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Full text of "Grammatik der romanischen Sprachen"

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Grammatik 


der 


Eomanischen  Sprachen 


von 


Wilhelm  Meyer -Lübke, 

ao.  Professor  der  romanischen  Philologie  an  der  Universität  Jena. 


Ogni  nuovo  avanzamento  ridonda  in 
nuovo    onore   dei   maestri  che  ci   hanno 
aperto  e  spianato  la  via  ardua  e  buona. 
G.  J.  Ascoli. 


Erster  Band: 

Lautlehre. 


Leipzig, 

Fues's  Verlag  (R.  Eeisland). 
1890. 


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KomMuische  Lautlehre 


Wilhelm  Meyer-Lübke, 

ao.  Professor  der  romanischen  Philologie  an  der  Universität  Jena, 


Leipzig, 

Fues's  Verlag   (R.   Reisland). 
1890. 


Verfasser  und  Verleger  behalten  sich  das  Übersetzungsrecht  vor. 


> 


Seinen    hochverehrten    Lehrer 


•  e  r  n 


GASTON  PARIS 

und 

ADOLF  TOBLER 

in   dankbarer  Erinneruni 


der  Verfasser. 


Vorwort. 


Bei  den  grofsen  Fortschritten  der  romanischen  Wissen- 
schaft, seit  dem  Diez  sein  Meisterwerk  zum  letztenmal  „ver- 
mehrt und  verbessert"  hatte  erscheinen  lassen,  darf  der  Ver- 
such einer  neuen,  dem  heutigen  Stand  unserer  Kenntnisse  und 
Erkenntnisse  entsprechenden  romanischen  Grammatik  wohl 
nicht  mehr  als  verfrüht  bezeichnet  werden.  Zwar  liegt  auch 
heute  noch  der  Stoff  namentlich  aus  den  Mundarten  sehr 
ungleich  und  sehr  lückenhaft  vor,  aber  eine  gleichmäfsige 
Untersuchung  aller  Dialekte  wird  wohl  noch  mehr  als  ein 
Menschenalter  auf  sich  warten  lassen,  und  der  Wissenschaft 
ist  schon  gedient,  wenn  gezeigt  wird,  wo  sich  die  gröfsten 
Lücken  finden.  Was  ich  irgendwie  habe  erreichen  können, 
habe  ich  ausgenützt,  wenn  ich  auch  nicht  alle  Einzelheiten 
anführen  konnte.  Bei  der  grofsen  Zersplitterung  der  Litteratur 
dürfte  mir  freilich  manches  entgangen  sein,  anderes  konnte 
ich  hier,  wo  ich  fast  ganz  auf  meine  eigene  Bibliothek  an- 
gewiesen bin,  nicht  erlangen.  So  waren  mir  z.  B.  die  Revue 
des  langues  romanes  und  die  älteren  Bände  der  Romania  nur 
schwer  zugänglich ;  Cledats  Revue  habe  ich  noch  nicht  zu  Ge- 
sicht bekommen  u.  s.  w.  Ich  bedauere  das  umsomehr ,  als  ich 
das  Hauptgewicht  auf  die  heute  gesprochenen  Mundarten  lege 
und  den  mittelalterlichen  Texten  nur  einen  bedingten  Wert 
beizulegen    vermag.     Ich   bin   noch   immer   der  Ansicht,    dafs 


Vm  Vorwort. 

die  altfranzösischen,  altitalienischen  u.  s.  w.  Texte  neben  histo- 
rischen Schreibungen  auch  sehr  viel  thatsächliche  Schreib- 
fehler und  umgekehrte  Schreibungen  enthalten,  und  dafs  man 
mit  diesen  Faktoren  bei  der  Lautlehre  dieser  Texte  in  viel 
höherem  Grade  rechnen  sollte,  als  es  meist  geschieht.  Im  ein- 
zelnen meine  Zweifel  zu  begründen,  konnte  ich  allerdings 
schon  aus  Raummangel  nicht  unternehmen. 

Bei  der  grofsen  Masse  des  zu  verarbeitenden  Stoffes 
mufste  ich  natürlich  alles  unnötige .  Beiwerk  weglassen.  Ich 
habe  daher  zwar  überall,  wo  es  von  Belang  war,  die  Grel ehrten, 
deren  Auffassung  ich  aufgenommen  habe,  zitiert,  oder  hoffe 
wenigstens,  es  gethan  zu  haben,  dagegen  glaubte  ich,  von 
abweichenden  Erklärungen  nur  die  wichtigsten  anführen  und 
nur  in  seltenen  Fällen  zu  Widerlegung  im  einzelnen  schreiten 
zu  dürfen.  Wo  ich  ferner  aus  Untersuchungen  über  mittelalter- 
liche Texte  Beispiele  genommen  habe,  da  begnügte  ich  mich, 
den  Text  ohne  weitere  Seitenzahl  zu  nennen,  da  genauere 
Angaben  sich  in  der  betreffenden  Spezialuntersuchung  finden. 
Ein  Verzeichnis  aller  benutzten  Arbeiten,  sofern  sie  nicht 
im  Texte  mit  ganzem  Titel  genannt  sind,  findet  sich  S.  XIV  ff. 

In  der  phonetischen  Terminologie  bin  ich  möglichst  kon- 
servativ, in  der  Umschreibung  möglichst  einfach  geblieben. 
So  lange  die  phonetischen  Systeme  noch  so  weit  auseinander- 
gehen ,  wie  es  heute  der  Fall  ist ,  thut  eine  historisch  ver- 
gleichende Grammatik  am  besten,  den  alten,  wenn  auch  nicht 
immer  ganz  zutreffenden  Bezeichnungen  treu  zu  bleiben,  da 
sie  so  allein  von  Allen  verstanden  werden  kann.  Leider  habe 
ich  in  der  Umschreibung  der  Dialekte  keine  Konsequenz 
erzielen  können,  da  die  Angaben  meiner  Quellen  mir  zu  oft 
nur  halbe  Klarheit  brachten.  Wo  ich  aber  immer  konnte, 
habe  ich  mich  phonetischer  Schreibung  bedient. 

Das  Zitat  „Kap.  VI"  S.  8  Anm.  bitte  ich  zu  streichen. 
Es  war  ursprünglich  meine  Absicht,  als  Schlufs  des  Bandes 
eine  zusammenfassende  Übersicht  über  die  lautliche  Entwick- 


Vorwort.  IX 

hing  der  Hauptsprachen  zu  geben,  ohne  Rücksicht  auf  die 
Mundarten  aber  streng  chronologisch.  Daran  hätte  sich  einer- 
seits die  Darstellung  der  modernen  Aussprache,  andererseits 
das  Kreolische  angeschlossen.  Damit  aber  der  Band  nicht 
allzusehr  anschwelle,  und  weil  eine  derartige  Sprachgeschichte 
mit  der  Formenlehre  Hand  in  Hand  geht,  wird  dieser  Ab- 
schnitt erst  im  zweiten  Bande  folgen,  die  „romanische  Phone- 
tik" aber  wird,  liofFentlich  in  nicht  allzu  ferner  Zeit,  von 
anderer  viel  besser  gerüsteter  Seite  gegeben  werden. 

Das  Wort-  und  das  Sachverzeichnis  wollen  nicht  voll- 
ständig sein,  sie  enthalten  aber  hoffentlich  alles,  was  einiger- 
mafsen  von  Belang  ist.  Mundartliche  Wörter  suche  man  in 
der  schriftsprachlichen  Form,  provenzalische  in  französischer, 
portugiesische  in  spanischer.  Was  in  das  vulgärlateinische 
Wörterverzeichnis  aufgenommen  ist,  wurde  im  italienischen  u.  s.w. 
meist  nicht  wiederholt.  Im  lateinischen  habe  ich  fast  nur 
diejenigen  Wörter  angeführt,  deren  Vokal({uantität  durch  das 
Romanische  bestimmt  ist.  Den  deutschen  Ausdruck  „Ver- 
schränkung" statt  des  lateinischen  „Contamination"  im  Sach- 
verzeichnis gebrauche  ich  nach  dem  Vorgange  von  J.  Schmidt. 

In  den  etymologischen  Index  habe  ich  alle  diejenigen 
Wörter  aufgenommen,  die  anders  erklärt  sind,  als  es  in  der 
dritten  Auflage  des  Diezschen  Wörterbuches  geschieht  oder 
die  bei  Diez  sich  nicht  finden. 

Einen  Teil  der  Korrektur  mit  zu  lesen ,  hatte  Herr  stud. 
phil.  Schläger  in  Jena  die  grofse  Gefälligkeit,  wofür  ich  ihm 
sehr  zum  Danke  verpflichtet  bin. 

Jena,  im  September  1889. 

W.  Mever-Ltibke. 


Verbesserungen. 


ite  30, 

Zeile   2 

lies 

461 

statt  453. 

„     30, 

n 

33 

n 

359 

„     559. 

„     32, 

» 

12 

n 

282 

„     294. 

„     35, 

n 

32 

n 

270 

„     280. 

„     36, 

r> 

35 

n 

442 

„     501. 

„     53, 

n 

6 

Ti 

292 

„     295. 

,,     63, 

n 

23 

5) 

450 

55     441. 

„     69, 

n 

34 

!5 

ü 

u. 

„  102, 

n 

29 

» 

362 

„     562. 

„  108, 

n 

8 

» 

i 

?• 

„  115, 

n 

30 

» 

292 

55        29. 

„   120, 

n 

4 

streiche 

, wogegen"   bis   „ist". 

„   137, 

» 

1 

lies 

oK 

statt  K  0. 

„   159, 

n 

5 

55 

164 

5,     179. 

„   159, 

n 

7 

55 

179 

„     260. 

„   189, 

n 

35 

55 

üe 

„      ue. 

„   190, 

n 

1 

)5 

üe 

„      ue. 

„  191, 

n 

27 

streiche 

,aucli"   bis   „Erbwörter" 

„  200, 

» 

9 

lies 

278 

statt  223. 

„  200, 

n 

32 

55 

249 

55     223. 

„  204, 

n 

19 

55 

255 

55      221. 

„   209, 

» 

3 

55 

nur 

„      nie. 

„   213, 

w 

5 

55 

526 

„     326. 

„  219, 

» 

17 

55 

281 

„     290. 

„  222, 

)) 

22 

55 

durch 

Kürzung  zu  e  wird 
statt  bleibt. 

„  224, 

)) 

38 

55 

chaif 

„     eher. 

„  229, 

j) 

16 

55 

maniariu  statt  maniairu. 

„  231, 

« 

8 

55 

Alatri  statt  alothr. 

Inhaltsverzeiclinis. 


Seite 

Einleitung 1 

L  Kapitel:  Die  Vokale 50 

Die  lateinischen  Vokale 51 

A.  Betonte  Vokale        54 

1.  Vnlgärlat.  i  =  schriftlat.  J 54 

a)  i  bleibt  erhalten 55 

b)  Spontane  Veränderungen 58 

c)  Bedingte  Veränderungen 59 

1.  Einflufs  folgender  Laute 59 

2.  Einflufs  vorhergehender  Laute        ....  63 

d)  Einzelheiten 64 

2.  Vulgärlat.  u  =  schriftlat.   ü 65 

a)  u  bleibt  erhalten 65 

b)  Spontane  Veränderungen 67 

c)  Bedingte  Veränderungen 76 

1.  Einflufs  folgender  Laute 76 

2.  Einflufs  vorhergehender  Laute       ....  80 

d)  Einzelheiten 80 

3.  Vulgärlat.  c  =^  schriftlat.  i;   1 81 

a)  Spontane  Weiterentwicklungen  des  ei     .     .     .  89 

b)  Bedingte  Veränderungen 98 

1.  Einflufs  folgender  Laute 98 

2.  Einflufs  vorhergehender  Laute       .     .     .     .  112 

c)  Sporadischer  Wandel  von  e  zu  p  und  i      .     .  118 

4.  Vulgärlat.  o  =  schriftlat.  ö,  ti 120 

a)  Spontane  Weiterentwicklung  des  ou  .     .     .     .  126 

b)  Bedingte  Veränderungen 131 

1.  Einflufs  folgender  Laute  . 131 

2.  Einflufs  vorhergehender  Laute       ....  137 
c)  Sporadischer  Wandel  von  o  zu  p,  u       .     .     .  137 

5.  Vulgärlat.  p  =  schriftlat.  e 141 

a)  Bedingte  Veränderungen  von  f,   ie     ....  148 


XII  Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

1.  Einflufs  folgender  Laute 148 

2.  Einflufs  vorhergehende!'  Laute 155 

b)  Das  Verhältnis  von  e  und  ie 159 

c)  Vereinzelter  Übergang  von  ^  in  andere  Vokale  164 

6.  Vulgärlat.  Q  :=  schriftlat.  ö 166 

a)  Bedingte  Veränderungen  von  Q,  uo    .     .     .     .  174 

1.  Einflufs  folgender  Laute 174 

2.  Einflufs  vorhergehender  Laute 183 

b)  Das  Verhältnis  von  uo  zu  tie,  a 184 

c)  Einzelheiten 191 

7.  Lateinisch  a 193 

a)  a  bleibt  erhalten 194 

b)  Spontane  Veränderungen  des  a 198 

c)  Der  Wandel  von  freiem  a  zu  e 199 

d)  Bedingte  Veränderungen 205 

1.  Einflufs  folgender  Laute 205 

2.  Einflufs  vorhergehender  Laute       .     .     .     .  222 

e)  Einzelheiten 230 

8.  Die  lateinischen  Hiatusvokale 232 

9.  Diphthonge 234 

a)  Die  lateinischen  Diphthonge 234 

b)  Bedingte  Veränderungen  des  au 239 

c)  Die  romanischen  Diphthonge 241 

B.  Tonlose  Vokale 243 

1.  Die  Auslautgesetze 243 

a)  Spontane  Entwicklung  der  auslautenden  Vokale  244 

b)  Bedingte  Entwicklung  der  auslautenden  Vokale  248 

c)  Wirkung  und  Schicksale  des  -f 256 

d)  Die  Nachtonvokale 261 

e)  Die  Vortonvokale 273 

f)  Die  Anlautsvokale 277 

C.  Zur  Geschichte  der  Nasalvokale 308 

II.  Kapitel:  Die  Konsonanten 315 

A.  Die  Konsonanten  im  Wortanlaut 322 

Sekundäre  Palatalisierungen 342 

B.  Die  Konsonanten  im  Woi'tinlaut 357 

1.  Einfache  Konsonanten  in  Paroxytonis     ....  358 

a)  Verschlufs-  und  Reibelaute 358 

1.  Nach  dem  Tone 358 

2.  Vor  dem  Tone 372 

b)  Sonanten 376 

2.  Konsonanten-Verbindungen 384 

a)  Labial  +  Dental 384 

b)  Guttural  -j-  Dental 385 

c)  Die  <S- Verbindungen 395 

d)  Die  -R- Verbindungen 400 

e)  Die  X- Verbindungen 403 


Inhaltsverzeichnis.  XIII 

Seite 

f)  Die  Nasal-Verbindungeu 408 

g)  Die  Konsonanten  vor  l  und  r 410 

h)  Änderungen  des  Schlufskonsonanten  .     .     .      .  418 

i)  Die   U-  und    Y- Verbindungen 421 

3.  Die  Konsonanten  in  Projjaroxytonis       ....  442 

4.  Die  Doppelkonsonanten    .     .          453 

C  Die  Konsonanten  im  Wortauslaut 460 

1.  Der  lateinische  Auslaut 460 

2.  Der  romanische  Auslaut 465 

D.  Lautvertauschungen 478 

III.  Kapitel:  Der  Accent 489 

IV.  Kapitel:  Das  Wort  im  Satze 502 

A.  Tonlose  Wörter 503 

B.  Wortanlaut  und  Wortaiislaut 507 

1.  Der  Wortanlaut 507 

2.  Der  Wortauslaut 512 

C.  Abkürzungen  vielgebrauchter  Wörter 520 

V.  Kapitel :  Zur  Chronologie  des  Lautwandels     ....  523 

Sachverzeichnis 542 

Wortverzeichnis 549 

Etymologisches 563 


Abkürzungen  und  benutzte  Werke. 


abr.  =  abruzziscli :  Finamore, 
Vocabolariodell'uso  abruzzese 
1880;  Tradizioni  populari  ab- 
ruzzesi  1885. 

Abr.  Ult.  =  Abruzze  Ulteriori. 

afr.  =  altfranzösisch. 

agn.  =  anglonormanniscb. 

ags.  =  angelsächsisch. 

ahd.  =  althochdeutsch. 

alb.  =  albanesiscli. 

Albertv.  =  Albertville :  Brächet, 
Dictionnaire  du  patois  sa- 
voyard  1883. 

algh.  =  Alghero  :  Parodi,  Arch. 
Glott.  IX;  Morosi,  Miscell. 
fil.  lingu.  313. 

ampezz.  =  Ampezzo. 

andal.  =  andalusisch :  Schiichardt, 
Ztschr.  V,   302. 

apul.  =  apulisch. 

aret.  =  aretinisch :  B.  Bianchij 
II  dialetto  e  la  etnografia  di 
Citta  di  Castello  1887. 

astur.  =  asturisch :  MuntJie,  An- 
teckningar  om  Folkmalet  i 
en  trakt  of  vestra  Asturienl887. 

auv.  =  auvergnatisch. 

avign.  =  Avignon. 

bagn.  ==  Bagnard :    Cornu,  Rom. 

VI. 
barcell.  =  Barcellona. 
bask.  =  baskisch. 


baslim.  =  Bas-Limousin. 

bauv.  =  Bas-Auvergne. 

bearn.  =^heavmsch. :  Lesjyy,  Gram- 

maii-e  bearnaise. 
bell.  =  Belluno. 
bergam.  =  Bergamo  :  TiraboscM, 

Vocabolario     dei    dial.    Berg. 

1867. 
bergell.     ==     Bergell :     Eedolfi, 

Ztschr.  VIII. 
berry.    =    Berrychon :    Talbert, 

Du  Dialecte  Blaisois  1874. 
bess.  ==  Bessin  :  Joret,  Le  Patois 

dvi  Bessin  1881. 
bog.  =  Bogotan :   Cuervo,  Apun- 

taciones  criticas  sobre  el  len- 

guaje  bogotano  1885. 
bol.  =  bolognesisch :    Coronedi- 

Berti,  Vocab.  Bol.  1877. 
bord.   =  Bordeaux, 
bret.  =  bretonisch. 
briauQ.  =  Brian<jon :  J.  Ä.  Cha- 

hrand  et  A.  de  Rochas  d'Äiglun, 

Fat.  d.  Alpes  Cotiennes  1877. 
buchenst.  =  Buchenstein, 
bukow.  =  Bukowina, 
bürg.  =  burgundisch. 

camp.  =  campidanesisch  :  G.Hof- 
manny  Die  log.  und  campid. 
Mundart;  Diss.  Strafsburg  1885. 

campob.  =  Campobasso :  D^Ovidio, 
Arch.  Glott.  IV. 


Abkürzungen  und  benutzte  Werke. 


XV 


canav.  =  canavese. 

chanip.    =  Champagne :    Tarhe, 

Recherclies    sur    riiistoire    du 

langage  de  Champagne  1851. 
com.  =;  comaskisch  :    P.  Monti, 

Voc.  d.  dialetti  della  citta  di 

Como  1845. 
crem.  =  ci-emonesisch. 

dauph.  =  Daupliinee. 
digii.  =  Uiguano. 

emil.  =  emilianisch. 
enj^.  =  engadinisch. 
engl.  =  englisch. 
Enneb.  =  Enneberg. 

ferr.  ;^=  ferraresisch. 
florent.  =  florentinisch.     ' 
franche-comt.    =  Franche-Com- 

tois:  Dartois,  Coup  d'oeil  sur 

les  patois  de  F.  C.  1850. 
fränk.  =  fränkisch, 
freib.  =   freiburgisch :     Häfelin, 

Jb.  XV. 
friaul.  =  friaulisch  :  Firona,  Vo- 

cabolario  Friulano.  • 
frz.  =  fi-anzösisch. 

gal.  =  galizisch :    Saco    y  Arce 

Gramatica  Gallega  1868. 
gall.  =  gallisch, 
gallur.  ^=  gallurisch. 
gask.==gaskognisch :  Ä.Luchaire, 

Etudes    sur  les  idiomes  pyre- 

n6ens    de    la    region  francjaise 

1879. 
gred.  =  grednerisch :  T.  Gärtner, 

Die  gredner  Mundart  1879. 
gen.  =  genuesisch :  Äscoli,  Arch. 

Glott.    II.,    Olivieri,  Diz.  gen. 

ital.  1851. 

hautlim.  =  Haut-Limousin. 
hauv.  =  Haut-Auvergne. 

istr.  =  istrisch:  MiMosich,   Eu- 
munische  Untersuchungen  1882. 
ital.  =  italienisch. 


judik.^^judikarisch :  Th.  Gärtner, 
Das  Jndikarische  1882. 

Juj.  =  Jujurioux:  Philipon,  Le 
jiatois  de  J.   1884. 

kal.  ::=  kalabresisch :  Scerho,  Sul 

dialetto  calabro   1885. 
kastil.  =  kastilianisch. 
kat.  =  katalanisch, 
kelt.  =  keltisch, 
kymr.  =  kymrisch. 

ladin,  =  ladinisch. 

lat.  =  lateinisch. 

lecc.  =  Lecce :  Morosi,  Arch. 
Glott.  lYi 

leon.  =  leonesisch:  Gefsner,  Über 
das  Altleonesische   1868. 

lim.  =  Limousin :  Chahaneau, 
Grammaire  limousine. 

lion.  =  lionesisch:  FMlijmn, 
Eom.  XIII,  Puitspelu,  Tres 
humble  essai  de  phonetique 
Lyonnaise. 

livinall.  =  Liviuallungo. 

log.  =  logudorisch  s.  campid. 

lomb.  =  lombardisch. 

lothr.  =  lothringisch :  Ä.  Horning, 
Franz.  Stud.  V,  Adam,  Les 
patois  Lorrains  1881,  This, 
Die  Mundart  des  Kantons 
Falkenberg,  Diss.  Strafsburg 
1887,  Haillant,  Essai  sur  tm 
pat.  Vosg.   1887. 

lucc.  =  lucchesisch. 

lütt.  =  Lüttich:  Ä.  Horning, 
Ztschr.  IX. 

mail.  =  mailändisch :  C.  Salvioni, 
Fonetica  del  dialetto  moderno 
della  Citta  di  Milano  1884. 

mant.  =  mantuanisch. 

Mayork.  =  mayorkanisch :  Amcn- 
guäl,  Gramatica  de  la  lengua 
mall.  1872. 

maz.  =  mazedonisch  :  G.  WeigeU, 
Die  Sprache  der  Olympo- 
Walachen  1888. 


XVI 


Abkürzungen  und  benutzte  Werke. 


mir.  =  Miranda:  J.  Leite  de 
Vasconcellos,  0  dialecto  miran- 
dez  1882. 

mlat.  =  Mittellatein. 

irnidl.  =  mittelniederländisch. 

mod.  =  modenesisch. 

monferr.  =  monferrinisch :  Fer- 
raro, Gloss.  Monferr.  Ü881. 

montp.  =  Montpellier :  Mushacke, 
Franz.  Stud.  IV,  5. 

morv.  =:  Morvan :  De  Chamhure, 
Gloss.  du  Morv.  1878. 

narb.  =  Narbonne. 

neap.  =  neapolitanisch. 

neuenb.  =  Neuenburg :  Häfelin, 
Ztsclir.  vgl.  Sprachforsch.  XXI. 

nfr.  ==  neufranzösisch. 

ngr.  =  neugriechisch. 

nhd.  ==  neuhochdeutsch. 

nidwald.  =  nidwaldisch. 

nivern.  =  nivernais. 

nontr.  =  Nontron:  Cliahaneau, 
Grammaire  Limovisine. 

norm.  =  normannisch :  Joret, 
Melanges  de  Phonetique  Norm. 
1884.  Des  caracteres  du  Patois 
norm.  1883 ;  Fleury,  Essai  sur 
le  patois  de  Lahague  1886. 


oberl.  = 

=  oberländisch. 

obw.  = 

=  obwaldisch. 

parm.  - 
pav.  = 

=  parmigianisch. 
=  Pavia. 

perug. 
piacent 

=  peruginisch. 
==  piacentinisch. 

piem.  = 
Arch 

=  piemontesisch :   AscoU, 
.  Glott.   II;    Sant-Älhino, 

Diz. 
pik.  = 

piem.  1859. 
pikardisch. 

pisan.  : 

jjoit.  = 

Stud 

=  pisanisch. 
poitevinisch :  Görlich,  Frz. 

m,  2. 

portg.  - 
prov.  = 

=  portugiesisch. 
=  provenzalisch. 

queir.  =  Queiras. 


rät.  =  rätoromanisch. 

regg.  =  Eeggio  d'Emilia. 

röm.  =  römisch. 

romg.  =  romagnolisch :  Mussafia, 

Darstellung  der  romagnolischen 

Mundart, 
rouerg.  =   Rouergue:   Äymeric, 

Ztschr.  m. 
rum.  =  rumänisch. 

saintong.  =  Saintonge :  Jonain, 

Dict.     Saint.    1869;     Görlich, 

Frz.  Stud.  m,   2. 
sard.  =  sardisch :  Spano,   Orto- 

grafia  Sarda  1840,  Vocabolario 

Sardo-italiano   1852. 
savoy.  =  savoyardisch. 
senes.'5=^  senesisch :  Hirsch,  Ztschr. 

IX,  X. 
siz.  =   sizilianisch :    Schneegans, 

Laute  und  Lautentwicklung  des 

sizilianischen  Dialekts,    Diss. 

Strafsburg  1887. 
span.  ==  spanisch. 
sulzb.=  sulzbergisch :  Th.  Gärtner, 

Sulzberger  Wörter  1884. 

tarant.  =  Tarantaise  s.  Brian^on. 
tarent.  =  tarentinisch :    Morosi, 

Arch.  Glott.  IV. 
tessin.    =   tessinisch:     Salvioni, 

Arch.  Glott.  IX. 
Tourn.  =  Tournais :  D' Herhomez, 

Etüde    sur   le    dialecte  du  T. 

au  XIIP  siecle.* 

umbr.  =  umbrisch. 

valso.  =  Valsoana :  Nigra,  Arch. 

Glott.  in. 
vegl.  =  vegliotisch:    Ive,  Arch. 

Glott.  IX. 
ven.  =  venezianisch:  Boerio, D'iz. 

del  dial.  Ven.  1856. 
veron.  =  veronesisch. 
vicent.  =  vicentinisch. 
vion.  =  Vionnaz:    J.    Gillieron, 

Patois     de     la    commune    de 

Vionnaz  1880. 


Abkürzungen  und  benutzte  Werke. 


xvn 


waat.  =  waatländisch :  A.  Odin, 
Phonologie  des  pat.  du  cant. 
de  Vaud  1886. 

Aval.   =:  walachisch. 

wald.  =  waldensisch:  Rosiger, 
Neu-Hengstott  1883. 

walloii.    =    wallonisch :    Grand- 


gagnage,  Dict.  etym.  d.  1. 
langue  wallonne  1850—  1880 ; 
Sigart,  Gloss.  etym.  montois 
1868;  Altenhurg,  Versuch  einer 
Darstellung  der  wallonischen 
Mundart  1880—1881. 


A.  A.  ^=  Amis  et  Amiles  et 
Jourdain  de  Blavie^  hg.  von 
K.  Hoftnann. 

Alex.  =    La    chan^on    d'Alexis 

p.  p.  G.  Paris. 
Alessandr.  =  El    poema   d'Ale- 

jandro  p.  p.  Sanchez. 
Alisc.  ==  La  bataille   d'Aliscans. 
Aniel  =  Li  dis  dou  vrai  aniel,  ! 

hg.  von  A.  Tobler.  | 

Aue.  =  Aucassin  und  Nicolette^ 

hg.  von  Suchier. 

Barb.  Meon  =  Barbazan  et  Meon, 
Fabliaux  et  contes. 

Band,  de  Sebourg*=  Baudouin 
de  Sebourg  ed.  Scheler. 

Ben.  =  Benoit  de  S.  More,  chro- 
niques  p.  p.  F.  Michel*,  Le 
Roman  de  Troie  p.  p.  Joly, 
vgl.  H.  Stock,  Rom.  Stud.  VI. 

Berceo  jj.  p.  Sanchez. 

Beruh.  =  Li  sermon  de  S.  Bern- 
hard, hg,  von  W.  Foerster. 

Ber.  Trist.  ==  Le  Tristan  de 
Beroul  p.  p.  F.  Michel. 

B.  0.  =^  Bocados  de  Oro,  hg. 
von  Knust. 

Boet.  =  .Boethius  ed  Bartsch 
Chrestomathie  provencjale  1  ff*. 

Bonv.  =  Bonvesin,  hg.  von  J. 
Ikkker,  vgl.  A.  Mussafia,  Über 
das  Altmailändische  nach  Bs. 
Schriften  1868. 

Brand.  =  Brandan,  hg.  v.  Suchiei", 
vgl.  Hammer,  Ztschr.  XI. 

Brut,  Der  Miinchener  Brut,  hg. 
von  Hofmann  und  Vollmöller. 


Cal.    Dim.  =    Calila    e    Dimna 

p.  p.  Gayangos. 
Charleni.  =  Voyage  de  Charle- 

magne    a  Jerusalem    et   Con- 

stantinople,  hg.  von  Kosclnvitz. 
Chev.  n  esp.  =  Li  Chevaliers  as 

deus  espees,  hg.  v.  W.  Foerster. 
Chron.    Imp.    und    C.  J.    =  La 

cronica  deli  imperadori,  Arch. 

Glott.  III. 
Chron.  per.  =  Chroniche  peru- 

gine,  Arch.  Storico  ItalianoXVI. 
Chrys.   =  II   Crisostomo,    Arch. 

Glott.  VIII. 
Cod.  Vor.  =  Codicele  Voronetean, 

hg.  von  Sbiera. 
C.    Luc.    =  El    conde    Lucanor 

p.  p.  A.  Keller. 
Comp.  =  s.  Ph.  von  Thaon. 
Cont.  ant.  Cav.  =  Conti  di  antichi 

cavalieri  ed.  Fanfani. 
Cor.  Loo.  =  Le    couronnement 

Loois  p.  p,  Jonckbloet. 
C.  Ps.  :=  Croniche  Pisane,  Arch. 

Stör.  Ital.  I,   6. 

Dan.  =  Daniel  Moschopolites, 
hg.  von  F.  Miklosich  (Wiener 
Denkschriften  XXXII). 

Dial.  an.  rat.  =  Dialogus  animae 
et  rationis,  Rom.  V,   274. 

Donat.  prov.  =  Lo  Donatz  pro- 
ensals,  hg.  von  E.  Stengel. 

Durm.  =  Durmart  le  Gallois, 
hg.  von  E.  Stengel. 

Enx.  -=  El  libro  de  los  cnxem- 
plos,  Rom.  VII. 

II 


XVIII 


Abkürzungen  und  benutzte  Werke. 


Et.  Foug.  =  Etieiine  de  Fougeres, 
vgl.  Kehr,    Diss.   Boun  1884. 

Eul.  =  La  chanson  d'Eulalia  ed. 
Koschwitz. 

Exemp.  =  Altvenezianisches 
Exempelbuch,  Rom.  XIII. 

Ez.  =  Ezechielj  Altburgundische 
Übersetzung  der  Predigten 
Gregors  über  Ezechiel,  hg.  von 
K.  Hofmann,  vgl.  Corssen, 
Diss.  Bonn  1883. 

Fl.  El.  =  Flore  et  Blancheflor 
p.  p.  Du  Meril. 

Fra  Paol.  =  Fra  Paolino  p.  p. 
A.  Mussafia. 

Gr.    de    Metz  =  La    guerre    de 

Metz  p.  p.  E.  de  Bouteiller. 
G.  de  Pal.  =  Guillaume  de  Pa- 

lerne  p.  jj.  Michelant. 
Gir.  Eoss.  =  Girard  de  Eossillon 

ed.    Miguart,     Breuer,     Diss. 

Bonn  1884. 
Graz.   =  II  diario  del  Graziani, 

Arch.  Stör.  Ital.  XVI. 
Greg.  Dial.  =  Li  dialogue  Gregor 

la  pape,  hg.   von  Foerster. 
Gring.  =  Gringore   p.  p.  Heri- 

cault  et  Montaiglon. 

H.  Lied  =  Das  hohe  Lied ,  hg. 
von  Stengel. 

Hist.  Pis.  =  Historia  Pisana,  s. 
Cron.  Pis. 

Huon  de  Bord.  =  Huon  de  Bor- 
deaux p.  p.  Guessard  et  Grand- 
maison. 

J.  le  Marcli.  =  Jean  le  Marchand, 
Le  livre  des  miracles  de  Xotre 
Dame  de  Chartres,  vgl.  Kapp, 
Diss.  Bonn   1885. 

Jon.  =  Jonas,   hg.  von  Koschwitz. 

Jos.  s.  Chardri. 

Joufr.  =  Joufrois,  hg.  von  Hof- 
mann und  Muncker. 

Jourd.  s.  A.  A. 


J.  Ruiz  =  Libro  de  cantai-es  de 
Juan  Ruiz  p.  p.  Sanchez. 

Kath.  P.  =  Das  poitevinische 
'Katharinenleben,  s.  Tendering, 
H.  A.  67. 

Kav.  =  Kavalliotis,  hg.  von 
Miklosich,  s.  Dan. 

L.  Ca.  =  El  libro   de  la  Caza, 

hg.  von  Baist. 
IV.   Liv.  =  Les  IV.  livres    des 

Rois  p.  p.  Le  Roux  de  Lincy, 

vgl.  P.   Schlösser,   Diss.  Bonn 

1886. 
Liv.  de  Manieres,  s.  Etienne  de 

Fougeres. 
Lothr.  Ps.  =  Lothringer  Psalter, 

hg.  von  Apfelstädt. 

Marg.  Ging.  =  Marguerite  d'Oing 

p.    p.  Philijjon,    vgl.    Zacher, 

Beiträge  zum  Lyoner  Dialekt, 

Diss.  Bonn  1884. 
Marie  de  France,  hg.  v.  Warnke. 
7  Meister  =  Eine  katalanische 

metrischeVersion  der  7  Meister, 

hg.  von  Mussafia. 
Mis  s.  Renclus. 
Mousqu.    =    La     chronique     de 

Philipp  Mousquet  p.  p.  Reiffen- 

berg. 
M.  S.  Michel   =  Le    roman    du 

Mont  S.  Michel  p.  p.  F.  Michel, 

vgl.   Huber,  H.  A.  76. 
0.  P.  =  Le    psautier   d' Oxford 

p.  p.  F.  Michel,  vgl.  Harseim, 

Rom.  Stud.  rV. 
Orth.  Gall.  ==  Orthographia  Gal- 

lica,  hg.  von  J.  Stürzinger. 

Panf.  ==  II  Panfilo  in  antico  Vene- 
ziano,  Arch.  Glott.  X. 

Paol  s.  Fra  Paol. 

3  Past.  =  0  Mistero  dos  3  pastores, 
H.  A.  64. 

Phil.    V.    Thaon  =  Li    Cumpoz 


Abkürzungen  und  benutzte  Werke. 


XIX 


von  Philipp    von  Thaou,    hg. 

von  Mall. 
Ph.  Vigu.  =  Das  Tagebuch  Phil. 

von  Vigneiilles,  hg.  von  Miche- 

lant. 
Po.  Moi-al  =  Le  Poeme  Moral, 

hg.  von  F.  Cloetta. 
P.  P.  s.   Chardri. 
Pi«ior.  =  Die  V6gece- Version  des 

Priorat    von    Besancjon,     vgl. 

Wendelborn,  Diss.  Bonn  1 887. 

Kain.  B.  =  Rainaldo  di  Buccio 

ed.  Muratori. 
Renclus  =  Li  Eenclus  de  Moilieus 

p.    p.    von    Hamel ,    Car. :  Le 

ronian    de    Carito ,     Mis. :    Le 

vornan  de  Miserere. 
Kes.  =    0  cancioneiro  geral  de 

Resende,  hg.  von  Kausler. 
Rieh.   ^=  Rieharz   li    biaus,    hg. 

von  W.  Foerster. 
R.  Mont.=Renaiid  de  Montauban, 

hs;.  von  F.  Michelant. 


Rol.  =  La  chanson  de  Roland, 

hg.  von  Th.  Müller. 
Rp.  =  Reimpredigt,  hg.  von  H. 

Suchier. 
Rnstb.  und  Rust.  =  (Euvres  com- 

pletes  de  Rustebceuf  p.  p.  A. 

Jubinal,    vgl.  Metzke,    H.  A. 

64,   65. 

S.  D.  s.  Chardri. 
S.  Juli.  =  La  vie  de  Sainte  Ju- 
liane   p.   p.  H.  von  Feilitzen. 

Th^atre  franc;.  =  Ancien  theatre 
franijais  p.  p.  M.  Viollet  le 
Duc. 

Veget.  s.  Prior. 

Visio.    Filib.  =  La    Vision    de 

Filiberto,  hg.  von  0.  de  Toledo 

Ztschr.  IL 

Wace  ^^  Le  roman  de  Rou,  hg. 
von  Andresen. 

Ys.,  Ysop.  =  Der  Lyoner  Ysopet, 
hg.  von  W.  Foerster. 


Arch.  Glott.  =  Archivio  Glotto- 

logico  Italiano. 
Arch.    lat.    lex.    ^=   Archiv   für 

lateinische  Lexikographie; 

C.  I.  L.  =  Corpus  Inscriptionum 

Latinarum. 
Cuv.  Bätr.  I.  Suppl.  =  Hasdeu 

Cuvinte  din  Bätränl. 

Frz.  Stud.  =  Französische  Stu- 
dien, hg.  von  Körting  und 
Kosclnvitz. 

H.  A.  =  Archiv  für  das  Studium 
der  neueren  Sprachen,  hg.  von 
Herig. 

Littbl.  ==  Litteraturblatt  für  ger- 
manische und  romanische  Phi- 
lologie. 

M.  =  Monuments  de  l'histoire 
ile  Neuchätel  p.  p.  A.  Matile. 


Mem.  Ant,  Fr.  =  Memoires  des 

Antiquaires  de  France. 
M.    R.  =  P.    Meyer,     Recueil 

d'anciens  textes  bas-latins  et 

proven^aux. 
Mem.  soc.  ling.  =  Memoires  de 

la  societe  de  Linguistique. 
Mise,  di  iil.  e  ling.  =  Miscellauea 

di  filologia  e  linguistica. 
Miscell.  fil.  rom.  =  Miscellauea 

di  filolOgia  e  linguistisa. 

N.  E.  ^=  Notices  et  extraits  des 
Manuscripts. 

Pap.  =Papanti,  I  parlari  italiani 

in  Certaldo. 
Prop.  =  II  Propugnatore. 

R.    Pat.  =  Revue     des    Patois 

Gallo-romanes. 
R.    1.  R.  =  Revue  des   langues 

Romanes. 

II* 


XX 


Abkürzungen  und  benutzte  Werke. 


Rev.  Lus.  ==  Revista   Lusitana. 
Rom.  =  Romania. 
Rom.  Stud.  =  Romanische  Stu- 
dien. 


Ztschr.  =  Zeitschrift  für  roma- 
nische Philologie. 

Ztschr.  vgl.  Sprachf.  =  Zeitschrift 
für  vergleich.  Sprachforschung. 


Baist :  Spanische  Sj)rache,  Grund- 
rifs  I. 

Biondelli:  Saggio  sui  dialetti 
gallo-italici. 

Caix:  Studi  di  etimologia  italiana 
e  romanza;  Le  Origini  della 
lingua  poetica  italiana. 

Cornu:  Portugiesische  Sprache, 
Grundrifs  I. 

D'Ovidio :  Italienische  Sprache, 
Grundrifs  I. 

Fam-e:  Parabole  de  l'enfant  pro- 
digue  en  divers  dialectes  et 
patois  de  la  France, 

G-artner:  Rätoromanische  Gram- 
matik. 

Lücking . 


Die    ältesten    franzö- 


sischen Mundarten. 


C.  Michaelis:  Studien  zur  roma- 
nischen Wortschöpfung. 

Miklosich :  Beiträge  zur  Lautlehre 
der  rumunischen  Dialekte. 

Mistral :  Lou  tresor  dou  Feiihrige. 

Mussafia :  Beitrag  zur  Kunde  der 
norditalienischen  Mundarten. 

Neumann:  Zur  Laut-  und  Fle- 
xionslehre desAltfranzösischen. 

Suchier:  Die  französische  Sprache, 
Grundrifs  I. 

Thurot:  De  la  prononciation 
Fran^aise  depuis  le  commen- 
cement  du  XVP  siecle 
d' apres  les  temoignages  des 
grammairiens. 

Tlktin:  Studien  zur  rumänischen 
Philologie. 


Übersicht  der  phonetischen  Zeichen. 


Vokale :  der  Punkt  unter  dem  Vokal  giebt  geschlossene,  der 
nach  rechts  offene  Haken  offene  Aussj)rache,  der  Circumflex  über 
dem  Vokal  nasale  Aussprache,  der  Akutus  den  Hauptton,  der 
Gravis  den  Nebenton  an;  §  bezeichnet  den  reduzierten  Laut  des 
französischen  stummen   e;  j,  M  sind  halbvokalisch. 

Konsonanten:  ein  Akutus  bezeichnet  die  jotazierten  Laute 
f,  tf,  ?,  vi  u.  s.  Av. ;  (5,  g  die  palatalen;  s  ist  tonloser,  z  tönender 
dentaler  Dauerlaut,  s,  s  die  entsprechenden  Dentopalatalen,  /,  d 
die  interdentalen:  li  bezeichnet  den  tonlosen  velaren  Reibelaut, 
j  den  tönenden,  l  velares  Z,  h  velares  ot. 


Einleitung. 


1.  Die  wissenschaftliche  Betrachtung  der  Sprache  ist  eine 
doppelte :  sie  mufs  einmal  die  reine  Form,  sie  mufs  sodann  den 
Inlialt  des  einzelnen  Wortes  betreffen,  d.  h.  seine  Stellung  nicht 
als  physiologisches  Ergebnis  des  Geräusches,  das  die  durch  den 
Mund  ausströmende  Luft  hervorbringt,  sondern  als  Vermittler 
psychologischer  Vorgänge  an  andere  Menschen.  Eine  vollständige 
Trennung  der  beiden  Betrachtungsweisen  ist  jedoch  nicht  möglich ; 
immerhin  wiegt  bei  den  einen  Zweigen  der  Sprachwissenschaft 
mehr  die  eine,  bei  den  andern  die  andere  vor.  Die  konstitutiven 
Elemente  des  Wortes  sind  zunächst  die  Laute :  die  Lautlehre 
pflegt  daher  naturgemäfs  an  die  Spitze  grammatikalischer  Unter- 
suchungen gestellt  zu  werden.  Bei  der  Entwicklung  und  Um- 
wandlung der  Laute  einer  Sprache  ist  die  Bedeutung  des  Wortes 
fast  völlig  gleichgültig :  es  handelt  sich  dabei  vielmehr  meist  nur 
um  physiologische  Prozesse.  Immerhin  wäre  es  unrichtig,  wenn 
man  seinen  Inhalt  völlig  aufser  acht  liefse  bei  der  Untersuchung 
der  Form:  der  Inhalt,  die  Bedeutung  kann  häufig  die  regel- 
mäfsige  äufsere  Entwicklung  stören.  Dem  lateinischen  u  in 
nürvs,  nüptia  stellen  die  romanischen  Sprachen  den  Vertreter  des 
lat.  0  gegenüber:  rum.  nofä,  eng.  nozza,  ital.  nuora,  nozzc,  frz. 
noce,  span.  nuera,  portg.  npra:  es  hat  sich  bei  beiden  novius  der 
Bräutigam,  novia  die  Braut,  oder  socrus  bei  nurus  eingemischt. 
Dem  lat.  frigidus  tritt  ital.  freddo ,  eng.  fraid,  frz.  froid,  deren 
Vokal  auf  *  weist,  gegenüber:  wahrscheinlich  sind  frigidus  und 
rlgidus  vermengt  worden.  Sodann  ist  die  Bedeutung,  die  das 
einzehie  Wort  im  Satze  hat,  oft  von  grofsem  Einflufs  auf  seine 
äufsere  Form,   s.  Kap.  IV. 

Meyer.  G  rammatik .  1 


2  Einleitung.  ^    1 , 

An  die  Lautlehre  schliefst  sich  die  Flexionslehre  an.  Diese 
zerlegt  die  Wörter  nicht  in  ihre  einzelnen  Laute,  sondern  in  den 
Träger  des  Begriffes,  den  Stamm,  und  einen,  die  Beziehung  des 
Wortes  zu  den  andern  des  Satzes  ausdrückenden  Teil,  die 
Endung:  am-o  jiatr-em.  Am,  patr  erwecken  allgemein  jenes  die 
Idee  einer  Handlung,  dieses  diejenige  eines  Seienden  5  0  besagt, 
dafs  der  Spi-echende  in  der  GegeuAvart  die  Handlung  vollziehe, 
die  in  am  ausgedrückt  ist,  -em,  dafs  das  Seiende  von  der  Hand- 
lung betroffen  werde.  Insofern  also  wird  man  sagen  können, 
dafs  die  Flexionslehre  den  Inhalt  des  Wortes  betrachtet.  Allein 
die  Endungen  sind  in  gleicher  Weise,  wie  alle  andern  Bestand- 
teile des  Wortes,  den  lautlichen  Veränderungen  unterworfen ;  für 
die  Lautlehre  bleibt  es  gleichgültig,  dafs  das  m  in  patrem  etwas 
ganz  anderes  bedetitet  als  dasjenige  in  amem. ;  soweit  also  wird 
auch  die  Flexionslehre  einen  Bestandteil  der  Lautlehre  bilden, 
sie  wird  zeigen,  wie  sich  die  flexivischen  Elemente  lautlich 
umgestaltet  haben.  Was  wir  aber  schon  beim  einzelnen  Worte 
gesehen  haben :  Beeinflussung  der  formalen  Entwicklung  durch 
den  Inhalt  des  Wortes,  das  tritt  in  der  Flexionslehre  in  noch 
viel  höherem  Mafse  auf.  In  nmo,  ama-h-am  drücken  0,  am 
dieselben  Beziehungen  aus :  die  Idee  der  Handlung  ist  verknüpft 
mit  der  Person  des  Sprechenden;  die  Sprache  strebt  nun  danach, 
gleiche  Funktionen  auf  gleiche  Weise  zum  Ausdruck  zu  bringen, 
daher  ital.  amo,  amavo,  statt  amo,  amava.  Die  Flexionslehre  be- 
schäftigt sich  also  im  Grunde  mit  den  Störungen,  die  die  laut- 
liche Entwicklung  in  den  Flexionsendungen  durch  die  funk- 
tionelle Bedeutung  der  letztern  erfährt. 

Engverwandt  mit  der  Flexionslehre  ist  die  Wortbildungs- 
lehre :  can-ere  verbindet  mit  der  Idee  des  Singens  die  der  Hand- 
lung, can-ior  der  handelnden  Person,  cant-us  des  gesungenen 
Gegenstandes  oder  des  Gesanges,  chnt-abilis  einer  Eigenschaft 
u.  s.  w.  Das  begriffliche  Element  ist  hier  ein  noch  viel  gi-öfseres 
als  bei  der  Flexion;  das  Psychologische  und  daher  das  Subjek- 
tive, Bewufste  herrscht  gegenüber  dem  unbewufst  Instinktiven 
vor.  Während  die  Konjugationsendungen  fast  ausnahmslos  an 
jedes  Verbum  treten,  kann  nicht  z.  B.  von  jedem  beliebigen 
Verbum  ein  Substantivum  auf  -mentum  gebildet  werden :  mit  einer 
gewissen  Willkür  entscheidet    der  Einzelne    oder  die  Gesamtheit, 


8    1.  Aufgabe  der  Grammatik.  3 

was  erlaubt  ist,  was  nicht.  Mit  der  Lautlehre  hat  die  Buffix- 
lehre  wenig-  zu  tliun ;  wenn  an  Stelle  von  j;w?/ice»2«m  im  Ital., 
Prov.,  Frz.  pidlicinum  tritt  (ital.  j^t'^cino,  prov.  pousi,  afr.  povsin)^ 
so  wird  man  sagen:  die  Erhaltung  des  e,  die  sonst  in  diesen 
Sprachen  Regel  Aväre,  ist  hier  unterblieben ;  es  ist  in  eingetreten, 
weil  -inmn  ein  sehr  beliebtes,  -etium  ein  sehr  seltenes  Suffix 
ist.  Die  lautlichen  Veränderungen,  die  durch  die  Verbindung 
von  Stamm  und  Suffix  eintreten ,  sind  ebenfalls  ganz  geringe ; 
den  Schwerpunkt  der  Betrachtung  bildet  die  Funktion ,  die  Be- 
deutung der  Suffixe. 

So  leitet  die  Wortbildung  unmittelbar  hinüber  zur  Syntax, 
d.  h.  zur  Lehre  von  den  Beziehungen  der  Wörter  zu  einander. 
Die  Flexion  sagt  uns,  dafs  in  amo  patrem  das  zweite  Wort  von 
dem  ersten  abhängig  ist,  die  Syntax,  wie  diese  Abhängigkeit 
aufzufassen  sei;  die  Flexion  giebt  also  die  Thatsache  der  Be- 
ziehung, die  Syntax  das  Wie  dieser  Beziehung  an.  Liwiefern  die 
syntaktischen  Verhältnisse  aber  auch  wieder  die  lautliche  Form 
des  Wortes  beeinflussen,  ist  in  Kajj.  IV  erörtert.  Als  letzter 
Teil  der  Grammatik  wäre  schliefslich  die  Bedeutimgslehre  zu 
nennen.  Sehr  viel  davon  wird  zwar  die  Syntax  behandeln,  so 
die  Bedeutung  der  Präpositionen,  Konjunktionen,  Advei,-bien, 
kurz  aller  der  Wöx-ter,  die  keinen  selbständigen  Wert  haben, 
sondern  lediglich  die  Beziehungen  anderer  Wortklassen  zu  ein- 
ander ausdrücken  sollen.  Es  bleiben  aber  die  Bedeutungs- 
änderungen im  Verbum,  Substantivum  und  Adjektivum  übrig. 
Hand  in  Hand  damit  geht  dann  die  Darstellung  des  Lebens  der 
Wörter,  die  Lehre  von  ihrem  Aufkommen  und  Absterben.  Da- 
durch, dafs  totus  „ganz"  im  Plural  mehr  und  mehr  die  Bedeutung 
von  oww?^  „all"  annahm,  wurde  letzteres  ttbei-flüssig ;  jenes  haftete 
fest  im  Gedächtnis,  dieses  ging  verloren,  daher  rum.  tot,  eng. 
iuott ,  ital.  ttdtu ,  frz.  tout,  span,  todo  im  Sinne  des  lat.  onims, 
woneben  dieses  nur  im  ital.  ogni  eine  schwache  Spur  hinterlassen 
hat.  Die  Untersuchung  hierüber  wird  dadurch  erschwert,  dafs 
die  verschiedensten  äufsern  Einflüsse  oft  auf  die  Bedeutung  des 
Wortes  bestimmend  einwirken.  Villa  bezeichnet  im  Gegensatz  zu 
civitas  das  „Landgut",  ohne  den  Begriff  eines  Gebäudes,  der  sich 
uns  unmittelbar  damit  verbindet;  noch  heute  sind  die  villa 
tiazionalc  in  Neapel,    die  viUa  Borghcsc  in  Rom    grofse  Anlagen. 

1* 


4  Einleitung.  §    1.    2, 

Im  rauheren  Norden  aber,  in  Obcritalien  und  Frankreich,  tritt 
bald  das  „Gebäude"  in  den  Vordergrund  :  ^7?«  bedeutet  „Land- 
haus". Als  nun  in  Frankreich  die  ursprünglich  vor  den  Thoren 
gelegenen  villcs  in  die  Stadt  hineingezogen,  die  zugehörigen 
Ländereien  ebenfalls  mit  Häusern  bebaut  wurden,  blieb  zwar  der 
Name  ville  dafür  bestehen,  die  Idee,  die  sich  mit  ihm  verband, 
wurde  aber  eine  andere :  ville  bezeichnet  die  neuen  Stadtteile,, 
imd  bald,  da  diese  das  gröfsere  Territorium  bildeten,  die  Stadt 
überhaupt;  cite  hVieh  dem  alten  Teile,  der  von  jeher  so  geheifsen 
hatte,  der  aber  aus  seiner  Hauptstellung  völlig  vei-drängt  worden 
war.  —  Mit  der  Bedeutung  und  der  Geschichte  hängt  die 
geographische  Verbreitung  der  Wörter  eng  zusammen :  aber  auch 
hiermit  wird  sich  die  Wissenschaft  erst  beschäftigen  können,^ 
wenn  der  Wortschatz  der  Mundarten  genauer  erforscht  ist,  al» 
dies  bisher  irgendwo  geschehen. 

Zur  Bedeutungslehre  im  Romanischen  ist  zu  ver- 
weisen auf  A.  Darmestete r,  La  vie  des  mots,  etudiee 
dans  leurs  significatioiis,  Paris  1887.  L.  Saineanü^ 
Incercare  asupra  scmasiologiei  limhei  romäne,  Bucurestj 
1887. 

2.  Die  romanische  Sprachwissenschaft  nun  wird  darzustellen 
haben,  wie  sich  der  lateinische  Sprachschatz  nach  Form  und 
Inhalt  umgestaltet  hat  in  den  verschiedenen  Ländern,  in  denen 
Romanisch  gesprochen  wird.  Von  den  Gebieten ,  die  sich  die 
Römer  unterworfen  und  die  sie  romanisiert  haben,  sind  einige 
dem  Romanentum  wieder  verloren  gegangen :  Afrika,  Britannien, 
Germanien,  Pannonien,  Illyrien.  Im  Albanesischen,  dem  heutigen 
Vertreter  des  Altillyrischen,  ist  die  Zahl  der  lateinischen  Elemente 
eine  so  aufserordentlich  grofse,  dafs  eine  Betrachtung  der  roma- 
nischen Sprachen  auch  sie  nicht  ganz  unberücksichtigt  lassen 
kann ,  von  geringerer  Wichtigkeit  für  die  spezifisch  romanische 
Sprachentwicklung  sind  die  lateinischen  Lehnworte  im  Kym- 
rischen  und  Germanischen,  diejenigen  des  Baskischen  sind  noch 
zu  wenig  ausgesondert,  als  dafs  sich  heute  ein  Urteil  über  sie 
fällen,  liefse,  ob  endlich  die  Berbersprache  etwas  übernommen 
hat,  mufs  dahingestellt  bleiben.  Von  dem  Romanischen  an  der 
dalmatinischen  Küste  war  noch  zu  Anfang  unsers  Jahrhunderts 
ein    allerdings    vom  Venezianischen   stark    beeinflufster  Rest  vor- 


'S   2.  Verbreitungsgebiet  des  Romanischen.  5 

handon  auf  der  Insel  Veglia,  manches  einzelne  Wort  hat  sich 
aufserdeni  in  den  slawischen  Mundai-ten  der  Gegend  erhalten. 
Im  XII. — XIV.  Jahrhundert  wurde  sodann  in  England  Französisch 
gesprochen  :  die  besondere  Abart,  die  sich  da  entwickelte ,  wird 
Anglonoimannisch  genannt;  wegen  der  den  Romairen  ungünstigen 
politischen  VerhJlltnisse  ist  aber  hier  die  germanische  Sprache 
seit  dem  XIV.  Jahrhundert  wieder  alleinherrschend ,  doch  hat 
sie  ihren  Wortschatz  nicht  unwesentlich  bereichert  durch  Auf- 
nahme französischer  Elemente.  Auch  die  mittelhochdeutsche  und 
mittelniederländische  Schriftsprache  haben,  infolge  der  Berührung 
mit  den  Romanen  und  noch  mehr  infolge  der  fast  völligen  Ab- 
hängigkeit ihrer  Litteratur  von  der  französischen,  eine  beträcht- 
liche Zahl  französischer  Wörter  aufgenommen.  Eine  systematische 
Ausnutzung  aller  dieser  indirekten  Quellen  romanischer  Spi-ache 
liegt  aufserhalb  des  Rahmens  einer  romanischen  Grrammatik:  die 
lateinischen  Bestandteile  des  Kymrischen  und  Angelsächsischen 
sind  wichtig  für  die  Kenntnis  des  Vulgärlatein ;  sie  können  ge- 
legentlich herbeigezogen  werden  zur  Zeitbestimmung  eines  Laut- 
wandels; für  die  eigentlich  romanische  Sprachperiode  kommen  sie 
jedoch  nicht  in  Betracht.  Die  Umgestaltungen ,  die  die  fran- 
zösischen Wörter  im  englischen  Munde  erfahren  haben,  werden 
ebenfalls  mehr  die  englische  als  die  französische  Sprachgeschichte 
berühren :  nur  sofern  aus  dieser  Umgestaltung  dunkle  Punkte  in 
der  anglonormannischen  Lautlehre  aufgehellt  werden  können, 
müssen  sie  auch  hier  Berücksichtigung  finden.  Dasselbe  gilt  von 
den  französischen  Elementen  des  Mittelhochdeutschen  und  ^littel- 
niederländischen. 

Von  vorläuüycu  ^Materialsammlungen  sind  etwa  zu 
nennen  :  P.  B  u  d  m  a  n  i ,  Diihrovaöki  DijalcJcat ,  Zagrebu 
1883.  Güter  bock.  Die  lat.  Leimwörter  im  AUirischen, 
Königsberger  Dissei-t.  1880,  dazu  Schuchardt,  Ret: 
Celtique  V,  489  ff.  Franz,  Die  romanischen  Elemente 
im  Althochdeutschen,  Strafsburg,  1883.  A.  Pogatscher, 
Zur  Lautlehre  der  griechischen,  lateinischen  und  romanischen 
L^ehmvorte  im Altenglischcn,  Strafsburg  1888.  D.Behrens, 
Beiträge  zur  Geschichte  do'  französischen  Sprache  in  Eng- 
land I.  Franz.  Stud.  V,  2.  A.  Sturmfels,  Der  alt- 
französische Vohalismus  im  Mittel engli sehen ,  Anglia  VIII, 
201—263. 


Q  Einleitung.  §    3, 

3.  Es  ist  im  Vorhergehenden  ein  Unterschied  gemacht  worden 
zwischen  eigentlich  romanischer  Sprachperiode  und  Vulgär- 
latein. Neben  der  in  ihren  Formen  Jahrhunderte  hindurch 
fest  geregelten  lateinischen  Schriftsprache  bestand  in  Rom  die 
Umgangssprache  der  Gebildeten  und  namentlich  des  Volkes,  die 
sich  im  Laufe  der  Zeit  und  mit  der  Ausbreitung  der  römischen 
Sprache  mehr  und  mehr  von  jener  entfernte.  Die  ursprtinglicK 
vielleicht  nur  geringen  örtlichen  Verschiedenheiten  wurden  gröfser^ 
als  das  römische  Reich  zusammenfiel,  als  der  Verkehr  nicht  mehr 
ein  gegenseitiger  war,  als  an  Stelle  eines  einheitlichen  eine  Reihe 
einzelner  von  einander  unabhängiger  Staaten  trat.  Dies  war 
ums  Jahr  600  der  Fall :  von  da  etwa  kann  man  den  Beginn  der 
romanischen  Nationen  datieren.  Ebendahin  auch  den  Anfang 
romanischer  Sprachentwicklung  im  Gegensatz  zum  Vulgärlatein 
zu  setzen,  hat  aber  die  Unkömmlichkeit,  dafs  wir  über  den  Zu- 
stand der  Volksspi'ache  in  jener  Zeit  so  viel  wie  gar  nichts 
wissen.  Ohnehin  wäre  auch  dieser  Zeitpunkt  ein  rein  willkür- 
lich gewählter,  da  ja  die  Begriffe  Nation  und  Sprache  sich  keines- 
wegs decken.  Verstehen  wir  unter  gallischem  Vulgärlatein  im 
Gegensatz  zu  Französisch  eine  EntAvicklung,  die  das  Latein  noch, 
unter  der  Kaiserherrschaft  in  Gallien  genommen  hat,  so  deuten 
wir  damit  etwas  vom  Lateinischen,  nicht  aber  vom  Französischen 
wesentlich  Verschiedenes  an :  der  Unterschied  zwischen  gallischem 
Vulgärlatein  und  Altfranzösisch  ist  dem  AVesen  nach  kein  anderer 
als  der  zwischen  Altfrauzösisch  und  Neufranzösisch.  Der  Aus- 
druck Vulgärlateinisch  als  etwas  vom  Romanischen  Verschiedenes 
soll  nur  gebraucht  werden  erstens  zur  Bezeichnung  des  Volks- 
lateinischen in  den  Gegenden,  in  denen  sich  keine  romanische 
Nation  entwickelt  hat,  also  in  Afrika,  Britannien,  Germanien, 
zweitens  für  solche  Erscheinungen,  die  sich  aus  den  Lautgesetzen 
der  einzelnen  romanischen  Sprachen  nicht  erklären  lassen,  und 
die  durch  die  Übereinstimmung  aller  romanischen  Formen  als 
schon  vor  jeder  Differenzierung  vorhanden  nachgewiesen  werden. 
Lat.  quinque  lautet  rum.  einet,  eng.  cinJc',  ital.  cinque,  span. 
cinco,  frz.  cinq.  Vom  Rumänischen  abgesehen  müfste  qu  überall 
als  k  erscheinen,  vgl.  lat.  qui,  eng.  Jc'i,  ital.  cM,  span.  frz.  qui. 
Es  mufs  also  statt  quinque  schon  im  Vulgärlateinischen  Tcinque 
vorhanden    gewesen    sein.     Li    der    That    kommt    dies    auch    auf 


S   3.   4.  Das  Vulgärlatcinische.  7 

Inschriften  vor,  z.  B.  CLL.  X.  7172,  ebenso  cinquaginta  CLL. 
X.  5939.  Die  Verbindung  ie  ist  viebni  romanischen  Sprachen 
ganz  geläufig,  aber  lateinisch  ic  ersclieint  überall  als  e,  lat. 
qiiietus,  rum.  incet,  eng.  quaid,  ital.  cheio ,  span.  quedo ,  frz.  coi, 
also  schon  vulglat.  quetus ,  vgl.  Queta  CLL.  VIIL  8128,  quescct 
X.  550.  Solche  vom  Schrif'tlateinischen  abweichenden  Formen 
dürfen  aber  nur  dann  vom  Romanischen  aus  als  mit  Sicherheit 
erschlossen  betrachtet  werden,  wenn  die  Abweichung  auch  erklärt 
wird:  ein  vulglat.  quetus  anzusetzen  ist  nur  erlaubt,  wenn  be- 
wiesen wird,  dafs  jedes  betonte  \e  zu  e  wird.  Bei  vulglat. 
Mnque  wird  man  sagen,  dafs  infolge  von  Dissimilation  das  erste 
qu  sein  labiales  Element  verloren  hat  u.  s.  w. 

Die  wichtigste  und  beste  Arbeit  über  das  Vulgärlatein 
ist  immer  noch  H.  Schuchardt,  Der  Vokalismus  des 
Viügärlate'm,  3  Bde.,  Leipzig  1866  —  69.  Sodann  ist  von 
grundlegender  Bedeutung  Gröber,  Spracliquellen  und 
Wortquellcn  des  lateinischen  Wörterbuches,  Areh.  lat.  lex. 
I,  35 — 67  i  Vulgärlateinische  Substrate  romanischer  Wörter, 
204  ff.  Ein  Abrifs  der  vulgärlateinischen  Laut-  und 
Formenlehre,  wobei  aber  die  Grenzen  viel  Aveiter  ge- 
steckt sind  als  hier,  findet  sich  Grundrifs  I,  350—382. 
Vor  dem  Mifsbraiach,  wonach  man  dem  Vulgärlatein  alles 
in  die  Schuhe  schiebt,  was  man  im  Augenblick  im 
Romanischen  nicht  zu  erklären  vermag,  kann  nicht  genug 
gewarnt  werden. 

4.  Seit  F.  Diez  pflegt  man  sechs  romanische  Sprachen  zu 
unterscheiden :  Rumänisch,  Italienisch,  Provenzalisch,  Französisch, 
Spanisch,  Portugiesisch.  Rücksichten  teils  auf  die  Litteratur, 
teils  auf  die  politischen  Verhältnisse  sind  dabei  mafsgebend. 
Einzig  seiner  litterarischen  Bedeutung  im  Mittelalter  hat  das 
Provenzalische  und  im  Grundrifs  auch  das  Katalanische  seine 
eigene  Stellung  zu  verdanken,  einzig  der  politischen  Selbständig- 
keit das  Rumänische.  Das  Rätoromanische,  das  weder  eine  poli- 
tische noch  eine  litterarische  Rolle  spielt,  ist  deshalb  von  Diez 
nur  ganz  nebenbei  behandelt.  Und  doch  bewahrt  der  Räter  in 
Graubünden  eine  gröfsere  Selbständigkeit  als  z.  B.  der  Süd- 
franzose: während  jener  das  Französische  als  Schriftsjuiulic  an- 
erkennt, der  er  ohne  weiteres  seinen  Dialekt  imterordnet,  ist  dem 
Engadiner  sein  Engadinisch  Schriftsprache,  die  mit  dem  Italien!- 


3  Einleitung.  §   4. 

sehen  auf  einei-  Stufe  steht,  nicht  ihm  nachsteht,  in  der  er  seine 
Zeitungen  liest  u.  s.  w.  Von  diesem  Standpunkt  aus  betrachtet 
würden  wir  also  als  romanische  Schriftsprachen  erhalten  :  Rumä- 
nisch,Rätisch,  Italienisch,  Altprovenzalisch,  Fran- 
zösisch, Spanisch,  Portugiesisch.  Unter  diesen  steht 
wieder  das  Provenzalische  dem  Französischen,  das  Portugiesische 
dem  Spanischen  besonders  nahe,  so  dafs  im  folgenden,  avo  nicht 
verschiedene  Lautentwicklungen  stattfinden ,  die  französischen 
Beispiele  zugleich  fürs  Provenzalische,  die  spanischen  zugleich 
fürs  Portugiesische  dienen  sollen.  —  Noch  gar  nicht  in  Betracht 
gezogen  von  Diez  ist  die  Entwicklung,  die  das  Romanische 
aufserhalb  Europas  genommen  hat:  das  Spanische  in  Afrika, 
Indien,  Süd-  und  Mittelamerika,  das  Portugiesische  am  Capverde, 
in  Indien  und  Mittelamerika,  das  Französische  in  Algier  und 
in  Canada.  Wir  müssen  hier,  so  weit  sich  bis  jetzt  beurteilen 
läfst,  zwei  verschiedene  Stadien  unterscheiden:  das  Romanische 
im  Munde  der  Kolonisten,  und  das  von  den  Eingebornen  ge- 
sprochene, ihrem  Sprachsystem  angepafste  und  vielfach  von  ihm 
durchsetzte  Kreolische. 

As  coli  hat  eine  weitere  romanische  Sprachgruppe 
hergestellt,  die  für  sich  ebenso  ein  Ganzes  bilde,  wie 
die  französische,  italienische  u.  s.  w. :  das  Franko- 
provenzalische  Arch.  Glott.  III,  61  —  70.  Mit  dem- 
selben Rechte  müfsten  dann  auch  das  Gaskognische,  das 
Wallonische,  die  Dialekte  der  Ostküste  Italiens  abgeson- 
dert werden.  Ascoli  hat  die  Mundarten  im  Auge,  in 
denen  freies  a  bleibt,  aufser  nach  Palataleu :  rar  aber 
Tiyer  (§  262).  Sehen  wir  von  diesem  Punkte  ab,  so 
weichen  in  den  wichtigsten  Erscheinungen  des  Vokalis- 
mus und  selbst  im  Konsonantismus  die  savoyischen 
Dialekte,  die  er  zum  Frankopi*ovenzalischen  rechnet,  von 
denen  der  französischen  Schweiz  und  des  südöstlichen 
Frankreichs  ab.  Suchier  wählt  statt  Frankoprovenzalisch 
den  Ausdruck  Mittelrhonisch,  der  aber  auch  nicht  sehr 
treffend  ist ,  sofei'n  noch  das  Flufsgebiet  der  ganzen 
obern  Rhone  denselben  Sprachcharakter  zeigt.  Ich  setze 
statt  dessen:  S  üdo  s  tf  r  an  zö  si  seh. —  Auf  die  Wichtig- 
keit des  Kreolischen  hat  S  chu  ehard  t  schon  1869  hin- 
gewiesen :  Vok.  III,  36  im  Anschlufs  an  T  e  z  a ,  11  DialeUo 
Curassese,  Politecnico  XXI,  342  ff.  Später  sind  er  und 
andere  darauf  zurückgekommen ,  doch  fehlt  noch  jede 
zusammenhängende  Untersuchung.     Vgl.  Kap.  VI. 


i>   5.  I^ie  romanischen  Schriftsprachen.  9 

5.  Die  romanischen  Schriftsprachen  sind,  zu  sehr  verschiedenen 
Zeiten,  hervorgegangen  ans  der  Volkssprache  einer  Gegend,  einer 
Stadt,  die  infolge  ihres  politischen  oder  litterarischen  Über- 
gewichtes den  Vorrang  vor  allen  andern  behauptete.  Daneben 
haben  sich  aber  tiberall  auch  die  früher  mit  der  herrschend  ge- 
wordenen gleichgestellten  Mundarten  der  anderen  Gegenden  er- 
halten:  für  den  Sprachforscher  sind  sie  ebenso  wichtig,  wie  die 
Schriftsprache.  Mau  hat  daher  schon  frühe  in  den  einzelnen 
Schriftsprachgebieten  verschiedene  Unterabteilungen  unterschieden, 
die  durch  bestimmte  sprachliche  Merkmale  sich  kennzeichnen. 
Die  neuere  Forschung  hat  aber  mehr  und  mehr  gezeigt,  dafs 
eine  derartige  Einteilung,  so  praktisch  sie  ist,  doch  dem  Vorwurf 
der  Willkürlichkeit  und  Unwissenschaftlichkeit  nicht  entgeht. 
Als  Kennzeichen  eines  Dialektes  werden  stets  mindestens  zwei 
Erscheinungen  des  Lautwandels  angegeben :  es  ergiebt  sich  aber 
immer  deutlicher,  dafs  selten  oder  vielleicht  nie  zwei  L.aut- 
veränderungen  dieselben  Grenzen  haben.  Als  Pikard isch  pflegte 
mau  früher  diejenigen  Gegenden  des  nördlichen  Frankreichs  zu 
bezeichnen,  in  denen  lat.  c  vor  a  guttural  blieb,  vor  e  als  ö 
erschien,  ei  tax  oi  wurde,  im  Gegensatz  zum  Französischen,  wo 
zwar  auch  oi  erscheint ,  aber  öa ,  tse  für  lat.  ca  cc,  und  zum 
Normannischen ,  wo  ei ,  da  tse  auftreten.  Nun  hat  sich  aber  ge- 
zeigt, dafs  ein  grofser  Teil  der  Normandie  dem  ca  d^e-Gebiete 
angehört:  wir  haben  also  teils  da  tse  ei,  teils  Jca  de.  ei,  teils  Ica 
de  oi.  Wollte  man  das  Normannische  als  die  ei-Kegion  bezeich- 
nen, so  käme  man  wieder  in  Konflikt  mit  den  südwestlichen 
Mundarten,  die  ebenfalls  ci  bewahren.  Betrachten  wir  das  Zu- 
sammentreffen der  drei  letztgenannten  Charaktere  als  etwas 
Wesentliches,  so  müssen  wir  doch  anerkennen,  dafs  jeder  einzelne 
viel  weitere  Grenzen  hat,  und  so  lang  wir  femer  nicht  nachweisen 
können,  dafs  alle  drei  infolge  einer  Innern  Notwendigkeit  auf 
bestimmtem  Räume  zusammengehöre!!,  so  ist  ihr  Zusammenfassen 
ein  rein  willkürliches :  mit  demselben  Rechte  könnte  man  nach 
ka  de  ei  eine  Dialektgruppe  festsetzen.  Überall  da,  wo  gegen- 
seitiger Verkehr  herrscht,  findet  ein  ganz  allmählicher  Übergang 
von  einer  Mundart  in  die  andere  statt :  entfernen  wir  uns  von 
einem  beliebigen  Mittelpunkt  mit  einer  bestimmten  Zahl  von 
Merkmalen  ,    so  wird  nach  und  nach  eines  dieser  Merkmale  ums 


10  Einleitung.  §   5^ 

andere  schwinden ,  bis  Avir  scliliefslich  an  einen  anderen  Punkt 
gelangen,  der  mit  dem  Ausgangspunkte  nichts  mehr  gemein  hat; 
stellen  wir  beide  nebeneinander,  so  zeigt  sich  eine  völlige  Ver- 
schiedenheit, aber  ein  plötzlicher  Übergang,  ein  plötzlicher  Ab- 
bruch hat  hier  ebensowenig  statt,  als  etwa  in  der  Entwicklung 
des  Romanischen  aus  dem  Lateinischen.  Gegensätze,  wirkliche 
scharfe  Grenzen  finden  sich  nur  da,  wo  jeder  gegenseitige  Ver- 
kehr fehlt,  oder  wo  infolge  von  Völkerbewegungen  fremde, 
ursprünglich  weit  getrennte  Sprachgenossenschaften  zusammen- 
stofsen.  Allein  selbst  in  letzterem  Falle  tritt,  bald  rascher  bald 
weniger  rasch,  eine  allmähliche  Ausgleichung  der  Verschieden- 
heiten ein.  Das  zeigen  uns  am  besten  die  Sprachinseln.  Im 
X.  Jahrhundert  sind  piemontesische  Kolonisten  nach  Sizilien 
verpflanzt  worden :  noch  heute  haben  sie  ihren  Dialekt  bei- 
behalten in  S.  Fratello,  Nicosia,  Sperlinga,  Piazza  Armerina^ 
Aidone,  S.  Fratello,  Novara.  Aber  überall,  am  stärksten  in 
Novara,  zeigt  sich  die  Einmischung  des  Sizilianischen,  nicht  etwa 
nur  in  einzelnen  Wörtern,  sondern  in  lautlichen  Erscheinungen; 
so  Avird  II  zvi  cid:  sedda,  pedd,  stodda  (lat.  Stella),  nd  zu  nn: 
cummanner,  mann  (lat.  mundus) ,  prufaiwa  (lat.  profunda),  ton- 
loses e,  so  Aveit  es  bleibt,  zu  i:  rispaunni  (lat.  respondere)  vainnir 
(lat.  vendcre),  Erscheinungen,  die  alle  sizilianisch,  nicht  ober- 
italienisch sind.  Dabei  ist  aber  noch  ein  merkwürdiger  Gegen- 
satz des  Galloitalischen  zum  Sizilianischen  zu  bemerken :  dort 
Avird  auch  anlautend  l  und  l  nach  Konsonanten  wie  II  behandelt : 
diina,  pardu,  Avogegen  l  zwischen  Vokalen  bleibt :  aida  (lat.  gula), 
hier  tritt  nur  für  II  zwischen  Vokalen  dd  ein.  Es  mufs  also 
dort  zur  Zeit,  da  der  sizilianische  Einflufs  sich  geltend  machte, 
l  -  stark  gesprochen  worden  sein,  Avie  ?/,  Avogegen  intervokalisches 
l  dem  sizilianischen  l  gleich  war.  Da  l-  =  II,  so  wurde  es  mit 
jenem  zu  dd,  obschon  das  Sizilianische  nur  II  =  dd  hat;  es  hat 
somit  der  Lautwandel  bei  seinem  Eintritt  in  ein  neues  Gebiet 
seine  Grenzen  im  Worte  überschritten.  Was  wir  hier  an  zwei 
ursprünglich  stark  verschiedenen  Dialekten  beobachten,  das 
müssen  wir  auch  bei  engverwandten  annehmen :  jeder  Lautwandel 
pflanzt  sich  von  seinem  Ausgangspunkte  fort;  er  erweitert  sein 
Territorium,  verläfst  dabei  aber  auch  oft  die  Bedingungen,  an 
die  er  ursprünglich  geknüpft  war. 


S   5.   6.  Die  romanischen  Mundarten.  H 

Über  die  Frage,  inwiefern  man  von  Dialekten  und 
Dialektgrenzen  spreclien  dürfe  vgl.  P.  M(^yer,  Rom. 
IV,  294—296;  V,  504-505  und  Ascoli,  Arch.  Glott. 
II,  385—395;  Gröber  im  Grundrifs  415—419;  übrigens 
schon  Scliuchardt,  Vnk.  ITI,  32—34. 

6.  Da  nun  aber  eine  Zusammenfassung  der  vielen  einer  Schrift- 
sprache untergeordneten  und  in  ihr  nicht  zum  Ausdruck  kommen- 
den Sprachverschiedenheiten  in  einzelne  Gruppen  ihre  grofsen 
praktischen  Vorteile  hat,  so  mufs  sie  vorläufig  noch  beibehalten 
werden.  Dabei  sind  ältere  oder  gegenwärtige  politische  Ver- 
hältnisse mafsgebend ,  doch  ist  nie  zu  vergessen ,  dafs  dies 
nur  ein  mehr  und  weniger  willkürlicher  Notbehelf  ist,  dafs  z.  B. 
unter  Pikardisch  nicht  eine  einheitliche  Sprache  zu  verstehen  ist, 
die  in  der  ganzen  ehemaligen  Pikardie  gesprochen  wurde,  son- 
dern eine  Anzahl  von  Spracheigentümlichkeiten,  die  in  der 
Pikardie  zusammentreffen,  deren  jede  einzelne  aber  weder  das 
ganze  Gebiet  zu  umfassen  braucht,  noch  auch  au  seine  Grenzen 
gebunden  ist. 

Beginnen  wir  im  Osten,  so  tritt  uns  zunächst  das  Rumä- 
nische mit  dem  Mazedonischen  und  I  s  t  r  i  s  c  h  e  n  entgegen. 
Das  Mazedonische  zeigt  in  manchen  Punkten  die  altertümlichsten 
Züge;  das  Istrische  nähert  sich  dem  Siebenbürgischen,  hat  aber 
starken  slawischen  Einflufs  erlitten,  auch  im  Lautsystem :  ie  nach 
Kons,  wird  zu  lye  wie  im  Slaw.  z.  B.  flyer  (lat.  ferrum).  Vom 
W al  a c  h  i  s  c  h  e  n ,  das  die  heutige  Schriftsprache  darstellt,  zeigen 
das  Moldauische  und  das  S  i  e  b  e  n  b  ü  r  g  i  s  c  h  e  etwelche  Ab- 
weichungen, die  ihnen  zum  Teil  ihre  besondere  Stellung  sichern.  — 
Die  altromanische  Sprache,  die  an  der  dalmatinischen  Küste 
gesprochen  wurde,  ist  nur  noch  in  den  Trümmern  des  jetzt  wohl 
auch  ausgestorbenen  Vegliotischen  auf  der  Insel  Veglia  im 
istrischen  Meerbusen  erhalten :  bis  auf  einen  gewissen  Grad  kann 
das  lateinische  Element  im  Albanesischen  einen  Ersatz 
geben.  — Das  rä tische  Gebiet  zei-fällt  in  drei  grofse  Gruppen, 
das  Friaulische  im  Osten,  das  Bündnerische  im  "Westen, 
dazwischen  die  Mundarten  des  Zentrums,  die  kurzweg  alsTyro- 
lisch  bezeichnet  werden  können.  Während  im  Zentrum  und 
Osten  das  Italienische  als  Schriftsprache  gilt,  hat  im  Westen, 
infolge     der    politischen    Unabhängigkeit,     das  Bündnerische    ein 


12  Einleitung.  §   6. 

eigenes  Schrifttum  hervorgebracht  und  bis  heute  behalten.  Es 
ist  daher  ihm  der  Vorrang  gegeben,  und  zwar  speziell  dem 
Oberengadinischen,  das  die  gröfsere  litterarisehe  Entwick- 
lung zeigt,  wogegen  das  Obwaldische  am  Rheine  weit  weniger 
gepflegt  ist.  Das  Münsterthal,  politisch  zur  Schweiz  gehörig 
und  auf  der  einen  Seite  an  Unterengadin ,  auf  den  andern  an 
heute  deutsch  sprechende  Gebiete  grenzend,  scheint  einst  mit 
Tyrol  manche  lautliche  Erscheinung  geteilt  zu  haben,  s.  z.  B.  535. 
In  früherer  Zeit  war  überhaupt  das  Rätische  viel  weiter  aus- 
gedehnt als  heute :  im  Norden  reichte  es  rheinabwärts  bis  nach 
Vorarlberg,  im  Süden  gehörte  ihm  ein  nicht  geringer  Teil  des 
venezianischen  Gebietes  an ,  auf  der  Insel  Chioggia  hat  es  noch 
seine  Spui-en  gelassen.  Auch  im  Kanton  Tessin  ist  trotz  des 
starken  lombardischen  Einflusses  die  rätische  Grundlage  noch 
leicht  zu  erkennen,  vgl.  §  413.  Am  stärksten  ist  die  Über- 
wucherung durch  lombardische  und  venezianische  Elemente  im 
Tyrolischen. 

Italien  wird  durch  seine  geographische  Formation  in  zAvei 
Teile  geschieden ,  das  Pogebiet  mit  Einschlufs  Genuas  westlich 
bis  zur  Vara,  östlich  bis  zum  Esimo,  und  den  Rest  der  Halb- 
insel, also  alle  südlich  vom  Apenninenkamm  liegenden  Mundarten 
mit  Einschlufs  Siziliens:  jene  mögen  kurzweg  als  Oberitalie- 
nisch, diese  als  Italienisch  bezeichnet  Averden.  Eine  Stellung 
für  sich  nimmt  das  S ardin  ische  ein  vind  zwar  speziell  die 
Mundart  des  Zentrums ,  das  Logudoresische  und  die  des 
Südens,  das  Campidanesische:  durch  die  Trennung  von 
lateinisch  e  und  t  tclu  aber  püti  (§  68)  bekommen  beide,  durch 
die  Bewahrung  der  Gutturalen  vor  e;  hizu  (lat.  dlium)  die 
erstere  den  Typus  hohen  Alters.  Das  G  a  1 1  u  r  e  s  i  s  c  h  e  im  Norden 
scheint  mit  dem  Korsischen  nahe  verwandt,  über  beide  fehlt 
noch  genaue  Nachricht.  —  Dem  s  i  z  i  1  i  a  n  i  s  c  h  e  n  Typus ,  der 
fast  die  ganze  Insel  umfafst,  gehört  auch  das  südliche  Calabrien 
an ,  während  das  Nord calabresische  namentlich  im  Vokalis- 
mus nicht  nur  dem  Neapolitanischen,  sondern  auch  einer  kleinen 
Gruppe  auf  Sizilien  eng  verwandt  ist,  als  deren  Hauptvertreter 
der  Dialekt  von  Noto  gilt,  der  aber  auch  Modica,  Avolo  u,  a. 
angehören.  Das  Neapolitanische  umfafst  die  ganze  Provinz 
Neapel  und  Benevent,    ferner  die  Molise;    ihm  schliefst  sich  die 


ß   6.  Die  romanischen  Mundarten.  13 

Gruppe  der  Abruzzen  an,  die  in  zahlreiche  Unterabteilungen 
zerfällt,  und  namentlich  im  Vokalismus  höchst  eigenartige  Er- 
scheinungen zeigt,  manches  weist  hier  wie  auch  in  dem  südlichen 
T  a  r  e  n  t  i  n  i  s  c  h  e  n  hinüber  zum  Albancsisch-Rumänischen.  Auf" 
die  Abruzzen  folgen  die  a  q  u  i  1  i  n  i  s  c  h  -  u  m  b  r  i  s  c  h  -  r  ö  m  i  s  c  h  e  n 
oder  zentralitalienischen  Dialekte,  die  dann  den  Übergang  bilden 
zum  T  o  s  k  a  n  i  s  c  h  e  n ,  das  in  seinem  vornehmsten  Vertreter,  dem 
F 1  o  r  e  n  t  i  n  i  s  c  h  e  n ,  der  Schriftsprache  zu  Grunde  liegt,  während 
das  A retinische  in  seinem  Vokalismus,  namentlich  e  aus  d 
(§  228)  schon  die  Grundzüge  der  norditalienischen  Mundarten 
enthält.  Unter  diesen  ist  das  Venezianische  dem  Toska- 
nischen  nahe  vei-wandt  durch  die  Bewahrung  des  w ,  durch  die 
Diphthonge  ie  uo  §  152,  183,  durch  tt  (tj  aus  et  §  461  u.  a. 
Es  vergröfsert,  wie  schon  bemerkt,  sein  Gebiet  mehr  und  mehr 
auf  Unkosten  des  Rätischen,  berührt  sich  am  Po  mit  dem 
E  m  i  1  i  a  n  i  s  c  h  e  n ,  das  mit  Mantua  den  Flufs  überschreitet. 
Auch  Padua  und  Verona  gehören  heute  zum  venezianischen 
Gebiete,  doch  fehlt  dem  Veronesischen  wie  den  andern  ober- 
italienischen Mundarten  ie  und  iio.  Das  Emi  1  ianische,  das 
Lombard i sehe  mit  Mailand  und  Bergamo  als  Zentren, 
das  Genuesische  und  das  Piemontesische  werden  unter 
dem  Namen  Gallo  italisch  zusammengefafst,  da  ihr  Lautsystem 
mit  demjenigen  der  Mundarten  Frankreichs  eine  Reihe  Über- 
einstimmungen zeigt,  so  namentlich  ü  aus  ö,  §  47,  52,  die  Nasal- 
vokale. Galloitalisch  und  zwar  Piemontesisch  sind  die  schon  §  5 
genannten  Kolonieen  in  Sizilien. 

In  S  ü  d  f  rank  r  e  ich  ist  das  Verhältnis  zAvischen  Schrift- 
sprache und  Mundart  nicht  ganz  so,  wie  in  den  anderen  Gegen- 
den :  die  Sprache  der  Troubadour  ist  nur  insofern  eine  einheit- 
liche, als  eben  überhaupt  die  Vokale  auf  dem  ganzen  proven- 
zalischen  (lebiete  dieselben  sind,  und  insofern  als  nicht  gerade 
Formen  verschiedener  Dialekte  gemischt  werden.  Sonst  aber 
schreiben  unsere  Handschriften  und  schrieben  wohl  schon  die 
ersten  Verfasser  von  Liederbüchern  nach  ihrer  Heimat  fait  oder 
fach,  causa  oder  chausa,  pan  oder  jpa,  fida  oder  fiza:  zur  alleinigen 
Herrschaft  ist  keine  der  Mundarten  gelangt.  Was  die  Grenze 
gegen  Nordfrankreich  betrifft,  so  ist  sie  etwa  die  folgende.  Von 
der  Mündung  der  Gironde  geht  sie  erst  östlich  bis  Lussac,   wendet 


J^  Einleitung.  ^    6. 

sich  da  nördlich  bis  Jourdain  an  der  Vienne,  dann  wieder  östlich 
bis  MontluQon  am  Allier,  hierauf  südöstlich  und  erreicht  an  der 
Südgrenze  des  Departements  Isere  die  Alpen,  die  den  Abschhifs 
gegen  Italien  bilden.  Mafsgebend  ist  auch  hierin  die  Entwick- 
lung der  Vokak;,  speziell  die  Erhaltung  des  a  in  offener  Silbe. 
Am  eigenartigsten  ist  das  Gaskognische,  das  von  den  Leys 
d' Amors  II,  388  sogar  eine  fremde  Sprache  genannt  wird;  in 
manchem,  so  namentlich  in  h  aus  f  (§  408),  gemahnt  es  ans 
Spanische.  Östlich  geht  es  allmählich  in  Roussillon  ins  Kata- 
lanische über.  Dieses  selbst  ist  ein  im  VIII.  Jahrhundert 
nach  Spanien  gebrachtes  Provenzalisch,  das  im  Kampfe  der 
aragonesischen  Könige  gegen  die  Araber  mehr  und  mehr  nach 
Süden  drang:  es  umfafst  den  gröfsten  Teil  des  Departements 
Ostpyrenäen  in  Frankreich,  in  Spanien  die  Provinzen  Catalonien, 
Valencia,  die  Balearen  und  Pityusen,  endlich  findet  sich  eine 
katalanische  Kolonie  in  Alghero  auf  Sardinien.  Deni  Katalanischen 
in  Frankreich  schliefst  sich  dasLanguedoc  mit  Montpellier  an, 
dann  das  Pro  ven  zali  sehe  am  linken  Rhone-Ufer,  die  nörd- 
lichen Mundarten  das  Auvergnat,  das  Rouergat  und  im 
Westen  das  L  i  m  u  s  i  n  i  s  c  h  e ,  namentlich  die  letztere,  zeigen  im 
Konsonantismus  mehrfach  sonst  dem  Französischen  eigene  Züge 
§  435. 

Vom  Nordfranzösischen  scheiden  sich  ab  die  südöst- 
lichen Dialekte :  der  L  y  o  n  e  r ,  die  südliche  F  r  a  n  c  h  e  -  C  o  m  t  e , 
die  französische  ScliAveiz,  wo  ziemlich  nach  den  politischen 
Grenzen  unterschieden  wird  zwischen  N  e  u  e  n  b  u  r  g ,  F  r  e  i  b  u  r  g , 
Waat,  Wallis;  an  letzteres  knüpft  sich  das  Savoyische  an, 
das  zum  Teil  auf  den  Südabhang  der  Alpen  hinüberreicht.  Vom 
Französischen  unterscheiden  sich  diese  Mundarten  vornehmlich 
durch  die  Bewahrung  des  freien  a,  aufser  nach  Palatalen, 
s.  §  262.  Die  französische  Schriftsprache  ist  hervorgegangen 
aus  dem  Dialekt  der  Isle  de  France,  dem  sich  östlich  das 
C  h  a  m  p  a  g  n  i  s  c  h-B  u  r  g  un  d  i  s  c  h  e ,  weiter  das  Lothringische 
und  nördlich  das  sehr  eigenartige  Wallonische  anschliefst :  die 
beiden  letztern  bewahren  noch  heute  S  vor  Konsonanten  §  468. 
Das  Pikardische  und  Normannische  gehören  im  Mittel- 
alter durch  ihre  reiche  Litteratur  zu  den  Avichtigsten  Mundarten 
des  nördlichen  Frankreichs.    Vom  Normannischen  zweigt  sich  das 


8    6.  I^iß  romanischen  Mundarten.  15 

schon  genannte  An  gl  o  norm  ann  i  scli  o  ab,  das  aber  bald, 
infolge  der  littei-arisclien  Beziehung  zum  Zentralfranzösischen  nnd 
Avohl  auch  infolge  des  Zuzugs  von  Kolonisten  aus  anderen 
Gegenden  als  aus  der  Normandie,  in  seinem  Lautsystem  Züge 
zeigt,  die  nicht  normannisch  sind:  während  vulglat.  e  im  Norm, 
als  ei  bleibt,  finden  wir  im  späteren  Agn.,  im  Mittelengl.  und 
noch  heute  auch  Fälle  für  oi:  cxploH,  coy,  poisc,  nebcMicinander 
deploy  und  display ,  convoy  und  convey.  Endlich  bleiben  noch 
die  Westdialekte :  Bret agnisch,  das  zugleich  als  Vertreter  von 
Anjou  und  Maine  gelten  kann,  und  Po  i  te  vin  isch,  das  mit 
dem  Sa  in  ton  ge    sich    schon  stark  dem  Provenzalischen  nähert. 

Auch  hier  sind  einige  Sprachinseln  zu  nennen:  in  Celle 
di  S.  Vito  (Prov.  Capitanata,  Italien)  wird  ein  provenzalischer 
Dialekt  gesprochen.  Wichtiger  ist  die  Sprache  der  Waldenser, 
die  einst  weit  über  die  cottischen  Alpen  hinüberreichte,  jetzt  aber 
bis  auf  wenige  Reste  vom  Piemontesischen  verdrängt  ist,  aufserdem 
in  ganz  deutscher  Umgebung  in  Burset,  Würtemberg  lebt. 

Am  wenigsten  bekannt  sind  die  mundartlichen  Verhältnisse 
der  iberischen  Halbinsel.  Das  G  a  1  i  z  i  s  ch- Ast  uri  sehe 
stimmt  in  seinen  wesentlichen  Zügen  mit  dem  Portugiesischen 
so  völlig  tiberein,  dafs  es  mit  diesem  zusammen  behandelt  werden 
mufs;  das  Aragonesische  scheint  den  Übergang  zum  Kata- 
lanischen zu  vermitteln ;  eine  weitere  Entwicklung  des  zur 
Schriftsi^rache  erhobenen  Kastilianischen  zeigt  das  A n d a  - 
lusische  im  Süden.  Endlich  in  Portugal  läfst  sich  imter- 
scheiden  das  Süd  po  r  t  ug  i  e  s  i  s  c  he  südlich  vom  Mondego,  das 
N  o  r d p  o r  t  u g i  e  s i  s c h e  zwisciien  Douro  und  Minho,  das  M  i r  a n  - 
d  o  1  e  s  i  s  c  h  e ,  das  mit  dem  Spanischen  die  Diphthonge  ie  ito 
teilt,  die  Inseldialekte  der  Acoren. 

Genauere  Angaben  über  die  Grenzen  der  romanischen 
Sprachen  nach  aufsen  hin  und  unter  sich  giebt  Grobe  r, 
Grundrifs  419—428;  Suchier  561—571.  Vgl.  ferner 
C.  This,  Die  deutsch- framösische  Sprachgrenze  in  Loth- 
ringen, Strafsburg  1887,  Die  devtsch-französische  Sprach- 
grenze im  Elsafs,  Strafsburg  1888.  —  Die  verwickelten 
Verhältnisse  des  Rätischen  hat  Ascoli  zuerst  klar  ge- 
legt, Arch.  Glott.  I.  Über  die  italienischen  Mundarten 
im  allgemeinen  haudrlt  Asc oli ,  L'Italia  dialettalc,  Arch. 
Glott.  VIII,  98—128,  vgl.  auch  Grundrifs  550—560, 
über  die  portugiesisclicn  Leite  de  Vascon  cel  1  os  , 
Rev.  Lus.  I,   192—194. 


16  Einleitung.  §    7.    8. 

7.  Der  Entwicklungsgang  der  verschiedenen  romanischen 
Sprachen  ist  ein  sehr  ungleicher:  während  bei  den  einen  nur 
ein  unmerklicher  Unterschied  besteht  zwischen  den  Lauten  und 
Formen  der  Denkmäler  früherer  Jahrhunderte  und  der  Jetztzeit, 
zeigen  andere  eine  bedeutende  Kluft.  Am  gröfsten  ist  sie  in 
den  Mundarten  Galliens:  das  Alt  französische  unterscheidet 
sich  so  wesentlich  vom  Neu  französischen,  dafs  man  sich 
gewöhnt  hat,  es  als  eine  Sprache  für  sich  zu  behandeln:  Diez 
hat  in  seinem  zweiten  Bande  durchweg  Altfranzösisch  und  Neu- 
französisch getrennt;  es  giebt  besondere  Grammatiken  des  Alt- 
französischen u.  s.  w.  Als  Grenzscheide  läfst  sich  etwa  das 
Jahr  1500  festsetzen.  Oder  aber  man  bezeichnet  die  Sprache 
von  Beginn  der  litterarischen  Denkmäler  bis  etwa  einschliefslich 
des  XIV.  Jahrhunderts  als  altfranzösisch,  die  des  XV.  und  XVI. 
Jahrhunderts  als  mittelfranzösisch.  Unter  Altprovenzalisch 
wird  die  Sprachperiode  verstanden,  in  der  das  Provenzalische 
Litteratursprache  war,  also  die  Zeit  bis  etwa  Ende  des  XIV. 
Jahrhunderts.  Die  Unterschiede  zwischen  Alt-  und  Neuitalienisch, 
Alt-  und  Neuspanisch  u.  s.  w.  sind  so  geringe,  dafs  es  nicht 
nötig  und  nicht  wohl  möglich  ist,  scharf  zu  scheiden:  im  all- 
gemeinen versteht  man  unter  Altitalienisch  u.  s.  w.  den  ersten 
Jahrhunderten  der  litterarischen  Entwicklung  angehörige,  von 
der  heutigen  Schriftsprache   nicht  mehr  anerkannte  Formen. 

8.  Die  Quellen,  aus  denen  wir  unsere  Kenntnis  der 
romanischen  Sprachgeschichte  schöpfen,  zei-fallen  in  schriftliche  und 
mündliche,  in  direkte  und  indirekte.  Mündliche  Quelle  ist  die 
heute  gesprochene  Rede  des  Romanen,  direkte  schriftliche  alles, 
was  in  romanischer  Sprache  niedergeschrieben  ist.  Wie  schon 
bemerkt,  beginnen  aber  diese  schriftlichen  Zeugnisse  erst  im 
IX.  Jahrhundert  und  werden  seit  dem  X,  und  XI.  etwas  reich- 
licher. So  wären  wir  für  die  frühere  Zeit  auf  blofse  Hypothesen 
angewiesen,  wenn  nicht  das  Lateinische  selbst  uns  aushülfe.  Etwa 
seit  Anfang  des  VII.  Jahrhunderts  macht  sich  in  den  lateinisch 
geschriebenen  Urkunden,  in  Gesetzen,  Heiligenleben  u.  s.  w. 
mehr  und  mehr  ein  Mangel  in  der  Kenntnis  der  lateinischen 
Formen  geltend;  in  der  Deklination  und  Konjugation  zeigt  sich 
eine  grofe  Verwirrung,    auch    in    der  Orthographie    treten  Neue- 


K   8^  Das  Mittellateinische.  17 

rimgen  auf,  indem  einzelne  Buchstaben  vertauscht  oder  unter- 
drückt oder  zugesetzt  oder  durch  andere  ersetzt  werden;  nicht 
weniger  weichen  Wortbildung  und  Syntax  ab  von  den  früheren 
Regeln.  So  roh  und  voll  von  Fehlern  dieses  Mittellatein  auf 
den  ersten  Blick  scheint,  so  lassen  sich  doch  ohne  grofse 
Schwierigkeit  die  Gruudzüge  der  romanischen  Sprachentwicke- 
lung darin  erkennen :  es  liegt  ihm  die  romanische  gesprochene 
Mundart  des  Schreibers  zu  Grunde,  etwas  übertüncht  mit  bald 
stärkereu  bald  schwächeren  Erinnerungen  an  die  Formen  des 
schulgerechten  Lateins.  Diese  Urkunden  sind  insofern  von 
Wichtigkeit  für  die  Kenntnis  romanischer  Sprachgeschichte,  als 
sie  uns  häufig  einen  Lautwandel  in  viel  älterer  Zeit  zeigen  als 
die  wirklich  romanischen  Denkmäler;  als  sie  vins  einen  ungefähren 
Einblick  gestatten  in  den  Zustand  der  einzelnen  Sprachen  im 
VII. — X.  Jahrhimdert.  Ihre  Benutzung  und  Ausnutzung  mufs 
aber  mit  grofser  Vorsicht  geschehen.  Bei  weitem  nicht  jeder 
„Fehler"  giebt  auch  eine  sprachliche  Thatsache  wieder:  so  wird 
man  im  letzten  Worte  in  dem  Satze  per  terminos  et  Japidis  fixis 
Pard.  111  nicht  eine  Anwendung  des  Ablativs  statt  des  Accu- 
sativs  zu  sehen  haben,  sondern  einen  Einflufs  der  Endung  des 
vorhei-gehenden  Wortes;  so  ist  in  factas  operas  pignoras  Mon. 
Hist.  Patr.  I,  79  a.  892  das  s  der  zwei  ersten  Wörter  auf  das 
dritte  verschleppt.  Aber  wenn  in  den  Urkunden  aus  Nordfrank- 
reich das  t  der  3.  Sing,  stets  bleibt,  in  denen  aus  dem  Süden 
und  aus  Italien  sehr  häufig  fallt,  so  spiegelt  das  ziemlich  genau 
die  späteren  Verhältnisse  wieder:  ital.,  prov.  ama,  altfr.  aimet. 
Abgesehen  von  den  wirklichen  bedeutungslosen  Schreibfehlern 
lassen  sich  die  Unregelmäfsigkeiten  in  drei  Klassen  teilen :  eigent- 
liche Romanismen,  wie  der  eben  genannte  Abfall  des  i;  Ver- 
bindung lateinischer  und  romanischer  Konstruktion,  wie  per 
legibus  Zeumer  9,25  =  lat.  legibus -{- rom.  per  leges\  umgekehrte 
Konstruktionen  oder  Schreibungen,  wie  per  ante  nupdis  Lex 
Rom.  Ut.  73,  5:  der  Schreiber  weifs,  dafs  im  korrekten  Latein 
nach  Präpositionen  unter  Umständen  der  Ablativ  folgt,  ist  sich 
aber  nicht  klar,  wann,  und  setzt  ihn  an  falschem  Orte.  Oder 
austüiter  Zeumer  15,21  statt  ostiliter:  au  und  o  fallen  in  der 
Aussprache  als  o  zusammen  und  werden  deshalb  für  einander 
gesetzt.     Für  die  Entscheidung,  welcher  der  verschiedenen  Fälle 

^leyt'r,  Grammatik.  2 


18  Einleitimg.  §   8. 

jedesmal  vorliege,  lassen  sich  keine  allgemeinen  Regeln  geben; 
je  nach  dem  Entstehungsort,  nach  der  gröfseren  oder  geringeren 
Zahl  der  Fehler,  nach  den  änfseren  Umständen,  unter  denen  das 
Dokument  entstanden  ist,  wird  das  Urteil  verschieden  ausfallen. 
Für  die  Zeit,  wo  reichliche  romanische  Texte  vorliegen,  kann 
das  Mittellatein  nur  noch  etwa  lexikalisches  Interesse  haben. 
Im  ganzen  ist  überhavipt  die  Ausbeute  am  reichsten  für  das 
Lexikon  iind  für  die  Syntax,  Avogegen  für  Flexion  und  Lautlehre 
weniger  abfällt. 

Von  einer  systematischen  Ausbeute  dieser  Quellen 
mufs  in  einer  romanischen  Grammatik  abgesehen  werden ; 
noch  weniger  ist  es  möglich,  zu  begründen,  weshalb  ge- 
wisse Formen  als  Schreibfehler  betrachtet  und  daher 
nicht  in  Betracht  gezogen  sind.  Es  fehlen  bis  jetzt 
überhau2)t  auch  nur  einigermafsen  genügende  Unter- 
suchungen auf  diesem  Gebiet,  nur  als  vorläufig  brancli- 
bar  mögen  die  bisherigen  Leistungen  genannt  werden. 
Pott,  Das  Latein  im  Übergang  zum  Bomanischen,  Ztschr. 
f.  Altertumswissenschaft  1853,  481—499;  1854,  219— 
231,  283 — 238 ;  Bomanische  Elemente  in  der  Lex  Salica, 
Ztschr.  f.  d.  Wissenschaft  der  Sprache  III,  113 — 165; 
Plattlateiniscli  und  Bomanisch,  Ztschr.  vgl.  Sprachforsch. 
I,  309 — 350,  385 — 412;  Bomanische  Elemente  in  den 
longöbardisclien  Gesetzen,  eb.  XII,  161 — 206;  XIII, 
24—48.  81  —  105,  321—364;  A.  D'Arbois  de 
Jubainville,  La  de'cUnaison  latine  ä  Vepoque  mero- 
vingienne,  Paris  1872;  F.  Bluhme,  Die  Gens  Lango- 
hardorum,  2.  Heft,  ihre  Sprache,  Bonn  1874;  Stün- 
k  e  1 ,  Verhältnis  der  Sprache  der  lex  romana  uticensis 
zur  schulgerechten  Ijatinität,  Fleckeisens  Jahrb.  Suppl.  VIII, 
585—645.  (Dazu  Schuchardt,  Ztschr.  I,  111—125) 
und  Ztschr.  V,  41 — 50;  Geyer,  Beiträge  zur  Kenntnis 
des  gallischen  Lateins,  Arch.  Lat.  Lex.  II,  25 — 47 ; 
K.  S  i  1 1 1 ,  Zur  Beurteilung  des  sogenannten  Mittellateins, 
Arch.  Lat.  Lex.  II,  550—580;  M.  Bück,  Die  rätoro- 
manischen Urkunden  des  VIII. — X.  Jahrhunderts,  Ztschr. 
XI,  107 — 117.  Auch  aus  der  Zeit,  wo  das  Lateinische 
noch  die  Umgangssprache  der  Gebildeten  war,  haben 
wir  direkte  und  indirekte  Zeugnisse  für  die  Volkssprache 
in  den  Inschriften,  bei  den  Grammatikei-n  u.  s.  w. ;  sie 
vorzuführen  und  kritisch  zu  beleuchten,  kann  noch 
weniger  die  Aufgabe  des  vorliegenden  Werkes  sein. 
Über  diese  Quellen  und  ihre  Benutzung  vgl.  Grund rifs 
S.  356—358. 


^    9.    10.  I^tn-  roinanisolu!  Wortscliats;.  19 

9.  Nur  <;-ering  ist,  was  die  romanische  Lautgescliichte  aus  den 
germanischen  Bestandteilen  lernt.  Der  Name  Karl  ist  durch 
Karl  Martell  im  Anfang;  des  VlII.  Jahrliunderts  in  Frankreich 
bekannt  geworden;  sein  Anlaut  wird  behandelt  wie  z.  B.  der- 
jenige von  lateinisch  camptis:  Charles,  champ,  wogegen  das  ger- 
manische Ic  in  später  aufgenommenen  Wörtern  bleibt:  afr.  cane 
=  andd.  Jeane.  Doch  darf  man  daraus  nicht  ohne  weitei-es 
schliefsen,  im  VIII.  Jahrhundert  sei  lat.  c  vor  a  noch  gutturaku- 
Verschlufslaut  gewesen ,  das  7c  konnte  damals  sehr  wohl  schon 
die  Stufe  f  erreicht  haben;  sobald  das  germanische  Je  vor  a 
diesem  Laut  nur  etwas  näher  stand  als  dem  Je  von  lat.,  frz.  co, 
so  mufste  es  mit  Notwendigkeit  ihm  angeglichen  werden.  Zudem 
sind  der  FUlle ,  wo  wir  die  Aufnahmezeit  eines  germanischen 
Lehnwortes  kennen,  sehr  wenige.  Während  das  lateinische  h  im 
Romanischen  spurlos  verschwunden  ist,  bleibt  das  germanische  im 
Altfranzösischen  (§  18),  Avoraus  folgt,  dafs  zur  Zeit,  da  die  ältesten 
mit  Ji  anlautenden  germanischen  Wörter  aufgenommen  wurden, 
das  lateinische  h  schon  verstummt  Avar.  Allein  für  dieses  Ver- 
stummen haben  wir  noch  viel  ältere  Zeiignisse  §  403.  Wichtiger 
ist,  dafs  germanisch  Jii  im  Französischen  zu  di  wird  (§  18), 
weil  daraus  mit  Sicherheit  folgt,  dafs  lat.  d  schon  in  sehr  früher 
Zeit  in  Nordfrankreich  tsi  nicht  di  gelautet  hat.  Und  so  ergiebt 
sich  noch  das  eine  und  andere  Resultat,  innnerhin  aber  weniger, 
als  man  auf  den   ersten  Blick  wohl  annehmen  möchte. 

10.  Der  Wortschatz  des  Romanischen  ist  ein  sehr  bunter. 
Den  Grundstock  bildet  das  Lateinische,  es  ist  aber  in  mehr  oder 
weniger  starkem  Mafse  durchzogen  von  Bestandteilen,  die  den- 
jenigen Völkern  entnommen  sind,  die  vor  oder  neben  den  Römern 
und  Romanen  in  den  romanischen  Ländern  gewohnt  haben.  Am 
meisten  hat  wohl  das  Germanische  geliefert,  ihm  am  nächsten 
mag  das  Griechische  stehen;  im  ganzen  auf  die  iberische  Halb- 
insel und  Sizilien  sind  die  arabischen  Elemente  beschränkt;  ver- 
sclnvindend  wenig  ist,  was  von  Keltischem  in  Gallien,  von  Ita- 
lischem in  Italien,  von  Iberischem  im  Spanischen,  von  Dacischem 
im  Rumänischen  geblieben  ist.  Dafür  besitzt  das  Rumänische 
namentlich  in  der  Walachei  und  in  Istrien  sehr  viele  shiAvische, 
in  Siebenbürgen  ungarische,    in  ^lazedonien  griechische  Bestand- 

2* 


20  .Einleitung.  §   10.   11. 

teile.  Sie  auszusondern,  ihr  Eindringen,  ihre  Verbreitung,  ihr 
Verhältnis  zum  lateinischen  Element  darzustellen,  das  sind  Auf- 
gaben, die  bisher  kaum  angefangen,  geschweige  gelöst  sind. 

Zu  den  arabischen  Elementen  im  Spanischen  vgl. : 
L.  de  Eguilaz  y  Yanguas,  Glosario  etimologico  de 
las  päläbras  espanolas  de  origen  oriental.  Granada  1886; 
zu  den  fremden  Bestandteilen  des  Rumänischen :  Ade 
Cihac,  Didionnaire  d'etymologie  dacoromane  II,  Frank- 
furt a.  M.  1879;  Saineanü,  Elemente  Turcesti  in  limba 
romänä.  Bukarest  1885.  Zur  Lautlehre :  Miklosich, 
Beiträge  Vok.  HI,  16  —  31;  Tiktin,  Ztschr.  XII, 
237—241. 

11.  Der  lateinische  Wortschatz.  Der  Wortvorrat  der 
lateinischen  Sprache,  wie  wir  ihn  aus  der  erhaltenen  Litteratur 
kennen,  ist  ein  verhältnismäfsig  kleiner,  namentlich  im  Vergleich 
z.  B.  mit  dem  griechischen.  Aufserdem  ist  er  nicht  einmal  ein- 
heitlich: die  verwandten  sabellischen  Dialekte,  das  Etruskische, 
das  Griechische,  das  Gallische  haben  manches  Wort  geliefert,  das 
sich  so  eingebürgert  hat,  dafs  man  es  kaum  mehr  als  Fremdling 
erkennt.  Von  diesem  Kapital  ist  nun  im  Laufe  der  Zeit  noch 
vieles  verloren  gegangen  :  neben  einem  gemeinromanischen  Grund- 
stock finden  sich  in  jeder  Sprache  noch  einzelne  Wörter,  sehr 
viele  aber  sind  bis  jetzt  nirgends  entdeckt,  wie  z.  B. ,  um  bei 
einfachen  Substantiven  zu  bleiben,  dbdomen,  aedes,  amnis,  anser, 
aper,  arx,  bellum,  crus,  ensis,  equus,  fas,  gena,  häbena,  hiems, 
liircus,  ignis,  imber,  jus,  lira,  mala,  naris,  os,  osculum,  plaga, 
puer,  rupes,  rus,  specus ,  vir,  vis  u.  a.  Dabei  sind  Wörter  nicht 
mitgerechnet,  die  in  Ableitungen  fortleben,  wie  span.  abaz  = 
*abaceus ,  rum.  urecliie,  eng.  urala,  ital.  orecchio,  frz.  oreille, 
span.  oreja  =  auricula,  rum.  genunchiu,  ital.  ginoccJiio,  frz. 
genou,  span.  hinojo  =^  genuculum  vi.  s.  w.  Trotzdem  sind  die 
romanischen  Sprachen  nicht  wortarm,  im  Gegenteil  verfügt  manche 
von  ihnen  über  einen  grofsen  Eeichtum,  und  zwar  besteht  dieser 
Reichtum  vorwiegend  aus  römischem  Gute.  Zum  Teil  nämlich 
ist  der  alte  Grundstock  durch  zahlreiche  Ableitungen  vermehrt 
worden,  zum  Teil  durch  immer  erneuertes  Zurückgreifen  auf  die 
neben  der  Vulgärsprache  stets  mehr  oder  weniger  bekannte 
Bücherspi-ache.  Von  dem  Momente  an,  wo  das  Lateinische 
Schriftsprache  wurde,   trat  ein  anfangs  unmerklicher,    dann  aber 


^    11.  Erbwörtei-  und  Buchwörter.  21 

stetig  wachsender  Unterschied  ein  zwischen  der  Kedeweise  des 
gemeinen  Mannes  und  der  des  gebildeten.  Die  Schrift  hinderte 
die  Sprache  an  freier  Entwicklung;  sie  gab  den  Wörtern,  die 
sonst  im  Kampf  ums  Dasein  untergegangen  wären,  festei'en  Halt; 
sie  fixierte  die  Wortform  und  trat  so  den  lautlichen  Verände- 
rungen entgegen.  Der  Gebildete  hielt  sich  möglichst  an  die 
Schriftsprache,  der  Ungebildete  fuhr  fort  zu  sprechen,  wie  er  es 
gewohnt  war.  Allein  da  zwischen  den  Schriftkundigen  und  den 
Unkundigen  ein  fortwährender  Verkehr  bestand,  so  fand  auch  wieder 
ein  Ausgleich  statt,  und  namentlich  ein  HerUbergleiten  der  Aus- 
drucksweisen der  ersteren  zu  den  letzteren.  Schon  in  früher  Zeit 
sprach  man  vulglat.  macla,  aber  geschrieben  wurde  macula,  und 
wer  gebiklet  sprechen  M^ollte,  behielt  dreisilbiges  macula  bei. 
Das  Wort  hat  doppelte  Bedeutimg :  „Masche"  und  „Fleck",  letzteres 
namentlich  in  übertragener  moralischer  Anwendung.  Nun  begreift 
«ich  leicht,  dafs  nur  das  zweite  macula  häufig  in  der  Schrift- 
sprache und  von  den  Gebildeten  gebraucht  wurde,  dafs  das  erste 
dagegen  viel  mehr  dem  Volke  angehörte,  und  so  erscheint  denn 
in  der  That  im  Romanischen  macla  die  Masche  neben  macla, 
macula  der  Fleck :  ital.  maglia  —  maccMa,  macola,  span.  malla  — 
manclia,  portg.  malha  —  magoa.  Oder:  lat.  n  vor  s  ist  früh- 
zeitig gefallen,  statt  cofisul  sagte  die  Volkssprache  cosul.  Die 
Schrift  aber  und  die  ihr  folgende  RedeAveise  der  Gebildeten  hielt 
in  vielen  Fällen  das  n  fest,  zum  Teil  aus  etymologischen  Gründen, 
wie  in  Partizipien  von  Verben  auf  nd:  penclo,  pensus.  Das  von 
pensum  abgeleitete  pensare  vulglat.  pesare  bedeutet  „wägen, 
wiegen".  Es  Avird  dann  auch  auf  geistiges  Gebiet  übertragen: 
„etwas  abwägen,  erwägen"  :  stat  pensata  diu  belli  sententia,  Gurt. 
in,  14,  5,  dann  „überdenken,  denken".  Diese  Bedeutung  gehört 
zunächst  nur  der  Büchersprache  an ,  die  Volkssprache  hat  schon 
das  Verbum  cogitarc  (afr.  cuidier),  Avird  überhaupt  den  Begriff 
nicht  so  oft  brauchen.  In  der  schriftsprachlichen  Form  und  Be- 
deutung ist  pensare  dann  wieder  A^or  dem  Jahre  1000  ins  Roma- 
nische gedrimgen :  ital.  pensare,  frz.  penser,  sjjan.,  portg.  pcnsar. 
Im  Rumänischen  findet  sich  aber  nur  pesare:  pasä.  Je  Aveiter 
nun  die  Volkssprache  in  ihrer  Entwicklung  fortschritt  und  in 
Form  und  Bedeutung  ihren  Wortschatz  vom  schriftsprachlichen 
entfernte,  um  so  öfter  mufste  es  vorkommen ,    dafs  aus  letzterem 


22  Einleitung.  §11. 

Elemente  in  den  ersteren  eindrangen.  Man  hat  sie  mit  ver- 
schiedenen Namen  belegt :  gelehrte  Wörter,  im  Gegensatz  zu  den 
volkstümlichen ;  Lehnwörter,  im  Gegensatz  zu  den  Erbwörtern ; 
schriftlateinische,  im  Gegensatz  zu  den  volkslateinischen.  Die 
verschiedenen  Formen ,  unter  denen  so  ein  und  dasselbe  latei- 
nische Wort  im  Romanischen  auftritt,  werden  als  Scheideformen, 
Doubletten,  Allotropen  u.  s.  w.  bezeichnet.  Sie  mögen  hier  als 
Erbwörter  und  schriftlateinische  Wörter  oder  Buchwörter  aus- 
einander gehalten  werden :  der  letztere  Ausdruck  ist  genauer  als 
Lehnwörter,  da  er  sogleich  angiebt,  woher  die  Entlehnung 
stammt,  und  auf  welchem  Wege  die  betreflPenden  fremden  Ele- 
mente in  die  Sprache  gekommen  sind. 

Es  lassen  sich  nun  verschiedene  Perioden  und  verschiedene 
Klassen  unterscheiden.  Die  erste  Periode  reicht  etwa  bis  zum 
Jahre  600:  es  ist  diejenige,  in  der  das  Schriftlatein  noch  eine 
gesprochene  Sprache  war  in  den  freilich  mehr  und  mehr  zu- 
sammenschwindenden Kreisen  der  Gebildeten.  Ihm  gehören 
namentlich  die  Wörter  auf  -ulus,  -ula  statt  -lus,  -la  an,  die  in 
den  romanischen  Sprachen  sich  finden.  An  dieser  ältesten  Schicht 
nimmt  auch  das  Rumänische  Teil.  Ferner  war  schon  im  Vulglat. 
ab  av  vor  Vokalen  zu  aw  geAvorden :  gauta  die  Wange,  ital.  gota^ 
frz.  joue;  faula  die  Erzählung,  ital.  fola-^  taula  die  Platte,  ital. 
tola,  frz.  töle  u.  s.  w.  s.  §  27.  Daneben  steht  nun  aber  favulus, 
rum.  fagnr,  ital.  fiavo  (aus  favolo,  favlo,  flavo)-^  ital.  fiäba,  lotr. 
flave,  frz.  fable -^  ital.  stabbio,  frz.  etable,  span.  establo  u.  s.  w., 
die  auf  schriftlat.  favula ,  fabula,  stabulum  zurückweisen.  Sie 
müssen  schon  sehr  frühe  in  die  Volkssprache  aufgenommen  sein, 
wie  die  Existenz  von  fagur  und  der  Wandel  von  v  in  g  im 
Rumänischen,  derjenige  von  l  in  y  im  Italienischen  zeigt.  Ebenso 
finden  sich  nebeneinander  rum.  inuscMu  =  musclus  und  mascur 
=  masculus;  ital.  maschio  und  mascolo;  rum.  unghie  =  ungla 
und  lingur=*lingul'um  (statt  lingula).  Eine  zweite  Periode  dürfte 
etwa  ins  VIII.  Jahrhundert  zu  setzen  sein,  in  die  Zeit,  wo  auf 
Karls  des  Grofsen  Anregung  hin  die  klassischen  Studien  wieder 
aufgenommen  wurden,  wo  am  Hofe  und  in  den  Schulen  wieder 
eine  Sprache  geredet  wurde,  die  in  Form  und  Wortschatz  sich 
möglichst  an  die  Schriftsteller  früherer  Zeiten  hielt.  Man  weifs, 
wie    die    Werke    eines    Eginhard    und     anderer    zusammengeflickt 


^   11.  Erbworter  und  Buchwörter.  23 

sin«!  aus  Wendungen ,  die  den  damals  gelesenen  Autoren  ent- 
nommen sind :  wenn  die  Germanen  an  Karls  Hofe  das  Lateinische 
lernten  und  sprachen ,  so  mufsten  die  Romanen ,  die  doch  wohl 
ttihlen  konnten,  dafs  ihre  Umgangssprache  dem  Latein  immerhin 
nahe  stand,  versuchen,  die  letztere  wieder  etwas  zu  verbessern, 
indem  sie  die  abweichenden  Formen  dem  Latein  näher  brachten, 
und  manche  lateinische  Wörter  auch  im  taglichen  Leben  an- 
wandten. Auf  die  Buchform  Karolns  magnus  geht  das  afr. 
Charle  magne  Charle  waine  zurück,  wie  denn  magnus,  vom 
sardischen  mannu  und  von  den  Zusammensetzungen  tammagnus, 
span.  tamano,  portg.  tamanho  und  permagnus,  afr.  parmainz 
abgesehen,  frühzeitig  aus  dem  Romanischen  verschwunden  und 
durch  grandis  ersetzt  worden  ist.  —  Im  XII.  .Jahrhundert  be- 
ginnt die  Übersetzungslitteratur  in  Frankreich,  zunächst  kirch- 
licher Texte:  sie  führt  der  Büchersprache  zahlreiche  Latinismen 
zu,  teils  weil  thatsächlich  die  Begriffe,  namentlich  abstrakte,  der 
Volkssprache  fehlten ,  teils  wohl  auch  aus  Bequemlichkeit  oder 
Ungeschicklichkeit  der  Übersetzer.  Mit  der  Zunahme  der  klas- 
sischen Bildung  wächst  auch  das  lateinische  Element;  den  Gipfel- 
pimkt  erreicht  die  Latinisierung  des  Romanischen  in  der  Zeit 
des  Humanismus,  wo  ja  in  Italien  die  Vulgärsprache  einen  Augen- 
blick in  Gefahr  kam,  dem  Lateinischen  in  der  Schrift  ganz 
Aveichen  zu  müssen :  damals  wurden  nicht  nur  zahlreiche  latei- 
nische Wörter  aufgenommen,  es  wurden  auch  die  altvorhandenen, 
die  Erbwörter,  teils  nur  in  der  Schi'ift,  teils  in  der  Aussprache 
dem  lateinischen  Typus  wieder  näliergerückt.  Seit  dem  XVII. 
.Tahrhundert  dürfte  die  Zahl  der  schriftlateinischen  Wörter  nicht 
mehr  zugenommen  haben,  und  sehr  viele,  die  auch  nur  schrift- 
romanisch waren,  sind  wieder  verschwunden.  Die  Stellung  der 
einzelnen  Sprachen  zu  diesem  fremden  Elemente  ist  übrigens  eine 
verschiedene.  Am  stärksten  scheint  es  im  Französischen  zu  sein. 
Das  erklärt  sich  daraus,  dafs  das  Französische  sich  am  weitesten 
vom  Lateinischen  entfernt  hatte,  wogegen  z.  B.  das  Italienische 
ihm  so  nahe  steht,  dafs  auch  später  aufgenommene  Schriftwörter 
sich  äufserlich  nicht  als  solche  kennzeichnen.  Während  z.  B. 
frz.  cliastc  an  seinen  s  und  e  ohne  weiteres  als  Fremdling  erkannt 
wird,  verstöfst  italienisch  casto  gegen  keine  Lautregel.  Lat. 
September  lautet  afr.   seltenere,    daraus  wird  später  in  Anlehnung 


24  '  Einleitung.  §    11. 

-ans  Lateinische  septembre  gemaclit.  Im  Italienischen  aber  wird 
noch  heute  kein  pt  gesprochen,  settembre  ist  die  einzig  mögliche 
T'orm,  auch  jedes  später  aufgenommene  Wort,  das  die  Laut- 
verbindung et,  pt  enthält,  zeigt  Assimilation,  selbst  Ausdi-ücke 
Avie  dipMhongus :  dittongo  u.  s.  w.  In  Spanien  gilt  Juan  de 
Mena  in  der  ersten  Hälfte  des  XV.  Jahrhunderts  als  derjenige 
^Schriftsteller ,  der  am  meisten  aus  dem  Lateinischen  schöpfte, 
dann  namentlich  die  Klassiker  des  XVII.  Jahrhunderts,  wie 
■Grongora,  Calderon  u.  a.  Für  sich  steht  das  Rumänische.  Seit 
dem  Zerfall  des  Römerreiches  ist  es  mit  seiner  Kultur  auf  den 
'Osten  gewiesen  5  erst  das  Erwachen  des  Nationalgefiihls  im 
XIX.  Jahrhundert  brachte  die  Rumänen  Avieder  in  Beziehung  zu 
ihren  Stammverwandten  im  Westen  und  zu  ihrer  eigenen  römischen 
"Vergangenheit.  Die  Folge  für  die  Sprache  Avar  eine  übertriebene 
Latinisierungssucht ,  die  ihren  stärksten  Ausdruck  fand  in  dem 
die  nichtlateinischen  Elemente  einfach  ignorierenden  und  sie 
durch  Entlehnungen  aus  dem  lateinischen  Wörterbuch  ersetzen- 
den Di  ctionariulu  limbei  romäne  von  Laurianü  und 
Massimü,  Bukarest  1871.  Nur  weniges  ist  aber  wirklich  in  die 
Volkssprache  gedrungen,  aus  älterer  Zeit  ein  paar  kirchliche 
Ausdrücke  wie  relighie,  testament,  hihlie,  oder  Wörter  der  Wissen- 
schaft wie  scorpie,  aron,  ferner  coroanä  neben  cununä. 

Am  meisten  schriftlateinische  Wörter  giebt  die  Kirche 
■dem  romanischen  Wortschatz.  Sie  hat  am  längsten,  zum  Teil  ja 
noch  heute,  das  Lateinische  festgehalten  selbst  beim  Verkehr  mit 
-den  Ungebildeten;  daher  dringen  die  in  ihr  am  häufigsten  vor- 
kommenden Wörter  auch  in  mehr  oder  weniger  lateinischer  Form 
in  die  Volkssprache.  Zwar  Deus  zeigt  überall  regelmäfsige  Be- 
handlung der  Vokale :  rum.  Dumnezeu ,  ital.  Bio,  frz.  Dieu,  span. 
Bios:  Deus  ist  aber  nicht  ein  christliches,  sondern  schon  ein 
heidnisches  Wort,  das  zur  Zeit,  da  das  Christentum  Staatsi-eligion 
Avurde,  schon  seine  romanische  Form  B^us  angenommen  hatte. 
Aber  diaholus  bleibt  ital.  diavolo,  frz.  diäble,  span.  diahlo,  portg. 
diaho ,  während  nach  den  Gesetzen  der  Vulgärsprache  di  zu  g 
werden  sollte  vgl.  diurnus  ital.  giorno  u.  s.  w.  (§  407),  äbo 
zu  au  vgl.  pardbola,  paraula,  ital.  parola  u.  s.  w.  (§  27).  Der 
Grund  kann  ein  doppelter  sein :  als  diaholus  aus  dem  Griechischen 
durch  die  christliche  Kirche  ins  Lateinische  eindrang,  mochte  der 


K   II.  Erbwörter  und  Buchwörter:  Kirclie  und  Recht.  25 

Wandel  von  di  zu  g  schon  vollzogen  sein.  Ferner  war  Mäbolus 
wolil  das  Wort  der  Kirclienspraclie ,  die  Volkssprache  aber  ver- 
mied es  möglichst  und  ersetzte  es  durch  indifferentere  wie 
adversarius,  altit.  avversiere,  afrz.  aversier;  oder  daemonium,  ital. 
dimonio ,  span.  demonio  oder  andere  Ausdrücke.  —  Durch  das 
Christentum  war  nirgo  fast  zum  Eigennamen  geworden  und  nur 
als  Wort  der  Kirche  in  Gebrauch,  sonst  hatte  man  andere 
Wörter,  um  den  Begriff  auszudrücken.  Dementspi*echend  bew^ahrte 
es  seinen  lateinischen  Vokal:  afr.  virgene,  span.  virgen,  portg. 
virgem.  Nur  das  ital.  vergine  erscheint  in  korrekter  Gestalt. 
Auch  angelus  zeigt  nur  im  Italienischen  dieselbe  Behandlung  der 
Verbindung  ng  wie  z.  B.  plangere,  alle  anderen  Sprachen  be- 
sitzen das  Wort  in  einer  dem  Lateinischen  näher  stehenden  Laut- 
form: frz.  ange,  span.  anjel,  portg.  anjo.  Imago  bezeichnet 
speziell  das  Heiligenbild  und  zeigt  auch  in  seiner  Form  den 
Ursprung  aus  der  Kirchensprache  an :  ital.  immagine,  frz.  image, 
span.  imagen,  vgl.  daneben  ital.  Suffix  aggine,  frz.  plafitain, 
span.  llanten  aus  plantaginem.  Auch  spiritus  der  h.  Geist  (in 
ursprünglicher  Bedeutung  war  das  Wort  durch  anhelitus  oder 
durch  das  Postverbale  von  anhelare  ersetzt:  ital.  alena,  frz. 
haieine,  span.  aneldo)  erweist  sich  im  span.  espiritu  durch  die 
Erhaltung  des  tonlosen  i,  des  t  und  des  u,  im  frz.  csjjrit  durch 
sein  s  und  seinen  Accent  als  Kirchenwort,  Es  ist  aber  bedeutend 
jüngeren  Datums  als  die  erstgenannten :  w^ährend  jene  doch  im 
Auslaut  im  Spanischen,  im  Accent  im  Französischen  dem  Erb- 
wortsehatz  folgten,  ist  dies  bei  Spiritus  nicht  mehr  der  Fall:  es 
mufs  aufgenommen  worden  sein  nach  Wirken  des  französischen 
Synkopierungsgesetzes  (§  338),  infolgedessen  alle  Proparoxytona 
die  tonlose  Mittelsilbe  verloren,  die  Sprache  also  nur  noch  Paro- 
xytona  kannte. 

Nächst  der  Kirche  dürfte  das  Rechtswesen  viel  schrift- 
lateinisches Gut  dem  romanischen  Wortschatz  zugeführt  haben. 
Auch  seine  Sprache  w^ar  lange  Zeit  die  lateinische,  und  gerade 
im  amtlichen  Verkehr  bleiben  alt  überlieferte  Formeln  besonders 
fest.  Ein  juristischer  Begriff  ist  z.  B.  familia:  in  der  That 
zeigen  denn  auch  seine  romanischen  Vei'treter  SchriftAvortform : 
frz.  famille  statt  *fameille,  span.  familia  statt  *hamcja.  Ital.  dazio 
der  Zoll  erweist  sich  durch  zi  statt  zs  und  dadurch,    dafs  es  auf 


26  Einleitung.  §   11—13. 

dem  lateinischen  Nominativ  bervxht,  als  Latinismus;  frz.  juste  ist 
in  seinem  s  und  in  seiner  Endung  unregelmäfsig,  u.  s.  w.  Wie- 
viel und  was  die  Übersetzungslitteratur,  wieviel  die  Wissenschaften 
an  Schriftwörtern  gebracht  haben,  das  kann  hier  nicht  untersucht 
werden. 

12.  Für  die  Entscheidung  der  Frage,  ob  ein  Wort  Erb-  oder 
SchriftAvort  sei,  ist  in  erster  Linie  die  Behandlung  der  Laute 
mafsgebend.  Doch  sie  allein  genügt  nicht,  da  häufig  die  For- 
mulierung einer  Lautregel  davon  abhängt,  ob  ein  gegebenes  Wort 
zum  Erbschatz  gehört  oder  nicht.  Es  mufs  vielmehr  auch  durch 
andere  äufsere  und  innere  Gründe  wahrscheinlich  gemacht  Averden, 
dafs  der  Begriff,  den  es  bezeichnet,  entweder  dem  Volke  abhanden 
gekommen  war,  oder  anderswie  ausgedrückt  wurde.  So  sagte 
man  statt  famille  in  Afrz.  maisniee,  statt  penser  cuidier;  ebenso 
ist  im  Altspan,  cuidar,  asmar  (aestimare)  das  das  heutige  pemar 
ersetzende  Wort.  Ferner  können  selbstverständlich  nur  Wörter 
der  lateinischen  Schriftsprache  in  Betracht  kommen :  es  enthält 
einen  Widerspruch  in  sich  selbst,  Avenn  das  „gelehrte"  frz.  double 
auf  die  „volkslateinische"  Form  duhlum  zurückgeführt  Avird. 
Einigermafsen  kann  eine  Kenntnis  des  in  späterer  Zeit  z.  B. 
unter  Karl  dem  Grofsen  oder  im  XIII.  .Jahrhundert  gebräuch- 
lichen lateinischen  Wortschatzes  mit  zur  Sichtung  des  romanischen 
Lexikons  beitragen :  leider  fehlen  hier  noch  die  nötigen  Vor- 
arbeiten. ZuAveilen  kann  auch  der  Umstand  uns  an  der  Echtheit 
eines  lateinischen  Wortes  im  Romanischen  zweifeln  lassen ,  dafs 
es  auch  im  Deutschen  in  nicht  von  den  Romanen  übermittelter 
Form  vorkommt,  wie  dies  bei  dem  schon  genannten  familia  der 
Fall  ist. 

13.  Der  Fragen,  die  sich  an  die  schriftlateinischen  Bestandteile 
im  Romanischen  knüpfen,  sind  viele;  sie  alle  auch  nur  auf- 
zuwerfen, ist  nicht  die  Aufgabe  einer  romanischen  Lautlehre.  Es 
soll  hier  nur  eine  für  die  Phonologie  Avichtige  besj»rochen  werden. 
Franz.  chaste  ist  in  seinem  Anlaut  völlig  korrekt,  dagegen  erAveist 
es  sich  durch  s  und  e  als  Bücherwort.  Nun  könnte  man  sagen: 
zur  Zeit,  als  castus  aufgenommen  Avurde,  war  s  vor  Konsonanten 
und  auslautend  u  schon  verscliAvunden ,    c  vor  a  aber  hatte  noch 


i^   13.  Buchworter:  lautliche  Verhältnisse.  27 

die  lateinische  Geltung.  In  einer  späteren  Zeit  wurde;  c  vor  a 
in  dem  ganzen  damaligen  Wortschatz,  also  auch  in  *caste  zu  s: 
chaste.  So  richtig  diese  Folgerung  in  vielen  Fällen  ist,  so  triffst 
sie  doch  gerade  hier  nicht  zu;  wir  wissen  anderweitig,  dafs  der 
Wandel  von  ca  zu  §a  und  der  Abffill  der  Schlufsvokale  einige 
Jahrhunderte  älter  ist,  als  das  Verstummen  des  S.  Ein  beispiels- 
weise ums  Jahr  1000  aufgenommenes  castus  wäre  zu  '^caste,  cate 
geworden.  Dafs  wir  nun  aber  chaste  haben,  erklärt  sich  folgender- 
mafsen.  Das  Wort  ist  früh  in  die  Sprache  gekommen  und  hat 
den  Wandel  von  Ica  zu  sa  mitgemacht.  Schon  im  XJI.  Jahr- 
hundert finden  wir  es  in  Texten,  die  allerdings  gelehrte  Ver- 
fasser haben,  wie  im  Computus  des  Philipp  von  Thaon  (v.  1695). 
Es  mufs  herrühren  aus  einer  Zeit,  wo  ca  noch  bestand,  oder  wo 
flir  die  Gelehrten  das  Bewufstsein  der  Entsprechung  von  latei- 
nisch ca:  frz.  cha  noch  so  stark  Avar,  dafs  sie  bei  der  Einführung 
eines  Wortes  aus  dem  Lateinischen  in  die  Volkssprache  den 
Wandel  vollzogen.  Das  vokalische  Auslautgesetz  hatte  schon 
gewirkt :  da  in  vielen  Fällen  das  lateinische  Schlufs-w  als  e  blieb, 
so  behielt  man  es  auch  in  chaste.  Während  der  ganzen  alt- 
fi-anzösischen  Periode  scheint  chaste  Buchwort  geblieben  zu  sein, 
der  volkstümliche  Ausdruck  dafür  ist  sage;  chaste  Avurde  nur 
gebraucht  von  den  lateinkundigen  Leuten,  daher  das  s  blieb  zur 
Zeit,  da  es  in  den  Erbwörtern  verstummte.  Bei  Beurteilung  der 
Lautgestalt  der  Schriftwörter  mufs  überhaupt  der  Gesichtspunkt 
stets  im  Auge  behalten  werden ,  dafs  bei  ihrer  Aufnahme  eine 
gewisse  W^illkürlichkeit  herrschte.  Lag  einem  Gelehrten  daran, 
einem  Wort,  das  er  dem  Lateinischen  entnahm,  einigermafseu 
volkstümlichen  Anstrich  zu  geben,  so  that  er  das,  indem  er  den- 
jenigen Lautwechsel  vollzog,  der  ihm  am  meisten  in  die  Augen 
fiel.  Dies  ist  z.  B.  der  Fall  bei  chapitre,  das  in  seiner  Endimg 
halb,  in  seinem  Anlaut  völlig  volkstümlich  ist,  sonst  aber  ganz 
die  lateinische  Form  bewahrt  hat.  Dafs  hier  der  Wecli^-cl  \(m  c 
zu  ch  künstlich  gemacht  ist,  ergiebt  sich  aus  der  Erhaltung  des  a. 
Hand  in  Hand  mit  der  Palatalisierung  des  c  geht  die  Schwächung 
des  tonlosen  freien  a  zu  e:  caballus  —  cheväl;  da  nun  jede« 
anlautende  c  vor  a  (mit  ganz  geringen  Ausnahmen :  cage  §  410) 
zu  c  wurde,  dagegen  bei  weitem  nicht  alle  a  zu  e  (die  gedeckten 
bleiben  auch  nach  ^:  chüteau),  so  lag  nur  der  erste  Wandel  oft'en 


'28  '  Einleitung.  §    13—15. 

da,  der  zweite  verstecktere  wurde  niclit  beachtet.  Dieselbe 
Willkür,  die  sich  erklärt  aus  der  mangelnden  Kenntnis  der 
Lautgesetze,  läfst  sich  wieder  beobachten  bei  den  Latinisierungs- 
bestrebungen  der  Renaissancezeit.  Das  frz.  otroyer  ist  in  seiner 
Endung  unangetastet  geblieben,  im  Stamm  aber  hat  es  den  Ein- 
flufs  der  damaligen  lateinischen  Orthographie  auctoricare  erlitten : 
octroyer  u.  s.  w.,  dann  hat  die  Schreibweise  auch  auf  die  Aus- 
sprache gewirkt,  so  dafs  jetzt  das  ganz  ungehörige  c  sogar  ge- 
sprochen wird.  Solcher  Fälle,  wo  die  Schrift  die  Aussprache 
beeinflufst,  giebt  es  viele,  namentlich  bei  Wörtern,  die  zunächst 
nur  der  gelehrten  Sprache  angehören,  wie  fahlian,  givre. 

14.  Beim  Übei-gang  eines  Schriftwortes  in  die  Volkssprache 
vollziehen  sich  oft  lautliche  Veränderungen,  die  ebenfalls  von  Wichtig- 
keit sind.  Gewisse  lateinische  Konsonanten  Verbindungen  sind  in 
den  einzelnen  romanischen  Sprachen  getilgt  worden,  so  im  Ital., 
Span.,  Portg.  cl,  pl,  hl,  /Z  im  Anlaut;  so  im  Span,  d  im  Inlaut. 
Nimmt  nun  die  Schriftsprache  z.  B.  lat.  splendere  auf,  so  werden 
zwar  die  Gebildeten  pl  beibehalten  und  sich  bemühen,  die  ihnen 
fremde  Artikulation  zuwege  zu  bringen.  Sowie  das  Wort  aber 
ins  Volk  dringt,  raufs  eine  Umgestaltung  eintreten,  nicht  aber 
die  reguläre  ital.  pi  (denn  das  Bewufstsein,  dafs  dem  lat.  pl  ein 
pi  entspreche,  fehlt),  sondern  pr ,  da  r  der  dem  l  am  nächsten 
stehende  Konsonant  und  pr  eine  beliebte  Verbindung  ist :  in  der 
That  lesen  wir  in  den  altitalienischen  Dichtungen  gewöhnlich  rispren- 
dere,  sprendore,  und  noch  heute  Avandeln  die  meisten  Dialekte 
das  l  als  zweiten  Konsonanten  in  Anlautgruppen  von  Schrift- 
wörtern zu  r,  vgl.  z.  B.  sie.  hrunni  (Hlond)  ^  öbricari  (ohligare), 
praneta,  disciprina,  crimenti,  crissi  (eclipsis),  Mail,  sprendö  (splendor), 
decrind  (declmare);  ebenso  im  Portg.  jirato,  praga,  cravo  (clavus), 
cris  (eclipsis),  cristel  (clysfer)  u.  s.  w.  vgl.  §  422.  Im  Spanischen 
ist  et  zu  ch  geAvorden,  später  wird  c  in  Schriftwörtern  zu  i: 
fruito ;  heute  behält  es  die  gebildete  Sprache :  caracter,  indiredo, 
respedo  u.  s.  w. ,  aber  andal.  caraite ,  indereito ,  respeuto,  bogot. 
caraiter,  direuto,  efeuto  u.  s.  w. 

15.  Von  Wichtigkeit  für  die  Erkenntnis  der  Schriftwörter  ist 
es  endlich,    die  Aussprache  des  Lateinischen  in  den  romanischen 


is    15.    16.  Buehwörter:  lautlidie  Verhältnisse.  29 

Ländern  zn  kennen.  Schon  früh  und  noch  heute  wird  in  Italien 
jedes  lateinische  e,  sowohl  das  lange  als  das  kurze,  als  p  ge- 
lesen ;  in  Frankreich  sprach  man  es  geschlossen  bis  ins  XVI.  Jahr- 
hundert, dann  aber  beginnt  §  einzureifsen ,  vgl.  Sylvius  1531: 
„Syllabam  el  nonnunquam  voce  latinorum  proferimus,  ut  crudelis 
cruel,  quomodo  gdbriel,  aliquando  autem  ore  magis  hianti  ut  die. 
E  etiam  ante  r,  s,  t,  x,  et  quasdam  alias  consonantes,  in  omnibus 
apud  Latinos  vocem  non  habet  eandem.  Nativum  enim  sonum  iis 
pater  es  a  sum  et  textus  pronuntiatione  quorundam  retinet.  In 
errOj  autem,  gentes,  docet,  ex,  nimis  exertum  et,  ut  sie  dicam, 
dilutum."  Später  ist  fj  allgemein,  Dumarsais  1751 :  „Comme  notre 
p  ouvert  commun  avi  milieu  des  mots,  lorqu'il  est  suivi  d'une 
consonne,  avec  laquelle  il  ne  fait  qu'une  meme  syllabe,  caelebs, 
mel,  per,  patrem  etc.  X'e  est  ferm6,  quand  il  finit  le  mot:  mare, 
patre.  Dans  nos  provinces  au  delk  de  la  Loire,  on  jirononce  Ve 
final  latin  comme  e  ouvert."  Dieselbe  Aussprache  ist  im  Portugie- 
sischen gebräuchlich.  Daher  haben  gelehrte  Wörter  j3  für  lat.  e, 
wie  ital.  spgro ,  cpdo ,  primavfra ,  rpda,  rfmo\  auch  der  prov. 
Donat  48  verlangt  vpr ,  bearn.  primchgre,  während  die  Eeime  (; 
zeigen. 

Sammlungen  von  Doppelformen  haben  gegeben  fürs 
Französische :  Brächet,  Dktionnaire  des  doublets  on 
doublcs  formes  de  la  langue  frangaise,  Paris  1868,  Suppl. 
1871 ;  fürs  Portugiesische :  C o el  h o ,  Rom.  II,  281—294 ; 
fürs  Spanische:  C.Michaelis,  Studien  zur  romanischen 
Wortschöpfung,  Leipzig  1876  (auch  Nachträge  zu  Brächet 
und  Coelho)  ;  fürs  Italienische  :  C  a  n  e  1 1  o ,  Arch.  Glott, 
III,  285—41 9,  vgl.  dazu  T  o b le  r ,   Ztschr.  IV,  182—1 84. 

16.  Die  griechischen  Bestandteile  des  Romanischen  sind 
von  denjenigen  des  Lateinischen  deshalb  schwer  zu  trennen,  weil  ihr 
Eindringen  meist  in  sehr  früher,  noch  römischer  Zeit  stattgefunden 
hat.  Nur  wenige  haben,  soweit  man  wenigstens  heute  urteilen 
kann,  die  Kreuzzüge  und  der  Handelsverkehr  mit  dem  Osten  im 
Mittelalter  gebracht.  Immerhin  bedingt  hie  und  da  die  roma- 
nische Gestaltung  eine  der  neugriechischen  entsprechende  Form 
der  Grundlage:  so  läfst  sich  ital.,  span.  endivia,  frz.  endive  nicht 
mit  lat.  intybus,  sondern  nur  mit  mgr.  t'vÖißa  erklären :  im  Griech. 
wird  VT  stets  zu  yÖ.  Ital.  irota  zeigt  eine  Behandlung  d(>s  et, 
wie    sie    sonst   im  Italienischen  nicht  gewöhnlich  ist;    solmld  a\  ir 


30  Einleitung.  §    16.    17. 

aber  statt  des  lat.  tructa  das  ingr.  TQui/rrfi  zu  Grunde  legen,  so 
ist  die  ital.  Form  troita,  trota  völlig  gerechtfertigt  (vgl.  §  453). 
Ital.  ganascia  aus  yt'a&og  verlaugt  spirantische  Aussprache  des  d; 
auch  sio  ^=  &eiog  dürfte  ahnlich  zu  erklären  sein,  ferner  tar. 
canso  ^^^  icuj'&og,  caneirro-==^y.ui'd-/da,  wogegen  span.  tio  das  ältere 
th  darstellt.  Ital.  fäld ,  frz.  fälot,  span.  farol  erweist  sich  durch 
seinen  Accent  als  erst  aus  dem  nigr.  (fuQOQ  entlehnt:  dieses  selbst 
ist  aus  einer  Vermischung  von  (favog  und  (fuQog  entstanden. 
Franz.  emeri ,  ital.  smeriglio  weisen  ebenso  auf  die  in  Naxos 
gewöhnliche  moderne  Form  des  alten  Of.ivQig  of-U^i  hin.  Bei  der 
Übernahme  griechischer  Wörter  sind  nun  eine  Reihe  lautlicher 
Veränderungen  zu  beachten,  die,  wenn  auch  meist  in  die  vulgär- 
lateinische Periode  fallend,   hier  doch  einer  Erwähnung  bedürfen. 

17.  Die  lateinische  Volkssprache  besal's  keinen  dem  grie- 
chischen V  entsprechenden  Laut,  zudem  hatte  das  v  gerade  bei  den 
Griechen  Unteritaliens,  mit  denen  die  Römer  am  ehesten  in  Be- 
rührung kamen,  den  Klang  u:  die  Regel  war  daher,  das 
griechische  v  dem  lat.  u  gleichzustellen,  vgl.  guhernator ,  burrus 
u.  s.  w.  Als  in  der  Scipionenzeit  und  dann  wieder  zu  Ende  der 
Republik  der  Verkehr  mit  Athen  ein  immer  stärkerer  wurde, 
suchten  die  gebildeten  Römer  die  griechischen  Wörter  in  Schrift 
und  Aussprache  möglichst  genau  wiederzugeben,  es  wurde  also  y 
geschrieben ,  ü  gesprochen.  Allein  das  Volk  blieb  nach  wie  vor 
bei  seinem  u.  Daher  finden  wir  im  Romanischen  eine  ziemlich 
bedeutende  Zahl  griechischer  Wörter  mit  o,  die  im  Lateinischen 
uns  nur  mit  y,  höchstens  etwa  in  Glossen  mit  u  begegnen : 
huxida  =  nviiöa,  ital.  husta,  frz.  hoUe;  horsa  ßvQoa,  grotta 
'AQimra,  span.  cocleso  xtriaog,  ital.  lonza  )^vy'i,  mostacchio  f-ivozo- 
y.iov  ^  cotogna  xvdcöi'iov,  altital.  martorio,  martorc  /liuqvvq  u.  s.  w. 
Beachtenswert  ist,  dafs  u  offen  gesprochen  wird.  Nur  in  ganz 
wenigen  Fällen  erscheint  romanisch  u:  sj)an.  gruta  neben  älterem 
grota  (frz.  grotte  ist  Lehnwort  aus  dem  Italienischen),  span.  murta 
wohl  von  murÜlla  aus  (§  559). 

Daneben  findet  sich  nun  aber  auch  i  an  Stelle  des  grie- 
chischen v:  es  ist  dies  entweder  die  Wiedergabe  des  schrift- 
lateinischen y,  z.  B.  frz.  martyr,  ital.  lira,  citiso,  discolo  u.  s.  w., 
oder  aber  die  betreffenden  Wörter  sind  aus  der  römischen  Schrift- 


ij    17.  Griechische  Bestandteile:  Vokale.  31 

spraolie  ins  VulgJirlatein  geraten,  ilir  y  wurde  dem  lat.  7  gleich- 
gesetzt: ital.  cima  =  cyma,  giro  ^=  gyrits,  amido -^^  amylum  (trotz 
amulum  Cato).  Da  bis  ins  VIII.  Jalirluindert  das  grieeli.  v  den 
Lautwert  ö,  (;  hatte,  so  läfst  sich  nicht  entscheiden,  ob  die  ziem- 
lich vielen  Fälle  von  t;  =  (;  auf  eine  Stufe  zu  stellen  sind  mit 
dem  ebengenannten  v  =  i,  oder  ob  sie  jüngere  Entlehnungen 
mit  der  spätgriechischen  Aussprache  sind.  Ersteres  wird  anzu- 
nehmen sein  ftir  ital.  cecero,  frz.  eigne,  eicinus,  xvxi'og,  ital.  gesso, 
da  die  Behandlung  der  Palataleu  auf  frühes  Vorkommen  weist, 
letzteres  tür  ital.  ghezzo  ulyvnriog,  gheppio  ulyvniog.  —  Eine  eigen- 
artige Behandlung  von  v  zeigt  acfvri^  Avoraus  vulgl.  ap'ma,  apima, 
ital.  acciuga,  span.  anclioa,  portg.  anchova  u.  s.  av.  Die  Ge- 
schichte des  Wortes  ist  freilich  dunkel.  Franz.  anchois  ist  ein 
junges  Lehnwort,  sonst  lassen  sich  die  verschiedenen  Gestalten 
des  Tonvokals  nur  unter  \i  vereinigen;  das  d  weist  auf  in\  das  g 
und  V  im  Italienischen  (siz.  aneiova)  auf  v. 

Das  griechische  o  war  geschlossen,  stand  also  in  seinem 
Klange  dem  lat.  ö  bezw.  n  näher,  als  dem  lat.  ö.  Dement- 
sprechend finden  wir  schon  im  Lat.  ti  iu  amurca,  purpura  und 
im  Komanischen  o ;  torno,  colpo,  gglfo,  horro,  hotro  {ßöd-QOv),  cloga. 
grongo.  Andere  schwanken  :  neben  südital.  purpu  (polypus)  steht 
frz.  pieuvre:  jenes  verlangt  o,  dieses  p,  copliimis,  ital.  cofano, 
span.  cuebano,  ebenfalls  mit  p;  sodann  ital.  stuolo,  orfano,  span. 
Jiiierfano,  ital.  scuola  u.  a.  Noch  auffalliger  ist  romanisch  ii  für 
griech.  0  und  ft>:  rum.  nrmd,  span.  wsjwrt,  neben  ital.  orma.  <)oj.u'i ; 
span.  zumo,  t,Mf^i6g. 

Griechisch  vj  war  iu  alter  Zeit  r .  aucli  für  die  ersten  christ- 
lichen Jahrhunderte  kann  diese  Aussprache  noch  als  die  all- 
gemeinere betrachtet  werden.  Dementsprechend  wii-d  das  r^  in 
Ixy.Xrjat'a  behandelt  wie  lat.  f,  d.  h.  c;  vgl.  namentlich  frz.  e'glise, 
prov.  glieisa.  Da  die  Konsonanten  durchaus  reguläre  Entwick- 
lung zeigen,  so  liegt  kein  Grund  zur  Annahme  von  Entlehnung 
vor.  Einer  späteren  Zeit  gehören  die  Wörter  an,  die  das  neu- 
griechische i  zeigen,  wie  ital.,  span..  portg.  acidia :  die  Er- 
haltung des  c  und  di  zeigt  auch,  daCs  das  Wort  ein  S2)ät  auf- 
genommenes Buchwort  ist;  ferner  sen.,  romg.,  prov.  hotiga.  Auf 
die  Mittelstufe  zwischen  e  iind  i,  nämlich  (',  Aveist  /iiTj).oi\  melwn, 
ital.  melo ,    rum.  mer ,    eng.  maU:    sepia,    ital.  seppU( .    si/..  siccla 


32  Einleitung.  §    17. 

u.  s.  w.,  lat,  cera,  ital.  ccra  u.  a.,  doch  ist  zu  beachten,  dafs  die 
beiden  letzten  und  vielleicht  auch  melum  sehr  alt  im  Lateinischen 
sind.  Stammen  sie  aus  einer  Zeit,  wo  der  Unterschied  zwischen 
lat.  e  =  e  und  lat.  e  =  §,  noch  nicht  ausgebildet  war,  sondern 
beide  die  nämliche  Klangfarbe  hatten,  so  wurde  das  griechische  iy 
dem  lat.  e  gleichgesetzt  und  später  Avie  dieses  zu  e.  Der  Buch- 
sprache entstammt  span.  nema,  vfjf.iUj  Siegel. 

Unter  den  griechischen  Diphthongen  hat  nur  av  im  alten 
Latein  eine  Entsprechung,  daher  wird  navoig  zu  pausa,  das  sich 
weiter  entAvickelt  wie  aurum.  Li  späterer  Zeit  war  auf  manchen 
Gebieten  au  zti  o  geworden,  dann  wurde  au  behandelt  wie  vulg- 
lat.  au,  yMVf.iu,  ital.  calma  §  294.  tv  kommt  nur  vor  in  xeXtvaf.ia, 
vulglat.  clusma,  jjortg.  chusma,  cJiurma,  woher  ital.  cnirma,  span. 
churma,  frz.  cMourme.  ai  wird  in  alter  Zeit  zu  a :  crapula ;  auch 
ital.  paggio ,  naiSiov  weist  wegen  seines  Accentes  und  der  Be- 
handlung von  di  auf  sehr  frühlateinisches  *pddium ,  das  Avohl 
nur  zufällig  nicht  belegt  ist.  Sodann  aia/oq,  sjian.  asco,  ala/Qov, 
ital.  aschero.  —  oi  Avird  zu  oe,  lat.  e  vgl.  cimitero,  noif.wjTrjQiov, 
Avoraus  cemiterion ,  ein  BucliAvort,  das  seine  Endung  verAvandten 
lateinischen  gleichstellt.  Li  dem  schon  im  kirchlichen  Latein 
vorkommenden  und  von  da  auf  schriftlichem  Wege  ins  Romanische 
gedrungenen  parocims,  parocMa  =  naQoixog  nuQotxta  liegt  nicht 
Wiedergabe  von  oi  durch  o  vor,  sondern  VerAvechslung  mit  JcuQO/og, 
lat.  parochus. 

Unter  den  Konsonanten  sind  es  namentlich  die  Aspiraten 
(p,  X,  d- ,  die  einer  Bemerkung  bedürfen.  Entsprechend  der 
älteren  griechischen  Aussprache  ph,  Ich,  th  werden  sie  im  Alt- 
lateinischen Aviedergegeben  durch  p),  k,  t:  purpura  =  noQffvQu, 
apua  =  äcpvi] ;  caerefolium=/uiQt(fvXXoy ;  tus  =  S'vog.  Die  spätere 
Zeit  zeigt  dafür  in  der  Schrift  die  Verbindung  mit  li ,  in  der  Aus- 
sprache stellt  sie  wohl  (p  dem  lat.  f  gleich.  Aber  die  Vulgär- 
sprache bleibt  dem  alten  Brauche  getreu:  colpo  xoXacfog ,  calare 
■/aXäv,  tallo  däXXog,  spitamo  amTa/LU].  Merkwürdig  sind  einige 
Fälle  von  f  statt  griech.  n:  ital.,  span,,  portg.  golfo,  frz.  gouffre 
xdlnog ,  das  sonst  im  Anlaut  und  im  Ton  vokal  die  geAA^öhnliche 
Behandlung  griechischer  Worte  zeigt,  sodann  ital.,  span.  trofea, 
frz.  trophee.  Letzteres  ist  ein  ganz  junges  Buchwort  und  mag 
seine  Aussprache  einer  falschen  Schreibung  verdanken  (Anlehnung 


§    17.  Griechische  Bestandteile:  Konsonanten.  33 

au  (n^t(f(o,  GTQOCfog?)  etwa  wie  engl,  aufhor.  Jenes  macht  mehr 
Schwierigkeit.  Denkbar  ist,  dafs  es  aus  der  Sprache  der  Ge- 
bikleten  ins  Volk  drang  zu  einer  Zeit,  da  jene  schon  griech.  (f 
durch  f  wiedergaben.  Da  nun  in  einer  Reihe  griechischer  AVörter 
die  Vulgjlrsprache  dem  hochlat.  f  mit  p  antwortete,  mochte  sie, 
als  sie  das  griech.  x67,nog  von  ihr  empfing,  im  guten  Glauben 
richtiger  zu  sprechen,  colfus  sagen.  —  Viel  Jüngern  Datums  sind 
Wörter  wie  ital.  fosforo.  Es  wird  daher  in  dem  apul.  posperu 
nicht  die  vulgäre  Wiedergabe  von  (ftoacfOQog  zu  sehen  sein,  viel- 
mehr ist  in  diesem  Dialekte  sf  zu  sp,  dann  der  Anlaut  dem 
Inlaut  angeglichen  worden.  Im  ital.  hosforo ,  frz.  hosphore 
verschulden  wohl  auch  wieder  Gelehrte,  die  das  Wort  mit  (piQot 
in  Verbind img  brachten,  die  falsche  Aussprache,  die  Schreibweise 
husphorus  findet  sich  schon  Propert.  UI,  9,  60.  Merkwürdig  ist 
ven.  folp,  vegt.  fualp,  romg.  fulp,  tarent.  vurpu  aus  pölypus.  — 
Eomanische  Fälle  für  p  sind  noch :  ital.  Giuseppe ,  zampogna, 
Span,  zampona^  frz.  tromper  aus  trhimphare.  Inlautend  ph  wird 
wie  lat.  f  behandelt  in  einigen  wenigen  späten  Wörtern,  s.  §  447. 
Schwierig  ist  ital.  sione,  das  zu  aicftof  gestellt  wird,  aber  weder 
bei  der  alten  noch  bei  der  neuen  Aussprache  des  (f  erklärt  sich 
sein  völliger  Schwund. 

Das  griechische  x  vor  a,  o,  u  wird  durch  lat.  g  wieder- 
gegeben: das  g  dürfte  hier  die  reine  Tennis  ausdrücken  im 
Gegensatz  zum  lat.  c,  das  leicht  aspiriert  war-  vulglat.  gubernare, 
xvßtQvav,  so  icaf.tf.iuQog ,  ital.  gamhero,  span.  gamharo,  frz.  jamhle, 
xuQv6(fv'k'kov,  ital.  garofano,  frz.  girofle,  xoXnog  golfo,  xwßiog  gdbbio, 
frz.  gougeon,  xQvnru,  ital.  grotta,  xovdv  gondola  u.  s.  w.  Daneben 
stehen  aber  hier  ebenfalls  wieder  Fälle  mit  dem  tonlosen  Laute 
auch  im  Romanischen :  ital.  colla  Leim  xöXXa ,  span.  corma 
xoQfxog  u.  s.  w.  Ebenso  n:  burrus  nvQQog,  huxida  n'ö'^ida,  ital. 
biista,  vielleicht  ital.  batassare  naruoasti^ ;  dagegen  fehlen  Beispiele 
flir  griech.  t  zu  lat.,  rom.  d  (stradiotto"  ist  an  strada  angelehnt), 
so  dafs  also  wohl  die  beiden  Laute  sich  genauer  entsprachen.  — 
Die  Gutturalen  vor  e,  i  werden  in  späteren  Bücherwörtern  den 
lateinischen  gleichgesetzt,  also  im  Ital.  als  ^,  im  Frz.  als  S, 
im  Span,  als  /  gelesen.  Volkstümliche  Wörter,  die  jünger  sind 
als  die  Palatalisierung  von  lat.  ce,  ci,  bewahren  dagegen  den 
Guttural:    ital.  scheggia  o/idtu,  daneben  sceda;  ebenso  chicco,  frz. 

Meyer.  Grammatik.  3 


34  Einleitung.  §    17. 

chiclie  (§  409)j  ital.  ghisqu'tamo,  worin  die  Wiedergabe  des  v  als 
ui  dem  Einfiufs  des  Gutturalen  zuzuschreiben  ist.  In  ital. 
scojattolo ,  frz.  ecureuil  oxiovQog  ist  das  unlateinisclie  iur  zu  nir 
bezw.  wi  umgestellt  worden.  In  ital.  pistaccMo  ntaröy.ioi',  petacchio 
ntjaxvoi'^  mostaccliio  *f.ivoTuy.toi'  ist  die  Erhaltung  der  Endung  be- 
günstigt durch  das  entsprechende  italienische  Suffix.  Für  deii 
tönenden  Laut  ist  etwa  zu  merken  ital.  glieppio  neben  genia. 
Dafs  die  ältesten  Entlehnungen  wie  yJvTQOv  ccnfrum  dem  latei- 
nischen c  folgen,  ist  selbstverständlich.  Ital.  ciro  /oiQoq  ist  wohl 
ganz  junges  Lohuwort,    ebenso  cirindone,    cirindonia  xv^iov  ÖaiQu. 

Endlich  C.  Der  Lautwert  des  Zeichens  C  ist  für  das  Alt- 
griechische nicht  sicher  zu  bestimmen.  In  den  frühesten  Lehn- 
wörtern wird  es  durch  SS  wiedergegeben :  massa  f-iaCa.  Später 
aber  mufs  es  sich  sehr  dem  lateinischen  di  genähert  haben,  vgl. 
gelosus,  ital.  geloso,  frz.  jaloux,  'C^iLvifor,  ital.  giuggiola,  frz.  jvjnhe, 
LiyyißiQij  ital.  gengiovo,  frz.  gingembre,  hapÜzare,  ital.  hatteggiare. 
span.  hatear,  afr.  hatoyer. 

Auch  die  Betonung  der  Wörter  blieb  beim  Übergang  aus 
der  einen  Sprache  in  die  andex-e  nicht  unangetastet.  Als  Grund- 
regel kann  aufgestellt  werden:  in  volkstümlichen  Wörtern  bleibt 
der  griechische  Accent  fest,  aufser  wenn  er  auf  die  letzte  Silbe 
fällt,  Oxytona  folgen  dem  lateinischen  lietonungsgesetz :  tapinus 
zanuvog,  späsmus  onuGf-iog,  ital.  spasimo,  pardhula  nuQußoX^,  ital. 
parola,  frz.  parole ,  tallus  da'kXoc,  daher  ist  span.  goldre  aus 
y.OQüTog  auffällig;  dann  also  Proparoxytoua  mit  griechisch  langer 
vorletzter:  eremus  1'Qrjf.iog ,  ital.  ermo ,  afr.  crme,  span.  yermo, 
hldsfemus  ß)MO(fri/.iog,  ital.  biasimo ,  frz.  bläme,  bntyrum  ßovrvrjor, 
ital.  bviro,  prov.  buire,  frz.  beurrc,  selmiim  oelwof,  ital.  sedano, 
S^vf.iallog,  ital.  temolo ;  Paroxytona  mit  kurzer  Tonsilbe:  xMsdna 
nxiGuuri,  ital.  t'isana.  Nach  lateinischer  Art  sind  betont  die 
ältesten  Lehnwörter  wie  talentum  aus  TuXarroi' ,  cetera  und  die 
Buchwörter,  wie  äbissus,  aßvooog,  ital.  abisso ,  colera  yokc^u.,  ital. 
collera ,  elogium  evloyiu ,  ital.  elogio ,  frz.  eloge  u.  a.  Ferner 
papyrns,  sard.  pavilu,  span.  pabilo,  portg.  pavio^  ven.  pavero^ 
eng.  pavail  Auffällig  ist  hier  das  fast  durchgehende  l  statt  r 
und  die  doppelte  Wiedergabe  des  v.  Frz.  papier j  span., 
portg.  papel,  mail.  palpte  sind,  wie  das  p  zeigt,  jünger. 
Schwanken  zeigen  die  Wörter  auf  ia,  io :  entweder  behielten  sie 


§   17,    18.  Griechische  Bestandteile:  Aocent.  35 

ihren  Accent :  soffa,  oder  sie  wixrdeu  den  zahlreichen  lateinischen 
Bildungen  auf  -?a  gleichgestellt,  nicht  nur  die  alten  pldtea 
nlaxila,  ital.  piazm,  frz.  jf)?rtce,  oleum  Dmi'u,  sondern  auch  ecciesia 
fxxXr,aiu,  ital.  chiesa ,  frz.  eglise,  hiblia  ßißXi'u.  Etwas  anders 
erklärt  sich  prcshiter ,  frz.  pretre,  ital.  i^rete:  nofcfßvTeQog 
ergiebt  lateinisch  zuniichst  die  Flexion  presbyterus,  i,  o,  tim,  o, 
dann  wird  dazu  ein  neuer  Nominativ  gebildet  auf  ter  wie  drhiter, 
der  nun  auch  auf  der  drittletzten  betont  wird.  Die  griechische 
Betonung,  oder  besser  die  Betonung  des  Accusativs  liegt  vor  im 
afr.  prevoire.  Ein  Buchwort  ^  das  trotzdem  den  griechischen 
Accent  festhält,  ist  idolmn  fldoloi',  ital.  i'dolo,  afr.  idele:  offenbar 
liegt  hier  VerAvechslung  mit  dem  lateinischen  Suffixe  -ulvs  vor. 
Als  Buchwort  ist  wohl  auch  elcmosytia,  ital.  limoshia,  frz.  aumöne 
zu  betrachten.  Aus  (fdarjlog  entsteht  schriftlat.  faselvs,  woraus 
mit  verändertem  Suffix  faseolns ,  ital.  faghioli.  —  Daher  wird 
cornice  =  xoQ(m'ig  eine  romanische  Entlehnung  aus  dem  Mittel- 
griechischen sein,  wie  fälöj   S.   30. 

Jede  Vorarbeit  über  die  griechischen  "Wörter  im  Eo- 
manischen  fehlt  noch.  Das  kleine  Verzeichnis  Gr.  I, 
57 — 61  ist  teils  zu  kürzen,  teils  bedeutend  zu  erAveitern. 
Für  die  lateinische  Zeit  liegt  die  tüchtige  Arbeit  von 
F.  0.  Weise  vor,  Die  griechischen  Wörter  im  Latein, 
Leipzig  1882.  Wenig  Wert  hat  F.  Zambaldi,  Le 
Parole  Greche  delV  vso  italiano,  Toriuo  1883.  Von  den 
bei  Diez  als  griechisch  bezeichneten  Wörtern  dürften 
wegfallen:  portg.  anco,  wohl  zu  anca;  uYaiog  agio,  ßaXXi- 
tiir  haigare,  das  ital.  Wort  ist  von  halza  Vorsprung, 
eigentlich  Gürtel  (lat.  halteiis)  abzuleiten;  ßeXf:f.ivoi>  haletio, 
/yd(»/?opog  hourbe,  ßQtär  brio,  ßQOfjrj  brontolare,  dvXay.og 
talega,  XunuS-ov  lapa  (das  wohl  mit  frz.  Icqyin  zusammen- 
gehört), fuoxäi'  moqner ,  olaog  osicr,  nuXuieiy  pelear, 
nixuXov  poele  (gehört  zu  paViiim  §  280),  n-AunTnv  zappare, 
rgay^jf^utra  treggea,  (fQUTTetr  fratta,    ffoni  foja. 

18.  Xächst  den  griechischen  sind  die  germanischen  die 
wichtigsten  Fremdlinge  im  romanischen  Lexikon.  Sie  finden  sich 
über  das  ganze  Gebiet  zersti-eut,  nur  Rumänien  kennt  sie  nicht, 
abgesehen  vielleicht  von  nastur  (Knoten,  Knopf),  wenn  es  mit 
ital.  nastro  zusammenhängt  und  beide  zu  dem  deutschen  nestel 
gehören.  Dafs  in  der  Zeit,  wo  die  Goten  im  Balkan  safsen, 
sich  ein  Wort  ihi-er  Sprache  zu  den  Rumänen    verirrt    habe,    ist 


36  Einleitung.  §    18. 

nicht  geradezu  luidenkbar,  ist  aber  auffällig,  so  lange  sich  nur 
ein  einzelnes  findet.  Auch  was  Sardinien  und  Sizilien  an  ger- 
manischen Wörtern  besitzen,  ist  erst  später  aus  dem  Italienischen 
hinübergekommen.  Auf  die  Fragen  nach  der  Verteilung  des 
Wortschatzes  auf  die  verschiedenen  romanischen,  wie  auch  auf 
die  schenkenden  germanischen  Stämme,  nach  der  Wanderung 
gerade  dieser  Wörter  kann  hier  natürlich  nicht  eingegangen 
werden;  es  bleibt  aber  zu  untersuchen,  Avas  aus  denjenigen  ger- 
manischen Lauten  wurde,  die  im  Romanischen  nichts  Ent- 
sj)rechendes  hatten.  Unter  den  Vokalen  kommen  nur  die  Ver- 
bindungen ai,  hl  in  Betracht.  Das  erstere  wird  in  betonter  wie 
tonloser  Silbe  im  Italienischen  stets  zu  einfachem  a  reduziert: 
waidanjan:  guadagnare,  tvaid:  guado,  hrainna:  guaragno,  zeina: 
zana.  Romanisches  ai  wird  im  Italienischen  anders  behandelt, 
s.  §  299.  Laido,  ladio,  die  zu  deutschem  laid  gehören,  sind 
daher  wohl  aus  Frankreich  gekommen,  ebenso  auch  aghirone 
aus  prov.  aigron,  nicht  direkt  aus  ahd.  heiger.  Jung  mufs  zaino 
neben  zana  sein.  In  Frankreich  gilt  a  ebenfalls  als  Vertreter 
von  ai,  aber  nur  in  den  ältesten  Wörtern,  in  Eigennamen,  ferner 
in  afre,  germ.  aihhor,  liame  =  haim^  haste  zu  liaifsts,  gagner, 
drageon:  *draibjo,  s'avachir:  tvaikjan.  Daneben  stehen  nun  als 
einer  jüngeren  Zeit  angehörig  laid  =  laid,  souliait  zu  anord. 
lieit,  dazu  das,  wie  es  scheint,  nur  normannische  und  zunächst  im 
Strandrecht  gebräuchliche  ^rMa?/,  germ.  *«;«?/ verlornes  Gut;  ferner 
steht  neben  afr.  frarous  prov.  fraidit  zu  ahd.  freidi,  neben  frz. 
jRambaut,  Henri  prov.  Ttaimhaut,  Aimeric,  vgl.  noch  Aimes,  und 
neben  afr.  liairon,  gaire,  deren  i  sich  aus  dem  g  erklärt,  prov. 
aigron,  gaigre,  so  dafs  also  ein  Unterschied  zwischen  Proven- 
zalisch  und  Nordfranzösisch  oder  zwischen  Fränkisch  und  Gotisch 
zu  bestehen  scheint.  —  Fürs  Spanische  ist  ebenfalls  a  gesichert 
durch  lastar  zu  laist,  gnadanar,  guanir  =  *wainjan.  Daneben 
steht  das  jüngere,  vielleicht  erst  aus  Frankreich  übernommene 
laido. 

Für  iu  liegt  nur  sMuhan  vor,  woraus  afr.  eschevir,  ital. 
schivare  mit  u  =  v.   Über  treuwa  frz.  treve,  ital.  tregua  s.  §  501. 

Unter  den  Konsonanten  verdient  das  w  am  meisten  Beach- 
tung. Das  lateinische  v  stand  bei  der  ersten  Berührung  zwischen 
Römern    und    Germanen    dem    germanischen    sehr    nahe,      beide 


R   18.  Germanische  Bestandteile.  37 

waren  bilabi.il,  daher  bei  Entlehnungen  das  lateinische  v  blieb: 
ivein  ans  v'mum ,  weiher  aus  vivarimn ,  wiche  aus  vieia  u.  s.  w. 
Später  aber  wurde  das  lateinische  v  labiodental ,  was  die  Ger- 
manen durch  f  wiedergaben:  Veilchen  aus  viola ,  vers  aus  versus. 
Mfig  zu  cavea  u.  s.  w.  Der  Wandel  war  schon  vollzogen,  als 
gennauische  Wörter  ins  Romanische  drangen :  dem  ic  oder  viel- 
leicht u  entsprach  das  r  nicht,  wohl  aber  der  labiale  Eeibelaut 
nach  Gutturalen  qu,  gv.  Der  Umstand,  dafs  die  Romanen  lo 
oder  u  nur  in  Verbindung  mit  dem  gutturalen  Vei'schhifslaut 
sprechen  konnten,  brachte  es  mit  sich,  dafs  sie  bei  der  Nach- 
ahmung des  germanischen  n  die  ZungeuAvurzel  dem  Gaumensegel 
nicht  nur  bis  zur  Hervorbringung  des  ti  näherten,  sondern  einen 
vollkommenen  Verschlufs  bildeten,  der  nun,  da  w  tönend  war, 
ebenfalls  tönend  ist.  Also  ital.  guerra,  guisa,  giiarire,  guanto, 
guancia,  ghindare  aus  *gwndare  u.  s.  w. ;  frz.  guerre,  guise,  gare, 
garder,  guere,  gagner  u.  s.  w. ;  s])an.  guanir,  guardar,  guarir, 
guerra,  guisa  u.  s.  w.  Ül»(i'  cutsprechende  Behandlung  des 
lateinischen  v  und  u  s.  §  416. 

Dafs  germ.  iv  zu  z  werden  könne,  ist  nicht  glaublich, 
in  den  von  Mackel  S.  184  angeführten  afr.  Formen  gile, 
gerpir ,  prov.  gila  neben  geAvöhnlichem  guile,  guerpir, 
guiJa  haben  wir  wie  so  oft  im  Afr.  und  Prov.  g  vor  i 
in  gutturaler  Geltung.  In  nfr.  givre  Schlange  als 
Wappentier  ist  Einflufs  dieser  ungenauen  Schreibweise 
auf  die  Aussprache  zu  sehen  §  13. 

Dieses  romanische  gu  fehlt  nun  aber  den  Gegenden,  die  die 
stärkste  germanische  Beimischung  enthalten :  germ.  tv  bleibt  als 
w  im  Norden  und  Osten  Frankreichs,  also  im  Pikard.  warde, 
tvate'  (gäter)  u.  s.  w. ,  im  Wallon.  tvä  (frz.  guant),  icazö^  riceri 
(gueri)  u.  s.  w. ,  im  Lotr.  nada  fguarder),  wes  (ahd.  ivefsa)^  icete 
(gäteau)  und  so  noch  in  der  Franche-Conte,  z.  B.  Fourgs,  aber 
nicht  mehr  weiter  westlich  im  Morvan.  Wohl  aber  wieder  in 
der  französischen  Schweiz,  z.  B.  Waat:  uerdd,  iieri  u.  s.  w.  (doch 
ist  hier  das  Französische  schon  eingedrungen),  dann  in  Wallis, 
Savoyen  und  Piemont.  Das  Mailändische  zeigt  italienische  Form, 
aber  «•  mufs  lombardisch  sein,  da  es  sich  im  Tessin  als  v  (varde, 
vadane)  zeigt  und  hier  nicht  westrätisch  sein  kann,  weil  das 
Westrätische  mit  g  entspricht.  Aber  in  Tirol  wieder  vadaüar, 
Vera,    in  Friaul  nari,  ijardd,    uere   luid    nart,  nardd ,  n-e'rc,  und 


38  Einleitung.  §   18. 

von  da  auch   im  Ven. :    vadagnar^    vardar,    vera,   visa  Paol.,  var- 
dado  neben  gnardd  C.  .1.  u.  s.  av. 

"Wenn  auch  in  Sütlitalien  entsjj rechende  Formen  be- 
gegnen, z.  B.  Campob.  iiari,  tajrra,  oder  Messina :  uardari, 
Noto  vardari,  verra^  vasta,  vastari,  so  handelt  es  sich 
hierin  um  sekundären  8chAvund  des  g,  vgl.  §  415. 
Ebenso  wird  es  sich  mit  uare  (frz.  guerre),  ufre,  (frz. 
guere)  in  Armagnac  verhalten.  Wo  im  Schriftfranzösischen 
iV  erseheint,  liegt  entweder  Dissimilation  vor,  wie  in 
vogiie,  vague  oder  späte  Aufnahme  Avie  in  vacarme, 
ouest  u.  a.  Für  Savoyen  vgl.  Gillieron,  R.  Pat.  II, 
176—180. 

Auch  das  germanische  h  hat  im  Romanischen  keine  Fnt- 
sjtrechung,  da  das  lat.  li  längst  verstummt  war.  Im  Anlaut  vor 
Vokalen  lassen  es  die  südlichen  Idiome  fallen,  nur  das  Nord- 
französische nimmt  den  fremden  Laut  an  und  behält  ihn  ziem- 
lich lange.  Erst  1669  schreibt  Lartigaut:  „Le  propre  ef^t  de 
Vh  au  comancement  du  mot  et  uniquement  d'anpecher  l'elizion 
de  la  voyele  precedante  ....  (/«)  anpeche  la  liezon",  und  so 
die  folgenden.  Aber  der  Nordosten  ist  auch  hier  konservativ 
geblieben,  im  Wallon.  und  Lotr.  Avird  h  gesprochen.  Wir  haben 
also  afr.  halbere  (halsherg),  lianche  (hanka),  hardir  (Tiardjan),  helme 
(heim),  herde  fherda),  hache  fhapiaj,  honte  fhaunißa),  huese  (hosa) 
u.  s.  w. ,  aber  prov.  ausherc,  anca,  ardir,  elmc,  apcha,  onta,  ital. 
anca,  ardito,  ehno,  accia,  onta,  itosa.  Dringen  diese  Wörter  ins 
Spanisclie,  so  Avird  ihr  h  dem  s])anischen  h  aus  f  gleichgesetzt  und 
entsprechend  geschrieben,  Avandern  sie  noch  Aveiter  nach  Portugal, 
so  wird  (vgl.  §  22)  das  f  gesprochen :  asp.  facha,  faraute,  fardido, 
fonta,  npg.  facha,  farpa,  aber  sonst  span.  araldo,  arxm,  alhergar 
U.S.W.  Merkwürdig  sind  oberital.  garlo^=herh,  ital.  gufo  =  hüvo. 
H  vor  Konsonanten  zeigt  verschiedene  Behandlung.  In  der  ältesten 
Schicht  in  Nordfrankreich  Avird  /iZ,  hr  zu  /?,  fr:  flanc  =  hlanJca, 
freux  =  hrök,  flou  =  hläo,  frimas  zu  hrim,  daher  auch  die 
Eigennamen  Flohert  ^=  Hlodoherht,  Flovent  =  Hlodovinc  u.  s.  w. 
Zwischen  hn  und  später  zwischen  hr  entwickelt  sich  a:  hanap 
aus  hnap ,  harangue  zu  hring ,  norm,  harousse  =  hross.  Endlich 
in  der  jüngsten  Schicht  fällt  h  spurlos:  lot  ^=  hlaut-s;  nique 
zu  hnikkan,  arramir  zu  hramjan,  daher  auch  Eigennamen,  Avie 
Louis,    Lohier.     Für  die  übrigen   Sprachen    fehlt    es    an  sicheren 


(i    18.  (Jernianisclic  IJostandtcilc.  39 

BclegTii,  da  ital.  fuwca  niöfilicherwcise  aus  Frankroicli  stammt, 
wie  jedenfalls  spaii,  lote;  zu  harangue  gesellt  sich  ital.  aringa, 
span.  arenga.  —  Im  Inlaut  ist  gennainsches  h  nicht  blofse 
Aspirata,  sondern  gutturale  (nicht  palatale)  tonlose  Spirans.  Im 
Italienischen  und  Provenzalischen  wird  es,  da  ein  genau  ent- 
sprechender Laut  fehlt,  zum  gutturalen  tonlosen  Verschlufslaut: 
])vo\.  gequir,  ital.  gecchire  ^^jehan,  itul.  smacco  =^  smahi,  f.accola  = 
t'iha,  tccchirc  =  ßihan,  taccagno  ==  tahu;  \gl.  auch  span.  tacano. 
Auffallig  ist  der  tönende  Verschlufslaut  in  ital.  hagordarc ,  prov. 
ttigordar ,  doch  ist  die  Wanderung  des  Wortes  nicht  klar,  und 
in  ital.  agazzarc.  Im  Nordfranzösischen  aber,  wo  h  im 
Anlaut  bleibt,  ist  es  auch  im  Inlaut  ungestört:  jehir ,  mehaw, 
ti'hir.  Jüngere  Wörter  verlieren  h  spurlos:  spehon ,  ital.  spiare^ 
frz.  espier  u.  s.  w.  Vor  Konsonanten  endlich  im  Wortinnern 
wird  germanisches  h  ohne  weiteres  dem  lateinischen  c  gleich- 
gestellt, «also  germ.  lit  behandelt  wie  lat.  d,  vgl.  ital.  schietto, 
sJiht ,  schiatta^  slaM,  afr.  gaite,  tcahta.  Ital.  gttaitare,  guatare 
wird  also  wohl  wie  Iaido,  ladio  Lehnwort  aus  dem  Französischen 
oder  Provenzalischen  sein.  Endlich  auslautend  h  liegt  vor  in 
ital.  gi(ercio,  span.  guercho,  aprov.  guer  aus  germ.  diverh.  Das  d 
des  Ital.,  8pari.  konnte  die  Wiedergabe  eines  germ.  Ji  sein,  im 
l'rov.  würde  sich  der  Schwund  des  h  vor  dem  Flexions-S  (Nom. 
Sg.  Acc.  PI.  gvers)  am  ehesten  erklären. 

Wenn  camisia  germanischen  Ursprungs  ist  und  dem 
nhd.  hemd  entspricht,  so  mufs  seine  Entlehmmg  sehr 
früh  sein.  Formen  wie  Clovis  sind  der  schriftlichen 
Tradition  entsprungen,  vgl.  P.  Rajna,  Origini  del- 
Vepopea  francese  137  ff.,  afr.  elmc  osberc  neben  lielme 
halbere  stammen  zunächst  aus  Südfrankreich,  0.  Paris, 
Rom.  XVn,  425—429. 

(irermanisch  fc  entspricht  lateinischem  c  vor  a,  o,  n:  im 
Französischen  wird  es  vor  e,  i,  a  behandelt  wie  lateinisch  c  vor  a, 
also  cuevre  fkoJcur),  cote  (Jcotte),  e'cumc  fscum)  u.  s.  w.,  aber  Charles, 
choisir  ( Jeans j an) ,  e'chanson  (skanJijoJ,  eschermr  (slernjan) ,  eschiele 
(skella),  e'chine  (skina),  deehirer  (skerran) ,  anehe  fanca),  blanche, 
riche  (riki)  u.  s.  w.  Wörter  wie  e'cale  (skalj,  esqtiif,  bovqner  sind 
jüngeren  Datums.  Auf  p.alatale  Aussprache  des  k  in  der  Ver- 
bindung sh  im  Longobardischen  scheinen  ital.  schiuma ,  schiena, 
schiavino  hinzuweisen.  Kn  ^vu'([  behandelt  wie  hp :  knif,  frz.  canif. 


40  Einleitung.  §    18. 

ganivet.  —  G  entspricht  dem  /.',  vgl.  ital.  gliiera  (yer),  frz.  jardin 
(garda) ,  gerbe  (garha),  geude  (gilda)  u.  s.  w.  Daher  sind  ital. 
giardino ,  giga ,  wohl  auch  geldra  nnd  hargello  als  französische 
Lehnwörter  zu  betrachten,   ebenso  span.  jardin,  giga,  giron. 

In  der  Dentalreihe  sind  dem  Romauen  /  und  ä  unbekannt. 
Für  /  tritt  stets  t  ein ,  es  mufs  also  wohl ,  wie  auch  der  Über- 
gang zu  d  bei  der  althochdeutschen  Lautvei'schiebung  zeigt,  das 
germanische  th  der  As^iirata  näher  gestanden  haben  als  der 
Spirans,  als  welche  es  heute  im  Englischen  erscheint.  Also 
piudislc  ital.  tedesco,  span.  tudesco,  afr.  tiois,  ßairsan  frz.  tarir, 
ßeihan  ital.  tecchire,  frz.  teliir  u.  s.  w. :  doch  möchte  das  h  im 
span.  hrahon,  hrafonera  sich  Avohl  direkt  aus  hraäo ,  nicht  aus 
hrado  deuten.  Entsprechend  wird  das  germanische  inlautende  d 
durch  d  wiedergegeben  :  gnado  ^=^  vad;  über  Spuren  der  spiran- 
tischen Aussprache  s.  jedoch  §  557. 

Endlich  die  Anlautsgruppe  sl.  Im  Germauischen  hat  sie  sich 
zu  »Zweiter  entwickelt,  das  erst  durch  sd  dargestellt,  vielleicht  auch 
so  gesprochen  worden  ist.  Die  ältesten  romanischen  Lehnwörter 
zeigen  ebenfalls  sei.,  wogegen  jüngere  sl  aufweisen.  Frz.  elingve 
ist  erst,  Avie  der  betonte  Vokal  zeigt,  sehr  spät  aus  engl,  slmg 
entlehnt,  ebenso  ist  ital.  slitta  ganz  jung.  Daneben  stehen  nun  : 
afr.  esclo,  prov.  esdau  (slag  und  slavq),  afr.  csclenche  (slinlc),  esclicr 
(slitan) ;  ital.  scMetto,  prov.  esclet  (sliht) ;  ital.  schiatta,  j)rov.  esclata, 
frz.  escJate  (slaht);  ital.  schippire  (slipan).  Es  fragt  sich,  ob  der 
Einschub  des  c  bei  den  Romanen  oder  bei  den  Germanen  statt- 
gefunden habe.  Im  Vulgärlateinischen  wird  sl  zu  stl,  sei  §  403, 
dagegen  vermeidet  keine  einzige  der  romanischen  Sprachen  die 
Verbindung  sl,  namentlich  im  Anlaut  tritt  sie  oft  auf,  im  Inlaut 
wird  sei  im  Franz.  sogar  zu  sl:  mesler  aiis  *misclare;  es  müfsten 
also  jene  Wörter  in  sehr  früher  Zeit  aufgenommen  worden  sein. 
Das  ist  aber  wieder  z.  B.  bei  frz.  esclate  mit  Rücksicht  auf  die 
Behandlung  der  Gruppe  ht  nicht  möglich;  es  bleibt  also  die  An- 
nahme,  dafs  sei  aus  sl  germanisch,  nicht  romanisch  ist. 

Was  endlich  die  Betonvmgsverhältnisse  betrifft,  so  herrscht 
vollkommen  das  romanische  Gesetz  vor:  Wörter,  die  blofs  aus 
Stamm  und  Flexionsendung  bestehen,  betonen  den  Stamm ;  findet 
sich  zwischen  diesen  beiden  Elementen  noch  ein  Suffix,  so  erhält 
dieses  den  Ton,    also  genn.  falda,    ital.  fdlda,    afr.  falde,    germ. 


S    18,    19.  Germanische  Bestandteile.  41 

bälko,  afr.  balc  u.  s.  w.,  aber  krebh,  afr.  escrevisse ;  felise,  afr,  falise, 
hridel  afr.  iride'l  u.  s.  w.  Entspricht  aber  das  germanische  Suffix 
einem  lateinischen  unbetonten  Suffixe,  dann  kann  die  germanische 
Betonung  bleiben;  so  sind  die  meisten  Wörter  auf  -ila  den  lat. 
auf  i(h(S.  tila  gleichgestellt:  ßtvahüa  ital.  toaglia,  frz.  touaille, 
prastela  frz.  triilc,  'nastila  ital.  nastro  u.  s.  w. ;  ebenso  erklären 
sich  dUna  frz.  awwc,  hrdhsima  frz.  hreme,  ledig  frz.  ??^e,  liaunipa 
frz.  /low^e  u.  a. 

Xeuere  Untersuchungen  über  den  Gegenstand  :  W.  W  a  1  - 
temath,  Die  fränkischen  Elemente  in  der  französischen 
Sprache,  Diss.  Strafsburg  1885.  E.  Macke  1,  Die  ger- 
manischen Elemente  in  der  französischen  und provenzalischen 
Sprache,  Fr.  Stud.  VI,  1 .  M.  G  o  1  d  s  c  h  m  i  d  t ,  Zur 
Kritik  der  altgermanischen  Elemente  im  Spanischen,  Diss. 
Bonn  1887.  Vgl.  Littbl.  1888  Sp.  302—306.  Über  das 
lexikalische  Verhältnis  von  romanischem  und  germanischem 
Stoffe  im  Graubündnerischen  ist  auch  nachzusehen  A  s  c  o  1  i , 
Arch.  Glott.  Vn,   556—573. 

19.  Festzustellen,  was  die  vorrömischen  Völker  bei  der  Annahme 
der  lateinischen  Sprache  von  ihrer  sprachlichen  Eigenart  beibehalten 
haben,  ist  von  jeher  ein  beliebter  Vorwurf  derer  gewesen,  die 
sich  für  die  romanische  Sprachgeschichte  interessierten.  Durch 
den  Umstand,  dafs  wir  die  i;i  Betracht  kommenden  Sprachen  nur 
unvollkommen  oder  gar  nicht  kennen,  wird  die  Untersuchung 
bedeutend  erschwert.  Die  Frage,  inwiefern  das  Lautsystem  der- 
artige ethnologische  Einflüsse  zeige,  wird  im  Kapitel  V  zur  Sprache 
kommen ;  hier  handelt  es  sich  nur  um  den  Wortschatz.  Da  ist  nun 
sehr  wenig  geblieben,  weniger  als  man  im  allgemeinen  erwarten 
dürfte.  Es  hat  freilich  die  Wortforschung  sich  mit  den  Dialekten 
noch  wenig  abgegeben;  es  steckt  in  ihnen  gar  vieles,  was  vor- 
läufig völlig  dunkel  ist,  was  nicht  Lateinisch  und  oft  auch  nicht 
Germanisch  sein  kann.  Zunächst  haben  die  alt  italischen 
Dialekte  dem  Idiome  der  Stadt  einiges  geliefert;  im  lateinischen 
Wörterbuche  treffen  wir  zuweilen  Doppelfonnen ,  deren  eine 
römisch,  die  andere  sabellisch  (um  mit  einem  Worte  die  umbrisch- 
sabinisch-oskischen  Mundai'ten  zusammenzufassen)  ist.  So  sind 
nicht  echt  lateinisch  alle  Wörter  mit  f  zwischen  Vokalen,  also  z.  B. 
rufits  (statt  rö&t/s,  was  ja  auch  vorkommt),  scro/a,  ferner  si///"wr  (daneben 
sidpur).    Nun  findet  sich,  namentlich  im  Italienischen,  eine  kleine 


42  Einleitung.  §    19. 

Zahl  von  liauptsäclilitli  clor  Landwirtschaft  angehörigen  Ausdrücken, 
die  f  statt  lateinisch  h  zwischen  Vokalen  zeigen  :  es  läfst  sich  als 
sicher  annehmen,  dafs  in  ihnen  sabellisches  Gut  zu  sehen  ist.  Es 
sind  die  folgenden  :  sifüare  neben  sihilare:  sifilare  quod  nos  vili- 
tatem  verbi  vitantes  sihilare  dicimus  (Xonius  531,  2),  ital.  znfo- 
lare,  frz.  siffler ,  cMffJer,  wallon.  hüfle,  norm.  Süfe,  span.  chiflar; 
ital.  hifolco  (huhulcus);  ital.  scoffina,  span.  escofma  (scohina);  ital. 
scarafaggio  (scarahaevs) ,  dessen  Endung  *ajo  und  dessen  Anlaut 
scara  für  scar  ebenfalls  oskisch,  nicht  lateinisch  ist,  ital.  tafano 
(tabamis),  hufalo  (hv.hul'us),  profunda  (praebenda)  Pferderation, 
tartufo  (tuherj ,  taffiare  (tahülarej.  Auch  das  in  Glossen  vor- 
kommende hafer  (dick)  ist  wohl  sabellisch  und  erscheint  in  nord- 
ital.  haffo,  haffa,  Schinken,  crem,  haff'a,  Doppelkinn,,  vielleicht 
ital.  haff'i,  Knebelbart.  Ferner  erweist  sicli  auch  tvfo  durch  sein 
u  und  f  als  sabellisch.  Endlich  das  Wort  für  Schwefel  kann 
schon  deshalb  nicht  römisch  sein,  weil  die  Sache  in  Latium  fehlte, 
sulpur  und  sidfur  werden  verschiedenen  Dialekten  angehören ; 
beide  haben  sich  im  Romanischen  gehalten :  eng.  suolper,  prov. 
solpre,  champ.  spru  in  übertragener  Bedeutung  als  Adjektiv 
„empfindlich"  neben  s'fru  in  eigentlicher  „Schwefel"  u.  s.  w. 
Daneben  ital.  solfo ,  frz.  soujfre ,  span.  a^ufre,  portg.  enxofre, 
alb.  sk'ufur.  Zweifelhaft  bleibt,  ob  auch  Wörter  wie  ital.  a  ufo, 
caffo,  refe  hieher  zu  rechnen  sind. 

Umgekehrt  ist  beachtenswert,  dafs,  Avälirend  in  der  Litterar- 
sprache  das  sabell.  grunnire  das  echt  lat.  grundire  verdrängt  hat, 
das  letztere  geblieben  ist,  prov.  grondir,  afr.  grondir,  nfr.  gronder. 

Vergleiche  über  diese  Serie  den  schönen  Artikel 
A  s  c  o  1  i  s ,  Dhm  fdone  italico ,  diverso  dal  romano,  che  si 
avverta  nel  campo  neo-latino,  Arch.  Glott.  X,  1 — 17. 

Anders  verhält  es  sich  mit  einem  Wort  wie  ital.  p)^ota, 
freib.  pyota,  dauph.  j^Zofa,  die  (inf  planta  zurückführen.  Schon 
längst  hat  man  es  mit  dem  von  Festus  239  als  umbrisch 
bezeugten  plotus  plattfüfsig  in  Beziehung  gebracht  und  aus  dem 
ebenfalls  umbrischen  semiplotia  auf  jjZoto  geschlossen.  Allein 
die  dem  Romanisclien  zu  Grunde  liegende  Form  kann,  wie  aus 
der  Erhaltung  des  t  liervorgeht  (§  433),  nicht  umbr.  jüofa,  son- 
dern   ziinächst    nur    lateinisch    *plaitta    sein.     So    wird    aus    dem 


§   19    20.  Italische  und  keltische  Bestandteile.  43 

Romanischen  ein  zufällig  nur  im  Umbrischen  belegtes  Wort  als 
auch  im  Lateinischen  vorhanden  erwiesen.  So  entspricht  dem 
umbr.  varetom  ein  lat.  vöcitum  zu  vocare  (vacarej,  das  gesichert 
ist  durch  ital.  vuoto,  frz.  vide. 

20.  Für  die  kel  tischen  Elemente  fehlt  ein  dem  f  statt  h 
der  italischen  Wörter  entsprechendes  lautliches  Kriterium.  Wir 
liaben  unter  ihnen  eine  geringe  Zahl,  die  schon  früh  im  Latei- 
nischen sich  finden  und  dem  entsprechend  eine  ziemlich  weite 
Verbreitung  haben ,  andere ,  vielleicht  ebenso  alte  sind  zufiillig 
nifht  überliefert,  aber  bei  weitem  nicht  alle  von  römischen 
Schriftstellern  gebrauchten  sind  auch  romanisch,  sind  wirklich 
volkstümlich  gewesen.  Daneben  giebt  es  andere,  die,  ursjjrünglich 
blofs  auf  das  Gebiet  des  alten  Keltenlandes,  Gallien  und  Ober- 
italien, beschränkt,  zum  Teil  in  ihrer  romanischen  Gestalt  dann 
weiter  gewandert  sind.  Bemerkenswert  sind  ein  paar  Fälle,  wo, 
wie  es  scheint,  lateinische  Wörter  durch  begrift'lich  und  formell 
nahestehende  keltische  beeinflufst  worden  sind :  frz.  orteil  scheint 
seine  Bedeutung  und  sein  o  dem  in  den  Kasseler  Glossen  35 
enthaltenen  kelt.  ordiga  Zehe  zu  verdanken,  lat.  aHiculus ^  ital. 
artigllo ,  sj)an.  artejo,  portg.  artelho  bedeuten  Kralle,  Gelenk; 
dafs  prov.  ylaive  neben  glazi  eine  Kontamination  aus  lat.  gJadius 
und  kelt.  gladevo  sei,  ist  freilich  sehr  zweifelhaft.  Bis  nach 
Rumänien  scheint  kein  Wort  keltischen  Ursprungs  gedrungen  zu 
sein,  selbst  z.  B.  alauda,  heccus,  hemm  u.  a.,  die  sonst  das  ganze 
oder  fast  das  ganze  Gebiet  kennt,  fehlen  hier.  Und  so  ver- 
lockend es  ist,  rum.  mare,  gross  zu  dem  kelt.  gleichbedeutenden 
mar  zu  stellen,  so  begegnen  der  Zusammenstellung  dieselben 
Bedenken  wie  der  von   rum.  nastur  )nit  germ.  nastila  §   18. 

Bemei'kenswert  ist  die  verhältnismäfsig  gi-ofse  Zahl  geo- 
graphischer Gattungsnamen  keltischen  Ursjtrungs:  ital.  broglio 
u.  s.  w. ;  Span.,  prov.  comha,  afr.  comhc,  piem.  conha,  com.  gomba 
das  Thal,  daher  das  adj.  span.  comho ,  jiortg.  comho,  prov.  comb 
gekrümmt ;  ital.,  prov.  landa,  frz.  lande  Heide ;  afr.  rin  Flufs ; 
savoy.  nä.,  nät  Thal ;  daher  Avird  auch  ital.  rocca,  span.  roca,  frz. 
röche  Fels,  das  nicht  lateinisch  sein  kann,  dem  Keltischen  an- 
gehören, obschon  bisher  in  den  neukeltischen  Dialekten  sich 
nichts    gefunden    hat.     Auch    ital.    cammino,    span.    Camino,    frz. 


44  Einleitung.  8   20. 

chemin    mag    hier    Erwälmmig    finden    nnd    *hodina ,    frz.  hörne, 
ferner    prov.    crau    Stein.     Sodann    zeigt    das  Pflanzenreich    eine 
Reihe  keltischer  Namen,    wie  hetulla,  rom.  hetullum  (vgl.  §  545), 
dessen    nichtlateinisches    Suffix    zum    Teil    gegen     andere    umge- 
tauscht   wurde:    tessin.    hidelya.     (Nicht    recht    klar    ist    gleich- 
bedeutend nprov.,  kat.  hes,  jedenfalls  kann  es  nicht  zurückgehen 
auf  ein  einfaches  keltisches  ^bedum,    da  die  keltische  Grundform 
hetv-  ist.)     Dann  prov.  verna,   frz.  verne,  span.  hcrro,  prov.  sesca, 
afr.  sesclie,    auch    span.  jisca   Rohr,    friaul.,    nordital.  har  Busch, 
friaul.    hrusc    Reisicht,    jn-ov.    hrusca   Gerte,    ital.    frusco    Zweig, 
oherital.  viscla  die  Gerte.    Aus  der  keltischen  Landwirtschaft  sind 
übernommen :  ital.  tcnna^  frz.  henne,  carrus,  und  cantus  der  Rad- 
reif,   caniba   portg.  camha,    und  canibHa  frz.  jante  die  Radfelge, 
frz.  megue  Molken,    frz.  ruclic ,  prov.,  oberital.  riisca  Bienenkorb, 
frz.  marnCj    span.    marga    der  Mergel,    prov.  r<?a,    afr.  rate,    nfr. 
rayon  die  Furche  und  carruca  frz.  cliarrue  der  Pflug,  daher  auch 
soc   wohl    keltisch   sein   kann,    vielleicht    ital.    hrenno    die   Kleie, 
portg.,     prov.    gavela,     sjjan.     gav'üla^     frz.    javelle    Reisbündel, 
viduhivm,    prov.    beizod    (daher    frz.    besoche),    frz.    vouge    Hippe, 
ital.,    prov.    soga    Seil,    frz.    darne   Schnitte,    claie  Hürde;    vor 
allem    die    Ausdrücke,     die    sich    auf  das    Bier    und   dessen    Be- 
reitung   beziehen :    ital.    ccrvigia ,     frz.    cervoise ,    span.    cerveza ; 
afr.  bras  das  Malz  und  ?ie,   ital.  lia  die  Hefe.     Eine  dichte  Saat, 
ein  üppiges  Wachstum,    auch    ein  fetter  Boden  wurden  mit  dem 
Adjektivum  kelt.  *dlüto,  rom.  dntto,  frz.  dru,  gen.  druo  bezeich- 
net, der  harte  Boden  mit  crodius,  nordital.  croio,  prov.  croi.    Aus 
Gallien  kam  der  Rüde,    vertragus  ital.  veltro ,   frz.  vieuire,    wenn 
man  ihn  nicht  nach    dem  Ort    seiner  Herkunft    als    segusius    ital. 
segugio ,  span.   säbiieso ,  afr.   sews,    oder  gallicus,    span.   gälgo  be- 
zeichnete, und  der  Zelter :  paraveredus  ital.  pallafrcno ,    afr.  pale- 
frein,  auch  einzelne  Kleidungsstücke,  wie  braca,    ital.  brache,  frz. 
brayes,  gunna,  ital.  gonna,  afr.  gone^  vielleicht  sagum,  und  viria, 
ital.    viera    der  Armring,    bulga,    frz.    bouge,    sowie  Waffen:    frz. 
javelot,    javeline,    das  in  seiner  französischen  Gestalt  nach  Italien 
gewandert  ist:    giavelotto,    giaveVma   und  nach  Spanien:   jabaUna, 
endlich  frz.  matras.  Ob  arnais,  Avoraus  ital.  arnese,  die  Waffenrüstung 
oder  das  Handwerkszeug  des  Bauern  bedeutete,  mag  dahingestellt 
bleiben.     Auch  keltische  Bergleute  haben  bei  der  Romanisierunff 


§   20,   21.  Keltisclio   lind  iberisclie  Bestandteile.  45 

einzelui'  AusdriUko  ihres  Handwerkes  beibehalten  wie  mina,  der 
Sclincht,  ital.,  span.  mina,  frz.  mine,  lavsa,  Steinplatte,  piem., 
span.  lusa,  prov.  lausa.  Auf  die  gallische  Haartracht  oder  auf 
den  Bart  bezieht  sicli  span.  (/rfwa,  i'rz.  grenon,  auf  Kranklieiten,  die 
die  Römer  nicht  selbst  gekannt  zu  haben  scheinen,  sondern  erst  bei 
den  Kelten  sahen,  span.  sarna  und  frz.  dartre.  —  Von  Körper- 
teilen scheint  aufser  dem  Beine:  gamba,  jambe,  eigentlich  die 
Biegung,  der  Kniebug  auch  span.,  jJOi'tg-  gartet,  die  Kralle,  ital. 
garretto,  frz.  jarret,  die  Kniekehle  keltisch  zu  sein,  wofür  auch 
der  Anlaut  in  bagn.  tsarateire  sj)rechen  kann,  s.  §  422.  Schliefs- 
lich  sind  noch  einige  Verba  zu  nennen  :  frz.  hriser,  hroiser,  span. 
desleir,  ital.  giiidare,  afr.  guier,  frz.  braire,  oberital.  basire,  die 
Abstracta  prov.  aib,  gen.  aibo,  portg.  eiva,  ital.  brio,  afi\  bri;  ein 
paar  Adjectiva  wie  span.  brozna,  der  Stamm  des  frz.  petit,  des 
span.  menino,  endlich  afr.  maint.  Auffällig  ist,  dafs  auch  ein 
Ausdruck  des  Lehnwesens,  vasallo  von  den  Kelten  stammt. 
Davon  zu  scheiden  sind  Wörtei-,  die  erst  in  viel  späterer  Zeit 
aus  dem  Bretonischen  ins  Mittelfranzösische  gedrungen  sind, 
wie  frz.  mine,  Gesichtsausdruck,  quai,  bijou,  goelande,  gormetfe. 
Auch  camus ,  wenn  es  keltisch  ist,  kann  nicht  vor  das  X.  Jahr- 
hundert gesetzt  werden,  da  es  sein  c  vor  a  bewahrt,  ferner 
ist  wohl  auch  truan  erst  in  romanischer  Zeit  aufgenommen. 

Eine  Sonderung  der  im  Etymologischen  Wörterbuche 
enthaltenen  keltischen  Wörter  hat  R.  T  h  u  r  n  e  y  s  e  n  vor- 
genommen in  seinem  vorzüglichen  Buche  :  K  e  1 1  o  - 
romanisches,  Halle  1884.  Vgl.  dazu  Schuchardt, 
Littbl.  1885,  Sp.  110—114. 

21.  Noch  weniger  leicht  ist  zu  bestimmen,  was  der  spanische 
Wortvorrat  den  alten  Iberern  verdankt,  schon  deshalb,  weil  das 
heutige  Baskische  wie  das  alte  Iberische  uns  weit  unbekannter 
sind  als  das  Keltische.  Von  dem,  was  Wörterbuch  IIb  als  bas- 
kisch angeführt  Avird,  ist  vieles  romanisch  oder  vorläufig  noch 
dunkler  Herkunft,  und  wo  thatsächlich  sichere  Gleichheit  vor- 
liegt, ist  nicht  selten  die  Entlehnung  auf  Seite  des  Baskischen. 
Mit  etwelcher  Sicherheit  dürfen  immerhin  als  iberisch  bezeichnet 
werden  span.,  portg.  pdramo,  die  Haide,  schon  CLL.  H,  2660, 
span.,  portg,  nava,  Ebene,  bask.  nava,  vgl.  Navarra,  span.  vega, 
portg.  veiga,  Ebene,  span.  arroyo ,  portg.  arroio,  mlat.  arrogium, 


4,6  Einleitung.  §    21—23. 

Bach;  wovon  das  bei  Plinius  vorkommende  arnigia,  Stollen^  ital. 
roggia,  Abzugsgraben,  Bewässerungskanal  sich  durcli  Geschlecht 
und  Bedeutung  zu  sehr  trennt,  als  dafs  beide  ohne  weiteres  zu- 
sammengestellt werden  könnten.  Span.,  kat. ,  südprov.  artiga, 
frisch  bebautes  Feld,  bask.  articua,  span.  legamo,  Schlamm,  span. 
carrasca  cliaparra  quejigo,  verschiedene  Eichenarten,  pisarra, 
Schiefer,  guijo,  guijarro,  Kiesel,  span.  l)r\sa^  schon  bei  Columella, 
Trester  (vgl.  oben  lia;  freilich  scheiiat  es  auch  im  Osten  vor- 
zukommen alb. ,  maz.  berst),  hecerra,  junge  Kuh,  cor^"«,  Reh, 
garduna,  Wiesel,  podenco,  Kaninchenhund,  pcrro,  Hund,  manteca, 
Butter,  garulla,  ausgekernte  Traube,  gamarro,  Sprungriemen, 
narria,  Schleife,  laya,  eigentlich  ein  Ackerwerkzeug,  tapia^  die 
Lehmhütte,  isquierdo  sind  teils  ihrer  Bedeutung,  teils  ihrer  Form 
und  zugleich  ihrer  geographischen  Verbreitung  wegen  wohl  dem 
vorrömischen  Wortschatz  zuzuschreiben.  Dazu  kämen  einige  ganz 
junge  baskische  Wörter. 

22.  Auch  mit  dem  Rät  i  sc  heu  steht  es  schlimm.  Die 
Alpendialekte  zeigen  eine  Reihe  Wörter,  die  zweifelsohne  irgend 
einer  vorrömischen  Sprache  entstammen,  aber  welcher,  ist  kaiim 
mehr  zu  bestimmen.  Dahin  gehört  z.  B.  rät.  tauna,  ital.  tatm, 
prov.  tano,  frz.  tan-iere  (zu  unterscheiden  von  taisniere,  Dachsbau) 
die  Höhle;  oberital.  balma,  prov.  baumo^  sttdostfrz.  barme,  afr. 
balme,  *balma,  die  Grotte;  span.  manso,  ital.  mamo,  rum.  mim, 
alb.  ments :  *mavdium,  der  junge  Stier:  lomb.  j9?o,  tyrol.  j:>Zo/", 
Pflug  u.  a.  —  Xicht  besser  steht  es  um  die  Kenntnis  des 
dacischen  Elementes  im  Rumänischen:  Wörter,  wie  codrü 
(Hügel),  mal  (Ufer),  baJiä  (See),  brad  (Tanne),  die  sich  auch  im 
Albanesischen  wiederfinden,  kaum  aber  daraus  entlehnt  sind, 
dürften  um  so  eher  als  dacisch  angesehen  werden,  weil  sie  Be- 
griffe bezeichnen,  die  auch  in  den  anderen  Gegenden  oft  mit 
unlateiuischen  Namen  ausgedrückt  werden. 

Vgl.  G.  Meyer,  G-rundrifs,  S.  805.  Viel  zu  weit  in 
dacischen  Etymologieen  geht  H  a  s  d  e  u  in  seinem  Ety- 
mologicum  magnum  Roman  iae. 

23.  Von  sehr  grofser  Wichtigkeit  ist  der  Austausch  der 
Wörter  unter  den  romanischen  Sprachen  selbst.  Keine  einzige, 
nicht    einmal    die    abliegende     rumänische,    giebt    es,    die    nicht 


8   23.  Komaiiisdie  Lehnwörter.  47 

niaiu'lu'U    Aiisdnuk    von    den    aiuloren    geborgt    hätte.      Die    Ent- 
lehnung kann  dabei  eine  direkte  oder  eine  indirekte  sein.    Direkt 
nenne   ich  diejenige,    die  an   S})raehgrenzen   infolge   des  Verkehrs 
und    der    mehr    (»der    weniger    starken    Doppelspraehigkeit    statt- 
hat, die  mehr  oder  weniger  zufallig,   unbewufst  vor  sich  geht.    Als 
indirekt  ist  dann    die   infolge  litterarischen    oder  politischen  Ein- 
flusses eines  Sprachzentrums  auf  ein  anderes  eingetretene  zu  be- 
zeichnen.    Die    erstere    ist    bei    weitem    die    interessantere.     Bei 
dem  Übergang  eines  Wortes  aus    einer  Mundart   in    eine    andei-e 
sind    stets    drei  Möglichkeiten    im  Auge    zu    behalten.     Entweder 
das    neue  Wort    wird    umgestaltet    in  Übereinstimmung    mit    den 
Lautgesetzen    des    aufnehmenden  Dialektes :     norm,    polce    (anord. 
poM)  wird   im    Zentralfranz,   als  poche  wiedergegeben,    wie  norm. 
väke    frz.  vaclie  entspricht.     Diese  Fälle  haben  für  die  Lautlehre 
kein  Literesse;    es    ist    auch   schwer  und  nur  durch  äufsere  Kri- 
terien festzustellen ,    wo  sie  stattfinden.     Oder  das  aufgenommene 
Woi-t  behält  seine  fremde  Fomn  bei  und  nimmt  nur  noch  au  den 
Lautwandelungen  teil,  die  nach  seiner  Aufnahme  eintraten :  prov. 
uusberc    kam    nach  Nordfraukreich ,    als    man    dort    noch    chaiisa 
sprach,  dann  wurde  es  zu  osherc  wie  dieses  zu  chose.     Ähnliches 
haben    wir    §    11     bei     den    schriftlateinischen   Wörtern    gesehen. 
Endlich    der    wichtigste    Fall    ist    der    der    Umsetzung.       Frz. 
convoi     wanderte     nach    Oberitalien    als     convoi,     von    hier     in 
die  Toskana.     Da    nun   auf  den  Grenzgebieten    ein  i  einem  tos- 
kanischen  t  entspricht ,    z.  B.    voi  =  voglio ,    so    Avird    aus  convoi 
entsprechend    convoglio.     Oder,    da    anlaut.  span.    ch    oft    kat.    cl 
entspricht,  so   wird  span.  chopo  (pöpulus)  im  Katal.  zu  dop  um- 
gebildet.  Spanisch  ventaja  ist,   trotz  seines  weiblichen  Geschlechtes, 
Lehnwort    aus    frz.    ajvantage,     das    französische  Wort    hat    aber 
bei  der  Wanderung  den  Vokal  der  ersten  Silbe   umgeändert  nach 
der  Proportion  frz.  -ment  (spr.  mä)  =  span.  -mentc,  frz.  venter  = 
span.   ventear,  frz.  penser  =  span.  xiensar  u.  s.  w.     Auf  die  stoff- 
liche Seite  dieser  Entlehnungen    einzugehen,    mufs    ich   mir   hier 
versagen :    es    mag  die  Bemerkung  genügen ,    dafs  die  Ausdrücke 
des  Seewesens  oft  genuesische  Form  haben ,    wie  ital.  prua ,    frz. 
proue  aus  prora,  ital.  ciurma  aus  xfXevafja,  ital.  pvccia  aus  *puppia, 
oder  aber  neapolitanische  wie  ital.  ammoinare ,    frz.  amener,    aus 
invaginare,  neap.  mmaindr.    Ausdrücke  des  Kriegswesens  sind  oft 


48  Einleitung.  §   23.   24. 

hin-  und  liergewandert :  ital.  bastia  ist  ein  Lehnwort  aus  dem 
Französischen,  frz.  hastion  aus  dem  Italienischen.  —  Von  beson- 
deren Lautgestaltungen  mag  etwa  erwähnt  werden,  dafs  ital.  M 
durch  frz.  s  wiedergegeben  wird:  coccMo  =  coche,  nicchia  =  niclie. 

Entsprechend  der  ähnlichen  Erscheinung  in  schrift- 
licher Fortpflanzung,  die  man  als  umgekehrte  Schreib- 
weise bezeichnet,  jiflegt  man  von  „umgekehrter  Sprech- 
weise" zu  reden,  ein  Ausdruck,  der  nur  seiner  Schwer- 
fälligkeit Avegen  hier  nicht  gebraucht  Avird.  T  h.  G  a  r  t  n  e  r , 
Gramm.  34  hat  dafür  „Überentäufserung"  eingesetzt, 
eine  Bildung,  die  wenig  mit  dem  deutschen  Sprach- 
gefühle harmoniert.  D  i  e  z ,  Wörterlmcli  I  pioppo  spricht 
von   „Rückbildung". 

24.  Endlich  haben  die  romanischen  Sprachen  eine  Anzahl 
Wörter  und  Stämme  neugeschaffen,  und  gerade  diese  sind  mitunter 
sehr  fruchtbar  geworden.  Ich  sehe  dabei  ab  von  Wörtern  wie 
gas,  das-  der  Physiker  van  Helmont  frei  erfunden  hat.  Be- 
wegungen, Handlungen,  die  ein  bestimmtes  scharfes  Geräusch 
hervorbringen,  Averden  oft  bezeichnet  mit  einer  Lautgruppe,  die 
dieses  Geräusch  einigei-mafsen  nachahmt.  Einer  der  wichtigsten 
dieser  onomatopoietischen  Stämme  ist  pic,  das,  vielleicht  in  An- 
lehnung an  picus,  pica  gebildet,  das  Stechen  ausdrückt.  Vom 
Lateinischen  unterscheidet  sich  dieser  Stamm  durch  das  intensiv 
artikulierte  k,  das  im  Französischen,  Spanischen  bleibt,  im  Ita- 
lienischen lang  gesprochen  wird,  vgl.  ital.  picco,  frz.  pic,  sTpa,n.  pico, 
Schnabel,  ital.  piccare,  prov.,  span.  piccar,  frz.  piquer,  stechen, 
ital.  picchiare,  frz.  picoter,  span.  picara  u.  s.  w. ;  dann  auch  ital. 
piccolo,  klein.  —  Ebenfalls  onomatopoietisch  ist  ital.  ha-dare,  afr. 
ba-er,  den  Mund  aufsperren,  gaffen,  ital.  badigliare,  frz.  bäiVer, 
ferner  ital.  baire,  frz.  ebahir,  wogegen  der  Stamm  bab,  ital.  bäbbea, 
babbano,  Dummkopf,  prov.  bäbau,  Geck  u.  s.  w.  schon  im  Latei- 
nischen erscheint  in  babulus,  bäburra,  babiger;  ebenso  bamb,  lat. 
bambalio,  ital.  bambo,  bimbo,  span.  bamba  u.  s.  w.  Nur  romanisch 
bezeugt  ist  ital.  bava^  span.,  portg.  baba,  Geifer,  frz.  baver,  bavard; 
ferner  ital.  beffa,  span.  befa,  afr.  beffe,  span.  bafa,  prov.  bafa, 
Verspottung;  ital.  borbottare,  afr.  borbeter;  ital.  buffare,  span.  ÖMfar, 
frz.  bouffer:  hier  zeigt  schon  frz.  ow,  nicht  u,  neben  ital.,  sjjan.  u, 
dafs  nicht  ein  lateinischer  oder  germanischer  Stamm  mit  ü  zu 
Grunde  liegt.     Ital.  ciarlare,    span.  cliarrar;  ital.  ciocciare,    span. 


ß  24.  Onomatopoeien.  49 

chotar,  saugen;  ital,  chiacchiera,  span.  chachara;  ital.  fanfano, 
span.  farfante.  Auch  die  zahlreiche  Sippe,  die  von  einem  Stamm 
garg  ausgehend  die  Gui-gel  bezeichnet,  scheint  auf  dem  Laute 
des  Gurgeins  zu  beruhen,  wobei  lat.  gurges  vielleicht  mit  im 
Spiele  ist,  also  Wörter  wie  ital.  gargatta,  span.  garganta,  span. 
gdrgara,  ital.  gargagliare,  ital.  gargola,  prov.  gargar,  frz.  Jargon, 
vgl.  Wörterb.  I,  M.B.  62.  Femer  ital.  miciaf  span.  micha,  rum. 
mutsü,  afr.  mite;  ital.  ninno,  span.  nino,  kat.  nen,  gal.  neno; 
ital.  pappare,  Brei  essen,  sard.  papai,  essen,  ital.  pappo,  Kropf  der 
Vögel,  neap.  paparo,  Gans ;  span.  pato,  Tatze,  frz.  pataud,  pattin ; 
ital.  piare,  span.  J5tar,  frz.  piailler  (piepen);  ital.  pisciare;  ital. 
tartagliare,  span.  tartajear,  stottern ;  span.  chasco  u.  s.  w.  Für 
die  Lautlehre  sind  diese  Elemente  nicht  verwertbar,  um  so  mehr 
werden  sie  in  der  Wortbildungslehre  Raum  beanspruchen. 


Meyer,  Grammatik. 


I.  Kapitel. 
DIE   VOKALE. 


25.  Die  Veränderungen  der  Vokale  sind  in  erster  Linie 
bedingt  durch  den  Accent;  die  Schicksale  der  tonlosen  sind 
meist  ganz  andere  als  die  der  betonten:  diese  werden ,  ver- 
möge der  gröfseren  Anstrengung  ^  die  auf  ihre  Artikulation  ver- 
wandt wird,  gedehnt,  verdoppelt,  diphthongiert;  jene  sind  der 
Abschwächung  zu  indifferenten  Lauten  und  dem  schliefslichen 
Ausfall  unterworfen.  —  Bei  den  betonten  Vokalen  ist  wieder  zu 
unterscheiden,  ob  sie  frei  oder  gedeckt  sind,  d.  h.  ob  ihnen 
nur  ein  Konsonant  oder  eine  Gruppe  von  Konsonanten  folgt,  vgl. 
frz.  aimer  =  amdre  neben  part  =  pdrtem.  Erst  in  zweiter  Linie 
kommt  der  Einflufs  der  umgebenden  Konsonanten  in  Be- 
tracht. Am  meisten  ändern  die  folgenden  Nasalen  die  Klang- 
farbe eines  vorhergehenden  Vokals,  weniger  die  übrigen  Sonanten 
und  Dauerlaute,  kaum  die  Verschlufslaute,  solange  sie  Verschlufs- 
laute  bleiben.  Dagegen  stört  die  Vokalisierung  der  Gutturalen 
und  Labialen  zu  i  bezw.  u  sehr  häufig  die  regelmäfsige  Ent- 
wicklung der  Vokale.  Gering,  aber  doch  nicht  zu  unterschätzen, 
ist  auch  der  Einflufs  vorhergehender  Konsonanten,  speziell  der 
Palatalen  und  Labialen,  zuweilen  der  Nasalen  und  Gutturalen. 
Endlich  ist  für  den  Tonvokal  entscheidend  die  Zahl  der  nach- 
folgenden tonlosen  Silben  und  die  Qualität  der  tonlosen  Vokale. 
Die  Vokale  in  lateinischen  Proparoxytonis  zeigen  in  einzelnen 
Sprachen  andere  Resultate  als  die  in  Paroxytonis;  die  ein- 
silbigen, also  oxytonierten  Wörter  nehmen  wieder  eine  beson- 
dere Stellung  ein;    endlich  bewirkt  der  Umstand,    dafs  z.  B.  im 


§  25    26.  Vokalveränderungen.  51 

Französischen  fast  alle  Naclitonsilben  fallen,  also  die  meisten 
Wörter  oxytoniert  sind,  und  dafs  dann  auch  die  auslautenden 
Konsonanten  oft  schwinden ,  eigenartige  Umgestaltungen  dieser 
oxytonierten  im  direkten  Auslaute  stehenden  Vokale,  vgl.  aimer 
neben  perc.  Ein  nachtoniges  i,  seltener  u  oder  a  bedingt  in 
verschiedener  Weise  die  Farbe  des  Tonvokals.  Eine  besondere 
Stellung  endlich  nehmen  die  lateinischen  und  romanischen  Hiatus- 
vokale ein. 

Bei  den  tonlosen  Vokalen  ist  zu  scheiden  zwischen  der 
Stellung  vor  oder  nach  dem  Tone,  bei  letzteren  zwischen 
auslautendem  Vokal,  und  zwar  freiem,  wenn  kein  Konsonant 
folgte  im  Lateinischen,  gedecktem,  wenn  einer  folgte,  und  N ach- 
ton vokal,  wie  der  Kürze  wegen  der  tonlose  Mittelvokal  in 
Proparoxytonis  genannt  werden  soll.  Entsprechend  sind  vor  dem 
Accente  zu  scheiden:  anlautende  Vokale,  d.  h.  diejenigen  in 
der  ersten  Silbe  und  Vor  ton  vokale,  d.  h.  diejenigen  in  zweiter 
Silbe  von  auf  der  dritten  betonten  Wörtern.  Mafsgebend  für  die 
Klangfarbe  der  tonlosen  Vokale  sind  in  erster  Linie  die  um- 
gebenden Konsonanten,  weit  weniger,  und  mehr  ftir  den  Nach- 
tonvokal ,  die  betonten  oder  die  auslautenden  Vokale ;  unter 
bestimmten  Bedingungen  kann  Reduktion  zu  f  oder  völliger 
Schwund  eintreten.  Quantitätsunterschiede  in  tonloser  Silbe  sind 
bis  jetzt  noch  kaum  festgestellt  worden. 

Die  lateinischen  Vokale. 

26.  Das  Lateinische  besafs  ursprünglich  fünf  Vokale ,  die 
lang  oder  kurz  sein  konnten:  ä  ä;  e  e;  i  l;  ö  ö;  ü  ü.  Die 
Zahl  der  folgenden  Konsonanten  war  ohne  Einflufs  auf  die 
Quantität:  ledns  tectum;  cella  stölla;  distus  trlstis;  düds  lücis; 
cörnu  örnat  u.  s.  w.  In  tonloser  Silbe  wurden  ebenso  kurze  und 
lange  Vokale  geschieden:  viclnus,  UcSre;  detinere,  rettnSre;  röhüstits, 
mönümentum  u.  s.  w.  Nur  die  eine  Regel  ist  fest,  dafs  in  echt- 
lateinischen Wörtern  vor  ss  kurzer,  vor  s  langer  Vokal  steht. 
Im  Laufe  der  Zeit  nun  änderten  sich  diese  Verhältnisse.  Mit 
dem  quantitativen  verband  sich  auch  ein  qualitativer  Unterschied, 
die  langen  betonten  Vokale  wurden  geschlossen,  die  kurzen  offen 
gesprochen:  c/'f,  ß  7  e,  ?7't,  ?/'?,  Ö^p,  ö/'o,  ü'Zij,  üy^tt. 

4* 


52  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §  26    27. 

Nur  ä  und  ä  scheinen  denselben  Klang  behalten  zu  haben.  Nach 
dieser  Zeit  wurden  alle  betonten  Vokale  vor  gn  gedehnt,  der  so 
entstandene  neue  lange  Vokal  behielt  aber  seine  alte  Klangfarbe 
bei;  es  wurden  z.  B.  dignus  Ugnum  mit  kurzem  |  zu  dignus  lignum  mit 
langem  |.  In  einer  späteren  Zeit  schwindet  der  Quantitätsunter- 
schied übei-haupt;  l^ctus  tectum,  c§lla  Stella,  Ifgis  legis  unter- 
scheiden ihre  Tonvokale  nur  durch  die  Klangfarbe,  nicht  durch 
die  Dauer.  Dieser  Zustand  liegt  allen  romanischen  Sprachen  zu 
Grunde,  er  kann  als  der  vulgärlateinische  bezeichnet  werden. 
Wir  bekommen  also  folgendes  Vokalsystem : 
Vulglat.        Kl.-lat, 


1 

= 

i 

e 

= 

e 

^ 

= 

e 

u 

= 

ü 

y, 

= 

ü 

0 

= 

ö 

a         =         tty  a. 

In  sehr  früher  Zeit  sind  nun  auch  \  und  e  zusammengefallen, 

erst  etwas  später  ^  und  o;  die  beiden  letzteren  werden  noch  im 

Romanischen  zum  Teil  auseinandergehalten,    die  beiden  ersteren 

sind,  vom  Sardischen  abgesehen,  überall  zusammengefallen  unter 

einem  Laute,    der   als    e    bezeichnet   werden    kann,    und    der  je 

nach  den  Gegenden  bald  dem  i,  bald  dem  e  näher  lag. 

Zeugnisse  der  alten  Grammatiker  für  die  verschiedene 
Klangfarbe  von  e  und  e,  ö  und  6  bei  Schuchardt  I, 
461,  ni,  151,  II,  146,  III,  212;  Seelmann  211.  Über 
dignus,  Ztschr.  vgl.  Spr.  XXX,  335—337,  vgl.  SEIGNVM 
Museo  italiano  di  antichitä  class.  11,  485.  Die  Quantität 
in  gedeckten  Silben  sucht  W.  Förster,  Rhein.  Museum 
XXXm,  291  —  299,  zu  bestimmen ;  darauf  fufst  A.  M  arx , 
Hülfshüchlein  für  die  Aussprache  der  lateinischen  Volcale 
in  positionslangen  Silben,  Berlin  1883,  das  Buch  enthält 
aber  sehr  viele  Fehler ;  manches  bessert  Gröber, 
Substrate. 

27.     Von  den   lateinischen  Diphthongen  ae,  oe,  au  sind  die 
beiden    ersteren    früh    zu    Monophthongen   geworden    und    setzen 


8   27 — 29.  Vulgärlateinischer  Vokalismus,  53 

sich  im  Romanischen  teils  als  p,  teils  als  c  fort.  Die  Qualität  jedes 
einzelnen  Wortes  schon  ftlrs  Vulgärlateinische  festzustellen,  ist 
deshalb  unmöglich,  weil  die  einzelnen  romanischen  Sprachen 
nicht  zusammenstimmen:  frz.  foi/n,  eng.  fain,  span.  heno ,  die  e 
zu  verlangen  scheinen,  steht  italienisch  fieno  mit  dem  Vertreter 
von  f  gegenüber,  vgl.  §  295.  Das  schriftlateinische  au  ent- 
spricht teils  vulgärlateinischem  au,  das  in  den  Einzelsprachen 
sich  verschieden  gestaltet,  teils  vulgärlateinischem  o,  letzterem  in 
cauda ,  fauces,  aula,  caudex.  Da  diesen  Wörtern  nach  Ausweis 
der  verwandten  Sprachen  von  alters  her  ö  gebührt,  so  liegt  die 
Abweichung  nicht  auf  Seite  des  Vulgärlateinisch-Romanischen, 
sondern  des  Schriftlateinischen.  Dagegen  entsteht  ein  neues  au 
aus  der  Verbindung  am,  avu:  auca,  aucellus,  *  flautat,  gauta, 
amaut,  paraula  u.  s.  w. 

Havet,  Mem.  soc.  lingu.  IV,  234;    Thurneysen, 
Zeitschr.  vgl.  Spr.  XXVIH,  157—159. 

28.  Im  Lateinischen  findet  vor  Labialen  mehrfach  Schwanken 
statt  zwischen  i  und  ü:  quadrivium  und  quadruvium,  decimns 
und  decumm,  aurifex  und  aurufex.  Im  Romanischen  ist  i  die 
Regel;  nur  bei  quadruvium  hat,  wohl  unter  Einflufs  von 
quattrg  =  quattuor  der  labiale  Laut  die  Oberhand  gewonnen : 
mail.  Mrohhi,  gen.  karoggu.  In  der  Lautfolge  i  +  Labial  +  ul 
dagegen  hat  im  Vulgärlatein  Umstellung  stattgefunden :  stupila, 
ital.  stoppia,  rät.  stuvla,  afr.  estouhle,  estoule,  woraus  nfr.  eteule, 
piem.  strobia,  stumiUts,  friaul.  stompli,  mail.,  bologn.  stomhal. 
Zweifelhaft  ist  ?  —  u  zu  ü  —  i  in  gen.  fubbia,  ven.,  tir.  fiuba, 
friaul.  fiuhe,  romg.  fioha,  da  hier  der  Wandel  von  i  zu  u  in  den 
endungsbetonten  Formen  des  Verbums  afßubar,  frz.  afubler  vor 
sich  gegangen  sein  kann.     Über  nubüus  —  nihulus  s.  §  58. 

Mussafia,  Beitrag  57,   3. 

29.  In  tonloser  Silbe  ist  jeder  Quantitätsunterschied  ver- 
wischt; ferner  fallen  g,  e  unter  c,  ö,  ö  unter  o  zusammen,  es 
bleiben  also  nur :  (i,  e,  f,  i,  o,  y,  u.  Früher  noch  als  unter  dem 
Accente  werden  dann  c  und  f,  o  und  y,  aufser  im  Auslaute  gleich, 
im  Auslaut  aber  tritt  erst  in  der  Einzelentwicklung  der  roma- 
nischen Sprachen  eine  gröfsere  Vereinfachung  ein.  Au  bleibt, 
aufser  wenn  u  folgt;    in    letzterem  Falle   verliert  es  sein  labiales 


54  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    29,   30. 

Element:  agustus,  ascuUo,  aguriwm,  acupo,  was  aufser  durch 
zahlreiche  inschriftliche  Formen  Schuch,  II,  306  bestätigt  wird 
durch  Terentianus  Maux-us  470  ff.,  K.  VI,  339,  wo  die  erste  Silbe 
in  aurum  auspices  als  lang,  diejenige  in  Aurunci,  aut  ubi  (freilich 
auch  in  aut  age)  als  kurz  angegeben  wird ,  und  durch  die  roma- 
nischen Formen :  ital.,  span.  agosto,  afr.  aoust ;  ital.  ascoltare, 
span.  ascuchar,  afr.  ascolter;  ital.  sciagura,  span.  agüero,  afr.  eur; 
rum.  apucd.  —  Ausfall  von  Nachtonvokalen  tritt  im  Vulgärlatein 
ein  vor  l:  vetlus  u.  s.  w.  vgl.  §  403,  zwischen  Z,  r  einerseits  und  j^,  m,  ä 
andererseits :  caldus,  cälmus,  colpus,  ermus,  virdis ;  ferner  in  dem  schon 
bei  Plautus  bezeugten  domnus,  vgl.  §  325.  Vor  anlautend  gedecktem 
S  hatte  sich  etwa  seit  dem  II.  Jahrhundert  ein  palataler  Vokal 
entwickelt  e,  der  in  den  Inschriften  meist  als  i  geschrieben  wird : 
isperabi  CLL.  X,  8189  (Puzzuoli),  ispirito  IX,  9082  (Benevent), 
Jsmaragdus  XII,  1971  (Vienne),  doch  auch  espiritum  IX,  6408 
(Campomarini)  explendidos  259  (Grenosa  a.  395).  Dieser  Vor- 
schlag hat  zunächst  im  Satzanlaut  und  im  Inlaut  nach  konsonan- 
tisch auslautenden  Wörtern  statt:  ispata,  illas  ispaias,  aber  illa 
spata.  In  den  romanischen  Sprachen  ist  er  zum  Teil  wieder 
verschwunden,  zum  Teil  aber  auch  auf  das  Wort  in  allen 
Stellungen  übertragen  Avorden. 

Zahlreiche  Beispiele  bei  Schuchardt  II,  338  ff. 

Betonte  Vokale.  A. 

L    Vul^ärlat.  I  =  schriftlat.  I. 

30.  Das  l  ist  der  widerstandsfähigste  unter  allen  Vokalen. 
Im  ganzen  kann  als  Eegel  gelten,  dafs  es  im  Eomanischen  un- 
verändert bleibt.  Unter  den  Litterärsprachen  macht  nur  das 
Französische  vor  Nasalen,  das  Rumänische  nach  Gutturalen  eine 
Ausnahme.  In  den  Dialekten  aber  zeigen  sich  noch  eine  Eeihe 
teils  spontaner,  teils  bedingter  Wandelungen :  spontan  ist  die 
Spaltung  des  i  in  ii^  ei,  bedingt  der  Wandel  zu  e  vor  palatalen, 
zu  ü,  u  vor  labialen  Konsonanten,  die  Kürzung  zu  e  vor  mehr- 
facher Konsonanz.  Mit  auslautendem  oder  durch  Vokalisierung* 
von  Konsonanten  entstandenem  u  bildet  i  den  Diphthongen  iw, 
der  sich  weiter  entwickelt  zu  ieu,  oder  sein  labiales  Element 
konsonantisiert  if,  oder  verliert  i,  oder  betont  hi. 


§  31. 


I  bleibt  erhalten. 


55 


31. 


a)  i  Weibt  erhalten. 


Lat. 

QUl 

SIC 

-IliLIC 

-HIC 

Die 

Rum. 

— 

a§i 



ici 

gi 

Engad. 

k'i 

§i 



— 

— 

Ital. 

chi 

sl 

U 

qui 

di 

Frz. 

qui 

si 

— 

id 

dis 

Span. 

qui 

s/ 

alU 

aqui 

di. 

Lat. 

-ITU 

-ITA 

LITUS 

-ITIS 

-ITE 

Rum. 

-it 

-? 

tä 



40 

-ifi 

Engad. 

-iu 

-1 

da 



-it 

-i 

Ital. 

-ito 

-1 

ta 

Udo 

-ite 

-ite 

Frz. 

-i 

-l 

e 

— 

— 

— 

Span. 

-ido 

-ida 

— 

-is 

-id. 

Lat. 

VITE 

LITE 

NIDU 

PIDAT 

AMICU 

Rum. 

— 

— 







Engad. 

vitt 

— 

afiif 

fida 

amih' 

Ital. 

vite 

Ute 

nido 

fida 

amico 

Frz. 

vis 

— 

nid 

fie 

ami 

Span. 

vid 

Ud 

nido 

fia 

amigo 

Lat. 

ANTICÜ 

SPICU 

AMICA 

SPICA 

MICA 

Rum. 

— 

spie 



— 

micä 

Engad. 

— 

spik' 

amia 

spia 

— 

Ital. 

antico 

spigo 

amica 

spiga 

mica 

Frz. 

antif 

epi 

amie 

— 

mie 

Span. 

antigo 

— 

amiga 

espiga 

miga. 

Lat. 

INTKICAT 

FKIGUS 

PATIGA 

BIPA 

*PIPA 

Rum. 

— 

frig 

— 

§  41 

— 

Engad. 

— 

— 

fadia 

riva 

pipa 

Ital. 

intriga 

— 

fatiga 

riva 

piva 

Frz. 

trie 

— 

— 

rive 

(pipe) 

Span. 

intriga 

— 

fadiga 

riba 

pipa. 

56 


I.  Kapitel:  Vokalismus. 


§  31. 


Lat. 

STIPAT 

BISU 

OCCISU 

MISI 

WISA 

Rum. 

— 

§  41 

ucis 

— 

— 

Engad. 

— 

— 

— 

— 

guisa 

Ital. 

stiva 

riso 

ucciso 

misi 

guisa 

Frz. 

— 

ris 

ocis 

mis 

guise 

Span. 

estiva 

riso 

— 

— 

guisa. 

Lat. 

EADICE 

TRILICE 

-IVA 

LIXIVA 

MIEAT 

Eum. 

— 

— 

-ie 

le§ie 

mirä 

Engad. 

ri§ 

tarM 

•iva 

aUiva 

mira 

Ital. 

radice 

trilice 

-im 

lisciva 

mira 

Frz. 

raiz 

treillis 

-ive 

lessive 

mire 

Span. 

raig 

terliz 

-iva 

lejia 

mira. 

Lat. 

SUSPIEAT 

-IRE 

FILU 

-ILB 

VILE 

Rum. 

suspmä 

-\ 

fir 

— 

— 

Engad. 

suspira 

-ir 

ß 

-U 

vil 

Ital. 

sospira 

-ire 

ßo 

-ile 

vile 

Frz. 

sowpir 

-ir 

ß 

-il 

vil 

Span. 

suspira 

-ir 

Mio 

-il 

vil. 

Lat. 

LIMU 

LIMA 

EIMA 

VIMEN 

VINÜ 

Rum. 

im 

— 





vin 

Engad. 

— ■ 

Uma 

rima 



vin 

Ital. 

limo 

lima 

rima 

vime 

vino 

Frz. 

(limon) 

Urne 

rime 

pr.  vim 

§  33 

Span. 

limo 

lima 

rima 

mimhre 

vino. 

Lat. 

CLINU 

LINU 

-INU 

-INA 

TINA 

Rum. 

-  ell  in 

in 

-in 

-inä 

— 

Engad. 

inclin 

lin 

-in 

vna 

— 

Ital. 

chino 

Uno 

-ino 

-ina 

tina 

Frz. 

§  33 

§  33 

§  33 

-ine 

tine 

Span. 

— 

Uno 

-ino 

-ina 

tina. 

Lat. 

FINE 

EIDEEE 

FEIGEEE 

-IGINE 

FILIU 

Rum. 



§  41 

frige 

— 

— 

Engad. 

fm 

rir 

— 

— 

ß 

Ital. 

flne 

ridere 

friggere 

-iggine 

ßglio 

Frz. 

§  33 

rire 

frire 

§  33 

fils 

Span. 

fine 

(reir 

freir) 

-in 

Mjo. 

§  31. 


Lat. 

♦PILIAT 

FILIA 

-ILIA 

SCRINIÜ 

-INEU 

Rum. 

— 

— 

— 



— 

Engad. 

pila 

ßa 

•ila 

scrin 

-ifl 

Ital. 

piglia 

figlia 

-iglia 

scrigno 

-igno 

Frz. 

pille 

ßle 

-ille 

§  33 

§  33 

Span. 

pilla 

Mja 

-2ja 

escrino 

-ino. 

Lat. 

LINEA 

TINEA 

VINEA 

SIMIA 

TIBIA 

Eum. 

— 

— 

vie 

— 

— 

Engad. 

lin^a 

tina 

vifia 

— 

— 

Ital. 

ligna 

tigna 

vigna 

scimmia 

— 

Frz. 

ligne 

tigne 

vigne 

§  33 

tige 

Span. 

Ufla 

tina 

vina 

— 

— 

Lat. 

LICIÜ 

-ICIU 

FASTIDIÜ 

TITIO 

-ICLU 

Rum. 

H 

— 

— 

a^i^ä 



Engad. 

liö 

-iö 

— 

— 

-ü 

Ital. 

licdo 

-icäo 

— 

tizzo 

•icchio 

Frz. 

lice 

-is 

— 

atise 

-il 

Span. 

lizos 

-izo 

hastio 

tizo 

-ijo. 

Lat. 

VILLA 

MILLE 

FAVILLA 

LENTISCU 

HICISCU 

Rum. 

— 



— 

— 

— 

Engad. 

— 

milli 

— 

— 

— 

Ital. 

viUa 

mille 

favilla 

lentischio 

malva- 
vischio 

Frz. 

ville 

mil 

— 

— 

guimauve 

Span. 

Villa 

mil 

— 

lentisco 

mdlvavisco 

Lat. 

TRISTE 

HISPIDU 

QÜINQÜE 

PRINCEPS 

SCRIPTU 

Rum. 

— 

— 

cinci 

— 

(scris) 

Engad. 

trist 

— 

öinTi 

(prinz) 

scrit 

Ital. 

triste 

ispido 

cinque 

prince 

scritto 

Frz. 

(triste) 

hisde 

§  33 

§  33 

ecrit 

Span. 

triste 

— 

cinco 

(principe) 

escrito. 

Lat. 

\r[CTU 

*FICTU 

CRIBRU 

LIBRA 

PIU 

Rum. 

vipt 



— 

— 

— 

Engad. 

— 



crivel 

— 

— 

Ital. 

vitto 

ßto 

— 

libbra 

pio 

Frz. 

— 

ß 

crible 

litre 

§  38 

Span. 

— 

hito 

criho 

lihra 

pio. 

58  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §  31,  32. 

Lat.  *KIU  -*IU 

Rum.  —  — 

Engarl.  —  — 

Ital.  rio  -io 

Frz.  —  — 

Span.  rio  -io. 

Das  vulgl.  riu,  -iu  entspricht  dem  klass.  rivus,  -ivus  §  403. 
Zweifelhaft  bleibt  die  Quantität  und  Qualität  des  i  in  anguilla: 
ital.  anguilla,  nfr.  anguille  können  Buchwörter  sein,  für  i  spricht 
friaul.  anzile,  für  t  bearn.  aitele.  Ein  Maskulinum  *anguillus 
scheint  „Blindschleiche"  zu  bedeuten  vion.  äve,  morv.  lävio, 
albertv.  läviu.  Auch  lentiscus,  hibiscus  sind  nicht  ganz  sicher,  da 
die  spanische  Form  gelehrt  sein,  die  italienische  nach  §  80  auf 
t  zurückgehen  kann.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  ital.  fiscMa  = 
fistulat.  Tax  lomb.,  ven.  falUva  aus  favilla  gesellt  sich  sard.  faddi^a, 
auf  *falUsca  statt  falliva  gehen  portg.  faisea,  friaul.  fallisk'e 
zurück;  daneben  stehen  aber  merkwürdige  Formen  mit  anderem 
Vokal,  wie  portg.  fagulha,  piem.  falospa,  farosca,  bell,  flüspa, 
mant.  falüstra  neben  piem.  falispa,  ferr.,  mod.,  regg.  falistra,  die 
wieder  i  verlangen;  endlich  neap.  faella  hat  wohl  das  seltene 
illa  gegen  das  häufige  ella  ausgetauscht.  Weitere  Formen  Arch. 
Glott.  n,  341—343,  M.B.  54,  2.  Über  span.  reir,  freir  s.  die 
Konjugationslehre. 

b)  Spontane  Veränderungen. 

32.  Im  Westrätischen  wird  i  über  ii  zu  ei.  Die  älteste 
Stufe  ist  erhalten  im  Oberengadin :  fikl  aus  filum ,  wo  ik  aus  ii 
entstanden  ist  (vgl.  §  298),  dann  ei  in  Oberhalbstein :  feil,  veiver, 
durmeir ;  ^i  in  Tiefenkasten :  fpil,  v§iver,  durm^ir ,  endlich  eJcr  in 
Bergün  f^Jcl,  vegver,  durmeTcr.  In  Stalla  scheint  der  Wandel  be- 
dingt zu  sein :  diJc  =  dico,  aber  2.  Sg.  deist,  3.  dei.  In  Unter- 
halbstein rückt  das  ei  zu  oi  weiter:  vignoir,  nutroir,  toina  (vgl. 
§  71).  —  Im  äufsersten  Osten  des  rätischen  Gebietes  treffen  wir 
wieder  e  in  ßovigno,  ei  in  Dignano,  woran  sich  ei,  ai,  e  in 
V  e  g  1  i  a  knüpft,  vgl.  rov.  calsena  (ital.  cäldna),  ee  (ital.  gire),  fei, 
dign.  Ueima,  calseina,  vignei,  marei  (ital.  marito),  veiro  u.  s.  w., 
vegl.  faila,  ulaiv,  campanail,    spaira,    marait,    naid,    vaigna,    feil, 


§  32,  33.  Veränderungen  des  j.  59 

feina,  dormer,  mel  (mille),  redre,  lebra,  rec:  also  e  vor  mehrfacher 
Konsonanz  und  vor  r.  —  Auch  an  der  Ostküste  Italiens 
linden  sich  verwandte  Erscheinungen  in  der  Terra  di  Bari 
von  Molfetta  an  bis  in  die  Abruzzen  hinein,  doch  mit  Ausschlufs 
eines  Teils  der  Molise.  Ei  erscheint  in  Trani:  preime,  veita, 
Martina  Frauca :  veil,  dei§e,  Canosa  di  Puglia :  fateig,  Putignano : 
ieyi  (ital.  scire),  demmi  (ital.  dimmi),  premi,  Cepri  (ital.  Cipro); 
ai  in  Molfetta :  cammamo,  vailo,  Saia,  siffraia  (ital.  soffrire) ;  oi  in 
Bitonto :  v'doitt,  §oie,  sYroie,  Andria  proim.  §oi,  catoiv,  Modugno : 
menoie  (ital.  venire),  fatoi. 


c)  Bedingte  Veränderungen. 

1.     Einflufs    folgender    Laute. 

33.  Nasale.  Im  Xeufranzösischen  wird  l  zu  e,  die 
Orthographie  behält  im  ganzen  die  etymologische  Schreibung  bei.  In 
allen  altfranzösischen  Denkmälern  assoniert  in  mit  oralem  7,  im 
Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts  scheint  aber  die  heutige  Aus- 
sprache schon  vorhanden  zu  sein.  Palsgrave  (1530)  schweigt 
zwar,  schreibt  aber  poussein  204  (afr.  pousin  §  116),  Sylvius 
(1581)  sagt  nur,  dafs  in  nasal  sei,  äufsert  sich  jedoch  nicht  ttber 
die  Klangfarbe  des  i,  Cauchie  (1570)  dagegen  spricht  sich  deutlich 
aus:  „I  nihil  a  Latinorum  prolatione  et  usu  distat,  nisi  quod 
cum  m  aut  n  in  syllaba  ei  videatur  efferre".  Beza  schreibt  hin, 
fin  fiir  hamus,  fames ,  was  den  vollständigen  Gleichklang  von  % 
und  e  beweist,  und  damit  stimmen  denn  auch  alle  folgenden 
überein.  Es  sind  also  die  §  81  gegebenen  Beispiele  fürs  Franz. 
anzusetzen :  vin,  enclin,  lin,  -in,  fin,  -in,  e'crin,  singe,  cinq,  prince, 
gesprochen  vP ,  äkle ,  lü,  -e  u.  s.  w.  Mundarten  behalten  i  trotz 
der  Nasalierung,  z.  B.  Falkenberg,  vl^ ,  molV ,  metV .  Dagegen 
bleibt  das  i  in  ina  unverändert,  weil  die  Nasalierung  von  i  erst 
eingetreten  ist  zu  einer  Zeit,  wo  n  zwischen  Vokalen  auch  im 
Zentralfranzösischen  nicht  mehr  nasalierte.  Diejenigen  Mundarten 
jedoch,  die  unter  allen  Umständen  einen  von  einem  Nasal  ge- 
folgten Vokal  nasalieren,  oder  aber  ?  vor  der  Entnasalierungs- 
epoche  eintreten  liefsen,  zeigen  cne  bezw.  cne  flir  ina,  vgl.  fVir 
den  Westen:  famaine:  halaine  J.  le  March.  28,   17  und  heute  in 


60  I-  Kapitel:  Vokalismus.  |  33,  34, 

Bessin  epene,  famene,  Maine :  veii  (vigne),  ehvi  (ecMneJ,  Blaise : 
potren  (poitrme),  vevi.  Ebenso  im  ganzen  Osten  Seraing:  spen, 
tefif  faren ;  lothr.  p§n ,  cozen ;  Delemont :  famene,  neuenb.  l^ma 
(limej.  Noch  weiter  geht  Bercy  (Reims) :  erm  (raisin),  molä,  vä, 
epäne  u.  s.  w.  Vionnaz  ag  aufser  nach  Palatalen :  veme,  kreze.  — 
Auch  in  Italien  zeigt  sich  der  Wandel  von  i  vor  Nasalen 
zu  e,  im  Emilianischen,  vgl.  romg.  lema,  prem,  fen,  spen, 
matena  u.  s.  w.,  hol.,  mod.  prema,  aber  Mirandola  schon  i,  nörd- 
lich reicht  ena  nach  Pavia  hinein,  dazu  ei  aus  inum,  piacent. 
domattein;  auch  für  das  altmail.  wird  fiorenfenna,  vercellenna  an- 
gegeben, und  für  Busto  Arsizio :  quattren,  Visen,  moren,  scriturena, 
für  Val  S.  Martino  (Bergamo)  matena,  hösena,  endlich  crem. 
viulen,  hamhen.  —  Eine  dritte  Zone  findet  sich  in  Westrätien, 
und  zwar  nicht  nur  da,  wo  auch  sonst  e  statt  i  erscheint  (§  32), 
sondern  in  Dissentis  und  den  davon  abhängigen  katholischen 
Gemeinden  des  Rheinthals  vor  m,  in  Domleschg  u.  s.  w.  bis 
Stall a  auch  vor  n,  vgl.  obw.  lema,  emprem,  entadem  (lat.  imus); 
Doml.  veH  (vinum).  —  Eine  Mittelform  zwischen  in  und  2  zeigt 
S.  F  r  a  t  e  1 1 0 :  fie,  diS,  pedegrie  u.  s.  w. 

Über   frz.   gaine   aus    afr.  ga-ine,    lat.   vagina  u.  dgl., 
s.  §  598. 

34.  Palatale.  Folgt  dem  i  unmittelbar  ein  i  oder  ein  y 
oder  ein  palataler  Konsonant,  so  kann  es  durch  Dissimilation  zu 
e  werden.  Der  rein  palatale  Vokal  hat  die  Neigung,  mit  dem 
folgenden  palatalen  Laute  zu  verschmelzen.  Es  tritt  nun  im 
Streben  nach  Deutlichkeit  nicht  eine  stärkere  Annäherung,  son- 
dern eine  Entfernung  der  beiden  nahe  bei  einander  liegenden 
Artikulationsstellen  ein.  —  Zunächst  begegnet  die  Erscheinung 
nur  für  Hiatus-i  in  Lecce:  dzei  (ital.  zii)  neben  dsiu;  sei 
neben  §iu,  Suff,  -ei  Plur.  zu  -iu.  Nur  vor  K  und  y  in  S.  Fra- 
tello:  buMeha  (vensica),  amiey.  Auch  nidwald.  Mareya,  Jcumpa- 
neya  wird  hieher  gehören.  —  In  viel  weiterem  Mafse  in  Loco 
(T  e  s  s  i  n) :  Mareja,  feg  (ficus),  deg  (dico),  fadega,  spega,  vevi, 
vesen.  —  Sodann  auf  französischem  Boden  im  Nordosten,  z.  B. 
im  Wallonischen  (Seraing) :  v§n  (vinea),  f^y  (filia) ,  auch  vpy 
{villa  §  545),  Ptc.Fem.  -ey'  (-ita)  aus  iya  (§  433),  vey  (vita), 
v§sey  (vessica)  u.  s.  w.  Ebenso  im  Lothringischen  und  zwar 
einerseits    in  Metz   und  Umgebung,    andererseits    am  Ostabhange 


§  34—37.  I  beeinflufst  durch  folgende  Laute.  61 

der  Vogesen  im  oberen  Flufsgebiet  des  Breusch,  wogegen  in  den 
zwischenliegenden  Gegenden  vom  Süden  her  i  durchgedrungen 
ist.  Dann  im  Morvan  feille,  veigne,  in  Vaudemont,  Bresse  meye 
(mica),  feille.  Auch  Fourgs :  cendreuille,  etreuiUe  {öye)  wird  nicht 
anders  zu  fassen  sein.  Ferner  im  Westen:  fail  in  S.  Maxent 
und  Saintes. 

35.  Labiale.  Übergang  von  i  zu  u  (bezw.  ü  §  47)  unter 
Einflufs  eines  Labials  ist  eine  nicht  gerade  häufige  Erscheinung. 
Fllr  unbetontes  i  ist  sie  dagegen  oft  bezeugt  (§  863),  daher  es 
bei  manchen  hier  zu  nennenden  Beispielen  zweifelhaft  ist,  ob 
das  u  nicht  aus  der  tonlosen  Silbe  verschleppt  sei,  so  z.  B.  bei 
dem  eng.,  tirol.  prüm,  prum,  das  von  Primarius  beeinflufst  sein 
kann.  Sicher  ist  iv  zu  üv  in  Freiburg:  rüva,  tardüva  und 
danach  tardü,  dzädzüva  (auch  waat.),  crüblya,  dann  mit  u: 
arruve.  —  Ferner  Val  Soana  sOmya,  lüpya  (zu  lippus).  — 
Davon  verschieden  sind  ital.  zufola,  ven.  subia,  gal.  asuhia, 
afr.  suble,  norm.  §yüf,  morv.  §ül,  wallon.  hüfle,  freib.  sühlya,  die 
auf  lat.  sübolat  neben  sibilat  zurückgehen.  —  Weit  verbreitet  ist 
lessü  =  Hixiva,  so  Morv.,  Doubs,  Champ.,  Jura,  Fourgs,  Waat. 
Ob  luvre  dial.  an.  rat.  1 ,  1  in  modernen  Mundarten  lebt,  bleibt 
noch  zu  untersuchen. 

36.  R.  Bis  jetzt  ist  nur  aus  Judicarien  e  vor  r  statt 
i  nachgewiesen,  in  den  Infinitiven  wie  durmer,  fiurer  und  in 
huter  ital.  htitirro.  —  Ob  Neuweiler  (Lothringen)  rer  (ridere), 
der,  ekrer  hieher  gehört,  ist  nicht  ganz  sicher.  Wohl  aber 
Moldaui  seh  i^Wer,  grier,  mier  aus  aprilis,  grtlns,  miror,  rum. 
greer,  hrier. 

37.  i  vor  Velaren  bleibt  zwar  meist  erhalten,  zuweilen 
aber  entsteht  ein  Verbindungsvokal,  der  mitunter  dann  selbst 
den  Ton  auf  sich  zieht.  So  wird  ii  zu  iei,  iai  im  Proven- 
zali sehen.  Seit  dem  XTV.  Jahrhundert  erscheinen  solche 
Formen  nicht  selten  in  den  Texten,  z.  B.  in  S.  Agnes,  im  Albi- 
genserkrieg,  wo  592  aquiel  an  cargat  =  aqui  Van  cargat  beson- 
ders interessant  ist,  ebenso  in  der  Guerre  de  Navarre :  sid  =  sil 
743,  auziel  messatge  1374,  niel  2366,  in  Daurel  et  Beton  u.  s.  w. 
Heute  haben  wir  B6arn  piele  (pHe),  Inf.  piald.  Limousin :  viälo, 
fial,    ebenso    in    Perigorde,    Auvergne,    Montpellier    -iel:     viela, 


62  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    37^    38. 

ahriel,  miel,  auch  vialla,  rouerg. :   ftaly  nohiol;    in  Colognac   vi^lo 
aber  viäld. 

38.  Ähnlich  verhält  es  sich  mit  iu,  sei  es,  dafs  das  u  aus 
i  entstanden  ist,  wie  in  Nordfrankreich,  oder  aus  v  wie  im  Pro- 
venzalischen ,  oder  aus  dem  lateinischen  Endungs-w  wie  im  Rä- 
tischen. Im  P  r  0  V  e  n  z  a  1  i  s  c  h  e  n  wird  iu  zunächst  zu  ieu ,  was 
in  Urkunden  aus  Montpellier  seit  dem  XIII.  Jahrhundert  er- 
scheint: lieura,  viens,  estieu,  caitieu;  dieselbe  Form  findet  sich  in 
Bessieres  (Haute  Garonne)  lieuras,  in  Marseille,  an  den  Rhone- 
Mündungen :  fieu  (filos),  sutieu.  Aus  ieu  kann  eü,  öü  entstehen, 
so  in  Nontron :  röü  (rivus),  vöü  (vüis),  abröü  (aprüis),  löüra  (librä), 
vöüre  (viverej,  aber  vor  dem  Tone  stld.  Wenn  daneben  auch  vi, 
ri,  äbri  vorkommt,  so  sind  das  vielleicht  die  alten  Singular- 
accusative :  riu  zu  ri ,  aber  rius  zu  rieus.  Es  kann  aber  auch 
ieu  zu  ia«,  io  werden,  so  hautlim.  viore.  Selten  bleibt  im  Pro- 
venzalischen  iu:  b^arn.  arriu^  hiu,  Jiiu  mit  stark  reduziertem  u; 
es  tritt  Tonwechsel  ein  rouerg.  riü,  hiü,  lesiü,  astiü ,  ebenso  im 
Perig.  imd  Baslim.  Auch  fürs  Zentralfranzösische  wird  ieu  aus 
iu  gesichert  durch  essieu  =  axilis  (vgl.  essil  Gir.  Ross.,  bürg. 
est,  Berry  esit,  esille,  Seraing  Mons  asi  u.  s.  w.).  Daher  wird 
anch pius  zupieus  und  föllt  so  zusammen  mit  -eus  aus  -osus.  Sodann 
erscheint  es  westlich  in  der  Bretagne:  fiels  Aire  T.  17,  22,  26, 
östlich  inFourgs:  fieu,  woraus  m  (o. 9  Besan^on,  eau  (b.^Morvan. 
Daraus  entstehen  dann  auch  Formen  wie  vie  (vilj  M.  S.  Michel. 
2614,  v?eZAiol980,  avieWi  Chev.  II  esp.  4120  u.  s.  w.,  die  nicht  eine 
Brechung  von  i  zu  ie  zeigen,  sondern  von  ieu  her  das  e  ver- 
schleppen :  Nom.  vieus ,  Acc.  vil  wird  ausgeglichen  zu  vieus : 
viel.  —  In  der  Pikardie  stehen  ieu  und  iu  je  nach  den  Gegenden 
nebeneinander.  In  den  Urkunden  aus  Vermandois  in  der  ersten 
Hälfte  des  XHI.  Jahrhunderts  ist  ieu  selten;  der  Renclus  von 
Moiliens  reimt  iu  (aus  ils,  ivs),  ius  aus  §us  (caelos),  ous  (jocus): 
Car.  62  fius:  gius  (jocos),  sius  (sequis)  242  chius,  pius:  ententius: 
Dius,  mius,  ferner  210:  mieus,  tieus  (talis):  Dieus,  nicht  aber  ius 
mit  eis:  es  scheint  also,  dafs  er  ein  auf  §,  p  zurückgehendes  ie 
zu  i  reduzieren  kann,  nicht  aber  das  auf  e  beruhende.  Noch 
heute  ist  nicht  eine  einheitliche  Behandlung  auf  dem  ganzen 
Gebiete  durchgeführt:  yeu  und  yiX  bestehen  beide,  das  eine  in 
den  einen,  das  andere  in  den  anderen  Ortschaften. 


^  38 — 43.  I  beeinflufst  durch  vorhergehende  Laute.  63 

Im  Westrätischen  entsteht  iu  aus  Uus,  w^oraus  im 
Obwald.  und  Engad.  im,  eu:  udieu,  marieu,  ö  in  Muntogna: 
durmö;  tau  und  daraus  ia  in  Oberhalbstein:  ardia,  nia  (nidus). 
Über  if  aus  m  s.  §  555.  —  Schliefslich  ist  noch  avrieu  aus  aprilis 
in  S.  Fratello  zu  nennen. 

39.  Endlich  kann  vor  mehrfacher  Konsonanz  ein  i 
durch  Kürzung  zu  e  bezw.  §  werden.  So  im  Romagnolischen : 
mell  (müle),  spell  (ital.  spiUo),  veUa,  skrett,  vest  (ital.  visto),  Suff. 
-esta,  stezza  (ital.  stizza).  —  Sodann  im  westlichen  Eätien: 
Obwald.  und  Niederhalbstein ,  Berglin :  meli ,  fei.  Endlich  im 
Südost  französischen,  vgl.  Vionaz  Jcr§bd§  (crible),  wi§ts§,  f§de 
(ßle),  v§la  (ville),  dz§n§d§  (gallina)  und  sogar  dr§  (frz.  dire),  waat. 
v§la,  m§tsf,  d§re  oder  dre,  f§Ie,  v§ny§  u.  s.  w.  Jujurieux  vela, 
haeda,  sosesa  (frz.  saucisse),  dre,  saleva. 

2.     Einflufs  vorhergehender  Laute. 

40.  Nasal.  In  französischen  Dialekten  wird  mi,  ni  im 
Auslaut  zu  m%,  nl :  Lahague  am%,  finl,  ven%,  inlautend  :  Jcemlz';  ebenso 
im  Osten:  Falkenberg:  emU  (ami),  frcßmV,  v§n%^,  dr(pmV  (Inf. 
und  Part.).  Champlitte :  revenl,  bürg.  §ml,  §em%z€,  reven%,  droerM; 
Bagnard :  druml,  furn\,  ni,  v§n'l. 

Auch  andere  Nasalvokale  kennende  Gegenden  zeigen  Bei- 
spiele :  portugiesisch  mim,  ninho  (nh  gemäfs  §  441). 

41.  Gutturale  und  Palatale.  Im  Rumänischen 
wird  i  zvL  i  nach  r:  riu,  rtd,  rtm,  rimä,  ripä,  stric  (aber  z.  B. 
frig),  nach  ^  in  af%  im  Moldauischen  und  Altwal  achischen 
auch  nach  s  und  j:  rä§inä,  slvßm,  mold.  nach  s:  silä,  im 
Mazedonischen  nach  dz :  dzisirä  (dixerunt)  tsitsile  =  wal.  (i^ä. — 
Vgl.  noch  Vionnaz  veze  S.  60. 

42.  Labiale.  In  Villa  S.  Maria  (Abruzzen)  entwickelt 
sich  zwischen  einem  labialen  Konsonant  und  i  ein  u:  fuipe  (filia), 
famuiye,  puiye.  —  In  Caltanisetta  scheint  ui  aus  i  an  vorher- 
gehendes u  gebunden  zu  sein:  fudduitu,  vuluiri,  cumdva,  doch 
auch  ngna  duicu,  faöuissmi. — In  Falkenberg  (Lothr.)  wird  ei 
aus  i  (§  34)  zu  oß:  fce,  fq-y  (ßlius,  a),  mce  (mica). 

43.  Veränderungen  infolge  von  Oxy tonier ung. 
Oxytoniertes    i    wird    offen    in  Lahague:    epf,    brebj,  jadi,    v\e, 


64  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   43,   44. 

partfe,  -f  =  -iacum;  aber  vi  (vivusj  wohl  durch  das  Femininum 
beeinflufst,  i  =  ßum  und  ire.  In  Saales  (Lothringen)  tritt  e 
ein:  fe  (ßius),  Inf.  -e  (aber  rir),  ferme  (formica).  —  Bergamo: 
de  (dies),  se  (sie),  he  (ital.  qui),  le,  r  o  m  a  g  n.  de,  acse,  que,  die.  • — 
Intragna,  Losone,  Lavertizzo  nasalieren  jeden  auslautenden 
Vokal:  sintin,  so  taiah  (tagliare) ,  videih  (vedere),  fyoh  (fiore)^ 
pifiöh,  Mh. 

d)  Einzelheiten. 

44.  An  Stelle  eines  lat.  i  erscheint  teils  auf  dem  ganzen 
Gebiete,  teils  innerhalb  engerer  Grenzen  in  einigen  einzelnen 
Fällen  e  oder  §,  deren  jeder  für  sich  betrachtet  werden  mufs. 
Neben  span.,  portg.  frio,  alt  frido  aus  fr^gidus  steht  ital.  freddo, 
rät.  fre^,  prov.  freid,  frz.  froid,  die  fngidus  verlangen:  die  Ab- 
weichung scheint  durch  Einflufs  des  begrifflich  und  lautlich  nahe- 
stehenden rigidus  herbeigeführt  zu  sein. 
D'Ovidio,  Grundrifs  508. 

Neben    prov.   yeitse  =  ilice,    das    ins    Nordfranzösische    ein- 
gedrungen ist,  steht  ital.  elce,  möglicherweise  nach  felce,  selce. 
D'Ovidio,  Grundrifs  507. 

Ital.  car^na,  frz.  carine,  span.  carena,  portg.  querena,  crena 
sind  mit  lat.  carina  nicht  direkt  zu  verbinden,  auch  lassen  sich 
nicht  alle  Formen  auf  eine  gemeinsame  Grundform  zurückführen. 
Wahrscheinlich  ist  das  Wort  wie  andere  Schifferausdrücke  (§  23) 
von  einer  Seestadt  ausgegangen:  es  würde  sich  fragen,  ob 
irgendwo  am  adriatischen  oder  am  mittelländischen  Meere  i  vor 
w  zu  e  wird,  wo  also  die  Heimat  der  Form  zu  fixieren  wäre: 
Genua  kann  es  nicht  sein,  da  hier  das  Wort  caina  lautet.  — 
Ital.  fegato,  prov.,  rät.  fetge,  frz.  foie,  piem.  fediTc  verlangen 
*fecatus,  span.  Mgado,  portg.  figado:  *ficatu,  ven.  figd,  rum. 
ficdt:  ftcdtu.  Der  Wandel  von  i  und  e  hängt  wohl  mit  der  Ton- 
verschiebung zusammen.  —  Ital.  l§mo,  span.  lienea,  lieine,  Memo, 
Leinwand,  Imteum  sind  wohl  von  l§ntus  biegsam,  *l§nteus  beein- 
flufst. —  Wenn  ital.  segolo  zu  sica  gehört,  so  hat  es  seinen 
Vokal  nach  sicüis,  rum.  secere  umgestaltet. — Ital.  vetrice  =  vUice 
ist  an  vetro  angelehnt.  —  Neben  ital.  gJiiro,  berry.  lire  =  gllre 
steht  frz.  loir,  bergam.  gier,  tessin.  g^ra,  alb.  ger,  die  auf  ein 
gUre  (vgl.  stngis  und  stngis)  weisen. 


§  44—46. 


U  bleibt  erhalten. 


65 


Portg.  escreve  ==  scribit  geht  von  escrev'ir  aus.  —  Portg.  pega 
=  plca  ist  vielleicht  mit  pegar,  pichen,  pez,  Pech  in  Zusammen- 
hang gebracht.  —  Schwierig  ist  portg.  lesma  zu  Umax.  Ein  Dimi- 
nutiv *Hs'mmha  mufste  zu  lesminlia  werden  s.  §  558:  vielleicht 
stammt  das  e  daher.  Einer  befriedigenden  Erklärung  harren  noch 
ital.  mez0o  zu  mJtis,  span.  esteva,  ital.  stegola  zu  sUva. 

Mussafia  B.   111,   1  leitet  stegola  von    hasticula   ab. 

Unerklärt  ist  endlich  auch  ufr.  ie  aus  afr.  i  in  cierge^ 
vierge,  SufF.  -ihne,  wozu  noch  norm,  äbieme  =  ahime,  femer 
desierre  (desiderat)  bei  Jean  le  Marchant  kommt,  der  auch  schon 
vierge  kennt. 


2.    Viilgärlateiiiisch  n  =  schriftlateiniscli  ü. 

45.  Die  Schicksale  des  u  zeigen  grofse  Übereinstimmung 
mit  denen  des  i.  Auch  n  bleibt  auf  dem  gröfsten  Teile  des 
Gebietes  unverändert.  Wo  i  zu  ei  diphthongiert,  erscheint  ent- 
sprechend ou  aus  w,  ebenso  geht  die  Behandlung  des  u  vor 
Nasalen  der  des  i  parallel.  In  ganz  Frankreich,  in  Piemont, 
Genua,  der  Lombardei  und  in  Westrätien  wird  u  zu  ü,  das  sich 
weiter  zu  i  oder  os  entwickeln  kann.  Tonloses  u  verschmilzt 
meist  mit  v,  nur  im  ii-Gebiete  wird  zum  Teil  üu  zu  iu,  iü,  das 
dann  die  gleiche  Entwicklung  zeigt  wie  iu  aus  i  -f-  w  §  38. 


46. 


a)  M  bleibt  erhalten. 


Lat. 

TU 

-UTU 

-UTA 

MUTU 

BRUTU 

Rum, 

tu 

-ut 

-Uta 

mut 

— 

Friaul. 

tu 

-ut 

-uda 

mut 

brutt 

Ital. 

tu 

-uto 

-Uta 

muto 

brutto 

Span. 

tu 

-udo 

-uda 

mudo 

bruto. 

Lat. 

ALUTA 

RUTA 

MUTAT 

CEUDU 

NUDU 

Rum. 



ruiä 

mutä 

crud 

— 

Friaul. 



— 

müde 

crud 

nud 

Ital. 

allvda 

ruta 

muda 

crudo 

nudo 

Span. 

luda 

rtida 

muda 

cruo 

nudo. 

Meyer 

Grammatik. 

5 

66 


I.  Kapitel:  Vokalismus. 


§  46. 


Lat. 

SÜDAT 

BRÜCU 

SUCÜ 

PESTUCA 

LACTÜCA 

Rum. 

asud 



muc 

festucä 

läptucä 

Friaul. 

— 



— 

— 

— 

Ital. 

suda 

hruco 

sugo 

fistuga 

lattuga 

Span. 

suda 

hrugo 

sugo 

— 

lechuga. 

Lat. 

TORTUCA 

RUGA 

SÜGAT 

CÜPA 

FÜSU 

Eum. 

— 

— 

sugä 

(cupä) 

fus 

Friaul. 



— 

suye 

cuhe 

fus 

Ital. 

tartaruga 

ruga 

suga 

— 

fuso 

Span. 

tortuga 

arruga 

suga 

cuha 

huso. 

Lat. 

ÜSU 

ACCUSAT 

LUCE 

NÜBE 

UVA 

Rum. 

— 

— 

— 

— 

— 

Friaul. 

US 

aTcuse 

lus 

— 

ue 

Ital. 

uso 

accusa 

luce 

— 

uva 

Span. 

uso 

acusa 

luz 

nube 

uva. 

Lat. 

MÜRU 

DURU 

PURU 

MATÜRU 

JURAT 

Rum. 

— 

— 

— 

— 

jura 

Friaul. 

mur 

dur 

pur 

madur 

dzure 

Ital. 

mitro 

duro 

puro 

maturo 

giura 

Span. 

muro 

duro 

puro 

madiiro 

jura. 

Lat. 

MURE 

CÜLU 

MÜLU 

MÜLA 

PALUDE 

Rum. 



cur 



— 

padure 

Friaul. 



kul 

mul 

mule 

palud 

Ital. 



culo 

mulo 

mula 

padule 

Span. 

mw 

culo 

mulo 

mula 

paul. 

Lat. 

-ULE 

UNU 

UNA 

LUNA 

LACUNA 

Rum. 

— 

un 

— 

lunä 

— 

Friaul. 

-ul 

un 

une 

lune 

— 

Ital. 

-ule 

uno 

una 

luna 

laguna 

Span. 

— 

un 

una 

luna 

laguna. 

Lat. 

FÜNE 

FUMÜ 

PLUMA 

PLUMEN 

LUMEN 

Rum. 

funie 

fum 

— 

— 

lume 

Friaul. 

— 

fum 

plume 

flum 

lum 

Ital. 

fune 

fumo 

piuma 

fiume 

lume 

Span. 

— 

humo 

— 

— 

lumhre. 

§  46,  47. 

U  bleibt  erhalten. 

Lat. 

-UMEN 

PÜTIDÜ 

JUDICE 

DUCERE 

SUCIDU 

Rum. 

-ume 

— 

Jude 

duce 

— 

Friaul. 

-um 

— 

dsudis 

adusi 

— 

Ital. 

-ume 

— 

giudice 

ducere 

sudicio 

Span. 

-umbre 

pudio 

(juez) 

fducirj 

sucio. 

Lat. 

LUCIDU 

PULICE 

JTJNIU 

JULIU 

LUCIU 

Rum. 

— 

purecc 

(junie) 

(Julie) 

— 

Friaul. 

— 

pults 

dsun 

lui 

luts 

Ital. 

lucido 

pulce 

giugno 

luglio 

luccio 

Span. 

lucio 

pulga 

(junio) 

(Julia) 

(lucio). 

Lat. 

SUBÜLA 

ACÜCULA 

JUSTU 

BUSTU 

GUSTU 

Rum. 

— 

— 

— 

— 

— 

Friaul. 

suble 

guh'e 

— 

bust 

gust 

Ital. 

suhbia 

guglia 

giusto 

busto 

gusto 

Span. 

— 

aguja 

justo 

busto 

gusto. 

Lat. 

BUSCU 

FRUCTU 

NULLÜ 

SÜRSUM 

JUXTA 

Rum. 

— 





— 

— 

Friaul. 

brusc 

frutt 



SM 

— 

Ital. 

brusco 

frutto 

nullo 

suso 

giusta 

Span. 

brusco 

frucho 

millo 

suso 

justa. 

Lat. 

PUSTE                MÜSCLU             BUTYRU             MÜRCIDU 

Rum. 

fust 

mu§chiu         — 

— 

Friaul.            — 

muskli            — 

— 

Ital. 

fuste 

muschio        burro            murddo 

Span. 

— 

— 

murcio. 

67 


Ob  rumänisch  cupä  hielier  oder  zu  §  118  gehört,  ist  nicht 
zu  entscheiden.  Andere  Beispiele  sind  noch  ital.  inchiudere, 
tartufo  (vgl.  §  19  S.  42),  span.  atusa  zu  lateinisch  obtusus,  aber 
mit  der  Bedeutung  von  tonsiis ,  da  tundcre  und  tondere  ver- 
wechselt worden  sind  §  184.     Zu  ital.  murddo    vgl.  piem.  mürs. 


b)  Spontane  Veränderungen. 

47.  U  wird  ü  auf  drei  von  einander  ganz  unabhängigen 
Gebieten.  Erstens  in  Portugal  gemäfs  Rev.  Lus.  I,  32,  doch 
fehlt    bisher    jede    genauere    Angabe     über     den    Umfang     der 

5* 


68 


I.  Kapitel :  Vokalismus. 


§  47,  48. 


Erscheinung.  Zweitens  in  Frankreich  mit  Ausnahme  des 
Wallonischen  und  des  oberen  Wallis  (Val  d'Herens  und  Val 
d'Anniviers) ,  in  Oberitalien  bis  an  den  Gardasee,  noch 
Malcesina  am  linken  Seeufer  und  Mantua  und  Mirandola,  während 
die  übrigen  emilianischen  Mundarten  u  bewahren,  und  im  west- 
lichen und  mittleren  Rätien.  Endlich  drittens  an  der 
Südostkilste  Italiens.  Von  den  drei  Schriftsprachen  des 
w-Gebietes  hat  die  eine,  die  engadinische,  von  jeher  sich  des 
deutschen  Zeichens  ü  bedient  zur  Widergabe  des  dem  latei- 
nischen Alphabet  fehlenden  Lautes,  wogegen  die  beiden  anderen, 
die  französische  und  provenzalische,  das  etymologische  u  bei- 
behielten*, um  das  u  darzustellen,  griffen  sie  entweder  zu  o  oder 
ow,  oder  unterschieden  es  nicht  von  ü.  Es  fehlt  somit  jeder 
sichere  äufsere  Anhalt  zur  Zeitbestimmung  des  Überganges  von 
u  in  ü. 


48. 

Betrachten 

wir  zur 

lächs 

t  die  Geschi 

ichte  des  u 

in  Fr  an 

reich. 

Die  § 

46  aufgeführten 

Beispiele  j 

lauten  hier 

Aprov. 

tu 

-üt 

-üda 

müt 

hrüt 

Afr. 

m 

-m 

-üde 

müt 

hrüt. 

Aprov. 

rüda 

müda 

crüt 

nüt 

süza 

Afr. 

rüde 

müde 

crüt 

nüt 

süde. 

Aprov. 

süc 

festüJc 

ladüge 

tartüga 

rüga 

Afr. 

essuie 

festu 

laitue 

tortüe 

rüe. 

Aprov. 

Jcuba 

füs 

üs 

aJcüsa 

müda 

Afr. 

cüve 

füs 

US 

acüse 

müe. 

Aprov. 

üva 

mür 

dür 

pur 

madür 

Afr. 

*üe 

mür 

dür 

pur 

meür. 

Aprov. 

güra 

kül 

mül 

ün 

üna 

Afr. 

güre 

Ml 

mül 

ün 

üne. 

Aprov. 

lüna 

fwn 

füm 

plüma 

flüm 

Afr. 

lüne 

fün 

füm 

plüme 

flün. 

Apr 

ov. 

■um 

huire 

Afr. 

-ün 

hure. 

Die  Annahme,  dafs  u  schon  in  alter  Zeit  wie  ü  gesprochen 
worden    sei,    stützt    sich    auf   folgende    Beobachtungen.     Im  Alt- 


§48.  ^  ^^^^  y  i"  Nordfrankreich.  69 

französischen  sind  u  und  ^(,  p  überall  (von  einer  gleich  Jiu  nennen- 
den Ausnahme  abgesehen)  auseinandergehalten,  auch  vor  Nasalen : 
u  assoniert  nur  mit  sich  selbst.  Nun  hat  gedecktes  w,  p  den 
Wert  w,  und  zwar,  wenn  man  nach  der  heutigen  Aussprache 
schliefsen  darf,  u.  Folglich  mufs  lat.  ii  anders  geklungen  haben : 
da  es  aber  nicht  \i  sein  kann,  so  bleibt  nur  der  moderne 
Wert  ii.  Diesen  Wert  hatte  es  jedenfalls,  als  die  Nasalierung 
zum  Abschlufs  kam.  Wie  i,  so  leistet  auch  u  einem  folgenden  Nasal 
starken  Widerstand,  ein  geschlossenes  w  mit  französischer  Bildung  der 
Nasalvokale  ist  unmöglich,  es  hätte  daraus  ö  entstehen  müssen, 
wie  aus  1  :  ?  (§  33).  So  sehen  wir  in  der  That,  dafs  da,  wo  in 
zu  en  vorrückt,  auch  wn  zu  on  wird  §  57.  Da  nun  aber  un  im 
Frz.  &  lautet,  so  folgt  daraus  unmittelbar,  dafs  im  XV.  Jahr- 
hundert ün  gesprochen  wurde.  Daran  schliefst  sich  ein  Weiteres. 
Wäre  der  Wandel  von  u  zu  ü  innerhalb  der  Periode,  in  welcher 
wir  schriftliche  Denkmäler  besitzen,  vor  sich  gegangen,  so 
hätte  er  wohl  ebenso  in  der  Schrift  Ausdruck  gefunden,  wie 
derjenige  von  ei  zu  oi,  von  ne  zu  m  luid  andere.  Also  schon  in 
vorlitterarischer  Zeit  sprach  man  in  Gallien  it  flir  u  und  las 
auch  das  lateinische  u  aufser  in  tonloser  Endsilbe  vor  m  als 
solches.  Da  nun  das  Zeichen  m  für  das  frz.  u  unmöglich 
wurde,  das  frz.  u  aber  etymologisch  teils  einem  o,  teils  einem 
u  entsprach,  so  wählte  man  o,  das  nun  ebenso  zwei  Werte  (p 
und  o)  hatte,  wie  e  (vgl.  §  72).  Sehr  bald  fiel  das  aus  o  ent- 
standene OM  mit  u  zusammen  (§  121),  und  dadurch  war  die 
Möglichkeit  gegeben,  p,  u  von  M  wie  von  p  auch  in  der  Schrift 
durch  die  Schreibung  OM  zu  unterscheiden.  Der  Umstand  nun, 
dafs  lateinisch  u  ebenfalls  als  tt  gelesen  wurde,  erklärt  einmal, 
dafs  schon  alte  Buchwörter  wie  humble,  lat.  hümilis  das  ii  durch 
Ü  wiedergeben,  und  ferner,  dafs  die  provenzalischen  Grammatiker 
nichts  von  diesem  LautAvei'te  sagen :  sie  lasen  das  lateinische  u 
wie  ihr  eigenes  als  w,  hatten  also  keine  Veranlassung,  sich  über 
seine  Aussprache  zu  äufsern. 

Wenn  dadurch  das  hohe  Alter  des  u  gesichert  scheint,  so 
folgt  daraiis  noch  keineswegs,  dafs  der  Laut  in  ganz  Frankreich 
gleichzeitig  entstanden  sei.  Es  sprechen  im  Gegenteil  gewichtige 
Thatsachen  daftir,  dafs  auch  dieser  Lautwandel  sich  nach  und 
nach  von  bestimmten  Zentren  aus  ausgebreitet  habe.     Im  Mittel- 


70  I-  Kapitel'.  Vokalismus.  §  48. 

alter  werden  in  anglonormannischen  Handschriften  u  und 
0,  ou  bei  weitem  nicht  so  scharf  auseinandergehalten  wie  im 
übrigen  Frankreich,  es  wird  meist  u  geschrieben  in  Fällen  wie 
amur ,  dulurus,  fnrme,  emperenr ,  raisvn  u.  s.  w.  Und  dafs  der 
Laut  des  o  dem  des  u  sehr  nahe  gestanden  hat,  geht  daraus 
hervor^  dafs  o  und  u  im  Reime  gebunden  werden,  vgl.  schon 
Brandan  Zwwrs :  »wilrs  1679,  dürs:  swrs  1383,  mürs:  /Zwrs  1699.  Es 
scheiden  sich  aber  diese  Texte  in  zwei  Klassen,  deren  eine  mehr 
südliche  das  dem  ü  entsprechende  u  nur  mit  sich  selbst  reimt 
und  nicht  durch  andere  Laute  ersetzt,  wogegen  die  mehr  nörd- 
liche in  der  Schreibung  wie  im  Reime  ü  und  o,  ou  nicht  aus- 
einanderhält. Derselbe  Unterschied  zeigt  sich  bei  den  fran^- 
zösischen  Wörtern  der  mittelenglischen  Texte.  Es  wäre  nun  von 
Wichtigkeit,  zu  wissen,  was  dort  der  Lautwert  von  u  gewesen  ist. 
Eine  sichere  Entscheidung  läfst  sich  erst  geben,  wenn  der  Voka- 
lismus der  betreffenden  englischen  Dialekte  historisch  dargestellt  ist. 
Vorläufig  dürfte  aber  die  Annahme  dem  Richtigen  am  nächsten 
sein,  dafs  ein  Laut,  der  sich  teils  als  m,  teils  als  eu,  iu,  iu  weiter 
entwickelt,  nicht  m,  sondern  geschlossenes  u  gewesen  sein  wird. 
Gerade  diese  Spaltung  nach  den  Gegenden  spricht  nun  aber  auch 
dafür,  dafs  nicht  erst  jenseits  des  Kanals  überall  ü  zu  u  geAvorden 
und  dann  sich  verschieden  entwickelt  habe,  sondern  dafs  viel- 
mehr u  herübergebracht  worden  sei.  Damit  wäre  dann  für  das 
Normannische  des  XL  Jahrhunderts  der  Lautwert  u  ziemlich 
gesichert.  In  der  heutigen  Mundart  erscheint  aber  durchaus  ü: 
es  wäre  dieses  in  einer  späteren ,  wegen  des  Mangels  an  Denk- 
mälern nicht  mehr  zu  bestimmenden  Zeit  aus  dem  Osten  her 
eingeführt.  Nun  ist  das  normannische  ü  palataler,  i-haltiger 
als  das  zentralfranzösische :  vor  diesem  werden  die  Gutturalen 
behandelt  wie  vor  o,  vor  jenem  Avie  vor  i,  dem  frz.  cul ,  cuivre, 
eure  u.  s.  av.  entspricht  norm.  Jcül,  h'üivre,  li'üre  u.  s.  av.,  vgl. 
§  410.  Diese  Artikulationsverschiedenheit  weist  wohl  darauf 
hin,  dafs  das  ü  nicht  überall  gleichzeitig  und  auf  gleiche  Weise 
aus  u  entstanden  ist,  sondern  dafs  es  die  eine  Sprachgenossen- 
schaft der  anderen  überliefert  hat.  Nun  sind  im  französischen  ü 
die  beiden  Elemente,  das  velare  und  das  palatale,  am  innigsten 
verschmolzen,  im  Normannischen  dagegen  wiegt  das  jüngere 
palatale   gegenüber   dem    älteren  velaren    vor:    das    spricht   wohl 


fi  48 — 50.  ^  ^^^  **  i"  Süd-  und  Nordfrankreich.  71 

daftlr,    dafs  ü  dort  ursprünglich,    hier    später  aufgenommen   und 
nicht  genau  wiedergegeben  ist. 

Über  das  ü  im  Agn.  vgl.  Behrens,  Fr.  Stud.  V, 
117—123;  Suchier,  Littbl.  1888,  176.  Beispiele  ftir 
il  :  p;  StUrzinger,  Orth.  Gall.  46;  Suchier, 
S.  Auban  5. 

49.  Auch  zAvischen  provenzalischem  und  n  o  r  d  f  r  a  n  - 
z  ö  s  i  s  c  h  e  m  ü  scheint  ein  gewisser  Unterschied  zu  bestehen. 
Lat.  pülice  ergiebt  hier  puce,  dort  piütz.  An  einen  direkten 
Übergang  von  u  zu  i  ist  nicht  zu  denken  (es  ist  fraglich,  ob  er 
überhaupt  vorkommt  im  sprachlichen  Leben),  vielmehr  ist  die 
Vorstufe  des  i  ein  w,  das  nun  vor  dem  i  bezw,  u  zu  i  wird, 
vgl.  weitere  Beis^jiele  §  60.  Im  Nordfranzösischen  dagegen  wird 
tli  zu  w.  Es  läfst  das  verschiedene  Ergebnis  mehrfache  Erklärung 
zu.  Die  einfachste  ist  die :  als  ttl  zu  vi  wurde ,  war  das  u  im 
Norden  noch  w,  im  Süden  ü.  Das  kann  nun  heifsen,  dafs  hier 
i  älter  ist  als  dort,  und  ü  überall  gleich  alt,  oder  dafs  i  gleich 
alt  ist  und  ü  hier  älter.  Endlich  giebt  es  noch  eine  dritte 
Möglichkeit:  das  nordfranzösische  ü  ist  velarer  als  das  süd- 
französische,  es  absorbiert  i.  Ein  Mittel  zur  Zeitbestimmung  des 
Übergangs  von  u  zu  ü  läfst  sich  also  auch  hieraus  nicht  ge- 
winnen. —  Für  die  Frage  nach  dem  Alter  des  provenzalischen  ü 
ist  noch  der  Umstand  von  Wichtigkeit,  dafs  das  Katalanische  ü 
nicht  kennt,  sondern  u  bewahrt.  Denkbar  wäre  nun  wieder,  dafs 
dies  u  erst  aus  ü  entstanden  sei,  doch  ist  das  kaum  annehmbar, 
da  ü  irgend  welche  Spuren  hinterlassen  hätte;  pulice  lautet  jjwsö, 
es  kann  dies  aber  eine  erst  katalanische  Entwicklung  aus  pulsa 
sein,  s.  §  476,  so  dafs  damit  nichts  gewonnen  wird.  Die  gröfsere 
Wahrscheinlichkeit  ist  aber  doch  wohl,  dafs  das  Provenzalische 
zur  Zeit,  da  das  Katalanische  sich  absonderte,  ü  noch  nicht 
besafs. 

50.  Besonders  schwierig  ist  noch  die  Frage  nach  der  Be- 
handlung des  gedeckten  ü  in  Frankreich.  Neben  den  regel- 
niäfsigen  juge,  juin,  melius,  fruit.,  füt,  sus,  nul,  jusque  und  den 
unlateinischen  buche,  rüche  stellen  jovtc,  gout,  ome,  JQSte,  josque, 
moule.  Nicht  in  Betracht  kommen  Buchwörter  wie  juste,  rustre; 
ferner  ist  abzusehen  von  fruit,  da  das  ü  hier  dem  i  zu  verdanken 
sein  kann,  vgl.   §  51  und  afr.  ifM?fe==  i^^cto  §  128.    Es  bleiben  somit 


72  I-  Kapitel:  Vokalismus.  |  50 — 52. 

sm,  das  schou  im  Lateinischen  freies  u  hat:  susum,  iiiclit  sursuvrij 
nul,  das  von  ne-un  oder  ne-ul  sein  ü  haben  kann  oder,  bevor  u 
zu  ü  wurde,  schon  II  zu  l  vereinfacht  hatte  (§  545),  jusque,  das 
jedoch  nichts  beweist  (§  51)  und  füt,  über  das  nicht  hinweg- 
zukommen ist.  Daneben  aber  stehen  nun  sechs  Fälle  mit  o,  von 
denen  zwei  genau  dieselbe  Lautverbindung  zeigen  wie  füt. 
Daraus  scheint  sich  zu  ergeben,  dafs  die  älteste  Schicht  latei- 
nischer Wörter  gedecktes  u  nicht  zu  ü,  sondern  zu  n  wandelte, 
dafs  dagegen  etwas  später  aufgenommene,  sowie  die  germanischen 
und  keltischen  ü  aufweisen. 

51.  Für  die  Bestimmung  der  Natur  des  französischen  ü  ist 
endlich  noch  eines  von  Wichtigkeit.  Dem  griechisch-lateinischen 
sciurus,  vulglat.  isJc\iirus  entspricht  ecüreuil,  aus  *ag\iiru  (§  128) 
entsteht  eür,  aus  de-usque  entsteht  entweder  über  diusque:  dusque 
oder  über  dyusque  (vgl.  dyurnum),  josque.  Also  inlautendes  altes 
i\i  und  \ii  werden  zu  ü,  um  so  viel  eher  ui  in  fnictus.  Es  fragt 
sich  nur,  weshalb  hier  wie  in  truite,  afr.  luite  mit  üi  aus  gi  bezw. 
I^i  das  i  bleibe.  Das  erklärt  sich  daraus,  dafs  t  palatal  und 
daher  «-haltig  ist,  also  das  i  hält,  wogegen  palatales  r,  wenn  es 
überhaupt  je  im  Französischen  vorhanden  war,  gleich  zu  den- 
talem r  geworden  ist,  und  so  einer  völligen  Verschmelzung  von 
ui  zu  ü  nicht  im  Wege  stand.     Vgl.  noch  §  261  über  durare. 

52.  Weit  einfacher  liegen,  soweit  es  sich  bis  jetzt  beurteilen 
läfst,  die  Verhältnisse  in  Oberitalien.  Hier  wird  auch  ge- 
decktes u  zu  ü,  vgl.  mail.  güst,  vündes,  Süd  (exsuctus).  Doch 
scheint  auch  hier  zum  Teil  vor  gedecktem  n  u  zu  bleiben, 
piem.  undeSf  gunk.  Beachtenswert  ist,  dafs  dem  ital.  schiuma  (vgl. 
§  18  S.  39)  hier  shüma  entspricht,  dem  ital.  chiuso  dagegen  düs. 
Daraus  folgt,  dafs  zur  Zeit,  als  l  zu  y  wurde,  ü  schou  vorhanden 
war :  Jclü  wird  über  kyü  zu  du,  dagegen  als  germ.  sku  aufgenommen 
wurde,  noch  nicht:  skuma,  skyuma,  sküma.  Auffällig  ist  piem., 
lomb.,  gen.  kürt,  algh.  kult  neben  ital.  corto ,  frz.  court.  —  Mit 
dem  Lombardischen  geht  das  Eätische  Hand  in  Hand,  sofern 
auch  hier  abweichend  vom  Französischen  gedecktes  u  zu  ü.  wird : 
strüöy  früd,  füst,  güst,  büst,  ündis,  müskal,  obw.  risti  (rvsticus) 
u.  s.  w.,    woneben  frusla  wohl  italienisches  Lehnwort  ist;    dann 


§   52,   53.  U  im  «-Gebiete.  73 

aucli  hier  wenigstens  in  Tirol  liürt.  Die  Gutturalen  werden  vor 
ü  behandelt  wie  vor  a  und  m  §  413,  doch  läfst  sich  hiei-aus 
nichts  schliefsen,  da  die  Palatalisieruug  jung-  ist.  Dagegen  ist 
bemerkenswert,  dafs  auch  in  späten  und  nur  halb  assimilierten 
deutschen  Lehnwörtern  der  Wandel  vollzogen  wird :  wassersiö 
(Wassersucht),  malzid  (Unzucht)  mit  i  aus  älterem  ü.  Da  das 
Rätische  einen  dem  schweizerdeutschen  u  entsj^rechenden  Laut 
besitzt,  so  folgt  daraus,  dafs  der  Übergang  von  u  in  ü  nicht 
sehr  alt  sein   kann. 

53.  ■  Wenn  vrh-  nun  die  weiteren  Schicksale  dieses  ü  be- 
trachten, sofern  es  sich  dabei  wieder  um  spontanen  Wandel 
handelt,  so  finden  wir,  dafs  €S  sich  nach  drei  Richtungen  ent- 
wickeln kann.  Der  seltenste  Fall  ist  die  Rückkehr  zu  y. 
Sie  scheint  aber  sicher  zu  sein  für  Loco  und  Losone,  Tessin, 
die  mitten  im  w- Gebiete  liegen.  In  Loco  findet  sich  entsiirechend 
e  statt  ä?  §  214.  Der  Dialekt  zeigt  also  eine  Abneigung  gegen  gemischte 
Vokale,  oder  noch  eher  gegen  palatale  Artikulationen.  Wir  haben 
schon  gesehen,  dafs  hier  j  vor  Palatalen  zu  e  wird  §  34 ;  ebenso 
bleibt  1c  in  weiterem  Mafse  bewahrt  als  in  den  umliegenden 
Gegenden  §  413.  Daher  sind  denn  auch  die  palatalen  Vokale  ce,  ü 
nicht  geblieben,  sondern  haben  in  verschiedener  Weise  Verein- 
fachung erfahren:  das  ü,  indem  es  seinen  palatalen  Bestandteil 
ganz  aufgab,  das  ce  ebenfalls,  nur  dafs  hier  das  mit  dem  Palatalen 
enger  als  bei  ü  verschmolzene  «-Element  mit  aufgegeben  Avurde. 
Dieselben  Erscheinungen :  u  und  e  zeigt  auch  das  Misokk.  — 
Auch  in  anderen  Gegenden  des  rätischen  Gebietes  erscheint 
statt  ü  ganz  geschlossenes  u:  Nocethal,  Roveredo,  Vigo, 
Ober-Fascha  und  Greden,  und  im  Lombardischen  in  Bormio 
und  in  der  Val  Imagna,  abgesehen  von  den  von  Ampezzo  an 
östlich  liegenden  Gebieten,  wo  überall  u  herrscht.  Hier,  wo 
westrätisch-lombardisches  ü  und  osträtisch-venezianisches  u  zu- 
sammeustofsen,  darf  u  wohl  als  Eindringling  aus  dem  Süden  und 
Osten  gefafst  werden.  ■ —  Es  fragt  sich,  ob  in  dem  u  an  der 
Südost-  und  Nordost  grenze  Frankreichs  ebenfalls  eine 
Rückkehr  zum  alten  u  oder  aber  Erhaltung  des  lateinischen 
Lautes  zu  sehen  ist.  Für  das  Wallis  ist  wohl  letzteres  anzu- 
nelmien    und    zwar    deshalb,     weil    in    den    dem    «-Gebiete    am 


74  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   53     54. 

nächsten  liegenden  Ortschaften  Nax  und  Vex  sogar  o  gesprochen 
wird,  und  weil,  wie  es  scheint,  i  ebenda  zu  e  wird.  Vereinzelt 
steht  Biel  mit  lu  (lui) ,  stu  (cestui),  niö ,  apersu,  mst.  — 
Schwieriger  liegt  die  Sache  im  Wallonischen,  sofern  hier 
neben  fist-u,  sau,  situv,  veyu  (frz.  vu),  m'nu  (venu),  nu,  nol  u.  s.  w. 
auch  ü  vorkommt  in  pü  (plus) ,  hü  (frz.  hu)  und  stü ,  dem  Part, 
von  es  (esse),  ferner  stets,  wo  i  im  Spiele  ist:  frü  (fruit),  Iure 
(luire) ,  düre  (ducere),  endlich  proklitisches  ti  neben  enklitischem 
tu,  wobei  sich  aber  fragen  mag,  ob  letzteres  seinen  Vokal  nicht 
von  lü  übernommen  habe.  —  Wenn  u  ursprünglich  ist,  so  bleiben 
die  Fälle  von  ü  zu  erklären.  Sind  die  angeführten  Beispiele 
die  einzigen,  so  machen  eigentlich  nur  hü,  estü,  pü  Schwierigkeit: 
das  letzte  aber  erklärt  sich  aus  der  Tonlosigkeit  §  563;  neben 
hü  steht  hemi,  so  dafs  jenes  vielleicht  französisch  ist;  so  bleibt 
nur  noch  stü.  Hat  etwa  fü  aus  fui  das  Partizipium  be- 
einflufst  ? 

Horning,  Ztschr.  XI,  265  möchte  das  wallonische  u 
wie  das  lothringische  (§  61)  durch  Kückbildung  aus  ü 
erklären,  doch  ist  damit  kaum  durchzukommen,  wie  er 
selbst  zugiebt. 

54.  Ziemlich  weit  verbreitet  ist  die  Eeduktiou  von  ü  zii  i, 
die  dadurch  zu  Stande  kommt,  dafs  die  Lipjjenartikulation  auf- 
gegeben wird.  Sie  erscheint  im  ganzen  Avestlichen  Graubünden 
bis  einschliefslich  Bergün;  das  so  entstandene  sekundäre  i  hat 
dann  dieselben  Schicksale  wie  das  primäre  (§  32),  also  obw. 
mazira,  Tiefenkasten  mazeira,  Bergün  mazegra;  endlich  im 
Engadin,  wo  i  y  ig,  erscheint  mazügra.  Sehr  alt  scheint  i  nicht 
zu  sein,  da  noch  Luci  Gabriel  1648  in  seinem  Testamente  zu- 
weilen ü  schreibt:  scürs  (ohscurus),  müt,  füm  neben  fimma,  ün, 
üna,  doch  hat  schon  er  fast  stets  ü.  In  Dissentis  hat  sich  ü 
weiter  zu  e  entwickelt,  und  zwar  nicht  nur  vor  m  (§  33),  sondern 
auch  sonst:  pale  (ijalude),  pelliö  (pulice),  per  (pure),  doch  bedarf 
das  noch  genauerer  Untersuchung.  —  Sodann  in  Monferrat: 
kaniso  (^calugine),  Jci  (culus),  Mndic,  dris  (ital.  hrusco),  dire 
(durare),  in  Casal  Cermelli,  in  Malesco  (Tessin)  M  (culo),  mil 
(muh),  fim,  dir,  -id  (-uto),  siö  u.  s.  w.  Auf  französischem  Boden 
wird  ü  zu  i  in  Lothringen  und  zAvar  speziell  im  oberen 
Saarthal,  z.  B.  miU  (mur),    diU,  puedi  (perdu),   gir  (jure)  u.  s.  w. 


8  54 — 56.  Wandel  von  «  zu  »,  ö.  75 

Während  hier  eine  ganze  Ginippe  zusammenhängender  Ortschaften 
i  zeigt,  tritt  es  auch  vereinzelt  oft  mitten  im  t't-Gebiete  auf,  wie 
z.  B.  im  Jarmenil  im  oberen  Moselthal,  in  Vexaincourt  im 
Flufsgebiet  der  Meurthe,  und  selbst  westlich  von  der  Mosel  in 
Circourt. 

55.  Der  spontane  Übergang  von  ü  zu  oi  ist  Aveniger  weit 
verbreitet,  bisher  ist  er  niir  in  Frankreich  nachgewiesen.  Er 
scheint  hauptsächlich  in  der  Pikj^rdie  und  in  Burgund  vor- 
zukommen. Die  Anfänge  fürs  Pikardische  finden  sich  schon 
Deesse  d'Amour  10^':  nature:  meure:  honeure.  Wie  weit  die 
heutige  Pikardie  das  kennt,  vermag  ich  nicht  zu  sagen :  in  Arras 
herrscht  ü.  Wohl  aber  findet  sich  ce  im  Rouchi:  mcer,  soer,  See, 
ploem,  bosoe,  loßn  u.  s.  w.,  in  den  Ardennen :  vence,  perdce,  weiter 
(»stlich,  in  einzelnen  lothringischen  Gemeinden  wie  Domgermain, 
Pierre-le-Treiche  am  linken  Moselufer,  dann  aber  namentlich  im 
burgundischen  Teile  des  Morvan :  sce  (sahucus) ,  dcer,  voee,  ^oete 
(chüte) ,  icek  u.  s.  w.,  in  Auve  Ptc.  auf  -ce,  soekr,  tycei  (titer),  wo- 
neben hüre  (frz.  heurre)  und  jüne  (jejunvs)  auffallen. 

56.  Die  Schicksale  des  u  an  der  Südostküste  Italiens 
sind  denen  des  i  verwandt.  Die  älteste  Form  bietet  wohl  Ruvo 
mit  yu:  dispyadyute,  sentyute,  nesyune,  venyute.  Diese  Grundlage 
hat  sich  verschieden  weiter  entwickelt.  Im  Süden  in  Matera 
assimiliert  sich  das  i  das  u  zu  m;  pirdiüt,  niüd  (nuUo) ,  piür, 
anknin,  iün,  vinnit.  Oder  yu  wird  zu  oe,  eu:  Trani  ngoen,  ngokeune, 
au  Molfetta:  avaut,  nataura,  na^aun,  tau  u.  s.  w.,  o  Putignano: 
pirdot,  hrot,  on.  —  Zweifelhaft  bleibt,  Avie  das  oi  in  Veglia  auf- 
zufassen ist:  moir,  pJanoira,  fois,  join  (unus),  joina,  loina,  floim, 
potoit  u.  s.  w.,  ob  als  ou,  oü,  oi,  oder  ju,  eu,  eü,  oü,  oi.  Für 
jenes  spricht  wohl  rov.  dign.  ou:  nouda,  piouma,  veinou, 
foriouna,  mour  u.  s.  w.  —  Endlich  in  Sizilien  wird  dialektisch 
u  zu  uo:  mioddu,  uortimu,  cruodu,  suosu. 


76  I-  Kapitel:  Vokalismus.  ^   57, 

c)  Bedingte  Yeränderungen. 

1.     Einflufs  folgender  Laute. 

57.  Nasale.  Wie  1,  zu  e,  so  wird  ü  zu  offenem  ä  im  Neu- 
französischen  und  zwar  wohl  zu  gleicher  Zeit.  Freilich  sind 
die  Zeugnisse  dafür  jünger,  noch  Cauchie  1570  sagt:  „Z7  purum 
et  simplicem  sonum  gignit  respondetque  germanico  duobus  api- 
culis  notato  sie  übel  ut  vertu,  fetu,  hossu.  chacun,  emprunte,  lundi.^ 
(25)  Duez  1G89:  „Les  lettres  um  et  un  en  une  seule  syllabe 
sonnent  comme  l'allemand  üng,  un  j)6^^  obscurement"  (36), 
D'Aisy  1674:  „Un  a  toujours  le  son  confus  et  I'm  sonne  m"  (53), 
und  so  nun  alle  folgenden.  Es  wäre  aber  unrichtig,  daraus  zu 
schliefsen,  dafs  cü  ein  Jahrhundert  jünger  sei  als  §.  Letzteres 
fiel  zusammen  mit  dem  alten  aus  ein  ain  entstandenen  f  (§  89), 
dieses  dagegen  war  ein  ganz  neuer  Laut  und  kam  deshalb  erst 
verhältnismäfsig  spät  ins  Bewufstsein.  Die  erste  Stufe  von  nasa- 
liertem M,  das  offene  ü  steht  dem  ä  ebenso  nahe,  wie  offenes  l  dem  ?; 
es  ist  kaum  anzunehmen,  dafs  der  eine  Laut  viel  später  entstanden 
sei  als  der  andere.  Immerhin  kann  S  etwas  älter  sein :  da  der  Laut 
f  schon  in  der  Sprache  vorhanden  war,  so  war  ein  Übergleiten 
von  T  zu  §  leichter  und  früher  möglich;  vielleicht  hat  es  sogar 
erst  de  statt  offenem  ü  nach  sich  gezogen.  Wir  haben  also  cp,  sak&,  oJcce, 
Icedi;  ime,  ilme  bleibt  dagegen  ebenso  bewahrt,  wie  ine,  ime  (§  33), 
und  zwar  aus  demselben  Grunde,  nur  jeune  (jejuna)  hat  den 
Vokal  des  Maskulinums  übernommen.  In  den  französischen 
Mundarten  ist  die  Entwicklung  von  im,  üne  ebenfalls  der  von 
in,  ine  ganz  entsprechend :  Bessin  Icene,  oene,  ploeme,  fceme,  Maine 
Joene,  proene,  ploeme,  Anjou  Icone,  prcene,  Seraing  Icen,  prcen  aber 
hom,  plom,  Lothr.,  mit  Aufgabe  der  Lippenartikulation,  en,  py^m 
(nicht  klar  ist  Un,  fim  im  Osten,  wo  sonst  ü  bleibt),  bürg,  fotcevi, 
Icefi,  berc.  plcem,  prcen,  waat.  deloe,  wall.  deJoe,  ö,  nyon,  bagn.  o, 
Fem.  una  u.  s.  w.  Über  una  in  freib.,  waat.  u.  s.  w.  s.  noch 
§  596.  —  In  Italien  erscheint  entsprechend  o  im  Emiliani- 
schen romg.  fiom,  lom,  fom,  fon,  fortona,  bol.  lom,  fiom,  lou/na, 
fortouna,  qualcoun,  vgl.  die  Eeime  bruna:  buona,  uno:  buno, 
ciascuno :  bono  Tes.  pov.  240,  Bobbio  on,  ona,  ebenso  Paria  und 
wohl  noch  weiter.  —  Im  R  ä  t  i  s  c  h  e  n  endlich,  wo  w  zu  i  geworden 
ist,    wird    dieses    sekundäre    i    vor    Nasalen    behandelt    wie    das 


^  57 — 59.  V  beeinflufst  durch  folgende  Laute.  77 

primäre :  fem  in  weiterem  Umfange  als  c*?,  cna  s.  §  33.  Im 
Gaderathal  vermag  nur  auslautender  Nasal  u  zu  (ß  zu  treiben : 
/ccw,  l(£.m,  zaicen  aber  lüna,  plüma:  also  die  zentralfranzösischen 
Bedingungen,  aber  in  Enneberg:  hroma,  ploma  wie  lom,  fom 
(funis).  —  Höchst  sonderbar  ist  üina  aus  üna,  Val  Soana  tribüina, 
öalüina. 

58.  Labiale.  Zunächst  ist  hier  m  zu  nennen.  Im 
Katalanischen,  Südost  französischen  und  einem  noch 
näher  zu  bestimmenden  Teile  des  provenzalischen  Sprach- 
gebietes wird  wwö,  zum  Teil  auch  umus  zu  oma,  om,  vgl.  kat. 
ploma,  hroma,  flom,  om  (humidus),  rouerg.  plumo,  wald.  pluma, 
dauph.  pluma,  neuenb.  pyöme,  pröme  (^pruma  statt  pruna),  waat. 
plaöma,  praöma,  wall,  plöma.  —  Dann  im  Emilianischen 
auch  vor  t',  &;  romg.  ova,  sohit,  lov  =  ital.  lupo.  Vereinzelt 
ist  eng.  iuver,  ital.  sovero,  portg.  sovro  =  lat.  süher.  Sonst  ist  i 
für  ü  vor  Labialen  häufig:  nivolum  für  mibila  gehört  Südfrank- 
reich und  Oberitalien  an :  nprov.  nivol,  nivtt,  piem.  nivul,  Monaco 
nivnre,  friaul.  niul  (aber  eng.  nüvel),  auch  ven.  niola.  Sodann 
im  Lombardischen:  mail.  nivola,  sihbi,  pav.  sibi,  zifol,  trifola, 
nivol,  tessin.  tartifu. 

59.  Vor  7?.  Im  Wallonischen  wird  ur  zu  (b:  dqßr, 
mmr,  verdrer,  mauor  (wegen  p  statt  «  vgl.  §  61).  Auch  loth- 
ringischen Mundarten  ist  dies  nicht  fremd:  dyq'.,  dycer  (durus) 
in  MUnsterol,  g(fr  (juro)  in  der  Nähe  von  Metz,  ebenso  ädq^r, 
meycer  (matura).  Man  könnte  annehmen,  dafs  nicht  u,  sondern 
ü  zn  oe  geworden  sei :  es  wäre  dies  ein  gewichtiges  Moment  dafür, 
dafs  im  Wallonischen  einst  ü  gesprochen  wurde.  Allein  die 
lothringische  Form  dt/^r  weist  darauf  hin,  dafs  der  Wandel  von 
dem  palatalen  Elemente  des  ü  unabhängig  ist,  dafs  dieses  im 
Gegenteil  eher  sich  in  diesem  Falle  loszulösen  sucht.  Von  einem 
dieser  Dialekte  ist  cpr  statt  ür  im  XVI.  Jahrhundert  auch  in  die 
Schriftsprache  gedrungen.  Jean  Lefevre  sagt  in  seinem  Diction- 
naire  des  rimes  frauQaises  (Dijon  1572,  Paris  1588),  dafs  dur, 
futur,  ohscur,  pur,  mur,  sur,  azur  mit  ü  und  m  reimen.  Ebenso 
ist  an  Stelle  des  afr.  hure  aus  hfityrum  im  Nfr.  heurre  getreten, 
was  auch  nur  als  Dialektform  zu  verstehen  ist.  —  Auch  in 
Neuen  bürg,  wo  sonst  ü  bleibt,  zeigt  sich  m  vor  r;  natur§,  mu 


78  I.  Kapitel:  Vokalismus.  §59. — 61. 

(murus),  gur,  ebenso  Freiburg:  dzuru,  paßura  neben  mü 
(murus).  In  Brian^on  wird  ül  über  ür  zu  üur:  küur,  müur. 
Zwischen  ü  und  gedecktem  r  entwickelt  sieb  im  E  n  g  a  d  i  - 
ni sehen   e:  mür,  Plur.  müers,  üerla,  inmerm. 

60.  Auch  vor  Velaren  tritt  i  ein  im  Pro venzali sehen  : 
albig.,  rouerg.  hiul,  miol,  montp.  miola,  Jceu,  vgl.  mioldts  Milhau  1023 
neben  muolas  1023,  Ariege  pius§.  So  vor  u  im  West  rätischen, 
wo  utu  über  ütu  zu  iu  wird,  und  zwar  nicht  blofs  in  den 
Gegenden,  in  welchen  ü  auch  sonst  zu  i  wird,  sondern  auch  im 
Engadinisehen ,  wo  ü  bleibt.  Dieses  iu  entwickelt  sich  weiter 
wie  das  alte  iu  §  38.  Mit  der  provenzalischen  Erscheinung  be- 
rührt sich  tessin.  k  iii  (culus),  niu  (nuhilus)  aus  Jcül,  kül,  Tiüu,  nüvol, 
nüol,  nüu. 

Vgl.  noch  §  196  üeü,  und  §  283  aügua.     Über  rum. 
nour  (nuhilus)  s.  §  130. 

61.  u  vor  Vokalen.  1)  In  wallonischen,  metzischen  und 
in  Vogesen-Mundarten  wii*d  uta  zu  ow,  w,  nicht  nur  da,  wo  u 
bleibt  (§  58),  sondern  auch  in  den  w-Gegenden.  Vgl.  wall,  hrow 
(cruda),  -ow  (-uta),  sow  (sudaf)  u.  s.  w.  Aus  üta  entstand  über 
üa  zunächst  üva,  indem  also  zwischen  ü  und  a  derjenige  Kon- 
sonant sich  entwickelt,  der  dem  ü,  und  zwar  dem  labialen 
Elemente  des  ü,  homorgan  ist.  Infolge  dieser  Verstärkimg  des 
labialen  Elements,  der  Lipj)enartikulation  bei  ü  nimmt  dui-ch 
eine  Art  Assimilation  die  Zunge  nicht  mehr  die  i-Stellung  an 
bei  Bildung  des  Vokals,  sondern  eine  der  Lippenstellung  analoge 
Lage,  die  M-Lage.  Auch  altes  üva  wird  so  behandelt:  cotves 
(frz.  cuves),  etewes  (wohl  nur  vei-sehrieben  öder  v erlesen  =  etuves) 
bei  Phil,  von  Vigneulle.  Der  Wandel  von  uw  zu  otv  entspricht 
dem  von  ii  zu  ei  §  32.  —  Auch  das  u  in  maturus  scheint  sieh 
im  Wallonischen  so  zu  entwickeln :  aus  maur  entstand  mavor, 
daraus  mawor :  dieses  o  konnte  vor  r  nicht  mehr  zu  ce.  werden.  — 
Endlich  Südostfrankreich  zeigt  u  im  Hiatus:  tarant. 
verrua  =  Verruca,  maura,  ekuella,  ruina,  suau  =  sudore,  bagn. 
varuye,  ts§ruye. 

Vgl.  Altenburg    2,  16  ff.;    Horning,    Fr.    Stud. 
V,  481;  This  27;  Horning,  Ztschr.  XI,  264  ff. 
2)  In  Bayonne  wird  una  über  üa  zu  ibe:  Übe  =  luna,  pribe. 
In  Fourgs  zeigt  rio  aus  frz.  rue,  tsarieu  ==  carruca,  varieu=  Verruca 


§  61' — 63.  ^  beeinflufst  durch  folgende  Laute.  79 

eine    ähnliche   Entwicklung.      Das    eu    ist   wohl  =  f   zu    fassen : 
*nia,  üie,  uig,  if.  —  In  Bergamo  Avird  tiva  zu  üa  imd  daraus  cea. 

62.  üi  wird  zu  ü  reduziert  im  Lothringischen.  Die 
Schreibungen:  nuis  (nudos)  Guerre  de  Metz  257  b^  feruit  269, 
hui  (hustum)  292  c  u.  s.  w.,  verluit  haluire  im  Dial.  an.  rat., 
Ysop.  u.  s.  w.  bezeugen  die  Gleichheit  von  ü  und  üi,  ebenso 
Reime  wie  niie  :  apue  Jonh.  1154,  und  damit  stimmen  die  heutigen 
Dialekte  Lothringens  überein,  die  alle  kein  üi  mehr  sondern 
einfaches  ü  haben,  z.  B.  ködür,  frü,  1ü,  hrü,  für  (fügere),  pdü 
(pertuis)  u.  s.  w.  Dieselbe  Reduktion  zeigt  das  Anglonor- 
mannische;  das  aus  üi  reduzierte  ü  kann  dann  wie  das  alte 
zu  u  werden:  tuz  :  destruit  Gaimar  1947,  Mes  :  destrutes  Edw. 
4467,  doch  könnte  auch  oi  zu  o  zu  Grunde  liegen,  ebenso 
verhält  es  sich  mit  owit  Woll.  Ch.  4,  5,  Codnor  1277.  Chardri 
bindet  üi  :  ü  im  Auslaut  und  vor  r  P.  P.  1,  297,  nie  üit  :  üt. 
Am  frühesten,  auch  bei  rein  reimenden  Dichtern,  wie  Beroul, 
wird  uis  (ostium)  zu  üs:  das  s  hat  wohl  das  i  absorbiert.  —  Im 
Zentralfranzösischen  bleibt  ui ,  verschiebt  aber  den  Ton 
u{:  suis,  conduire,  ebenso  ui  aus  p  +  *  (§  190)  aujourd'hui,  Jiuit. 
Aber  lui,  luire,  nuire,  cuir,  buist,  nuit,  puits,  huile:  es  scheint, 
dafs  je  nach  dem  folgenden  oder  vorhergehenden  Konsonant  ver- 
schiedene Behandlung  eintritt.  Das  u  ist  dem  Labial  assimiliert 
in  vide,  tremie,  neben  welchem  freilich  muid,  muire  bestehen; 
lutte  ist  wohl  von  hittc'r  aus  zu  erklären.  Im  Afr.  steht  üi  meist 
in  M-Assonanzen :  Charl.  185,  202,  203  u.  s.  w.,  doch  fehlt  es 
auch  nicht  in  i-Reihen :  acompli:  lui  Jourd.  2567,  conquis:  puis 
Ron.  nouv.  1009,  Chardri  estuide:  Ovide  S.D.  52  u.  s.w.  s.  Aniel 
XXIV.,  Ch.  n  esp.  XLin.  —  Beachtenswert  ist  der  Übergang 
von  üi  zu  ui  in  Possesse :  suit',  lui,  hrui. 

Zum  Anglonormannischen  vgl.  S  t  ti  r  z  i  n  g  e  r.  Ort.  Gall  46. 

63.  Kürzung  vor  mehrfacher  Konsonanz  tritt  ein 
in  poct  =  *puttus,  putidus^  das  dem  ganzen  Osten  Frankreichs, 
Lothringen,  Champagne,  Franche-Comte ,  Burgund  u.  s.  w.  an- 
gehört. Ferner  waat.  dz^dso  (3ugc)\  Jujur.  mela  (miüa),  lyena, 
plema,  tatera  (toiture),  mesera ,  dreva  (drue).  Sodann  im  Bol. 
und  Romg.  mott  (mutus),  sohl  (ital.  suhhia),  incoz^  (incudine)  und 
in   den    gelehrten    astoeia,   fidozia,    minozia,   polza    (pulicc),    null, 


80  I-  Kapitel:  Vokalismns.  §  63- 67^ 

sott  (asciuUo),  loss  (lusso),  pozsa,  agozz^  moscul,  oral  (urlo)  u.  s.  w. 
Im  Berg  am.  gcest,  rcesca,  roboest,  hoest,  hroett,  tmt,  agnossdei,  vgl. 
püettane,  loettdr,  cemel,  soehet,  stcedia.     Dasselbe  gilt  für  Crema. 

2.     Einflufs  vorhergehender  Laute. 

64.  Nasale.  Wie  m  zu  nl  Avird,  so  auch  nü  zu  nü  in 
Lahague :  nü  (nullus),  mu  (murus),  Ptc.  venu,  venüe.  Im  Osten,  wo 
sonst  ebenfalls  %  erscheint,  ist  ü  bis  jetzt  nicht  nachgewiesen. 

65.  Palatale,  m  wird  *  im  Rumänischen  :  tnchide  (mdudit),. 
ingliHe  (ingluttit),  doch  könnte  der  Wandel  ursprünglich  der  ton- 
losen Silbe  angehören;  im  Tessin.  fim  (flumen)'^  in  dem  piem.  pi 
(piü)  kann  die  Tonlosigkeit  mit  im  Spiele  sein. — Frz.  §ü  zu  os: 
Jujurieux  §oer  (securus),  vyce  (vu),  Jcroe,  sce  (su  und  suremi),  Jconyoe^ 
mce  (maturus),  aber  setü  u.  s.  w.,  Lahague:  mm  (maturus),  soe, 
äloere  (aber  verdüre),  Haute  Maine :  vce,  scer. 

66.  Durcli  Oxytonierung  wird  ü  zu  Oß  im  Badio- 
ti sehen,  vgl.  die  Ptc.  oroe  (*volutus),  podoe,  odce,  ferner  toß,. 
ploe,  See  (ital.  giü),  soe,  neben  büs,  cü  (aus  cül),  dütt  (tutto),  cürt 
(§  52),  freilich  auch  crü  (crudus),  agü.  Hieher  gehört  wohl  auch 
plam,  vindu,  vunu,  hressu,  cru  neben  mür,  lüna,  lüs  in  Poschiavo. 
Auffällig  sind  aber  nud,  uga.  Romg.  wird  u  im  Auslaut  zu 
halboffenem  o:  pig,  so,  virto. 

d)  Einzelheiten. 

67.  Neben  den  regelmäfsigen  Vertretern  von  ü  in  suddus 
stehen  nun  noch  ital.  sozzo ,  frz.  sourge,  span.  soez,  die  ein 
socidus  oder  syicidus  verlangen.  Es  ist  denkbar,  dafs  sttcidus 
schmutzig  an  sus ,  S'i^is  angelehnt  wurde,  wie  spurcus  a.n  porcus 
§  146.  Dunkel  ist  ital.  lordo,  prov.  Jort,  frz.  lourd  mit  u  statt  o. 
Dafs  auch  span.,  portg.  lerdo  schwei-fällig  dazu  gehöre,  ist  kaum 
anzunehmen,  da  dann  das  portg.  Wort  aus  dem  Spanischen  ent- 
lehnt sein  müfste,  und  aufserdem  noch  ein  dritter  Typus :  loridus 
gefordert  würde. 

Ein  schwieriges  Wort  ist  frz.  aiguille  aus  acucula,  woraua. 
zunächst  §güle,  entsprechend  ital.  guglia,  span.  aguja,  prov. 
agulha;  so  lautet  es  auch  im  Afr.,  vgl.  aguüle:  Puille  Fl.  Bl. 
1819  B.  Es  hat  nun  die  Existenz  eines  häufigen  Suffixes  üe 
neben    dem    einzigen    üle    und    das    sinnverwandte   aiguiser   eina 


§  67,  68. 


E,  i  im  Sardinischen.* 


81 


Entwicklung  zu  aigüille  hervorgerufen,  während  sonst  aus  f  kein 
i  hervorgeht. 

So  Gröber,  Miscel.  di  til.  e.  lingu.  39,  vgl.  Förster 
und  Suchier,  Ztschr.  HI,  515,  626. 
In  portg.  lagoa,  lion.  lona  (lacuna)  ist  das  seltene  una  durch 
das  hUufigere  ona  ersetzt.  —  In  afr.  alcuen,  chascuen  ist  unus 
mit  homo  vertauscht,  ebenso  agen.  ognomo  Arch.  Glott.  X,  159.  — 
Rumänisch  soc  aus  sahücus  ist  aufftlllig,  weil  sonst  im  Eumä- 
nischen  au  bleibt  (§  281).  —  Endlich  in  span.  sahueso  Duero  ist 
nicht  w  wie  o  behandelt,  sondern  ui  aus  wsj,  uri  zu  üe,  ue 
geworden.  —  Unklar  bleibt  ital.  pqmice,  frz.  ponce,  span.  pomez 
neben  lat.  pümex. 


3.    Vulgärlateinisch  E  =  schriftlateinisch   E,  I. 

68.  Wie  schon  §  26  bemerkt  worden  ist,  besteht  zwischen 
schriftlat.  e  und  t  fürs  Romanische  kein  Unterschied :  der  Laut, 
in  dem  sich  beide  vereinigten,  ist  ein  geschlossenes  e.  Nur  die 
zwei  Hauptmundarten  Sardiniens,  das  Logudoresische  imd 
das  Campidanesische  halten  die  schriftlateinischen  Qualitätsunter- 
schiede fest  und  geben  ?  durch  i,  e  durch  e  wieder,  wogegen 
die  nördliche  Mundart  von  Gallura  sich  dem  gemeinromanischen 
Brauche  anschliefst.     Wir  haben  also : 


Camp. 

me 

aeedu 

arena 

seu 

veru 

Log. 

me 

agedu 

arena 

seu 

veru 

Gall. 

me 

azedu 

arena 

seu 

veru. 

Camp. 

telu 

nii 

pizi 

pilu 

pira 

Log. 

telu 

nie 

piglie 

pilu 

pira 

Gall. 

telu 

nebi 

pezi 

pelu 

pera. 

Camp. 

sidi 

fridu 

P'^i 

sikku 

trinta 

Log. 

sidis 

friddu 

piske 

silcku 

trinta 

Gall. 

seddi 

freddu 

pe§u 

sekku 

trenta. 

Camp. 

birdi 

pibiri 

Unna 

-iscu 

-issa 

Log. 

hidru 

pibere 

Unna 

-iscu 

-issa 

Gall. 

vetru 

pebaru 

legna 

-escu 

-essa. 

Über    einen    Unterschied    zwischen 
folgenden  Vokal  s.  §  81. 

Meyer,  Grammatik. 


e    und    e   je    nach    dem 


82  I-  Kapitel:  Vokalismus.  g    69,    70. 

69.  Sehen  wir  vom  Sardischen  ab,  so  bilden  die  anderen 
romanischen  Sprachen  in  der  Behandlung  des  e  drei  grofse 
Gruppen.  Das  e  bleibt  bewahrt  im  Osträtischen,  Italienischen, 
Südfranzösischen  und  Spanisch-Portugiesischen.  Es  wird  zu  %  im 
Sizilianischen,  Calabresischen,  Apulischen,  in  Lecce  und  Arnesana 
marittima,  aber  schon  nicht  mehr  in  Tarent  und  in  Senise  (Basi- 
licata).  Endlich  freies,  seltener  gedecktes  e  wird  e%  im  Nord- 
und  Südostfranzösischen ,  Piemontesischen ,  Genuesischen  und  im 
südlichen  Emilianischen,  ferner  im  West-  und  Zentralrätischen, 
schliefslich  in  Veglia,  im  Rumänischen  und  an  der  Südostktiste 
Italiens  von  Molfetta  an  bis  tief  in  die  Abruzzen  hinein.  Dieses 
ei  hat  sich  dann  weiter  zu  aj,  oj,  of,  oa,  seltener  zu  f  oder  * 
entwickelt.  In  hohem  Mafse  ist  dann  e  dem  Einflufs  umgebender 
Laute,  namentlich  der  folgenden  tonlosen  Vokale  unterworfen. 

70.  Es  gestaltet  sich  also  die  Geschichte  des  e  zunächst 
folgendermafsen : 


Lat. 

ME 

TE 

SE 

QUID 

TEES 

ßum. 

— 

— 

— 

ce 

trel, 

Engad. 

me 

te 

se 

h'e 

trais 

Ital. 

me 

te 

se 

che 

tre 

Afr. 

mei 

tei 

sei 

queid 

treis 

Span. 

me 

te 

se 

que 

tres 

Sizil. 

mi 

ti 

si 

U 

tri. 

Lat. 

ACETU 

SECRETÜ 

-ETU 

*QUETÜ 

CITO 

Rum. 

— 

secret 

-et 

incet 

— 

Engad. 

asaid 

— 

-ait 

quait 

— 

Ital. 

aceto 

segreto 

-eto 

cheto 

cetto 

Afr. 

§  105 

— 

-eit 

queit 

— 

Span. 

— 

— 

-edo 

quedo 

cedo 

Sizil. 

acitu 

— 

-itu 

kitu 

— 

Lat. 

BETE 

*PARETE 

-ETIS 

SITI 

GRETA 

Rum. 

— 

parete 

-e0 

sete 

§  83 

Engad. 

arait 

parait 

-ais 

sait 

— ^ 

Ital. 

rete 

parete 

-ete 

sete 

creta 

Afr. 

reit 

pareit 

-es 

seit 

creie 

Span. 

red 

pared 

-edes 

sed 

greda 

Sizil. 

riti 

— 

•iti 

siti 

crita. 

§  70. 

Vulgärlateinisch  E. 

83 

Lat. 

META 

MONETA 

SETA 

CREDIT 

MERCEDE 

Eum. 

— 

— 



crede 



Engad. 

maida 

munaida 

saida 

craia 



Ital. 

meta 

moneta 

seta 

crede 

mercede 

Afr. 

meie 

moneie 

seie 

creit 

§  105 

Span. 

gal.  meda 

moneda 

seda 

cre 

merced 

Sizil. 

— 

munita 

Sita 

cridi 

— 

Lat. 

VIDET 

FIDE 

THECA 

PLICAT 

FRICAT 

Rum. 

vede 



§  83 

§  83 

§  83 

Engad. 

vaia 

fe 

tai§a 

plai§a 

— 

Ital. 

vede 

fede 

— 

§  105 

frega 

At'r. 

veit 

fdt 

teie 

pleie 

freie 

Span. 

ve 

fe 

— 

llega 

frega 

Sizil. 

vidi 

fidi 

— 

TciJca 

friJca. 

Lat. 

STBIGA 

RIGAT 

LIGAT 

RECIPIT 

PIPER 

Rum. 

— 

— 

§  83 

— 

— 

Engad. 

{Stria) 

— 

— 

aröaiva 

paiver 

Ital. 

strega 

— 

lega 

riceve 

pepe 

Afr. 

— 

— 

leie 

§  105 

peivre 

Span. 

— 

rega 

— 

recehe 

pebre 

Sizil. 

striga 

— 

liga 

riöivi 

pipi. 

Lat. 

PRESU 

PESU 

TESU 

MESE 

PAGESE 

Rum. 

— 

§  108 

— 

— 



Engad. 

praisa 

— 

— 

mais 

— 

Ital. 

preso 

peso 

teso 

wiese 

pacse 

Afr. 

— 

peis 

— 

meis 

§  105 

Span. 

preso 

peso 

teso 

mes 

§  105 

Sizil. 

prisii 

pisu 

tisu 

7nisi 

paisi. 

Lat. 

-ESE 

MESA 

TESA 

FECIT 

BERBECE 

Rum. 

-es 

§  83 

— 

fece 

herhece 

Engad. 

-ais 

maisa 

— 

— 

obw.  barbei§ 

Ital. 

-ese 

mesa 

tesa 

fece 

(herbice) 

Afr. 

-eis 

meise 

tme 

prov.  fetz 

(brehis) 

Span. 

-es 

ynesa 

— 

portg.  fez 

— 

Sizil. 

-isi 

— 

— 

fici 

6* 

— 

84  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   70, 


Lat. 

LICET 

PICE 

VICE 

LEGE 

REGE 

Rum. 



— 

— 

lege 



Engad. 



pai§ 



alai^ 

arai^ 

Ital. 

lece 

pece 

vece 

legge 

re 

Afr. 

leist 

peiz 

veig 

lei 

rei 

Span. 

— 

pez 

vez 

ley 

rey 

Sizil. 

— 

piöi 

vidi 

liggi 

ri. 

Lat. 

-EBAT 

SEBÜ 

DEBET 

CIBU 

BIBIT 

Rum. 

— 

seu 

— 

— 

§  108 

Engad. 

-aiva 

saif 

obw.  dei 

— 

baiva 

Ital. 

•eva 

sego 

deve 

— 

heve 

Afr. 

-eie 

§  103 

deit 



beit 

Span. 

■ea 

seho 

debe 

cebo 

bebe 

Sizil. 

-ia 

sivu 

divi 

divu 

bivi. 

Lat. 

NIVE 

VEEU 

-ERE 

SERA 

CERA 

Rum. 

§  104 

§  108 

§  83 

§  83 

— 

Engad. 

naif 

vair 

-air 

saira 

öaira 

Ital. 

neve 

vero 

-ere 

sera 

cera 

Afr. 

neif 

veir 

-eir 

seir 

§  105 

Span. 

(nieve) 

vero 

•er 

sera 

cera 

Sizil. 

nivi 

Viru 

-iri 

sira 

öira. 

Lat. 

SPBKAT 

PIRA 

VELU 

-ELE 

CELAT 

Rum. 

— 

§  83 

— 



— 

Engad. 

— 

— 

vail 

— 

— 

Ital. 

(sp§ra) 

pera 

velo 

-ele 

(c§la) 

Afr. 

espeire 

peire 

veil 

-eil 

ceile 

Span. 

espera 

pera 

velo 

-el 

— 

Sizil. 

— 

pira 

vilu 

-ili 

— 

Lat. 

CANDBLA 

MUSTELA 

TELA 

PILU 

STILÜ 

Rum. 

§  83 



— 

§  108 



Engad. 

Ti'andaila 

müstaila 

taila 

pail 



Ital. 

ca/ndela 

— 

tela 

pelo 

stelo 

Afr. 

candeile 

mosteile 

teile 

peil 

— 

Span. 

— 

— 

tela 

pelo 

— 

Sizil. 

cannila 

— 

tila 

pilu 

— 

70. 


Vulgärlateinisch  E. 


85 


Lat. 

FRENTJ 

PLENÜ 

RENES 

ARENA 

AVENA 

Rum. 

§  94 

§  94 

§  94 

— 

— 

Engad. 

frain 

piain 

— 

— 

avaina 

Ital. 

freno 

§  105 

rene 

rena 

vena 

Afr. 

frein 

plein 

rein 

areine 

aveine 

Span. 

freno 

Ueno 

— 

arena 

avena 

Sizil. 

— 

pinu 

rini 

rina 

— 

Lat. 

CATENA 

*8TRENA 

VENA 

MINUS 

SINU 

Rum. 



— 

— 



— 

Eiigad. 

k'adaina 

— 

vaina 

main 

sain 

Ital. 

catena 

strenna 

Vena 

meno 

seno 

Afr. 

chaeine 

estreine 

veine 

meins 

sein 

Span. 

cadena 

strena 

vena 

meno 

seno 

Sizil. 

catma 

strina 

vina 

minu 

— 

Lat. 

CINEKE 

MINAT 

MINA 

RACEMÜ 

REMU 

Rum. 

§  94 

§  94 

— 

— 

— 

Engad. 

dendra 

— 

— 

— 

— 

Ital. 

cenere 

mena 

mena 

(racimoloj 

remo 

Afr. 

cendre 

meine 

— 

§  105 

— 

Span. 

— 

mena 

almena 

— 

remo 

Sizil. 

— 

mina 

— 

— 

rimu. 

Lat. 

SEMEN 

FIMUS 

TIMET 

CICINÜ 

SEMITA 

Rum. 



— 

teme 

— 

— 

Engad. 

§  99 



§  99 

— 

§  99 

Ital. 

Seme 



teme 

cecero 

semita 

Afr. 

— 

(ßens) 

teint 

§  105 

sente 

Span. 

seme 

(hienda) 

teme 

— 

senda 

Sizil. 

simi 

— 

timi 

— 

— 

Lat. 

RIGIDU 

PRIGIDU 

DIGITU 

VIDÜA 

PEMINA 

Rum. 

— 

— 

— 

— 



Engad. 

— 

fraid 

daint 

vaidgua 

§  99 

Ital. 

— 

freddo 

(dito) 

vedova 

femmina 

Afr. 

reide 

freide 

deit 

vedve 

femme 

Span. 

redo 

§  44 

dedo 

§  102 

hembra 

Sizil. 

ri^gidu 

friddu 

ditu 

vidiia 

fimmina. 

86 


I.  Kapitel:  Vokalismus. 


70. 


Lat. 

TBEDECl 

SEDECI 

NITIDU 

PILICE 

CILIU 

Rum. 

— 

— 

neted 

ferece 

— 

Engad. 

tredeä 

seideS 

obw.  neidi 

felis 

— 

Ital. 

tredici 

sedici 

netto 

felce 

§  84 

Afr. 

treize 

setze 

nä 

— 

§  105 

Span. 

trece 

— 

neto 

— 

cejo 

Sizil. 

tridiöi 

sidiöi 

nitidu 

fdiöi 

diggyu. 

Lat. 

CONSILIU 

MILIU 

MIEABILIA 

TILIA 

INVIDIA 

Rum. 

— 

meiu 

— 

teiu 

— 

Engad. 

cusait 

mail 

§  85 

— 

— 

Ital. 

§  84 

§  84 

§  84 

§  84 

inveggia 

Afr. 

consel 

mel 

mervek 

tel 

Sveie 

Span. 

consejo 

§  84 

maravella 

— 

— 

Sizil. 

Tcussiggyu 

miggyu 

maraviggya  tiggyu 

— 

Lat. 

COERIGIA 

FEEIA 

VIBIA 

VITIÜ 

VICIA 

Rum. 

curea 

— 

— 

§  108 

— 

Engad. 

— 

— 

- 

vezz 

— 

Ital. 

coreggia 

(fiera) 

(viera) 

vezzo 

veccia 

Afr. 

cureie 

feire 

— 

*vez 

vece 

Span. 

correa 

— 

— 

vezo 

veza 

Sizil. 

curria 

— 

— 

— 

vizza. 

Lat. 

-ITIA 

CEEEVISIA 

-ICLO 

SITLA 

STBIGILE 

Rum. 

§  83 



-echiu 

— 



Engad. 

etsa 

— 

§  85 

§  85 

§  85 

Ital. 

-eeza 

— 

-ecchio 

secchia 

stregghia 

Afr. 

-esse 

cerveise 

-el 

sele 

§  84 

Span. 

-eza 

cerveza 

-ejo 

seja 

— 

Sizil. 

-izza 

— 

-ikJcyu 

sikkya 

striggya. 

Lat. 

PESILE 

FLEBILE 

VITTA 

SAGITTA 

NIGBU 

Rum. 



— 

— 

§  106 

negru 

Engad. 

— 

flaivel 

— 

— 

ner 

Ital. 

pesole 

§  105 

vetta 

saelta 

nero 

Afr. 

pesle 

fleivle 

— 

saette 

neir 

Span. 

— 

— 

veta 

saeta 

negro 

Sizil. 

— 

— 

vitta 

saitta 

niuru. 

^  70. 


Vulgärlateinisch  E. 


87 


Lat. 

VITEÜ 

PÜLLITKÜ 

JUNIPEBU 

CICBR 

LITTERA 

Rum. 

— 

— 

dzuneapine 

— 

— 

Engad. 

vaicler 

(puleder) 

gnaiver 

— 

— 

Ital. 

vetro 

polledro 

ginepro 

C{'ce 

lettera 

Afr. 

vedre 

— 

geneivre 

ceire 

lettre 

Span. 

vedro 

— 

enebro 

— 

letra 

Hizil. 

vitru 

piidditru 

jiniparu 

didiru 

littra. 

Lat. 

MITTIT 

SICCÜ 

CIPPU 

MISSU 

SPISSU 

Rum. 

trimet 

sec 

— 

— 

— 

Engad. 

mctta 

seh' 

depp 

mess 

spess 

Ital. 

mdte 

secco 

ceppo 

messo 

spesso 

Afr. 

met 

sec 

cep 

mes 

espes 

Span. 

mäe 

seco 

cepo 

meso 

espeso 

Sizil. 

mitti 

sikku 

cippa 

(misu) 

spissu. 

Lat. 

STELLA 

-ILLU 

ILLE 

PINKA 

TECTÜ 

Rum. 

§  lO'l 

— 

cel 

— 



Engad. 

staila 

-e 

öel 

— 

tett 

ItaL 

Stella 

-ello 

egli 

penna 

tetto 

Afr. 

esteile 

-el 

el 

penne 

teit 

Span, 

estrella 

-ello 

el 

pena 

tecTio 

Sizü. 

stiddu 

-iddu 

iddu 

pinna 

— 

Lat. 

BENEDICTU 

STRICTU 

IPSE 

METIPSIMU 

EIXA 

Rum. 

— 

— 

§  94 

— 

— 

Engad. 

— 

streit 

sezz 

— 

— 

ItaL 

henedetto 

stretto 

esse 

medcsimo 

rcssa 

Afr. 

benedeit 

estreit 

es 

medesme 

— 

Span. 

— 

estrecho 

— 

mismo 

pg.  reixa 

SiziL 

hinidittu 

striitu 

issu 

— 

rissa. 

Lat. 

CRESCIT 

PISCE 

ISTE 

PISTAT 

CRISTA 

Rum. 

creste 

peste 

acest 

— 

§  83 

Engad. 

Icraisa 

X>e§ 

— 

— 

Jcraiäta 

ItaL 

cresce 

pesce 

esto 

pesta 

cresta 

Afr. 

creist 

— 

est 

peste 

creste 

Span. 

crece 

pez 

este 

— 

cresta 

Sizil. 

Icriäi 

piäi 

isti 

pista 

hrista. 

I.  Kapitel:  Vokalismus. 


§  70. 


Lat. 

CRISPU 

ESCA 

VISCU 

MAGISTER 

CAPISTRU 

Eura. 

— 

§  83 

§  108 

maiestru 

cajjestru 

Engad. 

— 

aäk'a 

— 

— 

k'avaister 

Ital. 

Crespo 

esctt 

vesco 

maestro 

— 

Afr. 

cresp 

esche 

S.  89 

maestre 

chevestre 

Span. 

Crespo 

Msca 

arg.&esgwe 

maestro 

cabestro 

Sizil. 

—   . 

isTca 

visTiu 

maistru 

capistru. 

Lat. 

ClECAT 

VIBGA 

VIRGO 

HIEPEX 

VIRDIS 

Rum. 

§  83 

§  83 

vergura 



verde 

Engad. 

derca 

— 

— 

ierpi 

verd 

Ital. 

cerca 

verga 

vergine 

erpice 

verde 

Afr. 

cerche 

verge 

§  67 

herse 

vert 

Span, 

cerca 

verga 

S.  25 

— 

verde 

Sizil. 

öirha 

virga 

vir^ini 

— 

virdi. 

Lat. 

FIRMU 

SILVA 

LIMBU 

MINTA 

VENDERE 

Rum. 

— 

— 

— 



§  94 

Engad. 

ferm 

selva 

— 

— 

vender 

Ital. 

fermo 

selva 

lembo 

menta 

vendere 

Afr. 

ferm 

— 

— 

ml'te 

vedre 

Span. 

S.  89 

selva 

— 

menta 

vender 

Sizil. 

ß'mu 

Silva 

limmu 

minta 

vinniri. 

Lat. 

FINDERE 

TRIGINTA 

VINCERE 

FINGERE 

LINGUA 

Rum. 



— 





—  . 

Engad. 

fender 

trenta 

vainder 



§  117 

Ital. 

fendere 

trenta 

§  95 

§  95 

§  95 

Afr. 

fedre 

trete 

venire 

fendre 

legue 

Span. 

hende 

trenta 

vence 

— 

lengua 

Sizil. 

finniri 

trinta 

vinci 

finöi 

lingua. 

Lat. 

REGNU              LIGNU 

Rum 

l.                   

lemn 

Engad.          — 

lenn 

Ital. 

regno 

legno 

Afr. 

(regne)          levie 

Span.          reino 

leno 

Sizil 

(regnu)         linu. 

{<   70,    71.  Vulgärlateinisch  E.  89 

Weitere  Beispiele  sind  noch  lat.  vix:  rum.  ahie,  obw.  vess, 
asp.  abes;  lat.  anetum:  ital.  aneto,  span.  eneldo;  sedes:  portg.  se, 
sen.  sede;  lat.  Situs:  ital.  sdo;  lat.  Tieres:  afr.  e«V;  vulglat.  alenat 
(halenat):-  ital.  älcna,  frz.  haieine;  Suffix  ital.  -fffo,  frz.  ci;  opo- 
theca:  ital.  hoitcga,  ital.  satoreggia,  puleggia,  remeggia,  cmpio; 
span.  manceho,  portg.  enseia  (insidia),  span.  smrfo  (singulo);  rum. 
burete,  obw.  hulieu  u.  s.  w.  Zu  dem  Verzeichnis  ist  noch  einzelnes 
zu  bemerken.  Suffix  -eZ  findet  sich  im  span.  fiel  Zünglein  an  der 
Waage  von  lat.  fidelis,  zu  gal.  meda  gesellt  sich  span.  medano. 
Rum.  otet  piper  sind  nicht  erwähnt,  weil  beide  nicht  direkt  aus 
dem  Lateinischen  stammen,  sondern  jenes  zunächst  aus  dem 
Slawischen,  dieses  aus  dem  Griechischen.  Auffällig  ist  rum. 
cih  =  cibus.  —  Viscns  und  firmus  sind  hier  aufgeführt,  nicht 
§  31,  weil  die  Mehrzahl  der  romanischen  Formen  j  verlangt. 
Das  frz.  gui  scheint  zwar  auf  i  hinzuweisen,  ist  aber  auch  in 
seinem  Anlaute  aiiffällig:  vgl.  daneben  poit.  Ariege  besh,  champ. 
voU,  gase,  beö'^  ital.  viscido  ist  gelehrt,  vgl.  dagegen  rum.  vested.  — 
Gegenüber  fermo  u.  s.  w.  steht  span.  firme  firmes,  das  noch  be- 
stätigt zu  werden  scheint  durch  das  nicht  seltene  FIRMVS  latei- 
nischer Inschriften  CIL.  TV,  175;  VI,  1058.  Allein  die  Sache 
ist  doch  bedenklich ,  da  span.  firme  auch  wegen  seines  f  nicht 
Erbwort  sein  kann.  —  Neben  benedictus  ist  auch  diüus  durch  ital. 
detto,  asp.  decho  declia,  wall,  det,  wallon.  deit  gesichert;  daneben 
sind  frz.  dit,  span.  dicho  Neubildungen. 

Unklar  ist  ein  ei  aus  e  im  Portugiesischen :  teiga 
manteiga  taleiga  (das  wegen  l  nicht  alt  sein  kann), 
ve'iga,  teima. 


a)    Spoutaue  Weiterentwicklungen  des  ei, 

71.     Während   e    und    i   aus    c    sich  nicht  weiter  verändern, 
hat  ei  die  verschiedenartigsten  Schicksale.     Soweit   bis  jetzt   be- 
kannt ist,  bleibt  es  in  Oberitalien  meist  bestehen,    ob  als  {?«" 
oder  ei,  geht  aus  den  Wörterbüchern  nicht  hervor.     Also 
piem.        seia  peiver       peis  seira         -ei  teila 

gen.  —  peivie       peizu        seia  -ei  teia 

bologn.     seida  —  peis  §  105       -ei  teila. 

Beachte  aber  bol.  bever,  creder  und  paver. 


90  I-  Kapitel:  Vokalismits.  §    71^    72. 

Die  geographische  Ausdehnung  des  ei  bedarf  genauerer  Unter- 
suchung. Im  Nordwesten  greift  es  noch  in  das  südfranzösische 
Sprachgebiet  hinein :  in  Val  Soana,  das  sich  durch  die  Bewahrung 
der  auslautenden  Konsonanten  durchaus  vom  italienischen  Typus 
trennt,  erscheint  hier  wie  in  anderen  Fällen  piemontesischer 
Vokalismus :  kei,  seif,  peis,  veira,  -ei,  teila  ti.  s.  w.,  in  Savoyen 
z.  B.  in  Bonneville  (Paucigny):  rci,  avei ,  recevei  (doch  auch 
povai) ,  doch  scheint  das  vereinzelt  zu  sein ;  weiter  südlich  hat 
Nizza,  Sospello  ebenfalls  ei,  Mentone,  Monaco  dagegen  e.  Östlich 
umfafst  ei  Alessandria,  Bobbio,  nicht  Pavia,  zieht  sich  dann  aber 
mehr  in  die  Bei'ge  zurück,  so  dafs  es  in  Parma  xmd  Reggio 
d'Emilia  und  in  den  tiefer  in  der  Ebene  liegenden  Ortschaften 
wie  Guastalla,  Poviglio  nicht  mehr  erscheint.  Dann  scheinen  die 
südlichsten  Punkte  der  Diphthongierung  Correggio,  Carpi,  Cento 
zu  sein,  aber  nicht  mehr  Crevalcore.  Über  Bologna  hinaus  reicht 
ei  kaum :  in  Imola  tritt  schon  das  c  auf,  das  auch  der  Romagna 
eignet.  Endlich  zwischen  der  Lombardei  und  dem  Piemont 
scheint  die  Sesia  die  Grenze  zu  bilden.  Während  also  hier 
freies  ei  bewahrt  bleibt,  hat  es  sich  bei  den  aus  dieser  Gegend 
(Novara  ?)  stammenden  Galloitalikern  Siziliens  zu  ai  entwickelt : 
avair,  arsaira,  trai  (tres),  azai,  das  vor  Kons,  zu  a  vereinfacht 
wird :  täla,  sara  (seta),  tsara  (cera),  sav,  maz  (mese),  arana. 

72.  In  Nordfrankreich  zeigt  das  älteste  Sprachdenkmal, 
die  Strafsburger  Eide,  i:  savir,  mi,  quid,  podir^  dift  neben  dreit. 
Man  hat  hierin  nicht  i,  sondern  eine  unvollkommene  Wiedergabe 
von  e  oder  ei  zu  sehen,  die  sich  auch  in  den  Merowingerurkunden 
mehrfach  findet.  Für  die  drei  Laute  e,  c  oder  ei,  i  besafs  die 
Schrift  nur  zwei  Zeichen:  e  und  i,  jenes  zunächst  e,  dieses  zu- 
nächst i  bezeichnend.  Für  e  wurde  in  historischer  Schreibweise  e 
und  i  festgehalten.  Wollte  man  nun  aber  für  den  einen  Laut  e 
nur  ein  Zeichen  anwenden,  so  lag  i  mindestens  ebenso  nahe  oder 
sogar  noch  näher  als  e,  da  c  von  i  weniger  absteht  als  von  e. 
Beachtenswert  ist  dreit.  Die  Verschiedenheit  der  Schreibung 
drückt  wohl  nicht  die  Verschiedenheit  der  Grundlage  aus,  sondern 
i  vertritt  den  palatalen  Spiranten,  e  wird  durch  e  dargestellt,  um 
die  Vermischung  mit  dem  folgenden  i  zu  verhindern,  erklärt  sich 
also    als   graphische  Dissimilation.     Danach   ist  savir   dreit    nicht 


t^    72.  EI  zu  Ol  in  Nordfrankreich.  91 

als  saveir  dreit,  sondern  als  saver  dreht  oder  saveir  dreiKt  zu 
lesen.  Das  Eulalialied  kennt  schon  aiisschliefslich  ei:  sostendreiet, 
concreidre,  ebenso  Jonas:  haveir,  saveiet,  fereiet.  Schon  früh  ist 
daraus  im  Nordosten  und  Zentrum  oi  geworden ,  wie  auch  aus 
dem  in  tonloser  Silbe  aus  e  +  i  entstandenen  ei  (§  356).  Das 
älteste  Beispiel  ist  noieds  (necatos)  Jonas  5  b ,  Soifridus  Meuse 
1078,  Gall.  Christ.  XIII  instr.  562,  Fontois,  Meurthe  et  Moselle 
1096,  ib.  instr.  566.  Um  den  Wandel  zu  verstehen,  ist  zu  be- 
achten, dafs  er  auf  sehr  vielen  Gebieten  vorkommt  (vgl.  z.  B. 
§§  32,  77,  78),  dafs  er  aber  im  Eomanischen  beschränkt  ist 
auf  dasjenige  ei  §i,  welches  auf  e  zurückgeht,  während  das  aus 
a  -\-  i  entstandene  sich  stets  zu  p  entwickelt.  Ferner  zeigt  uns 
das  Französische ,  dafs  der  Accent  nicht  im  Spiele  sein  kann : 
soissante  neben  six,  poitrine  neben  pig.  Infolge  von  Dissimilation 
mit  dem  zweiten  Bestandteile  wird  ei  zu  p.  Von  ai  unterscheidet 
sich  ^i  nicht  nur  dadurch,  dafs  das  Ansatzrohr  für  den  ei'sten 
Teil  des  Diphthongen  enger  ist,  sondern  namentlich,  dafs  die 
Enge  am  Gaumensegel  gebildet  wird.  Dadurch  ist  ein  Über- 
gleiten zu  d  (velarem  a)  und  schliefslich  mit  noch  stärkerer 
Dissimilation  zu  p  ermöglicht.  Diese  letztere  Stufe  liegt  vor  in 
hruellois:  cors  Aiol  5295,  aloit  Jourdain  255  in  p  Tirade,  auch 
Chr^tien  scheidet  oi  aus  ei  und  gi  nicht  mehr.  Dann  wird  bei  der 
Bildimg  des  zweiten  Bestandteils  die  Zunge  nicht  mehr  völlig 
gehoben,  aus  gi  entsteht  p'g  und  daraus  im  Laufe  des  XUI.  Jahr- 
hunderts mit  Tonverschiebung  o§':  voier  (vei'wn)  Tournay  1207, 
moies  Meurthe  1269  N.E.  XVin,  130;  estoet  Laon  Bib.  ec.  eh. 
2  II,  238,  hoais  moais  Oissery  ib.  306,  alle  drei  aus  den  Jahren 
1256 — 1262.  Diese  Tonverschiebung  gehört  dem  Osten  und 
Zentrum  an,  nicht  der  Pikardie  und  dem  Wallonischen,  daher 
die  pikardischen  Dichter  des  XIII.  Jahrhunderts  nie  oi  mit  einem 
(.'-Laute  binden.  In  der  Ile-de-France  hält  Ruteboeuf  ebenfalls 
beide  Laute  auseinander,  wogegen  der  Renard,  der  Rosenroman, 
Gautier  de  Coincy,  Christine  de  Pizan,  Villon  u.  a.  oi  und  ai 
reimen:  metrai:  ofroi  Ren.  4101;  delai:  roi  19131;  moi:  enformai 
Rose  I,  282;  soi:  sai  I,  310  u.  s.  w.  Damit  ist  schwer  zu  ver- 
einigen die  Bemerkung  von  Palsgrave :  ^^Oi  in  the  frenche  tonge 
hath  IT  diverse  soundes,  for  sometyme  it  is  sounded  lyke  as  wo 
sounde  oy  in  these  wordes  „„a  boye,  a  froyse,  coye"",  and  suche 


92  I.  Kapitel:  Vokalismus.  §   72. 

lyke,  and  somtyme  tliey  sound  i  of  oy  almost  like  an  a.  The 
generali  sounding  of  oi  is  suche  in  frenche  as  I  have  shewed  by 
example  in  our  tong,  so  that  these  wordes  oyndre  joyndre  poyndre 
moitie  moyen  roy  moy  loy  he  sonnded  with  them  lyke  as  we 
wolde  sounde  them  in  our  tonge."  Also  im  Auslaut  und  vor  Nasalen 
spricht  Palsgrave  oi,  im  Inlaut  vor  Konsonanten  aber  oe,  und  damit 
stimmt  Erasmus  überein  ^  während  H.  Etienne  moi  tadelt.  Es 
liegt  somit  in  den  oben  angeführten  Reimen  ein  dialektischer 
Zug  vor.  Meigret  und  alle  folgenden  verlangen  aufser  vor  Nasalen 
o§,  d.  i.  u§.  In  Paris  wird  dann  up  weiter  zu  ua.  Schon 
H.  Etienne  1582:  „il  ne  faut  pas  moins  eviter  de  prononcer 
moas  foas  troas  poas  comme  le  menu  peuple  parisien",  Beza 
1584:  „Corruptissime  vero  Parisiensium  vulgus  Dores  7i)MTtiaLoi'- 
rag  imitati  pro  wirre  sive  ut  alii  scribunt  verre  (vitrum),  foirre 
(palea  farracea)  scribunt  et  pronuntiant  voarre  et  foarre  itidem- 
que  pro  trois  (tres),  troas  et  tras".  Im  Dialogue  II,  311  aber 
schreibt  Etienne  das  oa  auch  dem  Hofe  zu :  „quelques  courtisans, 
qui  ont  si  bien  apris  de  dire  ainsin  ä  Paris,  au  lieu  de  ainsiy 
qu'ils  ne  s'en  peuvent  garder:  non  plus  que  de  dire  troas  moas, 
qui  est  aussi  de  la  prononciation  Parisienne."  Für  einzelne 
Wörter  ist  oa  noch  früher  bezeugt.  Zwar  der  Reim  carre:  poirre 
bei  Villon  beweist  nichts  s.  §  258,  aber  schon  R.  Estienne  1549 
schreibt  jJoaZe.  Nur  sehr  langsam  drang  oa  durch:  Buffier  1709 
tadelt  es,  La  Lande  1730  spricht  sich  entschieden  dafür  aus, 
doch  schwankt  das  ganze  XVIII.  Jahrhimdert,  namentlich  im 
Auslaut,  in  roi  loi  bleibt  p  fest,  während  vor  r  und  S  das  a  früher 
anerkannt  wird.  Domergue  1805  verwirft  oe  völlig,  aber  noch 
Lafayette  1830  soll  in  einer  Rede  Wf  gesprochen  haben,  und 
Dupuis  1836  will  es  in  tonloser  Silbe  bewahren.  Heute  ist  es 
ganz  verschwunden .  In  Mundarten  aber  hat  es  festen  Bestand : 
der  ganze  Osten,  die  nördliche  Franche-Comte,  Marne,  ferner  im 
Westen  Anjou  bewahren  die  ältere  Aussprache;  wie  es  scheint, 
ist  nur  Paris,  seine  nächste  Umgebung,  und  Mundarten,  die  stark 
von  der  Schriftsprache  beeinflufst  sind,  zu  ud  fortgeschritten. 

Unter  noch  nicht  klargestellten  Bedingimgen  wird  up  zu  f. 
In  der  in  hebräischen  Buchstaben  geschriebenen  Elegie  vom 
Jahre  1288  erscheint  et  als  3.  Sg.  Impf.  Nach  Peletier  1549 
wäre  die  Reduktion  nach  i  eingetreten:    „Nous  pronouQons  priet, 


(<    72.  J^I  2"  Ol  i"  Nordfrankreich.  93 

eriet  etudiet,  et  toutes  tierces  personnes  de  l'imparfait  indicatif 
venant  des  infinitifs  en  ier,  et  toutefois  nous  ecrivons  prioit, 
etudioit:  ne  nous  est  permis  d'en  user  autrement."  Allein  damit 
kommt  man  nicht  durch.  Vgl.  nfr.  monnaie,  täte,  rem,  claie,  saie, 
-aie  neben  soie,  voie,  lamproie.  Zum  Teil  scheint  die  willkürliche 
Mode  des  Hofes  hier  mafsgebend  geworden  zu  sein.  H.  Etienne 
1578  legt  Formen  auf  e  seinem  Philausone  in  den  Mund  und 
bezeichnet  sie  I,  68  ausdrücklich  als  die  bei  Hofe  gebräuchlichen. 
Schon  zu  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts  war  f  statt  o§  ein- 
gerissen, Guillaume  des  Autels  1548  und  Pasquier  1572  erhoben 
Einspruch  dagegen,  sie  anerkannten  nur  reine,  Imperf.  und  Kondiz. 
in  et\  Palliot  1608  klagt,  dafs  man  rei  spreche,  Maupas  1625  erwähnt 
droit,  froid,  estroit,  crottre,  croire,  sois,  soit  mit  {•,  aber  loi,  foi, 
roi,  trois,  mois,  croise,  hoire  nur  mit  oi\  Patru  1674,  De  la  Touche 
1696,  Buftier  1709  empfehlen  §  für  die  Umgangssprache,  op  fin- 
den gehobenen  Vortrag.  Noch  bis  in  die  neueste  Zeit  hinein 
schwanken  einzelne  Wörter  wie  roide;  in  einem  Falle  ist  §  heute 
an  Stelle  eines  alten  o  -{-  i  getreten :  connaitre.  Die  ganze  Be- 
wegung für  und  gegen  OQ  —  ^  bedarf  noch  sorgfaltigster  Unter- 
suchung. 

U 1  b  r  i  c  h ,  Zur  Geschichte  des  französischen  Diphthongen 
oi,  Ztschr.  HI,  385—394;  Ph.  Rofsmann,  Fran- 
zösisches oi,  Rom.  Forsch.  I,  145 — 178;  G.Paris,  Rom. 
XI,  604 — 609;  We igelt.  Französisches  oi  aus  ei  auf 
Grund  lateinischer  UrJcunden  des  XII.  Jahrhunderts,  Ztschr. 
XI,  85 — 106.  Letzterer  bringt  noch  ältere  Beispiele  als 
die  oben  angeführten,  sie  sind  aber  zAveifelhaft.  Hoya 
Silva  1071  soll  Haye  ahd.  Hac  sein:  dann  ist  es  ein 
Schreibfehler,  da  ai  nicht  oi  wird ;  Troieid,  Troicul,  Troiul 
1093,  1096,  1106  =  Trieux  wird  mit  tricolum,  triceolum 
(D.O.)  zusammengebracht,  doch  geht  das  nicht:  Troicul 
ist  verschrieben  oder  verlesen  für  Troicul,  dieses  aber 
stellt,  wenn  es  dem  heutigen  Trieux  wirklich  entspricht, 
*torctdos  dar.  —  Über  die  Entwicklung  ei  —  oi  sind 
verschiedene  Theorieen  aufgestellt.  Schuchardt,  Vok. 
I,  466,  Centralbl.  1877,  1253,  Ztschr.  IV,  123  spricht 
einfach  von  Dissimilation  :  ei  —  ai  —  oi ;  ebenso  L  ü  c  k  i  n  g 
204. —  Ul brich  389  setzt  an:  Q'Ü,  QOi,  qce^  Qot,  gct,  oq 
schliefslich  ud.  Dagegen  ist  manches  einzuwenden.  Wie 
üi  zu  iXi  nicht  ui  wird ,  so  hätte  doch  wohl  ccoe  auch 
nicht  oös  ergeben;  sodann  ist  der  Übergang  von  m  zu  e 
im  Französischen  unerhört.     Es  besteht  aber   auch    kein 


94  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    72 — 74. 

zwingender  Grund  zu  der  Annahme :  wenn  im  Mistere 
de  la  passion  11247  seuf,  11590  soeuf  statt  soif  ge- 
schrieben wird,  so  kann  das  0(K  bedeuten,  mit  ö?  statt  e 
unter  labialem  Einflufs,  wie  ffef=^feve  §  270.  Dafs  zur 
Zeit  des  Rosenromans  oi  noch  nicht  og  sein  konnte ,  ist 
ein  blofses  Postulat;  die  Beispiele,  die  von  Vei'wechslung 
von  oi  und  eu  ue  gegeben  werden,  beruhen  teils  auf 
Schreibfehlern,  Noitun\onNeptunus  geht  nicht  ani* Neutun 
zurück,  sondern  ist  an  noit  (noctem)  angelehnt,  Vernoil 
und  Verneuil  zeigen  Suffixvertauschung  u.  s,  w.  — 
G.  Paris  nimmt,  gestützt  auf  noieds  im  Jonas,  an,  dafs 
der  Wandel  zunächst  in  tonloser  Silbe  vor  sich  gegangen 
sei.   —  Vgl.  noch  §   107  über  Hornings  Theorie. 

73.  Das  oi  bleibt,  wie  bemerkt,  im  Nordosten,  vgl. 
Ltittich :  voi,  manoi,  im  P  i  k  a  r  d  i  s  c  h  e  n  wird  es  zu  o  reduziert, 
vgl.  parole:  estoile  Adam  de  la  Halle  308,  veor,  sot,  prosie  Chev. 
n  esp.  XXXIX,  daher  denn  auch  die  pikardischen  Denkmäler 
des  XIII.  Jahrhunderts  nie  oi  mit  einem  e-Laut  binden.  Heute 
z.  B.  in  Arras:  p>(^^o,  fro,  do,  to  aber  noar ;  Cambrais:  avo,  tro, 
drola  (droit-lä) ;  Rouchi :  fo,  tro,  do,  fro.  Ebenso  das  aus  o  -f-  » 
entstandene  o:  encore:  glore,  B.  Condet  52,  199;  S.  Greg.  Rom. 
VIII,  39,  Gregore:  ore  131. 

74.  In  West  frank  reich  bleibt  ei  zunächst  bestehen  von 
Treportan,  auchBeauvais,  und  südlich  von  Paris,  Chevreuse,Etampes, 
Chartres  kennen  oi  nicht,  dann  die  ganze  Xormandie,  Maine,  Touraine, 
Anjou,  Poitou.  So  haben  wir  in  den  altfranzösischen  Texten  der 
Normandie  durchaus  ei.  Dieses  ei  entwickelt  sich  dann  weiter 
über  §i  zu  f,  vgl.  Bessin  crere,  vpe  (videt),  npr,  p^r,  oder  e  Montejan 
(Mayenne)  fre,  ve,  äe  (cadere),  se;  ei  bleibt  z.  B.  in  Louvigne 
(Ile  et  Vilaine):  '  feir,  neir,  pteile,  pei  (pilum),  in  Lahague:  meis, 
Tcreire,  mei,  heire,  peivre,  peis  frei  neben  fe  und  dem  auffälligen 
seu  (sitis).  Die  einfache  Schreibung  mit  e  begegnet  schon  in  der 
zweiten  Hälfte  des  XIII.  Jahrhunderts  in  Urkunden,  im  Nord- 
westen mit  oi  vermischt,  das  jetzt  mehr  und  mehr  vom  Osten  her 
eindringt.  Im  Livre  des  Manieres  sind  ei  und  pi  noch  geschieden, 
in  Urkunden  aus  der  Bretagne,  Anjou  n.  s.  w.  wird  aber  seit 
Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts  häufig  ai,  ae  geschrieben;  in  dem 
poitevinischen  Katharinenleben  ist  die  vorherrschende  Schreibung 
ei  aufser  vor  r,  wo  fast  stets  e  erscheint.  J.  le  Marchant  schreibt 
-eile,  meitre,  preistre,  deren  ei  wohl  f  bedeutet. 


^   75,    76.  ^I'  EI  im  Pikardischeu  und  Normannischen.  95 

75.  Als  eine  eigentümliche  Verquickung  normannischer  luid 
französischer  Form  ist  das  oie  westlicher  Texte  zu  erwähnen. 
Zwar  in  dolocre  ftir  deleoire  Gr.  Guiart  I,  3620,  ovro-er  fllr  ovre-oir 
bei  C4uill.  Marcliant,  wo  nicht  oi  aus  (',  sondern  aus  Q  -\-  i  vor- 
liegt, und  selbst  in  benoiete,  maloiete  aus  heneoite,  mäleoite  Me.  II, 
424,  407  und  in  anderen  Fällen  Avird  man  einfache  Umstellung 
anzunehmen  haben.  Auch  voicr  aus  veoir  H.  A.  LXIV,  178,  150; 
clioief  in  Berouls  Tristan  2044  clwicr  1052  können  so  erklärt 
werden,  aber  nicht  mehr  voier  =  verum  Eon  449  C,  savoier,  troies, 
avour  Mi'm.  ant.  Norm.  XVI,  957,  a.  1281,  so  dafs  man  nun  auch 
an  der  Auffassung  der  frz.  e  —  oi  entsprechenden  Belege  zweifel- 
haft wird.  Soviel  bis  jetzt  bekannt,  kommen  alle  diese  Formen 
nur  im  Westen  vor,  d.  h.  nur  da,  wo  e  zu  ei,  nicht  oi  wird ;  sie 
fehlen  auch  den  älteren  Denkmälern  dieser  Gegend.  Sie  sind 
daher  wohl  als  eine  Verschmelzung  von  oi  und  e  zu  fassen,  die 
auf  eine  das  zentralfranzösische  o§  nachahmende  Aussprache  hin- 
weist: dafür  spricht  auch  soair,  voair,  clioair  bei  Jean  le  Marcliant. 

Vgl.  A.  Tobler,  Ztschr.  vgl.  Sprachf.  XXIII,  416  ff"., 
wo  die  Beispiele  für  Umstellung  gegeben  werden; 
Görlich,  Fr.  Stud.  V,  362;  Huber,  H.  A.  LXXIV, 
147 — 157,  wo  zahlreiche  Belege  und  die  Erklärung. 

76.  Ein  drittes  französisches  Gebiet  kommt  von  ei  zu  ft  f 
bezw.  aij  a,  a,  o:  der  ganze  Osten  von  Savoyen,  wo  ei  zum 
piemontesischen  ei  hinüberführt,  bis  nach  Lothringen.  Die  älteste 
Form  hat  sich  selten  erhalten :  in  Bagnard  avei,  moteiya  (mustela). 
seiya  (seta),  dei  (digitus),  peivro,  in  Blonay  (Waat)  im  Satzinnern : 
le  frei  fevräi,  aber  le  fenrei  frai,  im  Wortinnern  im  oberen 
Greierz:  cräyo,  päizo,  täila,  fäivra  aber  prä,  fä  (fei),  sä  (sepes), 
im  Neuenburger  Seebezirk  avei  mei  trei  savei.  —  Sonst  ist  es  zu 
ä  geworden  am  rechten  Rhone-Ufer  und  im  nordwestlichen  Teile 
der  Waat :  avä,  täla,  du,  tsandäle,  nä  und  zum  Teil  in  Neuenburg, 
p  im  unteren  Greierz  und  Neuenburg;  sodann  in  ganz  anderer 
Gegend  in  Rive  de  Gier:  rp,  tr§,  dr{>,  np  (noir),  aber  fem.  neiri; 
in  Auve  de  (dehet),  set  (sit)  neben  craire,  dais.  Eine  Weiter- 
entwicklung von  e  ist  endlich  ce  Chezard  (Neuenburg) :  tcel,  tcßs, 
troß,  pcRvre,  —  Weit  gewöhnlicher  ist  ai  in  Savoyen  zum  Teil, 
inVionnaz:  etaila,  d§vai,  praiza,  saya,  paivr§,  und  so  in  Ormont, 
Pays  d'Enhaut,    daraus  endlich    a  im  Rest  der  Waat,    Freiburg 


96  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    76,    77. 

(noch  ai  in  Paroisse,  Neuenburg,  Jujurieux),  dann  z.  B.  in  Fourgs : 
sa,  fra,  na  fnigerj,  deva,  aber  auch  hier  im  Inlaut  die  ältere 
Stufe :  paivru,  naire  (nigra) ;  desgleichen  Bresse :  ma  (mensis), 
edra,  fa,  sava  neben  häre.  In  Lothringen  gehen  aufner  nach 
Labialen  a  und  o  nebeneinander:  letzteres  gehört  mehr  den 
nördlichen  Mundarten  an,  ersteres  den  südlichen,  doch  zeigt  oft 
dieselbe  Ortschaft  für  das  eine  Wort  a,  für  das  andere  o.  Daraus 
geht  zunächst  hervor,  dafs  hier  zwei  Dialektgruppen  sich  kreuzen, 
und  dafs  vorläufig  noch  keine  zum  Sieg  gelangt  ist.  Man  könnte 
das  0  aus  a  erklären :  in  Cugy  und  Haute-Broye  wird  a  aus  e 
zu  ä,  daraus  könnte  sich  o  leicht  entwickelt  haben.  Zweierlei 
spricht  gegen  diese  Annahme :  der  Mangel  von  ä  in  Lothringen 
und  die  ebengenannten  Mischungen.  Das  o  geht  vielmehr  auf  oi 
zurück  und  ist  daraus  entstanden  wie  a  aus  ai:  also  gemeinsam 
ganz  Lothringen  ist  der  Verlust  des  palatalen  Elementes;  die 
Grundlage  ist  aber  im  Süden  ai,  im  Norden  oi,  womit  der  Norden 
ans  Metzische  und  Wallonische  anknüpft.  Hier  nämlich  erscheint 
ce,  im  Auslaut  cei:  Falkenberg  doef,  kroer,  var,  dcei,  soei,  Seraing 
mce,  poer,  soe,  vce,  troe  u.  a.  Die  Grundlage  für  das  Nordlothrin- 
gische, Wallonische  und  zugleich  für  das  Pikardische  und  Zentral- 
französische ist  oi,  woraus  nun  entweder  og'  entstand,  oder  mit 
Verschmelzung  der  beiden  Elemente  oe,  öder  mit  Verlust  des 
zweiten  p.  Es  ist  denkbar,  dafs,  als  oi  bezw.  m  vom  Norden 
und  von  Metz  her  sich  in  Gegenden  ausbreitete,  die  kein  oi,  os 
hatten,  sondern  nur  p,  letzteres  an  Stelle  von  oi,  oe  trat:  so 
erklären  sich  die  lothringischen  Verhältnisse  am  besten.  Für  das 
Pikardische  ist  das  freilich  nicht  anzunehmen.  —  Die  Reduktion 
von  oi  auf  o  ist  schon  in  den  mittelalterlichen  Denkmälern  zu 
belegen;  vgl.  die  Reime:  voe:  hoe  Prior.  9264:  hloe  10731, 
savor ,  avor,  motei,  doent  1255  Luxemburg  N.E.  XVIII,  46, 
demoroent,  seroent  1270  Meuse  ib.  32  u.  s.  w.  Weiter  südlich 
trifft  man  sie  noch  in  Plancher  les  Mines:  vove,  no,  hyoe  (cleta), 
croe,  menoe,  soe  neben  toie  fteca),  epo,  roe  (raie),  motore  (mustela), 
ßandore,  detrosse,  aber  poi  (pilum),  soi,  soile  (seille),  roi,  noige, 
moidre  (minor)  neben  sedre  (cinere). 

77.     Der  Diphthong  ei  scheint,    wenn    auch   vielleicht  nicht 
überall  in  gleichen  Bedingungen,  einst  über  das  ganze  rätische 


c<   77,  78.  E  im  Rätischen.  97 

(4ebiet  verbreitet  gewesen  zu  sein.  Er  hat  sich  heute  aber  nur 
noch  sporadisch  erhalten  in  Dissentis,  Waltensburg,  Ilanz,*  in 
Tiefenkasten,  in  Ober-Bergell,  in  Tirol,  in  Vigo  und  Ober-Fascha, 
dann  in  Ober-Comelico,  Erto,  am  Tagliamento  und  an  der  Meduna, 
in  Carnien  (Tolmezzo),  Gemona,  dann  in  Val  Leventina,  Mesol- 
cina.  In  Poschiavo  bleibt  er  noch  vor  d:  seid,  deit  —  save\  ner, 
ivena,  pel,  im  Auslaut  in  Liviuallungo :  mei,  cm,  azd,  sei,  auch 
Kciger,  peiver,  abers  are,  crada,  vana,  sada,  k'amaza.  Im  Friaul,  in 
Tirol  und  auch  im  Domleschg  und  Schams  tritt  Reduktion  zu 
oder  ^  ein,  und  so  mag  auch  das  §  in  Tessin  auf  rätisches  ei 
zurückweisen,  in  Judicarien  nur  vor  r:  §era,  Vera,  er,  im  Aus- 
laut: az^,  parp,  r§,  pp,  d§,  vor  f:  nef  und  in  drittletzter:  pevar, 
veduf,  sonst  aber  i:  fida,  Jc'ina,  vina,  tila,  in,  pil,  pi§;  auch 
anderswo  tritt  e  vor  bestimmten  Konsonanten  auf.  Ganz  eigen- 
artig ist  die  Konsonantisierung  des  i  in  Schweiningen  und 
Bergün :  seJct  =  seit,  stegla  (Stella),  segra,  peJcs,  nekf,  -eJcr,  sekf. 
Auch  das  §  32  erwähnte  sekundäre  ei  folgt:  durmeJcr.  In 
Schweiningen  scheint  A;  auf  die  Oxytona  beschränkt:  vekf,  Fem. 
veiv§,  nicht  aber  in  Samaden:  vikf,  vigva.  Vgl.  noch  §  298.  Die 
gewöhnliche  Weitei*entwickluug  von  ei  ist  die  zu  ai:  sie  erscheint 
im  Tavesch,  dann  im  ganzen  Engadin,  Mtinsterthal ;  in  Greden  und 
Abtei  im  Auslaut,  doch  hier:  särra,  avanna,  crada.  In  Brigels 
(mitten  im  fi-Gebiet)  tritt  oi  auf:  noif,  pois,  sgit,  stoila.  Ganz 
vereinzelt  steht  Clauzetto  (Friaul)  mit  ia:  siat,  siaf,  niaf,  tria 
und  Forni  Avoltri,  Collina  (Friaul)  mit  {o:  siot,  niof,  plos,  siof, 
trio,  für  die  wohl  als  Durchgangsstufen  ei,  |j,  ij,  ig  anzunehmen 
sind.  Diese  letzten  Ausläufer  führen  hinüber  zu  den  i  von  Pola, 
Peroi,  Dignano,  Rovigno  :  cridi,  vulir,  tila,  siro,  viro,  mis,  pil  u.  s.  w. 
und  zur  dalmatinischen  Küste,  wo  i  ebenfalls  vorzukommen 
scheint,  s.  Arch.  Glott.  I,  434  Anm.  2. 

78.  Während  in  Veglia  mit  ai  a:  vaila,  paira,  maisa, 
kaina,  raid,  sara,  sata,  ra,  -are  die  Sache  einfach  liegt,  bieten 
die  A  b  r  u  z  z  e  n  wieder  eine  grofse  Musterkarte :  das  zu  Grunde 
liegende  ei  bleibt  in  Cerignola:  affeise,  vuleie  neben  maie,  taie, 
Francavilla:  veite  (*vjdere),  seire,  Montenerodomo :  feice,  seira, 
Villa  Santa  Maria:  seire,  alle  in  den  Abruzzen;  gewöhnlich  ist 
auch  hier  ai,  Bitonto:   sapaive,  taike,    aber  in  drittletzter  Silbe: 

Meyer,  Grammatik.  7 


98 


I.  Kapitel:  Vokalismus. 


78,  79. 


fem§n§,  fasevene,  Altamura:  affaise,  taie,  Andria:  tat,  aveiva,  velaif, 
und  so  wohl  in  der  ganzen  Terra  di  Bari,  ferner  in  Gessopalena, 
Palen  a,  Bucchianico ;  sodann  oi  in  Agnone :  voir  (verum),  avoi 
neben  sapaite.  Endlich  in  Castelli  (Abr.  Ult.  I)  o:  ro,  avoie 
(Impf.)  davore,  daneben :  faummene,  auss,  aussa,  vennautt  (vendetta), 
endlich  avä  (habere).  —  Schliefslich  mag  noch  die  Frage  auf- 
geworfen werden,  ob  ß  aus  e  in  Teramo :  f§minen§,  l^gge  auf 
altem  ei  beruhe,  wie  p  aus  o  (flore)  auf  ou. 

Unklar  ist  ia  in  Veglia:  niar,  viad,  mias,  sidp 
(seppia),  tiäk  (tegula),  viard,  trianta,  viassa  (vece),  deren 
letzteres  jedenfalls  Lehnwort  ist,  wie  s  statt  7c  zeigt.  In 
siap  und  den  folgenden  ist  gedecktes  e  zu  §  geworden, 
und  dann  gleich  diesem  weiter  entwickelt,  was  freilich 
in  farme  (firmet)  nicht  eingetreten  ist. 


b)  Bedingte  Veräuderungen. 

1.     Einflufs  folgender  Laute. 

79.  Durch  folgenäes  i,  j,  seltener  durch  M,  u  wird  e  zu  i. 
Der  erste  Fall,  Umlaut  durch  i  ist  der  am  weitesten  verbreitete : 
ganz  Nord-  und  Stiditalien,  Frankreich,  Spanien  und  Portugal 
zeigen  ihn.  In  Betracht  kommen  die  1.  2.  Sg.  Perf. ,  der  Nom. 
Plur.  der  lat.  2.  Dekl.,  viginti,  aufserdem  in  Italien  das  sekun- 
däre, aus  es,  as  entstandene  i  (§  309).  Als  Vertreter  für  die 
Verba  mögen  hier  feci ,  presi  genügen,  für  die  Deklination  Uli. 
Mehr  Beispiele  wird  die  Formenlehre  bringen,  vgl.  auch  §  318  ff. 


Lat. 

VIGINTI 

FECI 

PBESI 

-ISTI 

ILLI 

CEEDIS 

Etxm. 



feci 

— 

— 

ei 

cresi 

Engad. 

vaink' 

— 

— 

— 

el 

craidast 

Ital. 

venu 

feci 

presi 

-esti 

egii 

credi 

Neap. 

vinde 

fide 

pris§ 

-ist§ 

W§ 

Jcrite 

Mail. 

vints 

fise 

prise 

-is 

iyi 

Tcrii 

Frz. 

vint 

fis 

pris 

-is 

il 

crois 

Prov. 

vint 

f%s 

pris 

-ist 

il 

eres 

Span. 

veinte 

hize 

prise 

-iste 

— 

crees 

Portg. 

vinte 

fiZ 

— 

-este 

— 

crees. 

Im 

Spanisch 

en    und 

Portuffiesi 

sehen    v( 

3rmag    -i 

nicht    über 

mehrfache  Konsonanz    zu   wirken,    wie    span.  veinte,    portg. 


-este 


^    79 82.  ?  beeinflufst  durch  folgende  Vokale.  99 

aus  -fsti  zeigen.    Dagegen  sind  hier  die  moldauischen  Formen  zu 
nennen:  tru  =  trei  aus  trSs,  i1,  ist,  eil. 

80.  Romanisches  Hiatus-i  wirkt  umlautend  im  Italie- 
nischen nur  in  der  Verbindung  sli:  fischia,  mischia,  viscMo, 
ischio  (acsculum),  aber  schon  senes.  7neschia]  im  Sjjani sehen, 
Portugiesischen,  Provenzalischen  auch  sonst:  span. 
jibia,  limpio,  vendimia,  vidrio,  cirio,  portg.  siha,  limpo,  vendima, 
vidro,  cirio,  rijo,  piso  aus  *p€silum,  aber  bei  auslautend  a  semea, 
femea,  daher  wohl  nedeo  nach  nedea,  hier  auch  tonloses  i  in  den 
gelehrten  divida ,  dizima  (aus  p) ;  prov.  ciri ,  vendimia ,  gase,  dihi 
(debeo). 

81.  Bei  folgendem  u,  i  wird  c  zu  i,  bleibt  dagegen  bei  a, 
c,  0  in  Süditalien,  so  in  Alatri,  Brindisi,  in  den  Abruzzen,  in 
Campobasso  und  Neapel :  es  scheint  zwischen  der  e  stets  be- 
wahrenden Zentrumszone,  der  die  Toskana  angehört,  imd  der 
südlichen  i-Region  eine  mittlere  mit  bedingtem  i  zu  stehen.  Ob 
in  Umbrien  einst  i  auch  an  auslautend  u  oder  etwa  nur  an  i 
geknüpft  war,  bedarf  noch  der  Untersuchung.  Vgl.  Alatri:  cit§ 
(acetum),  pinu,  arberit§,  2.  Sg.  cridi,  1.  Sg.  credo,  pir§,  PI.  xoera; 
hivi  1.  Sg.  hevo  3.  Sg.  h€v§;  firm§,  ferma  u.  s.  w.;  Teramo:  pil§, 
nirg  aber  Iegg§,  fet§;  altneap.  credo  eridi,  mese  misi,  acito,  plinn, 
minu,  pepc  u.  s.  w.  Wie  o  wirkt  der  Ausgang  der  Neutra:  M. 
kiste,  F.  Jcesta,  Xtr.  Jcest§.  Beachtenswert  ist,  dafs  auch  das 
Sardische  sich  anschliefst :  Icf^na  neben  vdenu,  ebenso  bei  vulglat. 
p;  Jccrvii  (acerbus),  Fem.  k§rva,  hfne  (bene),  aber  bcni  (venis), 
benneru  (generu).  Die  Erscheinung  findet  sich  auch  in  der  Terra 
di  Bari,  der  Basilicata,  Otranto  u.  s.  w.,  wo  bei  -a,  -o,  -e  die 
§  78  besprochenen  Diphthongierungen  auftreten.  Campobasso 
scheint  i  aus  c  vor  u  und  i,  e  vor  o,  ei  vor  a  zu  bieten :  dite, 
deita,  tre,  trejja. 

Nicht  ganz  klar  sind  Fälle  wie  apg.  bescha  (bcstiä) 
neben  bisclio,  belegt  Rom.  XI,  82,  da  die  Annahme,  dafs 
auch  im  Portugiesischen  einst  e  —  u  zu  i  geworden  sei,  auf 
grofse  Schwierigkeiten  stöfst,  und  es  keineswegs  erwiesen 
ist,  dafs  bestia  e  hat,  s.  §  150. 

82.  Umlaut  durch  u  ist  selten.  Portg.  lingtia  erklärt  sich 
nach  §  95,  span.  mingua  ist  erst  von  minguar  aus  gebildet,  im 
Asp.  lautet  das  Wort   noch   mengua  (Cond.  Luc.  368  b,  B.  Prov. 


100  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   82,   83. 

26,  28  n.  s.  w.).  Zu  erwähnen  ist  aber  das  poi-tugiesische  isto 
Neuti'.  neben  esto  Mask.  Die  männliche  Form  ist  erst  aus  este 
gebildet  in  Anlehnung  an  die  anderen  Maskulina  auf  o,  istu 
geht  direkt  auf  istufclj  zurück  und  hat  wohl  seinen  Vokal  be- 
kommen in  Verbindungen  wie  istu  es  vero  u.  dgl. :  so  begreift  es 
sich,  dafs  nur  die  Pronomina  diese  Form  mit  i  besitzen. 

83.  Sehr  stai-k  ist  das  e  von  den  auslautenden  Vokalen  im 
Rumänischen  abhängig.  Das  alte  c  wie  ie  (§  150)  wird  bei 
folgendem  a,  e,  o  zu  ea,  iea  gebrochen.  Die  Brechung  unter- 
bleibt jedoch  vor  Nasalen  (§  94),  es  hat  also  der  Nasal  die 
Wirkung  des  a,  e  aufgehoben.  Noch  heute  ist  dieses  ea  auf 
dem  ersten  Elemente  betont  im  Mazedonischen  im  direkten 
Anlaut :  easte,  e'ärhä,  e'adä,  eapä ,  auch  veaJdä ,  sonst,  und  in  den 
anderen  Dialekten  überall,  ist  es  zu  ed,  im  Moldauischen  und 
zum  Teil  im  Mazedonischen  zu  id  geworden,  und  zwar  schon  in 
vorlitterarischer  Zeit;  Denkmäler  wie  Dosofteius  Psalter  zeigen  stets 
ia.  Für  ea  wird  in  cyrillischer  Schrift  das  Zeichen  für  langes  e  gesetzt, 
in  lateinischer  teils  ea,  teils  e.  Es  hat  sich  vor  ä  erhalten,  abgesehen 
von  gewissen  sekundären  Veränderungen  unter  Einflufs  folgender 
oder  vorhergehender  Konsonanten  §  104,  106,  108  ff.  Vor  e 
bleibt  es  ebenfalls  noch  jetzt  im  Maz.,  vgl.  das  eben  angeführte 
easte,  ferner  kerdu  3.  Sg.  Jcearde,  herbu  3.  Sg.  Iiearhe.  Dafs  es 
einst  auch  walachisch  gewesen  ist,  geht  daraus  hervor,  dafs  nach 
Labialen,  e  —  e  ebenso  zu  a  wird,  wie  e  —  a:  dieses  a  verlangt 
früheres  ea.  Nachdem  dies  Gesetz  gewirkt  hatte,  wird  ea  —  e 
zu  e  —  e  vereinfacht.  Diese  Vorgänge  fallen  in  die  vorhistorische 
Periode :  das  e  ja  der  ältesten  erhaltenen  rumänischen  Denk- 
mäler vor  e  ist  lediglich  historische  Schreibung.  Die  ersten 
Belege  der  phonetischen  Schreibung  finden  sich  in  moldauischen 
und  walachischen  Urkunden  des  XVII.  Jahrhunderts;  auf  Ver- 
schiedenheit von  e  und  ea  weist  auch  der  Umstand,  dafs  Dosofteiu 
(1673)  in  seinem  gereimten  Psalter  beide  auseinanderhält :  clasul: 
ciasul  63,  1,  säsald:  ndvald  11,  fala:  sprejinealä  31,  teamä:  sama 
64,  23  u.  s.  w.,  ebenso  scheiden  andere  moldauische  Schriftwerke 
des  XVII.  Jahrhunderts  zwischen  ^  =  heutigem  e,  ie,  und 
e  =  ea,  ja  =  ia,  oder  e  =  e,  ^  =  ie,  aber  ja  =  ea,  ia.  Das 
aus  ea  entstandene   e    wird    aber    auch    streng   von    dem    alten  e 


§    83,   84.  E  im  Rumänisdien.   '  101 

getrennt,  es  mufs  also  wohl  den  Wert  j3  besessen  haben,  den  es 
noch  heute  im  Westen  (Ungarn,  Siebenbürgen,  Banat,  Bukowina, 
Istrien  und  westliche  Moldau)  hat,  wogegen  es  im  Osten  zu  e 
vorgerückt  ist.  In  der  Moldau  und  in  Istrien  ist  auch  ea  vor  a 
zu  c  geworden.  Grundsätzlich  wurde  die  historische  Schreibweise 
ea  für  e  verworfen  von  dem  Grammatiker  Väcärescül  1787.  — 
Fragen  wir  schliefslich  noch,  wie  die  Brechung  zu  verstehen  sei : 
hat  a,  e  den  Wandel  von  e  zu  ea  hervorgerufen,  oder  haben  ihn 
ij  u  verhindert?  Ich  möchte  das  letztere  annehmen.  Wenn  eine 
Brechung  von  e  zu  ea  unter  Einflufs  eines  folgenden  a  leicht 
möglich  ist,  so  hat  dagegen  bei  folgendem  e  derselbe  Vorgang 
sein  sehr  Bedenkliches.  Nehmen  wir  dagegen  als  erste  i-umä- 
nische  Entwicklung  ei  an,  so  wäre  zunächst  unter  dem  Einflufs  des 
i  und  folglich  des  u  diese  Stufe  vor  weiterer  Trübung  bewahrt, 
ja  sehr  früh  wieder  auf  e  zurückgeführt  worden  5  wo  dagegen 
keine  Hinderung  vorlag,  wurde  ei  über  ce  weiter  zu  ea  (vgl. 
dazu  §  78),  später  ed.  —  Wir  erhalten  also:  creastä,  jneapän 
(juniperus),  searä,  teacä,  ieamä,  -easä,  -ea^ä,  deasa,  dreaptäj 
neagrä,  seacä,  leagä  u.  s.  w.,  aber  creste,  ßnepeni,  teme,  -ese,  -e{e, 
dese;  ferner  mese  (mensae),  pese,  verze,  sagete,  pene.  —  Fürs 
maz.  ia  vgl.  vTif.iviu.TL,u  (dimniatä)  Kav.  92,  ßiaQyy.u  180, 
x/iiiuoaa  Dan.  27,  hu/uve  1,  aiüf.iivi'a  4  u.  s.  w. ;  ebenso  im 
Moldauischen  schon  bei  Dosofteiu:  liage  1,  2,  sedid  4,  liagia  6, 
viarde  12,  criaste  14  u.  s.  w.  Fürs  Istrische:  cäm^s^,  f^^,  cr§§t^, 
Sfr§,  cr^de.  Icmne,  ernste  u.  s.  w.  Dafs  auch  hier  einst  ea  vorlag, 
ergiebt  sich  aus  tsaptir  (pectine),  tatsd  (tacere),  vgl.  §  419,  doch 
möchte  man  geneigt  sein,  die  Entwicklung  ea  über  ^'e  zu  p 
(nicht  ed,  id,  ie,  e)  anzunehmen,  da  d  sonst  im  Istrischen  gegen 
Einflufs  eines  vorhergehenden  i  ganz  unempfindlich  ist. 

Die  sehr  verwickelten  Verhältnisse  des  e  im  Rumä- 
nischen hat,  nach  manchen  Vorarbeiten  anderer,  gelöst 
H.  Tiktin  in  seinen  vorzüglichen  Studien  zur  rumä- 
nischen Philologie  7,  1884  und  Ztschr.  XI,  56 — 68,  wo 
S.  59  die  Entstehung  von  ea  aus  e  anders  aufgefafst 
wird.  Unklar  bleibt  maz.  nyere  aus  mel  neben  Uiare 
aus  fei. 

84.  e  vor  Palataleu.  Hieher  hätten  vielleicht  die  §  79 
behandelten  Fälle  gezogen  werden  können.  Vor  f,  vi  erscheint 
i  im  I  tal  i e n  i  s c h  e  n ,  ferner  wenigstens  vor  f  in  französischen 


102  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   84,    85. 

Dialekten,  z.  B.  im  Lyonischen,  in  S.  Croix  (Waat),  im  Pikar- 
dischen,  vor  n  im  Spanischen  vuid  Portugiesischen. 

1.  Ital. :  Corniglia,  famigJia,  cigUa,  consiglio,  striglia,  tiglio 
u.  s.  w.  Wenn  vigilat  zu  veglia  wird,  so  ist  dies  durch  vegghia  beein- 
flufst.  —  Vigna,  gramig'na,  Ivcignolo,  mignolo. 

2.  Lyon :   avilli  (abeüle),  viW,  cornül'i,  hottül'i,  lltüle  u.  s.  w. 

3.  Sainte-Croix :  avile,  Tcr§bil!e,  orile,  während  sonst  hier  e 
vor  mehrfaclier  Konsonanz  den  Ton  verliert  §  596. 

4.  Wo  heute  in  Nordfrankreich  i  für  el  eintritt,  vermag  ich 
nicht  zu  sagen,  vgl.  aber  Reime  wie  füles:  orilles,  Renclus  Car. 
21,  8;  orille:  mille  Mis.  121,  9. 

5.  Spanisch-portugiesisch  tina,  tinha. 

Cornu,  Rom.  XIII,  284  möchte  auch  im  Spanischen 
ily  zu  ij  werden  lassen,  wofür  er  sich  auf  mijo  portg. 
millio  mUium  stützt.  Daneben  stehen  aber  span.  consejOy 
portg.  cofiseVio,  ceja,  selha,  semeja,  semelha,  span.  cadeja^ 
in  deren  zwei  ersten  dissimilierenden  Einflufs  des  s  zu 
sehen  (Schuchardt  ib.  285  Anm.  2)  mit  Rücksicht 
auf  die  anderen  und  auf  span.  vasija  kaum  geht.  Freilich 
bleibt  mijo  miUio  mei-kwürdig.  N  e  u  m  a  n  n ,  Ztschr.  VIII, 
259  ff.,  Littbl.  1885  S.  306  schreibt  fürs  Französische 
ebenfalls  dem  t  umlautende  Wirkung  zu.  Allein  famille 
ist  ein  juristischer  der  Volkssprache  nicht  angehöriger 
Begriff  (afr.  entspricht  maisniee) ,  eil  aus  cilium  erklärt 
sich  nach  §  105 ,  mil  ist  jünger  als  millet  und  erst  aus 
diesem  gebildet;  neben  tille  von  tilleid  steht  teile. 
N  e  u  m  a  n  n  hält  conseil  u.  s.  av.  für  beeinflufst  durch 
conseiller,  aber  gerade  in  tonloser  Silbe  wird  el  zu  il 
§  562,  so  ist  etrille  von  etriUer  ausgebildet,  vgl.  aber 
etrüelle  Lahague. 

85 .  Im  Portugiesischen  wird  e  vor  allen  palatalen 
Lauten  (H,  l,  s,  s)  zu  a:  tenho  (aus  teneo  über  teno  §  162)^  aheJha, 
vejoj  mexo  werden  gesprochen  taviii,  äbala,  vasu,  mahl,  oder 
vaUu,  maisu,  ebenso  sekundäres  ei:  seixo  (saxvm)  =  sasu  oder 
saisu.  Der  alte  Laut  e  bleibt  in  Beira  Alta,  eine  Mittelstufe  §i 
findet  sich  in  Porto  Mirana:  aheiHa ,  or§ila,  str^ila  (stella), 
aqußilas.  —  Auffällig  ist  igraza,  eccl§sia  (§  17,  S.  31),  wahr- 
scheinlich ist  das  Wort  durch  andere  mit  dem  Ausgang  am 
(env§ja,  cerveja  u.  a.)  angezogen  worden.  —  Auch  das  Ober- 
engadinische  kennt  diese  Erscheinung:  müravala,  strala. 
Vgl.  Gon^alves  Via n na,  Rom.  XII,  70  ff. 


§   86 — 88.  E  beeinflufst  durch  Palatale.  103 

86.  Im  Zeutralfr  aiizösi  sehe  11  unterbleibt  vor  t  der 
Wandel  von  ei.  zu  oi:  soleil ,  vermeil,  conseü,  merveüle  u.  s.  w. 
Es  mag  sich  fragen,  ob  cofiseil  im  ältesten  Französisch  als  consel 
oder  als  conseil  zu  lesen  ist.  Im  Rolandsliede  erscheint  in  ei- 
Tiraden  conscil  v.  78,  2750,  3454,  3761,  3793,  merveüt  571, 
vermeüz  999,  soleilz  1002.  Da  der  Roland  keine  c-Tiraden  hat, 
die  e  —  e-Tiraden  aber  von  ei —  e  scheidet,  und  in  ihnen  kein 
"Wort  aiii'  ele  vorkommt,  so  darf  man  wohl  auf  eil  schliefsen.  Das 
bestätigt  auch  der  Reim  merveilt:  poeit  Comp.  1073  und  eil  aus 
eiei-l,  da  ciel  geblieben  wäre.  Bevor  nun  aber  im  Zentral- 
französischen  ei  zu  oi  wurde,  war  das  i  in  dem  7  untergegangen, 
eil  zu  cH  geworden.  Nicht  aber  im  Osten :  die  champagiiisch- 
burgundisch-lothringischen  Texte  des  Mittelalters  und  die  heutigen 
Mundarten  zeigen  consoil,  soloil,  vermoil  u.  s.  w. ,  so  die  Hand- 
schrift A  von  Chretien,  Joufrois,  lothr.  Psalter  u.  s.  w.,  und 
so  heute  lothr.  b(^toy,  Tionoy  (corneille);  und  ähnlich  im  Burgun- 
dischen. Dagegen  schon  in  Seraing  orey,  hotey.  —  Wenn  in  der 
Guerre  de  Metz  reimen:  merveille:  travaüle  97,  conseiTle:  travaiUe 
192,  vgl.  mureille  29,  so  sind  das  nicht  schriftsprachliche  Formen, 
sondern  d  ist  wie  sonst  gedecktes  e  in  dieser  Gegend  (§  112) 
zu  a  geworden,  man  hat  also  zu  lesen  mervale  u.  s.  w.  Keinen 
Schlufs  auf  die  alte  Aussprache  gestatten  Reime  wie  appareiz: 
preiz  Benoit  Troie  22527,  conseiz:  segreiz  6955,  da  hier  das  i 
der  letzte  Rest  des  vor  z  unterdrückten  t  sein ,  oder  ei  schon  § 
lauten  kann,  vgl.  merveille:  eile  Benoit  Chron.   15410. 

Von  den  übrigen  eJ-Gebieten  bewahrt  das  Genuesische  e 
vor  f;  zegi  (cigli),  daher  conseio,  oreia  u.  s.  w.  als  consezo,  oreza 
zu  lesen  sind. 

87.  Auf  das  Obwaldische  scheint  beschränkt  eiö  zu  cd: 
leg  (spr.  Icd,  legem),  red,  aber  eng.  alaid,  raiö. 

88.  E  vor  Nasalen.  Es  sind  zwei  Fälle  zu  scheiden:  e 
bleibt  oraler  Vokal,  wird  aber  vor  dem  Nasal  zu  i.  Die  Senkung 
des  Gaumensegels,  die  für  die  Artikulation  der  Nasalen  nötig  ist, 
bedingt  eine  Verengerung  des  Mundkauais  in  der  Gegend  des 
weichen  Gaumens,  daher  wird  auch  leicht  ein  vorhergehender 
Vokal  mit  engerem  Mundkanal  gesprochen,  e  also  zu  i,  ent- 
sprechend f  zu  ('.     Oder  aber  e  wird  Nasal,  und  es  bringt  dann 


104  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   88,   89. 

die  Nasalierung  Klangverändeningen  mit  sich.  Der  Einflufs  des 
n  ist  zum  Teil  ein  anderer  als  der  des  m,  ein  Unterschied  be- 
steht ferner  zwischen  gedecktem  und  freiem  Nasal:  trotzdem 
empfiehlt  es  sich,  die  verschiedenen  Fälle  gemeinsam  zu  be- 
handeln. 

89.  Im  Französischen  wird  e  vor  freiem  Nasal  zu  q,  vor 
gedecktem  gleichmäfsig  wie  (.  tax  ä:  sein,  plein,  pleine,  peine, 
veine,  lialeine,  areine  u.  s.  w.,  gesprochen  s?,  pl§,  plpne  u.  s.  w. 
In  der  ersten  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts  ist  die  heutige  Aus- 
sprache noch  nicht  ganz  durchgedrungen;  zwar  R.  Estienne  be- 
merkt ausdrücklich,  dafs  ain,  ein,  in  gleichwertig  seien;  auch 
H.  Estienne  will  für  ein  und  in  denselben  Laut,  trennt  aber  ain 
davon ;  Beza  stellt  ain,  ein  auf  eine  Stufe  und  sagt,  sie  enthalten 
den  griechischen  Diphthongen  ei,  desgleichen  Ramus,  der  in 
23eine,  peindre,  creindre  einen  Doppellaut  pi  erkennt.  Auf  dem- 
selben Standpunkt  stehen  auch  die  Grammatiker  des  XVII.  Jahr- 
hunderts, erst  Mourgues  1685,  Hindret  1687,  Dangeau  1694 
erklären  ausdrücklich  ein,  ain,  in  als  völlig  identisch.  Doch 
mögen  hier  dialektische  Verschiedenheiten  vorliegen,  da  z.  B. 
schon  Brandan  865  cliaeines :  semaines  reimt,  und  auch  der  Brut 
ein  und  ain  unbedenklich  bindet.  —  Der  Diphthong  vor  n  mufs 
ein  etwas  anderer  gewesen  sein ,  als  vor  anderen  Konsonanten, 
da  er  nicht  zu  oi  wird.  Da  i  erst  spät  nasaliert  wird  (§  33),  so 
kann  es  sich  nicht  um  H  handeln,  sondern  nur  um  H.  Dasselbe 
Resultat  giebt  natürlich  eni :  teine ,  heute  ten  ßeignej  aus  tinea. 
Der  Diphthong  oi  erscheint  nur  in  foin,  avoine,  die  beide  aus 
dem  Heu  und  Hafer  nach  Paris  liefernden  Burgund  stammen, 
und  in  moins ,  moindre.  So  nahe  es  liegt,  alle  vier  Beispiele 
nach  §  92  zu  erklären,  so  stehen  doch  mene,  peine,  veine,  die  als 
Schriftwörter  zu  betrachten  nicht  wohl  angeht,  hindernd  entgegen. 
Noch  Marot  I,  153  reimt  übrigens  estendre:  mendre,  während 
Vaugelas  184  es  tadelt:  „une  infinite  de  gens  disent  mains  pour 
dire  moins,  et  par  consequent  neantmains  pour  neantmoins  .  .  ce 
qui  est  insupportable."  Es  mag  in  diesem  Worte  das  Schwankeii 
zwischen  u§  und  c  mit  dem  von  up  und  {?  §  72  zusammen- 
hängen. —  Vor  gedecktem  Nasal  wird  e  zu  a,  auch  in  Fällen, 
wo  erst  im  Französischen  infolge  von  Vokalausfall    der  Nasal    in 


^   89 — 91.  E  vor  Nasalen  in  Frankreich.  105 

direkte  Beriilining-  kommt  mit  einem  zweiten  Konsonanten ,  wie 
in  femina,  femna,  fäme,  femme.  Nur  selten  ist  die  Ortliographie 
eine  phonetisclie  wie  in  langue,  sangle,  meist  ist  en  beibehalten; 
in  den  volkstümlichen  Bildungen  auf  -ance  wird  a  geschrieben, 
doch  handelt  es  sich  hier  um  Übertragung  von  -antia.  Sonst  also 
gendre,  ensemble,  cendre,  vendre,  temple  u.  s.  w.  Nfr.  gemme  ist 
gelehrtes  Wort  an  Stelle  des  regelmäfsigen  afr.  jame,  ebenso 
etrenne  vgl.  §  118.  Es  bleibt  aber  f  vor  vulgärlateinischen 
Palatalen  :  in  feindre  und  den  anderen  Verben  auf  -eindre  =  lat. 
-ingere,  vaincre^  und  so  in  den  zugehörigen  Partizipien:  feint; 
sodann  in  geindre  =  gemere,  worüber  in  der  Konjugationslehre,  und 
in  cintrer  =  cindurare,  das  sich  dadurch  in  einen  bemerkens- 
werten Gegensatz  zu  ital.  centinare  stellt  s.  §  95.  Nicht  recht 
klar  ist  tiandre  (tingere),  deüandre  (extingerc)  neben  peindre 
(Fourgs). 

90.  Weit  weniger  einfach  als  im  Zentralfranzösischen  liegen 
die  Verhältnisse  in  den  Mundarten.  Die  alten  normannischen 
und  pikardischen  Texte  halten  c  und  ä  noch  scharf  aus- 
einander in  der  Orthographie  wie  im  Reime.  Nur  vor  mbl  zeigen 
die  alten  Denkmäler  wie  die  heutige  Mimdart  durchaus  a: 
ensamble,  samhle,  tramble,  example.  Ferner  tamps  (tempus),  jamme 
(gemma) :  es  scheint,  als  ob  m  anders  wirke  als  w.  Freilich 
behält  femina  sein  e.  Alle  anderen  Ausnahmen  sind  entweder 
zentralfranzösischem  Einflufs  zuzuschreiben  oder  fallen  ins  Gebiet 
der  Morphologie.  Im  Westen  und  Südwesten  werden  ursprüng- 
lich ä  und  e  ebenfalls  geschieden ;  schon  seit  Mitte  des  XII.  Jahr- 
hunderts dringt  aber  im  Westen  ä  für  e  von  der  Hauptstadt  her 
ein.  Wenn  femina  auch  im  Norm.,  Bret.,  in  Anjon,  Tours,  Berry 
mit  a  erscheint,  und  Dichter  wie  Etienne  de  Fougere  und  Jean 
le  Marchand  es  unbedenklich  mit  dame  reimen,  so  hat  vielleicht 
Angleichung  an  das  letztgenannte  Wort  stattgefunden. 

Vgl.    P.    Meyer,    Mem.    soc.    lingu.    I,    244 — 276; 
H.  Haase,    Das  Verhältnis   der  pilcardischen  und  wallo- 
nischen Denhmäler  des  Mittelalters    in  Bezug  auf  a  und  e 
'       vor  gedecMem  n,  Diss.  Halle  1880;  Such i  er,  llp.  69  ff. 

91.  Während  das  Wallonische  sich  zum  Pikardischen  ge- 
sellt, wird  im  Lothringische  n  gedecktes  c  zu  o :  to  (tempus), 


106  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   91. 

vo,  log  (Ungua) ,  f^m ,  in  Ban  de  la  Roche  tä  u.  s.  w.  oder  tq, 
aber  pär  (prendrej,  mära,  tär.  Wie  weit  südlich  o  sich  erstreckt, 
ist  noch  zu  untersuchen,  vgl.  Sornetan :  pädr  (pendre) ,  tä ,  vädr, 
fädr,  Jage,  sovä,  aber  toi'dr  (tenemm),  gedr  (minor  fehlt).  Die 
Neuenburger  Dialekte  kennen  o  nicht  mehr.  Südwestlich  findet 
es  sich  noch  in  Tannois  bei  Bar-le-duc:  ratr,  sadr  (cinere),  trcibl, 
afl,  trat  (trente)  u.  s.  w.  neben  pär,  tär.  Im  Metzischen  ist 
dagegen  wie  im  Zentralfranzösischen  ä  an  Stelle  von  e  und  ä 
getreten,  doch  bleiben  fqm,  sqm.  Bei  der  Erklärung  dieses 
Wandels  ist  zweierlei  im  Auge  zu  behalten,  erstens:  en  kann 
nicht  über  ä  zu  o  geworden  sein,  da  es  nie  mit  an  zusammen- 
gefallen ist;  und  zweitens,  der  Vokal  ist  meist  oral  geworden, 
während  ä  nasal  bleibt.  Betrachten  wir  zunächst  die  isolierten 
Fälle  :j9«r,  mar^  tar  ans  *prenre,  *mwre,  *tenrv,  in  Tannois  J3är, 
tär  mit  Nasalvokal,  ebenso  in  Sornetan :  daraus  scheint  hervor- 
zugehen, dafs  nur  im  Auslaut  und  vor  Konsonanten,  nicht  vor 
Sonanten  Übergang  in  oralen  Vokal  statt  hat,  und  dafs  die 
Qualität  des  Vokals  init  der  Nasalierung  zusammenhängt.  Nasales 
e  wird  zu  nasalem  a ;  verliert  es  den  Nasal,  so  tritt  a,  ä,  o  ein  :  daher 
haben  wir  auch  im  Metzischen  som,  fom,  sonst  aber  ä.  Der 
Weg  von  e  zu  a  aber  scheint  mir  derselbe  zu  sein,  wie  der  von 
ei  über  ai  zu  oi  §  72.  Auch  ei  ^  oi  berührt  sich  nicht  oder 
kaum  mit  ai.  Gemeinsam  ist  e  und  ei  die  Verbindung  des  e  mit 
einem  zweiten  Elemente ,  das  eine  Mal  mit  einem  Nasalen ,  das 
andere  mit  einem  Palatalen :  im  ersteren  Falle  wird  die  Artiku- 
lationsstelle des  e  mehr  und  mehr  dem  Punkte  genähert,  wo  die 
zur  Hervorbringung  der  Nasalität  nötige  Veränderung  der  Sprach- 
werkzeuge vor  sich  geht,  es  wird  zu  einem  velaren  Vokale.  Am 
Endpunkt  der  Entwicklung  angekommen  bleiben  nun  zwei  Wege : 
entweder  die  Nasalität  geht  in  dem  velaren  Vokale  ganz  auf, 
nasales  a  wird  zu  oralem  a,  das  dann  sich  weiter  zu  o  entwickelt, 
oder  nasales  a  wird  dissimiliert  zu  ä.  Eine  Vorstufe  von  nasalem 
a  scheint  mir  in  dem  toedre  von  Sornetan  vorzuliegen.  Wenn 
schliefslich  generiim  meist  nicht  mit  tenenim  reimt,  vgl.  ger  in 
Lothringen,  so  mag  der  Palatal  mit  im  Spiele  sein.  —  «Auch 
der  Westen  kennt  o  aus  e  poit. :  tö  ftcmpus),  dö,  so  (sine),  omport'e. 

Vgl.  Horning,    Ztschr.  XI,    542—551.     Horning 
nimmt  an,  dafs  e  zunächst  nach  labialen  Konsonanten  zu 


g  91 — 93  E  vor  Nasaleu  in  Frankreich.  107 

ö  gtnvordeu  und  p  dann  analogisch  auf  andere  Fälle 
übertragen  worden  sei.  Dafür  könnte  allerdings  sprechen, 
dafs  z.  B.  lingua  im  lothr.  Psalter  als  laingue,  in  Tannois 
als  7?<7  erscheint  (in  den  Vogesen  und  in  Jura  als  log). 
Es  fragt  sich  jedoch,  ob  diesem  einen  Beispiel  so  viel 
Beweiskraft  innewohnt.  Lingua  ist  ein  besonderer  Fall 
(vgl.  §  340),  gerade  im  Osten  ist  u  ziemlich  lange  ge- 
blieben §  501,  es  dürfte  die  Ausnahmestellung  also  nicht 
zu  schwer  ins  Gewicht  fallen,  aufserdem  zeigt  auch 
singularis  mit  tonlosem  ingu  eine  eigenartige  Behandlung 
§  369.  Daneben  finden  wir  schon  im  Ysopet  und  Vegetius 
oi  auch  nach  Nichtlabialen  wie  in  tointe  (tincta).  Aufser- 
dem ist  bei  Hornings  Erklärung  auffällig,  dafs  minor 
sich  entzieht  und  den  Vokal  abhängig  sein  läfst  vom 
folgenden  Konsonanten.  Schlielslich  sei  noch  auf  eines 
hingewiesen:  der  Vegetius  reimt  empaindre  (impangere): 
maindre  9258,  empainfe,  empeinte:  mainte  7124  u.  s.  av., 
zweimal  ungenau  mit  jointes  9270,  9472 ;  er  schreibt 
stets  ai,  ei,  nicht  oi,  also  hier  hat  der  Labial  auch 
keinen  Einflufs  geübt.  —  Die  alten  Schreibweisen  mit 
ein  erklären  sich  bei  beiden  Auffassungen  daraus,  dafs  ö 
denselben  Weg  geht  wie  ei,  ein  braucht  nicht  den  Laut 
öl  auszudrücken,  sondern  an;  darum  erklärt  sich  auch 
das  fortwährende  Schwanken  zwischen  oi  und  ai. 


92.  e  vor  freiem  n  wird  im  Lothringischen  zu  {?, 
nach  Labialen  zu  uo:  atvon,  puon,  fuQ,  muo  (minus)  oder  avon, 
pon,  fon,  man  aber  pyS  (plenumj ,  elen  (haieine),  s§.  Noch 
weiter  geht  das  Burgundische,  das  e  vor  n  ebenso  behandelt  wie 
vor  anderen  Konsonanten,  also  auch  ploin,  ploine  bietet.  Es 
hängt  dies  damit  zusammen,  dafs  im  Burgundischen  l  von  Anfang 
an  möglich  war:  plena  wurde  also  nicht,  wie  im  Französischen, 
zu  pleine,  sondern  zu  plelne,  worin  sich  nasales  ei  ebenso  weiter 
entwickelt  wie  orales. 

93.  In  Südostfrankreich,  dem  ai-Gebiete,  unterbleibt 
sehr  häufig  vor  n  die  Diphthongierung,  vgl.  Juj.  jp??,  avMa  neben 
etalo,  waatl.  avcno,  vena  bezw.  avSna,  vMa  in  Gegenden,  die 
sonst  a,  ai,  ä  haben,  bagn.  avena,  pena  neben  sonstigem  ei,  doch 
zeigen  einige  waatländer  Mundarten  auch  hier  den  Vertreter  von 
ai,  namentlich  die  östlichen.  In  Freiburg,  wo  e  zu  ai  wird, 
erscheint  §i  vor  n:  arfina,  vfina  u.  s.  w.     Vgl.  noch  §  98. 


108  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   94—96. 

94.  Im  Rumänischen  wird  e  und  e  in  Proparoxytonis 
vor  n,  n^,  m''  zu  i:  cinä,  eine,  mine,  alina,  tinär,  v'mere,  vinat, 
vinde,  stinge.,  linibä,  Umjaede^  vindecä,  stringe,  insu  zu  ipse.  Wir  haben 
§  83  gesehen,  dafs  aus  e  im  Rumänischen  wahrscheinlich  zunächst 
ei  entstanden  ist,  das  dann  je  nach  dem  folgenden  Vokal  zu  e 
oder  ee,  ea  wurde.  Vor  Nasalen  ist  i  nicht  zu  e  herabgesunken, 
sondern  hat  im  Gregenteil  sich  das  e  assimiliert.  Und  zAvar  ist 
dieser  Vorgang  verhältnismäfsig  jung  :  während  vor  altem  (lat.)  r 
die  Dentalen  palatalisiert  werden  (§  419),  bleiben  sie  vor  dem 
neuen;  in  den  alten  Denkmälern  wird  e  noch  oft  nach  Labialen 
geschrieben:  Cod.  Vor.  inpenge,  menciura,  mente,  menp,  sfen^i, 
vendeca,  veinri,  ventisor  u.  s.  w.,  andere  Beispiele  Cuvinte  I,  415, 
Princip.  373  (die  Avenigen  Fälle  von  e  nach  anderen  Konsonanten 
dürften  blofse  Schreibfehler  sein).  Dosofteiu,  Coresi  u.  a.  haben 
aber  schon  stets  i.  Nach  Labialen  also  ist  e  etwas  länger  ge- 
blieben, vgl.  dazu  §  106.  Dieses  i  wird  im  Anlaut  zuweilen  zu 
u :  umUu,  umplu,  unflu  (also  vor  Nasal  +  Labial  + 1  ?)  vgl.  noch 
unghiu  (angulusj,  curund  (baldj  =  currendo. 

95.  Im  Italienischen  wird  vor  n  -\-  Guttural  oder 
Palatal  e  zu  i:  fifigere,  pingere,  quinci,  cinghia,  cominica^  lingua, 
tinea.  Beachtenswert  ist  centina,  das  nicht  wie  frz.  cintre  auf 
einet-,  sondern  auf  eint-  zurückgeht.  Der  Lautwandel  ist  spezi- 
fisch florentinisch,  schon  in  Siena  spricht  man  fengere,  tenca  u.  s.  w., 
und  so  in  Mittel-  und  Norditalien.  —  Dieselbe  Erscheinung 
zeigt  das  Portugiesische :  lingua,  fingir,  tinea,  pinta,  einta,  ingua. 

96.  Im  Rä tischen  fallen  e  und  p  vor  gedecktem  n  zu- 
sammen und  bleiben  als  e  im  Obwaldischen ,  im  Engadinischen 
wird  dieses  e  aufser  vor  nd  zu  m,  daraus  a  in  Greden,  Abtei, 
endlich  o  in  Enneberg,   vgl. : 


Lat. 

VENDEKE 

-INGERE 

TEMPOKA 

TEMPUS 

ARGEN! 

Eng. 

vender 

tainser 

— 

(iemp) 

daint 

Gred. 

vander 

ntamer 

— 

tamp 

arzant 

Enneb. 

v§ne 

fröhge 

tompla 

tomp 

arsont. 

Zum  Übergang  von  a  in  o  vor  gedecktem  Nasal  vgl.  §  91. 
Die  Sonderstellung  von  nd  ist  schwer  zu  erklären :  e  mufs  hier 
wohl   zunächst   quantitativ   verschieden,    wahrscheinlich    kurz   ge- 


§  96  —  100.  E  vor  Nasalen.  109 

wesen  sein.  Ein  ähnlicher  Unterschied  scheint  weit  verbreitet 
zu  sein,  vgl.  Ceppomorelli  (Novara)  -end  aber  -moint,  -oima, 
-oint.  —  Nur  auf  den  Grenzgebieten  ist  i  nachzuweisen : 
Tessin  dint,  vint,  int,  krin^,  zindru.  Über  friaul.  i  aus  ew^  vgl. 
§  162.  Im  Mail.,  wo  sonst  gedecktes  e  zu  §  wird,  bleibt  c  vor 
gedecktem  n:  hmgua,  strenö. 

97.  Im  E  m  i  1  i  a n  i  s  c  h  e  n ,  zum  Teil  auch  im  P  i  e  m  o  n  - 
tesischen  verlangt  gedeckter  Nasal  den  Diphthongen.  Bol. : 
telmp^  zeint,  meint,  Idngua  aber  lernt,  hein,  inteint  neben  intender, 
vender,  prender  ^  ebenso  Budrio,  S.  Giovanni  in  Persiceto,  dann 
Modena,  Poviglio,  Piacenza,  Busseto.  Zu  i  wird  e  verengt 
in  Ardea  (Piacenza) ,  zu  ai  erweitert  in  Fiorano  (Modena) : 
maint,  containt,  woraus  an  in  Modigliano  (Florenz) :  tamp,  mant 
(neben  -end).  —  Im  Piemontesischen  erscheint  ei  in  Murazzano 
(Cuneo),  Aosta,  Melezet,  Säle  Castelnuovo,  und  daraus  ai  Vico 
Canavese,  oi  Ceppomorelli  (Novara):  moint,  indiferoint,  prasoinza 
neben  -end.  Endlich  in  S.  Fratello  maint,  daint,  stain,  vain 
(vende),  pains,  vaintser,  fainzer. 

98.  Auch  auf  dem  oberitalienischen  ei-Gebiete  unterbleibt 
der  Diphthong  meist  vor  n,  vgl.  piem.  velen^  len,  pien,  vena, 
gen.  sen,  Tcena  (catenaj,  remu  (aber  din  §  105) ;  entsprechend 
S.  Fratello  de,  veU,  Val  Soana  pyeh,  feh,  rem,  was  hinüberführt 
zur  südostfranzösischen  Behandlung  §  93. 

99.  Während  im  Ob waldi sehen  ei  vor  n  geduldet  wird: 
plein,  steht  es  nicht  vor  m:  sem,  tema,  femna,  eng.  sem,  semda, 
femna.  Im  Nidwaldischen  erscheint  es  iiur  vor  Nasalen :  plein, 
cadena,  Domleschg:  sarain,  piain,  cadaria.  Wie  hier  i  mit  n 
zu  n  wird,  so  geht  es  im  Grednerischen  in  h  auf:  avaina,  fan, 
plan  u.  s.  w. 

100.  Ein  l  oder  r  hindert  oft  die  Entfaltung  des  Diph- 
thongen, so  franchecomt.  krpr,  n§r,  ^pr,  wp;  litß,  tfl,  auch  loth- 
ringische Mundarten  kennen  das.  Beachtenswert  ist  a  in  dieser 
Stellung  statt  o:  krar,  eJiar  (asseoir)  in  G6rardmer:  hier  scheint 
der  hemmende  Einflufs  des  r  sich  erst  auf  der  Stufe  ai  geltend 
gemacht  zu  haben.  —  Im  Westen  findet  sich  Ähnliches :  neben  ei 


110  I.  Kapitel:  Vokalismus.  §    100 — 103. 

v§le,  tple,  etple  in  Lahague.  —  Sodann  im  Obwaldischen :  sera^ 
ver,  per,  -er,  öera,  ner  neben  ei,  im  Judik.  sera,  -er,  vera,  per 
neben  ?.  —  Auf  velares  l  läfst  wohl  das  p  statt  o  in  Urim^nil 
schliefsen :  pole,  tole,  etole,  sole  neben  iwp/",  tgt  u.  s.  w.  und  sicher 
ia  in  Creuse :  sandialo,  tiälo,  citiälo.  —  Ganz  verschieden  davon 
ist  ei  für  er  in  Nontron :  sei,  legei,  hier  liegt  eine  ähnliche  Ersatz- 
dehnung vor  wie  in  den  §  101  zu  besprechenden  Fällen. 

101.  Auslautendes  oder  vorkonsonantisches  s  entwickelt, 
wenn  es  verstummt,  ein  i  vor  sich  in  manchen  provenzalischen 
Mundarten,  z.  B.  nontr.  frei§o,  ei,  eime,  mei,  pei,  Grenoble  mei, 
pei  vgl.  §  468  und  563. 

102.  e  im  romanischen  Hiatus  bleibt  auf  den  e-Ge- 
bieten  meist  bewahrt:  span.  arcea,  deseo,  correo,  mea,  ebenso  vor 
i:  veinte,  reina  u.  s.  w.  Aber  eu  wird  zu  iw  :  viiida.  In  navto 
ist  Suffix  /o  für  eo  eingetreten,  porfio  ist  von  porfidr,  lio  von  lidr 
gebildet,  -igtia  aus  -ffica  nicht  ganz  volkstümlich.  —  Das  Portu- 
giesische zeigt  i  in  viuda,  cio  neben  ei  in  teia,  älheio,  freio, 
cheio.  Die  Differenz  zwischen  cio  und  älheio  ist  schwer  zu 
ei-klären,  wenn  man  nicht  etwa  bei  jenem  an  Einflufs  von  döso 
denken  will.  Beachtenswert  ist  in  Alatri  sdreija  (sfriga)  neben 
curija  fcorrigiaj.  Sonst  wird  e-a  im  ei-Gebiet  oft  etwas  anders 
behandelt  als  e  vor  Kons. :  in  Falkenberg  bleibt  der  Diphthong 
bei  ai  stehen:  rai  (rigaj ,  vai,  ptyai  fpUcatJ.  Im  Südosten,  wo 
sonst  ai  erscheint,  ergiebt  eta  nur  eya,  woraus  im  Zentrum  der 
Waat  und  in  Ormont  ia:  fiya,  griya,  miya,  muniya,  ebenso  in 
Freiburg:  muniya  u.  a.,  Fourgs  munio,  in  der  Val  Soana: 
monea,  crea  neben  sonstigem  ei.  —  Oder  ei  wird  zu  f,  so  im 
Westen  in  Lahague :  v§e  (*videre,  via),  s§e.  Der  offene  Vokal 
findet  sich  auch  sonst,  z.  B.  mail.  t§ya,  m§y,  tpy.  —  Im  West- 
rätischen wird  eu  wie  tu  behandelt  (§  38 ,  S.  63) :  aUu, 
hoUu,  vieua. 

103.  Im  Französischen  wird  e  mit  u  zu  w,  siu,  tiule, 
riule  aus  sebum,  tegula,  regula,  das  dann  zu  ui  umgestellt  wird, 
nfr.  suif,  tuile.  Dagegen  giebt  ei  einfach  eu :  afr.  crueus,  nfr. 
eux,  ceux,  cheveux,  feutre.  Es  werden  auch  hier  zeitliche  Diffe- 
renzen vorliegen :  eu  geht  auf  ei,  dagegen  iu  auf  eiu  zurück.  — 
So  scheint  sich  ferner  p)ouli  (dial.)  pouliot  ans  pulejtim  zu  erklären 


^    103,    104.  E  in>  romanischen  Hiatus.  111 

über  puleiiu,  ptileii^  wogegen  l^ge  sich  zu  leig,  MK,  lei  entwickelt. 
Über  die  Weiterentwicklnng  von  ieu  in  Mundarten  s.  §  38,  S.  63. 
Unklar  sind  basochc  aus  hasdca  und  arroche  aus  *atrelpce,  atrexüice.  — 
Infolge  der  neufranzösischen  Auslautgesetze  besteht  zwischen  oie 
und  Ol  kaum  mehr  ein  Unterschied,  im  XVI.  und  XVII.  Jahr- 
hundert aber  schwankte  man  zwischen  o^e  und  ocye;  Peletier  1549 
giebt  letzteres  als  auch  gebräuchlich  an.  Du  Val  1604,  Lanoue 
1696  verlangen  oeye,  Baif  1574,  Martin  1632  dagegen  o§e. 

104.  Ganz  besonders  sclnvierig  liegen  die  Dinge  im  Rumä- 
nisch e  n.  Neben  dem  ursprünglichen  entsteht  neuer  Hiatus 
durch  Ausfall  von  6,  v,  II,  j.  Das  Produkt  von  e-\-a  ist  ed,  von 
^  -\-  a:  ied:  mea,  rea,  aired,  grea,  hea,  ia  (aus  liea),  dea,  stea, 
Suff,  -ea,  sea  (sella),  stea  u.  s.  w.  Wir  haben  gesehen,  dafs  e 
im  Urrumänischen  zu  ei  geworden  ist,  woraus  nun  auch  hier  vor 
dem  a:  e,  a,  ä,  später  ed,  ebenso  neve,  nevä  (§  311),  neavä,  neaä, 
nea.  Verbinden  sich  diese  Formen  mit  dem  Artikel  a,  so  ent- 
wickelt sich  zwischen  diesem  und  dem  auslautenden  a  ein  M 
(geschr.  o) :  stea  aber  steaoa,  woraus,  nach  dem  Muster  von  noao 
(novo):  noaoa  (nova  illa)  eine  artikellose  Form  steao  gebildet 
wird.  Vgl.  noch  zioa  —  gia  (dies).  Man  könnte  in  dem  u  den 
letzten  Rest  des  II  von  iUa  sehen,  der  sich  zunächst  nach  a  ge- 
halten hätte,  dann  auf  andere  Fälle  übertragen  worden  wäre. 
Dem  steht  jedoch  entgegen,  dafs  aus  *aquiere  zunächst  *aci-ea, 
aci-a,  dann  ad-o-d  entsteht. 

Die  Frage  nach  dem  Verhältnis  von  sted  zu  Stella  ist 
vielfach  erörtert  worden,  vgl.  Mussafia,  Z.  rum.  Vokalis. 
S.  134;  Schuchardt,  Cuv.  Bätr.  I.  Suppl.  XXXVII; 
Miklosich,  Vok.  11,  53;  Lambrior,  Rom.  X,  369;  ^ 
Cihac,  Littbl.  1882,  Sp.  110—111;  Tiktin,  Stud.  I, 
91 — 96.  Der  Haupteinwand  des  letztern  gegen  die  oben 
vorgetragene,  in  letzter  Linie  auf  Mussafia  zurückgehende 
Auffassung,  dafs  m^a  danach  über  '^miea  zu  mid  hätte 
werden  müssen,  ist  hinfällig,  da  *mca  nicht  *m^a  die 
vulglat.  Form  ist  §  284.  Tiktin  findet  es  auffällig,  dafs 
der  Wandel  von  e  zu  ea  älter  sei,  als  der  Ausfall  von  U: 
ich  sehe  nicht  ein,  weshalb;  zudem  steht  der  Annahme, 
erst  "^Stella  oder  stea  seien  zu  steaä  geworden,  nichts 
entgegen.  In  steaä  ist  sodann  das  auslautende  ä  nicht 
abgefallen,  sondern  wie  fädtä  zu  fatä,  {arä-a  zu  {ara 
wird,  so  steaä  über  steaa  zu  stea.  Auch  der  Reihe 
nivem,  nee,  ne,  »im  kann  ich  nicht  beistimmen,  vgl.  §311. 


112  I.  Kapitel:  Vokalismus.  §    105,    106. 

2.     Einflufs    vorhergehend  er  Laute. 

105.  Palatale.  Auch  hier  können  wir  verschiedene 
Wirkung  beobachten,  teils  Assimilation,  teils  Dissimilation.  Die 
letztere  tritt  im  Toskanischen  ein,  wo  ie.zu  i§  wird:  hieta 
(blitum  +  'beta),  vgl.  aneap.  Uete,  pi§na,  pi^ve,  pi^ga,  fi§vole, 
nocchi^ro,  ghipra,  fi§ra,  compieM. 

Im  ganzen  nordfranzösischen  Gebiete  wird  ei  nach 
Palatalen  über  iei  zu  i:  cire,  plaisir,  afr.  taisir,  cive,  ands, 
Marg.  Oingt.  73,  23,  luisir,  raisw,  aisil,  merci,  eil,  pais,  eine, 
reeivre  lyon.,  norm.,  ferner  cisne;  marquis  ist  wohl  eine  Misch- 
bildung aus  *marchis  und  *marqueis.  Daneben  ist  nfr.  cene  ein 
Wort  der  Schriftsprache,  re^oit  ist  nach  hoit,  doit  u.  s.  w.  ge- 
bildet, das  gewöhnlichere  anceis  nach  sordeis,  disoit  u.  s.  w.  nach 
vendoit.  Auch  der  Südosten  nimmt  daran  teil,  vgl.  Bagn.  azi  (acetum). 

Nach  vulglat.  j  steht  i  in  prov.  pais,  maistre  (neben  sajette, 
majestre).  Namentlich  pais  ist  auch  in  Italien  Aveit  vertreten, 
sogar  im  Süden :  pajoise  in  Bitonte  führt  zunächst  auf  paise 
zurück  (§  32).  Span. ,  portg.  pais  dürften  Lehnwörter  avis  dem 
Französischen  sein. 

Mit  dem  Nordfranzösischen  gehen  die  galloitalischen 
Dialekte  aufser  dem  Piemontesischen :  mail.  sila  (cera),  tanasia 
(tanaeeto) ,  impir  (impJere) ,  maister  aber  pie ,  Pavia  dagegen  pyin, 
nint,  gen.  jjm,  saitta,  maistre,  ninte  (aber  deiga=plicat),  monferr. 
biya,  piac.  hita  =  *hleta,  tess.  cira,  pais,  maister,  Faid,  ferner 
sira  fsera),  romg.  gira,  piv,  pyin,  mir.  zivtd  (ceplialus).  So  erklärt 
sich  auch  mudayina,  *medaglina  statt  des  nach  §  38  zu  erwar- 
,  tenden  -ena,  bol.  bita,  pais,  piga,  pin,  sira,  doch  ist  zu  beachten, 
dafs  hier  auch  iß  aus  §  zu  i  wird  §  175.  Auffällig  ist  ven. 
sira  Exemp.  260. 

106.  Im  Rumänischen  wird  das  nach  §  83  entstandene 
ea  nach  Palatalen  zu  a:  da  e  in  diesem  Falle  zu  ä  wird,  so 
wird  auch  zwischen  ea  und  aa  die  Stufe  äd  liegen.  Ebenso  wird 
iea  zu  ia.  Also  dapä,  aöd,  sägatä,  data.  Das  Moldauische 
knüpft  diesen  Wandel  an  auslautend  a,  ä,  während  im  Auslaut 
und  inlautend  vor  e,  i  vielmehr  ä  eintritt:  slujascä  aber  slujäste. 
Rumänisch  e  wird  im  Walachischen  nach  Palatalen  zu  « 
schon  zu  Beginn  der  litterarischen  Periode,  säs,  sapte,  woraus  im 


§   106,    107.  J?  nach  Labialen.  113 

Westwal.  zes,  im  Moldauischen  erst  zu  Anfang  des  XIX.  Jahr- 
hunderts {ari.  Da  dieser  Wandel  aufs  engste  verknüpft  ist  mit 
der  Geschichte  des  p  und  weit  mehr  Beispiele  für  p  vorliegen 
als  für  e,  so  vei-weise  ich  aiaf  §  164. 

107.  Labiale.  In  Ostfrankreich  ist  die  Behandlung 
von  c  nach  Labialen  eine  andere  als  nach  den  übrigen  Konso- 
nanten, speziell  im  Wallonischen  vor  Nasalen  und  im  Loth- 
ringischen stets,  imd  zwar  sowohl  im  a-  als  im  o-Gebiete  (§  76), 
aber  nicht  mehr  südlich  des  welschen  Beleben.  Ve  ergiebt  vuo 
bezw.  vue,  wenn  ein  Konsonant  folgt,  vm,  wenn  der  Vokal  im 
direkten  Auslaut  steht,  und  zwar  sind  dabei  die  französischen 
Auslautgesetze  mafsgebend.  Also  mr  (viirum),  puoJi  (pira),  auch 
2mo  (pilus),  aber  u  (video),  fu  (vicem),  au  (habere).  Dieser  am 
Ostabhange  der  Vogesen  ziemlich  rein  bewahrte  Zustand  ist  am 
Westabhange  vielfach  durch  Kreuzungen  getrübt:  teils  ist  M, 
teils  MO,  Uß  verallgemeinert.  Der  Unterschied  zwischen  e  nach 
Labialen  und  Nichtlabialen  ist  alt,  Ezechiel  und  Bernhard 
schreiben  oi  im  letzteren,  ue,  oe  im  ersteren  Falle,  z.  B.  Ez.  mues 
11,  35,  moes  11,  38,  buevres  91,  37;  Beruh,  poente  9,  13, 
moes  111,  20,  poes  127,  38,  foem  62,  18;  Psalter  »womMes  79,  1, 
amoinne  134,  7,  moinrai  26,  6.  Wie  sind  nun  die  Formen  zu 
erklären?  Gemeinsame  Grundlage  ist  zunächst  öi  (vgl.  §  76). 
Reine  Diphthonge,  d.  h.  Verbindungen  zweier  mit  gleichmäfsiger 
Tonstärke  ausgesprochener  Vokale  sind,  wenn  nicht  unmöglich, 
doch  selten  vmd  nie  von  langer  Dauer:  meist  wird  das  eine 
Element  reduziert.  Welches  von  beiden,  hängt  von  der  Klang- 
fülle und  von  den  umgebenden  Lauten  ab.  Während  nun  im 
allgemeinen  im  Osten  oi  zu  op,  dann  oe  oder  o  wird,  hat  das  o 
sich  einem  voi-hergehenden  labialen  Konsonanten  so  weit  assi- 
miliert, dafs  es  seinen  Eigenton  aufgiebt:  voe  wird  zu  vge,  vue. 
Daraus  ist  durch  weitere  Angleichung  uo  und  schliefslich  im 
direkten  Auslaut  uu,  u  entstanden.  Und  doch  ist  diese  Auffassung 
nicht  ganz  sicher.  Wie  schon  bemerkt,  findet  sich  uo  auch  im 
alten  «-Gebiete :  es  müfste  demnach  die  Invasion  der  nördlichen 
Formen  zunächst  in  den  Fällen  Labial  +  e  stattgefunden  haben, 
was  an  sich  möglich,  aber  nicht  zu  erweisen  ist.  Wir  sehen 
§  270,  dafs  der  Diphthong  ai  eine  ausgesprochene  Vorliebe  zeigt, 

Meyer,  Grammatik.  8 


114  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    107,    108. 

nach  Labialen  zu  uai,  uae  zu  werden  5  danach  könnte  man  ver- 
muten, dafs  zur  Zeit,  als  e  erst  bei  ai  noch  nicht  bei  a  angelangt 
war,  sich  auf  dem  mit  dem  oi,  vu^  zusammenstofsenden  Gebiete 
der  labiale  Einflufs  auf  ai  geltend  gemacht  hätte :  allein  dann 
wäre  aus  uai  wohl  ua  entstanden,  was  wir  nirgends  finden. 
Somit  bleibt  die  erste  AufPassung :  in  Lothringen  stofsen  oj-Gebiet 
und  aj-Gebiet  zusammen;  bevor  sich  jenes,  dem  die  Hauptstadt 
Metz  angehört,  tibermächtig  geltend  macht,  wird  voi  zu  vm^  und 
dies  dringt  zunächst  weiter.  Wie  weit  im  östlichen  ^-Gebiete 
vu^  vorkommt,  bleibt  noch  festzustellen,  vgl.  de  (debet),  craire 
neben  fup,  oir  (Aussprache?)  in  Auve.  Übrigens  kennt  der 
Westen  eine  ähnliche  Erscheinung:  fupre,  pu§ne,  muere,  voere 
neben  det,  te  in  S.  Maixent,  s^r  neben  mpr,  avuer  Charente, 
avae,  puvae  neben  vuU,  pui,  vald  Lahague. 

Vgl.  Schuchardt,  Ztschr.  vgl.  Sprachf.  XX,  226; 
Horning,  Fr.  Stud.  V,  462—465. 
Auch  in  r  ä  t  i  s  c  h  e  n  Dialekten  kommt  Beeinflussung  des  e 
durch  Labiale  vor,  vgl.  z.  B.  Bormio:  beer,  öce/",  cerr  (habere), 
scerr,  primceira  (primavera)  neben  poder,  pel,  freilich  auch  veir 
(verum),  veira.  —  Endlich  ist  piem.,  lomb.,  tirol.  fomna  aus  femina 
zu  nennen. 

108.  Im  Nord  rumänischen  wird  e  nach  Labialen  zu«, 
ea  tiber  äa  zu  a.  Vor  Nasalen,  wo  sonst  e  zu  i  wird,  bewahren 
die  alten  Texte  in  diesem  Falle  noch  e  s.  §  94.  Es  hat  also 
zunächst  der  Labial  den  Wandel  von  e  zu  i  aufgehalten,  dann  aber 
im  Verein  mit  dem  Nasal  Übergang  zu  i  bewirkt.  Das  Mazedonische 
und  das  Istrische  bewahren  e,  i:  fet,  vina,  im  Wal.  aber  erhalten 
wir:  pär  (pilus,  pirus),  fät,  värs,  väsc,  invä{,  väduvä,  adevär,  fatä, 
varä,  vargä,  masä,  camasä,  nevastä,  varzä,  invafä  u.  s.  w. ;  vinä, 
vint,  fin  u.  s.  w.  Keinen  Teil  nehmen  jüngere  slawische  oder 
türkische  Wöi-ter  wie  cafeä.  Im  Moldauischen  dagegen  hat  die 
Labialisierung  diese  ebenfalls  ergriffen,  ist  daher  jüngeren  Datums ; 
sehr  alt  kann  sie  auch  im  Walachischen  nicht  sein,  da  sie  jünger 
ist,  als  der  Wandel  von  ei  zu  e  bezw.  §d  §  83  und  da,  wie  be- 
merkt, die  südlichen  Mundai-ten  sie  nicht  kennen. 

Vgl.  Tiktin,  Convorbiri  literare  XIH,  296  ff., 
Studien  I,  57,  wo  das  Verhältnis  zwischen  lat.  vena  und 
rum.  vinä  anders  gefafst  ist.    Tiktin  nimmt  als  Mittel- 


§   10^—111.  Gedecktes  K  115 

stufe  vänä  an,  erst  nach  der  Labialisierungsperiode  liHtte 
das  n  vorhergehenden  Vokalen  geschlossene  Aussprache 
gegeben.  Dabei  bleiben  jedoch  die  Formen  der  alten 
Texte  unerkliirt. 

1 09.  E  i  n  f  1  u  f  s  von  ß.  Im  R  u  m  ä  n  i  s  c  h  e  n  wird  c  nach 
r  behandelt  Avie  nach  Labialen:  amäräsc,  pradä,  curd  (corrigia), 
rafä,  frin,  strmg  u.  s.  w.  Ausnahmen  wie  eres  (credo),  cresc  u.  s.  w. 
erklärt  die  Foi-menlehre. 

110.  Gedecktes  E.  Während  da,  wo  freies  e  nicht 
diphthongiert  wird,  gedecktes  e  im  ganzen  dieselben  Schicksale 
hat,  wie  freies,  zeigt  es  wesentlich  verschiedene,  da  wo  freies  e 
zu  ei  wird.  Meist  unterbleibt  der  Diphthong,  oder  er  geht 
wenigstens  besondere  Wege.  Die  allgemeinen  Regeln  werden 
hier  in  noch  höherem  Mafse  durch  spezielle  gestört,  als  dies  sonst 
der  Fall  ist,  da  bald  der  erste,  bald  der  zweite  der  die  Gruppe 
bildenden  Konsonanten  den  Vokal  in  bestimmter  Richtung  ver- 
ändern kann.  Es  empfiehlt  sich  daher,  nach  den  einzelnen 
Äprachgruppen,  nicht  nach  den  Lautgruppen  zu  sondern. 

111.  Am  einfachsten  stellt  sich  die  Geschichte  des  ge- 
deckten e  im  Französischen  dar.  Wir  erhalten  zunächst  e : 
envece,  -ece,  vece,  cep,  crespe,  creste,  meesme,  cresme,  baptesme, 
£sche,  lettre,  mettre,  vette,  saette,  net,  sec,  verre,  seze,  treze,  tonerre, 
selve,  verge,  verd,  cerche,  cest,  cel,  -el  aus  -eit,  conseil  §  86; 
fendre  u.  s.  w.  §  89 ;  enveie,  teit,  creistre,  estreit,  deit,  reid,  feire, 
cerveise,  armeise,  die  alle  ihr  i  aus  dem  Guttural  oder  dem  f 
haben.  Das  ei  entwickelt  sich  wie  altes  ei.  Das  e  dagegen  wird 
im  XII.  Jahrhundert  zu  f,  es  reimt  mit  altem  f,  schon  der 
Brandan,  Gormont,  Brut  scheiden  nicht  mehr,  wohl  aber  Phil. 
V.  Tliaon.  Am  frühesten  beginnt  die  Vermiscluxng  vor  st,  rn, 
vgl.  prest  (mit  e  §  29):  est  Brand.  725,  1139  ccrne:  vprne  869, 
etwas  später  vor  t  recet:  entremet  Wace  Brut  7057  vales:  yvers 
Amis  53.  Besondere  Beachtung  verdienen  epais,  convoite,  etoile, pöble, 
sodann  decket,  aplet.  Neben  es]jes  finden  wir  afr.  espois,  das  noch 
Scarron  im  Reime  auf  hois  gebraucht  (s.  Littre),  daher  vielleicht 
auch  nfr.  epais  (dem  afr.  espes  würde  *epes  entsprechen).  Von 
spissus  ist  ein  Subst.  *spissea  gebildet,  afr.  espoisse,  und  ein 
Verbum  *spissiat:  espoisse,  deren  Vokal  auf  das  Adjektivum  über- 
tragen wurde,  ähnliche  Fälle  §  546.    Zu  coveite  gesellt  sich  prov. 


116  I.  Kapitel:  Vokalismus.  §    Hl^    112^ 

coheita,  wahrscheinlich  liegt  nicht  cuptditat,  sondern  *cupedietat  zu 
Grunde.  Etoile  geht  auf  stela  zurück  §  545;  poele  von  pesile 
stammt  wohl  mit  der  Sache  aus  dem  östlichen  Frankreich,  aplet, 
ein  Schifferausdruck,  aus  der  Normandie.  Unklar  bleibt  decket, 
femer  complot,  frotter. 

Ich  kann  hier  Neumanns  Ausführungen  Ztschr. 
Vm,  259  ff.  nicht  beistimmen.  Über  tapis  vgl. 
§  118,  envie  ist  ein  Schriftwort  der  Übersetzer.  Die 
Quantität  des  i  in  camisia  ist  unbekannt,  wahrscheinlich 
ist  im  Rätischen  und  Rumänischen  -jsia  an  Stelle  des 
ursprünglichen,  aber  im  Lat.  fremden  -isia  getreten. 
Übrigens  ist  zu  beachten  falise  neben  fäloise,  glise  neben 
gloise,  älise  neben  Auve  (ilo§,  tamis  neben  auf  *tamoi» 
hinweisendem  bret.  tamoes,  vgl.  ladin.  tamei§,  friauL 
temes,  vielleicht  auch  ise  neben  ece  §  510.  Über  die 
Zeit  des  Zusammenfalls  von  gedecktem  e  und  §  vgl. 
Suchier,  Ztschr.  Ill,  138—142.  —  Coveite  erklärt 
Lücking  S.  67  Anm. 

112.  Im  Osten  wird  auch  gedecktes  e  zu  oi,  woraus  teils 
a  teils  0.  Für  beide  Laute  bieten  die  mittelalterlichen  Denk- 
mäler zahlreiche  Belege:  ploge  NE.  XVIII,  159,  Nancy  1274, 
plogarie  und  daterie  (debitoria)  170,  Metz  1276,  aquaste,  datrelSi, 
Metz  1270,  reiquaste  149,  Toul  1270  oder  1296,  same  (16)  176, 
Metz  1276,  plage  und  atre  (alter)  189,  Metz  1278  u.  s.  w.  Der 
Psalter  schreibt  e,  ai,  a,  ebenso  Vegetius,  wo  autre:  matre  14:9 
allerdings  ebensogut  mit  a  als  mit  o  gelesen  werden  können,^ 
während  asme  (aestimat):  pasme  2428  dehatre:  matre  3526  für  a 
sprechen;  daneben  steht  aber  wieder:  flocke:  aprocke  9228. 
Ezechiel  schreibt  meist  ai,  a,  die  burgundischen  Denkmäler  wie 
Floovent  und  Girard  de  Rossillon  a.  Dazu  sind  noch  die  zahl- 
reichen umgekehrten  Schreibungen  zu  nehmen :  moible,  noible, 
joir,  clioises,  loi  (lavpi),  nevoit  Psalt.  44,  recloise  Ph.  Vign.  u.  s.  w. 
In  den  heutigen  Dialekten  findet  sich  teils  o,  teils  a,  z.  B.  im 
Morvan :  -otte,  anosse,  forme,  mole,  soi§e,  loise,  noig ;  dafs  dieses  o 
auf  älteres  ai  zurückgeht,  zeigt  gröle  (gracilis).  Ebenso  im  oberen 
Moselgebiet,  und  sonst  sporadisch  in  Lothringen.  Daneben  aber 
bieten  die  Mundarten  um  Metz  herum,  zum  Teil  auch  diejenigen 
am  östlichen  Vogesenabhang,  a.  Auch  hier,  wie  beim  freien  e, 
werden  wir  zwei  Zentren  anzunehmen  haben :  das  eine  südöst- 
liche (Burgund),  in  welchem  gedecktes  e  wie  freies  zu  oi,  später 


§    112—114.  Gedecktes  E.  117 

zu  0  wird,    das    andere,    wohl  Metz,    in    welchen    e   infolge  der 
Kürzung  zu  ^,  dann  zu  ganz  offenem  ä,    schliefslich    zu  a  wird. 
Anders  Horning,  Fr.  Stud.  V,  462—465. 

113.  Auch  die  rätischen  und  obe  r  italienische  n 
Mundarten  kürzen  c  vor  mehrfacher  Konsonanz  und  lassen  es 
dann  zu  f,  ö?,  o,  a  werden.  Das  Toskanische  und  mit  ihm  Lecce 
beschränken  sich  auf  die  Verbindung  cstv.  ma(;stro,  mingstra, 
capfstro,  canfstro,  hal^stra,  lecc.  me^u,  riesUf  inene§a.  Dann  aber 
romg.  st{!Ua,  l^z,  urföa,  trebh,  nr^bs,  chiil^  Ißar,  mail.  Stella,  m§tt, 
qufst,  t^fia,  v§nna,  pav.  -^zm,  -eUa,  Iß,  tess.  v§rd,  nft,  v^§kuf, 
s§d,  d§d;  (b:  judik.  JcroeSar,  p€e§,  tcet,  frcet,  scelva,  fanoey,  proest 
(§  292),  auch  pwli  (picem)  und  trcedas,  Pontremoli :  quoel,  van- 
dceta,  Bussetto  und  Piacenza:  vindcetio;  o:  Ceppomorelli  (Novarra)  : 
vandotta,  fomna,  podoss,  Jcommatoss,  woran  sich  o  in  S.  Fratello 
schliefst :  stodda,  maravoggya,  trozza,  Strott ;  endlich  a  m  Buchen- 
stein und  Badia :  hak,  massa,  stalla,  tatt  und  in  Vignola  (Modena) : 
istass.  —  Auch  das  Katalanische  in  Alghero  zeigt  in  geschlossener 
Silbe  offeneres  e  als  in  offener:  pr^s,  var^ma,  fr^ma,  v^l,  und  im 
Mayorkanischen  tritt  wieder  m  auf:  smp,  foerm,  -cese,  ncet  u.  s.  w. 

Zum  Mayork.  vgl.  Brekke,  Rom.  XVU,  89—95. 

114.  Veränderungen  von  e  infolge  der  Oxyto- 
nierung.  Im  Provenzalischen  ist  ei  auf  den  direkten  Auslaut 
beschränkt:  fei,  quei,  mercei,  rei,  mei. 

In  Bessin  wird  ei  im  Inlaut  zu  p  (§  74),  im  Auslaut  zu  c : 
de,  ave,  re,  te,  me  (mensis),  tre  u.  s.  w. 

In  Montjean  (Mayenne)  wird  ei  im  direkten  Auslaut  über 
p,  ai  zu  a,  wie  das  e  aus  a  §  226:  ma,  ta,  Jca;  ebexiso  in 
Louvigne-de-Bais  ka,  pa  (picem),  ma,  ia,  sava,  sa  (sitim).  In 
S.  Fratello  wird  wie  im  Italienischen  oxy toniei-ter  Vokal  gekürzt, 
e  wird  zu  o  (vgl.  §  113),  fo  (fidem),  foi,  fo  =  ital.  fei  (fed), 
Perf.  II  -oi,  0  =  ital.  ei;  voi,  vo  (vide),  d'co,  ital.  di  che,  ent- 
sprechend roß  in  Ceppomorelli.  In  Judicarien  wird  -e  zu  f,  sonst 
zu  i:  az^',  par^,  rf,  p^,  wif,  d^.  Dasselbe  tritt  in  der  Lombardei 
und  Emilia  ein :  mail.  fr^,  Inf.  -e,  romg.  me,  tf,  rp.  Damit  ver- 
gleicht sich  der  Mangel  des  Diphthongen  in  Val  Soana:  me,  te. 
Im  Moldauischen  wird  ea  zu  e:  st^-,  §edp  u.  s.  w.,  nach  §,  f,  t/,  r 
daraus  ä:  mä^ä,  cura{a,  taid,  rd. 


118  I.  Kapitel:  Vokalismus.  §    115^ 

c)  Sporadischer  Wandel  von  e  zu  §  und  i. 

115.  Im  Italienischen  wird  e  in  gelehrten  Worte x'n  als  & 
ausgesprochen  §  15.  Bemerkenswert  ist  nun,  dafs  manche  dieser 
Wörter  den  Diphthongen  ie  zeigen,  nicht  im  Toskanischen,  wohl 
aber  im  Avenez. :  prockdere,  riede  Arch.  Glott.  III,  249,  und 
zwar  so  oft,  dafs  die  Annahme  eines  Schreibfehlers  ausgeschlossen 
ist.  Ebenso  zeigen  in  dem  i-Gebiete  die  ziemlich  zahlreichen 
der  Schriftsprache  entnommenen  Wörter  p  bezw. ,  wo  der  Diph- 
thong erscheint,  ie:  siz.  menu  (altsiz.  minu),  veru  (alt  viru, 
noch  heute  dimmini),  trenta  (alt  trinta)  u.  s.  w.,  Schneegans  34  ff. ; 
calabr.  davieru,  serienu,  spieru^  riegula,  secrietu  u.  s.  w.  Fürs 
Venezianische  wird  man  annehmen  dürfen,  dafs  die  Wörter  weder 
direkt  aus  dem  Lateinischen  noch  dem  Toskanischen  stammen, 
sondern  zunächst  aus  einem  Dialekte  (etwa  lombardisch),  der  dem 
venez.  ie  einfaches  e  entgegenstellt.  In  Calabrien  u.  s.  w.  wird 
das  Gesetz :  ie  —  u  aber  p  —  a  auch  auf  die  Lehnwörter  über- 
tragen. —  Dagegen  erklären  sich  ital.  fiera,  viera  aus  feria,  viria 
durch  Epenthese  des  i. 

Im  Portugiesischen  wird  e  zu  p,  wenn  der  folgende 
tonlose  Vokal  e  ist,  bleibt  aber  bei  o,  a:  devo  deva,  d^ves, 
d§ve,  dpvem;  recebo,  receba,  rechtes,  recebe,  rec§bem,  so  noch  desceVy. 
parecer,  mescer ,  wogegen  ver  sein  e  behält.  Daneben  stehen 
nun  aber  eile  flla,  esse  gssa,  este  psta,  ferner:  ourelo  our§la, 
camelo  camela,  lissab.  m§da  neben  nördl.  meda.  Bei  dieser  letzteren 
Gruppe  handelt  es  sich  wohl  um  Einflufs  der  o-Reihe :  novo  nova 
s.  §  186.  Die  erste  ist  nicht  klar.  Auffällig  sind  auch  gall.. 
crpto  (creditum),  während  chpga  sich  wie  span.  lliega  erklärt. 

Gon^alves  Via n na,    Rom.  XII,   74  glaubt  dem  e 

die  Kraft    zuschreiben    zu    dürfen,    d    in    e    zu    wandeln,. 

wofür  man  noch  n§ve,    c§rce   anführen    könnte,    dagegen 

spricht  aber  Suffix  -ete,  rede,  treze. 

Es  bleiben  noch  eine  Reihe  verschiedengearteter  Fälle,, 
die  zum  Teil  in  morphologischen  Verhältnissen  ihren  Grund 
haben.  Mehrfach  tritt  pllus  an  Stelle  von  iJMs:  ital.  campllo,  frz. 
chameau:  xu/nijXog  (aber  siz.  gamiddu)-,  ital.  stiggello,  frz.  sceau: 
sigillum  (aber  span.  sello);  ital.  vag§lla:  vacillat,  span.  cadillo: 
catella  u.  a.  Lat.  dexter  zieht  sinexter  nach  sich,  span.  siniestro,. 
afr.  senpstre;  Ipggere,   l§tto  im  Ital.  Ipttera.  —  Span,  nieve,   portg. 


§    115,    116.  Wandel  von  £  zu  ?  und  /.  119 

n^'ve,  gase.  Ariege  n^u,  Couseran  fleu,  iiisan.  nieve,  tosk.  npve 
neben  neve,  span.  tieso  (tensus),  lliega,  siemhra  (seminat),  sien 
(germ.  sinn)  erklären  sich  alle  daraus,  (lafK  in  den  endungs- 
betonten Formen  der  zugehörigen  Verba  das  e  demjenigen  von 
vcnir  accrtar  3.  Sg.  viene  acieria  gleich  war.  —  Ital.  disio  disiare, 
span.  deseo ,  portg.  desejo ,  cat.  desid,  afr.  deseier  gehen  auf  dise- 
didre  disedium  statt  disidium  zurück,  wie  frz.  demi  auf  dim§- 
dium.  —  Neben  regelmäfsigem  ital.  tetto  u.  s.  w.  steht  siz.  t^ttif, 
tosk.  dial.  tftto,  friaul.  tiät  (Arch.  Gl.  IV,  344),  beam.  tieit, 
lothr.  t^t  Psal.  Ezech.  Phil.  v.  Vign.  und  noch  heute  in  Metz, 
limous.  tiet  nach  l^it^  lief  (Ifcttcm),  —  Afr.  fieUe,  lat.  f(1)ehilis  neben 
gewöhnlicherem  foihle,  namentlich  in  norm,  und  agn.  Texten, 
noch  heute  fiebe  Bessin,  fieibt  Lahague  und  das  zweimalige  endieble 
IV  Liv.,  kaum  zu  vergleichen  mit  dem  ital.  fi^vole,  das  sich  nach 
§  105  erklärt,  mufs  wohl  einem  speziell  normannischen  Laut- 
gesetze folgen.  —  Ital.  insieme,  aspan.  ensiemo  sind  durch  semel 
beeinflufst.  —  Unklar  sind :  span.  fiemo,  Menda,  afr.  fiens,  fiente  zu 
lat.  ftmus;  ital.  resta^  span.  aricsta  zu  arista;  span.  yesca  zu  esca, 
afr.  aviere  neben  arvoire  zu  arbitrium,  nfr.  genievre,  wofür  afr. 
regelmäfsig  geneivre,  genoivre,  auch  im  Mittelrät.  wird  dzinievr 
belegt  Arch.  Glott.  I,  327;  ital.  erpice,  aber  rät.  ierpi,  frz.  erse: 
über  ps  statt  es,  2.  Sg.  des  verbum  substantivum  s.  Kap.  IV. 
Die  Vertreter  von  velare  zeigen  in  Campob.  und  Alatri  in  den 
stammbetonten  Formen  f,  etwa  nach  gelare?  Ob  ital.  rpzm, 
Lecce  rpzza  auf  rctia  beruht,  ist  zweifelhaft. 

Anders    über    nieve    B  a  i  s  t    696 ,     der     darin     nördl. 

rieve   sehen    möchte  (vgl.  §  418).     Allein    damit    bleiben 

die  gase.  Formen  nicht  erklärt. 

116.  Sporadischer  Übei-gang  von  e  zu  i.  Das  seltene 
Suffix  -emis  wird  oft  gegen  das  häufigere  -inus  vertauscht:  prov. 
veri,  afr.  velin,  mail.  venl,  span.  venin  =  venenum'^  ital.,  span. 
pergamino,  frz.  parchemin  =  pergamenum ;  ital.  pulcino ,  prov. 
polsi ,  frz.  poussin  =  pullicenum  (rät.  puUein) ;  ital.  posoUno  = 
postilena;  zweifelhaft  ist,  ob  auch  afr.  estrine  (*strSna)  hierher 
gehört,  oder  ob  etwa  primm  prima  eingewirkt  haben.  Sodann  -imus 
i\ir  -emm,  ital.  racimolo,  span.  racimo,  portg.  razimo,  frz.  raisin  zu 
racermis,  doch  vgl.  §  105.  In  ital.  berbice,  frz.  brebis  ist  -ice  (cervic- 
u.  a.)  an  Stelle  von  -ece  getreten ;  in  ital.  mantile  das  gewöhnliche  -He 


120  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    HQ HS. 

an  Stelle  des  sonst  kaum  vorkommenden  -ele;  in  span.  tapig, 
frz.  tapis  liegt  spätgriecliische  Aussprache  vor.  —  Ital.  nimo 
nach  nissuno,  doch  auch  rum.  nimenea,  diritto  wohl  nach  dirizmre, 
wogegen profitto  französisches  Lehnwort  ist.  —  Span,  conmigo  u.  s.  w. 
sind  durch  mi  beeinflufst,  Jiisca  (=  esca),  ohispo,  mismo,  aber 
asp.  mesmo,  Enx.  15,  C.  Luc.  376  a,  363  b,  Cal.  Dim.  16  b, 
23  b,  und  noch  andal.  und  astur.,  Domingo  marisma  sind  unklar, 
aide  halbgelehrt.  —  Frz.  essil  ist  vom  Verbum  essilier  beeinflufst ; 
volille  IV  Liv.  240,  remasilles  421,  lentüle  zeigen  Suffixver- 
tauschung:  ilia  statt  icula-^  -ime  stammt  nicht  von  -esimu,  die 
Schreibung  -isme  ist  jünger,  sondern  ist  von  den  gelehrten 
Septime  u.  s.  w.  tibertragen  und  hat  dann  auch  meesme  nach  sich 
gezogen:  me'isme  schon  im  Eol.  und  OP.  —  Portg.  rim  (ren), 
während  span.  splin  ein  Lehnwort  aus  dem  Englischen  (spieen)  ist. 
Portg.  cisa  von  abcissa  mit  i  statt  e  und  s  statt  ss  vom  Perfekt 
aus.     Ital.  dito,  astur,  didu,  kat.  dit  bleiben  dunkel. 

In  span.  mismo  u.  s.  w.  will  B  a  i  s  t  696  Einflufs  von 
s  sehen,  ohne  zu  sagen,  weshalb  aqueste,  maestre  und 
viele  andere  e  behalten.  —  Die  Erklärung  von  frz.  -ime 
hat  Köritz,  das  s  vor  Konson.  7  ff.  gegeben.  Anders 
aber  weniger    wahrscheinlich  A.   Horning  22    Anm.   1. 

117.  E  zu  ie.  —  1.  In  Putignano  (Bari)  wird  unter 
noch  nicht  klargestellten  Bedingungen  i  zu  ie:  Jcyessa,  jedd'  (illa), 
vinniett',  fiemmin\  vier'  (vero),  avicvini  (avevano),  riej  (rex),  aber 
Jceddi  (quelli),  jeddi  (egli),  freddi,  feäi. 

2.  Im  Wort-  und  Silbenaulaut  wird  im  Rumänischen  e 
zu  ie:  iel  (ille),  id  (illa),  iascä  (esca),  chie-ic  aus  cliia-e  (clavem).  — 
Im  Westrumänischen  zeigt  auch  sonst  e  die  Diphthongierung 
nach  Dentalen  und  Labialen  und  Sonanten :  dies  (densus) ,  F. 
diasa,  berhiec,  fiet,  lieg  u.  s.  w. 

4.    Vulgärlateiuisch   0  =  schriftlateinisch  Ö,  Ü. 

118.  Wie  schriftlat.  e  und  i,  so  sind  auch  schriftlat.  ö  und  M 
in  ihrer  Qualität  fürs  Romanische  im  ganzen  identisch,  sie  fallen 
zusammen  in  o.  Wie  dort,  so  scheidet  auch  hier  das  S  ar- 
dische die  beiden  Laute  ^  zum  Sardischen  gesellt  sich  aber  noch 
das  Albanesische    und  das  Rumänische,  vgl. 


§  118,  119. 


0,   ir  im  Sardischeu  und  Rumänischen. 


121 


Lat. 

NUMERU 

BÜCCA 

FÜNDU 

FURCA 

FURNU 

Rum. 

numer 

hucä 

fand 

furcä 

— 

Alb. 

num§r 

huk^ 

funt 

furk§ 

fur§ 

Sard. 

numeru 

buka 

fundu 

furca 

furru 

Lat. 

GUTTA 

PUTEU 

CUBETÜ             PULPA 

STUPPA 

Rum. 

gutä 

pui 

§  130 

pulpä 

stupä 

Alb. 

gut§ 

pus 

kut 

pulp§ 

kup§ 

Sard. 

gutta 

puttu 

kiiidu 

piilpa 

stuppa 

Lat. 

TURPE 

TURMA 

Rum 

l.                    

turmä 

Alb. 

turp 

turm§ 

Sard 

— 

truma 

aber 

Lat. 

-ORE 

POMA 

-ONE 

NODU 

SOLE 

Rum. 

-oare 

poamä 

§  135 

nod 

soare 

Alb. 

-ei' 

peme 

-ua 

neje 

— 

Sard. 

-ore 

§  130 

-one 

nodu 

sole 

Lat. 

POPLU 

VOCE 

FLORE 

Rum. 

plop 

boace 

floare 

Alb. 

piep 

— 

— 

Sard. 

— 

böge 

fiore. 

Über  rum.  o  aus  u  s.  §  131. 


119.  Die  Entwicklung  von  vulgärlateinisch  p  zeigt  in  ihren 
ersten  Stadien  ziemlich  grofse  Übereinstimmung  mit  derjenigen 
von  (',  wir  finden  o,  u,  ou  in  derselben  Verteilung  und  unter 
denselben  Bedingungen  wie  e,  i,  ei  (§  69  ff.);  die  weiteren 
Schicksale  aber,  namentlich  die  Umgestaltungen  von  ou,  sind  zum 
Teil  ganz  andere  als  die  von  ei.  Die  folgende  Tabelle  giebt 
wieder  nur  die  Anfänge  der  Entwicklung. 


Lat. 

NOS 

SUM 

TOTUS 

VOTUM 

COTE 

Eng. 

nus 

sum 

(tuott) 

vut 

kut 

Ital. 

ngi 

sono 

§  127 

voto 

cote 

Afr. 

nous 

— 

(tot) 

vout 

com 

Span. 

nos 

soy 

todo 

boda 

— 

Siz. 

WMS 

sunu 

tuttu 

vutu 

— 

122 


I.  Kapitel:  Vokalismus. 


§  119. 


Lat. 

LUTU 

PUTAT 

NODU 

PEODE 

RODIT 

Engad. 

lut 

— 

nuf 

prus 

rua 

Ital. 

Igto 

pota 

ngdo 

prgde 

rgde 

Afr. 

— 

— 

nout 

prout 

— 

Span. 

lodo 

poda 

nodo 

prol 

roe 

Siz. 

lutu 

puta 

— 

— 

rudi. 

Lat. 

JUGU 

DOGA 

FÜGA 

LÜPU 

LUPA 

Engad. 

guf 

diiva 



luf 

luva 

Ital. 

giggo 

doga 

foga 



Igva 

Afr. 

jou 

douve 

— 

lauf 

louve 

Span. 

§  147 

— 

— 

loho 

loia 

Siz. 

juvu 

duga 

— 

lupu 

lupa. 

Lat. 

SPOSU 

TOSU 

-osu 

-OSA 

VOCE 

Engad. 

spus 

tusa 

-US 

-usa 

vus 

Ital. 

§  146 

tgso 

-gso 

-gsa 

vgce 

Afr. 

espous 

ious 

-ous 

-ouse 

vgxgi 

Span. 

esposo 

toso 

-OSO 

-osa 

voz 

Siz. 

spmu 

— 

-usu 

-usa 

vuöi. 

Lat. 

CKUCE 

NUCE 

FUGIT 

CUBAT 

JUVAT 

Engad. 

Jcrus 

nu§ 

fusa 

kuva 



Ital. 

crgce 

ngce 

§  147 

cgva 

gigva 

Afr. 

croiz 

ngiz 

fgit 

couve 

— 

Span. 

§  147 

§  146 

§  147 

— 

— 

Siz. 

Jcrudi 

nuöi 

— 

Tiuva 

juva. 

Lat. 

UBI 

HORA 

MORU 

PLOKE 

-ORE 

Engad. 

— 

ura 

mura 

fiur 

-ur 

Ital. 

ove 

gra 

mgro 

figre 

-gre 

Afr. 

ou 

oure 

moure 

flour 

-our 

Span. 

— 

ora 

mora 

flor 

•or 

Siz. 

duvi 

ura 

— 

öuri 

-uri. 

Lat. 

CODA 

SOLU 

SOLE 

GULA 

DONU 

Engad. 

cua 

sw? 



gula 

§  138 

Ital. 

cpda 

sglo 

sgle 

ggla 

dgno 

Afr. 

coude 

soul 

— 

goiüe 

don 

Span. 

Cüla 

solo 

sol 

gola 

dort 

Siz. 

Jcuda 

sülu 

suli 

gula 

dunu. 

§  119. 


Vulgärlateinisch  0. 


123 


Lat. 

CORONA 

-ONE 

POMÜ 

NOMEN 

CUBITU 

Engad. 

— 

■iin 

§  130 

— 

cfumbet 

Ital. 

Corona 

-qne 

pgmo 

nome 

ggmito 

Afr. 

corone 

-on 

pome 

nom 

Code 

Span. 

Corona 

-on 

pomo 

nombre 

codo 

Siz. 

kuruna 

-uni 

pumu 

— 

guvitu. 

Lat. 

JÜVENI 

CUCÜMA 

CUCÜMER 

RUMICE 

DUBITAT 

Engad. 

zuven 

— 

— 





Ital. 

giqvane 

cgcoma 

cocgmero 

rgmice 

dgtta 

Afr. 

jgvnc 

— 

— 

ronce 

dote 

Span. 

joven 

—    . 

cohombro 

— 

— 

Siz. 

guvini 

cuncitma 

cucummaru    — 

dubbitu. 

Lat. 

CÜTICA 

MULIEK 

CULEU 

PÜRIA 

FORIA 

Engad. 

cudga 

— 





fuira 

Ital. 

cotica 

moglie 

cgglio 

foja 

— 

Afr. 

— 

— 

cgil 

— 

foire 

Span. 

— 

— 

cojo 

— 

— 

Siz. 

cuti 

— 

— 

furia 

— 

Lat. 

CUNEü 

RUBIA 

PUTEU 

*SINGLUTTIAT  DUCTIAT 

Engad. 

Tiuoirl 



puots 

sangluot 

duoö 

Ital. 

cogno 

robbia 

pgzzo 

singhigzza 

dgccia 

Afr. 

coin 

rouge 

§  146 

— 

dgiz 

Span. 

§  128 

roya 

pozo 

soUoza 

— 

Siz. 

cuiiu 

rugga 

putsu 

• — 

duööa. 

Lat. 

ANGUSTIA 

VERECUNDIA 

CAIiUMNIA 

PÜTUIT 

UTRE 

Engad. 

anguo§a 

vcrguona 

— 





Ital. 

angoscia 

vergggna 

calggnia 

fgtte 

gtre 

Afr. 

angoisse 

vergggne 

chalonge 

fgtte 

— 

Span. 

congoja 

§  341 

calona 

hode 

odre 

Siz. 

angustia 

vrigoHa. 

kalunnia 

futti 

— 

Lat. 

SUPKA 

DUPLU 

COPLA 

ROBÜR 

CÜMÜLAT 

Engad. 

sura 

duhel 

— 

ruver 



Ital. 

sppra 

doppio 

coppia 

rgvere 

ambia 

Afr. 

sqvre 

doble 

cople 

rovre 

comble 

Span. 

sohra 

doUe 

cobla 

roble 

— 

Siz. 

supra 

duppiu 

— 

ruvulu 

— 

124 


I.  Kapitel:  Vokalismus. 


119. 


Lat. 

-UCLU 

GLUT TU 

GUTTA 

MUCCU 

STÜPPA 

Engad. 

-uol 



guoüa 

— 

stuppa 

Ital. 

-occhio 

gMotto 

ggtta 

mgccolo 

stgppa 

Afr. 

-oul 

glgtt 

gote 

mgche 

estgpe 

Span. 

-ojo 

— 

gota 

moco 

estopa 

Siz. 

-ukJcyu 

— 

gutta 

muJcJcu 

stuppa. 

Lat. 

EUSSU 

TÜEEE 

SABUEEA 

OLLA 

PÜLLUS 

Engad. 

— 

tuor 

— 

— 

— 

Ital. 

rosso 

tgrre 

zavgrra 

— 

pglla 

Afr. 

— 

tgrr 

— 

oule 

— 

Span. 

rojo 

torre 

sahorra 

olla 

polla 

Siz. 

russu 

turri 

savurra 

— 

puddu. 

Lat. 

SATULLU 

CUNNU 

SUMMA      . 

CONDUCTU 

BUCCA 

Engad. 

saduol 

— 

— 



huoJca 

Ital. 

satgllo 

cgnno 

sgmma 

condgtto 

bgcca 

Afr. 

sadgl 

con 

som 

condgit 

hgche 

Span. 

— 

cono 

somo 

§  128 

loca 

Siz. 

— 

Tiunnu 

summa 

Tiwnnuttu 

vulika. 

Lat. 

BÜPTA 

SÜBTU 

LUSCÜ 

TÜSCÜ 

MUSTÜ 

Engad. 



suot 



— 

muost 

Ital. 

rgtta 

sotto 

Igsco 

tgsco 

mgsto 

Afr. 

rote 

sgs 

Igis 

— 

mgst 

Span. 

rota 

— 

— 

tosco 

mosto 

Siz. 

rutta 

suttu 

luslcu 

— 

— 

Lat. 

CBUSTA 

TUETA 

CUBTU 

FUECA 

TUEPE 

Engad. 

Tiruoka 

tuorta 

huort 

fuorh'a 

tuorp 

Ital. 

crosta 

tgrta 

cgrto 

fgrca 

tgrpe 

Afr, 

croste 

tgrte 

cgrt 

fgrche 

— 

Span. 

crosta 

torta 

corto 

horca 

torpe 

Siz. 

Tcrusta 

turta 

hurtu 

furJca 

— 

Lat. 

GUEGE 

ALBUENU 

DIUENU 

TÜETUEA 

COETE 

Engad. 

— 

— 

— 

— 

cuort 

Ital. 

ggrgo 

albgrno 

gigrno 

tgrtola 

cgrte 

Afr. 

§  146 

aubgrn 

jgrn 

tgHre 

cgrt 

Span. 

— 

älborno 

— 

tortola 

cortes 

Siz. 

gurgu 

— 

— 

tuHura 

Jcurti. 

§  119. 

Vulgärlateinisch  0. 

V 

Lat. 

FORMA 

ORNAT 

ORDINE 

ASCULTA 

MULTU 

Engad. 

fiiorma 

uorna 

uorden 





Ital. 

forma 

orna 

ordine 

scglta 

mqlto 

Afr. 

forme 

orne 

orne 

escgita 

moU 

Span. 

horma 

orna 

— 

§  128 

— 

Siz. 

furma 

— 

— 

asciita 

multu. 

Lat. 

SULCU 

FULGUR 

VITLPE 

SULPHUR 

PULVER 

Engad. 

— 



golp 

suolper 

puolvra 

Ital. 

solco 

folgere 

gglpe 

zolfo 

pqlvere 

Afr. 

— 

foidre 

— 

soifre 

pgidre 

Span. 

§  147 

— 

golpe 

§  147 

polvo 

Siz. 

siirJcu 

— 

gurpi 

siirfaru 

purvuU. 

Lat. 

CULPA 

CULMEN 

PULPA 

PULSAT 

SUNT 

Engad. 

cuolpa 

cuolm 

puolpa 

— 

son 

Ital. 

colpa 

colmo 

polpa 

polsa 

sgno 

Afr. 

cqlpe 

coime 

polpe 

poise 

sgnt 

Span. 

— 

§  147 

— 

— 

son 

Siz. 

— 

Jcurmu 

— 

purpa 

swnu. 

Lat. 

UXDA 

TRUNCU 

RUKCAT 

PLUMBU 

TUMBA 

Engad. 

uonda 

— 

ruonk 

plom 

— 

Ital. 

onda 

tronco 

rgnca 

piomho 

tgml)a 

Afr. 

onde 

tronc 

— 

plom 

tombe 

Sj)an. 

onda 

tronco 

— 

plomo 

— 

Siz. 

Unna 

trunJcu 

runka 

Jcyummu 

— 

Lat. 

UNDECI 

COLLOCAT 

ROSTRU 

CONSTAT 

SORSU 

Engad. 

(ündes) 

— 

— 

Tiuosta 

— 

Ital. 

(undici) 

corica 

§  141 

Costa 

sgrso 

Afr. 

onse 

coiche 

— 

coste 

— 

Span. 

once 

— 

rosto 

Costa 

— 

Siz. 

unnidi 

hurJca 

— 

Tiusta 

sursu. 

Afr.  Pentecouste  kann  liieher  gehören  gemäfs  §  17,  S.  31,  es 
kann  aber  auch  an  coiiste  angelehnt  sein.  Zu  ital.  sgrso  vgl. 
lecc. ,  cal.  sursu ,  bol.  sours.  Nur  in  Fi-ankreich  findet  sich 
grhita  =  afz.  ourde.  Unklar  ist  Colostrum,  wofllr  sich  auch  die 
Schreibung  colustrum  findet.  Mit  letzterer  stimmt  span.  calostro, 
portg.  cgstra.     Daneben  steht  aber  astur.  Jculiestru,  rum.  coreastä, 


126  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   119 — 121. 

die  auf  Colostrum  hinweisen.  Zweifelhaft  bleibt  die  Qualität  des 
u  in  lambrusca.  Ital.  ahrostino,  ahrostolo,  äbrosco,  bress.  lanibroche 
sprechen  für  ^,  frz.  lambruche,  span.  lambrusca  für  u,  doch  sind 
diese  Formen  vielleicht  Buch  Wörter. 

a)  Spontane  Weiterentwicklung  des  ou, 

120.  Wenn  ursprünglich  die  Grenzen  von  ou  und  ei  sich 
ziemlich,  vielleicht  ganz  deckten,  so  hat  sich  doch  der  labiale 
Diphthong  in  weit  geringerem  Umfange  erhalten  als  der  dentale. 
Zunächst  scheint  fast  tiberall  da,  wo  M  zu  M  geworden  ist  (§  45), 
ou  in  die  leergewordene  Stelle  eingerückt,  also  zu  u  geworden 
zu  sein.  Die  Qualität  des  Vokals  ist  nicht  an  allen  Orten  ganz 
dieselbe;  so  soll  das  ostlombardische,  piemontesische  und  genue- 
sische u  weniger  geschlossen  sein,  als  das  toskanische,  dem 
lateinischen  ü  entsprechende.  Für  die  Toskana  selbst  fehlen  aber 
auch  noch  genaue  Angaben.  Wie  weit  in  Oberitalien  ou  geblieben 
ist,  mufs  noch  untersucht  werden,  da  die  Schreibweise  ou  oft 
ebensogut  u  darstellen  kann  da,  wo  u  für  ü  geschrieben  wird, 
doch  scheint  es  von  Parma  an,  in  Correggio  und  im  Bolognesischen 
noch  heute  zu  bestehen,  vgl.  hol.  fiour,  -tour,  wogegen  es  weiter 
nördlich  monophthongiert  ist.  Dafs  aber  auch  hier  einst  ou  be- 
standen hat,  fordert  nicht  nur  der  Parallelismus  mit  e,  der  nicht 
völlig  beweisend  ist,  sondern  namentlich  die  Entwicklung  in  S. 
Fi-atello,  wo  altes  u  bleibt,  gu  daher  nicht  u  sondern,  entsprechend 
der  Entwicklung  des  ei  (§  71),  zu  au  Avird:  sau  fsole,  solo), 
davaur,  raula  (rohur) ,  mangaraura  (mangiatoja) ,  autr  (otre),  aula 
(gola),  nauz  (noce)  u.  s.  w.  Dies  au  kann  dann  vor  Nasalen  sein 
labiales  Element  verlieren  §  138. 

121.  In  Nordfrankreich  schreiben  die  Eide  wie  die  älteren 
lateinischen  Merowingerurkunden  u :  amur,  dunat  entsprechend  dem 
i  für  ei  §  72.  Eulalia  ow;  hellezour  2  neben  nos  27,  Jonas:  correcious  3, 
celor  4,  lor  4.  Dieses  ou  nun,  das  nur  aus  freiem  o  entstanden  ist, 
wird  im  Wallonisch-Pikardischen ,  Zentralfranzösischen  und  der 
westlichen  Champagne  über  ceu  zu  ö?.  Es  findet  sich  auch  im 
obersten  Thale  der  Meurthe  und  in  Saales  im  Breuschthale ,  wo 
es  heute  nun  ganz  isoliert  ist,  da  alle  umliegenden  lothringischen 
Dialekte  u  zeigen  §  122.  Der  Wandel  von  ou  zu  ceu  erklärt 
sich  folgendermafsen :  bei  der  Artikulation  des  u  ist  die  Zungen- 


§   121,    122.  Wandel  von  0  zu  017.  127 

Wurzel  stäi'ker  gehoben  als  bei  der  des  o,  sie  nähert  sich  mehr 
dem  Velum;  die  engste  Stelle  im  Ansatzrohr  liegt  etwas  weiter 
nach  vorn.  Wird  mit  derselben  Enge  aber  ohne  Verschiebung 
nach  vorn  das  o  gebildet,  so  entsteht  ein  offener  ce-Laut,  der  nun, 
in  Ermangelung  eines  anderen  Zeichens,  durch  e  dargestellt  wird. 
Es  tritt  also  beim  Übergang  von  OM  zu  oßu  cß  nur  teilweise,  bei 
dem  von  ow  zu  ^  dagegen  völlige  Ausgleichung  der  beiden  Be- 
standteile ein.  Das  Gebiet  des  ce  ist  ein  kleines,  da  es  aber 
dasjenige  der  Schriftsprache  ist,  so  dringt  in  einzelnen  "Wörtern 
öS  statt  M  mehr  und  mehr  in  die  Mundarten  ein.  Das  Alter  des 
Wandels  ist  nicht  genau  zu  bestimmen :  Keime  wie  eas  (illos) : 
oisews  Renclus  de  Moilliens  Car.  194,  teus  (täles):  orgueilleus  Chev. 
II  esp.  10093  zeigen  ihn  als  vollzogen;  die  Urkunden  aus  Ver- 
mandois  und  Tournay  des  XHI.  Jahrhunderts  schreiben  schon 
meist  eu.  Noch  ältere  Beispiele  gewährt  das  Doomsday-book 
mit  den  Namen :  Froisseleuu,  Visdeleuu,  Leuet,  in  denen  wohl 
lüpus  steckt.  Vor  Labial -|- r,  Z  bleibt  ou:  roiwre,  double,  oitouvrc, 
couple,  daher  *peuple,  peupUer  auffällig  ist. 

Vgl.    G.   Paris,    Eom.    X,    36—62.     Von  den  Aus- 
nahmen, ou  statt  eu,  erklärt  sich  loup  (und  danach  louve) 
und   joug    gemäfs    §    317;     notis    und    oü    sind    tonlose 
Foi-men,  avove,  doue,  epous,  lahour,  amour,  jalous  stehen 
unter  dem  Einflufs  von  avouer,  dotier,    epouser  (vgl.  ital. 
spQzo  §  146)    amoureux,    Idbourer,    Jalousie.    Toulouse  ist 
provenzalisch,  proue  auch  wegen  Ausfall  des  r  genuesisch 
(§  455),    tout,  toute  geht,    wie    die  Erhaltung  des  t  be- 
weist,   nicht  auf  totus ,    sondern  tottus  zurück,    hat  also 
berechtigtes  ou  §  141.     Umgekehrt  ergiebt  olla  hier  eule, 
da   U   schon    in   vorhistorischer  Zeit    zu  e  geworden  war 
§  545. 
Auch    anderwärts    kommt    eu    aus    o    vor:    in  Val  Soana: 
Tcreus,  neus,  eura,  fyeur  (flor),  sarteur,  veus,  -eus ,  Kpeus ,  in  S  U  d  - 
Ostfrankreich  §  124,    in  Erto  (Tirol):  Icretiä,  leuf,  euä  (vox). 
Vgl.  noch  §  126.  —  Hier  mag  katal.  kreu,    veu,    deu    aus    cruce, 
Jcrou  (§  566)  u.  s.  w.  erwähnt  werden,  wo  sich  ein  aus  o  -{-  u  ent- 
standenes ou  genau  so  entwickelt,  wie  der  alte  Diphthong.     Der 
Wert  dieses  eu  ist  heute  oe. 

122.  In  Ostfrankreich  dagegen  bleibt  Ott  zunächst,  und 
wird  dann  zu  u,  lothr.  §alü,  nu  (neitd),  mul  (mora),  hu,  su 
(sudore),   ur  u.  s.  w.     Wichtiger    ist  ü  an  Stelle  von  o  in  Jung- 


128  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    122,    123. 

Mtinsterol,  ferner  ebenso  inselartig  in  Craponne  (Lyon) :  der 
Lautstand  dieser  Gremeinden  ist  zu  wenig  bekannt,  als  dafs  sich 
die  Erscheinung  erklären  liefse.  Aber  auch  das  Lyonesische  selbst 
ist  nicht  klar.  Neben  gewöhnlichem  u  steht:  nevü,  Suff,  -ü  = 
-osum,  -atorem,  -üri  =  -atoriam.  Eine  doppelte  Erklärung  ist 
möglich :  entweder  ü  ist  die  lyonesische  Umgestaltung  eines  frz. 
ce,  oder  -eur,  aus  -atorem,  -euri  aus  -atoriam  ergeben  ü,  dieses 
Suffix  tritt  dann  auch  an  Stelle  von  u  aus  -orem,  -osum.  —  Zum 
Zentralfranzösischen  gesellt  sich  Jujurieux :  pleuro,  -eu  =  -orem, 
-osum ,  nyeu  (nodum) ,  lyeu  (illorum).  —  au  in  Meuse :  gaul,  law§ 
(loup),  Tiaw§  (coup),  myawe  (meüleur),  pawe  ist  wieder  eine  andere 
Entwicklung  aus  ou,  die  wir  schon  §  120  getroffen  haben,  und 
die  §  124  ff.  wieder  begegnet. 

123.  Westfrankreich  stimmt  im  Endresultat  der  Ent- 
wicklung des  0  mit  dem  Osten  überein ,  der  ganze  Westen  spricht 
heute  u.  Im  Mittelalter  aber  findet  sich  in  den  normannischen 
Texten  o  und  ou  neben  seltenerem  u,  in  den  südwestlichen 
überwiegt  o  durchaus  und  weicht  erst  gegen  Ende  des  XIII.  und 
im  XIV.  Jahrhundert  der  Schreibung  ou.  Dabei  ist  noch  weiter 
zu  beobachten,  dafs  o  im  ganzen  vor  r  sich  länger  hält  als  vor 
S,  und  dafs  in  Urkunden  aus  Anjou  ein  paarmal  die  Schreibung 
00  vorkommt:  successoors,  vendoor,  plusoors.  Man  könnte  darauf 
gestützt  vermuten,  dafs  auch  hier  die  Reihe  o,  ou,  u  anzunehmen 
sei,  dafs  aber  die  Diphthongierung  später  stattgefunden  habe,  als 
im  Zentrum  und  Osten.  Es  ist  dies  möglich,  aber  nicht  wahr- 
scheinlich. Einmal  nämlich  weist  hier  gedecktes  o  ganz  die- 
selben Wandelungen  auf  wie  geschlossenes,  es  ist  aber  Diphthon- 
gierung in  diesem  Falle  im  Westen  nicht  anzunehmen.  Dazu 
kommt  dann  die  zeitliche  Differenz  in  der  Entwicklung  von  o  je 
nachdem  s  oder  r  folgte ;  r  kann  die  Entfaltung  des  Diphthongen 
hindern  (vgl.  §  140),  dann  bleibt  aber  o  auf  seiner  Stufe  stehen. 
Hier  nun  müfste  man  voraussetzen,  dafs  r  eine  Zeitlang  o  hielt, 
dann  aber  schliefslich  doch  die  Zerdehnung  in  ou  und  später 
dann  wieder  die  Monophthongierung  zuliefs.  Viel  einfacher  ist 
es,  direkten  Wandel  von  o  zu  ^  anzunehmen,  der  vor  r  später 
eintrat  als  vor  s.  Ob  nun  dieses  o,  das  zu  u  wurde,  wieder  auf 
ou  zurückgeht,  oder  direkt  das  vulgärlateinische  o  wiederspiegelt,. 


§  123,  124. 


0  in  SiUlo8tfrankx-eich. 


129 


ist  nicht  mit  Sicherheit  zu  sagen,  doch  ist  sehr  wohl  möglich, 
dafs  in  der  That  die  nordfranzösische  Diphthongierung  ou  nicht 
soweit  in  den  Westen,  namentlich  nicht  in  den  Südwesten  ge- 
drungen ist,  vielmehr  hier,  wie  im  angrenzenden  Provenzalischen, 
I)  monophthongisch  blieb. 

124.  S  tt  d  o  s  t  f  r  a  n  k  r  e  i  o  h ,  speziell  die  Schweizermund- 
arten, weichen  stark  ab  von  dem  ostfranzösischen  Typus,  die 
Entwicklung  des  o  geht  der  von  e  ziemlich  parallel.  Grundlage 
ist  wohl  OM,  woraus  zunächst  OM,  dann  a«,  aw,  ao,  ä,  wie  der 
gröfste  Teil  der  Waat  hat,  a  in  Freiburg,  oder  aw,  wie  ein 
Gebiet  im  Westen  und  die  östliche  Waat  zeigt,  woraus  weiter 
t'ü  und  endlich  oe  im  Rhonethal.  Ob  das  OC-,  eil  im  Westen  der 
Waat  von  den  benachbarten  französischen  Dialekten  herstammt, 
ist  noch  zu  untersuchen.  Das  o  in  Vallorbe  an  der  Xordwest- 
grenze  führt  zum  lyonesischen  u  hinüber.  In  Neuenburg  mag 
das  oß  dem  hier  starken  Einflufs  der  Schriftsprache  zu  verdanken 
sein.  In  Paroisse,  dem  südlichsten  Teile  des  Kantons,  erscheint 
aber  ae  mit  stark  reduziertem  e,  als  dessen  Vorstufe  do  an- 
zusehen ist. 


Lat. 

HORA 

FLOKE 

GAUDIOSU 

MELIORE 

NEPOTE 

Paroisse 

— 

fyae 

dzoyae 

melae 

— 

Freiburg 

ara 

fla 

dzoya 

mela 

neva 

Waat 

ära 

lila 

dzoyä 

meld 

nevä 

Ormont 

anrci 

pau 

dzoyau 

melau 

nevau 

Blonay 

aüra 

lilaü 

dzoyaü 

melaü 

nevaü 

Vionnaz 

cura 

— 

dzoyce 

— 

— 

Bagnard 

püra 

Ukü 

dzoyaü 

meleü 

— 

Vallorbe 

ora 

lila 

dzoyö 

meto 

nevo. 

Lat. 

ILLORU           JÜGU 

Paroisse 

lac 

— 

Freiburg 

la 

dza 

Waat 

lä 

dzä 

Ormont 

lau 

dzau 

Blonay 

lall 

dzail 

Vionnaz 

Icß 

— 

Bagnard 

l§ü 

— 

Vallorbe 

lg 

deq. 

Jleyer,  Grammatik, 

9 

130  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    124 — 126. 

Beachtenswert  ist  in  Vionnaz  der  Unterschied  zAvischon  loe 
leuva,  -oß,  -euza,  ebenso  geiäa,  avo  also  im  direkten  Auslaut  die 
Monophthongierung  schon  vollzogen  ist.  Dasselbe  gilt  für  Greyerz, 
wo  neben  nevd  u.  s.  w.  aora,  plaoro,  epaosa  u.  s.  w.  stehen.  — 
Als  eine  Variation  von  o?  scheint  ü  in  Locle  aufzufassen  zu 
sein:  üra,  Ti'alü,  kaJü,  ioyü  u.   s.  w. 

125.  Ob  einst  o  auch  auf  dem  ganzen  rätischen  Gebiete  zu 
oti  gcAVorden  ist,  wie  e  zu  ei,  läfst  sich  nicht  mit  Sicherheit 
sagen;  dafür  spricht  der  Umstand,  dafs  der  Diphthong  heute 
ungefähr  in  denselben  Gegenden  erscheint  wie  ei.  Freilich  nur 
ungefähr,  im  Westen  hat  ihn  nur  Tiefenkasten  bewahrt:  vous, 
kraus,  louf,  im  Zentrum  Vigo,  Ober-Fascha,  Livinallungo ,  die 
Gegend  am  Tagliamento  und  der  Meduna,  nicht  aber  Comelico 
(dafs  in  Erto  §u  entstanden  ist,  wurde  schon  §  121  bemerkt), 
endlich  Tolmezzo,  nicht  aber  Gelmona.  Die  Konsonantisierung 
des  zweiten  Teils  findet  sich  auch  hier  in  Schweiningen  und 
Berglin :  Jcroks,  loJcf,  ogra,  in  Engadin :  kruM,  lukf,  ugra  u.  s.  w. 
Sonst  ist  im  Rhein-  und  Innthale  u  das  Resultat  des  alten 
Diphthongen,  ebenso  in  Abtei  und  Enneberg,  überall  sonst  0, 
also  friaul.  kodu,  kros,  ora,  lof,  vos  u.  s.  w. ,  und  zwar  ist  das  o 
meist  offen,  was  vielleicht  für  altes  ou  spricht.  Dem  ?a,  lo  ent- 
spricht sodann  wieder  ?<a,  üo  wohl  aus  ou,  \m,  y^e:  kruas,  kruos, 
luaf,  hiof,  vuas,  vuos.    Endlich  rov.,  dign.  u:  kms,  diilw,  ura,  siil. 

126.  Veglia  diphthongiert  o  über  ou  zu  au,  wie  e  über 
ei  zu  ai,  z.  B.  gaula,  aura,  fiaiir,  sudaur,  avaraus,  prezaun  u.  s.  w., 
au  kennen  auch  die  Abruzzendialekte :  Bitonto  de.v§tzeiaune,  kaume, 
anaur§  (neben  smur§  F.)  Altamura:  sfatsiauna,  maulaun  (neben 
anor,  krona,  sbiura)  Andria :  vdakkyaune,  sfatsiaiin  (kröna,  sirieur) 
u.  s.  w.,  ebenso  Palena  u.  s.  av.,  sodann  eü  oder  eher  ceü  in 
Agnone :  senaüra,  atsiceüne,  dekceüre,  persekutwüre ;  Cß  in  Trani : 
Belcene,  kroßna,  anoere  (oder  soll  die  Schreibung  oe  eine  andere 
Bedeutung  haben?). 


§    127,    128.  0  beeinflufst  durch  folgendes  t.  131 

b)  Bedingte  Veräiitlerniigeii. 

1,     Eiiif'lufs    folgender    Laute. 

127.  Durch  folgendes  ?*,  f,  tf,  n  wird  o  ebenso  7X\  u  um- 
gelautet, wie  c  zu  i.  Der  Fälle  sind  hier  weniger,  für  -i  kommt 
nur  der  Nom.  Plur.  der  2.  Deklination,  in  Italien  das  i  der 
2.  Sg.  in  Betracht.  Das  Gebiet  deckt  sich  wohl  völlig  mit  dem 
von  i  aus  e. 

Lat.        -OSI       TOTTI      COGNOSCIS  COGNOVI 

Xeapol.        -us§  (tuttc)  Jcanuse  — 

i\[ail.  -HS  (tüft)  kanvs  — 

Frz.  —  tüit  —  conui 

l'rov.  —  tüit  —  — 

Auch  hier  wird  die  Deklination  das  Einzelne  bringen.  Für 
die  1.  Perf.  im  Neapolitanischen  und  Provenzalischen  fehlen 
mir  Belege. 

Mit  Unrecht  jjfiegt  mau  ital.  tutto  hierher  zu  ziehen : 
der  Umlaut  wäre  im  Toskanischen  ebenso  unerhört,  wie 
die  frühzeitige  Verallgemeinerung  des  Vokals  vom  Nom. 
Plur.  Mask.  Auch  die  Differenz  zwischen  fiur  =  fiori 
und  tut,  tue  in  Oberitalien  zeigt,  dafs  verschiedene  Fälle 
vorliegen.  Es  ist  das  «  aus  der  Tonlosigkeit  zu  erklären, 
vgl.  Kap.  IV. 

128.  Umlaut  vor  romanischem  i  wie  bei  e  (§  80)  zeigt  die 
iberische  Halbinsel :  span.  ruvio,  tttrbio,  ludio  ==  lutidiis,  lluvia ; 
vor  dem  aus  c  und  l  entstandenen  i  (§  462  und  483) :  irucha, 
ducho,  lucha,  cuida,  puches,  huitre,  muy  und  miicho,  ascuclia;  vor 
n  aus  ni  (nicht  aus  nn:  com):  una,  puno,  gruüo,  escaluna, 
redruna.  Über  cigüena,  agüero,  vergüena,  nastuerzo  aus  cigüina 
lat.  ciconia  u.  s.  w.  s.  §  341.  Portg.  vor  ri:  caramunha,  testemunho, 
punho,  unha,  grunlio,  cunlio  neben  conho,  conha,  vergonha,  cegonha,  so 
dafs  vielleicht  u  iirsprünglich  an  auslautend  o  geknüpft  war,  vgl. 
auch  tudo  Xtr.  neben  iodo,  toda;  vor  i:  diuva,  muito,  äbiUre, 
duvida,  outiibre=  odohrius ,  ruivo ,  ruro,  cuida  u.  s.  w. — Im  Emi- 
lianischeu  wird  -torius  zu  -tur.  —  Als  Einflufs  des  j  ist  es  endlich 
zu  erklären,  wenn  im  Val  Soana  -oritis,  -a  zu  -cir,  -eiri  werden 
aus  älterem  euri,  euria.  Sodann  schliefst  sich  auch  Nordfrank- 
reich an  mit  eur  aus  *aguiro,  agurium,  truite  aus  trylita,  vgl. 
span.  trucha,  portg.  truta,  ital.  troita  aus  troita. 


132  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    129,    130. 

129.  Vor  folgendem  a,  e,  o  bleibt  o  in  Süditalien,  vor  i,  u 
wird  es  zu  u:  auch  hier  herrscht  völlige  Übereinstimmung  mit 
der  Behandlung  des  e.  Also  z.  B.  Alatri  nude,  dune,  voce,  PI. 
vuci,  -use,  Fem.  -osa,  PI.  -tisi,  -ose,  lavore  1.  Sg.,  lavuri  2.; 
noce,  nitdi,  poie  (puto),  puti,  fumie  (fiindo),  torre,  turri,  dode,  duci, 
rompe,  rumpi  u.  s.  w.  Aneap.  aidore,  auturi,  Immore,  Immtiri, 
capone,  p)iQuni;  fumiisu,  conosse  3.  Sg.  canussi  2.  ascolta,  hocca, 
corre,  agitsto ,  curso ,  musto ,  giovene  PI.  giuvene  u.  s.  w.  Sodann 
sardisch :  oru  (Kand),  sgtnniij  cgru,  aber  cgnca,  cgre,  cgrve  (corhis). 
Fürs  Rumänische  kommt  gemäfs  §  118  nur  lat.  ö  in 
Betracht,  mit  ihm  auf  einer  Stufe  steht  ö.  Vor  folgendem  ton- 
losen ü,  c  wird  dieses  o  zu  oa,  vor  folgendem  i,  u  bleibt  es  als  o ; 
-OS,  -oasä,  -oarc,  lor,  nod,  no'i,  hoace  (vocew)  u.  s.  w.  Mehr  Bei- 
spiele s.  §  184. 

W.  F  0  e  r  s  t  e  r ,  Cliges  LVIII  will  fürs  Altfranzösische 
einen  ähnlichen  Unterschied  feststellen,  da  in  den  cham- 
pagnischen  Handschriften  vuid  Urkunden  sich  -eus,  neveu, 
preii,  veu  u.  s.  w.  aber  soJe:  gole  Ivain  1413  neben 
gole:  ole  Ivain  3361,  ferner  stets  coe,  noe,  soe  finden. 
Allein  die  Annahme  hat  ihr  Bedenkliches,  so  lange  nicht 
aus  lebenden  Mundarten  nachgewiesen  ist,  dafs  Nord- 
frankreich eine  derartige  Beeinflussung  des  Tonvokals 
durch  den  nachtonigen  kennt.  Zu  den  Tendenzen  fran- 
zösischer Sprachentwicklung  Avürde  eher  die  Erklärung 
passen,  dafs  oxytonierte  Vokale  sich  anders  entwickeln, 
als  paroxytonierte.  Es  köinate  aber  auch  nur  Schreiber- 
willkür vorliegen,  die  neue  seiner  Mehrdeutigkeit  wegen 
vermeidet*  gle  lautet  im  Zentralfranzösischen  eule,  nicht, 
wie  Foerster  §  120  Anm.  anzunehmen  scheint,  oule ; 
es  liegt  also  gar  nichts  im  Wege,  seule ,  geule,  evJe  zu 
lesen. 

130.  Vor  Labialen  tritt  in  weitem  Umfange  o  für  o  ein, 
infolge  einer  Dissimilation,  die  der  §  34  besprochenen  von  i 
zu  i  entspricht.  Vulgärlateinisch  gmim  wird  gesichert  durch  eng. 
af,  ital.  novo,  afr.  uef,  span.  Imevo,  colgbra  durch  sard.  colora, 
afr.  cgluevre,  span.  culebra,  cgpreum  durch  frz.  cuivre.  Es  sind 
dies  aber  die  einzigen  weit  verbreiteten  Fälle,  juvenis  zeigt 
Doppelformen:  ital.  gigvine,  hol.  dzouven,  siz.  giivini,  sjjan.  joven 
neben  ital.  gigvine,  afr.  juefne.  Regel  ist  o  statt  u  vor  Labialen 
im  Rumänischen:  roil),  cot,  o  (uli),  nour  (nuhiliis),  hoitr  (bid)alus), 


§    131 — 133.  Q  beeinfluf^it  durdi  tolofende  Laute.  133 

letztere  aus  älterem  nuor^  huor,  maz.  roamcg  neben  wal.  rmneg, 
toamnu,  joane  neben  wal.  junc^  das  u  crklHrt  sich  hier  wie  in 
numer  aus  endungsbetonten  Formen,  da  in  tonloser  Stellung  it 
berechtigt  ist  §  353.  Ebenso  bleibt  o  aus  p  und  o  vor  m:  i)om, 
domu,  während  es  vor  n  zu  w  wird  §  135,  nmne  aus  oiomen 
neben  pom  wie  das  eben  envähnte  mimcr.  Auch  das  Engadinische 
bewahrt  o  vor  m:  X'om,  nom,  om,  während  sonst  u  eintritt  §  137. 
Endlich  in  Val  Soana  wird  ov  über  euv  (§  121)  zu  ev:  liJceva, 
deva  u.  s.  w.  Über  vulglat.  pl^vere  =  pluerc  s.  die  Konju- 
gationslehre. —  Assimilierenden  Einflufs  übt  der  labiale  Nasal 
im  Sardischen :  lumine  (nomen),  pumu. 

131.  Velare  üben  selten  Einflufs  auf  das  o,  ^,  bezw.  w 
verschmelzen  vielmehr  mit  dem  homorganen  Vokal  zu  ou,  u.  Dieses 
Ott  entwickelt  sich  in  Südostfrankreich  wie  ou  nun  freiem  o  (§  124), 
z.  B.  waat.  dao  (dulce),  pao  fpullu),  d^enao,  auch  cub'itu:  Jiüodo 
folgt.  Doch  zeigen  sich  auch  hier  Dissimilationserscheinungen 
in  Nordost-Frankreich.  In  den  altpikardischen  und  zum  Teil 
wallonischen  Texten  wird  öi  und  ol-  7a\  au:  caup  (colpus  §  16), 
vaurai,  und  dem  entspricht  noch  heute  in  Mons  Jiau,  in  Urinienil 
und  Filiere  mau  aus  midtum ,  in  bress.  faudra  (fulgur),  paudra 
(frz.  poudre),  sauddr,  mauton  u.  s.  w.  —  Sodann  ist  ü  im  Gadera- 
thal :  düde,  süce,  müge  neben  olp,  solper,  kolm,  Jcolpa  zu  ei-wähnen : 
l  wird  zu  ?,  7,  letzteres  mit  u  zu  m.     Vgl.  noch  §  142. 

132.  Vor  Nasalen  ist  die  Behandlung  des  o  sehr  viel  ein- 
facher als  die  des  c.  Im  Zentralfranzösischen  unterbleibt  die 
Diphthongierung,  o  wird  vor  freiem  wie  vor  gedecktem  Nasal  zu 
ö,  woraus  bei  der  Entnasalierung  p:  nom,  raison,  nomhre,  ponce, 
pomme,  gesprochen  no ,  rcsö,  nöhre,  pös,  pom.  Aufltallig  ist 
daneben  gloume  (und  glume,  lat.  glüma  oder  glüma?),  das  wohl 
nur  als  Schriftwort  betrachtet  werden  kann.  Im  Altfranzösischen 
assoniert  on  unbedenklich  mit  jedem  anderen  o,  da  aber  hier 
die  Nasalierung  die  Qualität  nicht  änderte,  so  ist  daraus  nicht 
zu  schliefsen,  dafs  der  Vokal  noch  oral  gewesen  sei.  0  +  n 
dagegen  wird  zu  oiH,  das  erst  mit  dem  anderen  in  zu  or  fort- 
schreitet :  point,  coing,  oindre,  joindre  u.  s.  vr. 

133.  Im  Westen  wird  o  vor  Nasalen  zu  ou,  u.  So  schreiben 
die  mittelalterlichen  Urkunden  und  Handschriften,   \gl.  num  Anjou 


134  1-  Kapitel:  Vokalismns.  §   133 — 135. 

M,  XX,  12;  mesuns  XXII,  4,  raisiin  XXIII,  21-,  felun  Touraine 
26,  lecun  2,  larun  28  u.  s.  w.,  und  so  noch  heute  z.  B.  in 
Lahague:  um,  2mm,  shw,  tum  u.  s.  w.  Auch  in  Paris  war  diese 
Aussprache  lange  Zeit  die  herrschende,  PaJsgrave,  Meigret,  Dela- 
motte,  Chifflet,  Duez  geben  alle  ü  an,  erst  D' Allais  1681  und 
Uaugeau  1694  bezeichnen  dies  als  Provinzialismus.  Im  Anglo- 
normannischen  wird  ö  zu  oun,  da  jedoch  auch  sonst  für  0  seit 
dem  XII.  Jahrhundert  die  zentralfranzösische  Schreibweise  ou 
einreifst,  so  ist  darin  nicht  ein  Lautwandel  entsprechend  aun  aus 
an  §  245  zu  sehen.  Wenn  ont  zu  önt  engl,  ount  (amount) 
Avird,  qmb  aber  om&,  (emb  (encvmher),  so  liegt  darin  englische, 
nicht  französische  Lautentwicklung.  Der  Südwesten  zeigt  eine 
andere  Entwicklung :  er  treibt  ö  zu  ä,  vgl.  poit.  toisä,  räpü,  sä ; 
Deux  Sevres  nä,  hä.  In  derselben  Gegend  wird  e  über  ä  zu  5 
(§  91) ;  der  umgekehrte  Weg,  den  ö  scheinbar  macht,  ohne  mit 
dem  anderen  Nasal  zusammenzutreffen,  ist  nicht  völlig  klar. 
Vielleicht  ist  von  nasalem  ou  auszugehen,  das  dann  auf  ähnliche 
Weise  zu  au  differenziert  worden  wäre  wie  ol  §  132,  dann  hätte 
weiter  Reduktion  von  nasalem  au  zu  ä  stattgefunden.  Eine 
genauere  Bestimmung  der  Qualität  dieses  ä  ist  aber  noch  abzu- 
warten, bevor  eine  Entscheidung  gefällt  werden  kann.  —  Mit 
dem  Westen  stimmt  zum  Teil  der  Osten  in  u  vor  »?,  m  überein, 
vgl.  nivern.  /cMW,  um,  piim,  sunc,  dune,  ebenso  treffen  wir  hier  a: 
Domgermain  (Lothringen) :  ga§ä,  nä,  sä  =  sont,  fä  (fonds),  vgl. 
ätü  (honteus). 

In  Formen  wie    ordanne:   Diane,    Ben.,    Troie  7637, 

calenge  Rol.  3592,  3008,  dame  aus  domina  ist  das  a  aus 

tonlosen  Silben  verschleppt,  s.  §  369. 

134.  Während  der  Übergang  vom  nasalen  zum  oralen  0  im 
Schriftfranzösischen  nur  eine  geringe  Qualitätsänderung  mit  sich 
bringt,  zeigt  der  Osten,  namentlich  Lothringen,  gröfstmögliche 
Verkürzung  des  Vokals  und  infolge  dessen  Reduktion  auf  g,  das 
in  verschiedenen  Färbungen  bald  als  §,  bald  als  m  erscheint,  vgl. 
d^n  (donat),  pem,  pasen,  ebenso  im  Südosten  (nicht  in  Freiburg 
und  Neuenburg),  waat.  Jcorena,  persena.     Vgl.  dazu  §  596. 

135.  Im  Rumänischen  Avird  0  und  0  vor  n,  n'^ ,  m*^  zu 
u :  'bun,  sunä,  Jcununä,  pune,  päun  (pavone),  tutune,  Itärbune,  gutuiu 
(cotoneiis),  cumpar,  cumpät  u.  s.  w.     Nicht  aber  vor  mn,    wo  das 


§    135  — 130.  Q  beeiiiHufst  (Ixirch  folgende  Laute.  135 

§  130  vorgeführte  Gesetz  zur  Geltung  kommt:  toamftä,  domn 
u.  s.  \v.  Dieses  u  wird  wie  altes  (§  65)  mit  i  zu  i  im  Suff. 
-ine  =  -ione:  nisine,  motiäcinä  u.  a.  Unklar  ist  ^/?,  im  zu  in: 
adine ,  mämne ,  maz.  lindvna  (fiirundine) ,  frindzä,  fiinte,  wal. 
plämint,  gutiiu  (-önem),  rie,  maz.  rinye  =  ital.  rogna. 

136.  Im  Italienischen  wird  o  vor  n  +  Palatal  zu  u : 
siigna,  piigno,  ungere,  ptingere,  tcnghia,  lungo,  wohl  nach  hmgi, 
ftmgi ,  miingere,  ferner  vor  qiie:  diinque,  nicht  aber  in  tronco, 
ronco ,  cogno.  Auch  hier  zeigt  schon  Siena  o:  öngiare,  onca, 
desgleichen  der  ganze  Norden,  so  weit  er  nicht  überhaupt  M  für 
0  eintreten  läfst.  Hier  stimmt  das  Portugiesische  nicht  mehr 
überein  wie  bei  e  (§  95)  aufser  in  den  §  128  genannten  Fällen, 
vgl.  aber  longo,  Avoneben  fimgo  wohl  Buchwort  ist,  ponto  u.  s.  av.  — 
Merkwürdig  aber  ist  bearnisch  ü  vor  jJ^latalem  n:  ilne  (ungere), 
püii,  pänt  (punctum),  und  vor  ng:  üngle;  Ariege:  ünglo,  pünt,  Süne. 

137.  Im  Rätischen  Aveicht  on  mehrfach  von  o  ab,  auch 
da,  Avo  letzteres  zu  u  Avird.  So  wird  in  einem  Teile  des  Dom- 
letschgs  MW  zu  fMW,  während  umgekehrt  da,  wo  ou  bleibt,  on 
keine  Spur  des  Diphthongen  zeigt.  Im  ganzen  gilt  für  den 
Westen  und  Münsterthal  un,  für  den  Osten  on.  Vor  gedecktem 
Nasal  aber  tritt  i(§  ein  in  Engadin:  ri§pu§nder,  ratu§nd  (vgl. 
§  143),  in  Greden:  skv§nder,  pu§nt,  fru^nt,  in  Karnien  und 
Friaul :  riSpuindi,  pumt,  frint  aus  ue  nach  §  162. 

138.  In  S.  Fratello  bleibt  au  vor  gedecktem  Nasal 
(während  sonst  gedecktes  o  nicht  au  wird  §  143),  vor  einfachem 
aber  geht  das  labiale  Element  verloren :  faun  (fundus),  mann, 
caun,  palauma,  bastä,  razä,  Jcarbü,  kam,  nam,  manzaria  (memogna), 
uamra  (vomer). 

139.  R  fordert  oft  o  statt  u  vor  sich,  Agl.  §  123,  ferner 
judik.  ora,  fyor,  or,  sor§,  während  sonst  o  hier  zu  u  Avird,  auch 
vor  l:  kul,  zgula,  so  dafs  also  die  Entwicklung  von  o  mit  der 
von  e  (§  100)  nicht  gleichen  Schritt  hält.  —  Nicht  recht  klar 
ist  ü  aus  0  vor  gedecktem  r  im  Gaderathal:  fürk'a,  für,  Icilrt, 
sürd:  ue,  ui,  ü?,  Agl.  auch  §  132.  —  Südostfrankreich  bricht  o 
zum  Teil  vor  ursprünglich  gedecktem  r  im  Auslaut :  Blonay  dzua 
(jour),  ua,  tua  aber  fortse  u.  s.  w.  Vgl.  noch  afr.  tuernent 
Ezech.  u.  a.  und  §   143. 


136  I.  Kapitel:  Vokalismus.  ^    140 142. 

140.  0  X  y  1 0  n  i  e  r  t  e  s  o  wird  u,  Avälireud  paroxytoiüertes  sich 
hält  im  Gaderathal :  -ur,  -us,  -un,  su  (solus)  aber  l'orona,  -ora, 
-osa,  skroa.  Dafs  nicht  die  Qualität  des  auslautenden  Vokals  dabei 
im  Spiele  ist,  zeigt  pöx^o  aus  pöpulus.  —  In  Val  Soana  verliert 
oxytoniertes  eu  sein  labiales  Element:  ve  aus  Votum.  —  Im 
Portugiesischen  wird  o  in  einsilbigen  Wörtern  offen:  nQS,  vqs, 
ngg:,  vog,  sqI.  —  Dieselbe  Behandlung  erfährt  ital.  o  im  direkten 
Auslaut:  nö,  prg,  und  vor  Vokalen:   fgia,  moia,  aber  -tgio  u.  a. 

141.  Auch  für  gedecktes  g  zeigen  Eumänien,  Italien, 
Spanieii,  Südfrankreich  keine  andere  Behandlung  als  für  freies 
(vgl.  namentlich  bol.  soulk,  fourTca),  nur  Averden  rgstro,  mgstro  im 
Italienischen  zu  rgstro,  mgstro,  vgl.  §  113,  dagegen  ist  in  Nordfrank- 
reich und  Eätien  die  Entwicklungsgeschichte  nicht  so  einfach. 
In  Nordfrankreich  wird  gedecktes  o  zu  u,  geschrieben  ou,  aber 
wohl  nie  diphthongisch  gesprochen,  es  wird  auch  nicht  zuew,  sondern 
behält  bis  heute  den  Wert  u  bei.  Also :  tout,  tour,  tourne,  coiir, 
four,  jour,  coute,  moüt  u.  s.  w.  Ebenso  scheidet  das  Burgun- 
dische zwischen  o  und  u:  elätor,  to^or,  emor,  tote  neben  -u  = 
-osus  u.  s.  w.  Mit  i  aus  c  zusammen  verschmilzt  o  zu  gi, 
das  anfänglich  von  gi  aus  ei  (§  72)  und  aus  mi  -{-  i  (§  289) 
vei'schieden  ist,  dann  aber  auch  zu  gi  wird,  vgl.  Ren.  Mont.  164 
crois:  oi,  Mainet  nois:  mois,  Gaufrey  nois:  Fran^ois  und  sich 
nun  wie  die  anderen  oi  weiter  entwickelt,  in  connaitre  sogar  zu 
f  wird;  sonst  also  angoisse,  noix,  croix,  foire,  afr.  froisse,  goUre 
rückgebildet  aus  goitron  (gutturionem). 

Vgl.  G.  Paris,  Rom.  X,  36—62.  Gegen  die  Regel 
wird  gedecktes  p  zu  ce  in  ailleurs,  vielleicht  von  l-eur 
(illac-tthi)  angezogen;  forme,  ordre,  orner  sind  gelehrte 
Wörter  an  Stelle  der  alten  fourme,  ourne;  sanglot  hat 
Suffix  ot  statt  out.  Nfr.  fleuve  aus  fluvius  zeigt  eine 
eigentümliche  Unregelmäfsigkeit.  Die  Bewahrung  des  v 
zeigt,  dafs  es  Buchwort  ist;  afr.  lautet  es  fluive  aus  fluvie 
(§  340) ,  mit  einem  ui ,  das  von  dem  aus  w  -|-  i  (§  62) 
und  p  -|-  i  (§  189)  entstandenen  so  verschieden  gewesen 
sein  mufs,  dafs  es  zu  ue,  eu  Averden  konnte. 

142.  In  Ostfrankreich  aber  diphthongiert  auch  gedecktes 
0  zu  ou,  das  dann  über  gti  sich  zu  p  entwickelt.  Dafs  nicht 
direkter  Übergang  von  p  zu  p  vorliegt,  ergiebt  sich  aus  dem 
Parallelismus    mit    e    §  112   und    aus   §  144.     Im  Lothringischen 


§    142—145.  Q  I'eeinflnfst  durch  folgende  Laute.  137 

haben  wir  also  M()'p^  t{>Z(),  dot,  to  (turris),  K  o  (oi4rs),  got,  lio 
(sonrd),  sop  u.  s.  w.  Ebenso  Morvan :  zor,  to ,  kor.  Nur  vor  7 
erscheint  u:  colirum  wird  über  TioUre  zu  '^Jcouirc,  Jcut,  ebenso 
eliJiut,  pur  (pulvis),  mu.  Der  Unterschied  dürfte  seinen  Grund 
darin  haben,  dafs  das  aus  ol  entstandene  ou  Hlter  ist,  als  das 
auf  0  zurückgehende.  Erst  als  *Jcoutre  schon  zu  Icutre  geworden 
war,  Avandelte  sich  Jcori  zu  kouti,  kuort.  —  0  -\-i  entwickelt  sich 
hier  wie  ()  4-  i  §  191.  Beachtenswert  ist,  dafs  in  Südostfrank- 
reicli,  z.  B.  Vallorbe,  dem  Diphthongen  aus  freiem  o  (§  124)  o, 
dem  gedeckten  o  aber  u  entspricht:  ora  —  kur. 

143.  Mehrfach  zeigt  gedecktes  o  eine  Behandlung,  die  der- 
jenigen des  vulgärlateinischen  freien  p  entspricht,  es  wird  nämlich 
zu  üe,  lio,  so  in  Westfrankreich :  Lahague :  rnüel  (grcnouilles), 
hi(§s,  ru§z,  amuQ,  su^d,  fu^rk,  kuetre  (coudre),  mu^le  (muscv- 
ItisJ,  iuQS  (ttissis),  tt§rme.  Nur  vor  r  in  Fourgs  tuot,  kuot,  fuo. 
Ferner  im  Eätischen  wf  oder  «p:  hü^k'a,  mu§sk'a,  fü§rn,  pu§lver, 
vi(§lp,  uenda,  ingvesa  u.  s.  w.  Das  zweite  Element  scheint  voll- 
töuig  in  Münsterthal:  pluöm,  suöt  u.  s.  w.  Sonst  u  und  o  in 
gleicher  Verteilung,  wie  bei  freiem  p,  daher  z.  B.  im  Judi- 
karischen  :  kort,  sorf,  orna,  torhul  neben  kup,  niguta,  lu§  u.  s.  w.  — 
Den  Diphthongen  treffen  wir  endlich  noch  in  S.  Fratello  :  kruo^ta, 
pnorvr,  ruot,  stuopa,  tuoss,  tuoc  (tocco),  fuorma. 

2.     Einflufs  vorhergehender  Laute. 

144.  Im  Lothringischen  wird  das  nach  §  142  aus  p 
entstandene  ou  nach  Labialen  und  Gutturalen  zu  no  umgestellt: 
kuor,  hvoli  (bourse) ,  fuoK,  huoö.  —  In  S.  Louren<jo  de  Sande 
(Interamna)  entwickelt  sich  u  nach  Labialen:  puogo ,  fuorde, 
muonte,  puoga,  puotro.  Erwähnt  mag  noch  werden  afr.  peur  aus 
pavore  mit  ü  unter  Einflufs  des  v  und  portg.  su^r,  das  sein  p 
statt  0  dem  dissimilierenden  Einflufs  des  u  verdankt. 

c)  Sporadischer  Waudel  von  o  zu  p,  ?/. 

145.  Für  die  gelehrten  Wörter  im  Italienischen  und  in  den 
davon  abhängigen  Mundarten  gilt  das  §  115  über  e  Bemerkte,  also 
tosk.  devQlo,  mobile,  nobile,  gloria,  vittoria,  florido,  rnrido,  decoro,  dote 
Tind  zahlreiche  andere,  entsprechend  calabr.  divuotii,  ferner  luoru 
(ital.  loro),  das  sich  durch  sein  uo  als  aus  dem  Norden  entlehnt 
erweist;    auch    wpme    im  Tosk.  und  Portg.    neben   nome   ist  halb 


138  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    145^    146. 

gelehrt,  vgl.  noch  süclital.  (calab.,  apul.,  sie.)  nomi,  nome  statt 
numi,  nume.  Auch  afr.  testemoine,  gloire,  noble,  obwald.  glierga, 
nieble,  eng.  gloria,  noebla  erklären  sich  am  einfachsten  als  Buch- 
wörter. Auffallig  ist  die  Diphthongierung  im  Rätischen,  doch 
wird  sie  sich  ähnlich  erklären  wie  ven.  ie  aus  e  §  115. 

146.  Sodann  treffen  wir  auch  hier  eine  Reihe  der  ver- 
schiedenartigsten Beispiele  für  o  aus  o,  die  bald  mehr  bald 
weniger  weit  verbreitet  sind,  und  deren  jedes  eine  besondere 
Erklärung  bedarf.  Schon  vulglat.  entstand  nora  statt  nurus  nach 
soror,  socra  und  novia  (Braut),  noptia  statt  nuptia  nach  novius, 
novia,  daher  rum.  norä,  ital.  nuora,  prov.  nora,  span.  nuera; 
ital.  nogge,  frz.  noces,  während  rum.  nuniä  gemäfs  §  135  unent- 
schieden ist  und  sard.  nunta  die  klassische  Form  bewahrt.  — 
Durch  ähnlichen  assimilitorischen  Einflufs  eines  sinnverwandten 
Wortes  erklärt  sich  siz.,  südital.  ggmu  nach  notte,  ital.  sporco 
nach  porco.  —  Der  Umstand,  dafs  vor  dem  Tone  p  und  o  zusammen- 
fallen (§  353),  bringt  es  mit  sich,  dafs  in  zahlreichen  Fällen 
stammbetonte  Verbalformen  und  Ableitungen  p  statt  o  aufweisen, 
so  ital.  sgffre,  afr.  sueffre,  vgl.  gffre,  ital.  ngvero,  sgsta,  spQSO, 
span.  cuelma,  duena,  muestra,  huella,  cuelga,  wohl  auch  nue^, 
darüber,  sowie  über  ital.  scuotere,  rum.  scoate,  sai'd.  iscoiere  neben 
afr.  escgrre,  prov.  escgdre  s.  Konjugation.  Im  Portugiesischen 
zieht  novo,  novos,  nova  (§  186)  auch  -gso,  -osos,  -gsa  nach  sich. 
Spezifisch  florentinisch ,  jungen  Datums  und  nicht  streng  durch- 
geführt scheint  der  Übergang  von  o  zu  p  in  Proparoxytonis : 
fglaga,  ignaca,  gmero,  doch  ggmito,  cocgmcro,  fglgore,  cgtica,  tgrtora. 
Nicht  alle  der  erstgenannten  Wörter  sind  echt  volkstümlich  in 
Florenz :  fglaga  nicht  seiner  Bedeutung  wegen ;  gmero  hat  spälla 
neben  sich;  bei  tonaca  ist  intonacare  zu  berücksichtigen.  Wohl 
aber  scheint,  dafs  vor  gedehnter  Konsonanz  in  drittletzter  Silbe 
p  für  0  eintritt:  sgffice,  mgccolo,  ngcciolo,  bgssolo  u.  s.  w. 

D'Ovidio,  Grundrifs  516 — 518,  der  zum  Teil  anders 
erklärt  und  noch  mehr  Beispiele  bringt. 

Sehr  vieles  ist  hier  noch  dunkel  oder  zweifelhaft.  Neben 
afr.  mgt,  prov.  mgt  steht  afr.  mgt,  nfr.  mot,  ital.  mgtto,  portg. 
mgte,  die  zwei  letzteren  entlehnt  aus  dem  Französischen.  Auch 
portg.  broclia  ist  wohl  aus  frz.  broche  entlehnt,  hat  also  nichts 
mit  buccula  zu  thun,  wohl  aber  stammt  ital.  bgrchia  mit  p  daher. 


§   146,    147.  Wandel  von  0  zu  Q.  139 

Auf  *cnhth(S  zu  cos,  cotis  weisen  ital.  c^tano,  mail.  Jioeden^  friaul. 
Jctiedul.  —  Porter,  aniora,  ital.  mora  von  möra  stimmen  vielleicht 
nur  zufällig  ttberein,  jenes  könnte  sich  erklären  wie  -ora,  dieses 
an  moro  von  maurus  angelehnt  sein.  —  Unklar  sind  die  Vertreter 
von  mttria:  rum.  more,  ital.  moia,  afr.  muire,  span.  muera  neben 
rum.  miiru.  Siz.  salamoria,  bol.  salamuria  sind,  wie  die  Erhaltung 
des  ia  zeigt,  nicht  volkstümlich ,  rum.  more  ist  vielleicht  erst  vom 
Verbum  gewonnen,  ital.  moria  ist  korrekt  §  140,  auch  span. 
muera  vereinigt  sich  mit  moria,  so  bleibt  nur  frz.  muire,  das  moria 
zu  verlangen  scheint.  —  Ital.  gorgia,  frz.  gorge,  h-z.  puiis  harren  noch 
der  Erklärung.  —  Endlich  die  schwierigen  französischen  Formen 
or,  encor ,  lor,  deren  Zusammenhang  mit  liora  unzweifelhaft  ist. 
Ihnen  gesellt  sich  prov.  ara  bei.  Das  frz.  p  kann  nur  auf  au 
zurückgehen,  nicht  auf  vulglat.  p,  es  wird  also  wohl  aora  aus 
ad-horam  zu  Grunde  liegen.  Dem  prov.  ara  aus  *aora  vergleicht 
sich  anta  aus  *aiinta  (frz.  honte,  germ.  Jiaunißa).  Wegen  des 
hier  vorausgesetzten  frühen  Ausfalls  des  d  s.  Kap.  IV. 

Gegen  hajiora  Suchier,  Ztschr.  I,  431  spricht  sich 
mit  Kecht  Gröber  aus,  Arch.  lat.  Lex.  III,  140.  Ad 
lioram  hatCornu  vorgeschlagen,  Eom.  VI,  381.  Gegen 
Gröbers  Annahme,  dafs  liodie  Einflufs  geübt  hatte,  ist 
geltend  zu  machen,  dafs  dann  das  prov.  a  imerklärt 
bleibt,  und  dafs  Avir  im  Französischen  den  Vei'treter  von 
vulglat.  p,  nicht  au  erwarten  müfsten.  —  Nicht  erwähnt 
ist  ital.  hosco,  prov.  hgsc,  afr.  huis,  huisson,  huisse,  die 
mit  huxum  keinen  Zusammenhang  haben  können,  da  wie 
die  Behandlung  des  Vokals,  so  auch  die  Umstellung  von 
X  zu  sc  den  Lautgesetzen  entgegensteht;  von  huxum 
stammen  ital.  hgsso,  bossolo,  deren  ersteres  vielleicht  erst 
vom  zweiten  p  angenommen  hat,  und  prov.  hois,  afr.  bois, 
span.  hoj.  Auch  frz.  buche,  span.  buscar  können  der 
abweichenden  Vokale  wegen  nicht  zu  huxum  gestellt 
werden.  —  Über  span.  cuemo  s.  Kap.  IV. 

147.  u  an  Stelle  von  o  zeigt  vulglat.  ustiiim,  ital.  uscio, 
frz.  huis,  aspan.  uzo:  eine  Ei-klärung  fehlt.  Ital.  giu,  giuso,  afr. 
ju£,  aspan.  enjuso  sind  nach  suso  gebildet,  vielleicht  nfr.  sur  nach 
JMS  (doch  vgl.  §  149).  Für  lat.  undccim  kommen  teils  Formen 
mit  p  vor :  frz.  onze,  span.  once,  teils  mit  u :  ital.  undici,  letztere 
nach  uno  gebildet.  Ital.  cucio,  mucchio  haben  das  u  von  cucire, 
ammucchiare  verschleppt,  ebenso  corruccio  von  corrucciare,   wenn 


140  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    147     148. 

es  nicht  etwa  aus  Frankreich  stammt.  Unklar  ist  ital.  ligusta, 
tess.  ligüsta,  lyon.  lüsta  aus  lociista  neben  neap.  ragosta,  afr. 
laouste,  bagn.  Iota,  portg.  lagosta,  die  auf  locnsta  weisen.  —  Als 
Buchwörter  erklären  sich  frz.  etude,  deluge,  uvrible  (trotz  des 
richtigen  Accents)^  vgl.  übrigens  afr.  omhle:  comble  S.  Greg.  1777; 
span.,  portg.  crng,  span.  pnljya,  surco ,  portg.  sulco  (dafür 
als  volkstümlicher  Ausdruck  jtortg.  rega) ,  yvgo  (dafür  portg. 
canga),  sj^an.  hulto.  Unerklärt  sind  span.  nimca,  junco  (aber 
tronco,  doncas),  cumbre,  portg.  cumc,  wo  vielleicht  das  l  gewirkt 
hat,  vgl.  §  128,  portg.  chumho  neben  span.  plomo  (und  portg. 
lombo),  portg.  curto  (doch  vgl.  §  52)  curvo ,  custa,  surdo,  urso 
(span.  OSO,  vgl.  portg.  tordo) ,  span.  duda  (portg.  duvida  erklärt 
sich  wie  divido),  nudo  aus  nodus.  —  Span,  comisco  hat  sich  nach 
comigo  gerichtet.  —  In  ital.  pagura  aus  pavore,  afr.  pasture  neben 
ital.  pastoia  hat  Suffixvertauschung  stattgefunden;  ebenso  ist 
aprov.  melhura  zunächst  in  den  endungsbetonten  Formen  den 
Verben  auf  -wäre  angeglichen  worden.  Von  den  endungsbetonten 
Verbalformen  hat  luite,  l\(ctat  (vgl.  redoit  aus  redtichis)  sein  ü 
verschleppt;  cuide  tritt  zu  coidier,  weil  vuide  neben  voidier 
(vocitat:  vgcitare)  steht;  der  Ablaut  ui:  oi  stört  dann  auch  die 
Flexion  von  styidiare:  estoie,  estoier  wird  zu  cstuie,  daher  auch  das 
Substantivum  e'tui.  —  Die  rumänischen  Fälle  von  u  statt  o :  cuget, 
urdin,  culc  erklären  sicli  von  cugctd,  vrdind,  culcd  aus,  auffällig 
ist  curte,  das  vielleicht  erst  aus  dem  ngr.  xovqti]  stammt.  — 
Doppelformen  zeigen  die  Vertreter  von  hdra.  Zunächst  siz.  itria 
ist,  Avenn  nicht  geradezu  auf  li'vÖQig  mit  spätgriechischer  Aus- 
sprache des  V  zurückzuführen,  doch  jedenfalls  in  seinem  Vokal 
von  dem  griechischen  Worte  beeinflufst.  Sodann  sind  span. 
Ivtra,  nutria,  frz.  loutre,  wie  das  t  zeigt,  Buchwörter,  ital.,  portg. 
lontra  Avürden  auf  \i  weisen,  desgleichen  friaul.,  ven.,  ferr.  lodre, 
Jodra,  dagegen  lomb.,  gen.  lüdria  auf  ü,  übrigens  ist  auch  hier 
die  Bewahrung  des  t  als  d  statt  des  gänzlichen  Wegfalls  auf- 
fällig. Volkstümlich  scheint  zu  sein  prov.  lüira,  loira  aus  lutria, 
berry.  loure.  —  Ital.  fugge,  frz.  fuit,  span.  liuyc  haben  ihr  u  -vom 
Perfect. 

148.  Einige  Fälle  von  ou  im  Portugiesischen  harren  noch 
der  Aufklärung:  longa ,  louco,  choiipo,  poupa.  In  dem  ersteren 
der  vier  Worte  ist  vielleicht  Anlehnung  an  lousa  zu   sehen;    die 


§   148—150.  Wandel  von  O  zu  Tl.  \\\ 

drei  aiulereu  haben  das  gemeinsam,  dafs  eine  vnlgärlateinisch 
kurze  Silbe  gedehnt  worden  ist :  al\ica  —  oiXüca^  iipyipa  —  upi^pa, 
poplus,  plöpus:  es  mag  der  Diplithong  damit  in  Verbindung  stehen. 

149.  Jedes  anlautende  o  Avird  zu  uo  im  Kumänischen ; 
uoauä  (öllä),  und  so  altes  p:  uom^  uopt,  uou.  —  Im  Inneren 
Siziliens  diphthongiert  o  zu  uo :  vuoöi,  suolL  —  Im  Französischen 
wird  das  aus  o  und  p  entstandene  eu  zuweilen  zu  u  reduziert: 
sur,  vielleicht  unter  Einflufs  von  sus,  für  in  ä  für  et  ä  mesure, 
wegen  der  Tonlosigkeit  und  des  Reimes,  pruclhomme  und  mure 
neben  altem  meiire,  das  mit  meiire,  mure  =  matura  zusammen- 
geworfen  scheint. 

5.    Vul^ärlateinisch  ^  =  scliriftlateinisch  E. 

150.  Bei  der  Darstellung  der  Geschichte  des  vulgärlateinischen 
[i  sind  zunächst  zwei  Zonen  zu  unterscheiden,  die  eine,  die  es 
zu  ie  diphthongiert,  die  andere,  die  den  Monophthongen  auf- 
weist: letzterer  gehören  das  Piemontesische,  Genuesische  bis  ein- 
schliefslich  der  Macerata  und  das  Lombardische,  ein  Teil  Mittel- 
italiens, natürlich  Sardinien,  zum  Teil  Sizilien,  endlich  Portugal  an. 
In  der  ersten  sind  die  Bedingungen,  unter  denen  der  Diphthong 
eintritt,  sehr  vei'schiedene :  im  weitesten  Umfang  erscheint  er  im 
Spanischen,  dann  folgt  das  Eätische,  das  Rumänische,  das 
Neapolitanische,  das  Französische,  das  Italienische,  endlich  das 
Provenzalische.  Das  ie  kann  dann  wieder  die  mannigfaltigsten 
Wandelungen  durchmachen:  ie  wii'd  zu  e,  oder  ie,  f,  ei,  i;  le  zu 
iö,  ?f,  i.  Im  Rumänischen  ist  der  zweite  Bestandteil  des  Di- 
phthongen frühzeitig  mit  e  identisch  geworden,  und  erleidet  nun 
dieselben  Umgestaltungen  zu  a,  a,  e  wie  altes  c  §  83  ff.  —  Auf 
dem  e-Gebiete  endlich  ist  der  Vokal  bald  {?  bald  e  je  nach  den 
Gegenden  oder  nach  den  umgebenden  Lauten. 

Um  nun  die  Masse  der  verschiedenartigen  Erscheinungen 
möglichst  übersichtlich  und  zugleich  mit  Rücksicht  auf  die  histo- 
rische Entwicklung  zu  ordnen,  sollen  zuiaächst  als  vulgärlateinische 
Gnandlage  ie  und  e  angesetzt  und  die  Bedingungen  untersucht  werden, 
unter  denen  der  eine  oder  der  andere  der  beiden  Laute  erscheint. 
Da  tritt  nun  zuvörderst  ein  Gebiet  entgegen,  wo  die  erste  Entwick- 
lung des  e  unabhängig  ist  von  der  Qualität  der  folgenden  Laute. 


142 


I.  Kapitel:  Vokalismus. 


§  150. 


Ihm  gehören  an  Eumänisch,  Westrätisch,  Sizilianisch,  Italienisch, 
Galloitalisch,  Französisch,  Provenzalisch,  Spanisch,  Portugiesisch. 
Kleine  Ausnahmen  giebt  es  auch  hier,  sofern  im  Rumänischen, 
Osträtischen,  Provenzalischen  die  Nasalen  dem  e  eine  besondere 
Gestaltung  geben.  Die  Quantität  der  folgenden  Konsonanten  ist 
von  gröfserer  Wichtigkeit:  mehrfache  Konsonanz  verhindert  den 
Diphthongen  im  Italienischen  und  Französischen. 

Lat.       METU       VETUS       VETAT       METIT      PEDE 


Eum. 

— 

— 

— 

— 

— 

Friaul. 

— 

Vieri 

— 

— 

pid 

Ital. 

— 

vieto 

vieto 

miete 

piede 

Frz. 

— 

vies 

viede 

— 

piet 

Span. 

miedo 

viedro 

vieda 

— 

pied 

Siz. 

— 

— 

— 

meti 

pedi 

Mail. 

— 

— 

— 

— 

pe 

Prov. 

-- 

— 

veda 

met 

P?t 

Portg. 

m§to 

v^dro 

v§da 

— 

pe. 

Lat. 

SEDET 

DEDIT 

REDIT 

PRECAT 

NEGAT 

Rum. 

siede 

diede 

— 

— 

— 

Friaul. 

— 

— 

— 

— 

— 

Ital. 

siede 

diede 

riede 

priega 

niega 

Frz. 

siet 

-iet 

— 

prieie 

nieie 

Span. 

siede 

— 

— 

priega 

niega 

Siz. 

sedi 

dedi 

— 

preja 

nega 

Mail. 

— 

— 

— 

prega 

nega 

Prov. 

s§t 

-§t 

— 

prega 

neia 

Portg. 

se 

— 

— 

— 

nega. 

Lat. 

NEPOS 

CREPAT 

DECEM 

liEGIT 

LEVAT 

Rum. 

— 

criepä 

diece 

— 

liea 

Friaul. 

— 

— 

dis 



jeve 

Ital. 

nievo 

criepa 

diece 

legge 

lieva 

Frz. 

nies 

crieve 

dieis 

lieit 

lieve 

Span. 

— 

crieha 

dies 

lee 

Ueva 

Siz. 

— 

crepa 

ded 

leggi 

leva 

Mail. 

— 

creppa 

des 

leggia 

leva 

Prov. 

neps 

creba 

d^ts 

— 

leva 

Portg. 

— 

— 

d§s 

le 

leva. 

J;  150. 

Vulgärlateinisch  £. 

Lat. 

LEVE 

BREVE 

PEJUS 

8ERÜ 

FERU 

Rum. 

— 

— 

— 

— 

fiera 

Friaul. 

— 

— 

pies 

sir 

— 

Ital. 

lieve 

hrieve 

pcggio 

siero 

fiero 

Frz. 

lief 

hrief 

pis 

— 

fier 

Sjian. 

lieve 

— 

— 

§  182 

fiero 

Siz. 

levi 

hrevi 

peggu 

seru 

fern 

Mail. 

— 

— 

pegg 

— 

— 

Piov. 

Heu 

hrieu 

peö 

— 

fer 

Portg. 

leve 

hreve 

— 

§  182 

fero. 

Lat. 

PERIT 

FEKIT 

HEEI 

ERAT 

FEL 

Rum. 

piere 

— 

ieri 

— 

fiere 

Friaul. 

— 

— 

jir 

jerc 

ß 

Ital. 

— 

fiede 

ieri 

era 

fiele 

Frz. 

piert 

fiert 

ier 

iere 

fiel 

Span. 

— 

liiere 

ayer 

era 

hiel 

Siz. 

— 

feri 

— 

era 

feli 

Mail. 

— 

fera 

yer 

era 

fei 

Prov. 

— 

fer 

er 

era 

fei 

Portg. 

— 

fere 

— 

era 

fei 

Lat. 

MEL 

GELAT 

TEEMIT 

PREMIT 

GEMIT 

Rum. 

miere 

gier 

triemura 

— 

gieme 

Friaul. 

mil 

— 

trime 

prim 

gim 

Ital. 

miele 

giela 

trieme 

prieme 

gieme 

Frz. 

miel 

giele 

triemt 

priemt 

giemt 

Span. 

miel 

gela 

triema 

prieme 

— 

Siz. 

meli 

gela 

— 

premi 

— 

Mail. 

mel 

gela 

treme 

— 

— 

Prov. 

mel 

— 

— 

— 

gerne 

Portg. 

mel 

gea 

treme 

preme 

— 

Lat. 

TENIT 

VENIT 

BENE 

PETRA 

RETRO 

Rum. 

tine 

vine 

hine 

pieträ 

— 

Friaul. 

ten 

ven 

ben 

piere 

— 

Ital. 

tiene 

viene 

hpie 

pietra 

drieto 

Frz. 

tient 

vient 

hien 

piedre 

riedre 

143 


144 


I.  Kapitel:  Vokalismus. 


§  150. 


Span. 

tiene 

viene 

bien 

piedra 

— 

Siz. 

teni 

veni 

beni 

petra 

— 

Mail. 

tene 

vene 

ben 

preya 

adree 

Prov. 

ten 

ven 

ben 

peira 

rieire 

Portg. 

tem 

beni 

vem 

pedra 

— 

Lat. 

FEBHE 

TENEBKA 

TEPIDU 

TEEPIDU 

liEVITU 

Rum. 

— 









Friaiil. 

fiere 



tivid 

triepad 



Ital. 

f^bbre 

- 

tfpido 

trfpido 

lievito 

Frz. 

fievre 

teniebles 

tiede 

— 

— 

Span. 

Mehre 

tinieblas 

tievio 

— 

liebdo 

Siz. 

febbri 

— 

tepidu 

— 

levitu 

Mail. 

fever 

— 

teved 

— 

— 

Prov. 

ficure 

— 

tebe 

— 

— 

Portg. 

febre 

treva 

tibio 

— 

levedo. 

Lat. 

LEPOBE 

NEBULA 

MEKULA 

HEDEEA 

GENERU 

lium. 

iepure 

niegura 

micrlä 

iederä 

— 

Friaul. 

yeur 

— 

mierli 

— 

dzinar 

Ital. 

lievre 

nebbia 

mprlo 

— 

g§nero 

Frz. 

lievre 

— 

merle 

ierre 

gendre 

Span. 

liebre 

niebla 

mierlo 

— 

yerno 

Siz. 

lebbra 

neggya 

merru 

areddara 

yennaru 

Mail. 

— 

nebbia 

merla 

— 

gener 

Prov. 

lieura 

nieula 

— 

— 

§  162 

Portg. 

lebre 

nevoa 

melro 

Iiera 

genro. 

Lat. 

VENEEIS  DIES 

VETULU 

EBULU 

EQUA 

SEQUIT 

Rum. 

§  94 

veckiu 

— 

iepa 

— 

Friaul. 

vinars 

vieli 

jeul 

— 

— 

Ital. 

venerdi 

vfccliio 

§bbio 

— 

segue 

Frz. 

vendredi 

viel 

ieble 

iewe 

siewe 

Span. 

viernes 

viejo 

— 

yegua 

siegue 

Siz. 

vennari 

veTikyu 

— 

— 

segui 

Mail. 

venerdi 

veöö 

— 

— 

— 

Prov. 

§  162 

viel 

— 

— 

— 

Portg. 

— 

velho 

— 

egua 

segue. 

§  150. 

Vulgärli 

fiteinisch  E. 

14 

Lat. 

MELIUS 

TENEAT 

MEBEAT 

MEDIU8 

FERRU 

Rum. 



— 

— 

miez 

fier 

Friaul. 

miey 

tinge 

— 

miezz 

fierr 

Ital. 

mfglio 

t§nga 

— 

m^zzo 

fprro 

Frz. 

miels 

tiede 

mieire 

miei 

nr 

Sjjau. 

— 

tenga 

— 

(medio) 

liierro 

Siz. 

meggyu 

tenga 

— 

menzu 

ferru 

Mail. 

mey 

tenga 

— 

mezz 

ferr 

Prov. 

miels 

tena 

— 

mied 

Ur 

Portg. 

— 

tenha 

— 

meto 

ferro. 

Lat. 

TEKKA 

BELLU 

-ELLU 

PECTUS 

PECTINE 

Eum. 

Üerä 

hiel 

-iel 

piept 

piepten 

Friaul. 

tierre 

Hell 

-iell 

— 

pietin 

Ital. 

t^rra 

h§Uo 

-§llo 

p^tto 

PQttine 

Frz. 

tfrre 

h^l 

-fl 

peits 

peigne 

8pau. 

tierra 

— 

-ieUo 

peito 

peine 

Siz. 

terra 

helln 

-ellu 

pettu 

pettini 

Mail. 

terra 

bell 

-eil 

pedd 

pedden 

Prov. 

tprra 

IqI 

-ß 

pieö 

pieden 

Portg. 

t^rra 

— 

-§llo 

peito 

pentem. 

Lat. 

-FECTU 

LECTU 

SEPTE 

SEX 

VESPEEA 

Rum. 

— 



siepte 

sies 

— 

Friaul. 

— 

yett 

siett 

sis 

— 

Ital. 

-fftto 

l^tto 

s^tte 

siei 

v^spera 

Frz. 

-feit 

leit 

set 

seis 

v^spre 

Span. 

-lieito 

leito 

siete 

seis 

viespera 

Siz. 

-fettu 

lettu 

setti 

sei 

vespiri 

Mail. 

— 

leöö 

set 

ses 

vesper 

Prov. 

-fied 

lieö 

set 

seis 

vespre 

Portg. 

-feito 

leito 

sete 

seis 

vespera. 

Lat. 

VESPA 

FESTA 

TESTA 

DEXTEB 

GENESTRA 

Rum. 

— 



tiestä 

— 

— 

Friaul. 

g'espe 

fieste 

— 

gestre 

— 

Ital. 

vpspa 

f^sta 

t§sta 

d§stro 

gin^stra 

Frz. 

gufsjpe 

f^te 

t§ste 

dfstre  ' 

gen^t 

Meyer, 

Grammatik. 

10 

146 


I.  Kapitel:  Vokalismus. 


150. 


Span. 

abispa 

Mesta 

tiesta 

diestro 

Mniestra 

Siz. 

vespa 

festa 

testa 

destro 

yinestra 

Mail. 

vespa 

festa 

fCsta 

— 

— 

Prov. 

vespa 

festa 

testa 

destre 

— 

Portg. 

vespa 

festa 

testa 

destro 

giesta. 

Lat. 

HEEBA 

FEKVET 

CEEVU 

CEETU 

PEEDIT 

Rum. 

ierbä 

fierbe 

— 

— 

pierde 

Friaul. 

ierbe 

— 

— 

diert 

picrdi 

Ital. 

prba 

ferhe 

c§rvo 

cßrto 

per  de 

Frz. 

prbe 

— 

c^rf 

c^rt 

pp-t 

Span. 

yerba 

hierhe 

ciervo 

cierto 

pierde 

Siz. 

erba 

fervi 

öervu 

certu 

2)erdi 

Mail. 

erha 

— 

— 

öert 

per  de 

Prov. 

erha 

— 

cerb 

— 

pert 

Portg. 

herva 

ferve 

cervo 

— 

perde. 

Lat. 

PEENA 

VEBSU 

MEMBEU 

SEMPEE 

CBNTU 

Rum. 

— 

— 

— 

— 

— 

Friaul. 

— 

viers 

memhri 

§  162 

§  162 

Ital. 

pprna 

vprso 

m^nibro 

s^mpre 

cpnto 

Frz. 

p^rne 

vprs 

§  162 

§  162 

■   §  162 

Span. 

pierna 

vierso 

miembro 

siempre 

ciento 

Siz. 

perna 

versu 

membru 

sempri 

öentii 

Mail. 

— 

vers 

§  162 

§  162 

§  162 

Prov. 

— 

vers 

§  162 

§  162 

§  162 

Portg. 

— 

vers 

§  162 

§  162 

§  162. 

Lat. 

VENTU 

DENTE 

MEXTE 

Rum. 

§  162 

§  162 

§  162 

Friaul. 

§  162 

§  162 

§  162 

Ital. 

vpnto 

dpnte 

§  180 

Frz. 

§  162 

§  162 

§  162 

Span. 

viento 

diente 

miente 

Siz. 

ventii 

denti 

menti 

Mail. 

§  162 

§  162 

§  162 

Prov. 

§  162 

§  162 

§  162 

P(5rtg. 

§  162 

§  162 

§  162. 

§   150,   151.  Vulgärlateinisch  E.  147 

In  vereinzelten  Fällen  steht  p  statt  ie.  Ital.  hene  (umbr.  hiene), 
ruin.  hinc  neben  gine,  frz.  he  neben  hien  sind  die  tonlosen 
Formen  des  Adverbiuras,  vgl.  hü  Adv.  hyä  Subst.  in  der  Cham- 
pagne. Ebenso  erklären  sich  ital.,  span.  era,  afr.  ere  neben  afr. 
ierc  aus  erat  aus  der  Satztonlosigkeit.  Ital.  legge  kann  von 
Ifggere  sein  p  haben,  im  Infinitiv  scheint  in  drittletzter  Silbe  der 
Diplithong  unterblieben  zu  sein,  vgl,  Venerdi,  pecora,  woneben  lievUo 
sein  ie  von  lieve  bezogen  hat.  Kurzes  e  scheint  lens,  lendis  zu 
haben  nach  ital.  J^ndine,  ven.  gendena,  bol.  yendena,  span.  liendra, 
trotz  calabr.  lindine,  campob.  linene.  Unklar  ist  hestia:  auf  e 
weist  irisch  heist,  kymr.  hwyst ,  auf  p  ital.  hgstia,  afr.  heste,  Avall. 
hieste,  ital.  hpscio,  und  die  S.  157  verzeichneten  Formen. 

151.  Zu  der  Verteilung  von  e  und  ie,  wie  sie  sich  in 
dieser  Übersicht  darstellt,  ist  noch  Einzelnes  zu  bemerken.  In 
Stiditalien  gelten  meist  die  Bedingungen  von  §  152,  doch  scheint 
der  Diphthong  ganz  zu  fehlen  in  Tito  Lesina,  der  Provinz 
Benevent  (doch  Benevento :  tiempi) ,  und  südlich  von  Lecce  am 
Capo  di  Leuca.  Anderswo  ist  er  umgekehrt  stärker  ausgedehnt, 
so  in  S.  Giovanni  Eotondo :  ciarta,  ciarti,  priagv,  siicciassc,  -mant, 
aber  tempu  und  -end  für  die  Gerundien.  In  Canosa  di  Puglia: 
limh,  succiss,  vind,  aber  N.  Plur  cert^,  1.  Sg.  veH§,  in  Bitonto 
tiemp  aber  pers :  es  sind  also  hier  noch  genauere  Untersuchungen 
nötig.  —  Südlich  und  südöstlich  von  der  Toskana,  in  Umbrien 
und  Ascoli,  dij)hthongiert  auch  gedecktes  e,  hier  nun,  wie  im 
Florentinischen,  ohne  Eücksicht  auf  den  folgenden  Vokal :  viengo, 
iicmpo,  tierra.  Im  Xorden  schliefst  sich  an  das  Friaulische  das 
]*aduanische  an:  viersa,  piersa,  priego,  hrieve,  im  Gegensatz 
zum  Veronesischen ,  das  dem  Lombardischen  gleich  den  Di- 
phthongen entbehrt;  in  Tirol  scheinen  sich  die  verschiedensten 
Tendenzen  zu  kreuzen.  —  Im  Südostfranzösischen  gelten  im 
ganzen  dieselben  Bedingungen  wie  im  Nordfranzösischen,  nur 
unterbleibt  der  Diphthong  auch  in  lateinischen  einsilbigen  Wör- 
tern:  mel,  fei,  vor  miita  -+-  r,  und  vor  gf;  das  e  entwickelt  sich 
dann  wie  ß  (§  76),  vgl.  waat.  mal,  laivra,  maidzo  (medicus), 
freib.  ma,  lavra ,  wogegen  lat.  pede  zu  pic  wird.  Aus  freib.  wf 
wird  man  kaum  auf  *nierf  aus  nervus  schliefsen  dürfen,  sondern 
darin  *nervius,  span.  ncrhio,  prov.  nervi  sehen.  Aus  sex  entsteht 
regelmäfsig  sieis  (§  154),  daraus  nun  Ms,  dessen  Diphthong  dann 

10* 


148  I.  Kapitel:  Vokalismus.  §    151     152. 

wieder  wie  altes  ei  behandelt  wird.  —  Sttd  Westfrankreich, 
namentlich  Poitou  und  Saintonge,  die  in  der  Behandlung  des 
freien  a  sich  dem  Norden  anschliefsen  §  6,  S.  13  ff.,  kennen  ie 
nicht,  sondern  nur  e,  auch  für  a  nach  Palatalen,  folgen  also  hierin 
dem  angrenzenden  Provenzalischen :  dafs  darin  nicht  eine  Reduk- 
tion von  ie  zu  e  zu  sehen  ist,  erhellt  aus  §  158.  —  Von  Spanien 
dringt  ie  auch  in  die  obersten  Thäler  des  Giers :  yere  (erat), 
enhier  (infernum)  Gedre.  Dafs  auch  die  Grenzdialekte  gegen 
Portugal  zu,  z.  B.  der  von  Miranda,  ie  und  umgekehrt  das  gali- 
zische  e  zeigt,  ist  schon  §  6,  S.  15  erwähnt  worden.  —  Das 
Wallonische  endlich  diphthongiert,  gleich  dem  Spanischen  und 
Rumänischen  u.  s.  w.,  auch  gedecktes  §:  ti^s  (testa),  fies^  hips, 
fmies  u.  s.  av. 

a)  Bedingte  Yeränderungen  von  E,  IE. 

1.     Einflufs  folgender  Laute. 

152.  Die  Schicksale  des  p  sind  bedingt  durch  die  folgenden 
Vokale :  vor  w,  *  wird  §  zu  ie  bezw.  e,  vor  a,  e,  o  dagegen  bleibt 
es  als  j?.  Die  Zahl  der  folgenden  Konsonanten  ist  gleichgültig. 
Dies  findet  sich  im  Neapolitanischen,  im  Apulischen, 
auch  weiter  nördlich  bis  Alatri,  in  Campobasso,  in  den 
Abruzzen,  ohne  dafs  sich  jedoch  heute  schon  die  genauen 
Grenzen  angeben  liefsen,  in  Modica,  Noto  und  Avolo  (Sizi- 
lien) ,  sodann  im  Westrätischen;  und  zwar  erscheint  ie  in 
Lecce,  Campobasso  und  im  Westrätischen ;  {e  in  Calabrien  und  wohl 
auch  in  Neapel,  e  in  Alatri,  la  in  Nicastro,  S.  Pietro  Apostolo, 
ii  in  Tarent,  i  in  Martina  Franca.  Vgl.  lecc.  era,  yeri,  meretu, 
miereti,  mereta,  Jeu  (levo),  liei,  lea,  tieni,  tene,  tenenu,  pede,  piecli, 
miedeJcu,  miedeci,  terra ,  erme  (vermis) ,  iermi,  servu,  siervi,  serve, 
estii  (*vesto),  iesti,  este,  dente,  -endu,  nieddu  (anellus),  nieddi,  pedde, 
pieddi,  testa,  tiestu,  liettu,  -mientu  u.  s.  w.  —  Calabr.  s^tte,  fple, 
d§de,  prtegu,  priegi,  prfga,  miediku,  prediJca,  vtentu,  ttempu,  vieTcyu, 
p^tra,  vficya;  beachte  n^nte  u.  s.  w.  —  Alatri  wf?e,  p^kura,  m(d§ 
(meto),  meti,  m^te,  prgda,  scre  (seru) ,  yele  (gelu) ,  p§d§,  pedi, 
Ipge  (lego),  legi,  m§r'de,  mer'di;  pella,  spmpre,  grua,  f^sta,  se.tte, 
d^nte,  denti,  skvpert§,  sJcuperti,  terg§,  tp'za,  vekyl,  v^kya.  Sodann 
obwald.  ier  (Jieri),  piera  (pereat)  neben  veder  (veterem),   fei,    desa, 


152—154.  E  beeinflufst  durch  Palatale.  149 

{^ient,  yester  (exterus),  miets,  andiet  (inceptum),  -i  =  -elliis  (§  171), 
aber  -eis  (-ellos),  -ella,  uffiern,  disiert  neben  esters  (exteros),  estera, 
metsa ,  andetta ,  serp ,  terms  (über  Herrn ,  vierm ,  zierm  s,  die 
Flexionslehre),  terra,  temps,  set,  festa,  dscrta  u.  s.  w.  Xeben  ie 
findet  sich  die  Form  {§  in  Muntogna  und  Domleschg-,  in  letzterem 
vor  r  :  i:  uvirn,  ufirn  u.  s.  w. ;  im  Engadin  tritt  einfaches  e 
ein:  d{;§,  fr  u.  s.  w.,  daraus  im  Bergell  weiter  ei:  cir,  dei§, 
feil,  veider,  man  beachte  nerf,  dessen  ti  das  einstige  ie 
bezeugt.  In  Tirol  stehen  ie  und  wohl  lombardisches  e  heben 
einander :  ie  in  Greden,  Oberfassa,  Buchenstein ,  e  in  Enneberg 
und  Badia.  In  den  südwestlichen  Grenzgebieten  gegen  das 
Lombardische  hin  ist  ie  nur  in  0  n  s  e  r  n  o  n  e  (Tessin)  geblieben : 
ticmp,  miedru,  aviert,  aniely  lied,  miets  aber  m^dza,  vedela,  vega; 
auch  hier  findet  Reduktion  statt  zu  ie,  i:  dafs  ie,  nicht  {§  die 
Vorstufe  von  i  ist,  erweist  sich  einmal  dadurch,  dafs  ie  that- 
sächlich  vorkommt ,  und  zweitens  durch  k  imp ,  vyint  (tempus, 
ventus),    die  sich  nur  aus  tiemp,  vient  erklären. 

153.  Palatale.  Bei  dem  Zusammenstofs  von  (?  mit  folgen- 
den Palatalen  sind  die  heterogensten  Erscheinungen  zu  beob- 
achten. Es  kann  nämlich  entweder  das  i  das  vorhergehende  f 
zu  ie  brechen  in  Gegenden,  wo  sonst  p  bleibt;  es  kann  aber 
auch  umgekehrt  dissimilierend  die  Entstehung  von  ie  verhindern. 
Im  ersteren  Falle  bildet  i  dann  meist  mit  ie  den  Triphthongen 
iei,  der  wieder  auf  mehrfache  Art  vereinfacht  werden  kanii  zu 
ie  oder  ei  oder  i. 

154.  Den  ersten  der  genannten  Vorgänge  treffen  wir  in 
ganz  Frankreich.  Im  Französischen  und  Provenzalischen 
entsteht  aus  ursprünglich  gedecktem  §  der  Di])hthong,  wenn  der 
eine  der  beiden  folgenden  Konsonanten  zu  i  wird,  im  Proven- 
zalischen aus  freiem  f,  wenn  i  folgt.  So  haben  wir  rouerg.  lied, 
despieö,  si§is,  biel  (vetlus),  pipi,  ier  (heri),  nontr.  lie,  deipic,  siei, 
miei  (melius),  viel,  nai-b.  miezo  (media),  land.  lit,  §is,  gask.  leit, 
wo  ?  auf  ie,  vgl.  anere  =  *annaria,  hinweist,  briancj.  sieis,  tiei§er, 
desjneid,  mieil  entsprechend  im  Katalanischen,  wo  iei  zu  i  geworden 
ist  §  237.  So  haben  wir  auch  fürs  Nordfranzösische  pieitz,  miei 
u.  s.  w.  anzusetzen,  dessen  weitere  Schicksale  §  157  flF.  be- 
sprochen sind.  Dafs  aber  die  Reihe  nicht  ist  pectus  ~P'  picctus  'y 
pieiz,  sondern  peiz,  pieiz,  lehrt  Septem,  das  nie  si^t  gelautet  hat. 


150  •  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    154^    155, 

Schwer  zu  erklären  sind  frz.  nice  aus  nescius,  epice  aus  species, 
afr.  Grice:  Gracda,  sodann  niece,  piece,  tiers.  Mit  *fi(;ptia  deckt 
sich  *nQptia  (§  146),  und  doch  zeigt  letzteres  keine  Spur  des 
Diphthongen,  es  ist  daher  denkbar,  dafs  bei  ersterem  das  Mas- 
kulinum nies  mit  im  Spiele  ist.  Für  die  drei  ersten  aber  würde 
sich  ergeben,  dafs  vor  palatalem  Je  nicht  nur  e  zu  ie  sich  bricht, 
sondern  dafs  aus  Tc  weiter  sich  ein  i  entwickelt  —  eine  That- 
sache,  die  gegenüber  afr.  face  aus  facies  allerdings  auffällig  ist. 
Vor  einfachem  t  in  petia  (nicht  vor  gedehntem:  *nottia  aus 
noptia),  selbst  wenn  ihm  r  vorangeht,  hätte  die  Diphthongierung 
ohne  Entwicklung  eines  i  stattgefunden. 

Anders    über   diese  Fälle  Gröber,    Miscell.  fil.  rom. 
46  und  Ztschr.  XI,  287;    Ascoli,    Arch.  Glott.  X,  84, 
269,    der    mit  Horning,    Lat.  C  22  den  Diphthongen 
in  niece,  piece^  tiers  dem  Einflufs  des  i  zuschreibt,    ohne 
sich    über    die  Art    zu    äufsern,    wie    dieser    Einflufs    zu 
verstehen  sei,  noch  auch  die.  Verschiedenheit  in  der  Be- 
handlung von  fi§ptia  und  noptia  zu  erklären. 
Endlich  ebrius  diphthongiert  ^  vor  Verschlufslaut  -j-  r,  das  i 
tritt,  wie  stets  bei  ri  (§  519),  zum  Tonvokal:  *iebriu,  ^ieihru,  ivre. 
Ähnlich    verhält    es    sich    mit    dem    Suffixe    -^rimn    in    cimetire, 
empire,  maestire,  avoltire,  matire,  mestire:  dire  Rose  I,  110:  alle 
zeigen  in  der  Bewahrung  des  auslautenden  -e  halb  Lehnwortform, 
sind  aber  doch  so  früh  aufgenommen,    dafs    ihr   e   zu   ie  werden 
konnte.     Alter  sind  wohl  cJianticr,  moutier,    deren  Endung  an  ier 
aus    arius    angeglichen   wurde;    jünger    aber    mit   derselben    An- 
gleichung  cimetiere,  matiere,  ganz  jung  matere.    Dagegen  geht  afr. 
est  mestier  auf  est  ministen  zurück,  wie  ital.  mestieri  zeigt.    Auch 
im  Mittelrätischen    scheint    dieselbe    Erscheinung    vorzukommen : 
gredn.  prieS,  Het,  liezer ,    spiedl  (woneben  vedl  auffällig  ist),   mies 
(melius),  pie§,  hiesa,  aber  z.  B.  festa,  set. 

155.  Den  zweiten  Fall  sehen  wir  in  Lecce,  wo  ie  zu  e 
wird  bei  folgendem  y:  eJcyu  (vetulus) ,  speJcyu,  sempyu,  superkyu, 
megyu  u.  s.  w.  Dagegen  bleibt  der  Diphthong  des  p  unter 
gleichen  Umständen,  vgl.  die  Beispiele  §  185.  Diejenigen  süd- 
italienischen Dialekte,  die  ie  betonten,  kennen  diese  Dissimilation 
nicht :  calabr.  viekyu.  Es  hat  also  hier  einst  vie'kyu  bestanden, 
das  dann  erst  später  wieder  zu  vekyu  dissimiliert  worden  ist.  — 
Auch  rumänisch  vechiu  wird  sich  so  erklären. 


§    156,    157.  ^  beeinflufst  durch  Palatale.  151 

156.  Tth  Span  i  scheu  hindert  ein  unmittelbar  folgendes  * 
die  Entwitkhnig  des  Diphthongen:  lecho, pecho,  despecho,  provecho, 
seis,  sei  (sedi),  grey,  peme,  madera,  ten  aus  *ten,  *teni,  espejo,  eje 
(exit),  wouebeu  viejo  von  viedro  beeinflufst  ist.  —  Ebenso  bleibt 
€  vor  einem  folgenden  Hiatus  i:  prez  (pretium),  woneben  preces 
(preces)  Schriftwort  ist  (vgl.  dieiz ,  und  die  Nebenform  prieces). 
Sodann  nervio,  soherhio ,  pernio,  wonadi  perno.  Ist  aber  der 
Hiatus  jung,  so  entwickelt  sich  ie,  das  dann  zu  i  wird  :  tepidus : 
tievio  (vgl.  tehio  Alex.  1125,  1531),  tivio  und  die  Konj.  Ebenso 
wird  -ellns  über  -ieJlo  zu  -ich  (§  545),  das  in  den  alten  Texten 
und  noch  heute  im  Asturischen  sich  findet,  kastil.  aber  zu  ilo 
fortschreitet:  capiellos  Cid  1581,  ensiellan  1585,  sielas  3583, 
castiello  28,  castiella  Berceo  D.  150  u.  s.  w. ,  aber  heute  silla, 
castillo y  cilla.  Diese  Fälle,  wo  ie  —  i  zu  i  wird,  beweisen  mit 
Sicherheit,  dafs  lecho  nicht  auf  lieito,  sondern  auf  leito  zurückgeht, 
dafs  also  vor  i  der  Diphthong  unterblieben  ist.  Das  wird  noch 
bestätigt  durch  Folgendes.  Lat.  servire  flektiert  sirvo,  sirves, 
Konj.  sirva  u.  s.  w.  Eigentlich  erwartet  man  servio ,  sierves, 
sierve,  Konj.  servia.  Es  ist  nun  zunächst  ie  in  alle  stammbetonten 
Formen  tibertragen  worden :  siervio,  siervia,  woraus  lautgesetzlich 
sirvio,  sirviüy  und  danach  sirves,  sirve,  endlich  ist  das  i  hier  wie 
in  allen  anderen  Verben  entfernt  worden.  Aber  venio  giebt 
regelmäfsig  venio,  dann  vengo:  hier  Avirkte  die  2.  Sg.  nicht  auf 
die  erste,  daher  konnte  das  regelrechte  e  bleiben.  Entsprechend 
tritt  im  Portugiesischen  e  an  Stelle  von  f  bei  folgendem  i:  gemio, 
gemia,  meio  =  medium,  peia,  espelho,  termo  aus  termho,  suberha, 
nervo ,  tcrgo.  Über  andere  Fälle  von  e  statt  p  s.  die  Wort- 
bildungslehre. Daneben  erscheint  i  in  tibio,  dizima,  pirtiga  aus 
tebio  u.  s.  w.  §  80,  ohne  dafs  man  den  Gnmd  recht  sähe.  Hier 
mag  caüaherla  =  canna  ferula  noch  erwähnt  werden,  weil  eben- 
falls Dissimilation  den  Diphthongen  entfernt  hat. 

Vgl.  J.   Cornu,    Rom.  XIII,  286,    wo  manches  Un- 
gehörige. 

157.  Im  Französischen,  in  einer  Zone,  die  westlich  bis 
Beruay,  Orleans,  südlich  bis  Nevers,  Autin,  östlich  bis  Joinville, 
Reims,  Mons  reicht,  Avird  ie -{- i  zu  i:  six,  lit,  depit,  piz,  tistre, 
confit,  Profit,  dix,  prie,  Ure,  nie,  mi,  nice,  vgl.  noch  pigne  Brut 
3905,  wonebeu  nfr.  peigne  von  den  endungsbetonteu  Formen  des 


152  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    157 159. 

Verbums  aus  gebildet  ist.  Während  man  wohl  nicht  fehl  geht, 
als  Vorstufe  dieser  zentral-französisch-pikardischen  Entwicklung 
iei  anzunehmen  (vgl.  §  154),  zeigen  der  "Westen  und  der  Osten  ei 
bezw.  if,  deren  Verhältnis  zu  dem  fi  weit  weniger  klar  ist,  und 
die  daher  einer  eingehenden  Betrachtung  bedürfen.  Noch  sei 
bemerkt,  dafs  die  Stufe  iei  nirgends  mehr  erhalten  ist;  im  Rol. 
reimt  ^i  nicht  mit  ^,  die  anderen  ältesten  Denkmäler  gestatten 
keinen  Schlufs. 

158.  Im  Südwesten  tritt  ei  auf  im  südlichen  Contentin, 
in  der  Bretagne,  Ille  et  Vilaine,  Maine,  Anjou,  Poitou,  Touraine. 
Der  südliche  Teil  dieses  Gebietes  kennt  ie  aus  p  nicht  (s.  §  151), 
man  könnte  daher  glauben,  es  habe  hier  pi  von  jeher  bestanden 
und  sei  dann  nach  dem  Norden  vorgedrungen.  Allein  dagegen 
spricht  Folgendes :  e  statt  ie  verbindet  diese  Grenzgebiete  mit 
dem  Provenzalischen,  nun  wird  aber  gerade  im  Provenzalischen  ei 
zu  iei.  Man  müfste  also  annehmen,  dafs  in  einer  zwischen  dem 
Französischen  und  dem  Provenzalischen  gelegenen  Zone  p  wie  in 
Prov.  erhalten  geblieben  sei,  dagegen  abweichend  von  beiden 
Sprachgebieten  pi  nicht  zu  iei  diphthongiert  hätte,  eine  Annahme, 
die  von  vornherein  abzuweisen  ist.  Eher  könnte  man  vermuten, 
es  sei  unter  dem  Einflufs  südlicher  Dialekte  e  an  Stelle  von  ie 
getreten,  ixnd  zwar  hätte  dann  e,  wie  dies  gewöhnlich  in  solchen 
Fällen  geschieht,  seine  Grenzen  ausgedehnt  und  auch  das  ie  im 
Diphthongen  iei  ergriffen :  dafür  spricht  die  Geschichte  von  ie  aus 
ia  §  261  und  von  oi  §  190. 

159.  Im  Nordwesten  erscheint  ie,  das  das  nördliche 
Contentin,  Bocage,  die  Ebene  von  Caen,  Bessin,  Lahague,  Val 
de  Saire  und  die  normannischen  Inseln  umfafst.  In  der  östlichen 
Normandie  bis  an  die  Touques  ist  vom  Zentrum  her  *  ein- 
gedrungen. Je  nach  den  Gegenden  ist  der  erste  oder  der  zweite 
Teil  des  Diphthongen  betont:  ursprünglich  scheint  hier  {ei  zu 
sein,  das  dann  zu  le  vereinfacht  Avurde  und  später  zum  Teil  sich 
in  ie  wandelte.  Wir  haben  also  z.  B.  in  Bessin  die  (decem), 
medi  (midi),  sie  (sex),  lie,  piere  u.  s.  w.,  Lahague :  dfei,  si'ei,  Uei 
u.  s.  w.,  Val  de  Saire:  di§,  si§,  li§  u.  s.  av.  In  Lahague  steht 
neben  depfei  das  auffällige  iXe:  süere  (sequere),  lüere  (legere),  dann 
vües  (vetlus  oder  vetus?),  mües  (melius).    Es  dürfte  sich  bei  dieser 


§   159—161.  E  -{-  I  in  Frankreich.  153 

ßonderbareii  Umgestaltung  von  iei  nicht  um  spontanen  Lautwandel 

handeln,    vielmehr    ist    bei    den    beiden    letzten    Beispielen    der 

vorhergehende,  beim  ersten  der  folgende  Labial  im  Spiele;  lüere 

wird  nach  süere  gebildet  sein,    da  siei  {*sequit)  =  liei  (legit)  ist. 

Über  die  Grenzen    von  ie  und  i  vgl.  P.  Sehulzke, 

Betontes  c  -\-  i  und  o  -{-i  in  der  normannischen  Mundart, 

Diss.  Halle  1879;  dazu  Joret,  Eom.  X,  258;    Joret, 

M61anges  55—57 ;  XXIV— XXVI ;  H  u  b  e  r,  H  A.  LXXVI, 

178—201. 

160.  Auch  der  Osten  zeigt  pi  aus  (d:  das  Wallonische, 
Lothringische  und  ein  Teil  der  Franche-Comte.  Es  sind  zum 
Teil  dieselben  Gegenden,  in  denen  freies  p  zu /e,  »  wird  (§178). 
Nur  in  Metz  ist  bis  auf  wenige  Ausnahmen  i  vom  Zentrum  her 
eingedrungen,  und  auch  die  alten  Texte  kennen  fast  ausnahmslos  ?', 
ganz  vereinzelt  begegnet  bei  Phil.  v.  Vign.  enmey  13,  parmey 
32.  47  u.  s.  w.,  dafs  er  aber  trotz  der  archaistischen  Schreib- 
weise schon  enmi,  parmi  sprach,  ergiebt  sich  aus  enemey  68, 
amey  69.  Geht  nun  dieses  pi  auf  älteres  iei  zurück,  oder 
haben  wir  hier  ein  Gebiet,  wo  gedecktes  e  vor  Palatalen  nicht 
diphthongiert?  Altes  iei  wird  hier  wie  überall  zu  i  §  105,  doch 
ist  dies  deshalb  nicht  streng  beweisend,  weil  die  älteste  Form 
von  ei,  Avenn  das  erste  Element  dijdithongierte,  i§i  war.  Das  s 
in  sei  lat.  sex,  lothr.  his  weist  nicht  auf  altes  i  hin,  sondern  ist 
aus  dem  Auslaut  angeglichen,  *st^quere,  sccat  zeigen  nie  ^.  Für 
iei  könnte  wall.  siK,  dili  neben  le  (lectvs)  sprechen :  aus  ^sieis, 
dieis  wäre  sieK,  dieli,  dann  wie  aus  altem  ie:  siJi,  düi  entstanden, 
lecttim  dagegen  hätte  über  lieit,  leit  später  2§t,  l^  ergeben.  Allein 
ein  Blick  auf  die  Schicksale  von  oct  und  ox  lehrt,  dafs  diese 
Entwicklungsreihe  falsch  ist,  vgl.  üt  aus  uit,  Qit  —  octo  neben  koli 
aus  Jcoise=coxa.  Aufserdem  ist  §  175  für  r  in  diesem  Gebiete 
ie,  woraus  i,  gesichert,  mit  noch  gröfserem  Rechte  hätte  iei  dann 
?',  nicht  aber  e  ergeben.  Wir  haben  also  vielmehr  hier  im  Osten 
ein  Gebiet,  avo,  abweichend  von  dem  übrigen  Frankreich,  c  vor 
Palatalen  nicht  zu  ie,  sondern  über  fi  zu  ei  und  endlich  e  wird.  — 
Im  Burgundischeu  wird  fi  zu  p  oder  a,  so  in  Bourberan :  lar. 
im  Auslaut  ay:  lay,  pay. 

Vgl.  Horning,  Fr.  Stud.  V,  449,  Anm.  3. 

161.  In  den  p-Gegenden  wandelt  ein  folgender  Palatal  f 
zu  c :  jud.  Jcireza,  k'cza,   §e  (sex),  mei,  peit,  sulzb.  deMo  (*eclfsia). 


154  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    161 — 163. 

ayeri,  tebi,  fradei ,  oder  i  im  Obereng.  und  zum  Teil  Nidwald. : 
ving  (venio),  signer,  mit,  mUer,  vil,  priö  und  ellum  —  il  (PI.  eis) 
bei  Bifrvm ,    während  die  heutige  Sprache  dafür  ^  eintreten  läfst. 

162.  Vor  Nasalen  tritt  im  Provenzalischen  und 
zum  Teil  im  Südostfranzösischen  und  B u r g u n d i s c h e n  e 
an  Stelle  von  f  bezw.  ie:  aprov.  6e,  re^  ges,  freib.  ve,  t^,  h^, 
während  hier  sonst  ie  diphthongiert.  Ebenso  vor  gedecktem  w, 
vgl,  §  89  flF.  Im  Fr i aulischen  wird  ^  in  beiden  Fällen  zu  i: 
ginar,  vinar,  gimul,  timjp,  sint  u.  s.  w.,  woneben  tenatj  premi 
kaum  in  Betracht  kommen,  Avährend  hen  sich  erklärt  wie  ital. 
J)(ne  S.  147.  Da  e  in  gleicher  Stellung  nicht  zu  i  wird,  so  ist  die 
Annahme,  t§mpus  sei  zu  tewip  und  daraus  zu  timp  geworden  wie 
im  Eumänischen  (§  94) ,  abzuweisen  und  tiemp  zu  Grvmde  zu 
legen.  —  Während  ferner  im  Französischen  ie  vor  Nasalen 
unverändert  bleibt :  hye,  rye,  tritt  im  Osten  und  Westen  die  schon 
für  gedecktes  §  und  e  nachgewiesene  Veränderung  ein :  Rive  de 
Giere  tsö  (tempus) ,  ryö,  lyö  (*insemel),  poit.  byä  u.  s.  w,  — 
Avich  das  Mailändische  hat  denf^  dent,  rend  u.  s.  w.  neben  f^sta^ 
p§ö,  Stella.    Endlich  das  Portugiesische  verlangt  vor  Nasal  stets  e. 

163.  Vor  Velaren  bleibt  §,  ie  im  ganzen  unverändert. 
Doch  zeigen  provenzalische  Dialekte  hier  wie  vor  i  den  Diphthon- 
gen :  neben  rouerg.  n^u  (rtfve  §  115),  l^u,  gr^u,  t§une  steht 
bauv.  heUos,  hauv.  helieu.  In  Nordfrankreich  und  Eätien  ent- 
wickelt sich  dieses  ieu  weiter  wie  das  aus  t  +  w  §  38  entstandene, 
also  z.  B. :  Tourn.  mials  III,  5,  XIX,  20,  wohl  als  miaus  zu 
lesen ,  bress.  viau ,  miau ,  wie  flau  (filiu).  In  Arras  wird  um- 
gekehrt ieu  zu  yil  reduziert:  myü,  vyü.  Auch  ei  oder  eu  aus 
gedecktem  el  bleibt  in  Nordfrankreich  kaum  bestehen.  Norman- 
nische und  anglonormannische  Handschriften  zeigen  noch  eu,  früh 
aber  entwickelt  sich  zwischen  §  und  i  oder  schon  u  der  Gleite- 
laut a ,  heals  schon  im  Oxforder  Psalter  5  e'au  wird  dann  weiter 
zu  edu,  idu,  jenes  namentlich  im  Südwesten  und  Westen,  dieses 
jm  Osten  und  Nordosten :  im  Zentrum  finden  sich  beide  Schreib- 
arten, schliefslich  hat  eau  gesiegt.  Vielleicht  ist  aber  der  Unter- 
schied nur  graphisch,  da  nfr.  tuyau,  pre'au  aus  pra-yau,  fleau 
aus  fla-yau,  hoyau  das  einseitige  Vorkommen  von  iau  sichern, 
wie  denn  auch  die  Pariser  Urkunden  des  XIV.  Jahrhunderts  und 


§    163—165.  E  vor  Velaren.  155 

die  Umgebung  der  Hauptstadt  noch  heute  *  aufweisen.  Die 
Form  yaiv  findet  sich  jetzt  in  Mayence,  yo  in  Anjou  und  östlich 
in  Jujurieux,  im  Nordosten  erscheint  ea  wie  a  fllr  ai^  ebenso 
ya  in  Bourberan  und  im  Burgundischen.  Das  ai  (d.  i.  {??)  in 
Morvan  und  den  Ardennen,  iai  in  Fourgs  ist  wohl  auch  erst 
aus  älterem  a  entstanden.  —  In  Paris  fordert  Erasmus  eau, 
Meigret  und  Peletier  eao ,  Ramus  und  die  folgenden  (?(),  doch 
ist  nach  P61etier,  Beza,  Dumas  io  vielmehr  pariserisch,  Saint- 
Lien  1581  kennt  o  als  höfische  Aussprache,  die  seit  Anfang  des 
XVII.  Jahrhunderts  allein  herrscht.  —  Im  übrigen  ist  die  Ge- 
schichte von  eil  in  Frankreich  dadurch  sehr  verwickelt,  dafs  von 
fast  jedem  Worte  Doppelformen  existiert  haben,  deren  eine  auf 
ellj  die  andere  auf  ells  auslautete,  deren  eine  also  l  zu  ^,  w 
wandelte,  die  andere  l  bewahrte,  bezw.  später  fallen  liefs.  Im 
Normannischen  z.  B.  steht  neben  dem  Singular  c  ein  Plur.  auf 
ia,  daneben  nicht  nur  sio,  vio  =  ciel,  vieil,  sondern  auch  hyo,  pyo 
aus  hellus,  pellis:  denkbar  wäre  eil  in  Pausa  zu  e,  vor  folgenden 
Konsonanten  eu,  ieu,  iau,  io,  vor  s  aber  ians,  ias,  ia.  Die  Frage 
verquickt  sich  so  völlig  mit  der  Geschichte  der  Flexion,  dafs  sie 
erst  dort  behandelt  werden  kann. 

Zur  Darstellung    von   ei  in  den  ältesten  französischen 

Handschriften  vgl.  W.  Fo erster,  Ztschr.  I,   165—167, 

zu    den    neuen  Mundarten  C  h.  J  o  r  e  t ,    Extension  111; 

J.  Gilli6ron,  Rom.  XH,  400,  R.  Pat.  I,  33—48. 

Ebenso     zeigt     das     Unterengadin     eau :      nöeaus ,      vdcaus, 

Jc'astcaiis  u.  s.  av. 

2.     Ein  flu  fs  vorhergehender  Laute. 

164.  Reduktion  von  ie  zu  e  findet  nach  Palatalen  statt 
im  Rum.:  gern,  cer ,  cerhy  cer,  äerh ,  tarrä  u.  s.  w. ,  daher  wird 
auch  iea  zu  ia:  fluid  (movella),  fiarä,  piaträ  u.  s.  w.,  ea  zu  a: 
ceapa  gesprochen  dapä;  in  Lecce:  dentu,  dervu,  defalu,  adeddu, 
selu,  scmieru  u,  s.  w.  Über  das  Franz.  vgl.  §  260.  Im  Italienischen 
nur  nach  g :  geh,  gerne  aber  cielo,  cieco. 

165.  Ebenso  nach  R  im  Italienischen:  rece  (r^icH), 
crepa,  prega,  greve,  trema,  dreto,  prete;  und  im  Rumänischen :  j?rc^, 
im  Rumänischen  aufserdem  nach  n:  innec.  Nach  der  Reduktion 
kann  dann  e,  ea  durch  r  gutturalisiert  werden  zu  ra,  *räa,   rax 


156  i-  Kapitel:  Vokalismus.  §    165—169. 

präd  (praedor),  prada,    cräp,  räu,    doch  ist  die  Gutturalisierung 
hier  ebensowenig  streng  durchgeführt,  als  bei  i. 

Mit  Unrecht  nimmt  Bai  st  697  dasselbe  fürs  Span,  an: 

presto,  ireze  haben  c,  über  prez  s.  §  156.     Neben  gresca 

steht  griesco,    griesgo,    jenes  ist  von  grescdr  gebildet;    so 

-bleibt    nur    hreve    neben    griego ,    grieto    und    manchen 

anderen. 

166.  Ganz  A-ei-einzelt  ist  Einflufs  von  Labialen  auf  ge- 
decktes p,  z.  B.  Gerardmer  (Lothr.)  Wie  (vermis),  evtie,  devuer, 
pueih  (pertica);  Pas  de  Calais:  foete  (festa)  neben  fete.  Vgl. 
dazu  §  280.  —  Hier  mag  auch  riimänisch  crunt,  junc,  june  aus 
cruentus  u.  s.  w.  erwähnt  werden. 

167.  Gedecktes  e  behält  seine  vulgärlateinische  Geltung 
im  Italienischen,  Französischen  und  Portugiesischen.  In  Ost- 
frankreich aber  Avird  es  zu  e,  so  in  Metz:  ter,  iver,  tst,  pet 
(perdre),  p&  (perdo),  ff  (fer),  trevc'  (travers),  nicht  aber  vor  II 
§  171.  Der  Übergang  von  ^  zu  5,  P'  wird  zusammenhängen  mit 
der  Quantitätsänderung:  e  wird  infolge  der  Dehnung  zu  f;  viel- 
leicht ist  mit  Horning  heeste  in  Bernhard  schon  so  zu  deuten, 
sodann  enfeir  Lot.  Ps.  48,  14.  Gegen  die  Franche-Comte  hin 
erscheint  f,  doch  noch  in  Fourgs :  etre,  prete,  fnetro,  apre,  ebenso 
im  Norden :  pe,  he  in  Seraing  mit  e,  nicht  mit  e  oder  e.  —  Ganz 
wie  das  Ostfranzösische  verhält  sich  das  Judikarische:  bei, 
pel  u.  s.  w.,   aber  -ßa. 

168.  Im  Obwaldischen  wird  e,  wo  es  nicht  als  ie 
erscheint  (§  152),  zu  ea  gebrochen:  siarp,  tiarra,  sediäla,  siat, 
■ßasta,  miatsa  u.  s.  av.,  ebenso  i§  im  Engadin  aufser  vor  s  (§170): 
vierm,  sient,  infiern,  wogegen  in  Soglio  nur  ganz  offenes  a 
erscheint:  hol,  fäss,  masälla,  tärra,  sät  u.  s.  w. 

Sodann  kennt  Italien  diese  Brechung:  im  Süden  Castelli 
(Abr.  Ult.  I)  geant,  vedeanu  (vedendo),  meant,  eak  (ecco),  beall, 
mumeant,  S.  Eusanio  del  Sangro:  niyande,  tarnte,  halle,  matse, 
aTcke ,  und  im  Norden  Castelletto  sul  Ticino :  teamp,  sJcearts,  lea 
(lei),  meant  und  Porto  S.  Giorgio  ä,  tämpo,  tärra,  hälla,  vanko 
(venio)  neben  certo,  successo. 

169.  i2-Verbindungen.  Am  häufigsten  begegnet  ä  oder 
ä  vor  gedecktem  r,    so    im  Eäti sehen   gredn. :    däviärt,    iärha, 


§  169,  170. 


Gedecktes  E. 


157 


friaul. :  fifiarn,  stiami,  fiarr,  bucheiist. :  pierdc,  Üerra,  fiern  aber 
lettf  fenestra  ii.  s.  w.  —  Im  Französischen,  in  den  am  öst- 
lichen Abliange  der  Vogesen  liegenden  Dörfern :  ty^,  ty^r,  y^hj 
pyfd,  dann  aiich  fya,  fyar  (fcrme)  u.  s.  w.,  ferner  Fonrgs :  tarmou,  taro, 
morv.  farme,  vard,  infar,  tarre,  tar,  bürg,  tarre,  garre,  arhe,  anfar 
u.  s.  w.  Im  Provenzalischen,  Toulon :  tearro,  peardre,  vear, 
ferner  tuncarra  iind  wohl  noch  in  anderen  Mundai-ten.  In  Süd- 
ostfrankreich,  Lyon:  parsi  (pertica),  Ifar,  nar,  desar,  far,  auch 
vard  (viridis)  aber  serra,  guerra,  terra;  Val  de  Travers  (Neuen- 
burg) :  /ar,  tarru,  arla,  var  u.  s.  w.  Auffälliger  ist  e  vor  r  aus 
f  in  rätischen  Mundarten,  so  e  in  bergeil.:  verm,  invcrn  neben 
f^,  spt,  ampezz. :  perde,  terra,  während  sonst  f  bleibt.  —  Hier 
mögen  endlich  noch  die  merkwürdigen  Formen  aus  Locle  foe 
(ferrum),  afge  (infernum),  voe  (vermis)  erwähnt  werden,  in  welchen 
labialen  Einflufs  zu  sehen  noe  verbietet,  daneben  terra,  erha. 

170.  Ä-V  erbindun  gen.  In  Stidostf  rankreich  wird 
fi  vor  s  zu  ei,  das  im  Val  de  Travers,  in  der  östlichen  Waat 
und  in  Vionnaz  bleibt,  im  Zentrum  und  Nordosten  der  Waat, 
Neuenbürg,  Freiburg,  Bagnard  sich  zu  1,  im  Rest  der  Waat,  in 
Neuenburger  Bergdialekten  und  in  Jujurieux  zu  e  schliefst. 


Lat. 

WESPA 

VESPEEU 

TESTA 

FESTA 

FENESTBA 

BESTIA 

Vion. 

tveipa 

veipre 

teita 

feita 

feneitra 

heita 

Waat. 

tcipa 

— 

Uta 

fita 

fenitra 

hita 

Freib. 

— 

vipru 

tipa 

i%pa 

fenißra 

hipa 

Neuenb. 

wepa 

vcpre 

tda 

fda 

fenepra 

hda 

Juj. 

wepa 

vepr§ 

tda 

fda 

fendra 

hda. 

Ebenso  Meuse:  If,  Ute,  fite,  prit  (pretre).  In  Vionnaz  finden 
sich  Ure;  ho  Jpr§  (bonu  vespern),  wohl  infolge  der  starken  Betonung: 
itr§  aber  teite,  ipr§  aber  veiprh. 

Sodann  ist  die  östliche  Creuse  zu  nennen:  hidyo ,  fenietro, 
fieto,  idf,  viepra,  prietf  aber  preito  (presto  §  295):  §  wird  zu 
lang(un  offenen  p,  das  sich  dann  zu  ie  bricht. 

Endlich  im  Engadinischen  wird  p  vor  st  nicht  zu  ie,  sondern 
zu  ei:  eister,  adeistra,  reist,  feista,  fneistra  und  entsprechend  in 
Bormio  nicht  zu  f,  sondern  e:  feka^  Bergeil.  veU,  teka  oder 
veiät,  teika. 


158  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    171^    172. 

171.     X  -  V  e  r  b  i  n  d  u  11  g  e  u.     Es   ist    zu    scheiden   zwischen 
filJa  und  plhtm,    dhis.     Letzteres    zeigt    in    der    französischen 
Schweiz  und  im  0  b  w  a  1  d  i  s  c  h  e  n  eigenartige  Behandlung.    Dort 
nämlich    ist    das  Resultat   dasselbe    wie    bei    p    vor    gedecktem  s 
(§  170),  waat.  j^eij  hei  bezw.  pe,  ie,  pi,  hl,  neuenb.,  freib.  M  u.  s.w. 
Meuse :  hi,  flai,  wopi.     Wie  eil  wird  ille  behandelt   und  paxülum, 
capillos  fehlt,  mel  geht  seine  besonderen  Wege.     Zu  beachten  ist 
noch,  dafs  follis  ebenfalls  die  Behandlung  von  Q  +  gedecktem  s 
zeigt,  nicht  aber  molere,  pollicem  §  209.     Es  geht  also  wohl  pei 
zurück  auf  Nom.  Sg.  Acc.  PI.  i^els,    woraus  pps,  pc-i,  pei;    über 
mpl  s.  §  238,  über  üle  s.  die  Flexionslehre.  —  Oberländisch: 
domlesch.  &?',  utsi,  vadi  aber  pial,    PI.  hiälis  u.  s.  w. ,    ferner  mel 
Bleniothal    Vil    fordern   dagegen    eine    andere  Erklärung.     Das   7/- 
ist  zunächst  zu  l  geworden    (§  545),    p  nach  §  152  zu  ie,    dann 
hat  sich    iel  weiter   zu   iej ,  ij ,  i  entwickelt.  —  Für  die  weitere 
Geschichte  von  ellus  ist  auf  §  161  zu  A'erweisen,  diejenige  von  -ella 
ist  deshalb  nicht  recht  klar,  weil  häufig  die  männlichen  Nebenformen 
die  regelmäfsige  Entwicklung  gestört  haben.    Am  häufigsten  kommt 
Brechung  zu  ealla,  alla  vor,  so  im  Ostfranzösischen,  lothr.  l)äl,  noväl, 
sal,  das  dann  auch  wie  a  aus  e  als  hol,   novol,  sol  erscheint  (vgl. 
§  112).     Auch  die  Franche-Comte  und  Burgund  kennen  dieses  a 
und    zeigen    so    hinüber    zum  Südostfranzösischen:    juj.,    neuenb., 
treib.,  waat.,  wall.  hal§,    häles.  —  Sodann    sind  die  westrätischen 
Formen  zu  nennen :  obw.  hialla,  Trins  he'alla.     Es  fragt  sich,    ob 
jenes  a   (o)  ebenfalls  auf  ea  beruhe,    ob    also  sich  dort  auch  zu- 
nächst zwischen  dem  Palatalen    und  dem  Velaren    ein  Gleitelaut 
entwickelt  habe,    oder    ob    nicht    vielmehr   direkter  Lautwandel, 
Übergang  von  palatalem  Vokal  vor  velarem  i  zu  velarem  Vokal 
vorliege.     Letzteres  scheint   wahrscheinlicher,    denn  *beaia  hätte 
sich  auf  einem  Gebiete,    wo  cau  zu  iau,  io  wird,  wohl  als  iaia 
weiter  entwickelt. 

172.  Oxytonierung  hat  oft  Schliefsung  des  e  zur  Folge: 
vgl.  sulzberg.  endre,  Lahague  erse,  fe  (ferrum),  efe,  ive.  Der 
Diphthong  ie  erleidet  ebenfalls  oft  andere  Behandlung,  wenn  er 
in  direkten  Auslaut  tritt,  vgl.  §  175  und  178,  waat,  fyär  aber 
lie  (litj,  mie  fmelieu),  Paresse  fyeu,  fem.  fira.  Auf  einem  grofsen 
Gebiete  in  Südostfrankreich  wird  pede   über  pied  zu  2>yd  §  266. 


§    173.  Das  Alter  von  IE.  159 

b)  Das  Verliältiiis  von  e  und  ie. 

173.  Wie  sicli  ie  iiiul  e  im  Urromanischen  zu  einander  vor- 
halten, ist  nicht  klar.  Wir  haben  §  151  fiF.  gesehen,  dafs  die 
Bedingungen,  unter  denen  ie  entsteht,  sehr  verschiedene  sind; 
ferner  ist  aus  §  179,  wozu  noch  §  260  kommt,  ersichtlich,  dafs 
altes  ie  bedingt  wieder  zu  e  werden  kann.  Im  Anglonorman- 
nischeu  tritt  unbedingt  e  ein  fiir  ie  §  260.  Es  fragt  sich  nun 
zunächst,  ob  nicht  eine  ähnliche  Reduktion  schon  in  vorhisto- 
rischer Zeit  stattgehabt  hat  auf  denjenigen  Gebieten ,  auf  Avelchen 
wir  nur  noch  e  treffen :  in  Oberitalien,  im  Provenzalischen,  im  Sizi- 
lianischen  und  im  Portugiesischen.  Mit  anderen  Worten :  ist  ie 
schon  vulgärlateinisch,  oder  ist  es  erst  einzelsprachlich?  Für 
letzteres  dürfte  zunächst  ein  Umstand  sprechen.  Es  hat  sich  §  151 
und  154  gezeigt,  dafs  in  Frankreich  zu  sehr  verschiedenen  Zeiten 
c  zu  ie  gebrochen  wurde,  §  156,  dafs  in  Spanien  pcc^MS  nie  2?j>c^ws 
gesprochen  wurde,  wie  rum.  piept  könnte  vermuten  lassen,  §  94, 
dafs  in  Rumänien  tempus  nie  ticmp  gelautet  hat,  trotz  span. 
tiempo ,  friaul.  timp.  Man  könnte  nun  sagen ,  nur  freies  p  sei 
vulglat.  zu  ie  geworden :  damit  giebt  man  aber  zu ,  dafs  einzel- 
sprachlich gedecktes  f  auf  verschiedenen  Gebieten  brechen  konnte, 
ohne  dafs  ein  innerer  Zusammenhang  besteht.  Nimmt  man  aber 
dies  letztere  an,  so  ist  kein  Grund  vorhanden,  nicht  auch  für 
freies  f  dieselbe  Voraussetzung  zu  machen.  Von  vornherein  ist 
also  ebensogut  möglich,  dafs  in  Portugal  u.  s.  w.  überhaupt  nie 
ein  ie  bestanden  hat,  wie,  dafs  das  heutige  p  aus  ie  reduziert  sei. 

Wenden  wir  uns  den  Einzelgebieten  zu,  so  begegnen  zu- 
nächst in  Sizilien  höchst  merkwürdige  Verhältnisse.  Hier  bleibt 
zwar  im  allgemeinen  f ;  es  tritt  aber  dafür  in  emphatischer  Rede 
ie  ein,  das  sich  dann  z.  B.  in  Caltanisetta  zu  i  vereinfacht,  bei 
weniger  starkem  Affekte  aber  als  ie  erscheint.  Die  Städte,  die 
Gebildeten  kennen  im  ganzen  den  Diphthongen  nicht,  wohl  aber 
das  niedere  Volk  und  die  Landbevölkerung.  In  diesem  Falle 
tritt  der  Diphthong  ohne  Rücksicht  auf  die  folgenden  Vokale 
ein.  Wir  haben  also  in  Sizilien  zwei  Zonen  für  ie  zu  unter- 
scheiden, deren  eine  zum  italienischen  Festland  hinüberführt, 
wogegen  die  andere  vorläufig  noch  nirgend  Entsprechungen  hat. 
Ob    in    dieser   letzteren    der  Diphthong   alt  oder  jung  ist,    läfst 


160  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    173—175. 

sich,  da  schriftliche  Denkmäler  älterer  Zeit  für  die  niedere 
Sprache  fehlen,  nicht  mit  Sicherheit  sagen.  Dafür,  dafs  er  ver- 
hältnismäfsig  jung  ist,  scheint  mir  der  Umstand  zu  sprechen, 
dafs  er  nicht  zu  völliger  Herrschaft  gelangt  ist.  Einem  niedersiz. 
fieru  steht  das  schriftital.  fiero  zur  Seite :  zu  beiden  in  Gegensatz 
tritt  das  hochsiz.  feru.  Es  ist  nun  kaum  denkbar,  dafs  dieses 
feru  Jahrhunderte  hindurch  dem  doppelten  Angriff  des  fiero 
widerstanden  hätte :  gerade  in  den  Stadtdialekten  fafst  das  Schrift- 
italienische  mehr  und  mehr  Fufs  (vgl.  z.  B.  §  436) :  hier  hätte 
es  in  niedersiz.  fieru  eine  kräftige  Stütze  gefunden,  wenn  dieses 
alt  wäre.  Nimmt  man  aber  an,  dafs  das  emphatische  fieru  jung 
ist,  so  begreift  sich  leicht,  dafs  die  gebildete  wie  die  Schrift- 
sprache Siziliens  noch  an  feru  festhält. 

Vgl.  Schneegans,    S.    17 — 23,    der    übrigens    die 
Ansicht  vertritt,  dafs  fieru  alt  sei. 

174.  In  Ob  er  Italien  könnte  mail. ,  piem.  yer  aus  lieri 
für  das  einstige  Bestehen  des  ie  sprechen.  Allein  für  sich  allein 
beweist  es  wenig:  das  i  kann  prothetisch  oder  durch  das  aus- 
lautende i  hervorgerufen  sein,  wie  z.  B.  dasjenige  in  ital.  fiera 
aus  feria.  Andere  sichere  Beweise  für  ie  giebt  es  nicht,  gen. 
redede,  piem.  aröede  gehen  nicht  direkt  auf  lat.  requaerere,  sondern 
auf  tosk.  ricliiedere  zurück,  und  sind  daraus  gebildet  mittelst 
Lautumsetzung  nach  dem  Muster  tosk.  cliiesa  =  piem.,  gen.  desa. 
Sodann  sehen  wir  im  Gen.  pien  zu  pih  (§  105),  niente  zu  ninte 
werden :  also  ie  wird  hier  zu  i,  nicht  zu  e.  Keine  Stütze  für 
das  einstige  Vorhandensein  von  ie  in  Piemont  läfst  sich  aus  dem 
S.  Fratellesischen  ziehen,  so  lange  nicht  genau  bestimmt  ist,  woher 
diese  Kolonieen  stammen.  Die  Behandlung  des  a  weist  sie 
einem  Gebiete  zu,  das  dem  Südostfranzösisch-Savoyardischen  nahe 
verwandt  sein  mufs  §  264.  Der  Diphthong  erscheint  hier  als  le 
und  zwar  nur  in  freier  Stellung :  fieu  (fei),  mierit,  Icrieia  (*ecl^ia), 
vie,  dies,  pieura  (pecora),  frieva  (fehris),  dieddera  (edera),  piei  (pedes) 
aber  Sg.  pe.  Auffällig  ist  tober  (tepidus) ,  als  ob  tebid,  nicht 
tiehid  oder  t^hid  die  Grundlage  wäre  §  113,  sonst  also  tdki, 
Jcerv,  vek',  auch  tennir  (tener). 

175.  Im  Eomagnolischen  ist  der  Diphthong  heute  ver- 
schwunden und    teils    durch  i,    teils  durch  e  ersetzt,    irn  Auslaut 


§    175—177.  E  und  IE  in  Oberitalien  und  Portugal.  161 

daraus  ß:  p^  vgl.  §  114.  Zu  i  ist  auch  altes  ie  geworden  §  105. 
Ursprünglich  hat  ie  gestanden  für  freies  f,  auch  in  drittletzter 
Silbe.  Es  ist  dann  zu  e  geworden  vor  Dental  +  r:  medar 
(metere),  pre  (petra) ,  hol.  preda,  vor  l:  mel  und  vor  r  in  dem 
einzigen  scr;  sonst  i:  dis,  dri  fdrieto),  intir,  livar,  tsiväl,  griv, 
piyitra,  disa  (ecl^ia)  u.  a.  Als  Zwischenstufe  ist  wohl  ic,  daraus 
durch  Assimilation  ii,  i  anzusetzen.  Schwierig  zu  lösen  ist  die 
Frage,  weshalb  in  einigen  Fällen  e  bleibt  und  i  schwindet.  Viel- 
leicht mag  zwischen  metere  und  medar  eine  Form  miedr,  medr 
liegen,  ser  und  mel  sich  aus  der  Einsilbigkeit  erklären.  Ferner 
sind  auffallig  virman  (hol.  virom),  mirul  neben  gveran  (governo), 
nerb,  tsert.  Die  Annahme  von  Grundformen  nierho.  viermen  hätte 
gerade  hier  nichts  Bedenkliches,  vgl.  §  257:  man  müfste  dann 
voraussetzen,  dafs  der  völlige  Schlufs  der  Silbe  infolge  des  voka- 
lischen Auslautgesetzes  ie  z^  e  herbeigeftihrt  hätte :  also  nier-ho, 
nrrb,  dagegen  vier-man,  vir-man. 

176.  Noch  weniger  als  fürs  Lombardisch-Piemontesische 
läfst  sich  die  einstige  Existenz  von  ie  fürs  Portugiesische  wahr- 
scheinlich machen.  Dem  span.  lleva,  d.  i.  lieva,  entspricht  hier 
Ifva,  nirgends  ist  das  geringste  Anzeichen  vorhanden,  dafs  einst 
ie  gesprochen  worden  sei.  Auch  aus  tihio  §  156  läfst  sich  das 
nicht  folgern,  vgl.  §  181.  Ähnlich  verhält  es  sich  mit  dem  Pro- 
venzalischen.  Hier  entsteht  unter  palatalem  Einflufs  ie,  und 
dieses  ie  bleibt  bis  heute:  es  ist  nun  kaum  denkbar,  dafs  in 
einer  früheren  Periode  auch  aus  freiem  p  der  Diphthong  hervor- 
gegangen, dann  aber  wieder  zu  e  reduziert  worden  sei,  um  so 
weniger,  als  auch  das  Katalanische  sich  völlig  frei  von  ie  zeigt, 
während  es  doch  auch  sonst  (§  49)  einen  älteren  Lautstand  des 
Provenzalischen  darstellt. 

177.  Weiterentwicklung  von  ie.  Schon  §  150  wurde 
dai'auf  hingewiesen,  dafs  der  Diphthong  des  ^  in  drei  Gestalten 
erscheint:  fe,  ie  und  daraus  wieder  i:  nicht  in  Betracht  gezogen  ist  bei 
der  zweiten  Form  die  Qualität  des  e  {§  oder  e).  Es  stellt  sich  nun 
die  Frage,  wie  sich  te  und  ie  zu  einander  verhalten,  und  wie  die 
Vereinfachung  zu  i  vor  sich  gegangen  sei.  Die  erste  dieser  zwei 
Fragen  hängt  eng  zusammen  mit  der  Untersuchung  über  die 
Entstehung  des  ie  und  tio  und  kann  daher  erst  Kap.  V  zur  Be- 
Meyer, Graminatik.  11 


162  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    177^    178. 

eprechung  kommen.  Für  die  zweite  mag  zuerst  das  Material 
vorgeführt  werden. 

178.  Die  Reduktion  von  ie  zu  i  begegnet  im  östlichen 
Frankreich.  Im  Nordosten  stehen  drei  Formen  des  Di- 
phthongen neben  einander:  i,  ye,  yoe.  Die  letztere,  dem  metzer 
Dialekt  angehörig,  dürfte  nur  eine  besondere  Gestaltung  von  ye 
sein.  Das  i  tritt  im  Norden  in  Sereing  und  dem  Wallonischen 
auf,  vgl.  hire:  dire  Watriquet  XU,  102  und  wohl  noch  mehr 
westlich,  vgl.  congie:  Marie  Deesse  d'Amour  310,  sodann  im 
Süden  in  der  Franche-Comt6  und  Lyon.  Von  den  eigentlichen 
Lothringerdialekten  beschränken  die  diesseits  der  Vogesen  im 
Flufsgebiet  der  Breusch  gelegenen  ye  auf  geschlossene  Silbe, 
lassen  in  offener  i  eintreten :  pyer,  lyer,  fyeJi  (ßer),  auch  mye  (miel), 
aber  vi  (vetus),  pi  (pede).  —  Sonst  findet  sich  überall  ye  in  der 
oberen  Saar-  und  Moselgegend,  i  im  Reste  Lothringens,  in  den 
Ardennen,  Bresse,  Champagney,  Plancher-les-Mines  u.  s.  w.  Das 
Verhältnis  von  y^  und  i  ist  wohl  so  zu  denken,  dafs  y^  zunächst 
zu  ye  Avird,  dann  durch  Angleichung  zu  yi,  i.  Diese  Entwicklung 
wird  nahe  gelegt  durch  die  eben  genannte  Doppelgestaltung: 
dadurch,  dafs  der  Vokal  in  den  direkten  Auslaut  tritt,  wird  er 
gedehnt  und  damit  geschlossener.  Sie  mufs  ziemlich  alt  sein,  da 
schon  Guerre  de  Metz  schreibt:  hrifment  260  c,  livres  206  e, 
trives  210  c  u.  a.,  Dial.  an.  rat.  jetir,  chif,  hrif,  siele,  chig,  hin, 
gris  u.  s.  w. 

Im  Lyonesischen  ist  i  nicht  eingetx'eten  vor  folgendem 
primärem  und  sekundärem  r:  f%ar  (ferus  und  fei),  miar,  siar  (frz. 
cieT)  neben  pi  (pede),  pira  (petra):  auch  dies  zeigt,  dafs  nicht 
eine  Entwicklung  le,  i  anzusetzen  ist:  '^piera  wäre  ebenso  zu 
piara  geworden  wie  fi,er  zu  fbar.  Die  Reihe  ist  auch  hier  fier 
piera,  fier  piera,  fiär  piera,  endlich  pira.  Nicht  dagegen  spricht, 
dafs  der  Dichter  des  Vegetius  reimt:  pie  (pedem):  mie  (mica) 
u.  dgl.,  Ysop,  pieces:  nices  251.  Wir  wissen  nicht,  wie  streng  bei 
diesen  Dialektdichtern  die  Anforderungen  an  den  Reim  waren: 
denkbar  wäre  eine  Aussprache  pi:  mi§  mit  fast  verhalltem  e.  — 
Als  weitere  Stütze  der  oben  gegebenen  Erklärung  des  Übergangs 
von  ie  zu  i  ist  endlich  anzuführen,  dafs  in  Bessin  (Noi-mandie) 
der  Plural  zu  pie,  pi  lautet,  ebenso  sulye  PI.  sult.  Da  das  s 
bei  seinem  Verstummen  auslautende  Vokale  dehnt  'und    schliefst, 


§   178,    179.  I  uud  IE  aus  E  in  Frankreich.  163 

80  ergiebt  sich  die  Reihe  pi^S,  pies,  pi.  —  Auch  im  Friaulischen 
wird  ie  zu  i,  aber  nur  in  einsilbigen  Wörtern:  sJr,  mil,  ßl,  pid, 
dis,  sis,  grif,  vint,  timp  u.  s.  w. ,  dagegen  in  mehrsilbigen :  yeve 
(leva),  yeul  (ebulum),  Vieri  (veterem),  pieri,  miedi,  fieste  u.  s.  w. 
Wiederum  wird  hier  die  Assimilation  in  einer  geschärften  Aus- 
sprache des  e  ihren  Grund  haben.  —  Anders  dagegen  verhält 
sich  ie  und  hier  nun  blofs  i'e  nicht  i  im  Venezianischen.  Während 
im  Inlaut  ie  die  Regel  ist  und  im  Anlaut  sogar  ^e  entsteht :  ^eri, 
gcvolo,  wird  im  Auslaut  der  Accent  zurückgezogen:  sfe,  pfe:  hier 
also  tritt  wirklich  Tonwechsel  ein.  Nun  ist  zu  beachten,  dafs 
das  Friaulische  vorwiegend  oxytonierten ,  das  Venezianische 
paroxytonierten  Ausgang  hat:  jenes  steigert  die  Intensität  gegen 
den  Schlufs  des  Wortes  oder  Satzes,  dieses  vermindert  sie,  daher 
dort  2)ie  zu  pie,  pi,  hier  sie  zu  sie.  —  Ähnlich  unterscheidet  das 
Asturische  ye  in  vorletzter  und  in  satzbetonter  letzter  Silbe,  aber 
satztonlos :  dias,  pia,  piats.  (Auch  Mentone  stellt  sie  und  dies 
einander  gegenüber.) 

Eine  sonst  noch  nicht  nachgewiesene  Ausartung  von  freiem 
ie  zeigt  Veglia:  fidl,  siad,  siap,  dann  insiara  (serra),  fiar,  pial, 
hial,  diastra,  fiasta,  diant,  fenalmiant,  viant  u.  s.  w.  Vielleicht 
sind  ie,  la  die  Zwischenstufen.  Aber  in  velarer  und  palataler 
Umgebung  tritt  i  ein  :  jirik  (preco),  diJc,  pi  (piei)  PI.  pich,  und  in  den 
jüngeren  öil,  piasir,  lig,  endlich  in  jJifra,  lipro.  Ferner  im  Süden:. 
Nicastro  (Calabr.)  priagu,  piacuru,  viagnu,  ciarti,  dispiatti,  tiampi, 

179.  Reduktion  von  ie  zu  e  soll  im  Toskanischen 
voi-kommen:  wo  die  Schriftsprache  heute  noch  ie  festhält,  da 
spräche  die  Vulgärsprache  schon  längst  nur  f.  Freilich  ist 
hier  genauere  Untersuchung  nötig.  Während  in  neuerer  Zeit 
mehrfach  für  uo  das  einfache  o  auch  in  der  Schrift  durchgeführt 
wird,  bleibt  ie.  Es  wird  sich  also  fragen,  ob  die  Entwick- 
lung des  ie  eine  langsamere  ist  als  die  des  uo ,  oder  ob,  wie 
im  Rumänischen  (§  164),  die  Reduktion  nur  nach  bestimmten 
Konsonanten  stattgeftmden  hat,  und  endlich,  ob  wirklich  Reduk- 
tion vorliegt,  oder  ob  nicht  vielmehr  e  aus  dem  Norden  oder 
Osten  importiert  ist.  —  Thatsächlich  hat  der  Übergang  von  ie 
zu  e  statt  im  Anglonormannischen.  Nicht  selten  ist  die 
Schreibung  ee\  veent  Comp.  2169,  2183,  peez  Charlem.  238:  die 
Doppelung  soll  wohl  die  Länge  angeben,  da  auch  e  aus  a  zuweilen 

11* 


164  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    179^    180. 

so  Aviedergegeben  wird:  degrees  Charlem.  346.  Aber  schon  die 
ältesten  Handschriften,  wie  der  Oxforder  Roland,  bieten  auf 
Schritt  und  Tritt  e;  piere,  miere,  für  pere,  mere,  die  ebenfalls 
liäufig  im  Anglonormannischen  auftreten,  sind  als  umgekehrte 
Schreibungen  zu  fassen. 

Belege  für  ie  statt  e  aus  a  bei  Stürzinge r,  Orth.  Gall. 

38,  wo  auch  alle  frühei-en  Stellensammlungen  angeflihrt  sind. 

Ganz  anders  ist  zu  erklären  venez.  gevalo  =  ebulum,  geri  = 

heri  u.  s.  w. ;  südostital.  geUi  Rusio  147,  gerva  33,  119,  gerti  = 

span.  yerto  403,    wo  e  zu  ie,   ie  geworden  und  i  wie  primäres  j 

behandelt  ist. 

c)  Vereinzelter  Übergang  von  §  in  andere  Vokale. 

180.  Vereinzelte  Fälle  von  f  zu  e.  Im  Italienischen  ist 
zunächst  die  Verbindung  ment  zu  nennen:  -mentc,  -mento,  dor- 
mente,  rammento  u.  s.  w. ,  mcnte  findet  sich  auch  in  Alatri. 
Zwischen  den  beiden  Nasalen  wird  der  Vokal  geschärft:  mento 
ist  die  Vorstufe  zu  mnto.  Ärchitetto,  cutrettola,  caretto  haben  sich 
an  die  Deminutiva  auf  -etto  angeschlossen,  dunkel  bleiben  nebbia 
neben  ebbio,  lebbra,  cicerchia,  ellera.  —  Im  Spanischen  treffen 
wir  ebenfalls  -mente,  asp.,  astur,  mientre,  miente,  aber  mente  z.  B. 
schon  in  der  Visio  Filib.  58,  12,  wo  jedoch  auch  estercol.  Die 
SvTbstantiva  auf  -mentum  schwanken :  die  Neubildungen  zeigen 
-miento,  woneben  tormento,  alimento,  momento,  ferner  convento  und 
contento  (wofür  asp.  apagado)  offenbar  Buchwörter  sind.  Aber 
osamenta,  cornamenta,  vestimenta,  jumenta  und  tormenta  (Sturm) 
als  solche  zu  fassen,  geht  kaum  an.  Man  ist  versucht,  darin  die 
letzten  Reste  eines  Gesetzes  zu  sehen ,  wonach  der  Diphthong 
vor  a  unterblieb,  bezw.  durch  e,  o  hervorgerufen  wurde  (s.  §  152). 
Allein  dieser  Annahme  stellt  sich  die  Frage  gegenüber,  weshalb 
denn  alle  anderen  Subst.  auf  -a  das  ie  zeigen.  Die  einzige  Ant- 
wort wäre  die :  im  Spanischen  sind  auslautend  e  und  i  frühzeitig 
zusammengefallen  und  üben  gleichmäfsige  Wirkung.  So  müfste 
petra  im  Sg.  p^dra  lauten,  im  Plural  aber  piedre.  Da  nun  bei 
allen  anderen  Substantiven  Singular  und  Plural  denselben  Vokal 
hatten,  trat  auch  hier  Ausgleichung  ein  und  zwar  nach  ie  hin, 
weil  ie  ein  unendlich  viel  gewöhnlicherer  Laut  ist  als  Q,  das 
nur  vor  -a  vorkam.     Nur  die  Neutra  Plur.  auf  -a,    die  zunächst 


§   180,    181.  Wandel  von  E  zu  E,  I,  A,  O.  165 

noch  keinen  Plural  auf  -c  bildeten,  die  aber  in  ihrem  kollektiven 
Sinne  sich  von  den  zugehörigen  Singularformen  entfernt  hatten, 
behielten  die  alte  Form  bei.  Ein  Rest  aus  dieser  Zeit  ist  viel- 
leicht atich  noch  pertiga  neben  altem  piertega,  denkbar  ist  aber 
auch,  dafs  aus  piertega  zunächst  unter  Eiuflufs  des  ie  piertiga 
entstanden  sei  und  danach  dann  wieder  pertiga  nach  §  156.  — 
Span,  quema,  portg.  qneima  wird  zu  crcmat  gestellt,  was  begriff- 
lich völlig  pafst,  lautlich  aber  grofse  Schwierigkeit  macht,  da  der 
Ausfall  des  r  in  beiden  Sprachen  und  der  Diphthong  ei  im 
Portugiesischen  ungerechtfertigt  sind.  Span,  e,  portg.  ei  treffen 
sich  sonst  in  ai,  ein  caimare  würde  also  genügen,  und  dieses 
könnte  man  wiederfinden  in  dem  mgr. ,  ugr.  y.a\).i6g  --^=  xavf.i6g. 
Das  Alter  der  griechischen  Formen  ist  nicht  bekannt,  sie  müssen 
aber  weit  hinaufreichen,  xXai/iia  stammt  aus  einer  Zeit,  wo  das 
Fut.  xlatjOio  noch  bestand,  danach  ist  *x«i]t<«,  xaif^iog  gebildet, 
woraus  vielleicht  die  spanischen  Formen,  während  das  ältere 
xavf.ia,  span.  calma  andere  Bedeutung  angenommen  hat.  —  Spanisch 
madera,  cadera,  entcro,  menester  zeigen  Suffixvertauschung.  —  Über 
portg.  ccra  aus  s^rra,  m^do  (Furcht),  neben  medo  in  S.  Antao, 
vespa,  hespa,  vgl.  die  "Wortbildungslehre. 

181.  Vereinzelte  Fälle  von  e  zu  i.  In  italienisch  risica 
stammt  das  i  von  risicare,  i^ofitto ,  rispitto  und  das  alte 
dispitto  sind  Gallicismen.  Spanisch  nispera,  ristra,  vispera 
(viespera  Berceo  D.  129,  viespra  Gaza  51,  21,  astur,  hriespa), 
avispa,  prisco  (persicus,  astur.  piesTcu)  scheinen  Übergang  von  ie 
zu  i  vor  S2),  sh  zu  bezeugen:  auffallig  ist  jedoch,  dafs  vor  st  der 
Diphthong  bleibt.  Ferner  siglo  aus  sieglo  (Cid  1445,  Berceo 
Mil.  2  u.  s.  w.).  —  Portugiesisch  silJia (Sattel)  ist  ein  Lehnwort 
aus  dem  Spanischen;  in  der  Bedeutung  Sattelgurt  gehört  es  viel- 
leicht zu  cingula.  Fedinte  hat  sein  i  von  j^ec^iy  und  hat  das 
sinnverwandte  faminto  statt  -ento  nach  sich  gezogen.  Endlich 
pirtigo,  pirtiga  gehört  zu  den  §  156  besprochenen  Fällen,  es 
zeigt,  dafs  e  und  p  im  Portugiesischen  völlig  gleichgestellt  Averden 
und  dafs  somit  portg.  tihio  nicht  für  Hiepido  spricht. 

182.  Endlich  bleiben  noch  einige  Fälle  von  o  und  a  statt 
f  und  f.  Span,  suero ,  portg.  soro,  sard.  soru  neben  ital.  siero 
bewahren    vielleicht    eine    alte    dem    griech.    6Q6g   entsprechende 


166  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    182 184. 

Nebenform  des  lateinischen  seru.  —  Parm.  romol,  regg.  romelj 
piac.  romla  neben  emil.,  ostlomb.  remel,  Kleie,  Verbalsubstan- 
tivum  zu  remolare,  hat  o  aus  den  tonlosen  Verbalformen  ver- 
schleppt. 

Mussafia  B.  93. 
Afr.  tälant,  prov.  talan,  altital.  tälanto  neben  talent  u.  s.  w. 
geben  griech.  raXauroy  wieder.  Ebenso  werden  span.  canastro, 
nprov.  kanasto,  obw.  kanastra  das  griech.  xdyaoTQa  darstellen. 
Span,  lagarto,  nordsard.  tiliJcerta  (er  aus  ar  §  256),  obw. 
lugart,  dann  berg.  ligurt,  bol.  Ugur,  ven.  ligoro  zeigen  eine  der 
Palatalisierung  vorhergehende  Ersetzung  des  Suffixes  -erda  durch 
-ard,  -ord.  —  In  span.  täladro,  portg.  trado,  prov.  taraire ,  obw. 
tarader  liegt  gall.  taratron,  nicht  lat.  teretrum  vor.  —  Unerklärt 
ist  span.  sarga,  frz.  sarge,  woraus  ital.  sargia  zu  serica. 

6.    Vulgärlateinisch  g  ==  schriftlateinisch  ö. 

183.  Wie  bei  f,  so  haben  wir  auch  bei  p  eine  Zone,  die 
diphthongiert,  eine  andere,  die  den  einfachen  Laut  aufweist. 
Keine  Spur  einer  Stufe  uo  zeigen  Sardinien,  zum  Teil  Sizilien, 
ein  Teil  Mittelitaliens,  Portugal  und  Rumänien.  In  den  übrigen 
Ländern  ergiebt  p  entweder  wo,  oder  ue,  oder  os,  und  zwar  im 
allgemeinen  ce  in  den  galloitalischen  Mundarten  und  im  Nord- 
französischen, sowie  zum  Teil  im  Eätischen,  ue  in  Spanien,  in 
Calabrien,  im  Friaul,  uö  in  Mittelitalien.  Wie  bei  ie,  so  schwankt 
auch  bei  uo  die  Betonung  zwischen  üo  und  wo;  ferner  treffen 
wir  auch  hier  teils  p,  teils  p,  im  Rumänischen  völlige  Über- 
einstimmung mit  0.  Die  Bedingungen,  unter  denen  der  Di- 
phthong erscheint  oder  nicht  erscheint,  sind  auch  hier  sehr  ver- 
schiedene. Die  Probleme,  die  sich  an  die  Geschichte  des  p 
knüpfen,  sind  nur  zum  Teil  dieselben  wie  beim  f,  daher  die 
Anordnung  nicht  völlig  die  nämliche  ist.  Die  Schicksale  des  p 
stellen  sich  im  allgemeinen  zunächst  folgendermafsen  dar. 


184. 

Lat. 

EOTA 

*POTET 

LOCU 

FOCÜ 

JOCÜ 

Rum. 

roatä 

poate 

loc 

foc 

Joe 

Friaul. 

ruede 

po 

lug 

fug 

dzug 

Engad.       (rouda)        po  Ice  foe  gm 


§  184. 

Vulgärlat^inisch  Q. 

1 

Ital. 

ruota 

pud 

Vuogo 

fuoco 

giuoco 

Mail. 

roda 

po 

Iceg 

fceg 

§(^9 

Prov. 

r^da 

PQ 

§  197 

§  197 

§  197 

Afr. 

ruede 

puet 

§  196 

§  196 

§  196 

Span. 

rueda 

puede 

luego 

fuego 

juego 

Portg. 

rgda 

pgde 

logo 

fogo 

Joga. 

Lat. 

cocu 

JOCAT 

ROGAT 

OPUS 

TROPAT 

Rum. 

— 

joacä 

roagä 

op 

— 

Friaul. 

— 

dmeya 

— 

— 

— 

Engacl. 

— 

^oeva 

rceva 

— 



Ital. 

cuoco 

giuoca 

riioga 

uopo 

truova 

Mail. 

Jcceg 

§  220 

rcega 

— 

— 

Prov. 

§  197 

999a 

rgga 

gps 

trgba 

Afr. 

§  196 

jueet 

ruevet 

ues 

trueve 

Span. 

— 

juega 

ruega 

huebos 

trueva 

Portg. 

— 

Joga 

rgga 

— 

trgva. 

Lat. 

*COCIT 

NOCET 

PROBA 

NOVU 

NOVA 

Rum. 

coce 





nou 

noaä 

Friaul. 

Tiuei 

nos 

— 

fiuf 

nova 

Engad. 

— 

— 

— 

nouf 

nouva 

Ital. 

cuoce 

nuoce 

pruova 

nuovo 

nuova 

Mail. 

koesa 

ncesa 

prceva 

ncef 

noeva 

Prov. 

kots 

nots 

prgva 

ngu 

ngva 

Afr. 

*cueist 

*nueist 

prueve 

nuef 

nueve 

Span. 

cuece 

— 

prueba 

nuevo 

nueva 

Portg. 

coze 

— 

prgva 

novo 

ngva. 

Lat. 

NOVE 

BOVE 

OVE 

COE 

SOBOB 

Rum. 

noue 

hou 

oaie 

— 

soarä 

Friaul. 

nuf 

iö 

— 

hur 

sur 

Engad. 

nouf 

houf 

— 

Tcour 

sour 

Ital. 

nove 

§  279 

— 

euere 

suora 

Mail. 

ncef 

Ice 

— 

leoer 

— 

Prov. 

flQU 

hgu 

— 

hgr 

— 

Afr. 

nuef 

huef 

— 

euer 

— 

Span. 

nueve 

huey 

— 

euer 

— 

Portg. 

fiQve 

boi 

— 

— 

— 

167 


168 


I.  Kapitel:  Vokalismus. 


184 


Lat. 

FOKIS 

MOEIT 

TORU 

FOEU 

SOLU 

ßum. 

foarä 

more 

— 

— 



Friaul. 

für 

mur 

— 

— 

— 

Engad. 

(fora) 

mour 

— 

— 

— 

Ital. 

fuori 

muore 

— 

— 

suolo 

Mail. 

— 

mo&r 

— 

— 

soel 

Prov. 

foras 

mor 

— 

— 

sgl 

Afr. 

fuers 

muert 

— , 

fuer 

suel 

Span. 

fuera 

muere 

tuero 

fuero 

suelo 

Portg. 

foras 

more 

toro 

fgro 

so 

Lat. 

STOLU 

-OLU 

MOLA 

SCOLA 

VOLAT 

Rum. 

— 

-or 

moarä 

— 

shoarä 

Friaul. 

— 

-ul 

muele 

sJcuela 

— 

Engad. 

— 

-oul 

moula 

sicoula 

—  • 

Ital. 

stuolo 

-uolo 

§  219 

scuola 

vola 

Mail. 

— 

-ce 

moele 

skcela 

— 

Prov. 

— 

-Ol 

mgla 

sJcgla 

vgla 

Afr. 

— 

-uel 

muele 

§  219 

§  219 

Span. 

— 

-uelo 

muela 

— 

— 

Portg. 

— 

-0 

mg 

— 

vga. 

Lat. 

DOLET 

MOLIT 

SOLET 

VOLEX 

HOMO 

Rum. 

dore 

— 

— 

vore 

om 

Friaul. 

dul 

— 

sul 

vul 

om 

Engad. 

doul 

moul 

Söul 

voul 

om 

Ital. 

duole 

— 

sudle 

vuole 

uomo 

Mail. 

dcer 

— 

scer 

vcer 

om 

Prov. 

dgl 

— 

sqI 

vgl 

gm 

Afr. 

dudt 

mueU 

sueU 

vueit 

uem 

Span. 

duele 

muele 

suele 

vuel 

§  201 

Portg. 

dge 

mqe 

soe 

— 

homem. 

Lat. 

DOMU 

SONU 

BONÜ 

BONA 

TONAT 

Rum. 

— 

§  202 

§  202 

§  202 

— 

Friaul. 

— 

son 

hon 

huine 

tuine 

Engad. 

— 

sun 

hun 

huna 

tuna 

Ital. 

duomo 

suono 

huono 

buona 

tuona 

§  184. 


Vulgärlateinisch  Q. 


169 


Mail. 

— 

s5 

hö 

bwna 

truna 

Prov. 

— 

so 

lo 

bona 

trona 

Afr. 

— 

§  219 

tuen 

buene 

§  219 

Span. 

— 

sueno 

hueno 

buena 

truena 

Portg. 

— 

som 

bom 

boa 

toa. 

Lat. 

*COPKIT 

OPERA 

COLOBRA 

SOCERÜ 

SOCERA 

Eum. 

— 

— 

— 

socru 

soacrä 

Friaul. 

— 

vore 

— 

— 

— 

Engad. 

— 

ovra 

— 

soer 

soera 

Ital. 

cuopre 

Qpera 

— 

suocero 

suocera 

Mail. 

— 

droeva 

— 

— 

— 

Prov. 

liQbre 

gvra 

Icol^bra 

sggre 

sogra 

Afr. 

cuevre 

uevre 

coltievre 

suevre 

suevre 

Span. 

cuebre 

huebra 

§  217 

suegro 

suegra 

Portg. 

cohre 

ohra 

cobra 

sogro 

SQgra. 

Lat. 

POPLU 

VOCITU 

COFINU 

TORULÜ 

MO^^TA 

Rum. 

— 

— 

— 

— 

— 

Friaul. 

— 

vueit 

— 

— 

— 

Engad. 

poevel 

vced 

— 

— 

— 

Ital. 

pnpolo 

vuoto 

cgfano 

tuorlo 

— 

Mail. 

— 

voed 

— 

— 

— 

Prov. 

PQble 

meid 

— 

— 

— 

Afr. 

pueple 

vueid 

(coff're) 

— 

muete 

Span. 

pueblo 

— 

cuebano 

— 

muebda 

Portg. 

povo 

— 

— 

— 

— 

Lat. 

DOMITU 

COMITE 

LOLIU 

SPOLIAT 

FOIilU 

Rum. 

— 

— 



— 

foie 

Friaul. 

— 

— 

uey 

— 

fuetj 

Engad. 

— 

— 

— 

(spola) 

focl 

Ital. 

— 

conte 

gigglio 

spQglia 

fQglio 

Mail. 

— 

Tiont 

Icey 

— 

foel 

Prov. 

domta 

honte 

— 

despuela 

fuel 

Afr. 

dornte 

conte 

— 

despuele 

fuel 

Span. 

duendo 

cuente 

luello 

— 

lioja 

Portg. 

— 

conte 

joia 

despolha 

folha. 

170 


I.  Kapitel:  Vokalismus. 


§  184. 


Lat. 

OLIU 

MOLLIAT 

COBIÜ 

MOKIAT 

TROJA 

Rum. 

— 

moaia 

— 

moarä 

— 

Friaul. 

ueli 

— 

— 

— 

— 

Engad. 

cßli 

— 

leoer 

— 

— 

Ital. 

olio 

moglia 

cuojo 

muoja 

troia 

Mail. 

cell 

mceya 

hoer 

mcera 

trceya 

Prov. 

ueli 

mola 

Tcueir 

mueira 

trueia 

Afr. 

uelie 

mola 

cueir 

mueire 

trueie 

Span. 

olio 

moja 

cuero 

— 

— 

Portg. 

(oleo) 

molha 

couro 

— 

— 

Lat. 

PODIU 

HODIE 

MODIU 

FOVEA 

OCLU 

Eum. 

— 

— 

— 

— 

ochiu 

Friaul. 

— 

uey 

— 

foihe 

vuli 

Engad. 

— 

oaz 

— 

foppa 

el 

Ital. 

poggio 

999^ 

mgggio 

fgggia 

gcchio 

Mail. 

poee 

inkcs 

moez 

foeza 

ced 

Prov. 

puei 

uei 

muei 

— 

uei 

Afr. 

puei 

uei 

muei 

— 

uei 

Span. 

poyo 

hoy 

moyo 

hoya 

ojo 

Portg. 

poio 

Jioje 

moio 

fojo 

glho. 

Lat. 

MOLLE 

COLLE 

FOLLE 

COLLU 

POLLICE 

•Rum. 

moale 

— 

foäle 

— 

— 

Friaul. 

muell 

Jcuell 

— 

Meli 

— 

Engad. 

— 

— 

foll 

— 

pollaä 

Ital. 

mglle 

cglle 

fglle 

cgllo 

pgUice 

Mail. 

mgll 

TcqU 

fgll 

Jcgll 

poles 

Prov. 

mgl 

legi 

fgl 

Jcgl 

poise 

Afr. 

moi 

— 

fgl 

col 

poise 

Span. 

mudle 

— 

fuelle 

cuello 

— 

Portg. 

molle 

— 

folle 

cgllo 

— 

Lat. 

GKOSSÜ 

OSSÜ 

FOSSA 

POEKU 

FLOCCU 

Rum. 

gros 

08 

— 

por 

— 

Friaul. 

gruess 

uess 

fuesse 

— 

— 

Engad. 

grcess 

oess 

fossa 

— 

— 

Ital. 

grosso 

gsso 

fgssa 

pgrro 

ß^gcco 

§  184. 


.    Vulgärlateiniscli  O. 


171 


Mail. 

gross 

^ss 

fossa 

— 

— 

Frov. 

gros 

ps 

fossa 

por 

— 

Afr. 

grQS 

QS 

fgsse 

— 

— 

Span. 

grueso 

hueso 

fuesa 

puerro 

lluecco 

Portg. 

grosso 

psso 

fQSsa 

pgrro 

cJigco 

Lat. 

OCTO 

COCTU 

NOCTE 

COXA 

HOSTE 

Rum. 

opt 

copt 

nopte 

copsä 

aste 

Friaul. 

vott 

Tiuett 

Hott 

Jeuesse 

— 

Engad. 

oad 

— 

noatt 

— 

— 

Ital. 

Otto 

CQttO 

ngtte 

cgscia 

gste 

Mail. 

vott 

CQtt 

ngtt 

— 

— 

Prov. 

ueit 

kueit 

nueit 

kueissa 

ost 

Afr. 

ueit 

cueit 

nueit 

cueissa 

ost 

Span. 

§  188 

§  188 

§  188 

— 

hueste 

Portg. 

oito 

coito 

noite 

— 

gste. 

Lat. 

POST 

COSTA 

POSTU 

NOSTRU 

HOSPITE 

Rum. 

poi 

coastä 

post 

nostru 

— 

Friaul. 

pus 

Jcueste 

puest 

riestri 

— 

Engad. 

— 

koste 

pcest 

noss 

— 

Ital. 

poi 

cgsta 

PQStO 

ngstro 

gste 

Mail. 

poi 

coste 

post 

nost 

— 

Prov. 

pos 

Jcgsta 

pgst 

ngstre 

gste 

Afr. 

— 

CQSte 

pQSt 

ngstre 

ost 

Span. 

pues 

cuesta 

puesta 

nuestro 

huesped 

Portg. 

pos 

CQsta 

posto 

ngstro 

hgspede. 

Lat. 

FORTE 

HORTU 

MORTA 

CORDA 

ORÜEU 

Rum. 

foarte 

— 

moarte 

coardä 

orz 

Friaul. 

foart 

— 

muart 

koarcle 

uardi 

Engad. 

fort 

— 

moart 

korda 

— 

Ital. 

f^rte 

prfo 

mgrte 

cgrda 

grzo 

Mail. 

fort 

— 

mort 

— 

— 

Prov. 

fort 

grt 

mQrt 

kgrda 

grdi 

Afr. 

fort 

Qrt 

mgrt 

cgrde 

grge 

Span. 

fuerte 

huerto 

muerte 

cuerda 

— 

Portg. 

forte 

horto 

mgrte 

cgrda 

— 

172 


I.  Kapitel:  Vokalismus. 


§  184. 


Lat. 

CORPUS 

COBVU 

PORCU 

CORNU 

MORSU 

Rum. 

corp 

corh 

porc 

com 

— 

Friaul. 

Jcuarp 

— 

puark 

Tcuarn 

smuars 

Engad. 

korp 

horf 

puerh 

körn 

mors 

Ital. 

corpo 

CQrvo 

pgrco 

cgrno 

mgrso 

Mail. 

corp 

— 

— 

Tiorna 

— 

Prov. 

Jcgrp 

TiQrh 

pgrh 

TiQr 

mgrs 

Afr. 

TiQtp 

cgrb 

pgrc 

com 

mors 

Span. 

cuerpo 

cuervo 

puerco 

cuerno 

mueso 

Portg. 

corpo 

Corvo 

pgrco 

cgrno 

mgssu. 

Lat. 

ORFANU 

OEGANU 

DOMNÜ          SOMNU 

LONGU 

CONCA 

Rum. 

— 

— 

domn        somn 

lung 

— 

Friaul. 

uarfen 

— 

—         somn 

lung 

honk'e 

Engad. 

orfen 

— 

duonna     soen 

lung 

— 

Ital. 

grfano 

grgano 

äonna       sonno 

lungo 

cgnca 

Mail. 

— 

— 

donna       son 

— 

— 

Prov. 

— 

— 

§  369       somme 

long 

— 

Afr. 

— 

grguene 

§  369       somme 

lonc 

— 

Span. 

huerfano 

huergano 

dueno        sueno 

lungo 

cuenca 

Portg. 

orfäo 

orgäo 

dorn          somno 

longo 

concha. 

Besondere  Beachtung  verdienen  die  Wörter  mit  ont,  ond, 
sodann  die  Vertreter  von  hoc.  Schon  fürs  Vulgärlateinische 
scheint  anzusetzen  zu  sein  gnd,  mgnte,  aber  pgnte,  frgnte,  fönte, 
vgl.  span.  monte  neben  puente,  frente,  fuente;  siz.  munti,  ponti, 
fonti,  freilich  frunti,  kalabr.  munte  (und  frunte),  ponte,  alatr. 
pgnte,  mgnte,  friaul.  puint,  mont.  Dem  gegenüber  bietet  das 
Italienische  mgnte,  pgnte,  frgnte,  fgnte,  ferner  ital.  cgntra,  friaul. 
kuintri,  span.  cuentra,  siz.  kontra;  ital.  higgncia,  friaul.  kuints,  ital. 
concio,  friaul.  kuintse:  es  scheint  also,  dafs  o  im  Italienischen 
vor  gedecktem  n  an  Stelle  von  g  tritt.  Anders  bei  ond:  hier 
zeigen  alle  romanischen  Formen  g,  das  sardinische  u: 


Lat. 

ABSCONDIT 

RESPONDET 

TONDET 

FRONDE 

Ital. 

nascgnde 

rispgnde 

tgnde 

frgnde 

Span. 

esconde 

responde 

(tunde) 

fronda 

Sard. 

— 

respundit 

tundit 

frunza 

Siz. 

— 

rispunni 

tunni 

frunda. 

§    184,    185.  Vulgärlateinisch  Q.  173 

Dabei  bleibt  allerdings  friaul.  shuindi,  rispuindi,  fruind  neben 
frond  sehr  merk^\iirclig.  —  Hloc,  eccehoc  erscheinen  im  Italie- 
nischen und  Spanischen  mit  g,  im  Französischen  mit  ue:  ital. 
cid,  perb,  span.  pero  aus  perö  (§  603),  prov.  ago,  aber  afr.  ilvoc 
H.  Lied,  avoec  Rol.  3625,  iloee  3632,  sehr  früh  auch  schon  avec 
Alisc.  5845,  G.  Palerne  9588,  avec  IV  Liv.  208,  porec  Alisc. 
7197,  üeques  S.  Martin  11,  19  u.  s.  w.,  wolil  auch  iluc  IV  Livr. 
947,  S.  Juli.  1008.  Daneben  aber  auch  schon  czo  Eulalia  21,  co 
Jonas  yo  3,  4,  7,  poro  Eulalia  11,  20,  später  fow,  ce.  Die  Formen 
mit  0  im  Französischen  erklären  sich  wohl  aus  der  Tonlosigkeit 
der  Fürwörter,  der  Mangel  des  Diphthongen  im  Italienischen  aus 
der  Oxytonierung,  im  Spanischen  möglicherweise  aus  der  Ton- 
verschiebung.  —  Über  die  ziemlich  zahlreichen  Fälle  von  o  statt 
uo  s.  §  219. 

185.  Für  das  Verbreitungsgebiet  von  uo  und  g  gilt  bis  auf 
einen  gewissen  Grad,  das  §  151  über  ie  und  (^  Bemerkte,  nur 
scheint  uo  enger  umgrenzt  zu  sein,  und  z.  B.  auch  in  S.  Giovanni 
ßotondo  ganz  zu  fehlen,  in  Canosa  di  Puglia:  Jcore,  iome  (liomo), 
fore  (foras),  pots  (posso),  aber  Jctmtsüle,  hüne,  sun  (sornio),  Bitonto : 
puerdg,  luekg  neben  fort,  Jcour;  auch  hier  fehlt  noch  genügendes 
zuverlässiges  Material.  In  Mittelitalien  aber  entspricht  Jcuorpo, 
gruossu,  fuossa^  siionno  u.  s.  w.  und  desgleichen  in  Padita:  tuor 
(togliere),  miiorto,  kuorpo,  grnosso  u.  s.  w.  Im  Tirolischeu  stehen 
lombardisches  (B  (§  213) ,  westrätisches  uo ,  ue  und  einfaches  o 
nebeneinander:  tio  in  Agordino,  Val  di  Zoldo:  füoJc,  üof,  hrüo 
neben  luök,  duöiba,  sodann  uo,  ue  am  linken  Noceufer,  in  Gadera, 
Ampezzo  und  Buchenstein,  oe  am  rechten  Noceufer  u.  s.  w.  Weiter 
östlich  in  Bacchiglione  und  Livenzathal  fehlt  der  Diphthong  gänz- 
lich. —  Ob  im  Südostfranzösischen  cor  ebenso  eine  besondere 
Stelle  einnimmt  wie  mel,  ist  schwer  zu  sagen,  da  tiberall  das 
frz.  coeur  eingedrungen  scheint.  Im  Südwesten  Frankreichs  tritt 
oe,  ue  schon  in  den  ältesten  Urkunden  auf.  —  Wo  endlich  im 
Osten  Portugals  diphthongiert  wird,  wie  in  Miranda,  da  cisohtint 
zum  Teil  die  Form  uo ,  nicht  das  spanische  ue.  Über  das 
Wallonische  s.  §  207. 

Auch  das  Provenzalische  bedarf  noch  genauer  Unter- 
suchung.   Die  alte  Sprache  kennt  im  allgemeinen  den  Diphthongen 


174  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    185^    186. 

nur  bei  folgendem  Palatal  (§  189),  sonst  p,  „o  lare"  nacli  dem 
Ausdruck  der  alten  Grammatiker.  Aber  schon  in  einer  limou- 
sinischen Urkunde  vom  Jahre  1251  findet  sich  auch  uop  Thomas 
I,  2,  175,  und  heute  ist  die  DijDhthongierung  von  freiem  und 
gedecktem  o  weit  verbi-eitet,  z.  B.  Eouergue :  pruoho,  eskuolo, 
ruodo,  uome,  fuol,  muol,  puorlc,  Jcuosta,  uos  u.  s.  w.,  Queyras : 
vuoste,  muort,  Embrun:  vuoste,  muort,  fuorse,  aber  kuäl,  huano, 
Veynes:  vuostre,  Tiuontre,  muort,  respuenso,  endlich  in  der  öst- 
lichen Creuse:  huo  (bosc),  ku^to,  grug,  uo§o,  fuor,  buordo,  muor, 
puorto.  Sodann  ua:  avign.  Jcuar,  muar,  puades,  vuastre,  huan, 
Toulou :  puar ,  nuasto ,  puarto ,  fuasso ,  Toulouse :  Jcuar ,  muar, 
huan,  vuastre,  fuasso,  dauj)h.  puant,  muart,  kuar,  suar.  Femer 
ue  in  Marseille :  kuer,  demuero  (§  220)  fuero,  puedon,  sueno,  vuel, 
hrueko,  Serres:  muert,  suen,  kuenire,  kuel,  Gap:  kuel,  huene, 
kuentre,  muert,  vueste,  Brian^on:  kuesto,  kuerp,  kuel,  kuer,  kuers, 
duer  (deuil),  esfuers,  ueti,  muel,  muerdre,  auch  fuent  und  respuendre. 
Erst  eine  genaue  Darstellung  der  lokalen  Verteilung  von  Q,  uo, 
ua,  ue  wird  die  Frage  nach  dem  Alter  des  Diphthongen  ent- 
scheiden können:  die  Seltenheit  in  alter  Zeit,  das  Schweigen  der 
Grammatiker  könnte  für  verhältnismäfsig  spätes  Auftreten  sprechen. 

a)  Bedingte  Veränderungen  von  g,  uo. 

1.     Einflufs  folgender  Laute. 

186.  An  die  auslautenden  Vokale  ist  uo  geknüpft 
auf  denselben  Gebieten  wie  p:  wo  dort  e  für  i§  eintritt,  da  hier 
0,  aufserdem  im  Portugiesischen,  wo  p  bleibt.  Dem  ie  entspricht 
uö  bezw.  ue,  dem  ie:  üe.  Vgl.  lecc.  huenu,  hueni,  hona,  tone, 
muevi  (muovi)  aber  1.  Sg.  mau  3.  Sg.  moe,  kuecu  (cuoco)  Subst. 
koku  Verb.,  2.  Sg.  kuedi,  3.  kode,  köre  Plur.  kueri,  soru  (soror), 
omu  aber  demmaro  (glomer),  muedu  (modus)  und  ferner  mit  e  aus 
ue  (§  205)  neu  (novu),  nei  neben  nova,  §eku  (giuoco)  Subst.  neben 
soku  2.  Sg.  seki  3.  Sg.  soka  u.  s.  w.  Calabr. :  hiionu,  yüoku, 
nüovu,  füoku,  müoru,  süoru,  küorpu,  püortu  neben  bonu,  more, 
rota,  köre,  sola,  porta,  forte,  ponto  u.  s.  w.  Alatri :  sod§r§,  sgdera, 
hon§,  son§,  fgke,  nov§,  hgna,  sgna,  mgla,  vgvi  (boves),  Sg.  vgv^, 
ggk§,  ggki,  ggka,  kgrp§,  gkyi,  pgnti,  tgst§  neben  pgnt§,  tgsta  u.  s.  w.  — 
Obwald. :   hien   neben  huna   und  huns,    lantsiel,    nief,   pievel,    k'ir 


§    186 — 189.  Q  beeinflufst  durch  die  Auslautvokale.  175 

(corium),  lieug,  lolcs,  fieitlc,  rieng,  aber  nof  (novem),  k'iern,  Jcorns, 
yerfen,  orfna,  miert,  kierp,  korjiS.  Hier  erscheint  der  Diphthong 
aber  auch  vor  i  und  u  aus  i:  dierma  (*dormiat),  glierzia  (gJoria), 
plieväa  (pl(^ia)j  felya  (folia),  velya  (ital.  voglia),  baseyls;  veult 
(volet)  aus  vieiilt  u.  s.  w.  —  Endlich  im  Portugiesischen  pgrco 
neben  porca,  ovo,  gvos,  porto,  portas,  pQtia,  aber  Subst.  porto'^ 
ebenso:  novo,  ngva,  corpo ,  horto,  aber  -ador,  Jigmem,  ferner  vor 
i  stets  q:  Suff.  -oi.  Dann  aber  o  vor  i:  como,  coma,  comas, 
coma  aus  comefdjo,  comefdja  u.  s.  w. ;  torgo ,  torga  u.  s.  w. 
Über  die  Ausnahmen  s.  die  Flexions-  und  Wortbildungslehre. 

187.  Besondere  Beachtung  verdient  Campobasso.  Auch 
hier  erscheint  uö  vor  i,  u,  vor  a,  e,  o  aber  g:  sora,  yom§,  niov§, 
Jcgr^,  vgv§,  dagegen  vor  mehrfacher  Konsonanz  und  in  drittletzter 
Silbe  p:  SQr§ma,  mgv§ne,  soÖ^ra,  stgmeke,  ygtt^  (odo),  ngtte  u.  s.  w. 
Das  erklärt  sich  nur  so,  dafs  unter  denselben  Bedingungen  wie 
im  Italienischen  ?io  eintrat,  welches  iio  vor  a,  e,  o  zu  o  wurde, 
vor  u,  i  blieb.  —  Unklar  ist  Teramo :  vov§,  dom§,  yo1c§  Plur. 
vuv§,  yulcf,  aber  voss§,  1cuord§,  uott§. 

188.  Vor  Palatalen:  ch,  j,  y  fehlt  im  Spanischen  der 
Diphthong:  ocho,  noche,  corcho,  iorcha,  ojo,  coja,  moje,  hoja, 
despoja,  lioi,  poyo,  joyo,  moyo,  auch  novio  kann  sich  so  erklären. 
Entsprechend  §  156  ist  auch  hier  noite,  noche  anzusetzen,  und 
dazu  stimmt  das  h  in  hoja,  vgl.  §  408;  *nueite,  nueche  wäre  ge- 
blieben, vgl.  buey.  Im  Portugiesischen  entspricht  o:  ngite,  hoje 
u.  s.  w.  In  Miranda  wird  aus  oi  weiter  ui:  nuite,  uito,  hui  auch 
suno  wie  portg.  sgnho,  aber  oise,  lonze,  fgyas.  Aus  ui  ist  wie 
aus  anderen  gi,  ui  (§  67)  im  Asturischen  ue  geworden:  gueöo, 
fueda,  tueyer  (tollere),  guey,  duecJio  Berceo  Mil.  149  u.  s.  w. 

189.  Im  Französisch-Provenzalischen  bricht  i  ein 
vorhergehendes  g,  dort  wird  der  vorauszusetzende  Triphthong  üei 
zu  üi  entsprechend  dem  *  aus  iei,  vgl.  hui  in  tt- Assonanzen  Karls 
Reise  670,  woneben  oitante  99  die  regelmäfsige  Entwicklung  in 
tönloser  Silbe  darstellt.  Zu  üi  stimmt  die  ausnahmslose  Schreib- 
weise der  Handschrift:  ui,  u.  So  noch  nfr.  huit,  nuit,  nuire, 
cuisse,  vuide,  woraus  vide  §  62  puits  u.  s.  w.  Ebenso  sind  für 
das  ganze  provenzalische  Sprachgebiet  Grundformen  anzunehmen 
wie :   nüeit,   üeit,  küeisse,  müei,  füeil  u.  s.  w. ,    die  zum  Teil  sich 


176  I-  Kapitel:  Vokalismus.  8    189     190. 


bis  heute  erhalten  haben,  zum  Teil  aber  umgestaltet  worden  sind 
§  193.  —  Dann  ferner  grednerisch:  nüet,  tief,  Jciiesa,  fiieia, 
uedl,  während  vor  gedecktem  l^  r,  s  das  p  bleibt. 

190.  Das  Urfranzösische  oi  oder  uei  zeigt  nun  ebenfalls 
neben  der  Entwicklung  zu  ui,  die  vom  Zentrum  her  auch  nach 
Metz  gedrungen  ist,  in  den  Mundarten  noch  andere  Reflexe.  — 
Anjou,  Poitou,  Bretagne  und  die  südliche  Norm  an  die 
haben  als  Endresultat  teils  §,  teils  ce,  die  ältesten  Texte  zeigen 
oi,  so  die  Urkunden  aus  der  Bretagne  oit,  Rohan  1288,  S.  Auban 
1283  u.  s.  w. ;  dann  ouiet  Fougeres  1248,  oet  Nantes  1298, 
oeid  Bouquen  1298,  Rohan  1318,  peise  Rohan  1309.  Aus  Anjou 
ist  nur  oi  belegt,  aus  Maine  oi,  oe ,  ouei.  Daneben  findet  sich 
überall  üi,  das  als  schriftfranzösische  Form  nicht  in  Betracht 
kommt.  Das  völlige  Überwiegen  der  Schreibung  oi,  und  der 
Reflex  von  ocu,  das  nur  ou,  später  eu ,  nie  ieu  giebt,  schliefsen 
die  Annahme,  dafs  üei  zu  Grunde  liege,  aus.  Man  kann  nur 
schwanken  zwischen  uoi  und  einfachem  oi,  also  Mangel  der 
Diphthongierung.  Eine  Entscheidung  ist  kaum  möglich,  uoi 
müfste  früh  zu  oi  reduziert  worden  sein  ;  öi  wurde  dann  weiter 
über  6e  zu  os  im  südlichen  Teile  des  Gebietes,  über  oe  zu  ^  im 
nördlichen.  Eine  Stufe  oei  ist  durch  das  poitev.  (B  völlig  aus- 
geschlossen und  wird  für  die  Bretagne  durch  die  Schreibungen 
nicht  wahrscheinlich;  oei  tritt  erst  verhältnismäfsig  spät  auf  und 
beweist  nur,  dafs  der  zweite  Teil  des  Diphthongen  identisch  war 
mit  dem  durch  ei  dargestellten  §.  Wir  kommen  also  auch  hier 
nur  auf  eine  Stufe  oi,  nicht  ue  oder  gar  üei,  und  da  gänzlicher 
Mangel  des  Diphthongen  nicht  wahrscheinlich  ist,  so  bleibt  die 
Annahme,  dafs  ein  altes  uoi  schon  in  vorlitterarischer  Zeit  zu  oi 
reduziert  worden  sei,  vgl.   §  158. 

In  der  nördlichen  und  westlichen  Normandie, 
dem  Gebiete  von  le,  ie  aus  §i  entsteht  aus  p  +  i  zunächst  üei, 
woraus  teils  über  ücei:  yce,  teils  über  zei:  i,  oder  ie,  wodurch 
die  Reflexe  von  ^  +  *  und  p  +  i  völlig  zusammenfallen.  So 
finden  wir  im  Roman  d.  M.  S.  Michel  Reime,  wie:  milie:  Ue  3519, 
ebenso  ennuei:  lei  Kath.  P.  1154,  bei  Etienne  de  Fougeres  peis, 
pleie,  meire,  auch :  me,  mere,  tree.  Vgl.  dazu  Lahague :  niei  =  frz. 
nuit  und  Smiei  =  enmi,  pieise  =  puisse  und  pieis  =  pis.  Dafs 
das  iei  aus  älterem  üei  reduziert  ist,  ergiebt  sich  aus  lire=  luire, 


§   190 — 192.  O  vor  Palatalen  in  Frankreich.  177 

pi  =  puHs,  pU  =  pluie.  Daneben  stehen  füeil  (folia)  und 
nüere  (nocere),  deren  letzteres  sich  wolil  erklärt  wie  liiere  (legere) 
§  159,  während  das  erstere  die  Erhaltung  des  ü  dem  voran- 
gehenden Labial  vei'dankt. 

Die  Behandlung  von  p  -}-  i  im  Normannischen  ist  in 
den  zu   §   159  genannten  Arbeiten  ebenfalls   besprochen. 

191.  Für  den  Osten  ist  wohl  zunächst  QJ  anzunehmen, 
woraus  nun  o,  vi,  ud,  oe  entstehen.  Eigentümlich  sind  wallonisch 
Mr,  liüt,  püs,  vü  (Frz.  vide)  neben  vi  (hodie),  JcoK  (coxa),  foy,  moy, 
apoie:  desploie  schon  Watriquet  XII,  30  u.  s.  w. :  also  im  Hiatus 
bleibt  p,  alte  Oxytonierung  treibt  es  zu  o,  u,  vor  Konsonanten 
verschmelzen  o  und  i  zu  ü,  vgl.  dazu  §  128.  Mit  einer  Grundform 
uei  oder  üei  würde  man  hier  kaum  durchkommen,  eher  mit  uoi, 
doch  liegt  andererseits  kein  zwingender  Grund  vor,  von  oi  ab- 
zuweichen. Scheinbar  Übereinstimmung  mit  dem  Wallonischen 
zeigt  das  Metzische  mit  üty  Jcür ,  vüd  u.  s.  w. ,  aber  auch  ozdü, 
dann  koeJi,  koes  aus  coxa,  dem  sich  ceK,  ces  aus  ^ustium  (§  147) 
anschliefst.  Das  Cß  dieser  letzteren  Formen  ist  gemäfs  §  63 
aus  älterem  ü  entstanden,  das  ü  selbst  aber  erklärt  sich  aus 
zentralfranzösischem  Einflüsse,  s.  §  190.  Sonst  ist  in  Lothringen 
und  zum  Teil  in  der  Franche-Comte  cß  der  Reflex  von  Q  -\-  i: 
lothr.  noß,  cet,  kcer ,  voß  u.  s.  w.,  auch  in  älterer  Form  vcei,  poej, 
und  mit  merkwürdiger  Umstellung  kyce  aus  *kceij  oder  aber  mit 
Aufgabe  der  Lippenartikulation  e:  re,  ker,  ved  bezw.  k^i  u.  s.  w. 
Wie  sich  endlich  zu  oi  das  vi  in  Auve  verhält:  pui,  anui,  hrui, 
lui,  mlnui,  kvis  und  vs  (iistium),  ist  nicht  völlig  klar. 

192.  Im  Südostfranzösischen  ist  als  Grundlage  vei 
anzunehmen,  dessen  e  sich  entwickelt  wie  altes  ei  (§  76,  S.  95), 
dieses  uei  aber  wird  aus  pi  durch  Brechung  entstanden  sein: 
dafs  es  einst  üei  gelautet  habe,  ist  nicht  anzunehmen.  Am  deut- 
lichsten zeigt  sich  die  Entwicklung  in  den  Reflexen  von  fran- 
zösisch cuire,  cuit,  puis,  so  Vionnaz  koair§,  koai,  poai  (puis)^ 
bagn.  koeyre,  poei,  waat.  kuaire  bezw.  kuäre,  ku§re,  kuere,  vua, 
w§  aus  oäo,  pvai  =  puis  u.  s.  w. ,  freib.  kuQ  (cuir),  vuQ  (hui) 
u.  s.  w.  Auch  Jujur.  koa,  poai,  koaiSe,  ua  wird  hieher  gehören. 
Unklar  ist  die  Behandlung  von  node,  Vionnaz  n^,  bagn.  n%  aus 
ni  (§  40),  waat.,  freib.,  juj.  n^,  ferner  Vionnaz  küsse,  bagn.  kuäe 
aus  coxa,  auch  octo  scheint  nicht  immer  regelmäfsig  zu  sein. 

Meyer,  Graramatik.  12 


178  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    193^    194. 

193.  Wie  einfaches  p,  so  erscheint  auch  p  mit  folgendem  Palatal 
im  Provenzali sehen  in  den  verschiedensten  Gestalten,  die  sich 
aber  fast  alle  auf  üei  zurückführen  lassen^  nur  nue,  pue,  Tiuer§  in 
Gilhoc  will  nicht  passen.  Sonst  aber  findet  sich  üe  in  Urkunden 
aus  Montpellier  bis  gegen  die  Mitte  des  XIV.  Jahrhunderts,  imd 
heute  in  rouerg. :  kücr,  üel,  Jcüe,  üei  u.  s.  w.,  in  marseill.  müe,  küe, 
püe,  nüe,  briancj.  adüeö,  Iciled,  küer,  Jcüiso,  füeil,  carpentr.  nüe^  liüe, 
bord.  püei,  nontr.  üe.  Teuer,  üei,  Jcüei§o  u.  s.  w.  Seit  der  Mitte 
des  XIV.  Jahrhunderts  tritt  in  den  Urkunden  aus  Montpellier  üo 
auf:  es  scheint  also,  als  ob  das  labiale  Element  in  ü  sich  das  e 
angeglichen  habe,  und  daher  wird  auch  io  in  Langued.  miody 
pioö,  nio§,  in  Gignac:  pioi,  nios,  yoh  (longe)  nicht  auf  ein  altes 
üoi  zurückgehen,  sondern  aus  üei  über  üoi  entstanden  sein.  Oder 
aber  üei  wird  zu  oei,  was  sich  in  der  östlichen  Creuse  erhalten 
hat,  sonst  zu  ei  geworden  ist :  westliche  Creuse,  Toulouse,  Ariege, 
Herault,  Narbonne,  Bigourd^  Armagnac,  Medoc,  Hautlimous.  Öi, 
das  auch  Haut-Auvergne  kennt,  wird  zu  ce  Bas-Auvergne,  Drome, 
und  so  ei  zu  e  Hautlimousin ,  Cahors,  Albi.  Vereinzelt  steht  ie 
in  Colognac:  nie§,  ies,  fiel,  mieS  wohl  aus  üei,  üe,  wie  das  io  aus 
üo.  Es  fallen  also  auf  einem  grofsen  Teile  des  provenzalischen 
Sprachgebietes  die  Reflexe  von  §  -{-  i  und  {>  -{-  i  zusammen.  — 
Auf  oei  endlich  gehen  zurück  das  Bearnische  und  das  Kata- 
lanische :  vgl.  bearn.  noeit,  moi,  ocit,  ]coe§e,  oey,  oerdi  u.  s.  w. 
Im  Katalanischen  wird  pi  (direkt  oder  über  oei)  zu  oi,  ui,  vgl. 
auch  in  Alghero :  ul,  vul,  pruza,  huit,  muir,  vuy,  nuit,  woraus 
Barcell.  nit.  Noch  ist  zu  erwähnen ,  dafs  nicht  nur  *morio  und 
dormio  meist  die  Reflexe  von  p  +  *  zeigen,  wie  die  Formen- 
lehre darthun  wird,  sondern  fast  überall  auch  porcus:  püerh  und 
longe:  lüen. 

194.  Auch  im  Rät i sehen  zeigt  oi  zum  Teil  eine  besondere 
Behandlung,  vgl.  obw.  Je  er,  ved,  el,  fei,  fela,  delas  oder  Mr,  vid,  il, 
fit,  fila,  dila.  Auch  hesiri,  hesen  und  mentsena  sind  noch  zu  nennen. 
Beachtenswert  sind  ferner  Jcuaissa  aus  coxa  neben  pleivia.  In  allen 
Fällen  ist  der  Diphthong  durch  das  i  hervorgerufen,  es  fragt  sich 
nur,  ob  uei,  wie  es  in  Jcuaissa  vorliegt,  oder  üei  die  Vorstufe  von 
e  sei.  Für  üei  könnte  fül,  ül  u.  s.  w.  in  Stalla  sprechen :  da 
sich    aber   Stalla    in    seinem  Vokalismus    auch    sonst   zum    Enga- 


§   194 — 196.    9  '^'or  Palataleu  im  Provenzalischen  und  Rätischen.       179 

dinischen  gesellt,    wo   Q    vor  Palatalen    wie  sonst  zn  oe  wird,    so 

wird    man    ihm    keine    starke   Beweiskraft    zumuten.      Legt    man 

üei,  iei  zu  Grunde,  wie  üe  ^  ie,    so  bleibt  auffällig,  dafs  nicht  i 

das  Resultat  der  Zusammenziehung  ist,   es  erscheint  aber  i  gerade 

im  östlichen  Teile  des    obwaldischen  Gebietes,    wo    ()   Überhaupt 

bleibt.     Dieser    letztere    Umstand    beweist,     dafs    zwischen    der 

Diphthongierung    des    o    vor   u    (§   199)    und    der    vor  Palatalen 

kein    direkter    Zusammenhang    besteht,    dafs    vielmehr    die    eine 

Erscheinung  von  der  anderen  unabhängig  ist.    Legea  wir  hueissa, 

fucla  zu  Grunde,  so  erklärt  sich  die  Erhaltung  des  M  im  ersteren 

Falle  aus  dem   gutturalen  Konsonanten,  in  allen  anderen  Fällen 

ist  ue  weiter  zu    e    reduziert,    und    dieses    zu    i    erhöht   worden. 

Bestätigt  wird  diese  Auffassung  dadurch,    dafs  butella  über  hu-ela 

zu   })ela,  hila  wird :  hier  hat  nie  ü  gestanden. 

Vgl.  Ascoli,  Arch.  Glott.  I,  29,  wo  übrigens  zwischen 
uei  und  ei  eine  Mittelstufe  iei  angesetzt  wird. 

Keine  Brechung    erscheint    in    oöi    noö,    ots:    das    palatale 

Element  ist  hier  stärker  mit  dem  Konsonanten  verbunden  als  in 

den  anderen  Fällen. 

195.  Wie  schon  aus  den  Beispielen  der  vorhergehenden 
Paragraphen  ersichtlich  ist,  verhält  sich  das  p  den  verschie- 
denen palatalen  Lauten  gegenüber  nicht  gleichmäfsig.  So  bleibt 
es  im  Französischen  unversehrt  vor  f,  vgl.  oeil,  yeux  (§  196), 
feuille  u.  s.  w.,  und  vor  n:  loing,  tesoing.  Die  meisten  anderen 
Sprachen  dagegen  lassen  f,  ri  ebenso  wirken,  wie  it  u.  s.  w.  Es 
ist  nun  noch  nachzutragen,  dafs  auch  manche  nordfranzösischen 
Mundarten  hier  sich  von  der  Schriftsprache  entfernen.  So  schreibt 
z.  B.  der  anglonormannische  Übersetzer  der  Bücher  der  Könige 
duil,  duille,  suil,  fuille,  orguilz,  hesuins ,  luinz.  Wie  dieses  ui  zu 
lesen  sei,  ob  als  üi  oder  o/,  mag  strittig  bleiben,  keinesfalls  aber 
kann  es  dem  ue  des  Zentrums  entsprechen.  Die  heutigen  nor- 
mannischen Mundarten  stimmen,  wie  zu  erwarten  stand,  damit 
überein,  vgl.  bess.  fycele,  so  Gueraesey  fyet,  yel  =  oeil. 

196.  p  vor  Velaren.  In  Frankreich  und  im  westlichen 
Rätien  entstehen  durch  die  Verbindung  des  freien  p  mit  einem 
aus  Ij  V  oder  der  lateinischen  Flexionsendung  entstandenen  u 
neue  Verbindungen,  deren  Schicksale  sehr  wichtig  sind.    Zunächst 

12* 


180  I-  Kapitel:  Vokalismiis.  §    196,    197. 

im  Nordfranzösischen  wird  ueu  über  üeu  zu  ieu:  yenx, 
pieuvre,  Ueu,  afr.  vieut  aus  *volet,  dieut,  sietd,  qmeut,  vgl.  noch 
heute  vyoe  in  Montjean.  Wenn  daneben  focus,  jocus  als  feu,  jeu 
erscheinen,  so  hat  möglichei-weise  der  labiale  Konsonant  im  einen, 
der  palatale  im  anderen  die  Entwicklung  zu  ü,  i,  i  verhindert. 
Weit  weniger  einfach  liegen  die  Verhältnisse  in  den  verschiedenen 
Mundarten.  Wo  iu  aus  ieu  erscheint  (§  38),  da  verwandelt  sich 
auch  Ueu  zu  Uu.  Es  ist  aber  diese  Reduktion  nicht  nur  pikar- 
disch,  vgl.  fu:  vertu  S.  Jul.  595,  Uu:  DamJediu  640,  sondern 
auch  anglonormannisch :  Uu,  fu,  ju  in  den  Büchern  der  Könige, 
Uu  in  Brandan.  Im  Normannischen  findet  sich  neben  Ieu  auch 
Uie,  dieses  wohl  aus  Ueu  mit  einer  Art  Umstellung  der  Laute  lüei, 
wodurch  man  die  beliebte  Verbindung  üei  bekam,  s.  §  190. 
Keinen  Schlufs  auf  die  Aussprache  gestattet  lue:  prue  Kath.  Poit. 
2191.  Es  ist  nun  *üeu  auch  anders  umgestaltet  worden  zu  iou. 
In  normannischen  Handschriften,  bei  Estienne  de  Fougeres,  im 
Leben  des  h.  Martin  von  Tours  u.  a.  finden  sich  veolt,  deolt, 
seolt:  da  dieselben  Texte  auch  meolz,  meoz,  mioz,  mieuz  aus 
meUus  bieten,  so  ergiebt  sich  als  gemeinsame  Grundform  wieder 
ieu.  Dieses  iou,  eou  wird  weiter  zu  eau  in  den  poitevinischen 
Predigten :  deaus,  veaut,  und  aus  letzterem  heute  va.  Dafs  auch  das  ieu 
in  locus  diesen  Wandel  mit  macht,  zeigt  leouc  Deux  Sevres  1312; 
ferner  wird  in  Viane  Tjuef  zu  hueu  und  daraus  heou  und  so  neo 
neben  heof,  neof.  Die  Reduktion  von  ieu  zu  eu  ist  normannisch, 
vgl.  Benoit  dols:  clieveus  Chron.  11,  953,  2769:  eus  19706;  geus: 
ceus  22838.  —  Auch  der  Norden  kennt  eine  ähnliche  Entwick- 
lung, aber  nur  für  ol :  dioit,  miourre  in  Tournay.  In  der  Cham- 
pagne begegnet  iau:  viaut,  diaut  u.  s.  w.,  so  dafs  also  auch  hier 
das  Resultat  dasselbe  ist,  wie  das  von  §1  §  163,  aber  wieder 
nur  bei  oi ,  nicht  bei  QU.  —  0  mit  gedecktem  l  wird  dagegen 
einfach  zu  QU,  woraus  später  m,  u:  pouce,  moudre,  coudre, 
fou  u.  s.  w. 

197.  Für  das  Pro venzalische  kommen  -ocu  und  -ovu  in 
Betracht,  zu  letzterem  gesellt  sich  hove ,  nicht  aber  nove.  Ab- 
gesehen vom  Bearnischen  und  Katalanischen  liegt  überall  üoc, 
üou  zu  Grunde,  so  in  Daurel  und  heute  rouerg.  füoJc,  lüoJc; 
hüou,  nüou,    üou  aber  nou,    montp.   üou,  hüou,    und    daraus    üe 


§197—200.  O  vor  Velaren.  181 

seit  dem  XIV.  Jalirhundert,  mars.  füe,  lue,  güe  (und  danach 
lüego  =  locat,  güego),  sücgro,  briaiiij.  füeh'^  oder  aber  io:  Hoc 
Montpellier  1584  und  heute  in  Colognac  fiolc,  ^ok,  Hole,  in  Gilhoc 
hioittf  langued.  fiok,  Hole,  hioii,  albi.  6iow,  iou,  Rhonemündung: 
fio,  Ho,  iou,  hiou  (nou),  Carpentras :  Ho,  fio,  Nontron :  fio,  Ho,  gio, 
niou ,  hiou  (iwii) ,  und  so  bei  den  Waidensem  in  Burset:  ftol; 
h'oJi,  hhi,  niü  (notO.  Im  Westen  aber  wird  auch  dieses  üe  zu  ü 
oder  0?,  e  (vgl.  §  193)  Landes  Maritimes  hüJc,  üu  wie  hüTo,  nüit, 
medoc.  ieu,  hautlim.  fe,  le.  Das  Bearnische  dagegen  gelangt 
über  HO  zu  ue,  oe:  lioe,  soq,  sopre,  hoeu,  oeu  (den  Reflex  von  novus 
s.  §  200).  Das  Katalanische  weist  keine  Spur  des  Diphthongen 
auf:  folc,  lok,  nou,  hou. 

198.  Im  Südostfranzösischen  ist  von  fuek,  hiek,  §uek 
auszugehen,  das  sich  nun  ganz  parallel  mit  ie  aus  -iatu,  -iacu  ent- 
wickelt, also  bagn.  lud,  Vionnaz,  Ormont  loa,  waat.,  freib.,  neuenb. 
gü,  fü  neben  neuenb.  gue,  fue,  Vallee  dzoe,  foe,  Jujurieux  fod, 
Fourgs  lü,  gü  u.  s.  w.  —  Mit  gedecktem  i  wird  o  zu  ou,  das 
dann  mit  ou  aus  o  (§  122)  zusammenfällt,  vgl.  waat.  mädre, 
pädzo  bezw.  mcedre,  pa'dzo,  maudre,  paudzo  u.  s.  w. 

199.  Im  Rätischen  zeigt  wieder  nur  der  äufserste  Westen, 
das  «e-Gebiet,  für  focus,  locus,  jocus  eine  besondere  Behandlung. 
Im  allgemeinen  scheint  das  Ergebnis  dasselbe  zu  sein  wie  das 
von  iu,  üu  (§  38  und  60)  fiuk,  feuk,  fiek,  ßa,  /l  je  nach  der 
Gegend,  so  dafs  also  wohl  von  füeuk,  fieuk  auszugehen  ist.  Xur 
Stalla  weicht  ab,  sofern  es  wie  bei  p  +  i  (§  194)  ü  eintreten 
läfst:  fük.  Vor  i  erscheint  obw.  eu,  eng.  (c  auch  bei  auslautend 
a,  0,  vgl.  obw.  sieuida,  mieuisa,  avieuis,  ferner  vicuU,  mieuit:  es 
hat  also  das  i  das  vorhergehende  p  gebrochen.  Denkbar  ist 
direkter  Übergang  von  pw  zu  eu  (vgl.  §  121),  doch  legt  ieu, 
woneben  auch  iau,  iu  vorkommt,  die  Zwischenstufen  üeu,  ieu  näher. 
Nur  würde  sich  fragen,  ob  nicht  ursprünglich  ^Itu  gemäfs  §  186 
regelrecht  zu  ieit,  ieuit,  -glta  dagegen  zu  evita  geworden,  dann 
die  Formen  zum  Teil  vertauscht  worden  seien :  genaue  Nach- 
forschung an  Ort  und  Stelle  können  erst  die  Frage  lösen. 

200.  p  vor  Labialen  zeigt  im  Gaskognischen  eine  be- 
sondere Behandlung,  es  wird  zu  a:  vgl.  b^arn.  plahe  ("^plgvere), 
probe,  esprabe,  nava  und  danach  nau  (novus),  nau  (novem),  präbd 


182  I.  Kapitel:  Vokälismus.  §   200—204. 

(provare).  So  wird  ovicla  über  avele  zu  auele,  aule.  Auch  nahe 
Messer  wird  hierher  gehören  und  als  ein  aus  növacula  gewonnenes 
"^nova  zu  betrachten  sein. 

201.  Vor  m  scheint  die  Diphthongierung  zu  unterbleiben 
im  Spanischen :  doma  (aber  duendo) ,  estomago ,  hromo ,  romo, 
como,  come,  hombre,  doch  ist  nur  das  letzte  Beispiel  ganz  sicher, 
da  die  ersten  gelehrt  sein  können ,  como  sich  neben  dem  alten 
cueme  als  tonlose  Form  erklären  liefse  und  come  aus  cömedit, 
comie  vielleicht  zu  §  188  gehört.  Dialektisch  erscheint  auch  hier 
ue:  uemne  Filib.  61^  12.  Coma  erscheint  nicht  nur  im  Itai. 
cMoma,  wo  io  für  iuo  berechtigt  wäre  (§  206),  sondern  auch  in 
ganz  Stidostfrankreich  als  Tcoma,  stets  ohne  Diphthong,  im  Portg. 
cgma;  der  Mangel  eines  zweiten  Beispiels  der  Lautfolge  -Qma 
macht  eine  Entscheidung ,  wie  der  Mangel  des  Diphthongen  zu 
erklären  sei,   unmöglich. 

202.  Vor  Xasalen  wird  p  auf  weitem  Gebiete  zu  o  und 
wie  dieses  behandelt  s.  §  132  ff.  Nachzutragen  ist  etwa  noch, 
dafs  im  Friaulischen  -on  zunächst  korrekt  zu  -uen,  dann  aber 
weiter  zu  -uin  wird,  vgl.  huine,  muini,  und  die  Beispiele  für 
p  vor  gedecktem  n  §  184.  —  Auch  das  Asturische  mit  hono, 
sodann  fönte,  ponte  tiennt  sich  so  vom  Spanischen  und  tritt  zum 
Rätisch-Eumänischen. 

203.  Im  Italienischen  unterbleibt  der  Diphthong  in  dritt- 
letzter Silbe:  cofano ,  popolo,  limgsina,  cgsimo,  rimprovera, 
stgmaco,  mgnaco,  mgdano,  togliere,  vomito  u.  s.  w. ,  aber  venez. 
puovoh,  tuor.  * 

Suora     nuora     ziehen     suocera     und     dieses     suocero 
nach  sich. 
Auch  Kristdfu,   pdpul,    Tcdfu    in    S.    Fratello    wii-d    sich    so 
erklären. 

204.  Die  Oxytonierung  beeinflufst  p  im  Italienischen: 
wiö,  perö,  cio,  pgi  (aber  j)erug.  puoi)^  woneben  pub  durch  puoi, 
puote  gehalten  sein  kann.  Im  Engadinischen  dürfte  po  aus 
potfetj  ähnlich  zu  deuten  sein.  Sodann  natürlich  im  Romagno- 
lischen :  6p ,   und  in   S.  Fratello :  ha ,  daher  auch  pa,  va. 


§   205—207.       9  beeinflufst  durch  vorhergehende  Laute.  183 

2.     Einflufs    vo  rh ergehend  er  Laute. 

205.  In  Lecce  halten  Labialen  und  Gutturalen  das 
ue,  während  es  sonst  zu  e  reduziert  wird:  kueri ,  Jciteru,  muei 
(muovij,  huenu,  Jcnedi,  kuelcu,  puei,  muedu ,  aber  ueli  (vuoli),  deli, 
reu^  trenu,  ^eki  (giuoclnj.  Beachtenswert  ist  hncu  =  jufvjevcus.  — 
Ferner  Avird  eolus  zu  nlu:  lattarulu,  petsulu,  pifiulu  u.  s.  w. : 
auszugehen  ist  von  yüo,  wo  das  y  die  sonst  eintretende  Weiter- 
entwicklung zu  MC,  tie  hinderte. 

206.  Im  Ital.  wird  iuo  zu  uo:  ghiomo  (glgmus)  ^  piove, 
ghiova  (glöbns),  viola  neben  vivuola,  chioma,  woneben  piuolo, 
vahwlo  aus  *pio ,  vaio  4-  Suffix  -uolo  nicht  auffällig  sind.  — 
Ebenso  wird  uo  zu  o  reduziert  nach  Kons.  +  r:  grogo,  prova 
(aber  venez.  pruova). 

207.  Während  gedecktes  p  im  Italienischen,  Provenzalischen 
und  Schriftfranzösischen  als  p  bleibt,  wird  es  namentlich  vor  S  im 
ganzen  Osten  und  zutn  Teil  im  Weste nFi-ankreichs  z.  B.  Montjean, 
S.  Aigneau,  Deux  Sevres  (wo  utre  zu  beachten  ist),  wie  auch  p 
aus  auj  zu  m,  das  im  XVI.  Jahrhundert  sogar  in  die  Pariser 
Sprache  dringt;  vgl.  parole:  saole  Viol.  159,  G.  Palerne  979. 
Ronsard  reimt  chonse:  esponse,  H.  Estienne  tadelt  chouse  bei  den 
„courtisans",  Tabourot  desgleichen  chouse,  grous,  repous;  der 
Sieg  von  o  in  diesen  Wörtern  zieht  dann  aroser  statt  arouser 
nach  sich.  Dagegen  läfst  agenoille:  moüle  G,  de  Pal.  7209, 
Cliges  4294  auch  andere  Deutung  zu:  es  kann  das  p  aus  den 
endungsbetonten  Formen  verschleppt  sein,  reproche:  hoche  Cliges 
1002,  aproche:  hoche  Ivain  881  u.  s.  w.  sind  wohl  ebenfalls  so 
erklärlich,  vgl.  daneben  aproece  Chev.  II  ep.  10320,  reprucce  Camh. 
Ps.  1305,  Marie  de  France  Lanv.  166,  die  ihren  Diphthong  wohl 
prucf  verdanken.  Noch  heute  gelten  rouche,  aprouche  im  Pariser 
Dialekt,  wie  sie  auch  in  Pariser  Urkunden  häufig  sind,  vgl. 
noch  reprouche:  touche  Th^atre  Francj.  III,  138,  houche:  descouche 
III,  73,  tost:  aoust  II,  10.  Dann  also  in  östlichen  Denkmälern 
wie  Ysopet,  Girard  de  Rousillon,  Ph.  von  Vign.,  doch  reproiche 
Ys.  Gir.,  das  wohl  nur  als  umgekehrte  Schreibung  für  o  zu  be- 
trachten ist.  —  Im  Wallonischen  dagegen  scheint  gerade  vor  s, 
sowie  vor  gedecktem  l  und  vor  doppelten  Verschlufslauten  p  zu 
bleiben ,    während    sonst  ue  eintritt :   grgs,    »wp?,  jt)ps  (pouce),    Mok 


MOETE 

MOLEBE 

mä 

mädre 

muä 

muädre 

muä 

muädre 

muä 

muädre 

184  I.  Kapitel:  Vokalismus.  §   207 211, 

aber  fuer,  fue's  (forcej,  muer,  mnet,  pitet,  Jenen  (cornc),   Icue's  fcöte), 
mütue  (*muUu,  tostn)  u.  s.  w. 

208.  p  vor  gedecktem  r  wird  im  Südost  französischen 
teils  zii  0,  teils  zu  tia,  uä,  uä,  oa  u.  s.  w.,  ersteres  in  einem  Teile 
von  Waat  und  Freiburg.  Verstummt  das  r,  so  wird  or  zum  Teil 
zu  d,  ebenso  zuweilen  ua.  Es  ist  wolil  auf  dem  ganzen  Gebiete 
Ti^rda  zu  Jcörda,  Tcorda,  dann  kourda,  Tcoarda  u.  s.  w.  geworden. 
Wallis  aber  bleibt  einfach  bei  o.     Wir  haben  also 

Lat.  COEDA  COENA 

La  Cote       horda  Jcorna 

Vallee  Jcuärda         Jcuärna 

Lavaux        kuärda         Jcuärna 

Blonay  Jcuärda  Jcuärno 
u.  s.  w.  Ebenso  weiter  nördlich  in  Fourgs:  xmato ,  huane,  mua 
u.  s.  w.  —  Auch  das  Friaulische  läfst  ua  statt  ue  eintreten: 
fuart,  muardi ,  Jcuarr,  uorr,  duar  u.  s.  w.  —  Einen  konser- 
vierenden Einflufs  übt  ^ ,  r  in  den  §  207  genannten  Gegenden, 
sofern  hier  Q  bleibt,  nicht  zu  u  wird. 

209.  p  vor  gedecktem  s.  Auch  hier  verlangt  der  Osten 
Frankreichs  und  noch  Val  Soana  p.  Vion.  Jcuta,  gru,  grusa, 
ebenso  Waat,  Freib.,  Neuenb. ,  Lyon.  Desgleichen  Jeu ,  fu  aus 
Jcols,  fölSj  aber  moadre,  poase  aus  molere,  poUice.  Wir  erhalten 
also  gs,  OS,  ö,  ou,  u.  In  Besancjon  viiete,  Jcile,  osHüe  neben  pof^s 
(pores),  qIoq  (alors),  moe  (mort)  liegt  dieselbe  Entwicklung  vor. 

210.  Vor  gedecktem  n  steht  im  Französischen,  Proven- 
zalischen  und  Italienischen  stets  o,  für  die  ersteren  s.  §  132  ff., 
für  letzteres  §  184  und  cqnte ,  cgnta,  hrontola,  hrgnzo,  conca, 
compie,  romho,  frgmba,  sggno. 

b)  Das  Verhältnis  von  tio  zu  ue,  ce. 

211.  Der  Wandel  von  p  zu  uo,  wie  immer  er  auch  zu 
erklären  sei ,  ist  doch  leichter  zu  fassen ,  als  der  von  uo  zu  ue. 
Dafs  nämlich  ue  auf  älteres  wo  zurückweist,  ist  leicht  zu  zeigen. 
In  der  Eulalia  findet  sich  noch  durchgehends  wo :  buona  1,  ruovet 
24,  suon  15,  auch  Roland,  Computus,  Karls  Reise  und  namentlich 
anglonormannische  Texte  späterer  Zeit  zeigen  vielfach  uo,  aller- 
dings   hier    sicher    nur    als    orthographische    Tradition.     Sodann 


§  211.  Das  Verhältnis  von  UO  zu  UE.  185 

läfst  sich  iio  erschliefsen  aus  dem  Gegensatz  zwischen  frz.  comie, 
homme,  moudre  einerseits  und  friente,  mieudre  andererseits:  jene 
setzen  die  Reihe  comite,  *cuomUe,  *cuöte,  confe;  molere,  muolere, 
muolre,  molre  voraus,  diese  dagegen  fremita,  friemita,  friete; 
mdior,  miclor,  mielre:  wie  hier,  so  wäre  wohl  auch  dort  der  erste 
Teil  des  Diphthongen  geblieben,  wenn  der  zweite  schon  e  ge- 
lautet hätte.  In  der  That  wird  auch  comcs  über  cuomes,  cucmes 
zu  atens,  *volet  über  vuolet,  vuelet  zu  viidt.  Dafs  o  in  einem 
Falle  direkt  zu  uo ,  im  anderen  zu  ue  gebrochen  worden  sei, 
ist  nicht  glaubhaft,  so  bleibt  nur  die  Annahme,  dafs  wo  eine 
ältere  Form  von  ue  sei.  Kein  Gewicht  ist  zu  legen  darauf,  dafs 
altasturische  Urkunden  bei  Mufioz  73  ein  jjaarmal  ito  schreiben, 
da  noch  heute  in  Asturien  uo  gesprochen  wird.  Mit  mehr  Recht 
kann  man  hervorheben,  dafs  lat.  quomodo  im  Spanischen  zu 
ciiemo  wird :  hier  haben  wir  also  thatsächlich  einen  Fall ,  wo  ue 
aus  älterem  uo  entstanden  ist.  —  Es  fragt  sich  dann  weiter,  ob 
uo  direkt  über  ud  zu  ue  werde,  oder  ob  üo,  UQ,  u^,  ue  als  Ent- 
wicklungsreihe zu  denken  sei.  Bei  Mufioz  266  findet  man  ein 
paarmal  wa,  doch  läfst  sich  das  beliebig  deuten,  dagegen  sind 
pus,  cumo,  pusto,  pudet,  füre,  tritho  im  Mistero  nur  als  uo  oder  ue, 
kaum  als  uö  oder  gar  ue  zu  erklären.  Es  würde  demnach  das 
Kalabresische  eine  ältere  Stufe  darstellen  als  das  Leccesische. 
Die  ältesten  Belege  für  ue  im  Französischen  sind  BuenvasletJi, 
Septmueles ,  Bawhuedcourt  in  Doomsdaybook  vom  Jahr  1086,  im 
Spanischen  fuero  Mufioz  31,  a.  955,  asteruelos  58,  a.  1011.  Die 
Betonung  ue  im  Französischen  ist  gesichert  durch  Reime  wie 
queivre:  bei yre  Brand.  1427  Minerve:  irueve,  Troie  26015  quiercnt: 
moerent  Brut  9746.  Die  Schreibung  uo  bleibt  namentlich  nach 
q:  wie  sie  aufzufassen  sei,  zeigt  quor  in  f-Assonanz  S.  Anbau 
104,  und  das  häufige  requor  =  rcquaero  468,  872,  1084,  1219. 
Neben  ue  steht  nun  auch  oe,  so  fast  ausschliefslich  im  Oxforder 
Roland,  foers  schon  im  Jonas,  dann  in  den  meisten  aus  dem 
Westen  stammenden  Denkmälern.  Häufig,  z.  B.  im  Oxforder 
Psalter,  steht  es  im  Anlaut,  um  einer  Lesung  des  u  als  v  zu  be- 
gegnen, also  oevres ,  oes  oder  hues,  oem  oder  huem;  auch  die 
Handschriften  Chretiens  machen  zum  Teil  diesen  Unterschied. 
Ziemlich  oft,  nicht  blofs  im  Anlaut,  findet  sich  oe  ferner  in  Ur- 
kunden aus  der  südlichen  Normandie,  dann  aus  Tours,  Chartres, 


186  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   211. 

Poitou,  Saintonge  und  gewöliiilich  in  England  von  1266 — 1428. 
Seit  Anfang  des  XIII.  Jahrhunderts  erscheint  daneben  cu  z.  B. 
in  dem  Leben  des  h.  Martin  von  Tours,  das  dann  gegen  Ende 
des  XIV.  Jahrhunderts  ve,  oe  völlig  verdrängt.  Nur  vor  l  ist 
eo  bezeugt  im  Liv.  d.  Manieres  und  S.  Martin,  damit  hat  es 
aber  seine  besondere  Bewandtnis,  s.  §  196.  In  England  dagegen 
ist  seit  Mitte  des  XII.  Jahrhunderts  die  Schreibung  eo  sehr  ge- 
bräuchlich, vgl.  heos  Karls  Eeise  316,  317,  427  pureoc  718,  eom 
789,  heoms  803,  queors  118,  peot  Brand.  15  u.  s.  w.,  deol  Eol. 
929,  ebenso  auf  dem  norm.  Festland  seor  Chron.  2787  :  daneben 
tritt  aber  seit  Anfang  des  XIII.  Jahrhunderts  ebenfalls  eu  auf. 
Es  erhebt  sich  nun  zunächst  die  Frage,  wie  dieses  ue  zu  fassen 
sei,  ob  als  ue  oder  üe.  Aus  der  späteren  Entwicklung  zu  ce 
läfst  sich  nichts  schliefsen,  physiologisch  kann  oe  aus  ue  wie  aus 
üe  entstanden  sein.  Immerhin  ist  eines  zu  beachten.  Wenn  wir 
die  Schreibweisen  verfolgen,  so  sehen  wir,  dafs  zur  Wiedergabe 
des  ö?-Lautes  eu  gewählt  wird.  Man  wird  sich  billig  fragen,  wie 
man  dazu  gekommen  sein  kann.  Die  Analogie  von  eu  aus  o 
kann  nicht  Sclmld  sein,  da  dieses  nur  einem  kleinen,  ö3  aus  Q 
aber  einem  sehr  grofsen  Gebiete  angehört.  In  heutigen  Mund- 
arten steht  zwischen  üe  und  oe  der  Diphthong  eü:  es  findet  also 
thatsächlich  eine  Umstellung  statt*,  der  Hauptvokal  bleibt  be- 
stehen, der  reduzierte  tritt  hinter  ihn  statt  vor  ihn.  Vgl.  ähnliche 
Umstellungen  von  Vokalen  im  Hiatus  §  886  und  die  Schreibungen 
hiieom-  IV  Liv.  263,  oeuvre  G.  Pal.  1611,  und  oft,  moeurent 
Aue.  6,  31.  Da  nun  im  Französischen  oi  zwar  zu  ti^',  nie  aber 
zu  eu  wird ,  so  darf  man  vielleicht  daraus  folgern,  dafs  jenes  aus 
p  entstandene  ue  in  That  und  Wahrheit  üe  gelautet  hatte. 
Weitere  Momente  für  diese  Annahme  giebt  die  Behandlung  von 
oi  §  196  ff.  und  oi  §  190  ff.  Damit  ist  schwer  zu  vereinen 
die  Schi-eibweise  oe,  und  noch  schwerer  uoe:  pouet,  oues  u.  s.  w. 
in  der  Handschrift  Q  des  Eenclus,  und  oue:  nouef  Chev.  II 
esp.  5444,  ouef  Best.  1272.  Da  ü  durch  u  wiedergegeben 
wurde,  so  ist  es  selbstverständlich,  dafs  man  für  üe  auch  ue 
beibehielt  •,  dafs  aber  üe  durch  oe  dargestellt  worden  sei ,  ist 
kaum  glaublich.  Beachten  wir  nun  aber,  dafs  oe  sich  namentlich 
im  Normannischen  und  noch  mehr  im  Anglonormannischen  findet, 
so  löst  sich  die  Schwierigkeit.     Wir    haben    §    48    gesehen ,    dafs 


§211     212.  l^'<'  Aussprache  von  UE  in  Frankreich.  187 

hier  aller  Wahrsflicinliclikeit  nach  u  erst  spät  dem  von  Westen 
her  vordringenden  ü  gewichen  ist:  sprach  man  aber  w,  so  behielt 
man  wohl  auch  ue,  oe  bei.  Auch  die  Schreibung  poiet  für  puet 
M.  S.  Michel  2867  ist  kaum  anders  zu  erklären.  —  Es  kann 
nun  aber  üe  auch  auf  anderem  Wege  zu  ce  werden:  durch  Assi- 
milation ü(B,  Vgl.  Lahague :  hüce,  fücß,  mücele,  Avoraus  nun  im  vgl. 
Urimenil:  ycß  (ovum),  lyce,  nyoß,  nioef,  mycel,  pyce  (possitm) ,  fyce 
(foris)  und  etyoel  (soutella)  aus  ecüel:  das  letztere  Wort  zeigt,  dafs 
der  Wandel  verhältnismäfsig  jung  ist.  —  Ferner  kann  üe  zu  ü 
werden,  Plancher-les-Mines :  hü  (bove) ,  sü  (soror),  hrü,  ül,  rüe 
frotaj,  müle,  ü  {ovum),  während  o  -\-  i  hier  zu  Cß  wird.  Ob 
Assimilation  üe,  üoe ,  üü  zu  Grunde  liegt,  oder  üe,  ü  ist  schwer 
zu  sagen.  Für  letzteres  könnte  sprechen,  dafs  ebenfalls  im  Osten 
des  Gebietes,  in  Sornetan,  üe  vorkommt :  üe,  nügf,  hüe,  auch  pües 
(pouce),  rüe,  woraus  dann  in  Montagne  de  Dieux :  Me,  nie,  ferner 
mil^,  priv§. 

Die  Erklärung  von  span.  cuemo  aus  cuomo  stammt 
von  C 0  r  n u ,  Rom.  XUI,  299.  — W.  F  o  e  r  s  t  e  r ,  Die  Schick- 
sale des  lateinischen  6  im  Französischen,  Rom.  Stud.  III, 
174 — 190;  M.  Strauch,  Lateinisches  6  in  der  norman- 
nischen Mundart,  Diss.  Hall.  1881.  Belege  für  üe 
Tobler,  AnielXXW;  Boehmer,  Rom.  Stud.  I,  601; 
Foerster  III,  176,  für  die  agn.  Schreibungen  Stür- 
zinger,  Orth.  Gall.  45  ff.  —  0.  Örtenbläd,  Etucles 
sur  le  developpement  des  voyelles  labiales  toniques  du  latin 
dans  le  vieitx  fran^ais  du  XIF  siede,  Upsala  1885. 
Letzterer  spricht  sich  mit  G.  Paris,  Rom. VII,  132  für 
ue  aus,  während  W.  T  h  o  m  s  e  n ,  Rom.  V,  74,  A  s  c  o  1  i , 
Lett.  Glott.  24,  Foerster,  Ztschr.  V,  590,  Cliges, 
LIV,   üe  ansetzen. 

212.  Unklar  ist  die  Entwicklung  von  o  im  Südostfran- 
zösischen, hauptsächlich  darum,  weil  die  Zahl  der  beweisenden 
Wörter  eine  sehr  geringe  ist.  In  Freiburg  und  einem  Teil  der 
Waat  fällt  p  völlig  mit  o  zusammen,  also  wie  im  Nordfran- 
zösischen. Daneben  zeigt  sich  aber  an  der  Westgrenze  und  an 
der  Rhonemündung  ä?,  ü  aus  p  neben  au,  o,  oe  aus  p.  Die  Ent- 
wicklung wird  deshalb  auch  für  diese  Gegend  sein :  *üe,  dann  ü, 
et  oder  *üeü,  *cü,  aü  u.  s.  w.  Vgl.  waat.,  freib.  maola ,  maüla, 
mala,  bao,  nao  u.  s.  w.,  aber  Vallee  mcela,  bce,  nee,  prceva,  St. 
Croix  müla,  hü,  nü,  prüva.    Die  Stiife  (ü  findet  sich  in  Vionnaz: 


188  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    212,    213. 

neüva,  meüdr§,  prcüve  u.  s.  w.,  ebenso  im  Baguard.  Aber  im 
Nordwesten  des  Gebietes  scheint  der  Diphthong  ganz  zu  fehlen : 
lyon.  roa ,  sorre  (soror) ,  novo ,  nu  (novem) ,  hu ,  lisu  aus  -ou 
Jujurieux :  nu,  nuva,  feliula,  pruvo,  uvra,  dedu,  hu,  defu,  rova. 

213.  In  Nordfrankreich  wäre  demnach  ue  da  zu  üe  ge- 
worden,  wo  II  dem  ü  weicht.  Danach  darf  man  auch  auf  den 
übrigen  M-Gebieten  üe,  bezw.  seinen  Vertreter  ce  erwarten.  Das 
trifift  denn  auch  zu  für  die  oberitalienischen  Mundarten : 
Piem.,  Gen.j  Mail.  Die  Bedingungen  für  os  sind  im  ganzen  die- 
selben wie  im  Italienischen,  vgl.  §  184,  immerhin  erscheint  zu- 
weilen 02  gegenüber  ital.  p;  piem.  ncef,  xnoeve,  prceva,  rcega,  ma'd, 
gen.  stcemagu  (aber  piem.  stomi),  gen.  ro?a  u.  s.  w.,  mail.  mcela, 
gen.  7noea  (piem.  mola),  piem.  hroedi  (gen.  hrodu).  Dann  tritt  ce 
aber  auch  wie  im  Franz.  vor  i  ein:  piem.  oet,  nceit,  Jccessa  (coxa), 
cci,  pcßi,  dcerm,  gen.  tcesegu,  dzoegga  (jovia),  cehhiu.  Aber  vor 
Nasalen  bleibt  überall  o:  hö,  so,  am.  Das  ce  kann  ferner  mit 
Verlust  der  Lippenrundung  zu  e  werden:  so  in  Monaco.  —  Im 
Mailändischen  kommt  zu  diesem  alten  ce  nun  noch  ein 
zweites  vor  gedecktem  s:  parpcest,  mälma-st,  ncest,  vcest,  gras, 
dces;  aufserdem  in  gcepp,  das  auch  piem.,  gen.  (neben  zemhu)  ist, 
vielleicht  aber  auf  *gohhh(S  zurückgeht,  und  unklar  in  voelta.  Es 
ist  in  der  Stadt  sehr  im  Rückgang  begriffen,  vielleicht  nie  recht 
heimisch  gewesen,  und  gehört  vielmehr  dem  Lande  an.  Ferner 
scheint  vor  Palatalen  auch  p  zu  o?  geworden  zu  sein  in  See  ya 
(sum  ego),  cegga,  ceri  =  -orium,  indaeya  (indudüe),  rceit  (ructum) : 
vielleicht  sind  darin  Lautumsetzungen  zu  sehen.  —  Eine  andere 
Form  zeigt  der  Diphthong  in  Lodi :  fug  (fuoco),  fura  (foras),  ugi 
(oculos),  vuya  u,  s.  w.  Crema  und  Cremona  kennen  ihn  über- 
haupt nicht  mehr.  Bis  genauere  Kenntnis  des  Dialekts  von  Lodi 
möglich  ist,  mag  jenes  u  auf  sich  beruhen;  es  stellt  sich  jetzt 
die  Frage :  ist  ce  direkt  aus  p  entstanden ,  oder  ist  als  Vorstufe 
üe  anzunehmen  ?  Die  alten  Denkmäler  geben  keine  Auskunft : 
sie  schreiben  ausnahmslos  o,  dessen  Wert  nicht  klar  ist,  das  aber 
keinesfalls  wo  oder  ue,  sondern  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
nur  0  oder  ce  sein  kann.  Dafs  ce  erst  nach  dem  XIV.  Jahr- 
hundert eingetreten  sei,  ist  deshalb  nicht  anzunehmen,  weil  dann 
0    aus    ati    mitgegangen    wäre.     Somit    müssen    Avir  schon  für  die 


§  213—215.  ö  aus  o.  189 

AnfjJnge  der  Litteratur  in  Oberitalien,  also  fürs  XII.  und  XIII. 
Jahrhundert,  ffi  ansetzen.  Dafs  nun  aber  diesem  va  einst  üe 
vorangegangen  sei,  ist  schwer  wahrscheinlich  zu  machen,  und  ist 
schon  deshalb  sehr  fraglich,  weil  sich  nicht  nur  keine  Spur  von 
\c  aus  f  naclnveisen  läfst,  sondern  weil  sogar  im  Gegenteil  vieles 
dafür  spricht,  dafs  f  nie  diphthongiert  hat.  Der  Wandel  ist 
wohl  so  zu  denken,  dafs  für  die  Artikulation  des  p  der  Beginn 
des  Ansatzrohres  bei  sonst  gleicher  Weite  etwas  mehr  nach  vorn 
geschoben  wurde,  was  eine  Palatalisierung  des  o  mit  sich  brachte. 
Kaum  in  Anschlag  bringen  für  die  einstige  Existenz  von  uo 
auf  diesem  Gebiete  läfst  sich  das  Vorhandensein  des  Diphthongen 
in  S.  Fratello:  uov,  nuQV,  hvola,  suola,  duoJc  (luogo),  Jcuoz, 
snogir,  Icnoir,  pritopriu,  itoTc,  uott,  huo^a,  fuog  (foglio)  u.  s.  w.  — 
Das  Romagnolische  kennt  weder  ce  noch  wo,  sondern  nur 
ganz  oder  halb  geschlossenes  o :  jenes  vor  Nasalen  und  Gutturalen 
gm,  log,  dieses  in  proa,  sora,  -ol,  -ov,  movar,  clzohia  u.  s.  w., 
askofider,  pont,  sonn,  morhi,  porJc,  voU,  risolvar,  skorga,  korp  u.  s.  w., 
aber  mit  mittlerem  o :  hol,  Jcot,  od,  dsoTcul,  endlich  mit  offenem  : 
SÄ"p?/,  voya,  doya,  hg.  Ein  Beweis  dafüi-,  dafs  die  verschiedenen  o 
aus  uo  entstanden  seien,  ist  nicht  zu  erbringen,  immerhin  bleibt 
die  Möglichkeit  einer  solchen  Annahme. 

214.  Auch  der  Tessin  hat  cc  aus  g,  das,  wie  in  Monaco, 
zu  e  wird  in  Loco  und  Malesco ;  statt  dessen  w,  o  in  Eonca  am 
Lago  Maggiore.  Die  Bedingungen  für  ca  sind  die  rätischen: 
nanv,  nowa;  daprcew  entspricht  ital.  ajpruovo;  Tcor  Plur.  li'cer. 
Ein  Palatal  wandelt  vorhergehendes  o  in  öS  ohne  Rücksicht  auf 
den  folgenden  Vokal:  droem,  sk'ada,  mwya,  voeya,  tce  (togliere), 
mcer,  dann  auch  o;  ku,  arvcera  (*robi(na),  leer  (*coluria), 
tedcela  (bcMla),  favan,  k'cen.  Man  könnte  diese  letzteren  Formen 
benutzen  wollen  zur  Annahme,  dafs  das  tessinische  os  auf  we,  ne 
beruhe  und  sich  auf  span.  agucro,  fagucno  berufen  (§  128),  allein 
es  kann  natürlich  ebenso  gut  6i  zu  le  geworden  sein. 

215.  Im  Rät i sehen  sind  vier  Stufen  zu  unterscheiden: 
ue,  das  bedingungslos  eintritt  im  Osten  §  184,  Je,  die  Reduktion 
eines  älteren  ue,  da  wo  ü  zu  i  wird,  bedingt  an  auslautendes  m; 
ce  unter  ähnlichen  Bedingungen,  wo  ü  bleibt ;  o  in  Mittelbünden 
zwischen  oberländischem  ie  und  engadinischem  oe.     Davon  unab- 


190  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   215—217. 

hängig  ist  ce  bezw.  e,  i  vor  Palatalen.  Das  ie  ist  aus  älterem  ue 
entstanden,  wie  i  aus  ü  §  54,  S.  74*,  dafs  es  einst  we  betont  worden 
sei,  ist  nicht  zu  erweisen.  Auffällig  bleibt  of  in  Mittelbünden, 
woneben  aber  fiele  steht  §  199.  Es  ist  denkbar,  dafs  hier  der 
Gegensatz  Sg.  *ief,  PI.  ofs,  Sg.  ies,  PI.  os  u.  s.  w.  zu  Sg.  of,  os 
ausgeglichen  worden  ist.  Das  engadinische  ce  ist  ebenfalls  aus 
üe  entstanden;  diese  ältere  Stufe  findet  sich  noch  bei  Ltici  Capa 
1613  vor  gedecktem  r:  chüerp,  üert,  memüergia,  müers,  spüert, 
müerstty  spüerta.  Sonst  aber  ist  schon  damals  und  später  auch  in 
diesen  letzten  Fällen  durch  gegenseitige  Assimilation  üe  zu  ce 
geworden.  Für  ce  kann  weiter  e  eintreten :  Leventina  hei,  Iceir, 
veid,  inJcei,  kel,  Icern,  aber  leug,  neu.  , 

Vgl.  As  coli,  Arch.  Glott.  I,  183,  Anm. 
Dafs  im  Tirolischen  die  verschiedenen  Formen  nebeneinander 
stehen,    ist  schon  bemerkt  §  185.     Meist  decken  sich  ö-  und  ü- 
Gebiet,  nur  in  Fassa  und  in  Bormio  steht  ce  neben  u,  doch  wird 
hier  u  an  Stelle  von  früherem  ü  getreten  sein. 

216.  Eine  besondere  Entwicklung  von  uo  zeigt  das  Vene- 
zianische in  siole,  liogo,  diol,  riosa,  niora,  nioser,  ninziol,  tior, 
fasioi,  in  der  aver.  Katharina  diolandose,  ciolesse,  auch  im  Friaul. 
finden  sich:  nostri,  nozzis,  not,  h'oli,  siorle,  nuv ,  ferner  kayostre, 
Hole,  doch  sind  die  Bedingungen,  unter  denen  i  eintritt,  noch 
nicht  recht  klar.  Auch  das  A retinische  kennt  liogo,  siono, 
niovo,  tioni. 

217.  Reduktion  von  ue  zu  e.  Im  Spanischen  wird  ue 
zu  e  reduziert,  ohne  dafs  bis  jetzt  ein  Gesetz  gefunden  wäre: 
frente  (fruente  J.  Ruiz  978,  Enx.  55),  serha,  culebra  (culuehra 
Enx.  2) ,  estera ,  lleco  (neben  flueco) ;  ferner  bei  anders  ent- 
standenem ue:  enero ,  almedano  neben  älmuedana,  arab.  mueddin, 
dann  die  etymologisch  dunkeln  curuena  neben  curena,  combrueza 
und  conibreza;  ob  cerdo  zu  sordidus,  Jerdo  zu  lordus  (§  67)  gehört, 
ist  zweifelhaft.  —  In  der  Val  Soana  ist  e  aus  ue  die  Regel, 
letzteres  bleibt  in  Imfuel,  fasuel  neben  peirel,  capjel,  in  suer  (soror) 
neben  Teer,  in  Jcuel  neben  sela,  in  enTcue  (hodie)  neben  dige  (dies 
jovis),  sodann  meJa,  seli,  eli,  re  (ruolo),  ne,  neva,  he,  fer,  e  (nvum), 
resa,  Teeire  (cuocere),  pyevre  (piovere),  nera  u.  s.  w.  Gedecktes  ue, 
das    bloffe   bei   folgendem    Palatal   und    auslautend   o,  u    entsteht. 


§  217—219.  10,  E  aus  UO,  UE.  191 

hiilt  sich  dagegen  meist:  fuel,  uel,  muert ,  imerTi^  uet,  doch  perfe 
(portae) ,  hcscn ,  ger  (gigrno  §  146),  ferner  pyel  (pedudum).  — 
Im  Anglonormannischen  tritt  e  ziemlich  frühzeitig  für  ue  ein, 
schon  der  Oxforder  Psalter  schreibt  ilec,  presme,  Adgar  vcU,  seit, 
Langtoft  nefj  neif,  dazu  die  umgekehrten  Schreibungen  cheot 
Brandan  1156,  seop  Ort.  Gall.  10  (vgl.  Stürz  45).  Daneben  ist 
u  statt  ue  aufßillig:  uvre  IV  Liv.  274;  cstut  194,  211  u.  s.  w., 
espiir  247,  jufnes  453,  truved  91,  put  62,  76.  —  Vgl.  noch  frz. 
avec  und  §  204. 

218.  Übergang  von  uo,  ue  zu  w.  Im  Friaulischen 
wird  ue  in  einsilbigen  Wörtern  zu  ü:  nul  (ölet)  aber  Plur.  nuelin, 
ind,  dal,  pus,  Icur,  für,  fazul  u.  s.  w.  Muggia,  Pordenone, 
und  andere  Gegenden  endlich  zeigen  ou:  ouf,  foule,  Tcour,  was 
wohl  als  Weiterbildimg  des  ti  zu  verstehen  ist.  —  In  Veglia 
wird  freies  o  über  üo  zu  u:  hule  (vuol),  hur,  fuTc,  hin,  dapu,  dul, 
Site  (jovia),  auch  surlco,  TcurTco,  sonst  ua:  fuaya,  pluaya,  diiarmu, 
nasse,  Jcuaste,  vart.  Auch  Nicastro  zeigt  ua  (wie  ia  §  178): 
huana,  tuarti,  suaffri,  puazzo,  sciuaccu. 

c)  Einzelheiten. 

219.  In  einer  nicht  geringen  Zahl  von  Fällen  erscheint  Q 
statt  UO.  Manche  erklären  sich  ohne  weiteres  als  Buchwörter 
wie  ital.  tomo,  mala,  tono ,  nota,  modo,  hgve  neben  hue.  Wohl 
auch  rosa  afr.  rose,  span.  rosa  neben  piem.,  gen.  rocsa.  Zweifel- 
hafter ist  Giove,  doch  kann  in  giovedi  die  Tonlosigkeit  die  Ent- 
wicklung des  Diphthongen  verhindert  haben.  Unerklärt  bleibt 
nove,  dem  nav  statt  nuov  in  S.  Fratello  zur  Seite  steht,  während 
perug.  nuove,  mail.,  piem.  noif,  ven.  niove  regelmäfsig  sind.  Auch 
südital.,  siz.  ngme  und  gred.  inuetn  sind  wohl  nicht  Erbwörter. 
Schwieriger  sind  ital.  vola,  afr.  vole  im  Reime  mit  pavQle  Ivain 
157  u.  s.  Av.,  ferner  d(^l:  Pol  Comp.  40,  AiqI:  fol  Ph.  Mousquet 
695,  wogegen  roe:  Joe  Perc.  9069  wohl  als  roe:  joe  zu  lesen  ist. 
Nimmt  man  für  jene  Beeinflussung  durch  die  endungsbetonten 
Formen  an ,  so  fragt  sich ,  weshalb  nicht  p  eingetreten  sei :  die 
Verallgemeinerung  des  Q  müfste  in  eine  Zeit  fallen,  wo  man  noch 
volare  sprach.  Es  könnte  aber  auch  '^vuQlat:  volare  zu  völat 
volare  ausgeglichen  sein.  —  Frz.  hors,  on,  hon,  femer  frz.  dame, 


192  I-  Kapitel:    Vokalismus.  §   219,   220. 

asp.  conde  neben  cuende,  pos  neben  j^ues  u.  a.  erklären  sich  aus 
der  Tonlosigkeit  s.  Kap.  IV. 

Ascoli,  Arcli.  Glott.  X,  88  denkt  bei  modo,  brodo 
an  eine  spezielle  Behandlung  der  Verbindung  od,  doch 
fügt  sich  brodo  besser  zu  §  206,  in  hove  sieht  er  dissi- 
milierenden Einflufs  der  zwei  Labialen,  Giove  nove 
erklärt  er  wie  Schuchardt,  der  Littbl.  1887,  Sp.  18 
darin  und  in  cliioma,  mala,  rosa,  piem.  Tcoma,  mola,  roda, 
sola,  sJcola,  frz.  roue,  rose,  ecole,  sole,  span.  coma,  rosa, 
die  letzten  Reste  eines  Zustandes  sieht,  wie  er  in  Süd- 
italien noch  heute  herrscht,  s.  §  185.  Allein  die  Sache 
ist  doch  bedenklich.  Frz.  roue  ist  eine  jüngere  Bildung 
von  rouer  aus,  vgl.  ruede  0.  P.  76,  17,  ruce  Mousq. 
5975  roei  in  Auve  und  anderen  Dialekten.  Ecole  und 
sole  sind  wie  auf  der  iberischen  Halbinsel  (beachte  portg. 
sola,  escola  mit  erhaltenem  l)  Buchwörter,  desgleichen 
sicher  rosa,  über  coma  s.  §  201. 

220.  Q,  u  aus  ()  sind  auch  nicht  immer  klar.  Ital.  pgsto 
neben  pgsta  ist  von  pono,  sonno  von  sogno  beeinflufst.  Neben 
demörat,  afr.  demuere,  prov.  demora  steht  prov.  demora,  afr. 
demgre,  ital.  dimgra,  siz.  dimura,  neben  afr.  devuere,  auch  devgre, 
beide  durch  zahlreiche  Reime  gesichert,  ital.  divgra.  Die  doppelte 
Qualität  wird  mit  der  Tonversetzung  zusammenhängen :  aus 
*demgrat  entstand  entweder  unter  dem  Einflufs  von  *mörat  die 
Form  demörat,  oder  mit  einfacher  Versetzung  des  Tones  vom 
Präfix  auf  den  Stamm  demörat.  Nach  dimgra,  divgra  bildet  das 
ital.  auch  fgra.  Portg.  dgna  für  älteres  dgna  hat  g  von  dgn. 
Unklar  sind  flor.  grgano  neben  sen.  grgano ;  sard.,  südital.  grnssu 
neben  siz.,  ital.  grgsso,  calabr.  survu,  lecc.  survia  neben  siz. 
sorhu,  bol.  sorhel;  lecc.  dussu;  furse,  ital.  fgrse  und  fgrse;  campob., 
calabr.,  siz.  atturrere. 

Belege  für  demore,  dcvore  im  Altfranzösischen  giebt 
A.  Tobler,  Gott.  Anz.  1872,  S.  887. 

Endlich  span.  cubro,  nuce  sind  von  cubrir,  nucir  aus  gebildet, 
ital.  spugna  wird  aus  dem  Süden  stammen,  und  geht  wahrschein- 
lich auf  spgngia  zurück  (§  27,  S.  31),  lungo  hat  sein  u  von 
lunge  =  lat.  longe,  dieses  selbst  bietet  ein  ziemlich  schAvieriges 
Problem.  Neben  lungi  steht  prov.  lüevi,  afr.  Ign,  span.  luene, 
obw.  lun^  neben  lieung,  leunga,  engad.  losm  aber  lung.  Dafs 
Igngus,  nicht  Igngus  und  entsprechend  Ignge  nicht  Ignge  anzusetzen 


§  220,   221.  Lateinisch  A.  193 

ist,  wird  durch  die  obwaldische  Form  wie  auch  durch  asp.  luengo, 
andererseits  durch  die  Etymologie  gesichert.  Es  mufs  also  erst 
im  Vulgärlateiuischeu  oder  in  den  einzelnen  romanischen  Sprachen 
die  Sonderentwicklung  von  lofige  eingetreten  sein.  Zunächst  ist 
wohl  longe  anzusetzen,  woraus  nun  afr.  lön,  loln,  dann  hing,  span. 
lucf'te  wie  vergüenza  (§  128),  obwald.  luns,  ital.  lungi  nach  §  136, 
ferner  prov.  loin  und  aus  oi  dann  wi  s.  §  128:  der  Unter- 
schied zwischen  Nord-  und  Südfranzösisch  erklärt  sich  daraus, 
dafs  dort  der  Vokal  nasalisiei-t  wird.  Bleibt  noch  das  Enga- 
dinische,  dessen  w  sich  vielleicht  auch  aus  oi  erklärt:  dafs  die 
Verba  auf  -ungcre  nicht  -(junger,  sondern  -unger  lauten,  läfst  sich 
auf  verschiedene  Weise  deuten.  Ist  so  Jonge  fürs  Vulgärlateinische 
sicher,  so  wird  man  den  Qualitätswechsel  hier  schon  der  palatalen 
Verbindung  zuschreiben  dürfen.  —  In  mail.  git]ca=jocat  stammt 
II  vom  Inf. 

7.    Lateinisch  A. 

221.  Während  bei  allen  anderen  Vokalen  die  alte  Quanti- 
tätsdiftensnz  auch  einen  Unterschied  in  der  Klangfarbe  erzeugt 
hat,  sind  ä  und  ä  in  ihrer  Qualität  völlig  identisch.  Trotzdem 
sind  auch  hier  die  Ansätze  vorhanden  zu  jenem  bei  den  übrigen 
Vokalen  so  tief  einschneidenden  Unterschiede:  das  a  in  ein- 
silbigen Wörtern  ist  tiefer,  mehr  velar  als  das  in  mehrsilbigen. 
Daher  wird  namentlich  in  den  Gegenden,  die  das  a  in  dare, 
datiis  zu  e  erheben,  dasjenige  in  dat,  da  bewahrt  oder  gar  zix  o 
verdunkelt.  Dies  ist  wohl  nur  daraus  zu  erklären,  dafs,  als 
dätus,  däre  u.  s.  w.  zu  dätus,  däre  gedehnt  wurden,  dät,  da  kurz 
blieben,  vgl.  noch  heute  ital.  da  neben  dato.     Also: 


Lat. 

STA 

STAT 

DA 

DAT 

JA 

FAG 

Rum. 

stä 

stä 

da 

da 

— 

fä 

Engad. 

sto 

sto 

do 

do 

90 

fo 

Gred. 

sta 

sta 

da 

da 

— 

Aret. 

sta 

sta 

da 

da 

ga 

fa 

Romg. 

sta 

sta 

da 

da 

dza 

fa 

Frz. 

csta 

esta 

— 

— 

ja 

Hierher  gehört  noch  o  (habet),  vo,  fo,  enJco  (in  cafsaj)  in 
Gignac,  slo  (frz.  cela),  lo,  peU  (frz.  pieqa)  im  Pikardischen, 
woraus  dann  in  der  Umgegend  von  Arras  uo,  Uf,  eü,  Oi.    Ferner 

>[eyer,  Grammatik.  13 


194 


I.  Kapitel:  Vokalismus. 


§  221—223. 


wohl  stoi  (stat),  voi,  doi,  joi  in  Veglia  u.  s.  w.  Im  Neunorman- 
nischen wird  auch  pas  zu  po :  es  wird  sich  also  fragen^  wie  weit 
auch  sekundär  einsilbig  gewordene  "Wöi-ter  a  zu  o  wandeln.  Vgl. 
noch  §  228. 

222.  Die  Schicksale  des  freien  a  sind  sehr  mannigfaltige. 
Im  Rumänischen^  Ost-  und  zum  Teil  Westrätischen, 
Italienischen^  Provenzalischen  und  aufder  iberischen 
Halbinsel  bleibt  es  im  ganzen  bewahrt.  Im  Nordfranzösischen 
dagegen  ist  e  die  Regel  aufser  vor  Gutturalen  ^  in  weiterem 
Umfange  zeigen  das  Engadinische  und  das  Emilianische 
e ,  in  engerem  das  Piemontesische^  in  noch  engerem  das 
Südost  französische.  Auch  die  Dialekte  der  Ostküste 
Italiens  zeigen  hier  wieder  die  Ähnlichkeit  im  Vokalismus 
mit  dem  Nordfranzösischen,  desgleichen  portugiesische.  Das 
{3 ,  was  als  älteste  Stufe  der  Umgestaltung  des  a  anzusetzen  ist, 
hat  dann  aber  die  vielartigsten  Weiterentwicklungen  erfahren. 


a)  A  bleibt  erhalten. 


223. 

Lat. 

DA 

STA 

JA 

DAT 

STAT 

Rum. 

§  221 

§  221 

— 

§  221 

§  221 

Friaul. 

da 

sta 

dza 

da 

sta 

Ital. 

da 

sta 

giä 

da 

sta 

Prov. 

da 

esta 

ja 

da 

esta 

Span. 

da 

esta 

ya 

da 

esta. 

Lat. 

GRATU 

-ATU 

LATU 

PEATU 

LATUS 

Rum. 

— 

-at 



prat 

lat 

Friaul. 

— 

-ad 



prad 

lai 

Ital. 

grato 

-ato 



prato 

lato 

Prov. 

grat 

-at 

lat 

j)rat 

latz 

Span. 

grado 

-ado 

— 

prado 

lado. 

Lat. 

-ATOE 

-ATA 

STEATA 

SPATA 

PEATA 

Rum. 

-at 

-ata 

— 

spatä 

— 

Friaul. 

■adri 

-ade 

strade 

spade 

— 

Ital. 

— 

-ata 

strada 

spada 

— 

Prov. 

-aire 

-ada 

estrada 

espada 

prada 

Span. 

— 

-ada 

cstrada 

cspada 

— 

§  223. 


Lateinisch  A. 


195 


Lat. 

AESTATE 

AETATE 

CRATE 

SATIS 

-ATIS 

Eiini. 

— 

— 

— 

— 

-a0 

Friaul. 

stad 

etad 

grade 

— 

-ais 

Ital. 

State 

etä 

grada 

assai 

-ate 

Prov. 

estat 

edat 

— 

säte 

-atz 

Span. 

— 

edad 

grada 

assaz 

-ades. 

Lat. 

GRADU 

VADU 

ACU 

LACU 

BBRIACU 

lium. 

— 

vad 

— 

— 

— 

Friaul. 

— 

vad 



lag 

— 

Ital. 

grado 

guado 

ago 

lago 

hriago 

Prov. 

grat 

guat 

ac 

lae 

embriäc 

Span. 

— 

pg-.  vao 

— 

lago 

— 

Lat. 

BACA 

BRACA 

PACAT 

ILLAC 

-AC 

Kum. 

— 

— 



la 

— ,- 

Friaul. 

— 

hraga 

paya 

la 

ca 

Ital. 

haga 

hraga 

paga 

la 

qua 

Prov. 

haga 

hraga 

paga 

lai 

— 

Span. 

haga 

hraga 

paga 

allä 

acä. 

Lat. 

CAPUT 

RAPA 

SAPA 

NAPU 

NASU 

Eum. 

cap 

— 

— 

nap 

nas 

Friaul. 

k'av 

rav 

— 

— 

nas 

Ital. 

capo 

rapa 

sapa 

—    • 

naso 

Prov. 

cap 

raha 

säba 

— 

nas 

Span. 

cabo 

— 

saha 

naho 

— 

Lat. 

CASA 

RA  SU 

MASU 

PACE 

-ACE 

ßum. 

casä 

ras 

— 

pace 

— 

Friaul. 

h'ase 

ras 

mas 

pas 

•as 

Ital. 

casa 

raso 

maso 

pace 

-ace 

Prov. 

casa 

ras 

mas 

patz 

-atz 

Span. 

casa 

raso 

— 

paz 

-az. 

Lat. 

FABA 

-ABAT 

CLAVE 

NAVE 

CLAVU 

Rum. 

— 

-d 

§  278 

— 

— 

Friaul. 

fave 

-ave 

Tclaf 

naf 

(claud) 

Ital. 

fava 

-ava 

chiave 

nave 

§  274 

Prov. 

fdba 

-aha 

clau 

nau 

— 

Span. 

haha 

-aha 

Ilave 

nave 

— 

13' 


196 


I.  Kapitel:  Vokalismus. 


223. 


Lat. 

OCTAVU 

FAVU 

KARU 

CAKU 

CLARU 

Rum. 

— 

fag 

— 

— 

— 

Friaul. 

— 

— 

rar 

k'ar 

Mar 

Ital. 

ottavo 

favo 

rado 

caro 

chiaro 

Prov. 

— 

— 

rar 

ear 

dar 

Span. 

ocliavo 

(favo) 

raro 

caro 

claro. 

Lat. 

-ARE 

PALU 

QUÄLE 

ALA 

SCALA 

Rum. 

-d 

par 

care 

— 

scarä 

Friaul. 

-a 

pal 

Tcal 

ale 

sJc'ale 

Ital, 

-are 

pah 

quäle 

ala 

scala 

Prov. 

-ar 

pal 

quäl 

äla 

escala 

Span. 

-ar 

palo 

cual 

ala 

escala. 

Lat, 

-AliE 

HAMU 

RAMU 

AMAT 

-AMEN 

Rum. 

-ar 

— 

ram 

— 

-am 

Friaul, 

-al 

am 

ram 

ame 

-am 

Ital. 

-die 

amo 

ramo 

ama 

-ame 

Prov. 

-al 

am 

ram 

ama 

-am 

Span. 

-al 

— 

ramo 

ama 

-ambre. 

Lat. 

MANU 

PANE 

CANB 

LANA 

RANA 

Rum. 

§  244 

§  244 

§  244 

— 

— 

Friaul. 

man 

pan 

li'an 

lane 

rane 

Ital. 

mano 

pane 

cane 

lana 

rana 

Prov. 

ma 

pa 

ca 

lana 

— 

Span. 

man 

pan 

— 

lana 

rana. 

Lat. 

MAJU 

-AGINE 

TALIAT 

PALEA 

-ALIA 

Rum. 

— 

— 

taiä 

paiu 

-aie 

Friaul. 

mai 

-ain 

täte 

paie 

-aie 

Ital. 

maggio 

-aggine 

taglia 

paglia 

-aglia 

Prov. 

mai 

— 

talha 

palha 

-allia 

Span. 

mayo 

§  239 

taja 

paja 

-aja. 

Lat. 

VALEAT 

*BANEU 

-ANEU 

-ANEA 

SABIÜ 

Rum. 

— 

haie 

-aiu 

-aie 



Friaul. 

— 

had 

-an 

-ane 



Ital. 

vaglia 

bagno 

-agno 

-agna 

saggio 

Prov. 

valha 

hanh 

-anli 

-anlia 

sabi 

Span. 

valga 

hano 

-ano 

-ana 

säbio. 

i5  223. 

Lateii 

lisch  A. 

19 

Lat. 

RABIE 

CAYEA 

BRACIU 

RADIU 

EXAGIU 

Kum. 

— 

— 

— 

razä 

— 

Friaul. 

rahie 

hebe 

brats 

rai 



Ital. 

rahhia 

gabbia 

braccio 

raggio 

saggio 

Prov. 

ratgc 

— 

brats 

rai 

essai 

Span. 

— 

— 

brazo 

rayo 

ensayo. 

Lat. 

PALATIÜ 

MINACIA 

-ACLU 

PATRE 

CABALLÜ 

Rum. 





— 



cal 

Friaul. 

— 

manatse 

-all 

pari 

h'aval 

Ital. 

palaszo 

minaccia 

-acchio 

padre 

cavallo 

Prov. 

palatg 

manatza 

-am 

paire 

caval 

Span. 

palacio 

amenam 

-ajo 

padre 

caballo. 

Lat. 

ANNU 

CARRU 

CATTÜ 

PASSÜ 

ASPRU 

Rum. 

an 

car 

— 

pas 

asprä 

Friaul. 

ann 

k'ar 

gatt 

pass 

— 

Ital. 

anno 

carro 

gatto 

passo 

asiiro 

Frz. 

an 

char 

Chat 

pas 

apre 

Span. 

afio 

carro 

gatto 

passo 

aspro. 

Lat. 

VASTU 

PARTE 

ARCU 

ARBOR 

ARMA 

Rum. 

— 

part 

arc 

arbur 

armä 

Friaul. 

uast 

pari 

arJc 

arbul 

arme 

Ital. 

guasto 

parte 

arco 

albero 

arma 

Frz. 

guäte 

part 

arc 

arbre 

arme 

Span. 

vasto 

parte 

arco 

arbol 

arma. 

Lat. 

MALVA 

AI.TRU 

CALDU 

FALSÜ 

ALNU 

Rum. 

mälhu 

alt 

cald 

fals 

— 

Friaul. 

malve 

altri 

k'ald 

fals 

— 

Ital. 

malva 

altro 

caldo 

falsa 

alno 

Frz. 

§  251 

§  251 

§  251 

§  251 

§  251 

Span. 

malva 

§  253 

caldo 

falso 

alno. 

Lat. 

CANTAT 

ANTE 

-ANTIA 

AMBO 

CAMBIAT 

Rum. 

§  244 

§    244 

§  244 

§  244 

§  244 

Friaul. 

Jcante 

nant 

-antse 

— 

— 

Ital. 

canta 

anzi 

-anza 

amen- 

cambia 

Frz. 

cliante 

§  232 

-ance 

am- 

change 

Span. 

canta 

antes 

-anza 

amos 

cambia. 

198 

I.  Kapitel:  Vok 

alismus. 

§ 

223,  224. 

Lat. 

SANCTU 

FACTU 

LAOTE 

METAXA 

BAPTU 

LABRÜ 

Eum. 

§  244 

fapt 

lapta 

matasä 



— 

Friaul. 

sunt 

fatt 

latt 

— 



lavri 

Ital. 

Santo 

fatto 

latte 

metassa 

ratio 

läbhro 

Frz. 

§  232 

§  232 

§  232 

— 

— 

— 

Span. 

Santo 

§  239 

§  239 

§  239 

rato 

labro. 

Portg.  seiva  ist  nicht  sapa^  sondern  sapia.  Rum.  mestec, 
(mastico),  fermec  (*farmaco)  erklären  sich  in  der  Flexionslehre^ 
ebenso  Fälle  wie  spatä  PI.  späe.  —  Besondere  Bemerkung  ver- 
dienen frz.  maigre,  aigre,  aigle.  Da  mit  verschwindenden  Aus- 
nahmen die  lothringischen  Mundarten  ^,  nicht  a,  in  diesen  Wör- 
tern zeigen,  so  ist  ihr  ai  nicht  als  Diphthong  zu  fassen,  sondern 
als  f  s.  §  236.  Es  ist  anzunehmen,  dafs  vulglat.  acrum  zu  ^gru 
wurde,  wie  patrem  zu  p^dre,  lahrum  zu  l^hru.  Die  beiden  letz- 
teren nun  entwickelten  sich  weiter  zu  p^äre^  l§vre,  woraus  pere, 
levre,  jenes  aber  behielt  den  Verschlufslaut :  m§g-re  und  wandelte 
deshalb  §  nicht  zu  e.     Vgl.  noch  §  275  aqua. 

b)  Spontane  Veränderungen  des  a. 

224.  Jedes  a,  sowohl  freies  als  gedecktes,  wird  gebrochen 
zu  ea,  iea  in  S.  C  a  1 1  a  r  i  n  a  (Sizilien)  :  pieatri,  mieatri,  eacqua, 
pieasti,  mirkeatu,  keasa,  musikeanti. — In  S.  Fratello  erscheint 
entsprechend  ä,  äa:  amär,  fäva,  ddätt  (latte),  fäz,  quättr,  k'änte 
(planta),  pärt,  gräss,  -äa  =  -ate,  -ato,  dduntää  (lontano) ,  räam 
u.  s.  w.  Anderswo  tritt  Verdumpfung  ein  zu  ua,  uo,  o,  ä.  So 
in  Caltanisetta  undS.  Cataldo  (Sizilien):  imurtuata,  appis- 
zuava,  minnicuava,  suppurtuava,  stuatu,  fuatta,  piligrinuannu, 
suapi,  puani,  puasta,  soardi  u.  s.  w.  —  Sodann  in  Veglia,  wo 
ua,  uo,  vor  r  meist  u,  vor  i  meist  o  erscheint :  anduar,  destinuat, 
hokkuale,  skuole,  kuosa,  juoTb,  kuorne,  puosta,  sessuanta,  suang, 
suont,  für,  destinur,  levur,  stoi  (sto) ,  foite,  voita  (ital.  gaita) 
u.  s.  w.  —  Im  westlichen  Oberitalien  zeigt  0  r  m  e  a  (Cuneo)  ao  : 
saonta,  peUegrinaogu ,  ndao  (Part.  F.)  seleraoi  (Part.  PI.)  maoi, 
faoöu,  aoöi  (altri),  taontu,  saode  (ital.  sappia),  paose,  dalmaogu.  — 
Während  hier  Brechung  vorliegt,  verdumpft  ein  Teil  von  Süd- 
ostfrankreich  das  a  zu  ä,  so  in  der  Waat  und  im  südlichen 
Freiburg :  älo,  rävo,  prä,  -ägo,  härho,  fräno  u.  s.  w.,  woraus  weiter 
südwestlich  o,  und  so  lyon.  o,    vgl.  z.  B.  lyon.  pro,  Inf.  Part,  -o, 


S   224     225.         Wandel  von  A  zu  E  im  Französischen.  199 

Jclo,  pore,  ohro  (arhre),  otro  (litre),  amoblo,  lorzi,  lor  (lard),  horma, 
lossi ,  plossi ,  posso  (passe) ,  hssi  (chene) ,  pota  (päte) ,  pole  (pale) 
11.   s.  w. ;  nur  vor  Nasalen  bleibt  a  §  247. 


c)  Der  Wandel  von  freiem  A  zu  E. 

225.  Der  Übergang  von  a  zii  e  ist  ein  Hauptkennzeichen 
des  Nordfranzösischen  gegenüber  dem  Provenzalischen ,  er  tiber- 
schreitet denn  auch  nirgends  die  S.  63  angegebene  Grenze.  Nur 
im  Osten  ist  nicht  ganz  klar,  wo  das  sUdostfranzösische  Gebiet, 
das  a  bewahrt,  gegenüber  dem  nordfranzösischen  aufhört.  Sornetan 
im  Berner  Jura  hält  den  lateinischen  Vokal  fest;  wenn  er  nun 
aber  auch  in  den  obersten  Thälern  der  Mosel  und  südlich  vom 
welschen  Beleben  erscheint,  so  bleibt  die  Frage  offen,  ob  nicht 
etwa  e  hier  über  §  wieder  zu  a  geworden  sei,  wie  dies  thatsäch- 
lich  im  Westen  (§  226)  der  Fall  ist.  Für  diese  Annahme  scheint 
ty^  aus  clavis  zu  sprechen:  das  y  hätte  e  vor  dem  Wandel  in  a 
bewahrt.  Die  umgekehrte  Annahme :  tya  sei  unter  Einflufs  des 
y  zu  ty§  geworden,  ist  dadurch  ausgeschlossen,  dafs  Wandel  von 
a  zu  e  nach  aus  cl  entstandenem  iy  in  diesen  Gegenden  nicht 
vorkommt,  s.  §  262.  Wann  e  eingetreten  ist,  läfst  sich  nicht 
bestimmen :  die  Eide  schreiben  salvar ,  aber  schon  Eulalia  und 
Jonas  und  so  alle  folgenden  Denkmäler  stets  e.  Wenn  Philipp 
von  Thaon  in  seinem  Computus  Cesar:  guardar  775,  vertat: 
soustrairat  3483  bindet,  so  wird  ihn  das  Reimbedürfnis  zu 
diesen  Latini>^men  verleitet  haben.  Eine  Grenze  nach  unten 
giebt  die  Behandlung  von  ei  §  249,  nach  oben  die  germanischen 
Lehnwörter.  Gotisches  e  ist  im  Fränkischen  gegen  das  VII. 
Jahrhundert  zu  a  geworden,  vgl.  Dado  a.  632  aus  got.  Deda. 
Dieses  fränkische  ä  wird  in  den  ältesten  Lehnwörtern  behandelt 
wie  lateinisches,  vgl.  afr.  here,  fränk.  hära,  wogegen  got.  e  dem 
vulgärlat.  p  entspricht,  afr.  hiere ,  got.  hUra.  Eine  relative  Zeit- 
bestimmung gestattet  auch  die  Behandlung  von  freiem  a  vor 
Guttural  und  Nasal.  Die  Palatalisierung  des  c  ist  offenbar  ein- 
getreten, bevor  a  bei  e  angelangt  war:  aus  acu  entstand  nicht 
ec,  ei,  sondern  ac,  ai  bevor  at  zu  et  geworden  war,  im 
Diphthongen  ai  aber  ging  a  seine  besonderen  Wege,  s.  §  235. 
Über  a  vor  Nasalen  s.  §  246.     Es  lauten  also  die  Beispiele  von 


200  I-  Kapitel:  Vokalismus.  g   225. 

§  223  etwa  seit  dem  VII.  Jahrhundert  gret,  -et,  pret,  Jct0,  -edre, 
-ede  u.  s.  w.  Dieses  c  ist  verschieden  A^on  dem  aus  gedecktem  e 
(§  111)  und  f  (§  167)  entstandenen,  es  reimt  aber  mit  dem 
ursprünglich  betonten  oder  tonlosen  lateinischer  Wörter,  wie 
secrees:  regardees  Chev.  II  esp.  2269,  clere:  matere  10503,  avou- 
iere: comere  Benoit  Chron.  8795,  truver  tempore  Comp.  751, 
tempore:  verte  2379.  Über  erent:  tresturnerent  Comp.  1185 
s.  Kap.  IV,  über  De:  apeJe  Comp.  431  §  223.  Es  fragt  sich 
nun,  wie  dieses  e  gelautet  habe.  Zwischen  a  und  e,  wie  heute 
in  offener  Silbe  gesprochen  wird ,  liegt  als  erste  Entwicklung  ä, 
dies  ist  aber  fürs  Altfranzösische  ausgeschlossen,  da  e  aus  a,  von 
bestimmten  Fällen  abgesehen,  nicht  reimt  mit  dem  aus  ai  ent- 
standenen ä,  e  §  235.  Die  nächste  Stufe  ist  f,  d.  h.  der  Laut, 
den  vulglat.  gedecktes  f  noch  im  Französischen  hat,  die  folgende 
der  des  gedeckten  e.  Kun  ist  aber  zu  beachten,  dafs  diese  afr. 
§,  e  auf  vulgärl.  ^,  e  zurückgehen ,  der  aus  a  entstandene  Laut 
dagegen  auf  ä,  er  wäre  also  fürs  Altfranzösische  als  f,  e  anzu- 
setzen ,  wozu  die  Schreibung  peer  Jon.  28 ,  chieef  Eul.  22  vor- 
züglich pafst.  Seit  dem  XVII.  Jahrhundert  teilt  sich  der  bis 
dahin  einheitliche  Laut  in  e  und  {3;  jenes  steht  im  direkten  Aus- 
laut, dieses  vor  Konsonanten,  vgl.  nfr.  aimer,  d.  i  fme  neben 
amer,  d.  i.  am§r,  wogegen  im  Afr.  aimer:  amer  durchaus  korrekt 
reimen.  Ist  also  infolge  der  Stellung  im  direkten  Auslaut  p  zu  c 
geworden,  oder  infolge  kürzenden  Einflusses  des  folgenden  Konso- 
nanten e  zu  f,  mit  anderen  Worten,  ist  für  die  ältere  Zeit  amer  oder 
amer  zu  Grunde  zu  legen  ?  Aus  der  Entwicklung  im  XVII.  Jahr- 
hundert läfst  sich  kein  bestimmter  Schlufs  ziehen,  für  e  im  Alt- 
französischen aber  spricht  dreierlei.  Einmal  der  Unterschied 
zwischen  eau  aus  aqua,  älter  e-we,  und  pieu  aus  palus,  älter  pel 
§  223.  Sodann  die  eben  envähnte  Bindung  von  ere  mit  e  aus  a. 
Ere  ist  zunächst  tonlose  Form,  lautet  also  (§  352)  ere,  wo- 
neben die  betonte,  erat,  zu  iere  wird.  Der  ursprüngliche  Unter- 
schied wurde  aber  bald  verwischt  und  ere  auch  dann  gebraucht, 
wann  es  den  Satzton  hatte :  dafs  aber  deshalb  das  e  seine 
Qualität  verändert  habe,  ist  nicht  anzunehmen.  Endlich  spiücht 
die  Gleichstellung  des  e  aus  a  mit  demjenigen  lateinischer  Wörter 
für  c,  denn  dieses  wurde,  wie  schon  S.  29  gesagt  ist,  geschlossen 
gesprochen. 


§   225,    226.  E  aus  A  im  Altfranzö.sisclieu.  201 

Die  Frage  nach  den  verschiedenen  e  im  Altfranzösischen 
ist  viel  besprochen.  Die  Entdeckung,  dafs  das  c  aus  a 
von  denjenigen  aus  e  und  c  verschieden  sei,  ist  G.  Paris 
zu  verdanken,  Alexis  42.  Sodann  haben  gleichzeitig  und 
unabhängig  voneinander  E.  Böhm  e  r,  Rom.  Stud.  I,  599 
und  A.  1)  a  r  m  e  s  t  e  t  e  r ,  Rev.  crit.  1 875  II,  267  den 
Unterschied  zwischen  gedecktem  e  und  e  festgestellt. 
Während  diese  Thatsacheu  nun  völlig  sicher  stehen,  sind 
dagegen  die  Ansichten  über  die  Qualität  der  drei  Laute 
sehr  verschieden.  G.  Paris,  Rom.  VII,  123 — 126 
setzt  für  altes  e  den  offenen ,  fiir  altes  e  den  ge- 
schlossenen, für  e  aus  a  einen  mittleren  Laut  voraus, 
ähnlich  Lücking  S.  91  und  Ko  schwitz,  Jjher- 
Ik'feriwg  und  Sprache  der  Chanson  du  voyage  de  Charle- 
magnc,  S.  21.  Böhmer  dagegen  hatte  für  e  aus  a  den 
offensten  Laut  angesetzt.  Ten  B  r  i  n  k ,  Dauer  und  Klang 
S.  24  nimmt,  wie  es  hier  geschieht,  f,  e  und  f  an, 
ebenso  Suchier,  Ztschr.  III,  137  ff.,  nur  leugnet  letzterer 
die  blofse  Quantitätsdifferenz  zwischen  e  und  f  und  ver- 
langt noch  einen  Unterschied  in  der  Qualität.  0.  U 1  b  r  i  c  h , 
Ztschr.  II,  530  sieht  in  e  aus  a  einen  c-Laut,  „welcher 
noch  eine  Spur  seines  Ursprunges  verrät,  indem  er  offen 
einsetzt,  und  der  seinen  zukünftigen  Lautwert  schon 
andeutet,  in  dem  er  geschlossen  endigt  ....  der  etwa 
einem  zusammengezogenen  ei  am  ähnlichsten  sein  würde". 
Ob  aber  dann  nicht  Zusammeufall  mit  ai  eingeti'eten 
wäre?  —  Eine  Übersicht  über  die  verschiedenen  Ansichten 
luid  genaue  Analyse  der  einzelneu  Arbeiten  giebt 
A.  E  d  s  t  r  ö  m ,  Studier  öfoer  iippl-omsten  och  utvecklingen 
af  Fornfranskans  E-Ljud  i  betonad  stafvelse,  Upsala 
1883.  —  Die  Beispiele  mit  erhaltenem  a  erklären  sich 
teils  als  Buchwörter,  wie  cave,  caver,  teils  durch  Einflufs 
eudungsbetonter  Nebenformen^  wie  lave  statt  leve  zu  laver, 
ebenso  ehalt,  valt  u.  s.  w.,  mal  neben  afr.  mel  ist  von 
malczfr  und  ähnlichen  zu  erklären.  Dafs  das  Suffix  -dl 
lediglich  Buchform  ist  und  namentlich  aus  Übersetzungen 
lateinischer  Texte  an  Stelle  des  älteren  -el  in  die  Schrift- 
sprache und  auch  in  die  Volkssprache  gedrungen  ist,  hat 
im  einzelnen  gezeigt  N.  Nathan,  Das  Svfßx  -alis  im 
Französischen,  Diss.  Strafsburg  1887. 

226.  Was  nun  die  weiteren  Schicksale  des  e  betrifft,  so 
bleibt  es  im  direkten  Auslaut  bestehen,  wird  vor  Konsonanten 
seit  dem  XVII.  Jahrhundert  zu  p.  Schon  Maupas  1625  lehrt, 
e  sei  offen  vor  c,  d,  l,  r,  s,  t,  x:  tffl  u.  s.  w.  Desgleichen  die 
folgenden    Grammatiker.     Natürlich    bezieht    sich    das    auch    auf 


202  I-  Kapitel:  Vokalifemus.  §   226. 

hec,  sec  u.  s.  w.  Peletier  giebt  an  file  und  fUgt,  cive  und  civpty 
c§p,  cl^f  und  de.  Neben  nez  besteht  2.  PI.  Fut.  lange  mit  fs; 
selbst  Bestand  1730  tadelt  diese  Aussprache  noch.  Für  den 
Übergang  von  e  zu  §  vor  r  bietet  das  XIII.  Jahrhundert  Belege, 
Ph.  de  Eemi  reimt  m^re:  arriere,  Deesse  d'Amour  amer:  fer  18, 
Alex.  IV,  154  cnfer:  trex^asser^  J.  Marot  parier:  par  Vair,  aller: 
air.  Im  XVI.  Jahrhundert  findet  man  schon  m§r,  ampr  u.  s.  w., 
aber  Inf.  auf  -er  mit  gesprochenem  r.  Maupas  verlangt  menager, 
vaclier,  Inf.  -er,  sonst  §r:  es  könnte  also  e  nach  Palatalen  be- 
rechtigt und  im  Inf.  dann  auf  alle  Verba  übertragen  sein.  Aber 
Vaugelas  scheidet  schon  ganz  scharf  entweder  -e  oder  -fr.  Wenn 
Meigret  1542  mere  verlangt,  so  verrät  er  damit  seinen  östlichen 
Dialekt,  Joubert  1579,  Saint  Liens  sprechen  f,  Baif  1574  schwankt. 
Doch  herrscht  noch  während  des  ganzen  XVII.  Jahrhunderts 
Unsicherheit,  erst  Voltaire  zu  Corneilles  Mort  de  Pompee  II, 
2,  131  läfst  p^re  und  t§rre  ganz  identisch  sein.  Denselben  Weg 
schreitet  der  Westen :  seit  dem  XIII.  Jahrhundert  reimen  im 
Anglonormannischen  ei  und  e ,  etwas  später  werden  eil  aus  ellus 
und  el  aus  alis  gebunden :  für  Chaucer  sind  beide  =  ß. 

Vgl.    Genaueres     bei     Suchier,     Ztschr.    III,    139, 
Littbl.  1882,  15  ff. 

Das  Anglonormannische  setzt  aber  damit  nur  fort,  was  auf 
dem  Festlande  begonnen  hatte :  der  Südnormanne  Etienne  de 
Fougeres  schreibt  im  letzten  Viertel  des  XII.  Jahrhunderts  nicht 
selten  ei  für  c,  worin  nur  §  oder  gar  fi  zu  sehen  ist,  desgleichen 
die  Handschrift  des  Eoman  du  Mont  S.  Michel.  Aus  e,  ei  ent- 
steht heute  ai,  aie  in  Lahague,  Guernesey  und  dem  nördlichen 
Cotentin,  ganz  offenes  e  in  Jersey  und  im  südlichen  Cotentin,  a 
in  Houlme  und  Val  de  Saire,  und  schliefslich  sogar  o  in  Val  de 
Saire.  Auch  weiter  südlich  in  Montjean  (Mayence)  begegnet  a: 
parld,  cid  u.  s.  w. ,  ebenso  in  Montmorillon  (Vienne),  und  dafs 
dieses  a  sekundär  ist,  geht  daraus  hervor,  dafs  auch  vulglat.  e  zu 
a  wird  :  ha  =  quid.  Die  Stufe  p,  e  liegt  vor  in  S.  Maixent  desidce, 
gard^e  (vgl.  apr^e,  aber  meSe,  forse,  Ivze  §  259).  In  Louvigne- 
des-Bais  endlich  scheint  §  über  ai,  oi  zu  ce  zu  werden :  hlce,  Inf. 
Part.  -0?,  scel,  dce  u.  s.  w. ,  ebenso  fötcen.  Vienne,  Deux  Sevres 
und  Vendee  bleiben  im  allgemeinen  bei  e. 

Dafs  das  Xorm.    a    nicht    direkt    auf  das   Lateinische 


§   226,    227.  E  aus  A  im  Französischen.  203 

zurückgehe,  sondern  aus  e  entstanden  sei,  hatCh.  Joret 

gezeigt,  Melange s  12 — 16. 
Im  Osten  scheint  dagegen  c  länger  geblieben  zu  sein;  es 
hat  sich  auch  vor  r  noch  heute  mehrfach  gehalten :  Seraing,  lothr. 
Wfr,  per.  morv.  frcr,  mcr,  per;  in  Lothringen  erscheint  forner  ej 
mit  bald  stärkerem,  bald  schwächerem  i:  rei,  mogrei,  -ei  u.  s.  w., 
ebenso  noch  in  der  Champagne,  z.  B.  Possesse.  Auch  in  diesem 
ei  ist  wohl  eine  Fortentwicklung  des  alten  f,  nicht  eine  Vorstufe 
desselben  zu  sehen.  Es  findet  sich  schon  in  den  Handschriften 
und  Urkunden  des  XIII.  Jahrhunderts  und  zwar  nicht  nur  in  Loth- 
ringen, sondern  auch  in  Flandern,  Hennegau,  Cambrai,  S.  Quen- 
tin,  Tournay,  S.  Omer,  Vermandois  und  in  der  nördlichen 
Pikardie,  aber  nicht  mehr  in  Artois  und  Ponthieu.  Von  da 
dringt  es  ins  Mittelhochdeutsche  und  Mittelniederdeutsche :  lameir 
Tristan  11998,  moralHeH  8012,  valeie  Parthenopäus  76,  5.  Ge- 
naue Angaben  über  die  heutigen  Verhältnisse  fehlen.  —  Dieses 
ei  kann  aber  wieder  zu  fi  werden,  imd  daraus  in  Lothringen  fie 
in  Raville  ,  ai  a  in  Ramonchamp,  Ventron,  Rupt,  S.  Arne  und 
weiter  südlich  §  225.  —  Eigene  Wege  geht  e  in  Courtisols : 
pceire  =  pere,  alce  Ptc ,  ferner  aprces  =  apres,  also  e,  f ,  w. 

227.  Im  rätischen  Gebiete  gehört  e  hauptsächlich  dem 
Zentrum  und  einem  Teil  des  Westens  an,  es  erscheint,  wenn  man 
von  Westen  beginnt ,  im  unteren  Bergell ,  Bergün ,  Stalla ,  Ober- 
engadin,  Stifs,  Schieins,  Oberfascha,  Greden,  Abtei,  Enneberg, 
Buchenstein  und  Erto.  Die  Qualität  schwankt  zwischen  f,  f,  5,  ä. 
Der  Laut  e,  wie  er  z.  B.  im  Engadin  erscheint,  ist  verhältnis- 
mäfsig  jung,  Griti  1560  schreibt  stets  ae,  Bifrun  und  spätere 
sowohl  ae  als  e.  Wir  haben  also  im  Engadin.  -cda,  sted,  dlted, 
sei,  ela,  -er,  nef,  Jclef,  pes,  leg,  somit  abweichend  vom  Französischen 
das  e  auch  vor  lat.  c,  frer,  ledar  u.  s.  w.  —  In  einzelnen 
Gegenden  ist  das  e  noch  wenig  vorgedrungen :  in  Cividale  tritt 
es  erst  auf  in  oxytonen  Wörtern:  stäat,  nicht  in  paroxytonen: 
Stade.  Tritt  ^  in  den  rätischen  Auslaut,  so  wird  es  in  Ober- 
Fascha  und  Greden  Avieder  a  §  255.  Vom  Rätischen  her  dringt 
e  statt  a  vorwärts  in  die  lombardische  Ebene  hinein,  erreicht 
zwar  die  grofsen  Städte  nicht,  gilt  aber  als  „contadinesco"  in 
der  Umgebung  von  Mailand  und  findet  sich  auch  noch  in  den 
Dörfern  um  Bormio  herum  und   im  Livignerthal. 

Vgl.  H.  Morf,  Gott.  gel.  Auz.  1885,  S.  854. 


204  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   228. 

228.  In  Italien  sind,  abgesehen  von  dem  §  223  erwähnten 
Falle,  zwei  c-Zonen  zn  unterscheiden:  die  emil  ianis  che  und 
diejenige  der  A  b  r  u  z  z  e  n.  Jene  beginnt  bei  Reggio  d'Emilia  (aufser 
Guastalla)  und  umfafst  Modena  (aufser  dem  Norden :  Mirandola 
und  die  Berggegend  von  Sestola) ,  Bologna  (aufser  der  Stadt), 
Cento  Codigoro,  ßavenna,  Forli,  die  am  östlichen  Abhang  der 
Apenninen  liegenden  Teile  der  Toskana  (Firenzuola,  Palazzuolo- 
u.  s.  w.),  Pesaro  Urbino,  Arezzo  und  Castello  in  Umbrien ;  ganz 
vereinzelt  steht  noch  Porto  S.  Giorgio  (Ascoli  Piceno).  Wir 
haben  also  z.  B.  im  Aretinischen :  Jcant^rc,  Ic^va,  f^re,  -eta,  Jcene, 
psono  y  im  Romg. :  lies,  cva,  md,  ncd,  tevula,  Inf.  •  c  Part,  c,  cda 
u.  s.  w.,  megra.  Während  asina,  machina  zu  esita,  mcsna  werden, 
entspricht  dem  ital.  -aggine  hier  -asna:  die  Konsonantendehnung 
ist  also  älter  als  der  Wandel  von  a  zu  c.  Hier  mag  auch  Er- 
wähnung finden  das  eaa  von  Vigevano :  riveaa,  deaa  (dare),  streaa, 
Jcear,  guadaneaa  u.  s.  w.  —  Die  Verhältnisse  in  den  Abruzzen 
sind  noch  ziemlich  unklar.  Es  scheint,  dafs  das  oxytonierte  a 
in  den  Inf.  auf  d  =  arc,  in  den  Subst.  auf  d  =  atem  bleibt 
(vgl.  dazu  §  221),  so  haben  wir  in  Pratola  Peligna:  sßdceve, 
despereie,  Jdeuve  (clave),  aber  Inf.  venneJcd,  in  Ortona  a  Mare :  eme 
(amOj  amas),  -de  =^  -atum,  petre,  2.  PI.  -d,  aber  Inf.  -d  u.  s.  w. 
In  Agnone  hat  freies  a  „un  suono  lungo  che  comincia  con  e  e  va 
insensibilmente  a  finire  in  a".  In  Cerignola  dagegen :  Impe,  -exte. 
Zu  den  südlichsten  Punkten  gehören  Cerreto  Sannita :  -eva,  -eta, 
-eno,  selbst  j:)?Tm  3.  Sg.  Perf.,  Inf.  -a,  Canosa  di  Puglia  eve  u.  s.  w., 
Inf.  -e,  aber  -ar,  -asse,  ebenso  Cisternino  und  Trani.  Aufser  e 
kommen  aber  auch  noch  andere  Vokale  vor:  eu  in  Modugno 
(Bari) :  inlteude,  despcreuute,  'ti'kevpe^  qiieuule^  hier  auch  Inf.  -euue 
neben  stote,  fo,  sope,  arrevote,  in  Bitonto:  Jcieun,  shregeneut, 
maltrattent,  seupe,  steu  (Inf.) ;  in  Lanciano  ä :  -äte,  -äjo,  stäve, 
häse,  aber  ddd,  Inf.  -d.  Das  gegenseitige  Verhältnis  dieser 
verschiedenen  Entwicklungen,  das  von  eu  zu  o  in  Modugno  ist 
wegen  des  geringen  Materials  unklar.  Dafs  auf  so  engem  Raum 
a  einerseits  über  ä  zu  e,  andererseits  über  ä  zu  o,  eu  werde, 
ist  einigermafsen  auffällig.  Freilieh  könnte  man  an  Veglia 
erinnern  §  223,  dessen  Vokalismus  ja  auch  sonst  mit  dem  der 
Abruzzen  übereinstimmt.  —  Ganz  im  Süden  wird  in  Tarent  a 
zu  ä:  Jcantäre,  Mpe,   kyäme,  Jcyäge  u.  s,  w. 


§   229—231.  A  zu  E  in   Italien  und  Portugal.  205 

229.  Endlich  giebt  es  auch  in  Portugal  Gegenden,  wo 
e  für  freies  a  eintritt,  so  in  Pena-Lobo  (Beira-Baixa) :  hurecOj 
aguilheda,  in  Sernache  do  Bonijai'dim :  gieda,  carrcda,  in  Oleiros  : 
felicidede^  citede,  in  Alpedrinho :  hatezedo,  aguilheda  (Leite  de 
Vasconcellos  D.  B.  12). 

d)  Bedingte  Veränderungen. 

1,     Einflufs   folgender    Laute. 

230.  Zu  den  Umgestaltungen,  die  das  a,  freies  wie  ge- 
decktes ,  durch  die  Palatalen  erleidet ,  sind  drei  Fälle  zu 
untei-scheiden.  Entweder  der  Palatal  bleibt  und  teilt  dem  a 
seine  Klangfarbe  mit.  Oder  aber  er  löst  sich  zu  i  auf  und  ver- 
bindet sich  mit  a  zu  dem  romanischen  Diphthongen  ai,  der  dann 
teils  besteht,  teils  zu  p,  e,  i,  teils  zu  a,  oder  nach  Labialen  zu 
uai,  nach  Palatalen  zu  i  wird.  Endlich  drittens  kann  hier  zur 
Behandlung  kommen  der  Umlaut  des  a  unter  dem  Einflufs  eines 
durch  Konsonanten  von  ihm  getrennten  Endungs-i. 

231.  Der  erste  von  den  drei  genannten  Fällen  ist  der 
seltenste.  E  statt  a  vor  Palatalen  finden  wir  im  Tessin:  led 
(lade),  fed,  h'crl  (cane),  gren  fgramtmj,  assej  (ital.  assai),  -ej  =  ati, 
-ate  u.  8.  w.,  in  Bormio:  hred,  streö,  Iceda,  gressa,  rezza,  in  der 
Val  Leventina:  hre^,  lei  (lacus),  led,  nes  (nasus),  nes  (nascere).  Im 
Bergeil  wird  freies  a  zu  ä,  vor  Palatalen  zu  e:  mär,  dar,  Uät 
aber  leh,  pega.  Hierher  gehört  wohl  auch  der  in  diesen  Gegen- 
den vorkommende  Umlaut  durch  gedecktes  s.  Soweit  bis  jetzt 
ermittelt  ist,  kommt  er  nur  da  vor,  wo  gedecktes  s  zu  ^  wird 
(§  468) ,  es  ist  also  am  Wandel  von  a  zu  e  nicht  sowohl  das  s 
oder  dessen  dentale  Verdichtung  S,  sondern  ein  mehr  palatales  s 
schuld.  Wir  finden  also  gcst  (deutsches  Gast),  esp,  mesk'd,  pcsta, 
pesqua  in  Scanf  und  Zutz,  päskul,  Jcäska,  pä^qua,  pästar  im 
Bergell ;  auch  nehcr  in  Surselv,  und  schon  im  Barlaam :  fetscli 
(facta),  Konj.  fetsch,  in  der  Valle  Leventina:  hre§,  ness  (nasci), 
freilich  auch  -nes  (nasus).  Sodann  in  S.  Fratello,  s.  unten.  Aus 
ganz  anderer  Gegend  sind  tax  erwähnen  L ah ague :  gleite  (glace), 
pleise,  feise.  —  Ein  weiteres  Gebiet,  wo  a  vor  Palatalen  zu  e 
wird,  ist  S.  Fratello:  tcgy  (ialio) ,  pcgya,  kampena,  plez 
(piace),    nes,    hez,    iei   ffalij,    mei  (mani),    -ei   (-ati),   tend  (taftti), 


206  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   231,   232. 

meng,  Frentsa,  dann  freska,  pesta,  hrest,  cspa,  äbbesta.  —  Endlich 
ist  liier  noch  Veglia  zu  nennen,  wo  der  Umlaut  auch  vor 
Gutturalen  stattfindet :  Z?fc  (lac) ,  tiJc  (tace) ,  trik ,  dann  hiss  (hacio), 
kis,  da  lies  (latus),  anines  (inansi),  prinz  (prandium);  vor  einst 
auslautendem  a  steht  e:  rets  (razza),  grets  (grazia).  —  Ob  auch 
lecc.  minezzu  =  ital.  minaccia  hierher  gehört,  vermag  ich  nicht 
zu  sagen. 

232.  Auf  fr  anzö  sischem  Boden  gehört  hierher  das  weit- 
verbreitete -aige  für  -age,  so  wie  a  vor  Kons.  -|-  i.  Was  jenes 
betrifft,  so  findet  es  sich  im  ganzen  Osten  und  Norden,  wenn  es 
auch  in  den  pikardischen  Urkunden  seltener  auftritt  als  in  loth- 
ringischen und  burgundischen.  Neben  der  gewöhnlichen  Schreibung 
aige  trifft  man  auch  ege  Chev.  II  esp.  6579,  aedge  im  Band,  de 
Sebourg.  Sodann  zeigen  es  die  pariser  Urkunden  des  XIV.  und 
XV.  Jahrhunderts.  Weiter  Avestlich  begegnet  es  in  Anjou  und 
Maine.  Auch  dem  provenzalischen  Sprachgebiete  fehlt  es  nicht: 
die  Mysteres  aus  den  Alpen  kennen  es,  ferner  z.  B.  der  Dialekt 
von  Remoulin.  —  Wie  weit  es  sich  heute  erstreckt,  ist  noch  nicht 
ermittelt^  Arras  scheint  nur  -as  zu  haben,  dagegen  kennen  es  das 
Wallonische,  die  lothringischen  und  burgundischen  Mundarten 
und  noch  ein  Teil  von  Neuenburg,  sodann  also  Maine  und 
Anjou.  Es  fragt  sich  nun,  ob  das  ai  nur  graphische  Darstellung 
des  Lautes  §  sei,  oder  aber  ob  es  einst  wirklich  den  Diphthongen 
ai  bedeutet  habe.  Für  die  erstere  Annahme  spricht  Folgendes. 
Im  Lothringischen  wird  französisches  ai  zu  a,  pais  also  z.  B.  zu 
pas.  Wäre  nun  das  ai  des  afr.  -aige  dasselbe  wie  dasjenige  von 
pais,  so  müfste  notwendigerweise  daraus  im  Lothr.  -age  ent- 
stehen :  dem  ist  aber  nicht  so ,  vielmehr  haben  wir ,  wie  eben 
bemerkt,  auch  im  Lothr.  -ege.  Es  hat  also  das  tönende  palatale 
g  oder  I  vorhergehendes  a  zu  p  umgelautet.  Vor  palatalen  Kon- 
sonanten bleibt  a  im  allgemeinen.  Zu  ai  wird  es  vor  tönendem 
s:  haise  s.  §  479  und  vor  n,  l,  wenn  diese  sich  unmittelbar  mit 
einem  Konsonanten  verbinden,  also  -ane  aus  -anea,  aber  -ains  aus 
-aneus ,  hains,  aber  noch  im  XVI.  Jahrhundert  hagner,  saint  aus 
sanctu,  sädt,  ähnlich  ains  aber  -ance,  plaindre  aber  Konj.  plange, 
ailt  Konj.  von  aller.  Im  Rolandsliede  aber  steht  cumpanz  noch 
stets  in  ä-Tirade  §  285  u.  s.  w. ;  man  sprach  also  damals  noch 
änz.     Der  Vorgang    ist    folgendermafsen    zu  erklären.     Der  Aus- 


§   232.  A  vor  Palatalen.  207 

gang  des  palatalen  Konsonanten  wird  vor  dem  folgenden  Dentalen 
rein  dental,  dann  wird  der  so  entstandene  Verlust  an  Palatal- 
artikulation dadurch  wieder  aufgehoben,  dafs  diese  schon  während 
der  Dauer  des  Vokals  beginnt:  statt  eines  Vokals  mit  scharfem 
Absatz  erseheint  jetzt  einer  mit  palatalem.  —  Ahnliches  begegnet 
auf  weitem  Gebiete  vor  l  und  n  im  Silbenanlaut.  Zwar  im 
Roland  steht  -aille  nur  in  a-Tiraden ,  und  im  Zentrum  ist  -ale 
stets  geblieben.  Aber  sowohl  der  Westen  Avie  der  Osten  lassen 
-ale  zu  -ffe  werden.  In  den  Büchern  der  Könige  ist  der  Wandel 
auf  die  Stellung  vor  dem  Tone  beschränkt;  spätere  normannische 
und  anglonormannische  Denkmäler  zeigen  ihn  auch  unter  dem 
Tone,  desgleichen  die  lothringischen  und  burgundischen ,  vgl. 
merveille:  iravaüle  Guerre  de  Metz  93  d,  und  dazu  stimmt  das 
heutige  ft,  (y.  Aus  den  Mundarten  ist  diese  Aussprache  im 
XIV.  Jahrhundert  auch  ins  Zentrum  gedrungen.  Eustache  Deschamps 
reimt  conseille:  travaiUe,  Alain  Chartier  traveüle:  merveille,  die 
Grammatiker  des  XVI.  und  XVII.  Jahrhunderts  aber  wissen 
kaum  etwas  davon.  Mit  -arie  verhält  es  sich  ähnlich.  Immerhin 
ist  ein  Unterschied  zu  beachten.  Im  Roland  assoniert  -aigne  mit 
aine,  aime,  wie  gleich  die  erste  Tirade  zeigt:  Espaigne,  fraindre, 
atmet,  d.  h.  espäine:  fräidr§:  äimet.  Am  frühesten  ist  nun  im 
ersten  Beispiele  die  Nasalierung  wieder  verschwunden  und  mit 
ihr  das  i:  Espafie,  wogegen  sie  in  den  anderen  länger  blieb,  so 
dafs  ai  zu  §  wurde.  Im  Osten  und  Westen  imd  zum  Teil  im 
Norden  entwickelt  sich  anc  (oder  äine?)  weiter  zu  fw'e,  vgl. 
compaigne:  enseigne  Chev.  II  esp.,  und  so  die  meisten  Denkmäler 
des  XII.  und  XIII.  Jahrhunderts  aus  dieser  Gegend,  und  ent- 
sprechend heute  fw  in  Maine,  Poitou,  im  Lothringischen,  Morvan 
u.  s.  w.  Auch  im  Zentrum  finden  wir  Bretaigne:  enseigne  bei 
Villon,  Bretaigne:  retiegne  bei  Ruteboeuf  und  bei  den  Gramma- 
tikern des  XVI.  und  XVII.  Jahrhunderts.  Es  ist  wohl  das  Ver- 
breitungsgebiet von  fw  gröfser  als  dasjenige  von  ff.  Heute  ist 
fn  wieder  ganz  aus  der  Schriftsprache  verschwunden,  abgesehen 
von  dem  in  seiner  Vereinzehmg  auffälligen  araigne,  araignee; 
haigner  hat  sein  ai  von  hain,  plaigne  von  plaindre,  in  saigncr  hat 
sich  *signare  eingemischt,  über  chätaigne  s.  §  283.  —  Eine  eigen- 
tümliche Weiterentwicklung  von  eri  zeigt  Plancher-les-Mines  in 
mötin,  forin. 


208  I.  Kapitel:  Vokalisnius.  §   233—235. 

233.  Das  romanische  ai  ist  auf  den  einzelnen  Gebieten 
auf  sehr  verschiedene  Weise  entstanden.  Hier,  wo  es  sich  darum 
handelt,  die  Schicksale  der  lateinischen  Laute,  nicht  die  Herkunft 
der  romanischen,  darzustellen,  kommt  es  nur  in  soweit  in  Betracht, 
als  es  nicht  geblieben  ist,  sondern  weitere  Umänderungen  erfahren 
hat.  Daher  bietet  weder  das  Rumänische,  noch  das  Italienische 
Stoff  zu  irgend  welchen  Bemerkungen.  Wohl  aber  ist  zu  sagen, 
dafs  in  ganz  Ober  Italien  romanisches  ai,  wie  immer  es  ent- 
standen sei,  zu  ä,  e  wird,  vgl.  gen.  frä  (fratre),  vägu  (valico), 
sarvägu  (selvaticus) ,  nage  (naticas),  ägua  u.  s.  w, ,  wofür  agen. 
noch  fraire,  salvaigo,  aigua  u.  s.  w. ;  aven.  me  (mai),  asse,  1.  Sg. 
Fut.  mettere,  sepa  (*saipa,  sapiam)  schon  im  Fra  Paolino,  bonte 
wirft  Dante  den  Paduanern  vor.  In  der  aver.  Katharina  noch 
-ae ,  ai ,  mail.  asse,  se  (ital.  sai) ,  cante  (cantatis)  schon  Bescape, 
pleo  aus  *plaito  (placitum)  Bonvesin,  aver.  spe  (*spae  ital.  spade), 
ehia,  piem.  asse  Chrys.  27,  40  u.  s.  w.,  romg.  geha  (*caiva,  cavea), 
era  (arcd).     Aret.  1.  Fut.  1.  Perf.  -e,  se  (sai)  u.  s.  w. 

234.  Ebenso  wird  im  Rät i sehen  ai  zu  e:  obw.  -er,  -era 
aus  -arins,  -a,  trer,  era,  glera  u.  s.  w.,  eng.  m§  (mai),  mer 
(major),  pled,  heia  (bajiila)  u.  s.  w.  Desgleichen  in  Tirol,  aber 
nicht  mehr  im  Friaul.,  vgl.  ai  =  lidbeo,  rai,  sJcaipie  (cavea),  laip 
(alveu)  u.  s.  w.     Über  -ariiis,  -a  s.  §  522. 

235.  Im  Französischen  ist  zu  scheiden  nach  den 
Dialekten  und  nach  der  Zahl  der  folgenden  Laute.  Eine  Stellung 
für  sich  nimmt  -arius  ein,  das  frühzeitig  über  -a\r  zu  -§r  und 
dann  wie  altes  -fr  zu  -ier  gcAvorden  ist,  s.  §  522.  Von  den  übrigen 
Fällen  ist  zuerst  das  direkt  auslautende  ai  in  1.  Sg.  Perf.  Fut. 
und  in  ai  (häbeo),  sai  zu  e  geworden,  es  reimt  mit  c  aus  a,  vgl. 
dtre:  ravisez  Amis  3327,  Durmart  3751,  Chev.  II  esp.  XXXV 
lt.  s.  w.  Im  XVII.  Jahrhundert  schwanken  die  Grammatiker 
zwischen  ei  oder  ei  (Meigret)  und  e  (Pelletier),  wogegen  sie  für 
vrai,  gai  u.  s.  w.  nur  Q  kennen,  und  noch  heute  wird  meist  ^.me 
Perf.  von  fme  Impf,  geschieden.  Sonst  erscheint  §  am  frühesten 
in  der  Xormandie  und  in  England,  und  zwar  zuerst  vor  mehr- 
facher Konsonanz:  fresle  fgreslet,  mesnilj  im  Doomsdaybook, 
pestre:  beste  Comp.,  lermes:  lermes  Brandan  891.  Sodann  im 
Hiatus  ebenfalls  im  Brandan  maneie:   esmaie    124,    und  vor  ein- 


§   235—237.  A  vor  Palatalen.  209 

fachen  Konsonanten  pes  0.  P.  c,  12,  meis  '§  18.  Die  anderen 
Dialekte  halten  ai  länger  fest,  raiet  steht  im  Roland  in  a-Tiraden, 
Amis  reimt  ai  nie  mit  sich,  der  Renclus  de  Moiliens  meidet  ai:  e 
im  Roman  de  Carite  noch  ganz,  nicht  mehr  völlig  im  Miserere, 
Jourdain  bringt  ai  in  a-  und  e-Tiraden  u.  s.  w.  Im  XVI.  Jahr- 
hundert ist  aber  p  schon  allgemein  eingetreten,  doch  wird  der 
etymologische  Laut  fast  immer  festgehalten,  aufser  wo  der 
Ursprung  nicht  mehr  ersichtlich  ist,  wie  in  aguet,  afr.  agiiait,  vgl. 
auch  umgekehi't  afche  aus  esca.  Der  Westen  hält  mit  dem 
Zentrum  ziemlich  gleichen  Schritt :  Etienne  de  Fougeres  und  der 
Roman  du  Mont  S.  Michel  reimen  ai  vor  mehrfacher  Konsonanz 
nur  mit  f,  wogegen  sonst  Schwanken  zwischen  diphthongischer 
Aussprache :  p  und  monophthongischer  herrscht. 

236.  Im  Osten  aber  bleibt  ai  im  Auslaut  bestehen,  vor  Kon- 
sonanten wird  es  im  Lothringischen  zu  «,  im  Wallonischen  zu  f., 
vgl.  lothr.  pyai,  mai,  far,  la  (lait),  pa  (paix),  fran  (frene),  hrame 
(breme),  ra,  pyar  (plaire)  u.  s.  av.,  wallon.  mai,  vrfi,  aber  t^r,  ^r, 
ff  (fait),  frpn  u.  s.  w.  Südlich  findet  sich  a  noch  z.  B.  in  Cham- 
plitte  fare,  im  Morvan  ma,  pa  u.  s.  w.,  Bresse  ma.  Die  Beispiele  sind 
ziemlich  alt:  reparent  G.  de  Metz  35  a,  lassent  65  f,  i'asim  67  d, 
maxon  29  b,  nitre:  hatre  268  neben  aitre:  paistre  276.  Wie  weit 
a  nördlich  reicht,  ist  noch  nicht  ermittelt,  ausl.  -ai  und  -a 
scheinen  auch  in  pikardischen  Denkmälern  zu  reimen  Chev.  11 
esp.  XXXIII.  Ostlich  vom  Vogesenkamm  und,  unter  Pariser 
Einflufs,  in  Metz  tritt  ^  ein.  —  Im  Osten  wird  nun  auch  t 
zwischen  Vokalen  zu  y :  ata  zu  eye :  es  scheint  aber  hier  das  y 
erst  eingetreten  zu  sein,  als  a  schon  j3  geworden  war,  sodafs  also 
ein  Diphthong  fi  zu  Grunde  liegt.  Dieses  p  bleibt  in  Lothringen 
nördlich  von  der  Meurthe  und  im  Wallonischen,  sonst  wird  es  zu 
ai  und  sogar  in  Ventron  und  Le  Puy  zu  oi. 

Über  oi  aus  ai  s.  §  279. 

237.  Im  Provenzalischen  besteht  derselbe  Unterschied 
zwischen  altem  und  jungem  ai,  wie  im  Französischen :  aus  vulgl. 
-ai  1.  Sg.  Perf.  wird  -p,  so  in  einer  Urkunde  aus  Alby  1211, 
R.  1.  R.  III,  7  u.  s.  w.,  aus  arius:  fir,  daraus  nun  in  Tarn  et 
Garonne,  Toulouse  u.  s.  w.  iei,  im  Katalanischen  i.  Daneben 
neigt  Suffix  -arius   noch   eine  andere  Entwicklung    zu  ia:  cavälia 

Meyer,  Grammatik.  14 


210  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   237—239. 

Milhau  55,  69,  tesaiiria  72,  premia  271,  taulia  1495,  mfi«s2171 
u.  s.  w.  Das  jüngere  ai  bleibt  meist  bewahrt,  ai  soll  wohl  auch 
die  Sehreibung  grayesso,  frayesso,  laye,  maye  bedeuten.  Über- 
gang zu  ^i  ist  bezeugt  für  Ariege :  freise,  leit,  neise,  fürs  Drome- 
thal:  meire,  freire  und  Die:  meire,  peisse,  neisse,  wohl  auch  für 
andere  Gegenden.  Im  Katalanischen  hat  die  Monophthongierung 
dagegen  schon  im  Mittelalter  stattgefunden :  fet,  let,  hesa,  fer  u.  s.  w. 
neben  fait,  fayrc  u.  s.  w.  in  den  7  Meistern,  heute  nur  e. 

238.  In  Südostfrankreich  ist  wieder  wie  im  Norden  e 
die  Regel:  waatl.  me,  le,  fe,  game,  v^re,  fer§  u.  s.  w.  Nur  im 
Süden  tritt  i  ein :  mi,  ^,  fire,  gami  im  Wallis,  hier  dann  auch 
pire^  mire  aus  prov.  paire,  maire  neben  pare,  mare,  frare,  lare.  — 
Aus  ariu  ist  ebenfalls  §ir  in  sehr  früher  Zeit  entstanden,  daraus 
dann  zum  Teil  dieselbe  Entwicklung  wie  aus  e  (§  76),  so  im 
gröfsten  Teil  von  Waat,  in  Freiburg,  Neuenburg,  im  Wallis  u.  s.  w. 
Abweichung  zeigt  Lacote  mit  i,  Vallorbe  mit  e  und  Vallee  mit  ?, 
und  entsprechend  hier  auch  pevre,  levre  fliherj ,  dzenevre  bezw. 
pevre,  levre,  dzpü'vre.  Ferner  zeigt  uei  völlig  die  gleiche  Um- 
gestaltung :  Icuire,  vui  bezw.  kuere,  vue,  kuSre,  vue,  endlich  das  e  in 
mel,  retro,  lepore,  nicht  aber  dasjenige  in  lectus.  Da  letzteres  jedenfalls 
einst  Ueit  gelautet  hat,  s.  §  154,  so  bleibt  für  die  anderen  nur 
ei  übrig,  das  nun  entweder  zunächst  bleibt,  bis  ei  zu  §i  geworden 
ist,  oder  früher  als  dieses  sich  zu  ie?',  i  entwickelt  an  der  West- 
grenze des  Gebietes.  Wie  sich  e  und  e  dazu  verhalten,  ist  nicht 
recht  klar.  Um  die  Behandlung  von  piper  u.  s.  w.  zu  begreifen, 
wird  man  annehmen  müssen,  dafs  auf  der  Stufe  peivre  ein  Über- 
gleiten von  ei  zu  ^i  stattgefunden  habe  zu  einer  Zeit,  wo  sonst 
ei  noch  blieb,  r^ire  aus  retro  ist  vielleicht  vom  Provenzalischen 
her  eingedrungen.  Endlich  die  Grundform  *wze«  dürfte  sich  zu 
vulglat.  m^l  verhalten,  wie  hei  zu  hellus  §  171.  Die  Verschieden- 
heit in  der  Behandlung  läge  darin,  dafs  das  eine  Mal  ^,  das 
andere  ^  vorlag. 

239.  Auf  der  iberischen  Halbinsel  zeigt  das  Portu- 
giesische für  älteres  ai  die  Stufe  ei,  woraus  in  Lissabon  wieder 
^h  §  85 ;  jüngeres  ai  bleibt  überall ;  das  Spanische  kennt  in 
beiden  Fällen  nur  e:  jjortg.  Jcigo,  -ei,  feito,  leite,  eixo,  -eira,  heijo, 
raiva,  caiho,  caibro,  caimho,  esfaimo  u.  s.  w.,  span.  lego,  -e,  hecJw, 


§   239,    240.  AI  in  «üdfraiikreich  und  Spanien.  211 

Icche,  eje,  -ero  (schou  978  Muiioz  47),  heso,  fresno  (schon  780 
Yepes  III,  17),  qtiepo,  sepa.  Als  Bindeglieder  zwischen  factum 
und  liecho  sind  anzusetzen :  faityo,  feitpo,  fe'iöo,  heclio. 

W.  Thomsen,  Mem.  Soc.  ling.  III,  111  N.  3  will 
hecho  direkt  aus  fatum  durch  die  umlautende  Kraft  des 
(  erklilreu,  es  hätte  also  dann  §  232  erwähnt  werden 
müssen.  Auch  G  o  n  <j  a  1  v  e  s  V  i  a  n  n  a ,  Rom.  XII,  44 
N.  1  schliefst  aus  der  einmal  belegten  Schreibweise 
fedo,  dafs  das  a  sich  vor  et  vor  der  Vokalisierung  des  C 
palatalisiert  habe.  Ich  kann  beidem  nicht  beijiflichten. 
Fecfo  ist  als  Schreib-  oder  Lesefehler  oder  halb  etymo- 
logische, halb  phonetische  Graphic  zu  fassen.  Wollte 
man  mit  Thomsen  dem  tf  die  Fähigkeit  zuschreiben,  ein 
a  umzulauten,  so  müfste  mau  doch  wohl  auch  vor 
anderen  jotazierten  Konsonanten  den  Umlaut  erwarten. 
Das  von  den  Wbb.  verzeichnete  fez  =  has  ist  nicht 
kastilianisch. 

240.  Umlaut  eines  o  durch  auslautendes  i  treffen  wir  in 
sehr  verschiedenem  Umfang  in  Oberitalien,  in  Veglia,  in 
den  Abruzzen.  Am  weitesten  verbreitet  (oder  besser  am  ge- 
nauesten untersucht)  ist  er  im  Tessiu.  Auslautend  i  (=  lat.  i,  es, 
as)  tritt  zunächst  in  den  Stamm  im  Varallo  (Sesia)  Jc'af  PI.  Jc'aif, 
gat  gaü,  grass  graiss,  vor  Nasal.  Jean  Jcen,  pyan  pyen,  kamp  kemp. 
Damit  vergleicht  sich  nur  vor  Nasalen  Jcalkain,  öertain  in  Veglia 
und  im  Genuesischen.  In  der  Val  Maggia  ist  Umlaut  von  a  zu 
f  im  Plural  aller  Subst.  masc.  Regel:  marsaio  PI.  marseiv,  mar, 
WfT,  kdrik,  kerik,  frassan,  frcssan,  ebenso  bei  den  Fem.  III.  Deck  val^ 
vel  und  im  Verbiim  2.  Sg.  Aufftlllig  bleibt,  dafs  die  Qualität  des 
imigelauteten  Vokals  zum  Teil  im  Verbum  eine  andere  ist  als 
im  Nomen.  Dieses  f  oder  e  wird  dann  unter  den  Bedingungen, 
unter  denen  ('  zu  i  wird  (§  79),  ebenfalls  i:  t'mti ,  grind,  k'imp, 
byink.  Hier  mag  noch  erwähnt  werden,  dafs  erhaltenes  i  im 
Tessiu  ebenfalls  umlautet:  erhi  (älveus),  alesi  (ital.  adagio),  §2^cvi 
(frz.  epave).  In  altri  wird  auch  1  palatalisiert:  *eTf,  cit  und 
daher    ck'    in  Intrajirna.     In  Veglia    ist   das  Resultat   i 


e ' 


amncs 


(inangi),  skirp  (scarpc) ,  mirtc  (martis  dies),  tierts  (fardi) ,  in  den 
Abruzzen  e,  ie:  pesse,  evetre  (altri)  in  Pratola  Peligna,  kycllc 
(cahli),  -ijcte  (=  ati),  myengi  (mangi)  in  Roccasalunga,  myescidc, 
frycte,  qnyende  in  Montenerodomo,  Jirkc,  quindi  in  Archi.  Anderswo 
ist  der  Umlaut  auf  die  Verbindung  7i  -f-  i  oder«  -j-  Kons,  -f-  i  be- 

14* 


212  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   240—242. 

schränkt:  aven.  fenti,  daventi,  enti,  wozu  noch  sento  aus  sandvs 
zu  erwähnen  ist^  Val  Soana :  quenti,  kotenti,  grenti,  pyenk'i  (pianca), 
hyenTc'i  (bianca),  lavenlc'i  (lavancd),  wo  man  zweifeln  kann,  ob  das 
i  oder  nicht  vielmehr  das  h'  schuld  sei.  Teno,  tenti  als  Plur.  von 
tanto  ist  weit  verbreitet :  Aosta,  Palazzo  Cauavese,  Piverone.  — 
Auch  in  den  Abruzzen  treffen  wir  die  genannte  Beschränkung : 
Teramo  Mnde,  pmn§,  inn§.     Vgl.  noch  §  318  ff. 

241.  Der  Einflufs  von  Nasalen  bewegt  sich  in  den 
entgegengesetztesten  Richtungen,  sofern  nämlich  ein  a  vor  n  zu  o 
oder  aber  zu  e  werden  kann.  Welcher  Weg  gewählt  wird,  hängt 
wohl  zusammen  mit  der  speziellen  Artikulationsart  des  n:  ist  es 
mehr  palatal,  so  wird  f  entstehen,  ist  es  mehr  velar,  o.  Auch 
hier  ist  ein  Unterschied  zu  machen  zwischen  freiem  und  gedeck- 
tem n.  Dunkeln,  velaren  Vokal  treffen  wir  im  ganzen  weiter 
verbreitet :  im  Provenzalischen,  Rätischen,  Rumänischen ;  hellen, 
palatalen  in  Nordfrankreich  und  Oberitalien.  Bei  gedecktem  n 
ist  wieder  zu  unterscheiden ,  ob  der  zweite  Konsonant  ein  den- 
taler oder  ein  palataler  ist. 

242.  Die  erste  Stufe  zu  velarem  Vokal  zeigt  das  West- 
rätische: obw.  saun ,  paun ,  maun ,  so  noch  im  Domletschg 
und  Münsterthal.  Dieses  au  hat  sich  dann  weiter  zu  eu  ent- 
wickelt in  Ober-Engadin,  wo  jedoch  die  historische  Schreibweise 
noch  heute  festgehalten  wird,  daraus  dann  pem  ebenda,  vgl. 
§  299.  Sodann  erklärt  sich  das  bergell,  e  aus  a  vor  n  durch 
die  Mittelstufe  au,  eu,  ob  aber  auch  ken,  pen,  dornen  in  Busto 
Arsizio,  in  Como  u.  s.  w.  noch  hierher  gehören,  bleibt  zweifel- 
hafter. Andererseits  wird  dieses  au  auch  hier  zu  ou  in  Dissentis, 
zu  0  in  Trins.  In  Mittelrätien,  z.  B.  im  Grednerischen,  wo  a  zu 
e  wird,  bleibt  an,  z,  B.  man,  lana,  ram,  tlama  u.  s.  w.,  was 
offenbar  auf  mehr  velare  Aussprache  des  a  schliefscn  läfst. 
Sodann  erscheint  o  in  Vigevano  (Pavia) :  quaond,  vUon,  scombi, 
adnon ,  tonta,  ä  in  Saronno:  pän,  tänt,  gränd,  man,  änka 
u.  s.  w.  Ferner  äau  in  S.  Fratello :  säauna ,  duntäauna, 
däauna  u.  s.  w.  aber  -ää ,  täanto  u.  s.  w.  Weiter  geht 
Novara  (Siz.)  mit  sentu,  quennu,  grenni,  peni  (pane),  femi 
wohl  aus  au,  eu.  Um  nochmals  aufs  Bündnerische  zurück- 
zukommen ,    so    bleibt    noch  zu  erwähnen ,    dafs  in  engadinischen 


R   242 — 244.     -^   '^or  Nasalen  im  Rätischen  und  Provenzalischen.         213 

Drucken  ain  und  aun  gebunden  werden  maim :  vain  Tobias  593, 
pardaimaunts :  apnmamains  473  u.  s.  w. ,  was  wohl  nur  als 
ungenauer  Reim  zu  fassen  ist.  Vor  m  ist  viel  früher  o  ein- 
getreten :  obw.  Jchma,  fom,  rom,  ebenso  vor  gedecktem  n :  plonfa, 
ont,  plonzer,  soint,  *onma,  woraus  ulma  (§  326),  -oti,  aber  saung, 
maunka,  wogegen  das  Engadinische  vor  m,  nd  das  a  bewahrt 
(oder  wieder  hergestellt  hat?),  -ant  u.  s.  w.  dagegen  über  aunt, 
mint  nicht  zu  ämt  wandelt,  sondern,  da  das  n  hier  durch  t  ge- 
halten, die  Lautfolge  un  aber  doch  nicht  geduldet  wird,  zu  äint. 
Im  Unterengadinischen  ist  an,  ant  über  aun,  aunt,  wie  es  in  den 
ältesten  Denkmälern  sich  findet,  zu  an,  ant  geworden,  wogegen 
sonst  vor  gedecktem  n  und  stets  vor  m  sich  die  Monophthougierung 
zu  0  findet.  —  Auch  in  den  emilianischen  Mundarten  und  in 
den  Abruzzen,  wo  a  zu  e  wird,  bleibt  a  ganz  oder  schreitet  nur 
bis  ä  vor,   z.  B.  romg.  Äräw,  grän,  man,  fäm,  räm  u.  s.  w. 

Zum  Unterengadinischen    vgl.    Ascoli,    Arch.    Glott. 
I,  228  ff. 

243.  Im  Altprovenzalischen  ist  a  vor  Nasal  „estreit",  d.  h. 
geschlossen,  also  tief,  velar,  vgl.  Donat.  prov.  45  a  „in  as  estreit"  : 
ahas  (s.  §  303),  degas  i.  decanus,  cas  i.  canis,  gras  i.  granmn, 
uüas  i.  uilicus  uel  indoctus  u.  s.  w.  Heute  ist  dieses  velare  a  im 
Limousinischen,  Dordogne,  Lot,  Aveyron,  Correge,  Cantal,  Haut- 
loire, Rouergue  u.  s.  w.,  also  in  der  ganzen  nördlichen  Provence 
zu  0  geworden,  vgl.  limous.  mo,  po,  plo,  rouerg.  Hon,  Jcomhro, 
tonto,  komp,  lono,  plo,  ko,  on,  pon,  plonto,  efon  u.  s.  w.  Gilhoc 
scheidet  zwischen  demo  und  lano.  Der  Süden  und  Westen  aber 
bleibt  bei  a:  b^arn,  pa,  arram,  tan,  kamp  u.  s.  w. ,  ebenso 
Montpellier,    Marseille,  Mentone. 

Wenn    limous.    mo    im  Plur.    mä  lautet,    so    ist  darin 
eine  Anbildung  an  rozo  Plur.  roza  zu  sehen. 

244.  Im  Rumänischen  tritt  i  (gutturales  geschlossenes  d) 
ein  vor  einfachem  n  und  vor  gedecktem  n  und  m.  Ein  altes 
Beispiel  ist  xi[.ißa  Xoyyov  a.  1013  bei  Cedrenus  11,  457.  Sonst 
also  linä,  min,  ein,  auch  -Hu  aus  -aneus,  strimh,  simhäiä,  imhi, 
imblu,  inger,  blind,  -ind,  cind,  fring  u.  s.  w.,  schimb,  ghinda 
haben  ihr  i  der  Kontraktion  zu  verdanken  :  schiimh,  ghyindä  wäre  die 
ursprüngliche  Form.     Unerklärt    ist    die  Erhaltung   des  a  in  an. 


214  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   244 — 246. 

Ob  vor  mm  ä  eintritt,  ist  fraglich.  Dafür  könnte  sprechen 
1.  Perf.  -am  =  ital.  -ammo,  und  färumä,  wenn  es  aus  fragmen, 
frammen  (§  460)  entstanden  ist.  Die  istrischen  Quellen  sind 
nicht  klar,  nebeneinander  stehen  inlce  (ital.  anche),  Tcant^,  Jcant, 
andi/el,  gUnde,  planze  und  pJpnge,  rentse  (inanzi),  s§ndge.  Das 
Mazedonische  scheint  sich  wie  das  Walachische  zu  verhalten. 

245.  Während  in  den  bisher  behandelten  Fällen  sowohl 
freies  wie  gedecktes  n  velares  a  vor  sich  verlangte,  steht  au,  o 
blofs  vor  gedecktem  im  Anglo  normannischen:  quaiint, 
graund,  -aunce  u.  s.  w.  Die  Handschriften  des  XII.  Jahrhunderts 
kennen  dieses  au,  das  die  heutige  englische  Orthographie  nicht 
völlig  aufgegeben  hat,  noch  nicht;  die  ältesten  datierten  Beispiele 
stammen  aus  dem  Jahr  1266  :  Fraiince,  Irlatwde,  creaunce.  Ziemlich 
häufig  zeigt  es  die  der  Mitte  des  XIII.  Jahrhunderts  angehörige 
Handschrift  0  von  Chardris  Gedichten.  Später  sagt  Palsgrave : 
„If  m  or  n  folowe  nexte  after  a  in  a  frenche  worde,  all  in  one 
syllabe,  than  a  shall  be  sounded  lyke  this  diphthong  au,  und 
something  in  the  noose".  Blofs  die  Vei'bindungen  »wp,  ng ,  nc 
nimmt  er  aus.  Ahnlich  äufsern  sich  Beza  u.  a.  Peletier  giebt 
Normaund  Nauntes  le  Mavns  graund  als  gebräuchlich  in  der 
Normandie,  Bretagne,  Anjou,  Maine  an.  Daher  denn  auch 
noch  heute  etröz ,  gröd,  gwg  in  Maixent,  tö  in  Deux  Sevres.  — 
Auch  dem  östlichen  Frankreich  fehlt  5  nicht,  Lüttich  bis  an 
den  Geer:  so,  mos,  plös,  auffalligerweise  auch  pö  aus  2)ane, 
während  granum  u.  s.  w.  hier  grc  lauten.  Ferner  Avall.  -on  aus 
-anea  nicht  völlig  innerhalb  derselben  Grenzen.  —  Endlich  scheint 
0  für  gedecktes  ä  die  Regel  zu  sein  für  das  lothringische 
Gebiet  zwischen  Meurthe  und  Moselle. 

Zum  Agn.  vgl.  S  t  ü  r  z  i  n  g  e  r ,  Orth.  Gall.  XXXVHI  ff., 
zum  Wallonischen  Wil motte,  R.  Pat.  I,  26  if.,  zum 
Lothringischen  Adam,  S.  15. 

246.  Wenden  wir  uns  den  Gebieten  zu,  wo  a  vor  Nasal 
palatalisiert  wird,  so  tritt  uns  zuerst  Nordfrankreich  entgegen 
mit  23am,  main,  ahn,  -aine,  aime,  aber  plante  u.  s.  w.  Der  Laut, 
der  durch  ai  dargestellt  wird,  mufs  von  dem  §  235  ff.  besprochenen 
verschieden  gewesen  sein,  da  er  im  Lothringischen  zu  e  wird, 
nicht  zu  a.     Während    ferner    cai    zu    chi    wird    (§  259),    bleibt 


8   246    247.  A  vor  Nasalen  im  Französischen.  215 

chien  gerade  wie  chief.  Endlich  schreibt  Eulalia  macnt  für  manet 
afr.  maint,  während  für  ai  diese  Schreibweise  nie  vorkommt. 
Dies  alles  legt  die  folgende  Erklärung  nahe.  Freies  a  war  vor 
Nasalen  ebenso  hell  wie  vor  anderen  Lauten.  Auf  einer  der  ersten 
Stufen  trat  dann  aber  Nasalierung  zugleich  mit  Palatalisierung 
ein  :  mäjn,  und  daraus  mBn  zu  einer  Zeit,  wo  fait  noch  diphthongisch 
lautete.  Das  ae  in  der  Eulalia  würde  danach,  wie  oft  in  latein.  Schrift, 
den  Laut  p  ausdrücken.  Später  trat  in  der  Schrift  ai  an  seine  Stelle, 
sei  es,  weil  schon  einzelne  der  alten  ai  zu  p  geworden  waren,  sei 
es,  weil  dadurch  der  palatale  Gleitelaut,  der  sich  zwischen  Nasal- 
vokal und  dentalem  n  leicht  entwickelt,  zum  Ausdruck  kommen 
sollte.  Jedenfalls  aber  kann  nicht  direkte  Palatalisierung  des  a 
angenommen  werden,  da  dann  das  Ausbleiben  dieser  Pala- 
talisierung vor  gedecktem  n  unerklärt  bliebe.  Die  weitere  Ent- 
wickhing von  ?  hängt  aufs  engste  zusammen  mit  der  Geschichte 
der  Nasalierung  überhaupt.  Die  Klangfarbe  sclnvankt  nach 
Zeit  und  Ort  zwischen  ^  und  e.  Der  Übergang  zum  oralen 
Vokale  hat  zum  Teil  Dehnung  zur  Folge :  ene  wird  von  Poisson 
1609  fwc  gesprochen,  während  H.  Etienne  diese  Aussprache 
tadelt;  Maupas  1625  giebt  Jene,  sene  an,  Saint  Liens  1580 
dagegen  {.'.  Über  den  Zusammenfall  von  en  und  an  s.  §  89. 
Aus  den  Mundarten  mag  erwähnt  werden  fäin,  eträin  in  Lahagiie, 
Poitou,  ßi,  pöi  in  Arras.  Ob  in  den  zwei  letzten  Beispielen  der 
dunkle  Vokal  von  dem  vorhergehenden  Konsonanten  abhängig 
ist  (vgl.  §  280),  vermag  ich  nicht  zu  sagen.  Beachtenswert  ist 
aber  der  i-Laut.  Man  könnte  darin  die  älteste  Entwkklungsstufe 
sehen :  allein  der  Schein  kann  hier  ebenso  gut  trügen  wie  bei 
a  ^=  a  i^  226,  das  gei-ade  in  dieser  Gegend  erscheint.  Und 
Vorsicht  wird  geboten  dadurch,  dafs  in  Arras  -ö  bleibt,  dagegen 
fine  zu  /|i,  ainsi  zu  ^tsSi  wird.  Daraus  folgt  wohl,  dafs  ?,  %  sich 
hier  über  H,  Tj  zu  äi,  ei  entwickelt  habe ,  dafs  mit  dem  nasalen 
Element  sich  nach  palatalen  Vokalen  ein  palatales  verbinde, 
nicht  aber  nach  velaren. 

247.  Wenn  schon  im  Französischen  der  Einflufs  des  n 
mehr  darin  bestand,  dafs  er  das  a  auf  einer  früheren  Stufe  fest- 
hielt, als  dafs  er  es  Avirklich  palatalisierte,  so  hat  er  diese 
beschützende  Kraft  noch  mehr  in  solchen  s  II  d  o  s  t  f  r  a  ii  /.  ö  s  i  s  c  h  e  n 
Mundarten,    in    denen    f;onst    a    zu    o    wird    (§  224),    lyoii.  ßan. 


216  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   247 249. 

man,  öawiba,  plana,  gramo  u.  s.  w.  Aber  schon  in  Eive  de 
Giers:  mon,  son,  fom,  somp.  Ebenso  in  Freiburg  und  Waat,  wo 
sonst  a  zum  Teil  zu  ä  wird :  grä,  päs,  gräna  u.  s.  w.  bewahren 
das  a  stets  rein.  Auffällig  ist  daher  pe,  gre  (grand)  in  Chateau 
Ville  Vielle  (kottische  Alpen). 

248.  Wohl  aber  wirkt  gedecktes  n  mehrfach  palatalisierend, 
namentlich  wenn  ihm  ein  jialataler  Konsonant  folgt.  Me§e  gehört 
dem  Osten  und  Norden  Frankreichs  an,  mengar,  mingar  einem 
grofsen  Teil  des  Provenzalischen  und  dem  Katalanischen.  In 
der  lothringischen  Gruerre  de  Metz  lesen  wir:  estrainge,  echainge, 
chainge  19,  lainge  256  u.  s.  w. ,  und  dementsprechend  heute 
pye§,  tri'S,  gres  u.  s.  w. ,  Bourberan:  pycs,  hyH,  l)r?§  u.  s.  w., 
Fourgs:  pletse,  frcdse,  hretse.  Ferner  auf  ganz  anderem  Gebiete 
im  Tessin :  menk'o ,  kotenk ,  kent  in  Moena.  Weit  häufiger  aber 
zeigt  der  Osten  Frankreichs  e  ohne  diese  Bedingungen :  pleta, 
ahite,  ke  in  Ain,  hles,  pleto  in  Jura,  zeh,  degoti',  he  im  südlichen 
Lothringen,  äfe,  dBhra,  t^  in  Sornetan  und  so  im  Pays  de  Bresse, 
Perche,  Courtisols,  Aube.  Ferner  in  Pas  de  Calais :  süse  (sugant), 
grate,  demede,  gredi,  grame,  aber  sanez  =  semblez,  hiä  =  hien.  In 
Arras  und  Cambrais  zeigt  sich  eine  auffällige  Brechung :  pMcä, 
k'eä  (cJiamp),  deäs,  seätei,  eä  u.  s.  w.  —  Auf  n  -\-  Guttural  scheint 
e  beschränkt  in  Bormio :  enk,  menk,  nenka. 

249.  A  vor  Velaren.  Es  mag  hier  zuerst  das  Schicksal 
der  Verbindung  el  in  Nordfrankreich  besprochen  werden.  Wie 
§  476  lehrt,  wird  eis  zu  eis  und  dieses  zu  evs.  Es  bleibt  nun 
aber  e^s  oder  eus  nicht  unverändert,  sondern  wird  über  e§ls  oder 
e§ns  (worin  §  einen  Verbindungslaut  von  nicht  näher  zu  be- 
stimmender Qualität  bezeichnet)  zu  ieu.  Im  Nfr.  hat  sich 
dieses  ieu  nur  noch  in  pieu  (palus)  erhalten,  in  alter  Zeit  aber 
finden  wir  in  allen  Gegenden  Formen  wie  Heus,  quieus,  vgl.  noch 
heute  kyük  =  quelque,  kyoel  (qualis),  kycek  Marne,  R.  Pat.  I,  206. 
Wo  ieu  zu  eu  wird  (§  37),  da  treffen  wir  entsprechend  jowrwews 
(Aire),  morteus  Auban  305,  teus  444.  Ein  zweiter  Fall,  wo  e 
aus  a  mit  einem  velaren  Reibelaut  zusammenstöfst,  ist  aqua,  das 
zunächst  zu  pua  wird.  Bevor  nun  §  weiter  zu  e  fortschreitet, 
entwickelt  sich  auch  hier  der  Gleitelaut,  der  nun  aber  nach  dem 
§  als  a  erscheint:  eaue.  Dieses  eaue  verändert  sich  dann  weiter 
wie  das  aus  vulglat.  §  vor  l  entstandene  §  163. 


§   250,   251.  A  vor  Velaren.  217 

250.  In  Os tf'r ankreich  vermag  t  den  Übergang  von  a  zn  e 
zu  verhindern ,  in  Metz  und  nördlich  der  Meurthe  bleibt  dann 
dieses  a,  sonst  wird  es  zu  a,  o,  ebenso  in  Lüttich.  Also  lothr. 
oto  (hotel) ,  so  (sei),  ol.  Dann  weiter  südwestlich  Sornetan:  äl§ 
u.  s.  w.  Dementsprechend  aule  im  lothringer  Psalter,  maule, 
paules  (frz.  päles),  saule  (frz.  säle),  maule  im  Ysopet,  Fourgs  aulo, 
Morvan  c^ole ,  ole,  pole.  Interessant  ist  der  Gegensatz  zwischen 
etsilo  und  aulo  in  Fourgs.  So  wird  auch  fiole  neben  afr.  phiele 
IV  Livr.  244,  257  aus  dem  Osten  stammen.  Nicht  ganz  klar  ist, 
ob  auch  -al  bleibt,  bezw.  zu  -ol  wird.  Lothr.  so,  po,  oto  scheinen 
entschieden  dafür  zusprechen;  wenn  qualis,  talis,  natali  s  unr  mit 
e  vorkommen,  so  liegt  vielleicht  schriftsprachlicher  Einflufs  vor.  — 
Wie  f  wirkt  im  Westen  und  Osten  u  aus  intervokalischem  h,  v, 
vgl.  norm,  -oue  =  ahat,  groue  =  greve,  clwue  =  *cava,  Grundwort 
zu  frz.  chouette.  Desgleichen  finden  sich  grqe,  soe  im  Nordosten 
bei  Adenet  und  heute  vielfach  in  Ortsnamen.  Aber  faha  scheint 
nur  als  feve  vorzukommen.  Während  ferner  das  halbgelehrte 
-able  im  Zentralfranzösischen  bleibt,  wird  es  im  Norden  und 
Noi-dosten  zu  avle,  aule,  ole.  Ob  in  den  mittelalterlichen  Texten 
-avle  oder  -aule  zu  lesen  ist,  läfst  sich  erst  bestimmen,  wenn  die 
heutigen  Verhältnisse  genau  bekannt  sind.  Im  Pikardischen 
scheint  -af,  also  -avle,  dei'  moderne  Vertreter  zu  sein,  im  Lothr. 
dagegen  ol  oder  al  mit  derselben  Verteilung  wie  bei  ursprüng- 
lichem al,  oder  aber  -oy  für  tabula  und  stdbiilum,  was  äble,  avle, 
avle,  aule,  ole,  oye  als  Mittelstufen  voraussetzt.  In  ganz  Frank- 
reich wird  avu,  avo  zu  au,  afr.  ou:  clou,  Poitou,  Anjou. 

Zum  Altfranzösischen  vgl.  A.  Tobler,    Aniel  XXXI, 
F.  Neumann,    Laut-  und  Flexionslehre,  S.   110. 

251.  Gedecktes  i  mit  «wird  im  Zen  tralfranzösischeu 
über  au  zu  ao,  p.  Die  Monophthongierung  hat  sich  im  XVI. 
Jahrhundert  vollzogen,  Kamus  1562  verlangt  o,  Meigret  noch  ao. 
Die  Mundarten  zeigen  auch  hier  grofse  Mannigfaltigkeit.  Im 
Westen  ist  ati  geblieben,  Montjean  sau,  mau,  ebenso  byau,  in 
Louvigne  au:  taup,  saus,  aui,  §aud.  Im  Normannischen  ist  ä 
auf  den  Inlaut  beschränkt :  sän ,  väle ,  gäie  (tonlos  o .'  foTcye,  frz. 
faucher,  kofe,  ho§ye),  im  Auslaiit  aber  wird  au  zu  a:  fa,  Jca,  ha, 
gva;  dazu  vgl.  nochs  a,  Fem.  suol  (satullus),  a  (agustus).  Im  Nord- 
westen   dagegen    tritt  Dissimilation   von    au    zu    eu    ein,    Pas  de 


218  I-  Kapitel:  Vokalismixs.  §   251,   252. 

Calais  feut,  eutre  und  so  hieu  und  pevse  (pollice,  vgl.  §  198), 
Arras  ]ceos,  Tiyeot,  Icveo,  epeule  und  auch  liier  peos.  —  Im  Osten 
ist  oi  (ou)  sehr  alt:  cholt  im  Jonas,  defolt  Greg.  181,  6  u.  s.  w. 
Daraus  hat  sich  teils  o,  teils  a  entwickelt.  In  der  östlichen 
Pikardie  und  im  Wallonischen  ist  a  im  Mittelalter  wie  noch 
jetzt  das  Gewöhnliche,  in  Lothringen  erscheint  o  in  denselben 
Gegenden,  in  denen  ala  zu  ole  wird.  Weiter  südlich  treiFen  wir 
a  und  entsprechend  ea  aus  §i  im  Ezechiel,  Girard  de  Roussillon, 
Ysopet,  Priorat;  Joufroi  reimt  dame:  reiawe  1218,  und  auch 
heute  reicht  a  weit  südlich:  bress.  ätre,  gasse,  Montbeliard,  Jura, 
Pontarlier  ha,  tsa  u.  s.  w.  Es  wird  dieses  a  wohl  als  eine 
Reduktion  von  au  zu  fassen  sein.  Auffällig  ist  die  Bindung  j:>ies 
(palos):  pies  (pedes)  Prior.  10.  Wenn  in  der  Mundart  dieses 
Gedichtes  nur  äla  zu  ole  wird,  dagegen  äl  zu  el,  so  beweist  der 
Reim,  dafs  u  nach  Vokalen  verstummen  kann,  und  bestätigt  die 
obige  Aiiffassung  des  a  aus  au.  Doch  ist  hier  noch  genaueres 
und  vollständigeres  Material  von  nöten,  ehe  die  Frage  gelöst 
werden  kann.  —  Umstellung  der  beiden  Elemente  des  einstigen 
Diphthongen  scheint  stattgehabt  zu  haben  in  Morvan  :  uage,  fuase, 
hiaM.  —  Für  Südostfrankreich  ist  o  die  Regel,  nur  Val  de  Travers 
(Neuenburg)  weist  mit  a  nördlich.  Ai;ch  hier  ole,  pole,  so  (sei) 
u.  s.  w.  Erst  ganz  im  Süden  erscheint  wieder  a  in  Tarentaise : 
tsave,  isape,  epäle,  fate  u.  s.  w. 

252.  Im  Rät i  sehen  finden  wir  drei  Formen.  Meist  ist 
hier  i  geblieben,  hat  aber  it  vor  sich  entwickelt:  Txuvld,  das  so 
entstandene  au  bleibt  bestehen  oder  wird  zu  o  in  Mittelbünden 
und  Oberengadin,  zu  ä  im  Münsterthal,  zu  e  (§  242)  im  Unter- 
Bergell,  Süss  und  Stalla,  also  obw.  liaui,  aiii,  haui,  faiiis,  auiter, 
obereng.  of,  k  od,  hod,  fo,  oter,  Münsterthal :  Jc'at,  at,  ater,  Uberg : 
et,  Jcet,  eter.  In  Tirol  bleibt  au,  Ampezzo  ou:  Jcouf,  out,  outer. 
Aber  in  Judikarien:  aft,  havda ,  afsa  u.  s.  w.  —  Auf  demselben 
Standpunkte  stehen  die  oberitalienischen  Dialekte,  nur  entwickelt 
hier  i  nicht  m  aus  sich,  sondern  färbt  a  zu  o :  aven.  oltro,  coldo, 
folso,  soldo  (Fra  Paol.),  mail.,  berg.  alter,  molta,  Jcold,  fold.  Im 
Westen  aber  au,  so  in  S.  Remo,  Monaco  und  piem.  aut,  faus, 
aiiter,  Jcaud  u.  s.  w.  Auch  die  altgenuesischen  Texte  haben  noch 
sehr  oft  ao :  aotri  P.  XII,  275,  faosi  XIV,  353,   faoda  CII,   58, 


§  252—255.  A  vor  Velaren  und  U.  219 

claneben  aber  auch  dessen  Eecluktion  a,  wie  denn  neugen.  die 
Formen  lauten:  airo  VI,  116,  atri  XII,  120,  ato  XVI,  245,  heute 
atru,  kadn,  atu  u.  s.  w.  —  Die  mittel-  und  süditalienischen  Dialekte 
sowie  das  Korsische  behalten  an  meist  bei;  selten  ist  die  Kon- 
traktion zu  0  Avie  in  Tarent,  beliebt  dagegen  die  Zerdehnung 
ovti,  Capo  di  Leuca :  fovusn,  Jcovudu,  ovutru,  ovutu  u.  s.  w. ;  neap. 
kavodo,  avoto,  favotso,  fravoto,  savotomvanJco.  Im  Kalabresischen 
wird  ai  zu  a:  atii,  fade,  cade,  satsa  (aber  vor  dem  Tone  fodune, 
otaru,  foddarii). 

253.  Endlich  im  Portugiesischen  wird  al  zu  cU ,  was  die 
Schrift  jedoch  nicht  ausdrückt.  In  bestimmten  Fällen  wird  i  zu 
u,  all  dann  zu  ou,  spanisch  o:  span.  otro,  soto,  coz,  topo,  hoz, 
portg.  oidro,  soido,  couce,  totipeira,  fonce. 

254.  Ein  zweites  au  entsteht  im  "Westrätischen,  Lombar- 
dischen und  Paduanischen  aus  a[t]'US  §  435.  In  Rätien  sind  die 
Schicksale  dieses  au  denen  des  primären  ganz  gleich,  ebenso  im 
Paduanischen  §  290.  Im  Altlombardischen  ist  ao  noch  erhalten, 
Bonvesin  schAvankt  zwischen  adliOj  ao  land  ä.  Das  letztere  ist 
die  heutige  Form;  das  ä  ist,  im  Gegensatz  zu  demjenigen  des 
Infinitivs,  lang,  eben  weil  es  aus  ao  entstanden  ist.  Ebenso 
zeigt  die  Passion  von  Como,  Arch.  Glott.  IX,  1  ao ,  der  heutige 
Dialekt  ü,  desgleichen  Monza,  Lecco,  das  ganze  rechte  Addaufer, 
sodann  das  Bergeil  und  zum  Teil  das  Puschlav.  Daneben  hat  sich 
aber  das  alte  ao  gehalten  in  Bedonia  (Parma)  pensao,  fissao,  piao, 
doch  axich  dcssedd,  als  aic  im  Tessin,  am  Lago  maggiore :  portatv, 
woraus  dann  weiter  ow,  g  in  verschiedenen  Färbungen  und 
schliefslich  ö  in  Losone  und  Lavertezza.  Auch  die  Val  Leven- 
tina,  Lugano  und  das  Misokk  kennen  o  oder  ou,  das  Puschlav 
sogar  u.  Südlich  von  Mailand  zeigt  Bobbio  noch  oo,  Comacchio 
a  im  Part,  neben  ä  im  Inf. 

255.  Ä  vor  i?.  Das  auslautende  r  dehnt  bei  (oder  vor) 
seinem  Verstummen  das  vorhergehende  a,  vgl.  limous.  äantä  Inf., 
Santa  Ptc.  Dieses  Ci  (ür)  Avird  dann  zu  e  in  Monferrat:  ande^ 
porte,  aber  Ptc.  a,  und  einem  Teil  des  Piemonts,  wogegen  die- 
jenigen piemontesischen  Mundarten,  die  r  bewahren  oder  es  erst 
spät  fallen  lassen,  im  Inf.  und  Ptc.  a  behalten.  Wie  weit  die 
Erscheinung  reicht,  ist  noch  z\i  untersuchen;    Sassello  in  Genua, 


220  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   255,    256. 

Pontremoli  in  Massa  Carrara,  Mediciua  in  Bologna  zeigen  noch 
Inf.  auf  e^  er,  är  neben  den  Part,  auf  d.  Auch  Gerra  im  Tessin 
stellt  aide  (ajuiare)  und  aidäl  (ajutar  ilhtm)  einander  gegenüber. 
Dem  raonferrinischen  Zustand  entspricht  genau  S.  Fratello:  ster, 
Jcttgiers  (coricarsi)  u.  s.  w. ,  aber  stäa ,  stära.  Sodann  folgen 
savoyische  und  südfranzösische  Mundarten,  die  zum  Teil  Inf.  e 
Part,  a,  zum  Teil  aber  auch  Inf,  a  Part,  o  zeigen,  z.  B.  Vetroz : 
pare  (patre),  Inf.  a,  aber  Part,  ramaso,  ebenso  Sembrancher, 
Bagnard,  Plaine :  amü  (Inf.)  aber  pro  (pratum),  vreto  u.  s.  w.  In 
letzterem  Falle  also  wäre  ä  geblieben,  a  zu  o,  o  geworden.  Es 
ist  aber  auch  denkbar,  dafs  aus  ursprünglich  gleichzeitigem  ar,  at 
entsteht  ar,  ät,  dafs  der  Verschlufslaut  den  vorhergehenden  Vokal 
kürzt,  und  dafs  ä  dann  zu  o  wird,  während  a  bleibt.  Sicher  ist 
die  Kürzung  vor  t  in  Puy  de  Dome:  Inf.  -e,  Impf,  -eve,  Ptc. 
Fem.  e,  aber  Masc.  o,  Fem.  Plur.  auffälligerweise  a.  Vgl.  dazu 
§  266.  Es  bedürfen  diese  Fragen  sorgfältiger  auf  reiches  Material 
gestützter  Untersuchung;  vorläufig  läfst  sich  nur  Folgendes  sagen. 
Inf.  auf  e,  Part,  auf  a  zeigt  Aosta,  Inf.  e,  Part,  o  S.  Remy,  S.  Marel 
das  Pays  de  Bresse,  Coligny.  Inf.  auf  a,  ä  Ptc.  auf  o  Vionnaz, 
Vetroz,  Sembrancher,  S.  Maurice,  die  Gegend  um  die  Mündung 
der  Rhone  in  den  Genfersee,  Trieres  bei  Grenoble,  Inf.  ä,  Part,  o 
Thonon.  Daran  reiht  sich  dann  das  Gebiet  mit  o  unter  allen 
Umständen  §  224.  —  Auf  anderem  Punkt  zeigt  auch  Greden 
Inf,  f,  Part,  o,  ferner  gra,  pra,  va,  aber  -cda  aus  -ata,  also  hier 
wieder  at  zu  ät.  Dagegen  Gadex'athal  Inf.  de,  Ptc.  lalde,  pre, 
re  (rapum),  tle  (clavis),  te  neben  tal,  me  und  mal,  k'e,  aber  Fem. 
laJdada,  Buchenstein  auch  niel,  sei,  ef  aber  -ada:  die  Dehnung 
scheint  also  hier  nicht  mit  einem  bestimmten  Laut,  sondern  mit 
der  Oxytonierung  überhaupt  vei'bunden  zu  sein.  Das  direkte 
Gegenteil  von  dem  Bisherigen  nun  bieten  die  Abruzzen :  Inf.  auf 
a  in  Ortona,  Lanciano  („quasi  suono  di  o"),  Pratola  Peligna, 
Martina  Franca,  während  sonst  (§  228)  a  zu  e  wird.  Die  ge- 
nauere Lautentwicklung  dieser  Mundarten  ist  zu  wenig  bekannt, 
als  dafs  eine  Erklärung  zu  wagen  wäre.  Ebenso  dunkel  bleibt 
vorläufig  0,  ä  im  Inf,  neben  a  im  Ptc.  in  Oggione  und  Saronno 
(Lombardei). 

256.     Vor  gedecktem  r  wird  a  zu    e    im   Genuesischen, 
agen.    erbore,    enderno ,   heute    erhu,    erl',  erze    (argine)   u.   s,  w.. 


§  256,  257.  A  vor  R.  221 

p  i  e  m.  herpn,  erhu,  monferr.  erho,  erke,  cno,  korsisch  berba, 
mermeru,  querhi,  nordsard.  skerpa.  Ebenso  in  Mittelrä  tien 
Mareo:  Tc'ärn,  tärd,  ärt,  lärg,  und  so  in  Rocca  d'Agordo  u.  s.  w. 
Auch  in  Frankreicli  :  terze,  ekerde  in  Lahague.  Namentlich  aber 
im  Osten,  so  im  nördlichen  Lothringen :  b^rb,  f;rb,  per,  ter  u.  s.  w. 
Dann  im  Südosten  in  Vall6e  und  Vallorbe  (Waat) :  ärts§,  bärba, 
fräre,  pä,  mä. 

257.  Während  diese  Brechimg  einem  Einflufs  des  r  auf 
das  a  zuzuschreiben  ist,  erklärt  es  sich  ganz  anders,  wenn  im 
Romagnolischen  und  in  Tirol  (Greden,  Buchenstein, 
Gaderathal,  Fassa  und  Livinallungo)  vor  gedecktem  r  und  l 
(wofern  nicht  i  eintritt  §  476)  a  zu  e  wird.  Es  sind  dies 
Gegenden,  wo  freies  a  sich  in  e  wandelt.  Das  a  wird  hier  vor 
gedecktem  7,  r  wie  freies  behandelt,  d.  h.  zunächst  gedehnt,  sei 
es  nun,  dafs  zugleich  zwischen  dem  r,  l  und  dem  folgenden 
Konsonanten  der  Stimmton  erklingt  (alcba ,  areca) ,  sei  es,  dafs 
dies  unterbleibt.  Wir  haben  also  romg.  belb,  elba,  felda,  melta, 
kcrpan,  mert,  erca ,  lerg  ^  -crd,  gredn.  pelma,  pelpa,  melva,  selva, 
velk,  aber  aitt,  aide,  favts,  äanda  u.  s.  w.  Livinall.  pelma,  elter, 
velk,  mertes.  k'ern.  —  Hier  mag  endlich  das  Schwanken  zwischen 
ar''  und  fr*  im  M  i  1 1  e  1  f  r  a  n  z  ö  s  i  s  c  h  e  n  erwähnt  werden.  Schon 
der  Rosenroman ,  dann  Villon  und  die  Dichter  des  XV.  und 
XVI.  Jahrhunderts  reimen  unbedenklich  ferme:  arme,  vgl. 
armes:  Jarmes  Rut.  11,  76,  lei-mes:  termes  I,  263,  tarmcs:  armes 
Gring.  552;  2009;  fermes:  armes  718,  hatibert :  plus  pari  19 '^  die 
Pariser  Urkunden  schreiben  perler ,  guernics  u.  s.  w.  Auch  die 
Grammatiker  sprechen  davon,  Tory  (1529)  „les  dames  de  Paris, 
Jiu  lieu  de  a  prononcent  e  bien  souvent,  quant  elles  disent :  mon 
mery  est  a  la  porte  de  Peris  ou  il  se  fait  peyer^^.  Palsgrave  1530: 
encherge,  coqucmert,  armines  und  ermines,  permy  und  parmy  u.  a. 
Ausdrücklich  beide  Formen  werden  genannt  bei  arrhes,  bizarre, 
catarre,  guHarre,  sarcler,  jarcer,  asparge,  essarta;  sarpe,  gerbe, 
charmer,  ars,  marque,  liarce,  sarge,  harnte,  boulevard,  tartre,  dartre, 
darne,  espargne.  Heute  ist  meist  die  etymologische  Form  her- 
gestellt, auch  bei  lärme,  wo  lerme  aus  lairmc  entstanden  ist; 
sonst  haben  wir  e  statt  altem  a  in  asperge ,  sertir,  seiper,  serpe 
und  nach  Palatalen:  gerbe,  gercer,  a  statt  e  in  boulevard  in  An- 
lehnung an  rempart. 


222  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   258,    259. 

258.  Quantitäts-  und  Qualitätsveränderungen 
des  gedeckten  a.  zeigt  Ostfrankreich.  Im  Südlothrin- 
gischen wird  a  vor  gedecktem  r,  s  gedehnt  und  bleibt  erhalten, 
im  Wallonischen  wird  es  zu  o ;  ob  (arhor),  renärd,  hat,  mal,  auch 
plyan  (platanns),  lad  (lache),  wall,  por  (part),  i'no,  dor,  loö  (large). 
Dagegen  in  allen  anderen  Fällen,  also  vor  altem  pt ,  tt,  pp ,  ss, 
cy  u.  s.  w.  wird  a  gekürzt  und  zu  f!.'  lothr,  p^t,  s^p,  dre,  v^ö, 
gy^s  (glace)  u.  s.  w.,  wallon.  s^ö  (sac),  c^s,  hres  (brasse),  gles,  d§ 
(chat).  Die  metzische  Gruppe  (Falkenberg),  dagegen  sagt  auch  Sw 
(asinns),  les,  m^l,  tvet  (gar de) ,  erp  (arhor):  es  ist  also  hier  der 
Wandel  von  a  zu  e  älter  als  das  Dehnungsgesetz.  Auch  die 
nördliche  Franche-Comte  spricht :  vps,  se,  p§t,  die  südliche  dagegen 
votso,  poto,  tsot.  Fürs  Champagnische  zeigt  dieselbe  Entwicklung 
Bourberan :  mcled,  hetr,  nep,  set,  grepe  u.  s.  w.,  aber  ^)a,  regad,  tad. 
—  Wie  gedecktes  a  wird  auch  altes  a  im  direkten  Auslaut  (§221) 
behandelt:  le,  slp  neulothr.,  neuburgund.  Schon  die  alten  Denk- 
mäler dieser  Gegenden  zeigen  Beispiele,  schreiben  aber  halb 
etymologisch  ai,  vgl.  ja:  la'i  Joufr.  527,  jai,  ais,  ait,  lai  im  Psalter 
und  in  anderen  östlichen  Denkmälern.  Für  gedecktes  a  bietet 
der  Psalter  malaides  6,  2,  haix  14,  7,  icaislet  11,  13,  ferner 
saiche,  faice,  plaice,  dann  perle,  sec  u.  a.  —  Während  hier  ge- 
decktes a  bleibt,  wandelt  es  sich  anderswo  zu  ä,  o:  toale ,  groa, 
roace  in  Auve,  'krevosse,  tczosse,  hros,  Jcosso  Fourgs.  —  Aufserhalb 
Frankreichs  zeigt  S.  Fratello  äa  für  jedes  gedeckte  a:  äarha, 
täard,  päas,  däamp,  häanh,  fäat  u.  s.  w. 

2.     E  i  n  f  1  u  f s  vorhergehender  Laute. 

259.  Palatale.  Nach  romanischen  Palatalen,  d.  h.  nach 
c,  g,  c  -\-  Kons.,  ie  +  Kons.,  Kons.  +  y  wird  a  zu  ie  im 
Nord-  und  Südostfranzösischen,  afr.  chief,  chier,  chien, 
pecMer,  jugier,  aproclvier ,  congie,  chälengier,  pitie,  moitie,  aidier, 
amistie,  afaitier,  anuitier,  Poitieve,  oitieve,  acointier,  aidier,  cuidier, 
vuidier,  pilaidier,  haisier,  prisier,  araisnier,  aproismier,  chacier, 
laissier,  conseilUer,  merveillier,  tesmoignier,  accompagnier,  repairier, 
empirier,  iriei',  tirier,  preiier,  leiier,  paiier,  mendiier.  Dieses  ie 
bleibt  dann  auch  im  Osten,  wo  sonst  e  zu  ei  wird:  die  Schrei- 
bungen iei  in  den  alten  Texten    sind  so  selten,    dafs    sie  keinen 


§   259.   260.        A.  UHch  Palatalen  im  Nordfranzösischen.  223 

Wert  haben.  Aber  ouhli-er,  su-er,  dttrer,  disner,  esmcr  u.  s.  w.  — 
Entsprechend  entwickelt  sich  ai  über  iei  zu  i  (vgl.  §  157): 
jist=jacet,  chie  =  cacat,  Fleuri/ =  Floriacum.  Die  heutige  Sprache 
hat  nur  noch  pitie,  amitie,  moitie,  chien,  chretien  bewahrt,  in  allen 
anderen  Fällen  ie  zu  e  reduziert.  Schon  frühzeitig  begegnet  ein 
Schwanken:  namentlich  bei  ire,  ite ,  also  irer ,  desircr,  desheriter, 
giter,  aquiter  neben  irier  u.  s.  w. :  desheritier  ist  erst  nach  gitier 
u.  s.  Av.  gebildet,  da  ihm  ja  kein  Palatal  zukommt.  Die  Verba 
auf  lat.  itare  sollten  i-er  ergeben :  aber  auch  sie  werden  zu  Her 
umgestaltet:  ouUi-ier  Jourd.  907,  mereie:  espleitie  Benoit  Troie 
6631  u.  s.  w.  Neben  ^ji^iV  u.  s.  w.  erscheint  unter  dem  Einflufs 
von  honte,  sante  u.  s.  w.  jnte,  amite;  neben  gewöhnlichem  rene' 
(regnatum,  vgl.  §  466)  steht  seltener  renie  A.  A.  932,  Ber.  Trist. 
3495 ,  Ben.  Chron.  4841  nach  duchie;  die  Verwechslung  von  U 
und  ?T  (§  457)  erklärt  avilier  R.  Mout.  134,  33;  prisier  u.  dgl. 
zieht  avisier  Cor.  Lo.  1166  nach  sich  u.  s.  w.  Dagegen  zeigen 
eff'reer  und  effreier  verschiedene  Bildungen :  jenes  ist  *exfridare, 
dieses  ^exfridiare;  soulier  an  Stelle  des  älteren  souler  hat  Suffix 
-ier  statt  -ei: 

Verzeichnisse  von  Doppelformen  und  Belege  s.  A. 
Tobler,  Aniel  XXIX  ft".;  Ulbrich,  Ztschr.  II,  529 
N.  1;  Seeger,  Ztschr.  IV,  465;  W.  Foerster,  Chev. 
II  esp.  XXXVI,  Ztschr.  ö.  G.   1875.  540. 

260.  Dieses  Schwanken  erklärt  zum  Teil  die  Reduktion  auf  e. 
Aber  nur  zum  Teil.  Es  kommen  noch  andere  Faktoren  dazu. 
Während  iß  unter  allen  Umständen  bleibt,  ist  ie  nach  S,  z  zn  e 
geworden,  das  i  ist  also  aufgegangen  in  dem  Palatal :  chef,  eher, 
chez,  so  approcher,  allonger  u.  s.  w.  aber  chien.  Ebenso  nach  l, 
vgl.  nfr.  oreiller,  und  zweifelsohne  auch  nach  ri.  Zu  diesem  laut- 
lichen Faktor  gesellt  sich  ein  anderer  analogischer.  Die  latei- 
nischen a- Verba  zerfielen  im  Französischen  in  zwei  Klassen :  die 
c-Klasse  und  die  ?e-KIasse,  die  sich  im  Infinitiv,  Partie.  Prät., 
2.  Sg.  Ind.,  ursprünglich  auch  Impf.  Ind.  und  3.  PI.  Perf.  unter- 
schieden, in  den  anderen  Formen  aber  völlig  gleichmäfsig  flek- 
tierten. Bald  wurde  im  Impei-f.  die  Endung  oie  der  2.  Konju- 
gation auf  die  1.  und  3.  übertragen,  wodurch  denn  auch  hier 
1  a  und  1  b  zusammenfielen.  Als  nun  lautlich  die  alten  Verba 
auf  -chicr,  -gier,  -gnier,  -illicr  in  die  r-Klasse  übertraten,  war  ihre 


224  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   260,   261. 

Übermacht  eine  so  grofse,  dafs  bald  auch  die  übrigen  folgten. 
Im  XV.  Jahrhundert  geht  dieser  Vorgang  rasch  vor  sich ,  H. 
Estienne  spricht  e,  nicht  mehr  ie  in  cMef,  chier  u.  s.  w. ;  Maupas 
fordert  auch  für  die  Schrift  chef. 

Vgl.  G.  Paris,  Rom.  IV,   122  ff.;    Vising,   Ztschr 
VI,  372—385. 

261.  Die  Mundarten  zeigen  zum  Teil  den  umgekehrten 
Vorgang,  sie  behalten  ie  und  dehnen  es  sogar  aus  über  sein 
ursprüngliches  Gebiet  und  zwar  nicht  nur  im  Verbum,  sondern 
auch  in  der  Wortbildung:  korrekt  ist  presclncre  =  predicator, 
danach  janglierres,  hordierres  bei  Jean  Ie  Marchant,  flattiere, 
tribuliere  Theophile,  Rustb.  II.  Davon  wird  die  Formenlehre  zu 
handeln  haben.  Eine  Erscheinung  aber  gehört  doch  schon  der 
Lautlehre  an.  Während  im  Zentrum  und  Westen  die  Verba  auf 
-urare  nicht,  wie  diejenigen  auf  -irare,  der  ie-,  sondern  der  c-Klasse 
angehören,  zeigen  sie  im  Osten  ie  und  zwar  nicht  nur  in  den 
heutigen  Dialekten,  sondern  schon  in  den  mittelalterlichen  Denk- 
mälern, vgl.  durier:  nsurier  Veget.  740,  mesurier  Ezech.  119,  4, 
jurier  N.  E.  XVm,  129,  curie  144  und  so  heute  lothr.  §düri 
u.  s.  w.  Es  ist  schon  §  48  ff.  darauf  hingewiesen  worden,  dafs 
der  Wandel  von  u  zu  ü  wahrscheinlich  nicht  überall  gleichzeitig 
ist.  Es  ist  nun  klar,  dafs  -ier  eine  Aussprache  ü  bedingt,  und 
dafs  zur  Zeit,  als  'a  zu  ie  wurde,  durare  in  den  Gegenden,  wo 
es  diXrer  ergiebt,  nicht  ebenso  lauten  konnte,  wie  in  denjenigen, 
wo  es  zu  diXrier  wird.  Viel  mehr  kann  man  allerdings  nicht 
sagen.  Denn  die  Annahme,  es  hätte  dort  noch  geradezu  dvrer 
gelautet,  ist  zu  weitgehend.  Noch  heutzutage  ist  das  zentral- 
und  westfranzösische  ü  weniger  palatal,  als  das  östliche,  wie 
denn  auch,  soweit  bis  jetzt  bekannt  ist,  nur  dieses,  nicht  jenes, 
bis  zu  i  fortschreitet.  Das  erklärt  denn  ohne  weiteres  die  ver- 
schiedene Behandlung  von  durare.  Wie  nun  freilich  der  Unter- 
schied zwischen  den  beiden  ü  zu  erklären  sei,  ist  schwer  zu 
sagen :  sehr  viel  Wahrscheinlichkeit  hat  die  Annahme  für  sich, 
dafs  das  ü  am  ältesten  sei  da,  wo  es  völlig  palatal  ist,  im 
(ZwWer-Gebiet,  und  dafs  es  von  da  nach  Westen  sich  ausgedehnt 
habe.  —  Auch  gedecktes  a  wird  zum  Teil  nach  Palatalen  zu  f, 
vgl.  §  262.  Lothr.  öye  (carrum,  carnem),  6%m  (cannahis),  nfr.  gerhe, 
eher  sind  vielleicht  so  zu  fassen,  doch  ist  cliar  daneben  auffallig. 


§   262—264.  A  nach  Palatalen.  225 

262.  Ein  zweites  Gebiet,  wo  'a  zu  ie  wird,  ist  der  Süd- 
osten Frankreichs,  der,  im  Gegensatz  zum  Norden,  sonst  freies 
a  bewahrt.  Südlich  gehört  ihm  noch  Savoyen  an  und  einzelne 
Thäler  des  Piemonts,  wie  die  Val  Soana  und  Aosta.  Der  süd- 
westlichste Punkt  gegen  das  Provenzalische  hin  dürfte  Gre  noble 
sein,  die  Westgrenze  jenseits  der  Khone  bildet  etwa  die  Berg- 
kette der  Cote  d'Or,  gegen  Norden  läuft  das  Gebiet  ins  Nord- 
französische hinein,  mit  dem  es  das  hier  zu  behandelnde  Merk- 
mal teilt.  Wir  haben  also  z.  B.  im  Lyonesischen :  prm  (priser), 
menasi,  dresi,  sarsi,  mizi,  afffti,  payi,  hali,  fdi,  tiri,  b^si  u.  s.  w. 
Dagegen  dürö,  Mo,  -ova  u.  s.  w.  Besonders  erwähnenswert  sind 
remarsye  (remercier),  uhlyc,  ferner  äoyc  (jouer) ,  loyc  in  Jujurieux, 
aber  maria,  fya.  Sekundäre  Palatalen  üben  keinen  Einflufs  mehr, 
vgl.  z.  B.  Val  Soana :  raJikyar  (ital.  raschiare),  semhyar.  Grund- 
lage für  das  ganze  Gebiet  ist  ie,  das  sich  dann  weiter  entwickelt 
wie  altes  ie,  vgl.  §  178  und  266.  Auch  gedecktes  a  nimmt 
teil:  Val  Soana  Je  er  (carncm),  get,  Ic'eßi,  fdyeUtro. 

Ascoli,    Schiizi  Franco-provenzali,    Arch.    Glott.    III, 
61—120. 

263.  Sodann  folgt  Rätien,  und  zAvar  speziell  Oberhalb- 
stein: paier,  sei  er ,  maier,  gudoner,  erpser ,  la§er,  ansinier,  lidier, 
k'esa,  sicela,  dann  vor  gedecktem  r:  Ic'ern,  Ti'er,  Jc'ertas.  Ebenso 
Domletschg,  Schams,  Tiefenkasten,  Zernetz,  Brusio  im  Puschlav, 
die  tessiner  Mundarten,  und  in  Mittelrätien  Moena  und  Comelico. 
Erwähnenswert  ist,  dafs  der  Wandel  im  Tessin  auch  gedecktes 
a  ergreift:  gel,  geniba,  vaz^äa  =  ital.  vecchiaccia,  und  dafs,  im 
Gegensatz  zu  dem  §  262  für  Val  Soana  Bemerkten,  auch  y  aus  l 
(v^  421)  den  palatalen  Laut  hervorruft:  pyega,  fied,  ferner  vieg 
(viaggio);  anh'a-mi  aber  mi-evJc'a,  riena  =  rivana  u.  a.  Merk- 
würdig ist  Greden,  wo  sonst  a  zu  f  wird,  sofern  hier  nach  Pala- 
talen ä  eintritt :  sk'älä,  Jc'är,  Inf.  -Jc'är,  Tc'ä  {capiä),  madyär  u.  s.  w. 

264.  Hier  schliefst  sich  S.  Fratello  an:  gea  (giä),  rnbriyek, 
liier,  k'ieya  (piaga),  kieu  (gualis),  skiela,  hier,  Ptc.  -iea.  Ebenso 
wird  anlautendes  d  zu  ie,  wenn  das  vorhergehende  Wort  auf 
einen  hellen  Vokal  auslautet.  Diese  Formen  stehen  dann  auch 
im  Satzanfang,  also  iela,  iengul,  ic§pa,  ieam,  aber  mit  dem  Artikel 
d'äam,  ien  (anmis)  aber  d'äan  u.  s.  w. 

Meyer,  Grammatik.  15 


226  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   265 — 267. 

265.  Audi  in  Mittel-  und  Süditalien  scheint  dasselbe  Gesetz 
zu  herrschen,  doch  ist  die  Sache  nicht  völlig  klar.  Vgi.  kors., 
nordsard.  pientu,  piedu,  Campobasso :  fesM,  Mezza  (piazza),  Jcieye, 
Francovilla  al  mare :  falegneeme,  magnaete,  Inf.  magnea,  piette 
neben  fd,  priya,  ngape,  S.  Vittorino :  amazze,  Tcyeme,  mane,  justi- 
ziete,  dann  auch  pugghie  (pigliare),  arnwete  (arrivata),  caputete 
(capitata),  wo  das  tonlose  i  über  den  Konsonanten  hinweg  wirkt. 
Vgl.  dazu  §  271. 

266.  Es  knüpfen  sich  nun  an  dieses  ie  aus  'a  eine  Reihe 
von  Fragen.  Wie  schon  bemerkt,  sind  seine  weiteren  Schicksale 
dieselben  wie  die  des  ie  aus  vulglat.  e.  In  einem  grofsen  Teile 
Südostfrankreichs  zeigt  aber  das  Partizipium  der  hierher  gehören- 
den Verba  andere  Form  als  der  Infinitiv,  vgl.  z.  B,  waat.  medzf 
=  manducare  neben  meM  =  manducatmn.  Das  g  weist  zunächst 
zurück  auf  -ia.  In  Jujurieux:  -a ,  pedya ,  ametya,  metya  (doch 
pi),  deren  a  hell  ist,  wogegen  dasjenige  von  bonia,  pra  u.  s.  w. 
dunkele  Färbung  hat.  Überall  reimt  mit  den  Partizipien  auch 
pietatem ,  fast  überall  pcdem.  Wir  finden  also  z.  B.  Val  Soana: 
Inf.  -/,  Ptc.  ia,  ebenso  pia,  Val  d'Aosta:  Inf.  -/,  Ptc.  M.  a,  Fem. 
aye,  Commugny.  -i,  ia,  pia,  pedid  u.  s.  w.  In  den  altlyone- 
sischen  Texten  ist  das  Verhältnis  das  folgende :  ia  tritt  ein  für 
iatum,  iatem,  iati,  iatam,  iacum,  dagegen  ie,  i  in  iatus,  iatos, 
iare,  iahat.  Wir  haben  somit,  in  voller  Übereinstimmung  mit 
dem  §  255  Bemerkten,  eine  doppelte  Behandlung  des  alten  'a, 
je  nachdem  ein  Verschlufs-  oder  ein  Reibelaut  folgte :  dem  dt  = 
a,   0  neben  är  =^  e,  a  entspricht  genau  iät  =  ia,  aber  iar  =  ie,  i. 

Vgl.  Odin  23  ff.,  E.  Philip on,  VÄ  accentue precede 
d'une  palatale  dans  les  dialectes  du  Lyonnais,  de  Ja  Bresse 
et  du  Bugey,  Rom.  XVI,  263—277,  H.  Morf,  Mandu- 
catum  =  Manducatam  en  valaisan  et  en  vaudois ,  Rom. 
XVI,  278  —  287.  Odin  und  Morf  sehen  in  dem  ia 
Einflufs  der  Femininform  auf  das  Maskulinum.  Ein 
derartiger  Einflufs  ist  aber  sonst  nirgends  beim  Partizip 
nachgewiesen,  er  erklärt  nicht  die  Behandlung  von  p)(^de 
und  pietate  und  nicht  den  Zustand  in  den  alten  Texten. 
Er  ist  völlig  unmöglich  in  Aosta  und  ist  nicht  nötig 
für  die  anderen  Gegenden. 

267.    In  Nordfrankreich  wird  weiter  iee  zu  ie  reduziert,  vgl. 
Reime  wie:    maisnie:    Marie  Rieh.  3833,   maisnie:  guerpie  Chev. 


8   267.  IE  und  IE  im  Französischen.  227 

n  esp.  2117;  ebenso  wird  cadunt  zu  chient  Brut  1644,  laeta- 
mentc  zu  liement  2533.  Die  Kontraktion  findet  im  ganzen  Osten 
und  Nordosten  bis  in  die  Nornuindie  hinein  statt.  Der  Vorgang 
ist  nicht  recht  klar.  Nimmt  man  an,  dafs  in  allen  diesen 
Gegenden  t'e,  nicht  yc  betont  worden  sei,  so  ist  allerdings  eine 
Verkürzung  von  fee  zu  le  leicht  denkbar.  Und  dies  scheint  in 
der  That  die  einzig  mögliche  Erklärung  zu  sein.  Um  nun  aber 
die  Frage  zu  entscheiden,  ob  diese  Betonung  die  ursprüngliche 
gewesen  sei,  mufs  erst  untersucht  werden,  wie  sich  das  i  erkläre. 
Zwischen  Ä;  und  folgendem  palatalen  Vokale  hat  sich  der  palatale 
Gleitelaut  i  entwickelt.  Eingetreten  ist  er  entweder  noch  auf 
der  Stufe  a,  das  wird  nahegelegt  durch  die  südöstlichen  Mund- 
arten, wo  a  nach  Nichtpalatalen  bleibt:  wie  also  zu  einer  Zeit, 
wo  man  im  Südosten  plantar  sprach,  sich  k'ark'ar  zu  Jcark'ar, 
Jcark'er  verwandelte ,  so  auch  auf  dem  nördlichen  Gebiete.  Er 
kann  aber  auch  jünger  sein,  nicht  jedoch  erst  auf  die  Stufe  e 
gehören.  "Wir  haben  §  235  gesehen,  dafs  ak  über  ^c  zu  p  wird, 
nicht  mehr  zu  e.  Da  nun  kak  sich  zu  iei ,  d.  h.  also  k'ipi  ent- 
wickelt, so  mufs  spätestens  k'f  zu  k'jp  und  folglich  k'fi  zu  k''fi 
geworden  sein.  Dafs  er  auf  der  Stufe  f  eintreten  kann,  zeigt 
fränk.  sk^Ua,  afr.  eschiele.  Frank,  sk  vor  hellen  Vokalen  wird 
behandelt  wie  lat.  c  vor  a  §  18,  S.  39.  Hier  schliefsen  sich 
nun  die  §  104  behandelten  Fälle  an.  Aus  cera  entsteht  cieira, 
dre,  dagegen  aus  cisia  nur  ccste,  nicht  ckste.  Man  ist  zunächst 
geneigt,  die  Entwicklung  des  Gleitelautes  an  freien,  also  langen 
Vokal  zu  knüpfen,  allein  das  ebengenannte  eschidle  widerspricht. 
Bedingung  ist  vielmehr  ganz  offenes  §.  Zur  Zeit,  als  lat.  c  noch 
etwa  auf  der  Stiife  f  stand ,  rückte  ci  auf  ^  dem  Wege ,  den  es 
nach  §  72  einzuschlagen  hatte,  bis  f«,  ai  vor,  und  nun  ent- 
wickelte sich  -wieder  der  Gleitelaut.  In  tert  (certiis)  war  das  e 
ein  weniger  offenes  als  in  ei  und  ai,  daher  hier  das  i  nicht 
erscheint.  Danach  mufs  also  in  einer  ersten  Periode  der  aus  a 
entstandene  Diphthong  ie  auf  dem  «  betont  gewesen  sein.  Dieses 
ie  hat  sich  nun  verschieden  weiter  entwickelt.  In  Sornetan, 
Bourberan  und  auch  westlich  in  St.  Maixent  wird  es  unter  den- 
selben Bedingungen  wie  im  Frz.  zu  e,  während  c  aus  a  hier 
f  lautet.  AndersAvo  aber  findet  Zurückziehung  des  Tones  statt: 
so  ist  also  ie'e  auf  dem  obengenannten  Gebiete  zu  >ce,  ie  geworden. 

15* 


228  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    267. 

Dieselbe  Tonverschiebung  ist  auch  nötig,  um  den  Unterschied 
zwischen  nie  =  necare  und  sasiei  =  camhiare  in  Lahague  zu 
erklären,  iei  ist  der  gewöhnliche  Eeflex  auch  von  e  §  159,  vgl. 
noch  s'ei  (carus)  u.  s.  w.  Zu  Grunde  liegt  ni-ier,  woraus  m-ei\ 
nie  aber  säzie:  säsier,  sä^iei.  Nehme  man  eine  Grundlage  ni'er 
an ,  so  wäre  daraus  doch  wohl  mer ,  niei  entstanden.  Also :  die 
älteste  Form  des  aus  a  hervorgegangenen  ie  ist  ie ,  daraus  ist  in 
manchen  Dialekten  le  geworden.  Früher  und  in  Aveiterem  Um- 
fange wird  iee  zu  /c:  in  diesem  Falle  mufs  der  Ton  auf  drei 
Vokale  gleichmäfsig  verteilt  werden,  nicht  nur  auf  zwei,  es  ist 
eine  gröfsere  Anstrengung  zur  Hervorbringung  des  Triphthongen 
nötig,  und  diese  gröfsere  Anstrengung  kommt  dem  ersten  Bestand- 
teile zu  gute :  iee  wird  über  iee  zu  lee,  fc. 

Die  Betonviug  fc  nehmen  als  ursprünglich  an  L. 
Havet,  Rom.  VI,  321—327;  F.  Neumann,  Zur  Laut- 
und  Flexionslehre  54 — CO.  Havet  stützt  sich  haupt- 
sächlich darauf,  dafs  mari-er  nicht  mit  picd  assoniere, 
und  dafs  es  leichter  sei ,  cliresti-ien  auszusprechen ,  als 
chresti-ien :  bei  letzterer  Aussprache  wäre  rasch  Ver- 
schmelzung zu  chrestien  eingetreten ;  für  cMer  endlich 
setzt  er  die  Eeihe  an:  Jcdaro,  kdpro,  Jce'ero,  kier,  chier. 
Nach  den  obigen  Ausführungen  bedarf  dieser  dritte  Grund 
wohl  keiner  Widerlegung.  Was  den  ersten  betrifft,  so 
sahen  wir,  dafs  marier  doch  ziemlich  früh  zu  den  -ie- 
Verben  hinübergleitet,  so  dafs  es  sich  fragen  mag,  ob 
die  Dreisilbigkeit  und  die  Trennung  von  -ier  nicht  bis 
auf  einen  gewissen  Grad  aus  dichterischer  Tradition 
herrühre  aus  der  Zeit,  wo  marider  gesprochen  wurde. 
Ob  endlich  chresti-ien  oder  cliresti-ien  leichter  zu  sprechen 
sei  und  länger  dreisilbig  bleibe,  das  hängt  doch  wohl 
nur  von  den  Sprechgewöhnungen  des  Individuums  ab.  — 
N  e  um  an ns  Hauptargument  sind  die  mittelhochdeutschen 
Reime  forehtier:  tier  Parz.  592,  10;  soldicr:  tier  64,  20 
u.  s.  w.,  deren  er  S.  56  eine  grofse  Zahl  bringt.  Allein 
sie  beweisen  nur  für  Ostfrankreich,  für  diejenigen  Gegen- 
den, die  an  Deutschland  angrenzen,  eine  Aussprache,  die 
ungefähr  der  des  deutschen  ie  entsprach.  Mehr  als  einen 
Näherungswert  können  wir  daraus  aber  nicht  gewinnen : 
wenn  ie  durch  progressive  Assimilation  damals  etwa  ii 
geworden  war,  so  lag  es  den  Deutschen  nahe,  diesen 
ihnen  fremden  Laut  dem  eigenen  fe  gleichzustellen,  wie 
schon  Diez,  Gr.  I,  441  **  richtig  gesehen  hat.  Vi  sing 
bringt  keine  neuen  Argumente.  Gegen  ie  und  gegen 
Havets     Auffassung     der     Diphthongierung     hat     sich 


^   267—270.  A  nach  Palatalen.  229 

Schuchardt  geJiufsert  Ztselir.  II,  187  und  A.  Hor- 
ning  in  einem  scharfsinnigen  Artikel,  tJhcr  steigende 
und  fallende  Diphthonge  im  Ostfranzösischen,  Ztschr.  XI, 
411 — 418.  Er  fafst  i'e  aus  ice  anders  als  es  hier  ge- 
schieht :  aus  ie-e  wäre  ie'ie  entstanden ,  indem  sich  im 
Hiatus  i  entwickelt  hätte,  daraus  ie.  Die  Erklärung  hat 
etwas  BestecliciKl CS :  es  bleibt  aber  fraglich,  ob  ein  solches 
Hiatus-*,  das  allerdings  ttir  den  Nordosten  sicher  ist,  auf 
dem  ganzen  Gebiete  von  fe  aus  ice  sich  finde. 

268.  Im  No  r  d  r  um  an  isclien  wird  a  nach  Palatinen  zu  {?, 
wenn  e,  i  folgt.  Dieses  p  bleibt  noch  heute  in  Siebenbürgen, 
überall  sonst  ist  es  zu  e  geworden :  chee  (clavc),  mold.  2.  PI. 
tac^i  und  im  direkten  Auslaut :  Inf.  tae.  Ferner  ist  ghie^  aus 
glacie  neben  ghia^a  aus  *glacia  zu  nennen,  sodann  chiem  und 
ghiendä.  So  wird  sich  auch  mineriu  aus  manuarium  über 
maniairu  erklären  lassen.  Auch  das  aus  e  entstandene  a  (§  83) 
wird  in  der  westlichen  Moldau  nach  §  zu  e:  ses  =  lat.  sessus 
und  kommt  so  zu  seiner  ursprünglichen  Form  zurück.  Im 
Moldauischen  wird  ferner  altes  ea  über  ia  zu  e  im  direkten  Aus- 
laut: also  stc  aus  stia,  wie  taic  aus  taid,  und  jenes  aus  stea,  Stella. 
Dagegen  wird  a  nach  s,  j  zu  ä:  fnrisät,  ingrijät,  furisäm, 
ingrijäm.  Das  Mazedonische  kennt  diese  Gesetze  nicht,  es  behält 
Mae  und  entsprechend  syate  u.  s.  w. 

Vgl.  Tiktin,  Studien  I,  100. 

269.  Labiale  wandeln  zuweilen  a  in  o.  Aus  dem  dop- 
pelten labialen  Einflüsse  erklärt  sich  rum.  foame,  portg.  fome, 
lomb.  fom.  Dann  also  tessin.  dimö,  obw.  mö,  eng.  mu  aus  magis, 
doch  sind  die  Partikeln  vielleicht  als  tonlos  zu  betrachten; 
möglicherweise  gehört  auch  frz.  taon  aus  täbaniis  hierher.  — 
Zwischen  Labial  und  a  entwickelt  sich  u  in  Deux  Sevres :  2)?<a, 
mualadiye. 

270.  Weit  verbreitet  ist  p  aus  ai  (§  235)  in  dieser  Stellung 
zu  Mf,  vgl.  gen.  iJwä,  muä,  mtiän,  fuä,  repuänt,  spuäntu.  Sodann 
im  Französischen:  Tabouret  (1587)  tadelt  voua  (vais), 
jamoua,  foua  als  Parisismen,  noch  heute  haben  wir  armoire, 
grimoire,  Amboise,  poele,  e'moi,  äboi.  In  Bayeux:  pu(s  (pays), 
fo^y  poS,  vmetr,  ^amuf,  mu^sö,  in  Deux-S^vres :  afu§r,  S.  Maixent : 
puei,  fu^r,  fu^,    avug,    Auvergne :    eamu§,    fue,    fu^e.     Ebenso  in 


230  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   270 273. 

Lothringen  ^  aus  a:  fo§v,  emoeK  in  Urimenil,  während  im  Pikar- 
dischen fpve  zu  foef  wird. 

271.  In  Stiditalien  wird  u-d  zu  u-ud,  so  in  Montenero 
di  Bisaccia  (Molise)  aruvuete,  shruvunuaia,  adduluruata,  Tiuntsulvd ; 
in  Palena  nu  ciiane,  suppurtud,  ruVbud,  nu  pluandej  spujjuate; 
Villa  Santa  Maria:  arruvuat,  ne  puatre,  Je  druahhe,  purtua,  le 
muarite,  Vokat.  mmuarite  (aber  a  ppatre),  kumbud;  Torricella: 
urtuluone,  perdunuate. 

272.  Nicht  klar  ist  im  Rumänischen  mundartlich  ea,  ia 
statt  a  nach  r,  l,  t:  maz.  bria^u,  griasu,  mold.  musteaß,  nament- 
lich in  nichtlateinischen  Wörtern :  steangä ,  steamp ,  hleastur, 
cleampä  u.  s.  w. 

Vgl.  Tiktin,  Stud.  I,   59,  Ztschr.  X,  252. 

e)  Einzelheiten. 

273.  E  an  Stelle  von  A.  Lat.  mälum  ist  durch  melum 
{(xfi'Kov)  verdrängt:  ital.  melo,  rät.  meil,  rum.  mär^  lothr.  me%  kat. 
mela.  Cerdseus  gehört  nur  dem  südlichen  Italien  an :  neap. 
deras§,  Lecce  öerasti,  sard.  Jccrasa,  röm.  derasa,  sen.  saraza.  Sonst 
ist  cer^'sea  an  seine  Stelle  getreten:  ital.  ciliegia,  prov.  cerpisa, 
frz.  cerise,  rum.  ciraiä  aus  älterem  ciriasä.  Span,  cereza^  portg. 
cereja  sind  unentschieden.  Der  Umstand,  dafs  hasium  in  der 
c-Gruppe  nicht  mit  ccrasea  reimt,  schliefst  die  Annahme  eines 
alten  Umlauts  aus.  Das  griechische  y.tQuaog  mufste  den  latei- 
nischen Lautgesetzen  gemäfs  zu  ceresus  werden ,  woraus  weiter 
cerdseus.  Diejenigen  romanischen  Länder,  welche  am  stärksten 
dem  griechischen  Einflufs  ausgesetzt  waren ,  behielten  die  grie- 
chische Form  bei,    die  anderen  dagegen  besitzen  die  latinisierte. 

Vgl.  J.  Cornu,  Rom.  XIII,  286,  3. 
Ähnlich  erklärt  sich  wohl  ital.  all^gro ,  afr.  alifgre,  Jura 
aliegru,  rät.  legr,  wenn  sie  zu  alacer  gehören.  Die  alte  Flexion 
war  *dlacer^  *dlecris,  woraus  romanisch  dlecriis,  a,  um.  —  Ital, 
gettare,  frz.  jetter  gehen  vielleicht  auf  ejedare  zurück.  —  Ital. 
greve,  frz.  gref,  rum.  greü,  rät.  gref  aus  lat.  gravis  zeigen  An- 
lehnung an  levis,  hrevis.  —  Rum.  alerg  (laufen)  neben  maz.  alarg 
von    lat.    largns    steht  unter  Einflufs    von  merg    (gehen).  —  Nfr. 


§   273—275.  WaiKlel  von  A  zu  E,  O.  231 

acheter  hat  zunächst  in  den  endungsbetonten  Fonnen  Einflufs  der 
Verba  auf  -eter  =  ittare  erlitten,  vgl.  aber  achat,  Eustache 
Deschamps  206  reimt  noch  achatte :  escarlate,  der  Eosenroman  IT, 
298  achde:  nete.  Andere  Fälle  von  e  statt  a  erklärt  die  Formen- 
und  Wortbildungslehre.  —  Unerkläi-t  sind  rät.  zeina,  sard.  ienna 
neben  ^anna  (janua)  und  castegna  neben  castagna:  jenes  gefordert 
von  frz.  chäfaigne  (aus  älterem  chasteigne),  mail.,  ver.,  berg.,  pav., 
canav.,   alothr.  kastcna,  Val  Soana  Ama. 

274.  0  an  Stelle  von  A.  Ital.  chiodo,  chiovo  werden  zu  clavus 
gestellt.  Im  Französischen  ist  die  Entwicklung  korrekt  §  250,  im 
Italienischen  aber  hätte  chiavo  bleiben  sollen.  Es  ist  möglich,  dafs 
schon  frühzeitig  claudere  sich  eingemischt  hat,  womit  auch  das  d 
erklärt  wäre.  Die  südital.  Formen:  siz.  hyovu,  cal.  kyuovu  sind 
Lehnworte  aus  dem  Schriftitalienischen.  —  Span,  cueva,  die  Höhle, 
bearn.  Tcobe ,  portg.  covo ,  hohl  neben  ital.  cavo ,  prov.  cou 
erklären  sich  daraus,  dafs  die  alte  Flexion  cous,  coum,  PI.  cavi, 
Fem.  Cava  verschieden  ausgeglichen  worden  ist. — Ital.  vuoto,  frz. 
mde  gehen  ebenso  auf  vocitus  zurück,  Part,  von  altlat.  vocare, 
wofür  klassisch-lateinisch  vacare  nach  vacuus. 

Vgl.  T  h  u  r  n  e  y  s  e  n  ,  Ztschr.  vergl.  Sprachf.  XXVIJJ, 
156  und  161. 
Frz.  fantöme,  prov.  fantauma,  kat.  fantarma  scheinen  auf 
fantagma  statt  fantasma  zu  weisen,  gm  zu  um  nach  §  403.  Auf- 
fällig in  ihrer  Vereinzelung  sind  apul.  some,  portg.  estrume  aus 
stramen,  doch  steht  letzterem  estrumar  zur  Seite,  wo  u  in  tonloser 
Silbe  sich  eher  erklärt.  —  Ital.  nuota,  rum.  innoatä,  alban. 
notoig ,  rät.  nuota,  afr.  nuede  neben  südital.  nata,  span. ,  portg. 
nada  sind  dunkel.  —  Weit  verbreitet  in  Oberitalien  ist  piona 
Hobel  für  piana:  tessin.  piuna,  monferr.  piuna,  mail.  piona,  gen. 
duna  u.  s.  w.  Das  Wort  mufs  in  dieser  Gestalt  aus  dem 
Rätischen  stammen,  ist  dort  aber  auch  wieder  nur  als  postverbal 
zu  plondr  zu  denken,  da  plana  zu  plaiina  geworden  wäre.  —  Frz. 
oupre  an  ajirio  ist  an  couvre  angelehnt.  Die  Form  ist  weit  ver- 
breitet: stidsard.  oberiri,  sodann  äsen.,  umbr. ,  röm. ,  piem., 
S.  Fratello,  gask. 

275.  Aus  lateinisch  aqua  ist  in  Oberitalien,  Rätieu  und 
Südfrankreich  *augua  entstanden,  daraus  eng.  ouua,  Fourgs  auwa, 


232  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    275 — 277. 

Planclier    ove^    sonst    aiga^    aven.,    aver.,    agen.^    apiem.,    aprov., 
heute  gen.  äva,  piem.  eva,  gallur.  eba. 

Ascoli,  Arcli.  Glott.  I,  300. 

8.    Die  lateinischen  Hiatusvokale. 

276.  Bei  den  Vokalen  im  lateinischen  Hiatus  kommt  die 
alte  Quantität  nicht  in  Betracht.  Für  das  Metrum  gelten  alle 
als  kurz,  etymologisch  sind  es  die  einen  von  jeher,  die  anderen 
sind  ursprünglich  lang.  Darum  kümmert  sich  die  Volkssprache 
nicht,  sondern  behandelt  sie  lediglich  nach  ihrem  Klange  resp. 
nach  dem-  Klange  des  zweiten  tonlosen  Vokals.  Und  zwar  ist 
die  Regel  die  folgende :  altes  i,  u  bleiben ;  altes  e  wird  zu  f 
vor  folgendem  ?",     zu  e  vor  folgendem   a;    altes    o    wird  zu  o  vor 

olgendem  w,  zu  o  bezw.  ■j*  vor  folgendem  a,  i,  somit:  dies,  fui, 
m§i,  mca,  vea,  sous,  sqa,  cgi.  Also  hier  ist  die  Verschiedenheit 
der  Qualität  nicht  durch  die  Quantität  bedingt,  sondern  durch 
Dissimilation.  Das  helle  i  dissimiliert  ein  unmittelbar  voran- 
gehendes e  zu  §,  das  dunkle  u  ein  yt  zu  p.  Es  sind  diese 
eigentlich  dem  Vulgärlatein  angehörenden  Veränderungen  erst 
hier  besprochen ,  damit  die  Übereinstimmung  mit  Erscheinungen 
in  einzelnen  romanischen  Sprachen  um  so  besser  hervortrete, 
s.  §  152,  186.  Noch  in  vulgärlateinischer  Zeit  sind  dann 
Störungen  eingetreten :  dem  Plur.  m§i  folgte  der  Singular  mens, 
dem  Singular  sgvs  der  Plural  sgL  Das  alleinstehende  cyii  aber 
behält  seine  alte  Form  bei.  —  Vokale,  die  erst  infolge  vulgär- 
lateinischer Lautgesetze  zusammentreten,  behalten  die  von  ihrer 
alten  Quantität  geforderte  Färbung,  also  jus  aus  -Ivus ,  sjat  aus 
sU,  §0  aus  ^go. 

Vgl.  Ztschr.  vergl.  Sprachforsch.  XXX,  333—345,  wo 
auch  der  Unterschied  zwischen  kl.-lat.  f?o,  -dies  j  und 
vulgl.  vea,  dies  erklärt  ist. 

277.  Wenden  wir  uns  nun  zu  den  einzelnen  romanischen 
Sprachen,  so  sehen  wir  zunächst,  dafs  vulglat.  i  auch  im  Hiatus 
behandelt  wird  wie  vor  Konsonanten,  s.  die  Beispiele  §  31,  S.  58. 
Vulglat.  e  in  vea  mca  stimmt  dagegen  nur  zum  Teil  mit  fede. 
Neben  rum.  mea,  frz.  veie,  meie  steht  auf  allen  anderen  Gebieten 
via  mia.  Merkwürdigerweise  auch  im  Ostfranzösischen,  vgl.  vie 
sient  im  Ysopet,  Prior,  und  noch  heute  z.  B.  im  Morvan.    Wenn 


§   277 — 279.  Betonte  Hiatusvokale.  233 

neben  diesen  i-Formen  im  Eng.  iraia  aus  tria,  saia  aus  siat 
steht,  so  erklärt  sich  jenes  aus  dem  Einflufs  des  Mask.  frais, 
dieses  daraus,  dafs  in  scat  der  Hiatus  erst  spät  ist,  s.  die  Formen- 
lehre. Dafs  übrigens  jenes  ia  aus  ea  entstanden  ist,  lehrt  alatr. 
Tcurija  (corrigia),  und  Ortsnamen  wie  Pidia  =  Äpuleja,  Fontia  = 
Fonteja. 

278.  Auch  vulglat.  Hiatus-f  in  m^us,  m^i,  deus,  rpiis,  judaeus 
zeigt  blofs  im  Rumänischen  und  Französischen  die  gewohnte 
Entwicklung  von  f:  rum.  zeu,  mien,  miet,  afr.  Dietis,  *miei, 
woraus  mi,  *mieus,  woraus  das  pikard.  Fem.  mieue,  judieii.  Im 
Portugiesischen  wird  ^  zu  e :  dms,  men,  Juden,  Hehrev.  Über  die 
weiteren  Schicksale  dieses  ieu  vgl.  §  38.  Da  zu  frz.  i)ieus  §  249 
der  Akk.  jJC?  lautet,  so  bildet  man  zu  dieus  den  Akk.  de. 
Im  Provenzalischen  tritt  der  Diphthong  ein:  Dieiis,  mieus, 
juzieus,  im  Ital.,  Span,  das  einfache  i:  Dio,  mio,  rio,  span. 
Dios,  mio,  cria,  jndio.  Aber  ital.  Plur.  miei.  Es  wäre  denkbar, 
dafs  ital.  mio  u.  s.  w.  noch  auf  meus  zurückwiese,  dafs  also 
das  Ital.  den  ältesten  Zustand  bewahrte  und  die  Ausgleichung 
zwischen  meus  und  mfi  sich  erst  in  den  Einzelsprachen  vollzogen 
hätte.  Das  aven.  mieu  (Panfilo)  wäre  dann  eine  jüngere  Form 
als  das  ital.  mio.  Allein  dafs  p,  ie  vor  dunkeln  Vokalen  zu  i 
wird,  zeigt  macia  (mac(ria).  Im  Rätischen  kann  Dius,  miu  als 
Grundform  angesetzt  werden,  das  sich  dann  verschieden  weiter 
entwickelt  §  38.  Auch  eo  stimmt  im  ganzen,  vgl.  rum,  e«,  rät. 
ieu,  ital.  io,  span.  yo,  portg.  eu.  Im  Altfranzösischen  begegnen 
verschiedene  Formen,  je  nachdem  das  Wort  tonlos  oder  betont 
ist.  In  den  Eiden  steht  zweimal  io ,  zweimal  eo ,  im  Jonas  io, 
im  Alexis  io ;  später  jou ,  jo ,  woraus  abgeschwächt  je ,  und  die 
neue  Form  gie,  im  Reime  auf  e  aus  a,  Rieh.  957  gie:  congie, 
C'hardri  Set  dorm.  1425  je:  conge.     Vgl.  darüber  Kap.  IV. 

279.  Bei  den  labialen  Vokalen  treffen  wir  ähnliche  Er- 
scheinungen wie  bei  den  palatalen.  Fui  erscheint  überall  mit 
dem  Vertreter  von  ü.  Für  \i,  o  zeigen  das  Rixmänische  und 
Französische,  zum  Teil  das  Rätische  und  Portugiesische  die  ge- 
wöhnliche Entwicklung,  das  Italienische  und  Spanische  aber  ver- 
langen den  extremsten  Vokal  der  Reihe.  Aufserdem  wird  yi 
überall  aufser  im  Rätischen  zu  ui,  also  rät.  kui,  koi,  aber  afr., 
prov.  küi,  ital.  cid.     Sonst    also    haben    wir    für    \(    vulglat.    f\it, 


234  I-  Kapitel:  Vokalismns.  §   279 — 281. 

dyias,  sua,  s\ias,  rum.  fu,  eng.  fo,  afr.  fg,  dous,  does,  soe,  portg. 
foi,  dos,  SOS,  aber  im  erhaltenen  Hiatus  duas,  sua,  ital,  fu,  due, 
sua,  ob  duoi,  suoi,  ist  zweifelhaft^  da  sie  auf  duos,  suos  beruhen 
könnten,  span.  dos,  tos  —  duas,  tuas.  —  Über  die  verschiedenen 
Formen  von  fui  u.  s.  w.  bringt  die  Formenlehre  das  Nähere.  Ein 
weiteres  Beispiel  ist  noch  gruem,  portg.  grou  aus  älterem  groi  §  300, 
siz.  groi,  neap.  gruoyo  neben  einem  zu  grus  gebildeten  *grua,  span., 
portg.  grua,  frz.  grue.  Auf  vulglat.  hqem  zu  tos  statt  hövem  geht 
ital.  hue  zurück,  dazu  gesellt  sich  äsen,  iie  =■  uhi.  Rumänisch  doue 
aus  duas  ist  wohl  über  doue,  dum  entstanden,  wo  u  vor  u  zu  o 
wurde  nach  §  131.  So  erklärt  sich,  dafs  die  Form  nicht  doae 
lautet.  —  Hier  mag  noch  erwähnt  werden,  dafs  romanisches  o  in 
Lecce  im  Hiatus  bleibt,  nicht  zu  u  wird,  oder  vielleicht  aus  u 
erst  wieder  o  entstanden  ist:  foi,  doi,  roi  (gruem),  sou,  soi,  soa, 
goa  (juvat),  goane,  vgl.  dazu  §   34. 

280.  Endlich  vulgärlateinisch  Q  in  soi,  doi,  dem  neuen 
Plural  von  duo.  Es  ist  schwierig,  hier  reinliche  Resultate  zu 
erlangen,  weil  diesen  zwei-  einzigen  Beispielen  Flexionsformen 
mit  u  zur  Seite  stehen.  Ich  begnüge  mich  hier,  als  sichere  Ver- 
treter von  p  rum.  dot,  afr.  dui,  afr.  sui  anzuführen,  im  übrigen 
sei  auf  die  Formenlehre  verwiesen. 

Vgl.  auch  D'Ovidio,  Arch.  Glott.  IX,  33—52. 

9.    Diphthonge, 
a)  Die  lateinischen  Diphthonge. 

281.  La"teinisch  au.  Dafs  das  Vulgärlateinische  au  nur 
zum  Teil  sich  mit  dem  Schriftlateinischen  deckt,  ist  §  27  gesagt. 
Der  erste  Teil  des  Diphthongen  ist  vom  einfachen  a  nicht  oder 
kaum  verschieden  \  es  ist  weder  ä  oder  o  wie  im  norddeutschen 
oder  provenzalischen  au,  noch  auch  a  oder  ^  wie  im  süddeutschen 
oder  zum  Teil  rätischen.  Erhalten  hat  es  sich  im  Sai-disch- 
Sizilianischen ,  im  Albanesisch  -  Rumänischen ,  im  Bearnischen, 
während  es  sonst  im  Provenzalischen  heute  äu  oder  gewöhnlicher 
ou  lautet,  und  im  West-Rätischen  \  im  Portugiesischen  ist  es  zu 
ou  weitergeschritten ,  daraus  in  nordportugiesischen  Mundarten, 
namentlich  in  Beira,  o:  pgco,  mqco,  loco,  obe,  roco,  gro,  g,  rghar, 
auch  gtro  imd  ngte  neben  oitro,  coive,    soito  u.  a.     Überhaupt  ist 


§  281,  282. 


Lateinisch  AU. 


235 


auf  einem  grofsen  Teil  des  Gebietes,  in  Lissabon  und  im  Süden, 
der  Unterschied  zwischen  ou  und  o  nur  grapliisch.  Auch  das  ii 
im  Slldost-  vind  im  Ostfranzösischen  geht  wohl  auf  ou  zurück, 
sonst  wird  au  überall  über  ao  zu  o,  das  im  Ven.  und  zum 
Teil  im  Süditalienischen  wie  altes  p  zu  ito  diphthongiert.  Die 
Monophthongierung  ist  in  Frankreich  älter,  in  Spanien  und 
Italien  jünger  als  die  Erweichung  der  intervokalischen  Tenues, 
daher  anca  hier  also  oca  bleibt,  dort  über  oga  zu  oue  wird.  Sie 
ist  in  Frankreich  aber  später  eingetreten  als  die  Palatalisierung 
von  ka:  vgl.  causa,  k'ausa,  k'ose,  chose,  gavdia,  gauye,  goye,  joie. 

282. 


Lat. 

AMAUT 

*PLAUTA 

CAUTU 

FAUTUS 

ALAUDA 

Rum. 

— 

— 

cautä 

— 

— 

Engad. 

— 

— 

— 

— 



Ital. 

amo 

piota 

— 

— 

lodola 

Prov. 

— 

— 

— 

■  — 

alauza 

Frz. 

— 

— 

— 

— 

(älouette) 

Span. 

amö 

— 

coto 

hoto 

— 

Portg. 

amou 

— 

couto 

fouto 

— 

Lat. 

LAUDAT 

AUDIT 

CLAUDIT 

GAUBET 

GAUTA 

Rum. 

lau  da 

aude 

— 

— 

— 

Engad. 

laud 

au  da 

klauda 

— 

gaulta 

Ital. 

loda 

ode 

cJiiude 

gode 

gota 

Prov. 

lauza 

au 

clau 

gau 

gauta 

Frz. 

— 

Qt 

clgt 

— 

§  289 

Span. 

loa 

ode 

— 

— 

— 

Portg. 

louva 

ouve 

choiwe 

gouve 

— 

Lat. 

PAUCU 

KAUCü 

AUCA 

PAUPER 

RAUBA 

Rum. 

— 

— 

— 

— 



Engad. 

pauk 

rauk 

auka 

pauper 

rauha 

Ital. 

poco 

roco 

oca 

povero 

roha 

Prov. 

pauc 

rauc 

auca 

ptaxibre 

rauha 

Frz. 

P9 

rg 

Que 

pQwe 

vQbe 

Span. 

poco 

— 

oca 

pohre 

roha 

Portg. 

pouco 

rouco 

auca 

pohre 

roupa. 

Lat. 

ÄUGET 

AUSAT 

PAUSA 

CAUSA 

LAUSA 

Rum. 

adaoge 

— 

jiausä 

— 

— 

236 


I.  Kapitel:  Vokalismus. 


282. 


Engad. 

— 

— 

—            Musa 

— 

Ital. 

— 

osa 

posa             cosa 

— 

Prov. 

— 

auza 

pausa           causa 

— 

Frz. 

qH 

ose 

2iQse              chose 

— 

Span. 

— 

osa 

posa             cosa 

losa 

Portg. 

— 

ousa 

ponsa           cousa 

lousa. 

Lat. 

TAUKU 

AURU 

LATJEU             THESAUEU 

AUEA 

Eum. 

taur 

aur 

laur                 — 

— 

Engad. 

taur 

aw 

—                — 

aura 

Ital. 

toro 

ovo 

alloro           tesoro 

ora 

Prov. 

taur 

aur 

laur             tesaur 

aura 

Frz. 

— 

or 

—             tresor 

— 

Span. 

toro 

oro 

—            tesoro 

— 

Portg. 

touro 

ouro 

louro            tesouro 

— 

Lat. 

CAULE               PAEAULA 

ßum. 

— 

Engad. 

— 

Ital. 

parola 

Prov. 

caul 

paraula 

Frz. 

choi 

parole 

Span. 

— 

(paläbra) 

Portg. 

couve 

(palavra). 

Ein  weiteres  Beispiel  ist  graulus,  -a  die  Krähe  aus  *gravuh(S, 
-a  zu  ravus  oder  ravis  gehörend  mit  dem  g  von  gracula,  vgl. 
rum.  graur,  Lecce  raulu,  judik.  grglo,  frz.  grolle,  gask. ,  albi. 
agraulo ,  lyon.  grolo  u.  s.  w.  Sodann  frz.  forge ,  span.  froga 
neben  fragua  aus  fahrica,  während  das  jüngere  laude  bleibt. 
Paulus,  paraula  zeigen  abweichende  Gestaltung,  Avas  sich  wohl 
daraus  erklärt,  dafs  beide  jüngere  Wörter  sind,  so  sj^an.  Pablo, 
palahra,  portg.  palavra,  Lecce  palora  neben  caulu,  ital.  Paolo, 
Pavolo ,  ebenso  navolo  aus  vavXoi' ,  das  aus  sachlichen  Gründen 
nicht  toskanisch  sein  kann ;  so  wird  auch  cavölo  aus  dem  Süden 
stammen.  Das  griech.  avl'/j,  lat.  aula,  häufig  in  Ortsnamen,  wird 
teils  zu  ola,  olla ,  teils  zu  avola,  letzteres  in  der  südlichen  Tos- 
kana. Eine  besondere  Gestaltung  erfährt  au  im  Mazedonischen: 
avdu,  haftä,  adapise.  Da  der  Wandel  von  av  zu  u(f,  vor  a  zu  u.\p 
im   Neugriechischen    Regel    ist,    so    wird    man    nicht   fehlgehen, 


§   282—284.  Lateinisch  AU.  237 

liieriu  eine  Beeinflussung  des  Mazedonischen  durch  das  Griechische 
zu  sehen.  —  Erst  als  das  lateinische  au  schon  zu  o  geworden 
war,  drang  das  griech.  xavfia  ins  Italienische  und  von  da  in  die 
anderen  romanischen  Sprachen,  das  neue  au  wurde  nun  zu  ai, 
cd:  ital. ,  span.,  portg.  calma,  ital.  auch  Adj.  cälmo.  Mcht  klar 
ist,  weshalb  im  Rum.  dur,  Idudä  bleiben,  dagegen  räpdos,  addoge 
das  u  in  o  verwandeln,  aüg  den  Ton  verschiebt.  —  Portg.  pohre 
neben  sonstigem  ou  erklärt  sich  aus  der  folgenden  Konsonanten- 
gruppe. —  Ital.  chiude  hat  sein  ii  von  den  endungsbetonten  Foi-men. 

Über  -aula   in    toskanischen  Ortsnamen  s.  Bianchi, 
Arch.  Glott.  IX,  447,  Anm.  2. 

283.  Mehrfach  Avird  das  aus  au  entstandene  p  zu  wo  ge- 
brochen, so  im  Kalabresischen  und  wohl  noch  weiter  in  Süditalien, 
femer  im  Venezianischen.  Im  Kalabresischen  stehen  nebeneinander 
taguru  (taurus),  laguni  und  uoru,  trisuoru,  puolcu,  guodu,  nkyuostru, 
ripuosn,  povaru.  Dieselbe  dopjjelte  Behandlung  findet  sich  im 
Siz. :  tauru,  addauru,  laiisu  aber  lodu,  godiri  (und  guadiri  §  360), 
orii,  trisoru,  poviru,  Jcosa,  in  Lecce :  aulca,  Jcauht,  lauru  neben 
(tru,  tresoru,  poeru,  Icosa,  nosu,  reposu,  poku.  Zunächst  ist  denkbar, 
dafs  poviru  als  Proparoxytonon  eine  besondere  Stellung  einnimmt. 
Für  die  anderen  aber  darf  man  mit  etwelcher  Sicherheit  Ent- 
lehnung aus  der  Schriftsprache  annehmen.  Aurum  ist  mehr  ein 
litterarischer  Begriff,  auch  im  Südostfranzösischen  zeigt  das  Wort 
schriftsprachliche  Gestalt;  in  noch  höherem  Grade  gilt  das  von 
tesaurus  und  incaustum.  ^t?di  paucus  sagt  das  siz.  pikku,  daneben 
kennt  die  Büchersprache  ein  indeklinables  pocu.  Somit  scheint 
für  Süditalien  gesichert  au  bezw.  dessen  Zerdehnung-  zu  avu,  ovu : 
Icovxdu,  lovuruy  tovuru  aus  Capo  di  Leuca,  vgl.  §  252  und  oimnu 
aus  ounu  aumt  (agnum),  oder  zu  agu  s.  o.  Auch  in  den  Abruzzen 
findet  sich  noch  tatir^  u.  s.  w.,  in  Alatri  aber,  wie  es  wheint  o; 
pokf,  lore,  ggdi,  lodola,  kosa,  posa  u.  s.  w. 

284.  Auch  im  Venezianischen,  Friaulischen  und  Tirolischen 
erscheint  die  Gleichstellung  von  au  mid  ;»,  aber  auch  hier  nur 
in  einzelnen  Beispielen.  So  stellt  das  Friaul.  taur,  aur,  laudj 
auri  (haurire) ,  klaustri ,  auke ,  ause  u.  a.  neben  oh'e ,  pok ,  odele 
(alaudula),  gölde  und  gddi,  puar;  aven.  puoko,  puovri  und  gerade 
diese  beiden  auch  in  Tirol.     Von  den  friaulischen  Beispielen  ist 


238  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   284 — 287. 

godi  zu  streichen,  da  es  sich  durch  g  als  Lehnwort  zu  erkennen 
giebt,  ebenso  odule,  wo  die  Erhaltung  des  u  und  der  Abfall  des 
l  auf  Entlehnung  weisen.  Da  neben  golde,  ^ande  auch  poZsa  und 
pausd,  olsd  und  ausd  steht,  so  liegt  hier  eine  besondere  Behand- 
lung des  au  vor  Dentalen  oder  in  tonloser  Silbe  vor.  So  bleiben 
nur  noch  die  zwei  Beispiele ,  die  auch  in  Süditalien  Schwierig- 
keit machen,  und  es  wird  sich  avich  hier  fragen,  ob  paucus 
überall  volkstümlich  sei  (man  beachte,  dafs  auch  das  Rumänische 
das  Wort  nicht  kennt),  und  Avird  bei  xmui^er  die  Stellung  zwischen 
den  zwei  labialen  Konsonanten  und  in  drittletzter  Silbe  berück- 
sichtigen müssen. 

285.  Das  Mittelrätische  bewahrt  also,  abgesehen  von  den 
zwei  erwähnten  Fällen,  das  au  und  wandelt  entsprechend  ai  zu 
au.  Doch  zeigt  das  Judikarische  durchgehends  p,  auch  in  koza, 
Igdula ,  daher  luvda ,  pufsa  erst  von  litvdar ,  pufsar  über  Holddr, 
laudar  gebildet  sind.  Vgl.  §  252.  In  Enueberg  und  Badia  aber 
bleibt  al,  und  au  wird  stets  zu  al :  fralda,  alk'a  (doch  ater). 

286.  In  Ostfrankreich  kreuzen  sich  zwei  ?i-Gebiete, 
dasjenige,  in  welchem  gedecktes  Q  bleibt  oder  zu  ao  wird,  also 
namentlich  die  französische  Schweiz  (aber  nicht  mehr  Val  Soana, 
wo  au  bei  o  beharrt),  und  dasjenige,  wo  gedecktes  q  zu  u  wird, 
wo  also  u  aus  au  die  Mittelstufe  o  durchschritten  haben  kann. 
Im  Südosten  ist,  wie  waat.  dgure  ==  gaudere  zeigt,  die  Mono- 
phthongierung ebenfalls  jünger  als  die  Palatalisierung  des  g  vor 
a,  es  mufs  aber  zur  Zeit,  da  o  über  ou  und  p  über  ou  zu  ao 
wurden,  das  au  schon  über  ou  die  Stufe  u  erreicht  haben.  Nicht 
recht  klar  ist  o?  im  Burgundischen:  ekloe,  fm  (fagum).  Da  auch 
folUs  zu  jfce  wird,  so  denkt  man  an  au,  ou  (ßu,  ce.  —  Auch  der 
Westen  zeigt  ou  (u?):  cliouse,  repous ,  pouvre  bei  Jean  le  Mar- 
chant  und  heute  in  Bretagne  und  Anjou,  womit  der  Übergang 
zu  dem  provenzalischen  ow  gegeben  ist.  Im  XVI.  Jahrhundert 
dringt  diese  Aussprache  auch  nach  Paris;  H.  Estienne  wirft  den 
Höflingen  chouse,  repouse  vor. 

287.  Während  in  allen  bisherigen  Fällen  das  labiale  Ele- 
ment des  Diphthongen  geblieben  ist,  verschwindet  es  gänzlich  im 
Münsterthal:  ar^  tar,  k'asa,  imBergell:  raha,  sam,  pak,  kam, 
bezw.  reha,  s§ma,  p^k.   Sodann  in  S.  Fratello:  tar,  ar,  pak,  gar, 


§  287—290.  Latoiui,sch  AU.  239 

aka  u.  s.  ^'.  Allein  so  einfach  ist  dort  die  Sache  doch  nicht.  Im 
Münsterthal  und  Engadin  wird  au  vor  Velaren  zu  a  §  288 ;  es 
würde  sich  fragen,  ob  dann  nicht  der  ursprünglich  so  bedingte 
Lautwandel  aus  irgend  einem  Grunde  seine  Grenzen  ül)er- 
schritten  hätte. 

b)  Bedingte  Veränderungen  des  au. 

288.  Im  Sardinischen  wird  au  bei  folgendem  u  zu  a: 
laru,  pagu,  pasu,  trau  aus  *taru,  woneben  oru  wieder  Buchwort 
ist.  —  Im  Engadin  und  M  ü  n  s  t  e  r  t  h  a  1  tritt  das  u  des 
Diphthongen  vor  den  folgenden  velai*en  Konsonanten :  pauca  wird 
zu  paTcua ,  eng.  paTia ,  dessen  Je  statt  Je'  (vgl.  vaJc'a)  die  einstige 
Existenz  des  labialen  Vokals  beweist. 

289.  Im  Französischen  wird  au  -j-  i  zu  oi,  das  dann 
wie  die  anderen  m  zu  tia  Avird :  clnHre,  joie,  im  Westen  u§,  f,  so 
pei  in  Livre  des  Manieres.  Im  Hiatus  wird  cm  zu  Ott:  joue,  Joue, 
jouir.  daher  ou  aus  aut  zunächst  vor  vokalisch  anlautenden  Wörtern ; 
aul  giebt  natürlich  Qn,  ou :  cliou.  Endlich  neufranzösisch  jjew 
aus  2^o,f*<^-  Im  Afr.  stehen  p>ou  und  poi  nebeneinander,  letzteres 
ist  aus  pauco  entstanden,  vgl.  §  438,  daraus  z.  B.  St.  Maixent 
pua.  Nfr.  p)^(  dagegen  weist  zurück  auf  pou,  das  also  im 
Gegensatz  zu  joue,  afr.  joe  u.  s.  w.  geschlossenes  o  hat.  Der 
Grund  ist  nicht  recht  klar,  wenn  man  nicht  etwa  annehmen  will, 
dafs  die  Stellung  im  direkten  Auslaut  die  frühere  Schliefsung 
des  Vokals  bewirkt  habe :  endlich  oie  statt  afr.  oue  scheint  einer 
Mundart  anzugehören.  —  In  Seraing  wird  p  aus  au  wie  altes  p 
vor  s  zu  UQ  gebrochen :  ues,  repufS. 

290.  Endlich  bleibt  noch  oberitalienisch-toskanisch 
al,  61  aus  au.  Im  ganzen  ist  der  Wandel  beschränkt  auf  au  vor 
Dentalen  (t,  d,  s),  so  aven.  galdere  Ex.  600,  aldi  9,  14,  aver. 
golra,  golda,  oJdir  bei  Fra  Giacomino,  amail.  gölte  Bonv.  G.  120, 
golso  D.  270,  alttosk.  lalda,  fralda  u.  s.  w.  In  viel  höherem 
Mafse  als  in  betonter  findet  sich  der  Vorgang  in  uubctontt'r 
Silbe,  so  dafs  man  kaum  fehlgeht  mit  der  Annahme,  dafs  al  zu- 
nächst nur  vor  dem  Tone  gestanden  habe  und  dann  irrtümlicher- 
weise vielleicht  nur  in  der  Orthographie  auch  unter  dem  Accent 
auftrat,    s.  §  354.     Auch  ital.  chiodo  (§  274)    erscheint    im  Emi- 


240  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   290—292. 

lianisclien  als  dold,  aven.  cliioJclo,  tirol.  öold.  Die  Form  ist 
schwierig :  gerade  im  Emilianischen  findet  sich  sonst  ol  aus  au 
nicht  j  man  mtifste  also  schon  Entlehnung  aus  dem  Venezianisch- 
Rätischen  annehmen. 

Eine  besondere  Behandlung  von  au  in  gelehrten  Wör- 
tern zeigt  das  Romagnolische ,  sofern  es  das  u  konsonanti- 
siert,  das  a  aber,  wie  primäres,  zu  e  werden  läfst:  aplefs, 
kefsa,  Tieft,  frevd,  levd.  Ähnlich  das  Mailändische :  Jiaved  =  cauto, 
kavesa ,  lavor ,  plaves ,  jpavesa ,  restavor  u.  s.  w.  Sonst  wird  ent- 
weder au  beibehalten,  wie  im  Italienischen  und  Spanischen,  oder 
0  tritt  ein,  wie  im  Französischen. 

291.  Lateinisch  oe  ist    wie    vulgärlat.  e,    lat.  ae   wie    ^ 
behandelt,  vgl.  coena,  poena,  ital.  cefta,  pcna,  engad.  äaina,  paina, 
frz.  peine,    afr.    cwc ,    span.  pena,    cena.     Andere  Fälle   giebt  es 
nicht,  da  uhscoenus,   coetvs  fehlen,  foemina  nur  schlechte  Schreib- 
weise für  das  richtige  femina  ist.     Für  ae:    caelum:    engad.  diel, 
ital.  cielo,  frz.  ciel,  span.  cielo;   caecus:  eng.  diek,  ital.  cieco,    afr. 
ciu,  span.  ciego;    caespes:  obw.  dispad,    ital.  c§spe,  portg.  c§spede; 
graecus :  ital.  gr^co ,  afr.  griu,  span.  griego ;  laetus :  ital.  lieto,  afr. 
liet,    portg.  l^do;    quaerit'.    ital.  chiede,    frz.  quiert,-  span.  quiere; 
saeculum:  ital.  s^colo,  afr.  siede,  span.  siglo.    Manche  andere  sind 
nur  auf  wenigen  Gebieten  belegt,  und  da  stimmt  denn  die  Regel 
nicht  immer.    Ae  zu  e  zeigen:  aesÜmat:  prov.  aesma,    afr.  esme; 
aesadus:  ital.  iscMo  (§  80);  aequus:  prov.  ec;  blaesus:  afr.  blois 
haedus:  alb.  e/,  rum.  ied  beweist  nichts,    ebensowenig  sard.  edu 
Dagegen  ^  =  ae ;  caenum:  span.  cieno;  caesa:  pav.  sesa,  franche 
comt.  sisa;    maestus:    ital.    mesto,    siz.    mestu;    praegna:    kalabr 
prena,  prienu,  siz.  prenu,  ital.  pregno  wegen  desw,  auffällig  sard 
pringu.    Tosk.  incignarc  verdankt  sein  i  der  Tonlosigkeit.    Portg 
leiva  kann  nicht  von  glaeba  kommen ,    da   weder   §   noch    e  zu  ei 
werden,  eher  von  glachea,   sard.  lea  entscheidet  nichts. 

292.  Neben  diesen  Beispielen,  in  denen  die  Übereinstimmung 
der  romanischen  Sprachen  wenigstens  gemeinsame  Grundform 
zeigt,  stehen  nun  aber  andere,  in  denen  das  Rum.,  Ital.  f,  die 
anderen  Sprachen  e  fordern:  faeces:  ital.  f^ccia —  span.  heg,  doch 
bearn.  h§tz;  foenum:  ital.  fieno  —  eng.  fain,  frz.  foin,  span. 
heno ;  praeda :  ital.  pr^da  —  frz.  proie,  span.  prea ;  pracstiis :  ital. 


§   292—295.  Lateinisch  AE,  OE.  241 

presto:  ohw.  d'amprest,  afr.  prest,  lothr.  pro,  span.  presto;  saepes: 
ital.  siepe — eng.  saif,  afr.  soif,  span.  sdo  (saeptum);  taeda:  rum. 
mdä,  siz.  dcda  —  obw.  teya  aus  taedea,  bagn.  tcya,  span.  ^ea. 

293.  Endlich  noch  vulgärlateinisch  ai.  Abgesehen  von  der 
Konjugation  (amai)  kommt  es  vor  in  traicere  (mit  etymologischer 
Schreibung  trajicere),  rum.  trece,  sUdostfrz.  trezi  und  in  traecfa,  rum. 
trcpta,  ferner  in  hajidns,  hailiis,  ital.  hailo,  balio,  prov.,  afr.  hau, 
prov.  hailar,  aber  frz.  haiUier,  eng.  bela  (hajida). 

c)    Die  romanischen  Diphtliouge. 

294.  Die  Schicksale  der  romanischen  Diphthonge  sind^ 
namentlich  soweit  dabei  der  erste  Bestandteil  in  Betracht  kommt, 
schon  §  38,  71  ff. ,  120  ff.,  besprochen.  Es  kommt  mm  aber 
nicht  selten  vor,  dafs  der  erste  Bestandteil  bleibt,  der  zAveite  (?,  u) 
dagegen  verändert  wird.  Auch  davon  ist  schon  gelegentlich  die 
Eede  gewesen,  z.  B.  §  32,  77,  125.  Die  noch  zu  behandelnden 
Erscheinimgeu  zerfallen  in  drei  Klassen:  Schwund  des  i,  u, 
Konsonantisierung,  Übergang  in  andere  Vokale. 

295.  Der  erste  der  drei  Fälle  findet  sich  im  Italienischen, 
vgl.  piato  aus  piaito,  vuoto,  irgta  (§  16,  S.  30),  sartana  aus 
sartagin-a ,  frana  aus  voragin-a,  gxiatare  ans  frz.  guaitier,  mal 
als  selbständiges  Adverbiiini,  aber  ma  als  stets  mit  dem  folgenden 
Worte  verbundene  Konjunktion.  So  geht  ital.  strano  auf  straino 
§  512  zurück.  Dagegen  bleiben  daino ,  Iaido.  Im  Senesischen 
dagegen  tritt  das  i  in  die  folgende  Silbe :  votio,  guatiarc,  ebenso 
cardio  aus  cognihis,  santio  aus  sanctus,  dieselbe  Behandlung  zeigt 
ital.  madia  aus  magida.  Auch  in  Sizilien  und  Süditalien  findet 
sich  die  Umstellung  wenigstens  bei  in :  siz.  daniii  ==  ital.  daino, 
fnrrania  aus  furraina  (farragin-),  piiinia,  inicunia  (*inctigin-a  statt 
*incudin-a),  neap.,  abruzz.  lentineya,  petineya,  ankuneya,  öestuneya 
(*testugine) ,  südsard.  hania  aus  hdina  =  bama  (§  598),  vagina; 
maladiu  aus  malaidtt.  —  Auch  im  Andalusischen  zeigt  sich  diese 
Erscheinung :  fralie  ans  fraile,  und  so  *siidid  aus  ^suidad  =  span. 
ciudad,  kudiao  =  span.  cuidado.  —  An  unmittelbar  vorher- 
gehendes i  ist  der  Wandel  von  ai  zu  a  gebunden  im  Engadini- 
schen :  paias  =  paese,  *paiais,  oriant  aber  oöidoint,  Impf. 
ttiaven,  ariaven,  kraiaven  aber  tmaiven. 

Mt<yer,  Grammatik.  16 


242  I-  Kapitel:  Vokalismus,  |   296 298. 

296.  Verstummen  des  w  ist  selten,  vgl.  etwa  §  317  und 
Juj.  Dye  aus  Dkii,  nycla  aus  *mbula  §  58  über  niula.  nicula, 
nyeula ;  tyela  aus  tcgula ,  myela  aus  medulla  über  meölla,  mwla, 
mieöla,  myeola,  und  entsprechend  hye  aus  ^betullum. 

297.  Konsonantisierung  des  u,  i  treffen  wir  in  verschieden- 
ster Weise.  Bei  u  sind  drei  Gestaltungen  möglich.  Überwiegt 
die  Lippenartikulation,  das  labiale  Element,  so  entsteht  v,  f,  ein 
Vorgang,  der  bis  jetzt  nur  im  Rätischen  §  285  und  535,  Emilianisch- 
Lombardischen  §  291  und  Mazedonischen  §  282  nachgewiesen 
ist.  Tritt  dagegen  die  Velarartikulation  mehr  in  den  Vorder- 
grund, so  wird  u  zu  g,  1c,  vgl.  kat.  regna  aus  ^'reuna,  *r€tina, 
valenc,  dvlie  aus  duute,  dubitus,  und  in  tonloser  Stellung  kat. 
sigrö  aus  älterem  ciurö  (Cicerone),  dikmenge  aus  älterem  diumenge. 
Sodann  im  Westrätischen,  namentlich  in  Oberhalbstein,  Bravugn 
Tind  wohl  auch  im  Engadin :  flogr,  kroM,  onohr,  favoJcr ,  duM 
(dulce,  duud),  eng.  sogla  =■  sola,  Jcogr,  rogda,  spugsa,  flvgr  u.  s.  w. 
Nur  vor  Nasalen  scheint  die  Konsonantisierung  nicht  vorzu- 
kommen. —  Weit  gewöhnlicher  ist  der  Übergang  von  u  zu  t, 
vgl.  §  290  und  354.  Ebenso  wird  in  Nordspanien  b  vor  Kon- 
sonanten über  u  zu  i,  §  538. 

298.  Das  i  geht  viel  weniger  leicht  in  Konsonanten  über, 
so  ist  z.  B.  I  aus  i  bis  jetzt  noch  kaum  nachgewiesen  (über  istr. 
fl  aus  fi  u.  s.  w.  s.  S.  11).  Selten  ist  auch  der  Wandel  zu  ^,  das 
ursprünglich  zweifelsohne  palataler  war  als  das  aus  u  entstandene 
(§  297),  aber  heute  mit  ihm  identisch  zu  sein  scheint.  Es  findet 
sich  auf  denselben  Gebieten,  und  ist  entstanden  aus  ei  =  ef, 
ii  =  i  und  üü,  n  =■-  ü,  vgl.  §  32,  77,  125  und  eng.  fügs, 
dügr ,  nügvla,  MM,  nügda,  nigr,  hrigda  (creta),  -igr,  pregr 
(prete),  fegl,  fegvra,  pegs,  aber  nie,  wie  es  scheint,  ag  aus  ai, 
wohl  aber  in  Oberhalbstein  nekf  u.  s.  w.  Man  hat  wohl  in  dem 
Vorgange  eine  Dissimilation  zu  sehen :  von  den  zAvei  nahe  bei- 
einanderliegenden Vokalen  wird  der  zweite,  um  nicht  im  ersten 
aufzugehen,  zum  Konsonanten;  a  und  i  dagegen  liegen  weit  aus- 
einander, daher  ni  bleibt.  Zweifelhaft  ist  die  Einreibung  von  ü. 
Man  könnte  es  dem  vorhergehenden  Paragraphen  zuteilen  wollen, 
allein  da  die  Zungenstellung  des  ü  diejenige  von  i  ist,  und  bei 
der  Konsonantisierung  die  Zungenstellung  allein  in  Betracht 
kommt,   so  wird  es  besser  hierher  zu  rechnen  sein. 


§   299 — 301.  Romanische  Diphthonge.  243 

299.  Es  kann  nun  auch  i,  u  mit  dem  folgenden  Konsonanten 
verschmelzen,  so  zwar,  dafs  es  ihn  palatalisiert,  bezw.  labialisiert. 
So  wird  im  Nidwaldischen  und  Eng.  -ena  über  -eina,  -aina  zu  -ena, 
-atia,  hene  zu  fem,  han,  vinum  über  viin,  vein  zu  vm,  veri,  una 
über  üna,  \na,  eina  zu  eria;  ferner  im  Eng.  honus  über  houn 
zu  &«m,  panis  über  paun,  pctm  7a\  pem ,  Jana  über  launa,  leuna 
zu  Icma, 

300.  Vertauschung  von  i  und  ii  zeigt  das  Portugiesische. 
Oi  und  ow,  seltener  ai  und  at«,  6"?  und  cit  wechseln  fortwährend, 
ohne  dafs  bis  jetzt  eine  Regel  gefunden  wäre,  wann  der  eine, 
wann  der  andere  der  zwei  Laute  auftritt.  Also :  noite ,  coito 
aber  -ovro  =  -oWms,  douto ,  doutor  ^  outithro,  auto ,  iraiitar,  teito 
neben  altem  tevto ,  maroigo  und  marouio ,  chouto :  ftoite  Res.  III, 
197,  24;  in  Beira  kommt  nur  oi  vor,  sonst  schwanken  oi  und  ou 
bei  denselben  Personen,  oito,  hoi,  foi  behalten  immer  oi;  ei  und 
eu  vertauschen  die  südlichen  Dialekte. 

Vgl.  K.  Michaelis,  H.  A.  LXV,  42,  47. 
Von  anderen  Fällen  von  Umgestaltungen  des  zweiten  Teiles 
der  Diphthonge  ist  etwa  noch  zu  erwähnen  die  Behandlung  von 
-Öi  im  Kalabresisch-Sizilianischen :  pol  wird  über  pui,  pv§  zu  pua. 
Ferner  lauten  genuclu,  *soluchi  in  .Juj.  dnna ,  Sf^lua:  vi  zu  üij 
daraus  «f,  ita. 

B.  Tonlose  Vokale. 
1.    Die  Auslautgesetze. 

301.  Das  Lateinische  zeigt  im  direkten  Auslaut  alle  Vokale, 
sowohl  die  kurzen  als  die  langen  aufser  ü:  plantä,  plantet,  amCi, 
ultra,  lege,  hene,  patrc,  fame,  taccj  ferme,  quas'i,  mihi,  tih1,  audi, 
Uli,  modo,  cgö,  odÖ,  amö,  virgö,  lectö,  amandö,  diu.  Vor  s  fehlt 
ä,  ö,  sonst:  amas,  plantcis,  milH,  amBs,  legSs,  satls,  sitts,  legis, 
pJantJs,  vohis,  aiidJs,  nepös,  servös,  servus,  spiritüs,  virtüs,  spiritüs. 
Vor  r,  l,  m,  t  sind  die  Vokale  stets  kurz:  patlr,  arhur,  sorör, 
animäl,  lactmär,  vidtiir,  amabäm,  ptlantäm,  amlm,  soUm,  sitim, 
seträm,  amäf,  amit,  docit,  leglt,  audit,  capüt.  Vor  nt  ist  die 
Quantität  unbekannt:  aniant ,  docent,  Icgxmt.  Fürs  Romanische 
kommen  selbstverstäudlidi   nur  iiocli   Qualitäts-,    nicht  Quantitäts- 

10* 


244  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   301 — 303. 

unterschiede  in  Betracht,  aufserdem  ist  -m  schon  früh  gefallen 
(§  403  e),  so  dafs  planta  und  plantam  völlig  identisch  sind.  Wir 
erhalten  danach  als  vulgäi'lateinische  Auslaute  :  o,  c  =  e,  i  :=^  i, 
f  =  e,  ?,  ae,  o  =  ö,  ö,  w  =  m,  ü.  Die  Qualitätsangaben  sind  nicht 
ganz  sicher :  §  ist  ein  etwas  mehr  offener  Laut  als  e,  er  bleibt 
an  Orten,  ^vo  e  zu  i  wird.  Es  finden  sich  also  aufser  a  zwei 
velare  und  drei  palatale  Vokale  im  Auslaut,  Die  Untersuchung 
wird  dadurch  erschwert,  dafs  eine  Reihe  der  auslautenden  Vokale 
auf  Konjugationsformen  beschränkt  sind ,  so  dafs  infolge  Aus- 
gleiches unter  den  verschiedenen  Typen  die  ursprünglichen  Ver- 
hältnisse oft  stark  getrübt  sind.  —  Ferner  ist  zu  merken,  dafs 
das  auslautende  s  häufig  in  besonderer  Weise  die  Entwicklung 
des  vorhergehenden  Vokals  beeinflufst,  wogegen  zwischen  direkt 
auslautendem  Vokal  und  Vokal  -j-  t  kein  Unterschied  besteht,  daher 
die  Vokale  vor  S  besonders  zu  behandeln  sind.  Dann  ist  auch 
die  Beschaffenheit  und  die  Zahl  der  dem  Auslaut  vorangehenden 
Konsonanten  von  bestimmendem  Einflufs  auf  sein  Schicksal. 
Endlich  wird  unter  Umständen  der  letzte  Vokal  in  Paroxytonis 
anders  behandelt  als  in  Proparoxytonis.  Auf  diese  verschiedenen 
Faktoren  wird  die  Darstellung  Rücksicht  zu  nehmen  haben, 

a)  Spontane  Entwicklnng  der  auslautenden  Vokale. 

802.  Das  a  ist  der  festeste  unter  den  auslautenden  Vokalen. 
Auf  dem  gröfsten  Teile  des  Gebietes  bleibt  es  als  offenes  a, 
wobei  freilich  nicht  zu  vergessen  ist,  dafs  der  in  den  Schrift- 
sprachen mit  a  bezeichnete  Laut  mehr  und  weniger  starke 
Schwankungen  in  der  Färbung  zeigt.  Wo  sich  jedoch  tonloses 
a  bedeutend  von  a  entfernt,  bringt  die  Schrift  das  zum  Ausdruck. 
Es  ist  also  das  a  geblieben  im  Rätischen,  Italienischen, 
Altprovenzalischen,  Spanischen:  eng.  ama,  vainda, 
planta,  olfra,  ital.  ama,  venda,  pianta,  trihima^  oltra,  aprov.  ama, 
venda,  planta,  outra,  span.  ama,  Hanta,  venda,  idtra. 

303.  Infolge  seiner  Tonlosigkeit  wird  das  a  nicht  nur  ge- 
kürzt, sondern  auch  abgeschwächt  zu  o,  oe,  e.  Die  letzte  Form 
steht  keineswegs  in  direktem  Gegensatz  zu  den  zwei  ersten.  Bei 
der  Aussprache  des  Schlufs-a  wird  der  Mimdkanal  nicht  mehr 
gleichmäfsig  erweitert,   sondern  nur  zwischen  der  Zunge  und  dem 


§   303,   304.  Die  Auslautgesetzc :  A.  245 

weicheu  Gaumen  eine  als  Resonanzraum  dienende  Enge  gebildet; 
je  nachdem  diese  Enge  sich  etwas  weiter  vorn  oder  weiter  hinten 
befindet,  wird  die  Färbung  des  indifferenten  Vokals  schwanken. 
Dementsprechend  treffen  wir  denn  auch  o,  ce.  und  f  unmittelbar 
nebeneinander.  —  Die  erste  Stufe  der  Abschwächung,  o,  zeigt 
das  Neup  ro  venzalische.  In  Texten  tritt  der  Laut  etwa 
seit  dem  XV.  Jahrhundert  auf,  vgl.  soloment  im  Briefe  des  Erz- 
priesters Johannes  SD.  I,  562,  32,  6,  molos  33,  5,  ähnlich  im 
Ludus  Sancti  Jacobi.  Aber  schon  die  alten  Grammatiker  be- 
zeichnen das  a  als  „estreit",  dumpf  (vgl.  §  243),  so  der  Donat, 
wenn  er  45  a  abhas  auf  eine  Stufe  stellt  mit  cas:  er  hat  dabei  das 
zweite  tonlose  a  im  Auge ,  das  ihm  also  so  klingt ,  wie  das  a 
vor  n.  Entsprechend  werden  auch  beide  zu  o.  Heute  umfafst  o 
das  ganze  provenzalische  Gebiet  aufser  dem  Bas  Languedoc 
(Montpellier),  wo  a  bleibt,  und  der  Gascogne.  Die  alten  bearn- 
schen  Texte  schreiben  schon  e,  und  auch  heute  schwankt  die 
Landschaft  zwischen  o  und  §,  während  Bigorie  und  Haut-Com- 
minges  fast  a  haben,  in  den  Landes  bis  an  den  Adour  und  die 
Midouze  ce  gesprochen  wird,  weiterhin  o,  das  sich  gegen  Lan- 
guedoc und  Limousin  hin  bis  zu  u  verdumpft.  Im  Osten  zeigt 
auch  Fourgs  o:  fuetro,  la'mo,  lingo  aufser  nach  Palatalen.  — 
Sodann  findet  sich  o  vereinzelt  imEätischen:  in  Waltensburg, 
Sulzberg,  Vigo,  auch  die  Urkunden  des  XIV.  und  XV.  Jahr- 
hunderts aus  Cividale  und  Gemona  schreiben  meist  o:  aveno, 
uno,  vigno,  meno  XIV,  3,  selo  gurizo  XIV,  11,  plero  otro  Bologna 
XV,   1  u.  s.  w.,  wogegen  heute  eher  e  gesprochen   wird. 

304.  Der  gutturale  Laut  f  ist  ganz  Nordfraukreich 
von  Anfang  an  eigen,  vgl.  Eulalia  eile  eskoltet  5,  nie  cose  9, 
polle  10  u.  s.  w.  Sodann  lautet  auch  das  portugiesische  -a, 
obgleich  es  in  der  Schrift  festgehalten  wird,  §,  doch  ist  es  etwas 
offener  als  das  französische.  Im  Friaulischen  ist  e  (f)  die 
Regel  und  bildet  eins  der  Hauptmerkmale  gegen  das  West- 
rätische, den  §  302  angeführten  engadinischen  Formen  entspricht 
hier:  ame,  plante  u.  s.  w.  —  In  Italien  sprechen  f  statt  a  die 
Dialekte  der  Abi'uzzen  und  Neapels,  leider  ist  auch  hier  die 
Orthographie  sehr  oft  die  historische,  so  dafs  genaue  Grenzen 
nicht    zu    geben    sind,    doch  vgl.    z.  B.  Teramo :    femmen^j    bellf, 


246  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   304 306. 

nire.  Endlich  gehört  hierher  das  rumänische  ä:  vifidäj 
cäntä,  curwiäj  das  aber  im  Istrischen  als  ^  erscheint:  Icantp, 
munkß,  furnige  ii.  s.  w.  Ob  das  e,  welches  für  Forli  angegeben 
wirdj  als  e  oder  §  aufzufassen  sei,  bleibt  zu  untersuchen. 

305.  Gänzlichen  Abfall  des  a  treffen  wir  in  einer 
zweiten  Periode  im  Französischen.  In  der  Schrift  zwar  wird, 
von  eau  =  aqua  abgesehen,  das  e  stets  fortgeführt,  auch,  nament- 
lich im  oratorischen  Vortrag,  noch  vielfach  gesprochen.  Aber  die 
Volksmundarten  und  die  von  der  Schrift  nicht  beeinflufste  Volks- 
sprache haben  sich  seiner  längst  entledigt,  man  spricht  §m,  plät, 
väd  u.  s.  w.  Die  Anfänge  dieses  Verstummens  reichen  ins  XU. 
Jahrhundert  zurück,  und  zwar  scheint  das  e  im  Hiatus  zuerst  im 
Anglonormannischen  geschwunden  zu  sein:  mei  0.  P.  7,  5;  118, 
57,  essai  Impt. ;  im  E.  Mont.  Marie  11,  9  zweisilbig,  joie 
11,  35  einsilbig-,  Fantome  prie  einsilbig,  Chardri  reimt  e  mit  ee 
Jos.  1867:  engacee:  crie.  Auch  nach  Konsonanten  spricht  er  es 
nicht  mehr:  Jos.  159  cummatid  3.  Sg.,  P.  D.  1142  get.  Das 
Festland  folgt  etwas  später.  Am  frühesten  begegnen  Formen 
des  Imperfekts  auf  oi,  ois,  so  in  Gregors  Dialogen,  Ysopet  u.  s.  w., 
allein  hier  kann  Anlehnung  an  3.  Sg.,  die  auf  analogischem  Wege 
seit  dem  XI.  Jahrhundert  -oit  geworden  war,  vorliegen.  Ein- 
silbiges eau  findet  sich  Barb.  Meon  II,  235,  276. 

Kein  sicheres  Beispiel  ist  vi  =  via  T^euenburg  1280, 
Matile  210,  da  es  wie  or  neben  ore,  dies  eine  besondere 
Stellung  einnimmt,  Kap.  IV.  In  totes  vois  J.  le  March. 
185,  11;  168,  11  liegt  Verwechslung  von  vice  und  via 
vor.  Zu  der  Behandlung  von  §  nach  betontem  Vokal 
oder  Diphthong  bei  Dichtern  alter  und  neuer  Zeit  vgl. 
M.  Hossner,  Zur  Geschichte  der  unbetonten  Vokale  im 
AU-  und  Neufranzösischen^  S.  27 — 38. 

306.  Die  palatalen  Vokale  e,  §  werden  nur  im  Tos- 
kanischen  und  Sardischen  geschieden,  alle  anderen  Sprachen 
werfen  die  drei  Latite  unter  e  oder  i  zusammen  oder  verlieren 
sie  völlig.  —  Im  Toskanischen  bleibt  f,  i  als  e,  dagegen 
wird  e  zu  i:  hene,  sette,  alt  diece  (noch  bei  Dante,  später  dieci 
nach  venti),  lume,  amasse,  piante,  amaie,  marte-d%  ove,  crede,  forse, 
dann  aber  vedi ,  oggi,  lungi,  aUrimenti.  Im  Sardischen  bleibt  e 
als  e  (aufser  dighi),  i  als  «',  doch  ist  es  im  Verbum  zum  Teil 
durch  e  ersetzt. 

Etwas  abweichend  D'Ovidio,  Arch.  Glott.  IX,   80  ff. 


§   307,   308.  Die  Auslaiitgesetze:  E,  I.  247 

307.  Unter  e  fallen  sie  zusammen  im  Osten:  in  Rumä- 
nien, Südost-Italien,  im  TJmbrisch -Römischen,  in 
Norditalien,  so  weit  sie  hier  bleiben ,  dann  im  Westen :  in 
Spanien  und  Portugal,  doch  lautet  heute  das  Portugiesische 
('  wie  i;  anderswo  ist  der  e-geschriebene  Laut  vielmehr  f,  z.  B. 
in  Alatri.  Vgl.  rumänisch  Sapte,  crede,  lume,  cäntare,  lunezi 
u,  s.  w. ,  Lecce  purvere,  o§e,  ovie,  -are,  öle  u.  s.  w. ,  gen.  vu^e, 
puä  aus  paßrje  u.  s.  w.,  span.  padre,  siete,  crede,  lunibre,  amare, 
vende.  hiene  u.  s.  w.,  portg.  padre,  gesprochen  padrj.  Dann  also  § : 
Alatri  amor§,  Mer§,  und  so  Campobasso,  Neapel  und  die  Ab- 
ruzzen.  In  Sizilien  dagegen,  sowie  in  Calabrien  und  den  dazu 
gehörigen  Mundarten ,  ferner  in  Süd-  und  Nord-Sardinien  und 
in  Corsica  tritt  i  ein,  doch  nähert  sich  dieses  j  sehr  dem  e, 
so  dafs  es  denn  auch  nur  die  in  konventioneller  Ortho- 
graphie geschriebenen  Texte  durchführen ,  also :  fari ,  morti, 
setti,  denti  u.  s.  w. ,  während  in  mehr  volkstümlichen  i  und  e 
schwanken.  In  anderer  Richtung  gehen  das  Veronesische 
imd  der  Dialekt  von  Veglia:  e  wird,  sofern  es  nicht  ab- 
fällt (§  312),  zu  o;  qualo,  nomo,  disso,  doxo,  noto  (notte),  semprOy 
faro  in  der  Passion,  la  famo ,  lego ,  dondo  u.  s.  w.  bei  Fra 
Giacomino,  vegl.  venero  (Inf.),  credro,  siampro,  pulvro,  dnco 
(qvindecm),  sapto  (Septem).  Ähnlich  tritt  im  Katalanischen  -a  ein : 
vendra,  molra  R.  1.  R.  VIII,  49  a.  1308,  alegra  7  meist.  604, 
compta  955,  payra  187  u.  s.  w.  und  so  heute  in  Alghero  zcndra, 
iova,  mestra,  mara  u.  s.  w.  Vgl.  noch  §  314  über  das  Mai- 
ländische. Nicht  klar  ist  Catanzaro  (Calabria) :  successa ,  duva, 
inda  (inde),  dara,  pacia,  recvrrara,  jira,  dissa  aber  venne  u.  a. 

308.  Die  Schicksale  der  labialen  Vokale  sind  denen 
der  palatalen  ähnlich.  Noch  heute  werden  -o  und  -u  auseinander- 
gehalten imLogudoresischen:  bona,  bonos,  temjnts ,  Jcanto, 
kando,  in  Zentralitalien,  vgl.  diko  neben  tempu  in  Aquila,  Rieti, 
Norcia,  Pitigliano  u.  s.  w.  Ebenso  im  Astur  i scheu  l.Sg.  o,  N. 
Plur.  OS,  komo,  kresiendo,  knando,  sedo,  solo  aber  Sing,  m,  Adj.  mask.  u 
Ntr.  0,  ferner  caho:  ud,  ut  gesellt  sich  also  zu  o.  Sonst  freilich 
sind  sie  überall  zusammengefallen,  also  auch  im  Toskanischen, 
das  doch  f,  e  scheidet,  und  nur  an  ihren  Wirkungen  auf  den 
Tonvokal    zu    unterscheiden.     Im    Italienischen    und    S p a - 


248  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   308,    309. 

n  i  s  c  h  e  n  haben  wir  o,  im  P  o  r  t  u  g  i  e  s  i  s  c  li  e  n  wird  o  geschrieben, 
^  gesprochen:  ital.  tewpo,  dico,  cäballo,  qumido,  altital.  mano 
Plur.j  suoro,  span.  digo,  cahallo,  mando,  como,  tiempo,  ueho,  portg. 
digo  =  digu.  Dagegen  Sizilien,  Süd-  und  N  o  r  d  -  S  a  r  d  i  n  i  e  n 
C 0 r s i c a ,  ganz  Süditalien,  Genua  zeigen  w ,  wobei  für 
Sizilien  dieselbe  Einschränkung  gilt  wie  bei  i  aus  e  §  307;  also 
siz.  tempu,  dilcn,  quannv.,  Lecce  Tiulu  (colo),  figgyu,  tiempu,  dihi, 
südsard.  temjnis ,  honu ,  bonus,  cardu,  gen.  r^u  (raro) ,  ceggu, 
deoegu  u,  s.  w.  Vgl.  noch  §  314  für  Südostfrankreich.  Ab- 
schwächung  zu  §  findet  sich  in  den  Abruzzen,  vgl.  Alatri  ame, 
heve,  skur§  (oscitro)  u.  s.  w.,  Teramo:  aitif,  ferr§,  kande,  pann^ 
u.  s.  w,,  Campobasso :  jom§ ,  fil§,  1,  Sg.  venn§,  ebenso  im  Nea- 
politanischen, ferner  im  Französischen,  Provenzalischen ,  Emi- 
lianischen u.  s.  w.  §  312  ff. 


b)  Bedingte  Eutwicklung  der  auslautenden  Vokale. 

309.  Folgendes  s  ist  mehrfach  von  Einflufs  auf  vorher- 
gehendes a,  seltener  auf  e,  i,  während  os,  vs  überall  wie  o,  u  be- 
handelt werden.  Im  Eumänischen  wird  as,  is  zu  i,  in  ganz 
Italien  es  zu  i,  is  zu  e.  As  bleibt  im  Provenzalischen  als  a  aiif 
Gebieten ,  wo  a  zu  e  wird ;  es  wandelt  sich  weiter  zu  es 
im  Katalanisch- Asturischen ,  Waldensischen,  in  den  kottischen 
Alpen,  im  Südostfranzösischen,  Westrätischen,  zu  is  im  Friau- 
lischen,  zu  i  im  Rumänischen  und  Italienischen.  Die  sekundären 
e,  i  werden  im  Rumänischen  und  Italienischen  behandelt  wie  die 
primären.  Also  rum.  cänti,  cäntai,  v'mzi,  -ati,  mar^i  (martis), 
vineri  (veneris)  PI.  III  -i  für  beide  Geschlechter.  Ital.  ami,  amavi, 
Conj.  vendi,  fuori,  Piantrami  ON  ;=  planu'tra  vineas;  Nom.  PI. 
i  aus  e(s),  Chimenti  =  dementes^  Giovanni;  aber  -ate,  amasfe, 
marte-dl.  Beachtenswert  ist  das-  Kalabresische ,  das  as  nur  bis 
zu  e(s)  entwickelt:  ame,  amave,  fore.  —  Im  Friaulischen  gehen 
heute  in  den  Pluralbildungen  die  verschiedensten  Formen  neben- 
einander :  das  alte  a  (bezw.  e,  o  §  303)  Plur.  is  ist  mehrfach  aus- 
geglichen worden  zu  a,  as  (bezw.  e,  es,  o,  os) ;  immerhin  ist  Jc'asis, 
agis,  ruedis  u.  s.  w.  das  am  weitesten  Verbreitete.  Ebenso  in  der 
Konjugation  :  menis  neben  3.  memi ;  das  ganze  übrige  rätische  Gebiet 
vom  Tagliamento  an  stellt   2.   menes ,    3.   mena,    Sg.    Tcavra,    PI. 


§   309,    310.  Die  Auslautgesetze:  Eiuflufs  von  S.  249 

kavres  eiiiaiidor  gegenüber,  in  Ober-Comelico  meni,  Jcaiiri.  — 
Das  Xeukatalanische  scheint  den  Unterschied  zwischen  es  und  a 
nicht  zu  bewahren,  w^as  sich  jedoch  mit  Leichtigkeit  daraus 
erklärt ,  dafs  meist  altes  e  hier  zu  a  wird.  Die  mittelalter- 
lichen Texte,  namentlich  die  Urkunden,  führen  die  Regel  mit 
ziemlicher  Strenge  durch :  neguna  filanera  neben  totes  les  filaneres 
1311  R.  1.  R.  XXVin,  54,  pena,  dites,  penes  ebenda,  roba^ 
femhra,  escudeles,  eaiises  1311,  S.  55  u.  s.  w.  Im  Asturischen 
dagegen  wird  noch  heute  geschieden :  guapa  Plur.  guapes,  3.  Sg. 
fala  2.  Sg.  fäles.  Südostfranzösische  Beispiele  älterer  Zeit  sind 
ccsta  cliosa,  autres  choses  Neuenburg  1265  Matile  156,  Vilard 
1268  Matile  172.  Heute  ist  s  verstummt,  wir  treffen  aber  auf 
dem  ganzen  Gebiete  Fem.  Sg.  a,  PL  e,  2.  Sg.  e,  3.  Sg.  a,  vgl. 
Val  Soana :  hassa,  hasse,  Vion.  fena,  fene,  Waat  toto,  tote,  Freib. 
fenna,  fenne(s),  Lyon  fena,  fene,  Fourgs  feno ,  fene,  Coligny 
fvna,  fene,  ebenso  Queyras  und  die  neuwaldensischen  Mundarten 
im  Piemont,  nicht  aber  Burset.  Endlich  im  Neuprovenzalischeu 
erscheint  o,  as  in  Gilhoc ,  Drome,  Limousin :  roso  PI.  rosä. 
Ebenso  in  Brianijon,  während  in  Embrunais  o  auch  in  den 
Plural  dringt. 

310.  Einflufs  der  Palatalen  auf  die  auslautenden  Vokale 
macht  sich  in  verschiedener  Weise  geltend.  Auf  dem  Gebiete, 
wo  d  nach  Palatalen  zu  ie  wird  (§  262),  entspricht  auch  nach- 
tonig e  aus  a ,  schon  die  Strafsburger  Eide  scheiden  zwischen 
dunat  und  fazet.  Der  Laut  schwankt  zwischen  e,  §  und  i,  als 
Typus  möge  das  Waatländische  dienen :  arane,  av^le,  botse,  epödze^ 
mädze,  plase,  rodze,  knc§€,  vye.  Beachtenswert  ist,  dafs  a  bleibt 
nach  et',  etraita.  Es  sind  übrigens  die  Bedingungen  nicht  überall 
dieselben:  Val  Soana,  das  das  e  weiter  zu  i  wandelt,  hat  ganz 
korrekt  koiti,  freidi,  konti,  ferner  ü  aus  ,'a  und  ai  aus  ata,  aya 
(§  435).  Das  Lyonesische  bewahrt  umgekehrt  a  in  weiterem 
Mafse :  amia,  öya,  aber  nicht  nur  iri,  sondern  auch  kadiri  aus 
cathedra.  Über  den  Unterschied  zwischen  fkuase  (e'corce)  und 
ovloe  (äbeille)  s.  §  596.  Verschieden  von  dieser  Erscheinung  ist 
es,  wenn  ie  auf  dem  gröfsten  Teil  des  provenzalischen  Sprach- 
gebietes !e  wird,  so  in  Marseille,  Toulouse,  Carpentras.  Auch 
das  Alttoskanische    zeigt    sfe    für    sia,    das    Altspanische    -ie    im 


250  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   310—312. 

Imperfekt  für  -ia.  —  Selten  ist  der  Wandel  von  o  nach  Palatalen 
zu  i,  wie  in  Alatri :  remedii,  veJckyi,  pey  (peyns),  piy  (jnlum), 
Tcavalyi  n.  a. ,  ebenso  steht  im  Mazedonischen  *fi,li  zwischen  lat. 
filius  und  heutigem  KU.  Sodann  mag  hier  assimilierender  Ein- 
flufs  des  palatalen  Tonvokals  erwähnt  werden :  rum.  limpede  statt 
limpedü,  pisan.,  lucc.  -ieri  =  tosk.  -\erc. 

311.  Im  Rumänischen  wirken  die  Konsonanten  auf  die 
Auslautvokale  fast  wie  auf  die  betonten  :  la  wird  zu  ie ,  e;  i,  e 
nach  Palatalen  zu  t,  nach  s  zu  ?,  nach  r  zu  a;  ebenso  nach  u, 
wo  das  ä  dann  noch  weiter  sich  zu  o  trübt.  Im  Moldauischen 
tritt  auch  nach  s  für  a  das  palatale  e  ein,  im  Mazedonischen  i 
für  i  nach  ü.  Also:  älhie,  iirechie,  foaie,  junghe,  mnz.  hile  =^ filia ; 
nid,  caci,  cinci,  lad,  amarä  Plur.  Fem.,  fierä  Plur.  von  fi,er. 
Aus  nove  entsteht  *noavä,  *noaä,  *noä,  nonä,  istr.  uvä  aus  uhi, 
u.  a.,  dann  madua,  maduo,  vädua,  vaduo.  Meist  ist  in  Flexions- 
formen a  wieder  hergestellt,  doch  vgl.  maz.  imo ,  oao ,  istr.  oü 
(ovo),  und  im  Wortinnern  wal.  greotate.  Moldauische  Formen 
sind  came^e,  cerese,  maz.  hvM  (PI.  v.  hufu).  Im  Altwal.  Avird  der 
Plur.  cameU  über  cames'i,  zu  cames. 

Vgl.  Tiktin,  Ztschr.  XI,   64;  XII,  225. 

312.  Namentlich  aber  ist  der  Abfall  der  Vokale  fast 
überall  an  bestimmte  Bedingungen  geknüpft.  Auslautend  a  fällt 
in  Proparoxytonis  in  der  Val  Leventina  (Tessin) :  lodul,  rondul, 
anim,  DumeniJc,  Cerentino:  Je  edu,  medu  =  *metula  (Sichel),  femer 
dort  in  den  Wörtern  auf  -ica,  Hda,  die  ihren  Mittelkonsonanten 
verlieren :  mani ,  tivi  (teplda),  liostri  (Hocustica) ,  alni  (*älmca), 
sdbi  =  sabbia,  Imni  (lucanica).  Der  Abfall  von  e,  i  ist  im 
Italienischen  beschränkt  auf  die  Stellung  im  Satzinnern,  kann 
daher  erst  in  Kap.  IV  zur  Sprache  kommen.  Im  Spanischen 
fällt  e  nach  l,  r,  n,  d,  s,  z:  caudal,  vU,  amar,  ser,  sentir,  Suff,  -ar, 
toron,  llanten,  Men,  hollin,  vertud,  merced,  Imesped,  Impt.  -ad,  cruz, 
has ,  pez,  cerviz,  diez ,  mes,  burges,  pais.  Geht  dem  c  ein  Kon- 
sonant voraus,  so  bleibt  e:  once,  danach  doce,  salce  zu  sauce, 
apice  zu  auce.  Nicht  ganz  klar  ist  die  Sache  bei  II:  neben  pid 
steht  calle ,  vdüe,  muelle  u.  s.  w. ,  val,  cal,  mil  erklären  sich  als 
Satzformen  s.  u.  Im  Altspanischen  fällt  e,  o  auch  sonst:  nuef 
Cid  40,  anocJi  42,  3.  Sg.  Impf.  Konj.  -as  34,  309,  329,    puent 


§   312,    313.  I>ie  AiisLautgesetze :  Vokalschwund.  251 

130,  fezist  331  ff.,  arä'ment  549,  art  375.  Auslautend  -o  bleibt 
erhalten,  daher  ist  dbcclul  =  hetiiUtim  auffällig.  Mit  dem  Spa- 
nischen stimmt  das  Portugiesische  tiberein  aufser  nach  d,  also  ail, 
ar,  hem,  criiz,  mez,  aber  virtvde,  idade  u.  s.  w.  Bei  auslautendem 
s  bleibt  e  in  beiden  Sprachen :  caudales,  seres,  toroncs  u.  s.  w.  — 
Im  Venezianischen  und  Genuesischen  fällt  e  nach  r, 
Z,  n:  ven.  dar,  matiar,  amor ,  3.  Sg.  par,  mor  (aher  parc  aus 
patrem  bleibt),  sol,  doman,  vien,  gen.  vol,  far,  aver,  dir,  sor  (solet)^ 
vergen,  joven  u.  s.  w.  Aven.  auch  nach  s:  meltris,  dux,  plax, 
im  Panfilo  und  Cato  sogar  nach  t,  d:  enplagad,  serad,  seand, 
metj  nient,  quand  u.  s.  w.,  ferner  -a  aus  -ato,  -u  aus  -uto,  und  so 
im  Aver.:  pax,  lux,  condus,  entes,  glorios,  Jiom,  -ment.  Endlich 
im  Mazedonischen  schwindet  u  nach  l,  r,  n,  m:  Ml,  Kir, 
nastur,  an,  om. 

313.  Während  in  den  bisher  behandelten  Fällen  Abfall 
das  Seltenere,  Verbleib  das  Gewöhnliche  war,  ist  das  Verhältnis 
umgekehrt  in  Frankreich,  Eätien,  dem  Rest  Oberitaliens  und 
Rumänien.  Für  u  ist  auf  letzterem  Gebiete,  für  alle  Vokale 
aufser  a  auf  den  übrigen  der  Schwund  Regel,  der  Vokal  bleibt 
unter  wenigen  Bedingungen.  Für  den  Nordwesten  läfst  sich  das 
Gesetz  geben :  o,  u,  e,  i  bleiben  als  §  in  ursprünglichen  Pro- 
paroxytona  und  nach  Konsonant  +  Sonant,  also  in  den  Ver- 
bindungen tr ,  er,  pr,  mn,  In,  Im.  Vor  dem  Eintreten  des  Aus- 
lautgesetzes war  cl  schon  zu  f  geworden,  femer  fallen  die  Vokale 
auch  nach  rti,  rm.  Das  erklärt  sich  folgendermafsen.  Schon  im 
Vulgärlatein  wird  r  im  Silbenanlaut  nach  vorhergehendem  Kon- 
sonanten vokalisch :  patrem  ist  gesprochen  pat^rem,  wie  sich  auch 
aus  der  Behandlung  des  Vokals  (§  225)  und  des  t  (§  494)  im 
Romanischen  ergiebt,  ebenso  tcmplvm:  temp*hm.  Das  Französische 
duldet  nicht  zwei  sich  unmittelbar  folgende  Sonanten.  In  erm 
ist  r  sonantisch,  es  bildet  mit  dem  vorhergehenden  c  einen 
Diphthongen  er  wie  j  mit  e  einen  Diphthongen  ci  in  teit.  Dagegen 
war  ämfi,  auim  schon  zu  ä,  au  geworden,  nach  welchem  nun  m,  l 
konsonantisch  sind,  der  ihnen  folgende  Nasal  halbsonantisch,  also 
dämemi,  cauiemu.  Durch  diese  Erklärung  ist  eine  vollständige 
Übereinstimmung  der  verschiedenen  Fälle  geschaffen.  Also  afr. 
serf,   amet,   viel,    engin,   erm,  ferm,  com,   jurn,  aim,  fleur,  fleurs, 


252  1-  Kapitel:  Vokalismus.  §   313. 

romanz,  aim,  aims,  almt,  ;part,  dort  u.  s.  w.  —  Aber:  aiitre, 
conible,  temple,  Pierre;  somme,  e'cliaume,  atme,  orme,  e'chamme, 
dämme,  cliaume  (vulglat.  *calmus  §  325),  arriere,  pere,  emperere, 
faihle,  tremhle  Conj.  u.  s.  w.  Für  die  Proparoxjtoiia  ist  zu 
scheiden :  einzelne  sind  vor  dem  Eintreten  des  Auslautgesetzes 
schon  paroxyton  geworden  und  tilgen  daher  den  Schlufsvokal : 
es  sind  dies  die  Wörter  auf  ~cit-,  -gm-,  die  schon  im  Vulgär- 
latein zu  jH,  jin  und  dann  frühzeitig  in  Frankreich  zu  it,  in 
geworden  waren:  placihi,  plaitii,  frz.  pJait,  digitu,  dijitu,  afr. 
deit,  -agine,  ajine,  frz.  -ain.  Dagegen  besteht  fdcimus  im  Vulgär- 
latein noch  (s.  §  531)  und  lautet  dementsjjrechend  faimcs,  danach 
ist  auch  dreisilbiges  facitis  länger  geblieben  als  x}laciti(m,  frz. 
faites.  Sonst  vgl.  conde  von  cuhitiim  aber  sous  von  suhtiis;  puce 
aus  pulice  aber  chaitx  aus  cälce,  cointe  aus  cognitum  aber  saint 
aus  sandu  u.  s.  w.  Auffällig  in  mehr  als  einer  Hinsicht  ist 
romans  aus  romanice.  Das  e  sollte  bleiben,  ferner  a  zu  ai 
werden,  vgl.  chaince  aus  camice.  Hat  sich  in  den  Substantiven 
aus  diesem  oder  jenem  Grunde  der  Mittelvokal  länger  gehalten, 
ist  also  romanice  schon  im  Vulgärlateini sehen  zu  romance  synko- 
piert worden,  und  daraus  romank'e,  romant'e ,  romantse,  romanz? 
Lateinisch  nachtoniges  i  ist  schon  im  Vulgärlatein  zu  j  geworden, 
radius  also  zweisilbig.  Nur  nach  Labialen  behält  es  seine 
vokalische  Geltung  zunächst:  simitts  dreisilbig.  Dementsprechend 
mufs  im  Französischen  der  Auslaut  bleiben,  erst  in  einer  zweiten 
Periode  wird  simie  zu  singe,  ebenso  straniii  zu  eirunge ,  oleu  zu 
uile,  Pallium  zu  paile,  s.  §  340.  Das  Provenzalische  geht  mit 
dem  Französischen  Hand  in  Hand,  nur  in  den  letztgenannten 
Fällen  bewahrt  es  i  und  tilgt  n:  simi,  oli,  pali,  ordi  u.  s.  w. 

Die  nicht  ganz  seltenen  Fälle,  wo  e  im  Xeufranzösischen 
in  alten  Paroxytona  bleibt,  erklären  sich  alle  als  Buch- 
wörter, so  monde  für  älteres  mont.  Der  gegebenen  Regel 
über  mn  fügen  sich  afr.  dan  aus  domims  imd  damnns 
nicht :  allein  das  erstere  erklärt  sich  leicht  als  Neu- 
bildung zu  dame  von  domna ,  das  zweite  ist  postverbal 
zu  dammage,  damner.  Über  Formen  wie  pren,  diu,  amiu 
Kath.  P.  imd  Prov.  s.  §  438.  Prov.  p>ese  zu  pisum  ver- 
dankt sein  e  einer  Vermischung  von  pisum  iind  cicer, 
vgl.  entsprechend  sard.  pisiri,  prov.  taure  wird  erst  von 
tauria  (taurica)  aus  gebildet  sein. 


§    314j    315.  Die  Auslautgesetze :  Vokalschwnnd.  253 

314.  Während  in  den  bisher  behandelten  Teilen  Galliens 
n,  e,  wo  es  bleibt,  zu  §  abgeschwächt  ist,  erscheint  jenes  als  ii, 
dieses  als  e  im  Südosten  ungefähr  oder  vielleicht  völlig  in  gleicher 
Ausdehnung  wie  c  aus  a  §  810.  Also  z.  B.  Fourgs  umu ,  ^gru, 
ehru ,  pfVTK ,  -(dzn ,  orfemt  u.  a. ,  freib.  pavru ,  -aiu,  lar&n,  kavru 
u.  s.  w,,  waat.  äyablu,  uhi,  sonu  (somnvs),  bezw.  äyablo,  vh,  sono, 
dagegen  zeigt  der  Osten  der  Waat  und  Vionnaz  §:  dyabJ§<,  ul§ 
u.  s.  w.  Bagnard :  nuWo,  dzerJo,  -adzo  u.  s.  w.,  valso.  tendro, 
tremhyo,  ncKplo^  nuilado,  sonno.  Das  o  findet  sich  heute  bei  allen 
Maskulinen,  selbst  bei  den  Wochentagen:  freib.  demikru,  dvedru 
u.  s.  w.,  während  die  Feminina  a  aufweisen.  Man  könnte  daher 
zur  Annahme  geneigt  sein,  dafs  es  erst  aus  e  entstanden  sei  auf 
lautlichem  Wege,  wie  das  veronesische  o  §  807.  Dem  wider- 
spricht die  Thatsache,  dafs  pare,  frare  und  die  Infinitive  stets  e 
bewahren.  Umgekehrt  konnte  der  Zustand,  den  wir  hier  treffen, 
einst  in  ganz  Gallien  vorhanden  gewesen,  dann  u  zu  §  ab- 
geschwächt sein ,  wie  a  zu  §.  Das  ist  möglich ,  aber  nicht  zu 
erweisen  und  auch  nicht  wahrscheinlich.  Das  Auslautgesetz  wirkt 
im  Norden  früher  und  stärker  als  im  Südosten.  Interessant  ist 
namentlich  der  Unterschied  zwischen  frz.  vieil,  prov.  vid^  südofr. 
vielu:  dort  wird  c'l  behandelt  wie  et,  hier  wie  c'r.  Das  erklärt 
sich  wohl  daraus ,  dafs  dort  das  Auslautgesetz  ilu  traf,  hier 
dagegen  du.  Das  Gebiet  von  lit  aus  du  ist  dasjenige  von 
anlautend  M  aus  d:  der  Zusammentritt  des  l  mit  dem  c  hatte 
Palatalisierung  des  l  und  infolgedessen  gröfsere  Widerstands- 
fähigkeit des  c  zur  Folge  :  in  Mu  mufste  der  Vokal  ebenso  bleiben 
wie  in  km.  Der  Anschlufs  des  l  an  das  k  war  also  weniger  fest 
als  da,  wo  entsprechend  kt  zu  it,  auch  kl  zu  il  wurde,  die  Kon- 
zentrierung des  Wortes  um  den  betonten  Vokal  überhaupt  eine 
weniger  starke,  daher  die  tonlosen  Vokale,  wo  sie  blieben,  ihre 
Klangfarbe  behielten.  Im  Norden  und  Süden  aber  verlieren  sie 
dieselben,  patre  wird  zu  pedf,  mcrulvs  zu  merl  u.  s.  w. 

315.  Das  Rät i sehe  hat  nur  zum  Teil  dieselben  Auslaut- 
gesetze. Zunächst  ist  t  zwischen  Vokalen  zu  einer  Zeit  gefallen, 
da  die  Vokale,  mindestens  i(S,  im  Auslaiit  noch  bestanden :  daher 
wird  zwar  atis  zu  ats,  aber  atus  zu  aus.  Dann  aber  sind  die 
Vokale  auch  in  Proparoxytonis  geschwunden,   r  und  l  nach  Ver- 


254  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   315. 

schlufslauten  werden  zu  f  (ar),  l.  Also  nicht  nur:  eng.  Jc'avdl, 
flur,  flurs,  vil,  om  u.  s.  w.,  sondern  auch  -edi  aus  -edic  (-aticus), 
Mmhetj  manh'  (manicv),  soenn  (somnus),  domi,  culm,  dann  auter, 
muvel,  muskel,  oder  autar  u.  s.  w.  Im  Friaulischen  tritt  n,  li 
ein  für  f,  l:  vintri,  hotri,  luvri,  met'i  (mittere),  lari  (latro),  Maustri, 
dopli,  suhli  u.  s.  w.,  ferner  nach  Diphthongen :  naidi,  Pauli,  hroiJi. 
Die  Übereinstimmung  mit  dem  Französischen  ist  hier  bemerkens- 
wert: u  ist  zunächst  zu  c  geworden,  dann  erst  A\de  dieses  zu  i 
geschwächt.  Zu  beachten  ist  gleichzeitig  der  Unterschied  zwischen 
dem  westlichen  -er  und  dem  östlichen  -re.  —  Dasselbe  Gesetz 
gilt  nun  auch  fürs  Lombardische,  Piemontesische  und  Emilianische ; 
es  handelt  sich  nur  noch  darum,  wie  f,  l  in  den  verschiedeneil 
Gegenden  sich  darstelle.  Da  ist  zunächst  bewahrtes  u  zu 
erwähnen  in  Poschiavo :  altru,  ddblu,  im  Tessin :  neiru,  ladru  (in 
Busto  Arsizio:  sento,  punto,  Zipro  u.  s.  w.,  doch  scheint  sich 
dieser  Dialekt  auch  sonst  von  der  Regel  zu  entfernen :  pasi  (pace, 
menti,  genti,  disi),  statt  dessen  tritt  a  ein  im  Mailändischen : 
perla,  el  soffra,  merla,  histarla,  hier  auch  bei  rn:  cisterna,  Stoma, 
rm :  inferma ,  Im :  olma ,  sm :  hattesma  u.  s.  w. ,  dagegen  f  nach 
allen  Konsonanten :  -ever  =  -ebile,  bei  Bonvesin  -ewe  geschrieben, 
aleger,  otdber,  sepolker,  quader  u.  s.  w.  Das  Emilianische  läfst 
für  r,  l,  n  nach  Konsonanten  stets  ar,  al,  an  {f,  l,  n?)  eintreten: 
alegar,  fevar,  etar,  zempal,  Jcoran,  peran;  auch  rm,  Im,  vm,  rv,  Iv 
werden  nicht  geduldet :  merum,  Jcolum,  mekanisum,  koruv,  seluv.  — 
In  den  Abruzzen  wird  Abfall  für  Chieti,  Teramo  und  zum  Teil 
Aquila  angegeben,  wie  die  Bedingungen  im  Einzelnen  sind,  mufs 
noch  untei'sucht  werden.  —  Auch  Veglia  tilgt  meist  den  Auslaut : 
muart,  fruant,  val,  hnali),  viarm,  lenzul,  fecust. 

Endlich  im  Rumänischen  fällt  nvir  n,  aufser  nach  Kon- 
sonant -\-  r,  l:  socru ,  intru,  aflu,  öblu,  dagegen  cal,  cänt, 
cänd,  cantänd  u.  s.  w.  Nach  Vokalen  wird  heute  noch  stets  u 
geschrieben :  ocMü ,  hou  u.  s.  w. ,  doch  lautet  nur  letzteres  hou, 
ersteres  fast  überall  oki.  Schon  die  ältesten  rumänischen  Texte 
zeigen  Schreibungen  ohne  u:  fiind,  neavaind  Cuv.  Bätr.  I,  2 
a.  1571 ;  beim  Artikel  -?,  -lor  fehlt  es  schon  in  dem  Texte  vom 
Jahr  1560  Cuv.  Bätr.  I,  1,  den  heutigen  Zustand  zeigt  ein 
anderer  vom  Jahr  1573,  ib.  I,  3.  Wie  mit  w  verhält  es  sich 
mit  ?  s.  S  319.    Das  Istrische  schliefst  sich  völlig  ans  Walachische 


§   315 — 317.  Di*2  Auslautgesetze:  Vokalschwund.  255 

an ,  das  Mazedonische  dagegen  hat  u  bewahrt  aufser  in  dem 
§  312  erwähnten  Falle  und  nach  einfachen  Explosiven,  wo  der 
Vokal  abgeschwächt  wird :  kunoskn,  gardu  aber  faliii,  htpu. 

Tiktin,  Ztschr.  XII,  238  ff.  hält  den  Abfall  für 
jünger  und  meint,  nach  slawischer  Art  sei  in  den  alten 
Texten  das  Stummheitszeichen  statt  des  Zeichens  ftir 
reduziertes  u  gesetzt  worden. 

316.  Wie  §  305  gezeigt  ist-,  entledigt  sich  das  Nord- 
französische auch  des  aus  -a  entstandenen  -e.  Dieselben  Schick- 
sale hat  natürlich  das  e,  das  als  Rest  des  ti,  e  in  Proparoxytonis 
geblieben  ist  §  314.  Auch  ?*,  7  geht  es  nicht  besser.  Selbst 
rein  reimende  Dichter  des  Mittelalters  gestatten  sich  Keime  wie 
friste:  maistre,  chambre:  janibe  u.  s.  w.,  so  Ruteboeuf,  Gautier  de 
Coincy,  Charles  d'Orleans  u.  a.  Doch  sind  die  Fälle  für  tre:  te 
nicht  streng  beweisend,  vgl.  §  586.  Noch  im  XVI.  und  XVII. 
Jahrhundert  scheint  f  im  Pariserfranzösisch  gesprochen  worden 
zu  sein  aufser  in  der  Verbindung  if  imd  in  Wörtern  wie  marhre, 
martre,  metirtrc,  ordre,  tordre,  mordre,  wo  Dissimilation  mit  im 
Spiele  ist  (vgl.  umgekehrt  me'credi  §  574),  doch  wird  auch  schon 
vw(re),  capp(rc)  angegeben.  Heute  aber  ist  es  mindestens  in  der 
Volkssprache  ganz  verstummt:  ot,  j)ret,  vir  u.  s.  w.  Für  die 
Mundarten  ist  sein  Abfall  früher  bezeugt:  im  XIV.  Jahrhundert 
schreibt  der  Lothringerpsalter  este,  croisse,  etwas  später  Philipp 
von  Vigneuil  orfetve,  fenestc;  und  damit  stimmt  das  heutige 
Lothringische,  Wallonische,  Pikardische.  Wie  mit  f  verhält  es 
sich  mit  l:  heute  ist  es  in  demselben  Umfange,  wie  f  ver- 
stummt, altfranzösische  Schreibungen  wie  caple  statt  cqpe  Aiol 
6699  und  andere  weisen  schon  auf  schwache  Ausspx-ache  hin. 
Der  Abfall  ist  aber  jünger  als  der  ostfranzösische  Wandel  von 
able  zu  aule  §  250.  Umgekehrt  scheinen  aber  auch  manche 
Mundarten  l  länger  zu  behalten,   vgl.  f^bl,  treble  im  Morvan. 

317.  Tritt  ein  auslautender  Vokal  unmittelbar  zusammen 
mit  dem  betonten  Vokal,  so  wird  er  dadurch  meist  vor  dem 
Untergang  gerettet.  So  lautet  Dens  im  Frz.  Dieu,  eng.  dien, 
rum.  -zeit;  diu  im  Prov.  quandni;  meus,  prov.  micii,  rum. 
mm;  Ittpus,  jiigum,  fagus  werden  zu  lou,  jou,  fou  im  Fran- 
zösischen.   Über  ego  s.  Kap.  IV.    Daher  denn  auch  rät.  aus  aus 


256  I-  Kapitel:  Vokalismiis.  §   317—319. 

aftjus,  WS  aus  iftjtts  s.  §  38  und  254.  —  Eine  bemerkenswerte 
Ausnahme  bildet  das  Genuesische,  das  gerade  nach  Vokalen 
w  fallen  läfst:  De,  me,  re,  e,  mei  =  melius  Poe.  LH,  6.  —  Im 
Portugiesischen  werden  aa  zu  a,  ao  zu  o  zusammengezogen :  lä, 
pö,  SO  danach  auch  Fem.  so  statt  soa^  ma  =^  mala,  aber  Masc. 
mao.  Tritt  im  Spanischen  e  mit  e  zusammen,  so  wird  es  i: 
grey,  ley,  rey,  buey,  altspan.  noch  zweisilbig,  aus  gree,  lee  u.  s.  w. 
So  wird  hodie  über  öie  zu  oi. 

Belege  für  die  zweisilbige  Aussprache  von  ley  u.  s.  w. 
bringt  J.  Cornu,  Rom.  IX,   71 — 89. 


c)  Wirkung  und  Schicksale  des  -i. 

318.  Mehrfach  hat  sich  gezeigt,  dafs  die  betonten  Vokale 
durch  auslautendes  i  in  ihrer  Klangfarbe  verändert  wurden. 
Dagegen  konnte  noch  nicht  erM^ähnt  werden,  dafs  die  unmittelbar 
vorhergehenden  Konsonanten  ebenfalls  häufig  von  dem  i  angegriffen 
werden.  Es  sind  diese  Erscheinungen  nochmals  im  Zusammen- 
hang mit  der  Geschichte  dieses  i  zu  besprechen.  Keinen  Umlaut, 
um  bei  dem  von  J.  Grimm  in  der  deutschen  Grammatik  für 
eine  verwandte  Erscheinung  gebrauchten  Ausdruck  zu  bleiben, 
keinen  Umlaut  kennt  das  Sehriftitalienische,  dafür  bewahrt  es  -i, 
sowohl  primäres  als  sekundäres :  feci,  facesti,  egli,  venti,  ogni, 
fiori,  senti  u.  s.  w.  Über  das  f  in  egli,  über  vuoi  u.  dgl.  s.  Kap.  IV. 
Auf  allen  anderen  Gebieten  ist  das  i  zu  e  abgeschwächt  oder 
ganz  verloren,  dafür  hat  es  aber  an  den  Konsonanten  oder  an 
den  Vokalen  seine  Spuren  hinterlassen. 

319.  Am  stärksten  werden  die  Konsonanten  umgestaltet  im 
Rumänischen,  wogegen  die  Vokale  hier  von  dem  t  nur  in  der 
Weise  affiziert  werden  wie  von  ü  §  83,  129.  Vor  -i  wird  n  zu 
H,  maz.  aii  (anni) ,  Aval,  ai,  t  zu  ti,  mutj ,  d  zu  dz,  mold., 
ban.,  maz.  verdzi  zu  z,  wal.  verzi,  s  zu  ä:  pa§t,  st  zu  st:  tristi, 
1  zu  r  und  i:  cai,  pul,  r  zu  r',  das  föllt.  Für  letzteres  fehlen 
Beispiele  in  der  Deklination,  es  scheint  aber,  dafs  ceriu  =  caelum 
darauf  zurückweist:  cer  wurde  zu  cei,  woraus  vom  Singular  aus 
ceri,  und  dazu  nun  der  neue  Sg.  ceriu.  In  der  Konjugation 
haben  wir  z.  B.  2.  Sg.  ha^i,  cazi,  2.  Sg.  Impt.  minp,    2.  PI.  a^i, 


§   319    320.  -I  im  Rumänischen  und  Rätischen.  257 

Impf.  Konj.  2.  Sg.  -aäi.  Ebenso  im  s-Perf.  des  arum. :  adit^l, 
arupsi.  Im  Mazedonischen  kommen  noch  die  Labialen  dazu : 
luJc  (lupi),  aläi,  2.  Sg.  saH,  Merdi  (fervas),  afimi  (fumas).  Dabei 
ist  merkwürdig,  dafs  im  Walachischen  das  i  des  Verbums  nur 
die  vorhergehenden  Dentalen  affiziert,  kaum  r,  n,  aufser  in  den 
Verben,  deren  erste  Sing,  auf  -io  lautet,  wie  spuiu  spui,  ceiu  cei, 
vgl.  die  Konjugation.  Dazu  vergleicht  sich  §  419.  Altes  i 
wirkt  also  stärker  als  junges,  aus  as,  es  entstandenes.  —  Spezi- 
fisch walachisch  ist  ini  zu  tim:  mimt,  cunt,  pnm,  auch  ciine, 
pilne,  mune,  aber  minu.  Das  i  selbst  ist  volltönend  nur  erhalten 
im  Walachischen  nach  Konsonant  -\-  l,  r:  socri,  ohli,  afli,  intri, 
tiberall  sonst  reduziert  zu  ?,  das  unter  Umständen  zu  i  wird  und 
dann  fallt  §  311.  Im  Mazedonischen  bleibt  i  auch  nach  r  in 
Proparoxytonis :  drhuri,  aber  nort,  und  nach  mehrfacher  Kon- 
sonanz:  undzi,  dornt,  murdzi,  dagegen  fällt  es  nach  s:  hätus,  ts: 
oaspets,  n:  an,  l:  käl  oder  Jcail,  in  allen  anderen  Fällen  ?. 

320.  Auch  im  Rätischen  zeigen  nur  die  Konsonanten 
und  auch  diese  nur  schwachen  Einflufs.  Freilich  ist  die  Zahl 
der  Beispiele  sehr  gering.  Im  älteren  Westrätischen  ist  der  Xom. 
Plur.  noch  erhalten  mit  i,  auch  heute  unter  bestimmten  Be- 
dingungen. Darüber  wird  die  Formenlehre  Auskunft  geben. 
Das  i  ist  also  hier  wie  im  Italienischen  geblieben.  Eine  be- 
sondere Stellung  nehmen  glande,  -mente  und  venti  ein,  vgl.  obw. 
gloH,  -med  und  ven,  eng.  -mainlc,  vainJc',  wo  der  dentopalatale 
Vokal  mit  dem  dentalen  Konsonanten  verschmolzen  ist.  —  Im 
Friaulischen  wird  -li,  -ti,  -di,  -ni  palatalisiert :  nemai,  pai,  Icei, 
lintsui,  drbui,  dzeno%  umirij  grand,  dink',  tank',  duk'  (tutti),  task', 
frusk',  aber  valls,  pells.  Sodann  vink',  das  zugleich  vokalischen 
Umlaut  zeigt.  Gegen  Westen  hin  ist  namentlich  n  empfindlich; 
so  in  Belluno,  Feltro,  Ampezzo,  wo  oni  zu  oi  wird:  presoi, 
moUoi  u.  s.  w.  Im  Mittelrätischen  wird  elli  zu  ei,  iei;  ali  zu  ai; 
in  Fassa:  zerman  Plur.  iermaii,  gran,  greri,  piovan,  pioveti,  so 
vielleicht  ati  zu  eti,  et,  e,  wenn  nicht  eher  ati,  ai,  e.  Im  Lom- 
bardisch-Venetischen  mag  zunächst  das  aver.  -iji  aus  -elU  Er- 
wähnung finden.  Weiter  westlich  bilden  in  Bergamo  die  Sub- 
stantiva  auf  n,  l,  t  den  Plural  auf  d,  i,  6:  dan  dan,  kören  köreti, 
kol  koi,    hal  haj,  perikol  perikoi,    kut  kuÖ,  portal  portaö.     Dann 

Meyer,  Grammatik.  17 


258  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   320,   321. 

folgt  das  Mailändische  mit  Plur.  kavai^  müi,  fradei,  an,  pari, 
dend,  fand,  tüö,  aber  vint,  vgl.  noch  §  322. 

Auch  S.  Fratello  zeigt  ähnliche  Formen.  Im  allgemeinen 
zwar  bleibt  i,  aber  mit  n  wii-d  es  über  n  zu  i,  mit  t  zu  d:  vM 
Plur.  zu  vzT,,  stazuoi  zu  stam,  mei  zu  mää,  buoi  zu  hä,  3.  Sg. 
vie,  2.  Sg.  viei,  dend,  1.  Sg.  Perf.  vidd,  -auz  Plur.  zu  -auz. 
Daran  schliefsen  sich  einige  Te ssiner  Thäler:  Giornico  Icei 
zum  Sing,  kan,  und  so  bei  allen  Wörtern  auf  -an,  aber  auch  bei 
den  Femininen:  rana  PI.  m;  Airolo  fontena  PI.  -ei,  mnz.  Tcay, 
vi.  may,  ray,  boy  (buoni),  horoy.  Die  vollere  Form  mit  rl  findet 
sich  am  Verbano  und  in  der  Val  Sesia,  in  Varallo,  Valduggia. 
Bei  den  Femininformeu  würde  sich  fragen,  ob  Übertragung  vom 
Maskulinum  vorliegt,  oder  ane  wie  ani  behandelt  wix-d,  oder  ob 
die  Grundlage  -anas  ist.  —  Endlich  ist  die  umbrisch-aretinische 
Gruppe  zu  nennen.  Schon  in  den  alten  Texten  liest  man 
barigli,  pogli,  crivegli,  sodann  heute  in  Cortona:  figliogli,  debigli, 
chiuggJii  =  chiudi,  nepocM,  oder  frafeglie,  vilegne,  montogne,  perug. 
fratelglie,  agnogle,  pangne,  angne.  Das  ist  wohl  so  zu  fassen, 
dafs  das  i  sich  mit  vorhergehendem  Konsonant  (zunächst  l,  n?) 
möglichst  eng  verband,  also  ni  zu  ni,  und  zugleich  von  seinem 
Eigenton  verlor,  also  ne. 

321.  Umgestaltung  des  Vokals  bei  unverändertem  Konsonanten 
zeigen  die  Sprachen  Galliens  und  Iberiens,  sowie  die  ober- 
italienischen Mundarten.  Im  N  ord  f  r  an  zö  si  sehen  ist  das  i 
geschwunden ,  hat  aber  Umlaut  bewirkt  bei  e :  f%s,  pris,  quis, 
-ist;  il,  eil  u.  s.  w.,  vingt,  tuit.  Bei  Substantiven  und  Adjektiven 
und  im  Imperativ  der  Verba  auf  -ire  fehlt  jede  Spur  des  Um- 
lauts. Tuit  aus  totti  beweist,  dafs  die  Erscheinung  als  Epenthese 
zu  fassen  ist.  —  Hier  mögen  auch  die  tt-Perfecta  ihren  Platz 
finden.  Vinc,  tinc,  voll  behalten  den  Ton  auf  dem  Stamme,  be- 
wahren die  auslautende  Konsonanz  und  ziehen  -i  an  den  betonten 
Vokal.  In  allen  anderen  Fällen  dagegen  fällt  der  Konsonant 
habui:  oi,  oder  das  u  nimmt  den  Ton  auf  sich  wa?m.*  valüi.  Beide 
-Male  kommt  -i  in  unmittelbare  Verbindung  mit  dem  Tonvokal 
und  bleibt  so  erhalten.  Die  weitere  Entwicklung  von  -ui  zu 
nfr.  -WS  gehört  der  Formenlehre  an.  Verschieden  von  den  ge- 
meinfranzösischen gestalten  sich  diese  Formen  im  Nordosten,  wo 
•wir  schon  in  alter  Zeit  pldu  von  placui,    biu   von    *bibui   haben. 


^   321,   322.  -I  in  Oberitalien  und  Frankreich.  259 

Der  Unterschied  erklärt  sich  ohne  weiteres  daraus,  dafs  plau-i, 
iiu-i  u.  s.  w.  das  i  nicht  unmittelbar  hinter  dem  Tonvokal  hatten 
-wie  ploi,  hiii.  —  Ganz  wie  das  Nordfranzösische  verhält  sich  das 
Provenzalische :  fiz^  pris,  quis,  tinc,  eil,  vingt,  tuit,  dann  auch 
noch  wenigstens  in  den  ältesten  Denkmälern  auselj  Phir.  aueü 
Boet.  227.  Gegenüber  dem  Französischen  scheint  es  auch  Attrak- 
tion bei  aic  (habui)  zu  zeigen,  nicht  bei  volc.  Da  aber  sonst  kein 
t«-Perfect  Epenthese  zeigt  (saup,  jauc,  dec),  ebensowenig  die  Per- 
fecta auf  -as  (remas),  so  ist  es  wahrscheinlich,  dafs  1.  -aic  3.  -ac 
erst  gebildet  Avorden  ist  nach  1.  fiä  3.  fo.  —  Auch  das  Spa- 
nische und  Portugiesische  gehen  wenig  weiter  als  das 
Französische.  Sie  lauten  e,  o  um,  wenn  nur  einfacher  Konsonant 
zwischen  den  zwei  Vokalen  steht :  span.  hiee,  vine,  quise,  prise, 
hübe  aus  liohi,  yugue,  trvje,  supe,  aber  veinte.  Über  span.  2.  Sg. 
-iste  s.  die  Formenlehre.  Dann  sind  noch  veni,  *tefii  zu  nennen, 
die  zunächst  zu  vevi,  ted  geworden  sind,  woraus  ven,  ten.  Früh- 
zeitig ist  i  zu  e  geworden,  dem  nadi  Cid  25,  ellij  essi,  esti,  otri  Berceo 
steht  heute  eile  u.  s.  w.  gegenüber.  Vielleicht  sind  jene  Formen 
dialektisch,  vgl.  noch  heute  venu,  acudisti,  tardi,  Uli  und  eUi,  isti, 
aquisti  im  AstUrischen.  Interessant  ist  nadie:  man  sieht  daraus, 
dafs  der  Vorgang ,  wie  presi  zu  pris€  wurde ,  ähnlich  ist  wie  im 
Aretinischen :  presi,  presye,  prise.  So  nadi,  nadye,  das  bleibt, 
vgl.  aber  galizisch  naide.  Im  Portugiesischen  sind  die  Be- 
dingungen dieselben :  fiz,  quis,  mm,  dagegen  bleibt  au :  houve,  ou 
wird  u:  pude  (3.  Sg.  houve  — pode),  gal.  houben  aber  pwirfm, 
pusen  (posui).  —  Merkwürdig  ist  das  galizische  en  als  Vertreter 
von  i,  in  dem  eine  lautliche  Entwicklung  zu  sehen  kaum  angeht. 

322.  Wenden  wir  uns  endlich  nach  Oberitalien,  so  zeigen 
die  alten  Texte  von  Venedig  bis  Mailand  Umlaut  des  e,  g  und 
Erhaltung  des  i,  die  heutige  Sprache  hat,  soweit  sie  nicht  vom 
Schriftitalienischen  beeinflufst  ist,  das  i  nicht  mehr,  immerhin 
bewahrt  mail.  vint  und  -et  PI.  -it  noch  eine  Spur  des  einstigen 
Zustandes.  Sodann  bietet  das  Bolognesische  jje?7  Plur.  pil,  -ft 
Plur.  -et,  p§  PI.  pi,  lintsol  PI.  lintsu,  fazol  fazu  u.  s.  w.  Das 
Piemontesische  und  Genuesische  dagegen  halten  sich  fern.  Letz- 
teres attrahiert  i  nach  n:  eain,  main ,  sain  (heute  kän  u.  s.  w. 
§  233),  hoin,    bocoiny    alcuin,    graindi ,    fainti.     Nähern  wir  uns 

17* 


260  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   322,   323. 

der  Lombardei,  so  bietet  Varallo  an  der  Sesia  die  interessanten 
Formen:  poJc  PI.  poik,  Tcolp  Jcoi}),  gron  groin,  -or  -oir,  fio  fioi, 
luf  luif,  ncef  noeif,  teston  testoin,  k'aif,  gait,  piait,  saiss,  vor  n: 
Icen,  tent  ■ —  Aber  schon  in  Barbania  (Turin)  begegnet  regel- 
mäfsig  Plur.  e  zu  Sing,  a:  traf  tr§f,  rat  r^t,  im  Canavesiscben  i 
kän  gät,  in  der  Val  Maggia :  mar  m§r,  tal  t§l,  alt  ^It,  quant  guenk'^ 
Ebenso  wird  hier  nicht  nur  e — i  zu  i,  wie  in  den  alten  Texten, 
sondern  auch  {? — i:  nerh  nirh,  ferner  das  aus  p  entstandene 
(§  214):  new  niw  (novus);  dann  o  zu  oe:  ost  oest,  g  zu  ü:  rgvul 
rii/vul,  fio  fiü,  sarto  sartü.  —  Das  Verbum  zeigt  mehrfach  Ab- 
weichungen :  in  der  Val  Maggia  ist  der  Verbalumlaut  von  a 
nicht  §,  sondern  e.  Das  erklärt  sich  wohl  daraus,  dafs  das  ^  der 
2.  Sing,  sich  länger  hält  als  das  des  Nom.  Plur.  Darüber  mehr 
in  der  Konjugationslehre.  Umgestaltungen  der  Konsonanten 
scheinen  auf  diesem  Gebiete  nicht  vorzitkommen  ,  sehen  wir  ab 
von  quanti  u.  dgl.  Kap.  IV  und  von  den  §  320  genannten 
Fällen. 

Vgl.  C.  Salvioni,    Effetti  dell'-I  sulla  tonica ,  Arch. 
Glott.  IX,  235—248. 

323.  Es  ist  also  hier  der  Umlaut  ein  sehr  wichtiger  mor- 
phologischer Faktor  geworden.  Es  fragt  sich  nun,  ob  die  ver- 
schiedenen Fälle  alle  gleichaltrig  seien,  ob  also  stets  das  i  ge- 
wirkt habe  ohne  Rücksicht  auf  die  Zahl  der  vorhergehenden 
Konsonanten  oder  Silben  oder  auf  die  Qualität  des  betonten 
Vokals ,  oder  ob  nicht  die  Analogie  mit  im  Spiele  sei.  Für  die 
letztere  Auffassung  kann  etwa  Folgendes  ins  Feld  geführt  werden. 
1.  Bleibt  tonloser  Vokal  in  Proparoxytonis,  so  wird  er  meist  a:  Idras^ 
der  Plural  lautet  trotzdem  leras,  ebenso  martur  mertur ,  frassan 
fressan.  Man  könnte  folgende  Reihenfolge  annehmen :  lares  PI. 
leris,  dann  laras  leras.  Näher  liegt  aber  die  andere  Annahme,  dafs 
laras  =  larice  und  larici  nach  tal  tel  umgestaltet  woi'den  sei.  2.  Die 
Worte  auf  icus  ici  gehen  im  Sing,  und  Plur.  auf  i  aus ,  zeigen 
aber  doch  Umlaut :  salvadi  PI.  salvedi.  3.  Zu  '^rarius  rairu  lautet 
der  PI.  r§iri.  4.  Der  Umlaut  i  aus  e  =  €e  findet  nur  da  statt,  wo 
oe  zu  e  wird :  es  kann  also  kir  nicht  auf  kür  =  cori  zurück- 
gehen, sondern  ist  von  ker  aus  gebildet.  5.  Familiennamen,  wie 
immer  die  Endung  sei,  lauten  um,  sobald  sie  im  Plural  gebraucht 
werden :  Sg.  al  sor  Soldati  PI.  i  Soldpti ,  so  i  Meza ,  i  Pomita ,  i 


§  323—325. 


-I  in  Oberitalieu. 


261 


Kirnt.  6.  e  wie  e  lauten  gleichmKfsig-  um,  währeud  aber  letzteres 
keine  Ausnahmen  zeigt,  ist  bei  ersterem  der  Umlaut  nicht  streng 
durchgefllhrt :  dort  ist  er  oi'ganisch,  hier  analogisch. 

324.  Sehen  wir  von  den  Fällen  ab,  wo  auslautend  i  und  ?f 
gleichei-weise  auf  den  Tonvokal  wirken,  so  bleibt  für  Süditalien 
hauptsächlich  der  Umlaut  von  a  zu  e  bei  folgendem  i  zu  er- 
wähnen, der  aber  auch  nur  in  beschränktem  Umfange  vorkommt : 
nur  in  den  Abruzzen,  nicht  in  Campobasso  und  den  neapoli- 
tanischen Mundarten,  obschon  überall  hier  -i  zu  §  abgeschwächt 
wird.  So  also  in  Gessopalena:  2.  Icend^,  3.  Sg.  Icand^,  Impf. 
Jcandiv§ ;  in  Teramo :  2.  Sg.  Mnd§,  3.  Sg.  hand^ ,  Impf.  -iv§,  pann^, 
PI.  pinn§;  ann§,  PI.  mn§. 


d)  Die  Nachtonvokale. 

325.  Es  ist  §  28  bemerkt  worden,  dafs  der  tonlose  Mittel- 
vokal von  Proparoxytonis  schon  im  Vulgärlateinischen  gefallen 
ist    zwischen    r'w,    r^d,    Tm,    l'd,    Vp,    s't,    ferner    in  frigdus  und 


domnus^   deren   zweites   schon  bei  Plautus  belegt  ist. 
hier  in  Kürze  die  romanischen  Belege  folgen. 


Lat. 

Rum. 

Engad. 

Ital. 

Frz. 

Span. 

liat. 

Rum. 

Engad. 

Ital. 

Frz. 

Span. 


ERMU 

ermu 

ermo 

erm 

yermo 

FALTA 


falta 

faitte 

falta 

Lat. 

Rum. 

Engad. 

Ital. 

Frz. 

Span. 


VIKDE 

verde 

verd 

verde 

vert 

verde 

VOLTA 

veulta 
volta 
voute 
vuelta 

BUXTA 


busta 
holte 


CALMÜ 

cahno 
chaume 

SOLTA 


solta 

sollte 
suelto 

FRIGDÜ 

fraid 

freddo 

froid 


CALDU 

cald 

Ti'aud 

caldo 

chaiid 

caldo 

COLPÜ 


Culpa 
coup 
(golpe) 

DOMNU 

domn 

dumm 

domta 

dam 

dueüo. 


Es  mögen 


SOLDU 


soldo 
Saud 
sueldo. 

POSTÜ 

adapost 

pcest 

posto 

-pöt 

puesto. 


262  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   325,   326. 

Für  griech.  pölypus  finden  sich  siz.,  kal.  purpu,  ital.  polpo^ 
span.  pvilpo  u.  s.  w.,  aber  sard.  polipu,  frz.  pienvre.  Span,  frio 
alt  frido  scheint  auf  frigidus  zurückzugehen.  Ein  weiteres 
Beispiel  ist  noch  span.  anelto  =  anhelitus.  —  In  allen  anderen 
Fällen  hat  sich  entweder  der  Vokal  bis  heute  gehalten :  dann 
bleibt  zu  untersuchen,  ob  er  seine  Farbe  bewahrt  hat;  oder  aber 
er  ist  gefallen :  dann  fragt  sich,  unter  welchen  Bedingungen  und 
zu  welcher  Zeit.  Im  Lateinischen  ist  der  Vokal  meist  i  oder  e,. 
nur  vor  l  und  zuweilen  vor  r:  u,  o.  In  griechischen  Wörtern 
und  in  lateinischen  mit  betontem  a  erscheint  wohl  auch  a: 
lampada,  cannabis,  monachus,  anatem  u.  s.  w.  Das  a  leistet 
stärkeren  Widerstand  als  e,  i.  Wir  können  nun  die  romanischen 
Sprachen  in  zwei  Klassen  sondern,  deren  eine  im  ganzen  die 
daktylische  Betonung  beibehält,  also  den  Nachtonvokal  bewahrt, 
während  die  andere  trochäische  Betonung  verlangt,  also  den 
Vokal  tilgt.  Der  ersten  gehört  Rumänien,  Osträtien  und  der 
gröfste  Teil  Italiens  an,  der  zweiten  die  Emilia,  das  Westrätische,. 
Gallien  und  die  iberische  Halbinsel.  Im  einzelnen  aber  sind 
noch  mehrfache  Unterschiede  zu  machen :  auch  dort  tritt  häufig,, 
und  nicht  tiberall  unter  denselben  Bedingungen,  Synkope  ein,, 
hier  ist  sie  nicht  in  allen  Fällen  gleich  alt. 

326.  Zunächst  zeigt  tonloses  a  eine  andere  Behandlung  als 
tonloses  e,  es  wird  weniger  leicht  synkopiert.  Im  Spanischen,, 
wo  e  vor  n  ausfällt,  bleibt  a :  cuebano,  huergano,  huerfano,  tabano, 
sabano,  rabano,  pampano  (vulglat.  pampanus  =  pampinus),  tem- 
pano,  pielago,  alago,  estomago,  canamo,  gambaro,  farfara.  Ebenso 
erklären  sich  frz.  foie  aus  ^fecatum  (§  604),  moine  aus  monacus, 
woraus  monei,  monie,  moine,  pampre  aus  pampanus,  timbre  aus 
tympanum,  *timbanum.  Dagegen  wird  coffre  ein  Buchwort  sein, 
da  es  keinen  Diphthongen  aufweist.  Sonst  fallt  es  auch  im 
Französischen,  vgl.  chanvre  afr.  chanve,  wie  afr.  tenve  aus  tenuis. 
Interessant  ist  seigle  aus  secale  (§  604).  Nachdem  altes  cl  schon 
?  geworden  war,  aber  bevor  ca  sich  zu  i  schwächte,  war  es  (über 
secole?)  zu  segle  geworden.  —  Im  Rumänischen  wird  es  ä: 
polare,  oarfänü,  Lasar,  daher  cetera  auf  vulglat.  citera  zurückgeht, 
galben  auf  galbinus,  palten  hat  sich  an  carpen  angelehnt.  —  In 
Alatri  wird  es  §:  säbb§t§,  St§f§n§,  trap§n§  u.  a.,    beachtenswert  ist 


§  326—328.  A  in  Nachtonsilbe.  263 

mamma  —  mdmm§ta,  mana  —  man§l§,  lassa  —  lass(n§.  Dieselbe 
Abßchwächiing  von  a  im  Wortinnem  findet  sich  auch  in  Campo- 
basso  und  den  Abruzzen.  —  Im  Piemontesischen  und  in  Val 
Soana  wird  a  zu  e,  im  Hiatus  zu  j,  vgl.  Kteven,  keveno  aus  kenevo, 
fidie,  gavya  aus  gabata,  anya  aus  anata.  —  Ven.  lampeda, 
stomego,  spareso,  hanevo.  —  Einzelsprachlich  ist  zuweilen  -icu  an 
Stelle  von  -acu  getreten:  Lecce  stomeku,  moneJcu,  siz.  stomiJcu, 
moniJcu,     Span,  monje  ist  wohl  sicher  französisches  Lehnwort. 

327.  Für  e,  i  tritt  teils  i,  teils  e,  für  ii,  o  teils  o,  teils  u 
ein,  die  Verteilung  ist  dieselbe  wie  vor  dem  Tone,  s.  §  358  ff. 
Als  eine  Vergröberung  des  e  ist  das  a  im  Tessin  zu  fassen : 
kälas,  pedan,  frassan,  terman,  polas,  lüganag,  managa^  sübat, 
woneben  tivid ,  limpi  sich  leicht  nach  §  329  erklären,  während 
freilich  tcessig,  k'arig  auffällig  sind.  Strenger  ist  Bergeil,  wo  ak 
stets  erscheint:  stomak,  tosak,  auch  ümak  (humidus)  u.  s.  w. 
Auch  im  Engadinischen  scheint  a  die  Regel :  pülas,  foarhas  u.  s.  w., 
wogegen  das  Friaulische  i  vorzieht,  s.  die  Beispiele  §  832.  —  Dazu 
kommen  nun  aber  noch  eine  Reihe  einzelner  Gesetze.  Es  kann 
der  Nachtonvokal  umgestaltet  werden  durch  die  umgebenden  Kon- 
sonanten ,  oder  er  kann  die  Färbung  des  betonten  oder  des  aus- 
lautenden Vokals  annehmen.  Fällt  der  ihm  folgende  Konsonant, 
so  kommt  er  entweder  in  unmittelbare  Berührung  mit  einem 
Vokal,  oder  in  den  direkten  Auslaut,  was  wieder  besondere  Um- 
gestaltungen nach  sich  ziehen  kann. 

328.  Bestimmte  Wahlverwandtschaft  zwischen  Vokalen  und 
Konsonanten  zeigt  das  Italienische:  es  fordert  e  vor  r,  o  vor  Z, 
a  vor  m,  n,  seltener  vor  anderen  Konsonanten,  wenn  nicht  ein 
Palatal  vorangeht,  und  nur  bei  auslautend  a,  o:  modano  (aber 
modine),  äbrotano  (und  äbrotine),  cotano,  cofano,  sedano,  ehano, 
GirolamOj  Bergamo,  attamo,  monaco,  cronaca,  indaco,  sindaco, 
folaga,  astrolago,  orafo,  giovane  {a  \o\\  giovano  -aws'^),  aher  fiocifia, 
amoscina,  vendere,  albero,  rovere,  gambero,  farfero,  gaspero,  zucchero, 
cetera,  dehole,  -evole  aus  -Ibile,  hufolo ,  alt  iitole,  semola,  nuvola, 
und  segola  neben  segala.  Interessant  sind  Fälle  wie  muggine  aus 
mugil,  garofana  aus  *caroßum,  wo  das  i  den  entsprechenden 
Konsonanten  nach  sich  gezogen  hat.  —  Sonst  ist  namentlich  a 
vor  r  beliebt :    in    Italien    sind    die  Infinitive    auf  -are    statt  -ere 


264  I.  Kapitel:  Vokalismus.  §   328 330. 

ein  Cliarakteristikum  des  Senesischen  gegen  das  Florentiuisclie, 
also  vendare,  spegnare,  gammaro,  gasparo  u.  s.  w.,  ebenso  dei-  Are- 
tinischen,  und  der  nördlichen  Mundarten,  z.  B.  ven.  pevaro,  Tcamara, 
tsuTckaru  u.  a.  Auch  das  Friaulische  verlangt  ar:  numar,  ajar, 
polvar,  pevar  neben  vendi  (vendere),  rori.  —  Im  Eu manischen 
erscheint  i  vor  n,  ä  nach  Labialen,  wie  in  betonten  Silben: 
macin,  asin,  frasin,  carpin,  danach  paUin,  noatin,  sarcinä  (doch 
oamenl) ;  galbän,  gemän,  freamät,  carpän  (wird  durch  pältin  auch 
auf  der  älteren  Stufe  gehalten),  geamät.  In  lature,  iedurä  liegt 
Suffixvertauschung  vor.  —  0  vor  r  zeigt  das  Spanische  in  vibora.  — 
Z77  statt'  ol  gilt  als  Eigenart  des  Pisanischen  gegenüber  dem 
Florentinischen :  populo  Sardo  31,  picciulo  80,  Napuli  82,  izula 
87,  scapuli  88  u.  s.  av.  Ebenso  erscheint  es  im  Genuesischen, 
gerade  wie  hier  auslavitend  o  zu  u  wird,  vgl.  nespua,  lodua.  Vor 
r  findet  sich  o  im  Altrömischen,  vgl.  collora  Cola  di  Eienzi  437, 
cammora  409. 

Caix,  Osservasioni  sul  vocalismo  italiano  1875.  — 
Das  Spanische  zeigt  mehrfach  ein  Suffix  -igä,  seltener 
-igo  statt  -ega:  albondiga,  alberchiga,  pertiga,  haciga, 
almaciga,  aräbigo,  alfostigo,  codigo,  tosigo,  ferner  lagrima: 
der  Grund  der  Ausweichung  ist  nicht  klar. 

829.  Assimilation  an  die  betonten  Vokale  zeigt  sich  mehr- 
fach in  Italien :  siz.  dtamu ,  astracu,  saladu,  ansara,  annata, 
saraco ,  marmaru ,  anasu ,  in  Lecce :  rdndani ,  pampane ,  auch 
tronate  =  tonifra-^    sard.  seneghe,  henneru,  leperi. 

330.  Nach  dem  auslautenden  Vokal  richtet  sich  der  nach- 
tonige namentlich  im  Aretinischen :  annomo ,  annama,  asono, 
lettara,  mekana,  söllata,  suhboto,  ohhroco  (Obligo),  preddäka,  äkko- 
modo  Plur.  akkomidi;  dimmolo  =  florent.  dimmelo  u.  s.  w.  Die 
Eegel  scheint  streng  durchgeführt.  Aus  anderen  Dialekten  ist 
vielleicht  siz.  stomuku  zu  erwähnen,  sodann  die  3.  Plur.  Perf. 
auf  -uru:  misuru  (misero),  ebenso  lautet  die  2.  PI.  Impt.  mit 
angehängtem  Pronomen:  portatulu  u.  s.  w.,  erutu  =  ital.  eri  tu, 
2.  PI.  Impf.  Konj.  -assuvu;  zweifelhaft  bleibt:  avfssumu:  das 
erste  u  kann  dem  m  zu  verdanken  sein,  vgl.  putirumi  ^^potermi.  — 
Sodann  in  Brindisi :  poviri,  skandili,  angili  aber  kampunu,  erumu, 
erunu,  stesuru,  vommuru.  —  Ferner    ist    zu    erwähnen,    dafs    in 


§  330—332. 


Tonloser  Mittelvokal. 


265 


Italien,  wo  e  zu  i,  o  zu  ii  vom  Auslaut  abhängig  ist,  auch  der 
tonlose  Mittelvokal  je  nach  dem  Auslaute  i  oder  e  lautet,  also 
z.  B.  laudabele,  laudahiM,  ordena,  femena,  omini  im  altneapoli- 
tanischen Regimen  Sanitatis,  fragel  Plur.  fragili ,  mirdbele  Plur. 
miräbüi,  previdhi  bei  Bonvesin  u.  s.  w. 

331.  Tritt  der  Xachtonvokal  in  direkte  Verbindung  mit 
dem  auslautenden,  so  bleibt  er  meist  als  i,  vgl.  span.  Üvio^  lucio 
11.  s.  w.,  friaul.  piertie  u.  s.  w.  —  Nur  im  Portugiesischen  wird 
er  teils  in  die  Tonsilbe  gezogen,  teils  von  dem  Konsonanten 
absorbiert:  apg.  coimo  ==  cömedo,  tibo ,  rango,  sujo,  Umpo, 
termo ,  apg.  termho ,  ludro ,  cliurdo ,  freixo ,  ruQo  ,  ameixa ,  aber 
gemeo.  —  Mittelvokal  in  direkten  Auslaut  gei-ückt  zeigt  nament- 
lich das  Rätische  und  Provenzalische.  Dort  erscheint  er  meist 
als  i,  hier  als  e.  Vgl.  eng.  Medij  tevi,  miedi,  moni  (also  wieder 
*monicns).  Dagegen  scheint  das  i  in  §  aufzugehen,  vgl.  es  (acidns), 
raun§,  mars  u.  s.  w.     Provenzalische  Beispiele  s.  §  337. 

332.  Die  Bedingungen,  unter  denen  die  Synkope  eintritt, 
sind,  wie  schon  §  325  angedeutet  ist,  sehr  verschiedene.  Bevor 
näher  darauf  eingetreten  werden  kann,  mögen  die  wichtigsten 
Beispiele  tibersichtlich  vorgeführt  werden. 


Lat. 

POLLICE 

PULICE 

FILICE 

SORICE 

SALICE 

Rum. 



purece 

ferece 

§oarice 

sälce 

Engad. 

l)o1a§ 

pulah 

fem 

— 

säli§ 

Friaul. 

— 

puls 

— 

— ■ 

— 

Ital. 

2}ollice 

pulce 

felce 

sorce 

saldo 

Emil. 

pdlsa 

poJsa 

felsa 

sorg 

sals 

Mail. 

polles 

pures 

fires 

— 

sales 

Frz. 

ponce 

puce 

— 

— 

sausse 

Prov. 

poiise 

piuse 

feuse 

— 

sause 

Span. 

— 

pulga 

— 

sorce 

sauce. 

Lat. 

DODECI 

FOKBICE 

MANICU 

-ATICÜ 

PEDICA 

Rum. 

— 

foarfeci 

— 

-atec 

piedicä 

Engad. 

dudesch 

for§ 

mank' 

-edi 

— 

Friaul. 

dodis 

fuarfis 

mani 

-adi 

piedie 

Ital. 

dodici 

forhici 

manico 

-atico 

pedica 

266 

I.  Kapitel: 

Vokalismus. 

§  332, 

Emil. 

dodz 

forlz 

mandg 

-adg 

pedga 

Mail. 

dodes 

forbes 

maneg 

-adeg 

— 

Frz. 

douze 

force 

mange 

-age 

piege 

Prov. 

dose 

forfes 

marge 

-atge 

petge 

Span. 

doce 

— 

mango 

-azgo 

piezgo. 

Lat. 

MANICA 

NATICA 

PEETICA 

VINDICAT 

CUBITU 

Rum. 

— 

— 

— 

vindecä 

cot 

Engad. 

mangd 

— 

— 

vendik'a 

Jcumbel 

Friaul. 

manie 

nadie 

pertie 

(svindike) 

— 

Ital. 

manica 

natica 

pertica 

vendica 

gomito 

Emil. 

mandga 

— 

— 

— 

gomt 

Mail. 

manega 

— 

pertega 

— 

gowibet 

Frz. 

manche 

nache 

per  che 

*vanche 

coude 

Prov. 

marga 

— 

perga 

venga 

cobde 

Span. 

manga 

nälga 

piertega 

venga 

codo. 

Lat. 

DEBITU 

BIBITU 

LEVITU 

DIGITU 

PLACITXT 

ßum. 

— 

hat 

— 

deget 

— 

Engad. 

deivet 

— 

— 

daint 

plaid 

Friaul. 

— 

— 

— 

ded 

plad 

Ital. 

detta 

hettola 

lievito 

dito 

piato 

Emil. 

— 

— 

levd 

— 

— 

Mail. 

debet 

— 

— 

det 

— 

Frz. 

dette 

— 

— 

doigt 

plait 

Prov. 

deute 

— 

— 

det 

plaid 

Span. 

deuda 

beodo 

leudo 

dedo 

— 

Lat. 

VOCITU 

COMITE 

SEMITA 

AMITA 

AMITE 

Eum. 

— 

— 

— 

— 



Engad. 

voed 

— 

semda 

amda 



Friaul. 

vuaid 

Tiont 

semide 

ane 



Ital. 

vuoto 

conte 

semita 

— 



Emil. 

vot 

Tiont 

— 

— 



Mail. 

vcei 

Jcont 

— 

ameda 



Frz. 

vide 

conte 

sente 

tante 



Prov. 

vueid 

conte 

senta 

anta 

ante 

Span. 

— 

cuente 

senda 

— 

anda. 

§  332. 


Tonloser  Mittelvokal. 


267 


Lat. 

NITIDU 

MUCIDU 

FRACIDÜ 

SUCIDÜ 

VISCIDU 

Eum. 

netecl 

mmed 

fraged 

— 

ve§ted 

Engad. 

neidi 

— 

— 

— 

— 

Friaiil. 

nett 

moSid 

fraid 

(sozz) 

— 

Ital. 

(netto) 

— 

fradicio 

sozso 

viscido 

Emil. 

nett 

— 

— 

— 

— 

Mail. 

net 

— 

— 

— 

— 

Frz. 

net 

moUe 

— 

surge 

— 

Prov. 

net 

muide 

— 

— 

— 

Span. 

(neto) 

mostio 

— 

soliez 

— 

Lat. 

MAJRCIDÜ 

RAPIDU 

RIGIDÜ 

LIMPIDU 

TEPIDUS 

Rum. 

marced 

räped 

— 

limpede 

— 

Engad. 

marä 

— 

— 

— 

tevi 

Friaul. 

marts 

— 

— 

limpid 

tivid 

Ital. 

marcio 

ratto 

reddo 

(limpido) 

tepido 

Emil. 

metis 

— 

— 

— 

tivd 

Mail. 

mar§ 

ratta 

— 

lamped 

teved 

Frz. 

— 

rade 

roide 

— 

tiede 

Prov. 

— 

— 

rede 

— 

tele 

Span. 

march-ito 

raudo 

recio 

limpio 

tivio. 

Lat. 

HEBDOMAS 

DECIMU 

PKOXIMU 

MmiMU 

-AGINB 

Rum. 

— 

— 

— 

— 

— 

Engad. 

eivna 

deäma 

prossem 

— 

-e§en 

Friaul. 

— 

gesime 

— 

— 

-ain 

Ital. 

edima 

decimo 

prossimo 

menomo 

-aina 

Emil. 

— 

— 

— 

— 

— 

Mail. 

— 

— 

prossem 

— 

-anna 

Frz. 

emme 

dime 

proisme 

— 

-ain 

Prov. 

— 

deime 

proisme 

merme 

-age 

Span. 

— 

diezmo 

— 

merma 

-en. 

Lat. 

FRAXINU 

CABPINU 

HOMINE 

PEMINA 

JUVENB 

Rum. 

fr  assin 

car2)än 

oameni 

— 

june 

Engad. 

fraissen 

— 

umaeus 

femna 

guven 

Friaul. 

frassin 

k'arpin 

iimirl 

femine 

dzovin 

Ital. 

frassino 

carpine 

uomini 

femmina 

giovane 

268  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   332^   333. 


Emil. 

frassin 

Tierpan 

Oman 

femna 

dsovan 

Mail. 

frassen 

Jcarpen 

omen 

femena 

guven 

Frz. 

frene 

Charme 

homme 

femme 

jeune 

Prov. 

fraisse 

carpre 

ome 

femna 

jovne 

Span. 

fresno 

carpe 

homhre 

hemhra 

joven. 

Lat. 

PECTINE 

rusciNA 

RETINA 

VEKDERE 

FULGÜRE 

Eum. 

peiHine 

— 

— 

vinde    . 

fulger 

Engad. 

pettan 

— 

— 

vender 

— 

Friaul. 

Xnetin 

— 

redine 

vendi 

— 

Ital. 

pettine 

fioscina 

redina 

vendere 

folgore 

Emil. 

petan 

— 

— 

vendar 

— 

Mail. 

petten 

frosna 

redena 

vend 

— 

Frz. 

peigne 

— 

rene 

vendre 

foudre 

Prov. 

2)ende 

— 

rena 

vender 

fouzer 

Span. 

peine 

— 

rienda 

(vender) 

— 

Lat. 

NUMERU            PULVERE           CAMERA             CINERE 

Eum.          numh 

pulbet 

•e         camara            — 

Eng; 

ad.       numer         puolvra        Jc'amhra            — 

Friaul.       numar         spolvar         Icamare            — 

Ital. 

novero         polvere         camera             — 

Emil.          nomar         polvar          camara        tsendar 

Mail 

1.          numet 

j)olver 

hamera         cener 

Frz. 

nomhre        poudre         chambre       cendre 

Prov.          nomhre        poudra         camhra         cendre 

Span.              — 

— 

— 

333.  Am  wenigsten  Abweichungen  von  der  Regel  zeigt  das 
Eu manische:  ciiscru ,  alb.  kni^k  zu  consocer  findet  seine  Er- 
klärung in  Kap.  IV,  oder  aber  es  steht  unter  Einflufs  von 
cuscrenfe,  incuscresc.  Auffallig  in  seiner  Vereinzelung  bleibt  salce, 
bei  dem  die  Synkope  älter  sein  mufs  als  der  Übergang  von  inter- 
vokalischem  Z  zu  r*  §  457.  Im  Mazedonischen  fällt  das  im  direkten 
Auslaut  bewahrte  Plural-i  vor  dem  angehängten  Artikel :  arhorli, 
in  einzelnen  Mundarten  auch  andere  Vokale  zwischen  zwei 
Sonanten :  lingra,  gonle.  Einer  besonderen  Besprechung  bedarf 
noch  die  Verbindung  hef,  hei,  wo  gemäfs  §  442  das  b  ausfällt. 
Wie  auslautend  he  zu  hä,  o  wird,  so  erwarten  wir  auch  inlautend 


I   333—335.  Tonloser  Mittelvokal.  269 

0,  und  dies  erscheint  in  der  That  in  preot,  imd  kann  einst  be* 
standen  haben  in  cot.  Auch  nour  älter  ntior  erhält  ö  statt  li 
nach  §  180  und  dissimiliert  dann  noor  zu  noiir.  Daneben  steht 
hat,  aus  älterem  *haot,  das  o  ist  dem  a  assimiliert. 

334.  Im  Rät i sehen  ist  der  Unterschied  zwischen  Osten 
und  Westen  hervorzuheben;  während  der  Osten  kaum  synkopiert 
und  dadurch  in  bemerkenswerter  Übereinstimmung  steht  mit  dem 
Venezianischen,  tilgt  der  Westen  den  tonlosen  Mittelvokal  bei 
auslautend  rt,  behält  ihn  sonst  bei,  mit  anderen  Worten:  das 
Synkopierungsgesetz  ist  hier  jünger  als  das  vokalische  Auslaut- 
gesetz:  manicum  wird  manic,  mdnica  über  manig'a  zu  mcmga. 
Erwähnenswerte  bündnerische  Beispiele  sind  noch:  obw.  m€i(li=^ 
mediciis,  risti  (rtisticus),  dumiesti  (domestiais),  dumeinga  (dominica) 
u.  s.  w.  Eng.  mank'  ist  wohl  wie  frz.  manche  (§  386)  erst 
nach  dem  Feminin  umgestaltet,  ebenso  obw.  Icret  nach  Iretta. 
Das  Unterengadinische  scheint  übrigens  weiter  zu  gehen  in  der 
Synkope,  vgl.  puls,  j^oU,  fors.  Statt  spirt  erwartet  mau  spiri: 
das  Wort  gehört  jedoch  der  Kirche  an.  Die  Grenzen  zwischen 
Ost  und  West  sind  noch  genauer  zu  untersuchen,  dem  Westen 
schliefst  sich  das  Bergell  durchaus  an.  —  Im  Friaulischen  ist 
afie  auffilllig  in  doppelter  Hinsicht:  weil  es  sein  t  verliert,  und 
weil  das  sekundäre  i  mit  dem  n  sich  zu  w  verbindet.  Aber 
man  beachte  die  singulare  Stellung  des  Kosewortes.  Nett  ist 
wohl  Lehnwort  aus  der  Schriftsprache. 

885.  In  Oberitalien  begegnet  zwischen  Westen  und 
Osten  ein  ähnlicher  Unterschied  wie  im  Rätischen:  das  Vene- 
zianische ist  der  Synkope  noch  abgeneigter  als  das  Toskanische, 
vgl.  pulese,  felese,  salese,  das  Bergamaskische  stellt  sich  im  ganzen 
zum  Westrätischen,  das  Mailändische  synkopiert  stets  bei  s^fia, 
s'ma  und  bei  l'ca,  fga,  nicht  aber  in  anderen  Fällen.  Aber 
weiterhin  bleibt  im  Genuesischen  fast  stets,  im  Piemontesischen 
aufser  vor  n  der  Mittelvokal  bestehen,  vgl.  gen.  lendena,  piem. 
lendna.  Hervorzuheben  ist  noch,  dafs  das  Veronesische ,  im 
Gegensatz  zum  Paduanisch- Venezianischen ,  vor  r  synkopiert, 
womit  es  sich  dem  Lombardischen  nähert,  vgl.  esro,  planqro, 
deshatro,  perdro,  cendro ,  lettra,  camhra  u.  s.  w.  —  Wo  aber  auf 
diesen  Gebieten  der  Vokal  schwindet,  da  geschieht  es  stets  nach 


270  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   335^   336. 

Erweichung  der  alten  harten  Verschlufslaute.  Das  T  o  s  k  a  - 
n  i  s  c  h  e  setzt  zunächst  das  lateinische  Gesetz  von  der  Synkope 
in  der  Verbindung  s't  fort,  interessant  ist  da  namentlich  2.  PI. 
Impf.  Konj.  -aste,  ferner  innesta^  oste,  cesto,  rovisto,  aber  mescita, 
crescita,  dann  sc:  vasca,  hrasca,  pesca,  tosco;  bei  l  -{-  Ö:  selce  und 
tralce  (aus  tralice  §  591),  r  -\-  c,  g:  chierca,  sorco,  vargo ,  erga. 
-Aggio  aus  -atico  stammt  aus  dem  Französischen.  Über  magnare 
s.  §  343.  Ob  bei  hit  Synkope  eintritt,  bleibt  unsicher,  da  altital. 
mälatto  und  detta  der  Entlehnung  aus  dem  Französischen  ver- 
dächtig sind ,  '^prebiter  bleibt  prevete,  woraus  preete  prete  §  442, 
conte  ist  proklitische  Form,  endlich  netto  zeigt  Attraktion  der 
beiden  Dentalen,  wenn  es  nicht  etwa  wieder  französisches  Lehn- 
wort ist;  bei  ratio  kann  man  zwischen  rapidus  und  raptus 
schwanken ,  doch  vergleicht  sich  cutretta  und  siz.  cretta  aus 
crepita.  Beddo  aus  rigidus  neben  madia  und  dito  scheint  durch 
freddo  in  seiner  Entwicklvmg  bedingt  worden  zu  sein.  So  bleiben 
für  Synkope  nur  noch  soszo,  lazzo,  muzzo^  über  welche  §  536,  und 
pancia,  das  sich  wie  mattinwm  erklärt,  §  341.  Vereinzelt  stehen  hurro, 
maremma,  lepra.  Aus  den  übrigen  Mundarten  ist  kaum  etwas 
zu  erwähnen:  die  Synkope  in  pulce  u.  s.  w.  kennen  wie  die 
nördlichen,  so  auch  die  südlichen  Mundarten  (neap.,  siz.,  sard.) 
nicht,  dagegen  ist  spirdu  aus  Spiritus  weit  verbreitet,  ferner  stellt 
sich  das  siz.  purdi,  suröi  in  einen  gewissen  Gegensatz  zum  Nea- 
politanischen :  aber  auch  hier  silidj  salaciu,  ilici  u.  s.  w. 

336.  Wie  schon  §  325  gesagt  ist,  führt  das  Französische 
die  Synkope  mit  der  denkbar  gröfsten  Strenge  durch  und  zwar, 
wie  aus  §  313  erhellt,  gleich  dem  Rätischen  nach  dem  Wirken 
der  vokalischen  Auslautgesetze.  Zuerst  ist  das  i  gefallen  bei 
Wörtern  mit  auslautendem  a,  und  zwar  bevor  die  intervokalischen 
Verschlufslaute  tönend  wurden,  daher  sente,  manche,  naclie,  mor- 
dache  =  *mordatica,  bete  farouche  aus  bestia  ferotica  (ferox  nach 
süvaticus  umgebildet),  coutes  Chev.  11  esp.  5780,  10782  =  cvihUa, 
ostfrz.  moleta  =  mälJiäbita  neben  afr.  mange  (manicu),  coude  = 
cubitu,  malade,  bei  denen  der  Ausfall  in  die  Zeit  nach  dem  Über- 
gang von  t  in  d  ftlllt.  Ohne  Rücksicht  auf  den  Auslaut  ist  i 
schon  in  der  ersten  Periode  geschwunden  bei  anlautend  l: 
auques,  puce,   das    scheinbar   widersprechende    yeuse   ist  proven- 


^  336 — 338.  Ausfall  des  Mittelvokals.  271 

zalisches  Lehnwort;  ebenso  harge  und  serge.  Geht  dem  ?  mehr- 
fache Konsonanz  voraus,  so  tritt  die  Synkope  erst  in  der  zweiten 
Periode  ein,  daher  forge,  gange.  —  Eine  dritte  Klasse  von 
Wörtern,  die  jedoch  alle  gelehrt  sind,  behalten  den  Vokal  als  § 
im  Altfranzösischen:    angele,  imagene  u.  s.  w.,  s.  darüber  §  339. 

337.  Das  Provenzalische  bedarf  noch  genauerer  Unter- 
suchung; die  nördlichen  Dialekte,  wie  der  von  Rouergue, 
scheinen  im  ganzen  zum  Französischen  zu  stimmen,  während  die 
südlichen  die  Synkope  stets  nach  Erweichung  der  Tonlosen  ein- 
treten lassen,  ebenso  natürlich  das  Katalanische.  Bearn.  fauJce 
würde  somit  ein  vulglat.  fulca  verlangen;  es  kann  aber  auch  g 
nach  au  zu  k  geworden  sein,  vgl.  §  432.  Zu  der  ersten  Auffassung 
pafst,  dafs  dui-ch  span.  floja  foclia  ein  fülc'la  gesichert  scheint. 
Alter  als  die  Synkope  ist  der  Ausfall  des  d,  bezw.  sein  Über- 
gang zu  z:  tebe,  rege,  Fem.  tehezo,  regeeo  u.  s.  w.,  was  dann  viel- 
fach ausgeglichen  wird :  Mask.  teheg,  oder  Fem.  tehio.  Auch  n  ist 
eher  gefallen :  fraisse,  ase,  kasse,  pampo,  aber  penöe,  perle  aus 
pedine,  vgl.  das  Portugiesische  §  338.  Unter  noch  zu  ermitteln- 
den Bedingungen  bleibt  auch  ica  als  ego :  junego,  senego,  manego 
neben  mango,  gask.  salige,  toiirige  neben  iourgo. 

338.  Im  Westen  fiel  e,  als  <,  c,  p  schon  tönend  waren, 
es  bleibt  jedoch  bestehen  bei  mehrfacher  Konsonanz  im  Anlaut: 
albega,  Idbrego,  huesped ,  orden ,  cercen  u.  s.  w. ;  jueg  neben  juzgo 
ist  wohl  alter  Nominativ,  wie  piedra  pomez.  Ferner  scheint  auch 
hier  bei  auslautend  a  der  Vokal  eher  geschwunden  zu  sein :  agua 
rauda,  lauda  neben  tivio,  turbio  pudio  u.  s.  w.  Im  Portugie- 
sischen ist  sin  am  frühesten  vor  dem  Ausfall  des  n  zu  sn  ge- 
worden :  asno,  cizne,  durazne,  auch  cerne,  daneben  hvcio,  während 
sonst  die  Synkope  des  Vokals  unterbleibt  und  n  fällt:  femea, 
gemeo,  -inem  wird  durch  das  Auslautgesetz  zu  em,  m,  das  meist 
als  em  bleibt,  doch  pente  und  trempe  aus  trepine  statt  trepide,  vgl. 
sard.  trebini.  Endlich  derengar  aus  derenicare  zeigt  ebenfalls 
frühe  Synkope.  Poi-tg.  greita  aus  crepita  wird  durch  greuta, 
creuda,  crebda  zu  erklären  sein,  nicht  klar  sind  eido  aus  a{d)iiu, 
peido  (peditu)  neben  creito  (cre(d)itu).  Altes  btt  bleibt:  covado, 
bevodo,  duvida. 


272  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   339^   340. 

339,  Endlich  kann  der  Mittelvokal  bleiben  und  die  ganze 
Schhifssilbe  fallen.  So  im  Monferrinischen :  hadzo  (hajulns),  eho 
(ebulum)^  roo  (rotulus),  azo  (asinus),  erbo  (arhore),  furgo,  preve 
(*pr€hiter) ,  ende  (indice) ,  pore,  woneben  nun  pürs  (pulce),  fers 
(felce)  auf  ältere  Synkope  weisen.  —  Sodann  hat  das  Französische 
seit  dem  XII.  Jahrhundert  sich  aller  Proparoxytona  entledigt,  es 
hat  also  in  den  §  336  erwähnten  gelehrten  Bildungen  ebenfalls 
durch  Abwerfung  der  Schhifssilbe  den  gewöhnlichen  Rythmus 
eingeführt:  ange,  vierge,  image. 

840.  Es  ist  bis  jetzt  tonloser  Mittelvokal  nur  in  den  Fällen 
betrachtet  worden ,  wo  er  im  Lateinischen  zwischen  zwei  Konso- 
nanten bestanden  hat.  In  der  That  sind  schon  im  Vulgär- 
lateinischen alle  Proparoxytona,  deren  Mittelvokal  mit  dem  Aus- 
laut im  Hiatus  stand,  paroxyton  geworden  durch  Reduktion  und 
Konsonantisierung  eben  des  Mittelvokals :  also  -io,  -eo  sind  zu 
io,  uo  zu  uo  geworden.  Die  Schicksale  dieses  i  und  o  können 
erst  bei  den  Konsonanten  bespi-ochen  werden,  s.  §  501  ff.  Es 
bleiben  nun  aber  i,  u  unter  Umständen  vokalisch  und  zwar  einmal 
in  Erbwörtern,  wenn  der  Schlufskonsonant  eine  enge  Verbindung 
mit  i,  u  nicht  gestattet,  dann  aber  namentlich  in  Buchwörtern. 
Dann  giebt  es  für  die  Behandlung  dieser  Mittelvokale  im  Hiatus 
zwei  Möglichkeiten,  sie  bleiben  bestehen  und  treten,  wenn  die 
Auslautgesetze  den  Fall  des  zweiten  Vokals  fordern,  in  den 
direkten  Auslaut ,  oder  aber  sie  werden  von  der  Tonsilbe  attra- 
hiert.  .  Diese  letztere  Erscheinung  findet  sich  namentlich  im 
Französischen  und  Portugiesischen,  fehlt  aber  auch  den  anderen 
Gebieten  nicht.  Der  Fälle  für  attrahiertes  u  giebt  es  wenige, 
schon  darum,  weil  u  überhaupt  selten  ist.  Zu  erwähnen  ist 
aqua  §  235,  lingua  §  77,  obw.  lienga,  pAeung  =  pingue,  dunk^= 
'^cinque.  Tax.  diesem  im  nördlichen  Frankreich :  chiunch  Ponth. 
25,  8,  chiunk  35,  7,  cieunc  Aire  F .  7 ,  cienc  E.  10,  chiunJcante  Fh. 
Mousk.  11262,  und  so  heute  pik.  söJc.  Ferner  mirand.  iuga  = 
equa,  andal.  estauta ,  perp)euto^  tauba,  reuga  u.  s.  w.  —  Weit 
wichtiger  ist  die  Attraktion  des  i.  Soweit  es  sich  dabei  um  Erb- 
wörter handelt,  mag  auf  §  501  ff.  verwiesen  werden.  In  Buchwörtem 
bewahren  die  ältesten,  namentlich  die  in  England  geschriebenen 
Handschriften  -ie,  vgl.  sacrarie,  glorie,  memorie,  palie  im  Alexis^ 


§  340 — 342.  Tonloser  Mittelvokal  im  Hiaüis.  273 

vidories,  palies  im  Eoland,  testimonie,  glorie,  ivorie  in  Karls 
Keise  u.  k.  w.  Daraus  entsteht  dann  memori ,  glori  u.  s.  w. 
im  Brut,  und  weiter  die  neuenglischen  Formen  memory ,  glory, 
ivory  \i.  s.  w.  Auf  dem  Festland  dagegen  wird  i  attrahiert: 
gloire,  memoire,  so  paile  aus  pallium,  u'de  aus  olca,  estuide  später 
etude  aus  estudie,  und  so  moine  aus  monachus  §  326  u.  s.  w. 
Diese  oi,  ai,  ui  werden  dann  weiter  entwickelt  wie  die  alten, 
also  oi  im  Zentralfranzösischen  zu  uä,  im  Pikardisch- Wallonischen 
zu  0.  Das  Provenzalische  dagegen  tilgt  den  Auslaut  und  läfst  i 
an  seiner  Stelle,  darin  also  völlig  dem  Anglonormannischen 
gleichend :  palt,  ueli,  emperi,  estudi,  evori  u.  s.  w.,  und  so  accordi 
aus  *accordium,  concordi  u.  s.w. — Im  Italienischen  und  Spanischen 
bleiben  20,  ia  in  Buchwörteru,  im  Portugiesischen  dagegen  findet 
wieder  Attraktion  statt  und  zwar  in  viel  stärkerem  Mafse,  als  es 
von  der  Schriftsprache  anerkannt  wird ,  also :  chuiva  =  plut'ia, 
Astuiras,  murmuiro,  aidro  u.  s.  w.  —  Über  eine  besondere  Be- 
handlung von  -uu  s.  noch  §  382. 

e)  Die  Vortonvokale. 

341.  Unter  Vortonvokalen  werden  nicht  alle  tonlosen  Vokale^ 
die  dem  Accent  vorangehen,  verstanden,  sondern  nur  die  un- 
mittelbar vor  der  betonten  Silbe  stehenden  in  Wörtern,  die  den 
Accent  auf  der  dritten  haben,  wie  armatiira.  Solche  Wörter 
tragen  schon  im  Vulgärlatein  einen  Nebenaccent  auf  der  ersten: 
drmatüra;  die  erste  Worthälfte  ist  darin  genau  denselben  Aus- 
lautgesetzen unterworfen  wie  die  zweite,  es  wird  also  z.  B.  a  im 
Rumänischen  zu  ä,  im  Provenzalischen  zu  o,  im  Französischen 
zu  e ;  e,  i,  o,  u  fallen  im  Französischen,  Provenzalischen,  Rätischen, 
u  im  Rumänischen.  Es  stellen  sich  dann  auch  hier  zum  Teil 
dieselben  Fragen  über  die  Ausfallszeit,  über  die  Qualität  des 
gebliebenen  Vokals,  wie  bei  der  Behandlung  des  tonlosen  Mittel- 
vokals §  326  if.  In  die  vulgärlateinische  Periode  scheint  nur 
ein  Beispiel  zu  reichen:  mattinus  aus  mdtutinus:  hier  ist  der 
tonlose  Vokal  zwischen  den  beiden  identischen  Konsonanten  aus- 
gefallen. 

342.  Im  Rumänischen  also  wird  a  zu  a,  u  fällt;  a  stellt 
sich  als  Bindevokal  vor  Suffixen  auch  au  Stelle  von  e,  i  ein,  vgU 

Meyer,  Grammatik.  18 


274  I-  Kapitel:  Vokalismus.  S   342 344. 

fumätor,  afundäturä,  jurämint,  danach:  frmgätor,  fiigäfor,  cäzä- 
mmt,  asternäturä,  hunätate  u.  s.  w.  —  Beispiele  für  den  Schwund 
von  u  sind  selten  :  exsucare  wird  zu  wsca,  interrogare  zu  *int€rgud, 
entrebd,  also  beide  Male  nicht  direkter  Ausfall.  —  Aus  gravUate 
wird  greotate  nach  §  311 ,  nicht  recht  klar  sind  pämtnt  aus 
pavimentum,  vielleicht  liegt  auch  hier  xiäämtnt  zu  Grunde,  und 
späimint,  *expavimentum.  Vereinzelt  sind  destul  aus  desätul, 
amndr  neben  amindr,  indemnd  zu  minare,  mäncd  aus  manducare, 
frumseatä  aus  *formositia,  hätrin,  vesmint,  mormint,  surüpä,  surpa, 
uitä,  ultd,  maz.  invirina,  inverndre  =  invelenare. 

343.  Im  Italienischen  fallt  e  nach  r,  l,  n:  cervello,  vergogna, 
älcuno,  beltä,  cavalcare,  -elmente,  vorrö ,  bontä,  vantare,  santä, 
cominciare,  ebenso  o  nach  n :  pianforte,  pianterreno,  i,  e  zwischen 
s  und  t:  destare,  mastino,  costura,  zwischen  s  und  c:  riscare,  d'c: 
dozzina,  st-d:  fuscello.  Interessant  ist  andare  aus  ambitare  neben 
-contare  aus  compitare  =  computare,  ferner  leccornia  und  ghiottornia. 

U  fällt  in  improntare.  Wie  mattmum  sind  zu  beurteilen  menzogna 
aus  mentitionea  und  baratlore  aus  barattatore.  —  Am  jüngsten  ist 
der  Ausfall  nach  r,  er  tritt  erst  ein,  nachdem  c  zu  g,  b  zu  v 
gewoi-den  sind.  Nicht  toskanisch,  sondern  römisch  scheint  magnare 
aus  mandicare  zu  sein. 

344.  Am  wichtigsten  wird  das  Synkopierungsgesetz  fürs 
Französische.  Hier  erhalten  wir :  afr.  armeure ,  empereor, 
chanteor,  ossement,  chaelit,  pareis,  comperer  u.  s.  w. ,  aber  mit 
Ausfall  von  e:  coütume,  verrat,  berger,  blämer,  vergogne;  e: 
cerveau;  %:  dortoir,  viendrai,  mounier ,  racine;  i:  beaute,  sante, 
donter,  mermer,  clergon;  ö:  octroyer ,  barnage,  maisniee,  araisnier; 
e:  marbre,  arbroie;  ü:  petrir,  ceintrer;  ü:  sablon,  sanglier,  onglee 
u.  s.  w.  Es  bleibt  aber  e,  i,  o,  u  nach  Kons.  -\-  r:  larrecin,  enterin, 
pelerin ;  nach  mn :  demoiselle.  Ferner,  wenn  zwischen  Vorton- 
vokal  und  Tonvokal  mehrfache  Konsonanz  steht :  soupegon  = 
suspectione;  espoenter,  courrouder,  wozu  auch  U,  ni  gehören,  die 
dann  vor  sich  i  verlangen:  aiguillon,  Champignon,  pavillon.  Da- 
gegen mesprendre  =  minuspr ender e,  mestier  =  ministerium,  mou- 
stier  ==  "^  monister  tum ,  vgl.  ital.  monisterio  Cola  di  ßienzi  413. 
Was  die  Zeit  des  Ausfalls  betrifft,  so  spricht  manches  dafür,  dafs  die 
tonlosen  Laute  schon  tönend  waren,  man  vgl.  aufser  einigen  oben 
tstehenden    Beispielen    l-andier    zu    amite,    clerge,    fougere,    venger 


^   344,    345.  Die  Vortonvokale.  275 

neben  revanclie ,  jadeau  neben  jatte ,  plonger  neben  afr.  ploncMer, 
sente  neben  saintog.  sertdkr,  nicher  aber  saintog.  deniyer,  plait 
neben  plaidoyer  (aber  pyatye  Urimenil).  Nicht  direkt  dagegen 
würden  amistie,  moitie,  pitie  sprechen:  sie  können  ihr  t  von 
anderen  Bildnngen  anf  -te  bezogen  haben,  pi<?e'  findet  sich  aufser- 
dem  im  Osten :  Ysopet  und  Morvan,  und  im  Westen :  Katharina 
von  Poitou.  Doch  bleibt  manche  Dunkelheit;  es  scheint,  dafs 
jede  einzelne  Lautgruppe  für  sich  betrachtet  werden  mufs :  l't  ist 
früher  zusammengetreten  als  l'c,  wie  hcaute  neben  fougere  zeigt; 
neben  plaidoier  steht  daintie,  das  mit  amistie  wohl  pafst;  neben 
berger,  hergeaille  afr.  herchil  und  das  sonderbare  nfr.  hercail.  Die 
ganze  Sache  bedarf  noch  sorgfältiger  Untersuchung.  Auch  sonst 
zeigen  sich  Schwierigkeiten  verschiedenster  Art :  delicatvs  erscheint 
als  deiigie'  und  als  delie,  decoraüis  als  diore:  die  beiden  letzten 
offenbar  ganz  gleich  entwickelt,  aber  Avie  zu  erklären?  Lat. 
praedicare  ist  erst  nach  Wirken  des  Synkopegesetzes  aufgenonmien, 
und  wird  zu  preecMer,  ebenso,  wie  es  scheint,  impedicare: 
empeechier.  Aus  mdladicere  iind  danach  gebildetem  *benadice)e 
erklären  sich  afr.  maleir,  heneir,  auch  altital.  maladetto,  obw. 
maladir.     Hat  sich  nun  oheir  danach  gerichtet? 

345.  In  einer  zweiten  Periode  fällt  im  Französischen  der 
Vokal,  wenn  der  eine  der  beiden  Konsonanten  r  oder  l  ist, 
selten  in  anderen  Fällen,  wie  z.  B.  sovpgon.  So  schon  zum  Teil 
afr.:  merveiUe  (mereveille  Ezechiel,  Gir.  Eoss.),  serment,  parvis, 
dernier,  denree,  sevrer,  larcin,  comprer  Aiol  7725,  cource  (cour- 
rouce)  Phil.  Vign.  29,  arter  =  arreter  Gringore  S.  Louis  675, 
7365,  par^on  (pare^on  Froissart),  so  afr.  dorrai,  merrai  u.  s.  w. 
Seltener  bei  l:  chalmer  neben  chalumeaii,  albätre,  chablis.  Gerade 
bei  r  nach  Konsonanten  zeigt  das  Altfranzösische  ein  gewisses 
Schwanken:  povei'in  Alex.  20  e  aus  pauperinus,  man  erwartet 
povrin,  was  auch  vorkommt,  torterelle  neben  tortrelle ,  heverage 
neben  heviage,  souverain,  marberin ,  chamberiere.  Wie  man  sieht, 
sind  alles  Ableitungen  von  Wörtern  auf  rc,  es  hat  also  offenbar 
das  Primitivum  mit  eingewirkt;  unter  Einflufs  von  2^^'^'''^  tortre 
wurden  povrin  tortrelle  zu  poverin  tourtercll€\  vgl.  noch  §  388. 
Weiter  gehen  oft  die  Mimdarten,  z.  B.  neuenb.  apld,  öaüä,  abstm', 
arvd,  devnd,  €pnas§,  fosnd  (foisonner)  u.  a.     Vgl.  auch  §  372. 

18* 


276  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   345 348.. 

A.  Darmesteter,  La  protonique  non  initiale  non 
en  Position,  Rom.  V,  140  ff.  Nach  ihm  wird  die  Regel 
häufig  das   „Darmestetersche  Gesetz"  genannt. 

346.  Ganz  dieselben  Verhältnisse  zeigt  das  Westrätische^ 
a  bleibt,  die  anderen  Vokale  fallen,  obw.  dzavrar  ist  seperare 
nicht  separare,  dann  also  eng.  juvnel,  varded,  sunlont,  avder,. 
undro  (onoratus),  sanded,  verguoda.,  dunsella,  masder,  masler 
(mascellaris),  pettnera,  aber  obw.  laderniö;  ferner  maladir.  Der 
Unterschied  zwischen  dunMla  und  frz.  demoiselle  entspricht  genau 
dem  zwischen  frz.  somme  und  obw.  sien  aus  somnus. 

847.  In  den  italienischen  Mundarten  verhält  sich 
der  Vortonvokal  ähnlich  wie  der  auslautende.  Freilich  fehlen 
auch  hier  gerade  für  die  Abruzzen  noch  genauere  Angaben.  In 
Oberitalien  mag  das  Mailändische  hervorgehoben  werden  mit 
masnd  (macinare),  lüsnd,  disnd,  setdss  (seditarsi),  womit  §  335  zu 
vergleichen  ist.  Daneben  steht  aber  in  ganz  Oberitalien  desseddr  = 
ital.  destdre.  Interessant  ist  noch  ostlomb.  higol  aus  umbiliculus : 
die  Synkope  mufs  hier  zu  einer  Zeit  eingetreten  sein,  wo  hl  noch 
hi  werden  konnte.  Das  Emilianische  synkopiert  mit  grofser 
Konsequenz  und  sagt  sogar:  aptit,  apste  (appestare),  dshes  (disse- 
carsi),  Tzurptin,  insuspti,  arsptsne  (*rispiccinare),  imbde  (inspiedare), 
hdera  (pisellaja),  hudgir,  hudzella,  pundsell,  vindgen  (venticine),  ftmget 
(fondachetto) ,  vindor  (venditore) ,  andge  (annegare),  tsampteri 
(cimiterio)  u.  s.  w.  —  Die  südlichen  Mundarten  dagegen  meiden 
die  Synkope  und  gehen  eher  weniger  weit  als  das  Toskanische, 
vgl.  aleJcuno  bei  Rusio,  Nicolö  de  Bortona  u.  s.  w.  Doch  sagt 
das  Siz.  umgekehrt  IcarJcari  gegenüber  ital.  caricare,  Lecce 
erdate  =  veritate,  farnaru  =  farinarius. 

348.  Im  Westen  ist  die  Synkope  sehr  beschränkt.  Sie 
tritt  ein  zwischen  zwei  gleichen  Konsonanten:  span.  ligamba  aus 
ligagamba,  cejunto  neben  cejijunto,  miramolin  neben  miramamolin ; 
malvisco  aus  malvavisco ;  dann ,  wenn  der  erste  Konsonant  l  ist : 
delgado,  helguera,  corlar  aus  coh'ar ,  auch  maisin  aus  malvesin; 
zwischen  s  und  n:  coramada,  maznar;  wenn  der  zweite  Konso- 
nant r  ist:  desäbrido ,  lebrar,  lebrero ,  ondrar,  medrar,  merino 
Mufloz  S.  31  a.  955;  endlich  wie  nach  dem  Tone:  caudiUo  aus 
capitellum,    caudal ,    woneben  räar  auffällig  ist;    contar,    endlich 


§    348—350.  Die  Vortonvokale.  277 

hendecir,  cornado,  alnado  aus  antenatus  §  535.  Aus  dem  Portu- 
giesischen verdient  etwa  noch  Erwähnung  arnado,  arneiro  zu 
arena.  Ferner  ist  hervorzuheben  span.  omhligo,  aber  portg. 
•enibigo  aus  umhilicKS. 

f)  Die  Alllautsvokale. 

349.  In  erster  Silbe  erweist  sich  das  a  als  der  widerstands- 
fähigste Lautj  die  umgebenden  Konsonanten  beeinflussen  es  in 
vcrhältuismäfsig  geringem  Grade  s.  §  360  ff.;  im  allgemeinen 
bleibt  es  bewahrt.  Eine  Ausnahme  macht  das  Rumänische,  das 
■a  im  gedeckten  Anlaut  zu  ä  wandelt,  und  der  nördliche  Teil 
des  provenzalischen  Sprachgebietes,  namentlich  Dordogne,  Haut- 
Limousin,  Aurillac,  Gabors,  Die,  Aveyron,  Rouergne,  wo  o  für  a 
eintritt.  Also  rum.  cäzn  zu  cdd,  cäläre  zu  cäl,  däunez  zu  daun^ 
läudd  zu  Idud,  aber  im  direkten  Anlaut :  arätd,  adäpost  u.  s.  w. 
Rouerg.  omilc,  Jcohestrej  Jcorrügo,  sohüt,  roke,  loöügo,  Icondelo,  porld, 
öbelo  u.  s.  w.  Auch  ein  Teil  von  Südostfrankreich  schliefst 
sich  an ,  Fourgs :  oliud^  (accorder),  oväfo^e,  patoge,  opetit  u.  s.  w. 
Dagegen  wird  a  im  Lothringischen  wie  d  §  258  zu  §,  vgl.  aimin 
Lot.  Ps.  54,  13;  qiimchiez  13,  3;  peroJles  6,  1;  person  15,  6 
ti.  s.  w. ;  erdiesce  Ysop.  1066;  essez 89'^  essamhle  914:'^  pesture  184:2 
u.  s.  w. ;  ainer,  haiUe  Ph.  Vign.  49;  chailloit  52,  wozu  noch 
«ine  Reihe  umgekehrter  Schreibungen  kommen  im  Psalter  und 
Ysopet.  So  heute:  p§se,  §^e,  s^pifi,  ^mi,  §put§  (aporter),  §nye 
(agneau),  tr^veyi,  ^hi,  Im^sö,  liftoK  (qtmtorze)  u.  s.  w.  Ebenso  in 
Lüttich:  derru^  er§r,  desi,  lese,  res^n  (racine)  u.  s.  w. 

Unklar    ist    die  Verteilung   von  o  und  §  in  Urim^nil : 

orgent,  porrain,  porot,  orpente,   orchure,    ormaire,  chornte, 

chodon  (chardon),  gohJion  (gar^on),  also  vor  r,  fogot,  sohon 

(Saison),   töhhon,    fotigue,    odiant   (gland),    diogon ,    ecoye 

(ecailler),  hope  neben  braimer,  saipin,  saivu,  peredis,  pere, 

pertege,  pessege,  redne,  peture,  ppv^ge  u.  a. 

Auch    das  Friaulische    zeigt    eine    grofse  Vorliebe    fllr    e,    i 

statt  a:   rezon,    telon,    fevele,   pe^-aule,    lementar;  gridizz,  strissind, 

ridriss,  gridele. 

850.  Auch  lateinisch  1  bleibt  meist  erhalten,  abgesehen  von 
den  §  358  besprochenen  Erscheinungen.  Also  z.  13.  rum.  direg, 
ital.  primaio,  tncino,  inverno,    cittä,    frz.   ivern,   tnUain,    die,  tnsne^ 


278  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   350,   35 K 

tinel,  span.  invierno ,  primero,  ciudad  u.  s.  w.  Eine  Ausnahme, 
bilden  frixura,  frixorium,  die  im  Lateinischen  1,  hatten,  vgl.  aneap.. 
soffressare,  friaul.  fersorie,  ven.  fersora,  lecc.  fersura  neben  friaul. 
frissorie ,  gen.  fri§oe  =  *frixeolum ,  '^fridalia ,  afriaul.  fretaye  und 
fertaye,  ven.  fortaza.  Sodann  mJräbüia  aber  ital.  meraviglia,  frz. 
merveille,  asp.  meravija.  Ferner  rum.  cetate  im  Gegensatz  zu 
allen  anderen  Sprachen.  Man  erwartet  cietate:  denkbar  ist,  dafs 
das  i  von  dem  d  absorbiert  wurde.  In  rum.  derege,  in  span.. 
derecho  liegt  de-  statt  dl-  vor,  in  rum.  rädäcina  statt  *rädicina 
Assimilation.  Regel  ist  Übergang  zu  e  in  Lecce :  reare  (arrivare),. 
detd,  lenazze  (zu  inu,  vinum),  dedemieniu  (zu  dido),  tezzune,  in 
Sturno  (Principato  Ult.)   arrevata,  Icastegd,  Chieti :  vesetd,  reguroso, 

351.  Auch  ü  ist  im  allgemeinen  geblieben  und  auf  den 
M-Gebieten  (§  47)  zu  ü  geworden.  Ital.  puttana,  umore,  fuscello 
u.  s.  w.,  span.  rumor'  u.  a. ,  frz.  puttain,  pucelle,  fuseau,  obw. 
pitanar,  ftstaÖ  u.  s.  w.  Tonloses  i  neben  betontem  ü  steht  im 
Tessin :  mür  aber  mira^,  ferner  sidö,  rimö,  hiter  (hutirrq)  u.  s.  w. 
Das  Kumänische  kann  nicht  in  Betracht  kommen,  da  es  ü,  ü,. 
ö,  ö  auf  eine  Stufe  stellt.  Sonst  verwickelt  sich  hier  bei  ü  die 
Sache,  schon  bedeutend.  Einmal  erscheint  bald  weiter,  bald 
weniger  weit  verbreitet  o  statt  u:  rumore:  obw.  rumur  und 
ramur ,  kat.  ramor,  agen.  remor,  ital.  rimore  mit  e  statt  o  nack 
§  358;  omöre:  agen.,  äsen,  omore;  polegiu  statt  pülegium:  ital. 
puleggio,  frz.  pouliot,  span.  polejo,  portg.  poejo,  ahd.  polei:  viel- 
leicht verdankt  die  Schreibweise  pulegiiim  ihre  Entstehung  nur 
einer  falschen  Etymologie  und  ist  vielmehr  püllegium  die  richtige 
Form,  woraus  pülegium  nach  §  545.  Zu  frz.  outil  aus  ^usittle 
gesellt  sich  agen.  osura,  äsen,  osanza;  frz.  oignon  zeigt  o,  das 
auch  durch  ags.  ynne  bestätigt  wird.  Vereinzelt  stehen  frz.  foisony 
das  wohl  den  Vokal  von  fundere  bezogen  hat,  aneap.  orinare, 
span.  orina  zu  ürina,  aital.  stromento,  das  wie  äsen,  formento, 
frz.  froment  eine  besondere  Stellung  einnimmt  wegen  seines  r^. 
afr.  onir,  portg.  soveUa,  ital.  scojattolo,  span.  hollin,  jocundo. 
Merkwürdig  ist  *cominicare  statt  comiinicare,  agen.  scomeneca, 
rum.  cuminecd,  afr.  acuminiet  Rol.  3860.  Dagegen  wird  ital. 
manicare  zu  manuco  erst  nach  dem  Muster  digiuno  —  desinare 
gebildet  sein. 


§  352. 


Anlautend  A,     I ,  U,  E. 


279 


352.  Der  Qualitätsunterschied,  der  zwischen  betontem  e  und  e 
besteht,  ist  in  tonloser  Silbe  nicht  zu  bemerken :  hier  fallen  viel- 
mehr S,  i;  l  imter  e  zusammen,  das  bald  mehr  bald  weniger 
stark  zu  i  hinneigt.  Im  Toskanischen ,  Romagnolischen ,  Sizi- 
lianisch-Kalabresischen  und  in  Brindisi,  dann  im  Moldauischen, 
im  Morvan  und  im  Wallonischen,  endlich  im  Asturischen  ist  i  das 
Regelmäfsige ,  doch  gilt  vom  Sizilianischen  das  §  307  Bemerkte. 
Im  Portugiesischen  wii'd  e  geschrieben ,  aber  e  gesprochen ,  im 
Französischen  wird  e  in  offener  Silbe  zu  §  reduziert,  in  ge- 
schlossener bleibt  es  als  e  (geschrieben  e),  die  Reduktion  tritt 
auch  ein  im  Neapolitanischen  und  in  den  Abruzzen,  endlich  kann 
es  auch  völlig  ausfallen,  worüber  §  372.  Umgekehrt  vergröbert 
sich  im  Katalanischen  imd  Westrätischen  e  zu  a. 


Lat. 

DE- 

KE- 

DIS- 

ME 

SECÜEU 

Rum. 

de- 

re- 

des- 

me 

— 

Friaul. 

de- 

re- 

me 

(sijur) 

Obwald. 

da- 

ra- 

ma 

sagir 

Ital. 

di- 

ri- 

dis- 

mi 

siguro 

Mail. 

de- 

re- 

des- 

me 

segür 

Frz. 

de- 

re-  ■ 

de- 

me 

seur 

Span. 

de- 

re- 

des- 

me 

seguro 

Katal. 

da- 

ra- 

das- 

ma 

sagur. 

Lat. 

MEDULLA 

PENESTKA 

MINOEE 

LIXIVA 

NEPOTE 

Rum. 

§  363 

fereasträ 

2e§ie 

nepot 

Friaul. 

meule 

— 

(lissive) 

nevod 

Obwald. 

maguoll 

(fidastra) 

manüd 

— 

— 

Ital. 

midolla 

finestra 

minore 

• — 

nipote 

Mail. 

meolla 

fenestra 

menor 

lesia 

nevod 

Frz. 

meolle 

fenestre 

meneur 

lessive 

neveu 

Span. 

meollo 

— 

menor 

lejia 

nebod 

Katal. 

madulla 

— 

— 

nahoL 

Lat. 

SENIORE 

LEGUME 

Rum.               — 

legum 

^ 

Friaul.            — 

(lijums) 

Obwald.      (sior) 

— 

Ital. 

signore 

— 

280.  I;  Kapitel:  Vokalismus.  §   352. 

Mail.  senor  — 

Frz.  seigneur  — 

Span.         senor  leum 

Katal.  —  legumbre. 

Rum.  sigur  stammt,  wie  schon  der  Accent  zeigt,  vom  griech. 
aiyovQog.  Moldauische  Beispiele  :  vini ,  ti ,  mi ,  di ,  pi  u.  s.  w. 
Mazedonische:  ni,  di,  hirbets,  fitses  =  fecisti  u.  s.  w.  Sizilianische : 
mi,  ti,  si,  ri,  di,  vinf,  finestra  u.  s.  w.  Bemerkenswert  ist,  dafs, 
während  Brindisi  noch  i  zeigt:  di,  pi,  sirenu,  fibraru,  die  ganze 
Ostküste  sonst  nur  e  kennt,  z.  B.  Lecce :  de,  pe,  serenu,  fehraru. 
Auch  dem  Römischen  und  Umbrisch-Aretiuisch-Senesischen  eignet 
noch  e,  dann  wieder  dem  ganzen  Norden  aufser  dem  Romag- 
nolischen,  vgl.  romg.  diste  (destare),  timpesta,  dumistihe,  muniteri. 
In  Betracht  kommt  hier  fast  nur  gedecktes  e,  weil  freies  fällt. 
Die  nicht  wenigen  Beispiele  mit  erhaltenem  e  im  Italienischen 
erklären  sich  teils  durch  Einflufs  stammbetonter  Formen  wie 
gätare,  fedele,  peggiore,  megliore,  teils  der  lateinischen  Bttcher- 
sprache,  wie  festuca  neben  älterem  fistuga,  secondo,  älter  sicondo, 
teils  durch  Assimilation :  penello,  cesello.  Wallonische  Beispiele : 
di ,  mi ,  fistu ,  nivaye  neben  p§lot.  Sodann  weiter  südlich  im 
Morvan:  lise,  lissö,  mi^ö,  mimupr,  wozu  sich  di,  rimemhrer,  visin, 
ligiere  im  Dial.  an.  rat.  vergleicht.  Im  Portugiesischen  spricht 
man :  s§guro,  nevode,  d§,  r§.  Asturische  Beispiele :  sinör,  Umpural, 
miöor,  priparar,  diversion  u.  s.  w.,  und  damit  ist  assinto ,  sinero, 
sinal,  ensinar  (nur  vor  n  ?)  im  Alexander ,  Mrmano ,  disdixo, 
estrimado,  minuda,  vinmda,  vindida  im  Fuero  Juzgo  zu  ver- 
gleichen. Auch  das  Andalusische  und  in  Amerika  Bogotan  und 
Buenos-Ajres  folgen  diesem  Zug  nach  den  Extremen.  In  einigen 
Fällen  ist  i  auf  weitem  Gebiete  eingetreten,  ohne  dafs  der  Grund 
recht  ersichtlich  wäre:  frz.  timon,  span,  timon;  sj)an.  dinero, 
portg.  dinheiro ,  agen.  diner  (aber  frz.  denier) ;  vulglat.  desinare 
scheint  umgestellt  zu  *disenare,  frz.  disner,  diner,  agen.  disnar, 
aber  ital.  dhsindre.  —  Agen.,  aven.  Grigor,  apis.  G-hirigoro  für 
Gregor  fuidet  vielleicht  in  der  griechischen  Aussprache  seine 
Erklärung.  —  Beispiele  für  a  im  Obwaldischen  sind  noch :  dasiert, 
hanadir,  saniestar,  maiadar  (miscitare) ,  sa  =  si  und  sie.  Auch 
am  Lago  Maggiore  ist  a  sehr  beliebt,  wenn  es  auch  nicht  zum 
Durchschlag    gekommen    ist,    vgl.    praye,    snaye,   paJceu,    va^eha 


§   352,   353.  Anlautend  E.  281 

(vecchiezza) ,  ma§Jc'e,  trasind  (trecento) ,  bavü  u.  s.  w.  Im  Kata- 
lanischen ist  die  Trübung  alt,  da  schon  die  mittelalterlichen 
Texte  e  und  a  ohne  Unterschied  schreiben :  aximplis,  axit,  mantir, 
marim,  mateix,  nagar,  patit,  plavis,  ra-,  trasor,  ma,  ta,  sa  und 
die  umgekehrten  Schreibungen  pegats ,  equel  vi.  s.  w.  in  den 
7  Meistern.  Heute  gehöi-t  sie  Barcelona,  Gerona,  Taragona, 
also  dem  Osten,  und  Alghero  an.  —  Die  französische  Regel,  wo- 
nach f  in  offener,  ('  in  einst  geschlossener  Silbe  stand,  ist  nicht 
ganz  streng  durchgeführt :  des  wird  vor  Konsonanten  zu  de,  dann 
dringt  e  auch  in  des^"^^  ein.  Velin,  sceler  erklären  sich  aus 
veelin,  seeler,  daneben  steht  veler  von  vele  =  vee'lle  aus.  Sejour 
neben  secours  erklärt  sich  aus  älterem  sozjor.  Nicht  ganz  klar  ist 
die  Verteilung  von  e  und  f.  Man  erwartet  zunächst  überall  e, 
precher  u.  dgl.  erklären  sich  leicht  durch  stammbetonte  Neben- 
formen, vgl.  peclie  und  etais  neben  etre.  Vor  r  ist  ^  eingetreten : 
erreur,  personne.  Übrigens  zeigt  sich  nach  Zeit  und  Ort  ein 
noch  genauer  zu  untersuchendes  Schwanken :  während  heute  etais, 
epouse  mit  e  gesprochen  werden,  verlangen  die  Grammatiker  des 
XVI.  und  XVn.  Jahrhunderts  ^;  so  Rambaud  1578,  Duval  1604, 
Maupas  1624,  während  schon  Laval  1614,  Oudin  1633,  Chifflet 
1659  die  heutige  Aussprache  angeben.  Manche  Mundarten  halten 
aber  ^  fest,  vgl.  Champlitte:  eirez,  dgbo§,  r^trceve,  dfsöbei. 

853.  Wie  mit  den  palatalen,  so  verhält  es  sich  mit  den 
labialen  Vokalen :  6,  ö,  ü  sind  unter  o  zusammengefallen.  Dieses 
0  ist  im  Rumänischen,  Rätischen,  dem  gröfsten  Teile  Italiens,  in 
Frankreich,  Ostkatalanien  und  im  Portugiesischen  und  Asturischen  zu 
V  geworden,  als  o  ist  es  geblieben  im  Spanischen,  Venezianischen, 
in  beschränktem  Mafse  im  Toskanischen,  in  Val  Soana.  Reduktion 
zu  §  begegnet  in  den  Abruzzen  und  im  Neapolitanischen, 
ferner  in  Ostfrankreich,    in  Jujurieux    und  wohl  noch  anderswo. 


Lat. 

COEONA 

DOLOKE 

MÜLIERE 

*POTEBE 

MORIRE 

PORTAB] 

Rum. 

cununa 

durere 

— 

puted 

muri 

purta 

Engad. 

— 

diäair 

mulier 

pudair 

murir 

purter 

Ital. 

Corona 

dolore 

mogliera 

p  ödere 

morire 

potiare 

Mail. 

Tcuruna 

dtdur 

muyei' 

— 

muri 

porta 

Frz. 

couronne 

douleur 

moulier 

pouvoir 

mouiir 

porter 

Span. 

Corona 

dolore 

mujer 

poder 

morir 

portar. 

282  I-  Kapitel:  Vokalismus.  8   353     354 


Hier  folgt,  wie  schon  bemerkt,  auch  Lecce  dem  Zuge  nach 
dem  extremsten  Vokal :  nJcurunare,  puiire,  furmiJca,  durmire,  Jcun- 
tare  u.  s.  w.  —  Es  ist  schwer,  in  das  Toskanische  eine  Ratio 
zu  bringen :  pulire,  iibbidire,  fucile,  fucina,  munistero,  pulcino  u.  a. 
scheinen  u — i  zu  bedingen,  aber  das  alte  giucare,  ferner  arhuscelh 
widersprechen;  im  Äsen,  ist  u  noch  ausgedehnter:  brudetto, 
cuperto,  cussi,  huttiga  u.  s.  w.  —  Im  Französischen  bilden  soleü 
(aber  souleil  bei  Baif),  colomh  (Palsgrave  coulomb),  cdlonne 
(Filetier  conlonne)  schwer  zu  deutende  Ausnahmen,  auch  corvee^ 
rosee  (mittelfranz.  aber  rousee)  fügen  sich  nicht,  wogegen  porter ^ 
dormir,  hötel,  cöte,  fossee  u.  s.  w.  sich  leicht  als  beeinflufst  von 
porte,  dort,  höte  u.  s.  w.  erklären.  —  Das  Portugiesische  bleibt 
trotz  der  Aussprache  '\Jt,  auch  hier  meist  der  historischen  Ortho- 
graphie treu,  doch  vgl.  furar  von  forare.  Asturische  Beispiele 
sind :  furhau  (forcado),  furmientii,  mutiika,  rudau,  siäomhra  u.  s.  w. 
Für  die  Reduktion  zu  f,  i  vgl.  seppertd,  mement,  kementsann, 
pertsequetore,  quintsüatsione  Larino  (Molise),  siööidi  (succedere),  pitev 
(poteva),  vile,  aJcimintsar  Matera.  Jujurieux :  ]c§v§rtd,  1c§lyi,  Tc^sin^ 
s§lua,  dr§mi.  Merkwürdig  ist  ü  aus  o,  ■j*  in  Ostfrankreich,  vgl. 
üzce  (oiseau),  ünö  =  oignon,  üto  (hötel)  in  Bresse.  —  Auch  hier 
begegnet  vereinzelt  u  statt  o:  neben  portg.  colher  steht  itaU 
cucchiajo,  frz.  cuiller ,  span.  cuchar ,  ags.  cuclera;  neben  itaL 
cognato  mail.  küfia,  tessin.  kinotv,  Val  Soa.  Jcünia,  span.  cunado, 
^ortg.  ctmhado ,  während  cognoscere  nirgends  u  zeigt.  —  Neben 
ital.  scodella  steht  scudella,  frz.  ecuelle,  span.  escudüla,  portg. 
escudeüa,  offenbar  frühzeitig  an  sciitum  angelehnt.  —  Vereinzelt 
ist  span.  dvrmon  (ÖQÖf^mv),  in  lugar  (Cid  128  logar),  jugar,  hurano 
liegt  wohl  Einflufs  des  Diphthongen  von  luego,  juego,  fuera  vor. 
Prov.  melhurdr ,  eng.  melürdr  aus  *meliorare  sind  an  die  Verba 
auf  -urare  angeglichen. 

354.  Lateinisch  au  wird,  von  den  §  29  erwähnten  Fällen 
abgesehen,  im  Rumänischen,  Rätischen  und  Italienischen  zu  w, 
im  Französischen,  Spanischen  zu  o,  im  Sizilianischeu  zu  ä.  Das 
u  im  Rumänischen  und  Rätischen  ist  vielleicht  erst  nach  §  353 
aus  0  entstanden. 

Lat.  AUDIKE     GAUDEEE       PAUSABE     AUEICLA     AUCELLU    *RÄ.UBAEE 

Rum.  —  —  —         urechie  —  — 


§   354,   355.  Anlautend  Q,  AU.  283 

Engad.  udir  ohw. giider  piiser  urala  uöil  ohyf.rubar 

Ital.  udire  (godere)       (posare)  (orecchia)  uccello  ruhare 

Frz.  oiiir  jouir  poser  oreille  oiseau  deroher 

Span.  oir  —  posar  oreja  —  rohar. 

Rumänisch  andi,  ital.  godere,  posare  erklären  sich  durch 
Einflufs  der  stammbetonten  Formen  vgl.  aber  pusare  Rain.  B.  676, 
andere  Fälle  sind  rum.  curechiu,  ital.  fiutare,  chiudeva,  daher  chiudo ; 
unerklärt  ital.  oreccMo  neben  richtigem  äsen,  urecchio.  Französisch 
ouir  u.  s.  w.  nach  §  377.  Sizilianische  Beispiele :  äriliiy  äöeddu^ 
lädanmi.  Auch  die  norditalienischen  Mundarten  bleiben  meist 
bei  o:  gen.  oir,  odacia,  mail.  gode  u.  s.  w.,  aber  üsell,  düsd, 
gewöhnlicher  noch  ist  ai,  oi :  mail.  olcell,  volsd  (ausare),  ponsd, 
oldir  bei  Bonv.,  aven.  laldare,  äldegarse,  aldire.  —  Auch  das  Alt- 
toskanische  kennt  das,  aber  nur  in  gelehrten  Wörtern :  altoritd, 
aUentico ,  älgelli,  gäldere,  laldare  und  danach  lälde.  Sodann  ist 
auccidere  statt  occidere  zu  nennen:  ital.  uccidere,  afr.  occire, 
amail.  olcidere,  aven.  aleidere.  —  Nicht  i-echt  klar  ist  lomb.^ 
westrät.  ascdr  =  ausicare,  —  Sekundäres  au  (au)  wird  im  Spa- 
nischen zu  a:  recaddr,  cacera,  portg.  sadio ,  ^salutivus  neben 
sduddde,  während  sonst  das  aus  ai  entstandene  au  behandelt 
wird  wie  unter  dem  Tone :  frz.  autel  u.  s.  w. ,  span,  otero  u.  a. 
Mit  aucellus  stimmt  avi-tarda  nicht  überein :  der  Einflufs  von 
avis  war  hier  stark  genug,  um  die  nach  §  27  zu  erwartende 
Kontraktion  zu  verhindern.  Aus  avitarda,  portg.  äbetarda,  ent- 
stand avutarda,  daraus  aspan.  agutarda  Caza  75,  29,  nspan. 
avutarda,  prov.  autarda,  frz.  ontarde,  ital.  ottarda. 

355.  Lateinisch  ae,  oe  liegt  nur  in  wenigen  Beispielen  vor. 
Im  Italienischen  wird  es  wie  altes  e  zu  i,  auch  das  Spanische 
zeigt  die  Behandlung  von  e,  wogegen  das  Französische  nicht  recht 
klar  ist.  Vgl.  ital.  cimento,  cisello  (neben  cesello  mit  Assimilation) 
cimitero ,  ciholla;  span.  ceholla,  cimiento  nach  §  359,  aber  cincel, 
das  jedoch  auch  seines  n  wegen  auffallt;  frz.  ciment,  ciseau  mit  iy 
ciboiüle  ist  natürlich  ein  junges  Lehnwort  aus  dem  Italienischen. 
Da  schon  im  Lateinischen  cisorium  vorkommt,  so  könnte  auch 
ciselltim  vulgärlateinisch  sein,  vgl.  bret.  kizel.  —  Ital.  cimiterio, 
frz.  cimetihe,  span.  cimenterio  beruhen  auf  neugriechischer  Aus- 
sprache des  Ol. 


284  I-  Kapitel:  Vokalismus.  |   356. 

356.  Tonlose  romanische  Diphthonge,  entstanden  nament- 
lich unter  Einflufs  von  Palatalen  oder  i,  sind  im  Französischen 
nnd  Rätischen  am  zahlreichsten.  Im  ganzen  stimmt  ihre  Ent- 
wicklung zu  derjenigen  der  betonten.  Aus  frz.  ei,  oi  wird  ua 
vgl.  x>oitrine,  soissante,  afr.  proi-ier,  voisin  (§  358),  oitieve,  voidier, 
coidier,  estoier  (von  vuide  aus  dann  vuidier,  cuidier,  estmer).  In 
der  Umgegend  von  Paris  wird  dieses  oi  zu  o  reduziert.  Wie 
unter  dem  Tone,  so  scheint  auch  vor  demselben  zuweilen  e  für 
oi  einzutreten,  vgl.  re'seou,  creseaii.  A  -\-  i  giebt  teils  f,  teils  e 
ohne  Eegel,  die  Aussprache  Avie  die  Orthographie  schwankt: 
plaisir ,  raisin-,  raison,  payer ,  aider,  aiglon;  scrment,  fletrir,  alt 
segretain.,  fleau  aus  flaiau  u.  s.  w.  Die  w-Diphthonge  scheinen 
zu  0  zu  werden:  aunee,  dau2)Mn,  fautrer,  vautrer,  vautour,  aber 
Vc:  fougere,  dougie  ixnd  couteau  nebst  dem  etymologisch  dunkeln 
moiiton.  Die  Mundarten  zeigen  noch  manches  Auffällige.  In 
anglonormannischen  Handschriften  steht  betontem  ai  tonloses  ei 
gegenüber,  so  im  Brandan,  den  Psaltern,  den  Büchern  der  Könige. 
Reduktion  zu  *  gehört  dem  Norden  und  Osten  an,  vgl.  venison, 
demorison ,  conissoit  im  Chev.  II  esp. ,  liclion ,  orisons,  milleur, 
sissante  in  den  Urkunden  aus  Aire,  und  heute  piäö  (poisson), 
sine  (saigner)  in  Arras.  Ferner  wird  iu  vor  dem  Tone  zu  i 
reduziert :  in  den  Büchern  der  Könige  steht  sieut  =  *sequet 
neben  siweit  =  *sequ€bat,  so  Avird  aequalis  zu  iwel,  plgmentum, 
figmentum  über  piitment  (pikardisch),  ^fmment  (§  403)  zu  piment, 
■ßment.  —  Während  also  im  Französischen  n  vorhergehende  ton- 
lose Vokale  trübt,  wird  in  Bagnard  umgekehrt  tonloses  au  zu  eü 
dissimiliert :  tseüdeire  (chaudiere),  feüda  Schürze,  *faldarimn  u.  s.  w. 
Ebenso  in  Vionnaz ,  wo  noch  tserfd ,  enerpd  zu  erwähnen  sind : 
der  Wandel  von  a  zu  e  hat  also  auch  stattgefunden  in  den  Fällen, 
wo  7  nicht  zu  u,  sondern  zu  r  geworden  ist.  —  Endlich  ist  noch 
zu  erwähnen,  dafs  ursjjrünglich  hochbetontes  eu  im  Französischen 
zu  ü  wird,  wenn  es  den  Ton  verliert:  vgl.  afr.  seur  (sopra), 
nfr.  sur ,  afr.  prued,  preud,  nfr.  prudliomme,  afr.  fuer ,  feur ,  nfr. 
ä  für  et  ä  mesure  (wo  freilich  auch  das  «  von  mesure  Einflufs 
geübt  haben  kann),  afr.  dei ,  den,  nfr.  du.  —  Im  Rätischen 
wird  tonlos  ai  zu  i:  eng.  plider,  viroula,  irel,  au  zu  u:  usand, 
Tcudera,  fusded.  Auch  im  Romagnolischen  tritt  i  für  ai  ein : 
gibyol,  irola,  ibiol;  und  im  Spanischen:  quijera,  viruela,  ciruela. 


§   356 — 358.  Anlautende  Diphthonge.  285 

frisuelo  neben  frejol.  Im  Portugiesischen  endlich  wird  ei  zu  e: 
mezinha,  sediga,  remir,  richtiger  phonetisch  wäre  wohl  ff  zii  f, 
iu  zu  i:  cidade,  pimenta.  —  Endlich  sind  hier  obw.  suar  aus 
sudare,  luar  aus  *liquare,  samtr  aus  sudore  zu  nennen,  überall 
liegt  u  aus  iu  vor.  Aus  südare  entsteht  süar,  süvar,  siu-ar,  suar, 
so  liuar,  luar,  siuor,  suur,  säur,  savwr. 
As  coli,  Arch.  Glott.  I,  47. 

357.  Direkt  anlautende  Vokale  zeigen  zuweilen  besondere 
Behandlung.  Dafs  a  im  Rumänischen  bewahrt  bleibt,  ist  schon 
§  349  gesagt.  Auf  den  direkten  Anlaut  scheint  au  aus  o  be- 
schränkt in  Lecce :  auliu,  auriente,  aunestu,  aunitu,  ausanza  (aus 
onito,  osanza  §  351).  Solche  Formen  finden  sich  mehrfach  in 
der  altitalienischen  Dichterspi*ache ,  sind  also  wohl  auch  anderen 
süditalienischen  Mundarten  bekannt.  Sodann  zeigt  das  Bearnische 
die  nämliche  Erscheinung:  aiiffri,  auhedi,  auhri  =  ouvrir  (vgl. 
§  274),  aufßcif  auloureya  ==  '^olor-idiare.  —  Im  Portugiesischen 
scheint  dialektisch  en*^  zu  an^  zu  werden:  ancontrar,  amquanto, 
an  Mirandola,  ancerrar,  annocente  3.  Past.,  antre  Res.  III,  19,  9. 
Ferner  e  zu  i:  idade,  irmäo,  igual  u.  s.  w. 

358.  In  besonders  hohem  Mafse  sind  die  tonlosen  Vokale 
von  umgebenden  Lauten  abhängig,  von  Vokalen  wie  von  Kon- 
sonanten. Dissimilatorischer  Einflufs  des  Tonvokals 
macht  sich  namentlich  geltend  bei  i  —  f,  o  —  6:  jenes  wird  zu 
e  —  /,  dieses  zu  e  —  o.  Schon  viilgärlateinisch  ist  vicinu:  rum. 
vecin,  frz.  voisin,  span.  vecino;  d§vinare,  frz.  deviner,  span.  adevinar; 
so  frz.  fenir,  mesis,  desis,  premier,  afr.  premice,  creminel  Et.  Foug. 
516,  span.  decir,  encinar,  hehillo,  escrebir,  crehiUo,  audal.  polecia, 
melitarse;  so  wird  span.  ridebam,  ridesti  zu  re{a,  retsti,  daher  Inf. 
rdr  u.  8.  w.  Ebenso  in  der  portugiesischen  Aussprache :  m§nistru, 
m§litar.  Für  e  —  o  (ital.  i  —  o  §  352)  vgl.  ital.  sirocchia, 
bifolcOf  sperone,  altital.  inorare,  rimore,  lecc.  pedzulu,  campob. 
pemmarola,  Jcenohya,  sard.  retundare,  rum.  rätund,  ital.  ritondo, 
afr.  reond,  obw.  radund,  aver.  seror,  secorso ,  remor,  afr.  enor, 
seror,  semondre,  seloil,  auch  corecies  Chev.  IT,  esp.  11342,  nfr. 
sejour,  secours,  agen.  semoso,  prov.  semondre,  preond,  redolar,  asp. 
pestoreja,  arrebol,  pescuezo,  velontad  Cid  1418,  hermoso,  reloj,  portg. 


286  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    358^    359. 

j)€gonha.  —  Ä  —  o  aus  o  —  o  ist  selten ,  vgl.  friaul.  Tcayostre, 
jpälmon,  saporta,  sakodd ,  span.  calostro,  altital.  canoscere.  Ob  in 
obw.  IcanuSer,  sarw ,  dalur ,  maruns  (zu  morus),  anur,  Tcalur 
das  a  stets  direkt  auf  o  zurückgeht,  bleibt  zweifelhaft:  es  kann 
auch  auf  älterem  e  beruhen. 

359.  Häufiger  noch  ist  As  similation  an  den  Tonvokal. 
Schon  vulglat.  cucuta  statt  cicuta  wird  erwiesen  durch  alb. 
TinTiut§,  runi.  cucuta^  saintong.  coliüe,  lim.  IcuJcüdo:  das  hohe  Alter 
der  Form  ist  durch  das  Bestehen  der  Gutturalis  gesichert.  Zu 
bestimmtem  Gesetz  hat  sich  die  Assimilation  im  Spanischen  aus- 
gebildet, wo  e  vor  i  zu  i  wird,  vgl.  Tiirviente,  Jiiniestra,  lision, 
tiniehlas ,  simiente,  Msieron  u.  s.  w. ,  beachtenswert  ist  mintroso 
neben  mentira ,  mentiroso.  Ebenso  in  Lecce :  minimientu  (bene- 
vento),  didina,  ris/a.  Auch  im  Rumänischen  scheint  i  vOr  sich  i 
statt  ä  zu  verlangen :  dstig,  ridiche,  rtdic,  Mrtie,  statt  u :  potirniche, 
auch  limhric  aus  limhric.  —  Vereinzelte  Beispiele  finden  sich 
überall,   eine  Auswahl  mag  genügen : 

A  —  A:  PIATA  aital.,  aver.,  aven.,  aspan.,  noch  heute  siz., 
lecc,  portg.  Mundai-ten,  danach  j|:>mtoso;  akamen  rum.  aramä,  eng. 
aram,  afr.  arain,  span.  arambre;  vaebactu:  sard.  harvattu,  span. 
harbecho,  portg.  barbeito,  prov.  garad,  afr.  garait  (daraus  seit  dem 
XVI.  Jahrhundert  gueret  §  365);  jagante  agen.  zagante ,  prov. 
jayanj  frz.  geant  (aus  galant  §  356),  aspan.  jayan\  salvaticu 
rum.  sälbdtec,  lecc.  sarvaggu,  agen.  sarvaiglie,  frz.  sauvage; 
MANACiAE :  aven.  manam,  friaul.  manassa,  afr.  manatse  (Eulalia) ; 
*BALANCiA  aital.  balanza,  frz.  balance;  accasio  aital.  accagione, 
neap.  accasone,  afr.  achaison ;  afr.  palagre  Doon  332,  span.  navaja, 
casaca,  arazon,  portg.  saräo  zu  sera,  devagäo  Res.  III,  124,  13, 
caramunha,  brasfamando  Res.  III,  191,  15.  Im  Moldauischen 
wird  ä  —  a  zu  a  —  a:  pacat,  barbat. 

E  —  e:  rum.  Upedd,  tremete,  repesL  mestecd,  fermecd  u.  s.w., 
ital.  penello  und  andere  §  352,  amail.,  äsen,  secrestia.  Auch  ital. 
dimesiico,  agen.  demestego  liefse  sich  so  erklären,  wenn  nicht  eher 
Einflufs  von  de  anzunehmen  ist.     Span,  herren. 

I  —  i:  log.  sigire,  appilire,  aven.  vignire  Panf.  44,  covignivol 
122  u.  a.    Besonders  stark  im  Are tini sehen:  misMna,  sirvito, 


^    359 — 361.     Anlautvokale:  Dissimilation  und  Assimilation.  287 

Mntire,   gissimino,   apitito,   friaul.:    vissie,  pirikul,   distin,    mirinde, 
t?wi,  tini,  kridintse;  apis.  i^ito,  Sardo  90,   91. 

o  —  o:  portg.  Soturno,    apis.  Ogosto  Sardo  89,  95;  bist.  Pis. 
54,  68,  aret.  forode,  ferner  o  —  u  span.  somorgvjo^  orugo,  torzuelo. 
u  —  u:  rum.  mul^umi,  maz.  ru§unos,  suturd,  ital.  uguale. 

Ferner  Angleichung  unter  tonlosen:  span.  ahurujar  neben 
äbomjar.  —  Schliefslich  mag  noch  rum.  fäntäna  erwähnt  werden, 
und  die  partielle  Assimilation,  die  vorliegt  in  span.  und  in  aret. 
u  —  /  aus  0 — i:  turmo,  cudir,  ci<hrir,  cundir,  ahurrir,  curtir,  uvia, 
ruido  (aber  roido  Cid  696  und  heute  cocina) ,  turdiga ,  jmlienta, 
pudiente  u.  s.  w.,  aret.  murire,  malinhunia,  kusi,  sulino ,  kumpri- 
mento,  spruvisto. 

360.  Auch  die  Einfllisse  der  Konsonanten  auf  die  Vokale 
können  als  assimilatorische  und  dissimilatorische  gefafst  werden : 
letztere  sind  selten,  erstere  aber  sehr  häufig.  Velare  Kon- 
sonanten wirken  noch  am  wenigsten ;  zu  erwähnen  ist  siz.  kua 
aus  hau :  knadara,  Jcuasina,  ebenso  lecc.  kuadina,  kuadara,  kuatela. 
Dafs  at  im  Mailändischen  zu  o^wird:  fol^on  BescaTpe  HO,  coldera 
120   ist  nach  §  252  selbstverständlich. 

361.  Bei  den  Palatalen  mag  zuerst  erwähnt  werden, 
dafs,  wie  kd  sich  zu  kie  wandelt,  so  im  Französischen  für  ka- ,  ga  - 
entsprechend  k'e,  ge-  erscheint,  also  cJieväl,  chemin,  chemise,  chenäl, 
■dienet,  chenevis,  chenil,  geline  u.  s.  w.,  aber  cliäteau,  Champagne 
u.  s.  w. ;  aus  1c  ai,  g'ai  entsteht  äe,  ze :  chetif  (§  458),  geant,  gesir. 
Ebenso  wird  schon  Jon.  cathedra  zu  cha-iere,  che^re,  chpre.  In  achete'r 
neben  achat  haben  dagegen  die  Verba  auf  -etter  =  iftare  ein- 
gewirkt, chepteJ,  woflir  noch  Th.  Corneille  chatel  sagt,  stammt 
wohl  aus  einem  Dialekte,  in  welchem  überhaupt  tonlos  a  zu  e  wird. 

Die  ziemlich  zahlreichen  Fälle  von  erhaltenem  a  sind 
nicht  alle  klar.  Bei  chaleur  kann  chatd,  bei  chaloir 
sicher  chait  und  bei  charoigne  afr.  char  eingewirkt  haben. 
Chanoine  ist  halbgelehrt,  und  so  wohl  auch  chameau.  Stets 
bleibt  a  bewahrt ,  wenn  es  den  Nebenton  trägt :  chälit, 
e'chafaud ,  afr.  chaun ,  Chälons ,  chalongier  und  danach 
chaJonge,  chalumeäu.  Unerklärt  bleiben  chamois,  chaeir 
neben  cheir  und  chaene. 

Ferner  ist  hier  der  zum  Teil  schon  vulgärlateinische  Über- 
gang von  a,  M  zu  e  nach  j  zu  erwähnen:  jewManws  CLL.  VI,  1708 


288  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   361—363. 

und  ital.  gennajo ,  afr.  jenvier,  span.  enero  (portg.  Janeiro),  alb. 
jenuar,  ngriech.  ytvaQrjg;  jeniperus:  ital.  ginevro,  frz.  jenievre,. 
span.  enebro ;  *jemce,  siz.  giniöa,  äsen,  gienigie  cont.  ant.  Cav.  35, 
frz.  genisse;  so  inlaiitend  vulglat.  aitare,  aital.  aitare,  frz.  aitier; 
disinare  aus  disfjejjunare,  ital.  desmare,  frz.  (Zmer.  Sekundäres 
j  wirkt  ebenso:  ital.  Firenze,  hestemmia,  piviäle,  piviere,  pimaccio^ 
piem.  pi  =  piü ,  ven.  pimhiolo ,  rum.  ghemu^or.  —  Dem  c  wird 
femer  das  i  in  afr.  parcivoir,  decivoir  im  Durmart  u.  s.  w.  zuzu- 
schreiben sein.  —  Portg.  dial.  janela  und  jinela. 

362.  Vor  Palatalen  wird  e,  seltener  a  zu  i.  Das  Kumä- 
nische  bietet  keine  Beispiele,  wohl  aber  das  Rätische,  vgl.  obw.^ 
fi§€va,  Jc'igar,  risun,  pihla,  Spidol,  misldr  (mascellare) ,  sinur, 
vidira,  pi^ur ,  sih'ir,  sigar  (exagiare) ,  agitt  (acutus) ,  gudignar, 
Formen ,  die  alle  auf  das  Obwaldische  beschränkt  sind ,  west- 
lich aber  im  Tessin  für  e  y^  i  Anknüpfungen  finden :  UJc'e^ 
§piÖe,  lideira,  niyd,  liiiame.  In  Italien  kann  natürlich  die 
Schriftsprache  nicht  in  Betracht  kommen,  wohl  aber  der  Dialekt 
von  Lecce  -isdre  =  ital.  -eggiare,  prudideddi,  ferner :  rihketedda^ 
aber  siJcMtyeddu ,  uttisana  u.  a.  Im  Französischen  ist  *  statt  e 
Regel  vor  ?,  n:  orillon,  fermülon,  tilleuü,  silier,  tigneuse,  diignon^ 
Champignon,  carignon.  Daneben  stehen  seigneur,  meilleur,  die  ihr 
e  wohl  von  den  stammbetonten  Formen :  afr.  sendre ,  mieidre 
bezogen  haben.  Von  provenzalischen  Mundarten  ist  z.  B.  Die 
zu  nennen :  lisu  (legon),  misu,  ginu.  —  Ferner  im  Katalanischen : 
milor,  tiii{,  Jcrisi,  iM.  Im  Portugiesischen  lautet  e  vor  und  nach 
Palatalen  i:  pr§v§lisadUy  vesigar  u.  s.  w.  —  Sodann  ist  auch 
hier  u  aus  o  im  Spanischen  als  verwandte  Erscheinung  zu 
nennen  :  mullir ,  hulUr ,  aculld ,  hunuelo ,  trujal ,  cogujado ,  lucillOy. 
äborujar  zu  rotlus. 

363.  Am  stärksten  ist  der  Einflufs  der  Labialen.  Vor, 
seltener  nach  sich  bedingen  sie  o,  u  und  auf  den  it-Gebieten 
auch  ü.  Zunächst  im  Rumänischen  tritt  ä  für  e  nach  Labialen  ein 
wie  unter  dem  Tone :  päcdt,  hätrin,  mädua,  aufser  wenn  i,  e  folgt : 
feti^a,  vedea.  Sodann  ist  S.  Cataldo  und  Caltanisetta  zu  erwähnen 
mit  ua :  puaradisu,  pualagjzu,  muandassiru,  puartari.  In  Urim^nil 
(Lothringen)  vergleichen  sich  puoUe  (pecher),  huort  (haril),  muoJiö, 
fuoäe    (fächer)    den    §  270    besprochenen    Erscheinungen,    ebensa 


i^   363    364.  Vortonvokale  beeinflufst  von  Labialen.  289 

frz.  pamoison,  apprivoison,  a^ivergn.  mu^nazero,  apu^zar.  Im 
Portugiesischen  ist  o  aus  a  besonders  beliebt:  holor,  coresma, 
golardom,  aber  auch  andere  Vokale  werden  zu  o;  podeluvio, 
pocado,  por,  huher,  forvura  u.  s.  av.  Vereinzelte  Beispiele  aus 
anderen  Gegenden  sind  etwa  obw.  pukkau,  bunar;  mulanesa, 
mudttdda,  sangonazzu  in  Lecce,  funestra,  puhat^  in  Campobasso, 
muntsana,  mulö,  punii  in  S.  Fratello;  sard. :  funtana,  bunedda, 
muncda,  pidenta,  semunare,  tramurtiri;  siz.  sbuggyari,  ammuntari; 
aret.  fimire,  kat.  Jcontia,  aprov.  correllar,  gal.  koresma,  korenta, 
korta  feira.  Etwas  anders  geartet  sind  tirol.  ordum  (verdume), 
odei  (videre),  odle\  orite,  ormon. 

364.  Weit  gröfser  ist  der  Einflufs  folgender  Labiale, 
namentlich  auf  e,  i,  wogegen  a  im  Rumänischen,  Italienischen  und 
Französischen  sich  als  widerstandsfähiger  erweist.  Im  Eumänischen 
sind  die  Beispiele  überhaupt  nicht  zahlreich:  alttat-,  dumic, 
sdrumic,  maz.  fumeale.  Im  Obwaldischen  kann  bei  fumaz,  klumd, 
stningld,  munkdr  der  Diphthong  au  der  entsprechenden  stamm- 
betonten Formen  (§  242)  mit  im  Spiele  sein,  fumel  und  spuventdr 
zeigen  a  zwischen  zwei  Labialen;  fUr  e  zu  w  sind  zu  erwähnen 
obw.  nimanair,  das  weit  über  Italien  hin  sich  findet  im  Gen., 
Mail.,  Sard.,  Siz.  u.  s.  w. ;  eng.  ruvcrser,  ital.  rovcsciare,  obw.  duman- 
dar,  duveir,  die  ebenfalls  im  Italienischen  entsprechende  Formen 
zur  Seite  haben,  tumpriv,  eng.,  obw.  sumlar  wie  ital.  somigliare, 
tumer,  uffoni,  Kffiern,  buvevan,  spuventar,  fumel,  ferner  survir, 
unvier.,  eng.  sulvadi,  friaul.  toman,  toblad.  Im  Italienischen 
erscheint  o  vor  m,  v,  u  vor  b :  romita,  domanda,  somiglia,  dovere, 
indovina ,  ubbriaca ,  rubello ,  rubiglia ,  doch  auch  giumella ,  womit 
frz.  jumeaux  (span.  jumela  ist,  wie  die  Endung  zeigt,  nicht  Erb- 
wort) zu  vergleichen  ist.  Für  a :  romajuolo.  Aus  den  Mundarten 
wäre  noch  manches  zu  erwähnen,  wie  somenza  gen.,  mail.,  prumer 
gen.,  i)iem.,  lomenfare  amail.,  vei-on.,  vicenz.,  rüvar  piem.,  lomb. 
Im  Französischen  tritt  ü  auf:  buvons,  jumeaux,  furnier.,  alumelle, 
chalumeau,  afr.  und  noch  heute  in  den  Mundarten  fumelle, 
dial.  sumer,  sumence;  pzov.  prümier ,  kat.  prumer,  umpU,  auch 
unflä,  lim.  ufld  u.  s.  w.  Aus  Val  Soana  mögen  noch  k'ümizi, 
kümin,  k'mil  hervorgehoben  werden,  deren  ü  zunächst  auf  e 
zurückgeht    nach   §  361.  —  Im    Spanischen    sind    die    Beispiele 

Msyer,  Graminatilc.  19 


290  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   364,   365. 

wenig  zahlreich:  umhral  aus  *liminare,  ohispo,  romaner  Cid  893. 
Um  so  viel  mehr  bietet  das  Portugiesische:  lumiar,  debulliar^ 
prumeiro,  gal.  pormeiro,  derrubar ,  huher,  luvar,  mit  o  dohar 
(depannare),  cdbrar,  romendar,  somana,  ouropcl,  assoviar  und  viele 
andere.  —  Beachtenswert  ist  der  Unterschied  zwischen  dem 
Französischen  und  dem  Rätischen :  dort  wird  dies  sekundäre  u 
zu  ü,  hier  bleibt  es,  vgl.  aufser  den  schon  genannten  Beispielen 
noch  bergeil.  dumandä,  duveir,  suments,  zumel,  sumeia,  sulvadeg, 
tessin.  lovd,  somnd.  Im  Mailändischen  dagegen  wird  %  zu  w:  düvis, 
püviö ,  indüvina ,  rüvd.  Doch  fehlt  auch  in  französischen  Dia- 
lekten 0  nicht:  «^oüOMr  N.E.  XVIU,  103,  a.  1265,  Lothr.,  promerain 
Durm.  306. 

Frz.    Omelette,    schon    von  Rabelais   gebraucht,    neben 

dem    noch    zu    Menages    Zeiten    in    Paris    gesprochenen 

amelette,  entstammt  wohl  einem  Dialekte.    Ouvrir,  apiem., 

aseh.,  umbr.,  röm.  öprire  haben  ihr  o  von  coprire. 

Von  besonderem  Einflufs  der  Labialen  auf  velare  Vokale  ist 

etwa    zu    merken    gask.    übrir ,    übag.     Auch  im  Sai-dischen  tritt 

häufig  u  ein:  stets  cum,  cun,  lumhardisJcu. 

Zahlreiche  Beispiele  fürs  Portugiesische  giebt  J.  Cornu, 
De  l'mfluence  des  labiales  sur  les  voyelles  aigues  atones, 
Rom.  X,  336.  Gon^alves  Vi  an  na  Museon  ü,  314. 
365.  Von  den  Sonanten  ist  r  der  wichtigste.  Xach  sich 
verlangt  es  wie  unter  dem  Tone  ä  statt  e  im  Rumänischen : 
räsinä,  räpaos,  ränicMu,  räruncTiiu,  rämin,  rätund  (§  358).  Vor 
sich  bedingt  es  e  im  Italienischen:  canterö,  Margherita,  smeraldo, 
canerino ,  lazseretto ,  merluzso.  Ob  auch  ferrana  hierher  gehört, 
ist  mit  Rücksicht  auf  span.  Jierren,  portg.  ferrä  zweifelhaft.  — 
Gedecktes  r  wandelt  a  zu  e  in  der  französischen  Litterärsprache 
des  XV.  und  XVI.  Jahrhunderts,  vgl.  charrue  und  cherrue,  sarri- 
ctte  imd  serriette,  epervin,  marrain  und  merrain,  daher  nfr.  cercueil, 
epervier,  hermine,  wogegen  in  merrain,  sermeni  das  e  aus  ai  be- 
rechtigt ist,  vgl.  §  356.  In  der  Umgegend  von  Paris  spricht  man 
noch  heute  erJcehüse,  erry^r,  er§ne,  sodann  in  Lahague  ersiei  (arche'e), 
kerhon,  serklei,  Anjou  serTde,  ergot,  serdine,  serkütye;  ebenso  im 
Osten:  neuenb.  errat,  serme,  k'erhon,  h'erdon,  vgl.  guerder  1215, 
M.  376  Neuenbürg,  pertie  1278,  702  Montbeliard,  freib.  terdi, 
Erhiviie,  erM,  derhö,  öerdö.  Sodann  weiter  nördlich  Greg.  Dial. 
chergier    114,    15;    134,    21;    cherhons   49,  24    und    so    z.  B.  in 


§   365 — 367.  Vortonvokale  beeinflufst  von  R.  291 

Besannen.     Eiwähneuswert  ist    noch    lothr.   puprol,    meri,    f^ren, 
mpte  (marteau),  mer§o  (Schmied).    Im  Wallonischen  bleibt  a. 

366.  Weit  gewöhnlicher  ist  ar  aus  er,  so  im  Französischen 
2iar  aus  j^er  (aber  doch  apercevoir),  afr.  sarmon,  "parcliemin,  aron- 
delle,  guarir,  marelle,  tarriere.  In  Italien  ist  ar  ftir  er  ein  Kenn- 
zeichen senesischen  Dialektes  gegenüber  dem  Toskanischen,  s. 
§  328  und  sen.  aübareUo,  -aria,  hucareUo,  hurharone,  povaretto,  par 
u.  s.  w.  Dasselbe  zeigen  zahlreiche  Mundarten:  Lecce  quarela, 
ntaressu,  sarenu,  marcanzia,  campob.  marenna,  passariell§,  tarra- 
mote,  ebenso  Alatri.  Ferner  log.  Jcariasa,  harvege,  Jcarheddu. 
Besonders  stark  im  Siz. :  arruri,  arsira,  -aria,  sarvari,  Sara- 
gusa.  Auch  im  Norden :  mail.  karsent,  marTcd,  dare,  vartt,  agen. 
tnarce,  sarmon.  Sodann  viele  französische  und  provenzalische 
Mundarten.  Während  a  in  Ltittich  sonst  zu  e  wird  §  349,  bleibt 
es  vor  r:  garde,  faren,  aron  u.  s.  w.  Lyon:  vartu,  varsi,  marsi, 
sarvi,  arseir  u.  s.  w.,  toul.  farmado,  sarvanta,  saricü,  auv.  sani, 
tsartsd,  varru  u.  s.  w.,  marseill.  revarie,  hargie.  —  Ferner  im  Spa- 
nischen :  arveja,  harrer,  harrena,  zarnülo,  farnetico,  dann  vardasca, 
harbasco,  harraco ,  im  Alexander  desarrar ,  sarrado,  darredor. 
Ebenso  im  Portg. :  libartade,  äkarditar ,  Tareza.  —  Brechung 
von  u  zu  we  zeigt  Neuenburg:  zuerä  (jitrare),  muerale .  rehierd, 
mueri,  kuertt. 

367.  Hier  mag  noch  speziell  die  Gruppe  re  behandelt 
werden.  In  äsen.  Texten  treffen  wir  mehrfach  ara:  aracogliere, 
arricomandare,  aracoficiare,  araferma,  arrassomigliare ,  arannare, 
arrendare,  ebenso  aretenere  Cola  di  Rienzi  421,  Arimini  501, 
areposarse,  arecevere  Laudi  Umbr. ,  sodann  einfach  ar:  arliquie. 
Dieses  ar  für  re  ist  weit  verbreitet:  vgl.  die  emilianischen  Mundarten, 
auch  noch  das  Aretinische,  dann  das  Urbinatische :  artrove,  arm 
(revenire),  arkorra,  armetta  u.  s.  w.,  weiter  im  Norden  das  Piemon- 
tesische:  arkaske,  arkiüe,  arlasse  u.  s.  w.,  im  Süden  das  Eoma- 
gnolische :  kardenza,  karson,  fardor,  tarsenf,  karpe  u.  s.  w.,  wo  der 
Übergang  von  tonlosem  re  zu  ar  auch  im  Wortinnem  Regel  ist. 
Dasselbe  zeigt  das  Westrätische,  namentlich  obw.  kardentsa, 
antardir,  tarmetter  u.  s.  w.,  arMntar  (recentare),  arpagar  (kirpicare), 
sonst  allei-dings  meist  ra-  aus  re.  Es  fragt  sich,  wie  die  Er- 
scheinung   aufzufassen    sei.     Gestützt    auf  die  Beispiele    aus    den 

19* 


292  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   367,   368, 

altsenesischen  Texten  könnte  man  annehmen,  es  sei  zunächst 
unter  dem  Drucke  der  vielen  mit  a  zusammengesetzten  Verben 
re,  ra  zu  are,  ara  geworden,  dann  der  zweite  Vokal  gefallen. 
Allein  dagegen  ist  einzuwenden,  dass  doch  wohl  a  dann  auch 
den  mit  di-  gebildeten  Verben  vorgesetzt  werden  müfste,  dies  ist 
aber  nicht  oder  kaum  der  Fall.  Wollen  Avir  die  verschiedenen 
hier  zusammengestellten  Fälle  nach  einem  gemeinschaftlichen 
Prinzip  erklären ,  so  bleibt  nur  das  eine :  re  ist  zunächst  zu  f 
geworden,  das  dann  je  nach  der  Schärfe  des  Gehörs  der  Laut- 
notierenden als  er,  ar,  re,  ra  wiedergegeben  wird  oder  auch,  je 
nach  der  Klangfarbe,  die  ihm  anhaftet,  sich  thatsächlich  zu  er, 
ar  entwickelt.  Möglicherweise  ist  in  dem  ari-  nur  eine  Ver- 
mischxmg  historischer  und  phonetischer  Schreibung  zu  sehen. 
Die  Stufe  f  ist  noch  vielfach  bewahrt  in  französischen  Mundarten  : 
Pfnö,  fvenir  gehört  weiten  Strichen  des  Westens  wie  des  Ostens 
an  und  wird  in  der  Schrift  bald  dui'ch  ewr,  bald  durch  er  wieder- 
gegeben. Daraus  dann  wieder  ar-  in  S.  Pol  u.  s.  w.  Im  Mittel- 
rätischen ist  oft  nicht  klar,  ob  der  Vokal  dem  r  folgt  oder  voran- 
geht, mit  anderen  Worten,  auch  hier  wird  tonlos  re,  ro  u.  s.  w. 
zu  Y  reduziert,  welches  f  die  Klangfarbe  des  ihm  einst  folgenden 
Vokals  bewahrt.  Im  Portugiesischen  ist  heute  kaum  zu  scheiden^ 
ob  bei  er,  re  das  e  dem  r  folgt  oder  vorhergeht. 

Als  eine  besondere  Gestaltung  des  vokalischen  f  ist  auch  zu 
fassen  huriig,  frumiz,  eschurnir,  engorsetey  im  Ysopet.  —  Sonan- 
tisches  f  ist  wohl  auch  fürs  Portugiesische  anzusetzen,  vgl.  aportg. 
fevereiro  Res.  III,  283,  16,  d.  i.  fevfeiro,  heute  f§vrairu,  ebenso 
fevera  =  fihra,  soveral,  sodann  pfguntar,  pfdisäo  u.  s.  av. 

Vgl.  zum  Italienischen  und  Rätischen  As  coli,  Arch. 
Glott.  I,  58,  Mu  s  s  af  i  a,  Romg.  §  124,  zum  Französischen 
Behrens,  Metathesen  2  ff.,  zum  Portugiesischen  Gon- 
^alves  Vianna  Rom.  XII,   58,  und  §  388. 

368.  Auch  die  Nasalen  beeinflussen  die  tonlosen  Vokale  in 
hohem  Mafse.  Eine  besondere  Stellung  nimmt  oft  in^-  ein,  da 
hier  Reduktion  zu  n  stattfinden  kann.  Sonst  treffen  wir  zum 
Theil  dieselben  oder  wenigstens  ähnliche  Veränderungen  wie 
unter  dem  Tone.  So  wird  gedecktes  a  im  Rumänischen  zu  i: 
mincd,  tngust,  aber  mäninc,  wo  m  hindernd  wirkte,  inel  aus  inel. 
In  cärunt  ist  der  Wandel  von  n  zu  r  älter  als  der  von  a  zu  i.  — 


§  368,   369.  Vortonvokale  vor  Nasalen.  293 

Das  Schriftitalienisclie  giebt  kaum  zu  Bemerkungen  Anlafs,  wohl 
aber  die  Dialekte.  Zwei  sich  entgegenstehende  Tendenzen  sind 
dabei  zu  beobachten:  vor  gedecktem,  seltener  vor  freiem  Nasal 
wird  Cj  i  7a\  a,  oder  aber  a,  e  zu  i.  Das  erstere  zeigt  der  Süden : 
siz.  tantari,  mandzuyor'nu,  antrari,  auch  vulantari,  Lecce :  franzkldu, 
lantsidu ,  stantare ,  tantare ,  Capo  di  Leuca  auch  tania ,  faneSa. 
Ferner  der  Norden:  ferrar.  pandon,  imjmvantir,  slusantar, 
arstantsar  u.  s.  w. ,  alessandr.  gantil,  santü,  Bagolino  (B:-escia) 
panse,  santida,  Ceppomorelli :  vandotta,  pamö.  Vereinzelt  steht 
sprandore  in  Süd-  und  Norditalien.  Die  andere  Tendenz,  hi  aus 
an,  zeigt  das  Modenesische:  ingostia,  inguilla.  Auch  anders- 
wo findet  sich  in"  aus  en'' ,  vgl.  tessin.  sintin,  pinsen,  pindent, 
linzü  u.  s.  w.  Als  vereinzeltes  Beispiel  für  an  aus  in  ist  zu 
nennen  ven.  sangoto,  mail.  sangutt,  friaul.  sanglot,  eng.  samghiott. 
Der  Grund  ist  nicht  ersichtlich. 

369.  Am  meisten  giebt  das  Französische  zu  Bemerkungen 
Anlafs.  Abweichend  von  der  Behandlung  der  betonten  Vokale 
ist  der  Wandel  von  5  zu  ä:  chalangcr,  Besangon,  dangier,  afr. 
danter,  canter,  vdlanie,  en  schon  im  Roland  38  neben  on, 
ursprünglich  die  vorkonsonantische  Form,  dameiseüe,  ferner  tmie 
aus  nonie.  Sodann  a  aus  e  vor  freiem  n:  faner,  ramer,  daher 
rame,  aber  fenouil.  Daneben  steht  dommage.  Da,  wie  es  scheint, 
domagier  älter  ist  als  damage,  so  könnte  die  Bewahnxng  des  o 
dem  Nebenaccent  zugeschrieben  werden.  In  dameiseJle  hätte  das 
daneben  stehende  dame  diese  Wirkung  des  Nebentons  aufgehoben. 
Femer  ist  ein  Unterschied  zwischen  anc-  und  enc'-  hervorzuheben  : 
jenes  wird  zu  ä:  cJiancelle,  vgl.  §  232,  dieses  bleibt  bei  ('; 
X>inceau,  linceuil  (mit  e  nicht  i,  vgl.  ital.  lenzuolo,  span.  lenzuelo), 
mincer,  ctincelle,  rincer.  Schwierigkeit  bietet  die  Behandlung  von 
tonlosem  aw'"^.  Im  Frz.  stehen  nebeneinander :  menoites,  im  XVI. 
Jahrhundert  manottes,  panier,  aber  paris.  panier,  manier,  afr. 
damoiselle,  nfr.  demoiselle,  antenois  neben  anian.  Es  sind  wohl 
nicht  alle  Fälle  gleichai'tig.  In  dem  letzten  und  in  mademoi- 
sellc  scheint  a  als  tonloser  Mittelvokal  zu  e  geworden  zu  sein, 
die  zwei  ersteren  aber  stehen  unter  dem  Einflufs  von  main  und 
pain.  Nur  als  umgekehrte  Sclu*eibung  ist  en  statt  an  in  west- 
lichen Denkmälern    zu    betrachten ;    Jean    le    Marchant    schreibt 


294  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   369^    370. 

menniere,  henniere,  menmielle,  lenniers ,  ventance  und  mengier, 
Etienne  de  Fougeres:  emiz  (amidns) ,  enmer  (amarus) ,  Clef 
d'Amour:  enmie,  enmont,  enmer,  in  den  Urkunden  aus  Anjou 
begegnen:  menneire,  plenere.  Da  die  heutigen  Mundarten  ö 
sprechen,  so  drückt  also  cn  den  Laut  ä  aus.  Im  Norden  und 
Osten  wird  ö  zu  e,  vgl.  Arras  Mhy^ ,  in  Namur  dene,  me,  MM, 
ferner  ä:  Cambrais  Snio,  enee,  kmede;  an-\-  Palatal  wird  in  Lyon 
zu  e:  meei,  §e§i,  etrezi,  dezL 

370.  Auf  allen  romanischen  Gebieten  tritt  endlich  oft  a  in 
erster  Silbe  an  Stelle  anderer  Vokale.  Manche  Beispiele  sind 
weit  verbreitet  und  erweisen  sich  dadurch  als  alt.  So  lacüsta 
(Dissimilation?),  rum.  läcustä,  neap.  ragosta,  siz.  lagnsta,  afr. 
laouste,  prov.  langousto ,  tessin.  laimäta,  portg.  Jagosta,  vgl.  aber 
auch  §  371.  —  [j]ajunus:  rum.  ayun ,  aneap.  jagiuna,  apiem.^ 
agen.  zasiin,  S.  Fratello  sam,  span.  ayuno.  Enger  umgrenzt  sind 
canoscere  altitalienisch  und  noch  heute  in  Sizilien ,  Lecce ,  Cam- 
pobasso,  träbuto  apiem.,  Chrys.,  aven.,  madeja,  lambrija,  atril 
span.,  farouche,  parece,  jalonse  frz.  u.  s.  w. ;  ven.  sälazare,  emiL 
salgar  zu  süex.  Namentlich  oft  im  direkten  Anlaut,  und  hier 
scheint  a  aus  e  an  manchen  Orten  Gesetz  zu  werden.  Vgl.  rum. 
alege,  ariciu,  astend,  ascu{,  asud,  äluat,  amnariu  (ignarium),  arunc 
u.  s.  w.  Namentlich  tritt  a  vor  gedecktem  s  auf:  agen.  ashrivo, 
asdeito,  aster,  astorbea,  im  Provenzalischen :  Gers  asküdelo,  aslcolOj 
aspasa  (spata),  astimo,  astreo  u.  s.  w.,  wallon.,  lütt,  asteir  ^^-  stare. 
Aber  auch  sonst:  *aspectare  für  expectare  liegt  im  italienischen 
aspettare  vor,  agnunca  flir  ognunca  ist  apiem. ,  agen.,  aven., 
alleggere  findet  sich  im  Perug. ,  Sen. ,  Pis.  und  in  Oberitalien. 
Im  Siz.  greift  a  mächtig  um  sich :  aMapatv,  agnanJcu,  äbhidisi, 
assirvari,  aserditu,  aternu.  Apis.:  aff'etto  ^aväo  195,  asegutore  193, 
acciso  146,  acciello  101,  ascrito  203.  Im  Spanischen  asperar, 
aullar,  antenallas,  antruejo.  In  der  Guerre  de  Metz  liest  man 
aglise  266  b,  anemins  57  b,  aste  48,  ataiclies,  estaches  29,  a, 
avesque  2,  doch  kann  a  =  e  sein,  vgl.  aideis  (ades)  294.  In 
manchen  Fällen,  namentlich  bei  Verben,  hat  sich  offenbar 
ad  eingemischt,  so  in  alleggere,  aspettare,  von  denen  das  eine 
im  Mittelalter,  das  andere  noch  heute  der  ganzen  italienischen 
Halbinsel  angehört;  so  mag  auch  da,  wo  a  überhaupt  um  sich 
greift,    eine  gewisse  Vorliebe  für  Zusammensetzungen  mit  a  und 


S   370 — 372.  Vertaiischung  von  Vortonvokalen.  295 

daher  ein  Überwiegen  des  a-Anlautes  schuldseiu  an  dem  Über- 
gewicht des  a.  Manche  Fälle  verlangen  ihre  besondere  Erklärung : 
ital.  anguinaja  ist  =  la'nguinaja. 

371.  Auch  sonst  kommen  in  tonloser  Silbe  Vokalvertauschungen 
der  verschiedensten  Art  vor,  die  sich  meist  aus  Vermischung 
verschiedener  Wörter  erklären.  Eine  kleine  Auswahl  mag  ge- 
nügen. Vulglat,  ascultare  (§  29)  findet  sich  im  Aspan.  als 
asaichar  Cid  3401,  im  Afrz.  als  ascoUer,  daneben  tritt  aber  unter 
dem  Drucke  der  zahlreichen  mit  es''  anlautenden  Verba  schon 
frühe  escuchar,  escoUer.  Ebenso  wird  äbscondere  zu  aspan.  ascondir 
Enx.  2,  aber  heilte  escondir,  ohscurus  zu  span.  escuro  und  aspan. 
estrologia  B.  Prov.  13  hespital  Enx.  4,  3  aportg.  desestrado  Res. 
ni,  199,  18  werden  sich  ebenso  erklären,  wenn  sie  nicht  geradezu 
Schreibfehler  sind.  Andere  Fälle  von  e  statt  a  sind  noch  portg., 
aprov.  crestar  zeideln  aus  castrar  unter  Einflufs  von  crena,  portg. 
sergir,  sezäo,  wohl  französisches  Lehnwort,  empola  wie  emhigo  aus 
umbilicus  an  die  zahlreichen  Wörter  mit  em'^  aus  lat.  m*^  angelehnt. — 
Frz.  lutrin  aus  Jectorinvm  ist  nach  lu  umgestaltet.  Glouteron  gehört 
nicht  zu  glette,  sondern  zunächst  zu  norm.  glyoU  —  Manches  ist 
noch  dunkel :  frz.  malotru,  schon  in  alter  Zeit  neben  malestru, 
nfr.  Cousin  aus  afr.  cusin,  afr.,  apr.,  npr.  irane,  iravlo  von  aranea.  — 
In  aprov.  austör  dürfte  *aviceptore  vorliegen.  —  Weit  verbreitet  ist 
niceola  für  nuceola,  ven.  nizuola ,  lomb.  niscera ,  emil.  nitscela, 
gen.  nissaa,  tosk.  niduola  u.  s.  w. 

Noch  mehr  Fonnen  bringt  Mussafia  B.  82. 

372.  Ausfall  der  Vokale  in  erster  Silbe  findet  aufser  dem 
Rumänischen  auf  allen  Gebieten  statt,  meist  aber  nur  vereinzelt 
und  ohne  dafs  sich  für  jeden  Fall  der  Grund  finden  liefse. 
Manche  Mundarten  aber  erweisen  sich  hier  viel  strenger  als  die 
Schriftsprachen.  Weiter  verbreitet  ist  critaee  aus  quiritare,  ital. 
gridare,  frz.  crier,  span.  gritar,  sodann  finden  ital.  dritto,  crollare 
ihre  Entsprechungen  wieder  in  frz.  droit,  crouler.  Andere  ital. 
Beispiele  sind  sdruscire  aus  sdiniscire,  staccio,  oberital.  aber 
sedatz,  stu  =  sittt  bei  Pulci-,  scure,  tremoto,  trivello.  Rätische:  obw. 
frir,  sprontsa,  dsiert,  zahlreicher  eng.  sprauntsa,  dvainta,  dmanda, 
dfinir,  vrac,  inair,  sgilr,  prir,  pk'er,  mner,  tmair.  Im  Spanischen 
ist  drizar  italienischen,    drezar ,  granza   fraiizr>sisolieu  Ui-sprungs, 


296  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   372,   373. 

sonst  ist  drivar  und  hrano  aus  *veraneu,  Blasco  aus  Velasco  zu 
nennen.  Das  Franzö  sisclie  unterdrückt  sein  stummes  e  leicht, 
Oudin  führt  dmander ,  l^on,  dvant,  sla,  rnom,  inez,  prnez,  achter 
u.  a.  an.  Aber  schon  viel  früher  liest  man  frai  Brandan  1040, 
1677  u.  s.  w. ,  pril,  espron  in  Chev.  II  esp.  1256  u.  s.  w, ,  vrai 
Po.  Moral  164  d.  Die  heutige  Orthographie  und  auch  die  Aus- 
sprache sind  inkonsequent.  Am  leichtesten  wird  e  unterdrückt 
zwischen  Muta  und  Liquida :  ploton,  plamer,  pluche,  plouse,  eplucher, 
cJiaudron,  Jiorloge,  esprit,  alhätre  u.  s.  w.  §  345,  fei-ner  vrai,  vrille, 
aber  surete  u.  a.  Viel  weiter  gehen  die  Mundarten,  namentlich 
im  Osten  und  Südosten.  Das  schon  §  345  beobachtete  Streben 
nach  zweisilbigen  "Wörtern  zeigt  das  Neuenb.  in  msoerd,  vlötd, 
mgi,  kmasi  (commenccr),  ferner  snän§  (semaine),  dvetre,  fmalla, 
öneve  (cannahis),  nvce,  tmö,  vnä  (venenum) ,  Isi  (loisir),  fmd,  tnd 
u.  s.  w.  —  Sodann  im  Engadinischen:  dmander ,  dvainter, 
sgür  (securus  und  securis),  tnair,  prir,  pk'ier,  mner,  snistar  u.  s.  w. 
Val  Maggia  :  §ti  (sottile) ,  srü,  vde,  sreu,  dman,  fneätra  u.  s.  w. ; 
piemont.  tle  (telajo),  dne,  fne  (fenare),  tnr,  fnestra,  vein,  vritd,  und 
entsprechend  in  S.  Fratello :  dver ,  vrair ,  vriner ,  hier  übrigens, 
wie  es  scheint ,  eher  beschränkt ,  dann  aber  im  Emilianischen : 
fnod  (finocchio) ,  mlon,  pnad,  stmana,  bdcl  (pedale),  hdoö,  pton 
(bottone),  tsevd  (dissapidus),  phon  (boccone)  u.  s.  w.  —  Endlich  die 
süditalienischen  Mundarten,  vgl,  gintlronna,  arvdt,  scilrati,  prate  = 
pedate,  rivgliato,  crona,  cumtess  Saponara  di  Grumeto  (Basilicata) ; 
Gottfred,  Blaun,  pgyd  (pigliö) ,  sddd,  sneur,  plgrin,  trvä  (trovb), 
srvitsi,  fgurt  (figurati)^  dlaur,  ngarJcav,  tka  (toccare),  aber  impard, 
galantom,  vlakyaun  u.  s.  w.     Bisceglie  (Terra  di  Bari). 

373.  Besonders  aber  sind  direkt  anlautende  Vokale  dem 
Abfall  unterworfen,  namentlich  da,  wo  die  auslautenden  Konso- 
nanten gefallen  sind,  alle  Wörter  also  vokalisch  auslauten.  Zu- 
nächst mag  bemerkt  werden,  dafs  das  gedecktem  s  im  Vulgär- 
lateinischen vorgeschlagene  e  meln-fach  wieder  verschwunden  ist, 
nicht  nur  im  Südosten :  im  Rumänischen,  Rätischen,  Italienischen, 
sondern  auch  im  Wallonischen,  in  Gap,  im  Asturischen,  in  Miranda 
und  anderen  portugiesischen  Mundarten.  Beispiele  für  die 
Hauptsprachen  s.  §  468,  aus  Gap:  spazmr ,  stupa,  Miranda: 
squila,  minh.  skrepadeUa,  strela,  scritar,  astur,  spinn,  streitu,  skalera, 


§  373,   374.  Abfall  von  Vortonvokalen.  297 

dann  auch  skcnt,  sprega.  Dafs  in  Lothringen,  z.  B.  in  Fillieres 
e  und  s  verschwinden,  ist  ebenfalls  §  468  gesagt.  Während  flir 
die  erstgenannten  Sprachen  der  Abfall  des  e  sich  ohne  weiteres 
aus  dem  vokalischen  Auslaut  erklärt,  ist  dieselbe  Atiffassung  bei 
den  anderen  nicht  möglich.  Beim  Kätischen  und  Wallonischen 
könnte  man  an  germanischen  Einflufs  denken,  der  die  Abneigung 
gegen  anlautend  st  bezwungen  hätte.  Bedenklich  bleibt  diese 
Annahme  aber  deshalb,  weil  wir  sonst  nirgends  einen  derartigen 
Einflufs  sehen.  Beim  Portugiesischen  kann  vielleicht  die  starke 
Reduktion  von  e  zu  i  angerufen  werden.  Mit  diesem  sekundären 
e  fiillt  natürlich  auch  das  primäre  auf  ins'^  nach  §  403  oder  auf 
kl.lat.  est-,  aest-^  ist-  zurückgehende :  ital.  stromento,  stivdle,  State, 
storia  u.  s.  w.  Über  Spuren  des  i  im  Italienischen,  über  seinen 
Mangel  im  Altfranzösischen  und  Altjjrovenzali scheu  s.  Kap.  IV. 
Noch  mag  erwähnt  werden,  dafs  das  Logudoresische ,  das  die 
auslautenden  Konsonanten  wahrt,  auch  i-  behält :  istare,  isperare, 
iskriere,  istedda  u.  s.  w. 

374.  Sonst  zeigt  das  Rumänische  nur  wenige  Beispiele  der 
Aphaerese:  a  in  micl,  noaten,  Frier,  toamnä  (a  aus  au  §  29), 
e  in  rugina,  rtdic,  rätäci.  Regel  ist  der  Abfall  des  a  im  Istrischen : 
slutu^  stejHu,  lyure  u.  s.  w.  Auch  im  Rätoromanischen  sind  sie 
nicht  zahlreich:  obw.  guila,  ^itzar,  legra,  vantsar,  .^idar,  Jcisar, 
ver,  gval,  stad.  stinar  (ohstinare),  friaul.  mar,  moros,  nemal,  vietsi 
(aprire),  grest,  vreats,  wogegen  die  entsprechenden  engadinischen 
Formen  meist  a  behalten :  aguoTa,  agütz,  alleger,  avantser,  aJc'vser, 
avair,  aber  natürlich  sted.  Im  Italienischen  aber  ist  der  Abfall 
sehr  gewöhnlich :  a  in  hadessa,  hadia,  pccchia ,  vantaggio,  hottega, 
guglia,  gaggia,  rahesca,  rancia;  resta,  scoJta;  e :  Icccio,  vescovo, 
ruggine,  briaco,  chiesa,  limosina,  romito,  ratio,  nemico;  i:  rondine, 
hernia;  o:  cagione,  brohhio,  regano  u.  s.  w.  Noch  mehr  würden 
die  Mundarten  bieten,  so  kennt  das  Mailändische  kein  tonloses  e 
im  Anlaut,  sondern  sagt:  celenza,  vangcli,  radegd  u.  s.  w.,  vorab 
üind  es  jedoch  die  südlichen,  der  Apokope  der  Schhifsvokale 
ganz  abgeneigten  Dialekte,  die  den  vokalischen  Anlaut  am 
leichtesten  tilgen,  z.  B.  Lecce :  a  in  ncmula  (anemone),  ttentsione 
(attenzione),  ntinna  (antenna),  nieddu  (agnello),  cortu,  rikkya ;  e : 
ssuttu,    bbreu;    o  :    leitu    (oliveto),    ööisu,    ttmre    u.    s.    w. ,    kal. 


298  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §  374    375. 

pitittu,  Mhruogghi,  Ntuoni,  rmoggo,  siercitu  u.  s.  w.  Weit  spar- 
samer sind  die  Idiome  Galliens  und  der  iberischen  Halbinsel, 
vgl.  frz.  mie  aus  m'amie  infolge  falscher  Trennung,  Guienne, 
Pouille,  herne,  prov.  lauzetttj  glieka,  Jena:  also  fast  nur  Fälle, 
wo  der  Anlaut  zusammenfiel  mit  dem  Vokal  des  Aveiblichen 
Artikels.  Etwas  mehr  gewährt  der  Westen :  span.  lesna,  morga^ 
cetrero,  guilena,  limosna,  nano,  bispo,  radio,  reloj ,  piMon  für 
opinion  braucht  Cervantes  Illustre  Fregona  225  Brockhaus;  portg. 
losna,  voengo,  gume,  hetarda,  lanibre,  chavo,  poupa,  galiz.  mapöla  = 
amapola,  lameda,  masinar  (imagmare),  nososo,  certar,  tisar  u.  s.  w. 
Wie  man  sieht,  sind  es  nicht  zum  geringsten  Teil  Fremdwörter, 
so  ist  portg.  lambre  spanisches  Lehnwort,  sj)an.  reloj  ein  Latinis- 
mus, lesna  stammt  vielleicht  erst  aus  Frankreich.  Wo  nicht  wie 
in  frz.  m'amie  besondere  Bedingungen  vorliegen,  scheint  in  Erb- 
wörtern der  Anlaut  hier  fest  zu  sein.  Über  das  ganze  Gebiet 
ist  hotega,  hotiga  verbreitet:  es  ist  möglich,  dafs  die  Aphaerese 
auf  Eechnung  des  Mittelgriechischen  zu  setzen  ist,  ähnlich  ver- 
hält es  sich  mit  ital.  magrana,  span.  migrana,  frz.  migraine,  das 
übrigens  trotz  der  korrekten  Behandlung  von  er  nicht  Erbwort 
ist.  Endlich  ital.,  span.  hernia,  frz.  herne  kann  sehr  wohl  aus 
Italien  nach  Frankreich  und  Spanien  gekommen  sein :  jedenfalls 
ist  das  Wort  nicht  echt  spanisch.   —  Vgl.  noch  Kap.  IV. 

Eine  Sammlung  von  Beispielen  giebt  C.  Michaelis, 
Studien  zur  romanischen  Wortschöpfung,  S.  70 — 78. 

375.  Ein  besonderer  Fall  ist  es,  wenn  vor  oder  nach 
anlautenden  Sonanten,  seltener  tönenden  Dauer-  und  Verschlufs- 
lauten,  Vokale  schwinden.  In  diesem  Falle  verschmilzt  der 
Vokal  mit  dem  Sonanten  völlig,  und  dieser  wird  so  vokalisch. 
Am  häufigsten  begegnet  m^',  n"  aus  im*^ ,  in^,  so  im  Mazedonischen 
und  in  ganz  Süditalien,  vgl.  maz.  ntreh,  ntreJc,  ntre,  nicht  anders 
erklärt  sich  an  praep.  aus  in.  Im  Walachischen  bleibt  fw,  die 
Vorstufe  zu  n:  infld,  intreh,  impung  u.  s.  w.  Siz.  nJcarkari, 
ndammari,  mpinciri,  ntenniri,  und  danach  auch  in  S.  Fratello : 
nvern,  nfern,  mpiiester.  Sodann  auf  dem  südlichen  Festlande  in 
Lecce  mperiu,  nterna,  nnuöente  und  so  in  Neapel  und  in  den 
Abruzzen.  Die  letzten  nördlichen  Avisläufer  zeigt  Arezzo  mit 
um  unnanzi,  unnescamhio ,  imsomba,  unfanto  u.  s.  w.  Diesseits 
des   Apenninenkamms    ist    die  Erscheinung   noch    häufiger,    und 


§   375,   376.  Abfall  von  Vortouvokaleii.  299 

nicht  nur  auf  im,  in  beschränkt,  sondern  auf  nie,  ne,  le,  re  aus- 
gedehnt. So  zunächst  im  Emilianischen,  vgl.  romg.  mdor  = 
mietitore,  mrenda,  aldan  aus  Idan  (letame),  alve,  alzion,  alseja 
(lessiva),  sogar  Hone  wird  über  lyone  zu  lyon,  älyon;  arJcam 
(ricamo),  armor  (rumore)  u.  s.  w.  ^  indson  aus  nessuno  über  ndson. 
Ebenso  in  Monferrato:  ambrende  (mcrendare) ,  amsun,  ambrüz, 
amse  (Grofsvater:  messere).  Dann  im  Tessin:  alvmv,  arvcera 
(rohurea),  ferner  hier  auch  aude  aus  videre,  *vde,  *avde,  aude, 
audel,  avdi  (venire),  sodann  admanda  aus  dmandd,  adsura ;  obw. : 
ampaug  =  inpauco,  npauco,  anzak'ei  =  nonsoTcei,  maJcei,  eng. : 
alder  (laetare  düngen),  älver,  almenter,  arSaiver,  imnaöas,  imgurer 
(megliorare),  imäüra  u.  s.  w.  Aus  dem  Tirolischen  ist  die  Voka- 
lisierung  von  v  zu  merken:  uni  (venire),  ulei,  udei,  uzin,  usc'a. — 
Sodann  dürften  aus  dem  Französischen  Formen  hierher  gehören 
wie :  es  lerne  =  ce  chemin  R.  Fat.  I,  288,  wo  der  Vokal  erst 
in  dem  Reibegeräusche  aufgeht,  dann  aber  wieder  vor  demselben 
erscheint,  vgl.  mehr  Derartiges   im  Kap.  IV. 

376.  Tonlose  Vokale  im  Hiatus  bleiben  selten  bestehen. 
Im  Lateinischen  sind  nur  wenige  Fälle  vorhanden.  Dafs  ie  und 
ie  zu  c  werden,  ist  §  3  S.  7  angedeutet.  Vgl.  quetus,  parete 
§  70.  Dagegen  zeigt  mulie're  offenes  p:  ital.  mogli^ra,  afr.  moillier: 
es  hat  vor  der  Tonverschiebung  das  r  das  indifferente  oder  ge- 
schlossene e  zu  p  gewandelt.  Aus  coactus  coagulare  entsteht 
quactus  quagulare  §  426.  Steht  ie  in  tonlosem  Anlaut,  so  wird 
es  zu  ii:  quiitare,  piitate,  daraus  afr.  quittier,  pitie.  In  anderen 
Fällen  wird  i  zu  i:  diurnum,  ital.  giorno  u.  s.  w.  §  404.  Neuer 
Hiatus  entsteht  durch  Zusammensetzungen:  deusque,  afr.  dusque 
oder  josque.  Die  dabei  in  Kraft  tretenden  Gesetze  werden  am 
besten  bei  der  Lehre  von  den  Zusammensetzungen  besprochen. 
Sodann  durch  Ausfall  von  Konsonanten.  Zuweilen  nimmt  der 
erste  ursprünglich  tonlose  Vokal  den  Accent  auf  sich  und  bildet 
mit  dem  zweiten  einen  fallenden  Diphthongen:  span.  rSna,  vgl. 
§  598.  Oder  der  erste,  wenn  er  e,  i  ist,  sinkt  zu  i  herab  und 
affiziert  den  vorhergehenden  Konsonanten,  vgl.  §  501  ff.  Hier 
soll  nur  die  Tilgung  des  Hiatus  durch  Kontraktion  oder  durch 
Konsonanteneinschub  besprochen  werden.  Am  meisten  kommen 
das  Französische  und  Portugiesische  in  Betracht. 


300  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   377. 

377.     Im  Französischen    bleiben    i,  ü,  ou,  o    vor   betontem 
hellem  Vokal:    lim,  nielle,  viande,  miette  u.  s.  w. ;  ecuelle,  cruel, 
sneur ,  tu-yau ,  ea'ouelles,  jouer,  bo-yau,  und  mit   sekundärem  o: 
Noel;    au   wird    ou:   ouir.     Daneben   steht    afr.   roäble   aus  ruta- 
hulum,  morv.  ruole,  aber  nfr,  rähle  mit  Assimilation  des  o  an  das 
dunkle  a:    raahle  und  nachheriger  Zusammenziehung.     Lat.  o,  a 
werden  vor  ü  zu  e;   meur ,  eur ,    imd    so  in  den  Partizipien   der 
starken  M-Verba :  m,  cheu,  meu,  peu  u.  s.  w.,  ebenso  vortoniges  a 
vor  allen  Vokalen,  vgl.  §  344  und  sauveqr,  vesteure  u.  s.  w.    Ferner 
che-un  aus  cha-un  IV  Livr.  26.    Vor  o  aber  bleibt  a,  später  findet 
Zusammenziehung  zu  a  statt :  pä  aus  pavone,  flä  aus  fla-one,  oder 
o:  long  aus  *lavone,  laon,  ü  aus  aoüt.    Vor  e  bleibt  a  zunächst: 
flael ,  pac7?e ,    letzteres  wird  später  zu  poele.     Lateinisch  e  bleibt 
vor  ü:  seur,   vor  dunkeln  Vokalen    neigt   es  zu  a  hinüber:    vgl.. 
feon,  faon,    fä  neben  reond,    vor  a  bleibt  e:  eage.    Durch  Assi- 
milation werden  dann  in  einer  zweiten  Periode  die  verschiedenen 
Fälle  von  eü,  oü  zu  üü,  von  eo  zu  oo,  von  ea  zu  aa,  und  daraus 
durch  Kontraktion  zu  ü,    o,  a,    vgl.  soür  Eol.  241,  aage  Eon  II, 
4165,    roondement  Doon    3616,    henooit  Aucassin  16,  2.     Ebenso 
wenn  beide  Vokale  tonlos  sind :  pooste  Doon  534,  Daarein  Chev. 
n   esp.    5507    u.    s.   w.     Hier    sind    noch    die    eudungsbetonten 
Formen    der    M-Perfecta    zu    nennen :    oussent  Eol.  8901 ,    sousse 
Alex.  90,  a,  ousse  16,  a  u.  s.  w.    Comp,   soussent,  ploust,  pout, 
tout  C.  Ps.,  aber  pleu  C.  Ps.  146,   10,  eussent  kommt  erst  in  den 
IV.  Livres   voi\     Auch   pour   aus   pavore   gehört   hierher.     Doch 
scheiden    sich   gerade    in    der  Behandlung   von    eü  die  Dialekte : 
doüs,  oür,   poür  gehören  dem  Normannischen,    awis,    maür,  taue, 
aur,  paur  dem  Osten,    Gregors  Dialogen  u.  s.  w.  an.     Die  Kon- 
traktion hat  nicht  überall  und  nicht  in    allen  Fällen   gleichzeitig 
stattgefunden.  Am  frühesten  erscheint  sie  im  Anglonormannischen : 
schon  der  Brandan  hat   feimes  470,  oussent  655  zweisilbig,  Gaimar 
traitre  517  dreisilbig,    aber  treisun  4237    zweisilbig:    es    ist   also 
möglich,  dafs  die  Zusammenziehung  zuei-st  eingetreten  ist,  wenn 
beide  Vokale  tonlos  gewesen  sind.     Selbst  Marie  de  France  scheint 
sich  zweisilbiges  feimes  statt  feimes  erlaubt  zu  haben  Lanval  230. 
Guillaume  de  Berneville,    der  nach  1150  dichtete,    schreibt   tru, 
pluriz  u.  s.  w.   —  Die  Normandie  aber  folgt  später :  weder  Guil- 
laume  le  Clerc  noch  Andeli  kennen  die  Zusammenziehung;  Wace 


§  377.  Hiatiisvokale.  301 

schreibt  rtiser,  also  wieder,  wo  beide  Vokale  tonlos  sind,  Rou 
in,  8776,  ebenso  Guillanme  de  S.  Pair  3017.  Zahlreiche  Bei- 
spiele giebt  die  zweite  Eeimpredigt:  penance  1,  honure  116, 
surement  150,  meimes  87  u.  s.  w.  Im  Norden  und  Osten  (soweit 
hier  Überhaupt  kontrahiert  wird,  §  378),  treten  die  kurzen  Formen 
gegen  Ende  des  XII.  und  Anfang  des  XIII.  Jahrhunderts  auf, 
vgl.  in  den  Prosastellen  im  Aucassin :  vesture  12,  16;  henois 
24,  61 ;  lenie  92,  6 ;  Aiol  caine  8290,  Loon  1391,  poesteis  3313, 
treuage  9617;  henoHe  1911;  Bernhard  benizon  4,  37;  maloHe 
64,  21 ;  sollet  128,  9  u.  s.  w.  Im  Zentrum  aber  schwindet  der 
Vokal  erst  im  XIV.  Jahrhundert  und  dringt  im  XV.  (E.  Deschamp) 
mehr  und  mehr  durch. 

Steht  von  zwei  unbetonten  Vokalen  e  an  zweiter  Stelle,  wie 
dies  namentlich  in  den  Subst.  auf  -mcnt,  in  den  Adverbien  und 
in  den  Futuren  der  Fall  ist,  so  wird  es  ebenfalls  kontrahiert: 
turantDoon  6323.  Heute  ist  in  den  Futui-en  das  e  meist  analogisch 
wieder  hergestellt.  —  Ist  endlich  der  betonte  Vokal  i,  so  giebt 
dieses  seinen  Ton  an  den  vorhergehenden  Vokal  ab :  traitre  aus 
trattre,  chatne  u.  s.  w.  §  598,  doch  naif,  pays;  ist  es  ein  mit  i 
beginnender  Diphthong,  so  wird  i  zu  i,  das  sich  mit  o  zu  oi, 
mit  ai  zu^  verbindet,  nach  u  bleibt,  vgl.  tuyau,  hoyau,  noyau 
aus  tu-iau  u.  s.  w.,  foyer  aus  fg-ier,  fleau  aus  fla-'iau  neben  flau 
im  XVI.  Jahrhundert  aus  flael,  fleel,  fleav,  pre'au  aus  pra-iau. 
Erwähnenswert  ist  noch  cite-ien,  woraus  citoyen.  Das  Wort 
geht  nicht  zurück  auf  civHat  -f-  anus  oder  ianus,  da  a-ien  nicht 
hätte  -oyen  ergeben  können,  sondern  auf  frz.  ciU  +  ien,  avo  nun 
tonlos  ei  regelmäfsig  zu  oi  wird. 

Es  bleiben  nun  noch  einige  Fälle,  wo  nicht  Kontraktion 
eingetreten  ist:  pion^  piMre  a.ns  ped-one,  ped-estris  haben  sich 
durch  2ned  beeinflussen  lassen;  peage,  das  als  Gerichtsausdruck 
leicht  eine  ältere  Form  bewahren  konnte,  ist  vielleicht  an  payer 
angelehnt;  cheant,  che'ance  neben  mc'chant,  Chance  können  auf 
eadiente,  cadientia  beruhen,  bienseant  und  seance  sind  von  asseyom 
gehalten,  creance  ist  Buchwort,  desgleichen  wohl  obeir. 

Die  Participia,  wie  regut 'Rol.  782,  sind  mit  Suchier 
Ztschr.  II,  270  ff.  als  Anlehnung  an  die  Perfecta  zu 
betrachten.  —  Th.  Hossner,  Zur  Geschichte  der  unbe- 
tonten Vokale  im  Alt-  und  Neufranzösischen  (Sprachliches 
und  Metrisches),  Freiburger  Dissert.  1886. 


302  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   378—381. 

378.  In  den  Mundarten  gestaltet  sich  die  Sache  zum  Teil 
anders.  Im  Osten  fällt  t  nicht,  sondern  wird  zu  y  §  436,  so 
dafs  also  gar  kein  Hiatus  entsteht.  Oder  wenn  er  entsteht,  so 
wird  er  geduldet,  doch  erleiden  die  Vokale  Umgestaltungen,  vgl. 
Fourgs  biulo  (betulJa),  diau  (frz.  de).  Im  Wallonischen  bleibt 
a  -\-  i:  pai  (pagese  und  pacare) ,  pa'iement  u.  s.  w.  Umgekehrt 
wird  0  zu  w  im  Eouchi :  liier,  jüer,  eblüir,  ekrüelle.  —  Anderswo 
wird  ü  gerade  im  Hiatus  zu  i:  Saintonge  sicer,  Urim^nil :  eticel 
(scuteUa),  fidnt  ==  füant  in  Fillieres. 

379.  Im  Portugiesischen  wird  ei  (richtiger  ii)  zu.  i: 
crivel,  despir,  Udo,  lidimo,  cria  =  creia,  via  =^.veia,  cri  =  span. 
crei,  vinha  aus  venia,  veia  (§  454) ;  a  —  a  wird  natürlich  a :  pada, 
escada  u.  s.  w.,  auffällig  caiar  zu  canus ;e  —  e  zu  e;  ter,  crer,  lenda.  Bei 
verschiedenen  Vokalen  bleibt  meist  der  zweite :  trella  (sj)an.  trailla), 
mestre,  elo,  hesta,  quente,  setta,  conego,  conha,  möUio,  grudo:  auch 
hier  mögen  Formen  wie  treella  vorangegangen  sein,  vgl.  heesteiros 
F.  GrravaO  395.  —  Die  Formen  mit  erhaltenem  Vokal  erklären 
sich  zum  Teil  durch  Analogie:  doer,  moe'r ,  gedr,  vodr,  fiel,  fmza 
u.  a.     Auffälliger  sind  sai'ide  und  giesta. 

380.  Weit  verbreitet  ist  der  Wandel  von  tonlos  e  vor  Vokal 
zu  i,  meist  in  halbgelehrten  Wörtern.  So  frz.  lion,  afr.  crier  aus 
creare,  Fourgs :  hiulo  =  hetuJlo,  hiato  gehört  ganz  Oberitalien  von 
Venedig  bis  Turin  an,  ferner  findet  es  sich  in  Alatri,  im  Kata- 
lanischen u.  s.  w.  Ebenso  span. ,  portg.  criar.  Ferner  ven. : 
tivio,  morhio,  torhio,  komio  neben  kospedo. 

Im  direkten  Gegensatz  dazu  steht  das  Friaulische,  das  um- 
gekehrt altes  ia  zu  ea  wandelt:  lohedl  zu  Johia,  straned,  inueled, 
piertea,  dismented,  neved,  ingleseassi  zu  glesie,  odeos  u.  s.  w. 

381.  Die  Tilgung  des  Hiatus  durch  Vermitt- 
ln n  g  s  1  a  u  t  e  ist  zum  Teil  eine  noch  wenig  aufgeklärte  Erschei- 
nung, Am  natürlichsten  erscheint  es ,  wenn  ea ,  io  u.  s.  w.  zu 
eia,  iio ,  oa  zu  ova  werden.  Daneben  giebt  es  aber  noch  ver- 
schiedene andere  hiatustilgende  Konsonanten,  so  im  Italienischen  d. 
Am  einfachsten  ist  es,  die  einzelnen  Sprachen  nach  einander  zu 
behandeln.  Das  Rumänische  kennt  o  zwischen  e,  i  und  folgen- 
dem ä  in  steoa,  gioä,  vgl.  §  104;  das  ä  ist  velar,  bei  dem  Über- 


§   381.  Hiatustilgiiug  durch  Konsonanten.  303 

gang  von  einem  palatalen  Vokale  zu  diesem  velaren  entwickelt 
sich  der  velare  tönende  lleibelaut,  denn  als  solcher  ist  wohl  das 
Q  zu  fassen.  Sodann  mäduva  aus  müdua  (meduUa),  vadüva  aus 
älterem  vadtiä.  Im  Italienischen  begegnet,  wie  gesagt,  d  in  padi- 
glione  aus  '^paiglione ,  pamglione,  dem  entspricht  genau  prov. 
pagiment  aus  paiment,  pavxment,  und  beide  erklären  sich  auf  die- 
selbe Weise :  nach  dem  Muster  von  ital.  ched  a  prov,  qucz  a  = 
quid  habet  bildet  man  ned  a,  ncs  a  für  ne  a  =  ne(c)  habet,  und 
Avie  so  im  Satzinneni  d,  z  den  Hiatus  tilgt,  so  auch  im  Wort- 
inneru.  Ähnlich  erklären  sich  wohl  friaul.  Ti'adüe  aus  k'aile, 
k'avüe,  kadumer  (cucumis),  angudele  =  ven.  anguele.  Sodann  ist 
noch  ital,  ragunare  aus  raunare  zu  nennen.  Mehr  bieten  die 
Mundarten :  besonders  erwähnenswert  ist  im  Neapolitanischen  und 
den  verwandten  Dialekten  -ineya  aus  -inea ,  -igina ,  auch  noch 
in  Alätri  wird  ia  zu  iya,  eya :  envideya  =  invidia,  viya,  gelusiya, 
ideya,  beyato  und  entsprechend  pinveta,  pmvesiya,  Imndinuwd  u.  s.  w. 
Schon  Rain.  Buccio  pigeiate  815,  preyori  b  365,  pagese  b  454, 
ruvelläta  816.  Ebenso  in  Norditalien:  mail,  ideya,  ebrcy,  preya 
(*preta,  petra),  krcya,  viya,  sodann  kova  aus  koa  (coda) ,  sova  aus 
sua,  ferner  regond  aus  *revond,  *reond  (rotundus) ,  rüga,  sagoll, 
legiitt  =  liuto  u,  a.  Hier  ist  v  überall  leicht  erkläi-lich,  auch 
noch  in  bevola ,  das  über  beola  aus  beölla ,  betulla  entstanden  ist. 
Als  Analogiebildung  ist  dann  aber  zu  fassen  gravis  aus  grais, 
ital.  graiiccio,  regavia,  *revarla,  ^rearia,  *retanea,  aseve  =  acetarius 
u.  a.  —  Interessante  Erscheinungen  zeigt  das  Westrätische.  Im 
Engadinischen  wird  süur  (sudor) ,  üa  (uva)  zu  süyur,  üya ,  im 
Obw.  rais  (radice)  über  rayi§  zu  ra§is,  pruina  zu  prugina, 
sodann  nuvar  aus  nodare,  friaiJ.  davonzi  =  d-a-jungere,  ayar  (aer), 
buyazze  =  ven.  boazza.  Wenig  bietet  Nordfrankreich,  über 
sureau  zu  afr.  seü  (sabucus) ,  abriter  zu  abri  und  Ähnliches  wird 
die  Wortbildungslehre  Auskunft  geben.  Wohl  aber  zeigen  die 
nordöstlichen  Mundarten  w  zwischen  velarem  und  palatalem  Vokal, 
wallou.  seroive  (carruca),  mmver  (mutare),  mutvf  (frz.  muet),  almvette 
(frz.  luette),  bawer,  vgl.  schon  im  Poeme  Moral  lomer,  aloive  u.  s.  w. 
Etwas  verschieden  mons.  sayü  (sabucus),  sayv,  payelle  neben  navia 
(noyau),  mavü  iu  Plancher-les-Mines.  Auch  im  Provenzalischen 
erscheint  v  in  uvir  (audire)  Dauphin^,  g  in  sagüt  (sabucus)  Tarn. 
Im  Katalanischen   wird    ea   zu   eya:   §emeneya   aus  frz.  chemine'e, 


304  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   381 — 383. 

teya  =  *fea,  taeda,  diarreya  und  die  Verba  auf  -eyar  =  span. 
-ear.  Ebenso  wird  oa  zu  oua:  Tioua  im  Mayorkanischen.  Endlich 
im  Spanischen  ist  g  bei  ^°^ue,  selten  sonst,  zu  erwähnen :  creguela, 
lampregnela ,  cadaguno  Jose  85  b,  fegnza  124,  agvtarda  Caza 
u.  s.  w.,  im  Asturischen  y  vor  i,  e:  uyidu,  huyina,  trayia,  trayer, 
ruyer,  cayer,  JRafayel,  ebenso  im  Galizischen ,  im  Portugiesischen 
couve  (caulis),  ouvir,  louvar,  gouvir,  und  daraus  couhe  u.  s.  w.  im 
Norden,  s.  §  442.  Nicht  recht  klar  ist  lügdr  aus  lunar,  üga 
S.  Lourencjo  di  Sande. 

Zweifelhaft  bleibt  ein  hiatusfüllendes  r  im  Fran- 
zösischen, vgl.  A.  Tobler,  Ztschr.  vergl.  Sprachf. 
XXm,  416  und  Ztschr.  I,  479—481,  dagegen  G.  Paris, 
Eom.  VI,  129—133. 

Aus  -oa  entsteht  in  Baiao  -oia:  perdoia,  Conj.  perdoie^  jenes 
vielleicht  aus  perdoua. 

882.  Hier  mag  noch  der  Hiatus  in  den  halb-  oder  ganz- 
gelehrten Wörtern  auf  lat.  -uits,  -ua  erwähnt  werden.  Nament- 
lich in  Italien  entsteht  daraus  ovo,  ova:  Genova,  Mantova,  conti- 
novo ,  vedova,  noch  mehr  in  den  Mundarten,  vgl.  mail.  statova, 
Jcontinof,  -ova,  mütof,  individof,  amhigof  u.  s.  w.  Dafür  tritt  im 
Süden,  z.  B.  im  Neapolitanischen,  -olo  ein:  statola,  Jcontinolo 
u.  s.  w.  Ebenso  im  Portugiesischen:  estatula,  trevula  aus  trevua 
(woher  das  u?)  treva  (Beira.).     Vgl.  noch  §  340. 

383.  Vokalvorschlag.  Schon  im  Vulgärlateinischen  ist 
gedecktem  s  im  Anlaut  i  vorgeschlagen  worden.  In  den  Einzel- 
sprachen finden  sich  ferner  andere  Vokale  vor  anlautenden  Kon- 
sonanten. Namentlich  häufig  entwickelt  sich  aus  dem  Stimmton 
des  r  ein  a,  so  regelmäfsig  im  Mazedonischen :  arädätsinä,  aros, 
aräu,  aräd,  aräts  (wal.  rece)  u.  a.,  im  Engadinischen :  araig, 
aram,  arait,  arender,  arumper,  aroha,  ariJc;  im  Gaskognischen : 
arram,  arrasim,  arrumegar,  arrdbe  arreilo,  ebenso,  wenn  einst 
dem  r  ein  f  vorhergegangen  ist:  arrnmige  (formica),  arrage 
(*fraga),  im  Katalanischen:  arrebol,  arrel,  arreu,  arrialiat,  arrnga 
u.  a.  Daran  schliefst  sich  are-,  ar-  aus  re-  §  367.  Aber  auch 
sonst,  ohne  dafs  der  Grund  klar  vorläge.  In  frz.  avertin  aus  la 
vertin  ist  das  a  des  Artikels  falsch  verstanden  worden,  weil  das  Wort 
einen  für  französische  Ohren  männlichen  Avisgang  hatte;  auch  in 
maz.  amare,  eng.  alaig  kann  der  weibliche  Artikel  mit  im  Spiele 


§   383     384.  Vorsehlag  und  Zusatz  von  Vokalen.  305 

sein,  uiclit  aber  in  maz.  ama<jni,  adzoTcuri,  aspargu,  wal.  amanmt 
(minutus) ,  aluat  (levatiim).  Span,  ayer^  maz.  aeri  können  ad 
enthalten.  Eine  Hauptquelle  ftir  dieses  a  sind  die  mit  ad  zu- 
sammengesetzten Verba,  die  bald  mit  den  primitiven  gleich- 
bedeutend wurden,  daher  dann  das  a  auf  andere  Verba  und 
schliefslich  auch  auf  zugehörige  Nomina  übertragen  wurde.  So 
kann  das  genannte  maz.  amagru  nach  amagresJc  vgl.  frz.  amaigrir 
geformt  sein  wie  spau.  adevino  nach  adevinar.  So  werden  rum. 
asnd,  asimn,  astern,  ameastec,  acopär  von  anderen  einst  wirklicli 
mit  ad-  gebildeten  Verben  ihr  a  empfangen  haben.  Darüber 
mehr  in  der  Wortbildungslehre.  —  Im  Spanisch-Portugiesischen 
kommt  dazu  noch  eine  weitere  Quelle.  Der  arabische  Artikel 
al  assimiliert  sein  l  einem  folgenden  s,  S,  z^  c,  dz,  d,  dh,  t,  t,  th, 
n,  r ;  von  solchen  "Wörtern  wird  a  dann  auch  auf  lateinische  über- 
tragen. So  haben  wir  also  span.  acitron,  ahedul,  arruga,  avispa, 
aziifre,  alaton;  ayantar,  ayncar,  amenazar,  arrepenürse,  atajar 
u.  s.  w.,  portg.  ahantesma,  abalroa,  ahanar,  abutre,  alagoa,  acaho, 
alampado  n.  s.  w.  Andere  Vokale  sind  selten :  in  span.  oruga 
ist  nicht  o  vorgeschlagen,  sondern  das  e  von  lat.  eruca  an  das 
betonte  u  angeglichen. 

Zum  Spanisch-Portugiesischen  vgl.  J.  Cor  n  u ,  L'a 
prothetique  devant  rr  en  portugais,  en  espagnol  et  en 
catalan,  Rom.  XI,  75—79,  Bai  st,  Ztschr.  VTI,  631. 

384.  Vokalzusatz  am  Ende  des  Wortes  begegnet  nur 
selten.  In  älteren  rätischen  metrischen  Texten  findet  man  ihn 
zwar  ziemlich  häufig,  aber,  so  scheint  es,  ohne  dafs  er  einer 
sprachlichen  Thatsache  entspräche.  Vgl.  z.  B.  Arch.  Glott.  VIT, 
150,  14  sälgire,  15  rire,  18  servare,  aber  vangir  50,  Star  16, 
cantar  6;  liunse  41,  hunse  42,  aber  im  Versinnern  luff's.  Die 
Verse  1,  2,  4,  5,  8,  9  jeder  Sti-ophe  müssen  weiblich  sein,  da 
hilft  sich  der  Dichter  einfach  durch  ein  angehängtes  e.  Wohl 
aber  wird  im  Vulgärtoskanischen  jedem  betonten  auslautenden 
Vokale  -e  nachgeschlagen :  cantöe ,  amöe ,  so  auch  ree ,  virtüe, 
ebenso  den  konsonantisch  auslautenden  Fremdwörtern:  Davidde, 
lapise  u.  s.  w.  Die  Schrift  bringt  es  heute  nicht  mehr  zum 
Ausdruck,  wohl  aber  die  Texte  früherer  Jahrhunderte.  —  In 
portugiesischen  Mundarten,  namentlich  in  Beira  Alta,  wii-d  jedem 
auslautenden  Konsonanten  -e  nachgeschlagen :  mare,  azule,    Deuze 

Meyer,  Grammatik.  20 


306  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    384—386. 

odei-  Deuz  mit  reduziertem  z.  S.  Lourencjo  de  Sande  sdle,  kintäle, 
anele.  Darin  das  lateinische  e  sehen  zu  wollen,  geht  nicht  an 
aus  zwei  Gründen.  In  Deuze  hat  im  Lateinischen  überhaupt 
kein  Vokal  im  Auslaut  gestanden,  in  anele  ein  o.  Ferner  hätte 
aus  sale  notwendigerweise  sae  entstehen  müssen,  da  in  diesen 
Mundarten  wie  im  Gemeinportugiesischen  l  zwischen  Vokalen 
fällt.  Es  ist  also  zunächst  auch  hier  -die  zu  -al  geworden,  dann 
nach  der  Periode,  wo  'i''  fällt,   -al  wieder  zu  -aZe. 

385.  Umstellung  von  Vokalen  kann  wie  bei  den  Kon- 
sonanten in  doppelter  Weise  statt  haben  :  es  wechseln  zwei  Laute 
ihre  Stelle,  oder  es  tritt  einer  aus  einer  Silbe  in  eine  andere. 
Diese  zweite  Erscheinung  pflegt  man  als  Attraktion  oder  Epen- 
these zu  bezeichnen.  So  weit  sie  nachtonige  Vokale  betrifft,  ist 
sie  schon  §  340  besprochen.  Vortonig  ist  sie  selten,  vgl.  etwa 
andal.  faision,  astur,  popeutado,  bogot.  enjuagar.  Bemerkenswert 
ist  andal.  faitiga.  Wirkliche  Umstellung  dagegen  liegt  vor  in 
den  §  295  erwähnten  Fällen,  zu  denen  sich  aus  dem  Senesischen 
noch  folgende  merkwürdige  gesellen :  hontid ,  metid ,  ontiana, 
santia,  contiare  (comiMare),  contio  (cognitus),  ontia,  ferner  santio 
(sanctus).     Sodann  afr.  postee  für  poeste  =  potestate. 

386.  Der  Gründe  für  gegenseitige  Umstellung  giebt  es 
manche,  doch  sind  sie  nicht  immer  ersichtlich.  Im  Italienischen 
wird  rohustus  über  *rebosto  (§  358)  zu  rubesto  unter  Einflufs  von 
agresto.  Ebenso  wird  durch  Umstellung  ein  häufig  vorkommendes 
Suffix  an  Stelle  eines  seltenen  gewonnen  in  portg.  joelho  (aber 
noch  Sa  de  Miranda  giolho  und  heute  in  Ponte-do-Lima)  und  im 
tirol.  yonedl  aus  genuclu,  im  frz.  moelle  aus  meolle  (medulla), 
rouette  aus  *reotte,  *reorte  (retorta),  zum  ersteren  gesellt  sich  süd- 
sard.  mueddu,  portg.  moela,  nprov.  mudelo,  ferner  in  portg.  boleta  = 
span.  hellota,  prov.  furege  aus  feroge  (*feroticus)  nach  dumege  = 
domesticus.  Andere  sind  schwer  zu  erklären.  Lateinisch  rürmgare 
ist  zum  Teil  stark  entstellt  worden,  auch  in  seinen  Konsonanten, 
vgl.  §  582,  in  tarent.  ricumare,  kat.  remugar  hat  man  durch  die 
Vokalumstellung  das  Präfix  re  gewonnen.  —  Span,  albanal  geht 
auf  alvoniale  aus  alveonale  zurück :  i  verband  sich  mit  n  leichter 
als  mit  V.  In  aportg.  prestumeiro  =postremeiro  Foro  de  Guarda  442 
scheint  der  labiale  Vokal  von  dem  labialen  Konsonanten  angezogen 


g   386 — 388.  Vokalumstellunc?:  Vokalenttaltung.  307 

ZU  sein.  Siz.  rinnina ,  kal. ,  lecc.  rindina  scheint  *hurindine  für 
hirundine  zu  sein.  —  Besonders  leicht  vollzieht  sich  die  Um- 
stellung, wenn  beide  Vokale  tonlos  sind.  Aus  impromütuare  ent- 
steht im  gallischen  Vulgärlatein  ^imprümotuare^  frz.  emjyrunter; 
aus  hereditate  im  Afr.  eritagc,  daraus  netage;  aus  seqiiitare  über 
secutare  im  Tarentiuischen  suticare  u.  s.  w. 

Vgl.    D.    Behrens,     Über    reciprolce   Metathesen    im 
Bomanischen,  S.  100 — 109. 

387.  Vokalentfaltung  zwischen  zwei  Konsonanten  tritt 
unter  verschiedenen  Umständen  ein.  Zunächst  in  Fremdwörtern, 
die  ungewohnte  Lautverbindungen  enthalten,  wie  saintong.  ogumHe, 
ital.  seneppino,  lanzichenetto,  afr.  hanap,  canif  u.  s.  w.,  friaul. 
skuruhutt.  Sodann  namentlich,  wenn  die  beiden  Konsonanten 
nicht  homotop  sind,  oder  wenn  der  eine  ein  Sonant  ist.  Das 
Rumänische  bietet  wenig :  cZ  -f-  v,  d  -{-  m  wird  zu  dev ,  dem : 
adever,  ademänesc.  Aus  dem  Obwaldischen  ist  farein  zu  nennen. 
Da  hier  sonst  die  Gruppe  fr  geduldet  wird ,  im  Engadinischen 
dagegen  tonloser  Anlautvokal  leicht  fällt  (vgl.  §  372),  so  könnte 
farein  ein  Lehnwort  mit  Lautumsetzung  sein  nach  dem  Muster: 
eng.  frina  =  obw.  farina.  Im  Italienischen  wird  sm  zu  sim : 
ansima  aus  "^asma,  astlima,  Cosimo,  biasimo.  Namentlich  stark 
entwickelt  ist  die  Lautenttaltung  aber  im  Emilianischen,  vgl. 
romg.  esan ,  biasum ,  seruf  =  servo ,  gveran  =  governo ,  seluf  = 
salvo^  horan  =  corno,  merum  (ma,mor)  u.  s.  w.  Hierher  sind 
ferner  die  Reflexe  von  tenuis  im  Ostfranzösischen  zu  stellen: 
teneve  im  Gregor  und  Ezechiel  liefsen  sich  zwar  anders  deuten, 
aber  tenave  Ez.  22,  20,  tenavement  22,  24,  lassen  keine  Zweifel 
zu.  Dmen  gesellt  sich  bress.  §€neve,  senove  aus  cannabis, 
*öanve  bei. 

388.  Als  Vokalentfaltung  mag  es  schliefslich  gefafst  werden, 
obschon  der  Vorgang  besser  als  Vokalisierung  eines  Konsonanten 
bezeichnet  wird,  wenn  zwischen  Konsonant  und  r  ein  f  sich 
entwickelt.  Es  findet  sich  namentlich  in  französischen  Mund- 
arten, Avenn  dem  r  ein  halbvokalisches  i  oder  «  folgt.  Wir 
haben  also  in  That  und  Wahrheit  die  Lautfolge  :  Konsonant,  Sonant, 
Sonant,  Vokal.  Notwendigenveise  wird  nun  der  eine  der  zwei 
Sonanten  zum  Vokal,  und  zwar  der  zweite  im  Neufranzösischeu, 

20* 


308  I.  Kapitel:  Vokalismus.  §   388,   389. 

wo  säiye  neben  vudrie  steht,  umgekehrt  in  berry.  pfye  =  prier, 
TifyQ  =  crier,  so  habfyole,  agrye,  morv.  tfüelle,  kficr ,  pri^r, 
frß,  ffrßde,  §brie  (ahriter),  Haute-Maine  tfile  (truie),  Ille  et  Vil. 
ifiieTle,  ekfueUes,  Tcapryole.  —  Interessant  ist  in  dieser  Hinsicht 
Vionnaz.  Dem  frz.  tirer,  mirer,  virer  mufs  nach  §  262  hier  ent- 
sprechen: tiryer,  miryer,  viryer,  ferner  wird  gemäfs  §  39  das  i 
zu  §  und  weiter  er  zu  f.  Nun  haben  wir  also  in  tfye  die  Formel : 
Konsonant,  Sonant,  Sonant,  Vokal.  Der  erste  Sonant  verbindet 
sich  mit  dem  Konsonanten,  infolgedessen  mufs  der  zweite  zum 
Vokal  werden :  aus  tfyer  entsteht  tri-y-er.  In  m^ycr,  Vfyer  dagegen 
folgen  sich  drei  Sonanten ;  der  mittlere  wird  Vokal,  die  beiden 
anderen  Konsonanten :  m§rye  bleibt.  Schon  in  den  altfranzösischen 
Texten  scheinen  sich  die  Anfänge  dieser  Erscheinung  zu  zeigen. 
In  Karls  Eeise  liest  man  venderai  498,  volderunt  315,  840, 
abaterai  514,  während  das  Metrum  zweisilbige  Formen  verlangt. 
Ebenso  in  pikardischen  Denkmälern:  Amis  1834  wird  meterai 
durch  die  Silbenzahl  des  Verses  gesichert;  die  Futura  auf  -erai 
begegnen  z.  B.  in  Urkunden  aus  Vermandois,  onJcele  in  Aire  K.  4, 
aposteles  A.  25,  egelise  K.  17.  Zweifelhaft  bleibt  die  Auffassung  der 
Schreibung  ver:  cheverels ,  wie  sie  z.  B.  für  die  Bücher  der  Könige 
vor  dem  Tone  fast  Regel  ist:  da  für  v  und  u  nur  ein  Zeichen 
vorhanden  war,  konnte  das  c  dazu  dienen,  die  konsonantische 
Geltung  des  v  anzugeben.  Gerade  in  dem  genannten  Texte  aber 
dürfte  thatsächlich  auch  e  gesprochen  worden  sein  aus  doppeltem 
Grunde:  Aveil  nach  dem  Tone  vr  meist  bleibt:  ovre,  und  weil 
auch  siivrai  zu  sitverai  wird :  hier  lag  keine  graphische  Not- 
wendigkeit für  e  vor.  Eine  Weiterentwicklung  von  f  zu  er  zeigt 
Bessin  mit  Iceriahle,  Jceriature.  —  Ebenso  Avird  er  vor  Sonanten  zu 
f  in  Campobasso,  das  nun  nach  s,  (5  als  f  (ere)  bleibt,  sonst  zu 
r§  wird :  d§r§voune  (cervona) ,  ts§rmvHs§y§  (servkio) ,  d§rmvielJ§, 
aber  tr§m§ndd  (tormentare) ,  pr§f§r§yd,  preulate  aus  peryulate 
(pergidato),  abhreond,  krmvattine. 

C.  Zur  Geschichte  der  Nasaivokale. 

389.  Mehrfach  ist  im  Vorhergehenden  gezeigt  worden,  dafs 
die  nasalen  Konsonanten  einen  sehr  starken  Einflufs  üben  auf 
die    ihnen    unmittelbar   vorhergehenden  Vokale.     In  weitaus  den 


§  389—391.  Die  Nasalvokale.  309 

meisten  Fällen  ist  der  nasale  Konsonant  velar  oder  leicht 
palatal  geworden,  hat  dann  seine  Qualität  dem  Vokal  mitgeteilt, 
diesen  also  nasalisiert:  äh  oder  äii,  und  ist  schliefslich  ge- 
schwunden :  ü.  Aus  dem  Nasalvokal  ist  in  späterer  Zeit  mehr- 
fach wieder  oraler  geworden.  Es  gehören  diese  Erscheinungen 
zu  den  schwierigsten  der  romanischen  Lautgeschichte,  auch  ist 
das  zu  ihrer  Aufklärung  nötige  Material  aus  modernen  Mund- 
arten noch  ein  sehr  lückenhaftes;  dennoch  mag  hier,  zum  Teil 
mit  Wiederholung  des  schon  Gesagten,  zusammengefafst  werden, 
was  bis  heute  ermittelt  ist.  In  Betracht  kommen  das  Rumänische, 
Französische,  Provenzalische ,  Rätische,  die  oberitalienischen 
Mundarten  und  das  Portugiesische. 

390.  Im  Rumänische  n  wird  offener  Tonvokal  vor  n  und 
vor  m  -+-  Verschlufslaut  geschlossen,  also  a  zu  rum.  d,  p  zu  c,  p  zu 
o,  daraus  dann  weiter  i,  i,  u,  vgl.  eint,  vint,  hun,  und  §  94,  135,  244. 
Die  Erklärung  dieser  Schliefsung  der  Vokale  wird  gegeben  durch 
den  Unterschied ,  der  besteht  zwischen  m''  und  m'".  Das  iuter- 
vokalische  w  blieb  labialer  Nasal,  das  vorkonsonantische  dagegen 
und  jedes  n  wurde  in  seinem  Anfange  leicht  velar:  die  dadurch 
bedingte  Verengerung  des  Mundkanals  teilte  sich  auch  dem 
unmittelbar  vorhergehenden  Vokale  mit.  Zwischen  Vokalen  wird 
dann  n  über  h  zu  /«,  r,  s.  unten. 

391.  Von  besonderer  Wichtigkeit  sind  die  französischen 
Verhältnisse.  Im  Zentralfranzösischen  erscheint  heute  nasaler 
Vokal  nur  am  Silbenschlufs ,  in  freier  Stellung  im  Wortinnern 
dagegen  oraler :  j>?e?»je.  Dieser  Zustand  herrscht  mindestens  seit 
dem  XVI.  Jahrhundert:  die  Grammatiker  wissen  nichts  von 
einer  Aussprache  pl^ne.  Dafs  aber  die  Verbindung  en  auf  ?»? 
beruhen  kann,  beweisen  ame  aus  aivs  ne,  d.  i.  csm,  und  aine 
aus  inguine  über  ?«e.  Ferner  nfr.  ^;awwe  (Dachfette)  aus  jm^na, 
femme  aus  femina,  deren  a  älteres  pTne,  ferne  verlangt.  Wenn 
damit  bewiesen  ist,  dafs  axis  altfranzösisch  nasalem  Vokal  vor  n 
in  späterer  Zeit  oraler  entstehen  mufs,  so  ist  wenigstens  die 
Möglichkeit  gegeben,  nfr.  oralen  Vokal  -f-  n  auf  afr.  Xasalvokal 
-}-  fi  zurückzuftlhren.  Diese  Möglichkeit  wird  zur  Wahrschein- 
lichkeit erhoben  durch  die  Thatsache ,  dafs  ftlr  fi ,  m  zwischen 
Vokalen  im  Afr.  und  zum  Teil  noch  heute  vn ,  mm   geschrieben 


310  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   391, 

wird :  tonne,  aimme.  Diese  Doppelung  hätte  bei  der  neufran- 
zösischen  Aussprache  keine  rechte  Bedeutung,  nehmen  wir  aber 
an,  honne  sei  böne  gesprochen  worden,  so  verhält  sich  dazu  die 
Schreibweise  wie  das  geschriebene  chante  zu  dem  gesprochenen 
Mt.  Endlich  weist  die  heutige  Qualität  der  oralen  Vokale 
vor  n,  m  auf  einstige  Nasalierung:  pgma  ist  über  pöme  zu 
pgmme  geworden.  Das  Verhältnis  der  verschiedenen  Vokale  zur 
Nasalisierung  ist  ein  sehr  verschiedenes.  Am  längsten  wider- 
stehen ihr  i  und  ü,  während  alle  anderen  ihr  frühzeitig  unter- 
liegen, so  9  in  Proparoxytonis  schon  vor  Eintreten  des  Syn- 
kopierungsgesetzes  §  211,  a  noch  auf  der  Stufe  ä  §  246. 
Während  nun  das  Zentralfranzösische  alle  Vokale  in  Beziehung 
auf  Nasalisierung  und  Entnasalisierung  gleichmäfsig  behandelt, 
zeigen  die  Mundarten  bedeutende  Unterschiede.  Zunächst  ist 
schon  §  33  bemerkt,  dafs  -ina  u.  s.  w.  noch  im  ganzen  Osten 
und  zum  Teil  Südosten  als  -%ne,  -ene  u.  s.  w.  erscheinen.  Dann 
aber  scheint  e  am  ehesten  zu  beharren,  wogegen  ö  und  ä  leichter 
zu  0,  a  werden,  vgl.  z.  B.  Fourgs:  M  (hene),  p^no,  tscno,  fuenOj 
aber  snno  (sonat) ,  titno,  da  (dente),  presa,  -ma,  ferner  via  aus 
viginti,  aber  vor  Konsonanten  tiädre  (tingere),  detiädre.  Lateinisch 
ant  bleibt:  maröä  (marchand),  ebenso  an:  mä,  pä  u.  s.  w.  Be- 
merkenswert ist  hier  namentlich  der  Unterschied  in  der  Behand- 
lung von  aw^  und  ew^,  der  sich  aber  auch  sonst  findet,  vgl.  §  91 
und  Courtelary :  sota  (sentant) ,  Mtä ,  tä  neben  pretodre ,  rotr^ 
(rentrer),  vivema  (vivement),  dazu  muveme  (mouvement)  und  ressä- 
time  als  Schriftwörter.  Diese  letzteren  sind  nicht  recht  ver- 
ständlich: sie  stammen  vielleicht  aus  irgend  einem  anderen 
Dialekt,  nicht  ganz  direkt  aus  der  Büchersprache.  Sonst  aber 
sehen  wir  hier  in  völliger  Bestätigung  des  §  92  Gelehrten,  daf& 
die  Entnasalisierung  sich  am  ehesten  bei  velaren  Vokalen  voll- 
zieht, und  dafs  a  vor  Nasalen  mehr  palatal  als  velar  ist,  vgl. 
§  246 — 248.  Wie  altes  in  wird  sodann  en  behandelt.  Im 
Zentralfranzösischen  erklärt  sich  der  Unterschied  zwischen  langue 
und  teindre  daraus,  dafs  letzterem  ci  aus  en,  ersterem  c  zu  Grunde 
liegt,  jenes  entwickelt  sich  wie  peine.  Nicht  so  hier  im  Osten, 
wo  peino  zu  p^no  wird.  Das  fühi-t  auf  folgende  Reihe.  Vulglat. 
peina  wird  im  Osten  zu  peina,  p^no :  erst  auf  der  Stufe  §  tritt  die 
Nasalisierung  ein.    Dagegen  tingere  geht  über  teiire  zu  tinre.    Nun 


§   391 — 393.  Die  französischen  Nasalvokale.  311 

ist  hier  i  so  wenig  der  Nasalisieruug  fähig  als  im  Zentrum, 
anstatt  dafs  es  aber  zu  S  wird,  bleibt  es  vielmehr  bestehen  und 
aus  dem  Stimmton  des  n  entwickelt  sich  ein  nasaler  Vokal  ü, 
tinre  wird  zu  tiäre.  —  Anderswo  ist  auslautender  Nasal  geblieben, 
während  sonst  oraler  Vokal  eingetreten  ist,  so  in  der  Gegend  von 
Arras:  jwi' ,  mate,  love  (levain) ,  hüsö,  aber  dim^s  (dimanche),  ble'a 
(hlanc),  s^rp^'a,  meä^a,  l(edi,  §oJc  (cinq),  pgn§  (ponere),  Jc§del  (chafidelle), 
Jcm^ie  (commencer) ,  vet  (vingt),  v§  (vent)  u.  s.  w.  Oder  aber  die 
Entnasalisierung  ist  ganz  bedingungslos,  so  in  Reims:  mo  (mon), 
repud,  sodeli  (chandelier),  ratrc  (rentrer),  sodre  (cendre),  oguiJIe, 
odouüle  u.  s.  w. 

Zum    ältesten    Französisch     vgl.     G.     Paris,     Rom. 
XI,  605. 

392.  Zuweilen  scheint  aber  auch  Rückkehr  zu  oralem 
Vokal  -1-  n  stattzuhaben.  Für  einzelne  lothringische  Mundarten 
wird  angegeben  fandü,  muozon,  deKond,  sond  (cendre).  Es  würde 
sich  fragen,  ob  hier  germanischer  Einflufs  vorliege,  ob  überhaupt 
die  Erscheinung  ihre  bestimmte  geographische  Begrenzung  habe, 
oder  ob  sie  nur  individuell  sei.  Als  Zwischenstufe  zwischen  ä 
und  an  ist  ah  zu  fassen,  das  sich  ebenfalls  in  Lothringen  findet, 
namentlich  nach  i:  bin,  fih  oder  hylh,  fylh. 

393.  Während  bei  den  bisher  behandelten  Fällen  bei  dem 
Übergang  von  an  zu  ah,  äh  der  hinterste  Teil  des  Velums  gesenkt 
wurde,  ist  nun  auch  eine  Senkung  des  mittleren  denkbar,  also 
eine  Entwicklungsreihe  an,  an,  an.  Auch  diese  findet  sich  that- 
sächlich  im  Ostfranzösischen.  Schon  im  Mittelalter  trifft  man 
Schreibweisen  wie  foniaigne  Ysopet  67,  ploigne  501,  eschigne 
1700,  und  so  heute  im  Morvan :  ßn,  p^n,  vlh  u.  s.  w.,  auch 
mainUe,  moinlle,  poinlle  in  der  Champagne  Tarbe  70  wird  nichts 
anderes  zu  bedeuten  haben.  Weiter  nördlich  in  Mons :  trn, 
pün  (pomum),  pari,  die  beweisen,  dafs  nicht  das  i  im  Spiele  ist, 
dafs  also  nicht  eine  der  §  298  aus  dem  Rätischen  erwähnten 
verwandte  Erscheinung  vorliegt.  Auffkllig  ist,  dafs  ebenfalls  im 
Gebiete  von  Mons  ou  aus  ö,  au  aus  ä,  §u  aus  l  vorkommen,  die 
ganz  velares  h  verlangen.  Genauere  Untersuchung  ist  auch  hier 
sehr  nötig. 


312  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §   394—397. 

394.  Die  Färbung  der  Vokale  hängt  davon  ab,  ob  mehr 
eine  Tendenz  zur  Dissimilation  oder  zur  Assimilation  vorherrscht. 
Letztere  zeigt  das  Zentralfranzösische,  wenn  es  ?  zu  ä,  ^  zu  ? 
treibt  §  89  und  33.  Die  interessantesten  Dissimilationserschei- 
nungen zeigt  Arras,  avo  hlanc  zu  Mpa  wird,  gerade  wie  sälsa  zu 
S^'os :  im  einen  wie  im  anderen  Falle  liegt  a  -\-  Velar  vor ,  vor 
welchem  dieses  a  zu  §  dissimiliert  wird.  —  Schwieriger  ist  e  aus 
gedecktem  a  zu  beurteilen  in  tonloser  Silbe :  Cambray  enio 
(anneau),  cm,  hmede:  man  hat  hierin  vielleicht  am  sichersten 
Reduktion  des  tonlosen  Nasalvokals  zu  sehen,  die  derjenigen  von 
vortonigem  oralen  a  zu  e  entspricht.  Dagegen  liegt  in  süs% 
(sugant)  u.  s.  w.  in  Pas  de  Calais,  in  äbit^,  ^f,  mitcn§  in  Del^mont 
Dissimilation  vor. 

395.  Die  Entnasalisierung  ist  unter  Umständen  auch  von 
Einflufs  auf  die  Qualität  des  Vokals.  Namentlich  tritt  häufig 
Kürzung  ein,  vgl.  frz.  pömme,  und  diese  Kürzung  kann  bis  zur 
Reduktion  des  Vokals  auf  §  und  zu  schliefslichem  Verlust  des 
Tons  führen.  So  namentlich  im  Osten :  lothr.  den  (donat),  pem, 
paSen  (persona),  Jcüzen,  hozen,  feren,  pen  (epine),  fötfn,  rcn  u.  s.  w., 
daraus  dann  epnd  u.  s.  w.,  s.  §  596. 

396.  Im  P  r  0  V  e  n  z  a  1  i  s  c  h  e  n  sind  (!,  p  vor  Nasalen  ge- 
schlossen, e,  0 :  he  reimt  mit  fc,  ho  mit  do ;  a  vor  n  ist  velar,  reimt 
also  nur  mit  sich  selbst.  Tritt  ursprünglich  freies  n  infolge  der 
vokalischen  Auslautgesetze  ans  Wortende,  so  fällt  es  in  den 
meisten  Mundarten,  s.  §  563.  Im  Gaskognischen  bringt  der 
Schwund  des  n  Dehnung  mit  sich :  paa,  fee,  bee,  razoo  schreiben 
die  alten  gaskognischen  Texte  oft.  Sonst  ist  die  Quantität  die- 
selbe wie  vor  Verschlufslauten ,  daher  z.  B.  lim.  f%  (fine) ,  wie 
ouvi  (auditu),  aber  ouvt  (audire).  Es  mag  sich  fragen,  ob  zwischen 
p>ä  und  j^aw  eine  Mittelstufe  pä  liegt.  Die  Qualitätsveränderung 
der  Vokale  bedingt  eine  velare  Aussprache  des  n,  vgl.  §  394. 
Also  eine  Vorstufe  pahn  mit  einem  velar  beginnenden  land  dental 
schliefsenden  n  ist  für  die  älteste  Zeit  vorauszusetzen.  Von  da 
dürfte  aber  der  Weg  zu  j;a  kaum  anders  als  über  pä  gehen. 

397.  Die  Entwicklung  der  Vokale  vor  n  im  Rätischen  zeigt 
vielfach  Ähnlichkeit  mit  der  im  Französischen,  namentlich  diejenige 


^   397 — 399.     l^ie  rätisclien  und  oberitalienischen  Nasalvokale.  313 

von  gcnlofkteiii  e,  §  96,  im  Friaulisclieu  mit  der  im  Rumänischen. 
Doch  trügt  hier  der  Schein  zum  Teil  sehr :  rum.  timi)  und  friaul. 
timp  stimmen  nur  zufällig  Uberein:  das  i  ist  hier  ganz  anders 
entstanden  als  dort,  vgl.  §  162  und  94.  Velares  w  und  sogar 
Nasalvokale  scheinen  dem  Westrätischen  einst  eigen  gewesen  zu 
sein :  Rotenbrunnen  im  Domletschg  bewahrt  noch  heute  wenigstens 
äü  aus  an :  li'äü ,  läüa ,  päü,  zwischen  Vokalen  erscheint  h  in 
ganz  Mittelbünden ,  und  auslautend  h  z.  B.  in  j^^^^^s  eignet 
aufserdem  dem  ganzen  Friaul.  Vor  dentalen  Konsonanten  aber 
bleibt  fast  überall  w,  nur  Bergün  zeigt  auch  hier  h.  Für  die 
einstige  Existenz  von  Nasalvokalen  spricht  vielleicht  die  starke 
Abhängigkeit  des  n  vom  Tonvokal :  hum,  dana.  Die  Rück- 
kehr zum  oralen  Vokal  und  zum  dentalen  n  ist  dann  dem  hier 
besonders  starken  deutschen  Einflüsse  zuzuschreiben. 

398.  Im  P iemont es  i  sehen,  Lombard  i sehen  und 
■Genuesischen  kommen  ebenfalls  Nasalvokale  vor.  Auf  frühe 
Velare  Aussprache  des  intervokal ischen  n  weist  der  Mangel  des 
Diphthongen  von  e :  piem.  Icadeha,  nicht  *kadeina.  In  welchem 
Umfange  sie  heute  noch  bestehen ,  bleibt  erst  zu  untersuchen. 
S.  Fratello  kennt  sie  im  Auslaut :  mä,  tcmä,  v^lP,  hä,  aber  hauna, 
dessen  u  aiif  velares  n  weist.  Sodann  /i?  =  fino ,  was  an  das 
ostfrz.  via  aus  vigititi  erinnert  §  391.  Mit  2-Diphthongen  aber 
ist  n  nicht  vereinbar,  vielmehr  tritt  n  dafür  ein,  das  dann 
schwindet:  fai  aus  fenum,  buoi  =  honi,  *bom  (§  322),  1c ei  Plur. 
zu  M  (canis).  —  Völlige  Entnasalisierung,  auch  vor  Konsonanten, 
hat  im  Bergamaskischen  stattgefunden:  ma  (mano),  he  (bene),  tep 
(tempo)  setzen  doch  wohl  mä,  hi',  iip  voraus.  —  Sodann  sind 
auch  hier  die  palatalen  Nasalvokale  zu  bemerken,  die  uns  schon 
aus  dem  Französischen  bekannt  sind  (§  394),  so  im  Tessin 
nicht  nur  verin,  fen,  nissün,  sondern  auch  man,  va/n  in  der  Valle 
Maggia,  koroti  in  der  Val  Leventina ,  in  Novara  soll  n  zwischen 
Vokalen  zu  n  werden,  während  im  Auslaut  hoim  über  *6ww, 
*bun,  *bük  zu  buk  wird. 

399.  Endlich  im  Portugiesischen  finden  sich  Nasal- 
vokale ,  die  sich  wesentlich  von  den  französischen  unter- 
scheiden, sie  sind  palataler.  So  ist  im  Portugiesischen  1  und  ü 
möglich.    Wie  im  Französischen,  so  hat  auch  hier  intervokalisches 


314  I-  Kapitel:  Vokalismus.  §    399^   400. 

n  den  ersten  Vokal  nasalisiert,  ist  dann  aber  selbst  verloren 
gegangen.  In  einer  späteren  Zeit  ist  wieder  Entnasalisierung 
eingetreten,  aufser  bei  %,  das  zu  ifi  wird.  Also  luna  wird  über 
lüna,  lüa  zu  lua^  avena  über  avena ,  avea  zu  aveia ,  dagegen 
*cocma  über  cozlna,  cozta  zu  cozinha.  Im  Auslaut  bleibt  der 
Nasalvokal:  honu,  hönu,  hön,  hö,  daher  auch  lana,  läa,  und  nun 
Kontraktion  der  zwei  a :  lä,  aber  *iflno,  vlo,  vinho.  Häufig  ent- 
steht auch  Nasalvokal  durch  vorhergehendes  m,  n:  müy,  mäy, 
mim,  ninho  aus  *wio,  nido. 

400.  Die  Klangfarbe  der  Vokale  ist  in  den  Dialekten  eine 
sehr  verschiedene.  Obschon,  wie  gesagt,  die  portugiesischen 
Nasalvokale  eher  palatal  sind,  so  haben  sie  doch  stets  ge- 
schlossenen Laut.  Es  zeigen  nun  namentlich  ä  und  ö  in  den 
Mundarten  vielfach  verschiedene  Schattierungen ,  je  nachdem  sie 
mehr  oder  weniger  velar  oder  palatal  sind.  Lat.  -one  wird  im 
Norden  zu  5,  öü,  so  im  ganzen  Douro-e-Minho.  Das  südportu- 
giesische und  schriftsprachliche  äo  zeigt  eine  andere  Entwick- 
lung. Aus  one  entstand  zunächst  ö,  vgl.  öes  aus  ones  und  M 
aus  bene.  In  Verbindung  mit  dem  velaren  o  war  der  Nasal 
selbst  velar.  Durch  Dissimilation  entstand  daraus  äö  und  schliefs- 
lich  das  heutige  äo,  das  nun  identisch  ist  mit  dem  Reflex  von 
-anum.  Die  nördlichen  Mundarten  dagegen  wandeln  -ano  zu 
-an,  -ä.  Zu  -öu  gesellt  sich  meist  panis:  pöu,  was  vielleicht  aus 
Einflufs  des  labialen  Konsonanten  zu  erklären  ist.  Weiter  geht 
S.  Louren^o  de  Sande :  hier  wird  jedes  -ano  zu  -öu.  Möglicher- 
weise ist  der  Abfall  des  o  jünger:  ano,  äo,  öu;  auch  ä  aus  ana 
und  an''  bleibt  nicht,  sondern  verschiebt  sich  zu  äo:  irmöu  = 
germanus,  irmäo  =  germana,  menäo  =  portg.  mtinhä,  Jcäopo  == 
campo,  säoto. 


II.  Kapitel. 
DIE  KONSONANTEN. 


401.  Die  Faktoren,  die  die  Entwicklung  der  Konsonanten 
bedingen,  sind  zum  Teil  verschieden  von  den  bei  den  Vokalen 
mafsgebenden ,  weniger  freilich  ihrem  Wesen  als  ihrer  Wirkung 
nach.  Auch  hier  kommen  zwar  die  umgebenden  Laute  und  der 
Accent  in  Betracht,  aber  gerade  in  umgekehrtem  Verhältnis  als 
wie  bei  jenen:  die  Umgestaltung,  die  die  Konsonanten  durch 
den  Accent  erleiden ,  sind  geringe ,  entscheidend  sind  in  erster 
Linie  die  umgebenden  Laute.  Daher  ist  denn  auch  die  Stellung 
der  Konsonanten  im  Worte  weit  wichtiger,  als  die  Artikulations- 
stufe :  die  Behandlung  von  p,  fc,  t  im  Anlaut  zeigt  eine  völlige 
Übereinstimmung,  ebenso  diejenige  von  p,  1c,  t  im  Inlaut 
zwischen  Vokalen,  wogegen  zwischen  anlautend  p  und  inlautend 
p  oder  anlautend  t  und  inlautend  t  u.  s.  w.  ein  grofser  Unter- 
schied besteht,  vgl.  ital.  padre,  casa,  tcäe,  riva,  spiga,  spada,  wo 
also  nicht  Dentale  anders  behandelt  werden  als  Labiale  oder 
Gutturale,  sondern  wo  inlautende  Konsonanten  sich  anders  ge- 
stalten als  anlautende.  Eine  wissenschaftliche  Darstellung  der 
Entwicklung  des  romanischen  Konsonantensystems  wird  daher 
denn  auch  nicht  von  jedem  einzelnen  Konsonanten  in  seinen 
verschiedenen  Stellungen,  sondern  von  den  gesamten  Konsonanten 
in  den  einzelnen  Stellungen  zu  sprechen  haben,  also  Konsonanten 
im  Anlaut,  Inlaut,  Auslaut;  und  zwar  je  einfache  Konsonanten 
und  Konsonantengruppen,  beim  Inlaut  vor  dem  Tone  oder  nach 
dem  Tone  u.  s.  av.  —  Die  Veränderungen  lassen  sich  in  drei 
Klassen  teilen.  Es  kann  die  Artikulationsstelle  verschoben  werden. 


316  II.  Kapitel:  Konsonantismus.  §   401,   402. 

dies  ist  z.  B.  der  Fall ,  wenn  lat.  Tie  zu  Ti'e  wird :  das  h'  bleibt 
ein  tonloser  Verschlufslant,  wird  aber  etwas  weiter  vorn  gebildet 
als  das  fc.  Solche  Umgestaltungen  sind  meist  an  den  folgenden 
Laut  gebunden,  kommen  aber  dann  sowohl  im  Anlaut  als  im 
Inneren  des  Wortes  vor.  Zweitens  die  Artikulationsstelle  bleibt 
dieselbe,  der  Kraftaufwand  ist  ein  geringerer:  die  Stimmritze 
bleibt  verengert;  es  entsteht  also  ein  tönender  Laut  an  Stelle 
eines  tonlosen ,  oder  es  wird  nicht  mehr  ein  völliger  Verschlufs, 
sondern  blofs  eine  Enge  gebildet:  Eeibelaut  statt  Verschlufslaut, 
oder  es  wird  keine  Enge  mehr  gebildet:  an  Stelle  des  Konso- 
nanten tritt  ein  Vokal.  Während  diese  Vorgänge  ganz  allmählich 
vor  sich  gehen ,  zwischen  Ti  und  Tc  z.  B.  eine  Reihe  von  Über- 
gangsstufen liegen^  ist  dies  nicht  mehr  der  Fall,  wenn  statt  des 
labialen  m  das  dentale  n  eintritt,  oder  wenn  Z  zu  d  wird  u.  dgl. 
Die  erste  Klasse  dieser  Veränderungen  soll  im  Folgenden  als 
lokale,  die  zweite  als  graduelle,  die  dritte  als  L  a  u  t  - 
vertauschung  bezeichnet  werden.  Eine  ganz  strenge  Scheidung 
ist  übrigens  nicht  möglich. 

402.     Die    lateinischen    Konsonanten.     Der  Konso- 
nantenbestand im  Lateinischen  ist  der  folgende: 


Verschh 

ifslaute. 

Dauerlaute. 

Sonanten. 

Tonlose 

Tönende 

Tonlose      Tönende 

Labiale         P 

B 

F                V 

M 

Dentale         T 

D 

S                — 

N  LR 

Gutturale      C 

G 

H                J 

— 

Das  V  war  im  älteren  Latein  bilabial  und  hatte  diesen  Wert 
noch,  als  die  ersten  lateinischen  Wörter  zu  den  Germanen 
drangen.  Das  germanische  w  war  ebenfalls  bilabial,  daher  lat. 
vinum  im  Germanischen  durch  w^ns  wiedergegeben  wurde.  Später 
wurde  das  lat.  v  labiodental,  stand  infolge  dessen  dem  germ. /"näher 
als  dem  w,  vgl.  versus :  vers.  Als  der  Kaiser  Claudius  im  Jahre  47 
umgestürztes  F  als  Zeichen  für  v  statt  des  alten,  auch  den  Wert 
des  u  darstellenden  V  einsetzen  wollte,  war  ihm  v  offenbar  dem 
f  mehr  verwandt  als  dem  u.  Auch  Consentius  V.  395,  15  tadelt 
die  bilabiale  Aussprache  als  dialektisch :  v  quoque  litteram  aliqui 
pinguius  ecferunt,  ut,  cum  dicunt  veni,  putes  trisyllabum  inci- 
pere.    Das  H  ist  im  Volksmunde  schon  gegen  Ende  der  Republik, 


ß   402.  I^iß  lateinischen  Konsonanten.  317 

im  Munde  der  Gebildeten  etwas  später,  völlig  geschwunden :  für 
die  romanischen  Sprachen  kommt"  es  gar  nicht  in  Betracht. 

Alle  diese  Konsonanten  kommen  im  Wortanlaut  vor  Vokalen 
vor.  Im  Wortinlaut  zwischen  Vokalen  fehlt  dagegen  in  echt 
lateinischen  Wörtern  das  f,  rvfus  u.  dgl.  sind  sabellischen  Ur- 
sprungs, vgl.  §  19,  S.  41.  /  steht  nur  zwischen  Vokalen  und 
zwar  nur ,  wenn  der  zweite  dunkel  ist :  raja,  major,  ejus ;  trajecta 
u.  dgl.  sind  blofs  etymologische  Schreibungen,  gesprochen  wurde 
traicta,    s.  §  293,  h  findet  sich  ebenfalls  nur  zwischen  Vokalen. 

Von  Konsonantengruppen  besitzt  das  Lateinische  im  Anlaut: 
PX,  BL,  FL,  CL,  GL;  PR,  BR,  FR,  TR,  CR,  GR;  GN;  QU; 
ST,  STR,  STL,  SP,  SPR,  SPL,  SC,  SCR.  Von  diesen  Ver- 
bindungen ist  Sil  nur  durch  die  veralteten  stlis,  stlocus,  stlemhus, 
durch  stlatta,  stloppus  vertreten,  spr  durch  das  einzige  spretiis, 
spl  durch  das  der  Entlehnung  verdächtige  splendet.  Gn,  in  älterer 
Zeit  häufiger,  verliert  sein  g  frühe  in  der  Volkssprache, 

Im  Inlaut  erscheinen:  N  mit  den  dentalen  Verschlufslauten, 
mit  s  und  f  (doch  s.  §  403),  in  der  Schrift  auch  mit  den  Guttu- 
ralen ,  doch  hat  es  in  diesem  Falle  velare  Aussprache ;  31  mit 
labialen  Verschlufslauten  und  n ;  L  mit  allen  aufser  r ;  R  mit 
allen  aufser  l;  S  mit  tonlosen  Verschlufslauten;  alle  Verschlufs- 
laute  verbinden  sich  mit  r,  die  Gutturalen  und  Labialen  mit  l 
und  s ,  nur  g  mit  m,  n ;  endlich  verbinden  sich  p,  c  mit  t,  selten 
h,  g  mit  d.  Danach  .finden  sich  an  zweiter  Stelle  von  Konso- 
nantenverbindungen :  N  nach  l,  r,  m,  g;  M  nach  /,  r,  g;  D  nach 
Verschlufslauten;  L  nach  Verschlufslauten  aufser  Dentalen;  V 
nach  r,  l,  q;  S  nach  n,  r,  I,  p,  c  (x) ;  die  Verschlufslaute  nach 
l,  r,  n  bezw.  m,  die  tonlosen  auch  nach  s,  die  dentalen  auch 
nach  den  Labialen  und  Gutturalen. 

Verbindungen  von  drei  oder  mehr  Konsonanten  sind  nur  möglich, 
wenn  einer  ein  Sonant  oder  Dauerlaut,  einer  ein  Verschlufslaut 
ist.     Wir  finden: 

NCT,  NCS,  NCL,  NGL,  NTR,  NST;  MPT,.  MPS,  MPL,  MBB, 

CST,  CSTB,  STR. 

Verdoppelt  werden  alle  Konsonanten,    doch  sind   hh,  dd,  gg 

sehr  selten.     Endlich  im  Auslaute  stehen  M,  N,  R,  L,  S,  T,  D, 

C;  P  nur  in  dem  vereinzelten  volup,    B  nur  in  ah,  oh,  die  stets 


318  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  §   402,   403. 

mit  dem  folgenden  Worte  eine  Einheit  bilden ;  NS,  MS,  X,  PS., 
JRX,  LX,  ST;  MPS  in  siremps. 

403.  Das  vulgärlateinisclie  Konsonanten  System 
stimmt  im  ganzen  mit  dem  schriftlateinischen  tiberein.  Die 
wichtigsten  Abweichungen  betreffen  die  Gutturalen,  sodann  hat 
sich  in  den  Konsonantengruppen  und  im  Auslaut  einiges  Wenige 
verschoben. 

a.  Nur  im  Logudoresischen,  Altdalmatinischen  (Veglia)  und 
Albanesischen  hat  lat.  c  seinen  gutturalen  Wert  beibehalten.  Im 
Italienischen  jenseit  des  Apennins,  im  Rätischen,  im  Rumänischen 
und  im  Pikardischen  erscheint  es  als  Ü  bezw.  ^,  auf  den  übrigen 
Gebieten  als  ts,  s,  /.  Die  Geschichte  der  Palatalisierung  des  C 
ist  in  völliges  Dunkel  gehüllt.  Die  Annahme,  dafs  ts  aus  t^ 
entstanden  sei,  entbehrt  ebenso  sehr  einer  historischen  Stütze  wie 
die  umgekehrte,  dafs  ts  die  Vorstufe  zu  ts  bilde:  beide  Laute 
scheinen  sich  von  einem  bestimmten  gemeinsamen  Punkte  aus 
entwickelt  zu  haben.  Der  Vorgang  ist  so  zxi  fassen,  dafs  die 
Artikulationsstelle  des  k  mehr  und  mehr  nach  vorn  verschoben 
wird ,  nach  der  Stelle  hin ,  wo  bei  der  Aussprache  des  e  und  i 
der  Zungenrücken  dem  Gaumen  am  nächsten  kommt :  wir  erhalten 
so  den  Laut  des  fc  in  frz.  quij  ital.  chiesa.  Rückt  die  Arti- 
kulationsstelle noch  weiter  nach  vorn,  so  bildet  die  Zunge  eine 
Rinne :  strömt  nun  die  Luft  nach  Öffnung  des  Verschlusses  durch 
diese  Rinne,  so  entsteht  ein  leichtes  Reibungsgeräusch,  das 
ursprünglich  rein  explosive  /c  wird  zu  einem  Explosivlaut  mit 
Ansatz  zu  einem  Reibelaut :  h'.  Schreitet  man  auf  dem  bisher 
eingeschlagenen  Wege  weiter,  so  erhält  man  einen  ähnlichen 
Laut,  bei  dem  jedoch  die  Rinnenbildung  unmittelbar  hinter  dem 
Verschlufs  einsetzt :  t.  Meist  entwickelt  sich  nun  der  frikative 
Ansatz  zu  selbständigem  Lautwerte,  und  zwar  sind  zwei  Wege 
möglich.  Entweder  der  Verschlufs  auf  der  Mittellinie  wird  gelöst, 
die  Rinnenbildvmg  bleibt  bestehen,  es  entsteht  der  zusammen- 
gesetzte Laut  ts ;  oder  aber  der  Zungenrticken  wird  weniger  ge- 
hoben als  beim  t,  der  Verschlufs  explodiert  breiter,  der  frikative 
Ansatz  klingt  als  s,  wir  bekommen  den  Laut  Ö.  Die  Implosion 
von  d  und  ts  ist  dieselbe ,  c  wird  aber  mit  kleinerem  Kiefer- 
winkel gesprochen. 


§  403. 


Die  vulgärlateinischen  Konsonanten. 


319 


Nach  diesen  physiologischen  Erörterungen  bleibt  Übrig,  einen 
Blick  zu  werfen  auf  die  thatsiichlich  im  Komanischen  vorliegenden 
Formen,  wofUr  wenige  Beispiele  genügen  mögen. 


Lat. 

CENTU 

CAELU               CERVU 

CEKA 

CINERE 

Log. 

kentu 

Mu 

kerbu 

kera 

kijina 

Vegl. 

— 

— 

— 

— 

kanaissa 

Alb. 

Ic'int 

mei 

— 

— 

— 

Ital. 

cento 

cielo 

cervo 

cera 

cenere 

Rum. 

— 

der 

cerb 

cearä 

cenusä 

Eng. 

dient 

m 

öerf 

öaira 

öendra 

Venez. 

sento 

siel 

— 

— 

senere 

Gen. 

sent 

se 

— 

— 

senee 

Frz. 

Cent 

ciel 

cerf 

dre 

cendre 

Span. 

ciento 

delo 

derbo 

cera 

ceniza. 

Lat. 

CIRCAT 

CINQUE              CIMICE 

CEE  VICE 

CEREBELLU 

Log. 

Tcirca 

kimbe 

••           kimighe 

kervija 

karveddu 

Vegl. 

— 

— 

— 

— 

karviale 

Alb. 

— 

— 

— 

— 

— 

Ital. 

cerca 

cinque          dmice 

cervice 

cervello 

Eum. 

cercä 

dnd 

— 

cerbice 

— 

Eng. 

— 

dink' 

— 

— 

— 

Venez. 

serca 

sink 

simeze 

— 

servelo 

Gen. 

serca 

sinke 

simize 

— 

servellu 

Frz. 

cerche 

cinq 

— 

— 

cerveau 

Span. 

cerca 

cinco 

— 

cerviz 

celebro. 

Lat. 

CERASEU          CrVITATE 

Log. 

kariasa            — 

Vegl. 

—                — 

Alb. 

k'^rk'            k'utet 

Ital. 

ciliegio         dttä 

Rum. 

cireaM         cetate 

Eng 

. 

dereäa              — 

Venez. 

sariesa         sitd 

Gen 

. 

ceia                 — 

Frz. 

cerise           dte 

Span. 

cereza          dvdad. 

320  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  8    403. 

Im  Inlaut  treffen  wir  genau  dieselben  Verhältnisse,  da  aber 
die  inlautenden  Konsonanten  verschiedenen  sekundären  Wande- 
lungen untenvorfen  sind,  so  werden  sie  erst  §  435  besprochen, 
es  mag  hier  die  Bemerkung  gentigen,  dafs  wir  auch  für  den 
Inlaut  die  Stufen  Ti,  ßj  ts  in  gleicher  geographischer  Verteilung 
treffen.  —  Germanisches  Je  wird  nicht  mehr  palatalisiert,  s.  §  1 8, 
S.  39.  —  Entsprechend  dem  Wandel  von  k  zu  fc'  ist  der  von  g 
zu  ^,  wortiber  §  405  das  Nähere. 

Lenz,  Zur  Physiologie  und  Geschichte  der  Palatalen, 
Ztschr.  vergl.  Sprachf.  XXIX,  1—59.  —  C.  Joret, 
Du  C  dans  les  langues  romanes,  Paris  1874.  Dafs  auch 
das  Mazedonische  dem  tsi-Gebiet  angehöre,  wie  man 
früher  angenommen  hatte,  wird  durch  W  e  i  g  a  n  d  s  Aus- 
führungen S.  53 — 55  zweifelhaft;  für  Vlacho-Livadhion 
speziell  ist  sogar  d  das  reguläre,  für  andere  Ortschaften, 
wie  es  scheint,  ts.     Genauere  Auskunft    ist    abzuwarten. 

b.  Zwischen  Vokalen  ist  h  zur  Spirans  verschoben,  auf  dem 
ganzen  Gebiete  sind  seine  Schicksale  völlig  gleich  denen  des  v, 
ebenso  besteht  kein  Unterschied  zwischen  g  vor  e,  i  und  j, 
s.  §  436  u.  476.  Ferner  ist  iv-us  zu  ius  geworden,  ital,  rio,  span. 
rio,  afr.  riu,  so  lauten  die  Adjectiva  auf  ivus  im  Mask.  -ius,  im 
Fem.  -iva,  was  dann  verschieden  ausgeglichen  wird,  wovon  in 
der  Wortbildungslehre. 

c.  Ebenfalls  schon  vor  Beginn  unserer  Zeitrechnung  war  n 
vor  S  mit  Dehnung  des  vorhergehenden  Vokals  ausgefallen.  Ety- 
mologische Rücksichten  verschiedenster  Art  und  Überlieferung 
liefsen  trotzdem  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  die  Orthographie  an 
ns  festhalten;  man  schrieb  pensatj  mensa,  mensis,  consul,  vensica 
neben  vesica,  -onsus  neben  -osus,  sj)rach  aber  pesat,  mesa,  mesis, 
cosul  (Quintilian  I,  7,  29 :  consules  exempta  n  littera  legimus) 
u.  s.  w.,  schrieb  dann  auch,  da  die  Buchstabengruppe  ens  gleich 
war  der  Lautgruppe  es,  thensaurus,  wo  doch,  wie  griech.  QrjoavQog 
zeigt,  nie  ein  n  vorhanden  gewesen  ist.  Dem  Romanischen 
liegen  blofs  die  w-loseu  Formen  zu  Grunde-,  Wörter,  die  ns  auf- 
weisen, wie  pensare  denken  neben  pesare  wägen,  gehören  der 
Büchersprache  an.  —  Nicht  so  einfach  wie  bei  ns  liegen  die 
Verhältnisse  bei  nf.  Da  f  nur  im  Wortanlaut  vorkommt,  so  ist 
nf  auf  Zusammensetzungen  Avie  infans  beschränkt;  es  konnte 
daher   die    lautliche   Entwicklung   zu    '^ifans    durch    den  Einflufs 


§   403.  Die  vulgärlateinischen  Konsonanten.  321 

der  zahlreichen  anderen  Wörter  mit  Präfix  in  gestört  werden; 
dementsprechend  finden  sicli  im  Romanischen  beide  Formen 
§  484. 

d.  Der  hochlateinischen  Gruppe  culu,  bidu,  tulu  u.  s.  w. 
stellt  die  alte  Avie  die  spätere  Volkssprache  synkopierte  Formen 
clUy  hlu,  tlu  gegenüber,  vgl.  §  29.  Nun  behält  aber  das  Lateinische 
die  Verbindung  tl  nicht,  sondern  wandelt  sie  mit  Verschiebung 
der  Artikulationsstelle  in  d:  veclus,  sicJa  statt  vetulus,  situla  tadelt 
die  App.  Probi  K.  IV  197,  20  ff.  Ebenso  Avird  stloppus  zu 
scloppKS,  ferner  pessulum,  assula  über  *pessJa,  *assla  zu  *pestla, 
*astla  (geschrieben  astula),  pesda,  ascla,  s.  §  487. 

G.  F 1  e  c  h  i  a ,  Postilla  sopra  im  fenomeno  fonetico  della 
lingua  latina,  Torino  1871. 

e.  Lateinisch  gm  ist  zu  um  geworden :  sauma ,  peiima, 
pimnentum,  fleuma,  paumentum,  daraus  ital.  salma,  palmentOy 
span.  salma,  pelmazo,  frz.  sotnme,  piment. 

f.  Die  Verbindung  xt  ist  zu  st  reduziert.  In  Betracht 
kommen  sextus,  dexter,  extra,  juxta,  deren  romanische  Vertreter 
in  den  Idiomen,  die  sonst  x  nicht  assimilieren,  lauten 

Rum.  —  zestre 

Obw.  —  — 

Frz.  —  destre 

Prov.  —  destre 

Span.         siesta  diestro 

Frz.  8ixte=  sexta  statt  *seste  ist  an  six  angelehnt,  vgl.  aber 
sestier  und  bissetre. 

g.  Auslautend  m  in  tonloser  Silbe  ist  schon  im  ältesten 
Latein  verdumpft  und  ßchliefslich  gefallen,  zunächst  am  Satzende 
und  im  Satzinnern  vor  Vokalen:  illum  amicum  wurde  zu  Ulli  amicü, 
diu  amkii,  Avie  comarcet  zu  cöarcet,  coercet,  und  vor  Spiranten: 
illu  jttgu  wie  cojva,  üla  hcrba  wie  cohibet  u.  s.  w.  Der  Abfall 
hat  in  vorhistorischer  Zeit  stattgefunden,  schon  die  ältesten  Denk- 
mäler, wie  die  Scipionengrabschriften ,  schi'eiben  oino,  duonoro, 
optiimo.  Die  starre  und  regelmäfsige  Rechtschreibung  der  klas- 
sischen Periode  führte  m  überall  wieder  ein,  die  Volkssprache 
liefs  sich  jedoch  durch  das  Schriftbild  nicht  beirren:  dem  Roma- 
nischen liegen  Formen  ohne  m  zu  Grunde.  Anders  verhält  es 
sich,  wenn  der  dem  m  vorhergehende  Vokal  betont  ist  §  551. 

Meyer,  Grammatik.  21 


stra 

— 

easter 

— 

estre 

joste 

estra 

josta 

— 

justa. 

322  !!•  Kapitel:  Konsonantismus.  ^   404    405. 

A.    Die  Konsonanten  im  Wortanlaut. 

404.  Im  Anlaute  sind  die  Konsonanten  am  widerstands- 
fähigsten, graduelle  Veränderungen  kommen  fast  gar  nicht,  lokale 
nur  in  verhältnismäfsig  geringem  Umfange  vor.  Von  den  un- 
mittelbar folgenden  Sonanten  üben  r,  u,  o  gar  keinen  Einflufs, 
ö3,  ü  einen  beschränkten,  etwas  mehr  a,  noch  mehr  l,  am  meisten 
i,  e.  Unter  den  anlautenden  Sonanten  sind  r,  m  fester  als  Z,  n; 
die  Reibelaute  verschieben  sich  leichter  als  die  Verschlufslaute. 
Von  letzteren  zeigen  sich  die  Gutturalen  am  empfindlichsten,  die 
Labialen  am  wenigsten  empfindlich.  Nur  in  wenigen  Fällen 
hängt  die  Behandlung  des  anlautenden  Konsonanten  davon  ab, 
ob  der  unmittelbar  folgende  Vokal  betont  oder  tonlos  sei. 

405. 


Lat. 

PEATU 

PULVERE 

PAS  SU 

PATRE 

PAUPERU 

Rum. 

prat 

pulbere 

pas 

— 

— 

Engad. 

pro 

puölvra 

pas 

peder 

2)over 

Ital. 

prato 

polvere 

passo 

padre 

povero 

Frz. 

pre 

poudre 

pas 

pere 

povre 

Span. 

prado 

polvo 

paso 

padre 

ptohre. 

Lat. 

PURU 

POTEST 

PONTE 

PILU 

PETRA 

Rum. 

— 

poate 

2)unt 

per 

inaträ 

Engad. 

pur 

pb 

punt 

pail 

peidra 

Ital. 

puro 

pub 

ponte 

pelo 

pietra 

Frz. 

pur 

peilt 

pont 

poil 

pierre 

Span. 

puro 

puede 

puente 

pelo 

piedra. 

Lat. 

PINU 

PLAGA 

*PRESIONE 

*POTERE 

PAGANU 

Rum. 

p)in 

plagä 

— 

potere 

pagan 

Engad. 

pin 

pleya 

— 

pudair 

payaun 

Ital. 

pino 

piaga 

prigione 

podere 

pagano 

Frz. 

pin 

plaie 

prisqn 

pouvoir 

payen 

Span. 

pino 

§  422 

prision 

poder 

xmgano. 

Lat. 

PURGAEE 

*PINNIONE 

PERDICE 

PLACERE 

BRANCA 

Rum. 

— 



— 

placere 

hräncä 

Engad. 

pürger 

— 

— 

plasair 

braiink'a 

Ital. 

purgare 

pignone 

pterniee 

piacere 

hranca 

Frz. 

purger 

pignon 

perdrix 

plaisir 

hranche 

Span. 

purgar 

pinon 

perdis 

placer 

hranca. 

§  405. 


Anlautende  Konsonanten. 


323 


Lat. 

BUCCA 

BALNEÜ 

BUSTÜ 

BOVE 

BIBO 

Rxim. 

hucä 

haie 

— 

bou 

beu 

Eilgeld. 

hiiok'a 

tan 

im 

bouf 

baif 

Ital. 

hocca 

hagno 

busto 

bue 

bevo 

Frz. 

houche 

hain 

pr.  bust 

boeuf 

bois 

Span. 

boca 

hano 

busto 

bueif 

bebo. 

Lat. 

BENE 

BLITU 

BUKDONE 

BASTONE 

BU- 

ßum. 

hin 

— 

— 

bästun 

— 

Engad. 

hein 

— 

— 

baUun 

hüttdr 

Ital. 

hene 

hieta 

bordone 

bastone 

burrone 

Frz. 

hien 

— 

bourdon 

bäton 

bureau 

Span. 

hien 

hledo 

bordon 

baston 

buscar. 

Lat. 

BILANCEA 

BETULLA 

TEES 

TÜNDET 

TANTU 

Rum. 

— 

— 

trei 

tunde 



Engad. 

talanöa 

haduon 

tre 

tuonda 

taunt 

Ital. 

hilanda 

hidolla 

tre 

tonde 

tanto 

Frz. 

halance 

houleau 

trois 

tond 

tant 

Span. 

bälanza 

äbedul 

tres 

tonde 

tanto. 

Lat. 

TALE 

TAUEÜ 

TU 

TOETU 

TONU 

Rum. 

tare 

taur 

tu 

toH 



Engad. 

tel 

tor 

tu 

tort 

tun 

Ital. 

tale 

toro 

tu 

torto 

tuono 

Frz. 

tel 

pr.  taur 

tu 

toH 

ton 

Span. 

tal 

toro 

tu 

ttierto 

pg.  tom. 

Lat. 

TIMET 

TELA 

TEMPUS 

TEPIDÜ 

TINA 

Rum. 



tearä 

§  419 

§  419 

§  419 

Engad. 

teima 

taila 

taimp 

tevi 

tina 

Ital. 

teme 

tela 

tempo 

tiepido 

tina 

Frz. 

ieint 

toile 

temps 

tiede 

tine 

Span. 

teme 

tela 

tiempo 

tivio 

tina. 

Lat. 

TRACTIAKE 

;      TOKMENTÜ 

TALEARE 

TUEAEE 

*TEMPESTA 

Rum. 

— 

— 

täid 

— 



Engad. 

— 

— 

toter 

— 

tempeista 

Ital. 

tracciare 

tormento 

tagliare 

turare 

tempesia 

Frz. 

tracer 

tourment 

tailler 

vgl.  tuyau  tempete 

Span. 

trazar 

tormento 

tajar 

vgl.  tuson  tetnpestad. 

21* 

324 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  405. 


Lat. 

TITIONE 

DONU 

DAT 

DURU 

DOLU 

Rum. 

täciune 

vgl.  dot 

da 

Vgl.  duc 

dor 

Eiigad. 

titsun 

dun 

do 

dür 

doßla 

Ital. 

tiezone 

dono 

da 

dMro 

duolo 

Frz. 

tizon 

don 

pr.  da 

dur 

deuil 

Span. 

tizon 

don 

da 

duro 

duelo. 

Lat. 

DIGITU 

DECE 

Die 

DORMIRE 

DAMNARE 

Rum. 

degäe 

§  419 

§  419 

durmire 

dauna 

Engacl. 

daint 

dd 

di 

dormir 

daner 

Ital. 

dito 

dieci 

di 

dormire 

dannare 

Frz. 

doigt 

dix 

dis 

dormir 

damner 

Span. 

dedo 

diez 

di 

dormir 

danar. 

Lat. 

DURARE 

DENARIU 

Diyisu 

CREDIT 

*CORTE 

Rum. 

— 

— 

— 

crede 

curte 

Engad. 

dürer 

daner 

— 

Tcraia 

kuqrt 

Ital. 

durare 

denajo 

diviso 

crede 

Corte 

Frz. 

durer 

denier 

devis 

croit 

court 

Span. 

durar 

dinero 

devisa 

crede 

Corte. 

Lat. 

CASA 

CAUSA 

CULU 

CORNU 

CliARU 

Rum. 

casä 

— 

cur 

com 

ciliar 

Engad. 

§  413 

§  413 

§  413 

§  413 

Mar 

Ital. 

casa 

cosa 

culo 

corno 

chiaro 

Frz. 

§  409 

§  409 

cul 

cor 

clair 

Span. 

casa 

cosa 

culo 

cor 

.   §  422. 

Lat. 

CRIBELLU 

COLUBRA 

CABALLU 

CURARE 

GRANU 

Rum. 

— 

Vgl. coro as^ra  cal 

— 

grän 

Engad. 

kribel 

ygl.kulmaina  §  413 

§  413 

gro 

Ital. 

crivello 

vgl.  colonna 

'>  cavallo 

curare 

grano 

Frz. 

cribler 

coideuvre 

§  409 

eurer 

grain 

Span. 

crevillo 

culebra 

cahal'o 

curar 

grano. 

Lat. 

GULA 

GALLU 

GAUDET 

GUSTU 

GLANDE 

Rum. 

gurä 

— 

— 

gust 

ghindä 

Engad. 

guola 

§  413 

§  413 

gust 

glanda 

Ital. 

gola 

gallo 

gode- 

gusto 

ghianda 

Frz. 

gueule 

§  409 

§  409 

goüt 

gland 

Span. 

gola 

gallo 

goza 

gusto 

§  422. 

§  405. 


Anlautende  Konsonanten. 


325 


Lat. 

GRAMINEA 

GUBERNU 

GALLINA 

FREXU 

FÜNDU 

Rum. 

— 

— 

gäinä 

frtn 

fiind 

Engad. 

— 

giwiern 

§  411 

— 

fitonts 

Ital. 

gramigna 

governo 

gällina 

freno 

fondo 

Frz. 

— 

gouverner 

§  409 

frein 

fonds 

Span. 

— 

gobierno 

gallina 

freno 

§  408. 

Lat. 

FABA 

FUSU 

FOCU 

FEMINA 

FERA 

Eum. 



fllS 

foc 

— 

fiarä 

Engad. 

fef 

— 

fCB 

femna 

faira 

Ital. 

fava 

fuso 

fuoco 

femmina 

fiera 

Frz. 

feve 

fuseau 

feu 

femme 

fiere 

Span. 

§  408 

§  408 

§  408 

§  408 

§  408. 

Lat. 

PILIÜ 

FLOKE 

FEAGOEE 

FORMICA 

FAYOEE 

Rum. 

fCiu 

floare 

— 

furnicä 

— 

Engad. 

ß 

fluor 

— 

furmia 

favur 

Ital. 

figlio 

fiore 

fragore 

formica 

favore 

Frz. 

iils 

fleur 

freor 

fourmi 

faveiir 

Span. 

§  408 

§  422 

fragor 

§  408 

§  408. 

Lat. 

FERMENTU 

VOCE 

VACCA 

*VOLET 

VERU 

Rum. 

framint 

— 

vacä 

vore 

ver 

Engad. 

ferment 

vuoS 

vah'a 

voul 

vair 

Ital. 

fermento 

voce 

vacca 

vuole 

vero 

Frz. 

ferment 

voix 

vache 

veut 

voir 

Span. 

§  408 

voz 

vaca 

vuel 

vero. 

Lat. 

VENIT 

VINU 

VULTUBNU 

VANITARE 

VENENU 

Rum. 

vine 

vin 

— 

— 

venin 

Engad. 

ven 

vin 

— 

— 

— 

Ital. 

piene 

vino 

voltojo 

vantare 

veneno 

Frz. 

vient 

vin 

vautour 

vanter 

venin 

Span. 

viene 

vino 

bochurno 

vantar 

veneno. 

Lat. 

VILLANÜ 

SOLE' 

SAIi 

sucu 

SONU 

Rum. 

— 

soare 

sare 

ujsuc 

sun 

Engad. 

— 

sulal 

sei 

—     ■ 

sun 

Ital. 

villano 

sole 

sale 

sugo 

suono 

Frz. 

villain 

soleil 

sei 

SKC 

son 

Span. 

villano 

sol 

sal 

sugo 

sueno.  ^ 

326 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  405. 


Lat. 

SITI 

SEX 

SI 

SORORE 

SAGITTA 

Rum. 

sete 

§  419 

§  419 

surore 

sagetä 

Engad. 

sait 

ses 

— 

sour 

sagetta 

Ital. 

säe 

sei 

si 

sorella 

saetta 

Frz. 

soif 

six 

si 

sereur 

saiette 

Span. 

sed 

seis 

Sl 

— 

saeta. 

Lat. 

SUDARE 

SEMENTA 

SIBILARE 

RUMPIT 

RAMU 

Rum. 

sudare 

seminß 

— 

rumpe 

ram 

Engad. 

süar 

semner 

— 

ruompa 

ram 

Ital. 

sudare 

semsnza 

§  417 

rompe 

ramo 

Frz. 

suer 

semence 

siffler 

romp 

raim 

Span. 

sudare 

semienza 

silhar 

rompe 

ramo. 

Lat. 

KAUCÜ 

RUTA 

REGE 

REDIT 

RIVU 

Rum. 

— 

rutä 

— 

— 

riu 

Engad. 

rauJc 

— 

— 

— 

— 

Ital. 

roco 

ruta 

re 

riede 

rio 

Frz. 

rou 

rue 

roi 

— 

riu 

Span. 

roco 

ruda 

rey 

— 

rio. 

Lat. 

EOTUNDU 

RADICE 

RUMORE 

REGINA 

MULTU 

Rum. 

rätund 

rädäcinä 



— 

mult 

Engad. 

roduond 

radi§ 

rumur 

— 

mudlt 

Ital. 

rotondo 

radice 

rumore 

regina 

molto 

Frz, 

rond 

racine 

rumeur 

reine 

mout 

Span. 

redondo 

raiz 

rumor 

reina 

mucho. 

Lat. 

MAGIS 

MURU 

MORIT 

MINUS 

MEL 

Rum. 

ma 

mur 

moare 

— 

miere 

Engad. 

ma 

mür 

mura 

main 

meil 

Ital. 

ma 

muro 

muore 

meno 

melle 

Frz. 

mais 

mur 

meurt 

moins 

miel 

Span. 

mas 

muro 

muere 

menos 

miel. 

Lat. 

MIRAT 

MONETA 

MATURU 

MINUTU 

NODÜ 

Rum. 

mirä 

— 

— 

märunt 

nod 

Engad. 

mira 

munaida 

madür 

— 

— 

Ital. 

mira 

moneta 

maturo 

minuto 

nodo 

Frz. 

mire 

monnaie 

mür 

menu 

nmud 

Span. 

mira 

moneda 

maduro 

menudo 

nudo. 

§  405,  406. 


Anlautende  Konsonanten. 


327 


Lat. 

Rum. 

Engad. 

Ital. 

Frz. 

Span. 

Lat. 

Rum. 

Eng.ad. 

Ital. 

Frz. 

Span. 

Lat. 

Rum. 

Engad. 

Ital. 

Frz. 

Span. 


NASU 

nas 

nes 

naso 

nez 

naso 

NIDU 

nid 
nido 
nid 
nido 

LAUDAT 

laudä 

loda 

loda 

loue 

loa 


NUDU 

nüd 
mido 

mi 
nudo 

NOVELLA 

nuie 

nuvella 

novella 

nouvelle 

novella 

LUMEN 

Inme 

luna 

hm 

lumhre 


NOVU 

noii 

nau 

nuovo 

neiif 

mievo 

NATALE 

nadal 
nadale 
noel 
nadal 

LOCÜ 

loc 

Icek 

luogo 

Heu 

hiego 


NIGRU 

negru 

naiger 

negro 

noir 

negro 

LUSCÜ 


losco 

lonclie 

losco 

LEGE 

leage 

le§ 

legge 

loi 

ley 


NEPOS 

neif 
nievo 
nies 
nieto. 

LATUS 

laturi 

lad 

lato 

lez 
lado. 

LAETU 


lieto 

liet 

liedo. 


Lat.  LINU  LUMBRICU    LACTUCA     LOXGITANU     LECTICA       LIGOXE 

Rum.  §  419  limbric  —  —  leftiga  — 

Engad.  §  420  —  —  luntanar  litera  — 

Ital.  Uno  lumhrico  lattiica  lontano  lettiea  ligone 

Frz.  lin  lombric  laitue  lointain  —  — 

Span.  Uno  lomhriz  leclmga  —  lecliiga  Ugona, 

406.  Der  palatale  Verschl  u  fsl  axi  t.  Schon  §  403 
ist  gezeigt,  dafs  das  vulglat.  ä;'  sich  nach  zwei  Richtungen 
hin  entwickelt,  als  deren  Ausgangspunkt  d  bezw.  ts  anzusetzen 
ist:  die  weiteren  Schicksale  von  diesem  Punkte  aus  bedürfen 
für  einzelne  Sprachen  noch  einiger  Bemerkungen.  Wann  in 
Frankreich  der  Übergang  von  ts  zu  s  stattgefunden  hat,  läfst 
sich  nicht  genau  sagen:  czo  Eul.  21,  manafce  9  sprechen  fiir  ts  in 
der  ältesten  Periode,  Schreibungen  wie  scleberroH  Bern.  522 
selles  ib.,  sele  Huon  de  Bord.  5335  und  umgekehrt  ciele  für 
siele  Chev.  II  esp.  8765,  deren  Handschriften  ins  XIII.  Jahr- 
hundert gehören,  eervirent  NE.  XVIII,  103,  Lothr.  1265,  zeigen, 
dafs  er  wohl  schon  im  XII.  Jahrhundert    vor    sich  gegangen  ist. 


328  n.  Kapitel:  Konsonantismus.  S   406    407. 

Nur  die  Pikardie  und  ein  Teil  des  Wallonischen  zeigen  ö  bezw.  1 
Da  aber  auch  ti,  das  sicher  zunächst  fs  gelautet  hat,  im  Pikar- 
dischen als  öj  i  erscheint  (s.  §  509),  so  darf  man  wohl  annehmen, 
dafs  auch  pik.,  wallon.  ^/f/ =  frz.  cid  zunächst  au£  tsiel  beruhe. 
Vgl.  A.  Horning,  Zur  Geschichte  des  lateinischen  C, 

S.    43 — 45,    zum   Wallonischen    M.  Wil  motte,    Rom. 

XVn,   561. 

407.  Die  praepalatale  Spirans.  Die  praejjalatale 
tönende  Spirans  des  Vulgärlateins  entspricht  dem  g  vor  e,  i,  dem 
j  vor  allen  Vokalen,  der  Verbindung  di  in  diurmtm ,  diaria,  dem 
griech.  ^  in  dem  hybriden  zclosiis.  Auch  hier  sind  auf  einem 
Teile  des  Gebietes  die  folgenden  Vokale  von  bestimmendem  Ein- 
flufs  auf  die  Entwicklung  des  Konsonanten,  so  dafs  die  Zahl  der 
Beispiele  in  zwei  Klassen  zerfällt. 

a.  Lat.  gc,  vulglat.  ye  bleibt  als  solches  im  Sardischen, 
Sizilianischen  und  Süditalienischen ;  im  Mittelitalienischen,  Rumä- 
nischen und  Rätischen  wird  es  zu  g,  ebenso  in  ältester  Zeit  im 
Provenzalischen,  Französischen  und  Portugiesischen,  ist  aber  hier, 
wie  auch  in  manchen  rätischeu  Mundarten,  Avann,  läfst  sich 
schwer  bestimmen,  zu  ^  geworden,  im  Asturischen  zu  ^.  Die 
französischen  Grammatiker  des  XVI.  und  XVII.  Jahrhunderts 
kennen  nur  &,  aber  g  hat  sich  noch  bis  heute  gehalten  in  den 
französischen  Mundarten  am  Ostabhange  der  Vogesen,  nördlich 
im  Wallonischen  (Seraing,  Umgebung  von  Mons),  südlich  im  oberen 
Meurthe-  und  Moselthal.  Die  Verteilung  von  I,  g  und  daraus  dz 
entspricht  völlig  der  von  ^,  ö,  ts  aus  lat.  ca  §  410.  Dem  dort 
aus  Mandray  verzeichneten  ts  steht  hier  die  Orthographie  jg 
gegenüber:  jgambe,  jgieudi,  deren  Wert  nicht  ganz  klar  ist.  Im 
Südwesten :  Gascogne,  Bordeaux,  Charente,  Saintonge,  Poitou,  Deux 
Sevres  findet  sich  wieder  y,  das  wohl  eher  erst  aus  g  entstanden, 
nicht  der  direkte  Fortsetzer  des  vulglat.  y  ist.  Dasselbe  gilt 
von  di  in  Mons:  Diä  =^  Jean,  diau  frz.  Jone,  diaune  (juvenis). — 
Im  Venezianischen ,  Lombai'discheu ,  Genuesischen ,  ferner  im 
Südostfranzösischen,  endlich  im  Mazedonischen  tritt  dz  an  Stelle 
von  y,  das  dann  im  Istrischen  sogar  zu  z  wird.  Anfänge  dazu 
zeigen  sich  auch  anderswo ,  am  rechten  Rhoneufer  in  Gard  und 
Ardeche,  wo  ein  zAvischen  g  und  dz  stehender  Laut  angegeben 
wird,  der  Übergang  ist  vollzogen  in  Lot :  tsomay  (jammagis),  ditso 


§  407. 


Vulgärlateiniscli  J  im  Anlaut. 


329 


(dies  jovis)  mit  auffälliger  gradueller  Änderung.  Auch  portu- 
giesische Mundarten  kennen  dz,  vgl.  sinoUio  in  Miranda  und  das 
auch  in  die  Schriftsprache  gedrungene  gimbro  =  junijjervs.  Auf* 
dem  venezianischen  Festlande,  in  Verona  und  in  den  ursprüng- 
lich rätischen,  später  vom  Venezianischen  gewonnenen  Gebieten 
am  Sudabhange  der  Alpen  wandelt  sich  g  in  (f,  d,  also  namentlich 
aufser  in  Padua  und  Verona  noch  in  Feltre  und  Belluuo.  Dann 
im  Bergamaskischen,  doch  bleibt  noch  zu  untersuchen,  wie  hier 
dz,  g,  d  verteilt  sind.  Dieselbe  Erscheinung  findet  sich  auch  in 
Sudostfrankreich:  Jujurieux,  ebenfalls  in  einer  Gegend,  wo  g 
und  dz  zusammentreffen.  Dies  legt  die  Vermutung  nahe,  dafs  d 
nicht  eine  allmähliche  Umgestaltung  von  dz  oder  g,  sondern 
vielmehr  eine  falsche  Aussiirache  des  dz  sei  im  Munde  von 
Leuten,  die  das  dz  nicht  besitzen  und  ihr  g  durch  das  dz  der 
Nachbarn  ersetzen  wollen.  —  Endlich  im  Spanischen  wird  y  zur 
reinen  Asjnration  und  fällt  dann  ganz  weg.  Vgl.  liermanos  in 
einer  Urkunde  aus  dem  IX.  Jahrhundert  Mufioz  153.  Folgende 
Tabelle  veranschaulicht  die  Geschichte  von  ge  in  den  wichtigsten 
Beispielen. 

GENUCLU      GERMANU    GENESTA     *JEXÜAR1U 

yinoJcyii         —         yinestra    yinnaru 

genuncMe      —  —  — 

ginocchio   gcrmano    ginestra 

gannol  —  — 

genou 

joellio 

dzenogo 

hinojo 

Über    sard.    b    statt   ^    s.    §    618.     Portg. 
in  Verbindungen  wie  me^i  irmäo  entstanden. 


Lat. 

Sizil. 

Rum. 

Ital. 

Engad 

Frz. 

Portg. 

Venez, 

Span. 


GENEEU      GENTE 

ycnnaru       — 
ginere 


genero 

g  ender 

gendre 

genro 

dzenero 

yerno 


ginte 

gente 

gender 

gent 

gente 

dzcnic 

yente 


gennain  genet 

—  giesta 
dzerman        — 

Jiermano  Mniesta 


gennajo 

zner 

janvier 

Janeiro 

dsenaro 

enero. 


irmao    ist 
Span,  gente 


genero   u. 
Wörter. 


s.    w.    sind    später    aufgenommene    lateinische 


b.  Eine  besondere  Behandlung  von  ja,  jo,  jtt  zeigen  das 
Spanische,  Rätische,  Rumänische  und  Toskanische,  während  in 
den  übrigen  Sprachen  das  Resultat  dasselbe  ist  wie  das  von  ge. 
Die  präpalatale  Enge  wird  vor  den  dunkeln  Vokalen  zum  Ver- 
schlufs:  dya,  dyo,  dyv;  der  palatale  Verschlufslaut,  der  so  ent- 
steht,   kann    sich    nun    entweder    so    weiter    entwickeln   wie  die 


330  n.  Kapitel:  Konsonantismus.  §   407. 

entsprechende  Spirans,  oder  aber  besondere  Wege  gehen.  In 
toskanischen  Dialekten  bleibt  er  vor  a:  diaccio,  diacere,  im  Span, 
wird  er  zu  y  vor  betontem  a,  o,  u,  vor  ue  und  vor  tonlosem 
a,  u  zu  K  (geschrieben  j) ;  im  Rum.  vor  a  zu  e,  vor  o,  u  zu  ^,  i, 


maz.   dz. 

Im   Rät.    bleibt 

dy  o( 

1er  rückt  zu  g  vor 

in  Dialel 

wo  ge  = 

z  ist. 

Lat. 

JAM 

JACET 

JAMMAGIS 

JOVIS 

JÜGÜ 

Rum. 

— 

zace 

— 

joie 

jug 

Priaul. 

— 

— 

— 

yoibe 

yov 

Ital. 

giä 

giace 

giammai 

giove 

giogo 

Frz. 

ja 

gU 

Jamals 

jeudi 

joug 

Span. 

ya 

yace 

jamas 

jueves 

yugo 

Portg. 

ja 

jace 

jamas 

— 

jugo. 

Lat. 

JUVENB             JOCÜS 

Run: 

i. 

june 

Joe 

Friaul. 

— 

— 

Ital. 

giovme         giuoco 

Frz. 

jeiine 

jeu 

Span. 

joven 

jitego 

Portg. 

joven 

jogo. 

Gegen  die  fürs  Span,  hier  gegebene  Regel  scheinen  ver- 
schiedene Beispiele  zu  sprechen.  Allein  jiisto  ist  gelehrt  (volks- 
tümlich derecho),  junto  neben  yunta  ist  von  juntdr  beeinflufst, 
junco  durch  juncago,  juncal,  vgl,  aber  ayuncar,  joyo  (*joUu  §  423) 
ist  aus  yojo  umgestellt;  unerklärt  bleibt  nur  joven.  —  Über  die 
Entstehung  von  Ji  vgl.  Kap.  V. 

Im  Friaul.  begegnet  jun,  jondzi,  ju,  int  (genie)  neben 

dza^  dzug,  dzvgd ,  dzitn,  dzovin,  dzi  (giglio),  worin  wohl 

venezianischer  Einflufs  zu  sehen  ist.  —  Auffällig  ist  auch 

eng.  yuven  neben  g>.if,  guger,  gu. 

c.     Besondere    Beachtung    verdienen    die  Vertreter    von    lat. 

jejunwm.    Regelmäfsig  sind  frz.  jeüne,  portg.  jejnm,  friaul.  dzium, 

wohl  auch  span.  ayun,    wenn    es    auf  älteres    *eyim    zurückgeht. 

In    engad.    gün    ist    die    erste  Silbe    abgeworfen,    in    rum.  ajvn, 

alb.    agenoj    der    anlautende  Konsonant.      In  ital.  digivno ,    obw. 

yagin  liegt  Dissimilation  vor. 

Auch  sonst  findet  sich  vereinzelt  d  an  Stelle  von  j,  ohne 
dafs  der  Grund  stets  ersichtlich  wäre :    portg.  deitar  neben  geita. 


§  407,  408. 


Lateinisch  J,  F  im  Anlaut. 


331 


aportg.  geitar,  etwa  an  deixar  angelehnt,  siz.  dinoJcyu,  neap. 
(l§mi]cy§,  prov.  dcmd  Avohl  infolge  von  Dissimilation  gegen  den 
Palatallaut  am  Wortende. 

408.  Die  labiale  tonlose  Spirans.  Im  Spanischen 
(aber  nicht  mehr  in  Asturien)  und  Gaskognischen  wird  lat. 
anlautend  f  zu  h,  das  zum  Teil  verstummt  ist.  Während  aber 
im  Gaskognischen  der  Wandel  bedingungslos  eintritt,  verschont 
er  im  Span,  f  vor  t(e,  r;  fl  wird  palatalisiert  §  417. 

Lat.  FABA  *FALCONE       FEMINA  FIBELLA  FERRU 

Span.         luiba  lialcon  hemhra         hevilla         hierro 

Gask.         habe  —  hemne  —  her. 


Lat. 

FILIU 

FOLIA 

FORMA 

FORATU 

FUMU 

Span. 

hijo 

hoja 

hornia 

horado 

humo 

Gask. 

hil 

hola 

— 

hurat 

hüm. 

Lat. 

FUEONE 

FOCU 

FOLLE 

FORTE 

*FORA 

Span. 

huron 

fuego 

fuelle 

fiierte 

fuera 

Gask. 

hünt 

hueTc 

hou 

hört 

hure. 

Lat. 

PUIT 

FUERAT 

*FRAGA 

Span. 

fue 

fuera 

fraga 

Gask. 

hu 

hure 

arrage. 

Die  ziemlich  zahlreichen  Wörter,  die  im  Spanischen  f  im 
Anlaut  zeigen,  sind  teils  gelehrt,  teils  aus  anderen  Dialekten,  dem 
galizischen  oder  asturischen,  entnommen.  Die  ältesten  Denkmäler 
spanischer  Litteratur  schreiben  noch  fast  ausnahmslos  f,  so  der 
Cid,  der  Libro  de  la  Gaza,  der  Libro  de  Ceti-eria,  die  Visio  de 
Filiberto,  Calila  u.  s.  w.  Allein  umgekehrte  Schreibungen  und 
vereinzelte  Fälle,  wo  h  erscheint,  beweisen,  dafs  schon  in 
dieser  Zeit  das  Zeichen  f  nicht  labiodentale,  sondern  höchstens 
bilabiale  tonlose  Spirans,  vielleicht  aber  nur  noch  die  blofse 
Aspiration  bedeutete,  vgl.  LCa:  hartas,  halcnn,  haser,  dehesa, 
hamhre,  hasta  neben  falcon,  fallar,  faser,  fiso,  fiusia,  faste, 
fanibriento  u.  s.  w. ;  findie  Imper.  von  henchir  (implere);  Calila 
stets  f  nebst  finche  19  b,  finchir  20  a,  vgl.  fencMr  B.  0.  2,  92, 
93,  129,  170,  207;  Caza  62,  96,  56,  15  neben  enchir  58,  19. 
Die  heutige  Orthographie  henchir  zeigt  den  Fortsetzer  des  alten  f. 
Es  fragt  sich,  ob  wir  darin  blofsen  Zusatz  eines  nicht  gesprochenen 


332  I^-  Kapitel:  Konsonantismus.  §   408,   409. 

Zeichens  sehen  dürfen,  oder  ob  das  f  eine  sprachliche  Berech- 
tigung hat.  Das  portg.  enclier  zeigt  die  reine  Form.  Die  Häufig- 
keit, in  der  fenchir  vorkommt,  legt  die  Vermutung  nahe,  dafs 
das  sinnverwandte  fartar  sich  eingemischt  habe ,  die  Einmischung 
ist  bei  einer  Aussprache  hartar,  enchir  verständlich.  Sonst  habe 
ich  noch  notiert  B.  0.  aeerir  und  fazerir  203,  331,  333; 
halcones  Danza  23,  gahondar  Caza  7,  26;  hehetria  7  Partidas 
Lemcke  I,  36. 

Wenn  so  der  Übergang  von  f  zu  h  schon  für  die  alt- 
spanischen Denkmäler  gesichert  ist,  so  darf  er  andererseits  doch 
nicht  in  zu  frühe  Zeit,  etwa  in  die  Bildungsperiode  des  spänischen 
Vulgärlateins,  hinaufgerückt  werden :  fuego,  fuera  lehren,  dafs  er 
jünger  ist  als  die  Diphthongierung  von  p  zu  ue  und  als  die 
Tonverschiebung  in  fuera  (§  598).  Übrigens  scheinen  nicht  alle 
Dialekte  die  Beschränkung  zu  kennen:  jue  juerte  werden  als 
vulgärspanisch  angegeben.  —  In  den  Mundarten  von  Andalusien, 
Estremadura  und  Ostasturien  wird  h  noch  gesprochen  imd  in  der 
Orthographie  meist  durch  j  wiedergegeben. 

Inwieweit  in  anderen  Gegenden  f  zu  7t  wird,  bleibt  noch  zu 
untersuchen;  aus  Padua  giebt  Pap.  329  Jiemena  =  femina, 
hate  =  fac  te  an.  —  Über  frz.  hors,  rät.  or  s.  §  620. 

409.  Palatalisierung  von  romanischem  Aa,  ga. 
In  einem  grofsen  Teile  Galliens  und  Rätiens  wird  lat,  c.  g  vor  a 
palatalisiert :  es  durchläuft  die  verschiedenen  §  403  a  angegebenen 
Stufen  und  entwickelt  sich  von  f,  d  teils  zu  d,  g,  s,  z,  teils  zu 
ts,  dz,  s,  z  weiter.  Die  Bedingungen,  unter  denen  die  Palatali- 
sierung eintritt,  sind  nicht  überall  dieselben.  Im  Französischen 
erscheint  sie  stets  vor  a  ohne  Rücksicht  auf  den  Ton,  sie 
ergreift  ferner  das  germ.  k  vor  e,  i,  dagegen  bleibt  lat.  qua,  qui. 
Im  Rätischen  ist  sie  ux-sprünglich  auf  den  betonten  Vokal  be- 
schränkt, erstreckt  sich  aber  auch  auf  m,  coe  und  lat.  qua,  qui. 
Im  Südostfranzösischen  ist  das  Ergebnis  ein  verschiedenes,  je 
nachdem  das  lat,  a  bleibt  oder  zu  e  wird.  Vor  au  wird  c 
überall  so  behandelt  wie  vor  a,  es  ist  also  die  mehrfach  ein- 
geti'etene  Monophthongierung  des  au  zu  o  jünger  als  die  Pala- 
talisierung. 


§  409,  410. 


Lateinisch  F,  CA  im  Anlaut. 


333 


Lat. 

CARU 

CARRU 

CAPRA 

CAMPÜ 

CABALLU 

Ostfrz. 

6i 

6e 

doev 

6ä 

OVO 

Centralfrz. 

eher 

char 

clievre 

champ 

cheval 

Vionnaz 

tye 

— 

tyevra 

— 

ts^vo 

Engad. 

Tc'ar 

l'ar 

k'evra 

— 

k'aval 

Trins 

l'ar 

k'ar 

k'aura 

— 

kaval 

Tessin 

Jc'ar 

k'ar 

h'awra 

k'anip 

kaval. 

Lat. 

CAMINU 

CAMISIA 

CAUSA 

SKINA 

QUI 

Ostfrz. 

d^mi 

öemis 

öoz 

— 

— 

Centralfrz. 

eliemin 

chemise 

chose 

echine 

qui 

Vionnaz 

tspnae 

ts§miz§ 

tzusa 

— 

ke 

Engad. 

— 

k'amiia 

k'osa 

— 

m 

Trins 

— 

kamisa 

k'osa 

— 

k'i 

Tessin 

kamin 

kamisa 

— 

styena 

k'i-lce. 

Lat. 

QUATTUOR 

CULU 

COR 

GALLUS 

GAMBA 

Ostfrz. 

kwet 

— 



go 

gäh 

Centralfrz. 

quattre 

cul 

coeur 

jal 

Jambe 

Vionnaz 

Jcatr§ 

kil 

— 

— 

(tsäba) 

Engad. 

quatter 

k'ül 

kour 

gal 

(tyamba) 

Trins 

quatter 

kul 

kour 

— 

komba 

Tessin 

— 

k'ü 

k'oßr 

gel 

gamba. 

Lat. 

GALLIXA         GAUTA 

Ostfrz.           d8§l 

in 

— 

Centralfrz.    geline          joue 

Vionnaz        dzeneäe        i 

izuta 

Engad.          galh 

ma 

— 

Trins 

- 

— 

Tessin          galina 

— 

410.  Zu  dieser  Tabelle  sind  eine  Keihe  Erläuterungen  nötig. 
Im  N  o  r  d  f  r  a  n  z  ö  s  i  s  c  h  e  n  ist  der  Abschlufs  der  Palatalisierung 
jünger  als  Karl  Martell :  der  Anlaut  im  Namen  Karolus  zeigt 
dieselbe  Behandlung  wie  der  in  lat.  carus.  Es  mufs  aber  schon 
zur  Zeit,  da  die  ersten  germanischen  Elemente  ins  Französische 
drangen,  das  c  vor  a  weiter  vom  artikuliert  worden  sein  als 
dasjenige  vor  o,  t(,  an  derselben  Stelle  wie  das  germanische  k 
vor  i,  e,  germ.   skina,   skip,  skitan,   skella  wird  zu  echine,   eschiu^ 


334  II*  Kapitel:  Konsonantismus.  8   410. 

eschiter,  eschielle,  eschirer  wie  lat.  caruSj   campus  zu  eher,    champ. 
Zu  jener  Zeit  bestand    aus  dem  Lateinischen   kein    Ice,    hi    mehr, 
die  alten  ce,  ci  Avaren  längst    tse,    tsi  geworden,    und    qiietus,  qrd 
hatten    ihr    labiales    Element    noch    nicht    eingebttfst.     Ungefähr 
in  dieselbe  Zeit  fällt  die  Aufnahme    des   griechischen  y.h.y.ov,  frz. 
cfiiche.  —  Im  Mittelalter  sprach  man  wohl  auf  dem  ganzen  Gebiete 
noch  d,  und  dieser  Laut  ist  auch  nach  England  gekommen,    vgl. 
Chief,    charry    u.  s.  w.      Später    ist    im    Zentrum    §    eingetreten, 
während    im    Osten,    im  Wallonischen,    Lothringischen,    in    der 
Champagne  und  Franche-Comte  der  alte  Laut  geblieben  ist.    Nur 
in  Metz  und  südlich  längs  der  Meurthe  östlich  bis  an  die  Vogesen 
hin    hat    sich    S,    wohl    unter   Einflufs    der    Schriftsprache,    ein- 
gedrängt. —  Gegen  Südosten  erscheint  auch  ts  und  s,  vgl.  Cour- 
tisols :  ts^s  (champs),  Bresse :  sisö  (changon),  und  im  Inlaut  atiasi, 
nivern.  sarhö,    sem'i  u.  s.  w.     Mit  Fourgs  tsäbro,    ts'mise  u.  s.  w. 
aber    stehen    wir    schon    in    dem    Gebiet    von    §    409.     Endlich 
Mandray    zeigt  die  interessante  Umstellung  zu  st:  Ualö  (chäleur), 
§tct  (chatte).    Es  tritt  ferner  die  Palatalisierung  nicht  so  unbedingt 
ein,   wie    es    nach    den    gegebenen    Beispielen   scheinen   könnte. 
Im  Zentralfranzösischen    unterbleibt   sie  im  Wortanlaut  bei  pala- 
talem  Silbenschlusse :    cavea  wii-d   nicht    Jcyavya ,    sondern    kavya 
cage  (aber  wallon.    chaive)-    so    nux  gallica:    noix   gauge,  calcot : 
coche    (was    mit    coq    nichts    zu    thun  hat),    cauchemar,    galloche, 
gazouille,  catouille,  aber  ge-ole,  chan-ger,  chatouiller  u.  s.  w.  —  Im 
Wallonischen  tritt  sie  bei  inlautendem  c  nur  dann  ein,  wenn  ein 
palataler   Vokal    vorangeht,    also    vad    aber    huk    (hucca),     moJce 
(muccare) ,    nuJc    (*nosca) ,    hroJc ,    kuM   (collocare) ,    hki   (cälcare) 
u.  s.  w.  ■ —  Im  Nordwesten,  im  Pikardischen  und  einem  Teil  des 
Normannischen,   bleibt  der  gutturale  Konsonant  vor  erhaltenem  ö, 
vor  dem  zu  e  gewordenen  schritt  er  nur    bis    k'   oder    t  vor,    ist 
aber  im  Pikardischen  heute  wieder  rein  guttural.  —  Die  Grenz- 
linie zwischen  dem  Jca-  und  fe'a-Gebiet  geht  westlich  von  Lüttich 
und  Namur    längs    der  Grenze    zwischen    der    Pikardie    und    den 
Ardennen  über  einschliefslich  Avesnes  nach  Laon,  Noyon,  Beau- 
vais,    die  als  südlichste  Grenzpunkte    des  Äa-Gebietes    betrachtet 
werden  können,  dann  südöstlich  nach  Breteuil  und  von  da  ziem- 
lich gerade  westlich  gegen  Grandville,  nördlich  von  welchem  sie 
das  Meer  erreicht.     In  den  pikardischen  Denkmälern  des  Mittel- 


i>   410.  CA  im  Französischen.  335 

alters  wird  vor  a  teils  c,  teils  k  gesclu-ieben ,  vor  e  teils  k,  teils 
qit:  camps  Verni.  III,  8,  camhre  VU,  3,  casJcun  V,  62,  aTcata 
XX,  2,  UpHle  IV,  14,  Mef  I,  12,  marMet  XII,  5,  hknne  XVI,  8, 
qvcmin  XXXIII,  38,  quevaus  XXXIV,  56,  emx^ccquement  Ponth. 
XXXIII,  56  u.  s.  w.  Im  Anglonormannischeu  findet  sich  die 
zentralfranzösiscli  -  südnormannische  neben  der  pikardisch- nord- 
normannischeu  Bezeichnungsweise  häufig  in  ein  und  derselben 
Handschrift:  es  erklärt  sich  dies  aus  der  Zusammensetzung  der 
nach  England  hinübergesiedelten  französischen  Bevölkerung.  So 
im  Alexis:  acatet  8  e,  camhre  15  d,  cartre  70  c,  cose  61  c, 
clier  12  c,  chef  82  a,  der  0.  P.  schreibt  c,  c/t,  c"  vor  a:  cant 
29,  15;  c'ant  148,  10,  chant  39,  4,  Roland  cair  und  chair,  coli 
und  dialt,  cälenges  und  chalengement,  cambre  und  chambre  u.  s.  w., 
in  jüngeren  Handschriften  herrscht  die  zentralfranzösische  Gestalt 
durchaus  vor.  Auch  im  Neuenglischen  begegnen  beide  Formen : 
chafe,  change,  chair,  charm,  chief,  chimney ,  chivalry,  choice  neben 
capon ,  carry ,  carpenter ,  Carrion ,  carnal  u.  a.  In  der  westlichen 
Normandie,  ungefähr  von  Divers  ab,  wird  in  neuester  Zeit  das 
alte  Ti  vor  norm,  i,  e,  ce,  ü  palatalisiert,  der  Laut  schwankt 
zwischen  Je,  f  und  d,  vgl.  Lahague  ditte  (frz.  quitte) ,  Bessin  dö2 
(frz.  cheg) ,  du  (frz.  cid) ,  düre,  die  (frz.  chier).  Weiter  südlich 
auch  in  Deux  Sevres  /cW,  in  Sablais,  Chaumois  (Poitou)  düre 
(coquerc),  Jc'ceUi,  gir  (frz.  gubre),  gidae  (garder),  Saintonge  ah'üli, 
ak'üse  u.  s.  w. 

Ch.  Joret,  Des  caractercs  et  de  Vextension  du  Patois 
Normand,  Paris  1883  bestimmt  die  Grenze  der  fca-  und 
der  ^i-Gegend.  Er  glaubt  den  Wandel  von  lat.  ca  zu  §a 
dem  Einflufs  der  Germanen  zuschreiben  zu  dürfen:  wo 
fca  bleibt,  safsen  niederdeutsche  Stämme,  wo  es  zu  §a 
wird,  oberdeutsche  oder  Kelten.  Allein  das  Französische 
ca  7  §a  hat  mit  dem  hochdeutschen  Jca  'y  cha  aufser  der 
gleichen  orthographischen  Wiedergabe  nichts  gemein : 
schon  der  Umstand,  dafs  altgei-m.  Ico,  ku  im  Hochdeut- 
schen ebenso  behandelt  wird  wie  ka^  erweist  das  Unrich- 
tige dieser  Auffassung.  —  Die  Frage  nach  der  Verteilung 
von  ca  und  cha  in  altfranz.  Texten,  speziell  in  norman- 
nischen und  anglonormannischen,  ist  vielfach  behandelt 
Avorden ,  zuletzt  und  am  besten  von.  K.  B  e  e  t  z ,  C  und 
Ch  vor  lateinischem  A  in  altfranzösischen  Texten,  Diss. 
Strafsburg  1887.  Beetz  zeigt  im  einzelnen,  wie  auch  in 
die    pikardischen    Urkunden    mehr    und    mehr    zentral- 


336  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  410 — 412. 

französische    Formen    mit    ch    eindringen.  —    Über    das 
k'ü-Gehiet  vgl.  Joret,   Caract.   158—161,  Mel.  XI. 

411.  Auch  der  nördliche  Teil  des  provenzalischen  Sprach- 
gebietes nimmt  an  der  Palatalisierung  des  ca  teil,  und  zwar  seit 
den  ältesten  Zeiten,  schon  im  Boetius  liest  man  chastia  49, 
chaden  147,  chaHivena  88,  chanvt  107,  charcer  71  u.  s.  w.  Die 
südliche  Grenze  bildet  im  Westen  die  Dordogne,  im  Osten  ge- 
hören die  Departements  Ardeche  und  Drome  noch  zu  der  da- 
Eegion.  Neben  da,  sa  findet  sich  hier  nun  auch  tsa,  dessen 
Verbreitung  noch  näher  zu  bestimmen  bleibt.  Es  zeigt  sich  an 
der  Grenze  gegen  das  fca-Gebiet  in  Perigord  und  Bas-Limousin, 
andererseits  gegen  das  Frankoprovenzalische  hin  in  Cantal, 
Haut-Auvergne ,  einem  Teil  von  Rouergue,  Ardeche,  Velay, 
Forez  und  ziemlich  tief  südlich  in  Alby  und  S.  Pons  (Herault). 
Erst  wenn  die  Zone  von  ts  gegenüber  ö  abgegrenzt  ist,  wird  sich 
sagen  lassen,  in  welchem  genetischen  Verhältnisse  die  beiden 
Laute  zu  einander  stehen. 

Nach  Durand,  R.  1.  R.  XXV,  78  fP.  würde  die 
Verteilung  von  d  und  ts  in  Rouergue  mit  der  Boden- 
beschaffenheit und  dem  physischen  Typus  der  BeAvohner 
in  engem  Zusammenhange  stehen,  ö  den  kräftigen  Be- 
wohnern der  „plateaux  calcaires",  ts  den  „chetifs  sili- 
cicoles"   angehören. 

412.  Die  Verteilung  von  ts  und  ty,  wie  sie  in  Vionnaz 
klar  und  ausnahmslos  vorliegt,  ist  einst  weiter  verbreitet  gewesen, 
hat  aber  mehrfach  bedeutende  Störungen  erlitten.  In  der  Kon- 
jugation hatte  man  letye=^  leccare  aber  letse  =  leccat;  der  Unter- 
schied wurde  ausgeglichen,  das  Schwanken,  das  infolgedessen 
zwischen  ttf  und  ts  stattfand,  teilte  sich  auch  den  mit  ty  an- 
lautenden Wörtern  mit,  der  endgiltige  Sieg  von  ts  im  Verbum 
liefs  ts  auch  im  Anlaut  von  Substantiven  erscheinen.  So  finden 
wir  im  Waatl.  neben  regelmäfsigem  dira  (cara)  auch  tsira,  im 
Freib.  de  (caru) ,  devra  (capra)  aber  schon  etsila  neben  eöila 
(scala),  in  der  Tarentaise  neben  richtigem  dir,  devra  schon  sin 
(cane).  Ebenso  in  bagn.  tsyeyre  (cddere),  dyüvra  aber  tsin.  In- 
wieweit aufserhalb  der  französischen  Schweiz  und  Savoyens  die- 
selbe Diff'erenz  besteht  oder  wenigstens  Spuren  hinterlassen  hat, 
bleibt  noch  zu  untersuchen.    Natürlich  ist  auch  eine  Ausgleichung 


§  412,   413.  ^^  in  Sfldostfrankreich  und  Rätien.  337 

nach  der  Seite  des  d  denkbar,  eine  Ausgleichung,  die  durch  die 
französische  Schriftsprache  erleichtert  werden  konnte.  In  der 
That  ünden  wir  d  in  Val  Soana,  Aosta,  in  den  kottischen  Alpen, 
in  S.  Maurice,  S.  Luce  (Wallis),  Isere,  Annecy,  Aiguebelle,  im 
westlichen  Teile  des  Kanton  Waat,  im  gröfsten  Teile  von  Neuen- 
burg, wo  ts  nur  in  Verrieres  erscheint.  Das  nördliche  Lyonnais, 
ein  Teil  der  Franche-Comte,  z.  B.  Courtisols  und  Pontarlier, 
haben  ts,  das  in  Bresse,  Genf,  Chambery  zu  s  wird.  Endlich  / 
in  Jujurieux  und  Aromaz  (Lons  Saunier).  Eine  eigentümliche 
Umgestaltung  von  ts  zeigt  sich  in  Savoyen,  im  Arlythale  (Albert- 
ville), in  Queige,  Beaufort,  Umstellung  zu  st:  stakön  (chacun), 
stanta  (cantare),  stie  (casa),  stier  (caru),  derostia  (*deroccata)  u.  s.  w. 
Weiter  flulsaufwärts  an  der  Isere,  von  der  Plaine  de  Langon  bis 
zum  Detroit  de  Saix  wird  ts,  von  da  bis  zum  Torrent  du  Petit 
S.  Bernard  /,  noch  weiter  oben  s  angegeben.  —  Wir  sehen  also, 
dafs  auf  diesem  Gebiete  die  Weiterentwicklung  von  Tc  nach  ts 
oder  c  hin  bedingt  ist  durch  die  Qualität  des  folgenden  Vokals : 
ts  tritt  vor  a  und  vor  tonlosem  e  ein,  t'  bezw.  c  vor  e.  Nach 
den  Ausführungen  in  §  403  a  wird  ts  mit  gröfserem  Kieferwinkel 
gesprochen  als  d,  ebenso  ist  bei  a  der  Kieferwinkel  gröfser  als 
"bei  dem  palatalen  c,  daher  zieht  a  das  ts  an. 

413.  Die  ursprünglichen  Verhältnisse  sind  im  Rätischen, 
wie  schon  die  Tabelle  zeigt,  gröfstenteils  zerstört.  Erhalten  sind 
sie  noch  in  Bonaduz,  ßealta  und  Scharans  (Domletschg) ,  ferner 
in  der  Val  Maggia  und  in  geringen  Resten  im  Gaderathal.  Sonst 
hat  auch  hier  Ausgleichung  stattgefunden,  zunächst  in  Verben 
wie  captiare:  katsdre,  captiat:  Tidtsa  zu  k'atsarc,  oder  in 
Fällen  wie  caldu:  k'ald,  kaldariu:  käldar  zu  k'aldar,  oder  gallu: 
(fall,  gallina  zu  gallina.  Das  Schwanken  in  diesen  Fällen  zieht 
dann  kdbal  u.  a.  nach  sich,  oder  es  siegen  die  endungsbetonten 
Formen,  dann  tritt  katsa  an  Stelle  von  k'atsa  und  folglich  kdza 
von  k  aza.  Dies  letztere  findet  sich  in  Cleven,  dem  unteren 
Bergeil  und  dem  Vorderrheinthal  von  Dissentis  an,  in  Tirol  in 
Sulzberg,  Roveredo  und  dem  Cembrathal,  im  südlichen  Tessin  :  an 
allen  diesen  Orten  mag  der  Einflufs  des  Italienischen  die  Aus- 
gleichung nach  der  Seite  des  reinen  Gutturals  hin  begünstigt 
haben.     Der  Prozefs  ist  noch  nicht  abgeschlossen,    daher  erklärt 

Meyer,  Grammatik.  22 


338  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  §   413 — 416. 

es  sich,  dafs  das  Gebiet  von  haza ,  dem  wenig  endungsbetonte 
Formen  zur  Seite  stellen,  ein  weniger  grofses  ist  als  das  von 
harrUj  wo  die  zahlreichen  Ableitungen  das  Ic  leicht  in  das 
Primitivum  einführen  konnten.  Das  Engadin  und  das  Fi-iaul 
haben  ausnahmslos  A;'  durchgeführt;  Weiterentwicklung  bis  zu  ö 
begegnet  nur  an  wenigen  Orten:  in  Münster,  Oberfascha,  Am- 
pezzo,  Cividale  und  S.  Vito.  —  Die  Palatalisierung  unterscheidet 
sich  somit  hier  von  der  französischen  dadurch,  dafs  sie  an  den 
Accent  gebunden  ist,  und  dafs  sie,  ähnlich  wie  im  Norman- 
nischen, auch  das  A^  vor  rom.  ie  (==  m,  w,  (),  üe  §  54  und  215)  und 
das  romanische  Ä'  (lat.  qii  §  426)  ergreift.  Sie  ist  also  jüngeren 
Datums.  Es  ist  kaum  anzunehmen,  dafs  der  Accent  direkter 
Urheber  derselben  sei,  vielmehr  wird  dem  betouten  a  eine 
hellere  Färbung,  eine  mehr  palatale  Aussprache  zuzuschreiben 
sein  als  dem  tonlosen. 

Wo  wir  auf  anderen  Sprachgebieten  ö,  g  oder  deren 
Vertreter  für  lat.  (germ.)  ka,  ga  finden,  handelt  es  sich 
stets  um  Lehnwörter  aus  dem  Franz.,  so  in  ital.  giardino, 
giallo,  gioya,  gioire,  giavellotto,  in  span.  jalde,  jardin, 
joya;  in  portg.  jalne,  jardin,  joya. 

414.  Wandel  von  d  zu  d  und  r.  In  Ober-Comelico  (Mittel- 
rätien)  wird  jedes  anlautende  d  zu  d:  di,  äolßi,  duro.  Eine 
weitere  Stufe  davon  ist  r,  das  für  Val  Calepio  (Bergamo)  an- 
gegeben wird.  In  Campobasso  (Abruzzen)  kommen  beide  Formen 
vor,  d  und  r:  da  oder  ra,  dicere,  r'icere  u.  s.  w.  Das  r-Gebiet 
mtifs  iii  Sud-Italien  gröfser  sein,  es  umfafst  z.  B.  Neapel,  doch 
fehlen  genaue  Angaben.  In  Sizilien  findet  sich  r  (ungerolltes 
alveolares  r)  in  Palermo,  der  Provinz  Syracus  und  in  Noto, 
Modica  und  Umgegend:  rormiri,  rumani,  riku  u.  s.  av. 

415.  Übergang  von  g  zu  y,  h  ist  den  Abruzzen  eigen,  vgl. 
Teramo  liaU§,  lmst§  u.  s.  w.,  Campobasso  yällc,  yaita,  entsprechend 
gic  zu  w  (vgl.  §  18):  werra,  Gessopalena  hall§,  hawma,  hovete 
(cubitus),  honna,  huste, 

416.  Wechsel  von  B,  V  und  W.  Die  beiden  Laute  h  und 
w  stehen  sich  sehr  nahe,  näher  als  irgend  ein  anderer  Ver- 
schlufslaut  und  die  entsprechende  Spirans.  Der  Lippeuverschlufs 
ist    der    am    schwächsten   artikulierte,    daher    leicht    eine    kleine 


§   416.  Anlautend  D  zu  K,  B  zu  Y,  W.  339 

Öffnung  entstehen  kann  :  das  h  wird  durch  tv  ersetzt.  So  finden 
wir  thatsächlieh  h  zu  tc  auf  manchen  Gebieten,  auf  denen  sonst 
die  Verschlufslaute  fest  sind.  Andererseits  ist  aber  auch  der 
Wandel  von  «;  zu  &  mehrfach  belegt :  es  bedarf  jedoch  erst  noch 
genauerer  Untersuchung,  ob  nicht,  wie  in  der  spanischen  Ortho- 
graphie, h  in  That  und  Wahrheit  einen  Reibelaut  (tv)  darstelle. 
Gesichert  ist  die  Gleichwertigkeit  von  lat.  v  und  h  und  zwar  als 
w  fth's  Spanische  durch  die  moderne  Ausspi-ache  und  durch  die 
Vertauschung  beider  Zeichen  in  den  alten  Handschriften.  Die 
Orthograjjhie  der  spanischen  Akademie  hat  zwar  im  allgemeinen 
den  etymologischen  Laut  wiederhergestellt,  doch  erscheint  noch 
oft  h  statt  V,  namentlich  in  Wörtern,  deren  Ursprung  unbekannt 
war,  wie  hascar  zu  vascvs,  barrer  =  verrere,  heia=^vHa,  hermejo  = 
*vermiculv,  buitre  =  vuUure,  hoda  =  voia  u.  a.  Dafs  6,  nicht  v 
im  Anlaut  geschrieben  wurde,  erklärt  sich  daraus,  dafs  das 
Zeichen  v  auch  für  ii  galt,  also  zweideutig  war.  Mit  dem  Kasti- 
lianischen  stimmt  das  Asturische  tiberein.  —  Sodann  wird  h  zu  v 
in  Sizilien.,  Calabrien,  Apulien  und  wohl  in  ganz  Suditjdien,  in 
der  Molise,  nördlich  bis  ins  römische  Gebiet  hinein,  z.  B.  Alatri : 
vove  ihove) ,  vjat^  (heatu),  hier  jedoch,  wie  es  scheint,  auf  den 
betonten  Anlaut  beschränkt,  vgl.  hisofia,  hammaco.  Sonst  also: 
siz.  varva ,  vuJcJca,  viviri  (hibere),  vasdri  u.  s.  w. ;  kal.  vttJcka, 
vratsu,  mvcre,  vulte  (botte),  vasare,  varJca;  campob.  vdkka,  vas§, 
vott§  u.  s.  w.  Vgl.  noch  Kaji.  V.  Endlich  zeigt  das  Noi'd- 
portugiesische  und  die  südliche  Provence  Identität  der  beiden 
Laute ,  hier  jedoch  in  umgekehrter  Weise ,  es  wird  b  statt 
anlautend  v  geschrieben :  so  in  der  ganzen  Gascogne  mit  Aus- 
nahme der  obersten  an  der  spanischen  Grenze  gelegenen  Thäler, 
z.  B.  der  Vall6e  d'Avre,  wo  tv  eintritt.  Bilanave  =  Villanova 
liest  man  schon  in  einer  gask.  Urkiuule  vom  Jahre  1150.  Aufser- 
halb  der  Gascogne  findet  sich  im  Mittelalter  stets  die  etjinolo- 
gische  Schreibung,  abgesehen  von  vereinzelten  Fällen :  der  Kopist 
von  Daurel  und  Beton  läfst  gelegentlich  b  statt  v  unterlaufen. 
Heute  reicht  b  nördlich  bis  an  die  Dordogne,  östlich  bis  Adge.  — 
Beachtenswert  ist  in  Ariege  beiö  =  hodie. 

Wo  auf  anderen  Gebieten  v  zu  b  wird,  liegen  spezielle  Gründe 
vor.  Im  Alti talienischeu  verlangt  6  vor  sich  b:  boto,  boce, 
vgl.  mail.  &o?j3,  im  Portg.  a  nach  sich  a  bespa  3  Past.  63,  heute 

22* 


340  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  §   416,   417. 

abespa,  heta,  hainha,  hirla  zu  virare.,  hoda  (danach  hodo),  hexiga; 
hierher  sind  wohl  auch  harrasco,  harräo  neben  varräo,  herra,  herrar, 
alle  zu  verres  gehörig,  zu  ziehen,  der  Wandel  von  h  zu  v  begann 
in  a  herra,  andar  na  herra,  vgl.  noch  ahano,  ahanar  zu  vannus.  — 
Assimilation  an  inlautendes  h  zeigt  schon  vulglat.  hcrhece 
aus  *verhece  (§  499),  sard.  larveghe,  rum.  herhec,  ital.  herhece,  prov. 
herbitz,  frz.  hrehis;  span.,  portg.  harhasca  (verhasca);  span.  harbecho, 
portg.  harheito,  sard.  harvattu  =  verhaciu  aus  vervactum  (§  499);  ital., 
prov.  herhena,  rum.  hrchena  (verhena);  portg.  hihora.  Dissimi- 
lation: ital.  hertovello ,  aportg.  holver.  Unklar  bleibt  rum. 
hesicä,  avich  aperug.  hessica  Graz.  149. 

Der  Wandel  von  v  zu  u,  das  dann  behandelt  wird  wie 
germ.  u  (§  18),  ist  selten  und  fast  nur  auf  solche  Wörter 
beschränkt,  die  germanischen  Einflufs  aufweisen:  lat.  vadus  + 
germ.  tvat  ergeben  ital.  guado ,  frz.  gue,  prov.  gua  neben  span. 
vado,  sard.  vadu,  portg.  vao,  rum.  vad;  vastare  +  wastan  ital. 
guastare,  span.,  portg.,  prov.  gastar,  frz.  gäter;  vulpes  +  ivulf 
ital.,  aspan.  golpe,  span.  gulpeja,  portg.  gulpilha,  afr.  goupillon; 
vespa  +  ivespa  frz.  guepe,  vipera  -\-  toipera  frz.  guivre;  ob  in 
frz.  gui  (mit  unregelmäfsigem  Vokal)  tvidu,  in  frz.  gueret,  prov. 
guarait  (vervactum)  ahd.  iverhan  eingewirkt  hat,  bleibt  fraglich.  — 
In  Ostfrankreich,  Lothringen,  Franche-Comte  und  Morvan,  wird 
ve  über  vue  zu  we,  bezw.  wa,  wo,  so  lothr.  tvar  (voir),  won 
(veine),  wer  (vere),  tcaU  u.  s.  w.  —  Ital.  gitaina,  frz.  game  neben 
span.  vaina,  portg.  vainha  gehen  vielleicht  auf  vulglat.  *guaina 
statt  vag'ma  zurück.  —  Ohne  fremden  Einflufs  nimmt  lat.  v  die 
Aussprache  u  an  im  Italienischen  vor  tonlosem  o :  gomiere, 
gomire,  mail.  gorä  (volare).  —  Aspan. ,  aportg.  halbgelehrtes 
gomitare  ist  wohl  mit  gormar  vermischt.  —  Auch  im  Anda- 
lusischen  tritt  gu  an  Stelle  von  span.  &o,  hu:  gunuelo ,  gurra, 
gofeton,  gorracha,  gorullo,  gusano,  im  Asturischen  von  ue:  gueso, 
gueste,  gucrto,  während  bei  sekundärem  u  das  Sjianische  nur 
spirantisch,  nicht  mit  Verschlufslaut  einsetzt:  Jmero,  huerto, 
Inieste  u.  s.  av.  —  Portg.  goraz,  gal.  degorar  neben  voz,  voar 
scheint  tonlos  vo  zu  go  zu  erweisen. 

417.    Wandel  von  s  zu  ^  und  ts.     Bedingungslos  Avird  s  zu 
s    im  Venezianischen    und    ist    von    da    in    diejenigen    rätischen 


§  417,   418.  Anlautend  S  zu  §  und  TS.  341 

Dialekte  gedrungen,  die  stark  venezianischem  Einflüsse  ausgesetzt 
sind,  namentlich  also  in  diejenigen  des  Zentrums:  Sulzberg, 
Nonsberg,  Cembra,  Colle,  Comelieo  und  in  die  friaulisclie  Ebene, 
vgl.  friaul.  §ol,  §eif,  sed  (sccare),  sere,  seit  u.  s.  w.  Wie  weit  s 
ins  Lombardische  hineingreift,  ist  noch  zu  untersuchen.  Im 
Bergani.  tritt  h  an  Stelle  von  s:  ha,  haha,  hak,  hai,  hol,  halas 
u,  s.  w. ,  wobei  es  sich  aber  noch  fragt,  ob  s  direkt  zu  h  ge- 
worden sei,  oder  ob  etwa  S  die  Vorstufe  bilde.  —  Auch  Süd- 
ostfrankreich kennt  §  aus  S,  vgl.  Waat  (Zentrum  und  Pays 
d'Enhaut):  §a,  Sai,  sali,  seze,  §und  u.  s.  w.,  ebenso  im  Bagnard 
und  nördlich  in  den  freibnrger  Mundarten. — Wo  war  in  anderen 
Gegenden  s  statt  s  treffen ,  liegen  spezielle  Ursachen  vor ,  ent- 
weder palatalisierender  Einflufs  eines  folgenden  i  §  419,  oder  Ver- 
wechslung mit  ex:  ital.  scc'vera  ist  exseparat,  span.  jalma  (sagma) 
ist  erst  von  enjalmar ,  wo  ins  und  ex  verwechselt  sind  (§  588), 
gebildet,  so  jugo  von  enjugar;  auf  *exsurdu6  weisen  bearn.  sur, 
lothr.  }io;  ital.  sdaliva  wird  mit  sciala  (exhalat)  zusammen- 
gebracht worden  sein ;  span.  jeja  =  *saxea,  portg.  §astre  d.  i.  §a§tre 
hat  den  Anlaut  dem  Inlaut  angeglichen,  ebenso  rum.  ioarece, 
tarent.  Sor^a.     Span,  jerga,  jäbon,  jeme,  jenabe  sind  unklar. 

Noch  dunkler  ist  ital.  z,  span.,  frz.  ch  oder  span.  s,  z.  B. 
ital.  zoccoli ,  span.  choclo  (daraus  entlehnt?),  ital.  zolfo ,  portg. 
enxofre,  span.  chillar,  chiflar,  frz.  chiffler,  vgl.  ital.  zufolare,  ital. 
zavorra,  span.  zahorra.  Von  diesen  Wörtern  zeigen  zolfo  und 
chiflar  nicht  lateinische,  sondern  sabellische  Form,  §  19,  S.  42. 
Man  darf  daher  vielleicht  auch  die  auffallige  Behandlung  des 
Sibilanten  auf  ähnliche  Weise  erklären,  dazu  würde  passen 
ZABINA  =  Sabina  CLL.  VI,  12236.  Mit  zoccolo,  choclo  möchte 
man  waat.  §o1ca  vergleichen,  doch  ist  das  k  auffällig  und  weist 
auf  Entlehnung.  Endlich  span.  z  in  zozohrar ,  zvcio  ist  aus 
Assimilation  an  den  Inlaut  erklärlich,  aber  zahidlir ,  zvrdo, 
zahondar  u.  a.  ? 

418.  L  wird  palatalisiert  l  (geschrieben  II)  im  Katalanischen, 
Leonesisch-Asturischen  und  in  Miranda.  Zwar  in  den  alten 
Texten  finden  sich  noch  kaum  Spuren  davon,  da  jedoch  im  Inlaut 
oft  l  statt  l  geschrieben  wird ,  so  darf  man  daraus  folgern ,  l  sei 
nicht  erst  zu  Ende  des  Mittelalters  erschienen.     Schon    der  Um- 


342 


II.  Kapitel:  Konsonantif-mus. 


§  418,  419. 


stand,  dafs  es  sich  auch  in  Alghero  findet,  zeugt  für  hohes  Alter, 
vgl.  algh.  Tana,  Tct  (lade),  Muga,  lit  (lectii),  lok,  lop,  Tum,  lor. 
Sodann  also  im  Asturischen :  tsana,   ts'mu,  tsiiz  u.  s.  w. 

Zweifelhaft  ist,   ob  im  nördlichen  Spanien  auch  ri  aus 
n  vorkommt,  vgl.  Mundte,  S.  40,   2. 


Sekundäre  Palatalisieruiigeii. 

419.  Vor  palatalen  Vokalen.  Später  als  die  schon 
vulgärlateinische  Palatalisierung  des  c,  g  vor  c,  i  %  403  hat  auf 
verschiedenen  romanischen  Gebieten  Palatalisierung  teils  be- 
stimmter, teils  aller  Konsonanten  vor  dem  romanischen  i,  ie,  ü,  Oß, 
seltener  vor  e  stattgefunden.  Ein  Fall  ist  schon  §  410  besprochen. 
Für  die  übrigen  empfiehlt  es  sich,  die  einzelnen  Gegenden,  nicht 
die  einzelnen  Laute  zusammen  zu  betrachten.  Am  weitesten  geht 
das  Rumänische,  und  zwar  übertrifft  das  Mazedonische  noch 
die  anderen  Mundarten.  Vor  lat.  i  und  vor  ie,  nicht  vor  rum.  i 
(=  lat.  e  §  94)  werden  im  Wal.  t  zu  tz ,  d  über  dz  zu  z,  l 
zu  l,  aufserdem  im  Mold.,  Bukov.,  Maz.  p  zu  Ä;  oder  t,  h  zu  g 
oder  (?,  V  zu  i/,  f  zu  K.  Das  alte  dz  hat  sich  im  Maz.  und 
Mold.  erhalten.  Auch  auf  die  Behandlung  von  lat.  que,  qui  mag 
hier  verwiesen  werden  §  426. 


Lat. 

TERRA 

TERMEN 

TEXIT 

TESTA 

*TI 

Drum. 

tarä 

term 

tesse 

teasfä 

■  — 

Mold. 

iura 

term 

— 

teasta 

— 

Mazed. 

tsara 

— 

tsase 

— 

tsi 

Istr. 

— 

— 

tses§ 

— 

tsi. 

Lat. 

DECE 

DEU 

DIE 

DICIT 

PECTINE 

Drum. 

zece 

zeu 

zi 

zice 

pieptine 

Mold. 

dzeci 

dzeu 

dzi 

dzice 

Jcyepten 

Mazed. 

dzitzi 

dz§u 

dzile 

dzice 

Icyaptmc 

Istr. 

dzetzi 

— 

dzi 

dzetsi 

tsaptir. 

Lat. 

PECT US 

PINU 

BENE 

VERME 

VINU 

Drum. 

pept 

pin 

hine 

verme 

vin 

Mold. 

Jctjept 

kyin 

gyine 

ycrme 

yin 

Mazed. 

hjeptu 

Ttyin 

gijine 

yermu 

yin 

Istr. 

Mept 

— 

hire 

verme 

vin. 

§   419,   420.      Anlautend  LI  u.  s.  w.  im  Rumänischen  u.  Rätischen.        343 


Lat. 

PERRU 

PILU 

SEPTE 

SELLA 

SIC 

Drum. 

fier 

fir 

§apte 

§a 

si 

Mold. 

Hier 

Uir 

Sapte 

äa 

si 

Mazed. 

Herrn 

liir 

äapte 

— 

si 

Istr. 

fer 

fir 

sapte 

— 

si. 

Lat. 

MERGIT 

MERCURI 

*AIICU 

LEPORE 

LINUS 

Drum. 

mcarge 

mercurl 

mic 

jepnre 

in 

Mola. 

mearge 

nyercure 

■  nyku 

jepnre 

in 

Mazed. 

nyerge 

nyercure 

— 

lyepure 

lyin 

Istr. 

— 

— 

nyik 

lyepur 

— 

Man  vgl.  dazu  die  Behandlung  inlautender  Konsonanz  vor  i 
§  340.  Beachtenswei-t  ist  pkyept  im  Moldauischen  Cuv.  Bätr.  II, 
218,  240.  Rumänisches  i  aus  e  hat  keinen  Einflufs  mehr,  doch 
wird  dialektisch  dyifü  =  dente  angegeben.  —  Durch  Assimilation 
erklärt  sich  maz.  dzedzet  (digitu).  —  Miklosich  Cons.  II,  39 
giebt  noch  Öierh  (fervet)  und  §er  (ferru),  Uerhe  (fervet),  §iu  (filiii) 
an,  ohne  zu  sagen ,  woher  die  Formen  stammen.  Die  istrische 
Entwicklung  flier  u.  s.  w.  dürfte  auf  Einflufs  der  benachbarten 
slawischen  Sprachen  beruhen :  im  Slaw.  wird  Kons.  -|-  y  zu  Kons. 
-{-  1y.  Das  neben  Myept  auffällige  tsaptir  sieht  aus  wie  *kcptine 
aus  pectine,  aber  weshalb  die  Umstellung  hier  und  nicht  auch  in 
dem  gleichgebauten  pectns  stattgefunden  hat,  bleibt  dunkel.  — 
Im  Mazedonischen  wird  so  m  zu  n:  nyedzv,  nerJcuri,  nile,  ferner 
PI  zu  y  oder  g.  Merkwüi-dig  ist,  dafs  Vlacho-Livadhon  ^  zu  s 
zurUckverwandelt :  si,  sapte  u.  s.  w. 

420.  Dem  Rumänischen  zunächst  ist  das  auch  geographisch 
ihm  am  nächsten  liegende  Rä tische  zu  nennen.  Die  Labialen 
zwar  widerstehen  hier,  abgesehen  von  nolla  (mcdiäla)  im  Veltlin 
und  Tessin,  das  dann  auch  ins  Mailändische  dringt:  nidoUa. 
Dagegen  treffen  wir  bei  Dentalen  die  Palatalisierung,  aber  wieder 
in   verschiedener  Ausdehnung. 

Im  Obw.  wird  dl  zu  dyi,  gi,  selbst  zi  (Andeer)  und  dzi 
in  Bergün,  dem  östlichsten  Pxmkte  des  palatalisierenden  Ge- 
bietes, hier  übt  il  denselben  Einflufs,  wir  haben  also  obw.  dyi 
(dies) ,  gi  in  Flims ,  zi  in  Andeer ,  dzc  und  dzeJir  in  Bergün, 
ebenso  ti:  tyi,  di,  tse  (?),  '^timone  (§  352),  iyamnn,  tsamim  auch 
in  Trins,    aber  in  Andeer    und  Bergün    timiin.     Im  Friaul.  ist  i 


344  II-  Kapitel :  Konsonantismus.  8   420. 

wirkungslos ,  ie  dagegen  palatalisiert :  dyestre  (dextra) ,  dyezime 
(decimu) ,  dyo  (deu) ,  tyere  (terra) ,  tyessi  (tessere) ,  työ  aus  tio  = 
tno  umgestaltet  nach  mio) ,  tyoli  (tollere),  ferner  tyi  (ital.  ti)  als 
Atonon,  also  zunächst  A^or  vokalischem  Anlaut;  in  Tirol  zeigt 
Enneberg  und  Abtei  dieselbe  Erscheinung,  dafs  sie  aber  überall 
jung  ist,  ergiebt  sich  daraus,  dafs  sich  ihr  wie  im  Eum.  tempKS 
entzieht,  vgl.  §  96.  Dasselbe  Verhältnis  zeigen  li  ni ,  lie  nie, 
vgl.  obw.  Un  (linv) ,  tina  (Ivna) ,  anif  {nidu) ;  eng.  lima ,  lüna, 
nku;  friaul.  yet  (lectu) ,  yevri  (lepore) ,  nyot  (node),  merv  (nervif), 
dafs  ferner  die  Gutturalen  palatalisiert  werden,  ist  §  409  gezeigt.  — 
Italien  hat  als  Regel  si  ~z  si :  scimmia,  scima,  sciringa,  scilocco 
neben  sl ,  das  vielleicht  von  cosi  beeinflufst  ist.  Dagegen  wird 
igm(do  auf  "^ignudus  zurückgehen,  das  sich  zu  nudvs  stellt,  wie 
lat.  ignotus  neben  nottts  steht,  und  dem  sich  begrifflich  span. 
desnudo  vergleicht;  gnocco  ist  wohl  erst  aus  noccMo ,  mail.  gverv 
aus  nervi  umgestellt;  ven.  gnove  aus  nvove,  niove  gesellt  sich 
zu  den  anderen  Fällen  von  io  aus  vo  §  216.  Unklar  bleibt 
gmtca,  mail.  nücca.  Mundarten  gehen  weiter,  vgl.  Alatri :  lyib§r§, 
lyuna.  Tarentinisch  hilu  zeigt  fi  aus  hi.  —  Im  Spanischen  vergleicht 
sich  jimia  dem  ital.  scimmia,  dazu  noch  jihia  (sepia)  xxwdi  jisca  neben  d 
sca,  aber  simo,  silo,  silbar,  si  u.  a.,  ähnlich  im  Portg.,  wo  sich  wohl 
chinche,  cMsmo  vergleicht.  Span,  fnido,  nodus  ist  von  anuda,  *annodat 
beeinflufst,  nvhio  vielleicht  niublo  aus  nihula  (§  58).  Vor  ie  aus 
f  wird  l  palatalisiert,  in  der  Schrift  kommt  dies  nur  bei  Tleva 
(levat),  danach  llevar  statt  aspan.  Jevar,  zum  Ausdruck.  —  In 
Frankreich  sind  es  aufser  den  Gutturalen  hauptsächlich  ?,  n, 
seltener  s,  die  palatalisiert  werden  durch  i,  ü,  oe,  ie  aus  e  und  durch  y, 
das  infolge  von  neuem  Hiatus  aus  e,  ?',  ü  entstanden  ist.  Dies 
letztere  zeigt  sich  namentlich  im  Südosten,  vgl.  waat.  sou  sndare; 
sä  (sudore) ,  lettd,  Higettare.  Morvan:  sei  (sella) ,  sio  (sigillum), 
Sil  (sur),  si,  süser,  süite,  scer  (soror),  sml  u.  s.  av.,  Reims  süris 
(souris),  dann  auch  hier  sitr,  xourde  Phi.  Vign.  71.  In 
Fourgs :  ser  (sver),  sce  (ciel),  scedre  (stiivre),  süi  (six),  soedro  (cendre), 
desädre  ist  der  palatale  Einflufs  ebenfalls  noch  klar.  Sonst  waat. 
nyä  (nervu),  nyer  (nigru),  dann  auch  nyao  (nodu)  und  neuenb. 
nyü  (nudo),  die  an  die  entsprechenden  ital.  bezw.  span.  Formen 
erinnern;  Avaat.  lye  (lectv) ,  bagn.  leivra  {*lq)ora,  Z  =^  7^  §  517, 
altes  l  fällt).   Ebenso  zeigt  im  Gask.  leu  (leve)  die  letzten  Spuren 


§   420 — 422.     Anlautend  TI  u.  s.  vv.  in  Italien  u.  Frankreich.  345 

des  Diphthongen.  Vor  f  erscheint  palatales  l  bezw.  dessen 
Vertreter  y  auch  im  Morvan,  Mons  u.  s.  w. ,  wo  dem  frz.  liard 
yard  entspriclit.  Vgl.  noch  morv.  yasse,  yevre,  Perche  :  yoze  (frz. 
liege),  yant,  mons.  yeve.  Auch  andere  Konsonanten  folgen  im 
Lothr.,  vgl.  Jice  aus  sku  (sebvm),  hcer  (svivre),  liür  (afr.  sevr),  elia 
(asseoir).  Vor  einfachem  i,  ü:  neuenb.  Icmd  (limon),  Imds^  (limace), 
lesۧ  (linceitil)  und  das  interessante  delon  (lundi).  In  Jujurieux 
lima,  larc  {legere  aus  lehe,  vgl.  vdld  =  valere).  Palatales  t'  vor 
ü:  Gilhoc  M,  Delemont  f^  (quant),  fite  =  qwttent,  S.  Maixent 
ticek  (qvclque) ,  cxtüsc  =  excvser,  dfre,  c't'üri.  Endlich  mag  noch 
erwähnt  werden,  dafs  germ.  we,  frz.  gne ,  ge  häufig  ^  wird,  so 
Freibui-g  gere,  derc. 

421.  Palatal  i  sie rung  durch  l.  —  Die  Verbindungen 
cl,  glj  pl,  hl,  fl  sind  nur  auf  einem  kleinen  Teile  des  romanischen 
Gebietes  erhalten;  fast  überall  ist  entweder  stets  oder  nur  bei 
cl,  gl  oder  bedingt  durch  den  Accent  das  l  palatalisiert  worden 
und  hat  dann  gewöhnlich  auch  den  vorhergehenden  Konsonanten 
irgendwie  modifiziert.  Das  K-Gebiet  umfafst  ganz  Italien  und 
Rumänien,  Spanien,  Portugal,  Südost-  und  Ostfrankreich  eiu- 
schliefslich  Lothringen ,  Westfrankreich  von  der  französisch-pro- 
venzalischen  Grenze  bis  einschliefslich  der  Normandie.  Das 
j^f-Gebiet  ist  kleiner:  Rumänien  imd  die  Ostküste  Italiens  ent- 
ziehen sich  ihm,  ebenso  ein  Teil  Ostfrankreichs.  Einflufs  des 
Tones  auf  die  Schicksale  der  Lautverbindung  zeigt  nur  die 
iberische  Halbinsel.  —  Ein  historischer  Zusammenhang  zwischen 
den  verschiedenen  Gruppen  existiert  nur  in  geringem  Mafsstabe; 
wenn  es  naheliegt,  Rumänien  und  Italien  zusammenzufassen,  so 
scheint  dagegen  Ostfrankreich  gesondert  zu  sein,  ebenso  West- 
frankreich, und  endlich  die  iberische  Halbinsel.  Es  empfiehlt 
sich  daher,  jedes  der  Gebiete  für  sich  zu  betrachten. 

422.  Im  Spanisch  e  n  und  Portugiesische  n  entwickeln 
sich  cl,  pl,  fl  vor  betontem  Vokal  zu  Jcly,  ply,  fly,  woraus  mit 
Assimilation  lly,  was  im  Spanischen  bewahrt  oder  besser  zu  l, 
im  Portg.  über  ty  zu  Ö  nordportugiesisch ,  galizisch ,  wohl  auch 
astur.  -  leon. ,  im  Süden  seit  Mitte  des  XVHI.  Jahrhunderts 
weiter  zu  §  wird :  noch  Don  Luis  Caetano  de  Lima,  geboren  in 
Lissabon  1671,  stellt  es  dem  engl,  ch  gleich,  nicht  dem  franz., 
Joäo  Franco  Barrello  1671  kennt  jedoch  auch  die  Aussprache  §,  Joao 


346  II-  Kapitel :  Konsonantismus.  ■  |   422,    423. 

de  Moraes  Maclureira  Feyjö  1739  bezeichnet  S  als  lissabonisch. 
Die  Assimilation  giebt  dem  Z-Elemente  eine  stärkere  Wider- 
standskraft, daher  wird  es  nicht,  wie  inlautend,  zu  y  im  Span., 
geht  es  in  den  homorganen  Verschlufslaut  über  im  Portg.  In  den 
aspan.  Texten,  z.  B.  dem  Fuero  Juzgo  und  in  aportg.  wird  auch  x 
und  j  geschrieben,  doch  darf  man  aus  letzterem  nicht  auf  tönende 
Aussprache  schliefsen.  —  Wir  haben  also 


Span. 

llama 

llave 

llosa 

llueca 

llano 

Portg. 

cliama 

chave 

chousa 

clioca 

cMio. 

Span. 

llaga 

Ueno 

llora 

llove 

lluvia 

Portg. 

cliaga 

cJieio 

cliora 

chove 

chuiva. 

Span.  Uama  Ueco 

Portg.  cliamma  choco. 
In  tonloser  Silbe  dagegen  bleibt  l,  oder  besser  es  wird  zu  r, 
ebenso  in  gelehrten  Wörtern,  doch  hat  der  Einflufs  der  lateinischen 
Schriftsprache  mehrfach  das  l  statt  r  wieder  eingeführt.  Vgl.  spau. 
clavm\  davija,  jjortg.  cravelha,  cravar,  danach  span.  davo,  portg. 
cravo j  wenn  das  Wort  überhaupt  volkstümlich  ist;  span,  plager, 
portg.  prazer,  span.  plantar ,  portg.  prantar  und  danach  planta, 
pranta  neben  Hanta,  chanta,  die  ihrerseits  llanten,  chantagem 
(plantagine)  hervorgerufen  haben ;  span.  planir,  sjjan.  plegar  neben 
llcgar,  flaön ;  auffällig  sind  plomo  doch  portg.  diumho  und  span.,  portg. 
pluma.  —  Neben  span.,  portg.  flor  findet  sich  in  der  alten 
Sprache  gewöhnlicher  frol:  es  ist  also  wohl  vor  der  Palatalisierung 
flore  in  frole  umgestellt  worden.  Vgl.  aber  portg.  diorudo,  dioroes, 
diontme,  wenn  sie  zu  flor  gehören,  Span,  philo,  plazo,  plata 
sind  halbgelehrte  Formen;  in  jj^a^öf,  pra^a,  playa,  praya  hat 
Dissimilation  die  Entwicklung  von  l  zu  ly  gehindert.  In  landta, 
lacio  ist,  ebenfalls  infolge  von  Dissimilation,  II  zu  l  geworden.  — 
Anlautend  hl,  gl  verliert  den  Verschlufslaut :  span.,  portg.  lasthna, 
portg.  lande,  span.  landre;  latir,  portg.  latego,  liron,  lera,  portg. 
leira  (glarea),  portg.  leiva  (*gl€hea),  oder  aber  hl  bleibt :  hledo  portg. 
hredo,  span.  hlasma,  portg.  hrasma,  hlanco,  hranco  u.  s.  w.  — 
Endlich  span.  chopa,  portg.  dioupa  (dupea):  das  span,  Wort  ist 
wohl  entlehnt  aus  dem  Portg.  oder  Gal. 

423.     Im  Italienischen   wird   l    nach    allen  Konsonanten 
palatalisiert ,    dann    aber    von    dem  palatalen  Elemente  erdrückt: 


8   423.  CL  u.  s.  w.  in  Spanien  und  Italien.  347 

aus  AZ  entsteht  über  A%.'  ky,  das  früher,  wie  noch  jetzt  im  Süden, 
die  Geltung  von  fc'  hatte,  im  heutigen  Toskanischen  aber  Tcy 
lautet.  Also:  chiama,  cliiave,  ch'niso,  chiodo,  chiocca,  piano,  piaga, 
pieno,  piombo,  piove,  pntmaj  fiamma,  fiocco,  fiume,  fiore,  piacere, 
plantare,  piangere,  ptiegare,  piazza,  piaggia,  ghiande,  ghiro,  ghiaja, 
hieta,  hiasma,  hianco.  Lehnwörter  aus  dem  Lateinischen  wandeln 
in  der  alten  Sprache  und  in  Dialekten  Z  in  r:  sprendore,  afriUo 
u.  s.  w.  Während  so  das  Zentralitalienische  sehr  einfach  ist, 
zeigen  die  nördlichen  und  südlichen  Dialekte  Weiterentwicklungen 
des  palatalisierten  Lautes  nach  verschiedener  Richtung  hin.  In 
Oberitalien  widerstehen  die  Labialen,  dagegen  werden  ky,  gy 
zu  d,  g,  nur  das  Gen.  wandelt  py  weiter  in  d,  fy  in  s,  vgl. 


Ven. 

dar 

ganda 

pian 

hiank 

fiado 

Mail. 

dar 

ganda 

pian 

biank 

fiä 

Piem. 

dar 

gand 

pian 

hiank 

fid 

Bol. 

dar 

ianda 

pian 

hiank 

fid 

Gen. 

dait 

ganda 

dan 

ganku 

§ou. 

Schon  in  den  alten  Denkmälern  dieser  Gegenden  zeigt  sich 
der  Wandel  vollzogen,  Bonvesin  schreibt  giamando  (wobei  über 
g  dasselbe  zu  bemerken  ist,  wie  über  das  aportg.  j),  giasa,  und, 
was  bemerkenswerter  ist,  clera  =  ciera  aus  afr.  chiere,  dchlo  = 
dcheo,  wo  l  nur  ein  i  ausdrücken  kann,  also  für  plan  die  Aus- 
sprache pian  sichert,  vgl.  noch  pht,  wo  der  Mangel  des  aus- 
lautenden i  auf  i^iu  hinweist  §  533 ;  das  aven.  Exempelbuch  hat 
zwar  stets  cl,  pl,  aber  doch  auch  schon  plu  nicht  jjZwJ  47,  ebenso 
die  Hamiltonhandschrift,  dagegen  kennt  die  Chi-on.  Imp.  cl  und 
ehi,  pl  und  pi,  fl  und  /?,  Giacomino  Veronese  schreibt  diera ,  die 
agen.  Reime  Aveisen  mit  ihama  (cliamare),  ihairo,  iao  (gladitO, 
ciantoi  (plantatores)  schon  die  moderne  Aussprache  aiif;  ebenso 
der  Chrys.  mit  piardi  3,  8;  giaio  22,  37;  ob  auch  mit  chiar 
3,  41,  chiovi  1,  11  oder  ob  darin  noch  die  toskanische  aus- 
gedrückt ist,  bleibt  zweifelhaft.  —  Es  ist  also  kaum  möglich,  an 
Hand  der  Texte  anzunehmen,  dafs  pl,  fl  länger  Widerstand  ge- 
leistet hätten  als  cl,  gl.  Bemerkenswert  bleibt  aber,  dafs  jene 
noch  heute  bestehen  in  Val  Gandino  (Bergamo) :  planta,  pU,  ploe, 
flat,  flama.  —  Im  Genuesischen  ist  der  Wandel  von  py  in  d 
jünger  als  der  Wandel  von  ie  in  i  (§  105),  aus  plenu  entsteht 
pyin,   pin    nicht    cliin;    er    scheint    ferner   auf  die  betonte  Silbe 


348  II-  Kapitel :  Konsonantismus.  8   423. 

heschränkt :  piazer,  nicht  caser.  —  Vom  Lombardischen  und  Veiie- 
zianisclien    aus    ist    die    Palatalisierung    ins  Rätisclie    gedrungen. 
Im  Kanton  Tessin  scheint  fast  überall,   wo  rätisches  Idiom  durch 
lombardisches    verdrängt    ist ,    auch    die    Palatale    in    den   Z-Ver- 
bindungen  eingeführt ;  erst  vom  Puschlav  an  hält  sich  7.    Häufig 
hat  sich  die    überkommene  Gruppe    weiter    entwickelt,    so  findet 
man  an  der  Mesolcina  und  am  Tessin  (Arbedo)  pöü,  pÖof  (plnere), 
pdomb,  hgond  u.  s.  w.    In  Tirol  scheint  zum  Teil  das  venezianische 
Element  sehr  früh  eingedrungen  zu  sein,  zu  einer  Zeit,  da  man 
noch    ]cy    sprach    oder  wenigstens  noch  nicht  ^,   vgl.  tpau  (clavu) 
im  Cembrathal ,    Tcyaf  in  Vigo,    tyef  in  Colle  und  Umgegend.  — 
In  Süditalien  hat  sich  Jctf  fast  allgemein  gehalten,    p7   ergiebt 
dasselbe  Resultat,  hl  entsprechend  y,  fl  ein  modifiziei'tes  s.    Also 
siz.  hyaga  (plaga),  hyrnv,  Tiyuppu  (*pJoppu},   kyii,  yastimari,  yapcu, 
samma,    suri,    siimi.     Das    Alter    wird    bezeugt    durch    xvmara 
(flumara)    C.  23  u.  s.  av.,     in    Calabrien    scheint   der   Laut   /*   zu 
sein,  ebenso  im  Inneren  Siziliens.    Ky  aus  py  erstreckt  sich  weit 
nördlich    bis    an    den    Ombrone  und    bis    ins  Ai*etinische    hinein. 
In  Neapel  schreibt  Loise  de  Rosa  noch  pl,  das  Regimen  sanitatis 
aber  clii.     Auf  der  Stufe    'ply  hat  eine   ähnliche  Assimilation  des 
ersten    Teiles    der    Lautverbindung    stattgefunden,     wie    auf   der 
iberischen  Halbinsel :    vor    dem    ly   wird    statt    des    labialen  Ver- 
schlusses   der   nächstliegende,    der   palatale  gebildet,    dann  aber 
findet  die  Weiterentwicklung  statt  wie  im  Ital. ,  also  ply,  Jcly,  l"y. 
In  einem  Teile  Siziliens,   in  Noto  und  Modica  wird  Jq/  weiter  zu 
ts:  ßaga,  ßoviri,  tsummu,  tsinu.     Die  Übereinstimmung   mit  dem 
Genuesischen  ist  eine  zufällige,    wie  unter  anderem  auch  daraus 
hervorgeht,   dafs  pJenus  in   den  beiden  Dialekten  verschieden  be- 
handelt wird.    An  der  Ostküste  in  Lecce  -wird  hy  über  Je   wieder 
zu  reinem  Je:  sJeattu  (schiatto) ,  sJcau,  sJeuppetta  (sc}iiox)p€tta)y  misJea 
(mischia)  u.  s.  w.     Endlich  die  Ostküste  Italiens    von  Tarent  bis 
hinein    in    die  Abruzzen ,    sowie    das  Rumänische    stellen    Jcy ,    gy 
dem  pl,  hl,  fl  gegenüber,  vgl.  rum.  cJiiag,  chiem,  deschide  (disdudit), 
ghwdä,  plecä,  plin,  hländ ,  floare:  Teramo  Jcyamd,  yann§,  pland§ 
(planta),    hlastem§ ,    flamme.     Die  Vorstufe    des  Jey  ist  im  Mazed. 
Jelyimd,  Jelyae,  gletsu  (glacies)  erhalten,  wogegen  istr.  Jclyar  u.  s.  w. 
auch    erst    wieder    aus    Jeyar    entstanden    sein    kann    §    419.   — 
Eigentümlich  sind  die  Verhältnisse  im  Logudoresischen.     Die  alte 


8  423     424.         CL  w.  s.  w.  in  Italien  und  Südostfrankreich.  349 

Sprache  bewahrt,  wie  noch  heute  das  Campidanesische,  das  l  rein ;  seit 
dem  XVI.  Jahrhundert  erscheint,  offenbar  unter  italienischem  Ein- 
flufs,  pi  und,  wohl  schon  früher,  im  Anlaut  gi,  d.  i,  g  statt  chi, 
also  gae  (clavu),  gaiv.  Das  letztere  ist  schwierig  zu  erklären: 
während  Wandlung  eines  vom  Festlande  übernommenen  ky  in  d 
sich  ohne  weiteres  begriffe,  macht  der  Übergang  zu  g  mehr 
Schwierigkeit,  und  es  fragt  sich,  ob  der  Laut  genau  angegeben  ist. 

424.  Während  auf  den  bisherigen  Gebieten  die  Stufe  My 
fast  nur  erschlossen  werden  konnte,  blofs  im  Mazed.  nachweisbar 
war,  finden  wir  sie  in  Frankreich  vielfach  noch  erhalten,  ferner 
ist  hier,  ähnlich  wie  im  Rumänischen  und  Ostitalienischen,  pl 
widerstandsfähiger  al«  c?,  wogegen  fl  meist  mit  cl  geht.  So  zeigt 
die  östliche  Zone  j^Zäto  fast  im  ganzen  Wallis  mit  Ausnahme 
des  Thaies  des  Viege  und  einiger  im  untersten  Rhönethal  ge- 
legener Gegenden ;  weiter  nördlich  hält  sich  JJ^  hl  und  hier  auch 
//  in  Jujurieux,  Gilhoc,  Vallee  de  la  Drome,  also  wohl  im  ganzen 
mittleren  Rhonegebiet.  Sonst  bleibt  p,  h  bestehen,  dagegen  wird 
l  palatalisiert  und  hält  sich  teils  auf  der  Stufe  ly,  teils  wird  es 
weiter  verschoben  zu  y  und,  indem  die  Engenbildung  mehr  und 
mehr  nach  vom  rückt,  zu  /,  /',  oder  aber  zu  bilateralem  Z; 
endlich  kommt  auch  hier  die  Assimilation  des  Labialen  vor:  py 
zu  d,  das  zu  §  vereinfacht  werden  kann.  Am  kleinsten  ist  das 
Gebiet  von  ply:  es  umfafst  das  Zentrum  der  Waat  und  den 
gröfsten  Teil  von  Freiburg,  sowie  einen  Teil  der  Franche-Comt6, 
am  umfangreichsten  das  von  py ,  während  pß  dem  Wallis  und 
dem  im  Rhonegebiet  liegenden  Teile  der  Waat  angehört,  pf 
Vetroz  (Wallis,  vielleicht  nur  ungenaue  Schreibung),  pi  den  Berg- 
dialekten von  Ormont  und  Freiburg,  (^  den  Neuenburger  Berg- 
dialekten, endlich  ä  der  Franche-Comte  (Baume,  Montbeliard, 
Lure,  Porentruy).  Für  das  Wallis  bleibt  noch  zu  fragen,  ob  ^jZ 
nicht  erst  aus  ply  entstanden  sei ,  da  nämlich  ly  in  mehreren 
Orten  zu  l  wird  §  517.  Das  Gebiet  von  pl  deckt  sich  nicht 
mit  dem  von  l  aus  ly,  jenes  ist  weiter,  doch  läfst  sich  daraus 
nicht  viel  schliefsen.  Eine  Entscheidung  ist  vorläufig  noch  nicht 
möglich.  Fl  wird  überall  da  zu  fly ,  wo  pl  zu  ply,  dann  aber 
tritt  leichter  als  bei  p  Angleichung  an  den  palataleu  Laut  ein : 
fly  wird  zu  hly ,  woraus  Jiy  wie  zum  Teil  fly  zu  fy,    und  daraus 


350 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  424. 


/;  wo  ply  zu  c  wird,  erscheint  fly  als  s.  Endlicli  hl  am  linken 
Khöneufer  nur  in  Gegenden ,  wo  ly  zu  l  wird ,  ist  nicht  aus  /?, 
sondern  aus  fly  über  lüy  entstanden.  Bilaterales  l  giebt  Comu 
für  Bagnard  an.  Die  Schicksale  von  cl  sind  ähnlich  denjenigen 
von  fl.  Die  erste  Stufe  My  findet  sich  im  Kanton  Waat,  etwas 
weniger  weit  als  fly,  im  oberen  Rhonethalj  zum  Teil  in  Savoyen 
(Albertville),  in  der  Franche-Comte ;  weitaus  auf  dem  gröfsten 
Teile  des  Gebietes  ist  es  weiter  entwickelt  zu  hy,  oder  in  Neuen- 
burg und  dem  südlichen  Lothringen  zu  f ;  oder  aber  Uly  wandelt  sich 
in  lüy  ebenfalls  im  Wallis  weiter  rhoneabwärts  bis  Martigny,  in 
Freiburg  und  dem  gröfseren  Teile  der  Waat,  woraus  dann  ent- 
weder liy  im  Thale  der  Drance  (Wallis),  im  Jorat  (Waat),  oder 
P  am  unteren  ßhonethal  und  den  zugehörigen  Teilen  der  Waat. 
Während  hier  liy  neben  lily  steht,  treffen  wir  in  Lothringen  liy 
neben  ty ,  Icy,  was  auf  eine  etwas  verschiedene  Entwicklungs- 
reihe hinweist :  nicht  M  ist  zu  .  hl  geworden ,  sondern  wohl 
ky  zu  hy.  Li  der  Franche-Comte  endlich  verteilen  sich  die 
Reflexe  von  cl  wie  diejenigen  von/?,  pl;  merkwürdig  ist  sy  in 
Giromagny.  • —  Die  Vertreter  von  gl,  hl  sind  etwas  weniger 
leicht  zu  bestimmen :  die  Zahl  der  Beispiele  ist  eine  kleine, 
daher  das  Material  oft  fehlt.  Bl  scheint  überall  mit  j:)?  parallel 
zu  gehen,  in  gl  ist  der  Verschlufslaut  noch  mehr  dem  zerstören- 
den Einflufs  des  ly  ausgesetzt  als  in  cl,  so  ist  z.  B.  in  der  Waat 
das  Gebiet  von  gly  kleiner  als  das  von  cly,  gly  wird  dann  zu  y, 
dem  hy  entspricht  y,  dem  /;  ä  und  in  Ormont  und  Ollon  bila- 
terales l.  Im  Bagnard,  wo  cl  zu  bilateralem  l  wird,  ly  zu  den- 
talem l,  erscheint  d  als  Vertreter  von  gl.  —  Die  verschiedenen 
Gestaltungen  mag  folgende  Übersicht  veranschaulichen. 

Lat.  PLAJfTA  BLANCü 

Vionnaz  pßäta  hdä 

Bagnard 

Waat  j3?/äfe  hyä 

Ormont  pfiäte  hdä 


PLAJfTA 

ppäta 

pläta 

Xnjäte 

ppäte 

pläte 

pläte 


Freiburg 

Neuenb.  pläte  hlä 

Jujurieux  pläte  hlä 

Lothr.  pyäte  hyä 


FLAMMA 

päma 
hläma 
hläma 
päma 
hläma 
fläma 
fläma 
fyam 


CLARU 

pa 

hla 

hla 

pa 

vgl.  Mu 

ta 

Mä 

kyeU 


GLACIE 

dafe 

dal^ 

läse 

dase 

lese 

dese 

glase 

gtjes. 


§   424 — 426.         ^L  II.  s.  \v.  in  Italien  und  8üdostfrankreich.  351 

Was  noch  das  Alter  der  Palatalisieruug  betrifft,  so  ist 
t'ranolie-comt.  pyotte,  niorv.  pyotij  =  pelote  =  frz.  pelotte  zu  be- 
achten. 

425.  Im  Westen  Frankreichs  scheint  die  Palatali- 
siernng  weit  weniger  weit  um  sich  gegriffen  zu  haben.  Auch 
hier  ist  die  erste  Stufe  noch  vielfach  boM-ahrt :  bess.  Mye,  klyok, 
glyczc,  plycsc,  plyanh,  hlyct,  flyäh,  saintong,  Jclyu  und  Ulyu,  flyäb  und 
Ulyäb,  glyäd  und  lyäd,  ebenso  My  u.  s.  w.  in  Poitou,  avo  fleam- 
hmit  a.  1651  (Mem.  Ant.  Fr.  I,  200)  ein  altes  Beispiel  ist.  — 
In  Anjou  hianche,  Hautemaine  pipsi',  hie,  saintong.  p?/ä^e  zeigt  sich 
die  zweite  Stufe  wenigstens  nach  Labialen,  nach  Gutturalen  in 
Houlme  (Normandie)  Icyv,  Icyoe.  Weiter  südlich,  in  Haut-Limous. 
stehen  Mo§,  Mau,  plazei  nebeneinander,  auch  cl  soll  A^or  v 
bleiben. 

426.  Labial  isi  erung.  Es  handelt  sich  um  die  Schick- 
sale des  lateinischen  qu,  wozu  sich  noch  gesellen  coagulat,  coadvs. 
Zu  scheiden  ist  zwischen  qui  und  qua.  Eine  besondere  Stellung 
nehmen  qumque  und  quisque  ein:  jenes  hat  mit  quinquag'mta 
schon  iii  lateinischer  Zeit  durch  Dissimilation  sein  labiales 
Element  verloren  citique,  cinquaginta,  vgl.  §  3,  S.  6,  und  ital. 
cinquanta,  span.  cincuenta,  frz.  dnquante.  Die  Dissimilation  wii-kte 
weniger  streng  in  quisque,  dessen  Anlaut  zum  Teil  durch  qui 
gehalten  wurde :  prov.  quecs  neben  altital.  ceschedimo,  vgl.  ciascuno. 
Qui,  quetus,  quaerere  haben  überall  ihr  labiales  Element  ein- 
gebüfst ,  aber  nicht  tiberall  zu  gleicher  Zeit.  Im  Ital. ,  Franz., 
Span.,  Portg.  bleibt  der  Guttural  unverändert,  im  Franz.  Avurde 
noch  qui  gesprochen  zur  Zeit,  da  lat.  ca,  germ.  M  zu  öa,  öi 
Avurden,  erst  später  wandelt  sich  qui  in  ki,  das  nicht  mehr  pala- 
talisiert  Avird.  Die  Schreibung  clii  Eni.  6,  12,  Jon.  v.  31  zeigt 
schon  die  moderne  Aussprache.  Wir  haben  also:  ital.  chi,  cheto, 
chiede,  frz.  qui,  quoi,  quiert,  span.  quien,  quiere,  schon  im  Mistero 
acliesta  1,8,  achesto  5 ,  acltest  6  neben  aquel  9  u.  s.  av.  Im 
Rumänischen,  Friaulischen  und  Tarentinischen  ist  der  Labial  so 
frühzeitig  gefallen,  dafs  der  Guttural  noch  die  EntAvicklung  A'on 
lat.  cc  mitmachte :  rum.  eine,  ceare,  incet,  acest,  tarent.  de,  di,  öere 
u.  s.  AV.,  friaul.  sc,  sere,  sed.  Im  Westrät.  endlich  fällt  u  später, 
das    l'e    Avird    behandelt    wie    la:    oberl.    tyi ,    tye ,    tyou ,    tyeia 


352  I^*  Kapitel :  Konsonantismus.  8   426. 

(quetus,  -a).  —  Schwierig  sind  quercu  und  qiierqucdula.  Jenes  ist 
auf  Italien  beschränkt,  frz.  chcne  geht  auf  ein  nichtlateinisches, 
nur  Gallien  bekanntes  *cassanu  zurück,  vgl.  prov.  casser.  In 
Italien  treffen  wir  sard.  chercu,  abr.  cerqua,  flor.  quercia.  Ein 
*quercea  (vgl.  ital.  faggia  =  fagca,  hezza  =  *aMeiea  u.  a.)  hätte 
ital.  *chercia  ergeben.  Man  darf  wohl  annehmen,  dafs  zu  quercus 
ein  Femininum  *qi(erqua  gebildet  wurde,  woraus  cerqua  und  mit 
Umstellung  quercia.  Auf  *cerqua  weist  auch  portg.  cerquinha.  — 
In  span.  cerceta,  portg.  mrseta,  prov.  serseta,  nfr.  sarcelle  aus 
*querqucdula  scheint  erst  Dissimilation  *cerquedula,  dann  Assimilation 
*cercedula  vorzuliegen ;  ital.  farchetola  steht  der  lateinischen  Form 
nahe,  ihm  vergleicht  sich  farkeduno  in  Galatone  (Terra  d'Otranto). 
Vor  a  bleibt  das  labiale  Element  stets  im  Italienischen :  qtia,  quäle, 
qualclie,  quattordici,  quando,  quattro,  quaglio,  dialektisch  schwindet 
es  in  tonloser  Silbe :  campob.  kakJcose,  ka  (quam).  Neben  quagliare 
■steht  auch  cagliare,  es  wird  also  coa  in  tonloser  Silbe  zu  ca.  Im 
Span.,  Portg.,  Südsard.  bleibt  qua,  span.  geschrieben  cua,  aber 
qua-  und  Kons,  -f-  qud  wird  cd:  span.  cual,  cuando,  cuadro,  cuatro 
(cuarenta  §  610),  aber  catorce,  calitad,  cawano,  calana,  escama, 
escalido,  portg.  qiial,  quando,  quatro  neben  caderna,  ca,  escama, 
während  das  Nordpoi-tugiesische  stets  ca  spricht.  Im  Franz., 
Prov.  ist  das  u  verstummt  nach  der  Palatalisierung  von  ca, 
in  den  Lehnwörtern  des  Engl,  bleibt  es :  question ,  quite.  Zuerst 
ist  u  wohl  in  tonlosen  einsilbigen  Wörtern  geschwunden,  vgl.  kaunt 
Karls  Reise  16  und  stets  car.  Sonst  ist  es  wohl  im  XI.  und 
XII.  Jahrhundert  noch  erhalten,  erst  Handschriften  des  XIII. 
Jahrhunderts,  wie  die  des  Roman  du  Mont  S.  Michel  gebrauchen 
qu  und  c  vor  a  gemischt.  Auch  der  Osten  (Lothr.,  Wall.)  hat  es 
bewahrt :  frz.  quattre,  quand,  quel,  quarante,  caillelait,  querir  u.  s.  w., 
aber  lothr.  kuel,  ku^sei  (cacher),  kuerom  sogar  kueri,  kwä  neben 
vereinzeltem  ketoU  (quatorze)  auch  kwetoJi,  k'iz  (frz.  quinze),  ka 
(qualis),  wallon.  kuat,  kuarem,  kueri  u.  s.  w.  Im  Rumänischen  und 
Sardischen  endlich  ist  u  ebenfalls  geschwunden :  rum.  ca ,  cänd, 
cänt,  scamä,  care,  log.  kandu,  kantu,  iskama,  kale,  aber  quattuor 
giebt  rum.  patru,  sard.  hattoro,  ebenso  haranta.  Da  intervoka- 
lisches  qua  dieselbe  Behandlung  zeigt,  so  ist  man  zur  Annahme 
gezwungen,  darin  Formen  zu  sehen,  die  ursprünglich  nur  im 
Satzinnern     gestanden     haben,     eine    Annahme,     die    durch    den 


§  426,  427.  Lateinisch  QU.  353 

tönenden  Anlaut  des  sardischen  Wortes  nocli  mehr  gesichert 
wird.  Wie  lat.  qua,  qui  wird  auch  rom.  gua  aus  germ.  wa 
(§  18)  behandelt.  Also  ital.  guardare,  guatare,  gitalcire,  guarnire, 
doch  bleibt  hier  das  u  auch  vor  palatalen  Vokalen :  guerra^ 
guiderdone,  guisa  u.  s.  w.,  daher  wohl  ghindare,  ghignare  aus  dem 
Französischen  stammen.  Ghelfi  der  Chron.  per.  ist  als  Anlehnung 
an  Ghibellini  zu  fassen.  Französisch  garder,  guerir,  garnir,  guerre, 
guise,  heute  mit  durchaus  stummem  «.  Schon  die  Handschrift 
von  Karls  Reise  (XIII.  Jahrhundert)  mischt  gu  und  g:  gardet  441, 
garisset  670,  garniz  240,  esgarder  131  u.  s.  w.  neben  reguardet  h, 
guaer  559  u.  s.  w.  Im  Englischen  ist  gw  meist  wieder  zu  w 
geworden :  wait,  tvarison,  Warrant  u.  s.  w. ,  daneben  jedoch  auch 
guard,  guide,  garnish.  Im  Spanischen  ist  u  vor  palatalen  Vokalen 
verstummt:  guerra,  guisa,  bleibt  aber  vor  a:  guarda,  guantc, 
gitarir,  guarnir.     Über  tv  statt  gw  s.  §   18,  über  g,  d  ^  420. 

427.  In  allen  romanischen  Sprachen,  bald  mehr  bald  weniger 
weit  verbreitet,  treffen  wir  vereinzelte  Beispiele  von  tönendem 
Anlaut  statt  tonlosem.  Es  handelt  sich  dabei  nicht  um  eine 
bestimmte  Regel,  sondern  jedesmal  um  besondere  Einflüsse,  es 
ist  daher  jeder  einzelne  Fall  fiir  sich  zu  betrachten.  —  Die 
Hauptklasse  bilden  die  griechischen  Wörter,  vgl.  §  17,  S.  33. 
Auch  Wörter  aus  anderen  Sprachen  zeigen  ähnliches  Schwanken : 
ital.  gatto,  span.  gato,  aber  frz.  chat  (wahrscheinlich  germanisch) ; 
ital.  gamha,  frz.  jambe,  aber  ostfrz.,  südostfrz.  Samhe,  pik.  cambe 
Tourn.  IV,  10,  3,  cliambe  auch  Ysop.  1039.  Es  mag  dies  in  einer 
von  der  romanischen  Art  abweichenden  Artikulation  des  griech. 
(germ. ,  kelt.)  Ä  seinen  Gi-und  haben :  das  franz.  c  fafst  auch 
der  Mailänder  als  g:  gubriole,  gäbarc  u.  a.  Schwieriger  noch 
sind  die  lateinischen  Fälle.  Neben  frz.  cage  steht  im  Franz. 
selbst  geöle  {*gaviola),  ferner  ital.  gabbia ,  span.  gavia,  prov. 
gabia,  freib.  d£eb§,  lyon.  e^i.  —  Sehen  wir  von  ital.  crai,  span. 
cras  (cras)  ab,  die  vielleicht  nicht  ganz  volkstümlich  sind,  so 
scheint  der  Anlaut  cra  stets  gra  zu  werden:  ital.  grasso,  span. 
graso,  prov.,  frz.,  rum.  gras  (crassus),  ital.,  span.  grada,  portg. 
grade,  ital.  gradella,  span.  giadilla,  frz.  grille,  rum.  gratar  (crates, 
-icula)'^  ital.  gracidare,  span.  graznar  (crocitare).  Allein  einmal 
ist  es  schwierig,  dafür  eine  befriedigende  physiologische  Erklärung 

Meyer,  Grammatik.  23 


354  II'  Kapitel:  Konsonantismus.  8   427. 

zu  finden,  sodann  zeigt  das  letztgenannte  "Wort  auch  in  seinem 
Vokal  Einflufs  von  graculus,  gradllare,  und  das  erste  könnte  aus 
einer  Vermischung  mit  grossus  entstanden  sein :  es  darf  nicht 
verschwiegen  werden,  dafs  cras  die  Form  der  Pikardie,  des  Kouclii, 
Troyes,  Ardennen  und  Belgiens  im  Mittelalter  war  und  noch  heute 
ist.  —  Die  anderen  Fälle  sind  geographisch  enger  begrenzt: 
ital.  gonfiare^  rum.  gunfld  aus  conflare,  das  frz.  gonfler  ist  erst 
im  XVI.  Jahrhundert  daraus  entlehnt,  vgl.  aber  Tarn,  Languedoc, 
Dauph.  honfld^  Ardeche  Jcoufla,  Queir.  Jcounfldr,  Vion.  JconMd  u.  s.  w. 
Ihm  vergleicht  sich  ital.  gomito  (cubitu),  gombina  (*combina), 
sgomentare  (^excommentare),  sgomberare  (excumerare).  Tarn  gorp, 
rouerg.  guor  (corvu).  —  Kum.  gutuiu  (cotoneus)  ist  slawisch.  Assi- 
milation an  den  tönenden  Anlaut  der  zweiten  Silbe  ist  wohl  an- 
zunehmen in  ital.  gridare  (quiritare),  gastigare,  galigare,  in  friaul. 
dedea  (taedicare),  friaul.  dorde,  mail.  dord  (turda),  lothr.  dai^e 
(tardicare),  wogegen  siz.  deda,  rum.  dzadä  (taeda)  wohl  eher  eine 
Vermischung  des  lat.  Wortes  mit  dem  gleichbedeutenden  griech. 
daiöa  zeigen.  Mit  dem  ital.  gridare  hat  das  span.,  portg.  gritar 
keinen  direkten  Zusammenhang:  es  ist  aus  cridar  entstanden, 
ebenso  gretar,  und  portg.  golpelha  (corheille).  Dissimilation  liegt 
vielleicht  vor  in  friaul.,  tirol.  dut  (*tottu).  Im  Span.,  Portg.  wird 
er  zu  gr  nur  in  Femininen :  span.,  portg.  greda  (ereta,  doch  auch 
freib.  griya),  span.  gria  neben  eria  von  creare:  ist  die  Form  zu- 
nächst in  enger  Verbindung  nach  dem  Ai-tikel  entstanden?  — 
Sicher  scheint  diese  Erklärung  für  portg.  äbegoaria,  hegoaria  zu 
pecus,  a  hosteJa  =  pustella,  a  haliga  zu  pdlus.  Andere  Beispiele 
erklären  sich  wie  '^grassu  durch  Vermischung  zweier  Wörter :  bei 
ital.  hrugnoltt)  frz.  hrugnon,  portg.  ahrunho  zu  prumis  mag  bruno, 
bei  portg.  dolor  (pallor)  etwa  holha,  bei  portg.  hoir  (polire) 
wohl  hornir,  bei  ital.  grosta  (neben  costra):  grosso,  bei  afr. 
graanter:  garantir,  bei  span.  ganon,  ganiles  (zu  canna):  gaMr, 
bei  span.  verdälago  (portulaca):  verde  mit  im  Spiele  sein.  Völlig 
dunkel  sind  frz.  glas  (classicum) ,  ital.  holso  (pulsus) ,  brina 
(pruina).  Umgekehrt  steht  neben  frz.  glousser  zu  glocire  ital. 
chioeciare,  Anjou  clousser,  berg.  Mose  u.  a.  Portg.  ferrolhar  zu 
*veruclum  zeigt  deutlich  Anlehnung  an  ferro,  franz.  dial.  (Reims) 
krale  aus  gracilis  ist  vielleicht  von  kras  beeinflufst.  ■ —  Aspan. 
femencia  zu  vehementia  ist  nicht  ein  Erb-,    sondern  ein  Buchwort 


§   427 — 429.  Abfall  anlautender  Konsonanten.  355 

und  vielleicht  zu  ei-klären  als  vejhementia,  wobei  f  das  aspirierte 
h  ausdrückt.  Span,  cenojil  Strumpfband  zu  hinojo  ist  mit  cenir 
zusammengebracht. 

428.  Abfall  anlautender  Konsonanten.  Über  j 
im  Spanischen  s.  §  407 ,  f  im  Spanischen  §  408.  Sonst  sind 
noch  zu  envähnen : 

B,  V,  G  in  Lecce :  asu  (basiu),  andera,  eüta,  uhka,  ursa, 
rukulu;  ekyii,  erme,  eUnu,  itru.,  ina,  uöe,  ogyu;  addina,  ula,  rossa, 
rutta,  raulu  (§  282),  rieku  u.  s.  w. 

F  im  Bergamaskischen :  erem,  aTca,  i,  ida,  oli,  igofia  =  ital. 
vigogna. 

F,  D  in  Eieti :  ennetta ,  illania ,  olontd ,  olea ;  iJco ,  ispetti, 
anni,  aria. 

G  vor  r,  l  in  Logudoro :  russu,  rassu,  runda,  randine,  landa, 
lorumu  aus  *lomuru. 

L  in  Bagnard :  ana,  ar§  (latro),  enwa  (Ungua),  ivra,  eü  (leur), 
egrema  u.  s.  w. 

429.  Verschieden  von  diesen  Erscheinungen  sind  die  folgen- 
den. Vor  0,  %i  fällt  häufig  das  v,  d.  h.  es  verschmilzt  mit  dem 
homorganen  Vokal ;  dieser  selbst  kann  primär  oder  aus  e  ent- 
standen sein.  In  tonloser  Silbe  ist  die  Verschmelzung  leichter 
als  in  betonter. 

Alatri:  tittone  (ital.  bottöne),  ukkone  (*buccone),  utare 
(*voltare  und  votare),  vgl.  in  betonter  ugkJca ,  uolep§  {vulpe) ,  wüte 
{voiu,  neben  vode  PI.  vudi).  Im  Sizilianischen  treffen  wir  eben- 
falls :  urpi  (vulpe),  urria  =  ital.  vorria.  —  Im  Gaderathal :  oritey 
ormön,  orei  (volerc).  —  Sodann  in  Ostfrankreich,  z.  B.  Auve  oir, 
oiture  u.  s.  w.  Hierher  gehört  os  aus  betontem  vous  in  vielen  alt- 
französischen Texten.    Ebenso  span.  Imeco,  portg.  oco  (vocims). 

Vgl.    zum    Afr.    A.    T  o  b  1  e  r ,      Vermischte    Beiträge, 

S.    212 — 216.     Die    Erklärung    von     span.     hueco    giebt 

Cornu,  Grundrifs,  S.   767. 

Oder    der  Abfall    ist    durch  Dissimilation    zu    erklären,    wie 

im  ital.  civello,    afr.  avel  (labellu),    im  span.  adrales  (laterales),    im 

ital.  nsignuolo,    Ariege  angibo,   im    span.   amparar  =  mamparar 

(vgl.  desmamparar  B.  0.  332,  Jose  8  u.  s.  w.). 

In  wenig  gebrauchten  oder  in  fremden  Wörtern  wurde  l  als 
Artikel  angesehen:  ital.  orbacca  =  lauribaca  erweist  sich  durch  cc 

23* 


356  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  §   429 — 431. 

als  gelehrtes  Wort;  ital.  assurro,  span.,  frz.  azul;  span.  onza^ 
frz.  once  von  lynx'^  ital.  orza^  span.  orzcij  frz.  owrse  von  mndL 
Itirts-^  ital.  ottone;  wallon.  amproie  (lampreda).  —  Ebenso  n:  itaL 
arancio  neben  mail.  naranz,  span.  naranja  aus  pers.  näreng.  — 
Unerklärt  ist  frz.  loir ,  champ.  lairon  (glis) ,  ven.  rvnire,  ronare 
u.  s.  w.,  M.  B.  96  zu  grvndire. 

430.  Zutritt  von  Konsonanten  im  Anlaut.  Pro- 
thetisches  s  im  Ital.  gehört  der  Wortbildungslehre  an.  In  Betracht 
kommen  zunächst  die  Fälle,  wo  der  Artikel  mit  dem  Worte  ver- 
schmolzen ist,  auch  hier  handelt  es  sich  meist  nicht  um  viel- 
gebrauchte, sondern  um  seltene  Wörter.  Span,  acerola  wird  ital. 
zu  lazzeruola,  lat.  opium  zu  loppio,  lodoroso  statt  odoroso  braucht 
Buonarroti,  amido  neap.  lamete;  so  frz.  lendemain,  lendit,  luettCj 
loriot,  wogegen  in  lierre  (hedera)  eher  Einflufs  von  Her  zu  sehen 
ist ;  bearn.  lant  (amite) ,  nfr.  landier  (amitariu).  In  Eeims^ 
Langre  lavier  =  eoier  hat  wohl  laver  eingewirkt.  Mehrfach 
findet  sich  g  vor  r:  nfr.  grenouille  (aber  Fourgs  rncel),  ital. 
granocchia  werden  ihr  g  von  gracidare  bezogen  haben,  ital. 
gracimolo  graspo  von  grappa.  Aus  rugire  +  hradire  entsteht 
*brugire,  ital.  hruire,  frz.  hruit,  aus  brisa  +  rezza  (auritia)  ital. 
hrezza.  Von  inaspare  aus  bildet  das  Ital.  naspo  statt  a,spo;  nach 
dingun  das  Astur,  dalgun.     Nicht  klar  ist  astur.  dir. 

431.  Romanische  Konsonanten  Verbindungen.  In 
vielen  romanischen  Mundarten  fällt  der  in  tonloser  erster  Silbe 
zwischen  Konsonanten  stehende  Vokal,  s.  §  372:  es  treten  infolge- 
dessen ursprünglich  getrennte  Konsonanten  zusammen.  Sofern 
nun  der  eine  dieser  Konsonanten  durch  diesen  Zusammenstofs 
verändert  wird,  ist  die  Erscheinung  hier  zu  besprechen.  Meist 
handelt  es  sich  darum,  dafs  der  eine  der  beiden  Laute  tonlos, 
der  andere  tönend  ist:  in  diesem  Falle  richtet  sich  gewöhnlich 
der  erste  nach  dem  zweiten :  lat.  cahallu,  norm,  gval,  ostfrz.  zval, 
Fourgs  ptsos  (hesace),  lothr.  psey  oder  fsey  =  vessica,  jenes  geht 
auf  w,  dieses  auf  v  zurück;  in  lothr.  sfey  (*ca2nclu)  ist  der  erste 
Konsonant  geblieben,  vgl.  mons.  Tcfce  und  gvoe  (capillu).  Vr  wird 
zu  fr  im  ital.  frasca  (virasca) ,  frana  (voragin-) ,  zu  &  im  span. 
hrano  =  verano ,  hrana  =  veranea,  Blasco  =  Velasco.  —  Im 
Lothr.  wird  ^  vor  Kons,  zu  z:   zlin  (gallind)  neben  ga.  —  Portg. 


^    431,    432.  Kousonanteiiziisatz  im  Anlaut.  357 

franras  (*v'irantias).  —  Es  kann  aber  auch  der  erste  Laut  fallen, 
vgl.  tessin.  n{  aus  mi,  mint  (come  aus  comint),  doela,  *hdoela, 
betulla  u.  s.  w.  —  Im  Italienischen  wird  dis  vor  Konsonanten 
über  ds  zu  S,  im  Bolognesischen  ist  die  ältere  Stufe  d  bezw.  ^ 
noch  erhalten :  dpet,  öprars,  öpiiyars,  gnar  (desinare). 


B.    Die  Konsonanten  im  Wortinlaut. 

432.  In  höherem  Grade  als  bei  anlautenden  kommt  bei 
inlautenden  Konsonanten  der  Accent  in  Betracht,  namentlich  bei 
Verschlufslauten  :  es  empfiehlt  sich  daher  für  diese  letzteren  eine 
Scheidung  zwischen  vortonigen  und  nachtonigen.  Sodann  ist  hier 
die  Zahl  der  Konsonantengruppen  eine  bedeutend  gröfsere  als 
im  Anlaut :  für  sie  gilt,  sehen  wir  von  den  y-,  u-  und  zum  Teil 
<len  Z- Verbindungen  ab,  die  Eegel,  dafs  der  letzte  Bestandteil 
behandelt  wird,  wie  die  wortanlautenden  Konsonanten,  wogegen 
■der  oder  die  ersten  mannigfache  Veränderungen  erleiden.  Endlich 
ist  auch  die  Stellung  in  Oxytonis  oder  Paroxytonis  von  Wichtig- 
keit. —  Als  anlautend,  nicht  als  inlautend  werden  meistens  die 
Konsonanten  in  zusammengesetzten  Verben  behandelt,  und  zwar 
nicht  nur,  wo  das  einfache  Verb  noch  vorhanden  ist,  wie  in  ital. 
teuere,  span.  tenei',  frz.  tenir:  ritenere,  retenir,  retener,  sondern 
auch  in  Fällen  wie  ital.  ricevcre,  frz.  recevoir,  wo  kein  einfaches 
*cevere,  *cevoir  zur  Seite  steht,  und  so  in  fast  allen  Zusammen- 
setzungen mit  re,  de.  Es  handelt  sich  dabei  wohl  um  Einflufs 
jener  ersten  Klasse :  in  retenir,  deienir  wurde,  unter  Einflufs  von 
temr ,  nach  dem  Präfix  re,  de  stets  fest  eingesetzt:  t  blieb,  und 
so  fand  denn  auch  in  den  übrigen  Beispielen  fester  Einsatz  statt, 
vgl.  dazu  §  549.  Immerhin  sind  einige  Ausnahmen  zu  merken, 
Fälle,  Avo  das  GefUhl  der  Zusammensetzung  verloren  gegangen 
ist.  Neben  ital.  ritorta  steht  prov.  redorfa,  afr.  reorte;  rehellis: 
afr.  revel;  propositits :  ital.  prevosto ,  frz.  prevöt,  span.,  portg. 
prehoste;  profundus:  \)roy. preon  (das  nfr.  profond  ist  in  Anlehnung 
ans  Lateinische  aus  afr.  parfond  umgebildet,  in  parfond  aber 
stand  /"nicht  mehr  zwischen  Vokalen);  *extradare:  afr.  estreer ; 
reponere ;  afr.  rehondre,  rebost ;  repullare :  span.  rebollar ;  span.  regunzar 
=  recomptiar€,  degollar.  Gehört  aber  der  Konsonant  zum  Präfix, 
nicht    zum  Verbum,    so    wird    er    behandelt    wie    sonst    zwischen 


358 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


432,  433. 


Vokalen:  neben  afr.  redoiz:  redudus  steht  raemhre  prov.  rezenter : 
redimere;  adorare  giebt  prov.  azorar  afr.  aorer.  Schon  in  latei- 
nischer Zeit,  als  emere  noch  bestand,  sprach  man  demnach  re- 
ducere  aber  red-imere,  jenes  mit  intensivem,  dieses  mit  schwachem  d^ 


1.    Einfache  Konsonanten  in  Paroxytonis. 

a)  Verschlufs-  und  Reibelaute. 

1.     Nach  dem  Tone. 

433.  Die  tonlosen  Verschlufs  laute  zwischen  be- 
tontem und  unbetontem  Vokale  bleiben  im  Rumänischen  und 
Stiditalienischen  erhalten,  sonst  werden  sie  tönend,  und  zwar  im 
Mittelitalienischen  nur  vor  folgendem  a,  auf  allen  anderen  Ge- 
bieten vor  jedem  Vokal.  Überall  mit  Ausnahme  des  nördlichen 
Frankreich  verlangt  au  den  tonlosen  Laut  nach  sich,  dem  Proven- 
zalischen  schliefst  sich  noch  Saintonge  mit  Kota  (gauta)  an.  Im 
Italienischen  ist  das  aus  p  entstandene  5,  im  Französischen  und 
Engadinischen  auch  noch  g  aus  c  schon  in  vorhistorischer  Zeit 
dem  ursprünglichen  b,  g  gleichgestellt  und  wie  dieses  behandelt 
worden,  daher  die  Beispiele  §  438  ff.  verzeichnet,  hier  nur  die 
hypothetischen  Mittelstufen  angegeben  werden. 


Lat. 

EIPA 

CUPA 

CAPÜ 

APE 

SAPA 

Rum. 

ripä 

cupä 

aap 

— 

— 

Sizil. 

ripa 

Jcupa 

Jcapu 

lapa 

— 

Ital. 

*riba 

— 

capo 

ape 

(sapa. 

Engad. 

*riba 

— 

*k'abo 

— 

— 

Lomb. 

riva 

— 

— 

ava 

— 

Span. 

riba 

cuba 

cabo 

— 

saba 

Prov. 

riba 

cuba 

cap 

— 

saba 

Afr. 

*ribe 

*cube 

*k'ebe 

*ebe 

*sebe. 

Lat. 

PIPEE 

CEFA 

LUPU 

SCOPA 

OPUS 

Rum. 

— 

ceapä 

lup 

— 

op 

Sizil. 

pipi 

— 

lupu 

sJcupa 

— 

Ital. 

pepe 

— 

(lupo) 

*scoba 

uopo 

Engad. 

*peiber 

— 

*lubu 

skua 

— 

Lomb. 

pever 

— 

lof 

scova 

— 

§  433. 


Intervokalische  tonlose  Verschlufslaute. 


359 


Span. 

pebre 

— 

loho 

escoba 

huehos 

Prov. 

pehre 

seho 

lop 

escoha 

ops 

Afr. 

*peihre 

*cibe 

*M)u. 

— 

ues. 

Lat. 

-ITÜ 

VITE 

VITA 

-UTU 

EÜTA 

Rum. 

-it 

— 

— 

-nt 

rutä 

Sizil. 

-Hu 

viti 

vita 

-utu 

— 

Ital. 

-ito 

vite 

(vita) 

-Uta 

(ruta) 

Engad. 

-it 

vitt 

(vitta) 

-üt 

— 

Lomb. 

-ido 

vit 

(vitta) 

-udho 

ruga 

Span. 

-ido 

vide 

vida 

-itdo 

ruda 

Prov. 

-it 

Vit 

vida 

-ut 

ruda 

Afr. 

-it 

Vit 

vide 

-ut 

rüde. 

Lat. 

-ATU 

LATUS 

CKATE 

STKATA 

-ETU 

Rum. 

-at 

— 

— 

— 

-et 

Sizil. 

-atu 

latu 

(grada) 

strata 

-itu 

Ital. 

-atu 

lado 

grada 

strada 

-eto 

Engad. 

-*adu 

— 

grada 

streda 

-ait 

Lomb. 

-ado 

lado 

— 

strada 

-edo 

Span. 

-ado 

lado 

grade 

estrada 

-edo 

Prov. 

-at 

latz 

— 

estrada 

-et 

Afr. 

-et 

letz 

— 

estrede 

-eit. 

Lat. 

SITE 

SETA 

LUTU 

LAETÜ 

ROTA 

Rum. 

sete 

fatä 

lut 

— 

roatä 

Sizil. 

siti 

Sita 



letu 

rata 

Ital. 

sete 

(seta) 

lato 

lieto 

rata 

Engad. 

sait 

saida 

lut 

— 

roada 

Lomb. 

sede 

seda 

lodo 

liedo 

roda 

Span. 

sed 

seda 

lodo 

liedo 

ruede 

Prov. 

set 

seda 

— 

let 

roda 

Afr. 

seit 

Seide 

— 

Met 

ruede. 

Lat. 

GAUTA 

AMICU 

MICA 

-ucu 

LACTUCA 

Rum. 

— 

amic 

micä 

-ue 

läptucä 

Sizil. 

— 

amiku 

mika 

-uku 

lattuka 

Ital. 

gota 

amico 

miga 

-uco 

lattuga 

Engad. 

— 

*amigu 

— 

-"^ügxi 

— 

Lomb. 

— 

amig 

miga 

-üg 

ladüga 

360 

II. 

.  Kapitel:  Konsonantismus.                     8 

433,  434. 

Span. 

— 

amigo 

miga             -ugo 

leclmga 

Prov. 

gauta 

amic 

miga            -üc 

lachüga 

Afr. 

jode 

*amigu 

*miga          *ügu 

Haitüga. 

Lat. 

LACÜ 

PACAT 

PLICAT              *SOCA 

CAECU 

Eum. 

lac 

-pacä 

plegä                — 

— 

Sizil. 

laku 

paka 

kika                 — 

öeku 

Ital. 

(lago) 

paga 

piega            soga 

cieco 

Engad. 

Hegu 

*pega 

*plega          *suga 

*diegu 

Lomb. 

lag 

paga 

piega            soga 

— 

Span. 

lago 

paga 

llega             soga 

ciego 

Prov. 

lac 

paga 

plega            soga 

cec 

Afr. 

*lagu 

"^paga 

*plega          *soga 

*ci€gu. 

Lat. 

l'RECAT             FOCU 

PAüCU              AUCA 

Rum 

— 

foc 

—                — 

Sizil 

— 

foku 

(poku)          oka 

Ital. 

prega 

fuoco 

poco             oca 

Eng-{ 

id.       imego 

i          *foegii 

i           *paucu         ok'a 

Lomb.             — 

f(^9 

pok              oka 

Span.         prkga          fuego 

poco             oca 

Prov 

prega 

foc 

pauc            auca 

Afr. 

*prega         '^fogu 

*pogu           *oga, 

434.  Es  bleiben  eine  Anzahl  Ausnahmen  zu  besprechen  in 
denjenigen  Gebieten,  die  auf  diesem  Standpunkte  beharren.  Das 
Festhalten  an  den  tonlosen  Lauten  in  Süd  Italien  bedarf  noch 
genauerer  Untersuchung,  sowohl  in  Bezug  auf  seine  geographische 
Ausdehnung,  als  auch  mit  Rücksicht  auf  die  Qualität  der  be- 
treffenden Laute,  so  werden  sie  z.  B.  im  Sizilianischen,  wie 
auch  meist  im  Anlaut,  mit  schwacher  Verschlufsbildung  ge- 
sprochen. Vereinzelte  Abweichungen  erklären  sich  leicht,  so  ist 
z.  B.  siz.  pregu  von  prigari  §  443  gebildet.  —  Im  Toskanischen 
fügen  sich  der  Regel :  alluda  (aluta) ,  aret.  hruga  neben  flor. 
hruco,  spiga,  lettiga,  festuga  bei  Sacchetti,  tartaruga,  hottega,  spada, 
piva,  lova:  daneben  sind  hraca,  vescica,  mica,  ruca  u.  a.  gelehrte 
Formen,  amica  u.  s.  w.  stehen  unter  Einflufs  des  Maskulins, 
luogo,  ago,  lago  haben  ihr  g  vom  Plural  luogora  u.  s.  w.  §  524, 
spigo  von  spiga  und  spigola  §  524,  sugo  von  sugare,  scudo  das  d 
von  scudiere,  grado  von  gradire,  §  443,  -lade,  -tado  erklären  sich 


^   434,   435.         Intervokalische  tonlose  Verschlufslaute.  361 

durch  Dissimilation ,  lovo  ist  nach  lova  gebildet,  Udo  nicht  toska- 
nisch.  —  Andere  Beisj)iele  für  Erhaltung  der  Tennis  nach  au  sind 
span.  coto  (cautu),  hoto  (fautv),  ferner  savco  (sahneu),  portg.  couto, 
fovto,  ronco ,  prov.  pauta.  Da  das  germanische  rauha  als  span. 
ropa ,  portg.  roupa  erscheint ,  so  mag  sich  fragen ,  ob  nicht  in 
jenen  anderen  Fällen  die  Tennis  erst  aus  der  Media  entstanden 
sei.  Der  Umstand,  dafs  in  Italien  iind  Rätien  rauha  sein  h  be- 
hält, sj)richt  jedoch  gegen  eine  derartige  Auffassung.  Auch  aus 
dem  Reflex  von  pauper  läfst  sich  nichts  schliefsen^  da  hier  die 
Bedingungen  wegen  des  folgenden  r  besondere  sind.  Mehr  Ge- 
wicht kann  man  auf  portg.  de  outiva  „vom  Hörensagen"  legen, 
das  doch  wohl  aus  ouvida  umgestellt  ist.  Allein  gerade  der 
Umstand,  dafs  erst  die  Konsonanten  umgestellt  worden  sind, 
benimmt  dem  Wort  jede  Beweiskraft,  s.  §  584.  Bewahrung  eines 
harten  Verschlufslautes  nach  einem  Diphthongen  zeigt  endlich 
span.  scpa,  quepa  aus  *saipa,  *caipa  =  "^sapiat,  cajnat  neben 
portg.  saiba,  eaiha.  Auch  hier  fehlt  jeder  Anhaltspunkt  fiir  die 
Annahme  einer  Stufe  span.  saiba,  eaiha. 

435.  Es  hat  sich  nun  aber  dieser  urromanische  Zustand, 
wie  schon  gesagt,  nur  im  eigentlichen  Italien  mit  Einschlufs 
Sardiniens  ungetrübt  erhalten,  liberall  sonst  sind  teils  mehr  teils 
weniger  tiefgehende  Weiterentwicklungen  und  Umgestaltungen 
eingetreten,  die  zum  Teil  in  engstem  Zusammenhange  stehen  mit 
den  vokalischen  Auslautgesetzen.  Am  wenigsten  weit  geht  das 
Rumänische :  es  zeigt  die  Einwirkungen  des  -i  auf  die  vorher- 
gehenden Konsonanten  §  319.  Im  Spanischen  föllt  e  nach 
d  §  312,  das  dadurch  in  den  Auslaut  getretene  d  wird  altspan. 
tonlos:  verdat  Caza  43,  23;  venit  Danza  19,  seguH  19,  llegat  19, 
ardit  23,  venit,  dexat  23 ;  hontat  Baena  I,  69  a,  merket  ib.  79  a, 
entendet  79  b,  dividat,  verdat  74  b  u.  s.  w. ,  daneben  steht  aber 
auch  d:  did  Cid  3322,  vestid  3366  u.  s.  w.  Später  ist  dieses  d 
zu  d  geworden,  welchen  Wert  es  noch  heute  hat;  es  wird 
sehr  schwach  artikuliert  oder  fällt  ganz.  Im  Andalusischen  hat 
auch  inlautend  d  diese  Aussprache  angenommen  und  ist  dann 
weiter  zu  r  vorgerückt:  soleares,  ir  2  PI.  Imper.,  paeres,  oder  es 
fällt  ganz:  naa,  too,  puo,  meto  u.  s.  w.  Auch  im  Norden  ist 
Ausfall  eingetreten,  wenigstens  nach  a :  -au  neben  -ado  ist  häufig 


362  n.  Kapitel:  Konsonantismus.  §   435^   436. 

im  Asturischen,  durchgeführt  wird  er  in  dem  nach  Amerika  ver- 
pflanzten Spanischen  von  Bogotan  :  amolao,  und  im  Auslaut :  soledd, 
merce.  —  Im  Portugiesischen  ist  das  d  im  Inlaut  stets  zur 
Spirans  d  geworden ;  im  Gal. ,  das  in  den  vokalischen  Auslaut- 
gesetzen mit  dem  Spanischen  geht,  fällt  es,  wo  es  ans  Wortende 
tritt ,  also  portg.  hondade  ,  gal.  bondd.  —  Auch  das  P  r  o  v  e  n  - 
zalische  bleibt  im  ganzen  auf  dem  alten  Standpunkte  stehen : 
auszunehmen  ist  eine  nördliche  Zone,  in  der  das  sekundäre  d 
behandelt  wird  wie  das  primäre,  und  die  Gegenden,  die  ga 
palatalisieren.  Die  vokalischen  Auslautgesetze  bringen  eine 
Anzahl  Veränderungen :  -tus ,  -tis  wird  zu  tz  im  Prov. ,  woraus 
später  s  §  565;  direkt  im  Auslaut  stehen  tonlose  Konsonanten, 
es  wird  also  amadu  zu  amat,  amigu  zu  amic,  cäbu  zu  cap.  — 
Im  Span.,  Portg.,  Kat.,  Südsard.  zeigt  die  2.  PI.  eine  besondere 
Behandlung :  im  Span.,  Portg.,  Südsard.  fällt  das  d  aus :  span. 
amais,  partis  (Impt.  amad,  partid),  portg.  amais,  vendeis,  partis, 
Südsard.  hantais,  timeis,  im  Kat.  wird  ts  zu  u:  amau,  partiu  §  566. 
Im  Provenzalischen  und  Katalanischen  ist  noch  zu 
erwähnen  spata,  prov.  espaza,  akat.  espaa;  ferner  kat.  dau,  das 
mit  ital.  dado  auf  ein  vulglat.  dadum  zurückgeht,  dessen  Ursprung 
nicht  klar  ist.  Gehört  es  zu  datum,  so  ist  das  d  durch  Assimi- 
lation zu  erklären ;  es  könnte  aber  im  Ital.  wie  im  Katal.  Lehn- 
wort aus  span.  dado  sein :  die  Geschichte  des  Würfelspiels  müfste 
darüber  Aviskunft  geben.  Kat.  soldau  stammt  wohl  sicher  aus 
span.  soldado.     Vereinzelt  steht  kat.  freu  zu  fretum. 

436.  Die  tönendenVerschlufs laute.  Der  Dental. 
Im  Rumänischen  und  Sizilianischen  bleibt  d  stets,  abgesehen 
dort  vom  Einflufs  eines  folgenden  i  §  319 ,  hier  von  den 
Gegenden,  wo  d  überhaupt  zu  r  wird.  Im  Neapolitanischen 
und  in  den  Abruzzen  verhärtet  es  sich  zu  t.  Auch  im  Tos- 
kanischen,  auf  der  iberischen  Halbinsel  und  im  Friaulischen 
bleibt  d,  aufser  in  der  Verbindung  ede,  wo  es  überall 
schwindet.  Im  Toskanischen  fällt  -de  überhaupt,  primäres 
sowohl  wie  sekundäres.  Im  Provenzalischen  wird  es  über  ä 
zu  z,  wo  es  im  Inlaut  bleibt,  fällt  im  provenzalischen  Auslaut. 
Die  nördliche  Zone  schliefst  sich  dem  Französischen  an,  läfst 
also  auch  inlautend  d  fallen.     Das  Katalanische  ist  schon  früher 


§   436.  D  zwischen  Vokalen.  363 

über  z  zum  völligen  Ausfall  gelangt,  im  Auslaut  wandelt  es 
dagegen  ä  in  w,  vgl.  §  566.  Das  primäre  d  fällt  im  Sardinischen 
und  Westrätischen,  hier  auch  das  sekundäre  vor  M  und  i,  beide 
zwischen  Vokalen  in  Oberitalien  und  Nordfrankreich,  dort  vor 
dem  Auftreten  des  vokalischen  Auslautgesetzes  und  wohl  auch 
vor  Beginn  unserer  Litteratur,  hier  im  XI.  Jahrhundert.  Die 
mittelalterlichen  Denkmäler  Norditaliens  schreiben  noch  t,  d,  dh, 
z.  B.  Cron.  imp.  senado,  marido,  fiade,  vegnudo  und  dormio, 
mandd,  nassua,  sta  (Plur.  Mask.)  perdu;  Bonvesin  vegudha, 
convidha,  mudho,  tridhe;  veda;  caritae,  partia,  tribulao  u.  s.  w. 
Die  Schreibungen  ohne  d  überwiegen  im  XIV.  und  XV.  Jahr- 
hundert in  so  hohem  Mafse  und  sind  z.  B.  bei  Giacomino  und 
in  den  Rime  Genovesi  fast  die  einzigen,  dafs  man  die  mit  d,  dh 
als  nur  historische  betrachten  kann.  Heute  aber  ist  namentlich 
in  Mailand  und  Venedig  in  sehr  vielen  Fällen,  z.  B.  den  Par- 
tizipien, meist  der  Konsonant  wieder  hergestellt,  gewöhnlich  als  d, 
auch  wo  die  lateinische  Grundlage  t  fordert.  Man  hat  darin  wohl 
einen  starken  Einflufs  der  Schriftsprache  auf  die  Stadtdialekte 
zu  sehen.  So  also  neumail.  -ada,  -ida,  -üda,  strada  Plur.  strad; 
ähnlich  im  Venezianischen.  —  Die  ältesten  französischen 
Denkmäler  behalten  d  noch  bei,  so  Alexis,  0.  Psalter,  weniger 
C.  Psalter,  Roland,  noch  seltener  ist  es  in  den  Büchern  der 
Könige  und  im  Computus,  und  dafs  es  in  letzterem  stumm  ist, 
beweist  der  Reim  signefie:  vie  405.  Im  Alexis,  Brandan  und  in  den 
Glossen  Jb.  VIII,  33  findet  sich  mehrfach  die  Schreibung  dh,  die 
wohl  eine  Aussprache  d  bedeutet.  —  Fürs  Nordprovenzalische 
vgl.  muraor  M.  R.  40,  9;  maisnaa  14,  Ende  XI.  Jahrhunderts. 
Im  Nordosten:  Burgund,  Lothringen  und  Belgien  fällt  t,  d 
nicht  aus,  sondern  wird  zu  y:  -ata  ergiebt  -eye,  -uta:  -üye,  vgl. 
§  378.  Dasselbe  hat  statt  in  ganz  anderer  Gegend  in  Monferrat : 
feya,  -aya,  preya,  sreya  (cerreto)  u.  s.  w.  Die  Vorstufe  d,  die  das  y 
voraussetzt,  findet  sich  in  der  Gestalt  r  in  S.  Fratello :  krara  (creta), 
vir  (vite),  krairir  (credere)  u.  s.  w.  Auch  im  südöstlichen  Frank- 
reich, wo  sonst  Ausfall  die  Regel  ist,  findet  sich  wie  es  scheint  y, 
vgl.  Bagnard  fay^  =  fafa,  -ay§  =  -ata,  Brian<jon  geya  =  lomb. 
gheda.  —  Den  Wandel  von  d  zu  r,  sowohl  primärem  wie  sekundärem 
treffen  wir  auch  bei  den  Katalanen  in  Alghero. 


364 

II.  Kapitel:  Konsonantismus. 

§  436, 

Lat. 

NIDU 

riDA 

NÜDÜ 

SUDA 

GKADU 

Rum. 

— 

— 

— 

asudä 

— 

Friaul. 

nid 

ftde 

nud 

— 



Engad. 

oiieu 

(fida) 

(nüd^ 

) 

süa 

gro 

Ter. 

— 

— 

nute 

— 

— 

Ital. 

nido 

ßda 

nudo 

SU  da 

grado 

Amail. 

nio 

fia 

nüo 

süa 

grao 

Nmail. 

nin 

— 

— 

süda 

grä 

Sard. 

*niu 

(fida) 

(nudu) 

(suda) 

(gradu) 

Afr. 

nit 

fide 

nut 

Sude 

gret 

Prov. 

ni 

fiza 

nu 

suza 

gra 

Katal. 

niu 

fia 

nuu 

sua 

grau 

Span. 

nido 

— 

desnudo 

suda 

grado. 

Lat. 

VADU 

VIDE 

FIDE 

PKAEDA 

CODA 

Rum. 

vad 

vede 

— 

pradä 

coadä 

Friaul. 

vad 

— 

fe 

— 

hode 

Engad. 

vau 

— 

fe 

— 

Tcua 

Ter. 

— 

vit§ 

— 

— 

— 

Ital. 

vado 

vede 

fe 

preda 

coda 

Amail. 

— 

ve 

fe 

— 

coa 

Nmail. 

guä 

ve 

fed 

— 

hoa 

Sard. 

bau 

(vide) 

(fide) 

j>reö 

koa 

Afr. 

guet 

veit 

feit 

prede 

couda 

Prov. 

gua 

ve 

fe 

presa 

com 

Katal. 

guau 

veu 

fe 

prea 

Jcoa 

Span. 

vado 

1 

ve 
Lat. 
ßum. 
Friaul. 
Engad. 
Ter. 
Ital. 
Amail. 
Nmail. 
Sard. 
Afr. 
Prov. 

NODU 

nod 

nüd 

nodo 

no 

nced 

*nou 

nout 

no 

fe 

PEDE 

pe 

pe 

pet§ 

pie 

pe 

pe 

pe 

piet 

pe 

prea 

(cola). 

Katal. 

nou 

peu 

- 

Span. 

nudo 

pie. 

§  436 — 438.  D  zwischen  Vokalen.  365 

Dazu  kommen  noch  die  Beispiele  von  sekundärem  d  aus 
§  ^33. 

437.  Im  Spanischen  sind  scheinbare  Ausnahmen  prea, 
loa,  denen  jedoch  preaV,  lodr  zur  Seite  stehen,  wo  der  Ausfall 
des  d  berechtigt  ist,  §  443.  Nicht  kastilianisch  ist  auch  wegen 
des  f:  fco  lat.  fcedus  (man  könnte  übrigens  auch  an  feäldad 
denken);  unerklärt  bleiben  tea  lat.  taeda  und  aspan.  coa,  nspan. 
cola  =  coda.  —  Zu  portugiesisch  fe  gesellt  sich  noch  se  (sedes), 
auch  aspan.  See  Muuoz  74.  —  Im  Sardi  sehen  ist  die  Sache 
nicht  völlig  klar :  die  mit  *  bezeichneten  Wörter  sind  campid., 
nicht  log. ,  in  letzterem  Dialekt  zeigen  sie  d :  nidu,  nodu.  Sichere 
Beispiele  sind  noch  cruu  crudus,  feu  foedus^  ghia  ital.  guida.  — 
Im  Provenzalischen  erscheint  neben  ni  auch  nits  und  niu, 
woraus  nprov.  nieu,  §  38,  wogegen  in  den  anderen  Fällen  mit 
-d  keine  derartige  Form  vorkommt.  Nidus  ist  das  einzige  Wort 
auf  -id,  in  Nom.  Sg.  -itz,  Acc.  PI.  itz  fiel  es  zusammen  mit  den 
zahlreichen  Bildungen  auf  itz  von  -iciu,  -itiu,  -tce,  die  ihr  ts  im 
Accusativ  beibehielten.  —  Im  Katalanischen  ist  das  aus  d 
entstandene  z  wie  jedes  andere  geschwunden,  wenn  es  zwischen 
Vokalen  blieb :  schon  in  den  alten  Handschriften  fehlt  es  oft ; 
wenn  es  heute  trotzdem  in  manchen  Wörtern  wieder  erscheint, 
so  liegt  wohl  provenzalischer  oder  spanischer  Einflufs  vor,  so  in 
ancluso,  alosa,  tesa  u.  s.  w. 

Zum  Katalanischen  vgl.  Ollerich  §  32,   1. 

438.  Der  gutturale  V  e  r  s  c  h  1  u  f  s  1  a  u  t.  Rumänien,  die 
Toskana,  die  iberische  Halbinsel  und  Stidfrankreich  bewahren 
das  g  unverändert.  Norditalien  labialisiert  es  nach  p,  u ;  Sizilien, 
Sardinien,  Tarent  lassen  es  ganz  fallen,  Teramo  und  die  Abruzzen 
verschieben  es  zut/.  Das  Piemontesische  wandelt  es,  wo  nicht  Labiali- 
sierung  eintritt,  in  y  und  stellt  sich  dadurch  mit  dem  Südostfran- 
zösischen auf  eine  Stufe.  Auf  den  übrigen  Gebieten  wird  die  Sache 
dui-ch  die  Palatalisierung  der  Gutturalen  vor  a  verwickelt.  Primäres 
wie  sekundäres  ga  werden  zu  z  im  Provenzalischen  und  Süd- 
westfranzösischen, sonst  in  Frankreich  wie  im  Rätischen  zu  y; 
dieses  y  geht  in  betontem  i,  ü  im  Französischen  auf,  bleibt  im 
Rätischen.  Dasselbe  trifft  in  Frankreich  zu  flir  sekundäres  go 
und  für  primäres  ogo,  während  primäres  wie  sekundäres  ogu,  egu, 


366 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  438. 


primäres  agu  über  ougu,  eugu,  augu  zu  ou,  eu,  au,  primäres  oga 
über  ogva  zu  ova  wird  wie  im  Oberitalienischen-,  endlich  igu, 
ügu  werden  über  ij,  üj  zu  i,  ü.  Denselben  Weg  geht  das  West- 
rätische,  nur  in  den  zwei  zuletztgenannten  Verbindungen  läfst  es 
den  Reibelaut  nicht  verstummen ,  sondern  behält  ihn  tonlos  bei : 
ili,  Uli.  Endlich  das  Osträtische  schwankt  zwischen  Beibehaltung 
und  Abwerfung  des  auslautenden  g. 


Lat. 

FKIGUS 

KUGA 

PLAGA 

FAGU 

LEGAT 

Kum. 

frig 

— 

XÜagä 

ßg 

leagä 

Osträt. 

— 

ruye 

playe 

— 

leya 

Engad. 

— 

— 

pleya 



leya 

Sizil. 

— 

rua 

hyaga 

fau 

lia 

Ter. 

— 

— 

— 

maye 

— 

Ital. 

— 

ruga 

piaga 

fago 

lega 

Sard. 

frius 

— 

piae 

fau 

lia 

Mail. 

— 

— 

piaga 

fo 

liga 

Piem. 

— 

— 

piaga 

fo 

lia 

Prov. 

— 

rüga 

plaga 

fau 

lega 

Frz. 

— 

rue 

plaie 

fou 

leie 

Span. 

— 

ruga 

llaga 

mago 

lega. 

Lat. 

DOGA 

JUGÜ 

NEGAT 

EOGO 

EOGAT 

Rum. 

— 

— 



rüg 

ruga 

Osträt. 

dove 

jov 

— 

— 

— 

Engad. 

— 

guf 

— 

— 

— 

Sizil. 
Ter 

duga 

yuvu 

— 

— 

— 

JL  V7X  • 

Ital. 

doga 

giogo 

niega 

rogo 

roga 

Sard. 

doa 

juu 

— 

— 

— 

Mail. 

dova 

gov 

— 

— 

— 

Piem. 

duva 

guf 

neia 

— 

— 

Prov. 

doga 

— 

— 

— 

— 

Frz. 

douve 

jou(g) 

nie 

rui(s) 

rueve 

Span. 

doga 

yugo 

niega 

ruego 

ruega. 

Dazu  dann  i 

sekundäres  g: 

Osträt. 

ami(g) 

amiye 

-u(g) 

-uye 

paye 

Engad. 

amiK 

amiya 

-Uli 

— 

2)eya 

Piem. 

ami 

amiya 

'Ü 

-üya 

paya 

Frz. 

ami 

amie 

-u 

-ue 

paye. 

^  438, 

439. 

G  zwischen  Vokalen. 

Osträt. 

lag 

pleye 

so(y)e 

preye 

— 

lug 

Engad. 

Uli 

playe 

sua 

preya 

— 

Pieni. 

lai 

(piega) 

— 

prega 

— 

Ice 

Frz. 

lai 

plie 

*soie 

prie 

ein 

Heu. 

367 


439.  Im  Kliman i sehen  ist  intrebd  aus  interrogare  wohl 
durch  die  Mittelstufe  *interguare  zu  erklären,  da  das  einfache 
rogare  sein  g  bewahrt.  —  Im  S  i  z  i  1  i  a  n  i  s  c  h  e  n  ist  rua  wahr- 
scheinlich französisches  Lehnwort,  lia  kann  von  lidre  beeinflufst 
sein.  —  Italienisch  Stria  ist  wohl  von  striazzo  aus  gebildet,  vgl. 
daneben  strega;  giovo,  obwohl  in  der  Toskana  gebräuchlich, 
stammt  aus  der  Emilia.  Die  nördliche  Provence  und  Poitou 
zeigen  z  vor  a,  vgl.  poit.  amize,  rüze,  -üze,  ploie  u.  s.  w. ,  die 
Dauphine  und  andererseits  Saintonge  dagegen  y.  Die  Grenzen 
zwischen  g,  z  und  y  sind  noch  zu  untersuchen,  -cu  erscheint  in 
Poitou  ebenfalls  wie  im  Provenzalischen  als  c:  amic,  die,  enemic, 
pree,  Itiee,  lue,  fuc,  juc,  fuec  in  den  Predigten,  luec  auch  in 
Urkunden  aus  Saintonge  und  Aunis.  Im  Altfranzösischen  ist  vai 
(vagus)  wohl  vom  Fem.  *vaie  beeinflufst.  Schwierig  ist  feent  Jon. 
aus  factint.  In  ihm  eine  analogische  Form  nach  einem  nicht 
überlieferten  vedent  aus  vadtint  zu  sehen,  ist  mit  Rücksicht  auf 
die  ganze  weitere  Geschichte  dieser  Verba  nicht  wohl  zulässig. 
Das  hohe  Alter  und  der  Umstand ,  dafs  später  das  jedenfalls 
analogische  also  relativ  junge  fönt  allein  bleibt,  legen  die  Ver- 
mutung nahe,  dafs  feent  die  organische  Form  sei  und  zwar  aus 
facunt  über  factmnt,  vgl.  aqua:  eve  §  501.  Es  hätte  also  hier 
der  velare  Vokal  auf  vorhergehendes  k  ebenso  gewirkt  wie  ti, 
und  wie  velarer  Vokal  auf  folgendes  Tc  §  444.  Dann  bleibt  die 
Frage,  weshalb  lacus  nicht  entweder  le  oder  allenfalls,  dem  Reflex 
von  fagus  entsprechend,  lou  ergeben  habe.  Das  erklären  die 
vokalischen  Auslautgesetze.  In  der  Verbindung  a]i  vermochte 
das  u  nicht,  den  Konsonanten  zu  infizieren:  nur  tönende  Ver- 
schlufslaute  (oder  schon  Spiranten:  fayu?),  beeinflufste  es,  oder 
aber  tonlose,  denen  ein  labialer  Vokal  voranging.  Also  laci( 
wurde  zu  laiiii,  nun  trat  Abfall  des  w  ein  ?a/t,  woraus  lai. 
Dagegen  blieb  -unt  länger,  aus  facunt  entstand  faKunt,  dann 
feliunt,  fe§nt.  —  Die  Ortsnamen  auf  ay  und  y  (§  259)  können 
danach  aus  -acum  oder  -aco  entstanden  sein.  —  Während  die 
Südostdialekte   im   ganzen   wohl  dieselben  Regeln  zeigen ,    kennt 


368 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  439,  440. 


Val  Soana  überhaupt  kein  i  aus  nachtonig  c,  vgl.  hrae ,  pea^ 
ladüa,  aber  z.  B.  waat.  uye  (auca).  —  Schwierig  sind  die  in 
provenzalischen  Texten  und  auch  im  poitevinischen  Katharinen- 
leben  vereinzelt  auftretenden  Formen  diu  =  dico,  amiu  =  amico, 
preu  =  preco :  es  scheint ,  dafs  auf  bestimmtem ,  noch  zu  unter- 
suchendem Gebiete  c  nach  allen  Vokalen  vor  u  verklungen  sei, 
bevor  die  auslautenden  Vokale  fielen.  —  Noch  mag  bemerkt 
werden,  dafs  auch  im  Asturischen  gu  zu  hu,  u  wird :  fou  =  fagu 
und  foai,  äau  =  Zacw,  öou  =  locu. 

EtAvas  anders  über  afr.  feu  u.  s.  w.   A  s  c  o  1  i ,  Eiv.  fil. 
class.  X,  28,  Anm.  2. 

440.  Von  den  Reibelauten  ist  lateinisches  s  im 
Rumänischen,  Italienischen  und  Spanischen  tonlos,  in  den  übrigen 
Gegenden  tönend;  wo  anlautend  s  zu  ^  wird  (§  417),  treffen  wir 
auch  inlautend  ^,  aufserdem  im  Portugiesischen.  Während  also 
im  ganzen  s  behandelt  wird  wie  die  tonlosen  Verschlufslaute, 
zeigt  das  Spanische  eine  bemerkenswerte  Ausnahme,  möglicher- 
weise wurde  aber  aspan.  z  gesprochen,  das  dann  später  zu  s 
wurde,  da  das  Spanische  überhaupt  keine  tönenden  Sibilanten 
kennt  §  441.  Über  Wandel  von  si  in  si  s.  §  419.  Gemäfs 
§  403  gehören  hierher  auch  die  Fälle  von  s  aus  lat.  ns. 


Lat. 

PISA 

BISU 

CLUSA 

FUSÜ 

CASA 

Rum. 

pisä 

ris 

inchis 

fus 

casä 

Engad. 

pisa 

ris 

Mus 

— 

Ti'esa 

Ital. 

— 

riso 

cliiusa 

fuso 

casa 

Span. 

pisa 

riso 

— 

liuso 

casa 

Frz. 

pr.  pis 

ris 

ecluse 

*fns 

(chez). 

Lat. 

KASÜ 

SPOSA 

-osu 

PESA 

MESE 

CAUSA 

Rum. 

ras 

-oasä 

-OS 

X^asä 



causa 

Engad. 

— 

spusa 

-US 

paisa 

mais 

— 

Ital. 

raso 

sposa 

-OSO 

pesa 

mese 

cosa 

Span. 

raso 

esposa 

-OSO 

pesa 

mes 

cosa 

Frz. 

res 

epouse 

-eus 

pese 

mois 

cJiose. 

Im  Toskanischen  erscheint  zuweilen  tönendes  s:  derizo,  roza, 
Tereza,  Agneze,  wie  es  scheint,  in  gelehrten  Wörtern.  Marcheze 
dürfte  ein  Lehnwort  aus  dem  Französischen  sein,  ebenso  Franceze; 
spQza  ist  von  spozdre,  wo  z  gerechtfertigt  ist,  gebildet,  was 
auch    der  Vokal    beweist    §    146.    —   In    Norditalien    ist    inter- 


§  440,  441. 


S  und  C  zwischen  Vokalen. 


369 


vokalisches  s  stets  tönend.  —  Im  Katalanischen  fällt  s  nach  i: 
guia.  —  Im  Portugiesischen  lauten  die  oben  angeftihrten 
Worte  in  phonetischer  Schreibung  piza,  risu^  fniu,  kaza  u.  s.  w. 
441.  Vulgärlateinisch  k'.  Wie  schon  §  403  gezeigt 
ist,  hat  sich  lateinisch  c  vor  c,  i  nur  im  Sardischen  in  seiner 
gutturalen  Geltung  gehalten,  sonst  ist  es  teils  zu  fe,  teils  zu  d 
geworden.  Zwischen  Vokalen  behält  es  diesen  romanischen  Wert 
im  Rum.,  im  Ital.  geht  der  explosive  Bestandteil  meist  verloren; 
obgleich  die  Schrift  keinen  Unterschied  macht  zwischen  anlautend 
und  inlautend  ce,  so  ist  doch  letzteres  auch  in  der  Toskana 
meist  =  §.  Dasselbe  ist  der  Fall  im  Rätischen.  Hier  wie 
auf  den  anderen  Gebieten  ist  die  weitere  Entwicklung  des 
Lautes  dadurch,  auf  Abwege  gekommen,  dafs  die  auslautenden  e,  i 
gefallen,  nun  also  s  bezw.  ts  direkt  ans  Wortende  gekommen 
sind.  Die  Verteilung  von  d  und  ts  bezw.  ihrer  Fortsetzer  ist 
dieselbe  wie  im  Anlaut,  s.  §  406.  Wenn  daher  im  Portg.  inter- 
vokalisches  c  wie  s  =--  S  ist  (und  zwar  in  Lissabon  schon  1671 
nach  dem  Zeugnis  von  Don  Luis  Caetano  de  Lima),  so  ist  dieses 
g  erst  aus  z  entstanden ,  wie  denn  auch  noch  heute  in  Tras-os- 
Montes  richtig  zwischen  z  =  lat.  c  und  i  ==  lat.  s  geschieden 
wird.  ■ —  Im  Spanischen  ist  z  zu  d  und  dieses  im  XVI.  Jahr- 
hundert zu  /  geworden.  Pedro  de  Alcalä  kennt  den  interden- 
talen Laut  noch  nicht  als  allgemeingültig,  er  sagt  vom  arabischen 
tha:  „suena  a  manera  de  c,  poniendo  el  pixo  de  la  lengua  entre 
los  dientes  altos  y  bajos,  de  manera  que  suena  como  pronuncian 
la  ce  los  ceceosos".  Also  zu  seiner  Zeit  sprachen  nur  die  Lispeln- 
den das  c  als  /.  Juan  de  la  Cuesta  1580  und  Velasco  1582 
unterscheiden  noch  c  und  z,  aber  als  interdental,  Oudin  1639 
setzt  beide  gleich. 


Lat. 

RADICE 

LUCIS 

FACE 

JACIS 

NUCE 

Rum. 

— 

— 

pace 

jact 

voace 

Ital. 

radice 

luci 

pace 

giaci 

noce 

Engad. 

riä 

— 

peS 

— 

nuä 

Span. 

raiz 

luce 

paz 

yace 

nuez 

Genues. 

reize 

lüze 

paze 

— 

nuze 

Katal. 

raiu 

hm 

pau 

iau 

nou 

Sard. 

raige 

luge 

page 

yages 

nuge 

Afr. 

— 

luiz 

paiz 

jiz 

noiz. 

Meyer, 

Grammatik. 

24 

370 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


441,  442. 


Lat. 

VICE 

DECE 

NOCET 

Rum. 

herbece 

zece 

coce 

Ital. 

vece 

dieci 

nuoce 

Engad. 

— 

disch 

nuscha 

Span. 

vez 

dies 

niice 

Genues. 

— 

— 

— 

Katal. 

veu 

deu 

nou 

Sard. 

— 

deghe 

noglie 

Afr. 

foiz 

diz 

— 

Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dafs  in  dem  katalanischen 
u  eine  lautphysiologische  Umgestaltung  des  ts  zu  sehen  ist.  Das 
ts  ist  wohl  zunächst  zu  /  geworden,  dann  zu  K,  von  da  zu  tief 
velarem  tönenden  Reibelaut,  endlich  zum  velaren  Vokal.  —  Im 
Altspanischen  hat  c  zwischen  Vokalen  wie  dz  gelautet.  Das 
ergiebt  sich  einmal  daraus,  dafs  die  Handschriften  scheiden 
zwischen  z  =  lat.  ce  und  c  ==  lat.  d  (§  513),  da  dieses  sicher 
tonlos  ist,  so  wird  also  jenes  den  tönenden  Laut  bezeichnen. 
Sodann  wird  in  den  Aljamiados,  z.  B.  Jose,  das  Zä  für  c  ver- 
wandt, das  im  Arabischen  einen  tönenden  Sibilanten  ausdrückt, 
ebenso  scheiden  die  Correos  zwischen  Zajin  (z)  =  ce  und  Samech 
(s)  =  ci. 

442.  Vulgärlateinisch  v,  entsprechend  klassisch-latei- 
nisch h  und  f,  ist  ursprünglich  bilabiale  tönende  Spirans  und  ist 
als  solche  geblieben  in  Süditalien,  im  Spanischen,  im  Gaskognischen, 
wo  es  bis  zu  u  vorrückt,  und  im  Altprovenzalischen  bis  nach  dem 
Eintritt  der  vokalischen  Auslautgesetze,  später  scheint  es  hier  zum 
Teil,  wie  auch  im  N^ordportugiesischen,  zu  h  geworden  zu  sein.  Im 
Rätischen  und  Nordfranzösischen  ist  es  dagegen  vor  der  Wirkung 
der  Auslautgesetze  zu  labiodentaler  Spirans  geworden ;  denselben 
Wert  hat  es  im  Italienischen ,  während  germ.  w  zu  gu  wird : 
tregua.  Im  Sardischen,  Rumänischen,  Ostitalienischen,  Bergamas- 
kischen  und  auch  im  Vulgärflorentinischen  fällt  es  aus.  In 
Nordfrankreich  wird  germ.  w  im  Inlaut  behandelt,  wie  lateinisches, 
vgl.  treves:  da  jenes  bilabial  war,  so  dürfte  der  Übergang 
von  «^J  zu  V  im  Französischen  später  eingetreten  sein  als  die 
ersten  Einfälle  der  Germanen.  Interessant  ist  in  dieser  Hinsicht 
frz.  juif.  Aus  judaeus  entstand  juieu,  juiu,  dazu  nun  ein  neues 
Fem.  juiwe,  woraus  später  juive,  was  nun  wieder  ein  Mask.  juif 
herbeiführt.     Nach  o,  u  fällt  v  auch  im  Französischen. 


442. 


C  und  V  zwischen  "Vokalen. 


371 


Lat. 

SCRIBO 

VIVA 

VIVü 

NUBE 

UVA 

Rum. 

scriu 

vie 

vxu 

— 

— 

Engad. 

askriva         viva 

vif 

— 

üa 

Lecce 

skriu 

via 

viu 

nue 

ua 

Ital. 

scrivo 

Viva 

vivo 

— 

uva 

Berg. 

skri 

via 

vi 

nüe 

ua 

Prov. 

escriu 

viva 

viu 

— 

üva 

Gask. 

eskriu 

viua 

viu 

— 

— 

Frz. 

— 

vive 

vif 

nue 

— 

Span. 

escriho 

vivo 

vivo 

nube 

uva 

Sard. 

iskrio 

m  bia 

biu 

nue 

ua. 

Lat. 

PABA 

CLAVE 

CUBAT 

RUBU 

SEBÜ 

Rum. 

— 

cheie 

— 

rüg 

seu 

Engad. 

feva 

— 

— 

— 

sieu 

Lecce 

faa 

kyae 

koa 

— 

siu 

Ital. 

fava 

chiave 

cova 

rogo 

sego 

Berg. 

faa 

öae 

kua 

— 

se 

Prov. 

fava 

clau 

cova 

— 

seu 

Gask. 

habe 

— 

kqbe 

— 

seu 

Frz. 

feve 

clef 

couve 

— 

suif 

Span. 

haba 

llave 

— 

— 

sebo 

Sard. 

fa 

klae 

— 

ru 

seu. 

Lat. 

NIVE 

NAEVU 

NOVA 

NOVU 

NOVE 

Rum. 

neuä 

neag 

noua 

nou 

noae 

Engad. 

naif 

— 

noeva 

ncef 

ncef 

Lecce 

nie 

neu 

noa 

neu 

noe 

Ital. 

neve 

neo 

nuova 

nuovo 

nove 

Berg. 

ne 

— 

ncea 

nee 

ncef 

Prov. 

neu 

— 

nova 

nueu 

nou 

Gask. 

fim 

— 

naba 

nau 

nau 

Frz. 

neif 

— 

nueve 

niief 

nuef 

Span. 

nieve 

— 

mteva 

nuevo 

nueve 

Sard. 

nie 

neu 

noa 

nou 

noe. 

Lat. 

LEVAT 

BREVE 

Rum. 

— 

— 

Engad. 

— 

— 

Lecce 

lea 

— 

2V 


372  II'  Kapitel:  Konsonantismus.  §  442,   443. 


Ital. 

leva 

hreve 

Berg. 

lea 

— 

Prov. 

leva 

hreu 

Gask. 

leha 

hreu 

Frz. 

lieve 

bref 

Span. 

lleva 

hreve 

Sard. 

lea 

hrei. 

Dazu  sind  noch  die  Beispiele  von  sekundärem  h  aus  §  433 
zu  nehmen. 

Fürs  Rumänische  und  Italienische  möchte  man  geneigt  sein,. 
ein  Gesetz  aufzustellen:  vu  wird  go;  Mwow»kann  vom  Feminin 
gehalten  sein,  -ivo  ist  gar  nicht  ursprünglich,  ital.  neo  ist  jeden- 
falls auffällig,  aber  ital.  favo  und  bei  sekundärem  v  rum.  seu 
stimmen  nicht.  Zwischen  zwei  e  ftlllt  es  :  prete,  here.  —  In  Südfrank- 
reich sind  die  Grenzen  von  v  (w)  und  h  noch  zu  bestimmen,  letzteres 
findet  sich  in  Montpellier,  an  den  Rhonemündungen,  weiter  nördlich 
im  Herault,  Aveyron  u.  s.  w.  —  Im  Spanischen  fällt  v  auch  nach  * 
vor  a:  lejia,  encia,  aber  saliva,  viva  nach  vivo.  —  Sekundäres  &,  das 
im  Ital.,  Franz.  behandelt  wird  wie  primäres,  Avird  im  Portg.  nur  vor 
azn  v:  escova,  estiva  aber  cäbo,  sehe,  freilich  auch  povo  aus  po2)ulus 
und  aportg.  hovo.  —  Endlich  ist  noch  die  Behandlung  von  caput  in 
Oberital.  und  Rät.  zu  erwähnen :  die  Verbindung  apu,  später  ahu 
wird  über  avu  zu  au ,  vgl.  obAv.  1c  au ,  eng.  Ic'o ,  agen. ,  amail., 
atur.  CO,  rovig.  cao ,  berg.  coo ,  in  den  rime  gen.  cavo  XLII ,  45 
neben  da  cho  a  pe.  —  Über  altes  avu  im  Französischen,  s.  §  250. 
Zu  frz.  juif  vgl.  H.  S  u  c  h  i  e  r ,   Ztschr.  VI,  438—439. 

2.     Vor  dem  Tone. 

443.  Die  Verschlufs  laute.  Meist  ist  die  Behandlung 
der  vortonigen  Konsonanten  derjenigen  der  nachtonigen  ent- 
sprechend, in  Betracht  kommt  hauptsächlich  das  Italienische,  in 
weniger  hohem  Grade  das  Spanische  und  Portugiesische  und  in 
ein  paar  Fällen  das  Französische.  Das  Rumänische,  das  ja  über- 
haupt den  lateinischen  Konsonantenstand  am  festesten  bewahrt, 
zeigt  keine  Unterschiede.  Im  Italienischen  werden  die  ton- 
losen Verschlufslaute  vor  dem  Tone  zu  tönenden ,  im  Fran- 
zösischen wird  ocd  zu  oe,  es  hindert  also  hier  wieder  der  labiale 
Vokal  die  Entwicklung  des  i,  vgl.  §  438 ;  g  fällt  im  Italienischen, 


§  443. 


Intervokalische  Verschlufslaute  vor  dem  Tone. 


373 


g,  d  im  Spanischen  und  Portugiesischen,  t  wird  im  Lothringischen 
nicht  zu  y. 


Lat. 

ADRIPARE        COPERTU 

SAPORE 

BETULLA 

POTERE 

Rum. 

— 

— 

— 

— 

potea 

Engad. 

— 

Jctwiert 

sawr 

vduorl 

pudair 

Ital. 

arrivare       coverta 

savore 

hidolla 

podere 

Frz. 

arriver 

couveii 

saveur 

hedoule 

podeir 

JSpan. 

arrivar 

covierto 

savor 

abedul 

poder. 

Lat. 

MUTARE 

\           PACARE 

ADVOCATU 

EXSÜCARE 

SECURÜ 

Rum. 

muta 

impäcd 



uscd 

— 

Engad. 

müdar 

payer 

— 

süer 

sgür 

Ital. 

mudare 

pagare 

(amocato) 

sdugare 

siguro 

Frz. 

muer 

paier 

avoue 

essu-er 

seur 

Span. 

mudar 

pagar 

avogado 

ejugar 

seguro. 

Lat. 

REGALE 

SEGUSIU      LIGARE        MEDULLA   FIDELE 

SÜDORE 

Rum. 

— 

—         legd 

mäduä 

— 

sudoare 

Engad. 

— 

—         Her 

miguol 

(fidel) 

süiir 

Ital. 

reale 

(segugio)    (legare)      midolla 

fedele 

siidore 

Frz. 

reiel 

sens           le-ier 

meolle 

feeil 

sueur 

Span. 

real 

sdbueso     liar 

meollo 

fiel 

suor. 

Vgl.  fürs  Italienische  noch  hadessa  neben  äbhate,  scudella, 
gradire,  padella,  gaccia  (acacia) ,  aital.  caveUi,  savere.  Von  den 
Ausnahmen  erklären  sich  -tojo,  -tore,  -iura  durch  den  Einflufs 
der  Partizipien  -dto  u.  s.  w. ,  vgl.  aber  z.  B.  corridori  apis. 
Sardo  176,  conservadori  197;  capelli  wird  an  capo ,  sapere  an 
sappia,  seppi,  potere  an  das  alte  puote,  potti  angelehnt  sein.  Zu 
reale  vgl.  noch  striazzo ,  fraore ,  ferner  in  Mittelitalien  fiura  Cola 
di  Rienzi  399,  draoni  403,  paraone  449;  agosto  neben  avosto, 
sdagura  erklären  sich  nach  §  446 ,  ligare  steht  unter  Einflufs  der 
stammbetonten  Formen ,  segugio  einweist  sich  durch  das  tonlose  e 
als  nicht  toskanisch.  Auffällig  ist  nievo ,  nipote ,  während  man 
niepo,  nivote  erwartet.  Nipote  kann  halbgelehrt  sein,  nievo  ti-otz 
des  Diphthongen  proklitische  Form.  Zu  avoue  gesellt  sich  im 
Französischen  fouace,  enrouer,  louer  u.  a.,  zu  seus  noch  cur, 
aoüt.  Bemerkenswert  sind  laiens,  Qaiens  aus  illacintus,  ecc'acintus, 
wo  c  in  der  sekundären  Verbindung  vor  e  den  alten  Wert  als  Je 
zunächst  bewahrt.  Schwierig  sind  segond,  fregond,  aigu ,  neben 
afr.  seon,    und  dem  Ortsnamen  Monteu:    sie    sind    wohl    nur    als 


374  II-  Kapitel:  Konsonantismus,  §   443 — 445. 

allerdings  sehr  alte  Schriftwörter  aufzufassen.  Lothringische  Bei- 
spiele für  t-  sind:  nue  (natalis) ,  mol  (medulla)  u.  s.  w.  Im 
Provenzalisch  -  Katalanischen  wird  t-  behandelt  wie  -d,  vgL 
prov.  cazern,  grasir^  kat.  paella,  pair,  caern,  grahir.  —  In 
Brian^on  giebt  t  auch  vor  dem  Tone  y,  vgl.  Jcayena^  payella, 
stayera,  ebenso  in  Monferrat.  —  Im  Spanischen  sind  weitere 
Beispiele:  rumiar,  alliviar,  lidiar,  estriar  und  daher  estria,  fauco 
zu  fagus,  Jeal  und  bei  sekundärem  g:  cohomhro ,  daneben  aber 
auch  hier  agosto  und  agüero  neben  ja^rado ,  in  jenem  ist  also 
wohl  das  g  sekundär  nach  §  446,  vgl.  auch  portg.  Coimhra  = 
Colümbriga,  Setubre  =  Cadohrigae.  Nur  scheinbar  gehört  hierher 
auch  ital.  medesimo ,  prov.  mezeis:  span.  meismo ,  mismo  zeigt^ 
dafs  der  Fall  anders  ist.  Entweder  wurde  in  dem  j)rokli- 
tischen  Pronomen  schon  im  Vulglat.  ^  zu  <^,  oder  aber  die  lat, 
Schreibung  meinet,  metq^simtis  ist  falsch  und  ist  zu  ersetzen 
durch  med,  medipsimus:  da  Avir  im  Altlat.  mehrfach  med  =  me 
haben,  so  ist  wohl  die  letztere  Auffassung  die  richtigere.  In  frz. 
livecJie,  ital.  lopistico  {lignsücum)  liegt  schon  lateinische  Volks- 
etymologie vor,  levisticum  Veget, 

444.  Die  Eei  bei  ante.  Lateinisch  s  zeigt  nur  im  Tos- 
kanischen  und  Katalanischen  eine  besondere  Behandlung:  dort 
wird  es  vor  i  zu  ^,  sonst  tönend,  hier  fällt  es  aus:  lat. 
caesellu ,  pise?^ ,  sposare ,  ital.  dizello ,  pizelli ,  spozare.  Kata- 
lanische Beispiele:  rehina  (resina),  buhiya  ==  prov.  hausia,  roella 
Klatschrose  zu  rosa,  fuada  zu  lat.  fusns,  refuar  =  span.  reliusar, 
luella  zu  span.  losa  u.  s.  w.  —  Span,  vejiga,  portg.  heociga  zeigen 
für  inlautend  s  im  Silbenanlaut  ebenfalls  die  Behandlung  von 
anlautendem,  ebenso  ital.  vesdca,  und  mit  noch  mehr  Hecht  rum. 
hesicäy  eng.  vSia. 

445.  Vulgärlateinisch  c'  (§  403)  wird,  vom  Rumänischen  ab- 
gesehen, überall  tönend,  zu  g,  z  im  Italienischen  und  Rätischen, 
zu  /  auf  den  übrigen  Gebieten.  Im  Französischen  wird  z  zu  iz, 
im  Portugiesischen  zu  z  und  dann  zu  z  (s.  §  441),  im  Spanischen 
zu  d  später  /.  Im  Katalanischen  fällt  es  wie  die  anderen  z, 
im  Provenzalischen  kann  es  zu  r  werden  §  456,  auf  weitem 
französischen  Gebiete  endlich  ergiebt  es  wie  ti-  schliefslich  z,  j, 
s.  §  511. 


445,   446.      Intervokalische  Reibelaute  vor  dem  Tone. 


375 


Lat. 

VICINU 

MACELLA 

VACILLAT 

AUCKLLU 

KACEMU 

Rum. 

vecin 



— 



— 

Engad. 

vizin 

— 

— 

— 



Itnl. 

vicino 

magella 

vageJla 

ugello 

gracimolo 

Frz. 

voisin 

maiselle 

— 

oiseau 

raisin 

Prov. 

vezin 

mazeüa 

— 

auzel 

razim 

Katal. 

vehi 

maJiel 

— 

— 

rahim 

Span. 

vecino 

maciella 

— 

— 

racimo 

Portg. 

vizinho 

masella 

— 

— 

— 

Im  Italienischen  ist  die  Regel  vielfach  gestört ,  doch  vgl.  noch 
dugento,  (moro)  gelso,  die  veralteten  piagere,  tregento  u.  a.  Aber 
cörticeVo  hat  c  bewahrt,  daher  wieder  uccello  mit  Verdoppelung  des  c 
gemäfs  §  549,  ebenso  eng.  uöe.  Dagegen  ist  damigella  ein  franz. 
Lehnwort.  Im  Provenzalischen  kommt  neben  auzel  auch  aucel 
vor,  das  zu  erklären  ist,  wie  die  entsprechende  italienische  Form : 
von  Wörtern  wie  moncel  xi.  dgl.  wird  cel  tibertragen.  —  Weitere 
katalanische  Beispiele  sind  reebre  (recipere),  rentar  (recentare), 
Uuert  (lacerta),  dena  (decena)  u.  s.  w.  —  Im  Portugiesischen  sind 
die  Ableitungen  von  fauces:  fo^ar,  forinho  auf  fall  ig.  Frz.  vermicelle 
ist  Lehnwort  aus  dem  Italienischen,  arhrisseau  stammt  nicht  von 
arhoricellus  sondern  von  arbuscillum. 

Horning,  Zur  Geschichte  des  lateinischen  c  vor  e  und 

i  im  Romanischen,    Halle  1883.  —  Ollerich,    §  1,  3; 

§  2,  3. 

446.  V,  primäres  wie  sekundäres,  zeigt  dieselbe  Behandlung, 
wie  nach  dem  Tone,  zu  merken  bleibt  nur  der  Ausfall  in  labialer 
Umgebung  oder  seine  Verhärtung  zu  g,  zwei  Erscheinungen,  die 
auf  verschiedenen  Gebieten  auftreten. 


Lat. 

SABÜCU 

TEJBUTÜ 

VIBUKNU 

SABURBA 

PAVORE 

Rum. 

socii' 

— 

— 

— 

— 

Engad. 

suik' 

— 

— 

— 

— 

Ital. 

— 

(tributu) 

— 

zavorra 

paura 

Frz. 

seil 

treu 

viorne 

— 

peor 

Span. 

sauco 

treudo 

viorno 

sorra 

paar. 

Italienisch  paura  ist  wohl  als  Suffixvertauscliung  zii  fassen. 
Daneben  steht  pagura,  ebenso  pagone  neben  paone,  pavone,  also 
V  vor  0,  a  kann  entweder  fallen  oder  Über  u  zu  gu,  g  werden. 
Altpisan.  sind    auto ,    riceuto.     Im  Französischen  fHllt  es  wie 


376  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  ^   446 — 448. 

nach  dem  Tone  in  labialer  Umgebung :  ouaille ,  nfr.  epouvente  ist 
wohl  erst  aus  älterem  espoente  entstanden,  luette,  hrouailles,  wenn 
es  zu  hurbalia  gehört,  die  Part,  eu,  seu  u.  s.  w. ,  ferner  j^^^on, 
laon  und  long  §  376.  Mundarten  gehen  noch  weiter:  morv. 
souen,  couer,  trouer  u.  s.  w. ,  Auve  aoine,  saoir  (savoir).  Im 
Spanischen  fällt  v  auch  nach  i:  aspan.  priado,  sonst  noch 
sombra  =  suhumbra^  sondar  =  suhundare,  sahornar;  we  aber 
wird  zu  gue :  agüelo.  —  Auch  im  Rätischen  wird  nachtonig  v  vor 
u  zu  gv.  fagud,  und  als  bearnisch  wird  negü  neben  nel)ü  aus 
nepote,  also  aus  sekundärem  v,  angegeben.  —  Im  älteren  Portugie- 
sisch findet  sich  mehrfach  v  vor  dem  Tone,  wo  heute  h  steht: 
tever,  vgl.  noch  emhevecer  und  emhebecer,  bavado,  havoso  u.  a. 
C.  Michaelis,  Sä  de  Miranda,  897  b. 

447.  Endlich  lateinisch  f.  In  echt  lateinischen  Wörtern 
kann  es  nur  in  Zusammensetzungen  vorkommen  (s.  §  19)  und 
müfste  daher  bleiben  (§  432).  Wo  aber  das  Gefühl  für  die 
Zusammensetzung  verloren  ist,  wird  es  behandelt  wie  v.  Im 
Italienischen  bleibt  italisches  f,  s.  §  19,  daher  auch  lateinisches, 
fürs  Rumänische  fehlen  Beispiele. 

Lat.      AQUIFOLIÜ   DEFESA   PKOFECTU     PROFÜNDU   EEPÜSABE 

Prov.  —  —  —  preon  rehusar 

Span.        aceho  (dehesa)    proveclio  —  — 

Portg.       azevinho        devesa      proveito  —  — 

Im  Französischen  zeigen  reuse,  ruse  zu  refusare^  e'crouelle  zu 
scrofella  Ausfall.  Ferner  hiais  aus  hiface,  das  sich  viaz  aus 
mvacius  vergleicht.  —  Aus  der  iberischen  Halbinsel  ist  noch 
Span,  trebol^  portg.  trevo  zu  erwähnen  mit  nachtonigem  /",  ferner 
Span,  cuebano ,  Estehan,  Cristoväl,  welche  Proparoxytona  gleich 
mit  erwähnt  werden  können,  portg.  hehera  =  hifera,  äbantesma 
(mit  h  s.  S.  340).  Im  Spanischen  zeigen  sdhumar ,  dehesa  die 
Behandlung  von  anlautend  f.  Ferner  kann  hier  noch  die  Be- 
merkung Patz  finden,  dafs  im  Gaskognischen  das  germanische  /"= 
vulglat.  ff  zu  h  wird,  vgl.  gahd,  bouhe  frz.  houffe,  hohe  frz.  coiffe. 

b)    Sonanten. 

448.  Die  Accentstellung  ist,  soweit  bis  jetzt  ermittelt  ist,  fast 
ohne  jeden  Einflufs  auf  die  Sonanten.    Überhaupt  sind  diese  Laute 


§  448-450. 


M  und  N  zwischen  Vokalen. 


377 


nur  wonigen  Veränderungen  unterworfen,  am  allerwenigsten  das 
m ,  bei  dem  nicht  einmal  der  auf  anderen  Sprachgebieten  beob- 
achtete Wandel  zu  v  spontan  vorkommt.  In  einigen  wenigen 
Fällen  werden  die  Nasalen  durch  die  vorhergehenden  Vokale 
umgestaltet,  bei  r,  l  ist  dies  fast  gar  nicht  der  Fall.  Über  die 
Wirkung  eines  direkt  auslautenden  i  auf  die  Sonanten  s.  §319ff. 

449.     Lateinisch  m  hält  sich,    vom  romanischen  Auslaut  ab- 
gesehen, überall. 


Lat. 

NOMEN 

RAMU 

FÜMÜ 

PREMIT 

LIMU 

AMARE 

Eum. 

nome 

ram 

fitm 

— 

im 



Engad. 

nom 

ram 

film 

— 

lima 

amer 

Ital. 

nome 

ramo 

fumo 

■prieme 

limo 

amar 

Span. 

nom-hre 

ramo 

liumo 

preme 

limo 

amar. 

Unerklärt  ist  frz.  duvet  zu  dumus.  Tritt  m  in  den  nasa- 
lierenden Gebieten  in  den  direkten  Auslaut,  so  föllt  es  zum 
Teil,  s.  §  557. 

450.  Auch  lateinisch  n  bleibt  zumeist  erhalten  als  dentaler 
tönender  Nasal.  Nach  Nasalierung  des  vorhergehenden  Vokals 
fällt  es  auch  zwischen  Vokalen  im  Portugiesischen  und  Bear- 
nischen.  In  ersterer  Sprache  jedoch  wird  lo,  %a  dann  wieder  zu 
inho,  inha.  Auch  in  Oberitalien  ist  n  nicht  dental,  doch  fehlen 
hier  genauei-e  Angaben  über  seinen  Wert.  Im  Rätischen  wird 
es  nach  i  zu  w,  nach  u  zu  m.  Im  Rumänischen  zeigt  sich 
dialektisch  (Siebenbürgen,  Istrien)  spontaner  Wandel  zu  r,  im 
Walachischen  ist  er  an  die  Bedingung  geknüpft,  dafs  schon  ein 
n  in  dem  Worte  enthalten  sei.  Wandel  zu  r  zeigen  auch 
waldenser  und  savoyer  Mundarten. 


Lat. 

LUNA 

FUNE 

GALLINA 

PINU 

FINE 

Rum. 

lunä 

funie 

gäinä 

pin 

- 

Istrisch 

lur§ 

— 

galir§ 

— 

- 

Engad. 

lüna 

— 

gcülina 

2nn 

fifi 

Ital. 

luna 

fune 

gallina 

pino 

fine 

Frz. 

lune 

fun 

geline 

pin 

fin 

Gask. 

lüa 

— 

garie 

pii 

- 

Wald. 

lür^ 

— 

-ir^ 

— 

- 

Span. 

luna 

— 

gallina 

pino 

fin 

Portg. 

lua 

— 

gallinha 

pinho 

fim. 

378 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  450,  451. 


Lat. 

LANA 

MANU 

PANE 

AVENA 

FENU 

Eum. 

länä 

man 

päin 

— 

fin 

Istrisch 

Im 

mer 

P§r§ 

— 

fir 

Engad. 

lema 

mem 

pem 

vaina 

fain 

Ital. 

lana 

mano 

pane 

avena 

fieno 

Frz. 

laine 

main 

pain 

avoine 

foin 

Gask. 

laa 

maa 

paa 

— 

hee 

Wald. 

lar§ 

— 

— 

aver§ 

— 

Span. 

lana 

man 

pan 

avena 

heno 

Portg. 

lä 

mäo 

päo 

aveia 

{fem). 

Lat. 

DONU 

BONA 

BONU 

PENESTRA 

MINUTU 

Eum. 

dun 

hunä 

hun 

fereasträ 

märunt 

Istrisch 

— 

hur§ 

hur 

— 

— 

Engad. 

dun 

huna 

hun 

fneUra 

mnüt 

Ital. 

dono 

buona 

buono 

flnestra 

minuto 

Frz. 

don 

honne 

hon 

fenetre 

menu 

Gask. 

— 

hoa 

hoo 

arresto 

— 

Wald. 

— 

hur§ 

— 

feretr§ 

— 

Span. 

don 

huena 

hueno 

Mniestra 

menudo 

Portg. 

dorn 

hom 

hoa 

fresta 

miudo. 

Lat. 

FENÜCLÜ 

MONETA 

GENUCLÜ 

Rum. 

— 

— 

gemmcMu 

^ 

Istrisch 

— 

— 

zerunMu 

Engad. 

— 

munaida 

— 

Ital. 

finoccMo 

moneta 

ginocchio 

Frz. 

fenouil 

monaye 

genou 

Gask. 

— 

— 

zgl 

Wald. 

— 

moree 

gitrnl 

Span. 

liinojo 

moneda 

enojo 

Portg. 

funcho 

moeda 

joelho. 

Vgl.  noch  ür,  uro,  famiro,  durave,  en§amira  in  Oysan  (Greuoble). 

451.  Genauere  Berichte  über  r  aus  n  in  Siebenbürgen  und 
der  Moldau  fehlen  noch.  In  alter  Zeit  haben  zwei  Handschriften 
den  Rhotacismus  streng  durchgeführt:  der  Codex  Sturdzanus  und 
der  Codex  Voroneteanus,  auch  alte  moldauische  Urkunden  zeigen 
ihn  gelegentlich.  Auffallig  ist  die  Orthographie  im  Cod.  Vor., 
statt  einfachem  r  schreibt  er  meist  nr:  adunrarü  100,  12, 
hiinrätate  66,   12,  genrunJciele  23,  11,  cinre  34,  11,    doch  kommt 


§    451—453.  N  zwischen  Vokalen.  379 

daneben  auch  das  blofse  r  vor:  adi(ra  6,  11,  arirä  93,  12, 
lumira  38,  12  u.  s.  w.  Im  heutigen  Walachischen  zeigt  sich  r 
noch  aufser  in  fereasträ  und  marunt  in  cärunt,  amerifif,  muninchiu 
(*manuclus) ,  parinc,  rurunchiu  und  in  den  etwas  verschieden 
gearteten:  nt'merui ,  rindured,  stngera,  vergurä.  Sehen  wir  von 
diesen  letzteren  ab,  so  folgt  in  allen  der  Accent  dem  n,  immerhin 
bleibt  auch  vortonig  n  erhalten,  sogar  auffällig  genug  in  gemmchiu, 
dann  in  manlnc,  wo  allerdings  n  erst  aus  nd  entstanden  ist  und 
in  cenu§ä.  Umgekehrt  wird  in  einem  Falle  vortonig  r  zu  n:  cununä. 
Der  Umstand,  dafs  der  Ausgang  -nuclu  zwei  Behandlungen 
-runchiu  und  -nuchiu  zeigt,  beweist  wohl,  dafs  zwei  Dialekte  sich 
kreuzen.  Offenbar  haben  das  Gebiet,  wo  jedes  n  zu  r  wux'de, 
und  ein  anderes,  wo  vortoniges  n  den  unmittelbar  folgenden 
Tonvokal  nasalierte,  selbst  aber  dann  in  r  tiberging,  sich  in  der 
"Walachei  gekreuzt:  das  Resultat  des  Kampfes  ist  der  heutige 
Zustand. 

452.  Die  Einflüsse  der  verschiedenen  Vokale  auf  n  im 
Westrätischen  sind  nicht  recht  klar,  da  die  Schrift  meist  bei  der 
etymologischen  Schreibung  verharrt.  Auf  E  n  g  a  d  i  n  scheint  em  aus 
mm  (vgl.  §  242)  :  lema,  pem,  hum  beschränkt,  ganz  Mittelrätien  gehört 
fum,  füm  aus  funis  an.  Dagegen  umfafst  die  Palatalisierung  den 
ganzen  Osten :  denya  aus  öeina ,  -inya  für  -ina  begegnet  von 
Trins  bis  Scanfs  und  Stifs,  inya  für  una  bis  Stalla,  während  da, 
wo  ü  nicht  zu  i  wird,  auch  ün  bleibt.  Jedes  n  wird  zu  h  in 
Trins,  Ems  bis  Stalla,  nur  Bonaduz  bleibt  bei  n,  Rotenbrunnen 
nasaliert  den  Vokal  und  verliert  den  Konsonanten :  läüa,  vor 
dem  Accent  aber  bleibt  stets  n.  Schliefslich  mag  sich  noch 
fragen ,  ob  *pruma  statt  prnna ,  das  den  Mundarten  der  fran- 
zösischen Schweiz  und  dem  Waldensischen  eignet  (s.  §  58)  und 
auch  die  Grundlage  bildet  für  ahd.  pfrümo,  pflvtmo,  hierher 
gehöre. 

453.  Wie  der  Übergang  von  n  zu  r  im  Rumänischen  einer- 
seits im  Waldensischen  andererseits  zu  denken  ist,  läfst  sich 
solange  nicht  mit  Sicherheit  sagen,  bis  die  Natur  des  r  bestimmt 
angegeben  ist.  Auch  die  nicht  waldensischen  Mundarten  der 
kottischen  Alpen  scheinen  ihn  zu  kennen,  vgl.  brian^.  Iura,  huera. 
In    dem    östlich    sich    anschliefsenden    Piemontesischen    und     im 


380  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  8   453 — 455. 

Genuesischen  ist  n  zwischen  Vokalen  h:  der  Übergang  von  da 
zu  gutturalem  r  ist  sehr  leicht  denkbar.  Dafs  auch  das  rumä- 
nische n  zu  Zeiten  dem  h  sehr  nahe  stand,  läfst  sich  vielleicht 
aus  der  Behandlung  der  ihm  vorangehenden  betonten  Vokale 
schliefsen,  vgl.  §   390. 

454.  Dem  Ausfall,  wie  er  im  Gaskognischen  und  Portu- 
giesischen vorliegt,  geht  wohl  auf  beiden  Gebieten  die  Stufe 
voran,  die  wir  eben  im  Rätischen  gefunden  haben :  aus  luna  ent- 
steht erst  lüna ,  dann  lüa,  schliefslich  lua.  Im  Gaskognischen 
begegnet  garie  schon  in  den  ältesten,  dem  XI.  Jahrhundert  an- 
gehörigen  Urkunden.  Die  Stufe  lüa  wird  bestätigt  durch  nud 
in  S.  Thome,  aufserdem  ist  cinzas  nur  aus  cenizas,  ceizas  erklär- 
lich, ebenso  miunga  und  minuga,  ferner  granga,  imingo,  mainga, 
maunga ,  gando ,  mando ,  hento ,  maenfastar  F.  de  Guarda  406. 
Vgl.  noch  §  399.  Das  m  in  fim  u.  s.  w.  ist  nur  graphisch. 
Auch  in  Novara  (Siz.)  spricht  man  patrüi,  lonteu,  hurüa,  feo, 
av%o  u.  s.  w, 

455.  Lateinisch  r  bleibt  zumeist  erhalten,  die  Schrift  giebt 
keine  Auskunft  darüber,  ob  es  Zungen-  oder  Zäpfchen-r,  ob  stark 
oder  schwach  gerollt  sei.  Regel  scheint  stark  gerolltes  Zungen-r, 
das  aber  z.  B.  im  Pariser  Französisch  durch  Zäpfchen-r  ersetzt 
ist.  Im  Provenzalischen,  Spanischen  und  Portugiesischen  ist  es 
im  Gegensatz  zum  anlautenden  r  und  zu  rr  schwach  vibriert,  im 
Portugiesischen  zugleich  interdental.  Schon  die  leys  d'amors 
unterscheiden :  „Esta  letra  r  fay  petit  so  e  suau  cant  es  pauzada 
entre  doas  vocals  et  aquo  meteysh  en  fi  de  dictio  coma  amareza 
amators  amar  ver  et  honor^ .  „Cant  r  es  pauzada  entre  doas 
vocals  ez  en  fi  de  mot  e  sona  fort  e  aspramen,  adonx  deu  esser 
doblada  coma  terra  guerra  ferr  verr  torr  corr  et  enayssi  de  lors 
semblans."  „AI  comensamen  sona  aspramen  e  fort  esta  letra  r 
coma  rameis  resplandors  rius  et  enayssi  dels  autres  lors  semblans."  — 
Im  Sizilianischen  ist  r  in  dieser  Stellung  „ungerolltes  Alveolar-r", 
während  es  im  Anlaut  stark  gerollt  wird.  —  Im  Genuesischen 
fällt  es  zwischen  Vokalen  stets,  ebenso  im  Moi-van  und  in 
Novara  (Siz.),  wogegen  im  Südsardischen  der  Ausfall  an  be- 
tontes u  geknüpft  ist.  Im  Andalusischen  sind  die  Bedingungen 
nicht  klar. 


55  455, 

456. 

R  zwischen  Vokalen. 

Lat. 

FLORE 

MAKE 

MURÜ 

MORIT 

PIRA 

Rum. 

floare 

mare 

— 

moare 

pärä 

Engacl. 

flu§r 

mer 

mür 

mour 

pair 

Ital. 

fiore 

mare 

muro 

muore 

pera 

Gen. 

§ue 

muä 

mü 

moe 

pea 

Frz. 

fleur 

mer 

mur 

meurt 

poire 

Span. 

flor 

mar 

muro 

muere 

pera. 

Lat. 

FERA 

MIRA 

CORONA 

Rum. 



mira 

(cununä) 

Engad. 



mira 

cunma 

Ital. 

fiera 

mira 

Corona 

Gen. 

fea 

— 

— 

Frz. 

fiere 

mire 

couronne 

Span. 

fiera 

mira 

Corona. 

381 


Wegen  rum.  cununä  s.  §  571.  Ital.  prua  neben  proda,  frz. 
proua,  span.  in'oa  sind  genuesische  Lehnwörter.  Über  das  d  in 
ital.  proda  s.  §  574.  Beispiele  fiir  den  Ausfall  im  Südsardischen 
sind :  rau,  Inf.  -ai,  gomai  =  ital.  commare,  gopai,  lau  (laru  §  288 
aus  lauru)  und  selbst  nau  aus  narro;  im  Morv.  free,  oea  (hora), 
eküyi  (ecurie),  müyeil,  preyi,  muyi,  kuyi;  andal.  quieo ,  paece, 
matao,  quean,  quies  neben  querie,  quere;  nov.  ua,  Jcuüa  (Corona), 
skura  (ohscurat),  mpaadu,  figua,  äilliadi  u.  s.  w. 

456.  Seit  dem  XIV.  Jahrhundert  wird  in  einer  Zone  Frank- 
reichs, die  nördlich  Seine-et-Marne,  Eure-et-Loire,  Loiret,  Niver- 
nais,  Berry,  Touraine  umfafst,  südlich  die  südliche  Auvergne, 
Limousin,  Marche,  Narbonne,  Gard,  Haute- Garonne,  Lot,  Tarne-et- 
Garonne,  Haute-Vienne,  r  zu  z  und  umgekehrt  z  zu  r.  In  Süd- 
frankreich verschwindet  aber  die  Erscheinung  wieder  im  XVI.  Jahr- 
hundert, im  Norden  wird  z  aus  r  noch  heute  bezeugt  für  Troyes 
und  Epernay  von  Tarbe  I,  1 70  flF.,  flir  Blaize :  p>eeze  (pere),  meeze, 
arrieze,  foueze  Talbert  214,  für  Youne:  touze  (taura),  voize  (vera) 
Cornat.  Fürs  XVI.  Jahrhundert  haben  wir  zahlreiche  Bemerkungen 
der  Grammatiker;  1521  führt  Barcley  compez  als  dialektisch  an, 
1528  bezeichnet  Erasmus  Masia  als  Parisismus,  1529  bringt  Tory 
aus  Bourges  Jerus  Masia,  1533  Bovelles  courin  oreille  aus  Paris, 
Pazis  bezeugt  Palsgrave,  pese  mese  Sylvius,  Beza  für  Paris, 
Auxerrois  und  Vezelay,  Palliot  ftlr  Bioig  und  die  Touraine;   1620 


382  II"  Kapitel:  Konsonantismus.  §   456,   457. 

aber  schreibt  Godard :  „Nos  Parisiens  mettoient  autrefois  (mais 
cela  ne  se  fait  plus  ou  c'est  fort  rarement  et  seulement  parmi  le 
menu  peuple)  une  s  au  lieu  d'une  r  et  une  r  au  lieu  d'une  S." 
Für  das  Normannische  fehlen  Bemerkungen  der  Grammatiker, 
heute  findet  sich  auf  der  Insel  Jersey  teils  s,  teils  ä,  letzteres 
auch  auf  dem  Festlande  in  Val  de  Saire  und  Hague.  In  anderen 
Gegenden  der  nördlichen  Normandie  fällt  es.  Im  Zentral- 
französischen  haben  sich  aus  der  Zeit  des  Schwankens  chaise 
neben  chaire  und  hesicles  aus  hericles  erhalten. 

Vgl.  P.  Meyer,  Eom.  IV,  184—194,  464—468; 
V,  488—490;  Thomas,  Rom.  VI,  261—266,  Giorn. 
fil.  rom.  II,  205—212,  Chabaneau,  R.  1.  R.  VIU, 
238,  X,  148—151.  Joret,  Mem.  soc.  lingu.  III,  154— 
162,  wo  Beisjjiele  teils  aus  Urkunden,  teils  aus  litte- 
rarischen Texten  gegeben  sind.  Da  s  für  r  im  ganzen 
häufiger  ist  als  r  für  z,  da  nur  jenes  heute  noch  erscheint, 
so  darf  letzteres  als  umgekehrte  Schreibweise,  vielleicht 
auch  als  lautliche  Analogie  gefafst  werden.  —  Über  r 
im  Norm.  vgl.  Joret,  Melanges  XXIII  ff.,  Rom.  XII, 
591—594. 

457.      Bei     lateinisch     l     sind    drei    Erscheinungen    zu 
merken :    der  Wandel  in  r ,    der  Regel    ist  im  Rumänischen, 
Genuesischen,  in  den  kottischen  Alpen,  der  Wandel  in 
'(*,    der    im    Provenzalischen    begegnet,    und    der    gänzliche 
Ausfall    im    Portugiesischen     und     durch     r    hindurch     im 
Genuesischen.     Nicht  völlig  klar  liegt  die  Sache  im  Proven- 
zalischen,   wo    sich    zwei  Strömungen  zu   kreuzen  scheinen.     Im 
nördlichen  Rouergue,    zwischen    Lot    und    Truyere,    speziell    in 
Saint- Amans-des-Lots  wird  ala  zu  auo,  tela  zu  teuo,  mola  zu  mono, 
in  dem   etwas    nördlich   gelegenen  Sainte  Genevieve    dann  gelat: 
gao,  pilat:  piao.     In  den  benachbarten  Mundarten    der  Auvergne 
findet    sich   dieselbe    Erscheinung,    daneben    aber    auch   K:    alias 
(alas)  in  S.  Flour  und  Murat,  in  Cantal  tsaJie  =■  caules  (Molom- 
pise),  und  mit  Verschlufslaut  statt  Reibelaut :  paga=paJa  (Salers). 
Es  kann  nun  aber  auch  g   über   u,    gw    aus    u    entstanden    sein 
und    kann    sao    auf  gauo    oder   auf  sdho  zurückgehen.     Endlich 
fragt  sich,  ob  Z  zu  M  nach  Analogie  des  Auslauts  zu  erklären  sei, 
ob  also  das  Schwanken  zwischen  mel  und  meu  (§  563)  aua  neben 
ala  herbeigeführt  habe,  oder  ob  es  sich  um  einen  physiologischen 


§  457. 


L  zwisclien  Vokalen. 


383 


Vorgang  handle.     Alle  diese  Fx-agen  können   nur   gestellt,    nicht 
gelöst  werden,   so  lange  nicht  reicheres  Material  vorliegt. 

Nigoles,    Chute  de  l  medial  en  langue-d'oc,  Rom, 
Vni,  392  ff. 


Lat. 

ßULA 

PALA 

MUT.A 

MOLA 

PILÜ 

Rum. 

gurä 

— 

— 

moarä 

per 

Engad. 

güla 

pela 

— 

moula 

pail 

Ital. 

gola 

pala 

mula 

möla 

pelo 

Gen. 

[gura 

— 

müra 

— 

peiru 

\     - 

paa 

müa 

moea 

pei 

Frz. 

gueule 

peUe 

mide 

meule 

poil 

Wald. 

gur§ 

par^ 

— 

mur§ 

p§ar 

Bagn. 

— 

pa 

müa 

m§üa 

— 

Span. 

gola 

pala 

mula 

muela 

pelo 

Portg. 

— 

pa 

mu 

mö 

— 

Lat. 

CAELU 

FILA 

COLORE 

Rum. 

cer 

fir 

— 

Engad. 

öel 

ßa 

vgl.  Ic'alm 

»• 

Ital. 

cielo 

ßa 

colore 

Gen. 

iseru 

ß-a 

— 

\se 

fia 

— 

Frz. 

ciel 

ße 

couleur 

Wald. 

— 

— 

kuvur 

Bagn. 

— 

— 

— 

Span. 

delo 

ßa 

color 

Portg. 

ceo 

fio 

cor. 

Der  Wandel  von  l  zu  r  ist  einst  auch  in  Italien  weiter  ver- 
breitet gewesen.  Die  altmailändischen  Texte  zeigen  zahlreiche 
Beispiele:  are,  anuvirao,  consoranze,  feronia,  dore,  maratia,  vare, 
vore,  viora  u.  a.  bei  Bonvesin,  doch  ist  heute  in  der  Mehrzahl 
der  Fälle  im  Stadtmailändischen  l  wieder  eingetreten.  Auch  im 
Tirolischen  trifft  man  den  Übergang  in  Ampezzo,  Abtei  und  Enne- 
berg.  In  Frankreich  ist  er  Regel  in  den  kottischen  Alpen,  aufser 
dem  Wald.  vgl.  brian<;.  aro,  aresno  (frz.  alene),  herar  (beler),  fier 
(ßum),  muero  (mola)  u.  s.  w.  —  Von  den  Ausnahmen  im  Portu- 
giesischen erklärt  sich  calor  durch  Einflufs  von  caldo,  valer  von 
valgo,  velar  geht  auf  veglar,  vellar  zurück,  alama,  salama  sind  erst 


384 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  457,  458. 


aus  älma,  salma  entstanden,  pelo  ist  an  cäbello  angelehnt,  vgl. 
aber  teia  u.  a.,  neben  täleiga  steht  aportg.  richtig  taeiga  in  einer 
Urkunde  aus  Oscas  a.  1261  F.  d.  Aviles  75.  Auffällig  ist  gola, 
doch  vgl.  güela.  —  Wandel  von  l  zu  l  ist  kaum  anzunehmen ; 
wenn  im  Französischen  -il  bald  mit  Z,  bald  mit  l  gesprochen 
wird,  so  erklärt  sich  das  daraixs,  dafs  in  der  Orthographie  zwischen 
7  und  ?  nach  i  kein  Unterschied  bestand. 


2.    Konsonanten- Verbindungen, 
a)  Labial  -+-  Dental. 

458.  In  ursprünglicher  Verbindung  kommen  pt,  ps  vor,  hd, 
hs  existieren  im  Lateinischen  nur  in  Zusammensetzungen  von 
suh  und  ah  nebst  ahdomen,  die  im  Romanischen  verloren  sind. 
Im  Eumänischen  bleiben  pjt,  ps  bewahrt,  in  den  übrigen  Sprachen 
werden  sie  assimiliert  zu  tt,  ss,  woraus  t,  s;  im  Genues.,  Prov., 
Span.,  Portg.  zeigt  ps  die  nicht  ganz  klare  Auflösung  in  is. 
Vielleicht  sieht  man  hierin  am  besten  eine  den  §  403  d  besprochenen 
verwandte  Erscheinung:  durch  eine  Art  Assimilation  wird  ps 
zunächst  zu  es. 


Lat. 

APTU 

CAPTIVU 

CAPTAT 

SEPTE 

CKUPTA 

Rum. 





— 

sapte 

— 

Engad. 

— 



Jcata 

sä 

— 

Ital. 

atto 

cattivo 

catta 

sette 

grotta 

Frz. 

— 

chetif 

acJiatte 

set 

(grotte) 

Span. 

ata 

cativo 

cata 

siete 

gruta. 

Lat. 

EUPTA 

SUBTU 

CAPSA 

IPSE 

GIPSU 

Rum. 

— 

suht 

— 

— 

— 

Engad. 

rutte 

suot 

k'asa 

suess 

— 

Ital. 

rotta 

sotto 

cassa 

esso 

gesso 

Frz. 

route 

sous 

chasse 

— 

— 

Span. 

rota 

soto 

•*caja 

exe 

yeso 

Prov. 

— 

— 

caissa 

ais 

geis. 

Französisch  chetif,  prov.  caitiu  sind  schwer  zu  erklären, 
die  Grundform  ist  *cactivu,  doch  sieht  man  nicht  recht,  wie  die 
Ersetzung  des  p  durch  c  zustande  gekommen  ist,  wenn  nicht 
etwa  das  Wort  als  altes  gallisches  Lehnwort   aufzufassen    ist,   in 


§  458,  459.  Lateinisch  PT.  385 

welchem  das  lat.  jJ<  wie  das  urkeltische  zu  et  wurde :  lat.  captivus, 
gall.  cadivus  wie  urkelt.  Septem,  gall,  sechte,  oder  wenn  nicht 
coactus  eingewirkt  hat.  Prov.  escrich,  das  auch  im  Altsi^an.  und 
in  Oberitalien  erscheint,  ist  an  didus  angelehnt.  —  Auflösung 
des  p  in  u  kommt  im  Provenzalischen,  Spanischen, 
Portugiesischen  nur  bei  halbgelehrten  Wörtern  vor:  span., 
portg.  bautizar ,  span.  cautivo  neben  cativo ,  beachte  auch  reutar 
(Jose  214  u.  s.  w.)  neben  retar,  portg.  receitar  mit  ei  statt  eu 
§  300,  prov.  rautar.  In  gelehrten  Wörtern  spricht  das  Neu- 
französisclie  p,  nicht  aber  die  alte  Sprache:  Egypte:  dite  Aniel 
39:  eslite  Ch.  Pisan  24,  ancestre:  sceptres  Villon  58.  —  Frz.  caisse 
ist  jirovenzalisches ,  span.  caxa,  portg.  caissa  franz.  Lehnwort. 
Nicht  klar  sind  prov.  ans  (hapsns) ,  aprov.  meceus,  neus  aus 
ijise.  —  Neben  yeso ,  portg.  gesso  steht  im  Aspan.  exe  aus  ipse, 
wogegen  ese  aus  der  vorkonsonantischen  Form  es  von  este  ge- 
bildet ist;  portg.  qitelxo ,  sjian.  quijada ,  quijal  weisen  auch  auf 
ps  y  is  hin :  die  abweichende  Behandlung  von  gipsus  hat  ihren 
Grund  in  Dissimilation  gegen  den  anlautenden  Palatalen.  Im 
Genuesischen  wird  is  aus  ps  zu  s  (s.  §  464),  daher  caM. 

Die  erste  Erklärung  von  chetif  giebt  T  h  u  r  n  e  y  s  e  n , 
Keltorom.  S.  16,  die  zweite  Schwan,  Afr.  Grammatik. 

b)  Guttural  4-  Dental. 

459.  Aufser  d  und  es  kommt  gd  in  dem  einzigen  frjgdu 
in  Betracht.  Nirgends  bleibt  die  Verbindung  bewahrt,  vielmehr 
ersetzt  das  Rumänische  den  gutturalen  Verschlufs  durch  den 
labialen :  pt,  ps,  das  Italienische  und  das  Rätische  vom  äufsersten 
Westen  abgesehen  assimilieren,  sonst  löst  sich  c  in  i  auf,  das 
nun  teils  mit  dem  vorhergehenden  Vokal  einen  Diphthongen 
bildet,  teils  den  folgenden  Konsonanten  palatalisiert,  letzteres  im 
Lombardischen,  einem  Teile  des  Piemontesischen ,  im  Kastilia- 
nischen,  in  Limousin,  Languedoc  und  der  Provence.  Die  Ent- 
wicklung von  et  und  von  x  geht  übrigens  nicht  ganz  parallel, 
daher  die  beiden  Laute  getrennt  zu  behandeln  sind. 

Lat.       FACTU      TRACTU     LAOTE      LACTUCA    TECTÜ 

Rum.  fapt  trapt  lapte  laptucä  — 

Engad.       fat  trat  lat  —  tet 

Obwald.     fat  trat  lat  —  — 

Meyer,  Orammatik.  25 


386 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  459. 


Ital. 

fatto 

tratto 

latte 

lattuca 

tetto 

Piem. 

fait 

— 

lait 

laitüa 

teif 

Lomb. 

fad 

— 

lad 

laöüga 

ted 

Frz. 

fait 

trait 

lait 

laitüe 

toit 

Prov. 

fad 

traö 

lad 

ladügo 

ted 

Span. 

hecho 

trecho 

leche 

lechuga 

techo 

Portg. 

feito 

treito 

leite 

leituga 

teito. 

Lat. 

DICTU 

STRICTU 

DIRECTU 

FRICTU 

PICTÜ 

Rum. 

— 

strimt 

dreapt 

fript 

ajnfipt 

Engad. 

dit 

stret 

dret 

— 

fitta 

Obwald. 

dit 

streit 

dreit 

— 

— 

Ital. 

detto 

stretto 

dritto 

fritto 

fitto 

Piem. 

dit 

streit 

drit 

— 

ß 

Lomb. 

diö 

streö 

driö 

—    . 

fid 

Frz.  , 

dit 

etroit 

droit 

frit 

— 

Prov. 

did 

estreö 

dreö 

frid 

— 

Span. 

dicho 

estrecho 

derecho 

frito 

Mto 

Portg. 

dito 

estreito 

dereito 

frito 

fito. 

Lat. 

LECTU 

PECTUS 

PECTINE 

VECTÜKA 

OCTO 

Eum. 

alept 

piept 

pieptine 

— 

opt 

Engad. 

letta 

pet 

petten 

— 

ot 

Obwald. 

— 

— 

peten 

vetira 

ot 

Ital. 

letto 

petto 

pettine 

vettura 

Otto 

Piem. 

let 

pet 

(pentu) 

— 

(et 

Lomb. 

leö 

peö 

peöen 

vidiira 

(vot) 

Frz. 

lit 

piz 

peigne 

voiture 

Tiuit 

Prov. 

liec 

pieö 

(penöe) 

vedüra 

üed 

Span. 

lecho 

pecho 

(peine) 

vechura 

ocho 

Portg. 

leito 

peito 

(p  entern) 

— 

oito. 

Lat. 

NOCTE 

COCTO 

LUCTA 

FRUCTÜ 

EXSÜCTU 

Rum. 

noapte 

COJJt 

lu2)tä 

frupt 

supt 

Engad. 

not 

koatta 

— 

früt 

sütta 

Obwald. 

not 

— 

— 

(fruta) 

süt 

Ital. 

notte 

cotto 

lotta 

frutto 

asciutto 

Piem. 

noßt 

TiOßit 

(Iota) 

früt 

siiit 

Lomb. 

nmö 

Tema 

(lotta) 

(früta) 

Süd 

Frz. 

nuit 

mit 

kitte 

fruit 

essuit 

Lateinisch  CT. 

3 

Med             lüöo 

früö 

eisüö 

coclio           lucha 

frucho 

(enjuto) 

coito                 — 

fruto 

enxuto. 

§   459—462.  Lateinisch  CT.  387 

Prov.  nüeö 

Span.         noche 
Portg.         noite 

460.  So  einfach  die  Dinge  im  Rumänischen  zu  liegen 
scheinen,  und  so  schön  namentlich  auch  die  Übereinstimmung  in 
der  Behandlung  von  et,  es,  gn  (§  466)  ist,  so  bleibt  doch  das 
Umspringen  der  Artikulation  schwer  zu  erklären.  Keine  der 
romanischen  Sprachen  zeigt  etwas  Entsprechendes,  nur  das  A 1  b  a  - 
nesische,  aber  auch  wieder  blofs  ftir  sein  lateinisches,  nicht 
für  sein  indigenes  Element,  und  nur,  so  scheint  es,  nach  labialen 
Vokalen:  luft§  (Inda),  trofie  (trocta)  neben  dreit,  fruit;  gümtür§ 
(jundura)  neben  §trHt  (*strindits),  Jcofsa,  lafs§.  Auch  die  anderen 
indogermanischen  Sprachen  kennen,  so  weit  man  bis  jetzt  weifs, 
pt  für  lit  nicht.  Im  Mazedonischen  scheint  sekundäres  lit  zu 
M  zu  werden:  aUtare  =  wal.  alc§tare;  wo  sonst  in  einem  der 
rumänischen  Dialekte  M  oder  ft  erscheint,  handelt  es  sich  um 
Entlehnungen  aus  dem  Neugriechischen  oder  Albanesischen ,  so 
im  Mazedonischen  hift§'  (hida),  wal.  öhticä  =  ngriech.  o/jixag, 
agriech.  txrtxij;  auch  doftor  ist  ein  entlehntes  Wort.  Wie  sich 
das  Dalmatinische  stellt ,  ist  nicht  klar :  ragusanisch  liopsa 
erinnert  allerdings  ans  Rumänisch- Albanesische,  vegl.  vuat  (octo), 
nuat  (nocte)  bleiben  unentschieden,  ebenso  piakno  (pectine).  Von 
it,  das  wir  im  Albanesischen  fanden,  zeigt  sich  hier  keine  Spur, 
daher  denn  das  ^:ieito  (pedus)  in  den  Protokollen  von  Lido 
Maggiore  1312 — 1313  recht  vereinzelt  steht. 

461.  Mit  dem  i  t  ali  eni  sehen  Typus  stimmen  alle  jenseits 
des  Apennins  gelegenen  Dialekte  überein,  auch  das  Sardinische, 
das  nur  in  der  Schrift  et  beibehält.  Diesseits  des  Apennins 
schliefsen  sich  das  Venetianische  und  Emilianische  noch  an,  ver- 
einfachen aber  wie  immer  die  Doppelkonsonanz  (§  541) ;  von 
der  Emilia  dringt  dann  t  statt  ö  gegen  Pavia  und  bis  Cremona 
lind  Brescia  hin.  Bemerkenswert  ist  trota  aus  älterem  troita  (§  16); 
da  germ.  lit  zu  it  wird:  gttatare  =  loahtan,  so  wird  man  trota 
aus  der  mittel-  und  neugriechischen  Aussprache  TQM/jtjg  erklären 
dürfen. 

462.  Die  Entwicklung  auf  den  anderen  Gebieten  ist  schwierig. 
Die  erste  Stufe  Kt    zeigt  Enge  -f-  Verschlufs  statt  Verschlufs  -|- 

25* 


388  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  §   462. 

Verschlufs.  Die  Enge  wird  mehr  und  mehr  nach  vorn  geschoben^ 
der  Verschlufsstelle  des  t  genähert,  wir  haben  also  einen  dem 
S.  318  beschriebenen  ähnlichen  Vorgang:  der  gutturale  Eeibelaut 
wird  zum  palatalen.  Bis  hierher  gehen  alle  Sprachen  gemeinsam, 
nun  aber  tritt  verschiedene  Entwicklung  ein.  Der  dem  li  vorher- 
gehende Vokal  teilt  seinen  Stimmton  auch  dem  Eeibegeräusche 
mit,  das  erst  in  seinem  Anfange,  dann  in  seinem  ganzen  Umfange 
tönend  wird  :  i,  woraus  weiter  mit  völliger  Aufgabe  der  Keibung  i  : 
so  im  Portg.,  Piem. ,  Prov.  Oder  die  Rinnenbildung,  die  zur 
Hervorbringung  der  Enge  nötig  ist,  erstreckt  sich  auch  über  tj 
so  dafs  dieses  zu  t  wird  und  als  solches  sich  weiter  entwickelt 
zu  ö,  so  im  Lomb.,  Prov.  Oder  beide  Vorgänge  verquicken  sich, 
et  wird  zu  it,  das  entweder  zunächst  bleibt,  vgl.  afr.  afaitier 
§259,  später  zu  it  wird,  nfr.  fait,  oder  zu  id,  6  wie  im  Sp'a- 
nischen.  Die  ebenfalls  mögliche  Entwicklung  zu  ts  (s.  S.  318) 
findet  sich  in  Bravügn,  dem  östlichsten  Posten  des  f-Gebietes  im 
Rätischen,  ferner  in  der  Dauphine,  Gilhoc  und  Albi :  alatsä^  agatsd, 
bets  (*vocitus).  Zum  Französischen  ist  sonst. kaum  etAvas  zu  bemerken. 
Wann  der  Übergang  von  f  zu  t  stattgefunden  hat,  ist  nicht  zu 
sagen,  doch  wird  er  wohl  sehr  alt  sein.  Auf  welche  Weise 
afaitier  zu  afaiter  geworden  ist,  ist  §  259  und  260  gelehrt. 
MerkAvürdig  sind  die  Formen  vrityp,  mritip  in  Bourberan,  die 
nach  ^Jitie  gebildet  sind.  Was  pitie  selber  betrifft,  so  erklärt  es 
sich  aus  vulglat.  piitate,  dessen  it  nun  sich  weiter  entwickelt 
wie  das  aus  et  entstandene.  Ebenso  wird  quietare  über  quiitare 
zu  quittier.  Im  Provenzalischen  gehört  it  dem  am  linken 
Ufer  der  Garonne  liegenden  Gebiete  an  und  reicht  mit  Narbonne 
bis  ans  Mittelmeer,  auch  das  Katalanische  und  das  Waldensische 
schliefsen  sich  an.  Nach  nordfranzösischem  Brauche  zeigt  sodann 
die  Auvergne  und  die  Marche  it,  und  längs  der  Rhone  dringt  dies 
in  die  Languedoc  ein.  Auch  hier  bemerken  wir  zum  Teil  eine 
verschiedene  Behandlung,  je  nachdem  et  im  romanischen  Auslaut 
oder  Inlaut  steht,  im  Lim.  wird  factu  octo  u.  s.  w.  zu  fa,  hüe 
u.  s.  w. ,  aber  eocta  zu  Icüeso.  —  Im  Lombardischen  ist  die 
reguläre  Entwicklung  vielfach  bedroht.  Im  Stadtmailändischen 
dringt  tt  unter  Einflufs  der  Schriftsprache  ein :  vott  (oeto),  sodann 
von  der  Emilia  und  vom  Venezianischen  her:  so  hat  sich  in  der 
Provinz  Pavia  ö   nur   noch   gehalten    in  Vigevano,    und    als  i  in 


§   462.  Wandel  von  CT  zu  IT.  389 

Gropello.  Im  Nordwesten  macht  sich  die  piemontesische  Behandlung 
geltend,  so  in  Novara  nnd  Lodi.  Auch  das  ai  in  Gallarate  und  Busto- 
Arsizio  wird  wohl  auf  ai(t)  zurückgehen.  Mail,  frütta ,  trütta, 
sguaita ,  rceit  (enidat) ,  zeigen ,  dafs  jüngeres  ht  und  et  in  Lehn- 
wörtern nicht  mehr  die  volle  Entwicklung  durchziimachen  ver- 
mag. —  Zum  Piemontesiscli- Genuesischen  gesellt  sich  auch  S.  Fra- 
tello:  ddiet  (letto),  kuot,  Nicosia:  pieitu,  nuoitu,  Jcuoitu,  Piazza 
Armerina :  ddait,  noit,  koH.  Neben  it  kommt  nun  auch  ö  vor 
und  zwar  einmal  an  der  Grenze  gegen  das  Lombardische  hin, 
so  im  Tanai'othale ,  in  Cortemiglia,  Alba,  Mondovi,  Murazzano, 
sodann  von  Novara  her  im  Canavese  bis  gegen  Turin  hin, 
endlich  im  Eojathale  wohl  unter  provenzalischem  Einflufs. 
Beachtenswert  ist  feö,  steöa  in  Vico  Canavese.  Im  Tanarothale 
stehen  sich  staye,  Stada  gegenüber,  jenes  wohl  =  stai.  —  Das 
Westrätische  sclnvankt  nach  den  Mundarten,  die  Form  f 
findet  sich  im  ganzen  Westen  von  Stalla  an,  teils  als  k',  teils 
als  ö,  letzteres  am  Zusammenflufs  des  Vorder-  und  Hintei'rheins 
und  in  Andeer.  Von  hier  ist  k'  auch  zum  Teil  in  Engadin 
eingedrungen:  pafc',  ok'  und  in  den  Ableitungen  von  dret:  drak'er, 
drak'üra,  doch  ist  bei  den  zwei  letzteren  die  Qualität  des  folgen- 
den Vokals  nicht  zu  übersehen  (vgl.  dagegen  untereng.  drattar).  —  In 
Spanien  umfafst  cli  nicht  mehr  den  auch  sonst  vom  Kastilianischen 
abweichenden  Nordwesten,  das  Aragonesische,  Navarresische  und 
Asturische,  wo  wir  die  portugiesische  Stufe  it  finden.  Ob  aber 
feita  Rom.  XVII,  I  4,  63,  dereyta  I,  62,  feito  pr.  u.  s.  w.  wirklich 
dialektisch  sind,  oder  aber  den  ältesten  kastillianischen  Zustand 
darstellen,  mag  zweifelhaft  sein ;  der  Cid  hat  schon  ch,  pr.  einmal 
fecho.  Beachtenswert  ist  hito ,  frito  aus  fictu,  frictu:  in  dem  i 
geht  das  palatale  Element  auf,  und  t  bleibt  erhalten.  Afaitar 
zähmen,  Caza,  B.  Prov.  u.  a.  ist  franz.  Lehnwort  für  amansar, 
ebenso  wohl  deleitar,  dueH;  fruto  Latinismus,  vgl.  aber  fnicho 
F.  Aviles  68.  In  den  gelehi'ten  Wörtern  wird  c  meist  beibehalten, 
in  der  Volkssprache  jedoch  vokalisiert,  z.  B.  andal.  karaite, 
indereito,  reuto,  efeuto,  direuto,  ebenso  in  Bogot.  Unterbleibt  bei 
der  Artikulation  des  guttui-alen  c  die  Verschlufsbildung ,  wird  nur 
eine  Enge  gebildet  an  der  Stelle,  wo  das  c  gebildet  wird,  und  wird 
der  sonst  von  der  Aussprache  des  c  in  Anspruch  genommene 
Zeitraum  durch  das  Weiterklingen  des  im  voraufgehenden  Vokale 


390 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


462,  463. 


enthaltenen  Stimmtons  ausgefüllt,  so  entsteht  in  der  Enge  ein 
gutturaler  Vokal :  u.  So  liefse  sich  auch  auto  erklären,  wenn 
es  nicht  portg.  Lehnwort  ist. 

463.     Die  Schicksale  des  x  gestalten  sich    folgendermafsen  t 


Lat. 

tAxu 

METAXA 

TAXONE 

LAXAT 

SAXU 

Rum. 

— 

(mätasä) 

— 

lasä 

— 

Engad. 

— 

— 

tass 

— 

sass 

Obwald. 

— 

— 

tarn 

— 

sess 

Ital. 

tasso 

metassa 

tassone 

lassa 

sasso 

Piem. 

tass 

— 

tass 

lassa 

sass 

Gen. 

tasu 

— 

— 

lasa 

sa§u 

Frz. 

— 

— 

taisson 

laisse 

— 

Span. 

tejo 

madeja 

tejon 

dejar 

— 

Portg. 

teixo 

madeixa 

teixugo 

deixar 

seixo. 

Lat. 

FBAXINU 

COXA 

MAXILLA 

LIXIVIA 

*SEXAINTA 

Eum. 

frasin 

coapsä 

masd 

leUe 

— 

Engad. 

— 

— 

— 

alsiva 

sasainta 

Obwald. 

fraissen 

— 

— 

liäiva 

sisonta 

Ital. 

frassino 

(coscia) 

mascella 

lisciva 

sessanta 

Piem. 

frassu 

koessa 

massella 

lessia 

sessanta 

Gen. 

— 

Jcoe§a 

— 

leUa 

seianta 

Frz. 

frene 

cuisse 

maisselle 

lessive 

soixante 

Span. 

fresno 

— 

mejüla 

lejia 

seisenta 

Portg. 

freixo 

coxa 

— 

lixia 

sessenta. 

Lat. 

TEXIT 

EXIT 

AXALE 

BUXU 

BUXIDA 

Rum. 

^ese 

lese 



— 



Engad. 

tesa 

— 



— 

—    . 

Obwald. 

teissa 

— 

■      — 

— 



Ital. 

tesse 

esce 

sala 

hosso 

husta 

Piem. 

tes 

— 

assal 

Mss 

hüst 

Gen. 

tese 

— 

a^a 

hüs 

hüst 

Frz. 

tist 

ist 

essieu 

huis 

hotte 

Span. 

teje 

ejido 

— 

hoj 

— 

Portg. 

texe 

exe 

— 

1)UX0 

— 

Man  hat  früher  mehrfach  angenommen,  dafs  x  auch 
zu  CS  werden  könne.  Mit  Recht  hat  sich  Gröber, 
Arch.  lat.  lex.  III,   509  if.    dagegen    ausgesprochen.     Im 


§  463,   464.  Lateinisch  X.  391 

allgemeinen  kann  als  Kegel  hingestellt  werden,  dafs  nur 
dann  die  Umstellung  stattfindet,  wenn  die  x  enthaltenden 
Wörter  in  die  Sprache  aufgenommen  wurden,  als  das 
alte  X  längst  nicht  mehr  bestand.  So  sind  die  fran- 
zösischen Vulgärformen  fiske,  lüske,  seske,  ashe  für  f%xe^ 
luxe,  sexe,  axe  samt  und  sonders  Buchwörter,  so  gehen 
aprov.  visc,  surresc,  afr.  vesqui,  henesqui  auf  die  kirch- 
lichen vixi,  surrexi,  henedixi  zurück. 

464.  Die  Entwicklung  von  x  deckt  sich,  wie  schon  bemerkt, 
nur  zum  Teil  mit  derjenigen  von  ct.  Zunächst  ist  ein  Unterschied 
hervorzuheben  je  nach  dem  x  vor  oder  nach  dem  Tone  steht 
im  Rumänischen  und  Italienischen.  Dort  nämlich  wird 
nur  -X  zu  ps,  dagegen  x-  zu  ss,  wie  namentlich  der  Vertreter 
von  maxilla  zeigt;  auffällig  ist  noch  wal.  frassen  neben  regel- 
mäfsigem  maz.  frapsin,  —  Im  Italienischen  dagegen  wird  um- 
gekehrt -X  stets  zu  SS,  daher  lasdare  auf  *laxiare,  coscia  auf 
*coxea  zurückgehen,  asce  steht  unter  dem  Einflufs  von  ascia  =  axea. 
Vor  dem  Tone  aber  tritt  s  nur  ein  zwischen  zwei  dunkeln 
Vokalen :  sugna,  sola,  aber  stets  sc  aus  ex :  sceverare,  scempia, 
sciame,  scioperare  u.  s.  w. ,  und  aus  axe:  mascella.  In  saggio 
statt  *sciaggio  ist  Dissimilation  zu  sehen.  Es  zeigt  sich  also  vor 
dem  Accente  im  Italienischen  bei  x  dieselbe  Erscheinung,  die 
wir  bei  et  auf  den  übrigen  Gebieten  getroffen  haben:  an  Stelle 
des  Verschlusses  tritt  die  homorgane  Enge,  die  sich  vor  oder 
nach  2)alatalen  Vokalen  weiter  zur  palatalen  Enge  entwickelt, 
während  sie  nach  velaren  Vokalen  verschwindet.  —  Das  Kätische 
assimiliert  wie  bei  et,  merkwürdigerweise  auch  das  Piemontesische, 
das  bei  et  andere  Behandlung  zeigt.  —  Für  die  übrigen  Gebiete 
ist  die  Entwicklungsreihe  Ks,  is,  anzusetzen  und  nun  entweder  is, 
is  oder  isy.  Die  Stufe  iä  liegt  im  Portugiesischen,  Genuesischen 
und  zum  Teil  im  Provenzalischen  vor,  is  im  Obwaldischeu ,  isy 
im  Französischen.  In  den  östlichen  Dialekten  entwickelt  sich 
dieses  isy  dann  weiter  wie  sy,  s.  §  511.  Auch  fürs  Altspanische 
ist  ä  anzusetzen.  Berceo  drückt  mit  disse,  dessar ,  yssiö  wohl 
keinen  anderen  Laut  aus,  während  der  Wert  von  x  bei  Ruiz: 
dexa,  aparexada  zweifelhaft  bleibt.  Später  hat  es  sich  zu  U 
weiter  entwickelt  s.  Kap.  V.  In  seissenta  liegt  Anlehnung  au 
seis  vor,  im  französischen  essaim,  essai  an  die  Wörter,  die  mit 
est-  anlauten. 


392  n.  Kapitel:  Konsonantismus.  §   465    466. 

465.  An  et,  es  mag  sich  gleich  gn  anschliefsen^  da  es  zum 
Teil  mit  den  anderen  Gruppen  übereinstimmende  Schicksale 
zeigt.  Ganz  ist  die  Übereinstimmung  freilich  nur  im  Sardischen, 
wo  gn  zu  nn,  und  im  Rumänischen^  wo  es  zu  mn  AAard,  sowie 
auf  den  Gebieten,  die  et  zu  Jit  wandeln :  hier  wie  im  Italienischen 
und  Rätischen  tritt  gn,  jn  ein,  das  in  den  Abruzzen  als  y§n 
bleibt,  sonst  sich  weiter  zu  fi  entwickelt. 


Lat.            agne: 

LLU 

dignu 

r                LIGNU 

PUGNt 

r            STAGNü 

Log.                — 

— 

Unna 

punno 

(              — 

Rum.          miel 

— 

lemn 

pumn 

— 

Engad.             — 

den 

lain 

— 

stenn 

Ital.            agnello 

degno 

legno 

pugno 

stagno 

Campob.     ayenielle 

— 

leyen§ 

imy§n§             — 

Frz.            agneau 

dedain          legne 

2)oing 

etain 

Span.          anejo 

desden          lena 

pimo 

estano. 

Lat. 

COfiXATU 

COGNOSCO        PIGNUS 

SIGNÜ 

Log. 

konnadu 

Tionnosko          — 

sinmi 

Rum. 

eiimnat 

—                 — 

semn 

Engad. 

quino 

—            pain 

insaina 

Ital. 

cognato 

conosco        pegno 

segno 

Frz. 

— 

connais             — 

enseigne 

Span. 

cuiiado 

conocer             — 

seno. 

466.  Wo  im  Sardischen  gn  erscheint,  wie  in  pignus,  dignu, 
liegt  zweifelsohne  italienische  Form  vor.  Schwieriger  sind  piinzii 
(pugnus),  ansone  (agnone),  stanzare  (stagnare),  mit  der  Behandlung 
von  gn,  die  sonst  ni  zukommt  (§  512).  Doch  kann  anzone  auch 
ann-io  Jährling  sein,  die  beiden  anderen  aber  sind  wohl  als 
italienische  Lehnwörter  mit  Lautumsetzung  zu  betrachten.  — 
Rumänisch  miel  ist  aus  *amniel  entstanden,  ein  anderes  Bei- 
spiel ist  noch  amnar  aus  ignarium.  Merkwürdig  ist  im  Maze- 
donischen die  Umgestaltung  von  "^pumnu  zu  pulmu.  Beachtens- 
wert ist  auch  rum.  eimnu  =  griech.  cycnus,  Avährend  frz.  eigne 
auf  lat.  eicinus  weist  §  529.  Ital.  conoscere,  span.  conocer  weisen 
auf  vulglat.  '^conoseere  nach  noscere  hin,  M^ogegen  portg.  conhecer 
die  klassische  Form  wiedergiebt.  Im  Französischen  ist  die  Ver- 
einfachung zu  n  vor  dem  Tone  Regel :  senefier,  assener,  rene, 
tinel,  prenant;  agneau  ist  von  afr.  aigne  =  *agna  beeinflufst.    In 


§   466,   467.  Lateinisch  GN.  393 

gelehrten  Wörtern  wird  lieute  gn  gesprochen,  nicht  aber  im 
XrV.  und  XV.  Jahrhundert,  Ruteboeuf  reimt  regne:  plaine  I,  109, 
surgines:  digncs  I,  115,  ebenso  Christine  de  Pisan,  Eustache 
Deschamps,  Villon  u.  s.  w.  Dasselbe  zeigt  das  Spanische  in 
malino,  malina,  andal.  etulmo ,  sinifica,  rejnma;  span.  repno  ist 
wüld  an  rey  angekdint.  Über  n  im  romanischen  Auslaut  s.  §  560. 
Eigentümlich  ist  gn  zu  un  in  Tarent  und  Lecce:  aunu,  leunit. 

Die  Frage  nach  dem  Verhältnis  von  lat,  et,  CS,  gn  zu 
ihren  romanischen  Fortsetzern  ist  vielfach  erörtert  worden. 
Dafs  als  erste  Entwicklungsstufe  iit  anzusetzen  sei,  hatte 
schon  Ehe  11  erkannt,  Ztschr.  f.  vergl.  Sprachf.  XIV, 
247  fF.  Wenn  er  aber  auch  fürs  Italienische  diese 
Formen  voraussetzt,  so  ist  das  unnötig  und  unwahr- 
scheinlich. Dann  haben  sich  aufser  Joret  nament- 
lich A  s  c  0 1  i  mit  dem  Problem  beschäftigt ,  Arch. 
Glott.  I,  82,  Anm.  1;  Thomsen,  Remarques  sur  la 
lihonetique  romane,  Vi  parasite  et  les  consonnes  moiiillees 
en  franQüis,  Mem.  soc.  lingu.  III,  106 — 123;  Ul brich, 
Über  die  vokalisierten  Konsonanten  des  Alt  französischen, 
Ztschr.  II,  522—548;  Sehne  ha  r  dt,  Ztschr.  IV,  146  ff. 
Die  oben  vorgetragene  Erklärung  schliefst  sich  an  die 
A  s  c  o  1  i-S  c  h  u  c  h  a  r  d  t  s  c  h  e  an,  der  auch  T  h  u  r  n  e  y  s  e  n , 
Keltorom.  14  beistimmt.  Thomsen  nimmt  an,  wie  pt 
zu  it  assimiliert  worden  sei,  so  et  zu  dem  zwischen  Je 
und  t  liegenden  tt  Allein  tf  ist  nicht  der  Mittellaut 
zwischen  k  und  t,  es  ist,  im  Gegensatz  zu  diesen,  nicht 
ein  reiner  Verschlufslaut,  sondern  ein  Verschlufslaut  mit 
spirantischem  Ansatz,  welch  letzterer  nur  aus  dem  zum 
Spiranten  übergehenden  c  zu  gewinnen  ist.  Ulbrich 
nimmt  unvollständige  Verschlufsbildung  des  Tc  (also  wohl 
K?)  an,  dann  sei  die  Zunge  in  der  i-Stellung,  in  welche  nun 
sowohl  der  vorhergehende  als  der  folgende  Laut  übergehen 
würden.  Dagegen  macht  schon  Schiichardt  mit  Recht 
geltend,  dafs  zwischen  Je  und  i  nicht  nur  in  der  Mund- 
artikulation ein  Unterschied  besteht,  sondern  dafs  zugleich 
der  bei  A"  stumme  Expirationsstrom  bei  i  zum  tönen 
gebracht  wird,  dafs  also  U 1  b  r  i  c  h  s  Erklärung  zwei  Vor- 
gänge gleichzeitig  erfolgen  läfst,  was  wenig  wahrscheinlich 
ist.  Die  Reihe  Iit,  it  erfiihrt  noch  eine  wesentliche  Stütze 
durch  die  Veränderungen  von  rt  §  475  ff. 
467.  Endlich  ist  noch  die  Verbindung  nct  zu  besprechen. 
Schon  im  Vulgärlateinischen  ist  daraus  ht  entstanden,  das  sich 
nun  ähnlich  entwickelt  wie  et,  im  Rumänischen  also  zu  mt,  im 
Italienischen  zu  nt,  im  Französischen  über  fit  zu  int,  im  ^-Gebiete 
zu  nd  wird,  docli  weicht  hier  das  Spanische  mit  nt  ab,  also : 


394 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§467. 


Lat. 

SANCTU 

UNCTU 

JUNCTU 

QUINCTU 

STEINCTU 

Rum. 

sämtu 

*umpt 

ajumt 

— 

strimt 

Engacl. 

sent 

ütt 

— 

— 

— 

Ital. 

Santo 

unto 

giunto 

quinto 

strinto 

Frz. 

Saint 

oingt 

Joint 

quint 

etreint 

Span. 

Santo 

unto 

yunta 

quinto 

— 

Für  nx  fehlen  Beispiele,  abgesehen  von  den  Perfekten. 

Im  Rumänischen  begegnet  zuweilen  die  Schreibweise  mpt: 
frernjitä,  stremptu  bei  Daniel,  man  braucht  jedoch  daraufhin  nicht 
anzunehmen,  dafs  lateinisch  nct  erst  im  Rumänischen  zu  mpt, 
dann  zu  mt  geworden  sei :  bei  der  Aussprache  mt  entwickelt  sich 
stets  als  Übergangslaut  |J,  das  bald  geschrieben  wird,  bald  nicht. 
Das  heutige  Walachische  ist  auf  dem  Wege,  die  Angleichung  des 
m  an  den  Dental  zu  vollziehen ,  es  schreibt  unt  neben  strimt : 
diese  Angleichung  scheint  aber  nicht  auf  lautlichem  Wege  vor 
sich  gegangen  zu  sein,  sondern  vielmehr  in  Anlehnung  an  das  n 
des  Präsens,  während  das  dem  Verbalsystem  entrückte  strimt  sich 
hielt.  Bei  einer  derartigen  Auffassung  des  n  aus  m  erklärt  sich,  dafs 
eine  Zeitlang  mt  und  nt  nebeneinander  standen  und  so  mt  auch 
an  Stelle  von  altem  nt  treten  konnte:  wal.  sim^i  (sentire);  das 
scheint  namentlich  im  Mazedonischen  häufig,  vgl.  askumpta  Dan. 
(ahscondita),  atumtsea  kav.  (tunc)  humtine  Dan.  (continuit)  u.  s.  w. 
Man  beachte  auch,  dafs  nur  nt  zu  mt,  nicht  nd  zu  md  wird,  da 
kein  ngd  existiert  hat.  Im  Rätischen  macht  sawc^ws  Schwierig- 
keit mit  seinem  Palatal,  womit  sich  sent  vei-gleicht,  das  im  Osten 
des  Gebietes,  im  Friaul,  nicht  unbekannt  ist  und,  in  Proclise,  in 
den  altven.  Texten,  so  in  der  Cronica  deli  imperadori,  in  der 
Hamiltonhandschrift  u.  a. ,  nicht  selten  erscheint.  Ferner  findet 
sich  eng.  neben  pütt  (punctum)  auch  puonk'  und  puonli'a.  Bei 
ersterem  könnte  man  an  eine  Verallgemeinerung  der  Pluralform 
auf  i  sehen  §  320,  dagegen  reicht  für  das  zweite  diese  Erklärung 
nicht  aus.  Richtiger  ist  es  wohl ,  da  dem  eng.  puonk'  ein  obw. 
punct  zur  Seite  steht,  die  beiden  Formen  als  halbgelehrte  zu 
betrachten :  während  altes  nt  im  Eng.  und  Friaul.  zu  nt  wird, 
wandelt  sich  junges  nct  zu  nt.  Im  Obwald.  haben  Avir  natürlich 
Formen  mit  t:  iü  (unctu),  pif,  aber  soint  als  Kirchenwort.  Be- 
merkenswert ist  der  Mangel  des  n,  der  sich  auch  in  *augl,  aug 
(avimculus)  zeigt    und  der    doch    wohl    lautlich    zu    erklären    ist. 


§   467,   468.  Lateinisch  NCT.  395 

Zwar  könnte  man  annehmen,  dafs  strictus,  victus  u.  s.  w.  auch 
*uctns  \i.  s.  w.  nach  sich  gezogen  hätten,  allein  es  wäre  zu  auf- 
fällig,  dafs  das  Bündnerische  hier  einen  ganz  anderen  Weg  ein- 
geschlagen hätte  als  alle  übrigen  romanischen  Sprachen.  Ob  aber 
die  Kegel  zu  fassen  ist :  n  vor  tonlosen  Verschlufslauten  +  Kons, 
fällt,  und  ataitlar  (attentulare)  mit  zu  rechnen  ist  (Arch.  Glott. 
VII,  684),  bleibt  zweifelhaft.  —  Spanisch  cincho  ist  nicht  = 
cinctum,  sondern  =  dngulum. 

c)   Die  /S'-Verbiii(luiigeii. 

468.  Im  Lateinischen  steht  s  nur  vor  tonlosen  Konsonanten, 
im  Romanischen,  teils  infolge  von  neuen  Zusammensetzungen, 
teils  infolge  der  Synkopierung  tonloser  Vokale ,  auch  vor  tönen- 
den, in  welchem  Falle  es  dann  selber  tönend  wird  und  nun  im 
Spanischen  und  in  provenzalischen  und  französischen  Mundarten 
sich  zu  r  wandelt,  im  allgemeinen  aber  in  Nordfrankreich  ver- 
stummt oder  zu  h  oder  über  ä  zu  cl  wird ,  vgl.  darüber 
§  529.  Dagegen  bleibt  tonloses  s  im  Rumänischen,  Spanischen, 
Italienischen  und  zum  Teil  im  Provenzalischen,  im  Nord- 
französischen und  zum  Teil  im  Provenzalischen  wird  es  zu  h 
und  verstummt  ganz  zuerst  im  Westen,  erst  nach  Chr^tien 
im  Osten :  im  XIII.  Jahrhundert  wird  es  nicht  mehr  ge- 
sprochen. Die  Zwischenstufe  h  wird  auch  hier  gesichert  durch 
Orth.  Gall.  V:  „Et  quant  s  est  Joint  [a  la  t\  ele  avera  le  soun 
de  h^  come  est  plest  serront  sonez  eght  pleght"'  und  durch  Reime 
wie  foreht:  sieht  bei  Wolfram  Parc.  601,  10  :  reht  548,  4,  durch  mhd. 
Schreibungen  wie  tscJiahteJ,  schahtelän  Grimm,  Deutsche  Grammatik 
I,  852.  Nur  das  Wallonische  bis  Mons,  aber  nicht  mehr  Flandern, 
und  das  Lothringische  bewahren  s  bezw.  U.  Auch  das  Andalusische 
und  Bogotan,  femer  Val  Soana  zeigen  diese  letztere  Stufe.  Beim 
Bergamaskischen  aber  ist  dieselbe  Frage  aufzuwerfen  wie  flir  h 
aus  anlautend  s  §  417.  In  Freiburg  und  den  angrenzenden 
Teilen  der  Waat  schreitet  Ht  wohl  über  t  zn  ß  fort.  Ein  auf 
den  verschiedensten  Gebieten  wiederkehrender  Wandel  ist  der 
von  s  zu  ^  teils  vor  allen  Konsonanten,  wie  im  Rätischen,  Por- 
tugiesischen, Süditalien,  teils  nur  vor  einzelnen,  wie  in  Saponara 
(Basilicata),  wo  sich  §p  und  st  gegenüberstehen.    Auch  Lothringen 


396 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  468. 


zeigt  s  bezw.  K.  Im  Wallonischen  bleibt  dagegen  st,  sp ;  sk  wird 
(ohne  Rücksicht  auf  die  Qualität  des  folgenden  Vokals)  zu  §. 
Endlich  verdient  sca  noch  eine  Bemerkung  für  die  Gegenden, 
wo  Ic'a  für  ca  eintritt.  Rückt  Je'  bis  d,  s  vor,  so  absorbiert  es 
das  s  gänzlich;  wo  es  als  fc'  bleibt,  ist  auch  sk'  bewahrt,  avifser 
in  Tirol,  wo  Je'  und  s  nebeneinander  stehen,  und  in  der  Val 
Soana,  wo  A;'  die  Entwicklung  von  s  zu  Ji  hindert. 


Lat. 

CASTIGA 

CBISTA 

FESTUCA 

HOSTE 

MUSTÜ 

Rum. 

castigä 

creastä 

festuca 

oaste 

must 

Engad. 

Jc'astia 

Jcraika. 

fastü 

— 

muok 

Ital. 

castiga 

cresta 

festuga 

oste 

mosto 

Frz. 

cliätie 

crete 

fetu 

— 

moüt 

Walion. 

— 

kres 

festu 

— 

— 

Prov. 

castia 

cresta 

festuc 

ost 

must 

Preiburg 

— 

— 

— 

— 

— 

Span. 

castia 

cresta 

— 

huesta 

mosto. 

Lat. 

EASTELLU 

CASTELLU 

COSTA 

XESTA 

VESTIKE 

Rum. 

— 

— 

coastä 

^eastä 

inveSti 

Engad. 

raUa 

k'aste 

kuoäta 

testa 

vesti 

Ital. 

rastello 

castello 

Costa 

testa 

vestire 

Frz. 

räteau 

cJiäteau 

cöte 

tete 

vetir 

Wallon. 

— 

— 

kues 

— 

— 

Prov. 

rastet 

castel 

Costa 

testa 

vestir 

Freiburg 

— 

— 

kußa 

tipa 

vipi 

Span. 

rastillo 

castillo 

cuesta 

tiesta 

vestir. 

Lat. 

TEISTE 

ISTE 

ISTA 

GUSTU 

*AGÜSTÜ 

Rum. 

trist 

est 

estä 

gust 

— 

Engad. 

trist 

quaist 

quaista 

guost 

avuok 

Ital. 

triste 

qiiesto 

questa 

gusto 

agosto 

Frz. 

(triste) 

cet 

cette 

goüt 

aoüt 

Wallon. 

trist 

— 

— 

— 

— 

Prov. 

— 

cest 

cesta 

gust 

agust 

Freiburg 

(triste) 

— 

— 

— 

— 

Span. 

triste 

este 

esta 

gusto 

agosto. 

Lat. 

ARISTA 

AESXATE 

STATU 

STELLA 

STUPPA 

Rum. 

— 

— 

stat 

stea 

stupä 

Engad. 

graika 

sted 

ko 

kaila 

stuppa 

§  468. 


S  vor  Konsonanten. 


397 


Ital. 

aresta 

State 

stato 

Stella 

stoppa 

Frz. 

arete 

ete 

ete 

etoile 

etoupe 

Walion. 

— 

— 

— 

stcel 

— 

Prov. 

aresta 

estat 

estat 

estela 

estopa 

Freiburg 

— 

— 

— 

eßala 

— 

Span. 

ariesta 

estad 

estado 

estrella 

estopa. 

Lat. 

VESPA 

KESPONDET 

CRISPU 

SPATA 

SPATULA 

Kum. 



respunde 

— 

spatä 

— 

Eng-ad. 

veiSpra 

respuncl 

— 

äpeda 

§pedla 

Ital. 

vespa 

risponde 

crespio 

spada 

spalla 

Frz. 

guepe 

repond 

crepe 

epee 

epaule 

Wallon. 

tväs 

— 

cresp 

— 

spal 

Prov. 

vespa 

respon 

— 

espaza 

espatla 

Freiburg 

ivipa 

— 

— 

— 

— 

Span. 

ahiespa 

responde 

Crespo 

espada 

espalda. 

Lat. 

SPICA 

SPISSU 

SPONSU 

SPÜMA 

SQCAMA 

Rum. 

sjnc 

— 

— 

— 

scamä 

Engad. 

§pia 

äpess 

§2)us 

sh'üma 

— 

Ital. 

spiga 

spesso 

sposo 

schiuma 

squama 

Frz. 

epe 

epais 

epous 

ecume 

— 

Wallon. 

spi 

— 

— 

liume 

— 

Prov. 

espic 

espes 

espos 

esctima 

escama 

Freiburg 

— 

epe 

— 

— 

— 

Span. 

espiga 

espeso 

esjjoso 

esciima 

escama. 

Lat. 

ASCüLTAKE 

SCUTU 

SCRIBEEE 

SCALA 

SCAMNU 

Rum. 

ascultd 

scut 

Serie 

scarä 

scann 

Engad. 

ähulter 

— 

äcriver 

sk'ela 

- — 

Ital. 

ascoUare 

scudo 

scrivere 

scala 

scanno 

Frz. 

ecouter 

ecu 

ecrire 

echelle 

— 

Wallon. 

Knie 

— 

— 

Jicel 

Kam 

Prov. 

ascoutar 

escut 

escrire 

escala 

— 

Freiburg 

— 

— 

— 

— 

— 

Span. 

ascuchar 

escudo 

escrivir 

escala 

escano. 

Lat. 

MüSCA 

FRISCA 

CRESCO 

LUSCÜ 

FRISCU 

Rum. 

miiscä 

— 

cresc 

— 

— 

Engad. 

midli'a 

freäk'a 

— 

— 

fraihk' 

Ital. 

mosca 

fresca 

cresco 

losco 

fresca 

Frz. 

mouclie 

fraiche 

Wallon. 

muK 

frali 

Prov. 

mosca 

fresca 

Freiburg 

— 

— 

Span. 

mosca 

fresca 

398  II.  Kapitel:  Konsonantismus.  §   468 — 470. 

crois  lois  frois 

er  esc  lose  fr  esc 

cresco  —  fresco. 

Bergamaskische  Beispiele:  Jcähtel,  köhta,  peKtd  u.  s.  w.  Val 
So.:  JcaMel,  teJita,  veMir,  velipa,  Upada,  aJikotar ,  Ukü  aber  sic'ela, 
mosJc'i;  andalus.:  eJitd,  hoJiJco,  meJimo. — Im  Portugiesisclien  haben 
wir  espina,  estado,  eskama  u.  s.  w. 

469.  Über  rumänisch  st  u.  s.  w.  s.  §  419.  Nicht  klar  ist 
leuruscä.  *Äspectare  wird  zu  *astectare  auch  im  tarent.  astitta, 
friaul.  astittd,  wohl  infolge  von  Assimilation.  Im  Istrisclien  findet 
sich  s  statt  s  häufig:  skudele,  muske,  fek§,  kastei  neben  skale, 
-esk  u.  s.  w.,  offenbar  hat  das  Friaulische  hier  eingewirkt.  — 
Beispiele  für  die  Behandlung  von  sca  in  Tirol  sind  selo,  moso 
in  Fascha,  Greden  seid,  mosä,  Erto  sala,  mosa. 

470.  Die  zahlreichen  Fälle,  wo  heute  im  Französischen 
s  gesprochen  wird,  sind  alle  als  gelehrte  Wörter  oder  als  Ent- 
lehnungen aus  dem  Italienischen  und  Spanischen  zu  fassen.  Beim 
Verstummen  dehnt  das  s  den  vorhergehenden  Vokal,  was  heute 
meist  durch  den  Circumflex  ausgedrückt  wird.  Eigentümlich 
ist  die  Behandlung  von  sco^  wie  sie  in  afr.  loiSj  hois  am  klarsten 
entgegentritt.  Das  c  fällt  nicht  einfach  ab,  bleibt  auch  nicht  als 
Guttural,  sondern  wird  palatalisiert.  Die  Foi-men  sind  nicht  ohne 
Schwierigkeit.  Die  1.  Sg.  der  Verba,  wie  nais,  irais^  conois, 
können  an  Stelle  von  *nasc  u.  s.  w.  nach  der  2.  3.  Sg.  getreten 
sein.  Ebenso  ist  denkbar,  dafs  aus  luscus,  huscus  zunächst  Hoscs, 
locs  (s.  §  56)  lois,  *hoscs,  *bocs ,  hois  entstanden  sei,  und  dafs 
diese  Nom.  Sg.  Acc.  PI.  die  alten  Acc.  Sg.  Nom.  Plur.  *losc, 
*bosc  verdrängt  hätten ;  diese  Auffassung  wird  bestätigt  durch  den 
Umstand,  dafs  in  Ableitungen  das  richtige  sc  erscheint:  boscage, 
hoscu.  Der  Osten  bedarf  noch  genauerer  Besprechung.  In  Lüttich 
und  Seraing  wird  jedes  anlautende  sk  zu  K,  während  in  Mons  sk 
bleibt,  vgl.  lütt.  Melle,  mons.  sküelle,  heur:  skeur,  lioirsi:  skoirsi 
(ecorcher),  hume:  skume  (ecumer),  hale:  sk'ale  (echelle).  Nun  steht 
aber  ser.  hüfle,  mon.  sküfle  (siffler)  gegenüber.  Was  nun  auch  der 
ursprüngliche  Anlaut  dieses  Wortes  gewesen  sein  mag  (s.  §  417), 
keinesfalls  ist  er  sk,  sondern  etwa  s.    Es  werden  also  zwischen  K  und 


§   470 — 473.  S  vor  Konsonanten.  399 

sk  in  Lüttich  die  Zwischenstufen  §d ,  §,  s  liegen.  Nun  fragt  es 
sich,  ob  das  sk  in  Mons  erst  aus  dem  palatalen  s  entstanden  sei, 
wofür  sJiüffle  aus  *süffle  sprechen  könnte,  oder  ob  dies  letztere 
Wort  aus  LUttich  entlehnt  sei  und  dabei  Lautumsetzung  erfahren 
habe.  —  In  Lothringen  wird  sca  zu  sTc'a,  sJca,  sa  und  dann  weiter 
zu  §a,,  lia,  wie  sce  s.  §  473.  Vor  den  anderen  Konsonanten  steht 
hier  §  östlich  vom  Vogesenkamm,  das  sich  nördlich  im  Breusch- 
thal  zu  Ji  wandelt:  MrP,  Jqws,  und  dann  über  h  ganz  ver- 
stummt :  pas  (spissus) ,  tr%  (stramen) ,  pey  (spKa)  u.  a.  in  Saales, 
train  =  c'train  schon  bei  Phil.  Vigni.  81 ;  nach  dem  Tone  steht 
für  st:  st  oder  1i,  nicht  blofses  s  wie  im  Wall.:  kroest  oder  krceii. 
Vgl.  zum  Schriftfranzösischen  Köritz,  Über  das  S 
vor  Konsonanten  im  IFVanzösischen,  Diss.  Strafsburg  1885. 

471.  Die  Grenzen  für  das  Verstummen  des  S  nach  Süden 
sind  noch  zu  ziehen.  Die  Südostdialekte  tilgen  alle  das  s,  ebenso 
das  Waldensische ,  und  in  den  kottischen  Alpen  wenigstens 
Brian^on:  eiiahle,  eipalo ,  feto,  feto,  diäte,  aber  Queiras:  estahle, 
espalo  u.  s.  w.  Weiter  westlich  weist  z.  B.  Nontron :  teto, 
eitci  u.  s.  w.,  Gilhoc:  teto,  muk'alo  u.  s.  w.  auf,  aber  schon  in 
ßouergue  bleibt  s  stets.  Dafs  auch  hier  s  zunächst  li  geworden 
ist,  zeigt  nicht  nur  Val  Soana,  wo  diese  Stufe  noch  bewahrt  ist, 
sondern  auch  die  Behandlung  der  Vokale,  speziell  der  Übergang 
von  est  zu  eit,  wo  sich  also  das  h  vokalisiert  hat.  Die  Um- 
gestaltung zu  p  kennt  auch  das  obere  Wallis,  konsequenter  als 
Freiburg  läfst  es  aber  auch  für  sc  und  sp  den  entsprechenden 
Reibelaut  eintreten :  ehüta,  ehoröye,  efina,  tvefa. 

472.  Schliefslich  ist  noch  zu  erwähnen,  dafs  die  an  Ab- 
sonderlichkeiten so  reichen  sardischen  Mundarten  den  Übergang 
von  s  in  l  zu  bieten  scheinen.  In  Sassari  spricht  man  nach 
Spano  11,  128:  ilpogli  (spoglie),  helti  (veste),  üpiritu,  sulpesun.  s.  w. 
Nach  §  475  kann  dieses  Z  aus  r  entstanden  sein:  aber  so  leicht 
z  in  r  übergeht  (s.  §  456),  so  schwer  ist  dieser  Wandel  anzu- 
nehmen fiir  s.  Es  ist  daher  wahrscheinlicher,  dafs  s  zu  K,  dieses 
7Ai  i  Avurde :  ob  heute  belti  oder  beiti  gesprochen  wird,  bleibt  zu 
untersuchen. 

473.  Vulgärlateinisch  sc'  wird  in  den  c-Gebieten  zu  §0, 
das  noch  in  Italien  vorkommt,  gewöhnlich  aber  in  der  Umgangs- 


400 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  473,  474. 


spräche  und  im  Westrätisclien  zu  s  assimiliert  wird.  Im  Rumä- 
nischen dagegen  gleicht  sich  der  Dental  den  Palatal  an :  sd  wird 
zu  sf,  doch  soll  sich  dialektisch  auch  hier  sd  noch  gehalten 
haben.  —  In  der  fs-Eegion  findet  ebenfalls  zum  Teil  einfache 
Angleichung  statt:  im  Spanischen  und  im  Venezianischen  wird 
sc  z\x  ts,  eine  Entwicklung^  die  das  Portugiesische  nur  vor  dem 
Tone  kennt.  Sonst  geht  sc  in  ss  über,  woraus  genues.  s,  portg. 
ix,   in  Frankreich  iss,  is  u.  s.  w.,  vgl.  §  464. 

Lat. 

Rum. 

Engad . 

Ital. 

Frz. 

Span. 

Portg. 
Rumänisch 
sammenhängen. 

scintilla,  span.  centella :  beachtenswert  ist  in  letzterem  der  Mangel 
des  e,  frz.  etinceUe  mit  Umstellung  der  Konsonanten.  Genuesische 
Beispiele  für  die  Behandlung  von  sc'  sind  nase,  pesu  u.  s.  w. 
Im  Prov.  deixender  wird  sc  regulär  behandelt,  im  Frz.  decendre, 
Pik.  desedre  dagegen  wie  des-cendere ;  unerklärt  bleibt  deJcedre  im 
Departement  du  Nord  R.  Pat.  I,  261.  —  Im  Portugiesischen  scheint 
crece  conliece  u.  s.  w.  von  den  endungsbetonten  Formen  beeinflufst, 
umgekehrt  mexer,  vgl.  noch  ameixa  aus  damdscina.  Aspan.  dejenjo 
scheint  auf  decsensus  statt  descensvs  zu  weisen :  man  beachte  aber, 
dafs  es  ein  Buchwort  ist. 


PISCE 

TASCE 

CKESCIT            NASCIT 

peste 

— 

creaUe          naste 

pes 

faä 

Jcresa            na^a 

pesce 

— 

cresce           nasce 

poisson 

faisseau 

croU             nait 

pez 

lias 

crece             nace 

peixe 

feixe 

cresce           nasce. 

scäniä 

kann     nicht 

direkt     mit     scintilla 

zu- 

Anlautend    kommt 

sc    sonst   kaum    vor : 

ital. 

d)  Die  jß- Verbindungen. 

474.  Das  Lateinische  unterscheidet  zwei  Arten  von  rs, 
deren  eine  durch  versus  und  die  verschiedenen  Zusammensetzungen 
dieses  Partizipiums,  wie  prorsus,  rursus,  snrsus,  dorsum  vertreten 
ist  und  schon  im  Vulgärlatein  Angleichung  zu  ss  erfahren  hat, 
wogegen  die  andere,  die  z.  B.  in  cursus,  urstts,  excarsns,  auch 
unter  Einflufs  von  vertere  in  versare  vorliegt,  zunächst  unverändert 
bleibt.  Diese  letztere  hat  sich  dann  später  im  Spanisch-Portu- 
giesischen und  in  einem  Teile  des  provenzalischen  Sprachgebietes 


§  474. 


R- Verbindungen. 


401 


ebenfalls  zu  ss  assimiliert.  Sonst  bleiben  die  r-Verbindungen 
unversehrt,  aufser  im  Sardischen,  wo  l,  im  Andalusischen,  wo 
i  statt  r  eintritt,  endlich  im  Ostfranzösischen,  wo  r  guttural,  dann 
U  wird  imd  nun  entweder  verstummt  oder  den  folgenden  Konso- 


nauten  palatalisiert. 

—  Man  vergleiche : 

Lat. 

URSÜ 

CURSU 

EXCARSU 

BURSA 

PERSONA 

Rum. 

wrs 

curs 



boaM 

persoanä 

Engad. 

uors 

kiiors 

sTcars 

bursa 

persuna 

Ital. 

orso 

corso 

scarso 

borsa 

persona 

Frz. 

oiirs 

cours 

echars 

bourse 

personne 

Span. 

OSO 

coso 

escaso 

bolsa 

(persona) 

Lothr. 

— 

— 

— 

boK 

pa§en. 

Lat. 

TURNAKE 

PURNU 

CORNA 

FORMICA 

CARPINU 

Rum. 

tiirna 



coarnä 

furnicä 

carpen 

Engad. 

turner 

fuorn 

Tiorna 

furmia 

— 

Ital. 

tornare 

forno 

corna 

formica 

carpine 

Frz. 

tourner 

four 

corne 

fourmi 

Charme 

Span. 

tornar 

horno 

cuerna 

hormiga 

carpe 

Lothr. 

tone 

fuone 

kuone 

fermi 

sermin. 

Lat. 

BAKBA 

HERBA 

ARBORE 

SER\aRE 

PORTA 

Rum. 

harhä 

earbä 

arbur 

§erbi 

poartä 

Engad. 

barba 

erba 

— 

survir 

porte 

Ital. 

barba 

erba 

arbore 

servire 

porta 

Frz. 

barbe 

herbe 

arbre 

servir 

porte 

Span. 

barba 

hierba 

arbol 

servir 

puerta. 

Lothr. 

berb 

yerb 

arb 

servi 

put 

Lat. 

TARDU 

MARTELLU 

PERDUTU 

PERDERE 

PORCELLU 

Rum. 

tarziu 

— 

perdut 

pierde 

purcel 

Engad. 

tard 

marte 

perdü 

perdar 

— 

Ital. 

tarde 

martello 

perduto 

2^  er  der  e 

porceUo 

Frz. 

tard 

marteau 

perdu 

perdre 

pourceau 

Span. 

tarde 

martillo 

perdudo 

perder 

poräUo 

Lothr. 

— 

muate 

pedü 

ped 

puJie. 

Lat. 

POBTICU           VIRGA 

MERCATANTE       HORDEÜ 

Rum 

— 

varga 

—           orz 

Engad.            — 

— 

mark'adaunt 

- 

Ital. 

porticc 

1          verga 

mercadante      orgio 

Msyer, 

ßrammatilc. 

26 

402  II'  Kapitel: 'Konsonantismus.  S   474,   475. 

orge 


Frz. 

porche 

verge 

marchant 

Span. 

porclie 

verga 

mercadante 

Lothr. 

puaö 

mag 

muasä   . 

uog. 

475.  In  Ostfrankreicli  gestalten  sich  die  Schicksale  des  r 
folgendermafsen.  Im  Wallonischen  ist  der  Ausfall  an  den 
Accent  gebunden :  urtey  (urticä),  purse  (porcellu),  duermi  aber  dueni. 
pierdu  nher pied,  f um  (forma),  vets  (virga),  turne  aber  tun,  sem  aber 
sef  u.  s.  w.  —  Sonst  bleibt  r  überall  vor  Labialen;  vor  d,  t 
schwindet  es  im  Metzischen  und  dem  gröfsten  Teil  Lothringens, 
sodann  in  den  Neuenbui-ger  Bergdialekten ,  in  Champlitte ,  Bur- 
gund,  im  Westen  und  Zentrum  der  Waat.  Davon  verschieden 
ist,  wenn  im  Zentralfranzösischen  und  im  Osten  in  Lyon  r  unter- 
drückt wird ,  sobald  die  folgende  Silbe  r  enthält :  nfr,  heberger, 
im  XVI.  Jahrhundert  und  noch  bis  ins  XVIII.  hinein  mecredi, 
obre,  mabre,  wo  die  Grammatiker  später  r  wieder  hergestellt 
haben;  lyon.  dimecro,  sotre  (sortir),  padre,  modre  aher  1.  Sg.  sorto, 
mordo  u.  s.  w.,  mohre,  obre.  —  Diese  Unterdrückung  kann  Avohl 
für  eine  schwache  Aussprache  des  r  vor  Konsonanten  zeugen, 
in  der  That  zählt  es  im  altfranzösischen  Reime  sehr  oft  nicht : 
larges:  sages  M,  S.  Mich.  2361,  turn:  envirun  Chardri  S.  D.  537, 
vgl.  Tobler  zu  Rieh.  1033;  noch  Alain  Chartier  reimt:  terme: 
dame.  —  In  der  Franche-Comte  und  zum  Teil  in  Lothringen 
wii'd  es  zunächst  zu  M,  jd,  das  sich  weiter  zu  1f,  d  entwickelt  in 
Pontarlier,  zu  ty,  dy  in  Langues,  Haute-Saone,  Vauvillier,  Jura, 
zu  ö,  g  in  Aube,  Baume,  Montbeliard,  Beifort.  Auch  in  Lothringen 
finden  wir  H  d ,  ty  dy,  ö  g,  vgl.  §  462.  —  Bs  wird  auf  dem- 
selben Gebiete,  wo  rt  sich  in  M  verwandelt,  über  Us  zu  s,  das 
dann  teils  bleibt,  teils  Ü  wird  vgl.  §  464 ;  rs  bleibt  in  Beifort,  wird 
sonst  s.  —  Fürs  Sardische  notiert  Spano  I,  22  aus  Osile  und 
Oscheri :  mältu  (martiu) ,  colsu  (mescliino) ;  vgl.  noch  Sassari : 
palM,  suppultaba,  valgona,  doch  ist  nicht  sicher,  ob  Z  nicht  den 
Wert  von  K  habe,  s.  §  472,  Luras:  peldida,  suppoltaat,  bil- 
gonm.  Inwieweit  die  von  Spano  im  Wörterbuch  als  logudorisch 
bezeichneten  Nebenformen  mit  Z  bestimmten  Dialekten  angehören, 
bleibt  noch  zu  untersuchen.  —  Andalusische  Beispiele  sind  poiquero, 
chaico,  laigOj  gaivoso,  seipenton,  apaitate.  —  Zu  span.  oso  u.  s.  w. 
vgl.  gask.  bessa  (versare),  küsse,  Coulognac  vessd,  liussa,  fossa  aus 
forsa  (fortia).    Span,  bolsa  scheint  französisches  Lehnwort  zu  sein. 


§   476.  Die  R-  u»'«'  L-Verbindungen.  403 

e)  Die  X- Verbindungen. 

476.  Das  Rumänische  bewahrt  l  vor  Konsonanten,  ebenso 
das  Schriftitalienische.  Alle  anderen  Sprachen  und  die  meisten 
Dialekte  aber  verändern  es  bald  in  gröfserem  bald  in  geringerem 
Umfange.  Im  Portugiesischen  hat  es,  soweit  es  bleibt,  vor  Kon- 
sonanten wie  im  Auslaut  gutturale  Geltung,  wofür  die  älteren 
Texte  häufig  U  schreiben.  Auch  fUr  ganz  Gallien,  Rätien,  einen 
grofsen  Teil  von  Italien  und  für  Spanien  ist  i  in  einer  vor- 
historischen Periode  anzusetzen,  meist  ist  es  dann  aber  weiter 
zu  u  geworden.  Beim  i  befindet  sich  die  Zungenwurzel  in  der- 
selben Lage  wie  beim  M,  jenes  unterscheidet  sich  von  diesem 
nur  diirch  den  Verschlufs,  den  die  Zungenspitze  bildet:  sowie 
nun  die  Verschlufsbildung  unterbleibt,  ist  der  Übergang  von  l 
zu  u  vollzogen.  Dieser  letzte  Schritt  ist  fast  überall  geschehen, 
aber  zu  verschiedenen  Zeiten  und  nicht  überall  vor  allen  oder 
vor  denselben  Konsonanten.  Während  z.  B.  das  Nordfranzösische 
die  Regel  streng  durchführt,  zeigen  die  Mimdarten  des  Südostens 
vor  Labialen  r  statt  -l ,  ebenso  verlangen  auch  im  Sizilianischen 
die  Labialen  und  aufserdem  die  Gutturalen  r  statt  i,  w  vor  sich, 
und  im  AVest-  und  Mittelrätischen  tritt  i  am  ehesten  vor  Den- 
talen auf,  während  in  Friaul  überall  l  bleibt.  Das  Lombardische, 
Piemontesische  und  Genuesische  gehen  mit  dem  Westrätischen, 
auch  das  Veronesische  zeigt  noch  Spuren  von  i.  Im  Katalanischen 
in  Alghero  ist  i  an  vorhergehendes  u,  o  gebunden.  —  Neben 
dem  Wandel  zu  l  ist  dei'jenige  zu  f,  i  zu  erwähnen :  er  ist  der 
toskanischen  Volkssprache  und  dem  Andalusischen  eigen.  Endlich 
l  zu.  r  findet  sich  in  vielen  Mundarten  des  mittleren  und  süd- 
lichen Italiens,  ferner  auf  den  ^-Gebieten  oft  vor  den  Konso- 
nanten ,  die  u  verschmähen :  da  nirgends  angegeben  wird ,  wie 
beschaffen  dieses  r  sei,  läfst  sich  mit  Sichei'heit  nicht  sagen,  wie 
der  Wandel  vor  sich  gegangen  sei,  doch  scheint  für  Vionnaz 
die  Reihe  Z  T'  ?  7  r,  nicht  direkt  l  Z^  r,  gesichert  durch  die 
§  356  erwähnte  Thatsache.  —  Über  die  Schicksale  des  Vokals 
vor  i  imd  die  Weiterentwicklungen  des  tt  s.  §  294  ff. 

P.  Volke  1,  Sur  le  changemenf  de  L  en  ?7,  Progr.  d. 
franz.  Gjmn.  zu  Berlin  1888. 

26* 


404 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  477. 


477.    "Wir  bekommen  also 


Lat. 

ALTÜ 

ALTKU 

ALTARE 

CALDU 

PAL  SU 

Rum. 

nalt 

alt 

altar 

cald 

fals 

Engad. 

hot 

oter 

uter 

k'od 

fos 

Ital. 

alto 

altro 

ältare 

caldo 

falso 

Siz. 

autu 

autru 

autari 

kaudu 

fausu 

Frz. 

haut 

autre 

autel 

chaud 

faux 

Prov. 

aut 

autre 

autar 

kaut 

faus 

Waatl. 

0 

gtro 

— 

tso 

fo 

Span. 

alto 

otro 

otero 

caldo 

falso. 

Lat. 

FALCE 

ALTIAT 

ALTIAKE 

FEIiTBÜ 

ASCÜLTAT 

Rum. 

falcä 

inalß 

inal{d 

— 

ascultä 

Engad. 

— 

otsa 

otser 

— 

skulta 

Ital. 

falce 

alsa 

algare 

feltro 

ascolta 

Siz. 

fauöi 

— 

— 

feutru 

askuta 

Frz. 

aucille 

hausse 

hausser 

feutre 

ecouie 

Prov. 

faus 

auso 

ausar 

feutre 

askuto 

Waatl. 

fo 

— 

— 

— 

— 

Span. 

lioz 

alsa 

dlmr 

hieltro 

ascucha. 

Lat. 

VULTUEE 

CÜLTELLU 

PULSÜ 

SOLDU 

SOLTU 

Rum. 

vultur 

— 

— 

— 

— 

Engad. 

— 

hurte 

— 

— 

— 

Ital. 

voltojo 

koltello 

polso 

soldo 

solto 

Siz. 

vuturu 

kuteddu 

pusu 

sodu 

— 

Frz. 

vautour 

couteau 

pousse 

soude 

assout 

Prov. 

vutur 

Jcutel 

pusse 

sou 

— 

Waatl. 

— 

Jcutei 

— 

— 

— 

Span. 

buitre 

cuchillo 

puja 

sueldo 

suelto. 

Lat. 

DULCE 

SUIiCU 

CALCANEÜ 

CALCAT 

ALGA 

Rum. 

dulce 

— 

cälcäiu 

calcä 



Engad. 

duö 

suot 

k'alk'oii 

— 

— 

Ital. 

dolce 

solco 

calcagno 

cälca 

alga 

Siz. 

dudi 

surJcu 

karkarla 

— 

arca 

Frz. 

dous 

— 

— 

Cache 

— 

Prov. 

dous 

sou 

— 

kauko 

auga 

Waatl. 

— 

— 

— 

— 

— 

Span. 

dulce 

surco 

cälcano 

calca 

alga. 

§  477- 

-479. 

Die  L- 

Verbindungen. 

4( 

Lat. 

ALBA 

SALVIA 

TAL  PA 

PALMA 

PULPA 

Rum. 

alh 

salbie 

— 

palmä 

pulpä 

Engad. 

aJb 

salvya 

talpa 

palma 

puolpa 

Ital. 

alba 

salhia 

talpa 

palma 

polpa 

Siz. 

arva 

sarvia 

— 

parma 

purpa 

Frz. 

aübe 

sauge 

faupe 

paume 

poupe 

Prov. 

aubo 

saugo 

taiipo 

paumo 

poupo 

Waatl. 

arho 

— 

tarpa 

parma 

porpa 

Span. 

alba 

salvia 

topo 

palma 

pulpa. 

Lat. 

COLPU 

SüLFUR 

SILVA 

ULMU 

PULVERE 

Rum. 

— 

— 

— 

Ulm 

pulhere 

Engad. 

golp 

suolper 

selva 

— 

puolvra 

Ital. 

colpo 

zolfo 

selva 

olmo 

polvere 

Siz. 

korpu 

surfu 

sarvagu 

— 

— 

Frz. 

coup 

soufre 

sauvage 

(orme) 

poitdre 

Prov. 

cop 

soupre 

seuvo 

oume 

pudro 

Waatl. 

— 

süpro 

— 

urmo 

— 

Span. 

golpe 

azufre 

selva 

olmo 

polvo. 

Statt  haineu  ist  sclion  vulglat.  haneu  eingetreten,  daher  rum. 
haie,  obw.  boH,  ital.  bagno ,  frz.  bain,  span.  bano.  Ebenso 
erscheint  neben  alnus  =  frz.  aune,  ital.  ontano  aus  alnetanu  auch 
*anius,  eng.  an,  obw.   on  und  animis,  rum.  arin. 

478.  Während  die  alten  Dialekte  Rumäniens,  soweit  bis 
jetzt  bekannt  ist,  l  bewahren,  zeigt  das  Istrische  vor  palatalen 
Lauten  f;  duUse,  kaldz,  alts,  Plur.  zu  had ,  at:  vor  Dentalen  und 
Labialen  fallt  l,  vgl.  noch  pup§,  pamf,  shutd  und  das  merkwürdige 
sumper  aus  sulfur.  Man  darf  wohl  eine  Zwischenstufe  Jcaid,  haud 
annehmen. 

479.  Im  Rä tischen  reicht  au  u.  s.  w.  bis  nach  Ober- 
Comelico ,  während  von  Erto  an  sich  die  venezianische  Behand- 
lung zeigt;  die  letztere  ist  auch  nach  Roveredo  und  in  Abtei 
sowie  ins  Bergell  eingedrungen.  Völlige  Konsonantisierung  ge- 
hört dem  Engadin  und  Tirol  an,  während  im  Obwaldischen  meist 
aul  bleibt.  Im  benachbarten  Tessin  macht  sich  l  wenig  geltend : 
nur  in  der  Val  Vigezza  und  in  der  Valle  Leventina,  nicht  aber 
sonst  am  Lago  Maggiore  findet  sich  au,  weiterhin  im  Lombar- 
dischen   und    Venezianischen    wie    es    scheint  nur  ol ,    nicht    au. 


406  n.  Kapitel:  Konsonantismus.  §   479 — 482, 

Eine  Sonderstellung  nimmt  hier  und  in  Italien  alter  ein,  s.  Kap.  IV, 
Dafs  das  aus  i  entstandene  u  zu  f  werden  kann,  ist  §  252  gesagt. 

480.  Das  Genuesische  und  Piemontesische  schliefsen  sich 
mit  ai,  au,  a  (§  252)  an  die  stidostfranzösischen  Dialekte  mehr 
an  als  ans  Lombardische,  schon  darin,  dafs  auch  sie  l  vor 
Labialen  zu  r  wandeln,  vgl.  gen.  marva,  färpa,  arhü,  xmrpu^ 
Jcurmu,  piem.  surfu,  sarvia,  arbi;  auch  benachbarte  provenzalische 
Mundarten  folgen :  menton.  purman ,  servage ,  marva,  erha  (alba), 
vurp,  dann  also  z.  B.  Brianc;. :  sarvage,  harmo,  arbo,  Jciirme,  Val 
Soana :  arba,  servago,  orm,  pormon,  ßagn. :  porpa,  arbepw,  Vionn. : 
tarpa,  barma,  mavr§  u.  s.  w.  In  den  erst  genannten  Mundarten 
wird  l  auch  vor  Gutturalen  zu  r :  gen.  surJcu,  merga,  piem.  karke, 
ment.  karkd ,  erga  (alga),  Val  Soana  karkün,  kavarkar.  Für  die 
anderen  fehlen  Beispiele,  doch  vgl.  bagn.  karkon.  Wieweit  die» 
arb  u.  s.  w.  nördlich  reicht,  mufs  noch  festgestellt  werden:  die 
lothringischen  Mundarten  kennen  es  nicht  mehr,  wohl  aber 
franchecomt. :  arba,  armau  (^=  frz.  aumaille). 

481.  In  Italien  kennt  die  Schriftsprache  einen  Fall  von 
0  aus  al  in  topo,  das  also  wohl  irgend  einem  Dialekte  entnommen 
ist.  Sonst  aber  bietet  das  Zentraltoskanische  l:  attro  aitro,  alio 
aito,  molto  und  moito,  ob  vor  allen  Konsonanten  und  nach  allen 
Vokalen ,  ist  noch  nicht  festgestellt.  Aber  schon  wenig  südlich 
tritt  l,  au  ein  in  Lucca,  aultri  band.  lucc.  149,  190  u.  s.  w. 
Dann  gehört  u  dem  ganzen  Süden  an,  aber  nur  vor  Dentalen,  Der 
sizilianischen  Regel,  wonach  l  vor  Dentalen  zu  w,  vor  Labialen 
und  Gutturalen  zu  r  wird,  folgt  auch  Lecce,  vgl.  surku,  darfinu, 
kurpa,  vorpi  neben  autu,  fausu,  fauda  u.  s.  w.  In  den  Abruzzen 
dagegen  entAvickelt  sich  zwischen  l  und  Labial  oder  Guttural  der 
Stimmton :  campob.  ma1§va,  säl§va,  kalekaH§,  bal§koune.  —  Ganz^ 
abweichend  von  diesem  Typus  zeigt  Teramo  Assimilation :  add§  = 
alto,  kall§  =  caldo,  kagge  =  calce  u.  s.  w.,  s.  §  498.  Mittel- 
italien scheint  auch  f  zu  kennen,  vgl.  moito  Cola  di  Rienzi  399^ 
aitri  399,  goipi  403. 

482.  Obwohl  die  mittelalterlichen  Texte  noch  lange  l  in 
der  Schrift  festhalten,  so  unterliegt  es  doch  keinem  Zweifel,  dafs 
im  Norden  wie  im  Süden  Frankreichs  schon  vor  Beginn 
unserer  Litteratur  der  Wandel  von  l  zu  u  vollzogen  gewesen  ist. 


S   482.  ^  "^or  Konsonanten  im  Französischen.  407 

Schon  der  Boethius  sdireibt  eu,  enz,  auQa,  datierte  Beispiele  aus 
Xordfrankreich  sind  Girau  941,  Bainaudus  950,  Girous  978 — 983 
Bibl.  6c.  chart.  XLV.  —  Es  kann  sieh  sodann  fragen,  ob  nach 
Velaren  Vokalen  l  auch  über  ^  zu  m  geworden,  oder  ob  i  einfach 
in  dein  Vokal  aufgegangen  sei,  mit  anderen  Worten,  ob  zwischen 
puice,  poice  und  puce,  pouce  Mittelformeu  püuce,  pouce  liegen. 
Für  die  zweite  Auffassung  kann  wohl  die  Behandlung  von  pouce 
in  den  Mundarten  sprechen  §  209,  dafs  im  Zentralfranzösischeu 
pouce  nicht  zu  peuce  geworden  ist  wie  -cur  zu  -eur,  erklärt  sich 
daraus,  dafs  zur  Zeit  als  öu  sich  zu  eu  wandelte,  polce  noch 
pgice  oder  pouce  lautete.  —  Wenn  ferner  in  Ostfrankreich  aV"^"" 
zu  a  wird,  so  scheint  auch  dieses  a  erst  aus  au  entstanden  zu  sein, 
s.  §  251.  —  Ob  Südfrankreich  in  der  Vokalisierung  dem  Norden 
vorangeht  oder  folgt,  dürfte  mit  Sicherheit  nicht  zu  entscheiden 
sein,  da  die  Differenz  zwischen  frz.  j>wce  iind  prov.  piuze  sich 
verschieden  deuten  läfst,  s.  §  49.  Wohl  aber  scheint,  dafs, 
während  die  neuen  Dialekte  unter  allen  Umständen  l  zvl  u 
wandeln,  im  Mittelalter  l  oder  i  vor  S  und  den  Labialen  länger 
bestanden  habe :  man  findet  in  aprov.  Texten  meist  colp ,  eis, 
cavals  u.  s.  w. ,  doch  könnte  bei  letzteren  Einflufs  der  s-losen 
Form  vorliegen,  da  z.  B.  der  Donat  nadaus  44  a  13  unter  au, 
und  vultus  als  voltz  unter  -oltz  54  a  44  und  als  voutz  unter  ouiz 
hl  b  39  anführt,  dort  aber  auch  pols  =  pullus  verzeichnet. 
Wohl  aber  bleibt  l  vor  Labialen  noch  heute  in  einzelnen  Dialekten, 
z.  B.  Tarn:  maJbo,  tälpo,  albo,  eskalfa,  salbio.  —  Bemerkenswert 
ist,  dafs  der  heutige  Pariser  Dialekt  und  wohl  auch  andere  Volks- 
mundarten das  l  von  Fremdwörtern  zu  r  wandeln :  archimic, 
arcol,  arcove^  arfahct,  armond,  artcre,  es  besteht  also  die  Abneigung 
gegen  ü*«^""''  fort.  Dagegen  ist  orme  besser  als  südostfranzcisisches 
Lehnwort  (§  480)  zu  fassen.  Unklar  ist  afr.  avuiltre  (aduUor), 
fuildre  (fulgure)  IV  livres  und  das  häufige  cuivert  aus  collibertu, 
wo  l  scheinbar  zu  f,  i  wird.  —  Das  Katalanische  scheint  noch 
heute  bei  l  zu  verharren :  so  erklärt  sich  am  ehesten ,  dafs  in 
den  Texten  nur  ganz  vereinzelt  u  begegnet  als  ein  Versuch  ein- 
zelner Schreiber  i  anders  als  l  wiederzugeben.  Auch  das  nicht 
selten  an  Stelle  von  u  tretende  l  (§  538)  ist  wohl  als  i  zu 
fassen.  In  Alghero  bleibt  l  (i?)  vor  Dentalen:  alfafy  alt,  ascolt, 
pols,    wird  sonst    nach    a   zu   r:    kartsa,    karJcan^it,    sarvia,    auch 


408  n.  Kapitel:  Konsonantismus.  §   482 — 484. 

curpa,  fällt  nacli  o,  u:  cop,  sofra,  dos,  dosa,  Icusa.,  nachdem  es 
wohl  die  Reihe  i ,  u  durchlaufen  hat;  aufföllig  sind  j)aMJ 
(pälmus),  sam. 

Die  Beobachtung  Foersters,  Cliges  LXIX,  dafs  im 
Altfranzösischen  u  nach  a  früher  eingetreten  sei  als  nach 
den  anderen  Vokalen,  ist  nicht  zutreffend.  Die  ältesten 
Beispiele  für  a  aus  l  stellt  G.  Paris  zusammen .  Rom. 
XVII,   428,  Anm.   1. 

483.  Am  unklarsten  ist  das  Verhältnis  von  l  zu  i,  u  auf 
der  iberischen  Halbinsel.  Im  heutigen  Portugiesischen  ist 
l  vor  Konsonanten  und  am  Wortende  stets  i  oder  fast  w,  schon 
im  XrV.  Jahrhundert  wird  oft  II  geschrieben,  was  offenbar  i  dar- 
stellt, in  einer  kleinen  Zahl  von  Fällen  jedoch  ist  in  einer  früheren 
Periode  u  eingetreten,  und  zwar  meist  in  beiden  Sprachen. 
Stets,  so  scheint  es,  vor  2>  •'  aufser  to2}o  toujw  vgl.  escoplo  escopro, 
popar  poupar;  sonst  steht  neben  portg.  cume^  span.  cumbre  ohne 
l  portg.  polme  mit  l;  neben  otro  outro,  soto  souto,  otero  outeiro, 
retozar  retougar  steht  alto,  salto,  salteiro,  neben  cos  couce,  hos 
fouge  doch  auch  calsar  calgar;  boveda  äbovada  neben  volver;  soso 
ensosso ,  pujar  puxar  {^pulsiare) ,  asufre  enxofre ,  portg.  doce  aber 
span.  dulce.  Regel  ist  tut  zu  ult,  uit,  das  dann  weiter  entwickelt 
wird  wie  it  aus  et  §  462,  escuchar  ascuitar,  cucJiillo,  mucho  rnuito, 
puches,  äbuitre  äbutre  u.  s.  w.  Auffällig  ist  auch  span.  surco, 
portg.  surcar  mit  einem  sonst  im  Andalusischen  gewöhnlichen 
Wandel  von  Z  zu  r,  dem  sich  in  sekundärer  Verbindung  span. 
urce  (idice),  p)ardo,  sarga  zugesellen.  —  Im  Portugiesischen  wird 
Im  zu  lern,  lam:  sälema,  älamo,  calamo. — Andalusische  Beispiele 
für  r  sind:  artura,  gorpe,  mardito.  —  Endlich  sind  noch  die 
merkwürdigen  Formen  aus  Interamna  zu  nennen :  kaurdo, 
aurdeia  (aldea) ,  sourdado ,  feurga ,  siurha,  wo  wohl  i  zu  ui,  ur 
mit  uvularem  r  geworden  ist. 

Über  i  in  der  heutigen  portugiesischen  Ausspi-ache 
s.  GoncjalvesVianna,  Rom.  XII,  34  ff.,  Beispiele  für 
die  Orthographie  II  in  alten  Texten,  Rev.  Lus.  I,  64. 

f)    Die  Nasal- Verbindungen. 

484.  Meist  bleibt  der  Nasal  als  erster  Konsonant  einer 
Gruppe  bewahrt.  Dafs  ns  schon  im  Vulgärlatein  zu  s  geworden 
ist,  ist  schon  §  403  bemerkt.    Auch  für  nf,  das  nur  in  Zusammen- 


§  484,  485. 


Die  N- Verbindungen. 


409 


Setzungen  vorkommt,  scheint  der  Verlust  des  Nasals  im  Latei- 
nischen das  Regulfire  gewesen  zu  sein ,  die  zahlreichen  Bildungen 
mit  iw***",  iff  hinderten  ihn  aber  vielfach.  So  treffen  wir  lat. 
infans,  ifans,  ital.  fante,  obw.  uffont,  prov.  effan,  aspan.  ifante 
neben  afr.  enfes,  enfant,  nspan.  infante;  mfernum  erscheint  obw. 
als  uffiern,  prov.  eff'ern ;  inflare  als  obw.  ufflar,  prov.  efflar,  wie  es 
denn  überhaupt  scheint,  dafs  in  diesen  zwei  Sprachen  nf  stets 
zu  f  reduziert  werde,  vgl.  noch  obw.  kuflar,  kuffortar,  bufad  (bene- 
f actus) ,  prov.  cofessar ,  cofondre.  Wie  nf,  so  wird  hier  auch  nv 
behandelt:  obw.  uviern  neben  unviern  (vgl.  §  588),  prov.  covenir, 
covent,  covit,  eveja,  evers,  eviro  u.  s.  w.  Sonst  bleibt  n  meist  vor 
v,  f,  nur  in  Süditalien,  Sizilien,  und  andererseits  vor  v  in  Spanien 
wird  es  zu  m ,  vgl.  Casteltermini :  mbiernu ,  mbanu ,  mbilari, 
kombusu ;  siz. :  mmersu  (inverso) ,  mmilinari ,  mmintari ,  mmiria 
u.  s.  w. ,  kal. :  mpiernu,  mprunte  (infronte),  mpacce  (infacce), 
mpilare  (inßare),  kumpiettu ;  mbece,  mbojjare,  Lecce :  kummentu, 
mmizzu  u.  s.  w.,  Campobasso :  mmireja  u.  s.  w.  Span. :  combidar, 
embidos. 


485.  Sonst  bleibt  m,  n  überall  bewahrt,  abgesehen  von  den 
Gegenden,  wo  es  mit  dem  vorhergehenden  Vokal  verschmilzt, 
s.  §  389  ff. 


Lat. 

PLANTA 

LAMPA 

BRANCA 

PLANGO 

PLANGIT 

Rum. 

pläntä 

lampä 

bräncä 

pläng 

plänge 

Engad. 

plaunta 

lampa 

braunk'a 

2)laungo 

plaunga 

Ital. 

pianta 

lampa 

branca 

piango 

Xnangi 

Span. 

Hanta 

lampa 

branca 

pjlano 

plane. 

Lat. 

CENTU 

TEMPUS            LINGUA 

CINQUE 

FRONTE 

Rum. 

— 

timp 

limbä 

cind 

frunte 

Engad. 

daint 

temp 

leunga 

änk' 

frunt 

Ital. 

cento 

tempo 

lingua 

dnque 

fronte 

Span. 

dento 

tiempo 

lengua 

dnco 

frente. 

Lat. 

FÜNDU               LÜMBU 

Rum 

i. 

fund                 - 

- 

Engad. 

fuond               - 

- 

Ital. 

fondo           lombo 

Spat 

i. 

hondo           lomo. 

410 


II.  Kapitel:  Konsonantismvis. 


§  485—487. 


Über  span.  plane  s.  §  512,  Portg.  comegar  zeigt  nicht  Aus- 
fall von  n,  sondern  ist  durch  Vermischung  von  comengar  und 
cmpegar  entstanden.  Nicht  recht  klar  ist  r  für  n  in  span.  cor- 
covar,  corcusir,  curtir  aus  *contrir€,  furcion,  marganesa. 

486.  Die  Verbindung  mn  wird  meist  assimiliert  und  zwar 
zu  nn  im  Rätischen,  Italienischen,  Provenzalischen  und  auf  der 
iberischen  Halbinsel,  zu  mm  im  Französischen.  Das  Rumänische 
weicht  ab :  omn  bewahrt  es,  amn  wandelt  es  zu  aun. 


Lat. 

DAMNU 

SCAMNU 

SOMNÜ 

DOMNA 

Rum, 

dann 

scann 

somn 

äoamnä 

Engad. 

datin 

— 

soen 

dunna 

Ital. 

danno 

scanno 

sonno 

donna 

Frz. 

dame 

ecliame 

someil 

dame 

Span. 

dano 

cscano 

sueno 

duena. 

Die     rumänische 

Entwicklung 

von    amn 

gehört    nt 

Walachei  an,  vgl.  sJcamnu  im  Mazedonischen.  Frz.  autonne, 
colonne  sind  gelehrte  Wörter,  die  reguläre  Entwicklung  zeigt 
noch  lame,  das  mit  span.  lana  auf  *lamna,  nicht  lamina  zurück- 
geht, ital.  lama  ist  Lehnwort  aus  dem  Französischen.  Im  Osten 
findet  sich  die  provenzalische  Behandlung :  sonne  in  Plancher-les- 
Mines ,  vgl.  §  526.  Im  Spanischen  wird  das  sekundäre  nn  be- 
handelt wie  das  primäre  §  543.  Im  Portugiesischen  wird  zum 
Teil  die  etymologische  Schreibweise  festgehalten :  damno  und  dano, 
somno  und  somo.  Ganz  vereinzelt  steht  gask.  daune  aus  doune 
(§  200)  =  domna.  Endlich  ist  noch  die  Dissimilation  von  nm 
zu  rm  zu  erwähnen ,  wie  sie  in  andal.  cormigo  =  conmigo  und 
ermienda  vorliegt. 


g)  Die  Konsonanten  vor  l  und  r. 

487.  Im  Klassisch  -  Lateinischen  ist  l  nach  Konsonanten 
selten:  templum,  rexMim,  meist  hat  sich  vor  dem  l  ein  Vokal 
entwickelt :  facula,  vetulus.  Im  Volkslatein  aber  ist  dieser  Vokal 
unterdrückt  oder  überhaupt  nicht  zur  Geltung  gekommen :  facla, 
vecla  aus  vetla,  s.  §  29.  Die  Schicksale  der  so  entstandenen 
vulgärlateinischen  Lautverbindungen  gehen  nur  zum  Teil  parallel 
mit  denjenigen    von   anlautend  pl,    dl  u.  s.  "w.  §  421  ff.     Völlige 


§  487,  488. 


Konsonant  -f"  L  ™  Inlaut. 


411 


Übereinstimmung  zeigt  das  Rumänische,  das  auch  im  Inlaut 
l  über  l  zu  i  werden  läfst.  Das  Italienisclie  weicht  ab  bei  -cli 
und  bei  cl- .  Jenes  wird  zu  Mi ,  da  nun  aber  das  i  nicht  eine 
Stütze  findet  an  einem  folgenden  Vokale ,  so  vermag  es  nicht, 
das  l  zu  unterdrücken,  f  bleibt  und  gleicht  sich  seinerseits  das  h 
an :  -cli  wird  -fi.  Das  Resultat  von  cl-  ist  dasselbe ,  der  Ent- 
wicklungsgang aber  ein  etwas  verschiedener.  Vortonige  Verschlufs- 
laute  Averden  mit  weniger  Energie  artikuliert  als  nachtonige, 
daher  tonlose  tönend  werden ,  tönende  fallen ,  s.  §  443  ft".  Ent- 
sprechend wird  auch  cl-  zu  gl  mit  schwach  artikuliertem  g,  das 
sich  dem  7  angleicht.  —  Für  das  ganze  übrige  romanische  Gebiet 
gilt  als  Regel :  cl  wird,  wo  ihm  nicht  ein  Konsonant  vorausgeht, 
zu  ?  und  weiter  behandelt  wie  primäres  f  §  516.  Es  sind  dies 
fast  genau  dieselben  Gebiete,  in  denen  et  zu  f  wird,  nur  Greden, 
Abtei  und  Enneberg  Aveichen  ab,  indem  sie  cl,  gl  in  tl,  dl  Avandeln, 
ferner  zeigen  Venedig,  Engadin  und  die  Emilia  f  bezw.  dessen 
Vertreter  ftlr  cl,  dagegen  t  für  ct.  Halten  wir  aber,  trotz  dieser 
geringen  Verschiedenheiten,  an  der  Übereinstimmung  fest,  so 
ergeben  sich  als  Zwischenstufen :  cl,  Kl,  il,  l.  —  Geht  dem 
Guttural  ein  Konsonant  voraus,  so  bleibt  er  fest ;  da,  wo  anlautend 
Hl  zu  M  wird,  tritt  auch  inlautend  l  ein,  woraus  dann  im  Span., 
Portg.  eh.  —  Zu  Kons.  -|-  cl  gesellt  sich  auch  ss'l,  das  schon 
Vulgärlateinisch  zu  stl,  sei  geworden  war.  —  Die  Labialen  in  Ver- 
bindung mit  l  werden  im  Italienischen  behandelt  wie  im  Anlaut, 
nicht  aber  im  Neapolitanischen,  wo  jpZ,  hl  zu  l  wird.  In  Frank- 
reich wird  pl  zu  hl\  Hl  bleibt,-  soweit  es  nicht  schon  Vulgär- 
lateinisch zu  ul  geworden  ist  (§  27),  ebenso  fl.  Auf  der 
iberischen  Halbinsel  werden  fl  und  hl  zu  l;  pl  wird  nach  Konso- 
nanten zu  ch,  zwischen  Vokalen  zu  hl. 


488. 

Lat. 

mac'la 

-ac'lu 

vec'lo 

sic'la 

oc'lu 

Rum. 

— 

— 

vechiu 

— 

ochiu 

Engad. 

— 

-al 

vel 

— 

eel 

Ital. 

macchia 

-acchio 

vecchio 

secchia 

occhio 

Mail. 

magga 

-add 

veöö 

segga 

oeöö 

Frz. 

maille 

-ail 

vidi 

seille 

oeil 

Span. 

maja 

-ajo 

viejo 

seja 

ojo. 

412 

II.  Kapitel:  Konsonantismus. 

§  488,  489. 

Lat. 

aukic'la 

GENUG 'liU 

coag'lare 

teg'la 

MIS'CLAT 

Rum. 

urecliie 

genunchiu 

(inchiegd) 

— 

— 

Engad. 

urala 

ganuol 

quäl 

— 



Ital. 

orecchia 

ginoecMo 

coagliare 

tegghia 

mischia 

Mail. 

oregga 

genoeöÖ 

— 

— 

mesöa 

Frz. 

oreille 

genou 

cailler 

— 

mele 

Span. 

oreja 

Jienajo 

cajar 

teja 

— 

Lat. 

ass'la 

masc'lu 

cing'lu 

cap'lu 

DÜPLU 

Rum. 

aschie 

(mascur) 

(chingä) 

— 

duplu 

Engad. 

— 

mask'el 

— 

— 

duhel 

Ital. 

aschia 

maschio 

cingliia 

cappio 

doppio 

Mail. 

— 

masö 

— 

kahbi 

dohbia 

Frz. 

— 

male 

sangle 

chaple 

double 

Span. 

— 

macho 

cena 

cacho 

doble. 

Lat. 

TRIBLÜ 

UNGLA 

SÜFFLAT 

Rum. 

(trier) 

unghie 

suflä 

Engad. 

— 

ongel 

suffla 

Ital. 

trehhia 

onghia 

soffia 

Mail. 

— 

onga 

sufia 

Frz. 

— 

ongle 

süffle 

Span. 

trillar 

una 

solla. 

An  Stelle  von  manuplus  ist  ^manuclus  getreten:  rum. 
märunchiu,  span.  manojo,  wohl  auch  ital.  manocchio,  sildostfr. 
manulu.  Über  rum.  inchiegd  und  verwandte  Formen  s.  §  577. 
Nicht  völlig  klar  ist  die  Behandlung  von  d?,  da  entscheidende 
Beispiele  fehlen.  Nach  Analogie  von  t'l  erwartet  man  d7,  gl^ 
und  dies  scheint  in  der  That  vorzuliegen  in  frz.  oseille  =  acedula, 
doch  ist  der  Anlaut  des  Wortes  so  auffällig  (man  ei-wartet  aiseille 
§  445),  dafs  die  Etymologie  zweifelhaft  bleibt.  Obw.  seula  geht 
wohl  auf  acefdjula  zurück.  Das  zweite  Wort,  das  hierher  gehört, 
querquedula,  zeigt  fast  überall  ofiene  Formen,  frz.  sarcelle  hat  dl 
assimiliert ,  wenn  nicht  etwa  Suffixvertauschung :  eile  statt  eille 
vorliegt.  Eine  besondere  Behandlung  erleidet  bl,  wenn  sein  b 
dem  Suffix  sub  angehört :  dann  tritt  Assimilation  zu  II,  l  ein,  vgl. 
ital.  sollievo,  span.  solevar.  Im  Französischen  hat  Neubildung 
stattgefunden :  soulever  =  afr.  souzlever. 

489.  Das  Mazedonische  und  Istrische  zeigen  selbst- 
redend noch  oder  wieder  l:   maz.  ureMe ,  wnglu,  istr.  oMuj  vegla. 


g   489 — 491,  Konsonant  +  L  im  Inlaut.  413 

Beachtenswert  ist  die  Palatalisierung  des  s  vor  Äi,  die  übrigens 
ganz  der  Regel  entspricht,  vgl.  §  419.  Aufser  aschie  vgl.  noch 
muschiu,  und  im  Anlaut  schiopit.  Das  Verhältnis  von  trier 
zu  tribulum  ist  nicht  recht  klar,  immerhin  scheint  sicher,  dafs  b 
zunächst  gefallen  ist  wie  zwischen  Vokalen,  und  da  *tri(b)ur 
wohl  geblieben  wäre,  so  wird  von  triblum  auszugehen  sein. 
Staul  kann  wegen  l  nicht  direkt  auf  siabulum  beruhen,  sondern 
ist  das  ngriech.  oravXog. 

490.  Mittelrätische  Formen  mit  rt,  dl  sind  weJZ,  oredla, 
vedl  \i.  s.  w.  Im  Friaulischen  ist  ein  Unterschied  zu  beobachten 
zwischen  cl  vor  oder  nach  dem  Tone :  im  ersteren  Falle  bleibt 
gl,  in  letzterem  dagegen  wird  es  l:  orele  neben  oreglöne,  soreli 
soregld,  voll  (oculns),  vogle,  call  cagld,  in  Triest  und  Muggia  findet 
sich  auch  nach  dem  Tone  auregla,  pedagli ,  vieglo  u.  a.  Es  liegt 
auf  der  Hand,  dafs  dieses  gl,  l  zunächst  zusammenzuhalten  ist 
mit  dem  dl  in  Tirol,  dem  sich  noch  reklo  in  Sulzberg,  Nonsberg, 
Buchenstein  zugesellt,  wogegen  die  anderen  Dialekte  lombardisch- 
veuezianische  Foi-men  zeigen.  Wir  sind  hier  auf  einem  Gebiete, 
wo  anlautend  cl  bleibt,  inlautend  et  nicht  zu  it,  sondern  zu  t 
wird:  die  zwei  Bedingungen,  deren  jede  die  Palatalisierung  des 
l  in  der  Verbindung  cl  hervorruft,  fehlen  beide,  so  bleibt  denn 
der  Nexus  erhalten.  Im  Osten  wird  cl  dann  zu  gl,  wie  jedes  c 
zwischen  tönenden  Elementen  §  433,  das  Beharren  auf  der  ton- 
losen Stufe  in  Sulzberg  und  Xonsberg  ist  aufPällig,  hat  aber  seine 
Parallele  an  dem  akwa  eben  dieser  Gegenden.  Dafs  dann  -gl  im 
Friaulischen  zu  l  wird,  stimmt  völlig  zu  der  Entwicklung  von  tr 
§  494.  Besondere  Behandlung  zeigt  noch  ungula  im  Faschathai 
und  Buchenstein :  ungla  wird  zu  ombla,  ombio. 

491.  Im  Italienischen  haben  wir  ursprünglich:  vecchio 
vegliardo ,  specchio  spegliare,  streggliia  strigliare,  ferner  agucchia 
aguglie,  *arteccMo  artigli,  *con€cckio  conigli  u.  s.  w.  Später  ist 
ausgeglichen  worden  und  zwar  meist  zu  Gunsten  von  cch,  doch 
vgl.  noch  vegliare,  danach  veglia,  artigli,  artiglio  u.  a.  Neben 
stihbia  =  sitb'la  steht  succhia  =  *sutla,  sucla,  vgl.  darüber  die 
Wortbildungslehre.  Im  Florentinischen  kann  schi  zu  sti  werden, 
genauer  sk'  zu  s(,  nach  dem  dentalen  Eeibelaut  stellt  sich  der 
dentale  Palatal    statt   des    velaren    ein.     Im    übrigen    zeigen    die 


414  !!•  Kapitel:  Konsonantismus.  8   491 — 493. 

Dialekte  des  Südens  durchaus  dieselbe  Entwicklung  wie  im  Anlaut. 
Nur  das  Neapolitanische  weicht  ab  mit  hl  zu  ?:  neglia,  daraus 
tar.  negghia,  suglia;  es  ist  denkbar,  dafs  scoglio  =  scopulus 
neapolitanisch  ist  und  dafs  diese  zunächst  einer  am  Meere 
wohnenden  Sprachgenossenschaft  angehörende  Form  dann  weiter- 
gewandert ist :  ital.  scoglio,  frz.  ecueil ,  span.  escollo ,  portg. 
escolho.  —  Auch  diesseits  der  Apenninen  geht  cl  u.  s.  w.  im 
Inlaut  parallel  mit  cl  u.  s.  w.  im  Anlaut-  aufser  den  schon  §  488 
angeführten  mailändischen  Formen  vgl.  noch  gen.  (£ggu,  segga, 
duggu,  piem.  tiriya,  cey,  dopi,  venez.  oreöa^  veöa,  schon  in  der 
Cron.  Imp.  otchi,  pedotchi  u.  s.  w. ,  worin  die  Übereinstimmung 
mit  dem  Toskanischen  beachtenswert  ist. 

Zum    Tosk.    vgl.    Ascoli,    Arch.    Glott.    X,    78  ff.; 
Marchesini,  Studi  di  fil.  rom.  IT,   24 — 26. 

492.  Neben  oncle,  couvercle,  sarcler,  cercle,  sanglier,  die  cl 
nach  Konsonanten  regelrecht  bewahren,  steht  im  Französischen 
jouglere,  heugier,  aveugler,  aiglant,  marreglier,  auf  die  gestützt  man 
vielleicht  annehmen  darf,  dafs  vortonig  cl  zu  gl  wird,  vgl.  noch  eglise. 
Das  scheinbar  widersprechende  cuillier  zeigt  besondere  Bedingungen, 
da  es  von  jeher  f  enthält :  cocldr  aus  cochleare.  In  misclare  meler 
aus  mesler  fällt  wie  stets  der  mittlere  von  drei  Konsonanten,  s.  §  525. 
Das  Provenzalische  und  die  südöstlichen  und  südwestlichen  Dialekte 
aber  bleiben  bei  mesclar,  mascle,  rasclar  u.  s.  w.,  vgl.  meMd,  ahle 
Forez,  melde  Doubs,  Jura,  meMu  Fourgs,  mnJcle  =  moule  Anjou; 
aus  einer  dieser  Mundarten  stammt  dann  räcler.  Nicht  recht 
klar  ist  die  Behandlung  von  pl,  hl:  neben  double,  trehle  steht 
capler,  couple,  pueple,  doch  peuhle  oft  in  den  Pariser  Urkunden 
des  XIV.  Jahrhunderts ;  ferner  neben  rähle  von  rutahulum  auch 
fondefle  von  fundihulum  und  ensouple  von  insuhulum.  Es  ist 
möglich,  dafs  capler  auf  ein  vulglat.  cappulum  zurückgeht,  vgl. 
cdppo  §  548,  peuple  ist  wohl  erst  aus  jpeM&Ze  in  Anlehnung  ans 
Lateinische  gebildet,  couple  halbgelehrt.  Im  Pikardischen  wird 
sekundäres  hl  zu  ul,  vgl.  peule  Ph.  Mousk.  3429  u.  s.  w. ,  pules 
J.  de  Thuim  159,  8  u.  s.  w.  Kirchenwort  ist  siede;  über  tuile  und 
verwandte  s.  den  Index. 

493.  Weitere  Beispiele  für  die  Behandlung  von  cl  nach 
Konsonanten    im   Spanischen    und   Portugiesischen    sind 


§    493,    494.      Konsonant  -j-  L  im   Französischen  und  Spanischen.  415 

ironchar  =  *tnma(lare,  manclia  aus  macla,  span.  hacha,  portg. 
facha  =  *fasc'la  statt  *fac'la,  portg.  funcho  =-.  foenidu .,  span. 
cerchar.  In  span.  cohija  statt  *col)echa  liegt  Suffixvertauschung 
vor.  Neben  sollar,  Jiällar  gehört  ajar  wohl  einem  Dialekte  an. 
Für  ssl  fehlen  spanische  Beispiele,  im  Portugiesischen  ist 
ilha  neben  acha  auffallig.  Auch  hier  macht  pl  Schwierigkeit: 
neben  dohle,  pueblo,  mmple  steht  ancho,  Jienchir;  da  auch  anlautend 
bl  bleibt,  so  begreifen  sich  die  zwei  ersten  Formen,  auch  die 
zwei  letzten  haben  nichts  Auffälliges,  aber  cumple  ist  schwer  zu 
erklären.  Endlich  sind  noch  span.  soplar,  portg.  soprar,  die 
doch  wohl  nicht  von  sufflare  getrennt  werden  können,  zu 
erwähnen,  und  die  wohl  mit  venez.  sopiar  auf  vulglat.  suplare  hin- 
weisen. Neben  trUlar  steht  silbar  aus  sibilare,  wohl  ein  jüngeres 
Wort.  Für  gl  ist  solloso  aus  subghiUium  ein  bemerkenswertes 
Beispiel.  —  Das  Asturische  bewahrt  die  ältere  Stufe  ö,  vgl.  bieöu, 
manoöu,  gneöu  u.  s.  w. 

494.  Die  Konsonanten  vor  B.  Lat.  tr  bleibt  unver- 
ändert im  Eumänischen  und  in  Süditalien;  im  Toskanischen  wird 
es  nach  a  zu  dr ,  bleibt  nach  ie  und  e ,  im  Span. ,  Portg. ,  Kät., 
Franz.  wird  es  behandelt  wie  zwischen  Vokalen,  im  Provenz. 
wird  es  über  dr  zu  ir,  vgl.  cozedra  Esp.  Sag.  XVIII,  17,  7  a.  969. 
Nach  dem  Tone  ist  die  Behandlung  dieselbe,  nur  das  Franz.  imd 
Friaul.  zeigen  Assimilation  zu  rr;  dr  steht  auf  einer  Stufe  mit  ir. 
Zu  dem  Provenzalischen  gesellt  sich  das  Genuesische :  agen.  paire, 
maire,  lairo,  und  das  Andalusische :  mairvja,  laird,  lairon,  maire, 
pairino ,  dagegen  bleibt  das  Katalanische  bei  dr  stehen :  lyadra, 
pedra,  vidra,  oder  assimiliert  lyarra ,  perrüj  oder  verliert 
d:  para,  mara,  araru;  carira  (cathedra)  scheint  auf  carieira  zu 
beruhen,  vgl.  noch  -ayre  =  ator,  peire,  meire,  veire,  reire, 
caire,  creire.  —  In  Suditalien,  wo  d  zu  t  wird  (§  436),  erscheint 
auch  tr  für  dr:  campob.  quatr§.  —  Cr  wird,  vom  Rum.,  Südital. 
abgesehen,  zunächst  überall  zu  gr^  dies  entwickelt  sich  weiter  im 
Franz.  je  nach  dem  Vokal,  der  ihm  vorhergeht  und  nach  dem 
Accente :  nach  o  wird  es  labialisiert :  sogvre  und  entsprechend 
cocvre  von  germ.  kokar,  sodann  entwickelt  sich  aus  dem  g  ein  i: 
'^coigvre,  nun  schwindet  g:  coivre,  soivre.  Nach  a  dagegen  bleibt 
g  in  zweisilbigen  Wörtern :  maigre  (vgl.  wegen  des  ai  §  223)  wird 


416 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  494. 


zu  i  in  mehrsilbigen :  lairme.  G  vor  r  fällt  im  Ital. ,  wird  in  i 
aufgelöst  im  Franz.,  aufser  nach  u,  wo  wieder  Labialisierung 
eintritt,  bleibt  nach  dem  Tone  im  Span,  und  Prov. ,  fällt  vor 
demselben  im  Span.,  wii-d  zu  i  im  Prov,  Die  Reflexe  von  inte- 
grum sind  zum  Teil  dadurch  verwischt,  dafs  das  Suffix  -ier  sich 
eingemischt  hat.  Pr  bleibt  im  Italienischen  nach  dem  Tone, 
wird  vor  demselben  zu  vr,  tiberall  sonst  wird  es  behandelt  wie  p 
zwischen  Vokalen ,  ebenso  h  aufser  im  Italienischen ,  wo  es  ge- 
dehnt wird. 


Lat. 

PATKE 

liATKO 

PETRA 

RETRO 

VITRO 

Rum. 

(frate) 

— 

piaträ 

— 

— 

Engad. 

peder 

leder 

peidra 

— 

vaider 

Ital. 

padre 

ladro 

pietra 

dietro 

vetro 

Frz. 

pere 

lere 

pierre 

derrüre 

verre 

Prov. 

paire 

laire 

peire 

reire 

veire 

Span. 

padre 

ladron 

piedra 

— 

vedro. 

Lat. 

NUTRIEE 

PUTKEEE 

QUADRU 

ACRU 

MACRU 

Rum. 

nutri 

putred 



acru 

macru 

Engad. 

nudrir 

—- 

queder 

— 

meger 

Ital. 

nutrire 

— 

quadro 

agro 

magro 

Frz. 

nourrir 

poiirrir 

querre 

aigre 

maigre 

Prov. 

noirir 

poirir 

quaire 

agre 

magre 

Span. 

nodrir 

podrir 

cuadro 

agro 

magro. 

Lat. 

LACRIMA 

SACKAMENTi; 

r   socRU 

LUCRARE 

NIGRU 

Rum. 

lacrimä 

• — 

socru 

hicrd 

negru 

Engad. 

larma 

— 

scer 

— 

nair 

Ital. 

lagrima 

sagramento 

(suocero) 

lograre 

nero 

Frz. 

lärme 

serment 

soivre 

— 

neire 

Prov. 

lagrema 

sagramen 

suegre 

lograr 

negre 

Span. 

lagrema 

sagramento 

suegro 

lograr 

negro. 

Lat. 

INTEGKU 

PIGRITIA 

APRIRE 

CAPRA 

SÜPRA 

Rum. 

(intreg) 

— 

— 

caprä 

asuprä 

Engad. 

inter 

— 

avrir 

Jcyevra 

sura 

Ital. 

intero 

perezga 

aprire 

capra 

sopra 

Frz. 

entier 

paresse 

ouvrir 

chevre 

(sur) 

Prov. 

(entier) 

peresa 

uhrir 

cäbra 

sohra 

Span. 

enterar 

pereza 

alrir 

cahra 

sohra. 

i5  494,  495. 

KonsoiK. 

nt  -t-  R. 

Lat. 

CAVREOLU 

SUrRANU 

APRICU 

APKILE             LABBÜ 

Rum. 

caprior 

— 

aprig  (?) 

aprier              — 

Ell  pul. 

Ic'avroel 

— 

— 

— 

— 

Ital. 

cavriiiolo 

sovrano 

— 

(aprüe)        labbro 

Frz. 

chevreiiil 

soiiverain 

dbri 

avril 

levre 

Prov. 

cäbriol 

sobran 

abri 

äbril 

lawa 

Span. 

cahriol 

söbrano 

dbrigo 

abril 

labro. 

Lat. 

PEBKE 

FABEU 

FEBBUARIU 

EBRIU 

Rum. 

— 

faur 

fäiirar 

— 

Eugad.       feivra 

— 

favrer 

aiver 

Ital. 

febhre 

fäbhro 

fehraio 

ebbro 

Frz. 

fievre 

fevre 

fevrier 

ivre 

Prov. 

fehre 

faure 

febrier 

ivri 

Span. 

fiebre 

— 

febrero 

— 

417 


Besondere  Besprechung  verdienen  die  Vertreter  des  griech. 
cathedra.  Korrekt  sind  afr.  chaiere,  woraus  nfr.  chaire  bezw. 
chaise  §  465,  prov.  cadieira,  kat.  cadira.  Aber  portg.  cadeira, 
span.  cadera  neben  dem  entlehnten  cadira  zeigen  dieselbe  unregel- 
mjifsige  Behandlung  wie  integer,  nur  erklärt  sich  bei  letzterem  e 
aus  ei  statt  iei  nach  §  156,  wogegen  cadera  eigentlich  *cadiera 
lauten  sollte :  es  ist  wohl  das  als  Suffix  ungebräuchliche  -iera 
durch  -era  ersetzt  worden.  Daneben  aber  stehen  nun  weiter 
Formen,  die  auf  cadrega,  cadriga  zu  weisen  scheinen,  und  die 
auf  eine  Vermischung  von  cathedra  mit  quadriga  schliefsen  lassen, 
vgl.  alb.  harig§,  eng.  hadräa,  Jc'adrega,  ven.  karega,  mail.  kadrega, 
bol.  kariga,  sard.  kadrea.  Aber  lim.  öadiegro  scheint  für  Über- 
gang von  tr  zu  gr  zu  sprechen. 

495.  Die  Verteilung  von  rr  und  r  im  Französischen  ist 
nicht  ganz  sicher:  neben  per  e,  wer  e,  frere,  chaire,  arrihre,  rire  u.  s.w., 
larron,  errement,  carrihre,  verrat,  quarrefour,  arroche  steht  tonerre, 
verre ,  pierre,  feurre,  erre.  Freilich  mag  manches  nur  ortho- 
graphisch sein,  schon  im  Computus  2745  reimt  piere:  arriere. 
Im  Normannischen  tritt  überhaupt  rr  ein :  jierre,  jugerre,  sälverre 
im  Oxf.  Psalter  u.  s.  w.  Alexis  schreibt  stets  r  ftlr  dr,  r,  dr  für  tr. 
Sdiwierig  sind  noch  abri  neben  av^ril,  auronne  und  aurai,  die 
beide  südfranzösische  Gestalt  zeigen.  Ein  weiteres  Beispiel  fUr 
ogr  zu  vr  ist  severonde  aus  suggrunda.     Vor  dem  Tone    wird   er, 

Meyer ,  Grammatik.  27 


418  n.  Kapitel:  Konsonantismus.  §   495 — 497. 

gr  zu  r,  vgl.  serment,  pellerin,  paresse.  —  Labialisierung  auch 
nach  hellen  Vokalen  zeigt  das  Engadinische  in  paiver  und 
andererseits  Süditalien,  niuru  in  Sizilien,  Kalabrien  und  Lecce, 
vgl.  noch  siz.  dauru  =  flagrum.  —  Endlich  ist  ebenfalls  aus 
Lecce  und  Sizilien  die  Assimilation  von  tr  zu  t'  oder  ö  zu 
erwähnten.  Für  str^  das  sonst  überall  wie  st  behandelt  wird, 
erscheint  kakuminales  s:  masu,  fmesa,  ammusa  u.  s.  w. 

h)  Äuderungeu  des  Schlufskonsonauten. 

496.  Wie  schon  gesagt  ist,  wird  der  Schlufskonsonant  einer 
Gruppe  behandelt  Avie  im  Wortanlaut,  es  bleiben  also  die  Den- 
talen und  Labialen  unverändert,  die  Gutturalen  vor  e,  i  werden 
palatalisiert.  Diese  Regel  erleidet  nun  aber  eine  Eeihe  Ausnahmen. 
Schon  aus  §  462  und  475  hat  sich  ergeben,  dafs  die  Palatali- 
sierung  eines  c  oder  r  auch  den  folgenden  Verschlufslaut  ergreifen 
kann.  Eine  viel  weitergehende  Umgestaltung  tritt  ein,  Avenn 
infolge  der  romanischen  Auslautgesetze  ein  Konsonant,  dem 
vordem  ursprünglich  ein  Vokal  folgte,  in  den  Wortauslaut  tritt, 
worüber  §  554  ff.  Aber  auch  abgesehen  davon  zeigen  namentlich 
die  Nasalen,  seltener  r,  l  einen  assimilierenden  Einflufs  auf 
folgende  Konsonanten.  Die  einschlägigen  Erscheinungen  lassen 
sich  in  vier  Klassen  teilen.  Entweder  es  tritt  völlige  Assimilation 
ein:  nd  wird  zu  nn ,  mh  zu  mm,  Id  zu  II,  rn  zu  rr.  Oder 
nur  teilweise,  indem  ein  tonloser  Verschlufslaut  nach  dem  Sonanten 
tönend,  ein  tönender  zum  Dauerlaut  Avird :  nt  zu  nd,  mp  zu  mh, 
nc  zu  ng,  It  zu  Id,  Ib,  rh  zu  Iv,  rv,  ng  zu  ny,  ri;  oder  umgekehrt 
Dissimilation :  tönende  Laute  werden  nach  r,  n  tonlos :  ng  zu  nc, 
rg  zu  rö.  Dauerlaute  werden  zu  Verschlufslauten :  mv,  nf  zu  mh, 
mp,  rv  zu  rh ;  oder  endlich  es  entwickelt  sich  ein  Vermittlungslaut : 
ns,  Is  werden  nts,  Us. 

497.  Am  verbreitetsten  ist  die  Assimilation  von  mh  zu 
mm.  Sie  erscheint  in  Sizilien  und  im  ganzen  südlichen  und 
mittlei-en  Italien  bis  an  den  Ombrone  und  Esino  und  zAvar  trifft 
sie  sowohl  primäres  wie  sekundäres  aus  nv  entstandenes  mh. 
Ein  zweites  mm-Gebiet  bildet  die  Gascogne,  Eoussillon,  Kata- 
lonien und  Spanien,  nicht  mehr  Portugal,  ein  drittes  das  östliche 
Frankreich,  A'gl.  zam  =^  jamhe  in  der  Champagne ,    Icom  =  comhe 


8   497 — 499.  Konsnnantenassiinilationen.  419 

im  Morvau.  Dagegen  reicht  nn  aus  nd  weniger  weit :  das  süd- 
lichste Apulien  und  Kalabrien  bleiben  bei  nd,  ebenso  die  Nord- 
ktiste  Siziliens,  und  Messina  schwankt  zwischen  nn  und  nd,  so 
dafs  man  wohl  ersteres  als  jüngeren  Eindringling  betrachten  kann. 
Auch  Spanien  und  Frankreich  bewahren  nd.  LI  aus  Id  gehört 
der  römischen  Dialektgruppe  bis  Norcia  an,  dann  Teramo,  dem 
nördlichen  Sardinien  und  Corsica.  Noch  enger  begrenzt  ist  rr 
aus  rn,  es  erscheint  nur  im  Sardinischen.  Vor  dem  Tone  aber 
zeigt  auch  das  Toskanische  n,  m  aus  nd,  mh,  vgl.  manicare,  ne 
aus  inde,  amendve,  die  Molise  II  aus  Id:  Jcalld  =  caldare  neben 
1caur§  =  caldo.  —  Wir  haben  demnach  siz.  gamma,  trumma, 
Tcyummu,  mmeru  =^  invero,  -annu,  funnit,  unniöi,  lecc.  nkammiii, 
Icummenhi,  aber  prindu,  -endii,  yunda  u.  s.  w. ;  bearn.  liene  (fen- 
dere),  hene,  mane  (manda) ,  kat.  Jcuroma ,  lom,  prom,  Jcumand, 
span.  lomo,  palomo,  romo,  lamcr,  amos,  hdlume  aus  halumhre, 
bogot.  tarnten,  aber  embidos,  combidar  §  499.  Dombo  Kuppel 
und  flambante  sind  Fremdwörter  mit  Lautumsetzung,  tombar, 
comba,  zambo  jüngere  Entlehnungen.  Zu  Id  vgl.  röm.  Tidllu,  sollu 
schon  bei  Cola  di  Kienzi  und  Eusio,  teram.  kaJJ§,  Jcallare.  End- 
lich zu  rn  log.  torw,  Jcorru  u.  s.  w. 

498.  Von  den  teil  weisen  Assimilationen  gehört  nd,  mb, 
ng,  ng  dem  südlichen  Italien  namentlich  der  adriatischen  Küste, 
den  Abruzzen,  der  Molise,  und  westlich  dem  neapolitanischen 
Gebiete  an.  Vgl.  z.  B.  Campobasso  :  angora,  ngundrd,  vcnge,  andilc§, 
sand§,  tand§,  liamb§.  Auch  das  Albanesische  kennt  diese  Er- 
scheinung: Tiundr^,  gindie,  Jcendoy  (cantare).  —  Lt  zu  Id  und  rt 
zu  rd  kommt  eben  da  vor,  doch  ist  die  geographische  Ausdehnung 
dieses  Phonems  noch  weniger  bekannt:  spirdii  wird  für  die  Ab- 
ruzzen und  Neapel  angegeben,  in  Teramo  ist  adde,  addare,  vodde, 
uddeme  aus  aide,  dito  u.  s.  w.  entstanden,  hier  schliefsen  sich 
auch  woch'Tcagge  aus  calce,  holbe  aus  vidpe  an.  —  Lb,  rb  zu  Iv, 
rv  zeigt  das  Obwaldische :  alv,  iarva  und  namentlich  das  Portu- 
giesische :  älvo,  alvidrar,  arvorc,  carväo,  erva^  sorver,  cstorvar.  In 
barba  liegt  Assimilation  vor,  vgl.  aber  aportg.  barvudo ,  ferner 
sobervia  u.  s.  w.  —  Endlich  ny  aus  ng  zeigt  die  iberische  Halb- 
insel": span.  quinientos,  portg.  quinhentos,  span.  i)lane  u.  s.  w. 

499.  Von  den  d  i  s  s  i  m  i  1  a  t  o  r  i  s  c  h  e  n  Erscheinungen  treffen 
wir  ng  zu  nk'  in  Sizilien  und  Südapulien;  rg  zu  rlc    im  Spanischen; 

27* 


420 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  499. 


rv  zu  rh  im  Italienischen,  Rumänischen  stets,  im  Französischen 
vor  dem  Tone;  Iv  zu  Tb  im  Rumänischen;  nv  zu  tnb  im  Italie- 
nischen, Rumänischen,  Spanischen,  Portugiesischen. 

a. 

Lat.  PINGERE  CINGEEE  ANGELU       SANGÜISUGA     INGENIU 

Siz.  pinöiri  cinöiri  ancüu       sandisuca        nöewu. 

Dazu  vergleiche  unöi  aus  Brindisi,  Avogegen  Lecce  angidda, 
frangiddu.  —  Das  span.  encia,  frz.  gencive  zeigen  wohl  Dissi- 
milation :  *gir)Jciva  statt  gingiva ,  eine  Dissimilation ,  die  sehr  alt 
sein  mufs.  Im  Spanischen  senciUo  =  singellu  liegt  Einflufs  von 
sincerus  vor,  freilich  steht  auch  uncir  neben  unir.  —  Auch  siz. 
arca  aus  alga,  röm.  verca  Cola  425  ist  hier  zu  nennen. 


Lat. 
Span. 


SPARGEEE 

esparcer 


^ERGEEE 

ercer 


^ARGINE 

arcen 


ARGILLA 

arcilla. 


Wenn  daneben  aspan.  arienzo  (argentens)  steht,  so  kann  sich 
die  Abweichung  aus  der  Qualität  des  folgenden  Vokals  oder  aus 
Dissimilationstrieb  erklären. 


Lat. 

CORVU 

CURVU 

CERVÜ 

SERVARE 

CURVARB 

VERVECE 

Rum. 

corb 

— 

cerb 

serba 



berbec 

Ital. 

corbo 

(curvo) 

cerbio 

serbare 

(curvare) 

berbice 

Frz. 

corf 

— 

cerf 

— 

courber 

brebis. 

Ferner  frz.  corbeaii,  ital.  cerbice.  Merkwürdig  bleibt  daneben 
servo,  servire  im  Italienischen,  curvo  erweist  sich  auch  durch 
sein  u  als  Bücherwort;  afr.,  prov.  cor}),  corb  ist  von  corbeau 
beeinflufst.  —  Übrigens  scheint  rb  schon  vulgärlateinisch  zu  sein 
in  verbece,  verbactu,  vgl.  §  416,  doch  mag  hier  Dissimilation  mit 
im  Spiele  sein.  —  Auffällig  ist  Schwund  des  v  in  span.  ycro, 
ital.  lero  =ervum,  span.  Gonzalo,  müano,  portg.  fulo,  p6.  —  End- 
lich nf  wird  zu  mp  im  Kalabresischen :  mpiernu  und  auch  in 
sizilianischen  Mundarten ,  nv  zu  mb  im  Spanischen :  embidos, 
combidar,  embolar  und  in  Süditalien,  wo  mb  weiter  zu  mm  wird. 
Dem  Übergang  von  rtf  zu  mp  entspricht  der  von  sf  zu  sp  im 
Tarentinischen :  posperu  aus  fosfoni,  Lecce :  sprikulu  zu  fricare  u.  a. 


S   500    501.  Konsonantendissimilationen.  421 

500.  Endlich  nts ,  Its .  rts  ist  sUditalieniscli ,  aber  auch  der 
Toskana  nicht  unbekannt,  vgl.  siz.  senJzu,  pendza,  bortsa,  terani, 
sents§,  pents§,  fadze  aus  falso^  vulgtosk.  pcntsare.  Schon  im  Mittel- 
alter schreiben  die  aquilinischen  Chroniken  penzare  Bo.  Rain.  71, 
Firema:  defenza:  penza:  perdenza  IQ^Z,  falzo  Land.  Aquil.  7,  59; 
volziste  11,  3,  inzegna  9,  27. 

i)   Die  U-  lind  I'^Verbiiuliiiigeii. 

501.  In  erster  Linie  sind  die  Schicksale  von  inlautend  gv,  qu  in 
Betracht  zu  ziehen.  Aufserdem  haben  wir  noch  eine  Anzahl  von 
Fällen,  wo  u  aus  lateinischem  Silbe  bildendem  u  entstanden  ist, 
wozu  namentlich  die  M-Perfecta  gehören.  Die  Geschichte  dieser 
letzteren  Verbindungen  wird  dadurch  einigermafsen  verdunkelt,  dafs 
die  meisten  Belege  dem  Verbalsystem  angehören,  daher  selten  mit 
Sicherheit  zu  entscheiden  ist,  was  lautlich  regelmäfsig  entwickelt,  Avas 
durch  Analogie  entstanden  ist.  —  Vorweg  zu  nehmen  sind  aqin- 
fol'mm  und  querquedula,  an  deren  Stelle  vulgärlateinische  Formen 
adfolium  (Anlehnung  an  acvs,  acer),  quercedula  (Dissimilation)  zu 
setzen  sind,  vgl.  span.  acebo,  portg.  azevinho;  frz.  sarcelle,  span. 
cerceta.  Auch  coquere  ist,  vielleicht  von  cocvs,  coco  aus,  zu  cocere 
geworden,  vgl.  §  531,  und  torqueo,  torqueam  wird  zu  torceo, 
torceam  wie  laqueus  zu  laceus  §  513,  danach  dann  torces,  torcere. 
Nur  falsche  Schreibweise  ist  antiquus,  man  sprach  antiaus,  aber 
antiqua,  antiqui.  Das  Verhalten  der  verschiedenen  Konsonanten 
dem  u  gegenüber  ist  ein  sehr  mannigfaltiges.  Schon  im  Vulgär- 
latein wurde  nachtonig  fv  zu  <^:  hatto,  quattor,  futtit,  aher  fututus, 
*bataculum.  Im  Rumänischen  und  Sardischen  labialisiert  u  vor  « 
vorhergehende  Gutturale,  vor  e  aber  ist  u  im  Rumänischen  und 
Friaulischen  so  früh  geschwunden,  dafs  der  Guttural  noch  pala- 
talisiert  werden  konnte.  Im  Italienischen  tritt  nach  dem  Accente 
Dehnung  des  dem  u  vorhergehenden  Konsonanten  ein,  vor  dem- 
selben dagegen  ist  die  Behandlung  diejenige  inten'okalischer 
Konsonanten.  Letzteres  gilt  im  allgemeinen  für  die  übrigen 
Sprachen  auch  nach  dem  Tone.  Im  einzelnen  ist  Manches  zu 
bemerken. 

Lat.  AQUA  EQUA  ANTIQUA  SEQÜAT  *AQUILA 

Rum.  apa  iaptä  —  —  acerä 

Engad.       ouua  —  —  dzieva  eula 


422 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  501—503. 


Ital. 

acqua 

— 

— 

— 

aquila 

Frz. 

ewe 

ietve 

antiwe 

sieice 

aigle 

Span. 

agua 

yegua 

antiga 

siega 

aguila. 

Lat. 

SANGUE 

LINGUA 

INGUINE 

AEQUALE 

DISIilQUARE 

Rum. 

sänge 

limhä 

— 

— 

— 

Engad. 

seung 

leung'a 

— 

inguel 

älguer 

Ital. 

sangue 

lingua 

inguine 

uguale 

dileguare 

Frz. 

sang 

langue 

aine 

iivel 

— 

Span. 

sangre 

lengua 

engle 

— 

— 

502.  Übei-  die  Schicksale  der  Vokale  im  Französischen 
s.  §  249,  Über  iv  und  v  §  442.  Aqua  wird  im  portg.,  gal.  zu  augua, 
ebenso  mii-.  iuga  =  equa.  Auch  für  Oberitalien,  Rätien,  Süd- 
frankreich ist  augiia  vorauszusetzen,  s.  §  275.  Auffällig  ist  fourg. 
autvo  neben  ego  =  eqiia.  Dem  kat.  aigua  entspricht  alg.  algiva, 
das  also  die  ältere  Stufe  darstellt,  vgl.  auch  kat.  eixaugar.  Die 
Vertreter  von  aquila  sind  nicht  ganz  klar:  ital.  aquila  scheint 
gelehrt  zu  sein;  im  sj^an.  aguila,  portg.  aguia  ist  das  i  auffällig, 
kat.  aguila,  aliga  ist  Lehnwort  aus  dem  Spanischen.  Auch  frz. 
aigle  ist  wohl  nicht  ganz  volkstümlich,  zu  i  aus  g  vgl.  *coigvre 
§  494.  Im  Engadinischen  weichen  aquila  und  aqua  ebenfalls 
ab :  jenes  wird  über  auuila  nicht  zu  ouvla,  sondern  entweder  zu 
aula,  ala,  so  im  Unterengadinischen ,  oder  zu  aiula ,  eula,  eaula 
in  Oberengadin.  Einen  ähnlichen  Unterschied  zeigt  Val  Soana 
mit  '^augua,  aigua,  aivia,  aivi  und  auguila,  aula,  oli.  Endlich 
ist  noch  siz.  acula  zu  erAvähnen.  —  Sardische  Beispiele  für  1) 
sind  ehha,  ahha,  samhene,  limba.  Die  Vertreter  von  anguilla, 
s.  §  31,  S.  58.  Über  ital.  avale  =  aequale,  s.  §  634.  Während 
im  Französischen  das  labiale  Element,  wo  g  beharrt,  verschwindet, 
zeigt  das  Wallonische  Verlust  des  g,  vgl.  ewes  (inguincs). 

Zu    aquila    im  Rätischen    vgl.    A  s  c  o  1  i ,    Arch.  Glott. 
I,  210. 

503.  Assimilation  des  u  an  den  vorhergehenden  Konsonanten 
begegnet  schon  vulgärlateinisch  bei  tu,  daher  futtere,  hattere  und 
danach  hattälia  §  541.  Aber  futütus  ergiebt  span.  hodudo,  portg. 
fodudo,  daher  span.  hoder,  portg.  foder.  Dafs  auch  hatudclum  zu 
hataclum  wurde,  zeigt  span.  hadajo,  portg.  hadaTho.  Auf  nu  zu 
nn  weist  ital.  manna,  span.  mana,  vielleicht  auch  ital.  menno  = 


§    503,    504.  Die  U-Vcrl.ii..linigcn.  423 

mimms.  Vor  dem  Tone  wird  inj  vor  dunkeln  Vokalen  im  Span, 
zn  ngii :  minguar,  mangual,  vor  hellen  zu  n :  enero,  portg.  Janeiro, 
portg.  janella,  manciro.  Zweifelhaft  ist  Assimilation  von  tu  zu 
p:  ital.  pipita,  frz.  pepie,  span.  pepita,  portg.  pevide,  da  hier  das 
anlautende  j>  mit  im  Spiele  sein  kann,  ital.  viluppare,  frz.  enve- 
lopper  =  volntuare.  In  allen  anderen  Fällen  sind  die  dem  u 
vorangehenden  Konsonanten  bewahrt,  das  u  zu  v,  w  oder  ov  ge- 
worden :  vidua  ital.  vedova ,  eng.  vaidgna,  afr.  vedre,  prov.  sogar 
vezoa,  portg.  viitva  aus  vidua,  viua,  nur  im  Spanischen  mit 
Attraktion:  viuda.  Ferner  ital.  Mantova,  Genova,  continovo, 
manovale,  statova,  das  v  wird  über  ti  zu  l  im  Xeapol. :  statola, 
kontinolo  u.  s.  w.,  afr.  *Genves,  woraus  Genes,  ienve,  anvel.  Im 
Osten  wird  tenve  zu  teneve,  tenave  §  387.  Auf  weiterem  Ge- 
biete zeigt  diese  Behandlung  nodua,  ital.  nottola,  prov.  nodulo.  — 
Nach  mehrfachen  Konsonanten  ist  ti  schon  im  Vulgärlatein  ge- 
schwunden:  *fehrarn(S,  ital.  fehrajo ,  frz.  fevrier,  span.  febrero, 
*a€stariu:  frz.  e'ticr,  sjian.  estero,  portg.  esteiro,  vollends  vor  u: 
mortus  statt  mortuus :  ital.  morto,  frz.  mort,  span.  mtterto;  cardus: 
ital.,  span.  cardo.  —  Die  wenigen  Verba  auf  -ingnere  sind  natür- 
lich zu  denen  auf  -ingere  getreten.  Das  Schwanken  zwischen 
fringuilla  und  fringilla  zeigen  auch  die  romanischen  Reflexe :  ital. 
fihtngiicUo,  eniil.  frangel,  aber  neap.  frongUJf,  gred.  frcmMa. 

504.  Die  Geschichte  der  2/- Verbindungen  bildet  eines  der 
allerschwierigsten  Kapitel  der  romanischen  Lautlehre.  Durch  die 
enge  Verschmelzung  des  y  mit  dem  vorhergehenden  Laute  ist  im 
Vulgärlateinischen  und  Eomanischen  eine  Klasse  von  Konsonanten 
entstanden,  die  dem  Klassisch-Lateinischen  völlig  abgeht:  die 
yotazierten  Laute,  d.  h.  Verschlufs-  oder  Dauerlaute  mit  einem 
zAvischen  dem  Gaumen  und  dem  Zungenrücken  gebildeten  frika- 
tiven  Ansätze.  Diese  so  entstandenen  kombinierten  Konsonanten 
bleiben  aber  selten  bestehen,  vielmehr  gewinnt  der  eine  der 
beiden  Komponenten  die  Oberhand  über  den  anderen,  nicht  ohne 
selbst  in  seiner  Artikulation  wieder  umgebildet  zu  werden : 
welcher  der  beiden  der  stärkere  ist,  hängt,  soweit  sich  bis  jetzt 
sehen  läfst,  ab  von  der  Artikulationsstelle  des  ersten,  von  der 
Stellung  des  Tones  und  von  dem  der  Verbindung  folgenden. 
Vokale. 


424  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  §   505     506. 

505.  Am  festesten  bleiben  die  Labialen;  bei  der  grofsen 
räumliclien  Entfernung  zwischen  labialer  und  palataler  Artikulation 
ist  eine  Verschmelzung  schwierig.  Erst  in  den  Einzelspracheu 
hat  zum  Teil  Angleichung  der  zwei  Elemente  stattgefunden,  im 
Vulgärlateinischen  ist  i  noch  nicht  zu  y  geworden.  My  wird 
nur  im  Südital.  zu  n,  im  Span.,  Prov.  bleibt  i  vokalisch,  ebenso 
im  Italienischen,  wo  es  zugleich  das  m  dehnt;  im  Französischen 
verdichtet  sich  nach  Wirken  des  vokalischen  Auslautgesetzes  y 
zu  z\  im  Rum.,  Portg.  tritt  i  in  die  Stammsilbe. 


Lat. 

SIMIA 

VENDEMIA 

DEPAMIU 

Rum. 





defaimä 

Rät. 

simga 

vendemga 

— 

Siz. 

sina 

vinnifia 

— 

Ital. 

scimmia 

vendemmia 

— 

Prov. 

simia 

— 

— 

Frz. 

singe 

vendangc 

— 

Span. 

jimia 

vendimia 

— 

Portg. 

— 

v'mdlma 

esfaimar 

Vgl.  noch  scignie  Cola  di  Rienzi  403,  vennegnie  469,  scagmato 
501.  —  Vereinzelte  weitere  Beispiele  sind  das  aus  dem  Neap.  in 
die  Schriftsprache  gedrungene  gregna  (gremia),  span,  gomia,  ital. 
iestemmia,  prov.  simi,  frz.  singe.  Aus  ital.  grembinle,  comhiato 
neben  commiato  scheint  eine  andere  Behandlung  von  vortonig  my 
hervorzugehen,  grembo  wäre  nach  gremhiule  gebildet.  Span., 
portg.  lastima,  lastimar  gehen  wohl  von  *hlastimare  aus.  —  Die 
Resultate  im  Rätischen  sind  nicht  recht  klar,  die  schriftliche 
Darstellung  schwankt  zwischen  i  und  gi :  obw.  cnrnngian,  schimgnia 
d.  i.  simna,  neben  scliimia,  vcndemia,  ebenso  memgia  aus  "^mimia, 
das  moderne  mena  kann  umgestellt  sein  aus  nemia,  beweist  also 
nichts.  Die  Stufe  mn  kennt  auch  das  Mazedonische.  —  Die 
östlichen  und  südöstlichen  Mundarten  Frankreichs  schliefsen  sich 
dem  Provenzalischen  an :  Jujurieux  videmye ,  selbst  noch  in 
Räville  (Lothringen)  vMemdi  (vindemiare) ,  Metz  vedomye.  — 
Sekundäres  mi  wird  zu  mn  in  parm.  rumnar  =  rumifgjare, 
daraus  n  in  ital.  gnafe  =  miafe. 

506.  Py  wird  im  Toskanischen  zu  ppy,  im  Span.,  Portg. 
findet  Attraktion  statt ,  in  den  anderen  Gegenden  wird  y  zu  d, 
pd    bleibt    dann    im    Aprov. ,    zum  Teil    im  Rät.,    wird    im  Siz., 


506,  507. 


Labiale  -\-  Y. 


425 


Neap.,  Afr.  zu  d,  Nfr.  S.  Im  Toskanisclieu  zeigt  sich  vor  dem  Tone 
ebenfalls  die  Entwicklung  zu  d,  Ostfrankreidi  bleibt  wieder  bei  j>i. 


Lat. 

Ariu 

Engad. 

— 

Siz. 

aöa 

Ital. 

appio 

Prov. 

api 

Frz. 

aclie 

Span. 

— 

SAPIAT 

CLUPEA 

sapda 

— 

saÖa 

— 

sappia 

cliieppa 

sapcha 

— 

Sache 

— 

sepa 

cliopa. 

SEPIA 


sida 

seppia 

sepcha 

seche 

jibia 

Im  Rumänischen  ist  das  einzige  Beispiel  scuip ,  1.  Sg.  zu 
SCfiipir.  Im  Spanischen  und  Portugiesischen  ist  die  Entwicklung 
unklar.  Der  Mangel  des  i  in  chopa  wie  in  ital.  chiepxm  erklärt 
sich  durch  Dissimilation.  Schwieriger  ist  das  h  in  jibia^  dem  sich 
portg.  seiva  aus  ^sapia  trotz  mpo  aus  apium  beigesellt.  Vielleicht 
hat  wie  im  Italienischen  Dehnung  des  }),  jedoch  nur  nach 
ursprünglich  kurzen  Vokalen,  stattgefunden :  äppiu,  aber  Sepia. 
Mancebo  ist  vielleicht  als  "^mancipiim,  Eückbildung  aus  mancipAurnj 
zu  fassen.  —  Das  Gaskognische  bleibt  bei  i:  sepie,  sapie. — Vor 
dem  Tone  zeigt  das  Ital.  saccente,  ajiprocciare ,  die  kaum  als 
Gallizismen  zu  betrachten  sind,  ^nccione;  span.  picJion,  hachada 
zu  germ.  *hapia,  prov.  apcha,  frz.  haclie;  frz.  prochain,  aclvkr  = 
apiariumj  aber  norm,  apyc ,  woneben  ])igeon  vielleicht  auf  ein 
*pihionem  weist.  Ein  germanisches  Beispiel  für  ^>t/  ist  noch  frz. 
ergehe,  ital.  greppia  =  Tcrippe.  —  Ostfrankreich  behält  den  Labial : 
mons.  Imppe,  besang,  apye,  wall,  aprepi  =  aprocher,  api  =  achier, 
vgl.  arepe  =  arroclie,  Tcrepe,  hepe  =  hache. 

507.  By  wird  rum.,  friaul.,  portg.  zu  ih;  i  bleibt  spanisch, 
ital.  hhi,  südital.  dz,  ebenso  franz.,  woraus  i.  Die  südlichen  provenz. 
Dialekte  behalten  auch  hier  fei  bei,  die  nördlichen  palatalisieren :  g. 

GOBIU 


Lat. 

RABIE 

HABEAT 

RUBEU 

Rum. 



aibä 

roib 

Engad. 

rah§a 

— 

— 

Siz. 

ragga 

— 

rugga 

Ital. 

rahhia 

ahbia 

robbio 

Prov. 

ragi 

a§a 

rq§e 

Frz. 

rage 

— 

rouge 

Span. 

räbia 

— 

rubhio 

Portg. 

raiva 

— 

riiiva 

gobbio 


426 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  507,  508. 


Lat. 

LABIU 

MAKRUBIU 

Rum. 

— 



Engad. 

— 



Siz. 

— 

marruggu 

Ital. 

lahhio 

marrobbio 

Frz. 

— 

— 

Span. 

labio 

marruMo 

Portg. 

— 

marroyo. 

Dazu  noch  frz.  tige, 

gonge  = 

portg.  goiva. 

Für  die  Behandlung  vor  dem  Tone  fehlen  sichere  Beispiele : 
ital.  soggetto,  frz.  sujet  ist  nicht  beweisend,  da  j  hier  wie 
im  Anlaut  behandelt  worden  sein  kann.  Ebenso  entbehrt  das 
Span,  entscheidender  Fälle,  da  hayamos  (habeamus)  anderer 
Deutung  fähig  ist,  vgl.  §  634.  Frz.  gougeon  =  gohionem  scheint 
für  gleichmäfsige  Behandlung  zu  sprechen.  Span,  tija  ist  wohl 
französisches  Lehnwort.  Germ,  lauhia  ergiebt  frz.  logc^  daher 
entlehnt  ital.  loggia.  Der  ital.  Vertreter  von  lauhia  findet  sich 
in  der  Weiterbildung  Inhhione  und  in  bergam.  lohie.  Für  Mittel- 
italien vgl.  rujia  Cola  di  Eienzi  407,  rvjio  475,  dejia  449. 

508.  Lateinisch  vi  folgt  fast  überall  &i,  doch  fehlen  fürs 
Rumänische  Beispiele.  Vor  dem  Tone  tritt  im  Franz.  i,  im 
Span,  y,  im  Ital.,  Portg.  g  ein. 


Lat. 

CAVEA 

PLUVIA 

FOVEA 

AVEOLU 

CAVEOLA 

Engad. 

Ti'äbga 

plofga 

— 



— 

Siz. 

gagga 

— 

— 



— 

Ital. 

gäbbia 

(pioggia) 

— 

— 

caggiole 

Frz. 

cage 

(pluie) 

— 

ayeul 

geöle 

Prov. 

gavi 

(ploia) 

— 

av'iol 

— 

Span. 

gavia 

lluvia 

hoya 

äbuelo 

gayola 

Portg. 

gaiva 

cliiwa 

fojo 

avö 

gayola. 

Das  Genuesische  zeigt  den  Palatal :  dzoe.gga  =^jovia,  gagga  u.  s.  w. 
vgl.  §  491.  Ital.  pioggia  geht  mit  frz.  pluie  auf  vulglat.  ploia 
zurück,  das  unter  dem  Einflufs  von  pluere  sein  v  verloren  hat, 
vgl.  aber  aufser  der  rätischen  und  der  spanisch-portugiesischen 
Form  noch  bürg,  jjlces  und  pluige  Gir.  Ross.  6252.  Ital.  foggia  ist 
postverbal  zu  foggidre  =  *fovear€.     Im  Franz.    wären   das  halb- 


§  508,  509.  Labiale  +  Y.  427 

gelohrte  dehige  xmd  abrege  weitere  Beispiele.  Aus  leviarius  = 
ital.  leggiero  erwartet  man  leyer,  wenn  statt  dessen  leger  eintritt, 
so  wird  sich  das  daraus  erklären,  dafs  das  v  unter  dem  Einflufs 
von  lever,  lief  u.  s.  w.  länger  geblieben  ist ;  gelehrt  ist  flueve  aus 
fliüve  =  fluvius.  —  Der  Osten  bleibt  bei  v:  lothr.  Psalt.  deluve, 
besan9.  ^aviole.  Auffällig  ist  in  Freiburg  und  Waat  dzehe  =  cavea 
neben  plcedze  und  rodzu.  —  Brian(;on  und  Val  Soana  stellen  sich 
natürlich  ganz  entschieden  zum  piemontesischen :  zäbio^  lobio, 
bezw.  räbi,  löhi.  —  Auch  hier  ist  das  Spanische  unklar.  Der 
Regel  folgt  noch  novio,  portg.  fioivo ,  lioya  kann  von  hoyiiela, 
umgekehrt  cibuelo  von  avo ,  liviano ,  aJiviar  von  lieve  beeinflufst 
sein.  Obviare  giebt  huyar  Cid  892,  huviar  2360,  heute  antii- 
viar.  —  Beispiele  für  die  Behandlung  vor  dem  Tone  im  Portu- 
giesischen sind  alijar,  ligeiro,  gageiro. 

Geht  dem  Labial  ein  Konsonant  voran,  so  ändert  das  wenig, 
vgl.  cambiare,  eng.  Tc'ambi,  siz.  kanari,  ital.  cambiare,  frz.  clianger^ 
span.  camiar,  portg.  caimo;  hanbeus,  frz.  longe;  salvia,  rum.  sälbie, 
eng.  salvg'a ,  frz.  sauge ,  prov.  saubio ,  span.  salvia ,  jjortg.  salva ; 
aJveiiS,  rum.  albie,  ital.  albio,  frz.  äuge.  Gerade  bei  diesem  Wort 
tritt  leicht  Attraktion  des  i  ein :  bologn.  eib ,  friaul.  laip.  — 
Schwierig  ist  ital.  savio ,  span.,  portg.  sabio ,  prov.  savi,  afr. 
saivc  und  sage,  möglicherweise  ein  in  Gallien  gebildetes  Wort,  als 
sapcre  zu  saber  geworden  war. 

Vgl.  Gröber,  Arch.  lat.  lex.  V,  458. 

Endlich  *cufia,  ital.  cuffia,  span.  cofia,  frz.  coiffc,  rum.  coif, 
portg.  coifa. 

Sekundäres  vy  wird  y  in  Fourgs :  sary^to,  oryetä ;  g  im  Engad. 
grefga  =  gravifdja. 

509.  Dentale  +  y.  Schon  hier  verwickelt  sich  die  Sache 
bedeutend :  ty  weicht  stärker  von  dy  ab  als  py  von  by.  Der  Ein- 
flufs des  Accentes  ist  hier  gröfser  als  irgend  wo  sonst;  nach 
Konsonanten  tritt  andere  Behandlung  ein  als  nach  Vokalen; 
endlich  zeigt  tie  andere  Vertreter  als  tia,  tio.  —  Nachtoniges  ty 
wird  wohl  schon  Vulgärlateinisch  zu  gedehntem  ts,  das  im  Ital. 
bleibt,  sonst  zu  kurzem  ts  vereinfacht  wird,  sich  im  Prov.,  Frz. 
weiter    zu   S,    im  Span,   zu  /,    Portg.    zu    §    entwickelt.     In  den 


428  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  §   509. 

altsardischeu    Urkunden    wird    th    gesclirieben,    dessen    Laiitwert 
nicht  zii  bestimmen  ist,  heute  ist  t  dafür  eingetreten. 


Lat. 

PLATEA 

PÜTEU 

STEUTIO 

-ITIA 

MARTEU 

Eum. 



pvt 

stnit 





Engad. 

platsa 

pots 

— 

-etsia 

marts 

Ital. 

piasza 

pozzo 

avestruzzo 

-ezza 

marzo 

Frz. 

place 

puHs 

(atitrucJie) 

-esse 

mars 

Span. 

plam 

pozo 

avcstruz 

-eza 

marzo 

Sard. 

piatta 

piiittu 

— 

-Uta 

martu. 

Lat. 

NUPTIA 

-ASTIA 

FOETIA 

AliTIAT 

TERTIU 

Rum. 

nimfi 

— 





— 

Engad. 

noatsa 

-antza 

foarfsa 

otza 

terts 

Ital. 

nozze 

-ansa 

forsa 

alza 

terzo 

Frz. 

noces 

-ance 

force 

haitsse 

tiers 

Span. 

— 

-anza 

fuerza 

alza 

— 

Sard. 

nunta 

-anta 

— 

alta 

tertki. 

Lat. 

NEPTIA              PBETIU 

Rum.               — 

pret 

Engad.       nezza 

prezz 

Ital. 

— 

prezz 

0 

\ 

Frz. 

niece 

Span.               — 

prez 

Sard.          netta 

— 

Frz.  palais  aus  palatiu  scheint  für  tio  eine  besondere  Be- 
handlung zu  erweisen.  Ferner  ital.  fear&?gfi  =  *&ar&i^M,  minugie  = 
minutiae,  dem  sich  vielleicht  -igia  aus  -ities  wie  auch  frz.  -ise 
aus  -ities  neben  -ezza,  -esse  aus  -itia  anschliefst.  —  Rumänisch 
nuntä  ist  von  nun^i  aus  nach  dem  Muster  Plur.  porp,  Sg.  poartä 
gebildet.  —  In  Tirol  und  Friaul  begegnet  s  statt  ts  und,  wo  s 
zu  s  wird,  auch  s  oder  ö,  in  Erto  und  Cimolais  sogar  /.  —  Auch 
in  Italien  ist  s  bekannt  in  Lucca:  denonsiare  Bandi  Lucc.  209, 
forsa  204,  piassa  203,  inansi  201,  sensa  183  u.  s.  w.  —  Inter- 
essantere Weiterbildungen  zeigt  Südostfrankreich.  Neben  ^  in 
Neuenbürg  und  Bresse  findet  sich /und  daraus  f  im  südlichen  Jura : 
pyafa^  lefieu,  refi  =  rincer,  femer  müffa  =  milza,  ebenso  in  den 
Freiburger  Bergdialekten,  in  Wallis,  Chäteau  d'CEux,  Val  Soana 
und  in  Savoyen.     Im  Kanton  Waat  findet  sich  die  ganze  Skala: 


§    509,    510.  Lateiuiscli  TY.  429 

S,  s  im  Westen,  /,  /'und  U  gerade  wie  für  anlautendes  7/  §  412.  — 
Gegen  die  Regel  erscheint  altspaniscli  z  statt  s  im  Suffix  -eza 
(aber  cahera),  pozo  und  umgekehrt  po^ona,  sollozo.  Letzteres  ist 
an  sollozar  =^  stdghdiarc  angelehnt,  pozo  von  j^'^^ül  beeinflufst, 
-eza  geht  von  -eties  aus.  Pogona  steht  unter  dem  Einflufs  von 
pon(;ofia.  Auch  im  Portugiesischen  erscheint  -eza,  prekär  und 
prezar,  korrekt  poro ,  dann  aber  pegona  und  logaö  (laidione), 
dessen  g  dem  aii  zu  verdanken  ist,  vgl.  §  434.  Sekundäres  ti 
wii'd  oft  zu  Jcy.  morv.  amiJiye,  normann.  simJcyer,  pikie,  Men.  — 
Die  Verbindung  sti  Avird  über  st  zu  sk'  und  wie  dieses  behandelt 
§  473,  vgl.  ital.  angoscia,  hescio,  itscio,  frz.  angoisse,  Jiuissier,  span. 
congoja,  qtiejar,  aportg.  chrischäo  F.  de  Guarda  448.  Span,  uzo 
Cid  ist  auffällig.  Frz.  bete  geht  auf  *besta  zui-ück.  —  Ganz 
andere  Wege  geht  vortonig  ti-.  Schon  im  Vulgärlateinischen  ist 
daraus  tsi-  geworden,  und  nun  ist  dieses  vortonig  tsi  gleich  den 
tonlosen  Verschlufslauten  tönend  geworden:  dsi,  woraus,  wohl 
auch  noch  in  vulgärlateinischer  Zeit,  zi,  z'.  Das  jjalatale  /  ent- 
wickelt sich  dann  weiter  wie  das  aus  si  entstandene  §  511. 
x\lso  ital.  ragione,  frz.  raison,  span.  rason,  ital.  pregiare,  indvgiare, 
frz.  aiguiser ,  piriser ,  atiiser.  Ausnahmen,  wie  ital.  aguzzare, 
attizzare  erklären  sich  aus  dem  Einflufs  der  stammbetonten 
Verbalformen.  Geht  dem  ti  ein  Konsonant  voraus,  so  kann  es 
nicht  tönend  werden,  sondern  bleibt  tonlos,  tti  wird  zu  ^,  k'k', 
das  sich  weiter  entwickelt  wie  anlautend  k',  also  im  Italienischen 
zu  ö,  im  Frz.  zu  s,  Span.  /  wird:  ital.  cacciare,  goceiare, 
cominciare,  cofidare,  scorciare,  frz.  chasser,  commencer,  linceuil, 
span.  cazar,  lenzuelo.  Ital.  lenznoJo  steht  unter  dem  Einflufs  von  lenzo. 
Den  Unterschied  zwischen  -ii  und  ti-  hat  F.  N  e  u  - 
mann.  Zur  Laut-  und  Mexionslehre  80 — 102  dargelegt. 

510.  Nachtonig  dy,  gy,  y  zwischen  Vokalen  sind  schon 
vulgärlateinisch  zusammengefallen  unter  y,  das  im  Rumänischen, 
Rätischen,  Venezianischen  zu  dz,  z  wird,  im  Siz.  zu  y,  im  Ital. 
(j,  prov.  g,  z  oder  ?,  frz.  ?,  span.  y,  portg.  j. 

MODIU 


moggio 


Lat. 

RADlü 

Rum. 

razä 

Engad. 

— 

Siz. 

rayu 

Ital. 

raggio 

HODIE 

PODIU 

MEDIU 

— 

— 

miez 

oaz 

— 

mez 

oi 

poyu 

(menzu) 

oggi 

poggio 

(mezza) 

430 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  510. 


Frz. 

rai 

mui 

hui 

pui 

mi 

Span. 

rayo 

moyo 

lioy 

poyo 

medio 

Portg. 

raio 

moio 

— 

apoio 

meio. 

Lat. 

PEJUS 

MAJLT 

COKEIGIA 

INVIDIA 

MAGISTER 

Rum. 

— 

— 

eure 

— 

— 

Engad. 

pes 

meg 

Tiuraya 

inviglia 

— 

Siz. 

peyu 

mayu 

curria 

— 

— 

Ital. 

peggio 

maggio 

correggia 

invidia 

mnestro 

Frz. 

pis 

mai 

courroie 

envie 

mm„re 

Span. 

— 

mayo 

correa 

— 

maestro 

Portg. 

— 

maio 

correia 

enveja 

mestre. 

Lat. 

DIGITU 

SAGITTA 

-AGIXE 

Rum. 

degete 

sagetä 

— 

Engad. 

daint 

sagetter 

— 

Siz. 

diyitu 

sayita 

-ayini 

Ital. 

dito 

saetta 

-aggine 

Frz. 

doigt 

saette 

-ain 

Span. 

dedo 

saeta 

-en 

Portg. 

dedo 

saeta 

-agem. 

Der  Unterschied  zwischen  curea  und  ragä  im  Rumänischen 
erklärt  sich  wohl  aus  der  Qualität  des  vorhergehenden  Vokals : 
mit  c  verschmilzt  i,  wogegen  es  nach  p,  a  bleibt.  Das  urrumänische 
d0  ist  im  Walachischen  und  Istrischen  zu  z  geworden,  während 
das  Mazedonische  und  Moldauische  den  alten  Laut  bewahren.  — 
Im  Rätischen  zeigt  sich  ebenfalls  Erleichterung  zu  s  wie  bei  tg, 
ferner  d  in  Ober-Comelico,  Erto,  Cimolais,  d  in  Auronzo,  im 
Friaul  mehrfach  i,  auch  im  Medunathale,  wo  sonst  s,  s  bleiben, 
in  Carnien  u.  s.  w.  —  Im  Italienischen  bilden  megzo  nebst  razso 
schwer  zu  erklärende  Ausnahmen;  ferner  wio^'^o,  rozzo^rudi-us,  ölezzo 
^ölidio.  Die  zwei  letzteren  sind  jüngeren  Ursprungs,  sie  stammen 
aus  einer  Zeit,  wo  altes  dy  schon  zu  y  geworden  war:  ob  mozzo, 
razzo  und  mezzo  halbgelehrt  sind,  bleibt  zweifelhafter,  doch  sieht 
man  keinen  rechten  Grund  für  die  besondere  Behandlung,  gioia 
wie  span.  joya  stammt  aus  frz.  joie.  Im  ältesten  Französisch  ist 
i  noch  y,  vgl.  rayet  in  a-Tirade  Rol.  1980.  Im  Provenzalischen 
finden  sich  i  und  g  wohl  in  gleicher  Verteilung  wie  bei  '</*  §  438. 


§   510,   511.  Lateinisch  DY,  GY.  431 

Bemerkenswert  ist  ilaöel ,  -edar  in  Tarn.  Prov.  gladi,  glazi  ist 
gelehrt.  —  Im  Spanischen  geht  i  in  hellem  Vokale  auf.  Gozo, 
in  den  altspanisclien  Quellen  meist  mit  z,  geht  auf  gaudium 
zurück:  dy  nach  au  ist  behandelt  wie  nach  Konsonanten,  vgl. 
§  434,  ebenso  portg.,  wo  noch  als  zweites  ßeisjjiel  aucß  =  audio 
hinzukommt.  Am  verwickeltsten  liegen  die  Dinge  im  Portu- 
giesischen. Von  den  Fällen,  avo  j  statt  i  erscheint,  liefse  sich 
enveja  durch  endungsbetonte  Ableitungen  erklären,  -agem  ist  viel- 
leicht halbgelehrt,  aber  üujo  aus  cuius ,  poeja  aus  pulegia  neben 
correa  aus  corrigia  und  mugem  aus  *mugine  statt  mugile  fügen 
sich  nicht.  Für  die  Behandlung  nach  dem  Tone  ist  zu  merken, 
dafs  im  Rumänischen  z,  im  Portugiesischen  g,  im  Italienischen  i 
eintritt,  vgl.  rum.  putrejune  =  putred-ione  und  mijloc^  ital.  reina, 
gnaina,  meriare,  rione  (rcgione),  ajuta,  sdrajare  =  disradiare;  die 
abweichenden  peggiore,  maggiore  sind  von  peggio^  maggio  beein- 
flufst.  Portugiesische  Beispiele :  ensejar  neben  enseia ,  entejar, 
pojar,  desejar,  rajar,  rajada,  tigello,  cajado,  mijar,  nur  vor  i  fällt 
g :  reinha,  hainha^  ferner  scheint  sigilldre  zu  seellar,  sellar  geAvoi-den 
zu  sein,  während  vigilare  sich  zu  vigidr  entwickelt',  velar  ist 
spanisches  Lehnwort.  Die  unregelmäfsigen  maior,  peior  sind  wohl 
von  alten  Neutren  *maws,  *peios  beeinflufst.  Im  Spanischen 
schwindet  das  i  nach  hellen  Vokalen:  peor,  mear  aber  ayuda, 
mayor.  Über  portg.  mor  s.  §  634.  —  Nach  r  wird  di  im 
Ital.,  Span.,  Portg.,  Rum.  zu  z,  im  Frz.  zu  g,  im  Prov.  und  Rät. 
bleibt  di,  also  ähnliche  Behandlung  wie  bei  -mi.  Aus  dem 
Vulgärlatein  war  di  überliefert,  noch  nicht  di^  vgl.  rum.  orz, 
varza,  ital.  orzo,  sverza,  span.  orzuelo,  berza,  portg.  verga,  frz. 
orge,  vergier;  prov.  ordi,  friaul.  uardi.  Ndi  wird  zu  d:  ital. 
vergogna,  sogna,  frz.  vergogne,  span.  vergüena,  portg.  vergonlia, 
rigonlia  (iracundia).  Im  Span,  finden  wir  vergüenza  neben  ver- 
güena,  vielleicht  ist  letzteres  erst  vom  Verbum  vergonar  ge- 
wonnen. —  Wie  di  nach  r  wird  im  Französischen  germ.  di 
behandelt:  gage,  druge. 

511.  Lateinisch  si  wird  zu  tonlosem  oder  tönendem  pala- 
talem  s,  je  nachdem  intervokalisches  S  tönend  oder  tonlos  wird. 
Dieses  palatale  s  erscheint  im  Italienischen,  Rumänischen  inid 
Portugiesischen  als  §,  S,  in  den  anderen  Hauptsprachen  wird  es 


432 


JI.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  511,  512. 


zu  ('s,  wogegen  die  Mundarten  namentlich  Frankreichs  z  bewahren 
und  es  weiter  zu  Ji  verschieben. 


Lat. 

BASIÜ 

CASEU 

*P1SEAT 

CEBASEA 

SEGUSIO 

CINISIA 

Rum. 

— 

cas 

— 

cireasä 

— 

cenu^a 

Engad. 

— 

■    — 

— 

öeresa 

— 

— 

Ital. 

bascio 

cascio 

pigia 

ciliegia 

— 

einig  ia 

Frz. 

haiser 

— 

— 

cerise 

seus 

— 

Span. 

heso 

qtieso 

— 

ceresa 

sabucso 

ceniza 

Portg. 

beijo 

queijo 

— 

cereija 

säbujo 

cinza. 

Camisea    ital. 

camicia 

,     s^jan. , 

portg.    camisa    ist 

unregel- 

mäfsig.  —  Vor  dem  Tone  haben  wir  z.  B.  ital.  j^n^fiowe,  pigione, 
magwne,  cagione,  fagiuoli,  frz.  maison,  foison,  achaison,  portg. 
meijom,  cajäo,  feijö  neben  faisäo,  span.  jjresow  Cid  1009,  teson.  — 
Beispiele  für  z  in  Frankreich  sind  aze,  baze,  fa&ö  in  Arras,  aze, 
dizo,  baza  in  Cambrai,  mazo  in  den  Ai-dennen,  ähnlich  in  Vesoul, 
Delemont,  Bresse  u.  s.  w.  Daraus  dann  maJion  u.  s.  w.  in  Loth- 
ringen, oder  aber  mayö ,  rayö,  seriye,  semiye,  ebüyer  (abusier  = 
abuser  §  261)  im  Morvan.  —  In  Stiditalien  von  Siena  an,  wo  s 
stets  tonlos  bleibt,  wird  si  (und  ti~  §  509)  zu  s:  casone,  ra§one 
u.  s.  w.  —  Geht  dem  si  ein  Konsonant  voran,  so  entsteht  s  bezw. 
is,  ital.  sovcscio,  rovescio,  frz.  graisse,  span.  graja,  bajo,  rojo, 
portg.  graixo^  baixo,  roixo,  paixäo ;  sodann  Ardennes  ramasi,  mörv. 
bese,  lese,  lothr.  beKe,  jujur.  beße. 

512.     Lateinisch  ni  wird    überall    zu   n,    woraus    im  Eumä- 
nischen  i,  im  Sard.  ncls. 


Lat. 

VINEA 

TINEA 

CUNEU 

-ANEU 

-ANEA 

Rum. 

viie 

— 

cuiu 

-aiu 

-aie 

Engad. 

vina 

tina 

Tiued 

-an 

-ada 

Ital. 

vigna 

tigna 

cogno 

-agno 

-agna 

Frz. 

vigne 

tigne 

eoin 

-ain 

-agne 

Span. 

vina 

tina 

cuno 

-ano 

-ana 

Sard. 

bindza 

tindza 

— 

-andzu 

-andza. 

Schwierigkeit  bereiten  ital.  strano,  frz.  etrange,  obw.  strauni, 
rum.  sträin  neben  regelmäfsigem  sard.  istrandzu,  span.  estrano; 
ital.  conio  neben  cogno,  jenes  auch  piem.,  friaul.com;  irz.linge  = 
lineum,  lange  =  laniiim,  grange  =  granea,  wenn  es  nicht  granica 
darstellt.     Da    das    germ.  fani,    frz.   fange  dieselbe   Entwicklung 


§  512,  513. 


Lateinisch  SY,  NY. 


433 


zeigt,  so  darf  mau  aimclimcn,  clafs  die  drei  frauzösischeu  Wörter 
einer  jlingeren  Schicht  angehören ;  ebenso  ital.  stratto ,  das  aus 
altem  straino  entstanden  ist  nach  §  295.  Conio  neben  cogno  ist 
vielleicht  von  coniare  ans  gebildet :  vor  dem  Tone  wäre  Palatali- 
sierung  nicht  ehigeti'eten ,  vgl.  maniato  von  lat.  mania,  und  die 
Konjugation.  Auch  das  Portugiesische  scheint  vor  dem  Tone  i 
zunächst  zu  behalten,  dann  umzustellen:  mainel ,  aplamar. 
Beduktion  zu  y  soll  auch  in  Foix  (Bearn)  vorkommen  Rev.  1. 
Rom.  VIT,  447;  sodann  im  Katal. :  seyor  a.  1253  Rev.  1.  rom. 
IV,  52,  ay  (anni).  Im  Spanischen  macht  cigüena  Schwierigkeit, 
es  scheint  n  nicht  einfach  erweicht  worden  zu  sein,  sondern  noch 
ein  i  abgegeben  zu  haben.  Estraf)jero,  granja  stammen  aus  dem 
Französischen.  —  Über  -n  im  Französischen  s.  §  560. 

Geht  dem  n  ein  Konsonant  voraus,  so  sind  die  Resultate 
etAvas  anders:  rny  bleibt  als  rni,  mny  wird  verschieden  an- 
geglichen, vgl.  für  jenes  ital.  farnia  (kaum  fargna)^  ernia, 
hornio  (doch  borgnola),  frz.  aber  hargne,  epargne,  lorgner  u.  s.  w., 
für  dieses  ital.  cälogna,  sogno,  frz.  chalonge,  songe,  span.  calof/a, 
sono,  eng.  aber  scemi.  —  Auffällig  ist  portg.  coima  neben  sonlio. 
Mn  wird  sonst  hier  zu  nn,  also  erwartet  man  aus  mny  auch  nh, 
aber  coima  trägt  durchaus  volkstümliches  Gepräge ;  da  sich  im 
Portugiesischen  auch  nicht  eine  Verschiedenheit  in  der  Behand- 
lung von  io  und  ia  zeigt,  so  bleibt  nur  die  eine  Annahme,  dafs 
mny-  im  Verbum  zu  mmy ,  imm  geworden  und  coima  post- 
verbal sei. 

513.  Die  Gutturalen  +  i.  Ky  und  ty  fallen  da,  wo 
he  zu  ts  wird,  zusammen  unter  ts,  auch  das  Rumänische  hält  sie 
nicht  auseinander.  Im  Italienischen  dagegen  wird  hy  zu  öö. 
Überall  sonst  ist  das  Ergebnis  is^  woraus  im  Französischen  s,  im 
Spanischen  seit  dem  XVI.  Jahrhundei't  /. 


Lat.  GLACIA  PACIE 

Rum.  ghia{ä  faß 

Engad.  gJad  faöa 

Ital.  ghiaccia  faccia 

Frz.  glace  face 

Span.  —  haz 

Meyer,  Granimatik. 


BRACHIU 

LAQUEU 

-ACEU 

hrat 

la^ 

-at 

hraö 

laö 

-aö 

hraccio 

laccio 

-accio 

hras 

lacs 

-as 

hrazo 

lazo 

-azo. 

28 


434 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  513. 


Lat. 

MIXACIA     .      LUCIU 

TKICHEA 

EEICIU 

-ICIU 

Eura. 

.      —                       — 

— 

— 

-et 

Engad. 

manaöa            — 

treöa 

riö 

-iö 

Ital. 

minaccia      luccio 

treccia 

riccio 

-eccio 

Frz. 

menace         merliis 

fresse 

— 

-is 

Span. 

amenaza          — 

— 

erizo 

— 

Für 

ci  vor  dem  Tone  haben  Avir  ital. 

acciale. 

,  frz.  acier,  fi-z, 

ma^on,  portg.  ongäo  =  '^ancione. 

.     Für  ci 

nach  Konsonanten : 

Lat. 

CALCEA             LYNCEA            UKCEOLU 

CALCEAKE 

Elina.          desciilt               — 

ulcior 

incaltd 

Engad.       k'oda                 — 

— 

h'oöar 

Ital. 

calza            lonza 

orciolo 

cälciare 

Frz. 

chausse         once 

- 

— 

cJiausser 

Span.          calza             lince 

orzuela 

calzar. 

Im  Enmäni  sehen  macht  ariciu  Schwierigkeiten:  es  ist 
wohl  nicht  direkt  sondern  durch  albanesische  Vermittlung  aus 
dem  Lateinischen  aufgenommen.  Neben  lance  kommt  lanta  vor: 
wohl  griechisches  Lehnwort.  Es  ist  aber  auch  die  Wieder- 
gabe von  d  durch  ts  auftällig  in  einer  Gegend,  wo  sonst  ö 
zu  ts  wird.  Mit  dem  Eumänischen  geht  hierin  das  S  i  z  i  - 
lianisch-Kalabresische:  hratsu,  ritsv ,  sullatsu,  hüantsa, 
atsaru  u.  s.  w.  und  L  e  c  c  e :  minatsa,  latsv,  tretsa,  litsu  u.  s.  w.  — 
Im  Italienischen  ist  die  Behandlung  von  ci  nach  Konsonanten  nicht 
klar :  Avährend  romanza,  lonza  u.  s.  av.  für  ts  sprechen  nach  dem  Tone, 
arcione  für  c  demselben,  in  Übereinstimmung  mit  der  Behandlung 
von  tp  §  509,  sind  Francin  und  ordo  auffällig,  wenn  sie  nicht 
jenes  von  Francese,  dieses  von  orciolo  beeinflufst  sind. — Fran- 
zösisch oison  ist  von  oiseau  beeinflufst,  vgl.  aber  prov.  augo, 
lothr.  ussö;  fais  =^  facio  jünger  als  faz  nach  der  2.  3.  Sg.  um- 
gestaltet. —  Ganz  unklar  ist  das  Spanische:  während  heute  nach 
der  Eegel  tonloses  s  eingetreten  ist,  zeigt  die  alte  Sprache  teils 
tonlosen  Laut  teils  tönenden:  jenen  giebt  sie  durch  s,  f,  diesen 
durch  z  wieder.  Eegel  scheint  nach  dem  Tone  s  zu  sein,  so 
stets  brago ,  Suffix  -dgo  in  coragon ,  und  cedago ,  pedago ;  peliga, 
'^carniga,  woher  carnigero.  Vor  dem  Tone  aber  tritt  z  ein: 
azero,  solazar,  cnlazar,  amenazar ,  von  avo  das  z  auch  in  stamm- 
betonte Formen  und  Ableitungen  dringt:    solazo ,  lazo,    amenaza, 


§   513,   514.  Lateinisch  CY.  435 

dauaeli    esp'mazo ,    in    fmza    ist   wohl    Eiuflufs    des    Suffixes    -eza 
zu  ei-kouneu,    auch    lecJiuza,   ortalka,    tenaza   dürften    ähnlich  zu 
erklären  sein.     Da  die  vier  letzten  Fälle  auf  a  auslauten,  könnte 
mau  dem  a  einen  Einflufs    zuschreiben,    wie    es    ihn   unter  Um- 
ständen im  Italienischen  übt,  s,  §  433.    Allein  da  das  Spanische 
sonst  nichts  Derartiges  zeigt,  so  liegt  es  näher,   Angleichung  an 
-eza  zu  sehen.     Merkwürdig    ist    noch    azon  Cid  neben  richtigem 
cor^as  2375,    carccl  340  u,  s.  w.  —  Das  Portugiesische  hat 
nach  dem  Tone  stets  f,  vor  demselben  z:    a^o  —  azeiro ,  fiuzar, 
ameaga  u.  s.  w. ;  juizo  ist  halbgelehrt,    granizo,    wie  das  n  zeigt, 
nicht    Erbwort,    dann    wie    im  Span. :    fiuza  und  Galiza.   —  Für 
die  Behandlung    von    germ.    liy    im    Französischen    fehlen    Bei- 
spiele :  cschangon  kann  Buchwort  sein,  daneben  steht  anclie  (anicya), 
das  besser  zu  der  sonstigen  Behandlung  von  Tci  pafst  §  18,  S.  39. 
Über  span.  cho  aus  ci  s.  Horning,  Lateinisch  C  94. 
In    lechitclia,    muchaclio   liegt  Assimilation    vor,    capnclio, 
fachen  da,  vielleicht  auch  verdacho  sind  italienische  Lehn- 
wörter. 

Im  Pikardisch- Wallonischen  erscheint,  wie  schon  §  406  be- 
merkt wurde,  ^,  s  an  Stelle  von  ci  und  von  ti  =  frz.  f,  also 
pü§  =  puits,  fad  =  facio  u.  s.  w. ,  ferner  servis,  welches  be- 
weist, dafs  (5,  s  erst  aus  ts  entstanden  ist.  Aus  der  lateinischen 
Schulsprache,  in  der  man  servitsium  sprach,  wurde  das  Wort  zu 
einer  Zeit  übernommen,  als  altes  tio  längst  tso  geworden  Avar. 
Dieses  gemein-französische  servitse  wandelte  sich  dann  mit  den 
anderen  ts  im  Norden  zu  d. 

Material  bei  O.Sie  m  t ,  Über  Jat.  c  vor  e  und  i  im 
Pikardischen,  Diss.  Halle  1881.  Die  spätere  Entstehung 
von  ö  aus  ts  verficht  Horning,  Lateinisch  C,  S.  43  ^g^^^'o. 
Diez  und  Joret. 

514.  I^y  verbindet  sich  leicht  mit  dem  y  «um  palatalen  l, 
und  in  der  That  ist  aufser  im  Süd-Sardischeu  dieser  Laut 
überall  eingetreten.  Aber  wenn  er  sehr  leicht  entsteht,  so 
ist  er  doch  auch  am  leichtesten  weiteren  Veränderungen  aus- 
gesetzt. Am  öftesten  geht  das  ^-Element  verloren :  dies  ist  der 
Fall  im  Walachischen ,  in  Zentral-Italien  (Abruzzen,  Rom  und 
Umgebung) ,  und  in  ganz  Oberitalien ,  im  gröfsteu  Teile  Frank- 
reichs und  in   Spanien.     Hier  und    in  Venedig   ist   das  y  weiter 

28* 


436  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  8   514,    515. 

zu  ij  und  im  Spanischen  z  zu  li  verschoben  worden.  In  Süd- 
italien, am  adriatischen  Meere  bis  Foggia,  sodann  wieder  in 
der  Toskana  wird  das  palatale  Element  zum  Verschlufslaut :  gy, 
geschrieben  gghi,  das  in  Linguaglossa  (Sizilien)  sogar  zu  Tiy  wird. 
Rückkehr  zum  dentalen  l  hat  stattgefunden  in  Geraci  (Sizilien), 
im  Pikardischen  und  im  Wallis.  Ganz  allein  steht  Noto  mit 
n   aus  f. 


Lat. 

FILIU 

FILIA 

POLIA 

CONSILIU 

MELIUS 

Rum. 

flu 

füe 

foaie 

— 

— 

Engad. 

fil 

ßa 

fcela 

Jcunsail 

mcl 

Siz. 

f%ggyu 

figgya 

foggya 

kunsiggyu 

meggyu 

Ital. 

figlio 

figlia 

foglia 

consiglio 

meglio 

Frz. 

(ßs) 

ßle 

feuille 

conseil 

(mieux) 

Span. 

hijo 

hija 

hoja 

consejo 

— 

Portg. 

filho 

filha 

folha 

conselho 

— 

Sard. 

fim 

f%za 

foza 

Tionsizu 

mezus. 

Lat. 

ALLIÜ 

-ALIA 

MALLEU 

MILIU 

MILIA 

Rum. 

ai 

-aie 

maiu 

meiu 

miie 

Engad. 

al 

-ala 

mal 

mail 

m'ila 

Siz. 

aggyu 

-aggya          maggyu 

miggyu 

miggya 

Ital. 

aglio 

-aglia 

maglio 

miglio 

miglia 

Frz. 

all 

-aille 

mail 

mil 

mille 

Span. 

ajo 

-aja 

majo 

mijo 

mija 

Portg. 

älho 

-alba 

mälho 

milho 

millia 

Sard. 

azu 

-aza 

mazu 

— 

miza. 

Lat 

PALEA 

DISPOLIAT       TILI^ 

ULIEEE 

Rum. 

paie 

despoiä         teiu 

muiare 

Engad. 

pala 

spola            tela 

muler 

Siz. 

paggya 

spoggya        tiggyu          muggyera 

Ital 

. 

joaglia 

spoglia         tiglio 

1            mogUera 

Frz 

. 

paillt 

depomlle       til 

moilier 

Span. 

paja 

despoja         (tilo) 

mujer 

Portg. 

xmlha 

—            (tilia)           mulher 

Sar 

d. 

paza 

ispoza               — 

muzere. 

515.  In  Rumänien  hat  sich  der  alte  Laut  noch  gehalten 
im  Mazedonischen ,  Istrischen ,  Moldauischen :  akXiov  Dan.  7, 
onoaXu    21,     (fovf.iiXtu    10,     /iXXiov    35    u.    s.   aa%;     istr.     fole, 


§    515—517.  Latemisch  LY.  437 

mut^re  u.  s.  w.,  mold.  aliü,  hiliü,  doUü,  —  Zentral-  und  0 s t  - 
1*  ä  t  i  s  e  li  scheiden  sich  mit  y ,  i  vom  Westen.  In  friaulischen 
Texten  des  XIV.  Jahrhunderts  wird  noch  gl,  lg  geschrieben : 
muglir,  figle,  melg,  famelg  Arch.  Glott,  IV,  347.  Heute  ist  i 
zwischen  Vokalen  an  mehreren  Orten  ganz  geschwunden, 
Ampezzo :  somea,  meo,  foes  neben  foja,  also  vor  oder  nach  e  (vgl. 
§  510),  friaul.  see  (cilia),  famee,  fuee,  voe  aber  -aje. 

516.  In  Sizilien  treften  wir  die  verschiedensten  Formen 
nebeneinander.  Die  alten  Texte  schreiben  gl:  oglu,  meglu,  piglia, 
consiglia^  famigla  u.  a.,  und  noch  heute  bleibt  f  im  Inneren  und 
in  einem  Teile  der  Provinz  Palermo,  an  der  Nordgrenze  dieses 
Gebietes  erscheint  l  in  Alimena,  Geraci,  Pollina.  Sonst  also  gy, 
das  den  ganzen  Westen  und  den  gröfsten  Teil  des  Ostens  um- 
fafst  und  dessen  älteste  Beispiele  von  1566  datieren:  pighiamt, 
famighi,  voghiu.  Daraus  entwickelt  sich  weiter  in  Modica  bis 
zum  Moroglio  g:  mie^u ,  vuogu,  figa,  maravigu,  in  Lingua- 
glossa,  Mistrella  nach  dem  Tone  Jcy:  piJcyu ,  fiJcyu ,  volcyu. 
Für  Noto  vgl.  zinu,  finu,  meiiu,  panaru.  Auch  die  Toskana 
kennt  gy,  nicht  Florenz,  daher  auch  nicht  die  Schriftsprache, 
wohl  aber  Certaldo  und  Vicchio.  Das  Oberitalienische  y  erscheint 
schon  in  den  alten  Texten :  hataja ,  doja ,  mejor  bei  Bonvesin. 
Vor  dem  Tone  ist  y  mit  i  zusammengeschmolzen:  mail.  /?«,  ardiö, 
paviö,  skavid  aber  payaS,  im  Piem.  aiich  nach  demselben:  fia, 
famia,  foel,  ebenso  im  Venez. :  /^o,  mia  u.  s.  w.  Sonst  ist  es 
venez.  zu  g  geworden:  fo^a,  vgl.  schon  in  der  Hamiltonhand- 
schrift:  ig,  mieg,  voig,  in  der  Cron.  imp.  filgiol,  ferner  igi=illi, 
agi,  mego,  fracgi,  cortigi  (coltelli)  in  der  Veroneser  Passion,  ebenso 
gen.:  me§u,  paga,  und  auch  migu,  figu,  figa.  Im  Tessiu 
herrscht  noch  das  rätische  ly  vor,  doch  dringt  lombardisches  y  ein. 

517.  Im  Französischen  ist  heute  y  durchaus  an  Stelle  von 
l  getreten.  Schon  Hindret  1687  bezeugt  diese  Aussprache  ftlr 
die  „petite  Bourgeoisie",  doch  hat  erst  in  neuester  Zeit  y  end- 
gültig den  Sieg  davongetragen.  Noch  Littre  sträubte  sich  stets 
dagegen,  hat  aber  in  einem  der  niederen  Sprache  angehörigen 
Worte  selbst  i  geschrieben :  coion.  Auch  der  Osten  folgt  im 
ganzen.  Manche  Mundarten  behalten  jedoch  l  noch  heute,  so  im 
Westen  Lahague  und  Val  de  Saire,    im  Osten  zum  Teil  Neuen- 


438  II.  Kapitel:  Konsonantismus.  §    517^    518. 

bürg  und  Val  Soana.     In  Bessin  tritt  vor  dem  Tone  y  ein,  nach 
demselben  l:    Icayi,  hütiyö,  fyceyü  aber  file,  orele,  butele,  äl,  vgl, 
schon  Ben.  Chron.  15410  merveille:  eile,  sonst  fällt  es  im  Auslaut: 
ü  (cuil),  sule.    Im  Anglonormannischen  findet  sich  ebenfalls  l  statt  ü, 
Brandan  reimt  soleil:  fedeil  579;  Gaimar  fei:  conseil  517,  apostoille: 
escole  3349.  —  Dem  Normannischen  schliefst  sich  noch  das  Pikar- 
dische und  das  Rouchi  an,  vgl.  in  Arras  :  orel=  oreüle,  fil,  aber  vor 
dem  Tone:  veye  (veiller),  tiyce.  —  Eine  Zeitlang  scheinen  l  und  U 
geschwankt    zu  haben  vor  dem  Tone ,    Menage  führt  dreisilbiges 
allieurs ,    Hindret   meillienr    an.     Ferner  lautet  l  vor  oder  nach  i 
oft  ?;    douillir  aus  älterem  hottUir ,    taillis  und  andere  Wörter  auf 
-lis  haben  f  statt  7,  gentülome  wird  auch  heute  mit  l  gesprochen, 
nicht  mehr  frileux;  juillet  lautete  im  XVII.  Jahrhundert  zuweilen 
jiillet.  —  Die  merkwürdigsten  Veränderungen    macht   ly  im  Süd- 
osten des  französischen  Sprachgebiets  durch :    es  wird  zu  d  (öst- 
lich Waat,    Vionnaz),    d    (Chäteaux    d'Oex),    bilateralem    l   Or- 
montdessous ,    l  Bagnard.     Vorstufe    von    d   ist    wohl  y,    während 
l  direkt    auf   ly    zurückgeht.     Also:    ostwa.    vionn. :     fode ,    madi, 
f§de,  fedüj  Chäteaux  d'Oex  fode,  madi,  f§d§,  f§dü,  Bagnard  murale, 
2)Cile,  fole.     Sekundäres    y  behält  in  Vionnaz  die  ältere  Stufe  ly : 
vgl.  mode    aus    *inoyo ,    *molyo  (mollio),    modd  aus  moya,    molya, 
molydt  (molliatum)  aber   mole    aus  mol-ye  (molliare).  —  Sonst  hat 
Savoyen     und     das    Provenzalische     l    meist     bewahrt,      dagegen 
schwanken  schon  im  Altkatalanischen  y  und  II ,    jenes  gilt  heute 
als  bäuerisch ;    es   scheint  also,  dafs  in  den  Städten  der  kastilia- 
nische    Einflufs    f  gehalten    oder    hergestellt   hat.     Auch  Alghero 
behält  r,    wogegen    im  Mallork.    y    durchgeführt    ist.     Mit  i  ver- 
schmilzt dieses  y:  fiastra  7  Meister  2578;  jeya  =  jacilia,  llentia, 
vadia  =  viticla,  vermeir  (span.  vermeUir)  u.  s.  w. 

518.  Auf  der  iberischen  Halbinsel  behalten  Aragon  und 
Portugal  den  alten  Laut,  wogegen  Asturien  ö  oder  y  aufweist. 
Dafs  schon  im  XI.  Jahrhundert  die  Stufe  y  im  Kastilianischen 
eri-eicht  war,  zeigt  cofisegar  Cid  1956  (vgl.  guegos  2535).  Die 
Geschichte  des  y  aus  ly  im  Kastilianischen  ist  nicht  klar.  Jose 
schreibt  Doppeldschin ,  womit  er  aber  nicht  nur  heutiges  j, 
sondern  auch  ch  wiedergiebt  und  woraus  vielleicht  eine  Aussprache 
t,  d  erschlossen  werden  darf:  dafür  spricht,    dafs  dasjenige  j,  li, 


§  518,   519.  Lateinisch  LY.  439 

welches  auf  x  beruht,  meist  clui-eh  Doppeltlschin  dargestellt 
wird.  Es  wHre  dann  also  das  asturische  y  die  Vorstufe  zur 
kastiliaiiischen  Form.  Wann  K  eingetreten  ist,  bleibt  noch  zu 
untersuchen.  —  MaraviUa  neben  meravija  ist  jüngeren  Datums, 
ebenso  hatälla ,  das  vielleicht  aus  dem  Französischen  stammt. 
Vor  oder  nach  i  schwindet  das  y  im  Asturischen :  fla,  toido  aber 
tayador,  oyo,  conseya.  —  Endlich  im  Logudor es i sehen  finden 
wir  j  (y):  fijos  TolaXXX,  a.  1120;  fijn,  mvjercXlX,  1153  u.  s.  w,, 
woraus  später  dz:  covskti  Tola  576  ff',  a.  1431 — 1491 ;  ob  die 
ebenda  vorkommende  Schreibung  cofisigu  auf  eine  Aiissjjrache  z 
weist  und  ob  diese  Aussprache  noch  irgendwo  vorkommt,  ist 
nicht  bekannt.  Das  Südsardische  assimiliert:  älln,  fillu,  mulleri, 
das  Galluresische  und  Korsische  behandeln  dieses  junge  II  wie 
das  alte  (§  545)  :  meddn,  mudderi,  fiddolu.  —  Fast  auf  dem  ganzen 
Gebiete  unterbleibt  die  Palatalisierung  in  dem  Verti-eter  von  oleum: 
ital.  o7io,  eng.  celi ,  prov.  oli ,  frz.  huile,  span.  olio,  portg.  oleo 
(ital.  auch  oglio,  sard.  ozn  bezw.  o??w),  auch  ags.  ele  setzt  öli 
voraus.  Dazu  gesellt  sich  aital.  solio.,  ital.  palio,  prov.  2)aU,  afr. 
pallie,  afr.  consilie  neben  copseil:  man  darf  wohl  nicht  zögern, 
die  Wörter  als  gelehrt  zu  betrachten,  speziell  oleum  als  ein  Wort 
der  Kirche.  Zahlreich  sind  solche  Formen  in  der  Übersetzungs- 
litteratur,  im  0.  P.  Hnden  sich  vulatilie,  und  entsprechend  pecunie, 
testimunie,  diluvie,  fluvie,  estiidie  u.  s.  w.  Auffällig  ist  ferner  im 
Portg.  joio  =  lolium,  dazu  joeiro  =  [cribrumj  lolianim. 

519.  Ry.  Die  Verbindung  eines  gerollten  Zungen-r  mit 
einem  palatalen  y  ist  noch  schwieriger,  als  diejenige  eines  labialen 
Lautes :  es  hat  denn  auch  in  der  That,  soweit  wir  sehen,  fast  keine 
Sprache  diesen  Schritt  gethan,  sondern  es  ist  entweder  das  r 
unterdrückt  worden  im  Toskanischen  und  Rumänischen  nach  dem 
Tone,  oder  das  i  im  übrigen  Italien,  oder  das  i  hat  sich  in  die 
Stammsilbe  gerettet  in  Rätien,  Gallien,  Oberitalien  und  auf  der 
iberischen  Halbinsel,  oder  es  ist  konsonantisiert  worden  zu  dz 
im  Sardischen,  oder  endlich  ri  ist  geblieben  im  Italienischen  vor 
dem  Tone, 

Lat.  AREA  GLABEA  PAHIA  VABIU  -ARIU 

Rum.  aric  —  —  —  -ar 

Engad.       era  glera  —  —  -er 


440 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


§  519,  520. 


Ital. 

aja 

ghiaja 

pajo 

vajo 

-ajo 

Frz. 

aire 

glaire 

pair 

vair 

-ier 

Span. 

era 

lera 

— 

— 

-ero. 

Lat. 

-TORIÜ 

COEIU 

MUEIA 

AUGURIU 

MATERIE 

FERIA 

Eum. 

-tor 

— 

murä 



materie 

— 

Engad. 

-tuir 

koer 

— 

aviioir 

— 

faira 

Ital. 

-tojo 

cuojo 

moja 

— 

madiere 

fiera 

Frz. 

-toir 

cuir 

muire 

lieur 

— 

foire 

Span. 

-duero 

cuero 

muera 

agüero 

madera 

— 

Mi  nach  Konsonanten  ist  selten ;  im  Italienischen,  Spanischen 
bleibt  es,  im  Französischen  tritt  re  ein,  im  Portugiesischen  teils 
ro,  ra,  teils  Attraktion.  Vgl.  propriu,  ital.  propio  ^  frz.  j^^opre, 
portg.  j)öbro ;  ebrius ,  ital.  ebhro  ,  frz.  ivre ;  vitrcum ,  sj)an.  vidrio 
aber  portg.  vidro;  atrium,  portg.  adro  u.  s.  w. 

Wie  bei  ni,  so  haben  wir  auch  hier  im  Französischen  einige 
Fälle  von  rp."  cierge^  prov.  ciW,  span.  c/Wo;  serorge,  sororius:  auch 
hierin  haben  wir  halbgelehrte  Wörter  zu  sehen.  Während  ferner 
frz.  foire,  portg.  feira  regelmäfsig  sind,  zeigt  span.  feria  ganz  Lehu- 
wortform,  und  ital.  fiera  erweist  sich  durch  die  Attraktion  des  i 
ebenfalls  als  halbgelehrt :  durch  die  Umgestaltung  des  Bticher- 
wortes  feria  in  fiera  gewann  man  den  beliebten  Diphthongen  ie 
und  vermied  das  schwierige  -ria.  Eine  weitere  Klasse  mehr  oder 
weniger  gelehrter  Wörter  bilden  die  griechischen  monasteriumj 
coimeterium ,  haptisterium  und  das  lateinische  imperium.  Da  das 
griechische  i]  behandelt  werden  kann  wie  lat.  ("  (§  17,  S.  31),  so 
erwarten  wir  im  Italienischen  Bildungen  auf  f  o,  im  Provenzalischen 
auf  e?V,  ieir,  im  Französischen  auf  -ir.  In  der  That  kommt  hattisteo 
vor,  aber  nur  cimitero,  monastero,  impero;  Einflufs  des  Plurals  ist 
namentlich  beim  ersten  und  letzten  kaum  anzunehmen ,  die  Wörter 
sind  eben  halbgelehrt.  Im  Altfranzösischen  finden  sich  monastire, 
hattistire,  cimentire  und  noch  heute  emjnre,  ferner  avoltire,  maestire : 
die  Behandlung  der  Tonvokale  ist  zwar  regelrecht,  das  -e  zeigt 
aber,  dafs  die  Wörter  jünger  sind  als  das  Auslautgesetz.  In 
montier  ist  das  seltene  -ir  durch  das  gewöhnliche  ier  ersetzt  M^orden. 

520.  Im  Eumäni sehen  ist  die  alte  Form  nur  im  Verbum 
geblieben  und  auch  hier  im  Verschwinden  begriffen :  piej  (pereo) 
u.  s.  w.    Dagegen  ist  ia  zu  ie,  e  geworden :  caldare  =  caldaria ;  im 


§   520—522.  Lateiiiiseh  RY.  441 

Masculiiuim  wurde  ursprünglich  geschieden :  Sing,  -ariu,  Vhir.  -ari 
aus  ari),  woraus  nun  entweder  or(it),  ari,  die  gewöhnlichere  Form, 
deren  Entstehung  durch  ar  =  lat.  aris,  PI.  ari  begünstigt  Avurde, 
oder  at'u,  ar,  das  sich,  so  scheint  es,  noch  heute  dialektisch  hält. 
Nicht  ganz  regelmäfsig  sind  arie,  materie:  letzteres  ist  wohl  Lehn- 
wort, ersteres  ein  Kontaminationsprodukt  aus  are  =  area  und 
arie,  ai'e  =  areae. 

521.  Auch  im  1 1  a  1  i  e  n  i  s  c  h  e  n  sind  -arhts,  -ari  geschieden : 
jenes  giebt  ajo,  dieses  aW,  dann  finden  zum  Teil  Ausgleichungen 
statt:  ari  bekommt  den  Singular  aro ,  are;  ajo  den  Plural  ai, 
alte  Texte  bewahren  den  Unterschied,  vgl.  die  Formenlehre. 
Daher  haben  die  Monatsnamen  nur  Formen  auf  -ajo.  Die  Unter- 
drückung des  r  ist  spezifisch  toskanisch,  die  anderen  Mundarten, 
die  südlichen  sowohl  wie  die  nördlichen,  verlieren  i.  Man  könnte 
annehmen,  dafs  ajo,  ari  konsequent  zu  aro,  ari  ausgeglichen 
worden  und  dann  auch  r  in  den  anderen  Fällen  an  Stelle  von  ri 
getreten  sei.  Das  ist  jedoch  nicht  wahrscheinlich,  vielmehr  zeigt  sich 
in  dem  Kampfe  zAvischen  r  und  y  in  den  anderen  Provinzen  r 
fester.  Im  Norden  aber,  im  Venezianischen  und  Mailändischen, 
wird  -area  zu  -era,  -arius  zu  -er,  Zwischenstufe  ist  -aira,  -airu. 
Vor  dem  Tone  zeigt  auch  das  Toskanische  r:  arinolo ,  marinolo, 
daher  weist  scojatioh  auf  *scojo  zurück,  vaijuolo  geht  von  vayo 
aus  oder  steht  wenigstens  unter  dessen  Einflufs. 

522.  Im  Französischen  werden  die  Sachen  etwas  ver- 
wickelter: -aritts  wird  über -anf  zu -airf,  worin  das  alte  ai  behandelt 
wird  wie  p  §  150,  §  fällt  infolge  des  vokalischen  Auslautgesetzes. 
Dagegen  blieb  arya  länger,  erst  als  dann  a  zu  §  abgeschwächt 
wurde,  trat  auch  hier  Attraktion  ein  :  aire,  und  dieses  junge  m  wird 
nun  zu  f,  nicht  mehr  ie.  So  erklärt  sich  der  Gegensatz  zwischen 
aire  und  -ier,  zwischen  heur  (augürium)  und  foire  (forea).  Als 
Suffix  hat  -ier  auch  das  Femininum  -ikre  nach  sich  gezogen, 
umgekehrt  folgt  vair  dem  Femininum,  pair  ist  erst  von  paire  aus 
neugebildet.  Die  Attraktion  im  Femininum  ist  im  Altfranzösischen 
noch  nicht  vollzogen,  s.  §  340.  Im  Provenzalischen  verhält  es 
sich  ähnlich:  auch  hier  entsteht  aus  arius:  air,  woraus  weiter 
eir,  ieir  und  dazu  das  neue  Femininum  :  eira.  Vom  Provenzalischen 
und  Französischen  dringt  das  Suffix  ins  Italienische,  von  da  ins 


442  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  §   522,   523. 

Friaulisclie.  —  Wir  finden  ferner  im  Provenzalischen  Unter- 
drückung des  Y  vor  i  im  Konditionalis  auf  Wa,  der  zu  ryd  ge- 
worden ist  (§  598),  so  in  Gignac  und  Montpellier  ^mai§i  = 
aimerais,  in  der  Creuse :  ])'^^'*'ioyo,  meitodoyo  (metairie).  Sonst  wird 
ria  zu  ida ,  Gignac :  fieida ,  nieida ,  rouerg.  rihieido.  Da  auch 
patre  hier  über  jja?Ve  (§  493)  zu  paide,  facere  über  faire  zu  faide 
wird,  da  aufserdem  et  hier  d  ergiebt,  so  darf  man  in  dem  d  wohl 
das  Ergebnis  eines  palatalen  r  (r)  sehen. 

Über  das  Verhältnis  von  -ier  zu  -ariu  sind  viele  ver- 
schiedene Theorieen  aufgestellt  worden.  Erwähnt  werden 
sollen  nur  diejenigen,  die  für  die  Differenz  zwischen  -ier 
und  aire  sich  Rechenschaft  zu  geben  bemüht  sind. 
G.  Paris,  Rom.  IX,  331  setzt  ier  ==  iario.  Allein 
damit  bleibt  die  provenzalische  und  die  südostfranzösische 
Form  unerklärt,  da  es  nicht  angeht,  sie  als  Entlehnungen 
aufzufassen.  Gröber,  Arcli.  lat.  lex.  I,  226  nimmt  ein 
vulglat.  -criu  an,  allein  das  müfste  doch  wohl  -ir  ergeben, 
zudem  bleibt  seine  Beschränkung  auf  Gallien  unerklärt. — 
Ho  min  g,  Ztschr.  XII,  580  meint,  arius  sei  mit  aris 
vertauscht,  dies  nach  i-Laut  zu  ier  geworden.  Aber  die 
Tendenz  der  Sprache  geht  dahin,  doppelgeschlechtige 
Adjektiva  an  Stelle  von  einfachgeschlechtigen  zu  setzen, 
nicht  umgekehrt. 

3.     Die  Konsonanten  in  Proparoxytonis. 

523.  Die  Behandlung  der  Nachtonkonsonanten  in  Propar- 
oxytonis hängt  in  erster  Linie  davon  ab,  ob  der  tonlose  Mittel- 
vokal bestehen  bleibt  oder  nicht.  Bleibt  er,  so  kann  man  von 
vornherein  erwarten,  dafs  die  umgebenden  Konsonanten  sich  so 
gestalten ,  wie  in  Paroxytonis.  Im  grofsen  ganzen  trifft  auch 
diese  Regel  zu,  immerhin  gestattet  sie  eine  Reihe  Ausnahmen,  für 
welche  das  Rumänische  und  das  Italienische  als  die  am  wenigsten 
synkopierenden  Sprachen  am  meisten  in  Betracht  kommen.  Fällt 
der  Vokal,  dann  erhebt  sich  die  doppelte  Frage :  in  welcher 
Entwicklungsphase  befanden  sich  die  zwei  Konsonanten  unmittel- 
bar vor  dem  Schwund  des  Vokals,  und  wie  gestaltet  sich  die 
neue  Gruppe  weiter?  Schon  §  325  ist  gezeigt  worden,  dafs  in 
bestimmten  Fällen  der  Vokal  im  Vulgärlateinischen  gefallen  ist, 
die  so  entstandenen  Konsonantenverbindungen  werden  be- 
handelt   wie     die     primären.      In     einem     Falle     jedoch     nicht. 


^   523,   524.  Konsonanten  in  Proparoxytonis.  443 

Ans  bitxida  ist  vulglat.  hvxta  geworden :  dieses  jüngere  x  macht 
die  Entwicklung  zu  st  (§  408)  nicht  mit,  sondern  wird  behandelt 
wie  X  zwischen  Vokalen,  vgl.  ital.  husta,  frz.  hoHe,  prov.  huisto, 
hxtoito.  Der  KUrze  wegen  mag  im  Folgenden  der  dem  Nachton- 
vokal  vorangehende  Konsonant  als  anlautend,  der  folgende  als 
schliefsend  bezeichnet  werden.  —  Schon  im  VulgKrlateinischen 
ist  c  als  Anlautkonsonant  zu  g  geworden :  fracidi'S  zu  fragidus 
rnni.  fraged,  so  ist  anzusetzen  plagitu,  vogHu,  fagere,  digere.  Es 
ist  dies  die  einzige  Veränderung,  die  das  Rumänische  mitmacht, 
vitrig  aus  vitrictis  steht  mit  seinem  g  uneiklärt  da,  vergwa  geht, 
wie  schon  das  gutturale  g  zeigt,  nicht  auf  virgine,  sondern  auf 
virgo  +  ^'^ö;  zurück.  Ferner  scheint  -agus  zu  -aus,  -us  geworden 
zu  sein :  vertragvs,  frz.  vieutre,  ital.  veltro ;  sarcofagus,  afr.  sarqmeu 
aus  *sarcofus;  Hotomagvs  =  Bouan  u.  s.  w. 

Vgl.  über  plac'Hvwi, ,   plagHum  A  s  c  o  1  i ,    Arch.  Glott. 
IX,   104,  Anm.  1. 

524.  Unterbleibt  die  Synkope,  so  Averden  im  Ital  i  enische  n 
anlautende  tonlose  Verschhafslaute  tönend,  wenn  der  Schlufs- 
konsonant  l  oder  r  ist:  segola,  pegola,  spigolo,  luogora,  agora, 
peverCy  povero ,  ricevere,  wogegen  v  in  derselben  Stellung  zu  g 
wird:  fragola,  tigola,  frigolo,  stegola,  vgl.  bergam.  nigola,  legor, 
g  zu  j,  i:  dito,  piato,  vuoto,  fräle,  fare,  dire,  dürre,  coto,  ferrana, 
frana  aus  piaito  u.  s.  w.  nach  §  295 ;  nur  -aggine  bleibt,  ist  aber 
vielleicht  nicht  ganz  volkstümlich.  Im  Süden  bleibt  p  vgl.  siz. 
leyiri,  neap.  legere  und  §  295.  Von  den  Schlufskonsonanten 
erleidet  nur  j?  eine  Veränderung:  vescovo,  ferner  h  in  Giacomo 
und  abruzz.  kakJcam§  neben  kakkav^  aus  caccdhus.  Im  Westen, 
im  Spanischen  und  Portugiesischen,  fällt  d  als  Schlufs- 
konsonant,  es  wird  also  behandelt  wie  d  vor  dem  Tone:  span. 
escalio,  Ilacio,  limpio,  livio ,  lucio,  tivio,  rancio,  recio,  svcio, 
turhio,  mnstio,  daher  Immedo  wohl  gelehrt  ist,  portg.  rn^o  u.  a. 
Ij  und  n  fallen  in  letzterer  Sprache,  wie  im  Wortinnern :  femea, 
codea,  lendea,  landea,  redea,  gemeo,  hiigio,  espadoa,  artigo,  perigo, 
orago,  povo,  regoa,  cäbido  u.  a.  Dem  italienischen  Giacomo  ver- 
gleicht sich  span.  canamo,  portg.  canamo,  aber  caco  =  "^caccavu, 
caccäbus.  Der  anlaittende  Konsonant  giebt  zu  Bemerkungen  Anlafs 
in  span.  recio,  das  der  Bedeutung  nach  zu  rigidiis  pafst,  doch  ist 
der  Wandel  von  </  zu  c  auffällig.    Ein  *recidus,  das  aber  jünger 


444  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  8    £24 — 526. 

sein  müfste  als  das  §  523  aufgestellte  Gesetz,  würde  dem  span, 
Worte  und  dem  alb.  rek'etlic  besser  genügen.  Sonst  wird  g  tax 
i,  i:  dedoj  cu'ido ,  -en  aus  -agme,  im  Portg.  steht  dedo,  coidar 
neben  -agem.  Die  Endung  -ficare  in  gelehrten  "Wörtern  wird  zu 
-vigar.  woraus  im  Span,  weiter  -iguar:  span.  pacujuar,  averiguar 
u.  a.,  aportg.  eivigar  (aedificare),  afruHivigar,  testivigar  F.  Garda 
417  mortevigar  425^  heute  apaziguar,  averiguar,  santiguar.  —  Im 
Provenzalischen  wird  d  der  Adjectiva  auf  -khi  zu  s,  im  Kata- 
lanischen zu  n,  vgl.  nprov.  tebego,  kat.  Jcoheu,  nedcu,  orreu, 
regeu  u.  s,  w.  —  In  italienischen  Mundarten  wird  d  im  Suffix 
-idus  zu  l,  wenn,  der  Stamm  auf  einen  Labial  ausgeht,  vgl.  neap. 
tiepolo,  friaul.  fumul,  ebenso  aven.  cospolo,  trespolo,  aven.,  aret. 
torhelo ,  torhoJo ,  dann  aber  auch  aret.  hrensolo  aus  *brensedo  = 
hrindisi. 

525.  Weit  interessanter  und  verwickelter  gestalten  sich  die 
Verhältnisse,  wenn  Synkope  eintritt.  Wie  aus  §  448  ff.  ersichtlich 
ist,  sind  dieSonanten  am  wenigsten  Veränderungen  unterworfen; 
dies  ist  im  ganzen  auch  der  Fall,  wenn  sie  unter  sich  Gruppen 
bilden,  wie  sie  das  Lateinische  noch  kaum  kannte.  Es  lassen 
sich  vier  Behandlungen  unterscheiden :  beide  Sonanten  bleiben, 
oder  es  tritt  Assimilation  ein,  oder  Umstellung,  oder  es  entwickelt 
sich  zwischen  beiden  der  dem  ersten  homorgane  Verschlufslaut. 
Im  einzelnen  sind  noch  verschiedene  Modifikationen  möglicli. 
Gleichzeitig  sind  auch  die  durch  Synkope  des  Vortonvokals  ent- 
standenen Verbindungen  zu  besprechen.  —  Als  allgemeine  Eegel 
fürs  Französische  mag  noch  Aorausgeschickt  werden,  dafs  der 
mittlere  von  drei  Konsonanten  fällt,  aufser  wenn  er  ein  Ver- 
schlufslaut zwischen  mV,  nr,  s'r,  r"r,  m'l  ist. 

526.  Das  Lateinische  kennt  schon  die  Verbindung  mn, 
s.  §  486 ;  neu  bilden  sie  das  Eätische,  die  Sprachen  Frankreichs 
und  Spaniens.  Im  Rätischen  bleibt  dieses  neue  mn  nach  dem  Tone, 
wird  vor  demselben  zu  nn,  w,  im  Französischen  stets  wie 
primäres  zu  mm,  im  Provenzalischen  zu  n;  im  Altspanischen  ist 
es  erhalten,  wird  dann  aber  über  mr  zu  mhr.  —  So  haben  wir 
also  engad.  femna,  aber  nummar,  obw.  rimna  =^  ruminat,  aber 
rumar  =  remenare,  frz.  femme,  liomme,  nommer,  aspan.  hemna, 
homne,    nomnar,    so    im  Cid    und    im    Libro    de    la    Gaza,    aber 


§  526,  527. 


Konsonanten  in  Proparoxytonis. 


445 


nombrados  Esp.  Sagr.  36,  133  a.  1206.  Dagegen  asturisch  fcma. 
Derselbe  Wandel  von  ne  zu  re  findet  sich  auch,  wow+Kons. -|- 
ne  zusammentreffen :  licndre,  landre,  sangre,  engh.  —  Im  Proven- 
zalischen  gehen  die  Dialekte  sehr  auseinander.  Am  weitesten 
verbreitet  ist  fcnno,  das  auch  im  ganzen  Südosten  und  zum  Teil 
im  Osten :  im  Berner  Jura,  in  Champlitte,  Bresse,  und  im  Nord- 
westen:  femtes:  regncs  Wace  Brut  510  u.  s.  w. ,  vorkommt. 
Daneben  findet  sich  aber  die  volle  Form  liemne  im  Bearnischen, 
daraus  liemo  in  der  Gascogne,  endlich  femro,  fremo  in  Marseille 
und  Nizza  und  fciimo  in  Gard.  Vor  dem  Tone  aber  nur  daumage, 
numar.  Endlich  frz.  damledieu  ist  die  volkstümliche  Umgestaltung 
des  kirchlichen  domine  dens.  —  Nm  wird  zu  jw,  Im  dissimiliert: 
frz.  arme,  dme,  merme,  aumaille,  obw.  harmier  =  henemorti^, 
jarma  aus  janma  =  hehdomas. 

527.  Nr,  mr,  Ir  wird  selten  geduldet:  mr  wandelt  sich  wohl 
überall  zu  mhr,  nr,  Jr  im  Französischen  und  Rätischen  zu  ndr, 
Idr,  im  Spanisch-Portugiesischen  findet  Umstellung  zu  rn  statt, 
im  Italienischen  und  in  Nord-  und  Nordostfrankreich  Assimi- 
lation zu  rr. 


Lat.  VENERIS  GENEBÜ 

Ital.  venerdi  gencro 

Engad.  venderdi        — 

Frz.  vendredi  gendrc 

Span,  viertes  yerno 


TENEEU         CINERE  VENIBAYO    VOLERAYO 

icneco         cenere  verrö  vorrö 

—         dcndra  —  — 

cendre  vkndrai     voiidrai 

cernada  vendre  — 


tendre 
tierno 

Engadinische  Beispiele  sind  noch  vvdrar  (honorare),  spendrer 
(expignorare)  u.  a, ,  italienische :  marritto ,  marrovescio ,  orrata, 
derrata.  • —  In  Frankreich  zeigt  das  Zentrum  und  der  Westen 
ndr,  vgl.  den  Reim  mcndrc:  dexendre  J.  le  March.  84,  26,  für  h 
vgl.  noch  coudrc,  foudre,  poudre,  nr,  Ir  bleiben  dagegen  im 
Wallonischen ,  Lothringischen  und  in  Morvan ,  vgl.  morv.  cefire, 
genrc,  moirtre,  ist  aber  hier  vielleicht  erst  aus  ndr  entstanden, 
vgl.  foinre  aus  ftmdere ;  es  wird  zu  rr  in  Lüttich  und  im  Pikar- 
dischen, vgl.  die  umgekehrten  Schi-eibungen  venrai  =r- verrai  Chey. 
II  esp.  3906  u.  s.  w.  Auch  in  Pariser  Urkunden  des  XIV.  Jahr- 
hunderts ist  nr  nicht  fremd:  r ctenr ons  Ord.  375,  653  u.  a.  Aus 
colynis  entsteht  daher  pik.  caure,  das  auch  in  die  fi-anzösischen 
Wörterbücher  gedriuigen  ist,  courere  =  coudriere  Champ.,  Morv. 


446  II.  Kapitel:  Konsonantismus.  ^   527 — 529. 

Die  Beispiele  für  m  sind  wenig  zahlreich :  die  wichtigsten  sind 
camera,  eng,  k'ambra,  frz.  chambre,  span.  camhra,  numerus,  obw. 
diember,  frz.  nombre,  ferner  frz.  remembre,  span.  hombro,  cogomhro, 
membro.  Im  Italienischen  erscheint  mehrfach  mber  für  mer: 
gambero ,  bombera ,  sgomberare  und  sgombrare.  Die  Formen  ge- 
hören hauptsächlich  Pistoia  an  und  scheinen  für  einstiges  bomra 
u.  s.  w.  zu  sprechen.  —  Noch  mag  marmor  erwähnt  werden^ 
woraus  frz.  *marmbre,  marbre,  aber  wallon.  '^marmre,  marme. 

528.  Auch  für  m'l  ist  mbl  die  Regel,  n'l  kommt  nur  im 
Italienischen  vor  und  wird  da  zu  U:  lulla,  spüla,  mallevare,  ella. 
Das  Französische  bietet  nur  epingle  avis  spinula.  Sonst  also  frz. 
comble,  semble,  tremble,  span.  siembla,  tiembla.  Das  Italienische 
sembiare,  sembrare  ist  französisches  Lehnwort.  Auch  hier  bleibt 
das  Pikardische  und  Wallonische  bei  ml,  Avirft  aber  dann  l  ab: 
^scme,  esame  =  enscmble;  sene,  sane  =  Sambier  in  Reims  u.  s.  w. 
m  bleibt  meist,  nur  das  pikardisch-lothringische  assimiliert.  Von 
hier  dringen  Chälles ,  malle,  häle,  paller  nach  Bovelles  1533  ins 
Pariser  Französisch,  vgl.  noch  heute  chambellain.  Vereinzelt  sind 
marne  aus  marle  und  poterne  aus  posterle.  Als  umgekehrte 
Schreibungen  sind  wohl  zu  fassen  murles  =  mules  Am.  1977, 
1653,  1993.  —  Im  Portugiesischen  tritt  Ir  ein:  pilra  (pir\ilai. 
bulra,  bölra,  Calros,  galrar  u.  a. 

529.  Ist  der  anlautende  Konsonant  s,  so  wird  dieses  vor 
tonlosen  Konsonanten  behandelt  wie  in  alten  Gruppen  §  468, 
zwischen  s  und  r  schiebt  sich  d,  zwischen  ss  und  r  entsprechend 
t  ein,  vor  tönenden  Lauten  wird  s  selbst  tönend  und  dann  zu  d, 
r  im  Spanischen,  es  verstummt  im  Rätischen,  Val  Soana  und 
zum  Teil  im  Französischen ,  oder  aber  es  wird  zu  r  im  Fran- 
zösischen und  Provenzalischen,  oder  zu  d  geschrieben  d  im  Anglo- 
normannischen ,  oder  zu  K  im  Altwallonischen.  Das  Italienische 
bietet  gar  keine  Beispiele,  das  Obwaldische  battem  (eng.  battaisem) 
neben  äunkeisma.  In  Frankreich  dagegen  sind  sie  zahlreich: 
etre  aus  essere,  afr.  distrent,  escristrent;  für  z  —  r:  madre,  ladre, 
coudre,  afr.  fisdrent,  cidre  wohl  aus  cisera  für  sicera.  Vor  m  ist 
schon  vor  Beginn  unserer  Litteratur  s  (z)  verstummt:  blasmc, 
pasme  stehen  im  Roland  in  «-Assonanzen,  ebenso  müssen  meesmc, 
pesme  früh  ihr  s  verloren  haben.     Vor  l,  n  dagegen  erscheint  im 


§   529 — 531.  Sekundäre  Küusouautengruppen.  447 

Ang-lonorinaiiiiischen  d,  iirsprUugiicli  d:  meäler,  vadler,  madlei\ 
cliaidne,  podnee,  rampodnee  IV  Livr.,  idle,  grcdle  Phil.  v.  Thaon, 
nongl.  meddle,  medlar.  Auf  dem  Festlande  wird  isn,  asn  über 
ijn,  ajn  zu  in,  an,  vgl.  diner,  äne,  als  dialektisch  wird  medie, 
ede  (acinus)  angegeben,  vgl.  auch  gemeinfrz.  cygne.  Im  Alt- 
wallonischen (Gregor,  Hiob,  Poeme  moral)  erscheint  /^  vor  n 
und  m:  aJmcsse,  railmahle,  hlalimer,  heute  aber  wird  kein  Laut 
gesprochen:  emai,  ebenso  vor  anderen  tönenden:  rezoaliij 
vaJet,  amnnc.  Endlich  pikardisch  r:  derver,  orfraie,  varict,  merler, 
torjors,  almorne^  harte  Chev.  II  esp.  2674  u.  s.  w. ;  davon  gehört 
orfraie  der  Schriftsprache  au,  die  Beispiele  von  rl  waren  im 
XVI.  Jahrhundert  der  Pariser  Aussprache  nicht  unbekannt. 
Auch  im  Provenzalischen  und  den  Südwestmundarten  findet  sich 
auniorne.  In  Val  Soana  verstummt  s:  lena,  medetn,  maind,  dinar, 
ftdino,  grela,  aber  Hla'war  aus  disliquare. 

Zum    Französischen     vgl.     G.     Paris,     Rom.     XV, 
617—620. 

530.  Treten  die  Sonanten  mit  Konsonanten  zusammen,  so 
erfahren  sie  dieselbe  Behandlung,  wie  bei  primären  Gruppen:  l 
wird  zu  #,  M  §  476,  m  wird  vor  Dentalen  zu  n.  Der  Abweichungen 
sind  wenige.  Im  Provenzalischen  wii*d  auf  bestimmtem  Gebiete 
n  zu  r,  wenn  es  mit  v  oder  g  zusammenstöfst.  Der  Umfang  der 
beiden  Erscheinungen  ist  noch  nicht  bestimmt.  Für  ersteres 
sind  die  Beispiele  cannabis  und  tenuis:  daraus  entsteht  derve, 
tcrve  Saintonge,  liarhe  Languedoc,  öerhe  Limousin,  öerhi  in  Velay 
u.  s.  w.,  karhe  in  Tarne.  Sodann  marge  =  manica,  murge,  serbe 
vgl.  vermd  (minimare)  Coulognac  und  Rouergue.  —  Auch  im 
Obwaldischen  kommt  das  vor:  marveigl  ==■  mane  vigü.  Aber  in 
Mons  tem  aus  tenvis,  Jcam  aus  cannabis,  vgl.  dazu  frz.  charme  aus 
carpinus.  —  Die  Assimilation  von  mt  zu  nt  kennt  das  Bünd- 
nerische nicht,  es  spricht  vielmehr:  aumta,  semta  u.  s.  w.  — 
Ferner  weicht  das  Französische  bei  synodns :  scnne  und  bei  anate : 
anne  ab:  jenes  ist  ein  Kirchenwort  und  hat  daher  die  Endung 
einfach  abgeworfen,  vgl.  §  339,  dieses  lällt  in  die  §  326  be- 
handelte Klasse,  hat  also  als  Zwischenformen  *änade,  *änede, 
*ünee. 

531.  Ist  der  Anlautkonsonant   ein  g  (=  kl.-lat.  ge  oder  ce 
523),    und  trifi't  dieses  ^  mit  t,   d,    r    zusammen,    so   wii-d  die 


448  II'  Kapitel:  Konsonantismus.  §    531,    532. 

neue  Gruppe  ganz  so  behandelt  wie  die  ursprünglichen  et,  gd,  gr. 
In  Betracht  kommen  auch  hier  nur  die  Idiome  Galliens.  Aus 
placüum,  facitis,  dicitis,  cicere,  facere^  dicere,  cocere  entsteht |)?ai^,  faites, 
dites,  ceire,  faire,  dire,  cuire.  Wie  ferner  digita  zu  afr.  doie  wird, 
so  cogHat  7ax  cuie,  *magida  zu  maie.  Aber  vor  dem  Tone  wird 
cogitare,  '^aitare,  '^plagHare  zu  cuidier,  aidier,  plaidier,  und  so  wird 
auch  afr.  vuit^  vuide  von  vuidier  =  *vogitare  beeinflufst  sein.  In 
amkitate  ist  durch  Einflufs  von  amicKS ,  amica,  in  fe'cerunt  durch 
feci,  fecisti  das  c  vor  dem  Wandel  zu  g  bewahrt  worden.  End- 
lich rigidus  wird  roid,  danach  Fem.  roide  statt  *roie;  das  daneben 
stehende  afr.  redde  geht  vielleicht  auf  rccidus  §  324  zurück. 
Der  Wandel  von  c  zu  g  scheint  nicht  eingetreten  zu  sein,  wenn 
der  Schlufskonsonant  l  oder  m  war :  gracüis  wird  zu  graisle, 
danach  afr.  fraisle  statt  fraile,  acinva  zu  aisne,  cicinus  zu  cisne. 
Es  bleibt  daher  zweifelhaft,  ob  afr.  dismes  sein  s  von  die  bezogen 
und  faimes  die  organische  Form  sei,  oder  ob  umgekehrt  dismes 
den  Lautgesetzen  entspreche,  dagegen  faimes  nach  faitcs  umgestaltet 
sei.  Treten  im  Spanischen  und  Portugiesischen  c  und  t  zu- 
sammen, so  entsteht  c:  span.  reear,  portg.  amizade  (span.  amistad 
nach  podcstad  u.  dgl.),  a(^or  (aspan.  bald  mit  f ,  bald  mit  z)  = 
acceptöre,  plazo  aus  dem  schriftlateinischen  pJacitvm ;  azorera  schon 
a.  812  Hisp.  sag.  XXXVII  esc.  8,  neben  aztorera  XXXVIII  6. 
a.  976.  Hier  mag  erwähnt  werden,  dafs  im  Mazedonischen  ts,  ds 
in  Verbindung  mit  dem  Artikel  zu  s,  z  wird :  oaspits  aber  oaspisU, 
eds  aber  czli. 

532.  Ganz  anders  gestaltet  sich  die  Sache  aber,  wenn  nicht 
g,  c\  sondern  ng,  nd,  rg,  rc,  sc'  im  Anlaut  stehen.  Im  Auslaut 
haben  wir  in  diesem  Falle  nur  r,  das  einzige  angelus  kommt  im 
Französischen  nur  in  Buchform  vor.  Ng  ist  schon  vulgärlateinisch 
zu  n  geworden,  n  -\-  r  aber  wird  zu  fidr,  indr.  Mg  müfste  ent- 
sprechend /r,  rdr  ergeben,  da  das  Französische  aber  kein  r  kennt, 
entsteht  einfach  rdr.  C'  nach  Konsonanten  wird  zu  s,  das  mit  r 
sich  zu  str  verbindet,  und  nun  tritt  wieder  derselbe  Vorgang  ein : 
nstr  wird  zu  nslr ,  instr,  intr ,  str  zu  istr,  dagegen  rstr  zu  rtr, 
vgl.  ccindre,  p)eindre,  plaindre,  joindre,  poindre,  aerdre,  terdre, 
sourdre;  veintre,  croitre,.  conaitre,  naitre,  pattre,  chartre.  Statt 
tordre  erwartet  man  tortre,  vgl.  darüber  die  Konj.  Xfr.  vaincre 
ist  von  vaincu  aus  gebildet.     Fovdre    aus   fiägur   kann    auf   zwei 


S   532 — 534.  Hekundäre  Konsonantenverbindimgen.  449 

Arten  erklärt  werden :  entweder  es  geht  von  vulglat.  fulgvr  aus, 
und  g  zwischen  zwei  Konsonanten  ist  gefallen,  bezw.  die 
ungewohnte  Verbindung  Igr  durch  die  beliebte  Idr  ersetzt  worden, 
oder  die  Grundlage  ist  fulgere,  vgl.  prov.  folger,  rum.  fulger, 
woraus  foler,  foldre  (vgl.  fuüdre  OP.),  foMre,  vgl.  mieis  aus 
melius.  Für  die  zweite  Auffassung  spricht  hougre  aus  hulgarus. 
Es  fragt  sich,  wie  sich  dazu  die  Mundarten  stellen,  die  nr ,  sr 
behalten.  Im  Lothringischen  steht  neben  et  (frz.  etre) ,  Jcos  aus 
cos^re,  JcraJi,  ebenso  wall.  Jcoes,  TcreU,  hier  auch  es,  ferner  mud  aus 
miügere.  Daneben  aber  lothr.  zed  (jüngere),  M§d  (extinguere), 
wall,  pont  (pmgere),  femer  sond,  sont  =  cinere.  Das  letztere  ist 
nicht  klar,  die  anderen  zeigen  eine  andere  Behandlung  für  n  als 
flir  n:  jenes  entwickelt  leichter  ein  d  als  dieses.  Noch  mag 
erwähnt  werden,  dafs  im  Poeme  moral  crescere  zii  creistre,  nicht 
croistre,  also  zu  hrestre  Avird,  ebenso  vincere  zu  venire. 

Die  hier  behandelten  Formen  sind  schon  oft  besprochen 
worden,  zuletzt  von  Neu  mann,  Littbl.  1885,  244  Anm. 
und  von  Koschwitz,  Kommentar  71 — 74,  wo  die 
ganze  frühere  Litteratur  verzeichnet  ist.  Neumann 
nimmt  nach  Cornu,  Rom.  VII,  367  an,  als  c,  g  noch 
gutturalen  Laut  hatten ,  sei  die  Synkope  vor  r  ein- 
getreten, dann  der  Guttural  zum  Dental  geworden,  das 
i  sei  analogisch  übertragen  von  2.  3.  Sg.  Ind.  Praes. 
aus.  Gegen  die  hier  vorgetragene  auf  A  s  c  o  1  i ,  Arch. 
Glott.  n,  119,  Anm.  1,  Mussafia,  Littbl.  1883,  279 
luid  Hörn  in  g,  Lat.  C.  119,  1  beruhende  Erklärung 
wendet  er  ein,  dafs  dann  auch  facere  zu  fastre  hätte 
werden  müssen,  übersieht  dabei  aber,  dafs  zwischen  inter- 
vokalischem  und  nachkonsonantischem  c,  g  ein  grofser 
Unterschied  besteht.  —  Koschwitz  geht  aus  von  ven- 
tyere,  venty're,  venire  oder  venisere,  venis're,  venisire,  mufs 
aber  bei  letzterer  Auffassung  das  ein  in  veinire  aus  der 
2.  3.  Sg.  erklären,  und  liefert  den  Beweis  nicht,  dafs 
vincii  früher  synkopiert  worden  sei  als  vincere.  Die 
erste  scheitert  an  fisdreni,  bei  dem  die  Synkope  gleich- 
altrig ist  mit  derjenigen  in  vincere. 

533.  Steht  if  (§  462)  im  Anlaut,  so  wird  es  im  Spanischen 
nicht  weiter  zu  ch  entwickelt,  sondern  wird  rein  dental :  airil, 
prieto  aus  pectre,  behciria,  peiral,  äbuiire. 

534.  Ist  der  Schlufskonsonant  l  und  tritt  es  zusammen  mit 
t,    so  bleibt  diese  junge  Gruppe    il  im  Provenzalischen  erhalten, 

Meyer,  Grammatik.  29 


450  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  8    534,    535. 

wird  im  Italienischen  zu  11 ,  im  Kordfranzösischen  zu  il,  im 
Rätischen  zu  dl,  im  Spanischen  zu  Id,  vgl.  spatula:  prov.  espatla, 
ital.  spalla ,  frz.  epaule,  eng.  spedla,  span.  espalda;  ital.  crollare, 
frz.  crouler,  eng.  rodler;  prov.  Botlan ,  frz.  Holland,  span. 
Moldan;  frz.  soulier,  prov.  sotlar;  span.  rolde,  cahildo ,  tilde, 
eneldo j  toveldo  Cid  3322.  —  Tritt  Z  mit  ^  zusammen,  so  bleibt 
das  gf,  nur  im  Nordostfranzösischen  wird  es  assimiliert:  frz. 
sei^fZe,  aber  S6i?e  N.E.  XXVIII,  100  a.  1265  Valenciennes,  128  a. 
1269  Meuse;  aveulles  J.  de  Thuim.  Hat  aber  zwischen  g  und 
l  ein  M  gestanden ,  so  wird  g  labialisiert :  tieule  aus  tegula, 
Heule  aus  regula.  Ebenso  im  Westrätischen,  vgl.  eng.  mieula 
aus  mieula. 

535.  Schliefsendes  n  assimiliert  sich  im  Französischen  an- 
lautende Labialen  und  Dentalen*,  im  Spanischen  wird  tn  zu  nd. 
Vgl.  frz.  Etienne,  antienne,  afr.  juevne,  später  jewwe,  rene,  auronne. 
Merkwürdig  sind  die  Schreibungen  joenvre,  Estienvre  M.  S.  Michel 
65,  1461,  495,  wo  der  Vokal  über  das  v  nasaliert  wird  und  ne 
sich  zu  re  wandelt  wie  in  juevre  Cliges  2861 ,  und  dies  ist  die 
gewöhnliche  Darstellung  von  ne  in  Schriftwörtern:  ordre,  coffre. 
Spanisch:  rienda,  pendado,  pendeja,  candada,  handulho  aus  arab. 
hatn,  dandos  aus  dadnos  Cid  2081.  Die  Zwischenstufe  ist  ntn,  vgl. 
andado  aus  andnado,  antenatus.  Auch  In  kommt  dialektisch  vor: 
aJnado,  calnado.  —  Schwierig  sind  die  Vertreter  von  -tudine,  afr. 
-turne  in  coustume,  span.  -umhre.  Ital.  costume,  eostuma  sind  der 
Entlehnung  aus  dem  Französischen  verdächtig,  im  Provenzalischen 
liegt  nur  cosdumna,  ordumna  vor,  im  Rätischen  oberhalb  st.  -idna, 
eng.  -Unna,  obw.  -enna.  Die  letzteren  sind  alle  klar,  dagegen  ist 
frz.  -ume,  span.  -umne  mit  -udine  kaum  direkt  zu  verbinden,  viel- 
mehr ist  Suffixvertauschung  anzunehmen :  -umen ,  -umina  an 
Stelle  von  -udine.  Grleichgebaut  ist  vulglat.  incudine,  frz.  enclume, 
das  merkwürdigerweise  dieselbe  Gestalt  hat,  aber  schon  deshalb 
nicht  zur  Erklärung  geeignet  ist,  weil  es  ein  ganz  ungehöriges  l 
enthält.  Meist  ist  in  diesem  Worte  -udine  durch  -ugine  ersetzt 
worden ,  vgl.  siz.  inkuniya ,  berg.  enhize ,  prov.  enMüge  u.  s.  w. 
Span,  ayunque  ist  völlig  dunkel. 

Vgl.  Ascoli,  Arch.  Glott.  III,  368  Anm. ;  Gröber, 
Arch.  lat.  lex.  I,  553  ff.  Versuche,  -umne  aus  -udne  durch 
Assimilationen     und    Dissimilationen     zu     erklären       von 


ß   535 — 538.         Sekundäre  Konsonantenverbindungen.  451 

J.  C  o  r  n  u ,  Eom.  VII,  365  (tunine,  tumine)  und  L,  H  a  v  e  t 
ib.  591   (uhine,  iibne,  umne)  sind  nicht  überzeugend. 

536.  Endlich  erscheint  auch  c  als  Schlufskonsonant  in 
unclecim  u.  s.  w. ,  vor  dem  Tone  in  dodecina,  femer  in  vulglat, 
sudicus  für  suddus.  Infolge  gegenseitiger  Assimilation  entsteht 
daraus  dz,  das  im  Italienischen  gedehnt  ist:  ital.  dozzina,  sozzo, 
frz.  doiize,  treize,  aspan.  doze,  freze,  portg.  doze,  treze.  Ferner  ist 
hier  zu  erwähnen  aurifice,  span.  *orevge,  ^orepce,  orespe,  aber 
portg.  ourivcs.  Wie  hier,  so  ist  die  Stufe  des  anlautenden  Kon- 
sonanten geblieben  auch  in  Fällen  wie  marcidiis ,  ital.  marcio, 
span.  marclio,  in  imntice,  ital.  pancittj  span.  xmnclia,  in  cortice, 
span.   *corche,  daher  corclio. 

537.  Sind  beide  Konsonanten  Verschlufslaute ,  so  werden 
die  neuen  Gruppen  meist  behandelt,  wie  die  alten;  im  Fran- 
zösischen hat  der  Zusammentritt  stattgefunden,  bevor  die  tonlosen 
Verschlufslautc  tönend  wurden,  auf  den  anderen  Gebieten  nachher. 
Vgl.  die  Beispiele  §  332 — 336.  Wörter  wie  frz.  code  sind  natür- 
lich gelehrt. 

538.  Verwickelt  wird  die  Sache,  wenn  der  Schlufskonsonant 
tönend,  der  anlautende  tonlos  oder  umgekehrt  ist,  oder  Avenn  im 
Anlaut  eine  Gruppe  steht,  deren  zweiter  Laut  dann  mehr  Wider- 
stand leistet,  oder  wenn  der  Anlaut  vor  der  Synkopierung  zum 
Spiranten  geworden  ist.  Im  ersteren  Falle  siegt  die  Stufe  des 
Anlauts:  frz.  motte  aus  muccidus,  afr.  flaistre  aus  fluccidus,  piege 
aus  pedicu.  Im  zweiten  Falle  zeigen  ital. ,  span.  andare  aus 
amhitare,  frz.  hondir  aus  homhitire,  afr.  goiirdc,  courge,  ourde 
reziproke  Angloichung.  Der  dritte  liegt  vor  in  span.  -aticu, 
dafs  über  adcgo  zu  üzgo,  dial.  -algo  wird,  vgl.  noch  nazga 
und  nälga,  juzgar,  juzgo.  Ebenso  fm:  hizma ,  marezrna,  leon. 
selmana.  Anlautend  v  (aus  klassisch  -  lateinisch  b)  wird  im 
Spanischen  zu  u :  deuda ,  heudo ,  raudo ,  lauda ,  codo ,  dndo, 
leon.  zu  i:  coldo ,  delda,  duldar ,  muclda,  alce  u.  s.  w., 
dulda  Oscas  1266  F.  d.  Aviles  78,  dolda  1270,  S.  79;  1281, 
S.  85 ;  aspan.  malacho  ist  Lehnwort  aus  dem  Katalanischen. 
Einen  besonderen  Fall  bildet  französisch  -aticu.  Als  die  Syn- 
kope eintrat,  war  c  schon  zu  j  abgeschwächt,  daher  atije, 
adije,  was  weiter  zu  adje,  afr.  adge,    age  geworden  ist.     Ebenso 

29* 


452  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  8   538 — 540. 

sikge  aus  sedicum.  —  Besonderer  Erwähnung  bedürfen  noch  coude 
lind  coute,  malade  und  ostfrz.  mol^tu.  Vergleichen  wir  diese  mit 
nache  gegenüber  -age,  so  drängt  sich  die  Annahme  auf,  dafs  bei 
auslautendem  a  die  Synkope  eher  eingetreten  sei  als  bei  aus- 
lautendem u :  cuvita  wäre  zu  cuvta ,  coute  geworden ,  wie  natica 
zu  natca,  nache,  dagegen  cuvitu  zu  citvidu,  coude  Avie  aticum, 
atiju,  age. 

539.  Die  meisten  bisher  betrachteten  Fälle  zeigen  die  Be- 
handlung romanischer  Konsonantengruppen  nach  dem  Tone.  Vor 
demselben  treten  die  nämlichen  Erscheinungen  auf,  einen  be- 
merkenswerten Unterschied  hat  nur  das  Nordfranzösische  auf- 
zuweisen :  während  es  nach  dem  Accente  den  tonlosen  Laut  meist 
bewahrt,  läfst  es  vor  demselben  den  tönenden  eintreten.  Man 
vgl. :  revanclie  aber  venger,  plait,  faites  aber  plaidier,  cuidier, 
vuidier,  ante  aber  landier,  ferner  charger,  forger,  berger,  afr.  revider 
aus  revisitdre.  —  Sodann  zeigt  das  Französische  vor  dem  Tone 
bei  sekundärer  Verbindung  rr  aus  nr:  afr.  derre'e,  afr.  merrai, 
II  aus  nl:  tollieu  u.  a. 

540.  Endlich  sind  noch  einige  merkwürdige  Erscheinungen 

in   gelehrten  französischen  Proparoxytonis  zu  erwähnen.    Dafs  die 

Schlufssilbe  ganz  abgeworfen  werden    kann,    ist   §    339    erwähnt. 

In  anderen  Fällen  wii-d  ne  zu  re:    titre,    ordre,    coffre,    Wandre, 

diacre,  pampre,  timbre,  encre.     Aus  medicus  entsteht  ferner  mire, 

aus    sudica:     surge,     dazu    gesellen    sich    grammaire ,    daumaire, 

artimaire,    firie  aus  "^fiticum,    dann  mit  r  für  di:    estnire,    remire, 

homecire,  Gire,  envirie.    Das  gemeinsame  dieser  Beispiele  ist,  dafs 

di  nicht  wie  altes  di  zu  i  oder  wie  junges   zu    g   wird,    sondern 

über  d  zu  r.     Wir  müssen  annehmen,  dafs  z.  B.  medicus  erst  in 

die  Sprache  aufgenommen   wurde,    als   sedicum    schon   siege    oder 

wenigstens  siedie  lautete.     Danach   wurde    f    noch    diphthongiert, 

d  wandelte  sich  in  d,    c  konnte    noch  fallen,    vgl.  moine  §  326, 

es    entstand    also    aus    medicu    zunächst   miedie.     Ebenso   konnte 

damals  t  noch  zu  d  werden :  grammddica,  grammadie,  grammadie, 

dann  (vgl.  §  340)  micide,  gramaide,  mire,  grammaire.    Über  Gilie 

s.  §  590. 

Vgl.  A.  Tobler,  Eom.  II,  241—244;  G.  Paris, 
Eom.  VI,  129—133;  L.  Havet,  Eom.  VI,  254—257, 
dem  im  ganzen  die  obige  Erkläi-ung  angehört. 


§  541. 


Doppelte  Verschlufslaute. 


453 


4.    Die  Doppelkonsonanten. 

541.  Die  lateinischen  Doppelkousonanten.  Nur 
das  Italienische  behält  die  lateinischen  doppelten  Verschlufslaute 
als  gedehnte  Konsonanten  bei,  alle  anderen  Sprachen  verkürzen 
sie  und  lassen  sie  dann  weiter  die  Änderungen  der  Silbe  anlauten- 
den Konsonanten  mitmachen. 


Lat. 

GUTTA 

GLUrTÜ 

CATTU 

MATTA 

MITTEKE 

ßum. 

gutä 

inghit 

— 

— 

— 

Engad. 

aguotta 

— 

^at 

— 

metter 

Ital. 

gotta 

ghiotto 

gatto 

matta 

mettere 

Frz. 

goutte 

glout 

chat 

natte 

mcttre 

Span. 

gota 

gloton 

gato 

nata 

meter. 

Lat. 

SAGITTA 

LITTEEA 

*BATTIT 

QUATTÜOR 

PUPPE 

Rum. 

sageata 

— 



patru 



Engad. 

sagetter 

— 

hat 

quatter 

— 

Ital. 

saetta 

lettera 

hatte 

quattro 

poppa 

Frz. 

saette 

lettre 

bat 

qiiattre 

poupe 

Span. 

saeta 

letera 

hate 

cuatro 

popa. 

Lat. 

CUPPA 

STUPPA 

STBUPPU 

LAPPA 

CIPPU 

Rum. 

cupä 

stupä 



— 

— 

Engad. 

coppa 

stoppa 



— 

öep 

Ital. 

coppa 

stoppa 

stroppo 

lappa 

ceppo 

Frz. 

coupe 

etoupe 

eirope 

— 

cep 

Span. 

copa 

estopa 

estropo 

lapa 

cepo. 

Lat. 

CAPPONE 

BüCCA 

VACCA 

SACCÜ 

BECCU 

Rum. 

cäpun 

hitcö 

vacä 

sac 

— 

Engad. 

k'epun 

huok'a 

vak'a 

sak' 

— 

Ital. 

capone 

hacca 

vacca 

sacco 

hecco 

Frz. 

chapon 

houche 

vache 

sac 

hec 

Span. 

capon 

hoca 

vaca 

saco 

heco. 

Lat. 

MUCCU 

PECCAT 

SICCU 

Rum. 

muc 

pacat 

sec 

Engad. 

— 

pek'a 

sek' 

Ital. 

moccolo 

pecca 

secco 

Frz. 

moucher 

phche 

sec 

Span. 

moco 

peca 

seco. 

454 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


541—544. 


Vgl.  noch  futtere  ital.  fottere,  ah.  fottre,  sappinus  frz.  sapin, 
floccus  ital.  fiocco,  span.  leco  u.  s.  w. ;  dd  erscheint  nur  in  reddere, 
das  von  seinem  Gegenteil  prendere  ein  n  übernommen  hat:  ital. 
rendere,  span.  rendir,  frz.  rendre.  Im  Provenzalischen  aber  erscheint 
auch  reddre,  kat.  retre,  tirol.  ret§r.  Hb  in  gihhvs,  gnbbvs,  span. 
agohiar,  ital.  gohho,  kat.  ö'^i?,  geberut,  vgl.  noch  §  546.  —  Nicht 
klar  ist  die  spanische  Form  estrovo  neben  estropo.  —  Neben  frz. 
chiche,  span.  chico,  lat.  ciccum  steht  ital.  cica,  cigolo.  —  In  ecdesia 
ist  ccl  zu  cl  geworden^  frz.  eglise,  prov.  glieiza,  span.  iglesia. 

542.  Lateinisch  »in  bleibt  im  Italienischen,  wird  n  im  Rum., 
Eät.,  Portg.,  Prov.,  Franz.,  n  im  Spanischen. 


Lat. 

ANNU 

PENNA 

CUNNU 

PANNÜ 

NONNU 

Rum. 

an 

panä 



— 



Engad. 

ann 

— 



— 

— 

Ital. 

anno 

penna 

conno 

panno 

nonno 

Frz. 

an 

penne 

con 

pan 

nonne 

Span. 

ano 

pena 

cono 

pano 

nono 

Portg. 

anno 

penna 

conno 

panno 

— 

Neben  pannvs  steht  depanare,  ital.  dipanare,  span.  devanar, 
portg.  dohar,  prov.  debanar ;  es  hat  also  schon  im  Vulgärlateinischen 
vor  dem  Tone  Vereinfachung  stattgefunden.  —  Femer  scheint 
in  Frankreich  nach  langen  Vokalen  n  eingetreten  zu  sein : 
strena  für  strenna,  bearn.  estrea,  estred,  (strenare),  afr.  estrainne: 
quintainne  Clig^s  1299;  paine  Chev.  II  esp.  3643,  piem. 
screina.  —  Auffällig  ist  friaul.  vandi  =  vannere,  tirol.  vand. 

543.  Lateinisch  wm  liegt  nur  in  flamma,  mamma,  gemma, 
sitmmu  vor,  ital.  fiamma,  mamma,  gemma^  sommo,  frz.  flamme^ 
maman,  gemme,  son,  span.  llama,  mama,  yema,  somo.  —  Statt 
dammu ,  damma  wird  damus,  damo  vorausgesetzt  von  afr.  dain, 
ags.  da. 


544. 

Lateinisch  rr  bleibt: 

Lat. 

FEKRU 

TEKBA 

CAREU 

CUEEIT 

TÜRE] 

Rum. 

fer 

^arä 

car 

eure 

— 

Engad. 

ferr 

terra 

Jc'arr 

kuorra 

tuorr 

Ital. 

ferro 

terra 

carro 

corre 

torre 

Frz. 

fer 

terre 

char 

court 

tour 

Span. 

Tiierro 

tierra 

carro 

corre 

torre. 

§  544,  545. 


Doppelte  Sonanten. 


455 


Eine  von  r  abweichende  Artikulation  des  rr  wird  fürs 
Spanische,  Portugiesische,  Provenzalische  und  Mittelfranzösische 
angegeben :  es  wird  wie  das  anlautende  alveolar  mit  starker 
Eollung  gesprochen,  vgl.  Leys  d'Amors  I,  38  :  „Cant  r  es  pauzada 
entre  doas  vocals,  ez  en  fi  de  mot,  e  sona  fort  et  aspramen : 
adonx  deu  esser  doblada." 

545.  Die  Schicksale  des  U  sind  ziemlich  verAvickelte.  Neben 
der  Erhaltung  als  11  im  Italienischen,  als  l  im  Französischen  und 
Portugiesischen,  finden  sich  bald  bedingt,  bald  unbedingt  ver- 
schiedene Änderungen.  In  Sardinien,  Sizilien,  Kalabrien,  Apulien, 
Xeapel  wird  II  zu  dd,  in  Spanien  zu  f,  das  sich  andal.  weiter 
zu  y  entwickelt:  Jcaye;  im  Bearn.,  wenn  es  zwischen  Konsonanten 
bleibt,  zu  r,  wenn  es  in  den  Aiislaut  tritt,  zu  t,  f,  iy.  Im  Rumä- 
nischen wird  es  vor  a  zu  u  und  fällt  dann  wie  jedes  andere  u 
(§  442);  im  Westrätischen  wird  -llu  zu  L  Vor  dem  Tone  ist 
es  portugiesisch  frtihzeitig  zu  l  geworden  und  wie  altes  /  gefallen. 
Im  Französisch-Proyenzalischen  ist  l  nach  langen  Vokalen  früh- 
zeitig vereinfacht  worden. 


Lat. 

ILLA 

BELLA 

SELLA 

MEDULLA 

CAEPULLA 

Rum. 

(ea) 



sea 

muditä 



Engad. 

ella 

hella 

sella 

migul 

— 

Ital. 

dla 

hella 

sella 

midolla 

cipolla 

Sard. 

idda 

hedda 

sedda 

meuddu 

kibudda 

Frz. 

die 

helle 

seile 

moelle 

— 

B^arn. 

ere 

here 

sere 

medut 

— 

Span. 

ella 

— 

silla 

meollo 

cebolla 

Portg. 

eile 

— 

sella 

miola 

cebola. 

Lat. 

PULLU 

CUCULLU 

SATULLU 

NULLU 

GRILLÜ 

Rum. 

imiu 

cucuiu 

sätul 

-- 

grel 

Engad. 

— 

— 

sadvil 

— 

gril 

Ital. 

pollo 

cocullo 

satollo 

nullo 

grillo 

Sard. 

pnddu 

cubvtddu 

—  ■ 

fiudda 

— 

Frz. 

poule 

coide 

soül 

nul 

— 

Bearn. 

— 

— 

sadut 

— 

grit 

Span. 

pollo 

cogollo 

— 

— 

grillo 

Portg. 

pollo 

cogido 

— 

— 

grillo. 

456 


II.  Kapitel:  Konsonantismus. 


545. 


Lat. 

CABALLU 

FOLLE 

VALLE 

PELLE 

ILLE 

Rum. 

cal 

foäle 

vale 

piele 



Engad. 

Jcaval 

fol 

val 

pel 

el 

Ital. 

cavällo 

folle 

volle 

pelle ' 

quelle 

Sard. 

caddu 

fodde 

vadde 

pedde 

iddu 

Frz. 

clievdl 

fol 

val 

(pel) 

ü 

Bearn. 

— 

— 

hat 

pet 

H 

Span. 

caballo 

fuelle 

valle 

piel 

eile 

Portg. 

cavallo 

folle 

volle 

pelle 

eile. 

Lat. 

VILLA 

MILLE 

STELLA 

Rum. 



— 

steo 

Engad. 



mil 

staila 

Ital. 

Villa 

mille 

Stella 

Sard. 

hidda 

— 

stedda 

Frz. 

ville 

mil 

estoile 

Bearn. 

hile 

mil 

estele 

Span. 

Villa 

mil 

— 

Portg. 

Villa 

mil 

— 

Zu  der  Vereinfachung  von  II  zu  l  nach  langen  Vokalen,  die, 
wie  die  Beispiele  zeigen ,  dem  Rumänischen ,  Italienischen  und 
Spanischen  fremd  ist,  gesellt  sich  noch  ölla,  span.  olla,  rum.  oalä 
(statt  oaä  vom  Plural  oale),  aher  afr.  oule,  eule,  gask.  uro.  — 
Hier  sind  noch  die  Vertreter  von  hetulla  oder  hesser  hetullum  zu 
nennen.  Das  in  lateinischen  Texten  vorkommende  hetula  hat 
keine  Gewähr,  ital.  hetula  ist  ein  Bücherwort,  vgl.  daneben  hidollo, 
afr.  heoul,  bearn.  hedut;  schwierig  ist  span.  ohedul,  vgl.  §  313, 
doch  würde  auch  hetula  nicht  genügen.  —  Beispiele  für  den  Fall 
von  vortonigem  U  im  Portugiesischen  sind  cangosta  =  call- 
angusta,  afagar  Ableitung  von  fallax,  vidoeiro  =  hetullariu,  faisca 
aus  *follisca,  ^falliva,  gall.  desatoar  =  span.  desatollar,  portg. 
desatolar.  Auffallig  ist  enguia  (anguilla) ,  auch  span.  anguila 
aber  sard.  amhidda.  —  Das  Bearnische  fordert  noch  besondere 
Beachtung.  Zunächst  ist  der  Wandel  von  II  zu  r  um  so  auf- 
falliger, als  sonst  gerade  II  fester  ist  als  l.  Schwieriger  noch 
ist  die  Geschichte  des  -II.  Man  wird  doch  wohl  anzunehmen 
haben,  dafs  II  zunächst  zu  t  (nicht  d  wegen  des  Auslautes)  wird, 
das  dann  weiter  sich  zu  t  bezw.  t  entwickelt.    Der  Laut  schwankt, 


§  545,  546. 


LL,  SS. 


457 


in    den    Bergdialekten    scheint    er    bis    zu    ö    vorzurücken.     Im 
XII.  Jahrhundert  herrscht  die  Schreibung  d,  t  vor:  castetl  L6zat 
1189 ;  flaget  Bigorne  XI. — XII.  Jahrhundeft,  doch  casteg  Soul  1232. 
Ascoli,  Arch.  Glott.  III,  78  erklärt  anders:  Tis  wäre 
zu  Uz  geworden  (§  565),  Avoraus  z,  ts ,  ö,  doch  ist  dies 
wenig  wahrscheinlich  mit  ßücksicht  auf  Fälle  wie  debat 
(devalle) ,    ahat,    aquet    und    wird    keineswegs    durch    die 
Urkunden  bestätigt. 
Fürs    Altprovenzalische    ist    hier    die    Bemerkung   der 
Leys  d'Amor  I,  38  wichtig:    „Aquesta  letra  l  sona  fortamen  coma 
catitela,  sala,  mal,    mala,    en  antra  maniera  sona  suaumen  coma 
piucela,  renoela,  caval,  cala;    perque  catitela  e  heia  no  fan  plazen 
rima  ni  cautela  am  pmcela ,    ni  caval  am    mal,    ni  mala  am  cala, 
et  en  ayssi  de  lors  semblans."      Daraus    wohl    das  nl  in  Gignac, 
Gard,    Colognac,    Lansargues.  —  Daneben    kommt    auch    l   vor: 
Ariege    muzul   (medulla) ,    sadul,    mol,    col ,     fol,    ebenso   Tarn: 
sadul.     Auf  pulleus    statt   imllns    führen    rum.    xmiu,    bearn.   pul, 
lothr.  poy ,    sard.  puzone.     Kum.    scinfeie   stammt,    wie    auch  der 
Anlaut  zeigt,  aus  dem  Albanesischen ,    ebenso  portg.  centeTha  aus 
dem  Spanischen.     Über  prov.  nulh,    portg.  nuDw  s.  die  Formeu- 
lehre. —  Spanisch  celda,  pildora,  hulda  sind  jüngere  Entlehnungen, 
zu  Id  aus  II   vgl.  pendon    aus  pennon.     In   polilla   zu  pollen,    in 
bog.  galilla  zu   gallo    liegt  Dissimilation    vor.     Endlich    neila   aus 
nigella  geht  durch  die  Mittelstufen  neilla,  neilla,  neila. 

546.  Lateinisch  ss  bleibt  im  Italienischen  als  tonloses  ge- 
dehntes, in  den  anderen  Sprachen  als  tonloses  s;  wo  anlautend  s 
zu  S  wird  (§  417),  folgt  natürlich  auch  s  aus  ss. 

Lat. 

Rum. 

Engad 

Ital. 

Frz. 

Span. 


BASSU 


KUSSU 


bass 

basso 

bas 


rosso 


CEASSU 

gras 

grass 

grasso 

gras 

graso 

Dazu  die  Endung  des  Impf.  Konj.  und  die  Partizipien  auf 
ss.  —  Im  Spanischen  scheint  j  einzutreten,  wenn  ss  am  Schlüsse 
von  betonter  Antepaenultima  steht :  pajaro,  pejego  (persicum).  Die 
übrigen  Beispiele  für  j  aus  ss  sind  anders  zu  erklären :  rojo  geht 
mit  portg.  roxo,    rum.  ro^  auf  russetts  oder    roseus   zui-ück,    bajo 


GROSSU 

PASSEEE 

PASSU 

gros 

paser  e 

pas 

grcess 

— 

pass 

grosso 

passere 

passo 

gros 

passereau 

pas 

grneso 

pajaro 

paso. 

458  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  8   546 548. 

gehört  zu  hajar  (*hasseare) ,  in  cejar  darf  man  vielleicht  an 
Dissimilation  denken.  Hier  mag  noch  bemerkt  werden  ^  dafs 
griech.  y7vCüoaa  zu  glösa  wird ,  vgl.  ital.  chiosa ,  ags.  glesan.  — 
Eine  eigentümliche  Stellung  nimmt  das  Kalabresische  ein, 
sofern  es  nämlich  gedehnten  Konsonanten  n  vorschlägt,  \gl. 
mintiri  =  metterc ,  micnzu  =  mezzo ,  snnkifrriri  =^=  soccorrere. 
yinibu  =  gibbii. 

547.  Es  giebt  eine  kleine  Zahl  von  Fällen,  wo  einzelne 
oder  alle  romanischen  Sprachen  dem  lateinischen  einfachen  Kon- 
sonanten doppelten  gegenüberstellen.  Nicht  hierher  möchte  ich 
gJiittus ,  cippus  ziehen ,  da  die  Formen  glvtns ,  dpvs  keineswegs 
verbürgt  sind.  Wohl  aber  cüppa  neben  cUpa  (§46  und  118),  deren 
gegenseitiges  Verhältnis  nicht  klar  ist.  Das  Wort  ist  zu  den 
Kelten  und  Germanen  gewandert :  es  ist  also  wohl  denkbar,  dafs 
die  Umgestaltung  von  cüpa  zu  cüpjpa  im  Munde  der  Fremden  vor 
sich  gegangen  ist.  —  Neben  span.,  portg.  todo  =  tottJS  weisen  ital. 
tidto,  frz.  tout,  rät.  tut  auf  ein  von  dem  Grammatiker  Consentius 
getadeltes  fottvs  zurück.  —  Gegenüber  lat.  hriittts  scheinen  ital. 
'brutto,  span.  bruto,  rät.  brüt,  frz.  bnd  eine  Form  hruttns  zu 
fordern  :  doch  wird  das  Wort  erst  zu  einer  Zeit  in  die  Sprache 
gedrungen  sein,  wo  aufserhalb  Italiens  H"  schon  zu  d  geworden 
Avar.  Sicher  scheint  dies  für  rät. ,  oberital. ,  prov.  vHa ,  bearn. 
bite ,  afr.  vite  neben  vida,  vie,  für  ital.  cetto  neben  span.  ccdo, 
für  frz.  tapis  u.  a.  —  Span,  cällar,  portg.  calar,  bearn.  Icara,  siz., 
kal.  kaddari  (schweigen)  werden  zu  calare  gestellt,  ohne  dafs  11 
gerechtfertigt  würde.  —  Ital.  serrare,  span.,  portg.  cerrar,  frz. 
Server  aber  lat.  serare.  Das  romanische  Wort  ist  eine  Kontami- 
nation aus  serare  und  sarrare.  Span,  cmllar  darf  wohl  als  Ver- 
mischung von  ejidare  und  uUulare  gefafst  werden.  Unklar  bleiben 
span.  lioTlm  =  fulligo  statt  füligo,  carrizo  zu  carecc^  pella  zu  p)tla, 
frz.  bette.  —  Zu  scheiden  sind  im  Lateinischen  müccus  Rotz, 
ital.  mocco ,  frz.  movcher,  tmiccidns,  frz.  moiste  und  mUcere 
schimmlig  werden,  mucidus  schimmlig.  Aus  einer  Vermischung 
beider  erklärt  sich  frz.  woisir  ==  *niücire  neben  kat.  mosir  = 
^muccire. 

548.  Die  romanische  Doppelkonsonanz.  Unter 
den  romanischen  Sprachen  besitzt  nur    das  Italienische   gedehnte 


S   548.  Italienische  Doppelkonsonanten.  459 

Konsonanten,  abei-  nicht  mehr  das  Umbrisch-Aretinische  und 
Oberitalien ;  das  Französische  und  Portugiesische  kennt  die  Doppe- 
lung blofs  in  der  Schrift,  das  Rumänische  überhaupt  nicht,  das 
Spanische  imterscheidet  rr  von  r,  doch  betrifft  der  Unterschied 
nicht  die  Dauer,  sondern  die  Artikulationsart :  rr  ist  wie  anlauten- 
des r  gerollt. 

Die  italienischen  gedehnten  Konsonanten  entstehen  in 
vielen  Fällen  durch  Assimilation,  s.  die  Beispiele  §  458  ff. ;  sodann 
durch  den  Einflufs  eines  italienischen  y  §  505  ff.,  eines  r  §  494. 
Auch  g  wird  nachtonig  stets  doppelt  geschrieben,  vgl.  §  524; 
das  einzige  arogere  macht  Ausnahme,  pregia  ist  von  pregiare  be- 
einflufst ;  ferner  2Z  stets  in  Erbwörtern.  Sodann  wird  oft  gedehnt 
der  Schlufskonsonant  der  betonten  Silbe  von  Projiaroxytonis : 
commodo,  cattedra,  femmma,  und  entsprechend  der  Schlufskonsonant 
der  ersten  Silbe  von  auf  der  dritten  betonten  Wörtern :  pellegrino, 
tollerare,  cammware,  accademia,  cioccolatte,  givhhilio.  Häufig  wird 
der  Konsonant  nach  tonlosem  Anlautvokal  gedehnt  in  Anlehnung 
an  die  mit  ad*"*''*,  so^"'^-"'  gebildeten  Wörter :  accidia,  allodola,  avvol- 
tojo,  ebenso  uccello  nach  uccidere,  immagino,  commedia,  alt  sollazzo. 
Bottega  ist  an  hotte,  penneccMo  an  penna  angelehnt.  Ferner 
tritt  Dehnung  nach  kurzen  Vokalen  ein :  David  wird  Davidde, 
e'xsücus  über  exsücus  zu  sciocco,  döpö  zu  döppo;  farahvtto  aus 
span.  faraute. 

Vgl.  D'Ovidio,  Rom.  VI,   199;    Schuchardt  eb. 
593;  De  Lollis,  Studi  di  fil.  rom.  I,  407. 

Im  Altfranzösischen  werden  von  den  lateinischen  Dopjjelkon- 
sonanten  nur  ss  und  rr  beibehalten,  die  sich  auch  in  der  Aussprache 
von  s  und  r  unterscheiden  §  544  und  546.  Neue  Geminaten  ent- 
stehen durch  Assimilation:  sl  zu  II:  ille,  malle,  melier  in  Hand- 
schriften verschiedener  Herkunft;  tr  zu  rrnach  dem  Tone  namentlich 
in  agn.  Handschriften,  z.  B.  Oxf.  Ps.,  daneben  aber  schon  frühe 
auch  die  Schreibung  mit  r:  remcmhrerre  0.  P.  73,  18  -ere  6,  5; 
merre  21,  9  mere  51,  6;  aiderre  53,  4  ajuere  9,  9;  peire  Rol. 
2237  2)ere  1421.  Brandan  85  reimt:  frerre:  ere.  Vor  dem  Tone 
bleibt  r  §  495;  sr:  sovrrist  Brut  1494;  girrai  C.  P.  138,  9  u.  a. ; 
nr  §  539,  ss  aus  scf' ,  sty,  rr  §  527.  Endlich  Zusammentritt  zweier 
r:  mosterrai  u.  dgl.  Die  Geschichte  dieser  Doppelkonsonanten  ist 
mehr  eine  Frage  der  Orthographie  als  der  Aussprache. 


460  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  8    548     549. 

Vgl.  0.  F  a  u  1  d  e ,   Über  Gemination  im  ÄUfrangösischen, 
Ztschr.  IV,  542—570. 

Zum  Schlufs  mag  noch  erwähnt  werden,  dafs  das  Italienische 

die  Tendenz    hat,    unmittelbar    vor    dem   Tone  Konsonanten    zu 

vereinfachen :  puledro,  prcsaccMo,  vanello,  canocchia. 

C.    Die  Konsonanten  im  Wortauslaut. 

1.     Der  lateinische  Auslaut. 

549.  Bei  der  Behandlung  des  auslautenden  Konsonanten 
zeigen  einsilbige  Wörter  andere  Regeln  als  mehrsilbige :  die 
unmittelbare  Verbindung  eines  Konsonanten  mit  dem  betonten 
Vokale  giebt  jenem  eine  gröfsere  Festigkeit.  Ferner  schliefsen 
sich  einsilbige  eher  an  folgende  an,  namentlich  wenn  sie  syn- 
taktisch Avenig  oder  keine  Selbständigkeit  haben.  In  diesem  Falle 
steht  ihr  auslautender  Konsonant  in  That  und  Wahrheit  im 
Inlaut.  Hierher  sind  in  erster  Linie  zu  rechnen  si(h,  ad,  in,  cum, 
et,  aut,  nee;  ah,  oh  fehlen  im  Romanischen.  Der  Auslaut  dieser 
Präpositionen  wird  denn  auch  behandelt  wie  der  entsprechende 
Laut  im  Wortinnern.  Suh  hat  sich  nur  im  spau.  so,  portg.  soh 
erhalten  :  eigentlich  sollte  so  vor  konsonantischem ,  soh  (sov)  vor 
vokalischem  Anlaute  stehen;  letzteres  ist  verloren,  das  portg.  soh 
scheint  halbgelehrt  zu  sein.  Äd  erscheint  im  Ital.,  Prov.,  Afr. 
als  a  vor  Konsonanten,  ad  bezw.  az  vor  Vokalen,  sonst  überall 
als  a,  vgl.  afr.  Eul.  22  ad  vne  spede,  Alex.  7  c  ad  escolc,  9  b 
ad  un  conpta  13  b  ad  apcler  neben  Eul.  25  a  cid  Alex,  a  halte 
79  a,  und  schon  a  un  40  a.  In  zeigt  die  Behandlung  von 
inlautend  n,  ital.  in,  span.  en,  portg.  em,  prov.  en,  e  (vor  s,  f,  v 
§  484),  frz.  en.  Vor  Gutturalen  ist  das  n  guttural,  vor  Labialen 
wird  es  m,  vor  Palatalen  n,  ohne  dafs  die  heutige  Orthographie 
das  zum  Ausdruck  brächte:  mittelalterliche  Denkmäler  sind  da 
häufig  genauer  so  afr.  am  hailide  Alex.  7  d,  em  pur  44  d,  ähnliche 
Beispiele  liefsen  sich  auch  aus  dem  Provenzalischen,  Altitalienischen, 
Altspanischeu ,  Altportugiesischen  u.  s.  w.  bringen.  Im  Portu- 
giesischen sollte  en  vor  Vokalen  zu  e  werden  §  450,  es  ist  aber 
die  vorkonsonantische  Form  verallgemeinert.  —  Cum  ist  vor 
Dentalen  und  f,  v  zu  con  geworden,  diese  Form  ist  dann  auch 
die    vorvokalische    ital.,    span.    con,    portg.    com.      Auffällig    ist 


§   549,    550.  Aiislavit  einsilbiger  Wörter.  461 

daneben  runi.  cv,  es  vergleicht  sich  mit  dem  gleich  zu  nennenden 
nu:  die  Verbindung  der  Wörter  ist  hier  also  eine  so  lose,  dafs 
das  m  behandelt  wird  wie  im  direkten  Auslaut.  Im  Portu- 
giesischen schwindet  n  vor  Vokal ,  vgl.  co  arte  Canc.  Ger.  I, 
297,  13;  CO  esse  II,  412,  21;  co  homeeris  II,  507,  24;  cum  = 
cu  MW  II,  330,  1 :  daneben  aber  auch  schon  com  armas  II,  867,  21, 
com  este  1,  502,  27  u.  s.  w.,  Eom.  XIII,  285—287,  heute  die 
einzige  Form.  —  Et  ital.  e,  vor  Vokalen  ed  (vgl.  §  443),  afr. 
e  ed,  prov.  c  ed  oder  es,  letzteres  nach  a  —  az;  portg.  nur  e, 
span.  ^  und  e  (§613);  aut  ital.  o  od,  prov.  o  oz,  frz.  ou,  span.  o, 
portg.  ou,  rum.  au.  Afr.  oud  fehlt  wohl  nur  zufällig.  —  Nee 
rum.  nici  =  neque.  Ital.  ne  ist  die  vorkonsonantische  Form,  der 
sich  nach  dem  Muster  von  e  —  ed  ein  ned  zugesellt;  ebenso  zeigt 
das  frz.  ne  —  ned,  wogegen  prov.  ni,  span.  ni  keine  Nebenformen 
haben.  Aspan.  nen,  nin,  portg.  nem  haben  ihr  n  wohl  von  der 
Negation  non  bezogen.  ' —  Endlich  quam,  tam,  span.  cuan,  tan, 
portg.  quaö^  taö,  prov.  qua(n),  ta(n).  Wenn  wir  daneben  aportg., 
aspan.  ca,  rum.  cu  treffen,  so  ist  darin  vielleicht  eher  lat.  qua 
zu  sehen. 

550.  Eine  zweite  Klasse  einsilbiger  Wörter  sind  bald  selb- 
ständig, bald  unselbständig,  zeigen  dementsprechend  zum  Teil 
Doppelformen.  Hierher  gehören  non,  post,  est,  sum,  sunt.  Non 
erscheint  im  Italienischen  in  der  Form  no,  wenn  es  Ver- 
neinungspartikel ist,  also  den  Ton  trägt  und  selbständig  steht; 
dagegen  als  non,  wenn  es  als  Negation  im  Satzinnern  steht  und 
so  mit  dem  folgenden  Worte  zusammenwächst:  io  no:  non  io, 
non  ancora:  ancora  no.  Im  Fran  zösischen  bleibt  non  als 
betonte  Form,  als  tonlose  erscheint  ne  vor  v,  f,  s,  nen  vor 
Vokalen  und  vor  den  anderen  Konsonanten.  Letztere  Form  ver- 
schwindet am  Ende  des  XII.  Jahrhunderts.  Die  tonlose  Form 
ne  hat  den  Verlust  des  n  der  syntaktisch  geschwächten  Stellung 
des  Wortes  zu  verdanken.  Auch  das  Spanische  kennt 
no  und  non  aber  in  durchaus  anderer  Verteilung:  non  ist 
substantivisch  und  bedeutet  „ungerade  Zahl".  Ausgangspunkt 
ist  die  Verbindung  par  y  non  par ,  woraus  mit  Unterdrückung 
des  zweiten  par :  par  y  non ,  daher  jugar  d  pares  y  nones  und 
die   anderen  Eedensarten.     Im  Altspanischen    trifft   man   no    und 


462    '  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  §    550^    551. 

non  wie  im  Italienischen,  vgl.  dize  de  no  Cid  3455,  que  no  3462, 
de  vencidos  no  8529,  tuerto  no  3576,  aber  non  diga  3464,  non 
lo  fare  3473,  non  geh  3558,  non  sabemos  3578  u.  s.  w.;  aber  mit 
Assimilation  no  lo  3570,  nol  3627,  no  les  3698,  nos  =  non  se 
3629.  Ebenso  Capa,  Baena  u.  a.  Aber  schon  im  Cid  lesen  wir : 
no  escaparie  3658,  que  non  3501.  Seit  dem  XVI.  Jahrhundert 
ist  no  allein  geblieben.  Das  Portugiesische  kennt  nur  naö, 
das  Provvenzalische  no(n),  das  Rumänische  nu.  —  Post  verliert 
schon  im  Lateinischen  sein  t  bei  konsonantischem  Anlaut  des 
folgenden  Wortes,  ins  Romanische  gelangt  nur  2^os.  —  Est  als 
betonte  Form  mufs  im  Ital.,  Rum,  -e  annehmen :  este,  als  tonlose 
verliert  es  sein  t  vor  Konsonanten  :  es,  dessen  Auslaut  behandelt 
wird  wie  altes  s.  —  Sum  zeigt  Doppelformen  im  Ital.  son-o,  das 
das  0  der  übrigen  1.  Sg.  angenommen  hat,  und  so,  im  Rum. 
sintu  und  su,  sonst  findet  sich  nur  das  in  Enklise  in  Pausa  ent- 
standene SU.  —  Sunt  bleibt  im  rum.  sintu,  frz.  sont,  prov.  son. 
Proklitisch  vor  Konsonanten  und  enklitisch  in  der  Pausa  fällt  t: 
ital.  son(o),  am  Satzende  so,  rum.  SU,  span.  son,  portg.  saö.  — 
Auch  mehrsilbige  Wörter  können  mit  dem  folgenden  Worte  eine 
Einheit  bilden:  so  semper  und  quattuor,  die  im  Satzinnern, 
zunächst  wohl  vor  Vokalen ,  schon  im  Vulgärlateinischen  zu 
sempre,  quattro  geworden  sind :  ital.  sempre,  quattro,  afr.  sempres, 
quattre,  span.  siewpre,  citatro. 

551.  Sonst  lassen  sich  im  allgemeinen  folgende  Regeln 
geben :  m  hält  sich  als  n  in  einsilbigen  Wörtern ,  fiillt  in  mehr- 
silbigen auf  dem  ganzen  Gebiete,  t  bleibt  in  einsilbigen  im 
Rätischen,  stets  im  Französischen,  fällt  sonst  überall ,  n  bleibt  im 
Spanischen  und  Sardischen,  l,  r  fallen  Ital.,  Rum.  in  mehr- 
silbigen, s  auch  in  einsilbigen.  —  Die  wenigen  einsilbigen 
Wörter  auf  m  sind  frz.  rien,  ital.  spene,  rum.  eine,  span.  quien. 
Sonst  vgl. 


Lat. 

CABALLUM 

AMABAM 

DECEM 

Rum. 

calü 

amd 

zece 

Engad. 

k'aval 

Jcontaiva 

deiö 

Ital. 

cavallo 

amava 

dieci 

Frz. 

cJieväl 

ameve 

dix 

Span. 

caballo 

amaba 

dies. 

§  551,  552. 


Auslautend  M,  T,  C. 


463 


über  rum.  Impf,  -dm,  südsard.  -am  s.  die  Konjugation.    Neben 

Sirene    steht    ital.    auch    speme.     Auffällig    ist,    dafs  jam   überall 

Fonnon   ohne  w  zeigt:  ital.  giä,  span.  ?/a,  portg.  ja,  prov.,  afr.  ja. 

Karsten,  Afrz.  Konsonanteuverbindungen  (Freiburger 
Diss.  1884)  S.  57  erklärt   ja    aus  jammagis. 


552 

Lat. 

QUID 

AMAT 

VENDIT 

TEXET 

SENTIT 

DAT 

Rum. 

ce 

amä 

vitjde 

tine 

sinie 

da 

Engad. 

— 

konta 

venda 

tena 

senta 

dat 

Ital. 

che 

ama 

vende 

ticne 

sente 

da 

Frz. 

quei 

ahnet 

vent 

tient 

sent 

estat 

Prov. 

que 

ama 

vent 

ten 

sent 

da 

Span. 

qne 

ama 

vende 

tiene 

siente 

da. 

Dazu  noch  ital.  a2)po,  afr.  od  =  apud.  Die  neutralen  Pro- 
nomina auf  d  haben  ihren  Auslaut  gegen  -m  ausgetauscht,  afr. 
el  =  alim  aus  alid.  Quid  als  selbständiges  Wort  erscheint  im 
Afr.  nur  als  quei,  als  tonlose  Konjunktion  zeigt  es  in  ältester 
Zeit  Doppelformen :  que  son  (fradre)  aber  quid  il  in  den  Eiden,  qued 
eile  Eul.  7  b,  9  a  qued  auuisset  14  a,  vgl.  ne  por  or  ned  argent, 
que  por  nos  12  b,  aber  auch  schon  qu'eUe.  —  Caput  hat  im  Sar- 
dischen  sein  t  bewahrt :  log.  cahide,  camp,  cahudu,  das  frz.  chief 
verlangt  *ca2mm.  —  Im  Bardischen  bleibt  t  in  der  Pausa,  wird 
zu  d  vor  Vokalen,  fallt  vor  Konsonanten:  amat,  amad  issu,  ama 
SU  padre.  —  Im  Altfranzösischen  ist  das  t  nach  a  gefallen 
im  Laufe  des  XI.  Jahrhunderts.  Schon  im  Rolandsliede  wird 
es  zwar  mehrfach  geschrieben,  aber  nach  Mafsgabe  des  Verses 
nicht  gelesen,  vgl.  365  Entret  cn  sa  veie,  si  sest  acheminez.  — 
Im  Provenzalischen  bleibt  t  nur  in  der  3.  Sg.  Perf.  auf  -edit,  wo 
sich  d  und  t  angezogen  haben,    bevor    das  Auslautgesetz  eintrat. 


Lat. 

Die 

DUC 

FAC 

HOC 

HAC 

SIC 

Rum. 

zi 

adu 

fä 



-  — 

U 

Eugad. 

— 

— 

— 



— 

§i 

Ital. 

dt 

addu 

fa 

c\o 

qua 

si 

Frz. 

dl 

— 

— 

CO 

c« 

si 

Span. 

di 

— 

— 

pero 

acd 

si. 

Weitere  Beispiele  ital.  pero,  frz.  o,  prov.  fo,  o,  aco.     Über 
frz.,  prov.  fai  s.  die  Konjugation.    Zu  erklären  bleiben  frz.  illuec, 


464  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  S   552,    553. 

poruec,  prov.  oc :  sie  gehen  wohl  auf  lateinische  Bildungen  mit  -qne 
zurück.  Einfaches  c  behandelt  der  Provenzale  anders  nach  a  als 
nach  o:  fo,  o,  aco  aber  sai,  lai.  —  Für  -n  kommen  blofs  die 
Neutra  auf  n  in  Betracht :  lat.  nomen,  rum.  nume,  rät.  num,  frz. 
nom,  portg.  nom,  aber  span.  nomhre,  sard.  nomine.  —  Für  r 
nur  soror,  rum.  soaru,  ital.  suora,  frz.  soeur;  imperator  ^  rum. 
imperat,  frz.  empcrere;  cor,  ital.  euere,  frz.  cueur,  aspan.  euer. 
Vgl.  noch  ital.  cece,  marmo.  Fürs  Sardische  fehlen  Beispiele.  — 
L  fällt  im  ital.  insieme ,  aspan.  ensieme,  aber  frz.  ensemhle,  ital. 
trihuna,  haccano,  aber  wiie/e,  i-um.  miere,  frz.,  span.  wieZ,  ^eZe, 
/lere,  /le?.  Auffällig  bleibt  prov.  ensemps :  man  erwartet  Erhaltung 
des  l,  vielleicht  ist  es  vor  s  gefallen. 

Die  richtige  Erklärung  des  prov.  -t  giebt  F.  N  e  u  - 
mann,  Ztschr.  VIII,  368  ff".  S  c  h  u  c  h  a  r  d  t ,  Ztschr.  vergl. 
Sprachforschung  XXII,  175  und  As  coli,  Arch.  Glott.  11, 
430  Anm.  4  sehen  in  span.  lenamc,  hetun,  sain  die  Ver- 
treter von  -men.  Allein  lename  ist  ein  dem  Italienischen 
entnommener  Schifferausdruck,  hetun  ist  nicht  volkstüm- 
lich, wie  die  Erhaltung  des  t  und  die  verschiedenen 
Formen  des  Suffixes  (beton,  hetume,  hetumen)  zeigen, 
endlich  sain  ist  entweder  französisches  Lehnwort  oder 
postverbal  zu  sainar.  Über  log.  nomen,  nomene,  camp. 
nomini,  vgl.    Hofmann,  S.  59. 

553.    Endlich  s  verstummt  im  Rumänischen  und  Italienischen, 
bleibt  sonst  überall,   auch  im  Sardischen. 


Lat. 

CANTAS 

TEMPUS 

SEEVOS 

LEGIS 

PLOBES 

POS 

Rum. 

cmfi 

timpü 

— 

-i 

flori 

ptoi 

Engad. 

k'antas 

temps 

— 

-as 

flurs 

— 

Ital. 

canti 

tempo 

— 

leggi 

fiori 

2)oi 

Frz. 

chantes 

temps 

sers 

lis 

fleurs 

— 

Span.        cantas       (tiempos)   siervos       lees  flores         pues. 

Zu  rumänisch  p)oi  vergleicht  sich  noch  noi,  dai,  stai,  trei, 
aber  tonlos  düpä,  interessant  ist  maz.  doi  aber  dosprezatse ;  zu 
ital.  poi:  noi,  voi,  crai,  dai,  stai,  sei;  von  e  wird  i  verschlungen : 
tre,  in  piu  hat  Dissimilation  das  zweite  i  getilgt.  Im  Altvene- 
zianischen und  noch  heute  im  Piemontesischen  bleibt  s  in  den 
einsilbigen  2.  Pers.  Singularis :  as  und  Futur,  -as,  vas,  fas,  vos, 
sie,    von    da    wird    es    auch    übertragen    auf  mehrsilbige  Verba; 


§   553—555.  Auslautend  N,  E,  L,  S.  465 

ferner  bleibt  es  stets  im  Venezianischen    in    der  Frage,    wo    das 
Pronomen    folgt :    hredistu ,    sistu ,    letzteres    ist  auch  mailHndisch, 
vgl.  die  Konjugation.  —  X  kommt  nur    in   sex,   vix  und  in  dem 
früh    zu    max    verkürzten    niagis    vor.     Die    Behandlung    in    den 
verschiedeneu  Sprachen   ist  eine  ungleiche.    Im  Rumänischen 
wird  X  dem  s  gleichgestellt :   *ses  schliefst  sich  an  sajde  an,  daher 
§ase,  mai.     Im  Ital.  ebenso:  sei,  mai.    Neben  letzterem  steht  ma ; 
jenes  ist  Adverbium,  das  meist  selbständig  betont  gebraucht  wird, 
dieses  Konjunktion,    die    mit   dem   folgenden  Wort    eine  Einheit 
bildet,   daher  das  i  nach  §  295  schwindet.    Im  Französischen 
six,    mais    zeigt    sich    die    gewöhnliche    Behandlung    von    x.     Im 
Provenzalischen  steht  neben  sieis,    mais  auch  mas,  dieses  in  der 
Funktion  dem  italienischen    ma    entsprechend,    mit   der  Behand- 
lung, die  X  vor  Konsonanten  erföhrt.    Derselbe  Gegensatz  drückt 
sich    aus    im  span. ,    portg.    scis    neben    mas ,    wogegen    sich   der 
Unterschied  von  span.  seis,  rät,  sis  einerseits,  span.  abes,  rät.  ves 
(vix)  andererseits  vielleicht  aus  der  Qualität  des  Vokals  erklärt,  vgl. 
ital.  re  neben  s§i.  —  Endlich  fit  in  mehrsilbigen  Verben  hat  nur 
im  Sardischen  und  Nordfranzösischen  sein  t  behalten,   sonst  gemein- 
romanisch verloren :  ital.  aman(o),  span.  aman,  portg.  amaö,  prov. 
ama(n),  frz.  aiment,  rät,  amen.    Aus  aimcnt  entsteht  nordfrz.  zuerst 
aimefj  so  im  Raoul  de  Cambrai.     Im  Rumänischen,  Venezianischen 
und  anderen  italienischen  Dialekten    fällt    auch    das  n ,    M^odurch 
die  3.  PI.  mit  der  3.  Sg.  gleich   wird:    cäntä,   ven.    Tcanta,    vgl. 
ital.  fecero.     Das  angehängte  o  in  amano  stammt  von   sono,    das 
seinerseits    durch    1.  Sg.    sono    beeinflufst    ist.     Vereinzelte  Fälle 
von  -nt  im  Altportugiesischen  sind  als  Latinismen  zu  betrachten. 
Beispiele  für  -nt  im  Aportg.  giebt  C  o  e  1  h  o ,  Konj.  43  ff, 

2.     Der  romanische  Auslaut. 

554.  Der  Abfall    des    auslautenden    ii    im  Rumänischen 
zieht  nur  in  einem  Falle  auch  eine  Änderung  des  konsonantischen 
Auslautes  nach  sich :    das  l   des  Artikels  verstummt.    Die  Schrift 
hält  es  zwar  noch  stets  fest:    cahü,    in   der  Aussprache    aber  ist. 
es  geschwunden :  calii. 

555.  Im  Rätischen  sind  die  sekundären  Umgestaltungen 
viel  bedeutendere.     Auslautend  r  im  betonten  Infinitiv  schwindet 

Meyer,  Grammatik.  30 


466  II.  Kapitel:  Konsonantismus.  §   555. 

im  Oberländischen,  im  östlichen  Tirol  von  Greden  an  und  im  Friaul, 
im  tonlosen  z,  B.  in  mittere  behält  es  Greden,  nicht  aber  die  öst- 
licher gelegenen  Gebiete.  L  ist  fester,  nur  Cleven,  Abtei,  Enneberg 
sagen  sa  bezw.  s§  für  sal,  die  zwei  letzteren  dt,  fi  für  caelum, 
(dum.  Auslautend  n  wird  im  ganzen  Friaul  und  zum  Teil  in 
Tirol,  vereinzelt  auch  in  Bünden,  zu  h:  friaul.  heh,  boh,  Ti'ah, 
pan,  pleh,  vih,  uh.  —  Auslautend  s  bleibt,  auffällig  ist  plu  auf 
dem  ganzen  Gebiete;  in  s§i  in  Sulzberg,  Nonsberg,  sie  Vigo, 
sie  Ampezzo  u.  s,  w.  ist  wohl  ein  venezianischer  Eindringling  zu 
sehen.  Über  trei,  die  Nom.  PL  und  die  Neutra  auf  s  s.  die 
Deklination.  —  Treten  ursprünglich  tönende  Konsonanten  in 
den  Auslaut,  so  werden  sie  tonlos,  daher  nof  auf  dem  ganzen 
Gebiete ,  Abfall  dieses  f  zeigt  Greden,  Abtei,  Enneberg,  wo  nive : 
naij  lupu:  lu  lautet,  Vokalisierung  Sulzberg,  Nonsberg:  neo, 
neben  lof,  vgl.  noch  Mao  =  clave.  Besondere  Beachtung  vei-dienen 
Caput  und  sehu.  Jenes  sollte  überall  da,  wo  lupus  luf  lautet,  als 
kaf  erscheinen,  und  mit  clave  reimen  und  das  ist  in  der  That  der 
Fall  im  ganzen  Zentrum  und  Osten :  nonsb.  h'ao,  Mao,  gred.  *fc'p, 
tl§,  friaul.  J(faf,  Mäf.  Dagegen  weicht  Bünden  mit  Einschlufs 
des  Münsterthals  ab ,  sofern  sie  nämlich  eine  Form  zeigen ,  die 
auf  kau  zurückgeht,  und  die  sich  sporadisch  auch  weiter  im 
Osten  zeigt :  Jcyou  Cadore,  andererseits  im  Süden :  mail.  ko.  Der 
Unterschied  in  der  Behandlung  von  caput  un^  lupum  erklärt  sich 
wohl  aus  dem  verschiedenen  Ausgang :  caput,  cavut,  caut,  cau  aber 
lupu,  luvu,  luf.  Die  Form  kau  wird  wohl  dem  ganzen  rätischen 
Gebiete  angehört  haben,  im  Osten  aber  durch  venezianischen 
Einflufs  früh  verdrängt  worden  sein.  —  Sehu  zeigt  die  Vokali- 
sierung auf  weiterem  Gebiete  als  nive  oder  ovu:  siou  Münster- 
thal neben  o^f.  In  ihrer  Vereinzelung  ist  die  Form  schwer  zu 
erklären :  wahrscheinlich  stellt  sie  einen  älteren  Sprachzustand 
dar,  in  welchem  wie  in  Sulzberg  vu  vokalisiert  wurde,  oef  wäre 
danach  aus  dem  Engadinischen  übernommen.  T  und  d  im  Aus- 
laut bleiben  aufser  in  einem  Teile  Tirols  5  wenn  sitis  in  Ampezzo 
und  Umgegend  als  siede,  in  Greden  u.  s.  w.  als  sait  erscheint, 
dürfte  darin  italienisches  oder  osträtisches  Lehnwort  zu  sehen 
sein,  vgl.  daneben  parai,  ra  (rete) :  gred.  nout,  kiet  sind  ebenfialls 
nicht  Erbwörter.  Zum  Tirolischen  stellt  sich  auch  hier  das 
Münsterthal  mit  sai.    Über  -tus  im  Westrätischen  s.  §  436.    Hier 


§   555.  Auslautende  Konsonanten  im  Rätischen.  467 

sind  eine  Anzahl  von  Beispielen  für  f  aus  d  zu  ei-wälinen :  §ef 
(suis)  Colle;  Jcruf,  krtwa  (crudus)  Greden  und  Kovereto;  nidwald., 
obwald.  agnif^  roveret.  nif;  obwald. ,  nidwald.  und  eng.  nuf 
(nodus) ,  nidwald.  tef  (*tedvm) ,  nif  (nudus)  neben  nieu.  Nur  das 
Nidwald.  zeigt  das  f  in  etwas  weiterer  Ausdehnung,  die  anderen 
Dialekte  kennen  nur  ganz  vereinzelte  Beispiele  und  zwar  meist 
nach  labialen  Vokalen  bei  Adjektiven  und  bei  nodus,  dem  ein 
Verb,  nodare,  nuar,  nuvar  zur  Seite  steht.  Es  hat  also  wohl  das 
V  seinen  Ausgangspunkt  da,  wo  d  zwischen  Vokalen  gefallen  ist. 
Bleibt  noch  nif:  so  leicht  es  ist,  es  aus  niu  zu  erklären,  so 
erhebt  sich  doch  die  Frage,  weshalb  derselbe  Dialekt,  der  teu 
und  -ieu  aus  Uu  und  -utu  bewahrt,  niu  über  niv  zu  dif  wandle. 
Den  Grund  giebt  wohl  der  Vokal :  während  eu,  üu  bestehen 
bleiben,  macht  die  Verbindung  der  zwei  heterogensten  Vokale  i 
und  u  mehr  Schwierigkeit,  der  zweite  wird  zum  Konsonanten  v, 
das  auslautend  sich  in  f  wandelt.  Dafs  -itu  nicht  zu  if  wurde, 
hinderten  wohl  die  anderen  Participia  auf  üu  und  au.  In  dem 
vereinzelten  sef  ist  vielleicht  Einflufs  von  bef  (bibo)  zu  sehen.  — 
Die  Gutturalen  bleiben  im  Tirolischen  ebenfalls,  fallen  wie  andere 
Konsonanten  zum  Teil  inAmpezzoundEnneberg.  Im  Bündnerischen 
werden  sie  palatalisiert  vom  Domleschg  bis  Bergün,  im  ganzen 
Engadin,  Münsterthal  und  Nonsberg.  Der  Grad  der  Palatalisierung 
ist  nicht  überall  derselbe:  Stalla  und  Nonsberg  zeigen  k' :  fceJc, 
Iah',  die  anderen  Gegenden  i,  das  mit  dem  vorhergehenden  Vokale 
verschmilzt :  eng.  f(X  u.  s.  w.  Die  Palatalisierung  zeigt  auch  noch 
der  Tessin:  seh',  sah',  poerTi ,  hianh'  u.  s.  w.  Im  Friaul.  fallen 
sie:  anti,  fi,  ami,  beachte  lat  (lacus),  saut  (sahucus),  stomit.  Von 
Konsonanten  Verbindung  verdient  die  Adverbialendung  -mente  eine 
Beachtung,  die  wie  viginti  zu  nt  (Engadin)  n  (Obwald.)  wird: 
es  zeigt  also  hier  -e  denselben  Einflufs  auf  vorhergehenden  Kon- 
sonanten, den  wir  sonst  nur  bei  i  finden  (§  320).  Ebenso  glande, 
obw.  glon.  Sonst  wird  nde  im  Zentrum  zu  n  und  Avie  das  andere 
-n  zu  w;  grah.  —  Rätoromanisches  ns  z.  B.  in  homines  wird  in 
Bünden  zu  nts:  uments;  mjps  wird  ebenso  zu  ms:  tems  in  Flims 
und  daraus  temts  an  den  Quellen  des  Vorderrheins,  taints  in  Andeer. 
Sonst  erscheint  ts  für  ps  in  -ets  (ipse)  am  Rhein;  für  es:  fmts 
(focos),    loßts,    ycets    im    Unterengadin ,    wohl    aus    fah's  u.  s.  w., 

30* 


468  II"  Kapitel:  Konsonantismus.  S   555 — 557. 

wogegen    in    ts   aus  ps   wolil  nur  Ersatz  eines  seltenen  "Wortaus- 
gangs durch  einen  sehr  gebräuchlichen  zu  sehen  ist. 

556.  Das  Italienische,  das  alle  auslautenden  Vokale  bewahrt, 
kennt  dementsprechend  keinen  sekundären  Auslaut,  wirft  aber 
unter  Umständen  die  ganze  letzte  Silbe  ab  §  436.  Wohl  aber 
zeigen  die  zahlreichen  Mundarten,  die  die  Schlufsvokale  tilgen, 
dann  auch  Veränderungen  der  Konsonanten.  Zuerst  mag  erwähnt 
werden  -a,  ^  =^  -are,  ire,  das  einmal  in  den  oberitalienischen 
Mundarten,  speziell  in  der  westlichen  Lombardei  und  im  Piemon- 
tesisch  -  Genuesischen ,  wogegen  das  westliche  Piemont  re  be- 
wahrt ,  sodann  auch  im  Süden  und  Südosten  vorkommt :  von 
Ravenna  an  findet  man  d  längs  der  Küste  in  den  Marken, 
in  den  Abruzzen  und  der  Molise,  z.  B.  in  Campobasso, 
während  der  Süden,  das  Apulische  und  Kalabresische ,  sowie  die 
Toskana  bei  den  vollen  Formen  bleibt.  Sodann  verstummt  in 
Ancona  auslautend  n:  hirhone  wird  zu  hirhö,  mano  zu  ma.  — 
Abfall  des  r  in  den  Bildungen  auf  or  und  er  (ariits)  findet  sich  in 
der  westlichen  Lombardei  und  im  Tessin.  —  Aretinisch,  Emiliauisch 
und  Paduanisch  ist  -amo  über  -am  zu  -an  geworden,  vgl.  die 
Konjugation.  —  Dafs  in  Oberitalien  die  in  den  Auslaut  tretenden 
tönenden  Konsonanten  tonlos  werden,  also  novu  zu  noef,  ist 
selbstverständlich. 

557.  Im  Französischen  sind  die  primären  wie  die 
sekundären  Auslaute  nach  Vokalen  gefallen.  Diese  Regel,  die 
in  den  meisten  Dialekten  durchgeführt  ist,  hat  im  Schrift- 
französischen  unter  Einflufs  der  Grammatiker  und  des  Schrift- 
bildes zahlreiche  Einschränkungen  erlitten.  Auslautende  Nasale 
sind  mit  dem  vorhergehenden  Vokale  zum  Nasalvokal  verschmolzen, 
vgl.  die  Beispiele  §  33,  57  u.  s.  w.  Als  allgemeine  Regel  ist 
auch  für  das  Französische  festzuhalten,  dafs  in  den  Auslaut 
tretende  tönende  Laute  tonlos  werden,  also  verd  zu  vert,  daher 
das  Femininum  verte,  grand  zu  grant,  neuv  zu  neuf  u.  s.  w.  Diese 
neuen  tonlosen  Konsonanten  werden  behandelt  wie  die  alten.  — 
Der  dentale  Verschlufslaut  zeigt  im  Westfranzösischen  (Norm.) 
verschiedene  Behandlung,  je  nachdem  ihm  ursprünglich  ein  Vokal 
oder  ein  Konsonant  vorausging.  Aus  atu,  itu,  utu,  ite  u.  s.  w.  ent- 
steht über  adhu  u.  s.  w.  edh,  eth,    und   im  Laufe  des  XII.  Jahr- 


^    557.  Auslautende  Konsonanten  im  Französischen.  460 

hunderts  e.  Philipp  von  Thaon,  der  seinen  Computus  zwischen 
1120  und  1130  schrieb,  gebraucht  Formen  mit  und  ohne  Dental, 
Brandau  reimt  tei:  sei  1601,  lei:  fei  69  u.  s.  w.  Dagegen 
reimen  weder  mit  diesen  Wörtern  auf  Dentale  noch  mit  solchen 
ohne  Dentale  diejenigen,  deren  t  gedeckt  war,  also  tot,  deit,  sei, 
oit  und  alle  anderen  3.  Sg.  Präs.,  die  3.  Sg.  der  «-Perfecta: 
dut,  out  u.  s.  w.  Hier  wird  in  den  normannischen  und  anglo- 
normanuischen  Handschriften  das  t  auch  stets  geschrieben.  Seinem 
Lautwerte  nach  ist  es  reines  t.  Eine  Sonderstellung  nehmen  die 
Perfecta  auf  -at,  -H  nebst  fut,  das  Präs.  at  und  3.  Fut.  -at  ein, 
sofern  nämlich  ihr  t  in  beiden  Klassen  reimt,  Comp.  781  venqui: 
enemi  neben  1021  dH:  raemplit.  Schon  fürs  Vulglat.  ist  hat,  fut 
in  proklitischem  Gebrauche  anzusetzen :  hat  amatum,  fut  amatus. 
In  diesem  Falle  wird  t  behandelt  wie  zwischen  Vokalen ,  also 
ha{d)  ame(d) ,  fu(d)  ame(d) ,  von  hier  aus  werden  a(d) ,  fv(d)  ver- 
allgemeinert, treten  an  Stelle  von  at,  wie  es  im  Futurum,  von 
fut,  wie  es  in  Pausa  gebräuchlich  Avar.  Ihnen  folgte  amaf  und 
schliefslich  -it.  Im  Laufe  des  XIII.  Jahrhunderts  schwindet  aiicli 
dieses  t.  —  In  der  Champagne  z.  B.  bei  Cher^tien  und  im 
Pariser  Französisch  des  XHI.  Jahrhimderts  ist  das  ungedeckte  t 
ganz  verschwunden,  das  gedeckte  bleibt  noch  bis  ins  XIV.  Jahr- 
hundert, ist  aber  im  XVI.  ganz  stumm.  Die  Pikardie  macht 
den  Unterschied  nicht,  sie  hält  auch  ungedecktes  t  bis  ins 
XIV.  Jahrhundert  fest,  so  erscheint  es  fast  stets  bei  Froissart. 
Daher  erklärt  sich  auch  der  Reim :  moraUteit :  müssigkeit  in  Gott- 
frieds Tristan  8012.  Der  Anonymus  von  1624  wirft  den  Wallonen 
die  Aussprache  etroite  statt  etroit  vor.  —  Aber  in  Lothringen  ist 
das  Verstummen  des  t  fürs  XIII.  Jahrhundert  sicher  durch  ateit 
(altar)  N.E.  XXVIH,  195  a.  1278  Moselle  —Auch  im  Französischen 
treffen  wir  eine  kleine  Zahl  von  Beispielen,  wo  f  an  Stelle  des 
auslautenden  d  tritt.  Im  Nfr.  haben  wir  soif,  dazu  das  Verb. 
suffe  im  Morvan,  fief  nebst  fieffer,  tief  Rouchi,  Mons,  dazu  hieu 
Froissart  und  Neunorm,,  sodann  afr.  die  Eigennamen  auf  -huef  = 
-hodo,  mucf  (modus),  faldestuef,  nif  in  Handschriften  von  Eustache 
Dechamps,  nif,  hleif  in  der  im  Osten  geschriebenen  Handschrift 
B  des  Renclus  de  Moiliens,  hlef  N.E.  XXVIII,  2,  88,  Ardennes 
1264  (neben  veriteit)  95,  Meuse  1264  (t  fällt),  Sainte  Hoilde 
1251,  1270;    zu  hlef  gesellt  sich  hlau  Ph.  Mousquet  19740.     Im 


470  IJ^-  Kapitel:  Konsonantismus.  §   557,    558. 

lothr.  Psalter  liest  man  pechief,  in  der  Guerre  de  Metz  M. 
mercliief  4  d,  chevalchief,  hnchief,  träbnchkf  118,  Betrachten  wir 
zimächst  die  lateinischen  Fälle,  so  ergieht  sich,  dafs  soif  erst  zu 
einer  Zeit  auftritt,  wo  die  auslautenden  Dentalen  längst  nicht 
mehr  gesprochen  worden  sind  und  z  schon  s  war.  Nach  Nom. 
nois  Acc,  no'if  bildet  man  Acc.  soif  zum  Nom,  sois.  Die  Dialekte 
kennen  übrigens  soif  oder  etwas  ähnliches  nicht,  su§fe  gehört 
dem  „fran^ais  provincial"  an.  Mued,  Nom,  vn.'ues  ist  das  einzige 
Wort  mit  dem  Ausgang  -ued  gegenüber  den  ziemlich  zahlreichen 
auf  uef:  nucf,  uef,  hui  f.  Von  dem  Augenblicke  an,  avo  -s  =^  -z, 
war  die  Umgestaltung  von  *»nwd  zvi  mucf  leicht  möglich;  nif, 
pechief  begegnen  so  spät,  dafs  man  in  ihnen  nur  eine  thörichte 
Schreibung  sehen  kann.  Die  anderen  Wörter  sind  germanischen 
Ursprungs.  Das  germanische  d  war  bekanntlich  d:  nun  ist  es 
eine  vielfach  beobachtete  Thatsache,  dafs  d  direkt  in  f  tibergeht, 
oder  von  Leuten,  die  kein  d  haben,  als  f  gehört  wird :  so  erklären 
sich  ganz  ungezwungen  bief  mit  der  Nebenform  hies ,  -buef  aus 
-hodo ,  Avorin  man  nicht  Anlehnung  an  buef  zu  sehen  braucht, 
fief,  so  kann  auch  estrif  bei  strH  bleiben.  Biet,  bJef,  Nou,  oberital. 
biavo ,  friaul.  blave  ist  etymologisch  dunkel :  die  Grimmsche 
von  Thurneysen  gebilligte  Herleitung  aus  keltischem  *bJätum 
„das  Gemahlene"  fügt  sich  der  Bedeutung  schlecht,  die  Diezsche 
aus  ablata  befriedigt  auch  nur  halb ,  das  Schwanken  zwischen  t 
und  f  würde  eher  für  ein  germ.  blad,  ags.  blaed  sprechen. 
Fäldestuef  ist  zu  erklären  wie  muef.  —  Nach  Konsonanten  föllt 
t  gegen  Ende  des  XIII.  oder  Anfang  des  XIV.  Jahrhunderts: 
die  Pariser  Urkunden  aus  dieser  Zeit,  Etienne  de  Fougeres, 
der  Schreiber  des  Meriadoc,  des  Lothringer  Psalters  u,  a,  lassen 
es  sehr  oft  weg,  vgl,  plor  Et,  968,  moin  893,  segon  803. 

Den  Unterschied    der    zwei   t   hat  Suchier    erkannt 

Ep,  XX  ff.  —  Zu    f   aus    d   vgl.  Gröber,    Ztschr,  II, 

459  ff.,    X,    300,    wo  die  Belege  für  die  verschiedenen 

Formen  gegeben    und    der  Weg  zur  richtigen  Erklärung 

angebahnt    wird.     Ganz     anders     aber     unwahrscheinlich 

Ascoli,  Arch.  Glott.  X,  99  ff. 

558.  Widerstandsfähiger  als  der  Dental  zeigt  sich  der  Guttural, 

er  schwindet  nur  nach  nasalen  Vokalen :    bec,  bouc,  sac,  sec,  soc, 

arc  aber  banc.     Aber    auch  hier  zeigt   Morvan    b§,  blo,   sp  (sac), 

so  (sec),  norm,  be,  sa  u.  s.  w.    In  Lothringen  aber  wird  c  zu 


S    558     550.      Atislautende  Konsonanten  im  Französischen.  471 

^,  d,  vgl.  hovch  schon  im  lothr.  Psalter,  lunite  haS,  seS  (sac),  S0§, 
h€§,  wall,  hes,  has  neben  ho  =  hone.  Für  rc  fehlen  die  Beispiele, 
ftir  nc  lothr.  is  ==  evcre.  Auslautend  j)  folgt  der  Regel :  cep, 
sep ,  galop ,  covp,  lonp.  F  wird  f.  Während  die  Dialekte  seit 
dem  XIV.  Jahrhundert  diesen  Laut  tilgen:  hre:  poeste  Kat.  Poit. 
1225,  die:  comande  2490,  schwanken  die  Grammatiker  des  XVI. 
und  XVn.  Jahrhunderts  und  die  heutige  Sprache  behält  ihn  meist 
bei :  hoeuf,  oeuf,  chef,  nef,  juif,  vif,  plaintif,  suif  neben  de(f), 
apprenti ,  haüli ,  etev(f) ,  tre.  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  ist 
der  heutige  Zustand  erreicht,  nach  Villecomte  1751  sprechen  nur 
noch  alte  Leute  und  Preziösen  heu,  eu.  Eine  Regel,  nach 
welcher  f  bleibt  oder  fällt,  ist,  wie  überall  da,  wo  die  Gramma- 
tiker die  Sprache  gemeistert  haben,  nicht  zu  finden.  Mit  f  nach 
r  verhält  es  sich  ebenso :  serf  ist  wohl  durch  serve  gehalten, 
cerf  dagegen  schwankt,  ner  giebt  La  Touche  1696  als  das  einzig 
Gebräuchliche,  die  Akademie  verlangt  aber  nerf.  —  Merkwürdig 
ist  die  Behandlung  des  germanischen  p,  die  in  eschieu ,  estrieu 
erscheint. 

559.  Auslautend  s,  primäres  wie  sekundäres,  verstummt 
ebenfalls  seit  dem  XIII.  Jahrhundert,  in  den  Denkmälern  des 
XIV.,  wie  z.  B.  im  Lothringer  Psalter  und  Ysopet,  erscheint  es 
oft  au  falscher  Stelle.  Doch  scheint  es  in  einsilbigen  "Wörtern 
fester,  vgl.  es,  us,  vis.  Auch  hier  haben  die  Grammatiker  die 
Aussprache  wieder  hergestellt  in  moevrs,  tous  und  einigen  anderen 
Wörtern.  —  Zahlreich  sind  die  Fälle,  die  gegen  die  Regel  vom 
Verstummen  des  l  verstofsen :  neben  de,  soül,  fusil,  outil,  gentil, 
moyeu  stehen  die  vielen  Adj.  auf  -el,  -al,  ferner  miel,  fiel,  fil, 
filleul,  cheval  Dafs  aber  auch  hier  der  Abfall  die  Regel  ist, 
lehren  nicht  nur  die  Mundarten,  z.  B.  Maine  po  (poil),  sie^ 
norm,  fe,  sondern  auch  der  Umstand,  dafs  im  XVT.  und  XVII. 
Jahrhundert  noch  manche  Wörter  ohne  l  gesprochen  wurden, 
wie  fi,  noe,  linceu,  chevreu,  ßleu,  tilleu,  ecureit.  Noch  heute 
schwankt  fenü,  avril.  Häufig  mag  der  Einflufs  der  Schrift  ver- 
stärkt worden  sein  durch  Ableitungen,  so  bei  den  Adjektiven 
auf  el  durch  das  Feminin,  bei  recul  durch  r eculer ,  bei  fd  durch 
ßer.  Auslautend  l  bleibt :  fenouil,  pouü  noch  bei  Mairet,  rebouil, 
daneben  fenou  XVTT.  Jahrhundert,  pou,   genou   vom  Plural  aus. 


472  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  ^    559 — 561. 

Wenn  eil  seit  dem  XVII.  Jahrhundert  oft  mit  l  statt  l  gesprochen 
wird,  so  liegt  darin  Einflufs  der  Wörter  auf  -ü  =  ilem  vor,  vgl. 
umgekehrt  avril,  fenil  häufig  mit  l  statt  Z.  Daher  kann  das  l 
nach  i  auch  fallen,  vgl.  sourci(l),  nombri(l),  e'meri  (ital.  smeriglw), 
gri(l).  —  Auslautend  lateinisch  c  wird  zu  s  in  den  Verben,  ferner 
in  dis  (decem),  xoris,  pais,  dagegen  z  in  vois^  croiz,  noiz,  foiz, 
IV.  Liv.  auch  soriz ,  perdris,  vgl.  lothr.  Jcroe,  wß  neben  paK, 
diK,  noeK,  puoK.  Der  Grund  der  verschiedenen  Behandlung  ist 
nicht  recht  ersichtlich.  —  R  bleibt  in  einsilbigen,  fällt  in  mehr- 
silbigen Wörtern  seit  dem  XIII.  Jahrhundert.  Dieser  Zustand  hat  sich 
bis  heute  z.  B.  in  Seraing  erhalten:  fcäfe,  muri,  meyoe  (meillettr), 
ftloß,  aber  floer  ^  sur  (soeur),  doch  gu.  Im  Nfr.  schimmert  das 
Gesetz  noch  durch  in  aimer,  Alger,  Suff,  -ier  neben  mer,  fier, 
hier;  hoir,  soir,  voir,  clioir  (wonach  avoir  statt  avoi  u.  s.  w.)  neben 
den  im  XVI.  und  XVII.  Jahrhundert  gebi'äuchlichen  terroi,  miroi, 
mouclioi,  parloi;  fleur,  heur,  soeur  neben  monsieur  und  älterem 
menteu  u.  s.  w. ,  aber  stets  hlancheur.  Die  Gründe,  weshalb  r 
heute  in  viel  weiterem  Umfange  gesprochen  wird,  sind  ver- 
schiedene. Gelehrte  Wörter,  wie  censeur,  orateur,  acteur  behalten 
r  im  XVn.  Jahrhundert  und  begünstigen  daher  menteur,  das 
von  Villecomte  1751  und  von  Domergue  1805  allein  anerkannt 
wird.  Das  Schwanken  zwischen  eti  und  cur  erzeugt  nevettr,  das 
H.  Estienne  als  delphinatisch  tadelt;  amer  steht  wohl  unter  dem 
Einflufs  des  Feminins;  die  Inf.  auf  -ir  folgen  dire,  ecrire,  lire: 
im  XVII.  Jahrhundert  ist  dies  die  einzig  vorkommende  Form. 
Doch  kennt  die  Volkssprache  bei  Paris  heute  senti,  plesi  und 
entsprechend  musu^.  —  Ein  nach  Abfall  eines  anderen  Konsonanten 
in  den  Auslaut  tretendes  r  bleibt :  tard,  jour,  com;  essor  u.  s.  w. 

560.  Auslautend  n  wird  im  Anglonormannischen  zu  n,  schon 
Brandan  reimt  plein:  desdaing  575,  wogegen  die  festländischen 
Dichter  auch  im  XIV.  Jahrhundert  noch  beide  Laute  auseinander- 
halten. Erst  im  XV.  Jahrhundert  ist  en  über  en  zu  ?,  od  über 
5n  zu  0%  geworden :  hesoir/g,  hing,  engin  u.  s.  w. 

561.  Tritt  s  oder  t  infolge  der  vokalischen  Auslautgesetze 
mit  einem  anderen  Konsonanten  zusammen,  so  wird  dieser  be- 
handelt wie  im  Wortinnern  vor  t,  s,  vgl.  hoit,  doit,  pilaist,  creist, 
fait,  nies,  ferner  his  (luseus) ,    wo  scs  zunächst  zu  es  vereinfacht 


8   561 — 563.     Auslautende  Konsonanten  im  Französischen.  473 

wird.  Von  drei  Konsonanten  ftlllt  der  mittlere :  dors,  dort.  Be- 
sondere Beachtung  verdient  s  nach  t,  »?,  ri,  1,  l;  t  -\-  s  wird  g: 
asscz,  nimez ,  das  im  Pikardischen  seit  dem  XII.  Jahrhundert, 
im  Zeutralfranzösischen  seit  dem  XlV.  mit  s  zusammenfällt. 
Zwischen  gedecktem  »?,  fi,  l  und  s  entwickelt  sich  der  homorgane 
Verschlufslaut,  also  ein  Dental  in  den  zwei  ersten  Fällen,  ein 
Velar  im  letzten,  da  l  vor  s  ja  ^  war  §  476,  vgl.  anz,  jornz, 
woraus  jorz,  ainz,  chevaix.  Bei  l  gehen  die  Mundarten  aus- 
einander: das  Normannische  verlangt  z,  behält  also  zunächst  f 
bei  und  unterdrückt  es  später:  filz,  mielz,  das  Zentrum  dagegen 
wandelt  7  in  l,  i,  vgl.  mievx.  Zur  Unterdrückung  des  t  vgl. 
conseiz  :  segreiz  Benoit  Troie  6951,  oHz:  nuiz  Chron.  25042  u.  s.  w. — 
1\\  plaidiz  A\e'^.  120  e  liegt  Vermischung  von  -ivus  und  -iiius  vor, 
in  dem  sez  (sapis)  späterer  anglonormannischer  Texte  ist  Anbildung 
an  vez  (vadis)  zu  sehen.  Der  Unterschied  zwischen  s  und  z  ver- 
schwindet wie  gesagt  am  frühesten  im  Pikardischen  :  die  Ui'kunden 
aus  Vermandois  im  XIIl.  Jahrhundert  haben  durchaus  s ;  auch  im 
Agnorm.  tritt  frühzeitig  ein  Schwanken  ein:  der  Computus  schreibt 
hriez  1981  xxnd  umgekehrt  cors,  Guill.  de  Be^meville  scheidet, 
nicht  mehr  Gaimar  und  Chardri.  —  Eine  besondere  BehandlunsT 
von  rs  zeigt  das  Lothringische:  es  wird  zu  K:  emeli  (amarus), 
foU  (furnus),  TcoK  (curtus),  veU  (vermis),  vaJi  (virdis),  düfi,  muK  u.  s.  w. 
Dafs  wirklich  überall  rs,  die  alte  Nominativform,  vorliegt  und 
nicht  Übergang  von  r  zu  K,  zeigt  scer,  te  (farde),  zo  (jour)  u.  s.  w. 
Über  5!  aus  s  vgl.  Horning,  Eom.  Stud.  IV,  627  flP.; 
Gröber,  Ztschr.  VI,  486;  über  n  aus  H  eb.  Die  Er- 
klärung des  X  in  chevaux  hat  P.  V  ö  1  k  e  1 ,  Changement 
de  X  en  i7  gegeben,  die  des  lothringischen  K  aus  rs  This, 
S.  40. 

562.  Im  Rouchi,  zum  Teil  im  Wallonischen  und  im  nörd- 
lichen Lothringen  treten  an  Stelle  der  sanften  Konsonanten  im 
Auslaut  harte,  vgl.  rouch.  rouS,  -ö^,  ZöI,  sälat  u.  s.  w.,  lothr. 
srf  (clianvre) ,  arp  (arbre) ,  pet  (perdre) ,  var^  (verge) ,  kuot  (corde), 
etap  (ctahle)  u.  s.  w. 

563.  Im  AI  tprovenzali  sehen  wird  der  Wandel  aus- 
lautender tönender  in  tonlose  auch  in  der  Schrift  mit  gröfserer 
Regelmäfsigkeit  durchgeftihrt  als  im  Altfranzösischen :  &  aus  lat. 
p  wird  p :  cap,  ebenso  altes  b  nach  Kons. :    orp ;  z  wird  meist  ts 


474  n.  Kapitel:  Konsonantismus.  8   563. 

geschrieben :  amats ;  g  wird  c :  Jone ;  d  zu  t :  iart.  Nach  Vokalen 
fällt  d:  fe,  ni'^  ebenso  d  und  t  nach  Nasalen:  quan  =  qu(mdo  und 
quantnm;  gran,  ven,  -men  u,  s.  w. ,  v  aus  lat.  v  und  h  wird 
vokalisiert:  nou,  neu,  hreu,  deu,  escriu  u.  s.  w.  Daher  kann 
trap  das  Zelt  nicht  direkt  auf  lateinisch  träbem  zurückgehen. 
Auslautend  n  fällt  im  Zentrum,  es  bleibt  am  linken  Ehoneufer 
und  in  der  Gascogne,  aber  nicht  in  Bearn.  Die  spätere  Sprache 
hat  nun  auch  von  den  in"  der  älteren  gebliebenen  Auslauten 
manche  getilgt,  die  nördlichen  Mundarten  gehen  übrigens  weiter 
als  die  südlichen.  Genauere  Angaben  sind  auch  hier  noch  zu 
erwarten,  vgl.  im  Cartulaire  de  Milhau:  mayo  32,  prio  52, 
cavallia  55,  ohcst  181.  Schon  seit  dem  XIV.  Jahrhundert  ver- 
stummt r,  und  ist  es  heute  auf  dem  ganzen  Gebiete  in  den 
Infinitiven  und  in  den  Substantiven  auf  ie,  sowie  in  vereinzelten 
Wörtern  z.  B.  piou  (pavore),  auch  sonst  im  Süden :  Gascogne, 
Montpellier,  Marseille,  wogegen  der  Norden :  Limousin,  ßouei-gue 
wohl  unter  französischem  Einflufs  in  den  Substantiven  r  wieder 
hergestellt  hat.  Auch  ursprünglich  gedecktes  r  fällt :  Forez 
^ouo ,  iouo ,  nei ,  sei.  —  In  Ariege  und  wohl  auch  anderswo  gilt 
als  Regel,  dafs  r  in  einsilbigen  Wörtern  bleibt,  in  mehrsilbigen 
fällt:  mar,  Mar,  Jcv^r,  sor,  aber  feni,  salüdd,  sign.  —  Auslautend 
Z  wird  fast  ausnahmslos  vokalisiert  im  Lim.,  Gase,  Langued., 
Provenz.,  es  fällt  in  Mentone,  bleibt  in  Eouergue,  wird  zu  r  im 
Niederlim.,  Auvergne,  Brian^on.  Also :  lim.  nadav,  Tiuiev,  kou, 
■ß,  SU  (solum),  kü,  mau  u.  s.  w. ,  gask.  tau,  Sfu  (caelum),  p^u 
(pilum),  nadau,  hiu  (filum)  u.  s.  w.  und  entsprechende  Formen 
langu.,  prov. ;  Mentone :  ma,  fi,  mü,  ka,  nivu ;  Rouergue :  dedal, 
nodal,  sei,  fiol  (ßum),  aher  kau  (caulum);  Auvergne:  siar,  fir,  per. 
LI  wird  meist  mit  l  zusammengeworfen ,  nur  das  Gaskognische 
mit  t  aus  -l  macht  eine  Ausnahme  §  545.  In  Mentone,  wo  l 
fällt,  bleibt  II  als  l  in  einsilbigen :  val,  loel,  kual,  fällt  in  mehr- 
silbigen :  kava,  anc,  käste,  käbei  u.  s.  w.  —  Lli  wird  zu  einfachem 
l  in  Rouergue,  Languedoc  und  Niederlim.,  woraus  in  letzterem  r, 
zu  u  im  Prov.,  zu  y  in  Nontron,  zu  r  im  Hochlim. ;  sonst  wird 
es  behandelt  wie  ly  im  Inlaut:  rouerg.  uel  (oculum),  trüel,  Mnul; 
langu.  surel,  viel,  miral;  nlim.  soler,  zanur;  hlim.  mier  (melius), 
pur  (peduculus),  mir;  nontr.  mirai,  zanuei.  —  Das  in  der  alten 
Sprache    feste    n    und    m    verschmelzen    in   der   neuen    mit   dem 


§   563 — 565.     Auslautende  Konsonanten  im  Provenzalischeu.  475 

vorhergehenden  Vokal  zum  Xasalvokal,  nach  r  ftillt  es  wie  im 
Französischen  in  den  nördlichen  Dialekten,  bleibt  aber  in  den 
südlichen :  ment.  envern,  Sorn.  Auslautend  H  wird  zu  n  in  den- 
selben Gebieten,  in  denen  l  zu  l  wird:  nlim.  hesü,  lü;  langu. 
sartä,  lö,  plä  u.  s.  w.  —  S  verstummt  im  Lim. ,  ob  es  primär 
oder  sekundär  sei,  dagegen  bleibt  es  stets  im  Rouerg.,  dann  im 
Gask. ;  in  Langued.  wenigstens  das  primäre  im  Plural,  in  Mentone 
bleibt  das  sekundäre,  wogegen  das  primäre  fällt. 

564.  Was  die  Verschlufslaute  betrifft,  so  läfst  sich  im  all- 
gemeinen sagen,  dafs  nördliche  Mundarten,  wie  die  limousinische 
sie  abwerfen,  also :  nehu  (nepote),  vertd,  ne  (noctem),  vgl.  §  462. 
In  den  anderen  Dialekten  bleiben  sie :  rouerg.  hertat,  solüt,  gask. 
nehot  u.  s.  w.  Es  ist  hier  aber  aufmerksam  zu  machen  auf  eine 
Vertauschung  der  verschiedenen  Auslavite :  b6arn.  herbit,  kap 
und  kat,  kop  und  kot,  hork  und  bort,  esklop  und  esklot,  die 
sich  entweder  daraus  erklärt,  dafs  im  Plural  p  wie  t  und  c  vor 
dem  s  verstummen,  wodurch  ein  Schwanken  im  Singular  einreifst, 
oder  aber  daraus,  dafs  die  auslautenden  Verschlufslaute  auch  sonst 
stark  ins  Schwanken  geraten  sind. 

565.  Die  Verbindung  mit  dem  auslautenden  -s  bringt  eine 
Reihe  interessanter  Veränderungen  mit  sich :  sts,  scs  wird  zu  ts, 
es:  ots,  Grits,  quecs.  Neben  ts  kommt  schon  frühzeitig  einfaches 
s  vor,  oder  aber  ts  verdichtet  sich  zu  ds,  d,  so  in  Gignac : 
menuehs,  enfonsaclis,  cndormiclis,  escuchs  R.  1.  R.  V,  356.  Ebenso 
in  Gap:  äbitanös.  Es  kann  ferneres  und  es  zu  is  werden,  so 
in  Albi :  esclots ,  lots.  Zwischen  n,  m,  l  und  s  entwickelt  sich  t 
bezw.  jp,  aprov.  enscmps,  femps,  ramps ,  daher  heute  in  Tarn: 
gramp,  famp,  verp  =  vermis,  ferner  in  Embrun :  annchs,  jourchs 
wie  varlechs ,  in  Sevres :  jourts  aus  journts.  Von  hier  dringt  t 
auch  in  den  Singular:  jornt  M.  R.  55,  7,  cart  (carne)  ib.  59, 
heute  gourt  in  Queyssac.  —  Auslautend  rs  wird  seit  dem 
XII.  Jahrhundert  zu  s,  Bertran  de  Born  reimt  flors:  Jos  40,  36; 
flos:  mantenedos  findet  sich  in  den  Joyas  del  gai  saber  235,  ein 
später  datiertes  Beispiel  ist  noch  senhos  Bessieres  1480  R. 
1.  Rom.  IV,  240. 

Zahlreiche  Belege  flir  -rts,  -rt  geben  P.  Meyer,  De 
Vemploi  nonetymologique  du  t  final  en  provengal ,  Rom. 
VII,  107  ff.,   Chabaneau,  Rom.  VIII,   110—114. 


476  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  S  "566,    567. 

566.  Im  Katalanischen  fällt  r  in  den  Infinitiven,  n 
bleibt  nach  r,  fällt  jedoch  in  Alghero,  nd,  nt  werden  zu  nt  mit 
schwach  artikuliertem  /;  ment,  aiifant,  Gerund,  -ent,  oder  men, 
anfaf},  -m,  ebenso  wp:  cam;  t  -\-  s  wird  dz,  oi  -\-  s  zu  ns;  Jcs, 
2)s  zu  dz:  kap  PI.  Tcadz,  zoh:  zodz ,  rik,  ridz.  —  Lat.  c  wird  im 
Auslaut  zu  u  s.  die  Beispiele  §  441  und  feil  (faeccm),  perdiu, 
emperadrm,  feliu  u.  s.  w.  Der  Wandel  kommt  axich  am  Silben- 
ende vor:  deume,  dura  aus  ciccronc,  zur  physiologischen  Er- 
klärung s.  §  441.  Neben  u  kommt  auch  l,  tv  vor:  valenz. 
arrail,  bare,  mall,  rel ;  delme  (decimus),  palan,  aber  O.N.  palalda, 
giiau  und  guäl,  gol,  foure  und  folre,  galta,  colze,  solü  (sold). 
Das  so  entstandene  l  ist  guttural :  das  Katalanische  zeigt  am 
Silbenschlufs  und  am  Wortende  i,  das  bis  u  fortschreitet,  vgl. 
fideu:  hatev,  carreu  für  -eJl,  vgl.  consell:  veu  7  Meister  2551, 
umgekehrt  kann  dann  auch  altes  u  als  l  erscheinen.  Dz  wird  s: 
nadegar:  endes;  hategar:  hates;  fais  (fagens)  u.  s.  av.,  aber  altes 
ir,  is  nur  z,  nicht  wie  vor  dem  Tone  s:  piz,  mez,  s\z  —  sisanta.  — 
T,  b,c  nach  i  fallen :  herair,  Ärnav,  lau  (balbu),  kadafal^  mancscal. — 
Auch  hier  findet  sich,  verführt  durch  die  Gleichheit  im  Plural, 
t  statt  c:  famarit  älter  tamariJc,  *tamaricus,  salit  neben  saliJc.  — 
Sts  im  Verbum  giebt  s ;  daneben  aber  kommt  ts  wie  im  Nomen : 
trist  PL  trits  vor :  Grundform  ist  -sts  unter  Einflufs  der  Singular- 
form -St  =  -sti.  s,  d  mit  s  giebt  is:  peis  (pisccs)^  mateis,  aqveis 
Plur.  zu  mates,  aques,  leis  Plur.  zu  Tee. 

Über  kat.  u  aus  ds  vgl.  Ztschr.  XI,  285  und 
C.  Ollerich,  Über  die  Vertretung  dentaler  Konsonanz 
durch  u  im  Katalanischen,  Diss.  Bonn  1887. 

567.  Eine  besondere  Stellung  nehmen  endlich  die  Dialekte 
Savoyens  und  das  Wallis  ein.  Das  lateinische  -t  scheint  hier 
zu  beharren  :  portct,  eret  u.  s.  w.,  aufser'  wenn  das  folgende  Wort 
konsonantisch  beginnt.  Dafs  auch  die  sekundären  t  bleiben,  ist 
selbstverständlich,  vgl.  tant,  levant,  güh.  Dies  letztere  gilt  auch 
von  Bonneval,  vgl.  frei  (froid),  morf,  det  (dit),  Jcuet  (cuit),  trent, 
vant,  komanf,  vent;  ebenso  bleibt  s:  Val  Soana  füs,  nas,  Bonneval 
pertüs,  nos,  gros,  tes,  reys;  ferner  k:  sank,  poerk;  p:  drap.  In 
dem  benachbarten  Lanslebourg  verstummt  s,  t  bleibt,  also  Sg. 
frei,  Plur.  fre(s),  wonach  nun  zum  Plur.  pertü  der  Sing,  pertüt  statt 
*pertü,  Sg.  fort    statt    for    zum  Plur.    for(s)  aus  forns.  —  Merk- 


§  567 — 560.  Auslautende  Konsonanten  im  Katalanischen  u.  Spanischen.  477 

würdiger  ist,  dafs  in  Val  d'Herfiis  und  Val  d'Anniviers  h  an 
Stelle  der  meisten  auslautenden  Konsonanten  tritt  venilc  (venir), 
laTc,  neJc  (nive),  valek  (valais),  natürlich  amiJi ,  sauJc  (sabucus);  tit 
(tectu)  und  tek,  frit  und  frck.  Ferner  lik  =  lui,  äek  =  suis 
in  S.  Luc,  luik  aber  h  in  Evolena,  depuek ,  tsevrek  =  chevrcau, 
aber  ve  =  veait.  Eine  sichere  Erklärung  ist,  solange  nicht 
mehr  Material  vorliegt,  nicht  zu  geben.  Da  in  Seez  (Savoyen) 
-r  zu  U  wird,  so  könnte  auch  venik  zunächst  auf  veniK  beruhen, 
wenn  es  nicht  etwa  wie  das  rätische  vemgr  zu  erklären  ist. 
Bei  den  Substantiven  wird  im  Plm-al  t;  und  t  vor  s  gefallen 
und  infolge  dessen  im  Singular  zum  Teil  Verwirrung  eingetreten 
sein.  Eine  Vermischung  der  Auslaute  zeigt  paraditt  =  paradis. 
Endlich  bleiben  diti,  faiti  aus  dicit,  facit  in  Evolena. 

Vgl.  GiUieron,  Atlas  plionctique  23  ff.,  und  Rev. 
Fat.  I,   179—183. 

Sonst  weichen  die  südöstlichen  Dialekte  wenig  ab  vom 
französischen  Tyjjus.  Erwähnenswert  ist  aus  dem  Lyonesischen 
Wandel  von  l  zu  r :  miar,  fiar,  siar  (ciel),  fotcer,  tinor  (tinel),  sator 
(cheptel),  kor  neben  so  (sei),  mä  (mal),  su  u.  a. 

568.  Im  Spanischen  ist  heute  das  s  im  Verstummen  be- 
griffen und  ist  schon  verstummt  im  Andalusischen.  Von  den 
durch  das  vokalische  Auslautgesetz  (§  312)  ans  Ende  gerückten 
Konsonanten  bleiben  l,  r,  n,  s,  j  unverändert,  w,  I  geben  die 
Moullierung  auf:  cal,  mil,  piel,  abedul,  aspan.  ntd;  desden,  aluen 
Cid  2094,  ten,  von;  d  wird  zu  d:  Madrid,  das  wie  das  alte  s 
auf  dem  Wege  zum  Verstummen  ist,  oder  zu  l:  prol,  sul;  z  aus 
ce,  ci,  is  (assaz),  ti}'  ist  heute  tönend,  das  Zeichen  für  den  tönen- 
den Laut  gebraucht  schon  Jose :  fez  82 ,  doze  59 ,  vejez  206 
(neben  dies  91).  Auslautend  w  ist  fast  überall  velar,  w,  so  sicher 
im  Asturischen,  Andalusischen  und  Estremadurischen ,  in  Leon 
und  Galizien,  dann  auch  auf  den  Kanarien  und  in  Cuba. 

Es  dürfte  die  von  H  o  r  n  i  n  g ,  Lat.  C  zweifelnd  vor- 
getragene Annahme,  im  Aspan.  sei  -z  tonlos  gewesen, 
geradezu  zurückzuweisen  sein.  —  Zu  -n  vgl.  Munt  he, 
S.  17  ff. 

569.  Fürs  Portugiesische  ist  als  rein  orthographische 
ßegel  zu  merken,    dafs  -?,  \  geschrieben  werden  em,    im:    adem 


478  !!•  Kapitel:  Konsonantismus.  §   569 — 571. 

porem,  hem,  jardim,  fim,  ferner  hom,  um  u.  s.  w.  Im  Galizischen  fällt 
n :  ho,  ma,  Image  u.  s.  w.  S,  z  werden  zu  s ,  nach  betontem  e 
tritt  (orthographisch)  z  ein :  tez,  mez,  -ez,  revez.  Auslautend  l  ist, 
wie  l  vor  Konsonanten,  guttural  §  476,  r,  wie  inlautend  r,  weich 
§  455.  Im  Auslaut  tritt  ferner  r  für  l  ein,  wenn  im  Wortinnern 
schon  l  steht  und  umgekehrt:  lomhar ,  alcacer,  alvar  —  cerväl, 
peral,  murtäl.  Auslautend  l  wird  unter  gleichen  Umständen  auch 
vokalisiert:  alairau,  batarcv,  cacareu,  ilheu^  mastareu,  paraleu, 
lebreu.  Im  Galizischen  fällt  l:  carce,  marmo.  — Wie  im  Spanischen 
wird  auch  hier  auslautend  d  zu  l:  aportg.  eirel  (heredem),  ardil, 
Madril,  prol.  Über  herees  Foros  da  Gravaö  384  s.  die  Deklination. 
Im  Galizischen  fällt  d:  bonda,  piedd,  saü  u.  s.  w.  —  Der  Abfall  von 
e,  0  ist  älter  als  der  Ausfall  von  l  zwischen  Vokalen,  es  haben 
daher  die  Wörter  auf  Zo,  le  ursprünglich  Doppelformen  Sg.  -l, 
PI.  OS,  es:  lengol,  lengoos;  das  ist  geblieben  für  einen  Teil  der 
Wörter,  bei  anderen  hat  Ausgleichung  nach  der  einen  oder 
anderen  Seite  hin  stattgefunden,  s.  die  Deklination. 

Zu  -s,    -z  vgl.  Gon^alves  Vianna  Rom.  XII,   33. 


D.    Lautvertauschungen. 

570.  Im  Wortanlaut  sowohl  als  im  Wortinnern  treffen  wir 
eine  Reihe  von  Lautveränderungen,  die  nicht  wie  die  bisher 
betrachteten  in  feste  Regeln  sich  ordnen  lassen,  sondern  etwas 
Willkürliches,  Zufälliges  an  sich  haben;  die  nicht  durch  einen 
unmittelbar  folgenden  oder  vorhergehenden  Laut  hervorgerufen 
werden,  sondern  durch  entfernter  stehende ;  oder  die  ihren  Grund 
haben  in  Vermischung  verschiedener  Wörter  oder  in  dem  Einflüfs, 
den  eine  oft  vorkommende  Lautgruppe  auf  eine  ähnliche  seltene 
hat.  Manche  der  hier  zu  behandelnden  Erscheinungen  sind  in 
ihrem  Wesen  noch  wenig  klar.  —  Es  soll  hiervon  nur  eine  kleine 
Auswahl  von  namentlich  den  Hauptsprachen  angehörigen  Fällen 
gegeben  werden.  Dazu  ist  das  Sachverzeichnis  unter  „Assi- 
milation" u.  s.  w.  zu  vergleichen. 

571.  Die  Assimilation  kann  eine  vorwärtswirkende  oder 
eine  rückwärts  wirken  de  sein,  sie  kann  die  den  tonlosen  oder  die 


8   571 — 573.  Konsonantenassimilation.  479 

den  betonten  Vokal  umgebenden  Konsonanten  treffen,  doch  tritt 
das  letztere  seltener  ein  vgl.  etwa  schon  vulglat.  amendola 
aus  ameidula  (u/nvyddXtj) ,  sttdital.  amennola,  frz.  amande,  span. 
almenära.  Die  Assimilation  wurde  hier  durch  die  Dissimilation 
gegen  das  Schlufs-Z  erleichtert.  Weitere  Fälle,  wo  ein  Nasal  an 
Stelle  von  r,  h,  I,  r  tritt,  sind  südital.  mim,  frz.  dial.  m§ni  = 
venire;  südital.  minnitta,  minnina  (vindemia),  morv.  menöig;  span. 
mimbre;  ital.  vcrmena;  span.  encina;  rum.  cununä.  Während  sich 
für  diese  Angleichung  noch  sehr  viele  Beispiele  bringen  liefsen,  ist 
dagegen  der  umgekehrte  Fall  selten,  vgl.  n  —  n  aus  l  —  w  in 
lothr.,  anj.,  neuenb.  niiil  aus  lentille,  in  maz.  ninga  aus  longa.  — 
Sodann  mag  von  Dauerlauten  erwähnt  werden  frz,  chercher  aus 
cercher ,  welch  letzteres  übrigens  H.  Etienne  noch  kennt,  ent- 
sprechend siz.  kirJcäre,  tirol.  k'erk'e,  dann  maz.  dzeadzet  (digitu), 
tsitsor  =-- pitzor,  aret.  zomeTla^  donzella,  ital.  zezzo  aus  setins,  portg. 
zazinta ;  von  Verschlufslauten  bearn.  betet  (vitellu)  statt  hedet. 

572.  In  den  bisherigen  Fällen  hat  die  Assimilation  nach 
rückwärts  gewirkt.  Nach  vorwärts  ist  sie  seltener,  vgl.  span. 
vierven  aus  vermine,  wo  aber  auch  Dissimilation  gegen  den  Nasal 
mitwirken  konnte^  span.  füomena,  astur,  semenar  aus  semelaVj 
ital.  centinare  aus  cincturare. 

573.  Auch  bei  der  Dissimilation  können  wir  Wirkung 
nach  vorwärts  oder  nach  rückwärts  unterscheiden.  Im  ganzen  ist 
sie  häufiger  als  die  Assimilation,  namentlich  tritt  sie  ungemein 
gern  bei  r  —  r  oder  l  —  l  ein :  mit  fast  gesetzmäfsiger  Strenge 
fordert  das  spanische  l  —  r  bezw.  r  —  l,  ohne  dafs  sich  freilich 
eine  Regel  fände,  wann  die  eine  Lautfolge  eintrete  und  wann 
die  andere.  Vgl.  lugar,  coronel,  marmol,  escarpelo,  ralo,  taladro, 
carcel,  arbol,  arrebol,  lebrcl,  roble,  templar,  miercoles,  laurel, 
älambre  u.  s.  w.  Sonst  also  rückwärts  wirkend:  l  —  r:  vulglat. 
j>elegrinus,  ital.  pellegrino,  frz.  pelerin,  dann  frz.  nombril,  altere] 
vautrer,  meleurEz.  75,  37  und  heute  in  den  Ostdialekten,  afr.  aubre= 
arbre  A.A.  572,  ital.  albero;  Ariege  malbre,  Tarn  daltre  u.  s.  w. ; 
r  —  l:  rät.  kurti,  mail.  kortello,  afr.  gourpille;  l  —  m,  n:  ital. 
Girolamo,  Bologna,  frz.  Boulogne,  norm,  vell,  afr.  velin,  mail.  veri; 
frz.  orfelin,  span.  Antolin,  Barcelona ;  n  —  l:  vulglat.  conucla,  ital. 
conocchia,  frz.  quenouille,  ahd.  chonachla,  ferner  afr.  nivel  (wall,  lev^), 


480  II.  Kapitel:  Konsonantismus.  §    573 — 576. 

frz.  nomhril  aus  lomhril,  nomhle,  portg.  negälho;  r  —  d:  span. 
qiiijarudo  von  quijada ;  d  —  l:  span.  d'mtel,  Ariege  dentih,  bearn. 
dendele;  d  —  *?,  m:  prov.  degwn^  andal.,  astur,  dengun;  obw. 
diember  (numerus) ,  mail.  domd  =  nonmagh ;  l  —  m,  n:  aportg. 
lomear,  ost-  und  westfrz.  lome  (nomer),  siz.  luminata,  aspan. 
lombre,  friaul.  lum'ar  (numerus)^  portg.  lembra  aus  membra  (memorat), 
ital.  cälonaco;  v  —  m:  ital.  svembra,  bearn.  bremba,  kat.  barena 
(merenda) ;  n  —  m:  aspan.  nembrar,  aportg.  nembra,  surs.  nembre 
(membrum);  s  —  s:  span.  cosecha.  —  Ob  auch  rum.  mormint  aus 
*moIimint  entstanden  ist  und,  wie  siz.  mulimentu,  berg.  muliment, 
hierher  gehört  oder  ob  es  an  moare  angelehnt  ist,  bleibt  zweifel- 
haft. F  —  p:  hol.  fioppa=pio2)po. —  Ital.  ghiado  statt  gJiiadio, 
giogaja  statt  giogliiaja,  chiesa  statt  chiesia  mögen  noch  genannt 
werden.  Endlich  die  Vertreter  von  lilium,  lolmm:  ital.  giglio, 
gioglio,  f riaml.  dzi,  prov.  i^/o^,  sT^an.  joyo,  ^ortg.joio,  giralva  nehen 
sard.  lodzu,  arag.  luelo,  besan<j.  leu.  Durchgangsstufe  ist  titu, 
lolu,  woraus  durch  Dissimilation  *yilUj  yolu,  dann  giglio  u.  s.  w. 

574.  Vorwärtswirkende  Dissimilation  ist  wieder  seltener, 
vgl.  etwa  afr.  contralier  Eol.  1741 5  n  —  l:  span.  Espagnol, 
domellar  neben  domenar,  empelle  neben  empeüe,  comulgar ;  t  —  r: 
span.  mentira;  d  —  l:  span.  ardü,  madrileno;  l  —  d:  adalid,  alfid; 
r  —  d:  ital.,  span.  rado,  ital.  contradio ,  proda ,  armadio,  span. 
barreda,  pölvareda;  g  —  ö:  frz.  gencive,  span.  encia.  Eückwärts- 
und  vorwärtswirkende  liegt  in  ital.  prüdere,  prov.  prvzer  vor. 

575.  Umstellungen  sind  entweder  einfache  oder  gegen- 
seitige. In  jenem  Falle  tritt  ein  Konsonant  vom  Anlaut  einer 
Silbe  in  den  Inlaut  oder  umgekehrt,  oder  von  einer  Silbe  in 
die  andere;  in  diesem  tauschen  zwei  Konsonanten  miteinander 
den  Platz.  Der  erste  ist  beschränkt  auf  die  Sonanten,  noch 
dazu  fast  nur  auf  l,  r,  die  Beispiele  für  n  sind  sehr  wenig  zahl- 
reich, vgl.  §  454  und  535.  Von  den  Umstellungen  von  r  sind  alle 
diejenigen  zu  scheiden,  in  denen  tonloses  er  bezw.  re  zu  f  wird, 
s.  §  367,  wo  die  Erscheinung  erklärt  ist. 

576.  Am  leichtesten  springen  r  und  l  um,  und  zwar  hat 
sich  die  r-Metathese  an  manchen  Orten  zum  festen  Gesetze  aus- 
gebildet.    So  im  Obwaldischen,  wo  in  tonloser  Silbe  Kons.  -}-  f 


§   576.  Umstellung  von  R.  481 

+  Vok.  -+-  Kons,  zu  Kons.  +  Vok.  -\-  r  -\-  Kons,  umgestellt  wird  : 
partrada  (pertractat),  aber  partardar,parsun,  fardar,  fartont,  skartira 
(scriptura),  Jcarstiaun,  sfardar  zu  freid,  hurdar  aber  Tcroda  u.  s.  w. 
Im    B6arnischen    tritt    r   stets     zum     anlautenden    Konsonanten: 
rem  aus  firmus,   rubi  =  frz.    fourhir,   Jcramp§  aus  camera,    kräbe^ 
brcspe,   frehe,   trende,  presti,  rebremba,  Jcrumpa  =  comperare,  x)rube 
aus  pubre  (pulver),  praube.    Ebenso  in  Campobasso :  kravoun§,  tre- 
menda^  ndruwuhyat^,  preff^reya  (*perfidiare),  ndrekkuose  u.  s.  w.  — 
Be    wird    durchgehends    zu    er   in   Anjou:    berbi,    berteile,   berzi, 
ferdir,  er  zu  re  im  Pik.  fremer,  esprevier,    herbregier.    Anderswo 
wird  Konsonant  +  r  zu  r  +  Konsonant,  so  im  Campidanesischen : 
sorku,  birdiu,  perda,  manorva,  urdi,  mardi,   vgl.  auch  gen.  larvu, 
sorva.     Namentlich  stark  ausgeprägt  ist    die  Tendenz  r  mit  dem 
anlautenden  Konsonanten    zu    verbinden.     Sie    ist  fast  zur  Regel 
geworden  in  Campobasso :  fraveka,  freva,  frebbar§,   krapa,  ähnlich 
im  Andalusischen  :  frabika ,  treato ,  irempano ,  probecite.    Auch  im 
Spanischen  rückt  es  mit  Vorliebe  an  den  Silbenanlaut :  estrumdo, 
estrupo,  preguntar,  trujal,  proveza  Canc.  Baena  I,  70  a,  enprovece 
Boc.  Or.  317,   madrugar,  esgrimir.     Aus  dem  Anlaut  einer  Silbe 
spi-ingt    es    in    den   einer  anderen    in  pesebre,    costra,    escudrinarj 
hodrio ,   rendija    aus    hendrija,    galizisch:   prebe,  probe,    krubar, 
krobe,  trembar,  prubicar,  drento,  vulgärportg. :  prove,  freve ,   adro- 
mentar    3    Past. ,    prefeito ,   pirumco ,    frabica ,   pedricar ,    altracar 
Res.  III,  216,  4,  detreminado  217,  2,  cabresto  III,  99,  6,  fremosa 
23,  23   u.  s.  w.    Aber  auch  umgekehrt :  portg.  agardecido  3  Past., 
dormidairo,  fernetico,  disgarga,  percipicio.    Einzelne  Beispiele  sind 
weitverbreitet:   preda,  prea   fUr  petra   findet    sich  in  ganz  Ober- 
italien, drumir  im  Gaskognischen,  Tarn  u.  s.  w.,  im  Morvan,  im 
Bagnard    und    Vionnaz,     dann    wieder    im    Venezianischen,    im 
Sardischen,     endlich    in    Miranda    und    in    anderen    nordportu- 
giesischen Mundarten ;  crovus  für  corvus  im  westlichen  Oberitalien 
und  wieder  im  Sizilianischen.      Coprire   und    *doprire    werden  in 
Lothringen,   im  Morvan  und  im  Provenzalischen  zu  kruvi ,   druvi, 
im  Piem.,    Mail,  und  zum  Teil  Prov.  zu  kurvt,  dtirvi.  —  Fran- 
zösische Beispiele  sind  noch  tremper,  fromage,  brebis,  treuil,  frange, 
ein  rumänisches   frumos.  —  Die    Umstellung    von    rb    zu    vr   ist 
Regel    im  Sizilianischen:    avra,    mavra,    ovru,    evra  u.  s.  w.  — 

Meyer,  Grammatik.  31 


482  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  §   576 — 579. 

Mail,  stranüdd  aus  stranutare,  siz.  stranutari,  rum.  stränutd  erklären 
sich  durch  Einmischung  des  Präfixes  stra.  —  Einen  besonderen 
Fall  bildet  endlich  anlautend  Vokal  -|-  r  zu  r  +  Vokal.  In  Fällen 
wie  ital.  ramolaccio  liegt  Volksetymologie,  in  rigoglio  Anlehnung 
an  ri-,  in  ruhiglia  vielleicht  fhiglia  vor,  und  dies  leitet  hinüber 
zu  den  §  367  besprochenen  Erscheinungen. 

577.  Nach  r  ist  namentlich  l  sehr  beweglich.  Das  l  des 
Suffixes  -^M,  -la  tritt  zum  Teil  schon  im  Vulgärlateinischen  zu 
dem  anlautenden  Konsonanten :  fiäba  ital.  fidba,  fiavola,  lothr.  flahe ; 
ploppus  wal.  j)lop,  lothr.  prop,  ital.  piopjpo,  span.  chopo ;  flaccula 
rum.  flakär.,  ital.  fiaccola;  *pulica  zu  *2^ulga,  *pluga:  emil.,  lomb. 
pluga,  gen.  pmia  vgl.  gen.  fresa  aus  /tiice.  —  Für  hl  tritt  im  Span, 
leicht  Ib,  Iv  ein,  vgl.  olvidat\  sübar,  tolva  (tubula);  haculu  wird 
über  *haglo  zu  Wa^o.  —  An  Stelle  von  singuUus  ist  vulglat. 
'^singluttus  getreten:  ital.  singlnozzo ,  frz.  sanglot,  span.  soJlozo, 
wohl  in  Anlehnung  an  gluttire. 

578.  Bei  gegenseitiger  Umstellung  ist  zu  scheiden, 
ob  die  beiden  Konsonanten  zusammenstofsen  oder  getrennt  sind. 
Beispiele  für  ersteren  Fall  s.  §  463.  Ferner  romg.  hsdel,  apjste 
(aspettare);  eng.  arfsieu  (=  ital.  ricevuto),  masdinu  (medicina), 
Anlehnung  an  mazder ,  razdella.  Im  Spanischen  wird  nz  meist 
zu  zn:  gozne  neben  gonze,  hrozno  aus  bronze,  bizna  und  binza, 
roznar  und  ronzar. 

579.  Die  übrigen  Fälle  begreifen  fast  ausnahmslos  nicht 
volkstümliche  Wörter.  Erbwörter,  die  ununterbrochen  von  Ge- 
schlecht zu  Geschlecht  überliefert  werden ,  deren  Form  also  fest 
im  Gedächtnis  haftet,  sind  willkürlichen  Veränderungen  kaum 
unterworfen.  Anders  bei  Lehnwörtern:  woher  auch  diese  ge- 
nommen werden,  ob  aus  einem  anderen  Dialekte,  ob  aus  der 
Büchersprache,  immer  werden  sie  erst  mundgerecht  gemacht  werden, 
die  Laute  werden  umgestellt,  wenn  sie  eine  ungeläufige  Folge 
bilden,  es  finden  die  verschiedenartigsten  Anlehnungen  an  das 
ererbte,  geläufige  Gut  statt.  In  der  Tliat  sind  nur  Avenige  der 
im  Romanischen  nachweisbaren  Fälle  vulgärlateinische  Wörter, 
und  wenn,  so  meist  solche,  deren  Lautkonstitution  ganz  ver- 
einzelt ist. 


§   579 — 582.  Gegenseitige  Umstellungen.  483 

Eine  reiche ,  aber  kritisch  wenig  gesichtete  Samm- 
lung giebt  D.  Behrens,  Über  reziproke  Metathese  im 
Romanischen,  Greifswald  1888. 

580.  Zunächst  mag  der  Fall  betrachtet  werden,  wo  infolge 
der  Umstellung  ein  gewöhnliches  Suffix  an  Stelle  eines  seltenen 
tritt.  Hierher  gehört  das  ziemlich  alte  padule  statt  pälude,  rum. 
padurä,  ital.  padule,  sard.  paule,  span,,  portg.  paul  (aber  afr. 
palu,  obw.  palieu);  latronicium  eng.  ladroned,  ital.  ladroneccio,  afr. 
larronesse  (statt  -es  mit  dem  Suffix  -esse  ==  -itia)^  span.  ladro- 
nicioj  portg.  ladroicio ,  mittellat.  latronicium ,  aber  frz.  larcin. 
Mehrfach  Averden  Adjektiva  auf  cidus  zu  dicns  umgestellt,  lidicus 
statt  Uquidus  wird  gefordert  von  mail.,  mod.  ledeg ,  sard., 
parm. ,  regg.  lidga ;  sard.  pidigu  gehört  zu  xnx ,  auf  ridigus  statt 
rigidus  weist  prov.  redo,  obw.  reg,  portg.  rejo,  vielleicht  piem. 
reidi;  sttcidus  zu  sudicvs,  weiter  sudiceus,  ital.  sudicio,  danach 
fradicio.  Ebenso  erklären  sich  portg.  malga  aus  madga-^=magida, 
siz.  vispiTcu  (episcopus) ,  siz.  Japiku,  aper.  Japeco ,  sard.  äbile  aus 
alihe,  kizina  aus  kiniza,  tar.  suticare  aus  sequitare,  auch  im  rum. 
apitcd  aus  acupd  mögen  Verba  auf  -cd  mitgewirkt  haben;  bearn. 
aulere  für  aitrcle  nach  den  Femininen  auf  -ere  =  -ella;  span. 
cantinela  aus  cantilena,  ital.  spaghero,  mail.,  rum.  marü  aus 
maturus ;  friaul.  k'dvine  aus  cdnova.  Ähnlich  verhält  es  sich  mit 
prov.  deneza  aus  nedeza  =^  nitidiare,  wo  durch  die  Umstellung 
die  Idee  des  Präfixes  de  hervorgerufen  wird ,  obw.  dalinamcin 
aus  ladinamein,  tirol.  davavi  aus  vadan  an  davanti  angelehnt. 

581.  Einmischung  eines  anderen  Wortes  ist  zu  sehen  in 
ital.  cendraliva  aus  cilandrina,  wo  avoIiI  cenerentola  mit  im  Spiele 
ist,  aital.  rimedire  aus  redimere  in  Anlehnung  an  rimedio,  in  dem 
vulgärlateinischen  alenare  nach  halare  von  anhelare,  portg.  cotovello 
statt  *covadeUo  nach  coio,  siz.  sagaru,  gen.  sagau  (neben  siz. 
saracu,  sard.  saragu)  aus  sargus  nach  pagaru,  pagau  aus  pagrus, 
umgekehrt  portg.  pargo,  flor.  parago ;  äsen,  partefice ,  gewisser- 
mafsen  par^i/eic,  ital.  gaveggiare  aus  vagheggiare  wegen  gajo,gagliardo, 
span.  mallugar  wegen  mallo. 

582.  Dunkel  sind  Umstellungen  wie  *estincilla  für  escintilla: 
sard.  istinkidda,  prov.  estincela ,  frz.  etinceüe  (aber  span.  centella); 

31* 


484  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  8   582 — 584. 

sard.  istentina,  aspan.  estentma,  südital.  stentma,  tirol.  stentin  zu 
intestina;  südostfrz.  g§ncl  aus  gel§n,  auch  afr.  genille  aus  geline: 
vielleicht  Sucht  nach  Suffix  ele ,  ile ,  umgekehrt  prov.  asinuld, 
prov. ,  fi-anchecomt.  Tiiäune  für  Jcunvie  aus  vulglat.  conuclas 
§  573;  oder  siz.,  neap.  yiditu  für  diyitu;  sard.  lorunrn  aus 
glomnlns;  siz.  impatiddire,  ital.  reciteUa,  ital.  cofaccio,  span.  coliete, 
siz.  Jcufidaru;  span.  täbähöla  nach  tahdl ,  tabälear  aus  hataliola, 
deterir  aus  deretir,  aprov.  Zmw  aus  wtt?,  prov.  asügd  aus  agüsd.  — 
Aus  einer  Abneigung  gegen  das  schwierige  *?M  (vgl.  §  387)  mag 
sich  morv.,  berr.  sevene  statt  seneve  erklären.  —  Auch  lat.  rumicare 
zeigt  vielfältige  Formen,  vgl.  ital.  rugumare,  rum.  rvgumd,  siz. 
rugumiari,  dann  bellun.  murgd.  —  Endlich  mag  hier  noch  das 
romanische  Wort  für  Leber  erwähnt  werden.  Neben  ficdtttm  oder 
fccatum  §  605  findet  man  auch  fidicum:  afr.  firie,  prov.  /e^e, 
sard.  fidigu,  piem.  fcd'jÄ;,  lomb.  /ifZe^f. 

583.  Am  gewöhnlichsten  ist  der  Wechsel  von  l  und  r,  leicht 
erklärlich  aus  der  Natur  der  beiden  Laute,  vgl.  §  573.  Nur 
Weniges  kann  hier  erwähnt  werden.  Neben  cornlns  steht  schon 
lat.  colvrnvs,  und  vulglat.  col'rus  wird  gefordert  von  frz.  coudre, 
judik.  Jcolar,  comask.  IcoUr,  colureiis  von  tess.  liuloer,  bologn.  Jculur; 
im  Siz.  Avird  Suffix  -areolus,  ital.  -ajuolo  stets  zu  -Joru:  fumaloru, 
gattaloni,  irvnloru  u.  s.  w.  Namentlich  häufig  in  Buchwörtern: 
ital.  grolia,  span.  frol  und  flor ,  peligro,  milagro  u.  s.  w.,  neap. 
parpetola. 

584.  Verunstaltungen  von  Buchwörtern  sind  z.  B.  ital. 
füosomia ,  regilion ,  grdlima ,  prov.  gerlevno ,  prov.  masagin ,  log. 
Jcamasinu  aus  magazzin,  sard.  stogamu,  portg.  stogamo ,  siz. 
krafassu  aus  ital.  fracasso,  mail.  valmasia,  als  ob  der  Wein 
aus  einer  FaZ  Masia  stammte,  portg.  asmola  aus  elmosna  u.  s.  w. 
Von  Pflanzen-  und  Tiernamen :  ital.  petrosemolo ,  oberital. 
narunhel,  prov.  kagarau  und  Icaragau,  esJcagaro  und  esJcarago, 
j)rov.  lentisMe  und  restenMe  (lentisculvs) ;  von  anitra  finden  sich 
nprov.  adrelo ,  alcdro ,  ver.  anera  und  arcna ;  span.  murcielago, 
prov.,  lothr.  mälesö  aus  limagon,  rouerg.  rapatanado.  Ferner 
treten  Umstellungen  ein  bei  Wörtern,  die  onomatopoetisch  ge- 
bildet sind.    Lat.  titilJarc  erweitert  zu  titillicare  wird  zu  tidillicare, 


§   584 — 587.    Umstellungen,  Abfall,  Zutritt  von  Konsonanten.  485 

umgestellt  in  ditillicare  uud  mit  verändertem  Präfix  ital.  solleticare, 
oder  umgestellt  zu  ital.  düeticare,  emil.  dledger,  oder  die  erste 
Silbe  fallt,  siz.,   ueap.  tiUicare  wird  zu  abr.  tekeld. 

585.  Abfall  von  Konsonanten  infolge  von  Dissimilation 
s.  §  429,  ferner  penre  ostfrz.  und  Südwest,  z.  B.  Kath.  P.  I,  33, 
frz.  ahlc,  faihle,  spau.  quehrar,  mcdrar,  tcmblar,  cribar,  trasto,  madrasta, 
fiamhre  zu  frio,  afr.  via^,  prov.  viatz,  aven.  viago  wohl  aus  viva- 
cius;  ital.  propio,  arato,  frate,  comignolo,  tqAglio.  Es  sind  also 
wieder  fast  ausschliefslicli  l,  r,  die  in  Betracht  kommen.  Doch 
wird  auch  aspan.  todulos  Alex.  1620  u.  s.  w. ,  nspau.  amamolos 
hierher  gehören. 

586.  Umgekehrt  ist  auch  Zutritt  von  Konsonanten,  haupt- 
sächlich von  r,  zu  verzeichnen.  R  erscheint  namentlich  nach  i : 
afr.  nuitantre,  soventre,  essientre,  maintrc,  tristre,  rvstre,  jostre, 
yaspre,  chartre,  noch  heute  cncre :  den  Ausgangspunkt  für  r  nach 
st  bilden  Fälle  wie  Celeste  =  caelcstis  neben  terrestre  =  terrestris; 
nuiantre  vielleicht  nach  tempre  {tempore),  danach  dann  auch 
soventre.  —  Auch  die  anderen  Sprachen,  namentlich  das  Spanische 
und  Portugiesische,  zeigen  Beispiele,  vgl.  ital.  gifiestra,  hisesirOj 
annitrire,  vctrice;  span.  ristra,  lastre,  portg.  mastro ,  cehstre,  gal. 
hastra;  span.  alguandre,  portg.  delantre.  Sodann  im  Wortinnern : 
span.  estrella,  brujula  aus  ital.  bussola  an  brujo  angelehnt,  pr'mgdr 
u.  s.  w.  —  Ein  altes  Beispiel  ist  auch  vulglat.  *trcsaurus ,  frz. 
tre'sor,  aspan.  tresoro,  ueap.  trasore,  ags.  tresor  u.  s.  w.  —  Merk- 
würdig sind  trobla  (tabula),  etrobla,  etrubla  (stupila),  drobli 
(doKble)  im  Lyonesischen  und  weiter  östlich  auch  in  Neuenburg, 
wo  also  silbenschliefsendes  bl  im  Silbenanlaut  tr  statt  t  hervorruft. 

587.  Zu  den  schwierigsten  Punkten  gehört  der  Zutritt 
eines  Nasals.  Schon  §  40  und  64  ist  gezeigt,  dafs  an  manchen 
Orten  ein  silbenanlautendes  n,  m  den  folgenden  Vokal  nasaliert, 
vgl.  dazu  noch  span.  manzana,  ninguno,  mancilla,  manclia,  cimen- 
tero,  mevje,  mnngil,  mensaje,  resumen,  mwncho,  andal.  manqiie  = 
masque ;  ferner  §  546 ,  dafs  auf  bestimmtem  Gebiete  statt  eines 
gedehnten  Konsonanten  Nasal  -|-  Konsonant  eintritt.  Allein  auch 
aufser  diesen  Fällen  giebt  es  noch  manche  andere,  für  die  meist 
eine  befriedigende  Erklärung  fehlt.  —  Weit  verbreitet  ist  rendere 


486  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  §   587 — 589. 

für  reddere,  umgeformt  nach  prendere:  ital.  rendere,  frz.  rendre, 
span.  rendir^  nur  katal.,  prov.  reddre,  retre.  Sonst:  ital,  strambo, 
Jambrusca ,  vincido ,  mail,  gombet  aus  cuhitus  (an  accumhere  an- 
gelehnt?), lömh.  minga,  deslengud,  \gl.  Hon.  deUge  zu  liquare  n.  s.w. 
Spanisch  alondra  statt  alodra,  vgl.  go-londr-ina,  das  mit  *1ii-rnn- 
dula  zusammengehört;  ponzonar  neben  portg.  pegonliarj  aspan. 
pogonar  hat  wohl  sein  n  von  der  zweiten  Silbe;  lonja  frz.  logßf 
fmcar  neben  frz.  afficJier,  arrancar  frz.  arracher,  prensar  nach 
imprenta,  langosta,  auch  j^rov.  langusio.  Vereinzelte  französische 
Beispiele  sind:  cingler  afr.  sigler,  Jongleur  Vermischung  von 
jouglenr  und  janglcr,  lamhruche  und  vieles  andere,  zum  Teil 
etymologisch  zweifelhafte.  Merkwürdig  ist  die  Übereinstimmung 
zwischen  rum.  nuntä  und  sard.  nunta,  gewissermafsen  numptia 
statt  nvptia. 

588.  Für  sich  zu  betrachten  sind  die  Anlautsgruppen  e,  i  •+- 
S  +  Kons.,  selten  e,  i  +  Guttural  oder  Labial ,  also  Fälle  wie 
exire,  istipso,  estate,  equälis,  hihernu,  deren  Vokal  zu  e  reduziert 
ist.  Ihnen  zur  Seite  steht  nun  die  grofse  Zahl  der  mit  ins^^"",  ine, 
ing,  imb  beginnenden  Wörter.  Aus  deren  Einflufs  erklären  sich  ital. 
span.  embriago,  ital.  inverno,  span.  invierno,  eng.  ingel,  prov.  inibriago, 
engal,  vgl.  b^arn.  engoan  (hocanno),  aven.  mstae,  friaul.  instad; 
aven.  instesso,  friaul.,  lomb.  instess;  agen. ,  aven.  inst,  span. 
enjalbegar,  enjambre,  enjaguar,  enjälzar ,  enjundia,  enjarciar, 
enjenzo,  enjabido,  enjalina,  enjnllo  (neben  mehr  gelehrtem  ensdlzar). 
Im  Französischen  sind  diese  Formen  seltener,  doch  vgl.  nfr. 
empan  aus  espan,  afr.  ensir  Eom.  V,  480,  ingal,  auch  englise, 
ensement ,  sodann  namentlich  im  Anglonormannischen :  ensayer, 
ensancer,  auch  engacer,  andererseits  im  Pikardisch- Wallonischen, 
z.  B.  enjoir,  enlongier,  ensancier,  ensemples  im  Poeme  Moral, 
enwarder  u.  s.  w. 

Vgl.  Ascoli,  Arch.  Glott.  m,  442—453,  zum 
Französischen  auch  S  u  c  h  i  e  r ,  Ztschr.  IV,  184,  Förster, 
Chev.  II  esp.  L,  zum  Spanischen  auch  Bai  st,  Ztschr. 
V,   351. 

589.  Mischung  verschiedenerWörter.  Nur  insoweit 
soll  hier  eine  eigentlich  der  Wortbildung  oder  noch  besser  der 
Wortschöpfung  zugehörige  Erscheinung  zur  Besprechung  kommen, 


§   589—591.  Varia.  487 

als  es  sich  dabei  um  Umgestaltung  einzelner  Konsonanten  handelt. 
Fälle  wie  oberital.  kminzipeyd=  comminciare  -\- prinzipiare  kommen 
nicht  in  Betracht,  wohl  aber  solche  wie  span.  sequedal,  wo  d 
statt  r  eintritt  unter  dem  Drucke  von  seqiiedad  und  von  Bildungen 
auf  -edäl.  Ferner  span.  motiandad  statt  mortaldad  nach  christiandad, 
neap.  pim§d§  statt  öim§Ö§  nach  ptil§d§^  span.  nutria  =  lutra  -\- 
fyvdgig ,  ital.  rovistico  =  ligusticiis  +  "^ovo ,  span.  rucio ,  portg. 
ru^o  =  lucidus  +  russus,  ital.  nicchio  =  mytilus  +  nido^  span. 
golfin  ==  delpMnus  +  golfo,  gama  =  c?awa  +  gamuza,  bürg. 
/How  =  *contfcla  (vgl.  §  573)  +  /iZare,  span.  hriitesco  =  grotesco 
+  bruto ,  frz.  devant  =  de-ante  -f-  äbante,  frz.  meugler  = 
mugir  -j-   heugier. 

590.  Schliefslich  bleiben  noch  manche  unerklärte  Laut- 
vertauschungen  übrig.  "Wechsel  von  Z  und  r  tritt  auch  oft  ein, 
ohne  dafs  der  Grund  sichtlich  wäre:  span.  nispero,  tinieUas, 
papel,  clin,  esp>olon,  amhle;  ital.  daitero^  veruno,  cüiegia,  afr.  celise 
A.  A.  573,  noch  heute  im  Osten.  Im  Afr.  wird  irie  (§  540) 
zu  die:  envilie,  Jiomecüie,  essdie  (exddium),  Güie,  dann  auch  um- 
gekehrt mirie  aiis  milie,  navirie  aus  navilie  von  *namlium.  Span. 
homecdlo,  Gü  sind  französische  Lehnwörter.  Eng.,  paduan.  envilia 
aus  invidia  dagegen  zeigt  direkten  Wandel  von  d  zu  l.  Wechsel 
von  d  und  l  erscheint  im  Italienischen  in  cicala,  tralce,  ellera, 
aspan.  melesina  J.  Euiz  363,  Hita  23,  umgekehrt  amido,  sedano. 
Lat.  mespüus  bewahrt  den  ursprünglichen  Anlaut  in  bearn.  mesple, 
wall.  mespUf  dagegen  n  in  ital.  nespola,  span.  nispero,  frz.  n^fle, 
in  letzterem  ist  auch  das  f  auffällig.  Lat.  tremere  wird  afr.  zu 
crembre,  nfr.  craindre,  span.  bramil  gehört  zu  griech.  yQu/iif.ia, 
span.  dejar ,  siz.  dassari  zu  laxare  u.  s.  w. :  das  Verzeichnis 
dieser  Rätsel  liefse  sich  noch  lange  fortsetzen. 

591.  Zum  Schlufs  ist  noch  der  Abfall  ganzer  Silben  zu 
erwähnen.  Zunächst  Fälle  wie  ital.  strumento  aus  instrumentum 
erklären  sich  leicht  aus  §  408  und  373.  Auch  rum.  peängene  aus 
impetigine,  buric  aus  umbiUcus  können  einfach  als  weitere  Ent- 
wicklung der  §  375  erwähnten  Redxiktion  von  in,  im  zu  w,  m 
angesehen  werden.  Auffälliger  ist  span.  soso  neben  portg.  insosso 
von    lat.    insulsus.     Namentlich    aber    fällt    die    erste    von    zwei 


488  II-  Kapitel:  Konsonantismus.  8   591. 

gleichen  Silben :  cocdnella  wird  im  Frz.  zu  cenelle.  Vielleicht  ist 
nicht  direkter  Abfall  sondern,  entsprechend  mattinus  aus  matu- 
tinus  §  341,  zunächst  Ausfall  des  Vokals  anzusetzen :  '^ccinella, 
woraus  cenelle.  Andere  Beispiele  sind  span.  terco  aus  '^tetircns  = 
tetricus,  frz.  gourde  neben  prov.  congourde  aus  Cucurbita  neben 
courge  aus  ^cucurNca,  afr.  coourge.  Auch  frz.  onze,  span.  once 
kann,  wie  das  o  zeigt,  nicht  auf  üniümjdecim.,  sondern  nur  auf 
ünjümdecim  beruhen.  Ferner  ital.  haco  aus  homjbaais,  stomglia 
aus  tejstuilia,  vaccio  =  afr.  viaz  aus  vivacius,  delicare  aus  titü- 
licare  u.  s.  w. 

Vgl.  Caix,  Studi,  S.  189  ff. 


III.  Kapitel. 
DER    ACCENT. 


592.  Zweierlei  sind  die  Fragen ,  die  sich  an  den  Accent 
knüpfen :  die  eine  betrifft  seine  Stellung,  die  andere  seine  Natur. 
Jene  ist  leichter  zu  beantM^orten  als  diese ,  mit  überraschender 
Zähigkeit  behält  bis  auf  geringe  Ausnahmen  die  im  Lateinischen 
betonte  Silbe  den  Accent  auch  im  Komanischen.  Beispiele  dafür 
zu  geben  ist  unnötig,  sie  finden  sich  in  grofser  Menge  S.  54  ff. 
Die  Ausnahmen  von  dieser  Regel  sind  geringe,  und  nur  wenige 
gehen  durch  alle  i'omanischen  Sprachen,  sind  also  schon  vulgär- 
lateinisch. Sie  zerfallen  in  zwei  Klassen,  die  einen  nämlich 
zeigen  ein  neues  Lautgesetz,  die  anderen  Einflufs  form-  oder  sinn- 
verwandter Wörter  auf  einander.  Jene  können  auch  als  spontane, 
diese  als  sporadische  bezeichnet  werden.  Eine  besondere  Stellung 
nehmen  die  Ortsnamen  ein,  sofern  sie  zum  Teil  die  vorlateinische 
Betoniing  bewahren. 

593.  Schon  im  Vulgärlateinischen  nimmt  in  nicht  anlauten- 
der Silbe  der  zweite  von  zwei  im  Hiatus  stehenden  Vokalen  den 
Ton  auf  sich,  auch  wenn  er  kurz  ist :  i)arietem,  muli^rem,  filiölus. 
Das  Gesetz  ist  alt;  schon  Ennius  bi-aucht  im  Verse  äbjete,  ein 
Grammatiker  sagt  ausdrücklich,  mulm-em  müfste  auf  der  zweit- 
letzten Silbe,  nicht  auf  der  drittletzten  betont  werden,  Anecd. 
Helv.  cm,  und  damit  stimmt  die  Praxis  der  christlichen  Dichter 
des  m.  und  IV.  Jahrhunderts  überein.  Zwischen  paricte  und 
muliere  zeigt  sich  ein  Qualitätsunterschied,  der  wohl  nur  dem 
Einflufs  des  folgenden  r  zuzuschreiben  ist.     Es    wird    nun    eben- 


490  in.  Kapitel:  der  Accent.  §   593^    594. 

falls  in  lateinischer  Zeit  ie  zu  e,  wir  erhalten  also  die  Grundlage 
Xmrete  S.  82,  arete,  ostfrz.  are,  abete,  ital.  abete^  aber  muli§re: 
eng.  muler,  ital.  mogliera,  afr.  mouUpr,  span,  mujer.  Sodann 
iolu:  eng.  filoul,  ital.  figlmolo,  frz.  fUleul,  span.  hijuelo  u.  s.  w. 

Vgl.  A.  Thomas,  Arch.  miss.  scient.  3,  V,  483. 
A.  H  0  r  n  i n  g,  Mn vulgärlateinisches Betonungsgesetz,  Ztschr. 
Vn,  572. 

594.  Obschon  in  der  klassisch  -  lateinischen  Metrik  der 
Vokal  vor  muta -\- liquida  meist  kurz  gemessen  wird,  so  sind 
doch  die  betreffenden  Wörter  im  Vulgärlateinischen  und  im 
Romanischen  auf  der  vorletzten  betont :  tenebrae ,  span.  iinieblas, 
colghra,  frz.  couleuvre,  span.  culelra,  alecrus  (§  273),  ital.  allegro, 
afr.  halaigre,  catedra  §  494,  palpeira,  frz.  paupihe.  Unter  Doppel- 
formen treten  tonitrus,  pullUruSf  dann  culcüra,  anitra  auf.  Frz. 
tonerre,  prov.  toneire  entsprechen  der  Regel,  dagegen  weist  span. 
estruendo  auf  trönitus  mit  sehr  alter  Umstellung  des  r  und 
daheriger  Zurückziehung  des  Tones.  ScliAvierig  sind  die  Vertreter 
von  pülljtrus.  Neben  regelmäfsigem  ital.  puledro ,  siz.  xmdditru 
steht  scheinbar  mit  dem  Vertreter  von  p  venez,  puliero,  doch  mag 
hier  Suffixvertau schung  (-iero  von  -arius  statt  *-ero)  vorliegen, 
obw.  pulieder  mit  dem  auffälligen  Fem.  puliedra,  eng.  puleder; 
sodann  frz.  poutre,  span.,  portg.  p)otro,  vielleicht  auch  tosk.  *polti'o, 
vgl.  poltracchio ,  die  püUHrus  verlangen.  Trotz  der  reichen  Be- 
deutungsentwicklung ist  jedoch  die  spanisch-portugiesische  Form 
der  Entlehnung  aus  dem  Französischen  dringend  verdächtig,  da 
die  Analogie  von  span.  buitre,  portg.  abutre  vielmehr  puitro,  putro 
erwarten  läfst.  Dagegen  steht  die  französische  Form  sicher: 
vielleicht  weist  sie  auf  einen  Nominativ  pulliter  ziirtick.  ■ —  Zu 
ciilcita  scheint  frühzeitig  culcüra  getreten  zu  sein,  vgl.  aspan. 
colcedra ,  prov.  cousser,  dem  italienischen  coltrice  liegt  wohl 
cölcita  zugrunde,  woraus  erst  auf  italienischem  Gebiete  colcitre, 
dann  coltrice.  Daneben  cidcita,  culc'ta,  woraus  nun  entweder  culcfa 
entstanden  ist,  span.  cohha,  frz.  coltfe,  coit'e,  nfr.  coite  und  couette 
mit  älterer,  besser  dialektischer  Aussprache  des  oi  (S.  92),  oder 
aber  *colta ,  afr.  l^eide,  ital.  coltre.  Neben  den  regulären  Ver- 
tretern von  dnate,  z.  B.  tirol.  adna,  afr.  anne  findet  sich  ital. 
anitra,  nach  Accent  und  Vokal  ein  Buchwort,  comask.  nedra, 
romg.  anddra,  die  anjtra,  bezw.  andtra  verlangen.    Endlich  neben 


^    594 — 596.  Spontane  Tonverschiebung.  491 

drhutum  steht  arhötnim  in  astur.    aJbedro.  —  Frz.    fiertre   ist   ein 
altes  Kirchenwort:  fe'retrum. 

595.  Wie  sich  aus  §  609  ergeben  wird,  hat  in  Frankreich 
der  alte  Accent  seine  Natur  stark  verändert:  in  einer  gewissen 
Zeit  werden  wenigstens  dialektisch  alle  vollen  Vokale  eines 
Wortes  gleichmäfsig  betont.  Wird  dann  der  ursprüngliche  Ton- 
vokal gekürzt,  so  kann  er  den  Ton  verlieren.  Dasselbe  tritt 
ein,  wenn  ein  ursprünglich  unbetonter  infolge  von  Verstummung 
eines  Konsonanten  gedehnt  wird.  Leider  fehlt  hierüber  noch 
jede  genauere  Auskunft,  nur  für  wenige  Gegenden  liegen  einiger- 
mafsen  sichere  Nachrichten  vor.  Zunächst  fürs  Limousinische. 
Hier  wird  lat.  -a  zu  ö,  -as  dagegen  zu  ö,  das  den  Ton  auf  sich 
zieht :  porto  =  poHat,  aber  purid  =  portas ,  man  beachte ,  dafs 
d^r  Vokal  der  ersten  Silbe  die  Behandlung  der  tonlosen  zeigt. 
Ebenso  passo  =  passat,  aber  jwssä  =  2^^^^^^^  >  ^WO  =  aq.'ua,  aber 
Plur.  eigo,  cm^o  PI.  onsä,  Sabro,  §ohrä. 

Chabaneau  ist  nicht  recht  klar.  S.  12  sagt  er 
ausdrücklich:  „Si  la  finale  est  breve  (b),  1' accent  reste 
comme  indecis  et  partage  entre  les  deux  voyelles.  Mais 
cette  h^sitation  cesse  tout-a-fait  dans  la  plupart  des 
mots  dont  la  finale  est  longue,  parce  que  celle-ci,  plus 
lourde,  fait  aussitot  pencher  la  balance  de  son  cote." 
Dann  bringt  er  ein  Beispiel  aus  der  Konjugation.  S.  143 
Anm.  3  aber  heifst  es  von  den  Substantiven  auf  o  PI.  ä, 
sie  seien  alle  Paroxytona.  „Ils  conservent,  bien  entendu, 
ce  caractere  au  pluriel,  comme  je  Tai  d6ja  not6,  malgr6 
l'allongement  qu'y  subit  leur  desinence.  J'insiste  ici  sur 
ce  j^oint,  parce  que  c'est  la  fr^quemment  une  pierre 
d'achoppement  pour  les  etrangers,  et  aussi  pour  les 
indigenes ,  lorsque ,  sans  connaissance  süffisante  de  la 
prosodie,  ils  se  melent  de  rimer."  Dann  werden  Verse, 
wo  ohras  als  zweisilbig  in  der  Zäsur  oder  charmentas  als 
dreisilbig  am  Versende  gezählt  werden,   getadelt. 

596.  Sodann  finden  sich,  wieder  mir  bei  Femininen,  im 
Südost  französischen  Tonverschiebungen.  In  Neuenburg, 
Freiburg,  Waat  werfen  dreisilbige  Wörter,  deren  letzte  Silbe  auf 
-na  ausgeht,  den  Ton  auf  die  erste :  Spina  wird  zu  ep§via,  epna, 
so  fdm§na,  fört§na,  him§na,  pre'ssffia  (p)€rsona) ,  Mrna ,  dearna 
(gallma)  u.  s.  w. ,  aufserdem  in  pd/fra  =  pastvra.  Von  dem 
letzteren  ist  Abstand  zu  nehmen,  sofern  es  vom  Verbum  pasturare  = 


492  ni.  Kapitel:  der  Accent.  §   596,    597. 

pap§rd  beeinflufst  sein  kann.  In  den  anderen  aber  ist  ein  laut- 
mecbanischer  Vorgang  zu  sehen,  da  alle  Wörter  auf  ina,  nna, 
öna,  nicht  aber  die  auf  awtt,  gleichmäfsige  Behandlung  zeigen. 
Das  mit  dem  meisten  Eigenton  ausgestattete  a  bleibt  bei  der 
Entnasalierung  unversehrt,  die  anderen  Vokale  aber  werden  so 
stark  gekürzt,  dafs  sie  schliefslich  vor  den  vollen  der  ersten  Silbe 
ganz  zurücktreten  :  ep«»?a  wird  über  e2Ü"na  zu  ejJ^fia  und  schliefs- 
lich zu  ep§na.  Zweisilbige  Wörter  wie  luna  bleiben :  waatl.  7^wö, 
oder  schieben  den  Ton  vor:  savoy.  Ind.  Nur  für  -ina  folgt  das 
Dromethal :  iimhrino,  fwMno  aber  sövagino.  Weiter  geht  Savoyen. 
Wir  haben  §  39  gesehen,  dafs  z.  B.  in  Vionnaz  i  vor  l  imd  l 
gekürzt  wird  zu  e,  e.  Sobald  es  auf  letzterer  Stufe  angelangt 
ist,  so  liegt  die  Möglichkeit  zum  letzten  Schritte,  zur  gänzlichen 
Tonlosigkeit,  vor,  daher  savoy.  fU  ==  fllia,  orl<:  =  auricvla;  vion. 
dre  ==  diccre.  —  Viel  weiter  geht  Fourgs,  wo  nicht  nur  z.  B. 
fömno  gesprochen  wird,  sondern  auch  sunHo  (frz.  sonnette)  und 
so  alle  Wörter  auf  e/fe :  metsHo,  os'to,  hel'to,  komh'to  n.  s.w.,  ferner 
dzcen'soß  ==  ge'nisse,  f'lce  (ßle) ,  gieß  (guüe),  mso  (deutsches  milz), 
mtsoe  (miche),  rtsu  (riche) ,  sfru  (souffre)  und  sJcru  (Sucre),  notroß 
(nature)  und  fra'ssroe  (fressure)  u.  s.  w. 

Vgl.  noch  Gillieron,   Melanges  Renier  295. 

697.  Man  möchte  versvicht  sein,  die  Betonung  des  Feminin- 
ausgangs  in  Val  Soana  auf  dasselbe  Prinzip  zurückzuführen, 
wären  nicht  die  ursprünglich  betonten  Vokale  in  ihrer  Reinheit 
bewahrt:  lünd,  Upind,  Und,  far'ind,  neben  Jcornd,  gernd  u.  a.  Es 
hat  hier  die  Oxytonierung  auch  sehr  viel  weiter  um  sich  gegriffen 
als  diesseits  der  Alpen.  Sie  tritt  ein  bei  den  Ausgängen  -uUa : 
pavHd  ^=  caepuUa,  -ella:  pervelld,  -ena:  fend^=femina,  nher  2j ein d, 
pina,  -Jna,  -üna,  ferner  'k'avend  =  cax)anna,  madond,  -ima:  piwd, 
fyamd,  dann  in  den  Wörtern  auf  etd  und  in  messd  und  peKta 
(cista) ,  in  rodd  =  *rogya,  in  Ktopd,  Mropd,  püpe  (ital.  poppe), 
moffd,  ferner  fiU  und  den  anderen  auf  ßa ,  da,  vidi,  roni,  in 
trcpi  =^  ital.  treccia  und  kropi  =  croccia,  in  fremd  =  ferma, 
Plur.  freme  Mask.  PI.  fremi,  hpessd,  rossd,  setsi  (sicca),  vevd 
(vidva) ,  pmd  =^  pectina,  endlich  dire  sagen  neben  dire.  Aus 
diesen  Beispielen  scheint  sich  folgende  Regel  zu  ergeben.  Ur- 
sprünglich  betontes    e,  i,  o,  ü  wird    vor   mehrfacher  Konsonanz 


§   597,    598.  Spontane  Tonverschiebimg-.  493 

gekürzt  und  vermag  infolge  der  Kürze  den  Ton  nicht  mehr  zu 
behalten.  Wie  mehrfache  Konsonanz  wirkt  nicht  nur  wi,  li, 
sondern  auch  auf  i,  ü  ein  einfaches  n,  m,  wogegen  ena  zu  eifia 
und  dann  nicht  Avieder  gekürzt  wird.  Interessant  ist  auch  -cina^ 
-äma  aber  fyamd  aus  flämma.  Es  ist  nun  sehr  wohl  denkbai-, 
dafs  zAvischen  Mna  und  lünd  eine  Form  l§nd  gelegen  hat,  also  that- 
sächlich  Übereinstimmung  und  Zusammenhang  besteht  mit  den 
§  596  behandelten  Erscheinungen,  dafs  aber  unter  piemontesischem 
Einflüsse  der  reine  Vokal  in  der  tonlosen  Silbe  Avieder  hergestellt 
worden  ist. 

598.  Die  §  593  behandelte  Regel  vulgärlateinischer  Be- 
tonung erklärt  sich  aus  dem  physiologischen  Gesetze,  dafs  von 
zweiVokalen  derjenige  den  Ton  empfängt,  der  mehr 
Klangfülle  hat.  Dasselbe  Gesetz  finden  wir  nun  mehrfach 
wieder  in  den  Einzelsprachen,  und  zwar  äufsert  es  sich  entweder 
durch  Zurückziehen  oder  durch  Vorrücken  des  Tones.  So  wird 
aus  medulla  im  Venez.  meola,  älter  meölla,  in  süditalienischen 
Mundarten  verschiebt  sich  hl  der  3.  Sg.  Perf.  zu  iü,  wovon  bei 
der  Konjugation.  Im  Französischen  gehören  hierher:  haine,  reine, 
maitre,  chame,  chaire,  faine,  fouine  aus  hd-ine,  älter  ha-ine  u.  s.  w. 
Sodann  bieten  viele  Mundarten,  namentlich  südöstliche,  Belege 
für  beide  Erscheinungen.  So  waat.  dyö  =  dico,  fr{;myd  (formica), 
lätyd  (lactatam)  und  so  alle  Part.  Fem.  der  ia-Verba,  iardyd 
(tardiva)j  vyd  (vita),  rud  (rota),  venud  und  die  anderen  Part.  Fem. 
In  Bagnard :  ei>«/a,  urtyd,  Val  Soana :  ortyd,  rod,  Jcud.  Dann  auch 
hier  waat.:  rdina,  tsdina ,  Val  Soa. :  reis  (radice) ,  fein  =  ital. 
fafna,  und  euß  aus  acütins.  Auch  die  Vertreter  von  nehida,  tegula 
sind  hier  zu  nennen:  aus  *neida,  teula  entsteht  freib. ,  waat., 
vion.  nyöla,  työla,  bagn.  nyoa ,  tyoa.  Vgl.  noch  lyou.  rod  (rota), 
hod^  l'ornud,  siü  (sequit).  Von  provenzalischen  Mundarten  mag 
partyöy  vengyö  aus  partitttj  venuta,  ferner  nasiu  (nation),  eskurpiu, 
fnriuSy  kiirius  im  Drömethal  genannt  Averden.  Sodann  bietet  das 
Spanische  einerseits  Dios,  yo,  sintiö,  mio  Cid  3433,  jues ,  Duero 
(§  67),  fue,  fuc'ra,  andererseits  neila,  re'ina ,  trmdo ,  wozu  aus 
Bogotan  j)dis,  rdiz,  mdiz,  Jcdida,  dina,  bdul,  aus  Buenos-Ayres 
rder  =  refr  kommen,  ferner  kat.  jcya  aus  jet'ya  (*jacilia),  jüi 
aus   jiii   (Judicium),    südsard.    *bd(na   §    295,    S.    241.     Hier    ist 


494  III.  Kapitel:  der  Accent.  598—601. 

vielleicht  rum.  mäduä  aus  mäduä  zu  erwähnen,  wo  der  Ton  nicht 
auf  das  folgende,  sondern  trotz  des  zwischenstehenden  Konsonanten 
auf  das  vorhergehende  ä  rückt. 

599.  Nicht  völlig  klar  ist  ein  Vorschieben  des  Accents  auf 
die  vorletzte  im  Provenzalischen.  Bleibt  der  Mittelvokal  von 
Proparoxytonis  bestehen,  so  bekommt  er  den  Ton,  man  spricht 
also  zünego  aus  zünego,  senego,  portege,  pertege,  femena  und  stets 
lagrema.  Die  äufserst  geringe  Zahl  von  Proparoxytonis  ist  dem 
überwiegenden  Paroxytonismus  unterlegen. 

600.  Endlich  ist  hier  noch  die  Barytonierung  von  Eigen- 
namen im  Provenzalischen  zu  nennen.  Chabaneau^  führt  S.  Junia  = 
Junianus  an,  ferner  duto  =  altanns  und  germo  =  germanus,  in 
Rouergue  spricht  man  Sent  Girmo,  Sent  Beniio,  Ofriko,  Bümo: 
geringer  Unterschied  zwischen  betontem  und  tonlosem  Vokal 
und  der  Zusammenfall  von  o  mit  dem  Femininausgang  mag  den 
Wechsel  begünstigt  haben. 

601.  Die  Zehner  zahlen  betonen  die  erste  Silbe :  veginti, 
treginta,  guddraginta  u.  s.  w.  Diese  Betonung  wird  erwiesen 
durch  den  Ausfall  des  g  schon  in  vulgärlateinischer  Zeit  und 
durch  die  besondere  Behandlung  der  dadurch  entstandenen  Ver- 
bindung ai.  Nur  span.  seisenta,  portg.  sessenta  können  direkt 
auf  sexaginta  zurückgehen,  vgl.  §  239  und  die  alten  Formen: 
sesaenta  Muaoz  313,  novaenta  315  a.  1255,  novaenta  F.  Gravaö 
392.  Aber  minte,  treinta  sind  mit  viginti,  triginta  nur  dann 
vereinbar,  wenn  das  ^  geschlossen  ist.  Dann  Avürde  sich  das 
erste  e  nach  §  358  erklären,  aus  veinte  wäre  veinte  entstanden 
nach  §  598.  Allein  die  eben  angeführten  Formen  auf  -enta 
zeigen,  dafs  -inta  kurzes  i,  also  romanisch  e  hatte.  An  Umlaut 
dui'ch  i  oder  an  eine  Umstell ving:  viente  zu  veinte,  dann  veinte,. 
ist  kaum  zu  denken.  Dagegen  erklärt  sich  veente  zu  veinte  Avie 
Ue  zu  ley  §  317.  Ital.  venti  ist  mit  viginti  vereinbar,  kaum  aber 
quaranta  mit  quadraginta:  dieses  wäre  zu  quadraenta  geworden, 
vgl.  saetta.  Ebenso  verhält  es  sich  im  Franz.,  Prov.,  Rät.  Wir 
müssen  für  diese  Gebiete  annehmen,  dafs  schon  in  sehr  früher 
Zeit  die  Verbindung  ai  zu  a  geworden  sei  und  das  a  dann 
wieder  den  Ton  bekommen  habe.  Vielleicht  ist  als  vulglat. 
Grundlage    schon    quadrdnta    anzusetzen.  —  Was    noch    das  e  in 


^   QQ\ — 603.  Sporadische  Tonverschiebungen.  495 

viginti,  triginta  betrifft,  so  hat  sich  in  triginta  tres  eingemischt, 
worauf  das  Nebeneinander  von  triginta  und  treginta  auch  veginti 
neben  viginti  herbeiführte. 

Vgl.  Gröber,  Ztschr.  IV,  188,  D'Ovidio,  I  ri- 
flessi  romanzi  di  Viglntl,  triginta,  quadrägintä,  quinqua- 
ginta,  sexaginta,  sept(u)aginta ,  oct(u)aginta ,  nonaginta, 
*novaginta,  Ztschr.  VIII,  82 — 105,  der  für  die  iberische 
Halbinsel  die  lateinische  Betonung  festhält,  für  die 
anderen  Sprachen  die  besondere  Behandlung  aus  der 
proklitischen  Stellung  erklärt. 

Auch  die  Zahlen  von  11 — 19  scheinen  alle  im  Vulgärlatein 

einst  auf  der  ersten  Silbe  betont   worden  zu  sein,    früh  aber  ist 

qvdttuordecem    zu    quattürdecem   geworden,    daher    span.    catorze, 

septemdecem,  öctodecem,  növemdecem  aber  wurden  zerlegt  in  decem 

et  Septem  u.  s.  w.,  vgl.  die  Wortbildungslehre. 

602.  Tonverschiebungen  in  einzelnen  Personen  des  Verbums 
kommen  besser  erst  bei  der  Darstellung  der  Konjugation  zur 
Sprache.  Hier  mögen  nur  ein  paar  Erscheinungen  allgemeinerer 
Art  Erwähnung  finden.  Schon  frühzeitig  wird  im  Lateinischen 
der  geschwächte  Vokal  zusammengesetzter  Verba  wieder  durch 
den  vollen  ersetzt,  und  erhält  dann  den  Ton,  auch  wenn  er  kurz 
ist :  redde'dit  =  reddidit  =  ital.  rendiede,  afr.  rendiet,  prov.  rend^t, 
renegat  ital.  riniega,  afr.  renie  u.  s.  w.  Überhaupt  rückt  der 
Ton  gerne  von  Präfixen  auf  den  Stamm :  recipit  ital.  riceve,  frz. 
regoit,  span.  recehe;  coll/'git  rum.  culege  (aber  cöUigit  ital.  coglie, 
afr.  Meid,  span.  coje) ,  demörat  ist  gesichert  durch  ital.  dimgra, 
afr.  demuere,  nfr.  demeure,  prov.  dimöra,  devörat  durch  prov. 
devora.  Das  o  an  Stelle  von  p  ist  in  Zusammenhang  zu  bringen 
mit  der  Tonversetzung.  In  tonloser  Silbe  ist  ö  ==  o  (vgl.  §  349), 
also  demgrat,  woraus  nun  demörat,  da  das  Präfix  nicht  den  Ton 
tragen  sollte.  Dagegen  demörat  ist  eine  Decomposition  unter  dem 
Drucke  von  mörat. 

603.  Unter  den  Adverbien  sind  etwa  zu  nennen  ilh'c,  illdc 
ital.  11,  lä,  span.  all/,  alld  mit  Accent  auf  der  letzten  Silbe,  wohl 
nach  den  vollen  Formen  illice,  illace  und  nach  ecce  hie,  ecce  hac. 
Auf  exfn  =  exinde  weist  vielleicht  prov.  jasse. 

Gröber,  Mise.  fil.  rom.  44. 


496  ni.  Kapitel:  der  Accent.  §   604    605. 

604.  Die  sehr  verschiedenartigen  Fälle  von  Tonversetzung 
im  Nomen  werden  am  besten  eingeteilt,  je  nachdem  der  Ton 
vorrückt  oder  zurückgeht.  Betonung  der  vorletzten  statt 
drittletzten  begegnet  im  ital.  sciocco  =  exsücus^  woraus 
exsüccus  (vgl.  §  549)  7  wieder  infolge  der  Abneigung  gegen 
Präfixbetonung  5  in  portg.  poupa,  romg.  pöjipa,  franchecomte 
houhu  scheint  upüpa  vorzuliegen,  ital.  gavetta  stellt  wohl  gabtta 
statt  gäbita  dar.  Auf  burrfcus  statt  hürrtaus  weist  neap.  horrico, 
hrico  ,  comsk.  horik ,  span.  horrico :  es  ist  aber  möglich ,  dafs  das 
jedenfalls  unlateinische  Wort  in  den  Handschriften  und  Ausgaben 
falsch  geschrieben  und  *hurr{ccus  die  richtige  Form  ist.  Von 
anderen  Beispielen  ist  noch  zu  nennen  ital.,  span.  cedrino  = 
lat.  cedrimis,  ^\o  inus  durch  inus  ersetzt  ist;  span.  arcen,  das 
sich  anderen  Bildungen  auf  en  wie  sarten  angeschlossen  hat ; 
portg.  alvedrio  (arhitrmm)  folgt  anderen  Abstrakten  auf  -io. 
Unklar  ist  span.  codezo  neben  cödeso,  portg.  codego  =  cytlsus^ 
pörtg.  endes  neben  endes  aus  index. 

§  605.  Zurückziehung  ist  etwas  häufiger.  Zunächst  cdrjnnm 
rum.  carpun,  ital.  carpine,  frz.  cliarme,  span.,  portg.  carp)e  ist 
wohl  schon  lateinisch,  die  Angabe  einzelner  Wörterbücher  carplnus 
fehlerhaft.  Ebenso  verhält  es  sich  mit  secüle,  das  vielmehr  als 
secale  anzusetzen  ist:  ital.  segale,  segala,  segoJa,  bol.  seigJa,  eng. 
seyäl,  prov.  segelj  kat.  segol,  frz.  seigle,  auch  alb.  d^ekcre.  Daneben 
aber  rum.  secdrä,  venez.  segdla :  letzteres  dringt  auch  ins  Rätische  : 
sulz.  segdlo ,  während  friaul. ,  tirol.  sidla  vielleicht  erst  aus  seala 
entstanden  sind  nach  §  598.  Wahrscheinlicher  ist  doch  wohl, 
dafs  secale  im  Rum. ,  Venez.  im  Anschlufs  an  andere  Bildungen 
auf  dl  seinen  Accent  verschoben  habe,  als  dafs  in  den  anderen 
Gebieten  secdle  zu  secale  verändert  worden  sei.  Ein  weiteres 
schwieriges  Wort  ist  ßcatum.  Auch  hier  bewahren  das  Rum.  und 
das  Venez.  die  alte  Betonung:  rum.  ficat,  ven.  figd,  aufserdem 
das  siz.  fikdtu  (daher  südsard.  figau),  das  friaul.  fiydd,  vegl.  fecuot. 
Die  anderen  Sprachen  aber  gehen  auf  ffcatum  oder  ffticum  oder 
fitacum  zurück  s.  §  582.  Eine  befriedigende  Erklärung  der 
letzteren  Formen  fehlt  noch.  —  Sodann  tabanus.  Die  lateinische 
Quantität  bleibt,  da  das  Wort  nur  in  Prosa  belegt  ist,  unbekannt. 
Ital.  tafdno,  jura.  tav^,  kat.  tavd,  aprov.  täbdn,  morv.  t^ve,  vion. 


^    605.  Zurückziehung  des  Tones.  497 

tavan  sprechen  mit  Sicherheit  filr  tahdnus,  wohl  audi  portg.  tavüo. 
Auch  rum.  tutm  wird  zunächst  aus  tain  entstanden  sein  mit  u 
statt  i  unter  Einflufs  des  vorhergehenden  Labials,  vgl.  §  166. 
Endlich  frz.  taon  ist  vielleicht  ebenfalls  rein  lautlich  zu  erklären. 
Daneben  aber  stehen  span.  tcibano,  Val  Soana  tauna  und  die 
mittellateinische  Form  tavenus.  Wäre  die  spanische  Form  allein, 
so  dürfte  man  sie  als  falsch  betontes  Schriftwort  erklären:  sie 
erhält  aber  durch  Val  Soana  eine  kräftige  Unterstützung.  Ein 
ähnlich  gebautes  Wort  ist  *lavana  lavanum,  das  Brett,  woher 
*lavania  ital.  lavagna,  portg.  lavanha.  Die  weibliche  Form  mit 
Betonung  der  ersten  Silbe  liegt  vor  im  astur,  lahana,  auf  Idhina 
weist  aspan.  launa,  die  männliche  *lahd'nvm  in  dem  ostfrz.  lavö, 
frz.  long  in  sdetir  de  long.  —  Wir  haben  §  602  gesehen,  dafs  in 
einer  Reihe  zusammengesetzterWörter  die  erste,  das  unterscheidende 
Merkmal  enthaltende  Silbe  betont  wird.  Das  findet  sich  auch 
noch  in  einigen  anderen  Wörtern,  so  weisen  auf  trffolium  frz.  tr^flCy 
span.  irebol,  portg.  trebo  (aber  eng.  trifoel,  ital.  trifoglio),  wenn  ihnen 
nicht  griech.  rQi(fv7SLov  zu  Grunde  liegt.  Auch  acifoUiim  bezw.  acri- 
folium  scheint  ähnlich  betont  worden  zu  sein.  Zwar  span.  aceho,  vgl. 
portg.  azevinho,  ist  vielleicht  erst  aus  ^acehöjo  gewonnen,  da  man 
doch  nach  der  Analogie  von  trebol  auch  acebol  ei-wartet.  Aber 
kat.  gre'vol,  gask.  agreu,  jur.  §grihi  und  die  Femininform  vionn. 
agr§da  fordern  acrifolium.  Hier  wird  man  am  ehesten  voraus- 
setzen, dafs  trifolvm  neben  triföUnm  auch  acnfolum  neben  acri- 
föVncm  hervorgerufen  habe.  —  Die  meisten  anderen  Beispiele 
erklären  sich  durch  Suffixvertauschung :  icus,  äcus  an  Stelle  von 
Ictis,  äcus  erscheint  in  den  Buchwörtern  span.  löriga,  rührica, 
püdico ,  in  abruzz.  uöhhelce,  gen.  luvign ,  sen.  ombaco  aus  opdcvs 
(nprov.  übdg) ,  sard.  lettiga  (Icctica) ,  südsard.  he'ddiu  (umbi- 
licvs),  maz.  ürtiJcä.  Auffällig  ist  span.  peh'cano ,  das  aus  Italien 
(oder  zunächst  Frankreich?)  stammende  söfito,  dann  cvcüo ,  sotil, 
imhe'cil ,  dddiva ,  vertigo ,  Tieroe ,  cicuta :  man  möchte  darin  fast  eine 
Tendenz  sehen,  Schriftwörter  auf  der  ersten  Silbe  zu  betonen. 
Ital.  e'sile  ist  an  debile  u.  dgl.  angelehnt,  umile  an  gentile  u.  a. 
Die  Wörter  auf  ix  scheinen  sich  wie  im  Vokal  (§  116),  so  auch 
im  Accent  gegenseitig  beeinflufst  zu  haben :  ital.  varice  neben 
rdrice,  umgekehrt  berbice.  So  wird  auch  lomb.  sömes  aus  scmtsse 
anderen    Bildungen    auf   -es  =  -tce    gefolgt    sein.     Endlich    frz. 

Meyer,  Grammatik.  32 


498  ni.  Kapitel:  Der  Accent.  §    605,   606. 

mercredi,  prov.  dimercres,  span.  miercoles,  frz.  Montmartre  aus 
mont  mercre  (mons  mercuri)  zeigen,  dafs  im  Lateinischen  der 
Genitiv  zu  mercurius  mercuri  gelautet  hat. 

Interessante  Beispiele  falscher  Betonungen   von  Buch- 
wörteru  aus  Bogotan  bringt  Cuervo  S.   1 — 75. 

606.  Der  Accent  in  Ortsnamen.  Gegentiber  der  lat. 
Betonung  Tarentum  bewahrt  das  Italienische  noch  heute  eine 
ältere  Tdranto ,  die  man  in  diesem  speziellen  Falle  als  die 
griechische  bezeichnen  kann ,  die  aber  ebenso  gut  von  der  vor- 
römischen Bevölkerung  herrühren  könnte.  Sicher  ist  das  letztere 
für  Otranfo ,  das  uns  nur  in  der  offenbar  volksetymologisch 
umgestalteten  Form 'YJpot;?,  -ovvtoq  überliefert  ist.  Ferner  SClanto, 
wogegen  auf  Lepanto  ==  Naupactus  als  auf  einen  nicht  italischen 
Namen  kein  Gewicht  zu  legen  ist :  es  ist  den  italischen  auf  -anto 
angeglichen.  Ofanto  entspricht,  trotz  des  veränderten  Suffixes, 
dem  lateinischen  Aüfidus.  Sodann  Brmdisi,  woneben  altitalienisch 
die  Buchform  Brandki  und  rum.  das  dem  lat.  Brundushim  ent- 
sprechende Bründüsä.  Der  Vokal  in  Brmdisi  entspricht  dem 
ursprünglichen  besser  als  derjenige  der  lateinischen  Form,  denn 
der  Name  ist  abgeleitet  von  dem  messap.  hrendon  (Hirsch).  So 
hat  man  wohl  das  Recht,  in  Brmdisi  messapischen  Accent  zu 
sehen.  Das  mehrfach  vorkommende  Interamna  zeigt  stets  Be- 
tonung der  drittletzten:  Teramo ,  Terni,  TermoU:  man  beachte, 
dafs  keine  dieser  Ortschaften  auf  altrömisch-lateinischem  Gebiete 
liegt.  In  Spanien  ist  der  alte  Accent  geblieben:  Ehro  ans^'Tßi^Qog 
gegenüber  Ihervs  zeigt  griechischen  Ton.  Die  gallischen 
Namen  dagegen  betonen  mehrfach  die  drittletzte,  auch  wenn 
die  zweitletzte  lang  ist:  Pe'saro ,  Nimcs  aus  Pisaurum,  Nemavsus 
zeigen,  dafs  au  in  vorletzter  tonlos  sein  konnte.  Stets  tonlos  ist 
die  Endung  -casses:  Troyes  =--  Tricasses,  Bayeux  =  Bayocasses, 
Vieux  =  Vidiöcasses,  Drevx  ==--  Dvröcasses,  ebenso  -vices:  Limo- 
ges  =  JAmovices,  Evreux  =  Ebnrövices,  -dürvm :  Ävxerre  =  Au- 
tessiödurum,  Nanierre  =  JSfemetodvrnm,  Tonnerre  =  Ternodurum ; 
-riges:  Bourges  =  Bitnriges,  Chorges  ■=^  Catimges.  Accent  auf 
der  ersten  Silbe  zeigt  Arles  =  Arf'läfc ;  -äte  ist  unbetont  auch  in 
Conde  ==  Condate,  Cosnes  =  Condates,  Avrenche  =  Ahrincates, 
Sos  =  Sotiates,  ebenso  -ete:  Vannes  =  Venetes,  Nantes  ==  Nam- 
netes,    Caux  =  Caletes,    Chartres  =  Carnutes.     Auch   Arras    ist 


R  606 — 608.        Accent  in  Orts-  und  Personennamen.  499 

vielleicht  aus  Atrehates  umgestelltes  Atrdbetes,  da  aus  Ätrebdtes 
nur  Arres  hätte  entstehen  können.  Umgekehi-t  wird  Burdigdla, 
woraus  Bvrgidäla,  gesichert  durch  afr.  Bordeaux,  Bördele. 
Schwankend  ist  ava:  neben  Anjov,  Poitou  ans  An decavtim,  Pktavum 
steht  Geneve  aus  Geneva  oder  Genava  (§  326),  Mesves  aus  Masava.  — 
Aus  dem  Keltengebiete  jenseits  der  Alpen  ist  dagegen  wenig  zu 
nennen  :  Fadova  =  Patawm  statt  Patavmm  ist  ein  besonderer 
Fall ,  Trento  geht  vielleicht  auf  Tridcntnm  zurück ,  zu  Nemausvs 
gesellt  sich  Albinga  =  Alhingaunum. 

Vgl.  auch  Gröber,  Arch.  lat.  lex.  III,  270—272. 

607.  Auch  Personennamen  haben  manches  Eigentüm- 
liche, was  sich  leicht  begreift,  da  sie  mehr  als  andere  Wörter 
dem  Einflufs  des  Schriftbildes  unterliegen.  Jdcohns  zeigt  durch- 
aus griechischen  Accent :  ital.  Giacomo ,  afr.  Jaimes  und  Jaques, 
span.  Jago.  Darms  ist  den  Wörtern  auf  -drius  gleichgestellt, 
prov.,  afr.  Daire,  sjian.  JDdrio.  Von  besonderem  Interesse  sind 
französische  Heiligenuamen  wie  Hisque  =■  Hesychius,  Sendre  = 
Sineriiis,  Vele  =  Basilius,  Vendre  =  Venerms,  Borne  =  Bomadius, 
Eye  =  Eutychius.  Die  Betonung  der  ersten  Silbe  wird  sich  aus 
dem  Anruf  erklären.  Mau  beachte  namentlich  Vele,  wo  das  a 
gegen  §  643  gedehnt  ist. 

Vgl.  zu  §  592 — 607  G.  Paris,    Etüde  srtr  le  röle  de 
V accent  lat'm  dans  la  langue  frangaise  1865. 

608.  Über  das  Wesen  des  lateinischen  A  c  c  e  n  t  e  s 
sind  wir  nur  unvollkommen  unten-ichtet.  Die  lateinischen 
Grammatiker,  die  darüber  Nachricht  geben,  stehen  meist  unter 
dem  Einflufs  der  griechischen  und  sprechen  demnach  von  einem 
Acutus,  Circumflexus  imd  Gravis  in  ihrer  eigenen  Sprache.  Ab- 
gesehen davon,  dafs  die  letzte  Silbe  stets  tonlos  ist,  setzen  sie 
die  Verteilung  der  beiden  ersten  nach  den  griechischen  Regeln 
an.  Dafür,  dafs  diese  Angaben  thatsächlichen  Verhältnissen  ent- 
sprechen, fehlt  jeder  feste  Anhaltspunkt.  Die  betonte  Silbe 
wurde  mit  gröfserer  Energie  gesprochen  als  die  tonlosen,  doch 
sanken  diese  nicht  so  stark  herab,  wie  das  in  der  deutscheu 
Aussprache  zu  geschehen  pflegt.  Denkbar  ist  jedoch,  aber  auch 
das  läfst  sich  nicht  nachweisen,  dafs  im  Laufe  der  Zeit  der 
Unterschied    zwischen    betonten    und    tonlosen   Silben    ein    etwas 

32* 


500  III-  Kapitel:  Der  Accent.  §   608,   609. 

gröfserer  wurde.     Der  lateinische  Accent    ist   also  ein  wesentlich 

expiratorischer;    clafs    er   daneben  auch  musikalisch  gewesen  sei, 

ist  zwar  möglich,   aber  wieder  nicht  mit  Sicherheit  nachzuweisen. 

Scholl,  Acta  Societatis  phil.  Lips.  VI,   1876,  Seel- 

mann  22 — 30. 

609.  Auch  über  das  Wesen  des  romanischen  Accentes  fehlt 
noch  sichere  Kunde.  Das  Toskanische  scheint  am  wenigsten 
stark  vom  Lateinischen  sich  entfernt  zu  haben.  Im  Spanischen 
wird  der  Unterschied  zwischen  betonten  und  tonlosen  Silben 
vermindert,  im  Andalusischen  geht  er  fast  ganz  verloren.  Um- 
gekehrt lehren  die  Schicksale  der  tonlosen  Vokale,  dafs  in  Nord- 
frankreich, dann  auch  wohl  im  Piemont,  in  der  Emilia  und  in 
den  Abruzzen  die  betonte  Silbe  auf  Unkosten  der  unbetonten  stark 
hervorgehoben  worden  ist,  vgl.  §  305,  345,  372.  Man  sieht 
dort,  dafs  z.  B.  im  Französischen  alle  Wörter  oxytoniert  woi-den 
sind,  und  S.  25  dafs  dieser  Oxytonismus  auch  die  Schriftwörter 
ergreift.  Da  nun  die  tonlosen  Mittelsilben  fallen,  so  ergiebt  sich, 
dafs  die  grofse  Mehrzahl  der  mehrsilbigen  Wörter  im  Französischen 
aus  schweren  Silben  bestehen :  soupgon ,  maison ,  amour ,  planter, 
attention,  comm  an  dement.  Nun  findet  eine  allmähliche  Reaktion 
statt.  Die  ursprünglich  '  mit  einem  Nebenton  versehenen  Silben 
(§  610)  werden  den  hauptbetonten  gleichgestellt:  aus  sgs2}esön 
wird  söspesön,  süpsön,  und  regional  schon  siipsö.  Ebenso  fhmele, 
ferm§te,  ferm§te  u.  s.  w.  Dann  folgen  bald  auch  die  zweisilbigen, 
aus  mfsön  entsteht  mesönj  dann  m^'sön,  m^'son.  Dieser  Prozefs 
scheint  sich  heute  zu  vollziehen,  in  der  Pariser  Aussprache  ist  der 
Oxytonismus  schon  als  veraltet  zu  betrachten,  in  der  französischen 
Schweiz  hat  die  Barytonierung  stark  um  sich  gegriffen.  Wahr- 
scheinlich verhalten  sich  übrigens  die  verschiedenen  Vokale  ver- 
schieden :  es  scheint,  dafs  auslautende  Nasalvokale  am  leichtesten 
den  Ton  abgeben :  ndsiö  ist  allgemein.  Die  Untersuchung  hier- 
über wird  wesentlich  erschwert  durch  den  Umstand,  dafs  sich 
mit  dem  expiratorischen  Accente  zu  irgend  einer  Zeit  ein  musi- 
kalischer verbunden  hat:  die  hochbetonte  Silbe  ist  auch  musi- 
kalisch höher.  Bezeichnen  wir  den  musikalischen  Accent  mit  ^, 
so  sind  für  ein  Wort  wie  soupgon  folgende  Formen  anzu- 
nehmen :  süpsön ,  süpsön ,  süpsön ,  es  steht  also  der  expira- 
torische  Accent  auf  der  ersten,  der  musikalische  auf  der  zweiten 


§   609,   610.  l>as  Wesen  des  Accentes.  501 

Silbe.     Inwieweit    dieser    Zustand    den    §    595 — 597     erwähnten 
Tonverschiebungen  zu  Grunde  liegt,  ist  vorläufig  noch  unklar. 

Die  Ansichten  über  den  französischen  Accent  sind 
sehr  verschiedene,  zum  Vorhergehenden  vgl.  S  c  h  ii  c  h  a  r  d  t, 
Ztschr.  IV,  144. 
Hier  mag  noch  eine  Bemerkung  aus  T  i  s  s  o  t  folgen  über 
die  Verbindung  von  expiratorischem  und  musikalischem  Accent 
(accent  ionique  et  prosodique),  die  eine  Haupteigentümlichkeit  des 
Dialekts  von  Fourgs  bilden  soll.  „Cette  characteristique  consiste 
g^n^ralement  dans  l'^levation  rapide  de  la  voix  sur  l'avant- 
derniere  syllabe  d'un  mot  ou  d'un  ensemble  de  mots,  si  la 
derniere  syllabe  est  lougue,  et  sur  l'abaissement  prolonge  de  la 
voix  sur  cette  syllabe  derniere.  Comme  on  le  voit,  1' accent 
tonique  est  frappe  sur  la  syllabe  penultieme,  et  Tacceut  proso- 
dique  sur  la  derniere  syllabe,  par  exemple  dans  le  mot  tsa-rice.  — 
Si  la  derniere  syllabe  est  breve,  comme  dans  tsarire,  1' accent 
tonique  est  reporte  sur  rant^penultieme,  et  le  prosodique  sur  la 
penultieme." 

610.  Wie  schon  §  341  bemerkt  wurde,  tragen  Wörter,  die 
auf  der  dritten  Silbe  betont  werden,  auf  der  ersten  einen  Neben- 
accent,  dessen  Wirkungen  in  der  Behandlung  der  Vokale 
fühlbar  sind.  So  erklärt  sich  span.  quaresma.  quaranta  neben 
catorze  aus  qnadragesima ,  quädraginta ;  ital.  fwrentino  neben 
Firenze  aus  Flbrentmvs,  vgl.  noch  ital.  hbrrascöso  aber  Imrrasca, 
obw.  pägliälaünca  aber  i^igliöla,  frz.  chälumel  neben  chcvetre,  und 
die  Zusammensetzungen  mit  cata:  chälit  aus  cätäledum,  Chalons 
aus  Cätaldunos ,  chattn  aus  cätm'tnum.  Ferner  Lecce :  Kriderdnno 
aber  kredia,  so  z).nznltisv,  fmmenedda,  simmendre,  aber  steddüzza, 
teldru.  Tarent.  caddra  (c(ddaria)  aber  cätarötta,  fUilini,  wo  also  d 
nach  dem  Nebenton  zu  t  wird  wie  nach  dem  Haupttone  §  436. 
So  noch  vangäle  (Backenzahn)  aber  vänJcan'ddo  (Kinn).  —  Im 
Kalabresischen  ist  Betonung  der  viertletzten  nicht  gestattet,  die 
3.  Plur.  zu  niatsikare  lautet  nicht  mdtsikami,  sondern  matsikdmi, 
aus  mdöina  entsteht  mit  angehängtem  Pronomen  maöindlu. 


IV.  Kapitel. 
DAS  WORT  IM  SATZE. 


611.  In  den  bisherigen  Untersuchungen  ist  das  Wort  be- 
trachtet worden  als  einzelnes,  wie  es  sich  uns  darstellt  im 
Wörterbuch ,  losgelöst  aus  dem  Zusammenhang  der  Rede.  Da 
nun  aber  das  Sprechen  fast  stets  in  ganzen  Sätzen  geschieht,  so 
bleibt  zu  untersuchen,  inwieweit  die  lautliche  Gestalt  der  Wörter 
verändert  werde  im  Satze ,  im  Zusammenhang  der  Rede.  Die 
Faktoren,  die  eine  Veränderung  bewirken,  sind  genau  dieselben 
wie  beim  alleinstehenden  Worte  :  der  Accent  und  das  Zusammen- 
treffen von  einzelnen  Lauten.  Wörter  von  syntaktisch  geringem, 
unselbständigem  Werte  fallen  mit  unmittelbar  folgenden  oder 
vorhergehenden  syntaktisch  wichtigen  unter  einen  Accent,  ihre 
Vokale  werden  dementsprechend  behandelt  wie  in  tonloser  Silbe. 
Bilden  so  zwei  oder  mehr  Wörter  eine  Einheit,  so  kommen  ihre 
An-  und  Auslaute  gewissermafsen  ins  Wortinnere  zu  stehen,  da 
die  ganze  Gruppe  einem  Worte  gleich  ist,  und  teilen  dann  die 
Schicksale  der  inlautenden  entsprechenden  Laute.  Ferner  können 
sehr  häufig  gebrauchte  Wörter  in  ihrem  Umfange  Einbufse 
erleiden,  ohne  dafs  sie  gerade  tonlos  sind,  oder,  wenn  sie  es 
sind,  in  einem  so  hohen  Grade,  wie  es  sonst  in  tonlosen  Silben 
nicht  vorkommt :  der  häufige  Gebrauch  treibt  die  Sprache  zu 
möglichster  Abkürzung. 

F.  Neumann,  Vter  ewige  Satzdoppelformcn  der 
französischen  Sprache.  Ztschr.  VIII,  243—274,  363—412 
zieht  von  dem  an  sich  richtigen  Grundsatz  zu  weitgehende 
Folgen.  Dagegen  E.  Schwan,  Zur  Lehre  von  den 
französischen    Satzdoppelformen,    Ztschr.    XU,    192 — 219 


§   611,   612.  Tonlose  Wörter.  503 

ist  im  polemischen  Teile  glücklicher  als  in  den  selb- 
ständigen Ausführungen. 
Die  erste  Frage  ist  nun,  ob  die  zwei  oben  genannten  Ge- 
sichtspunkte sich  decken,  ob  also  da,  wo  der  Auslaut  eines 
Wortes  durch  den  Anlaut  bedingt  ist,  auch  der  ursprüngliche 
Tonvokal  des  einen  tonlos  wird.  In  dieser  Allgemeinheit  mufs 
die  Frage  schon  vom  Standpunkt  des  §  610  Bemerkten  aus  ver- 
neint werden.  Also  z.  B.  filicaria  giebt  frz.  fougere,  ilunata: 
aunee  aber  dillo  patre:  du  pere  aus  älterem  deu  pere  §  356. 
Ebensowenig  würde  die  umgekehrte  Annahme  zutreffen,  dafs 
nach  syntaktisch  tonlosen  Wörtern  der  Anlaut  des  betonten 
unter  allen  Umständen  behandelt  Averde  wie  der  betreffende  Laut 
im  Wortinnern :  aus  illu  patre  wird  im  frz.  le  pere,  nicht  le  vere. 
Es  ist  daher  zuerst  zu  handeln  vom  Accent,  dann  vom  An-  und 
Auslaut,   endlich  von  Kürzungen  viel  gebrauchter  Wörter. 


A.   Tonlose  Wörter. 

612.  Niir  bestimmte  Wörter,  keineswegs  alle,  können  völlig 
tonlos  werden.  Ordnen  wir  sie  nach  den  Wortarten,  so  sind  es 
zunächst  die  Präpositionen,  die  Konjunktionen,  bis  auf  einen 
gewissen  Grad  die  Adverbien  und  Pronomina,  sehr  beschränkt 
die  Adjektiva,  Verba  und  Substantiva.  Bei  den  Präpositionen 
kommen  wieder  nur  die  alten,  schon  lateinischen  in  Betracht, 
nicht  die  erst  im  Komanischen  aus  Adverbien  oder  Substantiven 
entstandenen,  wie  z.  B.  frz.  chez ,  hors  u.  a.  Wir  finden  also: 
ital.,  mold.  di,  frz.  d§,  nicht  de,  bezw.  doi ;  ital.  in  nicht  en ;  ital. 
per,  frz.  par  nicht  i)ier ;  frz.  pottr ,  span. ,  portg.  por  nicht  prou, 
preu  oder  peur;  rum.  trä;  frz.  sans  nicht  seins.  Alle  Ausnahmen 
sind  scheinbar.  Als  allgemeine  Regel  gilt  zunächst,  dafs  nicht 
zwei  sich  unmittelbar  folgende  Wörter  tonlos  sein  können,  es  sei 
denn,  dafs  das  eine  seinen  Vokal  verliert,  wie  im  afr.  tnel  = 
me-le.  Gewöhnlich  aber  ist  das  zweite  hochbetont.  Daher  tragen 
zusammengesetzte  Präpositionen  stets  den  vollen  Accent  adpröpe 
ital.  apruovo,  afr.  a  pruef;  de  trans,  ad  trans,  afr.  de  tres,  atres; 
aspan.  en^mes  L.  Ca.  6,  16,  und  danach  dann  auch  die  einfachen 
pniovo,  pruef,  tres,  umj^ekelut  aspan.  cmpos  nach  pos.  —  Ob 
zweisilbige  Präpositionen  betont  sein  können,  ist  nicht  sicher  zu 


504  IV.  Kapitel:  Das  Wort  im  Satze.  §   612     613. 

bestimmen,  da  ital.  fuori,  frz.  fors,  ital.  dietro,  afr.  riere,  aspan. 
cuentra  neben  contra  sich  als  Adverbien  erklären.  Aus  de  pös 
entstellt  riim.  "^dupo,  ital.  dopo ,  beide  als  Präpositionen  tonlos, 
daraus  dann  als  Adverbien  düpä,  döpo.  Rum.  cäträ^  färä,  lingä 
gehören  eher  zu  §  634. 

613.  Von  den  Konjunktionen  zeigen  tonlose  Entwick- 
lung: et  ital.  e,  frz.  et  statt  *ie;  span.  y  neben  e  ist  schwer  zu 
beurteilen:  letzteres  steht  nur  vor  i,  dieses  in  allen  anderen 
Fällen,  vielleicht  ursprünglich  nur  vor  vokalischem  Anlaut  des 
folgenden  Wortes  §  380.  Italienisch  e,.  nicht  i  zeigt  auch  die 
Behandlung  von  gedecktem  tonlosem  e,  man  erwartet  eigentlich 
tu  idio  aber  tu  ellui.  Der  Gegensatz  nee  macht  noch  mehr 
Schwiei-igkeit :  ital.  fie  scheint  tonlose  Form  zu  sein,  ebenso  afr., 
prov.  ne,  aspan.  nen,  portg.  nem.  Daneben  stehen  nun  wal.  nic1, 
frz.  ni,  prov.  n%  span.  ni.  Das  i  ist  schwer  zu  deuten  und  ist 
vielleicht  nicht  tiberall  auf  dieselbe  Weise  entstanden.  Im 
Rumänischen  sind  niscare,  ni^te,  nime,  nimic  (neben  necopt)  zu 
vergleichen :  vielleicht  ist  in  letzterem  i  durch  Assimilation  an 
den  Tonvokal  entstanden,  dann  weiter  getragen  worden.  Span. 
n'm  konnte  das  i  von  y  bezogen  haben.  Französisch  ni  scheint 
vor  dem  XIII.  Jahrhundert  nicht  zu  begegnen,  und  dann  zunächst 
vor  Vokalen  aufzutreten :  ne  laiseroie  me  hlance  harte  oster 
Ni  en  apres  IUI  dens  maseler  Knon  de  Bord.  5742;  Si  qzie  ne  vous 
ni  a  autrui  n'i  p>uissiez  noient  cälengier  B.  C.  300,  40 :  wir  haben 
also  wohl  auch  hier  dieselbe  Erscheinung  wie  bei  span.  y.  Im 
Provenzalischen  dagegen  begegnet  ni  von  Anfang  an :  non  ai  que 
prenga  ne  no  posg  re  donar,  ni  noit  ni  dia  no  fag  que  mal  pensar 
Boet.  89,  SOS  corjjs  ni  s'anma  miga  per  ren  guaris  180:  man 
kann  an  Einflufs  des  mit  et  synonymen  si  =  sie  denken,  fragt 
sich  aber  dabei  unwillkürlich,  weshalb  im  Nordfranzösischen  der- 
selbe Einflufs  nicht  stattgefunden  habe.  —  Lateinisch  aut  erscheint 
in  ital.  o  in  einer  auch  in  tonloser  Stellung  möglichen  Form,  im 
Spanischen  ist  zu  der  Dojjpelform  e  —  y  entsprechend  o  —  u  ge- 
schaffen ,  prov.  0  (nicht  au) ,  frz.  ou ,  rum.  aü  sind  die  tonlosen 
Formen.  Von  den  unterordnenden  Konjunktionen  ist  das  ein- 
fache quid  im  Sinne  von  quod  und  ut  stets  tonlos  gebraucht: 
ital.  elie  (nicht  c7w,  Avie  e  aus  d),  span.  que,  frz.  que.     Den  Ton 


§    613,    614.  Tonlose  Konjunktionen  und  Adverbia.  505 

bekommt  es,  sobald  ihm  eine  Präposition  vorangeht:  par  qnei, 
pour  quei,  de  quei  n.  s.  w.  —  Lat.  S7  sollte  sein  i  bewahren,  und 
bewahrt  es  auch  im  Neufranz.,  Prov.,  Span.,  wogegen  ital.,  afr., 
portg.  se  daflir  eintritt,  rum.  sä  kann  aus  si  entstanden  sein  §  41. 
Hat  hier  schon  im  Vulgärlateinischen  eine  Vermischung  mit  qm(d) 
stattgefunden?  Im  Neufranzösischen  si  ist  vielleicht  Latinisierung 
zu  sehen,  span.  si  stellt  sich  zu  ni,  y,  prov.  si  zu  m:  genauere 
Aufklärung  ist  noch  nötig.  —  Lat.  quam  wird  rum.  zu  cä. 
Vulgärlateinisch  quomo  erscheint  in  doppelter  Gestalt  in  span. 
cuemo  und  conto:  jenes  die  betonte,  dieses  die  tonlose  Form, 
sonst  nur  in  tonloser,  ital.  comc,  afr.  com,  doch  auch  queme  Emp. 
Costant.  100.  Endlich  zeigt  Doppelformen  quare,  afr.  car  neben 
quer,  schon  im  Alexis  ohne  jeden  Unterschied  gebraucht,  vgl. 
hons  fu  li  secles  al  tens  andenur  quer  feit  i  ert  e  nistise  e  amvrl, 
und  clii  chi  se  doüet  a  nostros  est  il  goie  quar  por  cestui  aiirum 
hoen  adiutorie  101.  Auch  hier  wird  man  annehmen  dürfen,  dafs 
q74ar  ursprünglich  die  tonlose,  qver  die  betonte  Form  gewesen  sei. 

614.  Bei  den  Adverbien  gestaltet  sich  die  Sache  schon 
anders,  bei  weitem  nicht  alle  haben  Doppelformen  oder  blofs 
tonlose.  Zunächst  sind  zu  erwähnen  hene  und  male,  deren 
ersteres  im  Ital.  hiene  und  hene ,  im  Frz.  hien  und  hen ,  deren 
zweites  im  Frz.  mel  und  mal  lauten  sollte.  Als  Substantiva 
erwartet  man  ital.  il  hiene,  frz.  le  hien,  le  mel.  Dieser  Zustand 
hat  sich  für  hene  noch  in  neufranzösischen  Mundarten  erhalten, 
so  in  der  Champagne,  avo  hye  als  Substantiv  und  he  als  Adverbium 
erscheint,  vgl.  auch  hin  neben  hein  in  einer  Urkunde  aus  Villard 
a.  1268  M.  172;  mal  und  mel  trennt  das  Altfranzösische:  e  eis 
penteiet  de  cel  mel  qiie  fait  hdhehant  Jon.  v.  25 ,  und  so  oft, 
wogegen  als  Adverbium  nur  mal  vorkommt.  Ob  auch  bei  hien 
in  den  ältesten  französischen  Texten  Doppelfoi-men  vorkommen 
wie  bei  mal  und  in  den  heutigen  Mundarten,  ist  zweifelhaft,  da 
z.  B.  die  Hildesheimer  Alexishandschrift  auch  sonst  nach  angio- 
normannischem  Brauche  e  für  ie  schreibt.  Dafs  hier  einerseits 
hien,  andererseits  mal  verallgemeinert  worden  sind,  hat  seinen 
Grund  darin,  dafs  mal  durch  das  ebenfalls  tonlose  adjektivische 
mal  (§  616)  verstärkt  worden  ist.  — Von  Oi'tsadverbien  sind  nfr.  ow 
und  i  zu  nennen,  die  aus  uhi,  ihi  über  oue,  ine  zu  ou,  iii,    dann 


506  IV.  Kapitel:  Das  Wort  im  Satze.  §  614—616. 

letzteres  inacli  §  356.  Aus  betontem  la-ou  entsteht  afr.  lou,  leu,  leur 
§  633.  Sodann  werden  prov.  ara,  era  aus  ad  Jiora  §  146  tonlose 
Formen  sein.  Weiter  ist  noch  afr.  ne,  nen  aus  non  zu  erwähnen, 
und  schliefslich  die  Verstärkung  der  Negation  afr.  mie,  die  in 
Ostfrankreich  zu  einfachem  mi,  m§,  m  herabsinkt,  wovon  in  der 
Konjugation.  Kaum  hierher  gehört  afr.  fors  neben  fuers.  Als 
tonloses  Wort  müfste  es  fours  lauten,  vgl.  fourvoyer,  man  wird 
es  daher  besser  nach  §  634  erklären. 

615.  Während  die  bisher  betrachteten  Wortarten  mit  geringen 
Ausnahmen  entweder  ganz  tonlos  oder  stets  betont  sind,  findet 
sich  bei  den  Pronomina  ein  ganzes  System  von  Doppelformen, 
namentlich  bei  den  persönlichen  und  bei  den  besitzanzeigenden, 
und  zwar  geht  dieses  System  schon  ins  Vulgärlateinische  zurück. 
In  Betracht  kommt  zunächst  der  Obliquus  der  Personalia:  tonlos 
ital.  mi  ti,  frz.  me  te  neben  betontem  me  te  bezw.  moi  toi,  ital.  vi 
neben  voi,  rum.  nä  vä  neben  noao  voao,  nfr.  nous,  wo  die  tonlose 
Form  auch  an  Stelle  der  betonten  getreten  ist,  die  afr.  ebenfalls 
nous,  später  aber  *nei(S  lauten  sollte.  Sodann  von  den  Posses- 
siven :  mvs,  mvm,  ma,  mi,  mos  aus  tonlosem  mens,  mevm,  mea, 
mei,  meos  nach  §  376,  ital,  mo  ma,  frz.  mon  ma,  span.  mi  ma, 
ebenso  tos  u.  s.  w.,  ital.  to ,  frz.  ton,  aspan.  to ,  nspan.  tu  unter 
dem  Einflufs  von  mi  und  von  tuyo.  Die  lateinischen  zweisilbigen 
Demonstrativa  haben  schon  im  Vulgärlateinischen  in  Proklise 
ihren  ersten  Vokal  verloren :  iUum  patrem  wird  zu  lupatre,  illa 
matcr  zu  la  mater,  wogegen  ille  schwankt:  auf  ilfle  pater  weist 
ital.  il  padre,  prov.  el  paire,  span.  el  padre,  auf  i]Ue  pater  afr.  li 
pcre.  Ista  fällt  in  Proklise  in  die  Klasse  der  mit  st  beginnenden 
Wörter  §  373,  daher  ital.  stasera.  Von  den  Interrogativen  zeigt 
quid  im  Französischen  doppelte  Gestalt :  cjuoi  betont  und  que 
tonlos,  alle  anderen,  so  qualis,  talis,  sind  stets  betont.  Von 
Indefiniten  ist  wohl  afr.  el  und  al  aus  aliud  zvi  nennen.  Endlich 
dürfte  sich  avis  der  Proklise  der  Vokal  des  ital.  tutfo  §  127  und 
des  siz.  Jcorki  aus  qualclie,  sowie  die  Abschwächung  von  frz.  le, 
ce,  les  aus  lou,  gou,   *los  erklären.     Vgl.  noch  §  184,  S.   173. 

616.  Geht  das  Adjektivum  dem  Substantivum  voran, 
so  kann  es  wohl  mit  ihm  ein  Ganzes  bilden.  Doch  ist  die 
Verbindung    selten    so    stark,    dafs    beide  Wörter  nur  einen  Ton 


^   616 — 618.        Tonlose  Pronomina,  Nomina  und  Verba.  507 

haben.  Vielleicht  erklärt  sich  so  französisch  hon,  aspan.  bono 
L.  Ca.  12,  und  jedenfalls  afr.  mal.  Sodann  eng.  nouf,  nouva  als 
Adjektiv,  aber  'noef  als  Substantiv;  hvn,  huna  neben  boen.  Es 
sind  dies  aber  bis  jetzt  die  einzigen  sicheren  Beispiele.  Man 
sieht  ohne  ■w^eiteres,  dafs  bei  mal  noch  der  Gebrauch  des  Adver- 
biums in  Zusammensetzungen  wie  maleir  u.  s.  w.  mit  von  Einflufs 
war,  und  dafs  honus  und  novus  mehr  als  irgend  ein  anderes 
Adjektiv  des  eigenen  Tons,  des  syntaktischen  Wertes  entbehren 
und  oft  genug  gewissermafsen  als  Höflichkeitswörter  gebraucht 
werden. 

617.  Auch  die  Zahl  der  tonlosen  Verba  und  Substan- 
tiva  ist  gering.  Zu  nennen  sind  zunächst  mehrere  Formen  des 
Verbum  substantivum.  Lat.  est  erscheint  span.  als  es  neben 
mirand.  yes;  lat.  erat,  ital.  era,  frz.  ere,  span.  era  neben  aital. 
iera,  afr.  iere;  lat.  erit  als  afr.  ert  und  iert.  Die  Folge  davon, 
dafs  schon  im  Vulgärlateinischen  betonte  Formen  mit  e  und 
tonlose  mit  e  nebeneinander  standen,  war  nun,  dafs  zu  es  auch 
eine  betonte  Form  {,'S  trat,  ital.  siei,  afr.  ies,  prov.  ps.  Wurden 
dagegen  im  Afr.  die  tonlosen  Formen  wie  erent  an  Stelle  der 
betonten,  also  z.  B.  im  Reime,  verwandt,  so  behielten  sie  ihren 
Vokal  bei:  erent  reimt  mit  chantcrent  vgl.  §  225,  S.  200.  — 
Unter  den  Substantiven  sind  es  fast  nur  die  Titelwörter:  afr. 
dan,  dame,  cans,  cante  aus  comes,  comite,  und  das  pronominale 
en ,  an  aus  homo ,  die  «  statt  ö  zeigen  nach  §  369.  Hier  sind 
die  tonlosen  Formen  auch  zum  Teil  an  Stelle  der  betonten  ge- 
treten, vgl.  eni  im  Reime  zu  esdem  Compt.  384,  2612  und  nfr. 
dame.  Sodann  rät.  dimna  statt  donna,  span.  don  neben  aspan. 
duene^  aspan.  dona  Cid  1404  neben  duena  Cid  1412,  condc  Cid 
2441,  2849,  3479  neben  cucnde  1380,  2964. 

B.  Wortaniaut  und  Wortauslaut. 

1.      Der  Wortaniaut. 

618.  Während,  wie  wir  sehen,  der  Einflufs  der  syntaktischen 
Stellung  auf  die  Betonung  ein  sehr  geringer  ist,  erweist  er  sich 
als  ein  sehr  viel  gröfserer  auf  den  Anlaut  und  Auslaut.  Zunächst 
wird    der  Anlaut    der   Wörter    durch    den   Auslaut    der    vorher- 


508  IV.  Kapitel:  Das  Wort  im  Satze.  §   618. 

gehenden  bestimmt  in  Italien.  Im  T  o  s  k  a  n  i  s  c  li  e  n  werden 
anlautende  Konsonanten  gedehnt,  an  Stelle  von  /*  (§  650)  tritt 
kk  nach  allen  Oxytonis:  «mo,  veritä,  merce,  nach  e,  vgl.  eihene, 
eppure,  e,  o,  vgl.  ovvero,  se,  a,  da,  tre,  fra,  su,  sii,  giu,  piii,  vgl. 
piuttosto,  giä,  vgl.  giammai,  sl,  Vi,  lä,  qui,  qua,  ne,  vgl.  ncmmeno, 
ma,  che,  chi,  tu,  te,  ine,  se,  cio,  ho,  ha,  fu,  fo,  fa,  so,  sa,  vo,  va, 
do,  da,  sto,  sta,  fe',  fe,  Imperat.  di,  da,  vgl.  dimmi,  dämmt,  fa, 
va,  sta,  sa,  dt,  tre,  re,  nach  jJt<o,  mo'  =  modo,  vo'  =  voglio ;  dann 
nach  den  zweisilbigen  qualche,  contra,  sopra,  intra,  infra,  come, 
dove,  dagegen  nie  nach  di,  la,  i  bene  u.  a.  Die  erstgenannten 
Wörter  sind,  so  scheint  es,  in  zwei  Klassen  zu  teilen:  in  solche, 
"die  stets  proklitisch,  nie  selbständig  sind  und  auch  nie  am  Ende 
des  Satzes  stehen,  wie  a,  e,  o,  und  solche,  die  bald  selbständig, 
bald  unselbständig  sind ,  bald  im  Inneren  des  Satzes ,  bald  am 
Ende  vorkommen,  wie  chi,  che,  veritä,  amb.  Bei  den  ersteren 
erklärt  sich  die  Verdoppelung  des  folgenden  Konsonanten  aus 
der  Assimilation  des  ursprünglich  das  proklitische  Wort  schliefsen- 
den Konsonanten  an  den  Wortanlaut  ellui  =  etlui,  accasa  = 
adcasa,  ovvero  =  autverum,  nach  a  und  da  richten  sich  tra,  fra 
und  danach  sopra  und  die  gelehrten  inira,  infra.  Ebenso  erklärt 
sich  nemmeno  aus  necminus,  checcosa  aus  quidcausa,  und  danach 
qiialcheccosa,  bei  welch  letzterem  sich  übrigens  die  Dehnung  auch 
nach  §  548  erklären  könnte :  jedenfalls  aber  ist  qualche  ein  syn- 
taktisch nie  allein  gebrauchtes  Wort.  Nach  che  richtet  sich 
se,  vgl.  dazu  §  613  und  633,  ma  nach  e,  o  (vgl.  §  633). 
Schwieriger  sind  zu  erklären  su  aus  suso,  dem  sich  fe'  aus  fece, 
w'  aus  voglio  und  mo'  aus  modo  zur  Seite  stellen :  die  Kürzung 
in  Proklise  (§  634)  zieht  als  eine  Art  Ersatz  die  Dehnung  des 
folgenden  Konsonanten  nach  sich.  Nicht  ersichtlich  ist  der  Grund 
für  die  Verdoppelung  nach  come,  dove,  wenn  man  nicht  §  548  zu 
Hülfe  nehmen  will.  Anders  verhält  es  sich  mit  den  Wörtern 
der  zweiten  Klasse.  Auslautende  betonte  Vokale  sind  im  Italie- 
nischen kurz,  folgt  ihnen  ein  Konsonant,  so  mufs  dieser  gedehnt 
werden :  da :  dammi,  amö :  amollo  u.  s.  w.  Es  handelt  sich  dabei 
also  nicht  um  Proklise ,  sondern  entweder  um  Enklise ,  wie  in 
den  eben  genannten  Beispielen,  oder  um  Beibehaltung  zweier 
Accente  wie  in  läbontdddelgoverno.  Analogie  mag  zum  Teil  mit 
im  Spiele    sein,    wie   z.  B.    chiwiene   durch   chcddice  =  quiddicit 


§   618,   619.  Wortanlaut  im  Italienischen.  509 

hervorgerufen  sein  kann.  Der  Analogie  ist  es  auch  zu  verdanken, 
wenn  nee  rex  zu  ne  rre  statt  zu  *negre,  et  Borna  zu  e  Rroma 
statt  ed  Homa  wird  u.  dgl.  —  Die  heutige  Orthographie  nimmt 
davon  gar  keine  Notiz,  wohl  aber  ältere  Handschriften,  z.  B.  der 
libro  delle  Storie  di  Fioravante,  in  dem  sich  unter  anderem  folgende 
Schreibungen  finden :  appoi,  appezzi,  chessarehhe,  chclla  novella, 
cheffit,  chello  re,  attanto,  scllo,  doMoro,  trassuo  u.  s.  w. 

Vgl.  J.Keller,  ZJher  die  Äitssprache  des  Italienischen 
in  der  Toskana,  1857:  P.  Eajna,  A  proposHo  d^un 
mss.  magliabecchiano ,  Prop.  V,  29 — 63;  D'Ovidio, 
Di  alciine  parole  che  nella  pronunzia  Toscana  producono 
il  radop>piamento  dcXla  consonante  iniziäle  della  parola 
seguente,  ib.  64 — 76.  Das  obige  Verzeichnis  stammt  von 
D'Ovidio,  Griindrifs,  496.  Zum  folgenden  ist  noch 
zu  vergleichen  H.  Schuchardt,  Les  modifications  syn- 
tactiqiies  de  la  consonne  initiale  dans  les  dialectes  de 
Ja  Sardaigne  et  du  siid  de  V Italic,  Rom.  III,  1 — 30. 
H.  J.  H.  P  r  i  n  c  e  L  u  i  s  -  L  u  c  i  e  n  B  o  n  a  p  a  r  t  e ,  Initial 
tmdations  in  the  living  celtic,  hasque,  sardinian  und  italian 
dialects,  Transactions  of  the  philological  society,  London 
1882—1884,  S.  155—202.  Dazu  H.  Schuchardt, 
Littbl.  1885,  Sp.  273—277. 

619.  Auch  konsonantisch  auslautende  Wörter,  also  der 
männlichen  Artikel,  beeinflussen  wenigstens  anlautendes  c,  man 
sagt  il  cavallo ,  nicht  il  Kavallo,  gerade  wie  alcitno,  nicht  alJiuno. 
Man  wird  die  Erscheinung  nicht  von  der  anderen  trennen,  zu 
Grunde  liegt  auch  dort  ad  cavallo,  nicht  etwa  ad  iiavallo.  Der 
Unterschied  zwischen  beiden  besteht  nur  darin,  dafs  l  sich  nicht 
assimiliert  und  folglich  c  nicht  gedehnt  wird.  —  Scheinbar  die 
gegenteilige  Wirkung  der  Satzphonetik  zeigen  im  Toskanisch- 
Florentinischen  die  mit  v,  6  beginnenden  Wörter :  sie  verlieren 
nach  denjenigen  vokalisch  auslautenden  Wörtern,  die  nicht 
dehnen,  ihren  Anlaut,  bezw.  wandeln  ihn  in  ^,  also  la  ole  =-  la 
voce,  la  §ena  =  la  öena.  Aber  auch  hier  ist  der  Gegensatz  ein 
nur  scheinbarer,  es  handelt  sich  wieder  um  das  Prinzip,  dafs  bei 
enger  Verbindung  im  Satzinlaut  dieselben  Gesetze  herrschen  wie 
im  Wortinnern,  es  entspricht  la  oäe  genau  dem  poero  von  §  442, 
la  §ena  dem  vi§ino  von  §  445.  Der  Unterschied  besteht  nur 
darin,  dafs  ursprünglich  im  einen  Fall  intervokalische  Konsonanz 
behandelt    Avird    wie    anlautende :    aJio    wie    Iiavallo,    im    anderen 


510  IV.  Kapitel:  Das  Wort  im  Satze.  §   619 — 621. 

verschieden :  poero,  viSino,  aber  vino,  dena.  Trotz  dieser  Wesens- 
gleichheit  sind  die  beiden  Erscheinungen  nicht  gleichaltrig,  die 
letzte  ist  vielmehr  jünger  als  die  Erweichung  der  vortonigen 
Verschlufslaute  §  443.  Aus  vulglat.  lo  Jcavdllo  hätte  lo  gavallo 
entstehen  müssen,  aus  lo  tempo :  lo  dempo.  Solche  Formen  finden 
sich  nicht.  Die  syntaktische  Einheit  dieser  Wörter  ist  also  nicht 
sehr  alt,  wogegen  ü  cavallo  vor  die  Zeit  reicht,  wo  c  zu  U 
wurde. 

620.  Das  Toskanische  wird  vielfach  noch  übertroffen  von 
den  Mundarten  des  Südens,  wogegen  der  Norden  und  schon  Lucca 
kaum  in  Betracht  kommen.  Die  erste  Stelle  nimmt  das  Sardische 
ein.  Genau  den  Veränderungen  der  intervokalischen  Laute  ent- 
sprechend stellt  das  Logudoresische  nebeneinander :  liosa :  una 
gosa;  poveru:  su  hoverv,  tempvs:  su  dempus,  fizu:  su  vizu,  hoe: 
SU  oe,  vinu:  su  inu;  gaddu:  su  addu,  dente:  su  ente.  Dagegen 
erscheint  natürlich  im  Plural  nach  sos,  sas  der  Pausaanlaut,  da 
s  folgende  Konsonanten  nicht  beeinflufst.  Nun  treten  aber  eine 
Reihe  merkwürdiger  Übergriffe  und  analogischer  Bildung  ein. 
Die  Gleichheit  der  mit  b  und  g  anlautenden  Wörter  in  nach- 
vokalischer  Stellung  bringt  auch  Gleichheit  in  nachkonsonantischer 
und  in  Pausa  mit  sich:  he'nneru  (gener),  bennargu  (jennariu), 
honedda  (gonelJa) .  hinistra  (ginestra) ,  auch  bei  Verben :  hettare 
(jectare),  hirare.  Ebenso  kann  &  an  Stelle  von  d  treten :  hentäle  = 
dentale,  bistrale  =  dcsträle.  Auch  das  b  in  boJckire  aus  occidere,  bessire 
aus  exire  erklärt  sich  hier.  —  Interessanter  noch  ist  eine  zweite 
Erscheinung.  Die  Sonanten  werden  nach  s  verdoppelt  oder  besser 
intensiver  gesprochen :  nach  SM  dempos :  sos  tempos  bildet  man  su 
nostru :  sos  nnostros ,  su  renu :  sos  rrenos ,  su  muru ,  sos  mmuros ; 
ferner  vinu  aber  sos  binos.  Auffällig  ist,  dafs  g  A^or  a,  o, 
und  d,  wie  es  scheint,  bleiben,  oder  wenigstens  letzteres 
sich  nur  zu  d  verschiebt :  man  wird  mit  Rücksicht  auf  die  eben 
erwähnten  Formen  bunedda,  bestrale  darin  eine  Reaktion  der 
Pausaformen  auf  die  nachvokalischen  sehen.  Ferner  stimmt  das 
Campidanesische  nicht  völlig  überein  mit  dem  Logudoresischen, 
s  bleibt,  dagegen  wird  n  schwach  artikuliert. 

621.  Aus  den  festländischen  Dialekten  soll  nur  weniges  hervor- 
gehoben werden.     Im  Neapolitanischen  werden    die  Konso- 


§   621     622.      Wortanlaiit  im  Sardischen  und  Neapolitanischen.  511 

nanten  nach  da,  Jci,  Jca,  ma,  mo,  tu,  po  (poi) ,  MÜe  man  von  vorn- 
herein erwartet,  behandelt  wie  nach  lo,  la.  Interessant  ist  dagegen 
lo  bero,  das  Wahre  neben  lo  vero,  der  Wahre,  so  lo  höh  (lo  voglio), 
lo  Tikome,  also  überall  ülud,  ferner  öierf§  vieklcye  =  ccrti  vecchi 
aber  ö&rte  bcky§  =  certe  vecchie,  le  ffit§,  Ic  ffadive  rede  =  le,  li 
faceva  vedere,  le  feöe  =  gU,  le  fece,  wo  das  lateinische  -s  ebenso 
wirkt  wie  Verschlufslaute,  vgl.  noch  die  Dopjielung  nach  on§  = 
tosk.  ogm,  lat.  omnes.  Sodann  ist  hier  der  Einflufs  des  aus- 
lautenden n  auf  den  Wortanlaut  stärker  ganz  entsprechend  dem 
§  497  ff.  gelehrten.  Schon  bei  Eusio  91  liest  man  cunnuhlate  flir 
ci/w  dvhlate,  und  so  tritt  auch  heute  stets  d,  g,  g,  b  für  t,  c,  ö,  p 
nach  in,  con,  ferner  im  Kalabresischen  p  für  f  ein,  vgl.  ''ngamine 
Finamore,  Trad.  Abruzz.  I,  159,  nen  te  vuoye  =  vton  te  voglio 
161,  in  bo=^tmpoco  161  u.  s.  w.,  kalabr.  in  paöe  =  in  faccia, 
Ich  bbinu  (con  vino)  u.  s.  w.  Ferner  ist  die  Konsonantendehnung 
auch  vom  Accent  abhängig.  Tonlose  Wörter,  wie  der  Artikel, 
verschmähen  sie ;  dem  toskanischen  e  IVuomo  entspricht  in  Campo- 
basso  e  Vom§,  ebenso  campob.  e  na  femm§na;  ferner  tosk.  a 
mme  ppurc,  a  mme  mmi  manca,  aber  campob.  a  mme  ppiire, 
a  mme  m§  manga.  Auch  das  Kalabresische  sagt  a  la  Tciesa,  e  lu 
fiyu,   aber  a  IVüortu. 

Vgl.  d'Ovidio,  Arch.  Glott.  IV,  179—181,  avo  die 
Abweichungen  vom  toskanischen  Brauche  in  Campobasso 
verzeichnet  sind,  und  Scerbo,  Sul  dialetto  calabro,  S.  45. 

Schliefslichmag  noch  erAvähnt  werden,  dafs  im  Bergamaskischen 

anlautend  v  nach  vokalischem  Auslaut  fällt :  veö  (vecchio)  aber  ne 

ed  ne  dzxteii  (ni  vecchi  ni  giovani).    Inwiefern  die  in  Wörterbüchern 

verzeichneten  Formen  ohne  v  wirklich  im  Satzanlaut  vorkommen, 

mufs  erst  noch  untersucht  werden,    es  ist  möglich,    dafs   sie  nur 

von  den  Lexikographen  aus  dem  Satzzusammenhang  herausgerissen 

sind.    Mail,  oladega  ist  allerdings  aus  la  oladega  verallgemeinert, 

ist  aber  gar  nicht  ein  mailändisches  Wort,  sondern  aus  dem  Osten 

entlehnt:    dafs  bei  Entlehnungen   nicht    die  Pausaform,    sondern 

die  nachvokalische  gewählt  wird,  hat  nichts  Auffälliges. 

622.  Äufserst  schwach  ist,  soweit  bis  jetzt  bekannt,  der 
Einflufs  des  Auslautes  auf  den  Anlaut  im  Französischen.  Neben 
fors  steht  dehnrs  aus  deforis,  so  in  den  Urkunden  von  Toumay. 
Meist    wird    danach    hors    gebildet,     doch   findet    sich    auch    das 


512  IV.  Kapitel:  Das  Wort  im  Satze.  §   622 — 624. 

umgekehrte,  fors  und  defors,  im  Osten :  lothr.,  bürg.  Dem  frz. 
hors  entspricht  genau  rät.  oras,  or.  Ferner  frz.  r§ngJod  (reine- 
daude),  das  aber  immer  nur  als  ein  Wort  vorkommt.  Dehnung 
des  Anlautes  zeigen  altprovenzalische  Handschriften  a  ssos,  de  ssos 
Pass.  11,  13,  quülo  Leod.  4  e,  effon  Suchier,  Denkm.  I,  167. 
Vgl.  Neu  mann,  Ztschr.  VEI,  255,  382,  1. 

Aus  dem  Eätischen  ist  etwa  noch  zu  nennen  tirol.  ki  a  la 
gaoza,  per  Jci  gaoza,  de  la  gaoza  a  välgun ,  danach  pur  gaoza  de; 
obw.  da  vari  neben  pari,  ans  dem  Portugiesischen  meu  irmäo 
§  407.     Vgl.  noch  S.  340  und  352. 

623.  Während  in  den  bisher  behandelten  Fällen  der  direkte 
Anlaut  affiziert  wurde,  kann  es  nun  ferner  vorkommen,  dafs  der 
Tonvokal  auch  bei  konsonantisch  anlautenden  Wörtern  vom  Aus- 
laut des  Artikels  beeinflufst  Avird.  So  in  den  schon  §  271  aus 
den  Abruzzen  zitierten  Formen :  nu  pluande  =^  uno  pianto,  nu 
Tcuane,  Je  drua]ilie^=lu  dr.,  Je  muarite  aber  a  ppatre,  Je  muana^= 
lo  mangiare  aber  a  mmaiid.  Andere  Wörter,  als  der  bestimmte 
oder  unbestimmte  Artikel,  sind  wirkungslos :  l§  suaJc]c§  =  lo  sacco 
aber  nuandr§  saMe  =  vn  altro  sacco  Finamore  Trad.  Abruzz. 
I,   215. 

2.     Der  Wortauslaut. 

624.  Im  direkten  Gegensatz  zum  Anlaut  zeigt  der  konso- 
nantische Wortauslaut  im  Italienischen,  wenn  wir  von  in, 
con,  per,  ad,  ed,  od  und  mail.  sistu,  venez.  sentistu  §  553  ab- 
sehen, in  der  ältesten  Periode  nirgends  den  Einflufs  des  folgenden 
Wortes.  Auch  der  vokalische  Auslaut  läfst  sich  fast  nur  bei 
Proklise  und  Enklise  durch  das  folgende  Wort  beeinflussen,  vgl. 
mal  und  ma  §  553  und  vielleicht  piü.  Neben  signore,  amore 
stehen  signor  padre,  amor  mio,  ferner  hei  tempo,  huon  giorno, 
caval  grande  u.  s.  w.,  pian  piano  u.  s.  w.  Also  in  enger  Ver- 
bindung fällt  e,  0  nach  n,  l,  r.  Möglich  ist  ferner,  dafs  das  f  in 
egli  sich  vor  vokalischem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  entwickelt 
hat:  iJle  dmat  wird  zu  egli  ama,  üle  cantat  zu  eJli  canta,  dann 
wäre  die  vorvokalische  Form  verallgemeinert.  Über  die  Neben- 
form   ei    s.    §    634.      Diese    Verallgemeinerung    mufs    aber    vor- 


§   624,   625.  Wortanslant  im  Italienischen.  513 

historisch  sein,    da  schon  die  ältesten  Texte  eine  derartige  Ver- 
teilung nicht  mehr  kennen. 

Vgl.  Gröber,  Ztschr.  II,  594—600. 
Noch  zweifelhafter  ist  ogni  =  omnes  statt  omni,  man  könnte 
auch  hier  omne  homines  zu  ogni  uomini  annehmen.  Allein  da 
omnia  regelrecht  ogna  ergiebt,  so  ist  es  wohl  richtiger,  das  d  in 
ogni  von  da  aus  zu  erklären.  Endlich  aus  inde  sollte  vor  dem 
Tone  nCy  nach  demselben  nde  entstehen,  was  sich  auch  im  Alt- 
italienischen findet,  dann  aber  wird  ne  verallgemeinert. 

625.  AVeit  mehr  bieten  auch  hier  wieder  die  Mundarten. 
In  den  Abruzzen  wird  auslautend  a  zu  §,  inlautend  bleibt  es. 
Dies  gilt  dann  auch  für  die  Verknüpfung  von  Substantiv  und 
Adjektiv:  hedda  femm§ne  oder  femm§na  hedd§.  Aber  nur  in 
dieser  engen  Verbindung  bleibt  a,  nicht  z.  B.  im  Verbum, 
auch  nicht  in  Fällen,  wie  stave  kardarat§  la  fiya  Finamore  Trad. 
160,  oder  tidt§  la  veretd.  Ferner  j^ofca  gerd  (possa  girare)  162 
neben  stave  lu  rre  u.  s.  w.  —  Dann  sind  aus  Oberitalien  die  weitver- 
breiteten Formen  tetid,  qvenö,  grend  zu  nennen,  die  sich  auf  sehr 
viel  weiterem  Gebiete  finden  als  portaö  §  320  oder  fainü  §  322. 
Sie  erstrecken  sich  wohl  über  das  ganze  lombardisch-piemon- 
tesische  Gebiet,  wenn  sie  auch  namentlich  in  den  Stadtdialekten 
meist  durch  quanü  u.  s.  w.  verdrängt  sind.  Vgl.  aber  quanö 
Grosio,  Bormio,  Val  di  Blenio,  quandi  Val  Maggia,  Borgomanero, 
qiicnd  Val  Verzasca,  Val  Leventina,  qucnti  Corio,  quent  Ivrea, 
Pavone,  Vistrorio  (neben  gang  =  ghiandi),  Strambino,  Valperga, 
qiianc  Biella,  quenö  in  Azeglio,  Borgomasino,  Rueglio,  Valle 
d'Andorno,  quentie  Settimo  Vittone,  alle  im  Canavese,  quanö 
Castellazzo  Gamondio,  Castelnuovo  Bormida,  Bistagno  in  Mon- 
ferrat,  quanö  in  Mondovi,  quanöi  in  Garessio.  Auf  demselben 
Gebiete  zeigt  tutti  die  Behandlung  von  d.  Da  Substantiva  auf 
-ant  kaum  folgen,  so  können  die  hier  vorliegenden  Fälle  nicht 
ohne  weiteres  unter  §  240  untergeordnet  werden.  Man  mufs 
vielmehr  annehmen,  dafs  infolge  der  engen  Zusammengehörigkeit 
der  drei  Adjektiva  mit  dem  folgenden  Substantivum  das  aus- 
lautende -i,  das  syntaktisch  ohnehin  nicht  von  Belang  war,  sich 
zu  i  reduziert  hat  und  mit  dem  t  zu  f,  it  oder  ö  verschmolzen 
ist.    Das  Feminin  dagegen  scheint  keine  Formen  auf  -f  zu  zeigen, 

Meyer,  Grammatik.  33 


514  IV.  Kapitel:  Das  Wort  im  Satze.  §   625,   626. 

da  es  nicht  auf  -i  auslautete.  —  Davon  ganz  verschieden  ist  es, 
wenn  im  Piemontesischen  unterschieden  wird  zwischen  le  fumne 
und  iy-imye ,  aus  le  tmye,  oder  im  Mailändischeu  iy-oreöö  und 
nun  auch  i  donn  statt  le  donn. 

So  nach  Salvioni,  Lamentazione  metrica  13,   3. 

Von  anderen  hierhergehörigen  Erscheinungen  auf  italienischem 
Boden  mag  noch  erwähnt  werden  logudoresisch  j^e  mannu  aber 
j?f  nudu ,  so  amigu  aber  so  wticu,  wo  also  die  Regel  von  §  81 
auch   im  Satze  Gültigkeit  hat. 

626.  Sehr  stark  ist  die  Abhängigkeit  des  Auslautes  vom 
Anlaut  im  Französischen.  Zunächst  mag  inde  erwähnt  werden, 
das  ursprünglich  vor  Konsonanten  en,  vor  Vokalen  und  in  Proklise 
end,  am  Satzende  enf :  allez-ent  lautet,  fi'üh  wird  en  verallgemeinert. 
Im  übrigen  ist  nicht  sicher  zu  scheiden  zwischen  dem,  was  die 
Rhetorik  auf  künstlichem  Wege  zu  stände  gebracht  hat,  und  dem, 
was  der  freien  Entwicklung  angehört.  Wenn  vor  Vokalen  stets 
auslautend  s,  t,  r  gesprochen,  nasaler  Vokal  zu  oralem  -\-n  wird, 
so  scheint  darin  ein  gut  Teil  willkürlicher,  bewufster  Verall- 
gemeinerung zu  liegen.  Wäre  die  Sprache  in  der  That  so  kon- 
sequent, wie  sie  nach  den  Regeln  der  Rhetoriker  zu  sein  scheint, 
so  müfste  auslautend  l  vor  Konsonant  stets  zu  u  werden.  Das  tritt 
nun  aber  nur  ein  in  den  immer  unselbständigen  du,  au,  und  in 
heau,  mou,  fou,  vieux  neben  hei,  mol,  fol,  vicil.  Hier  sind  es  jedoch 
eher  die  vorvokalischen  Formen,  die  von  der  allgemeinen  Tendenz 
abweichen :  im  grofsen  Ganzen  herrscht  im  Französischen  die 
Regel ,  von  den  zwei  Formen  der  alten  Sprache :  Sg.  chasteaus 
chastcl,  Plur.  chastel  chasteans  die  auf  au  allein  zu  behalten,  eine 
Regel,  die  freilich  manche  Ausnahmen  erleidet.  Wenn  nun  aber 
im  Neufranzösischen  nebeneinander  stehen :  le  hei  homme,  le  vieil 
Jiomme  und  l'homme  est  heau,  Vhomme  est  vieux,  so  erhellt  daraus, 
dafs  nicht  eine  dui'chgehende  Satzphonetik  die  Doppelformen 
hervorgerufen  hat,  sondern  dafs  von  den  zwei  Formen  heau(s)  hei 
die  eine  vor  Vokalen,  die  andere  vor  Konsonanten  gebraucht 
wurde.  So  lange  die  Flexion  noch  besteht,  findet  sich  stets  fol, 
sowohl  vor  Vokalen,  als  vor  Konsonanten.  Die  heutige  Verteilung 
erscheint  erst  im  XIV.  Jahrhundert,  kann  also  nicht  wohl  auf 
dem  um  einige  Jahrhunderte  älteren  Lautgesetz  von  Wandel  von 


S   626.  Wortauslaut  im  Französischen.  515 

Z  zu  M  beruhen.  —  Ob  das  Verstummen  des  auslautenden  s  gegen 
Ende  der  altfranzösischen  Periode  zunächst  vor  konsonantischem 
Anlaut  begonnen  hat,  Avie  denn  das  Poeme  Moral  vet\  enver,  lor, 
SU  sehreibt,  ist  aiicli  fraglich,  läfst  sich  jedenfalls  nicht  beweisen. 
Sodann  ist  es  zwar  richtig,  dafs  tant  schon  im  Raoul  de  Canbrai 
vor  Konsonanten  meist  tou  geschrieben  wird,  und  dafs  zu  allen 
Zeiten  in  vient-ü  das  t  gelautet  hat,  aber  wiederum  wäre  es 
eine  der  Begründung  entbehrende  Annahme,  wenn  man  daraus 
schliefsen  wollte,  dafs  der  Abfall  des  t  nach  Konsonant  oder 
Nasalvokal  auf  dem  Gebrauch  der  zunächst  nur  vorkonsonantisehen 
Formen  auch  in  Pausa  beruhe.  Dafs  in  der  That  in  der  Aus- 
sprache der  Schlufskonsonanten  zum  Teil  künstliche  Regeln  vor- 
liegen,  ergiebt  sich  aus  dem  Umstände,  dafs  auslautend  d  zu  t 
wird :  Mt  i  vie  =  quand  ü  vient.  Hätte  man  zu  allen  Zeiten 
gesprochen  quäd  il  vie,  so  wäre  das  d  wohl  geblieben.  Es  hat 
nun  aber  eine  Zeit  gegeben,  wo  man  sprach  Icä  ü  vi?,  aber  viel- 
leicht in  der  verkürzten  Frage  Jcät,  dann  wurde  im  XVI.  Jahr- 
hundert fälschlich  kät-il  eingeführt.  Der  freien  Entwicklung  der 
Sprache  entspricht  der  Zustand,  wie  er  z.  B.  von  Duez  angegeben 
wird,  wonach  man  venez-i  aber  vcne  ici  spricht.  Gesprochen  wird 
danach  blofs  das  s  des  Artikels,  der  Pronomina,  der  Adverbien  tres, 
pas ,  plus,  mais ,  der  Präpositionen  und  der  Adjektiva,  wenn 
sie  dem  Substantiv  vorangehen.  Also  lesäg  e  Jesöm,  f^t  äkor, 
was  freilich  z.  B.  Chifflet  tadelt.  —  Beeinflussung  des  am  Wort- 
ende stehenden  Tonvokals  durch  das  folgende  Wort  zeigen 
mehrfach  die  ■  Mundarten.  In  Bourberan  z.  B.  Avird  unter- 
schieden zwischen  e  mo  de  da  (un  mal  de  deni)  und  t' ye  fä 
mau  (je  lux  ai  fait  mal);  li  c  evü  so  et  frö  (il  a  eu  chaitd 
e  froid)  neben  el  c  sau;  ?  hyä  övau  und  r  ho  hyä.  Es  tritt  also 
im  Satzinnern  der  Monophthong  dem  Diphthongen  am  Satzende 
gegenüber  und  zwar  ohne  Rücksicht  darauf,  ob  das  folgende 
Wort  mit  einem  Vokal  oder  Konsonanten  anlaute.  Zur  sicheren 
Beurteilung  dieser  Erscheinung  ist  noch  mehr  Material  nötig.  In 
Meuse  sagt  man  aft^i,  aber  im  Satzinnern  awö?  Rev.  Pat.  II,  HO 
Anm.  2.  In  Blonay  (Waat)  wird  unterschieden  zwischen  Ic  frei 
fcvrai  und  le  fcvrei  frai;  ö  panai  und  ö  panei  riö,  naü  (neuf) 
aber  le  nau  female,  präü  (prüde)  aber  Ve  prau  dense,  endlich  le 
panei   Jce   le  adzetä,   jedoch    le   häü  At  u.  s.  w.     Die  Stufen,    die 

33* 


516  IV.  Kapitel:  Das  Wort  im  Satze.  §   626,   627. 

ari,  0  durchlaufen,  um  zu  ai,  aü  zu  kommen,  sind  für  jenes  a?, 
§i,  für  dieses  ot(,  au,  aü:  am  Satzende  ist  die  letzte  Stufe 
erreicht,  Avährend  im  Satzinnern  die  Entwicklung  eine  langsamere 
ist.  Das  erklärt  sich  ohne  weiteres  aus  dem  Wesen  der  fran- 
zösischen Betonung  §  609.  Möglicherweise  verhält  es  sich  in 
Bourberan  ebenso.  Hier  finden  wir  nämlich  auch  säü  aus  cippum^ 
väybs  aus  vicia  u.  s.  w. ,  aber  e  soß  de  ven  =  un  cep  de  vigne. 
Auch  hier  ist  e  wohl  zunächst  zu  ce  geworden,  dann  am  Satzende, 
d.  h.  da,  wo  es  den  stärksten  Ton  trug,  zu  *«;w,  äü.  So  ist 
vielleicht  das  erstgenannte  au  erst  eine  Erweiterung  aus  o. 

627.  Auf  jirovenzalischem  Gebiet  ist  zunächst  das  Ih  in  den 
Pronomina:  ?7/»,  aqinlh  zu  nennen,  wogegen  nidh  erst  von  dem 
vulglat.  Neutr.  Plur.  mdlia  gebildet  sein  konnte,  vgl.  ital.  ogni 
§  624.  Sodann  findet  es  hier  seine  Erklärung,  wenn  im  Nomi 
nativ  Pluralis  der  Adjektiva  in  Süd-  und  Südostfrankreich  i  be- 
stehen bleibt.  Die  Plur.  leli  mali,  soli,  Uanqui,  Mi,  eli,  aqueli, 
aquesti,  duri,  mndiiri,  sani,  cuecM  cruzi  werden  in  den  Leys  d'Amors 
II,  204  erwähnt,  sie  finden  sich  in  Texten  aus  Haute- Garonne, 
Aude,  Tarn,  Aveyron,  und  noch  heute  in  Aude,  Ariege,  Quercy, 
Languedoc  zu  is  erweitert.  Ferner  im  Altlyonesischen ,  in  den 
Sermons  verschmilzt  es  mit  dem  t  der  Partizipien  zu  <?,  also 
amaö,  geschrieben  amali.  Sodann  in  der  Val  Soana:  boni,  nevi, 
fondi,  deMri,  senelitri,  lühUi,  tüiti,  ^mri,  hassi,  bU,  bürti,  fremi. 
Soweit  es  sich  da  um  i  nur  im  Plural  von  Adjektiven  handelt, 
ist  die  Erscheinung  verschieden  von  der  §  625  besprochenen,  die 
Grenze  zwischen  beiden  ist  aber  erst  noch  zu  bestimmen.  Es 
wird  hier  i  zunächst  bei  vokalischem  Anlaut  geblieben  sein  in 
den  Fürwörtern  quanii,  tanti,  aufri,  und  vielleicht  in  wenigen 
Adjektiven,  dann  nach  und  nach  sich  ausgedehnt  haben,  um 
schliefslich  zur  Adjektivendung,  namentlich  bei  prädikativer 
Stellung,  zu  werden. 

Beispiele  für  dieses  i  bei  Chabaneau,    Gram.  lim. 
161   N.  4,  P.  Meyer,  Rom.  XV,   291  ff. 

Weiter  ist  aus  dem  Neuprovenzalischen  die  Behandlung  des 
Plural-s  im  Artikel  und  bei  Substantiven  zu  nennen.  In  Nar- 
bonne  spricht  man  sui  libres,  lai  mas,  touti  dous,  liii  brasset  nüts, 
in  Ariege :  lai  fennos,  lai  gautos,  lei  ratz,  lei  bious,  lei  sabals, 
ebenso  lai,  lei  vor  d,  l,  m,  n,  aber  les,  las  vor  p,  Je,  t,  in  Quercy : 


R  527 630.  Wortauslaut  im  Provenzalischen.  517 

loi  figoi  hläkoi  de  loi  nostroi  hiHos,  lois  aukos,  lois  aigos ,  mui 
fraires,  aber  mus  trohals,  IkK  tsüfses.  Wie  bei  Enklise  der  Vokal 
des  betonten  Wortes  infiziert  werden  kann,    zeigen  die  Beispiele 

in  §  37. 

628.  Am  wenigsten  scheint  die  iberische  Halbinsel  hierher- 
gehfirige  Erscheinungen  zu  kennen.  Möglicherweise  ist  aber  nur 
die  ma:igelhafte  Kenntnis  der  Dialekte  schuld.  Ein  portu- 
giesisches Beispiel,  das  Neutrum  der  Demonstrativ-Pronomina,  ist 
schon  §  82  genannt.  Sonst  ist  zu  erwähnen  span.  dor  dias, 
dor  realoSj  lali  madres.  Auch  im  Portugiesischen  richtet  sich  das 
-s  des  Artikels  und  zum  Teil  der  Adjektiva  xxnd  Substantiva 
nach  dem  Anlaut  des  folgenden  Wortes,  es  ist  vor  Vokal  s,  vor 
tonlosen  Lauten  s,  vor  tönenden  8.  —  Altportugiesisch  wird  te  o, 
tea  zu  öo  öa,  und  daraus  wird  weiter  öe  =  te  abstrahiert,  das 
das  Galizische  noch  bewahrt. 

Belege  für  altportugiesisches  clia  che  und  die  richtige 
Erklärung  giebt  A.  Mussafia,  Jahrb.  VI,  218,  C. 
Michaelis,  3  Pastores  s.  v.  che. 

629.  Stofsen  im  Satzinnern  zwei  tonlose  Vokale  aufeinander, 
so  hängt  die  Behandlung  dieses  Hiatus  von  sehr  verschiedenen 
Umständen  ab.  Soweit  darin  der  Gebrauch  in  Poesie  von  dem- 
jenigen in  Prosa  abweicht,  mufs  die  Grammatik  davon  absehen. 
Aber  auch  in  der  Prosa  zeigen  sich  die  verschiedenartigsten 
Abstufungen  je  nach  dem  Affekte,  mit  welchem  gesprochen  wird, 
nach  der  Neigung  des  Einzelnen  zu  rascherer  oder  langsamerer, 
zu  deutlicher  oder  weniger  deutlicher  Aussprache.  In  den  Schrift- 
sprachen haben  die  Grammatiker  meist  strenge  Regeln  eingeführt, 
mit  denen  die  Volkssprachen  aber  gar  nicht  immer  tibereinstimmen. 
Im  Folgenden  kann  nur  eine  kleine  Auswahl  gegeben  werden. 
Wie  im  Wortinnern,  so  ist  auch  hier  zu  unterscheiden  zwischen 
Verschmelzung  der  beiden  Vokale,  Unterdrückung  des  ersten  oder 
des  zweiten,  oder  Tilgung  des  Hiatus  durch  Konsonanteneinschub. 

630.  Am  seltensten  ist  wohl  die  Verschmelzung  beider 
Vokale,  oder  besser,  sie  kommt  am  wenigsten  leicht  in  der  Schrift 
zum  Ausdruck.  Im  Rumänischen  wird  e  -{-  a  zu  §d,  ge- 
schrieben ea,  bezw.  e.  Die  Verschleifung  findet  aber  nur  statt 
vor  tonlosem  a,  sei  es,  dafs  beide  Wörter  proklitisch  sind :  neam 


518  IV.  Kapitel:  Das  Wort  im  Satze.  §   630,   631. 

spus,  tt-as  crede,  sc-av,  sau  väeut,  dam  fäcnt,  oder  nur  das  erste : 
de  atwnce;  nach  dem  Tone  bei  Enklitiken:  dareas,  vedere-al, 
crede-tc-am,  bei  angehängtem  Artikel :  mintea ,  ferner  inealtä  PI. 
vnelte  (Gerät)  aus  une  alte. 

Vgl.Tiktin,  Studien  I,  2ß  ff. 

Sodann  bietet  namentlich  das  Portugiesische  zahlreiche 
Belege,  wie  est  älma  =  esta  alma,  mit  längerem  ä,  wogegen  äima 
kurzes  hat,  todo  o  mar  zu  todumar  u.  s.  w.  Die  Kontraktion 
findet  hauptsächlich  statt  zwischen  tonloser  Proklitika  und  betontem 
Anlaut,  ist  übrigens  dem  Belieben  des  Sprechenden  tiberlassen. 

Vgl.  J.  Cornu,  Phonologie  syntactiqve  du  Cancioneiro 
geral,  Rom.  XII,  243—306  und  Grund rifs  784—788. 

631.  Elision  des  zweiten  Vokals  begegnet  zunächst  bei  e 
vor  gedecktem  s.  Es  ist  denkbar,  dafs  ursjjrünglich  dieses  e 
überhaupt  in  enger  Verbindung  nach  Vokalen  nicht  eingetreten 
ist,  dafs  man  sagte  la  spata,  vgl.  une  spede  Eul.  Später  aber  ist 
in  Nordfrankreich  la  espata  eingetreten,  und  erst  einer  zweiten 
Periode  gehören  Formen  an  wie  lo  stuet  Poe.  Mor.  475  e,  grande 
sperance  91  a,  la  speie  372,  moi  stuet  259  a  u.  s.  w. ,  Formen, 
aus  deren  Verallgemeinerung  vielleicht  der  neuwallonische  Zustand 
§  373  zu  erklären  ist.  Dafs  auch  andere  Fälle  des  Abfalls, 
namentlich  aber  der  Vertauschung  direkt  anlautender  Vokale 
einen  ähnlichen  Grund  hat,  ist  §  374  schon  angedeutet.  Nament- 
lich Mittel-  imd  Süditalien  bieten  manche  Beispiele,  vor  allem 
fällt  das  i  der  Präposition  in  und  des  Ai-tikels,  so  schreiben  die 
Handschriften  der  alten  Lyriker:  ältra  ntetidama,  la  ntelligenza, 
lo  nganna,  tutto  l  giorno,  che  ntendimento,  c  ngiura  u.  s.  w. 
Vgl.  Caix,  Origini  122  ff. 

Weit  häufiger  ist  Elision  des  ersten  Vokals,  so  zeigt  in 
den  meisten  Sprachen  der  Artikel  Doppelformen  l'  und  lo,  la, 
ebenso  un\  ferner  das  Feminin  des  Possessivums :  m'  und  ma. 
Davon  mehr  in  der  Formenlehre.  Abgesehen  aber  von  den 
proklitischen  Wörtern  herrscht  wieder  grofse  Willkür:  während 
das  Italienische  fast  gar  nicht  apostrophiert,  unterdrückt  das  Alt- 
provenzalische  in  der  Schrift  meist  den  tonlosen  Hiatusvokal  im 
Auslaut,  und  ihm  folgen  einzelne  altitalienische  Liederhand- 
schriften ;  hierbei  handelt  es  sich  aber  mehr  um  metrische  als  um 


i^   631 — (333.  Auslautende  Vokale.  519 

grammatikalische  Regeln.  Das  Italienische  apostrophiert  den  Aus- 
laut bei  enger  Verbindung:  ehb'assai,  cent'anni,  fors'anche, 
grand'uomini,  sagt  aber  ebensogut  ebbe  assai,  centi  anni,  grandi 
tiomini,  doch  nur  fors'anche,  weil  in  dieser  Verbindung  forse  stets 
proklitisch  ist.  —  Aus  dem  Spanischen  ist  zu  nennen  biien,  mal, 
primer,  wonach  tercer  und  postrer,  algun,  ningun,  san,  den,  die 
nicht  nur  vor  vokalisch  beginnenden,  sondern  vor  allen  Sub- 
stantiven stehen:  es  sind  wieder  diejenigen  Adjektiva,  die  sich 
am  engsten  mit  dem  Substantivum  verbinden. 

632.  Hiatustilgung  durch  Kousonanteneinschub  tritt  selten 
ein.  Es  ist  möglich,  dafs  die  seit  dem  XIV.  Jahrhundert  im 
Provenzalischen  auftretenden  Foi-men  vg  für  o  (hoc  und  ubi),  oder 
lomb.  vün  für  ün  und  ähnliche  zunächst  vor  vokalisch  aus- 
lautenden Wörtern  entstanden  sind.  Andere  Beispiele  sind  die 
§  625  ei-wähnten  lombardischen  Artikelformen,  denen  sich  ver- 
gleicht treyanrii  in  Campobasso,  cyamigo.  ouomc  im  Vulgärportu- 
giesischen. Es  hat  sich  also  beim  Übergang  von  dem  einen 
Vokal  zum  anderen  der  dem  einen  entsprechende  tönende  Reibe- 
laut entwickelt.  Wenn  nun  daneben  auch  ayagua  oder  auagita 
und  vollends  eiia  mesma  vorkommt,  so  kann  man  das  zwar 
dem  auch  sonst  bekannten  Wechsel  von  i  und  u  gleichstellen 
(s.  §  300),  besser  aber  wird  man  eine  Übertragung  von  ou""^  auf 
e"**  oder  von  ep^''  auf  a''^\  d.  h.  eine  Erscheinung  darin  sehen, 
die  der  im  nächsten  Paragraphen  zu  besprechenden  verwandt  ist. 

633.  Schon  §  618  ist  gezeigt  worden,  dafs  manche  Er- 
scheinung der  Satzphonetik  der  Analogie  ihren  Ursprung  ver- 
dankt. Dafür  giebt  es  nun  noch  viele  andere  Beispiele. 
Doppelformen  wie  ital.  c  und  ed,  o  und  od  rufen  auch  in  solchen 
Wörtern,  die  ursprünglich  stets  vokalisch  auslauten,  ein  d  herbei 
in  der  Stellung,  in  welcher  ed,  od  auftreten.  So  findet  sich  aital. 
fied  Petrarca  Son.  VI,  93:  ned  ella;  sed:  sed  ella  non  ti  creofe  Dante 
Ball.,  so  noch  heute  ped  essiri,  nud  aviennu  im  Kalabresischen, 
la  nd  eJU  bei  Albertano  von  Brescia,  ladunque  =  la  nnque 
äsen.  •  ched  elli  d  avesse  lucc.  Prop.  IV,  1,  246.  Dem  noch  heute 
gebräuchlichen  ned  vergleicht  sich  afr.  ned  Eul.  Im  Proven- 
zalischen  mufs  ad,  quid  vor  Vokalen  zu  az,  qiicg  werden,  danach 
wird  auch  cz,  oz  gesprochen.     Hierher  gehören  ferner  die  in  alt- 


520  IV.  Kapitel:  Das  Wort  im  Satze.  §   633,   634. 

französischen  Texten  verschiedenster  Herkunft  auftretenden  Formen 
sen  -=  se,  men  =  me  Doon  de  May.  301 7^  Jen  =  je,  cen  =  ce, 
die  alle  nach  nen:  ne  gebildet  sind,  provenzalisch  fon  neben  fo 
nach  hon  neben  ho.  Je  stärker  die  Abhängigkeit  des  Auslautes 
vom  Anlaut  ist,  um  so  gröfser  wird  die  Zahl  dieser  „falschen 
Bindungen".  So  zeigt  uns  das  Nordfranzösische  eine  grofse  Zahl, 
von  denen  einige  in  der  Schriftsprache  festen  Fufs  gefafst  haben. 
Dahin  gehört  z.  B.  das  t  der  3.  Sg.  in  der  Frage :  ahne-t-il,  das 
noch  im  XV.  Jahi-hundert  unbekannt  ist,  sich  aber  erklärt  aus 
voit-ü,  dort-ü,  fit-il  und  aus  dem  Plural  aiment-il,  im  XVII.  Jahr- 
hundert sprach  und  schrieb  man  ä  tors  et  ä  travers  u.  s.  w.  — 
Aus  la  ou  entsteht  im  Afr.  leu  und  später  leuTy  das  auch  dem 
XVII.  Jahrhundert  nicht  fremd  ist.  Da  sich  dialektisch  mehr- 
fach pa  vor  Konsonanten  als  kurze  Form  neben  j)ar  vor  Vokalen 
findet,  so  wird  man  leu-r  nach  diesem  Muster  erklären.  —  Aus 
dem  Portugiesischen  mag  hier  genannt  werden:  hei-n-a 'Res.  I,  12, 
vai-n-os  11,  pasei-n-a  154,  43. 

C.    Abkürzungen  vielgebrauchter  Wörter. 

634.  Wenn  aus  lat.  senior  im  Französischen  sire,  aus  seniöre 
entsprechend  sieur  entsteht,  so  zeigen  die  Vokale  durchaus  die 
Behandlung,  die  sie  unter  dem  Tone  erleiden ,  wogegen  ni  fällt, 
obschon  sonst  auch  in  tonloser  Stellung  ein  derartiger  Ausfall 
unerhört  ist.  Die  Reduktion  erklärt  sich  daraus,  dafs  *seiidr€, 
sengr  unmittelbar  vor  Eigennamen  zwar  ihren  Wortaccent  bei- 
behielten, aber  infolge  ihrer  geringen  syntaktischen  Geltung 
ihres  konsonantischen  Elementes  verlustig  gingen.  Dasselbe  gilt 
von  oberital.  ffior,  siora,  tosk.  sor,  sora,  portg.  sen,  Sita,  andal. 
so,  bog.  siö.  Auch  andere  Titelwörter  werden  ähnlich  verkürzt, 
so  ital.  monna  aus  madonna,  span.  ustcd  aus  vuesa  merced,  prov., 
katal.  mossen,  endlich  prov.  en,  na.  Domna  Ilaria  ist  zu  na  Maria 
erleichtert  worden  vermittelst  einer  Aphaerese,  die  nur  in  der 
Bedevitungslosigkeit  des  ersten  Wortes  gegenüber  dem  zweiten 
ihren  Grund  hat.  Ebenso  wird  domn  Aimar  zu  n  Äimar,  domne 
Bertram  zu  n  Bertram,  en  Bertram.  Während  die  bisher- 
genannten Formen  auf  dem  lateinischen  Vokativ  beruhen  können, 
scheint    das    allerdings    seltene    nos    auf    dommts    zurückzugehen, 


^   634.  Wortkürziuigen.  521 

ixnd  zA\'ar  Avürcle  es  aus  einen-  Zeit  stammen,    wo  u  noch  nicht  f 

geworden  war;    dazu    wird    auch    ein  Akkusativ    non    (nach  mos 

mon)  gebildet. 

Belege  lUr  nos,  non  und  eine  abweichende  Erkhlrung 
von  non  und  en  giebt  Thomas,    Rom.  XII,  585 — 587. 

Ferner  Verwandtschaftswörter:  frz.  cousin,  rät.  cusrein;  rum. 
cuscrit  §  333.  Diesen  Substantiven  schliefsen  sich  dann  etwa  an 
ital.  fi  di  Pietro  Bernardona  Dante  Par.  11,  89,  span.  hidalgo; 
ital.  Or  S.  Michele  für  orio,  Por  S.  Maria  für  porta,  dann  solche, 
die  zu  Präpositionen  herabsinken ,  also  nicht  nur  sj)an.  nom  de 
Dios,  portg.  naö  de  deus,  sondern  namentlich  lomb.,  romagii., 
gal.,  andal.  Jca ,  frz.  dies  für  casa,  für  deren  erstere  weder  ein 
cas  illa,  noch  casum,  noch  in  casis  genügt  5  femer  wall,  mö  neben 
maJiö  in  derselben  Bedeutung,  aspan.,  aportg.  a  cas  de,  wo  cas 
geradezu  vor  Konsonanten  steht,  span.  a  gvis  de  Berceo  Mill. 
414,  a  ftter  de  Mir.  162,  781 ,  woran  sich  gleich  a  mcn  de  und 
gal.  na  mais  =  nada  mais  reihen  können.  Neben  den  Sub- 
stantiven sind  namentlich  die  Modalverba  interessant.  Schon  im 
Vulglat.  scheint  hayo,  has,  hat  bestanden  zu  haben;  aus  iisogna 
entsteht  tosk. ,  romg. ,  lomb.  bifia ,  ven.  bina  und  bona  und  bia 
oder  mina,  emil.  mna,  tosk.,  mail.  mia;  uns  convegna  lomb.  Icona. 
Stare  wandelt  sich  in  andalusischen  und  in  portugiesischen  Mund- 
arten zu  ta,  während  sonst  st  bleibt  u.  s.  w.,  s.  die  Konjugations- 
lehre. Beachtenswert  ist  noch  pik.,  wall,  mier  aus  mlzer.  Auch 
die  Adjektiva  bieten  manches  hier  Einschlägige.  So  sagt  man  im 
Ital.  San  Giovanni,  gran  profeta ,  während  sonst  0,  e  in  diesem 
Falle  bleibt,  im  Span,  la  primer  vez,  im  Portg.  mor  aus  maor,  — 
Vor  allem  aber  sind  es  die  Pronomina,  Adverbia,  Konjunk- 
tionen und  Interjektionen,  die  reiches  Material  geben.  Obschon 
ego  im  Vulglat.  nur  gebraucht  wird,  wenn  es  betont  ist,  so  hat 
es  doch  Reduktion  zu  eo  erfahren.  Im  Rumänischen  wird 
proklitisches  illu  zu  l  reduziert  vor  Konsonanten :  l  am  vezut,  zu 
Z  (ü)  vor  Vokalen  :  ü  vedeam ;  ebenso  me  zu  m,  im,  danach  dann 
auch  Us,  ij,  is.  —  Ähnliches  zeigen  neufranzösische  Mundarten: 
in  Auve  z.  B.  sind  §1  aus  1§,  §ddans  aus  d§dans,  §i  aus  je 
leicht  erklärliche  Reduktionen  des  Sonanten  bezw.  des  tönenden 
Verschlufslautes  auf  den  Stimmton.  So  sind  auch  aital.  ei  = 
Uli,  tai,  cotai,  mai,  bei,  ferner  vuoi  =  vuoli,  me*  =  meglip  Kurz- 


522  IV.  Kapitel:  Das  Wort  im  Satze.  §    634. 

formen.  Guittone  d'Arezzo  und  seine  Nachfolger  führen  dann 
auch  cavei,  cavai  u.  a.  ein.  —  Atro  für  altro  zeigen  mittel-  und 
norditalienische  Mundarten, 

Vgl.  Ca  ix,  Origini  §  192—194. 

ImAspan.  wird  este  vor  Konsonanten  zu  es,  daher  dann  nspan. 
ese ;  vos  verliert  in  Anlehnung  an  ein  vorhergehendes  oder  folgendes 
Wort  sein  v,  nvestro,  imestro  erleiden  Verkürzung  zu  nneso,  vueso. 

Unter  den  Adverbien  ist  frz.  or  aus  ad  Jiora  §  146  zu 
nennen,  das  durch  den  frühen  Ausfall  des  d  und  den  Abfall  des 
auslautenden  a  auffällt.  Die  Annahme,  e  sei  vor  Vokalen  ver- 
stummt, dann  or  verallgemeinert  worden,  scheitert  daran,  dafs 
schon  der  Alexius  mit  einer  Ausnahme  (30  d),  Gormond,  Karls 
Keise  auch  vor  Konsonanten  nur  or  kennen.  Vollends  ist  eine 
derartige  Ausnahme  ausgeschlossen  bei  lors  Gorm.  14,  117,  das 
man  auch  nicht  auf  horis  zurückführen  darf.  Auch  mi  aus  mie 
Gir.  ßoss.  2264  wird  hier  zu  nennen  sein.  Dem  frz.  or  gesellt 
sich  ital.  or,  prov.  ar  bei.  —  In  afr.  fors  aus  foris  ist  das  i  vor 
der  Diphthongierung  des  e  gefallen  gegen  §  639.  —  Aus  dem 
Rumänischen  schliefst  sich  die  Reduktion  des  Vokals  von  Ad- 
verbien und  Präpositionen  auf  a  an  §  682,  ebenso  mold.  tat  aus 
tut.  Ferner  o  aus  una  und  aus  illä,  deren  ersteres  durch  Ver- 
lust des  Nasals  zu  ua,  das  zweite  nach  §  545  zu  cuä,  dann  beide 
gemäfs  §  311  zu  o  geworden  sind,  ferner  oare,  älter  vare  aus 
*voare  ==  volet.  —  Der  Artikel  wii-d  nicht  nur  im  Portugie- 
sischen zu  0,  a,  wo  der  Fall  des  l  nach  §  545  erklärt  werden 
könnte,  sondern  auch  z.  B.  im  Neapolitanischen.  Dann  mögen  von 
diesen  Beziehungswörtern  noch  genannt  werden  ital.  avale,  ferner 
Sil,  giü,  ver,  agen.  tro  =  troppo ,  tu  =  tutto ,  ve ,  te,  fo,  pwme,_ 
tosk.  imso  =^  non  so,  obw.  angd,  eng.  inse.  Besonders  stark  ist 
die  Verkürzung  in  afr.  huer,  mar  aus  bona  Jiora,  mala  hora.  Aus- 
drücken ,  die  wieder  mit  den  Interjektionen  eng  verwandt  sind. 
Die  Differenz  in  der  Vokalisation  ist  auffällig:  bner  weist  auf 
Hochton  hin ,  mar  eher  auf  Tonlosigkeit.  —  Daran  schliefsen 
sieh  die  Interjektionen  gleichkommenden  Imperative  wie  ital. 
t§,  vie,  guar',  portg.  chete  8  Past.  113  =  chegate,  guarte,  calte, 
tirte ,  porte ,  wo  zwar  der  Umstand ,  dafs  dei'  Stamm  auf  l,  r 
schliefst  im  zweiten  und  dritten ,  auf  t  im  letzten ,  den  Ausfall 
des  a  erleichtern,   aber  nicht  allein  erklären  kann. 


V.  Kapitel. 
ZUR  CHRONOLOGIE  DES  LAUTWANDELS. 


685.  Das  Alter  der  Laiitveräncleriingen,  die  in  den  vorher- 
gehenden Kapiteln  vorgeführt  worden  sind,  festzustellen,  ist  ein 
beliebter  Vorwurf  der  romanischen  Grammatik  und  in  einem 
gewissen  Sinne  Endzweck  der  Forschung.  Aber  die  Aufgabe, 
so  intei'essant  sie  an  sich  ist,  mufs  als  eine  aufserordentlich 
schwierige  bezeichnet  werden,  ja,  es  mag  fraglich  erscheinen,  ob 
wir  je  zu  einer  annähernd  befriedigenden  Lösung  derselben  ge- 
langen können.  Das  relative  Alter  mancher  Erscheinungen  zwar 
läfst  sich  in  vielen  Fällen  ziemlich  genau  angeben,  um  so  gröfser 
aber  sind  die  Schwierigkeiten,  die  sich  der  Feststellung  des  ab- 
soluten entgegenstellen.  Mit  der  Altersbestimmung  geht  Hand  in 
Hand  die  Frage,  ob  zwischen  zwei  gleichen  Erscheinungen  auf 
verschiedenen  Sprachgebieten,  also  z.  B.  zwischen  e  aus  a  im 
Engadinischen  und  im  Französischen  (§  225  und  227),  ein  innerer 
oder  äufserer  Zusammenhang  bestehe,  iiud  was  den  Anstofs  zu 
der  Sprachveränderiing  gegeben  habe.  Diese  verschiedenen  Fragen 
sollen  auf  den  folgenden  Seiten  erörtert  und,  soweit  möglich, 
ihrer  Lösimg  entgegengebracht  werden,  und  zwar  wird  das  Fran- 
zösische den  Ausgangspunkt  bilden  als  diejenige  Sprache,  die  die 
meisten  und  wichtigsten  Veränderungen  erlitten  hat.  An  sie 
knüpfen  sich  dann  die  anderen  am  besten  an.  Zuvörderst  aber 
sind  einige  Erscheinungen  zu  besprechen,  die  dem  ganzen  roma- 
nischen Gebiete  angehören. 

636.  Schon  §  26,  S.  51  ff.  ist  kurz  bemerkt  worden,  dafs 
alle    romanischen    Sprachen    den  Zeitunterschied    der    latei- 


524  V.  Kapitel:  Zur  Chronologie  des  Lautwandels.     ^   636     637. 

nisclien  betonten  Vokale  durch  einen  Klangunter  schied 
ersetzt  haben,  und  dafs  im  allgemeinen  im  Romanischen  die  freien 
Vokale  lang,  die  gedeckten  kurz  seien.  Wie  es  aber  nach  Aus- 
weis des  Rumänischen  §  118  falsch  wäre,  die  qualitative  Grleich- 
heit  von  ü  und  ö  etwa  ins  erste  Jahrhundert  unserer  Zeitrechnung 
hinaufzurücken,  so  wäre  es  unrichtig,  aus  der  Quantitätsgleichheit 
von  ital.  rete  und  sete,  afr.  reit  und  seit,  span.  red  und  sed  schon 
ein  früh  vulgärlateinisches  sete  =  kl.-lat.  sHe  zu  erschliefsen. 
Dafs  zunächst  die  Ausgleichung  der  Quantität  in  gedeckter  Silbe 
erst  einzelsprachlich  ist,  zeigt  die  Behandlung  von  Stella  §  545. 
Aus  lat.  Stella  entstand  nur  im  gallisch-rätischen  Gebiete  stela, 
in  den  anderen  dagegen  Stella.  Da  dadurch  die  Annahme  eines 
vulgärlateinischen  Stella  ausgeschlossen  ist,  so  wird  man  auch 
nicht  ein  vulglat.  icctum  ansetzen  dürfen,  sondern  vielmehr  sagen, 
die  Kürzung  der  ursprünglichen  Längen  sei  erst  in  der  einzel- 
sprachlichen Entwicklung  vor  sich  gegangen.  Vgl.  auch  §  50G 
über  apium  und  sepia.  Die  quantitative  Differenz  von  freiem  e  = 
lat.  e  und  e  =  lat.  t  für  die  ersten  Jahrhimderte  unserer  Zeit- 
rechnung Avird  sodann  mit  Sicherheit  erwiesen  durch  die  latei- 
nischen Lehnwörter  in  den  germanischen  und  keltischen  Sprachen. 
Lateinisch  freies  ?  erscheint  im  Ahd.  als  e:  peil,  im  Angels.  als 
e:  peru,  imKymr.  als  y:  fydd,  freies  e  germ.  als  i,  kelt.  als  ei,  ahd. 
S2nsa,  ags.  cipe,  kymr.  parwyd.  Erst  gegen  Ende  des  VI.  oder 
zu  Anfang  des  VII.  Jahrhunderts  ist  dann  der  spätere  Zustand 
eingetreten.  Da  nun  aber  wiederum  in  dieser  Zeit  der  Zu- 
sammenhang zwischen  den  einzelnen  Sprachgebieten  stark  ge- 
lockert war,  so  wird  man  die  Dehnung  als  in  jedem  Gebiete  für 
sich  vollzogen  zu  betrachten  haben. 

Das  Verhältnis  von  romanischer  zu  lateinischer  Quan- 
tität hat  zuerst  H.  Schuchardt,  Vok.  II,  328  klar- 
gelegt. Darauf  fufst  Ten  Brinks  scharfsinniges  Schrift- 
chen Dauer  und  Klang  1879.  Die  Wichtigkeit  der 
Lehnwörter  für  die  Zeitbestimmung  der  Quantitätsver- 
schiebung deckte  Pogatscher  S.  44  auf. 

637.  Wenn  somit  der  Übergang  von  fede  zu  fede  erst  einzel- 
sprachlich stattgefunden  hat,  so  wird  man  auch  denjenigen  von 
v^nit  zu  v^nit  nicht  dem  Vulgärlatein  zuschreiben  wollen.  Da 
nun  ferner  die  spontane  Diphthongierung   von  e  zu  ie  nur  bei  ^ 


§   637,   638.  Lateinische  und  romanische  Quantität.  525 

verstlindlich  ist,  so  folgt  unmittelbar,  clafs  der  Diphthong  auf  den 
verschiedenen  Gebieten  unabhängig  entstanden  ist,  wie  schon 
§  173  angedeutet  wurde.  Dazu  stimmt,  dafs  die  Lehnwörter  im 
Germanischen  nur  auf  f ,  nicht  auf  ie  führen.  Die  Ursprünge 
des  ie  und  damit  zusammenhängend  des  tio  sind  nun  zunächst 
zu  untersuchen.  Bei  der  Beurteilung  des  ^  kommt  zu  statten,  dafs 
das  Vulgärlateinische  neben  f  auch  in  ae  ein  ^  besitzt.  Dieses 
vulglat.  ^  wird  im  Italienisch-Rätischen  wie  ^,  im  Französisch- 
Spanischen  teils  wie  f,  teils  wie  ^  behandelt,  vgl.  die  Beispiele 
§  291  und  292.  Der  zweite  Fall  tritt  vor  mehrfacher  Konsonanz 
stets  ein,  vgl.  aestimat,  saeptum,  praestus,  ferner  vor  d:  praeda, 
taeda,  vor  s:  hiaesiis,  qnaesi,  vor  p  in  saeijes,  vor  qu  in  aequus, 
aequa,  vor  n  in  faemim,  dagegen  erscheint  f  vor  c,  t,  r,  l  und 
vor  n  in  dem  einen  caenum.  Das  wird  sich  folgendermafsen 
erklären.  Im  Italienischen  ist  ae  als  ^  geblieben  bis  zu  der 
Zeit,  wo  freies  f  zu  f,  gedecktes  S  und  folglich  gedecktes  ae  zu 
c,  bezw.  f  wurden,  dann  hat  sich  §  aus  ae  weiter  entwickelt  wie 
jedes  andere  e.  Nur  ischio  weist  auf  esadtim ,  das  vielleicht  an 
csca  angelehnt  ist.  Im  Französisch-Spanischen  dagegen  ist  gedecktes 
^  aus  ae,  seiner  Quantität  folgend,  zu  gedecktem  e  übergetreten, 
da  es  sonst  kein  gedecktes  ^  gab ;  freies  ^  war  zu  dieser  Zeit 
vor  Gutturalen,  /,  r,  l  schon  zu  ^  geworden,  daher  sich  ihm  ae 
anschliefsen  konnte,  vor  d,  qu,  p,  S,  n  aber  bestand  f  noch  nicht 
weiter,  daher  ae  zu  e  hinüberglitt.  Man  beachte,  dafs  ^**'*  über- 
haupt fehlt.  Auffällig  bleibt  span.  heno  neben  cieno ,  doch  ist 
denkbar,  dafs  letzteres  erst  in  einer  etwas  späteren  Zeit,  aber 
immerhin  noch  innerhalb  der  Periode,  wo  ^  zu  ie  werden  konnte, 
aus  der  lateinischen  Büchersprache  übernommen  worden  ist. 
Treffen  diese  Ausführungen  das  Richtige,  so  beweisen  sie  eben- 
falls, dafs  die  romanische  Quantität  auf  den  einzelnen  Gebieten 
zu  verschiedenen  Zeiten  eingetreten  ist. 

638.  Was  mm  die  Entstehung  von  ie,  ue  im  Spanischen 
betrifft,  so  ist  sie  jünger  als  der  Übergang  von  et  zu  it,  aber 
älter  als  der  Ausfall  von  '^'  und  der  "Wandel  von  f  zu  h,  vgl. 
§  156  und  188.  Die  alten  gedehnten  Konsonanten  waren  wohl 
schon  verkürzt,  die  einfachen  tonlosen  Verschlufslaute  zu  tönen- 
den  geworden.     Damals    nun    traten    an   Stelle    der    kurzen    und 


526  V.  Kapitel:  Zur  Chronologie  des  Lautwandels.       §    638,    639. 

langen  Vokale  nur  lange:  {'  wurde  dem  p  gleichgestellt,  ^  aber 
wandelte  sich  bei  der  Dehnung  zu  /e,  später  ie  und  ihm  folgten  die 
wenigen  Fälle  von  ^.  Das  Portugiesische  nimmt  an  dieser  Ent- 
wicklung nicht  mehr  teil.  Einflufs  folgender  Vokale  wäre  dem- 
nach im  Spanischen  nicht  nötig.  Er  ist  §  180,  S.  164  als  mög- 
lich hingestellt  worden,  aber  mehr  als  eine  Möglichkeit  ist  es 
nicht.  "Was  noch  fie  betrifft,  so  wäre,  dem  'le  entsprechend,  als 
erste  Gestalt  liQ  oder  t(§  zu  erwarten,  woraus  ue  wie  fuera 
aus  füerat.  Dann  wäre  memo  von  como  nach  depnes:  pos 
(§  612)  gebildet.  Der  Mangel  des  Diphthongen  vor  m  §  201 
hilft  wenig  zur  Entscheidung,  nur  so  viel  ist  aus  duendo  neben 
homhre  ersichtlich,  dafs  die  Diphthongierung  nach  der  Synkope 
des  Nachtonvokals  noch  möglich  war. 

.  639.  In  Frankreich  ist  die  Diphthongierung  ebenfalls  an 
die  Dehnung  geknüpft,  abweichend  vom  Spanischen  aber  sind 
nur  die  ursprünglich  freien  Vokale  lang,  die  ursprünglich  ge- 
deckten bleiben  kurz,  daher  nur  freies  §  zu  ie  wird.  Zweifel- 
haft bleibt  die  Einreihung  des  ie  vor  Palatalen  §  154.  Ist  § 
durch  Einflufs  des  i  zu  ie  gebrochen  oder  war  zur  Zeit,  da  freies 
f  gedehnt  wurde,  die  Auflösung  des  Palatalen  schon  eingetreten, 
die  Silbe  daher  als  freie  behandelt,  mit  anderen  Worten,  ist 
peit-us  zu  peit'VS,  j)7ei<-ws  geworden  wie  p^de  zw.  p^de,  piiede,  oder 
aber  hat  ein  direkter  Wandel  von  pßt-vs  zu  pieKt-us  statt- 
gefunden? Für  die  letztere  Auffassung  spricht  die  Überein- 
stimmung mit  dem  Provenzalischen.  Es  ist  zwar  denkbar,  dafs 
die  Entwicklung  im  Süden  unabhängig  von  der  des  Nordens  sei, 
allein  bei  der  engen  Berührung  der  beiden  Sprachgebiete  und 
bei  den  vielen  Verbindungen  älterer  Zeit  ist  das  wenig  wahr- 
scheinlich. Da  aber,  je  weiter  wir  hiK abrücken,  die  Kluft  um 
so  gröfser  wird,  so  bleibt  wiederum  nur  die  Auffassung,  dafs 
pieUts  in  die  Zeit  A^or,  pied  in  die  nach  der  Trennung  der  beiden 
Sprachgebiete  falle.  Nehmen  wir  aber  an,  dafs  iei  in  einer 
ältesten  Periode  Süd-  und  Mittelfrankreich  angehört  habe,  so 
begreift  sich  nun  auch  die  Sonderstelhing  des  Ostens  §  160.  Wir 
sehen  auch  §  648,  dafs  Ostfrankreich  an  sehr  alten  Lautwand- 
lungen nicht  teil  nimmt,  und  erhalten  so  einen  indirekten  Beweis 
für  das  hohe  Alter  von  iei. 


§    639,    640.  Die  Entstehimg  von  IE  ans  E.  527 

In  den  übrigen  Fällen  ist  die  Entstehung  des  ie  folgender- 
niafsen  zu  denken.  Der  gesteigerte  Kraftaufwand,  der  erforder- 
lich ist,  wenn  f  an  Stelle  von  f  tritt,  kommt  zunächst  dem  Ein- 
satz des  Vokals  zu  gute.  Die  stärkere  Muskelspannuug  bringt 
eine  Verengerung  des  Mundkanals  mit  sich,  infolge  deren  sich 
ein  palatales  Eeibegeräusch  entwickelt,  das  allmählich  zu  i  wird, 
so  dafs  wir  also  die  Reihe  f,  i^.  später  mit  Assimilation  je  be- 
kommen. Es  ist  somit  das  ie  wie  der  Afi'ektdiphthong  im  Sizi- 
lianischen  §  173  die  Folge  gröfsei-er  Intensität,  diese  selbst  aber 
erklärt  sich  aus  der  Dehnung.  Entsprechend  Avird  g  über  p  zu 
uö.  Dagegen  entwickelt  sich  beim  Übergang  von  {"  zu  e  kein 
entsprechender  Diphthong,  weil  S  schon  von  jeher  in  der  Sprache 
da  Avar,  das  sekundäre  f  sich  ihm  also  einfach  anschlofs.  Das 
ie  nun  umfafst  Nord-  und  Südostfrankreich.  Es  ist  älter  als  die 
vokalischen  Auslautgesetze,  wie  afr.  gtens  aus  getms  zeigt.  Am 
frühesten  erscheint  es  Avohl  in  Mittelfrankreich,  und  dehnt  sich 
dann  nach  Nordosten,  Südosten  und  Westen  aus.  Den  Südosten 
erreicht  es  erst,  als  (;  in  einsilbigen  Wörtern  und  in  mehrsilbigen 
vor  Dauerlauten  gedehnt  und  zu  ('  hinübergeglitten  war,  s.  §  151. 
Insofern  aber  wird  auch  hier  die  alte  Regel  beobachtet,  als  nur 
freies  {3  diphthongiert.  Im  Nordosten,  im  Wallonischen  aber  tritt 
ie  an  Stelle  jedes  c,  sowohl  des  gedeckten,  wie  des  freien, 
s.  S.  148.  Nur  vor  Nasalverbindungen  bleibt  auch  hier  e,  da 
in  dieser  Stelhmg  e  schon  in  viel  früherer  Zeit  zu  e  geworden 
war.  Besonderer  Untersuchung  bedarf  noch  der  Westen.  Es  ist 
§  179  darauf  hingewiesen  worden,  dafs  im  Agn.  ee,  e  an  Stelle 
von  ie  erscheint,  §  151  und  158,  dafs  im  Südwesten  ie  und  § 
miteinander  kämpften.  Die  Möglichkeit  ist  nicht  ausgeschlossen, 
dafs  das  Ag-n.  den  normannischen  Zustand  des  XI.  Jahrhunderts 
bewahrt,  während  später  auf  dem  Festlande  ie  vom  Zentrum  her 
eingedrungen  ist. 

Den  physiologischen  Vorgansi'  stellt  L.  Havot,  Rom. 
VI,  323  etwas  anders  dar,  sottrii  w  die  Mittelstufen  pf, 
vf,  ie  ansetzt. 

640.  Im  Italienischen  werden  freie  Vokale  in  Paroxy- 
tonis  gedehnt,  p,  o  dabei  zu  ie^  wo  gebrochen.  Ob  aus  dem  Alt- 
italienischen fvöro  aus  fvtermU  als  Vorstufe  von  wo  eine  Form 
we,    no  erschlossen  werden  kann,    ist    sehr  fraglich:    ftiöro   kann 


528  V.  Kapitel:  Zur  Chronologie  des  Lautwandels.     8   640     641. 

von  fuora  =  förat  beeinflufst  sein,  oder  aber  den  sonst  nicht 
vorkommenden  Diphthongen  üe  gegen  das  häufige  wo  vertauscht 
haben.  In  gedeckter  Stellung  werden  e,  ö  zu  f,  o  gekürzt.  Die 
Dehnung  fand  erst  statt,  als  hr  schon  zu  hhr,  cl  zu  l'M  geworden 
war,  daher  pietra  aber  ffhhre,  v^ccMo. 

641.  Es  bleiben  nun  noch  die  Gegenden  übrig,  wo  ie  an 
auslautend  i,  u  geknüpft  ist.  Von  Wichtigkeit  ist  in  erster  Linie 
das  Portugiesische.  Der  Gegensatz  zwischen  porco  und  pQrca, 
ovo  und  gvos  zeigt,  dafs  auslautend  u  im  Stamme  o  verlangt. 
Dieses  o  kann  aus  gu  hervorgegangen  sein,  das  sich  seinerseits  aus 
Attraktion  erklärt:  ovu  Avird  zu  ouvu,  woraus  Qvu.  Da  -os  und  -ö 
wirkungslos  bleiben,  so  ergiebt  sich,  dafs  nur  das  der  Reduktion 
am  leichtesten  fähige  u  (ii)  attrahiert  wird,  nicht  das  klang- 
vollere 0.  Einen  ähnlichen  Zustand  zeigt  in  Italien  Cittä  di 
Castello  mit  düolo,  giioco,  müovo,  nüovo  neben  'köre,  fora,  rota, 
more,  pole,  vole,  aret.  nyuvo,  syulo,  muvo  neben  höre,  mgre,  fora, 
sgdera,  gmo,  dann  aber  jj?ec7e,  priego  u,  s.  w.  Derselbe  Einflufs, 
den  u  auf  o  übt,  macht  sich  nun  bei  i  auf  f  geltend :  dem  foku, 
fuohu  entspricht  genau  feri,  fieri  aus  fßri.  Freilich  kann  nur  das 
Italienische  hier  Beispiele  geben.  Das  Portugiesische  hat 
den  Nom.  Plur.  frühzeitig  aufgegeben  und  lieri  verloren,  im 
Italienischen  aber  ist  zu  dem  alten  -i  noch  ein  neues  getreten, 
s.  §  309.  Die  beiden  Reihen :  fern  fieri  und  fuohu  fohi  gleichen 
sich  nun  gegenseitig  zu  fieru  einerseits,  fuohi  andererseits  aus. 
Wenn  im  Kalabresischen  -o  wie  -u  Avirkt,  so  erklärt  es  sich 
daraus,  dafs  ie,  uo  hier  erst  in  einer  späteren  Periode,  als  -o 
schon  zu  -u  geworden  war,  vom  Neapolitanischen  her  eingedrungen 
ist.  Weshalb  infolge  der  Attraktion  bald  ie  oder  ie  bald  e  entsteht, 
ist  vorläufig  noch  nicht  zu  sagen.  Auf  derselben  Stufe  wie  die 
süditalienischen  Dialekte  steht  das  West-  und  Mittelrätische, 
wogegen  das  Friaulische  noch  weitergehend  jedes  ^  diphthon- 
giert, offenbar  in  Übertreibung  der  von  den  westlichen  Stamm- 
genossen übernommenen  Regel,  und  von  hier  dringt  ie  zwischen 
das  im  ganzen  toskanische  Bedingungen  zeigende  Venezianische 
und  das  den  Diphthongen  verschmähende  Veronesisch-Lombardische 
nach  Pavia  ein. 

Die  hier  vorgetragene  Auffassung  geht  auf  H.  S  c  h  u  - 
chardt  zurück,   Ztschr.  II,   188,    wo   es  heifst:    „in  der 


^   641 643.  Die  EntstelmnfT  von  TE  ans  E.  529 

That  dürften  t  xtncl  u  sicli  iirsprüiiglich  unter  der  Ein- 
wirkiing  eines  i  oder  u  der  folgenden  Silbe  eingefunden 
haben" .  Wenn  aber  S  c  li  u  c  h  a  r  d  t  weiter  annimmt,  dafs 
der  ursprünglich  so  bedingte  Lautwandel  nach  Norden 
dringend  bedingungslos  geworden  sei,  so  kann  ich  dem 
nicht  folgen,  weil  dadurch  der  Unterschied  zwischen  süd- 
ital.  viekiu  und  tosk.  vecchio  nicht  erklärt  wird. 

642.  Zum  Rumänischen  ist  kaum  etwas  zu  bemerken. 
Dafs  die  Dij)hthongierung  erst  in  die  Zeit  fHllt,  wo  (.  vor  Nasalen 
zu  e  geworden  war,  dann  aber  jedes  ^  ergreift,  ist  §  173  gesagt. 
Ob  einst  ()  zu  wo,  dann  dies  wieder  zu  p  geworden  ist,  läfst  sich 
nicht  mit  Sicherheit  sagen,  ist  aber  darum  nicht  wahrscheinlich, 
weil  der  Klangunterschied  zwischen  p  und  o  hier  ein  geringerer 
war  als  in  den  anderen  Gegenden  und  als  der  zwischen  §,  und  e, 
s.  §  129  und  184.  Dafs  der  Laut,  in  welchem  p  und  p  zu- 
sammenfielen, p  war,  geht  nicht  nur  aus  seiner  Weiterentwicklung 
zu  OM,  sondern  auch  daraus  hervor,  dafs  das  aus  u  entstandene  o 
§   130  mit  ihm  zusammenfiel. 

643.  Viel  enger  begrenzt  als  ie-u  aus  Q~u  ist  i-w,  u-u  aus 
e-«,  o-ii  §  81  und  129.  Man  kann  den  Lautwandel  so  auffassen, 
dafs  schon  bei  der  Artikulation  des  e  und  p  der  Mundkanal  so 
eng  ist,  wie  bei  der  des  Auslauts.  Es  fragt  sich  dann  nur,  wes- 
halb nicht  auch  in  Oberitalien,  Frankreich  und  Spanien  -u  ge- 
wirkt habe  wie  i.  Das  läfst  sich  wohl  so  erklären,  dafs  hier 
die  Abschwächung  von  u  zu  o,  f,  u  schon  stattgefunden  hatte, 
als  i  noch  volltönend  war,  und  bevor  der  Umlaut  eintrat.  Dazu 
kommt  ein  Weiteres.  Die  lateinischen  Maskulina  auf  -ms  erscheinen 
im  Gotischen  als  M-Stämme,  die  Neutra  auf  -u(m)  dagegen  als 
a-Stämme;  vgl.  asilus,  aber  akeits.  Das  ist  nur  möglich  bei 
einer  Aussprache  caballus,  tem2)ly.  oder  templo.  Nun  ist  aber 
klar,  dafs,  wenn  templum  zu  templo  wux-de,  der  Akk.  von  cäbäü'us 
nur  cabaU\i  lauten  konnte.  Demnach  hätten  wir  bei  den  Wörtern 
auf  e-ns,  o-us  folgende  Flexion :  Xom.  Sg.  i-tis,  u-us,  Nom.  Plur. 
i-i,  H-i,  Akk.  Sg.  e-\i,  o-\i,  Akk.  Plur.  (j-os,  o-os.  Nun  erklärt 
sich  der  Mangel  des  Umlauts  im  Spanischen  und  Französischen 
ohne  weiteres.  In  Oberitalien  ist  die  Nominativfonn  auf  -s  zu 
Gunsten  der  Akkusativform  aufgegeben  worden,  daher  aticli  der 
Vokal  des  Akkusativs  bleibt.     In  Süditalien  dagegen  ist  -s  früh- 

Meyer,  Grammatik.  34 


530  V-  Kapitel:  Zur  Chronologie  des  Lautwandels.     §   643,    644. 

zeitig  verstummt  und  von  den  zwei  im  Auslaut  gleichen  Formen 
i-u  und  e-u  die  erste  beibehalten  worden.  Zur  Stütze  dieser 
ganzen  Ausführung  mag  noch  dienen,  dafs  istu  (oder  istnd)  im 
Süditalienischen  zu  cstu,  est§  und  capu(t)  im  Astur ischen  zu  cäbo 
nicht  cäbu  wird,  s.  §  81  und  308.  Fragen  wir  uns  endlich, 
weshalb  im  Toskanischen  und  Rumänischen  der  Umlaut  unter- 
bleibt, so  läfst  sich  auch  darauf  eine  Antwort  finden.  Die  Be- 
tonungsweise, namentlich  das  Verhältnis  des  Tonvokals  zum  Aus- 
laute, ist  hier  eine  andere  als  dort :  dort  nämlich  eignet  dem  Ton- 
vokal mehr  Kraft,  daher  er  den  tonlosen  in  verschiedener  Weise 
an  sich  zieht  und  ihn  dann  dem  Untergange  weiht,  hier  dagegen 
ist  der  Unterschied  zwischen  betontem  und  tonlosem  ein  Aveniger 
starker,  daher  -i  bleibt,  oder  wenigstens  nur  die  Konsonanten 
affiziert. 

644.  Zur  Geschichte  des  E  aus  A  und  der 
Diphthonge  EI,  OTJ.  Zu  einer  bestimmten  Zeit  dehnt  das 
Franz.  freies  e,  o,  a  in  Paroxytonis  und  Oxytonis,  und  wandelt 
dann  weiter  e  zu  ei,  o  zu  oii,  a  zu  ä.  In  Proparoxytonis  dagegen 
bleiben  die  Vokale  als  e,  p,  a,  vgl.  die  Beispiele  in  §  332.  Dafs 
die  Stellung  in  Proparoxytonis,  nicht  die  Gedecktheit,  die  infolge 
der  Synkopierungsgesetze  eintritt,  schuld  ist,  zeigt  afr.  ane  aus 
anate,  wo  zu  allen  Zeiten  a  frei  gewesen  ist.  Wäre  der  Gegen- 
satz der  Vokale  zwischen  ante  =  am-ita  und  aimet  =  am-at  aus 
einer  älteren  Stufe  *a'nta  zu  erklären,  so  hätte  aus  an-ate, 
*ainede,  aine  entstehen  müssen.  Dafs  das  nicht  eingetreten  ist, 
erweist  als  Grundformen  von  ante  und  aime  in  letzter  Instanz 
ämita  aber  cimat.  An  Hand  der  germanischen  Wörter  ist  §  225, 
S.  199  der  Wandel  von  a  zu  ä  etwa  ins  VIII.  Jahrhundert  ge- 
setzt worden.  In  diese  Zeit  fällt  wohl  auch  ei  und  ou  aus  e  und  o. 
Alter  können  die  Diphthonge  nicht  wohl  sein,  da  ei  sehr  rasch  zu  ei,  ai 
vorgerückt  und  so  dem  germanischen  ai  ähnlich  geworden  ist.  Dieses 
aber  wird  im  Französischen  durch  a  wiedergegeben  (§  18,  S.  36), 
es  mufs  also  in  der  Zeit  vom  V.  bis  VIII.  Jahrhundert  das 
Französische  entweder  noch  ci  oder  schon  oi  gesprochen  haben. 
Von  diesen  zwei  Möglichkeiten  aber  wird  man  die  erstere  vor- 
ziehen. Jünger  als  die  Ausbildung  des  betonten  Vokalismus 
sind    die  Auslautgesetze:    afr.    ameiz    setzt    *ametiis   voraus,    und 


§   644,   645.  Das  Alter  von  E  aus  A.  531 

wenn  man,  da  amet,  amede  daneben  stehen,  auf  dieses  Beispiel 
kein  Gewicht  legen  wollte ,  so  ist  lez  aus  latus ,  sodann  flir  ei 
meins  aus  mirnis  entscheidend.  Wenn  also  ä,  ei,  ou  ungefähr  in 
die  gleiche  Zeit  fallen  und  aus  demselben  Prinzipe,  demjenigen 
der  Dehnung,  sich  erklären,  so  fragt  sich,  weshalb  ei,  ou  ein 
viel  weiteres  Gebiet  begreife.  Die  Antwort  auf  diese  Frage 
läfst  sich  nicht  mit  absoluter,  aber  doch  mit  ziemlicher  Sicher- 
heit geben.  Das  ei-Gebiet  ist  auch  das  Me-Gebiet.  Nun  ist 
§  267  gezeigt,  dafs  als  Bedingung  für  kie  eine  Stufe  M,  nicht 
Äa,  nötig  ist.  Während  nun  das  ä  in  Nordfrankreich  sich  zu  p 
weiter  entwickelte,  ist  es  im  Südosten  aus  irgendwelchem  Grunde 
wieder  zu  a  geworden ,  wogegen  Me  bleibt.  Jenseits  der  Alpen 
wird  fürs  Monferrinische  der  einstige  Zustand  noch  durch  S.  Fra- 
tello  klar  dargelegt,  sonst  aber  hat  im  Piemontesischen  die  lom- 
bardische Behandlung  von  a  und  ca  vollständig  den  Sieg  davon- 
getragen, wogegen  ei,  ou  nicht  nur  sich  gehalten  haben,  sondern 
einerseits  über  den  ligurischen  Apennin  ins  Genuesische,  anderer- 
seits längs  der  alten  Via  Aemilia  tief  ins  Emilianische  ge- 
drungen sind. 

645.  Es  fragt  sich  nun  weiter,  ob  in  den  anderen  Gegen- 
den, Avo  ä  aus  a  erscheint,  die  Bedingungen  dieselben  seien  wie 
in  Nordfrankreich.  Wir  finden  ä,  ei,  ou,  hie  im  Eäti scheu, 
s.  §  227,  77,  125,  263.  Allein  schon  der  Wandel  von  a  zu  ä 
zeigt  Abweichungen.  Dafs  er  vor  n  unterbleibt  §  242  und  dafs 
er  auch  vor  c  auftritt  §  227,  ist  nicht  von  Belang.  Wohl  aber, 
dafs  e  auch  in  Proparoxytonis  erscheint:  vgl.  -edi  =  -aticus, 
es  =  acidits,  esan  =  asinus  u.  s.  w.,  und  dafs  er  jünger  ist  als 
der  Ausfall  des  t:  aus,  os  aus  aftjus,  und  als  das  vokalische  Aus- 
lautgesetz: frars,  Plur.  zu  frer.  Sodann  ist  das  geographische 
Verhältnis  des  e-Gebietes  zum  d-Gebiet  hier  ein  ganz  anderes, 
sofern  jenes  ein  verhältnismäfsig  noch  viel  kleineres  ist  als  in 
Frankreich.  Auf  eine  helle  Aussprache  des  a  im  ganzen  rätischen 
Gebiete  läfst  höchstens  die  Palatalisierung  des  k  schliefsen,  es 
ist  aber  nicht  einmal  die  Stufe  ä  überall  eingetreten,  da  kie  noch 
enger  begrenzt  ist  als  e.  Es  scheint  daher  die  Sache  hier  viel- 
mehr so  zu  liegen.  In  einer  den  Auslaut-  und  Synkopierungs- 
gesetzen  folgenden  Periode  ist  im  Engadinischen  und   im  Mittel- 

34* 


532  V-  Kapitel:  Zur  Chronologie  des  Lautwandels.  8   645. 

rätischen  freies  a  in  Paroxytonis  zu  ä,  e  geworden.  In  einzelnen 
Gegenden  MittelbUndens  und  des  Tessins  hat  ferner  der  Über- 
gang von  lia  zu  Me  stattgefunden  ohne  Rücksicht  auf  die  Zahl 
der  folgenden  Laute  und  erst  in  sehr  junger  Zeit,  wie  z.  B. 
pyega  =  plaga  zeigt.  Davon  ganz  unabhängig  ist  der  dem  ganzen 
Gebiete  angehörige  Wandel  von  e  zu  e«,  der  vor  dem  Eintritt 
des  Auslautgesetzes  eingetreten  ist,  wie  meins  aus  minus  beweist 
und  auch  Proparoxytona  ergriffen  hat:  reisen  aus  ricinus.  —  Was 
sodann  das  emilianische  ä  betrifft,  so  steht  ihm  weder  ei  noch 
Tcie  zur  Seite.  Es  tritt  in  drittletzter  Silbe  auf,  obschon  synko- 
piert wird:  esna,  ist  also  älter  als  das  Synkopierungsgesetz, 
unterbleibt  aber  vor  erst  italienischer  Doppelkonsonanz :  -asna  = 
-aggine ,  labar  =  läbbro ,  setzt  i  zwischen  s  und  m  voraus :  fan- 
tesma  aus  fantasima  (§  387),  vgl.  dagegen  frz.  levre  und  hläme. 
Zu  erwähnen  ist  noch  mei  aus  magis ,  ital.  mai.  Das  emi- 
lianische e  setzt  also  schon  im  ganzen  die  italienische  Aus- 
bildung des  Konsonantismus  voraus.  —  Anhaltspunkte  zur  Alters- 
bestimmung des  e  in  den  Abruzzen  fehlen,  doch  scheint  es  die 
Apokope  des  -re  im  Infinitiv  vorauszusetzen,  s.  §  228,  also  relativ 
jung  zu  sein. 

Ascoli,  Arch.  Glott.  II,  445  nennt  e  aus  a  „l'acu- 
tissima  fra  le  spie  celtiche"  und  ßiv.  fil.  class.  X,  34 
vergleicht  er  akymr.  au,  körn.,  bret.  e  aus  urkelt.  ä. 
Die  Diphthongierung  des  keltischen  ä  läfst  sich  ins 
VII.  bis  VIII.  Jahrhundert  zurück  verfolgen,  ältere  Namen 
auf  Inschriften  bewahren  dagegen  a.  Dieses  au  nun 
hat  sich  im  Bretonisch  -  Komischen  weiter  durch  Dissi- 
milation der  beiden  Bestandteile  zu  äu,  eu ,  dann  mit 
Verlust  des  u  zu  e  entwickelt.  Die  Übereinstimmung 
mit  dem  Romanischen  scheint  daher  eine  wenig  grofse 
zu  sein.  Gemeinsam  beiden  Zweigen  ist,  dafs  nur  ä, 
nicht  a,  sich  verändert,  allein  das  liegt  wohl  in  der 
Natur  der  Sache,  da  die  Änderung  in  einer  Art  Diphthon- 
gierung, nicht  wie  bei  dem  lothringischen  e  aus  ä  (§  258) 
in  Reduktion  des  ursprünglichen  Vokals  besteht.  Weiter 
geht  aber  der  Zusammenhang  nicht,  daher  keinesfalls  an 
Lautsubstitution,  höchstens  an  eine  latente  N.eigung  zu 
denken  ist.  —  Auch  ei  aus  e  und  ou  aus  ö  hält  Ascoli 
für  keltisch,  und  es  ist  die  Möglichkeit  zuzugeben,  dafs 
schon  im  Altgallischen  e  und  ö  mit  zweigipfliger  Be- 
tonung gesprochen  worden  sind.  Diese  Betonung  ist  an 
langen,  nicht  an  geschlossenen  Vokal  geknüpft :  so  könnte 


§   645,   646.  Das  Alter  von  Ü.  533 

vulglat.  hahSre  im  gallischen  Munde  zu  avcere  geworden 
sein,  nicht  aber  sete  zu  seete.  Da  nun  die  quantitative 
Gleichstellung  a'ou  sete  und  avere  kaum  vor  das  VI.  Jahr- 
hundert s.  §  636  fällt,  das  Gallische  aber  schon  im 
V.  Jahrhundert  in  Gallien  soviel  wie  ausgestorben  war, 
so  scheint  ein  direkter  Einflufs  ausijeschlossen. 


646.  Sehr  schwierig  ist  es,  Anhaltspunkte  filr  das  Alter 
des  ü  zu  gewinnen.  Zu  dem  §  47  ff,  und  §  261  Bemerkten  ist 
wenig  hinzuzuftigen.  Man  wird  kaum  fehlgehen  mit  der  Annahme, 
dafs  ü  von  verschiedenen  Zentren  ausgehend  erst  allmählich  den 
Umfang  erlang-t  hat,  den  es  jetzt  besitzt.  Daftir,  dafs  im  Mon- 
ferrinischen  u  bis  gegen  das  Jahr  1000  gesprochen  wurde,  lassen 
sich  die  daher  ausgewanderten  Kolonieen  in  Sizilien,  sowie  das 
monferr.  i  aus  M  anführen,  sofern  nämlich  in  diesem  i  nicht  eine 
allmähliche  Umgestaltung  des  ü  zu  sehen  ist,  sondern  eine  Art 
Lautsubstitution:  das  piem.-lomb.  ü  wird  von  den  Monferrinen, 
die  es  von  Hause  aus  nicht  kennen,  durch  i  wieder  gegeben. 
Das  ü  ist  im  Lombardischen  jünger  als  der  Umlaut  des  o  §  127, 
denn  dafs  das  amail.  -vs  =  -osi  als  -üs  zu  lesen  ist,  zeigt  das 
heutige  du,  vü  und  die  Doppelformen  gropp  und  grüpp,  poi  und 
jJüi.  Direkten  Übergang  von  o  zu  ü  kann  man  kaum  annehmen, 
da  der  Umlaut  von  o  im  besten  Falle  oe  sein  k«>nnte.  Also  zur 
Zeit,  da  o-i  zu  u-i  wurde,  konnte  u  noch  zu  ü  werden.  Wiederum 
aber  ist  der  Umlaut  noch  eingetreten,  als  -s  in  Italien  verstummte: 
noi  wird  über  nui  zu  fiü.  —  Nach  Stidostfrankreich  scheint  u  eben- 
falls erst  allmählich  unter  dem  Einflufs  des  Pi'ovenzalischen  und 
Nordfranzösischen  gedrungen  zu  sein,  ohne  aber  das  obere  Wallis 
zu  erreichen.  Die  Ausbreitung  mufs  in  eine  Zeit  fallen,  da  voi 
schon  zu  uei  geworden  war,  s.  §  192.  Auch  on  aus  un  setzt  u, 
nicht  ü  voraus,  da  ein  Übergang  von  wi  zu  on  oder  ö  ganz 
undenkbar  ist.  —  Endlich  dürfte  das  Katalanisch-Gaskognische 
ursprünglich  dem  M- Gebiete  abzusprechen  sein,  einmal  wegen  der 
Entwicklung  von  QU  §  193,  sodann  wegen  des  Fortbestehens  von 
u  im  Katalanischen  und  wegen  gaskognischen  Formen  wie  ünglo 
§  136,  die  zeigen,  dafs  sekundäres  u  zu  ü  wird.  —  Was  endlich 
das  rätische  ü  betrifft,  so  ist  zu  §  52  noch  folgende  Erwägung 
hinzuzufügen.  Die  Übcninstimmung  zwischen  Friaulisch  und 
Bündisch    ist    in    vielen    Punkten    so    wesentlich,    dafs  die  Ver- 


534  V.  Kapitel:  Zur  Chronologie  des  Lautwandels.      §   646     647. 

schiedenheit  gerade  hierin  auffällt.  Da  es  nicht  ersichtlich  ist, 
wie  das  Friaulische  ü  hätte  aufgeben  können,  so  bleibt  die  andere 
Annahme,  dafs  ü  im  Westen  aus  dem  Lombardischen  eingedrungen 
sei  zu  einer  Zeit,  da  der  Zusammenhang  mit  dem  Osten  schon 
gelockert  war.  Auch  zu  einer  Zeit,  da  tonloses  u  schon  |t  nicht 
u  war,  und  also  blieb,  vgl.  §  364. 

G.  Grobe  r  bei  Koschwitz,  Überlieferung  und  Sprache 
S.  36,  G.  Paris,  Eom.  VIII,  130  und  Ascoli,  Eiv. 
fil.  class.  X,  19  ff.  halten  ü  für  keltischen  Ursprungs. 
Ebenso  Schuchardt,  Slawodeutsches  S.  126,  während 
er  S.  5  sich  ablehnend  verhielt.  Auch  Gröber  scheint 
später  schwankend  geworden  zu  sein,  vgl.  Ztschr.  11,  139 
Anm.,  und  G.  Paris  ist  ganz  davon  zurückgekommen. 
Entschieden  dagegen  spricht  sich  Thurneysen  aus 
Keltoromanisches  10  ff.,  namentlich  bringt  er  gewichtige 
Argumente  gegen  das  hohe  Alter  des  ü  im  Keltischen. 
Die  Hauptstütze  für  die  Keltenhypothese,  die  geogra- 
phische Übereinstimmung  zwischen  heutigem  ü  und  kelto- 
romanischer  Bevölkerung  fällt  nach  den  obigen  Aus- 
führungen. 

647.  Die  Verschiebung  der  tonlose  n  Verse  hlufs - 
laute,  das  Synkopier ungsgesetz  und  das  vokalische 
Auslautgesetz  stehen  in  so  engem  Zusammenhange  mit  ein- 
ander, dafs  sie  am  besten  gemeinsam  behandelt  werden.  Die 
Synkope  hat  in  Nordfrankreich  ihren  Anfang  genommen  bei  aus- 
lautend a :  covlCj  genauer  Tcqia  aus  cuhita,  natJca  aus  natica.  Dann 
folgt  im  VI.  Jahrhundert  die  Erweichung  der  tonlosen  Verschlufs- 
laute,  vgl.  ags.  Jaedcn,  das  erst  um  diese  Zeit  aufgenommen  worden 
ist,  aber  schon  ladinus  verlangt.  So  wird  also  auch  ciihitu  zu 
Icovedu,  Caput  zu  IcavK,  dagegen  bleibt  c'  noch:  pulece,  ebenso  ist 
d  noch  Verschlufslaut :  fede.  Hierauf  fallen  die  Auslautvokale  in 
Paroxytonis :  Idcf,  feit,  endlich  tritt  die  Synkope  ein:  Jcvde, 
pulse,  woraus  nfr.  puce.  Erst  etwas  später,  als  d  schon  d  war, 
verbreitete  sich  das  vokalische  Auslautgesetz  nach  dem  Westen 
und  dem  Süden,  aus  fede  entsteht  im  Norm,  fei,  §  557,  im 
Provenz.  fe,  im  Katal.  feu,  ferner  wird  aimet  im  Afr.  zu  aint,  im 
Provenzalischen  aber  über  amed,  ame  zu  am.  Ebenso  dringt  das 
Synkopierungsgesetz  erst  nach  dem  Süden,  als  die  tonlosen  Laute 
schon  tönend  waren,  s.  §  332.  —  Im  Eätischen  liegen  die  Sachen 
ganz  anders,   sofern  nämlich  hier  die  Synkope  nach  der  Erweichung 


§    647,   648.  Synkope  und  Auslaiitgesetze.  535 

der  tonlosen,  das  Auslautgesetz  nadi  der  Synkope  eintritt, 
s.  §  315  und  334.  Ob  die  Synkope  in  Spanien  und  Oberitalien 
in  einem  Zusammenhang  steht  mit  der  Französisch-Provenzalischen, 
ist  zweifelhaft.  Sie  ist  zunächst  bei  -a,  aber  auch  hier  erst  nach 
der  Erw^eichung  der  Tonlosen  eingetreten,  s.  §  338.  Da  das 
Portugiesische  sich  hierin  nicht  unwesentlich  vom  Spanischen 
scheidet,    so  mufs  der  Mittelvokal  ziemlich  lange  geblieben  sein. 

648.  Zur  Geschichte  der  Gutturalen.  Die  Pala- 
talisierung  des  c  vor  a  verbindet  wiederum  Eätien  mit  Gallien, 
sie  wird  auch  fürs  Monferrinische  bewiesen  durch  S.  Fratello, 
vgl.  §  409  und  264.  Im  Rätischen  und  in  S.  Fratello  ist  sie 
ursprünglich  an  betonten  Vokal  geknüpft  und  dringt  erst  infolge 
des  Ausgleiches  zwischen  betonten  und  unbetonten  Formen  auch 
in  tonlose  Silben.  Ferner  durchbricht  sie  bei  ihrem  Vordringen 
nach  Osten  die  ursprünglichen  Bedingungen,  so  dafs  sie  nur  im 
Engadinischen,  in  Tirol  und  in  Frianl  bedingungslos  eintritt. 
In  Xordfrankreich  dagegen  scheint  h'  ursprünglich  durch  den 
Wandel  von  a  zu  ä  bedingt  gewesen  zu  sein,  wie  pik.  fc'e/"  neben 
kä  S.  335  zeigt.  Zunächst  erscheint  k'  dann  auch  vor  tonlosem 
a  in  zweisilbigen  Wörtern,  man  flektiert  k'eve,  Ti'aver,  bildet  zu 
k'är  das  Verbum  k'arir  statt  kaver,  karir,  und  spricht  nun  auch 
k'aval  statt  kavcd,  s.  §  361.  Diese  Wandelung  macht  das  Pikar- 
dische noch  mit,  nur  bleibt  es  auf  der  Stufe  k'eval  stehen  und 
kehrt  später  wieder  zu  kcval  zurück.  Im  Reste  Frankreichs, 
sowie  in  einem  Teile  des  Provenzalischen  und  im  ganzen  Süd- 
osten dagegen  ist  auch  c  vor  dem  erhaltenen  «  palatal  geworden. 
Der  Ausgangspunkt  dieser,  den  hohen  Norden  nicht  mehr 
erreichenden  Bewegung  ist  vielleicht  im  Südosten  zu  suchen. 
Die  Bedingung  für  den  Wandel  von  k  zu  k'  ist  palatales  a. 
Nun  ist  §  644  Avahrscheinlich  gemacht,  dafs  im  Südosten  das 
a,  0,  sofern  es  französischem  e  entspricht,  aus  ä  rückgebildet  ist. 
Es  liegt  nun  nichts  im  Wege,  anzunehmen,  dafs  jedes  a  aus 
diesem  älteren  ä  entstanden  sei,  dafs  mit  anderen  Worten  im 
Südosten  in  einer  ursprünglichen  Periode  a  palatal  gewesen  sei 
und  k'  nach  sich  gezogen  habe.  Dieses  k'a  drang  dann  nach 
dem  Norden  und  Westen  vor  in  Gegenden,  wo  gedecktes  a  nicht 
palatal  war,    iind  traf  da  zusammen    mit  dem  A',    da:^    vor  ä  aus 


536  V-  Kapitel:  Zur  Chronologie  des  Lautwandels.     S   648     649. 

freiem  a  entstanden  war.  Unterdessen  aber  wurde  im  Südosten 
das  palatale  gedeckte  ä  wieder  zu  velarem  a,  was  gleichzeitig 
den  Wandel  von  k'a  zu  tsa  mit  sich  brachte,  s.  §  412.  —  In 
welche  Zeit  diese  Vorgänge  MleTi,  ist  schwer  zu  sagen.  Da  ä 
aus  a  dem  VII.  Jahrhundert  angehört,  so  kann  Ti'ä  nicht  älter 
sein,  und  da  wiederum  h'ä  dem  Pikardischen  eignet,  k'a  nicht, 
seit  dem  VIII.  Jahrhundert  aber  die  Pikardie  mit  dem  Zentrum 
so  eng  verknüpft  war,  dafs  sie  die  nämliche  Lautentwicklung 
mitmachte,  so  würde  li  eher  dem  Ende  des  VII.  Jahr- 
hunderts angehören.  Für  dieselbe  Zeit  spricht  auch  die  Be- 
handlung von  inlautend  ca.  Sofern  nicht  besondere  Faktoren 
einwirken,  Avird  ca  über  ga  zu  ya,  s.  §  438.  Zur  Zeit,  da  pacare 
schon  pagare  oder  payare,  dagegen  cajmt  noch  Jca2ni  lautete, 
wurden  vocare,  praedicare  und  impedicare  in  die  Sprache  auf- 
genommen, woraus  dann  afr.  vochier ,  predechier,  empedechier  wie 
cliamp.  Praedicare  gehört  im  Germanischen  dem  IX.  Jahrhundert 
an  und  dürfte  auch  im  Romanischen  wenig  älter  sein. 

649.  Nachdem  so  das  relative  Alter  der  wichtigsten  Laut- 
veränderungen festgestellt  worden  ist,  mag  noch  kurz  untersucht 
werden,  inwieweit  sich  ein  Einflufs  des  Lautsystems  der  vor- 
römischen Völker  auf  die  Entwicklung  des  Romanischen  nach- 
weisen lasse.  Diese  Untersuchung  wird  allerdings  sehr  erschwert 
dadurch,  dafs  uns  diese  Sprachen  nur  in  sehr  bruchstückartiger 
Gestalt  überliefert  sind.  Am  besten  kennen  wir  noch  das 
0  s  k  i  s  c  h  -  U  m  b  r  i  s  c  h  e ,  und  da  treten  uns  denn  eine  Reihe 
Avichtiger  Übereinstimmungen  entgegen.  Das  nn,  das  in  ganz 
Mittel-  und  Süditalien  erscheint  und  auch  das  alte  Latium  und 
sogar  Rom  ergriffen  hat  oder  hatte  (s.  §  497),  darf  wohl  mit 
Sicherheit  in  direkten  Zusammenhang  mit  dem  sabellischeu  im, 
osk.  wpsanna  =  lat.  operanda^  gebracht  werden.  Ml)  bleibt  be- 
wahrt, vgl.  osk.  Jcumhened,  umbr.  amboUu,  es  entspräche  also  der 
südkalabresische  Zustand  dem  ursprünglichen ,  wogegen  der 
neapolitanisch-zentralitalienische  mit  mm  aus  nib  erst  das  Resultat 
einer  späteren  EntAvicklung  Aväre.  Dem  d  zwischen  Vokalen  ent- 
spricht im  Umbrischon  ein  Laut  der  durch  rs ,  im  Faliskischen 
durch  d  Aviedergegeben  Avird,  entsprechend  finden  Avir  auch  heute 
teils  d,  teils  r.     Auch  die  Verschiebung  der  tonlosen  Verschlufs- 


§   649,    650.  Sabellische  Einflüsse.  537 

laute  nach  Nasalen  §  498  kann  sehr  wohl  auf  sabellischer  Laut- 
neigung beruhen,  vgl.  umbr.  iuenga  =  juvenca,  praevcndv,  ander, 
wenn  auch  ihr  Auftreten  im  Albanesisehen  (wo  nd  zu  nn  wird) 
und  im  Neugriechischen  auftällig  bleibt.  Endlich  dem  osk. 
kenssur  vergleicht  sich  §  500.  Kein  Gewicht  ist  auf  die  umbrische 
Behandlung  der  Palatalen  zu  legen.  Da  dem  -dhto,  feito  in  den 
heutigen  Mundarten  nichts  entspricht,  so  wird  auch  zwischen 
umbr.  fasa  und  heutigem  fadda  kein  direkter  Zusammenhang  be- 
stehen. Umbrisch  destra  aus  decctra  ist  auch  Vulgärlateinisch 
§  408,  und  wenn  fllrs  Sabellische  die  Assimilation  von  x  und  ps 
zu  S  schon  für  190 — 180  v.  Chr.  bezeugt  ist,  so  kann  heutiges 
SS  siVLS  pSj  X  zwar  damit  zusammenhängen,  mufs  es  aber  nicht. 
Ob  der  Abfall  der  auslautenden  Konsonanten,  der  zunächst  dem 
eigentlichen  Italien  eignet,  später  auch  über  den  Apennin  greift, 
vom  Umbrischen  ausgeht,  ist  eine  Frage,  die  mehr  die  Geschichte 
des  Viilgärlateius  betrifft,  da  es  sich  bei  ihr  nicht  um  Laut- 
substitution handelt.  —  Im  Vokalismus  ist  der  sabellische  Einflufs 
gering.  Den  Qualitätsunterschied  zwischen  e  mid  e  finden  wir 
streng  durchgeführt,  wir  finden  auch  i  als  Zeichen  flir  e,  ohne 
dafs  jedoch  daraus  eine  Aussprache  i  notwendig  sich  ergäbe:  es 
gilt  davon  dasselbe,  wie  von  dem  i  der  Strafsburgereide  §  72.  — 
Die  Endung  -ius  wird  zu  ?s,  woran  einigermafsen  vckyi,  Jcaväly 
in  Alatri  erinnert,  doch  kann  die  Übereinstimmung  zufällig  sein. 
Auch  die  Tilgung  des  o  im  Nominativ:  osk.  hurts  ist  kaum  in 
direkten  Zusammenhang  mit  dem  Fall  der  tonlosen  Vokale  im 
Suditalienischen  zu  bringen. 

650.  Das  altgallische  Lautsystem  ist  uns  weit  weniger 
bekannt  als  das  sabellische.  So  viel  scheint  sicher,  dafs  schon 
vor  der  Romanisierung  das  alte  et  zu  Kt  geworden  war,  so  dafs 
man  mit  ziemlich  grofser  Wahrscheinlichkeit  das  romanische  M 
§  459  direkt  damit  zusammenbringen  kann.  Vom  Keltischen 
abweichend  behandelt  das  Romanische  x  wie  et  §  463.  Die 
römisch  lernenden  Kelten  scheinen  kein  x  mehr  besessen,  sondern 
dafür  schon  ss  gesprochen  zu  haben,  sie  ersetzen  daher  lat.  x  durch 
Ks,  weil  sie  einen  Verschlufslaut  unmittelbar  vor  einem  anderen 
Konsonanten  nicht  sprechen  konnten,  —  Auch  ein  S  besafsen  sie 
damals  nicht  mehr,  sondern  nur  einerseits  i,  andererseits  ei,  das 


538  V.  Kapitel:   Zur  Chronologie  des  Lautwandels.  §   650. 

sich  Aveiter  zu  oi  oder  zu  m  entwickelte.  Daraus  romanisch  ei 
§  71  ff.  zu  erklären  ist  aber  nach  §  645  mehr  als  geAvagt.  Für 
intervokalisches  d  finden  wir  auf  den  Inschriften  d,  ds,  sd,  ss,  s, 
worin  man  d  oder  z  zu  sehen  hat.  Das  prov.  2  könnte  daher 
stammen,  doch  bleibt  auffällig,  dafs  die  anderen  Keltoromanen 
keine  Spur  davon  zeigen.  Nur  dialektisch  ist  nn  aus  vid,  Colu- 
mella  erwähnt  arepennis,  wofür  die  gemeingallische  Form  arependis 
wäre.  Darf  daraus  geschlossen  werden,  dafs  speziell  in  Süd- 
frankreich utid  Spanien  keltisches  nd  zu  nn  wurde,  so  kann 
damit  gaskognisch  -  katalanisches  nn  §  497  zusammenhängen. 
Endlich  mufs  noch  erwähnt  Averden,  dafs  die  Nasalvokale  sich 
blofs  in  den  einst  von  Kelten  bewohnten  Crebieten  finden  und 
dafs,  wie  es  scheint,  hier  das  geographische  Zusammentreffen  ein 
sichereres  ist,  als  bei  ü.  Es  ist  daher  wohl  denkbar,  dafs  wenig- 
stens in  ihren  Anfängen  die  Nasalierungen  auf  keltischer 
Grundlage  ruhen.  Zwischen  urkeltisch  kentom  und  altirisch  l'et 
liegt  kct,  das  vielleicht  schon  in  der  gallischen  Zeit  be- 
standen hat.  Dafs  aber  nicht  die  Nasalität  in  ihrem  ganzen 
Umfange  keltisch  ist,  geht  aus  §  391  mit  Sicherheit  hervor.  — 
Endlich  bleibt  noch  eines  übrig.  Die  §  644  behandelten  Er- 
scheinungen gehen  alle  zusammen  darauf  zurück,  dafs  zu  einer 
gCAvissen  Zeit  der  französische  Accent  ein  sehr  starker,  expira- 
torischer war.  Die  Entwicklung  des  Irischen  erweist  dasselbe 
für  eine  ältere  keltische  Periode,  mit  dem  Unterschiede  jedoch, 
dafs  im  Keltischen  die  erste  Silbe  den  Ton  empfing.  Die 
Übereinstimmung  ist  eine  auffallende ,  so  dafs  man  sich  sclnver 
entschliefst,  an  Zufall  zu  glauben.  Aber  wieder  beweist  §  606 
mit  Sicherheit,  dafs  in  der  gallo-römischen  Periode  die  Betonung 
der  ersten  Silbe  noch  unbekannt  war.  Es  kann  also  die  Über- 
einstimmung zwischen  Irisch  und  Französisch  höchstens  in  einer 
in  romanischer  Zeit  noch  latenten,  erst  sjjäter  zum  Ausdruck 
kommenden  Neigung  ihren  Grund  haben. 

Die  eifrigsten  Verteidiger  keltischer  Einflüsse  im 
Romanischen  undAscoli,  Riv.  fil.  class.  X,  23  ff.,  Arch. 
Glott.  X,  31ff.,  260,  272  und  H.  Schuchardt,  Ztschr. 
IV,  140 — 154.  Einzelne  Aufstellungen  sind  in  den  An- 
merkungen zu  §  645  und  646  berührt.  Zu  Kritik  oder 
Widerlegung  im  einzelnen  ist  hier  nicht  der  Ort.  Im 
ganzen    ablehnend     verhält     sich     auch     vom     keltischen 


§   650 — 652.  Keltische  und  griechische  Einflüsse.  539 

Standpunkte    nun    K.  T  h  u  r  n  e  y  s  e  n ,    Keltorom.  7 — 15. 
Ihm  sind  die  Bemerkungen  über  lit  und  nn  entnommen. 

651.  Weit  weniger  leicht  ist  es,  griechische  Spuren  im 
Sizilianischen  oder  etruskische  im  Toskanischen  nachzuweisen. 
Da  zur  Zeit  der  Eomanisierung  die  Griechen  Siziliens  e  =  e 
und  i  =  ri  besafsen,  so  ist  es  möglich,  dafs  sie  das  römische  e 
durch  ihr  i  wiedergaben,  vgl.  §  69;  der  geringe  Unterschied 
zwischen  betonter  und  tonloser  Silbe ,  der  die  Bewahrung  des 
Auslautes  und  überhaupt  der  tonlosen  Vokale  und  den  Mangel 
der  Diphthonge  auch  von  ^  und  Q  in  gewöhnlicher  Rede  be- 
gründet und  das  Sizilianische  scharf  vom  Neapolitanischen 
scheidet,  findet  im  Griechischen  seine  Entsprechung  und  vielleicht 
seine  Begründung,  auch  das  siz.  r  aus  d  kann  ans  griechische  (), 
gesprochen  (f,  anknüpfen.  Sodann  würde  sich  fragen,  ob  nicht 
in  dem  Sizilianisch-Süditalienischen  v  für  h  §  416  griechischer 
Einflufs  vorliege,  verstärkt  durch  eine  Lautumsetzung  im  Oskischen. 
Das  Oskische  nämlich  stellt  demjenigen  lateinischen  v,  das  aus  g 
entstanden  ist,  h  gegenüber,  sagt  also  z.  B.  heni  für  lat.  veni. 
So  mochten  die  lateinisch  lernenden  Osker  allmählich  an  Stelle 
ihi-es  &  ein  v  sprechen  auch  in  solchen  Fällen,  wo  das  Lateinische 
selber  &  geboten  hatte.  Man  beachte,  dafs  die  Zahl  der  mit  & 
anlautenden  "Wörter  eine  sehr  geringe  ist.  —  Und  was  das  Tos- 
kanische  anbetrift't,  so  liegt  es  nahe,  die  Aussprache  U  fiir  an- 
lautend c  daraus  zu  erklären,  dafs  die  Etrusker  eine  grofse 
Vorliebe  für  die  Aspiraten  hatten,  allein  es  ist  gerade  der  Über- 
gang von  c  zu  h  im  Etruskischen  nicht  gesichert. 

Zu    toskanisch     U     vgl.    H.    Schuchardt,     Slawo- 
Deutsches,  S.  12. 

652.  Wenden  Avir  uns  endlich  der  iberischen  Halbinsel 
zu,  so  kann  man  sich  fragen,  ob  f  aus  h  und  der  Laut  U  allen- 
falls baskischen  Ursprungs  seien.  Auch  hier  ist  die  Antwort 
eine  negative.  Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dafs  kasti- 
lianisches  fuerte  einen  ursprünglicheren  Ziistand  aufweist  als 
astur.  Kuertßy  und  da  sonach  (s.  §  408)  der  Wandel  von  f  in  h 
an  den  Ton  geknüpft  ist,  so  ist  die  Annahme  einer  Lautsub- 
stitution ausgeschlossen.  Aus  Spanien  dringt  h  ins  Gaskognische 
zu  einer  Zeit,    da  f  und  '^oi-ß-rok    gch^n    gleich    geworden    waren. 


540  "^-  Kapitel:  Zur  Chronologie  des  Lautwandels.      §   652     653. 

Die  lautliche  Analogie  geht  hier  so  weit,  dafs  auch  fr,  fl  zu  (h)r, 
(h)l  werden.  —  Etwas  eingehendere  Besprechung  verdient  K,  das 
aus  li,  «/,  dl,  sti,  x,  frz.  z  entstanden  ist,  vgl.  hijo ,  jamas,  ojo, 
congoja,  dije,  jardin.  In  früherer  Zeit  Avaren  diese  verschiedenen 
Laute  in  zwei  Klassen  geschieden:  das  K  der  vier  ersten  Fälle, 
das  kurzweg  als  y  bezeichnet  werden  darf,  geben  die  Aljamiados 
z.  B.  Jose  wie  das  span.  ch  durch  das  arabische  ^g  wieder,  das 
andere,  das  auf  s  beruht,  durch  s.  Der  Übergang  von  s  zu  K 
ist  leicht  erklärlich,  er  beruht  auf  einer  Senkung  der  Zungen- 
spitze, wodurch  die  dentale  Enge  gelöst  wird.  In  Ji  aus  y  könnte 
man  in  Übereinstimmung  mit  dem  §  441  Beobachteten  tonlosen 
Reibelaut  an  Stelle  des  tönenden  sehen,  stünde  nicht  die 
Schreibung  der  Aljamiados  im  Wege,  der  zufolge  man  vielmehr 
die  Reihe  ly,  y,  g,  z,  z,  s  und  nun  Avieder  li  bekommt.  Die 
heutige  Aussprache  der  beiden  Laute  wird  erst  von  Velasco  1582 
bezeugt :  es  handelt  sich  also  um  einen  ganz  jungen  Laut. 
Zu  K  aus  S  vgl.  Schuchardt,   Ztschr.  V,   315. 

653.  Wenn  so  beim  heutigen  Stande  der  Forschung  nur 
geringer  Ei'iflufs  der  vorrömischen  Völkerschaften  auf  das  roma- 
nische Lautsystem  nachgewiesen  werden  kann,  so  ist  der- 
jenige der  Germanen,  Araber  und  Slawen  ein  noch  unbedeuten- 
derer. Das  Arabische  ist  überhaupt  wirkungslos  geblieben, 
ebenso  das  Slawische,  von  dem  S.  11  Bemerkten  abgesehen,  das 
Germanische  hat  zwei  neue  Laute  gebracht :  das  li  und  das  w. 
Aber  diese  beiden  Laute  kommen,  mit  verschwindend  geringen 
Ausnahmen,  s.  §  416 ,  nur  in  Wörtern  germanischer  Herkunft 
vor  und  nur  da,  wo  der  Prozentsatz  der  Germanen  ein  sehr 
grofser  war,  s.  S.  37,  38.  Wohl  kennt  das  Lothringische  auch  den 
Laut  K  und  zAvar  aus  s,  s.  §  511.  Dieses  K  steht  neben  s,  so  zwar, 
dafs  s  sich  südlich  vom  welschen  Beleben  findet,  sodann  an  der 
Ost-  und  Westgrenze  des  lothringischen  Sprachgebietes,  während 
im  Norden  lothr.  K  an  wallonisches  anknüpft.  Das  s  scheint 
zunächst  auf  dem  ganzen  Gebiete  zu  K  geworden  zu  sein,  was 
in  den  Predigten  Bernhards  durch  x  wiedergegeben  wird :  graixe 
108,  naixre  67.  Tritt  s  mit  c  zusammen,  Avie  in  mvsca,  so  wird 
es  ebenfalls  zu  s:  musca,  dann  aber  tritt  abAveichend  von  dem 
§  468  beobachteten,  s,  Ji  ein:    moli.     Da    c'a   allein    nicht  zu  K, 


I    653.  Spanisch,  lothringisch  h.  541 

sondern  nur  zu  J,  ä  wird,  so  darf  man  wohl  annehmen,  dafs 
schon  auf  der  Stufe  Sc  der  Wandel  von  s  zu  U  stattgefunden 
habe.  Jedenfalls  ist  danach  das  ä  der  Grenzdialekte  nicht  älter 
als  Ky  sondern  entweder  sind  beide  aus  s  oder  S  aus  K  entstanden. 
Der  Übei-gang  von  S  zu  K  aber  erklärt  sich  wie  im  Spanischen, 
das  lothringische  1i  ist  also  vom  germanischen  völlig  unabhängig. 

Vgl.  Horning,  S.  81—84  und  Eev.  Pat.  I,  256, 
gegen  die  an  letzter  Stelle  vertretene  Annahme  ger- 
manischen Einflusses  spricht  sich  auch  Gilli^ron,  Rev. 
Pat.  I,  258  aus. 


Sachverzeichnis. 


Accent  489 — 501,  alüca  141, 
exsücus  459,  uptipa  141;  in 
Buchwörtern. 2 5,  497;  in  ger- 
manischen Wörtern  40;  in 
griechischen  30,   34. 

Analogiebildung. 

a)  in  Substantiven :  afr.  de 
233,  vulglat,  fulger  449,  lim. 
ma  213,  afr.  muef  4:70,  span. 
nuez  138,  rum.  nuntä  428, 
frz.  soif  470. 

b)  in  Verben:  ital.  amano 
465,  afr.  amat  469,  span. 
cuelga,  cuelma^  huella,  muestra 
138,  agn.  sez  4:73,  ital.  sgffre, 
afr.  sueffre  138,  ital.  fora 
192. 

Angleichung  gegensätzlicher 
Begriffe :  perug.  Grhelfo  =^ 
Guelfo  -{-  G-hibellino  353,  süd- 
ital.  gornu  =  gurnu  +  *^o<M 
138,  ital.  greve  =  ö'^a?;e  H- 
Zet;e  230 ,  vulglat.  nora  = 
nurus  -\-  socrus  138,  vulglat. 
sinpster  =  sinister  -f-  dexter 
118,  prov.  furege  =^  feroge  -\- 
dumege  306,  prov.  escrich  = 
esmi  +  dl/cfe  383,  frz.  ouvrir 
=  aprire  -\-  coprire  231,  ital. 
rendere  =  reddere  -\-  prendere 
454,  ital.  giuso  =  gioso  -\- 
suso  139,  afr.  sur  =  sor  -f- 
sus  139. 


Artikel  verschmilzt  in  Lehn- 
und  Buchwörtern  mit  dem 
Substantiv  356.  Anlautend  l 
und  n  Avird  fälschlich  für  den 
Artikel  gehalten  355. 

Assimilation:  von  getrennten 
Vokalen  264,  286,  von  Hiatus- 
vokalen 300,  von  verbundenen 
Konsonanten  384  ff.,  418,  445, 
450,  451,  452;  von  Konso- 
nanten verschiedener  Silben 
444  (torholo),  445,  478.  Ferner 
von  Vokalen :  rum.  rädäcinä 
287;  von  Konsonanten:  rum. 
astepta ,  friaul.  astitta  398, 
portg.  harha  419,  span.  har- 
hasca.  span.  harbcclio,  vlat.  her- 
hecc,  ital.  herbena,  ^ortg.hihora, 
rum.  hrehena  340.  lothr.  daize, 
friaul.  dedea,  dorde,  ital.  gali- 
gare,  gastigare,  gridare  354, 
span.  jeja  341,  lechucha,  mu- 
cliaclio  435,  lecc.  posperu  33, 
vulglat.  x>h^^tcL  423,  lothr.  äiä 
153,  rum.  soarece,  portg. 
xastre,  zogöbrar,  zucio  341. 

Bedeutung  beeinflufst  die  Ge- 
stalt der  Wörter  1  ff. ,  vgl. 
noch  Ausgleichung ,  Umprä- 
gung, Suffixe,  Präfixe,  Volks- 
etymologie, Verschränkung. 

Bedeutungsentwicklung 
von  xiensare  21,  von  villa  3. 


Sachverzeichnis. 


543 


Buchwöiter  §  11—12,  Be- 
handlung der  Laute  §  13 — 15, 
cl  im  Ital.  347,  Z*''"*  im  Franz. 
407,  2)i  im  Franz.  385,  d  im 
Span.  389,  x  im  Franz.  391, 
gn  im  Franz.  und  Span.  393, 
7?cf  im  Rät.  394,  's'  im  Ital. 
368,  'ne  im  Franz.  450.  Ein- 
zelne Wörter  a)  im  R  u  m  ä  - 
ni  sehen:  aron,  hihlie  24, 
cib  89,  coroanä  24,  fagur, 
lingur,  mascur  22,  materie 
441,  rdighie,  scorjnon,  testä- 
niint  24. 

b)  Im  R  ä  t  i  s  c  h  e  n :  gliergia, 
n'ieble  138,  oeU  439,  xmont 
sent  394,  vitta  458. 

c)  Im  Italienischen: 
afritto  347,  -aggine  SAS^Ägnese 
368,  aquüa  422,  hraca  360, 
örwito ,  cetto  458 ,  cimitero 
440,  cwrvo  420,  dmso  368, 
^em,  impero  440,  m?ca  360, 
mezzo  430 ,  monastero  440, 
wo^To  430,  nipote  373,  wome 
138,  oZio  439,  orhacca  355, 
ra^^^'o  430,  rosa  192,  368,  rwca 
360,  sprendore  347,  Te/-<?sa  368, 
vcsdca  360. 

d)  im  Französischen: 
ahreger  427,  a?5f?e  422,  a^'^rw 
373,  autonne  410,  avöltire  440, 
ferw^  458,  chapitre,  cliaste  27, 
c?er(ire440,  code  451,  coffre  450, 
colonne  410,  couple  414,  creance 
301 ,  damledieu  445,  deluge  140, 
427,  (Zi^r^ae  393,  ecoZe  192, 
empire  440,  ewt"ie  116,  eschannm 
435,  etrenne  105,  e<t<de  140, 
/rtwiZZe  102,  /?ewve  136,  427, 
/bnwe  136, /re^owd  373,  gemme 
105,  <7?o»>e  138,  /im7e  439, 
jwsfe  72,  maestire  440,  »2oWe 
138,  o&c7r301,  ortire  136,450, 
ortz^r  136,j9aZ?<e  439,  peupU 
414,  re^fwc  393,  rose  192,  rws/re 
71,    segond    373,    sew*je    447, 


serorge  440,  siecZe  414,  soZe 
192,  tapiz  4:58,  testemoine  12S, 
umhle  140,  v'ite  458. 

e)  Im  Spanischen:  han- 
tizar  385,  6e<MW  464,  bruto 
458,  öwW«  457,  fewZ^o  140, 
cautivo  385,  ceZfZa  457,  criiz 
140,  dejenjo  400,  esco?a  192, 
femencia  354,  /rwfo  389,  f/e- 
wero,  ^e»?^e  329,  gomitar  340, 
humedo  442,  jwsio  330,  malino 
393,  maravilla  439,  oZio  439, 
pildora  457,  pZa^a  346,  pZa^'o 
346,  448,  pZe?7o  346,  i^w^i^a 
140,  re/oj  298,  re^wo  393, 
rosa  192,  s?7&ar  415,  surco 
yugo  140. 

f )  Im  Portugiesischen: 
hautizar  385,  crw^  140,  divida 
dizima  99,  escoZa  192,  gomi- 
tar 340 ,  JM«>o  435,  olco  439, 
receitar  385 ,  soft  460,  st^Zco, 
^/w^ro   140. 

Deco m Position:  vulglat.  di- 
se'dmm,  demedhim  119,  reddedit 
u.  s.  w.  495. 

Dissimilation  von  verbun- 
denen Vokalen :  60,  132,  134, 
217,  234,  von  getrennten  Vo- 
kalen 54,  285,  von  verbun- 
denen Konsonanten  419,  ferner 
andal.  cormigo,  ermienda  410, 
von  Konsonanten  verschiedener 
Silben  479.  Ferner  span. 
arienzo  420 ,  ital.  hertovello, 
portg.  holver  340,  span.  cejar 
458,  vulglat.  cinque  6,  ital. 
dighino  330,  tirol.  dut  354, 
span.  lancha,  lacio,  playa,  plaza 
M<6,  polilla  457,  portg. i>rafa, 
praya  346,  vulglat.  quercednla 
421,  ital.  saggio  391,  -tade, 
-tado  360,  vulglat.  verbadu, 
verbex  420,  frz.  vogue  38, 
obw.  yagin  330,  span.  yeso  385, 
Unterdrückung    von    Lauten : 


544 


Sachverzeichnis. 


frz.  obre  402,  span.  adrales, 
ampara.  Ariege  angivo,  ital. 
avello ,  afr.  avel  355,  ital. 
chieppa,  span.  chopa  425,  frz. 
heberge,  mecredi  402,  ital. 
usignuolo  355. 

Lautumsetzung  47,  ferner 
vulglat.  colpus  33,  gen.  reöede, 
piem.  aröede  160,  obw.  f arein 
307,  sard.jrjww^;«(,  stanmre  392, 
span.  dombo,  flambante  419. 
Vgl.  aucli  ven.  ie  aus  e  118, 
portg.  /"  aus  germ.  7i  38. 

Lehnwörter  §  23. 

1.  Im  Rumänischen 
a)  aus  dem  Neugriechischen : 
curtä  140,  ohticä  387,  piper 
89,  s/^wr  280,  stoi«?  413; 

b)  aus  dem  Slawischen : 
gutuiu  354,  o^et  89 ; 

c)  aus  dem  Albanesischen : 
ariciu  434,  hiftä  387,  c^oftor 
387,  sdnteie  457. 

2.  Im  Rät i sehen  aus  dem 
Italienischen  :  frusta  72  ,  nett 
269,  friaul.  gfo^^t  238,  k'af 
466 ,  odwZe  238 ,  tirol.  sait, 
s§i  466. 

3.  Im  Italienischen 
a)  aus  dem  Französisch-Pro- 
venzalischen :  agliirone  36, 
bargello  40,  convoglio  47,  cor- 
ruccio  139,  costume  450,  dami- 
gella  375,  dispHto  165,  fianca 
39,  francese  368,  geldra  40, 
ghignare,  ghindare  353,  ^ifl??o 
338 ,  giardino  40 ,  giavelina, 
giavellotto  44,  (/i^'«  40,  ö^toja, 
gioire  338,  guaitare  39,  Zaic^o 
36 ,  üawa  410,  loggia  426, 
marchese  368,  ^^ei^o  270,  ^ro- 
^fio,  rispitto  165,  siz.  rwa 
367,  sa^^w  427,  sargia  166, 
sembiare  sembrare  446; 

b)     aus    dem    Spanischen  : 


bernia  298,    (?a£?o  362,   /ara- 
&wito  459; 

c)  aus  dem  Rätischen; 
piona  231; 

d)  aus  Mundarten :  awj- 
mainare  47,  car§na  64,  cavolo 
236,  ciwrma  27,  ^fiow  367, 
gregna  424,  Zi^io  361,  navölo 
236,  poccia  47,  iJrwa  381, 
scoglio  414,  segugio  373, 
spugna  192. 

4.  Im  Französischen 
a)  aus  dem  Italienischen : 
amener  47,  bastion  18,  &en?e 
298,  carene  64,  ecwaZ  414, 
gonfler  354,  ^/ro^fe  30,  proue 
381,  vermicelle  375 ; 

b)  aus  demProvenzalischen : 
«Ms&erc  39,  &ar(jre  270,  hesocJie 
44,  caisse  385,  eZme  39,  ser<7(? 
270,  i/mse  64; 

c)  aus  Mundarten :  «j^Zei  116, 
avoine  104,  beurre  77,  cm/re 
445,  chambellain  446,  cheptel 
287,  /bin  104,  omeZeZfe  290, 
orfraie  447,  poeZe  116,  rdcZer 
414. 

5.  Im  Katalanischen 
a)  aus  dem  Spanischen : 
aguüa  422,  cZojJ  47,  rfaw 
soldau  362 : 

b)  aus  dem  Provenzalischen : 
aZos«,  anclusa,  tesa  365. 

6.  Im  S  p  a  n  i  s  c  h  e  n  a)  aus 
dem  Italienischen :  brujula  485, 
carena  64,  capucho  435, 
churma  27,  drizar  295,  escollo 
414,  fachenda  435,  lename 
464,  j)roa  381,  verdacho  435; 

b)  aus  dem  Französisch- 
Provenzalischen :  afaitar  389, 
batalla  439,  feoZsa  402,  mja 
385,  ^eZeiYar  389,  <Zom&o  419, 
dresar  295,  cZweiZ  389,  estran- 
jero  433,  /am  38,  faraute  38, 
fardido  38,  /bnZa  38,  ö'^'^ra  40, 
6riZ  487,  ^?>o«  40,  granja  433, 


Sachverzeichnis. 


545 


granza  295 ,  homecillo  487, 
jalde  338,  jardin  40,  338, 
joya  338,  jttmela  289,  Iaido 
36,  Zeswa  298,  Ion  ja  486,  /o<e 
39,  wowjc  263,  i^rt/s  112,  jwfro 
490,  sam  464,  tija  4:26,  tombar 
419,  ventaja  47; 

c)  aus  dem  Portugiesi- 
schen: cJwpa  346; 

d)  aus  demKat  alanischen: 
cadira  417,  malacho  451; 

e)  aus  Mundarten  :  a/«r  415, 
/eo  365. 

7.  Im  Portugiesischen 

a)  aus  dem  Italienischen : 
escolho  414,  querena  64; 

b)  aus  dem  Französischen: 
brocha  138,  caissa  385,  (/oZ- 
j?e?/ia  354,  jalne,  jardim,  joya 
338,  iwtro  490,  sm7o  295 ; 

c)  aus  dem  Spanischen : 
centelha  457,  faclia  38,  /arpa 
38,  granka  435,  lamhre  298, 
s«7/ia  165,  ve?ar  431. 

Mittellatein   17. 

Neugriechisch  §  16  und  1 7  ; 
hotiga  298,  ital.  cimitero 
283,  span.  durmon  282,  ital. 
magrana  298,  span.  quema 
165,  frz.  top?>  120,  timbre 
262,  ital.  «roto  387.  Vgl.  noch 
Lecce :  nassia  =  ngr.  vutpaia, 
agr.  vavoea.  Neugriechischer 
Einflufs  im  Mazedonischen  236. 

Präfixe.  Vertauschung :  rum. 
derege,  span.  derecho  278. 
Übertragung :  ins-  statt  ea;-  486, 
span.  enjalmar  341.  Der 
Wortanlaut  nimmt  die  Gestalt 
eines  Präfixes  an  :  ita\.  dimestico 
286,  frz.  c'conter,  span.  escuchar, 
escovdir,  escuro,  portg.  embigo, 
empola  295,  frz.  essaim,  essai 
391,  ital.  scvera  341 ,  rum. 
straniitä  482. 

Meyer,  Grammatik. 


Reim  bleibt  hinter  der  Sprach- 
entwicklung zurück  298.  La- 
tinismen aus  EeimbedUrfuis 
199. 

Rückbildungen:  frz.  goUre 
136,  span.  mancebo  425; 
vulglat.  növa  182. 

Satzphonetik:  vgl.  §  549 — 
553  und  Kap.  IV,  ferner  rum. 
patni,  sard.  battoro  352,  portg. 
bostela,  baliza  354,  ital.  nievo 
373. 

Schriftbild  beeinflufst  die 
Aussprache  28,  ital.  bosforo 
33,  frz.  givre  37,  ital.  trofea  32. 

Suffixe:  germanische  40,  grie- 
chische    35.      Vertauschung : 
pllo  statt  cllo    118,    statt    illo : 
neap.  faella  58 ;  span.  era  statt 
iera:  cudera  417;  vulglat.  -ice 
statt    -ece:    berbice    119;    frz. 
-ier    statt    -er,    ir:     chantier, 
dmetiere,  mauere  150,   soulier 
223,    montier    440,    ital.    -«7e 
statt  -e7e:  mantile  119,  frz.  ?7 
asttt  ?7;  472,    -?7?e    statt  -eille 
120,  vulglat.  -mws  statt  -emts 
119,  frz.  -i^  statt  -iv  473,  ital. 
-wra,  frz.  -ure  statt  -ore  140, 
prov.,     rät.    -ürar   statt    -grar 
282.  Übertragung:  span.  ami- 
sirtti    448,    prov.    aucel    375, 
span.  cobija  41 5,  portg.  faminte 
165,  poi-tg.  igre'iea  102,  vulglat. 
inctigine  450,  vulglat.  manuclus 
412,    rum.    palten    202,    afr. 
i)?7t;',    rewie    223,    ital.   uccello 
375.   —  Frz.  ac/je<er  231.  — 
Rät.  te  fllr  jjs  468,    ital.  so«o 
465,    prov.  nitz  345.  —  Ver- 
mischung:   frz.    -ume,    span. 
-umbre  450,    span.    -M^-a  485. 
Vgl.  noch  483. 

Umprägung. 

1.  Innerhalb  desselben AVortes. 
35 


546 


Sachverzeichnis. 


a)  Akk.  nach  Nom. :  afr, 
bois,  loh  398,  prov.  jorwf  475. 

b)  Singular  nacli  Plural: 
rum.  ariCj  ital.  -aro  441,  ago 
360,  artiglio  413,  rum.  ceriu 
256,  frz.  ^e^zow  471,  ital.  lago, 
luogo  360 ,  blind,  of,  os  190, 
frz.  ^airc  441,  pow  471, 

c)  Mask.  nach  Fem. :  frz. 
dan  252,  -el  471,  juif  370, 
ital.  Zovo  361,  frz.  serf  471, 
ital,  spigo  361,  prov.  taure  252, 
frz.  ^;a^  367,  vair  441. 

d)  Fem.  nach  Mask. :  ital. 
amica  360,  portg.  dona  192, 
frz.  -iere  441,  jt<we  370, 
roi(^e  448,  verte  468,  wece 
150. 

e)  Neutrum  nach  Mask. : 
eng.  traia  233. 

f)  Einzelne  Personen  des 
Verbums :  afr.  fais  434,  nais 
398,  -ois  246,  vulglat.  fecerunt 
468. 

2.  Innerhalb  derselbenWortart : 
a)  Im  Nomen :  «)  Diminu- 
tiva,  Augmentati va  und  andere 
substantivischeAbleitungen  be- 
dingen die  Form  des  Grund- 
wortes: ital.  asce  391,  bosso 
139,  prov.  corp  420,  ital. 
grembo  424,  rum.  june  133, 
span.  jimco  330,  portg,  lesma 
65,  frz.  mil  102,  span,  mwia 
30,  ital.  omo  434,  span.  j^o^^o 
429 ,  ital.  scudo ,  spigo  360, 
sowwo  192,  sfria  367,  frz. 
ülle  102. 

/i)  Die  Ableitungen  nehmen 
die  Gestalt  des  GrundAvortes 
an :  span.  abiielo  427 ,  fi-z 
agneau  392,  vulglat.  amicitate 
448,  frz.  leger  427,  ital.  len- 
guolo  429,  span.  liviana  427, 
re^/wo  393,  ital.  vajiiolo  441. 
Vgl.  noch  span.  conmigo  120, 
conusco  140. 


b)  Im  Verbum :  «)  stamm- 
betonte Formen  nach  enduugs- 
betonten. 

1.  Im  Vokal :  ital.  ammi(cchia 
139,  frz.  avoue  127,  frz.  ehalt 
201,  ital.  corruccia  139,  span. 
cwfere  192,  ital.  cucio  139, 
frz.  rfowe  127,  lavc  201,  jud. 
Zwyö!«  238,  span.  nuce  192, 
jud.  2^ufsa  238,  ital.  m?ca  165, 
rum.  rumeg  133,  frz.  ?;aZ<201. 

2.  Im  Konsonanten :  siz. 
pregu  360: 

ß)  endungsbetonte  Formen 
nach  stammbetonteu:  ital.  agxts- 
zare^  attkzare  429,  ligare,potere, 
sapere  373 ,  span.  llevai'  344, 
portg.  valer  383. 

y)  Präsens  nach  Partizip : 
span.  lioder  422 ,  frz.  vainere 
448. 

Ö)  Partizip  nach  Präsens : 
ital.  pqsto   192,  rum.  ?-/t?f  394. 

c)  Zahlwörter :  ital.  dieei 
246,  rum.  ^ase  465,  span. 
seissenta  391. 

3.  Verschiedene  Wortarten 
untereinander :  a)  Substantiv 
nach  Verbum :  a)  Im  Vokal : 
ital.  diritto  120,  span.  duena 
138,  portg.  estrume  231,  frz. 
cpoux  127,  etrille  102,  labour 
127,  span.  mingua  99,  ital. 
»jpvero  138,  rum.  nume,  numer 
133,  portg.  pedinte  265,  frz. 
peigne  152,  parm.  romoZ  166, 
frz.  roMC  192,  ital.  spQsa  368, 
tgnaca  138. 

/i?)  Im  Wurzelkonsonanten : 
span.  amenaza  435 ,  portg. 
cälor  383,  portg.  coima,  ital. 
cowio  433,  afr.  t?a?2  252,  frz. 
fti471,  ital.  foggia  4:26,  grado 
360,  span.  lioya  427,  Zo^eo  435, 
loa  365,  eng.  WMf  467,  span. 
nudo  344,  i>rea  365,  frz.  recid 
471,    span.   sain    464,    soZa^'o 


Sachverzeichnis. 


547 


435,    sollozo  429,    ital.    veglia 
413. 

y)  Im  Anlaut :  span.  adevino 
305,  jalma^  jugo  341. 

b)  Substantiv  nach  Adjek- 
tiv: frz.  umour  127. 

c)  Adjektiv  nach  Adverbium : 
ital.  lungo  193,  ital.  maggiore, 
peggiore.  poi-tg.  maior,  x)eior 
431. 

d)  Adjektiv  nach  Substantiv : 
frz.  espois  115,  jaloux  127. 

e)  Adjektiv  nach  Verben : 
maz.  amagru  305,  span.  hajo 
457,  junto  330,  frz.  viiit  448. 

f)  Verbum  nach  Adjektiv : 
span.  aliviar  427. 

Umstellung  von  Vokalen : 
241,  von  Konsonanten:  480 — 
482,  gegenseitige  von  getrenn- 
ten Vokalen:  306,  vulglat.  ,^e- 
swa/'e  280,  von  Hiatusvokalei  : 
137,218,  287,  von  verbundene 
Konsonanten :  482,  von  Kon- 
sonanten verschiedener  Silben : 
482—485.  Ferner  frz.  cidre 
446,  vulglat.  faUiva  58,  ital. 
gnocco  344,  span.,  portg.  frole 
346,  rät.  mena  424,  ital. 
quercia  352.  —  Umstellung 
der  Qualität :  span.,  portg. 
gritar  aus  cridar,  gretar  aus 
credar  354. 

V  e  r  s  c  h  r  ä  n  k  u  n  g  1)  von  sinn- 
gleichen oder  sinnverwandten 
Wörtern :  ital.  bieta  =  heta  -f- 
hlHum  112,  norm,  fame  := 
dame  +  fcmme  105 ,  afr. 
oison  =  osson  -\-  oiseau  434, 
prov.  pese,  sard.  pisiri  =  jj/smw 
-f-  cicer  252 ,  ital.  nimo  = 
nemo -\- niuno  120,  ah:  fraisle 
=  /ra/?t'  H-  graisle  448,  vulg- 
lat. grassus  =  cmsst4S  4-  grosstts 
353,  ital.  ruhesto  ^=  *rcbusto  -+- 
agreste  306,    span.  senclllo  = 


singellus  -\-  sincerus  420,  ital. 
insieme  =  s?mM?  -|-  seme?  119, 
rum.  rt?cr<ir  ^=  a?ar(/  +  »wer«?  230, 
span.  auUar  =  ejulare  -|-  t<fj<- 
Z«re  458,  portg.  comegar  = 
comengar  -j-  empefar  410,  portg. 
d[e?7ar  ==  eitor  -f-  deixar  331, 
span.  graznar  =  crocHare  -j- 
gracillare  353,  span.,  portg. 
gomitar  =  ^forar  -f-  vomitar 
340,  frz.  moisir  =  mucire  -f- 
müccire  458,  vulglat.  serrare  = 
serare  -\-  sarrarc  458. 

—  2)  lateinischer  und  griechi- 
scher Wörter :  siz.  (iet?«,  rum. 
£fa<?a  =  tocöta  -(-  ()«/()«  354, 
siz.  i^ria  =  ?Mira  -|-  ivvÖQig 
140. 

—  3)  lateinischer  und  germa- 
nischer Wörter:   340. 

—  4)  lateinischer  und  keltischer 
Wörter:  43,  vgl.  As  coli, 
Arch.  Glott.  X,  270—272. 

Volksetymologie:  1.  Zwei 
etymologisch  verschiedene  aber 
begrifflich  vei'wandte  oder 
verbundene  und  lautähnliche 
Wörter  gleichen  sich  in  ihrer 
Form  aus.  a)  Substantiv  nach 
Verbum  :  ital.  cli'wdo  =  clavus 
-f-  claudere  231,  frz.  lierre  = 
ierre  -\-  Her  356,  ital.  Ifttera 
=  lettera  4-  l^ggere  118,  frz. 
lutrhi  =  ledorile  -\-  Jm  295, 
ital.  scialiva  =  saliva  -j-  sciala 
34:1,  itiü.  Siig()=^sucus  -j-  siigare 
360,  tirol.  sef  =  sitis  -j-  bibo 
467. 

b)  Substantiv  nach  Substantiv : 
frz.  boulevard  =  bouleverd  -f- 
rempart  221,  ital.  ca2}elU  = 
capo  -\-  cavelli  337,  ital.  mora 
==■  mora  -\-  m^ro  139,  afr. 
Noittin  =  Neptunus  -f-  noit  94, 
vulglat.  noptia  =  nuptia  -h 
novius  138,  portg.  pega  = 
35* 


548 


Sachverzeichnis. 


ptca-\-pice65,  yi\lgla,t.  scütella 
=  scütella  -\-  scütum  282,  ital. 
segolo  =  stca  -\-  sicilis  64, 
ital.  stradiotto  =  arQaruüTi^g 
+  strada  33. 

c)  Substantiv  nach  Adjektiv: 
vulglat.  acifolium  =  aquifölium 
+  acus  421. 

d)  Adjektiv  nach  Substantiv : 
ital.  spgrco  =  spurcus -\- porcus 
138,  vulglat.  sücidus  =  sücidus 
■+-  süe  180. 


e)  Verbum  nach  Substantiv : 
portg.  crestar  =  castrare  -\- 
crena  295. 

2.  Formale  Ähnlichkeit  ohne 
Rücksicht  auf  die  Bedeutung : 
ital.  vetrice  =  vitice  -\-  vitrum 
64.     Vgl.    noch  S.  354,  356. 

Vulgärlatein  §  3;  Vokalis- 
mus §  26 — 29;  Konsonantis- 
mus §  403 ;  rs  tax  ss  400,  Konso- 
nanten in  Proparoxytonis  443 ; 
vgl.  noch  das  Wortverzeichnis. 


Wortverzeichnis. 


Albanesisch. 

ger  64. 
jenuar  288. 
Tiukut§  286. 
ments  46. 
rek'ethe  444. 
theJcere  496. 

Französisch. 

ahle  485. 
-a6?e  217. 
a&oi  229. 
acheter  287. 
achaison  286. 
-a^e  451. 
a^fwei  209. 
o?c/ie  209. 
aider  288. 
-aifire  206. 
aigle  422. 
ai^re  198. 
ai^w  373. 
aiguille  80. 
ailleurs  136. 
aiwe  309. 
a?«e  309. 
-aZ  201. 
älcuen  81. 
aliegre  230. 
amande  479. 
amener  47. 
amitie  223. 


awiw  368. 
anchois  31. 
awe  447,  530. 
Änjou  217. 
aows^  54. 
apprivoison  289. 
aproeche  183. 
araigne  207. 
aram  286. 
arhrisseau  375. 
armoire  229. 
arroche  111. 
avec  173. 
avertin  304. 
avoine  104. 
avuiltre  407. 

&aer  48. 
haigner  207. 
6aii  241. 
Miller  48. 
baillier  241. 
balance  286. 
basoche  111. 
bavard  48. 
5av^  48. 
6e^e  48. 
benesqui  391. 
feenir  275. 
besicles  382. 
bezoche  44. 
fce7e  429. 
beurre  77. 


&iais  376. 
We  470. 
ftie^;  470. 
6ois  139,  398. 
6o?^e  443. 
borbeter  48. 
ftorwe  44. 
bosphore  33. 
bouffer  48. 
bougre  449. 
boulevard  221. 
boyau  154. 
brefeis  119,  481. 
brouailles  376. 
&rw7  356. 
McÄe  139. 
&wcr  522. 
&Mis  139, 

ca^e  334. 
gaiens  373. 
calenge  334. 
pik.  cawifee  853. 
carene  64. 
catouüler  334. 
cauchemar  334. 
caw  201. 
cew  520. 
cenelle  488. 
cercueil  290,  443. 
ceWse  230. 
cÄair  224. 
cÄaise  382. 


550 


Wor  tverzeichni  s. 


ehalt  201. 
chameau  118,  287. 
chapitre  27. 
Charlemagne  23. 
Charme  447. 
chaste  26. 
Chat  353. 
chätaigne  231. 
chemise  116. 
c/iewe  352. 
c/iejj^eZ  287. 
chercher  479. 
cMi/"  384. 
c/ie^:  521. 
c/iic/ie  84. 
cMf/Zer  42,  341. 
chien  223. 
cMer  223. 
chiourme  32. 
pik.  chiunJc  272. 
chre'tien  223. 
chouette  217. 
cingler  486. 
cire  227. 
citoyen  301. 
cZoM  217. 
coc/ie  48. 
coc/ier  334. 
saintong.    coMe    286. 
combe  43. 
complot  116. 
connattre  93. 
cowfe  185. 
convoiter  115. 
coudre  484. 
eouette  490. 
couleuvre  132. 
courge  488. 
Cousin  521. 
coütume  450, 
creance  301. 
creseau  284. 
crouler  450. 
cwems  185. 
cmde  140. 
cuidier  21. 
cuivert  407. 


CMJwe  132. 

c^öfwe  31,  447,  448. 

dawe  134,  507. 
dameisele  293. 
De  233. 
de'c/ie^  116. 
dleZie  275. 
descendre  300. 
deugie  275. 
devant  487. 
c?mer  288. 
(?i^  89. 
<ZoZ  191. 
<?rM  44. 
f?M  284. 
durier  224. 
<ZMt;e«  377. 

eaw  216. 
ehäbir  48. 
echine  333. 
ecouter  295. 
ecMci?  414. 
ecureuü  34,  72. 
e^reier  223. 
e^reer  223. 
e^fZise  31. 
eZ  463. 
e?me  39. 
men  30. 
moi  229. 
empan  486. 
emprunter  307. 
enelume  450. 
encore  139. 
endive  29. 
epaule  450. 
ep'ce  150. 
epingle  446. 
ere  147. 
er  Hage  307. 
esj^ots  115. 
essiew  62. 
essi?  120. 
es^nf  470. 
estrine  119. 


estuier  284. 
e'i5ew7e  53. 
etincelle  483. 
eifo?7e  116. 
e'imw^re  252,  432. 
e'«nZ?e  102. 
cifwi  140. 
ewZe  127. 
ewr  54,  72,  131. 
wall,  ewe  422. 

fahliau  28. 
/ai&Ze  485. 
/aZ?se  116. 
faloise  116. 
/aZoi  30. 
/awer  293. 
fantöme  231. 
farouche  270. 
/eew^  367. 
fm  180. 
/leWe  119. 
/imfe  119. 
fiertre  491. 
fiment  284. 
/Irie  452,  484. 
/loZe  217. 
flaistre  451. 
f/at*  301. 
/Zeaw  154,  301. 
/^mt^e  136,  427. 
/Zow  38. 
/bm  104. 
/bisow  278. 
for^e  236. 
foudre  448. 
/reöTowfZ  373. 
/roi'cZ  64. 
/ro«er  116. 
/t«7dre  407. 
/wr  141,  284. 

gfa^we  340. 
galloche  334. 
^rdfer  340. 
^aw^e  334. 
gazouiller  334. 


Wortverzeichnis. 


551 


gcant  286. 
gencive  420,  480. 
genievre  119,  288. 
genisse  288. 
gcöle  353. 
gercer  221. 
gcrpir  37. 
(/i7e  37. 
git  223. 
(/itre  28. 
^?ajve  43. 
glise  il6. 
r/7o?se  116. 
glorie  272. 
ghnime  133. 
gJoiäeron  295. 
<jrol<re  136. 
(iror(/e  139. 
gourde  483. 
goupUlon  340. 
grammaire  452. 
grange  432. 
(/ros  353. 
grenouüJe  356. 
flfrj>/"  230. 
(jfn7/e  353. 
grimoire  229. 
(/ro/?e  236. 
</«e'  340. 
(/i/ep6  340. 
(/«ere«  286,  340. 
^ta  340. 
guivre  340. 

/irife  36. 
lieber ger  402. 
Termine  290. 
/jfrse  119. 
lothr.  /to  341. 
Äors  511. 
?jM?7e  252,  439. 
/t?NS  139. 

/e  =  iee  226. 
iWwec  464. 
-ime  120. 
-?>>T^s  224. 


ücques  173. 
-?Ve  150. 
?r>r  150. 

jamhe  353. 

janmer  288. 
Jargon  49. 
javelot  44. 
jder  230. 
jm  180. 
jett«  jetiwe  76. 
josque  72. 
josfe  321. 
jiiefne  132. 
>?■/■  370. 
jws  139. 

?ai  367. 
?aiews  373. 
?a>?<;fe  432. 
laudier  274,  356. 
laoiiste  140. 
?arme  221. 
Zaver  201. 
leger  427. 
?mr  506.- 
«e  44. 
Heu  180. 
?iw(7e  432. 
liveche  374. 
Zom^  192. 
ioir  64. 
lois  398. 
Zow^  300,  497. 
lourd  80. 
Zwfrm  295. 

maigre  198. 
wai  201,   505. 
manatse  286. 
war  522. 
marhre  446. 
matiere  150. 
mecredi  255,  402. 
megne  44. 

WK»'««»»!«?    120. 

we?  505. 


mesurier  224. 
mefier  150,  274. 
meugler  487. 
m?7  102. 
mwe  45. 
»nire  452. 
«it7e  49. 
moeZie  306. 
moindre  104. 
moine  262. 
moms  104. 
wio^^e  458. 
moHie  223. 
Montmartre  498. 
moquer  35. 
moudre  185. 
mordaclie  270. 
wio^  138. 
montier  214:. 
mnef  470. 
wi^re  141. 

waie  293. 
wd  461,  519. 
m  504. 
wc/?e  48. 
wice  150. 
w^ce  150. 
«pces  138. 
Noitun  94. 
nomhril  480. 
wwerfe  231. 

o6«r  275,  301. 
odroyer  28. 
od  463. 
oewf  132. 
oignon  278. 
Omelette  290. 
or  139,  522.    ^ 
ordanne  134. 
orfclin  479. 
orwe  407. 
or^e?7  43. 
os&erc  39. 
oseille  412. 
os/er  35. 


552 


Wortverzeichnis. 


outil  278. 
ouvrir  237,  290. 

paile  252. 
palagre  286. 
palie  273. 
jyamoison  289. 
panne  309. 
parchemin  119. 
pataud  49. 
pattin  49. 
2>eaöfe  301. 
peigne  151. 
penser  21. 
Pentecouste  125. 
jDeser  21. 
pm  239. 
pmr  137. 
piailler  49. 
pic  48. 
picoter  48. 
j)iece  150. 
piefre  301. 
pieuvre  31,  262. 
pigeon  425. 
pi^we  151. 
^immi  284. 
pinceau  293. 
jjion  301. 
piquer  48. 
i9iW  223,  299,  388. 
piument  284. 
plaigne  207. 
_pZaw  258. 
j9?Mie  426. 
_poc/^e  47. 
j9oeZe  35,  229. 
l)oele  239,  280. 
i?oi  239. 
Poitotr  217. 
ponce  81. 
postee  306. 
pouliot  110. 
Xjoussin  119. 
poutre  490. 
preau  154,  301. 
precher  275,  536. 


pmf  241. 
pretre  35. 
jjrcM  368. 
prevoire  35. 
lothr.  j)ro  241. 
proMe  127,  381. 
prudhomme  141,  284. 
pwi^s  139. 

gwer  505. 
gMiWer  299,  388. 

räcler  414. 
r  aisin  119. 
rame  293. 
rayon  44. 
redt^e  448. 
re>2e  223. 
reseau  284. 
nw  43. 
rincer  293. 
nw  320. 
nwZe  110,  450. 
romam  252. 
rose   191. 
rowe  191. 
rouette  306. 
rwser  376. 

sa^/p  427. 
sa/e  93. 
saigner  207. 
sarceHe  352,  412. 
sarr/e  166. 
sarquieu  443. 
saiwage  286. 
scm?^  118. 
segond  373. 
seiö-Ze  262,  496. 
senfstre  118. 
sewwe  447. 
serpe  221. 
serfir  221. 
sie^fc  452. 
sJCMr  520. 
s?/y?er  42. 
sire  520. 
sw/e  321. 


sor  44. 
soif  469. 
soulever  412. 
soulier  223,  450. 
SM&Ze  61. 
SMi  110. 

swr  139,   141,  284. 
surge  80,  452. 

taisnihre  46 
to?a«^  166. 
taniere  46. 
toon  229. 
faj^is  120. 
^wi/e  110. 
tiers  150. 
#i7Ze  102. 
^iwc  258. 
tout  127. 
Trima;  93. 
triiitc  131. 
toiZe  110,  450. 
tuyau  154. 

vaZi  201. 
vermicelle  375. 
vesqui  391. 
wa^  376,  485. 
t??(Ze  231. 
we  232. 
viel  62. 
■t^iewc  258. 
vieutre  443. 
wiZ  258. 
w?e  191. 
vouge  44. 
vuidier  284. 

2/  505. 
^6wse  64. 
«/ewa:;  179. 

Italieniscli. 

accagione  286. 
neap.  accasone  286. 
acciuga  31. 
agJiirone  36. 


Wortverzeichnis. 


553 


aitare  288. 
ällegro  230. 
alluda  360. 
amendue  419. 
ammainare  47. 
andare  451, 
anguinaja  295. 
sard.  anzone  392. 
aret.  apitito  287. 
log.  appilire  286. 
architdto  164. 
aschero  32. 
tarent.  astittd  398, 
awe??o  355. 

babbano  48. 

bdbbea  48. 

ftac'o  488, 

baccano  464. 

badare  48. 

badigliare  48. 

fea/fi  42. 

nordital.  &a^o  42. 

6aiZo  241. 

&aire  48. 

bälanza  286. 

5a?io  241. 

bambo  48. 

sard.  &arya^M286,340. 

feas^ia  48. 

&at;a  48. 

6e/fa  48. 

berbena  340, 

fterfeice  119,  340. 

bertovello  340. 

bestemmia  288. 

&me  147. 

bie^a  112. 

&JWI&0  48, 

feoce  339. 

borbottare  48. 

borchia  138, 

bosforo  33. 

fcosco  139. 

feosso  139. 

&o<o  339. 

öpve  191. 


ftre^'^'a  356. 
&ro(?o  192. 
broglio  43. 
bruire  356. 
fewe  234. 
few/aZo  42. 
buffare  48. 
ÖMSto  30,  443, 

ca^o  42. 
ca?ma  277. 
cam^llo  118. 
cantinela  483, 
tar,  caw^o  30. 
tai-.  canzirro  30. 
carena  64. 
cardio  164. 
cecero  31. 
cfdo  29. 
cendralina  483. 
centinare  479. 
abr.  öerqua  352. 
chiacchiera  49. 
cÄJcco  33. 
chiodo  231. 
ciarlare  48. 
ciascuno  352. 
cüiegia  230. 
a6  182. 
ciocciare  48. 
cirindone  34. 
ciurma  32,  47. 
coltrice  490. 
com«  182. 
cp»icio  172. 
cowio  432. 
contra  172. 
convoglio  47. 
corwice  35. 
corruccio  139. 
coscia  391. 
costume  450. 
crojo  44. 
cwcire  139. 
ciitrettola  164. 

daio  362. 

siz.  <?e(ia  241,  354. 


delicare  488. 
f^ieci  246. 
dileticare  485. 
dimestico  286. 
<;«r««o  120. 
dmo  119. 
<?jYo  120. 
divora  192. 

eZce  64. 
eßera  164. 
endivia  29. 
em  147. 
er^ice  119. 

fagiuoli  35. 
/aZö  30. 
farfano  49. 
farchetoJa  352. 
^cZi^fw  484. 
^era  118. 
fischia  99. 
/b^i^ia  426. 
ven.  /b?p  33. 
/"w^e  172. 
/bm  192. 
aret.  /bro^Je  287. 
fradicio  483. 
/iawa  241,  356. 
frasca  356. 
/"rarta  35. 
freddo  64. 
/Vow^e  172. 
frusco  44. 

gabbia  353. 
gamba  353. 
ganascia  30. 
gargagliare  49. 
gargatta  49. 
gargola  49, 
(/a«o  353. 
gaveggiare  483. 
gavetta  496. 
9f?o  155. 
(/fwie  155. 
aren.  genigie  288. 


554 


Wortverzeichi 


gennajo  288. 
gettare  230. 
gheppio  31, 
ghe^zo  31. 
ghiado  480. 
ghiomo  183. 
^rMom  183. 
giallo  338. 
giardino  338. 
gimellotto  338. 
^2>Z?o  480. 
ginevro  288. 
siz.  ^lw/(fa  288. 
5rio<jfZio  480. 
aret.  gisshnino  28/ 
6'?oi«  338. 
i//oire  338. 
öf^oye  191. 
giovine  132. 
i/^w  139. 
gwsquiamo  34. 
i/oZ/b  33. 
</oZi>e  340. 
gracidare  353. 
gracimolo  119,  356. 
icra^a  353. 
gradella  353. 
granocchia  356. 
</raspo  356. 
^^msso  353. 
^^re^wa  424. 
«/reye  155,   230. 
grogo  183. 
gridare  354. 
^wado  340. 
guaina  340. 
guastare  340. 
guerdo  39. 
giiidare  45. 


ignudo  344, 
-?>2a  428. 
insieme  119. 
inverno  486. 
apis.  ?si^o  287, 
?scÄ?o  99,   525, 


sard.  Ä;erÄ;M  352. 
aret.  äws*  287. 
siz.  Jcuadara  287. 
siz.  Tiuasina  287. 

ladroneccio  483. 

Za?(?o  36. 

Za*2(?a  43. 

lasciare  391, 
lävanca  497. 
Z^w^^o  64. 
Zero  420. 
/{^^^era  118. 
?m  44. 
Z/ewYo  147. 
Ugusta  140. 
Wc?o  80. 
lovistico  374. 
Zww^ro  192. 


>wa  241. 
macola  21. 

macchia  21. 

maglia  21. 

waj  241. 

manna  422. 

maniato  433. 

manicare  419. 

mantile  119. 

manzo  46. 

medesimo  374. 

wdo  31,  230. 
I  -mente  164. 
!  men'no  422, 
'  /we^^^-o  65, 
wicm  49, 
wma  45, 
mischia  99. 
modano  182. 
>wcf?o  191. 
»wo?«  191. 
wpw^e  172, 

wasj;o  356. 
was^ro  35. 
»26  419. 
we^  461. 
M^w  119. 


nicchio  487. 
wimo  120. 
wmwo  49. 
ven.  Mio?«  77. 
wpye  191. 
»«P^^e  138. 
nuotare  231, 
^nuora  138, 

ow?'re  231 


Ipadiglione  303, 
\padule  483, 
li^a^f^fio  32. 
sard,  ^jopai  49. 
neap,  paparo  49. 
U^appave  49. 
b«Ä?o  49. 
\pcneUo  286. 
pcwsare  21, 
pe>-^am?^o  119. 
i^ero  182, 
lpe^acc/?«o  34. 
piem,  jtj?:  288, 
Ipiare  49. 
Ipiöto  241,  443. 
Um^oso  286. 
i^icmre  48. 
Ipicchiare  48. 
lp?cco  48. 
\pwcolo  48. 
ji?maccio  288. 
neap.  p)im§ce  487. 
lomb.  pio  46. 
\pioggia  426. 
lomb.  ^?owa  231. 
\pisciare  49, 
sard,  j??sm  252, 
Ipiviäle  288, 
piwere  288. 
jjoccm  47. 
iJomice  81. 
Ipo/tfe  172. 

ji?0S0??'>20    119. 

lecc.  posperu  33. 
hJpsfe  192. 
i>r^sto  241. 
iprete  35,  155,  270. 


Wortverzeichnis. 


555 


primav^ra  29. 
profenda  42. 
proßto  165. 
prova  183. 
prua  47. 
pulcino  119. 
puledro  490. 

quercia  352. 

racimolo  119. 
ramolaccia  482. 
r^ce  155. 
rf(Za  29. 
red(?o  270. 
re/e  42. 
»•fwo  29. 
rfsto  119. 
»•^-?5'a  119. 
rigoglio  482. 
siz.  rinnina  307. 
Wo  320. 
nstca  165. 
rispitto  165. 
rocca  43. 
roggia  46. 
rpsa  191. 
rovistko  487. 
rubesto  306. 
ruhiglia  482. 

sargia  166. 
lecc.  sarvaggu  286. 
savio  427. 
scarafaggio  42. 
sceverare  341. 
scialiva  341. 
sciocco  496. 
scoffina  42. 
scoglio  414. 
scojattolo  34. 
sdrajare  431. 
äsen,  secrestia  286. 
se^raZe  496. 
se<7o?e  64. 
aven.  sew<  394. 
siepe  241. 
sJowe  33. 


aret.  sirvito  286. 
smeriglio  30. 
sowwo  192. 
ven.  sopiar  415. 
soüero  77. 
so;e;Ä;o  80. 
spälla  450. 
spfro  29. 
spprco  138. 
spugna  192. 
stegola  65. 
stoppia  53. 
stoviglia  488. 
simwo  241,  432. 
succhia  413. 
sugg^llo  118. 
suocero  182. 

tafano  42. 
taffiare  42. 
tälanto  166. 
tartagliare  49. 
tartiifo  42. 
i{?«o  119. 
treggea  35. 
tribuna  464. 
^ro/ea  32. 
froto  29,  387. 
«M/b  42. 

uccello  375. 
M/fo  42. 
ugnale  287. 
t(oyo  132. 
Mscio  139. 

vaccio  488. 
vag  (IIa  118. 
w<jf/ia  102. 
vei^ro  443. 
vetrice  64. 
vischio  99. 
nordital.  wsc/a  44. 
vpZa  191,  231,  443. 
w(ofo  43. 

siz.  I/0/7II«  138. 


zappare  35. 
zavorra  34. 
^^e^'^^o  479. 
;?o?/b  42,  341. 
zufolare  42,    61. 

Lateinisch. 

alhürnvs  124. 
anguilla  58. 
angüstia  123. 
auscültare  125. 

häbiger  48. 
babulus  48. 
baburra  48. 
bajula  241. 
bajulus  241. 
bambalio  48. 
&eZ?MS  145. 
henedictus  87. 
6es<ia  99,  147,  157. 
ftiicca  124. 
6ils<i<s  67. 

eamisia  116. 
calümnia  123. 
capistrum  88. 
cdrpXnus  496. 
centum  146. 
ccWttö  146. 
cervus  146. 
cippus  87. 
circare  88. 
CÖdMS   171. 
cogitare  21. 
cöW?s  170. 
cöUocat  125. 
Collum  170. 
coliistrum  125. 
cowca  172. 
condüdus  124. 
constare  125. 
corfto  171. 
cörwM  172. 
corpus  172. 
cor  ms  172. 
cörfe  124. 


556 

Wortverzeichnis. 

Costa  171. 

grössus  170. 

müccus  124,  45 

cöxa  171. 

gürges  124. 

mücere  458. 

crescere  87. 

^ws^ws  67. 

mültus  125. 

crtbrum  57. 

^Mf^a  124. 

mürcidus  67. 

crista  87. 

müsculus  67. 

crispus  88. 

/terfta  146. 

müstum  124. 

cmsto  124. 

hibiscits  57,  58. 

culmen  125. 

liirpex  88. 

noctua  423. 

CM?pa  125. 

Inspidus  hl. 

»iö5fer  171. 

cünnus  124. 

hordeum  171. 

wöx  171. 

cwr^MS  72,  124. 

hörtus  171. 

wm/Zws  67. 

cycnus  392. 

höspes  171. 

/lösfis  171. 

öcio  171. 

«Zrnfe  146. 

öZZa  124,  127. 

^t%^er  145. 

i7Ze  87. 

ör&ito  125. 

didus  89. 

?i>se  87. 

ört^o  125. 

dignus  52. 

?sfe  87. 

örfanus  172. 

diürnus  124. 

jejunium  330. 

Organum  172. 

düplus  123. 

jt^s^ws  67. 

örwa^  125. 

JMifto  67. 

össwwi  170. 

e&nws  150. 

-eWws  145. 

laccrta  166. 

pecten  145. 

esca  88. 

lambrüsca  126. 

J9t^c^ws  145. 

lectum  145. 

pensare  21. 

/aviZia  57,  58. 

Zmc^e  147. 

per  der  e  146. 

-fectus  145. 

lentiscus  57,  58. 

p)erna  146. 

ferrum  145. 

lignum  52,  88. 

pmna  87. 

/tTW«  146. 

Umbus  88. 

pfecis  87. 

^«a  145. 

Ungua  88. 

i3?stoi  87. 

fmdere  88. 

K^^era  87. 

i^ws  57. 

fmgere  88. 

locüsta  140. 

plümbum  125. 

f?rMMS  88,  89. 

Zön^MS  172. 

ivößea:;  170. 

■ßstulare  58. 

Zmscms  124. 

pörcus  172. 

/ZöccMS  170. 

Z«/#a  140. 

j;ös<  171. 

/oZZis  170. 

pörrum  170. 

/ori«  123. 

macula  21. 

praesto  157,  240 

forma  125. 

magister  88. 

presbiter  34. 

/or^is  171. 

magnus  23. 

prtnceps  57. 

/ossa  170. 

memhrum  146. 

pullus  124. 

früctus  67. 

mew^e  146. 

pulvis  125. 

fulgur  125. 

w^^Z?e  57. 

2>MZjja  125. 

/?<rca  124. 

»wmto  88. 

pülsare  125. 

/"ms^?s  67. 

missus  87. 

wittere  87. 

quadruvium  53. 

genestra  145. 

möZZis  170. 

querquedula  352. 

^üwma  133. 

mörsus  172. 

qulnque  hl. 

gfZw^MS  124,  458. 

mör^e  171. 

quisque  351. 

Wortverzeichnis. 


557 


regnum  88. 
rixa  87. 
röstrum  125. 
rüncare  125. 
rüpta  124. 
rüscum  67. 
rfissus  124. 

saburra  124. 
saepes  241. 
saeptum  241. 
sagUta  86. 
satüllns  124. 
scriptus  57. 
seca^e  496. 
stmper  146. 
Septem  145. 
st"a?  145. 
siccMS  87. 
sTtoa  88. 
sömnus  172. 
sörsum  125. 
sptssKS  87. 
s^eWa  87. 
sMctus  87. 
stüppa  124. 
sühtus  124. 
sülais  125. 
sfilphur  125. 
summa  124. 
st*w<  125. 
s%ra  123. 
sürsiim  67. 

<ae(ia  241. 
toet^ea  241. 
tectum  87. 
ftSrra  145. 
/(S<«  145. 
traeda  241. 
traicere  241. 
trajicere  241. 
trigmta  88. 
Ms^e  57. 
irünais  125. 
tümba  125. 
<r«pis  124. 


türris  124. 
*tö>-/a  124. 
türkira  124. 
tüscus  124. 

y>«(?«  125. 
ündecim  125,  488. 
M^rc  123. 

vendere  88. 
ventus  146. 
verecündia  123. 
versus  146. 
wsjjt«  145. 
vespera  145. 
v7dw  57. 
vf/Za  57. 
vmcere  88. 
wr^a  88. 
i;w-gfo  88. 
vfecMS  88,  89. 
vitrum  87. 
t;?«a  86. 
VMZjpes  125. 

Portugiesisch. 

a&ai2o  340. 
dlama  383. 
ameixa  265,  400. 
anchova  31. 
aplainar  433. 

&a&a  48. 
barhasca  340. 
barbeito  286,  340. 
barräo  340. 
barrasco  840. 
feerra  340. 
berrar  340. 
&?&om  340. 
ftJWa  340. 
&o?e<a  306. 
&oZor  354. 
&oZver  340. 
brasfamando  286. 
&roc/ja  138. 


cadeira  417. 
caramunha  131,  286. 
cerquinha  352. 
cÄc  517. 
chorudo  346. 
chorume  346. 
clioupo  140. 
chuiva  273. 
chvsma  32. 
cisa  120. 
comefar  410. 
cotovello  483. 
covo  231. 
cre««  64. 
crestar  295. 

dejtor  330. 
(iesß^'o  119. 
dizima  151. 
do&ar  290,  454. 
fipwa  192. 

enxofre  341. 
eiva  45. 
escoTho  414. 
escrevir  65. 
esfrwme  231. 

/bme  229. 
frangas  357. 
/wZo  420. 

gastar  340. 
gavela  44. 
gomiiar  340. 
(/ora^  340. 
<//ada  353. 
gulpilha  340. 

irmäo  329. 
is<o  100. 

jaZwe  338. 
Janeiro  288. 
jawda  288. 
jardin  338. 
jinela  288. 
j/oeJro  439. 


558 


Wortverzeichnis. 


joelho  306. 
joya  338. 

lagoa  81. 
lagosta  140. 
leiva  240. 
lerdo  80. 
/e^'ma  65. 
longa  140. 
?or/co  140. 

magoa  21. 
malga  483. 
malha  21. 
m?7/»o  102. 
»niw  63. 
»noe^a  306. 
mor  521. 
mugem  431. 

gal.  wmo  49. 
*ie«;e  119. 
ninho  63. 

popeZ  84. 
X^ega  65. 
2)ensar  21. 
jnrtiga  151,  165. 
i^d  420. 
poupa  140. 
puxar  408. 

queima  165. 
querena  64. 

r(yo  483. 
roa^o  457. 
rMfio  487. 

sälama  383. 
sarao  286. 
seiva  198. 
siWia  165. 
soxwar  415. 
soro   165. 
Soturno  287. 
sowo  77. 
swor  137. 


^i&io  151,  161,  165. 
^mt^o  166. 

portg.  w?ar  431. 

xastre  341. 

zarzeta  352. 

P  r  o  V  e  n  z  a  1  i  s  c  h. 

aj&  45. 
ai^^a  232. 
ara  139. 
aucel  375. 
austor  295. 
awv^ii  259. 
a^;  460. 

fta&aw  48. 
hafa  48. 
&ai?  241. 
haüar  241. 
herbena  340. 
&er&i<^;  340. 
bearn.  fee^e^  479. 
fewis^o  443. 

casser  352. 
cer^isa  230. 
kat.  cZoj)  47. 

kat.  t^aw  362. 
degun  480. 
dcnezd  483. 
kat.  (?es?^  119. 
kat.  (^m  127. 

en  520. 
e^i^'a?  486. 
escrich  385. 
e^  461. 

fantauma  231. 

/e(5e  484. 
freu  362. 
fure^e  306. 

^rara^^  286. 
gar  gar  49. 
gastar  340. 


^f^a^i  431. 
glipiza  31. 
^wa  340. 
guarait  340. 
^wer  39. 

-ia  =  -arm  209. 
jasse  495. 
jayan  286. 

kat.  fcrew  127. 
lim.  Jcuküdo  286. 

Zori  80. 

mezeis  374. 
mudela  306. 

*2a  520. 
kat.  wew  49. 
mi^  365. 
niu  365. 
wiwZ  77. 
mwü  77. 
nora  138. 
orrfi  252,  431. 
og  461. 

jjia^i  252. 
2)eze  252. 
piccar  48. 
pm/s  71. 

gw^cs  351. 

sa6i  427. 
kat.  sigrö  242. 
gask.  swr  341. 
surr  esc  391. 

taraire  166. 
towre  252. 
^fi«  119. 
kat.  veu  127. 
visc  391. 

R  ä  t  i  s  c  h. 

ata  422. 

obw.  d^amprest  241. 
aram  286. 
friaul.  astittd  398. 
ataitlar  395. 


Wortverzeichnis. 


559 


f'riaul.  ohvr.  bar  44. 

Ula  241. 

friaul.  distm  287. 

eaula  422. 

obw.  f arein  307. 

obw.  glon  257. 

gref  230. 

obw.  kanastra  166. 
friaul.    kridmtse  287. 
liusrc'm  521. 

ie^r  230. 

obw,  ?w(jreri  166. 

obw.  luns  192. 

»wa?/  31,  230. 

-ma'm  257. 

friaul.    manassa  286. 

-mm  257. 

obw.  wew'a  424. 

friaul.  mirinde  287. 

friaul.  T^mZ  77. 
nuotar  231. 
ora  512. 

tirol,  omUa  413. 
oiwm  231. 

friaul.  pirikul  287. 
tirol.  p/o/'  46. 
reg  483. 
sa//"  241. 
sanghiott  293. 
obw.  ^ewZa  412. 
suar  285. 
s^^^er  77. 

iarader  166. 
obw.  fö?/ö  241. 
friaul.  t'mi  287. 

vainJc   257. 
friaul.  fmi  287. 
friaul.  ^'^ss/e  287. 

Ku  ni  äu  i  sc  h. 

aciod  111. 
ademänesc  307. 


adevür  307. 
fl/er<7  230. 
«j>?aY(  483. 
aramä  286. 
asteptd  398. 
a?/«w  294. 

&a?/a  46. 

mold.  öar&ae  286. 
6a^  269. 
?>er6ec  340. 
hine  147. 
&ra<?  46. 
hrehena  340. 

ca  461. 
cmM  256. 
dmnu  392. 
cirasä  230. 
d^f?^  286. 
codrw  46. 
coreastä  125. 
co<  269. 
crw?<  156. 
cxicutä  286. 
cttscru  521. 
cimunä  479. 

fäntäna  287. 
färämä  214. 
fermecd  286. 
/bawe  229. 

ghemusor  288. 
(;ms  353. 
gratar  353. 
graur  236. 
öfref/  230. 

Mrfie  286. 

innota  231. 
intrebd  367. 
jimc  156. 

?(5>erfa  286. 
limbric  286. 

wa/  46. 
war  31,   230. 
wirtre  43. 


mestecd  286. 
mie?  392. 
mineriu  229. 
mM2^'  46. 
mormint  480. 
muUumi  287. 
WMtew  49. 

nastur  35. 
*2ea  111. 
nimenea  120. 
»2om  138. 
woMr  132,  269. 
WMW^a  428. 

oMica  387. 

mold.  pacaf  286. 
padurä  483. 
pothniche  286. 
pjTof  269. 
2>ref  155. 

»•epm  286. 
mZic  286. 
rtdiche  286. 
r«e  135. 
ro§  457. 
rusine  135. 
maz.  n<§tmos  287. 

sälbdtec  286. 
scantä  400. 
sJwf/  394. 
soc  81. 
stoi<Z  413. 
s^ea  111. 
strähl  432. 
sträniitd  482. 
maz.  suturd  287. 
äoarece  341. 


istr.  tsaptir 
trece  241. 
<rcwie<e  286. 
<rej><a  241. 
^rjer  413. 

wwrf^e  518. 


343. 


560 


Wortverzeichnis. 


vechiu  150. 
vergura  443. 
cada  241,  354. 

Spanisch. 

äbedul  251. 

äborujar  287. 

ahiiitre  449. 

ahitrrir  287. 

dbnrujar  287. 

acazon  286. 

adräles  355. 

alnado  277,  450. 

amparar  355. 

anclioa  31. 

andado  450. 

andar  451. 

anelto  262. 

arambre  286. 

arienzo  420, 

ariesta  119. 

arroyo  45. 

asco  32. 

asmar  26. 
«i/er  305. 
ayuno  294. 
ayunque  450. 
fea&a  48. 
hadajo  422. 
&a/a  48. 
hamba  48. 
barbasca  340. 
barbecho  286,  340. 
bascar  339. 
ftefa  48. 
feoj  139. 
5o/sa  402. 
brafonera  40. 
brahon  40. 
bramil  487. 
&mwa  296,  356. 
örawo  356. 
ftw/ar  48. 
buscar  139. 
ca  461. 
cader a  417. 
cadillo  118. 


mZter  458. 
müma  237. 
canäherla  151. 
canastro  166. 
carena  64. 
carrasca  46. 
casaca  286. 
cenojil  355. 
cerceta  352. 
certZo  190. 
cere^'a  230. 
cigüena  433. 
cobija  415. 
cocina  287. 
colcedra  490. 
comba  43, 
conmigo  120. 
cor^o  46. 
CM&nr  287. 
cm(Zm-  287. 
cuemo  185. 
CMe^ia  131. 
cuidar  26. 
CM^e&m  132,   190. 
cundir  287. 
cwrifr  287. 
cliachara  49. 
cJiarrar  48. 
cJiasco  49. 
chiflar  42. 
chotar  49. 
clmrma  32. 

dejenjo  400.    - 
(^cseo  119. 
desleir  45. 
tZic/io  89. 
dow  507. 
Dnero  81. 

e»?cia  420. 
encina  479. 
endivia  29. 
enebro  288. 
mero  190,  288. 
enjambre  486. 
ew^MSo  139. 
ensiemo  119. 


er«  147. 
escollo  414. 
escricho  385. 
escuro  295. 
ese  385,  522. 
espalda  450. 
es^era  190. 
esfeya  65. 
-e^a  429. 

farfante  49. 
/aro?  30. 
femencia  354. 
/e^  211. 
/le?  89. 
^ewo  119. 
/?oia  271. 
/bc/ia  271. 
/bja  35. 
fragua  236. 
/rewie  190. 
fno  262. 
fWto  389. 
fro^'a  236. 

gama  487. 
ganiles  354. 
ganon  354. 
garditna  46. 
garganfa  49. 
gdrgara  49. 
gastar  340. 
^rato  353. 
^a^^ia  353. 
goldre  34. 
golfino  487. 
^^o^pe  340. 
gomitar  340. 
^o^-o  431. 
grada  353. 
gradiUa  353. 
granja  433. 
</mso  353. 
graznar  353. 
^irewa  45. 
^re^  256. 
griiar  354. 
gulpeja  340. 


Wortverzeichnis. 


561 


hacha  415. 
hcnchir  331. 
herren  286. 
hienda  119. 
hiniestra  286. 
hirviente  286. 
^»sca  120. 
hito  889. 
hombre  182. 
/jweco  355. 
/mevo  132. 

-ignar  444. 
ja&ow  341. 
ja? Je  338. 
jalma  341. 
jardin  338. 
jayan  286. 
jeme  341. 
jenabe  341. 
jeja  341. 
ji6?a  425. 
jiV<7a  341. 
jo?/a  338. 
joi/o  480. 
jugo  341. 
7ac?o  346. 
lagarto  166. 
Zaiffo  36. 
/awa  410. 
lastimar  424. 
laima  497. 
legamo  46. 
Ze;-rfo  80. 
Zera  346. 
Zey  256. 
Z?ew^o  64. 
lisiow  286. 
losa  45. 
/ttdio  131. 
luene  192. 
Z?eco  190. 
ZZevar  344. 
lliega  119. 

maWa  21. 
mallugar  483. 
manceho  425. 

Meyer,  Grammatik. 


mancha  21. 
manso  46. 
manteca  46. 
wawa  422. 
micha  49. 
myo  102. 
mingna  99. 
mintroso  286. 
m?swa  374. 
mMrto  30. 

»ja(?je  259. 
navaja  286. 
w«r/o  110. 
>re?7a  457. 
m'eye  118. 
w^o  49. 
wow  461. 
»?wera  138. 
wMeso  522. 
mdria  487. 
*T«((io  344. 

orMgfa  305. 
orugo  287. 
paramo  45. 
pato  49. 
pawZ  488. 
pelear  35. 
pensar  21,  26. 
pergamino  119. 
^e/To  46. 
pertiga  165. 
2>e</-a?  449. 
jpiar  49. 
picara  48. 
piccar  48. 
Ijico  48. 
podenco  46. 
pomez  81.. 
^ofro  490. 
presto  241. 
jjre^r  151. 
j^r/efo  419. 
j)roa  381. 
piidiente  287. 
2)wjar  408. 
pulienta  287. 


quejigo  46. 
quema  165. 
quijada  385. 
qwjarndo  480. 
racimo  119. 
recio  443. 
re^  256. 
Ho  320. 
»•o?(?o  287. 
rojo  457. 
rosa  191. 
nr/do-  287. 
sa&?o  427. 
sahucso  81. 
sam  464. 
sm-^f«  166. 
sencillo  420. 
serJa  190. 
sefo  241. 
siembra  119. 
siesto  321. 
siWa  151. 
simiente  286. 
siew  119. 
so/je^^  80. 
somorgujo  287. 
soplar  415. 
swero  165. 

taladro  166. 
fopia  46. 
top?,?  129. 
tartajear  49. 
fea  241. 
^j«so  119. 
<77de  120. 
tinieblas  286. 
^?o  80. 
fiV/o  151. 
<o/va  482. 
torzuelo  287. 
tronchar  415. 
turdiga  287. 
^t<m/o  287. 
umbral  290. 
ww'a  287. 
w,fo  189. 
36 


562 


Wortverzeichnis. 


venin  119. 
ventaja  4:1. 

yero  420. 
yesca  119. 

zahullir  341. 
sahondar  341. 
zozohrar  341. 
zucio  341. 
^wrt^o  341. 

Vulgärlatein. 

äbscgndere  172. 
accasio  286. 
acifoUum  421. 
acupare  54. 
aestarium  423. 
agurium  54. 
agustus  54. 
aitare  288. 
alenare  483. 
«?m  463. 
amendola  479. 
amMS  405. 
apiuva  31. 
aramen  286. 
ascültare  54,  125. 
aspectare  294. 
auccidere  283. 

&ai7MS  241. 
halancia  286. 
haneum  405. 
hattere  421. 
herhece  340. 
&esto  429. 
hetuUum  456. 
hurriccus  496. 
&Ma?te  261,  443. 

cadriga  417. 
ca?(?MS  54,  261. 
cdlmus  54,  261. 
cappulum  414. 
capum  463. 
cardus  423. 
castegna  231. 
cathedra  417. 
cinguaginta  7. 


cinque  6. 
cisellum  283. 
d^em  262. 
dusma  32. 
cocere  421. 
colestram  125. 
colgbra  132. 
coZpws  54,  261. 
coüms  484. 
conoscere  392. 
conucla  479. 
cosw?  21. 
CQtulus  139. 
cucuta  286. 
cwjjpa  458. 
cürtus  72. 

damus  454. 

demörat  192. 

demgrat  192. 

dispdium  119. 

disinare  288. 

dlo^a  31. 

domnus  54,   261. 

ej-MMS  54,  261. 

faZto  261. 

febrarius  423. 

/^a&a  482. 

frigdus  261. 

fringilla  423. 

fringuüla  '1-23. 

frgnde  172 

fwZca  271. 

futtere  421. 
^Z?re  64. 
^ftosa  458. 
graulus  236. 
jagante  286. 
jajunus  294. 

*jenice  288. 
jeniperus  288. 
jenuarius  287. 
lacusta  294. 
lamna  410. 
levisticum  374. 
Zow^e  193. 

maladicere  275. 


manaciae  286. 
mawMdw.s  412. 
mattinus  273. 
monisterium  274. 
mortus  423. 

wop^ia  138. 

«pra  138. 

wo?;a  182. 

ptwm  132. 
padium  32. 
pampanus  262. 
papirus  34. 
pelegrimbs  479. 
pesare  21. 
pibione  425. 
ploppus  482. 
j^Zwia  426. 
postus  261. 
püllegium  278. 
pjrüma  379. 
pulleus  457. 

quaüor  421. 
quatt.ro  462. 
quercedula  421. 

quetus  7. 

recidus  443,  448. 
respqndere  172. 

salvaticu  286. 
scütella  282. 
sempre  462. 
serrare  458. 
singluUus  482. 
soldus  261. 
stumüus  53. 
stupila  53. 
suplare  415. 
suSum  72. 
tgndere  172. 
to^^MS  458. 
tresaurus  485. 
ustium  139. 
varhactu  286. 
tjertws  54. 
W(Z?s  54,  261. 
voZto  261. 


Etymologisches. 


Abkürzilll^eil :  Asc :  Ascoli;  Ba. :  Baist;  Ca.:  Caix:  Co.:  Cornu; 
Flech. :  Flechia ;  Foe. :  Foerster ;  Grö. :  Gröber ;  Mich. : 
Michaelis ;  Pa. :  G.  Paris ;  Schu. :  Schuchardt ;  Thurn. :  Thur- 
neysen  (Keltoromanisches) ;  To. :  Tobler. 


pg.  abano  340. 

fr.  ahoi  229  Foe.   Z. 

VI,  95. 
pr.  aib  45  Thurn. 
it.  allnda  360. 
pg.a»ne?>a265Co.767. 
it.      ammamare      47 

Flech.  A.G.IV,372. 
it.    andare   451    Grö. 

Sub. 
vum.  apucd  483. 
pr.  ara  139. 
sp.  arroyo  45. 
it.   aschero  32  Wiese, 

Z.  XI,  554. 
it.  aveitin  304  To.  Mi. 

74. 

it.  hälfe  42. 

it.  haccano  464  Storm. 

A.  G.  IV,  383. 
Np.  hascar  339. 
it.  heft'a  48. 
fr.  hezoche  44. 
it.  bietet  112. 
pg.  hirla  340. 
pg.    hoJor   354  Mich. 

Mi.  120. 


it.  horcJiia  138  Storm, 

A.  G.  IV,  388. 
fr.  hörne  44  Thurn. 
it.  hosco  139. 
sp.  hrana  356. 
it.  hruire  356  Thurn. 
sp.  huscar  139. 

it.  caff'o  42. 

pg.    caramunha    131, 
286  Mich.  Mi.  121. 

sp.  carrasca  46. 

sp.  cenojil  355. 

sp.  cerdo  190. 

it.  chicco  33. 

fr.  ch^e  352. 

fr.  codier  334. 
i  it.  comha  43. 
!  sp.  cor^o  46. 

pg.  crestar  295. 

sp.  cueva  181. 

sp.  desleir  45  Thurn. 

fr.  diner  288. 

pg.  d(j6ar  290   Mich. 

Mi.   124. 
fr.  dru  44  Thurn. 
fr.  ejfreier  223  Pa.  R. 

VII,  121. 


pg.  eiva  45. 
fr.  encore  139. 
sp.  ese  385. 
fr.  essieu  62. 
fr.  e'<?ii  140. 

!  it./arc7»e«o?a352Flech. 
j      A.  G.  IV,  385. 
|fr.  flaistre  451. 
I  sp.  floja  271. 

fr.  flau  38. 

sp.  foja  35. 
I  it.  frana  241    Flech. 
I  it.  frasca  356. 
|it.  fratta  35. 
I  it.  /"nfsco  44  Schu.  Z. 
;      IV,  148. 

t  it.  ganascia  30. 

I  fr.  gange  334  Pa.  R. 

XV,  631. 
pg.  gavela  44  Thurn. 
it.  gettare  230. 
it.  gheppio  31  Ca.  St. 
it.    ghiova    183    Asc. 

A.  G.  m,  355. 
it.      giaveUotto      338 

Thurn. 
fr.  glouteron  295. 
36* 


564 


Etymologisches. 


sp.  goso  431. 

it.  gregna  424  Ca.  St. 

fr.  grolle  236. 

it.  guidare  45  Thurn. 

fr.  liäte  36  Möller  PB. 

VII,  459. 
sp.  hacha  415. 
sp.    Msca    120    Asc. 

A.  G.  m,  462. 
sp.  liito  389. 

it.  insieme   119    Grö. 

Sub. 
pg.mnäo229Co.772. 
pr.  jasse  495. 
sp.  jeja  341. 
pg.  joeiro  439  Co. 

fr.  landier  274. 

sp.  Icgamo  46. 

pg.  ZeJva  240. 

sp.  ?erdo  80. 

it.  lia  44  Thurn. 

sp.  losa  45   Scliu.  Z. 

VI,  424. 
sp.  Indio  131. 

pg.  malga  483  Co. 

it.  maniato  433  Ca.  St. 

it.  manna  422  Ca.  St. 

sp.  manteca  46. 

it.  manzo  46. 

fr.  megue  44  Tliurii. 

it.  meto  31. 

it.  menno  422  Ca.  St. 

fr.  meugler  487. 

it.  mma  45  Thurn. 

fr.   mine  45  Thurn. 


fr.  molie  458  Foe.  Z. 

m,  261. 

fr.  moquer  35. 

fr.  panne  309. 
sp.  pelear  35. 
sp.  ^erro  46. 
it.  petaccMo  34. 
it.  piccare  48  Timm, 
it.  piccolo  48  Thurn. 
fr.  pieuvre  31,   262. 
it.  pisciare  49  Grö.  S. 
it.  piviale  288  Foe.  Z. 

IV,  377. 
it.  piviere  288  Foe.  Z. 

IV,  377. 
sp.  podenco  46. 
it. 2)osoZmo  119  Ca.  St. 
fr.  poele  35. 
it.  jjma  47  Asc.  A.  G. 

III,  360. 

sp.  quejigo  46. 
sp.  quema  165. 
fr.  gwi^er  299. 

fr.  räcler  414. 

fr,  rame  293   Thurn. 

fr.  rayon  44  Thurn. 

it.  rcfe  42. 

fr.  rincer  293    Scliu. 

Z.  VI,  424. 
it.  rocca  43. 
it.  roggia  46. 
sp.  rojo  457. 
fr.    rouette    306    To. 

K.  Z.  XXin,  418. 
sp.  rwfio  487. 


fr.    saie    93    Canello 

A.  G.  III,  386. 
it.  scofßna  42. 
it.  sdrajare  431. 
sp.  sencillo  420  Mich. 

Mi.  155. 
pg.  seiva  198. 
fr.  senne  447. 
fr.  s%e  451. 
sp.  sien  119. 
sp.s?esfa321Ba.Z.VII, 

122. 
serpe  221. 
serfir  221. 
sp.     sohez    80   Mich. 

St.  226. 
sp.  soplar  415. 
fr.  sor  44  Thurn. 
fr.  soidier  223. 
it.  stegola  65. 
it.  stoviglia  488  Ca.  St. 
it.  svcchia  413  Asc. 
fr.  SMr^e  80    Pa.  Eo. 

vn,  103. 

sp.  suero  165. 

it.  taffiare  42. 

fr.  taisniere  46. 

it.  toiK<  46. 

fr.  taniere  46. 

sp.  faj;?a  46. 

it.  treggea  35. 

sp.  tronchar  415. 

it.  t(^o  42. 

it.  vaccio  488  Ca.  St. 

vide    231    Schu.    Eo. 

IV,  257. 
it.  vuoto  43. 
it.  zappare  35. 


Pierer'sche  Hofbuchdruckerei.    Stephan  öeibel  &  Co.  in  Altenburg. 


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