollte  i^n  mitnehmen,  reifte 
aber  gemütltd)  roieber  nad)  Qüxid)  jurüdf,  ba  itjm  bie  @ad)e 
mit  ber  englifd)en  grembenlegion  nid)t  lauter  fcfyien,  unb  ließ 
mir  ben  gefd)riebenen  Srief  aWjier  liegen. 

Snjwifcfjen  Ijat  ©ir  mein  Verleger  meinen  SRoman  ju* 
gefd)itft  burd)  bie  33ud)^anblung  SStlliamS  unb  Storgate, 
14  Vendetta  ©treet,  GoDentgarben,  n>a£  fd)on  lange  fjer  ift, 
unb  id)  fyabe  immer  oerfäumt,  baju  ju  fd>reiben.  2Ba3  juib 
benn  ba3  für  @fel  an  bem  beutfdjen  „Sltljcnaum11  in  Sonbon5), 
ioeld)e  über  ba£  23ud)  fagten,  es  fei  ein  lappifd)eS  ©eljeune* 
rat3=  unb  £reubunb3bud) ,  meil  fte  nämltd)  glaubten,  ber 
ißrofeffor  unb  Sreubünbler  Heller  Ijabe  e3  getrieben3).  6» 


')  ©rief  «Rr.  81. 
s)  3flr.  31,  1855. 

3)  Sriebric^  Subroig  Heller  (1799— 1860),  5er  (jeroorragenb*  3* 
ridjer  !Rec^tö[el)rer  an  ber  berliner  Unioerfltät. 


88.   an  gerMuant  Sreiliaralt),  Dttob«  1855.  291 

tdjeint  wieber  gerabe  eine  fo  tief  (innige  unb  eble  ßouleur 
uon  Flüchtlingen  ba  ju  fein,  mit  Dor  anno  Sabal  unb  an 
anbeten  Orten. 

3efct  roaS  jum  Teufel  treibft  ©u  unb  wie  gerjt  e3  Sud)? 
3d)  bitte  feljr,  mid)  ©einer  %xaa  ju  empfehlen  unb  bie  un« 
befannten  geroacbfenen  hinter  ju  grüben.  2Bil(jelm  ©djulj 
tjat  eine  „SJUlüärpoIint"  gefdjrieben,  Sollen  (ein  SBermogen 
burd)gebrad)t  unb  bidjtet  wieber;  ©uftan  Siegmunb  war 
furjlid)  ein  tjalbeß  3ab,r  in  Sonbon  als  flttcbijiner,  tjat  ©id] 
aber  nid)t  aufgefudjt,  ber  gtroldj!  3d)  Ijabe  aud)  bei  §afen* 
fleuerS  Job  feljr  an  ©id)  gebadjt  unb  an  bie  paar  Sage  in 
©üffelborf.     ©§  ifi  bod)  aüt$  ein  elenbiglid)er  Jraum! 

5Räd)ftenS  erfdjeint  ein  Sanb  ©rjärjlungen  uon  mir; 
wenn  ©u  fle  etwa  lefen  magft,  fo  fdjreibe  e§  mir  Dörfer! 
Sann  madje  id)  jroet  Sänbdjen  Siooetten,  weldje  bjer  bei 
granj  ©untrer  erfdjeinen,  einem  bemofratijdjen  Söerleger;  unb 
nad)l)er  werbe  id]  roorjl  nad)  Sürid;  geb,en,  um  enblid)  bort 
bie  bramatifdjen  ©inge  anzufangen,  weldje  id)  ber  9bt  beS 
SebenS  wegen  bis  jefct  immer  oor  mir  fdjroeben  laffen  nmjjte, 
tote  ein  gud)3  bie  Srauben. 

3Ieulid]  wollte  id)  titer  auf  bie  Sternwarte  geljen  mit 
einem  S3etannten  unb  gebad)te  plö^lid)  babei  jenes  'Stern= 
gucferä  in  ©üffelborf,  weldjer  aud)  in  ben  Äneipen  babei 
war  unb  feiger  immer  fo  fleine  Planeten  auSfpflrt,  ber 
SRarr!  3d)  glaube,  Shitter  tjiefe  er;  fonft  I)atte  id)  Um  gänj. 
Üd)  oergefjen.  2Ba$  ift  benn  aus  jenem  luftigen  £itteratur= 
Äöfter1)  geworben  in  bem  rotfammetnen  ©cfjlafrocf? 

©3  finb  [eitler  allerlei  fieiben  unb  Seibenjdjaften  über 


292  Berlin. 

nrid)  ergangen,  fyabc  mid)  aber  fo  männlid)  aufrecht  gehalten, 
bafe  id)  bod)  Dor  einiger  $tit  im  ftanbe  war,  Derfdjiebene 
2eute  ju  prügeln,  wofür  id)  um  fünf  Stljaler  gebüfet  würbe. 
©te§  war  in  einer  fdjönen  @oitimernad)t.  @iner  batwn  mar 
mir  unbelannter  SBetfe  ein  @d)riftfteHer,  wie  er  ftd)  nennt, 
weld)er  feine  @d)anbe  felbft  in  bie  „gute"  ©efeHfdjaft1)  trug 
unb  befannt  madjte,  was  td)  für  ein  ßeiflg  f«.  ©eitler 
fyalte  id)  mid)  wieber  fo  ftiß  unb  fteif  in  meinem  fc^warjen 
Sfrädflein,  als  ob  nid)t£  gefdjefyen  wäre,  unb  bie  2eute  fagen, 
id)  müfcte  oermutlid)  ben  Stoppel  gehabt  Ijaben.  3ener 
©trold)  aber  gefyt  immer  hinter  mir  burd). 

Sd)  weife  mafyrljaftig  gar  nidjtö  33ernünftige§  gu  fd)reiben, 
weil  id)  nid)t  bie  minbeften  2lnfnüpfung§punfte  fyabt,  unb 
fdjreibe  gang  medjanifd),  nur  um  ju  fdjreiben.  2üfo  fdjreibe 
mir  balb,  bamit  einiger  Stoff  ftd)  anfejje,  b.  I).  wenn  ©u 
mir  nod)  woljl  willft!  SBaö  madjt  benn  ©eine  gange  §amilie 
unb  wo  lebt  unb  webt  benn  @uer  gräulein  9ttaried)en,  ©eine 
@d)magerin,  unb  wie  geljt  e£  il)r?  3tuge  foQ  ein  ©rama 
gemacht  fyaben,  beffen  @ujet  £erwegl)  fei;  ba§  ift  gewifj  ein 
fd)öner  Stiefel.  gener  @mil  9Keflenburg*3ftufeborf  ftiefelt  in 
IBerlin  fyerum  als  mebijinifdjer  ©djriftfteller  unb  2lr$t.  6r 
tljut  fefyr  Deräd)tlid)  über  bie  Utterarifdjcn  unb  poetifdjen 
©inge. 

5M3   (Jnbe  9?oDember   wofyne   id)    nod)   Sau^of  2  in 

33erlin  unb  werbe  bann  entweber  oerreifen  ober  eine  anbere 

2öoI)nung   bejieljen.     3d)  grüfee  @ud)  alle  taufenbmal  unb 

oerbleibe 

6uer  ergebenfter 

©ottfrieb  ÄeDer. 

l)  3.  33.  su  $arnf)cnien. 


89.  Sin  ^ermann  £ettner,  2.  Sftoüember  1855.  293 

89.  £tt  9*?tttamt  Settttrr  in  |l*t*>ttt» 

SBerlin,  ben  2. *Rot>ember  1855. 

Sieber  Seltner!  3d)  'önn  e$  nid)t  länger  anflehen 
laffen  unb  muß  Sljnen  tiefen  unangenehmen  SBrief  einftweilen 
fdjreiben.  3$  tyabe  (Sie  abermals  angeführt,  aber  gewiß 
gang  gegen  meine  Berechnung,  unb  will  e§  öerfudjen,  Sonett 
roenigfienS  erflärlid)  gu  madjen,  wie  e3  gefommen  ift,  bamit 
©ie  mid)  einigermaßen  entfdjulbigen  mögen.  3>d)  fyatte  Don 
SBieweg  für  ba£  33ud),  baä  erft  ©djeube  Derlegen  foHte, 
400  Üljaler  gu  erwarten  in  gwei  ßafylungen.  —  —  —  9?un 
mußte  td)  aber  fyieöon  bem  ©djeube  300  gurfitfgeben,  wo» 
ruber  er  gwei  2Bed)fel  auf  mid)  gebogen  unb  in  ben  großen 
£anbel  geworfen  fyatte,  auf  ben  15.  Sluguft  unb  15.  3uü. 

— So  fyatte  id)  nur  bie  2Bal)l,  entweber  inö  2Bed)feI= 

gefängnte  gu  fpagieren  ober  Sfynen  mein  SBort  nidjt  gu 
galten  unb  Jjabe  im  Vertrauen  auf  eine  au£gleid)enbe  3us 
fünft  baS  lefctere  oorgegogen.  ©§  fann  mir  inbeffen  nid)t 
lange  mefyr  fo  gelten,  unb  wenn  id)  nur  erft  etwas  2uft  be= 
fomme,  wirb  fid)  bie  @ad)e  fd)on  wenben;  benn  eö  ift  mir 
iefct  alleö  flar  unb  burd)ftd)tig  unb  id)  weiß  genau,  was  id) 
tt)un  will.  3d)  Ejättc  mid)  aud)  biefe  lejjten  9Jlonate  unfeljl* 
bar  nadjgeljolt,  wenn  mir  ber  Seufel,  nad)  fünfjähriger  guter 
3ftuf)e,  nidjt  eine  ungefüge  Seibenfdjaft  auf  ben  £al§  ge* 
fd)icft  Ijätte,  bie  id)  gang  allein  feit  bretoiertel  Satyrn  auf 
meiner  (Stube  oerarbeiten  muß  unb  bie  mid)  alten  @fel  neben 
bem  übrigen  Srger,  3<>rn  unb  mit  ben  (Sdjulben  um  bie 
2Bette  gwidft  unb  quält.  3d)  fage  Sljnen,  baS  größte  Übel 
unb  bie  wunberltdjfte  Äompofttiou,  bie  einem  TOenfdjen 
paffteren  fann,  ift,  fyodjfafyrenb ,   bettelarm  unb  öerliebt  gu 


294  Berlin. 

gleicher  3*tt  gu  fein  unb  groar  in  eine  elegante  $erfonnage. 
©od)   behalten   @ie  umö  £immel§roillen    biefe   ©inge  für 

W 

hoffentlich  finb  @ie  mit  ben  lieben  3l)rigen  gefunb,  unb 
fo  grftfce  id)  ©ie  bis  gu  meiner  gänglidjen  ^Rehabilitation  in 
Syrern  £aufe,  an  ber  id)  eifrig  arbeite,  beftenS. 

©ottfr.  Äeller. 


90.  &u  W*  ütittter» 

SBerlin,  ben  11.  9tooember  1855. 
Siebe  SWutter!  3d)  tyabe  mid)  nun  entf djloffen ,  wo-- 
möglid)  tiefen  9Jtonat  nod)  nad)  §aufe  gu  fommen;  benn 
id)  fann  e$  in  Serltn  nid)t  mefyr  aushalten1).  5Rein  9RiB* 
gefdjidf  liegt  eigentlich  mefyr  in  mir  felbft.  3>d)  fönnte  genug 
»erbienen  unb  tfyue  e§  aud);  roenn  id)  nur  einmal  rul)ig 
unb  ofyne  ©orgen  arbeiten  fönnte.  SUIS  id)  ben  Vornan 
fertig  fyatte,  glaubte  id),  biefe  3«*  f«  ^erangefommen  unb 
mar  auf  bem  befteu  2Bege.  ©a  fd)lug  mir  ber  Seufel  eine 
anbere  ©efd)id)te  bagroifdjen,  offen  gefagt,  aber  nid)t  gutn 
SSeiterfagen,  eine  traurige  Slffaire  mit  jenem  grauengimmer, 
weldje  biefen  ©ommer  ©id)  befugen  roollte.  Jd)  fjabe  bauen 
jo  oiel  Äummer  unb  SBerbrufe  gehabt,    bafe  id)  faft  nid)t* 

')  S)ie  «Kutter  an  ©ottfrieb,  DFtober  1855:  „95He  lange  ge^t  e§ 
noef),  bi§  e§  bem  £immel  gefällt,  2)id)  fjeungubringen?  S3alb  ift  ber 
Söinter  nrieber  ba  unb  £>u  fdfjreibft  nid)t§  unb  Tommft  nidjt  —  tö 
roei&  nid)t,  roa§  itf)  benfen  mu&.  Steine  ©adjen  fielen  rooljl  rridjt 
gut.  —  £offentlirf)  wirft  2>u  S)id)  gefunb  befinben.  $ludj  roir,  Oott 
fei  2>anF.  (Seit  ber  langen  3eit,  roo  5)u  unS  immer  oerfpro^n, 
Jjeimjufominen,  Ratten  roir  fterben  Fönnen." 


90.   3ln  bic  Flitter,  11.  *Hoüember  1855.  295 

tljun  fonnte  unb  lieber  rüdroärtS  fam;  unb  e£  gibt  in  bicfcr 
@ad)e  leinen  anberen  SluSroeg,  als  bafe  id)  Don  l)ier  weggebe. 
Sd)  mufe  burdjauS  einmal  meine  ©djulben  auf  6inen  @d)lag 
begaben  unb  ganglid)  reinen  SEifd)  machen,  gu  £aufe  fein 
unb  mid)  wol)l  bepnben;  bann  fann  id)  erft  öorroärtS 
fommen.  S)ie  Ferren  unb  gfreunbe  in  Qwcid)  wollten  mir 
jmar  fd)on  einmal  fyieju  beplfltd)  fein:  aber  pe  fyaben  es 
fo  ungefd)itft  unb  unjulänglid)  gemadjt,  bafe  id)  baburd) 
nur  mefyr  hinein  geriet,  anftatt  I)tnauS.  ©enn  id)  mufete 
über  bem  Slbmarten  ber  ®ad)t  gerabe  fo  Diel  ©djulben 
machen,  als  id)  bann  ©elb  erhielt. 

@o  bin  id)  nun  barauf  genriefen,  bafe  mir  uns  felbft 
Reifen;  aber  mit  einem  fflriefdjen  ju  öerfaufen,  rote  S)u 
meinft,  ift  eS  nid)t  getfyan1).  Um  Don  l)ier  roeggufommen 
unb  alles  ju  begaben,  brause  id)  gerabegu  600  Später, 
welches  ungefähr  1000  ©ulben  ftnb.  ©iefe  mürbe  id)  in 
einem  falben  3al)re  leidjt  öerbient  fyaben  mit  ben  angefan* 
genen  unb  bereits  Derafforbierten  arbeiten;  aber  id)  fann 
fjier  nidjtS  mefyr  tljun,  fonbern  id)  merbe  franf,  roenn  id) 
nod)  länger  ijier  bleiben  mufe.  2BaS  id)  alfo  jejjt  nad) 
reiflicher  (Srroägung  Don  @ud)  Derlange,  ift  nid)t  ein  Dpfer 
ober  ein  SBerluft,  fonbern  eine  SBerbefferung  unferer  Sage, 
unb  ba  id)  eS  einmal  tf)ue,  fo  müfet  gljr  oljne  ©rübeln  unb 
IBebenfen  eS  fogletd)  tfyun.    3>l)r  müfet  nämlid)  fogletd)  Don 

2)  S)ie  ÜKutter  an  ©ottfrieb,  7.  SRooember  1855:  „prroaijr  ein 
grofjeS  Unheil,  ba^  S)u  immer  mit  Steinen  9fcea)nungen  unb  SluSfittyten 
gu  furg  fommft.  33)  fann  nitfjt  böfe  auf  S)id)  fein,  im  ©egenteil,  id) 
mufe  ©iä)  Ijerglidf)  bebauern  über  bie  <5d)tDierigfeiten  unb  ba%  üftifege- 
fdjict,  meines  2)id)  ftetS  öerfolgt.  2Bir  beibe  mären  ja  gerne  geneigt 
geroefen,  ein  #ajritalbriefd)en  aufgubredfjen,  für  S)ir  na<§  $au\t  gu  Der- 
Reifen,  roa§  id)  £>ir  fa>n  einmal  gefdjrieben." 


296  Berlin. 

(Juren  ©rief gef d)id)ten ,  bie  S^r  ba  fyabt,  taufenb  ©ulben 
aufbrechen  unb  mir  bie  fd)idfen,  barmt  icf)  fidjer  biefen  9)fcmat 
nod)  Don  Ijier  fort  fann.  2Benn  ©u  nid)t  gang  gut  weißt, 
wie  ba$  gu  machen  ift,  fo  lege  id)  einige  3eile"  a"  ton 
SRegierungSrat  unb  Srinangbireftor  ©ulger  bei l) ;  gefye  bamit  311 
biefem  unb  gib  U)tn  ben  SJrief,  unb  er  wirb  fo  gut  fein  unb 
©tr  feinen  SRat  geben  ober  bie  @ad)e  gang  beforgen.  6r 
wirb  meHeidjt  aud)  fo  gut  fein,  einen  Sßedjfel  gu  beforgen 
mit  bem  ©elbe.  Sin  ©olb  würbe  id)  verlieren  muffen,  ba 
bie  ^iapoleonb'orö  Ii)ier  einige  23afcen  weniger  gelten. 

©agegen  oerfpredje  id),  bafe  id)  Bon  ©tunb  an  nad) 
meiner  £eim!eljr  unfern  £au§I)alt  übernehmen,  ben  5ttietgin§ 
begaben  unb  alles  „burd)  ben  33ad)  fdjleifen"  will,  wie  man 
gu  fagen  pflegt.  9Rit  bem,  wa§  id)  in  SBerlin  täglich  bar 
ausgeben  mufe,  lann  id)  bie$  gang  gut.  ©a  id)  öon  bem 
33ud)l)änbler  nod)  eingugiefyen  fyabe,  fo  werbe  id)  einige 
ljunbert  Uranien  mit  gurüdfbringen.  33t$  gum  SJlärg  fünftigen 
Sa^reö  ftnb  mir  wieber  200  SHjaler  fällig,  bie  id)  bann  in 
bie  £afd)e  fterfen  lann,  unb  fo  fann  id),  wenn  id)  erft  einmal 
in  meinem  @tübd)en  ftfce ;  öon  einem  93ierteljal)r  gum  anbern 
bequemlid)   für  neue  (Sinfünfte  forgen.    3"  Iängftenö  groei 


»)  £err  Dr.  3-  3-  ©uljcr,  a.  ©tänberat  unb  ©tabtpräftbent  in 
2Bintertr)ur,  teilte  mir  jenen  unb  einige  anbere  ©riefe  £eHer§  gütigft 
mit.  5>er  Dom  11.  sftooember  1855  batierte  beginnt  mit  ben  ©orten: 
„3tf)  fann  e§  in  Berlin  nietjt  mer)r  aushalten  unb  fomme,  roenn  i$ 
länger  t)ier  bleiben  muf},  rütfiuärtS,  anftatt  r>ormärt§."  Statin  folgt  bie 
Sitte,  £err  Dr.  ©uljer  wolle  ber  Butter  bei  SBeräufjerung  beS  ©djuib* 
briefeö  bet)ilflicr)  fein.  „(Sie  mürben  fid)  rjieburd)  ein  grofee§  SSerbienft 
um  mein  ©ebenen  erroerben;  benn  bie  @act)en  ftel)en  nun  fo,  bafc  mir 
nur  bie  £eimat  unb  bie  föuöe  fel)lt,  um  mid)  ganj  gut  angulaffen" 
u.  f.  rv. 


90.   2fo  bic  gflutter,  11.  Sttoüember  1855.  297 

Sauren  werbe  id)  ba§  Äapital  wieber  erfefcen  fönnen  unb 
gu  biefem  (Snbe  l)in,  wenn  e$  nötig  ift,  bamit  wir  ben 
93erbienft  auf  bie  Seite  legen  fönnen,  eine  ©teile  fucfyen. 

Slber  jejjt  mufe  id)  barauf  redjnen,  bafe  bie  @ad)e  un- 
fehlbar »or  ftd)  gefyt.  3>d)  mufc  burdjauä  fort,  unb  je  eljer, 
je  lieber;  nur  baburd)  wirb  eS  ftd)  aud)  entf Reiben,  xoa§ 
an  jener  @efd)id)te  ©ute§  ober  33öfe$  ift;  unb  3U  biefem 
(Snbe  f)in  barf  fein  ©cfyulbenmafel  auf  mir  Ijaften,  wenn  id) 
Don  l)ier  weg  bin. 

Sllfo,  bamit  3för  gang  flar  feib  über  biefe  ©adje,  fo  ift 
fte  furg  gefaßt  bie:  e§  fallen  für  einige  3?it  40  ober  50  ©ulben 
3infen  au$;  bafür  werbet  Sfyr  einen  3Jlann  im  £aufe  Ijaben, 
ber  einen  I)übfd)en  SBerbienft  Ijat,  unb  ba&  id)  bie§  fein 
lann,  bagu  jtnb  alle  Sebingungen  oorljanben,  unb  e$  Ijat  mir 
bagu  nur  bie  fefte  §etmat  unb  fRuijc  gefehlt;  benn  man  mufc 
ftd^  gu  §aufe  füllen;  baä  Seben  bei  fremben  ßeuten  unb 
in  ben  2Birt3l)äufem  ift  mir  gum  Sterben  oerleibet. 

©efye  jebenfatte  fogleid)  gu  §errn  Sulger  mit  ben  nötigen 
papieren!  @r  woljnt  auf  ber  ©taatöfanglei  unb  wirb  öieHeidjt 
gegen  ben  ©djulbbrief  ober  bie  Sriefe,  bie  S)u  bagu  Der- 
wenbeft,  ba§  ©elb  gleid)  auö  einer  öffentlichen  Äaffe  ^ergeben, 
fo  bafe  weitere  Umtriebe  unb  etwaige  33erlufte  wegfallen 
würben 1). 


*)  2>ie  «Kutter  an  ©ottfrieb,  20.  SHoöember  1855:  „Safe  mir 
fogletdf)  ©einem  Slnfudjen  entfprodjen,  f>aft  2>u  nun  burd)  £erm  9te« 
gierungSrat  ©uljer  erfahren;  er  mar  fel)r  freunbfdjaftlid)  mit  mir  unb 
gerne  bereitwillig,  biefeS  ©efdjäft  ju  übernehmen,  roeldjeS  mir  gro&e 
9Wflf)e  unb  ©orge  oerurfad&t  F)ätte.  3d)  ocftcl)c,  ba%  biefe  bebeutenbe 
©umme  ©elbe§  mid;  fefyr  erfdjrerfte,  ba  id)  biefeS  fpärlid)  am  Si"fe 
gelegt  unb  al§  Notpfennig  für  meine  alten  Sage  beforgte,  um  nidjt 
gänglid)  Don  tfinbern  abhängig  leben  ju  muffen.    SRun  aber  ftüfcc  id) 


298  Berlin. 

3>e  früher  id)  Antwort  erhalte,  befto  beffer;  id)  werbe 
fogleid)  aufbrechen.  3d)  ^be  meine  SBofymmg  fd>on  ge< 
fünbigt,  benn  id)  l)abe  feine  ruhige  ©tunbe  meljr  in  23erlin. 
£>em  £errn  Gfyromf  müfeteft  2)u  auf  ben  erften  bann  aud) 
fünbigen. 

SBenn  5)u  ben  SRegierungSrat  ©uljer  md)t  fogleid) 
fpredjen  fannft,  fo  laß  if)m  mein  SiQet  einfttoeüen  gufteßen. 

(Suer  ©ofyn  unb  ©ruber 

@.  ÄeQer. 


91.  &u  3$tgi*rtttt0***t  $♦  $.  $u\}tv  in  iäridf.1) 

©ee^rter  Jperr  unb  greunb !  3d)  bönf e  S^nen  ^erjlidjft 
für  bie  freunblid)e  ©efäHigfeit,  mit  roeldjer  ©ie  meiner 
9Wutter  unb  mir  nid)t  nur  mit  3f)re™  9tat.  fonbern  fofort 
mit  ber  Stfyat  beigeforungen  fmb.  3d)  ftöbe  foeben  ben  mir 
gütigft  Dermittelten  28ed)fel  erhalten  unb  werbe  fobalb  mög* 
lief)  abreifen.  (S§  Ijält  mid)  nid)t§  meljr  auf  als  bie  Äor* 
reftur  eines  S3ud)e§,    baS  SBiemeg  fo  Iangfam  wie  möglid) 


mid)  auf  5)ein  93erfpred)en  unb  bitte  ju  ©ott,  bafc  ©eine  Arbeit  unb 
ba&  Gelingen  bamit  gefegnet  fein  möge,  bafc  mir  einen  SDRann  unb 
eine  ©tüfce  in  unferen  £au§f)alt  befommen.  —  9tod)  eine  (Srroäftnung 
über  ba§  33erf)ältm§  mit  befagtem  Jräulein.  2öir  mu&ten  un§  fefjr 
oerrounbern  über  ©eine  ©emütSberoegungen.  (£8  ift  un§  unerflärlidj, 
roie  ein  grauenjimmer  fo  utel  über  SMd)  oermag,  um  S)idj  fo  roeit  in 
Kummer  unb  93erbrufj  ju  oerfefcen.  ©o  etroaö  würbe  ic§  roaljrlid)  nie 
gebaut  fyaben.    Slber  nrie  gefaßt,  bie§  bleibt  nur  unter  unö-,  mir  oer» 

lauten  bei  Feinem  üftenfd&en  nichts. Söir  roünfdjen  S)ir  nun  eine 

balbige  unb  glücflidje  £eimat§reife,  roo  S)u  uneber  rufyig  unb  ^ojfent' 
lief)  glücflid)  leben  wirft,   ©ott  geleite  ©id),   bafj  ©ir  Fein  Unfall  be. 
gegnet!"    ©a§  ift  ber  Iefete  ©rief  ber  Butter. 
0  Sgl.  5?b.  1,  363. 


92.  an  grau  £ma  SDuntfer,  [17.]  Üdoücmbcr  1855.  299 

brudft.  2Bemt  td)  aber  nid)t  fctcfer  Sage  ben  @d)lufe  er* 
i)alte,  fo  werbe  id)  beffen  ungeachtet  abreifen,  um  in  QMä) 
eine  orbentHdje  unb  geregelte  Snbuftrie  gu  betreiben.  SRol)* 
ftoff  fyat  ftd)  nun  genug  angefammelt  wäljrenb  ber  fteben 
3a^re  in  ber  2Büfte.  @8  tljut  mir  nur  leib,  bafe  id)  gerabe 
nun  ber  Sluffüfyrung  be£  „Sfcannfyäufer"  au$  bem  SBege  laufe, 
auf  welche  gang  Serlin  gefpannt  ift. 

3n  ber  ftdjern  3lu3ftd)t,  Sie  balb  perfönlid)  begrüben 
gu  fönnen,  empfehle  td)  mid)  S^rer  ferneren  3rreunbfd)aft 
unb  bitte  mid)  ingroifdjen  aud)  gelegentlich  nod)  jenen  an» 
beren  Ferren  gu  empfehlen,  mit  benen  fo  grofee  SBeränbe* 
rungen  vorgegangen  ftnb.    S^r  ergebenfter 

^Berlin,  ben  16.  5Roi>ember  1855.  ©ottfrieb  ÄeHer. 


9Ä*   3Ut  $van  iina  Jtwiker  itt  jUrli»1). 

©erlin,  [17.]  ftooember  1855. 

©eefyrtefte  grauS)uncfer!  ©a,  roie  id)  I)öre,  #err  ©unrfer 
öerreift  ift,  fo  miH  id)  mid)  mit  biefen  3^1^  an  @ie  roenben 
in  ber  Hoffnung,  bafe  ©ie  biefelben  aufnehmen  möchten,  wie 
fie  gemeint  finb. 

3d)  bin  in  ben  legten  Monaten  etroaS  Derbittert  unb 
öerbofyrt  geroefen,  ba  allerfyanb  tolleö  Se"8  "ber  mid)  er* 
gangen  ift  unb  id)  gegroungen  mar,  fo  lange  in  fflerlin  gu 
bleiben.  S)a  id)  aber  nun  in  ad)t  Sagen  cnblid)  abreife, 
fo  bin  id)  fo  gufrieben  unb  oergnügt,  bafc  alle§  mir  in  einem 
öernünftigeren  Sichte  erfdieint  unb  mufe  oornefymlid)  Sfynen 


*)  S)ie  ©riefe  an  grau  8ina  ©unefer  t»erbanfe  td)  ber  ©fite  ber 
fjrau  flammergerid)t§rat  Johanna  8ef)ti>e&,  geb.  2>uncfer  in  ©erlin. 


300  33erlin. 

ein  grofeeS  Unredjt  abbitten,  ba§  td)  gegen  @ie  begangen 
fyabe.  8ll§  id)  nämlid)  jüngft  bei  SBagner  mar,  verleitete 
tmd)  ber  Dr.  %xt\zl)  burd)  fein  ewiges  fragen  gu  großem 
Borne,  bafe  td)  mid)  gänglid)  öergafe  unb  ofyne  SRüdffidjt  auf 
ben  £)rt  unb  bie  ©efellfdjaft  über  Sie  räfonnierte.  Huf 
feine  $rage  näntlid),  bie  er  mir  au  allen  öffentlichen  Drten 
immer  guruft,  ob  bie  9?oüetlen  fertig  wären,  fagte  id)  nein, 
id)  fyätte  fte  beifeite  gelegt,  auf  bie  §rage  warum?  weil 
id)  bie  Suft  verloren  f)ätte,  für  ©ie  gu  arbeiten!  unb  auf 
bie  Srage:  warum  bieg?  weil  Sie  mid)  ungegogen  beljanbeht, 
ba  Sie  mid)  nid)t  ein  eingigeö  9Äal  mef)r  rufen  liefen  unb  id) 
gar  nid)t  müfcte,  wol)er  biefe  2lu3fd)liefeung  fäme,  nadjbem 
§err  SDuncfcr  einen  Äontraft  mit  mir  abgefdjloffen,  unb  id) 
liefce  mid)  nid)t  wie  eine  Strohpuppe  beljanbeln,  bie  man  nad) 
Saune  in  ein  §au§  gießen  unb  wieber  hinaufwerfen  fönne. 
hierauf  Ijielt  mir  grefe  eine  grobe  Sßrebigt,  bafe  id) 
©ie  befugen  muffe  :c.  Dom  ©tanbpunfte  eines  I)öflid)en 
©efeltfd)aft3menfd)en  au§  unb  mit  bem  SBerftänbniS  eines 
folgen,  worauf  id)  anfing,  ifym  auSemanber  gu  fefcen,  bafi 
id)  oljneilin  nid)t  metjr  gu  Sljnen  fommen  fönne,  weil  id) 
Sfynen  mehrmals  meine  Meinung  Don  Dr.  33ei)fe*)  gefagt, 
©ie  aber  feitfyer  biefen  fortwäfyrenb  bei  ftd)  fcüjen,  wäfyrenb 
id)  feit  Monaten  gänglid)  ignoriert  werbe.  3d)  verbreitete 
mid)  über  biefen  ©egenftanb  mit  einiger  £eftigfeit.  Sn 
ber  ©adje  felbft  bin  id)  nod)  ber  Meinung  unb  wenn  td) 
länger  in  Serlin  bleiben  würbe,  fo  würbe  id)  überhaupt  in 
fein  §ait$  mefyr  getjen,  in  weldjem  ber  Dr.  93el)fe  ßutritt 

l)  SuliuS  grefe. 

*)  Über  Gbuarb  $et)fe  (o.  ©.  252)  ogl.  aud)  ©ufcforo,  SRücfblicfe 
auf  mein  Seben  ©.  108  f. 


92.  9In  grau  8ma  2)uncfer,  [17.]  «Roüember  1855.  301 

fyat1).  2lber  eS  war  unredjt  Don  mir,  mid)  fo  gu  Dergeffen 
unb  biefe  ©inge  in  einer  SMerfneipe  gur  Sprache  gu  bringen; 
id)  Ijabe  baS  nädjfte  3Kal,  wo  id)  fyinfam,  erflärt,  bafe  id) 
eS  bereue  unb  bafe  id)  Unredjt  getljan  Ijätte,  unb  bitte  l)ie= 
mit  nun  aud)  Sie  fyerglidjft  um  33ergeii)ung,  inbem  id)  alles 
als  ungefprod)en  gu  betradjten  bitte,  was  id)  in  biefer  9Jta* 
terie  bort  gefaßt. 

©a  id)  oon  bm  Diepgen  fogialen  Übelftänbcn  nun  befreit 
bin,  fo  wünfdjte  id)  wenigftenS  bat  wo  id)  eine  3citlang 
gern  Eingegangen  bin,  mit  äufeeriidjem  ^rieben  unb  Slnftanb 
abgugie^en,  gumal  mid)  nun  biefe  fämtlidjen  ©inge  nidjts 
meljr  angeben.  Dbgleid)  id)  weife,  bafe  Sie,  grau  ©undfer, 
ein  SEaugenidjtS  finb,  fo  fann  id)  Sfynen  bod)  nid)t  ernftltdt) 
böfe  fein  unb  mufc  (Sie  fd)Uefclid)  immer  wieber  gern  fyaben, 
unb  fyiemit  fönnen  @ie  aud)  ein  wenig  gufrieben  fein;  benn 
biejenigen,  weldje  id)  grünblid)  fyaffe  unb  oeradjte,  finb  nid)t 
gu  beneiben3). 

3d)  bitte  @ie  £errn  ©undfer  gu  fagen,  bafc  idE)  fein 
33ud)  in  Band)  fo  rafd)  als  möglid)  fertig  madjen  werbe. 
3n  SSerlin  Ijabe  td)  feit  Dielen  ÜBodjen  feine  ruhige  ©tunbe 
mefyr.  @S  f oll  aber  nid)t  fein  ©djabe  fein ;  benn  id)  glaube, 
eS  wirb  ein  gang  gutes  33ud)  werben.  Sollte  er  aber  wünfdjeu 
aus  ber  @adje  heraus  gu  fein,  fo  würbe  id)  augenblicflid) 
für  einen  SBerleger  forgen,  ber  pe  übernähme. 


1)  Jrau  8ina  2)uncfer  an  ©.  Heller,  17.*Roö.:  „3$  tjalte  if)n  ferne, 
roeil  irf)  iljm  nidjt  traue;  aber  id)  I)abe  ifyn  ^u  beleibigen  feine  Urfadje." 

2)  grau  8ina  S)uncfer  an  ©.  Heller,  17.  SRoo. :  „Ob  (Sie  nun  ber 
greunb  eine£  £augenid)tfe3  mären,  ba%  roeijj  id)  nid)t;  rDar)rr)aftigr  e§  fyat 
nie  ben  Slnfdjein  gehabt;  aber  fyeute  binben  <5ie  fo  liebenäroürbig  mit  mir 
an,  bafj  (Sie  mid)  nun  aud)  fo  leidjt  nid)t  nrieber  lo§  werben.  3$  null 
mid)  gegen  ben  Xitel,  ben  (Sie  mir  geben,  nid)t  oerantroorten  u.  f.  f." 


302  Berlin. 

Unb  l)iemit  leben  Sie  roofyl,  roenn  ©ie  biefen  2lbjd)ieb 
rooljl  aufnehmen  mögen,  unb  beffern  Sie  fidt)  and)  ein  bifccfyen 
nad)  meinem  SSeifpiel!    $t)T  ergebender 

©ottfr.  Heller. 


93*  &u  ivan  &iu*  Quudttv  in  jUrlttt- 

^Berlin,  Sftooember  1855. 

Siebe  grau  ©undfer!  3>d)  fyabz  oergeffen,  bie  beifolgenben 
Süberljefte  in  meine  93üd)erfifte  gu  padfen  unb  weife  jefct 
nid)t§  anbereö  bamit  anjufangen,  als  bafc  td>  fte  3ftnen 
fdjenfe,  ba  ©ie  ftd)  nod)  am  efyeften  mit  bergleid)en  Äirme$* 
roare  abgeben.  @S  ift  übrigen^,  roie  ©ie  fefyen,  ein  abge* 
fdjnappteS  Sßefen  o^ne  Anfang  unb  Gmbe. 

©obann  mufe  id)  ©ie  nod)  um  eine  ©efäfltgfeit  bitten. 
63  ift  Dom  Verleger  SGBeber  in  Seipjig  ein  SBerf  an  bie 
Stebaftion  ber  „SBolf  Rettung"  getieft  roorben  auf  meine 
SSeranlaffung :  „'DJtilitärpolitif  oon  SBilljelm  ©djuljsSBobmer*. 
©ie$  follte  notroenbig  oon  £errn  ©undfer  unb  anberen 
tjöljeren  ©eiftern  ber  Seitang  felbft  gelefen  unb  bann  etroaS 
eingefyenb  befprodjen  werben,  ©er  ©egenftanb  be£  33ud)eS 
ift  für  bie  „Solf^eitung"  felbft  fel)r  raidjtig.  ©er  Serfajfer 
ift  ein  alter  (Jljren*  unb  SreiljeitSmann,  ber  Dor  1848  lange 
ein  bebeutenber  politifdjer  ©djriftfteller  mar  unb  bann  als 
fyejftjdjer  &bgeorbneter  im  Srqnffurter  unb  Stuttgarter  $arla* 
ment  fafe,  Don  wo  er  mieber  in  &ürid)  einrücfte. 

Sllfo  bitte  id)  ©ie,  wenn  ©ie  jo  gut  fein  wollen  unb 
Sljre  löblidjen  ©efinuungen  gegen  mid)  nidjt  geänbert  Ijaben, 
bieS  $u  bejorgen. 

3d)    Ijabe    mid)    wieber    feljr    fd)led)t    aufgeführt    bei 


94.   2ln  ^ermann  £ettner,  25.  Sftooember  1855.  303 


Sijnen;  aber  td)  fann  md)t  bafür  unb  füfyre  mid)  jefct  faft 
überaß  fd)led)t  auf  unb  fyabt  aud)  geroiffermafcen  ein  Sftedjt 
baju.  ©rüfcen  (Sie  aud)  ba$  gräulein  **  nod)  Don  mir, 
wenn  @ie  iijr  fdjreiben. 

S)amit  £>err  ©undfer  mid)  um  fein  Sud)  belangen  unb 
gwiebeln  fann,  falls  e£  ftd)  oeraögern  foHte,  mufc  id)  aud) 
nod)  meine  ftdjere  äbreffe  gurücflafjen.  3d)  wofyne  in  Qixxid) 
an  ber  ©emeinbegaffe  in  £ottingen.  Sebod)  werbe  id) 
e3  {ebenfalls  rafd)  fertig  madjen,  unb  £err  Suutfer  folt 
nur  ba§  ©elb  parat  madjen  für  bie  jteben  auflagen,  bie 
e$ -1). 

94*  JUt  $tvm*un  Stttttrr  ttt  9vt*>ett. 

Sieber  Lettner!  @£  war  fefyr  freunblid)  oon  Sfynen,  baß 
©ie  mir  auf  meinen  Samentobrief  fo  rafd)  unb  teilne^menb 
antworteten3).  2Ba§  mid)  in  fflerlin  fo  lang  feftfyielt,  waren 
meine  ©Bulben,  bie  immer  ftd)  auf  einer  gleichmäßigen 
£öl)e  erhielten.    3d)  wollte  nid)t  nad)  £aufe,  elje  biefelben 

l)  5)er  ©d)lu&  beS  ©riefet  ift  oerloren  gegangen. 

*)  Lettner  an  Heller,  4.  SRod.  1855:  „3$  bebaure  ©te  roegen 
Sfyreä  UngemadjS  unb  neunte  fyeralid)  teil  barau.  ÜHetne  Meinung  ift 
fdjon  lange  gemefen,  bafj  ©te  unter  allen  Umftänben  uon  SBerlin  loa« 
geeift  roerben  muffen.  S)ort  !ommen  ©ie  nid)t  jur  9hi^e  ungeftörter 
Sßrobuftion.  ©ie  muffen  nad)  3üric^.  Ober  beffer:  machen  ©ie  einft* 
roeilen  Ijter  eine  3toifd)enftation!  3$  will  mid)  nid)t  unnötig  in  3f)r 
Vertrauen  einbrängen;  aber  ©te  Fennen  meine  aufrichtige  ©ejmnung. 
©agen  ©te  mir  alfo,  rooran  e3  eigentlich  fyängt,  bajj  ©ie  nidjt  oon 
Berlin  loSFommen?  £aben  ©ie  (Gläubiger,  fo  lägt  ftd)  mit  btefen  Diel- 
leidet  -  ein  Slbfommen  treffen  .  .  .  S)afe  ein  ÖiebeSIeib  in  31)nen  fteefe, 
glaubte  id)  fdjon  auö  Syrern  legten  SBrief  IjerauSIefen  ju  bürfen.  ©tnb 
©ie  glücflid),  rooljlan!  ©temmen  ftd)  3t)nen  £inberniffe  entgegen,  fo 
ift  au$  F)ter  mein  SRefrain:  ,gort  oon  Berlin  !"' 


304  ©crlin. 

bejaht  unb  bic  @;rifteng  gu  £aufe  geftdjert  wäre,  dlun  fehlte 
nic^tö  al3  bafc  id)  ein  eingtgeS  fyalbeS  Sa^r  anljaltenb  fdjrieb, 
fo  Ijatte  id)  auSreidjenbe  9Jtittel  gu  allem.  @o  brauchte  id) 
nur  bie  Pöbelten  rafd)  fertig  gu  machen,  bie  id)  einem  35er* 
Iiner  Verleger  gegeben,  um  500  Üfyaler  gu  fyaben.  39iS  jum 
15.  9?ot>ember  foHten  fte  fertig  fein;  allein,  wie  id)  redjtan* 
gefangen,  fam  bie  alte  SRifere  über  mid).  @$  ift  mir  nic^t 
mefyr  mögltd),  einen  Sag  ruljig  gugubringen  in  SBerlin,  unb 
id)  fdjrieb  baljer  an  meine  ^Kutter,  welche  mid)  fd)on  rneip 
mal£  loSeifen  wollte.  @o  fyabe  id)  jejjt  wemgftenS  meine 
^Berliner  ©djulben  begabt  unb  reife  biefe  2Bod)e,  etwa 
©onnerftag  ober  Freitag,  nad)  £aufe. 

©ort  werbe  id)  mit  Seilna^me  Don  allen  Seiten  er- 
märtet,  mefyr  als  td)  geglaubt  fyabt;  unb  werbe  wenigftenä 
wieber  einen  guten  unb  guuerläfpgen  Umgang  genießen  unb 
gwifdjen  meinen  eigenen  öier  ÜBänben  ftjjen. 

3d)  wollte  erft  bireft  auf  bem  fdjneUften  SBegc  l)in. 
@£  märe  aber  bod)  gu  arg,  wenn  td)  ©reiben  gar  nie  be* 
treten  Ijätte,  unb  fo  werbe  id)  für  einige  Sage  bort  anfetjren, 
unb  Sie  fönnen  fid)  alfo  barauf  gefafet  madjen,  einige  ©tun* 
ben  mit  mir  »erbringen  gu  muffen. 

2)afe  9Mefd)ott  nad)  Qixxid)  berufen  ift,  werben  Sie 
gelefen  Ijaben.  3d)  wartete  täglid)  auf  3^r  5Bud).  6$  ift 
nod)  bie  Srage,  ob  td)  öon  bem  meinigen  aud)  nur  bie  8u§* 
^angebogen   werbe   mitnehmen   fönnen.    9Han    l)at   e$  mir 

gwar  oerfprodjen. . 

2llfo  bis  gum  SSieberfetjen  meine  beften  ©rufte.     3§r 

Berlin,  ben  25.  SRoocmber  1855.  ©ottfr.  ÄeHer. 


6*   gn  htv  fjeimui 

(93i8  September  1861.) 

©ie  £eimferjr  ©ottfrieb  ÄeßerS  auä  ©eutfdjtanb  im 
©ejember  1855  gefdjnb,,  fo  wenig  fiel)  beS  ©id)tcrS  @crjicf= 
fal  nad)  feinen  ©Wartungen  geftaltet  Ijatte,  unter  ganj  anberen 
Umftänben  al8  breijetm  Satjrc  jiiöor,  ba  er  ratlos  aus 
SJtfinäjen  juruefgefommen  mar.  Ältngenbe  ©d)ä£e  bradjte 
er  jwar  nicht  mit,  aber  einen  reichen  unb  fixeren  Sefifc  non 
©Übung,  3Belt=  unb  OTenfdjenfenniniS,  erworben  unter  9Jöten 
unb  3rrtümern  roätjrenb  ber  langen  £efn>  unb  SEÖanberjeit, 
beren  äbfdjtufj  er  enbltdj  mit  bein  ftebenunbbreifeigften  2eben8= 
jarjr  erreicht  fjatte.  ©er  bramatifdje  Sorbeer,  um  beffent- 
willen  er  auögejogen,  fdjmutfte  feine  ©tirne  ntdjt;  allein  er 
betrat  bie  £eimat  nidjt  mit  leeren  Rauben:  „©er  grfine 
£einrid)",  ein  neue«  Sänbdjen  ©ebidjte  unb  bie  StnSb,änge= 
bogen  feines  erften  SfloueHenbuttjeS  begleiteten  ttjn  al£  unrjer» 
cjängiidjc  JRuIjineStitel. 

SJiutter  unb  Sdjroefier,  bie  an  ber  ©enteinbegaffe  in 
£ottingen  (wenige  Sdjritte  rjon  ÄeßerS  ©terbeljauS  entfernt) 
roormten,  traf  er  in  leiblicher  SJcunterleit.  ©ie  alten  Sreunbe 
SBilljelm  ©d)iüj,  Saumgartner  u.  a.  begrüßten  ben  lange  33er* 
mifeten  mit  b,erjlid)er  Sreube1)- 

')  £Kx  (dt  längerer  Seit  fränWnbe  DI)rim  @4ai$}er  in  (Statt- 
fdbeii   lub  itjn   bringend  ju  fidj  ein.    ©efpiädje  über  $olitff  Ijabe 
ber  Sttffe  nun  nid)t  mein;  ju  riSfieren.   „©inftroeilen   —  f<b.rieb  (ener 
«cttftwb  fftUcr.   II.  20 


306  ffteueS  geben. 


gürS  erfte  liefe  ftd)  ©ottfrieb  ßeHer  bie  £eimatluft  in 
üoDcn  Süßen  fdjmetfen.  2)a3  gefunbe  republifanifdje  geben, 
roeldjeS  feit  ber  neuen  33unbe3üerfaffitng  burd)  bte  3tbern  be$ 
©djroeijerüolfeS  puljierte,  erfüllte  ifyn  mit  3ufrieben$eit.  $ur 
ben  ftarfen  Srieb  feiner  SanbSleute  nad)  ©elbbeftjj  tabelte  er 
oft  laut.  ©a§  geiftige  Sitoeau  ber  SBaterftabt  fanb  er  in 
erfreulidjfter  SBeife  gehoben:  an  bem  neugegrunbeten  eibge* 
nöffifcfyen  Sßolgtedjnifum  roirften  9Hänner  wie  fjriebrid) 
Sljeobor  Sßif djcr#  ©ottfricb  ©emper,  ^ompejuS  23ol* 
leg,  üorüberge^enb  3>afob  33urdfl)arbt.  W\t  allen  biejen 
befreunbete  ftd)  Äeller  raf  d).  6tn  alter  ^eibelberger  SBefannter, 
9JloIefd)ott,  traf  beinahe  gleichzeitig  mit  ifym  in  Qäxid)  ein, 

am  13.  üflära  1856  —  Ijabe  id>  ©ein  ©etfieSprobuft  [,2)ie  8euie  oon 
©elbronla4]  oerfdjlungen:  e3  f)at  mid)  trefflid)  unterhalten;  idj  fjabe 
meinen  lieben  ©ottfrieb  oon  Anfang  bi§  (Snbe  erfannt  ....  ©eftern 
Ratten  mir  93eairf§fd)utpflege  in  ©üladj.  S)a  mürbe  nun  ein  fßeiteS  unfc 
33reite3  Don  £>ir  gefprodjen,  aud)  Dom  ,©rfinen  4>«nrid)1,  melier  $err 
mir  3ur3eü  nod)  unbefannt  ift  ,2Ba§?  ©ieftnb  ber  Onfel  oon  #errn 
Heller?  Äommt  er  aud)  &u  Slmen?*  u.f.ro."  £a  e§  ber  SReffe  oerfäumte, 
ben  oerfprodjenen  SBefud)  abstatten,  fdjrieb  i^m  ber  franfe  SRann 
am  10.  ©eptember  1856  fef>r  gereijt:  „£od)geel)rter  £err!  @§  f>at  mir 
5U  feiner  3eit  grofee  greube  gemalt,  Sfjre  3Rad$aufefunft  au  oerneljmen 
unb  imax  um  fo  meljr,  als  @te  mir  in  9lu§ftd)t  [teilten,  mi$  in  meinen 
öfter  traurigen  Umftänben  ju  befugen,  (Seit  idj  nicfyt  mefjr  bic  ©)R 
f)abe  3f)re  öfonomifdjen  Angelegenheiten  ju  beforgen,  Ijabe  id)  eigent« 
lief)  nidjtä  me^r  oon  Sfmen  perfönltd)  erfahren.  2öenn  td)  bafjer  bei 
meiner  legten  3ufd)rift  an  (Sie,  oon  greube  aUju  ftarf  ergriffen,  gegen 
©ie  3u  familiär  geioefen,  fo  roerben  Sie  mir  oergei^en-,  idj  glaubte  in 
meiner  länblidjen  Einfalt  und)  nod)  fo  auäbrücfen  §u  bürfen.  3<ö 
fyabt  mtd)  nun  aber  leiber  übergeugt,  ba&  ©ie  für  einen  33efud>  bei 
mir  eine  geroiffe  Sbiofnnfrajie  bejlfcen,  unb  tfranfljeiten  biefer  Art  jtnb 
unheilbar.  Um  batjer  ntdjt  äberlöftig  gu  fein,  miQ  i<$  auf  einen  &• 
fu$  oon  Stynen  Der$id)ten  unb  (Sie  ber  UnannefymHdtfeit  entheben,  in 
unfere  SMeberungen  tyerabjufteigen!"  Äuq  barauf,  am  7.  SRärj  1857 
ftai*  ber  Dljetm.    <5.  ©rief  3Rr.  104. 


föid&arb  Söagner.  307 


um  I)ier  einige  Saljre  an  ber  ^od}fd)uIe  gu  lehren.  93on 
ben  übrigen  Untoerfttät&profefforen  gog  ii)n  namentlid)  ber 
$f)üolog  ^ermann  Äöd)lt)  an.  Slud)  £erweglj  war  wieber 
ba  unb  lag  orientalifdjen  (Sprad)*  unb  naturwiffenfdjaftlidjen 
©tubien  ob;  £einrid)  ©imon  betrieb  üonSürid)  aus  —  er 
bewohnte  ba§  #au$  beö  alten  3-  3-  Sobmer  —  feine  fdjmeige* 
rifdjen  Sergwerfunternefymungen1). 

6inen  gang  unoergleid)lid)en  gefeHfdjaftlidjen  SJJittetpunft 
—  wie  Sund)  feinen  gmeiten  gefefyen  —  bilbete  bamals  unb 
bis  1871  ber  Jjerrlidje  ßanbftjj  ber  funftftnnigen  rfyeinifdjen 
ftamilie  SBefenboncf,  wo  9iid)arb  SBagner  auf  eine  Seit 
ebelfte  ©aftfreunbfdjaft  genofe,  wo  überhaupt  aQe3  oerfeljrte, 
was  Don  gremben  unb  6inf)eimifd)en  ben  SJlufen  ljulbigte. 
3lud)  ©ottfrieb  Heller  würbe  fogleid)  in  biefem  ÄreiS  auf 
ba&  freunblid)fte  aufgenommen.  5Rerfwürbig  gut  uertrug 
er  ftd)  mit  9iid)arb  SBagner,  ber  immer  nod)  in  Sönd) 
lebte  unb  —  wie  er  1850  an  Ufylig  gefdjrieben  —  „in  ber 
gangen  weiten  Sßelt  nid)t  anberöwo  als  fyier  leben  mödjte". 
„SBagner  war  nod)  md)t  ber  SJropljet  wie  fpäter",  meinte 
ßeQer  einmal,  „fonbern  ber  burdjauö  liebenöwfirbige  OTenfd)". 
Slud)  ben  ©idjter  SBagner  liefe  er  bamatö  nod)  gelten. 
3n  feinen  Sriefen  fommt  er  immer  wieber  auf  ben  Seyt 
ber  Nibelungen  *£rilogie  gurücf.  2)urd)  itjn  lernte  er  bie 
©djriften  ©djopenljauerS  fennen.  2lud)  gu  ben  ©ijntpofien, 
bie  28agner$  vertrauter  greunb,  SRegierungSrat  Dr.  3-  3-  @ul* 
ger,  oeranftaltete,  würbe  er  gugegogen,  obfdjon  er  ftd)  mand)* 


')  tfetter  beteiligte  fitfj  am  5.  Dftober  1862  an  ber  geier  ber  (Ein- 
©ettjung  be§  £einrid)  ©imon*2)enrmal£  in  SRurg  am  Söalenfee.  3n 
bem  ©ud>e  oon  3.  3acobt),  £einrtd)  (Simon  2, 231  roirb  ©ottfrieb  ÄeUer 
bei  biefem  Hnlafe  al§  „beutfdjea  Sßarlamentemitglieb"  aufgeführt! 

20» 


308  «Rta)arb  2öagner. 


mal  etwa«  ungeberbig  aupljrte,  g.  33.  cinft  mitten  in  grofeer 
Stafelrunbe,  in  roeldjer  aufeer  einigen  ©amen  SBagner, 
5Burtfl)arbt,  ©emper,  SBifdjer,  (Stimulier,  39aumgartner  u.  a. 
fafeen,  unter  mafelofem  ©djimpfen  auf  einen,  mehreren 
Slmoefenben  befreunbeten  @d)riftfteller,  eine  Reine  oor  tym 
fteljenbe  33eige  foftbaren  japanejifdjen  Sßorgellan«  mit  ber  gauft 
gertrümmerte  unb  oöllig  roütenb  don  „Soom"  abgeführt 
werben  mufete.  £)ft  war  er  Dfyrengeuge  eben  fomponierter 
Stbfd^nittc  au«  bem  „SRing  be«  Nibelungen"  ober  wSriftanB. 
3m  £erbft  1856  erfdjien  2i«gt  mit  ber  gürftin  SBittgenftein, 
fpäter  bab  Sülomfdie  ©jepaar1).  fleQer  ift  be«  2obe«  ber 
grau  Gofima  Doli.  3m  Sommer  1857  führte  i^m  SBagner 
ben  Sieberfomponiften  SRobert  Srrang,  einen  grofeen  SBereljrer 
ÄeQer«,  gu.  $laä>  be«  SJleifter«  SBeggang  au«  Sürid)  Porten 
bie  SBegiefyungen  gtoifdjen  ben  beiben  auf,  aber  einer  behielt 
ben  anberen  nad)  roie  oor  im  Sluge,  unb  SBagner«  ©tief* 
tod)ter  ©aniele  oon  Sfilow  ertuiberte  nad)  iljre«  93ater«  Sob 
am  25.  gebruar  1883  ein  SBcilciböfc^rcibcn  tfeßer«  mit  fot 
genben,  Don  SBagner«  ftetem  Sntereffe  für  ben  ehemaligen 
Süridjer  greunb  geugenben  SBorteu: 

w3^e  fd)önen  SBerfe,  3^e  lieblich  rüljreuben  ©eftalten, 
bie  feelenoofle  erhabene  SM  3^e«  ©djauen«  unb  SJenfenS 
fyaben  in  ben  legten  S^^en  feine«  Seben«  ifym  biele  ©tum 


»)  „3tm  22.  Dftober  1856  rourbe  in  3firid;  grang  öiögt«  fe$8unfc 
merjigfter  Geburtstag  bei  ber  grau  gürftin  Don  SBittgenftein  bunt)  Auf« 
fütjrung  beö  groeiten  Teiles  au«  bem  grofeen  Stöbelungenbrama,  „S)ie 
SSöalFüre",  t>on  SRtdjarb  SBagner  gefeiert.  SBagner,  8i«gt  unb  grau 
£eim  roaren  bie  S)olmetfd)er  be«  SRiefenroerFe«,  büS,  eingig  in  fetner 
2lrt,  ju  bem  ©ro&artigften  unb  £errltd)ften  gehört,  loa«  bie  muftFalifty 
Äunft  je  gefdjaffen  tjat."  glätter  für  tfunft  unb  Literatur"  #r.  82. 
(^Beilage  jur  „91  3ürd)er  3tg."  o.  25.  Oft.  1856.) 


©ottfrieb  (Scmpcr.  309 


bcn  belebt,  if)tt  tief  ergriffen,  tE)n  überfrol)  geftimmt."  3tid)arb 
SBagner  liebte  üor  allem  —  „S)ie  brei  gerechten  Äamm* 
madjer" . 

3um  großen  ©enrinn  fflr  Äelter  würbe  ber  freunbfdjaft* 
lidje  Umgang  mit  SSifdjer  unb  ©emper.  Sn  beiben  begegnete 
er  üerroanbten  ©eifiern.  SBon  bem  SBerfjältniS  gu  3Sifd)er 
wirb  fpäter  bie  Siebe  fein.  33öQtg  feinem  SEBefen  angemeffen 
mar  bie  Äünftlernatur  ©emper  3.  2)ie  beiben  ©ottf  riebe  ein* 
anber  gegenüberftfcen  gu  fcljcn,  war  eine  maljre  #reube. 
2aut  gtng'8  nid)t  Ijer,  e£  mufcte  benn  irgenb  eine  Serlogen* 
fyeit  in  ber  Äunft  ober  im  Seben  gur  Sprache  fommen. 
ÄeQer  f tagte  immerfort,  ba&  ber  grofee  Saumeifter,  ben  er 
ein  „finblid)4)t)pod)onbrifd)e3  SEBefen"  nennt,  in  3önd)  nid)t 
meljr  Arbeit  erhielt.  2113  berfelbe  nad)  2Bien  gog  unb  bei 
ben  grofeen  §of burgbauten  mit  feinem  ÄoDegen  #afenauer 
in  Streit  geriet,  ergriff  Äeßer  leibenfdjaftlid)  Partei.  Sluf 
feiner  legten  gtafjrt  nad)  9tom,  wo  er  fterben  foltte,  fam 
©emper  nod)  einmal  in  3örid)  vorbei,  unb  bie  beiben  alten 
Ferren  nahmen  einen  redjt  grfinblidjen  2lbfd)ieb  oon  ein* 
anber. 

©in  3at)r  nad)  Sempera  2ob,  im  9Jlai  1880,  pflegte 
©ottfrieb  Äeller  folgenben  Sraum  gu  ergäben.  5Rit  ©taub 
bebedtt  unb  unorbentlid)  gefleibet,  fommt  ber  geftorbene  Sfreunb 
ins  Siwwer  l)ereingefd)lüpft;  iljm  nad)  bie  ©Ratten  trieler 
3ürid)er  SBeiber  unb  5Jtänner  Dom  SRinbermarfte  fyer,  bie 
ÄeQer  in  feiner  Sugenb  alle  gefannt,  jebod)  längft  Der* 
geffen  fyatte.  3luf  bie  §rage,  ob  er  benn  nidjt  geftorben  fei, 
antwortet  ©emper:  „2Boljl!  aber  er  fyabe  Urlaub  genommen; 
benn  bort,  wo  er  ftd)  feitbem  befunben,  fei'3  nid)t  gum  9fo$* 
galten."    ©arauf  i)abe  er  füll  ba$  3immer  mieber  öerlaffen, 


310  gerbmanb  glimm. 


Don  bem  iljm  nacf)f)ufd)enben  ©ejinbel  begleitet,  unb  unter 
ber  2J)üre  nodj  einmal  gerufen:  „©efyen  @ie  nid)t  borten, 
§err  Äeller!   Schied) te  SBirtfcftaft  bort!" 

S)en  gangen  erften  (Sommer  nad)  ber  3ftfitffel)r  mar  e$ 
in  3önd)  ein  ewigem  Äommen  unb  ©e^en.  ©aö  ©taljr* 
2  e  tr»  a  l  b  fd>e  (gljepaar  taud)te  gu  längerem  Aufenthalte 
auf  unb  Äeßer£  erft  fo  fd)roffe$  Urteil  über  bie  beiben 
geftaltete  ftd)  gufeljenbs  günftiger.  SBarn^agen  unb  2ub* 
milla  famen  auf  einen  furgen  33efud).  „ÄeQer  ift  ed)t  unb 
braö  unb  derbient  jebe  Sförberung",  lautet  ber  ©intrag  be$ 
alten  ^errn  in  fein  Sagebudj1).  2Bot)l  burdj  #eraegl) 
Iemte  er  ben  feit  bem  9Mai  1856  in  3ünd)  internierten 
Sferbinanb  §locon,  ehemaliges  SRttglieb  ber  proöiforifdjen 
gebruarregierung  Don  Sfranfreid),  fennen.  ©urd)  Äefler  met& 
id)  folgenbeS  @efd)id)td)en.  glocon  fjielt  gur  3rit,  ba  er 
frangoftfdjer  9Jlinifter  war,  eine  bebeutenbe  ©umme  für 
£eroegl)  in  Serettfdjaft,  als  biefer  mit  feiner  grau  im  8prü 
1848  Don  $ari3  aus  an  ber  @pifce  eines  2lrbeiterl)aufen§ 
bie  befannte  lächerliche  Snüafton  nad)  ©eutfdjlanb  infgenierte. 
^locon  richtete  an  ben  Agitator  bie  §rage,  roieöiel  ©elb  er 
gu  feiner  Unternehmung  brauche.  §eroegl)  meinte:  „fed)§* 
taufenb  ^raufen" ,  roorauf  ber  SJtinifter,  lädjelnb  über  eine 
foldje  9?atoetät,  bie  Äleinigfeit  mit  äd)felgudfen  über  ben  6r* 


')  Sagebüdjer  oon  tf.  21.  Skrnfjagen  öon  (Snfe  13,  18  (1870); 
13,  78:  „SSäFjrenb  mir  beim  SDttttageffen  waren,  ging  eine  8otfd)aft 
oon  mir  an  ©ottfrieb  Heller,  ber  and)  balb  gefunben  mar  unb  gleidj 
nad)  bem  offen  felbft  erfreu.  2lu§gang  mit  ü)m  .  .  .  Stte  8imraat« 
brütfe.  Heller  ruft  ben  £errn  $rofeffor  SBifdjer  im  Vorübergehen  an: 
mir  roetyfeln  einige  ©orte  .  .  .  Heller  mad)t  mit  un§  eine  gaijrt  auf 
bem  3ftn*)er  @ee  nad)  ©tfifa  f)in  unb  nad)  furgem  Aufenthalt  gurüd/ 
fo.  3uH.) 


„(Sin  gefoug  in  3üri$."  311 


folg  auSjaljlte.  glocon  ift  1866  als  armer  9Äann  in  Sau« 
famte  geftorben.  Grtne  Erinnerung  an  ifyn  enthält  baS  @e= 
bidjt  „©er  2Baabtlänber  @d)ilbwi). 

©ottfrieb  Äefler  mar  eben  rcd^t  3ur  fyeimatlidjen  Sfeft* 
faifon  jurüdfgefeljrt.  Set  ber  (Eröffnung  ber  3önd)4Boben* 
feebal)n  würbe  am  gleiten  $efttage,  am  26.  3>uni  1856,  ber 
foftümierte  3"g  bc$  furj  juüor  abgehaltenen  @ed)feläutenS 
roieberfyolt9),  ber  einen  burd)  bie  (Sifenbafynen  eröffneten  alt« 
gemeinen  SBölferfongrefe  gur  Slnfdjauung  bradjte.  ©er  roadfere 
ßürtdjer  9Refcgermeifter  #einridj  Sramer  (1812—71),  ber 
als  gemütlicher  IjumorooHer  ©elegenljeitsbidjter  wie  als 
3eid)ner  feinen  TOann  [teilte,  fyatte  aud)  biefen  Seftjug  ent« 
roorfen.  (Sin  uäd)tlid)eS  Sanfett  unter  ben  alten  Säumen 
beS  SinbenljofS  foQte  ben  freubtgen  Sag  abfdjliefeen.  ©a 
brad)  groifdjen  neun  unb  jefyn  Uljr  in  bem  gegenüberliegenben 
©aftfyaufe  jum  „Simmatljof"  (jefct  $oftfiliale,  ehemals  jum 
„©erounbenen  ©djroert"  benannt)  Seuer  aus.  ©aS  fjolje 
roinfelige  ©ebäube  mar  mit  ©äften  Don  oben  bis  unten  ge* 
füllt,  ©rei  ^erfonen,  ©rofemutter,  9Rutter  unb  Äinb,  blieben 
in  ben  flammen  beS  $iiiterfyaufe&  ©ie  göfdjmannfdjaft, 
bie,  größtenteils  nod)  fofifimiert,  ber  Sranbftätte  jueilte,  Der* 
richtete  matyre  SBunber.  Dberft  £einrid)  oon  SJturalt,  ber 
Gfyef  beS  ©teigerforpS,  unb  ber  SHefferfdjmieb  grifc  Söafer 
retteten  mittels  @d)läud)en  jroet  oornefyme  SÜroIer  Seamte, 
bie  man  fdjon  für  oerloren  gab.    ©iefer  SBorfaQ  öeranlafete 


>)  1859.  ©ottfrieb  ÄcUer§  ©ef.  SBerfe  10,  64.  gerbinanb  ftlocon 
überfefete  in  feiner  3ugenb  StaHaben  t>on  ^Bürger,  Körner  unb  Äofe- 
garten  (1827).  v 

2)  »gl.  ©rief  ftr.  99. 


312  „(Sin  gefoug  in  3üriöV 


fpäter  ©ottfrieb  ÄeQer«  @ebtd)t:  „@in  gcft jug  in  Süric^ !). 
3n  jenen  Sauren  würbe  feine  9Äufe  aud)  fonft  oon  ben  feft* 
luftigen  Mitbürgern  üielfad)  in  Slnfprud)  genommen:  im 
#erbjt  1856  fangen  breitauf enb  ©djroeijerfabetten  in  Qimti) 
ba$  nid)t  in  bie  ©efammelten  @ebid)te  aufgenommene  „Sater* 
lanb,  um  beinen  ©egen"  unb  ba$  fr5Rai*fc^Iieb'1 ;  1857  fd)rieb 
er  für  bie  fd)meijerifd)e  3tttlitärgefellfd)aft  fein  affi>efannte$ 
„Reifet  ein  £au$  gum  ©c^tneijcrbcgcn11  unb  fd>mütfte  bie 
nädjften  eibgenöfftfdjen  ©änger*  unb  ©djüfcenf efte ,  bie  erfte 
(wie  nadjmalö  bie  jroeite)  Subelfeter  ber  ttnioerfltät  unb 
anbere  änläffe8)  mit  Siebern. 

')  S)er  gefoug  enthielt  ad)t  ©nippen.  S)ie  SRorbbaljn  führte  esh» 
mo§,  Sapplänber,  (Sdjroaben  unb  ÜRarfgräfler  mitfarat  ber  ÄltenbuTger 
«fcod^eit  herbei;  bie  SRorboftbalni  braute  Safdjfiren,  Jtfrgifen,  Stuften, 
unb  Sßolen,  bie  Dftbafyn  Sapanefen,  ^Ijinefen,  Sfdjerfeffen  u.  f.  n>.  — 
S)er  „luftige  SBäcfer  oon  Unterftrafe"  in  bem  tfellerföen  ©ebidjt  Ines 
<5 Courier.  3ur  #erbftjeü,  roenn  ber  junge  Söein  nod)  gu  bitf  mar, 
pflegte  er  bie  roei&e  3ipfelmüfce  über  ben  ÜJhinb  $u  gießen  unb  ben 
SRoft  burdj  btefe  praftifd^e  6et^e  31t  trinfen.  —  3n  ber  „fft.  3üra)er 
3tg."  Dom  22.  Stuguft  1856  ftefjt  au  Iefen:  „3n  ber  SSoIfö.  unb 
<Sd)üfeenaeitung  für  Storol  unb  Vorarlberg  fpradjen  bie  Ferren  ©tatt« 
^altereirat  Slnton  Sftttter  oon  ©freie  unb  ©raf  Seopolb  Don  Äünigl 
für  ifyre  Rettung  beim  S3ranb  im  „gimmatfjof"  ben  Ferren  £einrid) 
oon  ÜKuralt  unb  griebrid)  Söafer  oon  3ürid)  tyren  S)anf  au8  *  — 
Über  ben  „Sfteifter  £etnrid)  lobefan"  ogl.  Slnbenfen  an  £einrid) 
Gramer  (3ürid>,  ©djultyefe  1886). 

*)  „5Reue  3ürdjer3tg."  oom  12.  2)ej.  1856:  „«m  11.  S>e$.  1856 
oerfammelte  fid)  eine  aaljlreidje  greunbeäfdjar  auf  bem  „(Safe  litteraire", 
um  bem  fdjetbenben  Dr.  ßljrtftian  £eufeer  ein  3eugni8  treuer  Siebe 
unb  Skreijrung  barjubringen.  ÜRefjrere,  aud)  ein  ÜRitglieb  ber  f).  3fe- 
gierung,  liefen  ben  ©efuljlen  ber  SBerfammlung  ©orte  beS  £eraen*, 
Dor  allen  aber  ber  finnige  2lbfd)teb3gru6  ©ottfrieb  äeUerS,  Don  beffen 
£anb  überbieö  ein  transparent  mit  ber  roeftltdjen  $albfugel  in  ftern« 
befätem  ginnamente  ben  33eftimmung§ort  be§  fdjeibenben  greunbeS 
barfteflte  mit  ber  Umfdjrift: 


(Sorglofcö  8eben.  313 


Slm  mütterlichen  Stifdje  war  er  einfimeilen  moljlgeborgen. 
9Kit  ber  3C^  ging  er  giemlid)  forgloö  um.  SBlit  luftigen 
©enoffen  mürbe  gum  Srfafc  fflr  erlittene  Unbilbe  be8  SebenS 
ein  üerfpäteteä  ©tubententreiben  geführt,  fjajt  täglid)  rücfte 
man  gegen  ben  9iad)mittag  auf  ben  „SÄuggenbüfyr ,  ben 
©jergietplafc  ober  in  bie  beliebte  Sßirtfdjaft  be$  SforftmeifterS 
©teiner  nad)  Unterftrafe  auö.  @3  fam  nidjt  feiten  üor,  ba% 
bie  ©efeQfdjaft  wegen  nächtlicher  Stuljeftörung  geftraft  mürbe, 
unb  felbft  ber  £err  ©taatsfdjreiber  fyat  ftd)  bergleid)en  S3ufeen* 
gettel  offenbar  gu  mafynenbem  unb  qualenbem  3lngebenfen 
aufgehoben,  ©urd)  fold)e  Abenteuer  fefcte  er  feinen  SRuf  oft 
in  einer  gefährlichen  SBeife  aufö  ©piel.  SBon  ben  fonfer* 
öattoen  ßüridjern  mar  er  ofynebieS  megen  feines  SBerfeljrS  in 
rabifalen  beutfdjen  §Ifid)tlingöfretfen  (@d)ulg,  ftzxmqfo)  etmaS 
fdjtef  angeben.  SRadjbem  man  jebod)  bie  außergewöhnliche 
SRatur  in  iljm  erfannt  l>atte,  mürben  aud)  an  feine  SebenS* 
fü^rung  anbere  TOafcftäbe  als  an  S)urd)fd)nitt§menfd)en  ge* 
legt,  ©elegentlid)  mar  U)m  ooDe  SrafdjmgSfreiljeit  gemährt. 
Smar  als  er  ftd)  im  £erbft  1860  mit  ber  2ageSpolitif  Der« 
mengte,  fcfyenften  il)m  feine  ©egner  nichts.  Slber  unter 
allen  Äraftäufcerungen  feiner  leid)t  gu  SluSfdjrettungen  brän* 
genben  Sftatur  litt  meber  fein  Gfyarafter  nod)  fein  ©djaffen 
SRot.    ©a§  Iefctere  menigftenS  qualitativ  nidjt.    9JMtten  im 


„SMe  SGÖelt  ift  runb  unb  mufe  ftd^  brel)ti, 

S>nmt  {agen  mit:  auf  2Sieberfef)n!" 
gfir  feinen  bic^terifc^en  ^Beitrag  311m  eibg.  ©ängerfeft  in  3firid& 
1858  belohnte  it)n  bie  „Harmonie"  gufammen  mit  granj  $ad)ner  mit 
ber  (Sljrenmitgltebfdjaft,  ebenfo  ber  ©tabtfängeroerein  (ÜRännerdjor); 
1862  bei  Slnlafj  be§  föroeij.  ©ängetfefteä  in  QX)nx  würbe  er  mit 
Subroig  Uljlanb  (Sfyrenmitglieb  be$  fd^toetgerifd^en  ©ängeroereinä. 


314  ©efeüfd&aft. 


fdjcinbar  planlofen  ©eintreiben  auf  bcr  i)od)gel)enben  SBoge 
gab  er  ba§  ©teuer  niemals  aus  ber  £anb  unb  erreichte,  fo 
oft  er  wollte,  ba$  fixere  Sanb.  Slbcr  feinen  ghreunben  machte 
er  e§  oft  unglaublich  fcfywer,  ifjn  fo  gu  lieben  unb  ju  fdjafcen, 
wie  fte  gern  gewollt  Ijätten. 

2lm  wollten  war  e§  iljm  in  ber  Umgebung  be$  gemüt* 
liefen  SBilljelm  Saumgartner,  beffen  ©efeßfdjaft  ftd)  Ijauptfädj* 
lid)  aud)  ber  trefflidje  9Mer  SRubolf  Voller  anfd)Iofe,  bann 
ber  S)td)ter  unb  Äulturfyiftorifer  Äarl  SHorel,  welcher  ju 
(Snbe  ber  fünfgtger  Safere  in  ber  Stebaftion  beS  „2anbbotenfl 
in  3Bintertt)ur  arbeitete,  ftd)  jebod)  1861  in  Surid^  atö 
Sßriüatbojent  nieberliefe.  ©in  lieber  ©aft  war  Äefler  in  ber 
mit  Söilljelm  @d)ulg  oerfdjmägerten  Samilie  5tei$l)auer* 
23obmer.  (5r  laö  bort  auSnaljmöweife  manchmal  etwas  oon 
feinen  neuen  @efd)id)ten  üor.  ©ern  pilgerte  er  Sonntag* 
feeaufwärtS  nad)  SKariafelb  auf  ben  anmutigen  2anbftfc  Don 
Dr.  §ran<?oi§  SBille  unb  grau  @lija. 

2)ie  folgenben  S3riefe  Derbreiten  ftd)  Ijinlänglid)  über  bie 
(Srlebniffe  ber  näd)fien  Seit.  Um  fo  efyer  fönnen  wir  un£ 
mit  ber  blofeen  ßrwäfynung  einiger  Sljatfacfyen  begnügen, 
©egen  (Snbe  be§  3**!)^  1856  ftanb  bie  ®d)weig  infolge 
be$  9?euenburger  ÄonflifteS  mit  $reufeen  in  ernftlidjer  Ärieg$* 
gefaljr.  ©ottfrieb  Äefler  richtete  bamatö  öffentlich  ebeU 
männlidje  SBorte  an  bie  fdjmeigerifdje  SBunbeSüerfammlung1)- 
Sie  SBolfe  würbe  glücflid)  an  unferem  Sanbe  üorubergefü^rt 

3m  nädjften  Sommer  fam  ber  junge  $aul  £eqfe  auf 
Sefud),  im  3uni  1858  auf  feiner  gmeiten  £od)geit$reife 
^ermann  Lettner.     (Sin  Antrag  Dom  SluSlanbe  fyer,  ben 

0  Sgl.  SHad&getaffene  ©Triften  ®.  352  f. 


$te  (gtyflerfeier  1859.  315 


Lettner  unb  Sßolfgang  9JtüHer  oon  ÄönigSminter  im  9?o* 
üember  1857  gleidjjeitig  vermittelten,  beabftdjtigte,  Äelter  als 
©efretär  beS  ÄunftoereinS  nadj  Äöln  ju  gießen.  3lod)  einmal 
fam  bei  biefer  ©elegenfyeit  ber  alte  $lan  einer  Sßrofeffur  gur 
©pradje.  ©elbft  unter  bie  ^iftorifer  I)ätte  er  gelten  follen. 
©ie  3«r<i)erifd)e  ©djulftnobe  beauftragte  if(n  1859  mit  ber 
^Bearbeitung  einer  33olf3fd)rift:  w@efd)id)te  ber  fd)»cijerifd)en 
#etoetif".  (S§  ift  mofyl  faum  eine  QtiU  baüon  nieber* 
gefcbrieben  morben. 

Snjmifdjen  rüftetc  man  ftd)  in  allen  beutfdjen  Sanben, 
ben  fyunbertften  ©eburtStag  @d)iller£  feftlid)  ju  begeben, 
äud)  in  3ön^  mürbe  eine  grofce  geier  Dorbereitet.  9Ätt 
SSifc^cr,  Äöd)fy,  £ermegl),  ^ifcig,  Saumgartner,  ©ub$  u.  a. 
mar  ©ottfrieb  ÄeDer  SKitglieb  be3  &eftau$fd)uffeä.  ©ie  beiben 
Slntipoben  SBifd^cr  unb  £erroegf)  beftritten  bie  geiftigen  Äoften 
ber  ©enffeier,  ba  Äelter  ber  9Jiuftfgefellfd)aft  in  Sern  bereit« 
einen  ©djille r pro log  oerfprod)en  ^atte.  Urfprünglid)  mar 
aufeer  biefem  nod)  eine  Slpotljeofe  ©djitlerS  in  bramatifdjer 
gorm  oorgefeljen.  ÄeHer  badjte  an  eine  ©jene  au§  bem 
mobernen  geben,  ©iefelbe  fotlte  als  9iad)fpiel  gum  erften  auf- 
tritt beö  „Stell"  auf  einem  mit  gremben,  Vertretern  ber  tfer* 
f c^icbenen  ßeitridjtungen,  gefüllten  ©ampffd)iffe  be£  33iermalb* 
ftätterfeeö  üor  ftdj  geljen.  (Sin  3talienerbfibd)en  fjätte  am 
©djluffe  bie  Sfifte  ©d)iller$  feilbieten  follen,  bie  bann  feftlid) 
befrängt  morben  märe,  ©ie  3bee  wollte  ben  fernem  nid)t 
einleuchten,  unb  fo  befdjränfte  ftd)  ber  ©id)ter  auf  ben  ge* 
banfenfdjmeren  Prolog,  beffen  ÜBirfung  bei  ber  Seier  eine 
tiefe  mar1).    2hn  <Sd)ifler*33anfette   Dorn    10. SRooember   in 

*)  ©er  öon  Heller  roieberljolt  al§  „später  Sret)"  befe^bete  Sßrofeffor 
Subnrig  Gefärbt  (SRatfjgel.  ©Triften  <5.  338)  wollte  in  S3ern  eine  $on- 


316  «ßraftiföe  «ßolitif. 


Süridj  toaftierte  er  auf  ein  Sfinbnte  ber  SBereljrer  aller 
roafjrljaft  grofeen  9Ränner  aller  S^ten  unb  SBölfer1).  ©n 
Satjr  fpäter,  am  21.  Dftober  1860,  fanb  bie  @ntl)üaung  ber 
©ebenftafel  am  9Jtytl)enftein  für  ben  ©änger  be3  „ffitlljelm 
£eQ"  ftatt.  ©ottfrieb  ÄeUer  ift  ber  flafpfdje  @efd)id)t$: 
f Treiber  be§  lieblichen  gefte3  geworben8). 

3n  jenen  £erbfttagen  beteiligte  er  ftd)  an  einer  fleinen 
polttifcfyen  Agitation,  bie  giemlid)  fläglidj  im  ©anbe  Derlief. 
2)ie  9tattonalrat8maf(len  ftanben  beoor.  @ne  fleine  frei« 
ftnnig*rabifale  Dppofttion,  ber  ftd)  aud)  ÄeHer  anfdjlofc,  war 
ber  2lnftd)t,  bafy  ber  ©tanb  Sö^d)  in  ben  eibgenöfftfdjen 
Stäten  nidjt  angemeffen  oertreten  fei.  <S$  foQten  imabtym* 
gigere  mutigere  Seute  gewählt  werben,  5Jtänner,  welche  bie 
ßfyre  ber  ©djroeig  gegenüber  bem  Sluölanbe  beffer  gu  magren 
wüßten,  alö  bieg  im  ©aooijerfyanbel  gefdjeljen  fei.  ©ottfrieb 
Äeller  öerfafete  ba$  „2ln  bie  SBa^lmänner  beö  Äanton* 
3üric^ iJ  gerichtete  SWanifeft,  ba&  bie  ftimmbered)tigten  SBfirger 
gu  einer  SBerfammlung  auf  ben  7.  Dftober  1860  nadj  Ufter 

furrenjfeier  ocranftalten.  2lber  ntemanb  beteiligte  ft$  baran.  ©egen 
U)n  gerietet  ift  bie  polemifdje  (Stelle  in  ÄeUerö  Prolog  (®ef.  SBerfe  9, 
227:  „9Kd)t  iffS  bie  (Sd&önljett,  bie  öoU  (Sitelfeit  Unb  ©elbfifudtf  fä 
mit  Sßfauenfebern  fdjmücft").  (Sdjulbireftor  grölid)  au§  Sern  förieb 
am  10.  SRooember  an  tfeller:  „Über  ben  . . .  (gefärbt,  ben  (Sie  in  einer 
©teile  3^re§  $rolog§  {o  öortrefflid)  ge^eic^net  Ijaben,  Fein  Söort*.  £*r 
tfellerföe  Sßrolog  mürbe  audj  bei  ber  faft  gleichseitigen  ©c&iUerfeier  in 
Neuenbürg  gefprodjen  unb  aroar  bur$  ben  bortigen  beutfc&cn  Pfarrer, 
ben  fpäteren  $ebaftor  bes  SGÖintert^urer  „Sanbboten" ,  ©alomon 
Bleuler. 

»)  3eue  3ürd)er  3tg."  STCr.  316  Dom  12.  sRooember  1859.  £i< 
<Sd)iUcrfeier  flamme  au£  berfelben  ©ur^el  u>ie  biejenige  gu  ©jren 
©utenbergS;  ein  £umbolbtfeft  muffe  folgen  unb  bann  eine  Gentenar« 
feier  ber  franjoftfdjen  föeoolution. 

2)  9lac^gelaffene  (Schriften  <S.  34  ff.  unb  338  ff. 


ßeflerS  3Bd>l  gum  @taat8fä)retber,  14.  (September  1861.     317 

einlub.  3n  bem  StftcnftüdC  ift  Don  ff9KarHofiöfcit  unb  33er* 
fd)liffenl)eit  ber  ©runbfäfce"  bie  SRebe.  ©ie  „greitagSgeitung" 
führte  baSfelbe  al$  SemeiS  bafür  an,  „bab  ®«er  fdt)öne  SRo* 
ücDcn  f djreiben  unb  bodj  fdjroadje  SJtonifefte  crlaffen  fönne1)". 
Sei  ben  2Bal)len  bradjte  bie  gartet  nid)t  (Sinen  TOann 
burd).  ©eitler  galt  Heller  in  Sönd^,  gumal  er  ftd)  als  oppo* 
fttioneQer  SeüungSforrefponbent  ftarf  bemerflid)  madjte,  für 
einen  politifd)  5Rifeüergnügten,  trofcbem  ingroifdjen  „©a$ 
gä^nlein  ber  fieben  2lufred)ten"  erfdjienen  war,  meldjeS  nad) 
feinem  SBorte  moljl  als  SluSbrucf  ber  ßufrieben^eit  mit  ben 
oaterlänbifdjen  ßuftänben  gelten  fonnte. 

Um  fo  gröfeer  mar  ba$  öffentliche  ©rftaunen,  als  bie 
3ürid)er  am  eibgenofftfdjen  Settag  1861  in  iljren  SEageS* 
blättern  bie  9tad)rid)t  lafen,  ber  StegierungSrat  Ijdbt  in 
feiner  geftrigen  ©ifcung  (14.  September)  ben  £>errn  ©ottfrieb 
ÄeHer  gum  erften  @taat3fd)reiber  gemäht3),  ßinen  foldjen 
„©enieftreid)"  Ratten  meber  bie  fiiberalen  nod)  Äonferöattoen 
einem  Äoßegium  oon  neun  ernftljaften  Scannern  gugetraut, 
gumal  ftd)  tüchtige  unb  erfahrene  SKänner  Don  juriftifdjer 
Silbung,  barunter  fogar  ein  ■Nationalrat,  um  ba§  Slmt  be= 
roorben  Ratten,  ©er  ©eroäfylte  roufete  fel&ft  nid)t  red)t,  wie 
ifym  gefdjefyen,  alö  er  fid)  unoerfeljenS  im  Seftfce  ber  oerfjältniö* 
mä&ig  beftbefolbeten  ©taatöftelle  be§  ÄantonS  befanb.  ©er 
gange  $lan  mar  oon  bem  Damaligen  fyinanjbireftor  Sfrang 


')  SBgl.  au*  9tatf)gel.  ©djriften  ®.  353.  £>ie  an  biefe  2BaF>I- 
fampagne  ftd)  anfdjlie&enbe  glugfdjrift:  „S)ie  SRattonalratSroaljIen 
oon  1860.  (Sine  2Infpra$e  an  ba$  Bürger  SBolf"  rfityrt  öon  Dr.  fjr. 
SEBiUe  f)er. 

*)  ©er  bisherige  erfte  ©taatäfdjretber  «gmber  roar  im  Sluguft 
SRitglieb  ber  ^Regierung  geworben. 


318  £efler3  2ö<n)i  gutn  (Staatäföreiber. 


£agenbud)  ausgegangen  unb  fclbftDcrftänblid)  auf  SEBiberftanb 
geftofcen;  aber  bie  SBaljl  gefdjal)  bennod)  mit  5  gegen  3 
Stimmen.  @ie  gab  ber  treffe  Diel  gu  reben,  unb  ber  neue 
©taatsfdjreiber  foroie  bie  ^Majorität  ber  Regierung  befam  Diel 
Unangenehmes  gu  l)ören.  (Sine  Slumenlefe  aus  ben  öffentlichen 
Slättern  pnbet  man  im  Slnfyang.  Sie  gefefcgebenbe  Se^örbe 
beS  ÄantonS  gab  ber  Regierung  benn  aud)  fofort  einen  nid)t 
mißguoerfteljenben  SBinf.  @£  mürbe  namentlich  gefabelt, 
baß  pe  nid)t  einen  im  StaatSbienft  bereits  ©rprobten  ober 
einen  Swriften  an  bie  mid)tige  ©teile  beförbert  Ijatte.  S)em 
©id)ter,  über  beffen  2ebenSfü^rung  bie  fonberbarften  9J?ären 
gingen,  wollte  niemanb  bie  nötige  2iuSbauer,  $äf)igfeit  unb 
SrbeitSfraft  ju trauen.  Sftun  mar  eS  bisher  Übung  gemefen,  baß 
ber  erfte  ©taatsfdjreiber  gugleid)  aud)  baS  8mt  eineö  erften 
©efretärS  beS  ©rofeen  Rates  befleibete.  Oottfrieb  ÄeHer  würbe 
in  ber  ©ifcung  oom  28.  Oftober  nid)t  gemault,  inbem  er 
im  erften  2Baf(lgang  gmar  bie  meiften  Stimmen  auf  ftd)  per* 
einigt  fyatte,  im  folgenben  Sfrutinium  jebodj  bem  gmeiten 
©taatsfdjreiber  gegenüber  unterlag,  ©afür  ernannte  iljn  ber 
heimatliche  2Baf)lfreiS  S3üladj  fd)on  am  15.  ©ejember  auf 
efyrenoofle  SBeife  gu  einem  9KitgIiebe  beS  ©rofeen  Rates  felbft1). 
2lud)  burfte  eS  iljn  mit  ©enugtfyuung  erfüllen,  bafc  baSjenigc 
Sürid)er  33latt,  meines  b^n  größten  Samt  gefd)lagen  ^attet 
fd)on  fed)S  SBodjen  nad)  ber  ©taatsfdjreibermat)!  öffentlid) 
erflarte:  bie  allgemeine  SKeinung  fyabe  pd)  in  ©ottfrieb 
ÄeDer  gang  gewaltig  getauft,  inbem  pe  bie  Äraft  beS  @enie$ 

')  $er  2öintertf)urer  „ganbbote"  oom  17.  2)egember  1861  bemerfte: 
„So  nrirb  alfo  ber  ©ro&e  9tot  ba&  Vergnügen,  meines  er  ftc^  oerfagen 
&u  muffen  glaubte,  nämlid)  £errn  ©taatSfc&reiber  Äeller  in  feiner  TOtte 
3u  fefjen,  nolens  volens  fdjon  in  ber  nädjften  Sifcung  genießen  muffen.- 


£eüfatne  SBenbung.  319 


in  Seredjnung  gu  gießen  üergeffen;  benn  nad)  allem,  roaS 
man  l)öre,  bürftc  au$  iljm  einer  ber  tüdjtigften  Staate 
fdjreiber  ©erben,  ben  &ÜT\ä)  je  befeffen  fyabe.  6rft  nad)- 
träglid),  in  ber  9Jtoiftfcung  be3  ©rofeen  SRateS  üon  1862, 
würbe  er  jum  groeiten  ©efretär  biefer  S3et)örbe  gctoä^It. 

Sttiemanb  beflage  bicfc  Söenbung  im  geben  be$  ©idjterS ! 
(Sie  tourbe  tljatfädjlid)  fein  £eil.  ©enn  er  befanb  ftd)  auf 
bem  näd)jten  2Bege  jur  Sernnlberung.  (gr  war  »üb,  in 
unbefdjränftefter  greiljeit  aufgeroadjfen,  ofyne  ©djuljudjt, 
ofyne  regelmäßige  Set^eit,  ofyne  einen  beftimmten  SebenS* 
beruf  geblieben. 

„(Sonnen  um  ©onnen  erftelj'n  unb  führen  bie  bltifyenben  3aljre 
2Rir  au§  ber  müßigen  $anb  ftratylenben  OangeS  tymoeg," 

flagte  er  bamals.  Sefct  mit  groeiunbtriergig  Sauren  Ienfte 
er  —  e3  war  bie  bödjfte  S^t  —  in  bie  geregelte  33aljn 
beS  Seamten  ein  unb  lernte  enblid)  an  fid)  unb  feinem 
ganjen  STljun  ben  ©egen  einer  norgefdjriebenen  ^Berufsarbeit 
lernten.  3n  biefem  ©inne  faßten  audj  feine  ftreunbe  bie 
2Bal)l  gerabeju  als  eine  moralifdje  SRettung  auf1). 


l)  «f>etnriä)  oon  Drefli  in  Berlin  fdjrieb  am  27.  ©eaember  1861 
an  @.  Äetter:  „«Run  ftnb  @ie  boä)  au§  Jeib  unb  28alb  unb  Jretyeit 
in  bie  enge  ©efd)äft§ftube  oerfefct!  3a)  fyabe  aUe  2Id)tung  oor  einer 
^Regierung,  bie  eine  ßraft  rote  bie  3tyrige  au§  bem  SRtoeau  ber  Slfltag§- 
roelt  empordienen  unb  in  bie  ifyr  gebüfyrenbe  Stellung  au  ergeben 
u>eiß.  ©ine  foid)e  #anblung  oerbürgt  neben  ber  SBeroäfjrung  eines 
großen  (Sinnes  jene  (Sigenfd)aft  geroanbter  $IugI)eit,  bie  im  Qppo>  . 
fttionSfaUe  gefäf)rlid)e  ^otengen  in  ba&  eigene  (Betriebe  aufzunehmen 
unb  nflfclid)  gu  befd)äfttgen  oermag.  (Sie  befifcen  aber  bie  ed)te  ©elb- 
ftänbtgfeit,  bie  jeglid)em  falfd)en  S5rucf  gehörig  begegnet."  DreUi 
forberte  fetter  aur  Slbfaffung  einer  23olf3gefä)iä)te,  ju  einer  ©djtlberung 
ber  9latur  be8  ©djroeiäerooITeS  nad)  beffen  innerer  unb  äußerer  (Sntroict» 
hing  auf. 


320  £er  Amtsantritt. 


gür  ben  ©id)ter  trifft  bie  befannte,  öon  fräftigcn  9?a* 
turcn  wie  ©oetfye  übrigens  längft  miberlegte  SStarnung  SßlatenS: 

„fteiner  gefye,  wenn  er  einen  Sorbecr  tragen  mid  baoon, 
SKorgenS  gur  ftanglei  mit  Äften,  abenbS  auf  ben  ^elifon" 

wafyrlid)  aud)  nid)t  gu.  2BaS  war  benn  in  biefen  legten  fed)S 
Sauren  freieftcr  SWufee  SßoetifdjeS  geleiftet,  ober  wenigfienS 
fertig  gebraut  worben?  ©ne  Heine  (Srjcüjlung  unb  einige 
©ebidjte.  SRidjt  ju  überfein  ift,  bafe  bie  mit  bem  SUnte 
oerbunbenen  (Sinfünfte  iljn  in  ben  Stanb  fefcten,  alte  $er* 
binblid)feiten  nad)  unb  nad)  abzutragen. 

Unzweifelhaft  ebenfo  weife  Ijanbelte  bagegen  ßeller, 
ald  er  nad)  fünfjeJ)n}äf(rigem  ©ienfte  bie  StaatSfdjreiberei 
nieberlegte  unb  bie  guten  nod)  bor  ifym  liegenben  Sa^re  auf 
bid)terifd)e  Sßrobuftion  derwanbte. 

©er  Amtsantritt  gefdjal)  am  23.  September  unter  einem 
ungfinftigen  S^idjen.  ©en  Abenb  oorljer,  einem  Sonntage 
—  fo  erjagte  Äeller  etnfi  —  war  er  in  eine  gro&e  ©efefl- 
fdjaft  nadj  bem  „Sdjwan"  am  *Dtül)lebad)  gelaben.  6r 
fanb  ba  diel  ejrtradaganteS  SBolf  oerfammelt.  ©er  grofee 
fojialiftifdje  Agitator  Sferbtnanbfiaffalle  mar  ber  @ef  eierte. 
An  feiner  Seite  erfdjien  bie  ©räpn  ^a^felb  in  roter  Sloufe 
unb  meiner  Ärinoline.  £erwegl),  ber  einige  SBodjen  fpäter 
einen  Stuf  auf  ben  ßefyrftul)!  für  £itteraturgefd)td)te  nad> 
Neapel  erhielt,  feine  $yrau  unb  fein  Sofyn,  Stein  öon  ©um* 
binnen  u.  a.  waren  amoefenb.  Dberft  Stüfiow  trug  als  ©ari« 
balbianer  ebenfalls  bie  rote  SMoufe.  Auf  bem  Sofa  lag  eine 
rufjifdje  9W)iliftin,  ber  bie  Ferren  eifrig  ben  #of  matten. 
SubmiQa  Stfftng  folltc  ben  neuen  £erm  StaatSfdjreiber  unter 
ifyre  gittidje  nehmen.  9?ad)  bem  Sljee  begann  ein  ©elage, 
baS  bis  in  ben  fyeflen  5Rorgen  hinein  bauerte,    wobei  bie 


2)er  Amtsantritt.  321 


grauen  bem  ©jampagner  nirfjt  läffig  jufpracfyen  unb  bitfe 
£at>annacigarren  raupten.  ÄeHer  füllte  ftd)  aufs  äu&erfte 
angewibert,  Derzeit  pdf)  inbeffen  ftumm.  3US  jebod)  in  öor* 
gerücfter  ©tunbe  2affaHe  feine  Äunftftüdfe  als  9J?agnettfeur 
unb  Sifdjrütfer  in  fdjaufpielerifd&er  SEBeife  gum  beften  gab, 
unb  eben  feinen  §ofuSpofuS  über  bem  Raupte  ©eorg  §er* 
wegf)S  mad)te,  um  benfelben  eingufdjläfern,  fuljr  ©ottfrieb 
ÄeHer  rofitenb  auf,  fdjrie:  „Sefct  ift'S  mir  gu  bidf,  3f)r  2um* 
peitpacf,  S^r  ©auner!"  ergriff  einen  ©tuljl  unb  brang  mit 
biefer  SEBaffc  auf  2affaHe  ein.  6ine  unbefd)retblid)e  33er» 
wirrung  entftanb.  ©ie  Stauen  brachen  in  IjeftigeS  SBeinen 
au§,  bie  TOänner  fdjimpften,  unb  ber  Unljolb  mürbe  an 
bie  frifdje  2uft  gebracht.  Um  ad)t  Ul)r  3JtorgenS  Ijätte  er 
in  ber  ßanglei  antreten  follen.  Um  je^n  Uljr  war  er  nod) 
nid)t  ba,  ber  nädjtlidje  SBorfaH  bagegen  bereits  rud)bar  ge* 
worben.  ©a  eilte  SftegierungSrat  £agenbud)  nad)  ber  SBoljtumg 
feines  @d)fifclingS,  ben  @d)läfer  gu  werfen.  Sin  emftlid^er 
SBerweiS  würbe  bem  Säumigen  nidjt  erfpart.  @S  war  ber 
erfte  unb  Iefcte,  ben  Heller  entgegenguneljmen  Ijatte.  Seit« 
bem  toar  er  bie  SßünftUdjfeit  unb  ^Pflichttreue  felbft.  ÄaffaHe 
geigte  ftd)  feljr  üerföfjnlid)1). 

©ottfrieb  ÄeHer  begog  nun  mit  SBtotter  unb  @d)roefter, 
benen  ööHig  unerwartet  bie  fo  grofee  ßljre  unb  greube  gu 
Seil  geworben,  bie  Amtswohnung  in  ber  alten  StaatSfanglei, 
bem  burd)  TOartin  Ufteri  oerljerrlidjten  „©teinfjauS" ;   unb 

*)  £)!)ne  3meifel  begießt  fl#  foIgenbeS  uubatierte  bittet  oon  gerbi- 
nanb  Öaffaßc  an  ©ottfrieb  ÄeHer  auf  ben  ersten  SSorgang:  „Sieber 
fetter!  3§re  Äarte  fyabt  erhalten  unb  fefjr  bebauert,  bajj  \6)  ni(§t  ju 
£aufe  mar,  um  3^nen  perfönlid)  ju  fagen,  bajj  niemanb  beffer  als 
ic$  roeifc:  ,2Bunberfam  ift8acd)u8' ©abe'l  unb  niemanb  alfo  bereiter 
fein  fann,  über  etwas  2Beinlaune  3m  SageSorbnung  überzugeben". 

©ottfrieb  «eHer.   II.  21 


322  <Dt$teriföe  arbeiten. 


aß  ber  £err  ©taatöfdjreibcr  jur  erftcn  ©ifcung  ins  9tatl>aus 
ging,  mufcte  bcr  bort  aufgepflanzte  2anbjägerpoften  übung& 
gemäfe  baS  ©eweljr  präfentieren.  ©in  Ijämifdjer  9?ad)bar 
fyatte  ftd)  beizeiten  eingeteilt,  ben  feierlichen  Slugenblicf  niebt 
ju  oerpaffen. 


23a8  bie  litterarifdjen  arbeiten  ©ottfrieb  tfellerS  mety 
renb  biefer  fed)$  Sa^re  betrifft,  widfelten  ftd)  einige  berfelbenr 
fo  bie  neueren  ©elbwgler  unb  bie  fpäteren  „©inngebidjt1'* 
Sßooellen  langf am,  unter  oielfadjer  Unterbrechung  ober  geit* 
weiliger  ©toefung  in  ber  Stille  ab,  ofjne  bafe  bie  Öffentlich 
feit  etwas  baoon  erfuhr,  ©ebrurft  würben  auger  beut 
„gä^nlem",  bem  prächtigen  Sluffafc  „SUn  SK^t^enftein11  unb 
ben  oerfdjiebenen  SettungSarttfeln  nur  gelegentliche  @ebid)te. 
„©in  reiferer  hjrifdjer  9tod)fommer  —  bemerfte  ÄeHer  gegen 
Gffriftian  ©d^ab  am  16.  Sluguft  1858  —  ift  mir  allerbtng* 
im  Slnjuge,  unb  id)  oerfpure  if)n  öfter,  mufe  itjn  aber  ber 
SBcr^ältniffc  wegen  immer  nod)  oor  ber  33)ür  ftefyett  [äffen. 
hoffentlich  wirb  er  bort  nid)t  erfrieren*). u  9tad)  au&en 
Ijatte  eS  überhaupt  ben  8nfd)ein,  als   ob   in   feiner  $ro* 


')  Srofc  feiner  TOitarbeiterf(^aft  an  @$at>8  SRufenaImana<$  er« 
laubte  fidt)  ÄeHer  $u  feinem  Sßriöatoergnügen  allerlei  ©d^erge  auf  ben* 
felben.  Auf  ba§  !)ödrft  einlabenbe  Sorfefcblatt  beS  3a§rgang8  1854  j.& 
trug  er  folgenbe  SSerfe  ein: 

„®inb  erft  l)unbert  3a§r'  Darüber, 
2Birb  bleS  33fi$Iein  närrifd)  bfinfen 
(Selbe,  bie  bann  an  ber  @onne 
(Stehen  unb  ba3  8eben  trinfen. 
SGBerben  fle  rooljl  33ärte  tragen, 
Unb  am  £emb  roa§  für  'nen  tfragen?" 


„<Da§  Sintern  ber  ficbcn  Sfofre^ten",  1860.  323 

buftion  eine  gro&e  Sßaufe  eingetreten  wäre,  als  ob  bie  9Rufe 
(bem  unten  abgebrudften  Sieb  entfpredjenb)  öon  bem  Staats* 
fcfyreiber  tfyatfädjlid)  2lbfd)ieb  genommen  fyatte. 

2lm  22.  ftebruar  1860  manbte  fiel)  Sertljolb  Sluerbad) 
mit  bem  SBunfdje  an  Äeßer,  biefer  möd)te  tljm  für  ben 
„SBolfSfalenber"  eine  furje  fdjweijerifdje,  womöglid)  ^eitere 
©efd)id)te  beifteuem.  ÄeHer  antwortete  mit  bem  ©riefe 
SRr.  124,  worin  er  ein  älteres  nooeKiftifdjeS  $länd)en,  baS 
er  ausführen  fönnte,  öorlegt.  ©ie  ©runblage  baju  ift  in 
SBb.  1,  246  ff.  erjagt  morben.  äuerbad)  griff  freubig  ju 
unb  fyatte  aud)  fd)on  einen  Stitel  für  bie  @Tjäf)lung  in  S3e* 
reitfdjaft.  gm  Suni  1860  war  er  im  Sejtfce  beS  Äeller* 
fdjen  ^Beitrages,  ben  er  „2)a$  gä^nlein  ber  fieben  Stuf* 
regten"  taufte  unb  nad)  SSornaljme  einiger  jfürjungen  unb 
unbebeutenber  änberungen  bem  SSolfSfalenber  auf  1861  als 
fd)önfte  Skrbe  einverleibte. 

©ie  fd)lanfe  Ijei^erfteuenbe  ©efd)id)te,  meldte  fogleid)  in 
jafylreidjen  ©djmeiierblättern  nadjgebrudft  würbe  unb  fpäter 
in  bie  „3ürid)er  SRoöeHen"  überging,  trug  ©ottfrieb  ÄeHerS 
SRamen  für  eine  SBeile  in  bie  breiteten  @d)id)ten  feiner 
£anb£leute.    ©iefe  SSerljerrlidjung  ber  einljeimifdjen  ßuftanbe 

Sd^rg.  1859: 

„2luf  ble§  }d)öne  ©Ianapapier 

fBafyliä)  muf?  man  etroaS  treiben; 

könnte  \6)  bem  33fid)erfd}rän!d)en 

(Siner  Schönen  btcfeS  ©üdjlein  einoerletben, 

©djrieb  id)  ifjrcn  tarnen  §ier. 

S)o$,  roeü  auf  bem  ©flnberbänfd&en 

3cf)  fo  ganj  allein  mujj  flfcen, 

4>clf  i$  mtr  mit  fd&le#ten  SOBtfcen: 

©treibe  SSBorte  ofyte  2BaJ)l, 

tlnb  baS  93u<§  lef'  \6)  ein  anbermal". 

21* 


324  „2)a3  Sä&nlein  ber  fteben  «ufre^ten",  1860. 

liefe  man  fid)  gefallen.  ©aS  fdjmecfte  anberS  als  ber  fpätere 
fauerlid^e  „TOarttn  ©alanber",  in  welchem  bfe  fdjarfe  8e* 
leud)tung  ber  2lu$wüd)fe  be8  öffentlichen  SebenS  manchem 
©djweigermanne,  inSbefonbere  einer  grofcen  politifcfyen  Partei, 
gu  grell  öorfam  unb  öorgufommen  fortfährt.  SBenn  bie 
fteben  Araber,  bie  Slufredjten,  am  eibgenöffifd)en  greifdjiefeen 
öor  bem  ©abentempel  fielen,  unb  bie  peben  alten  entblößten 
Äöpfe  „wie  eine  oon  ber  Sonne  befdjienene  ©Sfdjoüe  im 
bunflen  SBolfSmeere  fetymimmen,  iljre  weiften  £ärlein  in  ber 
lieblichen  Dftluft  gittern",  wenn  ber  jugenblidje  §äf)nbrid| 
jene  fdjönfte  aller  öaterlänbifcfyen  ©djüfcenfeftreben  Ijält,  bann 
fefyen  mir  nergnügt  um  unb  rufen  auS:  „ja,  prägiS  fo  ifTS!- 
©ann  fpifct  man  bie  Dfyren,  wenn  eS  lautet:  w2Bie  gierig 
unb  reid)  ift  es  gebaut,  biefeS  SBaterlanb !  3e  näfyer  man  e£ 
anfielt,  befto  reicher  ift  eS  gewoben  unb  geflochten,  fd)ön  unb 

bauerfjaft,  eine  preiSwürbige  ^anbarbeit. SBaö  wimmelt 

ba  für  öerfdjiebeneS  SBolf  im  engen  3taume!  SBeldje  Schlau* 
föpfe  unb  welche  SRonbfälber  laufen  ba  nid)t  fjerum,  welche* 
(SbelgewädjS  unb  weldf  Unfraut  blüljt  ba  luftig  burd>ein* 
anber,  unb  alles  ift  gut  unb  Ijerrlid)  unb  and  £erg  gewad)* 

fen;  benn  eS  ift  im  SBaterlanb! Unb  fdjaut  fie  an,  biete 

alten  ©ünber!  ©ämtlid)  flehen  fie  nid)t  im  ©erud)*  befon* 
berer  ^eiligfeit.  Sluf  geiftlid)e  ©inge  jinb  fte  nid)t  wol)l  ju 
fprecfyen  —  aber  fo  oft  ba£  58aterlanb  in  ©efafyr  ift,  fangen 
fie  gang  fachte  an,  an  ©ott  gu  glauben;  erft  jeber  leiS  für 
fid),  bann  immer  lauter,  bis  pdf)  einer  bem  anbern  öerrat 
unb  fie  bann  gufammen  eine  wunberlicfye  S^eologie  treiben, 
Deren  erfter  unb  eingiger  £aupifajj  lautet:  f)ilf  ©ir  felbft,  fo 

f)ilft  ©ir  ©ott! ©ann  jinb  fie  plöfcltd)  gufrieben  mit 

ben  änfangSworten  unferer  SnnbeSoerfaffung:  „3m  tarnen 


„SDer  Styotyefer  *>on  (S^amoumy."  325 


©otteS  beS  allmächtigen ^  itnb  eine  fanftmütige  ©ulbfamfeit 
befeelt  fte  bann,  fo  roiberfyaarig  fte  fonft  ftnb!" 

^rofeffor  ^Jfeufcr,  ber  9Hfindjener  SJÄebiginer,  fdjrieb 
nad)  ber  Seftüre  be£  „gäljnleinS'1  an  ben  Slutor:  „@ie  er* 
reichen  ojjne  alle  Staftrengung  3^  &kl.  Sie  brauchen  nur 
gu  gefyen." 

Sluerbad)  betrachtete  ÄeHer  fettbem  als  „ftänbigen  Satyr* 
ling"  be£  ÄalenberS.  greüidj  ^atte  aud)  er  feine  liebe  9tot 
mit  bem  Mitarbeiter;  immerhin  gelang  e£  itym  nadj  öiel- 
fasern  ©rängen  unb  entfprecfjenbem  Srummen  öon  ber 
anbern  ©eite,  1862  im  Sommer  eine  weitere  Äalenber* 
gefd)id)te,  „Sßerfdjiebene  greityeitsfämpfer",  unb  1865  ben 
„SBatyitag"  gu  erhalten1). 

£ier  tft  aud)  ber  Ort,  eine  ©idjtung  gu  berühren,  bie 
beinahe  bretfeig  Sa^re  lang  öerfdjloffen  im  Sßulte  beS  ©idjierS 
rufyte  unb  metyrfadje  Umarbeitungen  erfuhr,  beüor  fte  anö 
Sidjt  trat:  „©er  SlpotJjefer  Don  Gljamounijr".  Sie  Der* 
banft  iljren  Urfprung  bem  @rf  deinen  Don  £eine$  „Stomangett)" 
(1851)  —  roie  mir  Leiter  einmal  jagte  —  fpegieß  ber  SRomange 
,,©panifd)e  Sltriben"  auä  bem  33ud)e  ber  ßamentationen, 
tt)0  ber  £unb  SlHan  baS  §aupt  ©on  grebregoS  an  ben 
blutigen  paaren  Ijerbeifdjleppt.  ©ie  @ebid)te  be£  „SRoman* 
gero"  waren  in  gemiffem  ©utne  ©rabeSftimmen,  ba£  5Ber= 
mäd)tni$  eines  langfam  Sterbenben  unb  erregten  aUgemeinfteS 
Stuffeijen  unb  TOitgeffiljl.    ©ie  barin  Ijerrfdjenbe  romantifdje 


l)  ©er  „2Bal)ltag"  erfd&ten  gur  £älfte  fd&on  1862  in  ben  „SU- 
bern  au§  ber  $eimat  unb  Jrembe.  (Sin  üttonatöblatt  gur  Unterhaltung 
unb  Selefjrung.  Gratisbeilage  gur  ©filadj  •  StegenSberger  SBodjen- 
3ettung"  1862  9fr.  4  (aber  nur  bis  gu  ber  ©teile  ©.  290  ber  Sftodjge- 
laffenen  ©Triften,  (Snbe  beS  erften  SlbfafceS). 


326  „$er  Styottyefer  aon  @$amimmjr.M 

©eifteSroiüffir  unb  fdjeinbare  §ergloftgfett  mar  es,  meldte 
ÄeHerS  2aune  „ju  einer  ©egenübung11  reifte,  bic  £eme$ 
Sigarrerie,  nod)  meljr  aber  biejenige  feiner  -Wadjaljmer  burd) 
ä^nlidje  Sollseiten  überbieten  foHte.  SRidjt  in  einer  £eine 
feinbfeligen  SBeife;  benn  Heller  behielt  für  ben  ©idjter,  bem 
er  in  feinen  eigenen  poetifdjen  Anfängen  fo  öieleS  öerbanfte, 
nad)  wie  üor  bie  gebüfyrenbe  SSerounberung1).  6r  rooDte 
nur  fagen,  bafe  §eine  lange  nid)t  fo  fd)limm  fei,  nrie  er  ftd) 
fteQe;  im  ©runbe  genommen  fei  er  nur  „So^eitSbilettant1'. 
3fn  biefer  Stimmung  fam  i^m  eine  3*ttung§nad)rid)t 
ober  beffer  -@nte  gu  ©efidjt,  bie  ©efd)id)te  öon  einem  &po* 
tiefer,  bem  burdj  eine  eiferfüd)ttge  ©eliebte  ein  l)öd)ft  lädjer* 
lieber  Zob  ausgebaut  mürbe8),  ©er  Sorfall  fd^ien  „für  ein 
Sftequiem  poetifcfyer  SBiQfür  einen  guten  Stammen  abzugeben, 
befonberS  in  ben  Seiten,  ba  bie  alten  ©d)raarmgeifter  burd) 
bie  Suft  flirrten  oor  unb  nad)  feines  Eingang"  unb  bie 
^Berliner  biefen  am  gellen  Sage  fpufen  Heften,  ©ein  „äpotljefer 
oon  ßljamounijr"  ober  ber  „Äleine  Stomangero"  —  mie  ber 
urfprünglidje  SRebentitel  lautete  —  ftanb  fertig  öor  iljm.  Sie 
Äongeption  get)t  in  iljren  Anfängen  auf  bie  3al)re  1852—53 
gurücf. 

!)  £)b  £eine  oon  bem  ßprifer  ©ottfrieb  ÄeUer  ittotia  genommen? 
2)ie  folgenbe  ©teile  aus  einem  ©riefe  be§  SHtteraten  äertbent)  (©enfeit) 
an  Heller  oom  3af)r  1848  ift  {ebenfalls  mit  $orß$t  auftune^raen: 
„3n  $ariS  machte  idj  für  <Sie  Sßropaganba  bei  einigen  SanbSleuten, 
fonrie  id)  @ie  eines  SlbenbS  bei  £eine  öorlaS  unb  S^ret^albcn  üiel, 
gar  Diel  mit  «Ifreb  SDMjjner  biöputierte". 

3)  3n  einem  alten  8anbe  ber  „gliegenben  SHätter"  1846  jtd}t 
eine  £obe£anaeige  für  £errn  ©albuin  3ftatf)ia§  Sftangelbadjer,  ber  jty 
auS  33erfef)en  ftatt  geroöljnlidjer  Saumrootle  ©djiejjbaumrooHe  in  bie 
£>I)ren  fteefte.  8eim  Eintritt  in  fein  übersetztes  ©efdjäftSbüreau  ep 
plobierte  biefelbe  unb  riß  il)m  ben  $opf  roeg  toie  bem  Stpotfjefer  $itu$. 


„$)er  Styotyefer  »an  @tyamountjr1'.  327 

©erfelbe  füllte  ber  gweiten  Auflage  ber  „teueren  ©e* 
bid^tc",  welche  SSicrocg  auf  2Kidjaeli§  1853  oeranftaltete, 
beigegeben  werben,  fyatte  aber  bort  au§  einem  fomifdjen 
©runbe  (f.  o.  ©.  228)  nid)t  met)r  Sßlafc.  hierauf  ge* 
bad)te  ÄeHer  fein  DpuS  befonberS  ju  veröffentlichen.  £er* 
mann  £ettner  jebod)  riet  i!)m  angeftd)t§  beS  £einefd)en 
Äranfenlagerä  Don  einer  Sefanntmadjung  ab1).  ?ßad^  feines 
Sob  1856  fdjien  ber  richtige  ßeitpunft  für  bie  Sßublifation  beö 
„2tpotIjeferS"  üorfyanben  ju  fein.  ©ieSmal  befdjwor  Submilla 
ben  §reunb,  er  möge  bem  Seligen  nid)t§  juleibe  tljun. 
©a  flberbieö  im  gleiten  Saljre  eine  w§öllenfal)rt"  xmb  eine 
„Jpimmelfaljrt"  §eine§  erfd)ienen,  oerlor  ÄeQer  nun  erft 
red)t  bie  Suft,  bamit  beroorjurücfen.  1860  naljm  er  fein 
9Kanuffript,  trofcbem  er  ben  ©rudt  nid)t  meljr  als  geit* 
gemafc  erachtete  unb  fefton  früher  ben  @ntfd)lufe  gefaxt  I)atte, 
baöfelbe  gang  gu  unterbriiefen ,  aus  purer  ©elbnot  wieber 
öor,  untergog  e£  einer  S)urd)jtc^t  unb  bot  e$  Srrang 
©unefer  jum  S3erlag  an.  2tud)  biefer  winfte  ab,  unb  nun 
blieb  bie  ©id)tung  liegen.  @rft  gu  änfang  ber  adjtgiger 
Sa^re  begann  Äeller  eine  nochmalige  grünblidje  Umarbeitung 


l)  ©djon  früher  fjatte  £ettner  ba§  ©ebidjt  gelefen  unb  an  ÄeHer 
gefdjrxeben:  „8eifolgenb  btö  gfitigft  überfanbte  Sftanuffript,  ba&  mtd) 
fe^r  ergöfct  Ijat.  S)ie  ©efdjid&te  mit  bem  Styotfjefer  ift  öortreffltc^. 
Sftur  weife  id)  jrtic^t,  ob  @ie  gut  tfjun,  @$luj$  unb  Anfang  geroaltfam 
gu  trennen.  Überhaupt  ift  mir  nod)  nid)t  redjt  ber  innere  3ufammen- 
tyang  Har,  ber  gnrifdjen  ber  Sßerflflage  feines  unb  biefer  ©efd&ldjte 
ftattfinbet.  Sludj  glaube  id)  baljer,  bafj  (Sie  auSbrficfltd)  mit  einigen 
Werfen  biefen  3ufammenf)ang  fjeroorljeben  muffen,  gerner:  S)ie  (Botted« 
befefyrung  £eine§  ift  nur  für  un8  !omifcf).  gfir  uns,  bie  mir  über 
bem  2ttf)et8mu§  fteljen.  (Sie  roerben  baljer  bie  innere  Verlogenheit  unb 
SEBiUfflr  folcfjer  ßonoertiten  fefjr  plaftifö  Ijerauägeftalten  muffen,  roaS 
burd)  bie  parallele  mit  Voltaire  feijr  geförbert  roirb." 


328  „3)er  £potyeter  wn  (Sfyamoumj.' 


beS  ©anjen,  in  ber  SBeife,  bafe  er  bic  beiben  Seile,  bic  ur* 
fprfinglid)  in  einanber  öerrooben  unb  öerfdjränft  waren, 
trennte.  3n  biefer  ©eftalt  lennt  man  bie  ©idjtung  feit 
ityrem  erften  üoUftänbigen  Sföbrudf  in  ben  ©efammelien  @e* 
bieten  18831). 

Sie  ift  jur  einen  £älfte  burdjauS  fputyaft,  eine  groteSfe 
$arobie,  jur  anbern  bie  reinfte  rounberüollfte  $ßoefte. 

©er  erfte  in  ber  enbgilitgen  Raffung  ftarf  erweiterte 
Seil  erjagt  bie  ©djnurre  Don  bem  3tpot^efer  Situs  in  ßlja* 
mounijr,  einem  eifrigen  Säger,  baneben  Stebfjaber  ber  £anb* 
d)uf)l)änblerin  Sftofalore,  bie  if)m  auf  bie  ©djlidje  gefornmen, 
bafe  er  nod)  einer  jroeiten  @d)önen.  bem  lieblichen  ©ebirge* 
mäbdjen  (Slara,  fjulbigt.  93on  (Siferfud)t  erfafct,  ftridft  JRofa« 
lore  bem  Ungetreuen  eine  §al8fd)atpe,  bie  fte  mit  Sdjiefr 
baumwofle  austopft.  SituS  pflegt  ftd)  bie  warme  Sinbe 
beim  SBaibmerf  umjulegen.  @o  begibt  er  ftd)  einft  auf  bie 
©tetnbocfjagb.  Stofalore,  üon  Unruhe  unb  Sieugierbe  gc= 
trieben,  eilt  il)m  nad).  Situö,  burd)  eine  fRebelfpiegelung 
betrogen,  glaubt  auf  einer  gelfenflippe  ein  ebleö  2Bilb  ju 
fe^en:  er  brücft  fein  ©eroefyr  ab  unb  trifft  JRofalore,  bie  in 


l)  (Sin  gragment  barauS  war  oorljcr  in  Sßaul  8inbau§  »Sdorb 
unb  ©üb"  20.  33b.  aJtörafcft  1882  mitgeteilt  toorben.  ÄeHer  beabjüfr 
tigte  bamaB,  im  2lnf$lug  an  £ornung3  berüchtigte  Sifdjflopfcrfc^rrift, 
w£einrid)  £eine,  ber  Unfterblid^e",  folgenben,  auf  einem  SH&ttdpn  bei 
9ta$Iaf[e3  notierten  3ug,  ber  am  <£nbe  ber  X.  SRotnange  nur  ange» 
beutet  ift,  roeiter  auszuführen:  „£etne  bügt  aud)  babur$,  ba^erbunt 
bie  berliner  Stföflopfer  aufgeftört  unb  na$  ©erlin  aüiert  wirb,  aw  et 
bie  greulichen  Slbgefdjmacftljeiten  unb  gred$etten  ausfielen  unb  tf<4 
bie  platteften  SSBifce  in  ben  9Jhmb  legen  laffen  mujj,  fo  bafc  et  iebe* 
mal  gang  jerrieben  unb  aerfnirfd)t  in  feine  (Stetoofjnung  gurütffeljit 
—  äomif  ber  Seilnetymer,  ©enerale,  ©efjeimräte  :c,  beren  SBeiber  mrt 
Softer. " 


„5)er  Styctyefer  t>on  (5&amoum?r."  329 

ben  Slbgrunb  ftürgt.  (Sin  gunfe  entgunbet  bic  gefährliche 
3feuerfd)lange,  bie  er  um  ben  £al£  tragt,  ©ie  Äataftroplje 
erfolgt:  ber  Äopf  wirb  if)tn  abgeriffen.  3n  ber  9iad)t  muffen 
Situö  unb  3tofalore  mit  bem  Soten&olf  über  ben  Serggrat 
»anbern.  6r  fd^Ieppt  an  ber  £anb  bie  blutgetränfte  ©djärpe, 
tt>äf)renb  hinter  iljm  baS  SBeib  ben  Äopf  in  ber  ©d)ürge 
nad)trägt.  JJene  ©ara,  bie  Iängft  in  ©ram  geftorben,  büfct 
im  ©letfcfyer  beö  9Rontblanc,  bem  SteinigungSorte  ber  armen 
Seelen,  bie  Setbenfdjaft,  bie  iljr  Situs  in.  baS  fd)nlblofe 
©emfit  geftreut.  Snfofern  als  Äelter  mit  ber  nmnberlid)en 
@efd)id)te  £eine  bie  ©pifce  bieten  nriH,  läfet  jid)  gegen  bie 
6rpnbung  nichts  einwenben.  3üß*  öon  aufeerorbentlidjer 
©d)onf)eit  ftnb  eingeflodjten ,  fo  ber,  wie  bie  treu  gehegten 
Sienen  ber  armen  ©tora  auf  i!)rer  SBanberung  nad)  ber 
Süfeeraotynung  nadjfafyren  ober  bie  anmutige  Heuernte  ber 
^Murmeltiere. 

©er  groette  im  ©ruef  gefürgte  Seil  fd)ilbert  erft  baS 
ßrf deinen  unb  bie  SBirfung  beS  „9tomangero".  ©ann  folgt 
eine  SReifye  gang  fjerrlidjer  ©jenen,  £einrid)  £eine  ergebt 
ftd)  in  einer  5Kitternad)t  im  Sraume  öon  feinem  ©djmergenS* 
lager,  fd)lingt  fid)  ein  SorbeerreiS  um  ben  blaffen  ©djeitel, 
nimmt  fein  23üd)lein  „föomangero"  mit  unb  madjt  ftd)  auf, 
©ott  gu  fudjen.  (9Ran  wollte  ja  im  „Sftomangero"  etwas, 
baS  einem  reuigen  SefenntniS  gletdjfal),  finben.)  6r  betritt 
bie  ©ämmer^aQe  ber  Unfterblidjfeit,  wo  bie  großen  9Heifter 
fdjweigfam  auf*  unb  nieberwanbeln.  ,,§od)  gefyt  es  ba  gar 
ntd)t  f)tx.u  ©leid)  am  Eingänge  trifft  er  auf  feinen  alten 
©egner  $laten,  bann  auf  ©oetfye  unb  ©filier.  2lud)  5Re* 
pfyifto  ge^t  mit  im  Zeigen,  unb  §err  §einrid)  pnbet  trofc 
feiner  pifanten  ©eftnnungSweife,  —  um  eine  ber  9tanbgloffen, 


^ 


330  „$er  Styotyefer  t>on  ^amoumjr." 

weldje  bic  erfte  ©eftalt  be§  ©ebid)tS  begleiteten,  nueberju* 
geben  —  „ba&  eö  fdjon  oor  if)m  pifantere  ©efeHen  gegeben 
Ijat,  welche  mit  mefyr  Sftutje  aud)  einen  ftarfen  Sabat  raup- 
ten", ©ann  erfcfyeint  ber  tapfere  ßefftng.  ©eine  glaubt  weiter* 
fdjreitenb  bereite  ba$  gro&e  SJtyfterium  gefunben  gu  fyaben:  ba 
fteljt  plöfclidj  fein  ßrbenfeinb,  Äubwig  23örne,  Ijoljnladjenb  cor 
it)m.  SBcibe  prüften  jtd)  wie  roilbe  Äafcen  an,  aber  Sefftng 
öenoeift  fte  gur  3ftul)e  mit  ber  ©roijung,  beibe  in  baö  mit 
einer  fallen  ©djimmelbetfe  übergogene  Sintenmeer,  ba$  er 
iljnen  Don  einem  ©interpfärtdjen  aus  geigt,  gu  fdjmeifeen. 
3n  biefen  fdjroargen  Sumpf  üerfefcte  ÄeHer  in  ber  ungc* 
brudften  Raffung  einen  feiner  eigenen  2Biberfad)er,  ben  galli* 
gen,  ewig  ungufriebenen  $arl  @ujjfon>,  ber  ftd)  toieberljolt 
an  ÄeHerö  ßrftlingSwerfen  gerieben  Ijatte.  ©eine  erhält  oon 
33örne  rfitflingS  einen  @tofc,  bab  aud)  er  in  biefe  Sinten* 
nad)t  untertauche.  6r  erroadjt,  unb  bic  fjeQe  3Äorgenfonne 
fdjeint  in  feine  <Sd)lafftube  in  $ari$. 

©nblid)  aber  liegt  ber  ©id)ter,  groar  immer  nod)  n>i{jig 
läcfyelnb,  roirfltd)  im  Sterben,  unb  fein©erg  bricht  ununber* 
ruflidj.  3>n  ber  füllen  Stotenftabt  auf  bem  ÜBontmartre  ©tri) 
er  einlogiert.  3fn  ber  9tad)t  iebod)  offnen  ftd)  bie  ©räfcr 
unb  ba$  ^arifer  Sotenoolf  fteigt  au§  benfelben.  ijangenb 
umfreifen  bie  Schatten  aller  Nationen  bie  ©ruft  be$  ©id)tcre 
unb  biejenigen  unter  if)nen,  bie  niemals  ein  ©erg  gehabt 
(fonft  Ratten  {ie  e£  im  Seben  gegeigt)  flagen  ifyn  an,  ba&  er 
ba£  feine  oerleugnet  unb  geprahlt  fyabe,  SigerfraUen  gu  be* 
jtjjen.  ©eSroegen  foll  ber  grofce  ©ergöerleugner  fein  95ergef)en 
erft  Intfeen,  beoor  er  fid)  be3  ewigen  @d)laf8  erfreut,  ©ie 
metfen  ifyn  auf.  @ed)3  fdjimmernbe  ©rifetten-Sc^ultern 
tragen  bie  leid)te  ©id)terbürbe  burd)  bie  gäfte  unb  fahren 


„§er  Slpotyefer  »on  (^amoimiy."  331 


mit  ifym  bem  Sljale  oon  (Sfjamounij:  gu  unb  Don  ba  fjinauf 
gu  ben  blanfcn  @i§ginfen  be§  Montblanc,  roo  im  fnjftaQenen 
Äämmerlein  nod)  bic  arme  Glara  ftfct.  3n  biefe  anmutige 
©trafgelle  wirb  ber  tote  §err  §einrtdj  mit  bem  oerleugneten 
Ijeifcen  £ergen  falt  geftellt,  toäljrenb  bie  befreite  Glara  auf 
gum  £immel  fdjroebt. 

2Ber  unfere  2Banifer*@agen  in  ber  frönen  Sammlung 
öon  Sfdjeinen  fennt,  meif$,  bafe  nad)  bem  23olf£glauben  ber 
grofee  2lletfd)gletfd)er  baS  ^urgatorium  für  bie  &bgefd)icbenen 
iftr  bafe  gu  gewiffen  S^ten  nädjtlid)  bie  Soten  in  langen 
Sßrogefftonen  über  bie  ©öfelber  gießen.  2113  ©ottfrieb  Heller 
bie  tote  Glara  unb  feinen  £einrid)  £eine  gur  ©üfynung  in 
einen  (SiSfirn  bannte,  nm&te  er  aon  jenen  bamafö  überhaupt 
ungebrudften  S3olföfagen  nod)  nichts.  9Jlit  bid)terifd)er  ©i* 
oination  naljm  er  einen  3^9  öorroeg,  bem  er  mit  SBenoun« 
berung  jpäter  in  ber  oon  iljm  f)od)gefd)äjjten  (Sammlung 
begegnete.  9iad)träglid)  boten  ifym  freilid)  einige  biefer  Sagen 
n>iHfommene  TOottoe  für  bie  enbgiltige  ©eftalt  feinet  „2tpo* 
ti)efer$".  @o  ift  3.  39.  bie  ^Begegnung  ber  toten  Glara  mit 
bem  3^g^^irt^n  (VII)  feiner  SBaHifer  Sieblingöfage,  ber 
,,©d)önen  SHailänberin"  nacfygebilbet,  ebenfo  bie  SBanberung 
öon  Situs  unb  3tofalore  (IX)  ben  fog.  ©ratgügen  ber 
SBaQifer  Sagen. 

©ie  altere  Raffung  fd)lo&  mit  bem  unten  mitgeteilten 
Fabula  docet  unb  einer  23ert(errlid)ung  @d)illerS  burd)  ba$ 
merfmürbige  @ebid)t:    ,,©a8  grofee  ©djiflerfeft" !)- 


l)  ©ef.  SSBerfe  10,  153. 


332  3üri$. 


95»  Jto  $v*n  gittn  Jtmibrr  fit  #*rltii* 

[3ürid),  Sanuar  1856.] 

Siebe  grau  ©untfer!  ©a  id)  baS  Sud)  für  £errn  ©unrfcr 
«od)  nid^t  fertig  fyabe1),  fo  miH  td)  einftroeilen  nod)  an  ©ie 
fdjreiben  unb  ju  £anben  S^reö  werten  £aufe3  Sbnen  m 
geigen,  bafe  id)  mid)  fd)on  fett  üier  SBodjen  gu  £aufe  befmb« 
unb  meine  liebe  OTutter  unb  @d)toefter  mofyi  unb  munter 
angetroffen  fyabt. 

ßrftere  ift  fel)r  bauertjaft  unb  l)at  ftd)  in  ben  fteben  Sauren 
faft  gar  nid)t  oeränbert;  jte  mad)t  alles  felbft  unb  läßt  nie« 
manb  brein  reben;  aud)  flettert  fte  auf  alle  tfommoben  unb 
©djränfe  hinauf,  um  ©djadjteln  Jjerunteifluljolen  unb  Ofen* 
flappen  gugumad)en.  3d)  mufcte  mir  eine  ©ermette  jum 
(Sffen  förmlich  erfämpfen,  unb  ba  gab  fte  mir  enblid)  ein 
ungeheures  ßfctud)  aus  ben  neungiger  Sauren ,  Don  bem  jfc 
behauptete,  bafy  es  toemgftenS  üiergefyn  Jage  ausreichen  muffe! 
3d)  fann  es  roie  einen  Sßubermantel  um  mid)  fyerumfdjlagen 
beim  ßffen.  3Keine  ©cfymefter  ift  eine  Dortreffltd)e  $erfon 
unb  Diel  beffer  als  id).  211S  id)  eines  SLageS  wieber  melan* 
djolifd)  mar  unb  bie  OTutter  in  ber  Q^txmuxiQ  etwas  an* 
fuljr,  ot)ne  eS  gu  roijfen,  rücfte  mir  Regula  auf  baS  3tnnner 
unb  tjielt  mir  eine  fo  fdjarfe  Sßrebigt,  bafe  id)  gang  Heinlaiit 
unb  öerblüfft  mürbe8).  Seibe  Ratten  grofee  gfreube,  als  id) 
fam;  aber  id)  Ijabe  if)nen  audj  nid)t  im  minbeflen  imponiert. 

3n  ©reSben  bin  id)  ad)t  Sage  geroefen,  unb  es  ift  mir 


!)  Sie  ,,©aIatea"^oüeüen. 

2)  8ina  S)undPer  an  ©ottfr.  ßeller:  „hoffentlich  bürfen  6ic  in 
3f)rer  ÜRutter  £au§  nid)t  fo  bonnertoettern,  wie  I)ier  in  btxn  chambr* 
garnie  ber  23aut)of gaffe". 


95.   9fo  grau  8ma  ©under,  Sanuar  1866.  333 

aUba  gut  ergangen.  3d)  fafy  bort  alle  fd)recflid)en  2eute. 
äuerbad)  war  fefyr  gutljulid)  gegen  midi),  unb  id)  fal)  ifyn 
alle  Sage,  ©ufcforo  aber  Derzeit  ftd)  gemeffen  unb  biplo* 
matifd),  weil  er  mit  Sluerbad)  gefpannt  ift  unb  id)  gufaüig 
guerft  ju  biefem  gegangen  war.  ©ufcfotoS  grau,  neben  welche 
id)  bei  einem  offen  gu  flfcen  famr  ift  eine  gang  nette  unb 
liebe  granfforterin,  bie  ben  Steufel  nicf)t  ffirdjtet;  3luerbad)S 
bie  feinige  feljr  pbfd). 

3d)  fyabe  aud)  ben  ©aoifon  gefeljen  als  DtyeHo,  ben 
er  prächtig,  fonor  unb  eigentümlich  fpielte.  9XIS  3Äepl)ifto 
ftad)  er  nid)t  fonberlid)  tjeröor;  bod)  mad)te  er  etwas  fefyr 
£fibfd)e$.  2Bäf)renb  nämlid)  in  ber  £ejenfüd)e  bie  £ejre 
iljren  £ofu8pofu§  niad)t  unb  gauft  in  bem  Greife  fteljt, 
roarf  jidj  ©aoifon  als  9Äepl)ifto  in  einen  @tul)l  unb  pfiff 
eine  Heine  TOeerfafce  Ijerbei,  bie  er  auf  ben  @d)ofc  nal)m, 
auf  bem  Änie  reiten  liefe  unb  gar  anmutig  teuflifd)  mit  i^r 
fpielte,  roaS  [eJ>r  befjagltd)  auSfat).  ©eörient  fat)  id)  im 
„©las  2Baffer" ;  aud)  biefer  Ijat  eine  gang  anbre  ^erfönlid)* 
feit  unb  ein  anbereS  Drgan  als  bie  ^Berliner  ^näbdjen, 
fiiebtfe  natürlich  nid)t  ausgenommen. 

£ier  in  Qfrxlif)  gef)t  eS  mir  bis  bato  gut;  id)  fyabe  bie 
befte  ©efellfd)aft  unb  fefye  vielerlei  ßeute,  mie  fte  in  Serlin 
nid)t  fo  fyübfd)  beifammen  finb.  2fod)  eine  rljeinifdje  gfamilie 
SGBefenbonrf  ift  l)ier,  urfprünglid)  aus  ©üffelborf,  bie  aber  eine 
Seit  lang  in  9tetDt)orf  waren.  Sie  ift  eine  feljr  ljübfd)e  Sfrau, 
namens  9Jtotl)ilbe  Sucfemeier,  unb  madjen  biefe  8eute  ein 
elegantes  §auS,  bauen  audj  eine  prächtige  33iHa  in  ber 
9Mlje  ber  ©tabt.  ©iefe  Ijaben  mid)  freunblid)  aufgenommen, 
©ann   gibt   es   bei   einem   eleganten  SftegierungSrat l)  feine 

*)  Dr.  3. 3-  Sulger. 


334  3üri$. 

Soupers,  wo  9tid)arb  Sßagner,  ©emper,  ber  ba£  ©reSbner 
Sweater  unb  9Hufeum  baute,  ber  Stübinger  SSifdjer  unb 
einige  S&xi^x  gufammenfommen  unb  roo  man  morgen§ 
groei  Ut)r  nadf)  genugfament  ©djtoelgen  eine  Staffe  feigen  23jee 
unb  eine  £aöannacigarre  befommt.  SBagner  fclbft  oerafc 
reicht  guroeilen  einen  foliben  9JMttagStif d) ,  roo  tapfer  pofn- 
liert  wirb,  fo  bafe  id),  ber  id)  glaubte  aus  bcm  Serliner 
9Kateriali$muS  IjerauS  gu  fein,  oom  Stegen  in  bie  Sraufe  ge* 
fommen  bin.  Sin  btoerfen  gürcfyerifdjen  Sroedteffen  bin  id) 
aud)  fd)on  gemefen.  9Ran  fod)t  fefyr  gut  f)ier,  unb  an  JRafji* 
niertfyeiten  ift  burdjauS  fein  3Äangel,  fo  bafe  eö  i)ol)e  3«t  war, 
bafe  id)  f)eimfel)rte  um  meiner  [5Witbürgerfd)aft]  9Horal  unb 
SRäfeigung  gu  prebigen  —  —  *) 

2Bir  wohnen  parterre  in  einem  ©arten,  am  Sfufc  eines 
SergeS,  ber  öon  ©arten  unb  ©efyölgen  bebedft  ift,  fo  bafc  ber 
grü^ling  toieber  einmal  fc^r  fdjön  für  mid)  werben  wirb. 
(SS  ift  aber  aud)  3^t  bagu.  SRur  foH  eS  eine  9Renge  Spinnen 
geben,  bie  im  ©ommer  aus  bem  ©arten  in  bie  Stuben 
fommen.  Serlin  f)abe  id)  fdjon  gänglid)  oergeffen,  eigentlich 
in  ©reSben  fdjon,  maS  ftd)  enparten  liefe,  ©ennod)  jtnb 
nid)t  üble  2eute  bort,  tuentgftenS  geitmeife,  unb  id)  barfe 
S^nen  aud)  befonberS  für  alle  mir  ermiefene  greunblid)fett. 

Sfaft  Ijätte  id)  bergeffen,  meine  gro&e  ffreube  bariiber 
auggubrütfen,  bafe  jener  33ef)fe  gefangen  ftfct. 

©arf  id)  ©ie  bitten,  inliegenbes  Sriefdjen  etwa  auf  bie 
©tabtpoft  werfen  gu  laffen?  £errn  ©uncfer  werbe  id)  balb 
fdjreiben  unb  bitte  midi)  bis  bafyin  empfohlen  fein  gu  laffen. 


*)  £ier  unb  am  @d)lufj  fefjit  ein  ©tuet. 


) 


96.   «n  Hermann  £ettner,  6.  gebruar  1856.  335 

96.  31«  §trmauu  §tttntr  in  9v****it* 

3üri$,  ben  6.  gebruar  1856. 

Sieber  greunb!  3$  l)abe  3^  2tod)  feit  länger  als  Dier= 
3e^n  Sagen  unb  eS  beinahe  ju  6nbe  gelefen1);  bie  (Sjremplare 
an  Äötf)lt)  unb  23ifd)er  ^abe  id)  fofort  abgegeben,  aber  nod) 
feinen  ber  Ferren  barüber  gefprodjen;  33ifd)er  werbe  idj  fyeut 
Slbenb  fefyen  unb  Äöd)lt)  feinen  Gnnlabungen  gemäfe  näd)ftenS 
einmal  befugen,  ©a  id)  roenigftenS  meine  Sreieyemplare 
(„Seute  Don  ©elbwgla")  erhalten,  fo  fd)eincn  @ie  ja  üon 
ber  bewußten  58iel)f)ürbe  aus  nod)  fd)led)ter  beljanbelt  ju 
werben  als  id);  man  Ijatte  mir  gef cfjrieben,  es  fei  bereits 
ein  (Syentplar  an  Sie  abgegangen.  —  —  33)  will  tyeute 
§infd)reiben,  bafc  man  aud)  eines  für  Sluerbad)  in  3^ 
Sßafet  legen  folt,  welches  id)  bann  nebft  ben  gehörigen 
©rfifeen  abjugeben  bitte.  ©aS  ift  ja  ein  fd)recflid)eS  SBanbeln 
auf  biefer  via  bestia.  —  —  — 

3nt  33ud)ljanbel  ift  nod)  feine  ©pur  üon  unferen  beiben 
€>ad)en.  ©od)  mag  ftd)  ber  £err  SJieweg  nur  oorfefyen;  wenn 
er  eS  gu  arg  mad)t,  fo  foH  ifym  in  mir  ein  fo  ftadjligeS  unb 
t>eri)ängniSüofleS  Unfraut  erwad)fen,  wie  es  feit  langem 
nid)t  gefdjeljen,  unb  id)  will  feiner  Sfirma  einen  feurigen 
€StroI)wifd)  an  ben  @d)wanj  Rängen,  ber  weithin  leuchtet. 

Über  3^  S3ud)  meine  SKeinung  ju  fagen,  ift  etwas 
bebenflid),  ba  id)  midi)  faft  gänjlid)  wie  ein  2ernenber  ju 
bemfelben  üer^alten  mufc  unb  ben  ©egenftanb  ober  bie 
©egenftänbe  beSfelben  faft  gar  nid)t  fenne,  öielmefyr  aufge* 
forbert  werbe,  jie  nun  fennen  ju  lernen,  ©ennod)  wiQ  id) 
ntid)  unterfangen  unb  einige  oberflächliche  Semerfungen  jum 

J)  8itteraturgefd)id)te  beS  ad^nten  3al)rfjunbert3,  1.  Seil  1856. 


336  3üri$. 

beften  geben.  33or  ollem  mu&  id)  banfbax  bie  einfädle 
burd)fid)tige  B^^^^^äfeigfcit  in  ber  Snorbnung  unb  ben 
fdjeinbar  leisten  $lu&  unb  anmutigen  Fortgang  be£  2Berfc$ 
anrüljmen,  inbem  alles  an  feiner  rechten  ©teile  fieljt  unb 
faft  mü^eloS  feine  SBirfung  tljut,  oljne  mit  oftenftblen  $ara* 
bafen  unb  eigenfinnigen  boftrinären  ©afclabtjrinfyen  bem 
fiefer  ©ewalt  anjutljun.  Snbem  Sie  ftd)  nid)t  mit  ber  ge* 
Ijabten  SXrbcit  breitmachen  unb  nirgenbs  3ftren  SRapport  jum 
Sefer  fdjwerfällig  madjen,  gelingt  e$  Seiten  botf)  DoHftänbig, 
unö  für  eben  biefe  Arbeit  ju  intreffteren,  unb  beftimmen  un$, 
biefe  möglidjft  nadjjuleben  unb  bie  öorgefü^rten  ©egenjiänbe 
unmittelbar  fennen  ju  lernen.  Unb  bie«  ift  ein  grofeer  Gk> 
winn  unb  wirb  3^  Sßerbienft  fein,  fortan  nid)t  nur  bie 
englifdje  SReöolution£gefd)id)te  (ä  la  ©atjlmamt),  fonbera 
aud)  bie  entfpredjenbe  Äultur*  unb  2itterargefd)id)te  in  einem 
Haren  unb  bünbigen  2Öerf  als  lehrreiches  ©yentpel  unb  2)e* 
monftranbum  gewonnen  ju  tyaben.  2Bie  gutreffenb  unb  seit« 
gemäfc  bie£  ift,  jeigen  bie  einjelnen  Äapitel,  wie  baS  über 
SEolanb  :c,  unb  wenn  id)  mir  benfe,  ba&  nun  bie  franjö* 
pfdje  Abteilung  folgt,  fo  fann  id)  3I)r  fd)öne$  Unternehmen 
nidjt  anberS  als  ein  fefyr  glücflidjeS  bejeicfynen  unb  wirb 
fid)  gemife  als  foldjeö  auSweifen. 

£>en  21.  Februar. 

©a  bin  id)  lieberlid)er  SJtenfd)  gang  öon  bem  ange= 
fangenen  SSriefe  abgefommen.  Unfere  beiberfeitigen  33üdjer 
ftnb  nun  feitljer  erfdjienen,  unb  hoffentlich  fyaben  ©ie  ba£ 
meine  nun  aud).  2BaS  mid)  an  bem  3^rigen  erbaut  nnb 
erfreut  Ijat,  werbe  id)  balbigft  in  einem  Stoff  äfccfyen  ju  be- 
fd)reiben  fudjen.  2Bo  id)  baSfelbe  unterbringe,  weiß  id)  fa* 
lief)  nod)  nid)t,  wafyrfdjeinlfd)  in  einem  6t.  ©aller  Ktterarifdjen 


96.   2fo  Hermann  $ettner,  21.  gebntar  1856.  337 

Slatt,  wenn  e$  überhaupt  in  ber  Schweig  gefdjieljt;  benn  bie 
neue  OTonatfcfyrift1)  in  Süxiä)  wirb  ftd)  faum  galten  unb 
ift  in  ben  #änben  ber  boftrinaren  unb  künftigen  Sßrofefforen* 
Partei,  gu  welcher  leiber  aud)  SSifd)cr  ftd)  gcftcHt  Ijat. 
$öd)ü)  Ijat  ftd)  gleich  anfangs  üon  ber  3*üfd)rift  gurütfge* 
gogen.  3d)  will  aber  nod)  bei  ben  Ferren  anfragen,  ob  fte 
eine  größere  JRegenpon  üon  ungfinftiger  #anb  aufnehmen 
wollen.  3d)  fomtne  nur  alle  ad)t  Jage  mit  33ifd)er  gu« 
fammen  in  einem  flehten  SBtrtSljauSflübdjen:  er  ift  ein  fefyr 
ItebenSwürbiger  unb  frifdjer  5Wenfd)  als  $erfon,  Ijat  ftdE> 
aber,  wie  gefagt,  gang  gu  bem  UntDerfttätSöolf  gefd)lagen. 
©ie  23erl)ältniffe  beS  $olgte$nifumS  laffen  ftd)  fad)lt$  fefjr 
gut  an ;  eS  finb  gum  SSeginn  über  Erwarten  gafylreid)  Schiller 
eingetroffen;  allein  ber  Sßrofefforen*  unb  SteHenbefefcungS* 
fyaber  grajpert  aud)  ba  unb  übt  nidjt  bm  woljltljätigften 
©inftafc.  ©ieS  wirb  woljl  eine  Söeile  nod)  fo  fortwähren, 
biö  bie  Ferren  einfeljen,  ba&  md)ts  babei  IjerauSfommt.  ©ie 
Sdjulb  tragen  Ijauptfädjlid)  einige  feftgefeffene  S3urfd)e  ber 
llntoerfttät,  meldte  feit  Saljren  gegen  ben  energif  djen  3fte* 
gierungSpräpbenten  Gfdjer,  ber  jefct  gefunbfyeitsljalber  ab* 
getreten  ift,  murrten,  aber  nid)t  laut  gu  werben  wagten,  bie 
aber  nun,  feit  er  weg  ift,  auf  einmal  alles  nad)l)olen  wollen 
unb  fortwatjrenb  frafeljlen. 

9Jtit  3Mefd>ott  fing'S  an;  allein  fte  Ijaben  ftd)  in  ©ubS2) 
öerred)net,  unb  biefer  läfet  ftd)  ebenfowenig  auf  ber  9iafe 
tangen  als  (Sfdjer.    2Benn  eS  ftd)  um  bie  afabemifdje  %xtu 


l)  ÜKonatSförift  beS  roiffenfd&aftlid&en  Vereins  in  3ürid>  (1856 
biS  59). 

*)  2>em  9ladtfolger  Sllfreb  ©fdjerS  als  (SrgieljungSbireftor.  8ci 
ber  ^Berufung  SftolefdjottS  gabs  großen  8arnt. 

Oottfrieb  Äeücr.   li.  22 


338  3ürid>. 

Ijeü  unb  um  baS  organifdje  2Bol)l  bcr  gnftitute  Ijanbelte, 
wie  biefe  Ferren  oorgeben,  fo  wäre  id)  getmfc  auf  biefer 
Seite;  allein  es  Ijanbelt  ftd)  um  SSuöfdjliefcuug  unb  SBcr 
meibung  unbequemer,  frifdjer  unb  fonfurrierenber  Gräfte  unb 
um  eine  ftmpelfyafte  gegenteilige  ©arantie  bcr  Safultäten. 

©ie  £auptmül)ler  tjaben  nid)t  einmal  ein  lebenbigeS 
3ntreffe  für  unfere  änftalten,  fonbern  tragen  btc  9?afe  ftet^ 
nad)  ben  £ofrat3ftellen  in  ©eutfdjlanb  Eingerichtet  unb  ge* 
rieren  ftdE)  bemgemäfe.  Um  auf  33ifd)er  gurücfjufommen,  fo 
waren  beffen  ©riinbe  gegen  9JloIefd)ott,  wenn  man  ftd)  auf 
feinen  boftrinären  ©tanbpunft  fefcen  wollte,  nod)  ztrotö  plau* 
ftbel.  6r  gab  nämlid)  üor,  böfe  gu  fein  gerabe  gegen  bieten 
5Kateriali8muS,  weil  er  im  ©runbe  nur  bie  Äarifatur  feiner 
eigenen  SbentitätS^ilofopfyie  fei  unb  bieje  fompromittiere(!)( 
alfo  bie  @efd)id)te  öon  ber  oomefymen  unb  plebejifdjen  St 
mofralie.  (53  Hingt  aber  bod)  nad)  etwas.  2BaS  er  fid)  aber 
neulid)  badjte,  mag  ber  Seufel  wiffen.  ©er  (SrjieljungSrat 
fyatte  bie  gafultät  beauftragt,  ein  @utad)ten  ju  beraten,  ob 
eine  gweite  orbentlidje  ^rofeffur  für  $l)ilofopt)ie  ju  engten 
fei.  3"  e*ner  SSerfammlung,  id)  weife  nid)t,  ob  be$  afa< 
bemifdjen  Senates  ober  ber  gafultät,  bejahte  93ifd)er  al$ 
Referent  bie  Srage  unb  gwar  baljin,  bafe  bie  ©teile  glrid) 
mit  einer  gewiffen  $erfon,  einem  fyieftgen  aufcerorbentlicben 

^ärofeffor  ber  $fyüofopl)ie  ju  befefcen  fei. ©agegen 

Derwafyrte  |td)  Äöd)U),  ba  fein  33orfd)lag,  fonbern  ein  all* 
gemeines  ©utad)ten  verlangt  fei.  ©ogleid)  heftiger  unb 
grober  2öortwed)fel  gwifdjen  2Sifd)er  unb  &öd)lij.  Sifcfyer 
oerbat  fld)  ben  groben  £on  Äöd)U)S,  unb  biefer  erflärte,  er 
werbe  feine  Sprechübungen  bei  33ifd>er  nehmen;  biefer  tjält 
nämlid)  fold)e  in  einem  ÄoKeg.    ©ie   ©ifcung  mu&te  auf* 


96.   2ln  Hermann  £ettner,  21.  gebruar  1856.  339 

gehoben    werben,    unb    eine   folgenbe   nafym   ein   äfynlidjeS 

6nbe. ©od)  werben  Sie  fid)  munbern,  wie  id) 

3U  biefer  langweiligen  Älatjdjcrei  lomme?  Söeil  id)  einmal 
am  ©djreiben  bin  unb  Sie  t>ieHeid)t  bie  ^erfonen  unb  beren 
SBerljalten  intrejfieren. 

©em  Äödjlt)  werfen  bie  ^rofefforen  par  excellence 
©eröiliSmuS  gegen  bie  33el)örben  t>or,  weil  er  [\ä)  mit  ben 
©djweijern  gut  fteHt  unb  fid)  mit  ben  einaktigeren  unb 
freieren  ©efdjäftSmännern  für  bie  ©ad)e  ber  freien  Sßijfen* 
fd)aft,  unb  nidjt  für  bie  ßunft  intreffiert. 

©onft  ift  ein  fdjrecflid)  reges  Seben  l)ier.  Sllle  ©on* 
nerftag  finb  afabemifdje  SBorlefungen  ä  la  ©ingafabemie  in 
33erlin  im  größten  ©aal  ber  ©tabt,  mofyin  fid)  bie  SÖeiblein  unb 
UJlannlein  Dielljunbertweife  brängen  unb  gegen  gwei  ©tunben 
unentwegt  aushalten,  ©entper  Ijat  einen  aßerliebften  unb 
tief  finnigen  SSortrag  gehalten  über  ba$  2Sefen  be§  ©djmucfeS1). 
23ifd)er  wirb  ben  SBefdjIufe  madjen  mit  bem  „5Wacbetlj'\ 
©aneben  ftnb  eine  SOßenge  befonberer  (Sofien  ber  einzelnen 
©röfcen,  fo  bafj  man  alle  Slbenb  bie  ©ienftmäbdjen  mit  bm 
großen  33ifitenlaternen  herumlaufen  fiefyt,  um  ben  innerlid) 
erleuchteten  ©amen  aud)  äufeerlid)  fyeimjuleudjten.  Sreilid) 
munfelt  man  aud),  bafc  bie  fpröben  unb  bigotten  Sfln^erin* 
nen  in  biefen  SBorlefungen  ein  fe^r  ef)rbare$  unb  unfdjulbigeS 
9?enbeä*üou$*@9ftem  entberft  Ratten  unb  bafe  bie  ©ebanfen 
nidjt  immer  auf  ben  SSortrag  Ion3entriert  feien. 

3d)  gefye  jefct  oft  mit  SRidjarb  SBagner  um,  welcher 
jcbcnfaH^  ein  hochbegabter  9Kenfd)  ift  unb  fefyr  liebenSmfirbig. 
&uö)  ift  er  fietjer  ein  Sßoet,  beim  feine  9iibeIungen*3;rilogie 
enthält    einen   ©dja£   urft>rfinglid)er   nationaler   $oefie   im 

*)  ©ebruett  in  ber  ÜRonatöfd^rift  1, 100  ff.  (1856). 

22* 


340  3ürtc$. 

SEejrt.  3Benn  Sie  ©elegenljeit  fyaben,  fo  Iefen  @ie  bod)  bic= 
fclbe;  ©ie  werben  e$  gewife  aud)  pnben.  Slud)  ©emper  fe^c 
id):  biefer  i(t  ein  ebenfo  gelehrter  unb  tljeoretifd)  gebilbeter 
5Jtann,  al£  er  genialer  ßünftler  ift,  unb  perfönlid)  ein 
wahrer  S&)pu8  ber  einfachen  unb  gebiegenen  Äfinftlernatur. 
6r  jagte,  er  Ijabe  ben  legten  ©trid)  am  ©reSbner  SRufeura 
nod)  fertig  gemalt,  als  eben  ber  ©eneralmarfd)  gefd)lagei 
würbe,  unb  ijt  nun  befümmert,  bafe  bie  Heine  ad)tecfigc 
Äuppel  oben  bennod)  nid)t  nad)  feiner  angäbe  fertig  gemadjt 
mürbe,  ©iefe  ©reSbner  ©ruppe  l)ier  unterfdjeibet  jid)  über* 
Ijaupt  vorteilhaft  oon  ben  anbern  ©ruppen.  ^peinrid)  Simon 
riecht  nad)  bem  2ewalbfd)en  Subentum,  wenigftenS  jefct,  ba 
er  in  Sura  unb  Sßolitif  nichts  ju  tljun  f)at  unb  aus  langer 
aBeile  äftljetiftert.  ©djrecflidjer  SBeife  ffinbigte  er  auf  ben 
Sommer  ©tafyr  unb  Sewalb  an.  ©iefem  $aare  ift  bod) 
auf  bem  Grbenrunb  nicfyt  ju  entfliegen! 

SReulid)  fal)  id),  befc  ©taljr  in  ber  „^ationalgeitung11 
wieberum  $lafc  genommen  Ijat  unb  über  ein  Südjlein  oon 
£elgolanb  ein  furd)tbare£  ©tütf  JRaum  gefto^len  Ijat  oon 
biefer  8e^un8r  bk  9Monate  lang  feinen  $lafc  für  ein  geuille* 
ton  fyat. 

©rfifeen  ©ie  bod)  fefyreft  ben  Auerbach  Don  mir,  unb 
Ijätte  fein  f,@d)a$fäftlein"  mit  großem  ©anfe  erhalten.  34 
warte  nur  nodf),  it)m  gu  fdjreiben,  bis  id)  weife,  ob  SSiewcg 
U)m  mein  33üd)lein  gefdjirft  l)at  ober  fd)icfen  wirb;  weil  id) 
im  9fiid)tfaHe  e§  bann  oon  fyter  aus  tfyun  unb  baju  fdjreiben 
werbe,  ©ie  eigentlichen  (Srgäljlungen  in  2luerbad)S  35ud) 
ftnb  alle  gut  unb  fyübfd),  bagegen  ba£  anbere  3Rifd)majd) 
allerbingS  fefjr  trioial  unb  abgebrofdjen.  3d)  weife  nidjt, 
wa§  er  bantit  will.  3Benn  er  eS  fjunbert  @efd)id)ten  neimt 


96.   Sn  ^ermann  $tttner,  21.  gtbiuar  1856.  341 

\o  ift  baS  eine  fd)led]te  SBejeidjnung,  benn  e§  jinb  ja  reine 
HpIjoriSmen;  Euittbert  gute  &tief boten  fmb  eben  nidjt  auf 
ber  Straße  gefunben :  ba§  foftet  Sürje,  wie  bei  alte  JE  od)  ju 
Storn  fagte. 

Sdrretben  Sie  mir  aud),  mag  Sie  aufrichtig  an  meinem 
Sudje  aufijufefcen  tjaben!  &n  bem  Sangen  Fiatte  id)  an= 
fänglid}  aud)  nmS  auäjufe^en;  nämlid)  id)  mar  ber  Snfidjt, 
bafe  ©te  bie  IjiftorifdVpolitifdjen  @inleitungen  a'u&erlid)  etmaS 
felbftänbiger  tjfirien  rjalten  foUcn,  b.  f).  roeniger  bon  Stöacaulan 
fpred)en  ic.  allein  fpäter  fanb  id),  bafe  Sie  gan$  red)t  unb 
rebltd)  gefjanbelt  Ijaben;  SUlacaulan  ju  umgeben  ober  ju  um» 
fdjreiben,  tuare  gleid)  tb,Örid)t  geroefen,  unb  eS  fjanbelte  fid)  ja 
nur  um  ein  flareS  Wefünie. 

3d)  freue  mtd)  fe^r,  baft  $rau  §ettner  wieber  munter 
geroorben  ift  unb  fid)  nidit  infi  Sorfstjcrn  jagen  lieg;  eS 
ift  aber  bod)  faft  fdjabe  barum;  benn  fte  mar  in  i^rer 
STrauer  fo  KebenSrnfirbig  unb  naitt,  bafj  id)  mid)  ijemifj  in 
fte  uertiebt  Efätte,  menn  mein  £erj  nid)t  fdjon  in  SBefdjIag 
genommen  gemefen  märe.  3d)  (äffe  baS  6Iifa6etr)d)en  feier- 
lid)[t  grüben,  ben  gelir  unb  ben  ©Örgeletn. 

3d)  amüfiere  midj  immer  Dortreffiid)  über  ©ufcforos 
,,3Bat)rneb,miwgeii''  am  jju&e  feines  „§äu8lidjen  £erbeä", 
meldjeä  immer  avis  au  lecteur  finb.  3d)  glaube,  neultd) 
Ijat  er  aud)  auf  Suerbad)  einen  $feil  abgefdjoffen,  al«  er 
fagte:  „greunb,  beine  §armIofigfeit  ift  nidvt  URa&U,  mie  bu 
fdjlauermeife  glaubft,  fonbern  bu  bift  roirfiid)  fo  (jarmloä, 
aU  bu  ju  fein  oorgibft"  k.  ;c.  ©a  planen  bie  „©elfter" 
auf  einanber.  ©er  r>erflud)te  äuerbad)  f>at  aber  aud)  gar 
feine  SRäfon,  bafe  er  immer  mieber  ©rartten  madjt;  bem 
Ijnt'S  einmal  bie  39ird)pfetffer  angetan! 


342  3üri*. 

©od)  jejjo  will  id)  enblid)  cnbcn.  3$  grüge  Sic  mit 
ben  Sfyrigen  taufenbmal  unb  oerbleibe 

3fer 

©ottfrieb  tfeller. 

©^reiben  ©ie  mir  aud)  ein  bi&djen  balb! 

97*   Jln  jfriw  Cttta  3>iro<tter  itt  gtrrlitt. 

Siebe  Sfrau  ©unefer!  ©a  ©ie  unb  3föt  Heber  £err  3Jtonn 
fo  Ijuman  ftnb,  mittelft  eines  freunblicfyen  Äonöerfatton£*S3riefe$ 
auf  ben  Sufd)  ju  flopfen  Don  wegen  be$  ÜHanuffripteS 
ftatt  mit  einer  troefenen  @efd)äft§epiftel,  fo  will  id)  aud)  jo 
Ijöflid)  fein  unb  gleid)  etwas  antworten  gur  93erul)igung. 
3d)  fyabe  baS  33ud)  jurücfljalten  unb  in  feinem  SebenSlauf 
oerljinbern  muffen,  weil  §err  SBieweg  ein  anbreS  33ud),  welches 
er  fd)on  im  Oftober  bequem  Ijätte  herausgeben  fönnen,  erjt 
jefct  öerfenbet  fjat.  (Ss  mürbe  aber  nachteilig  für  betbe 
33üd)er  fein,  wenn  fte  gleidjjeitig  erfd)ienen  unb  einanber  ben 
5Wartt  öerbürben.  Slud)  fann  id)  ntd)t  jugeben,  bafe  mir 
burd)  bie  SßiHfiir  eines  33erlegerS  bie  natürliche  Solgen* 
reilje  meiner  Sßrobufte  aufgehoben  wirb,  fo  baß  baS  fpätere  am 
Gmbe  früher  erfdjeint,  als  baS  früher  gefd)riebene;  benn  id) 
bin  ein  Sluftor,  bei  bem  eS  jid)  aufeer  bem  Honorar  aud) 
nod)  um  eine  gefefcmäfeige  orbentlidje  (Sntwidflung  Ijanbelt, 
wo  baS  le^te  DpuS  immer  baS  befte  unb  ein  f$fortfd)ritt  er* 
fenntlid)  fein  foll.  ©aS  SBiemegfdje  33ud)  war  fdjon  fertig 
gebrueft,  als  id)  SSerlin  öerliefe;  id)  glaubte  erft,  er  liefee  e* 
auö  SoSfyeit  liegen,  aber  id)  fyöre,  bafe  er  es  anbern  aud)  jo 
madjte  —  —  — .  3n  biefer  33ejiel)ung  entarte  id)  mm 
Syrern  §irmd)en   eine  mol)ltl)ätige  Stnberung    unb   bafc  id) 


97.   9ln  grau  Sma  Wunder,  6.  ÜWärj  1856.  343 


bort  ju  ©lud  uttb  Slnfefyen  gelange,  ©obalb  jenes  Sud) 
orbentlid)  befprodjen  uttb  befannt  ift,  will  id)  £errtt  ©untfer 
baS  feinige  fenben. 

3d)  wünfcfye  ifym  inbeffen  Diel  ©lüdf  ju  £erm  Sern* 
fteinö  famofer  (Srftnbung1).  3d)  begreife  jefct,  warum  bie 
SRaturarttfel  in  ber  „SolfSjeitung",  bie  td)  in  S&xxd)  ein* 
gefdjleppt  fyabe,  feit  einiger  Seit  fo  feiten  werben,  ba  foldje 
eleftrifcfye  ©inge  bie  2ltmofpI)äre  fdjmängern.  3>d)  wfinfdje 
audt),  bafe  e£  nid)t  bantit  gefyt,  rote  mit  jenem  Sßaar  neuer 
©tiefein,  weldje  ein  franjöfifdjer  Sauer  für  feinen  Sofyn  in 
ber  Ärim  an  ben  Stelegrapfyenbrafyt  Ijing  unb,  als  ein  Sanb* 
ftreidjer  fte  herunter  naljm  unb  fein  gerfefcteS  ©djuljwerf  an 
bie  ©teile  ^ing,  fagte:  „@el)t,  unfer  ©oljn  fyat  fdjon  bie  alten 
retour  gefdjidft,  bafc  man  fte  beföhle!"  3d)  meinerfeitö  Ijabe 
injmifdjen  fdjon  meine  $läne  auf  S^r  Vermögen  unb  SetriebS* 
fapital  oerljältniSmäfjig  erwettert  unb  werbe,  je  nadjbem  gute 
9?ad)rtd)ten  einlaufen,  fte  nod)  mel)r  erweitern. 

2Ba£  Syrern  SfaSftdjt  fte^enbe  §rül)ling$einfamfeit  be* 
trifft,  fo  fann  id)  fein  red)te£  9JHtleib  mit  Sljnen  fyaben; 
©ie  wollen  aud)  gar  alles  miteinanber  genießen:  im  £erbft 
Äaoalfaben  mit  Äaöalieren  unb  ©d)eibenfd)iefeen,  Sagb  unb 
©peftafel,  im  2Binter  ©djaufpiel,  Säue  im  DpernljauS  unb 
alten  möglichen  ©alonfrempel,  im  Sommer  Steifen  burdf)  bie 
2öelt   mit  breitem  §ut  unb  intereffantem  Äoftüm  unb  im 


>)  8ina  ©uncfer  an  ©.  tfefler,  29.  gebr.  1856:  „2ln  unferm  £ünmel 
ift  eine  eleftrifdje  (Sonne  aufgegangen ;  oorläufig  leuchtet  fle  groar  blaß 
unb  erwärmt  nodj)  nid&t  . . .  £r.  33ernftein  fyat  neulich  eine  (Srftnbung 
gemalt,  auf  einem  eleftrifd)en  S)raf)t  gleichzeitig  jroei  £)epefd)en  gu  be- 
förbern,  unb  grana  beteiligt  fi$  an  ben  Soften  unb  Erträgen  biefer 
(Srftnbung.  $>ie  beiben  Ferren  finb  geblenbet  oon  bem  fontmenben 
©lang  unb  ©olb  unfercr  Käufer" 


344  3ürid>. 

3friU)ling,  ftelje  ba!  ein  aufgefrifd)te§  SbgUdjen  mit  bem  guten 
3fränjd)en  hinter  bem  £au$  im  ©arteten!  @i,  ei!  2Bemt  e§ 
3fönen  ernftljaft  gu  9Kut  ift  mit  Syrern  Ijübfdjen  £ergen$»efen, 
fo  mag  e$  fyingeljen;  allein  id)  glaube  nid)t  me^r  an  alle 
btefeS,  unb  meine  f äuttltdje  grömmigfeit  unb  9ted)tgläubig* 
feit  im  fünfte  ber  grauen  ift  auf  ben  Äopf  geftellt,  unb 
id)  fann  eingig  nur  nod)  iljre  roirflict)  guten  Dualitäten  al$ 
Mütter  gugeben ;  unb  baran  ftnb  fte  aud)  nid)t  fd)ulb,  fonbcni 
bie  allgemeine  SKutter  9?atur.  3d)  fyabt  guötel  fd)led)ten 
§oljn  unb  abgefdjmacfte  #änfelei  bei  ben  nobelften  grrauen^ 
leuten  fefyen  muffen,  als  bafe  id)  nod)  Diel  auf  iljre  ©mpfin* 
bungen  gäbe.  2Ber  einer  tiefen  unb  ernften  ßmpfinbung 
fällig  ift,  ber  madjt  nur  gute  Späfee  unb  feine  fdjled)ten. 
©od)  »erben  Sic  mir  nid)t  gram  um  biefer  allgemeinen  8e* 
merfungen  millen !  Sie  fallen  mir  foeben  in  bie  fjeber,  oermöge 
meiner  fd)led)ten  menfd)lid)en  Sftatur,  bie  nid)t  bei  ber  Stange 
bleiben  fann,  fonbern  immer  nad)  jener  Seite  I)in  ausreifet, 
mo  fte  ber  eigene  Sdjulj  brücft.  3d)  laffe,  um  ben  ärger  gut 
gu  machen,  Sljre  guten  Äinberdjen  um  fo  l)erglid)er  grüßen; 
an  Mitteln  gur  SBefdjreibung  beffen,  ber  fte  grii&en  läfet,  fef)U 
eö  3^nen  ja  nid)t,  ba  id)  bie  (Sljre  Ijabe,  mid)  Don  3$nen 
bargeftellt  gu  feljen.  SBenn  id)  übrigens  je  oerneljme,  ba&  Sie 
mid)  ju  arg  farifiert  Ijaben,  fo  werbe  id)  gur  3tad)e  eine  eigene 
lädjerlidje  -KoöeHe  fdjretben  mit  bem  Xitel  „S)ie  böfe  Sine" 
unb  felbige  in  ben  SBerlag  3l)re§  eigenen  SKanneS  eutfdjmug* 
geln.  @£  foll  bann  eine  Slrt  Struroroelpeter  für  bie  grofjen 
Äinber  in  feibenen  Kleibern  fein. 

übrigens  ftanb  Fräulein  *  *  nid)t,  fonbern  fafe  auf 
einem  Stuhle,  al£  id)  jenen  Änopf  ober  fleinen  Äompas 
fudf)te;  unb  als  fte  fo  t)ulbooll  mar,  mir  iljn  gu  geben,  trotte 


97.   tCn  grau  Sina  Wunder,  6.  «Marg  1856.  345 

id)  ba3  ©ing  md)t  ifyr  aus  ber  £anb,  fonbcrn  nafjm  es 
verblüfft  unb  bemütig  in  (Smpfang1).  (Sine  befonbere  SRcbe 
baran  gu  fnüpfen,  war  id)  freilid)  nidjt  bcljenbe  genug, 
fyräulein  *  *  foH  aber  nid)t  jo  lang  in  Stalten  bleiben. 
SeneS  Sanb  Ijat  ja  nid)t  nötig,  bafe  e$  nod)  Diel  fd)öner 
werbe;  ba$  Ijat  bie  ©egenb  um  SSerlin  famt  ben  fieuten 
bort  meljr  nötig. 

£ier  in  Sürid)  fyat  fte  mir  aud)  einen  fd)önen  £anbel 
angerichtet,  al£  fte  oorigen  ©ommer  bie  artige  Saune  Ijatte, 
meine  SJJutter  auffudjen  ju  wollen,  ©ie  geriet  nämlid)  an 
ein  paar  alte  ftupibe  mürrifdje  fieute,  bie  mit  aller  SBelt 
im  &tx\atl  leben  unb  mit  feinem  5Rad)barn  ein  Söort  fpredjen. 
SMefe  oerleugneten  auö  ©ummljeit  ober  SBerftocftljeit  meine 
arme  9Rutter;  faum  aber  mar  bie  „@rf Meinung"  wieber  Der* 
fdjwunben,  fo  tauten  fte  auf,  ber  alte  Wann  unb  bie  alte 
fonft  ftnftcrc  grau,  unb  erhoben  einen  folgen  Särm  oon  ber 
<Sd)önl)eit  unb  $rad)t  unb  fieutfeligfeit  be8  fremben  gräuleinS, 
bafe  es  unter  allen  meinen  Sefannten  wie  ein  Sauffeuer  t)erum* 
ging,  unb  id)  fd)on  bamalS  in  ^Briefen  unb  bei  meiner  #eim* 
feljr  münblid)  eine  SReugierbe  unb  ein  Älatfdjwefen  auöju* 
fielen  fyatte,  bie  über  baS  SSofjnenlieb  hinaufgingen,  fo  bafe 
id)  mit  entfd)iebener  ©robfyeit  bajwifdjen  fahren  mufete8);  unb 


*)  Cina  £)under  a.a.O.  ,,3ä)  fyabt  ben  Auftrag,- (Sie  oon  *  *  ju 
grüßen,  obgleich  @te  ftetä  fo  unartig  unb  mfirrifd)  gegen  fte  geroefen 
pnb.  Sir  führen  juroeilen  eine  Heine  ©jene  auf,  in  ber  id)  Heller 
fpiele.  (Sie  !önnen  benfen,  wie  natürlia)  ba§  ift.  (ES  f)anbelt  fid>  um 
ein  SBijou,  ba§  ®ie  fallen  ließen  ...  *  *  r)ebt  e3  auf,  unerhört  freunb« 
ltd},  rjulbooll  oon  einem  fdjönen,  großen,  flogen  üftäbdfoen.  (Sie  präven- 
tiert eS  Sfynen,  unb  (Sie  fragen  [Äeller  laä  „trofcen"]  eS  il)r  ungeftüm 
unb  barfd)  auö  ber  £anb  unb  legen  e§  an  Drt  unb  (Stelle  ofyne  S)anf." 

*)  <S.  o.  <S.  96. 


346  3ürtc$. 

id)  fann  mir  aufrichtig  baS  £ob  geben,  bafc  id)  midj  rittcr= 
lid)  für  ba£  Sräulein  gewehrt  Ijabe,  bamit  fte  in  feinen 
falfdjen  33erbad)t  fomme.  2öie  id)  benn  überhaupt  tot  fünfte 
ber  Slrtigfeit  gegen  baSfelbe  ein  öollfommen  gutes  ©etDtffen 
fyabe  unb  felbft  am  beften  weife  r  bafe  td)  öon  jeljer  f)ößid) 
unb  refpeftabel  gegen  *  *  geftnnt  mar.  ©ie§  genfigt  mir; 
um  ben  ©djein  fümmere  id)  mid)  nidjtS.  SBJenn  @ie  £od)* 
berfelben  etwa  meinen  bemütigften  ©an!  für  iljr  geftrengeS 
©rüfeen  oermelben  wollen,  fo  fügen  Sie  bieS  Ijingu,  baB 
jene  mieberljolten  SBorroürfe  mid)  gar  ntdjt  treffen.  Nebenbei 
geftelje  id)  allerbingS  ein,  bafc  id)  ben  ©djein  fefyr  gegen  mid) 
fyaben  mochte;  allein  eö  trafen  gleid)  Don  Anfang  anr  al£  *  •'* 
Ijofye  ©eftalt  am  £origonte  33erlin3  f)erauffd)ritt,  fo  oerrüdfte 
unb  öerljeyte  unb  Derbrefjte  Umftänbe  gufammen,  unb  gutoeilen 
l)errfd)t  in  3$rent  $<w\t  felbft  ein  fo  f knurriger  £on,  baß 
id),  als  ein  arglofer  TOenfd)  an  bergleid)en  nidjt  gewöhnt, 
eben  alle  Unbefangenheit  üerlor  unb  mid)  in  ben  SRantcl 
meiner  Sugenb  füllte.  #ter  in  Qüxid)  fdjimpfc  id)  nid)t 
über  SBerlin1);  id)  fpred)e  alle  oier  2Bod)en  einmal  baoon 
unb  bann  etroaS  @ute3,  nad)  einer  alten  Jaftif,  nad)  welker 
man  benen,  mit  benen  man  gerabe  lebt,  immer  ein  gute« 
SBorbilb  oor^alten  muß.  2iud)  mürbe  id)  mid)  felbft  blamieren, 
ba  idt>  fo  lange  Saljre,  leiber  ©otteö,  bort  gemefen  bin,  jum 
©djaben  meiner  ©eele! 

3d)  ijabe  nod)  oiel  ju  leiben  gehabt  biefen  SBinter  Don 
afabemifdjen  Sßorlefungen,  bie  jejjt  in  Sürid)  feljr  grafjteren. 
günf-  bis  fed)3l)unbert  Ferren  unb  ©amen  Ijodf ten  jufamraen 

')  2.  S)untfer  an  äeUer:  „ÜKa$en  (Sie  öerltn  nidjt  gu  fdjlec&tin 
3ürid)  fonft  gef)t'§  3ürid)  fd^Ied^t,  wenn  id)  mal  fjhrtomme!  3d)f<nra 
nitfjt  }o  gut  prügeln  unb  fdjimpfen  roie  (Sie,  aber  fpotten  fann  id)  befiel.* 


97.   Sin  grau  Sina  <Dun<fer,  6.  SKarg  1856.  347 

in  bcn  grofcen  Sälen;  unb  ba  eS  mitunter  jefyr  Dortrefflidjc 
SBorträge  gab,  Diel  beffer  als  in  ber  Singafabemie  gu  Serlin, 
fo  mufcte  man  aud)  tjingeljen,  um  als  fein  SBarbar  gu  er« 
fdieinen.  £)ie  beutfdjen  $rofefforen  liegen  ftd)  Ijier  übrigens 
feljr  in  ben  paaren,  gu  allgemeinem  Srger.  —  SJteine  9Jlutter 
läfet  ftd)  Styxtn  aud)  l)öflid)ft  empfehlen.  Sie  allein  Ijat 
mid)  gar  nid)t  um  bic  33ewanbtniS  mit  jenem  fremben  burd)* 
reifenben  Sfrouenwefen  befragt,  woran  id)  meine  Pappenheimer 
erfenne.  3d)  laffe  ben  §rn.  Dr.  grefe  beftertS  grüben,  fowie 
ben  $errn  Spinnenfreffer  gabrigiuS.  33el)fe  rate  id)  nidjt, 
mir  jemals  wieber  unter  bie  Slugen  gu  fommen;  bieS  ift  fein 
„©ebrumme",  fonbern  fefyr  beutlidjer  unb  fonorer  (Smft.  @S 
wäre  il)in  beffer,  er  läge  mit  einem  9Küf)lftein  am  §alS  auf 
bem  tiefften  ©runbe  ber  Spree,  unterhalb  Moabit,  als  bafy 
er  gerabe  mit  mir  Ijat  anbinben  muffen.  6r  ift  ba  einmal 
an  ben  Unrechten  gefommen. 

§einrid)  Simon  fyat  für  ben  Sommer  fd)on  baS  tner* 
beinige  gweigefd)led)tige  Jintentier:  Stal)r*2ewalb  angefün* 
bigt.  Sie  feljen,  bafe  Sie  aud)  fommen  muffen,  um  ben 
Übeln  ßinbrucf  biefer  ^Berliner  gu  oerwifdjen  unb  unfern 
£immel  mieber  aufgufyeitern.  Sie  bürfen  fid)  fo  närrifd)  auf« 
führen,  als  Sie  wollen,  unb  alles  wirb  ftd)  gut  ausnehmen. 

Sdjon  feit  gefjn  Sagen  ift  fjier  nichts  als  blauer  §immel 
unb  warmer  Sonnenfd)ein.  3d)  laufe  alle  55benb  auf  bie 
£öljen,  rede  ben  §als  nad)  allen  SBinben  unb  fudje  Sine* 
manchen;  aber  es  tjilft  nidjts,  immer  mufe  id)  wieber  fyin* 
unter  unb  an  meinem  Sudje  fdjreiben.  Übrigens  ift  es  munber* 
coli  Ijier  unb  ein  gang  golbeneS  ßanb;  in  ben  Seuten  bagegen, 
wie  überall,  bie  leibenfdjaftlidjfte  ©elb*  unb  @ewinnfud)t: 
alles  brängt  unb  f)ängt  am  ©olbe.     ©ott  beffer'S! 


348  3üric$. 

•Kim  leben  ©ie  rool)l  unb  oergeffen  ©ie  mid)  md)t  ganj, 
fonft  oergefc  id)  Sie  auf  ber  ©teile  aud)! 

Saufenbmal  grüfeenb     %t)v  ergebenfter 
3firid>,  ben  6.  SRartii  1856.  ©ottfrieb  tfeHer. 

98«  lln  fermatm  frtttter  In  gpr**fr*tt» 

3üri*r  16.  «pril  1856. 

Sieber  greunb!  Dbgleid)  ©ie  mir  fetyon  in  %fyxem  legten 
©riefe  Don  ber  neuen  Äranfljeit  ber  grau  Lettner  fdjrieben, 
fo  war  id)  bod)  im  minbeften  nid)t  auf  31)**  ieJMg*  traurige 
Mitteilung  gefafet1).  2Benn  id)  je  eine  foldje  2age  aufrichtig 
mitgefühlt  fjabe,  fo  ift  e§  gewife  bie  3f)rige,  too  e$  ber  lieben 
guten  grau  fo  fd)limm  ergeben  foll  unb  bei  foldjer  3ugeni>. 
ällerbingS  Ijaben  ©ie  nun  einen  leibDollen  Srüljling;  fajt 
aber  mödjte  id)  blaSpljemifdjer  SBeife  behaupten,  ba$  5Rifr 
gefd)id  in  ©eftalt  be§  unDerljoljlenen  SobeS  fei  gu  biefer 
Seit  ju  beneiben  gegenüber  ber  elenben  Unjufriebenljeit  unb 
SBerfommenljeit  ber  ©emüter.  ©od)  fei  ferne  Don  mirr  beft 
id)  ©ie  jefct  mit  SBorten  beläftige!  3m  Slnblicf  ber  guten 
f)übfd)en  Äinber  mufc  fid)  Sroft  unb  Seib  auf  eine  feltfame 
SBeife  öemtifdjen  unb  befämpfen. 

(53  ift  freunbltd)  Don  Sfynw,  bafc  ©ie  meine  einfachen 
©efd)id)ten  fo  rool)l  aufnehmen  mögen8),    gür  „9tomeo  unb 

»)  Lettner  an  ileUer,  12.  Stpril  1856:  „3$  bin  jefct  in  ber  trau« 
rieften  Sage,  ©eit  atyt  2Bod)en  roanft  meine  grau  mit  unfäglidjen 
Reiben  irjrer  unrettbaren  Sluflöfung  entgegen.  Sfteine  ©timinung  $ 
tr  oftloS." 

2)  Jpettner  an  ßeller  a.  a.  ©.:  „3n  biefer  3eit  r)at  mi$  3fo* 
oortrefflia^e  2>id)tung  erhoben  unb  erquieft  in  einer  SBeife,  nrie  e§  nur 
bie  üollenberfie  (sd)önrjeit  oerntag.    Jreunb,  (Sie  r)aben  ein  flafjifd** 


98.   «Hn  ^ermann  Lettner,  16. Styril  1856.  349 

Lilie"  war  id)  am  meiften  bange  unb  Ijätte  e£  beinah  weg* 
laffen;  inbeffen  id)  mir  auf  bie  beiben  legten  ©djnurren 
n  meiften  einbilbete,  was  woljl  baran  liegt,  bafy  jte  formell 
n  fertigten  unb  reifften  finb  öon  allem  bem  wenigen, 
&8  id)  bis  jefco  guftanbe  gebracht.  Sluerbad)  ift  ja  au&er* 
bentlid)  woljlgeftnnt;  id)  will  it)m  gewife  biefer  Sage 
(reiben,  obgleid)  id),  unter  uns  gefagt,  ein  wenig  babei 
ud)eln  mufe.  2Benn  Sie  9Jtu&e  unb  Stimmung  Ijaben, 
)re  Slnjeige  gu  madjen,  fo  wäre  eö  mir  lieb,  wenn  @ie 
efelbe  in  bie  „Äölnifdje  8«tung"  traten;  aber  eilen  Sie 

nid)t! 

SKolefdjott  fyabe  id)  nod)  nid)t  gefeljen.  3d)  will  nun 
>er  fyeute  Ijingeljen,  ba  id)  burd)  3Ijre  Mitteilung  eine 
eranlaffung  t)abe,  obgleid)  eine  traurige.  3d)  fonnte  jüngft 
ber  eine  Ginlabung  nidjt  annehmen,  wo  am  britten  Drt 
agen  (au§  33em)  unb  Molefdjott  ^infamen.  £agen  tyabe 
)  inbeS  gefefyen.  Gr  ift  fefyr  munter  unb  gefallt  ftd) 
alrefflid)    in    ber  ©djmeij.     Sfrau   Äöd)h)    werben    ©ie 

©reiben  gefeljen  unb  SSriefe  oon  iljrem  SKann  empfangen 
tben. 

3d)  fomme  burd)  biefen  grüt)ling  mirflid)  feit  Dielen 
aljren  gum  erftenmal  wieber  ganj  ju  mir  felbft,  inbem 
)  auf  ben  wunberfdjönen  §ö^en  unferer  ©egenb  alle  Slbenb 
:rumftreidf)e  unb  ba§  ganj  naioe  Vergnügen  ber  Sugenbgeit 
tpftnbe.   3d)  woljne  t>or  ber  <2tabt  mitten  in  ©arten,  par» 

erf  geföaffen!  SRantentlid)  Sfyre  ,grau  Regula'  unb  3*)r  ,fftomio 
tb  Sulie'  wirb  leben,   fo  lange  bie  beutfd)e  3unge  lebt.    ©lücf  auf! 

[üdC  auf! Sluerbad)  teilt  mit  mir  ba%  (Entwürfen  über   3*)re 

Idjtung.  (Sr  fyat  geftern  eine  feljr  ausführliche  Slnjeige  an  bie  ,$lllg. 
litung'  gefdjicft,  bie  3^nen  hoffentlich)  greube  machen  nrirb." 


350  3üri$. 

terre,  fo  bafe  bie  Sieben,  2tpfelbäumd)eu  unb  Stofen  mir  bidjt 
öor  bem  genfter  unter  bie  9?afe  fproffen,  unb  in  fünf  3Ri- 
nuten  bin  id)  auf  bem  SBcrge,  ber  mit  grünen  SBiefen, 
©arten  unb  ©eljöljen  bebecft  ift.  ©abei  madje  id)  meine 
•ftoüeflen,  weld)e  ein  artiger  Heiner  ©efameron  werben  foflten, 
wenn  e$  möglid)  ift.  5£rojj  aUebem  bin  id)  aud)  me^r  traurig 
als  öergnügt. 

3>d)  gefye  Diel  mit  3tid)arb  Söagner  um,  welcher  ein 
genialer  unb  aud)  guter  SRenfd)  ift.  2Benn  ©ie  ©elegenfyeit 
finben,  feine  Nibelungen  -  Jrilogie  3U  lefen,  welche  er  für 
gfreunbe  Ijat  brucfen  laffen,  fo  tljun  fte  e£  bod).  ©ie  werben 
finben,  bafc  eine  gemaltige  ^oefte  urbeutfd),  aber  öon  antif= 
tragifdjem  ©eifte  geläutert,  barin  weljt.  8Luf  mid)  Ijat  es 
wenigftenS  biefen  Gnnbrucf  gemacht,  ©iefer  Sage  will  idj 
nad)  S^rer  Slnweifung  bie  SBefpredjung  3$rer  2itteratur* 
gefd)id)te  nad)  Äöln  fd)icfen,  nadjfjer  aber  fefyen,  aud)  in 
ber  ©djweijer  treffe  bafür  ju  wirfen. 

©rüfeen  ©ie  aud)  ben  fyilitö  §ammer  oon  mir  unb 
id)  laffc  ifym  (jerjlid)  ©lücf  wünfdjen  ju  feinem  tljeatralifdjen 
Sriumpf)1).  ©eine  JRüljrung  unb  finblidje  §reube  in  feiner 
ßeitung^erflärung  mar  fo  treufyerjig,  bafe  man  iljm  baz  um 
geheure  Vergnügen  aufrichtig  gönnen  inufete. 

SBenn  ba%  geben  ber  armen  lieben  Sfrau  £>ettner  mirflicb 
ofyne  Hoffnung  fein  fottte,  fo  münfdje  id)  nur,  ba&  Sie 
beibe  biefe  Seit  überfielen,  fo  leidjt  unb  tröftlid)  e§  möglieb 
ift;  aber  aud)  für  jebe  einzelne  ©tunbe  münfd)e  id)  £id)t 
unb  Sinberung.  ©a  überall  nur  Trennung,  ©Reiben  unb 
ßntfagen  ift,  mo  nod)  waf)re£  Seben  üorljanben,    fo  weit 

')  „2)ie  ©rüber",  Sdjaufpiel  (1855). 


99.   Sin  «ubmitta  Stjfing,  21.  Slprit  1856.  351 


man  roirflid)  nid)t,  ob  man  überhaupt  nad)  biefem  2oofe 
ftrcbcn  foll,  unb  ob  c§  nid)t  beffer  ift,  man  bleibt  Don  Dorn* 
herein  allein. 

Seben  Sie  fo  woljl   als   möglid)   unb   erfdjrecfen  Sie 
nidjt  ju  frfilj  mit  fcpmmer  9iad)rid)t  Sljren 

©.  Adler. 


99*  &n  intfmiüa  &ffkn$  in  gtvlin. 

SereljrteS  Sräulein  SubmiHa!  3d)  fyabe  unter  einem 
geroiffen  frönen  Snftegel  eine  Bufenbung  erhalten,  u)eld)e 
mid)  rooljl  nid)t  irre  geljen  läfet,  wenn  id)  mid)  mit  bem 
©anfe  an  @ie  roenbe,  jumal  id)  baburd)  eine  gute  33eran* 
laffung  finbe,  enbltd)  eine  9?ad)rid)t  öon  meiner  SBenigfeit 
3^nen  gu  oftrotjieren  unb  mid)  nad)  Syrern  Sefinben  gu  er- 
fuubigen.  Dber  üielmefyr  fefce  id)  jejjt,  bamit  bie  arme 
©eele  Stufte  ftat,  gleid)  üorauS,  bafe  @ie,  gute  Fräulein 
äfftng,  unb  3ftr  t)oc^geeI)rtcr  £err  Dnfel  ben  SSinter  beftenS 
überftanben  ftaben  unb  bereite  guter  ©tnge  in  ben  grüftling 
hinein  leben.  Slucft  ftoffe  id),  ba$  eö  ber  armen  ©oris1) 
längft  nrieber  beffer  geftt,  unb  ba$  3ftre  menfdjenfreunblicfte 
unb  treue  Pflege  bureft  SBteberfterfteHung  öftrer  ÄaffeeFrän^ 
d)en  belohnt  roorben  fei,  unb  bafe  allbereits  ftd)  nrieber  Diele 
ftübfd)e  ©inge  in  3ftren  traulieft  feinen  unb  litterarftiftori» 
fd)en  Zäunten  begeben  ftaben3).    gebenfalte  ftoffe  td),  bafe 


*)  Store,  ^Ra^elS  unb  SBarnftagenS  treue  £au§ftälterin,  bie  in- 
3tüifd)cn  geftorben  war. 

3)  Submiila  an  ©ottfrieb  heiler,  9.  üRai:  ,,9tod)  langer  ©tifle 
ftaben  mir  nun  aua)  roieber  unfere  Keinen  ©efellfäaften  angefangen, 
nad)  benen  ©ie  ftd>  fo  freunblid)  erfunbigen,  unb  benen  (Sie  leiber 


352  3üri*. 

bic  winterlichen  39efd)werben  #errn  oon  33arnl)agen$  fo  be* 
fdjeiben  als  möglich  aufgetreten  ftnb. 

2>tefe  ©inge  feierlid)  au3gefprod)en,  Ijebe  id)  nun  nod) 
Diel  feierlicher  ben  2obgefang  an  be§  freunbltdjen  unb  gute 
gen  SobgefangeS  meiner  ßrjäljlungen,  ben  @te  mir  fo  lafo* 
nifd)  gugefanbt  fyaben  in  bem  rofenroten  ©ewanbe  ber  £ara* 
burger  „galjreSgeiten"  ')•  @S  ift  bie  aUererfte  2lngetge,  bie 
mir  gu  ©eftd)t  fam,  unb  alfo,  ba  fte  üon  fold)er  #anb 
fommt,  eine  redete  SrrüfylingSfdjmalbe.  3ttöd)te  e$  mir  in 
ber  3"^nft  gelingen,  bie  ftarlen  Sobfprüdje  emigermafeen 
gu  rechtfertigen,  weldje  mir  fo  unüorfldjtig  gefpenbet  werben! 
Sie  ungehobelten  Stellen  werben  bann  aud)  tum  felbft  weg* 
bleiben,  ba  id)  oon  öornljerein  eblere  Stoffe  fyaben  werbt 
3n  ber  SBelt  biefer  6rgal)lungen  freiließ  fonnte  id)  tyrer  nicht 
gang  entbehren,  ba  jebeS  Äunftwerflein  feine  eigenen  Regeln 
Ijat;  aud)  glaube  id),  man  fielet  e§  ben  ©robljeiten  unb 
Ungezogenheiten  an,  ba&  fte  abftd)tlid)  tjingefefct  ftnb,  unb 
bie§  ift  befte  S3erteibtgung:  „merfe  man  bie  2H>ftd)t  unb  fei 
oerftimmt!"  ©teS  mad)t  mir  ba£  gröfete  SBergnügen.  ©od), 
wie  gefagt,  mit  bem  fürneljmeren  Stoffe  wirb  aud)  eine 
eljrbarlidjere  Spradje  fommen.  Snbeffen  beuge  id)  mtd)  in 
alter  ©emut  bem  SluSfprudje  jener  geiftreid)en  unbefannten 

nun  fehlen.  S)er  alte,  noä)  immer  gleitf)  lebhafte  ©eneral  oon  $fuel 
mar  öfters  bei  uns,  bann  bie  geniale  HebenSroürbige  g*au  oon  8ocf, 
bie  ehemalige  ®cf)röber«5)eürient,  beren  noa)  immer  begaubernber  3Jor» 
trag  (£d)iibertfa>r  unb  <S$umannfa>r  lieber  beroeift,  ba%  ba§  @cme 
eroig  jung  bleibt.  2Uid)  groei  artige  Softer  oon  £i§gt  feljen  toir  ju« 
roeilen,  muntre  unbefangene  granjöfinnen,  bie  l)ier  ber  Cb^ut  ba 
grau  oon  23üloto  übergeben  ftnb.  gräulein  Sfteg  [eine  greunbin  oon 
Sofjanna  Äapp]  fommt  mitunter .  . .  2)oftor  9tfng  mar  fef>r  in  8n« 
fprud)  genommen  burd)  feine  Verlobung"  u.  f.  ro. 

l)  9te3enfion  ber  „Seute-oon  @elbrot)la"  oon  8ubmiUa  felbft. 


99.   2In  Submitta  SJfflng,  21.  Olpril  1856.  353 


©ame,  welche  mir  beljufs  anmutigerer  Schreibart  eine  grau 
juertennt.  Sie  foH  mir  bod)  gleid)  nur  bie  grau  oerfdjaffen; 
rote  e§  mit  ber  Senfur  ift,  wollen  mir  bann  fdjon  feljen1). 
2Bie  geljt  es  benn  bem  £errn  Dr.  SRing  in  feiner  jefcigen 
ßenfur^nftalt?  ®enn  id)  Ijabe  in  ber  Bettung  gelefen,  ba& 
er  fid)  bepnitio  öerirrt  Ijat,  unb  mirb  alfo  jefct  DieHeidjt  fd)on 
ber  ©rlöfung  entgegenfd)mad)ten,  ba  einen  fo  fleißigen  9Jtann 
eine  ©attin  fd)redflid)  an  ber  Strbeit  beljtnbern  mufe;  ober 
er  mfifete  bann  feine  SGBerEftetle  au&er  baS  £auS  »erlegen, 
wie  ein  23üreau.  3d)  bitte  übrigens,  iljn  red)t  fefyr  Don 
mir  gu  grfifeen. 

©oeben  oerneljme  id),  ba&  meine  fdt)ledt)tc  S9emerlung 
am  ©djluffe  Don  „Stomeo  unb  Suite"  afletbrtg  Sfoftofe 
erregt2).  3d)  oerfpred)e  baljer  reumütig,  biefelbe  meggulaffen, 
wenn  je  roteber  ein  ätöbrucf  nötig  mürbe.  (Sigentlid)  mar 
e3  mefyr  eine  #erauSforberung  üon  mir,  bamit  t>ielteid)t  irgenb 


')  fcubmifla  antwortet  hierauf:  ,,©ie  in  meiner  ^Cngeige  ermähnte 
©ante  müßte  feljr  t^öric^t  fein,  3§nen  bie  grau  &u  geben,  bie  ®ie  oon 
ifjr  oerlangen.  (So  flug  wirb  fie  bod)  hoffentlich  fein,  um  au  miffen, 
bai  @ie  fid&  naä)  einer  fjrau,  bie  ®ie  fid&  nic^t  felbft  gewählt  Ijaben, 
gar  nidjt  rieten  mürben,  ba&  eine  foldje  alfo  gar  nid&t  ba$u  gebraust 
merben  fönnte,  3*)nen  bie  $lu§brüc!e  gu  [treiben,  bie  ®ie,  wie  e8 
Syrern  feltfamen  SBefen  gang  entfpridjt,  nur  mahlen,  um  abftdjtlidj  ju 

oerftitnmen 3ene  ©ante  ift  aber  barum  ftfjon  nid&t  im  ftanbe,  S^nen 

eine  grau  gu  oerftf)affen,,roeü  fie,  wie3l)r  fd&arfer  S3lict  waljrfdjeinlidj 
f#on  längft  entbecft  fyat,  gar  ntd^t  e^ftiert  unb  nur  oon  mir  erfunben 
morben  ift,  um  meinen  (ginfall  einjufleiben.  S)o<i)  wenn  man  fid)  bie 
@a$e  red^t  überlegt,  ift  eS  am  (Snbe  beffer  nod),  @ie  behalten  bie 
abfonberlid&en  SluSbrödfe,  ef)e  (Sie  fid)  fo  fdjneU  aum.  heiraten  ent- 
tälie&en.1' 

3)  3ene  „©egenparabe  gegen  bie  5ßl)ilifter",  bie  in  ber  ^weiten 
Auflage  befeitigt  würbe. 

©ettfrteb  ftetter.   II.  23 


354  3üri*. 

eine  £od)gebübete  empört  unb  gereigt  werben  mödjte,  mir 
felbft  ba&  ©egenteil  gu  beireifen. 

3>dj  genieße  jefco  feit  öieten  Sauren  gum  erftenmal 
wieber  ben  Sfrüljling.  2Bir  wohnen  gu  ebner  6rbe  im  ©arten 
uor  ber  ©tabt:  SReben  am  Senfter  nnb  foeben  blüf>enbe 
SMrn*  unb  äpfclbäumdjen  baöor,  bie  man  mit  ber  #anb 
erlangen  fann.  Später  fotl  aKeS  doQ  Stofen  fein,  ben  Dielen 
©töcfen  nad)  gu  f daliegen;  unb  weiterhin  gibt'S  nichts  als 
SBiefen  unb  am  SRanbe  ©eljölg,  hinter  welkem  man  in  ber 
©tube  ben  OTonb  aufgeben  fteljt  unb  am  9Äorgen  bie  Somit 
3n  fünf  Minuten  bin  idj  an  unb  auf  einem  grünen  Serge, 
melier  roie  ein  Sweater  Doli  ©arten,  Statten  unb  Sßofc 
nungen  ber*  3Äenfd)en  ift,  uoQ  enger  $fabe  jurifdjen  ben 
©rünigfeiten  unb  oben  mit  SBalb  befrängt,  überall  bie  l>err* 
Iid)fte  SluSftdjt  auf  bie  &lpen  unb  ben  See.  2Ber  fo  mir 
burdjreift  in  Qüxiä),  befommt  alle  ba$  gar  nid)t  gu  feljen 
unb  roeife  gar  nid)t,  welche  fofette  #errlid)feiten  unfre  ©egenb 
in  ftdj  Ijat.  2>teS  aHe§  Ijabe  id)  gleidjfam  öor  ber  S^fire 
unb  fann  jeben  äugenblidt  gefdjminb  bie  5Rafe  Ijineinftecfen 
öon  ber  arbeit  weg,  unb  id)  bin  erft  jefct  mieber  einmül 
redjt  gu  mir  felbft  gefommen.  ©abei  gel>t  mein  altes  WA* 
terd)en  ab  unb  gu  unb  mad)t  ftdf)  gu  f djaffen,  unb  id)  bin 
feljr  frolj,  ba&  idj  für  bieSmal  ungefdjlagen  baoon  fam  unb 
fte  nod)  eben  fo  rüftig  unb  betoeglidj  angetroffen  Ijabe,  wie 
idf)  fte  öor  fteben  galjren  oerlaffen.  2>erih  es  wäre  eine  große 
©djanbe  für  midt)  gewefen,  wenn  id)  fte  md)t  meljr  ange* 
troffen  Ijätte. 

©onft  ift  aud)  bie  ©efeflfdjaft  gut  in  3üri$.  3ti$arb 
SBagner  ift  ein  feljr  genialer  unb  furgweiliger  ©tarnt,  oon 
ber   beften   Silbung   unb   wirflid)   tiefftnnig.     ©ein   neue* 


99.  Sin  fcubtmtta  «ffing,  21.  SCpril  1856.  355 

Opernbud),  bie  Nibelungen  «Strilogie,  ift  eine  glut*  unb 
blütenöoDe  2)id)tung  an  ftcf)  fdjon  unb  Ijat  einen  öiel  tieferen 
©inbrudf  auf  mid)  gemacht,  als  alte  anbern  poetifdjen  Sudler, 
bie  id)  feit  langem  gelefen.  SBenn  Sie  eS  nod)  nid)t  ge» 
lefen  tjaben,  fo  laffen  Sie  eS  fid)  bod)  öon  einem  geben, 
ber  eS  Ijat! 

Stofeerbem  ift  eS  fd)recflid),  wie  eS  in  ßürid)  oon  ©e* 
lehrten  unb  Sitteraten  wimmelt;  unb  man  l)ört  faft  meljr 
l)od)beutfd) ,  franjöftfd)  unb  italienifd)  fpredjen,  als  unfer 
altes  ©djweijerbeutfd),  was  früher  gar  nidjt  fo  gewefen  ift. 
©od)  laffen  wir  uns  nidjt  unter! riegen ;  bereits  l)at  mit  ben 
erften  Frühlingstagen  baS  nationale  geftlcben  wieber  be* 
gönnen  unb  wirb  bis  jum  £erbft  fein  SBefen  treiben.  3« 
3ürid)  Ijaben  wir  oor  üierjeljn  Sagen  ein  grofeeS  altftäbtU 
fcfeeS  grü^lingSfeft  gehabt,  wo  alle  Nationen  ber  6rbe,  wilbe 
unb  jaljme,  mit  ber  Sola  SHontej,  bem  Äaifer  oon  3tufe- 
lanb,  ©oulouque1),  Neufeelanber,  ©rönlanber,  39ebuinen, 
a3afd)ibojufS,  ftirg,  was  man  fid)  benfen  fann,  in  ben  reichten 
unb  gicrlidjftcn  Äoftümen  ju  JRofc  unb  SBagen  unb  ju  fSfufe 
burd)  bie  ©trafen  jogen.  Slud)  ergreifen  meine  Ferren 
Sanbsleute,  als  ob  fte  nid)t  bereits  Qfefte  genug  Ratten,  be* 
gierig  ben  Stalafc  ber  ©fenbaljneriSffnungen,  um  gleid)  ein 
gro&eS  SolfSfeft  barauS  ju  machen,  wo  öiele  Jaufenbe  gu* 
fammenfommen.  So  ift  jüngft  eines  in  @t.  ©allen  gewefen, 
wo  alle  Arbeiter,  weldje  bie  fflaljn  gemadjt,  in  einem  unge* 
teuren  Sufeug  mit  befransten  Sßerfjeugen  unb  Sßagen  er= 
fdjienen,  fo  fgmboltfd)  unb  ausgebaut  als  ob  eS  aus  bem 

*)  gfauftin  I,  tfaifer  Don  £agtt,  1850  gefrönt.  2)iefer  ©edjfe- 
Wutengug  ift  auSffiljrlid)  befd&rieben  in  ber  „9t.  3ür<$er  3eitwng"  com 
8.  Styrii  1856. 

23  • 


356  3üri$. 

„SBMlljelm  TOeifter"  gefdjöpft  märe,  ^offterlitf)  mar  eS,  alt 
bcr  £auptrebner  begann:  ©ieS  fei  ber  Sag,  welchen  ©oft, 
bie  3ngenieurS  unb  unfer  23oIf  gemalt  ptten1).  3ßäd#en 
9Jtonat  ift  tmeber  eine  äljnlidje  @efd)id)te  in  Sund)'),  unb 
fo  geljt  es  ben  ganjen  Sommer  fyinburd),  bis  im  £erbft  ber 
@d)lufe  gemacht  wirb,  inbem  man  in  Sßnd)  etwa  Diertaufenb 
Heine  jtoölf*  bis  fünfjel)njäl)rige  Ärieger  öerfammelt  unb 
ftd)  ein  £auptt>ergnfigen  mit  iljuen  mad)t.  Überhaupt  muffen 
biefe  fleinen  Äerle  überall  babei  fein.  2Benn  bie  Sllten  ein 
fjfeft  feiern,  fo  befielt  bie  (Sljrengarbe  unb  militdrifd^e  ©d)u£ 
toeljr  wie  anberroärtS  aus  ©olbaten  fo  fyier  aus  ben  Reinen 
Änaben  mit  iljren  2Baffen,  bie  als  ©djmudf  unb  Qkv  auf* 
gefteKt  werben  unb  öorauSmarfd)ieren.  SBon  ^olijei  ift 
feine  ©pur  gu  feljen  unb  Don  Unfällen  aud)  nidjt. 

2)ie  Äeljrfeite  oon  allebem  ift,  bafe  bie  ©djtteijer  me^r 
als  je,  unb  fo  gut  nrie  überall,  nad)  ©elb  unb  ©eroinn 
jagen;  es  ift,  als  ob  fte  alle  39efd)aulid)feit  in  Jenen  öffent* 
liefen  gefttagen  fongentriert  Ijätteu,  um  nad)l)er  befto  pro* 
faifd)  ungeftörter  bem  ©emerb  unb  ©eroinn  unb  Sröbel 
nadjjuljängen. 

3d)  fefye  mit  ©d)recfen,  bafe  id)  in  ©djrift  unb  Stoff 
ins  ©djmieren  geraten  bin,  unb  roiH  mid)  bafyer  befdjämt 
jurüdfjieljen.  3d)  bin  aflgu  neugierig,  urie  es  bei  Sfonen 
geije,  als  ba§  id),  oerefyrteS  gräulem,  ©ie  nid)t  bitten  follte, 
mid)  gelegentlid),  roenn  ©ie  nidjtS  SeffereS  ju  tfyun  troffen, 
mit  ein  paar  3^1™  beehren  ju  wollen,  in  welken  nur  bie 

*)  SM  biefen  SBorten  fprad)  Sanbammanii  ^ungerbüfjler  ben 
©rufe  an  bcr  ©itterbrücfe  am  24.  Sftärg  bei  ber  Eröffnung  ber  (Sijen» 
bafjnftrecfe  2Bintertr)ur«©t.  ©allen. 

2)  Eröffnung  ber  8inie  3ürid>föoman§f)om. 


100.   2fo  «Bert^olb  2foerbad>,  3.  3uni  1856.  357 


gröbften  Umriffe  oon  3^rcm  unb  £errn  oon  SBarnljagenS 
33epnben  enthalten  wären.  3>d)  würbe  mid)  aud)  an  ben 
Jperrn  ©efyeimrat  felbft  roenben,  wenn  id)  nid)t  befürchtete, 
feine  fo  fdjon  oon  allen  Seiten  in  Slnfprud)  genommene 
SJtufce  nod)  meljr  gu  fdjmälern. 

2Ba§  mad)t  benn  bie  Äunft?  SBenn  irgenb  ein  Se* 
fannter  bei  Sfynen  öorf:prid)t,  ber  meine  ©rüfee  nid)t  öer* 
fdjmäljt,  fo  bitte  id)  feljr,  bemfelben  pe  auSjuridjten.  3$ 
I)abe  biefen  Srief  fdjon  feit  längerer  Qtit  angefangen,  aber 
mein  @d)icffal:  bie  fdjeinbare  UnE)öf üd)feit ,  Ejat  iljn  nrieber 
gurücfgeljalten. 

6o  banfe  id)  S^nen  nochmals  für  3^re  pd)  gleid)blei« 
benbe  $ulb  unb  5reunbfd)aft  gegen  mid)  unmürbigen  SEroK, 
wie  £eine  fagt,  ber  nun  ja  aud)  geftorben  ift,  ber  55rme; 
unb  id)  oerbleibe  mit  einem  wahren  Äunfttoerl  oon  oollenbeter 
£od)ad)tung  unb  Ergebenheit  3f)r 

3firid),  ben  21.  Wpxil  1856.  ©ottfr.  Äelter. 


100.  &tt  $erty*l*  &ntvbad)  in  Qvtrttu1). 

fiieber  öereljrter  £err,  greunb  unb  Sluerbad)!  2>ie 
SJanfbarlett3)  ift  eine  fo  fd)toierige  Hantierung,  bafe  id)  bis 
fyeute  baran  Ijerummorpe,  biefen  Srief  ju  ftanbe  ju  bringen, 
©ie  Ijaben  beS  ©uten  meljr  als  guoiel  an  mir  getrau,  nad)= 


')  (Sine  Stnja^l  $etter»93riefe  an  Sluerbadj)  rourben  aus  beö  lefe» 
tern  3ßad)la&  guerft  bura)  51.  SBettefljeim  in  ber  Beilage  jur  „2Ulg. 
Bettung"  SUr.  174  oom  29. 3uli  1890  abgebrutft.  S)ie  Kenntnis  ber 
originale  banfe  td)  grau  Sßina  2luerbad)  in  Berlin. 

3)  gür  ben  Sluffafe  2Iuerbaa)§  „©ottfrieb  ßetter  öon  3firiay  in 
ber  ©eilage  aur  „2(Ug.  3tg."  o.  17.  Slpril  1856. 


358  3üri«. 

bem  ©ic  mid)  fo  freunblid)  in  ©reSben  aufgenommen,  mir 
3^r  fd)öne$  Sud)  gugefanbt,  unb  efye  id)  nur  für  baSfelbe 
gebanft  Ijabe,  mein  eigenes  3Äad)werf  auf  eine  SBeife  ange* 
geigt,  wie  id)  nie  erwarten  nod)  Bedangen  burfte.  %ix 
biefc  lejjtere  ©unft  banfe  id)  Sfynen  wofjl  am  beften,  roeira 
id)  S^nen  offen  gefiele,  weld)  eine  SBirfung  fie  gemadjt 
unb  weld)  angenehmen  33orfd)ub  fie  mir  in  meiner  gefeit 
fd)aftlid)en  näd)ften  Umgebung  geleiftet  fyat.  Sin  allen  gden 
mürbe  mir  förmlid)  gratuliert;  Seute,  bie  mir  ferner  fielen, 
gogen  oor  mir  ben  #ut  ab;  überall  mürbe  id)  angehalten 
unb  befd)nard)t,  als  ob  id)  baS  große  2ooS  gewonnen  ober 
mid)  ffirglid)  öerlobt  l)ätte,  fo  ba&  id)  balb  ausgerufen  l)ätte: 
£of  ber  Seufel  ben  Sluerbad) !  3d)  fcabe,  f  cfyeinf  S,  gar  ni^ts 
getaugt,  elf  biefer  @id)meifter  mid)  in  ber  „allgemeinen*  ge- 
eist l)at! 

2)en  fdjnöben  ©d)lu&  oon  w9tomeo  unb  gulie"  würbe  id) 
fid)erlid)  jefct  ftreidjen  unb  werbe  e$  tljun,  wenn  baS  Süd)* 
lein  irgenb  wieber  einmal  abgebrudft  wirb1),  ©agegen  muß 
id)  ben  $itel  ber  gleiten  ©rjä^Iung  etwas  in  @d)ufc  nehmen5). 
GrrftenS  ift  ja  baS,  was  wir  felbft  fd)reiben,  aud)  auf  Rapier 
gebrueft  unb  gehört  oon  biefer  Seite  gur  papiernen  SBeli, 
unb  gmeitenS  ift  ja  ©Ijafefpeare,  obgleich  gebrudft,  bod)  nur 
baS  Seben  felbft  unb  feine  unlebenbige  SfteminiSgenj.  £atte 
id)  feine  Semerfung  über  bie  wirflidje  SBorfommenljeit  ber 
Slnefbote  unb  über  bie  2tl)nlid)feit  mit  bem  ©Ijafefpearcfdjen 

*)  Auerbach  nannte  ben  <Stf)luB  biefer  $Rooelle  einen  „$f)iUfter« 

*)  Sluerbadj  oerroarf  ben  Sitel  al3  burc^auS  unpaffenb:  „(Sx  oftro- 
t)tert  eine  ©timmung  unb  oerfeftt  in  jene  Sitteratenlitteratur,  bie  iriity 
oom  Seben  au3gel)t,  fonbern  oon  ber  gebrueften  Seit  unb  iljren  Er- 
innerungen, unb  bie  bod)  roo!)l  nun  überrounben  ift''. 


100.  2ln  ©ertyolb  Sluerbadj,  3.  Sunt  1856.  359 

Stoffe  gemacht,  fo  pttc  man  mid)  einer  gefud)ten  unb  bam* 
lidjen  SBieberljolung  befd)ulbigt,  wäljrenb,  jene  furge  9?otig 
DorauSgefagt,  bie  ©efd)id)te  baburd)  eine  bered)tigte  Pointe 
erhielt;  benn  biejenigen,  welche  an  „JRomeo  unb  3ulie"nid)t  ein« 
mal  gebaut  tjätten  —  unb  foldjer  ftnb  oiele,  ba  man  Ijeutgutage 
jiemlid)  gebanfenloS  lieft  —  würben  alsbann  bie  ©adje  für 
Diel  gu  frafe  unb  abenteuerlich  crflärt  Ijaben. 

91ad)bem  id)  nun  ben  ©fei  oorangefdjitft  unb  oon  mir 
felber  gefprodjen  Ijabe,  fotlte  id)  unb  mödjte  id)  oiel  Don  Syrern 
föftlidjen  „@d)a#fäftlem"  reben;  aber  id)  fürdjte,  mir  felbft 
für  meine  angufertigenbe  33ef:pred)ung  beS  SudjeS  baS  39ou= 
quet  gu  nehmen,  wenn  id)  Dörfer  barüber  f treibe,  ba  man 
gewiffe  Vergnügen  nur  einmal  genießen  fotl  unb  fte  bann 
um  fo  beffer  genie&t.  3d)  bin  burd)  meinen  erften  Stufend 
l)alt  in  3ört^  wnb  bann  burd)  bie  „  Deraff  orbierte"  Arbeit  fo 
abgegogen  worben,  ba£  id)  bis  ant)in  nod)  nidjt  bran  gefyen 
tonnte,  gumal  id)  mid)  etwas  gufammenne^men  mufc  bagu. 
©od)  fann  id)  nid^t  umljin,  wenigftenS  jefct  gu  fagen,  wie 
fefyr  mtd)  ber  tüchtige  ©toff  beS  39nd)eS  einerfeits  unb 
anbrerfeits  bie  alte  IiebeDoQe  unb  fefte  SBirtuoptat  beS 
©eelenfunbigen  gefreut  tjat,  mit  ber  biefer  Stoff  ausgeführt 
ift.  Unb  ber  alten  Sugenbfraft,  in  weldjer  bie  Ijodjpoetifdjen 
©teilen  ber  @rgäl)tungen  aufbüken,  ftel)t  aud)  bie  alte  eljren* 
unb  DertrauenSfefte  freijtnnige  @prad)c  gur  Seite,  mit  weldjer 
baS  ©ange  bem  beutfeljen  SBolfe  geboten  wirb,  als  ob  feine 
Saljre  ber  (Snttäufdjung  unb  beS  (SlenbS  gwifd)en  bajumal 
unb  jefct  lägen,  unb  als  ob  nid)t  jeber  ©elbfdjnabel  glaubte, 
jefco  in  einem  näfelnben  unb  pefftmiftifdjen  ober  gar  blajtert 
mitleibigen  Son  Dom  unb  gum  SBolf  fpred)en  gu  muffen. 
Slber  Sie  gehören  gu  benen,  bie  mol)l  wiffen,  bafe  man  fyeut* 


360  3üri*. 

gutage  nur  nod)  Dom  SBolfe  fagen  fann,  ma$  fonft  üon  ben 
frangöfifdjen  Äönigen  unb  maä  SlnaftaftuS  ©rün  fo  fyübfd) 
überfefct  i)at:    „2>ie  föofe  ift  tot,  eS  lebe  bic  Stufe!" 

gntpfc^lcn  Sie  midi)  Sfyrer  grau  ©emat)Iin  unb  ben 
Ferren  beS  gemütlidjen  ÄaffeefrangdjenS,  unb  grüben  Sic  mir 
ben  armften  Seltner,  ber  feine  grau  nerloren!  ©a§  Rapier 
geljt  gu  @nbe,  unb  id)  will  mid)  3ljnen  felbft  mit  ber 
©roijung  empfehlen,  ba&  id)  balb  beS  weiteren  etwas  mit 
Sljnen  gu  plaubern  mir  erlauben  werbe. 
SeftenS  grüfeenb  Sför  ergebender 

3firi$,  ben  3.  Sunt  1856.  @.  fetter. 


101.  &u  gttfritttJla  Jlfltaö  in  $trli*. 

3firid),  ben  12.  «uguft  1856. 
#odjt>erel)rte$  gräulein !  Sie  ftnb  jefet  gewifc  in  Serlin 
angefommen.  SBenn  @ie  nur  nid^t  fdjon  wieber  ausgeflogen 
finb,  etwa  nad)  Hamburg  ober  ber  @nben.  3d)  Ijabe  oor 
allem  aus  eine  hoppelte  Aufgabe  für  biefen  Srief,  erften$ 
nodjmalS  Sfynen  unb  3ljrem  uereljrten  £errn  Onfel  bie 
greube  auSgubrüdf en ,  welche  id)  empfanb,  @ie  beibe  fo  um 
erwartet  in  ßürid)  gu  feljen  unb  mit  3ljnen  gu  üerfeljren, 
unb  gweitenö  meine  bitterliche  9teue,  Sie  am  legten  ftbenb 
t>on  9Jlolefd)ottö  nid)t  nad)  bem  ©aft^of  begleitet  gu  tyaben. 
3d)  badjte  gar  nid)t  baran,  bafy  in  jener  ©egenb  feine 
@tra&enbeleud)tung  ift  bis  bato,  unb  erfcfyraf,  als  ba§ 
©ienftmäbdjen  ^erauffam  unb  ^Begleitung  requirierte,  ©er 
jüngere  9Jtolefd)ott  wollte  Rd)  biefelbe  aber  nidjt  entgiefyen 
laffen,  unb  fo  blieb  id)  gemütlid)  itnoerfd)ämt  ftfcen.    Übrigens 


101.   Bit  SubmiKo  Slffing,  12.  Sluguft  1856.  361 

ljaben  ©ie  hoffentlich  3^rc  Steife  nod)  gu  aflbejügltcfyer  3"s 
friebenljeit  bcenbigt.  3n  berßeitung  ftanb,  Sic  waren  aud) 
in  Sujern  gewefen,  was  barauf  Ijmjubeuten  fd)ien,  bafc  ber 
gute  £err  ©efyeimrat  fein  Softem  ber  Überrafdjungen  nod) 
ein»  ober  mehrmals  f  ortf  efcte  *)?  2)ie  Sllpen  fyaben  wir  feit* 
Ijer  in  Söndj  nid)t  meljr  gefeiten,  als  bis  biefe  legten  brei 
Sage;  jefct  fmb  fie  aber  wie  ÄrtjftaQ.  £>ie  ©tafyrS  ftnb 
nun  aud)  fdjon  feit  geraumer  3^t  in  &üxiä)  unb  fd)einen 
ftd)  wofyl  ju  gefallen,  ©er  gannq  gu  @E)ren  werben  oon 
ifyren  ^reunben  auSbrücflidje  „^errengefeHfcfyaften"  gelaben, 
mit  Sßifdjer,  28i$licenu$ ,  5Mefd)ott  unb  allem  5ftöglid)en, 
unb  wo  ftd)  bie  $au3frau  befd)eiben  gurücfjieEjt.  (Segen 
mid)  jtnb  fte  merlwflrbiger  SBeife  au&erorbentlid)  freunbiid). 
Süngft  Ijabe  id)  in  ber  „allgemeinen  2lug£bitrger  QtU 

')  2tornl)agen  unb  SubmiUa  waren  im  3uli  in  3ürid)  gemefen. 
®ie  föreibt  am  15. 5lug.  1856:  „2Bte  gern  mö$te  id)  bie  SUpen  in  tyrer 
iefcigeu$rad)tfel)en!  3&rid)  ift  bod)  bießrone  unferer  Steife  geblieben; 
id&  fefje  e§  nod)  immer  oor  mir,  roie  e§  roie  (Sin  fd)öne8  Stofenbouquet 
an  feinem  jauberifdjen  @ee  liegt;  id)  felje  bie  grüne  8immat,  unb  fogar 
bie  gelbgraue  @it)l  mit  ifyrem  amüfant  roütenben  ©efid)t,  bie  bod)  fo 
gutmütig  ben  Seuten  i§r  £0(3  trägt,  l)abe  id)  nid^t  öergeffen.  2Ba§ 
SRofen  fein  fönnen,  Ijaben  mir  erft  in  3örid)  fennen  gelernt:  bie  fjiefi» 
gen  famen  mir  nadj  unferer  SRücffeljr  alle  fo  bleich  unb  elenb  oor, 
al§  roenn  fie  öor  ©el)nfud)t,  in  3ürid)  $u  roadjfen,  franf  mären. 
S)a&  mir  in  Sujem  geroefen,  mar  eine  falfdje  ßeitungänadjrtdjt"  .  .  . 
„Bettina  —  fo  berietet  Submifla  roeiter  —  fommt  beinahe  täglich, 
unb  menn  fie  aud)  ntd)t  mefyr  roie  ehemals  ift,  fo  f)at  fie  fiä)  bod) 
jiemlid^  roieber  erholt.  *Reulta)  mar  oon  SUtroerben  bie  Siebe,  ba 
Ijatte  e8  etroaS  roafyrljaft  2ftärd)enf)afte§,  roie  fte  ba  fa&  in  i^ren  f$nee« 
weißen  paaren  unb  munter  lad)enb  ausrief:  ,$)a§  roei&  id)  geroijj, 
id)  roerbe  jung  fterben!  3a)  fterbe  jung,  ia)  roeife  e§!4  —  3ft  Settina, 
baS  ßtnb,  nur  al§  alte  grau  öerf  leibet,  mödjte  man  ba  fragen,  unb 
wirb  fie  t)ielleta)t  plöfcliä)  fola)e  Sermummung  abroerfen  unb  al3  junger 
©eniuö  etnfjertangen?" 


362  3ürid>. 

tung"  einen  mcrlmürbigen  ©rief  über  bie  SRiftori  gelefen 
oon  einer  berliner  2)ame  @.  o.  8.,  weld)e§  gemiß  bit  $etfr 
nifc^e  ©tfela  ift.  63  mar  inbeffen  fe^r  Diel  Überrafdjenbe» 
unb  9leue3  in  bem  2luffa{j,  abgefefyen  t>on  ber  etweldjen 
überfdjwenglidjen  Sorm,  welkes  übrigens  in  biefer  blajterten 
Seit  e^er  eine  ßiebenemürbigfeit  ift1).  Soeben  faßt  mir 
jene  Äoffaffdje  SRejenfton8)  ein,  weldje  ©ie  mir  nod)  Ijenwr* 
fudjen  unb  jufenben  wollten.  2Benn  eö  nod)  möglid)  ift 
fo  ttyun  ©ie  es  bod)  gütigft;  benn  biefe  eine  ungelegene  3te 
genfton  quält  mid)  fo  feljr  wie  jene  eine  ungenoffene  Surft 
in  $rufcen§  „$olitifd)er  2Bod)enftube" . 

SJieine  9iooeltd)en,  bie  bm  Sitel  „©alatee11  führen, 
werben  feine  ungehobelten  äuöbrücfe  meljr  bringen,  baffir 
aber  fonft  jiemlid)  unnüfc  fein. 

2lud)  werbe  id)  nädjftenö  fonft  als  ein  gro&er  @ünber 
oor  S^neu  erfdjeinen.  3d)  Ijatte  namlid)  fdjon  beim  &* 
fd)einen  be$  „JRomanjero"  ein  trod)äifd)eS  ®ebid)t  ange* 
fangen  gegen  bie  litterarifd)*:poetifd)e  SBitlfür  feines  nnb 
feiner  formellen  -Radjbeter,  Ijatte  bie  ©adje  aber  liegen  Iajfen. 
©a  aber  aud)  nad)  feinem  Sobe  jene  SCBeife  fortgefefct  ©tri), 
welche  burdjauS  nur  (Siner  $erfönlid)feit  allein  angemeffen 
ift  unb  nadjgefeljen  werben  fann,  fo  1)abt  id)  ba$  Sing 
wieber  Ijeroorgejogen  unb  fertig  gemacht,  bebenfenb,  bat 
oietteidjt  burd)  bie  Sßoefte  allein  ba8  rechte  SBort  gefagt 
werben  fönne,  oljne  Sßfyilifterei,  unb  bafc  ber  bid)terifd)  au** 
gefprodjene  Säbel  feinen  ©egenftanb  ergebt,  mit  tyn  bie 
$rofa   fyerabbrücft.    ©ie  werben  mid)  alfo  balb  im  Säger 

')  gubmilla  au  ©.  Steiler:  „S>er  nmnberli<$e  ©rief  in  ber  &n#- 
burger  Slllgemeinen4  mar  allerbtngS  öon  ©tfela  Don  Arnim." 

-)  8efprecrjung  ber  Selbrorjler  ©efcr)i$ten  in  ber  „SRontagSpojF. 


101.   %n  Submtllo  Slffing,  12.  Sluguji  1856.  363 

berfenigen  f el)cn ,  roeldje  Sfören  UnmiQen  auf  fid)  gu  gießen 

pflegen;   bod)  wirb  e£  md)t  fo  gefa^rlid)   ablaufen.    £>a£ 

©ing§  wirb  ^eifeen:    „©er  Stpotljefer  öon  Gljamouni)  ober 

ber  Heine  Sftomangero"1).    Jperrje!   baS  Rapier  ift  gu  @nbe. 

©d)nell  nod)  alle  möglichen  ©mpfeljlungen. 

3^r  ergebender 

©.  Äefler. 

P.  S.  9iun  mufc  id)  bod)  nod)  ein  gtueiteS  Sögelcfyen 
anfefcen.  $rofeffor  33ifd)er  Iä&t  ftd)  £errn  SSarnljagen  fefyr 
empfehlen  unb  bebauert  unenblid),  bafe  er  abgehalten  war 
burd)  unöorf)ergefel)ene  ttmftanbe,  benfelben  im  £otel  aufgu* 
fucfyen.  ©agegen  naljm  er  bie  mir  aufgetragene  (Sntfdjulbi* 
gung  beö  £errn  @et)eimerat£  oon  -Barnljagen  md)t  an,  in 
bem  ©inne  nämlid),  bafe  er  nie  mürbe  gugeben  fönnen,  bafc 
ber  #err  ©eljeimerat  if)n,  ben  Sßrofeffor  9Sifd)er,  auffudjen; 
fonbern  ba§  ©egenteil  muffe  unb  würbe  unzweifelhaft  ftatt* 
ftnben,  je  unb  fobalb  bie  beiben  benannten  9ftäd)te  mieber 
gufammenfto&en  follten.  3d)  bcüotlmacfyttge  6m.  $od)mof)l* 
geboren,  biefe  ?Rote  bem  oereljrten  $erm  ©efyeimerat  oorgu* 
lefen,  fte  aber  nad)l)er  mieber  eingupaefen  unb  an  ftd)  gu 
nehmen. 

')  8ubmiHa  an  $eHer,  15.  2(uguft:  ,,©ie  oerurfadjen  mir  einen 
regten  ©djrecf  mit  Syrern  ,5lpot^efer  öon  (Sljamoung1.  ©egen  £eine! 
Unb  fein  3ug  in  Sorem  ©eficfjt  oerriet  eine  falc^e  bösliche  Slbfidjt, 
als  roir  oom  Ütliberg  fyerunterftiegen  unb  auf  £etne  bie  9ftebe  fam. 
(53  tröftet  mid)  nur  einigermaßen,  ba&  ©ie  Sfyren  Singriff  f)aiU)tfätf)lid) 
gegen  bie  9toc§al)mer  rieten  roollen;   für  bie  ift  er  nttfjt  oerantroort- 

l\%. 33)   l)abe  immer  fo  unenblid^  oiel  ©uteö  oon  3§nen  er» 

märtet,  ba%  id)  nod)  jefct  §offe,  (Sie  fönnen  nichts  gang  ©$limme3 
tljun,  ba%  id)  Ijoffe,  ©te  oerfatyren  nid)t  graufam  gegen  ben  genialen 
£>i$ter,  ber  roo^I  oerbtent,  baft  man  fein  ©rab  mit  gorbeeren 
fdunücft." 


364  3üri$. 

102*  &n  $tvmauu  #*tttter  fit  J)r**frtti> 

3üri$,  ben  18.  Oftober  1856. 

fiieber  £ettner!  SBergeiften  Sic,  bafc  id)  mieft  Don  Sljnoi 
mahnen  liefe,  an  Sie  gu  f eftreiben!  3>cft  ftabe  Sftnen  aller* 
bingä  ben  legten  Srief  gef daneben,  aber  ftefö  öorgeftabt, 
einen  gweiten  folgen  gu  laffen.  Sftbepen  erfunbigte  ieft  raid) 
ftäupg  bei  9JioIefcftott  naeft  3ftnen,  ftabe  aber  bort  aueft  nidjts 
uernommen,  ba  Sic  felbft  lange  nieftt  gefeftrieben.  Setter 
Sage  erft  ftörte  ieft,  ba§  Sie  felber  erfranft  feien,  wag  nun 
aber  glücflicfter  SBeife  vorüber  gu  fein  fcftetnt,  ba  Sie  nid)te 
enodftnen. 

2Ba§  Sie  mir  über  ben  SBerluft  Sftrer  fei.  grau  unb 
Sftre  ©efüftle  barüber  feftretben1),  cmppnbe  ieft  gewiß  9^ 
treulid)  mit.  5Röge  jeber  Sag  Sie  ruhiger  unb  pefterer  ber 
gewohnten  Saftn  be§  Strebend  wieber  guffiftren,  oftne  baß 
Sftnen  baä  fiidjt  entfeftwinbet,  wcldjeS  bereits  hinter  Sftnen 
liegt!  gnbeffen  bebürfen  Sie  feiner  Sufpriicfye;  benn  nic^t 
jeber  würbe  peft  fo  munter  oben  galten  bei  fo  lang  anban- 
ernben  ober  wieberfeftrenben  ÄranffteitSprüfungen  jeber  Sri. 
3d)  meinerfeits  würbe  feftr  ungehalten  werben  über  fo  gänj- 
lieft  unmotivierte ,  gewipermafcen  unvernünftige  Störungen 
unb  SBebrücf  ungen ,  ba  id)  immer  gefunb  bin  famt  ben  mir 
Sßaftefteftenben,  bagegen  von  jefter  gewöhnt  bin,  wo  id)  mid) 
leibenb  vergalten  mufe,  nur  allguwoftl  gu  wiffen,  »öfter  ba* 
Übel  rüftrt  unb  von  allem  einen  feftr  plaupblen  ©runb  ein* 
gufeften,  oftne  bafe  ieft  meine  SRatur  unb  biejemge  ber  anbern 
Sttenfcften  anbern  fann. 

J)  grau  TOarie  Lettner,  geb.  ü.  ©toefmar,  toar  am  16.  9Rai  1856 
geftorben. 


102.   2ln  Hermann  Lettner,  18.  Dftober  1856.  365 

2Ba3  Sie  über  baS  „Softem  ber  SRatur" J)  fdjreiben,  t)at 
mid)  lebhaft  berührt.  3d)  fyabe  ba§  öielbefcfyriebene  Dpu£ 
nod)  nie  red)t  im  ganzen  gelefen,  fonbern  immer  nur  in  ber 
^ßljilofopl)tegefd)id)te  k.  fennen  gelernt;  aber  immer  wollte 
e3  mir  nid)t  red)t  einleuchten,  wenn  babei  über  Die  Srima* 
lität  unb  Sftoljfyeit  jenes  SBerfeS  gelärmt  mürbe,  unb  gmar 
fo  giemltd)  öon  Seuten  oller  garben.  6§  ift  eben  eine  all« 
gemeine  menfd)lid)e  ©d)Wad)f)eit,  bafe  man  aucl)  beim  eigenen 
©tanbpunft  immer  etwas  anbereS  Ijören  roitl  als  bie  fürgefte 
unb  ftriftefte  naclte  2Bat)rf)eit  unb  Slnmenbung.  SebenfaÜS 
ftetjt  feft,  bafc,  roenn  jene  Männer  bie  heutigen  gortfdjrttte 
ber  elften  2Biffenfd)aften  unb  beren  Jftefultate  gur  ©iöpo* 
fttion  gehabt  Ratten,  fo  mürben  fte  gang  anbere  ©emonftra- 
tionen  ausgeführt  Ijaben  als  unfere  Ferren,  of)ne  übrigens 
unferm  fjfreunbe  5Rolefd)ott  unb  ©enoffen  gu  nafye  treten  gu 
wollen.  Dber  trielleidjt  t)aben  jene  gerabe  barum  fo  energifd) 
unb  aus  bem  Sollen  gemirft,  meil  fte  nod)  nid)t  be^inbert 
waren  burd)  ein  unermefclidjeS  ©etail,  melcfyeS  faft  efyer, 
unb  mit  jebem  Sage  mefyr,  auf  bie  legten  tiefen  Slbgrünbe 
beS  nod)  gn  Seiftenben  l)tnn>eift.  2lm  gebanfenlofeften  fommt 
mir  baS  roegtuerfenbe  ©erebe  über  bie  (Stfyif  beS  „Systeme 
de  la  nature"  oor.  3d)  ntödjte  nur  lütffen,  roaS  man  eigent* 
lid)  bagegen  einmenben  fann,  unb  ob  felbft  baS  ortfyobojrefte 
(Sljriftentum  auf  einer  ibealeren  Safts  ftefye?  ©errufe  nidjt! 
@S  gibt  genrife  feine  ärgere  UtilitätS=S:(jeorie,  als  baS  ($£)ri* 
ftentum  prebigt.  Unb  roaS  bie  rationellen  Sbeal«  unb  SJben* 
titätspfytlofopljen  *c.  betrifft,  toie  jte  alle  Ijeifeen  mögen,  fo 
fdjabet  eS  iljnen  geroife  menigftenS  nid)ts,  menn  jte  im  beften 
SraQe   nod)    bie  Sugenb  beS  „syst&me  de   la  nature"  nur 

*)  ®er  Slbfönitt  in  £ettner3  frangöfiföer  Sitteraturgefc^idjte. 


366  3ürid>. 

wirflid)  gur  Ausübung  bringen.  9Man  öerfpürt  wenige  Qxm 
pel,  baß  fte  e3  nur  wirflid)  bis  ju  biefem  nüchternen  ©taniN 
punft  gebracht  fyaben. 

68  ift  mir  übrigens  in  bem  gangen  gegenwärtigen  Stnit 
fjodjft  merfwürbig ,  wie  alle  fld)  in  bem  alten  äufeerli^cn 
JBeweiSgetümmel,  logifdjer  JRauferei  unb  pl)antaftifd)em  fy 
potljefenwefen  Ijemm}d)lagen,  anftatt  bafe  nur  ©inem  einmal 
einfiele,  gu  einer  neuen  genauen  Abwägung  be£  et^if^a 
inneren  ©efyalteä  ber  ©egenfäfce  gu  f djreiten,  womit  ©d 
mefyr  JRulje  unb  Dbjeftioität  gewonnen  würbe.  Aber  bie 
laffen  bie  Ferren  fein  bleiben,  weil  fte  eben  nid)t  bie  geljö* 
rigen  ©ebanfen  unb  tiefere  ftttlid)e  ©mpfmbung  bagu  ^aben. 

SBegen  3^ reo  erften  SanbeS  Ijabe  id)  mid)  gu  ärgern 
mefyrf  ad)  bie  (Gelegenheit  gehabt,  nidjt  nur  wegen  ber  paar 
Ungriffe  in  ber  treffe  über  SRangel  an  ©eleljrttljuerei,  unb 
gmar  gerabe  oon  2euten,  bie  ben  ©egenftattb  felbft  gar  nidjt 
fannten  unb  oielleidjt  gerabe  au$  Sfoxtm  23ud)e  bie  erfte 
Kenntnis  oon  maud)em  fd)öpften,  fonbern  aud)  wegen  münb* 
lieber  Äußerungen  in  gleichem  ©inne.  60  Ijaben  Sijdjer 
unb  Äöd)lt)  beibe  mit  falbem  8d)felgucfen  über  bie  etwas 
Ieid)te  Schreibart  fld)  beflagt,  unb  9Äonjieur  ©taljr  fyalf  bann 
getreulich  mit.  3d)  foHte  3$nen  bergleid)en  gmar  nid)t  mit* 
teilen,  unb  Sie  werben  pl)ilofopt)ifd)er  SBeife  bem  aud)  leine 
$olge  geben;  bod)  bient  e3  leiber  bie  ©d)ulfud)ferei  gu  be* 
geid)nen,  in  weldjer  bie  trefflid)ften  2eute  nod)  ftedfen.  Äudj 
ermahne  id)  Sie  f)öd)lid),  infofern  e$  irgenb  nötig  fein  foflte, 
ftd)  nid)t  baran  gu  teuren  unb  bie  weiteren  Seile  gang  in 
ber  burd)fld)tigen  SBeife  be8  erften  gu  galten.  ©a&  id^  je* 
bod)  nad)  feiner  Seite  l)in  unrecht  tfjue,  muß  id)  nod)  nadf 
tragen,  bafe  93ifd)er  e3  eigentlich  nid)t  materiell  meinte,  fon-- 


102.   9tn  $ermann  Lettner,  18.  Dftober  1856.  367 

bcrn  fid)  lebiglid)  am  äufecrn  Stil,  an  ben  furjen  ©äfcen 
unb  mobcrnen  SBenbungen  ftiefj  :c. 

©ie  @tal)rS  fd)ienen  entjüdft  über  ba§  fdjweijerifdje 
geben,  über  bie  ©egenb  unb  unfere  ©ebräudje  u.  bgl.  ©od) 
waren  fte  nid)t  fo  auffallenb  in  iljrem  Serben,  wie  im 
Sorben,  mußten  aud)  erfahren,  bafe  eine  9Jtenge  2eute  bie 
„SBanblungen"  nid)t  einmal  gelefen  fyaben.  Slnfängüd)  fagte 
Sfanntj  etwa:  w©a  t^un  ©ie  fefyr  unrecht,  e3  ift  ein  ernfteS 
2Ber!",  ober  fte  fprad)  oon  ifyrem  „©Raffen".  2ÜS  fte  aber 
bemerfte,  bafe  bergletdjen  ^icr  nid)t  UfuS  fei,  jog  fte  bie 
pfeifen  ein  unb  war  bann  feljr  HebenSwürbig.  ©egen  mid) 
waren  beibe  aufeerorbentlid)  angenehm  unb  befdjworen  mid), 
tfynen  ju  fcfyreiben,  woraus  id)  entnahm,  bafe  {ie  an  mein 
äuffommen  glauben,  ©ad  ©leicfye  erlaubte  id)  mir  au§ 
©ufcfowS  geljäfftgcm  unb  fnabenfjaft  oerbreljtem  Unfall  gu 
abftraljieren ,  ben  er  mir  in  feinem  Statte  jufommen  liefe1). 
Sfaft  Ijätte  id)  mid)  ju  einer  bummen  Metourdjaife  verleiten 
laffen.  3$  ^be  mid)  nämlid)  bis  jefct  nod)  mit  jener  SRo* 
manjen^arobie  auf  £eine  herumgetragen  unb  ba£  ©ing  faft 
fertig  gemacht,  ©arin  fommen  aud)  ein  ©ufcenb  fc^r  mali* 
tiöfer  ©tropfen  auf  ©ufcfom  öor,  worin  er  gefd)ilbert  wirb, 
ofyne  genannt  gu  werben.  6rft  l)eute  frfil)  fyabe  id)  mid) 
enblid)  entf c^Ioff en ,  bie  gange  ©efd)id)te  wegjuwerfen,  unb 
mid)  oon  bcrglctc^cn  ©ingen  fern  ju  galten,  lieber  meine  poft* 
tioen  fSrobufte  förbernb.  £auptfäd)lid)  bad)te  id),  wenn 
©ufcfow  ein  @fel  ift,  fo  wolle  id)  nid)t  aud)  einer  fein  unb 
tljn  feinem  eigenen  bialeftifd)en  ^rojeffe  überlaffen.  6r  ift 
aber  bod)  ein  fdjofler  ©efeH;  nid)t  lang  nad)  jenem  wÜlffir* 
liefen  @in§anl)cutgen  brachte  er  eine  wehmütige  weltfdjmerj* 

>)  6.  0.  6.  72  f. 


368  3üri*. 

Iid)e  (Srflärung  in  feinem  Äüdjenblatt,  wie  man  auS  üfo 
großem  ©djmerj  öfter  ungerecht  urteilen  fönne,  mit  falbem 
Seroufetfein  beS  Unrechtes  :c.  unb  fucfjte  foldje  Sumpeni 
füjjljoljrafpelnb  ju  befdjönigen.    @S  mar  offenbar  eine  oratio 

pro  domo. 

SBon  UntoerfttatSflatfd)  weife  id)  S^nen  bato  nidjts 
ju  berichten,  ba  eine  feierliche  anljaltenbe  $aufe  emgete 
ten  ift.  S)aS  einzige  Minimum,  baS  td)  sub  rosa  mit« 
teilen  fannf  ift,  bafe  tfödjlt)  über  9Mefd)ott  mütenb  rourbc, 
als  berfelbe  im  Senat  bei  ber  ftrage,  wen  3ünd)  nad)  ber 
©reifSwalber  Jubelfeier  abfenben  follter  93ifd)er  oorfd)tog, 
als  einen  berühmten  3Rannf  ber  ber  ßö^er  @tf)ule  6&it 
madje.  ßödjlt)  mar  feljr  piquiert,  bafe  ber  gute  5Ro!efd)ott 
ben  93ifcf)er  herausgriff  unb  par  excelleDce  als  beritymtni 
Wann  aufteilte. 

SSifcfter  ift  artig  gegen  bie  ©taljrS  gemefen;  er  muri* 
mehrmals  auf  fte  eingelaben,  geftanb  iljr  aber  freimutig,  bafc 
er  nod)  nichts  oon  il)r  gelefen  fyabe.  SBarnljagen,  ber  Der» 
gangenen  (Sommer  fyier  mar,  erjagte  mir  aud),  bafe  6taf)i 
bei  iljm  bie  @d)ri>ber*©eürient  (Srrau  oon  33odf)  einmal  je» 
fragt  Ijabe:  „9ton,  liebe  %rau  oon  Sodf,  tote  oft  Ijaben  Sie 
benn  bie  ,2BanbIungen'  fd)on  gelefen?* 

©egenmärtig  ift  SiSjt  mit  feiner  gürftin  in  Süxiti 
unb  fdjmärmt  mit  2Bagner  fdjrecflid)  SHuftf.  6r  mirb  län* 
gere  2Sod)en  fyier  bleiben.  Äöd)lt)  u.  f.  f.  behaupten,  jene 
falfdje  9?ad)rid)t  oon  bem  SegnabigungSgefud)  fei  wn 
2öagnerfd)er  ©eite  abftd)tlid)  prooojiert  morben,  bamit,  na# 
bem  bann  Äöd)lt)  unb  ©entper  ifyre  däsaveux  abgegeben, 
Söagner  burd)  einfaches  ©tillfdjtoeigen  gut  SBetter  mad)<n 
fönne.    ©ieS  glaube  id)  nun  nid)t,  menigftenS  nid)t,  b<& 


102.   »n  £trmann  fiettnei,  18.  DItobtr  1866.  369 

er  Derfönlid)  barum  mufete.  ©agegen  mfinfdjt  er  jebenfallS 
nad)  ©eutfdjlanb  gurütfletjren  ju  formen,  um  wieber  in  bie 
SEfjeaterluft  gu  gelangen  unb  SBoben  unter  bie  ffunftfüjje  gu 
befommen.  ©ab,er  ift  er  nun  in  ber  Situation,  in  betreff 
jener  ©efd)id)te  fdjmeigen  gu  muffen,  um  ftd)  nid)t  Don 
Donujerän  baS  Spiel  aufs  neue  ju  »erberben. 

Semper  ift  mit  feinem  £el)ramt  and)  ungufrieben, 
n>a§  id)  roob,!  begreife,  ba  er  gang  junge  Surften  ju 
©djülem  b,ot,  für  bie  jeber  geroöfmlidje  ©inpaufer  gut  genug 
märe;  aud)  t)at  er  eine  feb,r  tief  =  unb  breitgeb,enbe  Setirweife, 
Tueldje  bie  Surfte  nidjt  Derfteljen  unb  if)m  Diel  3Jiü£)e 
foftet.  @r  fagte  mir,  er  Ijabe  faft  läuft,  bie  ©teile 
aufzugeben  unb  für  ftd)  gu  leben,  teilmeife  als  Sdjrift» 
ftefler. 

©rüfeen  Sie  Sluerbad]  beftenS  ton  mir;  id)  bin  begierig, 
tuie  er  meine  nädjften  StoDeÜen  anfeljen  wirb,  ba  fie  Don 
bein,  roaS  er  fo  freunblid)  unb  »irflid)  ebelmütig  energifd) 
an  ben  „Seuten  Don  Selbronla"  gelobt  tjat,  gänglid)  abfpringen 
ober  wemgftenS  einen  anberen  Ston  anfdjlagen.  ©enn  id) 
fioffe  aßmälig  ju  geigen  ober  gu  oerfudjen,  bafj  id)  nid)t  nur 
auf  ©ner  «Saite  geige. 

Soffen  Sie  fid)  nun  nidjt  gu  [efjr  geb,en  in  31)«*  Trauer 
unb  9iiebergefd)Iagenb,eit  uitb  machen  Sie  ftd)  munter  ans 
SBert;  benn  id)  benfe  mir,  bafj  Arbeit  unb  Stubium  bod) 
julefct  immer  wieber  ber  befte  änfer  pnb,  felbft  für  Sie,  ber 
im  ©lücfe  gemoimt  mar,  fo  rfib/ig  unb  fleifeig  gu  fein,  ©rüfjen 
Sie  mir  Ijerglid)  3b,re  lieben  Äinber,  bamit  fie  nod)  etwas 
Don  mir  miffen,  wenn  id)  fie  irgenb  einmal  mieberfetje!  3d) 
benle,  nädjfteS  Satjr  roerbe  id)  fo  weit  nadjgerfiät  fein,  bafe 
id)  ben  erften  ÄuSflug  nad)  bem  Sorben  madjen  fann,  um 

escttfikii  «(an.  ii.  24 


370  3üri$. 

ju  feljen,  ob  ©erlitt  tiod)  ftefyt.  3d)  füfyle,  bafe  e$  bejfer  ijt, 
wenn  id)  alle  paar  Saljre  einmal  auf  SBodjett  burd)  ©eutfcfc 
lanb  gefye,  anftatt  fleben  Saljre  bort  ju  fyodfen;  aber  bal 
erftere  ift  aud)  notroenbig.  9MefdjottS  werben  ©ie  n>of)l 
felbft  gegrüßt  §aben,  ba  ftc  fürjlid)  gefdjrieben.  3$  gefc 
alfo  nidjt  I)in,  um  einen  ©rufe  für  ©ie  gu  Ijolen,  unb  io 
leben  ©ie  fo  rool)l  als  immer  möglich.    3^  ölter 

@.  ÄetleT. 

3firi<i),  im  gebruar  1857. 

33erel)rte$  SmuWtt  äfftng!  ©a  £err  S3aron  ©djulfc 
au«  Siölanb  über  33erlin  gefyt  unb  fo  gut  fein  will,  mir 
einen  SBrief  ju  beforgen,  fo  mufe  id^  enblid)  in  meinen  Der* 
ftodften  Sufen  greifen  unb  feljen,  roie  id)  tmd)  gegen  ^n 
©üte  beftmöglid)ft  au$  ber  ©ad)e  jielje,  au$  bem  ©djein 
ber  Unbanf barfeit  unb  ©robljett;  benn  id)  l)abe  getfyan,  all 
ob  roeber  bie  Äoffaffd)e  Äritif,  nod)  bie  treffliche  unb  liebend 
roürbige  Äaminfegergefd)ici)te  ber  3Rof a  SJlaria l),  nod)  enblid) 
3t)r  freunblid)er  JBrief  oom  Sluguft  üorigen  3al)re$  mit 
feiner  eblen  Sßietat  unb  SDanlbarfett  gegen  2änber  unb  ©inge, 
bie  man  auf  Reifen  fteljt  —  als  ob  bieS  alle«  mid)  gar  nid)t 
gerührt  ^ätte!   Unb  bod)  l)at  mir  aUeS  gro&e  ftreube  gemalt, 

*)  „3n  ©trafeburg  —  fdr)rteb  SubmiKa  am  15.  Äuguft  1856  an 
bellet  —  tyaben  mir  einige  (Sjremplare  einer  bort  erföienenen  Heinen 
SRooeHe  metner  Butter  mitgenommen  [©djroefterSam^agenS,  pfeub.3toja 
SDtoria];  idr)  madje  mir  baZ  Vergnügen,  3tynen  eines  baoon  beizulegen... 
ÜHir  ift  bie  Heine  ©efdjidjte  lieb,  unb  Dietteidjt  gefällt  fte  Sfyten  au*' 
SBtr  Ijaben  btefelbe  nadr)  bem  $eflerfdr)en  (Sjremplar  roieber  neu  binden 
laffen  aß  9ßr.  11  ber  Sßublifationen  be§  SSereinS  für  Verbreitung  guter 
©Triften  in  3ürid>  1894. 


103.   8n  8ubmiüa  Slffing,  gebruar  1857.  371 

obgleid)  id)  wufete,  bafe,  g.  33.  3t)re  SReifebanfbarbeit  betreffenb, 
bieS  unter  rechten  fieuten  nid)ts  Ungewöhnliches ,  fonbern 
gang  in  ber  Drbnung  ift.  3d)  fpiele  l)ter  auf  ben  rudjlofen 
3£.  X.  an,  ber  ungefd)icfter  unb  unbebadjtermeife  mein 
l)öd)ft  gelegenes.  Sanb  (SuropaS  mit  einer  Kellerwohnung 
öergleidjt *).  ©iefe  Ferren  wollen  e£  in  iljrem  jefcigen 
2Birfen  fo  fefyr  bem  jungen  ©oetlje  nadjtfyun  in  gierlidjen 
unb  fedfen  93erfud)en  aller  2lrt;  allein  bie  gute  Sldferfrume 
für  gute  grfidjte,  bie  Sßietät  fiir  allerlei  ©inge,  fo  man  fte^t, 
unb  bie  gäfyigteit,  bie  SBelt  anberS  ju  feljen,  als  burd) 
^Berliner  ©ueffaftenlödjer,  fd>eint  öerbädjtigermeife  gu  fehlen. 
£ier  mu&  id)  mid)  felbft  ein  bi&djen  rühmen,  gur  ©rljolung 
Don  obiger  Äapuginabe.  211$  id)  faum  in  SScrlin  mid)  ein 
wenig  umgefeljen  fyatte,  fat)  id)  fogleid)r  woran  id)  midi)  gu 
galten  l)abe,  unb  ging  jpreeaufwärtö  fpagieren  ober  fud)te 
bie  ftiHen  Seen  in  ben  $id)tenwälbern  auf  mit  iljrer  füllen 
©onne;  unb  wenn  meine  Sanböleute  über  bie  fd)auerlid)e 
©egenb  f lagten,  fo  bielt  id)  biefer  treulid)  bie  Stange,  unb 
Ijabe  fte  aud)  jefct  nod)  nid)t  oergeffen,  wo  mir  bie  fdjönften 
23ud)enwälber  unb  SBerggüge,  raufdjenbe  ©tröme  unb  bie 
luftige  ©il)l  gu  ©ebote  fielen,  bie  jefct  fleinlaut  genug  unter 
bem  6ife  wegfd)leid)t.  Slber  aud)  ber  3ürid)fee  »&*  biefen 
9Äonat  gänglid)  gugefroren  unb  bilbete  nur  (Sine  grofee  ©über* 


l)  8ubmifla  an  ßeKer:  „2H8  mir  3E.  3E.  oon  unferem  ©djroeiger 
«uSflug  erjagten,  fragte  er:  ,$inben  @ie  bie  ©djroetg  roirflid)  fd)ön?' 
unb  fefcte  bann  f)ingu:  ,3d)  nidjt,  bie  @onne  ge^t  hinter  ben  Sergen 
gtoet  ©tunben  froher  unter,  unb  im  ©runbe  ift  bie  gange  ©d&roeig  boti) 
nichts  anbereS  als  eine  granbiofe  Äettertoofinung !;  S)ie  fleHerrootynung 
rannte  nur  infofern  gugegeben  werben,  als  ®te  bort  mo^nen.  ßbenfo 
fyat  eS  I.  aud)  in  Stenebtg  nid&t  gefaüen;  er  ftnbet  eS  unter  ben  Sinben 
bei  Ärangler  am  Ijübf djeften.1* 

24* 


372  .    3üri$. 

platte  in  ber  blifcenben  Sonne,  unb  weithin  fal)  man  bie 
bunllen  winjtgen  9)?enfd)entierd)en  brüber  weggleiten.  Über 
ber  Siefe  brausen  ift  baS  6i£  wie  @la3  fo  flar,  unb  man 
fteljt  barunter  bie  grünen  ©eegewädjfe  auö  ber  fd&warjen 
SEiefe  aufzeigen l).  6$  fxnb  aber  leiber  mehrere  üRenfdjen 
oerunglüdft,  als  eS  nodi)  md)t  feft  genug  war. 

@S  tljut  mir  wa^rljaftig  leib,  bafe  id)  S^nen  einen 
foldjen  blinben  @d)redf  öerurfadjt  Ijabe,  wegen  meines  Stten* 
täte«  auf  $eine.  2Bie  @ie  bemerft  Ijaben  werben,  ift  ba§* 
felbe  unterblieben,  aber  nid)t  wegen  Sljrer  Ermahnungen 
(benn  bei  aller  Ehrerbietung  muffen  wir  uns  unfere  Unab* 
^ängigfeit  wahren!),  fonbern  weil  mid)  plöfclid)  ein  SBiber* 
willen  gegen  fold^e  polemifdje  $robufte  befiel.  Snbeffen 
wäre  ber  tote  £eine  gartj  gut  gefahren  babei,  wie  id)  glaube; 
unb  eS  wäre  me^r  eine  plaftifd)*:poetifd)e  (Sljarafteriftif  feines 
2Befen3  geworben  (3.  39.  am  6d)Iufe  ein  $arifer  Sotentanj 
ä  la  £olbein  auf  bem  Äird^of  SÄontmartre)  nebft  ein* 
bringlidjen  Ermahnungen  an  bie  2ebenben,  bafe  jefct  beS 
©uten  genug  fei  unb  wir  uns  enblid)  fonfequent  unb  auf- 
richtig  00m  2Bty,  Unmifc  unb  SßiMürtum  ber  legten  3to* 
mantif  loSfagen  unb  wieber  gur  e^rltc^en  unb  naioen  3ufs 
faffung  galten  mfifeten.  Sllfreb  TOeifenerS  39ud),  fo  feljr  es  mid) 
unterhalten  Ijat,  ift  mir  im  gangen  eine  wiberlicfye  ©rfdjeiming 
gewefen,  ba  eS  mir  fyauptfäd)lid)  getrieben  fdjeint,  um 
feinen  Slutor  ju  probujieren,  unb  gwar  mit  ben  wohlfeilen 
Mitteln  unmittelbarer  gortfefcung  $einefdjen  SBefenS*).   So 


')  33gl.  ba%  ©ebidjt  ©ottfrieb  £eUer§  „SBinterna^f. 

2)  Submtlla  an  tfeller,  15.  «ug.  1856:  „SUfreb  SReifenerS  $u4 
über  £eine,  an  bem  ftd)  fonft  mandjeä  auSfefeen  liege,  tjat  mid)  bann» 
ferjr  erfreut,  roeil  eS  ber  2lu§brucf  wahrer  Siebe  unb  5Jegeiftenmg  ijr* 


104.   3ln  SubmMa  gffing,  Sebruar  1857.  373 

g.  33.  ba$  ©urdjljedjeln  fomifd)er  ©eftalten  u.  f.  f.  Sie 
©djilberung  bcr  greunbe  S3örne3  unter  anberm  ift  feljr  ge* 
u>anbt  unb  pifant  uub  bod)  wertlos,  weil  eine  nad'te  Sftadj* 
afymung  ber  SRanier  beS  ÜKeifterS.  Slud)  fürd)te  id),  ber 
gute  5Reifcner  wollte  ftd)  mit  biefem  S3ud)e  als  „gefä^rlid)" 
auSfünben,  gewiffermafcen  als  ber  9tad)folger  unb  (Srbe 
£einrid)  £eineS ,  was  {ebenfalls  nur  entgegengeht  Wirten 
würbe. 

3d)  las  jüngft  eine  JBefdjreibung  beS  ^Berliner  iüngften 
ÄünftlerfefteS  in  ber  „9iationaIgeitung",  unb  bafc  £umbolbt, 
31jr  £err  Dnfel  u.  f.  f.  baS  |?cft  mit  ttjrer  ©egenwart  be= 
et)rt  Ratten;  ba  bad)te  id),  @ie  feien  gewift  aud)  babei  ge* 
wefen  unb  wünfdjte  Stynen  Diel  SBergnägen  gehabt  gu  fyaben. 
SÄud)  öon  ber  „mufenljaften  Sräulein  5Weg w  IaS  id),  bie  id^ 
bei  ©ott  gang  oergeffen  Ijatte!  3d)  münfdje  ifyr,  bafe  fte 
ein  weiblicher  $t)gmalion  werben  möge,  eine  *J5t)gmalia,  bie 
ftd)  einen  redjt  l)übfd)en  Wann  aus  bem  ÜKarmor  IjerauS* 
meifeelt1). 

2Bät)renb  beS  ÄriegSlärmenS  würbe  id)  öfters  gefragt, 
ob  id)  benn  gar  feine  9tad)rid)ten  aus  Serlin  fyabt,  ber  id) 
bod)  fo  oiele  Satire  bort  midi)  umgetriebeu,  unb  id)  erwiberte 
alöbann  mit  bebauerlidjer  3Kiene:  w3Cd)!  bie  guten  Seutdjen 


l)  SubmiUa  an  tfeller,  26.  Sunt  1857:  „8et  bem  tffinftlerfeft  in 
biefem  Sinter  fyabz  \ä)  mid)  fet)r  gut  amüftert  unb  boppelt,  ba  t$ 
aud)  ben  Dnfel  fo  fetter  unb  aufgelegt  faf).  SBir  fajjen  bei  Sifdje  mit 
gräuletn  SRe^  jufammen  unb  mit  £errn  unb  ÜRabame  granj  S)uncfer. 
S)a  fönnen  @ie  fid&  benn  leidet  benfen,  bab  aud)  3fyr  SRame  genannt 
rourbe.  gräulein  3ßei)  fal)  in  einem  SBeilc^enfrang  fe^r  f)übfd^  auS; 
ben  Ijübfdjen  ©atten,  ben  (Sie  tf)r  anroflnfdjen,  Ijat  fie  fidj  nod)  ntd)t 
gemeifjelt,  bagegen  aber  eine  S3üfte  be3  £>nfel3  gemalt,  bie  öiel  Salent 
geigt." 


372  .    3üri$. 

platte  in  ber  blifcenben  ©onne,  unb  weithin  fal)  man  bie 
bunllen  minjigen  9)?enfd)entierd)en  brüber  meggleiten.  Über 
ber  Siefe  braufeen  ift  baS  (5iS  wie  ©las  fo  flar,  unb  man 
fteljt  barunter  bie  grünen  ©eegemädjfe  aus  ber  fdjmarjen 
SEiefe  aufzeigen1).  (5S  ftnb  aber  leiber  mehrere  üRcnfc^en 
üerunglüdft,  als  es  nod)  nid)t  feft  genug  mar. 

@S  tfyut  mir  mafyrljaftig  leib,  baft  id)  31)nen  einen 
fold)en  blinben  @d)recf  üerurfadjt  Ijabe,  megen  meines  Sitten* 
tateS  auf  $etne.  2Bie  @ie  bemerft  Ijaben  merben,  ift  ba§* 
felbe  unterblieben,  aber  nidjt  megen  3f)rer  Ermahnungen 
(benn  bei  aller  @§rerbietung  muffen  mir  uns  unfere  Unab* 
Ijängigfeit  magren!),  fonbern  meil  nud)  plöfclid)  ein  SBiber* 
miHen  gegen  fold)e  polemifdje  $robufte  befiel.  Snbeffen 
märe  ber  tote  $eine  ganj  gut  gefahren  babei,  mie  id)  glaube; 
unb  eS  märe  me^r  eine  plaftifd)*:poetifd)e  Gfyarafteriftif  feines 
2BefenS  gemorben  (3.  33.  am  @d)Iufe  ein  ^arifer  ÜEotentanj 
ä  la  £olbein  auf  bem  Äird^of  SÄontmartre)  nebft  ein* 
bringlidjen  (Srmaljnungeu  an  bie  2ebenben,  bafe  jefct  beS 
©uten  genug  fei  unb  mir  uns  enblid)  fonfequent  unb  auf* 
richtig  Dom  2BiJj,  Unmifc  unb  SBilllürtum  ber  legten  3Ro» 
mantif  loSfagen  unb  mieber  gur  eljrlid)en  unb  naioen  Sluf- 
faffung  galten  müßten.  Sllfreb  9JteifenerS  33ud),  fo  fetyr  eS  mid) 
unterhalten  Ijat,  ift  mir  im  ganzen  eine  miberlictye  (Srfdjeinung 
gemefen,  ba  es  mir  ljauptfäd)lid)  gefdjrieben  fdjeint,  um 
feinen  3lutor  ju  probujieren,  unb  jmar  mit  ben  moljlfeilen 
Mitteln  unmittelbarer  gortfefcung  £einefd)en  SBefenS9).    €0 


»)  Sgl.  ba%  ©ebi(f)t  ©ottfrieb  ßeüerS  „2ötntcmad)ttt. 

2)  Submiüa  an  5Mer,  15.  Hug.  1856:  „lllfreb  gReifjnerS  £ud> 
über  £eine,  an  bem  fld)  fonft  manches  auSfefcen  ließe,  Iljat  mid)  barura 
fef)r  erfreut,  weil  e§  ber  2lu§brucf  magrer  8iebe  unb  23egeifterung  ift*. 


104.   «n  ßubmifla  8jfing,  Sebruar  1857.  373 

g.  33.  baS  ©urdjljedjeln  fomifdjer  ©eftalten  u.  f.  f.  Sie 
©d)ilberung  ber  greunbe  SBörneS  unter  anberm  ift  feljr  ge* 
wanbt  unb  pifant  unb  bod)  wertlos,  roeil  eine  nadte  9fad)* 
afymung  ber  SSRanier  beS  SJteifterS.  2lud)  fürchte  id),  ber 
gute  5Reijjner  wollte  pd)  mit  biefem  33ud)e  als  „gefäljrlid)" 
auSfünben,  gewiffermafcen  als  ber  9tad)folger  unb  (Srbe 
£einrid)  £eineS,  was  icbcnfaHö  nur  entgegengefefct  wirfen 
würbe. 

3d)  laö  jüngft  eine  JBefdjreibung  beS  ^Berliner  jüngften 
ÄünftlerfefteS  in  ber  „^iationalgeitung",  unb  bafc  £umbolbt, 
3^r  £err  Dnfel  u.  f.  f.  baS  geft  mit  iljrer  ©egenwart  be= 
el)rt  Ratten;  ba  badjte  id),  Sie  feien  gewifc  aud)  babei  ge* 
wefen  unb  wünfdjte  Sftnen  Diel  SBergnägen  gehabt  ju  fyaben. 
3tod)  Don  ber  „mufentyaften  Sräulein  SRei)"  las  id),  bie  id^ 
bei  ©ott  ganj  oergeffen  f)atte!  3tf)  wünfdje  iljr,  ba  jj  fte 
ein  weiblicher  ^^gmalion  werben  möge,  eine  Sßtjgmalia,  bie 
pd)  einen  red)t  f)übfd)en  Wann  aus  bem  ÜKarmor  IjerauS* 

meifcelt1). 

SBäljrenb  beS  ÄriegSlärmenS  würbe  id)  öfters  gefragt, 
ob  id)  benn  gar  feine  9kd)rid)ten  aus  Serlin  fyabe,  ber  id) 
bod)  fo  Diele  Satire  bort  mid)  umgetriebeu,  unb  id)  erwiberte 
alöbann  mit  bebauerlidjer  3Kiene:  ,,2ld)!  bie  guten  Seutdjen 


!)  SubmiUa  an  tfelier,  26.  Sunt  1857:  „$3ei  bem  tfünftlerfeft  in 
biefem  SBinter  Ijabe  ia)  mid)  feljr  gut  amüflert  unb  boppelt,  ba  td) 
aua)  ben  Dnfel  fo  fetter  unb  aufgelegt  fal).  SBir  fajjen  bei  £iftt>  mit 
gräulem  9Reg  jufammen  unb  mit  £errn  unb  ÜRabame  granj  S)uncfer. 
S)a  fönnen  @ie  fta)  benn  leidet  benfen,  ba%  aua)  3fyr  SRame  genannt 
rourbe.  gräulem  3fJct)  fal)  in  einem  SBeila^enfranj  fef)r  J)übfd)  auS; 
ben  Ijübfa>n  ©atten,  ben  Sie  iljr  anroflnfdjen,  l)at  fie  fid)  nod)  nid)t 
gemeißelt,  bagegen  aber  eine  SBüfte  be§  CnfelS  gemadjt,  bie  Diel  Salent 
jeigt." 


374  3üri*. 


bürfett  eben  nid)t$  f djretbcn  r  was  iljnen  gefäljrlid)  »erben 
fönnte!"  wäljrenb  id)  wofyl  muffte,  ba£  id)  allein  felbft  fdjulb 
fei  an  bem  ausbleiben  aller  Sriefe,  inbent  id)  feit  bret* 
üiertel  Saljr  an  niemanb  gefdjrieben;  benn  meine  gieblin^ 
fünft  ift,  mid)  in  eine  fünftüdje  SBergeffenljeit  3U  bringen, 
um  mid)  nad)f)er  baräber  gu  ärgern. 

©er  Äriegäfpeftafel1)  war  übrigens  fefyr  fd)ön  unb 
feierlich  l)ier  gu  fianbe,  unb  eS  war  un$  bummen  Serien  feljr 
ernft  batnit.  Snbeffcn  ijat  er  uns  um  DieleS  öorwärts  9c5 
brad)t  in  unfern  innern  93erl)ältniffen,  unb  wenn  @ie  feiner 
SRajeftät  begegnen,  fo  banfen  @ie  bod)  8lllerf)öd)ftberfelbfn 
bafür  in  meinem  Warnen!  3>d)  bin  aber  ein  paar  9Ronate 
lang  gang  au3  allem  arbeiten  f)erau$gefommen;  benn  id) 
Ijabe  fieitartifel  gefdjrieben,  in  bie  Scheibe  gefdjoffen,  in  bai 
Äaffeefyäufern  gefannegiefeert  unb  lauter  foldjeö  Seufetegeug 
getrieben.  3EReinc  @d)wefter  ftriefte  Strumpfe  für  bie  60I* 
baten,  fam  bamit  gu  fpät  unb  jammerte  fefyr.  w©a  ift  leidet 
gu  Reifen,  fagte  id),  id)  gief)1  bie  ©trumpfe  fd)on  an!11  allein 
id)  mufete  iljr  bie  SarauSlagen  für  bie  SBoHe  erfefcen.  Sud) 
ein  ©djmefterftfidflein,  wie  Sie  feljen! 

SSorigen  £erbft  war  bie  2tegt«2Bütgenfteinfd)e  gamilie 
in  Sund),  mandje  2Bod)e,  um  bei  SBagner  gu  fein;  unb  ha 
würben  alle  Äapagitäten  SMtyZ  l)erbeigegogen ,  einen  $of 
gu  bilben.  $d)  würbe  t>erfud)§weife  aud)  ein  paarmal 
gittert,  aber  fdjleunigft  wieber  freigegeben.  S3ei  ben  anbem 
Srutuffen  hingegen  machte  bie  Sürftin  entfdjieben  ©lüdf,  unb 
alle  finb  ttjreö  £obe$  öoH,  befonberS  ba  fte  f eitler  an  au« 
eingelnen,   wie  93ifd)er,  9Mefd)ott,   Äöd)li)  k.    intereffante 


l)  £>er  iReuenburger  £anbel  mit  Sßreu&en. 


104.   5tn  8rau  8ina  ©unrfer,  8.  3W&rg  1857.  375 

IBriefe  fdjreibt.    Sud)  l)at  fie   aßen  baö  grofee  9iietfd)elfd&c 

9Jiebaillon  SiSgtö   gefd)itft,   bafe  fic  e8  bei  ftd)  aufhängen 

follen. 

©rüfeen  Sic  aud)  JRing  Don  mir  rcdjt  Ijerglid) !  £offent* 

Iicfy  ift  er  nod)  immer  gleid)  uergnügt.    34  mufete  lefctfyin 

la4en,  als  ifym  (giner,  im  „TOorgenblatt"  glaub  id),  aufrüffelte, 

ba&  er  feine  ©amen  im  SRomane  „SMilton"  alle  Slugenblicfe 

in  ber  äugenfarbe  alternieren  Iaffe!   34  ^be  ben  „9Äilton" 

nod)  md)t  gelefen,  »erbe  eS  aber  balb  tljun.   3lu4  bitte  id) 

@ie  fonft  grüben  gu  wollen,  wer  mid)  etwa  fennt,  befonberS 

£errn  unb   Jrau   ©taljr,   bie  3^nen   gemife   oon  unferm 

tfabettenfeft  ergäbt  f)aben.    34  Ijoffe,  bafc  @ie  mit  S^rem 

Bereiten  #errn  DnW   redjt   roo^I   unb   munter  pnb  unb 

allerljanb  @d)öne3  unb  ©uteö  beförbern  unb  betreiben,  unb 

inbem  id)  S^ten  öerfprcd)e,  balbmöglidjft  etwa«  ©ebrucfteS 

Don   mir  fefyeu  gu  laffen  unb  bann  wieber  ein  bifedjen  ju 

plaubern,  empfehle  i4  mi4  3^er  ferneren  guten  ©eroogen* 

l)eit. 

31)*  ergebender 

©ottfrieb  ÄeHer. 

104«  £tt  grau  Jttw  5mu*ur  in  $tvUu. 

3ürtd),  ben  8.  Sofort.  1867. 

34  mu&  an  3^en  Ferren,  ben  Sudjljänbler,  fd^reiben 
unb  roünfdje,  bafe  in  erfter  fiinie,  wenn  er  uidjt  gur  £anb 
fein  follte,  nid)t  bie  ßommiS  mein  gartbefaiteteS  ©efdjaftö* 
briefdjen  mit  rotyer  £anb  berühren1),    ©afyer  gelangen  Sie 

!)  8ina  $uncfer  an  @.  Äefler,  2.  ©cpt.  1856:  „SRein  SRann  ift 
fe^r  ftolg  barauf,  3tynen  fagen  gu  fönnen,  bafj  er  3*)nen  no$  nie 
einen  ©eföäftSbrief  gefdjrieben  f)at.    £r.  SHeroeg  fd&rieb  Stylen  Diele 


376  3üri$. 

fclbft  gu  einem  SBricfe,  in  welken  td)  jenen  einroirfele,  in 
ber  Hoffnung,  bafc  3f)re  bisherige  ©emogentyeit  ftd)  feit  ben 
legten  ©riefen  ntd)t  alljufe^r  üerminbert  Ijabe.  3m  ©rief 
an  £errn  ©undfer  fW)t  übrigens  nichts  8lbfonberlid)e$,  unb 
wenn  er  roieber  in  (Snglanb  fein  foHte,  fo  bürfen  @ie  iljn 
aufmalen  unb  felbft  Iefen.  3d)  Ijabe  gehört,  bafe  ©e  tiefen 
SBinter  wieber  eine  faubere  Slupljrung  gehabt,  für  bat 
„^argife"  unb  33rad)üogel  gef d)roärmt,  auf  allen  ©ubffrip* 
tionS4Bäl!en  gewejen,  auf  bem  jungen  ÄünftlerfaH  Änujfe 
aufgeteilt,  im  ©alopp  bie  Sinben  entlang  geritten  ic.  *c.  ©ott 
beffre  Sie!  2Bie  geljt  e$  bei  Sljnen?  2Bie  Reffet  benn-9jr 
neulid^fted  Äinb,  unb  ift  eS  gefunb? 

©eftern  ift  mein  alter  Dljeim  geftorben  auf  bem  Sanbe, 
ber  im  „©rünen  £einrid)/J  figuriert.  <5r  lebte  julefct  ganj 
allein  mit  einem  Änedjt  unb  einer  9Ragb,  bie  ben  ganjen 


©efä)äftSbriefe,  unb  ©ie  Heften  iljn  3af)r  unb  £ag  auf  3Ranuffript 
roarten,  ftd)  beflagenb,  bafi  man  ©ie  bränge  unb  beläftige.  £r.  Stander 
quält  ©ie  nid)t,  fdjreibt  Sljnen  nic^t  unb  Sie  laffen  ifyn  ebenfalls 
märten.  .  .  .  ,@ä)reibe  ifjnt  —  fagte  mein  ergrautes  Oberhaupt  — ,  ba$ 
er  befanntlid)  fdjon  250  £f)lr.  für  bie  5RoöeHen  erhalten,  biefe  aber 
nad&  ßontraft  beinahe  an  ben  Verleger  surüdfjuja^len  Ijabe,  ba  feit 
5Roüember  1855  ein  monatlicher  Slbjug  oon  25  $l)lr.  Dom  2tutor  bewilligt 
fei,  roenn  foldjer  niä)t  bis  1. SRoo.  1855  Sftanuffript  geliefert  Ijabe.4  £>a 
befagter  &utor  obige  Sebingung,  $u  eigenem  Sßufc  unb  frommen  roaljr« 
fa>inlid),  felbft  biftierte,  fo  roirb  er  biefelbe  auä)  nidjt  oergefjen,  fonbern 
am  1.  ©ept.  in  fein  £auptbud)  eingetragen  Ijaben,  baft  er  oon  £cmi 
S)undfer  für  oerfprodjene  5RoDellen  erffenS  an  barem  ©clb  250  $I)1t. 
erhalten  Ijabe  unb  bie  für  felbigeS  SJtanuffript  nodj  gugefagten  ©eitern 
250  £l)lr.  burä)  aeljmnonatlid&en  2luffd)ub  ber  SRooeUenfenbung  ebenfalls 
bereits  erhalten;  ju  notieren  mürbe  jeben  ferneren  SRonat,  roo 
I)ier  fein  SDßanuffript  einlauft,  fein,  bafj  ©ie  £errn  Stander  25  Styr. 
fdjulben.  Sie  fä>inen  mir  auf  biefe  SBeife  red>t  gute  ©eföfifte  ju 
mad&en!"  k. 


104.   Sfn  grau  Sina  Stettin,  S.  3Rärj  1S57.  377 

Jag  Ijeimlid)  @ierfucb,en  badt,  in  bem  aerfaflenben  $aufe. 
©eine  .tfinber  finb  jerftreut  unb  meifrenS  DouTommene  Sßtjiliftc t 
unb  oerbauert;  unb  bei  bem  SeidjenDegängniS  am  nädjj'ten 
©ienftag  nierbe  id)  roal)rfd)einIiä)  mit  anfetjen,  bafe  in  bem 
£aufe,  wo  Dor  Sauren  fo  Diel  ©ejang  unb  (gelackter  mar, 
nun  rödfidjtöloS  um  bie  ®rbfd)oft  geftritten  wirb,  ©od) 
mir  ift'S  SBurft;  id)  fei)'  aÜeS  mit  an. 

©ie  SübungSfudjt  in  ßürid)  grafpert  immer  fort:  alle 
Sßodjen  roeniflftenS  groei  SBorlefungen  »or  ©amen  unb  Ferren. 
Sie  Diorbbeurfdjen  unb  bie  ©übbeutfdjen  befriegen  fid)  babei 
wegen  ber  SluSfpradje.  Sc  fjält  SBifdjer  fetjr  Ejiibfd)«  Sßorrräge 
über  Stjalejpenre;  bie  ©adjfen  unb  $reufeen  moquieren  fid) 
aber  über  fein  ©dnoäbeln,  worüber  er  wütenb  wirb').  9ceu» 
lid),  als  er  au£  einem  norbbeutfdjen  SJortrag  fam,  fagte  er: 
„©es  [ofl  nun  beg  ridjtige  ©eitfd)  foin,  wenn  fo  a  flerle  fagt 
ftatt  jOerlown'  ,Dod)lod)en(!  unb  ftatt  ,Siebe'  ,2übV!"  $d) 
mufete  feb,r  ladjen  unb  tjinter&Vadjte  eS  ftracfS  ben  Sftörblidjen. 

Soeben  belomme  id)  and)  bie  SobeSanjetge  ber  alten 
grau  Äuüp  in  £eibelberg,  unb  lefcte  Dierjetjn  Sage  bin  id) 
wcniajtenS  in  brei  jürdjerifdjen  SeidjenronbuftS  gewefen,  fo 
bay  man  gegenwärtig  faft  nur  mit  bem  Zoi>  311  tfjun  ijat. 
2Bir  felbft  aber  finb  freilid)  nod)  arg  lebenbig  unb  matten 
Diele  9ßrojefte. 


')  3n  ber  „51.  3urd)er  3tg."  oont  6.  SRfirj  1856  lieft  man  unter 
ber  SJtubrif  3"ria):  „ÜBir  notieren,  ba&  ber  ljieffge  rj-Äorrefponbent 
ber  .Mationoljtg."  in  einer  ffrittf  über  btn  Sffentlidien  Bortrag  unfereä 
HfHjetiierS  SGtfdjer  über  .SRacbeüj'  fagt:  ,®er  fdjmäbifOie  ©ialeft  befi 
Sortragenben  habe  allen  anroefenben  ©aajfen  Stampfe  gemalt,  unb 
ber  Knne  nidjt  äfttjetiler  (ein,  ttefjen  Steinen  einen  folgen  ffierftoji 
ertragen.1" 


378  3üri«. 

Seiten  £erbft  war  giSgt  mit  friner  SSittgenfteimn  trab 
jener  jüngeren  $ringefftn  Ijier.  2)a  es  beSljalb  grofee  S^nnm 
beleien  gab,  wo  alle  möglichen  Beute  3ufammen  getrommelt 
würben,  fo  fam  id)  aud)  einmal  mit  ber  grau  £erwegl)  311: 

fammen  unb  feiger  aud)  bei  9JloIefd)ottS. JRidjarb 

SBagner  ift  burd)  bie  Slnwefenljeit  8iSgtS,  ber  feinetwegen  fem, 
wieber  feljr  rappelföpfifd)  unb  eigenfüd)tig  geworben,  benn  jener 
beftärft  iljn  in  allen  Sljorljeiten.  ©ie  gerfd)tin  SBittgenftein  ^at 
mit  alten  gelehrten  9totabeIn  3ünd)8  greunbfdjaft  gefd)loffen, 
fdjreibt  lange  Sriefe  an  fte  unb  fdjenft  irrten  ungelernt 
©ipSmebaillonS  2i«gtS ;  grau  Äödi)ft)  Ijat  aud)  eins  befommen, 
ift  aber  jaloufe  auf  grau  #ern>egl),  bie  baSjenige  ber  gürfiin 
mitbefam.  Übrigen«  ift  lefctere  eine  gefreite  grau ;  benn  alle 
bie  gelehrten  ßifenfreffer  unb  Srutuffe  räumen  fie.  3d)  allein 
bin  bunfel  öor  iljren  9ugen  geblieben  unb  fyabe  roeber  SSrief 
nod)  ÜKebaiHon,  worüber  id)  mid)  nid^t  gu  faffen  weift.  $jt 
bie  gräulem  *  *  richtig  wieber  nad)  Neapel  gebummelt, 
ober  wo  ift  fte  jefct?  ©ie  grau  Md)\t)  I)at  jefct  nod)  (ba 
id)  an  geraden  erinnert  werbe)  famofe  £aaref  bie  fte  auf 
alle  ga^onS  trägt,  manchmal  in  Sodfen  bis  an  bie  $üften; 
aber  ber  5Reib  murmelt,  fte  feien  gefärbt,  ©a  ©ie  aber  öon 
ben  fdjwargen  fiorfen  fd)rieben,  bie  fte  fd)on  als  Jfinb  gehabt 
fyätte,  fo  ift  lefctereS  alfo  Serleumbung1).  3^re  ©frupel  wegen 
ber  ©ebifation  meiner  9?ot>elIen  jtnb  jefct  einfad)  gu  löfen: 
id)  bin  nämlid)  überhaupt  Don  ber  3bee  abgefomnten,  inbem 
id)  bod)  fürdjtete,  mir  Spott  gugugieljen,  wenn  id)  fentimental 
genug  wäre,  einer  ^Berlinerin  ein  33ud)  gu  wibmeu.   Überhaupt 


')  8ina  Sünder  an  ©ottfrieb  ÄeUer:  „5>ie  feljr  I)übf(fc  gri* 
lein  ©aling  imponierte  mir  bamalS  fo  fet>r  bur$  glegang  unb  f<Jjdne 
fdjroarje  8ocfen,  bai  id)  miti)  nie  redjt  an  fie  Ijerantraute". 


104.    an  grau  Sinn  Sunrfer,  16.  311ärj  1857.  379 

mit  id)  bod)  lieber  nid)t  mich  auf  bergleidjen  Äünfte  oerlegen1)- 
Sagen  Sie  bod)  Gerrit  ^abnjiuä,  bafj  id),  im  ffriegSfaüe, 
mf  itin  gelauert  unb  iijn  befonberS  aufs  Äorn  genommen 
)ätte  al«  ^ntenbanten,  ba  et  rjoffentltd)  mitgekommen  märe. 
5m  fdjltmmften  ift  es  burd)  ben  ^rieben  3b,rem  ©djroager, 
Öerrn  &Ieranber,  gegangen,  ba  er  geroifj  einige  brillante  neue 
Berlagflarttfet  gewonnen  rjfitte,  roenigftenS  in  ber  erften 
palfte  beS  SfelbjugeS;  benn  roaS  bie  jmeite  palfte  betrifft, 
o  waren  mir  feft  entfdjloffen ,  bie  ^reufeen  mit  Wann  unb 
Blaus  aufjufreffen.  fflenfen  Sie  ftd)  j.  33.  mid)  fleinen  Äerl 
ntt  einem  langen  ßteutenaut  Dom  erften  ©arberegiment  im 
Äadjen!  ©in  ©IM,  bajj  jeber  folrfjer  ©raten  roenigftenS 
jleid)  ben  3^nfiod)er  auf  bem  Äopf  mitbringt. 

©en  16. 
3dj  bin  iu  meinem  b/rrlidjen  33rief  unterbrochen  roorben. 
BaS  SetdjenbegfingniS  meines  DfjetmS  f)at  inbeffen  ftatt- 
jefunben,  unb  id)  mar  einige  Sage  auf  bem  ©orfe  unb  fjabe 
jIS  Slnbenfen  eine  ausgetopfte  @ule,  eine  alte  Gfjrottif  unb 
;inen  alten  ©egen  mitgebradjt.  3d)  bummelte  auf  ben 
£)öb,en  am  SÜjein  b,erum,  inbeffen  meine  Settern  unb  23afen 
um  baS  ßrbe  biplomatifterten.  3u>ri  33rüber  janftett  fid) 
um  ba«  $ferb  be§  SSerftorbenen  unb  madjten  mid)  jum 
Sd)iebSrid)ter,  roeldjer  e£  eljer  gebraudjen  Bnne?  3d)  fagte, 
[ie  feilten  fid)  beibe  barauf  fe^en  jamt  iijren  grauen,  mie 
Die  »ier  £aimonSrinber.  $voti  23a|en,  meldje  guter  Hoff- 
nung finb,  Ejaben  mir  fd)on  angetünbtgt,  bnfe  id)  $ate  fein 
muffe.  SBJafjrfdjemlid)  mürben  fte  burd)  meinen  inajcftätifdjen 
Berliner  Srarf,  ben  id)  bei  ber  ßeidje  probujierte,  baju  auf» 

■)  S.  o.  S.  75. 


'J 


380  3üric$. 

gemuntert,  ©iefer  grodf  fyat  mid)  in  meiner  £eimat  vSxt- 
Ijaupt  in  ben  9luf  großer  ©olibität  gefegt;  benn  elf  id)  in 
SBerlin  war,  f)at  man  bergleidjen  nid)t  an  mir  gefeljen. 

3d)  lefe  foeben  ba$  fyrefefcfye  SeweSbud)1)  unb  erfebe 
an  bemfelben,  bafc  £err  ©unefer  jefct  feine  Sucher  feBbft  brurft 
gnbeffen  ift  ba£  33ud)  benn  bod)  nidjt  fo  unerhört;  mak 
mid)  aber  fyüten,  biefe  9Keinung  weiter  gu  öerbreiten,  ba  e$ 
in  Sfyrcw  Serlage  erfd)eint.  ©enn  SBerleger  »erben  wütenfc, 
wenn  man  3l)re  Slrtifel  tabelt.  ©.  I).  ba«  33ud)  ift  gan; 
gut  btö  auf  einige  fd)wad)e  ©teilen;  nur  ift  nidjtd  bann, 
wa£  man  nid)t  fdjon  fyat  wiffen  förnien. 

©er  „SRargife"  fyat  mir  im  gangen  nid)t  übel  gefafla, 
waö  bie  Arbeit  im  äu&ern  betrifft:  es  ift  eine  §übfd)e  Ste 
miniögeng  an  allerlei  ©agewefeneg;  ba$  £auptmotio  aber 
gef)t  nid)t  wotjl  an.  Snbeffen  mag  e$  gerabe  biefeS  fein, 
weldjeö  ba$  ©lud  beS  StüdfeS  gemacht  Ijat,  inbem  bie 
SSeiber,  bie  ben  Jon  angeben,  ftd)  gefd)meid)elt  füllen,  baB 
ein  bramatijd)er  £elb  gu  ©runb  gef)t  aus  Slnfjänglidjfeit  an 
feine  <yrau;  obgleid)  bie  gleichen  SBeiber  ftd)  woljl  ^uten 
mürben,  einen  fold)  anfänglichen  £elb  gu  beiraten.  6in 
ober  gwei  wegen  einer  ©ante  ruinierte  Saljre  mögen  allenfalls 
angeben;  aber  ein  ganges  geben  —  barf  nid)t  gefdjnupft 
werben  unb  ift  weber  bramatifd)  gut  nod)  fonft  erfprießlid)! 

9Jieine  SKutter  bringt  mir  ben  Kaffee  unb  ift  ganj 
munter,  ba  id)  burd)  ba§  ÄaffeetrinFen  gu  £au3  einen 
l)eud)lerifd)en  l)äu£lid)en  Slnftrid)  gewonnen  fyabe.  allein 
ba§  Söetter  bürfte  plöfclid)  wieber  umfd)lagen.  gnbejfen 
Ijabe  id)  t>or,  biefen  grüljUng  unb  Sommer  red)t  fleifeig  äu 

')  „©oetbeS  geben  unb  SöerFe." 


105.   2tn  Scrbinanb  greüigraty,  30.  2lpril  1857.  381 

fein  unb  im  £erbft  DieHeidjt  einen  furgen  Streifgug  nad)  ben 
öon  mir  früher  offerierten  beutfdjen  Drtfd)aftcn  gu  unter» 
neljmen,  um  nid)t  gang  gu  öerfdjweigern.  SUSbann  Ijoffe  id) 
©te  aud)  wieberum  gu  feljen  unb  »erbe  etwa  an  einem 
©omterftag  Slbenb  bei  Sfynen  einfallen,  wenn  Sie  nidjt 
aHgu  berühmte  ©efellfdjaft  fyaben.  33i£  baf)in  alfo  leben 
Sie  wofyl  unb  gefunb  unb  gebeutet  @ie  in  £ulb  SfyreS 
ergebenden 

©ottfrieb  ÄeHer. 


105«  $*  gtvtfinantt  f rtiligirrtty  in  $****** 

Sieber  greunb!  @o  barf  id)  ©id)  nod)  anreben,  benn 
©u  fäidtji  mir  „^iawatya,"  „atyenäum"  unb  fdjriftftellerft 
ju  meinem  9hifcen  in  2Ut  *  (Snglanb ,  wofür  id)  in  allem 
meinen  fcfyulbigen  ©anf  abftatte.  @d)ön  märe  e3  freilid), 
roenn  ©u  bireft  gegen  mid)  wieber  mal  etwas  brieffteHern 
roollteft;  ©u  braud)ft  ©id)  nid)t  gu  genieren  wegen  be$ 
@til$,  weil  id)  etwa  ein  bicfbänbiger  ^rofaift  geworben  bin 
—  ©u  weifet  ja,  id)  bin  für  alte  greunbe  immer  ber  Sllte; 
man  fann  bei  mir  nod)  immer  tfyun  wie  gu  £aufe,  trofc 
Sluerbad)  unb  „ättyenäum1)". 


l)  S)a3  „SUrjenäum"  9cr.  1527  oom  31.  San.  1857  bemerfte  bei 
IBeforedjung  ber  „$eute  oon  ©elbrogla":  ßefler  fei  ein  Slutor,  ber  gu 
großen  Hoffnungen  berechtige  unb  einen  Sßlafc  neben  Sluerbad)  beau- 
ftragen fönne,  ober  neben  irgenb  einem  oon  ber  klaffe,  bie  iljre  ©liefe 
gtoar  auf  einen  fer)r  fleinen  SDöinfcI  ber  bewohnbaren  (grbfugel  befdjrän- 
fen,  aber  bann  tief  in  bie  menfdjlidje  Statur  einbringen  unb  irjre  babei 
gemalten  (Sntbecfungen  in  ber  fdjlidjten  ©pradje  be3  £ergen§  ent« 
Bütten. 


382  3üri*. 

3d)  bin  alfo  feit  anbertfyalb  3ö^cn  roieber  in  3ünd) 
unb  l)abe  mid)  Don  bcn  Serliner  ©trappen  erholt  unb  cid 
fdjöneS  @d)weijerifd)eS  erlebt,  bin  aber  bereits  aud)  wieber  jo 
öerbauert,  bafj  id)  meiftenS  allein  ju  Jpaufe  fyoefe  unb  arbeite 
ober  lefe,  wag  am  @nbe  am  beften  befommt.  3d)  muß 
jefct  nod)  einige  Sänbe  nooeüiftifdje  ©ad)en  fertig  ma^en, 
weldje  angelegt  finb,  unb  bann  »erbe  id)  enblid) ,  walp 
fd)einlid)  etwa  um  baS  oierjigfte  Saljr  Ijerum,  auf  bie  bra* 
matifdje  See  auslaufen,  nad)bem  id)  eS  öor  peben  3a^ra 
tenbiert.  3d)  werbe  #eb.belfd)e  ©rofce  mit  Sirdjpfeifferfdjer 
Sülle  unb  £almfd)er  ©üfcigfeit  ju  vereinen  miffen;  bieSwar 
mein  IjeimlidjeS  ©tubium  in  ©eutfd)lanb,  unb  bann  müBte 
eS  bod)  mit  bem  Üeufel  jugeljen,  wenn  id)  nid)t  ber  ©ijafe* 
fpeare  ber  ßufunft  würbe,  inSbefonbere  wenn  nod)  ein  @ran 
23ad)erlfd)er  3ntuition  bajufommt. 

SBon  ©ir  unb  ©einer  gamilie  fann  id)  nid)t  treiben, 
ba  mir  alle  SlnfnüpfungSpunfte  fehlen.  ©aS  ältefte  §räulein 
wirb  alfo  nun  balb  ein  wirflidjeS  Sräulein  fein  unb  ber 
„Sufyrmann"  ein  anfel)nlid)er  S3engel,  wenn  er  nämlid)  bem 
$apa  nad)artet.  —  5BaS  übrig  ift,  fdjmebt  mir  unbeutlid) 
t»or.  ©eine  grau  ©emafylin  laffe  id)  ergebenft  grüßen. 
Über  ben  „^iawaüja"  lege  id)  ein  Slbfdjnifcel  aus  einem 
Sriefe  bei,  weldjen  id)  ©ir  üor  längerer  3c.it  fcfyreiben  wollte 
unb  welcher  fteefen  geblieben  ift. 

3d)  banfe  ©ir  alfo  für  ©einen  fd>önen  „^iawat^a-, 
weldjer  in  ber  SSIjat  unjer  poetifd)eS  Sewufjtfein  bereichert  unb 
beweift,  bafc  es  mit  biefen  artigen  ©ingen  ift  tout  comme  ch« 
nous  aud)  jenfeits  beS,  SBafferS.  @S  wäre  freiließ  erwünjdjt 
ju  wiffen,  wann  g.  33.  bei  ben  Stemmt  bie  poetifdje  3b« 
öon  ber  ©enbung  eines  erlöfenben  unb  bilbenben  göttlichen 


105.   9ln  gerbinanb  gretltgraty,  30.  5(pril  1857.  383 

gelben  entftanben  ift,  ob  oor  ober  nad)  ber  Slnfunft  ber  @uro* 
päer  k.  SXud)  nimmt  mid)  munber,  ob  j.  33.  ber  munberbar 
fd)öne  3ug,  wie  bie  guten  Seute  in  iljrer  fröfylidjen  (Sinfalt  bie 
öermeintlidjen  neuen  2ügen  beS  3äger8  beladjen,  als  er  iljnen 
bie  Slnlunft  ber  ßuropäer  bef djreibt,  gang  auf  SongfeHomS 
SRedjnung  ju  fefcen  ift?  6$  märe  gu  fd)ön,  menn  jene  armen 
3ftotI)äute  felbft  biefe  großartige  unb  tiefjtnnige  Situation 
auSgefyedft  Ratten,  meld)e  ben  fdjönften  Sfißcn  öQer  anbem 
uralten  Sßoefleen  jur  ©eite  ftefyt.  Übrigens  ftnb  mir  munber* 
Iid)e  Ääuje;  mir  munbem  un$  immer  Don  neuem,  bafe  baS 
Häuflein  SRenfdfoen  auf  biefem  ©rbglöbdjen  einanber  fo  aljnlid) 
pet)t,  unb  praftijd)  finb  mir  babei  aud),  ba  mir  un$  ein  fo 
billiget  Vergnügen  unb  €>pefta?el  ju  üerfcfyaffen  miffen  ba* 
burd),  bafe  mir  eben  einanber  fo  äfynlid)  fefyen.  3d)  füge 
bieSmal  biefer  ©üftelei  nod)  Ijinju:  „$\  au  fyal  fiel  buntpf  ber 
(Sljor  ein."  meldjer  SBerS  mir  immer  aufmunternb  in  ben 
Oljren  flingt. 

£ier  in  QMdj  t)abe  id)  eine  Unmaffe  S)eutfd)e  toorge* 
funben,  nid)t  nur  Flüchtlinge,  fonbern  aud)  atterljanb  %a* 
milien,  bie  au$  freien  ©tücfen  Jjierfyergejogen  jtnb  unb  bie 
©efdjäfte  treiben.  2lud)  gelehrte  üßotabeln,  mie  33ifd)er,  9Äo* 
lefdjott  unb  ein  paar  anbere.  23ifd)er  ift  ein  oon  ber  %xaxx 
gefdjiebener  SHenfd)  unb  meiftenS  moroä  unb  f)at  jefct  feine 
Slft^etif  oollenbet.  s3Mefd)ott  fannte  id)  Don  £eibelberg 
Ijer,  ift  liebenSmfirbig  unb  t)at  öiel  ©efdjmadt  an  ber  Sitte« 
ratur.  ©ann  ift  aud)  3ftid)arb  SBagner,  ein  fefyr  begabter 
5Henfd),  aber  aud)  ehuaS  Srrifeur  [!]  unb  (Sfjarlatan.  @r 
unterhält  einen  Sßipptifd),  morauf  eine  jilberne  £aarbfirfte 
in  Iriftallener  Schale  ju  feljen  ift  k.  k.  Slud)  gibt  e$  eine 
förmliche  Sittcratenfafte  feit  1849  I)ier,  mie  aud)  an  anberen 


384  3üri$. 

©djweigerorten ,  nid)t  nur  $eiriQetomften  unb  3eifcwg§for= 
refponbenten ,  nein,  aud)  SRomanfdjreiber,  ©id)ter,  fing  bie 
ganje  ©runbfuppe  grofjftäbtifdjer  33erl)ältmffe.  Stoman-- 
fdjreiber  in  3ündj  allem  etwa  brct  ober  öier,  Don  baten  e$ 
gleichgültig  iftr  ob  man  fie  nennt  ober  nid)t ;  au&erbem  jene 
Ottilie  Äapp  aus  ©oeft  mit  iljrem  Wann1),  nebji  anbera 
©laubeinbejügen.  3ftuge  will  alfo  wieber  machen  r  bafj  es 
oorwärte  ge!)t,  ba  er  bie  „Saljrbüdjer11  rehabilitiert,  mit  benen 
er  ba$  ^dfyx  1848  gemacht  Ijat.  9hm  fönnte  man,  in  8er* 
binbung  mit  i!)m,  gut  in  Slftien  fpefulieren,  ba  man  genau 
erfahren  fönnte,  wann  unb  tt>o  bie  (Sreigniffe  roieber  ein- 
treffen, bie  •fonftmiert  werben.  @r  unb  ^einjen  fmb  jeben* 
fallö  jwei  Gljaraftere;  benn  feiner  Don  beiben  Ijat  im  min' 
beften  feinen  Stil  geänbert.  ©od)  will  id)  fonft  in  feiner 
SBeife  SRugen  mit  bem  Äalb  unb  @d)af$lopf  £ein$en  oer= 
gleichen. 

§aft  ©u  nod)  feine  grauen  £aare?  3d)  fyabt  fdjon 
mandje  in  meinem  33art,  bie  id)  Don  S^it  ju  3^it  ausrupfe. 
@d)ulj  Ijat  einen  weingelben  ober  fdjneewetfjen  SBart,  ber 
oon  ber  SRafe  f)er  üergolbet  wirb.  Übrigens  Ijält  iljn  bie 
grau    gut    unter    ber    @d)ere    unb    ftufct    üjn    alle  aty 

Sage. Sd)  werbe  fdjanblid)  bief ,  unb  ai$  id)  in 

©reiben  war,  jubelte  Sluerbad) :  nun  fei  nod)  ein  fleinerer  bo 
als  er,    wa$  aber  gelogen  war!   ©enn  er  ift  nid>t  gros* 

als  id). ©ufcfow  ift  eine  Statte.    3d)  $ab'  il)n  and) 

gefeljen.  @r  mißgönnte  mir  fogleid)  mein  bifedjen  @d>mierera 
unb  ba£  winjige  Srfölgeldjen  unb  fudjte  es  burd)  förmli^e 
wiffentlicfye  (Sntftellung  ju  paratyfteren. 

')  2lle?:anber  ftapp,  früher  ©gmnajianefjrer  in  ©oeft,  ge|L  1869 
in  3ürid). 


106.   5ln  (5$rifttan  @c$ab,  30.  SCpril  1857.  385 

©od)  genug  be3  ©eflatfdjeS.  Sllfo  Ijerjlidjen  ©rufe 
unb  beutfdjen  £anbfd)Iag,  fagt  @d^ab,  bcr  (Sfyef  beS  „©eut* 
fd)en  9Jhifenalmanad)§\  in  feinen  ©riefen,  unb  fo  aud)  id). 
Schreibe  mir  bod)  gelegentlich  mal  etwas  unb  lag  mid) 
@ud)  empfohlen  fein!  ©enn  fein  (Sngel  ift  fo  rein  wie  @uer 
getreuer  ©otfribolin  ÄeHer, 

ober  ber  ©ang  nad)  bem  (Sifen  [Jammer] 
3üri$,  ben  30.  Slprfl  1857.          watfdjelnben  8ngebenfenS. 

P.  S.  3d)  fyabe  wieber  einmal  in  einem  miferabel 
roifcelnben  Sone  gefdjrieben,  was  id)  bereits  bereue,  Slflein 
warum  flöfjeft  S)n  feine  ernftere  Stimmung,  feine  würbigere 
Haltung  ein? 

SScre^rtcftcr  £err  unb  greunb!  ©a  Sie  mir  gar  fo 
freunblid)  unb  f)öflid)*galant  fdjreiben,  fo  mufe  id)  enblid) 
meine  Säfftgfeit  gegen  ©ie  einigermaßen  bezwingen  unb 
meine  ©eftnnung  meljr  gur  ©eltung  fommen  laffen,  obgleich 
leiber  mefyr  in  SBorten  als  mit  Saaten.  2öarum  id)  S^nen 
ffir  ben  „SJtufenalmanad)11,  beffen  Fortgang  id)  feittjer  mit 
SBergnfigen  unb  Sntereffe  oerfolgt  Ijabe,  nidjtS  meljr  gefanbt, 
gefdjal)  aus  bem  aHeretnfad)ften  ©runbe,  weil  id)  nid)t3  ge* 
mad)t  fyabe.  Sd)  bin  burd)  bie  leibige  Sud)fd)riftftellerei, 
bie  id)  Jjanbwerflid)  nid)t  beljerrfdje,  aus  aller  Sgrif  fyerauS« 
gefommen;  benn  baä  jugenblidje  SebürfntS  häufiger  momen* 

!)  Sljriftian  ®$ab  (1821-1871),  Herausgeber  beä  „2>eutföen 
SJtofenalmanad&a1'  1850, 1852—59.  ©er  obige  Srlef  ift  mit  jroei  anbern 
©Wetten  äeüerä  an  kfyab  mitgeteilt  in  2Rofegger8  „Heimgarten" 
15,  310  ff. 

©ottfrieb  fttOer.    II.  25 


386  3üri$. 

totier  ©timmungSergüffe  ift  fyalt  oorbei,  unb  ju  einer  erneata 
reiferen  unb  fünftlerif  djen  $eriobe  abftti)tlid)en  Igrif  d)en  #en»r* 
bringend  gehört  eine  faft  ganjlidje  tabula  rasa  Don  alte 
befctymerenben  Sbljaltungen,  ein  glüdflidjeS  Sßierteljaljr  g% 
lieber  f$freil)eit.  €>eit  id)  ©ieber  in  meiner  £>eimat  bin,  fpe= 
fuliere  id)  barauf,  ba  id)  eigentlich)  etoaö  unzweifelhaft  ©nt» 
in  Sieberfadjen  erft  nod)  ju  Ieiften  l)abe,  roemgftenS  in  einem 
djarafteriftifdjen  gnfemble.  3d)  wollte  3§nen  nid)t$  m^r 
Riefen,  bi$  id)  etroaS  berart  l)ätte,  nriQ  nun  aber  bod)  für 
biefen  Sa^rgang  memgftenS  einige  ©päne  jufammenfudjen, 
bamit  id)  nid)t  ganj  in  33ergeffenljeit  gerate,  ©iefe  werbe 
id)  Sfyien  Bi*  Anfang  Suni  aufteilen  ober,  roenn  e$  jicfc 
länger  t)inau$jiel)en  füllte,  nad)  ^rern  SBunfdje  ba§  ©ef)5* 
rige  anzeigen. 

3d)  lefe  immer  mit  einem  ^auptoergnügen  3f)i*  frifd)en 
unb  froren  S)id)tungen,  mit  melden  @ie  fo  trejflid)  ben 
fflemeiö  Ieiften,  bafe  immer  nod)  etwas  32eue3  unb  ffigenge* 
poriges  auswerfen  ift,  unb  benfe,  Sie  werben  und  mm 
balb  mofjl  mit  einer  Sammlung  erfreuen. 

3d)  banfe  S^nen  l)erjlid)ft  für  gtyren  freunblid)eu  ©rufr   | 
unb  roünfdje  S^nen  gleichfalls  ba«  bejfe  2Bo^lerge§en,  ba* 
Sie  um  Sfyrer  treulichen  Pflege  unferer  3Jhifen   willen  )o 
fefyr  oerbienen. 

3Jiicf)  Sfyrer  flu^n  ©efinmmg  ferner  empfe^lenb,  Der* 
bleibe  id)  mit  freunbfd)aftlid)er  £od)ad>tung  3^r  ergebener 

©ottfrieb  tfeller. 

£ottingen  bei  3ürid),  ben  30.  April  1857. 

P.  S.  S>ie  Benennung  „SMer"  bitte  id)  fünftig  nw 
laffen  ju  wollen,  ba  jte  mir  längft  nidjt  meljr  jufommt. 


107.  %n  grau  8taa  <Dun<fer,  4.  3uli  1857.  387 

107«  $tt  gvan  {ton  Jmuke*  in  gtrlto« 

3ürf$,  bcn  4.  Suli  1857. 

Siebe  %xau  ©undfer!  ©a  @ie  unb  3för  £etr  @emal)l 
mid)  trojj  meiner  Sfrefefdjen  Unguoerlaf flgfeit l)  nod)  immer 
nid)t  aufgeben  ober  aud)  nur  anfd)nard)en  motten,  fo  mufc 
id)  roo!)l  ober  übel  aud)  nod)  bei  bem  freunbfd)aftlid)en  STone 
öerljarren  trofc  meiner  altiüngferlid^en  SfoKer*  unb  Äeiffud)t. 
@ie  §aben  jefct  fefyr  nieblid)e  33rieffouöert$,  fdjreiben  aber 
nod)  immer  fefyr  unbeutlid),  fo  ba&  man  ftd)  ungebulbig 
burd)  3^r^  ©pifteln  burd)fd)lagen  rnufc.  SSorauS  mfinfdje  id) 
Syrern  Sungen  gute  SBefferung  unb  bafj  bie  SKafern  mieber 
abmarfdjieren,  ofyne  ben  übrigen  SBeftanb  3l)reS  £aufe$  an* 
gugreifen.  3>d)  fann  ben  Flamen  beg  fleinen  5Häbd)eng  nid)t 
lefen8),  glaube  aber,  e$  foH  SJlarie  fyeifcen,  ma$  eine  öer* 
nünftige  3ftücffe^r  gur  guten  alten  @infad)I)eit  märe;  benn 
tiefe  alten  d)riftlid)en  9Kabd)ennamen  fhtb  öiel  Jjübfdjer  unb 
bebeutungdooüer  für  bie  Stebfyaber  (amateurs  ober  amants) 
als  ber  mobifd)e  Ärempel,  mit  meinem  nid)t  feiten  aud) 
£unbe  unb  $ferbe  benannt  werben,  £offentltd)  begebe  td) 
l)ier  feine  ©ummfyeit,  unb  ba$  unleSbare  SBort  ift  nid)t  etroa 
grabe  eins  Don  ben  gerügten! 

©ie  Seebad)  fal)  id)  fd)on  bie  gange  3*ü  in  ber  „SRa* 
tionalgeitung11  figurieren  in  unenblidjen  Slrttfeln,  bie  id)  gu 


l)  8ina  ©uncfer  an  @.  tf  euer,  28.  Sunt  1857 :  „grefe  ift  nod) 
in  8remen  [bei  ber  „SBefergettung"]  unb  aroar  entfefclt(§  faul  unb  in 
einer  Söeife  unauöerläffig  mit  feiner  Überfefcung  be8  8en>e8fd)en  Stocks, 
ba%  td&  tfjn  gar  rtid)t  tneljr  leiben  fann". 

*)  8.  Stander  an  @.  ÄeÜer  a.  a.  D. :  „9Retne  flehte,  btde,  füge 
<Dtarie  fotten  ®ie  im  £erbft  feljen  unb  3l)re  greube  baran  f)aben,  wenn 
Sie  nic^t  gar  au  urrofilbli$  mit  üjr  Ijantteren  rooHen". 

25* 


388  3üri$. 


faul  war  ju  lefen1).  3d)  bin  Sfynen  baljer  banfbar  für 
3f)re  artige  ©fijje,  womit  id)  nun  beruhigt  bin.  3$ren 
©arten  gönne  id)  Sfynen,  ba  @ie  fo  artig  gegen  mid)  bleiben, 
©afe  ©ie  mit  SamljagenS  33efanntfd)aft  machten,  ift  and) 
fyfibfd) ;  gemife  jinb  eS  trefflicfye  TOenfdjen,  öoll  toaljrer  Silbung 
unb  weldje  Aber  ben  gewöhnlichen  t(errfd)enben  Sargon  Ijtn* 
auöfe^en9).  S)ie  arme  <Sd)lid)tfrutld)en3)  fann  mid)  baueni; 
benu  eS  liegt  un jweif el  Ijaft  etwas  Unheimliches  unb  Unheil* 
öoHeS  in  ber  3rt,  wie  pe  ftd)  an  jene  SSeflie  gefeffelt  fyd, 
weldje  in  einer  nid)t  gut  fagbaren  SBeife  ein  Un^olb  ifi. 
Snbeffen  ift  baS  ©runblafter  ber  guten  8llice  nad)  meiner 
Meinung  it)re  für  ein  junges  3Räbd)en  ganj  utmatürfidp 
3ftut)m*  unb  @^rfuc^t,  meldte  jte  in  jeber  SBejieljung  auf  3b* 
wege  gebracht  fyat! 

3d)  felbft  Ijabe  feitljer  Diel  felbftoerfdjulbeten  Äuinme* 
rariuS  gehabt  (benn  anberen  fenne  id)  ungezogener  £oljapfd 
nid)t),  unb,  was  baS  $rgfte  ift,  id)  burfte  als  guter  SJürger  in 
Sfirid)  feine  3ftäufd)e  trinfen,  um  mir  barüber  weghelfen, 
wie  weilanb  in  Serlin;  benn  311  £aufe  fann  id)  bergleidjen 
nid)t  aufführen,  fonbern  mu&  alles  Unheil  ganj  nfidjtern  unb 


')  Ä.  a.  £).:  „®eit  14  Sagen  tnaa)t  uns  SRarie  @eebad)  groft 
fjreube,  fle  Ijat  ungefähr  neun  ©aftroHen  gegeben  unb  i$  ^abe  fie 
als  ,©retä>n4,  ,3ulia',  ,8orIe'  in  ,©orf  unb  ©tabf,  >3ane  <§qt?  wtto 
^at^ilbe4  (53enebi?)  .  .  .  gefe^en." 

•)  8.  a.  £).:  „eine  nette  Setonntfä)aft  Ijabe  i$  an  bem  lieben 
milben  SBarnljagen  unb  ber  gutgearteten  feinen  gräuletn  Äffing  g* 
tnaä)t*. 

*)  8.  S)under  an®.  äeHer,  29.  gebr.  56:  „gräulein  @($U$tfrua 
[Hltne  d.  <5d).  1832—63,  bie  SRomanfo)riftfteUerin]  tft  ben  gonjen 
©inter  franf  geroefen."  S)ie  wS3eftie",  an  bie  fie  gefeffelt  ift,  mar  äne 
©ante,  ju  weiter  bie  @a)Ua)tfruH  ins  £auS  sog. 


107.   5ln  grau  &na  SDundfcr,  4.  3uK  1857.  389 

trocfcn  ju  paaren  treiben,  mas  übrigeng  auf  bie  ©aner  bod) 
ba§  @rfpriefelid)cre  ift.  Sei  biefer  ©elegenljeit  mufc  id)  3f)nen 
nod)  nadjträglid)  geftefyen,  bafc  jenes  blaue  Sluge,  mit  meldjem 
id)  einft  bei  Sfynen  erfdjien,  obgleid)  id)  e3  abgeleugnet, 
bennod)   Don  prügeln   Ijerrüljrte.    3d)   ^tte   nämlid)  nid)t 

nur  ben  @d)l geprügelt,  fonbern  in  ber  folgenben  9tad)t 

tpieber  einen,  wegen  beffen  id)  oerflagt  unb  Don  ber  Sßolijei 
um  fünf  Spater  gebüfct  mürbe.  3"  ber  britten  5ßad)t  gog 
id)  mieber  aus,  fanb  aber  enblid)  meinen  9fteifter  in  einem 
£au$fned)t,  ber  mid)  mit  bem  £auöfd)lüffel  bebiente,  worauf 
id)  enblid)  in  mid)  ging.  @8  mar  eine  ©onnerftagS*,  grei* 
tag$*  unb  @onnabenb§nad)t,  mo  id)  fo  mit  gebrochenem  £erjen 
mid)  umtrieb  unb  anberen  2euten  mir  jur  <£rleid)terung  an 
ben  Äöpfen  fragte,  aber  e$  mar  bod)  eine  fyübfcfye  3*^  unb 
jefct  ge^t  gar  nid)t§  SRed)teö  meljr  oor. 

SBie  ift  benn  $alle$fe§  „(SrommeH"  ausgefallen?  @el)t 
eS  nod)  immer  mit  feinem  93orlefen?  ©iefer  Sage  mar 
©buarb  ©eörient  fyier  unb  rooljnte  bei  SBagner.  @S  mürbe 
im  ©Ijafefpeare  unb  „Sfauft"  gelefen  unb  au8  SBagner« 
großem  Sltbelungenmerf  muftjiert,  morin  e$  fefyr  t)od)  unb 
poetifd)  jugeljt.  £fibfd)e  ©amen  maren  fleifcig  im  frönen  S)a* 
ftfcen  unb  meine  SBenigfeit  ganj  emjtg  in  ftiHem  llnfdjönfein. 

SBefyfe  Ijat  mir  einen  red)t  fdjlimmen  ©ienft  geleiftet 
mit  feinem  ©aubud)1);  &«itt  id)  Ijabe  beutlid)  bemerft,  bafe 
man  in  ßßrid)  glaubte,  er  fyatte  unter  meinem  (Sinflujfe  jene 
Stirabe  über  mid)  gefd)rieben,  nämlid)  megen  meiner  ftaatS* 
männifd)en  Sufunft  in  meiner  £eimat  unb  fold)en  Summ* 
Reiten,  »ie  menn  id)  in  SBerlin  bamit  geprahlt  fjatte,  bafc 
id)  nun  nad)  §aufe  gelten  roolle,  um  bort  $u  regieren  unb 

l)  6.  o.  6.  81,  «nm.  1. 


390  3üric$. 

Drbnung  ju  madjen  — 2Ba$  fyat  benn  Fräulein  ** 

geffinbigt,  bafe  @ie  berfelben  in  3^cm  Rapport  gar  nidjt 
erwähnen?  3d)  fann  nid)t  leiben,  wenn  idj  Don  Sefatmten 
nid)t  weife,  wo  pe  bergeit  pnb  unb  ob  pe  nod)  leben.  Sljren 
Dr.  #orwifc  fenne  id)  nid^t,  fann  mid)  n>enigften£  nidjt 
erinnern;  ba  er  aber  für  bie  „Äammmadjer11  eingenommen  ijt, 
fo  ift  er  iebenfattö  ein  fefyr  gebilbeter  9Kann  unb  Diel  ge* 
fd^citcr  als  $rufc  unb  ©ufcfow,  meldte  jene  Schnurre  fär 
fdjledjte  Späfce  erflart  Ijaben. 

9Äeine  SJhitter  läfet  pd)  unbefannter  2Seife  audj  em* 
Pfeilen.  Steuer  Ijabe  id)  Styre  freunblidjen  ©rufte  immer  unter» 
fd)lagen,  weil  id)  backte,  eS  fomme  bod)  nichts  babei  IjerauS. 
©a  Sie  aber  nun  in  bie  @d)weig  fommen,  fo  mufe  id)  ba$ 
SSerfäumte  gut  machen.  2Sir  §aben  eine  *u  fleine  SBoljnimg, 
fonft  würbe  idf)  @ie  gur  #erberg  jitieren.  auf  näd)jie$ 
3at)r  werbe  id)  midf)  aber  enblid)  rangieren  unb  eine  beffert 
8lnftalt  einrichten;  unb  bann  lönnen  Sie  mit  Äinb  unb 
Äegel  in  bie  ©cfyweij  fommen,  fo  oft  ©ie  wollen  (in  einem 
Sag  pnb  ©ie  jefct  in  Bund)),  ofjne  ein  fold)  öerrücfteS  lini 
teures  Souriftenleben  ju  führen.  SOber  freiließ,  »enn  Sie 
bei  und  pnb,  fo  werben  SJjnen  bie  97äd)te  eingetljan  ober 
ei ngefd)  lagen,  unb  Sie  werben  an  gefunbe  6infad)l)eit  ge* 
wd^nt,  was  Sorten  gar  nichts  fd&aben  fann.  2BaS  mein 
urwälblidjeS  Umgeben  mit  Äinbern  betrifft,  fo  bemerfe  S^nen, 
bafe  id)  {ebenfalls  nod)  feine  Äinber  gefreffen  fyabt,  fonbern 
mid)  in  ber  Siegel  gut  gu  benfelben  fte^e.  thiS  biefen  fonrie 
aus  anbern  ©riinben  fdjliefje  id)  meinen  ©rief  unb  oerbleibe 
S^r  ergebender  ©ottfr.  ÄeHer,  ©djriftfteller. 

$aul  £ei)fe  war  geftern  aud)  einen  Sag  Ijier  unb  ift 
ein  allerliebfteS  Äerldjen.    SEBtr  waren  fe^r  gemütlidj. 


108.   Sto  Submttla  ajfmg,  5.  3uli  1857.  391 

108»  &n  gttfrtttUla  $rß*0  in  gUrlitt. 

3firicf>,  ben  5.  3uli  1857. 

S3erel)rte$  gräulein  Slffing !  31$  id)  l)eute  frü^,  am 
fdtjönften  ©onntagmorgen,  mid)  eben  hinter  bcn  SBebftuljl 
fefcen  wollte,  auf  welchem  bte  ©undferfdjen  -Kooellen  fd)on 
fo  lange  aufgefpannt  finb,  fam  ber  ^Briefträger  mit  einer 
gangen  S3ufd)el  ©riefe,  $äcfd)en,  Äreujbänbe,  Steine  u.  bgl., 
alle  Arten  oon  Sßoftformen  jumal,  wie  jie  jumeilen  ber 
launifdje  3ufaH  anläuft  in  ber  £anb  unferer  9Äerfure.  3d) 
oermutete  Derbriefelid)  nid)t8  als  nid)t$fagenbe  litterarifcfye 
Sluff orberungen ,  bumme  SKitteilungen ,  TOanuftripte  unoer* 
fdfyämter  armer  Seufel,  meiere  @m})fel)lung  unb  SBerleger 
jucken,  unb  nad)bem  fte  Don  ben  Sluftoritäten  erften  langes 
tjöfltd),  aber  rafd)  abgemiefen,  bie  3ftunbe  bei  ben  auftaudjenben 
SRebelfternen  jmeiten  SftangeS  beginnen,  unter  erlogenem  33or* 
geben  ungeheurer  33erel)rung,  ftd)  auf  beren  ©telleit  unb 
minbere  (Erfahrung  oerlaffenb.  68  befd)leid)t  unb  quält  mid) 
oft  ber  ©ebanfe,  bafe  id)  bis  jejjt  ber  SBelt  nod)  gar  md)t$ 
JRccIlcö  genügt  Ijabe;  aber  ein  SMicf  auf  biefe,  wenn  aud) 
meiftenS  unnüfcen  $oftfonüolute  gibt  mir  menigftenS  ben 
leidsten  Sfrroft,  bafc  td)  bod)  fd)on  einen  anfet)nlid)en  Sßorto« 
umfafc  oerurfadje  unb  fo  gu  ben  ©taatSeinffinften  ber  Der* 
fdjiebenften  ©taatlidjfeiten  mein  ©d)erflem  beitrage. 

3d)  wollte  alfo  fd)on  bte  gange  Sufdjel  in  eine  6cfe 
werfen,  um  ben  SÄorgen  nid)t  fo  profaifd)  anjubufeln,  als 
mein  Sluge  nod)  glüdflicfyerweife  ein  woIjlbefamtteS  anmutiges 
©iegel  attrappierte,  ba&  ba  mefyrfad)  über  SBrief  unb  Sßäcfdjen 
geftreut  mar.   ßuerft  befreite  id)  bie  arme  tote  ©raftn1)  aus 

])  „(öröfin  (Slifa  oon  Stylefelbt,  bie  Gattin  Slboltf)$  öon  Sfifcom, 
bte  fjreunbtn   $arl  Smmermannä.    (Sine  Siograpljie  öon  8nbmiHa 


392  3üri$. 

ifyrer  fdjroargen  £ülle,  mar  mit  einem  Solid  auf  ben  Jüd 
über  bie  ©ad)Iage  orientiert  unb  las  bann  fogleid)  Jljra 
milWommenen  gütigen  SBrief.  9tun  ift  e£  brei  ttljr  nadj* 
mittag^;  id)  fyabe  ba$  geben  jener  $rau,  3$r  2Berf,  geleja 
bid  auf  ben  Slnljang,  unb  ba  ber  Sag  einmal  gur  9inge 
get)t,  n>iH  id)  S^nen  gleid)  nod)  meinen  ©anf  aufnotiere 
3nbeffen  mögen  ©ie  bei  S)undfer$  pd)  öerauhDorten,  bas 
ifyr  SJianuffript  um  einen  Sag  länger  nidjt  fertig  mirb. 

3d)  münfdje  S^nen  nun  aufrichtig  unb  öon  £erä«n 
©lud  um  be£  f  djönen  unb  mistigen  ^Beitrages  nullen,  mit  ©et 
djem  ©ie  unfere  gitteratur  unb  bie  Sa^rbfidjer  beutfdjen  gebend 
bereichert  Ijaben.  Sd)  roufcte  groar  fd>on  aus  3^rnn  freund 
liefen  SKunbe  mandjeS  ffiebeutfame  über  bieS  reiche,  wie  mm 
einem  grofcen  meland)olifd)en  S)id)ter  erfunbene  Jfrauenlebcn; 
aber  bafc  e£  in  folgern  @rabe  typifd)  unb  poetifd)  unb  an 
bie  f(öd)ften  (Sreigniffe  anfnüpfenb  feir  baöon  Ijatte  id)  frei* 
Iic£>  feine  SUjnung.  SBie  mürbig  treten  Sie,  unb  mit  meld) 
glfidflidjem  unb  inljaltöotlem  ©egenftanb  in  bie  gfufeftapfen 
SfyteS  öereljrungStoürbigen  unb  unvergleichlichen  Ferren 
Dnfel;  unb  wenn  $fym  Schreibart  aud)  Jener  fünjilerijcfr 
männliche  friftaflene  SSifc  abgebt,  ber  Ferren  SSarnljagen» 
©d)rift  burd)gief)t  (ma$  ^nm  burdjauS  nid)t  al$  ein 
§et)lenbe§  angerechnet  werben  barf,  ba  e§  md)t  anberö  fein 
barf),  fo  I)aben  Sie  bod)  in  Älarljeit,  3H>«fmäfeigfeit  unb 


2lfflng".  1857.  öubmiua  begleitet  bie@enbung  mit  folflenben  ©orten: 
„2>ie  ausgezeichnete  grau  mar  mir  perfönliä;  fetyr  lieb  unb  teuer,  unb 
nadjbem  ia)  fte  oerloren  Ijatte  unb  tni(§  in  ber  (Erinnerung  fo  redjt 
lebhaft  in  iftr  eigentümliche^  Söefen,  in  iljre  ungemötynlicfcen  6ä)idjak 
oerfenfte,  ba  erfdjien  e§  mir  nrie  eine  $flid)t  ber  fjreunbfdjaft  in  biejer 
nur  gar  gu  fdjneü"  oergeffenben  Qtxt,  ifyr  önbenfen  gu  beroalpen  unb 
gu  efn*en\ 


108.   2ln  ÖubmWa  Sliftng,  5.  3uli  1857.  393 


mufterljafter  Slnorbnung,  in  einer  meifterlidjen  Steigerung 
beS  SntereffeS  ba$  fflefte  geleiftet.  Sfyr  S3ud)  unterrichtet, 
bilbet  unb  lögt  gugleid)  eine  Stimmung  gurücf,  wie  nad) 
bem  ©enufc  eines  tieffinnigen  woI)lgefd)riebenen  9ftomane$. 
©enn  bie  £auptgrunbjüge  biefeS  2eben3  fönnten  nid)t  ebler 
unb  tragifdjer  gebaut  fein.  2Bie  erfdjütternb  ift  bie  8öfung 
unb  Slufflärung  be$  2ü|owfd)en  ©ramaS,  nad)bem  im  33e* 
ginne  begfelben  bie  ungefdjidt  falten  Ijoljlen  2iebe§briefe  beS 
greierS  (Sinem  gleich  bie  2U)nung  erweeften,  bafe  biefer  braoe 
frifdje  ÄriegSmamt  bod)  feine  ©pur  ed)ter  grauenliebe  in 
fid)  trage!  2)afe  (Slifa  feinen  Snftinft  fyiefür  fyatte,  fonbem 
ba&  6i8  liebte,  ift  freiließ  aud)  if)re  tragifdje  ©cfyulb;  wie 
benn  überhaupt  ein  unöerf)oI)lene$  ganjeS  unb  auSgeftalteteö 
SiebeSleben  nirgenbö  erjtcfytlid)  wirb.  3d)  üerfenne  natürlid) 
nid)t,  bafc  eine  berartige  StuSfüfyrung  ber  Serfafferin  in 
feiner  SBeife  erlaubt  unb  möglid)  war;  aber  bei  ben  tief 
romantifdjen  übrigen  ©runbjügen  oermeljrt  gerabe  biefer 
9Jlangel  an  brennenberer  garbe  ben  bämonifdjen  (Sinbrucf, 
als  ob  biefe  fämtlidjen  bebeutenben  ©eftalten,  gelben,  geeen 
unb  2)id)ter,  (SiSljerjen  in  ber  Sruft,  mit  einem  fteuer  fpielen, 
an  bem  biefe  £erjen  ftd)  öernidjten. 

23ie  fyerrlid)  gutreffenb  ift  e§  aber,  bafj  biefer  gebanfen* 
lofe  SRitterSmann ,  ber  bod)  fo  tapfer  unb  grofjfyerjig  war, 
bafc  er  in  allen  kämpfen  nur  SBunben  baoon  trug,  erft  im 
nafyenben  2Ilter,  in  Äummer  unb  5Reue  bie  aufrichtige  fd)öne 
Spraye  ber  ©eljnfudjt  nad)  ber  grau  lernte!  @o  bafc  nun 
feine  legten  Sriefe  eben  fo  fd)ön  ftnb,  als  bie  erften  uner* 
träglid)  waren  in  ifyrer  5ßid)tigfeit. 

Unb  wie  wafyrljaft  tragifd),  bafc  bie  ©räfin  abermals, 
in  ber  3mmermannfd)en  @efd)id)te,  üernidjtet  wirb!  ©ieSmal, 


J 


394  3üri$. 

toeil  fte  e£  ju  t>orfid}tig,  gu  t>orfeljung$artig  unb  gut  madja 
wollte,  abermals  eine  Slrt  fyötjeren  Spielet,  anftatt  wie  W 
anberen  5Renfd)enfinber  ba$  @Iücf  auf  bem  geraben.  Sege 
menfd)lid)er  Singe  ju  wagen. 

9über  bafe  bie  beiben  Serbinbungen,  in  melden  bk 
#elbin  be$  Sucres  metyr  ober  weniger  glücflid)  war,  jo 
lange  ß^iträume  Don  üiergetyn  unb  jtDÖIf  Sauren  umfafien, 
wäljrenb  meiner  fte  fo  Diel  wirft  unb  erlebt,  gibt  bem  ®an§ai 
einen  weiten  unb  breiten  epifdjen  (Sfyarafter  unb  ber  ^dbis 
jene  fdjeinbar  ewige  penelopeiifdje  ^ugenb  ber  Sitten. 

Sieg  ftnb  wal)rf)aftig  leine  trafen  unb  Sergierungcn 
Don  mir,  fonbern  meine  augenblicflidje  Stimmung,  nadjbem 
id)  ba8  33ud)  gelefen.  SBaljrljaftig,  graulrin!  @ie  Ijaben 
einen  meifterlidjen  Stumpf  auSgefpielt  mit  biefem  fertigen 
unb  fo  burdjauS  berechtigten  SBerfe,  unb  jeber  ©djerj  ba- 
barüber,  baf?  Sie  nun  offen  in  bie  $fyalan?  ber  ©c^rift* 
fteüerinnen  getreten  feien  k.,  wirb  Don  uornljerein  unmöglich, 
ba  bie  @ad)e  aud)  für  ben  wohlgemeinteren  ©paß  gu  rt* 
fpeftabel  ift.  Slber  e8  ift  bod)  eine  farbenreiche  unb  fomrigc 
Seit,  welche  Dor  3$nen  lag!  25Me  wunberbar  gart  unb 
jefynjud)terregenb  fpielt  bie  ©eftalt  jenes  untabeligen  ^riefen* 
in  unfere  @efd)id)te  herein,  unb  wie  trefflid)  ötonomifd)  Der* 
wenbeten    ©ie    biefelbe1)!     Unb    biefer    Sietingljoff!     6$ 


')  SubmiUa  an  tfeüer,  12.  3lug.  1857:  „<£rft  jefct  tysbt  id)  er- 
fahren,  bafc  ber  eble  lieben^mürbtge  griefen  oor  bem  Kriege,  föon 
1807,  mit  Slleranber  oon  £umbolbt  befreunbet  war  unb  bem  lefcitrtn 
bei  mehreren  arbeiten  t>alf.  £umbolbt,  ber  jefct  bereits  a$tunbadjt$ig» 
jährige,  ber  noa)  immer  rounberbar  grijteSfrifd)  ift,  förieb  bieS  in 
einem  ©rief  an  meinen  £)nfel,  in  bem  er  ftd)  fe^r  freunblid)  unb  fein 
eingefyenb  über  meine  ©iograplne  äufeerte  unb  mir  augleid)  einen  8rief 
oon  griefen  an  ifjn,  ben  einzigen,  ben  er  befafj,  jum  Qefdpenf  madjtt/ 


108.   2ln  Submitta  »{fing,  5.  Suli  1857.  395 

wimmelt  in  bcm  33ud)e  öon  Stomanjen  unb  SaDabcn.  ©od) 
id)  fdjwafce  wie  ein  begeifterter  Primaner.  Stern,  Sie  fefjen, 
ba$  S^re  Arbeit  wirft! 

S)a{$  3ljre  alten  Ferren,  bie  33arnl)agen,  Surft  SßüdflerS 
unb  ©eneral  SßfuelS,  UebenSwürbiger  ftnb  als  bie  jungen, 
ift  feine  grofce  ßunft1).  2Ber  bie  2Belt  in  ber  Safere  l>at 
wie  foldje  ©röfcen  unb  pd)  bergeftalt  unbejtoeifclt  in  bie 
SWitte  geftellt  peljt,  ber  Fann  pd)  bod)  gewife  leichter  be* 
wegen  unb  I)ert>orfeI)ren,  als  ber  erft  nod)  alles  ju  tljun  unb 
31t  E)ojfen  E|atf  abgefeljen,  bafy  ben  jungen  burd)  bie  (Segen* 
wart  ber  Sitten  öon  felbft  3*tffidEI)altung  geboten  ift.  2)aS 
wäre  bod)  fd)ön,  wenn  bie  grauen  gelben  pd)  amfiperen, 
unb  bie  jungen  @d)lucfer  wollten  es  ifynen  juöortf|un  unb 
iljnen  jeben  äugenblicf  bajwif d)enpfufd)en ! 

3d)  banfe  S^nen  für  Styre  9tejenponS*2lbfd)nifcel ;  bieS* 
mal  war  mir  alles  be!annt.  5J5ru^  ift  ein  bummer  ßerl  unb 
öerfte^t  nid)tS;  benn  er  rüljmt  gerabe,  was  fd^Ied^t  unb  tabelt, 
was   gut  ift9).     $aul  £ei)fe  war  oorgeftern  bei  mir  unb 

*)  Submiüa  an  Heller:  „S)er  Dnfel  grügt  @ie  Ijerjlidjft  unb 
empfiehlt  ftd)  3^rem  Slnbenfen;  er  ift  biefen  SBinter  läufig  an  feinen 
geroofjnten  (SrfältungSjuftänben  leibenb  geroefen  unb  nod)  nid)t  gang 
tyergeftellt,  aber  fonft  unoeränbert  geiftig  frifd)  unb  munter,  mein  täg- 
liches ©lücf,  meine  tägliche  greube.  3n  unferen  fleinen  ©efellfd&aften 
glänzen  er,  ber  gfirft  Sßficfler  unb  ber  ©eneral  Sßfuel  burd)  üjre  »er- 
fdjtebenartige  ßiebenörofirbigfeit  öor  allen  jüngeren  Ferren." 

*)  Robert  Sßrufc'  33efpre$ung  ber  „Öeute  öon  ©elbronla"  im 
„2)eutf$en  SDtofeum"  Dom  14.  2lug.  1856  9lr.33.  Sßrufc  tabelt  an  Heller 
„geroiffe  nnarten  unb  ©rillen,  9Rad)ftönge  unferer  früheren  romantifd^en 
<5pod)e\  3n  ben„ßammmaa>rn"  unb  in  „Spiegel"  fyerrfc&e  ein  «pumor, 
ber  gu  fel)r  nad)  jenem  „fifcle  mid),  bamit  td)  ladje",  ber  Sftomanttfer 
fd&mecfe.  $rufc  oerbtent  baä  fjarte  Urteil  Kellers  reid&lidj  fd)on  burd? 
bie  unglaublich  flüchtige  Slrt,  mit  ber  er  ben  „©rünen  £einri$"  befprad). 
®.  0.  S.  49. 


396  3üri$. 

fagte  mir,  bafe  bie  Dom  Äönig  öon  33aiern  befolbeten  ©aric» 
alle  auf  ,,©ie  brei  gerechten  Äammmadjer"  fdjroören,  uni 
bamit  Sßunftum!  ©enn  biefen  Seuten  glaube  id),  ba  ftc  bar 
rühmen,  roa£  mir  felbft  am  beften  gefaßt! 

Unfere  SRofen  finb  eben  öerfammelt  unb  Don  ber  Sbenb* 
fonne  beftreift.  ©ie  Iaffen  ©ie  grüben;  ba  id)  fic  nidjt 
gälten  fann,  fo  meife  id)  nid)t  genau,  rote  Diel  ©rfifee  « 
jinb:  etwa  gegen  gmeifyunbert.  aber  bereit«  fteljt  eine  Ipfc 
toetfee  Silie  unter  ifynen,  welche  ben  armen  roten  Seufeta 
l)eimleud)tet ,  baljin,  tooljer  fte  gefommen  ftnb.  S>enn: 
„SSoriiber  ift  bie  Stofengeit,  unb  Siljen  fielen  im  %üba,  jagt 
©eibel  fefyr  richtig.  —  ©eljen  Sie  bicö  3a^r  nirgenbS  Jjüi? 
Sie  muffen  mit  bem  £errn  Dnfel,  bem  id)  mid)  angelegentlich 
empfehlen  möchte,  bod)  gemife  nod)  einmal  nad)  ßäric^ 
fommen!    Sleiben  Sie  ferner  ein  bifccfyen  getoogen 

Syrern  banfbaren 

©.  «euer. 


109.  Jttt  gitfrtttilla  &ffku*  itt  #*rlttt» 

3üridj,  ben  26.  «ug.  1857. 

33erel)rte3  gräulein!  ©ie  gemährten  mir  mit  3')wm 
freunblidjen,  für  ein  9iid)t3  fo  banfbaren  ©riefe  eine  grofec  8* 
rut)igung  in  Slnfeljung  meiner  erften  Su&erungiiberS^r  Sud); 
benn  feitljer  fürd^tete  id),  fefyr  unflareS  unb  übereilte«  ßena 
über  flare  unb  mofylangelegte  Arbeit  Ijingefprubelt  ju  Ijaben, 
fo  bafc  3$nen  mein  oermirrte«  Sob  e^er  unangenehm  frin 
mödjte.  9iun  fefye  id),  bafe  e$  bod)  nicfet  fo  übel  gegangen 
ift,  benn  3$re  £ulb  ift  unerfdjöpflid).  ftatürlid)  mufete  Hbolj 


109.   «n  Submifla  «ffing.  26.  «uguft  1857.  397 

©ta^r  nad)  feiner  2Beife  jid)  fogleid)  ber  @ad)e  bemächtigen, 
um  ftd)  aud)  Ijören  ju  laffen.  ©aö  Stafonnement  in  ber 
„Äolnifefyen  3eitong\  ^uö  biefem  5Runbe,  fyat  mid)  fc^r  ge* 
ärgert1).  Sßemt  fd)maä)e  5Henfd)en  i^ren  ungezogenen  ^ei^en 
ben  ßöfl^l  fdjie&en  laffen  unb  öerrounberlidje  2ebenSläufte  auf* 
führen,  fo  mag  e3  nod)  angeben,  roenn  fte  im  übrigen  ftd) 
babei  ftill  »erhalten;  allein  wenn  fte  ftd)  nun  berufen  füllen, 
gerabe  in  ben  Ijeifeln  ober  biffijilen  Singen,  in  benen  fte 
ftd)  felbft  ©ergangen,  immerfort  unb  überall  als  ©d)ieb8rid)ter 
unb  ßljrenmeffer  aufzutreten,  fo  ift  ba3  uncrträgltd^.  3$ 
felbft  burd)fd)aue  ba$  3mmermannfd)e  SBerljältniS  nid)t  ge= 
nug,  um  mir  ein  beftimmteS  Urteil  ju  bilben,  unb  ba$,  roa$ 


*)  Submilla  an  Äetter,  23.  ®ej>t.  1857:  „S)a8  bittere  Unrecht, 
roeW&eS  ©taljr  ber  eblen  ©räfin  gufügt,  fjat  aud)  mir  leib  getfjan. 
©ie  greunbin  ber  ©räfin  in  2)fiffelborf,  3Jtobame  ©lifabetf)  OJrube, 
Ijat  in  ber  ,$fiffelborfer  Seitung'  einen  langen  Slrtifel  als  Entgeg- 
nung auf  bie  @tal)rfd&e  ßritif  erfdfjemen  laffen,  raelc^cr  in  ben  £aupt- 
fachen  bie  ©räfin  red&t  gut  oerteibtgt.  (Sine  ©teile  au3  einem  ©riefe 
(glifenS  an  3Jtobame  ©rube,  gleich  nadfc  bem  £obe  SmmermannS, 
roeld&e  barin  mitgeteilt  ift,  fjat  mid)  oor  allem  intereffiert;  bie  SBorte 
lauten:  ,$ldj,  laffen  ©te  mid)  roiffen,  roo  ber  Serflärte  ruljt  —  meine 
©ebanfen  fhib  beftänbig  auf  bem  griebfyofe,  wo  td>  fo  oft  unter  ben 
^eiterften  ©efpräd&en  mit  ü)m  mid&  erging,  ftetS  ©otteS  £ulb  preifenb, 
ba%  fein  nai)eS  geliebtes  £aupt  mir  bort  rul)e.  2)amal§  fpradf)  er  eS 
oft  auS:  roer  juerft  fjeimgeljt,  ber  lägt  ba&  ©eroölbe  fo  grofe  mauern, 
baft  ber  anbere  noty  Sßlafc  ftnbet'.  2öie  id&  bieg  Ia8,  ba  fielen  mir 
roteber  red&t  lebhaft  Sfjre  frönen  SBorte  ein,  ba%  ©ItfenS  ganges  8eben 
rote  oon  einem  großen  melandjolifd&en  2)itf)ter  erbaut  fei;  benn  wie 
poetifdf)  unb  DerJ)ängniSDoll  ift  au$  bieS,  ba%  bie  greunbe  in  ©flffel- 
borf  nun  bod)  ba&  ©eroölbe  fo  grofc  machen  liegen,  bamit  —  nic^t 
(glifa  —  rooljl  aber  feine  junge  grau  einft  neben  tl)m  $la$  pnben 
foHte,  unb  ba%  nun  bodfc  bie  ©teile  eroig  leer  unb  be£  £)i$ter3  ©rab 
eroig  einfam  bleibt,  roeil  feine  grau  burdf)  iljre  groeite  £eirat  iljm  nid&t 
mefjr  angehört!" 


398  3ürt$. 

mir  ju  einem  furgen  unb  bünbigen  JBefdjeibe  feljlt,  ift  benut 
baf$  man  nid)t  wol)l  ftd)  barnad)  erfunbigen  fann.  ©emwd) 
fann  id)  felbft  Don  Staljr  nid)t  begreifen,  wie  er  foldjeS* 
fd)ulbtgungen  unb  erbärmlidje  Seweggrimbe  auftreiben  unb 
vorbringen  mod)te.  @8  lag  fo  nal),  bie  unglüdflidje  Sat* 
bung  allenfalls  einem  ebleren  weiblichen  Srrtunt  gujufd&raba, 
welken  bie  Srrenbe  felbft  ju  büfeen  Ijatte,  unb  bann  wäre 
bie  äufcere  ©eftttung  gegen  bie  £elbin  tote  gegen  bie  3er* 
fafferin  beS  93ud)e$  wenigftenS  gefront  werben,  aber  in 
bie  SBorfteHungSweifen  orbinärfter  fd)leä)ter  tf  latfdjgefeUfdjajt 
einjugeljen,  war  nur  biefem  Unglücflid)en  unb  feiner  n&ä)uk 
ber  grauen"  vorbehalten. 

Übrigens  bin  id)  bod)  ber  unmaßgeblichen  STOeütung, 
baS  ganje  UnglfidE  wäre  oerljfitet  morben,  wenn  ber  jungt 
5ttenfd),  fo  3mmermann  Ijtefe,  ftd)  nid)t  in  bie  grau  einä 
anbern  oerliebt  Ijatte.  ©enn  fo  fefjr  id)  als  ©td>terlütg  bie 
2eibenfd)aft  ju  ergeben  oerbunben  bin,  fo  feljr  brause  id) 
für  biefelbe  aud)  eine  natürliche  ©runblage  ber  3»ecfmSBigW 
unb  TOöglidjfeit.  ©afe  bie  ©räfin  nachträglich  oon  gufcow  Der* 
ftofcen  unb  frei  nmrbe,  mar  für  Swmermann  blofc  ein  3uf<& 
@£  gefällt  mir  überhaupt  fcl)lccf)t,  wenn  junge,  nod)  unfertig« 
SJtenfdjen  if)re  Slugen  auf  ^auen  werfen;  e§  ift  eine  Der» 
fefyrte  2Belt,  bie  ftd)  an  Smmermann  baburd)  räd)te,  bafc  a 
im  ©djwabenalter  unb  als  t>erpflid)teter  SKann  erft  ba$  tljat, 
xoa$  er  früher  Ijätte  tfyun  follen.  ©od)  genrifc  ift  e$  fdjr 
ungalant,  bafe  id)  @ie  mit  biefen  ©Eurrilitäten  ennuyiere; 
unb  nur  3f)re  gangmut  läßt  mid)  biefelben  nid)t  ©ieta 
auSftretdjen. 

©ie   Ijabett  mit  Syrern  verehrten  $erm  Dnfel  nriebtf 
einen   redjten  Sienenflug  gemalt,   unb  id)   freue  mid)  alT 


109.   Sin  ÖubmiHa  &fftng,  26.  Sluguft  1857.  399 


beffen,  xoa&  @ie  erfreut  Ijat1).  2Ba$  bie  ftftimfdje  2Rabonna 
betrifft,  fo  bin  id)  über  bie  (SingelauffteHung  berfelben  nid)t 
S^rer  anficht3),  ©aS  Silb  ift  trofc  aller  anberen  ©eftirne 
fo  eingig  unb  wunberbar  in  feiner  Sßeife,  baf$  id),  ber  e$ 
erft  in  feinem  (SdEfäldjen  unb  früher  nie  gefeljen  §at,  mir  e3 
gar  nidjt  unter  anbern  Sachen  ben!en  fann.  —  ©ie  ©reöbener 
©efellfdjaft  fdjeint  redt)t  nid)t8nu|3tg  gu  fein,  benn  Lettner 
unb  Sluerbad)  ftnb  nun  aud)  gänglid)  auSeinanber.  Lettner 
beflagt  ftd),  ba&  er  ftd)  gu  au  ben  belletriftifdjen  ©röfcen 
nur  bann  gut  ftefye,  wenn  er  immer  mit  Singeigen  unb  9?e* 
genftonen  bereit  fielje,  waö  iljm  auf  bie  ©auer  langweilig 
unb  unwürbig  öorfomme. 

©ie  legten  3Bod)en  waren  aud)  beutfdje  greunbe  ^ter, 
mit  benen  id)  in  ber  Sftalje  Ijerumgog  unb  babei  felbft  fo 
fd)Sne  Sßinfel  unb  ©triebe  entbedfte,  baf$  id)  eineö  eigenen 
SteiödjenS  überhoben  war.    Um  3önd)  gu  fdjäfcen,  muffen 

!)  SSejieljt  fid)  auf  eine  Steife  Sarn^agenS  unb  8ubmiHa3  nad) 
S)re8ben,  Sßrag  unb  Seplife. 

3)  Shibmilla  anäeUer,  27.  2lug.  1857:  „3n  SJreSben  war  bie  Seft 
bura)  9ttenfa>noerfet)r,  tfunft  unb  Sßatur  rafd)  in  93efd)lag  genommen, 
©eljr  intereffante  Slbenbe  brauten  mir  bei  grau  oon  ©oetfje  gu,  einer 
lebhaften  gragiöfen  Söeltbame  mit  fd)neemei&en  Öotfen,  bie  trofc  iljrer 
Ieibenben  ©efunb^eit  beinahe  tägüd)  öeute  bei  ftd)  flefyt.  ßfil)ne,  ©ufcforo 
unb  Sluerbadt)  l)aben  fjfibfdje  unb  gugleia)  liebenSroürbige  grauen,  unb  fo 
mären  bort  gang  artige  Elemente  gu  einer  gemeinfamen  ©efefligfeit 
oorljerrfdjenb,   menn  nid&t  leiber  bort  einer  mit  bem  anbern  fia)  fo 

wenig  oertrfige,  ba%  alle3  an  Vereinzelung  f ^eitert 2luf  ber 

©alerie  brauten  mir  fjerrlid&e  ©tunben  gu;  bie  Silber  nehmen  fid)  in 
ifyrer  neuen  2M)nung  imS^inger  oortrefflid)  auS;  nur  lie&e  fid)  bar- 
über  regten,  bajj  man  bie  ftjrttntftfje  Sftabonna  unb  bie  Sftabonna 
oon  ^olbein  jebe  in  ein  befonbereS  ©emad)  etroa8  mie  Slltarbilber 
aufgestellt  l)at  .  .  .  2lu$  bie  (Sammlung  ber  ©ipSabgflffe  ift  unter 
£ettner3  feinfinniger  Leitung  fürglia)  im  3roinger  aufgeteilt  morben." 


400  3üri$. 

bte  §rembcn  wirflid)  einige  Qtit  l)ier  weilen  unb  fld)  rcdjt 
herumführen  laffen.  2lud)  erfd)einen  öfter  allerlei  interefjamt 
©efellen:  fo  jüngft  ber  Ctto  Sflfitler  unb  ber  £allefd)e  Sic* 
berfompoftteur  SRobert  Srang,  meldje  mid}  feljr  anfdjmännten, 
fo  bafc  id)  gang  aufgeblafen  würbe1). 

©aS  35ülowfd)e  @^epard)en  wirb  bei  Stidjarb  SBagncr 
fd)on  lang  erwartet,  äßerm  id)  etwa  gnäbigft  gugejoga 
werbe  gu  biefen  @j)iföbd)en  be£  ßufunftefultuS,  fo  werbe  id) 
efyrlid)  3^r  Sob  ber  Gojhna  gu  beftätigett  trachten9). 

3d)  werbe  ben  SBinter  feljr  üermutlidj  auf  etwa  ad)t 
Sage  nadj  ©erlitt  fontnten;  nur  fann  id)  nod)  mdjt  jagen, 
ob  oor  ober  nad)  SReujaljr. 

3d)  wünfd)e  Ijerglid),  bafc  #err  öon  SBarn^agen  unb 
©ie  nun  einem  reä)t  freunblidjen  unb  fonnigen  .fterbfte  ent* 
gegenleben  unb  empfehle  mid)  Syrern  beibfeitigen  fernem 
SBoIjlrooflen  mit  meinen  ergebenden  ©rüfcen. 

©ottfrieb  Äetter. 

©ie  9?ooeQen  werbe  id)  nädjftenö  abfdjidfen.  Wöge  id) 
meinen  matfligen  ©djriftfteQemamen  nid)t  bamit  umblafen! 

')  SRi$arb  2öagner  fd&retbt  (Sonntag  iRadjmittag  (ofyie  Stotum) 
an  0.  Heller:  „öieber  greunb!  Robert  grang  au§  £aHe  —  ein  bebeu» 
tenber  Äompontft  — ,  ber  3fynen  biefen  ©rufe  oon  mir  überbringt,  iji 
ein  großer  ©erefyrer  3*)rer  £id)tungen  unb  roünfdjt,  Sic  fennen  §n 
lernen.  3$  fdjlage  3*)nen  oor,  mid)  Ijeute  Slbenb  gu  befudjen  -  ta 
finb  [mir]  f)fibfd&  beifammen.  3*)r  3Hd).  otogner."  S)a3  8iDet  # 
abrefftert:  „£errn  ©ottfrieb  Äetter,  Stabtyeyenmeifter  in  Rötungen*. 

')  Submifla  am  12.  §lug.  1857:  „3n  einigen  Sagen  oer^atd 
fid)  l)ter  gräuletn  (Sofima  8i3gt  mit  bem  $tantften  £an$  oon  »üb»; 
fie  wollen  gletd)  nad)  ber  «&od)geit  abreifen  unb  benfen  einige  3eit  in 
3firi$  gugubringen.  Sollten  fle  3l)nen  bort  trgenbmo  begegnen,  |ß 
empfehle  id)  fie  S^rer  freunblidjen  2lufmerffamfeit." 


110.   An  ^ermann  $ettner,  17.  «Roücinbcr  1857.  401 


@ie  fteuern  ja  mit  üoflen  Segeln  in  ba§  9Keer  ber 
ffentlidjfeit  fyinauS :  nun  mit  tturHidjem  Silbe  3$re8  teuren 
nfelS  al£  ßünftlerin1),  nad)bem  ba£  Sieb  üon  ber  roman* 
d)en  ©raftn  üorangegangen!  ©lücf  auf  bie  Sfafyrt! 

110«   &n  $trmaun  $tttntv  in  $vt**tn. 

Sieber  greunb!  @ie  üeranlaffen  mid),  enblict)  mieber 
«mal  meine  fteber  auf  ^Briefpapier  laufen  ju  Iaffen,  unb  id) 
>ffe,  bei  biefer  Gelegenheit  aud)  öon  3ljnen  eine  birefte 
titteilung  unb  9?ad)Tid)t  t>on  3^««  ßrgeljen  ju  erhalten, 
rau  TOolefdjott,  beren  5)lann  am  Sterbebett  feines  SSaterS 
t)  bepnbet  ober  befanb,  teilt  mir  in  einem  SiHet  3fljre 
id)  betreffenbe  Sßotij  mit.  Dbfdjon  id)  feljr  üermutlid)  auf 
e  angeregte  ©ad)e  nid)t  »erbe  eingeben  fönnenr  mufe  id) 
>d)  ein  bifcdjen  mit  31jnen  barüber  btefutieren,  um  fpätern 
enriffenSbiffen,  mid)  gar  nidjt  barum  befummert  ju  Ijaben, 
iSjumeidjen;  benn  atlerbingS  fd)eint  mir  ba$  S>!ttg  nid)t 
inj  obne  ju  fein3). 

')  Öubmilia  an  tfeller,  23.  ®ept.  1857:  „(Sic  nriffen  bod)  fjoffent« 
(),  ba§  id)  nid&t  gu  jenen  grauen  gehöre,  bie  aud  (Sitelfett  unb  3Rfijjig- 
mg,  in  (Ermangelung  oon  etroad  Sefferem  nadj  Sfcufym  »erlangen? 
te  8itf)ograpl)ie  oon  bem  Sßorträt  meines  DnfelS  erfd&ien  gang  ofyne 
eine  §lbfid)t  in  ber  Öffentlid&feit,  furg  el)e  meine  SBiograpIjie  fertig 
ar;  ein  junger  SBefannter  oon  und,  ein  angefyenber  2lr$lteft,  bat 
id)  guerft  nur,  ob  id)  il)m  ba$  33ilb  leiten  wolle,  bamit  er  e$  auf 
tein  gelegnen  unb  an  einige  feiner  greunbe  oerteilen  fönne;  erft  fpäter 
rftel  feine  3Rutter  barauf,  eS  einer  Äunftljanblung  gu  geben.  S)a§  fam 
fo  gang  gufäQig.  gfirS  erfte  wirb  au$  mof)I  nodf)  nichts  tmeber 
m  mir  gebrucft  werben.  2öa§  fpäter  gefd)iel)t,  roeifj  id)  nidfjt." 

*)  Über  biefe  Angelegenheit  fdfjrieb  Lettner  an  Sßrof.  ÜRolefd&ott: 
9&a8  mad&t  benn  eigentlich  Äeller?  ©rüge  iljn  I)erglid)ft  oon  mir  unb 
ge  iljm,  ba%  iä)  müßte,  baß  ber  Äölner  Äunftoerein  einen  ©efretär 

©ottfrieb  fteHer.  II.  26 


402  3üri$. 

SBcnn  id)  in  meiner  §eimat  eine  SefretärfteHe  *c.  oon 
äljnlidjem  ©efyalt,  aber  mit  täglichen  fünf  bis  fed>£  ©tunbai 
arbeit  Ijaben  roiB,  fo  ift  mir  eine  fold)e  leicht  gn  erlangen. 
S)ie  $auptfad)e  wäre  alfo,  bafc  in  Äöln  toirflic^  nidjt  trid 
3U  tf>un  wäre;  unb  ba  ift  e£  mir  bann  nidjt  einleudjtcnfc, 
warum  man  für  eine  foldje  bequeme  ©teile  einen  fernen 
Sluölänber  aufteilen  foUte.  ©eSljalb  bäte  id)  Sie,  mir  p 
f (^reiben,  wie  eigentlich  bie  @ad)e  jufammen^ängt  unb  bis 
wann  fpätcftenö  ber  SefretariuS  eintreffen  müfete.  8nd} 
wenn  e8  bereits  gu  fpät  ift,  fo  wäre  mir  ein  Süiffdjlufc  bod> 
willfommen.   3>d)  ginge  nur  ungern  fdjon  wieber  t>on  jjürid} 

fudje,  unb  ba%  er  bort  fld?er  bie  ©teile  erhalte,  roenn  er  SBunfdj  barnadj 
Seige.  (£r  fjabe  500  Spater  @el)alt  unb  fcftr  roenig  gu  t^un.  <&  b* 
bürfe  nur  eines  SriefeS  an  mid)  ober  an  Söolfgang  SRüUer  in  Äoln/ 
Söolfgang  Sftfltter  (oon  flönigSnrinter)  felbfi  f djreibt  am  17.  Sttooember 
1857  an  Äeller:  „2Bir  fud&en  fyier  in  tföln  einen  ©efretär  für  unjan 
Jhinftoerein.  Spabm  (Sie  rooi)I  8uft  unb  Seruf,  eine  folcfc  Stelle  an« 
guneljmen?  .  .  .  S)a§  2(mt  forbert  einige  Süreauftunben  töglufc,  na* 
mentlidj'ben  Sormittag,  um  ben  beuten  Siebe  unb  tCntroort  gu  jtd^i 
unb  bie  Äorrefponbeng  mit  ben  SJtttgliebern  beS  Vereins  etnerfeit§  unb 
ben  Äünftlern,  meiere  bie  StuSftettung  bef Riefen  anbererfeits,  gu  dci- 
mittein.  3u  gleicher  Seit  mufj  ber  ©efretär  bie  ©üdjer  in  betreff  tö 
9tedjnung3tt)efenS  unb  be§  ®d)riftroed)feI8  in  Drbnung  Ratten.  & 
fyat  bie  Sßrotofolle  bei  ben  ©ifcungen  gu  führen  unb  mitunter  Heine 
Reifen  gu  madjen,  um  fid)  —  namentlich  in  2)fiffeiborf  —  in  frauiN 
lidjer  perfönlid&er  Sterbinbung  mit  ben  äänftlern  gu  erhalten  unb  fo 
felben  gur  £erfd)icfnng  ifyrer  arbeiten  gu  oeranlafien.  ©uTt&fäirittW 
werben  biefe  SBefdjäftigungen  nic^t  mefjr  roie  eine  ©tunbe  tägltä  i» 
2lnfprud)  nehmen.  S)ie  ©fireauftunben  fönnen  im  übrigen  gu  eigenen 
arbeiten  benu&t  roerben.  S>er  ©eljalt  beträgt  400—500  3$aler/  3« 
einem  groeiten  ©rief  oom  gleiten  Sage  föreibt  SRüUer:  „3$  Wit 
rjier,  bab  man  bamit  umgebt,  3*)nen  eine  ©teUe  am  ^olptedjmfum  $h 
grünben.  Unter  biefen  Umftönben  fann  3fönen  aber  ein  SRnf  nn& 
Antrag  nad)  aufjen  in  ber  £eimat  gur  görberung  einer  folgen  tUig^ 
Iegen^eit  nur  nü&lid)  fein."  :c. 


110.  An  Hermann  $ettner,  17.  9tot>ember  1857.  403 

weg,  befonberS  an  einen  Drt,  ber  mir  öon  freien  ©tütfen 
nie  eingefallen  wäre.  SlHein  einige  3fal)re  fijren  (SinfommenS 
bei  l)inlänglid)  freier  ßeit  würben  allerbingS  nid)t  ju  öer* 
achten  [fein],  abgefeljen  baoon,  bafc  baS  Seben  oft  burd) 
frifd)e3  (Srfaffen  foldjer  nnüorgefe^enen  ©elegenfyeiten  günftiger 
weiter  füljrt,  als  baS  I)albfd)läfrige  ausharren  auf  oorgefefcten 
Sahnen. 

SBlan  gef)t  Ijier  aud)  wieber  bamit  um,  mir  bod)  nod) 
eine  befolbete  Se^rftcHc  am  5ßolt|ted)nifum  für  allerlei  freie 
unb  beliebige  Vorträge  unter  irgenb  einem  Üitel  gu  ermog* 
liefen.  3d)  laffe  biefe  ©inge  gefd)el)en,  oljne  felbft  barüber 
mtd)  gu  aufeern,  obgleid)  id)  überlegter  SBeife  md)t  barauf 
werbe  eingeben  fönnen;  benn  wenn  id)  neben  einem  fo  Der- 
bienftoollen  unb  eingekauften  SBortragSöirtuofen  wie  2Sifd)er 
nid)t  öollftänbig  als  ein  Stebwifc  ober  33ad)erl  erfdjetnen 
wiQ,  mufc  id)  fo  oergwidft  arbeiten  (b.  1).  baS,  was  idt) 
lehren  will,  erft  metfjobifd)  lernen),  baf$  id),  bei  bem  Honorar, 
baS  id)  jejjt  für  Südjer,  geuilletonnoöellen  k.  l)aben  fann, 
burd)  Schreiben  in  ber  Seit  baS  ©oppelte  einnehme;  wobei 
id)  in  meinem  ©lernen!  bleibe;  wä^renb  mir  ba8  ©ogieren 
ni$t  bie  minbefte  Sfreube,  fonbern  nur  Qual  bereiten  würbe 
unb  üielleid)t  SBerbrufe  unb  33efd)amung. 

2Ba3  machen  Sie  eigentlid)  unb  wie  gel)t  es  Sfljnen 
unb  3tö*en  lieben  Äinbern1)?  SBie  fteljt  es  mit  bm  gweiten 
SBanbe  Sfyrer  Sitteraturgefd)id)te?  3d)  beule,  bie  frangöftfcfye 
Sitterargefd)id)te  be£  Julian  @d)tnibt  wirb  Sfönen  in  meljr 
als  ßiner  JBegieljung  gang  gelegen  fommen.    SBie  flehen  Sie 


J)  Lettner  an  ÄeHer,  19.  fRoöember  1857:  „SDttr  gefjt  e8  ertrag. 
Ii$.  Steine  (Stimmung  ift  freubloS,  of)ne  «u8fla)t  Don  ber  3ufunft. 
Je  me  laisse  exister." 

26* 


#    ! 


404  3üri<$. 

mit  aSicmeg?  3d)  $<&*  aud)  nochmals  mit  iljtn  angebunba 
mit  gmei  weiteren  Sänbdjen  „2euten  Don  ©elbwijla",  b«, 
fo  wie  and)  bie  bei  ©unefer  in  Berlin  erfdjeinenben  SJooclta, 
nun  balb  auf  bem  Stoßet  fein  werben.  2Ba§  mad)t  Sner* 
bad)?  6r  ift  bod)  ein  rechter  Äulturfanatifer,  ber  fid)  an* 
aßen  litterarifd)en  heften  herumtreibt  unb  aufpßangt  unb 
bann  barüber  fdjreibt,  als  ob  etwas  bamit  IjerauSfäme!  ft 
war  wal)rf|aft  fomifd),  wie  er  im  „TOorgenblatt"  auf  biej£ 
nigen  ftid^cltc,  bie  burd)  iljre  „äbwefenljeit  ftd)  bemerflid) 
madjen"  wollten.  @old)e  Auslegungen,  30>fid)ten  unb  $olt- 
mifen  finb  bod)  nur  in  ©ermanien  möglid). 

23ifd)er  Jjat  eine  begeid)nenbe  änelbote:  bei  bem  6ufc* 
fow*3ulian  ©djmibtfdjen  3<*nf  fyabc  äuerbad)  gu  ifym  ge* 
fagt,  ob  er  benn  nid)t  merfe,  bafe  @u$fow  abpdjüidj  mit 
ben  „©rengboten"  £änbel  angefangen,  bamit  bie  gu  erwarten** 
üble  $ritif  ber  bemnadjft  erfdjeinenben  „Stifter  Dom  ©eijic- 
eine  abftumpfenbe  (Srflärung  fönbe  unb  baS  $ublitutn  fagen 
fönne:  ^a,  baS  war  gu  erwarten  nad)  bem  ©fanbal!  SBorauf 
SBifdjcr  antwortete:  ,,©ut!  bann  feib  S^r  aber,  bieSljrbrr* 
gleiten  Äniffe  begebt,  unb  3I)r,  bie  S^r  fle  uerfteljt  unb 
IjerauSfcfynfiffelt,  alle  jufammen  bie  gleichen  ©rfjwein^unbe!"- 

*ölit  33ifd)er,  33urdft)arbt,  £ifcig  trinfe  idj  guwrilen  b<§ 
AbenbS  ein  @d)öppd)en ,  mogu  manchmal  nod)  Sempff 
fommt,  welker  ein  finbltd)  lji)pod)onbrifd)eS  Sßefen  ift,  aber 
fid)  gu  einem  famofen  unb  feljr  beliebten  Äeljrer  aufgearbeitrt 
§at,  ein  weiteres  Qe\6)tn  feinet  tiefliegenben  unb  öielfeitigen 
SngeniumS.  @mig  fdjabe,  bafe  feine  Sa^re  öergeljen  mfijjen, 
otyne  baf$  er  baS  minbefte  meljr  gu  bauen  befommt.  3ttd)arb 
SBagner  verlangt  unb  feljnt  ftd)  amneftiert  gu  werben  unb 
nad)  S)eutfd)lanb  gurücfgufe^ren,   unb   es    nrirb    aud)  nid)* 


111.   3tn  SubmiHa  Bffing,  25.  ÜRoücmbcr  1857.  405 

ausbleiben,  ba  ja  feine  ©adjen  an  allen  £öfen  ju  gtftopem 
benufct  werben.  Silber  id)  glaube,  aud)  ©emper  mürbe  fld) 
nid)t  lange  beftnnen,  wenn  e3  auf  anftänbige  SBeife  gefdjeljen 
würbe  unb  man  ifym  feine  un  würbigen  ßumutungen  machte; 
benn  wenn  eS  aud)  bei  un$  monumentale  SBauten  gäbe,  fo 
fann  er  bie  ©ebirgSlinien  nid)t  leiben,  roeld)e  nad)  feiner 
5Reinung  foldje  nidjt  auffommen  laffen. 

$aul  £ei)fe  wirb  in  9Hünd)en  ba$  berliner  „Sitteratur* 
blatt"  (jum  „Äunftblatt")  übernehmen.  ©iefeS  liebenäwürbige 
33ürfd)d)en  mar  im  ©ommer  bei  mir  unb  fagte  mir,  id)  fei 
in  2ftfind)en  gut  angef daneben ;  inSbefonbere  ©eibel  liefe  mid) 
grüben.  Slud)  Äinfel  fanbte  mir  jüngft  feinen  „9iimrob" 
nebft  einem  artigen  SftreunbfdjaftSeröffnungSbrief,  fo  bafe  e$ 
t>or  #od)mut  orbentlid)  im  SRücfen  mid)  fifcelte.  Dtto  Füller 
war  aud)  in  3ü*id),  fowie  nod)  oerfdjiebene  anbere.  Sie 
werben  aud)  fef)nlid)ft  einmal  erwartet  Don  3Jloiefd)ottö  unb 
mir.  6in  ^ßrofcffor  JBeljn l)  fagte  mir,  bafe  er  Sie  in  6ng* 
lanb  gefeljen  fyabe.    9Reine  f)erjlid)fien  ©rüfee. 

3ljr  alter  ©ottfrieb  Äeüer. 
3üri$,  ben  17.  sRoöember  1857. 


111»  &n  $ubmiüa  &ffinü  itt  #tvlin. 

3ürid),  ben  25.  SRooembcr  1857. 

©eljr  oereljrteS  gräulein!    @o  fef)r  id)  in  Sljrer  @d)ulb 

bin  wegen  SfyreS  über  bie  SKafeen  freunblidjen  unb  gütigen 

SriefeS  Dorn  23.  September,  fo  muffen  Sie  bod)  in  33etrad)t 

gießen,  bafc  id),  inbem  id)  ein  £äufd)en  ©riefe  burdjmuftere, 


')  Hermann  $ef)n«(£föenburg  (1814—73). 


406  3üri$. 

ben  3^rigen  aus  ber  Reihenfolge  fyerauSnefyme  unb  Ups 
trof*  einiger  fdjreienben  SBorgänger  burd)  ergebende  gnmte 
rung  feine  33rteffeelenrul)e  gurüdfgugeben  fudje.  gxetlid)  bfc 
mit  cuid)  mir  bie  meinige;  benn,  fo  lang  unenxribert  gcMie* 
bene  ©riefe  auf  bem  SlrbeitStifdje  fpufen,  tft  eS  um  unfer 
©ewiffen  fd)led)t  befteüt.  9iid)t  als  ob  eS  mir  triebt  S* 
gnfigen  machte,  manche  fcfynöbe  $l)ilifterbriefe  als  unk 
grabene  2eid)en  ftd)  t>erf  rummeln  gu  laffen;  bafc  aber  3ÄR 
©riefe  nid)t  bamnter  gehören,  miffen  6ie  fdjon,  fonft  wärm 
Sie  nid)t  fo  freunblid)  gegen  mid). 

©emifc  fteefen  @ie  jefct  mieber  im  regften  griffigen 
SBerfeljr,  roie  er  gu  SBinterS  Anfang  in  3förer  tüngebmu} 
befonberS  anhebt;  unb  hoffentlich  ftnb  Sie  bereits  baran, 
Sfyre  ©roijung,  oor  ber  £anb  md)ts  me^r  f treiben  jn 
roollen,  näljer  gu  überlegen  unb  tljatfädjlid)  gu  untergraben. 
@S  ift  übrigens  burd)  baS  £auS,  in  bem  6ie  leben,  bafür 
geforgt,  bafe  @ie  SJerantroortlidjfeit  genug  Ijaben,  3ljr  Sidjt 
nidjt  unter  ben  ©djeffel  gu  [teilen,  fonbern  mandjeS  golbenc 
Srabdjen  abfpinnen,  roaS  herumfliegt  üon  bem  reiben  SBotfen, 
ber  ba  feit  lange  ftel)t.  3dj  fefce  üorauS,  ba&  #err  t>on 
SBarnljagen  biefen  SBinter  roenigftenS  eben  fo  leiblid)  unb 
ungetrübt  angetreten  Ijabe,  wie  bie  früheren,  unb  fttüpfe 
hieran  meinen  ©anf  für  ben  woljlrootlenben  ©rufe  aus  ber 
gerne,  welken  id)  burdj  Vermittlung  eine«  „Älbum  bes 
litterarifd)en  93erein§  in  Sem"  erhielt,  ©enn  bieS  Älbmn 
ift  gegiert  unb  geehrt  burd)  mehrere  ^Beiträge  3fö*e8  öere^rtoi 
DnfelS,  unb  bamnter  eine  überaus  too^ImoUenbe  Snjeige 
beS  „©rimen  ^einrid^'1  *)r  bie  id)  jtoar  fdjott   fannte,  beten 


')  ©.  o.  @.  45  f. 


111.   Sin  8ubmUla  9tffing,  25.  Sfowember  1857.  407 

anmutiges  9iad)fenben  aber  in  meine  Heimat  mid)  jefct  erft 
redjt  mit  banfbarer  ftreube  erfüllt  fyat. 

Über  bie  $ot$bamer  JReöue  ber  ärgften  religiöfen  $Ijra* 
fenröefe  Europas  Ijabe  id)  fefyr  lachen  muffen1).  6$  war 
aber  ein  £auptfd)abe,  bafc  ber  feiige  JRaboroifc  nid)t  meljr 
babet  mar ;  ba£  l)ätte  unberechenbar  neue  ©nippen  angef efct, 
roie  menn  man  in  ein  Äaleiboffop  nod)  eine  neue  bunte 
Soljne  ^injut^ut.  3n  biefem  Slugenblicfe  fällt  mir  aud)  ein 
!$ifd}rücferbüd)lein  öon  einem  SRenbanten  §ornung  in  SBerlin 
ein,  weldjeS  id)  fäuflid)  an  mid)  gebraut  unb  mit  gefperrten 
Slugen  gelefen  ^abes).  Sitte,  fagen  Sie  mir  bod),  ma8  mit 
ben  sperren  ©eneralen  an  ber  @ad)e  ift,  unb  ob  biefelben 
mirflid)  baran  glauben3)!    ©a§  Sfaftum  jebod),  bafe  §eine 


')  SubmiUa  an  Heller,  23.  ©eptember  1857:  „Über  bie  Skrfamm- 
lung  ber  eoangelifä^en  (Sfyriften  in  ^Berlin  fyaben  ®ie  roof)l  bie  8erid)te 
gelefen?  SBBer  fyätte  xvoty  Dörfer  gebaut,  ba%  ben  £auptgegenftanb  ber 
frommen  93erl)anblungen  ein  #u&  bilben  würbe,  ber  ftiif;,  melden 
£err  9Rerle  b'&ubigne  £errn  33unfen,  ober  wie  £err  9Rerle  b'Äubigne 
fpäter  ju  feiner  (Sntfdjulbigung  öerfta>rte,  £err  S3unfen  üjm  ge- 
geben! . . .  (StroaS  @efä>ute§  gu  ftanbe  gebradjt  l)aben  bie  frommen 
Ferren  burdjauS  nidjt;  aber  ber  &önig  Ijat  ftd)  genrifc  amüflert,  alö 
bie  gange  geiftlta>  ©d)ar  gu  SßotSbam  oor  iljm  bie  SReoue  paffierte." 

3)  £einrid)  £eine,  ber  Unfterblidje.  eine  SRaljnung  au§  bem 
SenfeitS.    Söon  bem  föenbanten  S).  £ornung.    Stuttgart  1857. 

*)  öubmilla  an  ßefler,  15.  ©egember  1857:  „S)ajj  ber  alteöeneral 
$fuel  unb  ©eneral  oon  SBBiflifen  mit  an  bem  £omungfcf)en  Unroefen 
teilgenommen,  ift  eine  S^atfadje,  bie  fid)  leiber  nid)t  leugnen  lä&t. 
8et  unferem  guten  Sßfuel  mar  freiließ  für  ü)n  bie  £auptfaa>,  baS 
©ange  als  einen  püanten  ®pab  laa>nb  unb  bramatifd)  gu  erjagen, 
roä^renb  feine  rege  Sßfyantafie  üjn  oerleitete,  auf  ber  ©reuglinie  jmifa^en 
©iauben  unb  Unglauben  j)in  unb  l>er  gu  fd)iuanfen.  (Sinen  gröberen 
8etrug,  eine  geiftlofere  ©rfinbung,  einen  Ärgeren  81öbfinn  !ann  e$ 
aber  fa^roerlia)  geben,  als  in  biefen  £ornungfd)en  ©ifeungen  oorfamen — 
Unb  feines  geller  ©eift  mufj  baju  fo  albern  gemi&braud)t  werben." 


408  3ürtd>. 


in  ©erlin  fpufen  muß,  ift  unbezahlbar ;  unb  man  möchte  ficb 
bie  £aare  ausraufen,  baß  er  eS  nid)t  felbft  mefyr  weiß  unb 
bie  flafjtfd)e  @efd)id)te  befingen  fann!  @S  märe  jebod)  Don 
fflerlin  gu  erwarten  gewefen,  baß  eS  feinen  £eine  ein  menig 
fetner  unb  djarafteriftifdjer  fpufen  ließe1). 

Soeben  lad  id)  in  ©ufcfowS  „Unterhaltungen"  fein 
SSotum  über  3för  Sud).  @r  fjat'S  bieSmal  gnäbig  gemad)t. 
211S  id)  aber  in  ©reiben  war,  ^örtc  ict)  iljn  mit  eigenen 
Dfyren  in  einer  @efellfd)aft,  welche  größtenteils  aus  frommen 
SRajarenerfünftlern  beftanb,  ftd)  mit  großer  £eftigfeit  gegen 
©oetljeS  33erf)alten  gu  ben  grauen  äußern,  als  einem  burty 
aus  frivolen  unb  unftttlidjen;  unb  er  Ijielt  biefe  Äußerung 
gegen  jene  9tojarener,  bie  ©oetfyen  artig  unb  fein  Dertri* 
bigten,  mit  eigenftnniger  £artnäcfigfeit  feft.  £eute  nun 
oerteibigt  unb  ergebt  er  Smmermann  wegen  feines  Sßerljat 
tenS  ju  (Slifa  oon  3ll)lefelbt  mit  ber  wunberbaren  ^Ijrafe:  ba$ 
fei  eben  2Rännerfd)icffal  unb  jwar  befonberS  ber  SRänner, 
weldje  bei  ber  SUntife  unb  bei  ©oetfje  in  bie  @d)ule  gegangen 
feien!  ©o  jtnb  biefe  sperren!  SBaS  jte  augenblicflid)  fpredjen, 
ift  ftets  nur  eine  taube  §rud)t  beS  unabtreiblidjen  Sebürf* 
niffeS,  für  ben  Slugenblicf  eine  minjige  f  leine  SBirfung  jn 
erzielen.  Sie  geben  ftets  nur  Sdjeibemünje  aus,  weil  fie, 
wie  bie  33ettler,  feine  ©ilberftücfe  in  ber  Safere  Ijaben. 

©rußen  Sie  bod)  oon  mir  bie  jierlidjen  33ülowSleute! 
3f)r  Sob  ber  Goftma  fyat  ftd)  glängenb  bewährt,  unb  biefe 
oortrefflidje  unb  eigentümliche  junge  grau  l)at  mir  fo  roof)l 
unb  ungeteilt  gefallen,  wie  feit  langer  3*it  fein  grauen« 
jintmer8).    9JJan  muß  if)r  wirflid)  alles  ©ute  roünfdjen,  unb 

l)  ^ornung  a.a.D.  ©.65  ff. 

*)  SubmiUa  an  Heller,  23.  (September  1857:  „&ie  jungen  »üloro* 


111.   2ln  Submffla  ^Ifftng,  25.  ^oocmbcr  1857.  409 


mäße  fte  bleiben,  rote  fte  ift,  in  ber  renommiftifd)  oerfcfyrobenen 
heutigen  Sßelt! 

3m  „Stauer"  ber  „Äreujjeitung"  las  id)  mit  Se* 
Ijagen,  bafc  in  Serlin  6i8  gefahren  roirb.  Set  uns  ift  Ijeute, 
nad)bem  es  ein  SBicrtcIja^r  lang  trodEen  unb  fd)ön  roar,  ein 
milber  roarmer  Siegen  eingetreten,  bod)  hoffen  roir  unoer* 
fdjämter  SSeife  auf  einen  nochmaligen  legten  9iad)fommer. 
3d)  Ijabe  ben  göttlichen  £erbft  Ijinburd)  ben  fonnigen  §ar* 
benroecfyfel  auf  Äreuj*  unb  Querjfigen  eingefogen  unb  bamit 
mand)  Sd)öpplein  jungen  Söetneö,  oon  bem  ba§  2anb 
überfliegt,  ©ie  Sauern  Ijeimften  t>on  allen  grüßten  ben 
fdjroerften  Uberflufc  ein  unb  jinb  jefct  eben  fo  roofjlgelaunt, 
als  unfere  ©eibenfabrifanten ,  bie  nad)  ämerifa  machen, 
fleinlaut. 

S)ie  oergnüglidjfte  Sour  mad)te  id)  oor  trier^n  Sagen 
nad)  meinem  ©orfe,  roo  id)  ©eoatter  fielen  mufete.  3d) 
ging,  ba  e£  baS  l)errlid)fte  §rüf)ling$roetter  roar,  gu  gufe 
fyinauS,  unb  fdjon  unterroegS  fanb  id)  in  einem  alten  ©täbt* 
d)en,  roo  id)  einteerte,  um  ein  @d)flpplein  ju  trinfen,  ein 
junges  SanbbäSdjen  oor,  bas  ba  mit  feinem  ^Bräutigam 
©infäufe  für  bie  §od)jeitfleiber  gemalt  Ijatte.  3d)  fefcte 
mid)  mit  ifynen  auf  tf)r  ©efäljrt  unb  fufyr  ooHenbS  mit  Ijin« 
aus.    ©aS  SäScfyen,  roeld)e£  in  blo&en  Ernten  roar  unb  in 


ftnb  üennuilidf)  not!)  in  3ürid);  roir  roaren  fyier  3U  ü)rer  #od)3eü  ein- 
gelaben,  $u  ber  auef)  giäjt  auf  einen  Sag  nad)  8erltn  tarn,  um  bie 
Ujm  gerotfj  fefjr  ungeroofjnie  grolle  eines  SBrautoaterS  ju  fotelen.  S)te 
Srauung  roar  in  ber  fatfjolifctyen  ßircfje.  33)  roünfdje  ifynen  beiben 
oiel  ®lficf  auf  ber  unjidjem  2eben3fal)rt.  S)a§  tnufifalifdje  Salent 
fjaben  fle  beibe;  (Softma  fuieli,  meiner  (Smöfutbung  natf),  nod)  fdjöner 
als  £err  tron  SBüloro.  ßoflma  ift  frifd)  unb  HebenSrofirbig ;  id?  rooiite, 
fte  f)dtte  bie  greube  gehabt,  (Sie  fennen  ju  lernen." 


410  3üri$. 

bcr  £erbftbämmerung  anfing  gu  frieren,  30g  meinen  Uber^ 
jie^er  an,  unb  ber  Sräutigam  fang  l)intmlifd)  fdjön,  ma^renb 
id)  ben  $atf  mit  feinen  unb  feiner  Sraut  £od)geitSfieiber' 
ftoffen  auf  ben  Jhtieen  f)ielt,  was  mir  aud)  warm  gab.  im 
Sonntag  mufete  id)  ben  gangen  Sag  neben  ber  fSatin,  einem 
moljlgegogenen  SJauernmäbdjen,  figurieren,  baS  einfach  fdjmar, 
gefleibet  war  in  wollenem  QenQ,  ober  mit  einer  fdjönra 
golbenen  Äette.  3"  ber  gellen,  freunblidjen  Heilten  Stirbt 
mußten  wir  am  SEaufftein  gierlidje  Äntjre  machen  unb  nad)= 
Ijer  beim  SKaljle  Dom  Mittag  bis  in  bie  9iad)t  oben  am 
Sifdje  ftfcen.  £ier  bemerfte  id)  etwas  feljr  artiges.  811 
nämlid)  bie  ©äfte  luftig  würben  unb  begannen,  bie  üblichen 
Scfywänfe  oorgutragen,  wobei  feiner  gururfbleiben  ©oute, 
gefcfyalj  es,  bafe  ber  eine  ober  anbere  ftd)  etwas  ungefdjitfi 
anlieg,  übernahm  ober  gänglid)  oerunglücfte.  92un  roar 
meine  länblid)e  Sftebenpatin  bie  Ijödjfte  Snftanj  am  Sifd), 
öermöge  iljreS  ©efd)led)teS,  tljreS  heutigen  8tatteS  unb  il)tt$ 
„SRangeS"  im  ©orfe;  benn  iljr  $apa  l)at  jwangig  Äülje  im 
Stall.  So  war  eS  au  iljr,  mit  bem  Sachen  aber  einen 
Sdjmanf  baS  Signal  gu  geben,  unb  fte  übte  bieS  Statt  mit 
fold)er  SiebenSwürbigfeit  unb  5Wenfd)enframbUd)fett ,  baj 
feiner  um  baS  rettenbe  ©elädjter  fam.  9?idjt  @inen  armen 
Seufel  liefe  fte  fterfen,  unb  wenn  man  glaubte,  ber  ober  jener 
gar  gu  plumpe  fiele  nun  gemife  burd),  fo  erljob  fte  bod) 
nod)  redjtgeitig  bie  wof)llautenbe  Stimme,  als  ob  fte  ftd) 
föniglidj  amüjterte,  unb  wir  lachten  äße  aufs  Ijeiterfte  mit, 
wie  wenn  ber  feinfte  2Bifc  gefallen  wäre,  ©ergleidjen  Ijabe 
id)  nun  in  einem  Salon  nod)  nie  gefeljen1).  (Pardon!)  ffl 
bieS  junge  3SoIf  waren  in  meiner  früheren  3«t,  wo  id)  auf 
*)  Heller  I)at  btefen  ©afc  roteber  burdf>geftrid>en. 


> 


111.   9ln  SubmiHa  Slffinfl,  25.  9fan>ember  1857.  411 

bcm  ©orfe  mid)  umtrieb,  gang  Heine  Äinberd)en,  bie  id)  in 
ber  2Biege  gefe^en  Ijabe. 

£)b  id)  biefen  SBinter  nad)  Serlin  fomme,  ift  mieber 
uugewifc.  Süngft  erhielt  id)  baS  närrifc^c  anerbieten,  als 
©efretär  beS  Äolnifd)en  ÄunftoereineS  nad)  Äöln  ju  fommen 
mit  500  Spater  ©efyalt  unb  einer  täglichen  ©tunbe  33efd)äfti* 
gung.  ©a  id)  fpafefyafter  2Beife  mir  btn  3lnfd)ein  gab, 
als  ob  es  mir  nid)t  Abel  bäud)te,  entftanb  in  Sörid)  dn 
Saufen,  bamit  id)  Ijier  bliebe,  unb  es  mürbe  ber  alte  Sßlan 
fertig  gemacht  unb  mir  um  bie  Äefyle  gefdjlungen,  bafc  id) 
ein  ^rofefforlein  werben  folle,  fo  gut  eS  ©ott  geraten  läfet. 
Obgleich  id)  nun  felbft  nidjts  weife,  fo  miß  id)  es  bennod) 
risfieren,  erftenS  um  roäljrenb  einiger  Saljre  ben  bürgerlichen 
Segriffen  genug  ju  tfyun  unb  mittelft  ber  (SfelSbrüdfe  oon 
Amt  unb  Sinfommen  über  bie  fritifd)e  8*it  fyinmeggugeljen ; 
unb  gweitenS  weil  id)  burd)  bie  ©tubien,  meiere  foId)e  @ad)e 
erforbert,  oor  bem  geiftigen  ©infrieren  bewahrt  werbe  unb 
öor  bem  SBerpnfen  in  ein  oageS  SeHetriftentum.  3d)  werbe 
jebod)  nur  wenig  ©tunben  ju  Iefen  fyaben  unb  in  ber  2Bat)l 
beS  SBorgutragenben  gang  frei  fein.  3d)  werbe  aud)  nie 
baS  ©leidje  gweimal  oorbringen,  fonbern  mir  einige  ©egen* 
ftänbe  ausarbeiten,  unb  wenn  biefe  abgefpielt  ftnb,  mid) 
wieber  bebanfen,  ba  id)  ingmifdjen  bann  fd)on  wieber  ein 
anbereS  Serrain  werbe  erobert  fyaben.  ©enn  als  ein  ©djnurr* 
Pfeifer  oon  @d)ulmeifter  mochte  id)  nid)t  fterben. 

©ie  Ferren  $rofefforen  33ifd)er  unb  9Mefd)ott  laffen  jtd) 
bei  Sfynen  angelegentlid)  empfehlen.  9Äolefd)ott  ^at  feinen 
SBater  oerloren;  fonft  ift  er  fefyr  munter  unb  we^rt  fld)  pa* 
tyetifd)  feiner  £aut.  ©er  lefcte  Seil  oon  33ifd)erS  2tftt>ctifr 
worin  er  bie  $oefte  befyanbelt,  fyat  bod)  einen  großen  gonbS 


J 


412  3«ri$. 

Don  gefunbem  tüdjtigem  Snfyalt  an  ©runbfäfcen  wie  an  & 
fafyrung.  33ifd)er  fd)cint  uns  in  8ünd)  nid)t  recfjt  jufrieton 
gu  (ein,  ba  bie  grofeen  p^ilofop^ifd^en  2lubitorien  fehlen, 
wie  ftc  in  ©eutfd)lanb  nod)  möglich  ftnb.  2Benn  eS  mm 
in  Sßreufeen  etwas  IjeHereS  SBetter  geben  foHte,  fo  mufete  er 
eigentltd)  nad)  SJerlin  geholt  werben,  wo  er  mit  feiner  ein* 
fad)en  frifdjen  unb  fyanbfeften  SRatur  eine  ganj  wo()ltl>atige 
©rfdjeinung  abgäbe,  ©enn  id)  glaube,  ba§  äftljetifierenbe 
33erlin  ift  nad)gerabe  ein  wenig  fefyr  öerfdjliffen. 

©rüfeen  6ie  bod)  in  ber  ©undferei  Don  mir,  weim  Sic 
etwa  bal)in  fommen,  unb  fie  foHten  fid)  baS  SBarten  auf 
meine  9fcweHen  moljlfdjmecfen  laffen!  Sie  werben  übri- 
gens nun  unoerfefyenS  etwa  anfommen,  ba  id)  biefe  Singe 
in  nädjfter  3^it  abftofeen  mu&,  um  für  mein  geheiligtes 
Se^ramt  reinen  $ifd)  ju  Ijaben.  3cö  Ijalte  mid)  fdjon  fe^r 
würbig  unb  gefye  nur  in  foldje  ©efellfdjaften,  wo  bie  Sfteftoren 
unb  alten  Drbinariuffe  p^en;  unb  bereits  jietyen  brei  ober 
uicr  ©tubenten  auf  ber  Strafte  bie  ^Dtüfcen. 

©iefer  Sage  f)at  Sra  Sllbribge1)  in  Sönd)  gaftiert,  unb 
nädjftenS  fommt  eine  italienifd)e  Dperngefenfdjaft*).  34 
mödjte  lieber  'mal  wieber  ©awifon  unb  6mil  ffieorient  fefcn. 

Sftun  empfehle  id)  mid)  red)t  ^erjlid)  bem  oerdjrfen 
$errn  ©efyeimrat  fowie  Sfynen,  unb  id)  bitte  Sie,  jid) 
nid)t  gu  lange  ju  radjen,  fonbern  mid)  gelegentlid)  nuefrr 
mit  einem  ©rufe  unb  33erid)t  üon  Styem  ergeben  ju  te 
benfen.  3I)r  ergebenfter        ©ottfrieb  ÄeDer. 

5Run  fdjneit  e£  bod)  enblid)! 

')  S)er  befannte  >JieQertragöbe  fpielte  am  18.  ^ooember  in  3&ri$ 
ben  Ctyeiio. 

-')  diejenige  be§  ©ignor  GHorbant. 


» 


112.   Sin  SubmiHa  Bjfing,  1.  3<«tuar  1858.  413 


IIA*  |ltt  gttfrtttiUa  |k#tt0  itt  gtrlttt* 

Sürirf),  ben  1.  Sanuar  1858. 
33eret)rteS  faulem  äffing!  3d)  felje  mid)  infolge  ber 
eujaljr$nad)t  baljin  rebugiert,  33riefe  gu  fc^reiben.  ©a3 
)led)te  Äompliment  wirb  faftifd)  pd)  baburdf)  aufgeben, 
i&  idf)  mit  3^ncn  anfange,  inbem  id)  gugleid)  um  9tad)fid)t 
tte.  Slüererft  bringe  id)  Syrern  Ferren  Dnfel  unb  Stjnen 
eine  aufrid)tigften  2Bfinfd)e  um  ©lütf  unb  Segen  für  baS 
tgetretene  3af)r  bor  unb  mir  felbft  beSgleidjen,  obgleich  id) 
ute  frfif)  fdjon  einen  fleinen  ©eroitterf  flauer  fjatte;  benn 
ift  eine  alte  abergläubifd)e  unb  tyeibnifcfye  Sitte  bei  mir, 
ifc  id)  alle  üßeujafyrSmorgen  mit  einer  Dezernenten  £eulerei 
ginnen  mufc;  unb  id)  roei&  nicf)tf  ob  bieS  je  aufhören  roirb. 

onc  je  vais  me  sauver  dans  cette  lettre  unb  werbe  meine 

)led)te  ßaune  jefct  fogleid)  an  3$nen  auSlaffen! 

Unb  groar  in  betreff  ber  ©ifel  Don  Slrnim,  beren 
ramen  id)  auf  3före  93eranlaffung  biefer  Sage  gelefen  ^abe. 
cl)  ^abe  Sie,  liebes  Srräulein,  in  9Serbad)t,  bafc  Sie  mir 
n  großen  SJären,  beffen  Sternbilb  Sie  im  Siegel  führen, 
iben  anbinben  rooßeir;  benn  id)  fann  baS  berliner  Urteil, 
m  bem  Sie  mid)  unterrichteten,  fd)led)terbing8  nid)t  Der* 
iljen1).  ©ramen  fmb  bieg  allerdings  fo  wenig,  atö  e§ 
>erf>aupt  feine  gu  redjtfertigenben  ^Jrobufte  ftnb,  altein  — 


l)  Öubmilla  an  tfefler,  15.  ©cj.  1857:  „S)a3  Ittterartfdje  (SreigniS 
l  £age§  jlnb  Ijier  jefct  bie  ,2)ramatifd)en  SBerfe*  oon  ©ifela  oon  Slrnim, 
:ld)e  in  iwtx  SBÄnben  Ijeraufcgefonunen  jlnb.  ©eroife,  in  oielen  3al)ren 
t  e3  fein  33ud)  gegeben,  ba$  ein  fo  einftimmigeS  SJMfjfallen,  fo  oiel 
itrüftung  unb  SBerad^tung  Ijeroorgerufen  Ijätte  .  .  .  Sllle  Oefer  finb 
rüber  einig,  bafj  fie  nodj  nirgenbS  fo  oiel  gafelet,  ©efdfjmacfloflgfett, 
flnn  unb  ©ebanfenarmut  beifammen  gefunben"  u.  f.  f. 


414  3üri$. 


wenn  einmal  ein  gewiffer  Vorrat  t)on  @eift  unb  ©d)önl)eii 
in  einem  Sing  ftedft,  (o  fyat  e$  benn  bod)  bamit  feine 
eigene  SeroanbtniS;  unb  bie  ^Berliner,  meldte  gefiern  färben 
„9targife"  gef d)  wärmt  Ijaben,  befljjen  fein  patent  für  btqc 
§lut  Don  Schimpfwörtern  über  bie  arme  ©ifel. 

3d)  fyabe  guerft  „S)a$  £erg  ber  2a\$u  in  angriff  g* 
nommen,  ©eil  e3  trofe  feiner  ©rofce  ba$  fleinfte  DpuS  nwr. 
3d)  fanb  mid)  oerblüfft  barüber,  ba&  bie  frangöjtfdje  3Ranie 
ber  £etären*$ßoefie  t>on  einer  foliben  unb  fogar  jung« 
beutfdjen  ©ante  aufgenommen  unb  fortgepflanjt  wirb.  ©od) 
was  bei  ben  fjfrangofen  gebanfenlofer  Äetcfytfum  ift,  bärfte 
bei  bem  beutfdjen  gräuletn  bie  pure  Unwiffentyeit  unb  ttn* 

fdjulb  fein. aber  abgefe^en  aud)  oon  ber  ©ewiffentojtg* 

feit,  ein  fold)e£  ©tfief  gu  jd)reiben  (benn  was  foU  aud  ben 
jungen  unerfahrenen  5Wäbd)enS  werben,  wenn  bie  erwadjfenen 
SBetber  bergleicfyen  ©inge  prebigen),  ftedft  bieS  ©rammen  fo 
ooH  famofer  ©cfyönljeiten,  bafe  man  nid)t  mit  einer  %abd 
bagwifcfyen  [teeren  faun. 

3n  ben  beiben  größeren  ißiecen  fal)  id)  mit  Sebauera, 
bafa  ber  2trnim*33rentanofd)e  $au£jargon  nod)  ungefdjn>äd)t 

fortwudjert,  wa§  auf  bie  Sänge  langweilig  wirb. Sber 

neben  ben  oiclen  ©efdjmacfloftgfetten  ift  bod)  oud)  in  bieten 
©tüdfen  ein  foldjer  SfonbS  oon  feinem  unb  originellem  Seift 
bafe  nad)  meiner  Meinung  mit  blofcer  SBegwerfung  bagegen 
nic^t  aufgufommen  ift,  trielmeljr  bie  Sßerfon,  bie  bergleidjen 
hervorbringt,  alle  „consid<Jrationu  in  änfprud)  nehmen  baif. 

©ie  aftyetifd)e  6our  g.  S.  bei  ber  Sittoria  ift  freilid) 
ein  moberneS  £I)eefrängd)en,  aber  bod)  in  iljrer  SM  ein 
TOeifterftüdf;  baS  9ttärd)en,  baS  bie  SBittoria  ergä&lt,  eine 
wa^re  $erle  ber  Sßoefte.    3d)  fyabe  baS  33ud)  aud)  anbem 


i 


112.  Sin  Submitta  Slfftag,  1.  3anuar  1858.  415 


Seilten,  bie  fonft  Urteil  tyaben,  gegeigt  unb  manche  Q&Qt 
barauS  tyeroorgeljoben ,  unb  aud)  biefe  fanben  ba&  3Hitge* 
teilte  nur  lobenswert. 

©a  id)  nun  aud)  t»on  anberer  Seite  t)er  au§  SBcrlin 
einen  Srief  erhielt,  worin  über  biefe  unbramatifdjen  ©ramen 
förmlid)  gewatet  wirb,  fo  mufc  id)  annehmen,  bafe  bie  fiuft 
in  biefem  ©egenfafc  eine  SftoHe  fpielt. 

©djon  fc^  id)  ben  ©üben  gegen  ben  SRorben  pd)  ergeben, 
bie  öergeffenen  gafynen  bes  äftfyetifdjen  Urteils  aufs  neue 
ftd)  entfalten,  unb  ber  unerf)örtefte  Ärieg  wirb  beginnen,  ber 
je  um  ein  9lid)t$  geführt  würbe.  SBenn  Sie  bann  auf 
weitem  Qdttt  in  ben  feinblidjen  @d)lad)trei^en  eintyerpiegen 
werben,  fo  wirb  mein  ^erj  in  ben  furdjtbarften  Äonpift 
fommen;  aber  id)  werbe  mid)  meiner  ga^ne  opfern  unb  bie 
gefangene  ©ifel  aud  bem  norbi[d)en  £eere  herausholen  unb 
gu  Seipgig  beponieren.  ©ieS  ift  bie  erfte  SRegenpon,  bie  id) 
an  einem  SReujaljrStag  gefd)rieben  fyabe,  unb  fcfyeint  mir  auf 
ein  Pei&igeä  Sa^r  gu  beuten,  fo  bafy  Sie  pd)  nur  balb  an 
3$r  gweiteS  33ud)  machen  fönnen;  benn  meine  SRooeHen 
f ollen  Sfynen  nid)t  me^r  lange  gum  SSorwanb  bienen1). 

9?un  bin  id)  bod)  in  ben  2.  Sanuar  gefommen.    Unfere 


*)  SubrntUa  an  Äeller,  15.  Sq.  1857:  „2öa3  mit!)  betrifft,  fo  mW 
id)  nidjt  oerfdjroören,  bafj  id)  einmal  nrieber  ein  $3u$  f treibe;  aber 
gerutfe  fange  id)  e£  nidfjt  eljer  an,  als  bis  idf)  3§re  3ftooeUen  gelefen 
Ijabe,  auf  bie  idf)  nun  fdjon  fo  lange  warte."  —  „S)er  Zob  9taudf)S  — 
melbet  SubmiUa  in  bem  nämlichen  53rief  —  Ijat  ljier  grofee  Seilnaljme 
erregt.  S)ie  Ijolje  eble  ©eftalt,  ber  man  fo  oftmals  in  ben  ^Berliner 
©tragen  begegnete,  wirb  nun  auf  eroig  fehlen!  9taudf)  roar  baS  feltene 
unb  glängenbe  IBeifpiel,  rote  fdfjön  aud)  nod)  baS  SUter  fein  fann. 
SBenn  alle  bie  (Statuen,  bie  er  gefdfoaffen,  feinem  (Sarge  tjätte  nad)« 
folgen  fönnen,  eS  roäre  ein  großartiges  8ei$enbegängni$  geworben!" 


416  3üri«. 

Straften  ftnb  fyeute  gang  mit  gepufoten  Äinbern  bebe*, 
roelcfye  »on  5Wagben  unb  Sebieuten  herumgeführt  ©erben. 
Sluf  9icuja^r  geben  namlid)  bie  gelehrten,  fünfilerifc^n, 
militärif etjen  ,  mo^lt^ätigen  unb  anbere  ©efelifdjaften  foge* 
nannte  9teujaf)r$ftücfe  IjerauS,  roeldje  33iograpl)ieen  wr* 
bienter  Mitbürger,  lofalgefd)id)tlid)e  9J?onograpl)ieen  u.  bgL 
enthalten  nebft  Porträts  unb  Äupfern  aller  9hrt,  je  nad) 
bem  ©ebiet  ber  ©efellfdjaft,  jur  Selefyrung  unb  &rgöfcuiuj 
ber  Sugenb.  ©fefe  ^eftc  läfet  man  am  2.  Januar  burd)  bie 
feftlid)  gepufcten  Äinber  au§  ben  ©efellfd)aft3lofalen  abholen, 
xvo  einige  roofylrooHenbe  freunblidje  Ferren  ftfcen  unb  au4 
langen  neuen  Tonpfeifen  Zobad  raupen,  ber  auf  einem 
ftlbernen  Seiler  liegt,  ©ie  Äinber  überbringen  in  ein  Rapier 
gemicTelt  ein  ©elbgefdjenf  für  bie  ©efellfdjaftöfaffe  (bie  fämfc 
Iid)en  $äcfd)en  tragen  fie  in  einem  nieblidjen  Äörbdjen)  unb 
erhalten  bafür  baS  9teujaf)rgßütf,  roerben  mit  33)ee,  3Ru*fa-- 
teuer  unb  Äonfeft  benrirtet  unb  bürfen  bie  ehoaigen  ©amm* 
hingen  unb  Paritäten  ber  ©efeUfdjaft  beftdjtigen.  ©o  gel)f$ 
t)on  £au8  ju  #au$,  unb  bie  geöffneten  Heiligtümer  ber 
alten  ©tabt  ftnb  oon  einer  jubeInben  Äinberaelt  angefüllt 
Seit  ein  paar  3al)rljunberten  befielt  ber  Srand),  ba  einige 
©efeßfdiaften  eben  fo  alt  ftnb,  wie  bie  flJluftfgefellfdjaft,  bie 
©efeflfrfjaft  ber  ©tabtbibliotfjef  unb  bie  fjeueraerfergefelljdjaft, 
meldte  lefctere  in  tljren  sReujafyrgjtüdfen  ftetd  martialif^e 
ÄriegSgegenftanbe  abljanbelt,  gum  SBergnfigen  ber  Änabcn. 
&ud)  befommen  biefe  ben  alten  SBaffenfaal  ju  fetyen  mit  ber 
efyrroürbigen  Kriegsbeute  au$  ben  früheren  3a!)rf)unberten, 
mäljrenb  auf  bem  SHuftffaale  bie  fleinen  Wabdjen  lotett  ein 
TOorgenfongert  anhören  unb  iljre  9Kütter  naetja^men.  ©er 
feine  eigenen  Äinber  Ijat,  beglücft  frembe  Äinber,  bie  feine 


113.   Sin  Submifla  «(fing,  21.  Slprtl  1858.  417 

ober  unoermöglidje  (Sltern  fyaben,  mit  ber  ©enbung.  ßingtg 
bic  berbe  @d)fit>engefetlfd)aft  (oierljuubert  Safyre  alt)  ift  fo 
unlitterarifd)  geblieben,  bafe  ftc  ftatt  Schrift  unb  33ilb  ein 
^ßaef  Äud)en  Derabreidjt  unb  überbieS  im  @erud)e  fteljt,  bie 
3>ungen£  mit  Meinen  3täufd)en  gu  üerfetjen,  inbem  fte  bie* 
felben  aus  i^ren  alten  @l)renpofalen  trinfen  läfet. 

3d)  wieberljole  angelegentlich  meine  9ieujaf)r8wünfd)e 
unb  empfehle  mid)  Sljnen  unb  £errn  SSam^agen  Don  @nfe 
aud)  für  1858  aufs  angelegentlidjfte.  S^r  banfbar  ergebender 

©ottfrieb  Äefler. 


113*  &n  gttfrmiUa  &ffin$  in  gerlitt* 

5Jerel)rte$  gräulein!  ©er  (tattlid)e  Slrtifel  SaiHanbierä 
im  neuften  £efte  ber  „Revue  des  deux  mondes"  fiber  Sie 
unb  S^re  ©räftn  animiert  mid),  Sie  wieber  mit  einigen 
Seilen  gu  belangen;  benn  Sie  werben  nun  nad)gerabe  fo 
berühmt,  bafe  man  ftd)  an  Sie  galten  unb  an  gljre  ©djleppc 
Rängen  mufe.  2)en  befagten  Slrtifel  f)abe  id)  nid)t  gang 
burcfygelefen  bis  bato,  inbem  id)  nid)t  bie  nötige  5Wu&e  fanb, 
fo  lange  auf  bem  TOufeum  gu  ftjjen;  fo  öiel  id)  aber  fal), 
fommen  fowofyl  Sie  wie  3f)r  toter  ©djfifcling  gut  weg,  wa«, 
wenn  e8  fid)  wirflid)  fo  oerf)ält,  fefyr  djarafteriftifd)  wäre. 

2Bie  leben  Sie  unb  ber  oereljrte  £err  ©eljeime  3tat? 
Sa  ber  ©ommer  wieber  oor  ber  £l)fire  ift,  wirb  man  bei 
3$nen  bereit«  wieber  3teifepläne  machen,  inbeffen  @ie  nod) 
Sljre  öon  ber  Slbenbfonne  fo  anmutig  erhellten  ÄaffeegefeH* 
fdjaften  beglfidfen.  3d)  erinnere  mid)  Riebet  ber  jungen  äba 
twn  Sreöfow  ober  wie  fte  Reifet,  weldje  ©cfyaufpielerin  werben 

©ottfrieb  Äettei.   II.  27 


418  3ürt$. 

will1),  ©er  (Sinbrud,  bcn  id)  nod)  öon  bcm  SBefen  §obe, 
ift  nid)t  berjenige  eines  fd)lummernben  @enie£.  Sebodj  Dil 
td)  nichts  öorauSgefagt  Ijaben! 

3ft  benn  ber  ©iegfrieb,  melier  bie  Settina  gegen  Sero« 
oerteibigt  (ober  ift  md)t  bieS  ber  ©egenftanb  feines  39ud>es? 
6S  geljt  mir  alles  burdjeinanber!),  berfelbe,  welcher  einft  bri 
S^nen  eingeführt  mar  unb  beffen  Sefanntfdjaft  id)  ebenfall* 
in  Sljren  ßrängd)en  machte?2)  3d)  amfiftcre  mid)  feljr  über 
bie  ärt,  wie  fid)  jefct  eine  Dppojttion  gegen  ba§  Scroe^bndj 
ergebt.  TOan  ift  bod)  in  ©eutfdjlanb  fe^r  wunberlid)!  Sor 
cirta  adjt  Saljren,  als  ©ertrinuS  feinen  „©Ijafefpeare-  fa 
ausgab,  Ijiefe  eS,  wir  ©eutfdjen  öerftänben  ben  ©^afefpcan 
Diel  beffer  als  bie  (Snglänber,  unb  er  fei  eigentlich  ein  beutfdjcr 
©idjter.  3fe{}t,  nadjbem  wir  eine  immenfe  ©oetljelitteratar 
aufgeftapelt,  fyiefc  eS  plöjjlid),  ein  (Snglänber  fyabe  baS  befte 
Sud)  über  ©oetlje  gefcfyrieben,  worüber  ftd)  nadjträglid)  mm 
bie  ßeute  ärgern,  nad)bem  fte  iljre  fünf  fdjwerfälligen  Sinne 
gefammelt.  ©aS  beutet  alles  nod)  nid)t  auf  frifcfyeren  Suft« 
gug.  SnbeS  ift  jenes  33ud)  mit  ausnähme  einzelner  ©urnm* 
Reiten  gang  IiebenSwürbig. 

©aS  Sud)  öon  SRorig  £artmann8)  ijabe  id)  beSljaib 
nod)  nid)t  gelefen,  weil  id)  ben  größten  Seil  beSfelben  etow 
in  Feuilletons  fd)on  früher  gefeljen  unb  Don  ber  8to  unb 
2Seife   ungefähr  unterrichtet  bin.    2BaS  id)  las,    war  fe^r 

*)  SubmiHa  an  St.,  12.  3<muar  1858:  „gräulein  Hba  t>on  5ie§fo» 
bie  ©ie  audj  oielleidjt  bei  un3  gefeljen  fyaben  ,  miU  auf  ba§  Spata 
geljen  unb  beflamiert  einftmeilen  fdjon  2)eborat)  unb  8abp  «Racbctij. 

*)  Submitta  an  St.,  27.  Hpril  1858:  „Sener  ©iegfrieb  ift  alen 
bingS  berfelbe,  ben  @ie  bei  uns  gefeiten  §aben".  [$.  @iegfrieb,  au 
£errn  ©.  £.  8eroe§,  eine  (Spiftel  1858.] 

*)   „(Sraäljlungen  eine§  Unflaten". 


113.   Sin  eubmitta  «ffing,  21.  Slpril  1858.  419 

Ijübfd),  unb  id)  will  bod)  baS  ©anje  'mal  anfeilen,  um  gu 
fetjen,  was  er  barauS  gemacht  Ijat. 

■Nun?  2SaS  Ijaben  wir  junädjft  Don  Sfynen  ju  hoffen? 
©agen  ©ie'S  frei  unb  offen!1) 

Soeben  Ijabe  id)  mir  mit  einem  @d)lucf  Ijeifcer  SouiQon 
bie  8«nge  Derbrannt.  6S  gef)t  eben  aQeS  über  mid)!  33or 
einigen  2Bod)en  an  einem  ftäbtifdjen  $?rüf)lingSfefte  geriet 
id)  um  9JUtternad)t  in  einen  grofeen  ©aal,  wo  eine  SRenge 
junger  9Känner,  gum  größten  Seil  foftümieri,  ged)ten  unb 
tobten.  SßlöfcUd)  fpielt  bie  SHupf  eine  5Ragurfa;  ein  junges 
23ürfd)d)en,  in  irgenb  eine  2Beibertrad)t  gepQt,  forbert  mid) 
jum  Sang  auf;  id)  laffe  mid)  fortreiten,  ber  id)  niemals 
getankt,  unb  liege  nad)  wenigen  Sprüngen  auf  ber  SRafe,  unb 
bie  gange  nad)foIgenbe  ©efeüfcfyaft  purgelt  auf  einen  Raufen 
über  mid)  Ijer.  3ÜS  id)  mid)  wieber  fyerDor  entwicfelte,  fal) 
meine  9iafe  bergeftalt  aus,  bafe  id)  ad)t  Sage  ein  $flafter 
tragen  unb  gu  £aufe  bleiben  mufete.  $d)  Derlor  barüber 
ein  elegantes  Äongert,  welches  eine  Familie  SBefenbond  fyier 
in  i^rer  23iHa  gab.  Stidjarb  SBagner  tyatte  eine  3lngaf)l 
9Kuftfer  3ufammengett)ürfelt  unb  in  Furger  Qtxt  fo  gut  gefdjult, 
bafc  fle  eine  Auswahl  39eetf)ODenfd)er  ©äfce  gang  oortrefflid) 
foHen  gefpielt  fyaben.  (SS  waren  einige  breifeig  9Jiujki  unb 
etwa  boppelt  fo  Diel  eingelabene  ©efellfdjaft,  was  für  eine 
$ßriDatgefd)id)te  in  8"r^  S^ng  unerhört  war.  ©n  ©treid)* 
quartett  war  baS  l)öd)fte,  was  bisher  Dortam.  3n  öffent* 
liefen  Äongerten  Ijat  ßlara  @d)umann  mehrmals  legten 
SBMnter  l)ier  gefpielt. 

')  öubtnilla  an  tfetter,  a.  a.  £).:  „3$  Ijabe  eine  SHograj)f)te  öon 
©opljte  8a  fRoty,  ber  Sugenbgeltebten  unb  greunbin  SBielanbS,  gu 
fd&reiben  angefangen". 

27* 


420  3öri$. 

2)er  bcfte  jüngere  SRoDellift  ift  jefct  nadj  meinem  ®e= 
fd)tnacfe  ber  $aul  £ei)fe;  er  ift  gefunber  unb  ffinftlerifc^er 
al$  ^) artmann,  melier  im  gangen  nod)  gu  feljr  in  bem 
SBefen  be§  abgeworbenen  „jungen  ©eutfdtfanb"  fterft.  Ba» 
id)  biefen  Slugenblicf  fd)rieb,  I)abe  id)  eigentlich  blojj  für 
mid)  gebadet,  inbem  id)  meinen  ©rief  oergafc,  unb  fdjrieb? 
au§  3erPreuung  auf,  ba  id)  bie  geber  in  ber  £anb  l)idl 
Senn  id)  bin  burd)au$  nid)t  gefonnen,  einen  neuen  3Sn- 
nungSftreit  mit  Sfynen  gu  riöfieren;  ba  id)  genugfam  er* 
fahren,  bafe  Sie  bie  Ijartnädtigfte  ©efdjmadteDerteibigerm 
ftnb,  bie  e$  gibt1).  3>n  einem  „£)ftreid)ifd)en  ÜRorgenblait* 
falj  id)  eine  gang  fd)Ied)te  §abrifnoüeKe  Don  3E.,  fein  2Bi|* 
Matt  ^abe  id)  nod)  nie  gefeljen;  aber  id)  fürd)te,  feine  befte 
3eit  ift  Dorbei.  3d)  laffe  iljn  beftenS  gruben;  er  war  frarab* 
Iid)  unb  gut  gegen  mid).  ©rüfcen  Sie  aud)  fonft,  ©er  mir 
etwa  nachfragt,  foroie  £errn  unb  Stau  Don  33ülon>!  S)er 
Sfiloro  ift  ja  ein  StnertoelWferl  Don  einem  $olemifer! 

3d)  empfehle  mid)  beim  #errn  Don  SBarn^agen  unb 
bei  Sfynen  aufs  neue  unb  bleibe  ad)tungSDofl  3fö*  ergebener 

3firicf),  ben  21.  Styrtl  1858.  ©.  ÄeHer. 


114.  |ltt  gvau  $ina  glttttdur  te  $tv\kn. 

©eefyrte  grau  ©undfer!  3d)  fyabe  Ijeut  mit  Überrafd)uug 
S^ren  33rief  Dorgefunben  unb  beeile  mid)f  3I)nen  ju  be-- 
rid)ten ,  bafe  id)  gu  £aufe  bin  unb  nod)  in  ber  alten  SBoljramg 
ftjje,  156  an  ber  ©emeinbegaffe  in  £ottingen,    etroa  jeljii 

*)  S3eaiet)t  ftd)  auf  ben  Don  ÖubmiUa  leibenfc^aftli^  fortgefe|ten 
(Streit  über  bie  S)ramen  oon  ©tfela  öon  Slrnim. 


114.   2lti  grau  Sina  Wunder,  23.  Suni  1859.  421 

9Hinuten  öom  SWittelpunft  ber  ©tabt.  Sßenn  Sie  auf  meinen 
Sftamen  nirf)t  SJefdjeib  erhalten,  fo  fragen  ©ie  nad)  bent 
£aufe  be3  Sßrofeffor  §rei;  benn  bie  Hausnummern  jmb  nid)t 
gut  gu  überfein,  ba  bie  Käufer  in  fleinen  @ärtd)en  fteljen. 
Snbeffen  ift  eö  ba&  Sequemfte,  Sie  geigen  mir  burd)  einen 
fioljnbebienten  ober  burd)  bie  ©tabtpoft  Sljre  Slnfunft  unb 
ben   @aftf)of  an,   fo  werbe   id)  Sie  unDerweilt   auffudjen. 

Sd)  fyabe  3l)nen  nid)t  mefyr  gefd)rieben,  weil  ©ie  mir 
bie  Antwort  auf  meinen  legten  SBricf  fdjulbig  geblieben  ftnb. 
©a  bie  (Srinnerung  an  ^Berlin,  wo  id)  ein  jiemlid)  anregungä* 
unb  freubeleereS  Seben  geführt  fyabe,  angefangen  I)at  bei 
mir  gu  Derblaffen,  fo  werbe  id)  aud)  weniger  an  meine 
Äorrefponbentenpflidjt  gemannt  afö  früher,  ©od)  Derfäume 
id)  audf)  fold)e,  welche  mir  nod)  am  £ergen  liegen,  wie  id) 
benn  j.  23.  £eibel,  an  ben  id)  nod)  am  meiften  benfe,  erft 
©inen  33rief  gefdjrieben  Ijabe. 

steine  2Bortbrfid)igfeit  wegen  meiner  -Koöelten  mad)t 
mir  uid)t  oiel  gu  fdjaffen.  3d)  weife,  bafa  burd)  biefelbe 
niemanb  gu  Schaben  fommt,  unb  fenne  mid)  überbieö  felbft, 
tdclS  mir  genügt.  2Ber  in  widjtigeren  ©ingen  nod)  eljrlid) 
unb  nato  gu  fein  öermag,  barf  jid)  in  bergleid)en  @d)nurr= 
Pfeifereien  fdjon  nod)  etwa«  erlauben.  5ftan  mufc  fid)  nur 
md)t  barauf  etwas  gu  gut  tfjun. 

©ie  -NoDetlen  fmb  Ijauptfädjlid)  fteefen  geblieben,  weil  fie 
bem  $lane  nad)  au8fd)lie&lid()  auä  2iebe8gefd)id)td)en  be* 
fte^en  unb  mir  bie  leidjte  Stimmung  für  bergleid)en  etnft= 
weilen  abljanben  gefommen  ift,  mäfyrenb  id)  burd)  mein 
^ieftgeS  Seben  für  feftere  unb  löblichere  ©inge  angeregt 
würbe. 

©ie  ©djweig  werben  Sie  fdjwerlid)  im  befferen  Sinne 


422  3üri$. 

fennen  lernen.  ©aju  gehört  ein  Dernünftiges  2JKtleben  <m 
geeignetem  $lafce,  roie  e£  j.  33.  Die  ©taljrS  Dor  groei  3a|ra 
gemacht  l>aben.  ©ie  tolle  fjaftige  Souriftenjagb  auf  ber 
£eerftrafce  über  bie  S3erge,  biefer  fd)natternbe  roilbe  fetten* 
jug  ofyne  33et)agen  unb  ofyne  9tul),  erregt  bei  ben  %ttyt- 
fefienen,  roäljrenb  man  ftd)  ben  ©elbgetüinn  gefallen  lall, 
nur  ©eläcfyter.  ©enn  man  jteljt  e$  bem  gangen  Raufen  an 
©eftdjte  an,  bafc  er  ba£  £anb  lebiglid^  nadj  bem  gutes 
ober  fd)led)ten  SBetter,  nad)  ben  ©aftljofredjnungen,  nadj  ben 
Seltnem  unb  ©djufypufcern,  furj  nad)  2>ingen  beurteilt, 
n>eld)e  jtd)  überall  gleid)  bleiben.  Sfyre  tf  offacfs  unb  SBadjen* 
fyufen  jtnb  hierin  bie  muftergültigen  SBorbilber. 

Sd)  bin  Don  jroei  bi£  öier  U^r  nachmittags  mrijien* 
in  ber  ©tabt,  bie  übrige  3«*  hingegen,  mit  ausnähme  bes 
fpäteren  SlbenbS,   ju  £aufe  unb   gemärtige   alfo  mit  Ser 
gnügen,  Sie  unb  £errn  ©uncfer  wieberjufeljen. 
2W)tung§Don  3^  ergebender 

3itridj,  ben  23. 3uni  1858.  ©ottfr.  Heller. 


115«  |Lit  littoitilta  &ffln*  im  $tvlin. 

SBerefyrteS  Sräulein!  Sluf  eine  me^r  als  ernfte  Seife 
fe^e  id)  mid)  öeranlafet,  enblid)  nrieber  oon  mir  l)ören  $n 
Iaffen1):  es  ift  ba§  fo  unerwartet  hereingebrochene  unb  — 
jeber  wirb  fagen  —  nod)  atlju  frülje  $infd)eiben  Sfo1** 
l)od)öerel)rten  unb  teuren  DfjrimeS,  rooöon  bie  Wadjridfl 
mid)  biefer  Sage  ereilte,  als  id)  beinah  eljer  an  meinen 
eigenen  Job  gebaut  fyätte. 


)  S3arnt)agen  ioar  am  10.  Oftober  geftorben. 


115.   2(n  Submifla  Bf  fing,  22.  Dftober  1868.  423 

(Urlauben  Sic  mir,  3l)nen  nur  mit  gwei  Sßorten  gu 
fagen,  ba&  id)  fogleid)  an  Sie  bcnfcn  unb  Sfynen  meine 
innigfte  Seilna^me  guroenben  mufete.  Sie  erieiben  einen 
JBerluft,  eine  Trennung,  mit  melier  nid)t  leicht  ein  anbere§ 
SBerfjältniS  ftd)  Dergleichen  lagt,  ©er  £ingefd)iebene  felbft 
ift  um  fein  rafdjeS  IrifeS  Sterben,  nod)  im  gelten  äbenb* 
fdjeine  feines  ©afetnS,  efyer  gu  beneiben  als  gu  bef  lagen; 
mid)  bfinft,  e3  entfj)rid)t  feinem  gangen  männlichen  unb 
bod)  fo  milben  Reitern  geben1). 

Sd)  bebaure  feljr,  baß  id)  il)n  nidjt  me^r  Ijabe  feljen 
fönnen.  3fd)  ^abe  bie  9tad)rid)t  erft  abenbs  fpät  öernommen, 
ba  id)  ben  gangen  Sag  gu  £aufe  gefeffen  fyatte  unb  feine 
3ettung  gu  ©eftdjt  befam.  8lm  SJlorgen  barauf,  als  es 
nod)  bunfel  war,  machte  id)  ungewohnter  Sßeife  beim  Älange 
ber  grüljglocfe  auf  unb  badete  gleid):  alfo  SBarn^agen  ift 
tot!    3d)  füllte  in   biefer  OTorgenftiHe,  meld)  ein  3eüa&s 


')  8ubmtUa  an  Heller,  6.3ßoo.  1858:  „2Bie  ©ie  if)n  gefefjen  ljaben, 
fo  blieb  er  bis  julefct,  unb  fo  ift  er  baljtngefd&ieben  in  bem  ooQen 
©lan^e  feines  SQBefenS.  2)en  (Sommer  matten  mir  nod)  brei  ^übfe^e 
SluSflfige  jufammen  nadj  ©djlofj  8ranifc  gum  dürften  Sßficfler,  nad) 
Springen  unb  gulefct  nod)  nad)  Hamburg,  unb  nie  ljabe  id)  iljn 
froher  unb  feilerer  gefunben  als  in  biefer  feiner  legten  SebenSgeit 
(Seinen  legten  Sag  brauten  toir  in  getooljntem  traulidjem  3ufammenfein, 
oergnfigt  unb  glücflid)  tote  ade  früheren  gu,  in  angeregtem,  ernftljaftem 
unb  munterem  ©efprädf),  MS  er  otöfclia)  einen  £uftenanfaH  unb  53ruft» 
frampf  befam,  ber  mit  einem  8ungenfd)lage  enbigte.  tf  aum  eine  fjalbe 
©tunbe  unb  er  lebte  nid)t  mel)r!  33)  fonnte  erft  gar  nidjt  glauben,  bab 
er  mir  entriffen  fei,  ntdjt  faffen,  bafi  biefe  lieben  milben  Süge,  bie 
fein  Äampf  entfteüt  Ijatte,  einem  SSerftorbenen  angehörten.  (5r  faf)  fo 
fdjön,  fo  beneibenSroert  aufrieben  am,  tote  toenn  er  füg  unb  glücflid) 
fdjliefe.  2)ie  iRadjt,  bie  auf  jenen  entfefelia>n  Slbenb  folgte,  fdjlofj  id> 
mid)  mit  tf)tn  allein  ein  unb  trat  oft  gu  i^m  fjeran.  9ld),  er  toaste 
nid)t  toieber  auf!" 


424  3üric$. 

fdjnitt  unb  weldje  Söelt  mit  iljm  baljin  ging.  3d)  fitytt 
es  um  fo  tiefer,  als  ber  33eremigte  beinahe  ber  eingige 
grofee  QtUQt  jener  Saljre  war,  mit  meinem  id)  nodj  in 
einige  freunblidje  33erfit)rung  fommen  burfte. 

Sitten,  oereljrteS  Fräulein  äfjtng,  fpred)e  id)  nodj  ben 
©an!  au§,  ben  id)  bem  freunblidjen  2Bo£)In)ollen  beS  Seligen 
fdjulbig  bin. 

3d)  benfe,  Sie  werben  burd)  baS  ©reigniS  tneljr  in 
ein  erneutes  bebeutenbeS  Seben,  als  in  eine  fyülßofe  Srauer 
Ijingefüljrt  werben,  unb  fo  will  id)  getroft  @ie  ben  6im 
brüdfen  überlaffen,  weldje  baS  allgewaltige  ©cfyicffal  allen 
Sterblichen  juteil  werben  lagt. 

3^r  teilnahm*  unb  ad)tungSüoH  ergebenfter 
3flri$,  ben  22.  Oftober  1858.  ©ottfr.  Äelfer. 


116*  |lit  htn  $tatitfanütvvtvtiu  Sörtdf1). 

£err  ^Jräjtbent!  #od)geel)rte  Ferren!  3d)  tyabe  Don 
Seiten  S^reS  t)od)ad)tbaren  SBereineS  eine  Urfunbe  empfangen 
barüber,  bafc  id)  gu  beffen  ©Ejrenmitglieb  ernannt  worben 
fei  in  feiner  SBerfammlung  Dom  4.  Sluguft  b.  J.  gur  biefe 
mir  erwiefene  grofee  ©jre  unb  greunblxdjfeit  fpredje  id)  S^nen 
meinen  ergebenften  ©auf  aus.  Sr  ift  um  fo  aufrichtiger, 
als  idj  l)offe,  xljn  fünftig  bei  guter  ©elegen^eit  betätigen 
gu  fönneu  unb  mid)  ber  §eimat  im  Sd)ofce  eines  Sänger- 
oereineS  nid)t  unwert  gu  geigen. 

©ie  patriotifdie  ober  nationale  Sgrif  leibet  gegenwärtig 

l)  S)aS  Original  bepnbet  ftdj  im  Hrdjio  beS  9R&nnerd>orS  3firi$ 
unb  ift  mir  burd)  £errn  Dr.  fjr.  SRoljrer  freunblidj  mitgeteilt  worben. 


117.   Kn  Staxi  SWorel,  15.  3«nuar  1859.  425 

faft  aller  Drten  an  einer  genriffen  SBerfdjwommenfyeit  unb 
©ebanfenarmut.  Unb  gwar  je  mefyr  eine  maffenfyafte  $ro* 
buttton  erzwungen  werben  will,  befto  mäfferiger  fällt  bie 
@ad)e  aus. 

©aburd)  aber,  bafc  bie  ©änger  ben  ©idtjtern  ©elegen* 
Ijeit  geben,  pd)  in  bem  wirflid)  ju  fingenben  Siebe  ju  üben, 
werben  biefe  bei  einigem  9tad)benfen  woljl  barauf  fommen, 
grö&ere  aSejtimmt^eit  fomoljl,  als  aud)  9Jtonmgfaltigfeit  ber 
9Kottoe  anjuftreben. 

£auptfäd)Iid)  gilt  es,  ftatt  ber  ewigen  SBerwenbung  beS 
„bonnernben  SawinenfaHeS"  u.  bgl.  eine  SReilje  öon  pttlidjen 
Sbeen  unb  Ijiftorifdjen  Gljarafterjügen,  weldje  fpejieH  unfer 
üaterlänbifdjeS  Seben  bebingen,  in  plaftifd&e  ©eftalt  ju  bringen, 
fo  bafe  ber  Sänger,  inbem  er  pngt,  öon  einer  lebenbigen 
Überzeugung  burd)brungen  unb  fein  ©efang  etwas  ©elbft* 
erlebtes  wirb,  ein  ©tücf  feines  eignen  gegenwärtigen  2ebenS 
barfteöt. 

2ln  folgen  Seftrebungen  mid)  mit  ju  beteiligen,  bagu 
Ijaben  Sie  mid)  burd)  3före  ©rnennung  aufs  neue  ermuntert. 

3d)  bleibe,  £err  Sßräftbent!  £odjgeel)rte  Ferren!  mit 
ausgezeichneter  £od)ad)tung 

3f)r  ergebenfter  ©ottfrieb  JMer. 
$otttngen,  ben  25.  Dftober  1858. 

ßieber  Sfreunb!  2Bir  lönnen  leiber  ©einen  „Struenfee" 
aud)  morgen  nod)  nid)t  geniefeen.  Dbmoljl  td)  meljrfad)  auf  ben 

J)  S)ie  Kenntnis  ber  ©riefe  an  St.  ÜKorel  (ogl.  335. 1,  362)  Der- 
banre  id)  ber  greunbUdjfeit  tf)re§  23eftfcer§,  beS  £errn  Dr.  9fc.  Sflorel 
in  @t.  ©allen. 


n 


426  3üri<$. 

Seinen  mar,  fonnte  id)  weber  ben  33aumgartner,  nod)  ba 
©ibmer1)  roeber  im  £au£,  nod)  anberätoo  antreffen,  umnrii 
xljnen  eine  SRüdffpradje  gu  nehmen  in  betreff  ber  Stunbc  uni 
beS  £)rte§;  benn  beibeS  mufete  id)  genau  toiffen,  um  ba 
^rofeffor  SBifdt)cr  ebenfalls  aufforbern  gu  fonnen. 

UberbieS  ift  morgen  6  Ufyr  eine  ©efangauffüljnmg  bc 
„Harmonie",  weldjer  SSaumgartner  wafyrfdjetnlid)  ehrenhalber 
wirb  beirooljnen  muffen,  waö  id)  gwar  nidjt  weife;  benn  er 
ift  unfid)tbar  für  einen,  ber  nid)t  ebenfalls  immer  fcnnn* 
fd)iefet.  3n  &en  ©efellfdjaftslofalen  fonnte  id)  ber  €aty 
bie£mal  nid)t  nadjgeljen,  weil  id)  biefen  3Ronat  nod)  eis 
Heiner  DpuSculum  unerbittlid)  fertig  frtegen  unb  bt&pü 
gu  £aufe  bleiben  mufe. 

(Sei  alfo  jo  gut,  einen  anbeni  Sag  gu  beftimmai' 
23ielteid)t  ben  ©onntag  über  ad)t  Sage? 

33or  einigen  2Bod)en  fafe  id)  im  33ierI)auS  ,£>rjuri- 
unb  f)örte  bort  einige  Sdjauftneler  fagen,  ba%  fte  nun  biffa 
SBMnter  aud)  nod)  5Hofel£  „©truenfee"  auf  bem  £alfe  Ratten, 
woraus  id)  fd)lofe,  bafe  bie  ©adje  mit  ber  Sbip^nmg 
richtig  fei.  Snbeffen  Ijoffe  id)  guuerjtdjtlxd),  nun  ©ein  Sri 
fo  wie  fo  lennen  gu  lernen.  3Rit  SSifdjer  werbe  id)  fprtdjen, 
fobalb  id)  il)m  fagen  fann,  rote,  wo  unb  mann? 

3d)  t)ätte  ben  Drt  oljne  weiteres  in  meiner  SBofyumg 
beftimmt ;  allein  baS  gröfeere  3intmerr  ba8  id)  gur  Setfügung 
fyabe,  ift  bei  tiefer  Jtälte  fo  fd)led)t  gu  feigen,  bafc  bie  Sifcimg 
Ijödjft  ungemütlid)  ausfallen  unb  ber  „©truenfee11  oielleidjt 
fo  feft  einfrieren  mürbe,  bafe  mir  barauf  @d)Uttjd)ut)  lauf« 
fönnten. 


!)  C^ero.  Sireftor  ber  SRentenanftalt,  SaumgartnerS  ^iogro^. 


118.  Sin  SubmiHa  Stffmg,  9.  gcbruar  1859.  427 

Sllfo  gib  eine  weitere  Drbre  öon  ©ir  unb  fei  imferer 
Seünaljme  unb  Stteugierbe  öerftdjert1)! 

©ein  ©ottfrieb  Äeller. 
«pottingen,  ben  15.  Sanuar  1859. 


118.  |lit  f ufcmiUa  Jintttg  in  §tvlin. 

SBereljrtefte  Fräulein  Slfpng!  ©rlauben  @ie  mir,  mid) 
wieber  einmal  bei  Sfynen  ju  melben  unb  mid)  ^er^lid)  ju 
erfunbigen,  wie  es  3fönen  nun  gefye?  3d)  &*nfe  mir,  @ie 
fdjaffen  unb  bereiten  in  ftüler  Sammlung  allerlei  öor  unb 
führen  ben  golbenen  &aben  weiter,  ber  Seiten  in  ben 
Staunten,  bie  ©ie  bewohnen,  in  bie  Jpanb  gegeben  ift. 

Settina  ift  alfo  nun  aud)  hinunter  ju  ben  übrigen 
©chatten3),  unb  wäljrenb  bie  Söeltlage  wieber  bat) in  ju  ge* 
raten  fdjeint,  wo  pe  oor  meljr  als  einem  falben  Safyrljunbert 
fteefte,  pnb  nun  bie  legten  l)inmeggegangen,  weldje  bajumal 
jung  waren  unb  baS  ©eijtige  gerettet  unb  uns  überliefert 
fyaben. 

@S  ift  wieber  eine  abfdjeulid)  barbarifdje  unb  unfyeim* 
lidje  3^it,  wo  alles  in  gtage  geftellt  wirb  unb  bie  gange 
2Belt  baS  3KauI  auffperrt  unb  an  ben  tücfifdjen  2Borten 
eines  einjigen  SJlanneS  fyängt,  unb  baju  eines  Abenteurers. 

')  ©ie  SBorlefung  beS  ©tficTeS,  ba%  1860  au  St.  ©allen  im  S)rucf 
erfd^ien,  fanb  (Snbe  Sanuar  im  JtünftlergütH  unter  ©eififc  öon  2B. 
©aumgartner,  Sßrofeffor  53oßep;  2Mer  Voller  u.  f.  ro.  ftatt. 

2)  Settina  ftarb  in  ber  SRadjt  Dom  19.  auf  ben  20.  Sanuar. 
©ottfrieb  Heller  ^atte  fle  roäljrenb  feines  berliner  Aufenthaltes 
nid^t  fennen  gelernt.  „2)aS  ift  ewig  fdjabe",  fd&reibt  itym  ßubmilla 
fpdter  einmal,  „©enrijj  Rotten  ©ie  eigentümliche  ©jenen  unb  Vor- 
gänge mit  itjr  erlebt." 


428  3üri$. 

<5S  fd)eint,  bie  £errfd)aften  lönncn  pd)  immer  nod)  nidji 
ba gu  entf djlxefeen ,  nobel  unb  entfdjloffen  gu  fein  gur  regten 
©tunbe,  um  pd)  nadjfyerigeS  Glenb  gu  erfparen.  3d)  Wn 
fefyr  ärgerltd)  über  biefe  ©efd)id)ten  unb  fange  an  gu  füllen, 
wie  ba«  Unpdjere  ber  öffentlichen  2Belt  aud)  ben  ßingdncn 
unb  Verborgenen  beunruhigt  unb  fyinbert.  ©onft  bin  id) 
jefct  in  einen  giemlid)en  §leifc  eingewöhnt  unb  fyoffe,  ntc^t 
fobalb  wieber  barauS  fyinauögugeraten ,  was  mir  nötig  gu 
werben  beginnt.  2tofeer  ben  ©underfdjen  SRoüellen  toirb 
aud)  ein  gweiter  unb  britter  fflanb  „Seute  oon  ©elbwgla'1  balb 
fertig  fein.  (Sin  ©ebidjt,  „©er  2tyotl)eIer  üon  S^amounp", 
ift  aud)  früher  gemadjt  worben  unb  wirb  eben  üerfdjadjert1). 

S)ann  bin  id)  aud)  ofpgielt  beauftragt  worben,  eine 
l)iftorif d)  *  poIitifd)e  33olf£fd)rift  gu  fdjreiben  für  ben  Äanton 
ßfindj,  fo  bafc  td)  gu  tljun  fyabe,  wie  ein  ©djufymadjer^ 
3m  §erbft  fyoffe  id)  nun  gang  pd)er  enblid)  an  ba«  Sweater 
gu  gelangen;  benn  langer  barf  id)  ntc^t  mefyr  warten,  ba 
id)  nädjften  Sommer  oiergig  3<*f)r  alt  werbe. 

Süngft  fam  id)  bei  einem  ©ouper  in  bie  9?äl)e  einer 
SKabame  3J.  au§  Serlin,  weld)e  mir  fe^r  fein  unb  gebilbet 
gu  fein  fdjien.  Sie  foH  in  ein  romantifd)e£  Abenteuer  Der* 
widfelt  fein  unb  lebt  in  ßürid)  mit  einer  grau  Don  £eibtfdb 
unb  beren  @ol)n.    Äennen  @ie  biefe  Seute? 

Soeben  lefe  id),  bafe  $alle§fe  aud)  ein  geben  Äari 
SluguftS  fdireiben  will3),  ©tal)r$  „Sefpng"  gefällt  uid)t  ganj; 

l)  Heller  trug  bamal§  fein  üWanuffript  be8  umgearbeiteten  „tpo» 
tiefer"  grana  2>uncfer  an,  ber  ben  Verlag  inbeffen  ablehnte. 

*)  SMe  3üridjer  <Sd)ulfonobe  öom  30.  ttuguft  1858  l)atte  ÄeDer 
in  bie  tfommiffion  gur  Verausgabe  öon  SWrsfdfjriften  gerodelt 

»)  öubmiDa  an  tfeüer,  20.  Styril  1859:  „S>a&  $aüe$fe  ein  Seben 
tfarl  2luguft§  treiben  wirb,  frfjeint  nur  für  bie  näd&fte  3cit  fe^r  nn« 


118.   2ln  Submitta  SCffing,  9-  Sfe&ruar  1Ö59.  429 

überhaupt  fommt  in  bcn  arbeiten  biefer  Strt  ein  aÖju  warmer 
unb  allgemein  entfjujtaftifdjer  Jon  auf,  melier  ber  mann* 
liefen  ©olibität  ber  Arbeit  (Sintrag  tfyut.  ©en  gebiegenften 
Son  fyat  neuerbingS  ©traufc  getroffen  in  feinen  mufterljaften 
2Mograpl)ieen,  unb  es  wäre  ju  wünf  d)en,  bie  Ferren  lernten 
Don  xljm,  ba  pe  bie  Äunft  beS  feineren  SobeS  oom  alten 
fei.  SOarn^agen  einmal  nid)t  gelernt,  oieHeidjt  nid)t  einmal 
bemerft  fyaben.  ©od)  mir  fällt  plöfclid)  ein,  ba&  id)  um 
ein  gefährliches  £id)t  Ijerumfcfynurre,  ba  meine  geehrte  Äorre* 
fponbentin  ja  felbft  bie  33iograpl)ie  fultiuiert.  3dj  Ijabe 
nict)tö  gefagj,  fage  nidjtS  unb  werbe  nidtjtS  fagen,  als  was 
fdjulbige  ©E)rfurd)t  gebeut. 

SSlan  ift  im  ©üben  fefyr  begierig,  ob  Sßreufeen  nid)t  ben 
gran$ofen  ein  £alt  gurufen  unb  ben  ^rieben  erjmingen 
wirb.  ©aS  ganje  beutfd)e  33olf  mürbe  ja  hinter  ifym  ftefyen 
unb  aud)  nod)  anbere  Seute.  Slber  mafyrfdjeinlid)  wirb  man 
baS  $ferb  abermals  beim  ©djwanj  aufräumen. 

2Bemt  @ie  bie  gemütlichen  ©ienftleute  nod)  bei  pdj 
fyaben,  meldje  Sie  öor  3Wei  Sauren  auf  ber  Seife  begleiteten, 
fo  grüfeen  ©ie  bod)  biefelben;  pe  fallen  mir  foeben  ein. 
©enfen  ©ie,  id)  bin  feiger  nie  mefyr  auf  ben  Serg  ge* 
fommen  unb  werbe  überhaupt  ein  ©tubenfyocf er ,  wenn 
nidjts  mid)  aufrüttelt. 

3d)  fyoffe,  baj$  ©ie  baS  gegenwärtige  Saljr  wofyl  unb 
aufrieben  angetreten  fyaben,  unb  wünfdje,  bafy  baSfelbe  einen 
glücflidjen  unb  weniger  tragifdtjen  SBerlauf  für  ©ie  neunte 
als  baS  »ergangene  3al)r.   Unb  inbem  id)  hiermit  nochmals 


roaljrfcijeinnd);   einftroeüen   ift  er   nodj   mit    bem  jrociten  Seil  beS 
^dtfßer'  eifrig  befdjäftißt." 


430  3ürtc$. 

SljreS  l)ingefd)iebenen  DljeimS  unb  gfreunbeS  grütjenb  ge* 
benfe,  empfehle  id)  mid)  aud)  Syrern  ferneren  gütigen  2Bo$l< 
wollen  unb  bleibe  Sfyr  alter  ad)tung§ootl  gugetljaner 

3üri*;  ben  9.  gebruar  1859.  ©ottfr.  ÄeHer. 


Wein  lieber  9Horel!  @S  freut  mtd),  bafe  ©eine  Safy 
oorwärtS  geljt.  3d)  Ijabe  bie  Speisenfolge  ber  ©jenen  in 
Seinem  ©rama  ntd)t  meljr  gut  im  ©ebäd)tni$  nad)  ein* 
maliger  2lnl)örung  unb  fann  beSwegen  mir  feinen  ehtgf* 
tyenben  Slnberung&progefe  erlauben.  ©eSljalb  nur  ein  paar 
unmaßgebliche  33emerfungen.  SBorerft  modjte  id)  Cid)  auf* 
muntern,  bie  State  beS  £l)eaterbireftorS,  ba  es  ein  alter  $raf* 
tifuS  ift,  nidjt  fo  leidet  aufgunefymen;  benn  e§  ift  ein  be* 
fannter  unb  bewährter  ©runbfafc,  baß  man  befonberS  beim 
erften  SBerfud)  bie  (Srfafyrungen  unb  Meinungen  tüchtiger 
Sfitjnenleute,  SftegiffeurS  u.  f.  f.  gu  SRate  jieljt  unb  gwar  mit 
größtmöglicher  ©elbftüberwinbung.  Unpraftifd)  ftnb  i^re 
SBorfdjläge  nie,  unb  was  an  benfelben  oft  nur  auf  grobe 
trioiale  SBirfung  l)inau3gulaufen  fdjeint,  ba£  l>at  \a  ber  ©idjter 
in  ber  £anb,  e$  gu  oergeiftigen  unb  tnS  Sbcale  hinüber  jh 
fpielen.  ©ngelfenS1)  ©ebanfe,  ben  ©truenfee  bei  ber  Äönigin 
oer^aften  gu  laffen,  ift  {ebenfalls  ein  feljr  praftifdjer  ©rifi 
unb  fann  burd)  ben  Äontraft  gu  einer  burd)au8  wirfung& 
ooßen  ©gene  werben.  3c^  glaube,  eö  wirb  baburdj  bie  Auf* 
gäbe  einer  intereffanten  unb  runben  Äataftroplje  fe^r  gut 
gelöft. 

')  ®e§  3ürid)cr  Sfjeaterbireftorä. 


119.   3ln  tfarl  üHorel,  25.  gebruar  1859.  431 


©inge  cö  nun  md)t,  baß  bic  Äönigin  etwa,  nad)  ©tru* 
enfeeS  Slbfüfyrung,  mit  fd)öner  ftolger  SRcbe  bcn  Sfeinben 
Ujre  bclcibigtc  unb  öerlefcte  grauenwofynung  überläßt  unb 
aud)  weggebt,  inbem  pc  plöfclid)  nad)  bem  Sanbljaufe  gu* 
rücfgufaljren  befiehlt?  ©ie  Intriganten  würben  oerblüfft  unb 
bef djämt  in  bem  ftiUcn  3immer  gurfief  bleiben,  unb  ber  ©elbft* 
öerurteilungS*  unb  23ernid)tungSprogeß  fönnte  fogleid)  öor 
ftd)  geljen;  freilid)  müßte  er  bei  biefer  Sluffaffung  wieber  anberS 
fontponiert  werben.  @S  würben  alfo  brei  große  Vorgänge 
auf  einanber  folgen  bei  berfelben  ©eforation:  bie  Unterrebung 
ber  Äouigin  mit  ©truenfee,  bie  plöfclid)  fyereinbredjenbe  23er* 
Haftung  unb  bie  Äonfternation  ber  gurüdtbleibenben  Sfeinbe. 
©amt  fe^e  idj  nid)t  ein,  warum  nid)t  nod)  eine  ©djlußfgene 
im  Äerfer  folgen  fönnte,  bie  fogar  notwenbig  ift;  benn 
©truenfee  muß  ftd)  burcftauS  nod)  ausfpredjen  unb  gefeljen 
werben,  nad)bem  bie  ©ewißljeit  beS  SobeS  ba  ift.  Überhaupt 
fommt  eS  nur  barauf  an,  baß  ©truenfee  bei  ber  Königin 
Der^aftet  wirb,  um  bei  (SngelfenS  23orfd)lag  gu  bleiben;  bie 
eine  große  ©gene,  aus  welcher  ber  fünften  äft  befielen  foHte, 
ift  Siebenfache  unb  mir  gar  nid)t  plauftbel. 

Übrigen«,  wie  gefagt,  fei  bieS  alles  unmaßgeblich;  benn 
baS  ©etail  Ijat  ftd)  mir  etwas  üerwifd)t,  unb  oljne  baS  Surf) 
in  ber  $anb  fann  id)  mid)  nid)t  met)r  aufs  eingelne  beftnnen. 

3d)  wünfd)e  ©tr  nun  nod)  gutes  ©lücf  gum  @d)luß 
unb  einen  glorreichen  3;riumpl)gug  über  baS  SBü^nengcftcH. 

©ie  bewußten  ©adjen  f)abe  id)  empfangen  unb  banfe 
für  ©ulgerS  SBrofd)ürc.  ©ott  fei  uns  armen  ©ünbern  gnäbig 
in  ben  tommenben  Jagen! 

3d)  grüße  ©id)  unb  fing'  in  uoHern  Jonen: 
©ie  ©pftengfrag'  fei  bergeit  befrieb'genb ! 


432  3üri$. 


Siel  SBier,  gemäfc'gte  arbeit,  etn>a£  @rog, 
S)a3  ift  bie  2ofung  biefer  fd)lid)ten  Sage, 
33on  Sorgen  jierlid)  nur  unb  leidjt  umfrängt. 
©od)  würben  fie  fid)  ungegiemlid)  bauen, 
Unb  »oute  imd)  ber  Sfeinb  gu  grob  bebrängen, 
3d)  fpräd)1  3U  feinen  ©recffoljorten  fo: 
2Bof)lan!  3$  räume  biefe  fdjnöbe  Surg, 
©ie  man  betrfigerifd)  nur  2eben  Reifet, 
Unb  faljr1  bafyin,  roo'S  feine  Jinf  mel>r  gibt. 
3Ijr  aber,  bie  3^  *tag$  unfc^Iüffig  fte^t, 
SSIaft  mir  oereint  ben  froren  £obel  au$! 

©ottfrieb  Äefler, 
3ürid),  ben  25.  gebruar  1859.  Sambenmac^er. 

1ÄO*  &tt  itfrmiüa  Jlffttt*  **  #**««♦ 

ÜBeretjrte  Sfräulein  2tf fing !  ©ie  Ijaben  mid)  burd)  Sfr* 
©enbung1)  aufs  neue  übergeugt,  wie  guoerläfjig  gute  9Renf^en 
iljren  tarnen  ftet$  bewähren,  ba  Sie  mid)  nad)  einigem 
6tilfoerf)alten  boppelt  fdjön  unb  freunblid)  überrafd)en.  6* 
ift  mir  überhaupt  bie  Iiebfte  Slrt  öon  Überraf  d)ung ,  wenn 
enoünfdjte  2eben§geid)en,  roeld)e  man  öon  ^freunben  gu  ge» 
»artigen  fyat,  gu  gögern  f djeinen  unb  bann  bod)  gu  guter 
©tunbe  fo  ruljig  unb  ftd)er  eintreffen  wie  bie  alten  £imme& 
geidjen.  3d)  banfe  Sfynen  fyerglid)  für  3^  reifes  ©efdjenf. 
3^  eigenes  33ud)  Ijabe  id)  nod)  nid)t  erwarten  fönnen,  ba 
id)  es  erft  nod)  in  ber  9Wad)e  glaubte.  3d)  lann  nur  ein 
bifedjen  fyineingucfen  biefe  paar  Sage  unb  werbe  e«  erft  mit 

l)  S)en  achten  ©anb  ber  $Barnf)agenf$en  „Stenfioürbigfeüai- 
unb  SubmiOaS  „(Sophie  Sa  ftodje". 


120.   Sin  SubmiDa  «{fing,  28.  Slpril  1859.  433 

(Snbe  biefer  2Bod)e  gelefen  Ijaben.  ©afür  werbe  xd)  ba£ 
Sßergnügen  Ijaben,  jweimal  furj  nad)  einanber  an  ©ie  gu 
fdjreiben.  ©enn  id)  werbe  Sonett  meine  Meinung  über  baS 
SDßerf  nid)t  üorentljalten. 

3d)  Ijabe  aud)  fdjon  ftarf  in  ben  „©enfwürbigf exten" 
genafdjt  unb  mid)  aufs  neue  an  ber  unfehlbaren  unb  reinen 
©pradje  be§  toten  3ReifterS  geftärft  unb  erfreut.  3"  M*fa 
©pradje  gewinnt  aUeö  bie  ©eftalt,  bie  ifym  gufommt,  unb 
fxe  ift  eine  Slrt  UebeooHer  SBorfeljung,  welche  nid)tS  überfielt 
unb  ben  fleinften  ©egenftanb  in  baö  erwärmenbe  2id)t  ber 
Sonne  ju  fefcen  oerfteljt,  ebenfo  mit  ©eredjtxgfeit  äße  Surfen 
unb  ?ßoren  ber  ©inge  burdjbringt.  ©ie  unmiffenben,  oft 
feljr  angefeljenen  ©djmietpeter  biefer  Seit  werben  (joffentlid) 
erft  nod)  ju  füllen  befommen,  weld)  ein  SJlufter  pe  unbefolgt 
t>or  fid)  Ratten.  3n  ben  Äritilen  ftnbe  id)  ben  SBerftorbenen 
oft  etwas  ju  gut,  freunblid)  u.  f.  f.  6$  ift  mir  befonberö 
ein  SBeifpiel  aufgefallen,  wo  ber  @ble  fidj,  gleid)  Dielen, 
burd)  einen  litterarifdjen  £afd)enfpieler  förmlich  betrügen 
liefe  unb  wo  bie  Sügenljaftigfeit  beS  befprod)enen  33ud)eS 
nadjgewiefen  ift.  SWein  baö  madjt  nid^tö:  ein  ©onnenftra^I, 
ber  auf  einen  Ungerechten  faßt,  fann  biejem  aud)  jum  ©e* 
rid)te  werben. 

©ie  Ijaben  red)t  barin,  bafe  man  ba§,  was  man  er* 
leibet,  nidjt  mofyi  mitteilen  fann.  ^Ijgfxfctyer  ©djmerj  mad)t 
bem  3ufet)enben  wo^l  aud)  ©dfornerj.  ©ad  moralifdje  Seiben 
aber  berührt  ben  9iäd)ften,  nad)bem  berfelbe  eg  begriffen  ju 
l)aben  glaubt,  burd)au§  nid)t  weiter,  unb  fobalb  nur  @r  fid) 
barüber  au$gefprod)en  unb  gefammelt  ^at,  fo  oerlangt  er 
nod)  gar,  ber  ^Betroffene  felbft  foHe  bie  ©adje  nun  aud)  gut 
fein  laffen. 

©ottfrteb  «ettar.  II.  28 


434  3uri$. 

©en  bialogifterten  ©efdjidjtSauffafc  „©icRngen*  te 
fctxxn  SaffaHe  Ijabe  id)  freiließ  gclcfen  unb  mtdj  nur  »unten 
muffen,  wie  ein  ©eletjrter  unb  $I)ili)fopl)  ftdj  felbß  fo  fdjr 
oerfennen  fann,  bergleidtjen  mit  n)eitfd)tt>eiftgen  SBorten  eigene 
fyänbig  ber  Station  als  grofce  befreienbe  poetifdje  23)at  w 
3Upreifen.  ©ie  Äomif  bxefeS  Unternehmens  imrb  nur  nod) 
übertroffen  burd)  bie  Äritif  äbolf  ©taljrS,  toeldjer  in  etnem 
langen  2luffajje  über  biefen  Sluffa^  ben  dlutyn  bleiben  nrit 
bem  ©eftänbniS  fdjliefct,  ba&  es  aflerbingS  feine  ©idjtang 
fei.  ©afe  bod)  biefe  ©djulfüdjfe  nie  unterlaffen  forma, 
Singe  fonftruieren  ju  wollen,  bie  in  einem  anbern  ©arten 
warfen! 

3d)  t)abe  aud)  juweilen  im  neuen  ©ufcfowfdjen  SRoman 
gelefen1)  unb  bin  über  bie  9tiaiferie  unb  SBcrjtoicft^eit  biejes 
3Ranne$,  bie  nun  über  alles  5Waß  gel)t,  ganj  verblüfft 
Unb  toaS  min  er  nur  mit  feiner  fredjen  Sprach*  unb  Stil« 
Derberberei?  @S  ift  faft  unmöglich,  bafe  er  bie  äbgefdjmacfr 
Ijeit  ganjer  Seiten  unb  Sogen,  bie  xoatyt  tfucfyenmagbmanier 
nidtjt  einfelje.  Unb  bennod)  ftnb  feljr  gute  ©adjen  barin;  e$ 
ift  nur  bie  Unrufye,  bie  ©djlingelei,  bie  ewige  23erborbeni>cit, 
welche  biefen  ©eift  fo  feine  gute  Sa^n  üerfeljlen  liefe  unb 
ifyn  nod)  fefyr  tief  wirb  fallen  laffen. 

Äommen  ©ie  mieber  einmal  in  bie  ©djroeij,  fo  jofl 
biefelbe  3fönen  abermals  SRofen  präfentieren.  ©egenwartig 
fielen  Heine  Sirn*  unb  äpfelbäumdjen  in  Dotier  SBlüte  oor 
bem  Senfter,  roäfyrenb  bie  Strommel  ertönt,  roeldje  unjen 
ÄriegSleute  nad)  ber  ©renje  fü^rt.  3um  SSeroeiS  roill  id) 
einige  SSlättdien  in  beu  SBricf  legen,  b.  J>.  &on  ben  Slutcn; 
benn  einen  ©olbaten  fann  id)  nidjt  hinein  tljun. 

l)   «Sto  Sauberer  öon  fRom." 


121.   Sin  Submitta  afflng,  15.  Wlai  1859.  435 

3Hfo  nädjfte  2Bod)e  werbe  id)  mtd)  nochmals  bei  3fönen 
aupljren  unb  empfehle  midj  bis  baljin  Syrern  alten  SBo^t 
wollen.  3^  ergebender 

3ürid>,  bcn  28.  Styril  1859.  ©ottfr.  ÄeUer. 


181»  |lsi  fttfrmtUa  JW&  i*  9tvlin. 

£od)geel)rte3  Fräulein!  3n  biefem  Slugenblicf  beftfce 
id)  ntdjt  ein  SSögeldjen  Briefpapier;  id)  bin  alfo  fo  frei, 
Don  einigen  6inlabung§3etteln,  welche  herumliegen,  bie  3tfic& 
feite  abjufdjneiben,  um  unüerweilt  einen  SBrief  ju  fabrijieren. 
©ie  muffen  barauö  nid)t  fd)liej$en,  bafe  idj  ein  öielbegefyrter 
TOenfd)  fei;  benn  befagte  3*ttel  fahren  fdjon  lange  auf  ben 
SSifdjen  Ijerum,  wie  @ie  uießeidjt  aus  iljrem  Sabafögerud) 
erfefjen  lönnen.  3lud)  fcfyreibe  id)  Siegel  in  biefem  9Jloment 
mit  ber  Stfl&rce  im  SÄunbe,  ein  ööllig  aufeugebenbeS  „3n* 
üibibuum",  wie  meine  SJiutter  fagt. 

3d)  fyabe  3^  «Sophie  Sarodje"  nun  längft  gelefen 
unb  freue  mid)  fefyr,  ©ie  um  biefer  frönen,  fleißigen  unb 
grfinblidjen  Arbeit  willen  beglücfwfinfdjen  gu  fönnen.  Sie 
l)aben  baS  gierige  ffifee  2lpfelbäumd)en  be£  uorigen  3<*l)i> 
I)unbert$  mit  feinem  nötigen  (Srbreid)  unb  mit  allen  feinen 
SDßurjeln  l>cil  unb  unöerfeljrt  t)erau$geftod)en  unb  in  unfern 
©arten  gefefct,  unb  wir  fefyenmit  SBergnügen  au§  bem 
garten,  mit  SiebeSfummer  gefd)müdften  3ungfräulein  aflmälig 
eine  Sfrau  erwadjfen,  welche  bie  weiteften  Sebenöfreife  um 
jid)  Ijer  gieljt.  £ier  will  id)  mir  erlauben,  glexd)  eine  Heine 
Semerfung  anjubringen.  @d)on  in  ber  „©räfin  6Iifa  öon 
2U)lefelbt"  befam  man  £uft;  bie  £elbin  felbft  etwas  fpredjen 

28* 


436  3üridj. 


gu  l)ören,  um  ba$  Silb  Don  ityrem  fpejiftfdjen  ©eifte  gan, 
öollfommen  3U  erhalten  burd)  i^rc  unmittelbaren  3Bortc. 
(Simge  ©riefe  unb  33riefd)en  oon  il>r  Ijätten  biefem  ©effitye 
auf  ba£  befte  entfprodjen,  ftnb  aber  öermutlidj  nid)t  3U  tyüm 
geroefen. 

Sei  Sfyrer  Sophie  nun  entbehren  xdxt  btefer  legten 
SBeröollftänbxgung  burdjauS  nidjt,  inbem  wir  fte  in  iljrem 
2ebcn  unb  Soeben  unb  in  ifyrer  2Bed)feltt>irfung  ju  i^rai 
Seitgenoffen  genugfam  erfennen.  2Bir  begreifen  fie  aud) 
als  ©djriftfteHerin;  allein  l)ier,  ba  einmal  bie  2itterargefd)id)tc 
fcpefjHd)  baS  Sweater  wirb,  auf  bem  fte  fpielt,  bü*ftc  trid* 
leidet  eine  einge^enbere  tritifdjc  Slnalgfe  iljrer  @d)riften, 
wenn  aud)  nur  ein  fü^ereS  Äapttel  bilbenb,  bod)  etwa* 
ausführlicher  als  bie  bafyin  einfdjlagenben  ©eiten,  nic^t 
ummllfommen  gemefen  fein.  Übrigens  ift,  n>a3  Sie  über 
tiefen  ©egenfianb  fagen,  jebenfaHS  gut,  fdjön  unb  jtt>ecfmäfeig; 
id)  bin  aud)  baffir  banfbar,  unb  oielleidjt  Ijaben  Sie  über- 
haupt au§  formellen  ©rfinben  red)t. 

@in  anmutiges  ©djaufpiel  gewährt  unfereinem  abermals 
bie  tapfere,  furdjtlofe  unb  elegante  93erteibigung,  u>eld)e  eine 
grau  für  eine  iljrer  ©djweftern  gegenüber  ben  »anfelmütigen 
unb  nidjtsmürbigen  ©id)tern  ffiljrt.  ©djon  fyaben  Sie  3ro* 
mermann  Ijingeftrecft  auf  ben  grünen  Stafen  mit  ^fitim 
glängenben  ©djmerte,  unb,  fyal  ba  liegt  nun  aud)  SBielanb, 
ber  grimmige  SBerfeljrer  ebler  Stauenden!  2Bie,  bu  magft 
nod)  ju  mueffen,  ©djnöbefter?  ©u  murrft:  „©opfyie  fyabt  bid) 
ja  guerft  laufen  laffen,  mie  aud)  ben  SBianconi!1)  S)er  finb* 


!)  S)cn  erften  ©eltebten  ©opfjieS,  ben  italienifdjen  Setbarat  b«$ 
gürftbtföofS  öon  SlugSburg.  SB9I.  8.  8ffing,  ©opfjie  oon  8a  Sfoxfr 
6.  20  ff. 


121.   3ln  SubmiUa  ajftng,  15.  üWai  1859.  437 

lidje  ©efyorfam,  unter  bcn  fte  ftd)  beugte,  fei  im  ©runbe  btc 
gleidje  Sßl)ilifterf)aftigfeit  gewefen,  mit  welker  fte  fpätcr  i^re 
eigenen  frönen  Softer  an  ungeliebte  5Ränner  Eingab?  6$ 
fei  bieS  eben  eine  bunfle  rätfelfyafte  Partie,  welche  ebenfo 
bebenflid)  fei,  wie  beine  bengelfyafte  jugenblidje  Unbeftänbig* 
feit?"  Söie,  bu  wirft  immer  fredjer  unb  befyaupteft  fogar 
nod),  trofc  ber  Streike,  bie  auf  bid)  nieberfaßen:  „2Benn  bu 
nidjt  ein  fo  renommierter  ©idjter  geworben  wäreft,  fo  l)ätte 
@opl)ie  bid)  öor  ber  SBelt  fo  wenig  meljr  genannt  wie 
Sianconi?  S)aS  fei  eben  ba£  €>d)icffal  ber  armen  ©id)ter* 
linge,  bafe  man  ifynen  jebeö  ,33erf)ältniS',  jebe  bumme  @e* 
fd)id)te  in§  ßnblofe  nad)trager  wäfjrenb  man  bie  eigenen 
@ünben  unb  btejenigen  aller  anberen  Seute  in  wofylwete- 
HdjeS  ©tiflfdjweigen  t)üHe?"  ©enug,  @d)eufal!  fdjweig  unb 
ftirb! 

3m  Grrnfte  gefprod)en,  war  Söielanb  in  feiner  Sugenb 
ein  l)öd)ft  fd)nurrige§,  Don  wahren  unb  gemachten  ©efüfylen 
aufgepufteteS  33ürfd)d)en,  unb  e£  ftänbe  ben  Ijolben  grauen 
ieberjeit  beffer  an,  fold)e  ©efellen  ityrer  SBege  geljen  au  laffen, 
ftatt  fte  immer  wieber  an  ftd)  fyeranjuföbern.  Sßäljrenb  bie 
gleichen  „verratenen  ©id)terfreunbinnen"  niemals  öerlegen 
finb,  urplöfclid)  ganj  unerwartete  heiraten  „afyufdjliefeen", 
unb  bergleidjen  im  Notfall  aud)  mehrmals  mieberf)olen, 
werben  bie  2)id)terlinge  bafür  bcfdjoltcn,  bafe  fte  nidjt  allein 
ber  -Karr  im  Spiele  fein  unb  ben  ewigen  Petrarca  ober 
2Bertl)er  oorfteüen  wollen. 

3n  weld)  unwahre  unb  fyoljle  Siebeöoer^ältniffe  ftd) 
aud)  bie  geiftreidjfte  grau  fyineinbufeln  fann  im  33erein  mit 
einem  beS  fentimentalen  Äopffraueng  bebürftigen  Poeten, 
beweift  aud)  3ulie  fflonbeli,  welcher  mit  SßielanbS  alberner 


438  3ürid>. 

unb  affeftterter  Antwort  auf  xfyre  Siebesfrage  gang  rec^t 
geföal)1). 

aber  genug  nun  be8  fdjnöben  unbanfbaren  ©emurreS 
unb  SedfenS  nriber  ben  ©tadjel!  £offentlid)  jtnb  Sie  inbeffen 
fdjon  am  ©ntwerfen  be$  brittcn  39ud)e§. 

©cftcrn  la§  id)  irgenbwo,  Äbolf  ©ta^r  beabftd)tige 
aud)  ein  Scbcn  @d)iÖer§  gu  fdjrexben,  wie  er  „Sefjtng11  ge* 
fd)rieben  fyat.  3m  2fafl  er  etwa  ben  armen  $afleSfe  bamit 
tot  ju  machen  gebeult,  wäre  e§  gut,  wenn  er  aljnte,  bafc 
fein  „Sefftng"  öon  ben  angefeljenften  Autoritäten  nxd)t  eben 
alö  unbebingt  flafftfd)  betyanbelt  wirb,  unb  ba&  man  $aße$fe§ 
©d^ißerbud)  gerabe  fo  fyod)  [teilt  wie  feinen  „gefpng11. 

68  ift  fefyr  falt  fyeute;  ba8  ©arteten  oor  bem  fünfter 
fd)lottert  öor  Äfiljle:  fiebenl)unbertunbjweiunbfed)§gig  JRofen* 
fnofpen  friedjen  beinahe  in  bie  Steige  gurfief.  ©er  9tod)bar 
fyat  ftdj  neulidj  plöfclid)  nod)  eine  33raut  angefd)afft  unb  baut 
ftd)  nun  bidjt  öor  meinem  Sfenfter  eine  Heine  ©djattenlaube, 
worin  ber  unöerfcfyämte  £unb  wa^rf d^einlic^ ,  mir  oor  ber 
•ftafe,  feine  Flitterwochen  oergirren  will!  <5r  \)at  einen  alten 
lahmen  Sto^crmann  angefteHt,  ber  fdjon  bie  gange  2Bod)e 
an  bem  t>erfänglid)en  SBerfe  Ijerum  bäfdjelt  unb  jammert, 


l)  „C£ine8  SageS  fagte  Sulie  $u  SBielanb,  fte  fönne  no$  immer 
nidjt  red^t  an  feine  Siebe  glauben;  fie  f)alte  fle  oft  für  nid&tS  roeiter  als 
eine  fdjöne  Säufdjung.  ,©agen  @ie  mir4,  rief  fie,  inbem  fxe  iljn  mit 
üjren  forfdjenben  Slugen  anfafy,  ,roerben  ©ie  niemals  eine  anbere  al§ 
md)  lieben  fönnen?'  —  3uerft  beteuerte  er,  ba%  bieS  unmöglich  fei; 
bann  geftanb  ttjr  aber  ber  aufrichtige  S)i$ter,  ba%  bieS  aUerbingS  rooljl 
auf  Slugenblicfe  gefdjeljen  fönnte,  menn  er  etroa  eine  föänere  grau 
als  fle,  oerfunfen  in  unöerbienteS  (glenb,  fjödjft  unglfidlid)  unb  babei 
bo$  fjödjft  tugenbljaft  fdnbe  .  .  .  .  ©ie  fonnte  bte§  SBort  niemals 
öergeffen."    «.  a.  O.  ©.  98  f. 


121.  SCn  8ubmitta  Slffing,  15.  3Rai  1859.  439 

tyeut  ein  Srettdjen  unb  morgen  ein  33rettd)en;  ein  fdjlau 
auöfeljenber  Klempner  fud)t  aug  einer  alten  Sabewanne 
fcon  Sied)  ein  ©ad)  gujuf djnetben ,  weldjeS  fo  t)iel  Söonne 
bebeefen  foll;  ein  Sünder  ftefyt  ungebulbig  bereit  mit  einge* 
taudjtem  $infel;  ein  Ijalb  toller  ©ärtnergreiö  fommt  alle 
©tunben  unb  ganft,  bafc  er  feine  Strauber  unb  ©djling* 
pffanjen  nod)  nid)t  tjmfejjen  fönne:  furj  es  ift  eine  Aufregung 
unb  ein  treiben,  als  ob  bie  ©arten  ber  ©emiramte  gebaut 
»erben  follten.  Unb  ber  beglücfte  Sauljerr  ftefyt  hinten  unb 
Dorn  babei  unb  baneben  unb  brum  Ijerum  unb  mifct  mit 
bem  SoUftocf  unb  Wettert  auf  ba§  ©ad),  unb  nur  bie  Sraut 
tljut  oerfdjämt  unb  lägt  pd)  nidjt  fefyen  auf  ber  famofen 
^aufteile. 

Serlin  fyat  nun  ja  aud)  feinen  #umbolbt  begraben  unb 
wirb  mit  biefem  ©eiferen  feiner  golbenen  3*tt  iwd)  eine 
Heine  2Beile  fortfahren  unb  entließ  bamit  fertig  »erben1). 

6&   mürbe  mid)   freuen,   menn  Sie   mid)   mit  einem 

balbigen    ausführlichen    Serlinerbriefe    abermals    erbauen 

wollten ! 

3ljr  ergebener  unb  banfbarfter 

3üri$,  ben  15.  gRai  1859.  ©ottfr.  ÄeHer. 


J)  SubmiDa  an  ßeller,  24.3M  1859:  w£umboIbt$  Serluft  ift  mir 
fetyr  nat)e  gegangen.  SBd^renb  alle  Öcbenben  feiner  mit  SBereijrung 
backten,  fdjien  ber  Zob  ifjn  öergeffen  $u  Ijaben;  man  glaubte  faum 
mefjr,  ba%  er  nod)  fterben  fönne.  ©anj  IBerlin  l)at  if)n  fci&meralid) 
betrauert.  3roei  Sage  öor  feiner  tfranffyeit  fdjrteb  er  mir  nod)  einen 
liebenSroürbigen  gütigen  53rief  über  meine  ©opljte  öon  8a  !Rod^e  unb 
bat  mid),  ifjn  ju  befugen.  EBie  i$  fjiitfam,  lag  er  fefcon  au  53ette  unb 
fonnte  niemanb  mefjr  annehmen." 


440  3üri*. 

1£&  &»  gttfrtttiJla  &Hft«0  **  Serlitiu 

Sic  pnb  fo  freunblid),  midf)  wieber  einmal  auf  ben 
28eg  ber  $flid)t  gurücfguleiten,  unb  id£)  bin  S^nen  baffir 
banfbar.  ©enn  oljne  3^  neues  unverhofftes  ©efdjenf1) 
wäre  t>ielleid)t  nod)  manche  Söodje  oerftridjen,  et)'  id)  mich 
als  §reunbfd)afts  -  Äorrefponbenten  wieber  gured)tgefunben 
Ijätte.  3$  glaube,  ber  lefcte  Srief,  ben  id)  3fjnen  fd)rteb, 
war  aud)  ber  lejjte,  ben  id)  überhaupt  gum  blofeen  93er* 
gnügen  fd)rieb;  wemgftenS  finbe  id)  ben  33erfel)r  nad)  allen 
Seiten  l)in  abgefd)nitten.  ©efto  l)fibfd)er  ift  eS  t>on  3^nenf 
bafe  Sie  mid)  trojjbem  nid)t  fteefen  laffen. 

©en  neueften  Sanb  3^eS  feiigen  DnfelS  Ijabe  id)  gum 
guten  Seil  biefen  £erbft  fd)on  gelefen  unb  nun  im  eigenen 
(Sjremplar  beenbigt.  @S  ift  gang  gleidjgfiltig,  was  SBarn* 
bagen  fd)reibt,  er  ift  immer  ber  ©leidje,  welcher  burd)  feine 
Seljanblung  ben  Singen  erft  iljren  SBert  üerleiljt.  3tögefel)en 
Don  bem  perfönltdfyen  SBirfen  unb  @efd)icf  beS  Verewigten, 
welches  mid£)  im  Ijofyen  ©rabe  interefpert,  liegen  mir  bie 
übrigen  33erl)altniffe  unb  Sßerfonen  faft  fo  fern,  wie  Äamt* 
fd&atfa;  unb  bennod)  f)telt  mid)  bie  @efd£)id)te  beS  tranfen 
©ro&ljergogS  mit  ben  eblen  unb  uneblen,  flugen  unb  albernen 
(ÜHjarafteren,  bie  tljn  umgeben,  bie  bamit  oerf!od)tenen  Äämpfe 
gwifdjen  Saben  unb  33aiern,  ber  Äampf  SabenS  um  ©ein 
ober  9?id)tfein,  alles  bieS  ftitt  hinter  ben  fpanifdjen  SBänben 
ber  #of*  unb  ©tplomatenwelt  oorgeljenb,  in  einer  Spannung, 
als  ob  eS  fid)  um  bie  nädjftliegenben  SebenSfreife  Rubelte. 
3d)  l)abe  nidjt  balb  etwas  £et)rreid)ereS  gelefen.  3^ber 
ßfyaraftergug,  jebeS  SSerbienft  unb  jebe  ©djwädje  ftnb  aufs 


')  £er  neunte  23anb  ber  „2)enFn)firbigfeiten\ 


122.  8ln  Submilk  SKjftng,  30.  SRoüember  1859.  441 

genaufte  erwogen  unb  nuanciert;  wag  immer  ju  ertragen  ift, 
wirb,  ol)ne  öertufd)t  ju  »erben,  menfdi)Iid)  gebulbet,  ba$ 
fdjledjtljin  SBerwerflidje  aber  auf  bie  meifterl)aftefte  SBeife 
ergöfclid)  fafftert. 

2ln  ein  paar  ©teilen,  welche  fid)  in  ttebenSwfirbig 
treuem  ©ebäd)tni3  etwas  ju  etnläfelid)  über  ba3  blofec  Äom* 
men  unb  ©efyen  t>on  allerlei  Sßerfonen  Derbreiten,  merft  man 
etwas  bie  Sel)aglid)feit  ber  fyöfyeren  3al)re.  SCber  für  ben 
greunb  unb  SBereljrer  ift  aud)  baö  SBergleidjen  be$  SJianneS 
mit  iljm  felbft  ein  neuer  ©enufc. 

3$re  jierlidje  „Sophie  2arod)e"  wirb  fleifeig  in  mir 
befreunbeten  Käufern  gelefen  unb  gibt  mir  bei  ber  33efpred)ung 
hinter  ber  Sljeetaffe  ©elegenl)eit,  ben  grauen  gegenüber  meine 
feinblidjen  ©runbfafce  unb  Sluffafjungen,  bie  Sftnen  befannt 
jtnb,  in  betreff  ber  ©idjterliebfdjaften,  murrenb  üorjutragen. 
©a3  trägt  mir  bann  immer  ben  SKuSfprud)  ein:  id)  befäme 
jebenfalte  weber  grau  nod)  greunbin  unb  üerbiente  aud) 
feine,  womit  id)  mid)  bann  beftenS  gufrieben  erfldre.  Übri* 
genS  fann  id)  3^nen  bod)  nidjt  üerfyeljlen,  bafe  bie  l)übfd)e 
©opfyie  aud)  öfter  fd>arf  beobachtet  unb  etwaö  mitgenommen 
wirb. 

2tu§  bem  Saturn  SljreS  SBricfd^enö  fefye  id),  bafe  ©ie 
am  10.  SRoDember  nidjt  feljr  fefttäglid)  gelebt,  ba  ©ie  ©riefe 
gefdjrieben  unb  $afete  üerfanbt  Ijaben.  28ir  in  Bund) 
Ijaben  Don  unferer  Meinen  ©djiHerfeier  einen  luftigen  9?ad)* 
gefd)macf.  Sßrofeffor  SSifdjer  (jielt  nämlid)  eine  feljr  fd)öne 
•geftrebe,  unb  £ermegl)  fprad)  einen  frönen  Prolog.  5ftun 
ftnb  beibe  Ferren  uralte  geinbe,  bie  ftd)  auf  taufenb  ©djritte 
ausweisen;  um  fo  meljr  füllen  fie  pd)  geniert,  feit  bem 
Sage  immer  jufammen  genannt  3U  werben.    ^tbtx  l)at  feinen 


442  3üri$. 

Sfajjang  ober  ßljor,  wie  bie  Srüber  in  ber  „SJraut  Don 
SRefftna1':  #erwegl)  wübere  rötlidje  ©emofraten,  93ifd)er 
hingegen  gefegte  ©otfyaer  unb  ernfte  orbentlidje  $rofefforen. 
Stürmt  man  nun  bei  £erwegl)g  ©efolge  bie  SSifd^erfdöc 
geftrebe,  fo  riöfiert  man,  niebergeljauen  ju  »erben;  lobt 
man  in  33ifd)er3  würbigem  Äreife  ber  ©raubärte  ben  £er* 
megtj&prolog,  fo  ruft  man  ein  groHenbe£  mürrifdjeS  Sdjmeigen 
IjerDor.  Seibe  Häupter  aber  galten  pd)  ftiH  unb  ftraff  unb 
fielen  nur  fdjweigenb  an  ber  Spijje  ifyrer  Sfteipgen,  o&ne 
bafe  ber  IjeHe  Stern  be$  10.  SZooember  pe  gu  Derföljnen 
oermag. 

©afe  Sie  oergangenen  Sommer  in  ber  Sd)meig  waren, 
Ijörte  id)  oon  fjrau  ©unefer,  weldje  burd)  Bund)  pafperte. 
SBenn  Sie  biefelbe  feljen,  fo  tyaben  Sie  bie  @üte,  ityr  meine 
©anffagung  auSjufpredjen  für  bie  Urbanität,  mit  weldjer  fie 
pd)  t>erabfd)iebet  f)abt. 

3d)  fyatte,  fagen  Sie  iljr,  brei  Sage  unb  öier  9läd)te 
üor  JRüljrung  barüber  gemeint;  am  fünften  Sage  aber  mid) 
aus  meinen  Sljränen  erhoben,  triefenb  wie  ein  alter  9Hlgott. 
3d)  jjabe  aud)  in  ber  „tfreujjeitung1'  bie  Sefdjreibung  Don 
§ranj  ©undterS  rot  unb  grüner  33eleud)tung  gelefen,  meldte 
Sie  ja  gewifc  als  9tad)barin  gefeljen  Ijaben.  Sbtc^  bemerfte 
id)  in  ber  gleichen  3«tung  bie  Sfefybe,  weldje  pe,  näntlid) 
bie  Äreujbame,  mit  3(bolf  Stafyr  unb  gtmnij  Semalb  ange* 
Ijoben  Ijat.  @£  tljat  mir  inbeS  leib,  weil,  abgefejjen  oon 
bem  Unwert  jeneö  Sournalö,  bod)  ber  glücflidjere  Stern  über 
biefem  Sßaare  blaffer  ju  werben  fdjeint,  infofern  bie  §afta 
waljr  fein  foKten,  meiere  bort  angegeben  werben. 

^aüeäfeS  33ud)  fdjeint  mir  nun  bod)  baö  fd)önfte  unb 
befte  ju  fein,    was  in  biefer  Slrt  ejriftiert.    3d)    t>abe  jefct 


123.   Sin  Hermann  Lettner,  31.  Sanuar  1860.  443 

meljr  barin  gelefen,  unb  aud)  bcr  grofee  ©djiHcrtag  l)at  bcn 
£on,  ben  er  gewijferma&en  propfyetifd)  anfd)lug,  Dollfommen 
gerechtfertigt. 

3d)  werbe  mid)  balber  toicber  fyören  laffen  unb  bitte 
bis  bafyin  um  %i)xt  fernere  @ewogenl)eit.  31)*  unoeränbert 
ergebender 

3Mä),  ben  3l.[!]9dot>ember  1859.         ©ottfrieb  Äeller. 

123»  3ln  itvmtnn  itttntv  in  9r**fr*tt» 

Sieber  Lettner!  ©amtt  ©u  nid)t  etwa  glaubft,  id) 
fyätte  ©einen  gleiten  fflanb  erhalten  unb  fdjreibe  ©ir  aus 
•Kad)läfflgfeit  nid^t  barfiber,  fo  melbe.©ir  hiermit,  bafe  erftereS 
nid)t  gefdjeljen  ift.  @S  ift  bieS  wal)rfd)einlid)  wieber  ein« 
mal  eine  üon  SSiewegS  SBillffirlidjfeiten;  benn  SBifdjer  fyat 
baS  33udi)  bereits.    3$  »erbe  fein  ©jremplar  lefen,  wenn  er 

es  nid)t  meljr  braucht. ©eine  ©rüfee  an  SSifdjer  gu 

erwibern,  fyabe  id)  jüngft  Dergeffen,  obgleich  er  eS  mir  auf* 
getragen  ^atte.  @r  !jat  aud)  SBerlagSüerbrufc ,  inbem  er 
einen  neuen  33anb  „Äritifdje  ©ange"  bei  Gtotta  fyerauSgeben 
wollte,  worin  feine  Stoff äfce  aus  ben  ehemaligen  „3al)rbüd)ern 
ber  ©egenwart"  mit  enthalten  fein  follten,  bie  öor  länger  als 
gwölf  %at}xm  erfdjienen  ftnb.  8luf  GottaS  Segeljren  fragte 
er  beim  Verleger  ber  üerfdjollenen  „3a!jrbüd)er"  überflüfßger 
SBeife  anr  unb  ber  fagte  natfirlid)  nein,  es  fei  benn,  bafc 
93ifd)er  baS  Honorar  mit  ifym  teile.  ©ieS  mag  SSifdjer  aud) 
nid)t  tfyun,  unb  fo  bleiben  jene  !jfibfd)en  arbeiten  bis  auf 
weiteres  liegen. 

3toerbad)  l)at  in  Serlin  bei  ber  5ßrinj«SRegentin  wieber 
einmal  ein  ©rama  t>orge(efen;  eS  judft  ifyn  gewifc  nad)  ben 


444  3«ridj. 

ausgefegten  taufenb  Sljalern  $rei$,  meldje  bent  ©ufcfow  fo 

Diel  Sdjmerjen  mad)en. Soeben  Ijabe  id)  ba8  neue 

©rama  oon  ^eijfe1)  gclcfcn.  6$  ift  eine  burd)au§  pbfdje  unb 
gebiegene  Arbeit,  bie,  baS  StageSntoeau  betradjtet,  nid)t  Diel 
ju  roünfdjen  äbrig  lägt. 

2öie  e$  mit  ber  Angelegenheit  be«  $oh)ted)ntfum§  fteljt, 
weife  id)  nid)tr  ba  ber  Sßräjibent  Zappelet  feit  mehreren 
2Bod)en  in  ber  Sunbeöoerfammlung  ju  Sern  ftfot*). 

@in  ärgerliches  @eläd)ter  fyaben  mir  biefer  Sage  einige 
§efte  ber  3^ttfd^rift  „Seut"  erregt,  worin  ein  Sftubel  Sdjroad)* 
föpfe  bie 'Stiftung  einer  neuen  „Sturm-  unb  ©rangperiobe" 
oerfünben , .  aus  beren  ©äfyrung  bie  potenjierten  fünftigen 
©oetfye  unb  Sd)iKer  Ijeiporgeljen  foHen.  8ln  ftttlicfter  Hal- 
tung unb  an  allgemeinem  SBerftanb  ift  man  feit  ljunbert 
Sauren  im  gangen  nid)t  Diel  üorroärts  gefommen,  fonft 
mären  bergleidjen  Äinbereien  nid)t  möglieft.  2lud)  in  ber 
Sd)roeij  fyat  ber  Dr.  (Scfarbt3),  ein  oottenbeter  9Harftfd)reier 
unb  falfd)er  $ro:pljet,  ber  gubem  gar  feine  Äenntniffe  beft^t, 
einen  äftljetifdjen  unb  bilettantifdjen  Sd)reibefd)mmbel  ent* 
fad)t  unter  bem  Stichwort  „nationale  .ftunft  unb  Sitteratur", 
mie  man  ifyn  t)ier  früher  nie  gefannt  ftat.  @in  gange« 
^Bataillon  oon  brucffüdjtigen  Pfaffen,  ©eridjtf Treibern ,  Sefre» 
tärS,  Äettnern  unb  #anbel3fommt3  ftat  bie  ÄanaiHe  auf 
bie  ^üfee  gebracht,  forbert  fte  auf,  ifym  „nationale  ©ramen" 
gu  liefern,  „SBolfSgebidjte",  „SBolfSromane"  u.f.m.  unb  belobt 
iljren  %U\^.    @S  ift  eine  Ballige  Sfinbflut,  bie  ber  33urfd)e 


')  „®ie  ©abinerinnen." 

2)  ^Betrifft  bie  33en>erbung  eines  SBeFannten  oon  ^ettner  um  eine 
Sefjrfteüe  am  SßotytedjntFum. 

3)  $ßl.  Sffodfjgelaffene  (Schriften  @.  338. 


124.  Sin  SBertyolb  «uerbac$,  25.  $ebruar  1860.  445 

lodgelaffen  fyat.  Sic  ©ebtlbeten,  weldje  bcm  treiben  gufefyen, 
werben  t>on  itjxn  als  fd)led)te  Patrioten  benungiert  (er  felbft 
ift  nämlid)  ein  geborener  SBiener  ober  SDfterreidjer);  aud) 
in  Sfteligton  mad)t  er  unb  erbot  ftd)  ben  Serner  Seljörben, 
bte  pant^cifKfd^c  33ifd)erfd)e  »ftyetif  ins  ©>riftlid)e  gu  über* 
tragen,  wenn  man  iljn  anftelle.  3Sor  bem  SluSlanb  geriert 
er  fid)  als  geiftiger  Sfteformer  ber  ©djweig  unb  wirb  Don 

bortigen  SBafferföpfen  als  foldjer  begrüßt. 

Äurg,  eö  gefyt  jejjt  allenthalben,  trofc  ber  ©djillerfeier, 
wieber  gu,  als  ob  weber  ein  Sefftng  nod)  ein  ©filier  je  ge- 
lebt Ijätte.  Äerle,  welche  Don  ben  „Xenien"  gerbiffen  worben 
wären,  tangen  unb  berufen  pd)  auf  biefelben.    ©ott  beffer'S ! 

SeftenS  grüfcenb  ©ein 
3ürid>,  ben  31.  Sanuar  1860.  @.  Äelter. 


1Ä4U  £tt  gt*rty*l*  ^utvba^  in  $trlin. 

3ürid),  ben  25.  gebruar  1860. 

SBereljrtefter  £err  unb  fjfreunb!  Sluf  Sljre  freunblidje 
©inlabung1)  beeile  id)  mid),  S^ncn  meine  etwas  gagljafte 
Sufage  abgufenben,  gagfyaft,  weil  es  eine  tyeifle  ©adje  ift, 
neben  Sfynen  auf  bem  gleiten  Äalenberbrettd)en  angenagelt 
gu  fein,  hoffentlich  werben  Sie  nod)  einen  ober  einige  öon 
ben  minberen  2euten  gugieljen. 

3d)  werbe  mid)  babei  an  eine  @efd)id)te  galten  muffen, 
weil  bie  nötige  fyeilfame  3wnie  ober  #eiterfeit  pd)  am  unbe* 
fangenften  vermitteln  lögt;  benn  in  bem  ©enre  Sförer  übrigen 


*)  3u  einem  Seitrag  in  ben  „93olf3falenberw. 


446  3üric$. 

SBorf daläge1)  fyaben  in  ben  legten  3^^rcn  einige  beutfdje 
Sitteraten  mit  i^ren  äuSfenbungen  ben  „9Jtorft  Derborben", 
um  und)  fdjofel  auSjubrüdfen.  Sftamentlid)  ein  SBiener 
§lüd)tltng,  Dr.  (Sdfarbt  in  Sern,  betreibt  eine  fo  fyjjper* 
patriotifdje  unb  überfd)wetjerifd)e  pfjiliftröfe  Sfhi^mrebnerei 
unb  ©ufelei,  bafe  unfereiner  fld)  ob  folgern  maljrljaft  Ijelo* 
tifdjen  ©eba^ren  fcfyämen  mu&.  ©treibt  man  einen  foldjen 
8foffafc  in  günfiigem  Sinne  ins  SluSlanb,  fo  erfd^etnt  e$, 
ate  ob  man  ftd)  gum  politifdjen  SWufter  für  alte  SEBcIt  auf* 
{teilen  wolle;  unb  eine  Arbeit,  welche  bie  ©djattenfeiten  be* 
merflid)  mad)t,  fann  man  aud)  nid)t  in  ein  fo  roeit  oerbrei* 
tetcö  unb  auffaHenbeö  Snftitut  placieren,  mie  3^r  Äalenber 
ift,  meil  man  baburd)  als  ©enunjiant  t>or  bem  8ta§lanb 
erfdjeint.  ®o  muffen  mir  in  biefer  fflejieljung  innehalten, 
befonberS  ba  jener  (gefärbt  bereite  eine  @di)ar  fd)n>eijerifd)er 
Dilettanten  t>erfüt)rt  unb  oerborben  !jat.  2)ie  greube  am 
2anbe  mit  einer  Ijeilfamen  Äritif  ju  oerbinben,  fyabe  id)  in  ben 
„Seuten  oon  Selbroijla"  angefangen  unb  fefee  es  foeben  in  jwei 
weiteren  SBänben  fort,  mag  eine  ganj  luftige  Arbeit  ift,  unb 
id)  benfe  nad)  unb  nad)  bamit  flar  unb  beutlid)  ju  werben. 
3d)  Ijabe  nun  ben  änfang  einer  @efd)id)te  unter  meinen 
papieren,  beren  ©egenftanb  ein  Heiner  ßünc^er  ^Patrioten* 
Hub  ift,  alles  §anbroerfer,  meldte  eine  ganje  ßntmicflung 
mit  Dielen  Sßarteifämpfen  mit  burd)gemad)t  Ijaben.    ©ö  ftnb 

l)  Sluerbad)  an  ßeller,  22.  gebruar  1860:  „£aben  ©ic  nidjt  ju 
einer  (graätylung  8uft  unb  £rieb,  fo  roäre  mir  eine  ©djttberung  ber 
©djroeiaer  $naben«9Kanöoer  [errofinfdjt]  ober  aud)  —  eben  faßt  mir 
ba%  ein  —  eine  ©djilberung  unter  bem  Sitel:  ,S)eS  ©djroeiaerS  £eim* 
tt\)t,  roorin  ©ie  etroa  3^re  (Situation  bei  ber  £eimfef)r  au«  ©eutfd)* 
lanb,  3l)re  2öaf)rnel)mungen  2c.  Gilberten,  in  beliebiger  gorm  gur  Sc» 
leljrung  für  un3  unb  für  bie  @d)roeiaer." 


124.   8n  $ertyo!b  9luerba<$,  25.  ftebruar  1860.  447 

alles  Originale,  bie  id)  felbft  lannte;  Don  bcn  ^Parteiführern 
Dielfad)  benufct,  aber  nie  mifebraudjt,  ljaben  fie  einen  gewiffen 
Äern  bei  allen  Slffairen  gebilbet,  ofyne  je  etwas  für  ftd)  ju 
wollen.  3n  ber  alten  Slriftofratcn-  unb  Sefuitenjeit  alt  ge* 
worben  unb  oon  einem  berben  gemütlichen  £af$  erfüllt,  Der« 
fielen  fte  nun  mit  iljren  alten  Äöpfen  bie  ßcit  ber  oerföljnten 
©egenfäfce  nid)t  mefyr  red)t  unb  galten  um  fo  fefter  gufammen 
afö  bie  „Sllten  unb  (Erprobten".  ©a£  SRoöclliftifdje  märe 
bicö:  ein  SReicfter  barunter  E>at  ein  artiges  3:öd)terd)en, 
ein  Slrmer  einen  @ol)n,  bie  ftd)  Ijaben  möchten.  £ier  ^ört 
nun  bie  ©emfitlidjfeit  auf.  ©er  Sfteidje  miH  bie  £od)ter 
nidjt  geben,  ber  Slrme  aus  republifanifd)em  ©tolj  feinen 
©oljn  nid)t  aufbringen,  unb  fo  werben  bie  beiben  Sitten 
einig,  gute  greunbe  unb  Sürger  ju  bleiben  unb  bie  Äinber 
gu  tijrannifteren,  wie  fte  benn  in  ifyrem  «£>aufe  famt  unb 
fonberS  bie  unbefd)ränfteften  #errfd)er  ju  fein  mahnen,  ©ie 
SSeiber  unb  Äinber  beftegen  aber  fd)liefclid£)  bie  3(lten  unb 
Erprobten.  3ft  einer  übermütigen  ©tunbe  befd)lief$t  ber 
Älub,  ftd)  bie  Qltxbt  "n&  @fJrc  einer  eigenen  2fat)ne  beigu* 
legen  unb  bamit  gum  erftenmale  ein  @d)ü^cnfcft  ju  be* 
fud)en.  &ux  galjne  gehört  aber  ein  Sprecher.  Äeiner  oon 
itjnen  Ijat  trofc  aller  politifdjen  Stfyätigfeit  je  öffentlich  ge* 
fprodjen,  feiner  gebaute  e§  je  ju  tljun,  unb  jroar  au&  an« 
fprud)3loftgfeit  unb  rechter  fflef d)eibcnt>eit ,  weil  fte  wiffen, 
bafe  fte  nidjt  fpredjen  lönnen.  ©er  9fteid)e  wirb  nad)  langem 
Sträuben  jroangSweife  erforen.  ©ann  äu&erfte  33erlegenf)eit, 
©efaljr,  allgemeine  33erf)öl)nung  :c,  biö  ber  Ijeiratöluftige 
@o^n  be3  Firmen  bie  9iot  bricht  mit  einer  glänjenben  SRebe, 
meldte  bem  Älub  ber  Sitten  (etwa  peben  3Jlann)  auffegen  unb 
3ftuljm  einträgt. 


I 


448  3üri$. 


©icö  ift  baS  l)ölgerne  ©erüfldjen.  SBenn  eg  gljnen 
red)t  ift,  fo  will  id)  e3  mir  angelegen  fein  laffen,  innert  ber 
gegebenen  grift  ba§  S)ing  auf  ben  Umfang  öon  jwei  Sogen 
fäuberlic^  jufammengufdjweifeen  unb  ba8  ©ibaftifdje  im  $oc* 
tifcfyen  aufjulofen  wie  Suder  ober  Salj  im  SBaffer,  wie 
83ifd)er  trefflid)  in  einem  feiner  neueren  Sluffäfce  fagt.  2ejj* 
terem  werbe  id)  biefer  Jage  3^en  ©rufe  ausrichten.  9Role* 
fd)ott  fefye  id)  feiten.  §ür  S^ren  freunblidjen  Srief  beftenS 
banfenb,  bleibe  id)  3^  alter 

©ottfrieb  Heller. 

(@ine  fflriefmarfe  ift  mir  augenblicflid)  nid^t  gur  £anb, 
unb  id)  fann  nid)t  auf  bie  $oft  laufen.  3d)  erwarte  bafür 
S^ren  näd)ften  ©rief  unfranfiert,  bamit  wir  bie  2Beltorb* 
nung  wenigftenS  im  fleinen  nod)  retten.  Sie  fyaben  übrigens 
einen  ©übermorgen  ju  Diel  franfiert:  ju  meiner  j&tit  foftete 
ein  ©rief  in  bie  Sdjweig  nur  oier.) 


3ürid),  ben  15.  SKärg  1860. 

Sere^rtefte  graulein  Slfftng!  @8  ift  fe^r  pbfd)  oon 
Sfynen,  bafe  Sie  mitten  in  bem  Sd)lad)tftaube,  ben  Sie 
erregt  tjaben,  an  mid)  armes  unbebeutenbeS  Sdjweigerlein 
benfen  unb  mid)  abermals  mit  einer  Sljrer  gewichtigen  3UiS« 
fenbungen  befdjenfen  *).  3Ijre  ©üte  ift  biegmal  eine  wirf« 
lid)e  2Bol)ltljat  für  mid),  weil  ba$  Sud)  in  allen  Sudjläben 
vorweggenommen  unb  oorauöbeftellt  wirb  unb  unfereinä, 
ber  überall  ju  fpat  fommt,  nod)  lange  fyätte  warten  muffen. 


')  ©riefe  öon  8.  d.  £utnboIbt  an  Sternljagen. 


125.    9Cn  Submilla  «ffing,  15.  ÜRSrj  1860.  449 


3d)  war  legten  ©onnabenb  in  einer  ©efeüfcfyaft,  wo  ein 
©ortimentSbudjljänbler  für  eine  Slnjaljl  Ferren  ein  (£remj>lar 
ejtra  gurüdtbeljalten  wollte,  als  ©emeineigentum ,  unb  fld) 
Don  jebem  einen  granf  bejahen  liefj.  S9CHe  gogen  wie  be* 
feffen  iljre  ©elbbeutel  fyeroor;  nur  id)  in  meinem  $!jlegma 
unb  weil  mir  biefe  ©pefulation  nid)t  gefiel,  l)ielt  jurücf,  unb 
nun  bin  id)  trofcbem  ber  erfte,  ber  baS  Sud)  gelefen  t)at. 
So  gibt  eS  ©ott  ben  ©einen  im  ©d)laf;  ad),  wäre  eS  nur 
mit  alten  ©ingen  fo!  ©aS  S3ud^  Ijabe  id)  fyintereinanber 
weggelefen  unb  mid)  natürlich  an  ber  rücfftdjtslofen  unb 
freien  2Beife  ber  beiben  3Uten  t)om  Serge  föniglid)  gefreut; 
abgefeljen  t)om  $olitifd)en,  ift  eS  fefyr  ergöjjlid),  wie  ba  nod) 
mand)  anbere  weltliche  ober  litterarifd)e  ©röfce,  bie  SBunber 
glaubt  wie  feft  gu  fielen,  ben  farfafttfdjen  ©reifen  als  ©piel* 
ball  bient,  immer  mit  ftttlid)er  Berechtigung,  ©a  id)  biSljer 
nur  bie  öffentlichen  Ghrlaffe  :c.  unb  bie  ehrbar  gehaltenen 
SBerfe  ^umbolbtö  gelefen  fyatte,  fo  war  id)  ebenfo  über* 
rafdjt  als  ergöjjt  t>on  bem  frifdjen  feefen  30flutwiüen  unb 
bem  HebenSwürbigen  unb  geiftreicfyen  Söijje  ber  £umbolbti* 
fdjen  Sriefe;  aber  eben  fo  erfannte  id)  33arnl)agen  wieber, 
als  er  an  einer  ©teile,  wo  ber  grimmige  £umbolbt  ben 
armen  $ring  Gilbert  malträtiert,  ben  3llten  mafeooll  gured)t* 
guweifen  fd)eint.  ©enn  wirflid)  foHtc  gerabe  ein  greijtnntger 
pd)  aus  bem  ungefdjicften  unb  patfd)igen  Senefymen  eines 
großen  ^ringen  ebenfo  wenig  machen,  als  aus  bemjenigen 
eines  armen  ÄrämerSfoljneS  ober  eines  ©djuImeifterleinS; 
unb  eS  fdjeint  mir  baS  SBürbigfte,  bergleid)en  aud)  bei  ben 

oorneljmften  Sßerfonen  gu  ignorieren. 

Slber  wie  fd)änblid),  ba&  bie  meiften  ©riefe  SarnljagenS 
oerloren  ftnb!  Sei  ber  prägnanten  SorfteHung,  weldje^um* 

©ottfrieb  Äefler.    II.  29 


450  3üric$. 

bolbt  gerabe  Don  SBarnfjagen  als  ©Hüften  fyatte,  ift  eS  nid)t 
bmfbar,  bafe  bicfc  ©riefe  fd)led)tl)in  oerlottert  worben  ftnb. 

2BaS  nun  bie  Verausgabe  als  Sljat  betrifft,  fo  tjaben 
Sie  natürlich  nid)t  anberS  Ijanbeln  bürfen;  unb  baS  war 
gut  für  bie  SBelt.  Sdö  Ijielt  übrigens  bie  Sadje  für  gefäfp 
lieber  als  fie  ift,  t>on  ben  8taSbrüdfen  ber  „Äreuggeitung" 
irre  geführt.  2Wein  eS  ift  fein  Söort  gutriel  in  bem  Sudjc; 
eS  Derfünbet  ber  SBelt  ofyne  alle  roirflidje  „Smpietät",  bafe 
jte  ftd)  auf  @rfd)einungen  wie  £umbolbt  immer  nod)  Der» 
laffen  fann,  unb  bafe  ber  Betrug  unb  bie  ®tf)mad)  nod) 
immer  nur  beim  geiftigen  ©eftnbel  gu  £aufe  ftnb.  81S  id) 
nod)  meinte,  eS  ftänben  aud)  gar  gu  fraffe  Dinge  in  bem 
23ud)e,  bad)te  id),  eS  t)ätte  £>umbolbt  eigentlich  niemanb 
gegroungen,  an  biefem  $ofe  gu  leben,  unb  bie  gange  giüili* 
fterte  2Belt  fyätte  iljn  mit  offenen  Ernten  empfangen,  allein 
eS  Der^ält  ftd)  aUeS  gerabe  \o  red)t;  wobei  freiließ  nid)t  gu 
leugnen  ift,  bafc  Sie,  mein  fdjönfteS  Fräulein,  bie  Sad)e 
mit  einem  einzigen  ßuge  in  ein  erfdjrecfenbeS  £id)t  gefteüt 
Ijaben,  inbem  Sie  bie  ftärffte  Stelle  heraushoben  unb  als 
Stempel  an  bie  Stirne  beS  33ud)eS  festen,  ©aburd)  ift  eS 
unmöglich  geworben,  bie  Meinung  ber  Sriefe  gu  überfetjen 
unb  gu  ignorieren,  unb  eS  ift  allerbingS  begreiflich,  bafc  ein 
foldjeS  Seftament  nid)t  wie  ßueferbrot  munbet.  93on  einem 
9Jtann  wie  £umbolbt,  bem  @l)renbfirger  beiber  £emifpl)ären, 
ftd)  auS  bem  ©rabe  gurufen  laffen  gu  muffen,  ba&  man 
feine  2ld)tung  nid)t  befeffen  Ijabe,  ift  bitter.  Unb  wenn  aud) 
£umbolbt  feine  Sdjmädjen  gehabt  tjat,  fo  ift  bie  Sad)e  ein* 
mal  formuliert  unb  oerfteljt  ben  ©ienft. 

3d)  wünfetye  übrigens  nur,  bafe  Sie,  befonberS  wenn 
Sie  nod)  mefyr  foldje  SMnge  in  petto  Ijaben,  ntd^t  barum 


125.    2ln  8ubmiüa  SCffing,  15.  SWarj  1860.  451 

Derfolgt  werben  ober  irgenb  meldje  Flegeleien  erleiben  muffen; 
benn  e$  gibt  beren  alter  55rt. 

Sfteulid)  E^abe  td)  Sfyre  „Sophie"  nodj  einmal  burd)ge* 
lefen  unb  mtd)  mieber  über  beren  33erljeiratung§metf)oben 
amüftert1).  3d)  möchte  annehmen,  bafc,  weil  fte  felbfi  feinen 
ifjrer  ©djäjje  befommen  Ijat  unb  mit  bem  oftrogierten  5Jtann 
bod)  gut  gefahren  ift,  fo  wollte  fie  iljren  £öd)tern  in  guter 
2lbfld)t  ba&  gleite  SoS  bereiten,  befonberö  ba  fte  faf),  bafe 
SBielanb  mit  einer  gleichgültigen  grau  ebenfalls  Ijerrlid)  ju* 
trieben  war.  5Run  lag  aber  ba«  Übel  wotyi  barin,  ba£  fie 
als  grau  jwifdjen  TOännern,  bie  „man  ntdjt  liebt",  burdjauS 
feinen  Unterfdjieb  ju  machen  oermodjte;  fte  glaubte,  eö  fei 
nun  weiter  fein  Unterfdjieb,  wenn  einmal  ber  eine  gro&e 
Unterfdjieb  nidjt  beamtet  würbe;  wenn  ber  9Jlann  nur  folib 
fei  unb  ein  #au8  Ijabe,  fo  fei  einer  fo  gut  wie  ber  anbere. 
S)a£  war  eben  baö  &bfd)eulid)e,  wenn  aud)  unbewußt;  unb 
fte  bad)te  unbanfbar  nidjt,  bafc  iljr  garodje  nodj  ein  DotU 
fommener  ©entleman  war  unb  fogar  SBielanb  gegenüber 
äufeerlid)  eine  glänjenbe  ßrfdjeimmg.  SBenn  fte  einen  redjten 
§euod)fen  befommen  fyätte,  fo  würbe  fte  bie  ©ifferenj  gwifdjen 
Ungeliebten  unb  Ungeliebten  fdjon  gefetjen  unb  erfahren  Ijaben. 
©od)  ba  id)  nidjt  im  Sinn  Ijabe,  ein  #etrat$büreau  ju  eta* 
Mieren,  fo  wollen  wir  biefe  fomifdje  SJtoterie  enblid)  fahren 
laffen.  2)a3  33ud)  ift  inbeffen  eine  anfeljnlidje  ^Bereicherung 
unferer  gitterar*  unb  Äulturgefd)id)te,  unb  e$  fällt  mir  foeben 
jemanb  ein,  ber  e$  gewifc  in  biefem  Slugenblicfe  benujjt  in 
bem  britten  Sanbe  eines  2Serfe§,  in  beffen  erftem  bie  Un* 
femttniS  be$  ©egenftanbeS  fühlbar  ift. 

@o  tyat  aud)  SBolfgang  9JiüQer  in  einer  Dlooelle  über 

l)  8.  Slffing,  (Sophie  d.  8arod)e  ©.  181  ff;  196  ff. 

29* 


452  3üri$. 

»—  I  III  I      ■  I  ■    -  -  ■  i  ■  -  ■     --MP  .      -  y  M 

Smmermann  in  bcr  „Äolnifdjen  &t\tmiQu  Sfyre  „6life  oon 
3H)lefelbt"  meljrfad)  benufct  unb  wörtlich  gittert.  6g  freut 
mid)r  bafe  ^umbolbt  fo  Diel  greube  an  biefem  SBerfe  fyatte. 
©a  @ie  jefct  fo  formibabel  mit  ber  grbfdjaft  SfyreS  Dnfete 
betätigt  jtnb,  fo  fürchte  td),  nur  »erben  auf  einen  ferneren 
grauenangriff  gegen  bie  Sinter  nod)  einige  3«*  [jarren 
muffen;  bin  aber  begierig,  welchen  Sie  ftd)  ju  S^em  nad)* 
ften  Dpfer  anliefen!  ©er  £auptfd)ad)t,  ba$  ^cra  @oetl)e$, 
für  foldje  ©treifjüge,  ift  Syrern  rädjenben  ©djwerte  wegen 
ber  Srabitionen  Sföres  #aufe$  glficflidjerweife  öerfdjloffen, 
fonft  würben  Sie  ba  eine  fdjöne  SSerljeerung  anrichten! 

3d)  bin  wieber  einmal  jiemlid)  fleifeig  unb  rfiefe  mit 
ftarfen  Stritten  bem  3lbfd)luffe  eine«  £aupt  *  &rbeit$ab* 
fdjnitteS  unb  2eben$abfd)nifcel3  gu  unb  mobeHiere  bereit« 
an  einer  befonneneren  ©eftaltung  be£  legten  JlufjugeS,  be$ 
3tefte$  ljerum;  benn  nid)t  alle  2eute  werben  fo  alte  Spott* 
öögel  wie  $t)Xt  beiben  Srief^elben.  6$  würbe  mid)  freuen, 
wenn  @ie  mir  wieber  mal  einen  9ia(^rid)ten*  unb  Sßlauber* 
Brief  fdjenfen  wollten;  id)  erhalte  jefct  faft  leine  9lad)rid)ien 
mefyr  aus  33erlin  unb  bin  freilid)  aud)  felber  fdjreibfaul. 

Sfyr  banfbar  ergebender  unb  getreuer 

©ottfr.  Äetter. 

Soeben  las  id)  in  £errn  oon  @ternbfrg$  TOemoiren  bie 
fonberbare  8M,  mit  weldjer  er  meine  SBenigfeit  in  Qfyrtm 
Äaffeefranjdjen  aufführt.  3d)  fann  mtd)  nidjt  erinnern ,  ein 
2Bort  oon  iljm  fprecfyen  gebort  ju  Ijaben1)!  2Bo  l)ält  ftd) 
aud)  jefct  9Sel)fe  auf? 

")  «.  d.  ©temberg ,  ©rmnerunöSbtötter.  ©elfter  Seil  (1860) 
6.  39  f :   „3n  bem  SBarnfjagenföen  ihreife,  oon  beffen  9Hd)te  feljr  bc- 


126.   9fo  ^ermann  Lettner,  22.  üttars  1860.  453 

©en  22.  Wßtil 

Seiliegenber  mürbe  fd)on  cor  tner  SBodjen  int  erften 
ßifer  ber  ©anfbarfeit  gefdjrieben.  3ä)  glaubte  tfyn  mit 
anbern  Sriefen  fouöertiert  unb  fortgefdjicft  gu  Ijaben  — 
jefct  entbedfe  id)  ben  unfeligen  gu  meinem  ©djrecfen  in  meiner 
Schreibunterlage  gwifd)en  anbern  papieren  üerfteeft  unb  gang 
jd)lau  mid)  anblingelnb.  6r  mirb  aber  l)ert>orgegogen  unb 
entgeht  feinem  Sdjicffal  nid)t.  —  ©eitler  l)abe  id)  mit  Seil* 
nannte  bie  Ääntpfe  unb  Anfechtungen  mit  erlebt,  benen  Sie 
auSgefefct  maren.  3ie  brausen  mol)I  nid)t  t>erftd)ert  gu 
werben,  bafe  man  überall  bie  größte  ^reube  über  3fyre  S^at 
empfanb. 

3>d)  bin  fortmafyrenb  Ijerrlid)  fleißig  unb  tyabe  alle 
Ringer  t>oH  Üintenfledffe.  ©abei  ffifyle  id)  ein  Vergnügen, 
faft  mie  als  id)  groangig  ^aty  alt  mar  unb  ba$  Schreiben 
fjeimlid)  als  $ßflid)tüerlefcung  betrieb. 

Sergei^en  @ie  bie  unabjtd)tlid)e  SSergogerung  unb  er* 
freuen  Sie  balb  gnabigft  mit  einigen  Seilen  Sfyren  ergebenden 

©ottfr.  ßeHer. 

1£6*  &n  Qtvmann  Qtttntv  in  £)r**fr*tt» 

3ürid);  ben  22.  Tl&n  1860. 

Sieber  Lettner!  ©u  fyaft  nun  bod)  ben  SBiemeg  auf= 
geftadjelt,  baß  er  mir  nachträglich  ba$  33ud)  fd)ictte.  (Snblid) 
!omm  td)  bagu,   ©ir  für  baSfelbe  meinen  Ijerglidjen  ©anf 


oorjugt,  jeigte  ftc^  ein  junger  fdjroetgfamer  2)td)ter,  ber  33änbe  öon 
Montanen  fdjrieb,  babei  aber  fein  ©ort  fprad)  unb  oon  ben  grauen 
fefyr  intereffant  gefunben  rourbe;  e§  mar  ber  fog.  ©rüne  £etnrid), 
ein  £err  Heller,  ben  id)  nid^t  perfönlid)  fennen  gelernt,  beffen  SBfidjer, 
bie  an  Sean  Sßaul  erinnern,  ic§  fdjäfce." 


454  3üri$. 

abguftatten  unb  ©ir  meine  greube  über  bie  fdjöne  Arbeit 
gu  bezeugen,  ©er  gewaltige  ©toff  i[t  aQerbingS  etwas  nafye 
gufammengebrängt,  unb  bei  ber  ©pegial*£eftüre  wünfdjt  man 
bieS  ober  jenes  ausführlicher  befjanbelt  gu  fefyen.  &Hein 
alles  an  feinem  £)rt!  £ier  war  eS  nid)t  möglich ,  unb  bic 
©lieberung  unb  Proportion  beS  gaugen  SBerfeS  ift  oortrepd) 
unb  barf  nid)t  beeinträchtigt  werben. 

3JKt  SBifdjer  teile  id)  aud)  bie  angenehme  ©rfaljrung, 
bafe  baS  2Berf  auf  bie  anregenbfte  SBeife  einwirft,  unb  fo 
wünfcfye  id)  ©ir  gutes  ©lüdf  bagu  unb  gute  Sterne  für  ben 
legten  Sßanb,  auf  ben  wir  begierig  ftnb. 

Auerbad),  welker  in  Äorrefponbeng  mit  mir  trat  wegen 
eines  ÄalenberbeitrageS,  trug  mir  ©rüfje  auf  an  SBifdjer  unb 
er  fpredje  in  SBeriin  öiel  oon  tfjm.  ©aS  erwedft  mir  ben 
S3erbad)t,  als  ob  er  if)n  borten  gu  praftigieren  fudje,  was 
gwar  für  SBifdjcr  öieQeidjt  gut,  für  uns  3ürid)er  aber  betrübt 
wäre,  ©enn  33if d&cr  ift  bei  allen  Saunen .  bod)  nod)  einer 
öon  benen,  bie  einen  £alt  gewähren  unb  beren  §leifd)  oon 
guter  unb  echter  Sektor  ift.  Slud)  f)at  er  eine  fdjöne  fünft- 
lerifdje  Aber,  welche  nid)t  nur  feinem  SDRetier  gu  gut  fommt, 
fonbern  audj  feinen  Umgang  angenehm  mad)t. 

@S  geljt  am  Sßotytedjnifum  etwas  barbarifd)  gu.  ©ie 
eigentliche  Sedjnif  wirb  gut  betrieben,  unb  eS  fommen  bereits 
©d)filer  aus  aller  2Belt.  ©ie  pf)ilofopljifd)e  Abteilung  ba* 
gegen  wirb  öon  ben  jefeigen  S3ef)örben  faft  fgftematifd) 
niebergebrücft,  unb  inSbefonbere  will  man  bie  ©ememfdjaft 
mit  ber  Sündjer  Uniöerfttät  ruinieren.  An  bie  ©teile  SBurdf* 
fyarbtS  für  Archäologie  fprad)  man  eine  Solang  oon 
Springer.  Sefct,  ba  ©djrnibt  nad)  Sena  ift,  meint  man  ben 
2et)rftul)l  für  Ardjäologie  unb  ßunftgefd)id)te  unb  ben  für 


127.   5ln  gerbinanb  grcütgrat^,  War*  1860.  455 

llntoerfalgefdjidjte  in  ©ine  #anb  geben  gu  lönnen  unb  fudjt 
bemgemäfe  einen  folgen  Saufenblünftler.  2Benigften$  war 
baS  üor  gtoei  SBodjen  bie  @prad)e. 

3nbem  ic£>  mid)  beftenö  empfehle,  grüfee  unb  erneuere, 

©ein  ©ottfr.  Äetter. 
9Reine  arbeiten  rüden  ftarf  gum  6nbe. 


1£7*  &ft  gtvbinan*  gvttti&v*fy  in  S<wfr<ro> 

Sieber  Sfreunb!  3d)  ^be  biefer  Sage  einen  Anlauf 
genommen,  einiger  alter  §reunbfd)aft  mit  papierenen  Stufen 
beigufpringen  unb  ein  paar  Sriefe  angefangen,  beren  glüdf* 
lidjc  SSeenbigung  unb  Slbfenbung  bie  ©terne  in  DMjut 
nehmen  mögen;  benn  id)  al$  9Henfd)  bin  fortroäl)renb  fdjwad) 
unb  unbeträdjtlidj  in  2lu8fül)rung  meiner  Slbftdjten. 

3d)  banfe  ©ir  für  ©eine  freunbltdjen  3^lcn  un&  M* 
©rüfje,  aud)  für  biejenigen  ber  grau  §reiligratf)  unb  befon* 
berS  aud)  für  bie  elegante  Sßoftanftalt,  welche  alles  überbrachte 
unb  mid)  in  meinen  unmirtlidjen  trier  Söänben  in  93er* 
wirrung  fefcte1).  @S  fjat  jid)  aber  ein  tragifdjeS  SBertjältniS 
barauö  entmicfelt.  ©a  id)  oergafc  gu  fragen,  ob  Fräulein 
SBlinb  überhaupt  in  Sßndj  bleibe  unb  bei  toem  jie  wot)ne, 


')  5-  greiligratl)  an  @.  JMer,  Bonbon,  22.  sRoo.  1859:  „lieber 
ßeller,  einen  J)erglid)en  ©rufe  burdj  bie  HebenSroürbige  ©ringerin, 
gräulein  9ttatf)ilbe  SBIinb  oon  fyier!  Sftöge  iljre  gürfpradje  ©einen  3orn 
entwaffnen,  roenn  ©u  meinem  langen  ©c^roeigen  roirflitf)  jürnen  follteft! 
SGBir  ftummen  autf):  id)  folge  ©einem  ©ange  mit  bem  treuften  unb  liebe- 
öollften  Slnteil  unb  Ijabe  erft  fürglid)  nod)  mit  greube  unb  33erounbe- 
rung  ©einen  trefflichen  @d)iUer«$rolog  gelefen.  SClfo  ©rufe  unb  ©lue! 
auf,  mein  teurer  greunb !  2lud)  meine  grau  grüßt  ©id?  auf§  allerfdjönfte. 
Dfyie  ©anbei  ©ein  g.  greiligratf). 


456  3ürid>. 

fo  würbe  ein  jierlidjer  ©egenbefud)  öergögert  unb  gulefct, 
wie  man  benn  fo  ift,  gang  aufgegeben.  5Reine  Äurgjidjtigfett 
ferner  öeranlafjt,  bafc  id)  auf  ber  ©trafce,  wenn  bie  6d)öne 
barauf  wanbelt,  unpd^er  unb  oft  öerfpätet  im  ©ruften  bin, 
baljer  ein  ungnäbigeS  SEBegblicfen  berfelben  unb  eine  ntdjt 
me^r  ju  oerföfynenbe  bebenflidje  Spannung.  3fabeffen  fpielt 
ba8  gräulein,  wie  td)  l)öre,  in  ber  beutfdjen  ©efeflfdjaft 
eine  intpofante  9toHe  unb  wirb  befonberS  oom  alten  ©emper* 
gottfrieb  angebetet,  fo  ba&  fte  für  ben  ÄeUergottfrieb  über* 
mäfeig  entfd)äbigt  ift. 

3efct  aber  gu  ber  £auptfad)e,  wegen  ber  id)  eigentlich 
unb  enblid)  bie  geber  ergreife,  nämlid)  nid)t  etxoa,  um  ©id) 
alö  fdjweijerifdjen  Sanimagnaten1)  angupumpen,  fonbern  um 
üon  bem  unerwarteten  Slbbcftücren  unfereö  armen  ©d)ulg 
ju  reben.  6r  fyat  eine  organifdje  SGBaffcrfudjt  befommen 
unb  fonnte  wörtlid)  nid^td  meljr  genießen,  fo  ba&  er  ftiH 
erlofcfyen  ift  wie  ein  Stdjtdjen.  6r  fyat  es  aber  nic^t  gern 
getrau  unb  ftarb  namentlich  ungern  öor  SouiS  Napoleons 
Äataftropfye,  wenn  er  überhaupt  eine  befommt.  gfrau  ©d)ulj 
war  feljr  betrübt,  ©ie  fyat  ifjn  mufterljaft  gepflegt  unb  ift 
jefct  öereinfamt;  benn  fte  waren  immer  beifammen  unb  fpa* 
gierten  nie  ol)ne  einanber  in  ber  SBelt  umfjer.  9ieulid)  traf 
fte  ein  anbereS  inbirefteö  Unglücf,  inbem  bie  SBerbmfiljle, 
ba$  £auS  unb  (Stabliffement  ber  Sobmerfdjen  Samilie,  ab« 
gebrannt  ift;  e§  war  ein  £eibenfeuer;  ifyr  S3ater,  ber  alte 
Sobmer,  ift  jefct  aud)  in  Sixrxij.  — ') 

©djulg  war  immer  ber  gleiche  unb  oon  unverlierbarer 
§reunblid)feit.    33or  einigen  Safyren,  als  er  eine  ©treitfdjrift 

')  greiligratt)  war  feit  1856  2)ireftor  ber  ©djroeijerbanf  in  8onbon. 
2)  $ie  gro&e  geuerSbrunft  fyatte  am  15.  üftarj  ftattgefunben. 


127.    9fo  gerbinanb  greüigraty,  «Wara  1860.  457 

gegen  SSogt  in  ©adjen  beg  SJtoterialiömuS  gefdjrieben,  bic 
mir  nidjt  gefiel,  führte  idj  midj  in  feinem  £aufe  fd)led)t  auf 
mit  ©djintpfen  unb  SEabeln  unb  würbe  fo  faugrob,  bafe  bie 
?jrrau  ©cfyulg  fogar  einige  Süjrandjen  oergofe  oor  Sorn.  9tun 
gab  e£  einige  2Bod)en  beS  ©djmollenS;  allein  wer  juerft 
wieber  ju  mir  fam,  war  ber  gute  alte  @d)ulj,  fo  bafc  bie 
feurigen  Äoljlen  mir  faft  ein  2od)  burd)  ben  ©djäbel  brannten. 
3dj  na^m  fte  aber  herunter,  unb  ba  fte  einmal  ba  waren, 
fo  ftreute  id)  einige  SBadjljolberbeeren  barauf  unb  räucherte 
meine  ©tube.  9Jieine  SWutter  glaubte  beinahe,  id)  fange  an 
öfonomifd)  ju  werben. 

©djulj'  einziger  %tf)Ux  war  feilte  ©ud)t,  immer  etwas 
marinieren  unb  intrigieren  ju  wollen,  unb  er  Ijatte  immer 
taufenb  Heine  Aufträge  unb  anliegen  in  ©ad)en  ber  ^olitif, 
befonberS  ber  SWilitärpolitif.  Statürltd)  gehört  biefe  S3et)arr* 
lidjfeit  ju  einem  tugenbljaften  Streben;  nur  mufj  man  nid)t 
fooiel  Dorn  perfönlidjen  unmittelbaren  (Umgreifen  unb  @in* 
wirfen  auf  anbere  fyoffen.  3u  biefem  ©inne  fyatte  er  ftdj 
aud)  an  Sunfen  gemacht  unb  ift  bann  üon  bem  SafelljanS 
richtig  genarrt  worben,  maä  id)  iljm  gerne  oorauögefagt 
Ijätte,  wenn  id)  i^n  l)äüe  betrüben  mögen.  (Sr  war  über« 
Ijaupt  in  $erfonalfad)eu  etwas  täppifd)  unb  taftlog  unb 
manchmal  inbtgfret.  (Sr  war  fortwäljrenb  fleißig  unb  un« 
ermüblid) ;  in  ber  legten  3^t  aber  reichten  bie  natürlichen 
©aben  wofyl  nidjt  mefjr  ganj  au&  für  baö  erweiterte  fjelb; 
wie  er  ftd)  benn  mit  Unredjt  für  einen  geriebenen  Saftifer 
fyielt  unb  ftd)  felbft  gum  fpejiftfdjen  9Wilitärfd)riftfteller  freiert 
ijatte. 

2BaS  ber  SÄenfd)  bod)  für  ein  @d)eufal  ift!  2Benn 
man  biefeö  briefliche  Sotengeridjt  mit  bem  SRefrolog  öerglidje, 


458  3ürid>. 

ben  id)  in  eine  S^tung  fd)rieb,  fo  mürbe  man  öor  6d)red 
erftarren  über  biefe  SRannigfalttgfcit  ber  Stoff  ajfungen1). 

.Spufen  tljut  @d)ul3  bis  bato  nod)  nidjt,  wenigfienS 
nid)t  in  ber  £ottingergegenb.  33ielleid)t  fpuft  er  in  ©arm* 
ftabt ;  e£  nimmt  mid)  wunber,  ob  e$  iljn  wunber  genommen 
fyat,  nid)t  wieber  ju  ermaßen,  ober  ob  er  fein  ©elbftbewufet* 
fein  glücflid)  wieber  eingefangen  l>at.  aber  wenn  er  mir 
unftd)tbar  jefct  in  ben  SBrief  gucft  unb  fein  £eiblid)e$  me^r 
Ijat,  fo  fann  er  ja  nid}t  einmal  ladjeit.  9R3ge  e£  ifym  wol)I 
ergeben  in  ber  (Swigfeit  unb  uns  in  ber  3*itlid)feit! 

©einen  brillanten  antifen  €SdjiQergefang  — 

S)en  22.  Slprü  1860. 

Soweit  Ijatte  id)  oor  cirfa  üier  2Bod)en  gefd)rieben, 
alö  id)  richtig  ftedfen  blieb.  3d)  fal)re  fort:  t)abe  id)  auf- 
ridjtig  bewunbert.  ©er  für  bie  Slmerüaner  gefiel  mir  nid)t 
ganj  fo  gut  wie  ber  Sonboner.  ©iefer  ift  aber  wieber  aus 
bem  befannten  %%.  9Rein  $roIögeld)en  ift  leiber  feljr  fyauS« 
bacfen  ausgefallen,  ©ie  ©djaufpieler  Ratten  gewünfdjt,  un* 
gereimte  Samben  ju  befommen,  mäfyrenb  id)  nad)I)er  gu 
meinem  6d)recfen  gemährte,  bafe  alle  2BeIt  in  ben  fünftlidjften 
gereimten  formen  fang. 

3njwifd)en  ^abe  id)  aud)  ©einen  neulidjen  Srief  burd) 
£errn  ©rafj,  93ater,  aus  ®t.  ©allen  erhalten  mit  ber  Srage, 
ob  er  mit  bem  Sofyne,  ber  bort  malt,  aud)  nad)  ßürid) 
fommen   foll?2)     ©aS   ift   nun   fdjwierig   ju   beantworten. 


')  ©iefer  fRefrolog  mar  bi§  $ur  ©tunbe  nidjt  $u  fmben. 

*)  $•  Sreiiigratrj  an  ©.  tfeUer,  Sonbon,  8.  ÜRära  1860:  „Sieber 
Heller,  barf  ict)  nod)  einmal  an  bie  $f)ür  ©eines  ^oetenftübdjenS  po$en? 
£er  Überbringer  ift  £err  Slbolf  ©ra§  au§  ©raubünbten,  ©otjn  eines 
Slrdjiteften ,  tReffe  eines  S3ilbrjauer3  unb  felbft,  bamit  bie  tfunft  in 


127.    2fo  gerbmanb  greüigratl),  22.  2tytil  1860.  459 

$d)  lebe  fo  jurüdfgejogen  unb  entfernt  Don  aßen  SBofjl* 
jabenben  unb  33anfierS,  bte  ftdE)  Ijeutjutage  nod)  in  JDl 
nalen  laffen,  bafe  id)  ber  ungeeignetfte  3ERenfdt)  oon  ber 
JBelt  bin,  einem  Äünftler  Äunben  ju  oerfcfyaffen.  SÜleS, 
»a$  id)  t^un  fann,  iftr  ben  jungen  Wann  bei  SfoSfteHung 
einer  groben  unb  mit  SeüungSartifeln  an  bie  £anb  ju 
jefyen,  unb  inbem  id)  it)n  ba  ober  bort  anrüfyme  (wenn  er 
rirflid)  roaö  fann),  fo  oor  mid)  ^in,  in  ben  SBart  murmelnb, 
)amit  bie  Seute  glauben,  e§  fei  mir  gefyeimniSüoH  unb  ernft 
[U  5Hute. 

2Bir  finb  jefct  in  grofeer  ©d)wulttät  mit  ber  ÄanaiHe 
iu  $ari£.  63  ift  leiber  faum  ju  jweifeln,  bafe  er  unfer 
Sebiet  wirb  befdjneiben  wollen.  £)a£  ©djweigeröolf  ift 
)urd)au$  ber  naioen  9Heimmg,  ftd)  mit  ben  Sranjofen  8« 
[plagen,  wenn  es  foweit  fommt;  unb  e$  fann  ber  @d)weij 
»ine  fd)öne  unb  etpenüoHe  Aufgabe  gefteHt  fein,   £)ie  gröfjte 


einer  gfamilie  nad)  allen  Sfädjtungen  I)in  öertreten  fei,  talentooUer 
iunger  ÜRaler.  (5r  icagt  jefct  ben  erften  felbftänbigen  glug  öom  glfitfjt- 
lingSljerbe  feines  2*ater3  in  bk  Söelt  I)inau§.  <£r  möchte  Porträt 
malen,  aunädjft  in  j&Mti),  nnb  mein  greunb,  fein  £)f)eim  (berfelbe, 
t>em  wir  l)ier  am  lO.sRoüember  unfere  Ijerrlidje  @tf)iUer§bfifte  öerbanften), 
bittet  tnirf),  iljn  mit  irgenbroela>n  ©mpfefjlungen  in  ©ure  ©eeftabt  au§- 
prüften.  Unb  fo  fomm  irf)  benn  nrieber  $u  S>ir.  S)u  fennft  bie 
ßfabe  ber  ©rünen  #einritf)e,  S>u  bift  felbft  auf  if)nen  gegangen.  S)u 
weifet  am  beften,  roela)er  9tot  l)ier  ju  geben  ift.  S)ajj  S)u  iljn 
meinem  Empfohlenen  freunblitf)  geben  roolleft,  barum  bitte  id)  S)irf) 
reajt  f)eralid>  unb  banfe  S)ir  im  oorauS  für  alle  ©üte,  bie  S)u  i^m 
nrmeifen  roirft.  ©rfijje  grau  ©a^ulj!  33)  fyoffe,  id)  fomme  balb  ein» 
mal  gurn  ©abreiben.  Unfer  Anteil  ift  ber  fdjmerslidjfte  unb  aufridjtigfte. 

3d)  brfitfe  S)ir  bie  #anb,  lieber  Heller!  Smmer  ©ein 

%.  greiligratf). 

2Ba3  fagft  S)u  gu  bem  ©djlänglein,  ba$  au3  £umbolbt§  ©rabe 
iif^t? 


460  3ürid>. 

©efaljr  ift  nur,  bafj  bic  grangofen  mit  iljrer  befannten  ärglift 
unb  Äafcentücfe  bie  Singe  fo  öenoirren  unb  abliefern,  bafe 
ber  red)te  5Roment  öerfyungt  wirb,  bcr  inbcffcn  bis  jefct  nod) 
nidjt  oerfäumt  ift.  ©enn  bie  Sefefcung  Don  Storbfaöogen 
wäre  ein  magrer  Cftretd)er--(Soup  gemefen.  3Rag  übrigen* 
fommen,  maS  ba  roill:  ©lud  unb  €>egen  mirb  bem  33ona* 
parte  auS  biefem  £anbel  in  feinem  %aü  erroadjfen.  ©djroer* 
lid)  mürbe  er  bie  Unabfyängigfeit  unb  Integrität  ber  ©cfcroeij 
lange  überleben. 

©iefer  Sage  merbe  id)  enblid)  ein  ©ebidjt  roegfdjicfen, 
ba£  mir  feit  fteben  Sauren  herumliegt.  63  ift  in  ungereimten 
Ürodjäen  etma  8—9  Sogen  lang  unb  l>at  ben  Sitel:  „©er 
Spotljefer  oon  (Stjamournj  ober  ber  ffeine  SRomangero.11  6$ 
ift  eine  3hrt  ©rabgefang  für  bie  £einefd)e  SBiUfür  unb 
$oliffonnerie,  inbem  bei  bergleidjen,  mit  Sentimentalität  ge* 
fpieft,  für  uns  ©eutfdje  nichts  fyerauSfomme,  meiere  Har, 
roafyr  unb  naio  fein  foQen,  o^ne  beSmegen  ©fei  gu  fein.  6§ 
ift  niyt  aber  feine  metrifdje  SRegenjion,  fonbern  eine  roirflidje 
9tomange,  allenthalben  plaftifcf).  ©ennod)  bin  id)  tragifd) 
gebellt,  inbem  id)  bie  SBerfpätung  unb  Ungeitgemäf$l)eit  rooljl 
füljle,  aber  gu  bettelfjaft  bin,  um  fertige  SKanuffripte  unge* 
brueft  liegen  laffen  gu  fönnen.  £)  Sugenb  ber  ©ntfagung 
unb  ber  ©elbftentäufcerung,  roo  bift  bu  Eingegangen?  2Bäre 
e§  erlaubt,  bie  ©laubiger  gu  prügeln,  anftatt  fie  gu  begaben, 
fo  mürbe  id)  ba$  öerflud)te  ©ebid)t  mit  taufenb  greuben 
oerbrennen.  @o  aber  mufe  id)  eS  mit  fe^enben  Äugen  ins 
Unglücf  fenben;  id)  roei&  nid)t  einmal,  ob  baS  ©ange  nid)t 
eine  Jrtoialität  unb  ©ummljeit  ift! 

gerner  ftnb  nädjftenö  fertig  bie  gortfefcung  ber  „geute 
oon  @elbrot)la"  unb  jroet  33änbd)en  9iooeUen  mit  bem  SSM: 


127.    Sin  gerbmanb  fcreüigraty,  22.  Slprfl  1860.  461 


„©ie  ©alatee".  einer  lieft  Sogauä  ©iftidjon:  „2Bie  tutöft 
bu  weifje  ßilien  ju  roten  SRofen  madjen?  Äfifc  eine  weifte 
©alatee,  fte  wirb  errötenb  lachen!"  imb  reift  aus,  baS  ©ing 
ju  probieren,  bis  eS  am  (Snbe  be$  jweiten  SanbeS  gelingt. 
3n  biefen  SftoöeHen  finb  unter  anberen  jteben  ci)riftlidje  Se* 
jenben  eingeßodjten.  3dj  fanb  namlid)  eine  Segenbenfamm* 
lung  Don  Äofegarten  in  einem  läppifd)  frömmelnben  unb 
>infältiglid)en  Stile  erjagt  (t>on  einem  norbbeutfdjen  $rote* 
[tanten  boppelt  lädjerlid))  in  $rofa  unb  SBerfen.  3d)  naljm 
jteben  ober  adjt  StüdE  au$  bem  öergeffenen  ©djmöfer,  fing 
jte  mit  ben  ffifclidjen  unb  ^eiligen  SBorten  ßofegärtd)en$  an 
imb  machte  bann  eine  erotifd)*  weltliche  £iftorie  barauS,  in 
roeld)er  bie  Jungfrau  *ütoria  bie  ©djutypatronin  ber  Beirats* 
luftigen  ift.  2Benn  ©ufcforo  ben  £anbel  entbedft,  fo  wirb 
?r  mid)  beS  Plagiats  befdjutbigen. 

2Ba§  fagft  ©u  gu  ©aumer?1)  £umbolbtS  unb  33arn* 
fjagenS  SBricfc  ftnb  feljr  jroeclbienlidj ;  sub  rosa  geftelje  id) 
[ebod),  bafe  id)  einen  Seil  ber  ©ntrüftung  unb  SfreiljeitSliebe 
für  bie  befannte  9Kebifance  geiftreidjer  ©reife  fyalte. 

©rfifce  ergebenft  bie  grau  ©emaljlin  unb  bie  fleinen 
JS'djen,  welche  freiließ  bem  ©iminutio  nun  enht>ad)fen  fein 
werben!    grau  ©djulj  grüfct  natürlich  beftenS. 

©ein  ©.  Äeller. 

Sluf  welche  3lrt  fdjicft  man  an  ©id)  unb  Äinfelbei  am 
fügltd)ften  Sudjpafetcfyen? 


J)  SJerfelbe  war  ba%  Satyr  guöor  311m  ÄattyoltaiSmuS  übergetreten. 


462  3üri$. 


128»  |lit  gUrtljolfr  &utxbad)  in  $vt+*tn. 

Sieber  Sluerbad)!  Sie  ©adje  ftel)t  nid)t  fo  fcpmm, 
benn  id)  Ijabe  t*a&  (5nbe  unter  ben  £änben  unb  fdjreibe 
biefe  Seilen  mit  ber  gleichen  geber  ooH  State,  womit  id) 
eben  an  ber  6rjät)lung  fnorje1).  3n  S^n  betben  ©riefen 
Ijaben  Sie  übrigens  öon  ©nbe  5Rai  gefprodjen,  unb  auf 
btefeö  l)abe  id)  uerfprodjen  unb  erft  auf  ben  15.  3d)  bin 
fogar  in  ber  günftigen  Sage  (Unfälle  öorbetyalten) ,  Sföre 
freunblid)  gewährte  Srift  bis  jum  15.  3uni  üerfd)mäl)en  *u 
fönnen,  ba  idj  bis  ba  fdjon  wieber  anbereS  benfe  gemalt 
gu  l)aben;  benn  id)  bin  jefct  enblid)  toieber  in  3"8  gefommen, 
faft  wie  ju  meiner  Sugenbjeit,  ba  id)  baS  Schreiben  als  Slllotria 
trieb,  borgen  wirb  bafc  S)ing  fdjon  fertig  werben;  bann 
freilief)  mufc  id)  eS  nod)  abf djreiben,  weil  id)  fiump  nod) 
feinen  ©djreiber  oermag  unb  eS  aud)  feinem  geben  fönnte. 

5lber  ein  anbereS  Übel  ift  eingetreten.  Sie  @rjal)lung 
wirb  efyer  gegen  brei  Sogen  ftarf  werben  im  ©rudf,  al$ 
nur  jwei  ober  zweieinhalb.  3d)  ^be  fd)on  mefyrereS  ge* 
ftridjcn,  fann  midj  aber  3U  nod)  mefyr  nid)t  felbft  entfd)liefeen 
unb  mufc  eö  31)nen  fiberlaffen,  faßS  baS  SBefen  nic^t  $lafc 
t)aben  fönte,  wie  eS  ift,  mir  baljin  bejüglidje  93orfd)läge  ju 
madjen  (id)  behalte  alfo  bie  Urfdjrift  f)ier).  2BaS  ben  Sitel 
betrifft,   fo  t)atte  id)   barauf  gerechnet,   bafc  ©ie  mir  iljn 

!)  Sluerbad)  an  tfeüer,  19.  3ttat  1860:  „3$  roeifj,  ©ie  getym  jefct 
brummig  Ijerutn  unb  benfen:  fia  Ijabe  ic§mic§öerred)net(aUe<Sdjroangeren 
unb  alle  ^oeten  üerredjnen  fitf)  in  bereit);  meine  (Srjäfjlung  foQte  311m 
15.  üttai  in  8luerbad)8  £änben  fein,  fo  Ijab  ic^'S  oerforodjen,  unb 
f)eute  ift  fie  nodj  nid^t  fort,  ja  nod)  nidjt  fertig*.  Sfhir  ruljig!  fage  id) 
3f)nen  barauf.  Slhnen  ©ie  frtfd)  auf!  (S§  ift  no$  3eit  bi§  gum 
15.  Sunt,  bann  natürlich  aber  feine  ©tunbe  mef)r. 


129.    3fo  «Bertyolb  Sfoerba*,  7.  Sunt  1860.  463 

machten,  2)a  ©ie  ifjn  nun  brausen,  elf  ©ie  baS  SJtonu* 
ffript  gelefen,  fo  mufc  id)  felbft  baran.  £)aS  medjanifd)e 
SJtotiö  ift,  wie  fdjon  gemelbet,  eine  galjne  mit  ber  gnfdjrift: 
„Srreunbfdjaft  in  ber  SreUjeit!"  (©eien  @ie  übrigeng  ruljig, 
e£  wirb  nid)t  poIigeiir»ibrig !)  -Kun  backte  id),  man  über* 
f  triebe: 

„Sie  gafjne  ber  greunbfdjaft41,  ober: 

„Sie  galjne  ber  fteben  greunbe".    Dber: 

,,©aS  3rreunbfd)aftSfäI)nd)en",  ober: 

„S)aS  ftreunbfäaftsf  allein" 
unb  überlaffe  S^nen,  fyieoon  ju  wählen  ober  in  äfynlidjem 
Entlang  etwas  fyinjufefcen. 

SBifd^cr  fyabe  id)  3$re  ©rüfee  erft  oor  jmei  2Bod)en  aus* 
richten  fönnen,  ba  er  eine  längere  SRcife  in  Cfterreid)  unb 
Dberitalien  gemacht.  ;Katfirlid)  würbe  er  alles  Sefte  mir 
auftragen,  wenn  er  augenblieflid)  gur  §anb  wäre. 

2)aS  5Äbfd)reiben  ber  ©rjä^lung  barf  Sljnen  nid)t  bange 
machen,  ba  id)  bergleidjen  £unbearbeit  mit  wahrer  ^eftig« 
feit  oon  früf)  morgens  bis  abenbS  ju  treiben  pflege  unb  mir 
babei  einbübe,  id)  arbeite  fteifetg.  ©aS  finb  fo  bie  pfgdjolo« 
giften  SRätfcI  unferer  (5ingerid)te. 

9tod)  fällt  mir  bie  33erfton  ein: 

w©aS  ftäfynlein  ber  fteben  greunbe". 
ÜRtt  Dielen  ©rü&en  31)r 

3ürid>,ben22.2Raii860.  ©ottfrieb  Äefler. 

189*  £»  $*rty*l*  &utvbad)  in  $vt**tn. 

SBerefyrtefier  Arbeitgeber!  (SS  will  mit  bem  Slbfdjretben 
bod)  nid)t  me^r  oergnügt  oon  ftatten  geljen,  unb  fo  Ijabe 


464  3üri$. 

idj  bie  mir  oergönnte  ©algenfrift  bennod)  angeftodjen,  wie 
id)  fd)on  manches  Sencpj  anftad)  unb  nod)  anftedjen  »erbe. 

£iemit  erfolgt  alfo  baS  DpuSculum,  baS  freilid)  meljr 
eine  Stttenfd)ilberung,  als  eine  ftraffe  ©ijä^Iung  geworben 
ift;  benn  ju  Unterer  war  baS  2)mg  nid)t  anget^an.  ©od) 
ift,  was  barin  an  Sieben  enthalten  ift,  aHeS  auf  ©rfafyrung 
gegrfinbet,  unb  id)  fyabe  beftimmte  äbftdjten  babei  gehabt 
wie  bei  ben  SBerljanblungen  über  bie  S^rengabe  unb  ben 
Unterwerfungen  ber  alten  Ääuje  Aber  bie  SRebnerei. 

Übrigens  fyabe  id)  in  biefem  äugenblicf  gar  fein  Urteil 
aber  baS  Stü^E  unb  weife  nid)t,  ob  eS  gut  ober  nid)t  gut 
ju  nennen  ift,  unb  id)  bin  auf  einige  2Borte  oon  3f)nen 
barfiber  begierig.  ©aS  @anje  fam  mir  gu  fdjneU  in  bie 
Quere. 

SBenn  ^um  bie  Äorreftur  wirflid)  nid)t  ju  öiel  5RüI)e 
mad)t,  fo  ift  eS  natürlich  ffirjer  unb  jwedtmä&iger,  wenn 
Sie  btefelbe  gütigft  beforgen  wollen.  2Bobei  id)  Sie  bitten 
mfi&te,  bie  häufigen  Ungleidj^eiten  in  ber  3ied)tfd)retbung, 
wie  grofje  ober  Heine  2lnfangSbud)ftaben  u.  f.  f.,  beren  33e* 
feitigung  mir  im  TOanuffript  immer  ein  bitteres  Äraut  ijt, 
mit  bem  SRotftift  ju  berüdffid)tigen,  im  %aüt  Sie  baburd) 
geniert  jinb.  9Kir  felbft  ift  baS  burdjauS  gleichgültig.  3d) 
oerfafyre  immer  nadj  augenblicflidjer  (Singebung,  je  nad)  bem 
©emid)t,  baS  id)  auf  baS  2Bort  lege,  unb  werbe  eS  fo  lange 
fo  galten,  bis  man  ju  einer  allgemein  gültigen,  flajflfd) 
abbreüierten  Schreibart  fdjreitet,  etwa  im  ©rimmfefoen  Sinne. 

3d)  fefye  fefyr  oft  mätjrenb  beS  SdjreibenS,  bafa  idj  ein 
SCBort  nid)t  fdjretbe,  wie  eine  Seite  Dörfer;  aber  id)  fann 
eS  nidjt  über  midi)  bringen,  bie  oerfiudjten  33ud)ftaben  ein* 
gufltcfen.    ©och  genug  l)iet>on.    SHöge  baS  SBerflein  feiner 


130.    2fo  «Bertyolb  %mxba$,  25.  3um  1860.  465 

itjm  bcftimmtcn  ©teile  md)t  gu  unwert  befunben  werben,  unb 
fyiemit  empfehle  id)  mid)  gu  ©naben! 

greunbfd)aftlidj  grüfeenb  Sljr  ergebender 

3üritf>,  ben  7.  Sunt  1860.  ©ottfr.  ÄeHer. 

130«  31»  $tvty*lfr  &uttbad)  in  $vt**tu. 

®er  ßingang  31)re$  ©riefet  Ijat  mir  einen  ^öQifdjen 
©d)recfen  eingejagt,  benn  id)  glaubte,  bie  Parabel  öon  bem 
falten  35ab  folle  mid)  vorbereiten  auf  eine  Unbraudjbarteitö* 
erflärung,  ober  bafc  wenigftenö  öieleS  umgearbeitet  werben 
muffe1).  Um  fo  beffer  munbete  mir  bann  3fö*  freunblidjeS 
Sob,  weld)e$  id)  cum  grano  salis  eingenommen  I)abe. 
2Bir  fyaben  in  ber  ©d)Weig  aQerbtngS  mandje  gute  anlagen 
unb,  was  ben  öffentlichen  ßljarafter  betrifft,  offenbar  jefct 
ein  efyrlid)eS  SJeftreben,  es  gu  einer  anftdnbigen  unb  erfreu* 
lid)en  2ebenSform  gu  bringen,  unb  ba$  23olf  geigt  jtd)  plaftifd) 
unb  frofygeftnnt  unb  geftimmt;  aber  nod)  ift  lange  md)t 
alles  ©olb,  was  glängt.  ©agegen  Ijatte  id)  es  für  $fltd)t  eines 
Sßoeten,  nidjt  nur  baS  Vergangene  gu  oerflären,  fonbern  baS 
©egenwärtige,  bie  Äeime  ber  3ufunft  foweit  gu  oerftärfen 
unb  gu  oerf djönern,  bafe  bie  geute  nod)  glauben  fönnen:  ja, 
fo  feien  fte,  unb  fo  gelje  eS  gu.  Jljut  man  bieS  mit  einiger 
wo^lwollenben  Sronie,    bie  bem  QtuQt  baS    falfdje  SßatljoS 


!)  Sluerbadj  an  fetter,  21.  Sunt  1860:  „3$  habt  jefct  täglich  in 
ber  <£lbe;  id)  gelje  manchmal  ungern  in§  2öaffcr,  aber  wenn  ic§  fjerauS» 
fomme,  bin  id)  erfrtfdjt  unb  möchte  jobein  rote  öor  breiig  unb  meljr 
Sauren,  £eut  f)abt  id)  x\\d)t  gebabet,  id)  mar  gu  träge  baju:  icfc  f)abt 
3&re  ©rgäljlung  angefangen  unb  auf  (Sinen  3ug  auägetruntot,  unb 
mir  ift  fo  rooljl  unb  frei  gu  SRute,  als  f)ätte  id)  in  einem  @c^rociger» 
fee  gebabet.    25a8  ift  gefunbe  frofye  (Strömung." 

©ottfrieb  ftclfcr.    II.  30 


466  3üri$. 

nimmt,  fo  glaube  id),  bafe  baS  33olf  baS,  was  eS  ftd)  gut- 
mutig  einbilbet  ju  fein  unb  ber  innerlid)ften  anläge  nad) 
aud)  fdjon  tft,  gulefct*  in  ber  Stljat  unb  aud)  au&ertid)  wirb. 
Äurg,  man  mufc,  wie  man  fdjwangeren  grauen  etwa  fc^önc 
Silbwerfe  öorljält,  bem  aUejeit  tüchtigen  ÜRationalgrunbfiotf 
ftetS  etwas  SeffereS  geigen,  als  er  fd)on  ift;  bafür  fann  man 
i^n  aud)  um  fo  fyerber  tabeln,  wo  er  es  öerbient. 

©od)  warum  id)  fdjreibe,  ift,  bafy  id)  ©ie  bitten  wollte, 
bei  ber  Äorreftur  einen  tarnen  abguänbern.  ©djaufelberger, 
ber  ©djreiner,  ift  nämlid)  ber  eingige  Don  ben  ÄerlS,  ben  id), 
weil  mir  ber  9iame  gefiel,  fenntlidj  gemalt  tyabe,  ba  eS  gu* 
bem  ein  fdjnurriger  Äerl  ift,  ber  nid)tS  übelnimmt.  9hm 
ift  mir  aber  feittjer  eingefallen,  unb  öerfdjiebene  SCnjeidjen 
führten  mid)  barauf,  hafc  man  aus  biefem  auf  bie  anberen 
fdjliefeen  bürfte  unb  baS  $ublifum  ber  guten  ©tabt  Sönd) 
bie  SDfleinung  befommen  fönnte,  id)  fei  ein  Slufpaffer  unb 
$aSquillant.  ©ie  liebenSwürbigen  unb  ehrenhaften  (S^araftere 
fd)lecfen  jie  gang  frieblid)  hinein  unb  pnben  aßeS  gang  in 
ber  Drbnung,  wenn  fte  aud)  nid)t  fo  gut  ftnb;  baS  weniger 
Sieblidje  aber  wirb  mit  geinbfeligleit  unb  peinlicher  SRad)* 
forfdjung  gebeutet  unb  erwecft  SHifjtrauen  unb  2lngftlid)feit. 
©d)on  ©ottijelf  war  beSwegen  als  Spion  bei  feinen  JBauent 
nid)ts  weniger  als  beliebt;  bie  ffinftlerifdje  Unbefangenheit, 
welche  bie  £auptfad)e  bod)  ftets  aus  ftd)  felbft  fdjöpft, 
wirb  geftört  unb  oerbittert  burd)  einen  eingigen  Sfaflang, 
ber  auf  beftimmte  Sßerfonen  ju  beuten  fdjeint  *c.  Äurg,  id) 
bitte  ©te  alfo,  ftatt  £einrid)  ©djaufelberger,  ber  @d)rriner, 
überall  ba§  2Bort  „Sürgi"  gu  fefcen,  b.  i).  an  bie  ©teile 
üon  ©djaufelberger;  £einrtd)  unb  ©djreiner  bleiben  wie  fte 
pnb.    Wfo  Sürgi! 


130.    S(n  «Bertyolb  3luerbad&,  25.  Suni  1860.  467 

2lllerbing$  ermutigt  mid)  biefe  6igenfd)aft  bcö  SBolfö, 
ftd)  in  ben  poetifdjen  SMIbern  crtennen  gu  wollen,  ofyne  fid) 
gefd)tneid)elt  gu  finben,  gu  obiger  Hoffnung,  bafc  e$  burd) 
baS  Silb  aud)  angeregt  gur  teilmeifeu  93erwirfltd)ung  »erbe. 
@o  pnb  meine  fieben  2llten  ba  gewefen,  nnb  ber  ein1  unb 
anbere  baoon  wirb  fagen,  wenn  er  ben  Äalenber  gu  @eftd)t 
befommt:  Sei  @ott,  fo  ift'S  gewefen!  33erflud)ter  Äert!  allein 
ftc  fyaben  bei  weitem  nid)t  fo  gefprocfyen,  wie  id)  fie  fpred)en 
laffe.  ©ennod)  lag  ber  Äeim  bagu  in  ifynen,  unb  fie  würben 
e$  wenigftenS  oerftefyen  unb  bafür  empfänglidj  fein. 

Safe  Sie  bie  Jtinbergefdjidjten1)  [treiben  muffen,  begreife 
id)  jefct  oollfommen,  obgleid)  id)  an  bie  Unguläf  ftgfett  erotifd)er 
ßpifoben  backte9);  aber  wunberlidjerweife  glaubte  id)  gerabe 
baburdj,  ba&  id)  ftc  in  bie  Äinberfd)u^e  fteefte,  bie  ©ad)e 
unfdjulbig  gu  madjen  (b.  fj.  nid)t  auf  SBeife  gewiffer  frangö* 
ftfd)er  Äinbergefd)id)ten). 

2Bir  oerlieren  bamit  etwa«  noöelliftifdje  $eterftlie,  weldje 
gur  2lu$fd)mficfung  beö  bibaftifdjen  ÄnocfyenS  nötig  ift;  bod) 
iffS  nun  einmal  fo.  ©ie  werben  fidj  freilid)  bie  9Kül)e 
nehmen  muffen,  bie  entftefyenben  2öd)er  notbfirftig  gu  üer* 
löten,  wofür  id)  gum  öorauS  meinen  ©anf  abftatte. 


*)  33eibe  $inbergefd)id)ten  mürben  leicht  oeränbert,  fpäter  in  ber  ur« 
fprünglia>n  ©eftalt  roieber  aufgenommen.  (OJef . Sßcrfe SBb.  G, 265f . 298 ff.) 

")  Sluerbaa)  an  Heller,  a.a.£):  „3$  roerbe  leiber  oon  31jrer 
frühem  (SrlaubuiS  ©ebraud)  nehmen  muffen,  einiges  in  3*)rer  <£rgä> 
Iung  (ber  Stiel  ift:  „2)a§  gäljnlein  ber  fteben  &ufred)ten")  gu  fürgen. 
<S§  wirb  mir  fd&roer;  benn  mir  ift  jebe§  2Bort  redjt  unb  nötig,  aber  e§ 
mufc  fein.  3$  fdn'cfe  Sfynen  aber  ba%  Sftanuffript  roieber,  bamit  @ie 
bei  fpäterem  Slbbrucfe  (jiuei  Safyre  naa;  ($rfa>inung  be3  flalenberS, 
ober  aud)  ein  3a^r)  atleS  no$  fyaben.  S)ie  Erinnerung  an  bie  ßinber« 
liebe  rnufe  ta^j  ftreia>n,  fo  fd&ön  fie  au$  ift.  S)a8  gefjt  nia^t  für  einen 
ßalenber,  ber  unoerborgen  oor  ben  ßinbern  baliegen  muß" 

80» 


468  3üri$. 

3fcf)  fyabe  öor,  wenn  ber  £err  miß,  mie  bie  9Rutfer 
jagen,  nad)  unb  nad)  eine  Steige  3&^er  5ftoöeflen  ju 
fdjreiben,  tr»eld)e,  im  ®egenfafc  ju  ben  Reuten  oon  ©elbro^la", 
meljr  poftttoeö  Seben  enthalten  foQen.  3"  biefen  foll  bann 
aud)  bie  ,,$ä(jnlein"s@efd)icf)te  fommen,  unb  id)  merbe  ben 
@d)lu&  atöbann  nod)  bafyin  ausführen,  bafe  ber  alte  3immer* 
mann  oon  Äarl  verlangt,  er  fotle  mteber  gum  £anbroerf 
gurüdffeljren,  wenn  er  bie  £od)ter  wolle;  benn  feine  Talente 
unb  feine  Silbung  Ratten  nur  ben  rechten  2Bert,  wenn  er 
feinen  angebornen  Stanb  bamit  giere. 

©ie  SRücffefyr  gum  foliben  #anbwerf  (b.  ff.  gum  fünft- 
gerechten  tüchtigen)  wirb  nämlid)  jefct  t)on  einjidjtigen  ©e= 
merb8männern  lieber  meljr  betont,  ba  gulefct  niemanb  metyr 
orbentlid)  arbeiten  lernt  unb  alle  perfönlidje  ©elbftl>errlid)feit 
gum  Seufel  geljt. 

3d)  bin  fefjr  gefpannt  auf  S^te  neue  6rgäl)lung  unb 
ebenfo  neugierig  als  gefpannt. 

3m  %aüt  ber  abgeanberte  6d)lufc  S^nen  jefct  fd)on 
etwa  ttjunltd)  erfd)tene,  fo  tl)un  Sie  mir  e8  gu  wiffen;  e$ 
mürbe  eine  räumliche  „^Bewegung"  Don  fyödjftenS  einer 
falben  ©eite  fein1). 

2Bünfd)e  beftenö  unb  fröfjlid)  gu  baben.  9Hit  3>ol)anni 
ift  am  3ünf)erfee  fööneS  ©ommerroetter  eingerücft;  id)  braute 
geftern  ben  Sonntag  auf  einem  Sanbfyaufe  gu,  wo  Diel  oon 
Sfynen  gefprodjen  mürbe. 

©rüfeenb  31)*  ergebenfter 

3üricf)f  ben  25.  3um  1860.  ©ottfr.  ÄeHer. 


')  2luerbad)  an  Heller,  28.  Suni  1860:  „2>er  neue  ©djlujj,  ben 
(Sie  beabftdjtigen,  gefällt  mir  fel)r.  3$  fann  Sfynen  beteuern,  bafc  id) 
tl)n  beim  Öefen  felber  roünfd)te  unb  hoffte." 


131.    2(n  «Bettyolb  9foerbad&,  11.  Sult  1860.  469 


131«  &tt  gi**ty*l*  &tt**tv*ffe  in  9**#**m 

3d)  bin  burd)au£  ntd)t  im  ftanbe,  mid)  jefct  nochmals 
unb  grfinbltdjer  mit  bcm  „fjätjnlcin11  gu  bef djafttgen,  ba 
meine  Sinne  mieber  auf  bie  anbere  Arbeit  gerichtet  tfnb. 
Statt  einer  befferen  Ausführung  SljreS  unb  meine«  ©eban* 
Ien8  überfenbe  td)  baffer,  weil  Sie'«  erwarten,  beifolgenbe 
Slnbeutung,  weldje  genügen  mu&.  Sie  ift  eingufdjalten 
groifcfyen  ber  ©teile:  „Senn  ber  Seufel  geljt  f)erum  unb  fud^t, 
men  er  öerfdjlinge"  unb:  „fo  grüfce  id)  bid)  benn  als  @e* 
genfdjmäljer1'  u.  f.  f. 

©aS  ÜBoII  ift  bod)  immer  probuftto  unb  gebanfenreid)r 
menn  einmal  ber  2Beg  eingefd)lagen  ift:  es  birgt  alle 
Sbeen  in  feinem  Sdjofce.  33or  gwei  3af)ren  Ratten  »ir 
baS  etbgenöfftfdje  Sangerfeft  in  Sörirfj  #  mit  foftfpieligen 
ard)iteftonifd)en  @inrid)tungen,  unb  eS  tyefj,  bie  Sörtfe^ung 
in  biefem  Stile  fei  unmöglid)  für  Heinere  Orte.  Srofcbem 
übernahm  Dlten,  ein  fleineS  Stabilen  im  Äanton  Solo- 
t^urn,  baS  fteft,  roeldjeS  geftern  unb  fyeute  bort  gefeiert  nrirb. 
SEBic  Ralfen  jte  ftd)  nun?  Statt  eine  foftbare  Ardjiteftur  gu 
errieten,  ftfllpten  {te  über  bie  Sfefifyfitte  ein  riejtgeS  Strot)* 
bad),  bauten  ein  Storcfyenneft  auf  ben  ©iebel,  brauten  Sau* 
benfdjläge  mit  jungen  Saubenflügen  an  unb  ftellten  lebenbige 
Sienenförbe  über  bie  Spüren,  alles  ©inge,  bie  mdjts  foften 
unb  einen  pradjttgen  fgmbolifcf)en  Spafc  abgaben,  fo  bafc 
bie  geübten  Arrangeurs  unb  fyefttapegierer  ber  größeren 
Stabte  gang  üerblfifft  jtnb. 

Abermals  grüfeenb  3för  ergebenfter 
3ürid>,  ben  n.  3ult  1860.  ©ottfrieb  Heller. 


470  3üri$. 

132«  &tt  $tvityolb  &uttbad)  in  gtrlitt«. 

Sürid),  bcn  15.  September  1860. 

3d)  banfe  Sftnen,  lieber  Srotfyerr,  für  bie  freunblidje 
(Senbung,  Srief  unb  ©elb.  3d)  bebaure,  6ie  fo  in  Äoften 
Dcrfc^t  ju  Ijaben;  id)  glaubte,  ber  SSerleger  Ijabe  baS  Honorar 
ju  galjlen.  ©ennod)  bin  id)  geftern  mit  Syrern  guten  @elbe 
ins  SBirtSljauS  gegangen,  l)abe  bort  ben  luftigen  2öot)U 
Ijabenben  gefpielt,  fo  bafe  td)  beim  9iad)()aufegel)en  beinahe 
geroatfelt  Ijabe;  ja  id)  glaube  faft,  es  ift  fogar  gefdjeijen. 

SBegen  ber  SluörufungSjeidjen  ftnb  6te,  mit  ©rlaubniS 
gu  fagen,  auf  bem  ^olgwege1).  3d)  Ijabe  bei  ber  ©urd)* 
lefung  ber  @efd)id)te  gar  nid)t$  üon  ben  ©eftridjenen  bemerft, 
roeil  id)  überhaupt  mit  ber  Sntetpunftion  auf  einem  feljr 
füllen  Sufe  ftelje.  (Äuljler  Sfufj,  aud)  eine  fd)öne  SRebenSart, 
bie  mir  Ijier  enhoifd)t;  id)  glaube ,  baS  fommt  nod)  Dom 
geftrigen  Slbenb.)  33on  £au$  aud  bin  id)  ber  8nftd)t,  bafe 
man  fo  fd)reiben  fofl,  bafe,  wenn  alle  3nterpunftion3jeid)en 
verloren  gingen,  ber  <5til  bennod)  War  unb  auSbrutfSüolI 
bliebe.  SBeil  bie  ßinridjtung  aber  einmal  ba  ift,  fo  macfye 
td)  meiner  Unfdjlüfftgleit  unb  @leid)gültigfeit ,  bie  geitroeife 
eine  grofee  Unregelmäfjigleit  bei  mir  hervorbringt,  plöjjlid) 
einmal  baburd)  ein  @nbe,  bafe  id)  mid)  genau  an  bie  6d)ul* 
erinnerungen  Ijalte  unb  g.  33.  immer  ein  2lu$rufung$grid)en 
fejje,    wo  id)  e3  als  f leiner  Sunge  fejjen  mufcte,  bei  allen 

l)  Eluerbad)  an  Heller,  2.  September  1860:  „Sie  ©erben  bie 
ßleinigfeit  bemerfen,  bafj  id)  Sfynen  Diele  SluSrufungSgeidjen  in  einfach 
$unftum  öerroanbelt  fyabt.  3d)  roeifc  redjt  gut,  roaö  Sie  bamit  n>oII* 
ten.  SBtr  fyaben  ba&  SBebfirfnte,  bie  Betonung  ber  Siebe,  bie  feljr 
roefentlid)  ift,  im  gefd)riebenen  SBort  funbgugeben;  aber  mir  erreid&en'S 
boty  nidjt  je." 


132.   3ln  «Bertyoib  8uerba$,  15.  (September  1860.         471 

Ausrufungen,  Sefeljlen  x.  :c.  3d)  bin  aud)  immer  in  33er* 
gweiflung  wegen  ber  ©änfefü&djeh  im  ©ialog,  ben  neuen 
Abfäfcen  :c.  :c,  weil  alle«  baS  mid)  nid)t  intcrefftert  unb  man 
bod)  eine  gewiffe  Drbnung  beobachten  mufe. 

3d)  mufj  ©ie  nun  bod)  rüffeln  wegen  einer  Meinen 
©treidjung,  nämlid)  wo  ber  Äarl  ba&  ÜWäbdjen  aus  bem 
©djiffe  gu  |td)  ^erübergieljt  unb  füfct.  Sie  Ratten  bie  ©teile 
gang  [treiben  ober  ba$  Äfi&djen  (in  (Sfyren)  flehen  laffen 
f ollen,  ba  ber  ß^rn  beö  ÜWäbdjenS,  ba$  jid)  wegen  ber  ge* 
fa^rlidjen  Situation  nid)t  loSreifcen  fann,  gerabe  oom  ©e* 
ffi&twerben  ljerrüt)rt.  Slud)  ftel)t  eS  jefct  faft  bebenflid)er 
au«,  ba  man  ja  bem  Surfdjen  nod)  @d)IimmereS  gumuten 
fann.  ©urd)  baS  offene  SBort  Äüffen  wirb  bem  fd)lauen 
Annähern  unb  Überliften  eben  ber  lüfterne  unb  oerbäd)tige 
Gfyarafter  benommen. 

£ier  will  id)  aud)  gleich  bie  Srredjljeit  begeben  unb 
behaupten,  bafc  ja  bie  SMbel  Doli  ber  berbften  ©rotif  fterft 
unb  bod)  allen  Äinbern  offen  ftefyt,  ja  oon  ben  Quälern 
unb  SKucfern  mtHionenweife  oerbreitet  wirb,  ©ie  mifjoer* 
fteljen  mid)  gewife  nid)t,  wenn  id)  ba$  SBebenfen  aufwerfe, 
bafe  ber  Äalenber  leicht  einen  gu  trodfnen  unb  abftd)tüd) 
bibaftifd)en  Slnftrid)  gewinnen  fönnte.  @3  fd)eint  mir  fd)on 
ein  Heiner  Anfang  bagu  gemalt  gu  fein,  unb  id)  Ijabe  felbft 
am  meiften  hierin  gefünbigt.  Sßenn  ©ie  wirflid)  überS 
3af)r  wieber  etwas  oon  mir  aufnehmen  wollen,  fo  mufe  id) 
balb  baran  benfen,  etwas  ©eeigneteS  unb  SRunbeS  mit  me^r 
OTufee  auSgufyedfen,  als  eS  bieSmal  gefd)el)en  ift. 

35>r  feiner  alter  Füller  mit  ber  wei&en  SRofe  im 
SJtunbe1)  l)at  mid)  gang  traurig  gemacht,    gr  erinnerte  mid) 

')  S3eaie^t  firf)   auf   eine   ©eftalt   ber  in    bemfelben   ßalenber 


472  3üri($. 

plöfcUd)  an  eine  freunblidje  alte  grau,  bie  td)  einft  als  tfinb 
fal),  wie  pe  eines  Sonntags  mit  einer  Äornäljre  in  ber 
£anb,  bie  pe  pd)  3ur  greube  gepflücft  Ijatte,  in  eine  ©orf* 
fdjenfe  fam,  ein  l)albe§  6djö:p:pd)en  tranf  unb  feljr  fröE)lid) 
mit  ben  Seuten  rebete.  ©abei  fpielte  pe  fortwäfyrenb  mit 
ber  3l§re.  ©arfiber  pel  mir  mein  eigene^  2üter  ein,  ba$ 
pd)  nun  auf  einunboiergig  3a^re  beläuft,  nebft  allem  6nt- 
fdjwunbenen  unb  SBerlorenen  u.  f.  f.,  lurg  id)  madjte  ben  6fel. 
Sie  fel|en  aber  barauS,  bafc  id)  ein  fd)led)ter  S3efpred)er 
frember  Sßrobufte  bin,  ba  id)  gang  unfrttifdjen  perfönlidjen 
©inbrücfen  oerfalle  gleich  einem  SRoraan  lefenben  ©tenfc 
mäbd)en. 

©er  pfgdjologifdje  ^Jrojefe  wäfyrenb  bes  ©turgeS  be$ 
Slifcf djlofferS l)  fdjeint  mir  faft  ein  wenig  gu  gewagt,  b.  I). 
um  ein  £aar  gu  auöffiljrlid)  unb  gut  motiviert  ober  erflärt, 
unb  baburd)  wirb  ba$  Problem  gerabe  etwas  gu  auffaKenb. 

68  freut  mid)  fefyr,  eine  längere  arbeit  öon  Sfynen 
nädjftenS  in  @enu&  unb  Angriff  nehmen  gu  fönnen,  obfd)on 
mid)  bie  fieftüre  beS  geuiUetonö  ber  „tfölnifdjen  Bettung* 
täglich  eine  ^albe  ©tunbe  länger  auf  bem  ÜRufeum  feftfyalten 
wirb.  (S$  wirb  aber  baffir  ein  ^auptfpafe  fein,  einige 
2ßod)en  lang  tagtäglich  ein  ©tüdf  Suerbad)  gepdjert  ju 
miffen  unb  gu  genießen  nad)  £ifd)a). 

68  gibt  ja  faft  nidjtS  meljr  gu  lefen  oon  £auptfad)en 


erfdjtenenen,  fetter  in  ben  ,,$o[f§büd)ern1'  nneber  abgebrueften  ©«• 
fdjidjte:   „3n>ei  SJeuerreiter"  oon  SBertfjoIb  Sluerbadj. 

*)  wS)cr  S31ifefd)IofTcr  öon  SQBittenberg",  eine  ßrgäfyfong  üon 
Sertfjolb  Sluerbadj,  nmrbe  gleidrfaßS  auerft  im  StolfSfalenber  oon  1861 
öeröffentlic^t. 

5)  Sluerbad)  an  Heller,  12.®ept.:  „SReine  gröfeere^rgä^lung  fomint 
oom  1.  Dftober  an  in  ber  „äölnifdjen  Seitung".    (So  toar  „©belroeife-. 


133.    5ln  SubmtHa  affing,  9.  SRouember  1860.  473 

jahraus  unb  -ein,  unb  wenn  roa$  fommt,  wie  g.  SB.  Don 
©ufcforo,  fo  ärgert  man  ftd)  nur  über  bie  SRo^eit  unb  ben 
böfen  Sßillen  ber  heutigen  Talente. 

©iefer  SBrief  ift  ba$  erfte,  roaS  id)  in  einer  neuen 
2Bol)nung  fdjreibe,  ba  id)  umgebogen  bin.  9Kein  arbeite 
fenfter  ift  3U  ebner  (Srbe  unb  ge^t  unmittelbar  in  eine  SBiefe 
hinaus,  bie  mit  fd)toer  belabenen  Apfelbäumen  bebedft  ift 
unb  eine  fanftc  9tot)öl)e  fytnan  liegt,  hinter  welker  gjeid) 
ber  Dftljimmel  fommt.  ®a  id)  aud)  fonft  anfange,  auf  ba$ 
fonfrete  SebenSroefen  unb  feine  ©djattenjagb  gu  rejtgnieren, 
fo  roerbe  id)  rooi)l  enblid)  einem  anljaltenben  gleifj  anJjeim* 
fallen  an  biefem  gemütlichen  genfter  unb  bie  Stulje  ba 
fudjen,  roo  fte  längft  märe  gu  pnben  geroefen,  nämlid)  im 
Sintenfafj. 

S^re  SBaberei  in  ber  (Slbe  nrirb  bei  bem  fd)änblid)en 
SBetter  rooljl  ein  (Snbe  genommen  Ijaben. 

3d)  münfd)e  Sftnen  einen  glüdtyaften  Umgug  nad)  SBerlin 
unb  bafe  e$  3l)nen  bort  rooljl  ergeben  möge.  Sei  biefer 
Gelegenheit  empfehle  id)  mid)  aud)  einmal  »ieber  Sljrer  grau 
@emal)Iin,  im  gall  fte  meine  2öenigfeit  nod)  in  ber  ©rinne* 
rung  Ijaben  foHte.    ©rüfeenb  ^i)x 

©ottfr.  ÄeHer. 

133.  &n  SufrmUla  £flt*** 

93erel)rteS  Sfröulein!  Sie  ftnb  jefct  gewife  roieber  ein* 
gefyeimft,  fo  bafe  id)  mid)  enblid)  für  Sie  an  ben  ©djreib* 
tifd)  fefcen  lann1).  3^^  8r°6e  §reunblid)feit  ift  eine  Schraube 
ol)ne  @nbe  (um  roieber  „fonberbar"  gu  fein),  unb  man  mufe 


')  8ubtnißa  mar  im  Sluguft  in  3üri$  geroefen. 


474  3üri4. 

ftd)  nur  fputen,  mit  bem  2)anfe  nicf)t  gurütfgubleiben.  2)a£ 
auSgefdjnittene  ©trauten  Don  SSarnfyagenS  £anbl)  freut 
mtd)  fe^rr  unb  id)  banfe  S^ncn  I)erglid)  für  biefe  rafdje  3tuf^ 
merffamfett;  benn  td)  erinnere  mid)  fcEjr  woI)l,  bafj  id)  bei- 
läufig erjagt  fyatte,  id)  Jjätte  feltfamer  SBetfe  nie  eines  Don 
biefeu  Äunftroerfen  gefeljen  unb  felbft,  als  ber  SRciftcr  ber= 
felben  bergleidjen  Dor  meinen  äugen  fd)uf,  fte  au§  JHnberei 
nid)t  3U  fe^en  Derlangt.  sIRöd)te  alles  im  Seben  SBerfäumte 
fo  freunblid)  nadjfommen! 

3Ba8  foll  id)  erft  gu  bem  reidjen  ©efdjenle  ber  fämt* 
Iidjen  Sänbe  ber  „©enfroürbigfeiten1'  fagen?  ©ie  ftnb  Dor 
etwa  gel)n  Sagen  angefommen,  unb  obgleid)  td)  fte  alle  fd)on 
unb  gum  Seil  wieberljolt  gelefen,  fo  liegen  fte  bod)  feit  ber 
Seit  auf  meinem  Sifd)  unb  galten  mtd)  mit  iljrem  reiben 
unb  fdjöngeformten  Snljalt  Don  ber  Arbeit  abr  fo  bafe  td) 
fte  näd)ften§  werbe  wegfteHen  muffen. 

©afe  3^nen  bie  Äalenbergefd)id)te  nid)t  gang  mißfallen 
l)at,  beruhigt  mid)  ein  wenig;  benn  id)  weife  rool)lf  bafc  fte 
nidjt  in  Sljre  gierlid)  gebofynte  ©amenftube  pa&t*).  ©od) 
fommt  eö  3f)nen  gut,  bafe  id)  fein  ©tubent  bin,  bei  welken 
ba§  ©onberbarpnben  Sufd)  ift  unb  mit  einer  gforberung 
beantwortet  wirb8).   Übrigens  ift  fte  mir  Don  2luerbad)  etwas 


l)  S)er  öon  Stornfjagen  auSgefdjntttene  ©Utmenftraufj  ift  im 
9Rad)ta&  noef)  öorfyanben. 

3)  ÖubmiHa  an  fleHer,  30.  Stoö.  1860:  „gfir  mid&  fott  baZ  un« 
gefäfyr  fotriel  feigen,  ba§  mein  ©etft  unb  mein  ©efüfyl  in  biefe  gierig 
gebofynte  £)amenftube  eingefperrt  fei,  in  ba&  ©eroofjnte,  ba&  £ergebrad)ie, 
ba$  e§  ifjnen  an  tfraft,  an  glügeln  feljle,  fid)  aufruft  wtngen  unb 
weit  über  biefe  geboljnte  £)amenftube  ju  ergeben11. 

3)  gubmtUa  fyatte  ba&  „gäbnlein"  eine  feltfame,  fonberbare, 
eigentümliche   ©efdjidjte   genannt,   unb  fdjrieb  in  iljrem  8rief  Dorn 


133.   Sin  Submtüa  gffing,  9.  ÜRouember  1860.  475 

befdjnitten  worben,  ber  jejjt  woljl  in  Serlin  fein  wirb. 
Sßemt  er  fid)  in  S^re  rabifale  9Za^e  wagt1),  fo  griifeen  @ie 
il)n  gütigft  oon  mir.  2)ie  (Srjäfylung  l)at  mir  aud)  bie 
©unft  beS  £erm  öon  Gotta  gugewenbet,  weldjer  mir  gang 
woljlwollenb  barüber  fd)rieb,  nadjbem  er  mid)  burd)  einen 
©ritten  Ijatte  fragen  Iaffen,  ob  id)  nidjt  an  baS  Heine 
©djillerfeft  auf  bem  SSierwalbftätterfee  ginge  unb  ifym  eine 
€ad)e  baüon  in  fein  „SHorgenblatt"  madjen  wolle?  @o 
»erben  @ie  benn  in  einiger  Seit  meine  Abenteuer  jenes 
fd)änen  StageS  (e$  mar  wirflid)  feljr  l)fibfd))  bort  lefen  fönnen9), 
lauter  SftooelIenabl)aItungen. 

3d)  (jabe  lejjtl)in  aud)  politiftert,  inbem  id)  mid)  in 
eine  SBaljlbewegung  hinein  üerfü^ren  liefe,  um  einige  fdjlaffe 
unb  frieg£fd)eue  ©ef eilen  aud  bem  SRationalrat  I)inau$gu* 
mahlen.  S)ie  QüTfyzx  offizielle  SBelt  naljm  unfern  ©djerg 
aber  als  einen  Singriff  auf  fie  felbft  auf  unb  entbot  allen 
ifyren  Gräften,  fo  bafc  mir  giemlid)  aufs  £aupt  gefdjlagen 
würben.  3d)  ^atte  ben  9Jtanifeftfd)reiber  babei  gemad)t  unb 
mir  baburd)  ba$  „SBebauern"  ber  £od)tnäd)tigen  gugegogen. 
25a$  Sebauern  ärgerte  mid),  unb  id)  öerwanbelte  es  burd) 
eine  Steige  Don  Seitungäartifeln  in  etwas  ©olibereS,  namlid) 
in  £afe  unb  Som,  ber  ftd)  moljl  mieber  legen  wirb.  3>n* 
beffen  l)abe  id)  bei  bem  Keinen  ©traufee  einige  gute  (Sr* 
fa^rungen  unb  Beobachtungen  für  mein  £anbwert  gemacht, 
fowie   einige   angenehme  fleine  Steifen   an   frönen  £erbft* 


30.  fflot).:  „Scner  ^Begriff  [fonberbar],  roenn  er  nidjt  fd)on  ejriftierte, 
Ijätte  cigcnS  auf  ®ie  erfunben  ©erben  muffen". 

')  w$luerbad>  —  fd)retbt  Öubmilla  —  foU  in  meiner  ©tra&e 
rooljnen,  Ijat  mid)  aber  nod)  ntdjt  aufgefudjt." 

3)  „21m  SJtytyenftein." 


476  3«ri$. 

tagen,  um  mit  bat  SBüfylern  anberer  Orte  gufammengu* 
treffen. 

3d)  öerlebte  aud)  einige  angenehme  Sonnentage  in  Eugent, 
tno  td)  mit  alten  greunben,  bie  td)  lange  nid)t  fal),  im  freien 
unter  ben  gelben  Säumen  etliche  glafdjen  gelben  SBeineS 
tranf,  bod)  oljne  ©efäfcrbe.  6$  mar  fefjr  gemütlich,  ba  alle 
Souriflen  oerfdjrounben  finb,  Ieiber  aud)  bie  Souriftinnen  (um 
mid)  nod)  rechtzeitig  ber  ©alanterie  gu  befleißen),  ©agegen 
beobachtete  id)  in  Sugern  faft  lauter  l)übfd)e  SBirtSfrauen, 
moju  e$  aber  ber  Sofalfunbe  meiner  Sdannten  beburfte. 

©er  grau  £eroegl)  ^atte  id)  %fyrm  ©rief  ftraefe  ge- 
braut; fie  mar  feljr  üergnügt  barfiber,  beneibete  6te  aber 
um  bie  golbenen  ©cfylo&oblaten1).  Sie  lad  mir  einen 
rityrenben  unb  httereffanten  ©rief  Don  2ub»ig  §euerbad)  oor, 
ber  gang  arm  gemorben  ift  unb  feine  langjährige  2Bol>nung, 
@d)Iof$  Srudfberg,  ba$  ©rbe  feiner  grau,  Derlaffen  mufcte, 
ofyne  redjt  gu  miffen  mofyin.  Srofc  ber  unüerfennbaren  Älagc 
ift  ber  Stil  be3  l)immelftfirmenben  ftyilofoptyen  bennod) 
mfirbig  unb  trofcig. 

9hm  weift  id)  nid)t§  meljr  unb  nmnfdje  Sftnen  einen 
oergnfiglicfyen  SBinter,  inbem  id)  3f)nen  nochmals  für  ade 
2Sot)ltl)aten  banfe.  ©den  Sie  fleißig  im  ■ftadjla&bergmerf') 
unb  fommen  @ie  näcfyften  Sommer  mieber  mit  ber  roten 
5eber  auf  bem  £ut!    3f)r  ergebender  unb  untert^änigfter 

Sürirf),  ben  9.  Wo».  1860.  ©ottfr.  Äeßer. 

* 
Salb  roieberum  ein  3aljr  uerf djrounben ! 

*)  Oblaten,  bie  ein  23ort)ängefd)loB  barfteüen,  beren  jid)  8ubmiüa 
bebtente. 

3)  2$arnf)agen3. 


134.   Sin  Subimfla  8ffing,  £tmmelfa$rtdtag  1861.  477 

3d)  will  mid)  nid)t  lange  ^erauSbei&en ,  bafe  Sie  in 
3^rcr  ©üte  Deranlafjt  finb  groeimal  an  mid)  gu  fdjreiben, 
e^  id)  einmal  an  Sie.  3d)  bin  eben  biefe  Qdt  Ijer  etwas 
forrefponbengmübe,  ba  id)  meine  ©ebanfen  für  anbere  Singe 
gufammengenommen  (jabe,  unb  ba  finbe  id),  man  fott  ftd) 
gu  nictjtö  gnringen  unb  aud)  hierin  ftd)  geljen  laffen  fönnen, 
ol)ne  gu  Ijeudjeln  ober  ftd)  gu  entfd)ulbigen. 

Snbeffen  banfe  id)  3f)nen  boppelt  für  3^e  neue  3"5 
fenbung  unb  SBermefyrung  meiner  §reunbfd)aft§bibHotf)ef. 
Sie  SBriefe  3ftaljel*93eit  ftnb  mir  feljr  intereffant  unb  furj* 
»eilig,  obgleid)  mid)  bie  übertriebene  £aarfpalterei  im  SBaJjr* 
fein,  @egenfeitig*33erftel)en,  im  ©enfen,  SBiffen  2C.  djoficrt. 
3d)  glaube,  biefe  Slrt  SujcuS  in  tugenbljaftem  ©djarfftnn 
ober  fdjarfftnniger  Stugenbljaftigfeit,  fo  breit  ausgehängt, 
ift  jübifd)  unb  Ijat  bie  gleidje  Quelle,  toie  bei  ben  orbinären 
3uben  ber  2u;cu$  mit  ©djmucl  unb  fdjreienben  färben. 
SBobei  natürlid)  anerfannt  »erben  mufi,  bafa  roie  biefe  lefctern 
baS  @elb,  fo  bie  erftem  ben  nötigen  (Seift  gu  i^rem  SujruS 
Ijaben;  aber  „bon  tona  iff$  md)t,  um  mit  ben  jungen  Seut* 
djen  gu  fpredjen.  3d)  t|abe  inbeffen  erft  ben  erften  33anb 
burdjgangen. 

®a$  33örnefd)e  Sriefbud) l),  beffen  Verausgabe  id)  ber 
gleiten  £anb  gufd)reiben  mufe,  obgleid)  Sie  fefyr  biploma- 
tifd)  bamit  umgeben,  Ijabe  id)  oerurteilt,  el)e  id)  e«  gelefen 
fyatte.  SSieber  einmal  ein  unfertiger  SBengel,  ber  eine  ältere 
$erfon  mit  einer  oermeintlid)en  fieibenfdjaft  fontpromittiert 


*)  ©riefe  be§  jungen  ©örne  an  Henriette  #era  1861. 


478  3iknäf. 

ober  langweilt,  nnb  bie  forglidp  (Sinbalfamiennig  fotdjer  frlege* 
Iri,  badjte  id).  9hm  id)  ba£  9üd)Iehi  griffen,  bin  id)  bod) 
frol),  baB  e3  fpranögefommen;  beim,  rote  bie  SBombe  fagt, 
tft  e3  Sörne  faft  auf  jeber  6eite,  nnb  bie  £iebe£gefdpd)te, 
roddjeS  jebenfaUä  eine  franfl^afte  ober  unreife  Sffaire  ift, 
nimmt  am  6nbe  nid)t  fo  nid  Sannt  im  Sejrt  ein.  Sie 
€d)ilbenmg  ber  äteilfdjen  2Bhrtfd)aft  in  &aüe  tft  lofHid), 
nnb  fo  nod)  mand)e$.  34  l*K  f^r  mein  Seben  gern  Sörne« 
fd)e  Sriefe,  nnb  memt  fte  oon  nichts  fyanbdn. 

3d)  ^abe  f oeben  jnm  Kaffee  ben  gtoeiten  Seil  ber  anbern 
Sriefe  aufgeschlagen  nnb  finbe  glrid)  ben  erften  ber  SRaW 
fet)r  bebentenb  nnb  SRefpeft  einflöfeenb.  8Ba§  bie  än§ere 
gönn,  ben  Sargon  nnb  bie  befagte  Aummeljpaltem  biefer 
Sriefe  betrifft,  fo  mnfc  man  freiließ  bie  3***  rodtf  ***9*fKn, 
in  melier  fie  gdd)rieben  mürben. 

3d)  laffe  Stein  feierlich  gnifeen,  weil  er  üon  mir  ans* 
breitet,  id)  fei  fleißig').  Sn  SRfindjen  Ijat  man  ausgebreitet, 
id)  fei  ein  Snmfenbolb  geworben  nnb  ganj  fyenmtergrfommen. 
9Ran  fagte  mir.  id)  muffe  imbefaimte  gute  fSfreimbe  in  meiner 
9?ä!)e  f)aben,  roeldje  berglridjen  Singe  nad)  S>eutfd)lanb  be* 
richten. 

55er  9Jlabame  £eraegf)  Ijabe  id)  3fr  VaW  felbft  über* 
bradjt  unb  bafür  eine  Sig^e  mit  üfv  raneben  bürfen. 

©tne§  nimmt  mid)  rounber  an  ber  Stapel,  ba§  fie  fo 
Diel  flagt  unb  fid)  unglüdflid)  nennt.  €§  fd)icft  fid)  nid)t 
ju  ber  übrigen  Überlegenheit  unb  $!)ilofop!)ie.  gmlid)  finb  bie 


')  Submilla  an  Heller,  13.  «pril  1861:  „£err  €tein  [oon 
©umbinnen],  ber  jefct  t)ier  ift,  meint,  6ie  mären  fe^r  fleifeift  nnb 
alleibings  märe  mir  bk$  nod)  ber  angene&mfte  ©runb  3bre&  Sttdjt- 
fdjreibens." 


134.    2ln  Submtüa  Sljftng,  £tmmelfa$rt8tag  1861.         479 

SHenfdjen  fo  ftitpib,  bafc  man  enblid),  in  Slugenblicfen  bcr 
@d)wäd)e,  felbft  jagt,  bafc  (Sinem  was  fel)lt;  unb  faft  alle 
ftnb  fo  gebanfenloS  neibtfd),  bafj  fte  jeben,  bcr  gu  fdjweigen 
weifc,  gleid)  für  einen  gemachten  TOann  galten  unb  wot)l 
gar  glauben,  man  effc  Ijeimlid)  Äudjen. 

6$  ift  f d)abe  f  bafe  bie  Stapel  nid)t  meljr  mit  eigent- 
Iid)  probufttoen  9Ketftern  in  fold)e  anbauembe  Sriefübung 
gefommen  ift;  fte  würbe  baburd)  Don  bem  formlofen  (obgleid) 
tiefftnnigen)  ©rübeln  abgezogen  unb  an  ein  lebenbigereS  @e* 
ftalten  gewöhnt  worben  fein  fdjon  in  il>rcr  Sugenb;  b.  I). 
wenn  fte  wirflid)  'was  annehmen  ober  werben  wollte,  ba& 
fte  anbern  banfte;  was  ju  bejweifeln  ift;  benn  gulejjt  breljt 
ftd)  bei  iljr  alle«  um  iljr  perfönlid)e8  2)en!gefül)l.  SRun,  fte 
barf  jtd)  aud)  fo  fe^en  laffen! 

3d)  Ijabz  feit  einigen  Monaten  angefangen,  oon  meinen 
neuen  ober  balb  ungebrueft  alt  geworbenen  ©adjen  oorju* 
Iefen,  fo  ba$  id)  balb  ein  wahrer  Sßalleafe  fein  werbe.  9lad) 
einigen  @eftd)tern,  fo  bie  ©amen  bagu  gefdjnitten  l)aben, 
bürfte  3^  Äriterium:  „fonberbar!"  wieber  in  3lnwenbung 
fommen1).  galten  6ie  mir  baS  Sßort  bafyer  ja  red)t  t)übfd) 
parat,  bafa  e§  gleid)  jur  £>anb  ift,  wenn  ber  @d)ufe  loögeljt! 

3t)r  ergebender 

©ottfr.  Äeüer. 

ffiiefer  33rief  würbe  f djon  oor  jwei  Sßodjen  gefdjrieben ; 
id)  wollte  einen  anbern  machen,  ba  er  mir  nid)t  gang  ge= 
pöbelt  erfdjeint,  lomme  aber  nid)t  baju;  benn  id)  fyabt  alle 


')  Submifla  an  fetter,  29.  3uni  1861:  „2)a§  ©ort  ,fonberbar' 
fdjeinen  ©te  gar  ntd&t  uergeffen  ju  fönneu,  unb  beinahe  fönnte  id) 
glauben,  @ic  rofinfd&ten,  bai  id)  gerabe  btefeS  auSfpredje." 


480  3üri$. 

£änbe    voü  gu  tljun.    @o  fdjicfe  id)  bennod)  enblid)  ab, 
bamit  Sie  mir  nur  nidjt  Urfeljbe  fdjmören. 
^immelfa^rtötaQ  1861. 

3d)  fijje  beim  fd^önften  SBetter  gu  £aufe  unb  fd>reibe, 
f treibe,  f treibe! 

135«   11»  inbmiä*  £fft**  **  # tvliu. 

3ürid>,  ben  17.  3uni  1861. 

SBereljrtefteS  gräulein!  ©ie  Ijaben  fdjon  roieber  feurige 
Äof)len  auf  mein  £mupt  gefammelt  unb  mir  ein  neues  Sud), 
ben  „©enfc",  gefdjenft1)-  Süif  bie  ©efa^r  fyin,  bafe  Sie  biefer 
Srief  nid)t  meljr  3U  £aufe  trifft,  mu&  id)  Sfanm  &<>d)  nod) 
für  bie  intereffante  ^ublifation  meinen  ©anf  abmatten;  e$  ift 
ein  fefyr  leljrreidjeS  Queßenroerfdjen,  baS  freiließ  feinem  8uf* 
bemaljrer  unb  Söeröffenilidjer  jum  Soljn  allerlei  Unbilb,  g.  S. 
in  ber  f,2Wg.  äugäburger  Bettung"  gugegogen  Ijat,  wie  wenn 
er  fd)ulb  an  ©engend  ©ünbtyaftigfeit  geroefen  märe.  Smmer^in 
liegt  etmaS  2Barnenbe§  in  folgen  @rfd)einungen,  meldjeS  und 
fagt,  bafe  mir  mit  unfrer  greunbfdjaft  befdfyeiben  unb  ofono» 
mifd)  ocrfafyren  unb  nid)t  nad)  blo&em  ©lang  unb  8u8ge* 
breitetet  unferer  33efanntfd)aften  jagen  f ollen,  wenn  wir 
nid)t  in  eine  TOenagerie  hineingeraten  wollen. 

TOit  ben  3ftal)el--33eitfd)en  Sriefen  l)abe  id)  mehrere  ©amen 
beglüdtt,  meldje  jte  über  bie  SJtafeen  pbfd)  fanben,  fo  g.  33. 
bie  sBiabame  SBefenbondE,  bie  ©önnerin  ©agner«,  in  ber 
f)übfd)en  23iHa,  ber  Sie  ftd)  trielleidjt  erinnern.  9Rir  Ijilft 
baS  nid)t  Diel;  benn  id)  Sünber  mufe  befennen,  bafc  id)  nie 

!)  Jr.  Don  ©enfc,  lagebüdjer  1861. 


135.    3tn  SubmWa  «ffing,  17.  Sunt  1861.  481 

fo  red)t  furje  SBeile  Ijabe,  fo  oft  td)  aud)  baS  Sud)  öor* 
neunte,  id)  mag  nod)  fo  anbäd)tig  anfangen  ju  Iefen. 

£err  Stein  Ijat  neulid)  einen  mi&mutigen  Srief  an  bie 
£erroegI)S  gefdjrieben,  laut  roeldjem  es  i^m  nidjt  jum  beften 
meljr  in  Söerltn  gefiele. 

3d)  Ijabe  nid)t  Seit, .  Diel  SriefjeugS  ju  machen;  id)  bin 
fdjrecfltd)  prefftert  unb  mufe  SJianuffript  anfertigen;  faum 
»eife  id),  »o  e$  oormeg  (jinfommt.  3d)  befanb  midi)  einige 
2Bod)en  fdjledjt  unb  geriet  baburd)  in  SRüdfftanb,  fo  bafc  id) 
in  ben  fdjönen  Sommer  hinein  arbeiten  mufe  roie  gemöljnlid). 

©affir  münfdje  id)  3I)nen  bie  befte  SReife^eit;  Sie  »erben 
jefct  rooljl  im  3luf  brechen  jein  mit  S^rer  roten  geber1).  8lfo 
bon  voyage  et  potage,  »o  Sie  nur  Ijinfommen  mögen! 

2HleruntertI)ämgft  grü&enb 

3^r  ergebender 

@.  Adler. 

©outen  Sie  mid)  je  mit  einem  Schreiben  roieber  be» 
eljren,  fo  erfparen  Sie  ftd)  bod)  bie  ausführliche  Slbreffe  mit: 
„Äüljgaffe,  ?$frauenlob"  2c.  *c;  all  ba3  ift  nid)t  nötig,  f ^reiben 
Sie  einfad)  „in  Sund)"  ober  l)öd)ften$  nod)  „in  Rötungen 
bei  Sfiric^'! 


l)  Submifla  an  tfefler,  31.  Dft.  1872:  „3$  glaube,  autoeüen 
läuft  auä)  ein  toenig  ÜRaltce  in  3*)re  gro&e  ©fite  gegen  mid)  mit 
unter;  aber  es  tfyut  nichts.  Sunt  ©eifpiel,  toaS  bie  rote  geber  betrifft, 
bie,  n>ie  id)  erft  otel  foäter  erfuhr,  Sie  nie  leiben  fonnten.  Sä)  ^dbt 
beS^alb  and)  feine  roieber  getragen.  2lnftatt  ber  roten  Seber  trage 
ia)  jefct  meine  grauen  £aare,  bie  letber,  tote  id)  fürchte,  noa)  weniger 
SluSfWjt  auf  3*)ren  IBeifaH  Ijaben  fönnen.* 


©ottfrieb  SttUtt.   II.  81 


Juliane. 


5.  £n  3krßn. 

3u  &.  12.    Oottfrieb  Äetter  ttber  ^otteÄfe1). 

©mil  $alle§fe, 

welker  in  ben  na$ftett  Sagen  in  3ürid>  eine  feiner  Vorlefungen  ju 
galten  gebenft,  ift  als  IBcrfaffer  be8  fronen  $u$ed  „©d&iHerS  Seben 
unb  SBerfe"  ben  tyieflgen  Sitteraturfreunben  wotyl  föon  befannt  unb 
wert  genug  geworben;  ift  ja  bie  Seit  nocfy  ni$t  fo  fem  hinter  und, 
wo  jenes  3Bu<$  in  rafcfy  errungener  33erü$tnttyeit  unb  Verbreitung  mit 
£ewe8  Men  ©oetyeS  wetteiferte. 

Sunt  erftentnal  aber  tritt  und  SßaHeSfe  nun  in  feiner  $aupt> 
ty&tigfeit  a!§  funftgewetyter  unb  genialer  Vorlefer  nafye,  nacfybem  er 
langft  in  allen  ©täbten  be$  Sorbens  ein  ftetä  $erjli<$  empfangener 
©aft  geworben  ift,  unb  ba  erfcfyeint  ed  und  als  eine  wiflfommene 
Sßfli<$t,  tym  ein  warmes  Söort  ber  ©mpfetylung  vorangehen  ju  laffen. 
SDer  (SntwidHungSgang  biefer  ßünftlergeftalt  ma<$t  in  ber  3$at  einen 
eigentümlichen  (linbrucf.  3n  feiner  3ugenb  begabter  unb  eraft  auf- 
ftrebenber  ©<$aufpieler  eigenfter  SBafyl,  ficfy  mit  bramaturgifd&en  ©tubten 
unb  arbeiten  burcfybilbenb,  3)i<$ter  einer  magigen  3a$l  t>on  ©<$au« 
fpielen,  welche  burdfc  Söatyl  be8  ©toffcS ,  ©eift  unb  gorm  gleich  fetyr 
fein  ibealeö  ©treben  beurfunbeten,  wie  „SU^iHed",  „93raut  uon  Äorinty", 
„SJhmtmouty"  unb  „ßromwett",  unb  bie  an  S3ebeutung  weit  über 
Dielen  populär  geworbenen  3ugftücfen  neuerer  3)ramatiter  ftefyen,  al8 
Verfajfer  bed  ©ctyillerbucfyeö  glanjenber  unb  glücflicfyer  ©<$riftfteHer, 
wenbet  er  fi$  immer  wieber  beut  SRbapfobenberufe  ju  unb  beföranft 
fi$  barauf,  aUe  ^Begabung  unb  3)ur<$bilbung  mit  tyingebenber  Reiben* 
fc^aft  bem  Vortrage  ttafftföer  38erte  ober  aufmunterungswerter  £er« 
tjorbringungen  ber  üflitlebenben  gu  wibmen,  aUe  gfreube  unb  (5$re  nur 
bann  fu$enb,  feine  ^orer  für  bad  @$6ne  unb  6ble  ju  gewinnen  unb 
ju  erobern. 


')  „fteue  3ür$er  3ettung"  9Hr.49ö.  SDonnerftag,  ben30.@ept.  1875. 
3weited  Slatt. 


486  Strang. 

©$  tft  un$  ber  &benb  no$  in  lebenbiger  (Erinnerung,  al$  t?or 
Sauren  SßalleSfe  im  ©aale  beß  ©ngliföen  £«ufe$  ju  Berlin  ©$afe« 
fpeareS  „Söintermar^en"  »orla§  unb  unter  bem  gewallten  8ubitorium 
eine  3&W  älterer  Ferren  fid?  befanb,  weld&e  Siecf  unb  poltet  no$  Ratten 
lefen  tyoren  unb  ben  Jungen  5Wann  fofort  als  ebenbürtigen  ftottbilbxux 
ber  eblen  &unft  begrüßten.  „<Da$  2öintermar<$enÄ  gehört  ju  jenen 
©tücfen  @fyatefpeare$ ,  welche  t>on  jenen,  bie  bur<$  bie  tyarmlofen  unb 
unföablicfyen  Söefunbungen  ber  ©tyafefpearomanen  immer  fo  fc^recflid^ 
geklagt  unb  beunruhigt  ftnb,  wofcl  auä)  als  altenglifetyer  3opf,  unge- 
nießbare* 3eug  u.  f.  w.  begegnet  werben.  818  nun  aber  SßaüeSfe 
feinen  Vortrag  begann,  war  e$,  wie  wenn  ba$  €>onnenli<$t  ein  alted 
gemaltes  &ir$enfenfter  gu  erhellen  beginnt;  mm  @gene  gu  ©jene  m- 
breitete  ftd>  ber  ursprüngliche  ©lang  unb  lieft  baS  Söerf  au$  bem  legten 
33efc$auer  ober  »telmetyr  £örer  als  ein  wo$lgeuta<$te3  unb  wotylgefyaneS 
erf  feinen. 

üttancfyem  etwas  plan  angelegten  ©emüt,  bem  baS  fülle  hinein* 
lefen  in  bie  alte  SDt$tung  allerbingS  ungewohnt  unb  fäwierig  »orge- 
fommen  war,  würbe  biefelbe  nun  bo<$  aufgetyan  unb  gu  einem  neu 
erworbenen  ©ut. 

©eityer  $at  (Smil  ^alleSfe  fein  friebity  leutyenbeS  &$t  weit 
tyerum  unb  bis  tief  na<$  9fhißlanb  hinein  getragen  unb  überall  bie  bur$ 
bie  beutf(^e  Sprache  ©erbunbenen  ju  reinem  ©enuffe  um  fi$  »erfammelt, 
unterftüfct  bur<$  eine  immer  gleich  frifc^c  unb  liebenSwürbige  $erfon« 
li^feit. 

38ie  wir  foeben  aus  ber  Snfünbigung  einer  erften  SSorlefung  auf 
bem  SRübenfaale  erfetyen,  wirb  biefelbe  Fragmente  auS  roföiebenen 
3)i<$tern  unb  SMd&tungen  umfaffen,  waS  ein  raf($eS  Drientieren  in  feiner 
fömft  unb  &rt  gewig  nur  erleichtert.  2ßtr  hoffen  aber,  eS  werbe  tym 
burd)  üoüe  Seilnatyme  bie  ©orfüfyrung  eines  größeren  ©anjen  nabe 
gelegt  unb  überhaupt  ein  nid>t  gu  turjer  9lufentyalt  beliebt  werben. 

©.Ar. 


3u  ©.  16.    ©ottfrieb  Äetter«  bramattfe^e  Entwürfe. 

1.    3)ie  glücfytlinge. 
(1844.) 

(Srfter  Slufgug.    (Srfte  ©jene. 

5)ic  ©egenb  tft  ein  bunfler  ©icfyenwalb,  welker  einen  großen,  mit 
Teerofen  unb  anbern  SBafferpflanjen  bewacfyfenen  $eic$  umf$tief}t. 
üflefyrere  £oljwege  führen  an  ben  $ei<$,  über  ben  tyinauS  man  bur$ 
eine  2Balblü<fe  bie  offene  8anbf$aft   ober  trielmefyr  eine  graue  SRebel* 


3)ramatif($e  (gnhoürfe.  487 

anb  fle$t,  toelc^e  biefelbe  bcbcdt.  ©8  ift  ein  gelinber  Sfcegentag. 
>$*>inb,  IBIetc^  unb  3)at>ib  tommen  batyer  gefölenbert  in  abge* 
labten  Kleibern.     (Sd&toinb  (fingt  mit  tonlofer  jitternber  (Stimme): 

Unter  meiner  fünften  [Rippe 
$>a  fd>lug  einmal  ein  #**$; 
SSo  $uft  unb  Hoffnung  grünten, 
gerinnt  nun  ein  ga^er  ©<$merj. 

2Retne  &ugen  finb  abgetragen, 
3$  fc^  feine  gfarben  me$r, 
Unb  biefe  IBaume  t>erf$ttnmmen 
3n8  ©raue  um  mi$  $er. 

SDic  ©tröme,  ba§  üfleer  unb  bie  IBerge 
©eranbern  fldj  {eben  Sag, 
2ßer  weife,  u>a$  mit  biefer  (5rbe 
3M3  morgen  gef$e$en  mag? 

m  ift  bo<$  afleS  eitel, 
Sterrau^t  unb  verblutet  fetynefl! 
Stödjt  watyr?    9M$t  toatyr,  o  ©alomon, 
2)u  wunberli^er  ©efefl? 

D  we$,  o  wety!  bie  %ibtl  ift  gerbroetyen! 
!Der  junger  ift  ein  fd^led^ted  ©eigenfyarj, 
Unb  meine  Äefyle  ift  verbrannt  unb  Reifer! 

Sbltiä).    fyantf  beine  gfibel  auf,  SDu  fcr)Iec^ter  S3arbe, 
Unb  binbe  Söürfte  gu  mit  beinen  (Saiten! 
2)enn  bein  ©efyeul  werft  mir  im  3ku$  ba§  ©rimtnen, 
Unb  biefer  Salb  ift  and)  fein  Dpernfaal. 
$ein  ©ogel  fingt,  bie  ©traute  finb  »erwafetyen, 
2öte  traurig  biefe  tropfenb  naffen  Sieben! 
2)er  @<$ierling  wuchert  tyamifö  über'n  33oben, 
SHe  33rombeerftaub,  rifct  f^lingenb  meinen  Srufe, 
Unb  auf  unreifen  ^Beeren  Hebt  ber  ©auefy. 

(S>$tt>inb.    Unb  biefe  $ßfü^c  tyier,  wie  melancfyolifö, 

2öie  unbur^bringlicty  »ed&fdfrwarj  ift  ba3  Söaffer! 
£a$  tnufj  ein  garftig  tiefed  So$  vooty  fein. 

Daüib.        3$  toetg  bie  3eit,  wo  wir  mit  wilbem  3ubel, 
ÜRit  glötenflang  ben  fronen  Söalb  bur^ftreiften 
Unb  mit  ben  Regeln  um  bie  9&tite  fangen. 


488 


Stntyang. 


$lei<$. 
SDaöib. 


€>cfywinb. 

meid). 

@$winb. 


$)o<$  festen  bamatö  bie  ©onne.    6'  war  am  befien, 
9Ran  fc^lüg1  un§  tot,  beim  wo  wir  ge$n  uttb  ftefcen 
Vergiften  wir  bie  fyerrltdje  Statur. 
5)er  kleine  wirb  rabiat, 
«ift  bu'S  nidfrt  föon? 
((Sie  werfen  fidp  in$  naffe  ©ra$  am  SRanbe  *>e$  2öaffer3.) 

@d>wirib.    «Da  jlnb  wir  nun! 

2ßie  ©fei  an  bem  IBerge. 

md)  bünft,  id)  $ab*  wa3  38i<$tige3  entbeirr. 

3tcr)'  lo§  bamit!    Sefct  tonnen  wir  eö  brausen. 

3Me  Srmut  mit  bem  junger  ift  von  allen 

2)en  e$rli(fyen  ©ebre^en  bo<§  bie  größte 

Unb  iammerlid&fte  Dual,  bie  au$  nur  ntdjt 

SDen  fleinften  9tei$  für  einen  9Jfenfc$en  tyat. 

D  junger,  junger!    laubiger  5ß$üiftcr, 

2)er  fcfyommgSloS  bie  arme  ©eele  quält, 

S)a3  Renten  tötet  unb  bie  9J?ann$eit  bricht, 

3)a3  #er$  auSfaugt,  ben  ©tolj  mit  grüben  tritt! 

SXe  8rmut  ift  ein  guter  ©eifteöbünger: 

SBenn  t&glidr)  man  ein  gut  @tücf  natyrtyaft  ©(tywarjbrot 

©ang  ficr>er  $eimli$  wo  oerjetyren  fann, 

2)a  lagt  ft$  ber  SRoman  gemä$li(fy  (vielen; 

£)o$  jeben  borgen  wie  ein  wilber  4?unb 

9ta<$  feiner  Sfcafyrung  burefy  bie  (Straßen  ge$nf 

9m  brüten  Sag  oiefleid&t  ben  $no$en  finben, 

3)er  wieber  auf  brei  Sag'  un$  friften  !ann: 

£)a§  bricht  ben  SJhit,  ba3  nimmt  bie  $oefte. 

^3Ieidr)  (bricht  in  ein  ®elä$ter  auö). 

3)a8  bie  (Sntbecfung!   D  gepriefner  ©eift, 

25er  au$  bem  junger  folgen  $ontg  jietyt! 

(Btty,  fef)t!    <Da  fommt  ber  &au$,  nadjbem  er  täglia) 

©ein  (5rbe  fliegen  lieg  narf)  allen  SÖinben 

Unb  fyeult  und  anbern  armen  Teufeln  nun, 

3)ie  in  ber  8rmut  SEßinbeln  finb  geboren, 

(Sin  Sammerlieb  oom  grauen  junger  »or! 

2)u  fommft  mir  fpa$aft  oor! 

3)a§  eben  ma$f  3, 

2)a&  icfy  baö  (Slenb  boppelt,  bretfac^  fityle, 

Söeil  id^'ö  t>erglei$en  fann  mit  all  ben  leeren 

Erträumten  tfümmernijfen  jener  getten, 

3)ie  mager  werben  au3  erftitftem  @$rgei&, 

SReligiöfen  3»eifeln,  fyojfnungSIofer  fciebe, 

Unb  benen  bie  Sßtyilofcüfyie  ben  SRagen 


€><$winb. 


Siamarifdje  Sntmürfe. 


Sterbnrb  unb  bie  auS  langer  SBeile  balb 

Sidj  Rängen  »ürben,  bitten  |ic  ihr  Selben 

3ur  fteten  fiurjmeil  ni<fct!  —  Sei  bu  tJJoet, 

Sei  $tlb,  (ei  Meformator,  Sßietii't, 

©ei  Äünftler,  Ätieger,  Sauer  ober  Sdjufter: 

€>'  ift  aul  mit  bir,  fobalb  baS  Orot  ausgebt 

Unb  nidji  tneb,t  tomint.     £u  blribjt  nun  allem  ntdjtS 

SIS  ein  jerfnirfdjter  bummer  .pungerjdjlutfer, 

@in  Spott  bei  JBelt,  bir  felbft  jui  ftberlaft. 

3 1  e  t  rtj.         £er  junger  madjt  bie  dtroolutionen. 

Stijreinb.     Sie  grünfcltrfjften  niefleidjt  —  bca)  nur  beim  Seit; 
llnS  anbem  ift  er  eine  £iunbepeirfd)e, 
'Utit  melier  ber  Sijrann,  bei  liebe  Staat, 
Uni  Öberläfrige  com  $alfe  treibt, 
Unfdjäblid)  madjt.     Sie  haben  mir  geft ritten, 
ajtit  frifdjem  2Rut,  mit  ftete  gefölifftiem  fcobn, 
SGerlai^t  bie  $oltjei,  im  lurm  gejungen! 
Sie  gludjt  war  uns  ein  njabres  §odjjeitIeben, 
©e  lange  wir  'nen  59ed)er  tü&len  SBein, 
'Sien  treuen  greimb  unb  was  ju  beiden  Ratten. 
Sa  baben  fie  und  lünftlid)  ifoliert, 
S)aS  ©rot  genommen,  bie  $biliftertbre. 
SBaB  finb  mir  nun?    Sin  paar  wrlorne  fiumpen, 
Sie  nimmer,  nimmer  fieb  erholen  (finnen. 
Sie  Sßnlittf  ift  auS,  mir  finb  gejä^mt! 

ileicb.         34  ni$t,  ebmcbl  id>  aud)  ju  ©raub  gerichtet, 
SCüeil  überhaupt  bie  Hoffnung  ift  Berieten. 

Dauib.        Set  ©djminb  fpridjt  mie  ein  ©djuft  unb  reie  ein  6fel 

^djroinb.     3<b  iiebine  bir'9  niiht  übel,  armer  Junge, 

Seil  irf)  tidj  mit  mir  in  bie  $atfd)'  gejogen. 

Danib.         (£l  panbelt  ftdj  biet  gar  nid)t  um  bie  $atfd)e. 
SuS  biefer  mären  wir  wobl  oalb  berauS, 
Senn  mir  in  unS  ben  reihten  Äompaf)  bitten; 
©8  hantelt  jid>  uielmebr  um  iHetfjt  nnb  Unrecht, 
llnb  mädjttg  [tetgt  in  mir  bie  'Jlhnung  auf, 
Safj  mir  am  ßnbe  nidjt  bie  Seute  finb, 
Ser  guten  Sadje  auf  ben  grünen  Sweig 
3u  belfen. 

Jlefdfr.         Setter,  Sauüt,  fpri<$  nur  meiter! 


490  8n$ang. 

2.  (5tn  »aterlanbifcfyer  ©d&wanf. 

(c.  1846.) 

3)er  SRarftplafc  einer  alten  @$u>etgerjtabt  tjt  mit  papiernen  greifen, 
bergen  unb  mit  einer  papiernen  3»inguri  betoriert.  3ut  SBorgrunb 
lehnen  biefe  3)e!orationen  an  ben  alten  föwargen  Rufern.  3m  hinter» 
grunbe  fd&aut  bie  natürliche  8lpenfette  im  SJtorgenglatqe  über  bie 
papiernen,  fölectyt  gemalten  IBerge  herein.  !Re<$t8  fte^t  eine  ©tauge 
mit  einem  3efuitentyute,  linf§  eine  ©tange  mit  einer  ©ctyafmüfce.  3)er 
©ee,  an  welkem  bie  ©tabt  liegt,  flimmert  burcfc  ein  Socty  ber  $apier* 
berge  herein  folgenben 

Prolog: 

3m  Flamen  meiner  freien  IBrüber, 

$)er  ©tröm'  unb  ©ee'n,  bie  #n  unb  aieber 

9Rit  immergrünen  Haren  SBogen 

5£)ic8  ftolge  fd&öne  8anb  burcfyjogen, 

3m  Flamen  meiner  33erge8tjettern, 

SDie  tyodj  in  Ätyerglanj  unb  SBettern 

$8on  golbnen  SMfen  fyefyr  umfaumt 

SWancfy  leer1  Sß^unbert  fcfyon  bur<$traumt: 

Serwatyr  iä)  miä),  o  Sßublifum, 

£ier  t?or  bem  fcfynöben  Sßtyiliftertum, 

$or  ber  Safere,  fyotyl  unb  toll, 

2)ie  nun  tyr  ©piel  beginnen  foU. 

SSotyl  war  eß  einft  in  fcfyönern  Sagen, 
2ll§  vir  in  gfreuben  mitgetragen 
<Da3  38o$l  unb  2öe$,  ben  äampf,  bie  Suft, 
2)ie  blühten  in  biefeS  #olfe$  «ruft. 
3)a8  SJolf  warb  müb  unb  fötummertrunfen 
Unb  einer  finftem  üflacfyt  geweift. 
Sötr  finb  in  un§  jurücf  »erfunfen 
Unb  benfen  an  bie  alte  3«t, 
2öo  biefe  33erge  t>oU  Sugenbfraft 
(Sinft  waren  auf  ber  Söanberfcfyaft 
Unb  bonnemb  ijjre  |>aupter  bewegten, 
Q£ty  fie  ficfy  brauf  gur  3fcu$e  legten, 
3öo  ityre  Siebten,  bie  wanbelnben  SReere, 
TOt  ©turmeöfofen  fte  fyeimgefuctyt, 
5M8  unftet  wteber  bie  SBogen^eere, 
SBon  bannen  gegen  in  ȟber  gluckt. 


Süramattj'djE  Sntttrörfe. 


Socb  blieb  mit  beüem  gilberblirf 
iffiand)  fdjßn  geflärttr  @«  jurücl, 
3n  beffen  fpiegrinb  glatter  glut 
Sie  bunfte  iffieerelabnvmg  mbt. 
Sic  Serge,  eberne  @ctte3gebanten, 
Sie  ftanben  gSttlicb,  ohne  Siaiifen 
9Rit  ©ilbertrcnen,  griinfamtnen  ©ooonben 
3n  fttHer  @r&fje  auf  biefen  Snnbtn. 
9(8  enblitb,  baB  ßrbreid)  fein  genug 
fiebenbige  SRenfdjenbtumen  trug, 
Sie  gleicb  com  feiigen  ©ternenbogen 
Sen  ©frabl  ber  ©ebnfuBjt  eingefogett, 
SaB  einige  fieben  in  i&te  Stuft, 
Sen  SiebeBbrong  unb  bfe  SBanberluft: 
Sa  famen,  rote  roanbernbe  ©arten,  gegangen 
Sie  blübenben  SGülterfcbaften  bernn, 
Salb  isarb  bie  (reifte  oon  uns  gefangen 
Unb  ibr  eine  $dmat  aufgetban. 
Salb  mären  mir  fc  treu  oerbunben 
Unb  Ratten  mit  einanber  fdjon 
SaB  ©djToeijeibeitntDeb  fäjim  erfunben 
W  3«*en  jebem  «Ipenfcbn. 
Sie  gieibeit  ntndjB  utiB  unbemuftt, 
(Sin  roilteB  3»eigltin,  auB  ber  ©ruft. 
@d  ging  eB  ber  unb  fe  erftanb 
SaB  6  dj  weigert!  olf,  baB  ©djroeijerlanb, 
SaB  glüffliebfte  im  (Srbenraum. 
D,  eB  war  bodj  ein  fdjöner  Sraum! 
3ft'B  nun  norbef?    3ttj  roetfj  eB  nidjt. 
Süd)  tief  auf  meinem  ©ninbc  brtdjt 
Sie  alte  SßeereBabnung  auf. 
3$  träume  oon  fcen  alten  'Sagen, 
3*  bor'  baB  gro&e  äSeltmm  [dblaacn. 
Unb  nabet  britynenb  einft  fein  Sauf, 
Sann  »ollen  vir  unB  utaajtig  roenten, 
3Bir  33erg  unb  ©ee'n,  an  allen  gnfcen, 
Unb  unfer  Soll  ju  $ilfe  fenben 
Ser  Jföelt  in  ibrem  legten  Streit. 
Unb  eB  f»0  niiht  baB  iejjte  [ein.  — 
3br  SRarren,  tretet  nun  berein! 
Senn  jepn  ift  nodj  'Jtarrenjeit. 
Sie    fedjS    barinberjigen    ©ruber    auB     bem     @i 
:U"  treten  auf: 


492  3fo$ang. 

2Bir  finb  fe<$3  alte  tflofterbautfo 

2öir  ftnb  fed^d  faule  SBranntweinfd&lauctye, 

S)ie  nimmer  baö  Sßaffer  galten. 

2Sir  ftnb  fed&8  Klingel  oon  ©otteS  Knaben 

Unb  jupfen  am  jerriffnen  gaben 

#om  hergebrachten  Eilten. 
(SrfterSBruber.  5)a8  Reifet,  nur  fmk  4)iftorict 

Unb  rutföen  mit  geföwoünem  Änie 

#or  alten  ©Charten  unb  IBanben. 
3 weiter.  2ßtr  fd&nuppern  tief  gelahrt  barin 

2Bie  (Sulenfpiegelä  ©felin, 

£>b  wir  ben  &afer  fanben. 
dritter.  2)o$  trüb  ift  un$  ber  ©onne  %ify, 

3öir  fefy'n  ben  38alb  t>or  Zäunten  nid)t. 
Vierter.  Strüb  bleibt  un§  ber  ©efc${<$te  SBaWeit 

3n  tyrer  gellen  ©onnenflartyeit, 

Unb  nur  ben  Unfinn  unb  bie  Starrheit 

9flöc$ten  wir  faseren  — 
fünfter.  Unb  fonfenrieren. 

6 elfter.  5öaö  fölecfyt  ift,  ba$  oerteibigen  wir. 

©rfter.  2Ba§  gut  iftr  ba3  beleibigen  wir. 

3  weiter.  2öa3  tot  ift,  ba§  beeibigen  wir. 

dritter,  ©cfynurrpfeifereien  meffen  wir. 

Vierter.  3)a§  Söi^tige  »ergeffen  wir. 

fünfter.  Unb  laffen  um  eine  ©cfyweinftafltyür 

3)a$  $au$  jufammenpuraeln. 
©elfter.  SSir  graben  nac$  ben  SSurjeln 

Unb  fniefen  bie  Blüten  ab. 
fünfter.  Unb  wo  ein  9a3  im  gelbe  ftinft, 

SDa  fommen  wir  tyerangetyinft, 

(53  forgli$  ^einzutragen. 
8 elfter.  (So  finb  für  biefen  8faf<$ing8fpa& 

93efteflt  wir,  ein  £grannenaad 

2JHt  2lnftanb  gu  behagen. 
(Srfter.  $fof  benn,  big  unfer  «Stichwort  fommt! 

(Sin  <3laS<$en  (ScfynapS  bem  SRagen  frommt, 

2)em  |>erjen  ein  Äartenfoiel. 
311  le.  3a  wo$l!    <Der  borgen  ift  ttyt. 

@ie  Rumpeln  hinter  bie  (Souliffen  in  eine  @$enfe.  2)a§  tei 
netymenbe  unb  juföauenbe  SBolf  tritt  oermif^t  in  einem  langen  3uj 
auf.  ©oran  eine  Htyenfatyrt,  aud  eckten  unb  unechten  (Sennen  b 
fte^enb,  mit  9ltyfyornern. 


$)ramatif$e  (gnhoürfe.  493 


£u$rei$en,  t>on  aUen  gefungen. 

ginft  Rauten  bie  SBerge 
$om  SH^orn  fo  föön, 
@3  Hangen  bie  S^aler 
SBon  ©d&toertergetön. 

dlod)  glanjen  bie  IBerge 
Söie  SRofen  fo  rot, 
9ßoc$  tonet  baö  ^u^orn  — 
£>er  (gctywertflang  ift  tot. 

3tyr  rofigen  girnen, 
S)u  glanjenber  (See! 
2Bir  finb  fo  »erwirret, 
$er  ßopf  tyut  un§  tt>e$. 

2öir  getyen  auf  Sttatten 
3m  tauigen  ©raö, 
2Bir  tyan  »ad  verloren 
Unb  toiffen  nu$t  wa$. 

Sobel. 

©in  9ftann  mit  einer  Trommel  tritt  auf  unb  »errafft  ftcfy  burdj 
len  SSirbel  (Stille.     <Dann  ruft  er  au8: 

3öaS  für  ein  Carmen!    @tern  unb  föreug! 

3ft  bieö  bie  tolerierte  (Sdjmeij? 

@eib  ftifle,  benn  burcty  meinen  9ftunb 

Sfyun  (Sud?  bie  fünf  @rojjmä<$te  !unbr 

2öa8  3^r  mit  glei&  ju  adjten  fyabt, 

SDamit  3&*  ©ucr  @rab  nidjt  grabt! 

2öa3  gutft  3*>r  ba  fo  fe<f  fcerfür? 

Unb  benft:    ifofyrt  erft  uor  Surer  £fyür! 

3öir  wiffen  boc$,  bafc  Jcbcrgett 

Sott  gur$t  3^r  uns  bie  Dtyren  letyt. 

$)rum  jiefyt  bie  Sßafen  fein  gurücf! 

2>enn  baä  ift  $eut  bie  $olitif: 

2öem  am  meiften  bie  Söimpern  jucfen, 

3)er  mufc  fidj  oor  bem  anbern  butfen, 

Unb  wer  am  langften  frecfy  unb  pratylenb  ftetyt 

2113  wohlfeiler  (Sieger  gefunb  00m  Sßlafce  getyt. 

£eut  ftdjt  man  mit  bem  großen  Sftaul; 

3nnerli<$  aber  ift  atle§  faul. 


494  Anfang. 

Unb  Gcuti)  wirb  man  mit  bcm  Kolben  laufen! 
Äonnt  2fyx  nity  mit  einanber  Raufen, 
®o  ift  bie  Söeifung  furj  unb  gut: 
£ier  tyangt  ein  3*fuitenfyut, 
Dort  eine  ©djlafmüfc',  legt  @u<$  brunter! 
2ßer  wachen  will,  ber  bleibe  munter, 
Docfy  immer  artig,  brat?  unb  friß, 
Db  er  gu  biefem  ober  jener  galten  will! 
9hm  ift  bie  Meinung  (Sud?  befannt, 
Wlaty  ©u<$  xiid)t  biet  in  @urem  £anb, 
6onft  legt  man  (Surer  ^>elt>etia  Hein 
6inen  rüstigen  (Soburg  in$  33ett  hinein  —  — 

9ia$bem  er  abgegangen  unb  ba§  $$o\t  wieber  laut  geworben  ift, 
fommt  er  gurücf  unb  wirbelt  nod)  einmal: 

3$  $obt  uoefy  etwas  ju  fagen: 

Die  fi$  jur  9ta$tmü$  wollen  fölagen, 

Unb  bie  beut  $ute  jugetyan, 

Die  fonbem  ftreng  fiefy  auf  bem  Sßlan 

Unb  follen  in  ber  üj?ittc  eine  ©äffe  bewahren, 

2Bo  bie  Ferren  Diplomaten  fyinburdj  tonnen  fahren! 

Söer  fld>  barauf  betreten  lagt, 

Den  padt  man  unb  nefym'  ityn  feft!   (ab.) 

Da8  3>olf  teilt  ft$  nun:  ber  Heinere  Raufen  rechts  unter  ben 
3efuitenfyut,  ber  größere  Iinf8  unter  bie  ©dtfafmufce.  Bu3  beiben 
treten  einige  SRagiftrate  tyeroor  unb  fingen;  bie  re$t$  an  ben  ^>ut 
hinauf: 

©ei  und  gegrüßt,  bu  bunHe  Sfcufy, 
Die  labenb  auf  un§  nieberföwebt, 
Und  freunbli<$  föliefjt  bte  klugen  gu 
Unb  aUeö  Denfenä  milb  enthebt! 

(SS  föleppt  nun  unfer  mübeS  33ein 
SDte  greifyeit  f$on  3a^unbert  lang 
911S  fernere  Äugel  fyinterbrein; 
(SS  war  ein  langer  faurer  ©ang. 

6cfyenf  und  ber  Sinberung  ^eilenb  Äraut, 
Die  bu  ben  $errn  geboren  f>aft, 
Sftaria,  füge  Himmelsbraut, 
9Hmm  oon  unS  unfre  föwere  Saft! 


5)ramatifcfye  Entwürfe.  495 


2)ie  Sinfen  an  ber  9ta<$tmüfce  hinauf: 

®ei  und  toidfornmen,  füge  Shtty, 
SDic  fanft  fi<$  in  bie  ^erjen  gräbt, 
$)te  Dfyren  fc^Itcfet  unb  klugen  gu 
Unb  glüdli<$  und  ber  3$at  enthebt! 

Sltö  no<$  bie  gfretyeit  furj  unb  Hein, 
Söar  fie  ein  38ort  t>on  gutem  Älang, 
2öir  pulten  tyr  bie  9tafe  rein 
Unb  lullten  fie  mit  frohem  ®ang. 

9hm  aber  toa^ft  bad  »übe  Äraut 
hinauf  und  an  bie  9tafe  faft. 
®ie  wirb  und  balb  ju  tyti)  gebaut  — 
©ei  und  wiflfommen,  Iinbe  3ftaft! 

9TOed  SJolf  legt  ftcfy  unter  bie  jwei  Stangen,  lagt  eine  breite  leere 
©äffe  jwifd&en  fl$  offen  unb  fölaft  ein.  9hir  einige  Sßoffenreifjer 
bleiben  in  beiben  Magern  voaty,  welche  ftcfy  gegenfeitig  aUerfymb  @<$na(f 
Dormagen,  in  bie  gauft  lachen,  unb  au<$  woljl  eine  Sßrife  über  bie 
©äffe  anbieten. 


3.  8freif<$arengefpra<$  aud  bem  „©tern"  ju  £eibelberg. 

(Suni  1849.) 

fjfreifc^drlcr  öon  ber  beutfcfyen  politifd&en  glücfytlingdlegion  unb 
einige  Bürger  unb  ©tubenten  fifcen  unb  trinfen.  (Sin  groger  ältlicher 
fori,  Dffijier,  mit  einer  ungeheuren  Ärauatte,  in  blauer  33lufe,  mit 
©(fyleppfabel  tritt  herein  unb  fünbigt  ftdj  mit  bonnernber  33agftimme  an : 

4>alt!  gront!  Stemmt  Sßlafc!  ©efettt  <§u<$  bei!  ©poppen  33ier! 
(ju  einem  bafi Jenben  fjrcif <^atenfür)rer :)  ©<$au  $er!  3lu<$  na<$gerü<ft? 
253 o  warft  <Du  fo  lang? 

3»eiter  gfreifcfyarler.  (5i!  im  Dberlanb!  3<$  tyabe  in  Sörracty 
exequiert. 

(Srfter.   #aft  2)u  erequiert?   #aft  2)u  fie  gefd&röpft,  <Du  Seufel? 

3weiter.  3$  fy^te  mit  ben  öorracfyern^  nocfy  ein  #üfync$en  8« 
pflüifen,  t>om  legten  Satyr,  oom  ©truüefdjen  Überfall  fyer!  £>agumal 
$at  und  ber  33ürgenneifter  unfere  SBBaffen  abgenommen   unb  bie  @e« 


496  Sfn^ang. 

meinbe  tyatte  fie  verfauft,  wie  wir  na4  ber  £anb  Porten.  34  fabe  bte 
(Sadje  tariert,  i4  fyabe  einen  bef4«ibenen  Uberfc^Iag  gemacht,  gwetyunbert 
Bulben.    34  fabe  fte  in  ber  £af$e! 

(Srfter.    3n  ber  Stafc^e?    3üfo  fei  eS!  Bod!  3$  berityme  3>ia). 

dritter  (gum  (Srften).  @ei  fo  gut,  Äamerab,  unb  bitte  bei  ben 
^Bürger  bort  eine  pfeife  Sabaf  für  mi4  au8! 

grfter.  2öie  fagft  £>u?  SBirfft  2)u  ein  neues  (Slement,  einen 
neuen  gewichtigen  Körper  in  ba$  wogenbe  ©efprac^?  (Sine  SRequifttion 
fogar?    föequirierft  <Du  £abaf? 

dritter.  3um  Seufel!  (Sine  ftmvle  pfeife  Sabaf!  Sie^ft  3>n 
ni4tr  bajj  ber  $err  gu  deiner  SRec^ten  einen  ftattlidjen  roten  Seutd 
neben  bem  ©lad  fielen  fyat? 

(Srfter.  @etnad?!  gangfam,  ßriegögef atyrte !  (Sie  foKen  nia)t 
jagen,  ba&  wir  fein  @efe$  unb  leinen  2tnftanb,  feine  äenntnü?  unb 
feine  (Srfatyrung  unb  feine  @ebrau4«  Ratten.  ©ie  foKen  työren,  bafc 
wir  genugfatne  Äunbe  beftfcen  von  Ianbedred^tlic^em,  wie  von  frieg§red)t* 
Herein  (Stanbvunfte,  von  SRequifttion  unb  33ranbf4a$ung  unb  von 
richtiger  Anwenbung  biefer  beiben  begriffe,  von  einer  gemeffenen  lud« 
einanberfyaltung  berfelben,  von  &nflage  unb  SBerteibigung,  von  (Snvä* 
gung  unb  von  IBegugnafyme!  Set  fttüe!  34  nteine  tyier  unter  33egug« 
nannte  ni$t  eine  foWje,  welche  von  beut  £abaf  biefeS  IBürgerd  33egug 
nimmt,  welche  einen  SßleonaömuS  bilben  würbe  au8  begießen  unb  nehmen, 
nein!  für  nur  (Sinen  lumpigen  ©egenftanb  wollen  wir  nic^t  gwei  foft* 
bare  iöerba  aufwenben  unb  vergeuben!  3öir  wollen  nur  ba$  (Sine  be» 
gießen,  wa§  gerate  gu  fyabeu  ift  unb  baö  Stemmen  lieber  für  etwa* 
anbereö  auffvaren!  34  beute  vielmehr  fyn  auf  jene  feinere  Segug- 
nafyme  beö  benfenben  2Renf4en  unb  föriegerS,  auf  biefen  $unft,  auf 
jened  gaftum,  bte  geiftige  SRequifttion  be$  ibeeQen  SfcuJjerrrageS,  weld)er 
au3  einer  veranberten  Stellung  ber  SMnge  entfvringt.  34  bitte  ^4 
um  ©ebulb,  teurer  greunb!  SRiemanb  foll  fagen,  wir  Ratten  feine 
©ebrauc^e!  Ufo  £)u  verlangft  Sabat  von  biefem  Bürger?  (Srwage, 
bajj  <Du  U)n  entweber  teilweife  ober  gang  verlangen  fannft,  auf  frieb* 
H4  givilem  ober  frieg3re4tli4em  SBege!  2öaf?le  nun  deinen  ©tanb» 
»unft  in  biefer  Angelegenheit!  34  würbe  2)ir  gu  einer  teüweifen 
freunbf4aftlt4en  SRequifition  raten;  bod?  tyaft  S)u  bad  SRe4t  vermöge 
deiner  bewaffneten  (5igenf4aft  au4  gu  bem  anbem  benannten  €>tanb- 
»unft  ni4t  verwirft! 

dritter,  ©ut,  bitte  alfo  ben  Bürger  um  eine  Sßfetfe  Sabaf 
für  mt4! 

(Srfter.  9M4t  bitten!  Stein,  baS  meine  i4  ni4tr  fonbern  freunb« 
li4ft  requirieren!  (3u  bem  ^Bürger  re4t8.)  Höotylgefinnter  ^Bürger! 
SMefer  gretfyeitöfamvfer  gu  meiner  8infen  requiriert  auf  freunbf4aftli4«w 
Söege  eine  pfeife  3^re§  vorrätigen  £abafe$;  benn  niemanb  foll  fagen, 


SDramatiföe  entwürfe.  497 


bafc  wir  ben  frieg8re<$tlidjen  ©tanbpunft  ofme  Sftot  »orgeföoben  ober 
uorföieben.  3$  empfehle  Sonett  nebenbei  ben  Wlann  al§  einen, 
weiter  f$on  me&r  als  eine  &ugel  gwiföen  bem  Styein  unb  bem  !ftetar 
pfeifen  liefe. 

^Bürger.     SBebienen  ©ie  fi$  gefattigft,  mein  £err! 

(Srfter  (jum  dritten).  #ier  ift  ber  gan$e  Vorrat,  verfiel)'  Steine 
pfeife,  labe  fter  günbe  fie  an !  ©o  —  unb  nun  roitt  iti)  auf  bem  gleiten 
2öege,  bem  jenigen  ber  freunbfcfyaf  litten  SRcquifition,  ben  SReft  ju  meinem 
eigenen  IBcbürfniffc  ergreifen  unb  fn  biefe  Sßapierbüte  übergeben  laffen ! 
Dber  balt  —  beffer!  ^Bürger!  SBürben  @ie  üiefleictyt  nictyt  biefen  lopalen 
roten  SBeutel  auf  mefyrbenanntem  SBege  ebenfalls  abzutreten  geneigt 
fein  $u  würbigerer  Raffung  be§  fo  muftertyaft  gegönnten  Sabafö?  (Sprechen 
®ie,  otyne  Sur<$t,  olme  #inbli(f  auf  unfer  @cfywert!  Sfäemanb  foll 
fagen,  bafe  wir  otyne  alle  unb  jebe  ©ebraudje  feien,  olme  @tanbpunft 
unb  otyne  richtige  Slnwenbung  beäfelben! 

IBürg  er.  3u  SMenften,  $ext  Hauptmann !  Stemmen  €>ie  immerhin 
ben  Beutel! 

(Srfter.  SEBarferer  Sttann!  Slucfy  3fynen  fei  ein  Kröpfen  unfereS 
SBluteS  geweift!  9hm  aber  —  entföulbigen  (Sie,  fceretyrte  Banner! 
$ie  Sßflid&t  ruft.  3Bir  tyaben  unfer  Quartier  im  2kbif$en  |>of  ge- 
nommen; bafytn  lagt  unS  aufbre^en,  um  ba§  Nötige  für  unfer  33e- 
bürfniö  ju  »erfügen  unb  eine  SRunbe  burcty  bie  Äüdje  ju  galten,  »er- 
ftefyt  ftcty  auf  bem  Söege  ber  freunbföaftli^en  Sfcequifition ,  infofern 
namlid^  ber  oorftefyenbe  3Birt  für  biefelbe  geeignet  unb  würbig  erfctyeint! 
2>enn  niemanb  fott  fagen,  wir  Ratten  leine  <$ebrau<$e! 

(üflit  förecflidjer  Stimme.)    Torwarts,  marfdj!  n.  f.  f. 


4.  £er  (Sonberbunb. 

(1849.) 

©ine  äonferenj  ber  fonberbünbleriföen  Häupter  ober  auä)  b(o§ 
lujerniföer  Stabilitäten.  2)ie  Sefuitenberufung  wirb  »ertyanbelt.  <Die 
bem  <Drama  vorangegangene  ©eföi^te  ber  föwetjeriföen  SReaftion  feit 
1839  fann  angebracht,  ferner  ber  antraft  jwiföen  ben  Gtyarafteren 
(Siegwartö  unb  8eu8  bargeftettt  werben. 

(Siegwart  fprid&t  alö  perfiber  (StaatSfünftler  t>on  ber  Sujerner» 
ocrfaffung,  wie  fie  1841  re&ibiert  unb  bem  Sßapfte  jur  (Sanftion  uorge» 

©ottfricb  Stütz.   II.  32 


498  Staging. 

legt  würbe1).  (5r  rütymt  ben  bemofratiföen  (Sfyarafter  berfelben,  wie  er 
namlidfc)  in  ben  gegebenen  $er$altntffen  ben  fonfer»ath>en  unb  fir$lt$en 
3wecfen  weit  beffer  entfpredfc)e,  als  ein  ariftofratifcfyer.  hiergegen  er« 
fyebt  ftety  ber  etyrlicfye  33oIf8mann  8eu  unb  tjerteibigt  bie  2)emorratie 
an  fi$,  nur  muffe  fie  auf  gut  fatfyoltfdjen  ©runb  gebaut  fein;  von 
£intergebanfen  unb  irgenb  einer  2Ba$l  groifc^en  (Staatsformen  gu  pdi= 
tifetyen  unb  ftrctylictyen  3wecfen  will  er  nichts  wiffen.  $)er  fanartfa>, 
aber  c^rlicr)e  Vollerer,  ber  einflußreiche  IBauer  unb  93olf3üater  ftettt  ft$ 
tyier  tyerauö,  unb  feine  ©enoffen  tyaben  9ftü$e,  ifyn  mit  ber  größten 
(Schonung  gu  befdjwidjtigen.  ©egen  ©iegwart  äußert  er  fein  SRißtrauen, 
bie  mac^iaüellifttfc^en  Sorte  beSfelben  fdfcjeinen  ifym  ber  ttpoftafie  $u 
entfprecfyen. 

£eibelberg,  3uK  1849. 

8eu  rafoniert  über  93olför>crrf<^aft.  (5r  ift  aufrichtig  für  biefelbc, 
üorauSgefefct,  baß  fie  unmittelbar  unter  ©otteS  ©djnfc  ftcr)e. 

©teile,  welche  ber  (Stelle  be$  (Sorneille  wiberfpridjt,  worin  er  bie 
33olf8bttrfct)aft  heruntermacht. 

£eu  tybt  bie  begonnenen,  gut  gefinnten  SRajoritäten  fyen>or,  an 
beren  $)afein  bie  wüf>lerifdfc)en  unruhigen  SRinoritäten  ft<$  aufreiben. 
(5r  ttyut  bieS  mit  #umor.  SDann  fteflt  er  mit  frönen  3öorten  bat 
(von  feinem  (Stanbpunft  aud,  natürlich),  wie  aHe$  3Öict)tige  gerate  bei 
ber  $olf$tyerrfdjaft  burdt)  gu  Diele  Äopfe  unb  bergen  geftebt  unb  buraV 
gebogen  werben  müßte,  bis  eS  enblidj  gu  ber  entfd)eibenben  Slbftimmung 
gelange,  al§  baß  ed  nidjt  geläutert  unb  giemlidj  gut  gu  Sage  tarnt, 
uorauögefefct ,  ba%  bie  2)emofratie  eigentlich  bodt)  einen  &onig,  namlicfy 
©ott,  unb  feinen  eingefefcten  (Statthalter  auf  ßrben,  ben  ^eiligen  Spater, 
r)atte  u.  f.  f. 

3)ie  Siebe  muß  aber  fo  gebalten  fein,  baß  gwif$en  ben  36\m 
bie  2)emorratie  auefy  für  ben  Vernünftigen  unb  geiftig  freien  gerettet 
bleibt. 


(Siegwart  (nadjbem  er  (Steiger2)  eine  Söeile  lad&elnb  üon  ber  €&te 
betrautet  fyat,  auf»  unb  abgetyenb,  boefy  otyne  ifym  in§  ©eftc^t  gu  fetyen): 

Sft  baö  nun  (Sureg  2öefen§  reiffter  Äern, 
SDie  fyofye  SBebeutung  (Surcr  (StaatöflugfyeitV 

*)  2)ie  neue  ^onftitution  t>on  1841,  ein  (Sieg  ber  ultramontanen 
Partei,  würbe  Sßapft  ©regor  XVI.  gugefanbt.  3m  9tot>ember  1844  er» 
folgte  bann  namentlich  auf  betreiben  $eu8  bie  Berufung  ber  3*fuiten 
nad?  Sugern. 

')  Dr.  Robert  Steiger. 


Sramatifdje  (Sntumrfe. 


Sai  alfo  bit  tieffinnige  SNoral 
Sefl  artigen  KemanS,  ben  ib,r  feit  Sauren 
5»it  fo  viel  Stufwanb  cor  ber  Sielt  gefpielt? 
SBolBfouDeränetät!  greibeit  bei  ©laubenä! 
Serfaffimg!  Stecht!  @efep!  Job  aller  SSiUfitr! 
D  fcbiine  Söorte,  berrlidjer  DbrenfdjmanB ! 
Strtnfelig  nücbterneä  ©efinbel  wir, 
©emeine  Köpfe,  roelcbe  folcfje  Sterne 
SGom  Fimmel  ber  Stbrtjjrif  in  baä  f<rjnöbe 
SSrofaiftbe  Seben  nieberjieljen  »ollen! 
igtaatämänner  finb  (l*r  biefe  wattern  Ferren 
SBcm  bötrjften  Slang,  fcafl  mufj  man  ihnen  taffen! 
Sa  ift  jum  »eifpiel  [ebledjt  unb  redji  ein  SBolf, 
SaB  f teilt  burdj  ganj  wrfaffung8mäfi(ge  SBahl, 
©anj  fcrmgeredjt  unb  ftreng,  mit  grefuer  5Ret)rbeit 
Die  roarfern  fetten  böflicr)  bor  bit  Sbüre  — 

Sa8  SBolf  (ladjenb).    ©an)  redjt,  tai  war  ja  Sinne  einunboierjig. 

Stegroart.     ©obann  beliebt  ei  biefem  SBolfe  aua), 
@idj  (einer  Stäter  ®ott  fo  ju  bewahren, 
SBie  t$  ib,n  überfommen  bat,  unb  weiter 
SBebagt  H  ibm  in  (einer  @ewif(en6fre(beit, 
3ur  befferen  (ärjieijung  (einer  jugent, 
Sie  ibm  burdjauS  niebt  Siebenfache  i(t, 
(Unb  ba8  narfj  jiemlicb  anerfanntem  ©niticjap) 
33ebagt  e§  ibm,  jag'  ich,  ein  fieben  Scanner 
53on  einem  gewiffen  Orten  berjurufen. 


Siegwait.  3fi  Uajimir  SPfnffer  in  ber  StaMT 
SJeibel.  3a  $err!  3*  fa*  i(m  in  ber  Srö^e  über  ben  SRatfl 
geben,  gleicb  einem,  ber  ba8  ©efefc  in  ber  £a(e&e  bat;  jeber  3"tt  an 
ibm  mar  ©efe&lidjleit  unb  gab  ber  bimmlifdjen  @ered>tigfeit  einen 
9!afenftüber.  ©ein  ©efiebt  febien  fagen  ju  wellen:  was  toillft  -Du 
Don  mir,  (Sngel  TOinjaen  Seine  Sänge  wirb  ftumtof  an  mir,  benn  icb 
bin  ein  3urift!  34  befam  llbelfeiten  Don  bem  ärgerlichen  Slnbüct. 
©iegrcait.    jpd  ba8  legale  eteifgeficht  ber  leufel! 


500  Staging. 

3u  S.  20.    5.   3u  „S&erefe". 

[(Stwa  1865  auf  ®runb  eines  alten  Entwurf S  getrieben.] 

(BtHtt  «Fi, 

(Srfte  ©gene. 

©rofjer,  wotynlicfy  eingerichteter  £au3flur  ober  Torraum ;  im  Krater» 
grunbe  eine  offene  ^erraffe  ober  Staranba  mit  ber  fCuSftd^t  ins  greif. 

Safob.    SWart^e1). 

SWart^e.    <5i,  waä  fuc&ft  2)u  benn,  Safob?   3B3o  willft  £n  &in! 

Sa! ob  (gefyt  mit  ginnernen  SSeinfannen  umtyer,  fudjenb).  £ie 
Äetlerfcfylüffel  tyab'  iä)  »erlegt.     £aft  5)u  ftc  nirgenbS  gefe$eu? 

ÜRart^e.  <Du  $af*  ftc  ja  in  bie  «ruft  gebeert,  wie  ein  Ärieger 
ein  »aar  ^ßiftülen !  Silber  ift  e§  benn  fcfyon  wieber  3ett  gum  Srinfen 
unb  (gffen* 

3  a  f  o  b.  Äomm1 ,  gutf  einmal  brausen  an  ber  €>onncnutyr !  SS  wirb 
2)ir  fcfyon  Seit  fdjetnen,  wenn  S)u  nur  einen  tlugenblicl  im  Weinberg  an 
ber  ©onne  ftefyft.  Unb  iti)  tapferer  @olbat  ftetye  fcfyon  feit  uier  (Stunben 
mit  meinen  Seilten  im  geuer.  2)a3  ift  ja  ein  fctywüleS  ItfttfgeS  3a$r 
nnb  tyaben  wir  erft  ben  SRonat  Sftai!  —  8lfo  oon  bein  »orfa^rigen 
9öein  fett  man  nun  ben  beuten  geben,  fyat  unfere  grau  gejagt? 

9Rartr)c.  3a.  (£8  ift  aber  boc$  faft  fcfyabe;  man  !önnte  bo$ 
nod)  abwarten  unb  fefyen,  voa$  ber  Sein  machen  will.  33ieüeic^t  er* 
$olt  er  fidt). 

3afob  (füottenb).  &ieHeic$t  erholt  er  f\%,  natürlich!  ^ielletyt 
wirb  er  aber  and)  gu  (Sffig,  unb  bann  ift  er  noefy  immer  gut  genug  für  bie 
SlrbeitSleute!    ©ei>'!  e$  ift  gut,  bafc  <Du  ni$t  bie  #errf$aft  Nfr    (ab.) 

SKarttye  (ruft  tym  nadj).  ©e$,  £>u  lofer  @pottt>ogel !  93ring' bie 
©c^lüffel  gleich  wieber  unb  »erlege  fic  nicfyt!     £örft  $>u? 

3weite  (Sgene. 
2)ie  arme  grau  fommt. 

SWarttye.  ©uten  £ag,  liebe  grau!  3$?  fommt  wegen  be&  alten 
SBei&geugeS  für  (Suer  gu  fyoffenbeS  Äinb?  3<fy  tyabe  mit  ber  ^OTrfäaf* 
gerebet,  mu§  @u$  aber  aufrichtig  fagen,  ba§  meine  grau  nicr)t  gut 
auf  (Sudj  gu  fprecfyen  ift.  (So  jung  geheiratet  unb  blutarm  unb  f$cn 
fieben  tfinber  unb  ba3  acr)te  auf  bem  Söege !  2)a3  bünft  i$r  bie  größte 
£ünbe  gu  fein,  folcfye  Äreatürlein  in  bie  28elt  gu  fefcen,  bie  man  uor 
Sirmut    weber   ernähren,  noefy  orbentlidj  ergießen  fann.     Solche  &ute 

')  gür  (Slitabety. 


2)ramatif$e  (Sntnmrfe.  501 


fann  fie  gu  3«tcn  recfyt  ftreng  anfahren,  Kenn  fie  £ülfe  »on  i&r  Der« 
langen,  obgleich  fic  niemanben  leer  fortgeben  lagt.  3$  wollte  nur, 
3$r  hattet  eS  fdjon  überftanben!  Stemmt  eS  in  2)emut  tytn,  waS  fte 
(5uc$  {agen  wirb  unb  rietet  (Sud)  barnaefy! 

SlrmeQfrau.  91$  ®ott,  toaS  fann  i$  bafür?  68  ift  nun  einmal 
fo.  3)ie  reiben  £eute  tyaben  gut  reben,  befonberS  fo  eine  reidje  SSihoe, 
bie  nur  ein  eingigeS  &inb  t?at  unb  felber  noefy  jung  ift.  S)a  fetylt  eben 
bie  Erfahrung  unb  bie  redete  Kenntnis. 

SRarttye.  Dber  fagt'S  bodj  grab'  berauS,  »ad  3&t  meint:  eS 
fefylt  ber  SBerftanb!  $Da  feib  3fyr  im  3*rtum,  9ar  gewaltig,  wenn 
3$r  meint,  unfere  grau  »erftefye  ntd)td.  @ie  ift  freiließ  noefy  in  jungen 
3a^ren,  nicfyt  m'el  alter  als  3tyr.  aber  baS  ift  ein  erleuchtetes,  frommes 
unb  flugeS  Söeib.  Älug  wie  bie  ^langen  unb  einfaltig  wie  bie 
Rauben,  fe$t  Styr? 

3flf  ob  (ber  unterbeffen  wiebergefommen  unb  einen  ßorb  mit  ben 
gefüllten  Pannen,  mit  53rot,  ©lafern  u.  f.  w.  gureetyt  macfyt).  3«,  baö 
ift  richtig !  2Ran  weif}  nicfyt,  waS  ferner  unb  feiner  ift,  ob  tyx  SBifc, 
ober  ifyre  (§riftli$e  2)emut,  fotle  man  mefyr  bie  feurige  unb  tyeUe  $rt 
ifyreS  ©eifteS,  ober  bie  SRilbe  i^reS  £ergen3  bewunbern.  Unb  getyt  mir 
nur  mit  (guerer  ©rfafyrung!  #abt  3ftt  «n  anliegen?  SöoHt  3&r  waS 
»on  tyr!  SBerbefS  gleidr)  fefyen:  bie  weif*  beffer,  wo  ©u$  ber  ©c^u^ 
brueft,  als  3$r  felbft. 

SRartfye.  3&,  baS  lagt  (Sucfy  gefagt  fein!  3$x  fennet  nicfyt  baS 
Seben  unb  bk  ©ebanfen  folc^er  »ornefymen  unb  gelehrten  £errfc§aften; 
aber  fie  hingegen  burdjföauen  baS  treiben  unb  bie  SBebürfnlffe  armer 
Seute  aoUfornmen.  Unfere  Sugenb  unb  unfere  @ünbe,  unfere  gange 
Unwiffenfyeit  liegt  »or  ifynen  ba  unb  ift  ber  ©egenftanb  tyrer  unauf- 
hörlichen ©orgen,  —  feljt  Sfyxl 

5lrme  grau.  9lun,  fte  fann  mir  einmal,  netymfS  nic^t  übel, 
meinen  guten  3ftann  nid^t  wegforgen  unb  nietet  wegbeten.  Unb  ein 
frommer  cfyriftlicfyer  Pfarrer  fyat  unS  getraut,  arbeiten  tyun  wir  beibe, 
waS  wir  vermögen,  unb  feinen  Pfennig  geben  toir  unnüfc  auS;  man 
wirb  unS  nie  fetyen,  wo'S  luftig  ^erget)t  ober  wo  man  ben  Sterben 
na^giefyt.  allein  toir  lieben  unS  tyerglic^  unb  bünfen  unS  beStyalb  in 
aller  ÜRot  noefy  reicr),  unb  ba  fegnet  unS  ber  £err  mit  Äinbern  unb 
unfer  SReidjtum  fagt  ber  Sftot  wieber  guten  borgen!  34  fabe  ge» 
tyört,  ne^mfS  nicfyt  übel,  ba§  ©uere  grau  feine  glücfli$e  ©tye  gehabt 
tyat,  bafj  fte  ityren  feiigen  £errn  auS  füblem  ©e^orfam  blutjung  ge* 
heiratet  unb  faum  gewußt  fyat,  toaS  öieb^aben  ift.  —  3)a  ift  eS  be» 
greifli^  — 

aRarttye.  $Der  Saufenb!  SßaS  ^abt  3*>r  nic^t  alles  gebort!  $DaS 
getyt  Ja  über  baS  53o^nenlieb!  SöaS  toifet  3^t  benn,  toaS  glaubt  3fa 
benn   »on  Unfereinem?    ©laubt  3^r,  c§  »irb  ba  gefcfyafcelt  unb  ge» 


502  2tn$ang. 


tatfcfyelt  unb  gefugt  unb  geliebelt  bei  ttnfereinem?  Sßfut,  waStyabtSfo 
für  grobe  $nft$ten  unb  Siffenfcfyaften  mm  ber  <Bad)t\ 

3afob.  9hin,  työY  einmal,  2)u  alte  ÜRarttye,  mit  ^Deinem  $fui! 
$)a$  ift  mir  jefct  and)  ein  bifjcfyen  gu  bunt!  Unb:  UnfereinS  braucht 
2>u  grab  au$  nic^t  gu  fagen,  benn  unfere  grau  unb  $>u  tyaben  immerhin 
ni^t  bie  gleiten  Siffenfdjaften  unb  ftnb  ni^t  gufamtneitgujatylen. 

SRarttye.  @c$lagft  <Du  2)id>  fcfyon  wieber  auf  bie  weltlid&e  Seite, 
£>u  alter  Silbfang,  £)u  alter  ©pringinSfelb,  <Du  Sttautyelb,  <Du  f^ 
fyafter  @finbenfyeud)ler  $)u? 

^Dritte  (Sgene. 

Sfyerefe  tritt  auf,  ftattlidj  unb  fein,  aber  einfach  unb 

bunfelfarbig  getteibet. 

S&erefe  (gu  S^ob,  ber  mit  feinem  Äorbe  abgeben  will).  SBaS 
tyabt  3^r  nun  für  Sein  genommen  für  bie  &ute? 

Safob.   Sie  (Sie  befahlen,  oom  Dormagen. 

Styerefe.    öafjt  miefy  tyn  foften! 

3afob  (fetyenft  in  ein  ©la§  unb  überreizt  e$  ityr).  <£r  ift  frei« 
Uä)  ein  wenig  trübe,  aber  fcfymectt  fonft  nod)  trefflic^. 

£$erefe  (!oftet  unb  befielt  ben  Sein).  6r  ift  franf.  5Wan  jott 
ben  Äüfer  fyolen  unb  fe^en,  wie  ü)m  nodj  gu  Reifen  ift.  Aber  ben 
Arbeitern  gebt  tyn  boefy  nidjt,  benn  lieber  baö  gefunbe  ©eringere,  aß 
ibnen  ba8  oerborbene  ©ute  geben.  ÜRe^mt  einftweilen  vom  bisherigen! 
(3afob  ab.) 

Witt  ttft.    [Spitcr«  fßttfuQ.] 

©rfte  €>gene. 

©ine  (strafte  am  Saffer.  3m  £intergrunbe  gietyt  ber  tjotfyge» 
f cfywotlene  glufj  vorüber,  welcher  jebod)  gum  größten  Seil  hinter  <$* 
bauben  »erborgen  ift.  3n  ber  SWitte  fteljt,  tyart  am  Sluffe,  ein  työlgernel 
^äuSdjen.  SDaö  Saffer  raufet,  ©locfen  läuten,  Seute  laufen  ft^reienb 
unb  rufenb  über  bie  Süfyne. 

©in  £aufe  (Scfyladjter  tritt  auf  »on  ber  einen  &tiU,  von  ber  anbern 
mehrere  SftüHer  unb  3immerleute,  alle  mit  (Stangen,  £afen  unb  Srten. 
3 im m ermann  (gu  ben  (Scfylacfytern).    Sa8  madjt   ba8  Saffei? 
Sadrft  eö  no$? 
Grfter  <Sd>lad>ter.  m  ift 

(Seit  einer  ©tunbe  nid)t  geftiegen,  bod> 
©ö  tobt  in  gleicher  £öfje  luftig  fort 
Unb  rüttelt  jaucfygenb,  bonnernb  an  ber  (Stobt, 
2>afj  $ürm'  unb  Sinben  in  ben  Süften  wanfen. 
3 immermann.        Sie  ftefyt  e$  bei  ben  SBriufen?    galten  fte? 


2)ramatif$e  Entwürfe.  503 


3u  ©.  21.    6.   3cbcm  baS  ©eine. 

(1851.) 

^erfonen. 

(Sprecher,  ©utsbeftfcer.     ßBater.] 

Sftariec^en,  feine  Softer. 

Sotyanna,  feine  Sfttcfyte. 

SReinfyarb,  SRegterungSrat  [£oc$felb,  Sßraftbent]. 

SSutjinger,  Sßrofeffor. 

SBlaftuS,  beffen  SBebtenter. 

(^riftine,  alte  äßHrtföafterin. 

@alome,  ©c^röpferin  unb  Seicfyenbitterin. 

3ünbel,  ein  alter  2lmt3f(§reiber. 

©cfyulmeifter. 

dauern. 

üftagbe  unb  ©auemmabc^en,  Äinber. 


©rfter  m    (Srfte  ©gene. 
(Saal. 

Sater  (!ommt).  <Snbli($,  ©ort  fei  <Danf!  l>aben  fie  fi$  erflart, 
bie  beiben  SBurfdjen!  3<$  fafe  wie  auf  tfoblen.  3lbcr  nun  bin  id)  ba§ 
2Beib3t>olf  lo3  unb  ba§  SunggefeHen»  unb  Sägerleben  ger)t  wieber  an! 
(SRuft  in  eine  S^fire.)  Sftariec^en!  So^anna!  !Rafcr>,  fommt!  £ommt 
einmal  fyer,  SRabcfyen! 

(So&anna  unb  SWarie^en  fommen.) 

2)a  gebt  mir  bie  £änbe,  f«b  frofy  unb  freut  (5uc§!  ©ie  fyaben 
ftd)  ergeben,  ber  5ßräfibent  unb  ber  Sßrofeffor!  ©ie  ftnb  (Suere  freier. 
©ro&eS  ©ort.  Sfü^lt  3$r  eS?  gür  <gu$  unb  mi$.  3*>r  $abt  5Ranner, 
re^te  ®ef  eilen,  unb  \6)  bin  wieber  frei  wie  ber  SBogel  in  ber  Suft!  — 
SSar  ba3  ein  8eben,  feit  3fyr  aufgeworfen  unb  SDamen  geworben  fetb! 
3uerft  fortgejogen  ber  alte  gute  greunb  Jann^arj,  ausgesogen  mit  ber 
fdjöneren  £5lfte  unferer  £unbe  unb  £ünbinnen,  fort  mit  ber  einigen 
2>fana!  9Wi(§  »erlaffen  mit  glinten  unb  ©cfyrot,  mit  Stangen  unb 
Seinen,  @arn  unb  Sauen!  Eingegangen  an  einen  befferen  Drt,  wo 
bte  £unbe  in  ben  ©tuben  liegen  unb  bie  Söafferftiefel  unter  bem  Siftfye 
eine  S^ut)eftatt  finben,  wo  geraupt  unb  gefüielt,  getrunfen  unb  geflutt 
unb  gelogen  unb  gelabt  wirb!  Unb  idj  blieb  Ijier  gurücf  unb  mufjte 
bte  eble  Sägerei  betreiben  wie  ein  SSilbbieb,  oerbergen  meine  ©ewetyre, 
als  ob  id>  fie  geftofylen  fyatte,  unb  ben  Söaibfatf  in  ben  ©etyranf  fangen 
unb    meine   jwei   £unbe  tyeimlidj   befugen!     Snbeffen   ftampfte   unb 


504  8n$ong. 

wolgte  er  ficfy  in  Sümpfen  unb  Schnee  fyerum  unb  burfte  fid)  nid)t 
genieren,  wenn  er  bei  [einem  eblen  ©aftfreunbe  wie  ein  gebabeter  gud)S 
md)  £aufe  !am !  Unb  er  fanbte  mir  Qa\tn  unb  $ü$ner  mit  fpöttifcben 
SBemerfungen:  ber  $err  Äamerab  werbe  wotyl  Mangel  an  SBÜbbret 
tyaben !  2>er  €>atan !  (3w$t  einen  SBrief  tyertwr.)  ©etyt,  Äinber,  biefen 
S3rief  $(&  iä)  cor  einigen  Jagen  &on  ifym  erhalten!  (Steffr.)  „lieber 
gfreunb!  <Der  (General  ift  gefterben.  <&eit  ad)t  Jagen  liegen  ein 
$u(enb  Hgenten  unb  ©cfyelme  aud  ber  $auptftabt  im  4>aufe  unb  be* 
fetyen  ficfy  bad  @ut,  welctyed  »erlauft  werben  foü.  <Dte  $a$r$abe  unb 
bad  Sttefy  ftnb  fcfycn  »erfteigert.  3<$  ft&e  in  einem  leeren  SSinfel  unb 
fpa^e  na$  einem  8füle  umfyer  unb  barf  mdjt  einmal  oom  gleäV, 
bamit  bie  ßerle  nidjt  meine  #unbe  unb  mein  $ferb  au<$  für  $er* 
laffenfdjaft  anfetyen  unb  toerauftionieren.  SWeine  f«$dtyunbert  2$aier 
©infünfte  ftnb  au$  nicfyt  geworfen,  ©o  tyue  tcty  benn  33ufje  mb 
fomme  wieber  gu  2)ir.  3$  Witt  meine  $unbe  in  einem  günfh'gen 
Kugenblide  alle  erfcfyie&en  bü  auf  ben  £ü$ner$unb,  welker  eine  (Ssfelin 
unfrer  alten  2)iane  ift  unb  alle  ifyre  Jugenben  beftfct.  3m  übrigen 
werbe  iä)  bemütig  eingießen,  unb  wir  wollen  und  gang  Hein  machen 
unb  Steine  £audorbnung  nidjt  ftören.  Schreibe,  wann  t$  fommen 
fann.  deinen  alten  $ri$  mu&  id)  mitbringen,  fonft  wirb  aud  ber 
gangen  ©adje  nicfytd!  <Dein  Janntyarg1)."  (Söifd^t  ftcty  bie  Bugen.) 
9tun,  wad  fagt  3ft*  bagu? 

Sodann a.  6i,  wir  tyoffen,  liebfter  £tyeim,  (Bit  tyun  unfern 
bergen  wenigftend  fo  üiel  (5^re  an  unb  glauben,  ba&  wir  und  »on 
ganger  ©eele  auf  feine  Bnfunft  freuen.  3ubem  wirb  ed  und  ein  wahrer 
Jriumpty  fein,  ben  alten  fötabeu  mit  aller  Brtigfeit  nod)  fo  trefflief)  gu 
belehren,  wie  ed  mit  3fynen  gelungen. 

Sater.  3$  $ab'  tym  getrieben:  „$amu)arg!  Äcmm  auf  ber 
©teile,  aber  erfcfyiefje  nic^t  bie  Sßfote  eined  £unbed!  33ring  alled  3«ig 
mit  unb  fyalte  einen  feierlichen  (Singug !  <Die  Sftabeld  muffen  fort,  bad 
eigene  ©ewacfyd  wie  bad  anbete."  SMed  t)ab  tefy  itym  getrieben,  weil 
td>  merfte,  ba§  bie  gwei  Sungen  anbeigen  wollten.  9hm  tft'd  vorüber. 
5Rein  Äamerab  fann  tyeute  nodj  fommen  unb  3fc  markiert  biefe 
Söocfye  noeb  (Sure  ©trage!  ©ie$ft  <Du,  wie  £>u  lacfcift,  SWarieti^n!  33ft! 
©cfyäine  £Di$  nur  ntcr;t! 

Sß^anna.  &bgefeben  von  allem,  wad  fidr)  begeben  wirb  ober 
nidjt,  barf  man  üielletc^t  bodr>  wiffen,  auf  welche  oon  und  jeber  ber 
betben  Ferren  fein  gütiged  tluge  geworfen  bat? 

$ater.  8ty!  S)ad  fott  id)  Gud)  wo^l  erft  jagen'?  ®e^t!  Sd? 
^abe  ben  (Etrcicf;  langft  gewittert  unb  gemerft,  bag  alled  abgefartet  ift. 


!)  $Diefe  gigur  ift  im  obigen,  fpater  gefd)riebenen  ©cenarium  nid)t 
vorgefe^en;  ber  3)ic^ter  fc^eint  fie  alfo  fallen  gelaffen  gu  b^ben. 


©ramatifdje  (Entwürfe.  505 


Sotyanna.    Slbcr  Dfyeim! 

SRariecfyen.  Sfticfyt  ein  (Sterbenswörtchen  triff en  wir.  Hm3 
$imme(3  willen! 

Sater.  ©ut!  «Dir  glaub  i#8.  9lber  ber  ©rofcen  ba  nicfyt.  (So 
$ört  aljo  gum  »orauS,  traö  bie  muntern  Sangen  ©uety  balb  genug 
fagen  »erben !  ©er  Sßrofeffor  wirbt  um  ©tdj,  Johanna,  unb  ©u,  mein 
£inb,  foUft  ben  Sßraflbenten  heiraten.  Sie  fd&mecft  bat?  —  2Ba$ 
gum  Teufel,  3fa  »erbet  Ja  beibe  blafj,  wie  ein  frifc^eö  Sifcfytucfy !  £af§ 
eingeftr/lagen?    £e? 

So^anna.    5ßrofeffor  ©on  3uan  miefy? 

Sater.  Unb  ber  Sßrafibent  ©eine  S3afe  SHarie!  ©e&t!  @uer 
förbleidjen  beweift  fo  recfyt,  wa3  ba  langft  fyier  eine  Seibenfcfyaft  miniert 
$at.  2öie  alles  gufammen  f  läppt,  tty»  rucfylofen  ©inger!  ®e$t!  Söer 
wirb  benn  fo  unüerfcfyamt  verliebt  fein! 

Sotyanna  (lacfyelnb).  Sieber  Dnfel,  wa3  mic§  betrifft,  fo  fonnte 
mein  Slafjwerben  ja  ebenfo  gut  bafyer  rubren,  bafj  miefy  ber  eine  ni$t 
will,  al8  batyer,  bafj  mid)  ber  anbere  will! 

Sater.  3fH$t§  ba!  Äeine  glaufen !  ©3  föicft  fid?  alle*  gu  gut. 
3war  fyab  iä)  hinter  bem  ©uetmaufer,  bem  ©cfyulmeifter,  gar  ni$t  fo 
einen  SBilbfang,  fo  einen  ©on  3uan  gefugt,  wie  3^3  nennt,  unb 
fanti  eö  fo  wenig  mit  feiner  £erfunft  als  mit  feinen  fonftigen  ©igen» 
f haften  gufammen  reimen;  aber  befto  beffer,  wenn  er'S  ift,  benn  ba 
pafet  3$*  gufammen  wie  4>anö  unb  ®rete.  ©erabe  fo  ein  ftolgeS  unb 
gro&augigeS  ©ing,  wie  3fa  feib,  graulein  Sßidjte,  fo  eine,  bie  feinen 
®pa§  aerfte&t,  wirb  bem  gant  ben  Äopf  gureetyt  fefcen,  ba  er  im  übrigen 
ein  guter  Sropf  ift  unb  fein  tnufj  wie  feine  Sorfal)ren.  ©a  ift  hin- 
gegen ber  tyodjfafyrenbe  unb  tyocfygemute  £err  $räfibent,  biefer  5ft.,  ftar! 
unb  feurig,  trofc  ber  ©efefctfyeit,  in  welker  er  ftc§  nun  gefallt.  3öelc§en 
beffern  ©egenfafc  fonnte  er  in  einem  Söeibe  pnben,  al3  ©eine  (Sanft» 
tyeit,  «Deine  mitte  ©ebulb  unb  Eingebung,  ©eine  fülle  SBut,  aUeö  gu 
lieben,  gu  bulben  unb  gu  wehren,  o  mein  SWariecfyen !  (©cfyineicfyelt  tyr.) 
©oety  bamit  5ßunftum!  3&t  Wt,  ba&  icfy  föon  &on  ©urer  ©üftelei 
unb  9tafewei8tyeit  angeftetft  bin.  ©8  ift  Seit,  ba§  wieber  anbere 
(Saiten  aufgewogen  werben.  (3lb.  «Da  Sßrofeffor  unb  Sßrafibent  auf* 
treten,  entfernen  fidj  Sotyanna  unb  SWariecfyen  nac§  üerfcfyiebenen  Seiten, 
inbem  fie  ftc§  gegen  bie  Sluftretenben  üemetgen.) 

3weite  ©jene. 
^ocfyfelb1)  unb  Söinginger. 

SB  inging  er  (aufgeregt  ^>ocr)feIb  bei  ber  £anb  faffenb).  9hm  mujj  icfy 
boä)  glauben,  ba§  e8  ©ein  &oüer  ©rnft  ift  unb  ©u  m\6)  nid^t  tyintergefyft. 


J)  ©päter  in  SRein^arb  umgetauft. 


506  Strang. 


£od>felb.    Söaö  benn? 

20  in  ging  er.  2)afj  2)u  wirflicty  bie  Heine  3Harie$en  (tebjt  unb 
um  fie  wirbft,  bafe  e$  nidjt  Sofyanna  ift. 

£o($felb.  3$  fe^c  aber  watyrfyaftig  ni$t  ein,  weswegen  i<$ 
Sterin  eine  &om  öbie  aufführen  unb  2)i(b  ober  jemanb  anberS  tauften  joflte? 

SSinginger.  ©ut.  @o  fyöre!  2öie  5>u  nun  gefetyen  tyaft,  fam 
ic^  fyietyer,  um  bie  Jpanb  ber  föftlid>en  3otyanna  gu  erwerben;  benn 
ein  ©ott  fyatte  mid)  »on  meinen  Träumereien,  meinen  beftaubten 
golianten,  meinen  toten  Sbealen  aufgerüttelt  unb  ins  Dbr  gerufen: 
Sflacfye  2)idj  auf  unb  ergreife  baS  £eben !  Erringe  3)ir  baS  fdjönfte  unb 
fyäc^fte  Söeib,  unb  5)u  r)aft  Sbeal  unb  2öatyr$ett  gumal  in  Steinen  Sinnen! 
2)ann  erft  wirft  $)u  einen  Sflafjftab  unb  einen  SluSgangSpunft  für  ba3 
Unenblidje  gewinnen. 

£o$felb  (ladjelnb).  2>a3  Reifet,  biefe  göttliche  £nfpra$e  erflang 
auS  irgenb  einem  ©ucfye  gu  $>ir  herüber4? 

3S  inging  er.  @pare  ^Deinen  (Spott,  benn  eS  gilt  ein  f)bd}ftö 
Problem !  3$  fanbte  alfo  meine  lebenSburftigen  93litfe  auS,  unb  wobin 
fonnten  fie  anberS  fallen,  als  auf  bieS  wunberbare  gfrauenbilb,  biefe 
SBerfcfymelgung  ton  ©djontyeit,  tyofyer  fRuty,  ßlugfyeit  unb  £tolg,  wdajeS 
alles  nur  eine  £ütle  ber  ebelften  unb  feinften  fceibenfdjaftlictyfrit  ift,  bie 
t)oIb  gemäßigt  auS  ibren  31  u gen  gu  ftrafylen  fc^eint  y 

£o$felb.  m%  bünft,  £)u  befdjreibft  fie  gut.  Seine  Sborfcit 
wirb  2Bciör)cit. 

3öinginger.  3war  mufj  i($  geftefyen,  bafj  fie  manchmal  etwas 
Unnahbares  für  mtcfy  Ijat,  unb  ber  ©lang,  ber  auf  midj  faßt,  wie  von 
einer  leifen  Stonie  burdjgittert  wirb,  bafj  ein  feitfameS  ©efübl  ber 
ßalte  miefy  überfröftelt.  tlber  wel^e  ftofe  ift  o^ne  «Dornen?  3&el$en 
Sert  fann  baS  £od)fte  baben,  wenn  eS"  nietyt  errungen  unb  begwungen 
wirb?  Sßadbbem  id>  einmal  bie  freie  (selbftbeftiminung  gu  Sbat  unb 
Seben,  gu  Siebe  unb  Seibenfdjaft  üollgogen,  fann  biefe  Arbeit  nur  ba» 
bitrefy  würbig  fortgefefct  werben,  ba§  iti)  burd)  gewaltiges  'Begebren, 
burefy  üttut  unb  &u§bauer  baS  (Sr^abenfte  unb  ©pröbefte  in  ben  Ärei* 
uteiner  3bee  giefye  unb  banne. 

£oc§felb  (lacfyenb).  D  5)u  ©rgnarr!  (So  giefye,  banne  bodj!  3$ 
begreife  nur  immer  no(fy  nicfyt,  wie  idj  2)ir  barin  btnberlicty  fein  foß! 


[So^anna.    SReinbarb?] 

(5r.    3d)  ebr'  (Sudj  unb  bin  tyiev,  um  (5ud>  gu  werben. 

6ie(fpottifcb).  (5i  febt  baS  ift  ein  2öort,  baS  fi<$  läfet  fybxtn 
3ebocb  im  (Srnft  gefproc^en:  fagt  gleicb  frei  unb  offen, 
3u  welkem  3werf,  ©efdjaft  unb  tüc^t'gem  Stufen, 


5)ramatif<$e  Entwürfe.  507 


3u  welker  ©pefufatien,  8erecfynung,  würb'gem  Sßlan 

5Mn  id>  Eudj  taugli^?    2)enn  fold)  trodner  SRann 

SSie  wäre  ber  fo  muffig  unb  fo  Ijöflicr;, 

Um  fügen  greienö  Witten  blofj  ju  freien? 
Er.    34  f*b'  Eud)  gern  unb  bin  Eudj  ^xfixö)  gut. 
©ie.  Ei  bort!   2)a3  Hang  wafyrbaftig  faft  wie  b«jlld>! 

Söcldr>  eine  Seibenföaft  glüfct  nity  in  biefem  ©orteten! 

S)o4  wifjt,  e$  ift  gu  grofj  unb  ju  gering 

3u  gleicher  3«it,  als  ba&,  fo  farg  gefpenbet, 

E8  bei  mir  einen  Glauben  finben  tonnte! 
Er.    34  lüge  nidjt. 
©ie.  3^r  luget  ni$t?    ©ei  e8! 

2)o4  glaubt  3fyr,  fpröber  Wrcffer  8"terSmann 

(2öie  3br  Eu4  wun  benennt)  fo  ju  gefallen? 
Er.    Söenn  idj  Eu4  ni4t  gefalle,  wie  i4  bin, 

©o  wünfer;'  i4  au4  nidjt  anberS  ju  gefallen, 
©ie.  2)a3  ba4t  i4!    2Rit  Eu4  felbft  feib  3&r  aufrieben! 

Unb  3b*  bewunbert  Eu4! 
Er.    ©o  febr,  ba&  i4 

51  u 8  lauter  Eigenliebe  mi4  mit  Eurer 

Sßerfon  unb  fciebe  nur  belohnen  mochte, 
©ie.  Unb  wenn  i$  baö  nid)t  will,  nid)t  fann,  nic^t  Witt? 
Er.    ©o  faget  nein!    Unb  i$  befreite  mi4- 

(©ie  fetjrt  tbm  ben  dürfen  unb  fpridjt  mit  anbern.) 


©ie(freunbli4).  2Ran  fagt,  3b*  türmt  fetyr  liebenöwürbig  fein, 
Söenn  3br  nur  wollt!    tfurjweilig,  wobl  gelaunt. 

Er.    <Da8  war'  ein  £eil  für  mi4,  id)  glaub'  e$  !aum. 

©ie.  S)o(^  wel^e  garbe  ift  für  Euer  SBBeib 

93eftimmt?    2)ie  rofenrote  ober  jene  graue. 


[SBinjinger.    SReinfyarb.] 

31.    34  mu&  2)ir  nur  gefte^n,  3)u  fommft  mir  gar 
3u  gapplig  oor! 

53.  Unb  mu§  t4  mi4  ni4t  rühren, 

Sefct,  ba  ba3  ©lücf  mir  «Breit'  unb  Sänge  gönnt? 
£afdjt  nict)t  ber  re^te  Sftann  ben  3lugenblitf? 

31.    3«  ja  —  bod)  atte8  bat  fo  feine  Söeife!  — 
34  fab  jüngft  einen  ebrenfeften  Äerl, 
©o  einen  reetyt  nufcnief}erif4en  SBurfdjen, 
3)em  man'3  ton  weitem  anfab,  ba§  er  feinen 


508  Anhang. 

93erfd>liff'nen  Pfennig  ju  viel  »ergab  unb  feine 
Minute,  bie  irgenb  gu  »ad  gut,  verlor. 
@r  fa§  ftcif  wie  ein  folgen  an  ber  ©djenfe  SBanb 
(g&rfam  unb  fttü,  trän!  für  fein  ©elb  fein  93ier, 
(Safe  für  fein  ©elb  bie  53an!  ab,  borgte  eifrig 
$uf  jebeö  Sßort,  bejafy  bie  ÜRenfdjen  gar  genau, 
S)ie8  atleö,  um  ben  foftbaren  &ugenbli(f, 
S)er  iljn  jwei  ©rojdjen  foftet,  wofyl  gu  nüfcen. 
Unb  ald  bie  ©cfyenfbirne  auf  ein  SBeildjen 
@id>  ju  ifym  fefct,  ergreift  er  fie  befliffen, 
Dbgleidj  nietet  von  ©eblüt  no$  Sitten  lorfer, 
(Streichelt  unb  tatfdjelt  fie  eifrig  unb  emfig, 
3)ie  träge  ©unft  ber  S)irne  rafdj  beraubenb, 
(So  lang  fie  bei  ibm  fa§;  benn  bad  festen  ifym 
211Ö  @aft,  tote  anbern,  füglidj  ju  gebühren! 
sfticfct  fo  und  id>  bie  5)ame  ©lud  erfyafäen, 
Unb  nafyt  fie  ftd>,  lag  id)  fie  erft  ein  Söeildjen 
©elaffen,  rutyig  tyre  ©unft  verfdjivenben, 
3u  fe&'n,  ob  fie  midj  liebt,  unb  fety  i$  bic3, 
2)ann  fafj  idj  fie  mit  boppelt  gierigen  $änben 
Unb  füff  ifyr  frofy  tU  vollen  reichen  Prüfte. 


©ie&ft  <Du  ben  3Minben  mit  ber  tyoljlen  $anb, 

S)ie  fein  ÜRetaüjcfcmieb  fefter  unb  gefrümmter 

3c  fdjmieben  tvirb  aud  (Sifen  ober  (Srj? 

©o  frumm  burd>  bit  ©eivofynljeit  vieler  Satyrz 

3ft  biefe  £anb  gum  ^Betteln  angefertigt. 

SDic  ©onn'  vergülbet  fie,  unb  fallt  ein  Siegen, 

(So  fammelt  fi$  in  ifyrer  garten  ßö&lung 

©in  Söaffertümpeldjen,  unb  gierig  fifdjt 

S)arin  ber  IBlinbe  mit  ber  anbern  $anb, 

gatlt  ein  gemüngteS  ©djüppdjen  in  ben  Tümpel. 

(Sin  ^unfttverf  fdjeint  bie  trodne  braune  #anb, 

Unb  fielet  man  fie,  fo  mochte  man  e$  fcfyvören, 

3um  muffigen  Empfangen  fjat  ein  ©ort 

(So  redjt  mit  gleifj  bie  9Wenf<$enI?anb  erfonnen, 

3)enn  feine  Arbeit  fann  ber  Sump  verrieten 

9Wit  ben  jur  Krümmung  langft  erftarrten  gingern. 


Drainatijdje  ©ntwurfc.  509 


3u  ©.  22.    7.   a>ie  5Roten.    @in  Suftfptet. 

(«Berlin,  22.  9Kai  1851.) 

3n>ei  tferlS,  ein  roter  9Wonardjift  unb  ein  roter  SRepublifaner, 
werben  Don  einer  luftigen  ©efellfdjaft  mpftifijiert,  bafc  einer  ben  anberen 
jum  Sobe  verurteilt  unb  nacr/ljer  ad  absurdum  geführt  wirb. 

IBcibe  rote  ßauptferle  muffen  genugfam  Darren  fein,  um  bad 
Sßoffentyafte,  tveldjeö  jur  Durchführung  nötig  ift,  gu  motivieren. 

Der  2Ronard>ift  ift  ein  alter  fteifbeiniger  Militär;  bei  ber  fingierten 
Devolution  wirb  üjm  vorgemalt,  er  fyabt  ba8  ©tanbgeridjt  ju  prafibieren. 
Der  Sfcepublifaner,  SBorfteljer  einer  üflabcfyenfdjule,  unpraftifer/er  naferoeifer 
Äerl.  6$  wirb  ifym  weife  gemalt,  er  fei  (Sfyef  be$  revolutionären  Tri- 
bunals unb  fyabt  SobeSurteile  ju  untertreiben.  3eber  verurteilt  ben 
anbem  jum  Sobe.  Der  üftonarctyift  lagt  ben  Demofraten  ftanbrecr/tlicty 
füfüieren,  biefer  jenem  ben  Äopf  abplagen.  SBctfee  glauben,  bie  <5a$e 
fei  vor  fi$  gegangen  unb  verfallen  nun  in  fürchterliche  ©ewijfenSbijfe 
unb  fetywac^e  3uftanbe.  triebe  unb  (Schlaf  finb  batyin  k.,  bid  fie  fiety 
unvermutet  einfam  begegnen.    Verblüffung  unb  poffierlicfye  Sflfung. 

Die  fraftigen  unb  tüchtigen  Sßerfonen  biefer  tfomöbie,  welche  mit 
ben  verfnödjerten  Slberwifcigen  bat  letyrreidje  ©viel  treiben,  fyanbeln 
w&tyrenb  ber  3eit  nadj  aufcen  auf  jwedmafjige  3Beije  unb  richten  wirfliety 
etwaS  (3hrfprie&licr/e$  auö  burd>  Äraft,  bie  mit  (Sinfict/t  unb  Humanität 
verbunben  ift.    &ucr/  tyier  verjer/iebene  3lbftufungen  unb  gnbivibualitaten. 


8.   Drofjelbart. 
(c.  1861.) 

5) er  fielet  mi($  eine  S3rut  von  Slffen  füffen, 

Die  er  mir  ju  erzeugen  einft  geben!t; 

Der  füf>rt  mid}  fdjon  in  feines  ©imtö  Sriumpfy 

33ei  einer  Unjaljl  rotaugiger  SBafen 

Unb  aberwifc'ger  Settern  tote  ein  ©djaf  fyerum, 

Die  mid)  bunt;  i&re  33riHen  fcr>arf  beguefen 

Unb  mid}  mit  plumpem  DfyeimSfcfyerj  bewerfen. 


3u  ©.  27.    9.   3)te  ^3rooen9atin. 

918  ber  Totengräber  ben  ©argbetfel  abgehoben,  erwacht  fie  gleicr/- 
jeitig  unb  rietet  ftd?  auf.  (Sntfefct  fliegt  er  bavon  unb  la&t  feine 
Saterne  fte^en.  ©ie  fteigt  auö  ber  @rube,  fietyt  fid}  um  unb  erfennt 
bie  Sage.    3n  ber  bunfel  ftürmifer/en  Sßadjt  nimmt  fie  bie  fleine  53lenb» 


510  Snking. 

latente  unt  gelang  nodj  einigem  Srxen  oor  ta$  $aa£  te*  @artes  not 
giebt  He  älingel,  tafc  Hefelbe  mrr  einen  einzigen  fd?ncbternen  Zun  gibt 
ten  nur  ber  fdjlaftofe  Wann  bort  (£r  öffnet  ta£  gtnftex  unt  fteftt 
ba£  Seib  mit  fcem  $aterncbeu  in  ibrem  Xbeatertcfrnm  nnten  fn^en, 
glaubt,  e$  fei  ibr  fgefpenfi,  al*  fie  auf  feine  grage:  ,2Ber  M  gefcbdlt?' 
mit  gitternder  Stimme  ruft:  VVS4-  34  fomme  an6  tem  ©rab!" 
(€ter  fo  wa§.)  2)a  fcbreit  er:  „$e$,  »obin  tu  gedurft!"  mit  falagt 
ba$  genfer  gu. 

2)a  vantcrt  fie  fort  a»3  ter  Statt,  na$bem  fie  He  Laterne  ge» 
lofcfct  (t) ,  HS  fie  im  SRorgengranen  auf  ber  Santftiafce  eine  mit  gnbr» 
wert  reifende  IcomoHanlent  i uppe  trifft  unt  »on  bcrfelben  aufgenommen 
wirb.  Samuel  unb  ©elt  fontmen  ibr  gn  ftatten,  ft$  gn  Seiten  unt 
gn  ftärfen,  gu  erholen  x..  He  &efeUf<baft  gn  veriaffen  unb  in  He  gerne 
gn  fiteren.  3noeffen  bat  jicb  ter  (ober  He)  Totengräber,  refp.  SHebe 
ermannt  unt  jint  in  ber  Dämmerung  gum  @rabe  gnriufgefetyrt  nnb 
baben  taöfelbe  gngemorfen,  alle  Spuren  verurifcbenb.  9ftemanb  b**  eine 
$bnung  von  bem  Vorgefallenen. 

9Rad>  ber  Serftofwng,  meiere  einffoeilen  reine  förmliche  Sd>eibun$ 
gu  fein  brandet  (um  He  ronfejjtonetl  ^iftorij^en  Scbmierigfeiten  gn  um' 
geben),  entfcbliefct  fid)  bie  $elHn.  ibre  bisherige  $erfönli(bfeit  anfgngeben 
refp.  gu  oeroanteln,  unt  ten  hatten  al$  eine  ancere  nrieber  gn  erobern. 
Sie  verbreitet  He  3iad)ricbt  oon  ibrem  $obe  unt  gu  ter  S<baufpieUuß 
unt  *&unft,  bie  bie  Urfac^e  ibreS  UnglüfreS  getoefen,  nunmebr  He  3a* 
fludjt  nebmenb,  übt  fie  He  Stade  ber  anbern  $erfonlicbfeit  ein  unt  führt 
fie  burd?  für  alle  unt  überall,  ef?e  fie  baran  gebt,  ten  frübern  fRann 
wieber  gu  gewinnen.  Sie  lebt  fid)  fo  in  tie  Sacf/e  binein,  tag  fie  ge« 
trifjermajjen  felbft  an  bie  neue  ^erfönlidjfeit  glaubt  unb  um  fo  täufet/ung** 
fabiger  wirb. 


3u  ©.  28.     10.    3m  3rrenr/au3. 

(c.  1879.) 

Gin  ©efunber  läjjt  fid)  als  Serrütfter  aufnehmen,  um  ten  fct)uftigen 
Seroalter  $u  intrigieren  unb  bem  £irefter  beijujpringen.  (£r  mpftiftgiert 
unb  bänfelt  jenen,  ftellt  fid?  u.  a.  al§  tcbjüdjtig,  um  ibn  geberig  burd)* 
guprügeln,  bann  als  febwermütig  u.  f.  to.  (St  bringt  babei  ben  ^taoeiS 
auf,  bap  ber  Verwalter  in  ber  $bat  bie  Äranfen  boSmtQig  betetet,  fie 
feien  gang  gefunb  unb  nnterrcct)tlict>  gefangen  gebalten  vom  9qt  u.  f.  f. 

Der  Verwalter.  6r  bai^elt  nur  unb  fyält  feine  Monologe,  nie 
um  abficbtlid)  nid?t  in  fieb  binein  gu  jeben  wabrenb  ber  inftinftioen 
Sicberbeit  jeineö  ^ebene  unb  Jbunö. 


<Dramatiföe  Entwürfe.  511 


3wei  fpredjen  baüon,  wa8  ber  Äerl  eigentlich  ftcfy  fclbft  innerlich 
fagen  möge;  eö  wäre  wiffenSwürbig  k.  unb  er  fyort  unbemerft  biefeS 
©efpracty.  2ln  biefer  ©teile  mufc  er  ftcfy  nad$er  gezwungener  Söeife 
gegen  ficfc  felbft  auöfpredjen ;  batyer  enblidj  ein  djarafteriftifdjer  Monolog. 


11.   <Daö  ©affengerictyt1). 

3n  einem  Htt.  3n  ber  (Srpofition  werben  arme  ober  geringe  Seute 
Don  SReicr^en  unb  Übermütigen  beleibigt  ober  fonft  mifftanbelt. 

(Sin  9ftotit>  bed  (Streitet:  9ci$tbegat)lung  einer  3ec^e.    ©aftgeridjte. 

S)ann  »ergeben  fidj  bie  SRcicr^cn  ober  33eleibiger  felbft  unter  einanber 
ober  gegen  brttte  unb  »eranlaffen  ein  ©affengericfyt,  in  welkem  jene 
Firmen  bur$  ben  3ufatt  3ftd>ter  werben. 

©ottyarbftrafje,  bie  alte.  ÜRittelalter.  (Sin  grofjer  £err  ober  fo 
wa8  beleibigt  einen  Keinen  ober  (Sinjamen,  ber  nadjfyer  al§  93eififcer  auf 
ber  ©trage  über  ifyn  gu  rieten  fyat. 

3ebenfaII3  bie  ©ottyarbftrafje,  etwa  im  14.  3^^unbert.  (Snt« 
toeber  wirb  ein  Slrmer  über  ben  Steigen  ober  ein  3unger  über  ben 
9üten,  ein  @djwac$er  über  ben  (Starten  je.  gum  aufgerufenen  Oticfyter. 
5)er  Sfceidjööogt,  g.  53.  SBerner  »on  #ombergs),  fann  fomparieren,  baß 
bamalige  ©ibeüinentum  ber  brei  Cancer,  3üru$8  2c.  Reiter  mirfpielen. 
(Stwa:  £omberg  reift  über  ben  Sßafj  mit  ßriegöleuten  unb  »erfattt  felbft 
bem  ©affengeridjt.    ©ine  8iebfcr>aft  lauft  mit  unter. 

(Über  ©affengerietyte  f.  93lumer,  (Staate «  unb  9tedjt8gefcr;utye ; 
©rirnm.  9Re$t8altertümer;  ©rimrn,  SGBeißtümer;  Dfenfcrüggen,  ©tubien 
jur  SRedjtögefdjidjte.) 


12.   <Der  ^rogefelieb^aber. 

©in  reifer  SBauer  im  Danton  33ern  befugt  wöchentlich  aüe  mog* 
liefen  Sßrojefjüer^anblungen  unb  Slubiengen,  bie  er  ju  »eranftalten  weife. 
2)er  Slufent^alt  in  ben  ©ericfytölofalen  unb  nacfyfyer  in  ben  SBirtö» 
Käufern  ift  fein  fceben;  er  regaliert  bann  nicr/t  nur  feine  eigenen  2lb»o* 
faten,  Saugen  jc,  fonbern  auety  bie  ganje  Gegenpartei,  bie  3fticr/ter  unb 
bie  Söeibel.  (Sr  ftiftete  julefct  feinen  eigenen  Sßadjter  auf,  einen  Sßrojefj 
gegen  tyn  anguftrengen  auf  bie  totlfte  Söeife  unb  üerftcfyerte  ifyn,  t>a%  eö 


!)  tiefer  unb  bie  folgenben  (Entwürfe  ftammen  au§  ben  fieberiger 
3at>ren. 

a)  2)er  befannte  föweijerifdje  ÜWinnefinger  unb  £aubegen. 


512  Sabona,. 

ihm  nicbtö  froren  n«$  fcftev  fette.  £ie  Soifee  war  aorarfi^  nMeifc 
nnt  warf  balt  abgetban  gewefea.  Wein  ter  &xncr  ara$te  far  feiaei 
@egner  immer  neue  £iftea  not  Umtriebe  |a  erjtnren,  6t£  e$  entlob  t«4 
$nr  legten  3nftan;  unt  $aartverbantlnna,  fam,  webet  taan  ter  ttan? 
lernen  $ad>ter  mit  ungebenreni  f*lafir  nnt  :£rinnr*b  beftegte.  He  $zxx 
*Nannfd*aft  glin;ent  bewirtete  nnt  alle  mit  jete  Äriten,  inffnjree  it« 
vefaten,  brablte. 


13.   £er  neue  @raf  ten  8leid)en. 

£erfelbe  winterte  nadj  Smerifa  an§.  fUS  er  tert  hm|  irgeit 
eine  fenterbare  Serwidlang  antbentifwe  flaäfiiätt  mi  i*fce  ferner  ii 
ter  Heimat  gebliebenen  grau  erbielt,  terbeiratete  er  ftd)  «irrer  ml 
tfbrte  fpater,  aB  t£  ibm  in  Immla  nidrt  mehr  gefiel,  aa4  3*fBaei 
prrutf  famt  feiner  neuen  gran  nnt  fant  aber  and)  He  alte  aca)  »er, 
tie  gar  nitbt  geftrrben  vor.  3n  rem  taranf  Moniten  f*iaaarie?refef 
fennte  ter  SRami  nitbt  betraft  werten;  e$  warte  letiglicfc  He  $wene 
6be  für  ungültig  erflart  Xa  aber  tie  ameritinif<fre  gran  niebt  faraa* 
gefebitft  werten  tonnte  nnt  ubfT^anpt  nirgent$  eine  anrere  dritten)  ge- 
tonten batte,  mu$te  fte  eben  and)  in  £anfe  bleiben,  nnt  fe  lebte  ter 
Site  fafrifd)  mit  $wei  SBeibern.  Äcmi!  liegt  tarin,  tafc  tieielben  ft4 
fertwabrent  in  ten  {Maren  lagen  nnt  ftd)  je  not  te£  Äaiiert  Satt 
frritten,  weil  ter  alte  @c<k!babn  ni$t£  mebr  wert  war. 

Xerfelbe  batte  einft  tem  €tattbananrt  ten  Sarg  für  eine  feaqi' 
rieb  ten  te  &int§mcrterin  }u  liefern.  $U£  man  ibm  bemeifte ,  tag  ter 
haften  etwaä  febr  rur$  angefallen,  fagte  er  richtig,  er  babe  eben  na 
rcranS  ten  Äepf  abgerechnet  beim  3uidjnetten. 


3u  2.33.  XaS  Säntcben  „Senere  @ebi$te*  fpt  far§ 
nad}  feinem  Grfdjeinen  eine  ungeheuer  fomif$e  8ef$id)te  ange* 
hebtet.  3J?an  wirb  ben  Statten  be3  großen  £nmürijtai  mdjt 
beleifctgen,  wenn  man  fie  er$a§tt  Gr  felbfi  tyit  meinet  Siffenä 
nie  baten  gefprodjen.  Unter  ber  Abteilung  „Son  SBeibern*  jfcft 
ein  @etidjt  „©retdjen",  worin  ein  3tfabd>enfd>idfa(  wie  baS  be$ 
3au?lgret4enS  ober  gerat e$u  bietet  felbfi  gefdntbert  wirb:  b«Ä 
Xrmlein  fle^t  oor  bem  ©natenbift  ber  Butter  ©otte3  unter 
Crgelt cnner  um  ben  ^prtenfran^  befftn  t&,  ber  Staube  jn 
entgegen,  fo  brmgenö  bebarf. 


ein  Steter  wirb  gefugt.  513 


■Wim  gefdja^  eft  im  3Wai  1852,  bafs  tief  im  Ungarlanbe,  in 
Öbenburg,  eine  äRargaretye  2.,  geboren  in  Äempten  bei  Sinbau 
am  SJobenfee,  breiunbmerjig  3al>re  alt,  gattentofe  üRutter  oon 
jwei  äRäbdjen,  Siegina  Stofina  nnb  Sarbara,  baneben  Dienfhnagb 
bei  ber  gnäbigen  ftrau  oon  9t.,  in  einem  3eitungdblatt  auf  ben 
Tanten  ©ottfrieb  Äeüer  flieg  unb  mit  flopfenbem  £er$en  in  ben 
SJudjlaben  eilte,  um  bie  angefünbigten  „teueren  ©ebidjte"  be8* 
felben  31t  faufen.  9tid)tig!  ba  ftonb  auf  ©eite  42  i$r  ©ctycffal 
buc^fiäbüc^  gebrutft;  fetbfi  tyre  guten  äR&bdjen  waren  mit  Siebern 
bebadjt,  eine»  unter  ber  «Luffc^rift  „Da8  rote  »ärbdjen",  ba$ 
anbete  fogar,  urie  billig  unb  bem  Doppelnamen  gemäfj,  mit  gweien: 
„Stegina"  unb  „SRöSdjen".  ffinblid)  eine  Spur  bed  Ungetreuen, 
Totgeglaubten!  Unoerweilt  fefcte  fidj  baS  ungarifdje  ©retten  fyn 
unb  fd)rieb  an  $tnn  Sfriebridj  93teweg  unb  ©ofyi  in  Sraunfdjweig, 
biefe  Ferren  möchten  i$r  über  ben  ©eburtS*  unb  Aufenthaltsort 
bed  Sogenannten  ©ottfrieb  Äefler"  fdjleunigjie  äuSfunft  geben, 
bie  unter  ©djmerjen  erwartet  würbe.  f$für  ben  3fafl,  bafj  biefer 
felbfl  antworte,  war  eine  3c$nrreu£ermarfe  für  ityn  beigelegt, 
©ottfrieb  Äeüer  fdjrieb  wirflid)  nadj  Dbenburg,  bie  ®efd)id)te 
ge^e  ityn  nid)t$  an.  Darauf,  im  3uli,  tarn  ein  weit  beweg* 
lieberer  SSrief  au$  Ungarn,  worin  ©retten  tyr  trauriges  (Schief* 
fal  bem  wertfdjäfcbarfkn  $errn  Äeüer  a(d  bem  einzigen  auf- 
richtigen fjreunbe  anvertraut,  ©ie  gebe  ftd>  für  eine  SBitfrau  au8, 
unb  niemanb  als  tyre  Angehörigen  wüßten  um  ityr  ©eljeimniS. 
SWämlid)  ber  fogenannte  ©ottfrieb  Äeüer  fei  tyr  ©eliebter  gewefen, 
unb  fie  fjaht  gwei  Äinber  oon  ifyn:  Regina  SRofina,  jefct  jwanjig* 
jährig,  unb  bie  um  brei  3atyre  jüngere  Barbara,  bie  iljren  gelieb- 
ten Sater  nodj  gar  nid)t  fennen.  Denn  biefer  fei  tor  fedjSgeljn 
Sauren,  mergeln  Sage  oor  ber  #odjjeit,  in  ben  Ärieg  nadj  ©rte* 
djenlanb  gejogen  unb  bort  umgefommen.  ffienigfienS  behaupte 
ber  lotenfdjein,  er  fei  in  einem  ©umpf  erfiteft.  Da8  fomme  ifyr 
feljr  auffaüenb  oor,  unb  ein  greunb  Ijabe  tyx  gefagt,  bafj  ityr  ©Ott« 
frieb  nod)  am  Seben  fei,  „meldjeS  idj  aud)  gar  nidjt  baran  jweifle; 
benn  idj  tyätte  fd)on  einigemal  $artieen  gehabt  unb  feljr  gut:  aüein 
\d)   wei|   nidjt,   benn   ed  war  mir  immer  fo,  atd  wie  wenn  mid} 

©ottfrieb  Äettcr.   II.  33 


514  9n$ang. 

jemanb  gurticf galten  möchte  unb  fagen  möchte:  nidjt  ^eirat!  3>ann 
$at  m\d)  ber  3ufau*  Su  ^cr  3c^un9  geführt,  mo  id)  ben  teerten 
Tanten  ©ottfrieb  Äefler  gelefen  f)dbt  unb  mir  e3  feine  9tu$e  mefyr 
getaffen  tyat,  um  mir  ba$  teerte  ©ebidjt  bringen  gu  laffen,  ob 
meüeidjt  mein  ©d)icffal  barin  bemerft  morben  tft,  toeldpeä  au<$ 
tyaarftein  eingetroffen  ift  —  mein  ganje3  ©d)icffal  com  Anfang  btd 

jum  Gnbe  —  unb  idj  nodj  fe^r  im  3rotife*  &t*if  °&  ®c  &*  mcrt* 
fdjäfcbarfler  #err  ÄeÜer,  nidjt  berjenige  finb  unb  ©ie  oieueidjt 
fidj  ben  Sugenblicf  nidjt  gu  fennen  geben  toollen,  inbem  bem  ©ott* 
frieb  Äefler  fein  Sater  aud)  oon  3ürid)  gebürtig  i{L"  Diefcr 
(entere  fei  SBebermeifter  unb  gu  Sinbau  am  Sobenfee  anfägig  ge* 
teefen,  toie  bied  atte$  grtinblidj  roafyr  in  bem  @ebid)te  fte^e.  [Sie 
meint  offenbar  ba£  @ebid)t  ©.  132  „$eimroe$"  unb  baraud  ^aupt* 
föc^ttd^  bie  brttte  ©tropfe.]  „5)er  fogeuannte  ©ottfrieb  fteller  mar 
3faj$binber,  bann  ijt  er  gum  Militär  gefommen  unb  tft  lambor  (!) 
geworben,  bann  Äorporat,  bann  ©djnnmmmeifter  in  Sinbau  .  .  . 
5)ann  $at  er  mit  bem  Militär  fort  nad)  @ried)enlanb  muffen,  unb 
id>  glaube  fyalt  immer,  ba&  man  mir  einen  fallen  £otenfd)eut 
überfdjicfte,  bafs  er  mefleidjt  no$  am  Seben  tft  unb  »erheiratet  fein 
foOte  unb  ftdj  nidjt  trauen  foflte,  mid)  gu  benachrichtigen.  Unb 
trenn  bicö  aud)  ber  3fafl  märe,  fo  roünfdjte  id)  tfym  beSmegen  alle* 
©ute,  inbem  id)  nur  nodj  mttnfdjen  möchte,  baf$  bie  ftinber  nur 
tyren  lieben  Sater  fennen  lernten  u.  f.  m.  ©oflte  er  ntc^t  ner* 
mögtid}  fein,  um  eine  grofce  Steife  gu  unternehmen,  fo  möchte  i$ 
unb  meine  Äinber  afleS  anmenben,  um  fefbfl  iljn  gu  befugen  ober 
abgu^oten,  inbem  idj  $att  nodj  immer  im  3n>eifef  lebe,  bodj  nodj 
»ad  oon  i^m  gu  työrenu.  f.ro."  ©in  ©ruber  oon  i$r  fei  in  ®fin$ 
»erheiratet,  mo  ed  itym  feljr  gut  getye:  er  befifee  gmei  #äufer  unb 
nodj  groei  ©djroeßern,  bie  fidj  (eiber  aud)  im  SDienjite  bei  #err* 
fdjaften  beftnben  müßten. 

üRit  ben  Sitten  ber  SWutter  Dereinigte  fidj  bad  finblidje  fjleljen 
ber  äfteflen  Softer  SRegina  SRoftna.  Sie  f djreibt  »örtlich :  „®8 
mä^re  mein  fyetßeSter  2Bunfc$,  meinen  oielgefiebten  Sater  mtber 
nodj  einmal  in  meinem  gangen  geben  gu  feljn,  inbem  idj  jefct  ba& 
gtoangigfte  3atyr  meinet  SebenSalterS  jä^le  unb  id)  ein  3a^r  ab 


6tn  Sater  wirb  gefugt.  515 


mar,  mo  idj  meinen  üeben  Sater  gefetyen  fcabe  unb  feit  ootte  neun* 
$e$n  ^a^re  nidjt  tne^r,  fo  ba8  id)  tyn  gar  nidjt  fenne,  »eil  i$ 
in  Äempten  oon  meinen  ©rofceltern  aufergogen  roorben  bin  unb 
mir  alle  be$  eoangelifdjen  ©taubenS  ftnb.  2Ba8  aber  mein  tif 
gegrängte3  #erj  fo  fd)mergte,  [ift,]  ba8  mein  melgeliebter  Sater 
und  fo  geittid)  oertafjen  Ijat  unb  mir  feine  grünblidje  ma^rtyeit 
toijfen,  ob  er  toirflidj  tob  ift  ober  nidjt;  toaS  m'\d)  unenbtidj  freuten 
möchte,  trenn  id)  meinen  geliebten  Sater  »iber  ftnben  fönnteu.f.m. 
Unb  follte  e$  ber  3ufatt  fein,  wenn  er  nodj  am  Seben  ift,  bafc 
mir  »teber  gufammenfommen  möchten,  o  tote  gtficflid)  möchten  mir 
und  fdjäfcen  unb  geroifj  atö  bantbare  Äinber  an  iljm  tyanblen. 
Unb  fottte  er  roirfßd)  tob  fein,  nun,  fo  fott  er  fanft 

SRufyn  in  feinem  $obenfd>lummer, 

bettet  ibn  bie  füfyle  (Srbe  $u, 

D,  fo  gtoa^let  tbn  fein  ftiUer  Kummer, 

@o  geniget  er  bie  füge  fftvfyl 

Unb  fütyrt  mid)  etnft  ber  3Beg  ju  feinem  ©rabe, 

©el>'  tä)  feinen  Seuäjenftein  Dor  mir, 

D,  fo  gefyn  [gönn']  iä)  itym  bie  aUerle^te  <&abe, 

Seine  Reiften  SrStynen  für  ifyn  naä)  u.  f.  f. 

35e3  üRenfdjen  gröfteS  Seiben  ift  bie  Trennung,  bed  ÜKenfdjen 
gröfte  SBonne  2Biberfe$n.  3$  ^offe,  ba&  mein  ©djreiben  atteS 
unbefamtter  weife  in  beflem  SBoUfem  antreffen  möge.  Unb  foflt' 
i$  ©ie  in  meinem  ©djreiben  beleibiget  tyaben,  fo  bttt  idj  unter« 
bännigjt  um  Vergebung. 

SDe8  öebeitö  unbefä)oltne  greuben 
©inb  greunbjd?aft,  Siebe,  Sfrotyerfinn, 
Unb  unter  biefen  ©eligfeiten 
SBaU  jeber  3tyrer  Sage  tyin! 

2Bit  melier  $odjadjtung  empfäUet  ftd)  3$re  ergebende  Dienerin 
Stegina  SRoftna  Äeller." 

#ier  oerftegt  bie  Äorrefponbenj.  ÜRan  fann  fidj  oorfleUen, 
nrie  ber  fogenannte  ©ottfrieb  Äetter  getagt  unb  geflutt  $aben 
mag  über  biefe  ungeahnte  3Rad)t  bed  ©efangeS.  Um  jebod)  SBir* 
hingen  a^nlic^er  2lrt  oorjubeugen,  fyat  er  fpäter  oorfi^tig  ba8 
betreffenbe  ©ebidjt  unterbrfieft  unb  and}  bie  SBeibernamen  bei  ben 

33* 


516  tfatyang. 

übrigen  gejrric^en.  (Sbuarb  3Jiemeg  fd^rteb  i$m  im  Sliignft  1852: 
„2)er  Srief  aud  Ungarn  mufj  ein  pradjtootteS  ©pejhnen  fein,  nw3 
Sie  gelegentlich  üortrefftü^  bemtfeen  tonnen.  (Sie  »erben  mir 
einen  ©pafc  madjen,  menn  ©ie  mir  bie  ganje  Äorrefponbenj  ge* 
legentlic^  mitteilen,  ba  idj  bodj  ber  Sermittler  gemefen  bin."' 

SWandjmal  fonnten  ^ödjjt  äugerltd^e  5)inge  Äeüer  $u  einer 
änberung  an  einem  ©ebidjte  beftintmen.  ©o  fc^log  baS  Sieb 
„«benb"  (©.  11  ber  ©ebifye  1846:  „3n  ©olb  unb  $nrpur  tief 
Der^flflt")  urfprfingtty  mit  ber  ©tropfe: 

„(5$  ift  auf  (Srben  feine  Stontyt, 

2)te  nidjt  no($  tyren  Stimmer  bätte, 

©o  grofj  ift  feineä  Unglüd*  SKaty, 

(Sin  IBlümlein  fyangt  in  fetner  Äette"  u.  f.  w. 

3n  ben  ©efammelten  ©ebbten  ifi  biefe  ©tropfe  »eggelafien. 
Auf  meine  fjfrage  nad)  ber  Urfadje  biefer  ©treidjung  antwortete 
ÄeHer,  baS  »tfimlein  in  ber  Äerte  fei  f)bd)ft  unplafrifä;  ber 
$auptgrunb  jebodj  fei  folgenber:  er  fyabt  jtdj  einfi  bei  einem  gafle 
bie  £anb  Derflaudjt  unb  barauf  öon  einer  ungenannten  3firidjerm 
eine  ©albe  erhalten  mit  ben  parobierenben  Serfen: 

w©o  grofe  ift  feines  UnglütfS  9Ra$t, 
©in  ©alblein  bangt  in  feiner  Äette." 

©eitler  fönne  er  bie  ©tropfe  nidjt  metyr  ausfielen. 


3u  ©.  33  ff.    Siltefter  ©ingang  jum  „©rfinen  ^einrtdj". 

(1846). 

I. 

&n  einem  fronen  Haren,  balb  blauen  unb  balb  grünen  ©ee  in  ber 
6($u>eij  liegt  ein  alteö  graueö  ©tabtlein  ftill  unb  fTeunbli<b  mit  feinen 
fdjwarjen  munterlicben  türmen,  mit  feiner  »enmtterten  ©tabtmauer, 
in  welche  allerlei  frieblidje  SBofcnungen  mit  Seinlauben  eingebaut  ftnt, 
mit  feinem  baufälligen  fRatfyaufe  unb  fcen  alten  ^cl^ernen  $rncfen,  mit 
feinem  „©olbenen  ©ngel"  unb  „SMauen  $t6)t",  unb  »or  allem  au$  mit 
feinen  großen  grünen  Sinbenbaumen.   Sertraut  fömiegen  ftcb  im  f^ukDen» 


3um  „©rünen  ßeinruV.  517 

ben  orange  biefer  Sinben  bit  fjotjen  räucherigen  ^aujcr  um  bie  uralte 
bpgantiniföe  €>tabtfirc$e,  welche  mit  tyren  verbunfelten  genftern  wie 
eine  blinbe  ©rofjmutter  auöfieljt,  bie  im  ©ewimmel  ifyrer  (Snfel  fifct 
unb  tynen  3Nar$en  au§  bem  SWorgenlanb  ober  von  itjrer  3ufl*nbgeit 
erg&blt. 

Unb  aud  iebem  biefer  #aufer  fteigt  eine  ftitte  9fcauct/faule  empor 
gum  blauen  £tmmel:  au8  ben  großen  unb  ftattlidjen  eine  bicfe  unb  luftig 
wirbelnbe,  au§  ben  fleinen  unb  bürftigen  eine  (parliere  unb  fdjüctytern 
gitternbe;  aber  ade  Dereinen  ftdr)  in  ber  £ofje  gu  einer  einzigen  blauen 
SRaucr/blume.  ÜRir  ift  fie  wie  eine  grata  9ftorgana,  welche  ba$  verborgene 
Seben  ber  €>tabt  unb  tfyrer  Käufer  wieberfpiegelt,  unb  id)  glaube  burety 
tk  €>$ornfteine  funab  auf  {eben  $erb  flauen  gu  tonnen,  ben  von 
tränen  umf Wimmert  unb  Jenen  Don  lautem  Sachen  umhängt. 

Söenn  bie  2lbenbfonne  auf  bad  (Stabilen  föetnt  unb  ber  wollen- 
lofe  £tmmel  unmittelbar  auf  feinen  türmen  unb  feinen  großen  vollen 
ftnbenfronen  rufyt,  wenn  von  aüen  Qfenftern  unb  ^eden  getrocftiete 
ätnberwäfd&e  flattert  unb  au3  ben  befonnten  ßöfctyen  unb  ©afcctyen  ein 
fummenber  tfinberlärm  Ijerübertönt,  ka$  einzige  ©eräufö  in  ber  ©egenb, 
wenn  fyk  unb  ba  in  ben  fleinen  blumenüberfünten  ©arteten  cor  ber 
Ringmauer  ein  einfamed  SWäbdjen  gefyt  unb  über  ben  <£>ee  in  bie  g(ü« 
benben  2llpen  fetyaut  unb  ba$  adeö  gufammen  fi$  im  Haren  ©ewSffer 
fpiegelt,  fo  ftiQ  unb  felbftgenügfam:  bann  füllte  man  nidjt  glauben,  ba§ 
in  biefem  ©tillleben  jemals  ein  ^)eq  erwarte,  tief  unb  unruhig  genug, 
einen  Vornan  gu  burdjleben. 

Unb  bod>  mochte  i$  nun  in  bie8  liebe  9cejt,  wie  in  einen  Blumen« 
fdjerben1),  bad  f$wad>e  SReid  meiner  ©efdjiccjtc  einfefcen  unb  pflanzen, 
ta%  e§  aufwalle  unb  ranfe  um  biefe  unb  jene  greunbeSbruft.  (58  wirb 
nur  ßinen  furgen  (Sommermonat  bur$  grünen  unb  nur  (Sine  tfnofpe 
tragen,  bie  vor  tyrem  (Sntf  alten  abfällt. 

n. 

511)0  war  über  bem  ©t&btlein  ber  Dfterfonntag  angebrochen  in 
lieblicher  tflarfjeit.  @eine  milbe  j[ugenblicr)e  ©onne,  welche  erft  geftern 
ben  legten  ©dmee  vom  jungen  9ftattengrün  ber  53erge  fjinweggefömolgen 
fjatte,  beglangte  golben  bie  fülle  bi$tgebrängte  #auferma|fe.  <S&  war 
aber  no$  früher  borgen  unb  an  ber  lautlofen  (Stille  feine  anbere  SBe« 
wegung  ftdjtbar,  alö  bafc  Ijie  unb  ba  fiety  ein  blifcenbeS  genfter  öffnete 
unb  ein  rofigeS  Äinberantlifc  geigte,  bat  ungebulbig  bem  Dfterlamm  unb 
feinen  $reuben  entgegenlä$elte  ober  «fang. 

9cur  in  bem  alten,  faft  baufälligen  £aufe  ber  grau  (Slifabety 
SBaltfyer  war  fer/on  regeS  geben  waefy,  unb  bie  neugierige  SRorgenfonne 


')  »gl.  bie  erfte  2lu&gabe  be§  „©rünen  £einricr/"  1,  6. 


518  Knfymg. 

bur$ftrat)lte  in  ber  fonft  fo  ftiUen  reinlichen  ©tube  eine  gefcbafrige  unfc 
ungewöhnliche  Unorbnung.  2)eun  #einri$,  bal  einzige  unter  Kummer 
unb  €>orgen  grofj  gezogene  Stint  ber  grau  SBaltyer,  wollte  ftcb  ^cutc 
ablöfen  »om  bangen  SRuttertyergen  unb  ^inauöjie^cn  ind  cjrofje  3)eutfa> 
lanbf  um  gu  jucken  unb  gu  jagen  na$  ber  Erfüllung  feiner  brannte 
unb  $(&ne. 


Materialien  3 um  „©rünen  ^einrieb*. 

€>pefulation  beim  @ute$  tljun.  $einri$d  $inb(ic?en  auf  ben  un* 
ftcbtbar  guföauenben  ©ort,  wenn  er  ermad  @uteö  getyan  tyatte.  ©ein 
natoeS  Sängen  mit  feiner  ©elbftfudjt.  <5r  freute  ftcb  immer,  ba&  ü)m 
@ott  erft  nadj  ber  $l>at  einfiel.  (58  fam  t>or,  bafj  er  abfl$tiicb  unter* 
lieg,  feinem  ^erjenStriebe  gu  folgen,  »eil  Ujm  ©ort  Dörfer  einfiel  unb 
er  nidjte  Serbienfilicbed  au8  ©pefulation  tfcun  mochte.  SBunbtrlicbe 
$arabore. ') 


(1849.) 

£etnrid>8  (Erinnerungen  auf  bem  ©rabe  feiner  SRutter.  SHe  ftiQen 
fd&wetgenben  ©tunben  in  ber  alten  Stube. 

S)ie  glficfltdje  ^eitere  Sugenb  ber  grau  See;  tyr  StebcSoerbaltnid 
unb  ifyre  Untreue.  <Die  3bee  ber  lebenslänglichen  $3uße.  8u$  ir>r 
tragifäeä  ©djufjal  fyat  eine  frütye  ©djulb  gum  Srager. 

2>er  ©ater  £einric$3.  5Ilö  $eüiri$  in  bie  3a$re  ber  SRannbar* 
reit  trat  unb  unter  bie  Beute  fam,  »ernannt  er  überall  ba3  80b  feinet 
t>erftorbenen  SBaterS.  £ngefefyene  ÜR&nner  begrüßten  ibn  mit  Kcbtung 
alö  ben  ©ofjn  eines  rechten  9ftanne$  unb  erjagten  tym  meleS  von 
feinem  93ater. 

Skfremfcen  ber  SRutter  Dor  einzelnen  feltfamen  dürfen  ^einrieb*. 

Kgonie  in  ber  @a)ule  (Sanbfnabeninftitut).  ©cbw&ngen.  Seity* 
bibliotyefdgejcbictyte. 

Unterja)ieb  gurifdjen  4>cinricr;ö  ©ott&ertrauen  unb  bemjenigen  feiner 
Butter. 

Suftigeö  Beben  $einri$8.  Ausflüge  in  eine  benaebbarte  alte 
3fteicb$ftabt ').    Sßoetifa)  fettere*  treiben  bafelbft. 


l)  «.  a.  D.  4,  385. 

")  (Stoa  ber  2lu8flug  nacb  Augsburg  33b.  1,  116. 


3um  „©rünen  #einrt<$\  519 

(4>cibclbergcr  ©djloggarten  1849.) 

Söenn  #einri$,  t>on  9fotur  (Sfleftifer,  Sauberer  unb  unentfdjloffen, 
nod>  bunty  äußere  ungünftige  S3cr^ä(tniffe  gehemmt,  gu  feinem  SRefultate 
gelangt  unb  »erunglüdt,  wenn  ber  ©raf,  teilweife  unbewugt  bur<§  bie 
©eburt,  bann  burd)  ttnentfdjloffenfjeit  be$  Urteilt  unb  eine  gewiffe  üor- 
neunte  gautyeit  au$  gu  feinem  glüdlidjen  Siele  gelangt:  fo  ift  hingegen 
©eorg1)  ein  (S&arafter,  welcher,  augerlic^  unb  innerlich  gu  ftarf  be- 
günftigt  unb  genährt,  gu  rajd>,  gu  glangenb  lebt,  unb  reüffiert  unb  ftd> 
fefcon  in  früfyefter  Sugenb  überholt  unb  ftirbt.  ©eine  lejjte  Äompofition 
finb  bie  ©potter  na$  bem  Sorte  bed  $ßfalm$:  „2Bot?l  bem,  ber  nid>t 
fi^et  auf  bem  ©tuljie  ber  ©potter.4'  Sitte  Hrten  t>on  ^31afiertt>eit,  ©pleen 
unb  Überbrug  finb  barin  aufcgebrüdt. 


(£6  ftnb  inSbefonbere  bie  falbungdooden  rationellen  Äonftitutio» 
neuen,  tt>elct>c  einen  geläuterten  unb  üernunftgemagen  begriff  »on  ©ort 
unb  Itnfterblidjfeit  gu  ^aben  tonnen  unb  mit  falbungdooKer  ©erebfam« 
feit  9Üf>ei$mu$,  2)emofratie,  Slnardjte  unb  sftifyiliömuö  in  (Sinen  Siegel 
werfen. 

©o  fetyen  wir,  bafe  biefelben  SRenfdjen,  welche  ber  TOenf(^r)eit  ba§ 
Sebürfnid  unb  bad  SReiffem  für  bie  Sbee  eined  ewigen  ©ort«  unb  Un- 
fterbltd>feit§bewugtfein3  &inbigieren  wollen,  berfelben  bo$  für  biefe 
Spanne  (Srbenleben  bie  gäbigfeit  für  republifanifdje  SRagbaltung  unb 
€>elbftbeberrfd>ung  abfpred&en.  5öa8  foQ  bem  2Renfd}enfinbe  bie  unab- 
fefjlidje  »erworrene  &uftfidjt  auf  ein  t>oflfommene§  göttlidjeS  Urbilb  unb 
unenblidjeS  geben,  wenn  if?m  nietet  einmal  gugeftanben  wirb,  bag  e§  in 
biefen  Keinen  unb  greifbaren  irbifct)en  IBer^ältniffen  leben  fönne,  oljne 
ein  willfürlidjeö  gemachtes  ^^antom,  welches  ber  fonftitutioneQe  5Ro* 
nar$  in  ber  Zfyat  ift?  2öa8  foll  ein  ©ort  mit  einer  Kreatur  beginnen, 
weldje  ein  Söort,  wie  SRepublif  unb  5)emofratie  ift,  gehört  unb  Der« 
ftanben  tyat  unb  bodj  trofc  iljrer  ©emunftgaben  fid>  für  gu  faul  unb  gu 
fdjwa$  erflart,  biefed  Söort  gur  SGöa^rr>cit  machen  gu  fonnen?  SDtefe 
Kreatur  will  ewig  leben  unb  fidj  über  bie  gange  ftdjtbare  Söelt  »er» 
geiftigt  ergeben  unb  fü&lt  ni$t  einmal  fo  m'el  ©eift  unb  DoHfommene 
Söürbe  in  fidj,  fi$  bie  notwenbige  männliche  (Sntfagung  unb  &ufopfe* 
rung  gur  SRepublif  gugutrauen.  S)enn  fo  wie  bie  SRepublif  nicr)t  eine 
gemalte  fjorm,  fonbern  ein  urfprüngli$ed  3Befen  unb  bie  ©eredjtigfett 
felbft  ift,  {o  ift  aud>  nidjt  fie  bie  2ef?re  con  ber  8ege$rltc$feit  unb 
€>elbftfudjt,  fonbern  ber  9Ronard>i8mu§  ift  ed,  welcher  ber  menföli<$en 
€>$wad$eit   erlaubt,   unter  feinem  3)edmantel  ofyne  groge  Opfer  na<$ 


l)  2)er  urfprünglidje  9tome  für  bie  ©eftalt  be$  gerbinanb  8p§. 


520  Anfang. 

allen  möglichen  33equemü$tetten  unb  weichlichen  ©enüffen  unb  naa) 
fleinlidjen  ©fyren  gu  tyaföen,  welche  man  fld>  als  mpfriföe  6pmbo(c 
guredjt  matfct  unb  bie  fi$  gur  repubHlaniföen  ©tyre  gerabe  vergalten, 
wie  wertlofeS  $ßapiergelb  gu  wtrfli$ent  ®olbe. 


2)er  @raf  rat  $etnri$,  fidj  ber  probufrfoen  $3e$anblung  beä  offent- 
liefen  Bebend  gu  wibmen,  alö  ber  eingigen  nod)  möglichen  unb  würbia« 
gform,  bte  ©eftaltungSfraft  unb  bic^terifdje  Sßtyantafte  gu  benu£en,  wel$e, 
wenn  fie  eine  flefunbe  fein  wolle,  au$  für  ba§  wtrttt$e  Beben  bte  beften 
unb  fc&onften  (Srfinbungen  leiften  muffe.  %f0e  fubfeftioe  (Sitdfeit,  alle$ 
$Jtyantaftif($e  muffe  abgetan  werben  unb  nur  in  Harer  fübler  Stvfyt 
ba3  Beben,  ber  ©taat  betrautet,  befjerrfdjt  unb  gelenft  werben,  in  beut 
man  afleS  al$  ein  grofce&  bid>teriid>e8  unb  bo$  wirfltc$e&  SBerf  anfeben 
muffe,  bem  »or  allem  au$  bie  SBerwtrflicfcung  ber  poerifdjen  ©ere^tig/ 
feit  not  tfyue. 


9Wan  muffe  nur  nidjt  mit  Dftentation  ben  3beaiiften  ünb  €>d>wär« 
mer  fyeroorfeljren,  fonbern  bie  innere  SBarme  mit  äußerer  ruhiger  €>$ärfe 
beeren,  fo  »erbe  man  mit  eblen  ®runbfä$en  bie  nafen>eifen  ^^üifter 
metyr  betyerrfcfyen,  alö  biefelben  je  atmen;  benn  am  (Snbe  bliebe  ilmen 
nie  etwa8  anbereö  übrig,  alö  ben  watyrbaft  @uten  natyutyinren  unb 
guguiaudfoen. 


5Rid>tbefriebigung  in  ber  Banbföaftftmalerei  unb  $äuf<$ung  in  ber 
©a$l. 


fta^igfeit  $einrt$$,  bei  aller  geinfjeit  unb  tftufd^eit  beö  ©efübl* 
ba8  ©tarffte  unb  £artefte  gu  benfen  unb  gu  empftnben.  Unoerantwort- 
liefert  ber  (Sinbilbungöfraft. 


©raf.  34  bin  übergeugt,  bafj  jeber  gefreite  SRenfö  unter  künfti- 
gen Umftänben  unb  ben  entfpred&enben  SBebingungen  in  feinem  Beben 
einmal  im  ftanbe  wäre,  ein  guteg  ®ebi$t,  ein  guted  (Semalbe,  eine 
tüchtige  politiföe  3$at,  eine  SRelobie,  einen  €>d?Ia$tplan  gu  entwerfen. 
$ie  fa)lec^teu  Sflufifanten  unb  f$le$ten  $oeten  fmb  ni$t  fowoljl  beß« 
fyalb  föledjt,  weil  e3  itynen  an  bem  fpegififöen  diente  fe^lt,  fonbern 


3um  „©rünen  #einrid}\  521 

»eil  fte  überhaupt  einfältige  ÜRenföen  finb,  bie,  wie  man  beobachten 
fann,  au$  in  allen  übrigen  Regierungen  ni$t  Diel  taugen.  Sfcur  ber 
bornierte  9Wut,  mit  »eifern  fte  fidj  in  ba§  befonbere  ©ebiet  werfen, 
erregt  fo  mel  8ufmerlfamfeit,  ba&  man  auf  fie  tyinfietyt  unb  bad  fonber» 
bare  3Bort  fpri$t:  „(58  ift  ein  Sßoet,  aber  ein  f$le$ter",  wafjrenb  bidjt 
nebenan  ein  fttüer  unbe!ümmerter  ÜRenfcfy  lebt,  weiter  vielleicht  f$on 
metyr  ald  einmal  bie  gu  einem  guten  Söerfe  notwenbigen  SBebtngungen 
bei  einanber  gehabt  fjat,  ofme  ed  gu  toiffen.  3n  ber  2$at  gibt  e* 
audj  in  ber  fdjonen  <§tefd>i$te  fowofyl,  wie  in  ber  politiföen  mefyr  als 
eine  fyeroorragenbe  2$at,  wel$e  im  8eben  tyreS  $ert>orbringer$  gang 
üereingelt  bafte^t  unb  bie  gfrudjt  von  gufammentreffenben  günftigen  Um« 
ft&nben  gu  fein  föeint  ober  eigentlich  ift. 


ÜRandjer,  ber  ein  leibliches  ©ebicfyt  fomponiert  unb  ©eift  unb 
©emüt  anftrengt,  beten  mehrere  an&  bem  9Md>tft  gu  rufen,  würbe  ficfy 
viel  beffer  an  ber  ©teile  be3  $caturforf$er$  hinter  bem  SHtfroffop,  bem 
£eleffop,  burdj  IBerg  unb  2$al  fcfyweifenb,  ober  »or  ben  ©etyeimniffen 
bed  9fcer»engewebe§  befinben,  bie  wofjl  eingeübten  Mittel  unb  £ilf8« 
wiffenföaften  ftatt  ber  bürren  tfunftregeln  ^anb^abenb.  S)ort  würbe  bie 
reiche  Materie  feinem  fudjenben  ©ebanfentrieb  ben  eckten  ©djwung 
geben  unb  feine  vorder  in8  Seere  greifenbe  Sßfyantafie  alö  glücflidjer 
(Sntbecfer  auf  einem  wunberooOen  gfeftlanbe  wanbeln. 


@ie  müßten  gu  Diele  SBorwiffenfdjaften  nad$olen,  welche  fdjon  mit 
ber  frür>ften  3ugenb  begonnen  werben  f ollen,  um  eine  rechte  8eben8luft 
für  ben  IBraudjenben  gu  fein;  ©ie  würben  bei  einem  fyerauögeriffenen 
©tücf  be§  großen  91118  wieber  ungufrieben  fein.  Söätylen  6ie  batyer 
jeneö  anbere  gelb,  gu  welkem  6ie  bie  Ijauptf&djlicfyften  IBorfenntniffe 
fd)on  befifcen:  bie  Kenntnis  3^rer  felbft  unb  bed  menfdjlidjen  ©emüteö! 


9ci$t  alö  ob  tc$  bie  ®ewif#eit  nicr>t  afynte,  bab  einft  (Staats* 
wiffenföaft,  Sftatnrerfenntniö ,  ÜRenfdjenfenntnU  unb  bad,  wa$  man 
Sßfyilofortie  unb  Religion  nennt,  aüeö  eineö  unb  badfelbe  fein  werben, 
wenn  tk  großen  Stafetten  unb  Erfahrungen  vereinfacht  unb  in  großen 
Haren  £auptgügen  t>a$  Sllütyabet  ber  SMlbung  finb.  (Sinftweilen  aber 
fann  ber  einzelne  nidjtö  tyun,  ald  fein  bifcdjen  9Wenfc$enfenntm$  unb 
©emüt8betyerrfdjung  gur  aÜmaligen  Herbeiführung  feiner  3eit  gu  »er« 
wenben  unb  bagu  fid>  unb  bie  2Renf$en  gu  nebmen,  wie  fte  finb. 


622  tln&ang. 

<£rwad>en  be$  bürgerlichen  93ewu§tfein8.  $arteileben.  SBa^L 
©d>fic§terne$  Sewu&tfein,  nidjtä  gu  nüfcen  unb  no$  feine  reellen  $fltcb» 
ten  erfüllt  gu  ^aben.    Safylfampf. 


Eingabe  unb  Dpfertob  für  ba8  ©aterlanb  ftnb  ba§  Borbilb  im 
fleinen  für  bie  Eingabe  unb  Aufopferung  für  bie  gange  3Kenf*^eit. 
@lei<$wie  ft$  ber  Bürger  für  bad  Baterlanb  opfert,  ungeadjtet  er 
felbft  nietyt  mebr  an  ben  grüßten  teilnehmen  Tann,  unb  au$  wenn  er 
<5&rift  ift,  nid>t  ljoffen  barf,  bie§  engere  Skterlanb  JenfeitS  wieber  gu 
ftnben:  fo  befielt  bie  Sugenb  beö  edjten  SWenföen  barin,  bafe  er  bem 
Söoljle  ber  SWenfd^eit  unb  ber  gangen  Seit  gemäß  tpanbelt  unb  lebt, 
au$  wenn  einft  fein  53ewu&tfein  ba»on  für  immer  oerföwinben  foüte. 


33cifpiel  an  ©oettye  unb  ©filier,  wie  fi<b  bie  tppifcb  ^eroorragen« 
ben  9Renf$en  vergöttern  unb  gum  3Rptbu&  werben,  fobalb  fte  unfern 
Sugen  entfdjwunben  unb  iljre  tf  orperlidjfeit  ben  9tad}fatnmen  nid^t  me$r 
begreiflich  ift. 


In  puncto  DrganiSmuS  unb  Sßroportioniertyeit.  öergleidjung  ber 
©ctywetg  mit  (Suropa,  weldjeS  ja  aud)  feine  Überlegenheit  unb  tfultur* 
entwicflung  bem  3fceiä)tum  unb  ber  SRannigfaltigfeit  feiner  pr;pfi|cr;en 
©Ueberung  gu  banfen  bat  im  ©egenfafce  gu  bem  monotonen  Äfien  unb 
gfrifa. 


^Patriotismus  unb  tfoSmopolitiSmuS. 

(Srft  burd>  richtige  Bereinigung  beiber  gewinnt  febeS  feine  wabre 
©teflung.  5)ie  SRatfölage  unb  ^anblungen  beS  befdjränften  unb  ein» 
feitigen  Patrioten  werben  feinem  SBaterlanbe  nie  wahrhaft  nüfclub  unb 
ru^mbringenb  fein;  wenn  baSfelbe  mit  bem  S^^unbert  unb  ber  Seit 
in  33erübrung  tritt,  fo  wirb  er  ft$  in  ber  Sage  eines  #u$ne8  beftnben, 
welä)eS  angftooQ  bie  ausgebrüteten  (Sntcben  inS  Saffer  geben  ftetyt;  in* 
beffen  ber  einfeitige  Kosmopolit,  ber  in  feinem  beftimmten  Baterlanbe 
mit  feinem  £er$en  wurgelt,  auf  feinem  fonfreten  %lt&  (grbe  gu|  fafet, 
für  feine  3bee  nie  energifcb  gu  wirfen  im  ftanbe  ift  unb  bem  fabel* 
tyaften  SßarabieSoogel  gleist,  ber  feine  gü&e  tyat  unb  fi$  batyer  auS 
feinen  luftigen  Legionen  nirgenbS  nieberlajfen  fann. 

Sie  ber  3Renfcb  nur  bann  feine  9iebemnenf$en  fennt,  wenn  er 
fi$  felbft  erforfebt,  unb  nur  bann  ft$  felbft  gang  fennen  lernt,  wenn  er 


3uut  „©rünen  $einricr;\  523 

anbete  erforföt,  wie  er  nur  bann  anbern  nüfct,  wenn  er  ficr;  felbft  in 
Drbnung  fyalt  unb  nur  bann  glüdlid}  fein  wirb,  wenn  er  anbern  nüfc* 
lid)  ift,  fo  wirb  ein  SBolf  nur  bann  wa^aft  glü(flid>  unb  frei  fein, 
wenn  eß  Sinn  für  baß  SGBofyl  unb  bie  greifceit  unb  ben  SRufym  anberer 
Sölfer  fyat,  unb  eß  wirb  tyinwieberum  biefen  eblen  ©tnn  nur  bann  er« 
fotgreid}  betätigen  tonnen,  wenn  eß  erft  feinen  eigenen  $au81?alt  tüchtig 
georbnet  fyat.  Sntmer  ben  redeten  Übergang  unb  bie  innige  ©er» 
fameljung  biefer  lebenßüoflen  ©egenfäfce  gu  ftnben  unb  $ur  geläufigen 
Übung  gu  machen,  ift  ber  wa&re  Sßatriotißmuß  unb  ber  waf>re  $oßmo« 
politißmuß.  SRi&trauet  baffer  jebem  Sttenfdjen,  welker  fid>  rüfjmt,  fein 
Saterlanb  gu  tennen  unb  gu  lieben!  Aber  mißtrauet  and)  bem,  welkem 
mit  ben  ßanbeßgrenjen  bie  Söelt  mit  ^Brettern  vernagelt  ift  unb  welcher 
aüeß  gu  fein  unb  ju  bebeuten  glaubt  bur$  bie  gufättige  (Geburt  in 
biefem  ober  jenem  Solle,  ober  bem  työctyftenß  bie  übrige  weite  Seit,  ein 
grofjeß  Sftoubgebiet  ift,  baß  nur  bagu  ba  fei,  gum  33eften  feineß  Sater« 
lanbeß  ausgebeutet  gu  werben! 

SQerbingß  ift  eß  eine  (Sigenföaft  and)  ber  wahren  Saterlanbßliebe, 
toafy  iä)  fortwaljrenb  in  einer  g(ü<f(i$en  Serwunberung  lebe  barüber, 
gerabe  in  biefem  &mbe  geboren  gu  fein,  unb  ben  3ufaQ  preife,  bafj  er 
eß  fo  gefügt  tyat;  allein  tiefe  fcfyöne  (5igenfd>aft  mu&  gereinigt  werben 
bur$  bie  Siebe  unb  Sichtung  vor  bem  gremben;  unb  ofyne  bie  gro&e  unb 
tiefe  ©runblage  unb  bie  fettere  &ußfid>t  beß  Söeltbürgerrumß  ift  ber 
Sßatriotißmuß  (xd)  fage  abfi$tli$  bießmal  niefct  Saterlanbßliebe)  ein 
wüfteß,  unfruchtbares  unb  toteß  3)ing. 


fRictyt  gu  wgefjen  gegen  ben  <5cr/lufj  ber  Autobiographie  #einridjß 
©ott  fo  fdjübern,  wie  ^>einricr>  felbft  ift.  9tai»et5t,  mit  welker  er  feine 
wiUtürlicr;  geniale  (Subjeftimtat  gu  {einem  ©ott  macfyt. 


[3ur  SReugeftaltung  auß  ben  fiebengiger  Sauren.] 

,©ritner  #einridj".  3um(£nbe.  4>einric^  finbet  nad>  feiner  SRütf* 
fefyr  unb  bem  £obe  ber  Butter  eine  Aufzeichnung  berfelben  (53rief» 
fragment  ober  bgl.),  in  weldjer  fie  bie  (Srgiefyungßfrage  mit  klagen  unb 
©elbftoorwürfen  befpridjt.  ©efyeimfte  #u|erung.  3w  ©inne  beß  Un* 
vermogenß,  eine  folcfce  6ntwitflung  tontrodieren  ober  förbern  gu  fönnen. 
2öaß  fie  Riebet  verfaumt  fyabt  and)  im  fünfte  ber  ftrengeren  Haltung  k. 

Söirfung  biefer  (Sntbecfung  auf  $einri$,  beffen  feelifc&e  Sage  ba* 
burd)  eine  wirflicr;  tragifdje  wirb.  SDtc  ©ewiffenßffrupel  ber  toten 
SRutter  werben  gu  ben  feinigen,  unb  er  empfinbet  baß  fyöcfyfte  SWitleiben 
für  fte. 


524  9(t^ang. 

grage  be&  3Beltbetruge&,  ber  verlorenen  3cit,  ber  9tt$tigteit 
'3n  ber  entgotteten  SBelt  (burefc  pfyüof.  atfyeift.  Vorgang  beim 

trafen)  wotynte  nun  um  fo  einiger  unb  ftratyfenber  bie  neue  Siebe. 

911$  biefe  bann  !>un»egfc$wanb,  mar  jene  nur  um  fo  leerer  unb  ober. 

9tac$  bie&  triebet  eine  betrügltdj  toeratortföe  SBBenbung. 


SMalog  3ubitb  unb  £emri$8.  6ie  ärgert  unb  jportet  naa)träg> 
li$  be$  f  deutbar  3uf  alligen  in  Lanb  unb  beuten  in  9merifa,  6tabtc« 
namen.  ®prad>üerwirrung  u.  {.  f.r  wo  fte  einfam  unb  freublo&  gelebt 
£einric$  fagt  tyr,  ba&  einft  bie  Heimat  jur  3«t  ber  ©rünbung  ebenjo 
toll  au&gefefyen  tyabe.  ^Betrachtung,  wie  fie  beibe  um  tyr  Leben  ge« 
fommen  feien  unb  nun  fid}  bo$  no$  treulich  barüber  ergeben  Fonnen 
u.  f.  f. 

SRefignation  ber  Arbeit  im  3)unfeln,  unbefannt  bleibenb,  geringe 
£inge  t>errid}tenb.  gefyltritt  auf  ber  treppe  mit  (Srföeumng  3ubin)d 
oerbunben. 


9iac$benfen  über  Lp*.  5)a8  ©djitoe,  refp.  ber  Äultuß  beftfelben, 
ift  auä)  nicr>t  ba&  lefcte  Söort  unb  Ipdlt  ofyne  weitered  nietyt  in  allen 
Lebenslagen  oor.  £ranft)eit,  Kummer,  2llter,  Leben&mübigfeit  »erben 
baton  nicfyt  gehoben  u.  f.  w.  ®ar  ber  blo&e  gute  ©efcfcmacf  ift  an  ftä) 
fein  (Bürge  gegen  bie  Unwürbigfeit. 


Sroft  p.  SWutter  £ob.  (£*  ift  benfbar,  bafe  auf  bem  3nbifferen$« 
punfte  jtoifc^en  $ob  unb  Leben  ber  Bugenblicf  ber  Befreiung,  be$  9ht^e« 
gefütylö  mit  merfwürbigen  SorfteUungen  ber  Jöeglucfung  fo  lange  er» 
fcfyeint,  wie  ein  ganjeö  Leben,  oermöge  ber  befannten  (Erfahrungen  bei 
^raumeö,  ber  Dpiumeffer  :c.  unb  ba§  alfo  baö  erlebte  Übel  in  ienem 
Slugenblicfe  fid)  aufgeben  tonnte. 


3u  ©.56.    ©in  »edjfelöolter  lag. 

Sommernacht.  Sie  lagen  auf  bem  $ette.  ©egen  borgen  et' 
wacfcte  9L  $)er  SRonb  war  am  Untergeben  unb  ftreute  ein  fc$wa$e$ 
3wie(ia)t  burdj  ba§  (Schlafzimmer.  £a&  geufter  ftanb  offen  unb  liefe 
ein  ferne*,  gehaltenes  9^aufa)en  be&  Stromes  työren,  webur$  bie  übrige 


«ermiföte*.  525 


tiefe  ©ritte  in  ber  SRatur  nur  nocfy  auffallenber  würbe.  9fc.  glaubte, 
feine  grau  fdt)lafe  an  feiner  ©eite.  Styre  wei§e  Sruft  leuchtete  tnilb 
unb  befeligenb  in  bem  $ammerf$eme;  fie  tyielt  bie  $&nbe  um  ben 
&opf  gejcfclungen.  9c\  beugte  ftc$  über  tyr  ©eficfct  unb  wollte  per;  an 
ben  fronen  treuen  3ügen  weiben,  alft  er  bemerfte,  ba§  ifcre  $lugen  weit 
offen  ftanben  unb  gang  wadt)  unb  munter  in  bie  9tod>t  tyinanfcfdjauten. 
(Sin  ruhiger  buntler  ©lang  belebte  fie;  bagu  war  ifyr  9Runb  eng  ver« 
fd>lo(fen;  bie  tiefe  SRufye  unb  ©rille  ifyreS  gangen  SBcfenö  entfpracr;  bem 
(eiligen  (Schweigen,  roel<$e$  auf  bem  fcanbe  lag.  ®ie  fcfcien  in  ein  un« 
ergrünbli$ed  ©innen  verloren  unb  al8  %l.  feine  93litfe  in  tyre  klugen 
fenfte,  begegnete  fte  mit  einem  leifen  Stade  i^rer  klugen  benfelben  unb 
verfetymolg  ir>ren  53ltct  mit  bem  {einigen,  ofyne  ben  naiven  unb  töftlicr/en 
(Srnft  ifyre&  @efkr;t§  im  geringften  gu  veränbern.  fRtc^t  bie  leifefte 
3u(fung  be$  *D?unbed,  mc$t  ber  leifefte  8aut  unterbrach  bie  3Rut)e.  (Snb* 
lid?  fagteSR.:  „38a*  ftnnft  £>u,  mein  tfinb?"  <Dafagtefie:  „SBa^aftig, 
gar  nicr)td !  3$  bin  nur  gufrieben  unb  vergnügt."  £)er  £on  tyrer 
eigenen  SSorte  erfer/reefte  beinahe  bie  ©lücflidjen  unb  fie  fd?u>iegen 
wieber. 


öermifcfcteS.    [c.  1850.] 

<S$mergli$e  Sftefignation  be§  5Dic^terß,  weldjer  täglich  fyören  mu&, 
ba&  erft  eine  fünftige  3ctt  ber  Sßoefie  wieber  eine  fcfyone  Söirflicfyfeit 
gur  (Entfaltung  bieten  unb  baburdj  grofje  Dichter  hervorbringen  roerbe; 
melier  bied  jelbft  einfielt  unb  bod>  bie  tfraft  unb  ba§  ©erbtenft  in 
fi$  füfylt,  in  jener  prophezeiten  3ett  etwaö  $ü<r;tige§  Ieifteu  gu  fonnen, 
roenn  er  in  iljr  leben  roürbe.  (5r  t)at  allen  Srieb  unb  äße  ©lut  in 
ftd},  einem  erfüllten  $eben  ben  bictyterijdjen  Sluöbrucf  gu  leiten,  gerabe 
aber,  weil  er  weife,  bafj  atleö  Slntigipterte  faljcfce  Sbealiftif  ift,  fo  mu& 
er  entfagen  unb  ber  rüchvartä  (iegenben  übenvunbenen  Sßrobuftion  fidj 
angufcfyliefjen,  bagu  ift  er  gu  ftolg.  $ier  mug  er  fi$  nun  fagen,  bafe 
er  mcfytöbeftoweniger  ba§  it)m  3unacfyftKegenbe  ergreifen  unb  vielleicht 
gerabe  feine  2age  in  fet/oner  gorm  barftellen  fott.  Unter  ©Ijafefpeareö 
Dichtungen  ift  ber  patyolcgiföe  ^amlet  nietyt  bie  unanfeljnlidjfte.  Unb 
überbieS  fyat  febe  Seit  gefunbe  brauchbare  Momente,  unb  liefert  in  ifynen 
ben  ©toff  gu  einer  frönen,  wenn  auet;  eptfobifc^en  Sßoefie.  3*ber 
5)id}ter,  ber  ein  #erg  verrät,  ift,  lebe  er,  wann  erwolle,  ber  $eilnafyme 
ber  üRatyvelt  gewife.  2öo  bie  SRomantifer  bied  getfyan  (aben,  wa& 
freiließ  feiten  gef$at),  finben  fie  aud)  bie  gebüt)renbe  Slnerfennung  bei 
jebem,  ber  felbft  ein  #erg  im  Setbe  r>at. 


526  tCnt)ang. 

5)er  3trtum  ift  ver$etyli$,  »eichen  man  begebt,  wenn  man  gute 
unb  eble  ($igenf$aften  in  ben  9Reirf$en  ooraudje$t  unb  jelbft  W 
f$led}ten  Sremplaren  t)offt,  bag  ftc  audnatytndweife  einmal,  gewiffer' 
magen  und  gu  Gefallen,  grog  {ein  werben.  tlber  faft  un*ergeü)(ra)  ifl 
ber  Srrtum,  wenn  wir  in  Der  Souoeränetät  unferd  guten  ober  geift* 
reiben  Sewugtfeind  «erlangen  unb  fyoffen,  ein  armer  fd)(e$ter  ober 
bummer  Teufel  muffe  auf  unfere  3>emonfrration  tjin,  wenn  wir  ü)r 
ad  absurdum  führen,  otyne  weitered  fict)  felbft  aufgeben  unb  ftd)  att 
vernietet  u.  {.  f.  befennen,  unb  wenn  wir  ifrat,  watyrenb  wir  ü)m  bo$ 
eben  gu  beweifen  glauben,  bag  er  ein  £ump  fei,  botr)  fo  viel  Groge  unb 
Qenerofitat  gutrauen,  bag  er  biefen  $ft  ber  €>elbfh>erni$tung  mit  einer 
gewiffen  $eoaleredfen  £)anfbarfeit  gegen  und  vollgieße.  SBir  wunbera 
und  bann  nad)träglid)  barüber,  wo  fo  viel  £ag  gegen  und  tyerrüljre 
unb  finb  fogar  erftaunt.  bag  ber  betroffene  fiefc  wtrfltd?  fe^r  praftifd) 
alö  (Schuft  ober  5)ummfopf  erweift.  SBtr  r/aben  vergeben,  bag  iebem 
Sierlein  bad  Sßringip  ber  Selbfterljaltung  unaudlöfölicfc  eingepflanzt  ifL 


Berlin,  9Rai  1850. 
3$  fafy  einmal  einen  fyalb  verhungerten  £unb  vor  ein  3Bäge(($en 
gefpannt.  &uf  biefem  fag  ein  betrunfener  föffelflider  mit  feinem  Seibe, 
bie  aud>  befoffen  war,  unb  einer  gangen  33rut  ftroptjulofer  hinter. 
SDiefe  artige  gamilie  fut)r  in  federn  (Salopp  auf  ber  ©trage  bafcer, 
ben  #unb  peitfdjenb  unb  antreibenb,  bag  bad  arme  Jier  fict)  vor  ©e» 
fjeul  unb  ©cr)weig  nidjt  gu  Reifen  wugte  unb  bie  3unge  faft  im  Staube 
föleifte.  Import  warf  iä)  bad  $acf  von  feinem  fauberen  Sriump^* 
wagen  herunter  unb  prügelte  ben  ehrenwerten  SBorftetyer  bedfelben  weib* 
lid)  burdj.  £ernadj  fct)nitt  id>  bie  Stränge  entgwei  unb  befreite  ben 
$unb.  2)a  fufyr  mir  bie  Seftie  wie  rafenb  an  bie  $ef)le,  bag  i$  genug 
gu  tfyun  fyatte  unb  nict)t  erwehren  fonnte,  bag  ber  tfeffelflicfer  mir  feine 
Sßrügel  boppelt  wieber  »ergalt,  woju  feine  33rut  ein  nieb(i$ed  $ieb  fang. 


34  kannte  einft  einen  brofligen  Äaug;  wenn  ber  in  ber  @d>enfe 
hinter  bem  £if$e  fag  unb  mit  einem  anberu  in  2Bortwe$fe(  geriet,  fo 
pagte  er  feine  3cit  ab,  bid  beibc  im  (Stfer  bie  tföpfe  über  ben  $ifö 
vorbeugten  unb  fagte  bann  unoerjeljend  bed  ©egnerd  SRafe  gwiföen  bie 
Änöcfyel  feiner  gaufi  unb  t>ielt  fte  über  ber  2Ritte  bed  Sifdjed  feft,  in« 
bem  er  tyn  anarinfte  unb  jdjrie:  „#e,  wad  wiUft  SDu  nun?  4>ab'  id) 
redpt  ober  nierpt V'J  5lUe  llmfifcenben  brauen  in  ein  ©eladjter  aud,  bog 
ber  Slbgefagte,  webrlod  in  ber  klemme,  in  ber  Ia$erli<$ften  $ofition 
unb  vollftanbig  gefdjlagen  war. 


8aHabe  öom  SRorber  ^aube.  527 


Qu  ©.78.    SSallabe  öom  jungen  SRörber  ftaubt. 

Unfyeilfötoanger  finb  bic  £üfte, 
Unb  e§  nafyt  ein  graufeS  28ef>; 
JDenn  e8  fprofcten  Sttacbetyfittyaten 
3n  ber  Unfcfyulb  weigern  €>$nee! 

<&ab  e$  xooty  ein  fanffreS  Söefen, 
«13  ein  ©cfcneiberle&rling  bot? 
(Sinei  ift  jebocfy  erftanben, 
Der  fölug  {einen  Reifte:  tot. 

©einen  gro&en  ftarfen  TOeiftcr, 
<Der  im  8ette  friebHcfc  fölief j 
3118  ber  borgen  graute,  t)icb  er 
3n  bie  grauen  Soden  tief. 

Söerfte  morbenb  fo  ben  9Weifter, 
£)er  fölaftrunfen  mit  ifym  rang; 
Unb  mit  bem  graunvott  (gramsten 
9fang  ber  Änirpö,  bi$  eö  gelang, 

2M8  ber  ©tätfre  fanf  $u  ©oben. 
5)iefe8  ttjat  ber  fleine  £*lb. 
Unb  ber  ßobolb  fu$te  foglei$ 
9lad)  be3  Soten  ®ut  unb  ©elb. 

SMutbebetft  t>on  $opf  ju  Sü&en, 
Sriefenb  audj  vom  eignen  3Mut, 
©pätyt  ber  Söicfyt  nun  unöerweilet 
SRacfy  bed  Säten  teurem  ©ut. 

«IT  bie  frieblicfcen  ©elaffe, 
fcaben,  (Sdjranfe  malt  er  rot 
9Rit  ber  #anb,  bem  roten  $infel, 
33i8  bem  Bug'  ber  föaub  fid)  bot. 

©fliegt  befyutjam  alle  Spüren, 
Saföt  fid)  oon  ber  Sünctye  rein, 
5Becrpfelt  bad  ©eaanb  unb  fdjnüret 
©nblidj  ficfy  baö  ^Bünbelein. 


528  *n$ang. 

Unb  ba&felbe  unterm  Anne, 
Sritt  er  Saftig  au*  beut  $au&, 
atmet  fecf  bie  Morgenlüfte, 
Schaut  na$  allen  SButben  auft. 

greifyett  fcat  er  nun  unb  €>$äfee. 
Unb  ber  junge  Sag  bricht  an; 
(Sben  l>at  ein  3ucferbä(fer 
Seinen  gaben  aufget&an. 

tlnb  wie  einer,  ber  befifcet 
Unb  befiehlt,  tritt  jener  ein, 
Sagt  bege&rü*  l'eine  »liefe 
Schweifen  über  ©la$  unb  (Schrein. 

fcagt  tat  reiche  gültyorn  ftürjen, 
SRarjipan  reut  unb  Sragant, 
güüet  fäwelgrt?^  aüe  Saften 
Mit  bem  bunten  BUer^anb. 

(Spielet  mit  ben  fügen  Fingern 
3e$o  auf  ber  ©ifenbaljn, 
2öeld>e  tyin  nacb  Hamburg  führet 
Unb  jum  grogen  Meer  fyinan. 

©lieft  neugierig  wie  ein  Stiefel 
$ufi  bem  SBagen  in  baS  gelb, 
Slbnet  hinter  iebem  33ufd}e 
<De8  (SolumbuS  neue  2öelt. 

2)od>  bie  &unbe  feiner  Untfcat 
3ft  in  Hamburg  längft  befannt 
SDurd}  ben  Selegraptj;  am  ©afynfcof 
#arrt  (Senator  unb  (Sergeant, 

#arrt  ber  efynoürb'ge  Senator, 
©elcfcer  ^olijeit&ef  ift, 
Unb  bie  menfdjenfunb'gen  Sporte 
SRunmefyr  ernft  unb  tief  ertnigt. 

Sielj,  ba  fliegt  ber  (£ifenbrad)c 
3ifc^enb,  bampfumbüflt  tjeran, 
©inen  bunflen  SWenföenfnauel 
Speit  er  brüUenb  auf  ben  Sßlan. 


I 


£ie  2öaf>t  §um  ©taataföreiber.  529 

SfoS  bem  tfnauel  fputnt  befyenbe 
<&\<fy  ber  Heine  ÜWann  fyerauS; 
Sttit  bem  SBünbel^cn  im  5lrme 
©iefyt  er  gang  getoo^nlid^  auß. 

(Eben  fc^mü§t  tym  auf  ber  3unge 
(Sin  33onbon  mm  ©erftenfaft  — 
„©obncfyen  utein,  wo  ift  bein  üWeifter?" 
$ont  a,  unb  {ein  &nie  crfd^lafft. 

3ene§  fpracfy  mit  fanfter  (Stimme 
2)er  ©enator.    „„SD  mein  ©ott! 
2Bifet  3fa  benn,  ba§  er  erfölagen? 
3a,  ben  TOciftcr  fölug  i$  tot!"" 

Söeil  tym  jebe  (Sinfictyt  mangelt 
3n  ben  blifcefcfywangern  SDrafyt, 
©laubt  er  feft,  ba&  ©Ott  ber  9töc$er 
©elbft  tyier  eingegriffen  (jat. 

„$at  bein  SWciftcr  biefy  beleibigt 

Dber  Übleö  bir  getyan?" 

,,„9lt\nuu,  fagt  er  unb  ftarrt  jum  #unmel 

Unb  ftarrt  ringS  bie  Sftenfcfyen  an. 

Offnen  <Diunbe3  ftaunenb  lagt  er 
geffeln  feine  SRörbertyanb. 
©eltfam  war  e8,  als  in  biefer 
9Wan  ein  £erj  tum  3«<fer  faitb. 


3u  ©.  318.  Öffentliche  (Stimmen  über  ©ottfrieb 
fletlerd  2Ba$t  ^um  ©taatSfd&reiber. 

S)ic  fonferöattoe  „©bgenöfftfdje  3c^un9"  5H*-  256  öom 
17.  ©ept.  1861  företbt  u.  a.': 

$)ie  SBBabl  fyat  „ungeachtet  ber  ausgezeichneten  anberweitigen 

Sorgüge  be$  ©ewa&lten  allgemein  ein  ftaunenbeS  föjpffdjütteln  erregt, 
jumal  neben  tym  $err  Sßationalrat  93.  unter  ben  äanbibaten  erfd)ien. 
3n  ben  &ugen  ber  $olitifer  ift  bei  biefer  @rf Meinung  weniger  ber 
Übertritt  be8  £errn  Äetter  in  ben  ©taatSbienft  als  ber  ^Beginn  einer 
politiföen  Karriere  biefeö  9Ranne§  »on  93ebeutung." 

®ottfricb  Äefler.  II.  34 


530  &ntyang. 

„<£ibg.  3citungw  9h.  257  uom  18.  ©cpt.  1861: 
„S)ie  Söafyl  beß  erften  ©taatßfcbreiberß ,  bie  unfer  SKegierungßrat 
am  ©amßtag  getroffen,  fyat  in  bei  SReftbenj  allgemeine  £eiterfeit  erregt; 
niemanb  wollte  bie  gerüctytßwetfe  &unbe  glauben,  btä  unfer  „Boniteur" l) 
©cfcwara  auf  Söeig  berichtete,  bag  bie  Söafyl  „auf  unfern  berühmten 
SDictyter  ©ottfrieb  ßeüer"  gefallen  fei.  Sßßir  fönnen  alfo 'annehmen,  tü% 
bie  eble  &an$leifpra$e  nun  in  3ufunft  ber  eblen  $oefie  weichen  unb 
unfer  (Staatßmefen  auf  ben  klügeln  beß  Sßegafuß  einen  neuen  ©djwung 
nehmen  werbe.  SDocr;,  ©ctyerj  bei  ©eite,  fyielt  ©Treiber  biefer  3eilen, 
foweit  er  bieß  innert  ben  ©ctyranfen  erlaubter  Äritif  außfprecr/en  barf, 
biefe  2öaf?l  für  r>ö$ft  „feltfam".  £er  ©ernähre  $at  fi*  N*  \<W  <ü* 
SDicfyter  tyeraorgetljan ;  allein  baran,  bag  er  bie  (gigenf djaften  unb  Äennt- 
niffe  eines  tüchtigen  ^Beamten  unb  gar  eineß  erften  €>taatßf$reiber&  fyabe, 
barf  man  beer;  biß  ju  befferer  ©elefyrung  gelinbe  3u>eifel  liegen.  Sebenß 
man  femer,  bag  neben  beut  ®ewatylten  t?erf  dpiebene  ältere  Beamte,  bie 
fetyon  3afyre  lang  für  bie  Ferren  <Direftoren  gearbeitet  fyaben,  unb 
mehrere  Jüngere  £eute  t>on  tüchtiger  juriftifcfyer  Silbung  in  Setracty 
famen,  fo  wirb  bie  Söatyl  beß  2)id>terß  no<$  unbegreiflicher,  SBotlte  man 
abfolut  ein  fogenannteß  „©enie"  in  bie  Staatßfanjlei  t)aben?  2)aß  traut 
man  ber  aRetyrfyeit  unferer  Regierung  nicfyt  §u,  benn  —  bod)  balt,  bei' 
nafye  wäre  idj  malitiöß  geworben,  unb  baß  ift  bei  und  ermaß  gefttyrtid); 
ber  geneigte  fcefer  möge  ficr;  batyer  ben  fRadjfafc  na$  eigenem  Qefömacre 
ergangen.  3$  glaube  nidjt  $u  irren,  wenn  icr;  bie  ©rünbe  biefer  töabl 
auf  bem  politifdjen  ©ebiet  fu$e.  £err  Heller  Ipat  in  ben  legten  3a^ren 
neben  ber  SRufe  aucr;  tyie  unb  ba  ber  Sßolitif  gefyulbigt,  wie  bieß  febem 
9iepublitaner  freiftefyt;  er  geborte  ju  ben  mecontents  ber  jungen 
liberalen  <S>$ule,  beren  JDrgan  ber  „ganbbote"  ift,  fcfcrieb  aud?  fetyarfe 
wifcige  Brtifel  in  ben  „93unb\  worin  bie  €>d}wäd>en  unferß  „©»fiemß* 
oft  nidjt  übel  gegeigelt  würben,  beteiligte  ftcf^  bei  bem  „€>turm  im 
©laß  Söaffer"  anlaglid}  ber  legten  !ftationalratßmal>len ,  wobei  er  $er* 
faffer  beß  bamaligen  oppofitioneflen  ©alpimanifefteß  war,  in  bem  unfern 
gnabigen  Ferren  93erlumpung  ber  Sßringipten  unb  älpnltdpeß  mefyr  um 
bie  !ftafe  gerieben  würbe.  5Run  {feinen  einige  Ferren  in  ben  maggeben* 
ben  Greifen  auf  ben  ©ebanfen  gefommen  gu  fein,  man  muffe  ftdj  boefc 
etwaß  ber  jungen  liberalen  (Schule  nähern,  bamit  fie  nidjt  ju  ferpr  im» 
tfraut  waebfe,  unb  fo  fiel  ilpr  3lugenmerf  auf  unfern  2)id}ter,  beffen 
geber  ilmen  für  bie  fournaliftiföe  SBerteibigung  beß  „©pftem**  unter 
Umftanben  angenehm  fein  tann.  ©o  erfläre  icr;  mir  in  etwa*  bie  SBatyl 
—  benn  an  perfönlid>e  SKotite  glaube  icr;  nic^t  — ,  aber  begreiflich  wirb 
man  fie  beß^alb  fc^werlic^  finben  fönnen.  <SoU  biefe  Söafyl  etwa  ein 
gingergeig   für  bie  Dafante  JRegierungöratßftelle  fein?    ©oll  etwa  ber 


')  „5fceue  3ür$er  3eitung"  o.  15.  @ept.  1861. 


£)ie  2öa$l  gum  (gtaatgf  Treiber.  531 

#err  SRebaftor  be3  „Sanbboten"  ober  gar  etwa  £err  $)r.  3B.  @r» 
jietyungSbireftor  werben?  9Ra,  e§  ift  oieleS  möglich !  Übrigen*  mug 
bemerft  werben,  bog  bie  SBafyl  nt$t  etwa  etnftimmig  war,  melinetyr  bret 
€>timmen  ber  SHetamorpfyofe  be8  3)i$terd  in  ben  ©taatöfdjreiber  nic^t 
günftig  waren.  2)ocfy ,  never  mind ,  nun  tüchtig  geodrft,  $err  ©taate» 
Treiber,  bamit  alle,  aüe  mit  ber  3eit  einoerftanben  werben,  bag  tyier 
unfern  #errn  nietyt  ein  bloger  „©enieftreidj1'  paffiert  fei!!" 

„SReue  3ürd>er  Stg/  5Rr.  261  öom  18.  ©ept.  1861: 

„<Die  »om  SRegierungörat  mit  5  gegen  3  «Stimmen  getroffene 
SBafyl  bed  ^>erm  ©ortfrieb  Äeücr  jutn  erften  ®taat8fd>reiber  fyat  ben 
»ollen  ©eifaU  be§  „^öunb"  oon  Sern.  ,2öir  gratulieren  (fagt  biefeä 
©latt),  wir  gratulieren  bem  tfanton  3üric$  §u  biefer  wrtreff liefen  äöatyl; 
benn  wir  fmb  überzeugt,  wie  ber  ©ewafylte  bur<§  feine  poetifcfyen 
©etyopfungen  ber  gefamten  ©djweij  (gtyre  machte,  inbem  er  fldr>  einen 
bleibenben  Sßlafc  in  ber  beulten  Sitteratur  eroberte,  fo  wirb  er  auefc 
auf  bem  neuen  ©ebiete  burd>  Talent  unb  Politiken  (Styarafter  fetyr 
Sücfctigeö  leiften."  3«  ber  „Scfcwüjerjeitung"  wirb  bie  38abl  mit  ber 
IBemerfung  angegeigt,  bie  Regierung  tyabe  einen  „Ungufriebenen"  gewablt. 
SDie  „91.  3-  3tg."  barf  nic^t  »ersten,  bag  biefe  2öaf>I,  ber  wir  übrigen* 
feine  prinzipielle  ©ebeutung  geben,  für  Diele  gfreunbe  ber  Regierung 
eine  Überrafdjung  war." 

5»r.  264  öom  21.  ©ept.  1861: 

„2)er  Sanbbote"  probiert  und,  auf  bie  ©taat&föreiberwatyl 
gurücfgufommen.  (Sr  »erlangt  nämlicfc  9luffdjlug  über  unfere JBemerfung, 
bag  bie  SBafyl  für  »tele  greunbe  ber  Regierung  eine  Überraföung 
gewefen,  bag  wir  aber  berfelben  feine  prinzipielle  Sebeutung  auftreiben. 
£)a3  fei  falt  unb  warm  aud  (Sinem  Sttunbe  (fagt  „2)er  £anbbote"),  unb 
er  wiffe  nidjt,  wa8  e8  bebeuten  foU. 

2Bir  wollen  &erfu$en,  bem  „Banbboten"  »erftanblid>  $u  werben. 
(Sine  prinzipielle  8ebeutung  fyatte  bie  Söafyl  gehabt,  wenn  flc  mit  3Rücf- 
ficfyt  auf  bie  oppofitionede  Stellung  beß  ©ewätylten  getroffen  worben 
wäre.  (Sine  foldje  ©pefulation,  beren  Sttoralitat  wir  tjier  ni$t  nafyer 
begegnen  wollen,  gelten  wir  aber  ni$t  nur  unter  ber  -ffiürbe  ber 
Regierung *),  fonbern  gemag  beren  3ufammenfe|jung  gar  ni$t  für  möglich. 


')  „3Bie  biefer  $unft  ton  ben  Ureigen  beurteilt  wirb,  gebt  au3 
folgenber  (Stelle  einer  3ür($erforrefponbenj  beS  ,#anbel8fourier§1  fyer* 
cor:  Wlan  quält  fid},  ben  ©djlüffel  gu  biefer  2öafyh>erljanblung  ju 
finben  unb  tyort  benn  audj  gar  mancherlei  Vermutungen  bar  über.  $m 
meiften  Glauben  finbet  bie  (Srflarung:  Heller  aerbanle  feine  Söafyl  ber 
Dppofition,  welche  er  bei  ben  legten  SRationalratöwafylen  mit  anberen 
ber  ^Regierungspartei  gegenüber  gemalt  fyabe.    3ttit  biefer  fetten  Stelle 

34* 


532  Strang. 

£err  Äetter  würbe  nictyt  parce  qae,  fonbern  quoi  qae  gewählt;  einzelne 
feiner  fcanbSIeute  tyat  e$  f$on  lange  gebrü<ftf  ba§  ein  fd?öneö  $alent 
im  eigenen  Saterfanb  ficfc  nid^t  ftetyn  brechen  fonnte,  unb  fciefeö  ©efübl 
tyat  fetyr  waljrföetnlicr)  einen  grofcen  (ginflufc  auf  bie  SBatyl  geübt.  Ob 
man  bamit  baß  SRe$te  getroffen  fyabt,  gehört  nietyt  tyietyer.  ba  vir  bem 
„8anbboten"  nur  $u  erüären  ^aben,  ba§  ber  oielbefpro$ene  Sorgana 
feine  prinzipielle  fBebeutung  tyabe.  2ro$bem  bot  aber  bie  SBafcl  nca) 
©runb  genug  jur  äberraföung,  unb  man  fyat  wirflid}  felbft  Seute  über« 
rafc^t  gefefyen,  bie  fonft  re$t  gut  wiffen,  waö  eö  in  3üri$  gef plagen 
rjat"    u.  f. w. 

„SRcuc  3ürd>er  3tg."  5Rr.  273  Dom  30.  ©ept.  1861: 

„3)er  3ürdjer  O-Äorrefponbent  be&  „^unb"  fyat  bem  6taatÄ* 
f$reiber  ©ottfrieb  ÄeUer  bur$  feine  lefcte  &orrefponbeng  wenigftenö 
einen  großen  £)ienft  erwiefen.  9Ran  behauptete  namücr;  oor  einiger  3«t 
£err  Äetter  fei  felbft  biefer  Otforrefponbent  (5$  fpractyen  barüber 
oiele  Seute  tyr  ^Bebauern  au$,  jwar  weniger  wegen  beö  SnfyaltS  jener 
Äorrefponbenjen  als  wegen  be3  ©tii$  berfelben.  9Ran  työrte  metfad) 
bebauern,  bafj  ber  förnige  (Stil  Äeüerö  gu  einem  folgen  jieraffifctyen, 
geföraubten,  gefpreigten  unb  manierierten  ©til  ^eruntergef unten  fei 
©lütflictyerweife  fteUt  e8  fi$  aber  jefct  immer  metyr  t)erau&,  ba&  biefe 
(Stilart,  welche  au$  noct)  im  Sürdjer  „fcanbboten"  unb  ber  „93üladjer 
Söodjenjeitung"  r^eimifc^  ift  „  einer  unb  berfelben  Quelle  an  allen  brei 
Drten  angebort.  Sir  gratulieren  £errn  Heller  anfridjtig,  ba§  bie  lefctc 
Sßuttforrefponbenj  be&  „©unb"  ibn  wenigftenS  oon  biefem  graufamften 
aller  ©erbaute  erlöft  tyat,  ber  für  feinen  3tuf  a(3  6*riftfteUer  totlia) 
geworben  wäre." 

„ÜDer  ?anbbote"  5Rr.  224  oom  19.  ©ept.  1861  föreibt  u.  a.: 

„©ewig,  bie  Söafyl  fyat  in  oerf  ergebenen  Greifen  überrafetyt,  fowo^l 
begüglicr)  ber  adfaQigen  „prinzipiellen  ©ebeutung",  alft  bejüglidj  ber  8n= 
wartfct)aft  be$  ®ewar;lten  unb  anberer  ^Bewerber.  $ud}  bie  €>timmab< 
gäbe  im  SRegierungärat  foQ  äu&erft  intereffant  gewefen  fein,  wiewobl  fie 
natürlicr)  @efyeimm§  bleibt,  greunbe  be3  ©emafylten  wiffen,  bafj  ÄeÜcr 
ein  ganger  9Wann  unb  ßbarafter  ift ,  ber  per)  felbft  treu  bleibt  %\t  wiffen 
aber  au  et),  wie  feiner  3eit  —  eS  wirb  nun  gerabe  ein  Satyr  —  ba& 
politifebe  auftreten  be8  „neueften  ^Did^tcrd"  »erborjnt  . . .  worben  ift . . 

©etratfytet  man  in  3üri$  bie  (Staatßfdjreiberfielle  lebtglicr/  al8  ein 
guteß  ©ctyreiberpöftlein?  ....  28ie  »erhalt  eß  fict)  benn  mit  ber  gar 
nidjt    pringipieüen    5?ebeutung?     2)er    gefunbe    SWenf(tyenoeTftanb   be8 


wolle  man  tym  fortan  für  bie  3ufunft  baö  Wla\i\  ftopfen.  SBollen  nun 
fetyen,  ob  bie  ,53erf*liffentyeit  ber  ©runbfa^e' ,  über  wel(tye  fi$  ÄeÜer 
oft  in  ber  treffe  ausliefe,  auety  fetyon  ben  SHcfyter  berührt  tyat.M 


£)ie  2öa#  jum  (Staatäföreiber.  533 


IBolfeS  wirb  immerhin  bie  28at)l  beffen,  ben  man  lefcte*  3«$*  aufcgelacfyt 
!>at,  gu  einer  ber  erften  «Stellen,  unb  bie  93erfu$erung,  bag  fie  feine 
prinzipielle  ©ebeutung  fyabt,  interefiant  unb  erwägenswert  finben.  <£nt* 
weber  fyat  man  ben  berühmten  SMcfyter  etyren  unb  auöjeidjnen,  ober  ber 
©teile  einen  ÜRann  geben  wollen,  ber  in  ieber  SBejiefyung  würbig  iftr 
für  ben  Staat  3ürid>  ju  (treiben  unb  unbebingt  bie  n&djfte  Sfowartföaft 
jjatte."    u.  f.  w. 

„2)er  ©unb"  Dom  23.  ©ept.  1861 : 

„ 5Dtc  Sßolitif  fpielte  bei  biefer  SBatyl  ganj  unb  gar  nicfyt 

mit:  bie  Regierung  trollte  ni$t  „gefct/weigen",  unb  Heller  lagt  fi$  burd) 
folctye  Mittel  ni$t  gewinnen.  .  .  .  &u$  ber  Söetygefang  von  St.  (baden, 
bag  Heller  ben  SßegafuS  an  einen  bürren  8lft  gebunben  fyabe,  wirb  ftc!r> 
getroftet  fefyen.  £ie  SBatyl  erflart  fid)  aud  ben  einfachen  unb  nobelftcn 
ÜRotiven.  Wan  wollte  einem  vaterlanbifcfyen  ©cfyriftftefler,  beffen  SBBerfe 
bauemben  Söert  fyiben,  eine  wofjlverbiente  Slnerfennung  bieten. 
3Melleid>t  Ijatte  fic$  In'efür  nocfy  eine  geeignetere  gorm  finben  laffen, 
aber  baft  SRotiv  an  fict;  ift  gut  unb  act/tungSwert.  $)ann  fam  bie 
Überzeugung  tjinju,  tag  Heller  bie  neue  Slmtöaufgabe  tüchtig  ausfüllen 
werbe.  Sttan  fann  eS  natürlich  niemanben  verübeln,  hierüber  vorläufig 
no$  anberS  gu  benfen.  Slber  bie,  bie  tyn  wallten,  fyaben  biefeS  33er* 
trauen  unb  ftüfcen  baSfelbe  auf  ben  fdjarfen  uaturgefunben  Söerftanb 
unb  bie  fernbrave  ©efinnung  ÄellerS.  (Sine  folcf/e  tfraft  wirb  fid} 
giemli$  balb  in  ba§  2lmt  hineingearbeitet  fyaben,  unb  e§  ift  mcfyt  baS 
erfte  9ttal  in  ber  £ulturgefdjicr/te,  bog  ein  SDic^ter  nnb  ein  (Staatsmann 
in  ber  SBefctyaftigung  mit  bem  Staatsleben  fid}  gegenfeitig  genährt  unb 
gehoben  fyaben." 

„Sürdjcrifäe  greitag^eitung1'  SRr.  38  uom  20.  ©ept.  1861 : 

„&m  SJorabenbe  vor  bem  Vertag  fjat  unfere  Regierung  nocfc  einen 
©enieftreicr;  begangen,  wegen  beffen  gewig  viele  ft$  veranlagt  gefetyen 
^aben  werben,  am  Settag  felbft  nodj  ertra  für  fie  in  ber  &ir$e  ju 
beten.  Sie  wallte  gu  ifyrem  erften  (StaatSfct/reiber  ben  SDic^tcr  ©Ott- 
trieb  fetter.  (Sin  unverft&nbigeS  ©elf  na&m  biefe  2öa#  mit  topf« 
fcf/üttelnbem  ©ebenfen  auf  unb  wollte  faum  baran  glauben,  fefcte  fi$ 
bann  aber  leicht  über  baS  Seltfame  berfelben  hinweg,  ftdr>  bamit  be- 
rubigenb,  bag  eS  am  (Snbe  Sadje  ber  Regierung  fei,  wa§  fie  für  einen 
©taatSfdjreiber  fyaben  woQe  unb  braueben  tonne. 

2luf  viele  anbere  utacfyt  aber  biefe  28al>l  einen  tief  eutmutigenben 
unb  fctywer  bemoralifierenben  (Sinbrucf.  Söir  motten  #errn  ÄeUer  nic^t 
fronten  unb  werben  und  von  «£>erjen  freuen,  wenn  bie  öffentliche 
Meinung  über  feine  fBefaljigung  gu  ber  (Stelle  eines  (StaatSfcfyreiberS 
ftcfc  voUftanbig  als  irrig  erweifen  wirb.  3nbe§  muffen  wir  boefy  feine 
fBabl  befprect/en. 


534                                         3hu)ang. 
u_ 


35Mr  fagten,  e3  mußte  feine  SBatyl  tief  entmutigend  für  viele 
»irfen.  <£&  tyat  bieS  bie  Meinung,  allgemein  ift  befannt,  baß  £err 
ftetter  biß  vor  fur$er  3«t  ft$  meber  mit  Sßolttif  im  allgemeinen,  nod? 
viel  weniger  mit  bem  «Detail  ber  $bmtniftration  vertraut  gemacht  bat, 
unb  fein  9Renfd>  tyatte  bei  iljm  bie  ©efäljtgung  bagu  au<$  nur  von  ferne 
vermutet.  3)a8  erfte  Wal,  ba  er  ftd)  alö  Sßolttifer  geltenb  machen  wollte, 
war,  als  er  vor  ben  legten  9tationalratöwaf}(en  fta)  bagu  finben  liefe, 
ba§  TOanifeft  ber  $elvetiamanner  ju  ftilifieren.  ©eitler  f$eütt  ü)n 
allerbingö  ba8  93ebürfni8  angewanbelt  gu  fyaben,  von  3«t  gu  3eit  alö 
Äorrefponbent  vertriebener  ^Blatter,  mit  mebr  3Bi|&  unb  gebergewanbt« 
r>eit  ald  mit  €>ac$fenntni&  unb  unter  emftem  ©tubtunt,  bie  politifcfcen 
3uftanbe  im  Danton  3üricr;  ju  fritifieren  unb  §u  vertyötynen 

9U8  bie  bemofratifd)e  93olf$regterung  eingeführt  würbe,  ba  tyieß 
e8:  2öeg  mit  aller  Sßroteftion!  nur  bie  SB&gften  unb  heften  foQen  an 
bie  (Stellen;  wer  etwa§  tverben  will,  muß  von  ber  $ife  auf  gebient 
fyaben;  eö  fott  feiner  veraltet  werben,  »eil  er  etnft  bloßeS  tfopiftleüi 
gewefen ;  im  (Gegenteil,  wer  unten  anfangt,  ift  erft  redjt  würbig,  obenauf 
gu  fommen  u.  f.  tv.  Unb  eö  war  unb  ift  bied  eine  fefyr  berechtigte  In* 
fi$t,  bie  nur  eine  &u§na(?me  erlitt,  wenn  ficty  Scanner  burdj  emfte 
wiffenfctyaftlictye  (Stubien  fo  für  eine  ©teile  befähigt  Ratten,  baß  fte  (eia)t 
alle  3wifc§engrabe  in  ber  33eamtenf}ierar$ie  überfpringen  tonnten.  3)aß 
bieö  bei  #errn  Heller  au$  nur  einigermaßen  ber  gaü  fei,  wirb  nie» 
manb  ju  behaupten  wagen.  (Sr  ift,  wenn  man  will,  ein  genialer  SRenfä), 
ein  guter  £i$ter,  ein  getftreidjer  9toveftenf$reiber,  ein  wtytger  3*itungö* 
torrefponbent.  2tber  aUeö  ©enie,  alle  Sßoefte,  aller  ©etft  unb  aller  SBt^ 
erfefcen  pofttive  gac^fenntniffe  nic&t.  SBir  fagen  alfo,  e$  muß  tief  ent» 
mutigen  alle,  welche  wiffenfcfcaftltcfye  gacfcftubien  gemalt  ^aben  ober 
machen  wollen,  unb  ade.  welche  burcfc  praftif$e  2$ätigfeit  fid>  in  bie 
8bmimftration  hineingearbeitet  fyaben,  wenn  fie  fefyen,  baß  weber  Söifien» 
föaft  nod?  praftifdje  (grfatyrung  notig  ift,  um  mit  (Einern  (Sprunge  bie 
©teile  einzunehmen,  von  ber  man  bi&fyer  geglaubt  fyatte,  fte  vor  allen 
erfordere  tiefere  (ginftdjt.    SDaö  entmutigt! 

2)te  Söafyl  wirb  aber  au$  politifc^  bemoralifierenb  auf  viele  Wirten. 
$err  ©ottfrieb  tfeüer  ift  bem  Solfe  be$  Äantonö  3üri$  weniger  von 
feinen  guten  (Seiten  befannt;  e§  würbe  wotyl  erft  auf  tyn  aufmerffam 
als  eö  vernahm,  baß  er  baö  SWanifeft  ber  Dppojttion  vor  ben  legten 
SRationalratöwaljlen  rebigiert  fyabe,  unb  wie  er  in  bemfelben  unb  nad> 
Ijer  in  vertriebenen,  bem  in  3üri$  tjerrfdpenben  (Softem  feinbfeligen 
blättern  feine  jdjarfe  Sauge  beö  ©potted  über  unfere  Regenten  unb  bie 
leitenben  9KSnner  ergoß 

Smmer^in  wiffen  bie,  welche  fo  gern  ber  Regierung  fowofyl,  all 
#errn  ©ottfrieb  Heller  bie  iljnen  gebüfyrenbe  &$tung  ni<fct  vorenthalten 
wollen,   nidt>t  rectyt,   wie   fte   eö   reimen  muffen,   baß  bie  ^Regierung*» 


3Me  3Baf)l  jum  ©taatöföreiber.  535 


mannet  einen  ibrer  Berfyöbner,  ber  jubem  gar  burcb  leine  geleifteteu 
S3ct»cifc  flcb  al$  befähigt  au§wie$,  berechtigten  unb  befähigten  Bntycmgera 
Dorjogen,  unb  wie  fie  ed  reimen  muffen,  bafe  ber  DbpffeuS,  nacbbem  er 
bie  $^5afen  juerft  recfct  I&cberlidj  gemalt,  fein  Sfyafa  nun  fo  ganjlicb 
Dergeffen  famt,  um  bei  ben  9tyaafen  alö  ©taatöfcbreiber  £Dienfte  ju 
nebmen.    S)a$  reimt  ficb  mit  ber  Politiken  9Woral  nur  fcbwer." 

3n  berfelben  Stummer  ber  „greitagSjeitung1'  ftetyt  folgenbe 
»eitere  (Stnfenbung  Dom  Sanbe: 

„$)ie  »on  bem  SRegierung&rate  legten  ©amötag,  wie  ed  ^etfit,  mit 
5  gegen  3  (Stimmen  getroffene  SBabl  unfer«  berühmten  2>ic$ter$,  #errn 
©ottfrteb  äefler,  jum  erften  ©taatßfcbreiber,  bat  vielfach  „^erb"  [®rbe] 
aufgeworfen,  unb  bie  öffentliche  Meinung  gu  $anb  unb  ©tabt  war  in 
ibrer  Beurteilung,  fage  Verurteilung,  »on  einer  feltenen  (gmftimmigfeit. 
2So  man  nur  ^infam,  ging'S  über  bie  Regierung  tyx,  wa$  tyr  au<b 
in  ben  6inn  gefommen  fei.  <Der  eine  wu&te  §u  er§5blen,  #err  Dr. 
Bacb  [Sßfpcfyiater]  tyabe  im  (Spital  laut  über  bad  Unglüef  gejammert, 
bafj  bie  neue  einfielt  im  Burgböljli  nod}  nicbt  fertig  unb  im  alten 
fein  übriger  Sßlafc  mebr  fei;  ein  anberer  meinte,  nadj  tiefer  ©taatS» 
fcbreiberSwabl  bleibe  jefet  für  bie  öafante  ©teile  be$  Ferren  6rjiefyung3- 

bireftorS   niemanb   mebr  übrig    alö #err  JDicfyter  £erwegb! 

Sin  britter  tröftete  einen  ber  nicfyt  gewählten  Spiranten  bamit,  bafj 
berfelbe  nun  ja  „@rüner  feindet)"  werben  tonne  .... 

Sir  wünjcben  oon  gangem  bergen,  bafj  ber  Siebter  ftc$  aud>  alö 
Arbeiter  bewahren  möge!  ©el>t  e8  gut,  fo  fyat  bie  Regierung  mit 
ifyrem  SBagftücf  wirf  lieb  ein  guted  Söerf  getban;  gebt  ed  fölecfyt,  ba 
barf  fie  bann  jum  (Schaben  für  ben  (Spott  nict)t  forgen." 

„3)er  Sanbbote"  Sfh.  228,  ©om  24.  ©ept.  1861: 

„Söelcfyer  ©türm  brauft  bureb  ben  atbenienfifeben  (Sicbenbain!  3ornig 
febreien  bie  (Sulen  unb  burebtoben  bie  SÖipfel.  <Docb  fein  Blatt  regt, 
ftcb  barobj  rubig  fölaft  bie  Birfe,  rubig  bad  Bolf.  5)a&  ein  3)idt)ter 
©taatdfcbreiber  wirb,  weeft  fie  niebt  auf;  mögen  bie  (Sulen  febreien . . . 
3öte,  für  bie  ©cbilbbalter  ber  jürcberif<$en  Sßolitif  fott  man  beten,  weil 
fie  einen  ©enieftreieb,  gu  beutfeb  eine  JDummbeit  gemalt?  .... 

3öa§  ift  benn  ein  Siebter?  (Stwa  nur  ber  3)uft  oon  einer  Blume, 
ba$  Bouquet  be$  SöeineS,  ber  ©efang  eineö  Bogeid,  ba§  3Raufct;en  be$ 
SBalbe*,  ba$  Braufen  bed  SSBinbeö?  3ft  ein  Dieter  nic^t  etwa«  $anb- 
greffliebeö  unb  Sftealea  wie  3b*?  .  .  .  .  3ft  ber  2)ic$ter  Äetter  umfonft 
toicrjig  3<*bre  alt  geworben,  umfonft  in  SWüncben,  #eibelberg,  Berlin  je. 
gewefen?  $at  er  umfonft  ftubiert,  weil  er  ntd)t  gerabe  Snriöprubeng 
ftubierte?  SRetfet  bie  Tempel  ber  allgemeinen  Bilbung  ein,  wenn  für 
€>pe§ietle$  au<b  nur  ©pejial«©tubien  genügen!  gort  mit  bem  tarnen 
Htben,  benn  bie  Sltyener  matten  tyre  SMctyter  fogar  ju  gelbberren! . . . 


536  gn^ang. 

ttnb  weil  fetter  gur  Dppofttion  gehört,  foH  entweber  er  ober  He 
Regierung  iljre  ©runbfafce  verleugnen? 

5)a§  SBerf  lobt  ben  SReifter,  unb  ein  9tarr  föimpft  bie  Suppe 
verfallen,  bevor  fie  gefönt  ift.  fcafjt  ben  alten  ©ottfrieb  an  ber  Sonne, 
unb  feib  femer  aufrieben  mit  (Surem  #anbel  unb  (Euerer  Snbujrrie! 
liebtet  niebt,  fonft  mö<bte  ber  Stuf  ^^ilifter  über  bir!"  ben  fölafencen 
Siebter  ©imfon  wetten." 

SBenige  SBot^en  fpäter,  am  1.  SRov.  1861  bei  ©elegcn^ett  ber 
2Ba$l  jum  erfteit  ©efretär  be$  großen  9tot8,  föreibt  bte  w2frcitagS» 
jeitwtg"  9?r.  44: 

„2>ie  ,grettag*aeitung'  bat  feiner  3eit  bie  SBabl  be*  $errn  ÄeOnr 
jum  erften  ©taatefebreiber  niebt  gar  freunblicb  beurteilt;  bie  (E^rat* 
fyaftigfeit  verlangt  baber  von  und,  bafi  wir  öffentlich  td  auSfprcdtn, 
ba&  bie  allgemeine  Meinung  ftcb  im  ©ottfrieb  Heller  gar  gewaltig  ge- 
taufet  b<*t;  nacb  allem,  waä  man  bärt,  ift  er  jefct  febon  feinem  $tften 
orbentlicb  geworfen,  unb  wenn  er  fo  fortfahrt,  bürfte  au$  tym  nod) 
einer  ber  tuebtigften  ©taat$f<breiber  werben,  ben  3üricb  je  befeffes  tyü 
—  ba&  ift  bie  äraft  be3  ©enie&,  welcbe  wir  mdjt  geniale  3Renjcben* 
finber  in  35erecbnung  ju  gießen  vergaßen,  al8  wir  bie  SBa^l  ©ottfrieb 
Vettert  gu  fabeln  und  berau8nat)men.  9R6ge  ba$  Dementi,  welcbe*  ber 
©ro&e  SRat  bem  9cegierung«rate  wegen  ber  Safyl  äellerS  gab,  $errn 
Äeüer  niebt  entmutigen;  bann  werben^  aud>  bie  SWttglieber,  welcbe  itjm 
ibre  3uftimmung  verfagten,  fo  wie  wir,  balb  einfeben,  tai  ba§  wabre 
©enie  oft  nur  eine  feiner  würbige  Serwenbung  bebarf ,  um  nidjt  nur  ju 
glanjen,  fonbern  au$  ald  nüfclicb  ftcb  Su  bewahren.  „5>er  $egafu£  im 
3ocb"  (ann  am  ©nbe  aueb  oebfen,  wie  wenn  er  febon  ald  güUen  an 
ber  ©taatSfrippe  gefreffen  batte." 


„SReue  Surfer  3tg."  9?r.  261  vom  18.  ©ept.  1861: 
„#err  g.8ernet,  SRebaftor  ber  „€>t.  ©aller  Bettung*,  wibmet  feinem 
greunbe,  bem   Siebter  ©ottfrieb  Heller,   al$  #ulbigung  bei  feiner 
5Sal)l  jum  ©taatöfebreiber  be$  Jcantond  Süricb  folgenbeö  bumorifüfebe 

Slbfcbiebälieb  ber  SWufe  an  ©ottfrieb,  ben  <5taatdf<breiber. 

3(ucb  £u?  —  «ueb  S)ir  bracb  bie  ©ebulb! 

2)u  willft  von  bannen  jieben?  — 

33on  allen,  benen  ©ötterfculb 

£e$  Siebe*  SRacbt  verliefen, 

SSarft  3)u  mir  ftetS  ber  treuftc  ©obn;  — 

9?un,  ©ottfrieb!  flietpft  aueb  £u  bavon! 

0  jerum,  jerum,  jerum, 

0  quae  mutatio  rerum! 


SbfdjiefcBIieb  ter  SDlufe. 


Du  ritteft  etnfi  (0  frei  unb  loB 
Seil  ^ippogrppl),  ben  teilen; 
ülun  fteigft  Du  auf  baB  Beberrofe 
8on  bürren  ißrctoMen. 
Unb  ftaii  bent  gidjtenfranj  umlaufet 
Der  ißaragrar-l)  Dein  ebleB  £aupt 

O  jerum,  jerum,  jerum, 

0  qaae  rouUtio  rerutn! 

3d?  gog  fo  gern  an  Deinem  arm, 
©ti'B  ju  ber  greube  Meigen, 
©et'l  bort  bin,  wo  oon  tiefem  £arm 
Deä  Sangt«  SBetfen  jeugen, 
©ei'B,  »0  mit  eblem  3*tn  bemannt, 
Des  Dietere  blifcenb  SBort  entbrannt. 

Senn  Du  alB  treuer  Sreubabuur 
DeS  SiebdjenS  $vei9  gefungen, 
SJenn  in  ben  Salb,  auf  üpp'ger  giur 
Dein  frobeo  Sieb  (rllungen: 
3a)  bjng  fo  gern  an  Deinem  Slrm, 
Dein  Sieb  mar  bell,  Dein  £erj  fo  »arm. 

Dodj  fab,  id)'ä  nie  fo  Iid)t  entbrannt, 
$on  ©ottefl  ©etft  burcbglübet, 
SIB  wenn  von  Sieb'  jutn  SSaterlanb 
Del  ©ängert  £arfe  ipriibet; 
Dann  flogen  mir  im  Sturm  babin, 
SBie  oon  bem  Serge  bie  Sure  in'. 

9lun  jiebft  Du  fort  —  j  fie  jd)tnieben  fo 

Dia)  an  beä  Slmtfl  StabeUe 

Unb  betten  Deine  SJptbia 

Sluf  atten  unb  Tabelle. 

SebroobJ!  gßir  wirb  im  SKatSgemna) 

Der  fiopf  fo  fd;n>ü!,  baB  $erj  fo  fäjnMUj! 

0  jerum,  jerum,  jerum, 

0  qaae  mutatio  rerum! 

34  bin  ein  armes  Slettelroetb 

3n  biefen  oben  Seiten; 

34  fligte  oft,  baj;  feiner  bleib1 


538 


SUiftmg. 


$on  allen,  bie  mi$  freiten; 

5)en  alten  ©ottfrieb  fyatt'  i$  nodr, 

9hin  blajt  au$  er  auf  anb'rem  80$ ! 

0  jerum,  jerum,  jerum, 

0  qnae  mutatio  rerura! 

3u  ©.328.    3um  »Äpotfcefer  Don  S^amountt". 

Huf  dtomange  VI  (Sob  (5Iara$)  folgte  in  ber  früheren  gfaffung 
folgenbe  an  ©teile  »on  VII  eingej faltete  (Spifobe: 


MeuBtyer  Snalif- 

wM  auf  eisen  9Räb« 

4engrate;  romanüfcfc 

Äitfffi^nrag  unb  ©e* 

föreOtntg  bcfftOcn. 


4eitaif$e  atb  flrifr 
li$e  SSoenen. 


Ungt^Brige  ffinföal' 

fing,  efenfo  tttoial, 

Ali  aetneis. 


&ertgang  ber  tt}&> 


v9uf  bem  £ird$of  in  (5t>amounp 
Siegt  ein  @rab,  ein  Heine*  9Ba(b$en 
©tetyt  barauf  von  tyocfcgetoadrf'nen 
(Sngöerfdjränften  Sllpenrofen. 

kleine  3)a>umling8gem8lein  roeiben 

3n  bem  3nnern  biefe*  3B8alb$enS, 

Äleine  $rummebärd}en  reiben 

6id>  oergnüglid)  an  ben  (Stammten. 

• 
9ftieblid>  Heine  Amoretten 

Sagen  na<&  ben  ȟben  Sieren, 

Sud  Stafetten  fliegen  fie 

(Styrlfteneiföen  in  bie  £erj<$en. 

(5f}riften1?erjen  gleiten  freiließ 
8u<$  ben  $ären,  bie  ftd>  frafeen, 
©o  fie'8  jueft,  unb  ben  erbroffeln, 
£)er  fie  im  ©eföäfte  ftört. 

Unb  in  einem  SBaumeSfronlein 
#at  ein  ©nom  fid>  angefiebelt, 
3»ifd>en  purpurroten  Blüten 
(Sin  Äapelldjen  fi<$  gebaut, 

Raffet  bort  gu  ©otteö  (S^re 
Seben  Sag  ein  ©löcflein  flauen, 
<Da&  eö  lieblid?  in  bem  &alb$en 
ÜRit  bem  3«gbtjom  harmonieret; 

£alt  ba$  £od>amt,  peitföt  ben  dürfen 
5Rit  bem  langgeflodjfnen  ©arteten, 
Selbes  er  beim  ©ibeflefen 
3n  ba$  33ud>  a(§  Seiten  legt, 


3um  „$lpotyefer  »on  (£t)amounii".  539 


Senn  er  merfet,  bafj  ifyn  fdjläfert. 
9USbann  f$l&ft  er  »or  ber  SBibel, 
$)enn  er  legt  ft$  nie  gu  93ette; 
über  au8  bem  8aume  fdjlüpfet 

5Rad^tlic^  leife  eine  £)r&a8, 
SRcftcIt  auf  fein  langes  $3ärt$en, 
Jcammt  unb  falbt  unb  flicht  e$  neu, 
3ierenb  e$  mit  rotem  $Bänbc$en. 

äraut  ifyn  fachte  fyinterm  Dfyxe, 

£)afe  er  gar  betyaglidj  träumet, 

Änurrt  unb  fdjnurrt  gleich  einem  &&($en, 

S3tö  ba$  9tympl)d>en  ladjenb  wegtyufdjt. 

Unb  am  borgen  (treibt  er  jierlidj 
Stuf  ba8  feinfte  pergamentenen 
@in  Segenbcfyen  mit  gemalten 
©olbenen  3nittalen: 

2Bie  bie  Königin  be§  £immel8 
3tym  aünactytlicfc  fei  erföienen 
Unb  fein  S3ärtcben  \)aV  geflochten 
Unb  mit  frifdjem  33anb  gefctymücfet. 

Unb  er  t^&ngt  bie  bunten  SMatter 
5tuf  jum  Srocfnen  an  bie  Steige 
Swings  um  feine  fuft'ge  3*He, 
2)a&  fie  in  ber  dornte  flimmern. 

Unb  er  wetyt  fein  ©otteSfyauödjen 
Sftacty  bem  garten  SBunber  fromm 
Unfrer  lieben  grau  »orn  ©artlein. 
3n  bem  SBaumdjen  ladjt  bie  2)rpa8, 

ÜDafc  baö  (Stammten  famt  ber  Ärone 
2Bilb  \\d)  Rüttelt  unb  bie  &el$e 
Sfyren  fyoctygefüllten  $au  bem 
5R6nd>lein  auf  bie  ©lajje  gießen. 

*Ifo  fpuft  bie  tolle  Söirtfäaft 
3n  bem  Söalbdjen  auf  bem  ©rabe; 
5Randjmal  rauften  alle  Söipfel 
53om  ©elftester  ber  Stäben. 


540 


SCnfymg. 


2>ie  $atel  eröffnet 

neue  tiefftnsige  «De- 

goiiecn. 


©emdlein  fpringen,  IBarfetn  brummen, 
S^gcr  jagen,  $5rner  flauen, 
Pfeile  fdjwirren,  Clfen  feuföen 
Unb  be8  $aterd  ©löcflcin  bimmelt. 

£)o$  baö  ©rab  ift  fyol)l  unb  leer. 
£o<&  am  Montblanc  ragt  ein  3acfen 
lautren  (£ife$  in  bie  tiefe, 
Aalte,  blaue  $imtnel$be(fe.    U.  f.  xd." 


£)ie  ältere  Raffung  beä  ©ebidjteä  brachte  jum  §>$luffe  folgenbed 
Fabula  docet: 

^SDicfeö  ift  baä  Sieb  ber  SBiÜfür, 
Unb  eö  fei  nun  aufgefangen, 
2(u3geflungen  nun  unb  immer 
Unb  begraben  {ei  bie  £eier! 

£egt  fte  unter  grünen  Sftafen, 
SMumen  (äffet  brüber  roadjjen! 
£ber  roenbet  (Sure  otogen 
*Rac$  ber  ©onne  be§  ©efefced! 

3fym,  bem  $oten,  fei  bie  @bre; 
£>od)  bie  Sefyre  beu  fcebenb'gen! 
8ajfet  und  bie  33li(fe  menben 
*Ra<$  ber  ©onne  beö  ©efefee8! 

Unb  e&  gibt  nur  ©ine  ©onne. 
2>ie  üon  Anbeginn  geföienen, 
Unb  cd  gibt  nur  (Sine  ©$önbeit 
Unb  in  reiner  ©etyale  ftratylt  fte. 


2)ie  3ty*  (Sucty  ber  Sugenb  freuet, 
Sebt  unb  weiset  (Sud?  bem  SWorgen! 
©orgenbredjer,  4>erjerneurer 
IBIcibt  ber  ewig  reine  SWorgen. 

£aglid}  fteigt  er  au$  ben  beeren, 
^Ketc^  an  (Sfyren,  frifetyen  ©lanjeö; 
$agli$  föenft  er  <$ud>  bie  3Rad>t 
Über  ba$  befdjmufete  Heftern. 


3um  „2tyotyefer  &on  (3tyamounir\  541 

5£ragt  be3  borgend  flarc  gatyne 
&ufre$t  über  Söafyn  unb  9iöten! 
Sftöten  werben  fi$  bann  wieber 
•  Ungebrodjner  Greife  SBangen. 

girn  unb  ebel  wirb  bei  Sein 
©uter  33erge  mit  bcn  3«ty*en; 
(Sin  gemeiner  ©Suerling 
Sirb  am  (Snbe  fönöbe«  SBaffer. 

©tyoinbe  ba$  <&ef$le$t  ber  ©tümper, 
2)a8  mit  falber  Äraft  gefahren 
Unb  ber  3af?re  Witte  ruhmlos 
Wit  geftridjner  Slagge  falj! 

ftlietyt  ben  Wiba$,  ben  93ef>errfd>er 
Übermütig  fdjledjter  Seiten, 
2Bo  bie  Wöbe  üMig  toü  wirb, 
(gtye  ba$  2Berf>angni§  nafyt! 

Ungefömacf  ift  £ofe3  (Bitte, 
So  bad  Safter  äönig  ift; 
3n  ber  Witte  ber  Serfetjrten 
kernet  trneber  einfam  fein! 

3eber  fei  für  fi$  ein  Wann, 
©djöpfenb  auö  be$  ©Uten  Urquell! 
3ßaö  er  !ann,  mit  innem  fluten 
©ring'  er'3  rufyig  ju  bem  ©anjcn! 

SBoflt  3^  föure  3eit  erbauen, 
8afjt  fie  flauen  lichte  3üge! 
Srauen,  bie  in  Hoffnung  leben, 
3eigt  man  i»ei3li($  fctyöne  93itber." 

Unb  nun  jeigt  in  ber  früheren  Sflfiung  Der  Slbgefang  jtöet 
folgen  grauen  ein  berartiged  $3üb.  3»ei  arme,  im  gforft  $0(3  fudjenbe, 
über  bie  9Rot  bed  bebend  fcfyeltenbe  Söeiber  vernehmen  plö$li$  burcty  bie 
Ware  SBintertuft  geftgelaute;  bie  SRoaembetfonne  jerreifct  ba§  ©eroölf;  $u 
tyren  gufcen  ftra^lt  bie  Statt,  unb  herauf  tont  e§,  ben  Firmen  gum 
$roft,  wie  jur  S3errunbigung  ber  beffern  Seit:  „greube,  fdjöner  ©ötter* 


542  Slntyang. 


funfen!"  <gg  ift  ba3  gro&e  S$iHerfeft  beS  Sa&reS  1859,  ba*  brauten 
begangen  wirb.  9Rit  biefer  «jmlbtgung  auf  $)eutfc$Ianb8  ibealften  3)i$ter 
f<$Io&  früher  ber  „fcpottyefer  oon  (jSbamoumT*. 


Unausgeführte  bidjterifdje  $läne. 

„3üric$  1860. 
<$ebi$te.    Sdjüfeenfeft  1859.    £)er  93efu<$   ber  £erjogin  txra 
Sßarma,  treibe    einen  IBed&er  jiim  ©abenfaal   bringt1),      gfinffüfcige 
Jamben. 

S)a8  ©^ie|en  ber  armen  Beute,  £Bagabunben  unb  Pumpen  mit 
Sofyenbüc&fen  na$  wunberlidjen  giguren,  Tonpfeifen  u.  f.  u>.  in  einem 
ärmlichen  Sc^ie&ftanbe  unter  ben  Sdjaububen  aufjertyalb  be8  geftplafe*. 
2)ie  gigur  be8  SBeftfeerS  biefer  fleinen  Sdjiefjbube.  SRitternacfyt  ift  »or- 
bei;  bie  legten  ©afte  tbmtnen  au$  ber  gro&en,  nun  buntlen  geftyütte 
Dom  S^ampagner,  angefeuerte  Beute,  unb  fto§en  auf  baä  nä$tiic$e  un- 
heimliche Settelf ctyiefjen ,  nie  auf  eine  gefpenftige  $arobie  beä  großen 
©biegend.  Nebenan  fölafen  in  tyren  £oljbuben  urilbe  $iere,  Seil- 
tänzer ?c.'). 

Seefahrt.  (Sin  t>on  grauen  unb  Bannern  angefülltes  S<$tff 
fatyrt  auf  abenblictyem  fpiegelglattem  See.  SlÜe  ftnb  leibenfc$aftli$  er- 
regt, aber  bie  Neigungen  freujen  fidj  unglücfli<$  unb  mi|»erftanben. 

(58  brotyt  fein  Sturm,  fein  getfenriff, 

Unb  bodj  ftnb  fie  fo  unrutjöoü; 

2)ie  $ergen  fernlagen  roüb  unb  toll, 

£)ie  Saiten  tönen  lang  erregt, 

©8  fagt'*  bad  Sieb  unb  fagf  3  bo$  nid?t  u.  f.  f. 

9hir  ber  am  Steuer  fifct,  ein  ^alb  enoa^fener  Sctyifferrnabe,  rft 
ru^ig,  frötjlicty  unb  unföulbig. 


>)  Iffiabrenb  be§  eibgen.  S$ü$enfefte£  in  3üric$  erfdtfen  bie  $er« 
gogin  uon  Sßarma  am  1 1.  3uli  1859  mit  ifyren  oier  äinbern  gunt 
9ftittaa,Stifc$  in  ber  geftfyütte,  nadjbem  fte  erft  einen  33e$er  al8  @$ren« 
gäbe  überreicht  fyatte. 

*)  <Da8  ©ebic^t  fönte  „2lm  ffianbe  be8  33aterlanbe8"  betitelt 
»erben.  $gl.  8.  grep,  Erinnerungen  an  ©ottfrieb  JceUer.  2.  Aufl. 
S.  48  (1893). 


£)i$tertf$e  $Iäne.  543 


©ebidjh  <Der  griebenömorgen.  3Ra$  bem  alten  3üri(tyfrieg.  9m 
9.  IBradjmonat  1446  würbe  ber  griebe  gefctyloffen,  unb  ©onntagö  ben 
12.  mit  «Sonnenaufgang  fing  er  an.  &n  biefem  froren  ©onntagS- 
morgen  fdbaütc  greubengelaut  burdj  bie  ganje  (gibgenoffenföaft.  <Die 
Sanbleute  jogen  au3  ber  @tabt  3ürid>  in  tyre  $eimat,  freubig  unb 
traurig  juglei^,  benn  fie  fanben  #au$  unb  $of  »erbrannt,  ba3  gelb 
»erwilbert.  gtfrig  bauten  fie  nun  wieber  $aufer  unb  pflangten  (Saaten. 
3üri$  lieft  fi$  nun  bur<$3  SRedjt  bem  £Bunb  abfpredjen.  ((Schüler.1) 
SRüfete  in  fünffüßigen  $rod)aen  gemalt  werben.) 


ÜRars  1861. 
Weltuntergang.  IDcrfclbc  ift  proptyejeit  werben.  (Sin  ganje$  aber« 
giäubif$e8  3)orf  glaubt  baran,  tyßrt  gu  arbeiten  unb  ju  forgen  auf,  in« 
bem  bie  eine  jpalfte  tyeult  unb  betet,  unb  bie  anbete  f  klemmt,  tanjt 
unb  ftdj  luftig  ma$t,  allen  Vorrat  aufeetyrenb.  Sie  treiben  bad  #iel> 
auf  bie  gelber,  Iaffen  e3  bie  SBinterfaat  abwetten,  fdjlacfcten  e$  na^^er 
unb  freffen  e§;  fte  fdjlagen  bie  Dbftbautne  um,  reißen  bie  SReben  au8 
bem  33 oben,  machen  gewaltige  geuer  baraud  unb  tanken  barum  je. 
9lur  eine  einzige  gamilie  (etwa  eine  38itwe  mit  tfyren  Äinbern  ober 
»ietteidjt  ein  einzelnes  SRütterdjen)  arbeitet  »or  wie  na$  fort,  rutyig 
unb  unbefangen  unb  befteüt  baö  gelb.  913  nun  bie  SBelt  nicrpt  unter- 
geht, fonbern  luftig  fortbeftefyt,  tyaben  jene  bradje  Srfer,  !eine  (Srnte, 
feine  Sbäume,  feine  Trauben,  unb  greifen  im  fyodjften  Äafcenjammer 
oerbriefclidj  gu  Sßflug  unb  £acfe,  wa&renb  biefe  frityli$  bie  <Sicr>eI 
brauchen  unb  im  $erbft  ein  oergnügteS  SBingerfeft  begeben.  (6$  ift 
ein  IBauer  mit  fteben  Sonnen  unb  fteben  Sodjtern  ober  bergl.  €>ie 
glauben  aud>  an  ben  Untergang,  arbeiten  aber  beffenungeadjtet  fort,  wie 
wenn  ni$t§  wäre,  unb  vollbringen  big  $um  legten  Slugenblufe  ber  »er- 
meintlidjen  ©tunbe  ade  ©efctyäfte.) 


Slpril  1861. 
@ebt*t.     3)er  SBunbeSfdjwur  ju  SBafel   1501.     grau  mit  ber 
ihmfel  am  offnen  3$ore,  ben  3oH  bejiefyenb. 

33on  ftrenger  unb  bodj  freier  9rt 

©ar  würbig  getjn  mit  ©c^wert  unb  S3art 

2)ie  £errn  jum  SWünfter  ein 


*)  ÜRelctyior  @d>uler,  bie  Saaten  unb  (Sitten  ber  alten  (gibgenoffen. 


544 


Bnfjang. 


[©p&tcreö  Blatt  au8  ben  acfctjiger  Sauren:] 

Sitte  £$ore  ftnb  a,efd>loffen 
©titte  lauften  Styein  unb  gtur; 
3)enn  be§  9to$me$  fyotye  ©profien, 
$)ie  geftrengen  (Sibgenoffen, 
8efen  brtn  ben  3Bunbe$fd>i»ur. 

Unb  e*  fprity  ba8  Sott  erbebenb, 
@ret8  unb  SHann  unb  tfnabe  tyolb, 
©eine  #anb  311m  $immel  fyebenb 
Unb  ein  neueS  fceben  lebenb, 
Sene  ©orte,  fdjwer  wie  @olb. 


IBcridjtiflUttflei»: 

€.  211  3. 4  0.  u.  lief  Xelegrapfanitefr  ftatt  Xdegrap^cnawt. 
©.  388  3. 11  0.  0.  lic*  ültttc  ftatt  Slicc 
©.  415  3.  2  0.  u.  Uc*  hätten  flatt  $ätte. 


©u^tormferri  t>on  @uftat>  ©$abc  (Otto  ftrantfe)  in  Berlin  N. 


i 


**R  2  -   1944