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Grammatik
der
Eomanischen Sprachen
von
Wilhelm Meyer -Lübke,
ao. Professor der romanischen Philologie an der Universität Jena.
Ogni nuovo avanzamento ridonda in
nuovo onore dei maestri che ci hanno
aperto e spianato la via ardua e buona.
G. J. Ascoli.
Erster Band:
Lautlehre.
Leipzig,
Fues's Verlag (R. Eeisland).
1890.
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tX-bC.^
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KomMuische Lautlehre
Wilhelm Meyer-Lübke,
ao. Professor der romanischen Philologie an der Universität Jena,
Leipzig,
Fues's Verlag (R. Reisland).
1890.
Verfasser und Verleger behalten sich das Übersetzungsrecht vor.
>
Seinen hochverehrten Lehrer
• e r n
GASTON PARIS
und
ADOLF TOBLER
in dankbarer Erinneruni
der Verfasser.
Vorwort.
Bei den grofsen Fortschritten der romanischen Wissen-
schaft, seit dem Diez sein Meisterwerk zum letztenmal „ver-
mehrt und verbessert" hatte erscheinen lassen, darf der Ver-
such einer neuen, dem heutigen Stand unserer Kenntnisse und
Erkenntnisse entsprechenden romanischen Grammatik wohl
nicht mehr als verfrüht bezeichnet werden. Zwar liegt auch
heute noch der Stoff namentlich aus den Mundarten sehr
ungleich und sehr lückenhaft vor, aber eine gleichmäfsige
Untersuchung aller Dialekte wird wohl noch mehr als ein
Menschenalter auf sich warten lassen, und der Wissenschaft
ist schon gedient, wenn gezeigt wird, wo sich die gröfsten
Lücken finden. Was ich irgendwie habe erreichen können,
habe ich ausgenützt, wenn ich auch nicht alle Einzelheiten
anführen konnte. Bei der grofsen Zersplitterung der Litteratur
dürfte mir freilich manches entgangen sein, anderes konnte
ich hier, wo ich fast ganz auf meine eigene Bibliothek an-
gewiesen bin, nicht erlangen. So waren mir z. B. die Revue
des langues romanes und die älteren Bände der Romania nur
schwer zugänglich ; Cledats Revue habe ich noch nicht zu Ge-
sicht bekommen u. s. w. Ich bedauere das umsomehr , als ich
das Hauptgewicht auf die heute gesprochenen Mundarten lege
und den mittelalterlichen Texten nur einen bedingten Wert
beizulegen vermag. Ich bin noch immer der Ansicht, dafs
Vm Vorwort.
die altfranzösischen, altitalienischen u. s. w. Texte neben histo-
rischen Schreibungen auch sehr viel thatsächliche Schreib-
fehler und umgekehrte Schreibungen enthalten, und dafs man
mit diesen Faktoren bei der Lautlehre dieser Texte in viel
höherem Grade rechnen sollte, als es meist geschieht. Im ein-
zelnen meine Zweifel zu begründen, konnte ich allerdings
schon aus Raummangel nicht unternehmen.
Bei der grofsen Masse des zu verarbeitenden Stoffes
mufste ich natürlich alles unnötige . Beiwerk weglassen. Ich
habe daher zwar überall, wo es von Belang war, die Grel ehrten,
deren Auffassung ich aufgenommen habe, zitiert, oder hoffe
wenigstens, es gethan zu haben, dagegen glaubte ich, von
abweichenden Erklärungen nur die wichtigsten anführen und
nur in seltenen Fällen zu Widerlegung im einzelnen schreiten
zu dürfen. Wo ich ferner aus Untersuchungen über mittelalter-
liche Texte Beispiele genommen habe, da begnügte ich mich,
den Text ohne weitere Seitenzahl zu nennen, da genauere
Angaben sich in der betreffenden Spezialuntersuchung finden.
Ein Verzeichnis aller benutzten Arbeiten, sofern sie nicht
im Texte mit ganzem Titel genannt sind, findet sich S. XIV ff.
In der phonetischen Terminologie bin ich möglichst kon-
servativ, in der Umschreibung möglichst einfach geblieben.
So lange die phonetischen Systeme noch so weit auseinander-
gehen , wie es heute der Fall ist , thut eine historisch ver-
gleichende Grammatik am besten, den alten, wenn auch nicht
immer ganz zutreffenden Bezeichnungen treu zu bleiben, da
sie so allein von Allen verstanden werden kann. Leider habe
ich in der Umschreibung der Dialekte keine Konsequenz
erzielen können, da die Angaben meiner Quellen mir zu oft
nur halbe Klarheit brachten. Wo ich aber immer konnte,
habe ich mich phonetischer Schreibung bedient.
Das Zitat „Kap. VI" S. 8 Anm. bitte ich zu streichen.
Es war ursprünglich meine Absicht, als Schlufs des Bandes
eine zusammenfassende Übersicht über die lautliche Entwick-
Vorwort. IX
hing der Hauptsprachen zu geben, ohne Rücksicht auf die
Mundarten aber streng chronologisch. Daran hätte sich einer-
seits die Darstellung der modernen Aussprache, andererseits
das Kreolische angeschlossen. Damit aber der Band nicht
allzusehr anschwelle, und weil eine derartige Sprachgeschichte
mit der Formenlehre Hand in Hand geht, wird dieser Ab-
schnitt erst im zweiten Bande folgen, die „romanische Phone-
tik" aber wird, liofFentlich in nicht allzu ferner Zeit, von
anderer viel besser gerüsteter Seite gegeben werden.
Das Wort- und das Sachverzeichnis wollen nicht voll-
ständig sein, sie enthalten aber hoffentlich alles, was einiger-
mafsen von Belang ist. Mundartliche Wörter suche man in
der schriftsprachlichen Form, provenzalische in französischer,
portugiesische in spanischer. Was in das vulgärlateinische
Wörterverzeichnis aufgenommen ist, wurde im italienischen u. s.w.
meist nicht wiederholt. Im lateinischen habe ich fast nur
diejenigen Wörter angeführt, deren Vokal({uantität durch das
Romanische bestimmt ist. Den deutschen Ausdruck „Ver-
schränkung" statt des lateinischen „Contamination" im Sach-
verzeichnis gebrauche ich nach dem Vorgange von J. Schmidt.
In den etymologischen Index habe ich alle diejenigen
Wörter aufgenommen, die anders erklärt sind, als es in der
dritten Auflage des Diezschen Wörterbuches geschieht oder
die bei Diez sich nicht finden.
Einen Teil der Korrektur mit zu lesen , hatte Herr stud.
phil. Schläger in Jena die grofse Gefälligkeit, wofür ich ihm
sehr zum Danke verpflichtet bin.
Jena, im September 1889.
W. Mever-Ltibke.
Verbesserungen.
ite 30,
Zeile 2
lies
461
statt 453.
„ 30,
n
33
n
359
„ 559.
„ 32,
»
12
n
282
„ 294.
„ 35,
n
32
n
270
„ 280.
„ 36,
r>
35
n
442
„ 501.
„ 53,
n
6
Ti
292
„ 295.
,, 63,
n
23
5)
450
55 441.
„ 69,
n
34
!5
ü
u.
„ 102,
n
29
»
362
„ 562.
„ 108,
n
8
»
i
?•
„ 115,
n
30
»
292
55 29.
„ 120,
n
4
streiche
, wogegen" bis „ist".
„ 137,
»
1
lies
oK
statt K 0.
„ 159,
n
5
55
164
5, 179.
„ 159,
n
7
55
179
„ 260.
„ 189,
n
35
55
üe
„ ue.
„ 190,
n
1
)5
üe
„ ue.
„ 191,
n
27
streiche
,aucli" bis „Erbwörter"
„ 200,
»
9
lies
278
statt 223.
„ 200,
n
32
55
249
55 223.
„ 204,
n
19
55
255
55 221.
„ 209,
»
3
55
nur
„ nie.
„ 213,
w
5
55
526
„ 326.
„ 219,
»
17
55
281
„ 290.
„ 222,
))
22
55
durch
Kürzung zu e wird
statt bleibt.
„ 224,
))
38
55
chaif
„ eher.
„ 229,
j)
16
55
maniariu statt maniairu.
„ 231,
«
8
55
Alatri statt alothr.
Inhaltsverzeiclinis.
Seite
Einleitung 1
L Kapitel: Die Vokale 50
Die lateinischen Vokale 51
A. Betonte Vokale 54
1. Vnlgärlat. i = schriftlat. J 54
a) i bleibt erhalten 55
b) Spontane Veränderungen 58
c) Bedingte Veränderungen 59
1. Einflufs folgender Laute 59
2. Einflufs vorhergehender Laute .... 63
d) Einzelheiten 64
2. Vulgärlat. u = schriftlat. ü 65
a) u bleibt erhalten 65
b) Spontane Veränderungen 67
c) Bedingte Veränderungen 76
1. Einflufs folgender Laute 76
2. Einflufs vorhergehender Laute .... 80
d) Einzelheiten 80
3. Vulgärlat. c =^ schriftlat. i; 1 81
a) Spontane Weiterentwicklungen des ei . . . 89
b) Bedingte Veränderungen 98
1. Einflufs folgender Laute 98
2. Einflufs vorhergehender Laute . . . . 112
c) Sporadischer Wandel von e zu p und i . . 118
4. Vulgärlat. o = schriftlat. ö, ti 120
a) Spontane Weiterentwicklung des ou . . . . 126
b) Bedingte Veränderungen 131
1. Einflufs folgender Laute . 131
2. Einflufs vorhergehender Laute .... 137
c) Sporadischer Wandel von o zu p, u . . . 137
5. Vulgärlat. p = schriftlat. e 141
a) Bedingte Veränderungen von f, ie .... 148
XII Inhaltsverzeichnis.
Seite
1. Einflufs folgender Laute 148
2. Einflufs vorhergehende!' Laute 155
b) Das Verhältnis von e und ie 159
c) Vereinzelter Übergang von ^ in andere Vokale 164
6. Vulgärlat. Q := schriftlat. ö 166
a) Bedingte Veränderungen von Q, uo . . . . 174
1. Einflufs folgender Laute 174
2. Einflufs vorhergehender Laute 183
b) Das Verhältnis von uo zu tie, a 184
c) Einzelheiten 191
7. Lateinisch a 193
a) a bleibt erhalten 194
b) Spontane Veränderungen des a 198
c) Der Wandel von freiem a zu e 199
d) Bedingte Veränderungen 205
1. Einflufs folgender Laute 205
2. Einflufs vorhergehender Laute . . . . 222
e) Einzelheiten 230
8. Die lateinischen Hiatusvokale 232
9. Diphthonge 234
a) Die lateinischen Diphthonge 234
b) Bedingte Veränderungen des au 239
c) Die romanischen Diphthonge 241
B. Tonlose Vokale 243
1. Die Auslautgesetze 243
a) Spontane Entwicklung der auslautenden Vokale 244
b) Bedingte Entwicklung der auslautenden Vokale 248
c) Wirkung und Schicksale des -f 256
d) Die Nachtonvokale 261
e) Die Vortonvokale 273
f) Die Anlautsvokale 277
C. Zur Geschichte der Nasalvokale 308
II. Kapitel: Die Konsonanten 315
A. Die Konsonanten im Wortanlaut 322
Sekundäre Palatalisierungen 342
B. Die Konsonanten im Woi'tinlaut 357
1. Einfache Konsonanten in Paroxytonis .... 358
a) Verschlufs- und Reibelaute 358
1. Nach dem Tone 358
2. Vor dem Tone 372
b) Sonanten 376
2. Konsonanten-Verbindungen 384
a) Labial + Dental 384
b) Guttural -j- Dental 385
c) Die <S- Verbindungen 395
d) Die -R- Verbindungen 400
e) Die X- Verbindungen 403
Inhaltsverzeichnis. XIII
Seite
f) Die Nasal-Verbindungeu 408
g) Die Konsonanten vor l und r 410
h) Änderungen des Schlufskonsonanten . . . . 418
i) Die U- und Y- Verbindungen 421
3. Die Konsonanten in Projjaroxytonis .... 442
4. Die Doppelkonsonanten . . 453
C Die Konsonanten im Wortauslaut 460
1. Der lateinische Auslaut 460
2. Der romanische Auslaut 465
D. Lautvertauschungen 478
III. Kapitel: Der Accent 489
IV. Kapitel: Das Wort im Satze 502
A. Tonlose Wörter 503
B. Wortanlaut und Wortaiislaut 507
1. Der Wortanlaut 507
2. Der Wortauslaut 512
C. Abkürzungen vielgebrauchter Wörter 520
V. Kapitel : Zur Chronologie des Lautwandels .... 523
Sachverzeichnis 542
Wortverzeichnis 549
Etymologisches 563
Abkürzungen und benutzte Werke.
abr. = abruzziscli : Finamore,
Vocabolariodell'uso abruzzese
1880; Tradizioni populari ab-
ruzzesi 1885.
Abr. Ult. = Abruzze Ulteriori.
afr. = altfranzösisch.
agn. = anglonormanniscb.
ags. = angelsächsisch.
ahd. = althochdeutsch.
alb. = albanesiscli.
Albertv. = Albertville : Brächet,
Dictionnaire du patois sa-
voyard 1883.
algh. = Alghero : Parodi, Arch.
Glott. IX; Morosi, Miscell.
fil. lingu. 313.
ampezz. = Ampezzo.
andal. = andalusisch : Schiichardt,
Ztschr. V, 302.
apul. = apulisch.
aret. = aretinisch : B. Bianchij
II dialetto e la etnografia di
Citta di Castello 1887.
astur. = asturisch : MuntJie, An-
teckningar om Folkmalet i
en trakt of vestra Asturienl887.
auv. = auvergnatisch.
avign. = Avignon.
bagn. == Bagnard : Cornu, Rom.
VI.
barcell. = Barcellona.
bask. = baskisch.
baslim. = Bas-Limousin.
bauv. = Bas-Auvergne.
bearn. =^heavmsch. : Lesjyy, Gram-
maii-e bearnaise.
bell. = Belluno.
bergam. = Bergamo : TiraboscM,
Vocabolario dei dial. Berg.
1867.
bergell. == Bergell : Eedolfi,
Ztschr. VIII.
berry. = Berrychon : Talbert,
Du Dialecte Blaisois 1874.
bess. == Bessin : Joret, Le Patois
dvi Bessin 1881.
bog. = Bogotan : Cuervo, Apun-
taciones criticas sobre el len-
guaje bogotano 1885.
bol. = bolognesisch : Coronedi-
Berti, Vocab. Bol. 1877.
bord. = Bordeaux,
bret. = bretonisch.
briauQ. = Brian<jon : J. Ä. Cha-
hrand et A. de Rochas d'Äiglun,
Fat. d. Alpes Cotiennes 1877.
buchenst. = Buchenstein,
bukow. = Bukowina,
bürg. = burgundisch.
camp. = campidanesisch : G.Hof-
manny Die log. und campid.
Mundart; Diss. Strafsburg 1885.
campob. = Campobasso : D^Ovidio,
Arch. Glott. IV.
Abkürzungen und benutzte Werke.
XV
canav. = canavese.
chanip. = Champagne : Tarhe,
Recherclies sur riiistoire du
langage de Champagne 1851.
com. =; comaskisch : P. Monti,
Voc. d. dialetti della citta di
Como 1845.
crem. = ci-emonesisch.
dauph. = Daupliinee.
digii. = Uiguano.
emil. = emilianisch.
enj^. = engadinisch.
engl. = englisch.
Enneb. = Enneberg.
ferr. ;^= ferraresisch.
florent. = florentinisch. '
franche-comt. = Franche-Com-
tois: Dartois, Coup d'oeil sur
les patois de F. C. 1850.
fränk. = fränkisch,
freib. = freiburgisch : Häfelin,
Jb. XV.
friaul. = friaulisch : Firona, Vo-
cabolario Friulano. •
frz. = fi-anzösisch.
gal. = galizisch : Saco y Arce
Gramatica Gallega 1868.
gall. = gallisch,
gallur. ^= gallurisch.
gask.==gaskognisch : Ä.Luchaire,
Etudes sur les idiomes pyre-
n6ens de la region francjaise
1879.
gred. = grednerisch : T. Gärtner,
Die gredner Mundart 1879.
gen. = genuesisch : Äscoli, Arch.
Glott. II., Olivieri, Diz. gen.
ital. 1851.
hautlim. = Haut-Limousin.
hauv. = Haut-Auvergne.
istr. = istrisch: MiMosich, Eu-
munische Untersuchungen 1882.
ital. = italienisch.
judik.^^judikarisch : Th. Gärtner,
Das Jndikarische 1882.
Juj. = Jujurioux: Philipon, Le
jiatois de J. 1884.
kal. ::= kalabresisch : Scerho, Sul
dialetto calabro 1885.
kastil. = kastilianisch.
kat. = katalanisch,
kelt. = keltisch,
kymr. = kymrisch.
ladin, = ladinisch.
lat. = lateinisch.
lecc. = Lecce : Morosi, Arch.
Glott. lYi
leon. = leonesisch: Gefsner, Über
das Altleonesische 1868.
lim. = Limousin : Chahaneau,
Grammaire limousine.
lion. = lionesisch: FMlijmn,
Eom. XIII, Puitspelu, Tres
humble essai de phonetique
Lyonnaise.
livinall. = Liviuallungo.
log. = logudorisch s. campid.
lomb. = lombardisch.
lothr. = lothringisch : Ä. Horning,
Franz. Stud. V, Adam, Les
patois Lorrains 1881, This,
Die Mundart des Kantons
Falkenberg, Diss. Strafsburg
1887, Haillant, Essai sur tm
pat. Vosg. 1887.
lucc. = lucchesisch.
lütt. = Lüttich: Ä. Horning,
Ztschr. IX.
mail. = mailändisch : C. Salvioni,
Fonetica del dialetto moderno
della Citta di Milano 1884.
mant. = mantuanisch.
Mayork. = mayorkanisch : Amcn-
guäl, Gramatica de la lengua
mall. 1872.
maz. = mazedonisch : G. WeigeU,
Die Sprache der Olympo-
Walachen 1888.
XVI
Abkürzungen und benutzte Werke.
mir. = Miranda: J. Leite de
Vasconcellos, 0 dialecto miran-
dez 1882.
mlat. = Mittellatein.
irnidl. = mittelniederländisch.
mod. = modenesisch.
monferr. = monferrinisch : Fer-
raro, Gloss. Monferr. Ü881.
montp. = Montpellier : Mushacke,
Franz. Stud. IV, 5.
morv. =: Morvan : De Chamhure,
Gloss. du Morv. 1878.
narb. = Narbonne.
neap. = neapolitanisch.
neuenb. = Neuenburg : Häfelin,
Ztsclir. vgl. Sprachforsch. XXI.
nfr. == neufranzösisch.
ngr. = neugriechisch.
nhd. == neuhochdeutsch.
nidwald. = nidwaldisch.
nivern. = nivernais.
nontr. = Nontron: Cliahaneau,
Grammaire Limovisine.
norm. = normannisch : Joret,
Melanges de Phonetique Norm.
1884. Des caracteres du Patois
norm. 1883 ; Fleury, Essai sur
le patois de Lahague 1886.
oberl. =
= oberländisch.
obw. =
= obwaldisch.
parm. -
pav. =
= parmigianisch.
= Pavia.
perug.
piacent
= peruginisch.
== piacentinisch.
piem. =
Arch
= piemontesisch : AscoU,
. Glott. II; Sant-Älhino,
Diz.
pik. =
piem. 1859.
pikardisch.
pisan. :
jjoit. =
Stud
= pisanisch.
poitevinisch : Görlich, Frz.
m, 2.
portg. -
prov. =
= portugiesisch.
= provenzalisch.
queir. = Queiras.
rät. = rätoromanisch.
regg. = Eeggio d'Emilia.
röm. = römisch.
romg. = romagnolisch : Mussafia,
Darstellung der romagnolischen
Mundart,
rouerg. = Rouergue: Äymeric,
Ztschr. m.
rum. = rumänisch.
saintong. = Saintonge : Jonain,
Dict. Saint. 1869; Görlich,
Frz. Stud. m, 2.
sard. = sardisch : Spano, Orto-
grafia Sarda 1840, Vocabolario
Sardo-italiano 1852.
savoy. = savoyardisch.
senes.'5=^ senesisch : Hirsch, Ztschr.
IX, X.
siz. = sizilianisch : Schneegans,
Laute und Lautentwicklung des
sizilianischen Dialekts, Diss.
Strafsburg 1887.
span. == spanisch.
sulzb.= sulzbergisch : Th. Gärtner,
Sulzberger Wörter 1884.
tarant. = Tarantaise s. Brian^on.
tarent. = tarentinisch : Morosi,
Arch. Glott. IV.
tessin. = tessinisch: Salvioni,
Arch. Glott. IX.
Tourn. = Tournais : D' Herhomez,
Etüde sur le dialecte du T.
au XIIP siecle.*
umbr. = umbrisch.
valso. = Valsoana : Nigra, Arch.
Glott. in.
vegl. = vegliotisch: Ive, Arch.
Glott. IX.
ven. = venezianisch: Boerio, D'iz.
del dial. Ven. 1856.
veron. = veronesisch.
vicent. = vicentinisch.
vion. = Vionnaz: J. Gillieron,
Patois de la commune de
Vionnaz 1880.
Abkürzungen und benutzte Werke.
xvn
waat. = waatländisch : A. Odin,
Phonologie des pat. du cant.
de Vaud 1886.
Aval. =: walachisch.
wald. = waldensisch: Rosiger,
Neu-Hengstott 1883.
walloii. = wallonisch : Grand-
gagnage, Dict. etym. d. 1.
langue wallonne 1850— 1880 ;
Sigart, Gloss. etym. montois
1868; Altenhurg, Versuch einer
Darstellung der wallonischen
Mundart 1880—1881.
A. A. ^= Amis et Amiles et
Jourdain de Blavie^ hg. von
K. Hoftnann.
Alex. = La chan^on d'Alexis
p. p. G. Paris.
Alessandr. = El poema d'Ale-
jandro p. p. Sanchez.
Alisc. == La bataille d'Aliscans.
Aniel = Li dis dou vrai aniel, !
hg. von A. Tobler. |
Aue. = Aucassin und Nicolette^
hg. von Suchier.
Barb. Meon = Barbazan et Meon,
Fabliaux et contes.
Band, de Sebourg*= Baudouin
de Sebourg ed. Scheler.
Ben. = Benoit de S. More, chro-
niques p. p. F. Michel*, Le
Roman de Troie p. p. Joly,
vgl. H. Stock, Rom. Stud. VI.
Berceo jj. p. Sanchez.
Beruh. = Li sermon de S. Bern-
hard, hg, von W. Foerster.
Ber. Trist. == Le Tristan de
Beroul p. p. F. Michel.
B. 0. =^ Bocados de Oro, hg.
von Knust.
Boet. = .Boethius ed Bartsch
Chrestomathie provencjale 1 ff*.
Bonv. = Bonvesin, hg. von J.
Ikkker, vgl. A. Mussafia, Über
das Altmailändische nach Bs.
Schriften 1868.
Brand. = Brandan, hg. v. Suchiei",
vgl. Hammer, Ztschr. XI.
Brut, Der Miinchener Brut, hg.
von Hofmann und Vollmöller.
Cal. Dim. = Calila e Dimna
p. p. Gayangos.
Charleni. = Voyage de Charle-
magne a Jerusalem et Con-
stantinople, hg. von Kosclnvitz.
Chev. n esp. = Li Chevaliers as
deus espees, hg. v. W. Foerster.
Chron. Imp. und C. J. = La
cronica deli imperadori, Arch.
Glott. III.
Chron. per. = Chroniche peru-
gine, Arch. Storico ItalianoXVI.
Chrys. = II Crisostomo, Arch.
Glott. VIII.
Cod. Vor. = Codicele Voronetean,
hg. von Sbiera.
C. Luc. = El conde Lucanor
p. p. A. Keller.
Comp. = s. Ph. von Thaon.
Cont. ant. Cav. = Conti di antichi
cavalieri ed. Fanfani.
Cor. Loo. = Le couronnement
Loois p. p, Jonckbloet.
C. Ps. := Croniche Pisane, Arch.
Stör. Ital. I, 6.
Dan. = Daniel Moschopolites,
hg. von F. Miklosich (Wiener
Denkschriften XXXII).
Dial. an. rat. = Dialogus animae
et rationis, Rom. V, 274.
Donat. prov. = Lo Donatz pro-
ensals, hg. von E. Stengel.
Durm. = Durmart le Gallois,
hg. von E. Stengel.
Enx. -= El libro de los cnxem-
plos, Rom. VII.
II
XVIII
Abkürzungen und benutzte Werke.
Et. Foug. = Etieiine de Fougeres,
vgl. Kehr, Diss. Boun 1884.
Eul. = La chanson d'Eulalia ed.
Koschwitz.
Exemp. = Altvenezianisches
Exempelbuch, Rom. XIII.
Ez. = Ezechielj Altburgundische
Übersetzung der Predigten
Gregors über Ezechiel, hg. von
K. Hofmann, vgl. Corssen,
Diss. Bonn 1883.
Fl. El. = Flore et Blancheflor
p. p. Du Meril.
Fra Paol. = Fra Paolino p. p.
A. Mussafia.
Gr. de Metz = La guerre de
Metz p. p. E. de Bouteiller.
G. de Pal. = Guillaume de Pa-
lerne p. jj. Michelant.
Gir. Eoss. = Girard de Eossillon
ed. Miguart, Breuer, Diss.
Bonn 1884.
Graz. = II diario del Graziani,
Arch. Stör. Ital. XVI.
Greg. Dial. = Li dialogue Gregor
la pape, hg. von Foerster.
Gring. = Gringore p. p. Heri-
cault et Montaiglon.
H. Lied = Das hohe Lied , hg.
von Stengel.
Hist. Pis. = Historia Pisana, s.
Cron. Pis.
Huon de Bord. = Huon de Bor-
deaux p. p. Guessard et Grand-
maison.
J. le Marcli. = Jean le Marchand,
Le livre des miracles de Xotre
Dame de Chartres, vgl. Kapp,
Diss. Bonn 1885.
Jon. = Jonas, hg. von Koschwitz.
Jos. s. Chardri.
Joufr. = Joufrois, hg. von Hof-
mann und Muncker.
Jourd. s. A. A.
J. Ruiz = Libro de cantai-es de
Juan Ruiz p. p. Sanchez.
Kath. P. = Das poitevinische
'Katharinenleben, s. Tendering,
H. A. 67.
Kav. = Kavalliotis, hg. von
Miklosich, s. Dan.
L. Ca. = El libro de la Caza,
hg. von Baist.
IV. Liv. = Les IV. livres des
Rois p. p. Le Roux de Lincy,
vgl. P. Schlösser, Diss. Bonn
1886.
Liv. de Manieres, s. Etienne de
Fougeres.
Lothr. Ps. = Lothringer Psalter,
hg. von Apfelstädt.
Marg. Ging. = Marguerite d'Oing
p. p. Philijjon, vgl. Zacher,
Beiträge zum Lyoner Dialekt,
Diss. Bonn 1884.
Marie de France, hg. v. Warnke.
7 Meister = Eine katalanische
metrischeVersion der 7 Meister,
hg. von Mussafia.
Mis s. Renclus.
Mousqu. = La chronique de
Philipp Mousquet p. p. Reiffen-
berg.
M. S. Michel = Le roman du
Mont S. Michel p. p. F. Michel,
vgl. Huber, H. A. 76.
0. P. = Le psautier d' Oxford
p. p. F. Michel, vgl. Harseim,
Rom. Stud. rV.
Orth. Gall. == Orthographia Gal-
lica, hg. von J. Stürzinger.
Panf. == II Panfilo in antico Vene-
ziano, Arch. Glott. X.
Paol s. Fra Paol.
3 Past. = 0 Mistero dos 3 pastores,
H. A. 64.
Phil. V. Thaon = Li Cumpoz
Abkürzungen und benutzte Werke.
XIX
von Philipp von Thaou, hg.
von Mall.
Ph. Vigu. = Das Tagebuch Phil.
von Vigneiilles, hg. von Miche-
lant.
Po. Moi-al = Le Poeme Moral,
hg. von F. Cloetta.
P. P. s. Chardri.
Pi«ior. = Die V6gece- Version des
Priorat von Besancjon, vgl.
Wendelborn, Diss. Bonn 1 887.
Kain. B. = Rainaldo di Buccio
ed. Muratori.
Renclus = Li Eenclus de Moilieus
p. p. von Hamel , Car. : Le
ronian de Carito , Mis. : Le
vornan de Miserere.
Kes. = 0 cancioneiro geral de
Resende, hg. von Kausler.
Rieh. ^= Rieharz li biaus, hg.
von W. Foerster.
R. Mont.=Renaiid de Montauban,
hs;. von F. Michelant.
Rol. = La chanson de Roland,
hg. von Th. Müller.
Rp. = Reimpredigt, hg. von H.
Suchier.
Rnstb. und Rust. = (Euvres com-
pletes de Rustebceuf p. p. A.
Jubinal, vgl. Metzke, H. A.
64, 65.
S. D. s. Chardri.
S. Juli. = La vie de Sainte Ju-
liane p. p. H. von Feilitzen.
Th^atre franc;. = Ancien theatre
franijais p. p. M. Viollet le
Duc.
Veget. s. Prior.
Visio. Filib. = La Vision de
Filiberto, hg. von 0. de Toledo
Ztschr. IL
Wace ^^ Le roman de Rou, hg.
von Andresen.
Ys., Ysop. = Der Lyoner Ysopet,
hg. von W. Foerster.
Arch. Glott. = Archivio Glotto-
logico Italiano.
Arch. lat. lex. ^= Archiv für
lateinische Lexikographie;
C. I. L. = Corpus Inscriptionum
Latinarum.
Cuv. Bätr. I. Suppl. = Hasdeu
Cuvinte din Bätränl.
Frz. Stud. = Französische Stu-
dien, hg. von Körting und
Kosclnvitz.
H. A. = Archiv für das Studium
der neueren Sprachen, hg. von
Herig.
Littbl. == Litteraturblatt für ger-
manische und romanische Phi-
lologie.
M. = Monuments de l'histoire
ile Neuchätel p. p. A. Matile.
Mem. Ant, Fr. = Memoires des
Antiquaires de France.
M. R. = P. Meyer, Recueil
d'anciens textes bas-latins et
proven^aux.
Mem. soc. ling. = Memoires de
la societe de Linguistique.
Mise, di iil. e ling. = Miscellauea
di filologia e linguistica.
Miscell. fil. rom. = Miscellauea
di filolOgia e linguistisa.
N. E. ^= Notices et extraits des
Manuscripts.
Pap. =Papanti, I parlari italiani
in Certaldo.
Prop. = II Propugnatore.
R. Pat. = Revue des Patois
Gallo-romanes.
R. 1. R. = Revue des langues
Romanes.
II*
XX
Abkürzungen und benutzte Werke.
Rev. Lus. == Revista Lusitana.
Rom. = Romania.
Rom. Stud. = Romanische Stu-
dien.
Ztschr. = Zeitschrift für roma-
nische Philologie.
Ztschr. vgl. Sprachf. = Zeitschrift
für vergleich. Sprachforschung.
Baist : Spanische Sj)rache, Grund-
rifs I.
Biondelli: Saggio sui dialetti
gallo-italici.
Caix: Studi di etimologia italiana
e romanza; Le Origini della
lingua poetica italiana.
Cornu: Portugiesische Sprache,
Grundrifs I.
D'Ovidio : Italienische Sprache,
Grundrifs I.
Fam-e: Parabole de l'enfant pro-
digue en divers dialectes et
patois de la France,
G-artner: Rätoromanische Gram-
matik.
Lücking .
Die ältesten franzö-
sischen Mundarten.
C. Michaelis: Studien zur roma-
nischen Wortschöpfung.
Miklosich : Beiträge zur Lautlehre
der rumunischen Dialekte.
Mistral : Lou tresor dou Feiihrige.
Mussafia : Beitrag zur Kunde der
norditalienischen Mundarten.
Neumann: Zur Laut- und Fle-
xionslehre desAltfranzösischen.
Suchier: Die französische Sprache,
Grundrifs I.
Thurot: De la prononciation
Fran^aise depuis le commen-
cement du XVP siecle
d' apres les temoignages des
grammairiens.
Tlktin: Studien zur rumänischen
Philologie.
Übersicht der phonetischen Zeichen.
Vokale : der Punkt unter dem Vokal giebt geschlossene, der
nach rechts offene Haken offene Aussj)rache, der Circumflex über
dem Vokal nasale Aussprache, der Akutus den Hauptton, der
Gravis den Nebenton an; § bezeichnet den reduzierten Laut des
französischen stummen e; j, M sind halbvokalisch.
Konsonanten: ein Akutus bezeichnet die jotazierten Laute
f, tf, ?, vi u. s. Av. ; (5, g die palatalen; s ist tonloser, z tönender
dentaler Dauerlaut, s, s die entsprechenden Dentopalatalen, /, d
die interdentalen: li bezeichnet den tonlosen velaren Reibelaut,
j den tönenden, l velares Z, h velares ot.
Einleitung.
1. Die wissenschaftliche Betrachtung der Sprache ist eine
doppelte : sie mufs einmal die reine Form, sie mufs sodann den
Inlialt des einzelnen Wortes betreffen, d. h. seine Stellung nicht
als physiologisches Ergebnis des Geräusches, das die durch den
Mund ausströmende Luft hervorbringt, sondern als Vermittler
psychologischer Vorgänge an andere Menschen. Eine vollständige
Trennung der beiden Betrachtungsweisen ist jedoch nicht möglich ;
immerhin wiegt bei den einen Zweigen der Sprachwissenschaft
mehr die eine, bei den andern die andere vor. Die konstitutiven
Elemente des Wortes sind zunächst die Laute : die Lautlehre
pflegt daher naturgemäfs an die Spitze grammatikalischer Unter-
suchungen gestellt zu werden. Bei der Entwicklung und Um-
wandlung der Laute einer Sprache ist die Bedeutung des Wortes
fast völlig gleichgültig : es handelt sich dabei vielmehr meist nur
um physiologische Prozesse. Immerhin wäre es unrichtig, wenn
man seinen Inhalt völlig aufser acht liefse bei der Untersuchung
der Form: der Inhalt, die Bedeutung kann häufig die regel-
mäfsige äufsere Entwicklung stören. Dem lateinischen u in
nürvs, nüptia stellen die romanischen Sprachen den Vertreter des
lat. 0 gegenüber: rum. nofä, eng. nozza, ital. nuora, nozzc, frz.
noce, span. nuera, portg. npra: es hat sich bei beiden novius der
Bräutigam, novia die Braut, oder socrus bei nurus eingemischt.
Dem lat. frigidus tritt ital. freddo , eng. fraid, frz. froid, deren
Vokal auf * weist, gegenüber: wahrscheinlich sind frigidus und
rlgidus vermengt worden. Sodann ist die Bedeutung, die das
einzehie Wort im Satze hat, oft von grofsem Einflufs auf seine
äufsere Form, s. Kap. IV.
Meyer. G rammatik . 1
2 Einleitung. ^ 1 ,
An die Lautlehre schliefst sich die Flexionslehre an. Diese
zerlegt die Wörter nicht in ihre einzelnen Laute, sondern in den
Träger des Begriffes, den Stamm, und einen, die Beziehung des
Wortes zu den andern des Satzes ausdrückenden Teil, die
Endung: am-o jiatr-em. Am, patr erwecken allgemein jenes die
Idee einer Handlung, dieses diejenige eines Seienden 5 0 besagt,
dafs der Spi-echende in der GegeuAvart die Handlung vollziehe,
die in am ausgedrückt ist, -em, dafs das Seiende von der Hand-
lung betroffen werde. Insofern also wird man sagen können,
dafs die Flexionslehre den Inhalt des Wortes betrachtet. Allein
die Endungen sind in gleicher Weise, wie alle andern Bestand-
teile des Wortes, den lautlichen Veränderungen unterworfen ; für
die Lautlehre bleibt es gleichgültig, dafs das m in patrem etwas
ganz anderes bedetitet als dasjenige in amem. ; soweit also wird
auch die Flexionslehre einen Bestandteil der Lautlehre bilden,
sie wird zeigen, wie sich die flexivischen Elemente lautlich
umgestaltet haben. Was wir aber schon beim einzelnen Worte
gesehen haben : Beeinflussung der formalen Entwicklung durch
den Inhalt des Wortes, das tritt in der Flexionslehre in noch
viel höherem Mafse auf. In nmo, ama-h-am drücken 0, am
dieselben Beziehungen aus : die Idee der Handlung ist verknüpft
mit der Person des Sprechenden; die Sprache strebt nun danach,
gleiche Funktionen auf gleiche Weise zum Ausdruck zu bringen,
daher ital. amo, amavo, statt amo, amava. Die Flexionslehre be-
schäftigt sich also im Grunde mit den Störungen, die die laut-
liche Entwicklung in den Flexionsendungen durch die funk-
tionelle Bedeutung der letztern erfährt.
Engverwandt mit der Flexionslehre ist die Wortbildungs-
lehre : can-ere verbindet mit der Idee des Singens die der Hand-
lung, can-ior der handelnden Person, cant-us des gesungenen
Gegenstandes oder des Gesanges, chnt-abilis einer Eigenschaft
u. s. w. Das begriffliche Element ist hier ein noch viel gi-öfseres
als bei der Flexion; das Psychologische und daher das Subjek-
tive, Bewufste herrscht gegenüber dem unbewufst Instinktiven
vor. Während die Konjugationsendungen fast ausnahmslos an
jedes Verbum treten, kann nicht z. B. von jedem beliebigen
Verbum ein Substantivum auf -mentum gebildet werden : mit einer
gewissen Willkür entscheidet der Einzelne oder die Gesamtheit,
8 1. Aufgabe der Grammatik. 3
was erlaubt ist, was nicht. Mit der Lautlehre hat die Buffix-
lehre wenig- zu tliun ; wenn an Stelle von j;w?/ice»2«m im Ital.,
Prov., Frz. pidlicinum tritt (ital. j^t'^cino, prov. pousi, afr. povsin)^
so wird man sagen: die Erhaltung des e, die sonst in diesen
Sprachen Regel Aväre, ist hier unterblieben ; es ist in eingetreten,
weil -inmn ein sehr beliebtes, -etium ein sehr seltenes Suffix
ist. Die lautlichen Veränderungen, die durch die Verbindung
von Stamm und Suffix eintreten , sind ebenfalls ganz geringe ;
den Schwerpunkt der Betrachtung bildet die Funktion , die Be-
deutung der Suffixe.
So leitet die Wortbildung unmittelbar hinüber zur Syntax,
d. h. zur Lehre von den Beziehungen der Wörter zu einander.
Die Flexion sagt uns, dafs in amo patrem das zweite Wort von
dem ersten abhängig ist, die Syntax, wie diese Abhängigkeit
aufzufassen sei; die Flexion giebt also die Thatsache der Be-
ziehung, die Syntax das Wie dieser Beziehung an. Liwiefern die
syntaktischen Verhältnisse aber auch wieder die lautliche Form
des Wortes beeinflussen, ist in Kajj. IV erörtert. Als letzter
Teil der Grammatik wäre schliefslich die Bedeutimgslehre zu
nennen. Sehr viel davon wird zwar die Syntax behandeln, so
die Bedeutung der Präpositionen, Konjunktionen, Advei,-bien,
kurz aller der Wöx-ter, die keinen selbständigen Wert haben,
sondern lediglich die Beziehungen anderer Wortklassen zu ein-
ander ausdrücken sollen. Es bleiben aber die Bedeutungs-
änderungen im Verbum, Substantivum und Adjektivum übrig.
Hand in Hand damit geht dann die Darstellung des Lebens der
Wörter, die Lehre von ihrem Aufkommen und Absterben. Da-
durch, dafs totus „ganz" im Plural mehr und mehr die Bedeutung
von oww?^ „all" annahm, wurde letzteres ttbei-flüssig ; jenes haftete
fest im Gedächtnis, dieses ging verloren, daher rum. tot, eng.
iuott , ital. ttdtu , frz. tout, span, todo im Sinne des lat. onims,
woneben dieses nur im ital. ogni eine schwache Spur hinterlassen
hat. Die Untersuchung hierüber wird dadurch erschwert, dafs
die verschiedensten äufsern Einflüsse oft auf die Bedeutung des
Wortes bestimmend einwirken. Villa bezeichnet im Gegensatz zu
civitas das „Landgut", ohne den Begriff eines Gebäudes, der sich
uns unmittelbar damit verbindet; noch heute sind die villa
tiazionalc in Neapel, die viUa Borghcsc in Rom grofse Anlagen.
1*
4 Einleitung. § 1. 2,
Im rauheren Norden aber, in Obcritalien und Frankreich, tritt
bald das „Gebäude" in den Vordergrund : ^7?« bedeutet „Land-
haus". Als nun in Frankreich die ursprünglich vor den Thoren
gelegenen villcs in die Stadt hineingezogen, die zugehörigen
Ländereien ebenfalls mit Häusern bebaut wurden, blieb zwar der
Name ville dafür bestehen, die Idee, die sich mit ihm verband,
wurde aber eine andere : ville bezeichnet die neuen Stadtteile,,
imd bald, da diese das gröfsere Territorium bildeten, die Stadt
überhaupt; cite hVieh dem alten Teile, der von jeher so geheifsen
hatte, der aber aus seiner Hauptstellung völlig vei-drängt worden
war. — Mit der Bedeutung und der Geschichte hängt die
geographische Verbreitung der Wörter eng zusammen : aber auch
hiermit wird sich die Wissenschaft erst beschäftigen können,^
wenn der Wortschatz der Mundarten genauer erforscht ist, al»
dies bisher irgendwo geschehen.
Zur Bedeutungslehre im Romanischen ist zu ver-
weisen auf A. Darmestete r, La vie des mots, etudiee
dans leurs significatioiis, Paris 1887. L. Saineanü^
Incercare asupra scmasiologiei limhei romäne, Bucurestj
1887.
2. Die romanische Sprachwissenschaft nun wird darzustellen
haben, wie sich der lateinische Sprachschatz nach Form und
Inhalt umgestaltet hat in den verschiedenen Ländern, in denen
Romanisch gesprochen wird. Von den Gebieten , die sich die
Römer unterworfen und die sie romanisiert haben, sind einige
dem Romanentum wieder verloren gegangen : Afrika, Britannien,
Germanien, Pannonien, Illyrien. Im Albanesischen, dem heutigen
Vertreter des Altillyrischen, ist die Zahl der lateinischen Elemente
eine so aufserordentlich grofse, dafs eine Betrachtung der roma-
nischen Sprachen auch sie nicht ganz unberücksichtigt lassen
kann , von geringerer Wichtigkeit für die spezifisch romanische
Sprachentwicklung sind die lateinischen Lehnworte im Kym-
rischen und Germanischen, diejenigen des Baskischen sind noch
zu wenig ausgesondert, als dafs sich heute ein Urteil über sie
fällen, liefse, ob endlich die Berbersprache etwas übernommen
hat, mufs dahingestellt bleiben. Von dem Romanischen an der
dalmatinischen Küste war noch zu Anfang unsers Jahrhunderts
ein allerdings vom Venezianischen stark beeinflufster Rest vor-
'S 2. Verbreitungsgebiet des Romanischen. 5
handon auf der Insel Veglia, manches einzelne Wort hat sich
aufserdeni in den slawischen Mundai-ten der Gegend erhalten.
Im XII. — XIV. Jahrhundert wurde sodann in England Französisch
gesprochen : die besondere Abart, die sich da entwickelte , wird
Anglonoimannisch genannt; wegen der den Romairen ungünstigen
politischen VerhJlltnisse ist aber hier die germanische Sprache
seit dem XIV. Jahrhundert wieder alleinherrschend , doch hat
sie ihren Wortschatz nicht unwesentlich bereichert durch Auf-
nahme französischer Elemente. Auch die mittelhochdeutsche und
mittelniederländische Schriftsprache haben, infolge der Berührung
mit den Romanen und noch mehr infolge der fast völligen Ab-
hängigkeit ihrer Litteratur von der französischen, eine beträcht-
liche Zahl französischer Wörter aufgenommen. Eine systematische
Ausnutzung aller dieser indirekten Quellen romanischer Spi-ache
liegt aufserhalb des Rahmens einer romanischen Grrammatik: die
lateinischen Bestandteile des Kymrischen und Angelsächsischen
sind wichtig für die Kenntnis des Vulgärlatein ; sie können ge-
legentlich herbeigezogen werden zur Zeitbestimmung eines Laut-
wandels; für die eigentlich romanische Sprachperiode kommen sie
jedoch nicht in Betracht. Die Umgestaltungen , die die fran-
zösischen Wörter im englischen Munde erfahren haben, werden
ebenfalls mehr die englische als die französische Sprachgeschichte
berühren : nur sofern aus dieser Umgestaltung dunkle Punkte in
der anglonormannischen Lautlehre aufgehellt werden können,
müssen sie auch hier Berücksichtigung finden. Dasselbe gilt von
den französischen Elementen des Mittelhochdeutschen und ^littel-
niederländischen.
Von vorläuüycu ^Materialsammlungen sind etwa zu
nennen : P. B u d m a n i , Diihrovaöki DijalcJcat , Zagrebu
1883. Güter bock. Die lat. Leimwörter im AUirischen,
Königsberger Dissei-t. 1880, dazu Schuchardt, Ret:
Celtique V, 489 ff. Franz, Die romanischen Elemente
im Althochdeutschen, Strafsburg, 1883. A. Pogatscher,
Zur Lautlehre der griechischen, lateinischen und romanischen
L^ehmvorte im Altenglischcn, Strafsburg 1888. D.Behrens,
Beiträge zur Geschichte do' französischen Sprache in Eng-
land I. Franz. Stud. V, 2. A. Sturmfels, Der alt-
französische Vohalismus im Mittel engli sehen , Anglia VIII,
201—263.
Q Einleitung. § 3,
3. Es ist im Vorhergehenden ein Unterschied gemacht worden
zwischen eigentlich romanischer Sprachperiode und Vulgär-
latein. Neben der in ihren Formen Jahrhunderte hindurch
fest geregelten lateinischen Schriftsprache bestand in Rom die
Umgangssprache der Gebildeten und namentlich des Volkes, die
sich im Laufe der Zeit und mit der Ausbreitung der römischen
Sprache mehr und mehr von jener entfernte. Die ursprtinglicK
vielleicht nur geringen örtlichen Verschiedenheiten wurden gröfser^
als das römische Reich zusammenfiel, als der Verkehr nicht mehr
ein gegenseitiger war, als an Stelle eines einheitlichen eine Reihe
einzelner von einander unabhängiger Staaten trat. Dies war
ums Jahr 600 der Fall : von da etwa kann man den Beginn der
romanischen Nationen datieren. Ebendahin auch den Anfang
romanischer Sprachentwicklung im Gegensatz zum Vulgärlatein
zu setzen, hat aber die Unkömmlichkeit, dafs wir über den Zu-
stand der Volksspi'ache in jener Zeit so viel wie gar nichts
wissen. Ohnehin wäre auch dieser Zeitpunkt ein rein willkür-
lich gewählter, da ja die Begriffe Nation und Sprache sich keines-
wegs decken. Verstehen wir unter gallischem Vulgärlatein im
Gegensatz zu Französisch eine EntAvicklung, die das Latein noch,
unter der Kaiserherrschaft in Gallien genommen hat, so deuten
wir damit etwas vom Lateinischen, nicht aber vom Französischen
wesentlich Verschiedenes an : der Unterschied zwischen gallischem
Vulgärlatein und Altfranzösisch ist dem AVesen nach kein anderer
als der zwischen Altfrauzösisch und Neufranzösisch. Der Aus-
druck Vulgärlateinisch als etwas vom Romanischen Verschiedenes
soll nur gebraucht werden erstens zur Bezeichnung des Volks-
lateinischen in den Gegenden, in denen sich keine romanische
Nation entwickelt hat, also in Afrika, Britannien, Germanien,
zweitens für solche Erscheinungen, die sich aus den Lautgesetzen
der einzelnen romanischen Sprachen nicht erklären lassen, und
die durch die Übereinstimmung aller romanischen Formen als
schon vor jeder Differenzierung vorhanden nachgewiesen werden.
Lat. quinque lautet rum. einet, eng. cinJc', ital. cinque, span.
cinco, frz. cinq. Vom Rumänischen abgesehen müfste qu überall
als k erscheinen, vgl. lat. qui, eng. Jc'i, ital. cM, span. frz. qui.
Es mufs also statt quinque schon im Vulgärlateinischen Tcinque
vorhanden gewesen sein. Li der That kommt dies auch auf
S 3. 4. Das Vulgärlatcinische. 7
Inschriften vor, z. B. CLL. X. 7172, ebenso cinquaginta CLL.
X. 5939. Die Verbindung ie ist viebni romanischen Sprachen
ganz geläufig, aber lateinisch ic ersclieint überall als e, lat.
qiiietus, rum. incet, eng. quaid, ital. cheio , span. quedo , frz. coi,
also schon vulglat. quetus , vgl. Queta CLL. VIIL 8128, quescct
X. 550. Solche vom Schrif'tlateinischen abweichenden Formen
dürfen aber nur dann vom Romanischen aus als mit Sicherheit
erschlossen betrachtet werden, wenn die Abweichung auch erklärt
wird: ein vulglat. quetus anzusetzen ist nur erlaubt, wenn be-
wiesen wird, dafs jedes betonte \e zu e wird. Bei vulglat.
Mnque wird man sagen, dafs infolge von Dissimilation das erste
qu sein labiales Element verloren hat u. s. w.
Die wichtigste und beste Arbeit über das Vulgärlatein
ist immer noch H. Schuchardt, Der Vokalismus des
Viügärlate'm, 3 Bde., Leipzig 1866 — 69. Sodann ist von
grundlegender Bedeutung Gröber, Spracliquellen und
Wortquellcn des lateinischen Wörterbuches, Areh. lat. lex.
I, 35 — 67 i Vulgärlateinische Substrate romanischer Wörter,
204 ff. Ein Abrifs der vulgärlateinischen Laut- und
Formenlehre, wobei aber die Grenzen viel Aveiter ge-
steckt sind als hier, findet sich Grundrifs I, 350—382.
Vor dem Mifsbraiach, wonach man dem Vulgärlatein alles
in die Schuhe schiebt, was man im Augenblick im
Romanischen nicht zu erklären vermag, kann nicht genug
gewarnt werden.
4. Seit F. Diez pflegt man sechs romanische Sprachen zu
unterscheiden : Rumänisch, Italienisch, Provenzalisch, Französisch,
Spanisch, Portugiesisch. Rücksichten teils auf die Litteratur,
teils auf die politischen Verhältnisse sind dabei mafsgebend.
Einzig seiner litterarischen Bedeutung im Mittelalter hat das
Provenzalische und im Grundrifs auch das Katalanische seine
eigene Stellung zu verdanken, einzig der politischen Selbständig-
keit das Rumänische. Das Rätoromanische, das weder eine poli-
tische noch eine litterarische Rolle spielt, ist deshalb von Diez
nur ganz nebenbei behandelt. Und doch bewahrt der Räter in
Graubünden eine gröfsere Selbständigkeit als z. B. der Süd-
franzose: während jener das Französische als Schriftsjuiulic an-
erkennt, der er ohne weiteres seinen Dialekt imterordnet, ist dem
Engadiner sein Engadinisch Schriftsprache, die mit dem Italien!-
3 Einleitung. § 4.
sehen auf einei- Stufe steht, nicht ihm nachsteht, in der er seine
Zeitungen liest u. s. w. Von diesem Standpunkt aus betrachtet
würden wir also als romanische Schriftsprachen erhalten : Rumä-
nisch,Rätisch, Italienisch, Altprovenzalisch, Fran-
zösisch, Spanisch, Portugiesisch. Unter diesen steht
wieder das Provenzalische dem Französischen, das Portugiesische
dem Spanischen besonders nahe, so dafs im folgenden, avo nicht
verschiedene Lautentwicklungen stattfinden , die französischen
Beispiele zugleich fürs Provenzalische, die spanischen zugleich
fürs Portugiesische dienen sollen. — Noch gar nicht in Betracht
gezogen von Diez ist die Entwicklung, die das Romanische
aufserhalb Europas genommen hat: das Spanische in Afrika,
Indien, Süd- und Mittelamerika, das Portugiesische am Capverde,
in Indien und Mittelamerika, das Französische in Algier und
in Canada. Wir müssen hier, so weit sich bis jetzt beurteilen
läfst, zwei verschiedene Stadien unterscheiden: das Romanische
im Munde der Kolonisten, und das von den Eingebornen ge-
sprochene, ihrem Sprachsystem angepafste und vielfach von ihm
durchsetzte Kreolische.
As coli hat eine weitere romanische Sprachgruppe
hergestellt, die für sich ebenso ein Ganzes bilde, wie
die französische, italienische u. s. w. : das Franko-
provenzalische Arch. Glott. III, 61 — 70. Mit dem-
selben Rechte müfsten dann auch das Gaskognische, das
Wallonische, die Dialekte der Ostküste Italiens abgeson-
dert werden. Ascoli hat die Mundarten im Auge, in
denen freies a bleibt, aufser nach Palataleu : rar aber
Tiyer (§ 262). Sehen wir von diesem Punkte ab, so
weichen in den wichtigsten Erscheinungen des Vokalis-
mus und selbst im Konsonantismus die savoyischen
Dialekte, die er zum Frankopi*ovenzalischen rechnet, von
denen der französischen Schweiz und des südöstlichen
Frankreichs ab. Suchier wählt statt Frankoprovenzalisch
den Ausdruck Mittelrhonisch, der aber auch nicht sehr
treffend ist , sofei'n noch das Flufsgebiet der ganzen
obern Rhone denselben Sprachcharakter zeigt. Ich setze
statt dessen: S üdo s tf r an zö si seh. — Auf die Wichtig-
keit des Kreolischen hat S chu ehard t schon 1869 hin-
gewiesen : Vok. III, 36 im Anschlufs an T e z a , 11 DialeUo
Curassese, Politecnico XXI, 342 ff. Später sind er und
andere darauf zurückgekommen , doch fehlt noch jede
zusammenhängende Untersuchung. Vgl. Kap. VI.
i> 5. I^ie romanischen Schriftsprachen. 9
5. Die romanischen Schriftsprachen sind, zu sehr verschiedenen
Zeiten, hervorgegangen ans der Volkssprache einer Gegend, einer
Stadt, die infolge ihres politischen oder litterarischen Über-
gewichtes den Vorrang vor allen andern behauptete. Daneben
haben sich aber tiberall auch die früher mit der herrschend ge-
wordenen gleichgestellten Mundarten der anderen Gegenden er-
halten: für den Sprachforscher sind sie ebenso wichtig, wie die
Schriftsprache. Mau hat daher schon frühe in den einzelnen
Schriftsprachgebieten verschiedene Unterabteilungen unterschieden,
die durch bestimmte sprachliche Merkmale sich kennzeichnen.
Die neuere Forschung hat aber mehr und mehr gezeigt, dafs
eine derartige Einteilung, so praktisch sie ist, doch dem Vorwurf
der Willkürlichkeit und Unwissenschaftlichkeit nicht entgeht.
Als Kennzeichen eines Dialektes werden stets mindestens zwei
Erscheinungen des Lautwandels angegeben : es ergiebt sich aber
immer deutlicher, dafs selten oder vielleicht nie zwei L.aut-
veränderungen dieselben Grenzen haben. Als Pikard isch pflegte
mau früher diejenigen Gegenden des nördlichen Frankreichs zu
bezeichnen, in denen lat. c vor a guttural blieb, vor e als ö
erschien, ei tax oi wurde, im Gegensatz zum Französischen, wo
zwar auch oi erscheint , aber öa , tse für lat. ca cc, und zum
Normannischen , wo ei , da tse auftreten. Nun hat sich aber ge-
zeigt, dafs ein grofser Teil der Normandie dem ca d^e-Gebiete
angehört: wir haben also teils da tse ei, teils Jca de. ei, teils Ica
de oi. Wollte man das Normannische als die ei-Kegion bezeich-
nen, so käme man wieder in Konflikt mit den südwestlichen
Mundarten, die ebenfalls ci bewahren. Betrachten wir das Zu-
sammentreffen der drei letztgenannten Charaktere als etwas
Wesentliches, so müssen wir doch anerkennen, dafs jeder einzelne
viel weitere Grenzen hat, und so lang wir femer nicht nachweisen
können, dafs alle drei infolge einer Innern Notwendigkeit auf
bestimmtem Räume zusammengehöre!!, so ist ihr Zusammenfassen
ein rein willkürliches : mit demselben Rechte könnte man nach
ka de ei eine Dialektgruppe festsetzen. Überall da, wo gegen-
seitiger Verkehr herrscht, findet ein ganz allmählicher Übergang
von einer Mundart in die andere statt : entfernen wir uns von
einem beliebigen Mittelpunkt mit einer bestimmten Zahl von
Merkmalen , so wird nach und nach eines dieser Merkmale ums
10 Einleitung. § 5^
andere schwinden , bis Avir scliliefslich an einen anderen Punkt
gelangen, der mit dem Ausgangspunkte nichts mehr gemein hat;
stellen wir beide nebeneinander, so zeigt sich eine völlige Ver-
schiedenheit, aber ein plötzlicher Übergang, ein plötzlicher Ab-
bruch hat hier ebensowenig statt, als etwa in der Entwicklung
des Romanischen aus dem Lateinischen. Gegensätze, wirkliche
scharfe Grenzen finden sich nur da, wo jeder gegenseitige Ver-
kehr fehlt, oder wo infolge von Völkerbewegungen fremde,
ursprünglich weit getrennte Sprachgenossenschaften zusammen-
stofsen. Allein selbst in letzterem Falle tritt, bald rascher bald
weniger rasch, eine allmähliche Ausgleichung der Verschieden-
heiten ein. Das zeigen uns am besten die Sprachinseln. Im
X. Jahrhundert sind piemontesische Kolonisten nach Sizilien
verpflanzt worden : noch heute haben sie ihren Dialekt bei-
behalten in S. Fratello, Nicosia, Sperlinga, Piazza Armerina^
Aidone, S. Fratello, Novara. Aber überall, am stärksten in
Novara, zeigt sich die Einmischung des Sizilianischen, nicht etwa
nur in einzelnen Wörtern, sondern in lautlichen Erscheinungen;
so Avird II zvi cid: sedda, pedd, stodda (lat. Stella), nd zu nn:
cummanner, mann (lat. mundus) , prufaiwa (lat. profunda), ton-
loses e, so Aveit es bleibt, zu i: rispaunni (lat. respondere) vainnir
(lat. vendcre), Erscheinungen, die alle sizilianisch, nicht ober-
italienisch sind. Dabei ist aber noch ein merkwürdiger Gegen-
satz des Galloitalischen zum Sizilianischen zu bemerken : dort
Avird auch anlautend l und l nach Konsonanten wie II behandelt :
diina, pardu, Avogegen l zwischen Vokalen bleibt : aida (lat. gula),
hier tritt nur für II zwischen Vokalen dd ein. Es mufs also
dort zur Zeit, da der sizilianische Einflufs sich geltend machte,
l - stark gesprochen worden sein, Avie ?/, Avogegen intervokalisches
l dem sizilianischen l gleich war. Da l- = II, so wurde es mit
jenem zu dd, obschon das Sizilianische nur II = dd hat; es hat
somit der Lautwandel bei seinem Eintritt in ein neues Gebiet
seine Grenzen im Worte überschritten. Was wir hier an zwei
ursprünglich stark verschiedenen Dialekten beobachten, das
müssen wir auch bei engverwandten annehmen : jeder Lautwandel
pflanzt sich von seinem Ausgangspunkte fort; er erweitert sein
Territorium, verläfst dabei aber auch oft die Bedingungen, an
die er ursprünglich geknüpft war.
S 5. 6. Die romanischen Mundarten. H
Über die Frage, inwiefern man von Dialekten und
Dialektgrenzen spreclien dürfe vgl. P. M(^yer, Rom.
IV, 294—296; V, 504-505 und Ascoli, Arch. Glott.
II, 385—395; Gröber im Grundrifs 415—419; übrigens
schon Scliuchardt, Vnk. ITI, 32—34.
6. Da nun aber eine Zusammenfassung der vielen einer Schrift-
sprache untergeordneten und in ihr nicht zum Ausdruck kommen-
den Sprachverschiedenheiten in einzelne Gruppen ihre grofsen
praktischen Vorteile hat, so mufs sie vorläufig noch beibehalten
werden. Dabei sind ältere oder gegenwärtige politische Ver-
hältnisse mafsgebend , doch ist nie zu vergessen , dafs dies
nur ein mehr und weniger willkürlicher Notbehelf ist, dafs z. B.
unter Pikardisch nicht eine einheitliche Sprache zu verstehen ist,
die in der ganzen ehemaligen Pikardie gesprochen wurde, son-
dern eine Anzahl von Spracheigentümlichkeiten, die in der
Pikardie zusammentreffen, deren jede einzelne aber weder das
ganze Gebiet zu umfassen braucht, noch auch au seine Grenzen
gebunden ist.
Beginnen wir im Osten, so tritt uns zunächst das Rumä-
nische mit dem Mazedonischen und I s t r i s c h e n entgegen.
Das Mazedonische zeigt in manchen Punkten die altertümlichsten
Züge; das Istrische nähert sich dem Siebenbürgischen, hat aber
starken slawischen Einflufs erlitten, auch im Lautsystem : ie nach
Kons, wird zu lye wie im Slaw. z. B. flyer (lat. ferrum). Vom
W al a c h i s c h e n , das die heutige Schriftsprache darstellt, zeigen
das Moldauische und das S i e b e n b ü r g i s c h e etwelche Ab-
weichungen, die ihnen zum Teil ihre besondere Stellung sichern. —
Die altromanische Sprache, die an der dalmatinischen Küste
gesprochen wurde, ist nur noch in den Trümmern des jetzt wohl
auch ausgestorbenen Vegliotischen auf der Insel Veglia im
istrischen Meerbusen erhalten : bis auf einen gewissen Grad kann
das lateinische Element im Albanesischen einen Ersatz
geben. — Das rä tische Gebiet zei-fällt in drei grofse Gruppen,
das Friaulische im Osten, das Bündnerische im "Westen,
dazwischen die Mundarten des Zentrums, die kurzweg alsTyro-
lisch bezeichnet werden können. Während im Zentrum und
Osten das Italienische als Schriftsprache gilt, hat im Westen,
infolge der politischen Unabhängigkeit, das Bündnerische ein
12 Einleitung. § 6.
eigenes Schrifttum hervorgebracht und bis heute behalten. Es
ist daher ihm der Vorrang gegeben, und zwar speziell dem
Oberengadinischen, das die gröfsere litterarisehe Entwick-
lung zeigt, wogegen das Obwaldische am Rheine weit weniger
gepflegt ist. Das Münsterthal, politisch zur Schweiz gehörig
und auf der einen Seite an Unterengadin , auf den andern an
heute deutsch sprechende Gebiete grenzend, scheint einst mit
Tyrol manche lautliche Erscheinung geteilt zu haben, s. z. B. 535.
In früherer Zeit war überhaupt das Rätische viel weiter aus-
gedehnt als heute : im Norden reichte es rheinabwärts bis nach
Vorarlberg, im Süden gehörte ihm ein nicht geringer Teil des
venezianischen Gebietes an , auf der Insel Chioggia hat es noch
seine Spui-en gelassen. Auch im Kanton Tessin ist trotz des
starken lombardischen Einflusses die rätische Grundlage noch
leicht zu erkennen, vgl. § 413. Am stärksten ist die Über-
wucherung durch lombardische und venezianische Elemente im
Tyrolischen.
Italien wird durch seine geographische Formation in zAvei
Teile geschieden , das Pogebiet mit Einschlufs Genuas westlich
bis zur Vara, östlich bis zum Esimo, und den Rest der Halb-
insel, also alle südlich vom Apenninenkamm liegenden Mundarten
mit Einschlufs Siziliens: jene mögen kurzweg als Oberitalie-
nisch, diese als Italienisch bezeichnet Averden. Eine Stellung
für sich nimmt das S ardin ische ein vind zwar speziell die
Mundart des Zentrums , das Logudoresische und die des
Südens, das Campidanesische: durch die Trennung von
lateinisch e und t tclu aber püti (§ 68) bekommen beide, durch
die Bewahrung der Gutturalen vor e; hizu (lat. dlium) die
erstere den Typus hohen Alters. Das G a 1 1 u r e s i s c h e im Norden
scheint mit dem Korsischen nahe verwandt, über beide fehlt
noch genaue Nachricht. — Dem s i z i 1 i a n i s c h e n Typus , der
fast die ganze Insel umfafst, gehört auch das südliche Calabrien
an , während das Nord calabresische namentlich im Vokalis-
mus nicht nur dem Neapolitanischen, sondern auch einer kleinen
Gruppe auf Sizilien eng verwandt ist, als deren Hauptvertreter
der Dialekt von Noto gilt, der aber auch Modica, Avolo u, a.
angehören. Das Neapolitanische umfafst die ganze Provinz
Neapel und Benevent, ferner die Molise; ihm schliefst sich die
ß 6. Die romanischen Mundarten. 13
Gruppe der Abruzzen an, die in zahlreiche Unterabteilungen
zerfällt, und namentlich im Vokalismus höchst eigenartige Er-
scheinungen zeigt, manches weist hier wie auch in dem südlichen
T a r e n t i n i s c h e n hinüber zum Albancsisch-Rumänischen. Auf"
die Abruzzen folgen die a q u i 1 i n i s c h - u m b r i s c h - r ö m i s c h e n
oder zentralitalienischen Dialekte, die dann den Übergang bilden
zum T o s k a n i s c h e n , das in seinem vornehmsten Vertreter, dem
F 1 o r e n t i n i s c h e n , der Schriftsprache zu Grunde liegt, während
das A retinische in seinem Vokalismus, namentlich e aus d
(§ 228) schon die Grundzüge der norditalienischen Mundarten
enthält. Unter diesen ist das Venezianische dem Toska-
nischen nahe vei-wandt durch die Bewahrung des w , durch die
Diphthonge ie uo § 152, 183, durch tt (tj aus et § 461 u. a.
Es vergröfsert, wie schon bemerkt, sein Gebiet mehr und mehr
auf Unkosten des Rätischen, berührt sich am Po mit dem
E m i 1 i a n i s c h e n , das mit Mantua den Flufs überschreitet.
Auch Padua und Verona gehören heute zum venezianischen
Gebiete, doch fehlt dem Veronesischen wie den andern ober-
italienischen Mundarten ie und iio. Das Emi 1 ianische, das
Lombard i sehe mit Mailand und Bergamo als Zentren,
das Genuesische und das Piemontesische werden unter
dem Namen Gallo italisch zusammengefafst, da ihr Lautsystem
mit demjenigen der Mundarten Frankreichs eine Reihe Über-
einstimmungen zeigt, so namentlich ü aus ö, § 47, 52, die Nasal-
vokale. Galloitalisch und zwar Piemontesisch sind die schon § 5
genannten Kolonieen in Sizilien.
In S ü d f rank r e ich ist das Verhältnis zAvischen Schrift-
sprache und Mundart nicht ganz so, wie in den anderen Gegen-
den : die Sprache der Troubadour ist nur insofern eine einheit-
liche, als eben überhaupt die Vokale auf dem ganzen proven-
zalischen (lebiete dieselben sind, und insofern als nicht gerade
Formen verschiedener Dialekte gemischt werden. Sonst aber
schreiben unsere Handschriften und schrieben wohl schon die
ersten Verfasser von Liederbüchern nach ihrer Heimat fait oder
fach, causa oder chausa, pan oder jpa, fida oder fiza: zur alleinigen
Herrschaft ist keine der Mundarten gelangt. Was die Grenze
gegen Nordfrankreich betrifft, so ist sie etwa die folgende. Von
der Mündung der Gironde geht sie erst östlich bis Lussac, wendet
J^ Einleitung. ^ 6.
sich da nördlich bis Jourdain an der Vienne, dann wieder östlich
bis MontluQon am Allier, hierauf südöstlich und erreicht an der
Südgrenze des Departements Isere die Alpen, die den Abschhifs
gegen Italien bilden. Mafsgebend ist auch hierin die Entwick-
lung der Vokak;, speziell die Erhaltung des a in offener Silbe.
Am eigenartigsten ist das Gaskognische, das von den Leys
d' Amors II, 388 sogar eine fremde Sprache genannt wird; in
manchem, so namentlich in h aus f (§ 408), gemahnt es ans
Spanische. Östlich geht es allmählich in Roussillon ins Kata-
lanische über. Dieses selbst ist ein im VIII. Jahrhundert
nach Spanien gebrachtes Provenzalisch, das im Kampfe der
aragonesischen Könige gegen die Araber mehr und mehr nach
Süden drang: es umfafst den gröfsten Teil des Departements
Ostpyrenäen in Frankreich, in Spanien die Provinzen Catalonien,
Valencia, die Balearen und Pityusen, endlich findet sich eine
katalanische Kolonie in Alghero auf Sardinien. Deni Katalanischen
in Frankreich schliefst sich dasLanguedoc mit Montpellier an,
dann das Pro ven zali sehe am linken Rhone-Ufer, die nörd-
lichen Mundarten das Auvergnat, das Rouergat und im
Westen das L i m u s i n i s c h e , namentlich die letztere, zeigen im
Konsonantismus mehrfach sonst dem Französischen eigene Züge
§ 435.
Vom Nordfranzösischen scheiden sich ab die südöst-
lichen Dialekte : der L y o n e r , die südliche F r a n c h e - C o m t e ,
die französische ScliAveiz, wo ziemlich nach den politischen
Grenzen unterschieden wird zwischen N e u e n b u r g , F r e i b u r g ,
Waat, Wallis; an letzteres knüpft sich das Savoyische an,
das zum Teil auf den Südabhang der Alpen hinüberreicht. Vom
Französischen unterscheiden sich diese Mundarten vornehmlich
durch die Bewahrung des freien a, aufser nach Palatalen,
s. § 262. Die französische Schriftsprache ist hervorgegangen
aus dem Dialekt der Isle de France, dem sich östlich das
C h a m p a g n i s c h-B u r g un d i s c h e , weiter das Lothringische
und nördlich das sehr eigenartige Wallonische anschliefst : die
beiden letztern bewahren noch heute S vor Konsonanten § 468.
Das Pikardische und Normannische gehören im Mittel-
alter durch ihre reiche Litteratur zu den Avichtigsten Mundarten
des nördlichen Frankreichs. Vom Normannischen zweigt sich das
8 6. I^iß romanischen Mundarten. 15
schon genannte An gl o norm ann i scli o ab, das aber bald,
infolge der littei-arisclien Beziehung zum Zentralfranzösischen nnd
Avohl auch infolge des Zuzugs von Kolonisten aus anderen
Gegenden als aus der Normandie, in seinem Lautsystem Züge
zeigt, die nicht normannisch sind: während vulglat. e im Norm,
als ei bleibt, finden wir im späteren Agn., im Mittelengl. und
noch heute auch Fälle für oi: cxploH, coy, poisc, nebcMicinander
deploy und display , convoy und convey. Endlich bleiben noch
die Westdialekte : Bret agnisch, das zugleich als Vertreter von
Anjou und Maine gelten kann, und Po i te vin isch, das mit
dem Sa in ton ge sich schon stark dem Provenzalischen nähert.
Auch hier sind einige Sprachinseln zu nennen: in Celle
di S. Vito (Prov. Capitanata, Italien) wird ein provenzalischer
Dialekt gesprochen. Wichtiger ist die Sprache der Waldenser,
die einst weit über die cottischen Alpen hinüberreichte, jetzt aber
bis auf wenige Reste vom Piemontesischen verdrängt ist, aufserdem
in ganz deutscher Umgebung in Burset, Würtemberg lebt.
Am wenigsten bekannt sind die mundartlichen Verhältnisse
der iberischen Halbinsel. Das G a 1 i z i s ch- Ast uri sehe
stimmt in seinen wesentlichen Zügen mit dem Portugiesischen
so völlig tiberein, dafs es mit diesem zusammen behandelt werden
mufs; das Aragonesische scheint den Übergang zum Kata-
lanischen zu vermitteln ; eine weitere Entwicklung des zur
Schriftsi^rache erhobenen Kastilianischen zeigt das A n d a -
lusische im Süden. Endlich in Portugal läfst sich imter-
scheiden das Süd po r t ug i e s i s c he südlich vom Mondego, das
N o r d p o r t u g i e s i s c h e zwisciien Douro und Minho, das M i r a n -
d o 1 e s i s c h e , das mit dem Spanischen die Diphthonge ie ito
teilt, die Inseldialekte der Acoren.
Genauere Angaben über die Grenzen der romanischen
Sprachen nach aufsen hin und unter sich giebt Grobe r,
Grundrifs 419—428; Suchier 561—571. Vgl. ferner
C. This, Die deutsch- framösische Sprachgrenze in Loth-
ringen, Strafsburg 1887, Die devtsch-französische Sprach-
grenze im Elsafs, Strafsburg 1888. — Die verwickelten
Verhältnisse des Rätischen hat Ascoli zuerst klar ge-
legt, Arch. Glott. I. Über die italienischen Mundarten
im allgemeinen haudrlt Asc oli , L'Italia dialettalc, Arch.
Glott. VIII, 98—128, vgl. auch Grundrifs 550—560,
über die portugiesisclicn Leite de Vascon cel 1 os ,
Rev. Lus. I, 192—194.
16 Einleitung. § 7. 8.
7. Der Entwicklungsgang der verschiedenen romanischen
Sprachen ist ein sehr ungleicher: während bei den einen nur
ein unmerklicher Unterschied besteht zwischen den Lauten und
Formen der Denkmäler früherer Jahrhunderte und der Jetztzeit,
zeigen andere eine bedeutende Kluft. Am gröfsten ist sie in
den Mundarten Galliens: das Alt französische unterscheidet
sich so wesentlich vom Neu französischen, dafs man sich
gewöhnt hat, es als eine Sprache für sich zu behandeln: Diez
hat in seinem zweiten Bande durchweg Altfranzösisch und Neu-
französisch getrennt; es giebt besondere Grammatiken des Alt-
französischen u. s. w. Als Grenzscheide läfst sich etwa das
Jahr 1500 festsetzen. Oder aber man bezeichnet die Sprache
von Beginn der litterarischen Denkmäler bis etwa einschliefslich
des XIV. Jahrhunderts als altfranzösisch, die des XV. und XVI.
Jahrhunderts als mittelfranzösisch. Unter Altprovenzalisch
wird die Sprachperiode verstanden, in der das Provenzalische
Litteratursprache war, also die Zeit bis etwa Ende des XIV.
Jahrhunderts. Die Unterschiede zwischen Alt- und Neuitalienisch,
Alt- und Neuspanisch u. s. w. sind so geringe, dafs es nicht
nötig und nicht wohl möglich ist, scharf zu scheiden: im all-
gemeinen versteht man unter Altitalienisch u. s. w. den ersten
Jahrhunderten der litterarischen Entwicklung angehörige, von
der heutigen Schriftsprache nicht mehr anerkannte Formen.
8. Die Quellen, aus denen wir unsere Kenntnis der
romanischen Sprachgeschichte schöpfen, zei-fallen in schriftliche und
mündliche, in direkte und indirekte. Mündliche Quelle ist die
heute gesprochene Rede des Romanen, direkte schriftliche alles,
was in romanischer Sprache niedergeschrieben ist. Wie schon
bemerkt, beginnen aber diese schriftlichen Zeugnisse erst im
IX. Jahrhundert und werden seit dem X, und XI. etwas reich-
licher. So wären wir für die frühere Zeit auf blofse Hypothesen
angewiesen, wenn nicht das Lateinische selbst uns aushülfe. Etwa
seit Anfang des VII. Jahrhunderts macht sich in den lateinisch
geschriebenen Urkunden, in Gesetzen, Heiligenleben u. s. w.
mehr und mehr ein Mangel in der Kenntnis der lateinischen
Formen geltend; in der Deklination und Konjugation zeigt sich
eine grofe Verwirrung, auch in der Orthographie treten Neue-
K 8^ Das Mittellateinische. 17
rimgen auf, indem einzelne Buchstaben vertauscht oder unter-
drückt oder zugesetzt oder durch andere ersetzt werden; nicht
weniger weichen Wortbildung und Syntax ab von den früheren
Regeln. So roh und voll von Fehlern dieses Mittellatein auf
den ersten Blick scheint, so lassen sich doch ohne grofse
Schwierigkeit die Gruudzüge der romanischen Sprachentwicke-
lung darin erkennen : es liegt ihm die romanische gesprochene
Mundart des Schreibers zu Grunde, etwas übertüncht mit bald
stärkereu bald schwächeren Erinnerungen an die Formen des
schulgerechten Lateins. Diese Urkunden sind insofern von
Wichtigkeit für die Kenntnis romanischer Sprachgeschichte, als
sie uns häufig einen Lautwandel in viel älterer Zeit zeigen als
die wirklich romanischen Denkmäler; als sie vins einen ungefähren
Einblick gestatten in den Zustand der einzelnen Sprachen im
VII. — X. Jahrhimdert. Ihre Benutzung und Ausnutzung mufs
aber mit grofser Vorsicht geschehen. Bei weitem nicht jeder
„Fehler" giebt auch eine sprachliche Thatsache wieder: so wird
man im letzten Worte in dem Satze per terminos et Japidis fixis
Pard. 111 nicht eine Anwendung des Ablativs statt des Accu-
sativs zu sehen haben, sondern einen Einflufs der Endung des
vorhei-gehenden Wortes; so ist in factas operas pignoras Mon.
Hist. Patr. I, 79 a. 892 das s der zwei ersten Wörter auf das
dritte verschleppt. Aber wenn in den Urkunden aus Nordfrank-
reich das t der 3. Sing, stets bleibt, in denen aus dem Süden
und aus Italien sehr häufig fallt, so spiegelt das ziemlich genau
die späteren Verhältnisse wieder: ital., prov. ama, altfr. aimet.
Abgesehen von den wirklichen bedeutungslosen Schreibfehlern
lassen sich die Unregelmäfsigkeiten in drei Klassen teilen : eigent-
liche Romanismen, wie der eben genannte Abfall des i; Ver-
bindung lateinischer und romanischer Konstruktion, wie per
legibus Zeumer 9,25 = lat. legibus -{- rom. per leges\ umgekehrte
Konstruktionen oder Schreibungen, wie per ante nupdis Lex
Rom. Ut. 73, 5: der Schreiber weifs, dafs im korrekten Latein
nach Präpositionen unter Umständen der Ablativ folgt, ist sich
aber nicht klar, wann, und setzt ihn an falschem Orte. Oder
austüiter Zeumer 15,21 statt ostiliter: au und o fallen in der
Aussprache als o zusammen und werden deshalb für einander
gesetzt. Für die Entscheidung, welcher der verschiedenen Fälle
^leyt'r, Grammatik. 2
18 Einleitimg. § 8.
jedesmal vorliege, lassen sich keine allgemeinen Regeln geben;
je nach dem Entstehungsort, nach der gröfseren oder geringeren
Zahl der Fehler, nach den änfseren Umständen, unter denen das
Dokument entstanden ist, wird das Urteil verschieden ausfallen.
Für die Zeit, wo reichliche romanische Texte vorliegen, kann
das Mittellatein nur noch etwa lexikalisches Interesse haben.
Im ganzen ist überhavipt die Ausbeute am reichsten für das
Lexikon iind für die Syntax, Avogegen für Flexion und Lautlehre
weniger abfällt.
Von einer systematischen Ausbeute dieser Quellen
mufs in einer romanischen Grammatik abgesehen werden ;
noch weniger ist es möglich, zu begründen, weshalb ge-
wisse Formen als Schreibfehler betrachtet und daher
nicht in Betracht gezogen sind. Es fehlen bis jetzt
überhau2)t auch nur einigermafsen genügende Unter-
suchungen auf diesem Gebiet, nur als vorläufig brancli-
bar mögen die bisherigen Leistungen genannt werden.
Pott, Das Latein im Übergang zum Bomanischen, Ztschr.
f. Altertumswissenschaft 1853, 481—499; 1854, 219—
231, 283 — 238 ; Bomanische Elemente in der Lex Salica,
Ztschr. f. d. Wissenschaft der Sprache III, 113 — 165;
Plattlateiniscli und Bomanisch, Ztschr. vgl. Sprachforsch.
I, 309 — 350, 385 — 412; Bomanische Elemente in den
longöbardisclien Gesetzen, eb. XII, 161 — 206; XIII,
24—48. 81 — 105, 321—364; A. D'Arbois de
Jubainville, La de'cUnaison latine ä Vepoque mero-
vingienne, Paris 1872; F. Bluhme, Die Gens Lango-
hardorum, 2. Heft, ihre Sprache, Bonn 1874; Stün-
k e 1 , Verhältnis der Sprache der lex romana uticensis
zur schulgerechten Ijatinität, Fleckeisens Jahrb. Suppl. VIII,
585—645. (Dazu Schuchardt, Ztschr. I, 111—125)
und Ztschr. V, 41 — 50; Geyer, Beiträge zur Kenntnis
des gallischen Lateins, Arch. Lat. Lex. II, 25 — 47 ;
K. S i 1 1 1 , Zur Beurteilung des sogenannten Mittellateins,
Arch. Lat. Lex. II, 550—580; M. Bück, Die rätoro-
manischen Urkunden des VIII. — X. Jahrhunderts, Ztschr.
XI, 107 — 117. Auch aus der Zeit, wo das Lateinische
noch die Umgangssprache der Gebildeten war, haben
wir direkte und indirekte Zeugnisse für die Volkssprache
in den Inschriften, bei den Grammatikei-n u. s. w. ; sie
vorzuführen und kritisch zu beleuchten, kann noch
weniger die Aufgabe des vorliegenden Werkes sein.
Über diese Quellen und ihre Benutzung vgl. Grund rifs
S. 356—358.
^ 9. 10. I^tn- roinanisolu! Wortscliats;. 19
9. Nur <;-ering ist, was die romanische Lautgescliichte aus den
germanischen Bestandteilen lernt. Der Name Karl ist durch
Karl Martell im Anfang; des VlII. Jahrliunderts in Frankreich
bekannt geworden; sein Anlaut wird behandelt wie z. B. der-
jenige von lateinisch camptis: Charles, champ, wogegen das ger-
manische Ic in später aufgenommenen Wörtern bleibt: afr. cane
= andd. Jeane. Doch darf man daraus nicht ohne weitei-es
schliefsen, im VIII. Jahrhundert sei lat. c vor a noch gutturaku-
Verschlufslaut gewesen , das 7c konnte damals sehr wohl schon
die Stufe f erreicht haben; sobald das germanische Je vor a
diesem Laut nur etwas näher stand als dem Je von lat., frz. co,
so mufste es mit Notwendigkeit ihm angeglichen werden. Zudem
sind der FUlle , wo wir die Aufnahmezeit eines germanischen
Lehnwortes kennen, sehr wenige. Während das lateinische h im
Romanischen spurlos verschwunden ist, bleibt das germanische im
Altfranzösischen (§ 18), Avoraus folgt, dafs zur Zeit, da die ältesten
mit Ji anlautenden germanischen Wörter aufgenommen wurden,
das lateinische h schon verstummt Avar. Allein für dieses Ver-
stummen haben wir noch viel ältere Zeiignisse § 403. Wichtiger
ist, dafs germanisch Jii im Französischen zu di wird (§ 18),
weil daraus mit Sicherheit folgt, dafs lat. d schon in sehr früher
Zeit in Nordfrankreich tsi nicht di gelautet hat. Und so ergiebt
sich noch das eine und andere Resultat, innnerhin aber weniger,
als man auf den ersten Blick wohl annehmen möchte.
10. Der Wortschatz des Romanischen ist ein sehr bunter.
Den Grundstock bildet das Lateinische, es ist aber in mehr oder
weniger starkem Mafse durchzogen von Bestandteilen, die den-
jenigen Völkern entnommen sind, die vor oder neben den Römern
und Romanen in den romanischen Ländern gewohnt haben. Am
meisten hat wohl das Germanische geliefert, ihm am nächsten
mag das Griechische stehen; im ganzen auf die iberische Halb-
insel und Sizilien sind die arabischen Elemente beschränkt; ver-
sclnvindend wenig ist, was von Keltischem in Gallien, von Ita-
lischem in Italien, von Iberischem im Spanischen, von Dacischem
im Rumänischen geblieben ist. Dafür besitzt das Rumänische
namentlich in der Walachei und in Istrien sehr viele shiAvische,
in Siebenbürgen ungarische, in ^lazedonien griechische Bestand-
2*
20 .Einleitung. § 10. 11.
teile. Sie auszusondern, ihr Eindringen, ihre Verbreitung, ihr
Verhältnis zum lateinischen Element darzustellen, das sind Auf-
gaben, die bisher kaum angefangen, geschweige gelöst sind.
Zu den arabischen Elementen im Spanischen vgl. :
L. de Eguilaz y Yanguas, Glosario etimologico de
las päläbras espanolas de origen oriental. Granada 1886;
zu den fremden Bestandteilen des Rumänischen : Ade
Cihac, Didionnaire d'etymologie dacoromane II, Frank-
furt a. M. 1879; Saineanü, Elemente Turcesti in limba
romänä. Bukarest 1885. Zur Lautlehre : Miklosich,
Beiträge Vok. HI, 16 — 31; Tiktin, Ztschr. XII,
237—241.
11. Der lateinische Wortschatz. Der Wortvorrat der
lateinischen Sprache, wie wir ihn aus der erhaltenen Litteratur
kennen, ist ein verhältnismäfsig kleiner, namentlich im Vergleich
z. B. mit dem griechischen. Aufserdem ist er nicht einmal ein-
heitlich: die verwandten sabellischen Dialekte, das Etruskische,
das Griechische, das Gallische haben manches Wort geliefert, das
sich so eingebürgert hat, dafs man es kaum mehr als Fremdling
erkennt. Von diesem Kapital ist nun im Laufe der Zeit noch
vieles verloren gegangen : neben einem gemeinromanischen Grund-
stock finden sich in jeder Sprache noch einzelne Wörter, sehr
viele aber sind bis jetzt nirgends entdeckt, wie z. B. , um bei
einfachen Substantiven zu bleiben, dbdomen, aedes, amnis, anser,
aper, arx, bellum, crus, ensis, equus, fas, gena, häbena, hiems,
liircus, ignis, imber, jus, lira, mala, naris, os, osculum, plaga,
puer, rupes, rus, specus , vir, vis u. a. Dabei sind Wörter nicht
mitgerechnet, die in Ableitungen fortleben, wie span. abaz =
*abaceus , rum. urecliie, eng. urala, ital. orecchio, frz. oreille,
span. oreja = auricula, rum. genunchiu, ital. ginoccJiio, frz.
genou, span. hinojo =^ genuculum vi. s. w. Trotzdem sind die
romanischen Sprachen nicht wortarm, im Gegenteil verfügt manche
von ihnen über einen grofsen Eeichtum, und zwar besteht dieser
Reichtum vorwiegend aus römischem Gute. Zum Teil nämlich
ist der alte Grundstock durch zahlreiche Ableitungen vermehrt
worden, zum Teil durch immer erneuertes Zurückgreifen auf die
neben der Vulgärsprache stets mehr oder weniger bekannte
Bücherspi-ache. Von dem Momente an, wo das Lateinische
Schriftsprache wurde, trat ein anfangs unmerklicher, dann aber
^ 11. Erbwörtei- und Buchwörter. 21
stetig wachsender Unterschied ein zwischen der Kedeweise des
gemeinen Mannes und der des gebildeten. Die Schrift hinderte
die Sprache an freier Entwicklung; sie gab den Wörtern, die
sonst im Kampf ums Dasein untergegangen wären, festei'en Halt;
sie fixierte die Wortform und trat so den lautlichen Verände-
rungen entgegen. Der Gebildete hielt sich möglichst an die
Schriftsprache, der Ungebildete fuhr fort zu sprechen, wie er es
gewohnt war. Allein da zwischen den Schriftkundigen und den
Unkundigen ein fortwährender Verkehr bestand, so fand auch wieder
ein Ausgleich statt, und namentlich ein HerUbergleiten der Aus-
drucksweisen der ersteren zu den letzteren. Schon in früher Zeit
sprach man vulglat. macla, aber geschrieben wurde macula, und
wer gebiklet sprechen M^ollte, behielt dreisilbiges macula bei.
Das Wort hat doppelte Bedeutimg : „Masche" und „Fleck", letzteres
namentlich in übertragener moralischer Anwendung. Nun begreift
«ich leicht, dafs nur das zweite macula häufig in der Schrift-
sprache und von den Gebildeten gebraucht wurde, dafs das erste
dagegen viel mehr dem Volke angehörte, und so erscheint denn
in der That im Romanischen macla die Masche neben macla,
macula der Fleck : ital. maglia — maccMa, macola, span. malla —
manclia, portg. malha — magoa. Oder: lat. n vor s ist früh-
zeitig gefallen, statt cofisul sagte die Volkssprache cosul. Die
Schrift aber und die ihr folgende RedeAveise der Gebildeten hielt
in vielen Fällen das n fest, zum Teil aus etymologischen Gründen,
wie in Partizipien von Verben auf nd: penclo, pensus. Das von
pensum abgeleitete pensare vulglat. pesare bedeutet „wägen,
wiegen". Es Avird dann auch auf geistiges Gebiet übertragen:
„etwas abwägen, erwägen" : stat pensata diu belli sententia, Gurt.
in, 14, 5, dann „überdenken, denken". Diese Bedeutung gehört
zunächst nur der Büchersprache an , die Volkssprache hat schon
das Verbum cogitarc (afr. cuidier), Avird überhaupt den Begriff
nicht so oft brauchen. In der schriftsprachlichen Form und Be-
deutung ist pensare dann wieder A^or dem Jahre 1000 ins Roma-
nische gedrimgen : ital. pensare, frz. penser, sjjan., portg. pcnsar.
Im Rumänischen findet sich aber nur pesare: pasä. Je Aveiter
nun die Volkssprache in ihrer Entwicklung fortschritt und in
Form und Bedeutung ihren Wortschatz vom schriftsprachlichen
entfernte, um so öfter mufste es vorkommen , dafs aus letzterem
22 Einleitung. §11.
Elemente in den ersteren eindrangen. Man hat sie mit ver-
schiedenen Namen belegt : gelehrte Wörter, im Gegensatz zu den
volkstümlichen ; Lehnwörter, im Gegensatz zu den Erbwörtern ;
schriftlateinische, im Gegensatz zu den volkslateinischen. Die
verschiedenen Formen , unter denen so ein und dasselbe latei-
nische Wort im Romanischen auftritt, werden als Scheideformen,
Doubletten, Allotropen u. s. w. bezeichnet. Sie mögen hier als
Erbwörter und schriftlateinische Wörter oder Buchwörter aus-
einander gehalten werden : der letztere Ausdruck ist genauer als
Lehnwörter, da er sogleich angiebt, woher die Entlehnung
stammt, und auf welchem Wege die betreflPenden fremden Ele-
mente in die Sprache gekommen sind.
Es lassen sich nun verschiedene Perioden und verschiedene
Klassen unterscheiden. Die erste Periode reicht etwa bis zum
Jahre 600: es ist diejenige, in der das Schriftlatein noch eine
gesprochene Sprache war in den freilich mehr und mehr zu-
sammenschwindenden Kreisen der Gebildeten. Ihm gehören
namentlich die Wörter auf -ulus, -ula statt -lus, -la an, die in
den romanischen Sprachen sich finden. An dieser ältesten Schicht
nimmt auch das Rumänische Teil. Ferner war schon im Vulglat.
ab av vor Vokalen zu aw geAvorden : gauta die Wange, ital. gota^
frz. joue; faula die Erzählung, ital. fola-^ taula die Platte, ital.
tola, frz. töle u. s. w. s. § 27. Daneben steht nun aber favulus,
rum. fagnr, ital. fiavo (aus favolo, favlo, flavo)-^ ital. fiäba, lotr.
flave, frz. fable -^ ital. stabbio, frz. etable, span. establo u. s. w.,
die auf schriftlat. favula , fabula, stabulum zurückweisen. Sie
müssen schon sehr frühe in die Volkssprache aufgenommen sein,
wie die Existenz von fagur und der Wandel von v in g im
Rumänischen, derjenige von l in y im Italienischen zeigt. Ebenso
finden sich nebeneinander rum. inuscMu = musclus und mascur
= masculus; ital. maschio und mascolo; rum. unghie = ungla
und lingur=*lingul'um (statt lingula). Eine zweite Periode dürfte
etwa ins VIII. Jahrhundert zu setzen sein, in die Zeit, wo auf
Karls des Grofsen Anregung hin die klassischen Studien wieder
aufgenommen wurden, wo am Hofe und in den Schulen wieder
eine Sprache geredet wurde, die in Form und Wortschatz sich
möglichst an die Schriftsteller früherer Zeiten hielt. Man weifs,
wie die Werke eines Eginhard und anderer zusammengeflickt
^ 11. Erbworter und Buchwörter. 23
sin«! aus Wendungen , die den damals gelesenen Autoren ent-
nommen sind : wenn die Germanen an Karls Hofe das Lateinische
lernten und sprachen , so mufsten die Romanen , die doch wohl
ttihlen konnten, dafs ihre Umgangssprache dem Latein immerhin
nahe stand, versuchen, die letztere wieder etwas zu verbessern,
indem sie die abweichenden Formen dem Latein näher brachten,
und manche lateinische Wörter auch im taglichen Leben an-
wandten. Auf die Buchform Karolns magnus geht das afr.
Charle magne Charle waine zurück, wie denn magnus, vom
sardischen mannu und von den Zusammensetzungen tammagnus,
span. tamano, portg. tamanho und permagnus, afr. parmainz
abgesehen, frühzeitig aus dem Romanischen verschwunden und
durch grandis ersetzt worden ist. — Im XII. .Jahrhundert be-
ginnt die Übersetzungslitteratur in Frankreich, zunächst kirch-
licher Texte: sie führt der Büchersprache zahlreiche Latinismen
zu, teils weil thatsächlich die Begriffe, namentlich abstrakte, der
Volkssprache fehlten , teils wohl auch aus Bequemlichkeit oder
Ungeschicklichkeit der Übersetzer. Mit der Zunahme der klas-
sischen Bildung wächst auch das lateinische Element; den Gipfel-
pimkt erreicht die Latinisierung des Romanischen in der Zeit
des Humanismus, wo ja in Italien die Vulgärsprache einen Augen-
blick in Gefahr kam, dem Lateinischen in der Schrift ganz
Aveichen zu müssen : damals wurden nicht nur zahlreiche latei-
nische Wörter aufgenommen, es wurden auch die altvorhandenen,
die Erbwörter, teils nur in der Schi'ift, teils in der Aussprache
dem lateinischen Typus wieder näliergerückt. Seit dem XVII.
.Tahrhundert dürfte die Zahl der schriftlateinischen Wörter nicht
mehr zugenommen haben, und sehr viele, die auch nur schrift-
romanisch waren, sind wieder verschwunden. Die Stellung der
einzelnen Sprachen zu diesem fremden Elemente ist übrigens eine
verschiedene. Am stärksten scheint es im Französischen zu sein.
Das erklärt sich daraus, dafs das Französische sich am weitesten
vom Lateinischen entfernt hatte, wogegen z. B. das Italienische
ihm so nahe steht, dafs auch später aufgenommene Schriftwörter
sich äufserlich nicht als solche kennzeichnen. Während z. B.
frz. cliastc an seinen s und e ohne weiteres als Fremdling erkannt
wird, verstöfst italienisch casto gegen keine Lautregel. Lat.
September lautet afr. seltenere, daraus wird später in Anlehnung
24 ' Einleitung. § 11.
-ans Lateinische septembre gemaclit. Im Italienischen aber wird
noch heute kein pt gesprochen, settembre ist die einzig mögliche
T'orm, auch jedes später aufgenommene Wort, das die Laut-
verbindung et, pt enthält, zeigt Assimilation, selbst Ausdi-ücke
Avie dipMhongus : dittongo u. s. w. In Spanien gilt Juan de
Mena in der ersten Hälfte des XV. Jahrhunderts als derjenige
^Schriftsteller , der am meisten aus dem Lateinischen schöpfte,
dann namentlich die Klassiker des XVII. Jahrhunderts, wie
■Grongora, Calderon u. a. Für sich steht das Rumänische. Seit
dem Zerfall des Römerreiches ist es mit seiner Kultur auf den
'Osten gewiesen 5 erst das Erwachen des Nationalgefiihls im
XIX. Jahrhundert brachte die Rumänen Avieder in Beziehung zu
ihren Stammverwandten im Westen und zu ihrer eigenen römischen
"Vergangenheit. Die Folge für die Sprache Avar eine übertriebene
Latinisierungssucht , die ihren stärksten Ausdruck fand in dem
die nichtlateinischen Elemente einfach ignorierenden und sie
durch Entlehnungen aus dem lateinischen Wörterbuch ersetzen-
den Di ctionariulu limbei romäne von Laurianü und
Massimü, Bukarest 1871. Nur weniges ist aber wirklich in die
Volkssprache gedrungen, aus älterer Zeit ein paar kirchliche
Ausdrücke wie relighie, testament, hihlie, oder Wörter der Wissen-
schaft wie scorpie, aron, ferner coroanä neben cununä.
Am meisten schriftlateinische Wörter giebt die Kirche
■dem romanischen Wortschatz. Sie hat am längsten, zum Teil ja
noch heute, das Lateinische festgehalten selbst beim Verkehr mit
-den Ungebildeten; daher dringen die in ihr am häufigsten vor-
kommenden Wörter auch in mehr oder weniger lateinischer Form
in die Volkssprache. Zwar Deus zeigt überall regelmäfsige Be-
handlung der Vokale : rum. Dumnezeu , ital. Bio, frz. Dieu, span.
Bios: Deus ist aber nicht ein christliches, sondern schon ein
heidnisches Wort, das zur Zeit, da das Christentum Staatsi-eligion
Avurde, schon seine romanische Form B^us angenommen hatte.
Aber diaholus bleibt ital. diavolo, frz. diäble, span. diahlo, portg.
diaho , während nach den Gesetzen der Vulgärsprache di zu g
werden sollte vgl. diurnus ital. giorno u. s. w. (§ 407), äbo
zu au vgl. pardbola, paraula, ital. parola u. s. w. (§ 27). Der
Grund kann ein doppelter sein : als diaholus aus dem Griechischen
durch die christliche Kirche ins Lateinische eindrang, mochte der
K II. Erbwörter und Buchwörter: Kirclie und Recht. 25
Wandel von di zu g schon vollzogen sein. Ferner war Mäbolus
wolil das Wort der Kirclienspraclie , die Volkssprache aber ver-
mied es möglichst und ersetzte es durch indifferentere wie
adversarius, altit. avversiere, afrz. aversier; oder daemonium, ital.
dimonio , span. demonio oder andere Ausdrücke. — Durch das
Christentum war nirgo fast zum Eigennamen geworden und nur
als Wort der Kirche in Gebrauch, sonst hatte man andere
Wörter, um den Begriff auszudrücken. Dementspi*echend bew^ahrte
es seinen lateinischen Vokal: afr. virgene, span. virgen, portg.
virgem. Nur das ital. vergine erscheint in korrekter Gestalt.
Auch angelus zeigt nur im Italienischen dieselbe Behandlung der
Verbindung ng wie z. B. plangere, alle anderen Sprachen be-
sitzen das Wort in einer dem Lateinischen näher stehenden Laut-
form: frz. ange, span. anjel, portg. anjo. Imago bezeichnet
speziell das Heiligenbild und zeigt auch in seiner Form den
Ursprung aus der Kirchensprache an : ital. immagine, frz. image,
span. imagen, vgl. daneben ital. Suffix aggine, frz. plafitain,
span. llanten aus plantaginem. Auch spiritus der h. Geist (in
ursprünglicher Bedeutung war das Wort durch anhelitus oder
durch das Postverbale von anhelare ersetzt: ital. alena, frz.
haieine, span. aneldo) erweist sich im span. espiritu durch die
Erhaltung des tonlosen i, des t und des u, im frz. csjjrit durch
sein s und seinen Accent als Kirchenwort, Es ist aber bedeutend
jüngeren Datums als die erstgenannten : w^ährend jene doch im
Auslaut im Spanischen, im Accent im Französischen dem Erb-
wortsehatz folgten, ist dies bei Spiritus nicht mehr der Fall: es
mufs aufgenommen worden sein nach Wirken des französischen
Synkopierungsgesetzes (§ 338), infolgedessen alle Proparoxytona
die tonlose Mittelsilbe verloren, die Sprache also nur noch Paro-
xytona kannte.
Nächst der Kirche dürfte das Rechtswesen viel schrift-
lateinisches Gut dem romanischen Wortschatz zugeführt haben.
Auch seine Sprache w^ar lange Zeit die lateinische, und gerade
im amtlichen Verkehr bleiben alt überlieferte Formeln besonders
fest. Ein juristischer Begriff ist z. B. familia: in der That
zeigen denn auch seine romanischen Vei'treter SchriftAvortform :
frz. famille statt *fameille, span. familia statt *hamcja. Ital. dazio
der Zoll erweist sich durch zi statt zs und dadurch, dafs es auf
26 Einleitung. § 11—13.
dem lateinischen Nominativ bervxht, als Latinismus; frz. juste ist
in seinem s und in seiner Endung unregelmäfsig, u. s. w. Wie-
viel und was die Übersetzungslitteratur, wieviel die Wissenschaften
an Schriftwörtern gebracht haben, das kann hier nicht untersucht
werden.
12. Für die Entscheidung der Frage, ob ein Wort Erb- oder
SchriftAvort sei, ist in erster Linie die Behandlung der Laute
mafsgebend. Doch sie allein genügt nicht, da häufig die For-
mulierung einer Lautregel davon abhängt, ob ein gegebenes Wort
zum Erbschatz gehört oder nicht. Es mufs vielmehr auch durch
andere äufsere und innere Gründe wahrscheinlich gemacht Averden,
dafs der Begriff, den es bezeichnet, entweder dem Volke abhanden
gekommen war, oder anderswie ausgedrückt wurde. So sagte
man statt famille in Afrz. maisniee, statt penser cuidier; ebenso
ist im Altspan, cuidar, asmar (aestimare) das das heutige pemar
ersetzende Wort. Ferner können selbstverständlich nur Wörter
der lateinischen Schriftsprache in Betracht kommen : es enthält
einen Widerspruch in sich selbst, Avenn das „gelehrte" frz. double
auf die „volkslateinische" Form duhlum zurückgeführt Avird.
Einigermafsen kann eine Kenntnis des in späterer Zeit z. B.
unter Karl dem Grofsen oder im XIII. .Jahrhundert gebräuch-
lichen lateinischen Wortschatzes mit zur Sichtung des romanischen
Lexikons beitragen : leider fehlen hier noch die nötigen Vor-
arbeiten. ZuAveilen kann auch der Umstand uns an der Echtheit
eines lateinischen Wortes im Romanischen zweifeln lassen , dafs
es auch im Deutschen in nicht von den Romanen übermittelter
Form vorkommt, wie dies bei dem schon genannten familia der
Fall ist.
13. Der Fragen, die sich an die schriftlateinischen Bestandteile
im Romanischen knüpfen, sind viele; sie alle auch nur auf-
zuwerfen, ist nicht die Aufgabe einer romanischen Lautlehre. Es
soll hier nur eine für die Phonologie Avichtige besj»rochen werden.
Franz. chaste ist in seinem Anlaut völlig korrekt, dagegen erAveist
es sich durch s und e als Bücherwort. Nun könnte man sagen:
zur Zeit, als castus aufgenommen Avurde, war s vor Konsonanten
und auslautend u schon verscliAvunden , c vor a aber hatte noch
i^ 13. Buchworter: lautliche Verhältnisse. 27
die lateinische Geltung. In einer späteren Zeit wurde; c vor a
in dem ganzen damaligen Wortschatz, also auch in *caste zu s:
chaste. So richtig diese Folgerung in vielen Fällen ist, so triffst
sie doch gerade hier nicht zu; wir wissen anderweitig, dafs der
Wandel von ca zu §a und der Abffill der Schlufsvokale einige
Jahrhunderte älter ist, als das Verstummen des S. Ein beispiels-
weise ums Jahr 1000 aufgenommenes castus wäre zu '^caste, cate
geworden. Dafs wir nun aber chaste haben, erklärt sich folgender-
mafsen. Das Wort ist früh in die Sprache gekommen und hat
den Wandel von Ica zu sa mitgemacht. Schon im XJI. Jahr-
hundert finden wir es in Texten, die allerdings gelehrte Ver-
fasser haben, wie im Computus des Philipp von Thaon (v. 1695).
Es mufs herrühren aus einer Zeit, wo ca noch bestand, oder wo
flir die Gelehrten das Bewufstsein der Entsprechung von latei-
nisch ca: frz. cha noch so stark Avar, dafs sie bei der Einführung
eines Wortes aus dem Lateinischen in die Volkssprache den
Wandel vollzogen. Das vokalische Auslautgesetz hatte schon
gewirkt : da in vielen Fällen das lateinische Schlufs-w als e blieb,
so behielt man es auch in chaste. Während der ganzen alt-
fi-anzösischen Periode scheint chaste Buchwort geblieben zu sein,
der volkstümliche Ausdruck dafür ist sage; chaste Avurde nur
gebraucht von den lateinkundigen Leuten, daher das s blieb zur
Zeit, da es in den Erbwörtern verstummte. Bei Beurteilung der
Lautgestalt der Schriftwörter mufs überhaupt der Gesichtspunkt
stets im Auge behalten werden , dafs bei ihrer Aufnahme eine
gewisse W^illkürlichkeit herrschte. Lag einem Gelehrten daran,
einem Wort, das er dem Lateinischen entnahm, einigermafseu
volkstümlichen Anstrich zu geben, so that er das, indem er den-
jenigen Lautwechsel vollzog, der ihm am meisten in die Augen
fiel. Dies ist z. B. der Fall bei chapitre, das in seiner Endimg
halb, in seinem Anlaut völlig volkstümlich ist, sonst aber ganz
die lateinische Form bewahrt hat. Dafs hier der Wecli^-cl \(m c
zu ch künstlich gemacht ist, ergiebt sich aus der Erhaltung des a.
Hand in Hand mit der Palatalisierung des c geht die Schwächung
des tonlosen freien a zu e: caballus — cheväl; da nun jede«
anlautende c vor a (mit ganz geringen Ausnahmen : cage § 410)
zu c wurde, dagegen bei weitem nicht alle a zu e (die gedeckten
bleiben auch nach ^: chüteau), so lag nur der erste Wandel oft'en
'28 ' Einleitung. § 13—15.
da, der zweite verstecktere wurde niclit beachtet. Dieselbe
Willkür, die sich erklärt aus der mangelnden Kenntnis der
Lautgesetze, läfst sich wieder beobachten bei den Latinisierungs-
bestrebungen der Renaissancezeit. Das frz. otroyer ist in seiner
Endung unangetastet geblieben, im Stamm aber hat es den Ein-
flufs der damaligen lateinischen Orthographie auctoricare erlitten :
octroyer u. s. w., dann hat die Schreibweise auch auf die Aus-
sprache gewirkt, so dafs jetzt das ganz ungehörige c sogar ge-
sprochen wird. Solcher Fälle, wo die Schrift die Aussprache
beeinflufst, giebt es viele, namentlich bei Wörtern, die zunächst
nur der gelehrten Sprache angehören, wie fahlian, givre.
14. Beim Übei-gang eines Schriftwortes in die Volkssprache
vollziehen sich oft lautliche Veränderungen, die ebenfalls von Wichtig-
keit sind. Gewisse lateinische Konsonanten Verbindungen sind in
den einzelnen romanischen Sprachen getilgt worden, so im Ital.,
Span., Portg. cl, pl, hl, /Z im Anlaut; so im Span, d im Inlaut.
Nimmt nun die Schriftsprache z. B. lat. splendere auf, so werden
zwar die Gebildeten pl beibehalten und sich bemühen, die ihnen
fremde Artikulation zuwege zu bringen. Sowie das Wort aber
ins Volk dringt, raufs eine Umgestaltung eintreten, nicht aber
die reguläre ital. pi (denn das Bewufstsein, dafs dem lat. pl ein
pi entspreche, fehlt), sondern pr , da r der dem l am nächsten
stehende Konsonant und pr eine beliebte Verbindung ist : in der
That lesen wir in den altitalienischen Dichtungen gewöhnlich rispren-
dere, sprendore, und noch heute Avandeln die meisten Dialekte
das l als zweiten Konsonanten in Anlautgruppen von Schrift-
wörtern zu r, vgl. z. B. sie. hrunni (Hlond) ^ öbricari (ohligare),
praneta, disciprina, crimenti, crissi (eclipsis), Mail, sprendö (splendor),
decrind (declmare); ebenso im Portg. jirato, praga, cravo (clavus),
cris (eclipsis), cristel (clysfer) u. s. w. vgl. § 422. Im Spanischen
ist et zu ch geAvorden, später wird c in Schriftwörtern zu i:
fruito ; heute behält es die gebildete Sprache : caracter, indiredo,
respedo u. s. w. , aber andal. caraite , indereito , respeuto, bogot.
caraiter, direuto, efeuto u. s. w.
15. Von Wichtigkeit für die Erkenntnis der Schriftwörter ist
es endlich, die Aussprache des Lateinischen in den romanischen
is 15. 16. Buehwörter: lautlidie Verhältnisse. 29
Ländern zn kennen. Schon früh und noch heute wird in Italien
jedes lateinische e, sowohl das lange als das kurze, als p ge-
lesen ; in Frankreich sprach man es geschlossen bis ins XVI. Jahr-
hundert, dann aber beginnt § einzureifsen , vgl. Sylvius 1531:
„Syllabam el nonnunquam voce latinorum proferimus, ut crudelis
cruel, quomodo gdbriel, aliquando autem ore magis hianti ut die.
E etiam ante r, s, t, x, et quasdam alias consonantes, in omnibus
apud Latinos vocem non habet eandem. Nativum enim sonum iis
pater es a sum et textus pronuntiatione quorundam retinet. In
errOj autem, gentes, docet, ex, nimis exertum et, ut sie dicam,
dilutum." Später ist fj allgemein, Dumarsais 1751 : „Comme notre
p ouvert commun avi milieu des mots, lorqu'il est suivi d'une
consonne, avec laquelle il ne fait qu'une meme syllabe, caelebs,
mel, per, patrem etc. X'e est ferm6, quand il finit le mot: mare,
patre. Dans nos provinces au delk de la Loire, on jirononce Ve
final latin comme e ouvert." Dieselbe Aussprache ist im Portugie-
sischen gebräuchlich. Daher haben gelehrte Wörter j3 für lat. e,
wie ital. spgro , cpdo , primavfra , rpda, rfmo\ auch der prov.
Donat 48 verlangt vpr , bearn. primchgre, während die Eeime (;
zeigen.
Sammlungen von Doppelformen haben gegeben fürs
Französische : Brächet, Dktionnaire des doublets on
doublcs formes de la langue frangaise, Paris 1868, Suppl.
1871 ; fürs Portugiesische : C o el h o , Rom. II, 281—294 ;
fürs Spanische: C.Michaelis, Studien zur romanischen
Wortschöpfung, Leipzig 1876 (auch Nachträge zu Brächet
und Coelho) ; fürs Italienische : C a n e 1 1 o , Arch. Glott,
III, 285—41 9, vgl. dazu T o b le r , Ztschr. IV, 182—1 84.
16. Die griechischen Bestandteile des Romanischen sind
von denjenigen des Lateinischen deshalb schwer zu trennen, weil ihr
Eindringen meist in sehr früher, noch römischer Zeit stattgefunden
hat. Nur wenige haben, soweit man wenigstens heute urteilen
kann, die Kreuzzüge und der Handelsverkehr mit dem Osten im
Mittelalter gebracht. Immerhin bedingt hie und da die roma-
nische Gestaltung eine der neugriechischen entsprechende Form
der Grundlage: so läfst sich ital., span. endivia, frz. endive nicht
mit lat. intybus, sondern nur mit mgr. t'vÖißa erklären : im Griech.
wird VT stets zu yÖ. Ital. irota zeigt eine Behandlung d(>s et,
wie sie sonst im Italienischen nicht gewöhnlich ist; solmld a\ ir
30 Einleitung. § 16. 17.
aber statt des lat. tructa das ingr. TQui/rrfi zu Grunde legen, so
ist die ital. Form troita, trota völlig gerechtfertigt (vgl. § 453).
Ital. ganascia aus yt'a&og verlaugt spirantische Aussprache des d;
auch sio ^= &eiog dürfte ahnlich zu erklären sein, ferner tar.
canso ^^^ icuj'&og, caneirro-==^y.ui'd-/da, wogegen span. tio das ältere
th darstellt. Ital. fäld , frz. fälot, span. farol erweist sich durch
seinen Accent als erst aus dem nigr. (fuQOQ entlehnt: dieses selbst
ist aus einer Vermischung von (favog und (fuQog entstanden.
Franz. emeri , ital. smeriglio weisen ebenso auf die in Naxos
gewöhnliche moderne Form des alten Of.ivQig of-U^i hin. Bei der
Übernahme griechischer Wörter sind nun eine Reihe lautlicher
Veränderungen zu beachten, die, wenn auch meist in die vulgär-
lateinische Periode fallend, hier doch einer Erwähnung bedürfen.
17. Die lateinische Volkssprache besal's keinen dem grie-
chischen V entsprechenden Laut, zudem hatte das v gerade bei den
Griechen Unteritaliens, mit denen die Römer am ehesten in Be-
rührung kamen, den Klang u: die Regel war daher, das
griechische v dem lat. u gleichzustellen, vgl. guhernator , burrus
u. s. w. Als in der Scipionenzeit und dann wieder zu Ende der
Republik der Verkehr mit Athen ein immer stärkerer wurde,
suchten die gebildeten Römer die griechischen Wörter in Schrift
und Aussprache möglichst genau wiederzugeben, es wurde also y
geschrieben , ü gesprochen. Allein das Volk blieb nach wie vor
bei seinem u. Daher finden wir im Romanischen eine ziemlich
bedeutende Zahl griechischer Wörter mit o, die im Lateinischen
uns nur mit y, höchstens etwa in Glossen mit u begegnen :
huxida = nviiöa, ital. husta, frz. hoUe; horsa ßvQoa, grotta
'AQimra, span. cocleso xtriaog, ital. lonza )^vy'i, mostacchio f-ivozo-
y.iov ^ cotogna xvdcöi'iov, altital. martorio, martorc /liuqvvq u. s. w.
Beachtenswert ist, dafs u offen gesprochen wird. Nur in ganz
wenigen Fällen erscheint romanisch u: sj)an. gruta neben älterem
grota (frz. grotte ist Lehnwort aus dem Italienischen), span. murta
wohl von murÜlla aus (§ 559).
Daneben findet sich nun aber auch i an Stelle des grie-
chischen v: es ist dies entweder die Wiedergabe des schrift-
lateinischen y, z. B. frz. martyr, ital. lira, citiso, discolo u. s. w.,
oder aber die betreffenden Wörter sind aus der römischen Schrift-
ij 17. Griechische Bestandteile: Vokale. 31
spraolie ins VulgJirlatein geraten, ilir y wurde dem lat. 7 gleich-
gesetzt: ital. cima = cyma, giro ^= gyrits, amido -^^ amylum (trotz
amulum Cato). Da bis ins VIII. Jalirluindert das grieeli. v den
Lautwert ö, (; hatte, so läfst sich nicht entscheiden, ob die ziem-
lich vielen Fälle von t; = (; auf eine Stufe zu stellen sind mit
dem ebengenannten v = i, oder ob sie jüngere Entlehnungen
mit der spätgriechischen Aussprache sind. Ersteres wird anzu-
nehmen sein ftir ital. cecero, frz. eigne, eicinus, xvxi'og, ital. gesso,
da die Behandlung der Palataleu auf frühes Vorkommen weist,
letzteres tür ital. ghezzo ulyvnriog, gheppio ulyvniog. — Eine eigen-
artige Behandlung von v zeigt acfvri^ Avoraus vulgl. ap'ma, apima,
ital. acciuga, span. anclioa, portg. anchova u. s. av. Die Ge-
schichte des Wortes ist freilich dunkel. Franz. anchois ist ein
junges Lehnwort, sonst lassen sich die verschiedenen Gestalten
des Tonvokals nur unter \i vereinigen; das d weist auf in\ das g
und V im Italienischen (siz. aneiova) auf v.
Das griechische o war geschlossen, stand also in seinem
Klange dem lat. ö bezw. n näher, als dem lat. ö. Dement-
sprechend finden wir schon im Lat. ti iu amurca, purpura und
im Komanischen o ; torno, colpo, gglfo, horro, hotro {ßöd-QOv), cloga.
grongo. Andere schwanken : neben südital. purpu (polypus) steht
frz. pieuvre: jenes verlangt o, dieses p, copliimis, ital. cofano,
span. cuebano, ebenfalls mit p; sodann ital. stuolo, orfano, span.
Jiiierfano, ital. scuola u. a. Noch auffalliger ist romanisch ii für
griech. 0 und ft>: rum. nrmd, span. wsjwrt, neben ital. orma. <)oj.u'i ;
span. zumo, t,Mf^i6g.
Griechisch vj war iu alter Zeit r . aucli für die ersten christ-
lichen Jahrhunderte kann diese Aussprache noch als die all-
gemeinere betrachtet werden. Dementsprechend wii-d das r^ in
Ixy.Xrjat'a behandelt wie lat. f, d. h. c; vgl. namentlich frz. e'glise,
prov. glieisa. Da die Konsonanten durchaus reguläre Entwick-
lung zeigen, so liegt kein Grund zur Annahme von Entlehnung
vor. Einer späteren Zeit gehören die Wörter an, die das neu-
griechische i zeigen, wie ital., span.. portg. acidia : die Er-
haltung des c und di zeigt auch, daCs das Wort ein S2)ät auf-
genommenes Buchwort ist; ferner sen., romg., prov. hotiga. Auf
die Mittelstufe zwischen e iind i, nämlich (', Aveist /iiTj).oi\ melwn,
ital. melo , rum. mer , eng. maU: sepia, ital. seppU( . si/.. siccla
32 Einleitung. § 17.
u. s. w., lat, cera, ital. ccra u. a., doch ist zu beachten, dafs die
beiden letzten und vielleicht auch melum sehr alt im Lateinischen
sind. Stammen sie aus einer Zeit, wo der Unterschied zwischen
lat. e = e und lat. e = §, noch nicht ausgebildet war, sondern
beide die nämliche Klangfarbe hatten, so wurde das griechische iy
dem lat. e gleichgesetzt und später Avie dieses zu e. Der Buch-
sprache entstammt span. nema, vfjf.iUj Siegel.
Unter den griechischen Diphthongen hat nur av im alten
Latein eine Entsprechung, daher wird navoig zu pausa, das sich
weiter entAvickelt wie aurum. Li späterer Zeit war auf manchen
Gebieten au zti o geworden, dann wurde au behandelt wie vulg-
lat. au, yMVf.iu, ital. calma § 294. tv kommt nur vor in xeXtvaf.ia,
vulglat. clusma, jjortg. chusma, cJiurma, woher ital. cnirma, span.
churma, frz. cMourme. ai wird in alter Zeit zu a : crapula ; auch
ital. paggio , naiSiov weist wegen seines Accentes und der Be-
handlung von di auf sehr frühlateinisches *pddium , das Avohl
nur zufällig nicht belegt ist. Sodann aia/oq, sjian. asco, ala/Qov,
ital. aschero. — oi Avird zu oe, lat. e vgl. cimitero, noif.wjTrjQiov,
Avoraus cemiterion , ein BucliAvort, das seine Endung verAvandten
lateinischen gleichstellt. Li dem schon im kirchlichen Latein
vorkommenden und von da auf schriftlichem Wege ins Romanische
gedrungenen parocims, parocMa = naQoixog nuQotxta liegt nicht
Wiedergabe von oi durch o vor, sondern VerAvechslung mit JcuQO/og,
lat. parochus.
Unter den Konsonanten sind es namentlich die Aspiraten
(p, X, d- , die einer Bemerkung bedürfen. Entsprechend der
älteren griechischen Aussprache ph, Ich, th werden sie im Alt-
lateinischen Aviedergegeben durch p), k, t: purpura = noQffvQu,
apua = äcpvi] ; caerefolium=/uiQt(fvXXoy ; tus = S'vog. Die spätere
Zeit zeigt dafür in der Schrift die Verbindung mit li , in der Aus-
sprache stellt sie wohl (p dem lat. f gleich. Aber die Vulgär-
sprache bleibt dem alten Brauche getreu: colpo xoXacfog , calare
■/aXäv, tallo däXXog, spitamo amTa/LU]. Merkwürdig sind einige
Fälle von f statt griech. n: ital., span,, portg. golfo, frz. gouffre
xdlnog , das sonst im Anlaut und im Ton vokal die geAA^öhnliche
Behandlung griechischer Worte zeigt, sodann ital., span. trofea,
frz. trophee. Letzteres ist ein ganz junges Buchwort und mag
seine Aussprache einer falschen Schreibung verdanken (Anlehnung
§ 17. Griechische Bestandteile: Konsonanten. 33
au (n^t(f(o, GTQOCfog?) etwa wie engl, aufhor. Jenes macht mehr
Schwierigkeit. Denkbar ist, dafs es aus der Sprache der Ge-
bikleten ins Volk drang zu einer Zeit, da jene schon griech. (f
durch f wiedergaben. Da nun in einer Reihe griechischer AVörter
die Vulgjlrsprache dem hochlat. f mit p antwortete, mochte sie,
als sie das griech. x67,nog von ihr empfing, im guten Glauben
richtiger zu sprechen, colfus sagen. — Viel Jüngern Datums sind
Wörter wie ital. fosforo. Es wird daher in dem apul. posperu
nicht die vulgäre Wiedergabe von (ftoacfOQog zu sehen sein, viel-
mehr ist in diesem Dialekte sf zu sp, dann der Anlaut dem
Inlaut angeglichen worden. Im ital. hosforo , frz. hosphore
verschulden wohl auch wieder Gelehrte, die das Wort mit (piQot
in Verbind img brachten, die falsche Aussprache, die Schreibweise
husphorus findet sich schon Propert. UI, 9, 60. Merkwürdig ist
ven. folp, vegt. fualp, romg. fulp, tarent. vurpu aus pölypus. —
Eomanische Fälle für p sind noch : ital. Giuseppe , zampogna,
Span, zampona^ frz. tromper aus trhimphare. Inlautend ph wird
wie lat. f behandelt in einigen wenigen späten Wörtern, s. § 447.
Schwierig ist ital. sione, das zu aicftof gestellt wird, aber weder
bei der alten noch bei der neuen Aussprache des (f erklärt sich
sein völliger Schwund.
Das griechische x vor a, o, u wird durch lat. g wieder-
gegeben: das g dürfte hier die reine Tennis ausdrücken im
Gegensatz zum lat. c, das leicht aspiriert war- vulglat. gubernare,
xvßtQvav, so icaf.tf.iuQog , ital. gamhero, span. gamharo, frz. jamhle,
xuQv6(fv'k'kov, ital. garofano, frz. girofle, xoXnog golfo, xwßiog gdbbio,
frz. gougeon, xQvnru, ital. grotta, xovdv gondola u. s. w. Daneben
stehen aber hier ebenfalls wieder Fälle mit dem tonlosen Laute
auch im Romanischen : ital. colla Leim xöXXa , span. corma
xoQfxog u. s. w. Ebenso n: burrus nvQQog, huxida n'ö'^ida, ital.
biista, vielleicht ital. batassare naruoasti^ ; dagegen fehlen Beispiele
flir griech. t zu lat., rom. d (stradiotto" ist an strada angelehnt),
so dafs also wohl die beiden Laute sich genauer entsprachen. —
Die Gutturalen vor e, i werden in späteren Bücherwörtern den
lateinischen gleichgesetzt, also im Ital. als ^, im Frz. als S,
im Span, als / gelesen. Volkstümliche Wörter, die jünger sind
als die Palatalisierung von lat. ce, ci, bewahren dagegen den
Guttural: ital. scheggia o/idtu, daneben sceda; ebenso chicco, frz.
Meyer. Grammatik. 3
34 Einleitung. § 17.
chiclie (§ 409)j ital. ghisqu'tamo, worin die Wiedergabe des v als
ui dem Einfiufs des Gutturalen zuzuschreiben ist. In ital.
scojattolo , frz. ecureuil oxiovQog ist das unlateinisclie iur zu nir
bezw. wi umgestellt worden. In ital. pistaccMo ntaröy.ioi', petacchio
ntjaxvoi'^ mostaccliio *f.ivoTuy.toi' ist die Erhaltung der Endung be-
günstigt durch das entsprechende italienische Suffix. Für deii
tönenden Laut ist etwa zu merken ital. glieppio neben genia.
Dafs die ältesten Entlehnungen wie yJvTQOv ccnfrum dem latei-
nischen c folgen, ist selbstverständlich. Ital. ciro /oiQoq ist wohl
ganz junges Lohuwort, ebenso cirindone, cirindonia xv^iov ÖaiQu.
Endlich C. Der Lautwert des Zeichens C ist für das Alt-
griechische nicht sicher zu bestimmen. In den frühesten Lehn-
wörtern wird es durch SS wiedergegeben : massa f-iaCa. Später
aber mufs es sich sehr dem lateinischen di genähert haben, vgl.
gelosus, ital. geloso, frz. jaloux, 'C^iLvifor, ital. giuggiola, frz. jvjnhe,
LiyyißiQij ital. gengiovo, frz. gingembre, hapÜzare, ital. hatteggiare.
span. hatear, afr. hatoyer.
Auch die Betonung der Wörter blieb beim Übergang aus
der einen Sprache in die andex-e nicht unangetastet. Als Grund-
regel kann aufgestellt werden: in volkstümlichen Wörtern bleibt
der griechische Accent fest, aufser wenn er auf die letzte Silbe
fällt, Oxytona folgen dem lateinischen lietonungsgesetz : tapinus
zanuvog, späsmus onuGf-iog, ital. spasimo, pardhula nuQußoX^, ital.
parola, frz. parole , tallus da'kXoc, daher ist span. goldre aus
y.OQüTog auffällig; dann also Proparoxytoua mit griechisch langer
vorletzter: eremus 1'Qrjf.iog , ital. ermo , afr. crme, span. yermo,
hldsfemus ß)MO(fri/.iog, ital. biasimo , frz. bläme, bntyrum ßovrvrjor,
ital. bviro, prov. buire, frz. beurrc, selmiim oelwof, ital. sedano,
S^vf.iallog, ital. temolo ; Paroxytona mit kurzer Tonsilbe: xMsdna
nxiGuuri, ital. t'isana. Nach lateinischer Art sind betont die
ältesten Lehnwörter wie talentum aus TuXarroi' , cetera und die
Buchwörter, wie äbissus, aßvooog, ital. abisso , colera yokc^u., ital.
collera , elogium evloyiu , ital. elogio , frz. eloge u. a. Ferner
papyrns, sard. pavilu, span. pabilo, portg. pavio^ ven. pavero^
eng. pavail Auffällig ist hier das fast durchgehende l statt r
und die doppelte Wiedergabe des v. Frz. papier j span.,
portg. papel, mail. palpte sind, wie das p zeigt, jünger.
Schwanken zeigen die Wörter auf ia, io : entweder behielten sie
§ 17, 18. Griechische Bestandteile: Aocent. 35
ihren Accent : soffa, oder sie wixrdeu den zahlreichen lateinischen
Bildungen auf -?a gleichgestellt, nicht nur die alten pldtea
nlaxila, ital. piazm, frz. jf)?rtce, oleum Dmi'u, sondern auch ecciesia
fxxXr,aiu, ital. chiesa , frz. eglise, hiblia ßißXi'u. Etwas anders
erklärt sich prcshiter , frz. pretre, ital. i^rete: nofcfßvTeQog
ergiebt lateinisch zuniichst die Flexion presbyterus, i, o, tim, o,
dann wird dazu ein neuer Nominativ gebildet auf ter wie drhiter,
der nun auch auf der drittletzten betont wird. Die griechische
Betonung, oder besser die Betonung des Accusativs liegt vor im
afr. prevoire. Ein Buchwort ^ das trotzdem den griechischen
Accent festhält, ist idolmn fldoloi', ital. i'dolo, afr. idele: offenbar
liegt hier VerAvechslung mit dem lateinischen Suffixe -ulvs vor.
Als Buchwort ist wohl auch elcmosytia, ital. limoshia, frz. aumöne
zu betrachten. Aus (fdarjlog entsteht schriftlat. faselvs, woraus
mit verändertem Suffix faseolns , ital. faghioli. — Daher wird
cornice = xoQ(m'ig eine romanische Entlehnung aus dem Mittel-
griechischen sein, wie fälöj S. 30.
Jede Vorarbeit über die griechischen "Wörter im Eo-
manischen fehlt noch. Das kleine Verzeichnis Gr. I,
57 — 61 ist teils zu kürzen, teils bedeutend zu erAveitern.
Für die lateinische Zeit liegt die tüchtige Arbeit von
F. 0. Weise vor, Die griechischen Wörter im Latein,
Leipzig 1882. Wenig Wert hat F. Zambaldi, Le
Parole Greche delV vso italiano, Toriuo 1883. Von den
bei Diez als griechisch bezeichneten Wörtern dürften
wegfallen: portg. anco, wohl zu anca; uYaiog agio, ßaXXi-
tiir haigare, das ital. Wort ist von halza Vorsprung,
eigentlich Gürtel (lat. halteiis) abzuleiten; ßeXf:f.ivoi> haletio,
/yd(»/?opog hourbe, ßQtär brio, ßQOfjrj brontolare, dvXay.og
talega, XunuS-ov lapa (das wohl mit frz. Icqyin zusammen-
gehört), fuoxäi' moqner , olaog osicr, nuXuieiy pelear,
nixuXov poele (gehört zu paViiim § 280), n-AunTnv zappare,
rgay^jf^utra treggea, (fQUTTetr fratta, ffoni foja.
18. Xächst den griechischen sind die germanischen die
wichtigsten Fremdlinge im romanischen Lexikon. Sie finden sich
über das ganze Gebiet zersti-eut, nur Rumänien kennt sie nicht,
abgesehen vielleicht von nastur (Knoten, Knopf), wenn es mit
ital. nastro zusammenhängt und beide zu dem deutschen nestel
gehören. Dafs in der Zeit, wo die Goten im Balkan safsen,
sich ein Wort ihi-er Sprache zu den Rumänen verirrt habe, ist
36 Einleitung. § 18.
nicht geradezu luidenkbar, ist aber auffällig, so lange sich nur
ein einzelnes findet. Auch was Sardinien und Sizilien an ger-
manischen Wörtern besitzen, ist erst später aus dem Italienischen
hinübergekommen. Auf die Fragen nach der Verteilung des
Wortschatzes auf die verschiedenen romanischen, wie auch auf
die schenkenden germanischen Stämme, nach der Wanderung
gerade dieser Wörter kann hier natürlich nicht eingegangen
werden; es bleibt aber zu untersuchen, Avas aus denjenigen ger-
manischen Lauten wurde, die im Romanischen nichts Ent-
sj)rechendes hatten. Unter den Vokalen kommen nur die Ver-
bindungen ai, hl in Betracht. Das erstere wird in betonter wie
tonloser Silbe im Italienischen stets zu einfachem a reduziert:
waidanjan: guadagnare, tvaid: guado, hrainna: guaragno, zeina:
zana. Romanisches ai wird im Italienischen anders behandelt,
s. § 299. Laido, ladio, die zu deutschem laid gehören, sind
daher wohl aus Frankreich gekommen, ebenso auch aghirone
aus prov. aigron, nicht direkt aus ahd. heiger. Jung mufs zaino
neben zana sein. In Frankreich gilt a ebenfalls als Vertreter
von ai, aber nur in den ältesten Wörtern, in Eigennamen, ferner
in afre, germ. aihhor, liame = haim^ haste zu liaifsts, gagner,
drageon: *draibjo, s'avachir: tvaikjan. Daneben stehen nun als
einer jüngeren Zeit angehörig laid = laid, souliait zu anord.
lieit, dazu das, wie es scheint, nur normannische und zunächst im
Strandrecht gebräuchliche ^rMa?/, germ. *«;«?/ verlornes Gut; ferner
steht neben afr. frarous prov. fraidit zu ahd. freidi, neben frz.
jRambaut, Henri prov. Ttaimhaut, Aimeric, vgl. noch Aimes, und
neben afr. liairon, gaire, deren i sich aus dem g erklärt, prov.
aigron, gaigre, so dafs also ein Unterschied zwischen Proven-
zalisch und Nordfranzösisch oder zwischen Fränkisch und Gotisch
zu bestehen scheint. — Fürs Spanische ist ebenfalls a gesichert
durch lastar zu laist, gnadanar, guanir = *wainjan. Daneben
steht das jüngere, vielleicht erst aus Frankreich übernommene
laido.
Für iu liegt nur sMuhan vor, woraus afr. eschevir, ital.
schivare mit u = v. Über treuwa frz. treve, ital. tregua s. § 501.
Unter den Konsonanten verdient das w am meisten Beach-
tung. Das lateinische v stand bei der ersten Berührung zwischen
Römern und Germanen dem germanischen sehr nahe, beide
R 18. Germanische Bestandteile. 37
waren bilabi.il, daher bei Entlehnungen das lateinische v blieb:
ivein ans v'mum , weiher aus vivarimn , wiche aus vieia u. s. w.
Später aber wurde das lateinische v labiodental , was die Ger-
manen durch f wiedergaben: Veilchen aus viola , vers aus versus.
Mfig zu cavea u. s. w. Der Wandel war schon vollzogen, als
gennauische Wörter ins Romanische drangen : dem ic oder viel-
leicht u entsprach das r nicht, wohl aber der labiale Eeibelaut
nach Gutturalen qu, gv. Der Umstand, dafs die Romanen lo
oder u nur in Verbindung mit dem gutturalen Vei'schhifslaut
sprechen konnten, brachte es mit sich, dafs sie bei der Nach-
ahmung des germanischen n die ZungeuAvurzel dem Gaumensegel
nicht nur bis zur Hervorbringung des ti näherten, sondern einen
vollkommenen Verschlufs bildeten, der nun, da w tönend war,
ebenfalls tönend ist. Also ital. guerra, guisa, giiarire, guanto,
guancia, ghindare aus *gwndare u. s. w. ; frz. guerre, guise, gare,
garder, guere, gagner u. s. w. ; s])an. guanir, guardar, guarir,
guerra, guisa u. s. w. Ül»(i' cutsprechende Behandlung des
lateinischen v und u s. § 416.
Dafs germ. iv zu z werden könne, ist nicht glaublich,
in den von Mackel S. 184 angeführten afr. Formen gile,
gerpir , prov. gila neben geAvöhnlichem guile, guerpir,
guiJa haben wir wie so oft im Afr. und Prov. g vor i
in gutturaler Geltung. In nfr. givre Schlange als
Wappentier ist Einflufs dieser ungenauen Schreibweise
auf die Aussprache zu sehen § 13.
Dieses romanische gu fehlt nun aber den Gegenden, die die
stärkste germanische Beimischung enthalten : germ. tv bleibt als
w im Norden und Osten Frankreichs, also im Pikard. warde,
tvate' (gäter) u. s. w. , im Wallon. tvä (frz. guant), icazö^ riceri
(gueri) u. s. w. , im Lotr. nada fguarder), wes (ahd. ivefsa)^ icete
(gäteau) und so noch in der Franche-Conte, z. B. Fourgs, aber
nicht mehr weiter westlich im Morvan. Wohl aber wieder in
der französischen Schweiz, z. B. Waat: uerdd, iieri u. s. w. (doch
ist hier das Französische schon eingedrungen), dann in Wallis,
Savoyen und Piemont. Das Mailändische zeigt italienische Form,
aber «• mufs lombardisch sein, da es sich im Tessin als v (varde,
vadane) zeigt und hier nicht westrätisch sein kann, weil das
Westrätische mit g entspricht. Aber in Tirol wieder vadaüar,
Vera, in Friaul nari, ijardd, uere luid nart, nardd , n-e'rc, und
38 Einleitung. § 18.
von da auch im Ven. : vadagnar^ vardar, vera, visa Paol., var-
dado neben gnardd C. .1. u. s. av.
"Wenn auch in Sütlitalien entsjj rechende Formen be-
gegnen, z. B. Campob. iiari, tajrra, oder Messina : uardari,
Noto vardari, verra^ vasta, vastari, so handelt es sich
hierin um sekundären 8chAvund des g, vgl. § 415.
Ebenso wird es sich mit uare (frz. guerre), ufre, (frz.
guere) in Armagnac verhalten. Wo im Schriftfranzösischen
iV erseheint, liegt entweder Dissimilation vor, wie in
vogiie, vague oder späte Aufnahme Avie in vacarme,
ouest u. a. Für Savoyen vgl. Gillieron, R. Pat. II,
176—180.
Auch das germanische h hat im Romanischen keine Fnt-
sjtrechung, da das lat. li längst verstummt war. Im Anlaut vor
Vokalen lassen es die südlichen Idiome fallen, nur das Nord-
französische nimmt den fremden Laut an und behält ihn ziem-
lich lange. Erst 1669 schreibt Lartigaut: „Le propre ef^t de
Vh au comancement du mot et uniquement d'anpecher l'elizion
de la voyele precedante .... (/«) anpeche la liezon", und so
die folgenden. Aber der Nordosten ist auch hier konservativ
geblieben, im Wallon. und Lotr. Avird h gesprochen. Wir haben
also afr. halbere (halsherg), lianche (hanka), hardir (Tiardjan), helme
(heim), herde fherda), hache fhapiaj, honte fhaunißa), huese (hosa)
u. s. w. , aber prov. ausherc, anca, ardir, elmc, apcha, onta, ital.
anca, ardito, ehno, accia, onta, itosa. Dringen diese Wörter ins
Spanisclie, so Avird ihr h dem s])anischen h aus f gleichgesetzt und
entsprechend geschrieben, Avandern sie noch Aveiter nach Portugal,
so wird (vgl. § 22) das f gesprochen : asp. facha, faraute, fardido,
fonta, npg. facha, farpa, aber sonst span. araldo, arxm, alhergar
U.S.W. Merkwürdig sind oberital. garlo^=herh, ital. gufo = hüvo.
H vor Konsonanten zeigt verschiedene Behandlung. In der ältesten
Schicht in Nordfrankreich Avird /iZ, hr zu /?, fr: flanc = hlanJca,
freux = hrök, flou = hläo, frimas zu hrim, daher auch die
Eigennamen Flohert ^= Hlodoherht, Flovent = Hlodovinc u. s. w.
Zwischen hn und später zwischen hr entwickelt sich a: hanap
aus hnap , harangue zu hring , norm, harousse = hross. Endlich
in der jüngsten Schicht fällt h spurlos: lot ^= hlaut-s; nique
zu hnikkan, arramir zu hramjan, daher auch Eigennamen, Avie
Louis, Lohier. Für die übrigen Sprachen fehlt es an sicheren
(i 18. (Jernianisclic IJostandtcilc. 39
BclegTii, da ital. fuwca niöfilicherwcise aus Frankroicli stammt,
wie jedenfalls spaii, lote; zu harangue gesellt sich ital. aringa,
span. arenga. — Im Inlaut ist gennainsches h nicht blofse
Aspirata, sondern gutturale (nicht palatale) tonlose Spirans. Im
Italienischen und Provenzalischen wird es, da ein genau ent-
sprechender Laut fehlt, zum gutturalen tonlosen Verschlufslaut:
])vo\. gequir, ital. gecchire ^^jehan, itul. smacco =^ smahi, f.accola =
t'iha, tccchirc = ßihan, taccagno == tahu; \gl. auch span. tacano.
Auffallig ist der tönende Verschlufslaut in ital. hagordarc , prov.
ttigordar , doch ist die Wanderung des Wortes nicht klar, und
in ital. agazzarc. Im Nordfranzösischen aber, wo h im
Anlaut bleibt, ist es auch im Inlaut ungestört: jehir , mehaw,
ti'hir. Jüngere Wörter verlieren h spurlos: spehon , ital. spiare^
frz. espier u. s. w. Vor Konsonanten endlich im Wortinnern
wird germanisches h ohne weiteres dem lateinischen c gleich-
gestellt, «also germ. lit behandelt wie lat. d, vgl. ital. schietto,
sJiht , schiatta^ slaM, afr. gaite, tcahta. Ital. gttaitare, guatare
wird also wohl wie Iaido, ladio Lehnwort aus dem Französischen
oder Provenzalischen sein. Endlich auslautend h liegt vor in
ital. gi(ercio, span. guercho, aprov. guer aus germ. diverh. Das d
des Ital., 8pari. konnte die Wiedergabe eines germ. Ji sein, im
l'rov. würde sich der Schwund des h vor dem Flexions-S (Nom.
Sg. Acc. PI. gvers) am ehesten erklären.
Wenn camisia germanischen Ursprungs ist und dem
nhd. hemd entspricht, so mufs seine Entlehmmg sehr
früh sein. Formen wie Clovis sind der schriftlichen
Tradition entsprungen, vgl. P. Rajna, Origini del-
Vepopea francese 137 ff., afr. elmc osberc neben lielme
halbere stammen zunächst aus Südfrankreich, 0. Paris,
Rom. XVn, 425—429.
(irermanisch fc entspricht lateinischem c vor a, o, n: im
Französischen wird es vor e, i, a behandelt wie lateinisch c vor a,
also cuevre fkoJcur), cote (Jcotte), e'cumc fscum) u. s. w., aber Charles,
choisir ( Jeans j an) , e'chanson (skanJijoJ, eschermr (slernjan) , eschiele
(skella), e'chine (skina), deehirer (skerran) , anehe fanca), blanche,
riche (riki) u. s. w. Wörter wie e'cale (skalj, esqtiif, bovqner sind
jüngeren Datums. Auf p.alatale Aussprache des k in der Ver-
bindung sh im Longobardischen scheinen ital. schiuma , schiena,
schiavino hinzuweisen. Kn ^vu'([ behandelt wie hp : knif, frz. canif.
40 Einleitung. § 18.
ganivet. — G entspricht dem /.', vgl. ital. gliiera (yer), frz. jardin
(garda) , gerbe (garha), geude (gilda) u. s. w. Daher sind ital.
giardino , giga , wohl auch geldra nnd hargello als französische
Lehnwörter zu betrachten, ebenso span. jardin, giga, giron.
In der Dentalreihe sind dem Romauen / und ä unbekannt.
Für / tritt stets t ein , es mufs also wohl , wie auch der Über-
gang zu d bei der althochdeutschen Lautvei'schiebung zeigt, das
germanische th der As^iirata näher gestanden haben als der
Spirans, als welche es heute im Englischen erscheint. Also
piudislc ital. tedesco, span. tudesco, afr. tiois, ßairsan frz. tarir,
ßeihan ital. tecchire, frz. teliir u. s. w. : doch möchte das h im
span. hrahon, hrafonera sich Avohl direkt aus hraäo , nicht aus
hrado deuten. Entsprechend wird das germanische inlautende d
durch d wiedergegeben : gnado ^=^ vad; über Spuren der spiran-
tischen Aussprache s. jedoch § 557.
Endlich die Anlautsgruppe sl. Im Germauischen hat sie sich
zu »Zweiter entwickelt, das erst durch sd dargestellt, vielleicht auch
so gesprochen worden ist. Die ältesten romanischen Lehnwörter
zeigen ebenfalls sei., wogegen jüngere sl aufweisen. Frz. elingve
ist erst, Avie der betonte Vokal zeigt, sehr spät aus engl, slmg
entlehnt, ebenso ist ital. slitta ganz jung. Daneben stehen nun :
afr. esclo, prov. esdau (slag und slavq), afr. csclenche (slinlc), esclicr
(slitan) ; ital. scMetto, prov. esclet (sliht) ; ital. schiatta, j)rov. esclata,
frz. escJate (slaht); ital. schippire (slipan). Es fragt sich, ob der
Einschub des c bei den Romanen oder bei den Germanen statt-
gefunden habe. Im Vulgärlateinischen wird sl zu stl, sei § 403,
dagegen vermeidet keine einzige der romanischen Sprachen die
Verbindung sl, namentlich im Anlaut tritt sie oft auf, im Inlaut
wird sei im Franz. sogar zu sl: mesler aiis *misclare; es müfsten
also jene Wörter in sehr früher Zeit aufgenommen worden sein.
Das ist aber wieder z. B. bei frz. esclate mit Rücksicht auf die
Behandlung der Gruppe ht nicht möglich; es bleibt also die An-
nahme, dafs sei aus sl germanisch, nicht romanisch ist.
Was endlich die Betonvmgsverhältnisse betrifft, so herrscht
vollkommen das romanische Gesetz vor: Wörter, die blofs aus
Stamm und Flexionsendung bestehen, betonen den Stamm ; findet
sich zwischen diesen beiden Elementen noch ein Suffix, so erhält
dieses den Ton, also genn. falda, ital. fdlda, afr. falde, germ.
S 18, 19. Germanische Bestandteile. 41
bälko, afr. balc u. s. w., aber krebh, afr. escrevisse ; felise, afr, falise,
hridel afr. iride'l u. s. w. Entspricht aber das germanische Suffix
einem lateinischen unbetonten Suffixe, dann kann die germanische
Betonung bleiben; so sind die meisten Wörter auf -ila den lat.
auf i(h(S. tila gleichgestellt: ßtvahüa ital. toaglia, frz. touaille,
prastela frz. triilc, 'nastila ital. nastro u. s. w. ; ebenso erklären
sich dUna frz. awwc, hrdhsima frz. hreme, ledig frz. ??^e, liaunipa
frz. /low^e u. a.
Xeuere Untersuchungen über den Gegenstand : W. W a 1 -
temath, Die fränkischen Elemente in der französischen
Sprache, Diss. Strafsburg 1885. E. Macke 1, Die ger-
manischen Elemente in der französischen und provenzalischen
Sprache, Fr. Stud. VI, 1 . M. G o 1 d s c h m i d t , Zur
Kritik der altgermanischen Elemente im Spanischen, Diss.
Bonn 1887. Vgl. Littbl. 1888 Sp. 302—306. Über das
lexikalische Verhältnis von romanischem und germanischem
Stoffe im Graubündnerischen ist auch nachzusehen A s c o 1 i ,
Arch. Glott. Vn, 556—573.
19. Festzustellen, was die vorrömischen Völker bei der Annahme
der lateinischen Sprache von ihrer sprachlichen Eigenart beibehalten
haben, ist von jeher ein beliebter Vorwurf derer gewesen, die
sich für die romanische Sprachgeschichte interessierten. Durch
den Umstand, dafs wir die i;i Betracht kommenden Sprachen nur
unvollkommen oder gar nicht kennen, wird die Untersuchung
bedeutend erschwert. Die Frage, inwiefern das Lautsystem der-
artige ethnologische Einflüsse zeige, wird im Kapitel V zur Sprache
kommen ; hier handelt es sich nur um den Wortschatz. Da ist nun
sehr wenig geblieben, weniger als man im allgemeinen erwarten
dürfte. Es hat freilich die Wortforschung sich mit den Dialekten
noch wenig abgegeben; es steckt in ihnen gar vieles, was vor-
läufig völlig dunkel ist, was nicht Lateinisch und oft auch nicht
Germanisch sein kann. Zunächst haben die alt italischen
Dialekte dem Idiome der Stadt einiges geliefert; im lateinischen
Wörterbuche treffen wir zuweilen Doppelfonnen , deren eine
römisch, die andere sabellisch (um mit einem Worte die umbrisch-
sabinisch-oskischen Mundai'ten zusammenzufassen) ist. So sind
nicht echt lateinisch alle Wörter mit f zwischen Vokalen, also z. B.
rufits (statt rö&t/s, was ja auch vorkommt), scro/a, ferner si///"wr (daneben
sidpur). Nun findet sich, namentlich im Italienischen, eine kleine
42 Einleitung. § 19.
Zahl von liauptsäclilitli clor Landwirtschaft angehörigen Ausdrücken,
die f statt lateinisch h zwischen Vokalen zeigen : es läfst sich als
sicher annehmen, dafs in ihnen sabellisches Gut zu sehen ist. Es
sind die folgenden : sifüare neben sihilare: sifilare quod nos vili-
tatem verbi vitantes sihilare dicimus (Xonius 531, 2), ital. znfo-
lare, frz. siffler , cMffJer, wallon. hüfle, norm. Süfe, span. chiflar;
ital. hifolco (huhulcus); ital. scoffina, span. escofma (scohina); ital.
scarafaggio (scarahaevs) , dessen Endung *ajo und dessen Anlaut
scara für scar ebenfalls oskisch, nicht lateinisch ist, ital. tafano
(tabamis), hufalo (hv.hul'us), profunda (praebenda) Pferderation,
tartufo (tuherj , taffiare (tahülarej. Auch das in Glossen vor-
kommende hafer (dick) ist wohl sabellisch und erscheint in nord-
ital. haffo, haffa, Schinken, crem, haff'a, Doppelkinn,, vielleicht
ital. haff'i, Knebelbart. Ferner erweist sicli auch tvfo durch sein
u und f als sabellisch. Endlich das Wort für Schwefel kann
schon deshalb nicht römisch sein, weil die Sache in Latium fehlte,
sulpur und sidfur werden verschiedenen Dialekten angehören ;
beide haben sich im Romanischen gehalten : eng. suolper, prov.
solpre, champ. spru in übertragener Bedeutung als Adjektiv
„empfindlich" neben s'fru in eigentlicher „Schwefel" u. s. w.
Daneben ital. solfo , frz. soujfre , span. a^ufre, portg. enxofre,
alb. sk'ufur. Zweifelhaft bleibt, ob auch Wörter wie ital. a ufo,
caffo, refe hieher zu rechnen sind.
Umgekehrt ist beachtenswert, dafs, Avälirend in der Litterar-
sprache das sabell. grunnire das echt lat. grundire verdrängt hat,
das letztere geblieben ist, prov. grondir, afr. grondir, nfr. gronder.
Vergleiche über diese Serie den schönen Artikel
A s c o 1 i s , Dhm fdone italico , diverso dal romano, che si
avverta nel campo neo-latino, Arch. Glott. X, 1 — 17.
Anders verhält es sich mit einem Wort wie ital. p)^ota,
freib. pyota, dauph. j^Zofa, die (inf planta zurückführen. Schon
längst hat man es mit dem von Festus 239 als umbrisch
bezeugten plotus plattfüfsig in Beziehung gebracht und aus dem
ebenfalls umbrischen semiplotia auf jjZoto geschlossen. Allein
die dem Romanisclien zu Grunde liegende Form kann, wie aus
der Erhaltung des t liervorgeht (§ 433), nicht umbr. jüofa, son-
dern ziinächst nur lateinisch *plaitta sein. So wird aus dem
§ 19 20. Italische und keltische Bestandteile. 43
Romanischen ein zufällig nur im Umbrischen belegtes Wort als
auch im Lateinischen vorhanden erwiesen. So entspricht dem
umbr. varetom ein lat. vöcitum zu vocare (vacarej, das gesichert
ist durch ital. vuoto, frz. vide.
20. Für die kel tischen Elemente fehlt ein dem f statt h
der italischen Wörter entsprechendes lautliches Kriterium. Wir
liaben unter ihnen eine geringe Zahl, die schon früh im Latei-
nischen sich finden und dem entsprechend eine ziemlich weite
Verbreitung haben , andere , vielleicht ebenso alte sind zufiillig
nifht überliefert, aber bei weitem nicht alle von römischen
Schriftstellern gebrauchten sind auch romanisch, sind wirklich
volkstümlich gewesen. Daneben giebt es andere, die, ursjjrünglich
blofs auf das Gebiet des alten Keltenlandes, Gallien und Ober-
italien, beschränkt, zum Teil in ihrer romanischen Gestalt dann
weiter gewandert sind. Bemerkenswert sind ein paar Fälle, wo,
wie es scheint, lateinische Wörter durch begrift'lich und formell
nahestehende keltische beeinflufst worden sind : frz. orteil scheint
seine Bedeutung und sein o dem in den Kasseler Glossen 35
enthaltenen kelt. ordiga Zehe zu verdanken, lat. aHiculus ^ ital.
artigllo , sj)an. artejo, portg. artelho bedeuten Kralle, Gelenk;
dafs prov. ylaive neben glazi eine Kontamination aus lat. gJadius
und kelt. gladevo sei, ist freilich sehr zweifelhaft. Bis nach
Rumänien scheint kein Wort keltischen Ursprungs gedrungen zu
sein, selbst z. B. alauda, heccus, hemm u. a., die sonst das ganze
oder fast das ganze Gebiet kennt, fehlen hier. Und so ver-
lockend es ist, rum. mare, gross zu dem kelt. gleichbedeutenden
mar zu stellen, so begegnen der Zusammenstellung dieselben
Bedenken wie der von rum. nastur )nit germ. nastila § 18.
Bemei'kenswert ist die verhältnismäfsig gi-ofse Zahl geo-
graphischer Gattungsnamen keltischen Ursjtrungs: ital. broglio
u. s. w. ; Span., prov. comha, afr. comhc, piem. conha, com. gomba
das Thal, daher das adj. span. comho , jiortg. comho, prov. comb
gekrümmt ; ital., prov. landa, frz. lande Heide ; afr. rin Flufs ;
savoy. nä., nät Thal ; daher Avird auch ital. rocca, span. roca, frz.
röche Fels, das nicht lateinisch sein kann, dem Keltischen an-
gehören, obschon bisher in den neukeltischen Dialekten sich
nichts gefunden hat. Auch ital. cammino, span. Camino, frz.
44 Einleitung. 8 20.
chemin mag hier Erwälmmig finden nnd *hodina , frz. hörne,
ferner prov. crau Stein. Sodann zeigt das Pflanzenreich eine
Reihe keltischer Namen, wie hetulla, rom. hetullum (vgl. § 545),
dessen nichtlateinisches Suffix zum Teil gegen andere umge-
tauscht wurde: tessin. hidelya. (Nicht recht klar ist gleich-
bedeutend nprov., kat. hes, jedenfalls kann es nicht zurückgehen
auf ein einfaches keltisches ^bedum, da die keltische Grundform
hetv- ist.) Dann prov. verna, frz. verne, span. hcrro, prov. sesca,
afr. sesclie, auch span. jisca Rohr, friaul., nordital. har Busch,
friaul. hrusc Reisicht, jn-ov. hrusca Gerte, ital. frusco Zweig,
oherital. viscla die Gerte. Aus der keltischen Landwirtschaft sind
übernommen : ital. tcnna^ frz. henne, carrus, und cantus der Rad-
reif, caniba portg. camha, und canibHa frz. jante die Radfelge,
frz. megue Molken, frz. ruclic , prov., oberital. riisca Bienenkorb,
frz. marnCj span. marga der Mergel, prov. r<?a, afr. rate, nfr.
rayon die Furche und carruca frz. cliarrue der Pflug, daher auch
soc wohl keltisch sein kann, vielleicht ital. hrenno die Kleie,
portg., prov. gavela, sjjan. gav'üla^ frz. javelle Reisbündel,
viduhivm, prov. beizod (daher frz. besoche), frz. vouge Hippe,
ital., prov. soga Seil, frz. darne Schnitte, claie Hürde; vor
allem die Ausdrücke, die sich auf das Bier und dessen Be-
reitung beziehen : ital. ccrvigia , frz. cervoise , span. cerveza ;
afr. bras das Malz und ?ie, ital. lia die Hefe. Eine dichte Saat,
ein üppiges Wachstum, auch ein fetter Boden wurden mit dem
Adjektivum kelt. *dlüto, rom. dntto, frz. dru, gen. druo bezeich-
net, der harte Boden mit crodius, nordital. croio, prov. croi. Aus
Gallien kam der Rüde, vertragus ital. veltro , frz. vieuire, wenn
man ihn nicht nach dem Ort seiner Herkunft als segusius ital.
segugio , span. säbiieso , afr. sews, oder gallicus, span. gälgo be-
zeichnete, und der Zelter : paraveredus ital. pallafrcno , afr. pale-
frein, auch einzelne Kleidungsstücke, wie braca, ital. brache, frz.
brayes, gunna, ital. gonna, afr. gone^ vielleicht sagum, und viria,
ital. viera der Armring, bulga, frz. bouge, sowie Waffen: frz.
javelot, javeline, das in seiner französischen Gestalt nach Italien
gewandert ist: giavelotto, giaveVma und nach Spanien: jabaUna,
endlich frz. matras. Ob arnais, Avoraus ital. arnese, die Waffenrüstung
oder das Handwerkszeug des Bauern bedeutete, mag dahingestellt
bleiben. Auch keltische Bergleute haben bei der Romanisierunff
§ 20, 21. Keltisclio lind iberisclie Bestandteile. 45
einzelui' AusdriUko ihres Handwerkes beibehalten wie mina, der
Sclincht, ital., span. mina, frz. mine, lavsa, Steinplatte, piem.,
span. lusa, prov. lausa. Auf die gallische Haartracht oder auf
den Bart bezieht sicli span. (/rfwa, i'rz. grenon, auf Kranklieiten, die
die Römer nicht selbst gekannt zu haben scheinen, sondern erst bei
den Kelten sahen, span. sarna und frz. dartre. — Von Körper-
teilen scheint aufser dem Beine: gamba, jambe, eigentlich die
Biegung, der Kniebug auch span., jJOi'tg- gartet, die Kralle, ital.
garretto, frz. jarret, die Kniekehle keltisch zu sein, wofür auch
der Anlaut in bagn. tsarateire sj)rechen kann, s. § 422. Schliefs-
lich sind noch einige Verba zu nennen : frz. hriser, hroiser, span.
desleir, ital. giiidare, afr. guier, frz. braire, oberital. basire, die
Abstracta prov. aib, gen. aibo, portg. eiva, ital. brio, afi\ bri; ein
paar Adjectiva wie span. brozna, der Stamm des frz. petit, des
span. menino, endlich afr. maint. Auffällig ist, dafs auch ein
Ausdruck des Lehnwesens, vasallo von den Kelten stammt.
Davon zu scheiden sind Wörtei-, die erst in viel späterer Zeit
aus dem Bretonischen ins Mittelfranzösische gedrungen sind,
wie frz. mine, Gesichtsausdruck, quai, bijou, goelande, gormetfe.
Auch camus , wenn es keltisch ist, kann nicht vor das X. Jahr-
hundert gesetzt werden, da es sein c vor a bewahrt, ferner
ist wohl auch truan erst in romanischer Zeit aufgenommen.
Eine Sonderung der im Etymologischen Wörterbuche
enthaltenen keltischen Wörter hat R. T h u r n e y s e n vor-
genommen in seinem vorzüglichen Buche : K e 1 1 o -
romanisches, Halle 1884. Vgl. dazu Schuchardt,
Littbl. 1885, Sp. 110—114.
21. Noch weniger leicht ist zu bestimmen, was der spanische
Wortvorrat den alten Iberern verdankt, schon deshalb, weil das
heutige Baskische wie das alte Iberische uns weit unbekannter
sind als das Keltische. Von dem, was Wörterbuch IIb als bas-
kisch angeführt Avird, ist vieles romanisch oder vorläufig noch
dunkler Herkunft, und wo thatsächlich sichere Gleichheit vor-
liegt, ist nicht selten die Entlehnung auf Seite des Baskischen.
Mit etwelcher Sicherheit dürfen immerhin als iberisch bezeichnet
werden span., portg. pdramo, die Haide, schon CLL. H, 2660,
span., portg, nava, Ebene, bask. nava, vgl. Navarra, span. vega,
portg. veiga, Ebene, span. arroyo , portg. arroio, mlat. arrogium,
4,6 Einleitung. § 21—23.
Bach; wovon das bei Plinius vorkommende arnigia, Stollen^ ital.
roggia, Abzugsgraben, Bewässerungskanal sich durcli Geschlecht
und Bedeutung zu sehr trennt, als dafs beide ohne weiteres zu-
sammengestellt werden könnten. Span., kat. , südprov. artiga,
frisch bebautes Feld, bask. articua, span. legamo, Schlamm, span.
carrasca cliaparra quejigo, verschiedene Eichenarten, pisarra,
Schiefer, guijo, guijarro, Kiesel, span. l)r\sa^ schon bei Columella,
Trester (vgl. oben lia; freilich scheiiat es auch im Osten vor-
zukommen alb. , maz. berst), hecerra, junge Kuh, cor^"«, Reh,
garduna, Wiesel, podenco, Kaninchenhund, pcrro, Hund, manteca,
Butter, garulla, ausgekernte Traube, gamarro, Sprungriemen,
narria, Schleife, laya, eigentlich ein Ackerwerkzeug, tapia^ die
Lehmhütte, isquierdo sind teils ihrer Bedeutung, teils ihrer Form
und zugleich ihrer geographischen Verbreitung wegen wohl dem
vorrömischen Wortschatz zuzuschreiben. Dazu kämen einige ganz
junge baskische Wörter.
22. Auch mit dem Rät i sc heu steht es schlimm. Die
Alpendialekte zeigen eine Reihe Wörter, die zweifelsohne irgend
einer vorrömischen Sprache entstammen, aber welcher, ist kaiim
mehr zu bestimmen. Dahin gehört z. B. rät. tauna, ital. tatm,
prov. tano, frz. tan-iere (zu unterscheiden von taisniere, Dachsbau)
die Höhle; oberital. balma, prov. baumo^ sttdostfrz. barme, afr.
balme, *balma, die Grotte; span. manso, ital. mamo, rum. mim,
alb. ments : *mavdium, der junge Stier: lomb. j9?o, tyrol. j:>Zo/",
Pflug u. a. — Xicht besser steht es um die Kenntnis des
dacischen Elementes im Rumänischen: Wörter, wie codrü
(Hügel), mal (Ufer), baJiä (See), brad (Tanne), die sich auch im
Albanesischen wiederfinden, kaum aber daraus entlehnt sind,
dürften um so eher als dacisch angesehen werden, weil sie Be-
griffe bezeichnen, die auch in den anderen Gegenden oft mit
unlateiuischen Namen ausgedrückt werden.
Vgl. G. Meyer, G-rundrifs, S. 805. Viel zu weit in
dacischen Etymologieen geht H a s d e u in seinem Ety-
mologicum magnum Roman iae.
23. Von sehr grofser Wichtigkeit ist der Austausch der
Wörter unter den romanischen Sprachen selbst. Keine einzige,
nicht einmal die abliegende rumänische, giebt es, die nicht
8 23. Komaiiisdie Lehnwörter. 47
niaiu'lu'U Aiisdnuk von den aiuloren geborgt hätte. Die Ent-
lehnung kann dabei eine direkte oder eine indirekte sein. Direkt
nenne ich diejenige, die an S})raehgrenzen infolge des Verkehrs
und der mehr (»der weniger starken Doppelspraehigkeit statt-
hat, die mehr oder weniger zufallig, unbewufst vor sich geht. Als
indirekt ist dann die infolge litterarischen oder politischen Ein-
flusses eines Sprachzentrums auf ein anderes eingetretene zu be-
zeichnen. Die erstere ist bei weitem die interessantere. Bei
dem Übergang eines Wortes aus einer Mundart in eine andei-e
sind stets drei Möglichkeiten im Auge zu behalten. Entweder
das neue Wort wird umgestaltet in Übereinstimmung mit den
Lautgesetzen des aufnehmenden Dialektes : norm, polce (anord.
poM) wird im Zentralfranz, als poche wiedergegeben, wie norm.
väke frz. vaclie entspricht. Diese Fälle haben für die Lautlehre
kein Literesse; es ist auch schwer und nur durch äufsere Kri-
terien festzustellen , wo sie stattfinden. Oder das aufgenommene
Woi-t behält seine fremde Fomn bei und nimmt nur noch au den
Lautwandelungen teil, die nach seiner Aufnahme eintraten : prov.
uusberc kam nach Nordfraukreich , als man dort noch chaiisa
sprach, dann wurde es zu osherc wie dieses zu chose. Ähnliches
haben wir § 11 bei den schriftlateinischen Wörtern gesehen.
Endlich der wichtigste Fall ist der der Umsetzung. Frz.
convoi wanderte nach Oberitalien als convoi, von hier in
die Toskana. Da nun auf den Grenzgebieten ein i einem tos-
kanischen t entspricht , z. B. voi = voglio , so Avird aus convoi
entsprechend convoglio. Oder, da anlaut. span. ch oft kat. cl
entspricht, so wird span. chopo (pöpulus) im Katal. zu dop um-
gebildet. Spanisch ventaja ist, trotz seines weiblichen Geschlechtes,
Lehnwort aus frz. ajvantage, das französische Wort hat aber
bei der Wanderung den Vokal der ersten Silbe umgeändert nach
der Proportion frz. -ment (spr. mä) = span. -mentc, frz. venter =
span. ventear, frz. penser = span. xiensar u. s. w. Auf die stoff-
liche Seite dieser Entlehnungen einzugehen, mufs ich mir hier
versagen : es mag die Bemerkung genügen , dafs die Ausdrücke
des Seewesens oft genuesische Form haben , wie ital. prua , frz.
proue aus prora, ital. ciurma aus xfXevafja, ital. pvccia aus *puppia,
oder aber neapolitanische wie ital. ammoinare , frz. amener, aus
invaginare, neap. mmaindr. Ausdrücke des Kriegswesens sind oft
48 Einleitung. § 23. 24.
hin- und liergewandert : ital. bastia ist ein Lehnwort aus dem
Französischen, frz. hastion aus dem Italienischen. — Von beson-
deren Lautgestaltungen mag etwa erwähnt werden, dafs ital. M
durch frz. s wiedergegeben wird: coccMo = coche, nicchia = niclie.
Entsprechend der ähnlichen Erscheinung in schrift-
licher Fortpflanzung, die man als umgekehrte Schreib-
weise bezeichnet, jiflegt man von „umgekehrter Sprech-
weise" zu reden, ein Ausdruck, der nur seiner Schwer-
fälligkeit Avegen hier nicht gebraucht Avird. T h. G a r t n e r ,
Gramm. 34 hat dafür „Überentäufserung" eingesetzt,
eine Bildung, die wenig mit dem deutschen Sprach-
gefühle harmoniert. D i e z , Wörterlmcli I pioppo spricht
von „Rückbildung".
24. Endlich haben die romanischen Sprachen eine Anzahl
Wörter und Stämme neugeschaffen, und gerade diese sind mitunter
sehr fruchtbar geworden. Ich sehe dabei ab von Wörtern wie
gas, das- der Physiker van Helmont frei erfunden hat. Be-
wegungen, Handlungen, die ein bestimmtes scharfes Geräusch
hervorbringen, Averden oft bezeichnet mit einer Lautgruppe, die
dieses Geräusch einigei-mafsen nachahmt. Einer der wichtigsten
dieser onomatopoietischen Stämme ist pic, das, vielleicht in An-
lehnung an picus, pica gebildet, das Stechen ausdrückt. Vom
Lateinischen unterscheidet sich dieser Stamm durch das intensiv
artikulierte k, das im Französischen, Spanischen bleibt, im Ita-
lienischen lang gesprochen wird, vgl. ital. picco, frz. pic, sTpa,n. pico,
Schnabel, ital. piccare, prov., span. piccar, frz. piquer, stechen,
ital. picchiare, frz. picoter, span. picara u. s. w. ; dann auch ital.
piccolo, klein. — Ebenfalls onomatopoietisch ist ital. ha-dare, afr.
ba-er, den Mund aufsperren, gaffen, ital. badigliare, frz. bäiVer,
ferner ital. baire, frz. ebahir, wogegen der Stamm bab, ital. bäbbea,
babbano, Dummkopf, prov. bäbau, Geck u. s. w. schon im Latei-
nischen erscheint in babulus, bäburra, babiger; ebenso bamb, lat.
bambalio, ital. bambo, bimbo, span. bamba u. s. w. Nur romanisch
bezeugt ist ital. bava^ span., portg. baba, Geifer, frz. baver, bavard;
ferner ital. beffa, span. befa, afr. beffe, span. bafa, prov. bafa,
Verspottung; ital. borbottare, afr. borbeter; ital. buffare, span. ÖMfar,
frz. bouffer: hier zeigt schon frz. ow, nicht u, neben ital., sjjan. u,
dafs nicht ein lateinischer oder germanischer Stamm mit ü zu
Grunde liegt. Ital. ciarlare, span. cliarrar; ital. ciocciare, span.
ß 24. Onomatopoeien. 49
chotar, saugen; ital, chiacchiera, span. chachara; ital. fanfano,
span. farfante. Auch die zahlreiche Sippe, die von einem Stamm
garg ausgehend die Gui-gel bezeichnet, scheint auf dem Laute
des Gurgeins zu beruhen, wobei lat. gurges vielleicht mit im
Spiele ist, also Wörter wie ital. gargatta, span. garganta, span.
gdrgara, ital. gargagliare, ital. gargola, prov. gargar, frz. Jargon,
vgl. Wörterb. I, M.B. 62. Femer ital. miciaf span. micha, rum.
mutsü, afr. mite; ital. ninno, span. nino, kat. nen, gal. neno;
ital. pappare, Brei essen, sard. papai, essen, ital. pappo, Kropf der
Vögel, neap. paparo, Gans ; span. pato, Tatze, frz. pataud, pattin ;
ital. piare, span. J5tar, frz. piailler (piepen); ital. pisciare; ital.
tartagliare, span. tartajear, stottern ; span. chasco u. s. w. Für
die Lautlehre sind diese Elemente nicht verwertbar, um so mehr
werden sie in der Wortbildungslehre Raum beanspruchen.
Meyer, Grammatik.
I. Kapitel.
DIE VOKALE.
25. Die Veränderungen der Vokale sind in erster Linie
bedingt durch den Accent; die Schicksale der tonlosen sind
meist ganz andere als die der betonten: diese werden , ver-
möge der gröfseren Anstrengung ^ die auf ihre Artikulation ver-
wandt wird, gedehnt, verdoppelt, diphthongiert; jene sind der
Abschwächung zu indifferenten Lauten und dem schliefslichen
Ausfall unterworfen. — Bei den betonten Vokalen ist wieder zu
unterscheiden, ob sie frei oder gedeckt sind, d. h. ob ihnen
nur ein Konsonant oder eine Gruppe von Konsonanten folgt, vgl.
frz. aimer = amdre neben part = pdrtem. Erst in zweiter Linie
kommt der Einflufs der umgebenden Konsonanten in Be-
tracht. Am meisten ändern die folgenden Nasalen die Klang-
farbe eines vorhergehenden Vokals, weniger die übrigen Sonanten
und Dauerlaute, kaum die Verschlufslaute, solange sie Verschlufs-
laute bleiben. Dagegen stört die Vokalisierung der Gutturalen
und Labialen zu i bezw. u sehr häufig die regelmäfsige Ent-
wicklung der Vokale. Gering, aber doch nicht zu unterschätzen,
ist auch der Einflufs vorhergehender Konsonanten, speziell der
Palatalen und Labialen, zuweilen der Nasalen und Gutturalen.
Endlich ist für den Tonvokal entscheidend die Zahl der nach-
folgenden tonlosen Silben und die Qualität der tonlosen Vokale.
Die Vokale in lateinischen Proparoxytonis zeigen in einzelnen
Sprachen andere Resultate als die in Paroxytonis; die ein-
silbigen, also oxytonierten Wörter nehmen wieder eine beson-
dere Stellung ein; endlich bewirkt der Umstand, dafs z. B. im
§ 25 26. Vokalveränderungen. 51
Französischen fast alle Naclitonsilben fallen, also die meisten
Wörter oxytoniert sind, und dafs dann auch die auslautenden
Konsonanten oft schwinden , eigenartige Umgestaltungen dieser
oxytonierten im direkten Auslaute stehenden Vokale, vgl. aimer
neben perc. Ein nachtoniges i, seltener u oder a bedingt in
verschiedener Weise die Farbe des Tonvokals. Eine besondere
Stellung endlich nehmen die lateinischen und romanischen Hiatus-
vokale ein.
Bei den tonlosen Vokalen ist zu scheiden zwischen der
Stellung vor oder nach dem Tone, bei letzteren zwischen
auslautendem Vokal, und zwar freiem, wenn kein Konsonant
folgte im Lateinischen, gedecktem, wenn einer folgte, und N ach-
ton vokal, wie der Kürze wegen der tonlose Mittelvokal in
Proparoxytonis genannt werden soll. Entsprechend sind vor dem
Accente zu scheiden: anlautende Vokale, d. h. diejenigen in
der ersten Silbe und Vor ton vokale, d. h. diejenigen in zweiter
Silbe von auf der dritten betonten Wörtern. Mafsgebend für die
Klangfarbe der tonlosen Vokale sind in erster Linie die um-
gebenden Konsonanten, weit weniger, und mehr ftir den Nach-
tonvokal , die betonten oder die auslautenden Vokale ; unter
bestimmten Bedingungen kann Reduktion zu f oder völliger
Schwund eintreten. Quantitätsunterschiede in tonloser Silbe sind
bis jetzt noch kaum festgestellt worden.
Die lateinischen Vokale.
26. Das Lateinische besafs ursprünglich fünf Vokale , die
lang oder kurz sein konnten: ä ä; e e; i l; ö ö; ü ü. Die
Zahl der folgenden Konsonanten war ohne Einflufs auf die
Quantität: ledns tectum; cella stölla; distus trlstis; düds lücis;
cörnu örnat u. s. w. In tonloser Silbe wurden ebenso kurze und
lange Vokale geschieden: viclnus, UcSre; detinere, rettnSre; röhüstits,
mönümentum u. s. w. Nur die eine Regel ist fest, dafs in echt-
lateinischen Wörtern vor ss kurzer, vor s langer Vokal steht.
Im Laufe der Zeit nun änderten sich diese Verhältnisse. Mit
dem quantitativen verband sich auch ein qualitativer Unterschied,
die langen betonten Vokale wurden geschlossen, die kurzen offen
gesprochen: c/'f, ß 7 e, ?7't, ?/'?, Ö^p, ö/'o, ü'Zij, üy^tt.
4*
52 I- Kapitel: Vokalismus. § 26 27.
Nur ä und ä scheinen denselben Klang behalten zu haben. Nach
dieser Zeit wurden alle betonten Vokale vor gn gedehnt, der so
entstandene neue lange Vokal behielt aber seine alte Klangfarbe
bei; es wurden z. B. dignus Ugnum mit kurzem | zu dignus lignum mit
langem |. In einer späteren Zeit schwindet der Quantitätsunter-
schied übei-haupt; l^ctus tectum, c§lla Stella, Ifgis legis unter-
scheiden ihre Tonvokale nur durch die Klangfarbe, nicht durch
die Dauer. Dieser Zustand liegt allen romanischen Sprachen zu
Grunde, er kann als der vulgärlateinische bezeichnet werden.
Wir bekommen also folgendes Vokalsystem :
Vulglat. Kl.-lat,
1
=
i
e
=
e
^
=
e
u
=
ü
y,
=
ü
0
=
ö
a = tty a.
In sehr früher Zeit sind nun auch \ und e zusammengefallen,
erst etwas später ^ und o; die beiden letzteren werden noch im
Romanischen zum Teil auseinandergehalten, die beiden ersteren
sind, vom Sardischen abgesehen, überall zusammengefallen unter
einem Laute, der als e bezeichnet werden kann, und der je
nach den Gegenden bald dem i, bald dem e näher lag.
Zeugnisse der alten Grammatiker für die verschiedene
Klangfarbe von e und e, ö und 6 bei Schuchardt I,
461, ni, 151, II, 146, III, 212; Seelmann 211. Über
dignus, Ztschr. vgl. Spr. XXX, 335—337, vgl. SEIGNVM
Museo italiano di antichitä class. 11, 485. Die Quantität
in gedeckten Silben sucht W. Förster, Rhein. Museum
XXXm, 291 — 299, zu bestimmen ; darauf fufst A. M arx ,
Hülfshüchlein für die Aussprache der lateinischen Volcale
in positionslangen Silben, Berlin 1883, das Buch enthält
aber sehr viele Fehler ; manches bessert Gröber,
Substrate.
27. Von den lateinischen Diphthongen ae, oe, au sind die
beiden ersteren früh zu Monophthongen geworden und setzen
8 27 — 29. Vulgärlateinischer Vokalismus, 53
sich im Romanischen teils als p, teils als c fort. Die Qualität jedes
einzelnen Wortes schon ftlrs Vulgärlateinische festzustellen, ist
deshalb unmöglich, weil die einzelnen romanischen Sprachen
nicht zusammenstimmen: frz. foi/n, eng. fain, span. heno , die e
zu verlangen scheinen, steht italienisch fieno mit dem Vertreter
von f gegenüber, vgl. § 295. Das schriftlateinische au ent-
spricht teils vulgärlateinischem au, das in den Einzelsprachen
sich verschieden gestaltet, teils vulgärlateinischem o, letzterem in
cauda , fauces, aula, caudex. Da diesen Wörtern nach Ausweis
der verwandten Sprachen von alters her ö gebührt, so liegt die
Abweichung nicht auf Seite des Vulgärlateinisch-Romanischen,
sondern des Schriftlateinischen. Dagegen entsteht ein neues au
aus der Verbindung am, avu: auca, aucellus, * flautat, gauta,
amaut, paraula u. s. w.
Havet, Mem. soc. lingu. IV, 234; Thurneysen,
Zeitschr. vgl. Spr. XXVIH, 157—159.
28. Im Lateinischen findet vor Labialen mehrfach Schwanken
statt zwischen i und ü: quadrivium und quadruvium, decimns
und decumm, aurifex und aurufex. Im Romanischen ist i die
Regel; nur bei quadruvium hat, wohl unter Einflufs von
quattrg = quattuor der labiale Laut die Oberhand gewonnen :
mail. Mrohhi, gen. karoggu. In der Lautfolge i + Labial + ul
dagegen hat im Vulgärlatein Umstellung stattgefunden : stupila,
ital. stoppia, rät. stuvla, afr. estouhle, estoule, woraus nfr. eteule,
piem. strobia, stumiUts, friaul. stompli, mail., bologn. stomhal.
Zweifelhaft ist ? — u zu ü — i in gen. fubbia, ven., tir. fiuba,
friaul. fiuhe, romg. fioha, da hier der Wandel von i zu u in den
endungsbetonten Formen des Verbums afßubar, frz. afubler vor
sich gegangen sein kann. Über nubüus — nihulus s. § 58.
Mussafia, Beitrag 57, 3.
29. In tonloser Silbe ist jeder Quantitätsunterschied ver-
wischt; ferner fallen g, e unter c, ö, ö unter o zusammen, es
bleiben also nur : (i, e, f, i, o, y, u. Früher noch als unter dem
Accente werden dann c und f, o und y, aufser im Auslaute gleich,
im Auslaut aber tritt erst in der Einzelentwicklung der roma-
nischen Sprachen eine gröfsere Vereinfachung ein. Au bleibt,
aufser wenn u folgt; in letzterem Falle verliert es sein labiales
54 I- Kapitel: Vokalismus. § 29, 30.
Element: agustus, ascuUo, aguriwm, acupo, was aufser durch
zahlreiche inschriftliche Formen Schuch, II, 306 bestätigt wird
durch Terentianus Maux-us 470 ff., K. VI, 339, wo die erste Silbe
in aurum auspices als lang, diejenige in Aurunci, aut ubi (freilich
auch in aut age) als kurz angegeben wird , und durch die roma-
nischen Formen : ital., span. agosto, afr. aoust ; ital. ascoltare,
span. ascuchar, afr. ascolter; ital. sciagura, span. agüero, afr. eur;
rum. apucd. — Ausfall von Nachtonvokalen tritt im Vulgärlatein
ein vor l: vetlus u. s. w. vgl. § 403, zwischen Z, r einerseits und j^, m, ä
andererseits : caldus, cälmus, colpus, ermus, virdis ; ferner in dem schon
bei Plautus bezeugten domnus, vgl. § 325. Vor anlautend gedecktem
S hatte sich etwa seit dem II. Jahrhundert ein palataler Vokal
entwickelt e, der in den Inschriften meist als i geschrieben wird :
isperabi CLL. X, 8189 (Puzzuoli), ispirito IX, 9082 (Benevent),
Jsmaragdus XII, 1971 (Vienne), doch auch espiritum IX, 6408
(Campomarini) explendidos 259 (Grenosa a. 395). Dieser Vor-
schlag hat zunächst im Satzanlaut und im Inlaut nach konsonan-
tisch auslautenden Wörtern statt: ispata, illas ispaias, aber illa
spata. In den romanischen Sprachen ist er zum Teil wieder
verschwunden, zum Teil aber auch auf das Wort in allen
Stellungen übertragen Avorden.
Zahlreiche Beispiele bei Schuchardt II, 338 ff.
Betonte Vokale. A.
L Vul^ärlat. I = schriftlat. I.
30. Das l ist der widerstandsfähigste unter allen Vokalen.
Im ganzen kann als Eegel gelten, dafs es im Eomanischen un-
verändert bleibt. Unter den Litterärsprachen macht nur das
Französische vor Nasalen, das Rumänische nach Gutturalen eine
Ausnahme. In den Dialekten aber zeigen sich noch eine Eeihe
teils spontaner, teils bedingter Wandelungen : spontan ist die
Spaltung des i in ii^ ei, bedingt der Wandel zu e vor palatalen,
zu ü, u vor labialen Konsonanten, die Kürzung zu e vor mehr-
facher Konsonanz. Mit auslautendem oder durch Vokalisierung*
von Konsonanten entstandenem u bildet i den Diphthongen iw,
der sich weiter entwickelt zu ieu, oder sein labiales Element
konsonantisiert if, oder verliert i, oder betont hi.
§ 31.
I bleibt erhalten.
55
31.
a) i Weibt erhalten.
Lat.
QUl
SIC
-IliLIC
-HIC
Die
Rum.
—
a§i
ici
gi
Engad.
k'i
§i
—
—
Ital.
chi
sl
U
qui
di
Frz.
qui
si
—
id
dis
Span.
qui
s/
alU
aqui
di.
Lat.
-ITU
-ITA
LITUS
-ITIS
-ITE
Rum.
-it
-?
tä
40
-ifi
Engad.
-iu
-1
da
-it
-i
Ital.
-ito
-1
ta
Udo
-ite
-ite
Frz.
-i
-l
e
—
—
—
Span.
-ido
-ida
—
-is
-id.
Lat.
VITE
LITE
NIDU
PIDAT
AMICU
Rum.
—
—
Engad.
vitt
—
afiif
fida
amih'
Ital.
vite
Ute
nido
fida
amico
Frz.
vis
—
nid
fie
ami
Span.
vid
Ud
nido
fia
amigo
Lat.
ANTICÜ
SPICU
AMICA
SPICA
MICA
Rum.
—
spie
—
micä
Engad.
—
spik'
amia
spia
—
Ital.
antico
spigo
amica
spiga
mica
Frz.
antif
epi
amie
—
mie
Span.
antigo
—
amiga
espiga
miga.
Lat.
INTKICAT
FKIGUS
PATIGA
BIPA
*PIPA
Rum.
—
frig
—
§ 41
—
Engad.
—
—
fadia
riva
pipa
Ital.
intriga
—
fatiga
riva
piva
Frz.
trie
—
—
rive
(pipe)
Span.
intriga
—
fadiga
riba
pipa.
56
I. Kapitel: Vokalismus.
§ 31.
Lat.
STIPAT
BISU
OCCISU
MISI
WISA
Rum.
—
§ 41
ucis
—
—
Engad.
—
—
—
—
guisa
Ital.
stiva
riso
ucciso
misi
guisa
Frz.
—
ris
ocis
mis
guise
Span.
estiva
riso
—
—
guisa.
Lat.
EADICE
TRILICE
-IVA
LIXIVA
MIEAT
Eum.
—
—
-ie
le§ie
mirä
Engad.
ri§
tarM
•iva
aUiva
mira
Ital.
radice
trilice
-im
lisciva
mira
Frz.
raiz
treillis
-ive
lessive
mire
Span.
raig
terliz
-iva
lejia
mira.
Lat.
SUSPIEAT
-IRE
FILU
-ILB
VILE
Rum.
suspmä
-\
fir
—
—
Engad.
suspira
-ir
ß
-U
vil
Ital.
sospira
-ire
ßo
-ile
vile
Frz.
sowpir
-ir
ß
-il
vil
Span.
suspira
-ir
Mio
-il
vil.
Lat.
LIMU
LIMA
EIMA
VIMEN
VINÜ
Rum.
im
—
vin
Engad.
— ■
Uma
rima
vin
Ital.
limo
lima
rima
vime
vino
Frz.
(limon)
Urne
rime
pr. vim
§ 33
Span.
limo
lima
rima
mimhre
vino.
Lat.
CLINU
LINU
-INU
-INA
TINA
Rum.
- ell in
in
-in
-inä
—
Engad.
inclin
lin
-in
vna
—
Ital.
chino
Uno
-ino
-ina
tina
Frz.
§ 33
§ 33
§ 33
-ine
tine
Span.
—
Uno
-ino
-ina
tina.
Lat.
FINE
EIDEEE
FEIGEEE
-IGINE
FILIU
Rum.
§ 41
frige
—
—
Engad.
fm
rir
—
—
ß
Ital.
flne
ridere
friggere
-iggine
ßglio
Frz.
§ 33
rire
frire
§ 33
fils
Span.
fine
(reir
freir)
-in
Mjo.
§ 31.
Lat.
♦PILIAT
FILIA
-ILIA
SCRINIÜ
-INEU
Rum.
—
—
—
—
Engad.
pila
ßa
•ila
scrin
-ifl
Ital.
piglia
figlia
-iglia
scrigno
-igno
Frz.
pille
ßle
-ille
§ 33
§ 33
Span.
pilla
Mja
-2ja
escrino
-ino.
Lat.
LINEA
TINEA
VINEA
SIMIA
TIBIA
Eum.
—
—
vie
—
—
Engad.
lin^a
tina
vifia
—
—
Ital.
ligna
tigna
vigna
scimmia
—
Frz.
ligne
tigne
vigne
§ 33
tige
Span.
Ufla
tina
vina
—
—
Lat.
LICIÜ
-ICIU
FASTIDIÜ
TITIO
-ICLU
Rum.
H
—
—
a^i^ä
Engad.
liö
-iö
—
—
-ü
Ital.
licdo
-icäo
—
tizzo
•icchio
Frz.
lice
-is
—
atise
-il
Span.
lizos
-izo
hastio
tizo
-ijo.
Lat.
VILLA
MILLE
FAVILLA
LENTISCU
HICISCU
Rum.
—
—
—
—
Engad.
—
milli
—
—
—
Ital.
viUa
mille
favilla
lentischio
malva-
vischio
Frz.
ville
mil
—
—
guimauve
Span.
Villa
mil
—
lentisco
mdlvavisco
Lat.
TRISTE
HISPIDU
QÜINQÜE
PRINCEPS
SCRIPTU
Rum.
—
—
cinci
—
(scris)
Engad.
trist
—
öinTi
(prinz)
scrit
Ital.
triste
ispido
cinque
prince
scritto
Frz.
(triste)
hisde
§ 33
§ 33
ecrit
Span.
triste
—
cinco
(principe)
escrito.
Lat.
\r[CTU
*FICTU
CRIBRU
LIBRA
PIU
Rum.
vipt
—
—
—
Engad.
—
crivel
—
—
Ital.
vitto
ßto
—
libbra
pio
Frz.
—
ß
crible
litre
§ 38
Span.
—
hito
criho
lihra
pio.
58 I- Kapitel: Vokalismus. § 31, 32.
Lat. *KIU -*IU
Rum. — —
Engarl. — —
Ital. rio -io
Frz. — —
Span. rio -io.
Das vulgl. riu, -iu entspricht dem klass. rivus, -ivus § 403.
Zweifelhaft bleibt die Quantität und Qualität des i in anguilla:
ital. anguilla, nfr. anguille können Buchwörter sein, für i spricht
friaul. anzile, für t bearn. aitele. Ein Maskulinum *anguillus
scheint „Blindschleiche" zu bedeuten vion. äve, morv. lävio,
albertv. läviu. Auch lentiscus, hibiscus sind nicht ganz sicher, da
die spanische Form gelehrt sein, die italienische nach § 80 auf
t zurückgehen kann. Ebenso verhält es sich mit ital. fiscMa =
fistulat. Tax lomb., ven. falUva aus favilla gesellt sich sard. faddi^a,
auf *falUsca statt falliva gehen portg. faisea, friaul. fallisk'e
zurück; daneben stehen aber merkwürdige Formen mit anderem
Vokal, wie portg. fagulha, piem. falospa, farosca, bell, flüspa,
mant. falüstra neben piem. falispa, ferr., mod., regg. falistra, die
wieder i verlangen; endlich neap. faella hat wohl das seltene
illa gegen das häufige ella ausgetauscht. Weitere Formen Arch.
Glott. n, 341—343, M.B. 54, 2. Über span. reir, freir s. die
Konjugationslehre.
b) Spontane Veränderungen.
32. Im Westrätischen wird i über ii zu ei. Die älteste
Stufe ist erhalten im Oberengadin : fikl aus filum , wo ik aus ii
entstanden ist (vgl. § 298), dann ei in Oberhalbstein : feil, veiver,
durmeir ; ^i in Tiefenkasten : fpil, v§iver, durm^ir , endlich eJcr in
Bergün f^Jcl, vegver, durmeTcr. In Stalla scheint der Wandel be-
dingt zu sein : diJc = dico, aber 2. Sg. deist, 3. dei. In Unter-
halbstein rückt das ei zu oi weiter: vignoir, nutroir, toina (vgl.
§ 71). — Im äufsersten Osten des rätischen Gebietes treffen wir
wieder e in ßovigno, ei in Dignano, woran sich ei, ai, e in
V e g 1 i a knüpft, vgl. rov. calsena (ital. cäldna), ee (ital. gire), fei,
dign. Ueima, calseina, vignei, marei (ital. marito), veiro u. s. w.,
vegl. faila, ulaiv, campanail, spaira, marait, naid, vaigna, feil,
§ 32, 33. Veränderungen des j. 59
feina, dormer, mel (mille), redre, lebra, rec: also e vor mehrfacher
Konsonanz und vor r. — Auch an der Ostküste Italiens
linden sich verwandte Erscheinungen in der Terra di Bari
von Molfetta an bis in die Abruzzen hinein, doch mit Ausschlufs
eines Teils der Molise. Ei erscheint in Trani: preime, veita,
Martina Frauca : veil, dei§e, Canosa di Puglia : fateig, Putignano :
ieyi (ital. scire), demmi (ital. dimmi), premi, Cepri (ital. Cipro);
ai in Molfetta : cammamo, vailo, Saia, siffraia (ital. soffrire) ; oi in
Bitonto : v'doitt, §oie, sYroie, Andria proim. §oi, catoiv, Modugno :
menoie (ital. venire), fatoi.
c) Bedingte Veränderungen.
1. Einflufs folgender Laute.
33. Nasale. Im Xeufranzösischen wird l zu e, die
Orthographie behält im ganzen die etymologische Schreibung bei. In
allen altfranzösischen Denkmälern assoniert in mit oralem 7, im
Anfang des XVI. Jahrhunderts scheint aber die heutige Aus-
sprache schon vorhanden zu sein. Palsgrave (1530) schweigt
zwar, schreibt aber poussein 204 (afr. pousin § 116), Sylvius
(1581) sagt nur, dafs in nasal sei, äufsert sich jedoch nicht ttber
die Klangfarbe des i, Cauchie (1570) dagegen spricht sich deutlich
aus: „I nihil a Latinorum prolatione et usu distat, nisi quod
cum m aut n in syllaba ei videatur efferre". Beza schreibt hin,
fin fiir hamus, fames , was den vollständigen Gleichklang von %
und e beweist, und damit stimmen denn auch alle folgenden
überein. Es sind also die § 81 gegebenen Beispiele fürs Franz.
anzusetzen : vin, enclin, lin, -in, fin, -in, e'crin, singe, cinq, prince,
gesprochen vP , äkle , lü, -e u. s. w. Mundarten behalten i trotz
der Nasalierung, z. B. Falkenberg, vl^ , molV , metV . Dagegen
bleibt das i in ina unverändert, weil die Nasalierung von i erst
eingetreten ist zu einer Zeit, wo n zwischen Vokalen auch im
Zentralfranzösischen nicht mehr nasalierte. Diejenigen Mundarten
jedoch, die unter allen Umständen einen von einem Nasal ge-
folgten Vokal nasalieren, oder aber ? vor der Entnasalierungs-
epoche eintreten liefsen, zeigen cne bezw. cne flir ina, vgl. fVir
den Westen: famaine: halaine J. le March. 28, 17 und heute in
60 I- Kapitel: Vokalismus. | 33, 34,
Bessin epene, famene, Maine : veii (vigne), ehvi (ecMneJ, Blaise :
potren (poitrme), vevi. Ebenso im ganzen Osten Seraing: spen,
tefif faren ; lothr. p§n , cozen ; Delemont : famene, neuenb. l^ma
(limej. Noch weiter geht Bercy (Reims) : erm (raisin), molä, vä,
epäne u. s. w. Vionnaz ag aufser nach Palatalen : veme, kreze. —
Auch in Italien zeigt sich der Wandel von i vor Nasalen
zu e, im Emilianischen, vgl. romg. lema, prem, fen, spen,
matena u. s. w., hol., mod. prema, aber Mirandola schon i, nörd-
lich reicht ena nach Pavia hinein, dazu ei aus inum, piacent.
domattein; auch für das altmail. wird fiorenfenna, vercellenna an-
gegeben, und für Busto Arsizio : quattren, Visen, moren, scriturena,
für Val S. Martino (Bergamo) matena, hösena, endlich crem.
viulen, hamhen. — Eine dritte Zone findet sich in Westrätien,
und zwar nicht nur da, wo auch sonst e statt i erscheint (§ 32),
sondern in Dissentis und den davon abhängigen katholischen
Gemeinden des Rheinthals vor m, in Domleschg u. s. w. bis
Stall a auch vor n, vgl. obw. lema, emprem, entadem (lat. imus);
Doml. veH (vinum). — Eine Mittelform zwischen in und 2 zeigt
S. F r a t e 1 1 0 : fie, diS, pedegrie u. s. w.
Über frz. gaine aus afr. ga-ine, lat. vagina u. dgl.,
s. § 598.
34. Palatale. Folgt dem i unmittelbar ein i oder ein y
oder ein palataler Konsonant, so kann es durch Dissimilation zu
e werden. Der rein palatale Vokal hat die Neigung, mit dem
folgenden palatalen Laute zu verschmelzen. Es tritt nun im
Streben nach Deutlichkeit nicht eine stärkere Annäherung, son-
dern eine Entfernung der beiden nahe bei einander liegenden
Artikulationsstellen ein. — Zunächst begegnet die Erscheinung
nur für Hiatus-i in Lecce: dzei (ital. zii) neben dsiu; sei
neben §iu, Suff, -ei Plur. zu -iu. Nur vor K und y in S. Fra-
tello: buMeha (vensica), amiey. Auch nidwald. Mareya, Jcumpa-
neya wird hieher gehören. — In viel weiterem Mafse in Loco
(T e s s i n) : Mareja, feg (ficus), deg (dico), fadega, spega, vevi,
vesen. — Sodann auf französischem Boden im Nordosten, z. B.
im Wallonischen (Seraing) : v§n (vinea), f^y (filia) , auch vpy
{villa § 545), Ptc.Fem. -ey' (-ita) aus iya (§ 433), vey (vita),
v§sey (vessica) u. s. w. Ebenso im Lothringischen und zwar
einerseits in Metz und Umgebung, andererseits am Ostabhange
§ 34—37. I beeinflufst durch folgende Laute. 61
der Vogesen im oberen Flufsgebiet des Breusch, wogegen in den
zwischenliegenden Gegenden vom Süden her i durchgedrungen
ist. Dann im Morvan feille, veigne, in Vaudemont, Bresse meye
(mica), feille. Auch Fourgs : cendreuille, etreuiUe {öye) wird nicht
anders zu fassen sein. Ferner im Westen: fail in S. Maxent
und Saintes.
35. Labiale. Übergang von i zu u (bezw. ü § 47) unter
Einflufs eines Labials ist eine nicht gerade häufige Erscheinung.
Fllr unbetontes i ist sie dagegen oft bezeugt (§ 863), daher es
bei manchen hier zu nennenden Beispielen zweifelhaft ist, ob
das u nicht aus der tonlosen Silbe verschleppt sei, so z. B. bei
dem eng., tirol. prüm, prum, das von Primarius beeinflufst sein
kann. Sicher ist iv zu üv in Freiburg: rüva, tardüva und
danach tardü, dzädzüva (auch waat.), crüblya, dann mit u:
arruve. — Ferner Val Soana sOmya, lüpya (zu lippus). —
Davon verschieden sind ital. zufola, ven. subia, gal. asuhia,
afr. suble, norm. §yüf, morv. §ül, wallon. hüfle, freib. sühlya, die
auf lat. sübolat neben sibilat zurückgehen. — Weit verbreitet ist
lessü = Hixiva, so Morv., Doubs, Champ., Jura, Fourgs, Waat.
Ob luvre dial. an. rat. 1 , 1 in modernen Mundarten lebt, bleibt
noch zu untersuchen.
36. R. Bis jetzt ist nur aus Judicarien e vor r statt
i nachgewiesen, in den Infinitiven wie durmer, fiurer und in
huter ital. htitirro. — Ob Neuweiler (Lothringen) rer (ridere),
der, ekrer hieher gehört, ist nicht ganz sicher. Wohl aber
Moldaui seh i^Wer, grier, mier aus aprilis, grtlns, miror, rum.
greer, hrier.
37. i vor Velaren bleibt zwar meist erhalten, zuweilen
aber entsteht ein Verbindungsvokal, der mitunter dann selbst
den Ton auf sich zieht. So wird ii zu iei, iai im Proven-
zali sehen. Seit dem XTV. Jahrhundert erscheinen solche
Formen nicht selten in den Texten, z. B. in S. Agnes, im Albi-
genserkrieg, wo 592 aquiel an cargat = aqui Van cargat beson-
ders interessant ist, ebenso in der Guerre de Navarre : sid = sil
743, auziel messatge 1374, niel 2366, in Daurel et Beton u. s. w.
Heute haben wir B6arn piele (pHe), Inf. piald. Limousin : viälo,
fial, ebenso in Perigorde, Auvergne, Montpellier -iel: viela,
62 I- Kapitel: Vokalismus. § 37^ 38.
ahriel, miel, auch vialla, rouerg. : ftaly nohiol; in Colognac vi^lo
aber viäld.
38. Ähnlich verhält es sich mit iu, sei es, dafs das u aus
i entstanden ist, wie in Nordfrankreich, oder aus v wie im Pro-
venzalischen , oder aus dem lateinischen Endungs-w wie im Rä-
tischen. Im P r 0 V e n z a 1 i s c h e n wird iu zunächst zu ieu , was
in Urkunden aus Montpellier seit dem XIII. Jahrhundert er-
scheint: lieura, viens, estieu, caitieu; dieselbe Form findet sich in
Bessieres (Haute Garonne) lieuras, in Marseille, an den Rhone-
Mündungen : fieu (filos), sutieu. Aus ieu kann eü, öü entstehen,
so in Nontron : röü (rivus), vöü (vüis), abröü (aprüis), löüra (librä),
vöüre (viverej, aber vor dem Tone stld. Wenn daneben auch vi,
ri, äbri vorkommt, so sind das vielleicht die alten Singular-
accusative : riu zu ri , aber rius zu rieus. Es kann aber auch
ieu zu ia«, io werden, so hautlim. viore. Selten bleibt im Pro-
venzalischen iu: b^arn. arriu^ hiu, Jiiu mit stark reduziertem u;
es tritt Tonwechsel ein rouerg. riü, hiü, lesiü, astiü , ebenso im
Perig. imd Baslim. Auch fürs Zentralfranzösische wird ieu aus
iu gesichert durch essieu = axilis (vgl. essil Gir. Ross., bürg.
est, Berry esit, esille, Seraing Mons asi u. s. w.). Daher wird
anch pius zupieus und föllt so zusammen mit -eus aus -osus. Sodann
erscheint es westlich in der Bretagne: fiels Aire T. 17, 22, 26,
östlich inFourgs: fieu, woraus m (o. 9 Besan^on, eau (b.^Morvan.
Daraus entstehen dann auch Formen wie vie (vilj M. S. Michel.
2614, v?eZAiol980, avieWi Chev. II esp. 4120 u. s. w., die nicht eine
Brechung von i zu ie zeigen, sondern von ieu her das e ver-
schleppen : Nom. vieus , Acc. vil wird ausgeglichen zu vieus :
viel. — In der Pikardie stehen ieu und iu je nach den Gegenden
nebeneinander. In den Urkunden aus Vermandois in der ersten
Hälfte des XHI. Jahrhunderts ist ieu selten; der Renclus von
Moiliens reimt iu (aus ils, ivs), ius aus §us (caelos), ous (jocus):
Car. 62 fius: gius (jocos), sius (sequis) 242 chius, pius: ententius:
Dius, mius, ferner 210: mieus, tieus (talis): Dieus, nicht aber ius
mit eis: es scheint also, dafs er ein auf §, p zurückgehendes ie
zu i reduzieren kann, nicht aber das auf e beruhende. Noch
heute ist nicht eine einheitliche Behandlung auf dem ganzen
Gebiete durchgeführt: yeu und yiX bestehen beide, das eine in
den einen, das andere in den anderen Ortschaften.
^ 38 — 43. I beeinflufst durch vorhergehende Laute. 63
Im Westrätischen entsteht iu aus Uus, w^oraus im
Obwald. und Engad. im, eu: udieu, marieu, ö in Muntogna:
durmö; tau und daraus ia in Oberhalbstein: ardia, nia (nidus).
Über if aus m s. § 555. — Schliefslich ist noch avrieu aus aprilis
in S. Fratello zu nennen.
39. Endlich kann vor mehrfacher Konsonanz ein i
durch Kürzung zu e bezw. § werden. So im Romagnolischen :
mell (müle), spell (ital. spiUo), veUa, skrett, vest (ital. visto), Suff.
-esta, stezza (ital. stizza). — Sodann im westlichen Eätien:
Obwald. und Niederhalbstein , Berglin : meli , fei. Endlich im
Südost französischen, vgl. Vionaz Jcr§bd§ (crible), wi§ts§, f§de
(ßle), v§la (ville), dz§n§d§ (gallina) und sogar dr§ (frz. dire), waat.
v§la, m§tsf, d§re oder dre, f§Ie, v§ny§ u. s. w. Jujurieux vela,
haeda, sosesa (frz. saucisse), dre, saleva.
2. Einflufs vorhergehender Laute.
40. Nasal. In französischen Dialekten wird mi, ni im
Auslaut zu m%, nl : Lahague am%, finl, ven%, inlautend : Jcemlz'; ebenso
im Osten: Falkenberg: emU (ami), frcßmV, v§n%^, dr(pmV (Inf.
und Part.). Champlitte : revenl, bürg. §ml, §em%z€, reven%, droerM;
Bagnard : druml, furn\, ni, v§n'l.
Auch andere Nasalvokale kennende Gegenden zeigen Bei-
spiele : portugiesisch mim, ninho (nh gemäfs § 441).
41. Gutturale und Palatale. Im Rumänischen
wird i zvL i nach r: riu, rtd, rtm, rimä, ripä, stric (aber z. B.
frig), nach ^ in af% im Moldauischen und Altwal achischen
auch nach s und j: rä§inä, slvßm, mold. nach s: silä, im
Mazedonischen nach dz : dzisirä (dixerunt) tsitsile = wal. (i^ä. —
Vgl. noch Vionnaz veze S. 60.
42. Labiale. In Villa S. Maria (Abruzzen) entwickelt
sich zwischen einem labialen Konsonant und i ein u: fuipe (filia),
famuiye, puiye. — In Caltanisetta scheint ui aus i an vorher-
gehendes u gebunden zu sein: fudduitu, vuluiri, cumdva, doch
auch ngna duicu, faöuissmi. — In Falkenberg (Lothr.) wird ei
aus i (§ 34) zu oß: fce, fq-y (ßlius, a), mce (mica).
43. Veränderungen infolge von Oxy tonier ung.
Oxytoniertes i wird offen in Lahague: epf, brebj, jadi, v\e,
64 I- Kapitel: Vokalismus. § 43, 44.
partfe, -f = -iacum; aber vi (vivusj wohl durch das Femininum
beeinflufst, i = ßum und ire. In Saales (Lothringen) tritt e
ein: fe (ßius), Inf. -e (aber rir), ferme (formica). — Bergamo:
de (dies), se (sie), he (ital. qui), le, r o m a g n. de, acse, que, die. • —
Intragna, Losone, Lavertizzo nasalieren jeden auslautenden
Vokal: sintin, so taiah (tagliare) , videih (vedere), fyoh (fiore)^
pifiöh, Mh.
d) Einzelheiten.
44. An Stelle eines lat. i erscheint teils auf dem ganzen
Gebiete, teils innerhalb engerer Grenzen in einigen einzelnen
Fällen e oder §, deren jeder für sich betrachtet werden mufs.
Neben span., portg. frio, alt frido aus fr^gidus steht ital. freddo,
rät. fre^, prov. freid, frz. froid, die fngidus verlangen: die Ab-
weichung scheint durch Einflufs des begrifflich und lautlich nahe-
stehenden rigidus herbeigeführt zu sein.
D'Ovidio, Grundrifs 508.
Neben prov. yeitse = ilice, das ins Nordfranzösische ein-
gedrungen ist, steht ital. elce, möglicherweise nach felce, selce.
D'Ovidio, Grundrifs 507.
Ital. car^na, frz. carine, span. carena, portg. querena, crena
sind mit lat. carina nicht direkt zu verbinden, auch lassen sich
nicht alle Formen auf eine gemeinsame Grundform zurückführen.
Wahrscheinlich ist das Wort wie andere Schifferausdrücke (§ 23)
von einer Seestadt ausgegangen: es würde sich fragen, ob
irgendwo am adriatischen oder am mittelländischen Meere i vor
w zu e wird, wo also die Heimat der Form zu fixieren wäre:
Genua kann es nicht sein, da hier das Wort caina lautet. —
Ital. fegato, prov., rät. fetge, frz. foie, piem. fediTc verlangen
*fecatus, span. Mgado, portg. figado: *ficatu, ven. figd, rum.
ficdt: ftcdtu. Der Wandel von i und e hängt wohl mit der Ton-
verschiebung zusammen. — Ital. l§mo, span. lienea, lieine, Memo,
Leinwand, Imteum sind wohl von l§ntus biegsam, *l§nteus beein-
flufst. — Wenn ital. segolo zu sica gehört, so hat es seinen
Vokal nach sicüis, rum. secere umgestaltet. — Ital. vetrice = vUice
ist an vetro angelehnt. — Neben ital. gJiiro, berry. lire = gllre
steht frz. loir, bergam. gier, tessin. g^ra, alb. ger, die auf ein
gUre (vgl. stngis und stngis) weisen.
§ 44—46.
U bleibt erhalten.
65
Portg. escreve == scribit geht von escrev'ir aus. — Portg. pega
= plca ist vielleicht mit pegar, pichen, pez, Pech in Zusammen-
hang gebracht. — Schwierig ist portg. lesma zu Umax. Ein Dimi-
nutiv *Hs'mmha mufste zu lesminlia werden s. § 558: vielleicht
stammt das e daher. Einer befriedigenden Erklärung harren noch
ital. mez0o zu mJtis, span. esteva, ital. stegola zu sUva.
Mussafia B. 111, 1 leitet stegola von hasticula ab.
Unerklärt ist endlich auch ufr. ie aus afr. i in cierge^
vierge, SufF. -ihne, wozu noch norm, äbieme = ahime, femer
desierre (desiderat) bei Jean le Marchant kommt, der auch schon
vierge kennt.
2. Viilgärlateiiiisch n = schriftlateiniscli ü.
45. Die Schicksale des u zeigen grofse Übereinstimmung
mit denen des i. Auch n bleibt auf dem gröfsten Teile des
Gebietes unverändert. Wo i zu ei diphthongiert, erscheint ent-
sprechend ou aus w, ebenso geht die Behandlung des u vor
Nasalen der des i parallel. In ganz Frankreich, in Piemont,
Genua, der Lombardei und in Westrätien wird u zu ü, das sich
weiter zu i oder os entwickeln kann. Tonloses u verschmilzt
meist mit v, nur im ii-Gebiete wird zum Teil üu zu iu, iü, das
dann die gleiche Entwicklung zeigt wie iu aus i -f- w § 38.
46.
a) M bleibt erhalten.
Lat.
TU
-UTU
-UTA
MUTU
BRUTU
Rum,
tu
-ut
-Uta
mut
—
Friaul.
tu
-ut
-uda
mut
brutt
Ital.
tu
-uto
-Uta
muto
brutto
Span.
tu
-udo
-uda
mudo
bruto.
Lat.
ALUTA
RUTA
MUTAT
CEUDU
NUDU
Rum.
ruiä
mutä
crud
—
Friaul.
—
müde
crud
nud
Ital.
allvda
ruta
muda
crudo
nudo
Span.
luda
rtida
muda
cruo
nudo.
Meyer
Grammatik.
5
66
I. Kapitel: Vokalismus.
§ 46.
Lat.
SÜDAT
BRÜCU
SUCÜ
PESTUCA
LACTÜCA
Rum.
asud
muc
festucä
läptucä
Friaul.
—
—
—
—
Ital.
suda
hruco
sugo
fistuga
lattuga
Span.
suda
hrugo
sugo
—
lechuga.
Lat.
TORTUCA
RUGA
SÜGAT
CÜPA
FÜSU
Eum.
—
—
sugä
(cupä)
fus
Friaul.
—
suye
cuhe
fus
Ital.
tartaruga
ruga
suga
—
fuso
Span.
tortuga
arruga
suga
cuha
huso.
Lat.
ÜSU
ACCUSAT
LUCE
NÜBE
UVA
Rum.
—
—
—
—
—
Friaul.
US
aTcuse
lus
—
ue
Ital.
uso
accusa
luce
—
uva
Span.
uso
acusa
luz
nube
uva.
Lat.
MÜRU
DURU
PURU
MATÜRU
JURAT
Rum.
—
—
—
—
jura
Friaul.
mur
dur
pur
madur
dzure
Ital.
mitro
duro
puro
maturo
giura
Span.
muro
duro
puro
madiiro
jura.
Lat.
MURE
CÜLU
MÜLU
MÜLA
PALUDE
Rum.
cur
—
padure
Friaul.
kul
mul
mule
palud
Ital.
culo
mulo
mula
padule
Span.
mw
culo
mulo
mula
paul.
Lat.
-ULE
UNU
UNA
LUNA
LACUNA
Rum.
—
un
—
lunä
—
Friaul.
-ul
un
une
lune
—
Ital.
-ule
uno
una
luna
laguna
Span.
—
un
una
luna
laguna.
Lat.
FÜNE
FUMÜ
PLUMA
PLUMEN
LUMEN
Rum.
funie
fum
—
—
lume
Friaul.
—
fum
plume
flum
lum
Ital.
fune
fumo
piuma
fiume
lume
Span.
—
humo
—
—
lumhre.
§ 46, 47.
U bleibt erhalten.
Lat.
-UMEN
PÜTIDÜ
JUDICE
DUCERE
SUCIDU
Rum.
-ume
—
Jude
duce
—
Friaul.
-um
—
dsudis
adusi
—
Ital.
-ume
—
giudice
ducere
sudicio
Span.
-umbre
pudio
(juez)
fducirj
sucio.
Lat.
LUCIDU
PULICE
JTJNIU
JULIU
LUCIU
Rum.
—
purecc
(junie)
(Julie)
—
Friaul.
—
pults
dsun
lui
luts
Ital.
lucido
pulce
giugno
luglio
luccio
Span.
lucio
pulga
(junio)
(Julia)
(lucio).
Lat.
SUBÜLA
ACÜCULA
JUSTU
BUSTU
GUSTU
Rum.
—
—
—
—
—
Friaul.
suble
guh'e
—
bust
gust
Ital.
suhbia
guglia
giusto
busto
gusto
Span.
—
aguja
justo
busto
gusto.
Lat.
BUSCU
FRUCTU
NULLÜ
SÜRSUM
JUXTA
Rum.
—
—
—
Friaul.
brusc
frutt
SM
—
Ital.
brusco
frutto
nullo
suso
giusta
Span.
brusco
frucho
millo
suso
justa.
Lat.
PUSTE MÜSCLU BUTYRU MÜRCIDU
Rum.
fust
mu§chiu —
—
Friaul. —
muskli —
—
Ital.
fuste
muschio burro murddo
Span.
—
—
murcio.
67
Ob rumänisch cupä hielier oder zu § 118 gehört, ist nicht
zu entscheiden. Andere Beispiele sind noch ital. inchiudere,
tartufo (vgl. § 19 S. 42), span. atusa zu lateinisch obtusus, aber
mit der Bedeutung von tonsiis , da tundcre und tondere ver-
wechselt worden sind § 184. Zu ital. murddo vgl. piem. mürs.
b) Spontane Veränderungen.
47. U wird ü auf drei von einander ganz unabhängigen
Gebieten. Erstens in Portugal gemäfs Rev. Lus. I, 32, doch
fehlt bisher jede genauere Angabe über den Umfang der
5*
68
I. Kapitel : Vokalismus.
§ 47, 48.
Erscheinung. Zweitens in Frankreich mit Ausnahme des
Wallonischen und des oberen Wallis (Val d'Herens und Val
d'Anniviers) , in Oberitalien bis an den Gardasee, noch
Malcesina am linken Seeufer und Mantua und Mirandola, während
die übrigen emilianischen Mundarten u bewahren, und im west-
lichen und mittleren Rätien. Endlich drittens an der
Südostkilste Italiens. Von den drei Schriftsprachen des
w-Gebietes hat die eine, die engadinische, von jeher sich des
deutschen Zeichens ü bedient zur Widergabe des dem latei-
nischen Alphabet fehlenden Lautes, wogegen die beiden anderen,
die französische und provenzalische, das etymologische u bei-
behielten*, um das u darzustellen, griffen sie entweder zu o oder
ow, oder unterschieden es nicht von ü. Es fehlt somit jeder
sichere äufsere Anhalt zur Zeitbestimmung des Überganges von
u in ü.
48.
Betrachten
wir zur
lächs
t die Geschi
ichte des u
in Fr an
reich.
Die §
46 aufgeführten
Beispiele j
lauten hier
Aprov.
tu
-üt
-üda
müt
hrüt
Afr.
m
-m
-üde
müt
hrüt.
Aprov.
rüda
müda
crüt
nüt
süza
Afr.
rüde
müde
crüt
nüt
süde.
Aprov.
süc
festüJc
ladüge
tartüga
rüga
Afr.
essuie
festu
laitue
tortüe
rüe.
Aprov.
Jcuba
füs
üs
aJcüsa
müda
Afr.
cüve
füs
US
acüse
müe.
Aprov.
üva
mür
dür
pur
madür
Afr.
*üe
mür
dür
pur
meür.
Aprov.
güra
kül
mül
ün
üna
Afr.
güre
Ml
mül
ün
üne.
Aprov.
lüna
fwn
füm
plüma
flüm
Afr.
lüne
fün
füm
plüme
flün.
Apr
ov.
■um
huire
Afr.
-ün
hure.
Die Annahme, dafs u schon in alter Zeit wie ü gesprochen
worden sei, stützt sich auf folgende Beobachtungen. Im Alt-
§48. ^ ^^^^ y i" Nordfrankreich. 69
französischen sind u und ^(, p überall (von einer gleich Jiu nennen-
den Ausnahme abgesehen) auseinandergehalten, auch vor Nasalen :
u assoniert nur mit sich selbst. Nun hat gedecktes w, p den
Wert w, und zwar, wenn man nach der heutigen Aussprache
schliefsen darf, u. Folglich mufs lat. ii anders geklungen haben :
da es aber nicht \i sein kann, so bleibt nur der moderne
Wert ii. Diesen Wert hatte es jedenfalls, als die Nasalierung
zum Abschlufs kam. Wie i, so leistet auch u einem folgenden Nasal
starken Widerstand, ein geschlossenes w mit französischer Bildung der
Nasalvokale ist unmöglich, es hätte daraus ö entstehen müssen,
wie aus 1 : ? (§ 33). So sehen wir in der That, dafs da, wo in
zu en vorrückt, auch wn zu on wird § 57. Da nun aber un im
Frz. & lautet, so folgt daraus unmittelbar, dafs im XV. Jahr-
hundert ün gesprochen wurde. Daran schliefst sich ein Weiteres.
Wäre der Wandel von u zu ü innerhalb der Periode, in welcher
wir schriftliche Denkmäler besitzen, vor sich gegangen, so
hätte er wohl ebenso in der Schrift Ausdruck gefunden, wie
derjenige von ei zu oi, von ne zu m luid andere. Also schon in
vorlitterarischer Zeit sprach man in Gallien it flir u und las
auch das lateinische u aufser in tonloser Endsilbe vor m als
solches. Da nun das Zeichen m für das frz. u unmöglich
wurde, das frz. u aber etymologisch teils einem o, teils einem
u entsprach, so wählte man o, das nun ebenso zwei Werte (p
und o) hatte, wie e (vgl. § 72). Sehr bald fiel das aus o ent-
standene OM mit u zusammen (§ 121), und dadurch war die
Möglichkeit gegeben, p, u von M wie von p auch in der Schrift
durch die Schreibung OM zu unterscheiden. Der Umstand nun,
dafs lateinisch u ebenfalls als tt gelesen wurde, erklärt einmal,
dafs schon alte Buchwörter wie humble, lat. hümilis das ii durch
Ü wiedergeben, und ferner, dafs die provenzalischen Grammatiker
nichts von diesem LautAvei'te sagen : sie lasen das lateinische u
wie ihr eigenes als w, hatten also keine Veranlassung, sich über
seine Aussprache zu äufsern.
Wenn dadurch das hohe Alter des u gesichert scheint, so
folgt daraiis noch keineswegs, dafs der Laut in ganz Frankreich
gleichzeitig entstanden sei. Es sprechen im Gegenteil gewichtige
Thatsachen daftir, dafs auch dieser Lautwandel sich nach und
nach von bestimmten Zentren aus ausgebreitet habe. Im Mittel-
70 I- Kapitel'. Vokalismus. § 48.
alter werden in anglonormannischen Handschriften u und
0, ou bei weitem nicht so scharf auseinandergehalten wie im
übrigen Frankreich, es wird meist u geschrieben in Fällen wie
amur , dulurus, fnrme, emperenr , raisvn u. s. w. Und dafs der
Laut des o dem des u sehr nahe gestanden hat, geht daraus
hervor^ dafs o und u im Reime gebunden werden, vgl. schon
Brandan Zwwrs : »wilrs 1679, dürs: swrs 1383, mürs: /Zwrs 1699. Es
scheiden sich aber diese Texte in zwei Klassen, deren eine mehr
südliche das dem ü entsprechende u nur mit sich selbst reimt
und nicht durch andere Laute ersetzt, wogegen die mehr nörd-
liche in der Schreibung wie im Reime ü und o, ou nicht aus-
einanderhält. Derselbe Unterschied zeigt sich bei den fran^-
zösischen Wörtern der mittelenglischen Texte. Es wäre nun von
Wichtigkeit, zu wissen, was dort der Lautwert von u gewesen ist.
Eine sichere Entscheidung läfst sich erst geben, wenn der Voka-
lismus der betreffenden englischen Dialekte historisch dargestellt ist.
Vorläufig dürfte aber die Annahme dem Richtigen am nächsten
sein, dafs ein Laut, der sich teils als m, teils als eu, iu, iu weiter
entwickelt, nicht m, sondern geschlossenes u gewesen sein wird.
Gerade diese Spaltung nach den Gegenden spricht nun aber auch
dafür, dafs nicht erst jenseits des Kanals überall ü zu u geAvorden
und dann sich verschieden entwickelt habe, sondern dafs viel-
mehr u herübergebracht worden sei. Damit wäre dann für das
Normannische des XL Jahrhunderts der Lautwert u ziemlich
gesichert. In der heutigen Mundart erscheint aber durchaus ü:
es wäre dieses in einer späteren , wegen des Mangels an Denk-
mälern nicht mehr zu bestimmenden Zeit aus dem Osten her
eingeführt. Nun ist das normannische ü palataler, i-haltiger
als das zentralfranzösische : vor diesem werden die Gutturalen
behandelt wie vor o, vor jenem Avie vor i, dem frz. cul , cuivre,
eure u. s. av. entspricht norm. Jcül, h'üivre, li'üre u. s. av., vgl.
§ 410. Diese Artikulationsverschiedenheit weist wohl darauf
hin, dafs das ü nicht überall gleichzeitig und auf gleiche Weise
aus u entstanden ist, sondern dafs es die eine Sprachgenossen-
schaft der anderen überliefert hat. Nun sind im französischen ü
die beiden Elemente, das velare und das palatale, am innigsten
verschmolzen, im Normannischen dagegen wiegt das jüngere
palatale gegenüber dem älteren velaren vor: das spricht wohl
fi 48 — 50. ^ ^^^ ** i" Süd- und Nordfrankreich. 71
daftlr, dafs ü dort ursprünglich, hier später aufgenommen und
nicht genau wiedergegeben ist.
Über das ü im Agn. vgl. Behrens, Fr. Stud. V,
117—123; Suchier, Littbl. 1888, 176. Beispiele ftir
il : p; StUrzinger, Orth. Gall. 46; Suchier,
S. Auban 5.
49. Auch zAvischen provenzalischem und n o r d f r a n -
z ö s i s c h e m ü scheint ein gewisser Unterschied zu bestehen.
Lat. pülice ergiebt hier puce, dort piütz. An einen direkten
Übergang von u zu i ist nicht zu denken (es ist fraglich, ob er
überhaupt vorkommt im sprachlichen Leben), vielmehr ist die
Vorstufe des i ein w, das nun vor dem i bezw, u zu i wird,
vgl. weitere Beis^jiele § 60. Im Nordfranzösischen dagegen wird
tli zu w. Es läfst das verschiedene Ergebnis mehrfache Erklärung
zu. Die einfachste ist die : als ttl zu vi wurde , war das u im
Norden noch w, im Süden ü. Das kann nun heifsen, dafs hier
i älter ist als dort, und ü überall gleich alt, oder dafs i gleich
alt ist und ü hier älter. Endlich giebt es noch eine dritte
Möglichkeit: das nordfranzösische ü ist velarer als das süd-
französische, es absorbiert i. Ein Mittel zur Zeitbestimmung des
Übergangs von u zu ü läfst sich also auch hieraus nicht ge-
winnen. — Für die Frage nach dem Alter des provenzalischen ü
ist noch der Umstand von Wichtigkeit, dafs das Katalanische ü
nicht kennt, sondern u bewahrt. Denkbar wäre nun wieder, dafs
dies u erst aus ü entstanden sei, doch ist das kaum annehmbar,
da ü irgend welche Spuren hinterlassen hätte; pulice lautet jjwsö,
es kann dies aber eine erst katalanische Entwicklung aus pulsa
sein, s. § 476, so dafs damit nichts gewonnen wird. Die gröfsere
Wahrscheinlichkeit ist aber doch wohl, dafs das Provenzalische
zur Zeit, da das Katalanische sich absonderte, ü noch nicht
besafs.
50. Besonders schwierig ist noch die Frage nach der Be-
handlung des gedeckten ü in Frankreich. Neben den regel-
niäfsigen juge, juin, melius, fruit., füt, sus, nul, jusque und den
unlateinischen buche, rüche stellen jovtc, gout, ome, JQSte, josque,
moule. Nicht in Betracht kommen Buchwörter wie juste, rustre;
ferner ist abzusehen von fruit, da das ü hier dem i zu verdanken
sein kann, vgl. § 51 und afr. ifM?fe== i^^cto § 128. Es bleiben somit
72 I- Kapitel: Vokalismus. | 50 — 52.
sm, das schou im Lateinischen freies u hat: susum, iiiclit sursuvrij
nul, das von ne-un oder ne-ul sein ü haben kann oder, bevor u
zu ü wurde, schon II zu l vereinfacht hatte (§ 545), jusque, das
jedoch nichts beweist (§ 51) und füt, über das nicht hinweg-
zukommen ist. Daneben aber stehen nun sechs Fälle mit o, von
denen zwei genau dieselbe Lautverbindung zeigen wie füt.
Daraus scheint sich zu ergeben, dafs die älteste Schicht latei-
nischer Wörter gedecktes u nicht zu ü, sondern zu n wandelte,
dafs dagegen etwas später aufgenommene, sowie die germanischen
und keltischen ü aufweisen.
51. Für die Bestimmung der Natur des französischen ü ist
endlich noch eines von Wichtigkeit. Dem griechisch-lateinischen
sciurus, vulglat. isJc\iirus entspricht ecüreuil, aus *ag\iiru (§ 128)
entsteht eür, aus de-usque entsteht entweder über diusque: dusque
oder über dyusque (vgl. dyurnum), josque. Also inlautendes altes
i\i und \ii werden zu ü, um so viel eher ui in fnictus. Es fragt
sich nur, weshalb hier wie in truite, afr. luite mit üi aus gi bezw.
I^i das i bleibe. Das erklärt sich daraus, dafs t palatal und
daher «-haltig ist, also das i hält, wogegen palatales r, wenn es
überhaupt je im Französischen vorhanden war, gleich zu den-
talem r geworden ist, und so einer völligen Verschmelzung von
ui zu ü nicht im Wege stand. Vgl. noch § 261 über durare.
52. Weit einfacher liegen, soweit es sich bis jetzt beurteilen
läfst, die Verhältnisse in Oberitalien. Hier wird auch ge-
decktes u zu ü, vgl. mail. güst, vündes, Süd (exsuctus). Doch
scheint auch hier zum Teil vor gedecktem n u zu bleiben,
piem. undeSf gunk. Beachtenswert ist, dafs dem ital. schiuma (vgl.
§ 18 S. 39) hier shüma entspricht, dem ital. chiuso dagegen düs.
Daraus folgt, dafs zur Zeit, als l zu y wurde, ü schou vorhanden
war : Jclü wird über kyü zu du, dagegen als germ. sku aufgenommen
wurde, noch nicht: skuma, skyuma, sküma. Auffällig ist piem.,
lomb., gen. kürt, algh. kult neben ital. corto , frz. court. — Mit
dem Lombardischen geht das Eätische Hand in Hand, sofern
auch hier abweichend vom Französischen gedecktes u zu ü. wird :
strüöy früd, füst, güst, büst, ündis, müskal, obw. risti (rvsticus)
u. s. w., woneben frusla wohl italienisches Lehnwort ist; dann
§ 52, 53. U im «-Gebiete. 73
aucli hier wenigstens in Tirol liürt. Die Gutturalen werden vor
ü behandelt wie vor a und m § 413, doch läfst sich hiei-aus
nichts schliefsen, da die Palatalisieruug jung- ist. Dagegen ist
bemerkenswert, dafs auch in späten und nur halb assimilierten
deutschen Lehnwörtern der Wandel vollzogen wird : wassersiö
(Wassersucht), malzid (Unzucht) mit i aus älterem ü. Da das
Rätische einen dem schweizerdeutschen u entsj^rechenden Laut
besitzt, so folgt daraus, dafs der Übergang von u in ü nicht
sehr alt sein kann.
53. ■ Wenn vrh- nun die weiteren Schicksale dieses ü be-
trachten, sofern es sich dabei wieder um spontanen Wandel
handelt, so finden wir, dafs €S sich nach drei Richtungen ent-
wickeln kann. Der seltenste Fall ist die Rückkehr zu y.
Sie scheint aber sicher zu sein für Loco und Losone, Tessin,
die mitten im w- Gebiete liegen. In Loco findet sich entsiirechend
e statt ä? § 214. Der Dialekt zeigt also eine Abneigung gegen gemischte
Vokale, oder noch eher gegen palatale Artikulationen. Wir haben
schon gesehen, dafs hier j vor Palatalen zu e wird § 34 ; ebenso
bleibt 1c in weiterem Mafse bewahrt als in den umliegenden
Gegenden § 413. Daher sind denn auch die palatalen Vokale ce, ü
nicht geblieben, sondern haben in verschiedener Weise Verein-
fachung erfahren: das ü, indem es seinen palatalen Bestandteil
ganz aufgab, das ce ebenfalls, nur dafs hier das mit dem Palatalen
enger als bei ü verschmolzene «-Element mit aufgegeben Avurde.
Dieselben Erscheinungen : u und e zeigt auch das Misokk. —
Auch in anderen Gegenden des rätischen Gebietes erscheint
statt ü ganz geschlossenes u: Nocethal, Roveredo, Vigo,
Ober-Fascha und Greden, und im Lombardischen in Bormio
und in der Val Imagna, abgesehen von den von Ampezzo an
östlich liegenden Gebieten, wo überall u herrscht. Hier, wo
westrätisch-lombardisches ü und osträtisch-venezianisches u zu-
sammeustofsen, darf u wohl als Eindringling aus dem Süden und
Osten gefafst werden. ■ — Es fragt sich, ob in dem u an der
Südost- und Nordost grenze Frankreichs ebenfalls eine
Rückkehr zum alten u oder aber Erhaltung des lateinischen
Lautes zu sehen ist. Für das Wallis ist wohl letzteres anzu-
nelmien und zwar deshalb, weil in den dem «-Gebiete am
74 I- Kapitel: Vokalismus. § 53 54.
nächsten liegenden Ortschaften Nax und Vex sogar o gesprochen
wird, und weil, wie es scheint, i ebenda zu e wird. Vereinzelt
steht Biel mit lu (lui) , stu (cestui), niö , apersu, mst. —
Schwieriger liegt die Sache im Wallonischen, sofern hier
neben fist-u, sau, situv, veyu (frz. vu), m'nu (venu), nu, nol u. s. w.
auch ü vorkommt in pü (plus) , hü (frz. hu) und stü , dem Part,
von es (esse), ferner stets, wo i im Spiele ist: frü (fruit), Iure
(luire) , düre (ducere), endlich proklitisches ti neben enklitischem
tu, wobei sich aber fragen mag, ob letzteres seinen Vokal nicht
von lü übernommen habe. — Wenn u ursprünglich ist, so bleiben
die Fälle von ü zu erklären. Sind die angeführten Beispiele
die einzigen, so machen eigentlich nur hü, estü, pü Schwierigkeit:
das letzte aber erklärt sich aus der Tonlosigkeit § 563; neben
hü steht hemi, so dafs jenes vielleicht französisch ist; so bleibt
nur noch stü. Hat etwa fü aus fui das Partizipium be-
einflufst ?
Horning, Ztschr. XI, 265 möchte das wallonische u
wie das lothringische (§ 61) durch Kückbildung aus ü
erklären, doch ist damit kaum durchzukommen, wie er
selbst zugiebt.
54. Ziemlich weit verbreitet ist die Eeduktiou von ü zii i,
die dadurch zu Stande kommt, dafs die Lipjjenartikulation auf-
gegeben wird. Sie erscheint im ganzen Avestlichen Graubünden
bis einschliefslich Bergün; das so entstandene sekundäre i hat
dann dieselben Schicksale wie das primäre (§ 32), also obw.
mazira, Tiefenkasten mazeira, Bergün mazegra; endlich im
Engadin, wo i y ig, erscheint mazügra. Sehr alt scheint i nicht
zu sein, da noch Luci Gabriel 1648 in seinem Testamente zu-
weilen ü schreibt: scürs (ohscurus), müt, füm neben fimma, ün,
üna, doch hat schon er fast stets ü. In Dissentis hat sich ü
weiter zu e entwickelt, und zwar nicht nur vor m (§ 33), sondern
auch sonst: pale (ijalude), pelliö (pulice), per (pure), doch bedarf
das noch genauerer Untersuchung. — Sodann in Monferrat:
kaniso (^calugine), Jci (culus), Mndic, dris (ital. hrusco), dire
(durare), in Casal Cermelli, in Malesco (Tessin) M (culo), mil
(muh), fim, dir, -id (-uto), siö u. s. w. Auf französischem Boden
wird ü zu i in Lothringen und zAvar speziell im oberen
Saarthal, z. B. miU (mur), diU, puedi (perdu), gir (jure) u. s. w.
8 54 — 56. Wandel von « zu », ö. 75
Während hier eine ganze Ginippe zusammenhängender Ortschaften
i zeigt, tritt es auch vereinzelt oft mitten im t't-Gebiete auf, wie
z. B. im Jarmenil im oberen Moselthal, in Vexaincourt im
Flufsgebiet der Meurthe, und selbst westlich von der Mosel in
Circourt.
55. Der spontane Übergang von ü zu oi ist Aveniger weit
verbreitet, bisher ist er niir in Frankreich nachgewiesen. Er
scheint hauptsächlich in der Pikj^rdie und in Burgund vor-
zukommen. Die Anfänge fürs Pikardische finden sich schon
Deesse d'Amour 10^': nature: meure: honeure. Wie weit die
heutige Pikardie das kennt, vermag ich nicht zu sagen : in Arras
herrscht ü. Wohl aber findet sich ce im Rouchi: mcer, soer, See,
ploem, bosoe, loßn u. s. w., in den Ardennen : vence, perdce, weiter
(»stlich, in einzelnen lothringischen Gemeinden wie Domgermain,
Pierre-le-Treiche am linken Moselufer, dann aber namentlich im
burgundischen Teile des Morvan : sce (sahucus) , dcer, voee, ^oete
(chüte) , icek u. s. w., in Auve Ptc. auf -ce, soekr, tycei (titer), wo-
neben hüre (frz. heurre) und jüne (jejunvs) auffallen.
56. Die Schicksale des u an der Südostküste Italiens
sind denen des i verwandt. Die älteste Form bietet wohl Ruvo
mit yu: dispyadyute, sentyute, nesyune, venyute. Diese Grundlage
hat sich verschieden weiter entwickelt. Im Süden in Matera
assimiliert sich das i das u zu m; pirdiüt, niüd (nuUo) , piür,
anknin, iün, vinnit. Oder yu wird zu oe, eu: Trani ngoen, ngokeune,
au Molfetta: avaut, nataura, na^aun, tau u. s. w., o Putignano:
pirdot, hrot, on. — Zweifelhaft bleibt, Avie das oi in Veglia auf-
zufassen ist: moir, pJanoira, fois, join (unus), joina, loina, floim,
potoit u. s. w., ob als ou, oü, oi, oder ju, eu, eü, oü, oi. Für
jenes spricht wohl rov. dign. ou: nouda, piouma, veinou,
foriouna, mour u. s. w. — Endlich in Sizilien wird dialektisch
u zu uo: mioddu, uortimu, cruodu, suosu.
76 I- Kapitel: Vokalismus. ^ 57,
c) Bedingte Yeränderungen.
1. Einflufs folgender Laute.
57. Nasale. Wie 1, zu e, so wird ü zu offenem ä im Neu-
französischen und zwar wohl zu gleicher Zeit. Freilich sind
die Zeugnisse dafür jünger, noch Cauchie 1570 sagt: „Z7 purum
et simplicem sonum gignit respondetque germanico duobus api-
culis notato sie übel ut vertu, fetu, hossu. chacun, emprunte, lundi.^
(25) Duez 1G89: „Les lettres um et un en une seule syllabe
sonnent comme l'allemand üng, un j)6^^ obscurement" (36),
D'Aisy 1674: „Un a toujours le son confus et I'm sonne m" (53),
und so nun alle folgenden. Es wäre aber unrichtig, daraus zu
schliefsen, dafs cü ein Jahrhundert jünger sei als §. Letzteres
fiel zusammen mit dem alten aus ein ain entstandenen f (§ 89),
dieses dagegen war ein ganz neuer Laut und kam deshalb erst
verhältnismäfsig spät ins Bewufstsein. Die erste Stufe von nasa-
liertem M, das offene ü steht dem ä ebenso nahe, wie offenes l dem ?;
es ist kaum anzunehmen, dafs der eine Laut viel später entstanden
sei als der andere. Immerhin kann S etwas älter sein : da der Laut
f schon in der Sprache vorhanden war, so war ein Übergleiten
von T zu § leichter und früher möglich; vielleicht hat es sogar
erst de statt offenem ü nach sich gezogen. Wir haben also cp, sak&, oJcce,
Icedi; ime, ilme bleibt dagegen ebenso bewahrt, wie ine, ime (§ 33),
und zwar aus demselben Grunde, nur jeune (jejuna) hat den
Vokal des Maskulinums übernommen. In den französischen
Mundarten ist die Entwicklung von im, üne ebenfalls der von
in, ine ganz entsprechend : Bessin Icene, oene, ploeme, fceme, Maine
Joene, proene, ploeme, Anjou Icone, prcene, Seraing Icen, prcen aber
hom, plom, Lothr., mit Aufgabe der Lippenartikulation, en, py^m
(nicht klar ist Un, fim im Osten, wo sonst ü bleibt), bürg, fotcevi,
Icefi, berc. plcem, prcen, waat. deloe, wall. deJoe, ö, nyon, bagn. o,
Fem. una u. s. w. Über una in freib., waat. u. s. w. s. noch
§ 596. — In Italien erscheint entsprechend o im Emiliani-
schen romg. fiom, lom, fom, fon, fortona, bol. lom, fiom, lou/na,
fortouna, qualcoun, vgl. die Eeime bruna: buona, uno: buno,
ciascuno : bono Tes. pov. 240, Bobbio on, ona, ebenso Paria und
wohl noch weiter. — Im R ä t i s c h e n endlich, wo w zu i geworden
ist, wird dieses sekundäre i vor Nasalen behandelt wie das
^ 57 — 59. V beeinflufst durch folgende Laute. 77
primäre : fem in weiterem Umfange als c*?, cna s. § 33. Im
Gaderathal vermag nur auslautender Nasal u zu (ß zu treiben :
/ccw, l(£.m, zaicen aber lüna, plüma: also die zentralfranzösischen
Bedingungen, aber in Enneberg: hroma, ploma wie lom, fom
(funis). — Höchst sonderbar ist üina aus üna, Val Soana tribüina,
öalüina.
58. Labiale. Zunächst ist hier m zu nennen. Im
Katalanischen, Südost französischen und einem noch
näher zu bestimmenden Teile des provenzalischen Sprach-
gebietes wird wwö, zum Teil auch umus zu oma, om, vgl. kat.
ploma, hroma, flom, om (humidus), rouerg. plumo, wald. pluma,
dauph. pluma, neuenb. pyöme, pröme (^pruma statt pruna), waat.
plaöma, praöma, wall, plöma. — Dann im Emilianischen
auch vor t', &; romg. ova, sohit, lov = ital. lupo. Vereinzelt
ist eng. iuver, ital. sovero, portg. sovro = lat. süher. Sonst ist i
für ü vor Labialen häufig: nivolum für mibila gehört Südfrank-
reich und Oberitalien an : nprov. nivol, nivtt, piem. nivul, Monaco
nivnre, friaul. niul (aber eng. nüvel), auch ven. niola. Sodann
im Lombardischen: mail. nivola, sihbi, pav. sibi, zifol, trifola,
nivol, tessin. tartifu.
59. Vor 7?. Im Wallonischen wird ur zu (b: dqßr,
mmr, verdrer, mauor (wegen p statt « vgl. § 61). Auch loth-
ringischen Mundarten ist dies nicht fremd: dyq'., dycer (durus)
in MUnsterol, g(fr (juro) in der Nähe von Metz, ebenso ädq^r,
meycer (matura). Man könnte annehmen, dafs nicht u, sondern
ü zn oe geworden sei : es wäre dies ein gewichtiges Moment dafür,
dafs im Wallonischen einst ü gesprochen wurde. Allein die
lothringische Form dt/^r weist darauf hin, dafs der Wandel von
dem palatalen Elemente des ü unabhängig ist, dafs dieses im
Gegenteil eher sich in diesem Falle loszulösen sucht. Von einem
dieser Dialekte ist cpr statt ür im XVI. Jahrhundert auch in die
Schriftsprache gedrungen. Jean Lefevre sagt in seinem Diction-
naire des rimes frauQaises (Dijon 1572, Paris 1588), dafs dur,
futur, ohscur, pur, mur, sur, azur mit ü und m reimen. Ebenso
ist an Stelle des afr. hure aus hfityrum im Nfr. heurre getreten,
was auch nur als Dialektform zu verstehen ist. — Auch in
Neuen bürg, wo sonst ü bleibt, zeigt sich m vor r; natur§, mu
78 I. Kapitel: Vokalismus. §59. — 61.
(murus), gur, ebenso Freiburg: dzuru, paßura neben mü
(murus). In Brian^on wird ül über ür zu üur: küur, müur.
Zwischen ü und gedecktem r entwickelt sieb im E n g a d i -
ni sehen e: mür, Plur. müers, üerla, inmerm.
60. Auch vor Velaren tritt i ein im Pro venzali sehen :
albig., rouerg. hiul, miol, montp. miola, Jceu, vgl. mioldts Milhau 1023
neben muolas 1023, Ariege pius§. So vor u im West rätischen,
wo utu über ütu zu iu wird, und zwar nicht blofs in den
Gegenden, in welchen ü auch sonst zu i wird, sondern auch im
Engadinisehen , wo ü bleibt. Dieses iu entwickelt sich weiter
wie das alte iu § 38. Mit der provenzalischen Erscheinung be-
rührt sich tessin. k iii (culus), niu (nuhilus) aus Jcül, kül, Tiüu, nüvol,
nüol, nüu.
Vgl. noch § 196 üeü, und § 283 aügua. Über rum.
nour (nuhilus) s. § 130.
61. u vor Vokalen. 1) In wallonischen, metzischen und
in Vogesen-Mundarten wii*d uta zu ow, w, nicht nur da, wo u
bleibt (§ 58), sondern auch in den w-Gegenden. Vgl. wall, hrow
(cruda), -ow (-uta), sow (sudaf) u. s. w. Aus üta entstand über
üa zunächst üva, indem also zwischen ü und a derjenige Kon-
sonant sich entwickelt, der dem ü, und zwar dem labialen
Elemente des ü, homorgan ist. Infolge dieser Verstärkimg des
labialen Elements, der Lipj)enartikulation bei ü nimmt dui-ch
eine Art Assimilation die Zunge nicht mehr die i-Stellung an
bei Bildung des Vokals, sondern eine der Lippenstellung analoge
Lage, die M-Lage. Auch altes üva wird so behandelt: cotves
(frz. cuves), etewes (wohl nur vei-sehrieben öder v erlesen = etuves)
bei Phil, von Vigneulle. Der Wandel von uw zu otv entspricht
dem von ii zu ei § 32. — Auch das u in maturus scheint sieh
im Wallonischen so zu entwickeln : aus maur entstand mavor,
daraus mawor : dieses o konnte vor r nicht mehr zu ce. werden. —
Endlich Südostfrankreich zeigt u im Hiatus: tarant.
verrua = Verruca, maura, ekuella, ruina, suau = sudore, bagn.
varuye, ts§ruye.
Vgl. Altenburg 2, 16 ff.; Horning, Fr. Stud.
V, 481; This 27; Horning, Ztschr. XI, 264 ff.
2) In Bayonne wird una über üa zu ibe: Übe = luna, pribe.
In Fourgs zeigt rio aus frz. rue, tsarieu == carruca, varieu= Verruca
§ 61' — 63. ^ beeinflufst durch folgende Laute. 79
eine ähnliche Entwicklung. Das eu ist wohl = f zu fassen :
*nia, üie, uig, if. — In Bergamo Avird tiva zu üa imd daraus cea.
62. üi wird zu ü reduziert im Lothringischen. Die
Schreibungen: nuis (nudos) Guerre de Metz 257 b^ feruit 269,
hui (hustum) 292 c u. s. w., verluit haluire im Dial. an. rat.,
Ysop. u. s. w. bezeugen die Gleichheit von ü und üi, ebenso
Reime wie niie : apue Jonh. 1154, und damit stimmen die heutigen
Dialekte Lothringens überein, die alle kein üi mehr sondern
einfaches ü haben, z. B. ködür, frü, 1ü, hrü, für (fügere), pdü
(pertuis) u. s. w. Dieselbe Reduktion zeigt das Anglonor-
mannische; das aus üi reduzierte ü kann dann wie das alte
zu u werden: tuz : destruit Gaimar 1947, Mes : destrutes Edw.
4467, doch könnte auch oi zu o zu Grunde liegen, ebenso
verhält es sich mit owit Woll. Ch. 4, 5, Codnor 1277. Chardri
bindet üi : ü im Auslaut und vor r P. P. 1, 297, nie üit : üt.
Am frühesten, auch bei rein reimenden Dichtern, wie Beroul,
wird uis (ostium) zu üs: das s hat wohl das i absorbiert. — Im
Zentralfranzösischen bleibt ui , verschiebt aber den Ton
u{: suis, conduire, ebenso ui aus p + * (§ 190) aujourd'hui, Jiuit.
Aber lui, luire, nuire, cuir, buist, nuit, puits, huile: es scheint,
dafs je nach dem folgenden oder vorhergehenden Konsonant ver-
schiedene Behandlung eintritt. Das u ist dem Labial assimiliert
in vide, tremie, neben welchem freilich muid, muire bestehen;
lutte ist wohl von hittc'r aus zu erklären. Im Afr. steht üi meist
in M-Assonanzen : Charl. 185, 202, 203 u. s. w., doch fehlt es
auch nicht in i-Reihen : acompli: lui Jourd. 2567, conquis: puis
Ron. nouv. 1009, Chardri estuide: Ovide S.D. 52 u. s.w. s. Aniel
XXIV., Ch. n esp. XLin. — Beachtenswert ist der Übergang
von üi zu ui in Possesse : suit', lui, hrui.
Zum Anglonormannischen vgl. S t ti r z i n g e r. Ort. Gall 46.
63. Kürzung vor mehrfacher Konsonanz tritt ein
in poct = *puttus, putidus^ das dem ganzen Osten Frankreichs,
Lothringen, Champagne, Franche-Comte , Burgund u. s. w. an-
gehört. Ferner waat. dz^dso (3ugc)\ Jujur. mela (miüa), lyena,
plema, tatera (toiture), mesera , dreva (drue). Sodann im Bol.
und Romg. mott (mutus), sohl (ital. suhhia), incoz^ (incudine) und
in den gelehrten astoeia, fidozia, minozia, polza (pulicc), null,
80 I- Kapitel: Vokalismns. § 63- 67^
sott (asciuUo), loss (lusso), pozsa, agozz^ moscul, oral (urlo) u. s. w.
Im Berg am. gcest, rcesca, roboest, hoest, hroett, tmt, agnossdei, vgl.
püettane, loettdr, cemel, soehet, stcedia. Dasselbe gilt für Crema.
2. Einflufs vorhergehender Laute.
64. Nasale. Wie m zu nl Avird, so auch nü zu nü in
Lahague : nü (nullus), mu (murus), Ptc. venu, venüe. Im Osten, wo
sonst ebenfalls % erscheint, ist ü bis jetzt nicht nachgewiesen.
65. Palatale, m wird * im Rumänischen : tnchide (mdudit),.
ingliHe (ingluttit), doch könnte der Wandel ursprünglich der ton-
losen Silbe angehören; im Tessin. fim (flumen)'^ in dem piem. pi
(piü) kann die Tonlosigkeit mit im Spiele sein. — Frz. §ü zu os:
Jujurieux §oer (securus), vyce (vu), Jcroe, sce (su und suremi), Jconyoe^
mce (maturus), aber setü u. s. w., Lahague: mm (maturus), soe,
äloere (aber verdüre), Haute Maine : vce, scer.
66. Durcli Oxytonierung wird ü zu Oß im Badio-
ti sehen, vgl. die Ptc. oroe (*volutus), podoe, odce, ferner toß,.
ploe, See (ital. giü), soe, neben büs, cü (aus cül), dütt (tutto), cürt
(§ 52), freilich auch crü (crudus), agü. Hieher gehört wohl auch
plam, vindu, vunu, hressu, cru neben mür, lüna, lüs in Poschiavo.
Auffällig sind aber nud, uga. Romg. wird u im Auslaut zu
halboffenem o: pig, so, virto.
d) Einzelheiten.
67. Neben den regelmäfsigen Vertretern von ü in suddus
stehen nun noch ital. sozzo , frz. sourge, span. soez, die ein
socidus oder syicidus verlangen. Es ist denkbar, dafs sttcidus
schmutzig an sus , S'i^is angelehnt wurde, wie spurcus a.n porcus
§ 146. Dunkel ist ital. lordo, prov. Jort, frz. lourd mit u statt o.
Dafs auch span., portg. lerdo schwei-fällig dazu gehöre, ist kaum
anzunehmen, da dann das portg. Wort aus dem Spanischen ent-
lehnt sein müfste, und aufserdem noch ein dritter Typus : loridus
gefordert würde.
Ein schwieriges Wort ist frz. aiguille aus acucula, woraua.
zunächst §güle, entsprechend ital. guglia, span. aguja, prov.
agulha; so lautet es auch im Afr., vgl. aguüle: Puille Fl. Bl.
1819 B. Es hat nun die Existenz eines häufigen Suffixes üe
neben dem einzigen üle und das sinnverwandte aiguiser eina
§ 67, 68.
E, i im Sardinischen.*
81
Entwicklung zu aigüille hervorgerufen, während sonst aus f kein
i hervorgeht.
So Gröber, Miscel. di til. e. lingu. 39, vgl. Förster
und Suchier, Ztschr. HI, 515, 626.
In portg. lagoa, lion. lona (lacuna) ist das seltene una durch
das hUufigere ona ersetzt. — In afr. alcuen, chascuen ist unus
mit homo vertauscht, ebenso agen. ognomo Arch. Glott. X, 159. —
Rumänisch soc aus sahücus ist aufftlllig, weil sonst im Eumä-
nischen au bleibt (§ 281). — Endlich in span. sahueso Duero ist
nicht w wie o behandelt, sondern ui aus wsj, uri zu üe, ue
geworden. — Unklar bleibt ital. pqmice, frz. ponce, span. pomez
neben lat. pümex.
3. Vulgärlateinisch E = schriftlateinisch E, I.
68. Wie schon § 26 bemerkt worden ist, besteht zwischen
schriftlat. e und t fürs Romanische kein Unterschied : der Laut,
in dem sich beide vereinigten, ist ein geschlossenes e. Nur die
zwei Hauptmundarten Sardiniens, das Logudoresische imd
das Campidanesische halten die schriftlateinischen Qualitätsunter-
schiede fest und geben ? durch i, e durch e wieder, wogegen
die nördliche Mundart von Gallura sich dem gemeinromanischen
Brauche anschliefst. Wir haben also :
Camp.
me
aeedu
arena
seu
veru
Log.
me
agedu
arena
seu
veru
Gall.
me
azedu
arena
seu
veru.
Camp.
telu
nii
pizi
pilu
pira
Log.
telu
nie
piglie
pilu
pira
Gall.
telu
nebi
pezi
pelu
pera.
Camp.
sidi
fridu
P'^i
sikku
trinta
Log.
sidis
friddu
piske
silcku
trinta
Gall.
seddi
freddu
pe§u
sekku
trenta.
Camp.
birdi
pibiri
Unna
-iscu
-issa
Log.
hidru
pibere
Unna
-iscu
-issa
Gall.
vetru
pebaru
legna
-escu
-essa.
Über einen Unterschied zwischen
folgenden Vokal s. § 81.
Meyer, Grammatik.
e und e je nach dem
82 I- Kapitel: Vokalismus. g 69, 70.
69. Sehen wir vom Sardischen ab, so bilden die anderen
romanischen Sprachen in der Behandlung des e drei grofse
Gruppen. Das e bleibt bewahrt im Osträtischen, Italienischen,
Südfranzösischen und Spanisch-Portugiesischen. Es wird zu % im
Sizilianischen, Calabresischen, Apulischen, in Lecce und Arnesana
marittima, aber schon nicht mehr in Tarent und in Senise (Basi-
licata). Endlich freies, seltener gedecktes e wird e% im Nord-
und Südostfranzösischen , Piemontesischen , Genuesischen und im
südlichen Emilianischen, ferner im West- und Zentralrätischen,
schliefslich in Veglia, im Rumänischen und an der Südostktiste
Italiens von Molfetta an bis tief in die Abruzzen hinein. Dieses
ei hat sich dann weiter zu aj, oj, of, oa, seltener zu f oder *
entwickelt. In hohem Mafse ist dann e dem Einflufs umgebender
Laute, namentlich der folgenden tonlosen Vokale unterworfen.
70. Es gestaltet sich also die Geschichte des e zunächst
folgendermafsen :
Lat.
ME
TE
SE
QUID
TEES
ßum.
—
—
—
ce
trel,
Engad.
me
te
se
h'e
trais
Ital.
me
te
se
che
tre
Afr.
mei
tei
sei
queid
treis
Span.
me
te
se
que
tres
Sizil.
mi
ti
si
U
tri.
Lat.
ACETU
SECRETÜ
-ETU
*QUETÜ
CITO
Rum.
—
secret
-et
incet
—
Engad.
asaid
—
-ait
quait
—
Ital.
aceto
segreto
-eto
cheto
cetto
Afr.
§ 105
—
-eit
queit
—
Span.
—
—
-edo
quedo
cedo
Sizil.
acitu
—
-itu
kitu
—
Lat.
BETE
*PARETE
-ETIS
SITI
GRETA
Rum.
—
parete
-e0
sete
§ 83
Engad.
arait
parait
-ais
sait
— ^
Ital.
rete
parete
-ete
sete
creta
Afr.
reit
pareit
-es
seit
creie
Span.
red
pared
-edes
sed
greda
Sizil.
riti
—
•iti
siti
crita.
§ 70.
Vulgärlateinisch E.
83
Lat.
META
MONETA
SETA
CREDIT
MERCEDE
Eum.
—
—
crede
Engad.
maida
munaida
saida
craia
Ital.
meta
moneta
seta
crede
mercede
Afr.
meie
moneie
seie
creit
§ 105
Span.
gal. meda
moneda
seda
cre
merced
Sizil.
—
munita
Sita
cridi
—
Lat.
VIDET
FIDE
THECA
PLICAT
FRICAT
Rum.
vede
§ 83
§ 83
§ 83
Engad.
vaia
fe
tai§a
plai§a
—
Ital.
vede
fede
—
§ 105
frega
At'r.
veit
fdt
teie
pleie
freie
Span.
ve
fe
—
llega
frega
Sizil.
vidi
fidi
—
TciJca
friJca.
Lat.
STBIGA
RIGAT
LIGAT
RECIPIT
PIPER
Rum.
—
—
§ 83
—
—
Engad.
{Stria)
—
—
aröaiva
paiver
Ital.
strega
—
lega
riceve
pepe
Afr.
—
—
leie
§ 105
peivre
Span.
—
rega
—
recehe
pebre
Sizil.
striga
—
liga
riöivi
pipi.
Lat.
PRESU
PESU
TESU
MESE
PAGESE
Rum.
—
§ 108
—
—
Engad.
praisa
—
—
mais
—
Ital.
preso
peso
teso
wiese
pacse
Afr.
—
peis
—
meis
§ 105
Span.
preso
peso
teso
mes
§ 105
Sizil.
prisii
pisu
tisu
7nisi
paisi.
Lat.
-ESE
MESA
TESA
FECIT
BERBECE
Rum.
-es
§ 83
—
fece
herhece
Engad.
-ais
maisa
—
—
obw. barbei§
Ital.
-ese
mesa
tesa
fece
(herbice)
Afr.
-eis
meise
tme
prov. fetz
(brehis)
Span.
-es
ynesa
—
portg. fez
—
Sizil.
-isi
—
—
fici
6*
—
84 I- Kapitel: Vokalismus. § 70,
Lat.
LICET
PICE
VICE
LEGE
REGE
Rum.
—
—
lege
Engad.
pai§
alai^
arai^
Ital.
lece
pece
vece
legge
re
Afr.
leist
peiz
veig
lei
rei
Span.
—
pez
vez
ley
rey
Sizil.
—
piöi
vidi
liggi
ri.
Lat.
-EBAT
SEBÜ
DEBET
CIBU
BIBIT
Rum.
—
seu
—
—
§ 108
Engad.
-aiva
saif
obw. dei
—
baiva
Ital.
•eva
sego
deve
—
heve
Afr.
-eie
§ 103
deit
beit
Span.
■ea
seho
debe
cebo
bebe
Sizil.
-ia
sivu
divi
divu
bivi.
Lat.
NIVE
VEEU
-ERE
SERA
CERA
Rum.
§ 104
§ 108
§ 83
§ 83
—
Engad.
naif
vair
-air
saira
öaira
Ital.
neve
vero
-ere
sera
cera
Afr.
neif
veir
-eir
seir
§ 105
Span.
(nieve)
vero
•er
sera
cera
Sizil.
nivi
Viru
-iri
sira
öira.
Lat.
SPBKAT
PIRA
VELU
-ELE
CELAT
Rum.
—
§ 83
—
—
Engad.
—
—
vail
—
—
Ital.
(sp§ra)
pera
velo
-ele
(c§la)
Afr.
espeire
peire
veil
-eil
ceile
Span.
espera
pera
velo
-el
—
Sizil.
—
pira
vilu
-ili
—
Lat.
CANDBLA
MUSTELA
TELA
PILU
STILÜ
Rum.
§ 83
—
§ 108
Engad.
Ti'andaila
müstaila
taila
pail
Ital.
ca/ndela
—
tela
pelo
stelo
Afr.
candeile
mosteile
teile
peil
—
Span.
—
—
tela
pelo
—
Sizil.
cannila
—
tila
pilu
—
70.
Vulgärlateinisch E.
85
Lat.
FRENTJ
PLENÜ
RENES
ARENA
AVENA
Rum.
§ 94
§ 94
§ 94
—
—
Engad.
frain
piain
—
—
avaina
Ital.
freno
§ 105
rene
rena
vena
Afr.
frein
plein
rein
areine
aveine
Span.
freno
Ueno
—
arena
avena
Sizil.
—
pinu
rini
rina
—
Lat.
CATENA
*8TRENA
VENA
MINUS
SINU
Rum.
—
—
—
Eiigad.
k'adaina
—
vaina
main
sain
Ital.
catena
strenna
Vena
meno
seno
Afr.
chaeine
estreine
veine
meins
sein
Span.
cadena
strena
vena
meno
seno
Sizil.
catma
strina
vina
minu
—
Lat.
CINEKE
MINAT
MINA
RACEMÜ
REMU
Rum.
§ 94
§ 94
—
—
—
Engad.
dendra
—
—
—
—
Ital.
cenere
mena
mena
(racimoloj
remo
Afr.
cendre
meine
—
§ 105
—
Span.
—
mena
almena
—
remo
Sizil.
—
mina
—
—
rimu.
Lat.
SEMEN
FIMUS
TIMET
CICINÜ
SEMITA
Rum.
—
teme
—
—
Engad.
§ 99
§ 99
—
§ 99
Ital.
Seme
teme
cecero
semita
Afr.
—
(ßens)
teint
§ 105
sente
Span.
seme
(hienda)
teme
—
senda
Sizil.
simi
—
timi
—
—
Lat.
RIGIDU
PRIGIDU
DIGITU
VIDÜA
PEMINA
Rum.
—
—
—
—
Engad.
—
fraid
daint
vaidgua
§ 99
Ital.
—
freddo
(dito)
vedova
femmina
Afr.
reide
freide
deit
vedve
femme
Span.
redo
§ 44
dedo
§ 102
hembra
Sizil.
ri^gidu
friddu
ditu
vidiia
fimmina.
86
I. Kapitel: Vokalismus.
70.
Lat.
TBEDECl
SEDECI
NITIDU
PILICE
CILIU
Rum.
—
—
neted
ferece
—
Engad.
tredeä
seideS
obw. neidi
felis
—
Ital.
tredici
sedici
netto
felce
§ 84
Afr.
treize
setze
nä
—
§ 105
Span.
trece
—
neto
—
cejo
Sizil.
tridiöi
sidiöi
nitidu
fdiöi
diggyu.
Lat.
CONSILIU
MILIU
MIEABILIA
TILIA
INVIDIA
Rum.
—
meiu
—
teiu
—
Engad.
cusait
mail
§ 85
—
—
Ital.
§ 84
§ 84
§ 84
§ 84
inveggia
Afr.
consel
mel
mervek
tel
Sveie
Span.
consejo
§ 84
maravella
—
—
Sizil.
Tcussiggyu
miggyu
maraviggya tiggyu
—
Lat.
COERIGIA
FEEIA
VIBIA
VITIÜ
VICIA
Rum.
curea
—
—
§ 108
—
Engad.
—
—
-
vezz
—
Ital.
coreggia
(fiera)
(viera)
vezzo
veccia
Afr.
cureie
feire
—
*vez
vece
Span.
correa
—
—
vezo
veza
Sizil.
curria
—
—
—
vizza.
Lat.
-ITIA
CEEEVISIA
-ICLO
SITLA
STBIGILE
Rum.
§ 83
-echiu
—
Engad.
etsa
—
§ 85
§ 85
§ 85
Ital.
-eeza
—
-ecchio
secchia
stregghia
Afr.
-esse
cerveise
-el
sele
§ 84
Span.
-eza
cerveza
-ejo
seja
—
Sizil.
-izza
—
-ikJcyu
sikkya
striggya.
Lat.
PESILE
FLEBILE
VITTA
SAGITTA
NIGBU
Rum.
—
—
§ 106
negru
Engad.
—
flaivel
—
—
ner
Ital.
pesole
§ 105
vetta
saelta
nero
Afr.
pesle
fleivle
—
saette
neir
Span.
—
—
veta
saeta
negro
Sizil.
—
—
vitta
saitta
niuru.
^ 70.
Vulgärlateinisch E.
87
Lat.
VITEÜ
PÜLLITKÜ
JUNIPEBU
CICBR
LITTERA
Rum.
—
—
dzuneapine
—
—
Engad.
vaicler
(puleder)
gnaiver
—
—
Ital.
vetro
polledro
ginepro
C{'ce
lettera
Afr.
vedre
—
geneivre
ceire
lettre
Span.
vedro
—
enebro
—
letra
Hizil.
vitru
piidditru
jiniparu
didiru
littra.
Lat.
MITTIT
SICCÜ
CIPPU
MISSU
SPISSU
Rum.
trimet
sec
—
—
—
Engad.
mctta
seh'
depp
mess
spess
Ital.
mdte
secco
ceppo
messo
spesso
Afr.
met
sec
cep
mes
espes
Span.
mäe
seco
cepo
meso
espeso
Sizil.
mitti
sikku
cippa
(misu)
spissu.
Lat.
STELLA
-ILLU
ILLE
PINKA
TECTÜ
Rum.
§ lO'l
—
cel
—
Engad.
staila
-e
öel
—
tett
ItaL
Stella
-ello
egli
penna
tetto
Afr.
esteile
-el
el
penne
teit
Span,
estrella
-ello
el
pena
tecTio
Sizü.
stiddu
-iddu
iddu
pinna
—
Lat.
BENEDICTU
STRICTU
IPSE
METIPSIMU
EIXA
Rum.
—
—
§ 94
—
—
Engad.
—
streit
sezz
—
—
ItaL
henedetto
stretto
esse
medcsimo
rcssa
Afr.
benedeit
estreit
es
medesme
—
Span.
—
estrecho
—
mismo
pg. reixa
SiziL
hinidittu
striitu
issu
—
rissa.
Lat.
CRESCIT
PISCE
ISTE
PISTAT
CRISTA
Rum.
creste
peste
acest
—
§ 83
Engad.
Icraisa
X>e§
—
—
Jcraiäta
ItaL
cresce
pesce
esto
pesta
cresta
Afr.
creist
—
est
peste
creste
Span.
crece
pez
este
—
cresta
Sizil.
Icriäi
piäi
isti
pista
hrista.
I. Kapitel: Vokalismus.
§ 70.
Lat.
CRISPU
ESCA
VISCU
MAGISTER
CAPISTRU
Eura.
—
§ 83
§ 108
maiestru
cajjestru
Engad.
—
aäk'a
—
—
k'avaister
Ital.
Crespo
esctt
vesco
maestro
—
Afr.
cresp
esche
S. 89
maestre
chevestre
Span.
Crespo
Msca
arg.&esgwe
maestro
cabestro
Sizil.
— .
isTca
visTiu
maistru
capistru.
Lat.
ClECAT
VIBGA
VIRGO
HIEPEX
VIRDIS
Rum.
§ 83
§ 83
vergura
verde
Engad.
derca
—
—
ierpi
verd
Ital.
cerca
verga
vergine
erpice
verde
Afr.
cerche
verge
§ 67
herse
vert
Span,
cerca
verga
S. 25
—
verde
Sizil.
öirha
virga
vir^ini
—
virdi.
Lat.
FIRMU
SILVA
LIMBU
MINTA
VENDERE
Rum.
—
—
—
§ 94
Engad.
ferm
selva
—
—
vender
Ital.
fermo
selva
lembo
menta
vendere
Afr.
ferm
—
—
ml'te
vedre
Span.
S. 89
selva
—
menta
vender
Sizil.
ß'mu
Silva
limmu
minta
vinniri.
Lat.
FINDERE
TRIGINTA
VINCERE
FINGERE
LINGUA
Rum.
—
— .
Engad.
fender
trenta
vainder
§ 117
Ital.
fendere
trenta
§ 95
§ 95
§ 95
Afr.
fedre
trete
venire
fendre
legue
Span.
hende
trenta
vence
—
lengua
Sizil.
finniri
trinta
vinci
finöi
lingua.
Lat.
REGNU LIGNU
Rum
l.
lemn
Engad. —
lenn
Ital.
regno
legno
Afr.
(regne) levie
Span. reino
leno
Sizil
(regnu) linu.
{< 70, 71. Vulgärlateinisch E. 89
Weitere Beispiele sind noch lat. vix: rum. ahie, obw. vess,
asp. abes; lat. anetum: ital. aneto, span. eneldo; sedes: portg. se,
sen. sede; lat. Situs: ital. sdo; lat. Tieres: afr. e«V; vulglat. alenat
(halenat):- ital. älcna, frz. haieine; Suffix ital. -fffo, frz. ci; opo-
theca: ital. hoitcga, ital. satoreggia, puleggia, remeggia, cmpio;
span. manceho, portg. enseia (insidia), span. smrfo (singulo); rum.
burete, obw. hulieu u. s. w. Zu dem Verzeichnis ist noch einzelnes
zu bemerken. Suffix -eZ findet sich im span. fiel Zünglein an der
Waage von lat. fidelis, zu gal. meda gesellt sich span. medano.
Rum. otet piper sind nicht erwähnt, weil beide nicht direkt aus
dem Lateinischen stammen, sondern jenes zunächst aus dem
Slawischen, dieses aus dem Griechischen. Auffällig ist rum.
cih = cibus. — Viscns und firmus sind hier aufgeführt, nicht
§ 31, weil die Mehrzahl der romanischen Formen j verlangt.
Das frz. gui scheint zwar auf i hinzuweisen, ist aber auch in
seinem Anlaute aiiffällig: vgl. daneben poit. Ariege besh, champ.
voU, gase, beö'^ ital. viscido ist gelehrt, vgl. dagegen rum. vested. —
Gegenüber fermo u. s. w. steht span. firme firmes, das noch be-
stätigt zu werden scheint durch das nicht seltene FIRMVS latei-
nischer Inschriften CIL. TV, 175; VI, 1058. Allein die Sache
ist doch bedenklich , da span. firme auch wegen seines f nicht
Erbwort sein kann. — Neben benedictus ist auch diüus durch ital.
detto, asp. decho declia, wall, det, wallon. deit gesichert; daneben
sind frz. dit, span. dicho Neubildungen.
Unklar ist ein ei aus e im Portugiesischen : teiga
manteiga taleiga (das wegen l nicht alt sein kann),
ve'iga, teima.
a) Spoutaue Weiterentwicklungen des ei,
71. Während e und i aus c sich nicht weiter verändern,
hat ei die verschiedenartigsten Schicksale. Soweit bis jetzt be-
kannt ist, bleibt es in Oberitalien meist bestehen, ob als {?«"
oder ei, geht aus den Wörterbüchern nicht hervor. Also
piem. seia peiver peis seira -ei teila
gen. — peivie peizu seia -ei teia
bologn. seida — peis § 105 -ei teila.
Beachte aber bol. bever, creder und paver.
90 I- Kapitel: Vokalismits. § 71^ 72.
Die geographische Ausdehnung des ei bedarf genauerer Unter-
suchung. Im Nordwesten greift es noch in das südfranzösische
Sprachgebiet hinein : in Val Soana, das sich durch die Bewahrung
der auslautenden Konsonanten durchaus vom italienischen Typus
trennt, erscheint hier wie in anderen Fällen piemontesischer
Vokalismus : kei, seif, peis, veira, -ei, teila ti. s. w., in Savoyen
z. B. in Bonneville (Paucigny): rci, avei , recevei (doch auch
povai) , doch scheint das vereinzelt zu sein ; weiter südlich hat
Nizza, Sospello ebenfalls ei, Mentone, Monaco dagegen e. Östlich
umfafst ei Alessandria, Bobbio, nicht Pavia, zieht sich dann aber
mehr in die Bei'ge zurück, so dafs es in Parma xmd Reggio
d'Emilia und in den tiefer in der Ebene liegenden Ortschaften
wie Guastalla, Poviglio nicht mehr erscheint. Dann scheinen die
südlichsten Punkte der Diphthongierung Correggio, Carpi, Cento
zu sein, aber nicht mehr Crevalcore. Über Bologna hinaus reicht
ei kaum : in Imola tritt schon das c auf, das auch der Romagna
eignet. Endlich zwischen der Lombardei und dem Piemont
scheint die Sesia die Grenze zu bilden. Während also hier
freies ei bewahrt bleibt, hat es sich bei den aus dieser Gegend
(Novara ?) stammenden Galloitalikern Siziliens zu ai entwickelt :
avair, arsaira, trai (tres), azai, das vor Kons, zu a vereinfacht
wird : täla, sara (seta), tsara (cera), sav, maz (mese), arana.
72. In Nordfrankreich zeigt das älteste Sprachdenkmal,
die Strafsburger Eide, i: savir, mi, quid, podir^ dift neben dreit.
Man hat hierin nicht i, sondern eine unvollkommene Wiedergabe
von e oder ei zu sehen, die sich auch in den Merowingerurkunden
mehrfach findet. Für die drei Laute e, c oder ei, i besafs die
Schrift nur zwei Zeichen: e und i, jenes zunächst e, dieses zu-
nächst i bezeichnend. Für e wurde in historischer Schreibweise e
und i festgehalten. Wollte man nun aber für den einen Laut e
nur ein Zeichen anwenden, so lag i mindestens ebenso nahe oder
sogar noch näher als e, da c von i weniger absteht als von e.
Beachtenswert ist dreit. Die Verschiedenheit der Schreibung
drückt wohl nicht die Verschiedenheit der Grundlage aus, sondern
i vertritt den palatalen Spiranten, e wird durch e dargestellt, um
die Vermischung mit dem folgenden i zu verhindern, erklärt sich
also als graphische Dissimilation. Danach ist savir dreit nicht
t^ 72. EI zu Ol in Nordfrankreich. 91
als saveir dreit, sondern als saver dreht oder saveir dreiKt zu
lesen. Das Eulalialied kennt schon aiisschliefslich ei: sostendreiet,
concreidre, ebenso Jonas: haveir, saveiet, fereiet. Schon früh ist
daraus im Nordosten und Zentrum oi geworden , wie auch aus
dem in tonloser Silbe aus e + i entstandenen ei (§ 356). Das
älteste Beispiel ist noieds (necatos) Jonas 5 b , Soifridus Meuse
1078, Gall. Christ. XIII instr. 562, Fontois, Meurthe et Moselle
1096, ib. instr. 566. Um den Wandel zu verstehen, ist zu be-
achten, dafs er auf sehr vielen Gebieten vorkommt (vgl. z. B.
§§ 32, 77, 78), dafs er aber im Eomanischen beschränkt ist
auf dasjenige ei §i, welches auf e zurückgeht, während das aus
a -\- i entstandene sich stets zu p entwickelt. Ferner zeigt uns
das Französische , dafs der Accent nicht im Spiele sein kann :
soissante neben six, poitrine neben pig. Infolge von Dissimilation
mit dem zweiten Bestandteile wird ei zu p. Von ai unterscheidet
sich ^i nicht nur dadurch, dafs das Ansatzrohr für den ei'sten
Teil des Diphthongen enger ist, sondern namentlich, dafs die
Enge am Gaumensegel gebildet wird. Dadurch ist ein Über-
gleiten zu d (velarem a) und schliefslich mit noch stärkerer
Dissimilation zu p ermöglicht. Diese letztere Stufe liegt vor in
hruellois: cors Aiol 5295, aloit Jourdain 255 in p Tirade, auch
Chr^tien scheidet oi aus ei und gi nicht mehr. Dann wird bei der
Bildimg des zweiten Bestandteils die Zunge nicht mehr völlig
gehoben, aus gi entsteht p'g und daraus im Laufe des XUI. Jahr-
hunderts mit Tonverschiebung o§': voier (vei'wn) Tournay 1207,
moies Meurthe 1269 N.E. XVin, 130; estoet Laon Bib. ec. eh.
2 II, 238, hoais moais Oissery ib. 306, alle drei aus den Jahren
1256 — 1262. Diese Tonverschiebung gehört dem Osten und
Zentrum an, nicht der Pikardie und dem Wallonischen, daher
die pikardischen Dichter des XIII. Jahrhunderts nie oi mit einem
(.'-Laute binden. In der Ile-de-France hält Ruteboeuf ebenfalls
beide Laute auseinander, wogegen der Renard, der Rosenroman,
Gautier de Coincy, Christine de Pizan, Villon u. a. oi und ai
reimen: metrai: ofroi Ren. 4101; delai: roi 19131; moi: enformai
Rose I, 282; soi: sai I, 310 u. s. w. Damit ist schwer zu ver-
einigen die Bemerkung von Palsgrave : ^^Oi in the frenche tonge
hath IT diverse soundes, for sometyme it is sounded lyke as wo
sounde oy in these wordes „„a boye, a froyse, coye"", and suche
92 I. Kapitel: Vokalismus. § 72.
lyke, and somtyme tliey sound i of oy almost like an a. The
generali sounding of oi is suche in frenche as I have shewed by
example in our tong, so that these wordes oyndre joyndre poyndre
moitie moyen roy moy loy he sonnded with them lyke as we
wolde sounde them in our tonge." Also im Auslaut und vor Nasalen
spricht Palsgrave oi, im Inlaut vor Konsonanten aber oe, und damit
stimmt Erasmus überein ^ während H. Etienne moi tadelt. Es
liegt somit in den oben angeführten Reimen ein dialektischer
Zug vor. Meigret und alle folgenden verlangen aufser vor Nasalen
o§, d. i. u§. In Paris wird dann up weiter zu ua. Schon
H. Etienne 1582: „il ne faut pas moins eviter de prononcer
moas foas troas poas comme le menu peuple parisien", Beza
1584: „Corruptissime vero Parisiensium vulgus Dores 7i)MTtiaLoi'-
rag imitati pro wirre sive ut alii scribunt verre (vitrum), foirre
(palea farracea) scribunt et pronuntiant voarre et foarre itidem-
que pro trois (tres), troas et tras". Im Dialogue II, 311 aber
schreibt Etienne das oa auch dem Hofe zu : „quelques courtisans,
qui ont si bien apris de dire ainsin ä Paris, au lieu de ainsiy
qu'ils ne s'en peuvent garder: non plus que de dire troas moas,
qui est aussi de la prononciation Parisienne." Für einzelne
Wörter ist oa noch früher bezeugt. Zwar der Reim carre: poirre
bei Villon beweist nichts s. § 258, aber schon R. Estienne 1549
schreibt jJoaZe. Nur sehr langsam drang oa durch: Buffier 1709
tadelt es, La Lande 1730 spricht sich entschieden dafür aus,
doch schwankt das ganze XVIII. Jahrhimdert, namentlich im
Auslaut, in roi loi bleibt p fest, während vor r und S das a früher
anerkannt wird. Domergue 1805 verwirft oe völlig, aber noch
Lafayette 1830 soll in einer Rede Wf gesprochen haben, und
Dupuis 1836 will es in tonloser Silbe bewahren. Heute ist es
ganz verschwunden . In Mundarten aber hat es festen Bestand :
der ganze Osten, die nördliche Franche-Comte, Marne, ferner im
Westen Anjou bewahren die ältere Aussprache; wie es scheint,
ist nur Paris, seine nächste Umgebung, und Mundarten, die stark
von der Schriftsprache beeinflufst sind, zu ud fortgeschritten.
Unter noch nicht klargestellten Bedingimgen wird up zu f.
In der in hebräischen Buchstaben geschriebenen Elegie vom
Jahre 1288 erscheint et als 3. Sg. Impf. Nach Peletier 1549
wäre die Reduktion nach i eingetreten: „Nous pronouQons priet,
(< 72. J^I 2" Ol i" Nordfrankreich. 93
eriet etudiet, et toutes tierces personnes de l'imparfait indicatif
venant des infinitifs en ier, et toutefois nous ecrivons prioit,
etudioit: ne nous est permis d'en user autrement." Allein damit
kommt man nicht durch. Vgl. nfr. monnaie, täte, rem, claie, saie,
-aie neben soie, voie, lamproie. Zum Teil scheint die willkürliche
Mode des Hofes hier mafsgebend geworden zu sein. H. Etienne
1578 legt Formen auf e seinem Philausone in den Mund und
bezeichnet sie I, 68 ausdrücklich als die bei Hofe gebräuchlichen.
Schon zu Anfang des XVI. Jahrhunderts war f statt o§ ein-
gerissen, Guillaume des Autels 1548 und Pasquier 1572 erhoben
Einspruch dagegen, sie anerkannten nur reine, Imperf. und Kondiz.
in et\ Palliot 1608 klagt, dafs man rei spreche, Maupas 1625 erwähnt
droit, froid, estroit, crottre, croire, sois, soit mit {•, aber loi, foi,
roi, trois, mois, croise, hoire nur mit oi\ Patru 1674, De la Touche
1696, Buftier 1709 empfehlen § für die Umgangssprache, op fin-
den gehobenen Vortrag. Noch bis in die neueste Zeit hinein
schwanken einzelne Wörter wie roide; in einem Falle ist § heute
an Stelle eines alten o -{- i getreten : connaitre. Die ganze Be-
wegung für und gegen OQ — ^ bedarf noch sorgfaltigster Unter-
suchung.
U 1 b r i c h , Zur Geschichte des französischen Diphthongen
oi, Ztschr. HI, 385—394; Ph. Rofsmann, Fran-
zösisches oi, Rom. Forsch. I, 145 — 178; G.Paris, Rom.
XI, 604 — 609; We igelt. Französisches oi aus ei auf
Grund lateinischer UrJcunden des XII. Jahrhunderts, Ztschr.
XI, 85 — 106. Letzterer bringt noch ältere Beispiele als
die oben angeführten, sie sind aber zAveifelhaft. Hoya
Silva 1071 soll Haye ahd. Hac sein: dann ist es ein
Schreibfehler, da ai nicht oi wird ; Troieid, Troicul, Troiul
1093, 1096, 1106 = Trieux wird mit tricolum, triceolum
(D.O.) zusammengebracht, doch geht das nicht: Troicul
ist verschrieben oder verlesen für Troicul, dieses aber
stellt, wenn es dem heutigen Trieux wirklich entspricht,
*torctdos dar. — Über die Entwicklung ei — oi sind
verschiedene Theorieen aufgestellt. Schuchardt, Vok.
I, 466, Centralbl. 1877, 1253, Ztschr. IV, 123 spricht
einfach von Dissimilation : ei — ai — oi ; ebenso L ü c k i n g
204. — Ul brich 389 setzt an: Q'Ü, QOi, qce^ Qot, gct, oq
schliefslich ud. Dagegen ist manches einzuwenden. Wie
üi zu iXi nicht ui wird , so hätte doch wohl ccoe auch
nicht oös ergeben; sodann ist der Übergang von m zu e
im Französischen unerhört. Es besteht aber auch kein
94 I- Kapitel: Vokalismus. § 72 — 74.
zwingender Grund zu der Annahme : wenn im Mistere
de la passion 11247 seuf, 11590 soeuf statt soif ge-
schrieben wird, so kann das 0(K bedeuten, mit ö? statt e
unter labialem Einflufs, wie ffef=^feve § 270. Dafs zur
Zeit des Rosenromans oi noch nicht og sein konnte , ist
ein blofses Postulat; die Beispiele, die von Vei'wechslung
von oi und eu ue gegeben werden, beruhen teils auf
Schreibfehlern, Noitun\onNeptunus geht nicht ani* Neutun
zurück, sondern ist an noit (noctem) angelehnt, Vernoil
und Verneuil zeigen Suffixvertauschung u. s, w. —
G. Paris nimmt, gestützt auf noieds im Jonas, an, dafs
der Wandel zunächst in tonloser Silbe vor sich gegangen
sei. — Vgl. noch § 107 über Hornings Theorie.
73. Das oi bleibt, wie bemerkt, im Nordosten, vgl.
Ltittich : voi, manoi, im P i k a r d i s c h e n wird es zu o reduziert,
vgl. parole: estoile Adam de la Halle 308, veor, sot, prosie Chev.
n esp. XXXIX, daher denn auch die pikardischen Denkmäler
des XIII. Jahrhunderts nie oi mit einem e-Laut binden. Heute
z. B. in Arras: p>(^^o, fro, do, to aber noar ; Cambrais: avo, tro,
drola (droit-lä) ; Rouchi : fo, tro, do, fro. Ebenso das aus o -f- »
entstandene o: encore: glore, B. Condet 52, 199; S. Greg. Rom.
VIII, 39, Gregore: ore 131.
74. In West frank reich bleibt ei zunächst bestehen von
Treportan, auchBeauvais, und südlich von Paris, Chevreuse,Etampes,
Chartres kennen oi nicht, dann die ganze Xormandie, Maine, Touraine,
Anjou, Poitou. So haben wir in den altfranzösischen Texten der
Normandie durchaus ei. Dieses ei entwickelt sich dann weiter
über §i zu f, vgl. Bessin crere, vpe (videt), npr, p^r, oder e Montejan
(Mayenne) fre, ve, äe (cadere), se; ei bleibt z. B. in Louvigne
(Ile et Vilaine): ' feir, neir, pteile, pei (pilum), in Lahague: meis,
Tcreire, mei, heire, peivre, peis frei neben fe und dem auffälligen
seu (sitis). Die einfache Schreibung mit e begegnet schon in der
zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts in Urkunden, im Nord-
westen mit oi vermischt, das jetzt mehr und mehr vom Osten her
eindringt. Im Livre des Manieres sind ei und pi noch geschieden,
in Urkunden aus der Bretagne, Anjou n. s. w. wird aber seit
Mitte des XIII. Jahrhunderts häufig ai, ae geschrieben; in dem
poitevinischen Katharinenleben ist die vorherrschende Schreibung
ei aufser vor r, wo fast stets e erscheint. J. le Marchant schreibt
-eile, meitre, preistre, deren ei wohl f bedeutet.
^ 75, 76. ^I' EI im Pikardischeu und Normannischen. 95
75. Als eine eigentümliche Verquickung normannischer luid
französischer Form ist das oie westlicher Texte zu erwähnen.
Zwar in dolocre ftir deleoire Gr. Guiart I, 3620, ovro-er fllr ovre-oir
bei C4uill. Marcliant, wo nicht oi aus (', sondern aus Q -\- i vor-
liegt, und selbst in benoiete, maloiete aus heneoite, mäleoite Me. II,
424, 407 und in anderen Fällen Avird man einfache Umstellung
anzunehmen haben. Auch voicr aus veoir H. A. LXIV, 178, 150;
clioief in Berouls Tristan 2044 clwicr 1052 können so erklärt
werden, aber nicht mehr voier = verum Eon 449 C, savoier, troies,
avour Mi'm. ant. Norm. XVI, 957, a. 1281, so dafs man nun auch
an der Auffassung der frz. e — oi entsprechenden Belege zweifel-
haft wird. Soviel bis jetzt bekannt, kommen alle diese Formen
nur im Westen vor, d. h. nur da, wo e zu ei, nicht oi wird ; sie
fehlen auch den älteren Denkmälern dieser Gegend. Sie sind
daher wohl als eine Verschmelzung von oi und e zu fassen, die
auf eine das zentralfranzösische o§ nachahmende Aussprache hin-
weist: dafür spricht auch soair, voair, clioair bei Jean le Marcliant.
Vgl. A. Tobler, Ztschr. vgl. Sprachf. XXIII, 416 ff".,
wo die Beispiele für Umstellung gegeben werden;
Görlich, Fr. Stud. V, 362; Huber, H. A. LXXIV,
147 — 157, wo zahlreiche Belege und die Erklärung.
76. Ein drittes französisches Gebiet kommt von ei zu ft f
bezw. aij a, a, o: der ganze Osten von Savoyen, wo ei zum
piemontesischen ei hinüberführt, bis nach Lothringen. Die älteste
Form hat sich selten erhalten : in Bagnard avei, moteiya (mustela).
seiya (seta), dei (digitus), peivro, in Blonay (Waat) im Satzinnern :
le frei fevräi, aber le fenrei frai, im Wortinnern im oberen
Greierz: cräyo, päizo, täila, fäivra aber prä, fä (fei), sä (sepes),
im Neuenburger Seebezirk avei mei trei savei. — Sonst ist es zu
ä geworden am rechten Rhone-Ufer und im nordwestlichen Teile
der Waat : avä, täla, du, tsandäle, nä und zum Teil in Neuenburg,
p im unteren Greierz und Neuenburg; sodann in ganz anderer
Gegend in Rive de Gier: rp, tr§, dr{>, np (noir), aber fem. neiri;
in Auve de (dehet), set (sit) neben craire, dais. Eine Weiter-
entwicklung von e ist endlich ce Chezard (Neuenburg) : tcel, tcßs,
troß, pcRvre, — Weit gewöhnlicher ist ai in Savoyen zum Teil,
inVionnaz: etaila, d§vai, praiza, saya, paivr§, und so in Ormont,
Pays d'Enhaut, daraus endlich a im Rest der Waat, Freiburg
96 I- Kapitel: Vokalismus. § 76, 77.
(noch ai in Paroisse, Neuenburg, Jujurieux), dann z. B. in Fourgs :
sa, fra, na fnigerj, deva, aber auch hier im Inlaut die ältere
Stufe : paivru, naire (nigra) ; desgleichen Bresse : ma (mensis),
edra, fa, sava neben häre. In Lothringen gehen aufner nach
Labialen a und o nebeneinander: letzteres gehört mehr den
nördlichen Mundarten an, ersteres den südlichen, doch zeigt oft
dieselbe Ortschaft für das eine Wort a, für das andere o. Daraus
geht zunächst hervor, dafs hier zwei Dialektgruppen sich kreuzen,
und dafs vorläufig noch keine zum Sieg gelangt ist. Man könnte
das 0 aus a erklären : in Cugy und Haute-Broye wird a aus e
zu ä, daraus könnte sich o leicht entwickelt haben. Zweierlei
spricht gegen diese Annahme : der Mangel von ä in Lothringen
und die ebengenannten Mischungen. Das o geht vielmehr auf oi
zurück und ist daraus entstanden wie a aus ai: also gemeinsam
ganz Lothringen ist der Verlust des palatalen Elementes; die
Grundlage ist aber im Süden ai, im Norden oi, womit der Norden
ans Metzische und Wallonische anknüpft. Hier nämlich erscheint
ce, im Auslaut cei: Falkenberg doef, kroer, var, dcei, soei, Seraing
mce, poer, soe, vce, troe u. a. Die Grundlage für das Nordlothrin-
gische, Wallonische und zugleich für das Pikardische und Zentral-
französische ist oi, woraus nun entweder og' entstand, oder mit
Verschmelzung der beiden Elemente oe, öder mit Verlust des
zweiten p. Es ist denkbar, dafs, als oi bezw. m vom Norden
und von Metz her sich in Gegenden ausbreitete, die kein oi, os
hatten, sondern nur p, letzteres an Stelle von oi, oe trat: so
erklären sich die lothringischen Verhältnisse am besten. Für das
Pikardische ist das freilich nicht anzunehmen. — Die Reduktion
von oi auf o ist schon in den mittelalterlichen Denkmälern zu
belegen; vgl. die Reime: voe: hoe Prior. 9264: hloe 10731,
savor , avor, motei, doent 1255 Luxemburg N.E. XVIII, 46,
demoroent, seroent 1270 Meuse ib. 32 u. s. w. Weiter südlich
trifft man sie noch in Plancher les Mines: vove, no, hyoe (cleta),
croe, menoe, soe neben toie fteca), epo, roe (raie), motore (mustela),
ßandore, detrosse, aber poi (pilum), soi, soile (seille), roi, noige,
moidre (minor) neben sedre (cinere).
77. Der Diphthong ei scheint, wenn auch vielleicht nicht
überall in gleichen Bedingungen, einst über das ganze rätische
c< 77, 78. E im Rätischen. 97
(4ebiet verbreitet gewesen zu sein. Er hat sich heute aber nur
noch sporadisch erhalten in Dissentis, Waltensburg, Ilanz,* in
Tiefenkasten, in Ober-Bergell, in Tirol, in Vigo und Ober-Fascha,
dann in Ober-Comelico, Erto, am Tagliamento und an der Meduna,
in Carnien (Tolmezzo), Gemona, dann in Val Leventina, Mesol-
cina. In Poschiavo bleibt er noch vor d: seid, deit — save\ ner,
ivena, pel, im Auslaut in Liviuallungo : mei, cm, azd, sei, auch
Kciger, peiver, abers are, crada, vana, sada, k'amaza. Im Friaul, in
Tirol und auch im Domleschg und Schams tritt Reduktion zu
oder ^ ein, und so mag auch das § in Tessin auf rätisches ei
zurückweisen, in Judicarien nur vor r: §era, Vera, er, im Aus-
laut: az^, parp, r§, pp, d§, vor f: nef und in drittletzter: pevar,
veduf, sonst aber i: fida, Jc'ina, vina, tila, in, pil, pi§; auch
anderswo tritt e vor bestimmten Konsonanten auf. Ganz eigen-
artig ist die Konsonantisierung des i in Schweiningen und
Bergün : seJct = seit, stegla (Stella), segra, peJcs, nekf, -eJcr, sekf.
Auch das § 32 erwähnte sekundäre ei folgt: durmeJcr. In
Schweiningen scheint A; auf die Oxytona beschränkt: vekf, Fem.
veiv§, nicht aber in Samaden: vikf, vigva. Vgl. noch § 298. Die
gewöhnliche Weitei*entwickluug von ei ist die zu ai: sie erscheint
im Tavesch, dann im ganzen Engadin, Mtinsterthal ; in Greden und
Abtei im Auslaut, doch hier: särra, avanna, crada. In Brigels
(mitten im fi-Gebiet) tritt oi auf: noif, pois, sgit, stoila. Ganz
vereinzelt steht Clauzetto (Friaul) mit ia: siat, siaf, niaf, tria
und Forni Avoltri, Collina (Friaul) mit {o: siot, niof, plos, siof,
trio, für die wohl als Durchgangsstufen ei, |j, ij, ig anzunehmen
sind. Diese letzten Ausläufer führen hinüber zu den i von Pola,
Peroi, Dignano, Rovigno : cridi, vulir, tila, siro, viro, mis, pil u. s. w.
und zur dalmatinischen Küste, wo i ebenfalls vorzukommen
scheint, s. Arch. Glott. I, 434 Anm. 2.
78. Während in Veglia mit ai a: vaila, paira, maisa,
kaina, raid, sara, sata, ra, -are die Sache einfach liegt, bieten
die A b r u z z e n wieder eine grofse Musterkarte : das zu Grunde
liegende ei bleibt in Cerignola: affeise, vuleie neben maie, taie,
Francavilla: veite (*vjdere), seire, Montenerodomo : feice, seira,
Villa Santa Maria: seire, alle in den Abruzzen; gewöhnlich ist
auch hier ai, Bitonto: sapaive, taike, aber in drittletzter Silbe:
Meyer, Grammatik. 7
98
I. Kapitel: Vokalismus.
78, 79.
fem§n§, fasevene, Altamura: affaise, taie, Andria: tat, aveiva, velaif,
und so wohl in der ganzen Terra di Bari, ferner in Gessopalena,
Palen a, Bucchianico ; sodann oi in Agnone : voir (verum), avoi
neben sapaite. Endlich in Castelli (Abr. Ult. I) o: ro, avoie
(Impf.) davore, daneben : faummene, auss, aussa, vennautt (vendetta),
endlich avä (habere). — Schliefslich mag noch die Frage auf-
geworfen werden, ob ß aus e in Teramo : f§minen§, l^gge auf
altem ei beruhe, wie p aus o (flore) auf ou.
Unklar ist ia in Veglia: niar, viad, mias, sidp
(seppia), tiäk (tegula), viard, trianta, viassa (vece), deren
letzteres jedenfalls Lehnwort ist, wie s statt 7c zeigt. In
siap und den folgenden ist gedecktes e zu § geworden,
und dann gleich diesem weiter entwickelt, was freilich
in farme (firmet) nicht eingetreten ist.
b) Bedingte Veräuderungen.
1. Einflufs folgender Laute.
79. Durch folgenäes i, j, seltener durch M, u wird e zu i.
Der erste Fall, Umlaut durch i ist der am weitesten verbreitete :
ganz Nord- und Stiditalien, Frankreich, Spanien und Portugal
zeigen ihn. In Betracht kommen die 1. 2. Sg. Perf. , der Nom.
Plur. der lat. 2. Dekl., viginti, aufserdem in Italien das sekun-
däre, aus es, as entstandene i (§ 309). Als Vertreter für die
Verba mögen hier feci , presi genügen, für die Deklination Uli.
Mehr Beispiele wird die Formenlehre bringen, vgl. auch § 318 ff.
Lat.
VIGINTI
FECI
PBESI
-ISTI
ILLI
CEEDIS
Etxm.
feci
—
—
ei
cresi
Engad.
vaink'
—
—
—
el
craidast
Ital.
venu
feci
presi
-esti
egii
credi
Neap.
vinde
fide
pris§
-ist§
W§
Jcrite
Mail.
vints
fise
prise
-is
iyi
Tcrii
Frz.
vint
fis
pris
-is
il
crois
Prov.
vint
f%s
pris
-ist
il
eres
Span.
veinte
hize
prise
-iste
—
crees
Portg.
vinte
fiZ
—
-este
—
crees.
Im
Spanisch
en und
Portuffiesi
sehen v(
3rmag -i
nicht über
mehrfache Konsonanz zu wirken, wie span. veinte, portg.
-este
^ 79 82. ? beeinflufst durch folgende Vokale. 99
aus -fsti zeigen. Dagegen sind hier die moldauischen Formen zu
nennen: tru = trei aus trSs, i1, ist, eil.
80. Romanisches Hiatus-i wirkt umlautend im Italie-
nischen nur in der Verbindung sli: fischia, mischia, viscMo,
ischio (acsculum), aber schon senes. 7neschia] im Sjjani sehen,
Portugiesischen, Provenzalischen auch sonst: span.
jibia, limpio, vendimia, vidrio, cirio, portg. siha, limpo, vendima,
vidro, cirio, rijo, piso aus *p€silum, aber bei auslautend a semea,
femea, daher wohl nedeo nach nedea, hier auch tonloses i in den
gelehrten divida , dizima (aus p) ; prov. ciri , vendimia , gase, dihi
(debeo).
81. Bei folgendem u, i wird c zu i, bleibt dagegen bei a,
c, 0 in Süditalien, so in Alatri, Brindisi, in den Abruzzen, in
Campobasso und Neapel : es scheint zwischen der e stets be-
wahrenden Zentrumszone, der die Toskana angehört, imd der
südlichen i-Region eine mittlere mit bedingtem i zu stehen. Ob
in Umbrien einst i auch an auslautend u oder etwa nur an i
geknüpft war, bedarf noch der Untersuchung. Vgl. Alatri: cit§
(acetum), pinu, arberit§, 2. Sg. cridi, 1. Sg. credo, pir§, PI. xoera;
hivi 1. Sg. hevo 3. Sg. h€v§; firm§, ferma u. s. w.; Teramo: pil§,
nirg aber Iegg§, fet§; altneap. credo eridi, mese misi, acito, plinn,
minu, pepc u. s. w. Wie o wirkt der Ausgang der Neutra: M.
kiste, F. Jcesta, Xtr. Jcest§. Beachtenswert ist, dafs auch das
Sardische sich anschliefst : Icf^na neben vdenu, ebenso bei vulglat.
p; Jccrvii (acerbus), Fem. k§rva, hfne (bene), aber bcni (venis),
benneru (generu). Die Erscheinung findet sich auch in der Terra
di Bari, der Basilicata, Otranto u. s. w., wo bei -a, -o, -e die
§ 78 besprochenen Diphthongierungen auftreten. Campobasso
scheint i aus c vor u und i, e vor o, ei vor a zu bieten : dite,
deita, tre, trejja.
Nicht ganz klar sind Fälle wie apg. bescha (bcstiä)
neben bisclio, belegt Rom. XI, 82, da die Annahme, dafs
auch im Portugiesischen einst e — u zu i geworden sei, auf
grofse Schwierigkeiten stöfst, und es keineswegs erwiesen
ist, dafs bestia e hat, s. § 150.
82. Umlaut durch u ist selten. Portg. lingtia erklärt sich
nach § 95, span. mingua ist erst von minguar aus gebildet, im
Asp. lautet das Wort noch mengua (Cond. Luc. 368 b, B. Prov.
100 I- Kapitel: Vokalismus. § 82, 83.
26, 28 n. s. w.). Zu erwähnen ist aber das poi-tugiesische isto
Neuti'. neben esto Mask. Die männliche Form ist erst aus este
gebildet in Anlehnung an die anderen Maskulina auf o, istu
geht direkt auf istufclj zurück und hat wohl seinen Vokal be-
kommen in Verbindungen wie istu es vero u. dgl. : so begreift es
sich, dafs nur die Pronomina diese Form mit i besitzen.
83. Sehr stai-k ist das e von den auslautenden Vokalen im
Rumänischen abhängig. Das alte c wie ie (§ 150) wird bei
folgendem a, e, o zu ea, iea gebrochen. Die Brechung unter-
bleibt jedoch vor Nasalen (§ 94), es hat also der Nasal die
Wirkung des a, e aufgehoben. Noch heute ist dieses ea auf
dem ersten Elemente betont im Mazedonischen im direkten
Anlaut : easte, e'ärhä, e'adä, eapä , auch veaJdä , sonst, und in den
anderen Dialekten überall, ist es zu ed, im Moldauischen und
zum Teil im Mazedonischen zu id geworden, und zwar schon in
vorlitterarischer Zeit; Denkmäler wie Dosofteius Psalter zeigen stets
ia. Für ea wird in cyrillischer Schrift das Zeichen für langes e gesetzt,
in lateinischer teils ea, teils e. Es hat sich vor ä erhalten, abgesehen
von gewissen sekundären Veränderungen unter Einflufs folgender
oder vorhergehender Konsonanten § 104, 106, 108 ff. Vor e
bleibt es ebenfalls noch jetzt im Maz., vgl. das eben angeführte
easte, ferner kerdu 3. Sg. Jcearde, herbu 3. Sg. Iiearhe. Dafs es
einst auch walachisch gewesen ist, geht daraus hervor, dafs nach
Labialen, e — e ebenso zu a wird, wie e — a: dieses a verlangt
früheres ea. Nachdem dies Gesetz gewirkt hatte, wird ea — e
zu e — e vereinfacht. Diese Vorgänge fallen in die vorhistorische
Periode : das e ja der ältesten erhaltenen rumänischen Denk-
mäler vor e ist lediglich historische Schreibung. Die ersten
Belege der phonetischen Schreibung finden sich in moldauischen
und walachischen Urkunden des XVII. Jahrhunderts; auf Ver-
schiedenheit von e und ea weist auch der Umstand, dafs Dosofteiu
(1673) in seinem gereimten Psalter beide auseinanderhält : clasul:
ciasul 63, 1, säsald: ndvald 11, fala: sprejinealä 31, teamä: sama
64, 23 u. s. w., ebenso scheiden andere moldauische Schriftwerke
des XVII. Jahrhunderts zwischen ^ = heutigem e, ie, und
e = ea, ja = ia, oder e = e, ^ = ie, aber ja = ea, ia. Das
aus ea entstandene e wird aber auch streng von dem alten e
§ 83, 84. E im Rumänisdien. ' 101
getrennt, es mufs also wohl den Wert j3 besessen haben, den es
noch heute im Westen (Ungarn, Siebenbürgen, Banat, Bukowina,
Istrien und westliche Moldau) hat, wogegen es im Osten zu e
vorgerückt ist. In der Moldau und in Istrien ist auch ea vor a
zu c geworden. Grundsätzlich wurde die historische Schreibweise
ea für e verworfen von dem Grammatiker Väcärescül 1787. —
Fragen wir schliefslich noch, wie die Brechung zu verstehen sei :
hat a, e den Wandel von e zu ea hervorgerufen, oder haben ihn
ij u verhindert? Ich möchte das letztere annehmen. Wenn eine
Brechung von e zu ea unter Einflufs eines folgenden a leicht
möglich ist, so hat dagegen bei folgendem e derselbe Vorgang
sein sehr Bedenkliches. Nehmen wir dagegen als erste i-umä-
nische Entwicklung ei an, so wäre zunächst unter dem Einflufs des
i und folglich des u diese Stufe vor weiterer Trübung bewahrt,
ja sehr früh wieder auf e zurückgeführt worden 5 wo dagegen
keine Hinderung vorlag, wurde ei über ce weiter zu ea (vgl.
dazu § 78), später ed. — Wir erhalten also: creastä, jneapän
(juniperus), searä, teacä, ieamä, -easä, -ea^ä, deasa, dreaptäj
neagrä, seacä, leagä u. s. w., aber creste, ßnepeni, teme, -ese, -e{e,
dese; ferner mese (mensae), pese, verze, sagete, pene. — Fürs
maz. ia vgl. vTif.iviu.TL,u (dimniatä) Kav. 92, ßiaQyy.u 180,
x/iiiuoaa Dan. 27, hu/uve 1, aiüf.iivi'a 4 u. s. w. ; ebenso im
Moldauischen schon bei Dosofteiu: liage 1, 2, sedid 4, liagia 6,
viarde 12, criaste 14 u. s. w. Fürs Istrische: cäm^s^, f^^, cr§§t^,
Sfr§, cr^de. Icmne, ernste u. s. w. Dafs auch hier einst ea vorlag,
ergiebt sich aus tsaptir (pectine), tatsd (tacere), vgl. § 419, doch
möchte man geneigt sein, die Entwicklung ea über ^'e zu p
(nicht ed, id, ie, e) anzunehmen, da d sonst im Istrischen gegen
Einflufs eines vorhergehenden i ganz unempfindlich ist.
Die sehr verwickelten Verhältnisse des e im Rumä-
nischen hat, nach manchen Vorarbeiten anderer, gelöst
H. Tiktin in seinen vorzüglichen Studien zur rumä-
nischen Philologie 7, 1884 und Ztschr. XI, 56 — 68, wo
S. 59 die Entstehung von ea aus e anders aufgefafst
wird. Unklar bleibt maz. nyere aus mel neben Uiare
aus fei.
84. e vor Palataleu. Hieher hätten vielleicht die § 79
behandelten Fälle gezogen werden können. Vor f, vi erscheint
i im I tal i e n i s c h e n , ferner wenigstens vor f in französischen
102 I- Kapitel: Vokalismus. § 84, 85.
Dialekten, z. B. im Lyonischen, in S. Croix (Waat), im Pikar-
dischen, vor n im Spanischen vuid Portugiesischen.
1. Ital. : Corniglia, famigJia, cigUa, consiglio, striglia, tiglio
u. s. w. Wenn vigilat zu veglia wird, so ist dies durch vegghia beein-
flufst. — Vigna, gramig'na, Ivcignolo, mignolo.
2. Lyon : avilli (abeüle), viW, cornül'i, hottül'i, lltüle u. s. w.
3. Sainte-Croix : avile, Tcr§bil!e, orile, während sonst hier e
vor mehrfaclier Konsonanz den Ton verliert § 596.
4. Wo heute in Nordfrankreich i für el eintritt, vermag ich
nicht zu sagen, vgl. aber Reime wie füles: orilles, Renclus Car.
21, 8; orille: mille Mis. 121, 9.
5. Spanisch-portugiesisch tina, tinha.
Cornu, Rom. XIII, 284 möchte auch im Spanischen
ily zu ij werden lassen, wofür er sich auf mijo portg.
millio mUium stützt. Daneben stehen aber span. consejOy
portg. cofiseVio, ceja, selha, semeja, semelha, span. cadeja^
in deren zwei ersten dissimilierenden Einflufs des s zu
sehen (Schuchardt ib. 285 Anm. 2) mit Rücksicht
auf die anderen und auf span. vasija kaum geht. Freilich
bleibt mijo miUio mei-kwürdig. N e u m a n n , Ztschr. VIII,
259 ff., Littbl. 1885 S. 306 schreibt fürs Französische
ebenfalls dem t umlautende Wirkung zu. Allein famille
ist ein juristischer der Volkssprache nicht angehöriger
Begriff (afr. entspricht maisniee) , eil aus cilium erklärt
sich nach § 105 , mil ist jünger als millet und erst aus
diesem gebildet; neben tille von tilleid steht teile.
N e u m a n n hält conseil u. s. av. für beeinflufst durch
conseiller, aber gerade in tonloser Silbe wird el zu il
§ 562, so ist etrille von etriUer ausgebildet, vgl. aber
etrüelle Lahague.
85 . Im Portugiesischen wird e vor allen palatalen
Lauten (H, l, s, s) zu a: tenho (aus teneo über teno § 162)^ aheJha,
vejoj mexo werden gesprochen taviii, äbala, vasu, mahl, oder
vaUu, maisu, ebenso sekundäres ei: seixo (saxvm) = sasu oder
saisu. Der alte Laut e bleibt in Beira Alta, eine Mittelstufe §i
findet sich in Porto Mirana: aheiHa , or§ila, str^ila (stella),
aqußilas. — Auffällig ist igraza, eccl§sia (§ 17, S. 31), wahr-
scheinlich ist das Wort durch andere mit dem Ausgang am
(env§ja, cerveja u. a.) angezogen worden. — Auch das Ober-
engadinische kennt diese Erscheinung: müravala, strala.
Vgl. Gon^alves Via n na, Rom. XII, 70 ff.
§ 86 — 88. E beeinflufst durch Palatale. 103
86. Im Zeutralfr aiizösi sehe 11 unterbleibt vor t der
Wandel von ei. zu oi: soleil , vermeil, conseü, merveüle u. s. w.
Es mag sich fragen, ob cofiseil im ältesten Französisch als consel
oder als conseil zu lesen ist. Im Rolandsliede erscheint in ei-
Tiraden conscil v. 78, 2750, 3454, 3761, 3793, merveüt 571,
vermeüz 999, soleilz 1002. Da der Roland keine c-Tiraden hat,
die e — e-Tiraden aber von ei — e scheidet, und in ihnen kein
"Wort aiii' ele vorkommt, so darf man wohl auf eil schliefsen. Das
bestätigt auch der Reim merveilt: poeit Comp. 1073 und eil aus
eiei-l, da ciel geblieben wäre. Bevor nun aber im Zentral-
französischen ei zu oi wurde, war das i in dem 7 untergegangen,
eil zu cH geworden. Nicht aber im Osten : die champagiiisch-
burgundisch-lothringischen Texte des Mittelalters und die heutigen
Mundarten zeigen consoil, soloil, vermoil u. s. w. , so die Hand-
schrift A von Chretien, Joufrois, lothr. Psalter u. s. w., und
so heute lothr. b(^toy, Tionoy (corneille); und ähnlich im Burgun-
dischen. Dagegen schon in Seraing orey, hotey. — Wenn in der
Guerre de Metz reimen: merveille: travaüle 97, conseiTle: travaiUe
192, vgl. mureille 29, so sind das nicht schriftsprachliche Formen,
sondern d ist wie sonst gedecktes e in dieser Gegend (§ 112)
zu a geworden, man hat also zu lesen mervale u. s. w. Keinen
Schlufs auf die alte Aussprache gestatten Reime wie appareiz:
preiz Benoit Troie 22527, conseiz: segreiz 6955, da hier das i
der letzte Rest des vor z unterdrückten t sein , oder ei schon §
lauten kann, vgl. merveille: eile Benoit Chron. 15410.
Von den übrigen eJ-Gebieten bewahrt das Genuesische e
vor f; zegi (cigli), daher conseio, oreia u. s. w. als consezo, oreza
zu lesen sind.
87. Auf das Obwaldische scheint beschränkt eiö zu cd:
leg (spr. Icd, legem), red, aber eng. alaid, raiö.
88. E vor Nasalen. Es sind zwei Fälle zu scheiden: e
bleibt oraler Vokal, wird aber vor dem Nasal zu i. Die Senkung
des Gaumensegels, die für die Artikulation der Nasalen nötig ist,
bedingt eine Verengerung des Mundkauais in der Gegend des
weichen Gaumens, daher wird auch leicht ein vorhergehender
Vokal mit engerem Mundkanal gesprochen, e also zu i, ent-
sprechend f zu ('. Oder aber e wird Nasal, und es bringt dann
104 I- Kapitel: Vokalismus. § 88, 89.
die Nasalierung Klangverändeningen mit sich. Der Einflufs des
n ist zum Teil ein anderer als der des m, ein Unterschied be-
steht ferner zwischen gedecktem und freiem Nasal: trotzdem
empfiehlt es sich, die verschiedenen Fälle gemeinsam zu be-
handeln.
89. Im Französischen wird e vor freiem Nasal zu q, vor
gedecktem gleichmäfsig wie (. tax ä: sein, plein, pleine, peine,
veine, lialeine, areine u. s. w., gesprochen s?, pl§, plpne u. s. w.
In der ersten Hälfte des XVI. Jahrhunderts ist die heutige Aus-
sprache noch nicht ganz durchgedrungen; zwar R. Estienne be-
merkt ausdrücklich, dafs ain, ein, in gleichwertig seien; auch
H. Estienne will für ein und in denselben Laut, trennt aber ain
davon ; Beza stellt ain, ein auf eine Stufe und sagt, sie enthalten
den griechischen Diphthongen ei, desgleichen Ramus, der in
23eine, peindre, creindre einen Doppellaut pi erkennt. Auf dem-
selben Standpunkt stehen auch die Grammatiker des XVII. Jahr-
hunderts, erst Mourgues 1685, Hindret 1687, Dangeau 1694
erklären ausdrücklich ein, ain, in als völlig identisch. Doch
mögen hier dialektische Verschiedenheiten vorliegen, da z. B.
schon Brandan 865 cliaeines : semaines reimt, und auch der Brut
ein und ain unbedenklich bindet. — Der Diphthong vor n mufs
ein etwas anderer gewesen sein , als vor anderen Konsonanten,
da er nicht zu oi wird. Da i erst spät nasaliert wird (§ 33), so
kann es sich nicht um H handeln, sondern nur um H. Dasselbe
Resultat giebt natürlich eni : teine , heute ten ßeignej aus tinea.
Der Diphthong oi erscheint nur in foin, avoine, die beide aus
dem Heu und Hafer nach Paris liefernden Burgund stammen,
und in moins , moindre. So nahe es liegt, alle vier Beispiele
nach § 92 zu erklären, so stehen doch mene, peine, veine, die als
Schriftwörter zu betrachten nicht wohl angeht, hindernd entgegen.
Noch Marot I, 153 reimt übrigens estendre: mendre, während
Vaugelas 184 es tadelt: „une infinite de gens disent mains pour
dire moins, et par consequent neantmains pour neantmoins . . ce
qui est insupportable." Es mag in diesem Worte das Schwankeii
zwischen u§ und c mit dem von up und {? § 72 zusammen-
hängen. — Vor gedecktem Nasal wird e zu a, auch in Fällen,
wo erst im Französischen infolge von Vokalausfall der Nasal in
^ 89 — 91. E vor Nasalen in Frankreich. 105
direkte Beriilining- kommt mit einem zweiten Konsonanten , wie
in femina, femna, fäme, femme. Nur selten ist die Ortliographie
eine phonetisclie wie in langue, sangle, meist ist en beibehalten;
in den volkstümlichen Bildungen auf -ance wird a geschrieben,
doch handelt es sich hier um Übertragung von -antia. Sonst also
gendre, ensemble, cendre, vendre, temple u. s. w. Nfr. gemme ist
gelehrtes Wort an Stelle des regelmäfsigen afr. jame, ebenso
etrenne vgl. § 118. Es bleibt aber f vor vulgärlateinischen
Palatalen : in feindre und den anderen Verben auf -eindre = lat.
-ingere, vaincre^ und so in den zugehörigen Partizipien: feint;
sodann in geindre = gemere, worüber in der Konjugationslehre, und
in cintrer = cindurare, das sich dadurch in einen bemerkens-
werten Gegensatz zu ital. centinare stellt s. § 95. Nicht recht
klar ist tiandre (tingere), deüandre (extingerc) neben peindre
(Fourgs).
90. Weit weniger einfach als im Zentralfranzösischen liegen
die Verhältnisse in den Mundarten. Die alten normannischen
und pikardischen Texte halten c und ä noch scharf aus-
einander in der Orthographie wie im Reime. Nur vor mbl zeigen
die alten Denkmäler wie die heutige Mimdart durchaus a:
ensamble, samhle, tramble, example. Ferner tamps (tempus), jamme
(gemma) : es scheint, als ob m anders wirke als w. Freilich
behält femina sein e. Alle anderen Ausnahmen sind entweder
zentralfranzösischem Einflufs zuzuschreiben oder fallen ins Gebiet
der Morphologie. Im Westen und Südwesten werden ursprüng-
lich ä und e ebenfalls geschieden ; schon seit Mitte des XII. Jahr-
hunderts dringt aber im Westen ä für e von der Hauptstadt her
ein. Wenn femina auch im Norm., Bret., in Anjon, Tours, Berry
mit a erscheint, und Dichter wie Etienne de Fougere und Jean
le Marchand es unbedenklich mit dame reimen, so hat vielleicht
Angleichung an das letztgenannte Wort stattgefunden.
Vgl. P. Meyer, Mem. soc. lingu. I, 244 — 276;
H. Haase, Das Verhältnis der pilcardischen und wallo-
nischen Denhmäler des Mittelalters in Bezug auf a und e
' vor gedecMem n, Diss. Halle 1880; Such i er, llp. 69 ff.
91. Während das Wallonische sich zum Pikardischen ge-
sellt, wird im Lothringische n gedecktes c zu o : to (tempus),
106 I- Kapitel: Vokalismus. § 91.
vo, log (Ungua) , f^m , in Ban de la Roche tä u. s. w. oder tq,
aber pär (prendrej, mära, tär. Wie weit südlich o sich erstreckt,
ist noch zu untersuchen, vgl. Sornetan : pädr (pendre) , tä , vädr,
fädr, Jage, sovä, aber toi'dr (tenemm), gedr (minor fehlt). Die
Neuenburger Dialekte kennen o nicht mehr. Südwestlich findet
es sich noch in Tannois bei Bar-le-duc: ratr, sadr (cinere), trcibl,
afl, trat (trente) u. s. w. neben pär, tär. Im Metzischen ist
dagegen wie im Zentralfranzösischen ä an Stelle von e und ä
getreten, doch bleiben fqm, sqm. Bei der Erklärung dieses
Wandels ist zweierlei im Auge zu behalten, erstens: en kann
nicht über ä zu o geworden sein, da es nie mit an zusammen-
gefallen ist; und zweitens, der Vokal ist meist oral geworden,
während ä nasal bleibt. Betrachten wir zunächst die isolierten
Fälle :j9«r, mar^ tar ans *prenre, *mwre, *tenrv, in Tannois J3är,
tär mit Nasalvokal, ebenso in Sornetan : daraus scheint hervor-
zugehen, dafs nur im Auslaut und vor Konsonanten, nicht vor
Sonanten Übergang in oralen Vokal statt hat, und dafs die
Qualität des Vokals init der Nasalierung zusammenhängt. Nasales
e wird zu nasalem a ; verliert es den Nasal, so tritt a, ä, o ein : daher
haben wir auch im Metzischen som, fom, sonst aber ä. Der
Weg von e zu a aber scheint mir derselbe zu sein, wie der von
ei über ai zu oi § 72. Auch ei ^ oi berührt sich nicht oder
kaum mit ai. Gemeinsam ist e und ei die Verbindung des e mit
einem zweiten Elemente , das eine Mal mit einem Nasalen , das
andere mit einem Palatalen : im ersteren Falle wird die Artiku-
lationsstelle des e mehr und mehr dem Punkte genähert, wo die
zur Hervorbringung der Nasalität nötige Veränderung der Sprach-
werkzeuge vor sich geht, es wird zu einem velaren Vokale. Am
Endpunkt der Entwicklung angekommen bleiben nun zwei Wege :
entweder die Nasalität geht in dem velaren Vokale ganz auf,
nasales a wird zu oralem a, das dann sich weiter zu o entwickelt,
oder nasales a wird dissimiliert zu ä. Eine Vorstufe von nasalem
a scheint mir in dem toedre von Sornetan vorzuliegen. Wenn
schliefslich generiim meist nicht mit tenenim reimt, vgl. ger in
Lothringen, so mag der Palatal mit im Spiele sein. — «Auch
der Westen kennt o aus e poit. : tö ftcmpus), dö, so (sine), omport'e.
Vgl. Horning, Ztschr. XI, 542—551. Horning
nimmt an, dafs e zunächst nach labialen Konsonanten zu
g 91 — 93 E vor Nasaleu in Frankreich. 107
ö gtnvordeu und p dann analogisch auf andere Fälle
übertragen worden sei. Dafür könnte allerdings sprechen,
dafs z. B. lingua im lothr. Psalter als laingue, in Tannois
als 7?<7 erscheint (in den Vogesen und in Jura als log).
Es fragt sich jedoch, ob diesem einen Beispiel so viel
Beweiskraft innewohnt. Lingua ist ein besonderer Fall
(vgl. § 340), gerade im Osten ist u ziemlich lange ge-
blieben § 501, es dürfte die Ausnahmestellung also nicht
zu schwer ins Gewicht fallen, aufserdem zeigt auch
singularis mit tonlosem ingu eine eigenartige Behandlung
§ 369. Daneben finden wir schon im Ysopet und Vegetius
oi auch nach Nichtlabialen wie in tointe (tincta). Aufser-
dem ist bei Hornings Erklärung auffällig, dafs minor
sich entzieht und den Vokal abhängig sein läfst vom
folgenden Konsonanten. Schlielslich sei noch auf eines
hingewiesen: der Vegetius reimt empaindre (impangere):
maindre 9258, empainfe, empeinte: mainte 7124 u. s. av.,
zweimal ungenau mit jointes 9270, 9472 ; er schreibt
stets ai, ei, nicht oi, also hier hat der Labial auch
keinen Einflufs geübt. — Die alten Schreibweisen mit
ein erklären sich bei beiden Auffassungen daraus, dafs ö
denselben Weg geht wie ei, ein braucht nicht den Laut
öl auszudrücken, sondern an; darum erklärt sich auch
das fortwährende Schwanken zwischen oi und ai.
92. e vor freiem n wird im Lothringischen zu {?,
nach Labialen zu uo: atvon, puon, fuQ, muo (minus) oder avon,
pon, fon, man aber pyS (plenumj , elen (haieine), s§. Noch
weiter geht das Burgundische, das e vor n ebenso behandelt wie
vor anderen Konsonanten, also auch ploin, ploine bietet. Es
hängt dies damit zusammen, dafs im Burgundischen l von Anfang
an möglich war: plena wurde also nicht, wie im Französischen,
zu pleine, sondern zu plelne, worin sich nasales ei ebenso weiter
entwickelt wie orales.
93. In Südostfrankreich, dem ai-Gebiete, unterbleibt
sehr häufig vor n die Diphthongierung, vgl. Juj. jp??, avMa neben
etalo, waatl. avcno, vena bezw. avSna, vMa in Gegenden, die
sonst a, ai, ä haben, bagn. avena, pena neben sonstigem ei, doch
zeigen einige waatländer Mundarten auch hier den Vertreter von
ai, namentlich die östlichen. In Freiburg, wo e zu ai wird,
erscheint §i vor n: arfina, vfina u. s. w. Vgl. noch § 98.
108 I- Kapitel: Vokalismus. § 94—96.
94. Im Rumänischen wird e und e in Proparoxytonis
vor n, n^, m'' zu i: cinä, eine, mine, alina, tinär, v'mere, vinat,
vinde, stinge., linibä, Umjaede^ vindecä, stringe, insu zu ipse. Wir haben
§ 83 gesehen, dafs aus e im Rumänischen wahrscheinlich zunächst
ei entstanden ist, das dann je nach dem folgenden Vokal zu e
oder ee, ea wurde. Vor Nasalen ist i nicht zu e herabgesunken,
sondern hat im Gregenteil sich das e assimiliert. Und zAvar ist
dieser Vorgang verhältnismäfsig jung : während vor altem (lat.) r
die Dentalen palatalisiert werden (§ 419), bleiben sie vor dem
neuen; in den alten Denkmälern wird e noch oft nach Labialen
geschrieben: Cod. Vor. inpenge, menciura, mente, menp, sfen^i,
vendeca, veinri, ventisor u. s. w., andere Beispiele Cuvinte I, 415,
Princip. 373 (die Avenigen Fälle von e nach anderen Konsonanten
dürften blofse Schreibfehler sein). Dosofteiu, Coresi u. a. haben
aber schon stets i. Nach Labialen also ist e etwas länger ge-
blieben, vgl. dazu § 106. Dieses i wird im Anlaut zuweilen zu
u : umUu, umplu, unflu (also vor Nasal + Labial + 1 ?) vgl. noch
unghiu (angulusj, curund (baldj = currendo.
95. Im Italienischen wird vor n -\- Guttural oder
Palatal e zu i: fifigere, pingere, quinci, cinghia, cominica^ lingua,
tinea. Beachtenswert ist centina, das nicht wie frz. cintre auf
einet-, sondern auf eint- zurückgeht. Der Lautwandel ist spezi-
fisch florentinisch, schon in Siena spricht man fengere, tenca u. s. w.,
und so in Mittel- und Norditalien. — Dieselbe Erscheinung
zeigt das Portugiesische : lingua, fingir, tinea, pinta, einta, ingua.
96. Im Rä tischen fallen e und p vor gedecktem n zu-
sammen und bleiben als e im Obwaldischen , im Engadinischen
wird dieses e aufser vor nd zu m, daraus a in Greden, Abtei,
endlich o in Enneberg, vgl. :
Lat.
VENDEKE
-INGERE
TEMPOKA
TEMPUS
ARGEN!
Eng.
vender
tainser
—
(iemp)
daint
Gred.
vander
ntamer
—
tamp
arzant
Enneb.
v§ne
fröhge
tompla
tomp
arsont.
Zum Übergang von a in o vor gedecktem Nasal vgl. § 91.
Die Sonderstellung von nd ist schwer zu erklären : e mufs hier
wohl zunächst quantitativ verschieden, wahrscheinlich kurz ge-
§ 96 — 100. E vor Nasalen. 109
wesen sein. Ein ähnlicher Unterschied scheint weit verbreitet
zu sein, vgl. Ceppomorelli (Novara) -end aber -moint, -oima,
-oint. — Nur auf den Grenzgebieten ist i nachzuweisen :
Tessin dint, vint, int, krin^, zindru. Über friaul. i aus ew^ vgl.
§ 162. Im Mail., wo sonst gedecktes e zu § wird, bleibt c vor
gedecktem n: hmgua, strenö.
97. Im E m i 1 i a n i s c h e n , zum Teil auch im P i e m o n -
tesischen verlangt gedeckter Nasal den Diphthongen. Bol. :
telmp^ zeint, meint, Idngua aber lernt, hein, inteint neben intender,
vender, prender ^ ebenso Budrio, S. Giovanni in Persiceto, dann
Modena, Poviglio, Piacenza, Busseto. Zu i wird e verengt
in Ardea (Piacenza) , zu ai erweitert in Fiorano (Modena) :
maint, containt, woraus an in Modigliano (Florenz) : tamp, mant
(neben -end). — Im Piemontesischen erscheint ei in Murazzano
(Cuneo), Aosta, Melezet, Säle Castelnuovo, und daraus ai Vico
Canavese, oi Ceppomorelli (Novara): moint, indiferoint, prasoinza
neben -end. Endlich in S. Fratello maint, daint, stain, vain
(vende), pains, vaintser, fainzer.
98. Auch auf dem oberitalienischen ei-Gebiete unterbleibt
der Diphthong meist vor n, vgl. piem. velen^ len, pien, vena,
gen. sen, Tcena (catenaj, remu (aber din § 105) ; entsprechend
S. Fratello de, veU, Val Soana pyeh, feh, rem, was hinüberführt
zur südostfranzösischen Behandlung § 93.
99. Während im Ob waldi sehen ei vor n geduldet wird:
plein, steht es nicht vor m: sem, tema, femna, eng. sem, semda,
femna. Im Nidwaldischen erscheint es iiur vor Nasalen : plein,
cadena, Domleschg: sarain, piain, cadaria. Wie hier i mit n
zu n wird, so geht es im Grednerischen in h auf: avaina, fan,
plan u. s. w.
100. Ein l oder r hindert oft die Entfaltung des Diph-
thongen, so franchecomt. krpr, n§r, ^pr, wp; litß, tfl, auch loth-
ringische Mundarten kennen das. Beachtenswert ist a in dieser
Stellung statt o: krar, eJiar (asseoir) in G6rardmer: hier scheint
der hemmende Einflufs des r sich erst auf der Stufe ai geltend
gemacht zu haben. — Im Westen findet sich Ähnliches : neben ei
110 I. Kapitel: Vokalismus. § 100 — 103.
v§le, tple, etple in Lahague. — Sodann im Obwaldischen : sera^
ver, per, -er, öera, ner neben ei, im Judik. sera, -er, vera, per
neben ?. — Auf velares l läfst wohl das p statt o in Urim^nil
schliefsen : pole, tole, etole, sole neben iwp/", tgt u. s. w. und sicher
ia in Creuse : sandialo, tiälo, citiälo. — Ganz verschieden davon
ist ei für er in Nontron : sei, legei, hier liegt eine ähnliche Ersatz-
dehnung vor wie in den § 101 zu besprechenden Fällen.
101. Auslautendes oder vorkonsonantisches s entwickelt,
wenn es verstummt, ein i vor sich in manchen provenzalischen
Mundarten, z. B. nontr. frei§o, ei, eime, mei, pei, Grenoble mei,
pei vgl. § 468 und 563.
102. e im romanischen Hiatus bleibt auf den e-Ge-
bieten meist bewahrt: span. arcea, deseo, correo, mea, ebenso vor
i: veinte, reina u. s. w. Aber eu wird zu iw : viiida. In navto
ist Suffix /o für eo eingetreten, porfio ist von porfidr, lio von lidr
gebildet, -igtia aus -ffica nicht ganz volkstümlich. — Das Portu-
giesische zeigt i in viuda, cio neben ei in teia, älheio, freio,
cheio. Die Differenz zwischen cio und älheio ist schwer zu
ei-klären, wenn man nicht etwa bei jenem an Einflufs von döso
denken will. Beachtenswert ist in Alatri sdreija (sfriga) neben
curija fcorrigiaj. Sonst wird e-a im ei-Gebiet oft etwas anders
behandelt als e vor Kons. : in Falkenberg bleibt der Diphthong
bei ai stehen: rai (rigaj , vai, ptyai fpUcatJ. Im Südosten, wo
sonst ai erscheint, ergiebt eta nur eya, woraus im Zentrum der
Waat und in Ormont ia: fiya, griya, miya, muniya, ebenso in
Freiburg: muniya u. a., Fourgs munio, in der Val Soana:
monea, crea neben sonstigem ei. — Oder ei wird zu f, so im
Westen in Lahague : v§e (*videre, via), s§e. Der offene Vokal
findet sich auch sonst, z. B. mail. t§ya, m§y, tpy. — Im West-
rätischen wird eu wie tu behandelt (§ 38 , S. 63) : aUu,
hoUu, vieua.
103. Im Französischen wird e mit u zu w, siu, tiule,
riule aus sebum, tegula, regula, das dann zu ui umgestellt wird,
nfr. suif, tuile. Dagegen giebt ei einfach eu : afr. crueus, nfr.
eux, ceux, cheveux, feutre. Es werden auch hier zeitliche Diffe-
renzen vorliegen : eu geht auf ei, dagegen iu auf eiu zurück. —
So scheint sich ferner p)ouli (dial.) pouliot ans pulejtim zu erklären
^ 103, 104. E in> romanischen Hiatus. 111
über puleiiu, ptileii^ wogegen l^ge sich zu leig, MK, lei entwickelt.
Über die Weiterentwicklnng von ieu in Mundarten s. § 38, S. 63.
Unklar sind basochc aus hasdca und arroche aus *atrelpce, atrexüice. —
Infolge der neufranzösischen Auslautgesetze besteht zwischen oie
und Ol kaum mehr ein Unterschied, im XVI. und XVII. Jahr-
hundert aber schwankte man zwischen o^e und ocye; Peletier 1549
giebt letzteres als auch gebräuchlich an. Du Val 1604, Lanoue
1696 verlangen oeye, Baif 1574, Martin 1632 dagegen o§e.
104. Ganz besonders sclnvierig liegen die Dinge im Rumä-
nisch e n. Neben dem ursprünglichen entsteht neuer Hiatus
durch Ausfall von 6, v, II, j. Das Produkt von e-\-a ist ed, von
^ -\- a: ied: mea, rea, aired, grea, hea, ia (aus liea), dea, stea,
Suff, -ea, sea (sella), stea u. s. w. Wir haben gesehen, dafs e
im Urrumänischen zu ei geworden ist, woraus nun auch hier vor
dem a: e, a, ä, später ed, ebenso neve, nevä (§ 311), neavä, neaä,
nea. Verbinden sich diese Formen mit dem Artikel a, so ent-
wickelt sich zwischen diesem und dem auslautenden a ein M
(geschr. o) : stea aber steaoa, woraus, nach dem Muster von noao
(novo): noaoa (nova illa) eine artikellose Form steao gebildet
wird. Vgl. noch zioa — gia (dies). Man könnte in dem u den
letzten Rest des II von iUa sehen, der sich zunächst nach a ge-
halten hätte, dann auf andere Fälle übertragen worden wäre.
Dem steht jedoch entgegen, dafs aus *aquiere zunächst *aci-ea,
aci-a, dann ad-o-d entsteht.
Die Frage nach dem Verhältnis von sted zu Stella ist
vielfach erörtert worden, vgl. Mussafia, Z. rum. Vokalis.
S. 134; Schuchardt, Cuv. Bätr. I. Suppl. XXXVII;
Miklosich, Vok. 11, 53; Lambrior, Rom. X, 369; ^
Cihac, Littbl. 1882, Sp. 110—111; Tiktin, Stud. I,
91 — 96. Der Haupteinwand des letztern gegen die oben
vorgetragene, in letzter Linie auf Mussafia zurückgehende
Auffassung, dafs m^a danach über '^miea zu mid hätte
werden müssen, ist hinfällig, da *mca nicht *m^a die
vulglat. Form ist § 284. Tiktin findet es auffällig, dafs
der Wandel von e zu ea älter sei, als der Ausfall von U:
ich sehe nicht ein, weshalb; zudem steht der Annahme,
erst "^Stella oder stea seien zu steaä geworden, nichts
entgegen. In steaä ist sodann das auslautende ä nicht
abgefallen, sondern wie fädtä zu fatä, {arä-a zu {ara
wird, so steaä über steaa zu stea. Auch der Reihe
nivem, nee, ne, »im kann ich nicht beistimmen, vgl. §311.
112 I. Kapitel: Vokalismus. § 105, 106.
2. Einflufs vorhergehend er Laute.
105. Palatale. Auch hier können wir verschiedene
Wirkung beobachten, teils Assimilation, teils Dissimilation. Die
letztere tritt im Toskanischen ein, wo ie.zu i§ wird: hieta
(blitum + 'beta), vgl. aneap. Uete, pi§na, pi^ve, pi^ga, fi§vole,
nocchi^ro, ghipra, fi§ra, compieM.
Im ganzen nordfranzösischen Gebiete wird ei nach
Palatalen über iei zu i: cire, plaisir, afr. taisir, cive, ands,
Marg. Oingt. 73, 23, luisir, raisw, aisil, merci, eil, pais, eine,
reeivre lyon., norm., ferner cisne; marquis ist wohl eine Misch-
bildung aus *marchis und *marqueis. Daneben ist nfr. cene ein
Wort der Schriftsprache, re^oit ist nach hoit, doit u. s. w. ge-
bildet, das gewöhnlichere anceis nach sordeis, disoit u. s. w. nach
vendoit. Auch der Südosten nimmt daran teil, vgl. Bagn. azi (acetum).
Nach vulglat. j steht i in prov. pais, maistre (neben sajette,
majestre). Namentlich pais ist auch in Italien Aveit vertreten,
sogar im Süden : pajoise in Bitonte führt zunächst auf paise
zurück (§ 32). Span. , portg. pais dürften Lehnwörter avis dem
Französischen sein.
Mit dem Nordfranzösischen gehen die galloitalischen
Dialekte aufser dem Piemontesischen : mail. sila (cera), tanasia
(tanaeeto) , impir (impJere) , maister aber pie , Pavia dagegen pyin,
nint, gen. jjm, saitta, maistre, ninte (aber deiga=plicat), monferr.
biya, piac. hita = *hleta, tess. cira, pais, maister, Faid, ferner
sira fsera), romg. gira, piv, pyin, mir. zivtd (ceplialus). So erklärt
sich auch mudayina, *medaglina statt des nach § 38 zu erwar-
, tenden -ena, bol. bita, pais, piga, pin, sira, doch ist zu beachten,
dafs hier auch iß aus § zu i wird § 175. Auffällig ist ven.
sira Exemp. 260.
106. Im Rumänischen wird das nach § 83 entstandene
ea nach Palatalen zu a: da e in diesem Falle zu ä wird, so
wird auch zwischen ea und aa die Stufe äd liegen. Ebenso wird
iea zu ia. Also dapä, aöd, sägatä, data. Das Moldauische
knüpft diesen Wandel an auslautend a, ä, während im Auslaut
und inlautend vor e, i vielmehr ä eintritt: slujascä aber slujäste.
Rumänisch e wird im Walachischen nach Palatalen zu «
schon zu Beginn der litterarischen Periode, säs, sapte, woraus im
§ 106, 107. J? nach Labialen. 113
Westwal. zes, im Moldauischen erst zu Anfang des XIX. Jahr-
hunderts {ari. Da dieser Wandel aufs engste verknüpft ist mit
der Geschichte des p und weit mehr Beispiele für p vorliegen
als für e, so vei-weise ich aiaf § 164.
107. Labiale. In Ostfrankreich ist die Behandlung
von c nach Labialen eine andere als nach den übrigen Konso-
nanten, speziell im Wallonischen vor Nasalen und im Loth-
ringischen stets, imd zwar sowohl im a- als im o-Gebiete (§ 76),
aber nicht mehr südlich des welschen Beleben. Ve ergiebt vuo
bezw. vue, wenn ein Konsonant folgt, vm, wenn der Vokal im
direkten Auslaut steht, und zwar sind dabei die französischen
Auslautgesetze mafsgebend. Also mr (viirum), puoJi (pira), auch
2mo (pilus), aber u (video), fu (vicem), au (habere). Dieser am
Ostabhange der Vogesen ziemlich rein bewahrte Zustand ist am
Westabhange vielfach durch Kreuzungen getrübt: teils ist M,
teils MO, Uß verallgemeinert. Der Unterschied zwischen e nach
Labialen und Nichtlabialen ist alt, Ezechiel und Bernhard
schreiben oi im letzteren, ue, oe im ersteren Falle, z. B. Ez. mues
11, 35, moes 11, 38, buevres 91, 37; Beruh, poente 9, 13,
moes 111, 20, poes 127, 38, foem 62, 18; Psalter »womMes 79, 1,
amoinne 134, 7, moinrai 26, 6. Wie sind nun die Formen zu
erklären? Gemeinsame Grundlage ist zunächst öi (vgl. § 76).
Reine Diphthonge, d. h. Verbindungen zweier mit gleichmäfsiger
Tonstärke ausgesprochener Vokale sind, wenn nicht unmöglich,
doch selten vmd nie von langer Dauer: meist wird das eine
Element reduziert. Welches von beiden, hängt von der Klang-
fülle und von den umgebenden Lauten ab. Während nun im
allgemeinen im Osten oi zu op, dann oe oder o wird, hat das o
sich einem voi-hergehenden labialen Konsonanten so weit assi-
miliert, dafs es seinen Eigenton aufgiebt: voe wird zu vge, vue.
Daraus ist durch weitere Angleichung uo und schliefslich im
direkten Auslaut uu, u entstanden. Und doch ist diese Auffassung
nicht ganz sicher. Wie schon bemerkt, findet sich uo auch im
alten «-Gebiete : es müfste demnach die Invasion der nördlichen
Formen zunächst in den Fällen Labial + e stattgefunden haben,
was an sich möglich, aber nicht zu erweisen ist. Wir sehen
§ 270, dafs der Diphthong ai eine ausgesprochene Vorliebe zeigt,
Meyer, Grammatik. 8
114 I- Kapitel: Vokalismus. § 107, 108.
nach Labialen zu uai, uae zu werden 5 danach könnte man ver-
muten, dafs zur Zeit, als e erst bei ai noch nicht bei a angelangt
war, sich auf dem mit dem oi, vu^ zusammenstofsenden Gebiete
der labiale Einflufs auf ai geltend gemacht hätte : allein dann
wäre aus uai wohl ua entstanden, was wir nirgends finden.
Somit bleibt die erste AufPassung : in Lothringen stofsen oj-Gebiet
und aj-Gebiet zusammen; bevor sich jenes, dem die Hauptstadt
Metz angehört, tibermächtig geltend macht, wird voi zu vm^ und
dies dringt zunächst weiter. Wie weit im östlichen ^-Gebiete
vu^ vorkommt, bleibt noch festzustellen, vgl. de (debet), craire
neben fup, oir (Aussprache?) in Auve. Übrigens kennt der
Westen eine ähnliche Erscheinung: fupre, pu§ne, muere, voere
neben det, te in S. Maixent, s^r neben mpr, avuer Charente,
avae, puvae neben vuU, pui, vald Lahague.
Vgl. Schuchardt, Ztschr. vgl. Sprachf. XX, 226;
Horning, Fr. Stud. V, 462—465.
Auch in r ä t i s c h e n Dialekten kommt Beeinflussung des e
durch Labiale vor, vgl. z. B. Bormio: beer, öce/", cerr (habere),
scerr, primceira (primavera) neben poder, pel, freilich auch veir
(verum), veira. — Endlich ist piem., lomb., tirol. fomna aus femina
zu nennen.
108. Im Nord rumänischen wird e nach Labialen zu«,
ea tiber äa zu a. Vor Nasalen, wo sonst e zu i wird, bewahren
die alten Texte in diesem Falle noch e s. § 94. Es hat also
zunächst der Labial den Wandel von e zu i aufgehalten, dann aber
im Verein mit dem Nasal Übergang zu i bewirkt. Das Mazedonische
und das Istrische bewahren e, i: fet, vina, im Wal. aber erhalten
wir: pär (pilus, pirus), fät, värs, väsc, invä{, väduvä, adevär, fatä,
varä, vargä, masä, camasä, nevastä, varzä, invafä u. s. w. ; vinä,
vint, fin u. s. w. Keinen Teil nehmen jüngere slawische oder
türkische Wöi-ter wie cafeä. Im Moldauischen dagegen hat die
Labialisierung diese ebenfalls ergriffen, ist daher jüngeren Datums ;
sehr alt kann sie auch im Walachischen nicht sein, da sie jünger
ist, als der Wandel von ei zu e bezw. §d § 83 und da, wie be-
merkt, die südlichen Mundai-ten sie nicht kennen.
Vgl. Tiktin, Convorbiri literare XIH, 296 ff.,
Studien I, 57, wo das Verhältnis zwischen lat. vena und
rum. vinä anders gefafst ist. Tiktin nimmt als Mittel-
§ 10^—111. Gedecktes K 115
stufe vänä an, erst nach der Labialisierungsperiode liHtte
das n vorhergehenden Vokalen geschlossene Aussprache
gegeben. Dabei bleiben jedoch die Formen der alten
Texte unerkliirt.
1 09. E i n f 1 u f s von ß. Im R u m ä n i s c h e n wird c nach
r behandelt Avie nach Labialen: amäräsc, pradä, curd (corrigia),
rafä, frin, strmg u. s. w. Ausnahmen wie eres (credo), cresc u. s. w.
erklärt die Foi-menlehre.
110. Gedecktes E. Während da, wo freies e nicht
diphthongiert wird, gedecktes e im ganzen dieselben Schicksale
hat, wie freies, zeigt es wesentlich verschiedene, da wo freies e
zu ei wird. Meist unterbleibt der Diphthong, oder er geht
wenigstens besondere Wege. Die allgemeinen Regeln werden
hier in noch höherem Mafse durch spezielle gestört, als dies sonst
der Fall ist, da bald der erste, bald der zweite der die Gruppe
bildenden Konsonanten den Vokal in bestimmter Richtung ver-
ändern kann. Es empfiehlt sich daher, nach den einzelnen
Äprachgruppen, nicht nach den Lautgruppen zu sondern.
111. Am einfachsten stellt sich die Geschichte des ge-
deckten e im Französischen dar. Wir erhalten zunächst e :
envece, -ece, vece, cep, crespe, creste, meesme, cresme, baptesme,
£sche, lettre, mettre, vette, saette, net, sec, verre, seze, treze, tonerre,
selve, verge, verd, cerche, cest, cel, -el aus -eit, conseil § 86;
fendre u. s. w. § 89 ; enveie, teit, creistre, estreit, deit, reid, feire,
cerveise, armeise, die alle ihr i aus dem Guttural oder dem f
haben. Das ei entwickelt sich wie altes ei. Das e dagegen wird
im XII. Jahrhundert zu f, es reimt mit altem f, schon der
Brandan, Gormont, Brut scheiden nicht mehr, wohl aber Phil.
V. Tliaon. Am frühesten beginnt die Vermiscluxng vor st, rn,
vgl. prest (mit e § 29): est Brand. 725, 1139 ccrne: vprne 869,
etwas später vor t recet: entremet Wace Brut 7057 vales: yvers
Amis 53. Besondere Beachtung verdienen epais, convoite, etoile, pöble,
sodann decket, aplet. Neben es]jes finden wir afr. espois, das noch
Scarron im Reime auf hois gebraucht (s. Littre), daher vielleicht
auch nfr. epais (dem afr. espes würde *epes entsprechen). Von
spissus ist ein Subst. *spissea gebildet, afr. espoisse, und ein
Verbum *spissiat: espoisse, deren Vokal auf das Adjektivum über-
tragen wurde, ähnliche Fälle § 546. Zu coveite gesellt sich prov.
116 I. Kapitel: Vokalismus. § Hl^ 112^
coheita, wahrscheinlich liegt nicht cuptditat, sondern *cupedietat zu
Grunde. Etoile geht auf stela zurück § 545; poele von pesile
stammt wohl mit der Sache aus dem östlichen Frankreich, aplet,
ein Schifferausdruck, aus der Normandie. Unklar bleibt decket,
femer complot, frotter.
Ich kann hier Neumanns Ausführungen Ztschr.
Vm, 259 ff. nicht beistimmen. Über tapis vgl.
§ 118, envie ist ein Schriftwort der Übersetzer. Die
Quantität des i in camisia ist unbekannt, wahrscheinlich
ist im Rätischen und Rumänischen -jsia an Stelle des
ursprünglichen, aber im Lat. fremden -isia getreten.
Übrigens ist zu beachten falise neben fäloise, glise neben
gloise, älise neben Auve (ilo§, tamis neben auf *tamoi»
hinweisendem bret. tamoes, vgl. ladin. tamei§, friauL
temes, vielleicht auch ise neben ece § 510. Über die
Zeit des Zusammenfalls von gedecktem e und § vgl.
Suchier, Ztschr. Ill, 138—142. — Coveite erklärt
Lücking S. 67 Anm.
112. Im Osten wird auch gedecktes e zu oi, woraus teils
a teils 0. Für beide Laute bieten die mittelalterlichen Denk-
mäler zahlreiche Belege: ploge NE. XVIII, 159, Nancy 1274,
plogarie und daterie (debitoria) 170, Metz 1276, aquaste, datrelSi,
Metz 1270, reiquaste 149, Toul 1270 oder 1296, same (16) 176,
Metz 1276, plage und atre (alter) 189, Metz 1278 u. s. w. Der
Psalter schreibt e, ai, a, ebenso Vegetius, wo autre: matre 14:9
allerdings ebensogut mit a als mit o gelesen werden können,^
während asme (aestimat): pasme 2428 dehatre: matre 3526 für a
sprechen; daneben steht aber wieder: flocke: aprocke 9228.
Ezechiel schreibt meist ai, a, die burgundischen Denkmäler wie
Floovent und Girard de Rossillon a. Dazu sind noch die zahl-
reichen umgekehrten Schreibungen zu nehmen : moible, noible,
joir, clioises, loi (lavpi), nevoit Psalt. 44, recloise Ph. Vign. u. s. w.
In den heutigen Dialekten findet sich teils o, teils a, z. B. im
Morvan : -otte, anosse, forme, mole, soi§e, loise, noig ; dafs dieses o
auf älteres ai zurückgeht, zeigt gröle (gracilis). Ebenso im oberen
Moselgebiet, und sonst sporadisch in Lothringen. Daneben aber
bieten die Mundarten um Metz herum, zum Teil auch diejenigen
am östlichen Vogesenabhang, a. Auch hier, wie beim freien e,
werden wir zwei Zentren anzunehmen haben : das eine südöst-
liche (Burgund), in welchem gedecktes e wie freies zu oi, später
§ 112—114. Gedecktes E. 117
zu 0 wird, das andere, wohl Metz, in welchen e infolge der
Kürzung zu ^, dann zu ganz offenem ä, schliefslich zu a wird.
Anders Horning, Fr. Stud. V, 462—465.
113. Auch die rätischen und obe r italienische n
Mundarten kürzen c vor mehrfacher Konsonanz und lassen es
dann zu f, ö?, o, a werden. Das Toskanische und mit ihm Lecce
beschränken sich auf die Verbindung cstv. ma(;stro, mingstra,
capfstro, canfstro, hal^stra, lecc. me^u, riesUf inene§a. Dann aber
romg. st{!Ua, l^z, urföa, trebh, nr^bs, chiil^ Ißar, mail. Stella, m§tt,
qufst, t^fia, v§nna, pav. -^zm, -eUa, Iß, tess. v§rd, nft, v^§kuf,
s§d, d§d; (b: judik. JcroeSar, p€e§, tcet, frcet, scelva, fanoey, proest
(§ 292), auch pwli (picem) und trcedas, Pontremoli : quoel, van-
dceta, Bussetto und Piacenza: vindcetio; o: Ceppomorelli (Novarra) :
vandotta, fomna, podoss, Jcommatoss, woran sich o in S. Fratello
schliefst : stodda, maravoggya, trozza, Strott ; endlich a m Buchen-
stein und Badia : hak, massa, stalla, tatt und in Vignola (Modena) :
istass. — Auch das Katalanische in Alghero zeigt in geschlossener
Silbe offeneres e als in offener: pr^s, var^ma, fr^ma, v^l, und im
Mayorkanischen tritt wieder m auf: smp, foerm, -cese, ncet u. s. w.
Zum Mayork. vgl. Brekke, Rom. XVU, 89—95.
114. Veränderungen von e infolge der Oxyto-
nierung. Im Provenzalischen ist ei auf den direkten Auslaut
beschränkt: fei, quei, mercei, rei, mei.
In Bessin wird ei im Inlaut zu p (§ 74), im Auslaut zu c :
de, ave, re, te, me (mensis), tre u. s. w.
In Montjean (Mayenne) wird ei im direkten Auslaut über
p, ai zu a, wie das e aus a § 226: ma, ta, Jca; ebexiso in
Louvigne-de-Bais ka, pa (picem), ma, ia, sava, sa (sitim). In
S. Fratello wird wie im Italienischen oxy toniei-ter Vokal gekürzt,
e wird zu o (vgl. § 113), fo (fidem), foi, fo = ital. fei (fed),
Perf. II -oi, 0 = ital. ei; voi, vo (vide), d'co, ital. di che, ent-
sprechend roß in Ceppomorelli. In Judicarien wird -e zu f, sonst
zu i: az^', par^, rf, p^, wif, d^. Dasselbe tritt in der Lombardei
und Emilia ein : mail. fr^, Inf. -e, romg. me, tf, rp. Damit ver-
gleicht sich der Mangel des Diphthongen in Val Soana: me, te.
Im Moldauischen wird ea zu e: st^-, §edp u. s. w., nach §, f, t/, r
daraus ä: mä^ä, cura{a, taid, rd.
118 I. Kapitel: Vokalismus. § 115^
c) Sporadischer Wandel von e zu § und i.
115. Im Italienischen wird e in gelehrten Worte x'n als &
ausgesprochen § 15. Bemerkenswert ist nun, dafs manche dieser
Wörter den Diphthongen ie zeigen, nicht im Toskanischen, wohl
aber im Avenez. : prockdere, riede Arch. Glott. III, 249, und
zwar so oft, dafs die Annahme eines Schreibfehlers ausgeschlossen
ist. Ebenso zeigen in dem i-Gebiete die ziemlich zahlreichen
der Schriftsprache entnommenen Wörter p bezw. , wo der Diph-
thong erscheint, ie: siz. menu (altsiz. minu), veru (alt viru,
noch heute dimmini), trenta (alt trinta) u. s. w., Schneegans 34 ff. ;
calabr. davieru, serienu, spieru^ riegula, secrietu u. s. w. Fürs
Venezianische wird man annehmen dürfen, dafs die Wörter weder
direkt aus dem Lateinischen noch dem Toskanischen stammen,
sondern zunächst aus einem Dialekte (etwa lombardisch), der dem
venez. ie einfaches e entgegenstellt. In Calabrien u. s. w. wird
das Gesetz : ie — u aber p — a auch auf die Lehnwörter über-
tragen. — Dagegen erklären sich ital. fiera, viera aus feria, viria
durch Epenthese des i.
Im Portugiesischen wird e zu p, wenn der folgende
tonlose Vokal e ist, bleibt aber bei o, a: devo deva, d^ves,
d§ve, dpvem; recebo, receba, rechtes, recebe, rec§bem, so noch desceVy.
parecer, mescer , wogegen ver sein e behält. Daneben stehen
nun aber eile flla, esse gssa, este psta, ferner: ourelo our§la,
camelo camela, lissab. m§da neben nördl. meda. Bei dieser letzteren
Gruppe handelt es sich wohl um Einflufs der o-Reihe : novo nova
s. § 186. Die erste ist nicht klar. Auffällig sind auch gall..
crpto (creditum), während chpga sich wie span. lliega erklärt.
Gon^alves Via n na, Rom. XII, 74 glaubt dem e
die Kraft zuschreiben zu dürfen, d in e zu wandeln,.
wofür man noch n§ve, c§rce anführen könnte, dagegen
spricht aber Suffix -ete, rede, treze.
Es bleiben noch eine Reihe verschiedengearteter Fälle,,
die zum Teil in morphologischen Verhältnissen ihren Grund
haben. Mehrfach tritt pllus an Stelle von iJMs: ital. campllo, frz.
chameau: xu/nijXog (aber siz. gamiddu)-, ital. stiggello, frz. sceau:
sigillum (aber span. sello); ital. vag§lla: vacillat, span. cadillo:
catella u. a. Lat. dexter zieht sinexter nach sich, span. siniestro,.
afr. senpstre; Ipggere, l§tto im Ital. Ipttera. — Span, nieve, portg.
§ 115, 116. Wandel von £ zu ? und /. 119
n^'ve, gase. Ariege n^u, Couseran fleu, iiisan. nieve, tosk. npve
neben neve, span. tieso (tensus), lliega, siemhra (seminat), sien
(germ. sinn) erklären sich alle daraus, (lafK in den endungs-
betonten Formen der zugehörigen Verba das e demjenigen von
vcnir accrtar 3. Sg. viene acieria gleich war. — Ital. disio disiare,
span. deseo , portg. desejo , cat. desid, afr. deseier gehen auf dise-
didre disedium statt disidium zurück, wie frz. demi auf dim§-
dium. — Neben regelmäfsigem ital. tetto u. s. w. steht siz. t^ttif,
tosk. dial. tftto, friaul. tiät (Arch. Gl. IV, 344), beam. tieit,
lothr. t^t Psal. Ezech. Phil. v. Vign. und noch heute in Metz,
limous. tiet nach l^it^ lief (Ifcttcm), — Afr. fieUe, lat. f(1)ehilis neben
gewöhnlicherem foihle, namentlich in norm, und agn. Texten,
noch heute fiebe Bessin, fieibt Lahague und das zweimalige endieble
IV Liv., kaum zu vergleichen mit dem ital. fi^vole, das sich nach
§ 105 erklärt, mufs wohl einem speziell normannischen Laut-
gesetze folgen. — Ital. insieme, aspan. ensiemo sind durch semel
beeinflufst. — Unklar sind : span. fiemo, Menda, afr. fiens, fiente zu
lat. ftmus; ital. resta^ span. aricsta zu arista; span. yesca zu esca,
afr. aviere neben arvoire zu arbitrium, nfr. genievre, wofür afr.
regelmäfsig geneivre, genoivre, auch im Mittelrät. wird dzinievr
belegt Arch. Glott. I, 327; ital. erpice, aber rät. ierpi, frz. erse:
über ps statt es, 2. Sg. des verbum substantivum s. Kap. IV.
Die Vertreter von velare zeigen in Campob. und Alatri in den
stammbetonten Formen f, etwa nach gelare? Ob ital. rpzm,
Lecce rpzza auf rctia beruht, ist zweifelhaft.
Anders über nieve B a i s t 696 , der darin nördl.
rieve sehen möchte (vgl. § 418). Allein damit bleiben
die gase. Formen nicht erklärt.
116. Sporadischer Übei-gang von e zu i. Das seltene
Suffix -emis wird oft gegen das häufigere -inus vertauscht: prov.
veri, afr. velin, mail. venl, span. venin = venenum'^ ital., span.
pergamino, frz. parchemin = pergamenum ; ital. pulcino , prov.
polsi , frz. poussin = pullicenum (rät. puUein) ; ital. posoUno =
postilena; zweifelhaft ist, ob auch afr. estrine (*strSna) hierher
gehört, oder ob etwa primm prima eingewirkt haben. Sodann -imus
i\ir -emm, ital. racimolo, span. racimo, portg. razimo, frz. raisin zu
racermis, doch vgl. § 105. In ital. berbice, frz. brebis ist -ice (cervic-
u. a.) an Stelle von -ece getreten ; in ital. mantile das gewöhnliche -He
120 I- Kapitel: Vokalismus. § HQ HS.
an Stelle des sonst kaum vorkommenden -ele; in span. tapig,
frz. tapis liegt spätgriecliische Aussprache vor. — Ital. nimo
nach nissuno, doch auch rum. nimenea, diritto wohl nach dirizmre,
wogegen profitto französisches Lehnwort ist. — Span, conmigo u. s. w.
sind durch mi beeinflufst, Jiisca (= esca), ohispo, mismo, aber
asp. mesmo, Enx. 15, C. Luc. 376 a, 363 b, Cal. Dim. 16 b,
23 b, und noch andal. und astur., Domingo marisma sind unklar,
aide halbgelehrt. — Frz. essil ist vom Verbum essilier beeinflufst ;
volille IV Liv. 240, remasilles 421, lentüle zeigen Suffixver-
tauschung: ilia statt icula-^ -ime stammt nicht von -esimu, die
Schreibung -isme ist jünger, sondern ist von den gelehrten
Septime u. s. w. tibertragen und hat dann auch meesme nach sich
gezogen: me'isme schon im Eol. und OP. — Portg. rim (ren),
während span. splin ein Lehnwort aus dem Englischen (spieen) ist.
Portg. cisa von abcissa mit i statt e und s statt ss vom Perfekt
aus. Ital. dito, astur, didu, kat. dit bleiben dunkel.
In span. mismo u. s. w. will B a i s t 696 Einflufs von
s sehen, ohne zu sagen, weshalb aqueste, maestre und
viele andere e behalten. — Die Erklärung von frz. -ime
hat Köritz, das s vor Konson. 7 ff. gegeben. Anders
aber weniger wahrscheinlich A. Horning 22 Anm. 1.
117. E zu ie. — 1. In Putignano (Bari) wird unter
noch nicht klargestellten Bedingungen i zu ie: Jcyessa, jedd' (illa),
vinniett', fiemmin\ vier' (vero), avicvini (avevano), riej (rex), aber
Jceddi (quelli), jeddi (egli), freddi, feäi.
2. Im Wort- und Silbenaulaut wird im Rumänischen e
zu ie: iel (ille), id (illa), iascä (esca), chie-ic aus cliia-e (clavem). —
Im Westrumänischen zeigt auch sonst e die Diphthongierung
nach Dentalen und Labialen und Sonanten : dies (densus) , F.
diasa, berhiec, fiet, lieg u. s. w.
4. Vulgärlateiuisch 0 = schriftlateinisch Ö, Ü.
118. Wie schriftlat. e und i, so sind auch schriftlat. ö und M
in ihrer Qualität fürs Romanische im ganzen identisch, sie fallen
zusammen in o. Wie dort, so scheidet auch hier das S ar-
dische die beiden Laute ^ zum Sardischen gesellt sich aber noch
das Albanesische und das Rumänische, vgl.
§ 118, 119.
0, ir im Sardischeu und Rumänischen.
121
Lat.
NUMERU
BÜCCA
FÜNDU
FURCA
FURNU
Rum.
numer
hucä
fand
furcä
—
Alb.
num§r
huk^
funt
furk§
fur§
Sard.
numeru
buka
fundu
furca
furru
Lat.
GUTTA
PUTEU
CUBETÜ PULPA
STUPPA
Rum.
gutä
pui
§ 130
pulpä
stupä
Alb.
gut§
pus
kut
pulp§
kup§
Sard.
gutta
puttu
kiiidu
piilpa
stuppa
Lat.
TURPE
TURMA
Rum
l.
turmä
Alb.
turp
turm§
Sard
—
truma
aber
Lat.
-ORE
POMA
-ONE
NODU
SOLE
Rum.
-oare
poamä
§ 135
nod
soare
Alb.
-ei'
peme
-ua
neje
—
Sard.
-ore
§ 130
-one
nodu
sole
Lat.
POPLU
VOCE
FLORE
Rum.
plop
boace
floare
Alb.
piep
—
—
Sard.
—
böge
fiore.
Über rum. o aus u s. § 131.
119. Die Entwicklung von vulgärlateinisch p zeigt in ihren
ersten Stadien ziemlich grofse Übereinstimmung mit derjenigen
von (', wir finden o, u, ou in derselben Verteilung und unter
denselben Bedingungen wie e, i, ei (§ 69 ff.); die weiteren
Schicksale aber, namentlich die Umgestaltungen von ou, sind zum
Teil ganz andere als die von ei. Die folgende Tabelle giebt
wieder nur die Anfänge der Entwicklung.
Lat.
NOS
SUM
TOTUS
VOTUM
COTE
Eng.
nus
sum
(tuott)
vut
kut
Ital.
ngi
sono
§ 127
voto
cote
Afr.
nous
—
(tot)
vout
com
Span.
nos
soy
todo
boda
—
Siz.
WMS
sunu
tuttu
vutu
—
122
I. Kapitel: Vokalismus.
§ 119.
Lat.
LUTU
PUTAT
NODU
PEODE
RODIT
Engad.
lut
—
nuf
prus
rua
Ital.
Igto
pota
ngdo
prgde
rgde
Afr.
—
—
nout
prout
—
Span.
lodo
poda
nodo
prol
roe
Siz.
lutu
puta
—
—
rudi.
Lat.
JUGU
DOGA
FÜGA
LÜPU
LUPA
Engad.
guf
diiva
luf
luva
Ital.
giggo
doga
foga
Igva
Afr.
jou
douve
—
lauf
louve
Span.
§ 147
—
—
loho
loia
Siz.
juvu
duga
—
lupu
lupa.
Lat.
SPOSU
TOSU
-osu
-OSA
VOCE
Engad.
spus
tusa
-US
-usa
vus
Ital.
§ 146
tgso
-gso
-gsa
vgce
Afr.
espous
ious
-ous
-ouse
vgxgi
Span.
esposo
toso
-OSO
-osa
voz
Siz.
spmu
—
-usu
-usa
vuöi.
Lat.
CKUCE
NUCE
FUGIT
CUBAT
JUVAT
Engad.
Jcrus
nu§
fusa
kuva
Ital.
crgce
ngce
§ 147
cgva
gigva
Afr.
croiz
ngiz
fgit
couve
—
Span.
§ 147
§ 146
§ 147
—
—
Siz.
Jcrudi
nuöi
—
Tiuva
juva.
Lat.
UBI
HORA
MORU
PLOKE
-ORE
Engad.
—
ura
mura
fiur
-ur
Ital.
ove
gra
mgro
figre
-gre
Afr.
ou
oure
moure
flour
-our
Span.
—
ora
mora
flor
•or
Siz.
duvi
ura
—
öuri
-uri.
Lat.
CODA
SOLU
SOLE
GULA
DONU
Engad.
cua
sw?
gula
§ 138
Ital.
cpda
sglo
sgle
ggla
dgno
Afr.
coude
soul
—
goiüe
don
Span.
Cüla
solo
sol
gola
dort
Siz.
Jcuda
sülu
suli
gula
dunu.
§ 119.
Vulgärlateinisch 0.
123
Lat.
CORONA
-ONE
POMÜ
NOMEN
CUBITU
Engad.
—
■iin
§ 130
—
cfumbet
Ital.
Corona
-qne
pgmo
nome
ggmito
Afr.
corone
-on
pome
nom
Code
Span.
Corona
-on
pomo
nombre
codo
Siz.
kuruna
-uni
pumu
—
guvitu.
Lat.
JÜVENI
CUCÜMA
CUCÜMER
RUMICE
DUBITAT
Engad.
zuven
—
—
Ital.
giqvane
cgcoma
cocgmero
rgmice
dgtta
Afr.
jgvnc
—
—
ronce
dote
Span.
joven
— .
cohombro
—
—
Siz.
guvini
cuncitma
cucummaru —
dubbitu.
Lat.
CÜTICA
MULIEK
CULEU
PÜRIA
FORIA
Engad.
cudga
—
fuira
Ital.
cotica
moglie
cgglio
foja
—
Afr.
—
—
cgil
—
foire
Span.
—
—
cojo
—
—
Siz.
cuti
—
—
furia
—
Lat.
CUNEü
RUBIA
PUTEU
*SINGLUTTIAT DUCTIAT
Engad.
Tiuoirl
puots
sangluot
duoö
Ital.
cogno
robbia
pgzzo
singhigzza
dgccia
Afr.
coin
rouge
§ 146
—
dgiz
Span.
§ 128
roya
pozo
soUoza
—
Siz.
cuiiu
rugga
putsu
• —
duööa.
Lat.
ANGUSTIA
VERECUNDIA
CAIiUMNIA
PÜTUIT
UTRE
Engad.
anguo§a
vcrguona
—
Ital.
angoscia
vergggna
calggnia
fgtte
gtre
Afr.
angoisse
vergggne
chalonge
fgtte
—
Span.
congoja
§ 341
calona
hode
odre
Siz.
angustia
vrigoHa.
kalunnia
futti
—
Lat.
SUPKA
DUPLU
COPLA
ROBÜR
CÜMÜLAT
Engad.
sura
duhel
—
ruver
Ital.
sppra
doppio
coppia
rgvere
ambia
Afr.
sqvre
doble
cople
rovre
comble
Span.
sohra
doUe
cobla
roble
—
Siz.
supra
duppiu
—
ruvulu
—
124
I. Kapitel: Vokalismus.
119.
Lat.
-UCLU
GLUT TU
GUTTA
MUCCU
STÜPPA
Engad.
-uol
guoüa
—
stuppa
Ital.
-occhio
gMotto
ggtta
mgccolo
stgppa
Afr.
-oul
glgtt
gote
mgche
estgpe
Span.
-ojo
—
gota
moco
estopa
Siz.
-ukJcyu
—
gutta
muJcJcu
stuppa.
Lat.
EUSSU
TÜEEE
SABUEEA
OLLA
PÜLLUS
Engad.
—
tuor
—
—
—
Ital.
rosso
tgrre
zavgrra
—
pglla
Afr.
—
tgrr
—
oule
—
Span.
rojo
torre
sahorra
olla
polla
Siz.
russu
turri
savurra
—
puddu.
Lat.
SATULLU
CUNNU
SUMMA .
CONDUCTU
BUCCA
Engad.
saduol
—
—
huoJca
Ital.
satgllo
cgnno
sgmma
condgtto
bgcca
Afr.
sadgl
con
som
condgit
hgche
Span.
—
cono
somo
§ 128
loca
Siz.
—
Tiunnu
summa
Tiwnnuttu
vulika.
Lat.
BÜPTA
SÜBTU
LUSCÜ
TÜSCÜ
MUSTÜ
Engad.
suot
—
muost
Ital.
rgtta
sotto
Igsco
tgsco
mgsto
Afr.
rote
sgs
Igis
—
mgst
Span.
rota
—
—
tosco
mosto
Siz.
rutta
suttu
luslcu
—
—
Lat.
CBUSTA
TUETA
CUBTU
FUECA
TUEPE
Engad.
Tiruoka
tuorta
huort
fuorh'a
tuorp
Ital.
crosta
tgrta
cgrto
fgrca
tgrpe
Afr,
croste
tgrte
cgrt
fgrche
—
Span.
crosta
torta
corto
horca
torpe
Siz.
Tcrusta
turta
hurtu
furJca
—
Lat.
GUEGE
ALBUENU
DIUENU
TÜETUEA
COETE
Engad.
—
—
—
—
cuort
Ital.
ggrgo
albgrno
gigrno
tgrtola
cgrte
Afr.
§ 146
aubgrn
jgrn
tgHre
cgrt
Span.
—
älborno
—
tortola
cortes
Siz.
gurgu
—
—
tuHura
Jcurti.
§ 119.
Vulgärlateinisch 0.
V
Lat.
FORMA
ORNAT
ORDINE
ASCULTA
MULTU
Engad.
fiiorma
uorna
uorden
Ital.
forma
orna
ordine
scglta
mqlto
Afr.
forme
orne
orne
escgita
moU
Span.
horma
orna
—
§ 128
—
Siz.
furma
—
—
asciita
multu.
Lat.
SULCU
FULGUR
VITLPE
SULPHUR
PULVER
Engad.
—
golp
suolper
puolvra
Ital.
solco
folgere
gglpe
zolfo
pqlvere
Afr.
—
foidre
—
soifre
pgidre
Span.
§ 147
—
golpe
§ 147
polvo
Siz.
siirJcu
—
gurpi
siirfaru
purvuU.
Lat.
CULPA
CULMEN
PULPA
PULSAT
SUNT
Engad.
cuolpa
cuolm
puolpa
—
son
Ital.
colpa
colmo
polpa
polsa
sgno
Afr.
cqlpe
coime
polpe
poise
sgnt
Span.
—
§ 147
—
—
son
Siz.
—
Jcurmu
—
purpa
swnu.
Lat.
UXDA
TRUNCU
RUKCAT
PLUMBU
TUMBA
Engad.
uonda
—
ruonk
plom
—
Ital.
onda
tronco
rgnca
piomho
tgml)a
Afr.
onde
tronc
—
plom
tombe
Sj)an.
onda
tronco
—
plomo
—
Siz.
Unna
trunJcu
runka
Jcyummu
—
Lat.
UNDECI
COLLOCAT
ROSTRU
CONSTAT
SORSU
Engad.
(ündes)
—
—
Tiuosta
—
Ital.
(undici)
corica
§ 141
Costa
sgrso
Afr.
onse
coiche
—
coste
—
Span.
once
—
rosto
Costa
—
Siz.
unnidi
hurJca
—
Tiusta
sursu.
Afr. Pentecouste kann liieher gehören gemäfs § 17, S. 31, es
kann aber auch an coiiste angelehnt sein. Zu ital. sgrso vgl.
lecc. , cal. sursu , bol. sours. Nur in Fi-ankreich findet sich
grhita = afz. ourde. Unklar ist Colostrum, wofllr sich auch die
Schreibung colustrum findet. Mit letzterer stimmt span. calostro,
portg. cgstra. Daneben steht aber astur. Jculiestru, rum. coreastä,
126 I- Kapitel: Vokalismus. § 119 — 121.
die auf Colostrum hinweisen. Zweifelhaft bleibt die Qualität des
u in lambrusca. Ital. ahrostino, ahrostolo, äbrosco, bress. lanibroche
sprechen für ^, frz. lambruche, span. lambrusca für u, doch sind
diese Formen vielleicht Buch Wörter.
a) Spontane Weiterentwicklung des ou,
120. Wenn ursprünglich die Grenzen von ou und ei sich
ziemlich, vielleicht ganz deckten, so hat sich doch der labiale
Diphthong in weit geringerem Umfange erhalten als der dentale.
Zunächst scheint fast tiberall da, wo M zu M geworden ist (§ 45),
ou in die leergewordene Stelle eingerückt, also zu u geworden
zu sein. Die Qualität des Vokals ist nicht an allen Orten ganz
dieselbe; so soll das ostlombardische, piemontesische und genue-
sische u weniger geschlossen sein, als das toskanische, dem
lateinischen ü entsprechende. Für die Toskana selbst fehlen aber
auch noch genaue Angaben. Wie weit in Oberitalien ou geblieben
ist, mufs noch untersucht werden, da die Schreibweise ou oft
ebensogut u darstellen kann da, wo u für ü geschrieben wird,
doch scheint es von Parma an, in Correggio und im Bolognesischen
noch heute zu bestehen, vgl. hol. fiour, -tour, wogegen es weiter
nördlich monophthongiert ist. Dafs aber auch hier einst ou be-
standen hat, fordert nicht nur der Parallelismus mit e, der nicht
völlig beweisend ist, sondern namentlich die Entwicklung in S.
Fi-atello, wo altes u bleibt, gu daher nicht u sondern, entsprechend
der Entwicklung des ei (§ 71), zu au Avird: sau fsole, solo),
davaur, raula (rohur) , mangaraura (mangiatoja) , autr (otre), aula
(gola), nauz (noce) u. s. w. Dies au kann dann vor Nasalen sein
labiales Element verlieren § 138.
121. In Nordfrankreich schreiben die Eide wie die älteren
lateinischen Merowingerurkunden u : amur, dunat entsprechend dem
i für ei § 72. Eulalia ow; hellezour 2 neben nos 27, Jonas: correcious 3,
celor 4, lor 4. Dieses ou nun, das nur aus freiem o entstanden ist,
wird im Wallonisch-Pikardischen , Zentralfranzösischen und der
westlichen Champagne über ceu zu ö?. Es findet sich auch im
obersten Thale der Meurthe und in Saales im Breuschthale , wo
es heute nun ganz isoliert ist, da alle umliegenden lothringischen
Dialekte u zeigen § 122. Der Wandel von ou zu ceu erklärt
sich folgendermafsen : bei der Artikulation des u ist die Zungen-
§ 121, 122. Wandel von 0 zu 017. 127
Wurzel stäi'ker gehoben als bei der des o, sie nähert sich mehr
dem Velum; die engste Stelle im Ansatzrohr liegt etwas weiter
nach vorn. Wird mit derselben Enge aber ohne Verschiebung
nach vorn das o gebildet, so entsteht ein offener ce-Laut, der nun,
in Ermangelung eines anderen Zeichens, durch e dargestellt wird.
Es tritt also beim Übergang von OM zu oßu cß nur teilweise, bei
dem von ow zu ^ dagegen völlige Ausgleichung der beiden Be-
standteile ein. Das Gebiet des ce ist ein kleines, da es aber
dasjenige der Schriftsprache ist, so dringt in einzelnen "Wörtern
öS statt M mehr und mehr in die Mundarten ein. Das Alter des
Wandels ist nicht genau zu bestimmen : Keime wie eas (illos) :
oisews Renclus de Moilliens Car. 194, teus (täles): orgueilleus Chev.
II esp. 10093 zeigen ihn als vollzogen; die Urkunden aus Ver-
mandois und Tournay des XHI. Jahrhunderts schreiben schon
meist eu. Noch ältere Beispiele gewährt das Doomsday-book
mit den Namen : Froisseleuu, Visdeleuu, Leuet, in denen wohl
lüpus steckt. Vor Labial -|- r, Z bleibt ou: roiwre, double, oitouvrc,
couple, daher *peuple, peupUer auffällig ist.
Vgl. G. Paris, Eom. X, 36—62. Von den Aus-
nahmen, ou statt eu, erklärt sich loup (und danach louve)
und joug gemäfs § 317; notis und oü sind tonlose
Foi-men, avove, doue, epous, lahour, amour, jalous stehen
unter dem Einflufs von avouer, dotier, epouser (vgl. ital.
spQzo § 146) amoureux, Idbourer, Jalousie. Toulouse ist
provenzalisch, proue auch wegen Ausfall des r genuesisch
(§ 455), tout, toute geht, wie die Erhaltung des t be-
weist, nicht auf totus , sondern tottus zurück, hat also
berechtigtes ou § 141. Umgekehrt ergiebt olla hier eule,
da U schon in vorhistorischer Zeit zu e geworden war
§ 545.
Auch anderwärts kommt eu aus o vor: in Val Soana:
Tcreus, neus, eura, fyeur (flor), sarteur, veus, -eus , Kpeus , in S U d -
Ostfrankreich § 124, in Erto (Tirol): Icretiä, leuf, euä (vox).
Vgl. noch § 126. — Hier mag katal. kreu, veu, deu aus cruce,
Jcrou (§ 566) u. s. w. erwähnt werden, wo sich ein aus o -{- u ent-
standenes ou genau so entwickelt, wie der alte Diphthong. Der
Wert dieses eu ist heute oe.
122. In Ostfrankreich dagegen bleibt Ott zunächst, und
wird dann zu u, lothr. §alü, nu (neitd), mul (mora), hu, su
(sudore), ur u. s. w. Wichtiger ist ü an Stelle von o in Jung-
128 I- Kapitel: Vokalismus. § 122, 123.
Mtinsterol, ferner ebenso inselartig in Craponne (Lyon) : der
Lautstand dieser Gremeinden ist zu wenig bekannt, als dafs sich
die Erscheinung erklären liefse. Aber auch das Lyonesische selbst
ist nicht klar. Neben gewöhnlichem u steht: nevü, Suff, -ü =
-osum, -atorem, -üri = -atoriam. Eine doppelte Erklärung ist
möglich : entweder ü ist die lyonesische Umgestaltung eines frz.
ce, oder -eur, aus -atorem, -euri aus -atoriam ergeben ü, dieses
Suffix tritt dann auch an Stelle von u aus -orem, -osum. — Zum
Zentralfranzösischen gesellt sich Jujurieux : pleuro, -eu = -orem,
-osum , nyeu (nodum) , lyeu (illorum). — au in Meuse : gaul, law§
(loup), Tiaw§ (coup), myawe (meüleur), pawe ist wieder eine andere
Entwicklung aus ou, die wir schon § 120 getroffen haben, und
die § 124 ff. wieder begegnet.
123. Westfrankreich stimmt im Endresultat der Ent-
wicklung des 0 mit dem Osten überein , der ganze Westen spricht
heute u. Im Mittelalter aber findet sich in den normannischen
Texten o und ou neben seltenerem u, in den südwestlichen
überwiegt o durchaus und weicht erst gegen Ende des XIII. und
im XIV. Jahrhundert der Schreibung ou. Dabei ist noch weiter
zu beobachten, dafs o im ganzen vor r sich länger hält als vor
S, und dafs in Urkunden aus Anjou ein paarmal die Schreibung
00 vorkommt: successoors, vendoor, plusoors. Man könnte darauf
gestützt vermuten, dafs auch hier die Reihe o, ou, u anzunehmen
sei, dafs aber die Diphthongierung später stattgefunden habe, als
im Zentrum und Osten. Es ist dies möglich, aber nicht wahr-
scheinlich. Einmal nämlich weist hier gedecktes o ganz die-
selben Wandelungen auf wie geschlossenes, es ist aber Diphthon-
gierung in diesem Falle im Westen nicht anzunehmen. Dazu
kommt dann die zeitliche Differenz in der Entwicklung von o je
nachdem s oder r folgte ; r kann die Entfaltung des Diphthongen
hindern (vgl. § 140), dann bleibt aber o auf seiner Stufe stehen.
Hier nun müfste man voraussetzen, dafs r eine Zeitlang o hielt,
dann aber schliefslich doch die Zerdehnung in ou und später
dann wieder die Monophthongierung zuliefs. Viel einfacher ist
es, direkten Wandel von o zu ^ anzunehmen, der vor r später
eintrat als vor s. Ob nun dieses o, das zu u wurde, wieder auf
ou zurückgeht, oder direkt das vulgärlateinische o wiederspiegelt,.
§ 123, 124.
0 in SiUlo8tfrankx-eich.
129
ist nicht mit Sicherheit zu sagen, doch ist sehr wohl möglich,
dafs in der That die nordfranzösische Diphthongierung ou nicht
soweit in den Westen, namentlich nicht in den Südwesten ge-
drungen ist, vielmehr hier, wie im angrenzenden Provenzalischen,
I) monophthongisch blieb.
124. S tt d o s t f r a n k r e i o h , speziell die Schweizermund-
arten, weichen stark ab von dem ostfranzösischen Typus, die
Entwicklung des o geht der von e ziemlich parallel. Grundlage
ist wohl OM, woraus zunächst OM, dann a«, aw, ao, ä, wie der
gröfste Teil der Waat hat, a in Freiburg, oder aw, wie ein
Gebiet im Westen und die östliche Waat zeigt, woraus weiter
t'ü und endlich oe im Rhonethal. Ob das OC-, eil im Westen der
Waat von den benachbarten französischen Dialekten herstammt,
ist noch zu untersuchen. Das o in Vallorbe an der Xordwest-
grenze führt zum lyonesischen u hinüber. In Neuenburg mag
das oß dem hier starken Einflufs der Schriftsprache zu verdanken
sein. In Paroisse, dem südlichsten Teile des Kantons, erscheint
aber ae mit stark reduziertem e, als dessen Vorstufe do an-
zusehen ist.
Lat.
HORA
FLOKE
GAUDIOSU
MELIORE
NEPOTE
Paroisse
—
fyae
dzoyae
melae
—
Freiburg
ara
fla
dzoya
mela
neva
Waat
ära
lila
dzoyä
meld
nevä
Ormont
anrci
pau
dzoyau
melau
nevau
Blonay
aüra
lilaü
dzoyaü
melaü
nevaü
Vionnaz
cura
—
dzoyce
—
—
Bagnard
püra
Ukü
dzoyaü
meleü
—
Vallorbe
ora
lila
dzoyö
meto
nevo.
Lat.
ILLORU JÜGU
Paroisse
lac
—
Freiburg
la
dza
Waat
lä
dzä
Ormont
lau
dzau
Blonay
lall
dzail
Vionnaz
Icß
—
Bagnard
l§ü
—
Vallorbe
lg
deq.
Jleyer, Grammatik,
9
130 I- Kapitel: Vokalismus. § 124 — 126.
Beachtenswert ist in Vionnaz der Unterschied zAvischon loe
leuva, -oß, -euza, ebenso geiäa, avo also im direkten Auslaut die
Monophthongierung schon vollzogen ist. Dasselbe gilt für Greyerz,
wo neben nevd u. s. w. aora, plaoro, epaosa u. s. w. stehen. —
Als eine Variation von o? scheint ü in Locle aufzufassen zu
sein: üra, Ti'alü, kaJü, ioyü u. s. w.
125. Ob einst o auch auf dem ganzen rätischen Gebiete zu
oti gcAVorden ist, wie e zu ei, läfst sich nicht mit Sicherheit
sagen; dafür spricht der Umstand, dafs der Diphthong heute
ungefähr in denselben Gegenden erscheint wie ei. Freilich nur
ungefähr, im Westen hat ihn nur Tiefenkasten bewahrt: vous,
kraus, louf, im Zentrum Vigo, Ober-Fascha, Livinallungo , die
Gegend am Tagliamento und der Meduna, nicht aber Comelico
(dafs in Erto §u entstanden ist, wurde schon § 121 bemerkt),
endlich Tolmezzo, nicht aber Gelmona. Die Konsonantisierung
des zweiten Teils findet sich auch hier in Schweiningen und
Berglin : Jcroks, loJcf, ogra, in Engadin : kruM, lukf, ugra u. s. w.
Sonst ist im Rhein- und Innthale u das Resultat des alten
Diphthongen, ebenso in Abtei und Enneberg, überall sonst 0,
also friaul. kodu, kros, ora, lof, vos u. s. w. , und zwar ist das o
meist offen, was vielleicht für altes ou spricht. Dem ?a, lo ent-
spricht sodann wieder ?<a, üo wohl aus ou, \m, y^e: kruas, kruos,
luaf, hiof, vuas, vuos. Endlich rov., dign. u: kms, diilw, ura, siil.
126. Veglia diphthongiert o über ou zu au, wie e über
ei zu ai, z. B. gaula, aura, fiaiir, sudaur, avaraus, prezaun u. s. w.,
au kennen auch die Abruzzendialekte : Bitonto de.v§tzeiaune, kaume,
anaur§ (neben smur§ F.) Altamura: sfatsiauna, maulaun (neben
anor, krona, sbiura) Andria : vdakkyaune, sfatsiaiin (kröna, sirieur)
u. s. w., ebenso Palena u. s. av., sodann eü oder eher ceü in
Agnone : senaüra, atsiceüne, dekceüre, persekutwüre ; Cß in Trani :
Belcene, kroßna, anoere (oder soll die Schreibung oe eine andere
Bedeutung haben?).
§ 127, 128. 0 beeinflufst durch folgendes t. 131
b) Bedingte Veräiitlerniigeii.
1, Eiiif'lufs folgender Laute.
127. Durch folgendes ?*, f, tf, n wird o ebenso 7X\ u um-
gelautet, wie c zu i. Der Fälle sind hier weniger, für -i kommt
nur der Nom. Plur. der 2. Deklination, in Italien das i der
2. Sg. in Betracht. Das Gebiet deckt sich wohl völlig mit dem
von i aus e.
Lat. -OSI TOTTI COGNOSCIS COGNOVI
Xeapol. -us§ (tuttc) Jcanuse —
i\[ail. -HS (tüft) kanvs —
Frz. — tüit — conui
l'rov. — tüit — —
Auch hier wird die Deklination das Einzelne bringen. Für
die 1. Perf. im Neapolitanischen und Provenzalischen fehlen
mir Belege.
Mit Unrecht jjfiegt mau ital. tutto hierher zu ziehen :
der Umlaut wäre im Toskanischen ebenso unerhört, wie
die frühzeitige Verallgemeinerung des Vokals vom Nom.
Plur. Mask. Auch die Differenz zwischen fiur = fiori
und tut, tue in Oberitalien zeigt, dafs verschiedene Fälle
vorliegen. Es ist das « aus der Tonlosigkeit zu erklären,
vgl. Kap. IV.
128. Umlaut vor romanischem i wie bei e (§ 80) zeigt die
iberische Halbinsel : span. ruvio, tttrbio, ludio == lutidiis, lluvia ;
vor dem aus c und l entstandenen i (§ 462 und 483) : irucha,
ducho, lucha, cuida, puches, huitre, muy und miicho, ascuclia; vor
n aus ni (nicht aus nn: com): una, puno, gruüo, escaluna,
redruna. Über cigüena, agüero, vergüena, nastuerzo aus cigüina
lat. ciconia u. s. w. s. § 341. Portg. vor ri: caramunha, testemunho,
punho, unha, grunlio, cunlio neben conho, conha, vergonha, cegonha, so
dafs vielleicht u iirsprünglich an auslautend o geknüpft war, vgl.
auch tudo Xtr. neben iodo, toda; vor i: diuva, muito, äbiUre,
duvida, outiibre= odohrius , ruivo , ruro, cuida u. s. w. — Im Emi-
lianischeu wird -torius zu -tur. — Als Einflufs des j ist es endlich
zu erklären, wenn im Val Soana -oritis, -a zu -cir, -eiri werden
aus älterem euri, euria. Sodann schliefst sich auch Nordfrank-
reich an mit eur aus *aguiro, agurium, truite aus trylita, vgl.
span. trucha, portg. truta, ital. troita aus troita.
132 I- Kapitel: Vokalismus. § 129, 130.
129. Vor folgendem a, e, o bleibt o in Süditalien, vor i, u
wird es zu u: auch hier herrscht völlige Übereinstimmung mit
der Behandlung des e. Also z. B. Alatri nude, dune, voce, PI.
vuci, -use, Fem. -osa, PI. -tisi, -ose, lavore 1. Sg., lavuri 2.;
noce, nitdi, poie (puto), puti, fumie (fiindo), torre, turri, dode, duci,
rompe, rumpi u. s. w. Aneap. aidore, auturi, Immore, Immtiri,
capone, p)iQuni; fumiisu, conosse 3. Sg. canussi 2. ascolta, hocca,
corre, agitsto , curso , musto , giovene PI. giuvene u. s. w. Sodann
sardisch : oru (Kand), sgtnniij cgru, aber cgnca, cgre, cgrve (corhis).
Fürs Rumänische kommt gemäfs § 118 nur lat. ö in
Betracht, mit ihm auf einer Stufe steht ö. Vor folgendem ton-
losen ü, c wird dieses o zu oa, vor folgendem i, u bleibt es als o ;
-OS, -oasä, -oarc, lor, nod, no'i, hoace (vocew) u. s. w. Mehr Bei-
spiele s. § 184.
W. F 0 e r s t e r , Cliges LVIII will fürs Altfranzösische
einen ähnlichen Unterschied feststellen, da in den cham-
pagnischen Handschriften vuid Urkunden sich -eus, neveu,
preii, veu u. s. w. aber soJe: gole Ivain 1413 neben
gole: ole Ivain 3361, ferner stets coe, noe, soe finden.
Allein die Annahme hat ihr Bedenkliches, so lange nicht
aus lebenden Mundarten nachgewiesen ist, dafs Nord-
frankreich eine derartige Beeinflussung des Tonvokals
durch den nachtonigen kennt. Zu den Tendenzen fran-
zösischer Sprachentwicklung Avürde eher die Erklärung
passen, dafs oxytonierte Vokale sich anders entwickeln,
als paroxytonierte. Es köinate aber auch nur Schreiber-
willkür vorliegen, die neue seiner Mehrdeutigkeit wegen
vermeidet* gle lautet im Zentralfranzösischen eule, nicht,
wie Foerster § 120 Anm. anzunehmen scheint, oule ;
es liegt also gar nichts im Wege, seule , geule, evJe zu
lesen.
130. Vor Labialen tritt in weitem Umfange o für o ein,
infolge einer Dissimilation, die der § 34 besprochenen von i
zu i entspricht. Vulgärlateinisch gmim wird gesichert durch eng.
af, ital. novo, afr. uef, span. Imevo, colgbra durch sard. colora,
afr. cgluevre, span. culebra, cgpreum durch frz. cuivre. Es sind
dies aber die einzigen weit verbreiteten Fälle, juvenis zeigt
Doppelformen: ital. gigvine, hol. dzouven, siz. giivini, sjjan. joven
neben ital. gigvine, afr. juefne. Regel ist o statt u vor Labialen
im Rumänischen: roil), cot, o (uli), nour (nuhiliis), hoitr (bid)alus),
§ 131 — 133. Q beeinfluf^it durdi tolofende Laute. 133
letztere aus älterem nuor^ huor, maz. roamcg neben wal. rmneg,
toamnu, joane neben wal. junc^ das u crklHrt sich hier wie in
numer aus endungsbetonten Formen, da in tonloser Stellung it
berechtigt ist § 353. Ebenso bleibt o aus p und o vor m: i)om,
domu, während es vor n zu w wird § 135, nmne aus oiomen
neben pom wie das eben envähnte mimcr. Auch das Engadinische
bewahrt o vor m: X'om, nom, om, während sonst u eintritt § 137.
Endlich in Val Soana wird ov über euv (§ 121) zu ev: liJceva,
deva u. s. w. Über vulglat. pl^vere = pluerc s. die Konju-
gationslehre. — Assimilierenden Einflufs übt der labiale Nasal
im Sardischen : lumine (nomen), pumu.
131. Velare üben selten Einflufs auf das o, ^, bezw. w
verschmelzen vielmehr mit dem homorganen Vokal zu ou, u. Dieses
Ott entwickelt sich in Südostfrankreich wie ou nun freiem o (§ 124),
z. B. waat. dao (dulce), pao fpullu), d^enao, auch cub'itu: Jiüodo
folgt. Doch zeigen sich auch hier Dissimilationserscheinungen
in Nordost-Frankreich. In den altpikardischen und zum Teil
wallonischen Texten wird öi und ol- 7a\ au: caup (colpus § 16),
vaurai, und dem entspricht noch heute in Mons Jiau, in Urinienil
und Filiere mau aus midtum , in bress. faudra (fulgur), paudra
(frz. poudre), sauddr, mauton u. s. w. — Sodann ist ü im Gadera-
thal : düde, süce, müge neben olp, solper, kolm, Jcolpa zu ei-wähnen :
l wird zu ?, 7, letzteres mit u zu m. Vgl. noch § 142.
132. Vor Nasalen ist die Behandlung des o sehr viel ein-
facher als die des c. Im Zentralfranzösischen unterbleibt die
Diphthongierung, o wird vor freiem wie vor gedecktem Nasal zu
ö, woraus bei der Entnasalierung p: nom, raison, nomhre, ponce,
pomme, gesprochen no , rcsö, nöhre, pös, pom. Aufltallig ist
daneben gloume (und glume, lat. glüma oder glüma?), das wohl
nur als Schriftwort betrachtet werden kann. Im Altfranzösischen
assoniert on unbedenklich mit jedem anderen o, da aber hier
die Nasalierung die Qualität nicht änderte, so ist daraus nicht
zu schliefsen, dafs der Vokal noch oral gewesen sei. 0 + n
dagegen wird zu oiH, das erst mit dem anderen in zu or fort-
schreitet : point, coing, oindre, joindre u. s. vr.
133. Im Westen wird o vor Nasalen zu ou, u. So schreiben
die mittelalterlichen Urkunden und Handschriften, \gl. num Anjou
134 1- Kapitel: Vokalismns. § 133 — 135.
M, XX, 12; mesuns XXII, 4, raisiin XXIII, 21-, felun Touraine
26, lecun 2, larun 28 u. s. w., und so noch heute z. B. in
Lahague: um, 2mm, shw, tum u. s. w. Auch in Paris war diese
Aussprache lange Zeit die herrschende, PaJsgrave, Meigret, Dela-
motte, Chifflet, Duez geben alle ü an, erst D' Allais 1681 und
Uaugeau 1694 bezeichnen dies als Provinzialismus. Im Anglo-
normannischen wird ö zu oun, da jedoch auch sonst für 0 seit
dem XII. Jahrhundert die zentralfranzösische Schreibweise ou
einreifst, so ist darin nicht ein Lautwandel entsprechend aun aus
an § 245 zu sehen. Wenn ont zu önt engl, ount (amount)
Avird, qmb aber om&, (emb (encvmher), so liegt darin englische,
nicht französische Lautentwicklung. Der Südwesten zeigt eine
andere Entwicklung : er treibt ö zu ä, vgl. poit. toisä, räpü, sä ;
Deux Sevres nä, hä. In derselben Gegend wird e über ä zu 5
(§ 91) ; der umgekehrte Weg, den ö scheinbar macht, ohne mit
dem anderen Nasal zusammenzutreffen, ist nicht völlig klar.
Vielleicht ist von nasalem ou auszugehen, das dann auf ähnliche
Weise zu au differenziert worden wäre wie ol § 132, dann hätte
weiter Reduktion von nasalem au zu ä stattgefunden. Eine
genauere Bestimmung der Qualität dieses ä ist aber noch abzu-
warten, bevor eine Entscheidung gefällt werden kann. — Mit
dem Westen stimmt zum Teil der Osten in u vor »?, m überein,
vgl. nivern. /cMW, um, piim, sunc, dune, ebenso treffen wir hier a:
Domgermain (Lothringen) : ga§ä, nä, sä = sont, fä (fonds), vgl.
ätü (honteus).
In Formen wie ordanne: Diane, Ben., Troie 7637,
calenge Rol. 3592, 3008, dame aus domina ist das a aus
tonlosen Silben verschleppt, s. § 369.
134. Während der Übergang vom nasalen zum oralen 0 im
Schriftfranzösischen nur eine geringe Qualitätsänderung mit sich
bringt, zeigt der Osten, namentlich Lothringen, gröfstmögliche
Verkürzung des Vokals und infolge dessen Reduktion auf g, das
in verschiedenen Färbungen bald als §, bald als m erscheint, vgl.
d^n (donat), pem, pasen, ebenso im Südosten (nicht in Freiburg
und Neuenburg), waat. Jcorena, persena. Vgl. dazu § 596.
135. Im Rumänischen Avird 0 und 0 vor n, n'^ , m*^ zu
u : 'bun, sunä, Jcununä, pune, päun (pavone), tutune, Itärbune, gutuiu
(cotoneiis), cumpar, cumpät u. s. w. Nicht aber vor mn, wo das
§ 135 — 130. Q beeiiiHufst (Ixirch folgende Laute. 135
§ 130 vorgeführte Gesetz zur Geltung kommt: toamftä, domn
u. s. \v. Dieses u wird wie altes (§ 65) mit i zu i im Suff.
-ine = -ione: nisine, motiäcinä u. a. Unklar ist ^/?, im zu in:
adine , mämne , maz. lindvna (fiirundine) , frindzä, fiinte, wal.
plämint, gutiiu (-önem), rie, maz. rinye = ital. rogna.
136. Im Italienischen wird o vor n + Palatal zu u :
siigna, piigno, ungere, ptingere, tcnghia, lungo, wohl nach hmgi,
ftmgi , miingere, ferner vor qiie: diinque, nicht aber in tronco,
ronco , cogno. Auch hier zeigt schon Siena o: öngiare, onca,
desgleichen der ganze Norden, so weit er nicht überhaupt M für
0 eintreten läfst. Hier stimmt das Portugiesische nicht mehr
überein wie bei e (§ 95) aufser in den § 128 genannten Fällen,
vgl. aber longo, Avoneben fimgo wohl Buchwort ist, ponto u. s. av. —
Merkwürdig aber ist bearnisch ü vor jJ^latalem n: ilne (ungere),
püii, pänt (punctum), und vor ng: üngle; Ariege: ünglo, pünt, Süne.
137. Im Rätischen Aveicht on mehrfach von o ab, auch
da, Avo letzteres zu u Avird. So wird in einem Teile des Dom-
letschgs MW zu fMW, während umgekehrt da, wo ou bleibt, on
keine Spur des Diphthongen zeigt. Im ganzen gilt für den
Westen und Münsterthal un, für den Osten on. Vor gedecktem
Nasal aber tritt i(§ ein in Engadin: ri§pu§nder, ratu§nd (vgl.
§ 143), in Greden: skv§nder, pu§nt, fru^nt, in Karnien und
Friaul : riSpuindi, pumt, frint aus ue nach § 162.
138. In S. Fratello bleibt au vor gedecktem Nasal
(während sonst gedecktes o nicht au wird § 143), vor einfachem
aber geht das labiale Element verloren : faun (fundus), mann,
caun, palauma, bastä, razä, Jcarbü, kam, nam, manzaria (memogna),
uamra (vomer).
139. R fordert oft o statt u vor sich, Agl. § 123, ferner
judik. ora, fyor, or, sor§, während sonst o hier zu u Avird, auch
vor l: kul, zgula, so dafs also die Entwicklung von o mit der
von e (§ 100) nicht gleichen Schritt hält. — Nicht recht klar
ist ü aus 0 vor gedecktem r im Gaderathal: fürk'a, für, Icilrt,
sürd: ue, ui, ü?, Agl. auch § 132. — Südostfrankreich bricht o
zum Teil vor ursprünglich gedecktem r im Auslaut : Blonay dzua
(jour), ua, tua aber fortse u. s. w. Vgl. noch afr. tuernent
Ezech. u. a. und § 143.
136 I. Kapitel: Vokalismus. ^ 140 142.
140. 0 X y 1 0 n i e r t e s o wird u, Avälireud paroxytoiüertes sich
hält im Gaderathal : -ur, -us, -un, su (solus) aber l'orona, -ora,
-osa, skroa. Dafs nicht die Qualität des auslautenden Vokals dabei
im Spiele ist, zeigt pöx^o aus pöpulus. — In Val Soana verliert
oxytoniertes eu sein labiales Element: ve aus Votum. — Im
Portugiesischen wird o in einsilbigen Wörtern offen: nQS, vqs,
ngg:, vog, sqI. — Dieselbe Behandlung erfährt ital. o im direkten
Auslaut: nö, prg, und vor Vokalen: fgia, moia, aber -tgio u. a.
141. Auch für gedecktes g zeigen Eumänien, Italien,
Spanieii, Südfrankreich keine andere Behandlung als für freies
(vgl. namentlich bol. soulk, fourTca), nur Averden rgstro, mgstro im
Italienischen zu rgstro, mgstro, vgl. § 113, dagegen ist in Nordfrank-
reich und Eätien die Entwicklungsgeschichte nicht so einfach.
In Nordfrankreich wird gedecktes o zu u, geschrieben ou, aber
wohl nie diphthongisch gesprochen, es wird auch nicht zuew, sondern
behält bis heute den Wert u bei. Also : tout, tour, tourne, coiir,
four, jour, coute, moüt u. s. w. Ebenso scheidet das Burgun-
dische zwischen o und u: elätor, to^or, emor, tote neben -u =
-osus u. s. w. Mit i aus c zusammen verschmilzt o zu gi,
das anfänglich von gi aus ei (§ 72) und aus mi -{- i (§ 289)
vei'schieden ist, dann aber auch zu gi wird, vgl. Ren. Mont. 164
crois: oi, Mainet nois: mois, Gaufrey nois: Fran^ois und sich
nun wie die anderen oi weiter entwickelt, in connaitre sogar zu
f wird; sonst also angoisse, noix, croix, foire, afr. froisse, goUre
rückgebildet aus goitron (gutturionem).
Vgl. G. Paris, Rom. X, 36—62. Gegen die Regel
wird gedecktes p zu ce in ailleurs, vielleicht von l-eur
(illac-tthi) angezogen; forme, ordre, orner sind gelehrte
Wörter an Stelle der alten fourme, ourne; sanglot hat
Suffix ot statt out. Nfr. fleuve aus fluvius zeigt eine
eigentümliche Unregelmäfsigkeit. Die Bewahrung des v
zeigt, dafs es Buchwort ist; afr. lautet es fluive aus fluvie
(§ 340) , mit einem ui , das von dem aus w -|- i (§ 62)
und p -|- i (§ 189) entstandenen so verschieden gewesen
sein mufs, dafs es zu ue, eu Averden konnte.
142. In Ostfrankreich aber diphthongiert auch gedecktes
0 zu ou, das dann über gti sich zu p entwickelt. Dafs nicht
direkter Übergang von p zu p vorliegt, ergiebt sich aus dem
Parallelismus mit e § 112 und aus § 144. Im Lothringischen
§ 142—145. Q I'eeinflnfst durch folgende Laute. 137
haben wir also M()'p^ t{>Z(), dot, to (turris), K o (oi4rs), got, lio
(sonrd), sop u. s. w. Ebenso Morvan : zor, to , kor. Nur vor 7
erscheint u: colirum wird über TioUre zu '^Jcouirc, Jcut, ebenso
eliJiut, pur (pulvis), mu. Der Unterschied dürfte seinen Grund
darin haben, dafs das aus ol entstandene ou Hlter ist, als das
auf 0 zurückgehende. Erst als *Jcoutre schon zu Icutre geworden
war, Avandelte sich Jcori zu kouti, kuort. — 0 -\-i entwickelt sich
hier wie () 4- i § 191. Beachtenswert ist, dafs in Südostfrank-
reicli, z. B. Vallorbe, dem Diphthongen aus freiem o (§ 124) o,
dem gedeckten o aber u entspricht: ora — kur.
143. Mehrfach zeigt gedecktes o eine Behandlung, die der-
jenigen des vulgärlateinischen freien p entspricht, es wird nämlich
zu üe, lio, so in Westfrankreich : Lahague : rnüel (grcnouilles),
hi(§s, ru§z, amuQ, su^d, fu^rk, kuetre (coudre), mu^le (muscv-
ItisJ, iuQS (ttissis), tt§rme. Nur vor r in Fourgs tuot, kuot, fuo.
Ferner im Eätischen wf oder «p: hü^k'a, mu§sk'a, fü§rn, pu§lver,
vi(§lp, uenda, ingvesa u. s. w. Das zweite Element scheint voll-
töuig in Münsterthal: pluöm, suöt u. s. w. Sonst u und o in
gleicher Verteilung, wie bei freiem p, daher z. B. im Judi-
karischen : kort, sorf, orna, torhul neben kup, niguta, lu§ u. s. w. —
Den Diphthongen treffen wir endlich noch in S. Fratello : kruo^ta,
pnorvr, ruot, stuopa, tuoss, tuoc (tocco), fuorma.
2. Einflufs vorhergehender Laute.
144. Im Lothringischen wird das nach § 142 aus p
entstandene ou nach Labialen und Gutturalen zu no umgestellt:
kuor, hvoli (bourse) , fuoK, huoö. — In S. Louren<jo de Sande
(Interamna) entwickelt sich u nach Labialen: puogo , fuorde,
muonte, puoga, puotro. Erwähnt mag noch werden afr. peur aus
pavore mit ü unter Einflufs des v und portg. su^r, das sein p
statt 0 dem dissimilierenden Einflufs des u verdankt.
c) Sporadischer Waudel von o zu p, ?/.
145. Für die gelehrten Wörter im Italienischen und in den
davon abhängigen Mundarten gilt das § 115 über e Bemerkte, also
tosk. devQlo, mobile, nobile, gloria, vittoria, florido, rnrido, decoro, dote
Tind zahlreiche andere, entsprechend calabr. divuotii, ferner luoru
(ital. loro), das sich durch sein uo als aus dem Norden entlehnt
erweist; auch wpme im Tosk. und Portg. neben nome ist halb
138 I- Kapitel: Vokalismus. § 145^ 146.
gelehrt, vgl. noch süclital. (calab., apul., sie.) nomi, nome statt
numi, nume. Auch afr. testemoine, gloire, noble, obwald. glierga,
nieble, eng. gloria, noebla erklären sich am einfachsten als Buch-
wörter. Auffallig ist die Diphthongierung im Rätischen, doch
wird sie sich ähnlich erklären wie ven. ie aus e § 115.
146. Sodann treffen wir auch hier eine Reihe der ver-
schiedenartigsten Beispiele für o aus o, die bald mehr bald
weniger weit verbreitet sind, und deren jedes eine besondere
Erklärung bedarf. Schon vulglat. entstand nora statt nurus nach
soror, socra und novia (Braut), noptia statt nuptia nach novius,
novia, daher rum. norä, ital. nuora, prov. nora, span. nuera;
ital. nogge, frz. noces, während rum. nuniä gemäfs § 135 unent-
schieden ist und sard. nunta die klassische Form bewahrt. —
Durch ähnlichen assimilitorischen Einflufs eines sinnverwandten
Wortes erklärt sich siz., südital. ggmu nach notte, ital. sporco
nach porco. — Der Umstand, dafs vor dem Tone p und o zusammen-
fallen (§ 353), bringt es mit sich, dafs in zahlreichen Fällen
stammbetonte Verbalformen und Ableitungen p statt o aufweisen,
so ital. sgffre, afr. sueffre, vgl. gffre, ital. ngvero, sgsta, spQSO,
span. cuelma, duena, muestra, huella, cuelga, wohl auch nue^,
darüber, sowie über ital. scuotere, rum. scoate, sai'd. iscoiere neben
afr. escgrre, prov. escgdre s. Konjugation. Im Portugiesischen
zieht novo, novos, nova (§ 186) auch -gso, -osos, -gsa nach sich.
Spezifisch florentinisch , jungen Datums und nicht streng durch-
geführt scheint der Übergang von o zu p in Proparoxytonis :
fglaga, ignaca, gmero, doch ggmito, cocgmcro, fglgore, cgtica, tgrtora.
Nicht alle der erstgenannten Wörter sind echt volkstümlich in
Florenz : fglaga nicht seiner Bedeutung wegen ; gmero hat spälla
neben sich; bei tonaca ist intonacare zu berücksichtigen. Wohl
aber scheint, dafs vor gedehnter Konsonanz in drittletzter Silbe
p für 0 eintritt: sgffice, mgccolo, ngcciolo, bgssolo u. s. w.
D'Ovidio, Grundrifs 516 — 518, der zum Teil anders
erklärt und noch mehr Beispiele bringt.
Sehr vieles ist hier noch dunkel oder zweifelhaft. Neben
afr. mgt, prov. mgt steht afr. mgt, nfr. mot, ital. mgtto, portg.
mgte, die zwei letzteren entlehnt aus dem Französischen. Auch
portg. broclia ist wohl aus frz. broche entlehnt, hat also nichts
mit buccula zu thun, wohl aber stammt ital. bgrchia mit p daher.
§ 146, 147. Wandel von 0 zu Q. 139
Auf *cnhth(S zu cos, cotis weisen ital. c^tano, mail. Jioeden^ friaul.
Jctiedul. — Porter, aniora, ital. mora von möra stimmen vielleicht
nur zufällig ttberein, jenes könnte sich erklären wie -ora, dieses
an moro von maurus angelehnt sein. — Unklar sind die Vertreter
von mttria: rum. more, ital. moia, afr. muire, span. muera neben
rum. miiru. Siz. salamoria, bol. salamuria sind, wie die Erhaltung
des ia zeigt, nicht volkstümlich , rum. more ist vielleicht erst vom
Verbum gewonnen, ital. moria ist korrekt § 140, auch span.
muera vereinigt sich mit moria, so bleibt nur frz. muire, das moria
zu verlangen scheint. — Ital. gorgia, frz. gorge, h-z. puiis harren noch
der Erklärung. — Endlich die schwierigen französischen Formen
or, encor , lor, deren Zusammenhang mit liora unzweifelhaft ist.
Ihnen gesellt sich prov. ara bei. Das frz. p kann nur auf au
zurückgehen, nicht auf vulglat. p, es wird also wohl aora aus
ad-horam zu Grunde liegen. Dem prov. ara aus *aora vergleicht
sich anta aus *aiinta (frz. honte, germ. Jiaunißa). Wegen des
hier vorausgesetzten frühen Ausfalls des d s. Kap. IV.
Gegen hajiora Suchier, Ztschr. I, 431 spricht sich
mit Kecht Gröber aus, Arch. lat. Lex. III, 140. Ad
lioram hatCornu vorgeschlagen, Eom. VI, 381. Gegen
Gröbers Annahme, dafs liodie Einflufs geübt hatte, ist
geltend zu machen, dafs dann das prov. a imerklärt
bleibt, und dafs Avir im Französischen den Vei'treter von
vulglat. p, nicht au erwarten müfsten. — Nicht erwähnt
ist ital. hosco, prov. hgsc, afr. huis, huisson, huisse, die
mit huxum keinen Zusammenhang haben können, da wie
die Behandlung des Vokals, so auch die Umstellung von
X zu sc den Lautgesetzen entgegensteht; von huxum
stammen ital. hgsso, bossolo, deren ersteres vielleicht erst
vom zweiten p angenommen hat, und prov. hois, afr. bois,
span. hoj. Auch frz. buche, span. buscar können der
abweichenden Vokale wegen nicht zu huxum gestellt
werden. — Über span. cuemo s. Kap. IV.
147. u an Stelle von o zeigt vulglat. ustiiim, ital. uscio,
frz. huis, aspan. uzo: eine Ei-klärung fehlt. Ital. giu, giuso, afr.
ju£, aspan. enjuso sind nach suso gebildet, vielleicht nfr. sur nach
JMS (doch vgl. § 149). Für lat. undccim kommen teils Formen
mit p vor : frz. onze, span. once, teils mit u : ital. undici, letztere
nach uno gebildet. Ital. cucio, mucchio haben das u von cucire,
ammucchiare verschleppt, ebenso corruccio von corrucciare, wenn
140 I- Kapitel: Vokalismus. § 147 148.
es nicht etwa aus Frankreich stammt. Unklar ist ital. ligusta,
tess. ligüsta, lyon. lüsta aus lociista neben neap. ragosta, afr.
laouste, bagn. Iota, portg. lagosta, die auf locnsta weisen. — Als
Buchwörter erklären sich frz. etude, deluge, uvrible (trotz des
richtigen Accents)^ vgl. übrigens afr. omhle: comble S. Greg. 1777;
span., portg. crng, span. pnljya, surco , portg. sulco (dafür
als volkstümlicher Ausdruck jtortg. rega) , yvgo (dafür portg.
canga), sj^an. hulto. Unerklärt sind span. nimca, junco (aber
tronco, doncas), cumbre, portg. cumc, wo vielleicht das l gewirkt
hat, vgl. § 128, portg. chumho neben span. plomo (und portg.
lombo), portg. curto (doch vgl. § 52) curvo , custa, surdo, urso
(span. OSO, vgl. portg. tordo) , span. duda (portg. duvida erklärt
sich wie divido), nudo aus nodus. — Span, comisco hat sich nach
comigo gerichtet. — In ital. pagura aus pavore, afr. pasture neben
ital. pastoia hat Suffixvertauschung stattgefunden; ebenso ist
aprov. melhura zunächst in den endungsbetonten Formen den
Verben auf -wäre angeglichen worden. Von den endungsbetonten
Verbalformen hat luite, l\(ctat (vgl. redoit aus redtichis) sein ü
verschleppt; cuide tritt zu coidier, weil vuide neben voidier
(vocitat: vgcitare) steht; der Ablaut ui: oi stört dann auch die
Flexion von styidiare: estoie, estoier wird zu cstuie, daher auch das
Substantivum e'tui. — Die rumänischen Fälle von u statt o : cuget,
urdin, culc erklären sicli von cugctd, vrdind, culcd aus, auffällig
ist curte, das vielleicht erst aus dem ngr. xovqti] stammt. —
Doppelformen zeigen die Vertreter von hdra. Zunächst siz. itria
ist, Avenn nicht geradezu auf li'vÖQig mit spätgriechischer Aus-
sprache des V zurückzuführen, doch jedenfalls in seinem Vokal
von dem griechischen Worte beeinflufst. Sodann sind span.
Ivtra, nutria, frz. loutre, wie das t zeigt, Buchwörter, ital., portg.
lontra Avürden auf \i weisen, desgleichen friaul., ven., ferr. lodre,
Jodra, dagegen lomb., gen. lüdria auf ü, übrigens ist auch hier
die Bewahrung des t als d statt des gänzlichen Wegfalls auf-
fällig. Volkstümlich scheint zu sein prov. lüira, loira aus lutria,
berry. loure. — Ital. fugge, frz. fuit, span. liuyc haben ihr u -vom
Perfect.
148. Einige Fälle von ou im Portugiesischen harren noch
der Aufklärung: longa , louco, choiipo, poupa. In dem ersteren
der vier Worte ist vielleicht Anlehnung an lousa zu sehen; die
§ 148—150. Wandel von O zu Tl. \\\
drei aiulereu haben das gemeinsam, dafs eine vnlgärlateinisch
kurze Silbe gedehnt worden ist : al\ica — oiXüca^ iipyipa — upi^pa,
poplus, plöpus: es mag der Diplithong damit in Verbindung stehen.
149. Jedes anlautende o Avird zu uo im Kumänischen ;
uoauä (öllä), und so altes p: uom^ uopt, uou. — Im Inneren
Siziliens diphthongiert o zu uo : vuoöi, suolL — Im Französischen
wird das aus o und p entstandene eu zuweilen zu u reduziert:
sur, vielleicht unter Einflufs von sus, für in ä für et ä mesure,
wegen der Tonlosigkeit und des Reimes, pruclhomme und mure
neben altem meiire, das mit meiire, mure = matura zusammen-
geworfen scheint.
5. Vul^ärlateinisch ^ = scliriftlateinisch E.
150. Bei der Darstellung der Geschichte des vulgärlateinischen
[i sind zunächst zwei Zonen zu unterscheiden, die eine, die es
zu ie diphthongiert, die andere, die den Monophthongen auf-
weist: letzterer gehören das Piemontesische, Genuesische bis ein-
schliefslich der Macerata und das Lombardische, ein Teil Mittel-
italiens, natürlich Sardinien, zum Teil Sizilien, endlich Portugal an.
In der ersten sind die Bedingungen, unter denen der Diphthong
eintritt, sehr vei'schiedene : im weitesten Umfang erscheint er im
Spanischen, dann folgt das Eätische, das Rumänische, das
Neapolitanische, das Französische, das Italienische, endlich das
Provenzalische. Das ie kann dann wieder die mannigfaltigsten
Wandelungen durchmachen: ie wii'd zu e, oder ie, f, ei, i; le zu
iö, ?f, i. Im Rumänischen ist der zweite Bestandteil des Di-
phthongen frühzeitig mit e identisch geworden, und erleidet nun
dieselben Umgestaltungen zu a, a, e wie altes c § 83 ff. — Auf
dem e-Gebiete endlich ist der Vokal bald {? bald e je nach den
Gegenden oder nach den umgebenden Lauten.
Um nun die Masse der verschiedenartigen Erscheinungen
möglichst übersichtlich und zugleich mit Rücksicht auf die histo-
rische Entwicklung zu ordnen, sollen zuiaächst als vulgärlateinische
Gnandlage ie und e angesetzt und die Bedingungen untersucht werden,
unter denen der eine oder der andere der beiden Laute erscheint.
Da tritt nun zuvörderst ein Gebiet entgegen, wo die erste Entwick-
lung des e unabhängig ist von der Qualität der folgenden Laute.
142
I. Kapitel: Vokalismus.
§ 150.
Ihm gehören an Eumänisch, Westrätisch, Sizilianisch, Italienisch,
Galloitalisch, Französisch, Provenzalisch, Spanisch, Portugiesisch.
Kleine Ausnahmen giebt es auch hier, sofern im Rumänischen,
Osträtischen, Provenzalischen die Nasalen dem e eine besondere
Gestaltung geben. Die Quantität der folgenden Konsonanten ist
von gröfserer Wichtigkeit: mehrfache Konsonanz verhindert den
Diphthongen im Italienischen und Französischen.
Lat. METU VETUS VETAT METIT PEDE
Eum.
—
—
—
—
—
Friaul.
—
Vieri
—
—
pid
Ital.
—
vieto
vieto
miete
piede
Frz.
—
vies
viede
—
piet
Span.
miedo
viedro
vieda
—
pied
Siz.
—
—
—
meti
pedi
Mail.
—
—
—
—
pe
Prov.
--
—
veda
met
P?t
Portg.
m§to
v^dro
v§da
—
pe.
Lat.
SEDET
DEDIT
REDIT
PRECAT
NEGAT
Rum.
siede
diede
—
—
—
Friaul.
—
—
—
—
—
Ital.
siede
diede
riede
priega
niega
Frz.
siet
-iet
—
prieie
nieie
Span.
siede
—
—
priega
niega
Siz.
sedi
dedi
—
preja
nega
Mail.
—
—
—
prega
nega
Prov.
s§t
-§t
—
prega
neia
Portg.
se
—
—
—
nega.
Lat.
NEPOS
CREPAT
DECEM
liEGIT
LEVAT
Rum.
—
criepä
diece
—
liea
Friaul.
—
—
dis
jeve
Ital.
nievo
criepa
diece
legge
lieva
Frz.
nies
crieve
dieis
lieit
lieve
Span.
—
crieha
dies
lee
Ueva
Siz.
—
crepa
ded
leggi
leva
Mail.
—
creppa
des
leggia
leva
Prov.
neps
creba
d^ts
—
leva
Portg.
—
—
d§s
le
leva.
J; 150.
Vulgärlateinisch £.
Lat.
LEVE
BREVE
PEJUS
8ERÜ
FERU
Rum.
—
—
—
—
fiera
Friaul.
—
—
pies
sir
—
Ital.
lieve
hrieve
pcggio
siero
fiero
Frz.
lief
hrief
pis
—
fier
Sjian.
lieve
—
—
§ 182
fiero
Siz.
levi
hrevi
peggu
seru
fern
Mail.
—
—
pegg
—
—
Piov.
Heu
hrieu
peö
—
fer
Portg.
leve
hreve
—
§ 182
fero.
Lat.
PERIT
FEKIT
HEEI
ERAT
FEL
Rum.
piere
—
ieri
—
fiere
Friaul.
—
—
jir
jerc
ß
Ital.
—
fiede
ieri
era
fiele
Frz.
piert
fiert
ier
iere
fiel
Span.
—
liiere
ayer
era
hiel
Siz.
—
feri
—
era
feli
Mail.
—
fera
yer
era
fei
Prov.
—
fer
er
era
fei
Portg.
—
fere
—
era
fei
Lat.
MEL
GELAT
TEEMIT
PREMIT
GEMIT
Rum.
miere
gier
triemura
—
gieme
Friaul.
mil
—
trime
prim
gim
Ital.
miele
giela
trieme
prieme
gieme
Frz.
miel
giele
triemt
priemt
giemt
Span.
miel
gela
triema
prieme
—
Siz.
meli
gela
—
premi
—
Mail.
mel
gela
treme
—
—
Prov.
mel
—
—
—
gerne
Portg.
mel
gea
treme
preme
—
Lat.
TENIT
VENIT
BENE
PETRA
RETRO
Rum.
tine
vine
hine
pieträ
—
Friaul.
ten
ven
ben
piere
—
Ital.
tiene
viene
hpie
pietra
drieto
Frz.
tient
vient
hien
piedre
riedre
143
144
I. Kapitel: Vokalismus.
§ 150.
Span.
tiene
viene
bien
piedra
—
Siz.
teni
veni
beni
petra
—
Mail.
tene
vene
ben
preya
adree
Prov.
ten
ven
ben
peira
rieire
Portg.
tem
beni
vem
pedra
—
Lat.
FEBHE
TENEBKA
TEPIDU
TEEPIDU
liEVITU
Rum.
—
Friaiil.
fiere
tivid
triepad
Ital.
f^bbre
-
tfpido
trfpido
lievito
Frz.
fievre
teniebles
tiede
—
—
Span.
Mehre
tinieblas
tievio
—
liebdo
Siz.
febbri
—
tepidu
—
levitu
Mail.
fever
—
teved
—
—
Prov.
ficure
—
tebe
—
—
Portg.
febre
treva
tibio
—
levedo.
Lat.
LEPOBE
NEBULA
MEKULA
HEDEEA
GENERU
lium.
iepure
niegura
micrlä
iederä
—
Friaul.
yeur
—
mierli
—
dzinar
Ital.
lievre
nebbia
mprlo
—
g§nero
Frz.
lievre
—
merle
ierre
gendre
Span.
liebre
niebla
mierlo
—
yerno
Siz.
lebbra
neggya
merru
areddara
yennaru
Mail.
—
nebbia
merla
—
gener
Prov.
lieura
nieula
—
—
§ 162
Portg.
lebre
nevoa
melro
Iiera
genro.
Lat.
VENEEIS DIES
VETULU
EBULU
EQUA
SEQUIT
Rum.
§ 94
veckiu
—
iepa
—
Friaul.
vinars
vieli
jeul
—
—
Ital.
venerdi
vfccliio
§bbio
—
segue
Frz.
vendredi
viel
ieble
iewe
siewe
Span.
viernes
viejo
—
yegua
siegue
Siz.
vennari
veTikyu
—
—
segui
Mail.
venerdi
veöö
—
—
—
Prov.
§ 162
viel
—
—
—
Portg.
—
velho
—
egua
segue.
§ 150.
Vulgärli
fiteinisch E.
14
Lat.
MELIUS
TENEAT
MEBEAT
MEDIU8
FERRU
Rum.
—
—
miez
fier
Friaul.
miey
tinge
—
miezz
fierr
Ital.
mfglio
t§nga
—
m^zzo
fprro
Frz.
miels
tiede
mieire
miei
nr
Sjjau.
—
tenga
—
(medio)
liierro
Siz.
meggyu
tenga
—
menzu
ferru
Mail.
mey
tenga
—
mezz
ferr
Prov.
miels
tena
—
mied
Ur
Portg.
—
tenha
—
meto
ferro.
Lat.
TEKKA
BELLU
-ELLU
PECTUS
PECTINE
Eum.
Üerä
hiel
-iel
piept
piepten
Friaul.
tierre
Hell
-iell
—
pietin
Ital.
t^rra
h§Uo
-§llo
p^tto
PQttine
Frz.
tfrre
h^l
-fl
peits
peigne
8pau.
tierra
—
-ieUo
peito
peine
Siz.
terra
helln
-ellu
pettu
pettini
Mail.
terra
bell
-eil
pedd
pedden
Prov.
tprra
IqI
-ß
pieö
pieden
Portg.
t^rra
—
-§llo
peito
pentem.
Lat.
-FECTU
LECTU
SEPTE
SEX
VESPEEA
Rum.
—
siepte
sies
—
Friaul.
—
yett
siett
sis
—
Ital.
-fftto
l^tto
s^tte
siei
v^spera
Frz.
-feit
leit
set
seis
v^spre
Span.
-lieito
leito
siete
seis
viespera
Siz.
-fettu
lettu
setti
sei
vespiri
Mail.
—
leöö
set
ses
vesper
Prov.
-fied
lieö
set
seis
vespre
Portg.
-feito
leito
sete
seis
vespera.
Lat.
VESPA
FESTA
TESTA
DEXTEB
GENESTRA
Rum.
—
tiestä
—
—
Friaul.
g'espe
fieste
—
gestre
—
Ital.
vpspa
f^sta
t§sta
d§stro
gin^stra
Frz.
gufsjpe
f^te
t§ste
dfstre '
gen^t
Meyer,
Grammatik.
10
146
I. Kapitel: Vokalismus.
150.
Span.
abispa
Mesta
tiesta
diestro
Mniestra
Siz.
vespa
festa
testa
destro
yinestra
Mail.
vespa
festa
fCsta
—
—
Prov.
vespa
festa
testa
destre
—
Portg.
vespa
festa
testa
destro
giesta.
Lat.
HEEBA
FEKVET
CEEVU
CEETU
PEEDIT
Rum.
ierbä
fierbe
—
—
pierde
Friaul.
ierbe
—
—
diert
picrdi
Ital.
prba
ferhe
c§rvo
cßrto
per de
Frz.
prbe
—
c^rf
c^rt
pp-t
Span.
yerba
hierhe
ciervo
cierto
pierde
Siz.
erba
fervi
öervu
certu
2)erdi
Mail.
erha
—
—
öert
per de
Prov.
erha
—
cerb
—
pert
Portg.
herva
ferve
cervo
—
perde.
Lat.
PEENA
VEBSU
MEMBEU
SEMPEE
CBNTU
Rum.
—
—
—
—
—
Friaul.
—
viers
memhri
§ 162
§ 162
Ital.
pprna
vprso
m^nibro
s^mpre
cpnto
Frz.
p^rne
vprs
§ 162
§ 162
■ § 162
Span.
pierna
vierso
miembro
siempre
ciento
Siz.
perna
versu
membru
sempri
öentii
Mail.
—
vers
§ 162
§ 162
§ 162
Prov.
—
vers
§ 162
§ 162
§ 162
Portg.
—
vers
§ 162
§ 162
§ 162.
Lat.
VENTU
DENTE
MEXTE
Rum.
§ 162
§ 162
§ 162
Friaul.
§ 162
§ 162
§ 162
Ital.
vpnto
dpnte
§ 180
Frz.
§ 162
§ 162
§ 162
Span.
viento
diente
miente
Siz.
ventii
denti
menti
Mail.
§ 162
§ 162
§ 162
Prov.
§ 162
§ 162
§ 162
P(5rtg.
§ 162
§ 162
§ 162.
§ 150, 151. Vulgärlateinisch E. 147
In vereinzelten Fällen steht p statt ie. Ital. hene (umbr. hiene),
ruin. hinc neben gine, frz. he neben hien sind die tonlosen
Formen des Adverbiuras, vgl. hü Adv. hyä Subst. in der Cham-
pagne. Ebenso erklären sich ital., span. era, afr. ere neben afr.
ierc aus erat aus der Satztonlosigkeit. Ital. legge kann von
Ifggere sein p haben, im Infinitiv scheint in drittletzter Silbe der
Diplithong unterblieben zu sein, vgl, Venerdi, pecora, woneben lievUo
sein ie von lieve bezogen hat. Kurzes e scheint lens, lendis zu
haben nach ital. J^ndine, ven. gendena, bol. yendena, span. liendra,
trotz calabr. lindine, campob. linene. Unklar ist hestia: auf e
weist irisch heist, kymr. hwyst , auf p ital. hgstia, afr. heste, Avall.
hieste, ital. hpscio, und die S. 157 verzeichneten Formen.
151. Zu der Verteilung von e und ie, wie sie sich in
dieser Übersicht darstellt, ist noch Einzelnes zu bemerken. In
Stiditalien gelten meist die Bedingungen von § 152, doch scheint
der Diphthong ganz zu fehlen in Tito Lesina, der Provinz
Benevent (doch Benevento : tiempi) , und südlich von Lecce am
Capo di Leuca. Anderswo ist er umgekehrt stärker ausgedehnt,
so in S. Giovanni Eotondo : ciarta, ciarti, priagv, siicciassc, -mant,
aber tempu und -end für die Gerundien. In Canosa di Puglia:
limh, succiss, vind, aber N. Plur cert^, 1. Sg. veH§, in Bitonto
tiemp aber pers : es sind also hier noch genauere Untersuchungen
nötig. — Südlich und südöstlich von der Toskana, in Umbrien
und Ascoli, dij)hthongiert auch gedecktes e, hier nun, wie im
Florentinischen, ohne Eücksicht auf den folgenden Vokal : viengo,
iicmpo, tierra. Im Xorden schliefst sich an das Friaulische das
]*aduanische an: viersa, piersa, priego, hrieve, im Gegensatz
zum Veronesischen , das dem Lombardischen gleich den Di-
phthongen entbehrt; in Tirol scheinen sich die verschiedensten
Tendenzen zu kreuzen. — Im Südostfranzösischen gelten im
ganzen dieselben Bedingungen wie im Nordfranzösischen, nur
unterbleibt der Diphthong auch in lateinischen einsilbigen Wör-
tern: mel, fei, vor miita -+- r, und vor gf; das e entwickelt sich
dann wie ß (§ 76), vgl. waat. mal, laivra, maidzo (medicus),
freib. ma, lavra , wogegen lat. pede zu pic wird. Aus freib. wf
wird man kaum auf *nierf aus nervus schliefsen dürfen, sondern
darin *nervius, span. ncrhio, prov. nervi sehen. Aus sex entsteht
regelmäfsig sieis (§ 154), daraus nun Ms, dessen Diphthong dann
10*
148 I. Kapitel: Vokalismus. § 151 152.
wieder wie altes ei behandelt wird. — Sttd Westfrankreich,
namentlich Poitou und Saintonge, die in der Behandlung des
freien a sich dem Norden anschliefsen § 6, S. 13 ff., kennen ie
nicht, sondern nur e, auch für a nach Palatalen, folgen also hierin
dem angrenzenden Provenzalischen : dafs darin nicht eine Reduk-
tion von ie zu e zu sehen ist, erhellt aus § 158. — Von Spanien
dringt ie auch in die obersten Thäler des Giers : yere (erat),
enhier (infernum) Gedre. Dafs auch die Grenzdialekte gegen
Portugal zu, z. B. der von Miranda, ie und umgekehrt das gali-
zische e zeigt, ist schon § 6, S. 15 erwähnt worden. — Das
Wallonische endlich diphthongiert, gleich dem Spanischen und
Rumänischen u. s. w., auch gedecktes §: ti^s (testa), fies^ hips,
fmies u. s. av.
a) Bedingte Yeränderungen von E, IE.
1. Einflufs folgender Laute.
152. Die Schicksale des p sind bedingt durch die folgenden
Vokale : vor w, * wird § zu ie bezw. e, vor a, e, o dagegen bleibt
es als j?. Die Zahl der folgenden Konsonanten ist gleichgültig.
Dies findet sich im Neapolitanischen, im Apulischen,
auch weiter nördlich bis Alatri, in Campobasso, in den
Abruzzen, ohne dafs sich jedoch heute schon die genauen
Grenzen angeben liefsen, in Modica, Noto und Avolo (Sizi-
lien) , sodann im Westrätischen; und zwar erscheint ie in
Lecce, Campobasso und im Westrätischen ; {e in Calabrien und wohl
auch in Neapel, e in Alatri, la in Nicastro, S. Pietro Apostolo,
ii in Tarent, i in Martina Franca. Vgl. lecc. era, yeri, meretu,
miereti, mereta, Jeu (levo), liei, lea, tieni, tene, tenenu, pede, piecli,
miedeJcu, miedeci, terra , erme (vermis) , iermi, servu, siervi, serve,
estii (*vesto), iesti, este, dente, -endu, nieddu (anellus), nieddi, pedde,
pieddi, testa, tiestu, liettu, -mientu u. s. w. — Calabr. s^tte, fple,
d§de, prtegu, priegi, prfga, miediku, prediJca, vtentu, ttempu, vieTcyu,
p^tra, vficya; beachte n^nte u. s. w. — Alatri wf?e, p^kura, m(d§
(meto), meti, m^te, prgda, scre (seru) , yele (gelu) , p§d§, pedi,
Ipge (lego), legi, m§r'de, mer'di; pella, spmpre, grua, f^sta, se.tte,
d^nte, denti, skvpert§, sJcuperti, terg§, tp'za, vekyl, v^kya. Sodann
obwald. ier (Jieri), piera (pereat) neben veder (veterem), fei, desa,
152—154. E beeinflufst durch Palatale. 149
{^ient, yester (exterus), miets, andiet (inceptum), -i = -elliis (§ 171),
aber -eis (-ellos), -ella, uffiern, disiert neben esters (exteros), estera,
metsa , andetta , serp , terms (über Herrn , vierm , zierm s, die
Flexionslehre), terra, temps, set, festa, dscrta u. s. w. Xeben ie
findet sich die Form {§ in Muntogna und Domleschg-, in letzterem
vor r : i: uvirn, ufirn u. s. w. ; im Engadin tritt einfaches e
ein: d{;§, fr u. s. w., daraus im Bergell weiter ei: cir, dei§,
feil, veider, man beachte nerf, dessen ti das einstige ie
bezeugt. In Tirol stehen ie und wohl lombardisches e heben
einander : ie in Greden, Oberfassa, Buchenstein , e in Enneberg
und Badia. In den südwestlichen Grenzgebieten gegen das
Lombardische hin ist ie nur in 0 n s e r n o n e (Tessin) geblieben :
ticmp, miedru, aviert, aniely lied, miets aber m^dza, vedela, vega;
auch hier findet Reduktion statt zu ie, i: dafs ie, nicht {§ die
Vorstufe von i ist, erweist sich einmal dadurch, dafs ie that-
sächlich vorkommt , und zweitens durch k imp , vyint (tempus,
ventus), die sich nur aus tiemp, vient erklären.
153. Palatale. Bei dem Zusammenstofs von (? mit folgen-
den Palatalen sind die heterogensten Erscheinungen zu beob-
achten. Es kann nämlich entweder das i das vorhergehende f
zu ie brechen in Gegenden, wo sonst p bleibt; es kann aber
auch umgekehrt dissimilierend die Entstehung von ie verhindern.
Im ersteren Falle bildet i dann meist mit ie den Triphthongen
iei, der wieder auf mehrfache Art vereinfacht werden kanii zu
ie oder ei oder i.
154. Den ersten der genannten Vorgänge treffen wir in
ganz Frankreich. Im Französischen und Provenzalischen
entsteht aus ursprünglich gedecktem § der Di])hthong, wenn der
eine der beiden folgenden Konsonanten zu i wird, im Proven-
zalischen aus freiem f, wenn i folgt. So haben wir rouerg. lied,
despieö, si§is, biel (vetlus), pipi, ier (heri), nontr. lie, deipic, siei,
miei (melius), viel, nai-b. miezo (media), land. lit, §is, gask. leit,
wo ? auf ie, vgl. anere = *annaria, hinweist, briancj. sieis, tiei§er,
desjneid, mieil entsprechend im Katalanischen, wo iei zu i geworden
ist § 237. So haben wir auch fürs Nordfranzösische pieitz, miei
u. s. w. anzusetzen, dessen weitere Schicksale § 157 flF. be-
sprochen sind. Dafs aber die Reihe nicht ist pectus ~P' picctus 'y
pieiz, sondern peiz, pieiz, lehrt Septem, das nie si^t gelautet hat.
150 • I- Kapitel: Vokalismus. § 154^ 155,
Schwer zu erklären sind frz. nice aus nescius, epice aus species,
afr. Grice: Gracda, sodann niece, piece, tiers. Mit *fi(;ptia deckt
sich *nQptia (§ 146), und doch zeigt letzteres keine Spur des
Diphthongen, es ist daher denkbar, dafs bei ersterem das Mas-
kulinum nies mit im Spiele ist. Für die drei ersten aber würde
sich ergeben, dafs vor palatalem Je nicht nur e zu ie sich bricht,
sondern dafs aus Tc weiter sich ein i entwickelt — eine That-
sache, die gegenüber afr. face aus facies allerdings auffällig ist.
Vor einfachem t in petia (nicht vor gedehntem: *nottia aus
noptia), selbst wenn ihm r vorangeht, hätte die Diphthongierung
ohne Entwicklung eines i stattgefunden.
Anders über diese Fälle Gröber, Miscell. fil. rom.
46 und Ztschr. XI, 287; Ascoli, Arch. Glott. X, 84,
269, der mit Horning, Lat. C 22 den Diphthongen
in niece, piece^ tiers dem Einflufs des i zuschreibt, ohne
sich über die Art zu äufsern, wie dieser Einflufs zu
verstehen sei, noch auch die. Verschiedenheit in der Be-
handlung von fi§ptia und noptia zu erklären.
Endlich ebrius diphthongiert ^ vor Verschlufslaut -j- r, das i
tritt, wie stets bei ri (§ 519), zum Tonvokal: *iebriu, ^ieihru, ivre.
Ähnlich verhält es sich mit dem Suffixe -^rimn in cimetire,
empire, maestire, avoltire, matire, mestire: dire Rose I, 110: alle
zeigen in der Bewahrung des auslautenden -e halb Lehnwortform,
sind aber doch so früh aufgenommen, dafs ihr e zu ie werden
konnte. Alter sind wohl cJianticr, moutier, deren Endung an ier
aus arius angeglichen wurde; jünger aber mit derselben An-
gleichung cimetiere, matiere, ganz jung matere. Dagegen geht afr.
est mestier auf est ministen zurück, wie ital. mestieri zeigt. Auch
im Mittelrätischen scheint dieselbe Erscheinung vorzukommen :
gredn. prieS, Het, liezer , spiedl (woneben vedl auffällig ist), mies
(melius), pie§, hiesa, aber z. B. festa, set.
155. Den zweiten Fall sehen wir in Lecce, wo ie zu e
wird bei folgendem y: eJcyu (vetulus) , speJcyu, sempyu, superkyu,
megyu u. s. w. Dagegen bleibt der Diphthong des p unter
gleichen Umständen, vgl. die Beispiele § 185. Diejenigen süd-
italienischen Dialekte, die ie betonten, kennen diese Dissimilation
nicht : calabr. viekyu. Es hat also hier einst vie'kyu bestanden,
das dann erst später wieder zu vekyu dissimiliert worden ist. —
Auch rumänisch vechiu wird sich so erklären.
§ 156, 157. ^ beeinflufst durch Palatale. 151
156. Tth Span i scheu hindert ein unmittelbar folgendes *
die Entwitkhnig des Diphthongen: lecho, pecho, despecho, provecho,
seis, sei (sedi), grey, peme, madera, ten aus *ten, *teni, espejo, eje
(exit), wouebeu viejo von viedro beeinflufst ist. — Ebenso bleibt
€ vor einem folgenden Hiatus i: prez (pretium), woneben preces
(preces) Schriftwort ist (vgl. dieiz , und die Nebenform prieces).
Sodann nervio, soherhio , pernio, wonadi perno. Ist aber der
Hiatus jung, so entwickelt sich ie, das dann zu i wird : tepidus :
tievio (vgl. tehio Alex. 1125, 1531), tivio und die Konj. Ebenso
wird -ellns über -ieJlo zu -ich (§ 545), das in den alten Texten
und noch heute im Asturischen sich findet, kastil. aber zu ilo
fortschreitet: capiellos Cid 1581, ensiellan 1585, sielas 3583,
castiello 28, castiella Berceo D. 150 u. s. w. , aber heute silla,
castillo y cilla. Diese Fälle, wo ie — i zu i wird, beweisen mit
Sicherheit, dafs lecho nicht auf lieito, sondern auf leito zurückgeht,
dafs also vor i der Diphthong unterblieben ist. Das wird noch
bestätigt durch Folgendes. Lat. servire flektiert sirvo, sirves,
Konj. sirva u. s. w. Eigentlich erwartet man servio , sierves,
sierve, Konj. servia. Es ist nun zunächst ie in alle stammbetonten
Formen tibertragen worden : siervio, siervia, woraus lautgesetzlich
sirvio, sirviüy und danach sirves, sirve, endlich ist das i hier wie
in allen anderen Verben entfernt worden. Aber venio giebt
regelmäfsig venio, dann vengo: hier Avirkte die 2. Sg. nicht auf
die erste, daher konnte das regelrechte e bleiben. Entsprechend
tritt im Portugiesischen e an Stelle von f bei folgendem i: gemio,
gemia, meio = medium, peia, espelho, termo aus termho, suberha,
nervo , tcrgo. Über andere Fälle von e statt p s. die Wort-
bildungslehre. Daneben erscheint i in tibio, dizima, pirtiga aus
tebio u. s. w. § 80, ohne dafs man den Gnmd recht sähe. Hier
mag caüaherla = canna ferula noch erwähnt werden, weil eben-
falls Dissimilation den Diphthongen entfernt hat.
Vgl. J. Cornu, Rom. XIII, 286, wo manches Un-
gehörige.
157. Im Französischen, in einer Zone, die westlich bis
Beruay, Orleans, südlich bis Nevers, Autin, östlich bis Joinville,
Reims, Mons reicht, Avird ie -{- i zu i: six, lit, depit, piz, tistre,
confit, Profit, dix, prie, Ure, nie, mi, nice, vgl. noch pigne Brut
3905, wonebeu nfr. peigne von den endungsbetonteu Formen des
152 I- Kapitel: Vokalismus. § 157 159.
Verbums aus gebildet ist. Während man wohl nicht fehl geht,
als Vorstufe dieser zentral-französisch-pikardischen Entwicklung
iei anzunehmen (vgl. § 154), zeigen der "Westen und der Osten ei
bezw. if, deren Verhältnis zu dem fi weit weniger klar ist, und
die daher einer eingehenden Betrachtung bedürfen. Noch sei
bemerkt, dafs die Stufe iei nirgends mehr erhalten ist; im Rol.
reimt ^i nicht mit ^, die anderen ältesten Denkmäler gestatten
keinen Schlufs.
158. Im Südwesten tritt ei auf im südlichen Contentin,
in der Bretagne, Ille et Vilaine, Maine, Anjou, Poitou, Touraine.
Der südliche Teil dieses Gebietes kennt ie aus p nicht (s. § 151),
man könnte daher glauben, es habe hier pi von jeher bestanden
und sei dann nach dem Norden vorgedrungen. Allein dagegen
spricht Folgendes : e statt ie verbindet diese Grenzgebiete mit
dem Provenzalischen, nun wird aber gerade im Provenzalischen ei
zu iei. Man müfste also annehmen, dafs in einer zwischen dem
Französischen und dem Provenzalischen gelegenen Zone p wie in
Prov. erhalten geblieben sei, dagegen abweichend von beiden
Sprachgebieten pi nicht zu iei diphthongiert hätte, eine Annahme,
die von vornherein abzuweisen ist. Eher könnte man vermuten,
es sei unter dem Einflufs südlicher Dialekte e an Stelle von ie
getreten, ixnd zwar hätte dann e, wie dies gewöhnlich in solchen
Fällen geschieht, seine Grenzen ausgedehnt und auch das ie im
Diphthongen iei ergriffen : dafür spricht die Geschichte von ie aus
ia § 261 und von oi § 190.
159. Im Nordwesten erscheint ie, das das nördliche
Contentin, Bocage, die Ebene von Caen, Bessin, Lahague, Val
de Saire und die normannischen Inseln umfafst. In der östlichen
Normandie bis an die Touques ist vom Zentrum her * ein-
gedrungen. Je nach den Gegenden ist der erste oder der zweite
Teil des Diphthongen betont: ursprünglich scheint hier {ei zu
sein, das dann zu le vereinfacht Avurde und später zum Teil sich
in ie wandelte. Wir haben also z. B. in Bessin die (decem),
medi (midi), sie (sex), lie, piere u. s. w., Lahague : dfei, si'ei, Uei
u. s. w., Val de Saire: di§, si§, li§ u. s. av. In Lahague steht
neben depfei das auffällige iXe: süere (sequere), lüere (legere), dann
vües (vetlus oder vetus?), mües (melius). Es dürfte sich bei dieser
§ 159—161. E -{- I in Frankreich. 153
ßonderbareii Umgestaltung von iei nicht um spontanen Lautwandel
handeln, vielmehr ist bei den beiden letzten Beispielen der
vorhergehende, beim ersten der folgende Labial im Spiele; lüere
wird nach süere gebildet sein, da siei {*sequit) = liei (legit) ist.
Über die Grenzen von ie und i vgl. P. Sehulzke,
Betontes c -\- i und o -{-i in der normannischen Mundart,
Diss. Halle 1879; dazu Joret, Eom. X, 258; Joret,
M61anges 55—57 ; XXIV— XXVI ; H u b e r, H A. LXXVI,
178—201.
160. Auch der Osten zeigt pi aus (d: das Wallonische,
Lothringische und ein Teil der Franche-Comte. Es sind zum
Teil dieselben Gegenden, in denen freies p zu /e, » wird (§178).
Nur in Metz ist bis auf wenige Ausnahmen i vom Zentrum her
eingedrungen, und auch die alten Texte kennen fast ausnahmslos ?',
ganz vereinzelt begegnet bei Phil. v. Vign. enmey 13, parmey
32. 47 u. s. w., dafs er aber trotz der archaistischen Schreib-
weise schon enmi, parmi sprach, ergiebt sich aus enemey 68,
amey 69. Geht nun dieses pi auf älteres iei zurück, oder
haben wir hier ein Gebiet, wo gedecktes e vor Palatalen nicht
diphthongiert? Altes iei wird hier wie überall zu i § 105, doch
ist dies deshalb nicht streng beweisend, weil die älteste Form
von ei, Avenn das erste Element dijdithongierte, i§i war. Das s
in sei lat. sex, lothr. his weist nicht auf altes i hin, sondern ist
aus dem Auslaut angeglichen, *st^quere, sccat zeigen nie ^. Für
iei könnte wall. siK, dili neben le (lectvs) sprechen : aus ^sieis,
dieis wäre sieK, dieli, dann wie aus altem ie: siJi, düi entstanden,
lecttim dagegen hätte über lieit, leit später 2§t, l^ ergeben. Allein
ein Blick auf die Schicksale von oct und ox lehrt, dafs diese
Entwicklungsreihe falsch ist, vgl. üt aus uit, Qit — octo neben koli
aus Jcoise=coxa. Aufserdem ist § 175 für r in diesem Gebiete
ie, woraus i, gesichert, mit noch gröfserem Rechte hätte iei dann
?', nicht aber e ergeben. Wir haben also vielmehr hier im Osten
ein Gebiet, avo, abweichend von dem übrigen Frankreich, c vor
Palatalen nicht zu ie, sondern über fi zu ei und endlich e wird. —
Im Burgundischeu wird fi zu p oder a, so in Bourberan : lar.
im Auslaut ay: lay, pay.
Vgl. Horning, Fr. Stud. V, 449, Anm. 3.
161. In den p-Gegenden wandelt ein folgender Palatal f
zu c : jud. Jcireza, k'cza, §e (sex), mei, peit, sulzb. deMo (*eclfsia).
154 I- Kapitel: Vokalismus. § 161 — 163.
ayeri, tebi, fradei , oder i im Obereng. und zum Teil Nidwald. :
ving (venio), signer, mit, mUer, vil, priö und ellum — il (PI. eis)
bei Bifrvm , während die heutige Sprache dafür ^ eintreten läfst.
162. Vor Nasalen tritt im Provenzalischen und
zum Teil im Südostfranzösischen und B u r g u n d i s c h e n e
an Stelle von f bezw. ie: aprov. 6e, re^ ges, freib. ve, t^, h^,
während hier sonst ie diphthongiert. Ebenso vor gedecktem w,
vgl, § 89 flF. Im Fr i aulischen wird ^ in beiden Fällen zu i:
ginar, vinar, gimul, timjp, sint u. s. w., woneben tenatj premi
kaum in Betracht kommen, Avährend hen sich erklärt wie ital.
J)(ne S. 147. Da e in gleicher Stellung nicht zu i wird, so ist die
Annahme, t§mpus sei zu tewip und daraus zu timp geworden wie
im Eumänischen (§ 94) , abzuweisen und tiemp zu Grvmde zu
legen. — Während ferner im Französischen ie vor Nasalen
unverändert bleibt : hye, rye, tritt im Osten und Westen die schon
für gedecktes § und e nachgewiesene Veränderung ein : Rive de
Giere tsö (tempus) , ryö, lyö (*insemel), poit. byä u. s. w, —
Avich das Mailändische hat denf^ dent, rend u. s. w. neben f^sta^
p§ö, Stella. Endlich das Portugiesische verlangt vor Nasal stets e.
163. Vor Velaren bleibt §, ie im ganzen unverändert.
Doch zeigen provenzalische Dialekte hier wie vor i den Diphthon-
gen : neben rouerg. n^u (rtfve § 115), l^u, gr^u, t§une steht
bauv. heUos, hauv. helieu. In Nordfrankreich und Eätien ent-
wickelt sich dieses ieu weiter wie das aus t + w § 38 entstandene,
also z. B. : Tourn. mials III, 5, XIX, 20, wohl als miaus zu
lesen , bress. viau , miau , wie flau (filiu). In Arras wird um-
gekehrt ieu zu yil reduziert: myü, vyü. Auch ei oder eu aus
gedecktem el bleibt in Nordfrankreich kaum bestehen. Norman-
nische und anglonormannische Handschriften zeigen noch eu, früh
aber entwickelt sich zwischen § und i oder schon u der Gleite-
laut a , heals schon im Oxforder Psalter 5 e'au wird dann weiter
zu edu, idu, jenes namentlich im Südwesten und Westen, dieses
jm Osten und Nordosten : im Zentrum finden sich beide Schreib-
arten, schliefslich hat eau gesiegt. Vielleicht ist aber der Unter-
schied nur graphisch, da nfr. tuyau, pre'au aus pra-yau, fleau
aus fla-yau, hoyau das einseitige Vorkommen von iau sichern,
wie denn auch die Pariser Urkunden des XIV. Jahrhunderts und
§ 163—165. E vor Velaren. 155
die Umgebung der Hauptstadt noch heute * aufweisen. Die
Form yaiv findet sich jetzt in Mayence, yo in Anjou und östlich
in Jujurieux, im Nordosten erscheint ea wie a fllr ai^ ebenso
ya in Bourberan und im Burgundischen. Das ai (d. i. {??) in
Morvan und den Ardennen, iai in Fourgs ist wohl auch erst
aus älterem a entstanden. — In Paris fordert Erasmus eau,
Meigret und Peletier eao , Ramus und die folgenden (?(), doch
ist nach P61etier, Beza, Dumas io vielmehr pariserisch, Saint-
Lien 1581 kennt o als höfische Aussprache, die seit Anfang des
XVII. Jahrhunderts allein herrscht. — Im übrigen ist die Ge-
schichte von eil in Frankreich dadurch sehr verwickelt, dafs von
fast jedem Worte Doppelformen existiert haben, deren eine auf
ellj die andere auf ells auslautete, deren eine also l zu ^, w
wandelte, die andere l bewahrte, bezw. später fallen liefs. Im
Normannischen z. B. steht neben dem Singular c ein Plur. auf
ia, daneben nicht nur sio, vio = ciel, vieil, sondern auch hyo, pyo
aus hellus, pellis: denkbar wäre eil in Pausa zu e, vor folgenden
Konsonanten eu, ieu, iau, io, vor s aber ians, ias, ia. Die Frage
verquickt sich so völlig mit der Geschichte der Flexion, dafs sie
erst dort behandelt werden kann.
Zur Darstellung von ei in den ältesten französischen
Handschriften vgl. W. Fo erster, Ztschr. I, 165—167,
zu den neuen Mundarten C h. J o r e t , Extension 111;
J. Gilli6ron, Rom. XH, 400, R. Pat. I, 33—48.
Ebenso zeigt das Unterengadin eau : nöeaus , vdcaus,
Jc'astcaiis u. s. av.
2. Ein flu fs vorhergehender Laute.
164. Reduktion von ie zu e findet nach Palatalen statt
im Rum.: gern, cer , cerhy cer, äerh , tarrä u. s. w. , daher wird
auch iea zu ia: fluid (movella), fiarä, piaträ u. s. w., ea zu a:
ceapa gesprochen dapä; in Lecce: dentu, dervu, defalu, adeddu,
selu, scmieru u, s. w. Über das Franz. vgl. § 260. Im Italienischen
nur nach g : geh, gerne aber cielo, cieco.
165. Ebenso nach R im Italienischen: rece (r^icH),
crepa, prega, greve, trema, dreto, prete; und im Rumänischen : j?rc^,
im Rumänischen aufserdem nach n: innec. Nach der Reduktion
kann dann e, ea durch r gutturalisiert werden zu ra, *räa, rax
156 i- Kapitel: Vokalismus. § 165—169.
präd (praedor), prada, cräp, räu, doch ist die Gutturalisierung
hier ebensowenig streng durchgeführt, als bei i.
Mit Unrecht nimmt Bai st 697 dasselbe fürs Span, an:
presto, ireze haben c, über prez s. § 156. Neben gresca
steht griesco, griesgo, jenes ist von grescdr gebildet; so
-bleibt nur hreve neben griego , grieto und manchen
anderen.
166. Ganz A-ei-einzelt ist Einflufs von Labialen auf ge-
decktes p, z. B. Gerardmer (Lothr.) Wie (vermis), evtie, devuer,
pueih (pertica); Pas de Calais: foete (festa) neben fete. Vgl.
dazu § 280. — Hier mag auch riimänisch crunt, junc, june aus
cruentus u. s. w. erwähnt werden.
167. Gedecktes e behält seine vulgärlateinische Geltung
im Italienischen, Französischen und Portugiesischen. In Ost-
frankreich aber Avird es zu e, so in Metz: ter, iver, tst, pet
(perdre), p& (perdo), ff (fer), trevc' (travers), nicht aber vor II
§ 171. Der Übergang von ^ zu 5, P' wird zusammenhängen mit
der Quantitätsänderung: e wird infolge der Dehnung zu f; viel-
leicht ist mit Horning heeste in Bernhard schon so zu deuten,
sodann enfeir Lot. Ps. 48, 14. Gegen die Franche-Comte hin
erscheint f, doch noch in Fourgs : etre, prete, fnetro, apre, ebenso
im Norden : pe, he in Seraing mit e, nicht mit e oder e. — Ganz
wie das Ostfranzösische verhält sich das Judikarische: bei,
pel u. s. w., aber -ßa.
168. Im Obwaldischen wird e, wo es nicht als ie
erscheint (§ 152), zu ea gebrochen: siarp, tiarra, sediäla, siat,
■ßasta, miatsa u. s. av., ebenso i§ im Engadin aufser vor s (§170):
vierm, sient, infiern, wogegen in Soglio nur ganz offenes a
erscheint: hol, fäss, masälla, tärra, sät u. s. w.
Sodann kennt Italien diese Brechung: im Süden Castelli
(Abr. Ult. I) geant, vedeanu (vedendo), meant, eak (ecco), beall,
mumeant, S. Eusanio del Sangro: niyande, tarnte, halle, matse,
aTcke , und im Norden Castelletto sul Ticino : teamp, sJcearts, lea
(lei), meant und Porto S. Giorgio ä, tämpo, tärra, hälla, vanko
(venio) neben certo, successo.
169. i2-Verbindungen. Am häufigsten begegnet ä oder
ä vor gedecktem r, so im Eäti sehen gredn. : däviärt, iärha,
§ 169, 170.
Gedecktes E.
157
friaul. : fifiarn, stiami, fiarr, bucheiist. : pierdc, Üerra, fiern aber
lettf fenestra ii. s. w. — Im Französischen, in den am öst-
lichen Abliange der Vogesen liegenden Dörfern : ty^, ty^r, y^hj
pyfd, dann aiich fya, fyar (fcrme) u. s. w., ferner Fonrgs : tarmou, taro,
morv. farme, vard, infar, tarre, tar, bürg, tarre, garre, arhe, anfar
u. s. w. Im Provenzalischen, Toulon : tearro, peardre, vear,
ferner tuncarra iind wohl noch in anderen Mundai-ten. In Süd-
ostfrankreich, Lyon: parsi (pertica), Ifar, nar, desar, far, auch
vard (viridis) aber serra, guerra, terra; Val de Travers (Neuen-
burg) : /ar, tarru, arla, var u. s. w. Auffälliger ist e vor r aus
f in rätischen Mundarten, so e in bergeil.: verm, invcrn neben
f^, spt, ampezz. : perde, terra, während sonst f bleibt. — Hier
mögen endlich noch die merkwürdigen Formen aus Locle foe
(ferrum), afge (infernum), voe (vermis) erwähnt werden, in welchen
labialen Einflufs zu sehen noe verbietet, daneben terra, erha.
170. Ä-V erbindun gen. In Stidostf rankreich wird
fi vor s zu ei, das im Val de Travers, in der östlichen Waat
und in Vionnaz bleibt, im Zentrum und Nordosten der Waat,
Neuenbürg, Freiburg, Bagnard sich zu 1, im Rest der Waat, in
Neuenburger Bergdialekten und in Jujurieux zu e schliefst.
Lat.
WESPA
VESPEEU
TESTA
FESTA
FENESTBA
BESTIA
Vion.
tveipa
veipre
teita
feita
feneitra
heita
Waat.
tcipa
—
Uta
fita
fenitra
hita
Freib.
—
vipru
tipa
i%pa
fenißra
hipa
Neuenb.
wepa
vcpre
tda
fda
fenepra
hda
Juj.
wepa
vepr§
tda
fda
fendra
hda.
Ebenso Meuse: If, Ute, fite, prit (pretre). In Vionnaz finden
sich Ure; ho Jpr§ (bonu vespern), wohl infolge der starken Betonung:
itr§ aber teite, ipr§ aber veiprh.
Sodann ist die östliche Creuse zu nennen: hidyo , fenietro,
fieto, idf, viepra, prietf aber preito (presto § 295): § wird zu
lang(un offenen p, das sich dann zu ie bricht.
Endlich im Engadinischen wird p vor st nicht zu ie, sondern
zu ei: eister, adeistra, reist, feista, fneistra und entsprechend in
Bormio nicht zu f, sondern e: feka^ Bergeil. veU, teka oder
veiät, teika.
158 I- Kapitel: Vokalismus. § 171^ 172.
171. X - V e r b i n d u 11 g e u. Es ist zu scheiden zwischen
filJa und plhtm, dhis. Letzteres zeigt in der französischen
Schweiz und im 0 b w a 1 d i s c h e n eigenartige Behandlung. Dort
nämlich ist das Resultat dasselbe wie bei p vor gedecktem s
(§ 170), waat. j^eij hei bezw. pe, ie, pi, hl, neuenb., freib. M u. s.w.
Meuse : hi, flai, wopi. Wie eil wird ille behandelt und paxülum,
capillos fehlt, mel geht seine besonderen Wege. Zu beachten ist
noch, dafs follis ebenfalls die Behandlung von Q + gedecktem s
zeigt, nicht aber molere, pollicem § 209. Es geht also wohl pei
zurück auf Nom. Sg. Acc. PI. i^els, woraus pps, pc-i, pei; über
mpl s. § 238, über üle s. die Flexionslehre. — Oberländisch:
domlesch. &?', utsi, vadi aber pial, PI. hiälis u. s. w. , ferner mel
Bleniothal Vil fordern dagegen eine andere Erklärung. Das 7/-
ist zunächst zu l geworden (§ 545), p nach § 152 zu ie, dann
hat sich iel weiter zu iej , ij , i entwickelt. — Für die weitere
Geschichte von ellus ist auf § 161 zu A'erweisen, diejenige von -ella
ist deshalb nicht recht klar, weil häufig die männlichen Nebenformen
die regelmäfsige Entwicklung gestört haben. Am häufigsten kommt
Brechung zu ealla, alla vor, so im Ostfranzösischen, lothr. l)äl, noväl,
sal, das dann auch wie a aus e als hol, novol, sol erscheint (vgl.
§ 112). Auch die Franche-Comte und Burgund kennen dieses a
und zeigen so hinüber zum Südostfranzösischen: juj., neuenb.,
treib., waat., wall. hal§, häles. — Sodann sind die westrätischen
Formen zu nennen : obw. hialla, Trins he'alla. Es fragt sich, ob
jenes a (o) ebenfalls auf ea beruhe, ob also sich dort auch zu-
nächst zwischen dem Palatalen und dem Velaren ein Gleitelaut
entwickelt habe, oder ob nicht vielmehr direkter Lautwandel,
Übergang von palatalem Vokal vor velarem i zu velarem Vokal
vorliege. Letzteres scheint wahrscheinlicher, denn *beaia hätte
sich auf einem Gebiete, wo cau zu iau, io wird, wohl als iaia
weiter entwickelt.
172. Oxytonierung hat oft Schliefsung des e zur Folge:
vgl. sulzberg. endre, Lahague erse, fe (ferrum), efe, ive. Der
Diphthong ie erleidet ebenfalls oft andere Behandlung, wenn er
in direkten Auslaut tritt, vgl. § 175 und 178, waat, fyär aber
lie (litj, mie fmelieu), Paresse fyeu, fem. fira. Auf einem grofsen
Gebiete in Südostfrankreich wird pede über pied zu 2>yd § 266.
§ 173. Das Alter von IE. 159
b) Das Verliältiiis von e und ie.
173. Wie sicli ie iiiul e im Urromanischen zu einander vor-
halten, ist nicht klar. Wir haben § 151 fiF. gesehen, dafs die
Bedingungen, unter denen ie entsteht, sehr verschiedene sind;
ferner ist aus § 179, wozu noch § 260 kommt, ersichtlich, dafs
altes ie bedingt wieder zu e werden kann. Im Anglonorman-
nischeu tritt unbedingt e ein fiir ie § 260. Es fragt sich nun
zunächst, ob nicht eine ähnliche Reduktion schon in vorhisto-
rischer Zeit stattgehabt hat auf denjenigen Gebieten , auf Avelchen
wir nur noch e treffen : in Oberitalien, im Provenzalischen, im Sizi-
lianischen und im Portugiesischen. Mit anderen Worten : ist ie
schon vulgärlateinisch, oder ist es erst einzelsprachlich? Für
letzteres dürfte zunächst ein Umstand sprechen. Es hat sich § 151
und 154 gezeigt, dafs in Frankreich zu sehr verschiedenen Zeiten
c zu ie gebrochen wurde, § 156, dafs in Spanien pcc^MS nie 2?j>c^ws
gesprochen wurde, wie rum. piept könnte vermuten lassen, § 94,
dafs in Rumänien tempus nie ticmp gelautet hat, trotz span.
tiempo , friaul. timp. Man könnte nun sagen , nur freies p sei
vulglat. zu ie geworden : damit giebt man aber zu , dafs einzel-
sprachlich gedecktes f auf verschiedenen Gebieten brechen konnte,
ohne dafs ein innerer Zusammenhang besteht. Nimmt man aber
dies letztere an, so ist kein Grund vorhanden, nicht auch für
freies f dieselbe Voraussetzung zu machen. Von vornherein ist
also ebensogut möglich, dafs in Portugal u. s. w. überhaupt nie
ein ie bestanden hat, wie, dafs das heutige p aus ie reduziert sei.
Wenden wir uns den Einzelgebieten zu, so begegnen zu-
nächst in Sizilien höchst merkwürdige Verhältnisse. Hier bleibt
zwar im allgemeinen f ; es tritt aber dafür in emphatischer Rede
ie ein, das sich dann z. B. in Caltanisetta zu i vereinfacht, bei
weniger starkem Affekte aber als ie erscheint. Die Städte, die
Gebildeten kennen im ganzen den Diphthongen nicht, wohl aber
das niedere Volk und die Landbevölkerung. In diesem Falle
tritt der Diphthong ohne Rücksicht auf die folgenden Vokale
ein. Wir haben also in Sizilien zwei Zonen für ie zu unter-
scheiden, deren eine zum italienischen Festland hinüberführt,
wogegen die andere vorläufig noch nirgend Entsprechungen hat.
Ob in dieser letzteren der Diphthong alt oder jung ist, läfst
160 I- Kapitel: Vokalismus. § 173—175.
sich, da schriftliche Denkmäler älterer Zeit für die niedere
Sprache fehlen, nicht mit Sicherheit sagen. Dafür, dafs er ver-
hältnismäfsig jung ist, scheint mir der Umstand zu sprechen,
dafs er nicht zu völliger Herrschaft gelangt ist. Einem niedersiz.
fieru steht das schriftital. fiero zur Seite : zu beiden in Gegensatz
tritt das hochsiz. feru. Es ist nun kaum denkbar, dafs dieses
feru Jahrhunderte hindurch dem doppelten Angriff des fiero
widerstanden hätte : gerade in den Stadtdialekten fafst das Schrift-
italienische mehr und mehr Fufs (vgl. z. B. § 436) : hier hätte
es in niedersiz. fieru eine kräftige Stütze gefunden, wenn dieses
alt wäre. Nimmt man aber an, dafs das emphatische fieru jung
ist, so begreift sich leicht, dafs die gebildete wie die Schrift-
sprache Siziliens noch an feru festhält.
Vgl. Schneegans, S. 17 — 23, der übrigens die
Ansicht vertritt, dafs fieru alt sei.
174. In Ob er Italien könnte mail. , piem. yer aus lieri
für das einstige Bestehen des ie sprechen. Allein für sich allein
beweist es wenig: das i kann prothetisch oder durch das aus-
lautende i hervorgerufen sein, wie z. B. dasjenige in ital. fiera
aus feria. Andere sichere Beweise für ie giebt es nicht, gen.
redede, piem. aröede gehen nicht direkt auf lat. requaerere, sondern
auf tosk. ricliiedere zurück, und sind daraus gebildet mittelst
Lautumsetzung nach dem Muster tosk. cliiesa = piem., gen. desa.
Sodann sehen wir im Gen. pien zu pih (§ 105), niente zu ninte
werden : also ie wird hier zu i, nicht zu e. Keine Stütze für
das einstige Vorhandensein von ie in Piemont läfst sich aus dem
S. Fratellesischen ziehen, so lange nicht genau bestimmt ist, woher
diese Kolonieen stammen. Die Behandlung des a weist sie
einem Gebiete zu, das dem Südostfranzösisch-Savoyardischen nahe
verwandt sein mufs § 264. Der Diphthong erscheint hier als le
und zwar nur in freier Stellung : fieu (fei), mierit, Icrieia (*ecl^ia),
vie, dies, pieura (pecora), frieva (fehris), dieddera (edera), piei (pedes)
aber Sg. pe. Auffällig ist tober (tepidus) , als ob tebid, nicht
tiehid oder t^hid die Grundlage wäre § 113, sonst also tdki,
Jcerv, vek', auch tennir (tener).
175. Im Eomagnolischen ist der Diphthong heute ver-
schwunden und teils durch i, teils durch e ersetzt, irn Auslaut
§ 175—177. E und IE in Oberitalien und Portugal. 161
daraus ß: p^ vgl. § 114. Zu i ist auch altes ie geworden § 105.
Ursprünglich hat ie gestanden für freies f, auch in drittletzter
Silbe. Es ist dann zu e geworden vor Dental + r: medar
(metere), pre (petra) , hol. preda, vor l: mel und vor r in dem
einzigen scr; sonst i: dis, dri fdrieto), intir, livar, tsiväl, griv,
piyitra, disa (ecl^ia) u. a. Als Zwischenstufe ist wohl ic, daraus
durch Assimilation ii, i anzusetzen. Schwierig zu lösen ist die
Frage, weshalb in einigen Fällen e bleibt und i schwindet. Viel-
leicht mag zwischen metere und medar eine Form miedr, medr
liegen, ser und mel sich aus der Einsilbigkeit erklären. Ferner
sind auffallig virman (hol. virom), mirul neben gveran (governo),
nerb, tsert. Die Annahme von Grundformen nierho. viermen hätte
gerade hier nichts Bedenkliches, vgl. § 257: man müfste dann
voraussetzen, dafs der völlige Schlufs der Silbe infolge des voka-
lischen Auslautgesetzes ie z^ e herbeigeftihrt hätte : also nier-ho,
nrrb, dagegen vier-man, vir-man.
176. Noch weniger als fürs Lombardisch-Piemontesische
läfst sich die einstige Existenz von ie fürs Portugiesische wahr-
scheinlich machen. Dem span. lleva, d. i. lieva, entspricht hier
Ifva, nirgends ist das geringste Anzeichen vorhanden, dafs einst
ie gesprochen worden sei. Auch aus tihio § 156 läfst sich das
nicht folgern, vgl. § 181. Ähnlich verhält es sich mit dem Pro-
venzalischen. Hier entsteht unter palatalem Einflufs ie, und
dieses ie bleibt bis heute: es ist nun kaum denkbar, dafs in
einer früheren Periode auch aus freiem p der Diphthong hervor-
gegangen, dann aber wieder zu e reduziert worden sei, um so
weniger, als auch das Katalanische sich völlig frei von ie zeigt,
während es doch auch sonst (§ 49) einen älteren Lautstand des
Provenzalischen darstellt.
177. Weiterentwicklung von ie. Schon § 150 wurde
dai'auf hingewiesen, dafs der Diphthong des ^ in drei Gestalten
erscheint: fe, ie und daraus wieder i: nicht in Betracht gezogen ist bei
der zweiten Form die Qualität des e {§ oder e). Es stellt sich nun
die Frage, wie sich te und ie zu einander verhalten, und wie die
Vereinfachung zu i vor sich gegangen sei. Die erste dieser zwei
Fragen hängt eng zusammen mit der Untersuchung über die
Entstehung des ie und tio und kann daher erst Kap. V zur Be-
Meyer, Graminatik. 11
162 I- Kapitel: Vokalismus. § 177^ 178.
eprechung kommen. Für die zweite mag zuerst das Material
vorgeführt werden.
178. Die Reduktion von ie zu i begegnet im östlichen
Frankreich. Im Nordosten stehen drei Formen des Di-
phthongen neben einander: i, ye, yoe. Die letztere, dem metzer
Dialekt angehörig, dürfte nur eine besondere Gestaltung von ye
sein. Das i tritt im Norden in Sereing und dem Wallonischen
auf, vgl. hire: dire Watriquet XU, 102 und wohl noch mehr
westlich, vgl. congie: Marie Deesse d'Amour 310, sodann im
Süden in der Franche-Comt6 und Lyon. Von den eigentlichen
Lothringerdialekten beschränken die diesseits der Vogesen im
Flufsgebiet der Breusch gelegenen ye auf geschlossene Silbe,
lassen in offener i eintreten : pyer, lyer, fyeJi (ßer), auch mye (miel),
aber vi (vetus), pi (pede). — Sonst findet sich überall ye in der
oberen Saar- und Moselgegend, i im Reste Lothringens, in den
Ardennen, Bresse, Champagney, Plancher-les-Mines u. s. w. Das
Verhältnis von y^ und i ist wohl so zu denken, dafs y^ zunächst
zu ye Avird, dann durch Angleichung zu yi, i. Diese Entwicklung
wird nahe gelegt durch die eben genannte Doppelgestaltung:
dadurch, dafs der Vokal in den direkten Auslaut tritt, wird er
gedehnt und damit geschlossener. Sie mufs ziemlich alt sein, da
schon Guerre de Metz schreibt: hrifment 260 c, livres 206 e,
trives 210 c u. a., Dial. an. rat. jetir, chif, hrif, siele, chig, hin,
gris u. s. w.
Im Lyonesischen ist i nicht eingetx'eten vor folgendem
primärem und sekundärem r: f%ar (ferus und fei), miar, siar (frz.
cieT) neben pi (pede), pira (petra): auch dies zeigt, dafs nicht
eine Entwicklung le, i anzusetzen ist: '^piera wäre ebenso zu
piara geworden wie fi,er zu fbar. Die Reihe ist auch hier fier
piera, fier piera, fiär piera, endlich pira. Nicht dagegen spricht,
dafs der Dichter des Vegetius reimt: pie (pedem): mie (mica)
u. dgl., Ysop, pieces: nices 251. Wir wissen nicht, wie streng bei
diesen Dialektdichtern die Anforderungen an den Reim waren:
denkbar wäre eine Aussprache pi: mi§ mit fast verhalltem e. —
Als weitere Stütze der oben gegebenen Erklärung des Übergangs
von ie zu i ist endlich anzuführen, dafs in Bessin (Noi-mandie)
der Plural zu pie, pi lautet, ebenso sulye PI. sult. Da das s
bei seinem Verstummen auslautende Vokale dehnt 'und schliefst,
§ 178, 179. I uud IE aus E in Frankreich. 163
80 ergiebt sich die Reihe pi^S, pies, pi. — Auch im Friaulischen
wird ie zu i, aber nur in einsilbigen Wörtern: sJr, mil, ßl, pid,
dis, sis, grif, vint, timp u. s. w. , dagegen in mehrsilbigen : yeve
(leva), yeul (ebulum), Vieri (veterem), pieri, miedi, fieste u. s. w.
Wiederum wird hier die Assimilation in einer geschärften Aus-
sprache des e ihren Grund haben. — Anders dagegen verhält
sich ie und hier nun blofs i'e nicht i im Venezianischen. Während
im Inlaut ie die Regel ist und im Anlaut sogar ^e entsteht : ^eri,
gcvolo, wird im Auslaut der Accent zurückgezogen: sfe, pfe: hier
also tritt wirklich Tonwechsel ein. Nun ist zu beachten, dafs
das Friaulische vorwiegend oxytonierten , das Venezianische
paroxytonierten Ausgang hat: jenes steigert die Intensität gegen
den Schlufs des Wortes oder Satzes, dieses vermindert sie, daher
dort 2)ie zu pie, pi, hier sie zu sie. — Ähnlich unterscheidet das
Asturische ye in vorletzter und in satzbetonter letzter Silbe, aber
satztonlos : dias, pia, piats. (Auch Mentone stellt sie und dies
einander gegenüber.)
Eine sonst noch nicht nachgewiesene Ausartung von freiem
ie zeigt Veglia: fidl, siad, siap, dann insiara (serra), fiar, pial,
hial, diastra, fiasta, diant, fenalmiant, viant u. s. w. Vielleicht
sind ie, la die Zwischenstufen. Aber in velarer und palataler
Umgebung tritt i ein : jirik (preco), diJc, pi (piei) PI. pich, und in den
jüngeren öil, piasir, lig, endlich in jJifra, lipro. Ferner im Süden:.
Nicastro (Calabr.) priagu, piacuru, viagnu, ciarti, dispiatti, tiampi,
179. Reduktion von ie zu e soll im Toskanischen
voi-kommen: wo die Schriftsprache heute noch ie festhält, da
spräche die Vulgärsprache schon längst nur f. Freilich ist
hier genauere Untersuchung nötig. Während in neuerer Zeit
mehrfach für uo das einfache o auch in der Schrift durchgeführt
wird, bleibt ie. Es wird sich also fragen, ob die Entwick-
lung des ie eine langsamere ist als die des uo , oder ob, wie
im Rumänischen (§ 164), die Reduktion nur nach bestimmten
Konsonanten stattgeftmden hat, und endlich, ob wirklich Reduk-
tion vorliegt, oder ob nicht vielmehr e aus dem Norden oder
Osten importiert ist. — Thatsächlich hat der Übergang von ie
zu e statt im Anglonormannischen. Nicht selten ist die
Schreibung ee\ veent Comp. 2169, 2183, peez Charlem. 238: die
Doppelung soll wohl die Länge angeben, da auch e aus a zuweilen
11*
164 I- Kapitel: Vokalismus. § 179^ 180.
so Aviedergegeben wird: degrees Charlem. 346. Aber schon die
ältesten Handschriften, wie der Oxforder Roland, bieten auf
Schritt und Tritt e; piere, miere, für pere, mere, die ebenfalls
liäufig im Anglonormannischen auftreten, sind als umgekehrte
Schreibungen zu fassen.
Belege für ie statt e aus a bei Stürzinge r, Orth. Gall.
38, wo auch alle frühei-en Stellensammlungen angeflihrt sind.
Ganz anders ist zu erklären venez. gevalo = ebulum, geri =
heri u. s. w. ; südostital. geUi Rusio 147, gerva 33, 119, gerti =
span. yerto 403, wo e zu ie, ie geworden und i wie primäres j
behandelt ist.
c) Vereinzelter Übergang von § in andere Vokale.
180. Vereinzelte Fälle von f zu e. Im Italienischen ist
zunächst die Verbindung ment zu nennen: -mentc, -mento, dor-
mente, rammento u. s. w. , mcnte findet sich auch in Alatri.
Zwischen den beiden Nasalen wird der Vokal geschärft: mento
ist die Vorstufe zu mnto. Ärchitetto, cutrettola, caretto haben sich
an die Deminutiva auf -etto angeschlossen, dunkel bleiben nebbia
neben ebbio, lebbra, cicerchia, ellera. — Im Spanischen treffen
wir ebenfalls -mente, asp., astur, mientre, miente, aber mente z. B.
schon in der Visio Filib. 58, 12, wo jedoch auch estercol. Die
SvTbstantiva auf -mentum schwanken : die Neubildungen zeigen
-miento, woneben tormento, alimento, momento, ferner convento und
contento (wofür asp. apagado) offenbar Buchwörter sind. Aber
osamenta, cornamenta, vestimenta, jumenta und tormenta (Sturm)
als solche zu fassen, geht kaum an. Man ist versucht, darin die
letzten Reste eines Gesetzes zu sehen , wonach der Diphthong
vor a unterblieb, bezw. durch e, o hervorgerufen wurde (s. § 152).
Allein dieser Annahme stellt sich die Frage gegenüber, weshalb
denn alle anderen Subst. auf -a das ie zeigen. Die einzige Ant-
wort wäre die : im Spanischen sind auslautend e und i frühzeitig
zusammengefallen und üben gleichmäfsige Wirkung. So müfste
petra im Sg. p^dra lauten, im Plural aber piedre. Da nun bei
allen anderen Substantiven Singular und Plural denselben Vokal
hatten, trat auch hier Ausgleichung ein und zwar nach ie hin,
weil ie ein unendlich viel gewöhnlicherer Laut ist als Q, das
nur vor -a vorkam. Nur die Neutra Plur. auf -a, die zunächst
§ 180, 181. Wandel von E zu E, I, A, O. 165
noch keinen Plural auf -c bildeten, die aber in ihrem kollektiven
Sinne sich von den zugehörigen Singularformen entfernt hatten,
behielten die alte Form bei. Ein Rest aus dieser Zeit ist viel-
leicht atich noch pertiga neben altem piertega, denkbar ist aber
auch, dafs aus piertega zunächst unter Eiuflufs des ie piertiga
entstanden sei und danach dann wieder pertiga nach § 156. —
Span, quema, portg. qneima wird zu crcmat gestellt, was begriff-
lich völlig pafst, lautlich aber grofse Schwierigkeit macht, da der
Ausfall des r in beiden Sprachen und der Diphthong ei im
Portugiesischen ungerechtfertigt sind. Span, e, portg. ei treffen
sich sonst in ai, ein caimare würde also genügen, und dieses
könnte man wiederfinden in dem mgr. , ugr. y.a\).i6g --^= xavf.i6g.
Das Alter der griechischen Formen ist nicht bekannt, sie müssen
aber weit hinaufreichen, xXai/iia stammt aus einer Zeit, wo das
Fut. xlatjOio noch bestand, danach ist *x«i]t<«, xaif^iog gebildet,
woraus vielleicht die spanischen Formen, während das ältere
xavf.ia, span. calma andere Bedeutung angenommen hat. — Spanisch
madera, cadera, entcro, menester zeigen Suffixvertauschung. — Über
portg. ccra aus s^rra, m^do (Furcht), neben medo in S. Antao,
vespa, hespa, vgl. die "Wortbildungslehre.
181. Vereinzelte Fälle von e zu i. In italienisch risica
stammt das i von risicare, i^ofitto , rispitto und das alte
dispitto sind Gallicismen. Spanisch nispera, ristra, vispera
(viespera Berceo D. 129, viespra Gaza 51, 21, astur, hriespa),
avispa, prisco (persicus, astur. piesTcu) scheinen Übergang von ie
zu i vor S2), sh zu bezeugen: auffallig ist jedoch, dafs vor st der
Diphthong bleibt. Ferner siglo aus sieglo (Cid 1445, Berceo
Mil. 2 u. s. w.). — Portugiesisch silJia (Sattel) ist ein Lehnwort
aus dem Spanischen; in der Bedeutung Sattelgurt gehört es viel-
leicht zu cingula. Fedinte hat sein i von j^ec^iy und hat das
sinnverwandte faminto statt -ento nach sich gezogen. Endlich
pirtigo, pirtiga gehört zu den § 156 besprochenen Fällen, es
zeigt, dafs e und p im Portugiesischen völlig gleichgestellt Averden
und dafs somit portg. tihio nicht für Hiepido spricht.
182. Endlich bleiben noch einige Fälle von o und a statt
f und f. Span, suero , portg. soro, sard. soru neben ital. siero
bewahren vielleicht eine alte dem griech. 6Q6g entsprechende
166 I- Kapitel: Vokalismus. § 182 184.
Nebenform des lateinischen seru. — Parm. romol, regg. romelj
piac. romla neben emil., ostlomb. remel, Kleie, Verbalsubstan-
tivum zu remolare, hat o aus den tonlosen Verbalformen ver-
schleppt.
Mussafia B. 93.
Afr. tälant, prov. talan, altital. tälanto neben talent u. s. w.
geben griech. raXauroy wieder. Ebenso werden span. canastro,
nprov. kanasto, obw. kanastra das griech. xdyaoTQa darstellen.
Span, lagarto, nordsard. tiliJcerta (er aus ar § 256), obw.
lugart, dann berg. ligurt, bol. Ugur, ven. ligoro zeigen eine der
Palatalisierung vorhergehende Ersetzung des Suffixes -erda durch
-ard, -ord. — In span. täladro, portg. trado, prov. taraire , obw.
tarader liegt gall. taratron, nicht lat. teretrum vor. — Unerklärt
ist span. sarga, frz. sarge, woraus ital. sargia zu serica.
6. Vulgärlateinisch g == schriftlateinisch ö.
183. Wie bei f, so haben wir auch bei p eine Zone, die
diphthongiert, eine andere, die den einfachen Laut aufweist.
Keine Spur einer Stufe uo zeigen Sardinien, zum Teil Sizilien,
ein Teil Mittelitaliens, Portugal und Rumänien. In den übrigen
Ländern ergiebt p entweder wo, oder ue, oder os, und zwar im
allgemeinen ce in den galloitalischen Mundarten und im Nord-
französischen, sowie zum Teil im Eätischen, ue in Spanien, in
Calabrien, im Friaul, uö in Mittelitalien. Wie bei ie, so schwankt
auch bei uo die Betonung zwischen üo und wo; ferner treffen
wir auch hier teils p, teils p, im Rumänischen völlige Über-
einstimmung mit 0. Die Bedingungen, unter denen der Di-
phthong erscheint oder nicht erscheint, sind auch hier sehr ver-
schiedene. Die Probleme, die sich an die Geschichte des p
knüpfen, sind nur zum Teil dieselben wie beim f, daher die
Anordnung nicht völlig die nämliche ist. Die Schicksale des p
stellen sich im allgemeinen zunächst folgendermafsen dar.
184.
Lat.
EOTA
*POTET
LOCU
FOCÜ
JOCÜ
Rum.
roatä
poate
loc
foc
Joe
Friaul.
ruede
po
lug
fug
dzug
Engad. (rouda) po Ice foe gm
§ 184.
Vulgärlat^inisch Q.
1
Ital.
ruota
pud
Vuogo
fuoco
giuoco
Mail.
roda
po
Iceg
fceg
§(^9
Prov.
r^da
PQ
§ 197
§ 197
§ 197
Afr.
ruede
puet
§ 196
§ 196
§ 196
Span.
rueda
puede
luego
fuego
juego
Portg.
rgda
pgde
logo
fogo
Joga.
Lat.
cocu
JOCAT
ROGAT
OPUS
TROPAT
Rum.
—
joacä
roagä
op
—
Friaul.
—
dmeya
—
—
—
Engacl.
—
^oeva
rceva
—
Ital.
cuoco
giuoca
riioga
uopo
truova
Mail.
Jcceg
§ 220
rcega
—
—
Prov.
§ 197
999a
rgga
gps
trgba
Afr.
§ 196
jueet
ruevet
ues
trueve
Span.
—
juega
ruega
huebos
trueva
Portg.
—
Joga
rgga
—
trgva.
Lat.
*COCIT
NOCET
PROBA
NOVU
NOVA
Rum.
coce
nou
noaä
Friaul.
Tiuei
nos
—
fiuf
nova
Engad.
—
—
—
nouf
nouva
Ital.
cuoce
nuoce
pruova
nuovo
nuova
Mail.
koesa
ncesa
prceva
ncef
noeva
Prov.
kots
nots
prgva
ngu
ngva
Afr.
*cueist
*nueist
prueve
nuef
nueve
Span.
cuece
—
prueba
nuevo
nueva
Portg.
coze
—
prgva
novo
ngva.
Lat.
NOVE
BOVE
OVE
COE
SOBOB
Rum.
noue
hou
oaie
—
soarä
Friaul.
nuf
iö
—
hur
sur
Engad.
nouf
houf
—
Tcour
sour
Ital.
nove
§ 279
—
euere
suora
Mail.
ncef
Ice
—
leoer
—
Prov.
flQU
hgu
—
hgr
—
Afr.
nuef
huef
—
euer
—
Span.
nueve
huey
—
euer
—
Portg.
fiQve
boi
—
—
—
167
168
I. Kapitel: Vokalismus.
184
Lat.
FOKIS
MOEIT
TORU
FOEU
SOLU
ßum.
foarä
more
—
—
Friaul.
für
mur
—
—
—
Engad.
(fora)
mour
—
—
—
Ital.
fuori
muore
—
—
suolo
Mail.
—
mo&r
—
—
soel
Prov.
foras
mor
—
—
sgl
Afr.
fuers
muert
— ,
fuer
suel
Span.
fuera
muere
tuero
fuero
suelo
Portg.
foras
more
toro
fgro
so
Lat.
STOLU
-OLU
MOLA
SCOLA
VOLAT
Rum.
—
-or
moarä
—
shoarä
Friaul.
—
-ul
muele
sJcuela
—
Engad.
—
-oul
moula
sicoula
— •
Ital.
stuolo
-uolo
§ 219
scuola
vola
Mail.
—
-ce
moele
skcela
—
Prov.
—
-Ol
mgla
sJcgla
vgla
Afr.
—
-uel
muele
§ 219
§ 219
Span.
—
-uelo
muela
—
—
Portg.
—
-0
mg
—
vga.
Lat.
DOLET
MOLIT
SOLET
VOLEX
HOMO
Rum.
dore
—
—
vore
om
Friaul.
dul
—
sul
vul
om
Engad.
doul
moul
Söul
voul
om
Ital.
duole
—
sudle
vuole
uomo
Mail.
dcer
—
scer
vcer
om
Prov.
dgl
—
sqI
vgl
gm
Afr.
dudt
mueU
sueU
vueit
uem
Span.
duele
muele
suele
vuel
§ 201
Portg.
dge
mqe
soe
—
homem.
Lat.
DOMU
SONU
BONÜ
BONA
TONAT
Rum.
—
§ 202
§ 202
§ 202
—
Friaul.
—
son
hon
huine
tuine
Engad.
—
sun
hun
huna
tuna
Ital.
duomo
suono
huono
buona
tuona
§ 184.
Vulgärlateinisch Q.
169
Mail.
—
s5
hö
bwna
truna
Prov.
—
so
lo
bona
trona
Afr.
—
§ 219
tuen
buene
§ 219
Span.
—
sueno
hueno
buena
truena
Portg.
—
som
bom
boa
toa.
Lat.
*COPKIT
OPERA
COLOBRA
SOCERÜ
SOCERA
Eum.
—
—
—
socru
soacrä
Friaul.
—
vore
—
—
—
Engad.
—
ovra
—
soer
soera
Ital.
cuopre
Qpera
—
suocero
suocera
Mail.
—
droeva
—
—
—
Prov.
liQbre
gvra
Icol^bra
sggre
sogra
Afr.
cuevre
uevre
coltievre
suevre
suevre
Span.
cuebre
huebra
§ 217
suegro
suegra
Portg.
cohre
ohra
cobra
sogro
SQgra.
Lat.
POPLU
VOCITU
COFINU
TORULÜ
MO^^TA
Rum.
—
—
—
—
—
Friaul.
—
vueit
—
—
—
Engad.
poevel
vced
—
—
—
Ital.
pnpolo
vuoto
cgfano
tuorlo
—
Mail.
—
voed
—
—
—
Prov.
PQble
meid
—
—
—
Afr.
pueple
vueid
(coff're)
—
muete
Span.
pueblo
—
cuebano
—
muebda
Portg.
povo
—
—
—
—
Lat.
DOMITU
COMITE
LOLIU
SPOLIAT
FOIilU
Rum.
—
—
—
foie
Friaul.
—
—
uey
—
fuetj
Engad.
—
—
—
(spola)
focl
Ital.
—
conte
gigglio
spQglia
fQglio
Mail.
—
Tiont
Icey
—
foel
Prov.
domta
honte
—
despuela
fuel
Afr.
dornte
conte
—
despuele
fuel
Span.
duendo
cuente
luello
—
lioja
Portg.
—
conte
joia
despolha
folha.
170
I. Kapitel: Vokalismus.
§ 184.
Lat.
OLIU
MOLLIAT
COBIÜ
MOKIAT
TROJA
Rum.
—
moaia
—
moarä
—
Friaul.
ueli
—
—
—
—
Engad.
cßli
—
leoer
—
—
Ital.
olio
moglia
cuojo
muoja
troia
Mail.
cell
mceya
hoer
mcera
trceya
Prov.
ueli
mola
Tcueir
mueira
trueia
Afr.
uelie
mola
cueir
mueire
trueie
Span.
olio
moja
cuero
—
—
Portg.
(oleo)
molha
couro
—
—
Lat.
PODIU
HODIE
MODIU
FOVEA
OCLU
Eum.
—
—
—
—
ochiu
Friaul.
—
uey
—
foihe
vuli
Engad.
—
oaz
—
foppa
el
Ital.
poggio
999^
mgggio
fgggia
gcchio
Mail.
poee
inkcs
moez
foeza
ced
Prov.
puei
uei
muei
—
uei
Afr.
puei
uei
muei
—
uei
Span.
poyo
hoy
moyo
hoya
ojo
Portg.
poio
Jioje
moio
fojo
glho.
Lat.
MOLLE
COLLE
FOLLE
COLLU
POLLICE
•Rum.
moale
—
foäle
—
—
Friaul.
muell
Jcuell
—
Meli
—
Engad.
—
—
foll
—
pollaä
Ital.
mglle
cglle
fglle
cgllo
pgUice
Mail.
mgll
TcqU
fgll
Jcgll
poles
Prov.
mgl
legi
fgl
Jcgl
poise
Afr.
moi
—
fgl
col
poise
Span.
mudle
—
fuelle
cuello
—
Portg.
molle
—
folle
cgllo
—
Lat.
GKOSSÜ
OSSÜ
FOSSA
POEKU
FLOCCU
Rum.
gros
08
—
por
—
Friaul.
gruess
uess
fuesse
—
—
Engad.
grcess
oess
fossa
—
—
Ital.
grosso
gsso
fgssa
pgrro
ß^gcco
§ 184.
. Vulgärlateiniscli O.
171
Mail.
gross
^ss
fossa
—
—
Frov.
gros
ps
fossa
por
—
Afr.
grQS
QS
fgsse
—
—
Span.
grueso
hueso
fuesa
puerro
lluecco
Portg.
grosso
psso
fQSsa
pgrro
cJigco
Lat.
OCTO
COCTU
NOCTE
COXA
HOSTE
Rum.
opt
copt
nopte
copsä
aste
Friaul.
vott
Tiuett
Hott
Jeuesse
—
Engad.
oad
—
noatt
—
—
Ital.
Otto
CQttO
ngtte
cgscia
gste
Mail.
vott
CQtt
ngtt
—
—
Prov.
ueit
kueit
nueit
kueissa
ost
Afr.
ueit
cueit
nueit
cueissa
ost
Span.
§ 188
§ 188
§ 188
—
hueste
Portg.
oito
coito
noite
—
gste.
Lat.
POST
COSTA
POSTU
NOSTRU
HOSPITE
Rum.
poi
coastä
post
nostru
—
Friaul.
pus
Jcueste
puest
riestri
—
Engad.
—
koste
pcest
noss
—
Ital.
poi
cgsta
PQStO
ngstro
gste
Mail.
poi
coste
post
nost
—
Prov.
pos
Jcgsta
pgst
ngstre
gste
Afr.
—
CQSte
pQSt
ngstre
ost
Span.
pues
cuesta
puesta
nuestro
huesped
Portg.
pos
CQsta
posto
ngstro
hgspede.
Lat.
FORTE
HORTU
MORTA
CORDA
ORÜEU
Rum.
foarte
—
moarte
coardä
orz
Friaul.
foart
—
muart
koarcle
uardi
Engad.
fort
—
moart
korda
—
Ital.
f^rte
prfo
mgrte
cgrda
grzo
Mail.
fort
—
mort
—
—
Prov.
fort
grt
mQrt
kgrda
grdi
Afr.
fort
Qrt
mgrt
cgrde
grge
Span.
fuerte
huerto
muerte
cuerda
—
Portg.
forte
horto
mgrte
cgrda
—
172
I. Kapitel: Vokalismus.
§ 184.
Lat.
CORPUS
COBVU
PORCU
CORNU
MORSU
Rum.
corp
corh
porc
com
—
Friaul.
Jcuarp
—
puark
Tcuarn
smuars
Engad.
korp
horf
puerh
körn
mors
Ital.
corpo
CQrvo
pgrco
cgrno
mgrso
Mail.
corp
—
—
Tiorna
—
Prov.
Jcgrp
TiQrh
pgrh
TiQr
mgrs
Afr.
TiQtp
cgrb
pgrc
com
mors
Span.
cuerpo
cuervo
puerco
cuerno
mueso
Portg.
corpo
Corvo
pgrco
cgrno
mgssu.
Lat.
ORFANU
OEGANU
DOMNÜ SOMNU
LONGU
CONCA
Rum.
—
—
domn somn
lung
—
Friaul.
uarfen
—
— somn
lung
honk'e
Engad.
orfen
—
duonna soen
lung
—
Ital.
grfano
grgano
äonna sonno
lungo
cgnca
Mail.
—
—
donna son
—
—
Prov.
—
—
§ 369 somme
long
—
Afr.
—
grguene
§ 369 somme
lonc
—
Span.
huerfano
huergano
dueno sueno
lungo
cuenca
Portg.
orfäo
orgäo
dorn somno
longo
concha.
Besondere Beachtung verdienen die Wörter mit ont, ond,
sodann die Vertreter von hoc. Schon fürs Vulgärlateinische
scheint anzusetzen zu sein gnd, mgnte, aber pgnte, frgnte, fönte,
vgl. span. monte neben puente, frente, fuente; siz. munti, ponti,
fonti, freilich frunti, kalabr. munte (und frunte), ponte, alatr.
pgnte, mgnte, friaul. puint, mont. Dem gegenüber bietet das
Italienische mgnte, pgnte, frgnte, fgnte, ferner ital. cgntra, friaul.
kuintri, span. cuentra, siz. kontra; ital. higgncia, friaul. kuints, ital.
concio, friaul. kuintse: es scheint also, dafs o im Italienischen
vor gedecktem n an Stelle von g tritt. Anders bei ond: hier
zeigen alle romanischen Formen g, das sardinische u:
Lat.
ABSCONDIT
RESPONDET
TONDET
FRONDE
Ital.
nascgnde
rispgnde
tgnde
frgnde
Span.
esconde
responde
(tunde)
fronda
Sard.
—
respundit
tundit
frunza
Siz.
—
rispunni
tunni
frunda.
§ 184, 185. Vulgärlateinisch Q. 173
Dabei bleibt allerdings friaul. shuindi, rispuindi, fruind neben
frond sehr merk^\iirclig. — Hloc, eccehoc erscheinen im Italie-
nischen und Spanischen mit g, im Französischen mit ue: ital.
cid, perb, span. pero aus perö (§ 603), prov. ago, aber afr. ilvoc
H. Lied, avoec Rol. 3625, iloee 3632, sehr früh auch schon avec
Alisc. 5845, G. Palerne 9588, avec IV Liv. 208, porec Alisc.
7197, üeques S. Martin 11, 19 u. s. w., wolil auch iluc IV Livr.
947, S. Juli. 1008. Daneben aber auch schon czo Eulalia 21, co
Jonas yo 3, 4, 7, poro Eulalia 11, 20, später fow, ce. Die Formen
mit 0 im Französischen erklären sich wohl aus der Tonlosigkeit
der Fürwörter, der Mangel des Diphthongen im Italienischen aus
der Oxytonierung, im Spanischen möglicherweise aus der Ton-
verschiebung. — Über die ziemlich zahlreichen Fälle von o statt
uo s. § 219.
185. Für das Verbreitungsgebiet von uo und g gilt bis auf
einen gewissen Grad, das § 151 über ie und (^ Bemerkte, nur
scheint uo enger umgrenzt zu sein, und z. B. auch in S. Giovanni
ßotondo ganz zu fehlen, in Canosa di Puglia: Jcore, iome (liomo),
fore (foras), pots (posso), aber Jctmtsüle, hüne, sun (sornio), Bitonto :
puerdg, luekg neben fort, Jcour; auch hier fehlt noch genügendes
zuverlässiges Material. In Mittelitalien aber entspricht Jcuorpo,
gruossu, fuossa^ siionno u. s. w. und desgleichen in Padita: tuor
(togliere), miiorto, kuorpo, grnosso u. s. w. Im Tirolischeu stehen
lombardisches (B (§ 213) , westrätisches uo , ue und einfaches o
nebeneinander: tio in Agordino, Val di Zoldo: füoJc, üof, hrüo
neben luök, duöiba, sodann uo, ue am linken Noceufer, in Gadera,
Ampezzo und Buchenstein, oe am rechten Noceufer u. s. w. Weiter
östlich in Bacchiglione und Livenzathal fehlt der Diphthong gänz-
lich. — Ob im Südostfranzösischen cor ebenso eine besondere
Stelle einnimmt wie mel, ist schwer zu sagen, da tiberall das
frz. coeur eingedrungen scheint. Im Südwesten Frankreichs tritt
oe, ue schon in den ältesten Urkunden auf. — Wo endlich im
Osten Portugals diphthongiert wird, wie in Miranda, da cisohtint
zum Teil die Form uo , nicht das spanische ue. Über das
Wallonische s. § 207.
Auch das Provenzalische bedarf noch genauer Unter-
suchung. Die alte Sprache kennt im allgemeinen den Diphthongen
174 I- Kapitel: Vokalismus. § 185^ 186.
nur bei folgendem Palatal (§ 189), sonst p, „o lare" nacli dem
Ausdruck der alten Grammatiker. Aber schon in einer limou-
sinischen Urkunde vom Jahre 1251 findet sich auch uop Thomas
I, 2, 175, und heute ist die DijDhthongierung von freiem und
gedecktem o weit verbi-eitet, z. B. Eouergue : pruoho, eskuolo,
ruodo, uome, fuol, muol, puorlc, Jcuosta, uos u. s. w., Queyras :
vuoste, muort, Embrun: vuoste, muort, fuorse, aber kuäl, huano,
Veynes: vuostre, Tiuontre, muort, respuenso, endlich in der öst-
lichen Creuse: huo (bosc), ku^to, grug, uo§o, fuor, buordo, muor,
puorto. Sodann ua: avign. Jcuar, muar, puades, vuastre, huan,
Toulou : puar , nuasto , puarto , fuasso , Toulouse : Jcuar , muar,
huan, vuastre, fuasso, dauj)h. puant, muart, kuar, suar. Femer
ue in Marseille : kuer, demuero (§ 220) fuero, puedon, sueno, vuel,
hrueko, Serres: muert, suen, kuenire, kuel, Gap: kuel, huene,
kuentre, muert, vueste, Brian^on: kuesto, kuerp, kuel, kuer, kuers,
duer (deuil), esfuers, ueti, muel, muerdre, auch fuent und respuendre.
Erst eine genaue Darstellung der lokalen Verteilung von Q, uo,
ua, ue wird die Frage nach dem Alter des Diphthongen ent-
scheiden können: die Seltenheit in alter Zeit, das Schweigen der
Grammatiker könnte für verhältnismäfsig spätes Auftreten sprechen.
a) Bedingte Veränderungen von g, uo.
1. Einflufs folgender Laute.
186. An die auslautenden Vokale ist uo geknüpft
auf denselben Gebieten wie p: wo dort e für i§ eintritt, da hier
0, aufserdem im Portugiesischen, wo p bleibt. Dem ie entspricht
uö bezw. ue, dem ie: üe. Vgl. lecc. huenu, hueni, hona, tone,
muevi (muovi) aber 1. Sg. mau 3. Sg. moe, kuecu (cuoco) Subst.
koku Verb., 2. Sg. kuedi, 3. kode, köre Plur. kueri, soru (soror),
omu aber demmaro (glomer), muedu (modus) und ferner mit e aus
ue (§ 205) neu (novu), nei neben nova, §eku (giuoco) Subst. neben
soku 2. Sg. seki 3. Sg. soka u. s. w. Calabr. : hiionu, yüoku,
nüovu, füoku, müoru, süoru, küorpu, püortu neben bonu, more,
rota, köre, sola, porta, forte, ponto u. s. w. Alatri : sod§r§, sgdera,
hon§, son§, fgke, nov§, hgna, sgna, mgla, vgvi (boves), Sg. vgv^,
ggk§, ggki, ggka, kgrp§, gkyi, pgnti, tgst§ neben pgnt§, tgsta u. s. w. —
Obwald. : hien neben huna und huns, lantsiel, nief, pievel, k'ir
§ 186 — 189. Q beeinflufst durch die Auslautvokale. 175
(corium), lieug, lolcs, fieitlc, rieng, aber nof (novem), k'iern, Jcorns,
yerfen, orfna, miert, kierp, korjiS. Hier erscheint der Diphthong
aber auch vor i und u aus i: dierma (*dormiat), glierzia (gJoria),
plieväa (pl(^ia)j felya (folia), velya (ital. voglia), baseyls; veult
(volet) aus vieiilt u. s. w. — Endlich im Portugiesischen pgrco
neben porca, ovo, gvos, porto, portas, pQtia, aber Subst. porto'^
ebenso: novo, ngva, corpo , horto, aber -ador, Jigmem, ferner vor
i stets q: Suff. -oi. Dann aber o vor i: como, coma, comas,
coma aus comefdjo, comefdja u. s. w. ; torgo , torga u. s. w.
Über die Ausnahmen s. die Flexions- und Wortbildungslehre.
187. Besondere Beachtung verdient Campobasso. Auch
hier erscheint uö vor i, u, vor a, e, o aber g: sora, yom§, niov§,
Jcgr^, vgv§, dagegen vor mehrfacher Konsonanz und in drittletzter
Silbe p: SQr§ma, mgv§ne, soÖ^ra, stgmeke, ygtt^ (odo), ngtte u. s. w.
Das erklärt sich nur so, dafs unter denselben Bedingungen wie
im Italienischen ?io eintrat, welches iio vor a, e, o zu o wurde,
vor u, i blieb. — Unklar ist Teramo : vov§, dom§, yo1c§ Plur.
vuv§, yulcf, aber voss§, 1cuord§, uott§.
188. Vor Palatalen: ch, j, y fehlt im Spanischen der
Diphthong: ocho, noche, corcho, iorcha, ojo, coja, moje, hoja,
despoja, lioi, poyo, joyo, moyo, auch novio kann sich so erklären.
Entsprechend § 156 ist auch hier noite, noche anzusetzen, und
dazu stimmt das h in hoja, vgl. § 408; *nueite, nueche wäre ge-
blieben, vgl. buey. Im Portugiesischen entspricht o: ngite, hoje
u. s. w. In Miranda wird aus oi weiter ui: nuite, uito, hui auch
suno wie portg. sgnho, aber oise, lonze, fgyas. Aus ui ist wie
aus anderen gi, ui (§ 67) im Asturischen ue geworden: gueöo,
fueda, tueyer (tollere), guey, duecJio Berceo Mil. 149 u. s. w.
189. Im Französisch-Provenzalischen bricht i ein
vorhergehendes g, dort wird der vorauszusetzende Triphthong üei
zu üi entsprechend dem * aus iei, vgl. hui in tt- Assonanzen Karls
Reise 670, woneben oitante 99 die regelmäfsige Entwicklung in
tönloser Silbe darstellt. Zu üi stimmt die ausnahmslose Schreib-
weise der Handschrift: ui, u. So noch nfr. huit, nuit, nuire,
cuisse, vuide, woraus vide § 62 puits u. s. w. Ebenso sind für
das ganze provenzalische Sprachgebiet Grundformen anzunehmen
wie : nüeit, üeit, küeisse, müei, füeil u. s. w. , die zum Teil sich
176 I- Kapitel: Vokalismus. 8 189 190.
bis heute erhalten haben, zum Teil aber umgestaltet worden sind
§ 193. — Dann ferner grednerisch: nüet, tief, Jciiesa, fiieia,
uedl, während vor gedecktem l^ r, s das p bleibt.
190. Das Urfranzösische oi oder uei zeigt nun ebenfalls
neben der Entwicklung zu ui, die vom Zentrum her auch nach
Metz gedrungen ist, in den Mundarten noch andere Reflexe. —
Anjou, Poitou, Bretagne und die südliche Norm an die
haben als Endresultat teils §, teils ce, die ältesten Texte zeigen
oi, so die Urkunden aus der Bretagne oit, Rohan 1288, S. Auban
1283 u. s. w. ; dann ouiet Fougeres 1248, oet Nantes 1298,
oeid Bouquen 1298, Rohan 1318, peise Rohan 1309. Aus Anjou
ist nur oi belegt, aus Maine oi, oe , ouei. Daneben findet sich
überall üi, das als schriftfranzösische Form nicht in Betracht
kommt. Das völlige Überwiegen der Schreibung oi, und der
Reflex von ocu, das nur ou, später eu , nie ieu giebt, schliefsen
die Annahme, dafs üei zu Grunde liege, aus. Man kann nur
schwanken zwischen uoi und einfachem oi, also Mangel der
Diphthongierung. Eine Entscheidung ist kaum möglich, uoi
müfste früh zu oi reduziert worden sein ; öi wurde dann weiter
über 6e zu os im südlichen Teile des Gebietes, über oe zu ^ im
nördlichen. Eine Stufe oei ist durch das poitev. (B völlig aus-
geschlossen und wird für die Bretagne durch die Schreibungen
nicht wahrscheinlich; oei tritt erst verhältnismäfsig spät auf und
beweist nur, dafs der zweite Teil des Diphthongen identisch war
mit dem durch ei dargestellten §. Wir kommen also auch hier
nur auf eine Stufe oi, nicht ue oder gar üei, und da gänzlicher
Mangel des Diphthongen nicht wahrscheinlich ist, so bleibt die
Annahme, dafs ein altes uoi schon in vorlitterarischer Zeit zu oi
reduziert worden sei, vgl. § 158.
In der nördlichen und westlichen Normandie,
dem Gebiete von le, ie aus §i entsteht aus p + i zunächst üei,
woraus teils über ücei: yce, teils über zei: i, oder ie, wodurch
die Reflexe von ^ + * und p + i völlig zusammenfallen. So
finden wir im Roman d. M. S. Michel Reime, wie: milie: Ue 3519,
ebenso ennuei: lei Kath. P. 1154, bei Etienne de Fougeres peis,
pleie, meire, auch : me, mere, tree. Vgl. dazu Lahague : niei = frz.
nuit und Smiei = enmi, pieise = puisse und pieis = pis. Dafs
das iei aus älterem üei reduziert ist, ergiebt sich aus lire= luire,
§ 190 — 192. O vor Palatalen in Frankreich. 177
pi = puHs, pU = pluie. Daneben stehen füeil (folia) und
nüere (nocere), deren letzteres sich wolil erklärt wie liiere (legere)
§ 159, während das erstere die Erhaltung des ü dem voran-
gehenden Labial vei'dankt.
Die Behandlung von p -}- i im Normannischen ist in
den zu § 159 genannten Arbeiten ebenfalls besprochen.
191. Für den Osten ist wohl zunächst QJ anzunehmen,
woraus nun o, vi, ud, oe entstehen. Eigentümlich sind wallonisch
Mr, liüt, püs, vü (Frz. vide) neben vi (hodie), JcoK (coxa), foy, moy,
apoie: desploie schon Watriquet XII, 30 u. s. w. : also im Hiatus
bleibt p, alte Oxytonierung treibt es zu o, u, vor Konsonanten
verschmelzen o und i zu ü, vgl. dazu § 128. Mit einer Grundform
uei oder üei würde man hier kaum durchkommen, eher mit uoi,
doch liegt andererseits kein zwingender Grund vor, von oi ab-
zuweichen. Scheinbar Übereinstimmung mit dem Wallonischen
zeigt das Metzische mit üty Jcür , vüd u. s. w. , aber auch ozdü,
dann koeJi, koes aus coxa, dem sich ceK, ces aus ^ustium (§ 147)
anschliefst. Das Cß dieser letzteren Formen ist gemäfs § 63
aus älterem ü entstanden, das ü selbst aber erklärt sich aus
zentralfranzösischem Einflüsse, s. § 190. Sonst ist in Lothringen
und zum Teil in der Franche-Comte cß der Reflex von Q -\- i:
lothr. noß, cet, kcer , voß u. s. w., auch in älterer Form vcei, poej,
und mit merkwürdiger Umstellung kyce aus *kceij oder aber mit
Aufgabe der Lippenartikulation e: re, ker, ved bezw. k^i u. s. w.
Wie sich endlich zu oi das vi in Auve verhält: pui, anui, hrui,
lui, mlnui, kvis und vs (iistium), ist nicht völlig klar.
192. Im Südostfranzösischen ist als Grundlage vei
anzunehmen, dessen e sich entwickelt wie altes ei (§ 76, S. 95),
dieses uei aber wird aus pi durch Brechung entstanden sein:
dafs es einst üei gelautet habe, ist nicht anzunehmen. Am deut-
lichsten zeigt sich die Entwicklung in den Reflexen von fran-
zösisch cuire, cuit, puis, so Vionnaz koair§, koai, poai (puis)^
bagn. koeyre, poei, waat. kuaire bezw. kuäre, ku§re, kuere, vua,
w§ aus oäo, pvai = puis u. s. w. , freib. kuQ (cuir), vuQ (hui)
u. s. w. Auch Jujur. koa, poai, koaiSe, ua wird hieher gehören.
Unklar ist die Behandlung von node, Vionnaz n^, bagn. n% aus
ni (§ 40), waat., freib., juj. n^, ferner Vionnaz küsse, bagn. kuäe
aus coxa, auch octo scheint nicht immer regelmäfsig zu sein.
Meyer, Graramatik. 12
178 I- Kapitel: Vokalismus. § 193^ 194.
193. Wie einfaches p, so erscheint auch p mit folgendem Palatal
im Provenzali sehen in den verschiedensten Gestalten, die sich
aber fast alle auf üei zurückführen lassen^ nur nue, pue, Tiuer§ in
Gilhoc will nicht passen. Sonst aber findet sich üe in Urkunden
aus Montpellier bis gegen die Mitte des XIV. Jahrhunderts, imd
heute in rouerg. : kücr, üel, Jcüe, üei u. s. w., in marseill. müe, küe,
püe, nüe, briancj. adüeö, Iciled, küer, Jcüiso, füeil, carpentr. nüe^ liüe,
bord. püei, nontr. üe. Teuer, üei, Jcüei§o u. s. w. Seit der Mitte
des XIV. Jahrhunderts tritt in den Urkunden aus Montpellier üo
auf: es scheint also, als ob das labiale Element in ü sich das e
angeglichen habe, und daher wird auch io in Langued. miody
pioö, nio§, in Gignac: pioi, nios, yoh (longe) nicht auf ein altes
üoi zurückgehen, sondern aus üei über üoi entstanden sein. Oder
aber üei wird zu oei, was sich in der östlichen Creuse erhalten
hat, sonst zu ei geworden ist : westliche Creuse, Toulouse, Ariege,
Herault, Narbonne, Bigourd^ Armagnac, Medoc, Hautlimous. Öi,
das auch Haut-Auvergne kennt, wird zu ce Bas-Auvergne, Drome,
und so ei zu e Hautlimousin , Cahors, Albi. Vereinzelt steht ie
in Colognac: nie§, ies, fiel, mieS wohl aus üei, üe, wie das io aus
üo. Es fallen also auf einem grofsen Teile des provenzalischen
Sprachgebietes die Reflexe von § -{- i und {> -{- i zusammen. —
Auf oei endlich gehen zurück das Bearnische und das Kata-
lanische : vgl. bearn. noeit, moi, ocit, ]coe§e, oey, oerdi u. s. w.
Im Katalanischen wird pi (direkt oder über oei) zu oi, ui, vgl.
auch in Alghero : ul, vul, pruza, huit, muir, vuy, nuit, woraus
Barcell. nit. Noch ist zu erwähnen , dafs nicht nur *morio und
dormio meist die Reflexe von p + * zeigen, wie die Formen-
lehre darthun wird, sondern fast überall auch porcus: püerh und
longe: lüen.
194. Auch im Rät i sehen zeigt oi zum Teil eine besondere
Behandlung, vgl. obw. Je er, ved, el, fei, fela, delas oder Mr, vid, il,
fit, fila, dila. Auch hesiri, hesen und mentsena sind noch zu nennen.
Beachtenswert sind ferner Jcuaissa aus coxa neben pleivia. In allen
Fällen ist der Diphthong durch das i hervorgerufen, es fragt sich
nur, ob uei, wie es in Jcuaissa vorliegt, oder üei die Vorstufe von
e sei. Für üei könnte fül, ül u. s. w. in Stalla sprechen : da
sich aber Stalla in seinem Vokalismus auch sonst zum Enga-
§ 194 — 196. 9 '^'or Palataleu im Provenzalischen und Rätischen. 179
dinischen gesellt, wo Q vor Palatalen wie sonst zn oe wird, so
wird man ihm keine starke Beweiskraft zumuten. Legt man
üei, iei zu Grunde, wie üe ^ ie, so bleibt auffällig, dafs nicht i
das Resultat der Zusammenziehung ist, es erscheint aber i gerade
im östlichen Teile des obwaldischen Gebietes, wo () Überhaupt
bleibt. Dieser letztere Umstand beweist, dafs zwischen der
Diphthongierung des o vor u (§ 199) und der vor Palatalen
kein direkter Zusammenhang besteht, dafs vielmehr die eine
Erscheinung von der anderen unabhängig ist. Legea wir hueissa,
fucla zu Grunde, so erklärt sich die Erhaltung des M im ersteren
Falle aus dem gutturalen Konsonanten, in allen anderen Fällen
ist ue weiter zu e reduziert, und dieses zu i erhöht worden.
Bestätigt wird diese Auffassung dadurch, dafs butella über hu-ela
zu })ela, hila wird : hier hat nie ü gestanden.
Vgl. Ascoli, Arch. Glott. I, 29, wo übrigens zwischen
uei und ei eine Mittelstufe iei angesetzt wird.
Keine Brechung erscheint in oöi noö, ots: das palatale
Element ist hier stärker mit dem Konsonanten verbunden als in
den anderen Fällen.
195. Wie schon aus den Beispielen der vorhergehenden
Paragraphen ersichtlich ist, verhält sich das p den verschie-
denen palatalen Lauten gegenüber nicht gleichmäfsig. So bleibt
es im Französischen unversehrt vor f, vgl. oeil, yeux (§ 196),
feuille u. s. w., und vor n: loing, tesoing. Die meisten anderen
Sprachen dagegen lassen f, ri ebenso wirken, wie it u. s. w. Es
ist nun noch nachzutragen, dafs auch manche nordfranzösischen
Mundarten hier sich von der Schriftsprache entfernen. So schreibt
z. B. der anglonormannische Übersetzer der Bücher der Könige
duil, duille, suil, fuille, orguilz, hesuins , luinz. Wie dieses ui zu
lesen sei, ob als üi oder o/, mag strittig bleiben, keinesfalls aber
kann es dem ue des Zentrums entsprechen. Die heutigen nor-
mannischen Mundarten stimmen, wie zu erwarten stand, damit
überein, vgl. bess. fycele, so Gueraesey fyet, yel = oeil.
196. p vor Velaren. In Frankreich und im westlichen
Rätien entstehen durch die Verbindung des freien p mit einem
aus Ij V oder der lateinischen Flexionsendung entstandenen u
neue Verbindungen, deren Schicksale sehr wichtig sind. Zunächst
12*
180 I- Kapitel: Vokalismiis. § 196, 197.
im Nordfranzösischen wird ueu über üeu zu ieu: yenx,
pieuvre, Ueu, afr. vieut aus *volet, dieut, sietd, qmeut, vgl. noch
heute vyoe in Montjean. Wenn daneben focus, jocus als feu, jeu
erscheinen, so hat möglichei-weise der labiale Konsonant im einen,
der palatale im anderen die Entwicklung zu ü, i, i verhindert.
Weit weniger einfach liegen die Verhältnisse in den verschiedenen
Mundarten. Wo iu aus ieu erscheint (§ 38), da verwandelt sich
auch Ueu zu Uu. Es ist aber diese Reduktion nicht nur pikar-
disch, vgl. fu: vertu S. Jul. 595, Uu: DamJediu 640, sondern
auch anglonormannisch : Uu, fu, ju in den Büchern der Könige,
Uu in Brandan. Im Normannischen findet sich neben Ieu auch
Uie, dieses wohl aus Ueu mit einer Art Umstellung der Laute lüei,
wodurch man die beliebte Verbindung üei bekam, s. § 190.
Keinen Schlufs auf die Aussprache gestattet lue: prue Kath. Poit.
2191. Es ist nun *üeu auch anders umgestaltet worden zu iou.
In normannischen Handschriften, bei Estienne de Fougeres, im
Leben des h. Martin von Tours u. a. finden sich veolt, deolt,
seolt: da dieselben Texte auch meolz, meoz, mioz, mieuz aus
meUus bieten, so ergiebt sich als gemeinsame Grundform wieder
ieu. Dieses iou, eou wird weiter zu eau in den poitevinischen
Predigten : deaus, veaut, und aus letzterem heute va. Dafs auch das ieu
in locus diesen Wandel mit macht, zeigt leouc Deux Sevres 1312;
ferner wird in Viane Tjuef zu hueu und daraus heou und so neo
neben heof, neof. Die Reduktion von ieu zu eu ist normannisch,
vgl. Benoit dols: clieveus Chron. 11, 953, 2769: eus 19706; geus:
ceus 22838. — Auch der Norden kennt eine ähnliche Entwick-
lung, aber nur für ol : dioit, miourre in Tournay. In der Cham-
pagne begegnet iau: viaut, diaut u. s. w., so dafs also auch hier
das Resultat dasselbe ist, wie das von §1 § 163, aber wieder
nur bei oi , nicht bei QU. — 0 mit gedecktem l wird dagegen
einfach zu QU, woraus später m, u: pouce, moudre, coudre,
fou u. s. w.
197. Für das Pro venzalische kommen -ocu und -ovu in
Betracht, zu letzterem gesellt sich hove , nicht aber nove. Ab-
gesehen vom Bearnischen und Katalanischen liegt überall üoc,
üou zu Grunde, so in Daurel und heute rouerg. füoJc, lüoJc;
hüou, nüou, üou aber nou, montp. üou, hüou, und daraus üe
§197—200. O vor Velaren. 181
seit dem XIV. Jalirhundert, mars. füe, lue, güe (und danach
lüego = locat, güego), sücgro, briaiiij. füeh'^ oder aber io: Hoc
Montpellier 1584 und heute in Colognac fiolc, ^ok, Hole, in Gilhoc
hioittf langued. fiok, Hole, hioii, albi. 6iow, iou, Rhonemündung:
fio, Ho, iou, hiou (nou), Carpentras : Ho, fio, Nontron : fio, Ho, gio,
niou , hiou (iwii) , und so bei den Waidensem in Burset: ftol;
h'oJi, hhi, niü (notO. Im Westen aber wird auch dieses üe zu ü
oder 0?, e (vgl. § 193) Landes Maritimes hüJc, üu wie hüTo, nüit,
medoc. ieu, hautlim. fe, le. Das Bearnische dagegen gelangt
über HO zu ue, oe: lioe, soq, sopre, hoeu, oeu (den Reflex von novus
s. § 200). Das Katalanische weist keine Spur des Diphthongen
auf: folc, lok, nou, hou.
198. Im Südostfranzösischen ist von fuek, hiek, §uek
auszugehen, das sich nun ganz parallel mit ie aus -iatu, -iacu ent-
wickelt, also bagn. lud, Vionnaz, Ormont loa, waat., freib., neuenb.
gü, fü neben neuenb. gue, fue, Vallee dzoe, foe, Jujurieux fod,
Fourgs lü, gü u. s. w. — Mit gedecktem i wird o zu ou, das
dann mit ou aus o (§ 122) zusammenfällt, vgl. waat. mädre,
pädzo bezw. mcedre, pa'dzo, maudre, paudzo u. s. w.
199. Im Rätischen zeigt wieder nur der äufserste Westen,
das «e-Gebiet, für focus, locus, jocus eine besondere Behandlung.
Im allgemeinen scheint das Ergebnis dasselbe zu sein wie das
von iu, üu (§ 38 und 60) fiuk, feuk, fiek, ßa, /l je nach der
Gegend, so dafs also wohl von füeuk, fieuk auszugehen ist. Xur
Stalla weicht ab, sofern es wie bei p + i (§ 194) ü eintreten
läfst: fük. Vor i erscheint obw. eu, eng. (c auch bei auslautend
a, 0, vgl. obw. sieuida, mieuisa, avieuis, ferner vicuU, mieuit: es
hat also das i das vorhergehende p gebrochen. Denkbar ist
direkter Übergang von pw zu eu (vgl. § 121), doch legt ieu,
woneben auch iau, iu vorkommt, die Zwischenstufen üeu, ieu näher.
Nur würde sich fragen, ob nicht ursprünglich ^Itu gemäfs § 186
regelrecht zu ieit, ieuit, -glta dagegen zu evita geworden, dann
die Formen zum Teil vertauscht worden seien : genaue Nach-
forschung an Ort und Stelle können erst die Frage lösen.
200. p vor Labialen zeigt im Gaskognischen eine be-
sondere Behandlung, es wird zu a: vgl. b^arn. plahe ("^plgvere),
probe, esprabe, nava und danach nau (novus), nau (novem), präbd
182 I. Kapitel: Vokälismus. § 200—204.
(provare). So wird ovicla über avele zu auele, aule. Auch nahe
Messer wird hierher gehören und als ein aus növacula gewonnenes
"^nova zu betrachten sein.
201. Vor m scheint die Diphthongierung zu unterbleiben
im Spanischen : doma (aber duendo) , estomago , hromo , romo,
como, come, hombre, doch ist nur das letzte Beispiel ganz sicher,
da die ersten gelehrt sein können , como sich neben dem alten
cueme als tonlose Form erklären liefse und come aus cömedit,
comie vielleicht zu § 188 gehört. Dialektisch erscheint auch hier
ue: uemne Filib. 61^ 12. Coma erscheint nicht nur im Itai.
cMoma, wo io für iuo berechtigt wäre (§ 206), sondern auch in
ganz Stidostfrankreich als Tcoma, stets ohne Diphthong, im Portg.
cgma; der Mangel eines zweiten Beispiels der Lautfolge -Qma
macht eine Entscheidung , wie der Mangel des Diphthongen zu
erklären sei, unmöglich.
202. Vor Xasalen wird p auf weitem Gebiete zu o und
wie dieses behandelt s. § 132 ff. Nachzutragen ist etwa noch,
dafs im Friaulischen -on zunächst korrekt zu -uen, dann aber
weiter zu -uin wird, vgl. huine, muini, und die Beispiele für
p vor gedecktem n § 184. — Auch das Asturische mit hono,
sodann fönte, ponte tiennt sich so vom Spanischen und tritt zum
Rätisch-Eumänischen.
203. Im Italienischen unterbleibt der Diphthong in dritt-
letzter Silbe: cofano , popolo, limgsina, cgsimo, rimprovera,
stgmaco, mgnaco, mgdano, togliere, vomito u. s. w. , aber venez.
puovoh, tuor. *
Suora nuora ziehen suocera und dieses suocero
nach sich.
Auch Kristdfu, pdpul, Tcdfu in S. Fratello wii-d sich so
erklären.
204. Die Oxytonierung beeinflufst p im Italienischen:
wiö, perö, cio, pgi (aber j)erug. puoi)^ woneben pub durch puoi,
puote gehalten sein kann. Im Engadinischen dürfte po aus
potfetj ähnlich zu deuten sein. Sodann natürlich im Romagno-
lischen : 6p , und in S. Fratello : ha , daher auch pa, va.
§ 205—207. 9 beeinflufst durch vorhergehende Laute. 183
2. Einflufs vo rh ergehend er Laute.
205. In Lecce halten Labialen und Gutturalen das
ue, während es sonst zu e reduziert wird: kueri , Jciteru, muei
(muovij, huenu, Jcnedi, kuelcu, puei, muedu , aber ueli (vuoli), deli,
reu^ trenu, ^eki (giuoclnj. Beachtenswert ist hncu = jufvjevcus. —
Ferner Avird eolus zu nlu: lattarulu, petsulu, pifiulu u. s. w. :
auszugehen ist von yüo, wo das y die sonst eintretende Weiter-
entwicklung zu MC, tie hinderte.
206. Im Ital. wird iuo zu uo: ghiomo (glgmus) ^ piove,
ghiova (glöbns), viola neben vivuola, chioma, woneben piuolo,
vahwlo aus *pio , vaio 4- Suffix -uolo nicht auffällig sind. —
Ebenso wird uo zu o reduziert nach Kons. + r: grogo, prova
(aber venez. pruova).
207. Während gedecktes p im Italienischen, Provenzalischen
und Schriftfranzösischen als p bleibt, wird es namentlich vor S im
ganzen Osten und zutn Teil im Weste nFi-ankreichs z. B. Montjean,
S. Aigneau, Deux Sevres (wo utre zu beachten ist), wie auch p
aus auj zu m, das im XVI. Jahrhundert sogar in die Pariser
Sprache dringt; vgl. parole: saole Viol. 159, G. Palerne 979.
Ronsard reimt chonse: esponse, H. Estienne tadelt chouse bei den
„courtisans", Tabourot desgleichen chouse, grous, repous; der
Sieg von o in diesen Wörtern zieht dann aroser statt arouser
nach sich. Dagegen läfst agenoille: moüle G, de Pal. 7209,
Cliges 4294 auch andere Deutung zu: es kann das p aus den
endungsbetonten Formen verschleppt sein, reproche: hoche Cliges
1002, aproche: hoche Ivain 881 u. s. w. sind wohl ebenfalls so
erklärlich, vgl. daneben aproece Chev. II ep. 10320, reprucce Camh.
Ps. 1305, Marie de France Lanv. 166, die ihren Diphthong wohl
prucf verdanken. Noch heute gelten rouche, aprouche im Pariser
Dialekt, wie sie auch in Pariser Urkunden häufig sind, vgl.
noch reprouche: touche Th^atre Francj. III, 138, houche: descouche
III, 73, tost: aoust II, 10. Dann also in östlichen Denkmälern
wie Ysopet, Girard de Rousillon, Ph. von Vign., doch reproiche
Ys. Gir., das wohl nur als umgekehrte Schreibung für o zu be-
trachten ist. — Im Wallonischen dagegen scheint gerade vor s,
sowie vor gedecktem l und vor doppelten Verschlufslauten p zu
bleiben , während sonst ue eintritt : grgs, »wp?, jt)ps (pouce), Mok
MOETE
MOLEBE
mä
mädre
muä
muädre
muä
muädre
muä
muädre
184 I. Kapitel: Vokalismus. § 207 211,
aber fuer, fue's (forcej, muer, mnet, pitet, Jenen (cornc), Icue's fcöte),
mütue (*muUu, tostn) u. s. w.
208. p vor gedecktem r wird im Südost französischen
teils zii 0, teils zu tia, uä, uä, oa u. s. w., ersteres in einem Teile
von Waat und Freiburg. Verstummt das r, so wird or zum Teil
zu d, ebenso zuweilen ua. Es ist wolil auf dem ganzen Gebiete
Ti^rda zu Jcörda, Tcorda, dann kourda, Tcoarda u. s. w. geworden.
Wallis aber bleibt einfach bei o. Wir haben also
Lat. COEDA COENA
La Cote horda Jcorna
Vallee Jcuärda Jcuärna
Lavaux kuärda Jcuärna
Blonay Jcuärda Jcuärno
u. s. w. Ebenso weiter nördlich in Fourgs: xmato , huane, mua
u. s. w. — Auch das Friaulische läfst ua statt ue eintreten:
fuart, muardi , Jcuarr, uorr, duar u. s. w. — Einen konser-
vierenden Einflufs übt ^ , r in den § 207 genannten Gegenden,
sofern hier Q bleibt, nicht zu u wird.
209. p vor gedecktem s. Auch hier verlangt der Osten
Frankreichs und noch Val Soana p. Vion. Jcuta, gru, grusa,
ebenso Waat, Freib., Neuenb. , Lyon. Desgleichen Jeu , fu aus
Jcols, fölSj aber moadre, poase aus molere, poUice. Wir erhalten
also gs, OS, ö, ou, u. In Besancjon viiete, Jcile, osHüe neben pof^s
(pores), qIoq (alors), moe (mort) liegt dieselbe Entwicklung vor.
210. Vor gedecktem n steht im Französischen, Proven-
zalischen und Italienischen stets o, für die ersteren s. § 132 ff.,
für letzteres § 184 und cqnte , cgnta, hrontola, hrgnzo, conca,
compie, romho, frgmba, sggno.
b) Das Verhältnis von tio zu ue, ce.
211. Der Wandel von p zu uo, wie immer er auch zu
erklären sei , ist doch leichter zu fassen , als der von uo zu ue.
Dafs nämlich ue auf älteres wo zurückweist, ist leicht zu zeigen.
In der Eulalia findet sich noch durchgehends wo : buona 1, ruovet
24, suon 15, auch Roland, Computus, Karls Reise und namentlich
anglonormannische Texte späterer Zeit zeigen vielfach uo, aller-
dings hier sicher nur als orthographische Tradition. Sodann
§ 211. Das Verhältnis von UO zu UE. 185
läfst sich iio erschliefsen aus dem Gegensatz zwischen frz. comie,
homme, moudre einerseits und friente, mieudre andererseits: jene
setzen die Reihe comite, *cuomUe, *cuöte, confe; molere, muolere,
muolre, molre voraus, diese dagegen fremita, friemita, friete;
mdior, miclor, mielre: wie hier, so wäre wohl auch dort der erste
Teil des Diphthongen geblieben, wenn der zweite schon e ge-
lautet hätte. In der That wird auch comcs über cuomes, cucmes
zu atens, *volet über vuolet, vuelet zu viidt. Dafs o in einem
Falle direkt zu uo , im anderen zu ue gebrochen worden sei,
ist nicht glaubhaft, so bleibt nur die Annahme, dafs wo eine
ältere Form von ue sei. Kein Gewicht ist zu legen darauf, dafs
altasturische Urkunden bei Mufioz 73 ein jjaarmal ito schreiben,
da noch heute in Asturien uo gesprochen wird. Mit mehr Recht
kann man hervorheben, dafs lat. quomodo im Spanischen zu
ciiemo wird : hier haben wir also thatsächlich einen Fall , wo ue
aus älterem uo entstanden ist. — Es fragt sich dann weiter, ob
uo direkt über ud zu ue werde, oder ob üo, UQ, u^, ue als Ent-
wicklungsreihe zu denken sei. Bei Mufioz 266 findet man ein
paarmal wa, doch läfst sich das beliebig deuten, dagegen sind
pus, cumo, pusto, pudet, füre, tritho im Mistero nur als uo oder ue,
kaum als uö oder gar ue zu erklären. Es würde demnach das
Kalabresische eine ältere Stufe darstellen als das Leccesische.
Die ältesten Belege für ue im Französischen sind BuenvasletJi,
Septmueles , Bawhuedcourt in Doomsdaybook vom Jahr 1086, im
Spanischen fuero Mufioz 31, a. 955, asteruelos 58, a. 1011. Die
Betonung ue im Französischen ist gesichert durch Reime wie
queivre: bei yre Brand. 1427 Minerve: irueve, Troie 26015 quiercnt:
moerent Brut 9746. Die Schreibung uo bleibt namentlich nach
q: wie sie aufzufassen sei, zeigt quor in f-Assonanz S. Anbau
104, und das häufige requor = rcquaero 468, 872, 1084, 1219.
Neben ue steht nun auch oe, so fast ausschliefslich im Oxforder
Roland, foers schon im Jonas, dann in den meisten aus dem
Westen stammenden Denkmälern. Häufig, z. B. im Oxforder
Psalter, steht es im Anlaut, um einer Lesung des u als v zu be-
gegnen, also oevres , oes oder hues, oem oder huem; auch die
Handschriften Chretiens machen zum Teil diesen Unterschied.
Ziemlich oft, nicht blofs im Anlaut, findet sich oe ferner in Ur-
kunden aus der südlichen Normandie, dann aus Tours, Chartres,
186 I- Kapitel: Vokalismus. § 211.
Poitou, Saintonge und gewöliiilich in England von 1266 — 1428.
Seit Anfang des XIII. Jahrhunderts erscheint daneben cu z. B.
in dem Leben des h. Martin von Tours, das dann gegen Ende
des XIV. Jahrhunderts ve, oe völlig verdrängt. Nur vor l ist
eo bezeugt im Liv. d. Manieres und S. Martin, damit hat es
aber seine besondere Bewandtnis, s. § 196. In England dagegen
ist seit Mitte des XII. Jahrhunderts die Schreibung eo sehr ge-
bräuchlich, vgl. heos Karls Eeise 316, 317, 427 pureoc 718, eom
789, heoms 803, queors 118, peot Brand. 15 u. s. w., deol Eol.
929, ebenso auf dem norm. Festland seor Chron. 2787 : daneben
tritt aber seit Anfang des XIII. Jahrhunderts ebenfalls eu auf.
Es erhebt sich nun zunächst die Frage, wie dieses ue zu fassen
sei, ob als ue oder üe. Aus der späteren Entwicklung zu ce
läfst sich nichts schliefsen, physiologisch kann oe aus ue wie aus
üe entstanden sein. Immerhin ist eines zu beachten. Wenn wir
die Schreibweisen verfolgen, so sehen wir, dafs zur Wiedergabe
des ö?-Lautes eu gewählt wird. Man wird sich billig fragen, wie
man dazu gekommen sein kann. Die Analogie von eu aus o
kann nicht Sclmld sein, da dieses nur einem kleinen, ö3 aus Q
aber einem sehr grofsen Gebiete angehört. In heutigen Mund-
arten steht zwischen üe und oe der Diphthong eü: es findet also
thatsächlich eine Umstellung statt*, der Hauptvokal bleibt be-
stehen, der reduzierte tritt hinter ihn statt vor ihn. Vgl. ähnliche
Umstellungen von Vokalen im Hiatus § 886 und die Schreibungen
hiieom- IV Liv. 263, oeuvre G. Pal. 1611, und oft, moeurent
Aue. 6, 31. Da nun im Französischen oi zwar zu ti^', nie aber
zu eu wird , so darf man vielleicht daraus folgern, dafs jenes aus
p entstandene ue in That und Wahrheit üe gelautet hatte.
Weitere Momente für diese Annahme giebt die Behandlung von
oi § 196 ff. und oi § 190 ff. Damit ist schwer zu vereinen
die Schi-eibweise oe, und noch schwerer uoe: pouet, oues u. s. w.
in der Handschrift Q des Eenclus, und oue: nouef Chev. II
esp. 5444, ouef Best. 1272. Da ü durch u wiedergegeben
wurde, so ist es selbstverständlich, dafs man für üe auch ue
beibehielt •, dafs aber üe durch oe dargestellt worden sei , ist
kaum glaublich. Beachten wir nun aber, dafs oe sich namentlich
im Normannischen und noch mehr im Anglonormannischen findet,
so löst sich die Schwierigkeit. Wir haben § 48 gesehen , dafs
§211 212. l^'<' Aussprache von UE in Frankreich. 187
hier aller Wahrsflicinliclikeit nach u erst spät dem von Westen
her vordringenden ü gewichen ist: sprach man aber w, so behielt
man wohl auch ue, oe bei. Auch die Schreibung poiet für puet
M. S. Michel 2867 ist kaum anders zu erklären. — Es kann
nun aber üe auch auf anderem Wege zu ce werden: durch Assi-
milation ü(B, Vgl. Lahague : hüce, fücß, mücele, Avoraus nun im vgl.
Urimenil: ycß (ovum), lyce, nyoß, nioef, mycel, pyce (possitm) , fyce
(foris) und etyoel (soutella) aus ecüel: das letztere Wort zeigt, dafs
der Wandel verhältnismäfsig jung ist. — Ferner kann üe zu ü
werden, Plancher-les-Mines : hü (bove) , sü (soror), hrü, ül, rüe
frotaj, müle, ü {ovum), während o -\- i hier zu Cß wird. Ob
Assimilation üe, üoe , üü zu Grunde liegt, oder üe, ü ist schwer
zu sagen. Für letzteres könnte sprechen, dafs ebenfalls im Osten
des Gebietes, in Sornetan, üe vorkommt : üe, nügf, hüe, auch pües
(pouce), rüe, woraus dann in Montagne de Dieux : Me, nie, ferner
mil^, priv§.
Die Erklärung von span. cuemo aus cuomo stammt
von C 0 r n u , Rom. XUI, 299. — W. F o e r s t e r , Die Schick-
sale des lateinischen 6 im Französischen, Rom. Stud. III,
174 — 190; M. Strauch, Lateinisches 6 in der norman-
nischen Mundart, Diss. Hall. 1881. Belege für üe
Tobler, AnielXXW; Boehmer, Rom. Stud. I, 601;
Foerster III, 176, für die agn. Schreibungen Stür-
zinger, Orth. Gall. 45 ff. — 0. Örtenbläd, Etucles
sur le developpement des voyelles labiales toniques du latin
dans le vieitx fran^ais du XIF siede, Upsala 1885.
Letzterer spricht sich mit G. Paris, Rom. VII, 132 für
ue aus, während W. T h o m s e n , Rom. V, 74, A s c o 1 i ,
Lett. Glott. 24, Foerster, Ztschr. V, 590, Cliges,
LIV, üe ansetzen.
212. Unklar ist die Entwicklung von o im Südostfran-
zösischen, hauptsächlich darum, weil die Zahl der beweisenden
Wörter eine sehr geringe ist. In Freiburg und einem Teil der
Waat fällt p völlig mit o zusammen, also wie im Nordfran-
zösischen. Daneben zeigt sich aber an der Westgrenze und an
der Rhonemündung ä?, ü aus p neben au, o, oe aus p. Die Ent-
wicklung wird deshalb auch für diese Gegend sein : *üe, dann ü,
et oder *üeü, *cü, aü u. s. w. Vgl. waat., freib. maola , maüla,
mala, bao, nao u. s. w., aber Vallee mcela, bce, nee, prceva, St.
Croix müla, hü, nü, prüva. Die Stiife (ü findet sich in Vionnaz:
188 I- Kapitel: Vokalismus. § 212, 213.
neüva, meüdr§, prcüve u. s. w., ebenso im Baguard. Aber im
Nordwesten des Gebietes scheint der Diphthong ganz zu fehlen :
lyon. roa , sorre (soror) , novo , nu (novem) , hu , lisu aus -ou
Jujurieux : nu, nuva, feliula, pruvo, uvra, dedu, hu, defu, rova.
213. In Nordfrankreich wäre demnach ue da zu üe ge-
worden, wo II dem ü weicht. Danach darf man auch auf den
übrigen M-Gebieten üe, bezw. seinen Vertreter ce erwarten. Das
trifift denn auch zu für die oberitalienischen Mundarten :
Piem., Gen.j Mail. Die Bedingungen für os sind im ganzen die-
selben wie im Italienischen, vgl. § 184, immerhin erscheint zu-
weilen 02 gegenüber ital. p; piem. ncef, xnoeve, prceva, rcega, ma'd,
gen. stcemagu (aber piem. stomi), gen. ro?a u. s. w., mail. mcela,
gen. 7noea (piem. mola), piem. hroedi (gen. hrodu). Dann tritt ce
aber auch wie im Franz. vor i ein: piem. oet, nceit, Jccessa (coxa),
cci, pcßi, dcerm, gen. tcesegu, dzoegga (jovia), cehhiu. Aber vor
Nasalen bleibt überall o: hö, so, am. Das ce kann ferner mit
Verlust der Lippenrundung zu e werden: so in Monaco. — Im
Mailändischen kommt zu diesem alten ce nun noch ein
zweites vor gedecktem s: parpcest, mälma-st, ncest, vcest, gras,
dces; aufserdem in gcepp, das auch piem., gen. (neben zemhu) ist,
vielleicht aber auf *gohhh(S zurückgeht, und unklar in voelta. Es
ist in der Stadt sehr im Rückgang begriffen, vielleicht nie recht
heimisch gewesen, und gehört vielmehr dem Lande an. Ferner
scheint vor Palatalen auch p zu o? geworden zu sein in See ya
(sum ego), cegga, ceri = -orium, indaeya (indudüe), rceit (ructum) :
vielleicht sind darin Lautumsetzungen zu sehen. — Eine andere
Form zeigt der Diphthong in Lodi : fug (fuoco), fura (foras), ugi
(oculos), vuya u, s. w. Crema und Cremona kennen ihn über-
haupt nicht mehr. Bis genauere Kenntnis des Dialekts von Lodi
möglich ist, mag jenes u auf sich beruhen; es stellt sich jetzt
die Frage : ist ce direkt aus p entstanden , oder ist als Vorstufe
üe anzunehmen ? Die alten Denkmäler geben keine Auskunft :
sie schreiben ausnahmslos o, dessen Wert nicht klar ist, das aber
keinesfalls wo oder ue, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach
nur 0 oder ce sein kann. Dafs ce erst nach dem XIV. Jahr-
hundert eingetreten sei, ist deshalb nicht anzunehmen, weil dann
0 aus ati mitgegangen wäre. Somit müssen Avir schon für die
§ 213—215. ö aus o. 189
AnfjJnge der Litteratur in Oberitalien, also fürs XII. und XIII.
Jahrhundert, ffi ansetzen. Dafs nun aber diesem va einst üe
vorangegangen sei, ist schwer wahrscheinlich zu machen, und ist
schon deshalb sehr fraglich, weil sich nicht nur keine Spur von
\c aus f naclnveisen läfst, sondern weil sogar im Gegenteil vieles
dafür spricht, dafs f nie diphthongiert hat. Der Wandel ist
wohl so zu denken, dafs für die Artikulation des p der Beginn
des Ansatzrohres bei sonst gleicher Weite etwas mehr nach vorn
geschoben wurde, was eine Palatalisierung des o mit sich brachte.
Kaum in Anschlag bringen für die einstige Existenz von uo
auf diesem Gebiete läfst sich das Vorhandensein des Diphthongen
in S. Fratello: uov, nuQV, hvola, suola, duoJc (luogo), Jcuoz,
snogir, Icnoir, pritopriu, itoTc, uott, huo^a, fuog (foglio) u. s. w. —
Das Romagnolische kennt weder ce noch wo, sondern nur
ganz oder halb geschlossenes o : jenes vor Nasalen und Gutturalen
gm, log, dieses in proa, sora, -ol, -ov, movar, clzohia u. s. w.,
askofider, pont, sonn, morhi, porJc, voU, risolvar, skorga, korp u. s. w.,
aber mit mittlerem o : hol, Jcot, od, dsoTcul, endlich mit offenem :
SÄ"p?/, voya, doya, hg. Ein Beweis dafüi-, dafs die verschiedenen o
aus uo entstanden seien, ist nicht zu erbringen, immerhin bleibt
die Möglichkeit einer solchen Annahme.
214. Auch der Tessin hat cc aus g, das, wie in Monaco,
zu e wird in Loco und Malesco ; statt dessen w, o in Eonca am
Lago Maggiore. Die Bedingungen für ca sind die rätischen:
nanv, nowa; daprcew entspricht ital. ajpruovo; Tcor Plur. li'cer.
Ein Palatal wandelt vorhergehendes o in öS ohne Rücksicht auf
den folgenden Vokal: droem, sk'ada, mwya, voeya, tce (togliere),
mcer, dann auch o; ku, arvcera (*robi(na), leer (*coluria),
tedcela (bcMla), favan, k'cen. Man könnte diese letzteren Formen
benutzen wollen zur Annahme, dafs das tessinische os auf we, ne
beruhe und sich auf span. agucro, fagucno berufen (§ 128), allein
es kann natürlich ebenso gut 6i zu le geworden sein.
215. Im Rät i sehen sind vier Stufen zu unterscheiden:
ue, das bedingungslos eintritt im Osten § 184, Je, die Reduktion
eines älteren ue, da wo ü zu i wird, bedingt an auslautendes m;
ce unter ähnlichen Bedingungen, wo ü bleibt ; o in Mittelbünden
zwischen oberländischem ie und engadinischem oe. Davon unab-
190 I- Kapitel: Vokalismus. § 215—217.
hängig ist ce bezw. e, i vor Palatalen. Das ie ist aus älterem ue
entstanden, wie i aus ü § 54, S. 74*, dafs es einst we betont worden
sei, ist nicht zu erweisen. Auffällig bleibt of in Mittelbünden,
woneben aber fiele steht § 199. Es ist denkbar, dafs hier der
Gegensatz Sg. *ief, PI. ofs, Sg. ies, PI. os u. s. w. zu Sg. of, os
ausgeglichen worden ist. Das engadinische ce ist ebenfalls aus
üe entstanden; diese ältere Stufe findet sich noch bei Ltici Capa
1613 vor gedecktem r: chüerp, üert, memüergia, müers, spüert,
müerstty spüerta. Sonst aber ist schon damals und später auch in
diesen letzten Fällen durch gegenseitige Assimilation üe zu ce
geworden. Für ce kann weiter e eintreten : Leventina hei, Iceir,
veid, inJcei, kel, Icern, aber leug, neu. ,
Vgl. As coli, Arch. Glott. I, 183, Anm.
Dafs im Tirolischen die verschiedenen Formen nebeneinander
stehen, ist schon bemerkt § 185. Meist decken sich ö- und ü-
Gebiet, nur in Fassa und in Bormio steht ce neben u, doch wird
hier u an Stelle von früherem ü getreten sein.
216. Eine besondere Entwicklung von uo zeigt das Vene-
zianische in siole, liogo, diol, riosa, niora, nioser, ninziol, tior,
fasioi, in der aver. Katharina diolandose, ciolesse, auch im Friaul.
finden sich: nostri, nozzis, not, h'oli, siorle, nuv , ferner kayostre,
Hole, doch sind die Bedingungen, unter denen i eintritt, noch
nicht recht klar. Auch das A retinische kennt liogo, siono,
niovo, tioni.
217. Reduktion von ue zu e. Im Spanischen wird ue
zu e reduziert, ohne dafs bis jetzt ein Gesetz gefunden wäre:
frente (fruente J. Ruiz 978, Enx. 55), serha, culebra (culuehra
Enx. 2) , estera , lleco (neben flueco) ; ferner bei anders ent-
standenem ue: enero , almedano neben älmuedana, arab. mueddin,
dann die etymologisch dunkeln curuena neben curena, combrueza
und conibreza; ob cerdo zu sordidus, Jerdo zu lordus (§ 67) gehört,
ist zweifelhaft. — In der Val Soana ist e aus ue die Regel,
letzteres bleibt in Imfuel, fasuel neben peirel, capjel, in suer (soror)
neben Teer, in Jcuel neben sela, in enTcue (hodie) neben dige (dies
jovis), sodann meJa, seli, eli, re (ruolo), ne, neva, he, fer, e (nvum),
resa, Teeire (cuocere), pyevre (piovere), nera u. s. w. Gedecktes ue,
das bloffe bei folgendem Palatal und auslautend o, u entsteht.
§ 217—219. 10, E aus UO, UE. 191
hiilt sich dagegen meist: fuel, uel, muert , imerTi^ uet, doch perfe
(portae) , hcscn , ger (gigrno § 146), ferner pyel (pedudum). —
Im Anglonormannischen tritt e ziemlich frühzeitig für ue ein,
schon der Oxforder Psalter schreibt ilec, presme, Adgar vcU, seit,
Langtoft nefj neif, dazu die umgekehrten Schreibungen cheot
Brandan 1156, seop Ort. Gall. 10 (vgl. Stürz 45). Daneben ist
u statt ue aufßillig: uvre IV Liv. 274; cstut 194, 211 u. s. w.,
espiir 247, jufnes 453, truved 91, put 62, 76. — Vgl. noch frz.
avec und § 204.
218. Übergang von uo, ue zu w. Im Friaulischen
wird ue in einsilbigen Wörtern zu ü: nul (ölet) aber Plur. nuelin,
ind, dal, pus, Icur, für, fazul u. s. w. Muggia, Pordenone,
und andere Gegenden endlich zeigen ou: ouf, foule, Tcour, was
wohl als Weiterbildimg des ti zu verstehen ist. — In Veglia
wird freies o über üo zu u: hule (vuol), hur, fuTc, hin, dapu, dul,
Site (jovia), auch surlco, TcurTco, sonst ua: fuaya, pluaya, diiarmu,
nasse, Jcuaste, vart. Auch Nicastro zeigt ua (wie ia § 178):
huana, tuarti, suaffri, puazzo, sciuaccu.
c) Einzelheiten.
219. In einer nicht geringen Zahl von Fällen erscheint Q
statt UO. Manche erklären sich ohne weiteres als Buchwörter
wie ital. tomo, mala, tono , nota, modo, hgve neben hue. Wohl
auch rosa afr. rose, span. rosa neben piem., gen. rocsa. Zweifel-
hafter ist Giove, doch kann in giovedi die Tonlosigkeit die Ent-
wicklung des Diphthongen verhindert haben. Unerklärt bleibt
nove, dem nav statt nuov in S. Fratello zur Seite steht, während
perug. nuove, mail., piem. noif, ven. niove regelmäfsig sind. Auch
südital., siz. ngme und gred. inuetn sind wohl nicht Erbwörter.
Schwieriger sind ital. vola, afr. vole im Reime mit pavQle Ivain
157 u. s. Av., ferner d(^l: Pol Comp. 40, AiqI: fol Ph. Mousquet
695, wogegen roe: Joe Perc. 9069 wohl als roe: joe zu lesen ist.
Nimmt man für jene Beeinflussung durch die endungsbetonten
Formen an , so fragt sich , weshalb nicht p eingetreten sei : die
Verallgemeinerung des Q müfste in eine Zeit fallen, wo man noch
volare sprach. Es könnte aber auch '^vuQlat: volare zu völat
volare ausgeglichen sein. — Frz. hors, on, hon, femer frz. dame,
192 I- Kapitel: Vokalismus. § 219, 220.
asp. conde neben cuende, pos neben j^ues u. a. erklären sich aus
der Tonlosigkeit s. Kap. IV.
Ascoli, Arcli. Glott. X, 88 denkt bei modo, brodo
an eine spezielle Behandlung der Verbindung od, doch
fügt sich brodo besser zu § 206, in hove sieht er dissi-
milierenden Einflufs der zwei Labialen, Giove nove
erklärt er wie Schuchardt, der Littbl. 1887, Sp. 18
darin und in cliioma, mala, rosa, piem. Tcoma, mola, roda,
sola, sJcola, frz. roue, rose, ecole, sole, span. coma, rosa,
die letzten Reste eines Zustandes sieht, wie er in Süd-
italien noch heute herrscht, s. § 185. Allein die Sache
ist doch bedenklich. Frz. roue ist eine jüngere Bildung
von rouer aus, vgl. ruede 0. P. 76, 17, ruce Mousq.
5975 roei in Auve und anderen Dialekten. Ecole und
sole sind wie auf der iberischen Halbinsel (beachte portg.
sola, escola mit erhaltenem l) Buchwörter, desgleichen
sicher rosa, über coma s. § 201.
220. Q, u aus () sind auch nicht immer klar. Ital. pgsto
neben pgsta ist von pono, sonno von sogno beeinflufst. Neben
demörat, afr. demuere, prov. demora steht prov. demora, afr.
demgre, ital. dimgra, siz. dimura, neben afr. devuere, auch devgre,
beide durch zahlreiche Reime gesichert, ital. divgra. Die doppelte
Qualität wird mit der Tonversetzung zusammenhängen : aus
*demgrat entstand entweder unter dem Einflufs von *mörat die
Form demörat, oder mit einfacher Versetzung des Tones vom
Präfix auf den Stamm demörat. Nach dimgra, divgra bildet das
ital. auch fgra. Portg. dgna für älteres dgna hat g von dgn.
Unklar sind flor. grgano neben sen. grgano ; sard., südital. grnssu
neben siz., ital. grgsso, calabr. survu, lecc. survia neben siz.
sorhu, bol. sorhel; lecc. dussu; furse, ital. fgrse und fgrse; campob.,
calabr., siz. atturrere.
Belege für demore, dcvore im Altfranzösischen giebt
A. Tobler, Gott. Anz. 1872, S. 887.
Endlich span. cubro, nuce sind von cubrir, nucir aus gebildet,
ital. spugna wird aus dem Süden stammen, und geht wahrschein-
lich auf spgngia zurück (§ 27, S. 31), lungo hat sein u von
lunge = lat. longe, dieses selbst bietet ein ziemlich schAvieriges
Problem. Neben lungi steht prov. lüevi, afr. Ign, span. luene,
obw. lun^ neben lieung, leunga, engad. losm aber lung. Dafs
Igngus, nicht Igngus und entsprechend Ignge nicht Ignge anzusetzen
§ 220, 221. Lateinisch A. 193
ist, wird durch die obwaldische Form wie auch durch asp. luengo,
andererseits durch die Etymologie gesichert. Es mufs also erst
im Vulgärlateiuischeu oder in den einzelnen romanischen Sprachen
die Sonderentwicklung von lofige eingetreten sein. Zunächst ist
wohl longe anzusetzen, woraus nun afr. lön, loln, dann hing, span.
lucf'te wie vergüenza (§ 128), obwald. luns, ital. lungi nach § 136,
ferner prov. loin und aus oi dann wi s. § 128: der Unter-
schied zwischen Nord- und Südfranzösisch erklärt sich daraus,
dafs dort der Vokal nasalisiei-t wird. Bleibt noch das Enga-
dinische, dessen w sich vielleicht auch aus oi erklärt: dafs die
Verba auf -ungcre nicht -(junger, sondern -unger lauten, läfst sich
auf verschiedene Weise deuten. Ist so Jonge fürs Vulgärlateinische
sicher, so wird man den Qualitätswechsel hier schon der palatalen
Verbindung zuschreiben dürfen. — In mail. git]ca=jocat stammt
II vom Inf.
7. Lateinisch A.
221. Während bei allen anderen Vokalen die alte Quanti-
tätsdiftensnz auch einen Unterschied in der Klangfarbe erzeugt
hat, sind ä und ä in ihrer Qualität völlig identisch. Trotzdem
sind auch hier die Ansätze vorhanden zu jenem bei den übrigen
Vokalen so tief einschneidenden Unterschiede: das a in ein-
silbigen Wörtern ist tiefer, mehr velar als das in mehrsilbigen.
Daher wird namentlich in den Gegenden, die das a in dare,
datiis zu e erheben, dasjenige in dat, da bewahrt oder gar zix o
verdunkelt. Dies ist wohl nur daraus zu erklären, dafs, als
dätus, däre u. s. w. zu dätus, däre gedehnt wurden, dät, da kurz
blieben, vgl. noch heute ital. da neben dato. Also:
Lat.
STA
STAT
DA
DAT
JA
FAG
Rum.
stä
stä
da
da
—
fä
Engad.
sto
sto
do
do
90
fo
Gred.
sta
sta
da
da
—
Aret.
sta
sta
da
da
ga
fa
Romg.
sta
sta
da
da
dza
fa
Frz.
csta
esta
—
—
ja
Hierher gehört noch o (habet), vo, fo, enJco (in cafsaj) in
Gignac, slo (frz. cela), lo, peU (frz. pieqa) im Pikardischen,
woraus dann in der Umgegend von Arras uo, Uf, eü, Oi. Ferner
>[eyer, Grammatik. 13
194
I. Kapitel: Vokalismus.
§ 221—223.
wohl stoi (stat), voi, doi, joi in Veglia u. s. w. Im Neunorman-
nischen wird auch pas zu po : es wird sich also fragen^ wie weit
auch sekundär einsilbig gewordene "Wöi-ter a zu o wandeln. Vgl.
noch § 228.
222. Die Schicksale des freien a sind sehr mannigfaltige.
Im Rumänischen^ Ost- und zum Teil Westrätischen,
Italienischen^ Provenzalischen und aufder iberischen
Halbinsel bleibt es im ganzen bewahrt. Im Nordfranzösischen
dagegen ist e die Regel aufser vor Gutturalen ^ in weiterem
Umfange zeigen das Engadinische und das Emilianische
e , in engerem das Piemontesische^ in noch engerem das
Südost französische. Auch die Dialekte der Ostküste
Italiens zeigen hier wieder die Ähnlichkeit im Vokalismus
mit dem Nordfranzösischen, desgleichen portugiesische. Das
{3 , was als älteste Stufe der Umgestaltung des a anzusetzen ist,
hat dann aber die vielartigsten Weiterentwicklungen erfahren.
a) A bleibt erhalten.
223.
Lat.
DA
STA
JA
DAT
STAT
Rum.
§ 221
§ 221
—
§ 221
§ 221
Friaul.
da
sta
dza
da
sta
Ital.
da
sta
giä
da
sta
Prov.
da
esta
ja
da
esta
Span.
da
esta
ya
da
esta.
Lat.
GRATU
-ATU
LATU
PEATU
LATUS
Rum.
—
-at
prat
lat
Friaul.
—
-ad
prad
lai
Ital.
grato
-ato
prato
lato
Prov.
grat
-at
lat
j)rat
latz
Span.
grado
-ado
—
prado
lado.
Lat.
-ATOE
-ATA
STEATA
SPATA
PEATA
Rum.
-at
-ata
—
spatä
—
Friaul.
■adri
-ade
strade
spade
—
Ital.
—
-ata
strada
spada
—
Prov.
-aire
-ada
estrada
espada
prada
Span.
—
-ada
cstrada
cspada
—
§ 223.
Lateinisch A.
195
Lat.
AESTATE
AETATE
CRATE
SATIS
-ATIS
Eiini.
—
—
—
—
-a0
Friaul.
stad
etad
grade
—
-ais
Ital.
State
etä
grada
assai
-ate
Prov.
estat
edat
—
säte
-atz
Span.
—
edad
grada
assaz
-ades.
Lat.
GRADU
VADU
ACU
LACU
BBRIACU
lium.
—
vad
—
—
—
Friaul.
—
vad
lag
—
Ital.
grado
guado
ago
lago
hriago
Prov.
grat
guat
ac
lae
embriäc
Span.
—
pg-. vao
—
lago
—
Lat.
BACA
BRACA
PACAT
ILLAC
-AC
Kum.
—
—
la
— ,-
Friaul.
—
hraga
paya
la
ca
Ital.
haga
hraga
paga
la
qua
Prov.
haga
hraga
paga
lai
—
Span.
haga
hraga
paga
allä
acä.
Lat.
CAPUT
RAPA
SAPA
NAPU
NASU
Eum.
cap
—
—
nap
nas
Friaul.
k'av
rav
—
—
nas
Ital.
capo
rapa
sapa
— •
naso
Prov.
cap
raha
säba
—
nas
Span.
cabo
—
saha
naho
—
Lat.
CASA
RA SU
MASU
PACE
-ACE
ßum.
casä
ras
—
pace
—
Friaul.
h'ase
ras
mas
pas
•as
Ital.
casa
raso
maso
pace
-ace
Prov.
casa
ras
mas
patz
-atz
Span.
casa
raso
—
paz
-az.
Lat.
FABA
-ABAT
CLAVE
NAVE
CLAVU
Rum.
—
-d
§ 278
—
—
Friaul.
fave
-ave
Tclaf
naf
(claud)
Ital.
fava
-ava
chiave
nave
§ 274
Prov.
fdba
-aha
clau
nau
—
Span.
haha
-aha
Ilave
nave
—
13'
196
I. Kapitel: Vokalismus.
223.
Lat.
OCTAVU
FAVU
KARU
CAKU
CLARU
Rum.
—
fag
—
—
—
Friaul.
—
—
rar
k'ar
Mar
Ital.
ottavo
favo
rado
caro
chiaro
Prov.
—
—
rar
ear
dar
Span.
ocliavo
(favo)
raro
caro
claro.
Lat.
-ARE
PALU
QUÄLE
ALA
SCALA
Rum.
-d
par
care
—
scarä
Friaul.
-a
pal
Tcal
ale
sJc'ale
Ital,
-are
pah
quäle
ala
scala
Prov.
-ar
pal
quäl
äla
escala
Span.
-ar
palo
cual
ala
escala.
Lat,
-AliE
HAMU
RAMU
AMAT
-AMEN
Rum.
-ar
—
ram
—
-am
Friaul,
-al
am
ram
ame
-am
Ital.
-die
amo
ramo
ama
-ame
Prov.
-al
am
ram
ama
-am
Span.
-al
—
ramo
ama
-ambre.
Lat.
MANU
PANE
CANB
LANA
RANA
Rum.
§ 244
§ 244
§ 244
—
—
Friaul.
man
pan
li'an
lane
rane
Ital.
mano
pane
cane
lana
rana
Prov.
ma
pa
ca
lana
—
Span.
man
pan
—
lana
rana.
Lat.
MAJU
-AGINE
TALIAT
PALEA
-ALIA
Rum.
—
—
taiä
paiu
-aie
Friaul.
mai
-ain
täte
paie
-aie
Ital.
maggio
-aggine
taglia
paglia
-aglia
Prov.
mai
—
talha
palha
-allia
Span.
mayo
§ 239
taja
paja
-aja.
Lat.
VALEAT
*BANEU
-ANEU
-ANEA
SABIÜ
Rum.
—
haie
-aiu
-aie
Friaul.
—
had
-an
-ane
Ital.
vaglia
bagno
-agno
-agna
saggio
Prov.
valha
hanh
-anli
-anlia
sabi
Span.
valga
hano
-ano
-ana
säbio.
i5 223.
Lateii
lisch A.
19
Lat.
RABIE
CAYEA
BRACIU
RADIU
EXAGIU
Kum.
—
—
—
razä
—
Friaul.
rahie
hebe
brats
rai
Ital.
rahhia
gabbia
braccio
raggio
saggio
Prov.
ratgc
—
brats
rai
essai
Span.
—
—
brazo
rayo
ensayo.
Lat.
PALATIÜ
MINACIA
-ACLU
PATRE
CABALLÜ
Rum.
—
cal
Friaul.
—
manatse
-all
pari
h'aval
Ital.
palaszo
minaccia
-acchio
padre
cavallo
Prov.
palatg
manatza
-am
paire
caval
Span.
palacio
amenam
-ajo
padre
caballo.
Lat.
ANNU
CARRU
CATTÜ
PASSÜ
ASPRU
Rum.
an
car
—
pas
asprä
Friaul.
ann
k'ar
gatt
pass
—
Ital.
anno
carro
gatto
passo
asiiro
Frz.
an
char
Chat
pas
apre
Span.
afio
carro
gatto
passo
aspro.
Lat.
VASTU
PARTE
ARCU
ARBOR
ARMA
Rum.
—
part
arc
arbur
armä
Friaul.
uast
pari
arJc
arbul
arme
Ital.
guasto
parte
arco
albero
arma
Frz.
guäte
part
arc
arbre
arme
Span.
vasto
parte
arco
arbol
arma.
Lat.
MALVA
AI.TRU
CALDU
FALSÜ
ALNU
Rum.
mälhu
alt
cald
fals
—
Friaul.
malve
altri
k'ald
fals
—
Ital.
malva
altro
caldo
falsa
alno
Frz.
§ 251
§ 251
§ 251
§ 251
§ 251
Span.
malva
§ 253
caldo
falso
alno.
Lat.
CANTAT
ANTE
-ANTIA
AMBO
CAMBIAT
Rum.
§ 244
§ 244
§ 244
§ 244
§ 244
Friaul.
Jcante
nant
-antse
—
—
Ital.
canta
anzi
-anza
amen-
cambia
Frz.
cliante
§ 232
-ance
am-
change
Span.
canta
antes
-anza
amos
cambia.
198
I. Kapitel: Vok
alismus.
§
223, 224.
Lat.
SANCTU
FACTU
LAOTE
METAXA
BAPTU
LABRÜ
Eum.
§ 244
fapt
lapta
matasä
—
Friaul.
sunt
fatt
latt
—
lavri
Ital.
Santo
fatto
latte
metassa
ratio
läbhro
Frz.
§ 232
§ 232
§ 232
—
—
—
Span.
Santo
§ 239
§ 239
§ 239
rato
labro.
Portg. seiva ist nicht sapa^ sondern sapia. Rum. mestec,
(mastico), fermec (*farmaco) erklären sich in der Flexionslehre^
ebenso Fälle wie spatä PI. späe. — Besondere Bemerkung ver-
dienen frz. maigre, aigre, aigle. Da mit verschwindenden Aus-
nahmen die lothringischen Mundarten ^, nicht a, in diesen Wör-
tern zeigen, so ist ihr ai nicht als Diphthong zu fassen, sondern
als f s. § 236. Es ist anzunehmen, dafs vulglat. acrum zu ^gru
wurde, wie patrem zu p^dre, lahrum zu l^hru. Die beiden letz-
teren nun entwickelten sich weiter zu p^äre^ l§vre, woraus pere,
levre, jenes aber behielt den Verschlufslaut : m§g-re und wandelte
deshalb § nicht zu e. Vgl. noch § 275 aqua.
b) Spontane Veränderungen des a.
224. Jedes a, sowohl freies als gedecktes, wird gebrochen
zu ea, iea in S. C a 1 1 a r i n a (Sizilien) : pieatri, mieatri, eacqua,
pieasti, mirkeatu, keasa, musikeanti. — In S. Fratello erscheint
entsprechend ä, äa: amär, fäva, ddätt (latte), fäz, quättr, k'änte
(planta), pärt, gräss, -äa = -ate, -ato, dduntää (lontano) , räam
u. s. w. Anderswo tritt Verdumpfung ein zu ua, uo, o, ä. So
in Caltanisetta undS. Cataldo (Sizilien): imurtuata, appis-
zuava, minnicuava, suppurtuava, stuatu, fuatta, piligrinuannu,
suapi, puani, puasta, soardi u. s. w. — Sodann in Veglia, wo
ua, uo, vor r meist u, vor i meist o erscheint : anduar, destinuat,
hokkuale, skuole, kuosa, juoTb, kuorne, puosta, sessuanta, suang,
suont, für, destinur, levur, stoi (sto) , foite, voita (ital. gaita)
u. s. w. — Im westlichen Oberitalien zeigt 0 r m e a (Cuneo) ao :
saonta, peUegrinaogu , ndao (Part. F.) seleraoi (Part. PI.) maoi,
faoöu, aoöi (altri), taontu, saode (ital. sappia), paose, dalmaogu. —
Während hier Brechung vorliegt, verdumpft ein Teil von Süd-
ostfrankreich das a zu ä, so in der Waat und im südlichen
Freiburg : älo, rävo, prä, -ägo, härho, fräno u. s. w., woraus weiter
südwestlich o, und so lyon. o, vgl. z. B. lyon. pro, Inf. Part, -o,
S 224 225. Wandel von A zu E im Französischen. 199
Jclo, pore, ohro (arhre), otro (litre), amoblo, lorzi, lor (lard), horma,
lossi , plossi , posso (passe) , hssi (chene) , pota (päte) , pole (pale)
11. s. w. ; nur vor Nasalen bleibt a § 247.
c) Der Wandel von freiem A zu E.
225. Der Übergang von a zii e ist ein Hauptkennzeichen
des Nordfranzösischen gegenüber dem Provenzalischen , er tiber-
schreitet denn auch nirgends die S. 63 angegebene Grenze. Nur
im Osten ist nicht ganz klar, wo das sUdostfranzösische Gebiet,
das a bewahrt, gegenüber dem nordfranzösischen aufhört. Sornetan
im Berner Jura hält den lateinischen Vokal fest; wenn er nun
aber auch in den obersten Thälern der Mosel und südlich vom
welschen Beleben erscheint, so bleibt die Frage offen, ob nicht
etwa e hier über § wieder zu a geworden sei, wie dies thatsäch-
lich im Westen (§ 226) der Fall ist. Für diese Annahme scheint
ty^ aus clavis zu sprechen: das y hätte e vor dem Wandel in a
bewahrt. Die umgekehrte Annahme : tya sei unter Einflufs des
y zu ty§ geworden, ist dadurch ausgeschlossen, dafs Wandel von
a zu e nach aus cl entstandenem iy in diesen Gegenden nicht
vorkommt, s. § 262. Wann e eingetreten ist, läfst sich nicht
bestimmen : die Eide schreiben salvar , aber schon Eulalia und
Jonas und so alle folgenden Denkmäler stets e. Wenn Philipp
von Thaon in seinem Computus Cesar: guardar 775, vertat:
soustrairat 3483 bindet, so wird ihn das Reimbedürfnis zu
diesen Latini>^men verleitet haben. Eine Grenze nach unten
giebt die Behandlung von ei § 249, nach oben die germanischen
Lehnwörter. Gotisches e ist im Fränkischen gegen das VII.
Jahrhundert zu a geworden, vgl. Dado a. 632 aus got. Deda.
Dieses fränkische ä wird in den ältesten Lehnwörtern behandelt
wie lateinisches, vgl. afr. here, fränk. hära, wogegen got. e dem
vulgärlat. p entspricht, afr. hiere , got. hUra. Eine relative Zeit-
bestimmung gestattet auch die Behandlung von freiem a vor
Guttural und Nasal. Die Palatalisierung des c ist offenbar ein-
getreten, bevor a bei e angelangt war: aus acu entstand nicht
ec, ei, sondern ac, ai bevor at zu et geworden war, im
Diphthongen ai aber ging a seine besonderen Wege, s. § 235.
Über a vor Nasalen s. § 246. Es lauten also die Beispiele von
200 I- Kapitel: Vokalismus. g 225.
§ 223 etwa seit dem VII. Jahrhundert gret, -et, pret, Jct0, -edre,
-ede u. s. w. Dieses c ist verschieden A^on dem aus gedecktem e
(§ 111) und f (§ 167) entstandenen, es reimt aber mit dem
ursprünglich betonten oder tonlosen lateinischer Wörter, wie
secrees: regardees Chev. II esp. 2269, clere: matere 10503, avou-
iere: comere Benoit Chron. 8795, truver tempore Comp. 751,
tempore: verte 2379. Über erent: tresturnerent Comp. 1185
s. Kap. IV, über De: apeJe Comp. 431 § 223. Es fragt sich
nun, wie dieses e gelautet habe. Zwischen a und e, wie heute
in offener Silbe gesprochen wird , liegt als erste Entwicklung ä,
dies ist aber fürs Altfranzösische ausgeschlossen, da e aus a, von
bestimmten Fällen abgesehen, nicht reimt mit dem aus ai ent-
standenen ä, e § 235. Die nächste Stufe ist f, d. h. der Laut,
den vulglat. gedecktes f noch im Französischen hat, die folgende
der des gedeckten e. Kun ist aber zu beachten, dafs diese afr.
§, e auf vulgärl. ^, e zurückgehen , der aus a entstandene Laut
dagegen auf ä, er wäre also fürs Altfranzösische als f, e anzu-
setzen , wozu die Schreibung peer Jon. 28 , chieef Eul. 22 vor-
züglich pafst. Seit dem XVII. Jahrhundert teilt sich der bis
dahin einheitliche Laut in e und {3; jenes steht im direkten Aus-
laut, dieses vor Konsonanten, vgl. nfr. aimer, d. i fme neben
amer, d. i. am§r, wogegen im Afr. aimer: amer durchaus korrekt
reimen. Ist also infolge der Stellung im direkten Auslaut p zu c
geworden, oder infolge kürzenden Einflusses des folgenden Konso-
nanten e zu f, mit anderen Worten, ist für die ältere Zeit amer oder
amer zu Grunde zu legen ? Aus der Entwicklung im XVII. Jahr-
hundert läfst sich kein bestimmter Schlufs ziehen, für e im Alt-
französischen aber spricht dreierlei. Einmal der Unterschied
zwischen eau aus aqua, älter e-we, und pieu aus palus, älter pel
§ 223. Sodann die eben envähnte Bindung von ere mit e aus a.
Ere ist zunächst tonlose Form, lautet also (§ 352) ere, wo-
neben die betonte, erat, zu iere wird. Der ursprüngliche Unter-
schied wurde aber bald verwischt und ere auch dann gebraucht,
wann es den Satzton hatte : dafs aber deshalb das e seine
Qualität verändert habe, ist nicht anzunehmen. Endlich spiücht
die Gleichstellung des e aus a mit demjenigen lateinischer Wörter
für c, denn dieses wurde, wie schon S. 29 gesagt ist, geschlossen
gesprochen.
§ 225, 226. E aus A im Altfranzö.sisclieu. 201
Die Frage nach den verschiedenen e im Altfranzösischen
ist viel besprochen. Die Entdeckung, dafs das c aus a
von denjenigen aus e und c verschieden sei, ist G. Paris
zu verdanken, Alexis 42. Sodann haben gleichzeitig und
unabhängig voneinander E. Böhm e r, Rom. Stud. I, 599
und A. 1) a r m e s t e t e r , Rev. crit. 1 875 II, 267 den
Unterschied zwischen gedecktem e und e festgestellt.
Während diese Thatsacheu nun völlig sicher stehen, sind
dagegen die Ansichten über die Qualität der drei Laute
sehr verschieden. G. Paris, Rom. VII, 123 — 126
setzt für altes e den offenen , fiir altes e den ge-
schlossenen, für e aus a einen mittleren Laut voraus,
ähnlich Lücking S. 91 und Ko schwitz, Jjher-
Ik'feriwg und Sprache der Chanson du voyage de Charle-
magnc, S. 21. Böhmer dagegen hatte für e aus a den
offensten Laut angesetzt. Ten B r i n k , Dauer und Klang
S. 24 nimmt, wie es hier geschieht, f, e und f an,
ebenso Suchier, Ztschr. III, 137 ff., nur leugnet letzterer
die blofse Quantitätsdifferenz zwischen e und f und ver-
langt noch einen Unterschied in der Qualität. 0. U 1 b r i c h ,
Ztschr. II, 530 sieht in e aus a einen c-Laut, „welcher
noch eine Spur seines Ursprunges verrät, indem er offen
einsetzt, und der seinen zukünftigen Lautwert schon
andeutet, in dem er geschlossen endigt .... der etwa
einem zusammengezogenen ei am ähnlichsten sein würde".
Ob aber dann nicht Zusammeufall mit ai eingeti'eten
wäre? — Eine Übersicht über die verschiedenen Ansichten
luid genaue Analyse der einzelneu Arbeiten giebt
A. E d s t r ö m , Studier öfoer iippl-omsten och utvecklingen
af Fornfranskans E-Ljud i betonad stafvelse, Upsala
1883. — Die Beispiele mit erhaltenem a erklären sich
teils als Buchwörter, wie cave, caver, teils durch Einflufs
eudungsbetonter Nebenformen^ wie lave statt leve zu laver,
ebenso ehalt, valt u. s. w., mal neben afr. mel ist von
malczfr und ähnlichen zu erklären. Dafs das Suffix -dl
lediglich Buchform ist und namentlich aus Übersetzungen
lateinischer Texte an Stelle des älteren -el in die Schrift-
sprache und auch in die Volkssprache gedrungen ist, hat
im einzelnen gezeigt N. Nathan, Das Svfßx -alis im
Französischen, Diss. Strafsburg 1887.
226. Was nun die weiteren Schicksale des e betrifft, so
bleibt es im direkten Auslaut bestehen, wird vor Konsonanten
seit dem XVII. Jahrhundert zu p. Schon Maupas 1625 lehrt,
e sei offen vor c, d, l, r, s, t, x: tffl u. s. w. Desgleichen die
folgenden Grammatiker. Natürlich bezieht sich das auch auf
202 I- Kapitel: Vokalifemus. § 226.
hec, sec u. s. w. Peletier giebt an file und fUgt, cive und civpty
c§p, cl^f und de. Neben nez besteht 2. PI. Fut. lange mit fs;
selbst Bestand 1730 tadelt diese Aussprache noch. Für den
Übergang von e zu § vor r bietet das XIII. Jahrhundert Belege,
Ph. de Eemi reimt m^re: arriere, Deesse d'Amour amer: fer 18,
Alex. IV, 154 cnfer: trex^asser^ J. Marot parier: par Vair, aller:
air. Im XVI. Jahrhundert findet man schon m§r, ampr u. s. w.,
aber Inf. auf -er mit gesprochenem r. Maupas verlangt menager,
vaclier, Inf. -er, sonst §r: es könnte also e nach Palatalen be-
rechtigt und im Inf. dann auf alle Verba übertragen sein. Aber
Vaugelas scheidet schon ganz scharf entweder -e oder -fr. Wenn
Meigret 1542 mere verlangt, so verrät er damit seinen östlichen
Dialekt, Joubert 1579, Saint Liens sprechen f, Baif 1574 schwankt.
Doch herrscht noch während des ganzen XVII. Jahrhunderts
Unsicherheit, erst Voltaire zu Corneilles Mort de Pompee II,
2, 131 läfst p^re und t§rre ganz identisch sein. Denselben Weg
schreitet der Westen : seit dem XIII. Jahrhundert reimen im
Anglonormannischen ei und e , etwas später werden eil aus ellus
und el aus alis gebunden : für Chaucer sind beide = ß.
Vgl. Genaueres bei Suchier, Ztschr. III, 139,
Littbl. 1882, 15 ff.
Das Anglonormannische setzt aber damit nur fort, was auf
dem Festlande begonnen hatte : der Südnormanne Etienne de
Fougeres schreibt im letzten Viertel des XII. Jahrhunderts nicht
selten ei für c, worin nur § oder gar fi zu sehen ist, desgleichen
die Handschrift des Eoman du Mont S. Michel. Aus e, ei ent-
steht heute ai, aie in Lahague, Guernesey und dem nördlichen
Cotentin, ganz offenes e in Jersey und im südlichen Cotentin, a
in Houlme und Val de Saire, und schliefslich sogar o in Val de
Saire. Auch weiter südlich in Montjean (Mayence) begegnet a:
parld, cid u. s. w. , ebenso in Montmorillon (Vienne), und dafs
dieses a sekundär ist, geht daraus hervor, dafs auch vulglat. e zu
a wird : ha = quid. Die Stufe p, e liegt vor in S. Maixent desidce,
gard^e (vgl. apr^e, aber meSe, forse, Ivze § 259). In Louvigne-
des-Bais endlich scheint § über ai, oi zu ce zu werden : hlce, Inf.
Part. -0?, scel, dce u. s. w. , ebenso fötcen. Vienne, Deux Sevres
und Vendee bleiben im allgemeinen bei e.
Dafs das Xorm. a nicht direkt auf das Lateinische
§ 226, 227. E aus A im Französischen. 203
zurückgehe, sondern aus e entstanden sei, hatCh. Joret
gezeigt, Melange s 12 — 16.
Im Osten scheint dagegen c länger geblieben zu sein; es
hat sich auch vor r noch heute mehrfach gehalten : Seraing, lothr.
Wfr, per. morv. frcr, mcr, per; in Lothringen erscheint forner ej
mit bald stärkerem, bald schwächerem i: rei, mogrei, -ei u. s. w.,
ebenso noch in der Champagne, z. B. Possesse. Auch in diesem
ei ist wohl eine Fortentwicklung des alten f, nicht eine Vorstufe
desselben zu sehen. Es findet sich schon in den Handschriften
und Urkunden des XIII. Jahrhunderts und zwar nicht nur in Loth-
ringen, sondern auch in Flandern, Hennegau, Cambrai, S. Quen-
tin, Tournay, S. Omer, Vermandois und in der nördlichen
Pikardie, aber nicht mehr in Artois und Ponthieu. Von da
dringt es ins Mittelhochdeutsche und Mittelniederdeutsche : lameir
Tristan 11998, moralHeH 8012, valeie Parthenopäus 76, 5. Ge-
naue Angaben über die heutigen Verhältnisse fehlen. — Dieses
ei kann aber wieder zu fi werden, imd daraus in Lothringen fie
in Raville , ai a in Ramonchamp, Ventron, Rupt, S. Arne und
weiter südlich § 225. — Eigene Wege geht e in Courtisols :
pceire = pere, alce Ptc , ferner aprces = apres, also e, f , w.
227. Im rätischen Gebiete gehört e hauptsächlich dem
Zentrum und einem Teil des Westens an, es erscheint, wenn man
von Westen beginnt , im unteren Bergell , Bergün , Stalla , Ober-
engadin, Stifs, Schieins, Oberfascha, Greden, Abtei, Enneberg,
Buchenstein und Erto. Die Qualität schwankt zwischen f, f, 5, ä.
Der Laut e, wie er z. B. im Engadin erscheint, ist verhältnis-
mäfsig jung, Griti 1560 schreibt stets ae, Bifrun und spätere
sowohl ae als e. Wir haben also im Engadin. -cda, sted, dlted,
sei, ela, -er, nef, Jclef, pes, leg, somit abweichend vom Französischen
das e auch vor lat. c, frer, ledar u. s. w. — In einzelnen
Gegenden ist das e noch wenig vorgedrungen : in Cividale tritt
es erst auf in oxytonen Wörtern: stäat, nicht in paroxytonen:
Stade. Tritt ^ in den rätischen Auslaut, so wird es in Ober-
Fascha und Greden Avieder a § 255. Vom Rätischen her dringt
e statt a vorwärts in die lombardische Ebene hinein, erreicht
zwar die grofsen Städte nicht, gilt aber als „contadinesco" in
der Umgebung von Mailand und findet sich auch noch in den
Dörfern um Bormio herum und im Livignerthal.
Vgl. H. Morf, Gott. gel. Auz. 1885, S. 854.
204 I- Kapitel: Vokalismus. § 228.
228. In Italien sind, abgesehen von dem § 223 erwähnten
Falle, zwei c-Zonen zn unterscheiden: die emil ianis che und
diejenige der A b r u z z e n. Jene beginnt bei Reggio d'Emilia (aufser
Guastalla) und umfafst Modena (aufser dem Norden : Mirandola
und die Berggegend von Sestola) , Bologna (aufser der Stadt),
Cento Codigoro, ßavenna, Forli, die am östlichen Abhang der
Apenninen liegenden Teile der Toskana (Firenzuola, Palazzuolo-
u. s. w.), Pesaro Urbino, Arezzo und Castello in Umbrien ; ganz
vereinzelt steht noch Porto S. Giorgio (Ascoli Piceno). Wir
haben also z. B. im Aretinischen : Jcant^rc, Ic^va, f^re, -eta, Jcene,
psono y im Romg. : lies, cva, md, ncd, tevula, Inf. • c Part, c, cda
u. s. w., megra. Während asina, machina zu esita, mcsna werden,
entspricht dem ital. -aggine hier -asna: die Konsonantendehnung
ist also älter als der Wandel von a zu c. Hier mag auch Er-
wähnung finden das eaa von Vigevano : riveaa, deaa (dare), streaa,
Jcear, guadaneaa u. s. w. — Die Verhältnisse in den Abruzzen
sind noch ziemlich unklar. Es scheint, dafs das oxytonierte a
in den Inf. auf d = arc, in den Subst. auf d = atem bleibt
(vgl. dazu § 221), so haben wir in Pratola Peligna: sßdceve,
despereie, Jdeuve (clave), aber Inf. venneJcd, in Ortona a Mare : eme
(amOj amas), -de =^ -atum, petre, 2. PI. -d, aber Inf. -d u. s. w.
In Agnone hat freies a „un suono lungo che comincia con e e va
insensibilmente a finire in a". In Cerignola dagegen : Impe, -exte.
Zu den südlichsten Punkten gehören Cerreto Sannita : -eva, -eta,
-eno, selbst j:)?Tm 3. Sg. Perf., Inf. -a, Canosa di Puglia eve u. s. w.,
Inf. -e, aber -ar, -asse, ebenso Cisternino und Trani. Aufser e
kommen aber auch noch andere Vokale vor: eu in Modugno
(Bari) : inlteude, despcreuute, 'ti'kevpe^ qiieuule^ hier auch Inf. -euue
neben stote, fo, sope, arrevote, in Bitonto: Jcieun, shregeneut,
maltrattent, seupe, steu (Inf.) ; in Lanciano ä : -äte, -äjo, stäve,
häse, aber ddd, Inf. -d. Das gegenseitige Verhältnis dieser
verschiedenen Entwicklungen, das von eu zu o in Modugno ist
wegen des geringen Materials unklar. Dafs auf so engem Raum
a einerseits über ä zu e, andererseits über ä zu o, eu werde,
ist einigermafsen auffällig. Freilieh könnte man an Veglia
erinnern § 223, dessen Vokalismus ja auch sonst mit dem der
Abruzzen übereinstimmt. — Ganz im Süden wird in Tarent a
zu ä: Jcantäre, Mpe, kyäme, Jcyäge u. s, w.
§ 229—231. A zu E in Italien und Portugal. 205
229. Endlich giebt es auch in Portugal Gegenden, wo
e für freies a eintritt, so in Pena-Lobo (Beira-Baixa) : hurecOj
aguilheda, in Sernache do Bonijai'dim : gieda, carrcda, in Oleiros :
felicidede^ citede, in Alpedrinho : hatezedo, aguilheda (Leite de
Vasconcellos D. B. 12).
d) Bedingte Veränderungen.
1, Einflufs folgender Laute.
230. Zu den Umgestaltungen, die das a, freies wie ge-
decktes , durch die Palatalen erleidet , sind drei Fälle zu
untei-scheiden. Entweder der Palatal bleibt und teilt dem a
seine Klangfarbe mit. Oder aber er löst sich zu i auf und ver-
bindet sich mit a zu dem romanischen Diphthongen ai, der dann
teils besteht, teils zu p, e, i, teils zu a, oder nach Labialen zu
uai, nach Palatalen zu i wird. Endlich drittens kann hier zur
Behandlung kommen der Umlaut des a unter dem Einflufs eines
durch Konsonanten von ihm getrennten Endungs-i.
231. Der erste von den drei genannten Fällen ist der
seltenste. E statt a vor Palatalen finden wir im Tessin: led
(lade), fed, h'crl (cane), gren fgramtmj, assej (ital. assai), -ej = ati,
-ate u. 8. w., in Bormio: hred, streö, Iceda, gressa, rezza, in der
Val Leventina: hre^, lei (lacus), led, nes (nasus), nes (nascere). Im
Bergeil wird freies a zu ä, vor Palatalen zu e: mär, dar, Uät
aber leh, pega. Hierher gehört wohl auch der in diesen Gegen-
den vorkommende Umlaut durch gedecktes s. Soweit bis jetzt
ermittelt ist, kommt er nur da vor, wo gedecktes s zu ^ wird
(§ 468) , es ist also am Wandel von a zu e nicht sowohl das s
oder dessen dentale Verdichtung S, sondern ein mehr palatales s
schuld. Wir finden also gcst (deutsches Gast), esp, mesk'd, pcsta,
pesqua in Scanf und Zutz, päskul, Jcäska, pä^qua, pästar im
Bergell ; auch nehcr in Surselv, und schon im Barlaam : fetscli
(facta), Konj. fetsch, in der Valle Leventina: hre§, ness (nasci),
freilich auch -nes (nasus). Sodann in S. Fratello, s. unten. Aus
ganz anderer Gegend sind tax erwähnen L ah ague : gleite (glace),
pleise, feise. — Ein weiteres Gebiet, wo a vor Palatalen zu e
wird, ist S. Fratello: tcgy (ialio) , pcgya, kampena, plez
(piace), nes, hez, iei ffalij, mei (mani), -ei (-ati), tend (taftti),
206 I- Kapitel: Vokalismus. § 231, 232.
meng, Frentsa, dann freska, pesta, hrest, cspa, äbbesta. — Endlich
ist liier noch Veglia zu nennen, wo der Umlaut auch vor
Gutturalen stattfindet : Z?fc (lac) , tiJc (tace) , trik , dann hiss (hacio),
kis, da lies (latus), anines (inansi), prinz (prandium); vor einst
auslautendem a steht e: rets (razza), grets (grazia). — Ob auch
lecc. minezzu = ital. minaccia hierher gehört, vermag ich nicht
zu sagen.
232. Auf fr anzö sischem Boden gehört hierher das weit-
verbreitete -aige für -age, so wie a vor Kons. -|- i. Was jenes
betrifft, so findet es sich im ganzen Osten und Norden, wenn es
auch in den pikardischen Urkunden seltener auftritt als in loth-
ringischen und burgundischen. Neben der gewöhnlichen Schreibung
aige trifft man auch ege Chev. II esp. 6579, aedge im Band, de
Sebourg. Sodann zeigen es die pariser Urkunden des XIV. und
XV. Jahrhunderts. Weiter Avestlich begegnet es in Anjou und
Maine. Auch dem provenzalischen Sprachgebiete fehlt es nicht:
die Mysteres aus den Alpen kennen es, ferner z. B. der Dialekt
von Remoulin. — Wie weit es sich heute erstreckt, ist noch nicht
ermittelt^ Arras scheint nur -as zu haben, dagegen kennen es das
Wallonische, die lothringischen und burgundischen Mundarten
und noch ein Teil von Neuenburg, sodann also Maine und
Anjou. Es fragt sich nun, ob das ai nur graphische Darstellung
des Lautes § sei, oder aber ob es einst wirklich den Diphthongen
ai bedeutet habe. Für die erstere Annahme spricht Folgendes.
Im Lothringischen wird französisches ai zu a, pais also z. B. zu
pas. Wäre nun das ai des afr. -aige dasselbe wie dasjenige von
pais, so müfste notwendigerweise daraus im Lothr. -age ent-
stehen : dem ist aber nicht so , vielmehr haben wir , wie eben
bemerkt, auch im Lothr. -ege. Es hat also das tönende palatale
g oder I vorhergehendes a zu p umgelautet. Vor palatalen Kon-
sonanten bleibt a im allgemeinen. Zu ai wird es vor tönendem
s: haise s. § 479 und vor n, l, wenn diese sich unmittelbar mit
einem Konsonanten verbinden, also -ane aus -anea, aber -ains aus
-aneus , hains, aber noch im XVI. Jahrhundert hagner, saint aus
sanctu, sädt, ähnlich ains aber -ance, plaindre aber Konj. plange,
ailt Konj. von aller. Im Rolandsliede aber steht cumpanz noch
stets in ä-Tirade § 285 u. s. w. ; man sprach also damals noch
änz. Der Vorgang ist folgendermafsen zu erklären. Der Aus-
§ 232. A vor Palatalen. 207
gang des palatalen Konsonanten wird vor dem folgenden Dentalen
rein dental, dann wird der so entstandene Verlust an Palatal-
artikulation dadurch wieder aufgehoben, dafs diese schon während
der Dauer des Vokals beginnt: statt eines Vokals mit scharfem
Absatz erseheint jetzt einer mit palatalem. — Ahnliches begegnet
auf weitem Gebiete vor l und n im Silbenanlaut. Zwar im
Roland steht -aille nur in a-Tiraden , und im Zentrum ist -ale
stets geblieben. Aber sowohl der Westen Avie der Osten lassen
-ale zu -ffe werden. In den Büchern der Könige ist der Wandel
auf die Stellung vor dem Tone beschränkt; spätere normannische
und anglonormannische Denkmäler zeigen ihn auch unter dem
Tone, desgleichen die lothringischen und burgundischen , vgl.
merveille: iravaüle Guerre de Metz 93 d, und dazu stimmt das
heutige ft, (y. Aus den Mundarten ist diese Aussprache im
XIV. Jahrhundert auch ins Zentrum gedrungen. Eustache Deschamps
reimt conseille: travaiUe, Alain Chartier traveüle: merveille, die
Grammatiker des XVI. und XVII. Jahrhunderts aber wissen
kaum etwas davon. Mit -arie verhält es sich ähnlich. Immerhin
ist ein Unterschied zu beachten. Im Roland assoniert -aigne mit
aine, aime, wie gleich die erste Tirade zeigt: Espaigne, fraindre,
atmet, d. h. espäine: fräidr§: äimet. Am frühesten ist nun im
ersten Beispiele die Nasalierung wieder verschwunden und mit
ihr das i: Espafie, wogegen sie in den anderen länger blieb, so
dafs ai zu § wurde. Im Osten und Westen imd zum Teil im
Norden entwickelt sich anc (oder äine?) weiter zu fw'e, vgl.
compaigne: enseigne Chev. II esp., und so die meisten Denkmäler
des XII. und XIII. Jahrhunderts aus dieser Gegend, und ent-
sprechend heute fw in Maine, Poitou, im Lothringischen, Morvan
u. s. w. Auch im Zentrum finden wir Bretaigne: enseigne bei
Villon, Bretaigne: retiegne bei Ruteboeuf und bei den Gramma-
tikern des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Es ist wohl das Ver-
breitungsgebiet von fw gröfser als dasjenige von ff. Heute ist
fn wieder ganz aus der Schriftsprache verschwunden, abgesehen
von dem in seiner Vereinzehmg auffälligen araigne, araignee;
haigner hat sein ai von hain, plaigne von plaindre, in saigncr hat
sich *signare eingemischt, über chätaigne s. § 283. — Eine eigen-
tümliche Weiterentwicklung von eri zeigt Plancher-les-Mines in
mötin, forin.
208 I. Kapitel: Vokalisnius. § 233—235.
233. Das romanische ai ist auf den einzelnen Gebieten
auf sehr verschiedene Weise entstanden. Hier, wo es sich darum
handelt, die Schicksale der lateinischen Laute, nicht die Herkunft
der romanischen, darzustellen, kommt es nur in soweit in Betracht,
als es nicht geblieben ist, sondern weitere Umänderungen erfahren
hat. Daher bietet weder das Rumänische, noch das Italienische
Stoff zu irgend welchen Bemerkungen. Wohl aber ist zu sagen,
dafs in ganz Ober Italien romanisches ai, wie immer es ent-
standen sei, zu ä, e wird, vgl. gen. frä (fratre), vägu (valico),
sarvägu (selvaticus) , nage (naticas), ägua u. s. w, , wofür agen.
noch fraire, salvaigo, aigua u. s. w. ; aven. me (mai), asse, 1. Sg.
Fut. mettere, sepa (*saipa, sapiam) schon im Fra Paolino, bonte
wirft Dante den Paduanern vor. In der aver. Katharina noch
-ae , ai , mail. asse, se (ital. sai) , cante (cantatis) schon Bescape,
pleo aus *plaito (placitum) Bonvesin, aver. spe (*spae ital. spade),
ehia, piem. asse Chrys. 27, 40 u. s. w., romg. geha (*caiva, cavea),
era (arcd). Aret. 1. Fut. 1. Perf. -e, se (sai) u. s. w.
234. Ebenso wird im Rät i sehen ai zu e: obw. -er, -era
aus -arins, -a, trer, era, glera u. s. w., eng. m§ (mai), mer
(major), pled, heia (bajiila) u. s. w. Desgleichen in Tirol, aber
nicht mehr im Friaul., vgl. ai = lidbeo, rai, sJcaipie (cavea), laip
(alveu) u. s. w. Über -ariiis, -a s. § 522.
235. Im Französischen ist zu scheiden nach den
Dialekten und nach der Zahl der folgenden Laute. Eine Stellung
für sich nimmt -arius ein, das frühzeitig über -a\r zu -§r und
dann wie altes -fr zu -ier gcAvorden ist, s. § 522. Von den übrigen
Fällen ist zuerst das direkt auslautende ai in 1. Sg. Perf. Fut.
und in ai (häbeo), sai zu e geworden, es reimt mit c aus a, vgl.
dtre: ravisez Amis 3327, Durmart 3751, Chev. II esp. XXXV
lt. s. w. Im XVII. Jahrhundert schwanken die Grammatiker
zwischen ei oder ei (Meigret) und e (Pelletier), wogegen sie für
vrai, gai u. s. w. nur Q kennen, und noch heute wird meist ^.me
Perf. von fme Impf, geschieden. Sonst erscheint § am frühesten
in der Xormandie und in England, und zwar zuerst vor mehr-
facher Konsonanz: fresle fgreslet, mesnilj im Doomsdaybook,
pestre: beste Comp., lermes: lermes Brandan 891. Sodann im
Hiatus ebenfalls im Brandan maneie: esmaie 124, und vor ein-
§ 235—237. A vor Palatalen. 209
fachen Konsonanten pes 0. P. c, 12, meis '§ 18. Die anderen
Dialekte halten ai länger fest, raiet steht im Roland in a-Tiraden,
Amis reimt ai nie mit sich, der Renclus de Moiliens meidet ai: e
im Roman de Carite noch ganz, nicht mehr völlig im Miserere,
Jourdain bringt ai in a- und e-Tiraden u. s. w. Im XVI. Jahr-
hundert ist aber p schon allgemein eingetreten, doch wird der
etymologische Laut fast immer festgehalten, aufser wo der
Ursprung nicht mehr ersichtlich ist, wie in aguet, afr. agiiait, vgl.
auch umgekehi't afche aus esca. Der Westen hält mit dem
Zentrum ziemlich gleichen Schritt : Etienne de Fougeres und der
Roman du Mont S. Michel reimen ai vor mehrfacher Konsonanz
nur mit f, wogegen sonst Schwanken zwischen diphthongischer
Aussprache : p und monophthongischer herrscht.
236. Im Osten aber bleibt ai im Auslaut bestehen, vor Kon-
sonanten wird es im Lothringischen zu «, im Wallonischen zu f.,
vgl. lothr. pyai, mai, far, la (lait), pa (paix), fran (frene), hrame
(breme), ra, pyar (plaire) u. s. av., wallon. mai, vrfi, aber t^r, ^r,
ff (fait), frpn u. s. w. Südlich findet sich a noch z. B. in Cham-
plitte fare, im Morvan ma, pa u. s. w., Bresse ma. Die Beispiele sind
ziemlich alt: reparent G. de Metz 35 a, lassent 65 f, i'asim 67 d,
maxon 29 b, nitre: hatre 268 neben aitre: paistre 276. Wie weit
a nördlich reicht, ist noch nicht ermittelt, ausl. -ai und -a
scheinen auch in pikardischen Denkmälern zu reimen Chev. 11
esp. XXXIII. Ostlich vom Vogesenkamm und, unter Pariser
Einflufs, in Metz tritt ^ ein. — Im Osten wird nun auch t
zwischen Vokalen zu y : ata zu eye : es scheint aber hier das y
erst eingetreten zu sein, als a schon j3 geworden war, sodafs also
ein Diphthong fi zu Grunde liegt. Dieses p bleibt in Lothringen
nördlich von der Meurthe und im Wallonischen, sonst wird es zu
ai und sogar in Ventron und Le Puy zu oi.
Über oi aus ai s. § 279.
237. Im Provenzalischen besteht derselbe Unterschied
zwischen altem und jungem ai, wie im Französischen : aus vulgl.
-ai 1. Sg. Perf. wird -p, so in einer Urkunde aus Alby 1211,
R. 1. R. III, 7 u. s. w., aus arius: fir, daraus nun in Tarn et
Garonne, Toulouse u. s. w. iei, im Katalanischen i. Daneben
neigt Suffix -arius noch eine andere Entwicklung zu ia: cavälia
Meyer, Grammatik. 14
210 I- Kapitel: Vokalismus. § 237—239.
Milhau 55, 69, tesaiiria 72, premia 271, taulia 1495, mfi«s2171
u. s. w. Das jüngere ai bleibt meist bewahrt, ai soll wohl auch
die Sehreibung grayesso, frayesso, laye, maye bedeuten. Über-
gang zu ^i ist bezeugt für Ariege : freise, leit, neise, fürs Drome-
thal: meire, freire und Die: meire, peisse, neisse, wohl auch für
andere Gegenden. Im Katalanischen hat die Monophthongierung
dagegen schon im Mittelalter stattgefunden : fet, let, hesa, fer u. s. w.
neben fait, fayrc u. s. w. in den 7 Meistern, heute nur e.
238. In Südostfrankreich ist wieder wie im Norden e
die Regel: waatl. me, le, fe, game, v^re, fer§ u. s. w. Nur im
Süden tritt i ein : mi, ^, fire, gami im Wallis, hier dann auch
pire^ mire aus prov. paire, maire neben pare, mare, frare, lare. —
Aus ariu ist ebenfalls §ir in sehr früher Zeit entstanden, daraus
dann zum Teil dieselbe Entwicklung wie aus e (§ 76), so im
gröfsten Teil von Waat, in Freiburg, Neuenburg, im Wallis u. s. w.
Abweichung zeigt Lacote mit i, Vallorbe mit e und Vallee mit ?,
und entsprechend hier auch pevre, levre fliherj , dzenevre bezw.
pevre, levre, dzpü'vre. Ferner zeigt uei völlig die gleiche Um-
gestaltung : Icuire, vui bezw. kuere, vue, kuSre, vue, endlich das e in
mel, retro, lepore, nicht aber dasjenige in lectus. Da letzteres jedenfalls
einst Ueit gelautet hat, s. § 154, so bleibt für die anderen nur
ei übrig, das nun entweder zunächst bleibt, bis ei zu §i geworden
ist, oder früher als dieses sich zu ie?', i entwickelt an der West-
grenze des Gebietes. Wie sich e und e dazu verhalten, ist nicht
recht klar. Um die Behandlung von piper u. s. w. zu begreifen,
wird man annehmen müssen, dafs auf der Stufe peivre ein Über-
gleiten von ei zu ^i stattgefunden habe zu einer Zeit, wo sonst
ei noch blieb, r^ire aus retro ist vielleicht vom Provenzalischen
her eingedrungen. Endlich die Grundform *wze« dürfte sich zu
vulglat. m^l verhalten, wie hei zu hellus § 171. Die Verschieden-
heit in der Behandlung läge darin, dafs das eine Mal ^, das
andere ^ vorlag.
239. Auf der iberischen Halbinsel zeigt das Portu-
giesische für älteres ai die Stufe ei, woraus in Lissabon wieder
^h § 85 ; jüngeres ai bleibt überall ; das Spanische kennt in
beiden Fällen nur e: jjortg. Jcigo, -ei, feito, leite, eixo, -eira, heijo,
raiva, caiho, caibro, caimho, esfaimo u. s. w., span. lego, -e, hecJw,
§ 239, 240. AI in «üdfraiikreich und Spanien. 211
Icche, eje, -ero (schou 978 Muiioz 47), heso, fresno (schon 780
Yepes III, 17), qtiepo, sepa. Als Bindeglieder zwischen factum
und liecho sind anzusetzen : faityo, feitpo, fe'iöo, heclio.
W. Thomsen, Mem. Soc. ling. III, 111 N. 3 will
hecho direkt aus fatum durch die umlautende Kraft des
( erklilreu, es hätte also dann § 232 erwähnt werden
müssen. Auch G o n <j a 1 v e s V i a n n a , Rom. XII, 44
N. 1 schliefst aus der einmal belegten Schreibweise
fedo, dafs das a sich vor et vor der Vokalisierung des C
palatalisiert habe. Ich kann beidem nicht beijiflichten.
Fecfo ist als Schreib- oder Lesefehler oder halb etymo-
logische, halb phonetische Graphic zu fassen. Wollte
man mit Thomsen dem tf die Fähigkeit zuschreiben, ein
a umzulauten, so müfste mau doch wohl auch vor
anderen jotazierten Konsonanten den Umlaut erwarten.
Das von den Wbb. verzeichnete fez = has ist nicht
kastilianisch.
240. Umlaut eines o durch auslautendes i treffen wir in
sehr verschiedenem Umfang in Oberitalien, in Veglia, in
den Abruzzen. Am weitesten verbreitet (oder besser am ge-
nauesten untersucht) ist er im Tessiu. Auslautend i (= lat. i, es,
as) tritt zunächst in den Stamm im Varallo (Sesia) Jc'af PI. Jc'aif,
gat gaü, grass graiss, vor Nasal. Jean Jcen, pyan pyen, kamp kemp.
Damit vergleicht sich nur vor Nasalen Jcalkain, öertain in Veglia
und im Genuesischen. In der Val Maggia ist Umlaut von a zu
f im Plural aller Subst. masc. Regel: marsaio PI. marseiv, mar,
WfT, kdrik, kerik, frassan, frcssan, ebenso bei den Fem. III. Deck val^
vel und im Verbiim 2. Sg. Aufftlllig bleibt, dafs die Qualität des
imigelauteten Vokals zum Teil im Verbum eine andere ist als
im Nomen. Dieses f oder e wird dann unter den Bedingungen,
unter denen (' zu i wird (§ 79), ebenfalls i: t'mti , grind, k'imp,
byink. Hier mag noch erwähnt werden, dafs erhaltenes i im
Tessiu ebenfalls umlautet: erhi (älveus), alesi (ital. adagio), §2^cvi
(frz. epave). In altri wird auch 1 palatalisiert: *eTf, cit und
daher ck' in Intrajirna. In Veglia ist das Resultat i
e '
amncs
(inangi), skirp (scarpc) , mirtc (martis dies), tierts (fardi) , in den
Abruzzen e, ie: pesse, evetre (altri) in Pratola Peligna, kycllc
(cahli), -ijcte (= ati), myengi (mangi) in Roccasalunga, myescidc,
frycte, qnyende in Montenerodomo, Jirkc, quindi in Archi. Anderswo
ist der Umlaut auf die Verbindung 7i -f- i oder« -j- Kons, -f- i be-
14*
212 I- Kapitel: Vokalismus. § 240—242.
schränkt: aven. fenti, daventi, enti, wozu noch sento aus sandvs
zu erwähnen ist^ Val Soana : quenti, kotenti, grenti, pyenk'i (pianca),
hyenTc'i (bianca), lavenlc'i (lavancd), wo man zweifeln kann, ob das
i oder nicht vielmehr das h' schuld sei. Teno, tenti als Plur. von
tanto ist weit verbreitet : Aosta, Palazzo Cauavese, Piverone. —
Auch in den Abruzzen treffen wir die genannte Beschränkung :
Teramo Mnde, pmn§, inn§. Vgl. noch § 318 ff.
241. Der Einflufs von Nasalen bewegt sich in den
entgegengesetztesten Richtungen, sofern nämlich ein a vor n zu o
oder aber zu e werden kann. Welcher Weg gewählt wird, hängt
wohl zusammen mit der speziellen Artikulationsart des n: ist es
mehr palatal, so wird f entstehen, ist es mehr velar, o. Auch
hier ist ein Unterschied zu machen zwischen freiem und gedeck-
tem n. Dunkeln, velaren Vokal treffen wir im ganzen weiter
verbreitet : im Provenzalischen, Rätischen, Rumänischen ; hellen,
palatalen in Nordfrankreich und Oberitalien. Bei gedecktem n
ist wieder zu unterscheiden , ob der zweite Konsonant ein den-
taler oder ein palataler ist.
242. Die erste Stufe zu velarem Vokal zeigt das West-
rätische: obw. saun , paun , maun , so noch im Domletschg
und Münsterthal. Dieses au hat sich dann weiter zu eu ent-
wickelt in Ober-Engadin, wo jedoch die historische Schreibweise
noch heute festgehalten wird, daraus dann pem ebenda, vgl.
§ 299. Sodann erklärt sich das bergell, e aus a vor n durch
die Mittelstufe au, eu, ob aber auch ken, pen, dornen in Busto
Arsizio, in Como u. s. w. noch hierher gehören, bleibt zweifel-
hafter. Andererseits wird dieses au auch hier zu ou in Dissentis,
zu 0 in Trins. In Mittelrätien, z. B. im Grednerischen, wo a zu
e wird, bleibt an, z, B. man, lana, ram, tlama u. s. w., was
offenbar auf mehr velare Aussprache des a schliefscn läfst.
Sodann erscheint o in Vigevano (Pavia) : quaond, vUon, scombi,
adnon , tonta, ä in Saronno: pän, tänt, gränd, man, änka
u. s. w. Ferner äau in S. Fratello : säauna , duntäauna,
däauna u. s. w. aber -ää , täanto u. s. w. Weiter geht
Novara (Siz.) mit sentu, quennu, grenni, peni (pane), femi
wohl aus au, eu. Um nochmals aufs Bündnerische zurück-
zukommen , so bleibt noch zu erwähnen , dafs in engadinischen
R 242 — 244. -^ '^or Nasalen im Rätischen und Provenzalischen. 213
Drucken ain und aun gebunden werden maim : vain Tobias 593,
pardaimaunts : apnmamains 473 u. s. w. , was wohl nur als
ungenauer Reim zu fassen ist. Vor m ist viel früher o ein-
getreten : obw. Jchma, fom, rom, ebenso vor gedecktem n : plonfa,
ont, plonzer, soint, *onma, woraus ulma (§ 326), -oti, aber saung,
maunka, wogegen das Engadinische vor m, nd das a bewahrt
(oder wieder hergestellt hat?), -ant u. s. w. dagegen über aunt,
mint nicht zu ämt wandelt, sondern, da das n hier durch t ge-
halten, die Lautfolge un aber doch nicht geduldet wird, zu äint.
Im Unterengadinischen ist an, ant über aun, aunt, wie es in den
ältesten Denkmälern sich findet, zu an, ant geworden, wogegen
sonst vor gedecktem n und stets vor m sich die Monophthougierung
zu 0 findet. — Auch in den emilianischen Mundarten und in
den Abruzzen, wo a zu e wird, bleibt a ganz oder schreitet nur
bis ä vor, z. B. romg. Äräw, grän, man, fäm, räm u. s. w.
Zum Unterengadinischen vgl. Ascoli, Arch. Glott.
I, 228 ff.
243. Im Altprovenzalischen ist a vor Nasal „estreit", d. h.
geschlossen, also tief, velar, vgl. Donat. prov. 45 a „in as estreit" :
ahas (s. § 303), degas i. decanus, cas i. canis, gras i. granmn,
uüas i. uilicus uel indoctus u. s. w. Heute ist dieses velare a im
Limousinischen, Dordogne, Lot, Aveyron, Correge, Cantal, Haut-
loire, Rouergue u. s. w., also in der ganzen nördlichen Provence
zu 0 geworden, vgl. limous. mo, po, plo, rouerg. Hon, Jcomhro,
tonto, komp, lono, plo, ko, on, pon, plonto, efon u. s. w. Gilhoc
scheidet zwischen demo und lano. Der Süden und Westen aber
bleibt bei a: b^arn, pa, arram, tan, kamp u. s. w. , ebenso
Montpellier, Marseille, Mentone.
Wenn limous. mo im Plur. mä lautet, so ist darin
eine Anbildung an rozo Plur. roza zu sehen.
244. Im Rumänischen tritt i (gutturales geschlossenes d)
ein vor einfachem n und vor gedecktem n und m. Ein altes
Beispiel ist xi[.ißa Xoyyov a. 1013 bei Cedrenus 11, 457. Sonst
also linä, min, ein, auch -Hu aus -aneus, strimh, simhäiä, imhi,
imblu, inger, blind, -ind, cind, fring u. s. w., schimb, ghinda
haben ihr i der Kontraktion zu verdanken : schiimh, ghyindä wäre die
ursprüngliche Form. Unerklärt ist die Erhaltung des a in an.
214 I- Kapitel: Vokalismus. § 244 — 246.
Ob vor mm ä eintritt, ist fraglich. Dafür könnte sprechen
1. Perf. -am = ital. -ammo, und färumä, wenn es aus fragmen,
frammen (§ 460) entstanden ist. Die istrischen Quellen sind
nicht klar, nebeneinander stehen inlce (ital. anche), Tcant^, Jcant,
andi/el, gUnde, planze und pJpnge, rentse (inanzi), s§ndge. Das
Mazedonische scheint sich wie das Walachische zu verhalten.
245. Während in den bisher behandelten Fällen sowohl
freies wie gedecktes n velares a vor sich verlangte, steht au, o
blofs vor gedecktem im Anglo normannischen: quaiint,
graund, -aunce u. s. w. Die Handschriften des XII. Jahrhunderts
kennen dieses au, das die heutige englische Orthographie nicht
völlig aufgegeben hat, noch nicht; die ältesten datierten Beispiele
stammen aus dem Jahr 1266 : Fraiince, Irlatwde, creaunce. Ziemlich
häufig zeigt es die der Mitte des XIII. Jahrhunderts angehörige
Handschrift 0 von Chardris Gedichten. Später sagt Palsgrave :
„If m or n folowe nexte after a in a frenche worde, all in one
syllabe, than a shall be sounded lyke this diphthong au, und
something in the noose". Blofs die Vei'bindungen »wp, ng , nc
nimmt er aus. Ahnlich äufsern sich Beza u. a. Peletier giebt
Normaund Nauntes le Mavns graund als gebräuchlich in der
Normandie, Bretagne, Anjou, Maine an. Daher denn auch
noch heute etröz , gröd, gwg in Maixent, tö in Deux Sevres. —
Auch dem östlichen Frankreich fehlt 5 nicht, Lüttich bis an
den Geer: so, mos, plös, auffalligerweise auch pö aus 2)ane,
während granum u. s. w. hier grc lauten. Ferner Avall. -on aus
-anea nicht völlig innerhalb derselben Grenzen. — Endlich scheint
0 für gedecktes ä die Regel zu sein für das lothringische
Gebiet zwischen Meurthe und Moselle.
Zum Agn. vgl. S t ü r z i n g e r , Orth. Gall. XXXVHI ff.,
zum Wallonischen Wil motte, R. Pat. I, 26 if., zum
Lothringischen Adam, S. 15.
246. Wenden wir uns den Gebieten zu, wo a vor Nasal
palatalisiert wird, so tritt uns zuerst Nordfrankreich entgegen
mit 23am, main, ahn, -aine, aime, aber plante u. s. w. Der Laut,
der durch ai dargestellt wird, mufs von dem § 235 ff. besprochenen
verschieden gewesen sein, da er im Lothringischen zu e wird,
nicht zu a. Während ferner cai zu chi wird (§ 259), bleibt
8 246 247. A vor Nasalen im Französischen. 215
chien gerade wie chief. Endlich schreibt Eulalia macnt für manet
afr. maint, während für ai diese Schreibweise nie vorkommt.
Dies alles legt die folgende Erklärung nahe. Freies a war vor
Nasalen ebenso hell wie vor anderen Lauten. Auf einer der ersten
Stufen trat dann aber Nasalierung zugleich mit Palatalisierung
ein : mäjn, und daraus mBn zu einer Zeit, wo fait noch diphthongisch
lautete. Das ae in der Eulalia würde danach, wie oft in latein. Schrift,
den Laut p ausdrücken. Später trat in der Schrift ai an seine Stelle,
sei es, weil schon einzelne der alten ai zu p geworden waren, sei
es, weil dadurch der palatale Gleitelaut, der sich zwischen Nasal-
vokal und dentalem n leicht entwickelt, zum Ausdruck kommen
sollte. Jedenfalls aber kann nicht direkte Palatalisierung des a
angenommen werden, da dann das Ausbleiben dieser Pala-
talisierung vor gedecktem n unerklärt bliebe. Die weitere Ent-
wickhing von ? hängt aufs engste zusammen mit der Geschichte
der Nasalierung überhaupt. Die Klangfarbe sclnvankt nach
Zeit und Ort zwischen ^ und e. Der Übergang zum oralen
Vokale hat zum Teil Dehnung zur Folge : ene wird von Poisson
1609 fwc gesprochen, während H. Etienne diese Aussprache
tadelt; Maupas 1625 giebt Jene, sene an, Saint Liens 1580
dagegen {.'. Über den Zusammenfall von en und an s. § 89.
Aus den Mundarten mag erwähnt werden fäin, eträin in Lahagiie,
Poitou, ßi, pöi in Arras. Ob in den zwei letzten Beispielen der
dunkle Vokal von dem vorhergehenden Konsonanten abhängig
ist (vgl. § 280), vermag ich nicht zu sagen. Beachtenswert ist
aber der i-Laut. Man könnte darin die älteste Entwkklungsstufe
sehen : allein der Schein kann hier ebenso gut trügen wie bei
a ^= a i^ 226, das gei-ade in dieser Gegend erscheint. Und
Vorsicht wird geboten dadurch, dafs in Arras -ö bleibt, dagegen
fine zu /|i, ainsi zu ^tsSi wird. Daraus folgt wohl, dafs ?, % sich
hier über H, Tj zu äi, ei entwickelt habe , dafs mit dem nasalen
Element sich nach palatalen Vokalen ein palatales verbinde,
nicht aber nach velaren.
247. Wenn schon im Französischen der Einflufs des n
mehr darin bestand, dafs er das a auf einer früheren Stufe fest-
hielt, als dafs er es Avirklich palatalisierte, so hat er diese
beschützende Kraft noch mehr in solchen s II d o s t f r a ii /. ö s i s c h e n
Mundarten, in denen f;onst a zu o wird (§ 224), lyoii. ßan.
216 I- Kapitel: Vokalismus. § 247 249.
man, öawiba, plana, gramo u. s. w. Aber schon in Eive de
Giers: mon, son, fom, somp. Ebenso in Freiburg und Waat, wo
sonst a zum Teil zu ä wird : grä, päs, gräna u. s. w. bewahren
das a stets rein. Auffällig ist daher pe, gre (grand) in Chateau
Ville Vielle (kottische Alpen).
248. Wohl aber wirkt gedecktes n mehrfach palatalisierend,
namentlich wenn ihm ein jialataler Konsonant folgt. Me§e gehört
dem Osten und Norden Frankreichs an, mengar, mingar einem
grofsen Teil des Provenzalischen und dem Katalanischen. In
der lothringischen Gruerre de Metz lesen wir: estrainge, echainge,
chainge 19, lainge 256 u. s. w. , und dementsprechend heute
pye§, tri'S, gres u. s. w. , Bourberan: pycs, hyH, l)r?§ u. s. w.,
Fourgs: pletse, frcdse, hretse. Ferner auf ganz anderem Gebiete
im Tessin : menk'o , kotenk , kent in Moena. Weit häufiger aber
zeigt der Osten Frankreichs e ohne diese Bedingungen : pleta,
ahite, ke in Ain, hles, pleto in Jura, zeh, degoti', he im südlichen
Lothringen, äfe, dBhra, t^ in Sornetan und so im Pays de Bresse,
Perche, Courtisols, Aube. Ferner in Pas de Calais : süse (sugant),
grate, demede, gredi, grame, aber sanez = semblez, hiä = hien. In
Arras und Cambrais zeigt sich eine auffällige Brechung : pMcä,
k'eä (cJiamp), deäs, seätei, eä u. s. w. — Auf n -\- Guttural scheint
e beschränkt in Bormio : enk, menk, nenka.
249. A vor Velaren. Es mag hier zuerst das Schicksal
der Verbindung el in Nordfrankreich besprochen werden. Wie
§ 476 lehrt, wird eis zu eis und dieses zu evs. Es bleibt nun
aber e^s oder eus nicht unverändert, sondern wird über e§ls oder
e§ns (worin § einen Verbindungslaut von nicht näher zu be-
stimmender Qualität bezeichnet) zu ieu. Im Nfr. hat sich
dieses ieu nur noch in pieu (palus) erhalten, in alter Zeit aber
finden wir in allen Gegenden Formen wie Heus, quieus, vgl. noch
heute kyük = quelque, kyoel (qualis), kycek Marne, R. Pat. I, 206.
Wo ieu zu eu wird (§ 37), da treffen wir entsprechend jowrwews
(Aire), morteus Auban 305, teus 444. Ein zweiter Fall, wo e
aus a mit einem velaren Reibelaut zusammenstöfst, ist aqua, das
zunächst zu pua wird. Bevor nun § weiter zu e fortschreitet,
entwickelt sich auch hier der Gleitelaut, der nun aber nach dem
§ als a erscheint: eaue. Dieses eaue verändert sich dann weiter
wie das aus vulglat. § vor l entstandene § 163.
§ 250, 251. A vor Velaren. 217
250. In Os tf'r ankreich vermag t den Übergang von a zn e
zu verhindern , in Metz und nördlich der Meurthe bleibt dann
dieses a, sonst wird es zu a, o, ebenso in Lüttich. Also lothr.
oto (hotel) , so (sei), ol. Dann weiter südwestlich Sornetan: äl§
u. s. w. Dementsprechend aule im lothringer Psalter, maule,
paules (frz. päles), saule (frz. säle), maule im Ysopet, Fourgs aulo,
Morvan c^ole , ole, pole. Interessant ist der Gegensatz zwischen
etsilo und aulo in Fourgs. So wird auch fiole neben afr. phiele
IV Livr. 244, 257 aus dem Osten stammen. Nicht ganz klar ist,
ob auch -al bleibt, bezw. zu -ol wird. Lothr. so, po, oto scheinen
entschieden dafür zusprechen; wenn qualis, talis, natali s unr mit
e vorkommen, so liegt vielleicht schriftsprachlicher Einflufs vor. —
Wie f wirkt im Westen und Osten u aus intervokalischem h, v,
vgl. norm, -oue = ahat, groue = greve, clwue = *cava, Grundwort
zu frz. chouette. Desgleichen finden sich grqe, soe im Nordosten
bei Adenet und heute vielfach in Ortsnamen. Aber faha scheint
nur als feve vorzukommen. Während ferner das halbgelehrte
-able im Zentralfranzösischen bleibt, wird es im Norden und
Noi-dosten zu avle, aule, ole. Ob in den mittelalterlichen Texten
-avle oder -aule zu lesen ist, läfst sich erst bestimmen, wenn die
heutigen Verhältnisse genau bekannt sind. Im Pikardischen
scheint -af, also -avle, dei' moderne Vertreter zu sein, im Lothr.
dagegen ol oder al mit derselben Verteilung wie bei ursprüng-
lichem al, oder aber -oy für tabula und stdbiilum, was äble, avle,
avle, aule, ole, oye als Mittelstufen voraussetzt. In ganz Frank-
reich wird avu, avo zu au, afr. ou: clou, Poitou, Anjou.
Zum Altfranzösischen vgl. A. Tobler, Aniel XXXI,
F. Neumann, Laut- und Flexionslehre, S. 110.
251. Gedecktes i mit «wird im Zen tralfranzösischeu
über au zu ao, p. Die Monophthongierung hat sich im XVI.
Jahrhundert vollzogen, Kamus 1562 verlangt o, Meigret noch ao.
Die Mundarten zeigen auch hier grofse Mannigfaltigkeit. Im
Westen ist ati geblieben, Montjean sau, mau, ebenso byau, in
Louvigne au: taup, saus, aui, §aud. Im Normannischen ist ä
auf den Inlaut beschränkt : sän , väle , gäie (tonlos o .' foTcye, frz.
faucher, kofe, ho§ye), im Auslaiit aber wird au zu a: fa, Jca, ha,
gva; dazu vgl. nochs a, Fem. suol (satullus), a (agustus). Im Nord-
westen dagegen tritt Dissimilation von au zu eu ein, Pas de
218 I- Kapitel: Vokalismixs. § 251, 252.
Calais feut, eutre und so hieu und pevse (pollice, vgl. § 198),
Arras ]ceos, Tiyeot, Icveo, epeule und auch liier peos. — Im Osten
ist oi (ou) sehr alt: cholt im Jonas, defolt Greg. 181, 6 u. s. w.
Daraus hat sich teils o, teils a entwickelt. In der östlichen
Pikardie und im Wallonischen ist a im Mittelalter wie noch
jetzt das Gewöhnliche, in Lothringen erscheint o in denselben
Gegenden, in denen ala zu ole wird. Weiter südlich treiFen wir
a und entsprechend ea aus §i im Ezechiel, Girard de Roussillon,
Ysopet, Priorat; Joufroi reimt dame: reiawe 1218, und auch
heute reicht a weit südlich: bress. ätre, gasse, Montbeliard, Jura,
Pontarlier ha, tsa u. s. w. Es wird dieses a wohl als eine
Reduktion von au zu fassen sein. Auffällig ist die Bindung j:>ies
(palos): pies (pedes) Prior. 10. Wenn in der Mundart dieses
Gedichtes nur äla zu ole wird, dagegen äl zu el, so beweist der
Reim, dafs u nach Vokalen verstummen kann, und bestätigt die
obige Aiiffassung des a aus au. Doch ist hier noch genaueres
und vollständigeres Material von nöten, ehe die Frage gelöst
werden kann. — Umstellung der beiden Elemente des einstigen
Diphthongen scheint stattgehabt zu haben in Morvan : uage, fuase,
hiaM. — Für Südostfrankreich ist o die Regel, nur Val de Travers
(Neuenburg) weist mit a nördlich. Ai;ch hier ole, pole, so (sei)
u. s. w. Erst ganz im Süden erscheint wieder a in Tarentaise :
tsave, isape, epäle, fate u. s. w.
252. Im Rät i sehen finden wir drei Formen. Meist ist
hier i geblieben, hat aber it vor sich entwickelt: Txuvld, das so
entstandene au bleibt bestehen oder wird zu o in Mittelbünden
und Oberengadin, zu ä im Münsterthal, zu e (§ 242) im Unter-
Bergell, Süss und Stalla, also obw. liaui, aiii, haui, faiiis, auiter,
obereng. of, k od, hod, fo, oter, Münsterthal : Jc'at, at, ater, Uberg :
et, Jcet, eter. In Tirol bleibt au, Ampezzo ou: Jcouf, out, outer.
Aber in Judikarien: aft, havda , afsa u. s. w. — Auf demselben
Standpunkte stehen die oberitalienischen Dialekte, nur entwickelt
hier i nicht m aus sich, sondern färbt a zu o : aven. oltro, coldo,
folso, soldo (Fra Paol.), mail., berg. alter, molta, Jcold, fold. Im
Westen aber au, so in S. Remo, Monaco und piem. aut, faus,
aiiter, Jcaud u. s. w. Auch die altgenuesischen Texte haben noch
sehr oft ao : aotri P. XII, 275, faosi XIV, 353, faoda CII, 58,
§ 252—255. A vor Velaren und U. 219
claneben aber auch dessen Eecluktion a, wie denn neugen. die
Formen lauten: airo VI, 116, atri XII, 120, ato XVI, 245, heute
atru, kadn, atu u. s. w. — Die mittel- und süditalienischen Dialekte
sowie das Korsische behalten an meist bei; selten ist die Kon-
traktion zu 0 Avie in Tarent, beliebt dagegen die Zerdehnung
ovti, Capo di Leuca : fovusn, Jcovudu, ovutru, ovutu u. s. w. ; neap.
kavodo, avoto, favotso, fravoto, savotomvanJco. Im Kalabresischen
wird ai zu a: atii, fade, cade, satsa (aber vor dem Tone fodune,
otaru, foddarii).
253. Endlich im Portugiesischen wird al zu cU , was die
Schrift jedoch nicht ausdrückt. In bestimmten Fällen wird i zu
u, all dann zu ou, spanisch o: span. otro, soto, coz, topo, hoz,
portg. oidro, soido, couce, totipeira, fonce.
254. Ein zweites au entsteht im "Westrätischen, Lombar-
dischen und Paduanischen aus a[t]'US § 435. In Rätien sind die
Schicksale dieses au denen des primären ganz gleich, ebenso im
Paduanischen § 290. Im Altlombardischen ist ao noch erhalten,
Bonvesin schAvankt zwischen adliOj ao land ä. Das letztere ist
die heutige Form; das ä ist, im Gegensatz zu demjenigen des
Infinitivs, lang, eben weil es aus ao entstanden ist. Ebenso
zeigt die Passion von Como, Arch. Glott. IX, 1 ao , der heutige
Dialekt ü, desgleichen Monza, Lecco, das ganze rechte Addaufer,
sodann das Bergeil und zum Teil das Puschlav. Daneben hat sich
aber das alte ao gehalten in Bedonia (Parma) pensao, fissao, piao,
doch axich dcssedd, als aic im Tessin, am Lago maggiore : portatv,
woraus dann weiter ow, g in verschiedenen Färbungen und
schliefslich ö in Losone und Lavertezza. Auch die Val Leven-
tina, Lugano und das Misokk kennen o oder ou, das Puschlav
sogar u. Südlich von Mailand zeigt Bobbio noch oo, Comacchio
a im Part, neben ä im Inf.
255. Ä vor i?. Das auslautende r dehnt bei (oder vor)
seinem Verstummen das vorhergehende a, vgl. limous. äantä Inf.,
Santa Ptc. Dieses Ci (ür) Avird dann zu e in Monferrat: ande^
porte, aber Ptc. a, und einem Teil des Piemonts, wogegen die-
jenigen piemontesischen Mundarten, die r bewahren oder es erst
spät fallen lassen, im Inf. und Ptc. a behalten. Wie weit die
Erscheinung reicht, ist noch z\i untersuchen; Sassello in Genua,
220 I- Kapitel: Vokalismus. § 255, 256.
Pontremoli in Massa Carrara, Mediciua in Bologna zeigen noch
Inf. auf e^ er, är neben den Part, auf d. Auch Gerra im Tessin
stellt aide (ajuiare) und aidäl (ajutar ilhtm) einander gegenüber.
Dem raonferrinischen Zustand entspricht genau S. Fratello: ster,
Jcttgiers (coricarsi) u. s. w. , aber stäa , stära. Sodann folgen
savoyische und südfranzösische Mundarten, die zum Teil Inf. e
Part, a, zum Teil aber auch Inf, a Part, o zeigen, z. B. Vetroz :
pare (patre), Inf. a, aber Part, ramaso, ebenso Sembrancher,
Bagnard, Plaine : amü (Inf.) aber pro (pratum), vreto u. s. w. In
letzterem Falle also wäre ä geblieben, a zu o, o geworden. Es
ist aber auch denkbar, dafs aus ursprünglich gleichzeitigem ar, at
entsteht ar, ät, dafs der Verschlufslaut den vorhergehenden Vokal
kürzt, und dafs ä dann zu o wird, während a bleibt. Sicher ist
die Kürzung vor t in Puy de Dome: Inf. -e, Impf, -eve, Ptc.
Fem. e, aber Masc. o, Fem. Plur. auffälligerweise a. Vgl. dazu
§ 266. Es bedürfen diese Fragen sorgfältiger auf reiches Material
gestützter Untersuchung; vorläufig läfst sich nur Folgendes sagen.
Inf. auf e, Part, auf a zeigt Aosta, Inf. e, Part, o S. Remy, S. Marel
das Pays de Bresse, Coligny. Inf. auf a, ä Ptc. auf o Vionnaz,
Vetroz, Sembrancher, S. Maurice, die Gegend um die Mündung
der Rhone in den Genfersee, Trieres bei Grenoble, Inf. ä, Part, o
Thonon. Daran reiht sich dann das Gebiet mit o unter allen
Umständen § 224. — Auf anderem Punkt zeigt auch Greden
Inf, f, Part, o, ferner gra, pra, va, aber -cda aus -ata, also hier
wieder at zu ät. Dagegen Gadex'athal Inf. de, Ptc. lalde, pre,
re (rapum), tle (clavis), te neben tal, me und mal, k'e, aber Fem.
laJdada, Buchenstein auch niel, sei, ef aber -ada: die Dehnung
scheint also hier nicht mit einem bestimmten Laut, sondern mit
der Oxytonierung überhaupt vei'bunden zu sein. Das direkte
Gegenteil von dem Bisherigen nun bieten die Abruzzen : Inf. auf
a in Ortona, Lanciano („quasi suono di o"), Pratola Peligna,
Martina Franca, während sonst (§ 228) a zu e wird. Die ge-
nauere Lautentwicklung dieser Mundarten ist zu wenig bekannt,
als dafs eine Erklärung zu wagen wäre. Ebenso dunkel bleibt
vorläufig 0, ä im Inf, neben a im Ptc. in Oggione und Saronno
(Lombardei).
256. Vor gedecktem r wird a zu e im Genuesischen,
agen. erbore, enderno , heute erhu, erl', erze (argine) u. s, w..
§ 256, 257. A vor R. 221
p i e m. herpn, erhu, monferr. erho, erke, cno, korsisch berba,
mermeru, querhi, nordsard. skerpa. Ebenso in Mittelrä tien
Mareo: Tc'ärn, tärd, ärt, lärg, und so in Rocca d'Agordo u. s. w.
Auch in Frankreicli : terze, ekerde in Lahague. Namentlich aber
im Osten, so im nördlichen Lothringen : b^rb, f;rb, per, ter u. s. w.
Dann im Südosten in Vall6e und Vallorbe (Waat) : ärts§, bärba,
fräre, pä, mä.
257. Während diese Brechimg einem Einflufs des r auf
das a zuzuschreiben ist, erklärt es sich ganz anders, wenn im
Romagnolischen und in Tirol (Greden, Buchenstein,
Gaderathal, Fassa und Livinallungo) vor gedecktem r und l
(wofern nicht i eintritt § 476) a zu e wird. Es sind dies
Gegenden, wo freies a sich in e wandelt. Das a wird hier vor
gedecktem 7, r wie freies behandelt, d. h. zunächst gedehnt, sei
es nun, dafs zugleich zwischen dem r, l und dem folgenden
Konsonanten der Stimmton erklingt (alcba , areca) , sei es, dafs
dies unterbleibt. Wir haben also romg. belb, elba, felda, melta,
kcrpan, mert, erca , lerg ^ -crd, gredn. pelma, pelpa, melva, selva,
velk, aber aitt, aide, favts, äanda u. s. w. Livinall. pelma, elter,
velk, mertes. k'ern. — Hier mag endlich das Schwanken zwischen
ar'' und fr* im M i 1 1 e 1 f r a n z ö s i s c h e n erwähnt werden. Schon
der Rosenroman , dann Villon und die Dichter des XV. und
XVI. Jahrhunderts reimen unbedenklich ferme: arme, vgl.
armes: Jarmes Rut. 11, 76, lei-mes: termes I, 263, tarmcs: armes
Gring. 552; 2009; fermes: armes 718, hatibert : plus pari 19 '^ die
Pariser Urkunden schreiben perler , guernics u. s. w. Auch die
Grammatiker sprechen davon, Tory (1529) „les dames de Paris,
Jiu lieu de a prononcent e bien souvent, quant elles disent : mon
mery est a la porte de Peris ou il se fait peyer^^. Palsgrave 1530:
encherge, coqucmert, armines und ermines, permy und parmy u. a.
Ausdrücklich beide Formen werden genannt bei arrhes, bizarre,
catarre, guHarre, sarcler, jarcer, asparge, essarta; sarpe, gerbe,
charmer, ars, marque, liarce, sarge, harnte, boulevard, tartre, dartre,
darne, espargne. Heute ist meist die etymologische Form her-
gestellt, auch bei lärme, wo lerme aus lairmc entstanden ist;
sonst haben wir e statt altem a in asperge , sertir, seiper, serpe
und nach Palatalen: gerbe, gercer, a statt e in boulevard in An-
lehnung an rempart.
222 I- Kapitel: Vokalismus. § 258, 259.
258. Quantitäts- und Qualitätsveränderungen
des gedeckten a. zeigt Ostfrankreich. Im Südlothrin-
gischen wird a vor gedecktem r, s gedehnt und bleibt erhalten,
im Wallonischen wird es zu o ; ob (arhor), renärd, hat, mal, auch
plyan (platanns), lad (lache), wall, por (part), i'no, dor, loö (large).
Dagegen in allen anderen Fällen, also vor altem pt , tt, pp , ss,
cy u. s. w. wird a gekürzt und zu f!.' lothr, p^t, s^p, dre, v^ö,
gy^s (glace) u. s. w., wallon. s^ö (sac), c^s, hres (brasse), gles, d§
(chat). Die metzische Gruppe (Falkenberg), dagegen sagt auch Sw
(asinns), les, m^l, tvet (gar de) , erp (arhor): es ist also hier der
Wandel von a zu e älter als das Dehnungsgesetz. Auch die
nördliche Franche-Comte spricht : vps, se, p§t, die südliche dagegen
votso, poto, tsot. Fürs Champagnische zeigt dieselbe Entwicklung
Bourberan : mcled, hetr, nep, set, grepe u. s. w., aber ^)a, regad, tad.
— Wie gedecktes a wird auch altes a im direkten Auslaut (§221)
behandelt: le, slp neulothr., neuburgund. Schon die alten Denk-
mäler dieser Gegenden zeigen Beispiele, schreiben aber halb
etymologisch ai, vgl. ja: la'i Joufr. 527, jai, ais, ait, lai im Psalter
und in anderen östlichen Denkmälern. Für gedecktes a bietet
der Psalter malaides 6, 2, haix 14, 7, icaislet 11, 13, ferner
saiche, faice, plaice, dann perle, sec u. a. — Während hier ge-
decktes a bleibt, wandelt es sich anderswo zu ä, o: toale , groa,
roace in Auve, 'krevosse, tczosse, hros, Jcosso Fourgs. — Aufserhalb
Frankreichs zeigt S. Fratello äa für jedes gedeckte a: äarha,
täard, päas, däamp, häanh, fäat u. s. w.
2. E i n f 1 u f s vorhergehender Laute.
259. Palatale. Nach romanischen Palatalen, d. h. nach
c, g, c -\- Kons., ie + Kons., Kons. + y wird a zu ie im
Nord- und Südostfranzösischen, afr. chief, chier, chien,
pecMer, jugier, aproclvier , congie, chälengier, pitie, moitie, aidier,
amistie, afaitier, anuitier, Poitieve, oitieve, acointier, aidier, cuidier,
vuidier, pilaidier, haisier, prisier, araisnier, aproismier, chacier,
laissier, conseilUer, merveillier, tesmoignier, accompagnier, repairier,
empirier, iriei', tirier, preiier, leiier, paiier, mendiier. Dieses ie
bleibt dann auch im Osten, wo sonst e zu ei wird: die Schrei-
bungen iei in den alten Texten sind so selten, dafs sie keinen
§ 259. 260. A. UHch Palatalen im Nordfranzösischen. 223
Wert haben. Aber ouhli-er, su-er, dttrer, disner, esmcr u. s. w. —
Entsprechend entwickelt sich ai über iei zu i (vgl. § 157):
jist=jacet, chie = cacat, Fleuri/ = Floriacum. Die heutige Sprache
hat nur noch pitie, amitie, moitie, chien, chretien bewahrt, in allen
anderen Fällen ie zu e reduziert. Schon frühzeitig begegnet ein
Schwanken: namentlich bei ire, ite , also irer , desircr, desheriter,
giter, aquiter neben irier u. s. w. : desheritier ist erst nach gitier
u. s. Av. gebildet, da ihm ja kein Palatal zukommt. Die Verba
auf lat. itare sollten i-er ergeben : aber auch sie werden zu Her
umgestaltet: ouUi-ier Jourd. 907, mereie: espleitie Benoit Troie
6631 u. s. w. Neben ^ji^iV u. s. w. erscheint unter dem Einflufs
von honte, sante u. s. w. jnte, amite; neben gewöhnlichem rene'
(regnatum, vgl. § 466) steht seltener renie A. A. 932, Ber. Trist.
3495 , Ben. Chron. 4841 nach duchie; die Verwechslung von U
und ?T (§ 457) erklärt avilier R. Mout. 134, 33; prisier u. dgl.
zieht avisier Cor. Lo. 1166 nach sich u. s. w. Dagegen zeigen
eff'reer und effreier verschiedene Bildungen : jenes ist *exfridare,
dieses ^exfridiare; soulier an Stelle des älteren souler hat Suffix
-ier statt -ei:
Verzeichnisse von Doppelformen und Belege s. A.
Tobler, Aniel XXIX ft".; Ulbrich, Ztschr. II, 529
N. 1; Seeger, Ztschr. IV, 465; W. Foerster, Chev.
II esp. XXXVI, Ztschr. ö. G. 1875. 540.
260. Dieses Schwanken erklärt zum Teil die Reduktion auf e.
Aber nur zum Teil. Es kommen noch andere Faktoren dazu.
Während iß unter allen Umständen bleibt, ist ie nach S, z zn e
geworden, das i ist also aufgegangen in dem Palatal : chef, eher,
chez, so approcher, allonger u. s. w. aber chien. Ebenso nach l,
vgl. nfr. oreiller, und zweifelsohne auch nach ri. Zu diesem laut-
lichen Faktor gesellt sich ein anderer analogischer. Die latei-
nischen a- Verba zerfielen im Französischen in zwei Klassen : die
c-Klasse und die ?e-KIasse, die sich im Infinitiv, Partie. Prät.,
2. Sg. Ind., ursprünglich auch Impf. Ind. und 3. PI. Perf. unter-
schieden, in den anderen Formen aber völlig gleichmäfsig flek-
tierten. Bald wurde im Impei-f. die Endung oie der 2. Konju-
gation auf die 1. und 3. übertragen, wodurch denn auch hier
1 a und 1 b zusammenfielen. Als nun lautlich die alten Verba
auf -chicr, -gier, -gnier, -illicr in die r-Klasse übertraten, war ihre
224 I- Kapitel: Vokalismus. § 260, 261.
Übermacht eine so grofse, dafs bald auch die übrigen folgten.
Im XV. Jahrhundert geht dieser Vorgang rasch vor sich , H.
Estienne spricht e, nicht mehr ie in cMef, chier u. s. w. ; Maupas
fordert auch für die Schrift chef.
Vgl. G. Paris, Rom. IV, 122 ff.; Vising, Ztschr
VI, 372—385.
261. Die Mundarten zeigen zum Teil den umgekehrten
Vorgang, sie behalten ie und dehnen es sogar aus über sein
ursprüngliches Gebiet und zwar nicht nur im Verbum, sondern
auch in der Wortbildung: korrekt ist presclncre = predicator,
danach janglierres, hordierres bei Jean Ie Marchant, flattiere,
tribuliere Theophile, Rustb. II. Davon wird die Formenlehre zu
handeln haben. Eine Erscheinung aber gehört doch schon der
Lautlehre an. Während im Zentrum und Westen die Verba auf
-urare nicht, wie diejenigen auf -irare, der ie-, sondern der c-Klasse
angehören, zeigen sie im Osten ie und zwar nicht nur in den
heutigen Dialekten, sondern schon in den mittelalterlichen Denk-
mälern, vgl. durier: nsurier Veget. 740, mesurier Ezech. 119, 4,
jurier N. E. XVm, 129, curie 144 und so heute lothr. §düri
u. s. w. Es ist schon § 48 ff. darauf hingewiesen worden, dafs
der Wandel von u zu ü wahrscheinlich nicht überall gleichzeitig
ist. Es ist nun klar, dafs -ier eine Aussprache ü bedingt, und
dafs zur Zeit, als 'a zu ie wurde, durare in den Gegenden, wo
es diXrer ergiebt, nicht ebenso lauten konnte, wie in denjenigen,
wo es zu diXrier wird. Viel mehr kann man allerdings nicht
sagen. Denn die Annahme, es hätte dort noch geradezu dvrer
gelautet, ist zu weitgehend. Noch heutzutage ist das zentral-
und westfranzösische ü weniger palatal, als das östliche, wie
denn auch, soweit bis jetzt bekannt ist, nur dieses, nicht jenes,
bis zu i fortschreitet. Das erklärt denn ohne weiteres die ver-
schiedene Behandlung von durare. Wie nun freilich der Unter-
schied zwischen den beiden ü zu erklären sei, ist schwer zu
sagen : sehr viel Wahrscheinlichkeit hat die Annahme für sich,
dafs das ü am ältesten sei da, wo es völlig palatal ist, im
(ZwWer-Gebiet, und dafs es von da nach Westen sich ausgedehnt
habe. — Auch gedecktes a wird zum Teil nach Palatalen zu f,
vgl. § 262. Lothr. öye (carrum, carnem), 6%m (cannahis), nfr. gerhe,
eher sind vielleicht so zu fassen, doch ist cliar daneben auffallig.
§ 262—264. A nach Palatalen. 225
262. Ein zweites Gebiet, wo 'a zu ie wird, ist der Süd-
osten Frankreichs, der, im Gegensatz zum Norden, sonst freies
a bewahrt. Südlich gehört ihm noch Savoyen an und einzelne
Thäler des Piemonts, wie die Val Soana und Aosta. Der süd-
westlichste Punkt gegen das Provenzalische hin dürfte Gre noble
sein, die Westgrenze jenseits der Khone bildet etwa die Berg-
kette der Cote d'Or, gegen Norden läuft das Gebiet ins Nord-
französische hinein, mit dem es das hier zu behandelnde Merk-
mal teilt. Wir haben also z. B. im Lyonesischen : prm (priser),
menasi, dresi, sarsi, mizi, afffti, payi, hali, fdi, tiri, b^si u. s. w.
Dagegen dürö, Mo, -ova u. s. w. Besonders erwähnenswert sind
remarsye (remercier), uhlyc, ferner äoyc (jouer) , loyc in Jujurieux,
aber maria, fya. Sekundäre Palatalen üben keinen Einflufs mehr,
vgl. z. B. Val Soana : raJikyar (ital. raschiare), semhyar. Grund-
lage für das ganze Gebiet ist ie, das sich dann weiter entwickelt
wie altes ie, vgl. § 178 und 266. Auch gedecktes a nimmt
teil: Val Soana Je er (carncm), get, Ic'eßi, fdyeUtro.
Ascoli, Schiizi Franco-provenzali, Arch. Glott. III,
61—120.
263. Sodann folgt Rätien, und zAvar speziell Oberhalb-
stein: paier, sei er , maier, gudoner, erpser , la§er, ansinier, lidier,
k'esa, sicela, dann vor gedecktem r: Ic'ern, Ti'er, Jc'ertas. Ebenso
Domletschg, Schams, Tiefenkasten, Zernetz, Brusio im Puschlav,
die tessiner Mundarten, und in Mittelrätien Moena und Comelico.
Erwähnenswert ist, dafs der Wandel im Tessin auch gedecktes
a ergreift: gel, geniba, vaz^äa = ital. vecchiaccia, und dafs, im
Gegensatz zu dem § 262 für Val Soana Bemerkten, auch y aus l
(v^ 421) den palatalen Laut hervorruft: pyega, fied, ferner vieg
(viaggio); anh'a-mi aber mi-evJc'a, riena = rivana u. a. Merk-
würdig ist Greden, wo sonst a zu f wird, sofern hier nach Pala-
talen ä eintritt : sk'älä, Jc'är, Inf. -Jc'är, Tc'ä {capiä), madyär u. s. w.
264. Hier schliefst sich S. Fratello an: gea (giä), rnbriyek,
liier, k'ieya (piaga), kieu (gualis), skiela, hier, Ptc. -iea. Ebenso
wird anlautendes d zu ie, wenn das vorhergehende Wort auf
einen hellen Vokal auslautet. Diese Formen stehen dann auch
im Satzanfang, also iela, iengul, ic§pa, ieam, aber mit dem Artikel
d'äam, ien (anmis) aber d'äan u. s. w.
Meyer, Grammatik. 15
226 I- Kapitel: Vokalismus. § 265 — 267.
265. Audi in Mittel- und Süditalien scheint dasselbe Gesetz
zu herrschen, doch ist die Sache nicht völlig klar. Vgi. kors.,
nordsard. pientu, piedu, Campobasso : fesM, Mezza (piazza), Jcieye,
Francovilla al mare : falegneeme, magnaete, Inf. magnea, piette
neben fd, priya, ngape, S. Vittorino : amazze, Tcyeme, mane, justi-
ziete, dann auch pugghie (pigliare), arnwete (arrivata), caputete
(capitata), wo das tonlose i über den Konsonanten hinweg wirkt.
Vgl. dazu § 271.
266. Es knüpfen sich nun an dieses ie aus 'a eine Reihe
von Fragen. Wie schon bemerkt, sind seine weiteren Schicksale
dieselben wie die des ie aus vulglat. e. In einem grofsen Teile
Südostfrankreichs zeigt aber das Partizipium der hierher gehören-
den Verba andere Form als der Infinitiv, vgl. z. B, waat. medzf
= manducare neben meM = manducatmn. Das g weist zunächst
zurück auf -ia. In Jujurieux: -a , pedya , ametya, metya (doch
pi), deren a hell ist, wogegen dasjenige von bonia, pra u. s. w.
dunkele Färbung hat. Überall reimt mit den Partizipien auch
pietatem , fast überall pcdem. Wir finden also z. B. Val Soana:
Inf. -/, Ptc. ia, ebenso pia, Val d'Aosta: Inf. -/, Ptc. M. a, Fem.
aye, Commugny. -i, ia, pia, pedid u. s. w. In den altlyone-
sischen Texten ist das Verhältnis das folgende : ia tritt ein für
iatum, iatem, iati, iatam, iacum, dagegen ie, i in iatus, iatos,
iare, iahat. Wir haben somit, in voller Übereinstimmung mit
dem § 255 Bemerkten, eine doppelte Behandlung des alten 'a,
je nachdem ein Verschlufs- oder ein Reibelaut folgte : dem dt =
a, 0 neben är =^ e, a entspricht genau iät = ia, aber iar = ie, i.
Vgl. Odin 23 ff., E. Philip on, VÄ accentue precede
d'une palatale dans les dialectes du Lyonnais, de Ja Bresse
et du Bugey, Rom. XVI, 263—277, H. Morf, Mandu-
catum = Manducatam en valaisan et en vaudois , Rom.
XVI, 278 — 287. Odin und Morf sehen in dem ia
Einflufs der Femininform auf das Maskulinum. Ein
derartiger Einflufs ist aber sonst nirgends beim Partizip
nachgewiesen, er erklärt nicht die Behandlung von p)(^de
und pietate und nicht den Zustand in den alten Texten.
Er ist völlig unmöglich in Aosta und ist nicht nötig
für die anderen Gegenden.
267. In Nordfrankreich wird weiter iee zu ie reduziert, vgl.
Reime wie: maisnie: Marie Rieh. 3833, maisnie: guerpie Chev.
8 267. IE und IE im Französischen. 227
n esp. 2117; ebenso wird cadunt zu chient Brut 1644, laeta-
mentc zu liement 2533. Die Kontraktion findet im ganzen Osten
und Nordosten bis in die Nornuindie hinein statt. Der Vorgang
ist nicht recht klar. Nimmt man an, dafs in allen diesen
Gegenden t'e, nicht yc betont worden sei, so ist allerdings eine
Verkürzung von fee zu le leicht denkbar. Und dies scheint in
der That die einzig mögliche Erklärung zu sein. Um nun aber
die Frage zu entscheiden, ob diese Betonung die ursprüngliche
gewesen sei, mufs erst untersucht werden, wie sich das i erkläre.
Zwischen Ä; und folgendem palatalen Vokale hat sich der palatale
Gleitelaut i entwickelt. Eingetreten ist er entweder noch auf
der Stufe a, das wird nahegelegt durch die südöstlichen Mund-
arten, wo a nach Nichtpalatalen bleibt: wie also zu einer Zeit,
wo man im Südosten plantar sprach, sich k'ark'ar zu Jcark'ar,
Jcark'er verwandelte , so auch auf dem nördlichen Gebiete. Er
kann aber auch jünger sein, nicht jedoch erst auf die Stufe e
gehören. "Wir haben § 235 gesehen, dafs ak über ^c zu p wird,
nicht mehr zu e. Da nun kak sich zu iei , d. h. also k'ipi ent-
wickelt, so mufs spätestens k'f zu k'jp und folglich k'fi zu k''fi
geworden sein. Dafs er auf der Stufe f eintreten kann, zeigt
fränk. sk^Ua, afr. eschiele. Frank, sk vor hellen Vokalen wird
behandelt wie lat. c vor a § 18, S. 39. Hier schliefsen sich
nun die § 104 behandelten Fälle an. Aus cera entsteht cieira,
dre, dagegen aus cisia nur ccste, nicht ckste. Man ist zunächst
geneigt, die Entwicklung des Gleitelautes an freien, also langen
Vokal zu knüpfen, allein das ebengenannte eschidle widerspricht.
Bedingung ist vielmehr ganz offenes §. Zur Zeit, als lat. c noch
etwa auf der Stiife f stand , rückte ci auf ^ dem Wege , den es
nach § 72 einzuschlagen hatte, bis f«, ai vor, und nun ent-
wickelte sich -wieder der Gleitelaut. In tert (certiis) war das e
ein weniger offenes als in ei und ai, daher hier das i nicht
erscheint. Danach mufs also in einer ersten Periode der aus a
entstandene Diphthong ie auf dem « betont gewesen sein. Dieses
ie hat sich nun verschieden weiter entwickelt. In Sornetan,
Bourberan und auch westlich in St. Maixent wird es unter den-
selben Bedingungen wie im Frz. zu e, während c aus a hier
f lautet. AndersAvo aber findet Zurückziehung des Tones statt:
so ist also ie'e auf dem obengenannten Gebiete zu >ce, ie geworden.
15*
228 I- Kapitel: Vokalismus. § 267.
Dieselbe Tonverschiebung ist auch nötig, um den Unterschied
zwischen nie = necare und sasiei = camhiare in Lahague zu
erklären, iei ist der gewöhnliche Eeflex auch von e § 159, vgl.
noch s'ei (carus) u. s. w. Zu Grunde liegt ni-ier, woraus m-ei\
nie aber säzie: säsier, sä^iei. Nehme man eine Grundlage ni'er
an , so wäre daraus doch wohl mer , niei entstanden. Also : die
älteste Form des aus a hervorgegangenen ie ist ie , daraus ist in
manchen Dialekten le geworden. Früher und in Aveiterem Um-
fange wird iee zu /c: in diesem Falle mufs der Ton auf drei
Vokale gleichmäfsig verteilt werden, nicht nur auf zwei, es ist
eine gröfsere Anstrengung zur Hervorbringung des Triphthongen
nötig, und diese gröfsere Anstrengung kommt dem ersten Bestand-
teile zu gute : iee wird über iee zu lee, fc.
Die Betonviug fc nehmen als ursprünglich an L.
Havet, Rom. VI, 321—327; F. Neumann, Zur Laut-
und Flexionslehre 54 — CO. Havet stützt sich haupt-
sächlich darauf, dafs mari-er nicht mit picd assoniere,
und dafs es leichter sei , cliresti-ien auszusprechen , als
chresti-ien : bei letzterer Aussprache wäre rasch Ver-
schmelzung zu chrestien eingetreten ; für cMer endlich
setzt er die Eeihe an: Jcdaro, kdpro, Jce'ero, kier, chier.
Nach den obigen Ausführungen bedarf dieser dritte Grund
wohl keiner Widerlegung. Was den ersten betrifft, so
sahen wir, dafs marier doch ziemlich früh zu den -ie-
Verben hinübergleitet, so dafs es sich fragen mag, ob
die Dreisilbigkeit und die Trennung von -ier nicht bis
auf einen gewissen Grad aus dichterischer Tradition
herrühre aus der Zeit, wo marider gesprochen wurde.
Ob endlich chresti-ien oder cliresti-ien leichter zu sprechen
sei und länger dreisilbig bleibe, das hängt doch wohl
nur von den Sprechgewöhnungen des Individuums ab. —
N e um an ns Hauptargument sind die mittelhochdeutschen
Reime forehtier: tier Parz. 592, 10; soldicr: tier 64, 20
u. s. w., deren er S. 56 eine grofse Zahl bringt. Allein
sie beweisen nur für Ostfrankreich, für diejenigen Gegen-
den, die an Deutschland angrenzen, eine Aussprache, die
ungefähr der des deutschen ie entsprach. Mehr als einen
Näherungswert können wir daraus aber nicht gewinnen :
wenn ie durch progressive Assimilation damals etwa ii
geworden war, so lag es den Deutschen nahe, diesen
ihnen fremden Laut dem eigenen fe gleichzustellen, wie
schon Diez, Gr. I, 441 ** richtig gesehen hat. Vi sing
bringt keine neuen Argumente. Gegen ie und gegen
Havets Auffassung der Diphthongierung hat sich
^ 267—270. A nach Palatalen. 229
Schuchardt geJiufsert Ztselir. II, 187 und A. Hor-
ning in einem scharfsinnigen Artikel, tJhcr steigende
und fallende Diphthonge im Ostfranzösischen, Ztschr. XI,
411 — 418. Er fafst i'e aus ice anders als es hier ge-
schieht : aus ie-e wäre ie'ie entstanden , indem sich im
Hiatus i entwickelt hätte, daraus ie. Die Erklärung hat
etwas BestecliciKl CS : es bleibt aber fraglich, ob ein solches
Hiatus-*, das allerdings ttir den Nordosten sicher ist, auf
dem ganzen Gebiete von fe aus ice sich finde.
268. Im No r d r um an isclien wird a nach Palatinen zu {?,
wenn e, i folgt. Dieses p bleibt noch heute in Siebenbürgen,
überall sonst ist es zu e geworden : chee (clavc), mold. 2. PI.
tac^i und im direkten Auslaut : Inf. tae. Ferner ist ghie^ aus
glacie neben ghia^a aus *glacia zu nennen, sodann chiem und
ghiendä. So wird sich auch mineriu aus manuarium über
maniairu erklären lassen. Auch das aus e entstandene a (§ 83)
wird in der westlichen Moldau nach § zu e: ses = lat. sessus
und kommt so zu seiner ursprünglichen Form zurück. Im
Moldauischen wird ferner altes ea über ia zu e im direkten Aus-
laut: also stc aus stia, wie taic aus taid, und jenes aus stea, Stella.
Dagegen wird a nach s, j zu ä: fnrisät, ingrijät, furisäm,
ingrijäm. Das Mazedonische kennt diese Gesetze nicht, es behält
Mae und entsprechend syate u. s. w.
Vgl. Tiktin, Studien I, 100.
269. Labiale wandeln zuweilen a in o. Aus dem dop-
pelten labialen Einflüsse erklärt sich rum. foame, portg. fome,
lomb. fom. Dann also tessin. dimö, obw. mö, eng. mu aus magis,
doch sind die Partikeln vielleicht als tonlos zu betrachten;
möglicherweise gehört auch frz. taon aus täbaniis hierher. —
Zwischen Labial und a entwickelt sich u in Deux Sevres : 2)?<a,
mualadiye.
270. Weit verbreitet ist p aus ai (§ 235) in dieser Stellung
zu Mf, vgl. gen. iJwä, muä, mtiän, fuä, repuänt, spuäntu. Sodann
im Französischen: Tabouret (1587) tadelt voua (vais),
jamoua, foua als Parisismen, noch heute haben wir armoire,
grimoire, Amboise, poele, e'moi, äboi. In Bayeux: pu(s (pays),
fo^y poS, vmetr, ^amuf, mu^sö, in Deux-S^vres : afu§r, S. Maixent :
puei, fu^r, fu^, avug, Auvergne : eamu§, fue, fu^e. Ebenso in
230 I- Kapitel: Vokalismus. § 270 273.
Lothringen ^ aus a: fo§v, emoeK in Urimenil, während im Pikar-
dischen fpve zu foef wird.
271. In Stiditalien wird u-d zu u-ud, so in Montenero
di Bisaccia (Molise) aruvuete, shruvunuaia, adduluruata, Tiuntsulvd ;
in Palena nu ciiane, suppurtud, ruVbud, nu pluandej spujjuate;
Villa Santa Maria: arruvuat, ne puatre, Je druahhe, purtua, le
muarite, Vokat. mmuarite (aber a ppatre), kumbud; Torricella:
urtuluone, perdunuate.
272. Nicht klar ist im Rumänischen mundartlich ea, ia
statt a nach r, l, t: maz. bria^u, griasu, mold. musteaß, nament-
lich in nichtlateinischen Wörtern : steangä , steamp , hleastur,
cleampä u. s. w.
Vgl. Tiktin, Stud. I, 59, Ztschr. X, 252.
e) Einzelheiten.
273. E an Stelle von A. Lat. mälum ist durch melum
{(xfi'Kov) verdrängt: ital. melo, rät. meil, rum. mär^ lothr. me% kat.
mela. Cerdseus gehört nur dem südlichen Italien an : neap.
deras§, Lecce öerasti, sard. Jccrasa, röm. derasa, sen. saraza. Sonst
ist cer^'sea an seine Stelle getreten: ital. ciliegia, prov. cerpisa,
frz. cerise, rum. ciraiä aus älterem ciriasä. Span, cereza^ portg.
cereja sind unentschieden. Der Umstand, dafs hasium in der
c-Gruppe nicht mit ccrasea reimt, schliefst die Annahme eines
alten Umlauts aus. Das griechische y.tQuaog mufste den latei-
nischen Lautgesetzen gemäfs zu ceresus werden , woraus weiter
cerdseus. Diejenigen romanischen Länder, welche am stärksten
dem griechischen Einflufs ausgesetzt waren , behielten die grie-
chische Form bei, die anderen dagegen besitzen die latinisierte.
Vgl. J. Cornu, Rom. XIII, 286, 3.
Ähnlich erklärt sich wohl ital. all^gro , afr. alifgre, Jura
aliegru, rät. legr, wenn sie zu alacer gehören. Die alte Flexion
war *dlacer^ *dlecris, woraus romanisch dlecriis, a, um. — Ital,
gettare, frz. jetter gehen vielleicht auf ejedare zurück. — Ital.
greve, frz. gref, rum. greü, rät. gref aus lat. gravis zeigen An-
lehnung an levis, hrevis. — Rum. alerg (laufen) neben maz. alarg
von lat. largns steht unter Einflufs von merg (gehen). — Nfr.
§ 273—275. WaiKlel von A zu E, O. 231
acheter hat zunächst in den endungsbetonten Fonnen Einflufs der
Verba auf -eter = ittare erlitten, vgl. aber achat, Eustache
Deschamps 206 reimt noch achatte : escarlate, der Eosenroman IT,
298 achde: nete. Andere Fälle von e statt a erklärt die Formen-
und Wortbildungslehre. — Unerkläi-t sind rät. zeina, sard. ienna
neben ^anna (janua) und castegna neben castagna: jenes gefordert
von frz. chäfaigne (aus älterem chasteigne), mail., ver., berg., pav.,
canav., alothr. kastcna, Val Soana Ama.
274. 0 an Stelle von A. Ital. chiodo, chiovo werden zu clavus
gestellt. Im Französischen ist die Entwicklung korrekt § 250, im
Italienischen aber hätte chiavo bleiben sollen. Es ist möglich, dafs
schon frühzeitig claudere sich eingemischt hat, womit auch das d
erklärt wäre. Die südital. Formen: siz. hyovu, cal. kyuovu sind
Lehnworte aus dem Schriftitalienischen. — Span, cueva, die Höhle,
bearn. Tcobe , portg. covo , hohl neben ital. cavo , prov. cou
erklären sich daraus, dafs die alte Flexion cous, coum, PI. cavi,
Fem. Cava verschieden ausgeglichen worden ist. — Ital. vuoto, frz.
mde gehen ebenso auf vocitus zurück, Part, von altlat. vocare,
wofür klassisch-lateinisch vacare nach vacuus.
Vgl. T h u r n e y s e n , Ztschr. vergl. Sprachf. XXVIJJ,
156 und 161.
Frz. fantöme, prov. fantauma, kat. fantarma scheinen auf
fantagma statt fantasma zu weisen, gm zu um nach § 403. Auf-
fällig in ihrer Vereinzelung sind apul. some, portg. estrume aus
stramen, doch steht letzterem estrumar zur Seite, wo u in tonloser
Silbe sich eher erklärt. — Ital. nuota, rum. innoatä, alban.
notoig , rät. nuota, afr. nuede neben südital. nata, span. , portg.
nada sind dunkel. — Weit verbreitet in Oberitalien ist piona
Hobel für piana: tessin. piuna, monferr. piuna, mail. piona, gen.
duna u. s. w. Das Wort mufs in dieser Gestalt aus dem
Rätischen stammen, ist dort aber auch wieder nur als postverbal
zu plondr zu denken, da plana zu plaiina geworden wäre. — Frz.
oupre an ajirio ist an couvre angelehnt. Die Form ist weit ver-
breitet: stidsard. oberiri, sodann äsen., umbr. , röm. , piem.,
S. Fratello, gask.
275. Aus lateinisch aqua ist in Oberitalien, Rätieu und
Südfrankreich *augua entstanden, daraus eng. ouua, Fourgs auwa,
232 I- Kapitel: Vokalismus. § 275 — 277.
Planclier ove^ sonst aiga^ aven., aver., agen.^ apiem., aprov.,
heute gen. äva, piem. eva, gallur. eba.
Ascoli, Arcli. Glott. I, 300.
8. Die lateinischen Hiatusvokale.
276. Bei den Vokalen im lateinischen Hiatus kommt die
alte Quantität nicht in Betracht. Für das Metrum gelten alle
als kurz, etymologisch sind es die einen von jeher, die anderen
sind ursprünglich lang. Darum kümmert sich die Volkssprache
nicht, sondern behandelt sie lediglich nach ihrem Klange resp.
nach dem- Klange des zweiten tonlosen Vokals. Und zwar ist
die Regel die folgende : altes i, u bleiben ; altes e wird zu f
vor folgendem ?", zu e vor folgendem a; altes o wird zu o vor
olgendem w, zu o bezw. ■j* vor folgendem a, i, somit: dies, fui,
m§i, mca, vea, sous, sqa, cgi. Also hier ist die Verschiedenheit
der Qualität nicht durch die Quantität bedingt, sondern durch
Dissimilation. Das helle i dissimiliert ein unmittelbar voran-
gehendes e zu §, das dunkle u ein yt zu p. Es sind diese
eigentlich dem Vulgärlatein angehörenden Veränderungen erst
hier besprochen , damit die Übereinstimmung mit Erscheinungen
in einzelnen romanischen Sprachen um so besser hervortrete,
s. § 152, 186. Noch in vulgärlateinischer Zeit sind dann
Störungen eingetreten : dem Plur. m§i folgte der Singular mens,
dem Singular sgvs der Plural sgL Das alleinstehende cyii aber
behält seine alte Form bei. — Vokale, die erst infolge vulgär-
lateinischer Lautgesetze zusammentreten, behalten die von ihrer
alten Quantität geforderte Färbung, also jus aus -Ivus , sjat aus
sU, §0 aus ^go.
Vgl. Ztschr. vergl. Sprachforsch. XXX, 333—345, wo
auch der Unterschied zwischen kl.-lat. f?o, -dies j und
vulgl. vea, dies erklärt ist.
277. Wenden wir uns nun zu den einzelnen romanischen
Sprachen, so sehen wir zunächst, dafs vulglat. i auch im Hiatus
behandelt wird wie vor Konsonanten, s. die Beispiele § 31, S. 58.
Vulglat. e in vea mca stimmt dagegen nur zum Teil mit fede.
Neben rum. mea, frz. veie, meie steht auf allen anderen Gebieten
via mia. Merkwürdigerweise auch im Ostfranzösischen, vgl. vie
sient im Ysopet, Prior, und noch heute z. B. im Morvan. Wenn
§ 277 — 279. Betonte Hiatusvokale. 233
neben diesen i-Formen im Eng. iraia aus tria, saia aus siat
steht, so erklärt sich jenes aus dem Einflufs des Mask. frais,
dieses daraus, dafs in scat der Hiatus erst spät ist, s. die Formen-
lehre. Dafs übrigens jenes ia aus ea entstanden ist, lehrt alatr.
Tcurija (corrigia), und Ortsnamen wie Pidia = Äpuleja, Fontia =
Fonteja.
278. Auch vulglat. Hiatus-f in m^us, m^i, deus, rpiis, judaeus
zeigt blofs im Rumänischen und Französischen die gewohnte
Entwicklung von f: rum. zeu, mien, miet, afr. Dietis, *miei,
woraus mi, *mieus, woraus das pikard. Fem. mieue, judieii. Im
Portugiesischen wird ^ zu e : dms, men, Juden, Hehrev. Über die
weiteren Schicksale dieses ieu vgl. § 38. Da zu frz. i)ieus § 249
der Akk. jJC? lautet, so bildet man zu dieus den Akk. de.
Im Provenzalischen tritt der Diphthong ein: Dieiis, mieus,
juzieus, im Ital., Span, das einfache i: Dio, mio, rio, span.
Dios, mio, cria, jndio. Aber ital. Plur. miei. Es wäre denkbar,
dafs ital. mio u. s. w. noch auf meus zurückwiese, dafs also
das Ital. den ältesten Zustand bewahrte und die Ausgleichung
zwischen meus und mfi sich erst in den Einzelsprachen vollzogen
hätte. Das aven. mieu (Panfilo) wäre dann eine jüngere Form
als das ital. mio. Allein dafs p, ie vor dunkeln Vokalen zu i
wird, zeigt macia (mac(ria). Im Rätischen kann Dius, miu als
Grundform angesetzt werden, das sich dann verschieden weiter
entwickelt § 38. Auch eo stimmt im ganzen, vgl. rum, e«, rät.
ieu, ital. io, span. yo, portg. eu. Im Altfranzösischen begegnen
verschiedene Formen, je nachdem das Wort tonlos oder betont
ist. In den Eiden steht zweimal io , zweimal eo , im Jonas io,
im Alexis io ; später jou , jo , woraus abgeschwächt je , und die
neue Form gie, im Reime auf e aus a, Rieh. 957 gie: congie,
C'hardri Set dorm. 1425 je: conge. Vgl. darüber Kap. IV.
279. Bei den labialen Vokalen treffen wir ähnliche Er-
scheinungen wie bei den palatalen. Fui erscheint überall mit
dem Vertreter von ü. Für \i, o zeigen das Rixmänische und
Französische, zum Teil das Rätische und Portugiesische die ge-
wöhnliche Entwicklung, das Italienische und Spanische aber ver-
langen den extremsten Vokal der Reihe. Aufserdem wird yi
überall aufser im Rätischen zu ui, also rät. kui, koi, aber afr.,
prov. küi, ital. cid. Sonst also haben wir für \( vulglat. f\it,
234 I- Kapitel: Vokalismns. § 279 — 281.
dyias, sua, s\ias, rum. fu, eng. fo, afr. fg, dous, does, soe, portg.
foi, dos, SOS, aber im erhaltenen Hiatus duas, sua, ital, fu, due,
sua, ob duoi, suoi, ist zweifelhaft^ da sie auf duos, suos beruhen
könnten, span. dos, tos — duas, tuas. — Über die verschiedenen
Formen von fui u. s. w. bringt die Formenlehre das Nähere. Ein
weiteres Beispiel ist noch gruem, portg. grou aus älterem groi § 300,
siz. groi, neap. gruoyo neben einem zu grus gebildeten *grua, span.,
portg. grua, frz. grue. Auf vulglat. hqem zu tos statt hövem geht
ital. hue zurück, dazu gesellt sich äsen, iie =■ uhi. Rumänisch doue
aus duas ist wohl über doue, dum entstanden, wo u vor u zu o
wurde nach § 131. So erklärt sich, dafs die Form nicht doae
lautet. — Hier mag noch erwähnt werden, dafs romanisches o in
Lecce im Hiatus bleibt, nicht zu u wird, oder vielleicht aus u
erst wieder o entstanden ist: foi, doi, roi (gruem), sou, soi, soa,
goa (juvat), goane, vgl. dazu § 34.
280. Endlich vulgärlateinisch Q in soi, doi, dem neuen
Plural von duo. Es ist schwierig, hier reinliche Resultate zu
erlangen, weil diesen zwei- einzigen Beispielen Flexionsformen
mit u zur Seite stehen. Ich begnüge mich hier, als sichere Ver-
treter von p rum. dot, afr. dui, afr. sui anzuführen, im übrigen
sei auf die Formenlehre verwiesen.
Vgl. auch D'Ovidio, Arch. Glott. IX, 33—52.
9. Diphthonge,
a) Die lateinischen Diphthonge.
281. La"teinisch au. Dafs das Vulgärlateinische au nur
zum Teil sich mit dem Schriftlateinischen deckt, ist § 27 gesagt.
Der erste Teil des Diphthongen ist vom einfachen a nicht oder
kaum verschieden \ es ist weder ä oder o wie im norddeutschen
oder provenzalischen au, noch auch a oder ^ wie im süddeutschen
oder zum Teil rätischen. Erhalten hat es sich im Sai-disch-
Sizilianischen , im Albanesisch - Rumänischen , im Bearnischen,
während es sonst im Provenzalischen heute äu oder gewöhnlicher
ou lautet, und im West-Rätischen \ im Portugiesischen ist es zu
ou weitergeschritten , daraus in nordportugiesischen Mundarten,
namentlich in Beira, o: pgco, mqco, loco, obe, roco, gro, g, rghar,
auch gtro imd ngte neben oitro, coive, soito u. a. Überhaupt ist
§ 281, 282.
Lateinisch AU.
235
auf einem grofsen Teil des Gebietes, in Lissabon und im Süden,
der Unterschied zwischen ou und o nur grapliisch. Auch das ii
im Slldost- vind im Ostfranzösischen geht wohl auf ou zurück,
sonst wird au überall über ao zu o, das im Ven. und zum
Teil im Süditalienischen wie altes p zu ito diphthongiert. Die
Monophthongierung ist in Frankreich älter, in Spanien und
Italien jünger als die Erweichung der intervokalischen Tenues,
daher anca hier also oca bleibt, dort über oga zu oue wird. Sie
ist in Frankreich aber später eingetreten als die Palatalisierung
von ka: vgl. causa, k'ausa, k'ose, chose, gavdia, gauye, goye, joie.
282.
Lat.
AMAUT
*PLAUTA
CAUTU
FAUTUS
ALAUDA
Rum.
—
—
cautä
—
—
Engad.
—
—
—
—
Ital.
amo
piota
—
—
lodola
Prov.
—
—
—
■ —
alauza
Frz.
—
—
—
—
(älouette)
Span.
amö
—
coto
hoto
—
Portg.
amou
—
couto
fouto
—
Lat.
LAUDAT
AUDIT
CLAUDIT
GAUBET
GAUTA
Rum.
lau da
aude
—
—
—
Engad.
laud
au da
klauda
—
gaulta
Ital.
loda
ode
cJiiude
gode
gota
Prov.
lauza
au
clau
gau
gauta
Frz.
—
Qt
clgt
—
§ 289
Span.
loa
ode
—
—
—
Portg.
louva
ouve
choiwe
gouve
—
Lat.
PAUCU
KAUCü
AUCA
PAUPER
RAUBA
Rum.
—
—
—
—
Engad.
pauk
rauk
auka
pauper
rauha
Ital.
poco
roco
oca
povero
roha
Prov.
pauc
rauc
auca
ptaxibre
rauha
Frz.
P9
rg
Que
pQwe
vQbe
Span.
poco
—
oca
pohre
roha
Portg.
pouco
rouco
auca
pohre
roupa.
Lat.
ÄUGET
AUSAT
PAUSA
CAUSA
LAUSA
Rum.
adaoge
—
jiausä
—
—
236
I. Kapitel: Vokalismus.
282.
Engad.
—
—
— Musa
—
Ital.
—
osa
posa cosa
—
Prov.
—
auza
pausa causa
—
Frz.
qH
ose
2iQse chose
—
Span.
—
osa
posa cosa
losa
Portg.
—
ousa
ponsa cousa
lousa.
Lat.
TAUKU
AURU
LATJEU THESAUEU
AUEA
Eum.
taur
aur
laur —
—
Engad.
taur
aw
— —
aura
Ital.
toro
ovo
alloro tesoro
ora
Prov.
taur
aur
laur tesaur
aura
Frz.
—
or
— tresor
—
Span.
toro
oro
— tesoro
—
Portg.
touro
ouro
louro tesouro
—
Lat.
CAULE PAEAULA
ßum.
—
Engad.
—
Ital.
parola
Prov.
caul
paraula
Frz.
choi
parole
Span.
—
(paläbra)
Portg.
couve
(palavra).
Ein weiteres Beispiel ist graulus, -a die Krähe aus *gravuh(S,
-a zu ravus oder ravis gehörend mit dem g von gracula, vgl.
rum. graur, Lecce raulu, judik. grglo, frz. grolle, gask. , albi.
agraulo , lyon. grolo u. s. w. Sodann frz. forge , span. froga
neben fragua aus fahrica, während das jüngere laude bleibt.
Paulus, paraula zeigen abweichende Gestaltung, Avas sich wohl
daraus erklärt, dafs beide jüngere Wörter sind, so sj^an. Pablo,
palahra, portg. palavra, Lecce palora neben caulu, ital. Paolo,
Pavolo , ebenso navolo aus vavXoi' , das aus sachlichen Gründen
nicht toskanisch sein kann ; so wird auch cavölo aus dem Süden
stammen. Das griech. avl'/j, lat. aula, häufig in Ortsnamen, wird
teils zu ola, olla , teils zu avola, letzteres in der südlichen Tos-
kana. Eine besondere Gestaltung erfährt au im Mazedonischen:
avdu, haftä, adapise. Da der Wandel von av zu u(f, vor a zu u.\p
im Neugriechischen Regel ist, so wird man nicht fehlgehen,
§ 282—284. Lateinisch AU. 237
liieriu eine Beeinflussung des Mazedonischen durch das Griechische
zu sehen. — Erst als das lateinische au schon zu o geworden
war, drang das griech. xavfia ins Italienische und von da in die
anderen romanischen Sprachen, das neue au wurde nun zu ai,
cd: ital. , span., portg. calma, ital. auch Adj. cälmo. Mcht klar
ist, weshalb im Rum. dur, Idudä bleiben, dagegen räpdos, addoge
das u in o verwandeln, aüg den Ton verschiebt. — Portg. pohre
neben sonstigem ou erklärt sich aus der folgenden Konsonanten-
gruppe. — Ital. chiude hat sein ii von den endungsbetonten Foi-men.
Über -aula in toskanischen Ortsnamen s. Bianchi,
Arch. Glott. IX, 447, Anm. 2.
283. Mehrfach Avird das aus au entstandene p zu wo ge-
brochen, so im Kalabresischen und wohl noch weiter in Süditalien,
femer im Venezianischen. Im Kalabresischen stehen nebeneinander
taguru (taurus), laguni und uoru, trisuoru, puolcu, guodu, nkyuostru,
ripuosn, povaru. Dieselbe dopjjelte Behandlung findet sich im
Siz. : tauru, addauru, laiisu aber lodu, godiri (und guadiri § 360),
orii, trisoru, poviru, Jcosa, in Lecce : aulca, Jcauht, lauru neben
(tru, tresoru, poeru, Icosa, nosu, reposu, poku. Zunächst ist denkbar,
dafs poviru als Proparoxytonon eine besondere Stellung einnimmt.
Für die anderen aber darf man mit etwelcher Sicherheit Ent-
lehnung aus der Schriftsprache annehmen. Aurum ist mehr ein
litterarischer Begriff, auch im Südostfranzösischen zeigt das Wort
schriftsprachliche Gestalt; in noch höherem Grade gilt das von
tesaurus und incaustum. ^t?di paucus sagt das siz. pikku, daneben
kennt die Büchersprache ein indeklinables pocu. Somit scheint
für Süditalien gesichert au bezw. dessen Zerdehnung- zu avu, ovu :
Icovxdu, lovuruy tovuru aus Capo di Leuca, vgl. § 252 und oimnu
aus ounu aumt (agnum), oder zu agu s. o. Auch in den Abruzzen
findet sich noch tatir^ u. s. w., in Alatri aber, wie es wheint o;
pokf, lore, ggdi, lodola, kosa, posa u. s. w.
284. Auch im Venezianischen, Friaulischen und Tirolischen
erscheint die Gleichstellung von au mid ;», aber auch hier nur
in einzelnen Beispielen. So stellt das Friaul. taur, aur, laudj
auri (haurire) , klaustri , auke , ause u. a. neben oh'e , pok , odele
(alaudula), gölde und gddi, puar; aven. puoko, puovri und gerade
diese beiden auch in Tirol. Von den friaulischen Beispielen ist
238 I- Kapitel: Vokalismus. § 284 — 287.
godi zu streichen, da es sich durch g als Lehnwort zu erkennen
giebt, ebenso odule, wo die Erhaltung des u und der Abfall des
l auf Entlehnung weisen. Da neben golde, ^ande auch poZsa und
pausd, olsd und ausd steht, so liegt hier eine besondere Behand-
lung des au vor Dentalen oder in tonloser Silbe vor. So bleiben
nur noch die zwei Beispiele , die auch in Süditalien Schwierig-
keit machen, und es wird sich avich hier fragen, ob paucus
überall volkstümlich sei (man beachte, dafs auch das Rumänische
das Wort nicht kennt), und Avird bei xmui^er die Stellung zwischen
den zwei labialen Konsonanten und in drittletzter Silbe berück-
sichtigen müssen.
285. Das Mittelrätische bewahrt also, abgesehen von den
zwei erwähnten Fällen, das au und wandelt entsprechend ai zu
au. Doch zeigt das Judikarische durchgehends p, auch in koza,
Igdula , daher luvda , pufsa erst von litvdar , pufsar über Holddr,
laudar gebildet sind. Vgl. § 252. In Enueberg und Badia aber
bleibt al, und au wird stets zu al : fralda, alk'a (doch ater).
286. In Ostfrankreich kreuzen sich zwei ?i-Gebiete,
dasjenige, in welchem gedecktes Q bleibt oder zu ao wird, also
namentlich die französische Schweiz (aber nicht mehr Val Soana,
wo au bei o beharrt), und dasjenige, wo gedecktes q zu u wird,
wo also u aus au die Mittelstufe o durchschritten haben kann.
Im Südosten ist, wie waat. dgure == gaudere zeigt, die Mono-
phthongierung ebenfalls jünger als die Palatalisierung des g vor
a, es mufs aber zur Zeit, da o über ou und p über ou zu ao
wurden, das au schon über ou die Stufe u erreicht haben. Nicht
recht klar ist o? im Burgundischen: ekloe, fm (fagum). Da auch
folUs zu jfce wird, so denkt man an au, ou (ßu, ce. — Auch der
Westen zeigt ou (u?): cliouse, repous , pouvre bei Jean le Mar-
chant und heute in Bretagne und Anjou, womit der Übergang
zu dem provenzalischen ow gegeben ist. Im XVI. Jahrhundert
dringt diese Aussprache auch nach Paris; H. Estienne wirft den
Höflingen chouse, repouse vor.
287. Während in allen bisherigen Fällen das labiale Ele-
ment des Diphthongen geblieben ist, verschwindet es gänzlich im
Münsterthal: ar^ tar, k'asa, imBergell: raha, sam, pak, kam,
bezw. reha, s§ma, p^k. Sodann in S. Fratello: tar, ar, pak, gar,
§ 287—290. Latoiui,sch AU. 239
aka u. s. ^'. Allein so einfach ist dort die Sache doch nicht. Im
Münsterthal und Engadin wird au vor Velaren zu a § 288 ; es
würde sich fragen, ob dann nicht der ursprünglich so bedingte
Lautwandel aus irgend einem Grunde seine Grenzen ül)er-
schritten hätte.
b) Bedingte Veränderungen des au.
288. Im Sardinischen wird au bei folgendem u zu a:
laru, pagu, pasu, trau aus *taru, woneben oru wieder Buchwort
ist. — Im Engadin und M ü n s t e r t h a 1 tritt das u des
Diphthongen vor den folgenden velai*en Konsonanten : pauca wird
zu paTcua , eng. paTia , dessen Je statt Je' (vgl. vaJc'a) die einstige
Existenz des labialen Vokals beweist.
289. Im Französischen wird au -j- i zu oi, das dann
wie die anderen m zu tia Avird : clnHre, joie, im Westen u§, f, so
pei in Livre des Manieres. Im Hiatus wird cm zu Ott: joue, Joue,
jouir. daher ou aus aut zunächst vor vokalisch anlautenden Wörtern ;
aul giebt natürlich Qn, ou : cliou. Endlich neufranzösisch jjew
aus 2^o,f*<^- Im Afr. stehen p>ou und poi nebeneinander, letzteres
ist aus pauco entstanden, vgl. § 438, daraus z. B. St. Maixent
pua. Nfr. p)^( dagegen weist zurück auf pou, das also im
Gegensatz zu joue, afr. joe u. s. w. geschlossenes o hat. Der
Grund ist nicht recht klar, wenn man nicht etwa annehmen will,
dafs die Stellung im direkten Auslaut die frühere Schliefsung
des Vokals bewirkt habe : endlich oie statt afr. oue scheint einer
Mundart anzugehören. — In Seraing wird p aus au wie altes p
vor s zu UQ gebrochen : ues, repufS.
290. Endlich bleibt noch oberitalienisch-toskanisch
al, 61 aus au. Im ganzen ist der Wandel beschränkt auf au vor
Dentalen (t, d, s), so aven. galdere Ex. 600, aldi 9, 14, aver.
golra, golda, oJdir bei Fra Giacomino, amail. gölte Bonv. G. 120,
golso D. 270, alttosk. lalda, fralda u. s. w. In viel höherem
Mafse als in betonter findet sich der Vorgang in uubctontt'r
Silbe, so dafs man kaum fehlgeht mit der Annahme, dafs al zu-
nächst nur vor dem Tone gestanden habe und dann irrtümlicher-
weise vielleicht nur in der Orthographie auch unter dem Accent
auftrat, s. § 354. Auch ital. chiodo (§ 274) erscheint im Emi-
240 I- Kapitel: Vokalismus. § 290—292.
lianisclien als dold, aven. cliioJclo, tirol. öold. Die Form ist
schwierig : gerade im Emilianischen findet sich sonst ol aus au
nicht j man mtifste also schon Entlehnung aus dem Venezianisch-
Rätischen annehmen.
Eine besondere Behandlung von au in gelehrten Wör-
tern zeigt das Romagnolische , sofern es das u konsonanti-
siert, das a aber, wie primäres, zu e werden läfst: aplefs,
kefsa, Tieft, frevd, levd. Ähnlich das Mailändische : Jiaved = cauto,
kavesa , lavor , plaves , jpavesa , restavor u. s. w. Sonst wird ent-
weder au beibehalten, wie im Italienischen und Spanischen, oder
0 tritt ein, wie im Französischen.
291. Lateinisch oe ist wie vulgärlat. e, lat. ae wie ^
behandelt, vgl. coena, poena, ital. cefta, pcna, engad. äaina, paina,
frz. peine, afr. cwc , span. pena, cena. Andere Fälle giebt es
nicht, da uhscoenus, coetvs fehlen, foemina nur schlechte Schreib-
weise für das richtige femina ist. Für ae: caelum: engad. diel,
ital. cielo, frz. ciel, span. cielo; caecus: eng. diek, ital. cieco, afr.
ciu, span. ciego; caespes: obw. dispad, ital. c§spe, portg. c§spede;
graecus : ital. gr^co , afr. griu, span. griego ; laetus : ital. lieto, afr.
liet, portg. l^do; quaerit'. ital. chiede, frz. quiert,- span. quiere;
saeculum: ital. s^colo, afr. siede, span. siglo. Manche andere sind
nur auf wenigen Gebieten belegt, und da stimmt denn die Regel
nicht immer. Ae zu e zeigen: aesÜmat: prov. aesma, afr. esme;
aesadus: ital. iscMo (§ 80); aequus: prov. ec; blaesus: afr. blois
haedus: alb. e/, rum. ied beweist nichts, ebensowenig sard. edu
Dagegen ^ = ae ; caenum: span. cieno; caesa: pav. sesa, franche
comt. sisa; maestus: ital. mesto, siz. mestu; praegna: kalabr
prena, prienu, siz. prenu, ital. pregno wegen desw, auffällig sard
pringu. Tosk. incignarc verdankt sein i der Tonlosigkeit. Portg
leiva kann nicht von glaeba kommen , da weder § noch e zu ei
werden, eher von glachea, sard. lea entscheidet nichts.
292. Neben diesen Beispielen, in denen die Übereinstimmung
der romanischen Sprachen wenigstens gemeinsame Grundform
zeigt, stehen nun aber andere, in denen das Rum., Ital. f, die
anderen Sprachen e fordern: faeces: ital. f^ccia — span. heg, doch
bearn. h§tz; foenum: ital. fieno — eng. fain, frz. foin, span.
heno ; praeda : ital. pr^da — frz. proie, span. prea ; pracstiis : ital.
§ 292—295. Lateinisch AE, OE. 241
presto: ohw. d'amprest, afr. prest, lothr. pro, span. presto; saepes:
ital. siepe — eng. saif, afr. soif, span. sdo (saeptum); taeda: rum.
mdä, siz. dcda — obw. teya aus taedea, bagn. tcya, span. ^ea.
293. Endlich noch vulgärlateinisch ai. Abgesehen von der
Konjugation (amai) kommt es vor in traicere (mit etymologischer
Schreibung trajicere), rum. trece, sUdostfrz. trezi und in traecfa, rum.
trcpta, ferner in hajidns, hailiis, ital. hailo, balio, prov., afr. hau,
prov. hailar, aber frz. haiUier, eng. bela (hajida).
c) Die romanischen Diphtliouge.
294. Die Schicksale der romanischen Diphthonge sind^
namentlich soweit dabei der erste Bestandteil in Betracht kommt,
schon § 38, 71 ff. , 120 ff., besprochen. Es kommt mm aber
nicht selten vor, dafs der erste Bestandteil bleibt, der zAveite (?, u)
dagegen verändert wird. Auch davon ist schon gelegentlich die
Eede gewesen, z. B. § 32, 77, 125. Die noch zu behandelnden
Erscheinimgeu zerfallen in drei Klassen: Schwund des i, u,
Konsonantisierung, Übergang in andere Vokale.
295. Der erste der drei Fälle findet sich im Italienischen,
vgl. piato aus piaito, vuoto, irgta (§ 16, S. 30), sartana aus
sartagin-a , frana aus voragin-a, gxiatare ans frz. guaitier, mal
als selbständiges Adverbiiini, aber ma als stets mit dem folgenden
Worte verbundene Konjunktion. So geht ital. strano auf straino
§ 512 zurück. Dagegen bleiben daino , Iaido. Im Senesischen
dagegen tritt das i in die folgende Silbe : votio, guatiarc, ebenso
cardio aus cognihis, santio aus sanctus, dieselbe Behandlung zeigt
ital. madia aus magida. Auch in Sizilien und Süditalien findet
sich die Umstellung wenigstens bei in : siz. daniii == ital. daino,
fnrrania aus furraina (farragin-), piiinia, inicunia (*inctigin-a statt
*incudin-a), neap., abruzz. lentineya, petineya, ankuneya, öestuneya
(*testugine) , südsard. hania aus hdina = bama (§ 598), vagina;
maladiu aus malaidtt. — Auch im Andalusischen zeigt sich diese
Erscheinung : fralie ans fraile, und so *siidid aus ^suidad = span.
ciudad, kudiao = span. cuidado. — An unmittelbar vorher-
gehendes i ist der Wandel von ai zu a gebunden im Engadini-
schen : paias = paese, *paiais, oriant aber oöidoint, Impf.
ttiaven, ariaven, kraiaven aber tmaiven.
Mt<yer, Grammatik. 16
242 I- Kapitel: Vokalismus, | 296 298.
296. Verstummen des w ist selten, vgl. etwa § 317 und
Juj. Dye aus Dkii, nycla aus *mbula § 58 über niula. nicula,
nyeula ; tyela aus tcgula , myela aus medulla über meölla, mwla,
mieöla, myeola, und entsprechend hye aus ^betullum.
297. Konsonantisierung des u, i treffen wir in verschieden-
ster Weise. Bei u sind drei Gestaltungen möglich. Überwiegt
die Lippenartikulation, das labiale Element, so entsteht v, f, ein
Vorgang, der bis jetzt nur im Rätischen § 285 und 535, Emilianisch-
Lombardischen § 291 und Mazedonischen § 282 nachgewiesen
ist. Tritt dagegen die Velarartikulation mehr in den Vorder-
grund, so wird u zu g, 1c, vgl. kat. regna aus ^'reuna, *r€tina,
valenc, dvlie aus duute, dubitus, und in tonloser Stellung kat.
sigrö aus älterem ciurö (Cicerone), dikmenge aus älterem diumenge.
Sodann im Westrätischen, namentlich in Oberhalbstein, Bravugn
Tind wohl auch im Engadin : flogr, kroM, onohr, favoJcr , duM
(dulce, duud), eng. sogla =■ sola, Jcogr, rogda, spugsa, flvgr u. s. w.
Nur vor Nasalen scheint die Konsonantisierung nicht vorzu-
kommen. — Weit gewöhnlicher ist der Übergang von u zu t,
vgl. § 290 und 354. Ebenso wird in Nordspanien b vor Kon-
sonanten über u zu i, § 538.
298. Das i geht viel weniger leicht in Konsonanten über,
so ist z. B. I aus i bis jetzt noch kaum nachgewiesen (über istr.
fl aus fi u. s. w. s. S. 11). Selten ist auch der Wandel zu ^, das
ursprünglich zweifelsohne palataler war als das aus u entstandene
(§ 297), aber heute mit ihm identisch zu sein scheint. Es findet
sich auf denselben Gebieten, und ist entstanden aus ei = ef,
ii = i und üü, n =■- ü, vgl. § 32, 77, 125 und eng. fügs,
dügr , nügvla, MM, nügda, nigr, hrigda (creta), -igr, pregr
(prete), fegl, fegvra, pegs, aber nie, wie es scheint, ag aus ai,
wohl aber in Oberhalbstein nekf u. s. w. Man hat wohl in dem
Vorgange eine Dissimilation zu sehen : von den zAvei nahe bei-
einanderliegenden Vokalen wird der zweite, um nicht im ersten
aufzugehen, zum Konsonanten; a und i dagegen liegen weit aus-
einander, daher ni bleibt. Zweifelhaft ist die Einreibung von ü.
Man könnte es dem vorhergehenden Paragraphen zuteilen wollen,
allein da die Zungenstellung des ü diejenige von i ist, und bei
der Konsonantisierung die Zungenstellung allein in Betracht
kommt, so wird es besser hierher zu rechnen sein.
§ 299 — 301. Romanische Diphthonge. 243
299. Es kann nun auch i, u mit dem folgenden Konsonanten
verschmelzen, so zwar, dafs es ihn palatalisiert, bezw. labialisiert.
So wird im Nidwaldischen und Eng. -ena über -eina, -aina zu -ena,
-atia, hene zu fem, han, vinum über viin, vein zu vm, veri, una
über üna, \na, eina zu eria; ferner im Eng. honus über houn
zu &«m, panis über paun, pctm 7a\ pem , Jana über launa, leuna
zu Icma,
300. Vertauschung von i und ii zeigt das Portugiesische.
Oi und ow, seltener ai und at«, 6"? und cit wechseln fortwährend,
ohne dafs bis jetzt eine Regel gefunden wäre, wann der eine,
wann der andere der zwei Laute auftritt. Also : noite , coito
aber -ovro = -oWms, douto , doutor ^ outithro, auto , iraiitar, teito
neben altem tevto , maroigo und marouio , chouto : ftoite Res. III,
197, 24; in Beira kommt nur oi vor, sonst schwanken oi und ou
bei denselben Personen, oito, hoi, foi behalten immer oi; ei und
eu vertauschen die südlichen Dialekte.
Vgl. K. Michaelis, H. A. LXV, 42, 47.
Von anderen Fällen von Umgestaltungen des zweiten Teiles
der Diphthonge ist etwa noch zu erwähnen die Behandlung von
-Öi im Kalabresisch-Sizilianischen : pol wird über pui, pv§ zu pua.
Ferner lauten genuclu, *soluchi in .Juj. dnna , Sf^lua: vi zu üij
daraus «f, ita.
B. Tonlose Vokale.
1. Die Auslautgesetze.
301. Das Lateinische zeigt im direkten Auslaut alle Vokale,
sowohl die kurzen als die langen aufser ü: plantä, plantet, amCi,
ultra, lege, hene, patrc, fame, taccj ferme, quas'i, mihi, tih1, audi,
Uli, modo, cgö, odÖ, amö, virgö, lectö, amandö, diu. Vor s fehlt
ä, ö, sonst: amas, plantcis, milH, amBs, legSs, satls, sitts, legis,
pJantJs, vohis, aiidJs, nepös, servös, servus, spiritüs, virtüs, spiritüs.
Vor r, l, m, t sind die Vokale stets kurz: patlr, arhur, sorör,
animäl, lactmär, vidtiir, amabäm, ptlantäm, amlm, soUm, sitim,
seträm, amäf, amit, docit, leglt, audit, capüt. Vor nt ist die
Quantität unbekannt: aniant , docent, Icgxmt. Fürs Romanische
kommen selbstverstäudlidi nur iiocli Qualitäts-, nicht Quantitäts-
10*
244 I- Kapitel: Vokalismus. § 301 — 303.
unterschiede in Betracht, aufserdem ist -m schon früh gefallen
(§ 403 e), so dafs planta und plantam völlig identisch sind. Wir
erhalten danach als vulgäi'lateinische Auslaute : o, c = e, i :=^ i,
f = e, ?, ae, o = ö, ö, w = m, ü. Die Qualitätsangaben sind nicht
ganz sicher : § ist ein etwas mehr offener Laut als e, er bleibt
an Orten, ^vo e zu i wird. Es finden sich also aufser a zwei
velare und drei palatale Vokale im Auslaut, Die Untersuchung
wird dadurch erschwert, dafs eine Reihe der auslautenden Vokale
auf Konjugationsformen beschränkt sind , so dafs infolge Aus-
gleiches unter den verschiedenen Typen die ursprünglichen Ver-
hältnisse oft stark getrübt sind. — Ferner ist zu merken, dafs
das auslautende s häufig in besonderer Weise die Entwicklung
des vorhergehenden Vokals beeinflufst, wogegen zwischen direkt
auslautendem Vokal und Vokal -j- t kein Unterschied besteht, daher
die Vokale vor S besonders zu behandeln sind. Dann ist auch
die Beschaffenheit und die Zahl der dem Auslaut vorangehenden
Konsonanten von bestimmendem Einflufs auf sein Schicksal.
Endlich wird unter Umständen der letzte Vokal in Paroxytonis
anders behandelt als in Proparoxytonis. Auf diese verschiedenen
Faktoren wird die Darstellung Rücksicht zu nehmen haben,
a) Spontane Entwicklnng der auslautenden Vokale.
802. Das a ist der festeste unter den auslautenden Vokalen.
Auf dem gröfsten Teile des Gebietes bleibt es als offenes a,
wobei freilich nicht zu vergessen ist, dafs der in den Schrift-
sprachen mit a bezeichnete Laut mehr und weniger starke
Schwankungen in der Färbung zeigt. Wo sich jedoch tonloses
a bedeutend von a entfernt, bringt die Schrift das zum Ausdruck.
Es ist also das a geblieben im Rätischen, Italienischen,
Altprovenzalischen, Spanischen: eng. ama, vainda,
planta, olfra, ital. ama, venda, pianta, trihima^ oltra, aprov. ama,
venda, planta, outra, span. ama, Hanta, venda, idtra.
303. Infolge seiner Tonlosigkeit wird das a nicht nur ge-
kürzt, sondern auch abgeschwächt zu o, oe, e. Die letzte Form
steht keineswegs in direktem Gegensatz zu den zwei ersten. Bei
der Aussprache des Schlufs-a wird der Mimdkanal nicht mehr
gleichmäfsig erweitert, sondern nur zwischen der Zunge und dem
§ 303, 304. Die Auslautgesetzc : A. 245
weicheu Gaumen eine als Resonanzraum dienende Enge gebildet;
je nachdem diese Enge sich etwas weiter vorn oder weiter hinten
befindet, wird die Färbung des indifferenten Vokals schwanken.
Dementsprechend treffen wir denn auch o, ce. und f unmittelbar
nebeneinander. — Die erste Stufe der Abschwächung, o, zeigt
das Neup ro venzalische. In Texten tritt der Laut etwa
seit dem XV. Jahrhundert auf, vgl. soloment im Briefe des Erz-
priesters Johannes SD. I, 562, 32, 6, molos 33, 5, ähnlich im
Ludus Sancti Jacobi. Aber schon die alten Grammatiker be-
zeichnen das a als „estreit", dumpf (vgl. § 243), so der Donat,
wenn er 45 a abhas auf eine Stufe stellt mit cas: er hat dabei das
zweite tonlose a im Auge , das ihm also so klingt , wie das a
vor n. Entsprechend werden auch beide zu o. Heute umfafst o
das ganze provenzalische Gebiet aufser dem Bas Languedoc
(Montpellier), wo a bleibt, und der Gascogne. Die alten bearn-
schen Texte schreiben schon e, und auch heute schwankt die
Landschaft zwischen o und §, während Bigorie und Haut-Com-
minges fast a haben, in den Landes bis an den Adour und die
Midouze ce gesprochen wird, weiterhin o, das sich gegen Lan-
guedoc und Limousin hin bis zu u verdumpft. Im Osten zeigt
auch Fourgs o: fuetro, la'mo, lingo aufser nach Palatalen. —
Sodann findet sich o vereinzelt imEätischen: in Waltensburg,
Sulzberg, Vigo, auch die Urkunden des XIV. und XV. Jahr-
hunderts aus Cividale und Gemona schreiben meist o: aveno,
uno, vigno, meno XIV, 3, selo gurizo XIV, 11, plero otro Bologna
XV, 1 u. s. w., wogegen heute eher e gesprochen wird.
304. Der gutturale Laut f ist ganz Nordfraukreich
von Anfang an eigen, vgl. Eulalia eile eskoltet 5, nie cose 9,
polle 10 u. s. w. Sodann lautet auch das portugiesische -a,
obgleich es in der Schrift festgehalten wird, §, doch ist es etwas
offener als das französische. Im Friaulischen ist e (f) die
Regel und bildet eins der Hauptmerkmale gegen das West-
rätische, den § 302 angeführten engadinischen Formen entspricht
hier: ame, plante u. s. w. — In Italien sprechen f statt a die
Dialekte der Abi'uzzen und Neapels, leider ist auch hier die
Orthographie sehr oft die historische, so dafs genaue Grenzen
nicht zu geben sind, doch vgl. z. B. Teramo : femmen^j bellf,
246 I- Kapitel: Vokalismus. § 304 306.
nire. Endlich gehört hierher das rumänische ä: vifidäj
cäntä, curwiäj das aber im Istrischen als ^ erscheint: Icantp,
munkß, furnige ii. s. w. Ob das e, welches für Forli angegeben
wirdj als e oder § aufzufassen sei, bleibt zu untersuchen.
305. Gänzlichen Abfall des a treffen wir in einer
zweiten Periode im Französischen. In der Schrift zwar wird,
von eau = aqua abgesehen, das e stets fortgeführt, auch, nament-
lich im oratorischen Vortrag, noch vielfach gesprochen. Aber die
Volksmundarten und die von der Schrift nicht beeinflufste Volks-
sprache haben sich seiner längst entledigt, man spricht §m, plät,
väd u. s. w. Die Anfänge dieses Verstummens reichen ins XU.
Jahrhundert zurück, und zwar scheint das e im Hiatus zuerst im
Anglonormannischen geschwunden zu sein: mei 0. P. 7, 5; 118,
57, essai Impt. ; im E. Mont. Marie 11, 9 zweisilbig, joie
11, 35 einsilbig-, Fantome prie einsilbig, Chardri reimt e mit ee
Jos. 1867: engacee: crie. Auch nach Konsonanten spricht er es
nicht mehr: Jos. 159 cummatid 3. Sg., P. D. 1142 get. Das
Festland folgt etwas später. Am frühesten begegnen Formen
des Imperfekts auf oi, ois, so in Gregors Dialogen, Ysopet u. s. w.,
allein hier kann Anlehnung an 3. Sg., die auf analogischem Wege
seit dem XI. Jahrhundert -oit geworden war, vorliegen. Ein-
silbiges eau findet sich Barb. Meon II, 235, 276.
Kein sicheres Beispiel ist vi = via T^euenburg 1280,
Matile 210, da es wie or neben ore, dies eine besondere
Stellung einnimmt, Kap. IV. In totes vois J. le March.
185, 11; 168, 11 liegt Verwechslung von vice und via
vor. Zu der Behandlung von § nach betontem Vokal
oder Diphthong bei Dichtern alter und neuer Zeit vgl.
M. Hossner, Zur Geschichte der unbetonten Vokale im
AU- und Neufranzösischen^ S. 27 — 38.
306. Die palatalen Vokale e, § werden nur im Tos-
kanischen und Sardischen geschieden, alle anderen Sprachen
werfen die drei Latite unter e oder i zusammen oder verlieren
sie völlig. — Im Toskanischen bleibt f, i als e, dagegen
wird e zu i: hene, sette, alt diece (noch bei Dante, später dieci
nach venti), lume, amasse, piante, amaie, marte-d% ove, crede, forse,
dann aber vedi , oggi, lungi, aUrimenti. Im Sardischen bleibt e
als e (aufser dighi), i als «', doch ist es im Verbum zum Teil
durch e ersetzt.
Etwas abweichend D'Ovidio, Arch. Glott. IX, 80 ff.
§ 307, 308. Die Auslaiitgesetze: E, I. 247
307. Unter e fallen sie zusammen im Osten: in Rumä-
nien, Südost-Italien, im TJmbrisch -Römischen, in
Norditalien, so weit sie hier bleiben , dann im Westen : in
Spanien und Portugal, doch lautet heute das Portugiesische
(' wie i; anderswo ist der e-geschriebene Laut vielmehr f, z. B.
in Alatri. Vgl. rumänisch Sapte, crede, lume, cäntare, lunezi
u, s. w. , Lecce purvere, o§e, ovie, -are, öle u. s. w. , gen. vu^e,
puä aus paßrje u. s. w., span. padre, siete, crede, lunibre, amare,
vende. hiene u. s. w., portg. padre, gesprochen padrj. Dann also § :
Alatri amor§, Mer§, und so Campobasso, Neapel und die Ab-
ruzzen. In Sizilien dagegen, sowie in Calabrien und den dazu
gehörigen Mundarten , ferner in Süd- und Nord-Sardinien und
in Corsica tritt i ein, doch nähert sich dieses j sehr dem e,
so dafs es denn auch nur die in konventioneller Ortho-
graphie geschriebenen Texte durchführen , also : fari , morti,
setti, denti u. s. w. , während in mehr volkstümlichen i und e
schwanken. In anderer Richtung gehen das Veronesische
imd der Dialekt von Veglia: e wird, sofern es nicht ab-
fällt (§ 312), zu o; qualo, nomo, disso, doxo, noto (notte), semprOy
faro in der Passion, la famo , lego , dondo u. s. w. bei Fra
Giacomino, vegl. venero (Inf.), credro, siampro, pulvro, dnco
(qvindecm), sapto (Septem). Ähnlich tritt im Katalanischen -a ein :
vendra, molra R. 1. R. VIII, 49 a. 1308, alegra 7 meist. 604,
compta 955, payra 187 u. s. w. und so heute in Alghero zcndra,
iova, mestra, mara u. s. w. Vgl. noch § 314 über das Mai-
ländische. Nicht klar ist Catanzaro (Calabria) : successa , duva,
inda (inde), dara, pacia, recvrrara, jira, dissa aber venne u. a.
308. Die Schicksale der labialen Vokale sind denen
der palatalen ähnlich. Noch heute werden -o und -u auseinander-
gehalten imLogudoresischen: bona, bonos, temjnts , Jcanto,
kando, in Zentralitalien, vgl. diko neben tempu in Aquila, Rieti,
Norcia, Pitigliano u. s. w. Ebenso im Astur i scheu l.Sg. o, N.
Plur. OS, komo, kresiendo, knando, sedo, solo aber Sing, m, Adj. mask. u
Ntr. 0, ferner caho: ud, ut gesellt sich also zu o. Sonst freilich
sind sie überall zusammengefallen, also auch im Toskanischen,
das doch f, e scheidet, und nur an ihren Wirkungen auf den
Tonvokal zu unterscheiden. Im Italienischen und S p a -
248 I- Kapitel: Vokalismus. § 308, 309.
n i s c h e n haben wir o, im P o r t u g i e s i s c li e n wird o geschrieben,
^ gesprochen: ital. tewpo, dico, cäballo, qumido, altital. mano
Plur.j suoro, span. digo, cahallo, mando, como, tiempo, ueho, portg.
digo = digu. Dagegen Sizilien, Süd- und N o r d - S a r d i n i e n
C 0 r s i c a , ganz Süditalien, Genua zeigen w , wobei für
Sizilien dieselbe Einschränkung gilt wie bei i aus e § 307; also
siz. tempu, dilcn, quannv., Lecce Tiulu (colo), figgyu, tiempu, dihi,
südsard. temjnis , honu , bonus, cardu, gen. r^u (raro) , ceggu,
deoegu u, s. w. Vgl. noch § 314 für Südostfrankreich. Ab-
schwächung zu § findet sich in den Abruzzen, vgl. Alatri ame,
heve, skur§ (oscitro) u. s. w., Teramo: aitif, ferr§, kande, pann^
u. s. w,, Campobasso : jom§ , fil§, 1, Sg. venn§, ebenso im Nea-
politanischen, ferner im Französischen, Provenzalischen , Emi-
lianischen u. s. w. § 312 ff.
b) Bedingte Eutwicklung der auslautenden Vokale.
309. Folgendes s ist mehrfach von Einflufs auf vorher-
gehendes a, seltener auf e, i, während os, vs überall wie o, u be-
handelt werden. Im Eumänischen wird as, is zu i, in ganz
Italien es zu i, is zu e. As bleibt im Provenzalischen als a aiif
Gebieten , wo a zu e wird ; es wandelt sich weiter zu es
im Katalanisch- Asturischen , Waldensischen, in den kottischen
Alpen, im Südostfranzösischen, Westrätischen, zu is im Friau-
lischen, zu i im Rumänischen und Italienischen. Die sekundären
e, i werden im Rumänischen und Italienischen behandelt wie die
primären. Also rum. cänti, cäntai, v'mzi, -ati, mar^i (martis),
vineri (veneris) PI. III -i für beide Geschlechter. Ital. ami, amavi,
Conj. vendi, fuori, Piantrami ON ;= planu'tra vineas; Nom. PI.
i aus e(s), Chimenti = dementes^ Giovanni; aber -ate, amasfe,
marte-dl. Beachtenswert ist das- Kalabresische , das as nur bis
zu e(s) entwickelt: ame, amave, fore. — Im Friaulischen gehen
heute in den Pluralbildungen die verschiedensten Formen neben-
einander : das alte a (bezw. e, o § 303) Plur. is ist mehrfach aus-
geglichen worden zu a, as (bezw. e, es, o, os) ; immerhin ist Jc'asis,
agis, ruedis u. s. w. das am weitesten Verbreitete. Ebenso in der
Konjugation : menis neben 3. memi ; das ganze übrige rätische Gebiet
vom Tagliamento an stellt 2. menes , 3. mena, Sg. Tcavra, PI.
§ 309, 310. Die Auslautgesetze: Eiuflufs von S. 249
kavres eiiiaiidor gegenüber, in Ober-Comelico meni, Jcaiiri. —
Das Xeukatalanische scheint den Unterschied zwischen es und a
nicht zu bewahren, w^as sich jedoch mit Leichtigkeit daraus
erklärt , dafs meist altes e hier zu a wird. Die mittelalter-
lichen Texte, namentlich die Urkunden, führen die Regel mit
ziemlicher Strenge durch : neguna filanera neben totes les filaneres
1311 R. 1. R. XXVin, 54, pena, dites, penes ebenda, roba^
femhra, escudeles, eaiises 1311, S. 55 u. s. w. Im Asturischen
dagegen wird noch heute geschieden : guapa Plur. guapes, 3. Sg.
fala 2. Sg. fäles. Südostfranzösische Beispiele älterer Zeit sind
ccsta cliosa, autres choses Neuenburg 1265 Matile 156, Vilard
1268 Matile 172. Heute ist s verstummt, wir treffen aber auf
dem ganzen Gebiete Fem. Sg. a, PL e, 2. Sg. e, 3. Sg. a, vgl.
Val Soana : hassa, hasse, Vion. fena, fene, Waat toto, tote, Freib.
fenna, fenne(s), Lyon fena, fene, Fourgs feno , fene, Coligny
fvna, fene, ebenso Queyras und die neuwaldensischen Mundarten
im Piemont, nicht aber Burset. Endlich im Neuprovenzalischeu
erscheint o, as in Gilhoc , Drome, Limousin : roso PI. rosä.
Ebenso in Brianijon, während in Embrunais o auch in den
Plural dringt.
310. Einflufs der Palatalen auf die auslautenden Vokale
macht sich in verschiedener Weise geltend. Auf dem Gebiete,
wo d nach Palatalen zu ie wird (§ 262), entspricht auch nach-
tonig e aus a , schon die Strafsburger Eide scheiden zwischen
dunat und fazet. Der Laut schwankt zwischen e, § und i, als
Typus möge das Waatländische dienen : arane, av^le, botse, epödze^
mädze, plase, rodze, knc§€, vye. Beachtenswert ist, dafs a bleibt
nach et', etraita. Es sind übrigens die Bedingungen nicht überall
dieselben: Val Soana, das das e weiter zu i wandelt, hat ganz
korrekt koiti, freidi, konti, ferner ü aus ,'a und ai aus ata, aya
(§ 435). Das Lyonesische bewahrt umgekehrt a in weiterem
Mafse : amia, öya, aber nicht nur iri, sondern auch kadiri aus
cathedra. Über den Unterschied zwischen fkuase (e'corce) und
ovloe (äbeille) s. § 596. Verschieden von dieser Erscheinung ist
es, wenn ie auf dem gröfsten Teil des provenzalischen Sprach-
gebietes !e wird, so in Marseille, Toulouse, Carpentras. Auch
das Alttoskanische zeigt sfe für sia, das Altspanische -ie im
250 I- Kapitel: Vokalismus. § 310—312.
Imperfekt für -ia. — Selten ist der Wandel von o nach Palatalen
zu i, wie in Alatri : remedii, veJckyi, pey (peyns), piy (jnlum),
Tcavalyi n. a. , ebenso steht im Mazedonischen *fi,li zwischen lat.
filius und heutigem KU. Sodann mag hier assimilierender Ein-
flufs des palatalen Tonvokals erwähnt werden : rum. limpede statt
limpedü, pisan., lucc. -ieri = tosk. -\erc.
311. Im Rumänischen wirken die Konsonanten auf die
Auslautvokale fast wie auf die betonten : la wird zu ie , e; i, e
nach Palatalen zu t, nach s zu ?, nach r zu a; ebenso nach u,
wo das ä dann noch weiter sich zu o trübt. Im Moldauischen
tritt auch nach s für a das palatale e ein, im Mazedonischen i
für i nach ü. Also: älhie, iirechie, foaie, junghe, mnz. hile =^ filia ;
nid, caci, cinci, lad, amarä Plur. Fem., fierä Plur. von fi,er.
Aus nove entsteht *noavä, *noaä, *noä, nonä, istr. uvä aus uhi,
u. a., dann madua, maduo, vädua, vaduo. Meist ist in Flexions-
formen a wieder hergestellt, doch vgl. maz. imo , oao , istr. oü
(ovo), und im Wortinnern wal. greotate. Moldauische Formen
sind came^e, cerese, maz. hvM (PI. v. hufu). Im Altwal. Avird der
Plur. cameU über cames'i, zu cames.
Vgl. Tiktin, Ztschr. XI, 64; XII, 225.
312. Namentlich aber ist der Abfall der Vokale fast
überall an bestimmte Bedingungen geknüpft. Auslautend a fällt
in Proparoxytonis in der Val Leventina (Tessin) : lodul, rondul,
anim, DumeniJc, Cerentino: Je edu, medu = *metula (Sichel), femer
dort in den Wörtern auf -ica, Hda, die ihren Mittelkonsonanten
verlieren : mani , tivi (teplda), liostri (Hocustica) , alni (*älmca),
sdbi = sabbia, Imni (lucanica). Der Abfall von e, i ist im
Italienischen beschränkt auf die Stellung im Satzinnern, kann
daher erst in Kap. IV zur Sprache kommen. Im Spanischen
fällt e nach l, r, n, d, s, z: caudal, vU, amar, ser, sentir, Suff, -ar,
toron, llanten, Men, hollin, vertud, merced, Imesped, Impt. -ad, cruz,
has , pez, cerviz, diez , mes, burges, pais. Geht dem c ein Kon-
sonant voraus, so bleibt e: once, danach doce, salce zu sauce,
apice zu auce. Nicht ganz klar ist die Sache bei II: neben pid
steht calle , vdüe, muelle u. s. w. , val, cal, mil erklären sich als
Satzformen s. u. Im Altspanischen fällt e, o auch sonst: nuef
Cid 40, anocJi 42, 3. Sg. Impf. Konj. -as 34, 309, 329, puent
§ 312, 313. I>ie AiisLautgesetze : Vokalschwund. 251
130, fezist 331 ff., arä'ment 549, art 375. Auslautend -o bleibt
erhalten, daher ist dbcclul = hetiiUtim auffällig. Mit dem Spa-
nischen stimmt das Portugiesische tiberein aufser nach d, also ail,
ar, hem, criiz, mez, aber virtvde, idade u. s. w. Bei auslautendem
s bleibt e in beiden Sprachen : caudales, seres, toroncs u. s. w. —
Im Venezianischen und Genuesischen fällt e nach r,
Z, n: ven. dar, matiar, amor , 3. Sg. par, mor (aher parc aus
patrem bleibt), sol, doman, vien, gen. vol, far, aver, dir, sor (solet)^
vergen, joven u. s. w. Aven. auch nach s: meltris, dux, plax,
im Panfilo und Cato sogar nach t, d: enplagad, serad, seand,
metj nient, quand u. s. w., ferner -a aus -ato, -u aus -uto, und so
im Aver.: pax, lux, condus, entes, glorios, Jiom, -ment. Endlich
im Mazedonischen schwindet u nach l, r, n, m: Ml, Kir,
nastur, an, om.
313. Während in den bisher behandelten Fällen Abfall
das Seltenere, Verbleib das Gewöhnliche war, ist das Verhältnis
umgekehrt in Frankreich, Eätien, dem Rest Oberitaliens und
Rumänien. Für u ist auf letzterem Gebiete, für alle Vokale
aufser a auf den übrigen der Schwund Regel, der Vokal bleibt
unter wenigen Bedingungen. Für den Nordwesten läfst sich das
Gesetz geben : o, u, e, i bleiben als § in ursprünglichen Pro-
paroxytona und nach Konsonant + Sonant, also in den Ver-
bindungen tr , er, pr, mn, In, Im. Vor dem Eintreten des Aus-
lautgesetzes war cl schon zu f geworden, femer fallen die Vokale
auch nach rti, rm. Das erklärt sich folgendermafsen. Schon im
Vulgärlatein wird r im Silbenanlaut nach vorhergehendem Kon-
sonanten vokalisch : patrem ist gesprochen pat^rem, wie sich auch
aus der Behandlung des Vokals (§ 225) und des t (§ 494) im
Romanischen ergiebt, ebenso tcmplvm: temp*hm. Das Französische
duldet nicht zwei sich unmittelbar folgende Sonanten. In erm
ist r sonantisch, es bildet mit dem vorhergehenden c einen
Diphthongen er wie j mit e einen Diphthongen ci in teit. Dagegen
war ämfi, auim schon zu ä, au geworden, nach welchem nun m, l
konsonantisch sind, der ihnen folgende Nasal halbsonantisch, also
dämemi, cauiemu. Durch diese Erklärung ist eine vollständige
Übereinstimmung der verschiedenen Fälle geschaffen. Also afr.
serf, amet, viel, engin, erm, ferm, com, jurn, aim, fleur, fleurs,
252 1- Kapitel: Vokalismus. § 313.
romanz, aim, aims, almt, ;part, dort u. s. w. — Aber: aiitre,
conible, temple, Pierre; somme, e'cliaume, atme, orme, e'chamme,
dämme, cliaume (vulglat. *calmus § 325), arriere, pere, emperere,
faihle, tremhle Conj. u. s. w. Für die Proparoxjtoiia ist zu
scheiden : einzelne sind vor dem Eintreten des Auslautgesetzes
schon paroxyton geworden und tilgen daher den Schlufsvokal :
es sind dies die Wörter auf ~cit-, -gm-, die schon im Vulgär-
latein zu jH, jin und dann frühzeitig in Frankreich zu it, in
geworden waren: placihi, plaitii, frz. pJait, digitu, dijitu, afr.
deit, -agine, ajine, frz. -ain. Dagegen besteht fdcimus im Vulgär-
latein noch (s. § 531) und lautet dementsjjrechend faimcs, danach
ist auch dreisilbiges facitis länger geblieben als x}laciti(m, frz.
faites. Sonst vgl. conde von cuhitiim aber sous von suhtiis; puce
aus pulice aber chaitx aus cälce, cointe aus cognitum aber saint
aus sandu u. s. w. Auffällig in mehr als einer Hinsicht ist
romans aus romanice. Das e sollte bleiben, ferner a zu ai
werden, vgl. chaince aus camice. Hat sich in den Substantiven
aus diesem oder jenem Grunde der Mittelvokal länger gehalten,
ist also romanice schon im Vulgärlateini sehen zu romance synko-
piert worden, und daraus romank'e, romant'e , romantse, romanz?
Lateinisch nachtoniges i ist schon im Vulgärlatein zu j geworden,
radius also zweisilbig. Nur nach Labialen behält es seine
vokalische Geltung zunächst: simitts dreisilbig. Dementsprechend
mufs im Französischen der Auslaut bleiben, erst in einer zweiten
Periode wird simie zu singe, ebenso straniii zu eirunge , oleu zu
uile, Pallium zu paile, s. § 340. Das Provenzalische geht mit
dem Französischen Hand in Hand, nur in den letztgenannten
Fällen bewahrt es i und tilgt n: simi, oli, pali, ordi u. s. w.
Die nicht ganz seltenen Fälle, wo e im Xeufranzösischen
in alten Paroxytona bleibt, erklären sich alle als Buch-
wörter, so monde für älteres mont. Der gegebenen Regel
über mn fügen sich afr. dan aus domims imd damnns
nicht : allein das erstere erklärt sich leicht als Neu-
bildung zu dame von domna , das zweite ist postverbal
zu dammage, damner. Über Formen wie pren, diu, amiu
Kath. P. imd Prov. s. § 438. Prov. p>ese zu pisum ver-
dankt sein e einer Vermischung von pisum iind cicer,
vgl. entsprechend sard. pisiri, prov. taure wird erst von
tauria (taurica) aus gebildet sein.
§ 314j 315. Die Auslautgesetze : Vokalschwnnd. 253
314. Während in den bisher behandelten Teilen Galliens
n, e, wo es bleibt, zu § abgeschwächt ist, erscheint jenes als ii,
dieses als e im Südosten ungefähr oder vielleicht völlig in gleicher
Ausdehnung wie c aus a § 810. Also z. B. Fourgs umu , ^gru,
ehru , pfVTK , -(dzn , orfemt u. a. , freib. pavru , -aiu, lar&n, kavru
u. s. w,, waat. äyablu, uhi, sonu (somnvs), bezw. äyablo, vh, sono,
dagegen zeigt der Osten der Waat und Vionnaz §: dyabJ§<, ul§
u. s. w. Bagnard : nuWo, dzerJo, -adzo u. s. w., valso. tendro,
tremhyo, ncKplo^ nuilado, sonno. Das o findet sich heute bei allen
Maskulinen, selbst bei den Wochentagen: freib. demikru, dvedru
u. s. w., während die Feminina a aufweisen. Man könnte daher
zur Annahme geneigt sein, dafs es erst aus e entstanden sei auf
lautlichem Wege, wie das veronesische o § 807. Dem wider-
spricht die Thatsache, dafs pare, frare und die Infinitive stets e
bewahren. Umgekehrt konnte der Zustand, den wir hier treffen,
einst in ganz Gallien vorhanden gewesen, dann u zu § ab-
geschwächt sein , wie a zu §. Das ist möglich , aber nicht zu
erweisen und auch nicht wahrscheinlich. Das Auslautgesetz wirkt
im Norden früher und stärker als im Südosten. Interessant ist
namentlich der Unterschied zwischen frz. vieil, prov. vid^ südofr.
vielu: dort wird c'l behandelt wie et, hier wie c'r. Das erklärt
sich wohl daraus , dafs dort das Auslautgesetz ilu traf, hier
dagegen du. Das Gebiet von lit aus du ist dasjenige von
anlautend M aus d: der Zusammentritt des l mit dem c hatte
Palatalisierung des l und infolgedessen gröfsere Widerstands-
fähigkeit des c zur Folge : in Mu mufste der Vokal ebenso bleiben
wie in km. Der Anschlufs des l an das k war also weniger fest
als da, wo entsprechend kt zu it, auch kl zu il wurde, die Kon-
zentrierung des Wortes um den betonten Vokal überhaupt eine
weniger starke, daher die tonlosen Vokale, wo sie blieben, ihre
Klangfarbe behielten. Im Norden und Süden aber verlieren sie
dieselben, patre wird zu pedf, mcrulvs zu merl u. s. w.
315. Das Rät i sehe hat nur zum Teil dieselben Auslaut-
gesetze. Zunächst ist t zwischen Vokalen zu einer Zeit gefallen,
da die Vokale, mindestens i(S, im Auslaiit noch bestanden : daher
wird zwar atis zu ats, aber atus zu aus. Dann aber sind die
Vokale auch in Proparoxytonis geschwunden, r und l nach Ver-
254 I- Kapitel: Vokalismus. § 315.
schlufslauten werden zu f (ar), l. Also nicht nur: eng. Jc'avdl,
flur, flurs, vil, om u. s. w., sondern auch -edi aus -edic (-aticus),
Mmhetj manh' (manicv), soenn (somnus), domi, culm, dann auter,
muvel, muskel, oder autar u. s. w. Im Friaulischen tritt n, li
ein für f, l: vintri, hotri, luvri, met'i (mittere), lari (latro), Maustri,
dopli, suhli u. s. w., ferner nach Diphthongen : naidi, Pauli, hroiJi.
Die Übereinstimmung mit dem Französischen ist hier bemerkens-
wert: u ist zunächst zu c geworden, dann erst A\de dieses zu i
geschwächt. Zu beachten ist gleichzeitig der Unterschied zwischen
dem westlichen -er und dem östlichen -re. — Dasselbe Gesetz
gilt nun auch fürs Lombardische, Piemontesische und Emilianische ;
es handelt sich nur noch darum, wie f, l in den verschiedeneil
Gegenden sich darstelle. Da ist zunächst bewahrtes u zu
erwähnen in Poschiavo : altru, ddblu, im Tessin : neiru, ladru (in
Busto Arsizio: sento, punto, Zipro u. s. w., doch scheint sich
dieser Dialekt auch sonst von der Regel zu entfernen : pasi (pace,
menti, genti, disi), statt dessen tritt a ein im Mailändischen :
perla, el soffra, merla, histarla, hier auch bei rn: cisterna, Stoma,
rm : inferma , Im : olma , sm : hattesma u. s. w. , dagegen f nach
allen Konsonanten : -ever = -ebile, bei Bonvesin -ewe geschrieben,
aleger, otdber, sepolker, quader u. s. w. Das Emilianische läfst
für r, l, n nach Konsonanten stets ar, al, an {f, l, n?) eintreten:
alegar, fevar, etar, zempal, Jcoran, peran; auch rm, Im, vm, rv, Iv
werden nicht geduldet : merum, Jcolum, mekanisum, koruv, seluv. —
In den Abruzzen wird Abfall für Chieti, Teramo und zum Teil
Aquila angegeben, wie die Bedingungen im Einzelnen sind, mufs
noch untei'sucht werden. — Auch Veglia tilgt meist den Auslaut :
muart, fruant, val, hnali), viarm, lenzul, fecust.
Endlich im Rumänischen fällt nvir n, aufser nach Kon-
sonant -\- r, l: socru , intru, aflu, öblu, dagegen cal, cänt,
cänd, cantänd u. s. w. Nach Vokalen wird heute noch stets u
geschrieben : ocMü , hou u. s. w. , doch lautet nur letzteres hou,
ersteres fast überall oki. Schon die ältesten rumänischen Texte
zeigen Schreibungen ohne u: fiind, neavaind Cuv. Bätr. I, 2
a. 1571 ; beim Artikel -?, -lor fehlt es schon in dem Texte vom
Jahr 1560 Cuv. Bätr. I, 1, den heutigen Zustand zeigt ein
anderer vom Jahr 1573, ib. I, 3. Wie mit w verhält es sich
mit ? s. S 319. Das Istrische schliefst sich völlig ans Walachische
§ 315 — 317. Di*2 Auslautgesetze: Vokalschwund. 255
an , das Mazedonische dagegen hat u bewahrt aufser in dem
§ 312 erwähnten Falle und nach einfachen Explosiven, wo der
Vokal abgeschwächt wird : kunoskn, gardu aber faliii, htpu.
Tiktin, Ztschr. XII, 238 ff. hält den Abfall für
jünger und meint, nach slawischer Art sei in den alten
Texten das Stummheitszeichen statt des Zeichens ftir
reduziertes u gesetzt worden.
316. Wie § 305 gezeigt ist-, entledigt sich das Nord-
französische auch des aus -a entstandenen -e. Dieselben Schick-
sale hat natürlich das e, das als Rest des ti, e in Proparoxytonis
geblieben ist § 314. Auch ?*, 7 geht es nicht besser. Selbst
rein reimende Dichter des Mittelalters gestatten sich Keime wie
friste: maistre, chambre: janibe u. s. w., so Ruteboeuf, Gautier de
Coincy, Charles d'Orleans u. a. Doch sind die Fälle für tre: te
nicht streng beweisend, vgl. § 586. Noch im XVI. und XVII.
Jahrhundert scheint f im Pariserfranzösisch gesprochen worden
zu sein aufser in der Verbindung if imd in Wörtern wie marhre,
martre, metirtrc, ordre, tordre, mordre, wo Dissimilation mit im
Spiele ist (vgl. umgekehrt me'credi § 574), doch wird auch schon
vw(re), capp(rc) angegeben. Heute aber ist es mindestens in der
Volkssprache ganz verstummt: ot, j)ret, vir u. s. w. Für die
Mundarten ist sein Abfall früher bezeugt: im XIV. Jahrhundert
schreibt der Lothringerpsalter este, croisse, etwas später Philipp
von Vigneuil orfetve, fenestc; und damit stimmt das heutige
Lothringische, Wallonische, Pikardische. Wie mit f verhält es
sich mit l: heute ist es in demselben Umfange, wie f ver-
stummt, altfranzösische Schreibungen wie caple statt cqpe Aiol
6699 und andere weisen schon auf schwache Ausspx-ache hin.
Der Abfall ist aber jünger als der ostfranzösische Wandel von
able zu aule § 250. Umgekehrt scheinen aber auch manche
Mundarten l länger zu behalten, vgl. f^bl, treble im Morvan.
317. Tritt ein auslautender Vokal unmittelbar zusammen
mit dem betonten Vokal, so wird er dadurch meist vor dem
Untergang gerettet. So lautet Dens im Frz. Dieu, eng. dien,
rum. -zeit; diu im Prov. quandni; meus, prov. micii, rum.
mm; Ittpus, jiigum, fagus werden zu lou, jou, fou im Fran-
zösischen. Über ego s. Kap. IV. Daher denn auch rät. aus aus
256 I- Kapitel: Vokalismiis. § 317—319.
aftjus, WS aus iftjtts s. § 38 und 254. — Eine bemerkenswerte
Ausnahme bildet das Genuesische, das gerade nach Vokalen
w fallen läfst: De, me, re, e, mei = melius Poe. LH, 6. — Im
Portugiesischen werden aa zu a, ao zu o zusammengezogen : lä,
pö, SO danach auch Fem. so statt soa^ ma =^ mala, aber Masc.
mao. Tritt im Spanischen e mit e zusammen, so wird es i:
grey, ley, rey, buey, altspan. noch zweisilbig, aus gree, lee u. s. w.
So wird hodie über öie zu oi.
Belege für die zweisilbige Aussprache von ley u. s. w.
bringt J. Cornu, Rom. IX, 71 — 89.
c) Wirkung und Schicksale des -i.
318. Mehrfach hat sich gezeigt, dafs die betonten Vokale
durch auslautendes i in ihrer Klangfarbe verändert wurden.
Dagegen konnte noch nicht erM^ähnt werden, dafs die unmittelbar
vorhergehenden Konsonanten ebenfalls häufig von dem i angegriffen
werden. Es sind diese Erscheinungen nochmals im Zusammen-
hang mit der Geschichte dieses i zu besprechen. Keinen Umlaut,
um bei dem von J. Grimm in der deutschen Grammatik für
eine verwandte Erscheinung gebrauchten Ausdruck zu bleiben,
keinen Umlaut kennt das Sehriftitalienische, dafür bewahrt es -i,
sowohl primäres als sekundäres : feci, facesti, egli, venti, ogni,
fiori, senti u. s. w. Über das f in egli, über vuoi u. dgl. s. Kap. IV.
Auf allen anderen Gebieten ist das i zu e abgeschwächt oder
ganz verloren, dafür hat es aber an den Konsonanten oder an
den Vokalen seine Spuren hinterlassen.
319. Am stärksten werden die Konsonanten umgestaltet im
Rumänischen, wogegen die Vokale hier von dem t nur in der
Weise affiziert werden wie von ü § 83, 129. Vor -i wird n zu
H, maz. aii (anni) , Aval, ai, t zu ti, mutj , d zu dz, mold.,
ban., maz. verdzi zu z, wal. verzi, s zu ä: pa§t, st zu st: tristi,
1 zu r und i: cai, pul, r zu r', das föllt. Für letzteres fehlen
Beispiele in der Deklination, es scheint aber, dafs ceriu = caelum
darauf zurückweist: cer wurde zu cei, woraus vom Singular aus
ceri, und dazu nun der neue Sg. ceriu. In der Konjugation
haben wir z. B. 2. Sg. ha^i, cazi, 2. Sg. Impt. minp, 2. PI. a^i,
§ 319 320. -I im Rumänischen und Rätischen. 257
Impf. Konj. 2. Sg. -aäi. Ebenso im s-Perf. des arum. : adit^l,
arupsi. Im Mazedonischen kommen noch die Labialen dazu :
luJc (lupi), aläi, 2. Sg. saH, Merdi (fervas), afimi (fumas). Dabei
ist merkwürdig, dafs im Walachischen das i des Verbums nur
die vorhergehenden Dentalen affiziert, kaum r, n, aufser in den
Verben, deren erste Sing, auf -io lautet, wie spuiu spui, ceiu cei,
vgl. die Konjugation. Dazu vergleicht sich § 419. Altes i
wirkt also stärker als junges, aus as, es entstandenes. — Spezi-
fisch walachisch ist ini zu tim: mimt, cunt, pnm, auch ciine,
pilne, mune, aber minu. Das i selbst ist volltönend nur erhalten
im Walachischen nach Konsonant -\- l, r: socri, ohli, afli, intri,
tiberall sonst reduziert zu ?, das unter Umständen zu i wird und
dann fallt § 311. Im Mazedonischen bleibt i auch nach r in
Proparoxytonis : drhuri, aber nort, und nach mehrfacher Kon-
sonanz: undzi, dornt, murdzi, dagegen fällt es nach s: hätus, ts:
oaspets, n: an, l: käl oder Jcail, in allen anderen Fällen ?.
320. Auch im Rätischen zeigen nur die Konsonanten
und auch diese nur schwachen Einflufs. Freilich ist die Zahl
der Beispiele sehr gering. Im älteren Westrätischen ist der Xom.
Plur. noch erhalten mit i, auch heute unter bestimmten Be-
dingungen. Darüber wird die Formenlehre Auskunft geben.
Das i ist also hier wie im Italienischen geblieben. Eine be-
sondere Stellung nehmen glande, -mente und venti ein, vgl. obw.
gloH, -med und ven, eng. -mainlc, vainJc', wo der dentopalatale
Vokal mit dem dentalen Konsonanten verschmolzen ist. — Im
Friaulischen wird -li, -ti, -di, -ni palatalisiert : nemai, pai, Icei,
lintsui, drbui, dzeno% umirij grand, dink', tank', duk' (tutti), task',
frusk', aber valls, pells. Sodann vink', das zugleich vokalischen
Umlaut zeigt. Gegen Westen hin ist namentlich n empfindlich;
so in Belluno, Feltro, Ampezzo, wo oni zu oi wird: presoi,
moUoi u. s. w. Im Mittelrätischen wird elli zu ei, iei; ali zu ai;
in Fassa: zerman Plur. iermaii, gran, greri, piovan, pioveti, so
vielleicht ati zu eti, et, e, wenn nicht eher ati, ai, e. Im Lom-
bardisch-Venetischen mag zunächst das aver. -iji aus -elU Er-
wähnung finden. Weiter westlich bilden in Bergamo die Sub-
stantiva auf n, l, t den Plural auf d, i, 6: dan dan, kören köreti,
kol koi, hal haj, perikol perikoi, kut kuÖ, portal portaö. Dann
Meyer, Grammatik. 17
258 I- Kapitel: Vokalismus. § 320, 321.
folgt das Mailändische mit Plur. kavai^ müi, fradei, an, pari,
dend, fand, tüö, aber vint, vgl. noch § 322.
Auch S. Fratello zeigt ähnliche Formen. Im allgemeinen
zwar bleibt i, aber mit n wii-d es über n zu i, mit t zu d: vM
Plur. zu vzT,, stazuoi zu stam, mei zu mää, buoi zu hä, 3. Sg.
vie, 2. Sg. viei, dend, 1. Sg. Perf. vidd, -auz Plur. zu -auz.
Daran schliefsen sich einige Te ssiner Thäler: Giornico Icei
zum Sing, kan, und so bei allen Wörtern auf -an, aber auch bei
den Femininen: rana PI. m; Airolo fontena PI. -ei, mnz. Tcay,
vi. may, ray, boy (buoni), horoy. Die vollere Form mit rl findet
sich am Verbano und in der Val Sesia, in Varallo, Valduggia.
Bei den Femininformeu würde sich fragen, ob Übertragung vom
Maskulinum vorliegt, oder ane wie ani behandelt wix-d, oder ob
die Grundlage -anas ist. — Endlich ist die umbrisch-aretinische
Gruppe zu nennen. Schon in den alten Texten liest man
barigli, pogli, crivegli, sodann heute in Cortona: figliogli, debigli,
chiuggJii = chiudi, nepocM, oder frafeglie, vilegne, montogne, perug.
fratelglie, agnogle, pangne, angne. Das ist wohl so zu fassen,
dafs das i sich mit vorhergehendem Konsonant (zunächst l, n?)
möglichst eng verband, also ni zu ni, und zugleich von seinem
Eigenton verlor, also ne.
321. Umgestaltung des Vokals bei unverändertem Konsonanten
zeigen die Sprachen Galliens und Iberiens, sowie die ober-
italienischen Mundarten. Im N ord f r an zö si sehen ist das i
geschwunden , hat aber Umlaut bewirkt bei e : f%s, pris, quis,
-ist; il, eil u. s. w., vingt, tuit. Bei Substantiven und Adjektiven
und im Imperativ der Verba auf -ire fehlt jede Spur des Um-
lauts. Tuit aus totti beweist, dafs die Erscheinung als Epenthese
zu fassen ist. — Hier mögen auch die tt-Perfecta ihren Platz
finden. Vinc, tinc, voll behalten den Ton auf dem Stamme, be-
wahren die auslautende Konsonanz und ziehen -i an den betonten
Vokal. In allen anderen Fällen dagegen fällt der Konsonant
habui: oi, oder das u nimmt den Ton auf sich wa?m.* valüi. Beide
-Male kommt -i in unmittelbare Verbindung mit dem Tonvokal
und bleibt so erhalten. Die weitere Entwicklung von -ui zu
nfr. -WS gehört der Formenlehre an. Verschieden von den ge-
meinfranzösischen gestalten sich diese Formen im Nordosten, wo
•wir schon in alter Zeit pldu von placui, biu von *bibui haben.
^ 321, 322. -I in Oberitalien und Frankreich. 259
Der Unterschied erklärt sich ohne weiteres daraus, dafs plau-i,
iiu-i u. s. w. das i nicht unmittelbar hinter dem Tonvokal hatten
-wie ploi, hiii. — Ganz wie das Nordfranzösische verhält sich das
Provenzalische : fiz^ pris, quis, tinc, eil, vingt, tuit, dann auch
noch wenigstens in den ältesten Denkmälern auselj Phir. aueü
Boet. 227. Gegenüber dem Französischen scheint es auch Attrak-
tion bei aic (habui) zu zeigen, nicht bei volc. Da aber sonst kein
t«-Perfect Epenthese zeigt (saup, jauc, dec), ebensowenig die Per-
fecta auf -as (remas), so ist es wahrscheinlich, dafs 1. -aic 3. -ac
erst gebildet Avorden ist nach 1. fiä 3. fo. — Auch das Spa-
nische und Portugiesische gehen wenig weiter als das
Französische. Sie lauten e, o um, wenn nur einfacher Konsonant
zwischen den zwei Vokalen steht : span. hiee, vine, quise, prise,
hübe aus liohi, yugue, trvje, supe, aber veinte. Über span. 2. Sg.
-iste s. die Formenlehre. Dann sind noch veni, *tefii zu nennen,
die zunächst zu vevi, ted geworden sind, woraus ven, ten. Früh-
zeitig ist i zu e geworden, dem nadi Cid 25, ellij essi, esti, otri Berceo
steht heute eile u. s. w. gegenüber. Vielleicht sind jene Formen
dialektisch, vgl. noch heute venu, acudisti, tardi, Uli und eUi, isti,
aquisti im AstUrischen. Interessant ist nadie: man sieht daraus,
dafs der Vorgang , wie presi zu pris€ wurde , ähnlich ist wie im
Aretinischen : presi, presye, prise. So nadi, nadye, das bleibt,
vgl. aber galizisch naide. Im Portugiesischen sind die Be-
dingungen dieselben : fiz, quis, mm, dagegen bleibt au : houve, ou
wird u: pude (3. Sg. houve — pode), gal. houben aber pwirfm,
pusen (posui). — Merkwürdig ist das galizische en als Vertreter
von i, in dem eine lautliche Entwicklung zu sehen kaum angeht.
322. Wenden wir uns endlich nach Oberitalien, so zeigen
die alten Texte von Venedig bis Mailand Umlaut des e, g und
Erhaltung des i, die heutige Sprache hat, soweit sie nicht vom
Schriftitalienischen beeinflufst ist, das i nicht mehr, immerhin
bewahrt mail. vint und -et PI. -it noch eine Spur des einstigen
Zustandes. Sodann bietet das Bolognesische jje?7 Plur. pil, -ft
Plur. -et, p§ PI. pi, lintsol PI. lintsu, fazol fazu u. s. w. Das
Piemontesische und Genuesische dagegen halten sich fern. Letz-
teres attrahiert i nach n: eain, main , sain (heute kän u. s. w.
§ 233), hoin, bocoiny alcuin, graindi , fainti. Nähern wir uns
17*
260 I- Kapitel: Vokalismus. § 322, 323.
der Lombardei, so bietet Varallo an der Sesia die interessanten
Formen: poJc PI. poik, Tcolp Jcoi}), gron groin, -or -oir, fio fioi,
luf luif, ncef noeif, teston testoin, k'aif, gait, piait, saiss, vor n:
Icen, tent ■ — Aber schon in Barbania (Turin) begegnet regel-
mäfsig Plur. e zu Sing, a: traf tr§f, rat r^t, im Canavesiscben i
kän gät, in der Val Maggia : mar m§r, tal t§l, alt ^It, quant guenk'^
Ebenso wird hier nicht nur e — i zu i, wie in den alten Texten,
sondern auch {? — i: nerh nirh, ferner das aus p entstandene
(§ 214): new niw (novus); dann o zu oe: ost oest, g zu ü: rgvul
rii/vul, fio fiü, sarto sartü. — Das Verbum zeigt mehrfach Ab-
weichungen : in der Val Maggia ist der Verbalumlaut von a
nicht §, sondern e. Das erklärt sich wohl daraus, dafs das ^ der
2. Sing, sich länger hält als das des Nom. Plur. Darüber mehr
in der Konjugationslehre. Umgestaltungen der Konsonanten
scheinen auf diesem Gebiete nicht vorzitkommen , sehen wir ab
von quanti u. dgl. Kap. IV und von den § 320 genannten
Fällen.
Vgl. C. Salvioni, Effetti dell'-I sulla tonica , Arch.
Glott. IX, 235—248.
323. Es ist also hier der Umlaut ein sehr wichtiger mor-
phologischer Faktor geworden. Es fragt sich nun, ob die ver-
schiedenen Fälle alle gleichaltrig seien, ob also stets das i ge-
wirkt habe ohne Rücksicht auf die Zahl der vorhergehenden
Konsonanten oder Silben oder auf die Qualität des betonten
Vokals , oder ob nicht die Analogie mit im Spiele sei. Für die
letztere Auffassung kann etwa Folgendes ins Feld geführt werden.
1. Bleibt tonloser Vokal in Proparoxytonis, so wird er meist a: Idras^
der Plural lautet trotzdem leras, ebenso martur mertur , frassan
fressan. Man könnte folgende Reihenfolge annehmen : lares PI.
leris, dann laras leras. Näher liegt aber die andere Annahme, dafs
laras = larice und larici nach tal tel umgestaltet woi'den sei. 2. Die
Worte auf icus ici gehen im Sing, und Plur. auf i aus , zeigen
aber doch Umlaut : salvadi PI. salvedi. 3. Zu '^rarius rairu lautet
der PI. r§iri. 4. Der Umlaut i aus e = €e findet nur da statt, wo
oe zu e wird : es kann also kir nicht auf kür = cori zurück-
gehen, sondern ist von ker aus gebildet. 5. Familiennamen, wie
immer die Endung sei, lauten um, sobald sie im Plural gebraucht
werden : Sg. al sor Soldati PI. i Soldpti , so i Meza , i Pomita , i
§ 323—325.
-I in Oberitalieu.
261
Kirnt. 6. e wie e lauten gleichmKfsig- um, währeud aber letzteres
keine Ausnahmen zeigt, ist bei ersterem der Umlaut nicht streng
durchgefllhrt : dort ist er oi'ganisch, hier analogisch.
324. Sehen wir von den Fällen ab, wo auslautend i und ?f
gleichei-weise auf den Tonvokal wirken, so bleibt für Süditalien
hauptsächlich der Umlaut von a zu e bei folgendem i zu er-
wähnen, der aber auch nur in beschränktem Umfange vorkommt :
nur in den Abruzzen, nicht in Campobasso und den neapoli-
tanischen Mundarten, obschon überall hier -i zu § abgeschwächt
wird. So also in Gessopalena: 2. Icend^, 3. Sg. Icand^, Impf.
Jcandiv§ ; in Teramo : 2. Sg. Mnd§, 3. Sg. hand^ , Impf. -iv§, pann^,
PI. pinn§; ann§, PI. mn§.
d) Die Nachtonvokale.
325. Es ist § 28 bemerkt worden, dafs der tonlose Mittel-
vokal von Proparoxytonis schon im Vulgärlateinischen gefallen
ist zwischen r'w, r^d, Tm, l'd, Vp, s't, ferner in frigdus und
domnus^ deren zweites schon bei Plautus belegt ist.
hier in Kürze die romanischen Belege folgen.
Lat.
Rum.
Engad.
Ital.
Frz.
Span.
liat.
Rum.
Engad.
Ital.
Frz.
Span.
ERMU
ermu
ermo
erm
yermo
FALTA
falta
faitte
falta
Lat.
Rum.
Engad.
Ital.
Frz.
Span.
VIKDE
verde
verd
verde
vert
verde
VOLTA
veulta
volta
voute
vuelta
BUXTA
busta
holte
CALMÜ
cahno
chaume
SOLTA
solta
sollte
suelto
FRIGDÜ
fraid
freddo
froid
CALDU
cald
Ti'aud
caldo
chaiid
caldo
COLPÜ
Culpa
coup
(golpe)
DOMNU
domn
dumm
domta
dam
dueüo.
Es mögen
SOLDU
soldo
Saud
sueldo.
POSTÜ
adapost
pcest
posto
-pöt
puesto.
262 I- Kapitel: Vokalismus. § 325, 326.
Für griech. pölypus finden sich siz., kal. purpu, ital. polpo^
span. pvilpo u. s. w., aber sard. polipu, frz. pienvre. Span, frio
alt frido scheint auf frigidus zurückzugehen. Ein weiteres
Beispiel ist noch span. anelto = anhelitus. — In allen anderen
Fällen hat sich entweder der Vokal bis heute gehalten : dann
bleibt zu untersuchen, ob er seine Farbe bewahrt hat; oder aber
er ist gefallen : dann fragt sich, unter welchen Bedingungen und
zu welcher Zeit. Im Lateinischen ist der Vokal meist i oder e,.
nur vor l und zuweilen vor r: u, o. In griechischen Wörtern
und in lateinischen mit betontem a erscheint wohl auch a:
lampada, cannabis, monachus, anatem u. s. w. Das a leistet
stärkeren Widerstand als e, i. Wir können nun die romanischen
Sprachen in zwei Klassen sondern, deren eine im ganzen die
daktylische Betonung beibehält, also den Nachtonvokal bewahrt,
während die andere trochäische Betonung verlangt, also den
Vokal tilgt. Der ersten gehört Rumänien, Osträtien und der
gröfste Teil Italiens an, der zweiten die Emilia, das Westrätische,.
Gallien und die iberische Halbinsel. Im einzelnen aber sind
noch mehrfache Unterschiede zu machen : auch dort tritt häufig,,
und nicht tiberall unter denselben Bedingungen, Synkope ein,,
hier ist sie nicht in allen Fällen gleich alt.
326. Zunächst zeigt tonloses a eine andere Behandlung als
tonloses e, es wird weniger leicht synkopiert. Im Spanischen,,
wo e vor n ausfällt, bleibt a : cuebano, huergano, huerfano, tabano,
sabano, rabano, pampano (vulglat. pampanus = pampinus), tem-
pano, pielago, alago, estomago, canamo, gambaro, farfara. Ebenso
erklären sich frz. foie aus ^fecatum (§ 604), moine aus monacus,
woraus monei, monie, moine, pampre aus pampanus, timbre aus
tympanum, *timbanum. Dagegen wird coffre ein Buchwort sein,
da es keinen Diphthongen aufweist. Sonst fallt es auch im
Französischen, vgl. chanvre afr. chanve, wie afr. tenve aus tenuis.
Interessant ist seigle aus secale (§ 604). Nachdem altes cl schon
? geworden war, aber bevor ca sich zu i schwächte, war es (über
secole?) zu segle geworden. — Im Rumänischen wird es ä:
polare, oarfänü, Lasar, daher cetera auf vulglat. citera zurückgeht,
galben auf galbinus, palten hat sich an carpen angelehnt. — In
Alatri wird es §: säbb§t§, St§f§n§, trap§n§ u. a., beachtenswert ist
§ 326—328. A in Nachtonsilbe. 263
mamma — mdmm§ta, mana — man§l§, lassa — lass(n§. Dieselbe
Abßchwächiing von a im Wortinnem findet sich auch in Campo-
basso und den Abruzzen. — Im Piemontesischen und in Val
Soana wird a zu e, im Hiatus zu j, vgl. Kteven, keveno aus kenevo,
fidie, gavya aus gabata, anya aus anata. — Ven. lampeda,
stomego, spareso, hanevo. — Einzelsprachlich ist zuweilen -icu an
Stelle von -acu getreten: Lecce stomeku, moneJcu, siz. stomiJcu,
moniJcu, Span, monje ist wohl sicher französisches Lehnwort.
327. Für e, i tritt teils i, teils e, für ii, o teils o, teils u
ein, die Verteilung ist dieselbe wie vor dem Tone, s. § 358 ff.
Als eine Vergröberung des e ist das a im Tessin zu fassen :
kälas, pedan, frassan, terman, polas, lüganag, managa^ sübat,
woneben tivid , limpi sich leicht nach § 329 erklären, während
freilich tcessig, k'arig auffällig sind. Strenger ist Bergeil, wo ak
stets erscheint: stomak, tosak, auch ümak (humidus) u. s. w.
Auch im Engadinischen scheint a die Regel : pülas, foarhas u. s. w.,
wogegen das Friaulische i vorzieht, s. die Beispiele § 832. — Dazu
kommen nun aber noch eine Reihe einzelner Gesetze. Es kann
der Nachtonvokal umgestaltet werden durch die umgebenden Kon-
sonanten , oder er kann die Färbung des betonten oder des aus-
lautenden Vokals annehmen. Fällt der ihm folgende Konsonant,
so kommt er entweder in unmittelbare Berührung mit einem
Vokal, oder in den direkten Auslaut, was wieder besondere Um-
gestaltungen nach sich ziehen kann.
328. Bestimmte Wahlverwandtschaft zwischen Vokalen und
Konsonanten zeigt das Italienische: es fordert e vor r, o vor Z,
a vor m, n, seltener vor anderen Konsonanten, wenn nicht ein
Palatal vorangeht, und nur bei auslautend a, o: modano (aber
modine), äbrotano (und äbrotine), cotano, cofano, sedano, ehano,
GirolamOj Bergamo, attamo, monaco, cronaca, indaco, sindaco,
folaga, astrolago, orafo, giovane {a \o\\ giovano -aws'^), aher fiocifia,
amoscina, vendere, albero, rovere, gambero, farfero, gaspero, zucchero,
cetera, dehole, -evole aus -Ibile, hufolo , alt iitole, semola, nuvola,
und segola neben segala. Interessant sind Fälle wie muggine aus
mugil, garofana aus *caroßum, wo das i den entsprechenden
Konsonanten nach sich gezogen hat. — Sonst ist namentlich a
vor r beliebt : in Italien sind die Infinitive auf -are statt -ere
264 I. Kapitel: Vokalismus. § 328 330.
ein Cliarakteristikum des Senesischen gegen das Florentiuisclie,
also vendare, spegnare, gammaro, gasparo u. s. w., ebenso dei- Are-
tinischen, und der nördlichen Mundarten, z. B. ven. pevaro, Tcamara,
tsuTckaru u. a. Auch das Friaulische verlangt ar: numar, ajar,
polvar, pevar neben vendi (vendere), rori. — Im Eu manischen
erscheint i vor n, ä nach Labialen, wie in betonten Silben:
macin, asin, frasin, carpin, danach paUin, noatin, sarcinä (doch
oamenl) ; galbän, gemän, freamät, carpän (wird durch pältin auch
auf der älteren Stufe gehalten), geamät. In lature, iedurä liegt
Suffixvertauschung vor. — 0 vor r zeigt das Spanische in vibora. —
Z77 statt' ol gilt als Eigenart des Pisanischen gegenüber dem
Florentinischen : populo Sardo 31, picciulo 80, Napuli 82, izula
87, scapuli 88 u. s. av. Ebenso erscheint es im Genuesischen,
gerade wie hier auslavitend o zu u wird, vgl. nespua, lodua. Vor
r findet sich o im Altrömischen, vgl. collora Cola di Eienzi 437,
cammora 409.
Caix, Osservasioni sul vocalismo italiano 1875. —
Das Spanische zeigt mehrfach ein Suffix -igä, seltener
-igo statt -ega: albondiga, alberchiga, pertiga, haciga,
almaciga, aräbigo, alfostigo, codigo, tosigo, ferner lagrima:
der Grund der Ausweichung ist nicht klar.
829. Assimilation an die betonten Vokale zeigt sich mehr-
fach in Italien : siz. dtamu , astracu, saladu, ansara, annata,
saraco , marmaru , anasu , in Lecce : rdndani , pampane , auch
tronate = tonifra-^ sard. seneghe, henneru, leperi.
330. Nach dem auslautenden Vokal richtet sich der nach-
tonige namentlich im Aretinischen : annomo , annama, asono,
lettara, mekana, söllata, suhboto, ohhroco (Obligo), preddäka, äkko-
modo Plur. akkomidi; dimmolo = florent. dimmelo u. s. w. Die
Eegel scheint streng durchgeführt. Aus anderen Dialekten ist
vielleicht siz. stomuku zu erwähnen, sodann die 3. Plur. Perf.
auf -uru: misuru (misero), ebenso lautet die 2. PI. Impt. mit
angehängtem Pronomen: portatulu u. s. w., erutu = ital. eri tu,
2. PI. Impf. Konj. -assuvu; zweifelhaft bleibt: avfssumu: das
erste u kann dem m zu verdanken sein, vgl. putirumi ^^potermi. —
Sodann in Brindisi : poviri, skandili, angili aber kampunu, erumu,
erunu, stesuru, vommuru. — Ferner ist zu erwähnen, dafs in
§ 330—332.
Tonloser Mittelvokal.
265
Italien, wo e zu i, o zu ii vom Auslaut abhängig ist, auch der
tonlose Mittelvokal je nach dem Auslaute i oder e lautet, also
z. B. laudabele, laudahiM, ordena, femena, omini im altneapoli-
tanischen Regimen Sanitatis, fragel Plur. fragili , mirdbele Plur.
miräbüi, previdhi bei Bonvesin u. s. w.
331. Tritt der Xachtonvokal in direkte Verbindung mit
dem auslautenden, so bleibt er meist als i, vgl. span. Üvio^ lucio
11. s. w., friaul. piertie u. s. w. — Nur im Portugiesischen wird
er teils in die Tonsilbe gezogen, teils von dem Konsonanten
absorbiert: apg. coimo == cömedo, tibo , rango, sujo, Umpo,
termo , apg. termho , ludro , cliurdo , freixo , ruQo , ameixa , aber
gemeo. — Mittelvokal in direkten Auslaut gei-ückt zeigt nament-
lich das Rätische und Provenzalische. Dort erscheint er meist
als i, hier als e. Vgl. eng. Medij tevi, miedi, moni (also wieder
*monicns). Dagegen scheint das i in § aufzugehen, vgl. es (acidns),
raun§, mars u. s. w. Provenzalische Beispiele s. § 337.
332. Die Bedingungen, unter denen die Synkope eintritt,
sind, wie schon § 325 angedeutet ist, sehr verschiedene. Bevor
näher darauf eingetreten werden kann, mögen die wichtigsten
Beispiele tibersichtlich vorgeführt werden.
Lat.
POLLICE
PULICE
FILICE
SORICE
SALICE
Rum.
purece
ferece
§oarice
sälce
Engad.
l)o1a§
pulah
fem
—
säli§
Friaul.
—
puls
—
— ■
—
Ital.
2}ollice
pulce
felce
sorce
saldo
Emil.
pdlsa
poJsa
felsa
sorg
sals
Mail.
polles
pures
fires
—
sales
Frz.
ponce
puce
—
—
sausse
Prov.
poiise
piuse
feuse
—
sause
Span.
—
pulga
—
sorce
sauce.
Lat.
DODECI
FOKBICE
MANICU
-ATICÜ
PEDICA
Rum.
—
foarfeci
—
-atec
piedicä
Engad.
dudesch
for§
mank'
-edi
—
Friaul.
dodis
fuarfis
mani
-adi
piedie
Ital.
dodici
forhici
manico
-atico
pedica
266
I. Kapitel:
Vokalismus.
§ 332,
Emil.
dodz
forlz
mandg
-adg
pedga
Mail.
dodes
forbes
maneg
-adeg
—
Frz.
douze
force
mange
-age
piege
Prov.
dose
forfes
marge
-atge
petge
Span.
doce
—
mango
-azgo
piezgo.
Lat.
MANICA
NATICA
PEETICA
VINDICAT
CUBITU
Rum.
—
—
—
vindecä
cot
Engad.
mangd
—
—
vendik'a
Jcumbel
Friaul.
manie
nadie
pertie
(svindike)
—
Ital.
manica
natica
pertica
vendica
gomito
Emil.
mandga
—
—
—
gomt
Mail.
manega
—
pertega
—
gowibet
Frz.
manche
nache
per che
*vanche
coude
Prov.
marga
—
perga
venga
cobde
Span.
manga
nälga
piertega
venga
codo.
Lat.
DEBITU
BIBITU
LEVITU
DIGITU
PLACITXT
ßum.
—
hat
—
deget
—
Engad.
deivet
—
—
daint
plaid
Friaul.
—
—
—
ded
plad
Ital.
detta
hettola
lievito
dito
piato
Emil.
—
—
levd
—
—
Mail.
debet
—
—
det
—
Frz.
dette
—
—
doigt
plait
Prov.
deute
—
—
det
plaid
Span.
deuda
beodo
leudo
dedo
—
Lat.
VOCITU
COMITE
SEMITA
AMITA
AMITE
Eum.
—
—
—
—
Engad.
voed
—
semda
amda
Friaul.
vuaid
Tiont
semide
ane
Ital.
vuoto
conte
semita
—
Emil.
vot
Tiont
—
—
Mail.
vcei
Jcont
—
ameda
Frz.
vide
conte
sente
tante
Prov.
vueid
conte
senta
anta
ante
Span.
—
cuente
senda
—
anda.
§ 332.
Tonloser Mittelvokal.
267
Lat.
NITIDU
MUCIDU
FRACIDÜ
SUCIDÜ
VISCIDU
Eum.
netecl
mmed
fraged
—
ve§ted
Engad.
neidi
—
—
—
—
Friaiil.
nett
moSid
fraid
(sozz)
—
Ital.
(netto)
—
fradicio
sozso
viscido
Emil.
nett
—
—
—
—
Mail.
net
—
—
—
—
Frz.
net
moUe
—
surge
—
Prov.
net
muide
—
—
—
Span.
(neto)
mostio
—
soliez
—
Lat.
MAJRCIDÜ
RAPIDU
RIGIDÜ
LIMPIDU
TEPIDUS
Rum.
marced
räped
—
limpede
—
Engad.
marä
—
—
—
tevi
Friaul.
marts
—
—
limpid
tivid
Ital.
marcio
ratto
reddo
(limpido)
tepido
Emil.
metis
—
—
—
tivd
Mail.
mar§
ratta
—
lamped
teved
Frz.
—
rade
roide
—
tiede
Prov.
—
—
rede
—
tele
Span.
march-ito
raudo
recio
limpio
tivio.
Lat.
HEBDOMAS
DECIMU
PKOXIMU
MmiMU
-AGINB
Rum.
—
—
—
—
—
Engad.
eivna
deäma
prossem
—
-e§en
Friaul.
—
gesime
—
—
-ain
Ital.
edima
decimo
prossimo
menomo
-aina
Emil.
—
—
—
—
—
Mail.
—
—
prossem
—
-anna
Frz.
emme
dime
proisme
—
-ain
Prov.
—
deime
proisme
merme
-age
Span.
—
diezmo
—
merma
-en.
Lat.
FRAXINU
CABPINU
HOMINE
PEMINA
JUVENB
Rum.
fr assin
car2)än
oameni
—
june
Engad.
fraissen
—
umaeus
femna
guven
Friaul.
frassin
k'arpin
iimirl
femine
dzovin
Ital.
frassino
carpine
uomini
femmina
giovane
268 I- Kapitel: Vokalismus. § 332^ 333.
Emil.
frassin
Tierpan
Oman
femna
dsovan
Mail.
frassen
Jcarpen
omen
femena
guven
Frz.
frene
Charme
homme
femme
jeune
Prov.
fraisse
carpre
ome
femna
jovne
Span.
fresno
carpe
homhre
hemhra
joven.
Lat.
PECTINE
rusciNA
RETINA
VEKDERE
FULGÜRE
Eum.
peiHine
—
—
vinde .
fulger
Engad.
pettan
—
—
vender
—
Friaul.
Xnetin
—
redine
vendi
—
Ital.
pettine
fioscina
redina
vendere
folgore
Emil.
petan
—
—
vendar
—
Mail.
petten
frosna
redena
vend
—
Frz.
peigne
—
rene
vendre
foudre
Prov.
2)ende
—
rena
vender
fouzer
Span.
peine
—
rienda
(vender)
—
Lat.
NUMERU PULVERE CAMERA CINERE
Eum. numh
pulbet
•e camara —
Eng;
ad. numer puolvra Jc'amhra —
Friaul. numar spolvar Icamare —
Ital.
novero polvere camera —
Emil. nomar polvar camara tsendar
Mail
1. numet
j)olver
hamera cener
Frz.
nomhre poudre chambre cendre
Prov. nomhre poudra camhra cendre
Span. —
—
—
333. Am wenigsten Abweichungen von der Regel zeigt das
Eu manische: ciiscru , alb. kni^k zu consocer findet seine Er-
klärung in Kap. IV, oder aber es steht unter Einflufs von
cuscrenfe, incuscresc. Auffallig in seiner Vereinzelung bleibt salce,
bei dem die Synkope älter sein mufs als der Übergang von inter-
vokalischem Z zu r* § 457. Im Mazedonischen fällt das im direkten
Auslaut bewahrte Plural-i vor dem angehängten Artikel : arhorli,
in einzelnen Mundarten auch andere Vokale zwischen zwei
Sonanten : lingra, gonle. Einer besonderen Besprechung bedarf
noch die Verbindung hef, hei, wo gemäfs § 442 das b ausfällt.
Wie auslautend he zu hä, o wird, so erwarten wir auch inlautend
I 333—335. Tonloser Mittelvokal. 269
0, und dies erscheint in der That in preot, imd kann einst be*
standen haben in cot. Auch nour älter ntior erhält ö statt li
nach § 180 und dissimiliert dann noor zu noiir. Daneben steht
hat, aus älterem *haot, das o ist dem a assimiliert.
334. Im Rät i sehen ist der Unterschied zwischen Osten
und Westen hervorzuheben; während der Osten kaum synkopiert
und dadurch in bemerkenswerter Übereinstimmung steht mit dem
Venezianischen, tilgt der Westen den tonlosen Mittelvokal bei
auslautend rt, behält ihn sonst bei, mit anderen Worten: das
Synkopierungsgesetz ist hier jünger als das vokalische Auslaut-
gesetz: manicum wird manic, mdnica über manig'a zu mcmga.
Erwähnenswerte bündnerische Beispiele sind noch: obw. m€i(li=^
mediciis, risti (rtisticus), dumiesti (domestiais), dumeinga (dominica)
u. s. w. Eng. mank' ist wohl wie frz. manche (§ 386) erst
nach dem Feminin umgestaltet, ebenso obw. Icret nach Iretta.
Das Unterengadinische scheint übrigens weiter zu gehen in der
Synkope, vgl. puls, j^oU, fors. Statt spirt erwartet mau spiri:
das Wort gehört jedoch der Kirche an. Die Grenzen zwischen
Ost und West sind noch genauer zu untersuchen, dem Westen
schliefst sich das Bergell durchaus an. — Im Friaulischen ist
afie auffilllig in doppelter Hinsicht: weil es sein t verliert, und
weil das sekundäre i mit dem n sich zu w verbindet. Aber
man beachte die singulare Stellung des Kosewortes. Nett ist
wohl Lehnwort aus der Schriftsprache.
885. In Oberitalien begegnet zwischen Westen und
Osten ein ähnlicher Unterschied wie im Rätischen: das Vene-
zianische ist der Synkope noch abgeneigter als das Toskanische,
vgl. pulese, felese, salese, das Bergamaskische stellt sich im ganzen
zum Westrätischen, das Mailändische synkopiert stets bei s^fia,
s'ma und bei l'ca, fga, nicht aber in anderen Fällen. Aber
weiterhin bleibt im Genuesischen fast stets, im Piemontesischen
aufser vor n der Mittelvokal bestehen, vgl. gen. lendena, piem.
lendna. Hervorzuheben ist noch, dafs das Veronesische , im
Gegensatz zum Paduanisch- Venezianischen , vor r synkopiert,
womit es sich dem Lombardischen nähert, vgl. esro, planqro,
deshatro, perdro, cendro , lettra, camhra u. s. w. — Wo aber auf
diesen Gebieten der Vokal schwindet, da geschieht es stets nach
270 I- Kapitel: Vokalismus. § 335^ 336.
Erweichung der alten harten Verschlufslaute. Das T o s k a -
n i s c h e setzt zunächst das lateinische Gesetz von der Synkope
in der Verbindung s't fort, interessant ist da namentlich 2. PI.
Impf. Konj. -aste, ferner innesta^ oste, cesto, rovisto, aber mescita,
crescita, dann sc: vasca, hrasca, pesca, tosco; bei l -{- Ö: selce und
tralce (aus tralice § 591), r -\- c, g: chierca, sorco, vargo , erga.
-Aggio aus -atico stammt aus dem Französischen. Über magnare
s. § 343. Ob bei hit Synkope eintritt, bleibt unsicher, da altital.
mälatto und detta der Entlehnung aus dem Französischen ver-
dächtig sind , '^prebiter bleibt prevete, woraus preete prete § 442,
conte ist proklitische Form, endlich netto zeigt Attraktion der
beiden Dentalen, wenn es nicht etwa wieder französisches Lehn-
wort ist; bei ratio kann man zwischen rapidus und raptus
schwanken , doch vergleicht sich cutretta und siz. cretta aus
crepita. Beddo aus rigidus neben madia und dito scheint durch
freddo in seiner Entwicklvmg bedingt worden zu sein. So bleiben
für Synkope nur noch soszo, lazzo, muzzo^ über welche § 536, und
pancia, das sich wie mattinwm erklärt, § 341. Vereinzelt stehen hurro,
maremma, lepra. Aus den übrigen Mundarten ist kaum etwas
zu erwähnen: die Synkope in pulce u. s. w. kennen wie die
nördlichen, so auch die südlichen Mundarten (neap., siz., sard.)
nicht, dagegen ist spirdu aus Spiritus weit verbreitet, ferner stellt
sich das siz. purdi, suröi in einen gewissen Gegensatz zum Nea-
politanischen : aber auch hier silidj salaciu, ilici u. s. w.
336. Wie schon § 325 gesagt ist, führt das Französische
die Synkope mit der denkbar gröfsten Strenge durch und zwar,
wie aus § 313 erhellt, gleich dem Rätischen nach dem Wirken
der vokalischen Auslautgesetze. Zuerst ist das i gefallen bei
Wörtern mit auslautendem a, und zwar bevor die intervokalischen
Verschlufslaute tönend wurden, daher sente, manche, naclie, mor-
dache = *mordatica, bete farouche aus bestia ferotica (ferox nach
süvaticus umgebildet), coutes Chev. 11 esp. 5780, 10782 = cvihUa,
ostfrz. moleta = mälJiäbita neben afr. mange (manicu), coude =
cubitu, malade, bei denen der Ausfall in die Zeit nach dem Über-
gang von t in d ftlllt. Ohne Rücksicht auf den Auslaut ist i
schon in der ersten Periode geschwunden bei anlautend l:
auques, puce, das scheinbar widersprechende yeuse ist proven-
^ 336 — 338. Ausfall des Mittelvokals. 271
zalisches Lehnwort; ebenso harge und serge. Geht dem ? mehr-
fache Konsonanz voraus, so tritt die Synkope erst in der zweiten
Periode ein, daher forge, gange. — Eine dritte Klasse von
Wörtern, die jedoch alle gelehrt sind, behalten den Vokal als §
im Altfranzösischen: angele, imagene u. s. w., s. darüber § 339.
337. Das Provenzalische bedarf noch genauerer Unter-
suchung; die nördlichen Dialekte, wie der von Rouergue,
scheinen im ganzen zum Französischen zu stimmen, während die
südlichen die Synkope stets nach Erweichung der Tonlosen ein-
treten lassen, ebenso natürlich das Katalanische. Bearn. fauJce
würde somit ein vulglat. fulca verlangen; es kann aber auch g
nach au zu k geworden sein, vgl. § 432. Zu der ersten Auffassung
pafst, dafs dui-ch span. floja foclia ein fülc'la gesichert scheint.
Alter als die Synkope ist der Ausfall des d, bezw. sein Über-
gang zu z: tebe, rege, Fem. tehezo, regeeo u. s. w., was dann viel-
fach ausgeglichen wird : Mask. teheg, oder Fem. tehio. Auch n ist
eher gefallen : fraisse, ase, kasse, pampo, aber penöe, perle aus
pedine, vgl. das Portugiesische § 338. Unter noch zu ermitteln-
den Bedingungen bleibt auch ica als ego : junego, senego, manego
neben mango, gask. salige, toiirige neben iourgo.
338. Im Westen fiel e, als <, c, p schon tönend waren,
es bleibt jedoch bestehen bei mehrfacher Konsonanz im Anlaut:
albega, Idbrego, huesped , orden , cercen u. s. w. ; jueg neben juzgo
ist wohl alter Nominativ, wie piedra pomez. Ferner scheint auch
hier bei auslautend a der Vokal eher geschwunden zu sein : agua
rauda, lauda neben tivio, turbio pudio u. s. w. Im Portugie-
sischen ist sin am frühesten vor dem Ausfall des n zu sn ge-
worden : asno, cizne, durazne, auch cerne, daneben hvcio, während
sonst die Synkope des Vokals unterbleibt und n fällt: femea,
gemeo, -inem wird durch das Auslautgesetz zu em, m, das meist
als em bleibt, doch pente und trempe aus trepine statt trepide, vgl.
sard. trebini. Endlich derengar aus derenicare zeigt ebenfalls
frühe Synkope. Poi-tg. greita aus crepita wird durch greuta,
creuda, crebda zu erklären sein, nicht klar sind eido aus a{d)iiu,
peido (peditu) neben creito (cre(d)itu). Altes btt bleibt: covado,
bevodo, duvida.
272 I- Kapitel: Vokalismus. § 339^ 340.
339, Endlich kann der Mittelvokal bleiben und die ganze
Schhifssilbe fallen. So im Monferrinischen : hadzo (hajulns), eho
(ebulum)^ roo (rotulus), azo (asinus), erbo (arhore), furgo, preve
(*pr€hiter) , ende (indice) , pore, woneben nun pürs (pulce), fers
(felce) auf ältere Synkope weisen. — Sodann hat das Französische
seit dem XII. Jahrhundert sich aller Proparoxytona entledigt, es
hat also in den § 336 erwähnten gelehrten Bildungen ebenfalls
durch Abwerfung der Schhifssilbe den gewöhnlichen Rythmus
eingeführt: ange, vierge, image.
840. Es ist bis jetzt tonloser Mittelvokal nur in den Fällen
betrachtet worden , wo er im Lateinischen zwischen zwei Konso-
nanten bestanden hat. In der That sind schon im Vulgär-
lateinischen alle Proparoxytona, deren Mittelvokal mit dem Aus-
laut im Hiatus stand, paroxyton geworden durch Reduktion und
Konsonantisierung eben des Mittelvokals : also -io, -eo sind zu
io, uo zu uo geworden. Die Schicksale dieses i und o können
erst bei den Konsonanten bespi-ochen werden, s. § 501 ff. Es
bleiben nun aber i, u unter Umständen vokalisch und zwar einmal
in Erbwörtern, wenn der Schlufskonsonant eine enge Verbindung
mit i, u nicht gestattet, dann aber namentlich in Buchwörtern.
Dann giebt es für die Behandlung dieser Mittelvokale im Hiatus
zwei Möglichkeiten, sie bleiben bestehen und treten, wenn die
Auslautgesetze den Fall des zweiten Vokals fordern, in den
direkten Auslaut , oder aber sie werden von der Tonsilbe attra-
hiert. . Diese letztere Erscheinung findet sich namentlich im
Französischen und Portugiesischen, fehlt aber auch den anderen
Gebieten nicht. Der Fälle für attrahiertes u giebt es wenige,
schon darum, weil u überhaupt selten ist. Zu erwähnen ist
aqua § 235, lingua § 77, obw. lienga, pAeung = pingue, dunk^=
'^cinque. Tax. diesem im nördlichen Frankreich : chiunch Ponth.
25, 8, chiunk 35, 7, cieunc Aire F . 7 , cienc E. 10, chiunJcante Fh.
Mousk. 11262, und so heute pik. söJc. Ferner mirand. iuga =
equa, andal. estauta , perp)euto^ tauba, reuga u. s. w. — Weit
wichtiger ist die Attraktion des i. Soweit es sich dabei um Erb-
wörter handelt, mag auf § 501 ff. verwiesen werden. In Buchwörtem
bewahren die ältesten, namentlich die in England geschriebenen
Handschriften -ie, vgl. sacrarie, glorie, memorie, palie im Alexis^
§ 340 — 342. Tonloser Mittelvokal im Hiaüis. 273
vidories, palies im Eoland, testimonie, glorie, ivorie in Karls
Keise u. k. w. Daraus entsteht dann memori , glori u. s. w.
im Brut, und weiter die neuenglischen Formen memory , glory,
ivory \i. s. w. Auf dem Festland dagegen wird i attrahiert:
gloire, memoire, so paile aus pallium, u'de aus olca, estuide später
etude aus estudie, und so moine aus monachus § 326 u. s. w.
Diese oi, ai, ui werden dann weiter entwickelt wie die alten,
also oi im Zentralfranzösischen zu uä, im Pikardisch- Wallonischen
zu 0. Das Provenzalische dagegen tilgt den Auslaut und läfst i
an seiner Stelle, darin also völlig dem Anglonormannischen
gleichend : palt, ueli, emperi, estudi, evori u. s. w., und so accordi
aus *accordium, concordi u. s.w. — Im Italienischen und Spanischen
bleiben 20, ia in Buchwörteru, im Portugiesischen dagegen findet
wieder Attraktion statt und zwar in viel stärkerem Mafse, als es
von der Schriftsprache anerkannt wird , also : chuiva = plut'ia,
Astuiras, murmuiro, aidro u. s. w. — Über eine besondere Be-
handlung von -uu s. noch § 382.
e) Die Vortonvokale.
341. Unter Vortonvokalen werden nicht alle tonlosen Vokale^
die dem Accent vorangehen, verstanden, sondern nur die un-
mittelbar vor der betonten Silbe stehenden in Wörtern, die den
Accent auf der dritten haben, wie armatiira. Solche Wörter
tragen schon im Vulgärlatein einen Nebenaccent auf der ersten:
drmatüra; die erste Worthälfte ist darin genau denselben Aus-
lautgesetzen unterworfen wie die zweite, es wird also z. B. a im
Rumänischen zu ä, im Provenzalischen zu o, im Französischen
zu e ; e, i, o, u fallen im Französischen, Provenzalischen, Rätischen,
u im Rumänischen. Es stellen sich dann auch hier zum Teil
dieselben Fragen über die Ausfallszeit, über die Qualität des
gebliebenen Vokals, wie bei der Behandlung des tonlosen Mittel-
vokals § 326 if. In die vulgärlateinische Periode scheint nur
ein Beispiel zu reichen: mattinus aus mdtutinus: hier ist der
tonlose Vokal zwischen den beiden identischen Konsonanten aus-
gefallen.
342. Im Rumänischen also wird a zu a, u fällt; a stellt
sich als Bindevokal vor Suffixen auch au Stelle von e, i ein, vgU
Meyer, Grammatik. 18
274 I- Kapitel: Vokalismus. S 342 344.
fumätor, afundäturä, jurämint, danach: frmgätor, fiigäfor, cäzä-
mmt, asternäturä, hunätate u. s. w. — Beispiele für den Schwund
von u sind selten : exsucare wird zu wsca, interrogare zu *int€rgud,
entrebd, also beide Male nicht direkter Ausfall. — Aus gravUate
wird greotate nach § 311 , nicht recht klar sind pämtnt aus
pavimentum, vielleicht liegt auch hier xiäämtnt zu Grunde, und
späimint, *expavimentum. Vereinzelt sind destul aus desätul,
amndr neben amindr, indemnd zu minare, mäncd aus manducare,
frumseatä aus *formositia, hätrin, vesmint, mormint, surüpä, surpa,
uitä, ultd, maz. invirina, inverndre = invelenare.
343. Im Italienischen fallt e nach r, l, n: cervello, vergogna,
älcuno, beltä, cavalcare, -elmente, vorrö , bontä, vantare, santä,
cominciare, ebenso o nach n : pianforte, pianterreno, i, e zwischen
s und t: destare, mastino, costura, zwischen s und c: riscare, d'c:
dozzina, st-d: fuscello. Interessant ist andare aus ambitare neben
-contare aus compitare = computare, ferner leccornia und ghiottornia.
U fällt in improntare. Wie mattmum sind zu beurteilen menzogna
aus mentitionea und baratlore aus barattatore. — Am jüngsten ist
der Ausfall nach r, er tritt erst ein, nachdem c zu g, b zu v
gewoi-den sind. Nicht toskanisch, sondern römisch scheint magnare
aus mandicare zu sein.
344. Am wichtigsten wird das Synkopierungsgesetz fürs
Französische. Hier erhalten wir : afr. armeure , empereor,
chanteor, ossement, chaelit, pareis, comperer u. s. w. , aber mit
Ausfall von e: coütume, verrat, berger, blämer, vergogne; e:
cerveau; %: dortoir, viendrai, mounier , racine; i: beaute, sante,
donter, mermer, clergon; ö: octroyer , barnage, maisniee, araisnier;
e: marbre, arbroie; ü: petrir, ceintrer; ü: sablon, sanglier, onglee
u. s. w. Es bleibt aber e, i, o, u nach Kons. -\- r: larrecin, enterin,
pelerin ; nach mn : demoiselle. Ferner, wenn zwischen Vorton-
vokal und Tonvokal mehrfache Konsonanz steht : soupegon =
suspectione; espoenter, courrouder, wozu auch U, ni gehören, die
dann vor sich i verlangen: aiguillon, Champignon, pavillon. Da-
gegen mesprendre = minuspr ender e, mestier = ministerium, mou-
stier == "^ monister tum , vgl. ital. monisterio Cola di ßienzi 413.
Was die Zeit des Ausfalls betrifft, so spricht manches dafür, dafs die
tonlosen Laute schon tönend waren, man vgl. aufser einigen oben
tstehenden Beispielen l-andier zu amite, clerge, fougere, venger
^ 344, 345. Die Vortonvokale. 275
neben revanclie , jadeau neben jatte , plonger neben afr. ploncMer,
sente neben saintog. sertdkr, nicher aber saintog. deniyer, plait
neben plaidoyer (aber pyatye Urimenil). Nicht direkt dagegen
würden amistie, moitie, pitie sprechen: sie können ihr t von
anderen Bildnngen anf -te bezogen haben, pi<?e' findet sich aufser-
dem im Osten : Ysopet und Morvan, und im Westen : Katharina
von Poitou. Doch bleibt manche Dunkelheit; es scheint, dafs
jede einzelne Lautgruppe für sich betrachtet werden mufs : l't ist
früher zusammengetreten als l'c, wie hcaute neben fougere zeigt;
neben plaidoier steht daintie, das mit amistie wohl pafst; neben
berger, hergeaille afr. herchil und das sonderbare nfr. hercail. Die
ganze Sache bedarf noch sorgfältiger Untersuchung. Auch sonst
zeigen sich Schwierigkeiten verschiedenster Art : delicatvs erscheint
als deiigie' und als delie, decoraüis als diore: die beiden letzten
offenbar ganz gleich entwickelt, aber Avie zu erklären? Lat.
praedicare ist erst nach Wirken des Synkopegesetzes aufgenonmien,
und wird zu preecMer, ebenso, wie es scheint, impedicare:
empeechier. Aus mdladicere iind danach gebildetem *benadice)e
erklären sich afr. maleir, heneir, auch altital. maladetto, obw.
maladir. Hat sich nun oheir danach gerichtet?
345. In einer zweiten Periode fällt im Französischen der
Vokal, wenn der eine der beiden Konsonanten r oder l ist,
selten in anderen Fällen, wie z. B. sovpgon. So schon zum Teil
afr.: merveiUe (mereveille Ezechiel, Gir. Eoss.), serment, parvis,
dernier, denree, sevrer, larcin, comprer Aiol 7725, cource (cour-
rouce) Phil. Vign. 29, arter = arreter Gringore S. Louis 675,
7365, par^on (pare^on Froissart), so afr. dorrai, merrai u. s. w.
Seltener bei l: chalmer neben chalumeaii, albätre, chablis. Gerade
bei r nach Konsonanten zeigt das Altfranzösische ein gewisses
Schwanken: povei'in Alex. 20 e aus pauperinus, man erwartet
povrin, was auch vorkommt, torterelle neben tortrelle , heverage
neben heviage, souverain, marberin , chamberiere. Wie man sieht,
sind alles Ableitungen von Wörtern auf rc, es hat also offenbar
das Primitivum mit eingewirkt; unter Einflufs von 2^^'^'''^ tortre
wurden povrin tortrelle zu poverin tourtercll€\ vgl. noch § 388.
Weiter gehen oft die Mimdarten, z. B. neuenb. apld, öaüä, abstm',
arvd, devnd, €pnas§, fosnd (foisonner) u. a. Vgl. auch § 372.
18*
276 I- Kapitel: Vokalismus. § 345 348..
A. Darmesteter, La protonique non initiale non
en Position, Rom. V, 140 ff. Nach ihm wird die Regel
häufig das „Darmestetersche Gesetz" genannt.
346. Ganz dieselben Verhältnisse zeigt das Westrätische^
a bleibt, die anderen Vokale fallen, obw. dzavrar ist seperare
nicht separare, dann also eng. juvnel, varded, sunlont, avder,.
undro (onoratus), sanded, verguoda., dunsella, masder, masler
(mascellaris), pettnera, aber obw. laderniö; ferner maladir. Der
Unterschied zwischen dunMla und frz. demoiselle entspricht genau
dem zwischen frz. somme und obw. sien aus somnus.
847. In den italienischen Mundarten verhält sich
der Vortonvokal ähnlich wie der auslautende. Freilich fehlen
auch hier gerade für die Abruzzen noch genauere Angaben. In
Oberitalien mag das Mailändische hervorgehoben werden mit
masnd (macinare), lüsnd, disnd, setdss (seditarsi), womit § 335 zu
vergleichen ist. Daneben steht aber in ganz Oberitalien desseddr =
ital. destdre. Interessant ist noch ostlomb. higol aus umbiliculus :
die Synkope mufs hier zu einer Zeit eingetreten sein, wo hl noch
hi werden konnte. Das Emilianische synkopiert mit grofser
Konsequenz und sagt sogar: aptit, apste (appestare), dshes (disse-
carsi), Tzurptin, insuspti, arsptsne (*rispiccinare), imbde (inspiedare),
hdera (pisellaja), hudgir, hudzella, pundsell, vindgen (venticine), ftmget
(fondachetto) , vindor (venditore) , andge (annegare), tsampteri
(cimiterio) u. s. w. — Die südlichen Mundarten dagegen meiden
die Synkope und gehen eher weniger weit als das Toskanische,
vgl. aleJcuno bei Rusio, Nicolö de Bortona u. s. w. Doch sagt
das Siz. umgekehrt IcarJcari gegenüber ital. caricare, Lecce
erdate = veritate, farnaru = farinarius.
348. Im Westen ist die Synkope sehr beschränkt. Sie
tritt ein zwischen zwei gleichen Konsonanten: span. ligamba aus
ligagamba, cejunto neben cejijunto, miramolin neben miramamolin ;
malvisco aus malvavisco ; dann , wenn der erste Konsonant l ist :
delgado, helguera, corlar aus coh'ar , auch maisin aus malvesin;
zwischen s und n: coramada, maznar; wenn der zweite Konso-
nant r ist: desäbrido , lebrar, lebrero , ondrar, medrar, merino
Mufloz S. 31 a. 955; endlich wie nach dem Tone: caudiUo aus
capitellum, caudal , woneben räar auffällig ist; contar, endlich
§ 348—350. Die Vortonvokale. 277
hendecir, cornado, alnado aus antenatus § 535. Aus dem Portu-
giesischen verdient etwa noch Erwähnung arnado, arneiro zu
arena. Ferner ist hervorzuheben span. omhligo, aber portg.
•enibigo aus umhilicKS.
f) Die Alllautsvokale.
349. In erster Silbe erweist sich das a als der widerstands-
fähigste Lautj die umgebenden Konsonanten beeinflussen es in
vcrhältuismäfsig geringem Grade s. § 360 ff.; im allgemeinen
bleibt es bewahrt. Eine Ausnahme macht das Rumänische, das
■a im gedeckten Anlaut zu ä wandelt, und der nördliche Teil
des provenzalischen Sprachgebietes, namentlich Dordogne, Haut-
Limousin, Aurillac, Gabors, Die, Aveyron, Rouergne, wo o für a
eintritt. Also rum. cäzn zu cdd, cäläre zu cäl, däunez zu daun^
läudd zu Idud, aber im direkten Anlaut : arätd, adäpost u. s. w.
Rouerg. omilc, Jcohestrej Jcorrügo, sohüt, roke, loöügo, Icondelo, porld,
öbelo u. s. w. Auch ein Teil von Südostfrankreich schliefst
sich an , Fourgs : oliud^ (accorder), oväfo^e, patoge, opetit u. s. w.
Dagegen wird a im Lothringischen wie d § 258 zu §, vgl. aimin
Lot. Ps. 54, 13; qiimchiez 13, 3; peroJles 6, 1; person 15, 6
ti. s. w. ; erdiesce Ysop. 1066; essez 89'^ essamhle 914:'^ pesture 184:2
u. s. w. ; ainer, haiUe Ph. Vign. 49; chailloit 52, wozu noch
«ine Reihe umgekehrter Schreibungen kommen im Psalter und
Ysopet. So heute: p§se, §^e, s^pifi, ^mi, §put§ (aporter), §nye
(agneau), tr^veyi, ^hi, Im^sö, liftoK (qtmtorze) u. s. w. Ebenso in
Lüttich: derru^ er§r, desi, lese, res^n (racine) u. s. w.
Unklar ist die Verteilung von o und § in Urim^nil :
orgent, porrain, porot, orpente, orchure, ormaire, chornte,
chodon (chardon), gohJion (gar^on), also vor r, fogot, sohon
(Saison), töhhon, fotigue, odiant (gland), diogon , ecoye
(ecailler), hope neben braimer, saipin, saivu, peredis, pere,
pertege, pessege, redne, peture, ppv^ge u. a.
Auch das Friaulische zeigt eine grofse Vorliebe fllr e, i
statt a: rezon, telon, fevele, pe^-aule, lementar; gridizz, strissind,
ridriss, gridele.
850. Auch lateinisch 1 bleibt meist erhalten, abgesehen von
den § 358 besprochenen Erscheinungen. Also z. 13. rum. direg,
ital. primaio, tncino, inverno, cittä, frz. ivern, tnUain, die, tnsne^
278 I- Kapitel: Vokalismus. § 350, 35 K
tinel, span. invierno , primero, ciudad u. s. w. Eine Ausnahme,
bilden frixura, frixorium, die im Lateinischen 1, hatten, vgl. aneap..
soffressare, friaul. fersorie, ven. fersora, lecc. fersura neben friaul.
frissorie , gen. fri§oe = *frixeolum , '^fridalia , afriaul. fretaye und
fertaye, ven. fortaza. Sodann mJräbüia aber ital. meraviglia, frz.
merveille, asp. meravija. Ferner rum. cetate im Gegensatz zu
allen anderen Sprachen. Man erwartet cietate: denkbar ist, dafs
das i von dem d absorbiert wurde. In rum. derege, in span..
derecho liegt de- statt dl- vor, in rum. rädäcina statt *rädicina
Assimilation. Regel ist Übergang zu e in Lecce : reare (arrivare),.
detd, lenazze (zu inu, vinum), dedemieniu (zu dido), tezzune, in
Sturno (Principato Ult.) arrevata, Icastegd, Chieti : vesetd, reguroso,
351. Auch ü ist im allgemeinen geblieben und auf den
M-Gebieten (§ 47) zu ü geworden. Ital. puttana, umore, fuscello
u. s. w., span. rumor' u. a. , frz. puttain, pucelle, fuseau, obw.
pitanar, ftstaÖ u. s. w. Tonloses i neben betontem ü steht im
Tessin : mür aber mira^, ferner sidö, rimö, hiter (hutirrq) u. s. w.
Das Kumänische kann nicht in Betracht kommen, da es ü, ü,.
ö, ö auf eine Stufe stellt. Sonst verwickelt sich hier bei ü die
Sache, schon bedeutend. Einmal erscheint bald weiter, bald
weniger weit verbreitet o statt u: rumore: obw. rumur und
ramur , kat. ramor, agen. remor, ital. rimore mit e statt o nack
§ 358; omöre: agen., äsen, omore; polegiu statt pülegium: ital.
puleggio, frz. pouliot, span. polejo, portg. poejo, ahd. polei: viel-
leicht verdankt die Schreibweise pulegiiim ihre Entstehung nur
einer falschen Etymologie und ist vielmehr püllegium die richtige
Form, woraus pülegium nach § 545. Zu frz. outil aus ^usittle
gesellt sich agen. osura, äsen, osanza; frz. oignon zeigt o, das
auch durch ags. ynne bestätigt wird. Vereinzelt stehen frz. foisony
das wohl den Vokal von fundere bezogen hat, aneap. orinare,
span. orina zu ürina, aital. stromento, das wie äsen, formento,
frz. froment eine besondere Stellung einnimmt wegen seines r^.
afr. onir, portg. soveUa, ital. scojattolo, span. hollin, jocundo.
Merkwürdig ist *cominicare statt comiinicare, agen. scomeneca,
rum. cuminecd, afr. acuminiet Rol. 3860. Dagegen wird ital.
manicare zu manuco erst nach dem Muster digiuno — desinare
gebildet sein.
§ 352.
Anlautend A, I , U, E.
279
352. Der Qualitätsunterschied, der zwischen betontem e und e
besteht, ist in tonloser Silbe nicht zu bemerken : hier fallen viel-
mehr S, i; l imter e zusammen, das bald mehr bald weniger
stark zu i hinneigt. Im Toskanischen , Romagnolischen , Sizi-
lianisch-Kalabresischen und in Brindisi, dann im Moldauischen,
im Morvan und im Wallonischen, endlich im Asturischen ist i das
Regelmäfsige , doch gilt vom Sizilianischen das § 307 Bemerkte.
Im Portugiesischen wii'd e geschrieben , aber e gesprochen , im
Französischen wird e in offener Silbe zu § reduziert, in ge-
schlossener bleibt es als e (geschrieben e), die Reduktion tritt
auch ein im Neapolitanischen und in den Abruzzen, endlich kann
es auch völlig ausfallen, worüber § 372. Umgekehrt vergröbert
sich im Katalanischen imd Westrätischen e zu a.
Lat.
DE-
KE-
DIS-
ME
SECÜEU
Rum.
de-
re-
des-
me
—
Friaul.
de-
re-
me
(sijur)
Obwald.
da-
ra-
ma
sagir
Ital.
di-
ri-
dis-
mi
siguro
Mail.
de-
re-
des-
me
segür
Frz.
de-
re- ■
de-
me
seur
Span.
de-
re-
des-
me
seguro
Katal.
da-
ra-
das-
ma
sagur.
Lat.
MEDULLA
PENESTKA
MINOEE
LIXIVA
NEPOTE
Rum.
§ 363
fereasträ
2e§ie
nepot
Friaul.
meule
—
(lissive)
nevod
Obwald.
maguoll
(fidastra)
manüd
—
—
Ital.
midolla
finestra
minore
• —
nipote
Mail.
meolla
fenestra
menor
lesia
nevod
Frz.
meolle
fenestre
meneur
lessive
neveu
Span.
meollo
—
menor
lejia
nebod
Katal.
madulla
—
—
nahoL
Lat.
SENIORE
LEGUME
Rum. —
legum
^
Friaul. —
(lijums)
Obwald. (sior)
—
Ital.
signore
—
280. I; Kapitel: Vokalismus. § 352.
Mail. senor —
Frz. seigneur —
Span. senor leum
Katal. — legumbre.
Rum. sigur stammt, wie schon der Accent zeigt, vom griech.
aiyovQog. Moldauische Beispiele : vini , ti , mi , di , pi u. s. w.
Mazedonische: ni, di, hirbets, fitses = fecisti u. s. w. Sizilianische :
mi, ti, si, ri, di, vinf, finestra u. s. w. Bemerkenswert ist, dafs,
während Brindisi noch i zeigt: di, pi, sirenu, fibraru, die ganze
Ostküste sonst nur e kennt, z. B. Lecce : de, pe, serenu, fehraru.
Auch dem Römischen und Umbrisch-Aretiuisch-Senesischen eignet
noch e, dann wieder dem ganzen Norden aufser dem Romag-
nolischen, vgl. romg. diste (destare), timpesta, dumistihe, muniteri.
In Betracht kommt hier fast nur gedecktes e, weil freies fällt.
Die nicht wenigen Beispiele mit erhaltenem e im Italienischen
erklären sich teils durch Einflufs stammbetonter Formen wie
gätare, fedele, peggiore, megliore, teils der lateinischen Bttcher-
sprache, wie festuca neben älterem fistuga, secondo, älter sicondo,
teils durch Assimilation : penello, cesello. Wallonische Beispiele :
di , mi , fistu , nivaye neben p§lot. Sodann weiter südlich im
Morvan: lise, lissö, mi^ö, mimupr, wozu sich di, rimemhrer, visin,
ligiere im Dial. an. rat. vergleicht. Im Portugiesischen spricht
man : s§guro, nevode, d§, r§. Asturische Beispiele : sinör, Umpural,
miöor, priparar, diversion u. s. w., und damit ist assinto , sinero,
sinal, ensinar (nur vor n ?) im Alexander , Mrmano , disdixo,
estrimado, minuda, vinmda, vindida im Fuero Juzgo zu ver-
gleichen. Auch das Andalusische und in Amerika Bogotan und
Buenos-Ajres folgen diesem Zug nach den Extremen. In einigen
Fällen ist i auf weitem Gebiete eingetreten, ohne dafs der Grund
recht ersichtlich wäre: frz. timon, span, timon; sj)an. dinero,
portg. dinheiro , agen. diner (aber frz. denier) ; vulglat. desinare
scheint umgestellt zu *disenare, frz. disner, diner, agen. disnar,
aber ital. dhsindre. — Agen., aven. Grigor, apis. G-hirigoro für
Gregor fuidet vielleicht in der griechischen Aussprache seine
Erklärung. — Beispiele für a im Obwaldischen sind noch : dasiert,
hanadir, saniestar, maiadar (miscitare) , sa = si und sie. Auch
am Lago Maggiore ist a sehr beliebt, wenn es auch nicht zum
Durchschlag gekommen ist, vgl. praye, snaye, paJceu, va^eha
§ 352, 353. Anlautend E. 281
(vecchiezza) , ma§Jc'e, trasind (trecento) , bavü u. s. w. Im Kata-
lanischen ist die Trübung alt, da schon die mittelalterlichen
Texte e und a ohne Unterschied schreiben : aximplis, axit, mantir,
marim, mateix, nagar, patit, plavis, ra-, trasor, ma, ta, sa und
die umgekehrten Schreibungen pegats , equel vi. s. w. in den
7 Meistern. Heute gehöi-t sie Barcelona, Gerona, Taragona,
also dem Osten, und Alghero an. — Die französische Regel, wo-
nach f in offener, (' in einst geschlossener Silbe stand, ist nicht
ganz streng durchgeführt : des wird vor Konsonanten zu de, dann
dringt e auch in des^"^^ ein. Velin, sceler erklären sich aus
veelin, seeler, daneben steht veler von vele = vee'lle aus. Sejour
neben secours erklärt sich aus älterem sozjor. Nicht ganz klar ist
die Verteilung von e und f. Man erwartet zunächst überall e,
precher u. dgl. erklären sich leicht durch stammbetonte Neben-
formen, vgl. peclie und etais neben etre. Vor r ist ^ eingetreten :
erreur, personne. Übrigens zeigt sich nach Zeit und Ort ein
noch genauer zu untersuchendes Schwanken : während heute etais,
epouse mit e gesprochen werden, verlangen die Grammatiker des
XVI. und XVn. Jahrhunderts ^; so Rambaud 1578, Duval 1604,
Maupas 1624, während schon Laval 1614, Oudin 1633, Chifflet
1659 die heutige Aussprache angeben. Manche Mundarten halten
aber ^ fest, vgl. Champlitte: eirez, dgbo§, r^trceve, dfsöbei.
853. Wie mit den palatalen, so verhält es sich mit den
labialen Vokalen : 6, ö, ü sind unter o zusammengefallen. Dieses
0 ist im Rumänischen, Rätischen, dem gröfsten Teile Italiens, in
Frankreich, Ostkatalanien und im Portugiesischen und Asturischen zu
V geworden, als o ist es geblieben im Spanischen, Venezianischen,
in beschränktem Mafse im Toskanischen, in Val Soana. Reduktion
zu § begegnet in den Abruzzen und im Neapolitanischen,
ferner in Ostfrankreich, in Jujurieux und wohl noch anderswo.
Lat.
COEONA
DOLOKE
MÜLIERE
*POTEBE
MORIRE
PORTAB]
Rum.
cununa
durere
—
puted
muri
purta
Engad.
—
diäair
mulier
pudair
murir
purter
Ital.
Corona
dolore
mogliera
p ödere
morire
potiare
Mail.
Tcuruna
dtdur
muyei'
—
muri
porta
Frz.
couronne
douleur
moulier
pouvoir
mouiir
porter
Span.
Corona
dolore
mujer
poder
morir
portar.
282 I- Kapitel: Vokalismus. 8 353 354
Hier folgt, wie schon bemerkt, auch Lecce dem Zuge nach
dem extremsten Vokal : nJcurunare, puiire, furmiJca, durmire, Jcun-
tare u. s. w. — Es ist schwer, in das Toskanische eine Ratio
zu bringen : pulire, iibbidire, fucile, fucina, munistero, pulcino u. a.
scheinen u — i zu bedingen, aber das alte giucare, ferner arhuscelh
widersprechen; im Äsen, ist u noch ausgedehnter: brudetto,
cuperto, cussi, huttiga u. s. w. — Im Französischen bilden soleü
(aber souleil bei Baif), colomh (Palsgrave coulomb), cdlonne
(Filetier conlonne) schwer zu deutende Ausnahmen, auch corvee^
rosee (mittelfranz. aber rousee) fügen sich nicht, wogegen porter ^
dormir, hötel, cöte, fossee u. s. w. sich leicht als beeinflufst von
porte, dort, höte u. s. w. erklären. — Das Portugiesische bleibt
trotz der Aussprache '\Jt, auch hier meist der historischen Ortho-
graphie treu, doch vgl. furar von forare. Asturische Beispiele
sind : furhau (forcado), furmientii, mutiika, rudau, siäomhra u. s. w.
Für die Reduktion zu f, i vgl. seppertd, mement, kementsann,
pertsequetore, quintsüatsione Larino (Molise), siööidi (succedere), pitev
(poteva), vile, aJcimintsar Matera. Jujurieux : ]c§v§rtd, 1c§lyi, Tc^sin^
s§lua, dr§mi. Merkwürdig ist ü aus o, ■j* in Ostfrankreich, vgl.
üzce (oiseau), ünö = oignon, üto (hötel) in Bresse. — Auch hier
begegnet vereinzelt u statt o: neben portg. colher steht itaU
cucchiajo, frz. cuiller , span. cuchar , ags. cuclera; neben itaL
cognato mail. küfia, tessin. kinotv, Val Soa. Jcünia, span. cunado,
^ortg. ctmhado , während cognoscere nirgends u zeigt. — Neben
ital. scodella steht scudella, frz. ecuelle, span. escudüla, portg.
escudeüa, offenbar frühzeitig an sciitum angelehnt. — Vereinzelt
ist span. dvrmon (ÖQÖf^mv), in lugar (Cid 128 logar), jugar, hurano
liegt wohl Einflufs des Diphthongen von luego, juego, fuera vor.
Prov. melhurdr , eng. melürdr aus *meliorare sind an die Verba
auf -urare angeglichen.
354. Lateinisch au wird, von den § 29 erwähnten Fällen
abgesehen, im Rumänischen, Rätischen und Italienischen zu w,
im Französischen, Spanischen zu o, im Sizilianischeu zu ä. Das
u im Rumänischen und Rätischen ist vielleicht erst nach § 353
aus 0 entstanden.
Lat. AUDIKE GAUDEEE PAUSABE AUEICLA AUCELLU *RÄ.UBAEE
Rum. — — — urechie — —
§ 354, 355. Anlautend Q, AU. 283
Engad. udir ohw. giider piiser urala uöil ohyf.rubar
Ital. udire (godere) (posare) (orecchia) uccello ruhare
Frz. oiiir jouir poser oreille oiseau deroher
Span. oir — posar oreja — rohar.
Rumänisch andi, ital. godere, posare erklären sich durch
Einflufs der stammbetonten Formen vgl. aber pusare Rain. B. 676,
andere Fälle sind rum. curechiu, ital. fiutare, chiudeva, daher chiudo ;
unerklärt ital. oreccMo neben richtigem äsen, urecchio. Französisch
ouir u. s. w. nach § 377. Sizilianische Beispiele : äriliiy äöeddu^
lädanmi. Auch die norditalienischen Mundarten bleiben meist
bei o: gen. oir, odacia, mail. gode u. s. w., aber üsell, düsd,
gewöhnlicher noch ist ai, oi : mail. olcell, volsd (ausare), ponsd,
oldir bei Bonv., aven. laldare, äldegarse, aldire. — Auch das Alt-
toskanische kennt das, aber nur in gelehrten Wörtern : altoritd,
aUentico , älgelli, gäldere, laldare und danach lälde. Sodann ist
auccidere statt occidere zu nennen: ital. uccidere, afr. occire,
amail. olcidere, aven. aleidere. — Nicht i-echt klar ist lomb.^
westrät. ascdr = ausicare, — Sekundäres au (au) wird im Spa-
nischen zu a: recaddr, cacera, portg. sadio , ^salutivus neben
sduddde, während sonst das aus ai entstandene au behandelt
wird wie unter dem Tone : frz. autel u. s. w. , span, otero u. a.
Mit aucellus stimmt avi-tarda nicht überein : der Einflufs von
avis war hier stark genug, um die nach § 27 zu erwartende
Kontraktion zu verhindern. Aus avitarda, portg. äbetarda, ent-
stand avutarda, daraus aspan. agutarda Caza 75, 29, nspan.
avutarda, prov. autarda, frz. ontarde, ital. ottarda.
355. Lateinisch ae, oe liegt nur in wenigen Beispielen vor.
Im Italienischen wird es wie altes e zu i, auch das Spanische
zeigt die Behandlung von e, wogegen das Französische nicht recht
klar ist. Vgl. ital. cimento, cisello (neben cesello mit Assimilation)
cimitero , ciholla; span. ceholla, cimiento nach § 359, aber cincel,
das jedoch auch seines n wegen auffallt; frz. ciment, ciseau mit iy
ciboiüle ist natürlich ein junges Lehnwort aus dem Italienischen.
Da schon im Lateinischen cisorium vorkommt, so könnte auch
ciselltim vulgärlateinisch sein, vgl. bret. kizel. — Ital. cimiterio,
frz. cimetihe, span. cimenterio beruhen auf neugriechischer Aus-
sprache des Ol.
284 I- Kapitel: Vokalismus. | 356.
356. Tonlose romanische Diphthonge, entstanden nament-
lich unter Einflufs von Palatalen oder i, sind im Französischen
nnd Rätischen am zahlreichsten. Im ganzen stimmt ihre Ent-
wicklung zu derjenigen der betonten. Aus frz. ei, oi wird ua
vgl. x>oitrine, soissante, afr. proi-ier, voisin (§ 358), oitieve, voidier,
coidier, estoier (von vuide aus dann vuidier, cuidier, estmer). In
der Umgegend von Paris wird dieses oi zu o reduziert. Wie
unter dem Tone, so scheint auch vor demselben zuweilen e für
oi einzutreten, vgl. re'seou, creseaii. A -\- i giebt teils f, teils e
ohne Eegel, die Aussprache Avie die Orthographie schwankt:
plaisir , raisin-, raison, payer , aider, aiglon; scrment, fletrir, alt
segretain., fleau aus flaiau u. s. w. Die w-Diphthonge scheinen
zu 0 zu werden: aunee, dau2)Mn, fautrer, vautrer, vautour, aber
Vc: fougere, dougie ixnd couteau nebst dem etymologisch dunkeln
moiiton. Die Mundarten zeigen noch manches Auffällige. In
anglonormannischen Handschriften steht betontem ai tonloses ei
gegenüber, so im Brandan, den Psaltern, den Büchern der Könige.
Reduktion zu * gehört dem Norden und Osten an, vgl. venison,
demorison , conissoit im Chev. II esp. , liclion , orisons, milleur,
sissante in den Urkunden aus Aire, und heute piäö (poisson),
sine (saigner) in Arras. Ferner wird iu vor dem Tone zu i
reduziert : in den Büchern der Könige steht sieut = *sequet
neben siweit = *sequ€bat, so Avird aequalis zu iwel, plgmentum,
figmentum über piitment (pikardisch), ^fmment (§ 403) zu piment,
■ßment. — Während also im Französischen n vorhergehende ton-
lose Vokale trübt, wird in Bagnard umgekehrt tonloses au zu eü
dissimiliert : tseüdeire (chaudiere), feüda Schürze, *faldarimn u. s. w.
Ebenso in Vionnaz , wo noch tserfd , enerpd zu erwähnen sind :
der Wandel von a zu e hat also auch stattgefunden in den Fällen,
wo 7 nicht zu u, sondern zu r geworden ist. — Endlich ist noch
zu erwähnen, dafs ursjjrünglich hochbetontes eu im Französischen
zu ü wird, wenn es den Ton verliert: vgl. afr. seur (sopra),
nfr. sur , afr. prued, preud, nfr. prudliomme, afr. fuer , feur , nfr.
ä für et ä mesure (wo freilich auch das « von mesure Einflufs
geübt haben kann), afr. dei , den, nfr. du. — Im Rätischen
wird tonlos ai zu i: eng. plider, viroula, irel, au zu u: usand,
Tcudera, fusded. Auch im Romagnolischen tritt i für ai ein :
gibyol, irola, ibiol; und im Spanischen: quijera, viruela, ciruela.
§ 356 — 358. Anlautende Diphthonge. 285
frisuelo neben frejol. Im Portugiesischen endlich wird ei zu e:
mezinha, sediga, remir, richtiger phonetisch wäre wohl ff zii f,
iu zu i: cidade, pimenta. — Endlich sind hier obw. suar aus
sudare, luar aus *liquare, samtr aus sudore zu nennen, überall
liegt u aus iu vor. Aus südare entsteht süar, süvar, siu-ar, suar,
so liuar, luar, siuor, suur, säur, savwr.
As coli, Arch. Glott. I, 47.
357. Direkt anlautende Vokale zeigen zuweilen besondere
Behandlung. Dafs a im Rumänischen bewahrt bleibt, ist schon
§ 349 gesagt. Auf den direkten Anlaut scheint au aus o be-
schränkt in Lecce : auliu, auriente, aunestu, aunitu, ausanza (aus
onito, osanza § 351). Solche Formen finden sich mehrfach in
der altitalienischen Dichterspi*ache , sind also wohl auch anderen
süditalienischen Mundarten bekannt. Sodann zeigt das Bearnische
die nämliche Erscheinung: aiiffri, auhedi, auhri = ouvrir (vgl.
§ 274), aufßcif auloureya == '^olor-idiare. — Im Portugiesischen
scheint dialektisch en*^ zu an^ zu werden: ancontrar, amquanto,
an Mirandola, ancerrar, annocente 3. Past., antre Res. III, 19, 9.
Ferner e zu i: idade, irmäo, igual u. s. w.
358. In besonders hohem Mafse sind die tonlosen Vokale
von umgebenden Lauten abhängig, von Vokalen wie von Kon-
sonanten. Dissimilatorischer Einflufs des Tonvokals
macht sich namentlich geltend bei i — f, o — 6: jenes wird zu
e — /, dieses zu e — o. Schon viilgärlateinisch ist vicinu: rum.
vecin, frz. voisin, span. vecino; d§vinare, frz. deviner, span. adevinar;
so frz. fenir, mesis, desis, premier, afr. premice, creminel Et. Foug.
516, span. decir, encinar, hehillo, escrebir, crehiUo, audal. polecia,
melitarse; so wird span. ridebam, ridesti zu re{a, retsti, daher Inf.
rdr u. 8. w. Ebenso in der portugiesischen Aussprache : m§nistru,
m§litar. Für e — o (ital. i — o § 352) vgl. ital. sirocchia,
bifolcOf sperone, altital. inorare, rimore, lecc. pedzulu, campob.
pemmarola, Jcenohya, sard. retundare, rum. rätund, ital. ritondo,
afr. reond, obw. radund, aver. seror, secorso , remor, afr. enor,
seror, semondre, seloil, auch corecies Chev. IT, esp. 11342, nfr.
sejour, secours, agen. semoso, prov. semondre, preond, redolar, asp.
pestoreja, arrebol, pescuezo, velontad Cid 1418, hermoso, reloj, portg.
286 I- Kapitel: Vokalismus. § 358^ 359.
j)€gonha. — Ä — o aus o — o ist selten , vgl. friaul. Tcayostre,
jpälmon, saporta, sakodd , span. calostro, altital. canoscere. Ob in
obw. IcanuSer, sarw , dalur , maruns (zu morus), anur, Tcalur
das a stets direkt auf o zurückgeht, bleibt zweifelhaft: es kann
auch auf älterem e beruhen.
359. Häufiger noch ist As similation an den Tonvokal.
Schon vulglat. cucuta statt cicuta wird erwiesen durch alb.
TinTiut§, runi. cucuta^ saintong. coliüe, lim. IcuJcüdo: das hohe Alter
der Form ist durch das Bestehen der Gutturalis gesichert. Zu
bestimmtem Gesetz hat sich die Assimilation im Spanischen aus-
gebildet, wo e vor i zu i wird, vgl. Tiirviente, Jiiniestra, lision,
tiniehlas , simiente, Msieron u. s. w. , beachtenswert ist mintroso
neben mentira , mentiroso. Ebenso in Lecce : minimientu (bene-
vento), didina, ris/a. Auch im Rumänischen scheint i vOr sich i
statt ä zu verlangen : dstig, ridiche, rtdic, Mrtie, statt u : potirniche,
auch limhric aus limhric. — Vereinzelte Beispiele finden sich
überall, eine Auswahl mag genügen :
A — A: PIATA aital., aver., aven., aspan., noch heute siz.,
lecc, portg. Mundai-ten, danach j|:>mtoso; akamen rum. aramä, eng.
aram, afr. arain, span. arambre; vaebactu: sard. harvattu, span.
harbecho, portg. barbeito, prov. garad, afr. garait (daraus seit dem
XVI. Jahrhundert gueret § 365); jagante agen. zagante , prov.
jayanj frz. geant (aus galant § 356), aspan. jayan\ salvaticu
rum. sälbdtec, lecc. sarvaggu, agen. sarvaiglie, frz. sauvage;
MANACiAE : aven. manam, friaul. manassa, afr. manatse (Eulalia) ;
*BALANCiA aital. balanza, frz. balance; accasio aital. accagione,
neap. accasone, afr. achaison ; afr. palagre Doon 332, span. navaja,
casaca, arazon, portg. saräo zu sera, devagäo Res. III, 124, 13,
caramunha, brasfamando Res. III, 191, 15. Im Moldauischen
wird ä — a zu a — a: pacat, barbat.
E — e: rum. Upedd, tremete, repesL mestecd, fermecd u. s.w.,
ital. penello und andere § 352, amail., äsen, secrestia. Auch ital.
dimesiico, agen. demestego liefse sich so erklären, wenn nicht eher
Einflufs von de anzunehmen ist. Span, herren.
I — i: log. sigire, appilire, aven. vignire Panf. 44, covignivol
122 u. a. Besonders stark im Are tini sehen: misMna, sirvito,
^ 359 — 361. Anlautvokale: Dissimilation und Assimilation. 287
Mntire, gissimino, apitito, friaul.: vissie, pirikul, distin, mirinde,
t?wi, tini, kridintse; apis. i^ito, Sardo 90, 91.
o — o: portg. Soturno, apis. Ogosto Sardo 89, 95; bist. Pis.
54, 68, aret. forode, ferner o — u span. somorgvjo^ orugo, torzuelo.
u — u: rum. mul^umi, maz. ru§unos, suturd, ital. uguale.
Ferner Angleichung unter tonlosen: span. ahurujar neben
äbomjar. — Schliefslich mag noch rum. fäntäna erwähnt werden,
und die partielle Assimilation, die vorliegt in span. und in aret.
u — / aus 0 — i: turmo, cudir, ci<hrir, cundir, ahurrir, curtir, uvia,
ruido (aber roido Cid 696 und heute cocina) , turdiga , jmlienta,
pudiente u. s. w., aret. murire, malinhunia, kusi, sulino , kumpri-
mento, spruvisto.
360. Auch die Einfllisse der Konsonanten auf die Vokale
können als assimilatorische und dissimilatorische gefafst werden :
letztere sind selten, erstere aber sehr häufig. Velare Kon-
sonanten wirken noch am wenigsten ; zu erwähnen ist siz. kua
aus hau : knadara, Jcuasina, ebenso lecc. kuadina, kuadara, kuatela.
Dafs at im Mailändischen zu o^wird: fol^on BescaTpe HO, coldera
120 ist nach § 252 selbstverständlich.
361. Bei den Palatalen mag zuerst erwähnt werden,
dafs, wie kd sich zu kie wandelt, so im Französischen für ka- , ga -
entsprechend k'e, ge- erscheint, also cJieväl, chemin, chemise, chenäl,
■dienet, chenevis, chenil, geline u. s. w., aber cliäteau, Champagne
u. s. w. ; aus 1c ai, g'ai entsteht äe, ze : chetif (§ 458), geant, gesir.
Ebenso wird schon Jon. cathedra zu cha-iere, che^re, chpre. In achete'r
neben achat haben dagegen die Verba auf -etter = iftare ein-
gewirkt, chepteJ, woflir noch Th. Corneille chatel sagt, stammt
wohl aus einem Dialekte, in welchem überhaupt tonlos a zu e wird.
Die ziemlich zahlreichen Fälle von erhaltenem a sind
nicht alle klar. Bei chaleur kann chatd, bei chaloir
sicher chait und bei charoigne afr. char eingewirkt haben.
Chanoine ist halbgelehrt, und so wohl auch chameau. Stets
bleibt a bewahrt , wenn es den Nebenton trägt : chälit,
e'chafaud , afr. chaun , Chälons , chalongier und danach
chaJonge, chalumeäu. Unerklärt bleiben chamois, chaeir
neben cheir und chaene.
Ferner ist hier der zum Teil schon vulgärlateinische Über-
gang von a, M zu e nach j zu erwähnen: jewManws CLL. VI, 1708
288 I- Kapitel: Vokalismus. § 361—363.
und ital. gennajo , afr. jenvier, span. enero (portg. Janeiro), alb.
jenuar, ngriech. ytvaQrjg; jeniperus: ital. ginevro, frz. jenievre,.
span. enebro ; *jemce, siz. giniöa, äsen, gienigie cont. ant. Cav. 35,
frz. genisse; so inlaiitend vulglat. aitare, aital. aitare, frz. aitier;
disinare aus disfjejjunare, ital. desmare, frz. (Zmer. Sekundäres
j wirkt ebenso: ital. Firenze, hestemmia, piviäle, piviere, pimaccio^
piem. pi = piü , ven. pimhiolo , rum. ghemu^or. — Dem c wird
femer das i in afr. parcivoir, decivoir im Durmart u. s. w. zuzu-
schreiben sein. — Portg. dial. janela und jinela.
362. Vor Palatalen wird e, seltener a zu i. Das Kumä-
nische bietet keine Beispiele, wohl aber das Rätische, vgl. obw.^
fi§€va, Jc'igar, risun, pihla, Spidol, misldr (mascellare) , sinur,
vidira, pi^ur , sih'ir, sigar (exagiare) , agitt (acutus) , gudignar,
Formen , die alle auf das Obwaldische beschränkt sind , west-
lich aber im Tessin für e y^ i Anknüpfungen finden : UJc'e^
§piÖe, lideira, niyd, liiiame. In Italien kann natürlich die
Schriftsprache nicht in Betracht kommen, wohl aber der Dialekt
von Lecce -isdre = ital. -eggiare, prudideddi, ferner : rihketedda^
aber siJcMtyeddu , uttisana u. a. Im Französischen ist * statt e
Regel vor ?, n: orillon, fermülon, tilleuü, silier, tigneuse, diignon^
Champignon, carignon. Daneben stehen seigneur, meilleur, die ihr
e wohl von den stammbetonten Formen : afr. sendre , mieidre
bezogen haben. Von provenzalischen Mundarten ist z. B. Die
zu nennen : lisu (legon), misu, ginu. — Ferner im Katalanischen :
milor, tiii{, Jcrisi, iM. Im Portugiesischen lautet e vor und nach
Palatalen i: pr§v§lisadUy vesigar u. s. w. — Sodann ist auch
hier u aus o im Spanischen als verwandte Erscheinung zu
nennen : mullir , hulUr , aculld , hunuelo , trujal , cogujado , lucillOy.
äborujar zu rotlus.
363. Am stärksten ist der Einflufs der Labialen. Vor,
seltener nach sich bedingen sie o, u und auf den it-Gebieten
auch ü. Zunächst im Rumänischen tritt ä für e nach Labialen ein
wie unter dem Tone : päcdt, hätrin, mädua, aufser wenn i, e folgt :
feti^a, vedea. Sodann ist S. Cataldo und Caltanisetta zu erwähnen
mit ua : puaradisu, pualagjzu, muandassiru, puartari. In Urim^nil
(Lothringen) vergleichen sich puoUe (pecher), huort (haril), muoJiö,
fuoäe (fächer) den § 270 besprochenen Erscheinungen, ebensa
i^ 363 364. Vortonvokale beeinflufst von Labialen. 289
frz. pamoison, apprivoison, a^ivergn. mu^nazero, apu^zar. Im
Portugiesischen ist o aus a besonders beliebt: holor, coresma,
golardom, aber auch andere Vokale werden zu o; podeluvio,
pocado, por, huher, forvura u. s. av. Vereinzelte Beispiele aus
anderen Gegenden sind etwa obw. pukkau, bunar; mulanesa,
mudttdda, sangonazzu in Lecce, funestra, puhat^ in Campobasso,
muntsana, mulö, punii in S. Fratello; sard. : funtana, bunedda,
muncda, pidenta, semunare, tramurtiri; siz. sbuggyari, ammuntari;
aret. fimire, kat. Jcontia, aprov. correllar, gal. koresma, korenta,
korta feira. Etwas anders geartet sind tirol. ordum (verdume),
odei (videre), odle\ orite, ormon.
364. Weit gröfser ist der Einflufs folgender Labiale,
namentlich auf e, i, wogegen a im Rumänischen, Italienischen und
Französischen sich als widerstandsfähiger erweist. Im Eumänischen
sind die Beispiele überhaupt nicht zahlreich: alttat-, dumic,
sdrumic, maz. fumeale. Im Obwaldischen kann bei fumaz, klumd,
stningld, munkdr der Diphthong au der entsprechenden stamm-
betonten Formen (§ 242) mit im Spiele sein, fumel und spuventdr
zeigen a zwischen zwei Labialen; fUr e zu w sind zu erwähnen
obw. nimanair, das weit über Italien hin sich findet im Gen.,
Mail., Sard., Siz. u. s. w. ; eng. ruvcrser, ital. rovcsciare, obw. duman-
dar, duveir, die ebenfalls im Italienischen entsprechende Formen
zur Seite haben, tumpriv, eng., obw. sumlar wie ital. somigliare,
tumer, uffoni, Kffiern, buvevan, spuventar, fumel, ferner survir,
unvier., eng. sulvadi, friaul. toman, toblad. Im Italienischen
erscheint o vor m, v, u vor b : romita, domanda, somiglia, dovere,
indovina , ubbriaca , rubello , rubiglia , doch auch giumella , womit
frz. jumeaux (span. jumela ist, wie die Endung zeigt, nicht Erb-
wort) zu vergleichen ist. Für a : romajuolo. Aus den Mundarten
wäre noch manches zu erwähnen, wie somenza gen., mail., prumer
gen., i)iem., lomenfare amail., vei-on., vicenz., rüvar piem., lomb.
Im Französischen tritt ü auf: buvons, jumeaux, furnier., alumelle,
chalumeau, afr. und noch heute in den Mundarten fumelle,
dial. sumer, sumence; pzov. prümier , kat. prumer, umpU, auch
unflä, lim. ufld u. s. w. Aus Val Soana mögen noch k'ümizi,
kümin, k'mil hervorgehoben werden, deren ü zunächst auf e
zurückgeht nach § 361. — Im Spanischen sind die Beispiele
Msyer, Graminatilc. 19
290 I- Kapitel: Vokalismus. § 364, 365.
wenig zahlreich: umhral aus *liminare, ohispo, romaner Cid 893.
Um so viel mehr bietet das Portugiesische: lumiar, debulliar^
prumeiro, gal. pormeiro, derrubar , huher, luvar, mit o dohar
(depannare), cdbrar, romendar, somana, ouropcl, assoviar und viele
andere. — Beachtenswert ist der Unterschied zwischen dem
Französischen und dem Rätischen : dort wird dies sekundäre u
zu ü, hier bleibt es, vgl. aufser den schon genannten Beispielen
noch bergeil. dumandä, duveir, suments, zumel, sumeia, sulvadeg,
tessin. lovd, somnd. Im Mailändischen dagegen wird % zu w: düvis,
püviö , indüvina , rüvd. Doch fehlt auch in französischen Dia-
lekten 0 nicht: «^oüOMr N.E. XVIU, 103, a. 1265, Lothr., promerain
Durm. 306.
Frz. Omelette, schon von Rabelais gebraucht, neben
dem noch zu Menages Zeiten in Paris gesprochenen
amelette, entstammt wohl einem Dialekte. Ouvrir, apiem.,
aseh., umbr., röm. öprire haben ihr o von coprire.
Von besonderem Einflufs der Labialen auf velare Vokale ist
etwa zu merken gask. übrir , übag. Auch im Sai-dischen tritt
häufig u ein: stets cum, cun, lumhardisJcu.
Zahlreiche Beispiele fürs Portugiesische giebt J. Cornu,
De l'mfluence des labiales sur les voyelles aigues atones,
Rom. X, 336. Gon^alves Vi an na Museon ü, 314.
365. Von den Sonanten ist r der wichtigste. Xach sich
verlangt es wie unter dem Tone ä statt e im Rumänischen :
räsinä, räpaos, ränicMu, räruncTiiu, rämin, rätund (§ 358). Vor
sich bedingt es e im Italienischen: canterö, Margherita, smeraldo,
canerino , lazseretto , merluzso. Ob auch ferrana hierher gehört,
ist mit Rücksicht auf span. Jierren, portg. ferrä zweifelhaft. —
Gedecktes r wandelt a zu e in der französischen Litterärsprache
des XV. und XVI. Jahrhunderts, vgl. charrue und cherrue, sarri-
ctte imd serriette, epervin, marrain und merrain, daher nfr. cercueil,
epervier, hermine, wogegen in merrain, sermeni das e aus ai be-
rechtigt ist, vgl. § 356. In der Umgegend von Paris spricht man
noch heute erJcehüse, erry^r, er§ne, sodann in Lahague ersiei (arche'e),
kerhon, serklei, Anjou serTde, ergot, serdine, serkütye; ebenso im
Osten: neuenb. errat, serme, k'erhon, h'erdon, vgl. guerder 1215,
M. 376 Neuenbürg, pertie 1278, 702 Montbeliard, freib. terdi,
Erhiviie, erM, derhö, öerdö. Sodann weiter nördlich Greg. Dial.
chergier 114, 15; 134, 21; cherhons 49, 24 und so z. B. in
§ 365 — 367. Vortonvokale beeinflufst von R. 291
Besannen. Eiwähneuswert ist noch lothr. puprol, meri, f^ren,
mpte (marteau), mer§o (Schmied). Im Wallonischen bleibt a.
366. Weit gewöhnlicher ist ar aus er, so im Französischen
2iar aus j^er (aber doch apercevoir), afr. sarmon, "parcliemin, aron-
delle, guarir, marelle, tarriere. In Italien ist ar ftir er ein Kenn-
zeichen senesischen Dialektes gegenüber dem Toskanischen, s.
§ 328 und sen. aübareUo, -aria, hucareUo, hurharone, povaretto, par
u. s. w. Dasselbe zeigen zahlreiche Mundarten: Lecce quarela,
ntaressu, sarenu, marcanzia, campob. marenna, passariell§, tarra-
mote, ebenso Alatri. Ferner log. Jcariasa, harvege, Jcarheddu.
Besonders stark im Siz. : arruri, arsira, -aria, sarvari, Sara-
gusa. Auch im Norden : mail. karsent, marTcd, dare, vartt, agen.
tnarce, sarmon. Sodann viele französische und provenzalische
Mundarten. Während a in Ltittich sonst zu e wird § 349, bleibt
es vor r: garde, faren, aron u. s. w. Lyon: vartu, varsi, marsi,
sarvi, arseir u. s. w., toul. farmado, sarvanta, saricü, auv. sani,
tsartsd, varru u. s. w., marseill. revarie, hargie. — Ferner im Spa-
nischen : arveja, harrer, harrena, zarnülo, farnetico, dann vardasca,
harbasco, harraco , im Alexander desarrar , sarrado, darredor.
Ebenso im Portg. : libartade, äkarditar , Tareza. — Brechung
von u zu we zeigt Neuenburg: zuerä (jitrare), muerale . rehierd,
mueri, kuertt.
367. Hier mag noch speziell die Gruppe re behandelt
werden. In äsen. Texten treffen wir mehrfach ara: aracogliere,
arricomandare, aracoficiare, araferma, arrassomigliare , arannare,
arrendare, ebenso aretenere Cola di Rienzi 421, Arimini 501,
areposarse, arecevere Laudi Umbr. , sodann einfach ar: arliquie.
Dieses ar für re ist weit verbreitet: vgl. die emilianischen Mundarten,
auch noch das Aretinische, dann das Urbinatische : artrove, arm
(revenire), arkorra, armetta u. s. w., weiter im Norden das Piemon-
tesische: arkaske, arkiüe, arlasse u. s. w., im Süden das Eoma-
gnolische : kardenza, karson, fardor, tarsenf, karpe u. s. w., wo der
Übergang von tonlosem re zu ar auch im Wortinnem Regel ist.
Dasselbe zeigt das Westrätische, namentlich obw. kardentsa,
antardir, tarmetter u. s. w., arMntar (recentare), arpagar (kirpicare),
sonst allei-dings meist ra- aus re. Es fragt sich, wie die Er-
scheinung aufzufassen sei. Gestützt auf die Beispiele aus den
19*
292 I- Kapitel: Vokalismus. § 367, 368,
altsenesischen Texten könnte man annehmen, es sei zunächst
unter dem Drucke der vielen mit a zusammengesetzten Verben
re, ra zu are, ara geworden, dann der zweite Vokal gefallen.
Allein dagegen ist einzuwenden, dass doch wohl a dann auch
den mit di- gebildeten Verben vorgesetzt werden müfste, dies ist
aber nicht oder kaum der Fall. Wollen Avir die verschiedenen
hier zusammengestellten Fälle nach einem gemeinschaftlichen
Prinzip erklären , so bleibt nur das eine : re ist zunächst zu f
geworden, das dann je nach der Schärfe des Gehörs der Laut-
notierenden als er, ar, re, ra wiedergegeben wird oder auch, je
nach der Klangfarbe, die ihm anhaftet, sich thatsächlich zu er,
ar entwickelt. Möglicherweise ist in dem ari- nur eine Ver-
mischxmg historischer und phonetischer Schreibung zu sehen.
Die Stufe f ist noch vielfach bewahrt in französischen Mundarten :
Pfnö, fvenir gehört weiten Strichen des Westens wie des Ostens
an und wird in der Schrift bald dui'ch ewr, bald durch er wieder-
gegeben. Daraus dann wieder ar- in S. Pol u. s. w. Im Mittel-
rätischen ist oft nicht klar, ob der Vokal dem r folgt oder voran-
geht, mit anderen Worten, auch hier wird tonlos re, ro u. s. w.
zu Y reduziert, welches f die Klangfarbe des ihm einst folgenden
Vokals bewahrt. Im Portugiesischen ist heute kaum zu scheiden^
ob bei er, re das e dem r folgt oder vorhergeht.
Als eine besondere Gestaltung des vokalischen f ist auch zu
fassen huriig, frumiz, eschurnir, engorsetey im Ysopet. — Sonan-
tisches f ist wohl auch fürs Portugiesische anzusetzen, vgl. aportg.
fevereiro Res. III, 283, 16, d. i. fevfeiro, heute f§vrairu, ebenso
fevera = fihra, soveral, sodann pfguntar, pfdisäo u. s. av.
Vgl. zum Italienischen und Rätischen As coli, Arch.
Glott. I, 58, Mu s s af i a, Romg. § 124, zum Französischen
Behrens, Metathesen 2 ff., zum Portugiesischen Gon-
^alves Vianna Rom. XII, 58, und § 388.
368. Auch die Nasalen beeinflussen die tonlosen Vokale in
hohem Mafse. Eine besondere Stellung nimmt oft in^- ein, da
hier Reduktion zu n stattfinden kann. Sonst treffen wir zum
Theil dieselben oder wenigstens ähnliche Veränderungen wie
unter dem Tone. So wird gedecktes a im Rumänischen zu i:
mincd, tngust, aber mäninc, wo m hindernd wirkte, inel aus inel.
In cärunt ist der Wandel von n zu r älter als der von a zu i. —
§ 368, 369. Vortonvokale vor Nasalen. 293
Das Schriftitalienisclie giebt kaum zu Bemerkungen Anlafs, wohl
aber die Dialekte. Zwei sich entgegenstehende Tendenzen sind
dabei zu beobachten: vor gedecktem, seltener vor freiem Nasal
wird Cj i 7a\ a, oder aber a, e zu i. Das erstere zeigt der Süden :
siz. tantari, mandzuyor'nu, antrari, auch vulantari, Lecce : franzkldu,
lantsidu , stantare , tantare , Capo di Leuca auch tania , faneSa.
Ferner der Norden: ferrar. pandon, imjmvantir, slusantar,
arstantsar u. s. w. , alessandr. gantil, santü, Bagolino (B:-escia)
panse, santida, Ceppomorelli : vandotta, pamö. Vereinzelt steht
sprandore in Süd- und Norditalien. Die andere Tendenz, hi aus
an, zeigt das Modenesische: ingostia, inguilla. Auch anders-
wo findet sich in" aus en'' , vgl. tessin. sintin, pinsen, pindent,
linzü u. s. w. Als vereinzeltes Beispiel für an aus in ist zu
nennen ven. sangoto, mail. sangutt, friaul. sanglot, eng. samghiott.
Der Grund ist nicht ersichtlich.
369. Am meisten giebt das Französische zu Bemerkungen
Anlafs. Abweichend von der Behandlung der betonten Vokale
ist der Wandel von 5 zu ä: chalangcr, Besangon, dangier, afr.
danter, canter, vdlanie, en schon im Roland 38 neben on,
ursprünglich die vorkonsonantische Form, dameiseüe, ferner tmie
aus nonie. Sodann a aus e vor freiem n: faner, ramer, daher
rame, aber fenouil. Daneben steht dommage. Da, wie es scheint,
domagier älter ist als damage, so könnte die Bewahnxng des o
dem Nebenaccent zugeschrieben werden. In dameiseJle hätte das
daneben stehende dame diese Wirkung des Nebentons aufgehoben.
Femer ist ein Unterschied zwischen anc- und enc'- hervorzuheben :
jenes wird zu ä: cJiancelle, vgl. § 232, dieses bleibt bei (';
X>inceau, linceuil (mit e nicht i, vgl. ital. lenzuolo, span. lenzuelo),
mincer, ctincelle, rincer. Schwierigkeit bietet die Behandlung von
tonlosem aw'"^. Im Frz. stehen nebeneinander : menoites, im XVI.
Jahrhundert manottes, panier, aber paris. panier, manier, afr.
damoiselle, nfr. demoiselle, antenois neben anian. Es sind wohl
nicht alle Fälle gleichai'tig. In dem letzten und in mademoi-
sellc scheint a als tonloser Mittelvokal zu e geworden zu sein,
die zwei ersteren aber stehen unter dem Einflufs von main und
pain. Nur als umgekehrte Sclu*eibung ist en statt an in west-
lichen Denkmälern zu betrachten ; Jean le Marchant schreibt
294 I- Kapitel: Vokalismus. § 369^ 370.
menniere, henniere, menmielle, lenniers , ventance und mengier,
Etienne de Fougeres: emiz (amidns) , enmer (amarus) , Clef
d'Amour: enmie, enmont, enmer, in den Urkunden aus Anjou
begegnen: menneire, plenere. Da die heutigen Mundarten ö
sprechen, so drückt also cn den Laut ä aus. Im Norden und
Osten wird ö zu e, vgl. Arras Mhy^ , in Namur dene, me, MM,
ferner ä: Cambrais Snio, enee, kmede; an-\- Palatal wird in Lyon
zu e: meei, §e§i, etrezi, dezL
370. Auf allen romanischen Gebieten tritt endlich oft a in
erster Silbe an Stelle anderer Vokale. Manche Beispiele sind
weit verbreitet und erweisen sich dadurch als alt. So lacüsta
(Dissimilation?), rum. läcustä, neap. ragosta, siz. lagnsta, afr.
laouste, prov. langousto , tessin. laimäta, portg. Jagosta, vgl. aber
auch § 371. — [j]ajunus: rum. ayun , aneap. jagiuna, apiem.^
agen. zasiin, S. Fratello sam, span. ayuno. Enger umgrenzt sind
canoscere altitalienisch und noch heute in Sizilien , Lecce , Cam-
pobasso, träbuto apiem., Chrys., aven., madeja, lambrija, atril
span., farouche, parece, jalonse frz. u. s. w. ; ven. sälazare, emiL
salgar zu süex. Namentlich oft im direkten Anlaut, und hier
scheint a aus e an manchen Orten Gesetz zu werden. Vgl. rum.
alege, ariciu, astend, ascu{, asud, äluat, amnariu (ignarium), arunc
u. s. w. Namentlich tritt a vor gedecktem s auf: agen. ashrivo,
asdeito, aster, astorbea, im Provenzalischen : Gers asküdelo, aslcolOj
aspasa (spata), astimo, astreo u. s. w., wallon., lütt, asteir ^^- stare.
Aber auch sonst: *aspectare für expectare liegt im italienischen
aspettare vor, agnunca flir ognunca ist apiem. , agen., aven.,
alleggere findet sich im Perug. , Sen. , Pis. und in Oberitalien.
Im Siz. greift a mächtig um sich : aMapatv, agnanJcu, äbhidisi,
assirvari, aserditu, aternu. Apis.: aff'etto ^aväo 195, asegutore 193,
acciso 146, acciello 101, ascrito 203. Im Spanischen asperar,
aullar, antenallas, antruejo. In der Guerre de Metz liest man
aglise 266 b, anemins 57 b, aste 48, ataiclies, estaches 29, a,
avesque 2, doch kann a = e sein, vgl. aideis (ades) 294. In
manchen Fällen, namentlich bei Verben, hat sich offenbar
ad eingemischt, so in alleggere, aspettare, von denen das eine
im Mittelalter, das andere noch heute der ganzen italienischen
Halbinsel angehört; so mag auch da, wo a überhaupt um sich
greift, eine gewisse Vorliebe für Zusammensetzungen mit a und
S 370 — 372. Vertaiischung von Vortonvokalen. 295
daher ein Überwiegen des a-Anlautes schuldseiu an dem Über-
gewicht des a. Manche Fälle verlangen ihre besondere Erklärung :
ital. anguinaja ist = la'nguinaja.
371. Auch sonst kommen in tonloser Silbe Vokalvertauschungen
der verschiedensten Art vor, die sich meist aus Vermischung
verschiedener Wörter erklären. Eine kleine Auswahl mag ge-
nügen. Vulglat, ascultare (§ 29) findet sich im Aspan. als
asaichar Cid 3401, im Afrz. als ascoUer, daneben tritt aber unter
dem Drucke der zahlreichen mit es'' anlautenden Verba schon
frühe escuchar, escoUer. Ebenso wird äbscondere zu aspan. ascondir
Enx. 2, aber heilte escondir, ohscurus zu span. escuro und aspan.
estrologia B. Prov. 13 hespital Enx. 4, 3 aportg. desestrado Res.
ni, 199, 18 werden sich ebenso erklären, wenn sie nicht geradezu
Schreibfehler sind. Andere Fälle von e statt a sind noch portg.,
aprov. crestar zeideln aus castrar unter Einflufs von crena, portg.
sergir, sezäo, wohl französisches Lehnwort, empola wie emhigo aus
umbilicus an die zahlreichen Wörter mit em'^ aus lat. m*^ angelehnt. —
Frz. lutrin aus Jectorinvm ist nach lu umgestaltet. Glouteron gehört
nicht zu glette, sondern zunächst zu norm. glyoU — Manches ist
noch dunkel : frz. malotru, schon in alter Zeit neben malestru,
nfr. Cousin aus afr. cusin, afr., apr., npr. irane, iravlo von aranea. —
In aprov. austör dürfte *aviceptore vorliegen. — Weit verbreitet ist
niceola für nuceola, ven. nizuola , lomb. niscera , emil. nitscela,
gen. nissaa, tosk. niduola u. s. w.
Noch mehr Fonnen bringt Mussafia B. 82.
372. Ausfall der Vokale in erster Silbe findet aufser dem
Rumänischen auf allen Gebieten statt, meist aber nur vereinzelt
und ohne dafs sich für jeden Fall der Grund finden liefse.
Manche Mundarten aber erweisen sich hier viel strenger als die
Schriftsprachen. Weiter verbreitet ist critaee aus quiritare, ital.
gridare, frz. crier, span. gritar, sodann finden ital. dritto, crollare
ihre Entsprechungen wieder in frz. droit, crouler. Andere ital.
Beispiele sind sdruscire aus sdiniscire, staccio, oberital. aber
sedatz, stu = sittt bei Pulci-, scure, tremoto, trivello. Rätische: obw.
frir, sprontsa, dsiert, zahlreicher eng. sprauntsa, dvainta, dmanda,
dfinir, vrac, inair, sgilr, prir, pk'er, mner, tmair. Im Spanischen
ist drizar italienischen, drezar , granza fraiizr>sisolieu Ui-sprungs,
296 I- Kapitel: Vokalismus. § 372, 373.
sonst ist drivar und hrano aus *veraneu, Blasco aus Velasco zu
nennen. Das Franzö sisclie unterdrückt sein stummes e leicht,
Oudin führt dmander , l^on, dvant, sla, rnom, inez, prnez, achter
u. a. an. Aber schon viel früher liest man frai Brandan 1040,
1677 u. s. w. , pril, espron in Chev. II esp. 1256 u. s. w, , vrai
Po. Moral 164 d. Die heutige Orthographie und auch die Aus-
sprache sind inkonsequent. Am leichtesten wird e unterdrückt
zwischen Muta und Liquida : ploton, plamer, pluche, plouse, eplucher,
cJiaudron, Jiorloge, esprit, alhätre u. s. w. § 345, fei-ner vrai, vrille,
aber surete u. a. Viel weiter gehen die Mundarten, namentlich
im Osten und Südosten. Das schon § 345 beobachtete Streben
nach zweisilbigen "Wörtern zeigt das Neuenb. in msoerd, vlötd,
mgi, kmasi (commenccr), ferner snän§ (semaine), dvetre, fmalla,
öneve (cannahis), nvce, tmö, vnä (venenum) , Isi (loisir), fmd, tnd
u. s. w. — Sodann im Engadinischen: dmander , dvainter,
sgür (securus und securis), tnair, prir, pk'ier, mner, snistar u. s. w.
Val Maggia : §ti (sottile) , srü, vde, sreu, dman, fneätra u. s. w. ;
piemont. tle (telajo), dne, fne (fenare), tnr, fnestra, vein, vritd, und
entsprechend in S. Fratello : dver , vrair , vriner , hier übrigens,
wie es scheint , eher beschränkt , dann aber im Emilianischen :
fnod (finocchio) , mlon, pnad, stmana, bdcl (pedale), hdoö, pton
(bottone), tsevd (dissapidus), phon (boccone) u. s. w. — Endlich die
süditalienischen Mundarten, vgl, gintlronna, arvdt, scilrati, prate =
pedate, rivgliato, crona, cumtess Saponara di Grumeto (Basilicata) ;
Gottfred, Blaun, pgyd (pigliö) , sddd, sneur, plgrin, trvä (trovb),
srvitsi, fgurt (figurati)^ dlaur, ngarJcav, tka (toccare), aber impard,
galantom, vlakyaun u. s. w. Bisceglie (Terra di Bari).
373. Besonders aber sind direkt anlautende Vokale dem
Abfall unterworfen, namentlich da, wo die auslautenden Konso-
nanten gefallen sind, alle Wörter also vokalisch auslauten. Zu-
nächst mag bemerkt werden, dafs das gedecktem s im Vulgär-
lateinischen vorgeschlagene e meln-fach wieder verschwunden ist,
nicht nur im Südosten : im Rumänischen, Rätischen, Italienischen,
sondern auch im Wallonischen, in Gap, im Asturischen, in Miranda
und anderen portugiesischen Mundarten. Beispiele für die
Hauptsprachen s. § 468, aus Gap: spazmr , stupa, Miranda:
squila, minh. skrepadeUa, strela, scritar, astur, spinn, streitu, skalera,
§ 373, 374. Abfall von Vortonvokalen. 297
dann auch skcnt, sprega. Dafs in Lothringen, z. B. in Fillieres
e und s verschwinden, ist ebenfalls § 468 gesagt. Während flir
die erstgenannten Sprachen der Abfall des e sich ohne weiteres
aus dem vokalischen Auslaut erklärt, ist dieselbe Atiffassung bei
den anderen nicht möglich. Beim Kätischen und Wallonischen
könnte man an germanischen Einflufs denken, der die Abneigung
gegen anlautend st bezwungen hätte. Bedenklich bleibt diese
Annahme aber deshalb, weil wir sonst nirgends einen derartigen
Einflufs sehen. Beim Portugiesischen kann vielleicht die starke
Reduktion von e zu i angerufen werden. Mit diesem sekundären
e fiillt natürlich auch das primäre auf ins'^ nach § 403 oder auf
kl.lat. est-, aest-^ ist- zurückgehende : ital. stromento, stivdle, State,
storia u. s. w. Über Spuren des i im Italienischen, über seinen
Mangel im Altfranzösischen und Altjjrovenzali scheu s. Kap. IV.
Noch mag erwähnt werden, dafs das Logudoresische , das die
auslautenden Konsonanten wahrt, auch i- behält : istare, isperare,
iskriere, istedda u. s. w.
374. Sonst zeigt das Rumänische nur wenige Beispiele der
Aphaerese: a in micl, noaten, Frier, toamnä (a aus au § 29),
e in rugina, rtdic, rätäci. Regel ist der Abfall des a im Istrischen :
slutu^ stejHu, lyure u. s. w. Auch im Rätoromanischen sind sie
nicht zahlreich: obw. guila, ^itzar, legra, vantsar, .^idar, Jcisar,
ver, gval, stad. stinar (ohstinare), friaul. mar, moros, nemal, vietsi
(aprire), grest, vreats, wogegen die entsprechenden engadinischen
Formen meist a behalten : aguoTa, agütz, alleger, avantser, aJc'vser,
avair, aber natürlich sted. Im Italienischen aber ist der Abfall
sehr gewöhnlich : a in hadessa, hadia, pccchia , vantaggio, hottega,
guglia, gaggia, rahesca, rancia; resta, scoJta; e : Icccio, vescovo,
ruggine, briaco, chiesa, limosina, romito, ratio, nemico; i: rondine,
hernia; o: cagione, brohhio, regano u. s. w. Noch mehr würden
die Mundarten bieten, so kennt das Mailändische kein tonloses e
im Anlaut, sondern sagt: celenza, vangcli, radegd u. s. w., vorab
üind es jedoch die südlichen, der Apokope der Schhifsvokale
ganz abgeneigten Dialekte, die den vokalischen Anlaut am
leichtesten tilgen, z. B. Lecce : a in ncmula (anemone), ttentsione
(attenzione), ntinna (antenna), nieddu (agnello), cortu, rikkya ; e :
ssuttu, bbreu; o : leitu (oliveto), ööisu, ttmre u. s. w. , kal.
298 I- Kapitel: Vokalismus. § 374 375.
pitittu, Mhruogghi, Ntuoni, rmoggo, siercitu u. s. w. Weit spar-
samer sind die Idiome Galliens und der iberischen Halbinsel,
vgl. frz. mie aus m'amie infolge falscher Trennung, Guienne,
Pouille, herne, prov. lauzetttj glieka, Jena: also fast nur Fälle,
wo der Anlaut zusammenfiel mit dem Vokal des Aveiblichen
Artikels. Etwas mehr gewährt der Westen : span. lesna, morga^
cetrero, guilena, limosna, nano, bispo, radio, reloj , piMon für
opinion braucht Cervantes Illustre Fregona 225 Brockhaus; portg.
losna, voengo, gume, hetarda, lanibre, chavo, poupa, galiz. mapöla =
amapola, lameda, masinar (imagmare), nososo, certar, tisar u. s. w.
Wie man sieht, sind es nicht zum geringsten Teil Fremdwörter,
so ist portg. lambre spanisches Lehnwort, sj)an. reloj ein Latinis-
mus, lesna stammt vielleicht erst aus Frankreich. Wo nicht wie
in frz. m'amie besondere Bedingungen vorliegen, scheint in Erb-
wörtern der Anlaut hier fest zu sein. Über das ganze Gebiet
ist hotega, hotiga verbreitet: es ist möglich, dafs die Aphaerese
auf Eechnung des Mittelgriechischen zu setzen ist, ähnlich ver-
hält es sich mit ital. magrana, span. migrana, frz. migraine, das
übrigens trotz der korrekten Behandlung von er nicht Erbwort
ist. Endlich ital., span. hernia, frz. herne kann sehr wohl aus
Italien nach Frankreich und Spanien gekommen sein : jedenfalls
ist das Wort nicht echt spanisch. — Vgl. noch Kap. IV.
Eine Sammlung von Beispielen giebt C. Michaelis,
Studien zur romanischen Wortschöpfung, S. 70 — 78.
375. Ein besonderer Fall ist es, wenn vor oder nach
anlautenden Sonanten, seltener tönenden Dauer- und Verschlufs-
lauten, Vokale schwinden. In diesem Falle verschmilzt der
Vokal mit dem Sonanten völlig, und dieser wird so vokalisch.
Am häufigsten begegnet m^', n" aus im*^ , in^, so im Mazedonischen
und in ganz Süditalien, vgl. maz. ntreh, ntreJc, ntre, nicht anders
erklärt sich an praep. aus in. Im Walachischen bleibt fw, die
Vorstufe zu n: infld, intreh, impung u. s. w. Siz. nJcarkari,
ndammari, mpinciri, ntenniri, und danach auch in S. Fratello :
nvern, nfern, mpiiester. Sodann auf dem südlichen Festlande in
Lecce mperiu, nterna, nnuöente und so in Neapel und in den
Abruzzen. Die letzten nördlichen Avisläufer zeigt Arezzo mit
um unnanzi, unnescamhio , imsomba, unfanto u. s. w. Diesseits
des Apenninenkamms ist die Erscheinung noch häufiger, und
§ 375, 376. Abfall von Vortouvokaleii. 299
nicht nur auf im, in beschränkt, sondern auf nie, ne, le, re aus-
gedehnt. So zunächst im Emilianischen, vgl. romg. mdor =
mietitore, mrenda, aldan aus Idan (letame), alve, alzion, alseja
(lessiva), sogar Hone wird über lyone zu lyon, älyon; arJcam
(ricamo), armor (rumore) u. s. w. ^ indson aus nessuno über ndson.
Ebenso in Monferrato: ambrende (mcrendare) , amsun, ambrüz,
amse (Grofsvater: messere). Dann im Tessin: alvmv, arvcera
(rohurea), ferner hier auch aude aus videre, *vde, *avde, aude,
audel, avdi (venire), sodann admanda aus dmandd, adsura ; obw. :
ampaug = inpauco, npauco, anzak'ei = nonsoTcei, maJcei, eng. :
alder (laetare düngen), älver, almenter, arSaiver, imnaöas, imgurer
(megliorare), imäüra u. s. w. Aus dem Tirolischen ist die Voka-
lisierung von v zu merken: uni (venire), ulei, udei, uzin, usc'a. —
Sodann dürften aus dem Französischen Formen hierher gehören
wie : es lerne = ce chemin R. Fat. I, 288, wo der Vokal erst
in dem Reibegeräusche aufgeht, dann aber wieder vor demselben
erscheint, vgl. mehr Derartiges im Kap. IV.
376. Tonlose Vokale im Hiatus bleiben selten bestehen.
Im Lateinischen sind nur wenige Fälle vorhanden. Dafs ie und
ie zu c werden, ist § 3 S. 7 angedeutet. Vgl. quetus, parete
§ 70. Dagegen zeigt mulie're offenes p: ital. mogli^ra, afr. moillier:
es hat vor der Tonverschiebung das r das indifferente oder ge-
schlossene e zu p gewandelt. Aus coactus coagulare entsteht
quactus quagulare § 426. Steht ie in tonlosem Anlaut, so wird
es zu ii: quiitare, piitate, daraus afr. quittier, pitie. In anderen
Fällen wird i zu i: diurnum, ital. giorno u. s. w. § 404. Neuer
Hiatus entsteht durch Zusammensetzungen: deusque, afr. dusque
oder josque. Die dabei in Kraft tretenden Gesetze werden am
besten bei der Lehre von den Zusammensetzungen besprochen.
Sodann durch Ausfall von Konsonanten. Zuweilen nimmt der
erste ursprünglich tonlose Vokal den Accent auf sich und bildet
mit dem zweiten einen fallenden Diphthongen: span. rSna, vgl.
§ 598. Oder der erste, wenn er e, i ist, sinkt zu i herab und
affiziert den vorhergehenden Konsonanten, vgl. § 501 ff. Hier
soll nur die Tilgung des Hiatus durch Kontraktion oder durch
Konsonanteneinschub besprochen werden. Am meisten kommen
das Französische und Portugiesische in Betracht.
300 I- Kapitel: Vokalismus. § 377.
377. Im Französischen bleiben i, ü, ou, o vor betontem
hellem Vokal: lim, nielle, viande, miette u. s. w. ; ecuelle, cruel,
sneur , tu-yau , ea'ouelles, jouer, bo-yau, und mit sekundärem o:
Noel; au wird ou: ouir. Daneben steht afr. roäble aus ruta-
hulum, morv. ruole, aber nfr, rähle mit Assimilation des o an das
dunkle a: raahle und nachheriger Zusammenziehung. Lat. o, a
werden vor ü zu e; meur , eur , imd so in den Partizipien der
starken M-Verba : m, cheu, meu, peu u. s. w., ebenso vortoniges a
vor allen Vokalen, vgl. § 344 und sauveqr, vesteure u. s. w. Ferner
che-un aus cha-un IV Livr. 26. Vor o aber bleibt a, später findet
Zusammenziehung zu a statt : pä aus pavone, flä aus fla-one, oder
o: long aus *lavone, laon, ü aus aoüt. Vor e bleibt a zunächst:
flael , pac7?e , letzteres wird später zu poele. Lateinisch e bleibt
vor ü: seur, vor dunkeln Vokalen neigt es zu a hinüber: vgl..
feon, faon, fä neben reond, vor a bleibt e: eage. Durch Assi-
milation werden dann in einer zweiten Periode die verschiedenen
Fälle von eü, oü zu üü, von eo zu oo, von ea zu aa, und daraus
durch Kontraktion zu ü, o, a, vgl. soür Eol. 241, aage Eon II,
4165, roondement Doon 3616, henooit Aucassin 16, 2. Ebenso
wenn beide Vokale tonlos sind : pooste Doon 534, Daarein Chev.
n esp. 5507 u. s. w. Hier sind noch die eudungsbetonten
Formen der M-Perfecta zu nennen : oussent Eol. 8901 , sousse
Alex. 90, a, ousse 16, a u. s. w. Comp, soussent, ploust, pout,
tout C. Ps., aber pleu C. Ps. 146, 10, eussent kommt erst in den
IV. Livres voi\ Auch pour aus pavore gehört hierher. Doch
scheiden sich gerade in der Behandlung von eü die Dialekte :
doüs, oür, poür gehören dem Normannischen, awis, maür, taue,
aur, paur dem Osten, Gregors Dialogen u. s. w. an. Die Kon-
traktion hat nicht überall und nicht in allen Fällen gleichzeitig
stattgefunden. Am frühesten erscheint sie im Anglonormannischen :
schon der Brandan hat feimes 470, oussent 655 zweisilbig, Gaimar
traitre 517 dreisilbig, aber treisun 4237 zweisilbig: es ist also
möglich, dafs die Zusammenziehung zuei-st eingetreten ist, wenn
beide Vokale tonlos gewesen sind. Selbst Marie de France scheint
sich zweisilbiges feimes statt feimes erlaubt zu haben Lanval 230.
Guillaume de Berneville, der nach 1150 dichtete, schreibt tru,
pluriz u. s. w. — Die Normandie aber folgt später : weder Guil-
laume le Clerc noch Andeli kennen die Zusammenziehung; Wace
§ 377. Hiatiisvokale. 301
schreibt rtiser, also wieder, wo beide Vokale tonlos sind, Rou
in, 8776, ebenso Guillanme de S. Pair 3017. Zahlreiche Bei-
spiele giebt die zweite Eeimpredigt: penance 1, honure 116,
surement 150, meimes 87 u. s. w. Im Norden und Osten (soweit
hier Überhaupt kontrahiert wird, § 378), treten die kurzen Formen
gegen Ende des XII. und Anfang des XIII. Jahrhunderts auf,
vgl. in den Prosastellen im Aucassin : vesture 12, 16; henois
24, 61 ; lenie 92, 6 ; Aiol caine 8290, Loon 1391, poesteis 3313,
treuage 9617; henoHe 1911; Bernhard benizon 4, 37; maloHe
64, 21 ; sollet 128, 9 u. s. w. Im Zentrum aber schwindet der
Vokal erst im XIV. Jahrhundert und dringt im XV. (E. Deschamp)
mehr und mehr durch.
Steht von zwei unbetonten Vokalen e an zweiter Stelle, wie
dies namentlich in den Subst. auf -mcnt, in den Adverbien und
in den Futuren der Fall ist, so wird es ebenfalls kontrahiert:
turantDoon 6323. Heute ist in den Futui-en das e meist analogisch
wieder hergestellt. — Ist endlich der betonte Vokal i, so giebt
dieses seinen Ton an den vorhergehenden Vokal ab : traitre aus
trattre, chatne u. s. w. § 598, doch naif, pays; ist es ein mit i
beginnender Diphthong, so wird i zu i, das sich mit o zu oi,
mit ai zu^ verbindet, nach u bleibt, vgl. tuyau, hoyau, noyau
aus tu-iau u. s. w., foyer aus fg-ier, fleau aus fla-'iau neben flau
im XVI. Jahrhundert aus flael, fleel, fleav, pre'au aus pra-iau.
Erwähnenswert ist noch cite-ien, woraus citoyen. Das Wort
geht nicht zurück auf civHat -f- anus oder ianus, da a-ien nicht
hätte -oyen ergeben können, sondern auf frz. ciU + ien, avo nun
tonlos ei regelmäfsig zu oi wird.
Es bleiben nun noch einige Fälle, wo nicht Kontraktion
eingetreten ist: pion^ piMre a.ns ped-one, ped-estris haben sich
durch 2ned beeinflussen lassen; peage, das als Gerichtsausdruck
leicht eine ältere Form bewahren konnte, ist vielleicht an payer
angelehnt; cheant, che'ance neben mc'chant, Chance können auf
eadiente, cadientia beruhen, bienseant und seance sind von asseyom
gehalten, creance ist Buchwort, desgleichen wohl obeir.
Die Participia, wie regut 'Rol. 782, sind mit Suchier
Ztschr. II, 270 ff. als Anlehnung an die Perfecta zu
betrachten. — Th. Hossner, Zur Geschichte der unbe-
tonten Vokale im Alt- und Neufranzösischen (Sprachliches
und Metrisches), Freiburger Dissert. 1886.
302 I- Kapitel: Vokalismus. § 378—381.
378. In den Mundarten gestaltet sich die Sache zum Teil
anders. Im Osten fällt t nicht, sondern wird zu y § 436, so
dafs also gar kein Hiatus entsteht. Oder wenn er entsteht, so
wird er geduldet, doch erleiden die Vokale Umgestaltungen, vgl.
Fourgs biulo (betulJa), diau (frz. de). Im Wallonischen bleibt
a -\- i: pai (pagese und pacare) , pa'iement u. s. w. Umgekehrt
wird 0 zu w im Eouchi : liier, jüer, eblüir, ekrüelle. — Anderswo
wird ü gerade im Hiatus zu i: Saintonge sicer, Urim^nil : eticel
(scuteUa), fidnt == füant in Fillieres.
379. Im Portugiesischen wird ei (richtiger ii) zu. i:
crivel, despir, Udo, lidimo, cria = creia, via =^.veia, cri = span.
crei, vinha aus venia, veia (§ 454) ; a — a wird natürlich a : pada,
escada u. s. w., auffällig caiar zu canus ;e — e zu e; ter, crer, lenda. Bei
verschiedenen Vokalen bleibt meist der zweite : trella (sj)an. trailla),
mestre, elo, hesta, quente, setta, conego, conha, möUio, grudo: auch
hier mögen Formen wie treella vorangegangen sein, vgl. heesteiros
F. GrravaO 395. — Die Formen mit erhaltenem Vokal erklären
sich zum Teil durch Analogie: doer, moe'r , gedr, vodr, fiel, fmza
u. a. Auffälliger sind sai'ide und giesta.
380. Weit verbreitet ist der Wandel von tonlos e vor Vokal
zu i, meist in halbgelehrten Wörtern. So frz. lion, afr. crier aus
creare, Fourgs : hiulo = hetuJlo, hiato gehört ganz Oberitalien von
Venedig bis Turin an, ferner findet es sich in Alatri, im Kata-
lanischen u. s. w. Ebenso span. , portg. criar. Ferner ven. :
tivio, morhio, torhio, komio neben kospedo.
Im direkten Gegensatz dazu steht das Friaulische, das um-
gekehrt altes ia zu ea wandelt: lohedl zu Johia, straned, inueled,
piertea, dismented, neved, ingleseassi zu glesie, odeos u. s. w.
381. Die Tilgung des Hiatus durch Vermitt-
ln n g s 1 a u t e ist zum Teil eine noch wenig aufgeklärte Erschei-
nung, Am natürlichsten erscheint es , wenn ea , io u. s. w. zu
eia, iio , oa zu ova werden. Daneben giebt es aber noch ver-
schiedene andere hiatustilgende Konsonanten, so im Italienischen d.
Am einfachsten ist es, die einzelnen Sprachen nach einander zu
behandeln. Das Rumänische kennt o zwischen e, i und folgen-
dem ä in steoa, gioä, vgl. § 104; das ä ist velar, bei dem Über-
§ 381. Hiatustilgiiug durch Konsonanten. 303
gang von einem palatalen Vokale zu diesem velaren entwickelt
sich der velare tönende lleibelaut, denn als solcher ist wohl das
Q zu fassen. Sodann mäduva aus müdua (meduUa), vadüva aus
älterem vadtiä. Im Italienischen begegnet, wie gesagt, d in padi-
glione aus '^paiglione , pamglione, dem entspricht genau prov.
pagiment aus paiment, pavxment, und beide erklären sich auf die-
selbe Weise : nach dem Muster von ital. ched a prov, qucz a =
quid habet bildet man ned a, ncs a für ne a = ne(c) habet, und
Avie so im Satzinneni d, z den Hiatus tilgt, so auch im Wort-
inneru. Ähnlich erklären sich wohl friaul. Ti'adüe aus k'aile,
k'avüe, kadumer (cucumis), angudele = ven. anguele. Sodann ist
noch ital, ragunare aus raunare zu nennen. Mehr bieten die
Mundarten : besonders erwähnenswert ist im Neapolitanischen und
den verwandten Dialekten -ineya aus -inea , -igina , auch noch
in Alätri wird ia zu iya, eya : envideya = invidia, viya, gelusiya,
ideya, beyato und entsprechend pinveta, pmvesiya, Imndinuwd u. s. w.
Schon Rain. Buccio pigeiate 815, preyori b 365, pagese b 454,
ruvelläta 816. Ebenso in Norditalien: mail, ideya, ebrcy, preya
(*preta, petra), krcya, viya, sodann kova aus koa (coda) , sova aus
sua, ferner regond aus *revond, *reond (rotundus) , rüga, sagoll,
legiitt = liuto u, a. Hier ist v überall leicht erkläi-lich, auch
noch in bevola , das über beola aus beölla , betulla entstanden ist.
Als Analogiebildung ist dann aber zu fassen gravis aus grais,
ital. graiiccio, regavia, *revarla, ^rearia, *retanea, aseve = acetarius
u. a. — Interessante Erscheinungen zeigt das Westrätische. Im
Engadinischen wird süur (sudor) , üa (uva) zu süyur, üya , im
Obw. rais (radice) über rayi§ zu ra§is, pruina zu prugina,
sodann nuvar aus nodare, friaiJ. davonzi = d-a-jungere, ayar (aer),
buyazze = ven. boazza. Wenig bietet Nordfrankreich, über
sureau zu afr. seü (sabucus) , abriter zu abri und Ähnliches wird
die Wortbildungslehre Auskunft geben. Wohl aber zeigen die
nordöstlichen Mundarten w zwischen velarem und palatalem Vokal,
wallou. seroive (carruca), mmver (mutare), mutvf (frz. muet), almvette
(frz. luette), bawer, vgl. schon im Poeme Moral lomer, aloive u. s. w.
Etwas verschieden mons. sayü (sabucus), sayv, payelle neben navia
(noyau), mavü iu Plancher-les-Mines. Auch im Provenzalischen
erscheint v in uvir (audire) Dauphin^, g in sagüt (sabucus) Tarn.
Im Katalanischen wird ea zu eya: §emeneya aus frz. chemine'e,
304 I- Kapitel: Vokalismus. § 381 — 383.
teya = *fea, taeda, diarreya und die Verba auf -eyar = span.
-ear. Ebenso wird oa zu oua: Tioua im Mayorkanischen. Endlich
im Spanischen ist g bei ^°^ue, selten sonst, zu erwähnen : creguela,
lampregnela , cadaguno Jose 85 b, fegnza 124, agvtarda Caza
u. s. w., im Asturischen y vor i, e: uyidu, huyina, trayia, trayer,
ruyer, cayer, JRafayel, ebenso im Galizischen , im Portugiesischen
couve (caulis), ouvir, louvar, gouvir, und daraus couhe u. s. w. im
Norden, s. § 442. Nicht recht klar ist lügdr aus lunar, üga
S. Lourencjo di Sande.
Zweifelhaft bleibt ein hiatusfüllendes r im Fran-
zösischen, vgl. A. Tobler, Ztschr. vergl. Sprachf.
XXm, 416 und Ztschr. I, 479—481, dagegen G. Paris,
Eom. VI, 129—133.
Aus -oa entsteht in Baiao -oia: perdoia, Conj. perdoie^ jenes
vielleicht aus perdoua.
882. Hier mag noch der Hiatus in den halb- oder ganz-
gelehrten Wörtern auf lat. -uits, -ua erwähnt werden. Nament-
lich in Italien entsteht daraus ovo, ova: Genova, Mantova, conti-
novo , vedova, noch mehr in den Mundarten, vgl. mail. statova,
Jcontinof, -ova, mütof, individof, amhigof u. s. w. Dafür tritt im
Süden, z. B. im Neapolitanischen, -olo ein: statola, Jcontinolo
u. s. w. Ebenso im Portugiesischen: estatula, trevula aus trevua
(woher das u?) treva (Beira.). Vgl. noch § 340.
383. Vokalvorschlag. Schon im Vulgärlateinischen ist
gedecktem s im Anlaut i vorgeschlagen worden. In den Einzel-
sprachen finden sich ferner andere Vokale vor anlautenden Kon-
sonanten. Namentlich häufig entwickelt sich aus dem Stimmton
des r ein a, so regelmäfsig im Mazedonischen : arädätsinä, aros,
aräu, aräd, aräts (wal. rece) u. a., im Engadinischen : araig,
aram, arait, arender, arumper, aroha, ariJc; im Gaskognischen :
arram, arrasim, arrumegar, arrdbe arreilo, ebenso, wenn einst
dem r ein f vorhergegangen ist: arrnmige (formica), arrage
(*fraga), im Katalanischen: arrebol, arrel, arreu, arrialiat, arrnga
u. a. Daran schliefst sich are-, ar- aus re- § 367. Aber auch
sonst, ohne dafs der Grund klar vorläge. In frz. avertin aus la
vertin ist das a des Artikels falsch verstanden worden, weil das Wort
einen für französische Ohren männlichen Avisgang hatte; auch in
maz. amare, eng. alaig kann der weibliche Artikel mit im Spiele
§ 383 384. Vorsehlag und Zusatz von Vokalen. 305
sein, uiclit aber in maz. ama<jni, adzoTcuri, aspargu, wal. amanmt
(minutus) , aluat (levatiim). Span, ayer^ maz. aeri können ad
enthalten. Eine Hauptquelle ftir dieses a sind die mit ad zu-
sammengesetzten Verba, die bald mit den primitiven gleich-
bedeutend wurden, daher dann das a auf andere Verba und
schliefslich auch auf zugehörige Nomina übertragen wurde. So
kann das genannte maz. amagru nach amagresJc vgl. frz. amaigrir
geformt sein wie spau. adevino nach adevinar. So werden rum.
asnd, asimn, astern, ameastec, acopär von anderen einst wirklicli
mit ad- gebildeten Verben ihr a empfangen haben. Darüber
mehr in der Wortbildungslehre. — Im Spanisch-Portugiesischen
kommt dazu noch eine weitere Quelle. Der arabische Artikel
al assimiliert sein l einem folgenden s, S, z^ c, dz, d, dh, t, t, th,
n, r ; von solchen "Wörtern wird a dann auch auf lateinische über-
tragen. So haben wir also span. acitron, ahedul, arruga, avispa,
aziifre, alaton; ayantar, ayncar, amenazar, arrepenürse, atajar
u. s. w., portg. ahantesma, abalroa, ahanar, abutre, alagoa, acaho,
alampado n. s. w. Andere Vokale sind selten : in span. oruga
ist nicht o vorgeschlagen, sondern das e von lat. eruca an das
betonte u angeglichen.
Zum Spanisch-Portugiesischen vgl. J. Cor n u , L'a
prothetique devant rr en portugais, en espagnol et en
catalan, Rom. XI, 75—79, Bai st, Ztschr. VTI, 631.
384. Vokalzusatz am Ende des Wortes begegnet nur
selten. In älteren rätischen metrischen Texten findet man ihn
zwar ziemlich häufig, aber, so scheint es, ohne dafs er einer
sprachlichen Thatsache entspräche. Vgl. z. B. Arch. Glott. VIT,
150, 14 sälgire, 15 rire, 18 servare, aber vangir 50, Star 16,
cantar 6; liunse 41, hunse 42, aber im Versinnern luff's. Die
Verse 1, 2, 4, 5, 8, 9 jeder Sti-ophe müssen weiblich sein, da
hilft sich der Dichter einfach durch ein angehängtes e. Wohl
aber wird im Vulgärtoskanischen jedem betonten auslautenden
Vokale -e nachgeschlagen : cantöe , amöe , so auch ree , virtüe,
ebenso den konsonantisch auslautenden Fremdwörtern: Davidde,
lapise u. s. w. Die Schrift bringt es heute nicht mehr zum
Ausdruck, wohl aber die Texte früherer Jahrhunderte. — In
portugiesischen Mundarten, namentlich in Beira Alta, wii-d jedem
auslautenden Konsonanten -e nachgeschlagen : mare, azule, Deuze
Meyer, Grammatik. 20
306 I- Kapitel: Vokalismus. § 384—386.
odei- Deuz mit reduziertem z. S. Lourencjo de Sande sdle, kintäle,
anele. Darin das lateinische e sehen zu wollen, geht nicht an
aus zwei Gründen. In Deuze hat im Lateinischen überhaupt
kein Vokal im Auslaut gestanden, in anele ein o. Ferner hätte
aus sale notwendigerweise sae entstehen müssen, da in diesen
Mundarten wie im Gemeinportugiesischen l zwischen Vokalen
fällt. Es ist also zunächst auch hier -die zu -al geworden, dann
nach der Periode, wo 'i'' fällt, -al wieder zu -aZe.
385. Umstellung von Vokalen kann wie bei den Kon-
sonanten in doppelter Weise statt haben : es wechseln zwei Laute
ihre Stelle, oder es tritt einer aus einer Silbe in eine andere.
Diese zweite Erscheinung pflegt man als Attraktion oder Epen-
these zu bezeichnen. So weit sie nachtonige Vokale betrifft, ist
sie schon § 340 besprochen. Vortonig ist sie selten, vgl. etwa
andal. faision, astur, popeutado, bogot. enjuagar. Bemerkenswert
ist andal. faitiga. Wirkliche Umstellung dagegen liegt vor in
den § 295 erwähnten Fällen, zu denen sich aus dem Senesischen
noch folgende merkwürdige gesellen : hontid , metid , ontiana,
santia, contiare (comiMare), contio (cognitus), ontia, ferner santio
(sanctus). Sodann afr. postee für poeste = potestate.
386. Der Gründe für gegenseitige Umstellung giebt es
manche, doch sind sie nicht immer ersichtlich. Im Italienischen
wird rohustus über *rebosto (§ 358) zu rubesto unter Einflufs von
agresto. Ebenso wird durch Umstellung ein häufig vorkommendes
Suffix an Stelle eines seltenen gewonnen in portg. joelho (aber
noch Sa de Miranda giolho und heute in Ponte-do-Lima) und im
tirol. yonedl aus genuclu, im frz. moelle aus meolle (medulla),
rouette aus *reotte, *reorte (retorta), zum ersteren gesellt sich süd-
sard. mueddu, portg. moela, nprov. mudelo, ferner in portg. boleta =
span. hellota, prov. furege aus feroge (*feroticus) nach dumege =
domesticus. Andere sind schwer zu erklären. Lateinisch rürmgare
ist zum Teil stark entstellt worden, auch in seinen Konsonanten,
vgl. § 582, in tarent. ricumare, kat. remugar hat man durch die
Vokalumstellung das Präfix re gewonnen. — Span, albanal geht
auf alvoniale aus alveonale zurück : i verband sich mit n leichter
als mit V. In aportg. prestumeiro =postremeiro Foro de Guarda 442
scheint der labiale Vokal von dem labialen Konsonanten angezogen
g 386 — 388. Vokalumstellunc?: Vokalenttaltung. 307
ZU sein. Siz. rinnina , kal. , lecc. rindina scheint *hurindine für
hirundine zu sein. — Besonders leicht vollzieht sich die Um-
stellung, wenn beide Vokale tonlos sind. Aus impromütuare ent-
steht im gallischen Vulgärlatein ^imprümotuare^ frz. emjyrunter;
aus hereditate im Afr. eritagc, daraus netage; aus seqiiitare über
secutare im Tarentiuischen suticare u. s. w.
Vgl. D. Behrens, Über reciprolce Metathesen im
Bomanischen, S. 100 — 109.
387. Vokalentfaltung zwischen zwei Konsonanten tritt
unter verschiedenen Umständen ein. Zunächst in Fremdwörtern,
die ungewohnte Lautverbindungen enthalten, wie saintong. ogumHe,
ital. seneppino, lanzichenetto, afr. hanap, canif u. s. w., friaul.
skuruhutt. Sodann namentlich, wenn die beiden Konsonanten
nicht homotop sind, oder wenn der eine ein Sonant ist. Das
Rumänische bietet wenig : cZ -f- v, d -{- m wird zu dev , dem :
adever, ademänesc. Aus dem Obwaldischen ist farein zu nennen.
Da hier sonst die Gruppe fr geduldet wird , im Engadinischen
dagegen tonloser Anlautvokal leicht fällt (vgl. § 372), so könnte
farein ein Lehnwort mit Lautumsetzung sein nach dem Muster:
eng. frina = obw. farina. Im Italienischen wird sm zu sim :
ansima aus "^asma, astlima, Cosimo, biasimo. Namentlich stark
entwickelt ist die Lautenttaltung aber im Emilianischen, vgl.
romg. esan , biasum , seruf = servo , gveran = governo , seluf =
salvo^ horan = corno, merum (ma,mor) u. s. w. Hierher sind
ferner die Reflexe von tenuis im Ostfranzösischen zu stellen:
teneve im Gregor und Ezechiel liefsen sich zwar anders deuten,
aber tenave Ez. 22, 20, tenavement 22, 24, lassen keine Zweifel
zu. Dmen gesellt sich bress. §€neve, senove aus cannabis,
*öanve bei.
388. Als Vokalentfaltung mag es schliefslich gefafst werden,
obschon der Vorgang besser als Vokalisierung eines Konsonanten
bezeichnet wird, wenn zwischen Konsonant und r ein f sich
entwickelt. Es findet sich namentlich in französischen Mund-
arten, Avenn dem r ein halbvokalisches i oder « folgt. Wir
haben also in That und Wahrheit die Lautfolge : Konsonant, Sonant,
Sonant, Vokal. Notwendigenveise wird nun der eine der zwei
Sonanten zum Vokal, und zwar der zweite im Neufranzösischeu,
20*
308 I. Kapitel: Vokalismus. § 388, 389.
wo säiye neben vudrie steht, umgekehrt in berry. pfye = prier,
TifyQ = crier, so habfyole, agrye, morv. tfüelle, kficr , pri^r,
frß, ffrßde, §brie (ahriter), Haute-Maine tfile (truie), Ille et Vil.
ifiieTle, ekfueUes, Tcapryole. — Interessant ist in dieser Hinsicht
Vionnaz. Dem frz. tirer, mirer, virer mufs nach § 262 hier ent-
sprechen: tiryer, miryer, viryer, ferner wird gemäfs § 39 das i
zu § und weiter er zu f. Nun haben wir also in tfye die Formel :
Konsonant, Sonant, Sonant, Vokal. Der erste Sonant verbindet
sich mit dem Konsonanten, infolgedessen mufs der zweite zum
Vokal werden : aus tfyer entsteht tri-y-er. In m^ycr, Vfyer dagegen
folgen sich drei Sonanten ; der mittlere wird Vokal, die beiden
anderen Konsonanten : m§rye bleibt. Schon in den altfranzösischen
Texten scheinen sich die Anfänge dieser Erscheinung zu zeigen.
In Karls Eeise liest man venderai 498, volderunt 315, 840,
abaterai 514, während das Metrum zweisilbige Formen verlangt.
Ebenso in pikardischen Denkmälern: Amis 1834 wird meterai
durch die Silbenzahl des Verses gesichert; die Futura auf -erai
begegnen z. B. in Urkunden aus Vermandois, onJcele in Aire K. 4,
aposteles A. 25, egelise K. 17. Zweifelhaft bleibt die Auffassung der
Schreibung ver: cheverels , wie sie z. B. für die Bücher der Könige
vor dem Tone fast Regel ist: da für v und u nur ein Zeichen
vorhanden war, konnte das c dazu dienen, die konsonantische
Geltung des v anzugeben. Gerade in dem genannten Texte aber
dürfte thatsächlich auch e gesprochen worden sein aus doppeltem
Grunde: Aveil nach dem Tone vr meist bleibt: ovre, und weil
auch siivrai zu sitverai wird : hier lag keine graphische Not-
wendigkeit für e vor. Eine Weiterentwicklung von f zu er zeigt
Bessin mit Iceriahle, Jceriature. — Ebenso Avird er vor Sonanten zu
f in Campobasso, das nun nach s, (5 als f (ere) bleibt, sonst zu
r§ wird : d§r§voune (cervona) , ts§rmvHs§y§ (servkio) , d§rmvielJ§,
aber tr§m§ndd (tormentare) , pr§f§r§yd, preulate aus peryulate
(pergidato), abhreond, krmvattine.
C. Zur Geschichte der Nasaivokale.
389. Mehrfach ist im Vorhergehenden gezeigt worden, dafs
die nasalen Konsonanten einen sehr starken Einflufs üben auf
die ihnen unmittelbar vorhergehenden Vokale. In weitaus den
§ 389—391. Die Nasalvokale. 309
meisten Fällen ist der nasale Konsonant velar oder leicht
palatal geworden, hat dann seine Qualität dem Vokal mitgeteilt,
diesen also nasalisiert: äh oder äii, und ist schliefslich ge-
schwunden : ü. Aus dem Nasalvokal ist in späterer Zeit mehr-
fach wieder oraler geworden. Es gehören diese Erscheinungen
zu den schwierigsten der romanischen Lautgeschichte, auch ist
das zu ihrer Aufklärung nötige Material aus modernen Mund-
arten noch ein sehr lückenhaftes; dennoch mag hier, zum Teil
mit Wiederholung des schon Gesagten, zusammengefafst werden,
was bis heute ermittelt ist. In Betracht kommen das Rumänische,
Französische, Provenzalische , Rätische, die oberitalienischen
Mundarten und das Portugiesische.
390. Im Rumänische n wird offener Tonvokal vor n und
vor m -+- Verschlufslaut geschlossen, also a zu rum. d, p zu c, p zu
o, daraus dann weiter i, i, u, vgl. eint, vint, hun, und § 94, 135, 244.
Die Erklärung dieser Schliefsung der Vokale wird gegeben durch
den Unterschied , der besteht zwischen m'' und m'". Das iuter-
vokalische w blieb labialer Nasal, das vorkonsonantische dagegen
und jedes n wurde in seinem Anfange leicht velar: die dadurch
bedingte Verengerung des Mundkanals teilte sich auch dem
unmittelbar vorhergehenden Vokale mit. Zwischen Vokalen wird
dann n über h zu /«, r, s. unten.
391. Von besonderer Wichtigkeit sind die französischen
Verhältnisse. Im Zentralfranzösischen erscheint heute nasaler
Vokal nur am Silbenschlufs , in freier Stellung im Wortinnern
dagegen oraler : j>?e?»je. Dieser Zustand herrscht mindestens seit
dem XVI. Jahrhundert: die Grammatiker wissen nichts von
einer Aussprache pl^ne. Dafs aber die Verbindung en auf ?»?
beruhen kann, beweisen ame aus aivs ne, d. i. csm, und aine
aus inguine über ?«e. Ferner nfr. ^;awwe (Dachfette) aus jm^na,
femme aus femina, deren a älteres pTne, ferne verlangt. Wenn
damit bewiesen ist, dafs axis altfranzösisch nasalem Vokal vor n
in späterer Zeit oraler entstehen mufs, so ist wenigstens die
Möglichkeit gegeben, nfr. oralen Vokal -f- n auf afr. Xasalvokal
-}- fi zurückzuftlhren. Diese Möglichkeit wird zur Wahrschein-
lichkeit erhoben durch die Thatsache , dafs ftlr fi , m zwischen
Vokalen im Afr. und zum Teil noch heute vn , mm geschrieben
310 I- Kapitel: Vokalismus. § 391,
wird : tonne, aimme. Diese Doppelung hätte bei der neufran-
zösischen Aussprache keine rechte Bedeutung, nehmen wir aber
an, honne sei böne gesprochen worden, so verhält sich dazu die
Schreibweise wie das geschriebene chante zu dem gesprochenen
Mt. Endlich weist die heutige Qualität der oralen Vokale
vor n, m auf einstige Nasalierung: pgma ist über pöme zu
pgmme geworden. Das Verhältnis der verschiedenen Vokale zur
Nasalisierung ist ein sehr verschiedenes. Am längsten wider-
stehen ihr i und ü, während alle anderen ihr frühzeitig unter-
liegen, so 9 in Proparoxytonis schon vor Eintreten des Syn-
kopierungsgesetzes § 211, a noch auf der Stufe ä § 246.
Während nun das Zentralfranzösische alle Vokale in Beziehung
auf Nasalisierung und Entnasalisierung gleichmäfsig behandelt,
zeigen die Mundarten bedeutende Unterschiede. Zunächst ist
schon § 33 bemerkt, dafs -ina u. s. w. noch im ganzen Osten
und zum Teil Südosten als -%ne, -ene u. s. w. erscheinen. Dann
aber scheint e am ehesten zu beharren, wogegen ö und ä leichter
zu 0, a werden, vgl. z. B. Fourgs: M (hene), p^no, tscno, fuenOj
aber snno (sonat) , titno, da (dente), presa, -ma, ferner via aus
viginti, aber vor Konsonanten tiädre (tingere), detiädre. Lateinisch
ant bleibt: maröä (marchand), ebenso an: mä, pä u. s. w. Be-
merkenswert ist hier namentlich der Unterschied in der Behand-
lung von aw^ und ew^, der sich aber auch sonst findet, vgl. § 91
und Courtelary : sota (sentant) , Mtä , tä neben pretodre , rotr^
(rentrer), vivema (vivement), dazu muveme (mouvement) und ressä-
time als Schriftwörter. Diese letzteren sind nicht recht ver-
ständlich: sie stammen vielleicht aus irgend einem anderen
Dialekt, nicht ganz direkt aus der Büchersprache. Sonst aber
sehen wir hier in völliger Bestätigung des § 92 Gelehrten, daf&
die Entnasalisierung sich am ehesten bei velaren Vokalen voll-
zieht, und dafs a vor Nasalen mehr palatal als velar ist, vgl.
§ 246 — 248. Wie altes in wird sodann en behandelt. Im
Zentralfranzösischen erklärt sich der Unterschied zwischen langue
und teindre daraus, dafs letzterem ci aus en, ersterem c zu Grunde
liegt, jenes entwickelt sich wie peine. Nicht so hier im Osten,
wo peino zu p^no wird. Das fühi-t auf folgende Reihe. Vulglat.
peina wird im Osten zu peina, p^no : erst auf der Stufe § tritt die
Nasalisierung ein. Dagegen tingere geht über teiire zu tinre. Nun
§ 391 — 393. Die französischen Nasalvokale. 311
ist hier i so wenig der Nasalisieruug fähig als im Zentrum,
anstatt dafs es aber zu S wird, bleibt es vielmehr bestehen und
aus dem Stimmton des n entwickelt sich ein nasaler Vokal ü,
tinre wird zu tiäre. — Anderswo ist auslautender Nasal geblieben,
während sonst oraler Vokal eingetreten ist, so in der Gegend von
Arras: jwi' , mate, love (levain) , hüsö, aber dim^s (dimanche), ble'a
(hlanc), s^rp^'a, meä^a, l(edi, §oJc (cinq), pgn§ (ponere), Jc§del (chafidelle),
Jcm^ie (commencer) , vet (vingt), v§ (vent) u. s. w. Oder aber die
Entnasalisierung ist ganz bedingungslos, so in Reims: mo (mon),
repud, sodeli (chandelier), ratrc (rentrer), sodre (cendre), oguiJIe,
odouüle u. s. w.
Zum ältesten Französisch vgl. G. Paris, Rom.
XI, 605.
392. Zuweilen scheint aber auch Rückkehr zu oralem
Vokal -1- n stattzuhaben. Für einzelne lothringische Mundarten
wird angegeben fandü, muozon, deKond, sond (cendre). Es würde
sich fragen, ob hier germanischer Einflufs vorliege, ob überhaupt
die Erscheinung ihre bestimmte geographische Begrenzung habe,
oder ob sie nur individuell sei. Als Zwischenstufe zwischen ä
und an ist ah zu fassen, das sich ebenfalls in Lothringen findet,
namentlich nach i: bin, fih oder hylh, fylh.
393. Während bei den bisher behandelten Fällen bei dem
Übergang von an zu ah, äh der hinterste Teil des Velums gesenkt
wurde, ist nun auch eine Senkung des mittleren denkbar, also
eine Entwicklungsreihe an, an, an. Auch diese findet sich that-
sächlich im Ostfranzösischen. Schon im Mittelalter trifft man
Schreibweisen wie foniaigne Ysopet 67, ploigne 501, eschigne
1700, und so heute im Morvan : ßn, p^n, vlh u. s. w., auch
mainUe, moinlle, poinlle in der Champagne Tarbe 70 wird nichts
anderes zu bedeuten haben. Weiter nördlich in Mons : trn,
pün (pomum), pari, die beweisen, dafs nicht das i im Spiele ist,
dafs also nicht eine der § 298 aus dem Rätischen erwähnten
verwandte Erscheinung vorliegt. Auffkllig ist, dafs ebenfalls im
Gebiete von Mons ou aus ö, au aus ä, §u aus l vorkommen, die
ganz velares h verlangen. Genauere Untersuchung ist auch hier
sehr nötig.
312 I- Kapitel: Vokalismus. § 394—397.
394. Die Färbung der Vokale hängt davon ab, ob mehr
eine Tendenz zur Dissimilation oder zur Assimilation vorherrscht.
Letztere zeigt das Zentralfranzösische, wenn es ? zu ä, ^ zu ?
treibt § 89 und 33. Die interessantesten Dissimilationserschei-
nungen zeigt Arras, avo hlanc zu Mpa wird, gerade wie sälsa zu
S^'os : im einen wie im anderen Falle liegt a -\- Velar vor , vor
welchem dieses a zu § dissimiliert wird. — Schwieriger ist e aus
gedecktem a zu beurteilen in tonloser Silbe : Cambray enio
(anneau), cm, hmede: man hat hierin vielleicht am sichersten
Reduktion des tonlosen Nasalvokals zu sehen, die derjenigen von
vortonigem oralen a zu e entspricht. Dagegen liegt in süs%
(sugant) u. s. w. in Pas de Calais, in äbit^, ^f, mitcn§ in Del^mont
Dissimilation vor.
395. Die Entnasalisierung ist unter Umständen auch von
Einflufs auf die Qualität des Vokals. Namentlich tritt häufig
Kürzung ein, vgl. frz. pömme, und diese Kürzung kann bis zur
Reduktion des Vokals auf § und zu schliefslichem Verlust des
Tons führen. So namentlich im Osten : lothr. den (donat), pem,
paSen (persona), Jcüzen, hozen, feren, pen (epine), fötfn, rcn u. s. w.,
daraus dann epnd u. s. w., s. § 596.
396. Im P r 0 V e n z a 1 i s c h e n sind (!, p vor Nasalen ge-
schlossen, e, 0 : he reimt mit fc, ho mit do ; a vor n ist velar, reimt
also nur mit sich selbst. Tritt ursprünglich freies n infolge der
vokalischen Auslautgesetze ans Wortende, so fällt es in den
meisten Mundarten, s. § 563. Im Gaskognischen bringt der
Schwund des n Dehnung mit sich : paa, fee, bee, razoo schreiben
die alten gaskognischen Texte oft. Sonst ist die Quantität die-
selbe wie vor Verschlufslauten , daher z. B. lim. f% (fine) , wie
ouvi (auditu), aber ouvt (audire). Es mag sich fragen, ob zwischen
p>ä und j^aw eine Mittelstufe pä liegt. Die Qualitätsveränderung
der Vokale bedingt eine velare Aussprache des n, vgl. § 394.
Also eine Vorstufe pahn mit einem velar beginnenden land dental
schliefsenden n ist für die älteste Zeit vorauszusetzen. Von da
dürfte aber der Weg zu j;a kaum anders als über pä gehen.
397. Die Entwicklung der Vokale vor n im Rätischen zeigt
vielfach Ähnlichkeit mit der im Französischen, namentlich diejenige
^ 397 — 399. l^ie rätisclien und oberitalienischen Nasalvokale. 313
von gcnlofkteiii e, § 96, im Friaulisclieu mit der im Rumänischen.
Doch trügt hier der Schein zum Teil sehr : rum. timi) und friaul.
timp stimmen nur zufällig Uberein: das i ist hier ganz anders
entstanden als dort, vgl. § 162 und 94. Velares w und sogar
Nasalvokale scheinen dem Westrätischen einst eigen gewesen zu
sein : Rotenbrunnen im Domletschg bewahrt noch heute wenigstens
äü aus an : li'äü , läüa , päü, zwischen Vokalen erscheint h in
ganz Mittelbünden , und auslautend h z. B. in j^^^^^s eignet
aufserdem dem ganzen Friaul. Vor dentalen Konsonanten aber
bleibt fast überall w, nur Bergün zeigt auch hier h. Für die
einstige Existenz von Nasalvokalen spricht vielleicht die starke
Abhängigkeit des n vom Tonvokal : hum, dana. Die Rück-
kehr zum oralen Vokal und zum dentalen n ist dann dem hier
besonders starken deutschen Einflüsse zuzuschreiben.
398. Im P iemont es i sehen, Lombard i sehen und
■Genuesischen kommen ebenfalls Nasalvokale vor. Auf frühe
Velare Aussprache des intervokal ischen n weist der Mangel des
Diphthongen von e : piem. Icadeha, nicht *kadeina. In welchem
Umfange sie heute noch bestehen , bleibt erst zu untersuchen.
S. Fratello kennt sie im Auslaut : mä, tcmä, v^lP, hä, aber hauna,
dessen u aiif velares n weist. Sodann /i? = fino , was an das
ostfrz. via aus vigititi erinnert § 391. Mit 2-Diphthongen aber
ist n nicht vereinbar, vielmehr tritt n dafür ein, das dann
schwindet: fai aus fenum, buoi = honi, *bom (§ 322), 1c ei Plur.
zu M (canis). — Völlige Entnasalisierung, auch vor Konsonanten,
hat im Bergamaskischen stattgefunden: ma (mano), he (bene), tep
(tempo) setzen doch wohl mä, hi', iip voraus. — Sodann sind
auch hier die palatalen Nasalvokale zu bemerken, die uns schon
aus dem Französischen bekannt sind (§ 394), so im Tessin
nicht nur verin, fen, nissün, sondern auch man, va/n in der Valle
Maggia, koroti in der Val Leventina , in Novara soll n zwischen
Vokalen zu n werden, während im Auslaut hoim über *6ww,
*bun, *bük zu buk wird.
399. Endlich im Portugiesischen finden sich Nasal-
vokale , die sich wesentlich von den französischen unter-
scheiden, sie sind palataler. So ist im Portugiesischen 1 und ü
möglich. Wie im Französischen, so hat auch hier intervokalisches
314 I- Kapitel: Vokalismus. § 399^ 400.
n den ersten Vokal nasalisiert, ist dann aber selbst verloren
gegangen. In einer späteren Zeit ist wieder Entnasalisierung
eingetreten, aufser bei %, das zu ifi wird. Also luna wird über
lüna, lüa zu lua^ avena über avena , avea zu aveia , dagegen
*cocma über cozlna, cozta zu cozinha. Im Auslaut bleibt der
Nasalvokal: honu, hönu, hön, hö, daher auch lana, läa, und nun
Kontraktion der zwei a : lä, aber *iflno, vlo, vinho. Häufig ent-
steht auch Nasalvokal durch vorhergehendes m, n: müy, mäy,
mim, ninho aus *wio, nido.
400. Die Klangfarbe der Vokale ist in den Dialekten eine
sehr verschiedene. Obschon, wie gesagt, die portugiesischen
Nasalvokale eher palatal sind, so haben sie doch stets ge-
schlossenen Laut. Es zeigen nun namentlich ä und ö in den
Mundarten vielfach verschiedene Schattierungen , je nachdem sie
mehr oder weniger velar oder palatal sind. Lat. -one wird im
Norden zu 5, öü, so im ganzen Douro-e-Minho. Das südportu-
giesische und schriftsprachliche äo zeigt eine andere Entwick-
lung. Aus one entstand zunächst ö, vgl. öes aus ones und M
aus bene. In Verbindung mit dem velaren o war der Nasal
selbst velar. Durch Dissimilation entstand daraus äö und schliefs-
lich das heutige äo, das nun identisch ist mit dem Reflex von
-anum. Die nördlichen Mundarten dagegen wandeln -ano zu
-an, -ä. Zu -öu gesellt sich meist panis: pöu, was vielleicht aus
Einflufs des labialen Konsonanten zu erklären ist. Weiter geht
S. Louren^o de Sande : hier wird jedes -ano zu -öu. Möglicher-
weise ist der Abfall des o jünger: ano, äo, öu; auch ä aus ana
und an'' bleibt nicht, sondern verschiebt sich zu äo: irmöu =
germanus, irmäo = germana, menäo = portg. mtinhä, Jcäopo ==
campo, säoto.
II. Kapitel.
DIE KONSONANTEN.
401. Die Faktoren, die die Entwicklung der Konsonanten
bedingen, sind zum Teil verschieden von den bei den Vokalen
mafsgebenden , weniger freilich ihrem Wesen als ihrer Wirkung
nach. Auch hier kommen zwar die umgebenden Laute und der
Accent in Betracht, aber gerade in umgekehrtem Verhältnis als
wie bei jenen: die Umgestaltung, die die Konsonanten durch
den Accent erleiden , sind geringe , entscheidend sind in erster
Linie die umgebenden Laute. Daher ist denn auch die Stellung
der Konsonanten im Worte weit wichtiger, als die Artikulations-
stufe : die Behandlung von p, fc, t im Anlaut zeigt eine völlige
Übereinstimmung, ebenso diejenige von p, 1c, t im Inlaut
zwischen Vokalen, wogegen zwischen anlautend p und inlautend
p oder anlautend t und inlautend t u. s. w. ein grofser Unter-
schied besteht, vgl. ital. padre, casa, tcäe, riva, spiga, spada, wo
also nicht Dentale anders behandelt werden als Labiale oder
Gutturale, sondern wo inlautende Konsonanten sich anders ge-
stalten als anlautende. Eine wissenschaftliche Darstellung der
Entwicklung des romanischen Konsonantensystems wird daher
denn auch nicht von jedem einzelnen Konsonanten in seinen
verschiedenen Stellungen, sondern von den gesamten Konsonanten
in den einzelnen Stellungen zu sprechen haben, also Konsonanten
im Anlaut, Inlaut, Auslaut; und zwar je einfache Konsonanten
und Konsonantengruppen, beim Inlaut vor dem Tone oder nach
dem Tone u. s. av. — Die Veränderungen lassen sich in drei
Klassen teilen. Es kann die Artikulationsstelle verschoben werden.
316 II. Kapitel: Konsonantismus. § 401, 402.
dies ist z. B. der Fall , wenn lat. Tie zu Ti'e wird : das h' bleibt
ein tonloser Verschlufslant, wird aber etwas weiter vorn gebildet
als das fc. Solche Umgestaltungen sind meist an den folgenden
Laut gebunden, kommen aber dann sowohl im Anlaut als im
Inneren des Wortes vor. Zweitens die Artikulationsstelle bleibt
dieselbe, der Kraftaufwand ist ein geringerer: die Stimmritze
bleibt verengert; es entsteht also ein tönender Laut an Stelle
eines tonlosen , oder es wird nicht mehr ein völliger Verschlufs,
sondern blofs eine Enge gebildet: Eeibelaut statt Verschlufslaut,
oder es wird keine Enge mehr gebildet: an Stelle des Konso-
nanten tritt ein Vokal. Während diese Vorgänge ganz allmählich
vor sich gehen , zwischen Ti und Tc z. B. eine Reihe von Über-
gangsstufen liegen^ ist dies nicht mehr der Fall, wenn statt des
labialen m das dentale n eintritt, oder wenn Z zu d wird u. dgl.
Die erste Klasse dieser Veränderungen soll im Folgenden als
lokale, die zweite als graduelle, die dritte als L a u t -
vertauschung bezeichnet werden. Eine ganz strenge Scheidung
ist übrigens nicht möglich.
402. Die lateinischen Konsonanten. Der Konso-
nantenbestand im Lateinischen ist der folgende:
Verschh
ifslaute.
Dauerlaute.
Sonanten.
Tonlose
Tönende
Tonlose Tönende
Labiale P
B
F V
M
Dentale T
D
S —
N LR
Gutturale C
G
H J
—
Das V war im älteren Latein bilabial und hatte diesen Wert
noch, als die ersten lateinischen Wörter zu den Germanen
drangen. Das germanische w war ebenfalls bilabial, daher lat.
vinum im Germanischen durch w^ns wiedergegeben wurde. Später
wurde das lat. v labiodental, stand infolge dessen dem germ. /"näher
als dem w, vgl. versus : vers. Als der Kaiser Claudius im Jahre 47
umgestürztes F als Zeichen für v statt des alten, auch den Wert
des u darstellenden V einsetzen wollte, war ihm v offenbar dem
f mehr verwandt als dem u. Auch Consentius V. 395, 15 tadelt
die bilabiale Aussprache als dialektisch : v quoque litteram aliqui
pinguius ecferunt, ut, cum dicunt veni, putes trisyllabum inci-
pere. Das H ist im Volksmunde schon gegen Ende der Republik,
ß 402. I^iß lateinischen Konsonanten. 317
im Munde der Gebildeten etwas später, völlig geschwunden : für
die romanischen Sprachen kommt" es gar nicht in Betracht.
Alle diese Konsonanten kommen im Wortanlaut vor Vokalen
vor. Im Wortinlaut zwischen Vokalen fehlt dagegen in echt
lateinischen Wörtern das f, rvfus u. dgl. sind sabellischen Ur-
sprungs, vgl. § 19, S. 41. / steht nur zwischen Vokalen und
zwar nur , wenn der zweite dunkel ist : raja, major, ejus ; trajecta
u. dgl. sind blofs etymologische Schreibungen, gesprochen wurde
traicta, s. § 293, h findet sich ebenfalls nur zwischen Vokalen.
Von Konsonantengruppen besitzt das Lateinische im Anlaut:
PX, BL, FL, CL, GL; PR, BR, FR, TR, CR, GR; GN; QU;
ST, STR, STL, SP, SPR, SPL, SC, SCR. Von diesen Ver-
bindungen ist Sil nur durch die veralteten stlis, stlocus, stlemhus,
durch stlatta, stloppus vertreten, spr durch das einzige spretiis,
spl durch das der Entlehnung verdächtige splendet. Gn, in älterer
Zeit häufiger, verliert sein g frühe in der Volkssprache,
Im Inlaut erscheinen: N mit den dentalen Verschlufslauten,
mit s und f (doch s. § 403), in der Schrift auch mit den Guttu-
ralen , doch hat es in diesem Falle velare Aussprache ; 31 mit
labialen Verschlufslauten und n ; L mit allen aufser r ; R mit
allen aufser l; S mit tonlosen Verschlufslauten; alle Verschlufs-
laute verbinden sich mit r, die Gutturalen und Labialen mit l
und s , nur g mit m, n ; endlich verbinden sich p, c mit t, selten
h, g mit d. Danach .finden sich an zweiter Stelle von Konso-
nantenverbindungen : N nach l, r, m, g; M nach /, r, g; D nach
Verschlufslauten; L nach Verschlufslauten aufser Dentalen; V
nach r, l, q; S nach n, r, I, p, c (x) ; die Verschlufslaute nach
l, r, n bezw. m, die tonlosen auch nach s, die dentalen auch
nach den Labialen und Gutturalen.
Verbindungen von drei oder mehr Konsonanten sind nur möglich,
wenn einer ein Sonant oder Dauerlaut, einer ein Verschlufslaut
ist. Wir finden:
NCT, NCS, NCL, NGL, NTR, NST; MPT,. MPS, MPL, MBB,
CST, CSTB, STR.
Verdoppelt werden alle Konsonanten, doch sind hh, dd, gg
sehr selten. Endlich im Auslaute stehen M, N, R, L, S, T, D,
C; P nur in dem vereinzelten volup, B nur in ah, oh, die stets
318 II- Kapitel: Konsonantismus. § 402, 403.
mit dem folgenden Worte eine Einheit bilden ; NS, MS, X, PS.,
JRX, LX, ST; MPS in siremps.
403. Das vulgärlateinisclie Konsonanten System
stimmt im ganzen mit dem schriftlateinischen tiberein. Die
wichtigsten Abweichungen betreffen die Gutturalen, sodann hat
sich in den Konsonantengruppen und im Auslaut einiges Wenige
verschoben.
a. Nur im Logudoresischen, Altdalmatinischen (Veglia) und
Albanesischen hat lat. c seinen gutturalen Wert beibehalten. Im
Italienischen jenseit des Apennins, im Rätischen, im Rumänischen
und im Pikardischen erscheint es als Ü bezw. ^, auf den übrigen
Gebieten als ts, s, /. Die Geschichte der Palatalisierung des C
ist in völliges Dunkel gehüllt. Die Annahme, dafs ts aus t^
entstanden sei, entbehrt ebenso sehr einer historischen Stütze wie
die umgekehrte, dafs ts die Vorstufe zu ts bilde: beide Laute
scheinen sich von einem bestimmten gemeinsamen Punkte aus
entwickelt zu haben. Der Vorgang ist so zxi fassen, dafs die
Artikulationsstelle des k mehr und mehr nach vorn verschoben
wird , nach der Stelle hin , wo bei der Aussprache des e und i
der Zungenrücken dem Gaumen am nächsten kommt : wir erhalten
so den Laut des fc in frz. quij ital. chiesa. Rückt die Arti-
kulationsstelle noch weiter nach vorn, so bildet die Zunge eine
Rinne : strömt nun die Luft nach Öffnung des Verschlusses durch
diese Rinne, so entsteht ein leichtes Reibungsgeräusch, das
ursprünglich rein explosive /c wird zu einem Explosivlaut mit
Ansatz zu einem Reibelaut : h'. Schreitet man auf dem bisher
eingeschlagenen Wege weiter, so erhält man einen ähnlichen
Laut, bei dem jedoch die Rinnenbildung unmittelbar hinter dem
Verschlufs einsetzt : t. Meist entwickelt sich nun der frikative
Ansatz zu selbständigem Lautwerte, und zwar sind zwei Wege
möglich. Entweder der Verschlufs auf der Mittellinie wird gelöst,
die Rinnenbildvmg bleibt bestehen, es entsteht der zusammen-
gesetzte Laut ts ; oder aber der Zungenrticken wird weniger ge-
hoben als beim t, der Verschlufs explodiert breiter, der frikative
Ansatz klingt als s, wir bekommen den Laut Ö. Die Implosion
von d und ts ist dieselbe , c wird aber mit kleinerem Kiefer-
winkel gesprochen.
§ 403.
Die vulgärlateinischen Konsonanten.
319
Nach diesen physiologischen Erörterungen bleibt Übrig, einen
Blick zu werfen auf die thatsiichlich im Komanischen vorliegenden
Formen, wofUr wenige Beispiele genügen mögen.
Lat.
CENTU
CAELU CERVU
CEKA
CINERE
Log.
kentu
Mu
kerbu
kera
kijina
Vegl.
—
—
—
—
kanaissa
Alb.
Ic'int
mei
—
—
—
Ital.
cento
cielo
cervo
cera
cenere
Rum.
—
der
cerb
cearä
cenusä
Eng.
dient
m
öerf
öaira
öendra
Venez.
sento
siel
—
—
senere
Gen.
sent
se
—
—
senee
Frz.
Cent
ciel
cerf
dre
cendre
Span.
ciento
delo
derbo
cera
ceniza.
Lat.
CIRCAT
CINQUE CIMICE
CEE VICE
CEREBELLU
Log.
Tcirca
kimbe
•• kimighe
kervija
karveddu
Vegl.
—
—
—
—
karviale
Alb.
—
—
—
—
—
Ital.
cerca
cinque dmice
cervice
cervello
Eum.
cercä
dnd
—
cerbice
—
Eng.
—
dink'
—
—
—
Venez.
serca
sink
simeze
—
servelo
Gen.
serca
sinke
simize
—
servellu
Frz.
cerche
cinq
—
—
cerveau
Span.
cerca
cinco
—
cerviz
celebro.
Lat.
CERASEU CrVITATE
Log.
kariasa —
Vegl.
— —
Alb.
k'^rk' k'utet
Ital.
ciliegio dttä
Rum.
cireaM cetate
Eng
.
dereäa —
Venez.
sariesa sitd
Gen
.
ceia —
Frz.
cerise dte
Span.
cereza dvdad.
320 II- Kapitel: Konsonantismus. 8 403.
Im Inlaut treffen wir genau dieselben Verhältnisse, da aber
die inlautenden Konsonanten verschiedenen sekundären Wande-
lungen untenvorfen sind, so werden sie erst § 435 besprochen,
es mag hier die Bemerkung gentigen, dafs wir auch für den
Inlaut die Stufen Ti, ßj ts in gleicher geographischer Verteilung
treffen. — Germanisches Je wird nicht mehr palatalisiert, s. § 1 8,
S. 39. — Entsprechend dem Wandel von k zu fc' ist der von g
zu ^, wortiber § 405 das Nähere.
Lenz, Zur Physiologie und Geschichte der Palatalen,
Ztschr. vergl. Sprachf. XXIX, 1—59. — C. Joret,
Du C dans les langues romanes, Paris 1874. Dafs auch
das Mazedonische dem tsi-Gebiet angehöre, wie man
früher angenommen hatte, wird durch W e i g a n d s Aus-
führungen S. 53 — 55 zweifelhaft; für Vlacho-Livadhion
speziell ist sogar d das reguläre, für andere Ortschaften,
wie es scheint, ts. Genauere Auskunft ist abzuwarten.
b. Zwischen Vokalen ist h zur Spirans verschoben, auf dem
ganzen Gebiete sind seine Schicksale völlig gleich denen des v,
ebenso besteht kein Unterschied zwischen g vor e, i und j,
s. § 436 u. 476. Ferner ist iv-us zu ius geworden, ital, rio, span.
rio, afr. riu, so lauten die Adjectiva auf ivus im Mask. -ius, im
Fem. -iva, was dann verschieden ausgeglichen wird, wovon in
der Wortbildungslehre.
c. Ebenfalls schon vor Beginn unserer Zeitrechnung war n
vor S mit Dehnung des vorhergehenden Vokals ausgefallen. Ety-
mologische Rücksichten verschiedenster Art und Überlieferung
liefsen trotzdem in der Mehrzahl der Fälle die Orthographie an
ns festhalten; man schrieb pensatj mensa, mensis, consul, vensica
neben vesica, -onsus neben -osus, sj)rach aber pesat, mesa, mesis,
cosul (Quintilian I, 7, 29 : consules exempta n littera legimus)
u. s. w., schrieb dann auch, da die Buchstabengruppe ens gleich
war der Lautgruppe es, thensaurus, wo doch, wie griech. QrjoavQog
zeigt, nie ein n vorhanden gewesen ist. Dem Romanischen
liegen blofs die w-loseu Formen zu Grunde-, Wörter, die ns auf-
weisen, wie pensare denken neben pesare wägen, gehören der
Büchersprache an. — Nicht so einfach wie bei ns liegen die
Verhältnisse bei nf. Da f nur im Wortanlaut vorkommt, so ist
nf auf Zusammensetzungen Avie infans beschränkt; es konnte
daher die lautliche Entwicklung zu '^ifans durch den Einflufs
§ 403. Die vulgärlateinischen Konsonanten. 321
der zahlreichen anderen Wörter mit Präfix in gestört werden;
dementsprechend finden sicli im Romanischen beide Formen
§ 484.
d. Der hochlateinischen Gruppe culu, bidu, tulu u. s. w.
stellt die alte Avie die spätere Volkssprache synkopierte Formen
clUy hlu, tlu gegenüber, vgl. § 29. Nun behält aber das Lateinische
die Verbindung tl nicht, sondern wandelt sie mit Verschiebung
der Artikulationsstelle in d: veclus, sicJa statt vetulus, situla tadelt
die App. Probi K. IV 197, 20 ff. Ebenso Avird stloppus zu
scloppKS, ferner pessulum, assula über *pessJa, *assla zu *pestla,
*astla (geschrieben astula), pesda, ascla, s. § 487.
G. F 1 e c h i a , Postilla sopra im fenomeno fonetico della
lingua latina, Torino 1871.
e. Lateinisch gm ist zu um geworden : sauma , peiima,
pimnentum, fleuma, paumentum, daraus ital. salma, palmentOy
span. salma, pelmazo, frz. sotnme, piment.
f. Die Verbindung xt ist zu st reduziert. In Betracht
kommen sextus, dexter, extra, juxta, deren romanische Vertreter
in den Idiomen, die sonst x nicht assimilieren, lauten
Rum. — zestre
Obw. — —
Frz. — destre
Prov. — destre
Span. siesta diestro
Frz. 8ixte= sexta statt *seste ist an six angelehnt, vgl. aber
sestier und bissetre.
g. Auslautend m in tonloser Silbe ist schon im ältesten
Latein verdumpft und ßchliefslich gefallen, zunächst am Satzende
und im Satzinnern vor Vokalen: illum amicum wurde zu Ulli amicü,
diu amkii, Avie comarcet zu cöarcet, coercet, und vor Spiranten:
illu jttgu wie cojva, üla hcrba wie cohibet u. s. w. Der Abfall
hat in vorhistorischer Zeit stattgefunden, schon die ältesten Denk-
mäler, wie die Scipionengrabschriften , schi'eiben oino, duonoro,
optiimo. Die starre und regelmäfsige Rechtschreibung der klas-
sischen Periode führte m überall wieder ein, die Volkssprache
liefs sich jedoch durch das Schriftbild nicht beirren: dem Roma-
nischen liegen Formen ohne m zu Grunde. Anders verhält es
sich, wenn der dem m vorhergehende Vokal betont ist § 551.
Meyer, Grammatik. 21
stra
—
easter
—
estre
joste
estra
josta
—
justa.
322 !!• Kapitel: Konsonantismus. ^ 404 405.
A. Die Konsonanten im Wortanlaut.
404. Im Anlaute sind die Konsonanten am widerstands-
fähigsten, graduelle Veränderungen kommen fast gar nicht, lokale
nur in verhältnismäfsig geringem Umfange vor. Von den un-
mittelbar folgenden Sonanten üben r, u, o gar keinen Einflufs,
ö3, ü einen beschränkten, etwas mehr a, noch mehr l, am meisten
i, e. Unter den anlautenden Sonanten sind r, m fester als Z, n;
die Reibelaute verschieben sich leichter als die Verschlufslaute.
Von letzteren zeigen sich die Gutturalen am empfindlichsten, die
Labialen am wenigsten empfindlich. Nur in wenigen Fällen
hängt die Behandlung des anlautenden Konsonanten davon ab,
ob der unmittelbar folgende Vokal betont oder tonlos sei.
405.
Lat.
PEATU
PULVERE
PAS SU
PATRE
PAUPERU
Rum.
prat
pulbere
pas
—
—
Engad.
pro
puölvra
pas
peder
2)over
Ital.
prato
polvere
passo
padre
povero
Frz.
pre
poudre
pas
pere
povre
Span.
prado
polvo
paso
padre
ptohre.
Lat.
PURU
POTEST
PONTE
PILU
PETRA
Rum.
—
poate
2)unt
per
inaträ
Engad.
pur
pb
punt
pail
peidra
Ital.
puro
pub
ponte
pelo
pietra
Frz.
pur
peilt
pont
poil
pierre
Span.
puro
puede
puente
pelo
piedra.
Lat.
PINU
PLAGA
*PRESIONE
*POTERE
PAGANU
Rum.
p)in
plagä
—
potere
pagan
Engad.
pin
pleya
—
pudair
payaun
Ital.
pino
piaga
prigione
podere
pagano
Frz.
pin
plaie
prisqn
pouvoir
payen
Span.
pino
§ 422
prision
poder
xmgano.
Lat.
PURGAEE
*PINNIONE
PERDICE
PLACERE
BRANCA
Rum.
—
—
placere
hräncä
Engad.
pürger
—
—
plasair
braiink'a
Ital.
purgare
pignone
pterniee
piacere
hranca
Frz.
purger
pignon
perdrix
plaisir
hranche
Span.
purgar
pinon
perdis
placer
hranca.
§ 405.
Anlautende Konsonanten.
323
Lat.
BUCCA
BALNEÜ
BUSTÜ
BOVE
BIBO
Rxim.
hucä
haie
—
bou
beu
Eilgeld.
hiiok'a
tan
im
bouf
baif
Ital.
hocca
hagno
busto
bue
bevo
Frz.
houche
hain
pr. bust
boeuf
bois
Span.
boca
hano
busto
bueif
bebo.
Lat.
BENE
BLITU
BUKDONE
BASTONE
BU-
ßum.
hin
—
—
bästun
—
Engad.
hein
—
—
baUun
hüttdr
Ital.
hene
hieta
bordone
bastone
burrone
Frz.
hien
—
bourdon
bäton
bureau
Span.
hien
hledo
bordon
baston
buscar.
Lat.
BILANCEA
BETULLA
TEES
TÜNDET
TANTU
Rum.
—
—
trei
tunde
Engad.
talanöa
haduon
tre
tuonda
taunt
Ital.
hilanda
hidolla
tre
tonde
tanto
Frz.
halance
houleau
trois
tond
tant
Span.
bälanza
äbedul
tres
tonde
tanto.
Lat.
TALE
TAUEÜ
TU
TOETU
TONU
Rum.
tare
taur
tu
toH
Engad.
tel
tor
tu
tort
tun
Ital.
tale
toro
tu
torto
tuono
Frz.
tel
pr. taur
tu
toH
ton
Span.
tal
toro
tu
ttierto
pg. tom.
Lat.
TIMET
TELA
TEMPUS
TEPIDÜ
TINA
Rum.
tearä
§ 419
§ 419
§ 419
Engad.
teima
taila
taimp
tevi
tina
Ital.
teme
tela
tempo
tiepido
tina
Frz.
ieint
toile
temps
tiede
tine
Span.
teme
tela
tiempo
tivio
tina.
Lat.
TRACTIAKE
; TOKMENTÜ
TALEARE
TUEAEE
*TEMPESTA
Rum.
—
—
täid
—
Engad.
—
—
toter
—
tempeista
Ital.
tracciare
tormento
tagliare
turare
tempesia
Frz.
tracer
tourment
tailler
vgl. tuyau tempete
Span.
trazar
tormento
tajar
vgl. tuson tetnpestad.
21*
324
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 405.
Lat.
TITIONE
DONU
DAT
DURU
DOLU
Rum.
täciune
vgl. dot
da
Vgl. duc
dor
Eiigad.
titsun
dun
do
dür
doßla
Ital.
tiezone
dono
da
dMro
duolo
Frz.
tizon
don
pr. da
dur
deuil
Span.
tizon
don
da
duro
duelo.
Lat.
DIGITU
DECE
Die
DORMIRE
DAMNARE
Rum.
degäe
§ 419
§ 419
durmire
dauna
Engacl.
daint
dd
di
dormir
daner
Ital.
dito
dieci
di
dormire
dannare
Frz.
doigt
dix
dis
dormir
damner
Span.
dedo
diez
di
dormir
danar.
Lat.
DURARE
DENARIU
Diyisu
CREDIT
*CORTE
Rum.
—
—
—
crede
curte
Engad.
dürer
daner
—
Tcraia
kuqrt
Ital.
durare
denajo
diviso
crede
Corte
Frz.
durer
denier
devis
croit
court
Span.
durar
dinero
devisa
crede
Corte.
Lat.
CASA
CAUSA
CULU
CORNU
CliARU
Rum.
casä
—
cur
com
ciliar
Engad.
§ 413
§ 413
§ 413
§ 413
Mar
Ital.
casa
cosa
culo
corno
chiaro
Frz.
§ 409
§ 409
cul
cor
clair
Span.
casa
cosa
culo
cor
. § 422.
Lat.
CRIBELLU
COLUBRA
CABALLU
CURARE
GRANU
Rum.
—
Vgl. coro as^ra cal
—
grän
Engad.
kribel
ygl.kulmaina § 413
§ 413
gro
Ital.
crivello
vgl. colonna
'> cavallo
curare
grano
Frz.
cribler
coideuvre
§ 409
eurer
grain
Span.
crevillo
culebra
cahal'o
curar
grano.
Lat.
GULA
GALLU
GAUDET
GUSTU
GLANDE
Rum.
gurä
—
—
gust
ghindä
Engad.
guola
§ 413
§ 413
gust
glanda
Ital.
gola
gallo
gode-
gusto
ghianda
Frz.
gueule
§ 409
§ 409
goüt
gland
Span.
gola
gallo
goza
gusto
§ 422.
§ 405.
Anlautende Konsonanten.
325
Lat.
GRAMINEA
GUBERNU
GALLINA
FREXU
FÜNDU
Rum.
—
—
gäinä
frtn
fiind
Engad.
—
giwiern
§ 411
—
fitonts
Ital.
gramigna
governo
gällina
freno
fondo
Frz.
—
gouverner
§ 409
frein
fonds
Span.
—
gobierno
gallina
freno
§ 408.
Lat.
FABA
FUSU
FOCU
FEMINA
FERA
Eum.
fllS
foc
—
fiarä
Engad.
fef
—
fCB
femna
faira
Ital.
fava
fuso
fuoco
femmina
fiera
Frz.
feve
fuseau
feu
femme
fiere
Span.
§ 408
§ 408
§ 408
§ 408
§ 408.
Lat.
PILIÜ
FLOKE
FEAGOEE
FORMICA
FAYOEE
Rum.
fCiu
floare
—
furnicä
—
Engad.
ß
fluor
—
furmia
favur
Ital.
figlio
fiore
fragore
formica
favore
Frz.
iils
fleur
freor
fourmi
faveiir
Span.
§ 408
§ 422
fragor
§ 408
§ 408.
Lat.
FERMENTU
VOCE
VACCA
*VOLET
VERU
Rum.
framint
—
vacä
vore
ver
Engad.
ferment
vuoS
vah'a
voul
vair
Ital.
fermento
voce
vacca
vuole
vero
Frz.
ferment
voix
vache
veut
voir
Span.
§ 408
voz
vaca
vuel
vero.
Lat.
VENIT
VINU
VULTUBNU
VANITARE
VENENU
Rum.
vine
vin
—
—
venin
Engad.
ven
vin
—
—
—
Ital.
piene
vino
voltojo
vantare
veneno
Frz.
vient
vin
vautour
vanter
venin
Span.
viene
vino
bochurno
vantar
veneno.
Lat.
VILLANÜ
SOLE'
SAIi
sucu
SONU
Rum.
—
soare
sare
ujsuc
sun
Engad.
—
sulal
sei
— ■
sun
Ital.
villano
sole
sale
sugo
suono
Frz.
villain
soleil
sei
SKC
son
Span.
villano
sol
sal
sugo
sueno. ^
326
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 405.
Lat.
SITI
SEX
SI
SORORE
SAGITTA
Rum.
sete
§ 419
§ 419
surore
sagetä
Engad.
sait
ses
—
sour
sagetta
Ital.
säe
sei
si
sorella
saetta
Frz.
soif
six
si
sereur
saiette
Span.
sed
seis
Sl
—
saeta.
Lat.
SUDARE
SEMENTA
SIBILARE
RUMPIT
RAMU
Rum.
sudare
seminß
—
rumpe
ram
Engad.
süar
semner
—
ruompa
ram
Ital.
sudare
semsnza
§ 417
rompe
ramo
Frz.
suer
semence
siffler
romp
raim
Span.
sudare
semienza
silhar
rompe
ramo.
Lat.
KAUCÜ
RUTA
REGE
REDIT
RIVU
Rum.
—
rutä
—
—
riu
Engad.
rauJc
—
—
—
—
Ital.
roco
ruta
re
riede
rio
Frz.
rou
rue
roi
—
riu
Span.
roco
ruda
rey
—
rio.
Lat.
EOTUNDU
RADICE
RUMORE
REGINA
MULTU
Rum.
rätund
rädäcinä
—
mult
Engad.
roduond
radi§
rumur
—
mudlt
Ital.
rotondo
radice
rumore
regina
molto
Frz,
rond
racine
rumeur
reine
mout
Span.
redondo
raiz
rumor
reina
mucho.
Lat.
MAGIS
MURU
MORIT
MINUS
MEL
Rum.
ma
mur
moare
—
miere
Engad.
ma
mür
mura
main
meil
Ital.
ma
muro
muore
meno
melle
Frz.
mais
mur
meurt
moins
miel
Span.
mas
muro
muere
menos
miel.
Lat.
MIRAT
MONETA
MATURU
MINUTU
NODÜ
Rum.
mirä
—
—
märunt
nod
Engad.
mira
munaida
madür
—
—
Ital.
mira
moneta
maturo
minuto
nodo
Frz.
mire
monnaie
mür
menu
nmud
Span.
mira
moneda
maduro
menudo
nudo.
§ 405, 406.
Anlautende Konsonanten.
327
Lat.
Rum.
Engad.
Ital.
Frz.
Span.
Lat.
Rum.
Eng.ad.
Ital.
Frz.
Span.
Lat.
Rum.
Engad.
Ital.
Frz.
Span.
NASU
nas
nes
naso
nez
naso
NIDU
nid
nido
nid
nido
LAUDAT
laudä
loda
loda
loue
loa
NUDU
nüd
mido
mi
nudo
NOVELLA
nuie
nuvella
novella
nouvelle
novella
LUMEN
Inme
luna
hm
lumhre
NOVU
noii
nau
nuovo
neiif
mievo
NATALE
nadal
nadale
noel
nadal
LOCÜ
loc
Icek
luogo
Heu
hiego
NIGRU
negru
naiger
negro
noir
negro
LUSCÜ
losco
lonclie
losco
LEGE
leage
le§
legge
loi
ley
NEPOS
neif
nievo
nies
nieto.
LATUS
laturi
lad
lato
lez
lado.
LAETU
lieto
liet
liedo.
Lat. LINU LUMBRICU LACTUCA LOXGITANU LECTICA LIGOXE
Rum. § 419 limbric — — leftiga —
Engad. § 420 — — luntanar litera —
Ital. Uno lumhrico lattiica lontano lettiea ligone
Frz. lin lombric laitue lointain — —
Span. Uno lomhriz leclmga — lecliiga Ugona,
406. Der palatale Verschl u fsl axi t. Schon § 403
ist gezeigt, dafs das vulglat. ä;' sich nach zwei Richtungen
hin entwickelt, als deren Ausgangspunkt d bezw. ts anzusetzen
ist: die weiteren Schicksale von diesem Punkte aus bedürfen
für einzelne Sprachen noch einiger Bemerkungen. Wann in
Frankreich der Übergang von ts zu s stattgefunden hat, läfst
sich nicht genau sagen: czo Eul. 21, manafce 9 sprechen fiir ts in
der ältesten Periode, Schreibungen wie scleberroH Bern. 522
selles ib., sele Huon de Bord. 5335 und umgekehrt ciele für
siele Chev. II esp. 8765, deren Handschriften ins XIII. Jahr-
hundert gehören, eervirent NE. XVIII, 103, Lothr. 1265, zeigen,
dafs er wohl schon im XII. Jahrhundert vor sich gegangen ist.
328 n. Kapitel: Konsonantismus. S 406 407.
Nur die Pikardie und ein Teil des Wallonischen zeigen ö bezw. 1
Da aber auch ti, das sicher zunächst fs gelautet hat, im Pikar-
dischen als öj i erscheint (s. § 509), so darf man wohl annehmen,
dafs auch pik., wallon. ^/f/ = frz. cid zunächst au£ tsiel beruhe.
Vgl. A. Horning, Zur Geschichte des lateinischen C,
S. 43 — 45, zum Wallonischen M. Wil motte, Rom.
XVn, 561.
407. Die praepalatale Spirans. Die praejjalatale
tönende Spirans des Vulgärlateins entspricht dem g vor e, i, dem
j vor allen Vokalen, der Verbindung di in diurmtm , diaria, dem
griech. ^ in dem hybriden zclosiis. Auch hier sind auf einem
Teile des Gebietes die folgenden Vokale von bestimmendem Ein-
flufs auf die Entwicklung des Konsonanten, so dafs die Zahl der
Beispiele in zwei Klassen zerfällt.
a. Lat. gc, vulglat. ye bleibt als solches im Sardischen,
Sizilianischen und Süditalienischen ; im Mittelitalienischen, Rumä-
nischen und Rätischen wird es zu g, ebenso in ältester Zeit im
Provenzalischen, Französischen und Portugiesischen, ist aber hier,
wie auch in manchen rätischeu Mundarten, Avann, läfst sich
schwer bestimmen, zu ^ geworden, im Asturischen zu ^. Die
französischen Grammatiker des XVI. und XVII. Jahrhunderts
kennen nur &, aber g hat sich noch bis heute gehalten in den
französischen Mundarten am Ostabhange der Vogesen, nördlich
im Wallonischen (Seraing, Umgebung von Mons), südlich im oberen
Meurthe- und Moselthal. Die Verteilung von I, g und daraus dz
entspricht völlig der von ^, ö, ts aus lat. ca § 410. Dem dort
aus Mandray verzeichneten ts steht hier die Orthographie jg
gegenüber: jgambe, jgieudi, deren Wert nicht ganz klar ist. Im
Südwesten : Gascogne, Bordeaux, Charente, Saintonge, Poitou, Deux
Sevres findet sich wieder y, das wohl eher erst aus g entstanden,
nicht der direkte Fortsetzer des vulglat. y ist. Dasselbe gilt
von di in Mons: Diä =^ Jean, diau frz. Jone, diaune (juvenis). —
Im Venezianischen , Lombai'discheu , Genuesischen , ferner im
Südostfranzösischen, endlich im Mazedonischen tritt dz an Stelle
von y, das dann im Istrischen sogar zu z wird. Anfänge dazu
zeigen sich auch anderswo , am rechten Rhoneufer in Gard und
Ardeche, wo ein zAvischen g und dz stehender Laut angegeben
wird, der Übergang ist vollzogen in Lot : tsomay (jammagis), ditso
§ 407.
Vulgärlateiniscli J im Anlaut.
329
(dies jovis) mit auffälliger gradueller Änderung. Auch portu-
giesische Mundarten kennen dz, vgl. sinoUio in Miranda und das
auch in die Schriftsprache gedrungene gimbro = junijjervs. Auf*
dem venezianischen Festlande, in Verona und in den ursprüng-
lich rätischen, später vom Venezianischen gewonnenen Gebieten
am Sudabhange der Alpen wandelt sich g in (f, d, also namentlich
aufser in Padua und Verona noch in Feltre und Belluuo. Dann
im Bergamaskischen, doch bleibt noch zu untersuchen, wie hier
dz, g, d verteilt sind. Dieselbe Erscheinung findet sich auch in
Sudostfrankreich: Jujurieux, ebenfalls in einer Gegend, wo g
und dz zusammentreffen. Dies legt die Vermutung nahe, dafs d
nicht eine allmähliche Umgestaltung von dz oder g, sondern
vielmehr eine falsche Aussiirache des dz sei im Munde von
Leuten, die das dz nicht besitzen und ihr g durch das dz der
Nachbarn ersetzen wollen. — Endlich im Spanischen wird y zur
reinen Asjnration und fällt dann ganz weg. Vgl. liermanos in
einer Urkunde aus dem IX. Jahrhundert Mufioz 153. Folgende
Tabelle veranschaulicht die Geschichte von ge in den wichtigsten
Beispielen.
GENUCLU GERMANU GENESTA *JEXÜAR1U
yinoJcyii — yinestra yinnaru
genuncMe — — —
ginocchio gcrmano ginestra
gannol — —
genou
joellio
dzenogo
hinojo
Über sard. b statt ^ s. § 618. Portg.
in Verbindungen wie me^i irmäo entstanden.
Lat.
Sizil.
Rum.
Ital.
Engad
Frz.
Portg.
Venez,
Span.
GENEEU GENTE
ycnnaru —
ginere
genero
g ender
gendre
genro
dzenero
yerno
ginte
gente
gender
gent
gente
dzcnic
yente
gennain genet
— giesta
dzerman —
Jiermano Mniesta
gennajo
zner
janvier
Janeiro
dsenaro
enero.
irmao ist
Span, gente
genero u.
Wörter.
s. w. sind später aufgenommene lateinische
b. Eine besondere Behandlung von ja, jo, jtt zeigen das
Spanische, Rätische, Rumänische und Toskanische, während in
den übrigen Sprachen das Resultat dasselbe ist wie das von ge.
Die präpalatale Enge wird vor den dunkeln Vokalen zum Ver-
schlufs: dya, dyo, dyv; der palatale Verschlufslaut, der so ent-
steht, kann sich nun entweder so weiter entwickeln wie die
330 n. Kapitel: Konsonantismus. § 407.
entsprechende Spirans, oder aber besondere Wege gehen. In
toskanischen Dialekten bleibt er vor a: diaccio, diacere, im Span,
wird er zu y vor betontem a, o, u, vor ue und vor tonlosem
a, u zu K (geschrieben j) ; im Rum. vor a zu e, vor o, u zu ^, i,
maz. dz.
Im Rät. bleibt
dy o(
1er rückt zu g vor
in Dialel
wo ge =
z ist.
Lat.
JAM
JACET
JAMMAGIS
JOVIS
JÜGÜ
Rum.
—
zace
—
joie
jug
Priaul.
—
—
—
yoibe
yov
Ital.
giä
giace
giammai
giove
giogo
Frz.
ja
gU
Jamals
jeudi
joug
Span.
ya
yace
jamas
jueves
yugo
Portg.
ja
jace
jamas
—
jugo.
Lat.
JUVENB JOCÜS
Run:
i.
june
Joe
Friaul.
—
—
Ital.
giovme giuoco
Frz.
jeiine
jeu
Span.
joven
jitego
Portg.
joven
jogo.
Gegen die fürs Span, hier gegebene Regel scheinen ver-
schiedene Beispiele zu sprechen. Allein jiisto ist gelehrt (volks-
tümlich derecho), junto neben yunta ist von juntdr beeinflufst,
junco durch juncago, juncal, vgl, aber ayuncar, joyo (*joUu § 423)
ist aus yojo umgestellt; unerklärt bleibt nur joven. — Über die
Entstehung von Ji vgl. Kap. V.
Im Friaul. begegnet jun, jondzi, ju, int (genie) neben
dza^ dzug, dzvgd , dzitn, dzovin, dzi (giglio), worin wohl
venezianischer Einflufs zu sehen ist. — Auffällig ist auch
eng. yuven neben g>.if, guger, gu.
c. Besondere Beachtung verdienen die Vertreter von lat.
jejunwm. Regelmäfsig sind frz. jeüne, portg. jejnm, friaul. dzium,
wohl auch span. ayun, wenn es auf älteres *eyim zurückgeht.
In engad. gün ist die erste Silbe abgeworfen, in rum. ajvn,
alb. agenoj der anlautende Konsonant. In ital. digivno , obw.
yagin liegt Dissimilation vor.
Auch sonst findet sich vereinzelt d an Stelle von j, ohne
dafs der Grund stets ersichtlich wäre : portg. deitar neben geita.
§ 407, 408.
Lateinisch J, F im Anlaut.
331
aportg. geitar, etwa an deixar angelehnt, siz. dinoJcyu, neap.
(l§mi]cy§, prov. dcmd Avohl infolge von Dissimilation gegen den
Palatallaut am Wortende.
408. Die labiale tonlose Spirans. Im Spanischen
(aber nicht mehr in Asturien) und Gaskognischen wird lat.
anlautend f zu h, das zum Teil verstummt ist. Während aber
im Gaskognischen der Wandel bedingungslos eintritt, verschont
er im Span, f vor t(e, r; fl wird palatalisiert § 417.
Lat. FABA *FALCONE FEMINA FIBELLA FERRU
Span. luiba lialcon hemhra hevilla hierro
Gask. habe — hemne — her.
Lat.
FILIU
FOLIA
FORMA
FORATU
FUMU
Span.
hijo
hoja
hornia
horado
humo
Gask.
hil
hola
—
hurat
hüm.
Lat.
FUEONE
FOCU
FOLLE
FORTE
*FORA
Span.
huron
fuego
fuelle
fiierte
fuera
Gask.
hünt
hueTc
hou
hört
hure.
Lat.
PUIT
FUERAT
*FRAGA
Span.
fue
fuera
fraga
Gask.
hu
hure
arrage.
Die ziemlich zahlreichen Wörter, die im Spanischen f im
Anlaut zeigen, sind teils gelehrt, teils aus anderen Dialekten, dem
galizischen oder asturischen, entnommen. Die ältesten Denkmäler
spanischer Litteratur schreiben noch fast ausnahmslos f, so der
Cid, der Libro de la Gaza, der Libro de Ceti-eria, die Visio de
Filiberto, Calila u. s. w. Allein umgekehrte Schreibungen und
vereinzelte Fälle, wo h erscheint, beweisen, dafs schon in
dieser Zeit das Zeichen f nicht labiodentale, sondern höchstens
bilabiale tonlose Spirans, vielleicht aber nur noch die blofse
Aspiration bedeutete, vgl. LCa: hartas, halcnn, haser, dehesa,
hamhre, hasta neben falcon, fallar, faser, fiso, fiusia, faste,
fanibriento u. s. w. ; findie Imper. von henchir (implere); Calila
stets f nebst finche 19 b, finchir 20 a, vgl. fencMr B. 0. 2, 92,
93, 129, 170, 207; Caza 62, 96, 56, 15 neben enchir 58, 19.
Die heutige Orthographie henchir zeigt den Fortsetzer des alten f.
Es fragt sich, ob wir darin blofsen Zusatz eines nicht gesprochenen
332 I^- Kapitel: Konsonantismus. § 408, 409.
Zeichens sehen dürfen, oder ob das f eine sprachliche Berech-
tigung hat. Das portg. enclier zeigt die reine Form. Die Häufig-
keit, in der fenchir vorkommt, legt die Vermutung nahe, dafs
das sinnverwandte fartar sich eingemischt habe , die Einmischung
ist bei einer Aussprache hartar, enchir verständlich. Sonst habe
ich noch notiert B. 0. aeerir und fazerir 203, 331, 333;
halcones Danza 23, gahondar Caza 7, 26; hehetria 7 Partidas
Lemcke I, 36.
Wenn so der Übergang von f zu h schon für die alt-
spanischen Denkmäler gesichert ist, so darf er andererseits doch
nicht in zu frühe Zeit, etwa in die Bildungsperiode des spänischen
Vulgärlateins, hinaufgerückt werden : fuego, fuera lehren, dafs er
jünger ist als die Diphthongierung von p zu ue und als die
Tonverschiebung in fuera (§ 598). Übrigens scheinen nicht alle
Dialekte die Beschränkung zu kennen: jue juerte werden als
vulgärspanisch angegeben. — In den Mundarten von Andalusien,
Estremadura und Ostasturien wird h noch gesprochen imd in der
Orthographie meist durch j wiedergegeben.
Inwieweit in anderen Gegenden f zu 7t wird, bleibt noch zu
untersuchen; aus Padua giebt Pap. 329 Jiemena = femina,
hate = fac te an. — Über frz. hors, rät. or s. § 620.
409. Palatalisierung von romanischem Aa, ga.
In einem grofsen Teile Galliens und Rätiens wird lat, c. g vor a
palatalisiert : es durchläuft die verschiedenen § 403 a angegebenen
Stufen und entwickelt sich von f, d teils zu d, g, s, z, teils zu
ts, dz, s, z weiter. Die Bedingungen, unter denen die Palatali-
sierung eintritt, sind nicht überall dieselben. Im Französischen
erscheint sie stets vor a ohne Rücksicht auf den Ton, sie
ergreift ferner das germ. k vor e, i, dagegen bleibt lat. qua, qui.
Im Rätischen ist sie ux-sprünglich auf den betonten Vokal be-
schränkt, erstreckt sich aber auch auf m, coe und lat. qua, qui.
Im Südostfranzösischen ist das Ergebnis ein verschiedenes, je
nachdem das lat, a bleibt oder zu e wird. Vor au wird c
überall so behandelt wie vor a, es ist also die mehrfach ein-
geti'etene Monophthongierung des au zu o jünger als die Pala-
talisierung.
§ 409, 410.
Lateinisch F, CA im Anlaut.
333
Lat.
CARU
CARRU
CAPRA
CAMPÜ
CABALLU
Ostfrz.
6i
6e
doev
6ä
OVO
Centralfrz.
eher
char
clievre
champ
cheval
Vionnaz
tye
—
tyevra
—
ts^vo
Engad.
Tc'ar
l'ar
k'evra
—
k'aval
Trins
l'ar
k'ar
k'aura
—
kaval
Tessin
Jc'ar
k'ar
h'awra
k'anip
kaval.
Lat.
CAMINU
CAMISIA
CAUSA
SKINA
QUI
Ostfrz.
d^mi
öemis
öoz
—
—
Centralfrz.
eliemin
chemise
chose
echine
qui
Vionnaz
tspnae
ts§miz§
tzusa
—
ke
Engad.
—
k'amiia
k'osa
—
m
Trins
—
kamisa
k'osa
—
k'i
Tessin
kamin
kamisa
—
styena
k'i-lce.
Lat.
QUATTUOR
CULU
COR
GALLUS
GAMBA
Ostfrz.
kwet
—
go
gäh
Centralfrz.
quattre
cul
coeur
jal
Jambe
Vionnaz
Jcatr§
kil
—
—
(tsäba)
Engad.
quatter
k'ül
kour
gal
(tyamba)
Trins
quatter
kul
kour
—
komba
Tessin
—
k'ü
k'oßr
gel
gamba.
Lat.
GALLIXA GAUTA
Ostfrz. d8§l
in
—
Centralfrz. geline joue
Vionnaz dzeneäe i
izuta
Engad. galh
ma
—
Trins
-
—
Tessin galina
—
410. Zu dieser Tabelle sind eine Keihe Erläuterungen nötig.
Im N o r d f r a n z ö s i s c h e n ist der Abschlufs der Palatalisierung
jünger als Karl Martell : der Anlaut im Namen Karolus zeigt
dieselbe Behandlung wie der in lat. carus. Es mufs aber schon
zur Zeit, da die ersten germanischen Elemente ins Französische
drangen, das c vor a weiter vom artikuliert worden sein als
dasjenige vor o, t(, an derselben Stelle wie das germanische k
vor i, e, germ. skina, skip, skitan, skella wird zu echine, eschiu^
334 II* Kapitel: Konsonantismus. 8 410.
eschiter, eschielle, eschirer wie lat. caruSj campus zu eher, champ.
Zu jener Zeit bestand aus dem Lateinischen kein Ice, hi mehr,
die alten ce, ci Avaren längst tse, tsi geworden, und qiietus, qrd
hatten ihr labiales Element noch nicht eingebttfst. Ungefähr
in dieselbe Zeit fällt die Aufnahme des griechischen y.h.y.ov, frz.
cfiiche. — Im Mittelalter sprach man wohl auf dem ganzen Gebiete
noch d, und dieser Laut ist auch nach England gekommen, vgl.
Chief, charry u. s. w. Später ist im Zentrum § eingetreten,
während im Osten, im Wallonischen, Lothringischen, in der
Champagne und Franche-Comte der alte Laut geblieben ist. Nur
in Metz und südlich längs der Meurthe östlich bis an die Vogesen
hin hat sich S, wohl unter Einflufs der Schriftsprache, ein-
gedrängt. — Gegen Südosten erscheint auch ts und s, vgl. Cour-
tisols : ts^s (champs), Bresse : sisö (changon), und im Inlaut atiasi,
nivern. sarhö, sem'i u. s. w. Mit Fourgs tsäbro, ts'mise u. s. w.
aber stehen wir schon in dem Gebiet von § 409. Endlich
Mandray zeigt die interessante Umstellung zu st: Ualö (chäleur),
§tct (chatte). Es tritt ferner die Palatalisierung nicht so unbedingt
ein, wie es nach den gegebenen Beispielen scheinen könnte.
Im Zentralfranzösischen unterbleibt sie im Wortanlaut bei pala-
talem Silbenschlusse : cavea wii-d nicht Jcyavya , sondern kavya
cage (aber wallon. chaive)- so nux gallica: noix gauge, calcot :
coche (was mit coq nichts zu thun hat), cauchemar, galloche,
gazouille, catouille, aber ge-ole, chan-ger, chatouiller u. s. w. — Im
Wallonischen tritt sie bei inlautendem c nur dann ein, wenn ein
palataler Vokal vorangeht, also vad aber huk (hucca), moJce
(muccare) , nuJc (*nosca) , hroJc , kuM (collocare) , hki (cälcare)
u. s. w. ■ — Im Nordwesten, im Pikardischen und einem Teil des
Normannischen, bleibt der gutturale Konsonant vor erhaltenem ö,
vor dem zu e gewordenen schritt er nur bis k' oder t vor, ist
aber im Pikardischen heute wieder rein guttural. — Die Grenz-
linie zwischen dem Jca- und fe'a-Gebiet geht westlich von Lüttich
und Namur längs der Grenze zwischen der Pikardie und den
Ardennen über einschliefslich Avesnes nach Laon, Noyon, Beau-
vais, die als südlichste Grenzpunkte des Äa-Gebietes betrachtet
werden können, dann südöstlich nach Breteuil und von da ziem-
lich gerade westlich gegen Grandville, nördlich von welchem sie
das Meer erreicht. In den pikardischen Denkmälern des Mittel-
i> 410. CA im Französischen. 335
alters wird vor a teils c, teils k gesclu-ieben , vor e teils k, teils
qit: camps Verni. III, 8, camhre VU, 3, casJcun V, 62, aTcata
XX, 2, UpHle IV, 14, Mef I, 12, marMet XII, 5, hknne XVI, 8,
qvcmin XXXIII, 38, quevaus XXXIV, 56, emx^ccquement Ponth.
XXXIII, 56 u. s. w. Im Anglonormannischeu findet sich die
zentralfranzösiscli - südnormannische neben der pikardisch- nord-
normannischeu Bezeichnungsweise häufig in ein und derselben
Handschrift: es erklärt sich dies aus der Zusammensetzung der
nach England hinübergesiedelten französischen Bevölkerung. So
im Alexis: acatet 8 e, camhre 15 d, cartre 70 c, cose 61 c,
clier 12 c, chef 82 a, der 0. P. schreibt c, c/t, c" vor a: cant
29, 15; c'ant 148, 10, chant 39, 4, Roland cair und chair, coli
und dialt, cälenges und chalengement, cambre und chambre u. s. w.,
in jüngeren Handschriften herrscht die zentralfranzösische Gestalt
durchaus vor. Auch im Neuenglischen begegnen beide Formen :
chafe, change, chair, charm, chief, chimney , chivalry, choice neben
capon , carry , carpenter , Carrion , carnal u. a. In der westlichen
Normandie, ungefähr von Divers ab, wird in neuester Zeit das
alte Ti vor norm, i, e, ce, ü palatalisiert, der Laut schwankt
zwischen Je, f und d, vgl. Lahague ditte (frz. quitte) , Bessin dö2
(frz. cheg) , du (frz. cid) , düre, die (frz. chier). Weiter südlich
auch in Deux Sevres /cW, in Sablais, Chaumois (Poitou) düre
(coquerc), Jc'ceUi, gir (frz. gubre), gidae (garder), Saintonge ah'üli,
ak'üse u. s. w.
Ch. Joret, Des caractercs et de Vextension du Patois
Normand, Paris 1883 bestimmt die Grenze der fca- und
der ^i-Gegend. Er glaubt den Wandel von lat. ca zu §a
dem Einflufs der Germanen zuschreiben zu dürfen: wo
fca bleibt, safsen niederdeutsche Stämme, wo es zu §a
wird, oberdeutsche oder Kelten. Allein das Französische
ca 7 §a hat mit dem hochdeutschen Jca 'y cha aufser der
gleichen orthographischen Wiedergabe nichts gemein :
schon der Umstand, dafs altgei-m. Ico, ku im Hochdeut-
schen ebenso behandelt wird wie ka^ erweist das Unrich-
tige dieser Auffassung. — Die Frage nach der Verteilung
von ca und cha in altfranz. Texten, speziell in norman-
nischen und anglonormannischen, ist vielfach behandelt
Avorden , zuletzt und am besten von. K. B e e t z , C und
Ch vor lateinischem A in altfranzösischen Texten, Diss.
Strafsburg 1887. Beetz zeigt im einzelnen, wie auch in
die pikardischen Urkunden mehr und mehr zentral-
336 II- Kapitel: Konsonantismus. 410 — 412.
französische Formen mit ch eindringen. — Über das
k'ü-Gehiet vgl. Joret, Caract. 158—161, Mel. XI.
411. Auch der nördliche Teil des provenzalischen Sprach-
gebietes nimmt an der Palatalisierung des ca teil, und zwar seit
den ältesten Zeiten, schon im Boetius liest man chastia 49,
chaden 147, chaHivena 88, chanvt 107, charcer 71 u. s. w. Die
südliche Grenze bildet im Westen die Dordogne, im Osten ge-
hören die Departements Ardeche und Drome noch zu der da-
Eegion. Neben da, sa findet sich hier nun auch tsa, dessen
Verbreitung noch näher zu bestimmen bleibt. Es zeigt sich an
der Grenze gegen das fca-Gebiet in Perigord und Bas-Limousin,
andererseits gegen das Frankoprovenzalische hin in Cantal,
Haut-Auvergne , einem Teil von Rouergue, Ardeche, Velay,
Forez und ziemlich tief südlich in Alby und S. Pons (Herault).
Erst wenn die Zone von ts gegenüber ö abgegrenzt ist, wird sich
sagen lassen, in welchem genetischen Verhältnisse die beiden
Laute zu einander stehen.
Nach Durand, R. 1. R. XXV, 78 fP. würde die
Verteilung von d und ts in Rouergue mit der Boden-
beschaffenheit und dem physischen Typus der BeAvohner
in engem Zusammenhange stehen, ö den kräftigen Be-
wohnern der „plateaux calcaires", ts den „chetifs sili-
cicoles" angehören.
412. Die Verteilung von ts und ty, wie sie in Vionnaz
klar und ausnahmslos vorliegt, ist einst weiter verbreitet gewesen,
hat aber mehrfach bedeutende Störungen erlitten. In der Kon-
jugation hatte man letye=^ leccare aber letse = leccat; der Unter-
schied wurde ausgeglichen, das Schwanken, das infolgedessen
zwischen ttf und ts stattfand, teilte sich auch den mit ty an-
lautenden Wörtern mit, der endgiltige Sieg von ts im Verbum
liefs ts auch im Anlaut von Substantiven erscheinen. So finden
wir im Waatl. neben regelmäfsigem dira (cara) auch tsira, im
Freib. de (caru) , devra (capra) aber schon etsila neben eöila
(scala), in der Tarentaise neben richtigem dir, devra schon sin
(cane). Ebenso in bagn. tsyeyre (cddere), dyüvra aber tsin. In-
wieweit aufserhalb der französischen Schweiz und Savoyens die-
selbe Diff'erenz besteht oder wenigstens Spuren hinterlassen hat,
bleibt noch zu untersuchen. Natürlich ist auch eine Ausgleichung
§ 412, 413. ^^ in Sfldostfrankreich und Rätien. 337
nach der Seite des d denkbar, eine Ausgleichung, die durch die
französische Schriftsprache erleichtert werden konnte. In der
That ünden wir d in Val Soana, Aosta, in den kottischen Alpen,
in S. Maurice, S. Luce (Wallis), Isere, Annecy, Aiguebelle, im
westlichen Teile des Kanton Waat, im gröfsten Teile von Neuen-
burg, wo ts nur in Verrieres erscheint. Das nördliche Lyonnais,
ein Teil der Franche-Comte, z. B. Courtisols und Pontarlier,
haben ts, das in Bresse, Genf, Chambery zu s wird. Endlich /
in Jujurieux und Aromaz (Lons Saunier). Eine eigentümliche
Umgestaltung von ts zeigt sich in Savoyen, im Arlythale (Albert-
ville), in Queige, Beaufort, Umstellung zu st: stakön (chacun),
stanta (cantare), stie (casa), stier (caru), derostia (*deroccata) u. s. w.
Weiter flulsaufwärts an der Isere, von der Plaine de Langon bis
zum Detroit de Saix wird ts, von da bis zum Torrent du Petit
S. Bernard /, noch weiter oben s angegeben. — Wir sehen also,
dafs auf diesem Gebiete die Weiterentwicklung von Tc nach ts
oder c hin bedingt ist durch die Qualität des folgenden Vokals :
ts tritt vor a und vor tonlosem e ein, t' bezw. c vor e. Nach
den Ausführungen in § 403 a wird ts mit gröfserem Kieferwinkel
gesprochen als d, ebenso ist bei a der Kieferwinkel gröfser als
"bei dem palatalen c, daher zieht a das ts an.
413. Die ursprünglichen Verhältnisse sind im Rätischen,
wie schon die Tabelle zeigt, gröfstenteils zerstört. Erhalten sind
sie noch in Bonaduz, ßealta und Scharans (Domletschg) , ferner
in der Val Maggia und in geringen Resten im Gaderathal. Sonst
hat auch hier Ausgleichung stattgefunden, zunächst in Verben
wie captiare: katsdre, captiat: Tidtsa zu k'atsarc, oder in
Fällen wie caldu: k'ald, kaldariu: käldar zu k'aldar, oder gallu:
(fall, gallina zu gallina. Das Schwanken in diesen Fällen zieht
dann kdbal u. a. nach sich, oder es siegen die endungsbetonten
Formen, dann tritt katsa an Stelle von k'atsa und folglich kdza
von k aza. Dies letztere findet sich in Cleven, dem unteren
Bergeil und dem Vorderrheinthal von Dissentis an, in Tirol in
Sulzberg, Roveredo und dem Cembrathal, im südlichen Tessin : an
allen diesen Orten mag der Einflufs des Italienischen die Aus-
gleichung nach der Seite des reinen Gutturals hin begünstigt
haben. Der Prozefs ist noch nicht abgeschlossen, daher erklärt
Meyer, Grammatik. 22
338 II- Kapitel: Konsonantismus. § 413 — 416.
es sich, dafs das Gebiet von haza , dem wenig endungsbetonte
Formen zur Seite stellen, ein weniger grofses ist als das von
harrUj wo die zahlreichen Ableitungen das Ic leicht in das
Primitivum einführen konnten. Das Engadin und das Fi-iaul
haben ausnahmslos A;' durchgeführt; Weiterentwicklung bis zu ö
begegnet nur an wenigen Orten: in Münster, Oberfascha, Am-
pezzo, Cividale und S. Vito. — Die Palatalisierung unterscheidet
sich somit hier von der französischen dadurch, dafs sie an den
Accent gebunden ist, und dafs sie, ähnlich wie im Norman-
nischen, auch das A^ vor rom. ie (== m, w, (), üe § 54 und 215) und
das romanische Ä' (lat. qii § 426) ergreift. Sie ist also jüngeren
Datums. Es ist kaum anzunehmen, dafs der Accent direkter
Urheber derselben sei, vielmehr wird dem betouten a eine
hellere Färbung, eine mehr palatale Aussprache zuzuschreiben
sein als dem tonlosen.
Wo wir auf anderen Sprachgebieten ö, g oder deren
Vertreter für lat. (germ.) ka, ga finden, handelt es sich
stets um Lehnwörter aus dem Franz., so in ital. giardino,
giallo, gioya, gioire, giavellotto, in span. jalde, jardin,
joya; in portg. jalne, jardin, joya.
414. Wandel von d zu d und r. In Ober-Comelico (Mittel-
rätien) wird jedes anlautende d zu d: di, äolßi, duro. Eine
weitere Stufe davon ist r, das für Val Calepio (Bergamo) an-
gegeben wird. In Campobasso (Abruzzen) kommen beide Formen
vor, d und r: da oder ra, dicere, r'icere u. s. w. Das r-Gebiet
mtifs iii Sud-Italien gröfser sein, es umfafst z. B. Neapel, doch
fehlen genaue Angaben. In Sizilien findet sich r (ungerolltes
alveolares r) in Palermo, der Provinz Syracus und in Noto,
Modica und Umgegend: rormiri, rumani, riku u. s. av.
415. Übergang von g zu y, h ist den Abruzzen eigen, vgl.
Teramo liaU§, lmst§ u. s. w., Campobasso yällc, yaita, entsprechend
gic zu w (vgl. § 18): werra, Gessopalena hall§, hawma, hovete
(cubitus), honna, huste,
416. Wechsel von B, V und W. Die beiden Laute h und
w stehen sich sehr nahe, näher als irgend ein anderer Ver-
schlufslaut und die entsprechende Spirans. Der Lippeuverschlufs
ist der am schwächsten artikulierte, daher leicht eine kleine
§ 416. Anlautend D zu K, B zu Y, W. 339
Öffnung entstehen kann : das h wird durch tv ersetzt. So finden
wir thatsächlieh h zu tc auf manchen Gebieten, auf denen sonst
die Verschlufslaute fest sind. Andererseits ist aber auch der
Wandel von «; zu & mehrfach belegt : es bedarf jedoch erst noch
genauerer Untersuchung, ob nicht, wie in der spanischen Ortho-
graphie, h in That und Wahrheit einen Reibelaut (tv) darstelle.
Gesichert ist die Gleichwertigkeit von lat. v und h und zwar als
w fth's Spanische durch die moderne Ausspi-ache und durch die
Vertauschung beider Zeichen in den alten Handschriften. Die
Orthograjjhie der spanischen Akademie hat zwar im allgemeinen
den etymologischen Laut wiederhergestellt, doch erscheint noch
oft h statt V, namentlich in Wörtern, deren Ursprung unbekannt
war, wie hascar zu vascvs, barrer = verrere, heia=^vHa, hermejo =
*vermiculv, buitre = vuUure, hoda = voia u. a. Dafs 6, nicht v
im Anlaut geschrieben wurde, erklärt sich daraus, dafs das
Zeichen v auch für ii galt, also zweideutig war. Mit dem Kasti-
lianischen stimmt das Asturische tiberein. — Sodann wird h zu v
in Sizilien., Calabrien, Apulien und wohl in ganz Suditjdien, in
der Molise, nördlich bis ins römische Gebiet hinein, z. B. Alatri :
vove ihove) , vjat^ (heatu), hier jedoch, wie es scheint, auf den
betonten Anlaut beschränkt, vgl. hisofia, hammaco. Sonst also:
siz. varva , vuJcJca, viviri (hibere), vasdri u. s. w. ; kal. vttJcka,
vratsu, mvcre, vulte (botte), vasare, varJca; campob. vdkka, vas§,
vott§ u. s. w. Vgl. noch Kaji. V. Endlich zeigt das Noi'd-
portugiesische und die südliche Provence Identität der beiden
Laute , hier jedoch in umgekehrter Weise , es wird b statt
anlautend v geschrieben : so in der ganzen Gascogne mit Aus-
nahme der obersten an der spanischen Grenze gelegenen Thäler,
z. B. der Vall6e d'Avre, wo tv eintritt. Bilanave = Villanova
liest man schon in einer gask. Urkiuule vom Jahre 1150. Aufser-
halb der Gascogne findet sich im Mittelalter stets die etjinolo-
gische Schreibung, abgesehen von vereinzelten Fällen : der Kopist
von Daurel und Beton läfst gelegentlich b statt v unterlaufen.
Heute reicht b nördlich bis an die Dordogne, östlich bis Adge. —
Beachtenswert ist in Ariege beiö = hodie.
Wo auf anderen Gebieten v zu b wird, liegen spezielle Gründe
vor. Im Alti talienischeu verlangt 6 vor sich b: boto, boce,
vgl. mail. &o?j3, im Portg. a nach sich a bespa 3 Past. 63, heute
22*
340 II- Kapitel: Konsonantismus. § 416, 417.
abespa, heta, hainha, hirla zu virare., hoda (danach hodo), hexiga;
hierher sind wohl auch harrasco, harräo neben varräo, herra, herrar,
alle zu verres gehörig, zu ziehen, der Wandel von h zu v begann
in a herra, andar na herra, vgl. noch ahano, ahanar zu vannus. —
Assimilation an inlautendes h zeigt schon vulglat. hcrhece
aus *verhece (§ 499), sard. larveghe, rum. herhec, ital. herhece, prov.
herbitz, frz. hrehis; span., portg. harhasca (verhasca); span. harbecho,
portg. harheito, sard. harvattu = verhaciu aus vervactum (§ 499); ital.,
prov. herhena, rum. hrchena (verhena); portg. hihora. Dissimi-
lation: ital. hertovello , aportg. holver. Unklar bleibt rum.
hesicä, avich aperug. hessica Graz. 149.
Der Wandel von v zu u, das dann behandelt wird wie
germ. u (§ 18), ist selten und fast nur auf solche Wörter
beschränkt, die germanischen Einflufs aufweisen: lat. vadus +
germ. tvat ergeben ital. guado , frz. gue, prov. gua neben span.
vado, sard. vadu, portg. vao, rum. vad; vastare + wastan ital.
guastare, span., portg., prov. gastar, frz. gäter; vulpes + ivulf
ital., aspan. golpe, span. gulpeja, portg. gulpilha, afr. goupillon;
vespa + ivespa frz. guepe, vipera -\- toipera frz. guivre; ob in
frz. gui (mit unregelmäfsigem Vokal) tvidu, in frz. gueret, prov.
guarait (vervactum) ahd. iverhan eingewirkt hat, bleibt fraglich. —
In Ostfrankreich, Lothringen, Franche-Comte und Morvan, wird
ve über vue zu we, bezw. wa, wo, so lothr. tvar (voir), won
(veine), wer (vere), tcaU u. s. w. — Ital. gitaina, frz. game neben
span. vaina, portg. vainha gehen vielleicht auf vulglat. *guaina
statt vag'ma zurück. — Ohne fremden Einflufs nimmt lat. v die
Aussprache u an im Italienischen vor tonlosem o : gomiere,
gomire, mail. gorä (volare). — Aspan. , aportg. halbgelehrtes
gomitare ist wohl mit gormar vermischt. — Auch im Anda-
lusischen tritt gu an Stelle von span. &o, hu: gunuelo , gurra,
gofeton, gorracha, gorullo, gusano, im Asturischen von ue: gueso,
gueste, gucrto, während bei sekundärem u das Sjianische nur
spirantisch, nicht mit Verschlufslaut einsetzt: Jmero, huerto,
Inieste u. s. av. — Portg. goraz, gal. degorar neben voz, voar
scheint tonlos vo zu go zu erweisen.
417. Wandel von s zu ^ und ts. Bedingungslos Avird s zu
s im Venezianischen und ist von da in diejenigen rätischen
§ 417, 418. Anlautend S zu § und TS. 341
Dialekte gedrungen, die stark venezianischem Einflüsse ausgesetzt
sind, namentlich also in diejenigen des Zentrums: Sulzberg,
Nonsberg, Cembra, Colle, Comelieo und in die friaulisclie Ebene,
vgl. friaul. §ol, §eif, sed (sccare), sere, seit u. s. w. Wie weit s
ins Lombardische hineingreift, ist noch zu untersuchen. Im
Bergani. tritt h an Stelle von s: ha, haha, hak, hai, hol, halas
u, s. w. , wobei es sich aber noch fragt, ob s direkt zu h ge-
worden sei, oder ob etwa S die Vorstufe bilde. — Auch Süd-
ostfrankreich kennt § aus S, vgl. Waat (Zentrum und Pays
d'Enhaut): §a, Sai, sali, seze, §und u. s. w., ebenso im Bagnard
und nördlich in den freibnrger Mundarten. — Wo war in anderen
Gegenden s statt s treffen , liegen spezielle Ursachen vor , ent-
weder palatalisierender Einflufs eines folgenden i § 419, oder Ver-
wechslung mit ex: ital. scc'vera ist exseparat, span. jalma (sagma)
ist erst von enjalmar , wo ins und ex verwechselt sind (§ 588),
gebildet, so jugo von enjugar; auf *exsurdu6 weisen bearn. sur,
lothr. }io; ital. sdaliva wird mit sciala (exhalat) zusammen-
gebracht worden sein ; span. jeja = *saxea, portg. §astre d. i. §a§tre
hat den Anlaut dem Inlaut angeglichen, ebenso rum. ioarece,
tarent. Sor^a. Span, jerga, jäbon, jeme, jenabe sind unklar.
Noch dunkler ist ital. z, span., frz. ch oder span. s, z. B.
ital. zoccoli , span. choclo (daraus entlehnt?), ital. zolfo , portg.
enxofre, span. chillar, chiflar, frz. chiffler, vgl. ital. zufolare, ital.
zavorra, span. zahorra. Von diesen Wörtern zeigen zolfo und
chiflar nicht lateinische, sondern sabellische Form, § 19, S. 42.
Man darf daher vielleicht auch die auffallige Behandlung des
Sibilanten auf ähnliche Weise erklären, dazu würde passen
ZABINA = Sabina CLL. VI, 12236. Mit zoccolo, choclo möchte
man waat. §o1ca vergleichen, doch ist das k auffällig und weist
auf Entlehnung. Endlich span. z in zozohrar , zvcio ist aus
Assimilation an den Inlaut erklärlich, aber zahidlir , zvrdo,
zahondar u. a. ?
418. L wird palatalisiert l (geschrieben II) im Katalanischen,
Leonesisch-Asturischen und in Miranda. Zwar in den alten
Texten finden sich noch kaum Spuren davon, da jedoch im Inlaut
oft l statt l geschrieben wird , so darf man daraus folgern , l sei
nicht erst zu Ende des Mittelalters erschienen. Schon der Um-
342
II. Kapitel: Konsonantif-mus.
§ 418, 419.
stand, dafs es sich auch in Alghero findet, zeugt für hohes Alter,
vgl. algh. Tana, Tct (lade), Muga, lit (lectii), lok, lop, Tum, lor.
Sodann also im Asturischen : tsana, ts'mu, tsiiz u. s. w.
Zweifelhaft ist, ob im nördlichen Spanien auch ri aus
n vorkommt, vgl. Mundte, S. 40, 2.
Sekundäre Palatalisieruiigeii.
419. Vor palatalen Vokalen. Später als die schon
vulgärlateinische Palatalisierung des c, g vor c, i % 403 hat auf
verschiedenen romanischen Gebieten Palatalisierung teils be-
stimmter, teils aller Konsonanten vor dem romanischen i, ie, ü, Oß,
seltener vor e stattgefunden. Ein Fall ist schon § 410 besprochen.
Für die übrigen empfiehlt es sich, die einzelnen Gegenden, nicht
die einzelnen Laute zusammen zu betrachten. Am weitesten geht
das Rumänische, und zwar übertrifft das Mazedonische noch
die anderen Mundarten. Vor lat. i und vor ie, nicht vor rum. i
(= lat. e § 94) werden im Wal. t zu tz , d über dz zu z, l
zu l, aufserdem im Mold., Bukov., Maz. p zu Ä; oder t, h zu g
oder (?, V zu i/, f zu K. Das alte dz hat sich im Maz. und
Mold. erhalten. Auch auf die Behandlung von lat. que, qui mag
hier verwiesen werden § 426.
Lat.
TERRA
TERMEN
TEXIT
TESTA
*TI
Drum.
tarä
term
tesse
teasfä
■ —
Mold.
iura
term
—
teasta
—
Mazed.
tsara
—
tsase
—
tsi
Istr.
—
—
tses§
—
tsi.
Lat.
DECE
DEU
DIE
DICIT
PECTINE
Drum.
zece
zeu
zi
zice
pieptine
Mold.
dzeci
dzeu
dzi
dzice
Jcyepten
Mazed.
dzitzi
dz§u
dzile
dzice
Icyaptmc
Istr.
dzetzi
—
dzi
dzetsi
tsaptir.
Lat.
PECT US
PINU
BENE
VERME
VINU
Drum.
pept
pin
hine
verme
vin
Mold.
Jctjept
kyin
gyine
ycrme
yin
Mazed.
hjeptu
Ttyin
gijine
yermu
yin
Istr.
Mept
—
hire
verme
vin.
§ 419, 420. Anlautend LI u. s. w. im Rumänischen u. Rätischen. 343
Lat.
PERRU
PILU
SEPTE
SELLA
SIC
Drum.
fier
fir
§apte
§a
si
Mold.
Hier
Uir
Sapte
äa
si
Mazed.
Herrn
liir
äapte
—
si
Istr.
fer
fir
sapte
—
si.
Lat.
MERGIT
MERCURI
*AIICU
LEPORE
LINUS
Drum.
mcarge
mercurl
mic
jepnre
in
Mola.
mearge
nyercure
■ nyku
jepnre
in
Mazed.
nyerge
nyercure
—
lyepure
lyin
Istr.
—
—
nyik
lyepur
—
Man vgl. dazu die Behandlung inlautender Konsonanz vor i
§ 340. Beachtenswei-t ist pkyept im Moldauischen Cuv. Bätr. II,
218, 240. Rumänisches i aus e hat keinen Einflufs mehr, doch
wird dialektisch dyifü = dente angegeben. — Durch Assimilation
erklärt sich maz. dzedzet (digitu). — Miklosich Cons. II, 39
giebt noch Öierh (fervet) und §er (ferru), Uerhe (fervet), §iu (filiii)
an, ohne zu sagen , woher die Formen stammen. Die istrische
Entwicklung flier u. s. w. dürfte auf Einflufs der benachbarten
slawischen Sprachen beruhen : im Slaw. wird Kons. -|- y zu Kons.
-{- 1y. Das neben Myept auffällige tsaptir sieht aus wie *kcptine
aus pectine, aber weshalb die Umstellung hier und nicht auch in
dem gleichgebauten pectns stattgefunden hat, bleibt dunkel. —
Im Mazedonischen wird so m zu n: nyedzv, nerJcuri, nile, ferner
PI zu y oder g. Merkwüi-dig ist, dafs Vlacho-Livadhon ^ zu s
zurUckverwandelt : si, sapte u. s. w.
420. Dem Rumänischen zunächst ist das auch geographisch
ihm am nächsten liegende Rä tische zu nennen. Die Labialen
zwar widerstehen hier, abgesehen von nolla (mcdiäla) im Veltlin
und Tessin, das dann auch ins Mailändische dringt: nidoUa.
Dagegen treffen wir bei Dentalen die Palatalisierung, aber wieder
in verschiedener Ausdehnung.
Im Obw. wird dl zu dyi, gi, selbst zi (Andeer) und dzi
in Bergün, dem östlichsten Pxmkte des palatalisierenden Ge-
bietes, hier übt il denselben Einflufs, wir haben also obw. dyi
(dies) , gi in Flims , zi in Andeer , dzc und dzeJir in Bergün,
ebenso ti: tyi, di, tse (?), '^timone (§ 352), iyamnn, tsamim auch
in Trins, aber in Andeer und Bergün timiin. Im Friaul. ist i
344 II- Kapitel : Konsonantismus. 8 420.
wirkungslos , ie dagegen palatalisiert : dyestre (dextra) , dyezime
(decimu) , dyo (deu) , tyere (terra) , tyessi (tessere) , työ aus tio =
tno umgestaltet nach mio) , tyoli (tollere), ferner tyi (ital. ti) als
Atonon, also zunächst A^or vokalischem Anlaut; in Tirol zeigt
Enneberg und Abtei dieselbe Erscheinung, dafs sie aber überall
jung ist, ergiebt sich daraus, dafs sich ihr wie im Eum. tempKS
entzieht, vgl. § 96. Dasselbe Verhältnis zeigen li ni , lie nie,
vgl. obw. Un (linv) , tina (Ivna) , anif {nidu) ; eng. lima , lüna,
nku; friaul. yet (lectu) , yevri (lepore) , nyot (node), merv (nervif),
dafs ferner die Gutturalen palatalisiert werden, ist § 409 gezeigt. —
Italien hat als Regel si ~z si : scimmia, scima, sciringa, scilocco
neben sl , das vielleicht von cosi beeinflufst ist. Dagegen wird
igm(do auf "^ignudus zurückgehen, das sich zu nudvs stellt, wie
lat. ignotus neben nottts steht, und dem sich begrifflich span.
desnudo vergleicht; gnocco ist wohl erst aus noccMo , mail. gverv
aus nervi umgestellt; ven. gnove aus nvove, niove gesellt sich
zu den anderen Fällen von io aus vo § 216. Unklar bleibt
gmtca, mail. nücca. Mundarten gehen weiter, vgl. Alatri : lyib§r§,
lyuna. Tarentinisch hilu zeigt fi aus hi. — Im Spanischen vergleicht
sich jimia dem ital. scimmia, dazu noch jihia (sepia) xxwdi jisca neben d
sca, aber simo, silo, silbar, si u. a., ähnlich im Portg., wo sich wohl
chinche, cMsmo vergleicht. Span, fnido, nodus ist von anuda, *annodat
beeinflufst, nvhio vielleicht niublo aus nihula (§ 58). Vor ie aus
f wird l palatalisiert, in der Schrift kommt dies nur bei Tleva
(levat), danach llevar statt aspan. Jevar, zum Ausdruck. — In
Frankreich sind es aufser den Gutturalen hauptsächlich ?, n,
seltener s, die palatalisiert werden durch i, ü, oe, ie aus e und durch y,
das infolge von neuem Hiatus aus e, ?', ü entstanden ist. Dies
letztere zeigt sich namentlich im Südosten, vgl. waat. sou sndare;
sä (sudore) , lettd, Higettare. Morvan: sei (sella) , sio (sigillum),
Sil (sur), si, süser, süite, scer (soror), sml u. s. av., Reims süris
(souris), dann auch hier sitr, xourde Phi. Vign. 71. In
Fourgs : ser (sver), sce (ciel), scedre (stiivre), süi (six), soedro (cendre),
desädre ist der palatale Einflufs ebenfalls noch klar. Sonst waat.
nyä (nervu), nyer (nigru), dann auch nyao (nodu) und neuenb.
nyü (nudo), die an die entsprechenden ital. bezw. span. Formen
erinnern; Avaat. lye (lectv) , bagn. leivra {*lq)ora, Z =^ 7^ § 517,
altes l fällt). Ebenso zeigt im Gask. leu (leve) die letzten Spuren
§ 420 — 422. Anlautend TI u. s. vv. in Italien u. Frankreich. 345
des Diphthongen. Vor f erscheint palatales l bezw. dessen
Vertreter y auch im Morvan, Mons u. s. w. , wo dem frz. liard
yard entspriclit. Vgl. noch morv. yasse, yevre, Perche : yoze (frz.
liege), yant, mons. yeve. Auch andere Konsonanten folgen im
Lothr., vgl. Jice aus sku (sebvm), hcer (svivre), liür (afr. sevr), elia
(asseoir). Vor einfachem i, ü: neuenb. Icmd (limon), Imds^ (limace),
lesۧ (linceitil) und das interessante delon (lundi). In Jujurieux
lima, larc {legere aus lehe, vgl. vdld = valere). Palatales t' vor
ü: Gilhoc M, Delemont f^ (quant), fite = qwttent, S. Maixent
ticek (qvclque) , cxtüsc = excvser, dfre, c't'üri. Endlich mag noch
erwähnt werden, dafs germ. we, frz. gne , ge häufig ^ wird, so
Freibui-g gere, derc.
421. Palatal i sie rung durch l. — Die Verbindungen
cl, glj pl, hl, fl sind nur auf einem kleinen Teile des romanischen
Gebietes erhalten; fast überall ist entweder stets oder nur bei
cl, gl oder bedingt durch den Accent das l palatalisiert worden
und hat dann gewöhnlich auch den vorhergehenden Konsonanten
irgendwie modifiziert. Das K-Gebiet umfafst ganz Italien und
Rumänien, Spanien, Portugal, Südost- und Ostfrankreich eiu-
schliefslich Lothringen , Westfrankreich von der französisch-pro-
venzalischen Grenze bis einschliefslich der Normandie. Das
j^f-Gebiet ist kleiner: Rumänien imd die Ostküste Italiens ent-
ziehen sich ihm, ebenso ein Teil Ostfrankreichs. Einflufs des
Tones auf die Schicksale der Lautverbindung zeigt nur die
iberische Halbinsel. — Ein historischer Zusammenhang zwischen
den verschiedenen Gruppen existiert nur in geringem Mafsstabe;
wenn es naheliegt, Rumänien und Italien zusammenzufassen, so
scheint dagegen Ostfrankreich gesondert zu sein, ebenso West-
frankreich, und endlich die iberische Halbinsel. Es empfiehlt
sich daher, jedes der Gebiete für sich zu betrachten.
422. Im Spanisch e n und Portugiesische n entwickeln
sich cl, pl, fl vor betontem Vokal zu Jcly, ply, fly, woraus mit
Assimilation lly, was im Spanischen bewahrt oder besser zu l,
im Portg. über ty zu Ö nordportugiesisch , galizisch , wohl auch
astur. - leon. , im Süden seit Mitte des XVHI. Jahrhunderts
weiter zu § wird : noch Don Luis Caetano de Lima, geboren in
Lissabon 1671, stellt es dem engl, ch gleich, nicht dem franz.,
Joäo Franco Barrello 1671 kennt jedoch auch die Aussprache §, Joao
346 II- Kapitel : Konsonantismus. ■ | 422, 423.
de Moraes Maclureira Feyjö 1739 bezeichnet S als lissabonisch.
Die Assimilation giebt dem Z-Elemente eine stärkere Wider-
standskraft, daher wird es nicht, wie inlautend, zu y im Span.,
geht es in den homorganen Verschlufslaut über im Portg. In den
aspan. Texten, z. B. dem Fuero Juzgo und in aportg. wird auch x
und j geschrieben, doch darf man aus letzterem nicht auf tönende
Aussprache schliefsen. — Wir haben also
Span.
llama
llave
llosa
llueca
llano
Portg.
cliama
chave
chousa
clioca
cMio.
Span.
llaga
Ueno
llora
llove
lluvia
Portg.
cliaga
cJieio
cliora
chove
chuiva.
Span. Uama Ueco
Portg. cliamma choco.
In tonloser Silbe dagegen bleibt l, oder besser es wird zu r,
ebenso in gelehrten Wörtern, doch hat der Einflufs der lateinischen
Schriftsprache mehrfach das l statt r wieder eingeführt. Vgl. spau.
clavm\ davija, jjortg. cravelha, cravar, danach span. davo, portg.
cravo j wenn das Wort überhaupt volkstümlich ist; span, plager,
portg. prazer, span. plantar , portg. prantar und danach planta,
pranta neben Hanta, chanta, die ihrerseits llanten, chantagem
(plantagine) hervorgerufen haben ; span. planir, sjjan. plegar neben
llcgar, flaön ; auffällig sind plomo doch portg. diumho und span., portg.
pluma. — Neben span., portg. flor findet sich in der alten
Sprache gewöhnlicher frol: es ist also wohl vor der Palatalisierung
flore in frole umgestellt worden. Vgl. aber portg. diorudo, dioroes,
diontme, wenn sie zu flor gehören, Span, philo, plazo, plata
sind halbgelehrte Formen; in jj^a^öf, pra^a, playa, praya hat
Dissimilation die Entwicklung von l zu ly gehindert. In landta,
lacio ist, ebenfalls infolge von Dissimilation, II zu l geworden. —
Anlautend hl, gl verliert den Verschlufslaut : span., portg. lasthna,
portg. lande, span. landre; latir, portg. latego, liron, lera, portg.
leira (glarea), portg. leiva (*gl€hea), oder aber hl bleibt : hledo portg.
hredo, span. hlasma, portg. hrasma, hlanco, hranco u. s. w. —
Endlich span. chopa, portg. dioupa (dupea): das span, Wort ist
wohl entlehnt aus dem Portg. oder Gal.
423. Im Italienischen wird l nach allen Konsonanten
palatalisiert , dann aber von dem palatalen Elemente erdrückt:
8 423. CL u. s. w. in Spanien und Italien. 347
aus AZ entsteht über A%.' ky, das früher, wie noch jetzt im Süden,
die Geltung von fc' hatte, im heutigen Toskanischen aber Tcy
lautet. Also: chiama, cliiave, ch'niso, chiodo, chiocca, piano, piaga,
pieno, piombo, piove, pntmaj fiamma, fiocco, fiume, fiore, piacere,
plantare, piangere, ptiegare, piazza, piaggia, ghiande, ghiro, ghiaja,
hieta, hiasma, hianco. Lehnwörter aus dem Lateinischen wandeln
in der alten Sprache und in Dialekten Z in r: sprendore, afriUo
u. s. w. Während so das Zentralitalienische sehr einfach ist,
zeigen die nördlichen und südlichen Dialekte Weiterentwicklungen
des palatalisierten Lautes nach verschiedener Richtung hin. In
Oberitalien widerstehen die Labialen, dagegen werden ky, gy
zu d, g, nur das Gen. wandelt py weiter in d, fy in s, vgl.
Ven.
dar
ganda
pian
hiank
fiado
Mail.
dar
ganda
pian
biank
fiä
Piem.
dar
gand
pian
hiank
fid
Bol.
dar
ianda
pian
hiank
fid
Gen.
dait
ganda
dan
ganku
§ou.
Schon in den alten Denkmälern dieser Gegenden zeigt sich
der Wandel vollzogen, Bonvesin schreibt giamando (wobei über
g dasselbe zu bemerken ist, wie über das aportg. j), giasa, und,
was bemerkenswerter ist, clera = ciera aus afr. chiere, dchlo =
dcheo, wo l nur ein i ausdrücken kann, also für plan die Aus-
sprache pian sichert, vgl. noch pht, wo der Mangel des aus-
lautenden i auf i^iu hinweist § 533 ; das aven. Exempelbuch hat
zwar stets cl, pl, aber doch auch schon plu nicht jjZwJ 47, ebenso
die Hamiltonhandschrift, dagegen kennt die Chi-on. Imp. cl und
ehi, pl und pi, fl und /?, Giacomino Veronese schreibt diera , die
agen. Reime Aveisen mit ihama (cliamare), ihairo, iao (gladitO,
ciantoi (plantatores) schon die moderne Aussprache aiif; ebenso
der Chrys. mit piardi 3, 8; giaio 22, 37; ob auch mit chiar
3, 41, chiovi 1, 11 oder ob darin noch die toskanische aus-
gedrückt ist, bleibt zweifelhaft. — Es ist also kaum möglich, an
Hand der Texte anzunehmen, dafs pl, fl länger Widerstand ge-
leistet hätten als cl, gl. Bemerkenswert bleibt aber, dafs jene
noch heute bestehen in Val Gandino (Bergamo) : planta, pU, ploe,
flat, flama. — Im Genuesischen ist der Wandel von py in d
jünger als der Wandel von ie in i (§ 105), aus plenu entsteht
pyin, pin nicht cliin; er scheint ferner auf die betonte Silbe
348 II- Kapitel : Konsonantismus. 8 423.
heschränkt : piazer, nicht caser. — Vom Lombardischen und Veiie-
zianisclien aus ist die Palatalisierung ins Rätisclie gedrungen.
Im Kanton Tessin scheint fast überall, wo rätisches Idiom durch
lombardisches verdrängt ist , auch die Palatale in den Z-Ver-
bindungen eingeführt ; erst vom Puschlav an hält sich 7. Häufig
hat sich die überkommene Gruppe weiter entwickelt, so findet
man an der Mesolcina und am Tessin (Arbedo) pöü, pÖof (plnere),
pdomb, hgond u. s. w. In Tirol scheint zum Teil das venezianische
Element sehr früh eingedrungen zu sein, zu einer Zeit, da man
noch ]cy sprach oder wenigstens noch nicht ^, vgl. tpau (clavu)
im Cembrathal , Tcyaf in Vigo, tyef in Colle und Umgegend. —
In Süditalien hat sich Jctf fast allgemein gehalten, p7 ergiebt
dasselbe Resultat, hl entsprechend y, fl ein modifiziei'tes s. Also
siz. hyaga (plaga), hyrnv, Tiyuppu (*pJoppu}, kyii, yastimari, yapcu,
samma, suri, siimi. Das Alter wird bezeugt durch xvmara
(flumara) C. 23 u. s. av., in Calabrien scheint der Laut /* zu
sein, ebenso im Inneren Siziliens. Ky aus py erstreckt sich weit
nördlich bis an den Ombrone und bis ins Ai*etinische hinein.
In Neapel schreibt Loise de Rosa noch pl, das Regimen sanitatis
aber clii. Auf der Stufe 'ply hat eine ähnliche Assimilation des
ersten Teiles der Lautverbindung stattgefunden, wie auf der
iberischen Halbinsel : vor dem ly wird statt des labialen Ver-
schlusses der nächstliegende, der palatale gebildet, dann aber
findet die Weiterentwicklung statt wie im Ital. , also ply, Jcly, l"y.
In einem Teile Siziliens, in Noto und Modica wird Jq/ weiter zu
ts: ßaga, ßoviri, tsummu, tsinu. Die Übereinstimmung mit dem
Genuesischen ist eine zufällige, wie unter anderem auch daraus
hervorgeht, dafs pJenus in den beiden Dialekten verschieden be-
handelt wird. An der Ostküste in Lecce -wird hy über Je wieder
zu reinem Je: sJeattu (schiatto) , sJcau, sJeuppetta (sc}iiox)p€tta)y misJea
(mischia) u. s. w. Endlich die Ostküste Italiens von Tarent bis
hinein in die Abruzzen , sowie das Rumänische stellen Jcy , gy
dem pl, hl, fl gegenüber, vgl. rum. cJiiag, chiem, deschide (disdudit),
ghwdä, plecä, plin, hländ , floare: Teramo Jcyamd, yann§, pland§
(planta), hlastem§ , flamme. Die Vorstufe des Jey ist im Mazed.
Jelyimd, Jelyae, gletsu (glacies) erhalten, wogegen istr. Jclyar u. s. w.
auch erst wieder aus Jeyar entstanden sein kann § 419. —
Eigentümlich sind die Verhältnisse im Logudoresischen. Die alte
8 423 424. CL w. s. w. in Italien und Südostfrankreich. 349
Sprache bewahrt, wie noch heute das Campidanesische, das l rein ; seit
dem XVI. Jahrhundert erscheint, offenbar unter italienischem Ein-
flufs, pi und, wohl schon früher, im Anlaut gi, d. i, g statt chi,
also gae (clavu), gaiv. Das letztere ist schwierig zu erklären:
während Wandlung eines vom Festlande übernommenen ky in d
sich ohne weiteres begriffe, macht der Übergang zu g mehr
Schwierigkeit, und es fragt sich, ob der Laut genau angegeben ist.
424. Während auf den bisherigen Gebieten die Stufe My
fast nur erschlossen werden konnte, blofs im Mazed. nachweisbar
war, finden wir sie in Frankreich vielfach noch erhalten, ferner
ist hier, ähnlich wie im Rumänischen und Ostitalienischen, pl
widerstandsfähiger al« c?, wogegen fl meist mit cl geht. So zeigt
die östliche Zone j^Zäto fast im ganzen Wallis mit Ausnahme
des Thaies des Viege und einiger im untersten Rhönethal ge-
legener Gegenden ; weiter nördlich hält sich JJ^ hl und hier auch
// in Jujurieux, Gilhoc, Vallee de la Drome, also wohl im ganzen
mittleren Rhonegebiet. Sonst bleibt p, h bestehen, dagegen wird
l palatalisiert und hält sich teils auf der Stufe ly, teils wird es
weiter verschoben zu y und, indem die Engenbildung mehr und
mehr nach vom rückt, zu /, /', oder aber zu bilateralem Z;
endlich kommt auch hier die Assimilation des Labialen vor: py
zu d, das zu § vereinfacht werden kann. Am kleinsten ist das
Gebiet von ply: es umfafst das Zentrum der Waat und den
gröfsten Teil von Freiburg, sowie einen Teil der Franche-Comt6,
am umfangreichsten das von py , während pß dem Wallis und
dem im Rhonegebiet liegenden Teile der Waat angehört, pf
Vetroz (Wallis, vielleicht nur ungenaue Schreibung), pi den Berg-
dialekten von Ormont und Freiburg, (^ den Neuenburger Berg-
dialekten, endlich ä der Franche-Comte (Baume, Montbeliard,
Lure, Porentruy). Für das Wallis bleibt noch zu fragen, ob ^jZ
nicht erst aus ply entstanden sei , da nämlich ly in mehreren
Orten zu l wird § 517. Das Gebiet von pl deckt sich nicht
mit dem von l aus ly, jenes ist weiter, doch läfst sich daraus
nicht viel schliefsen. Eine Entscheidung ist vorläufig noch nicht
möglich. Fl wird überall da zu fly , wo pl zu ply, dann aber
tritt leichter als bei p Angleichung an den palataleu Laut ein :
fly wird zu hly , woraus Jiy wie zum Teil fly zu fy, und daraus
350
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 424.
/; wo ply zu c wird, erscheint fly als s. Endlicli hl am linken
Khöneufer nur in Gegenden , wo ly zu l wird , ist nicht aus /?,
sondern aus fly über lüy entstanden. Bilaterales l giebt Comu
für Bagnard an. Die Schicksale von cl sind ähnlich denjenigen
von fl. Die erste Stufe My findet sich im Kanton Waat, etwas
weniger weit als fly, im oberen Rhonethalj zum Teil in Savoyen
(Albertville), in der Franche-Comte ; weitaus auf dem gröfsten
Teile des Gebietes ist es weiter entwickelt zu hy, oder in Neuen-
burg und dem südlichen Lothringen zu f ; oder aber Uly wandelt sich
in lüy ebenfalls im Wallis weiter rhoneabwärts bis Martigny, in
Freiburg und dem gröfseren Teile der Waat, woraus dann ent-
weder liy im Thale der Drance (Wallis), im Jorat (Waat), oder
P am unteren ßhonethal und den zugehörigen Teilen der Waat.
Während hier liy neben lily steht, treffen wir in Lothringen liy
neben ty , Icy, was auf eine etwas verschiedene Entwicklungs-
reihe hinweist : nicht M ist zu . hl geworden , sondern wohl
ky zu hy. Li der Franche-Comte endlich verteilen sich die
Reflexe von cl wie diejenigen von/?, pl; merkwürdig ist sy in
Giromagny. • — Die Vertreter von gl, hl sind etwas weniger
leicht zu bestimmen : die Zahl der Beispiele ist eine kleine,
daher das Material oft fehlt. Bl scheint überall mit j:)? parallel
zu gehen, in gl ist der Verschlufslaut noch mehr dem zerstören-
den Einflufs des ly ausgesetzt als in cl, so ist z. B. in der Waat
das Gebiet von gly kleiner als das von cly, gly wird dann zu y,
dem hy entspricht y, dem /; ä und in Ormont und Ollon bila-
terales l. Im Bagnard, wo cl zu bilateralem l wird, ly zu den-
talem l, erscheint d als Vertreter von gl. — Die verschiedenen
Gestaltungen mag folgende Übersicht veranschaulichen.
Lat. PLAJfTA BLANCü
Vionnaz pßäta hdä
Bagnard
Waat j3?/äfe hyä
Ormont pfiäte hdä
PLAJfTA
ppäta
pläta
Xnjäte
ppäte
pläte
pläte
Freiburg
Neuenb. pläte hlä
Jujurieux pläte hlä
Lothr. pyäte hyä
FLAMMA
päma
hläma
hläma
päma
hläma
fläma
fläma
fyam
CLARU
pa
hla
hla
pa
vgl. Mu
ta
Mä
kyeU
GLACIE
dafe
dal^
läse
dase
lese
dese
glase
gtjes.
§ 424 — 426. ^L II. s. \v. in Italien und 8üdostfrankreich. 351
Was noch das Alter der Palatalisieruug betrifft, so ist
t'ranolie-comt. pyotte, niorv. pyotij = pelote = frz. pelotte zu be-
achten.
425. Im Westen Frankreichs scheint die Palatali-
siernng weit weniger weit um sich gegriffen zu haben. Auch
hier ist die erste Stufe noch vielfach boM-ahrt : bess. Mye, klyok,
glyczc, plycsc, plyanh, hlyct, flyäh, saintong, Jclyu und Ulyu, flyäb und
Ulyäb, glyäd und lyäd, ebenso My u. s. w. in Poitou, avo fleam-
hmit a. 1651 (Mem. Ant. Fr. I, 200) ein altes Beispiel ist. —
In Anjou hianche, Hautemaine pipsi', hie, saintong. p?/ä^e zeigt sich
die zweite Stufe wenigstens nach Labialen, nach Gutturalen in
Houlme (Normandie) Icyv, Icyoe. Weiter südlich, in Haut-Limous.
stehen Mo§, Mau, plazei nebeneinander, auch cl soll A^or v
bleiben.
426. Labial isi erung. Es handelt sich um die Schick-
sale des lateinischen qu, wozu sich noch gesellen coagulat, coadvs.
Zu scheiden ist zwischen qui und qua. Eine besondere Stellung
nehmen qumque und quisque ein: jenes hat mit quinquag'mta
schon iii lateinischer Zeit durch Dissimilation sein labiales
Element verloren citique, cinquaginta, vgl. § 3, S. 6, und ital.
cinquanta, span. cincuenta, frz. dnquante. Die Dissimilation wii-kte
weniger streng in quisque, dessen Anlaut zum Teil durch qui
gehalten wurde : prov. quecs neben altital. ceschedimo, vgl. ciascuno.
Qui, quetus, quaerere haben überall ihr labiales Element ein-
gebüfst , aber nicht tiberall zu gleicher Zeit. Im Ital. , Franz.,
Span., Portg. bleibt der Guttural unverändert, im Franz. Avurde
noch qui gesprochen zur Zeit, da lat. ca, germ. M zu öa, öi
Avurden, erst später wandelt sich qui in ki, das nicht mehr pala-
talisiert Avird. Die Schreibung clii Eni. 6, 12, Jon. v. 31 zeigt
schon die moderne Aussprache. Wir haben also: ital. chi, cheto,
chiede, frz. qui, quoi, quiert, span. quien, quiere, schon im Mistero
acliesta 1,8, achesto 5 , acltest 6 neben aquel 9 u. s. av. Im
Rumänischen, Friaulischen und Tarentinischen ist der Labial so
frühzeitig gefallen, dafs der Guttural noch die EntAvicklung A'on
lat. cc mitmachte : rum. eine, ceare, incet, acest, tarent. de, di, öere
u. s. AV., friaul. sc, sere, sed. Im Westrät. endlich fällt u später,
das l'e Avird behandelt wie la: oberl. tyi , tye , tyou , tyeia
352 I^* Kapitel : Konsonantismus. 8 426.
(quetus, -a). — Schwierig sind quercu und qiierqucdula. Jenes ist
auf Italien beschränkt, frz. chcne geht auf ein nichtlateinisches,
nur Gallien bekanntes *cassanu zurück, vgl. prov. casser. In
Italien treffen wir sard. chercu, abr. cerqua, flor. quercia. Ein
*quercea (vgl. ital. faggia = fagca, hezza = *aMeiea u. a.) hätte
ital. *chercia ergeben. Man darf wohl annehmen, dafs zu quercus
ein Femininum *qi(erqua gebildet wurde, woraus cerqua und mit
Umstellung quercia. Auf *cerqua weist auch portg. cerquinha. —
In span. cerceta, portg. mrseta, prov. serseta, nfr. sarcelle aus
*querqucdula scheint erst Dissimilation *cerquedula, dann Assimilation
*cercedula vorzuliegen ; ital. farchetola steht der lateinischen Form
nahe, ihm vergleicht sich farkeduno in Galatone (Terra d'Otranto).
Vor a bleibt das labiale Element stets im Italienischen : qtia, quäle,
qualclie, quattordici, quando, quattro, quaglio, dialektisch schwindet
es in tonloser Silbe : campob. kakJcose, ka (quam). Neben quagliare
■steht auch cagliare, es wird also coa in tonloser Silbe zu ca. Im
Span., Portg., Südsard. bleibt qua, span. geschrieben cua, aber
qua- und Kons, -f- qud wird cd: span. cual, cuando, cuadro, cuatro
(cuarenta § 610), aber catorce, calitad, cawano, calana, escama,
escalido, portg. qiial, quando, quatro neben caderna, ca, escama,
während das Nordpoi-tugiesische stets ca spricht. Im Franz.,
Prov. ist das u verstummt nach der Palatalisierung von ca,
in den Lehnwörtern des Engl, bleibt es : question , quite. Zuerst
ist u wohl in tonlosen einsilbigen Wörtern geschwunden, vgl. kaunt
Karls Reise 16 und stets car. Sonst ist es wohl im XI. und
XII. Jahrhundert noch erhalten, erst Handschriften des XIII.
Jahrhunderts, wie die des Roman du Mont S. Michel gebrauchen
qu und c vor a gemischt. Auch der Osten (Lothr., Wall.) hat es
bewahrt : frz. quattre, quand, quel, quarante, caillelait, querir u. s. w.,
aber lothr. kuel, ku^sei (cacher), kuerom sogar kueri, kwä neben
vereinzeltem ketoU (quatorze) auch kwetoJi, k'iz (frz. quinze), ka
(qualis), wallon. kuat, kuarem, kueri u. s. w. Im Rumänischen und
Sardischen endlich ist u ebenfalls geschwunden : rum. ca , cänd,
cänt, scamä, care, log. kandu, kantu, iskama, kale, aber quattuor
giebt rum. patru, sard. hattoro, ebenso haranta. Da intervoka-
lisches qua dieselbe Behandlung zeigt, so ist man zur Annahme
gezwungen, darin Formen zu sehen, die ursprünglich nur im
Satzinnern gestanden haben, eine Annahme, die durch den
§ 426, 427. Lateinisch QU. 353
tönenden Anlaut des sardischen Wortes nocli mehr gesichert
wird. Wie lat. qua, qui wird auch rom. gua aus germ. wa
(§ 18) behandelt. Also ital. guardare, guatare, gitalcire, guarnire,
doch bleibt hier das u auch vor palatalen Vokalen : guerra^
guiderdone, guisa u. s. w., daher wohl ghindare, ghignare aus dem
Französischen stammen. Ghelfi der Chron. per. ist als Anlehnung
an Ghibellini zu fassen. Französisch garder, guerir, garnir, guerre,
guise, heute mit durchaus stummem «. Schon die Handschrift
von Karls Reise (XIII. Jahrhundert) mischt gu und g: gardet 441,
garisset 670, garniz 240, esgarder 131 u. s. w. neben reguardet h,
guaer 559 u. s. w. Im Englischen ist gw meist wieder zu w
geworden : wait, tvarison, Warrant u. s. w. , daneben jedoch auch
guard, guide, garnish. Im Spanischen ist u vor palatalen Vokalen
verstummt: guerra, guisa, bleibt aber vor a: guarda, guantc,
gitarir, guarnir. Über tv statt gw s. § 18, über g, d ^ 420.
427. In allen romanischen Sprachen, bald mehr bald weniger
weit verbreitet, treffen wir vereinzelte Beispiele von tönendem
Anlaut statt tonlosem. Es handelt sich dabei nicht um eine
bestimmte Regel, sondern jedesmal um besondere Einflüsse, es
ist daher jeder einzelne Fall fiir sich zu betrachten. — Die
Hauptklasse bilden die griechischen Wörter, vgl. § 17, S. 33.
Auch Wörter aus anderen Sprachen zeigen ähnliches Schwanken :
ital. gatto, span. gato, aber frz. chat (wahrscheinlich germanisch) ;
ital. gamha, frz. jambe, aber ostfrz., südostfrz. Samhe, pik. cambe
Tourn. IV, 10, 3, cliambe auch Ysop. 1039. Es mag dies in einer
von der romanischen Art abweichenden Artikulation des griech.
(germ. , kelt.) Ä seinen Gi-und haben : das franz. c fafst auch
der Mailänder als g: gubriole, gäbarc u. a. Schwieriger noch
sind die lateinischen Fälle. Neben frz. cage steht im Franz.
selbst geöle {*gaviola), ferner ital. gabbia , span. gavia, prov.
gabia, freib. d£eb§, lyon. e^i. — Sehen wir von ital. crai, span.
cras (cras) ab, die vielleicht nicht ganz volkstümlich sind, so
scheint der Anlaut cra stets gra zu werden: ital. grasso, span.
graso, prov., frz., rum. gras (crassus), ital., span. grada, portg.
grade, ital. gradella, span. giadilla, frz. grille, rum. gratar (crates,
-icula)'^ ital. gracidare, span. graznar (crocitare). Allein einmal
ist es schwierig, dafür eine befriedigende physiologische Erklärung
Meyer, Grammatik. 23
354 II' Kapitel: Konsonantismus. 8 427.
zu finden, sodann zeigt das letztgenannte "Wort auch in seinem
Vokal Einflufs von graculus, gradllare, und das erste könnte aus
einer Vermischung mit grossus entstanden sein : es darf nicht
verschwiegen werden, dafs cras die Form der Pikardie, des Kouclii,
Troyes, Ardennen und Belgiens im Mittelalter war und noch heute
ist. — Die anderen Fälle sind geographisch enger begrenzt:
ital. gonfiare^ rum. gunfld aus conflare, das frz. gonfler ist erst
im XVI. Jahrhundert daraus entlehnt, vgl. aber Tarn, Languedoc,
Dauph. honfld^ Ardeche Jcoufla, Queir. Jcounfldr, Vion. JconMd u. s. w.
Ihm vergleicht sich ital. gomito (cubitu), gombina (*combina),
sgomentare (^excommentare), sgomberare (excumerare). Tarn gorp,
rouerg. guor (corvu). — Kum. gutuiu (cotoneus) ist slawisch. Assi-
milation an den tönenden Anlaut der zweiten Silbe ist wohl an-
zunehmen in ital. gridare (quiritare), gastigare, galigare, in friaul.
dedea (taedicare), friaul. dorde, mail. dord (turda), lothr. dai^e
(tardicare), wogegen siz. deda, rum. dzadä (taeda) wohl eher eine
Vermischung des lat. Wortes mit dem gleichbedeutenden griech.
daiöa zeigen. Mit dem ital. gridare hat das span., portg. gritar
keinen direkten Zusammenhang: es ist aus cridar entstanden,
ebenso gretar, und portg. golpelha (corheille). Dissimilation liegt
vielleicht vor in friaul., tirol. dut (*tottu). Im Span., Portg. wird
er zu gr nur in Femininen : span., portg. greda (ereta, doch auch
freib. griya), span. gria neben eria von creare: ist die Form zu-
nächst in enger Verbindung nach dem Ai-tikel entstanden? —
Sicher scheint diese Erklärung für portg. äbegoaria, hegoaria zu
pecus, a hosteJa = pustella, a haliga zu pdlus. Andere Beispiele
erklären sich wie '^grassu durch Vermischung zweier Wörter : bei
ital. hrugnoltt) frz. hrugnon, portg. ahrunho zu prumis mag bruno,
bei portg. dolor (pallor) etwa holha, bei portg. hoir (polire)
wohl hornir, bei ital. grosta (neben costra): grosso, bei afr.
graanter: garantir, bei span. ganon, ganiles (zu canna): gaMr,
bei span. verdälago (portulaca): verde mit im Spiele sein. Völlig
dunkel sind frz. glas (classicum) , ital. holso (pulsus) , brina
(pruina). Umgekehrt steht neben frz. glousser zu glocire ital.
chioeciare, Anjou clousser, berg. Mose u. a. Portg. ferrolhar zu
*veruclum zeigt deutlich Anlehnung an ferro, franz. dial. (Reims)
krale aus gracilis ist vielleicht von kras beeinflufst. ■ — Aspan.
femencia zu vehementia ist nicht ein Erb-, sondern ein Buchwort
§ 427 — 429. Abfall anlautender Konsonanten. 355
und vielleicht zu ei-klären als vejhementia, wobei f das aspirierte
h ausdrückt. Span, cenojil Strumpfband zu hinojo ist mit cenir
zusammengebracht.
428. Abfall anlautender Konsonanten. Über j
im Spanischen s. § 407 , f im Spanischen § 408. Sonst sind
noch zu envähnen :
B, V, G in Lecce : asu (basiu), andera, eüta, uhka, ursa,
rukulu; ekyii, erme, eUnu, itru., ina, uöe, ogyu; addina, ula, rossa,
rutta, raulu (§ 282), rieku u. s. w.
F im Bergamaskischen : erem, aTca, i, ida, oli, igofia = ital.
vigogna.
F, D in Eieti : ennetta , illania , olontd , olea ; iJco , ispetti,
anni, aria.
G vor r, l in Logudoro : russu, rassu, runda, randine, landa,
lorumu aus *lomuru.
L in Bagnard : ana, ar§ (latro), enwa (Ungua), ivra, eü (leur),
egrema u. s. w.
429. Verschieden von diesen Erscheinungen sind die folgen-
den. Vor 0, %i fällt häufig das v, d. h. es verschmilzt mit dem
homorganen Vokal ; dieser selbst kann primär oder aus e ent-
standen sein. In tonloser Silbe ist die Verschmelzung leichter
als in betonter.
Alatri: tittone (ital. bottöne), ukkone (*buccone), utare
(*voltare und votare), vgl. in betonter ugkJca , uolep§ {vulpe) , wüte
{voiu, neben vode PI. vudi). Im Sizilianischen treffen wir eben-
falls : urpi (vulpe), urria = ital. vorria. — Im Gaderathal : oritey
ormön, orei (volerc). — Sodann in Ostfrankreich, z. B. Auve oir,
oiture u. s. w. Hierher gehört os aus betontem vous in vielen alt-
französischen Texten. Ebenso span. Imeco, portg. oco (vocims).
Vgl. zum Afr. A. T o b 1 e r , Vermischte Beiträge,
S. 212 — 216. Die Erklärung von span. hueco giebt
Cornu, Grundrifs, S. 767.
Oder der Abfall ist durch Dissimilation zu erklären, wie
im ital. civello, afr. avel (labellu), im span. adrales (laterales), im
ital. nsignuolo, Ariege angibo, im span. amparar = mamparar
(vgl. desmamparar B. 0. 332, Jose 8 u. s. w.).
In wenig gebrauchten oder in fremden Wörtern wurde l als
Artikel angesehen: ital. orbacca = lauribaca erweist sich durch cc
23*
356 II- Kapitel: Konsonantismus. § 429 — 431.
als gelehrtes Wort; ital. assurro, span., frz. azul; span. onza^
frz. once von lynx'^ ital. orza^ span. orzcij frz. owrse von mndL
Itirts-^ ital. ottone; wallon. amproie (lampreda). — Ebenso n: itaL
arancio neben mail. naranz, span. naranja aus pers. näreng. —
Unerklärt ist frz. loir , champ. lairon (glis) , ven. rvnire, ronare
u. s. w., M. B. 96 zu grvndire.
430. Zutritt von Konsonanten im Anlaut. Pro-
thetisches s im Ital. gehört der Wortbildungslehre an. In Betracht
kommen zunächst die Fälle, wo der Artikel mit dem Worte ver-
schmolzen ist, auch hier handelt es sich meist nicht um viel-
gebrauchte, sondern um seltene Wörter. Span, acerola wird ital.
zu lazzeruola, lat. opium zu loppio, lodoroso statt odoroso braucht
Buonarroti, amido neap. lamete; so frz. lendemain, lendit, luettCj
loriot, wogegen in lierre (hedera) eher Einflufs von Her zu sehen
ist ; bearn. lant (amite) , nfr. landier (amitariu). In Eeims^
Langre lavier = eoier hat wohl laver eingewirkt. Mehrfach
findet sich g vor r: nfr. grenouille (aber Fourgs rncel), ital.
granocchia werden ihr g von gracidare bezogen haben, ital.
gracimolo graspo von grappa. Aus rugire + hradire entsteht
*brugire, ital. hruire, frz. hruit, aus brisa + rezza (auritia) ital.
hrezza. Von inaspare aus bildet das Ital. naspo statt a,spo; nach
dingun das Astur, dalgun. Nicht klar ist astur. dir.
431. Romanische Konsonanten Verbindungen. In
vielen romanischen Mundarten fällt der in tonloser erster Silbe
zwischen Konsonanten stehende Vokal, s. § 372: es treten infolge-
dessen ursprünglich getrennte Konsonanten zusammen. Sofern
nun der eine dieser Konsonanten durch diesen Zusammenstofs
verändert wird, ist die Erscheinung hier zu besprechen. Meist
handelt es sich darum, dafs der eine der beiden Laute tonlos,
der andere tönend ist: in diesem Falle richtet sich gewöhnlich
der erste nach dem zweiten : lat. cahallu, norm, gval, ostfrz. zval,
Fourgs ptsos (hesace), lothr. psey oder fsey = vessica, jenes geht
auf w, dieses auf v zurück; in lothr. sfey (*ca2nclu) ist der erste
Konsonant geblieben, vgl. mons. Tcfce und gvoe (capillu). Vr wird
zu fr im ital. frasca (virasca) , frana (voragin-) , zu & im span.
hrano = verano , hrana = veranea, Blasco = Velasco. — Im
Lothr. wird ^ vor Kons, zu z: zlin (gallind) neben ga. — Portg.
^ 431, 432. Kousonanteiiziisatz im Anlaut. 357
franras (*v'irantias). — Es kann aber auch der erste Laut fallen,
vgl. tessin. n{ aus mi, mint (come aus comint), doela, *hdoela,
betulla u. s. w. — Im Italienischen wird dis vor Konsonanten
über ds zu S, im Bolognesischen ist die ältere Stufe d bezw. ^
noch erhalten : dpet, öprars, öpiiyars, gnar (desinare).
B. Die Konsonanten im Wortinlaut.
432. In höherem Grade als bei anlautenden kommt bei
inlautenden Konsonanten der Accent in Betracht, namentlich bei
Verschlufslauten : es empfiehlt sich daher für diese letzteren eine
Scheidung zwischen vortonigen und nachtonigen. Sodann ist hier
die Zahl der Konsonantengruppen eine bedeutend gröfsere als
im Anlaut : für sie gilt, sehen wir von den y-, u- und zum Teil
<len Z- Verbindungen ab, die Eegel, dafs der letzte Bestandteil
behandelt wird, wie die wortanlautenden Konsonanten, wogegen
■der oder die ersten mannigfache Veränderungen erleiden. Endlich
ist auch die Stellung in Oxytonis oder Paroxytonis von Wichtig-
keit. — Als anlautend, nicht als inlautend werden meistens die
Konsonanten in zusammengesetzten Verben behandelt, und zwar
nicht nur, wo das einfache Verb noch vorhanden ist, wie in ital.
teuere, span. tenei', frz. tenir: ritenere, retenir, retener, sondern
auch in Fällen wie ital. ricevcre, frz. recevoir, wo kein einfaches
*cevere, *cevoir zur Seite steht, und so in fast allen Zusammen-
setzungen mit re, de. Es handelt sich dabei wohl um Einflufs
jener ersten Klasse : in retenir, deienir wurde, unter Einflufs von
temr , nach dem Präfix re, de stets fest eingesetzt: t blieb, und
so fand denn auch in den übrigen Beispielen fester Einsatz statt,
vgl. dazu § 549. Immerhin sind einige Ausnahmen zu merken,
Fälle, Avo das GefUhl der Zusammensetzung verloren gegangen
ist. Neben ital. ritorta steht prov. redorfa, afr. reorte; rehellis:
afr. revel; propositits : ital. prevosto , frz. prevöt, span., portg.
prehoste; profundus: \)roy. preon (das nfr. profond ist in Anlehnung
ans Lateinische aus afr. parfond umgebildet, in parfond aber
stand /"nicht mehr zwischen Vokalen); *extradare: afr. estreer ;
reponere ; afr. rehondre, rebost ; repullare : span. rebollar ; span. regunzar
= recomptiar€, degollar. Gehört aber der Konsonant zum Präfix,
nicht zum Verbum, so wird er behandelt wie sonst zwischen
358
II. Kapitel: Konsonantismus.
432, 433.
Vokalen: neben afr. redoiz: redudus steht raemhre prov. rezenter :
redimere; adorare giebt prov. azorar afr. aorer. Schon in latei-
nischer Zeit, als emere noch bestand, sprach man demnach re-
ducere aber red-imere, jenes mit intensivem, dieses mit schwachem d^
1. Einfache Konsonanten in Paroxytonis.
a) Verschlufs- und Reibelaute.
1. Nach dem Tone.
433. Die tonlosen Verschlufs laute zwischen be-
tontem und unbetontem Vokale bleiben im Rumänischen und
Stiditalienischen erhalten, sonst werden sie tönend, und zwar im
Mittelitalienischen nur vor folgendem a, auf allen anderen Ge-
bieten vor jedem Vokal. Überall mit Ausnahme des nördlichen
Frankreich verlangt au den tonlosen Laut nach sich, dem Proven-
zalischen schliefst sich noch Saintonge mit Kota (gauta) an. Im
Italienischen ist das aus p entstandene 5, im Französischen und
Engadinischen auch noch g aus c schon in vorhistorischer Zeit
dem ursprünglichen b, g gleichgestellt und wie dieses behandelt
worden, daher die Beispiele § 438 ff. verzeichnet, hier nur die
hypothetischen Mittelstufen angegeben werden.
Lat.
EIPA
CUPA
CAPÜ
APE
SAPA
Rum.
ripä
cupä
aap
—
—
Sizil.
ripa
Jcupa
Jcapu
lapa
—
Ital.
*riba
—
capo
ape
(sapa.
Engad.
*riba
—
*k'abo
—
—
Lomb.
riva
—
—
ava
—
Span.
riba
cuba
cabo
—
saba
Prov.
riba
cuba
cap
—
saba
Afr.
*ribe
*cube
*k'ebe
*ebe
*sebe.
Lat.
PIPEE
CEFA
LUPU
SCOPA
OPUS
Rum.
—
ceapä
lup
—
op
Sizil.
pipi
—
lupu
sJcupa
—
Ital.
pepe
—
(lupo)
*scoba
uopo
Engad.
*peiber
—
*lubu
skua
—
Lomb.
pever
—
lof
scova
—
§ 433.
Intervokalische tonlose Verschlufslaute.
359
Span.
pebre
—
loho
escoba
huehos
Prov.
pehre
seho
lop
escoha
ops
Afr.
*peihre
*cibe
*M)u.
—
ues.
Lat.
-ITÜ
VITE
VITA
-UTU
EÜTA
Rum.
-it
—
—
-nt
rutä
Sizil.
-Hu
viti
vita
-utu
—
Ital.
-ito
vite
(vita)
-Uta
(ruta)
Engad.
-it
vitt
(vitta)
-üt
—
Lomb.
-ido
vit
(vitta)
-udho
ruga
Span.
-ido
vide
vida
-itdo
ruda
Prov.
-it
Vit
vida
-ut
ruda
Afr.
-it
Vit
vide
-ut
rüde.
Lat.
-ATU
LATUS
CKATE
STKATA
-ETU
Rum.
-at
—
—
—
-et
Sizil.
-atu
latu
(grada)
strata
-itu
Ital.
-atu
lado
grada
strada
-eto
Engad.
-*adu
—
grada
streda
-ait
Lomb.
-ado
lado
—
strada
-edo
Span.
-ado
lado
grade
estrada
-edo
Prov.
-at
latz
—
estrada
-et
Afr.
-et
letz
—
estrede
-eit.
Lat.
SITE
SETA
LUTU
LAETÜ
ROTA
Rum.
sete
fatä
lut
—
roatä
Sizil.
siti
Sita
letu
rata
Ital.
sete
(seta)
lato
lieto
rata
Engad.
sait
saida
lut
—
roada
Lomb.
sede
seda
lodo
liedo
roda
Span.
sed
seda
lodo
liedo
ruede
Prov.
set
seda
—
let
roda
Afr.
seit
Seide
—
Met
ruede.
Lat.
GAUTA
AMICU
MICA
-ucu
LACTUCA
Rum.
—
amic
micä
-ue
läptucä
Sizil.
—
amiku
mika
-uku
lattuka
Ital.
gota
amico
miga
-uco
lattuga
Engad.
—
*amigu
—
-"^ügxi
—
Lomb.
—
amig
miga
-üg
ladüga
360
II.
. Kapitel: Konsonantismus. 8
433, 434.
Span.
—
amigo
miga -ugo
leclmga
Prov.
gauta
amic
miga -üc
lachüga
Afr.
jode
*amigu
*miga *ügu
Haitüga.
Lat.
LACÜ
PACAT
PLICAT *SOCA
CAECU
Eum.
lac
-pacä
plegä —
—
Sizil.
laku
paka
kika —
öeku
Ital.
(lago)
paga
piega soga
cieco
Engad.
Hegu
*pega
*plega *suga
*diegu
Lomb.
lag
paga
piega soga
—
Span.
lago
paga
llega soga
ciego
Prov.
lac
paga
plega soga
cec
Afr.
*lagu
"^paga
*plega *soga
*ci€gu.
Lat.
l'RECAT FOCU
PAüCU AUCA
Rum
—
foc
— —
Sizil
—
foku
(poku) oka
Ital.
prega
fuoco
poco oca
Eng-{
id. imego
i *foegii
i *paucu ok'a
Lomb. —
f(^9
pok oka
Span. prkga fuego
poco oca
Prov
prega
foc
pauc auca
Afr.
*prega '^fogu
*pogu *oga,
434. Es bleiben eine Anzahl Ausnahmen zu besprechen in
denjenigen Gebieten, die auf diesem Standpunkte beharren. Das
Festhalten an den tonlosen Lauten in Süd Italien bedarf noch
genauerer Untersuchung, sowohl in Bezug auf seine geographische
Ausdehnung, als auch mit Rücksicht auf die Qualität der be-
treffenden Laute, so werden sie z. B. im Sizilianischen, wie
auch meist im Anlaut, mit schwacher Verschlufsbildung ge-
sprochen. Vereinzelte Abweichungen erklären sich leicht, so ist
z. B. siz. pregu von prigari § 443 gebildet. — Im Toskanischen
fügen sich der Regel : alluda (aluta) , aret. hruga neben flor.
hruco, spiga, lettiga, festuga bei Sacchetti, tartaruga, hottega, spada,
piva, lova: daneben sind hraca, vescica, mica, ruca u. a. gelehrte
Formen, amica u. s. w. stehen unter Einflufs des Maskulins,
luogo, ago, lago haben ihr g vom Plural luogora u. s. w. § 524,
spigo von spiga und spigola § 524, sugo von sugare, scudo das d
von scudiere, grado von gradire, § 443, -lade, -tado erklären sich
^ 434, 435. Intervokalische tonlose Verschlufslaute. 361
durch Dissimilation , lovo ist nach lova gebildet, Udo nicht toska-
nisch. — Andere Beisj)iele für Erhaltung der Tennis nach au sind
span. coto (cautu), hoto (fautv), ferner savco (sahneu), portg. couto,
fovto, ronco , prov. pauta. Da das germanische rauha als span.
ropa , portg. roupa erscheint , so mag sich fragen , ob nicht in
jenen anderen Fällen die Tennis erst aus der Media entstanden
sei. Der Umstand, dafs in Italien iind Rätien rauha sein h be-
hält, sj)richt jedoch gegen eine derartige Auffassung. Auch aus
dem Reflex von pauper läfst sich nichts schliefsen^ da hier die
Bedingungen wegen des folgenden r besondere sind. Mehr Ge-
wicht kann man auf portg. de outiva „vom Hörensagen" legen,
das doch wohl aus ouvida umgestellt ist. Allein gerade der
Umstand, dafs erst die Konsonanten umgestellt worden sind,
benimmt dem Wort jede Beweiskraft, s. § 584. Bewahrung eines
harten Verschlufslautes nach einem Diphthongen zeigt endlich
span. scpa, quepa aus *saipa, *caipa = "^sapiat, cajnat neben
portg. saiba, eaiha. Auch hier fehlt jeder Anhaltspunkt fiir die
Annahme einer Stufe span. saiba, eaiha.
435. Es hat sich nun aber dieser urromanische Zustand,
wie schon gesagt, nur im eigentlichen Italien mit Einschlufs
Sardiniens ungetrübt erhalten, liberall sonst sind teils mehr teils
weniger tiefgehende Weiterentwicklungen und Umgestaltungen
eingetreten, die zum Teil in engstem Zusammenhange stehen mit
den vokalischen Auslautgesetzen. Am wenigsten weit geht das
Rumänische : es zeigt die Einwirkungen des -i auf die vorher-
gehenden Konsonanten § 319. Im Spanischen föllt e nach
d § 312, das dadurch in den Auslaut getretene d wird altspan.
tonlos: verdat Caza 43, 23; venit Danza 19, seguH 19, llegat 19,
ardit 23, venit, dexat 23 ; hontat Baena I, 69 a, merket ib. 79 a,
entendet 79 b, dividat, verdat 74 b u. s. w. , daneben steht aber
auch d: did Cid 3322, vestid 3366 u. s. w. Später ist dieses d
zu d geworden, welchen Wert es noch heute hat; es wird
sehr schwach artikuliert oder fällt ganz. Im Andalusischen hat
auch inlautend d diese Aussprache angenommen und ist dann
weiter zu r vorgerückt: soleares, ir 2 PI. Imper., paeres, oder es
fällt ganz: naa, too, puo, meto u. s. w. Auch im Norden ist
Ausfall eingetreten, wenigstens nach a : -au neben -ado ist häufig
362 n. Kapitel: Konsonantismus. § 435^ 436.
im Asturischen, durchgeführt wird er in dem nach Amerika ver-
pflanzten Spanischen von Bogotan : amolao, und im Auslaut : soledd,
merce. — Im Portugiesischen ist das d im Inlaut stets zur
Spirans d geworden ; im Gal. , das in den vokalischen Auslaut-
gesetzen mit dem Spanischen geht, fällt es, wo es ans Wortende
tritt , also portg. hondade , gal. bondd. — Auch das P r o v e n -
zalische bleibt im ganzen auf dem alten Standpunkte stehen :
auszunehmen ist eine nördliche Zone, in der das sekundäre d
behandelt wird wie das primäre, und die Gegenden, die ga
palatalisieren. Die vokalischen Auslautgesetze bringen eine
Anzahl Veränderungen : -tus , -tis wird zu tz im Prov. , woraus
später s § 565; direkt im Auslaut stehen tonlose Konsonanten,
es wird also amadu zu amat, amigu zu amic, cäbu zu cap. —
Im Span., Portg., Kat., Südsard. zeigt die 2. PI. eine besondere
Behandlung : im Span., Portg., Südsard. fällt das d aus : span.
amais, partis (Impt. amad, partid), portg. amais, vendeis, partis,
Südsard. hantais, timeis, im Kat. wird ts zu u: amau, partiu § 566.
Im Provenzalischen und Katalanischen ist noch zu
erwähnen spata, prov. espaza, akat. espaa; ferner kat. dau, das
mit ital. dado auf ein vulglat. dadum zurückgeht, dessen Ursprung
nicht klar ist. Gehört es zu datum, so ist das d durch Assimi-
lation zu erklären ; es könnte aber im Ital. wie im Katal. Lehn-
wort aus span. dado sein : die Geschichte des Würfelspiels müfste
darüber Aviskunft geben. Kat. soldau stammt wohl sicher aus
span. soldado. Vereinzelt steht kat. freu zu fretum.
436. Die tönendenVerschlufs laute. Der Dental.
Im Rumänischen und Sizilianischen bleibt d stets, abgesehen
dort vom Einflufs eines folgenden i § 319 , hier von den
Gegenden, wo d überhaupt zu r wird. Im Neapolitanischen
und in den Abruzzen verhärtet es sich zu t. Auch im Tos-
kanischen, auf der iberischen Halbinsel und im Friaulischen
bleibt d, aufser in der Verbindung ede, wo es überall
schwindet. Im Toskanischen fällt -de überhaupt, primäres
sowohl wie sekundäres. Im Provenzalischen wird es über ä
zu z, wo es im Inlaut bleibt, fällt im provenzalischen Auslaut.
Die nördliche Zone schliefst sich dem Französischen an, läfst
also auch inlautend d fallen. Das Katalanische ist schon früher
§ 436. D zwischen Vokalen. 363
über z zum völligen Ausfall gelangt, im Auslaut wandelt es
dagegen ä in w, vgl. § 566. Das primäre d fällt im Sardinischen
und Westrätischen, hier auch das sekundäre vor M und i, beide
zwischen Vokalen in Oberitalien und Nordfrankreich, dort vor
dem Auftreten des vokalischen Auslautgesetzes und wohl auch
vor Beginn unserer Litteratur, hier im XI. Jahrhundert. Die
mittelalterlichen Denkmäler Norditaliens schreiben noch t, d, dh,
z. B. Cron. imp. senado, marido, fiade, vegnudo und dormio,
mandd, nassua, sta (Plur. Mask.) perdu; Bonvesin vegudha,
convidha, mudho, tridhe; veda; caritae, partia, tribulao u. s. w.
Die Schreibungen ohne d überwiegen im XIV. und XV. Jahr-
hundert in so hohem Mafse und sind z. B. bei Giacomino und
in den Rime Genovesi fast die einzigen, dafs man die mit d, dh
als nur historische betrachten kann. Heute aber ist namentlich
in Mailand und Venedig in sehr vielen Fällen, z. B. den Par-
tizipien, meist der Konsonant wieder hergestellt, gewöhnlich als d,
auch wo die lateinische Grundlage t fordert. Man hat darin wohl
einen starken Einflufs der Schriftsprache auf die Stadtdialekte
zu sehen. So also neumail. -ada, -ida, -üda, strada Plur. strad;
ähnlich im Venezianischen. — Die ältesten französischen
Denkmäler behalten d noch bei, so Alexis, 0. Psalter, weniger
C. Psalter, Roland, noch seltener ist es in den Büchern der
Könige und im Computus, und dafs es in letzterem stumm ist,
beweist der Reim signefie: vie 405. Im Alexis, Brandan und in den
Glossen Jb. VIII, 33 findet sich mehrfach die Schreibung dh, die
wohl eine Aussprache d bedeutet. — Fürs Nordprovenzalische
vgl. muraor M. R. 40, 9; maisnaa 14, Ende XI. Jahrhunderts.
Im Nordosten: Burgund, Lothringen und Belgien fällt t, d
nicht aus, sondern wird zu y: -ata ergiebt -eye, -uta: -üye, vgl.
§ 378. Dasselbe hat statt in ganz anderer Gegend in Monferrat :
feya, -aya, preya, sreya (cerreto) u. s. w. Die Vorstufe d, die das y
voraussetzt, findet sich in der Gestalt r in S. Fratello : krara (creta),
vir (vite), krairir (credere) u. s. w. Auch im südöstlichen Frank-
reich, wo sonst Ausfall die Regel ist, findet sich wie es scheint y,
vgl. Bagnard fay^ = fafa, -ay§ = -ata, Brian<jon geya = lomb.
gheda. — Den Wandel von d zu r, sowohl primärem wie sekundärem
treffen wir auch bei den Katalanen in Alghero.
364
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 436,
Lat.
NIDU
riDA
NÜDÜ
SUDA
GKADU
Rum.
—
—
—
asudä
—
Friaul.
nid
ftde
nud
—
Engad.
oiieu
(fida)
(nüd^
)
süa
gro
Ter.
—
—
nute
—
—
Ital.
nido
ßda
nudo
SU da
grado
Amail.
nio
fia
nüo
süa
grao
Nmail.
nin
—
—
süda
grä
Sard.
*niu
(fida)
(nudu)
(suda)
(gradu)
Afr.
nit
fide
nut
Sude
gret
Prov.
ni
fiza
nu
suza
gra
Katal.
niu
fia
nuu
sua
grau
Span.
nido
—
desnudo
suda
grado.
Lat.
VADU
VIDE
FIDE
PKAEDA
CODA
Rum.
vad
vede
—
pradä
coadä
Friaul.
vad
—
fe
—
hode
Engad.
vau
—
fe
—
Tcua
Ter.
—
vit§
—
—
—
Ital.
vado
vede
fe
preda
coda
Amail.
—
ve
fe
—
coa
Nmail.
guä
ve
fed
—
hoa
Sard.
bau
(vide)
(fide)
j>reö
koa
Afr.
guet
veit
feit
prede
couda
Prov.
gua
ve
fe
presa
com
Katal.
guau
veu
fe
prea
Jcoa
Span.
vado
1
ve
Lat.
ßum.
Friaul.
Engad.
Ter.
Ital.
Amail.
Nmail.
Sard.
Afr.
Prov.
NODU
nod
nüd
nodo
no
nced
*nou
nout
no
fe
PEDE
pe
pe
pet§
pie
pe
pe
pe
piet
pe
prea
(cola).
Katal.
nou
peu
-
Span.
nudo
pie.
§ 436 — 438. D zwischen Vokalen. 365
Dazu kommen noch die Beispiele von sekundärem d aus
§ ^33.
437. Im Spanischen sind scheinbare Ausnahmen prea,
loa, denen jedoch preaV, lodr zur Seite stehen, wo der Ausfall
des d berechtigt ist, § 443. Nicht kastilianisch ist auch wegen
des f: fco lat. fcedus (man könnte übrigens auch an feäldad
denken); unerklärt bleiben tea lat. taeda und aspan. coa, nspan.
cola = coda. — Zu portugiesisch fe gesellt sich noch se (sedes),
auch aspan. See Muuoz 74. — Im Sardi sehen ist die Sache
nicht völlig klar : die mit * bezeichneten Wörter sind campid.,
nicht log. , in letzterem Dialekt zeigen sie d : nidu, nodu. Sichere
Beispiele sind noch cruu crudus, feu foedus^ ghia ital. guida. —
Im Provenzalischen erscheint neben ni auch nits und niu,
woraus nprov. nieu, § 38, wogegen in den anderen Fällen mit
-d keine derartige Form vorkommt. Nidus ist das einzige Wort
auf -id, in Nom. Sg. -itz, Acc. PI. itz fiel es zusammen mit den
zahlreichen Bildungen auf itz von -iciu, -itiu, -tce, die ihr ts im
Accusativ beibehielten. — Im Katalanischen ist das aus d
entstandene z wie jedes andere geschwunden, wenn es zwischen
Vokalen blieb : schon in den alten Handschriften fehlt es oft ;
wenn es heute trotzdem in manchen Wörtern wieder erscheint,
so liegt wohl provenzalischer oder spanischer Einflufs vor, so in
ancluso, alosa, tesa u. s. w.
Zum Katalanischen vgl. Ollerich § 32, 1.
438. Der gutturale V e r s c h 1 u f s 1 a u t. Rumänien, die
Toskana, die iberische Halbinsel und Stidfrankreich bewahren
das g unverändert. Norditalien labialisiert es nach p, u ; Sizilien,
Sardinien, Tarent lassen es ganz fallen, Teramo und die Abruzzen
verschieben es zut/. Das Piemontesische wandelt es, wo nicht Labiali-
sierung eintritt, in y und stellt sich dadurch mit dem Südostfran-
zösischen auf eine Stufe. Auf den übrigen Gebieten wird die Sache
dui-ch die Palatalisierung der Gutturalen vor a verwickelt. Primäres
wie sekundäres ga werden zu z im Provenzalischen und Süd-
westfranzösischen, sonst in Frankreich wie im Rätischen zu y;
dieses y geht in betontem i, ü im Französischen auf, bleibt im
Rätischen. Dasselbe trifft in Frankreich zu flir sekundäres go
und für primäres ogo, während primäres wie sekundäres ogu, egu,
366
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 438.
primäres agu über ougu, eugu, augu zu ou, eu, au, primäres oga
über ogva zu ova wird wie im Oberitalienischen-, endlich igu,
ügu werden über ij, üj zu i, ü. Denselben Weg geht das West-
rätische, nur in den zwei zuletztgenannten Verbindungen läfst es
den Reibelaut nicht verstummen , sondern behält ihn tonlos bei :
ili, Uli. Endlich das Osträtische schwankt zwischen Beibehaltung
und Abwerfung des auslautenden g.
Lat.
FKIGUS
KUGA
PLAGA
FAGU
LEGAT
Kum.
frig
—
XÜagä
ßg
leagä
Osträt.
—
ruye
playe
—
leya
Engad.
—
—
pleya
leya
Sizil.
—
rua
hyaga
fau
lia
Ter.
—
—
—
maye
—
Ital.
—
ruga
piaga
fago
lega
Sard.
frius
—
piae
fau
lia
Mail.
—
—
piaga
fo
liga
Piem.
—
—
piaga
fo
lia
Prov.
—
rüga
plaga
fau
lega
Frz.
—
rue
plaie
fou
leie
Span.
—
ruga
llaga
mago
lega.
Lat.
DOGA
JUGÜ
NEGAT
EOGO
EOGAT
Rum.
—
—
rüg
ruga
Osträt.
dove
jov
—
—
—
Engad.
—
guf
—
—
—
Sizil.
Ter
duga
yuvu
—
—
—
JL V7X •
Ital.
doga
giogo
niega
rogo
roga
Sard.
doa
juu
—
—
—
Mail.
dova
gov
—
—
—
Piem.
duva
guf
neia
—
—
Prov.
doga
—
—
—
—
Frz.
douve
jou(g)
nie
rui(s)
rueve
Span.
doga
yugo
niega
ruego
ruega.
Dazu dann i
sekundäres g:
Osträt.
ami(g)
amiye
-u(g)
-uye
paye
Engad.
amiK
amiya
-Uli
—
2)eya
Piem.
ami
amiya
'Ü
-üya
paya
Frz.
ami
amie
-u
-ue
paye.
^ 438,
439.
G zwischen Vokalen.
Osträt.
lag
pleye
so(y)e
preye
—
lug
Engad.
Uli
playe
sua
preya
—
Pieni.
lai
(piega)
—
prega
—
Ice
Frz.
lai
plie
*soie
prie
ein
Heu.
367
439. Im Kliman i sehen ist intrebd aus interrogare wohl
durch die Mittelstufe *interguare zu erklären, da das einfache
rogare sein g bewahrt. — Im S i z i 1 i a n i s c h e n ist rua wahr-
scheinlich französisches Lehnwort, lia kann von lidre beeinflufst
sein. — Italienisch Stria ist wohl von striazzo aus gebildet, vgl.
daneben strega; giovo, obwohl in der Toskana gebräuchlich,
stammt aus der Emilia. Die nördliche Provence und Poitou
zeigen z vor a, vgl. poit. amize, rüze, -üze, ploie u. s. w. , die
Dauphine und andererseits Saintonge dagegen y. Die Grenzen
zwischen g, z und y sind noch zu untersuchen, -cu erscheint in
Poitou ebenfalls wie im Provenzalischen als c: amic, die, enemic,
pree, Itiee, lue, fuc, juc, fuec in den Predigten, luec auch in
Urkunden aus Saintonge und Aunis. Im Altfranzösischen ist vai
(vagus) wohl vom Fem. *vaie beeinflufst. Schwierig ist feent Jon.
aus factint. In ihm eine analogische Form nach einem nicht
überlieferten vedent aus vadtint zu sehen, ist mit Rücksicht auf
die ganze weitere Geschichte dieser Verba nicht wohl zulässig.
Das hohe Alter und der Umstand , dafs später das jedenfalls
analogische also relativ junge fönt allein bleibt, legen die Ver-
mutung nahe, dafs feent die organische Form sei und zwar aus
facunt über factmnt, vgl. aqua: eve § 501. Es hätte also hier
der velare Vokal auf vorhergehendes k ebenso gewirkt wie ti,
und wie velarer Vokal auf folgendes Tc § 444. Dann bleibt die
Frage, weshalb lacus nicht entweder le oder allenfalls, dem Reflex
von fagus entsprechend, lou ergeben habe. Das erklären die
vokalischen Auslautgesetze. In der Verbindung a]i vermochte
das u nicht, den Konsonanten zu infizieren: nur tönende Ver-
schlufslaute (oder schon Spiranten: fayu?), beeinflufste es, oder
aber tonlose, denen ein labialer Vokal voranging. Also laci(
wurde zu laiiii, nun trat Abfall des w ein ?a/t, woraus lai.
Dagegen blieb -unt länger, aus facunt entstand faKunt, dann
feliunt, fe§nt. — Die Ortsnamen auf ay und y (§ 259) können
danach aus -acum oder -aco entstanden sein. — Während die
Südostdialekte im ganzen wohl dieselben Regeln zeigen , kennt
368
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 439, 440.
Val Soana überhaupt kein i aus nachtonig c, vgl. hrae , pea^
ladüa, aber z. B. waat. uye (auca). — Schwierig sind die in
provenzalischen Texten und auch im poitevinischen Katharinen-
leben vereinzelt auftretenden Formen diu = dico, amiu = amico,
preu = preco : es scheint , dafs auf bestimmtem , noch zu unter-
suchendem Gebiete c nach allen Vokalen vor u verklungen sei,
bevor die auslautenden Vokale fielen. — Noch mag bemerkt
werden, dafs auch im Asturischen gu zu hu, u wird : fou = fagu
und foai, äau = Zacw, öou = locu.
EtAvas anders über afr. feu u. s. w. A s c o 1 i , Eiv. fil.
class. X, 28, Anm. 2.
440. Von den Reibelauten ist lateinisches s im
Rumänischen, Italienischen und Spanischen tonlos, in den übrigen
Gegenden tönend; wo anlautend s zu ^ wird (§ 417), treffen wir
auch inlautend ^, aufserdem im Portugiesischen. Während also
im ganzen s behandelt wird wie die tonlosen Verschlufslaute,
zeigt das Spanische eine bemerkenswerte Ausnahme, möglicher-
weise wurde aber aspan. z gesprochen, das dann später zu s
wurde, da das Spanische überhaupt keine tönenden Sibilanten
kennt § 441. Über Wandel von si in si s. § 419. Gemäfs
§ 403 gehören hierher auch die Fälle von s aus lat. ns.
Lat.
PISA
BISU
CLUSA
FUSÜ
CASA
Rum.
pisä
ris
inchis
fus
casä
Engad.
pisa
ris
Mus
—
Ti'esa
Ital.
—
riso
cliiusa
fuso
casa
Span.
pisa
riso
—
liuso
casa
Frz.
pr. pis
ris
ecluse
*fns
(chez).
Lat.
KASÜ
SPOSA
-osu
PESA
MESE
CAUSA
Rum.
ras
-oasä
-OS
X^asä
causa
Engad.
—
spusa
-US
paisa
mais
—
Ital.
raso
sposa
-OSO
pesa
mese
cosa
Span.
raso
esposa
-OSO
pesa
mes
cosa
Frz.
res
epouse
-eus
pese
mois
cJiose.
Im Toskanischen erscheint zuweilen tönendes s: derizo, roza,
Tereza, Agneze, wie es scheint, in gelehrten Wörtern. Marcheze
dürfte ein Lehnwort aus dem Französischen sein, ebenso Franceze;
spQza ist von spozdre, wo z gerechtfertigt ist, gebildet, was
auch der Vokal beweist § 146. — In Norditalien ist inter-
§ 440, 441.
S und C zwischen Vokalen.
369
vokalisches s stets tönend. — Im Katalanischen fällt s nach i:
guia. — Im Portugiesischen lauten die oben angeftihrten
Worte in phonetischer Schreibung piza, risu^ fniu, kaza u. s. w.
441. Vulgärlateinisch k'. Wie schon § 403 gezeigt
ist, hat sich lateinisch c vor c, i nur im Sardischen in seiner
gutturalen Geltung gehalten, sonst ist es teils zu fe, teils zu d
geworden. Zwischen Vokalen behält es diesen romanischen Wert
im Rum., im Ital. geht der explosive Bestandteil meist verloren;
obgleich die Schrift keinen Unterschied macht zwischen anlautend
und inlautend ce, so ist doch letzteres auch in der Toskana
meist = §. Dasselbe ist der Fall im Rätischen. Hier wie
auf den anderen Gebieten ist die weitere Entwicklung des
Lautes dadurch, auf Abwege gekommen, dafs die auslautenden e, i
gefallen, nun also s bezw. ts direkt ans Wortende gekommen
sind. Die Verteilung von d und ts bezw. ihrer Fortsetzer ist
dieselbe wie im Anlaut, s. § 406. Wenn daher im Portg. inter-
vokalisches c wie s =-- S ist (und zwar in Lissabon schon 1671
nach dem Zeugnis von Don Luis Caetano de Lima), so ist dieses
g erst aus z entstanden , wie denn auch noch heute in Tras-os-
Montes richtig zwischen z = lat. c und i == lat. s geschieden
wird. ■ — Im Spanischen ist z zu d und dieses im XVI. Jahr-
hundert zu / geworden. Pedro de Alcalä kennt den interden-
talen Laut noch nicht als allgemeingültig, er sagt vom arabischen
tha: „suena a manera de c, poniendo el pixo de la lengua entre
los dientes altos y bajos, de manera que suena como pronuncian
la ce los ceceosos". Also zu seiner Zeit sprachen nur die Lispeln-
den das c als /. Juan de la Cuesta 1580 und Velasco 1582
unterscheiden noch c und z, aber als interdental, Oudin 1639
setzt beide gleich.
Lat.
RADICE
LUCIS
FACE
JACIS
NUCE
Rum.
—
—
pace
jact
voace
Ital.
radice
luci
pace
giaci
noce
Engad.
riä
—
peS
—
nuä
Span.
raiz
luce
paz
yace
nuez
Genues.
reize
lüze
paze
—
nuze
Katal.
raiu
hm
pau
iau
nou
Sard.
raige
luge
page
yages
nuge
Afr.
—
luiz
paiz
jiz
noiz.
Meyer,
Grammatik.
24
370
II. Kapitel: Konsonantismus.
441, 442.
Lat.
VICE
DECE
NOCET
Rum.
herbece
zece
coce
Ital.
vece
dieci
nuoce
Engad.
—
disch
nuscha
Span.
vez
dies
niice
Genues.
—
—
—
Katal.
veu
deu
nou
Sard.
—
deghe
noglie
Afr.
foiz
diz
—
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dafs in dem katalanischen
u eine lautphysiologische Umgestaltung des ts zu sehen ist. Das
ts ist wohl zunächst zu / geworden, dann zu K, von da zu tief
velarem tönenden Reibelaut, endlich zum velaren Vokal. — Im
Altspanischen hat c zwischen Vokalen wie dz gelautet. Das
ergiebt sich einmal daraus, dafs die Handschriften scheiden
zwischen z = lat. ce und c == lat. d (§ 513), da dieses sicher
tonlos ist, so wird also jenes den tönenden Laut bezeichnen.
Sodann wird in den Aljamiados, z. B. Jose, das Zä für c ver-
wandt, das im Arabischen einen tönenden Sibilanten ausdrückt,
ebenso scheiden die Correos zwischen Zajin (z) = ce und Samech
(s) = ci.
442. Vulgärlateinisch v, entsprechend klassisch-latei-
nisch h und f, ist ursprünglich bilabiale tönende Spirans und ist
als solche geblieben in Süditalien, im Spanischen, im Gaskognischen,
wo es bis zu u vorrückt, und im Altprovenzalischen bis nach dem
Eintritt der vokalischen Auslautgesetze, später scheint es hier zum
Teil, wie auch im N^ordportugiesischen, zu h geworden zu sein. Im
Rätischen und Nordfranzösischen ist es dagegen vor der Wirkung
der Auslautgesetze zu labiodentaler Spirans geworden ; denselben
Wert hat es im Italienischen , während germ. w zu gu wird :
tregua. Im Sardischen, Rumänischen, Ostitalienischen, Bergamas-
kischen und auch im Vulgärflorentinischen fällt es aus. In
Nordfrankreich wird germ. w im Inlaut behandelt, wie lateinisches,
vgl. treves: da jenes bilabial war, so dürfte der Übergang
von «^J zu V im Französischen später eingetreten sein als die
ersten Einfälle der Germanen. Interessant ist in dieser Hinsicht
frz. juif. Aus judaeus entstand juieu, juiu, dazu nun ein neues
Fem. juiwe, woraus später juive, was nun wieder ein Mask. juif
herbeiführt. Nach o, u fällt v auch im Französischen.
442.
C und V zwischen "Vokalen.
371
Lat.
SCRIBO
VIVA
VIVü
NUBE
UVA
Rum.
scriu
vie
vxu
—
—
Engad.
askriva viva
vif
—
üa
Lecce
skriu
via
viu
nue
ua
Ital.
scrivo
Viva
vivo
—
uva
Berg.
skri
via
vi
nüe
ua
Prov.
escriu
viva
viu
—
üva
Gask.
eskriu
viua
viu
—
—
Frz.
—
vive
vif
nue
—
Span.
escriho
vivo
vivo
nube
uva
Sard.
iskrio
m bia
biu
nue
ua.
Lat.
PABA
CLAVE
CUBAT
RUBU
SEBÜ
Rum.
—
cheie
—
rüg
seu
Engad.
feva
—
—
—
sieu
Lecce
faa
kyae
koa
—
siu
Ital.
fava
chiave
cova
rogo
sego
Berg.
faa
öae
kua
—
se
Prov.
fava
clau
cova
—
seu
Gask.
habe
—
kqbe
—
seu
Frz.
feve
clef
couve
—
suif
Span.
haba
llave
—
—
sebo
Sard.
fa
klae
—
ru
seu.
Lat.
NIVE
NAEVU
NOVA
NOVU
NOVE
Rum.
neuä
neag
noua
nou
noae
Engad.
naif
—
noeva
ncef
ncef
Lecce
nie
neu
noa
neu
noe
Ital.
neve
neo
nuova
nuovo
nove
Berg.
ne
—
ncea
nee
ncef
Prov.
neu
—
nova
nueu
nou
Gask.
fim
—
naba
nau
nau
Frz.
neif
—
nueve
niief
nuef
Span.
nieve
—
mteva
nuevo
nueve
Sard.
nie
neu
noa
nou
noe.
Lat.
LEVAT
BREVE
Rum.
—
—
Engad.
—
—
Lecce
lea
—
2V
372 II' Kapitel: Konsonantismus. § 442, 443.
Ital.
leva
hreve
Berg.
lea
—
Prov.
leva
hreu
Gask.
leha
hreu
Frz.
lieve
bref
Span.
lleva
hreve
Sard.
lea
hrei.
Dazu sind noch die Beispiele von sekundärem h aus § 433
zu nehmen.
Fürs Rumänische und Italienische möchte man geneigt sein,.
ein Gesetz aufzustellen: vu wird go; Mwow»kann vom Feminin
gehalten sein, -ivo ist gar nicht ursprünglich, ital. neo ist jeden-
falls auffällig, aber ital. favo und bei sekundärem v rum. seu
stimmen nicht. Zwischen zwei e ftlllt es : prete, here. — In Südfrank-
reich sind die Grenzen von v (w) und h noch zu bestimmen, letzteres
findet sich in Montpellier, an den Rhonemündungen, weiter nördlich
im Herault, Aveyron u. s. w. — Im Spanischen fällt v auch nach *
vor a: lejia, encia, aber saliva, viva nach vivo. — Sekundäres &, das
im Ital., Franz. behandelt wird wie primäres, Avird im Portg. nur vor
azn v: escova, estiva aber cäbo, sehe, freilich auch povo aus po2)ulus
und aportg. hovo. — Endlich ist noch die Behandlung von caput in
Oberital. und Rät. zu erwähnen : die Verbindung apu, später ahu
wird über avu zu au , vgl. obAv. 1c au , eng. Ic'o , agen. , amail.,
atur. CO, rovig. cao , berg. coo , in den rime gen. cavo XLII , 45
neben da cho a pe. — Über altes avu im Französischen, s. § 250.
Zu frz. juif vgl. H. S u c h i e r , Ztschr. VI, 438—439.
2. Vor dem Tone.
443. Die Verschlufs laute. Meist ist die Behandlung
der vortonigen Konsonanten derjenigen der nachtonigen ent-
sprechend, in Betracht kommt hauptsächlich das Italienische, in
weniger hohem Grade das Spanische und Portugiesische und in
ein paar Fällen das Französische. Das Rumänische, das ja über-
haupt den lateinischen Konsonantenstand am festesten bewahrt,
zeigt keine Unterschiede. Im Italienischen werden die ton-
losen Verschlufslaute vor dem Tone zu tönenden , im Fran-
zösischen wird ocd zu oe, es hindert also hier wieder der labiale
Vokal die Entwicklung des i, vgl. § 438 ; g fällt im Italienischen,
§ 443.
Intervokalische Verschlufslaute vor dem Tone.
373
g, d im Spanischen und Portugiesischen, t wird im Lothringischen
nicht zu y.
Lat.
ADRIPARE COPERTU
SAPORE
BETULLA
POTERE
Rum.
—
—
—
—
potea
Engad.
—
Jctwiert
sawr
vduorl
pudair
Ital.
arrivare coverta
savore
hidolla
podere
Frz.
arriver
couveii
saveur
hedoule
podeir
JSpan.
arrivar
covierto
savor
abedul
poder.
Lat.
MUTARE
\ PACARE
ADVOCATU
EXSÜCARE
SECURÜ
Rum.
muta
impäcd
uscd
—
Engad.
müdar
payer
—
süer
sgür
Ital.
mudare
pagare
(amocato)
sdugare
siguro
Frz.
muer
paier
avoue
essu-er
seur
Span.
mudar
pagar
avogado
ejugar
seguro.
Lat.
REGALE
SEGUSIU LIGARE MEDULLA FIDELE
SÜDORE
Rum.
—
— legd
mäduä
—
sudoare
Engad.
—
— Her
miguol
(fidel)
süiir
Ital.
reale
(segugio) (legare) midolla
fedele
siidore
Frz.
reiel
sens le-ier
meolle
feeil
sueur
Span.
real
sdbueso liar
meollo
fiel
suor.
Vgl. fürs Italienische noch hadessa neben äbhate, scudella,
gradire, padella, gaccia (acacia) , aital. caveUi, savere. Von den
Ausnahmen erklären sich -tojo, -tore, -iura durch den Einflufs
der Partizipien -dto u. s. w. , vgl. aber z. B. corridori apis.
Sardo 176, conservadori 197; capelli wird an capo , sapere an
sappia, seppi, potere an das alte puote, potti angelehnt sein. Zu
reale vgl. noch striazzo , fraore , ferner in Mittelitalien fiura Cola
di Rienzi 399, draoni 403, paraone 449; agosto neben avosto,
sdagura erklären sich nach § 446 , ligare steht unter Einflufs der
stammbetonten Formen , segugio einweist sich durch das tonlose e
als nicht toskanisch. Auffällig ist nievo , nipote , während man
niepo, nivote erwartet. Nipote kann halbgelehrt sein, nievo ti-otz
des Diphthongen proklitische Form. Zu avoue gesellt sich im
Französischen fouace, enrouer, louer u. a., zu seus noch cur,
aoüt. Bemerkenswert sind laiens, Qaiens aus illacintus, ecc'acintus,
wo c in der sekundären Verbindung vor e den alten Wert als Je
zunächst bewahrt. Schwierig sind segond, fregond, aigu , neben
afr. seon, und dem Ortsnamen Monteu: sie sind wohl nur als
374 II- Kapitel: Konsonantismus, § 443 — 445.
allerdings sehr alte Schriftwörter aufzufassen. Lothringische Bei-
spiele für t- sind: nue (natalis) , mol (medulla) u. s. w. Im
Provenzalisch - Katalanischen wird t- behandelt wie -d, vgL
prov. cazern, grasir^ kat. paella, pair, caern, grahir. — In
Brian^on giebt t auch vor dem Tone y, vgl. Jcayena^ payella,
stayera, ebenso in Monferrat. — Im Spanischen sind weitere
Beispiele: rumiar, alliviar, lidiar, estriar und daher estria, fauco
zu fagus, Jeal und bei sekundärem g: cohomhro , daneben aber
auch hier agosto und agüero neben ja^rado , in jenem ist also
wohl das g sekundär nach § 446, vgl. auch portg. Coimhra =
Colümbriga, Setubre = Cadohrigae. Nur scheinbar gehört hierher
auch ital. medesimo , prov. mezeis: span. meismo , mismo zeigt^
dafs der Fall anders ist. Entweder wurde in dem j)rokli-
tischen Pronomen schon im Vulglat. ^ zu <^, oder aber die lat,
Schreibung meinet, metq^simtis ist falsch und ist zu ersetzen
durch med, medipsimus: da Avir im Altlat. mehrfach med = me
haben, so ist wohl die letztere Auffassung die richtigere. In frz.
livecJie, ital. lopistico {lignsücum) liegt schon lateinische Volks-
etymologie vor, levisticum Veget,
444. Die Eei bei ante. Lateinisch s zeigt nur im Tos-
kanischen und Katalanischen eine besondere Behandlung: dort
wird es vor i zu ^, sonst tönend, hier fällt es aus: lat.
caesellu , pise?^ , sposare , ital. dizello , pizelli , spozare. Kata-
lanische Beispiele: rehina (resina), buhiya == prov. hausia, roella
Klatschrose zu rosa, fuada zu lat. fusns, refuar = span. reliusar,
luella zu span. losa u. s. w. — Span, vejiga, portg. heociga zeigen
für inlautend s im Silbenanlaut ebenfalls die Behandlung von
anlautendem, ebenso ital. vesdca, und mit noch mehr Hecht rum.
hesicäy eng. vSia.
445. Vulgärlateinisch c' (§ 403) wird, vom Rumänischen ab-
gesehen, überall tönend, zu g, z im Italienischen und Rätischen,
zu / auf den übrigen Gebieten. Im Französischen wird z zu iz,
im Portugiesischen zu z und dann zu z (s. § 441), im Spanischen
zu d später /. Im Katalanischen fällt es wie die anderen z,
im Provenzalischen kann es zu r werden § 456, auf weitem
französischen Gebiete endlich ergiebt es wie ti- schliefslich z, j,
s. § 511.
445, 446. Intervokalische Reibelaute vor dem Tone.
375
Lat.
VICINU
MACELLA
VACILLAT
AUCKLLU
KACEMU
Rum.
vecin
—
—
Engad.
vizin
—
—
—
Itnl.
vicino
magella
vageJla
ugello
gracimolo
Frz.
voisin
maiselle
—
oiseau
raisin
Prov.
vezin
mazeüa
—
auzel
razim
Katal.
vehi
maJiel
—
—
rahim
Span.
vecino
maciella
—
—
racimo
Portg.
vizinho
masella
—
—
—
Im Italienischen ist die Regel vielfach gestört , doch vgl. noch
dugento, (moro) gelso, die veralteten piagere, tregento u. a. Aber
cörticeVo hat c bewahrt, daher wieder uccello mit Verdoppelung des c
gemäfs § 549, ebenso eng. uöe. Dagegen ist damigella ein franz.
Lehnwort. Im Provenzalischen kommt neben auzel auch aucel
vor, das zu erklären ist, wie die entsprechende italienische Form :
von Wörtern wie moncel xi. dgl. wird cel tibertragen. — Weitere
katalanische Beispiele sind reebre (recipere), rentar (recentare),
Uuert (lacerta), dena (decena) u. s. w. — Im Portugiesischen sind
die Ableitungen von fauces: fo^ar, forinho auf fall ig. Frz. vermicelle
ist Lehnwort aus dem Italienischen, arhrisseau stammt nicht von
arhoricellus sondern von arbuscillum.
Horning, Zur Geschichte des lateinischen c vor e und
i im Romanischen, Halle 1883. — Ollerich, § 1, 3;
§ 2, 3.
446. V, primäres wie sekundäres, zeigt dieselbe Behandlung,
wie nach dem Tone, zu merken bleibt nur der Ausfall in labialer
Umgebung oder seine Verhärtung zu g, zwei Erscheinungen, die
auf verschiedenen Gebieten auftreten.
Lat.
SABÜCU
TEJBUTÜ
VIBUKNU
SABURBA
PAVORE
Rum.
socii'
—
—
—
—
Engad.
suik'
—
—
—
—
Ital.
—
(tributu)
—
zavorra
paura
Frz.
seil
treu
viorne
—
peor
Span.
sauco
treudo
viorno
sorra
paar.
Italienisch paura ist wohl als Suffixvertauscliung zii fassen.
Daneben steht pagura, ebenso pagone neben paone, pavone, also
V vor 0, a kann entweder fallen oder Über u zu gu, g werden.
Altpisan. sind auto , riceuto. Im Französischen fHllt es wie
376 II- Kapitel: Konsonantismus. ^ 446 — 448.
nach dem Tone in labialer Umgebung : ouaille , nfr. epouvente ist
wohl erst aus älterem espoente entstanden, luette, hrouailles, wenn
es zu hurbalia gehört, die Part, eu, seu u. s. w. , ferner j^^^on,
laon und long § 376. Mundarten gehen noch weiter: morv.
souen, couer, trouer u. s. w. , Auve aoine, saoir (savoir). Im
Spanischen fällt v auch nach i: aspan. priado, sonst noch
sombra = suhumbra^ sondar = suhundare, sahornar; we aber
wird zu gue : agüelo. — Auch im Rätischen wird nachtonig v vor
u zu gv. fagud, und als bearnisch wird negü neben nel)ü aus
nepote, also aus sekundärem v, angegeben. — Im älteren Portugie-
sisch findet sich mehrfach v vor dem Tone, wo heute h steht:
tever, vgl. noch emhevecer und emhebecer, bavado, havoso u. a.
C. Michaelis, Sä de Miranda, 897 b.
447. Endlich lateinisch f. In echt lateinischen Wörtern
kann es nur in Zusammensetzungen vorkommen (s. § 19) und
müfste daher bleiben (§ 432). Wo aber das Gefühl für die
Zusammensetzung verloren ist, wird es behandelt wie v. Im
Italienischen bleibt italisches f, s. § 19, daher auch lateinisches,
fürs Rumänische fehlen Beispiele.
Lat. AQUIFOLIÜ DEFESA PKOFECTU PROFÜNDU EEPÜSABE
Prov. — — — preon rehusar
Span. aceho (dehesa) proveclio — —
Portg. azevinho devesa proveito — —
Im Französischen zeigen reuse, ruse zu refusare^ e'crouelle zu
scrofella Ausfall. Ferner hiais aus hiface, das sich viaz aus
mvacius vergleicht. — Aus der iberischen Halbinsel ist noch
Span, trebol^ portg. trevo zu erwähnen mit nachtonigem /", ferner
Span, cuebano , Estehan, Cristoväl, welche Proparoxytona gleich
mit erwähnt werden können, portg. hehera = hifera, äbantesma
(mit h s. S. 340). Im Spanischen zeigen sdhumar , dehesa die
Behandlung von anlautend f. Ferner kann hier noch die Be-
merkung Patz finden, dafs im Gaskognischen das germanische /"=
vulglat. ff zu h wird, vgl. gahd, bouhe frz. houffe, hohe frz. coiffe.
b) Sonanten.
448. Die Accentstellung ist, soweit bis jetzt ermittelt ist, fast
ohne jeden Einflufs auf die Sonanten. Überhaupt sind diese Laute
§ 448-450.
M und N zwischen Vokalen.
377
nur wonigen Veränderungen unterworfen, am allerwenigsten das
m , bei dem nicht einmal der auf anderen Sprachgebieten beob-
achtete Wandel zu v spontan vorkommt. In einigen wenigen
Fällen werden die Nasalen durch die vorhergehenden Vokale
umgestaltet, bei r, l ist dies fast gar nicht der Fall. Über die
Wirkung eines direkt auslautenden i auf die Sonanten s. §319ff.
449. Lateinisch m hält sich, vom romanischen Auslaut ab-
gesehen, überall.
Lat.
NOMEN
RAMU
FÜMÜ
PREMIT
LIMU
AMARE
Eum.
nome
ram
fitm
—
im
Engad.
nom
ram
film
—
lima
amer
Ital.
nome
ramo
fumo
■prieme
limo
amar
Span.
nom-hre
ramo
liumo
preme
limo
amar.
Unerklärt ist frz. duvet zu dumus. Tritt m in den nasa-
lierenden Gebieten in den direkten Auslaut, so föllt es zum
Teil, s. § 557.
450. Auch lateinisch n bleibt zumeist erhalten als dentaler
tönender Nasal. Nach Nasalierung des vorhergehenden Vokals
fällt es auch zwischen Vokalen im Portugiesischen und Bear-
nischen. In ersterer Sprache jedoch wird lo, %a dann wieder zu
inho, inha. Auch in Oberitalien ist n nicht dental, doch fehlen
hier genauei-e Angaben über seinen Wert. Im Rätischen wird
es nach i zu w, nach u zu m. Im Rumänischen zeigt sich
dialektisch (Siebenbürgen, Istrien) spontaner Wandel zu r, im
Walachischen ist er an die Bedingung geknüpft, dafs schon ein
n in dem Worte enthalten sei. Wandel zu r zeigen auch
waldenser und savoyer Mundarten.
Lat.
LUNA
FUNE
GALLINA
PINU
FINE
Rum.
lunä
funie
gäinä
pin
-
Istrisch
lur§
—
galir§
—
-
Engad.
lüna
—
gcülina
2nn
fifi
Ital.
luna
fune
gallina
pino
fine
Frz.
lune
fun
geline
pin
fin
Gask.
lüa
—
garie
pii
-
Wald.
lür^
—
-ir^
—
-
Span.
luna
—
gallina
pino
fin
Portg.
lua
—
gallinha
pinho
fim.
378
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 450, 451.
Lat.
LANA
MANU
PANE
AVENA
FENU
Eum.
länä
man
päin
—
fin
Istrisch
Im
mer
P§r§
—
fir
Engad.
lema
mem
pem
vaina
fain
Ital.
lana
mano
pane
avena
fieno
Frz.
laine
main
pain
avoine
foin
Gask.
laa
maa
paa
—
hee
Wald.
lar§
—
—
aver§
—
Span.
lana
man
pan
avena
heno
Portg.
lä
mäo
päo
aveia
{fem).
Lat.
DONU
BONA
BONU
PENESTRA
MINUTU
Eum.
dun
hunä
hun
fereasträ
märunt
Istrisch
—
hur§
hur
—
—
Engad.
dun
huna
hun
fneUra
mnüt
Ital.
dono
buona
buono
flnestra
minuto
Frz.
don
honne
hon
fenetre
menu
Gask.
—
hoa
hoo
arresto
—
Wald.
—
hur§
—
feretr§
—
Span.
don
huena
hueno
Mniestra
menudo
Portg.
dorn
hom
hoa
fresta
miudo.
Lat.
FENÜCLÜ
MONETA
GENUCLÜ
Rum.
—
—
gemmcMu
^
Istrisch
—
—
zerunMu
Engad.
—
munaida
—
Ital.
finoccMo
moneta
ginocchio
Frz.
fenouil
monaye
genou
Gask.
—
—
zgl
Wald.
—
moree
gitrnl
Span.
liinojo
moneda
enojo
Portg.
funcho
moeda
joelho.
Vgl. noch ür, uro, famiro, durave, en§amira in Oysan (Greuoble).
451. Genauere Berichte über r aus n in Siebenbürgen und
der Moldau fehlen noch. In alter Zeit haben zwei Handschriften
den Rhotacismus streng durchgeführt: der Codex Sturdzanus und
der Codex Voroneteanus, auch alte moldauische Urkunden zeigen
ihn gelegentlich. Auffallig ist die Orthographie im Cod. Vor.,
statt einfachem r schreibt er meist nr: adunrarü 100, 12,
hiinrätate 66, 12, genrunJciele 23, 11, cinre 34, 11, doch kommt
§ 451—453. N zwischen Vokalen. 379
daneben auch das blofse r vor: adi(ra 6, 11, arirä 93, 12,
lumira 38, 12 u. s. w. Im heutigen Walachischen zeigt sich r
noch aufser in fereasträ und marunt in cärunt, amerifif, muninchiu
(*manuclus) , parinc, rurunchiu und in den etwas verschieden
gearteten: nt'merui , rindured, stngera, vergurä. Sehen wir von
diesen letzteren ab, so folgt in allen der Accent dem n, immerhin
bleibt auch vortonig n erhalten, sogar auffällig genug in gemmchiu,
dann in manlnc, wo allerdings n erst aus nd entstanden ist und
in cenu§ä. Umgekehrt wird in einem Falle vortonig r zu n: cununä.
Der Umstand, dafs der Ausgang -nuclu zwei Behandlungen
-runchiu und -nuchiu zeigt, beweist wohl, dafs zwei Dialekte sich
kreuzen. Offenbar haben das Gebiet, wo jedes n zu r wux'de,
und ein anderes, wo vortoniges n den unmittelbar folgenden
Tonvokal nasalierte, selbst aber dann in r tiberging, sich in der
"Walachei gekreuzt: das Resultat des Kampfes ist der heutige
Zustand.
452. Die Einflüsse der verschiedenen Vokale auf n im
Westrätischen sind nicht recht klar, da die Schrift meist bei der
etymologischen Schreibung verharrt. Auf E n g a d i n scheint em aus
mm (vgl. § 242) : lema, pem, hum beschränkt, ganz Mittelrätien gehört
fum, füm aus funis an. Dagegen umfafst die Palatalisierung den
ganzen Osten : denya aus öeina , -inya für -ina begegnet von
Trins bis Scanfs und Stifs, inya für una bis Stalla, während da,
wo ü nicht zu i wird, auch ün bleibt. Jedes n wird zu h in
Trins, Ems bis Stalla, nur Bonaduz bleibt bei n, Rotenbrunnen
nasaliert den Vokal und verliert den Konsonanten : läüa, vor
dem Accent aber bleibt stets n. Schliefslich mag sich noch
fragen , ob *pruma statt prnna , das den Mundarten der fran-
zösischen Schweiz und dem Waldensischen eignet (s. § 58) und
auch die Grundlage bildet für ahd. pfrümo, pflvtmo, hierher
gehöre.
453. Wie der Übergang von n zu r im Rumänischen einer-
seits im Waldensischen andererseits zu denken ist, läfst sich
solange nicht mit Sicherheit sagen, bis die Natur des r bestimmt
angegeben ist. Auch die nicht waldensischen Mundarten der
kottischen Alpen scheinen ihn zu kennen, vgl. brian^. Iura, huera.
In dem östlich sich anschliefsenden Piemontesischen und im
380 II- Kapitel: Konsonantismus. 8 453 — 455.
Genuesischen ist n zwischen Vokalen h: der Übergang von da
zu gutturalem r ist sehr leicht denkbar. Dafs auch das rumä-
nische n zu Zeiten dem h sehr nahe stand, läfst sich vielleicht
aus der Behandlung der ihm vorangehenden betonten Vokale
schliefsen, vgl. § 390.
454. Dem Ausfall, wie er im Gaskognischen und Portu-
giesischen vorliegt, geht wohl auf beiden Gebieten die Stufe
voran, die wir eben im Rätischen gefunden haben : aus luna ent-
steht erst lüna , dann lüa, schliefslich lua. Im Gaskognischen
begegnet garie schon in den ältesten, dem XI. Jahrhundert an-
gehörigen Urkunden. Die Stufe lüa wird bestätigt durch nud
in S. Thome, aufserdem ist cinzas nur aus cenizas, ceizas erklär-
lich, ebenso miunga und minuga, ferner granga, imingo, mainga,
maunga , gando , mando , hento , maenfastar F. de Guarda 406.
Vgl. noch § 399. Das m in fim u. s. w. ist nur graphisch.
Auch in Novara (Siz.) spricht man patrüi, lonteu, hurüa, feo,
av%o u. s. w,
455. Lateinisch r bleibt zumeist erhalten, die Schrift giebt
keine Auskunft darüber, ob es Zungen- oder Zäpfchen-r, ob stark
oder schwach gerollt sei. Regel scheint stark gerolltes Zungen-r,
das aber z. B. im Pariser Französisch durch Zäpfchen-r ersetzt
ist. Im Provenzalischen, Spanischen und Portugiesischen ist es
im Gegensatz zum anlautenden r und zu rr schwach vibriert, im
Portugiesischen zugleich interdental. Schon die leys d'amors
unterscheiden : „Esta letra r fay petit so e suau cant es pauzada
entre doas vocals et aquo meteysh en fi de dictio coma amareza
amators amar ver et honor^ . „Cant r es pauzada entre doas
vocals ez en fi de mot e sona fort e aspramen, adonx deu esser
doblada coma terra guerra ferr verr torr corr et enayssi de lors
semblans." „AI comensamen sona aspramen e fort esta letra r
coma rameis resplandors rius et enayssi dels autres lors semblans." —
Im Sizilianischen ist r in dieser Stellung „ungerolltes Alveolar-r",
während es im Anlaut stark gerollt wird. — Im Genuesischen
fällt es zwischen Vokalen stets, ebenso im Moi-van und in
Novara (Siz.), wogegen im Südsardischen der Ausfall an be-
tontes u geknüpft ist. Im Andalusischen sind die Bedingungen
nicht klar.
55 455,
456.
R zwischen Vokalen.
Lat.
FLORE
MAKE
MURÜ
MORIT
PIRA
Rum.
floare
mare
—
moare
pärä
Engacl.
flu§r
mer
mür
mour
pair
Ital.
fiore
mare
muro
muore
pera
Gen.
§ue
muä
mü
moe
pea
Frz.
fleur
mer
mur
meurt
poire
Span.
flor
mar
muro
muere
pera.
Lat.
FERA
MIRA
CORONA
Rum.
mira
(cununä)
Engad.
mira
cunma
Ital.
fiera
mira
Corona
Gen.
fea
—
—
Frz.
fiere
mire
couronne
Span.
fiera
mira
Corona.
381
Wegen rum. cununä s. § 571. Ital. prua neben proda, frz.
proua, span. in'oa sind genuesische Lehnwörter. Über das d in
ital. proda s. § 574. Beispiele fiir den Ausfall im Südsardischen
sind : rau, Inf. -ai, gomai = ital. commare, gopai, lau (laru § 288
aus lauru) und selbst nau aus narro; im Morv. free, oea (hora),
eküyi (ecurie), müyeil, preyi, muyi, kuyi; andal. quieo , paece,
matao, quean, quies neben querie, quere; nov. ua, Jcuüa (Corona),
skura (ohscurat), mpaadu, figua, äilliadi u. s. w.
456. Seit dem XIV. Jahrhundert wird in einer Zone Frank-
reichs, die nördlich Seine-et-Marne, Eure-et-Loire, Loiret, Niver-
nais, Berry, Touraine umfafst, südlich die südliche Auvergne,
Limousin, Marche, Narbonne, Gard, Haute- Garonne, Lot, Tarne-et-
Garonne, Haute-Vienne, r zu z und umgekehrt z zu r. In Süd-
frankreich verschwindet aber die Erscheinung wieder im XVI. Jahr-
hundert, im Norden wird z aus r noch heute bezeugt für Troyes
und Epernay von Tarbe I, 1 70 flF., flir Blaize : p>eeze (pere), meeze,
arrieze, foueze Talbert 214, für Youne: touze (taura), voize (vera)
Cornat. Fürs XVI. Jahrhundert haben wir zahlreiche Bemerkungen
der Grammatiker; 1521 führt Barcley compez als dialektisch an,
1528 bezeichnet Erasmus Masia als Parisismus, 1529 bringt Tory
aus Bourges Jerus Masia, 1533 Bovelles courin oreille aus Paris,
Pazis bezeugt Palsgrave, pese mese Sylvius, Beza für Paris,
Auxerrois und Vezelay, Palliot ftlr Bioig und die Touraine; 1620
382 II" Kapitel: Konsonantismus. § 456, 457.
aber schreibt Godard : „Nos Parisiens mettoient autrefois (mais
cela ne se fait plus ou c'est fort rarement et seulement parmi le
menu peuple) une s au lieu d'une r et une r au lieu d'une S."
Für das Normannische fehlen Bemerkungen der Grammatiker,
heute findet sich auf der Insel Jersey teils s, teils ä, letzteres
auch auf dem Festlande in Val de Saire und Hague. In anderen
Gegenden der nördlichen Normandie fällt es. Im Zentral-
französischen haben sich aus der Zeit des Schwankens chaise
neben chaire und hesicles aus hericles erhalten.
Vgl. P. Meyer, Eom. IV, 184—194, 464—468;
V, 488—490; Thomas, Rom. VI, 261—266, Giorn.
fil. rom. II, 205—212, Chabaneau, R. 1. R. VIU,
238, X, 148—151. Joret, Mem. soc. lingu. III, 154—
162, wo Beisjjiele teils aus Urkunden, teils aus litte-
rarischen Texten gegeben sind. Da s für r im ganzen
häufiger ist als r für z, da nur jenes heute noch erscheint,
so darf letzteres als umgekehrte Schreibweise, vielleicht
auch als lautliche Analogie gefafst werden. — Über r
im Norm. vgl. Joret, Melanges XXIII ff., Rom. XII,
591—594.
457. Bei lateinisch l sind drei Erscheinungen zu
merken : der Wandel in r , der Regel ist im Rumänischen,
Genuesischen, in den kottischen Alpen, der Wandel in
'(*, der im Provenzalischen begegnet, und der gänzliche
Ausfall im Portugiesischen und durch r hindurch im
Genuesischen. Nicht völlig klar liegt die Sache im Proven-
zalischen, wo sich zwei Strömungen zu kreuzen scheinen. Im
nördlichen Rouergue, zwischen Lot und Truyere, speziell in
Saint- Amans-des-Lots wird ala zu auo, tela zu teuo, mola zu mono,
in dem etwas nördlich gelegenen Sainte Genevieve dann gelat:
gao, pilat: piao. In den benachbarten Mundarten der Auvergne
findet sich dieselbe Erscheinung, daneben aber auch K: alias
(alas) in S. Flour und Murat, in Cantal tsaJie =■ caules (Molom-
pise), und mit Verschlufslaut statt Reibelaut : paga=paJa (Salers).
Es kann nun aber auch g über u, gw aus u entstanden sein
und kann sao auf gauo oder auf sdho zurückgehen. Endlich
fragt sich, ob Z zu M nach Analogie des Auslauts zu erklären sei,
ob also das Schwanken zwischen mel und meu (§ 563) aua neben
ala herbeigeführt habe, oder ob es sich um einen physiologischen
§ 457.
L zwisclien Vokalen.
383
Vorgang handle. Alle diese Fx-agen können nur gestellt, nicht
gelöst werden, so lange nicht reicheres Material vorliegt.
Nigoles, Chute de l medial en langue-d'oc, Rom,
Vni, 392 ff.
Lat.
ßULA
PALA
MUT.A
MOLA
PILÜ
Rum.
gurä
—
—
moarä
per
Engad.
güla
pela
—
moula
pail
Ital.
gola
pala
mula
möla
pelo
Gen.
[gura
—
müra
—
peiru
\ -
paa
müa
moea
pei
Frz.
gueule
peUe
mide
meule
poil
Wald.
gur§
par^
—
mur§
p§ar
Bagn.
—
pa
müa
m§üa
—
Span.
gola
pala
mula
muela
pelo
Portg.
—
pa
mu
mö
—
Lat.
CAELU
FILA
COLORE
Rum.
cer
fir
—
Engad.
öel
ßa
vgl. Ic'alm
»•
Ital.
cielo
ßa
colore
Gen.
iseru
ß-a
—
\se
fia
—
Frz.
ciel
ße
couleur
Wald.
—
—
kuvur
Bagn.
—
—
—
Span.
delo
ßa
color
Portg.
ceo
fio
cor.
Der Wandel von l zu r ist einst auch in Italien weiter ver-
breitet gewesen. Die altmailändischen Texte zeigen zahlreiche
Beispiele: are, anuvirao, consoranze, feronia, dore, maratia, vare,
vore, viora u. a. bei Bonvesin, doch ist heute in der Mehrzahl
der Fälle im Stadtmailändischen l wieder eingetreten. Auch im
Tirolischen trifft man den Übergang in Ampezzo, Abtei und Enne-
berg. In Frankreich ist er Regel in den kottischen Alpen, aufser
dem Wald. vgl. brian<;. aro, aresno (frz. alene), herar (beler), fier
(ßum), muero (mola) u. s. w. — Von den Ausnahmen im Portu-
giesischen erklärt sich calor durch Einflufs von caldo, valer von
valgo, velar geht auf veglar, vellar zurück, alama, salama sind erst
384
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 457, 458.
aus älma, salma entstanden, pelo ist an cäbello angelehnt, vgl.
aber teia u. a., neben täleiga steht aportg. richtig taeiga in einer
Urkunde aus Oscas a. 1261 F. d. Aviles 75. Auffällig ist gola,
doch vgl. güela. — Wandel von l zu l ist kaum anzunehmen ;
wenn im Französischen -il bald mit Z, bald mit l gesprochen
wird, so erklärt sich das daraixs, dafs in der Orthographie zwischen
7 und ? nach i kein Unterschied bestand.
2. Konsonanten- Verbindungen,
a) Labial -+- Dental.
458. In ursprünglicher Verbindung kommen pt, ps vor, hd,
hs existieren im Lateinischen nur in Zusammensetzungen von
suh und ah nebst ahdomen, die im Romanischen verloren sind.
Im Eumänischen bleiben pjt, ps bewahrt, in den übrigen Sprachen
werden sie assimiliert zu tt, ss, woraus t, s; im Genues., Prov.,
Span., Portg. zeigt ps die nicht ganz klare Auflösung in is.
Vielleicht sieht man hierin am besten eine den § 403 d besprochenen
verwandte Erscheinung: durch eine Art Assimilation wird ps
zunächst zu es.
Lat.
APTU
CAPTIVU
CAPTAT
SEPTE
CKUPTA
Rum.
—
sapte
—
Engad.
—
Jcata
sä
—
Ital.
atto
cattivo
catta
sette
grotta
Frz.
—
chetif
acJiatte
set
(grotte)
Span.
ata
cativo
cata
siete
gruta.
Lat.
EUPTA
SUBTU
CAPSA
IPSE
GIPSU
Rum.
—
suht
—
—
—
Engad.
rutte
suot
k'asa
suess
—
Ital.
rotta
sotto
cassa
esso
gesso
Frz.
route
sous
chasse
—
—
Span.
rota
soto
•*caja
exe
yeso
Prov.
—
—
caissa
ais
geis.
Französisch chetif, prov. caitiu sind schwer zu erklären,
die Grundform ist *cactivu, doch sieht man nicht recht, wie die
Ersetzung des p durch c zustande gekommen ist, wenn nicht
etwa das Wort als altes gallisches Lehnwort aufzufassen ist, in
§ 458, 459. Lateinisch PT. 385
welchem das lat. jJ< wie das urkeltische zu et wurde : lat. captivus,
gall. cadivus wie urkelt. Septem, gall, sechte, oder wenn nicht
coactus eingewirkt hat. Prov. escrich, das auch im Altsi^an. und
in Oberitalien erscheint, ist an didus angelehnt. — Auflösung
des p in u kommt im Provenzalischen, Spanischen,
Portugiesischen nur bei halbgelehrten Wörtern vor: span.,
portg. bautizar , span. cautivo neben cativo , beachte auch reutar
(Jose 214 u. s. w.) neben retar, portg. receitar mit ei statt eu
§ 300, prov. rautar. In gelehrten Wörtern spricht das Neu-
französisclie p, nicht aber die alte Sprache: Egypte: dite Aniel
39: eslite Ch. Pisan 24, ancestre: sceptres Villon 58. — Frz. caisse
ist jirovenzalisches , span. caxa, portg. caissa franz. Lehnwort.
Nicht klar sind prov. ans (hapsns) , aprov. meceus, neus aus
ijise. — Neben yeso , portg. gesso steht im Aspan. exe aus ipse,
wogegen ese aus der vorkonsonantischen Form es von este ge-
bildet ist; portg. qitelxo , sjian. quijada , quijal weisen auch auf
ps y is hin : die abweichende Behandlung von gipsus hat ihren
Grund in Dissimilation gegen den anlautenden Palatalen. Im
Genuesischen wird is aus ps zu s (s. § 464), daher caM.
Die erste Erklärung von chetif giebt T h u r n e y s e n ,
Keltorom. S. 16, die zweite Schwan, Afr. Grammatik.
b) Guttural 4- Dental.
459. Aufser d und es kommt gd in dem einzigen frjgdu
in Betracht. Nirgends bleibt die Verbindung bewahrt, vielmehr
ersetzt das Rumänische den gutturalen Verschlufs durch den
labialen : pt, ps, das Italienische und das Rätische vom äufsersten
Westen abgesehen assimilieren, sonst löst sich c in i auf, das
nun teils mit dem vorhergehenden Vokal einen Diphthongen
bildet, teils den folgenden Konsonanten palatalisiert, letzteres im
Lombardischen, einem Teile des Piemontesischen , im Kastilia-
nischen, in Limousin, Languedoc und der Provence. Die Ent-
wicklung von et und von x geht übrigens nicht ganz parallel,
daher die beiden Laute getrennt zu behandeln sind.
Lat. FACTU TRACTU LAOTE LACTUCA TECTÜ
Rum. fapt trapt lapte laptucä —
Engad. fat trat lat — tet
Obwald. fat trat lat — —
Meyer, Orammatik. 25
386
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 459.
Ital.
fatto
tratto
latte
lattuca
tetto
Piem.
fait
—
lait
laitüa
teif
Lomb.
fad
—
lad
laöüga
ted
Frz.
fait
trait
lait
laitüe
toit
Prov.
fad
traö
lad
ladügo
ted
Span.
hecho
trecho
leche
lechuga
techo
Portg.
feito
treito
leite
leituga
teito.
Lat.
DICTU
STRICTU
DIRECTU
FRICTU
PICTÜ
Rum.
—
strimt
dreapt
fript
ajnfipt
Engad.
dit
stret
dret
—
fitta
Obwald.
dit
streit
dreit
—
—
Ital.
detto
stretto
dritto
fritto
fitto
Piem.
dit
streit
drit
—
ß
Lomb.
diö
streö
driö
— .
fid
Frz. ,
dit
etroit
droit
frit
—
Prov.
did
estreö
dreö
frid
—
Span.
dicho
estrecho
derecho
frito
Mto
Portg.
dito
estreito
dereito
frito
fito.
Lat.
LECTU
PECTUS
PECTINE
VECTÜKA
OCTO
Eum.
alept
piept
pieptine
—
opt
Engad.
letta
pet
petten
—
ot
Obwald.
—
—
peten
vetira
ot
Ital.
letto
petto
pettine
vettura
Otto
Piem.
let
pet
(pentu)
—
(et
Lomb.
leö
peö
peöen
vidiira
(vot)
Frz.
lit
piz
peigne
voiture
Tiuit
Prov.
liec
pieö
(penöe)
vedüra
üed
Span.
lecho
pecho
(peine)
vechura
ocho
Portg.
leito
peito
(p entern)
—
oito.
Lat.
NOCTE
COCTO
LUCTA
FRUCTÜ
EXSÜCTU
Rum.
noapte
COJJt
lu2)tä
frupt
supt
Engad.
not
koatta
—
früt
sütta
Obwald.
not
—
—
(fruta)
süt
Ital.
notte
cotto
lotta
frutto
asciutto
Piem.
noßt
TiOßit
(Iota)
früt
siiit
Lomb.
nmö
Tema
(lotta)
(früta)
Süd
Frz.
nuit
mit
kitte
fruit
essuit
Lateinisch CT.
3
Med lüöo
früö
eisüö
coclio lucha
frucho
(enjuto)
coito —
fruto
enxuto.
§ 459—462. Lateinisch CT. 387
Prov. nüeö
Span. noche
Portg. noite
460. So einfach die Dinge im Rumänischen zu liegen
scheinen, und so schön namentlich auch die Übereinstimmung in
der Behandlung von et, es, gn (§ 466) ist, so bleibt doch das
Umspringen der Artikulation schwer zu erklären. Keine der
romanischen Sprachen zeigt etwas Entsprechendes, nur das A 1 b a -
nesische, aber auch wieder blofs ftir sein lateinisches, nicht
für sein indigenes Element, und nur, so scheint es, nach labialen
Vokalen: luft§ (Inda), trofie (trocta) neben dreit, fruit; gümtür§
(jundura) neben §trHt (*strindits), Jcofsa, lafs§. Auch die anderen
indogermanischen Sprachen kennen, so weit man bis jetzt weifs,
pt für lit nicht. Im Mazedonischen scheint sekundäres lit zu
M zu werden: aUtare = wal. alc§tare; wo sonst in einem der
rumänischen Dialekte M oder ft erscheint, handelt es sich um
Entlehnungen aus dem Neugriechischen oder Albanesischen , so
im Mazedonischen hift§' (hida), wal. öhticä = ngriech. o/jixag,
agriech. txrtxij; auch doftor ist ein entlehntes Wort. Wie sich
das Dalmatinische stellt , ist nicht klar : ragusanisch liopsa
erinnert allerdings ans Rumänisch- Albanesische, vegl. vuat (octo),
nuat (nocte) bleiben unentschieden, ebenso piakno (pectine). Von
it, das wir im Albanesischen fanden, zeigt sich hier keine Spur,
daher denn das ^:ieito (pedus) in den Protokollen von Lido
Maggiore 1312 — 1313 recht vereinzelt steht.
461. Mit dem i t ali eni sehen Typus stimmen alle jenseits
des Apennins gelegenen Dialekte überein, auch das Sardinische,
das nur in der Schrift et beibehält. Diesseits des Apennins
schliefsen sich das Venetianische und Emilianische noch an, ver-
einfachen aber wie immer die Doppelkonsonanz (§ 541) ; von
der Emilia dringt dann t statt ö gegen Pavia und bis Cremona
lind Brescia hin. Bemerkenswert ist trota aus älterem troita (§ 16);
da germ. lit zu it wird: gttatare = loahtan, so wird man trota
aus der mittel- und neugriechischen Aussprache TQM/jtjg erklären
dürfen.
462. Die Entwicklung auf den anderen Gebieten ist schwierig.
Die erste Stufe Kt zeigt Enge -f- Verschlufs statt Verschlufs -|-
25*
388 II- Kapitel: Konsonantismus. § 462.
Verschlufs. Die Enge wird mehr und mehr nach vorn geschoben^
der Verschlufsstelle des t genähert, wir haben also einen dem
S. 318 beschriebenen ähnlichen Vorgang: der gutturale Eeibelaut
wird zum palatalen. Bis hierher gehen alle Sprachen gemeinsam,
nun aber tritt verschiedene Entwicklung ein. Der dem li vorher-
gehende Vokal teilt seinen Stimmton auch dem Eeibegeräusche
mit, das erst in seinem Anfange, dann in seinem ganzen Umfange
tönend wird : i, woraus weiter mit völliger Aufgabe der Keibung i :
so im Portg., Piem. , Prov. Oder die Rinnenbildung, die zur
Hervorbringung der Enge nötig ist, erstreckt sich auch über tj
so dafs dieses zu t wird und als solches sich weiter entwickelt
zu ö, so im Lomb., Prov. Oder beide Vorgänge verquicken sich,
et wird zu it, das entweder zunächst bleibt, vgl. afr. afaitier
§259, später zu it wird, nfr. fait, oder zu id, 6 wie im Sp'a-
nischen. Die ebenfalls mögliche Entwicklung zu ts (s. S. 318)
findet sich in Bravügn, dem östlichsten Posten des f-Gebietes im
Rätischen, ferner in der Dauphine, Gilhoc und Albi : alatsä^ agatsd,
bets (*vocitus). Zum Französischen ist sonst. kaum etAvas zu bemerken.
Wann der Übergang von f zu t stattgefunden hat, ist nicht zu
sagen, doch wird er wohl sehr alt sein. Auf welche Weise
afaitier zu afaiter geworden ist, ist § 259 und 260 gelehrt.
MerkAvürdig sind die Formen vrityp, mritip in Bourberan, die
nach ^Jitie gebildet sind. Was pitie selber betrifft, so erklärt es
sich aus vulglat. piitate, dessen it nun sich weiter entwickelt
wie das aus et entstandene. Ebenso wird quietare über quiitare
zu quittier. Im Provenzalischen gehört it dem am linken
Ufer der Garonne liegenden Gebiete an und reicht mit Narbonne
bis ans Mittelmeer, auch das Katalanische und das Waldensische
schliefsen sich an. Nach nordfranzösischem Brauche zeigt sodann
die Auvergne und die Marche it, und längs der Rhone dringt dies
in die Languedoc ein. Auch hier bemerken wir zum Teil eine
verschiedene Behandlung, je nachdem et im romanischen Auslaut
oder Inlaut steht, im Lim. wird factu octo u. s. w. zu fa, hüe
u. s. w. , aber eocta zu Icüeso. — Im Lombardischen ist die
reguläre Entwicklung vielfach bedroht. Im Stadtmailändischen
dringt tt unter Einflufs der Schriftsprache ein : vott (oeto), sodann
von der Emilia und vom Venezianischen her: so hat sich in der
Provinz Pavia ö nur noch gehalten in Vigevano, und als i in
§ 462. Wandel von CT zu IT. 389
Gropello. Im Nordwesten macht sich die piemontesische Behandlung
geltend, so in Novara nnd Lodi. Auch das ai in Gallarate und Busto-
Arsizio wird wohl auf ai(t) zurückgehen. Mail, frütta , trütta,
sguaita , rceit (enidat) , zeigen , dafs jüngeres ht und et in Lehn-
wörtern nicht mehr die volle Entwicklung durchziimachen ver-
mag. — Zum Piemontesiscli- Genuesischen gesellt sich auch S. Fra-
tello: ddiet (letto), kuot, Nicosia: pieitu, nuoitu, Jcuoitu, Piazza
Armerina : ddait, noit, koH. Neben it kommt nun auch ö vor
und zwar einmal an der Grenze gegen das Lombardische hin,
so im Tanai'othale , in Cortemiglia, Alba, Mondovi, Murazzano,
sodann von Novara her im Canavese bis gegen Turin hin,
endlich im Eojathale wohl unter provenzalischem Einflufs.
Beachtenswert ist feö, steöa in Vico Canavese. Im Tanarothale
stehen sich staye, Stada gegenüber, jenes wohl = stai. — Das
Westrätische sclnvankt nach den Mundarten, die Form f
findet sich im ganzen Westen von Stalla an, teils als k', teils
als ö, letzteres am Zusammenflufs des Vorder- und Hintei'rheins
und in Andeer. Von hier ist k' auch zum Teil in Engadin
eingedrungen: pafc', ok' und in den Ableitungen von dret: drak'er,
drak'üra, doch ist bei den zwei letzteren die Qualität des folgen-
den Vokals nicht zu übersehen (vgl. dagegen untereng. drattar). — In
Spanien umfafst cli nicht mehr den auch sonst vom Kastilianischen
abweichenden Nordwesten, das Aragonesische, Navarresische und
Asturische, wo wir die portugiesische Stufe it finden. Ob aber
feita Rom. XVII, I 4, 63, dereyta I, 62, feito pr. u. s. w. wirklich
dialektisch sind, oder aber den ältesten kastillianischen Zustand
darstellen, mag zweifelhaft sein ; der Cid hat schon ch, pr. einmal
fecho. Beachtenswert ist hito , frito aus fictu, frictu: in dem i
geht das palatale Element auf, und t bleibt erhalten. Afaitar
zähmen, Caza, B. Prov. u. a. ist franz. Lehnwort für amansar,
ebenso wohl deleitar, dueH; fruto Latinismus, vgl. aber fnicho
F. Aviles 68. In den gelehi'ten Wörtern wird c meist beibehalten,
in der Volkssprache jedoch vokalisiert, z. B. andal. karaite,
indereito, reuto, efeuto, direuto, ebenso in Bogot. Unterbleibt bei
der Artikulation des guttui-alen c die Verschlufsbildung , wird nur
eine Enge gebildet an der Stelle, wo das c gebildet wird, und wird
der sonst von der Aussprache des c in Anspruch genommene
Zeitraum durch das Weiterklingen des im voraufgehenden Vokale
390
II. Kapitel: Konsonantismus.
462, 463.
enthaltenen Stimmtons ausgefüllt, so entsteht in der Enge ein
gutturaler Vokal : u. So liefse sich auch auto erklären, wenn
es nicht portg. Lehnwort ist.
463. Die Schicksale des x gestalten sich folgendermafsen t
Lat.
tAxu
METAXA
TAXONE
LAXAT
SAXU
Rum.
—
(mätasä)
—
lasä
—
Engad.
—
—
tass
—
sass
Obwald.
—
—
tarn
—
sess
Ital.
tasso
metassa
tassone
lassa
sasso
Piem.
tass
—
tass
lassa
sass
Gen.
tasu
—
—
lasa
sa§u
Frz.
—
—
taisson
laisse
—
Span.
tejo
madeja
tejon
dejar
—
Portg.
teixo
madeixa
teixugo
deixar
seixo.
Lat.
FBAXINU
COXA
MAXILLA
LIXIVIA
*SEXAINTA
Eum.
frasin
coapsä
masd
leUe
—
Engad.
—
—
—
alsiva
sasainta
Obwald.
fraissen
—
—
liäiva
sisonta
Ital.
frassino
(coscia)
mascella
lisciva
sessanta
Piem.
frassu
koessa
massella
lessia
sessanta
Gen.
—
Jcoe§a
—
leUa
seianta
Frz.
frene
cuisse
maisselle
lessive
soixante
Span.
fresno
—
mejüla
lejia
seisenta
Portg.
freixo
coxa
—
lixia
sessenta.
Lat.
TEXIT
EXIT
AXALE
BUXU
BUXIDA
Rum.
^ese
lese
—
Engad.
tesa
—
—
— .
Obwald.
teissa
—
■ —
—
Ital.
tesse
esce
sala
hosso
husta
Piem.
tes
—
assal
Mss
hüst
Gen.
tese
—
a^a
hüs
hüst
Frz.
tist
ist
essieu
huis
hotte
Span.
teje
ejido
—
hoj
—
Portg.
texe
exe
—
1)UX0
—
Man hat früher mehrfach angenommen, dafs x auch
zu CS werden könne. Mit Recht hat sich Gröber,
Arch. lat. lex. III, 509 if. dagegen ausgesprochen. Im
§ 463, 464. Lateinisch X. 391
allgemeinen kann als Kegel hingestellt werden, dafs nur
dann die Umstellung stattfindet, wenn die x enthaltenden
Wörter in die Sprache aufgenommen wurden, als das
alte X längst nicht mehr bestand. So sind die fran-
zösischen Vulgärformen fiske, lüske, seske, ashe für f%xe^
luxe, sexe, axe samt und sonders Buchwörter, so gehen
aprov. visc, surresc, afr. vesqui, henesqui auf die kirch-
lichen vixi, surrexi, henedixi zurück.
464. Die Entwicklung von x deckt sich, wie schon bemerkt,
nur zum Teil mit derjenigen von ct. Zunächst ist ein Unterschied
hervorzuheben je nach dem x vor oder nach dem Tone steht
im Rumänischen und Italienischen. Dort nämlich wird
nur -X zu ps, dagegen x- zu ss, wie namentlich der Vertreter
von maxilla zeigt; auffällig ist noch wal. frassen neben regel-
mäfsigem maz. frapsin, — Im Italienischen dagegen wird um-
gekehrt -X stets zu SS, daher lasdare auf *laxiare, coscia auf
*coxea zurückgehen, asce steht unter dem Einflufs von ascia = axea.
Vor dem Tone aber tritt s nur ein zwischen zwei dunkeln
Vokalen : sugna, sola, aber stets sc aus ex : sceverare, scempia,
sciame, scioperare u. s. w. , und aus axe: mascella. In saggio
statt *sciaggio ist Dissimilation zu sehen. Es zeigt sich also vor
dem Accente im Italienischen bei x dieselbe Erscheinung, die
wir bei et auf den übrigen Gebieten getroffen haben: an Stelle
des Verschlusses tritt die homorgane Enge, die sich vor oder
nach 2)alatalen Vokalen weiter zur palatalen Enge entwickelt,
während sie nach velaren Vokalen verschwindet. — Das Kätische
assimiliert wie bei et, merkwürdigerweise auch das Piemontesische,
das bei et andere Behandlung zeigt. — Für die übrigen Gebiete
ist die Entwicklungsreihe Ks, is, anzusetzen und nun entweder is,
is oder isy. Die Stufe iä liegt im Portugiesischen, Genuesischen
und zum Teil im Provenzalischen vor, is im Obwaldischeu , isy
im Französischen. In den östlichen Dialekten entwickelt sich
dieses isy dann weiter wie sy, s. § 511. Auch fürs Altspanische
ist ä anzusetzen. Berceo drückt mit disse, dessar , yssiö wohl
keinen anderen Laut aus, während der Wert von x bei Ruiz:
dexa, aparexada zweifelhaft bleibt. Später hat es sich zu U
weiter entwickelt s. Kap. V. In seissenta liegt Anlehnung au
seis vor, im französischen essaim, essai an die Wörter, die mit
est- anlauten.
392 n. Kapitel: Konsonantismus. § 465 466.
465. An et, es mag sich gleich gn anschliefsen^ da es zum
Teil mit den anderen Gruppen übereinstimmende Schicksale
zeigt. Ganz ist die Übereinstimmung freilich nur im Sardischen,
wo gn zu nn, und im Rumänischen^ wo es zu mn AAard, sowie
auf den Gebieten, die et zu Jit wandeln : hier wie im Italienischen
und Rätischen tritt gn, jn ein, das in den Abruzzen als y§n
bleibt, sonst sich weiter zu fi entwickelt.
Lat. agne:
LLU
dignu
r LIGNU
PUGNt
r STAGNü
Log. —
—
Unna
punno
( —
Rum. miel
—
lemn
pumn
—
Engad. —
den
lain
—
stenn
Ital. agnello
degno
legno
pugno
stagno
Campob. ayenielle
—
leyen§
imy§n§ —
Frz. agneau
dedain legne
2)oing
etain
Span. anejo
desden lena
pimo
estano.
Lat.
COfiXATU
COGNOSCO PIGNUS
SIGNÜ
Log.
konnadu
Tionnosko —
sinmi
Rum.
eiimnat
— —
semn
Engad.
quino
— pain
insaina
Ital.
cognato
conosco pegno
segno
Frz.
—
connais —
enseigne
Span.
cuiiado
conocer —
seno.
466. Wo im Sardischen gn erscheint, wie in pignus, dignu,
liegt zweifelsohne italienische Form vor. Schwieriger sind piinzii
(pugnus), ansone (agnone), stanzare (stagnare), mit der Behandlung
von gn, die sonst ni zukommt (§ 512). Doch kann anzone auch
ann-io Jährling sein, die beiden anderen aber sind wohl als
italienische Lehnwörter mit Lautumsetzung zu betrachten. —
Rumänisch miel ist aus *amniel entstanden, ein anderes Bei-
spiel ist noch amnar aus ignarium. Merkwürdig ist im Maze-
donischen die Umgestaltung von "^pumnu zu pulmu. Beachtens-
wert ist auch rum. eimnu = griech. cycnus, Avährend frz. eigne
auf lat. eicinus weist § 529. Ital. conoscere, span. conocer weisen
auf vulglat. '^conoseere nach noscere hin, M^ogegen portg. conhecer
die klassische Form wiedergiebt. Im Französischen ist die Ver-
einfachung zu n vor dem Tone Regel : senefier, assener, rene,
tinel, prenant; agneau ist von afr. aigne = *agna beeinflufst. In
§ 466, 467. Lateinisch GN. 393
gelehrten Wörtern wird lieute gn gesprochen, nicht aber im
XrV. und XV. Jahrhundert, Ruteboeuf reimt regne: plaine I, 109,
surgines: digncs I, 115, ebenso Christine de Pisan, Eustache
Deschamps, Villon u. s. w. Dasselbe zeigt das Spanische in
malino, malina, andal. etulmo , sinifica, rejnma; span. repno ist
wüld an rey angekdint. Über n im romanischen Auslaut s. § 560.
Eigentümlich ist gn zu un in Tarent und Lecce: aunu, leunit.
Die Frage nach dem Verhältnis von lat, et, CS, gn zu
ihren romanischen Fortsetzern ist vielfach erörtert worden.
Dafs als erste Entwicklungsstufe iit anzusetzen sei, hatte
schon Ehe 11 erkannt, Ztschr. f. vergl. Sprachf. XIV,
247 fF. Wenn er aber auch fürs Italienische diese
Formen voraussetzt, so ist das unnötig und unwahr-
scheinlich. Dann haben sich aufser Joret nament-
lich A s c 0 1 i mit dem Problem beschäftigt , Arch.
Glott. I, 82, Anm. 1; Thomsen, Remarques sur la
lihonetique romane, Vi parasite et les consonnes moiiillees
en franQüis, Mem. soc. lingu. III, 106 — 123; Ul brich,
Über die vokalisierten Konsonanten des Alt französischen,
Ztschr. II, 522—548; Sehne ha r dt, Ztschr. IV, 146 ff.
Die oben vorgetragene Erklärung schliefst sich an die
A s c o 1 i-S c h u c h a r d t s c h e an, der auch T h u r n e y s e n ,
Keltorom. 14 beistimmt. Thomsen nimmt an, wie pt
zu it assimiliert worden sei, so et zu dem zwischen Je
und t liegenden tt Allein tf ist nicht der Mittellaut
zwischen k und t, es ist, im Gegensatz zu diesen, nicht
ein reiner Verschlufslaut, sondern ein Verschlufslaut mit
spirantischem Ansatz, welch letzterer nur aus dem zum
Spiranten übergehenden c zu gewinnen ist. Ulbrich
nimmt unvollständige Verschlufsbildung des Tc (also wohl
K?) an, dann sei die Zunge in der i-Stellung, in welche nun
sowohl der vorhergehende als der folgende Laut übergehen
würden. Dagegen macht schon Schiichardt mit Recht
geltend, dafs zwischen Je und i nicht nur in der Mund-
artikulation ein Unterschied besteht, sondern dafs zugleich
der bei A" stumme Expirationsstrom bei i zum tönen
gebracht wird, dafs also U 1 b r i c h s Erklärung zwei Vor-
gänge gleichzeitig erfolgen läfst, was wenig wahrscheinlich
ist. Die Reihe Iit, it erfiihrt noch eine wesentliche Stütze
durch die Veränderungen von rt § 475 ff.
467. Endlich ist noch die Verbindung nct zu besprechen.
Schon im Vulgärlateinischen ist daraus ht entstanden, das sich
nun ähnlich entwickelt wie et, im Rumänischen also zu mt, im
Italienischen zu nt, im Französischen über fit zu int, im ^-Gebiete
zu nd wird, docli weicht hier das Spanische mit nt ab, also :
394
II. Kapitel: Konsonantismus.
§467.
Lat.
SANCTU
UNCTU
JUNCTU
QUINCTU
STEINCTU
Rum.
sämtu
*umpt
ajumt
—
strimt
Engacl.
sent
ütt
—
—
—
Ital.
Santo
unto
giunto
quinto
strinto
Frz.
Saint
oingt
Joint
quint
etreint
Span.
Santo
unto
yunta
quinto
—
Für nx fehlen Beispiele, abgesehen von den Perfekten.
Im Rumänischen begegnet zuweilen die Schreibweise mpt:
frernjitä, stremptu bei Daniel, man braucht jedoch daraufhin nicht
anzunehmen, dafs lateinisch nct erst im Rumänischen zu mpt,
dann zu mt geworden sei : bei der Aussprache mt entwickelt sich
stets als Übergangslaut |J, das bald geschrieben wird, bald nicht.
Das heutige Walachische ist auf dem Wege, die Angleichung des
m an den Dental zu vollziehen , es schreibt unt neben strimt :
diese Angleichung scheint aber nicht auf lautlichem Wege vor
sich gegangen zu sein, sondern vielmehr in Anlehnung an das n
des Präsens, während das dem Verbalsystem entrückte strimt sich
hielt. Bei einer derartigen Auffassung des n aus m erklärt sich, dafs
eine Zeitlang mt und nt nebeneinander standen und so mt auch
an Stelle von altem nt treten konnte: wal. sim^i (sentire); das
scheint namentlich im Mazedonischen häufig, vgl. askumpta Dan.
(ahscondita), atumtsea kav. (tunc) humtine Dan. (continuit) u. s. w.
Man beachte auch, dafs nur nt zu mt, nicht nd zu md wird, da
kein ngd existiert hat. Im Rätischen macht sawc^ws Schwierig-
keit mit seinem Palatal, womit sich sent vei-gleicht, das im Osten
des Gebietes, im Friaul, nicht unbekannt ist und, in Proclise, in
den altven. Texten, so in der Cronica deli imperadori, in der
Hamiltonhandschrift u. a. , nicht selten erscheint. Ferner findet
sich eng. neben pütt (punctum) auch puonk' und puonli'a. Bei
ersterem könnte man an eine Verallgemeinerung der Pluralform
auf i sehen § 320, dagegen reicht für das zweite diese Erklärung
nicht aus. Richtiger ist es wohl , da dem eng. puonk' ein obw.
punct zur Seite steht, die beiden Formen als halbgelehrte zu
betrachten : während altes nt im Eng. und Friaul. zu nt wird,
wandelt sich junges nct zu nt. Im Obwald. haben Avir natürlich
Formen mit t: iü (unctu), pif, aber soint als Kirchenwort. Be-
merkenswert ist der Mangel des n, der sich auch in *augl, aug
(avimculus) zeigt und der doch wohl lautlich zu erklären ist.
§ 467, 468. Lateinisch NCT. 395
Zwar könnte man annehmen, dafs strictus, victus u. s. w. auch
*uctns \i. s. w. nach sich gezogen hätten, allein es wäre zu auf-
fällig, dafs das Bündnerische hier einen ganz anderen Weg ein-
geschlagen hätte als alle übrigen romanischen Sprachen. Ob aber
die Kegel zu fassen ist : n vor tonlosen Verschlufslauten + Kons,
fällt, und ataitlar (attentulare) mit zu rechnen ist (Arch. Glott.
VII, 684), bleibt zweifelhaft. — Spanisch cincho ist nicht =
cinctum, sondern = dngulum.
c) Die /S'-Verbiii(luiigeii.
468. Im Lateinischen steht s nur vor tonlosen Konsonanten,
im Romanischen, teils infolge von neuen Zusammensetzungen,
teils infolge der Synkopierung tonloser Vokale , auch vor tönen-
den, in welchem Falle es dann selber tönend wird und nun im
Spanischen und in provenzalischen und französischen Mundarten
sich zu r wandelt, im allgemeinen aber in Nordfrankreich ver-
stummt oder zu h oder über ä zu cl wird , vgl. darüber
§ 529. Dagegen bleibt tonloses s im Rumänischen, Spanischen,
Italienischen und zum Teil im Provenzalischen, im Nord-
französischen und zum Teil im Provenzalischen wird es zu h
und verstummt ganz zuerst im Westen, erst nach Chr^tien
im Osten : im XIII. Jahrhundert wird es nicht mehr ge-
sprochen. Die Zwischenstufe h wird auch hier gesichert durch
Orth. Gall. V: „Et quant s est Joint [a la t\ ele avera le soun
de h^ come est plest serront sonez eght pleght"' und durch Reime
wie foreht: sieht bei Wolfram Parc. 601, 10 : reht 548, 4, durch mhd.
Schreibungen wie tscJiahteJ, schahtelän Grimm, Deutsche Grammatik
I, 852. Nur das Wallonische bis Mons, aber nicht mehr Flandern,
und das Lothringische bewahren s bezw. U. Auch das Andalusische
und Bogotan, femer Val Soana zeigen diese letztere Stufe. Beim
Bergamaskischen aber ist dieselbe Frage aufzuwerfen wie flir h
aus anlautend s § 417. In Freiburg und den angrenzenden
Teilen der Waat schreitet Ht wohl über t zn ß fort. Ein auf
den verschiedensten Gebieten wiederkehrender Wandel ist der
von s zu ^ teils vor allen Konsonanten, wie im Rätischen, Por-
tugiesischen, Süditalien, teils nur vor einzelnen, wie in Saponara
(Basilicata), wo sich §p und st gegenüberstehen. Auch Lothringen
396
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 468.
zeigt s bezw. K. Im Wallonischen bleibt dagegen st, sp ; sk wird
(ohne Rücksicht auf die Qualität des folgenden Vokals) zu §.
Endlich verdient sca noch eine Bemerkung für die Gegenden,
wo Ic'a für ca eintritt. Rückt Je' bis d, s vor, so absorbiert es
das s gänzlich; wo es als fc' bleibt, ist auch sk' bewahrt, avifser
in Tirol, wo Je' und s nebeneinander stehen, und in der Val
Soana, wo A;' die Entwicklung von s zu Ji hindert.
Lat.
CASTIGA
CBISTA
FESTUCA
HOSTE
MUSTÜ
Rum.
castigä
creastä
festuca
oaste
must
Engad.
Jc'astia
Jcraika.
fastü
—
muok
Ital.
castiga
cresta
festuga
oste
mosto
Frz.
cliätie
crete
fetu
—
moüt
Walion.
—
kres
festu
—
—
Prov.
castia
cresta
festuc
ost
must
Preiburg
—
—
—
—
—
Span.
castia
cresta
—
huesta
mosto.
Lat.
EASTELLU
CASTELLU
COSTA
XESTA
VESTIKE
Rum.
—
—
coastä
^eastä
inveSti
Engad.
raUa
k'aste
kuoäta
testa
vesti
Ital.
rastello
castello
Costa
testa
vestire
Frz.
räteau
cJiäteau
cöte
tete
vetir
Wallon.
—
—
kues
—
—
Prov.
rastet
castel
Costa
testa
vestir
Freiburg
—
—
kußa
tipa
vipi
Span.
rastillo
castillo
cuesta
tiesta
vestir.
Lat.
TEISTE
ISTE
ISTA
GUSTU
*AGÜSTÜ
Rum.
trist
est
estä
gust
—
Engad.
trist
quaist
quaista
guost
avuok
Ital.
triste
qiiesto
questa
gusto
agosto
Frz.
(triste)
cet
cette
goüt
aoüt
Wallon.
trist
—
—
—
—
Prov.
—
cest
cesta
gust
agust
Freiburg
(triste)
—
—
—
—
Span.
triste
este
esta
gusto
agosto.
Lat.
ARISTA
AESXATE
STATU
STELLA
STUPPA
Rum.
—
—
stat
stea
stupä
Engad.
graika
sted
ko
kaila
stuppa
§ 468.
S vor Konsonanten.
397
Ital.
aresta
State
stato
Stella
stoppa
Frz.
arete
ete
ete
etoile
etoupe
Walion.
—
—
—
stcel
—
Prov.
aresta
estat
estat
estela
estopa
Freiburg
—
—
—
eßala
—
Span.
ariesta
estad
estado
estrella
estopa.
Lat.
VESPA
KESPONDET
CRISPU
SPATA
SPATULA
Kum.
respunde
—
spatä
—
Eng-ad.
veiSpra
respuncl
—
äpeda
§pedla
Ital.
vespa
risponde
crespio
spada
spalla
Frz.
guepe
repond
crepe
epee
epaule
Wallon.
tväs
—
cresp
—
spal
Prov.
vespa
respon
—
espaza
espatla
Freiburg
ivipa
—
—
—
—
Span.
ahiespa
responde
Crespo
espada
espalda.
Lat.
SPICA
SPISSU
SPONSU
SPÜMA
SQCAMA
Rum.
sjnc
—
—
—
scamä
Engad.
§pia
äpess
§2)us
sh'üma
—
Ital.
spiga
spesso
sposo
schiuma
squama
Frz.
epe
epais
epous
ecume
—
Wallon.
spi
—
—
liume
—
Prov.
espic
espes
espos
esctima
escama
Freiburg
—
epe
—
—
—
Span.
espiga
espeso
esjjoso
esciima
escama.
Lat.
ASCüLTAKE
SCUTU
SCRIBEEE
SCALA
SCAMNU
Rum.
ascultd
scut
Serie
scarä
scann
Engad.
ähulter
—
äcriver
sk'ela
- —
Ital.
ascoUare
scudo
scrivere
scala
scanno
Frz.
ecouter
ecu
ecrire
echelle
—
Wallon.
Knie
—
—
Jicel
Kam
Prov.
ascoutar
escut
escrire
escala
—
Freiburg
—
—
—
—
—
Span.
ascuchar
escudo
escrivir
escala
escano.
Lat.
MüSCA
FRISCA
CRESCO
LUSCÜ
FRISCU
Rum.
miiscä
—
cresc
—
—
Engad.
midli'a
freäk'a
—
—
fraihk'
Ital.
mosca
fresca
cresco
losco
fresca
Frz.
mouclie
fraiche
Wallon.
muK
frali
Prov.
mosca
fresca
Freiburg
—
—
Span.
mosca
fresca
398 II. Kapitel: Konsonantismus. § 468 — 470.
crois lois frois
er esc lose fr esc
cresco — fresco.
Bergamaskische Beispiele: Jcähtel, köhta, peKtd u. s. w. Val
So.: JcaMel, teJita, veMir, velipa, Upada, aJikotar , Ukü aber sic'ela,
mosJc'i; andalus.: eJitd, hoJiJco, meJimo. — Im Portugiesisclien haben
wir espina, estado, eskama u. s. w.
469. Über rumänisch st u. s. w. s. § 419. Nicht klar ist
leuruscä. *Äspectare wird zu *astectare auch im tarent. astitta,
friaul. astittd, wohl infolge von Assimilation. Im Istrisclien findet
sich s statt s häufig: skudele, muske, fek§, kastei neben skale,
-esk u. s. w., offenbar hat das Friaulische hier eingewirkt. —
Beispiele für die Behandlung von sca in Tirol sind selo, moso
in Fascha, Greden seid, mosä, Erto sala, mosa.
470. Die zahlreichen Fälle, wo heute im Französischen
s gesprochen wird, sind alle als gelehrte Wörter oder als Ent-
lehnungen aus dem Italienischen und Spanischen zu fassen. Beim
Verstummen dehnt das s den vorhergehenden Vokal, was heute
meist durch den Circumflex ausgedrückt wird. Eigentümlich
ist die Behandlung von sco^ wie sie in afr. loiSj hois am klarsten
entgegentritt. Das c fällt nicht einfach ab, bleibt auch nicht als
Guttural, sondern wird palatalisiert. Die Foi-men sind nicht ohne
Schwierigkeit. Die 1. Sg. der Verba, wie nais, irais^ conois,
können an Stelle von *nasc u. s. w. nach der 2. 3. Sg. getreten
sein. Ebenso ist denkbar, dafs aus luscus, huscus zunächst Hoscs,
locs (s. § 56) lois, *hoscs, *bocs , hois entstanden sei, und dafs
diese Nom. Sg. Acc. PI. die alten Acc. Sg. Nom. Plur. *losc,
*bosc verdrängt hätten ; diese Auffassung wird bestätigt durch den
Umstand, dafs in Ableitungen das richtige sc erscheint: boscage,
hoscu. Der Osten bedarf noch genauerer Besprechung. In Lüttich
und Seraing wird jedes anlautende sk zu K, während in Mons sk
bleibt, vgl. lütt. Melle, mons. sküelle, heur: skeur, lioirsi: skoirsi
(ecorcher), hume: skume (ecumer), hale: sk'ale (echelle). Nun steht
aber ser. hüfle, mon. sküfle (siffler) gegenüber. Was nun auch der
ursprüngliche Anlaut dieses Wortes gewesen sein mag (s. § 417),
keinesfalls ist er sk, sondern etwa s. Es werden also zwischen K und
§ 470 — 473. S vor Konsonanten. 399
sk in Lüttich die Zwischenstufen §d , §, s liegen. Nun fragt es
sich, ob das sk in Mons erst aus dem palatalen s entstanden sei,
wofür sJiüffle aus *süffle sprechen könnte, oder ob dies letztere
Wort aus LUttich entlehnt sei und dabei Lautumsetzung erfahren
habe. — In Lothringen wird sca zu sTc'a, sJca, sa und dann weiter
zu §a,, lia, wie sce s. § 473. Vor den anderen Konsonanten steht
hier § östlich vom Vogesenkamm, das sich nördlich im Breusch-
thal zu Ji wandelt: MrP, Jqws, und dann über h ganz ver-
stummt : pas (spissus) , tr% (stramen) , pey (spKa) u. a. in Saales,
train = c'train schon bei Phil. Vigni. 81 ; nach dem Tone steht
für st: st oder 1i, nicht blofses s wie im Wall.: kroest oder krceii.
Vgl. zum Schriftfranzösischen Köritz, Über das S
vor Konsonanten im IFVanzösischen, Diss. Strafsburg 1885.
471. Die Grenzen für das Verstummen des S nach Süden
sind noch zu ziehen. Die Südostdialekte tilgen alle das s, ebenso
das Waldensische , und in den kottischen Alpen wenigstens
Brian^on: eiiahle, eipalo , feto, feto, diäte, aber Queiras: estahle,
espalo u. s. w. Weiter westlich weist z. B. Nontron : teto,
eitci u. s. w., Gilhoc: teto, muk'alo u. s. w. auf, aber schon in
ßouergue bleibt s stets. Dafs auch hier s zunächst li geworden
ist, zeigt nicht nur Val Soana, wo diese Stufe noch bewahrt ist,
sondern auch die Behandlung der Vokale, speziell der Übergang
von est zu eit, wo sich also das h vokalisiert hat. Die Um-
gestaltung zu p kennt auch das obere Wallis, konsequenter als
Freiburg läfst es aber auch für sc und sp den entsprechenden
Reibelaut eintreten : ehüta, ehoröye, efina, tvefa.
472. Schliefslich ist noch zu erwähnen, dafs die an Ab-
sonderlichkeiten so reichen sardischen Mundarten den Übergang
von s in l zu bieten scheinen. In Sassari spricht man nach
Spano 11, 128: ilpogli (spoglie), helti (veste), üpiritu, sulpesun. s. w.
Nach § 475 kann dieses Z aus r entstanden sein: aber so leicht
z in r übergeht (s. § 456), so schwer ist dieser Wandel anzu-
nehmen fiir s. Es ist daher wahrscheinlicher, dafs s zu K, dieses
7Ai i Avurde : ob heute belti oder beiti gesprochen wird, bleibt zu
untersuchen.
473. Vulgärlateinisch sc' wird in den c-Gebieten zu §0,
das noch in Italien vorkommt, gewöhnlich aber in der Umgangs-
400
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 473, 474.
spräche und im Westrätisclien zu s assimiliert wird. Im Rumä-
nischen dagegen gleicht sich der Dental den Palatal an : sd wird
zu sf, doch soll sich dialektisch auch hier sd noch gehalten
haben. — In der fs-Eegion findet ebenfalls zum Teil einfache
Angleichung statt: im Spanischen und im Venezianischen wird
sc z\x ts, eine Entwicklung^ die das Portugiesische nur vor dem
Tone kennt. Sonst geht sc in ss über, woraus genues. s, portg.
ix, in Frankreich iss, is u. s. w., vgl. § 464.
Lat.
Rum.
Engad .
Ital.
Frz.
Span.
Portg.
Rumänisch
sammenhängen.
scintilla, span. centella : beachtenswert ist in letzterem der Mangel
des e, frz. etinceUe mit Umstellung der Konsonanten. Genuesische
Beispiele für die Behandlung von sc' sind nase, pesu u. s. w.
Im Prov. deixender wird sc regulär behandelt, im Frz. decendre,
Pik. desedre dagegen wie des-cendere ; unerklärt bleibt deJcedre im
Departement du Nord R. Pat. I, 261. — Im Portugiesischen scheint
crece conliece u. s. w. von den endungsbetonten Formen beeinflufst,
umgekehrt mexer, vgl. noch ameixa aus damdscina. Aspan. dejenjo
scheint auf decsensus statt descensvs zu weisen : man beachte aber,
dafs es ein Buchwort ist.
PISCE
TASCE
CKESCIT NASCIT
peste
—
creaUe naste
pes
faä
Jcresa na^a
pesce
—
cresce nasce
poisson
faisseau
croU nait
pez
lias
crece nace
peixe
feixe
cresce nasce.
scäniä
kann nicht
direkt mit scintilla
zu-
Anlautend kommt
sc sonst kaum vor :
ital.
d) Die jß- Verbindungen.
474. Das Lateinische unterscheidet zwei Arten von rs,
deren eine durch versus und die verschiedenen Zusammensetzungen
dieses Partizipiums, wie prorsus, rursus, snrsus, dorsum vertreten
ist und schon im Vulgärlatein Angleichung zu ss erfahren hat,
wogegen die andere, die z. B. in cursus, urstts, excarsns, auch
unter Einflufs von vertere in versare vorliegt, zunächst unverändert
bleibt. Diese letztere hat sich dann später im Spanisch-Portu-
giesischen und in einem Teile des provenzalischen Sprachgebietes
§ 474.
R- Verbindungen.
401
ebenfalls zu ss assimiliert. Sonst bleiben die r-Verbindungen
unversehrt, aufser im Sardischen, wo l, im Andalusischen, wo
i statt r eintritt, endlich im Ostfranzösischen, wo r guttural, dann
U wird imd nun entweder verstummt oder den folgenden Konso-
nauten palatalisiert.
— Man vergleiche :
Lat.
URSÜ
CURSU
EXCARSU
BURSA
PERSONA
Rum.
wrs
curs
boaM
persoanä
Engad.
uors
kiiors
sTcars
bursa
persuna
Ital.
orso
corso
scarso
borsa
persona
Frz.
oiirs
cours
echars
bourse
personne
Span.
OSO
coso
escaso
bolsa
(persona)
Lothr.
—
—
—
boK
pa§en.
Lat.
TURNAKE
PURNU
CORNA
FORMICA
CARPINU
Rum.
tiirna
coarnä
furnicä
carpen
Engad.
turner
fuorn
Tiorna
furmia
—
Ital.
tornare
forno
corna
formica
carpine
Frz.
tourner
four
corne
fourmi
Charme
Span.
tornar
horno
cuerna
hormiga
carpe
Lothr.
tone
fuone
kuone
fermi
sermin.
Lat.
BAKBA
HERBA
ARBORE
SER\aRE
PORTA
Rum.
harhä
earbä
arbur
§erbi
poartä
Engad.
barba
erba
—
survir
porte
Ital.
barba
erba
arbore
servire
porta
Frz.
barbe
herbe
arbre
servir
porte
Span.
barba
hierba
arbol
servir
puerta.
Lothr.
berb
yerb
arb
servi
put
Lat.
TARDU
MARTELLU
PERDUTU
PERDERE
PORCELLU
Rum.
tarziu
—
perdut
pierde
purcel
Engad.
tard
marte
perdü
perdar
—
Ital.
tarde
martello
perduto
2^ er der e
porceUo
Frz.
tard
marteau
perdu
perdre
pourceau
Span.
tarde
martillo
perdudo
perder
poräUo
Lothr.
—
muate
pedü
ped
puJie.
Lat.
POBTICU VIRGA
MERCATANTE HORDEÜ
Rum
—
varga
— orz
Engad. —
—
mark'adaunt
-
Ital.
porticc
1 verga
mercadante orgio
Msyer,
ßrammatilc.
26
402 II' Kapitel: 'Konsonantismus. S 474, 475.
orge
Frz.
porche
verge
marchant
Span.
porclie
verga
mercadante
Lothr.
puaö
mag
muasä .
uog.
475. In Ostfrankreicli gestalten sich die Schicksale des r
folgendermafsen. Im Wallonischen ist der Ausfall an den
Accent gebunden : urtey (urticä), purse (porcellu), duermi aber dueni.
pierdu nher pied, f um (forma), vets (virga), turne aber tun, sem aber
sef u. s. w. — Sonst bleibt r überall vor Labialen; vor d, t
schwindet es im Metzischen und dem gröfsten Teil Lothringens,
sodann in den Neuenbui-ger Bergdialekten , in Champlitte , Bur-
gund, im Westen und Zentrum der Waat. Davon verschieden
ist, wenn im Zentralfranzösischen und im Osten in Lyon r unter-
drückt wird , sobald die folgende Silbe r enthält : nfr, heberger,
im XVI. Jahrhundert und noch bis ins XVIII. hinein mecredi,
obre, mabre, wo die Grammatiker später r wieder hergestellt
haben; lyon. dimecro, sotre (sortir), padre, modre aher 1. Sg. sorto,
mordo u. s. w., mohre, obre. — Diese Unterdrückung kann Avohl
für eine schwache Aussprache des r vor Konsonanten zeugen,
in der That zählt es im altfranzösischen Reime sehr oft nicht :
larges: sages M, S. Mich. 2361, turn: envirun Chardri S. D. 537,
vgl. Tobler zu Rieh. 1033; noch Alain Chartier reimt: terme:
dame. — In der Franche-Comte und zum Teil in Lothringen
wii'd es zunächst zu M, jd, das sich weiter zu 1f, d entwickelt in
Pontarlier, zu ty, dy in Langues, Haute-Saone, Vauvillier, Jura,
zu ö, g in Aube, Baume, Montbeliard, Beifort. Auch in Lothringen
finden wir H d , ty dy, ö g, vgl. § 462. — Bs wird auf dem-
selben Gebiete, wo rt sich in M verwandelt, über Us zu s, das
dann teils bleibt, teils Ü wird vgl. § 464 ; rs bleibt in Beifort, wird
sonst s. — Fürs Sardische notiert Spano I, 22 aus Osile und
Oscheri : mältu (martiu) , colsu (mescliino) ; vgl. noch Sassari :
palM, suppultaba, valgona, doch ist nicht sicher, ob Z nicht den
Wert von K habe, s. § 472, Luras: peldida, suppoltaat, bil-
gonm. Inwieweit die von Spano im Wörterbuch als logudorisch
bezeichneten Nebenformen mit Z bestimmten Dialekten angehören,
bleibt noch zu untersuchen. — Andalusische Beispiele sind poiquero,
chaico, laigOj gaivoso, seipenton, apaitate. — Zu span. oso u. s. w.
vgl. gask. bessa (versare), küsse, Coulognac vessd, liussa, fossa aus
forsa (fortia). Span, bolsa scheint französisches Lehnwort zu sein.
§ 476. Die R- u»'«' L-Verbindungen. 403
e) Die X- Verbindungen.
476. Das Rumänische bewahrt l vor Konsonanten, ebenso
das Schriftitalienische. Alle anderen Sprachen und die meisten
Dialekte aber verändern es bald in gröfserem bald in geringerem
Umfange. Im Portugiesischen hat es, soweit es bleibt, vor Kon-
sonanten wie im Auslaut gutturale Geltung, wofür die älteren
Texte häufig U schreiben. Auch fUr ganz Gallien, Rätien, einen
grofsen Teil von Italien und für Spanien ist i in einer vor-
historischen Periode anzusetzen, meist ist es dann aber weiter
zu u geworden. Beim i befindet sich die Zungenwurzel in der-
selben Lage wie beim M, jenes unterscheidet sich von diesem
nur diirch den Verschlufs, den die Zungenspitze bildet: sowie
nun die Verschlufsbildung unterbleibt, ist der Übergang von l
zu u vollzogen. Dieser letzte Schritt ist fast überall geschehen,
aber zu verschiedenen Zeiten und nicht überall vor allen oder
vor denselben Konsonanten. Während z. B. das Nordfranzösische
die Regel streng durchführt, zeigen die Mimdarten des Südostens
vor Labialen r statt -l , ebenso verlangen auch im Sizilianischen
die Labialen und aufserdem die Gutturalen r statt i, w vor sich,
und im AVest- und Mittelrätischen tritt i am ehesten vor Den-
talen auf, während in Friaul überall l bleibt. Das Lombardische,
Piemontesische und Genuesische gehen mit dem Westrätischen,
auch das Veronesische zeigt noch Spuren von i. Im Katalanischen
in Alghero ist i an vorhergehendes u, o gebunden. — Neben
dem Wandel zu l ist dei'jenige zu f, i zu erwähnen : er ist der
toskanischen Volkssprache und dem Andalusischen eigen. Endlich
l zu. r findet sich in vielen Mundarten des mittleren und süd-
lichen Italiens, ferner auf den ^-Gebieten oft vor den Konso-
nanten , die u verschmähen : da nirgends angegeben wird , wie
beschaffen dieses r sei, läfst sich mit Sichei'heit nicht sagen, wie
der Wandel vor sich gegangen sei, doch scheint für Vionnaz
die Reihe Z T' ? 7 r, nicht direkt l Z^ r, gesichert durch die
§ 356 erwähnte Thatsache. — Über die Schicksale des Vokals
vor i imd die Weiterentwicklungen des tt s. § 294 ff.
P. Volke 1, Sur le changemenf de L en ?7, Progr. d.
franz. Gjmn. zu Berlin 1888.
26*
404
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 477.
477. "Wir bekommen also
Lat.
ALTÜ
ALTKU
ALTARE
CALDU
PAL SU
Rum.
nalt
alt
altar
cald
fals
Engad.
hot
oter
uter
k'od
fos
Ital.
alto
altro
ältare
caldo
falso
Siz.
autu
autru
autari
kaudu
fausu
Frz.
haut
autre
autel
chaud
faux
Prov.
aut
autre
autar
kaut
faus
Waatl.
0
gtro
—
tso
fo
Span.
alto
otro
otero
caldo
falso.
Lat.
FALCE
ALTIAT
ALTIAKE
FEIiTBÜ
ASCÜLTAT
Rum.
falcä
inalß
inal{d
—
ascultä
Engad.
—
otsa
otser
—
skulta
Ital.
falce
alsa
algare
feltro
ascolta
Siz.
fauöi
—
—
feutru
askuta
Frz.
aucille
hausse
hausser
feutre
ecouie
Prov.
faus
auso
ausar
feutre
askuto
Waatl.
fo
—
—
—
—
Span.
lioz
alsa
dlmr
hieltro
ascucha.
Lat.
VULTUEE
CÜLTELLU
PULSÜ
SOLDU
SOLTU
Rum.
vultur
—
—
—
—
Engad.
—
hurte
—
—
—
Ital.
voltojo
koltello
polso
soldo
solto
Siz.
vuturu
kuteddu
pusu
sodu
—
Frz.
vautour
couteau
pousse
soude
assout
Prov.
vutur
Jcutel
pusse
sou
—
Waatl.
—
Jcutei
—
—
—
Span.
buitre
cuchillo
puja
sueldo
suelto.
Lat.
DULCE
SUIiCU
CALCANEÜ
CALCAT
ALGA
Rum.
dulce
—
cälcäiu
calcä
Engad.
duö
suot
k'alk'oii
—
—
Ital.
dolce
solco
calcagno
cälca
alga
Siz.
dudi
surJcu
karkarla
—
arca
Frz.
dous
—
—
Cache
—
Prov.
dous
sou
—
kauko
auga
Waatl.
—
—
—
—
—
Span.
dulce
surco
cälcano
calca
alga.
§ 477-
-479.
Die L-
Verbindungen.
4(
Lat.
ALBA
SALVIA
TAL PA
PALMA
PULPA
Rum.
alh
salbie
—
palmä
pulpä
Engad.
aJb
salvya
talpa
palma
puolpa
Ital.
alba
salhia
talpa
palma
polpa
Siz.
arva
sarvia
—
parma
purpa
Frz.
aübe
sauge
faupe
paume
poupe
Prov.
aubo
saugo
taiipo
paumo
poupo
Waatl.
arho
—
tarpa
parma
porpa
Span.
alba
salvia
topo
palma
pulpa.
Lat.
COLPU
SüLFUR
SILVA
ULMU
PULVERE
Rum.
—
—
—
Ulm
pulhere
Engad.
golp
suolper
selva
—
puolvra
Ital.
colpo
zolfo
selva
olmo
polvere
Siz.
korpu
surfu
sarvagu
—
—
Frz.
coup
soufre
sauvage
(orme)
poitdre
Prov.
cop
soupre
seuvo
oume
pudro
Waatl.
—
süpro
—
urmo
—
Span.
golpe
azufre
selva
olmo
polvo.
Statt haineu ist sclion vulglat. haneu eingetreten, daher rum.
haie, obw. boH, ital. bagno , frz. bain, span. bano. Ebenso
erscheint neben alnus = frz. aune, ital. ontano aus alnetanu auch
*anius, eng. an, obw. on und animis, rum. arin.
478. Während die alten Dialekte Rumäniens, soweit bis
jetzt bekannt ist, l bewahren, zeigt das Istrische vor palatalen
Lauten f; duUse, kaldz, alts, Plur. zu had , at: vor Dentalen und
Labialen fallt l, vgl. noch pup§, pamf, shutd und das merkwürdige
sumper aus sulfur. Man darf wohl eine Zwischenstufe Jcaid, haud
annehmen.
479. Im Rä tischen reicht au u. s. w. bis nach Ober-
Comelico , während von Erto an sich die venezianische Behand-
lung zeigt; die letztere ist auch nach Roveredo und in Abtei
sowie ins Bergell eingedrungen. Völlige Konsonantisierung ge-
hört dem Engadin und Tirol an, während im Obwaldischen meist
aul bleibt. Im benachbarten Tessin macht sich l wenig geltend :
nur in der Val Vigezza und in der Valle Leventina, nicht aber
sonst am Lago Maggiore findet sich au, weiterhin im Lombar-
dischen und Venezianischen wie es scheint nur ol , nicht au.
406 n. Kapitel: Konsonantismus. § 479 — 482,
Eine Sonderstellung nimmt hier und in Italien alter ein, s. Kap. IV,
Dafs das aus i entstandene u zu f werden kann, ist § 252 gesagt.
480. Das Genuesische und Piemontesische schliefsen sich
mit ai, au, a (§ 252) an die stidostfranzösischen Dialekte mehr
an als ans Lombardische, schon darin, dafs auch sie l vor
Labialen zu r wandeln, vgl. gen. marva, färpa, arhü, xmrpu^
Jcurmu, piem. surfu, sarvia, arbi; auch benachbarte provenzalische
Mundarten folgen : menton. purman , servage , marva, erha (alba),
vurp, dann also z. B. Brianc;. : sarvage, harmo, arbo, Jciirme, Val
Soana : arba, servago, orm, pormon, ßagn. : porpa, arbepw, Vionn. :
tarpa, barma, mavr§ u. s. w. In den erst genannten Mundarten
wird l auch vor Gutturalen zu r : gen. surJcu, merga, piem. karke,
ment. karkd , erga (alga), Val Soana karkün, kavarkar. Für die
anderen fehlen Beispiele, doch vgl. bagn. karkon. Wieweit die»
arb u. s. w. nördlich reicht, mufs noch festgestellt werden: die
lothringischen Mundarten kennen es nicht mehr, wohl aber
franchecomt. : arba, armau (^= frz. aumaille).
481. In Italien kennt die Schriftsprache einen Fall von
0 aus al in topo, das also wohl irgend einem Dialekte entnommen
ist. Sonst aber bietet das Zentraltoskanische l: attro aitro, alio
aito, molto und moito, ob vor allen Konsonanten und nach allen
Vokalen , ist noch nicht festgestellt. Aber schon wenig südlich
tritt l, au ein in Lucca, aultri band. lucc. 149, 190 u. s. w.
Dann gehört u dem ganzen Süden an, aber nur vor Dentalen, Der
sizilianischen Regel, wonach l vor Dentalen zu w, vor Labialen
und Gutturalen zu r wird, folgt auch Lecce, vgl. surku, darfinu,
kurpa, vorpi neben autu, fausu, fauda u. s. w. In den Abruzzen
dagegen entAvickelt sich zwischen l und Labial oder Guttural der
Stimmton : campob. ma1§va, säl§va, kalekaH§, bal§koune. — Ganz^
abweichend von diesem Typus zeigt Teramo Assimilation : add§ =
alto, kall§ = caldo, kagge = calce u. s. w., s. § 498. Mittel-
italien scheint auch f zu kennen, vgl. moito Cola di Rienzi 399^
aitri 399, goipi 403.
482. Obwohl die mittelalterlichen Texte noch lange l in
der Schrift festhalten, so unterliegt es doch keinem Zweifel, dafs
im Norden wie im Süden Frankreichs schon vor Beginn
unserer Litteratur der Wandel von l zu u vollzogen gewesen ist.
S 482. ^ "^or Konsonanten im Französischen. 407
Schon der Boethius sdireibt eu, enz, auQa, datierte Beispiele aus
Xordfrankreich sind Girau 941, Bainaudus 950, Girous 978 — 983
Bibl. 6c. chart. XLV. — Es kann sieh sodann fragen, ob nach
Velaren Vokalen l auch über ^ zu m geworden, oder ob i einfach
in dein Vokal aufgegangen sei, mit anderen Worten, ob zwischen
puice, poice und puce, pouce Mittelformeu püuce, pouce liegen.
Für die zweite Auffassung kann wohl die Behandlung von pouce
in den Mundarten sprechen § 209, dafs im Zentralfranzösischeu
pouce nicht zu peuce geworden ist wie -cur zu -eur, erklärt sich
daraus, dafs zur Zeit als öu sich zu eu wandelte, polce noch
pgice oder pouce lautete. — Wenn ferner in Ostfrankreich aV"^""
zu a wird, so scheint auch dieses a erst aus au entstanden zu sein,
s. § 251. — Ob Südfrankreich in der Vokalisierung dem Norden
vorangeht oder folgt, dürfte mit Sicherheit nicht zu entscheiden
sein, da die Differenz zwischen frz. j>wce iind prov. piuze sich
verschieden deuten läfst, s. § 49. Wohl aber scheint, dafs,
während die neuen Dialekte unter allen Umständen l zvl u
wandeln, im Mittelalter l oder i vor S und den Labialen länger
bestanden habe : man findet in aprov. Texten meist colp , eis,
cavals u. s. w. , doch könnte bei letzteren Einflufs der s-losen
Form vorliegen, da z. B. der Donat nadaus 44 a 13 unter au,
und vultus als voltz unter -oltz 54 a 44 und als voutz unter ouiz
hl b 39 anführt, dort aber auch pols = pullus verzeichnet.
Wohl aber bleibt l vor Labialen noch heute in einzelnen Dialekten,
z. B. Tarn: maJbo, tälpo, albo, eskalfa, salbio. — Bemerkenswert
ist, dafs der heutige Pariser Dialekt und wohl auch andere Volks-
mundarten das l von Fremdwörtern zu r wandeln : archimic,
arcol, arcove^ arfahct, armond, artcre, es besteht also die Abneigung
gegen ü*«^""'' fort. Dagegen ist orme besser als südostfranzcisisches
Lehnwort (§ 480) zu fassen. Unklar ist afr. avuiltre (aduUor),
fuildre (fulgure) IV livres und das häufige cuivert aus collibertu,
wo l scheinbar zu f, i wird. — Das Katalanische scheint noch
heute bei l zu verharren : so erklärt sich am ehesten , dafs in
den Texten nur ganz vereinzelt u begegnet als ein Versuch ein-
zelner Schreiber i anders als l wiederzugeben. Auch das nicht
selten an Stelle von u tretende l (§ 538) ist wohl als i zu
fassen. In Alghero bleibt l (i?) vor Dentalen: alfafy alt, ascolt,
pols, wird sonst nach a zu r: kartsa, karJcan^it, sarvia, auch
408 n. Kapitel: Konsonantismus. § 482 — 484.
curpa, fällt nacli o, u: cop, sofra, dos, dosa, Icusa., nachdem es
wohl die Reihe i , u durchlaufen hat; aufföllig sind j)aMJ
(pälmus), sam.
Die Beobachtung Foersters, Cliges LXIX, dafs im
Altfranzösischen u nach a früher eingetreten sei als nach
den anderen Vokalen, ist nicht zutreffend. Die ältesten
Beispiele für a aus l stellt G. Paris zusammen . Rom.
XVII, 428, Anm. 1.
483. Am unklarsten ist das Verhältnis von l zu i, u auf
der iberischen Halbinsel. Im heutigen Portugiesischen ist
l vor Konsonanten und am Wortende stets i oder fast w, schon
im XrV. Jahrhundert wird oft II geschrieben, was offenbar i dar-
stellt, in einer kleinen Zahl von Fällen jedoch ist in einer früheren
Periode u eingetreten, und zwar meist in beiden Sprachen.
Stets, so scheint es, vor 2> •' aufser to2}o toujw vgl. escoplo escopro,
popar poupar; sonst steht neben portg. cume^ span. cumbre ohne
l portg. polme mit l; neben otro outro, soto souto, otero outeiro,
retozar retougar steht alto, salto, salteiro, neben cos couce, hos
fouge doch auch calsar calgar; boveda äbovada neben volver; soso
ensosso , pujar puxar {^pulsiare) , asufre enxofre , portg. doce aber
span. dulce. Regel ist tut zu ult, uit, das dann weiter entwickelt
wird wie it aus et § 462, escuchar ascuitar, cucJiillo, mucho rnuito,
puches, äbuitre äbutre u. s. w. Auffällig ist auch span. surco,
portg. surcar mit einem sonst im Andalusischen gewöhnlichen
Wandel von Z zu r, dem sich in sekundärer Verbindung span.
urce (idice), p)ardo, sarga zugesellen. — Im Portugiesischen wird
Im zu lern, lam: sälema, älamo, calamo. — Andalusische Beispiele
für r sind: artura, gorpe, mardito. — Endlich sind noch die
merkwürdigen Formen aus Interamna zu nennen : kaurdo,
aurdeia (aldea) , sourdado , feurga , siurha, wo wohl i zu ui, ur
mit uvularem r geworden ist.
Über i in der heutigen portugiesischen Ausspi-ache
s. GoncjalvesVianna, Rom. XII, 34 ff., Beispiele für
die Orthographie II in alten Texten, Rev. Lus. I, 64.
f) Die Nasal- Verbindungen.
484. Meist bleibt der Nasal als erster Konsonant einer
Gruppe bewahrt. Dafs ns schon im Vulgärlatein zu s geworden
ist, ist schon § 403 bemerkt. Auch für nf, das nur in Zusammen-
§ 484, 485.
Die N- Verbindungen.
409
Setzungen vorkommt, scheint der Verlust des Nasals im Latei-
nischen das Regulfire gewesen zu sein , die zahlreichen Bildungen
mit iw***", iff hinderten ihn aber vielfach. So treffen wir lat.
infans, ifans, ital. fante, obw. uffont, prov. effan, aspan. ifante
neben afr. enfes, enfant, nspan. infante; mfernum erscheint obw.
als uffiern, prov. eff'ern ; inflare als obw. ufflar, prov. efflar, wie es
denn überhaupt scheint, dafs in diesen zwei Sprachen nf stets
zu f reduziert werde, vgl. noch obw. kuflar, kuffortar, bufad (bene-
f actus) , prov. cofessar , cofondre. Wie nf, so wird hier auch nv
behandelt: obw. uviern neben unviern (vgl. § 588), prov. covenir,
covent, covit, eveja, evers, eviro u. s. w. Sonst bleibt n meist vor
v, f, nur in Süditalien, Sizilien, und andererseits vor v in Spanien
wird es zu m , vgl. Casteltermini : mbiernu , mbanu , mbilari,
kombusu ; siz. : mmersu (inverso) , mmilinari , mmintari , mmiria
u. s. w. , kal. : mpiernu, mprunte (infronte), mpacce (infacce),
mpilare (inßare), kumpiettu ; mbece, mbojjare, Lecce : kummentu,
mmizzu u. s. w., Campobasso : mmireja u. s. w. Span. : combidar,
embidos.
485. Sonst bleibt m, n überall bewahrt, abgesehen von den
Gegenden, wo es mit dem vorhergehenden Vokal verschmilzt,
s. § 389 ff.
Lat.
PLANTA
LAMPA
BRANCA
PLANGO
PLANGIT
Rum.
pläntä
lampä
bräncä
pläng
plänge
Engad.
plaunta
lampa
braunk'a
2)laungo
plaunga
Ital.
pianta
lampa
branca
piango
Xnangi
Span.
Hanta
lampa
branca
pjlano
plane.
Lat.
CENTU
TEMPUS LINGUA
CINQUE
FRONTE
Rum.
—
timp
limbä
cind
frunte
Engad.
daint
temp
leunga
änk'
frunt
Ital.
cento
tempo
lingua
dnque
fronte
Span.
dento
tiempo
lengua
dnco
frente.
Lat.
FÜNDU LÜMBU
Rum
i.
fund -
-
Engad.
fuond -
-
Ital.
fondo lombo
Spat
i.
hondo lomo.
410
II. Kapitel: Konsonantismvis.
§ 485—487.
Über span. plane s. § 512, Portg. comegar zeigt nicht Aus-
fall von n, sondern ist durch Vermischung von comengar und
cmpegar entstanden. Nicht recht klar ist r für n in span. cor-
covar, corcusir, curtir aus *contrir€, furcion, marganesa.
486. Die Verbindung mn wird meist assimiliert und zwar
zu nn im Rätischen, Italienischen, Provenzalischen und auf der
iberischen Halbinsel, zu mm im Französischen. Das Rumänische
weicht ab : omn bewahrt es, amn wandelt es zu aun.
Lat.
DAMNU
SCAMNU
SOMNÜ
DOMNA
Rum,
dann
scann
somn
äoamnä
Engad.
datin
—
soen
dunna
Ital.
danno
scanno
sonno
donna
Frz.
dame
ecliame
someil
dame
Span.
dano
cscano
sueno
duena.
Die rumänische
Entwicklung
von amn
gehört nt
Walachei an, vgl. sJcamnu im Mazedonischen. Frz. autonne,
colonne sind gelehrte Wörter, die reguläre Entwicklung zeigt
noch lame, das mit span. lana auf *lamna, nicht lamina zurück-
geht, ital. lama ist Lehnwort aus dem Französischen. Im Osten
findet sich die provenzalische Behandlung : sonne in Plancher-les-
Mines , vgl. § 526. Im Spanischen wird das sekundäre nn be-
handelt wie das primäre § 543. Im Portugiesischen wird zum
Teil die etymologische Schreibweise festgehalten : damno und dano,
somno und somo. Ganz vereinzelt steht gask. daune aus doune
(§ 200) = domna. Endlich ist noch die Dissimilation von nm
zu rm zu erwähnen , wie sie in andal. cormigo = conmigo und
ermienda vorliegt.
g) Die Konsonanten vor l und r.
487. Im Klassisch - Lateinischen ist l nach Konsonanten
selten: templum, rexMim, meist hat sich vor dem l ein Vokal
entwickelt : facula, vetulus. Im Volkslatein aber ist dieser Vokal
unterdrückt oder überhaupt nicht zur Geltung gekommen : facla,
vecla aus vetla, s. § 29. Die Schicksale der so entstandenen
vulgärlateinischen Lautverbindungen gehen nur zum Teil parallel
mit denjenigen von anlautend pl, dl u. s. "w. § 421 ff. Völlige
§ 487, 488.
Konsonant -f" L ™ Inlaut.
411
Übereinstimmung zeigt das Rumänische, das auch im Inlaut
l über l zu i werden läfst. Das Italienisclie weicht ab bei -cli
und bei cl- . Jenes wird zu Mi , da nun aber das i nicht eine
Stütze findet an einem folgenden Vokale , so vermag es nicht,
das l zu unterdrücken, f bleibt und gleicht sich seinerseits das h
an : -cli wird -fi. Das Resultat von cl- ist dasselbe , der Ent-
wicklungsgang aber ein etwas verschiedener. Vortonige Verschlufs-
laute Averden mit weniger Energie artikuliert als nachtonige,
daher tonlose tönend werden , tönende fallen , s. § 443 ft". Ent-
sprechend wird auch cl- zu gl mit schwach artikuliertem g, das
sich dem 7 angleicht. — Für das ganze übrige romanische Gebiet
gilt als Regel : cl wird, wo ihm nicht ein Konsonant vorausgeht,
zu ? und weiter behandelt wie primäres f § 516. Es sind dies
fast genau dieselben Gebiete, in denen et zu f wird, nur Greden,
Abtei und Enneberg Aveichen ab, indem sie cl, gl in tl, dl Avandeln,
ferner zeigen Venedig, Engadin und die Emilia f bezw. dessen
Vertreter ftlr cl, dagegen t für ct. Halten wir aber, trotz dieser
geringen Verschiedenheiten, an der Übereinstimmung fest, so
ergeben sich als Zwischenstufen : cl, Kl, il, l. — Geht dem
Guttural ein Konsonant voraus, so bleibt er fest ; da, wo anlautend
Hl zu M wird, tritt auch inlautend l ein, woraus dann im Span.,
Portg. eh. — Zu Kons. -|- cl gesellt sich auch ss'l, das schon
Vulgärlateinisch zu stl, sei geworden war. — Die Labialen in Ver-
bindung mit l werden im Italienischen behandelt wie im Anlaut,
nicht aber im Neapolitanischen, wo jpZ, hl zu l wird. In Frank-
reich wird pl zu hl\ Hl bleibt,- soweit es nicht schon Vulgär-
lateinisch zu ul geworden ist (§ 27), ebenso fl. Auf der
iberischen Halbinsel werden fl und hl zu l; pl wird nach Konso-
nanten zu ch, zwischen Vokalen zu hl.
488.
Lat.
mac'la
-ac'lu
vec'lo
sic'la
oc'lu
Rum.
—
—
vechiu
—
ochiu
Engad.
—
-al
vel
—
eel
Ital.
macchia
-acchio
vecchio
secchia
occhio
Mail.
magga
-add
veöö
segga
oeöö
Frz.
maille
-ail
vidi
seille
oeil
Span.
maja
-ajo
viejo
seja
ojo.
412
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 488, 489.
Lat.
aukic'la
GENUG 'liU
coag'lare
teg'la
MIS'CLAT
Rum.
urecliie
genunchiu
(inchiegd)
—
—
Engad.
urala
ganuol
quäl
—
Ital.
orecchia
ginoecMo
coagliare
tegghia
mischia
Mail.
oregga
genoeöÖ
—
—
mesöa
Frz.
oreille
genou
cailler
—
mele
Span.
oreja
Jienajo
cajar
teja
—
Lat.
ass'la
masc'lu
cing'lu
cap'lu
DÜPLU
Rum.
aschie
(mascur)
(chingä)
—
duplu
Engad.
—
mask'el
—
—
duhel
Ital.
aschia
maschio
cingliia
cappio
doppio
Mail.
—
masö
—
kahbi
dohbia
Frz.
—
male
sangle
chaple
double
Span.
—
macho
cena
cacho
doble.
Lat.
TRIBLÜ
UNGLA
SÜFFLAT
Rum.
(trier)
unghie
suflä
Engad.
—
ongel
suffla
Ital.
trehhia
onghia
soffia
Mail.
—
onga
sufia
Frz.
—
ongle
süffle
Span.
trillar
una
solla.
An Stelle von manuplus ist ^manuclus getreten: rum.
märunchiu, span. manojo, wohl auch ital. manocchio, sildostfr.
manulu. Über rum. inchiegd und verwandte Formen s. § 577.
Nicht völlig klar ist die Behandlung von d?, da entscheidende
Beispiele fehlen. Nach Analogie von t'l erwartet man d7, gl^
und dies scheint in der That vorzuliegen in frz. oseille = acedula,
doch ist der Anlaut des Wortes so auffällig (man ei-wartet aiseille
§ 445), dafs die Etymologie zweifelhaft bleibt. Obw. seula geht
wohl auf acefdjula zurück. Das zweite Wort, das hierher gehört,
querquedula, zeigt fast überall ofiene Formen, frz. sarcelle hat dl
assimiliert , wenn nicht etwa Suffixvertauschung : eile statt eille
vorliegt. Eine besondere Behandlung erleidet bl, wenn sein b
dem Suffix sub angehört : dann tritt Assimilation zu II, l ein, vgl.
ital. sollievo, span. solevar. Im Französischen hat Neubildung
stattgefunden : soulever = afr. souzlever.
489. Das Mazedonische und Istrische zeigen selbst-
redend noch oder wieder l: maz. ureMe , wnglu, istr. oMuj vegla.
g 489 — 491, Konsonant + L im Inlaut. 413
Beachtenswert ist die Palatalisierung des s vor Äi, die übrigens
ganz der Regel entspricht, vgl. § 419. Aufser aschie vgl. noch
muschiu, und im Anlaut schiopit. Das Verhältnis von trier
zu tribulum ist nicht recht klar, immerhin scheint sicher, dafs b
zunächst gefallen ist wie zwischen Vokalen, und da *tri(b)ur
wohl geblieben wäre, so wird von triblum auszugehen sein.
Staul kann wegen l nicht direkt auf siabulum beruhen, sondern
ist das ngriech. oravXog.
490. Mittelrätische Formen mit rt, dl sind weJZ, oredla,
vedl \i. s. w. Im Friaulischen ist ein Unterschied zu beobachten
zwischen cl vor oder nach dem Tone : im ersteren Falle bleibt
gl, in letzterem dagegen wird es l: orele neben oreglöne, soreli
soregld, voll (oculns), vogle, call cagld, in Triest und Muggia findet
sich auch nach dem Tone auregla, pedagli , vieglo u. a. Es liegt
auf der Hand, dafs dieses gl, l zunächst zusammenzuhalten ist
mit dem dl in Tirol, dem sich noch reklo in Sulzberg, Nonsberg,
Buchenstein zugesellt, wogegen die anderen Dialekte lombardisch-
veuezianische Foi-men zeigen. Wir sind hier auf einem Gebiete,
wo anlautend cl bleibt, inlautend et nicht zu it, sondern zu t
wird: die zwei Bedingungen, deren jede die Palatalisierung des
l in der Verbindung cl hervorruft, fehlen beide, so bleibt denn
der Nexus erhalten. Im Osten wird cl dann zu gl, wie jedes c
zwischen tönenden Elementen § 433, das Beharren auf der ton-
losen Stufe in Sulzberg und Xonsberg ist aufPällig, hat aber seine
Parallele an dem akwa eben dieser Gegenden. Dafs dann -gl im
Friaulischen zu l wird, stimmt völlig zu der Entwicklung von tr
§ 494. Besondere Behandlung zeigt noch ungula im Faschathai
und Buchenstein : ungla wird zu ombla, ombio.
491. Im Italienischen haben wir ursprünglich: vecchio
vegliardo , specchio spegliare, streggliia strigliare, ferner agucchia
aguglie, *arteccMo artigli, *con€cckio conigli u. s. w. Später ist
ausgeglichen worden und zwar meist zu Gunsten von cch, doch
vgl. noch vegliare, danach veglia, artigli, artiglio u. a. Neben
stihbia = sitb'la steht succhia = *sutla, sucla, vgl. darüber die
Wortbildungslehre. Im Florentinischen kann schi zu sti werden,
genauer sk' zu s(, nach dem dentalen Eeibelaut stellt sich der
dentale Palatal statt des velaren ein. Im übrigen zeigen die
414 !!• Kapitel: Konsonantismus. 8 491 — 493.
Dialekte des Südens durchaus dieselbe Entwicklung wie im Anlaut.
Nur das Neapolitanische weicht ab mit hl zu ?: neglia, daraus
tar. negghia, suglia; es ist denkbar, dafs scoglio = scopulus
neapolitanisch ist und dafs diese zunächst einer am Meere
wohnenden Sprachgenossenschaft angehörende Form dann weiter-
gewandert ist : ital. scoglio, frz. ecueil , span. escollo , portg.
escolho. — Auch diesseits der Apenninen geht cl u. s. w. im
Inlaut parallel mit cl u. s. w. im Anlaut- aufser den schon § 488
angeführten mailändischen Formen vgl. noch gen. (£ggu, segga,
duggu, piem. tiriya, cey, dopi, venez. oreöa^ veöa, schon in der
Cron. Imp. otchi, pedotchi u. s. w. , worin die Übereinstimmung
mit dem Toskanischen beachtenswert ist.
Zum Tosk. vgl. Ascoli, Arch. Glott. X, 78 ff.;
Marchesini, Studi di fil. rom. IT, 24 — 26.
492. Neben oncle, couvercle, sarcler, cercle, sanglier, die cl
nach Konsonanten regelrecht bewahren, steht im Französischen
jouglere, heugier, aveugler, aiglant, marreglier, auf die gestützt man
vielleicht annehmen darf, dafs vortonig cl zu gl wird, vgl. noch eglise.
Das scheinbar widersprechende cuillier zeigt besondere Bedingungen,
da es von jeher f enthält : cocldr aus cochleare. In misclare meler
aus mesler fällt wie stets der mittlere von drei Konsonanten, s. § 525.
Das Provenzalische und die südöstlichen und südwestlichen Dialekte
aber bleiben bei mesclar, mascle, rasclar u. s. w., vgl. meMd, ahle
Forez, melde Doubs, Jura, meMu Fourgs, mnJcle = moule Anjou;
aus einer dieser Mundarten stammt dann räcler. Nicht recht
klar ist die Behandlung von pl, hl: neben double, trehle steht
capler, couple, pueple, doch peuhle oft in den Pariser Urkunden
des XIV. Jahrhunderts ; ferner neben rähle von rutahulum auch
fondefle von fundihulum und ensouple von insuhulum. Es ist
möglich, dafs capler auf ein vulglat. cappulum zurückgeht, vgl.
cdppo § 548, peuple ist wohl erst aus jpeM&Ze in Anlehnung ans
Lateinische gebildet, couple halbgelehrt. Im Pikardischen wird
sekundäres hl zu ul, vgl. peule Ph. Mousk. 3429 u. s. w. , pules
J. de Thuim 159, 8 u. s. w. Kirchenwort ist siede; über tuile und
verwandte s. den Index.
493. Weitere Beispiele für die Behandlung von cl nach
Konsonanten im Spanischen und Portugiesischen sind
§ 493, 494. Konsonant -j- L im Französischen und Spanischen. 415
ironchar = *tnma(lare, manclia aus macla, span. hacha, portg.
facha = *fasc'la statt *fac'la, portg. funcho =-. foenidu ., span.
cerchar. In span. cohija statt *col)echa liegt Suffixvertauschung
vor. Neben sollar, Jiällar gehört ajar wohl einem Dialekte an.
Für ssl fehlen spanische Beispiele, im Portugiesischen ist
ilha neben acha auffallig. Auch hier macht pl Schwierigkeit:
neben dohle, pueblo, mmple steht ancho, Jienchir; da auch anlautend
bl bleibt, so begreifen sich die zwei ersten Formen, auch die
zwei letzten haben nichts Auffälliges, aber cumple ist schwer zu
erklären. Endlich sind noch span. soplar, portg. soprar, die
doch wohl nicht von sufflare getrennt werden können, zu
erwähnen, und die wohl mit venez. sopiar auf vulglat. suplare hin-
weisen. Neben trUlar steht silbar aus sibilare, wohl ein jüngeres
Wort. Für gl ist solloso aus subghiUium ein bemerkenswertes
Beispiel. — Das Asturische bewahrt die ältere Stufe ö, vgl. bieöu,
manoöu, gneöu u. s. w.
494. Die Konsonanten vor B. Lat. tr bleibt unver-
ändert im Eumänischen und in Süditalien; im Toskanischen wird
es nach a zu dr , bleibt nach ie und e , im Span. , Portg. , Kät.,
Franz. wird es behandelt wie zwischen Vokalen, im Provenz.
wird es über dr zu ir, vgl. cozedra Esp. Sag. XVIII, 17, 7 a. 969.
Nach dem Tone ist die Behandlung dieselbe, nur das Franz. imd
Friaul. zeigen Assimilation zu rr; dr steht auf einer Stufe mit ir.
Zu dem Provenzalischen gesellt sich das Genuesische : agen. paire,
maire, lairo, und das Andalusische : mairvja, laird, lairon, maire,
pairino , dagegen bleibt das Katalanische bei dr stehen : lyadra,
pedra, vidra, oder assimiliert lyarra , perrüj oder verliert
d: para, mara, araru; carira (cathedra) scheint auf carieira zu
beruhen, vgl. noch -ayre = ator, peire, meire, veire, reire,
caire, creire. — In Suditalien, wo d zu t wird (§ 436), erscheint
auch tr für dr: campob. quatr§. — Cr wird, vom Rum., Südital.
abgesehen, zunächst überall zu gr^ dies entwickelt sich weiter im
Franz. je nach dem Vokal, der ihm vorhergeht und nach dem
Accente : nach o wird es labialisiert : sogvre und entsprechend
cocvre von germ. kokar, sodann entwickelt sich aus dem g ein i:
'^coigvre, nun schwindet g: coivre, soivre. Nach a dagegen bleibt
g in zweisilbigen Wörtern : maigre (vgl. wegen des ai § 223) wird
416
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 494.
zu i in mehrsilbigen : lairme. G vor r fällt im Ital. , wird in i
aufgelöst im Franz., aufser nach u, wo wieder Labialisierung
eintritt, bleibt nach dem Tone im Span, und Prov. , fällt vor
demselben im Span., wii-d zu i im Prov, Die Reflexe von inte-
grum sind zum Teil dadurch verwischt, dafs das Suffix -ier sich
eingemischt hat. Pr bleibt im Italienischen nach dem Tone,
wird vor demselben zu vr, tiberall sonst wird es behandelt wie p
zwischen Vokalen , ebenso h aufser im Italienischen , wo es ge-
dehnt wird.
Lat.
PATKE
liATKO
PETRA
RETRO
VITRO
Rum.
(frate)
—
piaträ
—
—
Engad.
peder
leder
peidra
—
vaider
Ital.
padre
ladro
pietra
dietro
vetro
Frz.
pere
lere
pierre
derrüre
verre
Prov.
paire
laire
peire
reire
veire
Span.
padre
ladron
piedra
—
vedro.
Lat.
NUTRIEE
PUTKEEE
QUADRU
ACRU
MACRU
Rum.
nutri
putred
acru
macru
Engad.
nudrir
—-
queder
—
meger
Ital.
nutrire
—
quadro
agro
magro
Frz.
nourrir
poiirrir
querre
aigre
maigre
Prov.
noirir
poirir
quaire
agre
magre
Span.
nodrir
podrir
cuadro
agro
magro.
Lat.
LACRIMA
SACKAMENTi;
r socRU
LUCRARE
NIGRU
Rum.
lacrimä
• —
socru
hicrd
negru
Engad.
larma
—
scer
—
nair
Ital.
lagrima
sagramento
(suocero)
lograre
nero
Frz.
lärme
serment
soivre
—
neire
Prov.
lagrema
sagramen
suegre
lograr
negre
Span.
lagrema
sagramento
suegro
lograr
negro.
Lat.
INTEGKU
PIGRITIA
APRIRE
CAPRA
SÜPRA
Rum.
(intreg)
—
—
caprä
asuprä
Engad.
inter
—
avrir
Jcyevra
sura
Ital.
intero
perezga
aprire
capra
sopra
Frz.
entier
paresse
ouvrir
chevre
(sur)
Prov.
(entier)
peresa
uhrir
cäbra
sohra
Span.
enterar
pereza
alrir
cahra
sohra.
i5 494, 495.
KonsoiK.
nt -t- R.
Lat.
CAVREOLU
SUrRANU
APRICU
APKILE LABBÜ
Rum.
caprior
—
aprig (?)
aprier —
Ell pul.
Ic'avroel
—
—
—
—
Ital.
cavriiiolo
sovrano
—
(aprüe) labbro
Frz.
chevreiiil
soiiverain
dbri
avril
levre
Prov.
cäbriol
sobran
abri
äbril
lawa
Span.
cahriol
söbrano
dbrigo
abril
labro.
Lat.
PEBKE
FABEU
FEBBUARIU
EBRIU
Rum.
—
faur
fäiirar
—
Eugad. feivra
—
favrer
aiver
Ital.
febhre
fäbhro
fehraio
ebbro
Frz.
fievre
fevre
fevrier
ivre
Prov.
fehre
faure
febrier
ivri
Span.
fiebre
—
febrero
—
417
Besondere Besprechung verdienen die Vertreter des griech.
cathedra. Korrekt sind afr. chaiere, woraus nfr. chaire bezw.
chaise § 465, prov. cadieira, kat. cadira. Aber portg. cadeira,
span. cadera neben dem entlehnten cadira zeigen dieselbe unregel-
mjifsige Behandlung wie integer, nur erklärt sich bei letzterem e
aus ei statt iei nach § 156, wogegen cadera eigentlich *cadiera
lauten sollte : es ist wohl das als Suffix ungebräuchliche -iera
durch -era ersetzt worden. Daneben aber stehen nun weiter
Formen, die auf cadrega, cadriga zu weisen scheinen, und die
auf eine Vermischung von cathedra mit quadriga schliefsen lassen,
vgl. alb. harig§, eng. hadräa, Jc'adrega, ven. karega, mail. kadrega,
bol. kariga, sard. kadrea. Aber lim. öadiegro scheint für Über-
gang von tr zu gr zu sprechen.
495. Die Verteilung von rr und r im Französischen ist
nicht ganz sicher: neben per e, wer e, frere, chaire, arrihre, rire u. s.w.,
larron, errement, carrihre, verrat, quarrefour, arroche steht tonerre,
verre , pierre, feurre, erre. Freilich mag manches nur ortho-
graphisch sein, schon im Computus 2745 reimt piere: arriere.
Im Normannischen tritt überhaupt rr ein : jierre, jugerre, sälverre
im Oxf. Psalter u. s. w. Alexis schreibt stets r ftlr dr, r, dr für tr.
Sdiwierig sind noch abri neben av^ril, auronne und aurai, die
beide südfranzösische Gestalt zeigen. Ein weiteres Beispiel fUr
ogr zu vr ist severonde aus suggrunda. Vor dem Tone wird er,
Meyer , Grammatik. 27
418 n. Kapitel: Konsonantismus. § 495 — 497.
gr zu r, vgl. serment, pellerin, paresse. — Labialisierung auch
nach hellen Vokalen zeigt das Engadinische in paiver und
andererseits Süditalien, niuru in Sizilien, Kalabrien und Lecce,
vgl. noch siz. dauru = flagrum. — Endlich ist ebenfalls aus
Lecce und Sizilien die Assimilation von tr zu t' oder ö zu
erwähnten. Für str^ das sonst überall wie st behandelt wird,
erscheint kakuminales s: masu, fmesa, ammusa u. s. w.
h) Äuderungeu des Schlufskonsonauten.
496. Wie schon gesagt ist, wird der Schlufskonsonant einer
Gruppe behandelt Avie im Wortanlaut, es bleiben also die Den-
talen und Labialen unverändert, die Gutturalen vor e, i werden
palatalisiert. Diese Regel erleidet nun aber eine Eeihe Ausnahmen.
Schon aus § 462 und 475 hat sich ergeben, dafs die Palatali-
sierung eines c oder r auch den folgenden Verschlufslaut ergreifen
kann. Eine viel weitergehende Umgestaltung tritt ein, Avenn
infolge der romanischen Auslautgesetze ein Konsonant, dem
vordem ursprünglich ein Vokal folgte, in den Wortauslaut tritt,
worüber § 554 ff. Aber auch abgesehen davon zeigen namentlich
die Nasalen, seltener r, l einen assimilierenden Einflufs auf
folgende Konsonanten. Die einschlägigen Erscheinungen lassen
sich in vier Klassen teilen. Entweder es tritt völlige Assimilation
ein: nd wird zu nn , mh zu mm, Id zu II, rn zu rr. Oder
nur teilweise, indem ein tonloser Verschlufslaut nach dem Sonanten
tönend, ein tönender zum Dauerlaut Avird : nt zu nd, mp zu mh,
nc zu ng, It zu Id, Ib, rh zu Iv, rv, ng zu ny, ri; oder umgekehrt
Dissimilation : tönende Laute werden nach r, n tonlos : ng zu nc,
rg zu rö. Dauerlaute werden zu Verschlufslauten : mv, nf zu mh,
mp, rv zu rh ; oder endlich es entwickelt sich ein Vermittlungslaut :
ns, Is werden nts, Us.
497. Am verbreitetsten ist die Assimilation von mh zu
mm. Sie erscheint in Sizilien und im ganzen südlichen und
mittlei-en Italien bis an den Ombrone und Esino und zAvar trifft
sie sowohl primäres wie sekundäres aus nv entstandenes mh.
Ein zweites mm-Gebiet bildet die Gascogne, Eoussillon, Kata-
lonien und Spanien, nicht mehr Portugal, ein drittes das östliche
Frankreich, A'gl. zam =^ jamhe in der Champagne , Icom = comhe
8 497 — 499. Konsnnantenassiinilationen. 419
im Morvau. Dagegen reicht nn aus nd weniger weit : das süd-
lichste Apulien und Kalabrien bleiben bei nd, ebenso die Nord-
ktiste Siziliens, und Messina schwankt zwischen nn und nd, so
dafs man wohl ersteres als jüngeren Eindringling betrachten kann.
Auch Spanien und Frankreich bewahren nd. LI aus Id gehört
der römischen Dialektgruppe bis Norcia an, dann Teramo, dem
nördlichen Sardinien und Corsica. Noch enger begrenzt ist rr
aus rn, es erscheint nur im Sardinischen. Vor dem Tone aber
zeigt auch das Toskanische n, m aus nd, mh, vgl. manicare, ne
aus inde, amendve, die Molise II aus Id: Jcalld = caldare neben
1caur§ = caldo. — Wir haben demnach siz. gamma, trumma,
Tcyummu, mmeru =^ invero, -annu, funnit, unniöi, lecc. nkammiii,
Icummenhi, aber prindu, -endii, yunda u. s. w. ; bearn. liene (fen-
dere), hene, mane (manda) , kat. Jcuroma , lom, prom, Jcumand,
span. lomo, palomo, romo, lamcr, amos, hdlume aus halumhre,
bogot. tarnten, aber embidos, combidar § 499. Dombo Kuppel
und flambante sind Fremdwörter mit Lautumsetzung, tombar,
comba, zambo jüngere Entlehnungen. Zu Id vgl. röm. Tidllu, sollu
schon bei Cola di Kienzi und Eusio, teram. kaJJ§, Jcallare. End-
lich zu rn log. torw, Jcorru u. s. w.
498. Von den teil weisen Assimilationen gehört nd, mb,
ng, ng dem südlichen Italien namentlich der adriatischen Küste,
den Abruzzen, der Molise, und westlich dem neapolitanischen
Gebiete an. Vgl. z. B. Campobasso : angora, ngundrd, vcnge, andilc§,
sand§, tand§, liamb§. Auch das Albanesische kennt diese Er-
scheinung: Tiundr^, gindie, Jcendoy (cantare). — Lt zu Id und rt
zu rd kommt eben da vor, doch ist die geographische Ausdehnung
dieses Phonems noch weniger bekannt: spirdii wird für die Ab-
ruzzen und Neapel angegeben, in Teramo ist adde, addare, vodde,
uddeme aus aide, dito u. s. w. entstanden, hier schliefsen sich
auch woch'Tcagge aus calce, holbe aus vidpe an. — Lb, rb zu Iv,
rv zeigt das Obwaldische : alv, iarva und namentlich das Portu-
giesische : älvo, alvidrar, arvorc, carväo, erva^ sorver, cstorvar. In
barba liegt Assimilation vor, vgl. aber aportg. barvudo , ferner
sobervia u. s. w. — Endlich ny aus ng zeigt die iberische Halb-
insel": span. quinientos, portg. quinhentos, span. i)lane u. s. w.
499. Von den d i s s i m i 1 a t o r i s c h e n Erscheinungen treffen
wir ng zu nk' in Sizilien und Südapulien; rg zu rlc im Spanischen;
27*
420
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 499.
rv zu rh im Italienischen, Rumänischen stets, im Französischen
vor dem Tone; Iv zu Tb im Rumänischen; nv zu tnb im Italie-
nischen, Rumänischen, Spanischen, Portugiesischen.
a.
Lat. PINGERE CINGEEE ANGELU SANGÜISUGA INGENIU
Siz. pinöiri cinöiri ancüu sandisuca nöewu.
Dazu vergleiche unöi aus Brindisi, Avogegen Lecce angidda,
frangiddu. — Das span. encia, frz. gencive zeigen wohl Dissi-
milation : *gir)Jciva statt gingiva , eine Dissimilation , die sehr alt
sein mufs. Im Spanischen senciUo = singellu liegt Einflufs von
sincerus vor, freilich steht auch uncir neben unir. — Auch siz.
arca aus alga, röm. verca Cola 425 ist hier zu nennen.
Lat.
Span.
SPARGEEE
esparcer
^ERGEEE
ercer
^ARGINE
arcen
ARGILLA
arcilla.
Wenn daneben aspan. arienzo (argentens) steht, so kann sich
die Abweichung aus der Qualität des folgenden Vokals oder aus
Dissimilationstrieb erklären.
Lat.
CORVU
CURVU
CERVÜ
SERVARE
CURVARB
VERVECE
Rum.
corb
—
cerb
serba
berbec
Ital.
corbo
(curvo)
cerbio
serbare
(curvare)
berbice
Frz.
corf
—
cerf
—
courber
brebis.
Ferner frz. corbeaii, ital. cerbice. Merkwürdig bleibt daneben
servo, servire im Italienischen, curvo erweist sich auch durch
sein u als Bücherwort; afr., prov. cor}), corb ist von corbeau
beeinflufst. — Übrigens scheint rb schon vulgärlateinisch zu sein
in verbece, verbactu, vgl. § 416, doch mag hier Dissimilation mit
im Spiele sein. — Auffällig ist Schwund des v in span. ycro,
ital. lero =ervum, span. Gonzalo, müano, portg. fulo, p6. — End-
lich nf wird zu mp im Kalabresischen : mpiernu und auch in
sizilianischen Mundarten , nv zu mb im Spanischen : embidos,
combidar, embolar und in Süditalien, wo mb weiter zu mm wird.
Dem Übergang von rtf zu mp entspricht der von sf zu sp im
Tarentinischen : posperu aus fosfoni, Lecce : sprikulu zu fricare u. a.
S 500 501. Konsonantendissimilationen. 421
500. Endlich nts , Its . rts ist sUditalieniscli , aber auch der
Toskana nicht unbekannt, vgl. siz. senJzu, pendza, bortsa, terani,
sents§, pents§, fadze aus falso^ vulgtosk. pcntsare. Schon im Mittel-
alter schreiben die aquilinischen Chroniken penzare Bo. Rain. 71,
Firema: defenza: penza: perdenza IQ^Z, falzo Land. Aquil. 7, 59;
volziste 11, 3, inzegna 9, 27.
i) Die U- lind I'^Verbiiuliiiigeii.
501. In erster Linie sind die Schicksale von inlautend gv, qu in
Betracht zu ziehen. Aufserdem haben wir noch eine Anzahl von
Fällen, wo u aus lateinischem Silbe bildendem u entstanden ist,
wozu namentlich die M-Perfecta gehören. Die Geschichte dieser
letzteren Verbindungen wird dadurch einigermafsen verdunkelt, dafs
die meisten Belege dem Verbalsystem angehören, daher selten mit
Sicherheit zu entscheiden ist, was lautlich regelmäfsig entwickelt, Avas
durch Analogie entstanden ist. — Vorweg zu nehmen sind aqin-
fol'mm und querquedula, an deren Stelle vulgärlateinische Formen
adfolium (Anlehnung an acvs, acer), quercedula (Dissimilation) zu
setzen sind, vgl. span. acebo, portg. azevinho; frz. sarcelle, span.
cerceta. Auch coquere ist, vielleicht von cocvs, coco aus, zu cocere
geworden, vgl. § 531, und torqueo, torqueam wird zu torceo,
torceam wie laqueus zu laceus § 513, danach dann torces, torcere.
Nur falsche Schreibweise ist antiquus, man sprach antiaus, aber
antiqua, antiqui. Das Verhalten der verschiedenen Konsonanten
dem u gegenüber ist ein sehr mannigfaltiges. Schon im Vulgär-
latein wurde nachtonig fv zu <^: hatto, quattor, futtit, aher fututus,
*bataculum. Im Rumänischen und Sardischen labialisiert u vor «
vorhergehende Gutturale, vor e aber ist u im Rumänischen und
Friaulischen so früh geschwunden, dafs der Guttural noch pala-
talisiert werden konnte. Im Italienischen tritt nach dem Accente
Dehnung des dem u vorhergehenden Konsonanten ein, vor dem-
selben dagegen ist die Behandlung diejenige inten'okalischer
Konsonanten. Letzteres gilt im allgemeinen für die übrigen
Sprachen auch nach dem Tone. Im einzelnen ist Manches zu
bemerken.
Lat. AQUA EQUA ANTIQUA SEQÜAT *AQUILA
Rum. apa iaptä — — acerä
Engad. ouua — — dzieva eula
422
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 501—503.
Ital.
acqua
—
—
—
aquila
Frz.
ewe
ietve
antiwe
sieice
aigle
Span.
agua
yegua
antiga
siega
aguila.
Lat.
SANGUE
LINGUA
INGUINE
AEQUALE
DISIilQUARE
Rum.
sänge
limhä
—
—
—
Engad.
seung
leung'a
—
inguel
älguer
Ital.
sangue
lingua
inguine
uguale
dileguare
Frz.
sang
langue
aine
iivel
—
Span.
sangre
lengua
engle
—
—
502. Übei- die Schicksale der Vokale im Französischen
s. § 249, Über iv und v § 442. Aqua wird im portg., gal. zu augua,
ebenso mii-. iuga = equa. Auch für Oberitalien, Rätien, Süd-
frankreich ist augiia vorauszusetzen, s. § 275. Auffällig ist fourg.
autvo neben ego = eqiia. Dem kat. aigua entspricht alg. algiva,
das also die ältere Stufe darstellt, vgl. auch kat. eixaugar. Die
Vertreter von aquila sind nicht ganz klar: ital. aquila scheint
gelehrt zu sein; im sj^an. aguila, portg. aguia ist das i auffällig,
kat. aguila, aliga ist Lehnwort aus dem Spanischen. Auch frz.
aigle ist wohl nicht ganz volkstümlich, zu i aus g vgl. *coigvre
§ 494. Im Engadinischen weichen aquila und aqua ebenfalls
ab : jenes wird über auuila nicht zu ouvla, sondern entweder zu
aula, ala, so im Unterengadinischen , oder zu aiula , eula, eaula
in Oberengadin. Einen ähnlichen Unterschied zeigt Val Soana
mit '^augua, aigua, aivia, aivi und auguila, aula, oli. Endlich
ist noch siz. acula zu erAvähnen. — Sardische Beispiele für 1)
sind ehha, ahha, samhene, limba. Die Vertreter von anguilla,
s. § 31, S. 58. Über ital. avale = aequale, s. § 634. Während
im Französischen das labiale Element, wo g beharrt, verschwindet,
zeigt das Wallonische Verlust des g, vgl. ewes (inguincs).
Zu aquila im Rätischen vgl. A s c o 1 i , Arch. Glott.
I, 210.
503. Assimilation des u an den vorhergehenden Konsonanten
begegnet schon vulgärlateinisch bei tu, daher futtere, hattere und
danach hattälia § 541. Aber futütus ergiebt span. hodudo, portg.
fodudo, daher span. hoder, portg. foder. Dafs auch hatudclum zu
hataclum wurde, zeigt span. hadajo, portg. hadaTho. Auf nu zu
nn weist ital. manna, span. mana, vielleicht auch ital. menno =
§ 503, 504. Die U-Vcrl.ii..linigcn. 423
mimms. Vor dem Tone wird inj vor dunkeln Vokalen im Span,
zn ngii : minguar, mangual, vor hellen zu n : enero, portg. Janeiro,
portg. janella, manciro. Zweifelhaft ist Assimilation von tu zu
p: ital. pipita, frz. pepie, span. pepita, portg. pevide, da hier das
anlautende j> mit im Spiele sein kann, ital. viluppare, frz. enve-
lopper = volntuare. In allen anderen Fällen sind die dem u
vorangehenden Konsonanten bewahrt, das u zu v, w oder ov ge-
worden : vidua ital. vedova , eng. vaidgna, afr. vedre, prov. sogar
vezoa, portg. viitva aus vidua, viua, nur im Spanischen mit
Attraktion: viuda. Ferner ital. Mantova, Genova, continovo,
manovale, statova, das v wird über ti zu l im Xeapol. : statola,
kontinolo u. s. w., afr. *Genves, woraus Genes, ienve, anvel. Im
Osten wird tenve zu teneve, tenave § 387. Auf weiterem Ge-
biete zeigt diese Behandlung nodua, ital. nottola, prov. nodulo. —
Nach mehrfachen Konsonanten ist ti schon im Vulgärlatein ge-
schwunden: *fehrarn(S, ital. fehrajo , frz. fevrier, span. febrero,
*a€stariu: frz. e'ticr, sjian. estero, portg. esteiro, vollends vor u:
mortus statt mortuus : ital. morto, frz. mort, span. mtterto; cardus:
ital., span. cardo. — Die wenigen Verba auf -ingnere sind natür-
lich zu denen auf -ingere getreten. Das Schwanken zwischen
fringuilla und fringilla zeigen auch die romanischen Reflexe : ital.
fihtngiicUo, eniil. frangel, aber neap. frongUJf, gred. frcmMa.
504. Die Geschichte der 2/- Verbindungen bildet eines der
allerschwierigsten Kapitel der romanischen Lautlehre. Durch die
enge Verschmelzung des y mit dem vorhergehenden Laute ist im
Vulgärlateinischen und Eomanischen eine Klasse von Konsonanten
entstanden, die dem Klassisch-Lateinischen völlig abgeht: die
yotazierten Laute, d. h. Verschlufs- oder Dauerlaute mit einem
zAvischen dem Gaumen und dem Zungenrücken gebildeten frika-
tiven Ansätze. Diese so entstandenen kombinierten Konsonanten
bleiben aber selten bestehen, vielmehr gewinnt der eine der
beiden Komponenten die Oberhand über den anderen, nicht ohne
selbst in seiner Artikulation wieder umgebildet zu werden :
welcher der beiden der stärkere ist, hängt, soweit sich bis jetzt
sehen läfst, ab von der Artikulationsstelle des ersten, von der
Stellung des Tones und von dem der Verbindung folgenden.
Vokale.
424 II- Kapitel: Konsonantismus. § 505 506.
505. Am festesten bleiben die Labialen; bei der grofsen
räumliclien Entfernung zwischen labialer und palataler Artikulation
ist eine Verschmelzung schwierig. Erst in den Einzelspracheu
hat zum Teil Angleichung der zwei Elemente stattgefunden, im
Vulgärlateinischen ist i noch nicht zu y geworden. My wird
nur im Südital. zu n, im Span., Prov. bleibt i vokalisch, ebenso
im Italienischen, wo es zugleich das m dehnt; im Französischen
verdichtet sich nach Wirken des vokalischen Auslautgesetzes y
zu z\ im Rum., Portg. tritt i in die Stammsilbe.
Lat.
SIMIA
VENDEMIA
DEPAMIU
Rum.
defaimä
Rät.
simga
vendemga
—
Siz.
sina
vinnifia
—
Ital.
scimmia
vendemmia
—
Prov.
simia
—
—
Frz.
singe
vendangc
—
Span.
jimia
vendimia
—
Portg.
—
v'mdlma
esfaimar
Vgl. noch scignie Cola di Rienzi 403, vennegnie 469, scagmato
501. — Vereinzelte weitere Beispiele sind das aus dem Neap. in
die Schriftsprache gedrungene gregna (gremia), span, gomia, ital.
iestemmia, prov. simi, frz. singe. Aus ital. grembinle, comhiato
neben commiato scheint eine andere Behandlung von vortonig my
hervorzugehen, grembo wäre nach gremhiule gebildet. Span.,
portg. lastima, lastimar gehen wohl von *hlastimare aus. — Die
Resultate im Rätischen sind nicht recht klar, die schriftliche
Darstellung schwankt zwischen i und gi : obw. cnrnngian, schimgnia
d. i. simna, neben scliimia, vcndemia, ebenso memgia aus "^mimia,
das moderne mena kann umgestellt sein aus nemia, beweist also
nichts. Die Stufe mn kennt auch das Mazedonische. — Die
östlichen und südöstlichen Mundarten Frankreichs schliefsen sich
dem Provenzalischen an : Jujurieux videmye , selbst noch in
Räville (Lothringen) vMemdi (vindemiare) , Metz vedomye. —
Sekundäres mi wird zu mn in parm. rumnar = rumifgjare,
daraus n in ital. gnafe = miafe.
506. Py wird im Toskanischen zu ppy, im Span., Portg.
findet Attraktion statt , in den anderen Gegenden wird y zu d,
pd bleibt dann im Aprov. , zum Teil im Rät., wird im Siz.,
506, 507.
Labiale -\- Y.
425
Neap., Afr. zu d, Nfr. S. Im Toskanisclieu zeigt sich vor dem Tone
ebenfalls die Entwicklung zu d, Ostfrankreidi bleibt wieder bei j>i.
Lat.
Ariu
Engad.
—
Siz.
aöa
Ital.
appio
Prov.
api
Frz.
aclie
Span.
—
SAPIAT
CLUPEA
sapda
—
saÖa
—
sappia
cliieppa
sapcha
—
Sache
—
sepa
cliopa.
SEPIA
sida
seppia
sepcha
seche
jibia
Im Rumänischen ist das einzige Beispiel scuip , 1. Sg. zu
SCfiipir. Im Spanischen und Portugiesischen ist die Entwicklung
unklar. Der Mangel des i in chopa wie in ital. chiepxm erklärt
sich durch Dissimilation. Schwieriger ist das h in jibia^ dem sich
portg. seiva aus ^sapia trotz mpo aus apium beigesellt. Vielleicht
hat wie im Italienischen Dehnung des }), jedoch nur nach
ursprünglich kurzen Vokalen, stattgefunden : äppiu, aber Sepia.
Mancebo ist vielleicht als "^mancipiim, Eückbildung aus mancipAurnj
zu fassen. — Das Gaskognische bleibt bei i: sepie, sapie. — Vor
dem Tone zeigt das Ital. saccente, ajiprocciare , die kaum als
Gallizismen zu betrachten sind, ^nccione; span. picJion, hachada
zu germ. *hapia, prov. apcha, frz. haclie; frz. prochain, aclvkr =
apiariumj aber norm, apyc , woneben ])igeon vielleicht auf ein
*pihionem weist. Ein germanisches Beispiel für ^>t/ ist noch frz.
ergehe, ital. greppia = Tcrippe. — Ostfrankreich behält den Labial :
mons. Imppe, besang, apye, wall, aprepi = aprocher, api = achier,
vgl. arepe = arroclie, Tcrepe, hepe = hache.
507. By wird rum., friaul., portg. zu ih; i bleibt spanisch,
ital. hhi, südital. dz, ebenso franz., woraus i. Die südlichen provenz.
Dialekte behalten auch hier fei bei, die nördlichen palatalisieren : g.
GOBIU
Lat.
RABIE
HABEAT
RUBEU
Rum.
aibä
roib
Engad.
rah§a
—
—
Siz.
ragga
—
rugga
Ital.
rahhia
ahbia
robbio
Prov.
ragi
a§a
rq§e
Frz.
rage
—
rouge
Span.
räbia
—
rubhio
Portg.
raiva
—
riiiva
gobbio
426
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 507, 508.
Lat.
LABIU
MAKRUBIU
Rum.
—
Engad.
—
Siz.
—
marruggu
Ital.
lahhio
marrobbio
Frz.
—
—
Span.
labio
marruMo
Portg.
—
marroyo.
Dazu noch frz. tige,
gonge =
portg. goiva.
Für die Behandlung vor dem Tone fehlen sichere Beispiele :
ital. soggetto, frz. sujet ist nicht beweisend, da j hier wie
im Anlaut behandelt worden sein kann. Ebenso entbehrt das
Span, entscheidender Fälle, da hayamos (habeamus) anderer
Deutung fähig ist, vgl. § 634. Frz. gougeon = gohionem scheint
für gleichmäfsige Behandlung zu sprechen. Span, tija ist wohl
französisches Lehnwort. Germ, lauhia ergiebt frz. logc^ daher
entlehnt ital. loggia. Der ital. Vertreter von lauhia findet sich
in der Weiterbildung Inhhione und in bergam. lohie. Für Mittel-
italien vgl. rujia Cola di Eienzi 407, rvjio 475, dejia 449.
508. Lateinisch vi folgt fast überall &i, doch fehlen fürs
Rumänische Beispiele. Vor dem Tone tritt im Franz. i, im
Span, y, im Ital., Portg. g ein.
Lat.
CAVEA
PLUVIA
FOVEA
AVEOLU
CAVEOLA
Engad.
Ti'äbga
plofga
—
—
Siz.
gagga
—
—
—
Ital.
gäbbia
(pioggia)
—
—
caggiole
Frz.
cage
(pluie)
—
ayeul
geöle
Prov.
gavi
(ploia)
—
av'iol
—
Span.
gavia
lluvia
hoya
äbuelo
gayola
Portg.
gaiva
cliiwa
fojo
avö
gayola.
Das Genuesische zeigt den Palatal : dzoe.gga =^jovia, gagga u. s. w.
vgl. § 491. Ital. pioggia geht mit frz. pluie auf vulglat. ploia
zurück, das unter dem Einflufs von pluere sein v verloren hat,
vgl. aber aufser der rätischen und der spanisch-portugiesischen
Form noch bürg, jjlces und pluige Gir. Ross. 6252. Ital. foggia ist
postverbal zu foggidre = *fovear€. Im Franz. wären das halb-
§ 508, 509. Labiale + Y. 427
gelohrte dehige xmd abrege weitere Beispiele. Aus leviarius =
ital. leggiero erwartet man leyer, wenn statt dessen leger eintritt,
so wird sich das daraus erklären, dafs das v unter dem Einflufs
von lever, lief u. s. w. länger geblieben ist ; gelehrt ist flueve aus
fliüve = fluvius. — Der Osten bleibt bei v: lothr. Psalt. deluve,
besan9. ^aviole. Auffällig ist in Freiburg und Waat dzehe = cavea
neben plcedze und rodzu. — Brian(;on und Val Soana stellen sich
natürlich ganz entschieden zum piemontesischen : zäbio^ lobio,
bezw. räbi, löhi. — Auch hier ist das Spanische unklar. Der
Regel folgt noch novio, portg. fioivo , lioya kann von hoyiiela,
umgekehrt cibuelo von avo , liviano , aJiviar von lieve beeinflufst
sein. Obviare giebt huyar Cid 892, huviar 2360, heute antii-
viar. — Beispiele für die Behandlung vor dem Tone im Portu-
giesischen sind alijar, ligeiro, gageiro.
Geht dem Labial ein Konsonant voran, so ändert das wenig,
vgl. cambiare, eng. Tc'ambi, siz. kanari, ital. cambiare, frz. clianger^
span. camiar, portg. caimo; hanbeus, frz. longe; salvia, rum. sälbie,
eng. salvg'a , frz. sauge , prov. saubio , span. salvia , jjortg. salva ;
aJveiiS, rum. albie, ital. albio, frz. äuge. Gerade bei diesem Wort
tritt leicht Attraktion des i ein : bologn. eib , friaul. laip. —
Schwierig ist ital. savio , span., portg. sabio , prov. savi, afr.
saivc und sage, möglicherweise ein in Gallien gebildetes Wort, als
sapcre zu saber geworden war.
Vgl. Gröber, Arch. lat. lex. V, 458.
Endlich *cufia, ital. cuffia, span. cofia, frz. coiffc, rum. coif,
portg. coifa.
Sekundäres vy wird y in Fourgs : sary^to, oryetä ; g im Engad.
grefga = gravifdja.
509. Dentale + y. Schon hier verwickelt sich die Sache
bedeutend : ty weicht stärker von dy ab als py von by. Der Ein-
flufs des Accentes ist hier gröfser als irgend wo sonst; nach
Konsonanten tritt andere Behandlung ein als nach Vokalen;
endlich zeigt tie andere Vertreter als tia, tio. — Nachtoniges ty
wird wohl schon Vulgärlateinisch zu gedehntem ts, das im Ital.
bleibt, sonst zu kurzem ts vereinfacht wird, sich im Prov., Frz.
weiter zu S, im Span, zu /, Portg. zu § entwickelt. In den
428 II- Kapitel: Konsonantismus. § 509.
altsardischeu Urkunden wird th gesclirieben, dessen Laiitwert
nicht zii bestimmen ist, heute ist t dafür eingetreten.
Lat.
PLATEA
PÜTEU
STEUTIO
-ITIA
MARTEU
Eum.
pvt
stnit
Engad.
platsa
pots
—
-etsia
marts
Ital.
piasza
pozzo
avestruzzo
-ezza
marzo
Frz.
place
puHs
(atitrucJie)
-esse
mars
Span.
plam
pozo
avcstruz
-eza
marzo
Sard.
piatta
piiittu
—
-Uta
martu.
Lat.
NUPTIA
-ASTIA
FOETIA
AliTIAT
TERTIU
Rum.
nimfi
—
—
Engad.
noatsa
-antza
foarfsa
otza
terts
Ital.
nozze
-ansa
forsa
alza
terzo
Frz.
noces
-ance
force
haitsse
tiers
Span.
—
-anza
fuerza
alza
—
Sard.
nunta
-anta
—
alta
tertki.
Lat.
NEPTIA PBETIU
Rum. —
pret
Engad. nezza
prezz
Ital.
—
prezz
0
\
Frz.
niece
Span. —
prez
Sard. netta
—
Frz. palais aus palatiu scheint für tio eine besondere Be-
handlung zu erweisen. Ferner ital. fear&?gfi = *&ar&i^M, minugie =
minutiae, dem sich vielleicht -igia aus -ities wie auch frz. -ise
aus -ities neben -ezza, -esse aus -itia anschliefst. — Rumänisch
nuntä ist von nun^i aus nach dem Muster Plur. porp, Sg. poartä
gebildet. — In Tirol und Friaul begegnet s statt ts und, wo s
zu s wird, auch s oder ö, in Erto und Cimolais sogar /. — Auch
in Italien ist s bekannt in Lucca: denonsiare Bandi Lucc. 209,
forsa 204, piassa 203, inansi 201, sensa 183 u. s. w. — Inter-
essantere Weiterbildungen zeigt Südostfrankreich. Neben ^ in
Neuenbürg und Bresse findet sich /und daraus f im südlichen Jura :
pyafa^ lefieu, refi = rincer, femer müffa = milza, ebenso in den
Freiburger Bergdialekten, in Wallis, Chäteau d'CEux, Val Soana
und in Savoyen. Im Kanton Waat findet sich die ganze Skala:
§ 509, 510. Lateiuiscli TY. 429
S, s im Westen, /, /'und U gerade wie für anlautendes 7/ § 412. —
Gegen die Regel erscheint altspaniscli z statt s im Suffix -eza
(aber cahera), pozo und umgekehrt po^ona, sollozo. Letzteres ist
an sollozar =^ stdghdiarc angelehnt, pozo von j^'^^ül beeinflufst,
-eza geht von -eties aus. Pogona steht unter dem Einflufs von
pon(;ofia. Auch im Portugiesischen erscheint -eza, prekär und
prezar, korrekt poro , dann aber pegona und logaö (laidione),
dessen g dem aii zu verdanken ist, vgl. § 434. Sekundäres ti
wii'd oft zu Jcy. morv. amiJiye, normann. simJcyer, pikie, Men. —
Die Verbindung sti Avird über st zu sk' und wie dieses behandelt
§ 473, vgl. ital. angoscia, hescio, itscio, frz. angoisse, Jiuissier, span.
congoja, qtiejar, aportg. chrischäo F. de Guarda 448. Span, uzo
Cid ist auffällig. Frz. bete geht auf *besta zui-ück. — Ganz
andere Wege geht vortonig ti-. Schon im Vulgärlateinischen ist
daraus tsi- geworden, und nun ist dieses vortonig tsi gleich den
tonlosen Verschlufslauten tönend geworden: dsi, woraus, wohl
auch noch in vulgärlateinischer Zeit, zi, z'. Das jjalatale / ent-
wickelt sich dann weiter wie das aus si entstandene § 511.
x\lso ital. ragione, frz. raison, span. rason, ital. pregiare, indvgiare,
frz. aiguiser , piriser , atiiser. Ausnahmen, wie ital. aguzzare,
attizzare erklären sich aus dem Einflufs der stammbetonten
Verbalformen. Geht dem ti ein Konsonant voraus, so kann es
nicht tönend werden, sondern bleibt tonlos, tti wird zu ^, k'k',
das sich weiter entwickelt wie anlautend k', also im Italienischen
zu ö, im Frz. zu s, Span. / wird: ital. cacciare, goceiare,
cominciare, cofidare, scorciare, frz. chasser, commencer, linceuil,
span. cazar, lenzuelo. Ital. lenznoJo steht unter dem Einflufs von lenzo.
Den Unterschied zwischen -ii und ti- hat F. N e u -
mann. Zur Laut- und Mexionslehre 80 — 102 dargelegt.
510. Nachtonig dy, gy, y zwischen Vokalen sind schon
vulgärlateinisch zusammengefallen unter y, das im Rumänischen,
Rätischen, Venezianischen zu dz, z wird, im Siz. zu y, im Ital.
(j, prov. g, z oder ?, frz. ?, span. y, portg. j.
MODIU
moggio
Lat.
RADlü
Rum.
razä
Engad.
—
Siz.
rayu
Ital.
raggio
HODIE
PODIU
MEDIU
—
—
miez
oaz
—
mez
oi
poyu
(menzu)
oggi
poggio
(mezza)
430
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 510.
Frz.
rai
mui
hui
pui
mi
Span.
rayo
moyo
lioy
poyo
medio
Portg.
raio
moio
—
apoio
meio.
Lat.
PEJUS
MAJLT
COKEIGIA
INVIDIA
MAGISTER
Rum.
—
—
eure
—
—
Engad.
pes
meg
Tiuraya
inviglia
—
Siz.
peyu
mayu
curria
—
—
Ital.
peggio
maggio
correggia
invidia
mnestro
Frz.
pis
mai
courroie
envie
mm„re
Span.
—
mayo
correa
—
maestro
Portg.
—
maio
correia
enveja
mestre.
Lat.
DIGITU
SAGITTA
-AGIXE
Rum.
degete
sagetä
—
Engad.
daint
sagetter
—
Siz.
diyitu
sayita
-ayini
Ital.
dito
saetta
-aggine
Frz.
doigt
saette
-ain
Span.
dedo
saeta
-en
Portg.
dedo
saeta
-agem.
Der Unterschied zwischen curea und ragä im Rumänischen
erklärt sich wohl aus der Qualität des vorhergehenden Vokals :
mit c verschmilzt i, wogegen es nach p, a bleibt. Das urrumänische
d0 ist im Walachischen und Istrischen zu z geworden, während
das Mazedonische und Moldauische den alten Laut bewahren. —
Im Rätischen zeigt sich ebenfalls Erleichterung zu s wie bei tg,
ferner d in Ober-Comelico, Erto, Cimolais, d in Auronzo, im
Friaul mehrfach i, auch im Medunathale, wo sonst s, s bleiben,
in Carnien u. s. w. — Im Italienischen bilden megzo nebst razso
schwer zu erklärende Ausnahmen; ferner wio^'^o, rozzo^rudi-us, ölezzo
^ölidio. Die zwei letzteren sind jüngeren Ursprungs, sie stammen
aus einer Zeit, wo altes dy schon zu y geworden war: ob mozzo,
razzo und mezzo halbgelehrt sind, bleibt zweifelhafter, doch sieht
man keinen rechten Grund für die besondere Behandlung, gioia
wie span. joya stammt aus frz. joie. Im ältesten Französisch ist
i noch y, vgl. rayet in a-Tirade Rol. 1980. Im Provenzalischen
finden sich i und g wohl in gleicher Verteilung wie bei '</* § 438.
§ 510, 511. Lateinisch DY, GY. 431
Bemerkenswert ist ilaöel , -edar in Tarn. Prov. gladi, glazi ist
gelehrt. — Im Spanischen geht i in hellem Vokale auf. Gozo,
in den altspanisclien Quellen meist mit z, geht auf gaudium
zurück: dy nach au ist behandelt wie nach Konsonanten, vgl.
§ 434, ebenso portg., wo noch als zweites ßeisjjiel aucß = audio
hinzukommt. Am verwickeltsten liegen die Dinge im Portu-
giesischen. Von den Fällen, avo j statt i erscheint, liefse sich
enveja durch endungsbetonte Ableitungen erklären, -agem ist viel-
leicht halbgelehrt, aber üujo aus cuius , poeja aus pulegia neben
correa aus corrigia und mugem aus *mugine statt mugile fügen
sich nicht. Für die Behandlung nach dem Tone ist zu merken,
dafs im Rumänischen z, im Portugiesischen g, im Italienischen i
eintritt, vgl. rum. putrejune = putred-ione und mijloc^ ital. reina,
gnaina, meriare, rione (rcgione), ajuta, sdrajare = disradiare; die
abweichenden peggiore, maggiore sind von peggio^ maggio beein-
flufst. Portugiesische Beispiele : ensejar neben enseia , entejar,
pojar, desejar, rajar, rajada, tigello, cajado, mijar, nur vor i fällt
g : reinha, hainha^ ferner scheint sigilldre zu seellar, sellar geAvoi-den
zu sein, während vigilare sich zu vigidr entwickelt', velar ist
spanisches Lehnwort. Die unregelmäfsigen maior, peior sind wohl
von alten Neutren *maws, *peios beeinflufst. Im Spanischen
schwindet das i nach hellen Vokalen: peor, mear aber ayuda,
mayor. Über portg. mor s. § 634. — Nach r wird di im
Ital., Span., Portg., Rum. zu z, im Frz. zu g, im Prov. und Rät.
bleibt di, also ähnliche Behandlung wie bei -mi. Aus dem
Vulgärlatein war di überliefert, noch nicht di^ vgl. rum. orz,
varza, ital. orzo, sverza, span. orzuelo, berza, portg. verga, frz.
orge, vergier; prov. ordi, friaul. uardi. Ndi wird zu d: ital.
vergogna, sogna, frz. vergogne, span. vergüena, portg. vergonlia,
rigonlia (iracundia). Im Span, finden wir vergüenza neben ver-
güena, vielleicht ist letzteres erst vom Verbum vergonar ge-
wonnen. — Wie di nach r wird im Französischen germ. di
behandelt: gage, druge.
511. Lateinisch si wird zu tonlosem oder tönendem pala-
talem s, je nachdem intervokalisches S tönend oder tonlos wird.
Dieses palatale s erscheint im Italienischen, Rumänischen inid
Portugiesischen als §, S, in den anderen Hauptsprachen wird es
432
JI. Kapitel: Konsonantismus.
§ 511, 512.
zu ('s, wogegen die Mundarten namentlich Frankreichs z bewahren
und es weiter zu Ji verschieben.
Lat.
BASIÜ
CASEU
*P1SEAT
CEBASEA
SEGUSIO
CINISIA
Rum.
—
cas
—
cireasä
—
cenu^a
Engad.
—
■ —
—
öeresa
—
—
Ital.
bascio
cascio
pigia
ciliegia
—
einig ia
Frz.
haiser
—
—
cerise
seus
—
Span.
heso
qtieso
—
ceresa
sabucso
ceniza
Portg.
beijo
queijo
—
cereija
säbujo
cinza.
Camisea ital.
camicia
, s^jan. ,
portg. camisa ist
unregel-
mäfsig. — Vor dem Tone haben wir z. B. ital. j^n^fiowe, pigione,
magwne, cagione, fagiuoli, frz. maison, foison, achaison, portg.
meijom, cajäo, feijö neben faisäo, span. jjresow Cid 1009, teson. —
Beispiele für z in Frankreich sind aze, baze, fa&ö in Arras, aze,
dizo, baza in Cambrai, mazo in den Ai-dennen, ähnlich in Vesoul,
Delemont, Bresse u. s. w. Daraus dann maJion u. s. w. in Loth-
ringen, oder aber mayö , rayö, seriye, semiye, ebüyer (abusier =
abuser § 261) im Morvan. — In Stiditalien von Siena an, wo s
stets tonlos bleibt, wird si (und ti~ § 509) zu s: casone, ra§one
u. s. w. — Geht dem si ein Konsonant voran, so entsteht s bezw.
is, ital. sovcscio, rovescio, frz. graisse, span. graja, bajo, rojo,
portg. graixo^ baixo, roixo, paixäo ; sodann Ardennes ramasi, mörv.
bese, lese, lothr. beKe, jujur. beße.
512. Lateinisch ni wird überall zu n, woraus im Eumä-
nischen i, im Sard. ncls.
Lat.
VINEA
TINEA
CUNEU
-ANEU
-ANEA
Rum.
viie
—
cuiu
-aiu
-aie
Engad.
vina
tina
Tiued
-an
-ada
Ital.
vigna
tigna
cogno
-agno
-agna
Frz.
vigne
tigne
eoin
-ain
-agne
Span.
vina
tina
cuno
-ano
-ana
Sard.
bindza
tindza
—
-andzu
-andza.
Schwierigkeit bereiten ital. strano, frz. etrange, obw. strauni,
rum. sträin neben regelmäfsigem sard. istrandzu, span. estrano;
ital. conio neben cogno, jenes auch piem., friaul.com; irz.linge =
lineum, lange = laniiim, grange = granea, wenn es nicht granica
darstellt. Da das germ. fani, frz. fange dieselbe Entwicklung
§ 512, 513.
Lateinisch SY, NY.
433
zeigt, so darf mau aimclimcn, clafs die drei frauzösischeu Wörter
einer jlingeren Schicht angehören ; ebenso ital. stratto , das aus
altem straino entstanden ist nach § 295. Conio neben cogno ist
vielleicht von coniare ans gebildet : vor dem Tone wäre Palatali-
sierung nicht ehigeti'eten , vgl. maniato von lat. mania, und die
Konjugation. Auch das Portugiesische scheint vor dem Tone i
zunächst zu behalten, dann umzustellen: mainel , aplamar.
Beduktion zu y soll auch in Foix (Bearn) vorkommen Rev. 1.
Rom. VIT, 447; sodann im Katal. : seyor a. 1253 Rev. 1. rom.
IV, 52, ay (anni). Im Spanischen macht cigüena Schwierigkeit,
es scheint n nicht einfach erweicht worden zu sein, sondern noch
ein i abgegeben zu haben. Estraf)jero, granja stammen aus dem
Französischen. — Über -n im Französischen s. § 560.
Geht dem n ein Konsonant voraus, so sind die Resultate
etAvas anders: rny bleibt als rni, mny wird verschieden an-
geglichen, vgl. für jenes ital. farnia (kaum fargna)^ ernia,
hornio (doch borgnola), frz. aber hargne, epargne, lorgner u. s. w.,
für dieses ital. cälogna, sogno, frz. chalonge, songe, span. calof/a,
sono, eng. aber scemi. — Auffällig ist portg. coima neben sonlio.
Mn wird sonst hier zu nn, also erwartet man aus mny auch nh,
aber coima trägt durchaus volkstümliches Gepräge ; da sich im
Portugiesischen auch nicht eine Verschiedenheit in der Behand-
lung von io und ia zeigt, so bleibt nur die eine Annahme, dafs
mny- im Verbum zu mmy , imm geworden und coima post-
verbal sei.
513. Die Gutturalen + i. Ky und ty fallen da, wo
he zu ts wird, zusammen unter ts, auch das Rumänische hält sie
nicht auseinander. Im Italienischen dagegen wird hy zu öö.
Überall sonst ist das Ergebnis is^ woraus im Französischen s, im
Spanischen seit dem XVI. Jahrhundei't /.
Lat. GLACIA PACIE
Rum. ghia{ä faß
Engad. gJad faöa
Ital. ghiaccia faccia
Frz. glace face
Span. — haz
Meyer, Granimatik.
BRACHIU
LAQUEU
-ACEU
hrat
la^
-at
hraö
laö
-aö
hraccio
laccio
-accio
hras
lacs
-as
hrazo
lazo
-azo.
28
434
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 513.
Lat.
MIXACIA . LUCIU
TKICHEA
EEICIU
-ICIU
Eura.
. — —
—
—
-et
Engad.
manaöa —
treöa
riö
-iö
Ital.
minaccia luccio
treccia
riccio
-eccio
Frz.
menace merliis
fresse
—
-is
Span.
amenaza —
—
erizo
—
Für
ci vor dem Tone haben Avir ital.
acciale.
, frz. acier, fi-z,
ma^on, portg. ongäo = '^ancione.
. Für ci
nach Konsonanten :
Lat.
CALCEA LYNCEA UKCEOLU
CALCEAKE
Elina. desciilt —
ulcior
incaltd
Engad. k'oda —
—
h'oöar
Ital.
calza lonza
orciolo
cälciare
Frz.
chausse once
-
—
cJiausser
Span. calza lince
orzuela
calzar.
Im Enmäni sehen macht ariciu Schwierigkeiten: es ist
wohl nicht direkt sondern durch albanesische Vermittlung aus
dem Lateinischen aufgenommen. Neben lance kommt lanta vor:
wohl griechisches Lehnwort. Es ist aber auch die Wieder-
gabe von d durch ts auftällig in einer Gegend, wo sonst ö
zu ts wird. Mit dem Eumänischen geht hierin das S i z i -
lianisch-Kalabresische: hratsu, ritsv , sullatsu, hüantsa,
atsaru u. s. w. und L e c c e : minatsa, latsv, tretsa, litsu u. s. w. —
Im Italienischen ist die Behandlung von ci nach Konsonanten nicht
klar : Avährend romanza, lonza u. s. av. für ts sprechen nach dem Tone,
arcione für c demselben, in Übereinstimmung mit der Behandlung
von tp § 509, sind Francin und ordo auffällig, wenn sie nicht
jenes von Francese, dieses von orciolo beeinflufst sind. — Fran-
zösisch oison ist von oiseau beeinflufst, vgl. aber prov. augo,
lothr. ussö; fais =^ facio jünger als faz nach der 2. 3. Sg. um-
gestaltet. — Ganz unklar ist das Spanische: während heute nach
der Eegel tonloses s eingetreten ist, zeigt die alte Sprache teils
tonlosen Laut teils tönenden: jenen giebt sie durch s, f, diesen
durch z wieder. Eegel scheint nach dem Tone s zu sein, so
stets brago , Suffix -dgo in coragon , und cedago , pedago ; peliga,
'^carniga, woher carnigero. Vor dem Tone aber tritt z ein:
azero, solazar, cnlazar, amenazar , von avo das z auch in stamm-
betonte Formen und Ableitungen dringt: solazo , lazo, amenaza,
§ 513, 514. Lateinisch CY. 435
dauaeli esp'mazo , in fmza ist wohl Eiuflufs des Suffixes -eza
zu ei-kouneu, auch lecJiuza, ortalka, tenaza dürften ähnlich zu
erklären sein. Da die vier letzten Fälle auf a auslauten, könnte
mau dem a einen Einflufs zuschreiben, wie es ihn unter Um-
ständen im Italienischen übt, s, § 433. Allein da das Spanische
sonst nichts Derartiges zeigt, so liegt es näher, Angleichung an
-eza zu sehen. Merkwürdig ist noch azon Cid neben richtigem
cor^as 2375, carccl 340 u, s. w. — Das Portugiesische hat
nach dem Tone stets f, vor demselben z: a^o — azeiro , fiuzar,
ameaga u. s. w. ; juizo ist halbgelehrt, granizo, wie das n zeigt,
nicht Erbwort, dann wie im Span. : fiuza und Galiza. — Für
die Behandlung von germ. liy im Französischen fehlen Bei-
spiele : cschangon kann Buchwort sein, daneben steht anclie (anicya),
das besser zu der sonstigen Behandlung von Tci pafst § 18, S. 39.
Über span. cho aus ci s. Horning, Lateinisch C 94.
In lechitclia, muchaclio liegt Assimilation vor, capnclio,
fachen da, vielleicht auch verdacho sind italienische Lehn-
wörter.
Im Pikardisch- Wallonischen erscheint, wie schon § 406 be-
merkt wurde, ^, s an Stelle von ci und von ti = frz. f, also
pü§ = puits, fad = facio u. s. w. , ferner servis, welches be-
weist, dafs (5, s erst aus ts entstanden ist. Aus der lateinischen
Schulsprache, in der man servitsium sprach, wurde das Wort zu
einer Zeit übernommen, als altes tio längst tso geworden Avar.
Dieses gemein-französische servitse wandelte sich dann mit den
anderen ts im Norden zu d.
Material bei O.Sie m t , Über Jat. c vor e und i im
Pikardischen, Diss. Halle 1881. Die spätere Entstehung
von ö aus ts verficht Horning, Lateinisch C, S. 43 ^g^^^'o.
Diez und Joret.
514. I^y verbindet sich leicht mit dem y «um palatalen l,
und in der That ist aufser im Süd-Sardischeu dieser Laut
überall eingetreten. Aber wenn er sehr leicht entsteht, so
ist er doch auch am leichtesten weiteren Veränderungen aus-
gesetzt. Am öftesten geht das ^-Element verloren : dies ist der
Fall im Walachischen , in Zentral-Italien (Abruzzen, Rom und
Umgebung) , und in ganz Oberitalien , im gröfsteu Teile Frank-
reichs und in Spanien. Hier und in Venedig ist das y weiter
28*
436 II- Kapitel: Konsonantismus. 8 514, 515.
zu ij und im Spanischen z zu li verschoben worden. In Süd-
italien, am adriatischen Meere bis Foggia, sodann wieder in
der Toskana wird das palatale Element zum Verschlufslaut : gy,
geschrieben gghi, das in Linguaglossa (Sizilien) sogar zu Tiy wird.
Rückkehr zum dentalen l hat stattgefunden in Geraci (Sizilien),
im Pikardischen und im Wallis. Ganz allein steht Noto mit
n aus f.
Lat.
FILIU
FILIA
POLIA
CONSILIU
MELIUS
Rum.
flu
füe
foaie
—
—
Engad.
fil
ßa
fcela
Jcunsail
mcl
Siz.
f%ggyu
figgya
foggya
kunsiggyu
meggyu
Ital.
figlio
figlia
foglia
consiglio
meglio
Frz.
(ßs)
ßle
feuille
conseil
(mieux)
Span.
hijo
hija
hoja
consejo
—
Portg.
filho
filha
folha
conselho
—
Sard.
fim
f%za
foza
Tionsizu
mezus.
Lat.
ALLIÜ
-ALIA
MALLEU
MILIU
MILIA
Rum.
ai
-aie
maiu
meiu
miie
Engad.
al
-ala
mal
mail
m'ila
Siz.
aggyu
-aggya maggyu
miggyu
miggya
Ital.
aglio
-aglia
maglio
miglio
miglia
Frz.
all
-aille
mail
mil
mille
Span.
ajo
-aja
majo
mijo
mija
Portg.
älho
-alba
mälho
milho
millia
Sard.
azu
-aza
mazu
—
miza.
Lat
PALEA
DISPOLIAT TILI^
ULIEEE
Rum.
paie
despoiä teiu
muiare
Engad.
pala
spola tela
muler
Siz.
paggya
spoggya tiggyu muggyera
Ital
.
joaglia
spoglia tiglio
1 mogUera
Frz
.
paillt
depomlle til
moilier
Span.
paja
despoja (tilo)
mujer
Portg.
xmlha
— (tilia) mulher
Sar
d.
paza
ispoza —
muzere.
515. In Rumänien hat sich der alte Laut noch gehalten
im Mazedonischen , Istrischen , Moldauischen : akXiov Dan. 7,
onoaXu 21, (fovf.iiXtu 10, /iXXiov 35 u. s. aa%; istr. fole,
§ 515—517. Latemisch LY. 437
mut^re u. s. w., mold. aliü, hiliü, doUü, — Zentral- und 0 s t -
1* ä t i s e li scheiden sich mit y , i vom Westen. In friaulischen
Texten des XIV. Jahrhunderts wird noch gl, lg geschrieben :
muglir, figle, melg, famelg Arch. Glott, IV, 347. Heute ist i
zwischen Vokalen an mehreren Orten ganz geschwunden,
Ampezzo : somea, meo, foes neben foja, also vor oder nach e (vgl.
§ 510), friaul. see (cilia), famee, fuee, voe aber -aje.
516. In Sizilien treften wir die verschiedensten Formen
nebeneinander. Die alten Texte schreiben gl: oglu, meglu, piglia,
consiglia^ famigla u. a., und noch heute bleibt f im Inneren und
in einem Teile der Provinz Palermo, an der Nordgrenze dieses
Gebietes erscheint l in Alimena, Geraci, Pollina. Sonst also gy,
das den ganzen Westen und den gröfsten Teil des Ostens um-
fafst und dessen älteste Beispiele von 1566 datieren: pighiamt,
famighi, voghiu. Daraus entwickelt sich weiter in Modica bis
zum Moroglio g: mie^u , vuogu, figa, maravigu, in Lingua-
glossa, Mistrella nach dem Tone Jcy: piJcyu , fiJcyu , volcyu.
Für Noto vgl. zinu, finu, meiiu, panaru. Auch die Toskana
kennt gy, nicht Florenz, daher auch nicht die Schriftsprache,
wohl aber Certaldo und Vicchio. Das Oberitalienische y erscheint
schon in den alten Texten : hataja , doja , mejor bei Bonvesin.
Vor dem Tone ist y mit i zusammengeschmolzen: mail. /?«, ardiö,
paviö, skavid aber payaS, im Piem. aiich nach demselben: fia,
famia, foel, ebenso im Venez. : /^o, mia u. s. w. Sonst ist es
venez. zu g geworden: fo^a, vgl. schon in der Hamiltonhand-
schrift: ig, mieg, voig, in der Cron. imp. filgiol, ferner igi=illi,
agi, mego, fracgi, cortigi (coltelli) in der Veroneser Passion, ebenso
gen.: me§u, paga, und auch migu, figu, figa. Im Tessiu
herrscht noch das rätische ly vor, doch dringt lombardisches y ein.
517. Im Französischen ist heute y durchaus an Stelle von
l getreten. Schon Hindret 1687 bezeugt diese Aussprache ftlr
die „petite Bourgeoisie", doch hat erst in neuester Zeit y end-
gültig den Sieg davongetragen. Noch Littre sträubte sich stets
dagegen, hat aber in einem der niederen Sprache angehörigen
Worte selbst i geschrieben : coion. Auch der Osten folgt im
ganzen. Manche Mundarten behalten jedoch l noch heute, so im
Westen Lahague und Val de Saire, im Osten zum Teil Neuen-
438 II. Kapitel: Konsonantismus. § 517^ 518.
bürg und Val Soana. In Bessin tritt vor dem Tone y ein, nach
demselben l: Icayi, hütiyö, fyceyü aber file, orele, butele, äl, vgl,
schon Ben. Chron. 15410 merveille: eile, sonst fällt es im Auslaut:
ü (cuil), sule. Im Anglonormannischen findet sich ebenfalls l statt ü,
Brandan reimt soleil: fedeil 579; Gaimar fei: conseil 517, apostoille:
escole 3349. — Dem Normannischen schliefst sich noch das Pikar-
dische und das Rouchi an, vgl. in Arras : orel= oreüle, fil, aber vor
dem Tone: veye (veiller), tiyce. — Eine Zeitlang scheinen l und U
geschwankt zu haben vor dem Tone , Menage führt dreisilbiges
allieurs , Hindret meillienr an. Ferner lautet l vor oder nach i
oft ?; douillir aus älterem hottUir , taillis und andere Wörter auf
-lis haben f statt 7, gentülome wird auch heute mit l gesprochen,
nicht mehr frileux; juillet lautete im XVII. Jahrhundert zuweilen
jiillet. — Die merkwürdigsten Veränderungen macht ly im Süd-
osten des französischen Sprachgebiets durch : es wird zu d (öst-
lich Waat, Vionnaz), d (Chäteaux d'Oex), bilateralem l Or-
montdessous , l Bagnard. Vorstufe von d ist wohl y, während
l direkt auf ly zurückgeht. Also: ostwa. vionn. : fode , madi,
f§de, fedüj Chäteaux d'Oex fode, madi, f§d§, f§dü, Bagnard murale,
2)Cile, fole. Sekundäres y behält in Vionnaz die ältere Stufe ly :
vgl. mode aus *inoyo , *molyo (mollio), modd aus moya, molya,
molydt (molliatum) aber mole aus mol-ye (molliare). — Sonst hat
Savoyen und das Provenzalische l meist bewahrt, dagegen
schwanken schon im Altkatalanischen y und II , jenes gilt heute
als bäuerisch ; es scheint also, dafs in den Städten der kastilia-
nische Einflufs f gehalten oder hergestellt hat. Auch Alghero
behält r, wogegen im Mallork. y durchgeführt ist. Mit i ver-
schmilzt dieses y: fiastra 7 Meister 2578; jeya = jacilia, llentia,
vadia = viticla, vermeir (span. vermeUir) u. s. w.
518. Auf der iberischen Halbinsel behalten Aragon und
Portugal den alten Laut, wogegen Asturien ö oder y aufweist.
Dafs schon im XI. Jahrhundert die Stufe y im Kastilianischen
eri-eicht war, zeigt cofisegar Cid 1956 (vgl. guegos 2535). Die
Geschichte des y aus ly im Kastilianischen ist nicht klar. Jose
schreibt Doppeldschin , womit er aber nicht nur heutiges j,
sondern auch ch wiedergiebt und woraus vielleicht eine Aussprache
t, d erschlossen werden darf: dafür spricht, dafs dasjenige j, li,
§ 518, 519. Lateinisch LY. 439
welches auf x beruht, meist clui-eh Doppeltlschin dargestellt
wird. Es wHre dann also das asturische y die Vorstufe zur
kastiliaiiischen Form. Wann K eingetreten ist, bleibt noch zu
untersuchen. — MaraviUa neben meravija ist jüngeren Datums,
ebenso hatälla , das vielleicht aus dem Französischen stammt.
Vor oder nach i schwindet das y im Asturischen : fla, toido aber
tayador, oyo, conseya. — Endlich im Logudor es i sehen finden
wir j (y): fijos TolaXXX, a. 1120; fijn, mvjercXlX, 1153 u. s. w,,
woraus später dz: covskti Tola 576 ff', a. 1431 — 1491 ; ob die
ebenda vorkommende Schreibung cofisigu auf eine Aiissjjrache z
weist und ob diese Aussprache noch irgendwo vorkommt, ist
nicht bekannt. Das Südsardische assimiliert: älln, fillu, mulleri,
das Galluresische und Korsische behandeln dieses junge II wie
das alte (§ 545) : meddn, mudderi, fiddolu. — Fast auf dem ganzen
Gebiete unterbleibt die Palatalisierung in dem Verti-eter von oleum:
ital. o7io, eng. celi , prov. oli , frz. huile, span. olio, portg. oleo
(ital. auch oglio, sard. ozn bezw. o??w), auch ags. ele setzt öli
voraus. Dazu gesellt sich aital. solio., ital. palio, prov. 2)aU, afr.
pallie, afr. consilie neben copseil: man darf wohl nicht zögern,
die Wörter als gelehrt zu betrachten, speziell oleum als ein Wort
der Kirche. Zahlreich sind solche Formen in der Übersetzungs-
litteratur, im 0. P. Hnden sich vulatilie, und entsprechend pecunie,
testimunie, diluvie, fluvie, estiidie u. s. w. Auffällig ist ferner im
Portg. joio = lolium, dazu joeiro = [cribrumj lolianim.
519. Ry. Die Verbindung eines gerollten Zungen-r mit
einem palatalen y ist noch schwieriger, als diejenige eines labialen
Lautes : es hat denn auch in der That, soweit wir sehen, fast keine
Sprache diesen Schritt gethan, sondern es ist entweder das r
unterdrückt worden im Toskanischen und Rumänischen nach dem
Tone, oder das i im übrigen Italien, oder das i hat sich in die
Stammsilbe gerettet in Rätien, Gallien, Oberitalien und auf der
iberischen Halbinsel, oder es ist konsonantisiert worden zu dz
im Sardischen, oder endlich ri ist geblieben im Italienischen vor
dem Tone,
Lat. AREA GLABEA PAHIA VABIU -ARIU
Rum. aric — — — -ar
Engad. era glera — — -er
440
II. Kapitel: Konsonantismus.
§ 519, 520.
Ital.
aja
ghiaja
pajo
vajo
-ajo
Frz.
aire
glaire
pair
vair
-ier
Span.
era
lera
—
—
-ero.
Lat.
-TORIÜ
COEIU
MUEIA
AUGURIU
MATERIE
FERIA
Eum.
-tor
—
murä
materie
—
Engad.
-tuir
koer
—
aviioir
—
faira
Ital.
-tojo
cuojo
moja
—
madiere
fiera
Frz.
-toir
cuir
muire
lieur
—
foire
Span.
-duero
cuero
muera
agüero
madera
—
Mi nach Konsonanten ist selten ; im Italienischen, Spanischen
bleibt es, im Französischen tritt re ein, im Portugiesischen teils
ro, ra, teils Attraktion. Vgl. propriu, ital. propio ^ frz. j^^opre,
portg. j)öbro ; ebrius , ital. ebhro , frz. ivre ; vitrcum , sj)an. vidrio
aber portg. vidro; atrium, portg. adro u. s. w.
Wie bei ni, so haben wir auch hier im Französischen einige
Fälle von rp." cierge^ prov. ciW, span. c/Wo; serorge, sororius: auch
hierin haben wir halbgelehrte Wörter zu sehen. Während ferner
frz. foire, portg. feira regelmäfsig sind, zeigt span. feria ganz Lehu-
wortform, und ital. fiera erweist sich durch die Attraktion des i
ebenfalls als halbgelehrt : durch die Umgestaltung des Bticher-
wortes feria in fiera gewann man den beliebten Diphthongen ie
und vermied das schwierige -ria. Eine weitere Klasse mehr oder
weniger gelehrter Wörter bilden die griechischen monasteriumj
coimeterium , haptisterium und das lateinische imperium. Da das
griechische i] behandelt werden kann wie lat. (" (§ 17, S. 31), so
erwarten wir im Italienischen Bildungen auf f o, im Provenzalischen
auf e?V, ieir, im Französischen auf -ir. In der That kommt hattisteo
vor, aber nur cimitero, monastero, impero; Einflufs des Plurals ist
namentlich beim ersten und letzten kaum anzunehmen , die Wörter
sind eben halbgelehrt. Im Altfranzösischen finden sich monastire,
hattistire, cimentire und noch heute emjnre, ferner avoltire, maestire :
die Behandlung der Tonvokale ist zwar regelrecht, das -e zeigt
aber, dafs die Wörter jünger sind als das Auslautgesetz. In
montier ist das seltene -ir durch das gewöhnliche ier ersetzt M^orden.
520. Im Eumäni sehen ist die alte Form nur im Verbum
geblieben und auch hier im Verschwinden begriffen : piej (pereo)
u. s. w. Dagegen ist ia zu ie, e geworden : caldare = caldaria ; im
§ 520—522. Lateiiiiseh RY. 441
Masculiiuim wurde ursprünglich geschieden : Sing, -ariu, Vhir. -ari
aus ari), woraus nun entweder or(it), ari, die gewöhnlichere Form,
deren Entstehung durch ar = lat. aris, PI. ari begünstigt Avurde,
oder at'u, ar, das sich, so scheint es, noch heute dialektisch hält.
Nicht ganz regelmäfsig sind arie, materie: letzteres ist wohl Lehn-
wort, ersteres ein Kontaminationsprodukt aus are = area und
arie, ai'e = areae.
521. Auch im 1 1 a 1 i e n i s c h e n sind -arhts, -ari geschieden :
jenes giebt ajo, dieses aW, dann finden zum Teil Ausgleichungen
statt: ari bekommt den Singular aro , are; ajo den Plural ai,
alte Texte bewahren den Unterschied, vgl. die Formenlehre.
Daher haben die Monatsnamen nur Formen auf -ajo. Die Unter-
drückung des r ist spezifisch toskanisch, die anderen Mundarten,
die südlichen sowohl wie die nördlichen, verlieren i. Man könnte
annehmen, dafs ajo, ari konsequent zu aro, ari ausgeglichen
worden und dann auch r in den anderen Fällen an Stelle von ri
getreten sei. Das ist jedoch nicht wahrscheinlich, vielmehr zeigt sich
in dem Kampfe zAvischen r und y in den anderen Provinzen r
fester. Im Norden aber, im Venezianischen und Mailändischen,
wird -area zu -era, -arius zu -er, Zwischenstufe ist -aira, -airu.
Vor dem Tone zeigt auch das Toskanische r: arinolo , marinolo,
daher weist scojatioh auf *scojo zurück, vaijuolo geht von vayo
aus oder steht wenigstens unter dessen Einflufs.
522. Im Französischen werden die Sachen etwas ver-
wickelter: -aritts wird über -anf zu -airf, worin das alte ai behandelt
wird wie p § 150, § fällt infolge des vokalischen Auslautgesetzes.
Dagegen blieb arya länger, erst als dann a zu § abgeschwächt
wurde, trat auch hier Attraktion ein : aire, und dieses junge m wird
nun zu f, nicht mehr ie. So erklärt sich der Gegensatz zwischen
aire und -ier, zwischen heur (augürium) und foire (forea). Als
Suffix hat -ier auch das Femininum -ikre nach sich gezogen,
umgekehrt folgt vair dem Femininum, pair ist erst von paire aus
neugebildet. Die Attraktion im Femininum ist im Altfranzösischen
noch nicht vollzogen, s. § 340. Im Provenzalischen verhält es
sich ähnlich: auch hier entsteht aus arius: air, woraus weiter
eir, ieir und dazu das neue Femininum : eira. Vom Provenzalischen
und Französischen dringt das Suffix ins Italienische, von da ins
442 II- Kapitel: Konsonantismus. § 522, 523.
Friaulisclie. — Wir finden ferner im Provenzalischen Unter-
drückung des Y vor i im Konditionalis auf Wa, der zu ryd ge-
worden ist (§ 598), so in Gignac und Montpellier ^mai§i =
aimerais, in der Creuse : ])'^^'*'ioyo, meitodoyo (metairie). Sonst wird
ria zu ida , Gignac : fieida , nieida , rouerg. rihieido. Da auch
patre hier über jja?Ve (§ 493) zu paide, facere über faire zu faide
wird, da aufserdem et hier d ergiebt, so darf man in dem d wohl
das Ergebnis eines palatalen r (r) sehen.
Über das Verhältnis von -ier zu -ariu sind viele ver-
schiedene Theorieen aufgestellt worden. Erwähnt werden
sollen nur diejenigen, die für die Differenz zwischen -ier
und aire sich Rechenschaft zu geben bemüht sind.
G. Paris, Rom. IX, 331 setzt ier == iario. Allein
damit bleibt die provenzalische und die südostfranzösische
Form unerklärt, da es nicht angeht, sie als Entlehnungen
aufzufassen. Gröber, Arcli. lat. lex. I, 226 nimmt ein
vulglat. -criu an, allein das müfste doch wohl -ir ergeben,
zudem bleibt seine Beschränkung auf Gallien unerklärt. —
Ho min g, Ztschr. XII, 580 meint, arius sei mit aris
vertauscht, dies nach i-Laut zu ier geworden. Aber die
Tendenz der Sprache geht dahin, doppelgeschlechtige
Adjektiva an Stelle von einfachgeschlechtigen zu setzen,
nicht umgekehrt.
3. Die Konsonanten in Proparoxytonis.
523. Die Behandlung der Nachtonkonsonanten in Propar-
oxytonis hängt in erster Linie davon ab, ob der tonlose Mittel-
vokal bestehen bleibt oder nicht. Bleibt er, so kann man von
vornherein erwarten, dafs die umgebenden Konsonanten sich so
gestalten , wie in Paroxytonis. Im grofsen ganzen trifft auch
diese Regel zu, immerhin gestattet sie eine Reihe Ausnahmen, für
welche das Rumänische und das Italienische als die am wenigsten
synkopierenden Sprachen am meisten in Betracht kommen. Fällt
der Vokal, dann erhebt sich die doppelte Frage : in welcher
Entwicklungsphase befanden sich die zwei Konsonanten unmittel-
bar vor dem Schwund des Vokals, und wie gestaltet sich die
neue Gruppe weiter? Schon § 325 ist gezeigt worden, dafs in
bestimmten Fällen der Vokal im Vulgärlateinischen gefallen ist,
die so entstandenen Konsonantenverbindungen werden be-
handelt wie die primären. In einem Falle jedoch nicht.
^ 523, 524. Konsonanten in Proparoxytonis. 443
Ans bitxida ist vulglat. hvxta geworden : dieses jüngere x macht
die Entwicklung zu st (§ 408) nicht mit, sondern wird behandelt
wie X zwischen Vokalen, vgl. ital. husta, frz. hoHe, prov. huisto,
hxtoito. Der KUrze wegen mag im Folgenden der dem Nachton-
vokal vorangehende Konsonant als anlautend, der folgende als
schliefsend bezeichnet werden. — Schon im VulgKrlateinischen
ist c als Anlautkonsonant zu g geworden : fracidi'S zu fragidus
rnni. fraged, so ist anzusetzen plagitu, vogHu, fagere, digere. Es
ist dies die einzige Veränderung, die das Rumänische mitmacht,
vitrig aus vitrictis steht mit seinem g uneiklärt da, vergwa geht,
wie schon das gutturale g zeigt, nicht auf virgine, sondern auf
virgo + ^'^ö; zurück. Ferner scheint -agus zu -aus, -us geworden
zu sein : vertragvs, frz. vieutre, ital. veltro ; sarcofagus, afr. sarqmeu
aus *sarcofus; Hotomagvs = Bouan u. s. w.
Vgl. über plac'Hvwi, , plagHum A s c o 1 i , Arch. Glott.
IX, 104, Anm. 1.
524. Unterbleibt die Synkope, so Averden im Ital i enische n
anlautende tonlose Verschhafslaute tönend, wenn der Schlufs-
konsonant l oder r ist: segola, pegola, spigolo, luogora, agora,
peverCy povero , ricevere, wogegen v in derselben Stellung zu g
wird: fragola, tigola, frigolo, stegola, vgl. bergam. nigola, legor,
g zu j, i: dito, piato, vuoto, fräle, fare, dire, dürre, coto, ferrana,
frana aus piaito u. s. w. nach § 295 ; nur -aggine bleibt, ist aber
vielleicht nicht ganz volkstümlich. Im Süden bleibt p vgl. siz.
leyiri, neap. legere und § 295. Von den Schlufskonsonanten
erleidet nur j? eine Veränderung: vescovo, ferner h in Giacomo
und abruzz. kakJcam§ neben kakkav^ aus caccdhus. Im Westen,
im Spanischen und Portugiesischen, fällt d als Schlufs-
konsonant, es wird also behandelt wie d vor dem Tone: span.
escalio, Ilacio, limpio, livio , lucio, tivio, rancio, recio, svcio,
turhio, mnstio, daher Immedo wohl gelehrt ist, portg. rn^o u. a.
Ij und n fallen in letzterer Sprache, wie im Wortinnern : femea,
codea, lendea, landea, redea, gemeo, hiigio, espadoa, artigo, perigo,
orago, povo, regoa, cäbido u. a. Dem italienischen Giacomo ver-
gleicht sich span. canamo, portg. canamo, aber caco = "^caccavu,
caccäbus. Der anlaittende Konsonant giebt zu Bemerkungen Anlafs
in span. recio, das der Bedeutung nach zu rigidiis pafst, doch ist
der Wandel von </ zu c auffällig. Ein *recidus, das aber jünger
444 II- Kapitel: Konsonantismus. 8 £24 — 526.
sein müfste als das § 523 aufgestellte Gesetz, würde dem span,
Worte und dem alb. rek'etlic besser genügen. Sonst wird g tax
i, i: dedoj cu'ido , -en aus -agme, im Portg. steht dedo, coidar
neben -agem. Die Endung -ficare in gelehrten "Wörtern wird zu
-vigar. woraus im Span, weiter -iguar: span. pacujuar, averiguar
u. a., aportg. eivigar (aedificare), afruHivigar, testivigar F. Garda
417 mortevigar 425^ heute apaziguar, averiguar, santiguar. — Im
Provenzalischen wird d der Adjectiva auf -khi zu s, im Kata-
lanischen zu n, vgl. nprov. tebego, kat. Jcoheu, nedcu, orreu,
regeu u. s, w. — In italienischen Mundarten wird d im Suffix
-idus zu l, wenn, der Stamm auf einen Labial ausgeht, vgl. neap.
tiepolo, friaul. fumul, ebenso aven. cospolo, trespolo, aven., aret.
torhelo , torhoJo , dann aber auch aret. hrensolo aus *brensedo =
hrindisi.
525. Weit interessanter und verwickelter gestalten sich die
Verhältnisse, wenn Synkope eintritt. Wie aus § 448 ff. ersichtlich
ist, sind dieSonanten am wenigsten Veränderungen unterworfen;
dies ist im ganzen auch der Fall, wenn sie unter sich Gruppen
bilden, wie sie das Lateinische noch kaum kannte. Es lassen
sich vier Behandlungen unterscheiden : beide Sonanten bleiben,
oder es tritt Assimilation ein, oder Umstellung, oder es entwickelt
sich zwischen beiden der dem ersten homorgane Verschlufslaut.
Im einzelnen sind noch verschiedene Modifikationen möglicli.
Gleichzeitig sind auch die durch Synkope des Vortonvokals ent-
standenen Verbindungen zu besprechen. — Als allgemeine Eegel
fürs Französische mag noch Aorausgeschickt werden, dafs der
mittlere von drei Konsonanten fällt, aufser wenn er ein Ver-
schlufslaut zwischen mV, nr, s'r, r"r, m'l ist.
526. Das Lateinische kennt schon die Verbindung mn,
s. § 486 ; neu bilden sie das Eätische, die Sprachen Frankreichs
und Spaniens. Im Rätischen bleibt dieses neue mn nach dem Tone,
wird vor demselben zu nn, w, im Französischen stets wie
primäres zu mm, im Provenzalischen zu n; im Altspanischen ist
es erhalten, wird dann aber über mr zu mhr. — So haben wir
also engad. femna, aber nummar, obw. rimna =^ ruminat, aber
rumar = remenare, frz. femme, liomme, nommer, aspan. hemna,
homne, nomnar, so im Cid und im Libro de la Gaza, aber
§ 526, 527.
Konsonanten in Proparoxytonis.
445
nombrados Esp. Sagr. 36, 133 a. 1206. Dagegen asturisch fcma.
Derselbe Wandel von ne zu re findet sich auch, wow+Kons. -|-
ne zusammentreffen : licndre, landre, sangre, engh. — Im Proven-
zalischen gehen die Dialekte sehr auseinander. Am weitesten
verbreitet ist fcnno, das auch im ganzen Südosten und zum Teil
im Osten : im Berner Jura, in Champlitte, Bresse, und im Nord-
westen: femtes: regncs Wace Brut 510 u. s. w. , vorkommt.
Daneben findet sich aber die volle Form liemne im Bearnischen,
daraus liemo in der Gascogne, endlich femro, fremo in Marseille
und Nizza und fciimo in Gard. Vor dem Tone aber nur daumage,
numar. Endlich frz. damledieu ist die volkstümliche Umgestaltung
des kirchlichen domine dens. — Nm wird zu jw, Im dissimiliert:
frz. arme, dme, merme, aumaille, obw. harmier = henemorti^,
jarma aus janma = hehdomas.
527. Nr, mr, Ir wird selten geduldet: mr wandelt sich wohl
überall zu mhr, nr, Jr im Französischen und Rätischen zu ndr,
Idr, im Spanisch-Portugiesischen findet Umstellung zu rn statt,
im Italienischen und in Nord- und Nordostfrankreich Assimi-
lation zu rr.
Lat. VENERIS GENEBÜ
Ital. venerdi gencro
Engad. venderdi —
Frz. vendredi gendrc
Span, viertes yerno
TENEEU CINERE VENIBAYO VOLERAYO
icneco cenere verrö vorrö
— dcndra — —
cendre vkndrai voiidrai
cernada vendre —
tendre
tierno
Engadinische Beispiele sind noch vvdrar (honorare), spendrer
(expignorare) u. a, , italienische : marritto , marrovescio , orrata,
derrata. • — In Frankreich zeigt das Zentrum und der Westen
ndr, vgl. den Reim mcndrc: dexendre J. le March. 84, 26, für h
vgl. noch coudrc, foudre, poudre, nr, Ir bleiben dagegen im
Wallonischen , Lothringischen und in Morvan , vgl. morv. cefire,
genrc, moirtre, ist aber hier vielleicht erst aus ndr entstanden,
vgl. foinre aus ftmdere ; es wird zu rr in Lüttich und im Pikar-
dischen, vgl. die umgekehrten Schi-eibungen venrai =r- verrai Chey.
II esp. 3906 u. s. w. Auch in Pariser Urkunden des XIV. Jahr-
hunderts ist nr nicht fremd: r ctenr ons Ord. 375, 653 u. a. Aus
colynis entsteht daher pik. caure, das auch in die fi-anzösischen
Wörterbücher gedriuigen ist, courere = coudriere Champ., Morv.
446 II. Kapitel: Konsonantismus. ^ 527 — 529.
Die Beispiele für m sind wenig zahlreich : die wichtigsten sind
camera, eng, k'ambra, frz. chambre, span. camhra, numerus, obw.
diember, frz. nombre, ferner frz. remembre, span. hombro, cogomhro,
membro. Im Italienischen erscheint mehrfach mber für mer:
gambero , bombera , sgomberare und sgombrare. Die Formen ge-
hören hauptsächlich Pistoia an und scheinen für einstiges bomra
u. s. w. zu sprechen. — Noch mag marmor erwähnt werden^
woraus frz. *marmbre, marbre, aber wallon. '^marmre, marme.
528. Auch für m'l ist mbl die Regel, n'l kommt nur im
Italienischen vor und wird da zu U: lulla, spüla, mallevare, ella.
Das Französische bietet nur epingle avis spinula. Sonst also frz.
comble, semble, tremble, span. siembla, tiembla. Das Italienische
sembiare, sembrare ist französisches Lehnwort. Auch hier bleibt
das Pikardische und Wallonische bei ml, Avirft aber dann l ab:
^scme, esame = enscmble; sene, sane = Sambier in Reims u. s. w.
m bleibt meist, nur das pikardisch-lothringische assimiliert. Von
hier dringen Chälles , malle, häle, paller nach Bovelles 1533 ins
Pariser Französisch, vgl. noch heute chambellain. Vereinzelt sind
marne aus marle und poterne aus posterle. Als umgekehrte
Schreibungen sind wohl zu fassen murles = mules Am. 1977,
1653, 1993. — Im Portugiesischen tritt Ir ein: pilra (pir\ilai.
bulra, bölra, Calros, galrar u. a.
529. Ist der anlautende Konsonant s, so wird dieses vor
tonlosen Konsonanten behandelt wie in alten Gruppen § 468,
zwischen s und r schiebt sich d, zwischen ss und r entsprechend
t ein, vor tönenden Lauten wird s selbst tönend und dann zu d,
r im Spanischen, es verstummt im Rätischen, Val Soana und
zum Teil im Französischen , oder aber es wird zu r im Fran-
zösischen und Provenzalischen, oder zu d geschrieben d im Anglo-
normannischen , oder zu K im Altwallonischen. Das Italienische
bietet gar keine Beispiele, das Obwaldische battem (eng. battaisem)
neben äunkeisma. In Frankreich dagegen sind sie zahlreich:
etre aus essere, afr. distrent, escristrent; für z — r: madre, ladre,
coudre, afr. fisdrent, cidre wohl aus cisera für sicera. Vor m ist
schon vor Beginn unserer Litteratur s (z) verstummt: blasmc,
pasme stehen im Roland in «-Assonanzen, ebenso müssen meesmc,
pesme früh ihr s verloren haben. Vor l, n dagegen erscheint im
§ 529 — 531. Sekundäre Küusouautengruppen. 447
Ang-lonorinaiiiiischen d, iirsprUugiicli d: meäler, vadler, madlei\
cliaidne, podnee, rampodnee IV Livr., idle, grcdle Phil. v. Thaon,
nongl. meddle, medlar. Auf dem Festlande wird isn, asn über
ijn, ajn zu in, an, vgl. diner, äne, als dialektisch wird medie,
ede (acinus) angegeben, vgl. auch gemeinfrz. cygne. Im Alt-
wallonischen (Gregor, Hiob, Poeme moral) erscheint /^ vor n
und m: aJmcsse, railmahle, hlalimer, heute aber wird kein Laut
gesprochen: emai, ebenso vor anderen tönenden: rezoaliij
vaJet, amnnc. Endlich pikardisch r: derver, orfraie, varict, merler,
torjors, almorne^ harte Chev. II esp. 2674 u. s. w. ; davon gehört
orfraie der Schriftsprache au, die Beispiele von rl waren im
XVI. Jahrhundert der Pariser Aussprache nicht unbekannt.
Auch im Provenzalischen und den Südwestmundarten findet sich
auniorne. In Val Soana verstummt s: lena, medetn, maind, dinar,
ftdino, grela, aber Hla'war aus disliquare.
Zum Französischen vgl. G. Paris, Rom. XV,
617—620.
530. Treten die Sonanten mit Konsonanten zusammen, so
erfahren sie dieselbe Behandlung, wie bei primären Gruppen: l
wird zu #, M § 476, m wird vor Dentalen zu n. Der Abweichungen
sind wenige. Im Provenzalischen wii*d auf bestimmtem Gebiete
n zu r, wenn es mit v oder g zusammenstöfst. Der Umfang der
beiden Erscheinungen ist noch nicht bestimmt. Für ersteres
sind die Beispiele cannabis und tenuis: daraus entsteht derve,
tcrve Saintonge, liarhe Languedoc, öerhe Limousin, öerhi in Velay
u. s. w., karhe in Tarne. Sodann marge = manica, murge, serbe
vgl. vermd (minimare) Coulognac und Rouergue. — Auch im
Obwaldischen kommt das vor: marveigl ==■ mane vigü. Aber in
Mons tem aus tenvis, Jcam aus cannabis, vgl. dazu frz. charme aus
carpinus. — Die Assimilation von mt zu nt kennt das Bünd-
nerische nicht, es spricht vielmehr: aumta, semta u. s. w. —
Ferner weicht das Französische bei synodns : scnne und bei anate :
anne ab: jenes ist ein Kirchenwort und hat daher die Endung
einfach abgeworfen, vgl. § 339, dieses lällt in die § 326 be-
handelte Klasse, hat also als Zwischenformen *änade, *änede,
*ünee.
531. Ist der Anlautkonsonant ein g (= kl.-lat. ge oder ce
523), und trifi't dieses ^ mit t, d, r zusammen, so wii-d die
448 II' Kapitel: Konsonantismus. § 531, 532.
neue Gruppe ganz so behandelt wie die ursprünglichen et, gd, gr.
In Betracht kommen auch hier nur die Idiome Galliens. Aus
placüum, facitis, dicitis, cicere, facere^ dicere, cocere entsteht |)?ai^, faites,
dites, ceire, faire, dire, cuire. Wie ferner digita zu afr. doie wird,
so cogHat 7ax cuie, *magida zu maie. Aber vor dem Tone wird
cogitare, '^aitare, '^plagHare zu cuidier, aidier, plaidier, und so wird
auch afr. vuit^ vuide von vuidier = *vogitare beeinflufst sein. In
amkitate ist durch Einflufs von amicKS , amica, in fe'cerunt durch
feci, fecisti das c vor dem Wandel zu g bewahrt worden. End-
lich rigidus wird roid, danach Fem. roide statt *roie; das daneben
stehende afr. redde geht vielleicht auf rccidus § 324 zurück.
Der Wandel von c zu g scheint nicht eingetreten zu sein, wenn
der Schlufskonsonant l oder m war : gracüis wird zu graisle,
danach afr. fraisle statt fraile, acinva zu aisne, cicinus zu cisne.
Es bleibt daher zweifelhaft, ob afr. dismes sein s von die bezogen
und faimes die organische Form sei, oder ob umgekehrt dismes
den Lautgesetzen entspreche, dagegen faimes nach faitcs umgestaltet
sei. Treten im Spanischen und Portugiesischen c und t zu-
sammen, so entsteht c: span. reear, portg. amizade (span. amistad
nach podcstad u. dgl.), a(^or (aspan. bald mit f , bald mit z) =
acceptöre, plazo aus dem schriftlateinischen pJacitvm ; azorera schon
a. 812 Hisp. sag. XXXVII esc. 8, neben aztorera XXXVIII 6.
a. 976. Hier mag erwähnt werden, dafs im Mazedonischen ts, ds
in Verbindung mit dem Artikel zu s, z wird : oaspits aber oaspisU,
eds aber czli.
532. Ganz anders gestaltet sich die Sache aber, wenn nicht
g, c\ sondern ng, nd, rg, rc, sc' im Anlaut stehen. Im Auslaut
haben wir in diesem Falle nur r, das einzige angelus kommt im
Französischen nur in Buchform vor. Ng ist schon vulgärlateinisch
zu n geworden, n -\- r aber wird zu fidr, indr. Mg müfste ent-
sprechend /r, rdr ergeben, da das Französische aber kein r kennt,
entsteht einfach rdr. C' nach Konsonanten wird zu s, das mit r
sich zu str verbindet, und nun tritt wieder derselbe Vorgang ein :
nstr wird zu nslr , instr, intr , str zu istr, dagegen rstr zu rtr,
vgl. ccindre, p)eindre, plaindre, joindre, poindre, aerdre, terdre,
sourdre; veintre, croitre,. conaitre, naitre, pattre, chartre. Statt
tordre erwartet man tortre, vgl. darüber die Konj. Xfr. vaincre
ist von vaincu aus gebildet. Fovdre aus fiägur kann auf zwei
S 532 — 534. Hekundäre Konsonantenverbindimgen. 449
Arten erklärt werden : entweder es geht von vulglat. fulgvr aus,
und g zwischen zwei Konsonanten ist gefallen, bezw. die
ungewohnte Verbindung Igr durch die beliebte Idr ersetzt worden,
oder die Grundlage ist fulgere, vgl. prov. folger, rum. fulger,
woraus foler, foldre (vgl. fuüdre OP.), foMre, vgl. mieis aus
melius. Für die zweite Auffassung spricht hougre aus hulgarus.
Es fragt sich, wie sich dazu die Mundarten stellen, die nr , sr
behalten. Im Lothringischen steht neben et (frz. etre) , Jcos aus
cos^re, JcraJi, ebenso wall. Jcoes, TcreU, hier auch es, ferner mud aus
miügere. Daneben aber lothr. zed (jüngere), M§d (extinguere),
wall, pont (pmgere), femer sond, sont = cinere. Das letztere ist
nicht klar, die anderen zeigen eine andere Behandlung für n als
flir n: jenes entwickelt leichter ein d als dieses. Noch mag
erwähnt werden, dafs im Poeme moral crescere zii creistre, nicht
croistre, also zu hrestre Avird, ebenso vincere zu venire.
Die hier behandelten Formen sind schon oft besprochen
worden, zuletzt von Neu mann, Littbl. 1885, 244 Anm.
und von Koschwitz, Kommentar 71 — 74, wo die
ganze frühere Litteratur verzeichnet ist. Neumann
nimmt nach Cornu, Rom. VII, 367 an, als c, g noch
gutturalen Laut hatten , sei die Synkope vor r ein-
getreten, dann der Guttural zum Dental geworden, das
i sei analogisch übertragen von 2. 3. Sg. Ind. Praes.
aus. Gegen die hier vorgetragene auf A s c o 1 i , Arch.
Glott. n, 119, Anm. 1, Mussafia, Littbl. 1883, 279
luid Hörn in g, Lat. C. 119, 1 beruhende Erklärung
wendet er ein, dafs dann auch facere zu fastre hätte
werden müssen, übersieht dabei aber, dafs zwischen inter-
vokalischem und nachkonsonantischem c, g ein grofser
Unterschied besteht. — Koschwitz geht aus von ven-
tyere, venty're, venire oder venisere, venis're, venisire, mufs
aber bei letzterer Auffassung das ein in veinire aus der
2. 3. Sg. erklären, und liefert den Beweis nicht, dafs
vincii früher synkopiert worden sei als vincere. Die
erste scheitert an fisdreni, bei dem die Synkope gleich-
altrig ist mit derjenigen in vincere.
533. Steht if (§ 462) im Anlaut, so wird es im Spanischen
nicht weiter zu ch entwickelt, sondern wird rein dental : airil,
prieto aus pectre, behciria, peiral, äbuiire.
534. Ist der Schlufskonsonant l und tritt es zusammen mit
t, so bleibt diese junge Gruppe il im Provenzalischen erhalten,
Meyer, Grammatik. 29
450 II- Kapitel: Konsonantismus. 8 534, 535.
wird im Italienischen zu 11 , im Kordfranzösischen zu il, im
Rätischen zu dl, im Spanischen zu Id, vgl. spatula: prov. espatla,
ital. spalla , frz. epaule, eng. spedla, span. espalda; ital. crollare,
frz. crouler, eng. rodler; prov. Botlan , frz. Holland, span.
Moldan; frz. soulier, prov. sotlar; span. rolde, cahildo , tilde,
eneldo j toveldo Cid 3322. — Tritt Z mit ^ zusammen, so bleibt
das gf, nur im Nordostfranzösischen wird es assimiliert: frz.
sei^fZe, aber S6i?e N.E. XXVIII, 100 a. 1265 Valenciennes, 128 a.
1269 Meuse; aveulles J. de Thuim. Hat aber zwischen g und
l ein M gestanden , so wird g labialisiert : tieule aus tegula,
Heule aus regula. Ebenso im Westrätischen, vgl. eng. mieula
aus mieula.
535. Schliefsendes n assimiliert sich im Französischen an-
lautende Labialen und Dentalen*, im Spanischen wird tn zu nd.
Vgl. frz. Etienne, antienne, afr. juevne, später jewwe, rene, auronne.
Merkwürdig sind die Schreibungen joenvre, Estienvre M. S. Michel
65, 1461, 495, wo der Vokal über das v nasaliert wird und ne
sich zu re wandelt wie in juevre Cliges 2861 , und dies ist die
gewöhnliche Darstellung von ne in Schriftwörtern: ordre, coffre.
Spanisch: rienda, pendado, pendeja, candada, handulho aus arab.
hatn, dandos aus dadnos Cid 2081. Die Zwischenstufe ist ntn, vgl.
andado aus andnado, antenatus. Auch In kommt dialektisch vor:
aJnado, calnado. — Schwierig sind die Vertreter von -tudine, afr.
-turne in coustume, span. -umhre. Ital. costume, eostuma sind der
Entlehnung aus dem Französischen verdächtig, im Provenzalischen
liegt nur cosdumna, ordumna vor, im Rätischen oberhalb st. -idna,
eng. -Unna, obw. -enna. Die letzteren sind alle klar, dagegen ist
frz. -ume, span. -umne mit -udine kaum direkt zu verbinden, viel-
mehr ist Suffixvertauschung anzunehmen : -umen , -umina an
Stelle von -udine. Grleichgebaut ist vulglat. incudine, frz. enclume,
das merkwürdigerweise dieselbe Gestalt hat, aber schon deshalb
nicht zur Erklärung geeignet ist, weil es ein ganz ungehöriges l
enthält. Meist ist in diesem Worte -udine durch -ugine ersetzt
worden , vgl. siz. inkuniya , berg. enhize , prov. enMüge u. s. w.
Span, ayunque ist völlig dunkel.
Vgl. Ascoli, Arch. Glott. III, 368 Anm. ; Gröber,
Arch. lat. lex. I, 553 ff. Versuche, -umne aus -udne durch
Assimilationen und Dissimilationen zu erklären von
ß 535 — 538. Sekundäre Konsonantenverbindungen. 451
J. C o r n u , Eom. VII, 365 (tunine, tumine) und L, H a v e t
ib. 591 (uhine, iibne, umne) sind nicht überzeugend.
536. Endlich erscheint auch c als Schlufskonsonant in
unclecim u. s. w. , vor dem Tone in dodecina, femer in vulglat,
sudicus für suddus. Infolge gegenseitiger Assimilation entsteht
daraus dz, das im Italienischen gedehnt ist: ital. dozzina, sozzo,
frz. doiize, treize, aspan. doze, freze, portg. doze, treze. Ferner ist
hier zu erwähnen aurifice, span. *orevge, ^orepce, orespe, aber
portg. ourivcs. Wie hier, so ist die Stufe des anlautenden Kon-
sonanten geblieben auch in Fällen wie marcidiis , ital. marcio,
span. marclio, in imntice, ital. pancittj span. xmnclia, in cortice,
span. *corche, daher corclio.
537. Sind beide Konsonanten Verschlufslaute , so werden
die neuen Gruppen meist behandelt, wie die alten; im Fran-
zösischen hat der Zusammentritt stattgefunden, bevor die tonlosen
Verschlufslautc tönend wurden, auf den anderen Gebieten nachher.
Vgl. die Beispiele § 332 — 336. Wörter wie frz. code sind natür-
lich gelehrt.
538. Verwickelt wird die Sache, wenn der Schlufskonsonant
tönend, der anlautende tonlos oder umgekehrt ist, oder Avenn im
Anlaut eine Gruppe steht, deren zweiter Laut dann mehr Wider-
stand leistet, oder wenn der Anlaut vor der Synkopierung zum
Spiranten geworden ist. Im ersteren Falle siegt die Stufe des
Anlauts: frz. motte aus muccidus, afr. flaistre aus fluccidus, piege
aus pedicu. Im zweiten Falle zeigen ital. , span. andare aus
amhitare, frz. hondir aus homhitire, afr. goiirdc, courge, ourde
reziproke Angloichung. Der dritte liegt vor in span. -aticu,
dafs über adcgo zu üzgo, dial. -algo wird, vgl. noch nazga
und nälga, juzgar, juzgo. Ebenso fm: hizma , marezrna, leon.
selmana. Anlautend v (aus klassisch - lateinisch b) wird im
Spanischen zu u : deuda , heudo , raudo , lauda , codo , dndo,
leon. zu i: coldo , delda, duldar , muclda, alce u. s. w.,
dulda Oscas 1266 F. d. Aviles 78, dolda 1270, S. 79; 1281,
S. 85 ; aspan. malacho ist Lehnwort aus dem Katalanischen.
Einen besonderen Fall bildet französisch -aticu. Als die Syn-
kope eintrat, war c schon zu j abgeschwächt, daher atije,
adije, was weiter zu adje, afr. adge, age geworden ist. Ebenso
29*
452 II- Kapitel: Konsonantismus. 8 538 — 540.
sikge aus sedicum. — Besonderer Erwähnung bedürfen noch coude
lind coute, malade und ostfrz. mol^tu. Vergleichen wir diese mit
nache gegenüber -age, so drängt sich die Annahme auf, dafs bei
auslautendem a die Synkope eher eingetreten sei als bei aus-
lautendem u : cuvita wäre zu cuvta , coute geworden , wie natica
zu natca, nache, dagegen cuvitu zu citvidu, coude Avie aticum,
atiju, age.
539. Die meisten bisher betrachteten Fälle zeigen die Be-
handlung romanischer Konsonantengruppen nach dem Tone. Vor
demselben treten die nämlichen Erscheinungen auf, einen be-
merkenswerten Unterschied hat nur das Nordfranzösische auf-
zuweisen : während es nach dem Accente den tonlosen Laut meist
bewahrt, läfst es vor demselben den tönenden eintreten. Man
vgl. : revanclie aber venger, plait, faites aber plaidier, cuidier,
vuidier, ante aber landier, ferner charger, forger, berger, afr. revider
aus revisitdre. — Sodann zeigt das Französische vor dem Tone
bei sekundärer Verbindung rr aus nr: afr. derre'e, afr. merrai,
II aus nl: tollieu u. a.
540. Endlich sind noch einige merkwürdige Erscheinungen
in gelehrten französischen Proparoxytonis zu erwähnen. Dafs die
Schlufssilbe ganz abgeworfen werden kann, ist § 339 erwähnt.
In anderen Fällen wii-d ne zu re: titre, ordre, coffre, Wandre,
diacre, pampre, timbre, encre. Aus medicus entsteht ferner mire,
aus sudica: surge, dazu gesellen sich grammaire , daumaire,
artimaire, firie aus "^fiticum, dann mit r für di: estnire, remire,
homecire, Gire, envirie. Das gemeinsame dieser Beispiele ist, dafs
di nicht wie altes di zu i oder wie junges zu g wird, sondern
über d zu r. Wir müssen annehmen, dafs z. B. medicus erst in
die Sprache aufgenommen wurde, als sedicum schon siege oder
wenigstens siedie lautete. Danach wurde f noch diphthongiert,
d wandelte sich in d, c konnte noch fallen, vgl. moine § 326,
es entstand also aus medicu zunächst miedie. Ebenso konnte
damals t noch zu d werden : grammddica, grammadie, grammadie,
dann (vgl. § 340) micide, gramaide, mire, grammaire. Über Gilie
s. § 590.
Vgl. A. Tobler, Eom. II, 241—244; G. Paris,
Eom. VI, 129—133; L. Havet, Eom. VI, 254—257,
dem im ganzen die obige Erkläi-ung angehört.
§ 541.
Doppelte Verschlufslaute.
453
4. Die Doppelkonsonanten.
541. Die lateinischen Doppelkousonanten. Nur
das Italienische behält die lateinischen doppelten Verschlufslaute
als gedehnte Konsonanten bei, alle anderen Sprachen verkürzen
sie und lassen sie dann weiter die Änderungen der Silbe anlauten-
den Konsonanten mitmachen.
Lat.
GUTTA
GLUrTÜ
CATTU
MATTA
MITTEKE
ßum.
gutä
inghit
—
—
—
Engad.
aguotta
—
^at
—
metter
Ital.
gotta
ghiotto
gatto
matta
mettere
Frz.
goutte
glout
chat
natte
mcttre
Span.
gota
gloton
gato
nata
meter.
Lat.
SAGITTA
LITTEEA
*BATTIT
QUATTÜOR
PUPPE
Rum.
sageata
—
patru
Engad.
sagetter
—
hat
quatter
—
Ital.
saetta
lettera
hatte
quattro
poppa
Frz.
saette
lettre
bat
qiiattre
poupe
Span.
saeta
letera
hate
cuatro
popa.
Lat.
CUPPA
STUPPA
STBUPPU
LAPPA
CIPPU
Rum.
cupä
stupä
—
—
Engad.
coppa
stoppa
—
öep
Ital.
coppa
stoppa
stroppo
lappa
ceppo
Frz.
coupe
etoupe
eirope
—
cep
Span.
copa
estopa
estropo
lapa
cepo.
Lat.
CAPPONE
BüCCA
VACCA
SACCÜ
BECCU
Rum.
cäpun
hitcö
vacä
sac
—
Engad.
k'epun
huok'a
vak'a
sak'
—
Ital.
capone
hacca
vacca
sacco
hecco
Frz.
chapon
houche
vache
sac
hec
Span.
capon
hoca
vaca
saco
heco.
Lat.
MUCCU
PECCAT
SICCU
Rum.
muc
pacat
sec
Engad.
—
pek'a
sek'
Ital.
moccolo
pecca
secco
Frz.
moucher
phche
sec
Span.
moco
peca
seco.
454
II. Kapitel: Konsonantismus.
541—544.
Vgl. noch futtere ital. fottere, ah. fottre, sappinus frz. sapin,
floccus ital. fiocco, span. leco u. s. w. ; dd erscheint nur in reddere,
das von seinem Gegenteil prendere ein n übernommen hat: ital.
rendere, span. rendir, frz. rendre. Im Provenzalischen aber erscheint
auch reddre, kat. retre, tirol. ret§r. Hb in gihhvs, gnbbvs, span.
agohiar, ital. gohho, kat. ö'^i?, geberut, vgl. noch § 546. — Nicht
klar ist die spanische Form estrovo neben estropo. — Neben frz.
chiche, span. chico, lat. ciccum steht ital. cica, cigolo. — In ecdesia
ist ccl zu cl geworden^ frz. eglise, prov. glieiza, span. iglesia.
542. Lateinisch »in bleibt im Italienischen, wird n im Rum.,
Eät., Portg., Prov., Franz., n im Spanischen.
Lat.
ANNU
PENNA
CUNNU
PANNÜ
NONNU
Rum.
an
panä
—
Engad.
ann
—
—
—
Ital.
anno
penna
conno
panno
nonno
Frz.
an
penne
con
pan
nonne
Span.
ano
pena
cono
pano
nono
Portg.
anno
penna
conno
panno
—
Neben pannvs steht depanare, ital. dipanare, span. devanar,
portg. dohar, prov. debanar ; es hat also schon im Vulgärlateinischen
vor dem Tone Vereinfachung stattgefunden. — Femer scheint
in Frankreich nach langen Vokalen n eingetreten zu sein :
strena für strenna, bearn. estrea, estred, (strenare), afr. estrainne:
quintainne Clig^s 1299; paine Chev. II esp. 3643, piem.
screina. — Auffällig ist friaul. vandi = vannere, tirol. vand.
543. Lateinisch wm liegt nur in flamma, mamma, gemma,
sitmmu vor, ital. fiamma, mamma, gemma^ sommo, frz. flamme^
maman, gemme, son, span. llama, mama, yema, somo. — Statt
dammu , damma wird damus, damo vorausgesetzt von afr. dain,
ags. da.
544.
Lateinisch rr bleibt:
Lat.
FEKRU
TEKBA
CAREU
CUEEIT
TÜRE]
Rum.
fer
^arä
car
eure
—
Engad.
ferr
terra
Jc'arr
kuorra
tuorr
Ital.
ferro
terra
carro
corre
torre
Frz.
fer
terre
char
court
tour
Span.
Tiierro
tierra
carro
corre
torre.
§ 544, 545.
Doppelte Sonanten.
455
Eine von r abweichende Artikulation des rr wird fürs
Spanische, Portugiesische, Provenzalische und Mittelfranzösische
angegeben : es wird wie das anlautende alveolar mit starker
Eollung gesprochen, vgl. Leys d'Amors I, 38 : „Cant r es pauzada
entre doas vocals, ez en fi de mot, e sona fort et aspramen :
adonx deu esser doblada."
545. Die Schicksale des U sind ziemlich verAvickelte. Neben
der Erhaltung als 11 im Italienischen, als l im Französischen und
Portugiesischen, finden sich bald bedingt, bald unbedingt ver-
schiedene Änderungen. In Sardinien, Sizilien, Kalabrien, Apulien,
Xeapel wird II zu dd, in Spanien zu f, das sich andal. weiter
zu y entwickelt: Jcaye; im Bearn., wenn es zwischen Konsonanten
bleibt, zu r, wenn es in den Aiislaut tritt, zu t, f, iy. Im Rumä-
nischen wird es vor a zu u und fällt dann wie jedes andere u
(§ 442); im Westrätischen wird -llu zu L Vor dem Tone ist
es portugiesisch frtihzeitig zu l geworden und wie altes / gefallen.
Im Französisch-Proyenzalischen ist l nach langen Vokalen früh-
zeitig vereinfacht worden.
Lat.
ILLA
BELLA
SELLA
MEDULLA
CAEPULLA
Rum.
(ea)
sea
muditä
Engad.
ella
hella
sella
migul
—
Ital.
dla
hella
sella
midolla
cipolla
Sard.
idda
hedda
sedda
meuddu
kibudda
Frz.
die
helle
seile
moelle
—
B^arn.
ere
here
sere
medut
—
Span.
ella
—
silla
meollo
cebolla
Portg.
eile
—
sella
miola
cebola.
Lat.
PULLU
CUCULLU
SATULLU
NULLU
GRILLÜ
Rum.
imiu
cucuiu
sätul
--
grel
Engad.
—
—
sadvil
—
gril
Ital.
pollo
cocullo
satollo
nullo
grillo
Sard.
pnddu
cubvtddu
— ■
fiudda
—
Frz.
poule
coide
soül
nul
—
Bearn.
—
—
sadut
—
grit
Span.
pollo
cogollo
—
—
grillo
Portg.
pollo
cogido
—
—
grillo.
456
II. Kapitel: Konsonantismus.
545.
Lat.
CABALLU
FOLLE
VALLE
PELLE
ILLE
Rum.
cal
foäle
vale
piele
Engad.
Jcaval
fol
val
pel
el
Ital.
cavällo
folle
volle
pelle '
quelle
Sard.
caddu
fodde
vadde
pedde
iddu
Frz.
clievdl
fol
val
(pel)
ü
Bearn.
—
—
hat
pet
H
Span.
caballo
fuelle
valle
piel
eile
Portg.
cavallo
folle
volle
pelle
eile.
Lat.
VILLA
MILLE
STELLA
Rum.
—
steo
Engad.
mil
staila
Ital.
Villa
mille
Stella
Sard.
hidda
—
stedda
Frz.
ville
mil
estoile
Bearn.
hile
mil
estele
Span.
Villa
mil
—
Portg.
Villa
mil
—
Zu der Vereinfachung von II zu l nach langen Vokalen, die,
wie die Beispiele zeigen , dem Rumänischen , Italienischen und
Spanischen fremd ist, gesellt sich noch ölla, span. olla, rum. oalä
(statt oaä vom Plural oale), aher afr. oule, eule, gask. uro. —
Hier sind noch die Vertreter von hetulla oder hesser hetullum zu
nennen. Das in lateinischen Texten vorkommende hetula hat
keine Gewähr, ital. hetula ist ein Bücherwort, vgl. daneben hidollo,
afr. heoul, bearn. hedut; schwierig ist span. ohedul, vgl. § 313,
doch würde auch hetula nicht genügen. — Beispiele für den Fall
von vortonigem U im Portugiesischen sind cangosta = call-
angusta, afagar Ableitung von fallax, vidoeiro = hetullariu, faisca
aus *follisca, ^falliva, gall. desatoar = span. desatollar, portg.
desatolar. Auffallig ist enguia (anguilla) , auch span. anguila
aber sard. amhidda. — Das Bearnische fordert noch besondere
Beachtung. Zunächst ist der Wandel von II zu r um so auf-
falliger, als sonst gerade II fester ist als l. Schwieriger noch
ist die Geschichte des -II. Man wird doch wohl anzunehmen
haben, dafs II zunächst zu t (nicht d wegen des Auslautes) wird,
das dann weiter sich zu t bezw. t entwickelt. Der Laut schwankt,
§ 545, 546.
LL, SS.
457
in den Bergdialekten scheint er bis zu ö vorzurücken. Im
XII. Jahrhundert herrscht die Schreibung d, t vor: castetl L6zat
1189 ; flaget Bigorne XI. — XII. Jahrhundeft, doch casteg Soul 1232.
Ascoli, Arch. Glott. III, 78 erklärt anders: Tis wäre
zu Uz geworden (§ 565), Avoraus z, ts , ö, doch ist dies
wenig wahrscheinlich mit ßücksicht auf Fälle wie debat
(devalle) , ahat, aquet und wird keineswegs durch die
Urkunden bestätigt.
Fürs Altprovenzalische ist hier die Bemerkung der
Leys d'Amor I, 38 wichtig: „Aquesta letra l sona fortamen coma
catitela, sala, mal, mala, en antra maniera sona suaumen coma
piucela, renoela, caval, cala; perque catitela e heia no fan plazen
rima ni cautela am pmcela , ni caval am mal, ni mala am cala,
et en ayssi de lors semblans." Daraus wohl das nl in Gignac,
Gard, Colognac, Lansargues. — Daneben kommt auch l vor:
Ariege muzul (medulla) , sadul, mol, col , fol, ebenso Tarn:
sadul. Auf pulleus statt imllns führen rum. xmiu, bearn. pul,
lothr. poy , sard. puzone. Kum. scinfeie stammt, wie auch der
Anlaut zeigt, aus dem Albanesischen , ebenso portg. centeTha aus
dem Spanischen. Über prov. nulh, portg. nuDw s. die Formeu-
lehre. — Spanisch celda, pildora, hulda sind jüngere Entlehnungen,
zu Id aus II vgl. pendon aus pennon. In polilla zu pollen, in
bog. galilla zu gallo liegt Dissimilation vor. Endlich neila aus
nigella geht durch die Mittelstufen neilla, neilla, neila.
546. Lateinisch ss bleibt im Italienischen als tonloses ge-
dehntes, in den anderen Sprachen als tonloses s; wo anlautend s
zu S wird (§ 417), folgt natürlich auch s aus ss.
Lat.
Rum.
Engad
Ital.
Frz.
Span.
BASSU
KUSSU
bass
basso
bas
rosso
CEASSU
gras
grass
grasso
gras
graso
Dazu die Endung des Impf. Konj. und die Partizipien auf
ss. — Im Spanischen scheint j einzutreten, wenn ss am Schlüsse
von betonter Antepaenultima steht : pajaro, pejego (persicum). Die
übrigen Beispiele für j aus ss sind anders zu erklären : rojo geht
mit portg. roxo, rum. ro^ auf russetts oder roseus zui-ück, bajo
GROSSU
PASSEEE
PASSU
gros
paser e
pas
grcess
—
pass
grosso
passere
passo
gros
passereau
pas
grneso
pajaro
paso.
458 II- Kapitel: Konsonantismus. 8 546 548.
gehört zu hajar (*hasseare) , in cejar darf man vielleicht an
Dissimilation denken. Hier mag noch bemerkt werden ^ dafs
griech. y7vCüoaa zu glösa wird , vgl. ital. chiosa , ags. glesan. —
Eine eigentümliche Stellung nimmt das Kalabresische ein,
sofern es nämlich gedehnten Konsonanten n vorschlägt, \gl.
mintiri = metterc , micnzu = mezzo , snnkifrriri =^= soccorrere.
yinibu = gibbii.
547. Es giebt eine kleine Zahl von Fällen, wo einzelne
oder alle romanischen Sprachen dem lateinischen einfachen Kon-
sonanten doppelten gegenüberstellen. Nicht hierher möchte ich
gJiittus , cippus ziehen , da die Formen glvtns , dpvs keineswegs
verbürgt sind. Wohl aber cüppa neben cUpa (§46 und 118), deren
gegenseitiges Verhältnis nicht klar ist. Das Wort ist zu den
Kelten und Germanen gewandert : es ist also wohl denkbar, dafs
die Umgestaltung von cüpa zu cüpjpa im Munde der Fremden vor
sich gegangen ist. — Neben span., portg. todo = tottJS weisen ital.
tidto, frz. tout, rät. tut auf ein von dem Grammatiker Consentius
getadeltes fottvs zurück. — Gegenüber lat. hriittts scheinen ital.
'brutto, span. bruto, rät. brüt, frz. bnd eine Form hruttns zu
fordern : doch wird das Wort erst zu einer Zeit in die Sprache
gedrungen sein, wo aufserhalb Italiens H" schon zu d geworden
Avar. Sicher scheint dies für rät. , oberital. , prov. vHa , bearn.
bite , afr. vite neben vida, vie, für ital. cetto neben span. ccdo,
für frz. tapis u. a. — Span, cällar, portg. calar, bearn. Icara, siz.,
kal. kaddari (schweigen) werden zu calare gestellt, ohne dafs 11
gerechtfertigt würde. — Ital. serrare, span., portg. cerrar, frz.
Server aber lat. serare. Das romanische Wort ist eine Kontami-
nation aus serare und sarrare. Span, cmllar darf wohl als Ver-
mischung von ejidare und uUulare gefafst werden. Unklar bleiben
span. lioTlm = fulligo statt füligo, carrizo zu carecc^ pella zu p)tla,
frz. bette. — Zu scheiden sind im Lateinischen müccus Rotz,
ital. mocco , frz. movcher, tmiccidns, frz. moiste und mUcere
schimmlig werden, mucidus schimmlig. Aus einer Vermischung
beider erklärt sich frz. woisir == *niücire neben kat. mosir =
^muccire.
548. Die romanische Doppelkonsonanz. Unter
den romanischen Sprachen besitzt nur das Italienische gedehnte
S 548. Italienische Doppelkonsonanten. 459
Konsonanten, abei- nicht mehr das Umbrisch-Aretinische und
Oberitalien ; das Französische und Portugiesische kennt die Doppe-
lung blofs in der Schrift, das Rumänische überhaupt nicht, das
Spanische imterscheidet rr von r, doch betrifft der Unterschied
nicht die Dauer, sondern die Artikulationsart : rr ist wie anlauten-
des r gerollt.
Die italienischen gedehnten Konsonanten entstehen in
vielen Fällen durch Assimilation, s. die Beispiele § 458 ff. ; sodann
durch den Einflufs eines italienischen y § 505 ff., eines r § 494.
Auch g wird nachtonig stets doppelt geschrieben, vgl. § 524;
das einzige arogere macht Ausnahme, pregia ist von pregiare be-
einflufst ; ferner 2Z stets in Erbwörtern. Sodann wird oft gedehnt
der Schlufskonsonant der betonten Silbe von Projiaroxytonis :
commodo, cattedra, femmma, und entsprechend der Schlufskonsonant
der ersten Silbe von auf der dritten betonten Wörtern : pellegrino,
tollerare, cammware, accademia, cioccolatte, givhhilio. Häufig wird
der Konsonant nach tonlosem Anlautvokal gedehnt in Anlehnung
an die mit ad*"*''*, so^"'^-"' gebildeten Wörter : accidia, allodola, avvol-
tojo, ebenso uccello nach uccidere, immagino, commedia, alt sollazzo.
Bottega ist an hotte, penneccMo an penna angelehnt. Ferner
tritt Dehnung nach kurzen Vokalen ein : David wird Davidde,
e'xsücus über exsücus zu sciocco, döpö zu döppo; farahvtto aus
span. faraute.
Vgl. D'Ovidio, Rom. VI, 199; Schuchardt eb.
593; De Lollis, Studi di fil. rom. I, 407.
Im Altfranzösischen werden von den lateinischen Dopjjelkon-
sonanten nur ss und rr beibehalten, die sich auch in der Aussprache
von s und r unterscheiden § 544 und 546. Neue Geminaten ent-
stehen durch Assimilation: sl zu II: ille, malle, melier in Hand-
schriften verschiedener Herkunft; tr zu rrnach dem Tone namentlich
in agn. Handschriften, z. B. Oxf. Ps., daneben aber schon frühe
auch die Schreibung mit r: remcmhrerre 0. P. 73, 18 -ere 6, 5;
merre 21, 9 mere 51, 6; aiderre 53, 4 ajuere 9, 9; peire Rol.
2237 2)ere 1421. Brandan 85 reimt: frerre: ere. Vor dem Tone
bleibt r § 495; sr: sovrrist Brut 1494; girrai C. P. 138, 9 u. a. ;
nr § 539, ss aus scf' , sty, rr § 527. Endlich Zusammentritt zweier
r: mosterrai u. dgl. Die Geschichte dieser Doppelkonsonanten ist
mehr eine Frage der Orthographie als der Aussprache.
460 II- Kapitel: Konsonantismus. 8 548 549.
Vgl. 0. F a u 1 d e , Über Gemination im ÄUfrangösischen,
Ztschr. IV, 542—570.
Zum Schlufs mag noch erwähnt werden, dafs das Italienische
die Tendenz hat, unmittelbar vor dem Tone Konsonanten zu
vereinfachen : puledro, prcsaccMo, vanello, canocchia.
C. Die Konsonanten im Wortauslaut.
1. Der lateinische Auslaut.
549. Bei der Behandlung des auslautenden Konsonanten
zeigen einsilbige Wörter andere Regeln als mehrsilbige : die
unmittelbare Verbindung eines Konsonanten mit dem betonten
Vokale giebt jenem eine gröfsere Festigkeit. Ferner schliefsen
sich einsilbige eher an folgende an, namentlich wenn sie syn-
taktisch Avenig oder keine Selbständigkeit haben. In diesem Falle
steht ihr auslautender Konsonant in That und Wahrheit im
Inlaut. Hierher sind in erster Linie zu rechnen si(h, ad, in, cum,
et, aut, nee; ah, oh fehlen im Romanischen. Der Auslaut dieser
Präpositionen wird denn auch behandelt wie der entsprechende
Laut im Wortinnern. Suh hat sich nur im spau. so, portg. soh
erhalten : eigentlich sollte so vor konsonantischem , soh (sov) vor
vokalischem Anlaute stehen; letzteres ist verloren, das portg. soh
scheint halbgelehrt zu sein. Äd erscheint im Ital., Prov., Afr.
als a vor Konsonanten, ad bezw. az vor Vokalen, sonst überall
als a, vgl. afr. Eul. 22 ad vne spede, Alex. 7 c ad escolc, 9 b
ad un conpta 13 b ad apcler neben Eul. 25 a cid Alex, a halte
79 a, und schon a un 40 a. In zeigt die Behandlung von
inlautend n, ital. in, span. en, portg. em, prov. en, e (vor s, f, v
§ 484), frz. en. Vor Gutturalen ist das n guttural, vor Labialen
wird es m, vor Palatalen n, ohne dafs die heutige Orthographie
das zum Ausdruck brächte: mittelalterliche Denkmäler sind da
häufig genauer so afr. am hailide Alex. 7 d, em pur 44 d, ähnliche
Beispiele liefsen sich auch aus dem Provenzalischen, Altitalienischen,
Altspanischeu , Altportugiesischen u. s. w. bringen. Im Portu-
giesischen sollte en vor Vokalen zu e werden § 450, es ist aber
die vorkonsonantische Form verallgemeinert. — Cum ist vor
Dentalen und f, v zu con geworden, diese Form ist dann auch
die vorvokalische ital., span. con, portg. com. Auffällig ist
§ 549, 550. Aiislavit einsilbiger Wörter. 461
daneben runi. cv, es vergleicht sich mit dem gleich zu nennenden
nu: die Verbindung der Wörter ist hier also eine so lose, dafs
das m behandelt wird wie im direkten Auslaut. Im Portu-
giesischen schwindet n vor Vokal , vgl. co arte Canc. Ger. I,
297, 13; CO esse II, 412, 21; co homeeris II, 507, 24; cum =
cu MW II, 330, 1 : daneben aber auch schon com armas II, 867, 21,
com este 1, 502, 27 u. s. w., Eom. XIII, 285—287, heute die
einzige Form. — Et ital. e, vor Vokalen ed (vgl. § 443), afr.
e ed, prov. c ed oder es, letzteres nach a — az; portg. nur e,
span. ^ und e (§613); aut ital. o od, prov. o oz, frz. ou, span. o,
portg. ou, rum. au. Afr. oud fehlt wohl nur zufällig. — Nee
rum. nici = neque. Ital. ne ist die vorkonsonantische Form, der
sich nach dem Muster von e — ed ein ned zugesellt; ebenso zeigt
das frz. ne — ned, wogegen prov. ni, span. ni keine Nebenformen
haben. Aspan. nen, nin, portg. nem haben ihr n wohl von der
Negation non bezogen. ' — Endlich quam, tam, span. cuan, tan,
portg. quaö^ taö, prov. qua(n), ta(n). Wenn wir daneben aportg.,
aspan. ca, rum. cu treffen, so ist darin vielleicht eher lat. qua
zu sehen.
550. Eine zweite Klasse einsilbiger Wörter sind bald selb-
ständig, bald unselbständig, zeigen dementsprechend zum Teil
Doppelformen. Hierher gehören non, post, est, sum, sunt. Non
erscheint im Italienischen in der Form no, wenn es Ver-
neinungspartikel ist, also den Ton trägt und selbständig steht;
dagegen als non, wenn es als Negation im Satzinnern steht und
so mit dem folgenden Worte zusammenwächst: io no: non io,
non ancora: ancora no. Im Fran zösischen bleibt non als
betonte Form, als tonlose erscheint ne vor v, f, s, nen vor
Vokalen und vor den anderen Konsonanten. Letztere Form ver-
schwindet am Ende des XII. Jahrhunderts. Die tonlose Form
ne hat den Verlust des n der syntaktisch geschwächten Stellung
des Wortes zu verdanken. Auch das Spanische kennt
no und non aber in durchaus anderer Verteilung: non ist
substantivisch und bedeutet „ungerade Zahl". Ausgangspunkt
ist die Verbindung par y non par , woraus mit Unterdrückung
des zweiten par : par y non , daher jugar d pares y nones und
die anderen Eedensarten. Im Altspanischen trifft man no und
462 ' II- Kapitel: Konsonantismus. § 550^ 551.
non wie im Italienischen, vgl. dize de no Cid 3455, que no 3462,
de vencidos no 8529, tuerto no 3576, aber non diga 3464, non
lo fare 3473, non geh 3558, non sabemos 3578 u. s. w.; aber mit
Assimilation no lo 3570, nol 3627, no les 3698, nos = non se
3629. Ebenso Capa, Baena u. a. Aber schon im Cid lesen wir :
no escaparie 3658, que non 3501. Seit dem XVI. Jahrhundert
ist no allein geblieben. Das Portugiesische kennt nur naö,
das Provvenzalische no(n), das Rumänische nu. — Post verliert
schon im Lateinischen sein t bei konsonantischem Anlaut des
folgenden Wortes, ins Romanische gelangt nur 2^os. — Est als
betonte Form mufs im Ital., Rum, -e annehmen : este, als tonlose
verliert es sein t vor Konsonanten : es, dessen Auslaut behandelt
wird wie altes s. — Sum zeigt Doppelformen im Ital. son-o, das
das 0 der übrigen 1. Sg. angenommen hat, und so, im Rum.
sintu und su, sonst findet sich nur das in Enklise in Pausa ent-
standene SU. — Sunt bleibt im rum. sintu, frz. sont, prov. son.
Proklitisch vor Konsonanten und enklitisch in der Pausa fällt t:
ital. son(o), am Satzende so, rum. SU, span. son, portg. saö. —
Auch mehrsilbige Wörter können mit dem folgenden Worte eine
Einheit bilden: so semper und quattuor, die im Satzinnern,
zunächst wohl vor Vokalen , schon im Vulgärlateinischen zu
sempre, quattro geworden sind : ital. sempre, quattro, afr. sempres,
quattre, span. siewpre, citatro.
551. Sonst lassen sich im allgemeinen folgende Regeln
geben : m hält sich als n in einsilbigen Wörtern , fiillt in mehr-
silbigen auf dem ganzen Gebiete, t bleibt in einsilbigen im
Rätischen, stets im Französischen, fällt sonst überall , n bleibt im
Spanischen und Sardischen, l, r fallen Ital., Rum. in mehr-
silbigen, s auch in einsilbigen. — Die wenigen einsilbigen
Wörter auf m sind frz. rien, ital. spene, rum. eine, span. quien.
Sonst vgl.
Lat.
CABALLUM
AMABAM
DECEM
Rum.
calü
amd
zece
Engad.
k'aval
Jcontaiva
deiö
Ital.
cavallo
amava
dieci
Frz.
cJieväl
ameve
dix
Span.
caballo
amaba
dies.
§ 551, 552.
Auslautend M, T, C.
463
über rum. Impf, -dm, südsard. -am s. die Konjugation. Neben
Sirene steht ital. auch speme. Auffällig ist, dafs jam überall
Fonnon ohne w zeigt: ital. giä, span. ?/a, portg. ja, prov., afr. ja.
Karsten, Afrz. Konsonanteuverbindungen (Freiburger
Diss. 1884) S. 57 erklärt ja aus jammagis.
552
Lat.
QUID
AMAT
VENDIT
TEXET
SENTIT
DAT
Rum.
ce
amä
vitjde
tine
sinie
da
Engad.
—
konta
venda
tena
senta
dat
Ital.
che
ama
vende
ticne
sente
da
Frz.
quei
ahnet
vent
tient
sent
estat
Prov.
que
ama
vent
ten
sent
da
Span.
qne
ama
vende
tiene
siente
da.
Dazu noch ital. a2)po, afr. od = apud. Die neutralen Pro-
nomina auf d haben ihren Auslaut gegen -m ausgetauscht, afr.
el = alim aus alid. Quid als selbständiges Wort erscheint im
Afr. nur als quei, als tonlose Konjunktion zeigt es in ältester
Zeit Doppelformen : que son (fradre) aber quid il in den Eiden, qued
eile Eul. 7 b, 9 a qued auuisset 14 a, vgl. ne por or ned argent,
que por nos 12 b, aber auch schon qu'eUe. — Caput hat im Sar-
dischen sein t bewahrt : log. cahide, camp, cahudu, das frz. chief
verlangt *ca2mm. — Im Bardischen bleibt t in der Pausa, wird
zu d vor Vokalen, fallt vor Konsonanten: amat, amad issu, ama
SU padre. — Im Altfranzösischen ist das t nach a gefallen
im Laufe des XI. Jahrhunderts. Schon im Rolandsliede wird
es zwar mehrfach geschrieben, aber nach Mafsgabe des Verses
nicht gelesen, vgl. 365 Entret cn sa veie, si sest acheminez. —
Im Provenzalischen bleibt t nur in der 3. Sg. Perf. auf -edit, wo
sich d und t angezogen haben, bevor das Auslautgesetz eintrat.
Lat.
Die
DUC
FAC
HOC
HAC
SIC
Rum.
zi
adu
fä
- —
U
Eugad.
—
—
—
—
§i
Ital.
dt
addu
fa
c\o
qua
si
Frz.
dl
—
—
CO
c«
si
Span.
di
—
—
pero
acd
si.
Weitere Beispiele ital. pero, frz. o, prov. fo, o, aco. Über
frz., prov. fai s. die Konjugation. Zu erklären bleiben frz. illuec,
464 II- Kapitel: Konsonantismus. S 552, 553.
poruec, prov. oc : sie gehen wohl auf lateinische Bildungen mit -qne
zurück. Einfaches c behandelt der Provenzale anders nach a als
nach o: fo, o, aco aber sai, lai. — Für -n kommen blofs die
Neutra auf n in Betracht : lat. nomen, rum. nume, rät. num, frz.
nom, portg. nom, aber span. nomhre, sard. nomine. — Für r
nur soror, rum. soaru, ital. suora, frz. soeur; imperator ^ rum.
imperat, frz. empcrere; cor, ital. euere, frz. cueur, aspan. euer.
Vgl. noch ital. cece, marmo. Fürs Sardische fehlen Beispiele. —
L fällt im ital. insieme , aspan. ensieme, aber frz. ensemhle, ital.
trihuna, haccano, aber wiie/e, i-um. miere, frz., span. wieZ, ^eZe,
/lere, /le?. Auffällig bleibt prov. ensemps : man erwartet Erhaltung
des l, vielleicht ist es vor s gefallen.
Die richtige Erklärung des prov. -t giebt F. N e u -
mann, Ztschr. VIII, 368 ff". S c h u c h a r d t , Ztschr. vergl.
Sprachforschung XXII, 175 und As coli, Arch. Glott. 11,
430 Anm. 4 sehen in span. lenamc, hetun, sain die Ver-
treter von -men. Allein lename ist ein dem Italienischen
entnommener Schifferausdruck, hetun ist nicht volkstüm-
lich, wie die Erhaltung des t und die verschiedenen
Formen des Suffixes (beton, hetume, hetumen) zeigen,
endlich sain ist entweder französisches Lehnwort oder
postverbal zu sainar. Über log. nomen, nomene, camp.
nomini, vgl. Hofmann, S. 59.
553. Endlich s verstummt im Rumänischen und Italienischen,
bleibt sonst überall, auch im Sardischen.
Lat.
CANTAS
TEMPUS
SEEVOS
LEGIS
PLOBES
POS
Rum.
cmfi
timpü
—
-i
flori
ptoi
Engad.
k'antas
temps
—
-as
flurs
—
Ital.
canti
tempo
—
leggi
fiori
2)oi
Frz.
chantes
temps
sers
lis
fleurs
—
Span. cantas (tiempos) siervos lees flores pues.
Zu rumänisch p)oi vergleicht sich noch noi, dai, stai, trei,
aber tonlos düpä, interessant ist maz. doi aber dosprezatse ; zu
ital. poi: noi, voi, crai, dai, stai, sei; von e wird i verschlungen :
tre, in piu hat Dissimilation das zweite i getilgt. Im Altvene-
zianischen und noch heute im Piemontesischen bleibt s in den
einsilbigen 2. Pers. Singularis : as und Futur, -as, vas, fas, vos,
sie, von da wird es auch übertragen auf mehrsilbige Verba;
§ 553—555. Auslautend N, E, L, S. 465
ferner bleibt es stets im Venezianischen in der Frage, wo das
Pronomen folgt : hredistu , sistu , letzteres ist auch mailHndisch,
vgl. die Konjugation. — X kommt nur in sex, vix und in dem
früh zu max verkürzten niagis vor. Die Behandlung in den
verschiedeneu Sprachen ist eine ungleiche. Im Rumänischen
wird X dem s gleichgestellt : *ses schliefst sich an sajde an, daher
§ase, mai. Im Ital. ebenso: sei, mai. Neben letzterem steht ma ;
jenes ist Adverbium, das meist selbständig betont gebraucht wird,
dieses Konjunktion, die mit dem folgenden Wort eine Einheit
bildet, daher das i nach § 295 schwindet. Im Französischen
six, mais zeigt sich die gewöhnliche Behandlung von x. Im
Provenzalischen steht neben sieis, mais auch mas, dieses in der
Funktion dem italienischen ma entsprechend, mit der Behand-
lung, die X vor Konsonanten erföhrt. Derselbe Gegensatz drückt
sich aus im span. , portg. scis neben mas , wogegen sich der
Unterschied von span. seis, rät, sis einerseits, span. abes, rät. ves
(vix) andererseits vielleicht aus der Qualität des Vokals erklärt, vgl.
ital. re neben s§i. — Endlich fit in mehrsilbigen Verben hat nur
im Sardischen und Nordfranzösischen sein t behalten, sonst gemein-
romanisch verloren : ital. aman(o), span. aman, portg. amaö, prov.
ama(n), frz. aiment, rät, amen. Aus aimcnt entsteht nordfrz. zuerst
aimefj so im Raoul de Cambrai. Im Rumänischen, Venezianischen
und anderen italienischen Dialekten fällt auch das n , M^odurch
die 3. PI. mit der 3. Sg. gleich wird: cäntä, ven. Tcanta, vgl.
ital. fecero. Das angehängte o in amano stammt von sono, das
seinerseits durch 1. Sg. sono beeinflufst ist. Vereinzelte Fälle
von -nt im Altportugiesischen sind als Latinismen zu betrachten.
Beispiele für -nt im Aportg. giebt C o e 1 h o , Konj. 43 ff,
2. Der romanische Auslaut.
554. Der Abfall des auslautenden ii im Rumänischen
zieht nur in einem Falle auch eine Änderung des konsonantischen
Auslautes nach sich : das l des Artikels verstummt. Die Schrift
hält es zwar noch stets fest: cahü, in der Aussprache aber ist.
es geschwunden : calii.
555. Im Rätischen sind die sekundären Umgestaltungen
viel bedeutendere. Auslautend r im betonten Infinitiv schwindet
Meyer, Grammatik. 30
466 II. Kapitel: Konsonantismus. § 555.
im Oberländischen, im östlichen Tirol von Greden an und im Friaul,
im tonlosen z, B. in mittere behält es Greden, nicht aber die öst-
licher gelegenen Gebiete. L ist fester, nur Cleven, Abtei, Enneberg
sagen sa bezw. s§ für sal, die zwei letzteren dt, fi für caelum,
(dum. Auslautend n wird im ganzen Friaul und zum Teil in
Tirol, vereinzelt auch in Bünden, zu h: friaul. heh, boh, Ti'ah,
pan, pleh, vih, uh. — Auslautend s bleibt, auffällig ist plu auf
dem ganzen Gebiete; in s§i in Sulzberg, Nonsberg, sie Vigo,
sie Ampezzo u. s, w. ist wohl ein venezianischer Eindringling zu
sehen. Über trei, die Nom. PL und die Neutra auf s s. die
Deklination. — Treten ursprünglich tönende Konsonanten in
den Auslaut, so werden sie tonlos, daher nof auf dem ganzen
Gebiete , Abfall dieses f zeigt Greden, Abtei, Enneberg, wo nive :
naij lupu: lu lautet, Vokalisierung Sulzberg, Nonsberg: neo,
neben lof, vgl. noch Mao = clave. Besondere Beachtung vei-dienen
Caput und sehu. Jenes sollte überall da, wo lupus luf lautet, als
kaf erscheinen, und mit clave reimen und das ist in der That der
Fall im ganzen Zentrum und Osten : nonsb. h'ao, Mao, gred. *fc'p,
tl§, friaul. J(faf, Mäf. Dagegen weicht Bünden mit Einschlufs
des Münsterthals ab , sofern sie nämlich eine Form zeigen , die
auf kau zurückgeht, und die sich sporadisch auch weiter im
Osten zeigt : Jcyou Cadore, andererseits im Süden : mail. ko. Der
Unterschied in der Behandlung von caput un^ lupum erklärt sich
wohl aus dem verschiedenen Ausgang : caput, cavut, caut, cau aber
lupu, luvu, luf. Die Form kau wird wohl dem ganzen rätischen
Gebiete angehört haben, im Osten aber durch venezianischen
Einflufs früh verdrängt worden sein. — Sehu zeigt die Vokali-
sierung auf weiterem Gebiete als nive oder ovu: siou Münster-
thal neben o^f. In ihrer Vereinzelung ist die Form schwer zu
erklären : wahrscheinlich stellt sie einen älteren Sprachzustand
dar, in welchem wie in Sulzberg vu vokalisiert wurde, oef wäre
danach aus dem Engadinischen übernommen. T und d im Aus-
laut bleiben aufser in einem Teile Tirols 5 wenn sitis in Ampezzo
und Umgegend als siede, in Greden u. s. w. als sait erscheint,
dürfte darin italienisches oder osträtisches Lehnwort zu sehen
sein, vgl. daneben parai, ra (rete) : gred. nout, kiet sind ebenfialls
nicht Erbwörter. Zum Tirolischen stellt sich auch hier das
Münsterthal mit sai. Über -tus im Westrätischen s. § 436. Hier
§ 555. Auslautende Konsonanten im Rätischen. 467
sind eine Anzahl von Beispielen für f aus d zu ei-wälinen : §ef
(suis) Colle; Jcruf, krtwa (crudus) Greden und Kovereto; nidwald.,
obwald. agnif^ roveret. nif; obwald. , nidwald. und eng. nuf
(nodus) , nidwald. tef (*tedvm) , nif (nudus) neben nieu. Nur das
Nidwald. zeigt das f in etwas weiterer Ausdehnung, die anderen
Dialekte kennen nur ganz vereinzelte Beispiele und zwar meist
nach labialen Vokalen bei Adjektiven und bei nodus, dem ein
Verb, nodare, nuar, nuvar zur Seite steht. Es hat also wohl das
V seinen Ausgangspunkt da, wo d zwischen Vokalen gefallen ist.
Bleibt noch nif: so leicht es ist, es aus niu zu erklären, so
erhebt sich doch die Frage, weshalb derselbe Dialekt, der teu
und -ieu aus Uu und -utu bewahrt, niu über niv zu dif wandle.
Den Grund giebt wohl der Vokal : während eu, üu bestehen
bleiben, macht die Verbindung der zwei heterogensten Vokale i
und u mehr Schwierigkeit, der zweite wird zum Konsonanten v,
das auslautend sich in f wandelt. Dafs -itu nicht zu if wurde,
hinderten wohl die anderen Participia auf üu und au. In dem
vereinzelten sef ist vielleicht Einflufs von bef (bibo) zu sehen. —
Die Gutturalen bleiben im Tirolischen ebenfalls, fallen wie andere
Konsonanten zum Teil inAmpezzoundEnneberg. Im Bündnerischen
werden sie palatalisiert vom Domleschg bis Bergün, im ganzen
Engadin, Münsterthal und Nonsberg. Der Grad der Palatalisierung
ist nicht überall derselbe: Stalla und Nonsberg zeigen k' : fceJc,
Iah', die anderen Gegenden i, das mit dem vorhergehenden Vokale
verschmilzt : eng. f(X u. s. w. Die Palatalisierung zeigt auch noch
der Tessin: seh', sah', poerTi , hianh' u. s. w. Im Friaul. fallen
sie: anti, fi, ami, beachte lat (lacus), saut (sahucus), stomit. Von
Konsonanten Verbindung verdient die Adverbialendung -mente eine
Beachtung, die wie viginti zu nt (Engadin) n (Obwald.) wird:
es zeigt also hier -e denselben Einflufs auf vorhergehenden Kon-
sonanten, den wir sonst nur bei i finden (§ 320). Ebenso glande,
obw. glon. Sonst wird nde im Zentrum zu n und Avie das andere
-n zu w; grah. — Rätoromanisches ns z. B. in homines wird in
Bünden zu nts: uments; mjps wird ebenso zu ms: tems in Flims
und daraus temts an den Quellen des Vorderrheins, taints in Andeer.
Sonst erscheint ts für ps in -ets (ipse) am Rhein; für es: fmts
(focos), loßts, ycets im Unterengadin , wohl aus fah's u. s. w.,
30*
468 II" Kapitel: Konsonantismus. S 555 — 557.
wogegen in ts aus ps wolil nur Ersatz eines seltenen "Wortaus-
gangs durch einen sehr gebräuchlichen zu sehen ist.
556. Das Italienische, das alle auslautenden Vokale bewahrt,
kennt dementsprechend keinen sekundären Auslaut, wirft aber
unter Umständen die ganze letzte Silbe ab § 436. Wohl aber
zeigen die zahlreichen Mundarten, die die Schlufsvokale tilgen,
dann auch Veränderungen der Konsonanten. Zuerst mag erwähnt
werden -a, ^ =^ -are, ire, das einmal in den oberitalienischen
Mundarten, speziell in der westlichen Lombardei und im Piemon-
tesisch - Genuesischen , wogegen das westliche Piemont re be-
wahrt , sodann auch im Süden und Südosten vorkommt : von
Ravenna an findet man d längs der Küste in den Marken,
in den Abruzzen und der Molise, z. B. in Campobasso,
während der Süden, das Apulische und Kalabresische , sowie die
Toskana bei den vollen Formen bleibt. Sodann verstummt in
Ancona auslautend n: hirhone wird zu hirhö, mano zu ma. —
Abfall des r in den Bildungen auf or und er (ariits) findet sich in
der westlichen Lombardei und im Tessin. — Aretinisch, Emiliauisch
und Paduanisch ist -amo über -am zu -an geworden, vgl. die
Konjugation. — Dafs in Oberitalien die in den Auslaut tretenden
tönenden Konsonanten tonlos werden, also novu zu noef, ist
selbstverständlich.
557. Im Französischen sind die primären wie die
sekundären Auslaute nach Vokalen gefallen. Diese Regel, die
in den meisten Dialekten durchgeführt ist, hat im Schrift-
französischen unter Einflufs der Grammatiker und des Schrift-
bildes zahlreiche Einschränkungen erlitten. Auslautende Nasale
sind mit dem vorhergehenden Vokale zum Nasalvokal verschmolzen,
vgl. die Beispiele § 33, 57 u. s. w. Als allgemeine Regel ist
auch für das Französische festzuhalten, dafs in den Auslaut
tretende tönende Laute tonlos werden, also verd zu vert, daher
das Femininum verte, grand zu grant, neuv zu neuf u. s. w. Diese
neuen tonlosen Konsonanten werden behandelt wie die alten. —
Der dentale Verschlufslaut zeigt im Westfranzösischen (Norm.)
verschiedene Behandlung, je nachdem ihm ursprünglich ein Vokal
oder ein Konsonant vorausging. Aus atu, itu, utu, ite u. s. w. ent-
steht über adhu u. s. w. edh, eth, und im Laufe des XII. Jahr-
^ 557. Auslautende Konsonanten im Französischen. 460
hunderts e. Philipp von Thaon, der seinen Computus zwischen
1120 und 1130 schrieb, gebraucht Formen mit und ohne Dental,
Brandau reimt tei: sei 1601, lei: fei 69 u. s. w. Dagegen
reimen weder mit diesen Wörtern auf Dentale noch mit solchen
ohne Dentale diejenigen, deren t gedeckt war, also tot, deit, sei,
oit und alle anderen 3. Sg. Präs., die 3. Sg. der «-Perfecta:
dut, out u. s. w. Hier wird in den normannischen und anglo-
normanuischen Handschriften das t auch stets geschrieben. Seinem
Lautwerte nach ist es reines t. Eine Sonderstellung nehmen die
Perfecta auf -at, -H nebst fut, das Präs. at und 3. Fut. -at ein,
sofern nämlich ihr t in beiden Klassen reimt, Comp. 781 venqui:
enemi neben 1021 dH: raemplit. Schon fürs Vulglat. ist hat, fut
in proklitischem Gebrauche anzusetzen : hat amatum, fut amatus.
In diesem Falle wird t behandelt wie zwischen Vokalen , also
ha{d) ame(d) , fu(d) ame(d) , von hier aus werden a(d) , fv(d) ver-
allgemeinert, treten an Stelle von at, wie es im Futurum, von
fut, wie es in Pausa gebräuchlich Avar. Ihnen folgte amaf und
schliefslich -it. Im Laufe des XIII. Jahrhunderts schwindet aiicli
dieses t. — In der Champagne z. B. bei Cher^tien und im
Pariser Französisch des XHI. Jahrhimderts ist das ungedeckte t
ganz verschwunden, das gedeckte bleibt noch bis ins XIV. Jahr-
hundert, ist aber im XVI. ganz stumm. Die Pikardie macht
den Unterschied nicht, sie hält auch ungedecktes t bis ins
XIV. Jahrhundert fest, so erscheint es fast stets bei Froissart.
Daher erklärt sich auch der Reim : moraUteit : müssigkeit in Gott-
frieds Tristan 8012. Der Anonymus von 1624 wirft den Wallonen
die Aussprache etroite statt etroit vor. — Aber in Lothringen ist
das Verstummen des t fürs XIII. Jahrhundert sicher durch ateit
(altar) N.E. XXVIH, 195 a. 1278 Moselle —Auch im Französischen
treffen wir eine kleine Zahl von Beispielen, wo f an Stelle des
auslautenden d tritt. Im Nfr. haben wir soif, dazu das Verb.
suffe im Morvan, fief nebst fieffer, tief Rouchi, Mons, dazu hieu
Froissart und Neunorm,, sodann afr. die Eigennamen auf -huef =
-hodo, mucf (modus), faldestuef, nif in Handschriften von Eustache
Dechamps, nif, hleif in der im Osten geschriebenen Handschrift
B des Renclus de Moiliens, hlef N.E. XXVIII, 2, 88, Ardennes
1264 (neben veriteit) 95, Meuse 1264 (t fällt), Sainte Hoilde
1251, 1270; zu hlef gesellt sich hlau Ph. Mousquet 19740. Im
470 IJ^- Kapitel: Konsonantismus. § 557, 558.
lothr. Psalter liest man pechief, in der Guerre de Metz M.
mercliief 4 d, chevalchief, hnchief, träbnchkf 118, Betrachten wir
zimächst die lateinischen Fälle, so ergieht sich, dafs soif erst zu
einer Zeit auftritt, wo die auslautenden Dentalen längst nicht
mehr gesprochen worden sind und z schon s war. Nach Nom.
nois Acc, no'if bildet man Acc. soif zum Nom, sois. Die Dialekte
kennen übrigens soif oder etwas ähnliches nicht, su§fe gehört
dem „fran^ais provincial" an. Mued, Nom, vn.'ues ist das einzige
Wort mit dem Ausgang -ued gegenüber den ziemlich zahlreichen
auf uef: nucf, uef, hui f. Von dem Augenblicke an, avo -s =^ -z,
war die Umgestaltung von *»nwd zvi mucf leicht möglich; nif,
pechief begegnen so spät, dafs man in ihnen nur eine thörichte
Schreibung sehen kann. Die anderen Wörter sind germanischen
Ursprungs. Das germanische d war bekanntlich d: nun ist es
eine vielfach beobachtete Thatsache, dafs d direkt in f tibergeht,
oder von Leuten, die kein d haben, als f gehört wird : so erklären
sich ganz ungezwungen bief mit der Nebenform hies , -buef aus
-hodo , Avorin man nicht Anlehnung an buef zu sehen braucht,
fief, so kann auch estrif bei strH bleiben. Biet, bJef, Nou, oberital.
biavo , friaul. blave ist etymologisch dunkel : die Grimmsche
von Thurneysen gebilligte Herleitung aus keltischem *bJätum
„das Gemahlene" fügt sich der Bedeutung schlecht, die Diezsche
aus ablata befriedigt auch nur halb , das Schwanken zwischen t
und f würde eher für ein germ. blad, ags. blaed sprechen.
Fäldestuef ist zu erklären wie muef. — Nach Konsonanten föllt
t gegen Ende des XIII. oder Anfang des XIV. Jahrhunderts:
die Pariser Urkunden aus dieser Zeit, Etienne de Fougeres,
der Schreiber des Meriadoc, des Lothringer Psalters u, a, lassen
es sehr oft weg, vgl, plor Et, 968, moin 893, segon 803.
Den Unterschied der zwei t hat Suchier erkannt
Ep, XX ff. — Zu f aus d vgl. Gröber, Ztschr, II,
459 ff., X, 300, wo die Belege für die verschiedenen
Formen gegeben und der Weg zur richtigen Erklärung
angebahnt wird. Ganz anders aber unwahrscheinlich
Ascoli, Arch. Glott. X, 99 ff.
558. Widerstandsfähiger als der Dental zeigt sich der Guttural,
er schwindet nur nach nasalen Vokalen : bec, bouc, sac, sec, soc,
arc aber banc. Aber auch hier zeigt Morvan b§, blo, sp (sac),
so (sec), norm, be, sa u. s. w. In Lothringen aber wird c zu
S 558 550. Atislautende Konsonanten im Französischen. 471
^, d, vgl. hovch schon im lothr. Psalter, lunite haS, seS (sac), S0§,
h€§, wall, hes, has neben ho = hone. Für rc fehlen die Beispiele,
ftir nc lothr. is == evcre. Auslautend j) folgt der Regel : cep,
sep , galop , covp, lonp. F wird f. Während die Dialekte seit
dem XIV. Jahrhundert diesen Laut tilgen: hre: poeste Kat. Poit.
1225, die: comande 2490, schwanken die Grammatiker des XVI.
und XVn. Jahrhunderts und die heutige Sprache behält ihn meist
bei : hoeuf, oeuf, chef, nef, juif, vif, plaintif, suif neben de(f),
apprenti , haüli , etev(f) , tre. Mitte des vorigen Jahrhunderts ist
der heutige Zustand erreicht, nach Villecomte 1751 sprechen nur
noch alte Leute und Preziösen heu, eu. Eine Regel, nach
welcher f bleibt oder fällt, ist, wie überall da, wo die Gramma-
tiker die Sprache gemeistert haben, nicht zu finden. Mit f nach
r verhält es sich ebenso : serf ist wohl durch serve gehalten,
cerf dagegen schwankt, ner giebt La Touche 1696 als das einzig
Gebräuchliche, die Akademie verlangt aber nerf. — Merkwürdig
ist die Behandlung des germanischen p, die in eschieu , estrieu
erscheint.
559. Auslautend s, primäres wie sekundäres, verstummt
ebenfalls seit dem XIII. Jahrhundert, in den Denkmälern des
XIV., wie z. B. im Lothringer Psalter und Ysopet, erscheint es
oft au falscher Stelle. Doch scheint es in einsilbigen "Wörtern
fester, vgl. es, us, vis. Auch hier haben die Grammatiker die
Aussprache wieder hergestellt in moevrs, tous und einigen anderen
Wörtern. — Zahlreich sind die Fälle, die gegen die Regel vom
Verstummen des l verstofsen : neben de, soül, fusil, outil, gentil,
moyeu stehen die vielen Adj. auf -el, -al, ferner miel, fiel, fil,
filleul, cheval Dafs aber auch hier der Abfall die Regel ist,
lehren nicht nur die Mundarten, z. B. Maine po (poil), sie^
norm, fe, sondern auch der Umstand, dafs im XVT. und XVII.
Jahrhundert noch manche Wörter ohne l gesprochen wurden,
wie fi, noe, linceu, chevreu, ßleu, tilleu, ecureit. Noch heute
schwankt fenü, avril. Häufig mag der Einflufs der Schrift ver-
stärkt worden sein durch Ableitungen, so bei den Adjektiven
auf el durch das Feminin, bei recul durch r eculer , bei fd durch
ßer. Auslautend l bleibt : fenouil, pouü noch bei Mairet, rebouil,
daneben fenou XVTT. Jahrhundert, pou, genou vom Plural aus.
472 II- Kapitel: Konsonantismus. ^ 559 — 561.
Wenn eil seit dem XVII. Jahrhundert oft mit l statt l gesprochen
wird, so liegt darin Einflufs der Wörter auf -ü = ilem vor, vgl.
umgekehrt avril, fenil häufig mit l statt Z. Daher kann das l
nach i auch fallen, vgl. sourci(l), nombri(l), e'meri (ital. smeriglw),
gri(l). — Auslautend lateinisch c wird zu s in den Verben, ferner
in dis (decem), xoris, pais, dagegen z in vois^ croiz, noiz, foiz,
IV. Liv. auch soriz , perdris, vgl. lothr. Jcroe, wß neben paK,
diK, noeK, puoK. Der Grund der verschiedenen Behandlung ist
nicht recht ersichtlich. — R bleibt in einsilbigen, fällt in mehr-
silbigen Wörtern seit dem XIII. Jahrhundert. Dieser Zustand hat sich
bis heute z. B. in Seraing erhalten: fcäfe, muri, meyoe (meillettr),
ftloß, aber floer ^ sur (soeur), doch gu. Im Nfr. schimmert das
Gesetz noch durch in aimer, Alger, Suff, -ier neben mer, fier,
hier; hoir, soir, voir, clioir (wonach avoir statt avoi u. s. w.) neben
den im XVI. und XVII. Jahrhundert gebi'äuchlichen terroi, miroi,
mouclioi, parloi; fleur, heur, soeur neben monsieur und älterem
menteu u. s. w. , aber stets hlancheur. Die Gründe, weshalb r
heute in viel weiterem Umfange gesprochen wird, sind ver-
schiedene. Gelehrte Wörter, wie censeur, orateur, acteur behalten
r im XVn. Jahrhundert und begünstigen daher menteur, das
von Villecomte 1751 und von Domergue 1805 allein anerkannt
wird. Das Schwanken zwischen eti und cur erzeugt nevettr, das
H. Estienne als delphinatisch tadelt; amer steht wohl unter dem
Einflufs des Feminins; die Inf. auf -ir folgen dire, ecrire, lire:
im XVII. Jahrhundert ist dies die einzig vorkommende Form.
Doch kennt die Volkssprache bei Paris heute senti, plesi und
entsprechend musu^. — Ein nach Abfall eines anderen Konsonanten
in den Auslaut tretendes r bleibt : tard, jour, com; essor u. s. w.
560. Auslautend n wird im Anglonormannischen zu n, schon
Brandan reimt plein: desdaing 575, wogegen die festländischen
Dichter auch im XIV. Jahrhundert noch beide Laute auseinander-
halten. Erst im XV. Jahrhundert ist en über en zu ?, od über
5n zu 0% geworden : hesoir/g, hing, engin u. s. w.
561. Tritt s oder t infolge der vokalischen Auslautgesetze
mit einem anderen Konsonanten zusammen, so wird dieser be-
handelt wie im Wortinnern vor t, s, vgl. hoit, doit, pilaist, creist,
fait, nies, ferner his (luseus) , wo scs zunächst zu es vereinfacht
8 561 — 563. Auslautende Konsonanten im Französischen. 473
wird. Von drei Konsonanten ftlllt der mittlere : dors, dort. Be-
sondere Beachtung verdient s nach t, »?, ri, 1, l; t -\- s wird g:
asscz, nimez , das im Pikardischen seit dem XII. Jahrhundert,
im Zeutralfranzösischen seit dem XlV. mit s zusammenfällt.
Zwischen gedecktem »?, fi, l und s entwickelt sich der homorgane
Verschlufslaut, also ein Dental in den zwei ersten Fällen, ein
Velar im letzten, da l vor s ja ^ war § 476, vgl. anz, jornz,
woraus jorz, ainz, chevaix. Bei l gehen die Mundarten aus-
einander: das Normannische verlangt z, behält also zunächst f
bei und unterdrückt es später: filz, mielz, das Zentrum dagegen
wandelt 7 in l, i, vgl. mievx. Zur Unterdrückung des t vgl.
conseiz : segreiz Benoit Troie 6951, oHz: nuiz Chron. 25042 u. s. w. —
1\\ plaidiz A\e'^. 120 e liegt Vermischung von -ivus und -iiius vor,
in dem sez (sapis) späterer anglonormannischer Texte ist Anbildung
an vez (vadis) zu sehen. Der Unterschied zwischen s und z ver-
schwindet wie gesagt am frühesten im Pikardischen : die Ui'kunden
aus Vermandois im XIIl. Jahrhundert haben durchaus s ; auch im
Agnorm. tritt frühzeitig ein Schwanken ein: der Computus schreibt
hriez 1981 xxnd umgekehrt cors, Guill. de Be^meville scheidet,
nicht mehr Gaimar und Chardri. — Eine besondere BehandlunsT
von rs zeigt das Lothringische: es wird zu K: emeli (amarus),
foU (furnus), TcoK (curtus), veU (vermis), vaJi (virdis), düfi, muK u. s. w.
Dafs wirklich überall rs, die alte Nominativform, vorliegt und
nicht Übergang von r zu K, zeigt scer, te (farde), zo (jour) u. s. w.
Über 5! aus s vgl. Horning, Eom. Stud. IV, 627 flP.;
Gröber, Ztschr. VI, 486; über n aus H eb. Die Er-
klärung des X in chevaux hat P. V ö 1 k e 1 , Changement
de X en i7 gegeben, die des lothringischen K aus rs This,
S. 40.
562. Im Rouchi, zum Teil im Wallonischen und im nörd-
lichen Lothringen treten an Stelle der sanften Konsonanten im
Auslaut harte, vgl. rouch. rouS, -ö^, ZöI, sälat u. s. w., lothr.
srf (clianvre) , arp (arbre) , pet (perdre) , var^ (verge) , kuot (corde),
etap (ctahle) u. s. w.
563. Im AI tprovenzali sehen wird der Wandel aus-
lautender tönender in tonlose auch in der Schrift mit gröfserer
Regelmäfsigkeit durchgeftihrt als im Altfranzösischen : & aus lat.
p wird p : cap, ebenso altes b nach Kons. : orp ; z wird meist ts
474 n. Kapitel: Konsonantismus. 8 563.
geschrieben : amats ; g wird c : Jone ; d zu t : iart. Nach Vokalen
fällt d: fe, ni'^ ebenso d und t nach Nasalen: quan = qu(mdo und
quantnm; gran, ven, -men u, s. w. , v aus lat. v und h wird
vokalisiert: nou, neu, hreu, deu, escriu u. s. w. Daher kann
trap das Zelt nicht direkt auf lateinisch träbem zurückgehen.
Auslautend n fällt im Zentrum, es bleibt am linken Ehoneufer
und in der Gascogne, aber nicht in Bearn. Die spätere Sprache
hat nun auch von den in" der älteren gebliebenen Auslauten
manche getilgt, die nördlichen Mundarten gehen übrigens weiter
als die südlichen. Genauere Angaben sind auch hier noch zu
erwarten, vgl. im Cartulaire de Milhau: mayo 32, prio 52,
cavallia 55, ohcst 181. Schon seit dem XIV. Jahrhundert ver-
stummt r, und ist es heute auf dem ganzen Gebiete in den
Infinitiven und in den Substantiven auf ie, sowie in vereinzelten
Wörtern z. B. piou (pavore), auch sonst im Süden : Gascogne,
Montpellier, Marseille, wogegen der Norden : Limousin, ßouei-gue
wohl unter französischem Einflufs in den Substantiven r wieder
hergestellt hat. Auch ursprünglich gedecktes r fällt : Forez
^ouo , iouo , nei , sei. — In Ariege und wohl auch anderswo gilt
als Regel, dafs r in einsilbigen Wörtern bleibt, in mehrsilbigen
fällt: mar, Mar, Jcv^r, sor, aber feni, salüdd, sign. — Auslautend
Z wird fast ausnahmslos vokalisiert im Lim., Gase, Langued.,
Provenz., es fällt in Mentone, bleibt in Eouergue, wird zu r im
Niederlim., Auvergne, Brian^on. Also : lim. nadav, Tiuiev, kou,
■ß, SU (solum), kü, mau u. s. w. , gask. tau, Sfu (caelum), p^u
(pilum), nadau, hiu (filum) u. s. w. und entsprechende Formen
langu., prov. ; Mentone : ma, fi, mü, ka, nivu ; Rouergue : dedal,
nodal, sei, fiol (ßum), aher kau (caulum); Auvergne: siar, fir, per.
LI wird meist mit l zusammengeworfen , nur das Gaskognische
mit t aus -l macht eine Ausnahme § 545. In Mentone, wo l
fällt, bleibt II als l in einsilbigen : val, loel, kual, fällt in mehr-
silbigen : kava, anc, käste, käbei u. s. w. — Lli wird zu einfachem
l in Rouergue, Languedoc und Niederlim., woraus in letzterem r,
zu u im Prov., zu y in Nontron, zu r im Hochlim. ; sonst wird
es behandelt wie ly im Inlaut: rouerg. uel (oculum), trüel, Mnul;
langu. surel, viel, miral; nlim. soler, zanur; hlim. mier (melius),
pur (peduculus), mir; nontr. mirai, zanuei. — Das in der alten
Sprache feste n und m verschmelzen in der neuen mit dem
§ 563 — 565. Auslautende Konsonanten im Provenzalischeu. 475
vorhergehenden Vokal zum Xasalvokal, nach r ftillt es wie im
Französischen in den nördlichen Dialekten, bleibt aber in den
südlichen : ment. envern, Sorn. Auslautend H wird zu n in den-
selben Gebieten, in denen l zu l wird: nlim. hesü, lü; langu.
sartä, lö, plä u. s. w. — S verstummt im Lim. , ob es primär
oder sekundär sei, dagegen bleibt es stets im Rouerg., dann im
Gask. ; in Langued. wenigstens das primäre im Plural, in Mentone
bleibt das sekundäre, wogegen das primäre fällt.
564. Was die Verschlufslaute betrifft, so läfst sich im all-
gemeinen sagen, dafs nördliche Mundarten, wie die limousinische
sie abwerfen, also : nehu (nepote), vertd, ne (noctem), vgl. § 462.
In den anderen Dialekten bleiben sie : rouerg. hertat, solüt, gask.
nehot u. s. w. Es ist hier aber aufmerksam zu machen auf eine
Vertauschung der verschiedenen Auslavite : b6arn. herbit, kap
und kat, kop und kot, hork und bort, esklop und esklot, die
sich entweder daraus erklärt, dafs im Plural p wie t und c vor
dem s verstummen, wodurch ein Schwanken im Singular einreifst,
oder aber daraus, dafs die auslautenden Verschlufslaute auch sonst
stark ins Schwanken geraten sind.
565. Die Verbindung mit dem auslautenden -s bringt eine
Reihe interessanter Veränderungen mit sich : sts, scs wird zu ts,
es: ots, Grits, quecs. Neben ts kommt schon frühzeitig einfaches
s vor, oder aber ts verdichtet sich zu ds, d, so in Gignac :
menuehs, enfonsaclis, cndormiclis, escuchs R. 1. R. V, 356. Ebenso
in Gap: äbitanös. Es kann ferneres und es zu is werden, so
in Albi : esclots , lots. Zwischen n, m, l und s entwickelt sich t
bezw. jp, aprov. enscmps, femps, ramps , daher heute in Tarn:
gramp, famp, verp = vermis, ferner in Embrun : annchs, jourchs
wie varlechs , in Sevres : jourts aus journts. Von hier dringt t
auch in den Singular: jornt M. R. 55, 7, cart (carne) ib. 59,
heute gourt in Queyssac. — Auslautend rs wird seit dem
XII. Jahrhundert zu s, Bertran de Born reimt flors: Jos 40, 36;
flos: mantenedos findet sich in den Joyas del gai saber 235, ein
später datiertes Beispiel ist noch senhos Bessieres 1480 R.
1. Rom. IV, 240.
Zahlreiche Belege flir -rts, -rt geben P. Meyer, De
Vemploi nonetymologique du t final en provengal , Rom.
VII, 107 ff., Chabaneau, Rom. VIII, 110—114.
476 II- Kapitel: Konsonantismus. S "566, 567.
566. Im Katalanischen fällt r in den Infinitiven, n
bleibt nach r, fällt jedoch in Alghero, nd, nt werden zu nt mit
schwach artikuliertem /; ment, aiifant, Gerund, -ent, oder men,
anfaf}, -m, ebenso wp: cam; t -\- s wird dz, oi -\- s zu ns; Jcs,
2)s zu dz: kap PI. Tcadz, zoh: zodz , rik, ridz. — Lat. c wird im
Auslaut zu u s. die Beispiele § 441 und feil (faeccm), perdiu,
emperadrm, feliu u. s. w. Der Wandel kommt axich am Silben-
ende vor: deume, dura aus ciccronc, zur physiologischen Er-
klärung s. § 441. Neben u kommt auch l, tv vor: valenz.
arrail, bare, mall, rel ; delme (decimus), palan, aber O.N. palalda,
giiau und guäl, gol, foure und folre, galta, colze, solü (sold).
Das so entstandene l ist guttural : das Katalanische zeigt am
Silbenschlufs und am Wortende i, das bis u fortschreitet, vgl.
fideu: hatev, carreu für -eJl, vgl. consell: veu 7 Meister 2551,
umgekehrt kann dann auch altes u als l erscheinen. Dz wird s:
nadegar: endes; hategar: hates; fais (fagens) u. s. av., aber altes
ir, is nur z, nicht wie vor dem Tone s: piz, mez, s\z — sisanta. —
T, b,c nach i fallen : herair, Ärnav, lau (balbu), kadafal^ mancscal. —
Auch hier findet sich, verführt durch die Gleichheit im Plural,
t statt c: famarit älter tamariJc, *tamaricus, salit neben saliJc. —
Sts im Verbum giebt s ; daneben aber kommt ts wie im Nomen :
trist PL trits vor : Grundform ist -sts unter Einflufs der Singular-
form -St = -sti. s, d mit s giebt is: peis (pisccs)^ mateis, aqveis
Plur. zu mates, aques, leis Plur. zu Tee.
Über kat. u aus ds vgl. Ztschr. XI, 285 und
C. Ollerich, Über die Vertretung dentaler Konsonanz
durch u im Katalanischen, Diss. Bonn 1887.
567. Eine besondere Stellung nehmen endlich die Dialekte
Savoyens und das Wallis ein. Das lateinische -t scheint hier
zu beharren : portct, eret u. s. w., aufser' wenn das folgende Wort
konsonantisch beginnt. Dafs auch die sekundären t bleiben, ist
selbstverständlich, vgl. tant, levant, güh. Dies letztere gilt auch
von Bonneval, vgl. frei (froid), morf, det (dit), Jcuet (cuit), trent,
vant, komanf, vent; ebenso bleibt s: Val Soana füs, nas, Bonneval
pertüs, nos, gros, tes, reys; ferner k: sank, poerk; p: drap. In
dem benachbarten Lanslebourg verstummt s, t bleibt, also Sg.
frei, Plur. fre(s), wonach nun zum Plur. pertü der Sing, pertüt statt
*pertü, Sg. fort statt for zum Plur. for(s) aus forns. — Merk-
§ 567 — 560. Auslautende Konsonanten im Katalanischen u. Spanischen. 477
würdiger ist, dafs in Val d'Herfiis und Val d'Anniviers h an
Stelle der meisten auslautenden Konsonanten tritt venilc (venir),
laTc, neJc (nive), valek (valais), natürlich amiJi , sauJc (sabucus); tit
(tectu) und tek, frit und frck. Ferner lik = lui, äek = suis
in S. Luc, luik aber h in Evolena, depuek , tsevrek = chevrcau,
aber ve = veait. Eine sichere Erklärung ist, solange nicht
mehr Material vorliegt, nicht zu geben. Da in Seez (Savoyen)
-r zu U wird, so könnte auch venik zunächst auf veniK beruhen,
wenn es nicht etwa wie das rätische vemgr zu erklären ist.
Bei den Substantiven wird im Plm-al t; und t vor s gefallen
und infolge dessen im Singular zum Teil Verwirrung eingetreten
sein. Eine Vermischung der Auslaute zeigt paraditt = paradis.
Endlich bleiben diti, faiti aus dicit, facit in Evolena.
Vgl. GiUieron, Atlas plionctique 23 ff., und Rev.
Fat. I, 179—183.
Sonst weichen die südöstlichen Dialekte wenig ab vom
französischen Tyjjus. Erwähnenswert ist aus dem Lyonesischen
Wandel von l zu r : miar, fiar, siar (ciel), fotcer, tinor (tinel), sator
(cheptel), kor neben so (sei), mä (mal), su u. a.
568. Im Spanischen ist heute das s im Verstummen be-
griffen und ist schon verstummt im Andalusischen. Von den
durch das vokalische Auslautgesetz (§ 312) ans Ende gerückten
Konsonanten bleiben l, r, n, s, j unverändert, w, I geben die
Moullierung auf: cal, mil, piel, abedul, aspan. ntd; desden, aluen
Cid 2094, ten, von; d wird zu d: Madrid, das wie das alte s
auf dem Wege zum Verstummen ist, oder zu l: prol, sul; z aus
ce, ci, is (assaz), ti}' ist heute tönend, das Zeichen für den tönen-
den Laut gebraucht schon Jose : fez 82 , doze 59 , vejez 206
(neben dies 91). Auslautend w ist fast überall velar, w, so sicher
im Asturischen, Andalusischen und Estremadurischen , in Leon
und Galizien, dann auch auf den Kanarien und in Cuba.
Es dürfte die von H o r n i n g , Lat. C zweifelnd vor-
getragene Annahme, im Aspan. sei -z tonlos gewesen,
geradezu zurückzuweisen sein. — Zu -n vgl. Munt he,
S. 17 ff.
569. Fürs Portugiesische ist als rein orthographische
ßegel zu merken, dafs -?, \ geschrieben werden em, im: adem
478 !!• Kapitel: Konsonantismus. § 569 — 571.
porem, hem, jardim, fim, ferner hom, um u. s. w. Im Galizischen fällt
n : ho, ma, Image u. s. w. S, z werden zu s , nach betontem e
tritt (orthographisch) z ein : tez, mez, -ez, revez. Auslautend l ist,
wie l vor Konsonanten, guttural § 476, r, wie inlautend r, weich
§ 455. Im Auslaut tritt ferner r für l ein, wenn im Wortinnern
schon l steht und umgekehrt: lomhar , alcacer, alvar — cerväl,
peral, murtäl. Auslautend l wird unter gleichen Umständen auch
vokalisiert: alairau, batarcv, cacareu, ilheu^ mastareu, paraleu,
lebreu. Im Galizischen fällt l: carce, marmo. — Wie im Spanischen
wird auch hier auslautend d zu l: aportg. eirel (heredem), ardil,
Madril, prol. Über herees Foros da Gravaö 384 s. die Deklination.
Im Galizischen fällt d: bonda, piedd, saü u. s. w. — Der Abfall von
e, 0 ist älter als der Ausfall von l zwischen Vokalen, es haben
daher die Wörter auf Zo, le ursprünglich Doppelformen Sg. -l,
PI. OS, es: lengol, lengoos; das ist geblieben für einen Teil der
Wörter, bei anderen hat Ausgleichung nach der einen oder
anderen Seite hin stattgefunden, s. die Deklination.
Zu -s, -z vgl. Gon^alves Vianna Rom. XII, 33.
D. Lautvertauschungen.
570. Im Wortanlaut sowohl als im Wortinnern treffen wir
eine Reihe von Lautveränderungen, die nicht wie die bisher
betrachteten in feste Regeln sich ordnen lassen, sondern etwas
Willkürliches, Zufälliges an sich haben; die nicht durch einen
unmittelbar folgenden oder vorhergehenden Laut hervorgerufen
werden, sondern durch entfernter stehende ; oder die ihren Grund
haben in Vermischung verschiedener Wörter oder in dem Einflüfs,
den eine oft vorkommende Lautgruppe auf eine ähnliche seltene
hat. Manche der hier zu behandelnden Erscheinungen sind in
ihrem Wesen noch wenig klar. — Es soll hiervon nur eine kleine
Auswahl von namentlich den Hauptsprachen angehörigen Fällen
gegeben werden. Dazu ist das Sachverzeichnis unter „Assi-
milation" u. s. w. zu vergleichen.
571. Die Assimilation kann eine vorwärtswirkende oder
eine rückwärts wirken de sein, sie kann die den tonlosen oder die
8 571 — 573. Konsonantenassimilation. 479
den betonten Vokal umgebenden Konsonanten treffen, doch tritt
das letztere seltener ein vgl. etwa schon vulglat. amendola
aus ameidula (u/nvyddXtj) , sttdital. amennola, frz. amande, span.
almenära. Die Assimilation wurde hier durch die Dissimilation
gegen das Schlufs-Z erleichtert. Weitere Fälle, wo ein Nasal an
Stelle von r, h, I, r tritt, sind südital. mim, frz. dial. m§ni =
venire; südital. minnitta, minnina (vindemia), morv. menöig; span.
mimbre; ital. vcrmena; span. encina; rum. cununä. Während sich
für diese Angleichung noch sehr viele Beispiele bringen liefsen, ist
dagegen der umgekehrte Fall selten, vgl. n — n aus l — w in
lothr., anj., neuenb. niiil aus lentille, in maz. ninga aus longa. —
Sodann mag von Dauerlauten erwähnt werden frz, chercher aus
cercher , welch letzteres übrigens H. Etienne noch kennt, ent-
sprechend siz. kirJcäre, tirol. k'erk'e, dann maz. dzeadzet (digitu),
tsitsor =-- pitzor, aret. zomeTla^ donzella, ital. zezzo aus setins, portg.
zazinta ; von Verschlufslauten bearn. betet (vitellu) statt hedet.
572. In den bisherigen Fällen hat die Assimilation nach
rückwärts gewirkt. Nach vorwärts ist sie seltener, vgl. span.
vierven aus vermine, wo aber auch Dissimilation gegen den Nasal
mitwirken konnte^ span. füomena, astur, semenar aus semelaVj
ital. centinare aus cincturare.
573. Auch bei der Dissimilation können wir Wirkung
nach vorwärts oder nach rückwärts unterscheiden. Im ganzen ist
sie häufiger als die Assimilation, namentlich tritt sie ungemein
gern bei r — r oder l — l ein : mit fast gesetzmäfsiger Strenge
fordert das spanische l — r bezw. r — l, ohne dafs sich freilich
eine Regel fände, wann die eine Lautfolge eintrete und wann
die andere. Vgl. lugar, coronel, marmol, escarpelo, ralo, taladro,
carcel, arbol, arrebol, lebrcl, roble, templar, miercoles, laurel,
älambre u. s. w. Sonst also rückwärts wirkend: l — r: vulglat.
j>elegrinus, ital. pellegrino, frz. pelerin, dann frz. nombril, altere]
vautrer, meleurEz. 75, 37 und heute in den Ostdialekten, afr. aubre=
arbre A.A. 572, ital. albero; Ariege malbre, Tarn daltre u. s. w. ;
r — l: rät. kurti, mail. kortello, afr. gourpille; l — m, n: ital.
Girolamo, Bologna, frz. Boulogne, norm, vell, afr. velin, mail. veri;
frz. orfelin, span. Antolin, Barcelona ; n — l: vulglat. conucla, ital.
conocchia, frz. quenouille, ahd. chonachla, ferner afr. nivel (wall, lev^),
480 II. Kapitel: Konsonantismus. § 573 — 576.
frz. nomhril aus lomhril, nomhle, portg. negälho; r — d: span.
qiiijarudo von quijada ; d — l: span. d'mtel, Ariege dentih, bearn.
dendele; d — *?, m: prov. degwn^ andal., astur, dengun; obw.
diember (numerus) , mail. domd = nonmagh ; l — m, n: aportg.
lomear, ost- und westfrz. lome (nomer), siz. luminata, aspan.
lombre, friaul. lum'ar (numerus)^ portg. lembra aus membra (memorat),
ital. cälonaco; v — m: ital. svembra, bearn. bremba, kat. barena
(merenda) ; n — m: aspan. nembrar, aportg. nembra, surs. nembre
(membrum); s — s: span. cosecha. — Ob auch rum. mormint aus
*moIimint entstanden ist und, wie siz. mulimentu, berg. muliment,
hierher gehört oder ob es an moare angelehnt ist, bleibt zweifel-
haft. F — p: hol. fioppa=pio2)po. — Ital. ghiado statt gJiiadio,
giogaja statt giogliiaja, chiesa statt chiesia mögen noch genannt
werden. Endlich die Vertreter von lilium, lolmm: ital. giglio,
gioglio, f riaml. dzi, prov. i^/o^, sT^an. joyo, ^ortg.joio, giralva nehen
sard. lodzu, arag. luelo, besan<j. leu. Durchgangsstufe ist titu,
lolu, woraus durch Dissimilation *yilUj yolu, dann giglio u. s. w.
574. Vorwärtswirkende Dissimilation ist wieder seltener,
vgl. etwa afr. contralier Eol. 1741 5 n — l: span. Espagnol,
domellar neben domenar, empelle neben empeüe, comulgar ; t — r:
span. mentira; d — l: span. ardü, madrileno; l — d: adalid, alfid;
r — d: ital., span. rado, ital. contradio , proda , armadio, span.
barreda, pölvareda; g — ö: frz. gencive, span. encia. Eückwärts-
und vorwärtswirkende liegt in ital. prüdere, prov. prvzer vor.
575. Umstellungen sind entweder einfache oder gegen-
seitige. In jenem Falle tritt ein Konsonant vom Anlaut einer
Silbe in den Inlaut oder umgekehrt, oder von einer Silbe in
die andere; in diesem tauschen zwei Konsonanten miteinander
den Platz. Der erste ist beschränkt auf die Sonanten, noch
dazu fast nur auf l, r, die Beispiele für n sind sehr wenig zahl-
reich, vgl. § 454 und 535. Von den Umstellungen von r sind alle
diejenigen zu scheiden, in denen tonloses er bezw. re zu f wird,
s. § 367, wo die Erscheinung erklärt ist.
576. Am leichtesten springen r und l um, und zwar hat
sich die r-Metathese an manchen Orten zum festen Gesetze aus-
gebildet. So im Obwaldischen, wo in tonloser Silbe Kons. -}- f
§ 576. Umstellung von R. 481
+ Vok. -+- Kons, zu Kons. + Vok. -\- r -\- Kons, umgestellt wird :
partrada (pertractat), aber partardar,parsun, fardar, fartont, skartira
(scriptura), Jcarstiaun, sfardar zu freid, hurdar aber Tcroda u. s. w.
Im B6arnischen tritt r stets zum anlautenden Konsonanten:
rem aus firmus, rubi = frz. fourhir, Jcramp§ aus camera, kräbe^
brcspe, frehe, trende, presti, rebremba, Jcrumpa = comperare, x)rube
aus pubre (pulver), praube. Ebenso in Campobasso : kravoun§, tre-
menda^ ndruwuhyat^, preff^reya (*perfidiare), ndrekkuose u. s. w. —
Be wird durchgehends zu er in Anjou: berbi, berteile, berzi,
ferdir, er zu re im Pik. fremer, esprevier, herbregier. Anderswo
wird Konsonant + r zu r + Konsonant, so im Campidanesischen :
sorku, birdiu, perda, manorva, urdi, mardi, vgl. auch gen. larvu,
sorva. Namentlich stark ausgeprägt ist die Tendenz r mit dem
anlautenden Konsonanten zu verbinden. Sie ist fast zur Regel
geworden in Campobasso : fraveka, freva, frebbar§, krapa, ähnlich
im Andalusischen : frabika , treato , irempano , probecite. Auch im
Spanischen rückt es mit Vorliebe an den Silbenanlaut : estrumdo,
estrupo, preguntar, trujal, proveza Canc. Baena I, 70 a, enprovece
Boc. Or. 317, madrugar, esgrimir. Aus dem Anlaut einer Silbe
spi-ingt es in den einer anderen in pesebre, costra, escudrinarj
hodrio , rendija aus hendrija, galizisch: prebe, probe, krubar,
krobe, trembar, prubicar, drento, vulgärportg. : prove, freve , adro-
mentar 3 Past. , prefeito , pirumco , frabica , pedricar , altracar
Res. III, 216, 4, detreminado 217, 2, cabresto III, 99, 6, fremosa
23, 23 u. s. w. Aber auch umgekehrt : portg. agardecido 3 Past.,
dormidairo, fernetico, disgarga, percipicio. Einzelne Beispiele sind
weitverbreitet: preda, prea fUr petra findet sich in ganz Ober-
italien, drumir im Gaskognischen, Tarn u. s. w., im Morvan, im
Bagnard und Vionnaz, dann wieder im Venezianischen, im
Sardischen, endlich in Miranda und in anderen nordportu-
giesischen Mundarten ; crovus für corvus im westlichen Oberitalien
und wieder im Sizilianischen. Coprire und *doprire werden in
Lothringen, im Morvan und im Provenzalischen zu kruvi , druvi,
im Piem., Mail, und zum Teil Prov. zu kurvt, dtirvi. — Fran-
zösische Beispiele sind noch tremper, fromage, brebis, treuil, frange,
ein rumänisches frumos. — Die Umstellung von rb zu vr ist
Regel im Sizilianischen: avra, mavra, ovru, evra u. s. w. —
Meyer, Grammatik. 31
482 II- Kapitel: Konsonantismus. § 576 — 579.
Mail, stranüdd aus stranutare, siz. stranutari, rum. stränutd erklären
sich durch Einmischung des Präfixes stra. — Einen besonderen
Fall bildet endlich anlautend Vokal -|- r zu r + Vokal. In Fällen
wie ital. ramolaccio liegt Volksetymologie, in rigoglio Anlehnung
an ri-, in ruhiglia vielleicht fhiglia vor, und dies leitet hinüber
zu den § 367 besprochenen Erscheinungen.
577. Nach r ist namentlich l sehr beweglich. Das l des
Suffixes -^M, -la tritt zum Teil schon im Vulgärlateinischen zu
dem anlautenden Konsonanten : fiäba ital. fidba, fiavola, lothr. flahe ;
ploppus wal. j)lop, lothr. prop, ital. piopjpo, span. chopo ; flaccula
rum. flakär., ital. fiaccola; *pulica zu *2^ulga, *pluga: emil., lomb.
pluga, gen. pmia vgl. gen. fresa aus /tiice. — Für hl tritt im Span,
leicht Ib, Iv ein, vgl. olvidat\ sübar, tolva (tubula); haculu wird
über *haglo zu Wa^o. — An Stelle von singuUus ist vulglat.
'^singluttus getreten: ital. singlnozzo , frz. sanglot, span. soJlozo,
wohl in Anlehnung an gluttire.
578. Bei gegenseitiger Umstellung ist zu scheiden,
ob die beiden Konsonanten zusammenstofsen oder getrennt sind.
Beispiele für ersteren Fall s. § 463. Ferner romg. hsdel, apjste
(aspettare); eng. arfsieu (= ital. ricevuto), masdinu (medicina),
Anlehnung an mazder , razdella. Im Spanischen wird nz meist
zu zn: gozne neben gonze, hrozno aus bronze, bizna und binza,
roznar und ronzar.
579. Die übrigen Fälle begreifen fast ausnahmslos nicht
volkstümliche Wörter. Erbwörter, die ununterbrochen von Ge-
schlecht zu Geschlecht überliefert werden , deren Form also fest
im Gedächtnis haftet, sind willkürlichen Veränderungen kaum
unterworfen. Anders bei Lehnwörtern: woher auch diese ge-
nommen werden, ob aus einem anderen Dialekte, ob aus der
Büchersprache, immer werden sie erst mundgerecht gemacht werden,
die Laute werden umgestellt, wenn sie eine ungeläufige Folge
bilden, es finden die verschiedenartigsten Anlehnungen an das
ererbte, geläufige Gut statt. In der Tliat sind nur Avenige der
im Romanischen nachweisbaren Fälle vulgärlateinische Wörter,
und wenn, so meist solche, deren Lautkonstitution ganz ver-
einzelt ist.
§ 579 — 582. Gegenseitige Umstellungen. 483
Eine reiche , aber kritisch wenig gesichtete Samm-
lung giebt D. Behrens, Über reziproke Metathese im
Romanischen, Greifswald 1888.
580. Zunächst mag der Fall betrachtet werden, wo infolge
der Umstellung ein gewöhnliches Suffix an Stelle eines seltenen
tritt. Hierher gehört das ziemlich alte padule statt pälude, rum.
padurä, ital. padule, sard. paule, span,, portg. paul (aber afr.
palu, obw. palieu); latronicium eng. ladroned, ital. ladroneccio, afr.
larronesse (statt -es mit dem Suffix -esse == -itia)^ span. ladro-
nicioj portg. ladroicio , mittellat. latronicium , aber frz. larcin.
Mehrfach Averden Adjektiva auf cidus zu dicns umgestellt, lidicus
statt Uquidus wird gefordert von mail., mod. ledeg , sard.,
parm. , regg. lidga ; sard. pidigu gehört zu xnx , auf ridigus statt
rigidus weist prov. redo, obw. reg, portg. rejo, vielleicht piem.
reidi; sttcidus zu sudicvs, weiter sudiceus, ital. sudicio, danach
fradicio. Ebenso erklären sich portg. malga aus madga-^=magida,
siz. vispiTcu (episcopus) , siz. Japiku, aper. Japeco , sard. äbile aus
alihe, kizina aus kiniza, tar. suticare aus sequitare, auch im rum.
apitcd aus acupd mögen Verba auf -cd mitgewirkt haben; bearn.
aulere für aitrcle nach den Femininen auf -ere = -ella; span.
cantinela aus cantilena, ital. spaghero, mail., rum. marü aus
maturus ; friaul. k'dvine aus cdnova. Ähnlich verhält es sich mit
prov. deneza aus nedeza =^ nitidiare, wo durch die Umstellung
die Idee des Präfixes de hervorgerufen wird , obw. dalinamcin
aus ladinamein, tirol. davavi aus vadan an davanti angelehnt.
581. Einmischung eines anderen Wortes ist zu sehen in
ital. cendraliva aus cilandrina, wo avoIiI cenerentola mit im Spiele
ist, aital. rimedire aus redimere in Anlehnung an rimedio, in dem
vulgärlateinischen alenare nach halare von anhelare, portg. cotovello
statt *covadeUo nach coio, siz. sagaru, gen. sagau (neben siz.
saracu, sard. saragu) aus sargus nach pagaru, pagau aus pagrus,
umgekehrt portg. pargo, flor. parago ; äsen, partefice , gewisser-
mafsen par^i/eic, ital. gaveggiare aus vagheggiare wegen gajo,gagliardo,
span. mallugar wegen mallo.
582. Dunkel sind Umstellungen wie *estincilla für escintilla:
sard. istinkidda, prov. estincela , frz. etinceüe (aber span. centella);
31*
484 II- Kapitel: Konsonantismus. 8 582 — 584.
sard. istentina, aspan. estentma, südital. stentma, tirol. stentin zu
intestina; südostfrz. g§ncl aus gel§n, auch afr. genille aus geline:
vielleicht Sucht nach Suffix ele , ile , umgekehrt prov. asinuld,
prov. , fi-anchecomt. Tiiäune für Jcunvie aus vulglat. conuclas
§ 573; oder siz., neap. yiditu für diyitu; sard. lorunrn aus
glomnlns; siz. impatiddire, ital. reciteUa, ital. cofaccio, span. coliete,
siz. Jcufidaru; span. täbähöla nach tahdl , tabälear aus hataliola,
deterir aus deretir, aprov. Zmw aus wtt?, prov. asügd aus agüsd. —
Aus einer Abneigung gegen das schwierige *?M (vgl. § 387) mag
sich morv., berr. sevene statt seneve erklären. — Auch lat. rumicare
zeigt vielfältige Formen, vgl. ital. rugumare, rum. rvgumd, siz.
rugumiari, dann bellun. murgd. — Endlich mag hier noch das
romanische Wort für Leber erwähnt werden. Neben ficdtttm oder
fccatum § 605 findet man auch fidicum: afr. firie, prov. /e^e,
sard. fidigu, piem. fcd'jÄ;, lomb. /ifZe^f.
583. Am gewöhnlichsten ist der Wechsel von l und r, leicht
erklärlich aus der Natur der beiden Laute, vgl. § 573. Nur
Weniges kann hier erwähnt werden. Neben cornlns steht schon
lat. colvrnvs, und vulglat. col'rus wird gefordert von frz. coudre,
judik. Jcolar, comask. IcoUr, colureiis von tess. liuloer, bologn. Jculur;
im Siz. Avird Suffix -areolus, ital. -ajuolo stets zu -Joru: fumaloru,
gattaloni, irvnloru u. s. w. Namentlich häufig in Buchwörtern:
ital. grolia, span. frol und flor , peligro, milagro u. s. w., neap.
parpetola.
584. Verunstaltungen von Buchwörtern sind z. B. ital.
füosomia , regilion , grdlima , prov. gerlevno , prov. masagin , log.
Jcamasinu aus magazzin, sard. stogamu, portg. stogamo , siz.
krafassu aus ital. fracasso, mail. valmasia, als ob der Wein
aus einer FaZ Masia stammte, portg. asmola aus elmosna u. s. w.
Von Pflanzen- und Tiernamen : ital. petrosemolo , oberital.
narunhel, prov. kagarau und Icaragau, esJcagaro und esJcarago,
j)rov. lentisMe und restenMe (lentisculvs) ; von anitra finden sich
nprov. adrelo , alcdro , ver. anera und arcna ; span. murcielago,
prov., lothr. mälesö aus limagon, rouerg. rapatanado. Ferner
treten Umstellungen ein bei Wörtern, die onomatopoetisch ge-
bildet sind. Lat. titilJarc erweitert zu titillicare wird zu tidillicare,
§ 584 — 587. Umstellungen, Abfall, Zutritt von Konsonanten. 485
umgestellt in ditillicare uud mit verändertem Präfix ital. solleticare,
oder umgestellt zu ital. düeticare, emil. dledger, oder die erste
Silbe fallt, siz., ueap. tiUicare wird zu abr. tekeld.
585. Abfall von Konsonanten infolge von Dissimilation
s. § 429, ferner penre ostfrz. und Südwest, z. B. Kath. P. I, 33,
frz. ahlc, faihle, spau. quehrar, mcdrar, tcmblar, cribar, trasto, madrasta,
fiamhre zu frio, afr. via^, prov. viatz, aven. viago wohl aus viva-
cius; ital. propio, arato, frate, comignolo, tqAglio. Es sind also
wieder fast ausschliefslicli l, r, die in Betracht kommen. Doch
wird auch aspan. todulos Alex. 1620 u. s. w. , nspau. amamolos
hierher gehören.
586. Umgekehrt ist auch Zutritt von Konsonanten, haupt-
sächlich von r, zu verzeichnen. R erscheint namentlich nach i :
afr. nuitantre, soventre, essientre, maintrc, tristre, rvstre, jostre,
yaspre, chartre, noch heute cncre : den Ausgangspunkt für r nach
st bilden Fälle wie Celeste = caelcstis neben terrestre = terrestris;
nuiantre vielleicht nach tempre {tempore), danach dann auch
soventre. — Auch die anderen Sprachen, namentlich das Spanische
und Portugiesische, zeigen Beispiele, vgl. ital. gifiestra, hisesirOj
annitrire, vctrice; span. ristra, lastre, portg. mastro , cehstre, gal.
hastra; span. alguandre, portg. delantre. Sodann im Wortinnern :
span. estrella, brujula aus ital. bussola an brujo angelehnt, pr'mgdr
u. s. w. — Ein altes Beispiel ist auch vulglat. *trcsaurus , frz.
tre'sor, aspan. tresoro, ueap. trasore, ags. tresor u. s. w. — Merk-
würdig sind trobla (tabula), etrobla, etrubla (stupila), drobli
(doKble) im Lyonesischen und weiter östlich auch in Neuenburg,
wo also silbenschliefsendes bl im Silbenanlaut tr statt t hervorruft.
587. Zu den schwierigsten Punkten gehört der Zutritt
eines Nasals. Schon § 40 und 64 ist gezeigt, dafs an manchen
Orten ein silbenanlautendes n, m den folgenden Vokal nasaliert,
vgl. dazu noch span. manzana, ninguno, mancilla, manclia, cimen-
tero, mevje, mnngil, mensaje, resumen, mwncho, andal. manqiie =
masque ; ferner § 546 , dafs auf bestimmtem Gebiete statt eines
gedehnten Konsonanten Nasal -|- Konsonant eintritt. Allein auch
aufser diesen Fällen giebt es noch manche andere, für die meist
eine befriedigende Erklärung fehlt. — Weit verbreitet ist rendere
486 II- Kapitel: Konsonantismus. § 587 — 589.
für reddere, umgeformt nach prendere: ital. rendere, frz. rendre,
span. rendir^ nur katal., prov. reddre, retre. Sonst: ital, strambo,
Jambrusca , vincido , mail, gombet aus cuhitus (an accumhere an-
gelehnt?), lömh. minga, deslengud, \gl. Hon. deUge zu liquare n. s.w.
Spanisch alondra statt alodra, vgl. go-londr-ina, das mit *1ii-rnn-
dula zusammengehört; ponzonar neben portg. pegonliarj aspan.
pogonar hat wohl sein n von der zweiten Silbe; lonja frz. logßf
fmcar neben frz. afficJier, arrancar frz. arracher, prensar nach
imprenta, langosta, auch j^rov. langusio. Vereinzelte französische
Beispiele sind: cingler afr. sigler, Jongleur Vermischung von
jouglenr und janglcr, lamhruche und vieles andere, zum Teil
etymologisch zweifelhafte. Merkwürdig ist die Übereinstimmung
zwischen rum. nuntä und sard. nunta, gewissermafsen numptia
statt nvptia.
588. Für sich zu betrachten sind die Anlautsgruppen e, i •+-
S + Kons., selten e, i + Guttural oder Labial , also Fälle wie
exire, istipso, estate, equälis, hihernu, deren Vokal zu e reduziert
ist. Ihnen zur Seite steht nun die grofse Zahl der mit ins^^"", ine,
ing, imb beginnenden Wörter. Aus deren Einflufs erklären sich ital.
span. embriago, ital. inverno, span. invierno, eng. ingel, prov. inibriago,
engal, vgl. b^arn. engoan (hocanno), aven. mstae, friaul. instad;
aven. instesso, friaul., lomb. instess; agen. , aven. inst, span.
enjalbegar, enjambre, enjaguar, enjälzar , enjundia, enjarciar,
enjenzo, enjabido, enjalina, enjnllo (neben mehr gelehrtem ensdlzar).
Im Französischen sind diese Formen seltener, doch vgl. nfr.
empan aus espan, afr. ensir Eom. V, 480, ingal, auch englise,
ensement , sodann namentlich im Anglonormannischen : ensayer,
ensancer, auch engacer, andererseits im Pikardisch- Wallonischen,
z. B. enjoir, enlongier, ensancier, ensemples im Poeme Moral,
enwarder u. s. w.
Vgl. Ascoli, Arch. Glott. m, 442—453, zum
Französischen auch S u c h i e r , Ztschr. IV, 184, Förster,
Chev. II esp. L, zum Spanischen auch Bai st, Ztschr.
V, 351.
589. Mischung verschiedenerWörter. Nur insoweit
soll hier eine eigentlich der Wortbildung oder noch besser der
Wortschöpfung zugehörige Erscheinung zur Besprechung kommen,
§ 589—591. Varia. 487
als es sich dabei um Umgestaltung einzelner Konsonanten handelt.
Fälle wie oberital. kminzipeyd= comminciare -\- prinzipiare kommen
nicht in Betracht, wohl aber solche wie span. sequedal, wo d
statt r eintritt unter dem Drucke von seqiiedad und von Bildungen
auf -edäl. Ferner span. motiandad statt mortaldad nach christiandad,
neap. pim§d§ statt öim§Ö§ nach ptil§d§^ span. nutria = lutra -\-
fyvdgig , ital. rovistico = ligusticiis + "^ovo , span. rucio , portg.
ru^o = lucidus + russus, ital. nicchio = mytilus + nido^ span.
golfin == delpMnus + golfo, gama = c?awa + gamuza, bürg.
/How = *contfcla (vgl. § 573) + /iZare, span. hriitesco = grotesco
+ bruto , frz. devant = de-ante -f- äbante, frz. meugler =
mugir -j- heugier.
590. Schliefslich bleiben noch manche unerklärte Laut-
vertauschungen übrig. "Wechsel von Z und r tritt auch oft ein,
ohne dafs der Grund sichtlich wäre: span. nispero, tinieUas,
papel, clin, esp>olon, amhle; ital. daitero^ veruno, cüiegia, afr. celise
A. A. 573, noch heute im Osten. Im Afr. wird irie (§ 540)
zu die: envilie, Jiomecüie, essdie (exddium), Güie, dann auch um-
gekehrt mirie aiis milie, navirie aus navilie von *namlium. Span.
homecdlo, Gü sind französische Lehnwörter. Eng., paduan. envilia
aus invidia dagegen zeigt direkten Wandel von d zu l. Wechsel
von d und l erscheint im Italienischen in cicala, tralce, ellera,
aspan. melesina J. Euiz 363, Hita 23, umgekehrt amido, sedano.
Lat. mespüus bewahrt den ursprünglichen Anlaut in bearn. mesple,
wall. mespUf dagegen n in ital. nespola, span. nispero, frz. n^fle,
in letzterem ist auch das f auffällig. Lat. tremere wird afr. zu
crembre, nfr. craindre, span. bramil gehört zu griech. yQu/iif.ia,
span. dejar , siz. dassari zu laxare u. s. w. : das Verzeichnis
dieser Rätsel liefse sich noch lange fortsetzen.
591. Zum Schlufs ist noch der Abfall ganzer Silben zu
erwähnen. Zunächst Fälle wie ital. strumento aus instrumentum
erklären sich leicht aus § 408 und 373. Auch rum. peängene aus
impetigine, buric aus umbiUcus können einfach als weitere Ent-
wicklung der § 375 erwähnten Redxiktion von in, im zu w, m
angesehen werden. Auffälliger ist span. soso neben portg. insosso
von lat. insulsus. Namentlich aber fällt die erste von zwei
488 II- Kapitel: Konsonantismus. 8 591.
gleichen Silben : cocdnella wird im Frz. zu cenelle. Vielleicht ist
nicht direkter Abfall sondern, entsprechend mattinus aus matu-
tinus § 341, zunächst Ausfall des Vokals anzusetzen : '^ccinella,
woraus cenelle. Andere Beispiele sind span. terco aus '^tetircns =
tetricus, frz. gourde neben prov. congourde aus Cucurbita neben
courge aus ^cucurNca, afr. coourge. Auch frz. onze, span. once
kann, wie das o zeigt, nicht auf üniümjdecim., sondern nur auf
ünjümdecim beruhen. Ferner ital. haco aus homjbaais, stomglia
aus tejstuilia, vaccio = afr. viaz aus vivacius, delicare aus titü-
licare u. s. w.
Vgl. Caix, Studi, S. 189 ff.
III. Kapitel.
DER ACCENT.
592. Zweierlei sind die Fragen , die sich an den Accent
knüpfen : die eine betrifft seine Stellung, die andere seine Natur.
Jene ist leichter zu beantM^orten als diese , mit überraschender
Zähigkeit behält bis auf geringe Ausnahmen die im Lateinischen
betonte Silbe den Accent auch im Komanischen. Beispiele dafür
zu geben ist unnötig, sie finden sich in grofser Menge S. 54 ff.
Die Ausnahmen von dieser Regel sind geringe, und nur wenige
gehen durch alle i'omanischen Sprachen, sind also schon vulgär-
lateinisch. Sie zerfallen in zwei Klassen, die einen nämlich
zeigen ein neues Lautgesetz, die anderen Einflufs form- oder sinn-
verwandter Wörter auf einander. Jene können auch als spontane,
diese als sporadische bezeichnet werden. Eine besondere Stellung
nehmen die Ortsnamen ein, sofern sie zum Teil die vorlateinische
Betoniing bewahren.
593. Schon im Vulgärlateinischen nimmt in nicht anlauten-
der Silbe der zweite von zwei im Hiatus stehenden Vokalen den
Ton auf sich, auch wenn er kurz ist : i)arietem, muli^rem, filiölus.
Das Gesetz ist alt; schon Ennius bi-aucht im Verse äbjete, ein
Grammatiker sagt ausdrücklich, mulm-em müfste auf der zweit-
letzten Silbe, nicht auf der drittletzten betont werden, Anecd.
Helv. cm, und damit stimmt die Praxis der christlichen Dichter
des m. und IV. Jahrhunderts überein. Zwischen paricte und
muliere zeigt sich ein Qualitätsunterschied, der wohl nur dem
Einflufs des folgenden r zuzuschreiben ist. Es wird nun eben-
490 in. Kapitel: der Accent. § 593^ 594.
falls in lateinischer Zeit ie zu e, wir erhalten also die Grundlage
Xmrete S. 82, arete, ostfrz. are, abete, ital. abete^ aber muli§re:
eng. muler, ital. mogliera, afr. mouUpr, span, mujer. Sodann
iolu: eng. filoul, ital. figlmolo, frz. fUleul, span. hijuelo u. s. w.
Vgl. A. Thomas, Arch. miss. scient. 3, V, 483.
A. H 0 r n i n g, Mn vulgärlateinisches Betonungsgesetz, Ztschr.
Vn, 572.
594. Obschon in der klassisch - lateinischen Metrik der
Vokal vor muta -\- liquida meist kurz gemessen wird, so sind
doch die betreffenden Wörter im Vulgärlateinischen und im
Romanischen auf der vorletzten betont : tenebrae , span. iinieblas,
colghra, frz. couleuvre, span. culelra, alecrus (§ 273), ital. allegro,
afr. halaigre, catedra § 494, palpeira, frz. paupihe. Unter Doppel-
formen treten tonitrus, pullUruSf dann culcüra, anitra auf. Frz.
tonerre, prov. toneire entsprechen der Regel, dagegen weist span.
estruendo auf trönitus mit sehr alter Umstellung des r und
daheriger Zurückziehung des Tones. ScliAvierig sind die Vertreter
von pülljtrus. Neben regelmäfsigem ital. puledro , siz. xmdditru
steht scheinbar mit dem Vertreter von p venez, puliero, doch mag
hier Suffixvertau schung (-iero von -arius statt *-ero) vorliegen,
obw. pulieder mit dem auffälligen Fem. puliedra, eng. puleder;
sodann frz. poutre, span., portg. p)otro, vielleicht auch tosk. *polti'o,
vgl. poltracchio , die püUHrus verlangen. Trotz der reichen Be-
deutungsentwicklung ist jedoch die spanisch-portugiesische Form
der Entlehnung aus dem Französischen dringend verdächtig, da
die Analogie von span. buitre, portg. abutre vielmehr puitro, putro
erwarten läfst. Dagegen steht die französische Form sicher:
vielleicht weist sie auf einen Nominativ pulliter ziirtick. ■ — Zu
ciilcita scheint frühzeitig culcüra getreten zu sein, vgl. aspan.
colcedra , prov. cousser, dem italienischen coltrice liegt wohl
cölcita zugrunde, woraus erst auf italienischem Gebiete colcitre,
dann coltrice. Daneben cidcita, culc'ta, woraus nun entweder culcfa
entstanden ist, span. cohha, frz. coltfe, coit'e, nfr. coite und couette
mit älterer, besser dialektischer Aussprache des oi (S. 92), oder
aber *colta , afr. l^eide, ital. coltre. Neben den regulären Ver-
tretern von dnate, z. B. tirol. adna, afr. anne findet sich ital.
anitra, nach Accent und Vokal ein Buchwort, comask. nedra,
romg. anddra, die anjtra, bezw. andtra verlangen. Endlich neben
^ 594 — 596. Spontane Tonverschiebung. 491
drhutum steht arhötnim in astur. aJbedro. — Frz. fiertre ist ein
altes Kirchenwort: fe'retrum.
595. Wie sich aus § 609 ergeben wird, hat in Frankreich
der alte Accent seine Natur stark verändert: in einer gewissen
Zeit werden wenigstens dialektisch alle vollen Vokale eines
Wortes gleichmäfsig betont. Wird dann der ursprüngliche Ton-
vokal gekürzt, so kann er den Ton verlieren. Dasselbe tritt
ein, wenn ein ursprünglich unbetonter infolge von Verstummung
eines Konsonanten gedehnt wird. Leider fehlt hierüber noch
jede genauere Auskunft, nur für wenige Gegenden liegen einiger-
mafsen sichere Nachrichten vor. Zunächst fürs Limousinische.
Hier wird lat. -a zu ö, -as dagegen zu ö, das den Ton auf sich
zieht : porto = poHat, aber purid = portas , man beachte , dafs
d^r Vokal der ersten Silbe die Behandlung der tonlosen zeigt.
Ebenso passo = passat, aber jwssä = 2^^^^^^^ > ^WO = aq.'ua, aber
Plur. eigo, cm^o PI. onsä, Sabro, §ohrä.
Chabaneau ist nicht recht klar. S. 12 sagt er
ausdrücklich: „Si la finale est breve (b), 1' accent reste
comme indecis et partage entre les deux voyelles. Mais
cette h^sitation cesse tout-a-fait dans la plupart des
mots dont la finale est longue, parce que celle-ci, plus
lourde, fait aussitot pencher la balance de son cote."
Dann bringt er ein Beispiel aus der Konjugation. S. 143
Anm. 3 aber heifst es von den Substantiven auf o PI. ä,
sie seien alle Paroxytona. „Ils conservent, bien entendu,
ce caractere au pluriel, comme je Tai d6ja not6, malgr6
l'allongement qu'y subit leur desinence. J'insiste ici sur
ce j^oint, parce que c'est la fr^quemment une pierre
d'achoppement pour les etrangers, et aussi pour les
indigenes , lorsque , sans connaissance süffisante de la
prosodie, ils se melent de rimer." Dann werden Verse,
wo ohras als zweisilbig in der Zäsur oder charmentas als
dreisilbig am Versende gezählt werden, getadelt.
596. Sodann finden sich, wieder mir bei Femininen, im
Südost französischen Tonverschiebungen. In Neuenburg,
Freiburg, Waat werfen dreisilbige Wörter, deren letzte Silbe auf
-na ausgeht, den Ton auf die erste : Spina wird zu ep§via, epna,
so fdm§na, fört§na, him§na, pre'ssffia (p)€rsona) , Mrna , dearna
(gallma) u. s. w. , aufserdem in pd/fra = pastvra. Von dem
letzteren ist Abstand zu nehmen, sofern es vom Verbum pasturare =
492 ni. Kapitel: der Accent. § 596, 597.
pap§rd beeinflufst sein kann. In den anderen aber ist ein laut-
mecbanischer Vorgang zu sehen, da alle Wörter auf ina, nna,
öna, nicht aber die auf awtt, gleichmäfsige Behandlung zeigen.
Das mit dem meisten Eigenton ausgestattete a bleibt bei der
Entnasalierung unversehrt, die anderen Vokale aber werden so
stark gekürzt, dafs sie schliefslich vor den vollen der ersten Silbe
ganz zurücktreten : ep«»?a wird über e2Ü"na zu ejJ^fia und schliefs-
lich zu ep§na. Zweisilbige Wörter wie luna bleiben : waatl. 7^wö,
oder schieben den Ton vor: savoy. Ind. Nur für -ina folgt das
Dromethal : iimhrino, fwMno aber sövagino. Weiter geht Savoyen.
Wir haben § 39 gesehen, dafs z. B. in Vionnaz i vor l imd l
gekürzt wird zu e, e. Sobald es auf letzterer Stufe angelangt
ist, so liegt die Möglichkeit zum letzten Schritte, zur gänzlichen
Tonlosigkeit, vor, daher savoy. fU == fllia, orl<: = auricvla; vion.
dre == diccre. — Viel weiter geht Fourgs, wo nicht nur z. B.
fömno gesprochen wird, sondern auch sunHo (frz. sonnette) und
so alle Wörter auf e/fe : metsHo, os'to, hel'to, komh'to n. s.w., ferner
dzcen'soß == ge'nisse, f'lce (ßle) , gieß (guüe), mso (deutsches milz),
mtsoe (miche), rtsu (riche) , sfru (souffre) und sJcru (Sucre), notroß
(nature) und fra'ssroe (fressure) u. s. w.
Vgl. noch Gillieron, Melanges Renier 295.
697. Man möchte versvicht sein, die Betonung des Feminin-
ausgangs in Val Soana auf dasselbe Prinzip zurückzuführen,
wären nicht die ursprünglich betonten Vokale in ihrer Reinheit
bewahrt: lünd, Upind, Und, far'ind, neben Jcornd, gernd u. a. Es
hat hier die Oxytonierung auch sehr viel weiter um sich gegriffen
als diesseits der Alpen. Sie tritt ein bei den Ausgängen -uUa :
pavHd ^= caepuUa, -ella: pervelld, -ena: fend^=femina, nher 2j ein d,
pina, -Jna, -üna, ferner 'k'avend = cax)anna, madond, -ima: piwd,
fyamd, dann in den Wörtern auf etd und in messd und peKta
(cista) , in rodd = *rogya, in Ktopd, Mropd, püpe (ital. poppe),
moffd, ferner fiU und den anderen auf ßa , da, vidi, roni, in
trcpi =^ ital. treccia und kropi = croccia, in fremd = ferma,
Plur. freme Mask. PI. fremi, hpessd, rossd, setsi (sicca), vevd
(vidva) , pmd =^ pectina, endlich dire sagen neben dire. Aus
diesen Beispielen scheint sich folgende Regel zu ergeben. Ur-
sprünglich betontes e, i, o, ü wird vor mehrfacher Konsonanz
§ 597, 598. Spontane Tonverschiebimg-. 493
gekürzt und vermag infolge der Kürze den Ton nicht mehr zu
behalten. Wie mehrfache Konsonanz wirkt nicht nur wi, li,
sondern auch auf i, ü ein einfaches n, m, wogegen ena zu eifia
und dann nicht Avieder gekürzt wird. Interessant ist auch -cina^
-äma aber fyamd aus flämma. Es ist nun sehr wohl denkbai-,
dafs zAvischen Mna und lünd eine Form l§nd gelegen hat, also that-
sächlich Übereinstimmung und Zusammenhang besteht mit den
§ 596 behandelten Erscheinungen, dafs aber unter piemontesischem
Einflüsse der reine Vokal in der tonlosen Silbe Avieder hergestellt
worden ist.
598. Die § 593 behandelte Regel vulgärlateinischer Be-
tonung erklärt sich aus dem physiologischen Gesetze, dafs von
zweiVokalen derjenige den Ton empfängt, der mehr
Klangfülle hat. Dasselbe Gesetz finden wir nun mehrfach
wieder in den Einzelsprachen, und zwar äufsert es sich entweder
durch Zurückziehen oder durch Vorrücken des Tones. So wird
aus medulla im Venez. meola, älter meölla, in süditalienischen
Mundarten verschiebt sich hl der 3. Sg. Perf. zu iü, wovon bei
der Konjugation. Im Französischen gehören hierher: haine, reine,
maitre, chame, chaire, faine, fouine aus hd-ine, älter ha-ine u. s. w.
Sodann bieten viele Mundarten, namentlich südöstliche, Belege
für beide Erscheinungen. So waat. dyö = dico, fr{;myd (formica),
lätyd (lactatam) und so alle Part. Fem. der ia-Verba, iardyd
(tardiva)j vyd (vita), rud (rota), venud und die anderen Part. Fem.
In Bagnard : ei>«/a, urtyd, Val Soana : ortyd, rod, Jcud. Dann auch
hier waat.: rdina, tsdina , Val Soa. : reis (radice) , fein = ital.
fafna, und euß aus acütins. Auch die Vertreter von nehida, tegula
sind hier zu nennen: aus *neida, teula entsteht freib. , waat.,
vion. nyöla, työla, bagn. nyoa , tyoa. Vgl. noch lyou. rod (rota),
hod^ l'ornud, siü (sequit). Von provenzalischen Mundarten mag
partyöy vengyö aus partitttj venuta, ferner nasiu (nation), eskurpiu,
fnriuSy kiirius im Drömethal genannt Averden. Sodann bietet das
Spanische einerseits Dios, yo, sintiö, mio Cid 3433, jues , Duero
(§ 67), fue, fuc'ra, andererseits neila, re'ina , trmdo , wozu aus
Bogotan j)dis, rdiz, mdiz, Jcdida, dina, bdul, aus Buenos-Ayres
rder = refr kommen, ferner kat. jcya aus jet'ya (*jacilia), jüi
aus jiii (Judicium), südsard. *bd(na § 295, S. 241. Hier ist
494 III. Kapitel: der Accent. 598—601.
vielleicht rum. mäduä aus mäduä zu erwähnen, wo der Ton nicht
auf das folgende, sondern trotz des zwischenstehenden Konsonanten
auf das vorhergehende ä rückt.
599. Nicht völlig klar ist ein Vorschieben des Accents auf
die vorletzte im Provenzalischen. Bleibt der Mittelvokal von
Proparoxytonis bestehen, so bekommt er den Ton, man spricht
also zünego aus zünego, senego, portege, pertege, femena und stets
lagrema. Die äufserst geringe Zahl von Proparoxytonis ist dem
überwiegenden Paroxytonismus unterlegen.
600. Endlich ist hier noch die Barytonierung von Eigen-
namen im Provenzalischen zu nennen. Chabaneau^ führt S. Junia =
Junianus an, ferner duto = altanns und germo = germanus, in
Rouergue spricht man Sent Girmo, Sent Beniio, Ofriko, Bümo:
geringer Unterschied zwischen betontem und tonlosem Vokal
und der Zusammenfall von o mit dem Femininausgang mag den
Wechsel begünstigt haben.
601. Die Zehner zahlen betonen die erste Silbe : veginti,
treginta, guddraginta u. s. w. Diese Betonung wird erwiesen
durch den Ausfall des g schon in vulgärlateinischer Zeit und
durch die besondere Behandlung der dadurch entstandenen Ver-
bindung ai. Nur span. seisenta, portg. sessenta können direkt
auf sexaginta zurückgehen, vgl. § 239 und die alten Formen:
sesaenta Muaoz 313, novaenta 315 a. 1255, novaenta F. Gravaö
392. Aber minte, treinta sind mit viginti, triginta nur dann
vereinbar, wenn das ^ geschlossen ist. Dann Avürde sich das
erste e nach § 358 erklären, aus veinte wäre veinte entstanden
nach § 598. Allein die eben angeführten Formen auf -enta
zeigen, dafs -inta kurzes i, also romanisch e hatte. An Umlaut
dui'ch i oder an eine Umstell ving: viente zu veinte, dann veinte,.
ist kaum zu denken. Dagegen erklärt sich veente zu veinte Avie
Ue zu ley § 317. Ital. venti ist mit viginti vereinbar, kaum aber
quaranta mit quadraginta: dieses wäre zu quadraenta geworden,
vgl. saetta. Ebenso verhält es sich im Franz., Prov., Rät. Wir
müssen für diese Gebiete annehmen, dafs schon in sehr früher
Zeit die Verbindung ai zu a geworden sei und das a dann
wieder den Ton bekommen habe. Vielleicht ist als vulglat.
Grundlage schon quadrdnta anzusetzen. — Was noch das e in
^ QQ\ — 603. Sporadische Tonverschiebungen. 495
viginti, triginta betrifft, so hat sich in triginta tres eingemischt,
worauf das Nebeneinander von triginta und treginta auch veginti
neben viginti herbeiführte.
Vgl. Gröber, Ztschr. IV, 188, D'Ovidio, I ri-
flessi romanzi di Viglntl, triginta, quadrägintä, quinqua-
ginta, sexaginta, sept(u)aginta , oct(u)aginta , nonaginta,
*novaginta, Ztschr. VIII, 82 — 105, der für die iberische
Halbinsel die lateinische Betonung festhält, für die
anderen Sprachen die besondere Behandlung aus der
proklitischen Stellung erklärt.
Auch die Zahlen von 11 — 19 scheinen alle im Vulgärlatein
einst auf der ersten Silbe betont worden zu sein, früh aber ist
qvdttuordecem zu quattürdecem geworden, daher span. catorze,
septemdecem, öctodecem, növemdecem aber wurden zerlegt in decem
et Septem u. s. w., vgl. die Wortbildungslehre.
602. Tonverschiebungen in einzelnen Personen des Verbums
kommen besser erst bei der Darstellung der Konjugation zur
Sprache. Hier mögen nur ein paar Erscheinungen allgemeinerer
Art Erwähnung finden. Schon frühzeitig wird im Lateinischen
der geschwächte Vokal zusammengesetzter Verba wieder durch
den vollen ersetzt, und erhält dann den Ton, auch wenn er kurz
ist : redde'dit = reddidit = ital. rendiede, afr. rendiet, prov. rend^t,
renegat ital. riniega, afr. renie u. s. w. Überhaupt rückt der
Ton gerne von Präfixen auf den Stamm : recipit ital. riceve, frz.
regoit, span. recehe; coll/'git rum. culege (aber cöUigit ital. coglie,
afr. Meid, span. coje) , demörat ist gesichert durch ital. dimgra,
afr. demuere, nfr. demeure, prov. dimöra, devörat durch prov.
devora. Das o an Stelle von p ist in Zusammenhang zu bringen
mit der Tonversetzung. In tonloser Silbe ist ö == o (vgl. § 349),
also demgrat, woraus nun demörat, da das Präfix nicht den Ton
tragen sollte. Dagegen demörat ist eine Decomposition unter dem
Drucke von mörat.
603. Unter den Adverbien sind etwa zu nennen ilh'c, illdc
ital. 11, lä, span. all/, alld mit Accent auf der letzten Silbe, wohl
nach den vollen Formen illice, illace und nach ecce hie, ecce hac.
Auf exfn = exinde weist vielleicht prov. jasse.
Gröber, Mise. fil. rom. 44.
496 ni. Kapitel: der Accent. § 604 605.
604. Die sehr verschiedenartigen Fälle von Tonversetzung
im Nomen werden am besten eingeteilt, je nachdem der Ton
vorrückt oder zurückgeht. Betonung der vorletzten statt
drittletzten begegnet im ital. sciocco = exsücus^ woraus
exsüccus (vgl. § 549) 7 wieder infolge der Abneigung gegen
Präfixbetonung 5 in portg. poupa, romg. pöjipa, franchecomte
houhu scheint upüpa vorzuliegen, ital. gavetta stellt wohl gabtta
statt gäbita dar. Auf burrfcus statt hürrtaus weist neap. horrico,
hrico , comsk. horik , span. horrico : es ist aber möglich , dafs das
jedenfalls unlateinische Wort in den Handschriften und Ausgaben
falsch geschrieben und *hurr{ccus die richtige Form ist. Von
anderen Beispielen ist noch zu nennen ital., span. cedrino =
lat. cedrimis, ^\o inus durch inus ersetzt ist; span. arcen, das
sich anderen Bildungen auf en wie sarten angeschlossen hat ;
portg. alvedrio (arhitrmm) folgt anderen Abstrakten auf -io.
Unklar ist span. codezo neben cödeso, portg. codego = cytlsus^
pörtg. endes neben endes aus index.
§ 605. Zurückziehung ist etwas häufiger. Zunächst cdrjnnm
rum. carpun, ital. carpine, frz. cliarme, span., portg. carp)e ist
wohl schon lateinisch, die Angabe einzelner Wörterbücher carplnus
fehlerhaft. Ebenso verhält es sich mit secüle, das vielmehr als
secale anzusetzen ist: ital. segale, segala, segoJa, bol. seigJa, eng.
seyäl, prov. segelj kat. segol, frz. seigle, auch alb. d^ekcre. Daneben
aber rum. secdrä, venez. segdla : letzteres dringt auch ins Rätische :
sulz. segdlo , während friaul. , tirol. sidla vielleicht erst aus seala
entstanden sind nach § 598. Wahrscheinlicher ist doch wohl,
dafs secale im Rum. , Venez. im Anschlufs an andere Bildungen
auf dl seinen Accent verschoben habe, als dafs in den anderen
Gebieten secdle zu secale verändert worden sei. Ein weiteres
schwieriges Wort ist ßcatum. Auch hier bewahren das Rum. und
das Venez. die alte Betonung: rum. ficat, ven. figd, aufserdem
das siz. fikdtu (daher südsard. figau), das friaul. fiydd, vegl. fecuot.
Die anderen Sprachen aber gehen auf ffcatum oder ffticum oder
fitacum zurück s. § 582. Eine befriedigende Erklärung der
letzteren Formen fehlt noch. — Sodann tabanus. Die lateinische
Quantität bleibt, da das Wort nur in Prosa belegt ist, unbekannt.
Ital. tafdno, jura. tav^, kat. tavd, aprov. täbdn, morv. t^ve, vion.
^ 605. Zurückziehung des Tones. 497
tavan sprechen mit Sicherheit filr tahdnus, wohl audi portg. tavüo.
Auch rum. tutm wird zunächst aus tain entstanden sein mit u
statt i unter Einflufs des vorhergehenden Labials, vgl. § 166.
Endlich frz. taon ist vielleicht ebenfalls rein lautlich zu erklären.
Daneben aber stehen span. tcibano, Val Soana tauna und die
mittellateinische Form tavenus. Wäre die spanische Form allein,
so dürfte man sie als falsch betontes Schriftwort erklären: sie
erhält aber durch Val Soana eine kräftige Unterstützung. Ein
ähnlich gebautes Wort ist *lavana lavanum, das Brett, woher
*lavania ital. lavagna, portg. lavanha. Die weibliche Form mit
Betonung der ersten Silbe liegt vor im astur, lahana, auf Idhina
weist aspan. launa, die männliche *lahd'nvm in dem ostfrz. lavö,
frz. long in sdetir de long. — Wir haben § 602 gesehen, dafs in
einer Reihe zusammengesetzterWörter die erste, das unterscheidende
Merkmal enthaltende Silbe betont wird. Das findet sich auch
noch in einigen anderen Wörtern, so weisen auf trffolium frz. tr^flCy
span. irebol, portg. trebo (aber eng. trifoel, ital. trifoglio), wenn ihnen
nicht griech. rQi(fv7SLov zu Grunde liegt. Auch acifoUiim bezw. acri-
folium scheint ähnlich betont worden zu sein. Zwar span. aceho, vgl.
portg. azevinho, ist vielleicht erst aus ^acehöjo gewonnen, da man
doch nach der Analogie von trebol auch acebol ei-wartet. Aber
kat. gre'vol, gask. agreu, jur. §grihi und die Femininform vionn.
agr§da fordern acrifolium. Hier wird man am ehesten voraus-
setzen, dafs trifolvm neben triföUnm auch acnfolum neben acri-
föVncm hervorgerufen habe. — Die meisten anderen Beispiele
erklären sich durch Suffixvertauschung : icus, äcus an Stelle von
Ictis, äcus erscheint in den Buchwörtern span. löriga, rührica,
püdico , in abruzz. uöhhelce, gen. luvign , sen. ombaco aus opdcvs
(nprov. übdg) , sard. lettiga (Icctica) , südsard. he'ddiu (umbi-
licvs), maz. ürtiJcä. Auffällig ist span. peh'cano , das aus Italien
(oder zunächst Frankreich?) stammende söfito, dann cvcüo , sotil,
imhe'cil , dddiva , vertigo , Tieroe , cicuta : man möchte darin fast eine
Tendenz sehen, Schriftwörter auf der ersten Silbe zu betonen.
Ital. e'sile ist an debile u. dgl. angelehnt, umile an gentile u. a.
Die Wörter auf ix scheinen sich wie im Vokal (§ 116), so auch
im Accent gegenseitig beeinflufst zu haben : ital. varice neben
rdrice, umgekehrt berbice. So wird auch lomb. sömes aus scmtsse
anderen Bildungen auf -es = -tce gefolgt sein. Endlich frz.
Meyer, Grammatik. 32
498 ni. Kapitel: Der Accent. § 605, 606.
mercredi, prov. dimercres, span. miercoles, frz. Montmartre aus
mont mercre (mons mercuri) zeigen, dafs im Lateinischen der
Genitiv zu mercurius mercuri gelautet hat.
Interessante Beispiele falscher Betonungen von Buch-
wörteru aus Bogotan bringt Cuervo S. 1 — 75.
606. Der Accent in Ortsnamen. Gegentiber der lat.
Betonung Tarentum bewahrt das Italienische noch heute eine
ältere Tdranto , die man in diesem speziellen Falle als die
griechische bezeichnen kann , die aber ebenso gut von der vor-
römischen Bevölkerung herrühren könnte. Sicher ist das letztere
für Otranfo , das uns nur in der offenbar volksetymologisch
umgestalteten Form 'YJpot;?, -ovvtoq überliefert ist. Ferner SClanto,
wogegen auf Lepanto == Naupactus als auf einen nicht italischen
Namen kein Gewicht zu legen ist : es ist den italischen auf -anto
angeglichen. Ofanto entspricht, trotz des veränderten Suffixes,
dem lateinischen Aüfidus. Sodann Brmdisi, woneben altitalienisch
die Buchform Brandki und rum. das dem lat. Brundushim ent-
sprechende Bründüsä. Der Vokal in Brmdisi entspricht dem
ursprünglichen besser als derjenige der lateinischen Form, denn
der Name ist abgeleitet von dem messap. hrendon (Hirsch). So
hat man wohl das Recht, in Brmdisi messapischen Accent zu
sehen. Das mehrfach vorkommende Interamna zeigt stets Be-
tonung der drittletzten: Teramo , Terni, TermoU: man beachte,
dafs keine dieser Ortschaften auf altrömisch-lateinischem Gebiete
liegt. In Spanien ist der alte Accent geblieben: Ehro ans^'Tßi^Qog
gegenüber Ihervs zeigt griechischen Ton. Die gallischen
Namen dagegen betonen mehrfach die drittletzte, auch wenn
die zweitletzte lang ist: Pe'saro , Nimcs aus Pisaurum, Nemavsus
zeigen, dafs au in vorletzter tonlos sein konnte. Stets tonlos ist
die Endung -casses: Troyes =-- Tricasses, Bayeux = Bayocasses,
Vieux = Vidiöcasses, Drevx ==-- Dvröcasses, ebenso -vices: Limo-
ges = JAmovices, Evreux = Ebnrövices, -dürvm : Ävxerre = Au-
tessiödurum, Nanierre = JSfemetodvrnm, Tonnerre = Ternodurum ;
-riges: Bourges = Bitnriges, Chorges ■=^ Catimges. Accent auf
der ersten Silbe zeigt Arles = Arf'läfc ; -äte ist unbetont auch in
Conde == Condate, Cosnes = Condates, Avrenche = Ahrincates,
Sos = Sotiates, ebenso -ete: Vannes = Venetes, Nantes == Nam-
netes, Caux = Caletes, Chartres = Carnutes. Auch Arras ist
R 606 — 608. Accent in Orts- und Personennamen. 499
vielleicht aus Atrehates umgestelltes Atrdbetes, da aus Ätrebdtes
nur Arres hätte entstehen können. Umgekehi-t wird Burdigdla,
woraus Bvrgidäla, gesichert durch afr. Bordeaux, Bördele.
Schwankend ist ava: neben Anjov, Poitou ans An decavtim, Pktavum
steht Geneve aus Geneva oder Genava (§ 326), Mesves aus Masava. —
Aus dem Keltengebiete jenseits der Alpen ist dagegen wenig zu
nennen : Fadova = Patawm statt Patavmm ist ein besonderer
Fall , Trento geht vielleicht auf Tridcntnm zurück , zu Nemausvs
gesellt sich Albinga = Alhingaunum.
Vgl. auch Gröber, Arch. lat. lex. III, 270—272.
607. Auch Personennamen haben manches Eigentüm-
liche, was sich leicht begreift, da sie mehr als andere Wörter
dem Einflufs des Schriftbildes unterliegen. Jdcohns zeigt durch-
aus griechischen Accent : ital. Giacomo , afr. Jaimes und Jaques,
span. Jago. Darms ist den Wörtern auf -drius gleichgestellt,
prov., afr. Daire, sjian. JDdrio. Von besonderem Interesse sind
französische Heiligenuamen wie Hisque =■ Hesychius, Sendre =
Sineriiis, Vele = Basilius, Vendre = Venerms, Borne = Bomadius,
Eye = Eutychius. Die Betonung der ersten Silbe wird sich aus
dem Anruf erklären. Mau beachte namentlich Vele, wo das a
gegen § 643 gedehnt ist.
Vgl. zu § 592 — 607 G. Paris, Etüde srtr le röle de
V accent lat'm dans la langue frangaise 1865.
608. Über das Wesen des lateinischen A c c e n t e s
sind wir nur unvollkommen unten-ichtet. Die lateinischen
Grammatiker, die darüber Nachricht geben, stehen meist unter
dem Einflufs der griechischen und sprechen demnach von einem
Acutus, Circumflexus imd Gravis in ihrer eigenen Sprache. Ab-
gesehen davon, dafs die letzte Silbe stets tonlos ist, setzen sie
die Verteilung der beiden ersten nach den griechischen Regeln
an. Dafür, dafs diese Angaben thatsächlichen Verhältnissen ent-
sprechen, fehlt jeder feste Anhaltspunkt. Die betonte Silbe
wurde mit gröfserer Energie gesprochen als die tonlosen, doch
sanken diese nicht so stark herab, wie das in der deutscheu
Aussprache zu geschehen pflegt. Denkbar ist jedoch, aber auch
das läfst sich nicht nachweisen, dafs im Laufe der Zeit der
Unterschied zwischen betonten und tonlosen Silben ein etwas
32*
500 III- Kapitel: Der Accent. § 608, 609.
gröfserer wurde. Der lateinische Accent ist also ein wesentlich
expiratorischer; clafs er daneben auch musikalisch gewesen sei,
ist zwar möglich, aber wieder nicht mit Sicherheit nachzuweisen.
Scholl, Acta Societatis phil. Lips. VI, 1876, Seel-
mann 22 — 30.
609. Auch über das Wesen des romanischen Accentes fehlt
noch sichere Kunde. Das Toskanische scheint am wenigsten
stark vom Lateinischen sich entfernt zu haben. Im Spanischen
wird der Unterschied zwischen betonten und tonlosen Silben
vermindert, im Andalusischen geht er fast ganz verloren. Um-
gekehrt lehren die Schicksale der tonlosen Vokale, dafs in Nord-
frankreich, dann auch wohl im Piemont, in der Emilia und in
den Abruzzen die betonte Silbe auf Unkosten der unbetonten stark
hervorgehoben worden ist, vgl. § 305, 345, 372. Man sieht
dort, dafs z. B. im Französischen alle Wörter oxytoniert woi-den
sind, und S. 25 dafs dieser Oxytonismus auch die Schriftwörter
ergreift. Da nun die tonlosen Mittelsilben fallen, so ergiebt sich,
dafs die grofse Mehrzahl der mehrsilbigen Wörter im Französischen
aus schweren Silben bestehen : soupgon , maison , amour , planter,
attention, comm an dement. Nun findet eine allmähliche Reaktion
statt. Die ursprünglich ' mit einem Nebenton versehenen Silben
(§ 610) werden den hauptbetonten gleichgestellt: aus sgs2}esön
wird söspesön, süpsön, und regional schon siipsö. Ebenso fhmele,
ferm§te, ferm§te u. s. w. Dann folgen bald auch die zweisilbigen,
aus mfsön entsteht mesönj dann m^'sön, m^'son. Dieser Prozefs
scheint sich heute zu vollziehen, in der Pariser Aussprache ist der
Oxytonismus schon als veraltet zu betrachten, in der französischen
Schweiz hat die Barytonierung stark um sich gegriffen. Wahr-
scheinlich verhalten sich übrigens die verschiedenen Vokale ver-
schieden : es scheint, dafs auslautende Nasalvokale am leichtesten
den Ton abgeben : ndsiö ist allgemein. Die Untersuchung hier-
über wird wesentlich erschwert durch den Umstand, dafs sich
mit dem expiratorischen Accente zu irgend einer Zeit ein musi-
kalischer verbunden hat: die hochbetonte Silbe ist auch musi-
kalisch höher. Bezeichnen wir den musikalischen Accent mit ^,
so sind für ein Wort wie soupgon folgende Formen anzu-
nehmen : süpsön , süpsön , süpsön , es steht also der expira-
torische Accent auf der ersten, der musikalische auf der zweiten
§ 609, 610. l>as Wesen des Accentes. 501
Silbe. Inwieweit dieser Zustand den § 595 — 597 erwähnten
Tonverschiebungen zu Grunde liegt, ist vorläufig noch unklar.
Die Ansichten über den französischen Accent sind
sehr verschiedene, zum Vorhergehenden vgl. S c h ii c h a r d t,
Ztschr. IV, 144.
Hier mag noch eine Bemerkung aus T i s s o t folgen über
die Verbindung von expiratorischem und musikalischem Accent
(accent ionique et prosodique), die eine Haupteigentümlichkeit des
Dialekts von Fourgs bilden soll. „Cette characteristique consiste
g^n^ralement dans l'^levation rapide de la voix sur l'avant-
derniere syllabe d'un mot ou d'un ensemble de mots, si la
derniere syllabe est lougue, et sur l'abaissement prolonge de la
voix sur cette syllabe derniere. Comme on le voit, 1' accent
tonique est frappe sur la syllabe penultieme, et Tacceut proso-
dique sur la derniere syllabe, par exemple dans le mot tsa-rice. —
Si la derniere syllabe est breve, comme dans tsarire, 1' accent
tonique est reporte sur rant^penultieme, et le prosodique sur la
penultieme."
610. Wie schon § 341 bemerkt wurde, tragen Wörter, die
auf der dritten Silbe betont werden, auf der ersten einen Neben-
accent, dessen Wirkungen in der Behandlung der Vokale
fühlbar sind. So erklärt sich span. quaresma. quaranta neben
catorze aus qnadragesima , quädraginta ; ital. fwrentino neben
Firenze aus Flbrentmvs, vgl. noch ital. hbrrascöso aber Imrrasca,
obw. pägliälaünca aber i^igliöla, frz. chälumel neben chcvetre, und
die Zusammensetzungen mit cata: chälit aus cätäledum, Chalons
aus Cätaldunos , chattn aus cätm'tnum. Ferner Lecce : Kriderdnno
aber kredia, so z).nznltisv, fmmenedda, simmendre, aber steddüzza,
teldru. Tarent. caddra (c(ddaria) aber cätarötta, fUilini, wo also d
nach dem Nebenton zu t wird wie nach dem Haupttone § 436.
So noch vangäle (Backenzahn) aber vänJcan'ddo (Kinn). — Im
Kalabresischen ist Betonung der viertletzten nicht gestattet, die
3. Plur. zu niatsikare lautet nicht mdtsikami, sondern matsikdmi,
aus mdöina entsteht mit angehängtem Pronomen maöindlu.
IV. Kapitel.
DAS WORT IM SATZE.
611. In den bisherigen Untersuchungen ist das Wort be-
trachtet worden als einzelnes, wie es sich uns darstellt im
Wörterbuch , losgelöst aus dem Zusammenhang der Rede. Da
nun aber das Sprechen fast stets in ganzen Sätzen geschieht, so
bleibt zu untersuchen, inwieweit die lautliche Gestalt der Wörter
verändert werde im Satze , im Zusammenhang der Rede. Die
Faktoren, die eine Veränderung bewirken, sind genau dieselben
wie beim alleinstehenden Worte : der Accent und das Zusammen-
treffen von einzelnen Lauten. Wörter von syntaktisch geringem,
unselbständigem Werte fallen mit unmittelbar folgenden oder
vorhergehenden syntaktisch wichtigen unter einen Accent, ihre
Vokale werden dementsprechend behandelt wie in tonloser Silbe.
Bilden so zwei oder mehr Wörter eine Einheit, so kommen ihre
An- und Auslaute gewissermafsen ins Wortinnere zu stehen, da
die ganze Gruppe einem Worte gleich ist, und teilen dann die
Schicksale der inlautenden entsprechenden Laute. Ferner können
sehr häufig gebrauchte Wörter in ihrem Umfange Einbufse
erleiden, ohne dafs sie gerade tonlos sind, oder, wenn sie es
sind, in einem so hohen Grade, wie es sonst in tonlosen Silben
nicht vorkommt : der häufige Gebrauch treibt die Sprache zu
möglichster Abkürzung.
F. Neumann, Vter ewige Satzdoppelformcn der
französischen Sprache. Ztschr. VIII, 243—274, 363—412
zieht von dem an sich richtigen Grundsatz zu weitgehende
Folgen. Dagegen E. Schwan, Zur Lehre von den
französischen Satzdoppelformen, Ztschr. XU, 192 — 219
§ 611, 612. Tonlose Wörter. 503
ist im polemischen Teile glücklicher als in den selb-
ständigen Ausführungen.
Die erste Frage ist nun, ob die zwei oben genannten Ge-
sichtspunkte sich decken, ob also da, wo der Auslaut eines
Wortes durch den Anlaut bedingt ist, auch der ursprüngliche
Tonvokal des einen tonlos wird. In dieser Allgemeinheit mufs
die Frage schon vom Standpunkt des § 610 Bemerkten aus ver-
neint werden. Also z. B. filicaria giebt frz. fougere, ilunata:
aunee aber dillo patre: du pere aus älterem deu pere § 356.
Ebensowenig würde die umgekehrte Annahme zutreffen, dafs
nach syntaktisch tonlosen Wörtern der Anlaut des betonten
unter allen Umständen behandelt Averde wie der betreffende Laut
im Wortinnern : aus illu patre wird im frz. le pere, nicht le vere.
Es ist daher zuerst zu handeln vom Accent, dann vom An- und
Auslaut, endlich von Kürzungen viel gebrauchter Wörter.
A. Tonlose Wörter.
612. Niir bestimmte Wörter, keineswegs alle, können völlig
tonlos werden. Ordnen wir sie nach den Wortarten, so sind es
zunächst die Präpositionen, die Konjunktionen, bis auf einen
gewissen Grad die Adverbien und Pronomina, sehr beschränkt
die Adjektiva, Verba und Substantiva. Bei den Präpositionen
kommen wieder nur die alten, schon lateinischen in Betracht,
nicht die erst im Komanischen aus Adverbien oder Substantiven
entstandenen, wie z. B. frz. chez , hors u. a. Wir finden also:
ital., mold. di, frz. d§, nicht de, bezw. doi ; ital. in nicht en ; ital.
per, frz. par nicht i)ier ; frz. pottr , span. , portg. por nicht prou,
preu oder peur; rum. trä; frz. sans nicht seins. Alle Ausnahmen
sind scheinbar. Als allgemeine Regel gilt zunächst, dafs nicht
zwei sich unmittelbar folgende Wörter tonlos sein können, es sei
denn, dafs das eine seinen Vokal verliert, wie im afr. tnel =
me-le. Gewöhnlich aber ist das zweite hochbetont. Daher tragen
zusammengesetzte Präpositionen stets den vollen Accent adpröpe
ital. apruovo, afr. a pruef; de trans, ad trans, afr. de tres, atres;
aspan. en^mes L. Ca. 6, 16, und danach dann auch die einfachen
pniovo, pruef, tres, umj^ekelut aspan. cmpos nach pos. — Ob
zweisilbige Präpositionen betont sein können, ist nicht sicher zu
504 IV. Kapitel: Das Wort im Satze. § 612 613.
bestimmen, da ital. fuori, frz. fors, ital. dietro, afr. riere, aspan.
cuentra neben contra sich als Adverbien erklären. Aus de pös
entstellt riim. "^dupo, ital. dopo , beide als Präpositionen tonlos,
daraus dann als Adverbien düpä, döpo. Rum. cäträ^ färä, lingä
gehören eher zu § 634.
613. Von den Konjunktionen zeigen tonlose Entwick-
lung: et ital. e, frz. et statt *ie; span. y neben e ist schwer zu
beurteilen: letzteres steht nur vor i, dieses in allen anderen
Fällen, vielleicht ursprünglich nur vor vokalischem Anlaut des
folgenden Wortes § 380. Italienisch e,. nicht i zeigt auch die
Behandlung von gedecktem tonlosem e, man erwartet eigentlich
tu idio aber tu ellui. Der Gegensatz nee macht noch mehr
Schwiei-igkeit : ital. fie scheint tonlose Form zu sein, ebenso afr.,
prov. ne, aspan. nen, portg. nem. Daneben stehen nun wal. nic1,
frz. ni, prov. n% span. ni. Das i ist schwer zu deuten und ist
vielleicht nicht tiberall auf dieselbe Weise entstanden. Im
Rumänischen sind niscare, ni^te, nime, nimic (neben necopt) zu
vergleichen : vielleicht ist in letzterem i durch Assimilation an
den Tonvokal entstanden, dann weiter getragen worden. Span.
n'm konnte das i von y bezogen haben. Französisch ni scheint
vor dem XIII. Jahrhundert nicht zu begegnen, und dann zunächst
vor Vokalen aufzutreten : ne laiseroie me hlance harte oster
Ni en apres IUI dens maseler Knon de Bord. 5742; Si qzie ne vous
ni a autrui n'i p>uissiez noient cälengier B. C. 300, 40 : wir haben
also wohl auch hier dieselbe Erscheinung wie bei span. y. Im
Provenzalischen dagegen begegnet ni von Anfang an : non ai que
prenga ne no posg re donar, ni noit ni dia no fag que mal pensar
Boet. 89, SOS corjjs ni s'anma miga per ren guaris 180: man
kann an Einflufs des mit et synonymen si = sie denken, fragt
sich aber dabei unwillkürlich, weshalb im Nordfranzösischen der-
selbe Einflufs nicht stattgefunden habe. — Lateinisch aut erscheint
in ital. o in einer auch in tonloser Stellung möglichen Form, im
Spanischen ist zu der Dojjpelform e — y entsprechend o — u ge-
schaffen , prov. 0 (nicht au) , frz. ou , rum. aü sind die tonlosen
Formen. Von den unterordnenden Konjunktionen ist das ein-
fache quid im Sinne von quod und ut stets tonlos gebraucht:
ital. elie (nicht c7w, Avie e aus d), span. que, frz. que. Den Ton
§ 613, 614. Tonlose Konjunktionen und Adverbia. 505
bekommt es, sobald ihm eine Präposition vorangeht: par qnei,
pour quei, de quei n. s. w. — Lat. S7 sollte sein i bewahren, und
bewahrt es auch im Neufranz., Prov., Span., wogegen ital., afr.,
portg. se daflir eintritt, rum. sä kann aus si entstanden sein § 41.
Hat hier schon im Vulgärlateinischen eine Vermischung mit qm(d)
stattgefunden? Im Neufranzösischen si ist vielleicht Latinisierung
zu sehen, span. si stellt sich zu ni, y, prov. si zu m: genauere
Aufklärung ist noch nötig. — Lat. quam wird rum. zu cä.
Vulgärlateinisch quomo erscheint in doppelter Gestalt in span.
cuemo und conto: jenes die betonte, dieses die tonlose Form,
sonst nur in tonloser, ital. comc, afr. com, doch auch queme Emp.
Costant. 100. Endlich zeigt Doppelformen quare, afr. car neben
quer, schon im Alexis ohne jeden Unterschied gebraucht, vgl.
hons fu li secles al tens andenur quer feit i ert e nistise e amvrl,
und clii chi se doüet a nostros est il goie quar por cestui aiirum
hoen adiutorie 101. Auch hier wird man annehmen dürfen, dafs
q74ar ursprünglich die tonlose, qver die betonte Form gewesen sei.
614. Bei den Adverbien gestaltet sich die Sache schon
anders, bei weitem nicht alle haben Doppelformen oder blofs
tonlose. Zunächst sind zu erwähnen hene und male, deren
ersteres im Ital. hiene und hene , im Frz. hien und hen , deren
zweites im Frz. mel und mal lauten sollte. Als Substantiva
erwartet man ital. il hiene, frz. le hien, le mel. Dieser Zustand
hat sich für hene noch in neufranzösischen Mundarten erhalten,
so in der Champagne, avo hye als Substantiv und he als Adverbium
erscheint, vgl. auch hin neben hein in einer Urkunde aus Villard
a. 1268 M. 172; mal und mel trennt das Altfranzösische: e eis
penteiet de cel mel qiie fait hdhehant Jon. v. 25 , und so oft,
wogegen als Adverbium nur mal vorkommt. Ob auch bei hien
in den ältesten französischen Texten Doppelfoi-men vorkommen
wie bei mal und in den heutigen Mundarten, ist zweifelhaft, da
z. B. die Hildesheimer Alexishandschrift auch sonst nach angio-
normannischem Brauche e für ie schreibt. Dafs hier einerseits
hien, andererseits mal verallgemeinert worden sind, hat seinen
Grund darin, dafs mal durch das ebenfalls tonlose adjektivische
mal (§ 616) verstärkt worden ist. — Von Oi'tsadverbien sind nfr. ow
und i zu nennen, die aus uhi, ihi über oue, ine zu ou, iii, dann
506 IV. Kapitel: Das Wort im Satze. § 614—616.
letzteres inacli § 356. Aus betontem la-ou entsteht afr. lou, leu, leur
§ 633. Sodann werden prov. ara, era aus ad Jiora § 146 tonlose
Formen sein. Weiter ist noch afr. ne, nen aus non zu erwähnen,
und schliefslich die Verstärkung der Negation afr. mie, die in
Ostfrankreich zu einfachem mi, m§, m herabsinkt, wovon in der
Konjugation. Kaum hierher gehört afr. fors neben fuers. Als
tonloses Wort müfste es fours lauten, vgl. fourvoyer, man wird
es daher besser nach § 634 erklären.
615. Während die bisher betrachteten Wortarten mit geringen
Ausnahmen entweder ganz tonlos oder stets betont sind, findet
sich bei den Pronomina ein ganzes System von Doppelformen,
namentlich bei den persönlichen und bei den besitzanzeigenden,
und zwar geht dieses System schon ins Vulgärlateinische zurück.
In Betracht kommt zunächst der Obliquus der Personalia: tonlos
ital. mi ti, frz. me te neben betontem me te bezw. moi toi, ital. vi
neben voi, rum. nä vä neben noao voao, nfr. nous, wo die tonlose
Form auch an Stelle der betonten getreten ist, die afr. ebenfalls
nous, später aber *nei(S lauten sollte. Sodann von den Posses-
siven : mvs, mvm, ma, mi, mos aus tonlosem mens, mevm, mea,
mei, meos nach § 376, ital, mo ma, frz. mon ma, span. mi ma,
ebenso tos u. s. w., ital. to , frz. ton, aspan. to , nspan. tu unter
dem Einflufs von mi und von tuyo. Die lateinischen zweisilbigen
Demonstrativa haben schon im Vulgärlateinischen in Proklise
ihren ersten Vokal verloren : iUum patrem wird zu lupatre, illa
matcr zu la mater, wogegen ille schwankt: auf ilfle pater weist
ital. il padre, prov. el paire, span. el padre, auf i]Ue pater afr. li
pcre. Ista fällt in Proklise in die Klasse der mit st beginnenden
Wörter § 373, daher ital. stasera. Von den Interrogativen zeigt
quid im Französischen doppelte Gestalt : cjuoi betont und que
tonlos, alle anderen, so qualis, talis, sind stets betont. Von
Indefiniten ist wohl afr. el und al aus aliud zvi nennen. Endlich
dürfte sich avis der Proklise der Vokal des ital. tutfo § 127 und
des siz. Jcorki aus qualclie, sowie die Abschwächung von frz. le,
ce, les aus lou, gou, *los erklären. Vgl. noch § 184, S. 173.
616. Geht das Adjektivum dem Substantivum voran,
so kann es wohl mit ihm ein Ganzes bilden. Doch ist die
Verbindung selten so stark, dafs beide Wörter nur einen Ton
^ 616 — 618. Tonlose Pronomina, Nomina und Verba. 507
haben. Vielleicht erklärt sich so französisch hon, aspan. bono
L. Ca. 12, und jedenfalls afr. mal. Sodann eng. nouf, nouva als
Adjektiv, aber 'noef als Substantiv; hvn, huna neben boen. Es
sind dies aber bis jetzt die einzigen sicheren Beispiele. Man
sieht ohne ■w^eiteres, dafs bei mal noch der Gebrauch des Adver-
biums in Zusammensetzungen wie maleir u. s. w. mit von Einflufs
war, und dafs honus und novus mehr als irgend ein anderes
Adjektiv des eigenen Tons, des syntaktischen Wertes entbehren
und oft genug gewissermafsen als Höflichkeitswörter gebraucht
werden.
617. Auch die Zahl der tonlosen Verba und Substan-
tiva ist gering. Zu nennen sind zunächst mehrere Formen des
Verbum substantivum. Lat. est erscheint span. als es neben
mirand. yes; lat. erat, ital. era, frz. ere, span. era neben aital.
iera, afr. iere; lat. erit als afr. ert und iert. Die Folge davon,
dafs schon im Vulgärlateinischen betonte Formen mit e und
tonlose mit e nebeneinander standen, war nun, dafs zu es auch
eine betonte Form {,'S trat, ital. siei, afr. ies, prov. ps. Wurden
dagegen im Afr. die tonlosen Formen wie erent an Stelle der
betonten, also z. B. im Reime, verwandt, so behielten sie ihren
Vokal bei: erent reimt mit chantcrent vgl. § 225, S. 200. —
Unter den Substantiven sind es fast nur die Titelwörter: afr.
dan, dame, cans, cante aus comes, comite, und das pronominale
en , an aus homo , die « statt ö zeigen nach § 369. Hier sind
die tonlosen Formen auch zum Teil an Stelle der betonten ge-
treten, vgl. eni im Reime zu esdem Compt. 384, 2612 und nfr.
dame. Sodann rät. dimna statt donna, span. don neben aspan.
duene^ aspan. dona Cid 1404 neben duena Cid 1412, condc Cid
2441, 2849, 3479 neben cucnde 1380, 2964.
B. Wortaniaut und Wortauslaut.
1. Der Wortaniaut.
618. Während, wie wir sehen, der Einflufs der syntaktischen
Stellung auf die Betonung ein sehr geringer ist, erweist er sich
als ein sehr viel gröfserer auf den Anlaut und Auslaut. Zunächst
wird der Anlaut der Wörter durch den Auslaut der vorher-
508 IV. Kapitel: Das Wort im Satze. § 618.
gehenden bestimmt in Italien. Im T o s k a n i s c li e n werden
anlautende Konsonanten gedehnt, an Stelle von /* (§ 650) tritt
kk nach allen Oxytonis: «mo, veritä, merce, nach e, vgl. eihene,
eppure, e, o, vgl. ovvero, se, a, da, tre, fra, su, sii, giu, piii, vgl.
piuttosto, giä, vgl. giammai, sl, Vi, lä, qui, qua, ne, vgl. ncmmeno,
ma, che, chi, tu, te, ine, se, cio, ho, ha, fu, fo, fa, so, sa, vo, va,
do, da, sto, sta, fe', fe, Imperat. di, da, vgl. dimmi, dämmt, fa,
va, sta, sa, dt, tre, re, nach jJt<o, mo' = modo, vo' = voglio ; dann
nach den zweisilbigen qualche, contra, sopra, intra, infra, come,
dove, dagegen nie nach di, la, i bene u. a. Die erstgenannten
Wörter sind, so scheint es, in zwei Klassen zu teilen: in solche,
"die stets proklitisch, nie selbständig sind und auch nie am Ende
des Satzes stehen, wie a, e, o, und solche, die bald selbständig,
bald unselbständig sind , bald im Inneren des Satzes , bald am
Ende vorkommen, wie chi, che, veritä, amb. Bei den ersteren
erklärt sich die Verdoppelung des folgenden Konsonanten aus
der Assimilation des ursprünglich das proklitische Wort schliefsen-
den Konsonanten an den Wortanlaut ellui = etlui, accasa =
adcasa, ovvero = autverum, nach a und da richten sich tra, fra
und danach sopra und die gelehrten inira, infra. Ebenso erklärt
sich nemmeno aus necminus, checcosa aus quidcausa, und danach
qiialcheccosa, bei welch letzterem sich übrigens die Dehnung auch
nach § 548 erklären könnte : jedenfalls aber ist qualche ein syn-
taktisch nie allein gebrauchtes Wort. Nach che richtet sich
se, vgl. dazu § 613 und 633, ma nach e, o (vgl. § 633).
Schwieriger sind zu erklären su aus suso, dem sich fe' aus fece,
w' aus voglio und mo' aus modo zur Seite stellen : die Kürzung
in Proklise (§ 634) zieht als eine Art Ersatz die Dehnung des
folgenden Konsonanten nach sich. Nicht ersichtlich ist der Grund
für die Verdoppelung nach come, dove, wenn man nicht § 548 zu
Hülfe nehmen will. Anders verhält es sich mit den Wörtern
der zweiten Klasse. Auslautende betonte Vokale sind im Italie-
nischen kurz, folgt ihnen ein Konsonant, so mufs dieser gedehnt
werden : da : dammi, amö : amollo u. s. w. Es handelt sich dabei
also nicht um Proklise , sondern entweder um Enklise , wie in
den eben genannten Beispielen, oder um Beibehaltung zweier
Accente wie in läbontdddelgoverno. Analogie mag zum Teil mit
im Spiele sein, wie z. B. chiwiene durch chcddice = quiddicit
§ 618, 619. Wortanlaut im Italienischen. 509
hervorgerufen sein kann. Der Analogie ist es auch zu verdanken,
wenn nee rex zu ne rre statt zu *negre, et Borna zu e Rroma
statt ed Homa wird u. dgl. — Die heutige Orthographie nimmt
davon gar keine Notiz, wohl aber ältere Handschriften, z. B. der
libro delle Storie di Fioravante, in dem sich unter anderem folgende
Schreibungen finden : appoi, appezzi, chessarehhe, chclla novella,
cheffit, chello re, attanto, scllo, doMoro, trassuo u. s. w.
Vgl. J.Keller, ZJher die Äitssprache des Italienischen
in der Toskana, 1857: P. Eajna, A proposHo d^un
mss. magliabecchiano , Prop. V, 29 — 63; D'Ovidio,
Di alciine parole che nella pronunzia Toscana producono
il radop>piamento dcXla consonante iniziäle della parola
seguente, ib. 64 — 76. Das obige Verzeichnis stammt von
D'Ovidio, Griindrifs, 496. Zum folgenden ist noch
zu vergleichen H. Schuchardt, Les modifications syn-
tactiqiies de la consonne initiale dans les dialectes de
Ja Sardaigne et du siid de V Italic, Rom. III, 1 — 30.
H. J. H. P r i n c e L u i s - L u c i e n B o n a p a r t e , Initial
tmdations in the living celtic, hasque, sardinian und italian
dialects, Transactions of the philological society, London
1882—1884, S. 155—202. Dazu H. Schuchardt,
Littbl. 1885, Sp. 273—277.
619. Auch konsonantisch auslautende Wörter, also der
männlichen Artikel, beeinflussen wenigstens anlautendes c, man
sagt il cavallo , nicht il Kavallo, gerade wie alcitno, nicht alJiuno.
Man wird die Erscheinung nicht von der anderen trennen, zu
Grunde liegt auch dort ad cavallo, nicht etwa ad iiavallo. Der
Unterschied zwischen beiden besteht nur darin, dafs l sich nicht
assimiliert und folglich c nicht gedehnt wird. — Scheinbar die
gegenteilige Wirkung der Satzphonetik zeigen im Toskanisch-
Florentinischen die mit v, 6 beginnenden Wörter : sie verlieren
nach denjenigen vokalisch auslautenden Wörtern, die nicht
dehnen, ihren Anlaut, bezw. wandeln ihn in ^, also la ole =- la
voce, la §ena = la öena. Aber auch hier ist der Gegensatz ein
nur scheinbarer, es handelt sich wieder um das Prinzip, dafs bei
enger Verbindung im Satzinlaut dieselben Gesetze herrschen wie
im Wortinnern, es entspricht la oäe genau dem poero von § 442,
la §ena dem vi§ino von § 445. Der Unterschied besteht nur
darin, dafs ursprünglich im einen Fall intervokalische Konsonanz
behandelt Avird wie anlautende : aJio wie Iiavallo, im anderen
510 IV. Kapitel: Das Wort im Satze. § 619 — 621.
verschieden : poero, viSino, aber vino, dena. Trotz dieser Wesens-
gleichheit sind die beiden Erscheinungen nicht gleichaltrig, die
letzte ist vielmehr jünger als die Erweichung der vortonigen
Verschlufslaute § 443. Aus vulglat. lo Jcavdllo hätte lo gavallo
entstehen müssen, aus lo tempo : lo dempo. Solche Formen finden
sich nicht. Die syntaktische Einheit dieser Wörter ist also nicht
sehr alt, wogegen ü cavallo vor die Zeit reicht, wo c zu U
wurde.
620. Das Toskanische wird vielfach noch übertroffen von
den Mundarten des Südens, wogegen der Norden und schon Lucca
kaum in Betracht kommen. Die erste Stelle nimmt das Sardische
ein. Genau den Veränderungen der intervokalischen Laute ent-
sprechend stellt das Logudoresische nebeneinander : liosa : una
gosa; poveru: su hoverv, tempvs: su dempus, fizu: su vizu, hoe:
SU oe, vinu: su inu; gaddu: su addu, dente: su ente. Dagegen
erscheint natürlich im Plural nach sos, sas der Pausaanlaut, da
s folgende Konsonanten nicht beeinflufst. Nun treten aber eine
Reihe merkwürdiger Übergriffe und analogischer Bildung ein.
Die Gleichheit der mit b und g anlautenden Wörter in nach-
vokalischer Stellung bringt auch Gleichheit in nachkonsonantischer
und in Pausa mit sich: he'nneru (gener), bennargu (jennariu),
honedda (gonelJa) . hinistra (ginestra) , auch bei Verben : hettare
(jectare), hirare. Ebenso kann & an Stelle von d treten : hentäle =
dentale, bistrale = dcsträle. Auch das b in boJckire aus occidere, bessire
aus exire erklärt sich hier. — Interessanter noch ist eine zweite
Erscheinung. Die Sonanten werden nach s verdoppelt oder besser
intensiver gesprochen : nach SM dempos : sos tempos bildet man su
nostru : sos nnostros , su renu : sos rrenos , su muru , sos mmuros ;
ferner vinu aber sos binos. Auffällig ist, dafs g A^or a, o,
und d, wie es scheint, bleiben, oder wenigstens letzteres
sich nur zu d verschiebt : man wird mit Rücksicht auf die eben
erwähnten Formen bunedda, bestrale darin eine Reaktion der
Pausaformen auf die nachvokalischen sehen. Ferner stimmt das
Campidanesische nicht völlig überein mit dem Logudoresischen,
s bleibt, dagegen wird n schwach artikuliert.
621. Aus den festländischen Dialekten soll nur weniges hervor-
gehoben werden. Im Neapolitanischen werden die Konso-
§ 621 622. Wortanlaiit im Sardischen und Neapolitanischen. 511
nanten nach da, Jci, Jca, ma, mo, tu, po (poi) , MÜe man von vorn-
herein erwartet, behandelt wie nach lo, la. Interessant ist dagegen
lo bero, das Wahre neben lo vero, der Wahre, so lo höh (lo voglio),
lo Tikome, also überall ülud, ferner öierf§ vieklcye = ccrti vecchi
aber ö&rte bcky§ = certe vecchie, le ffit§, Ic ffadive rede = le, li
faceva vedere, le feöe = gU, le fece, wo das lateinische -s ebenso
wirkt wie Verschlufslaute, vgl. noch die Dopjielung nach on§ =
tosk. ogm, lat. omnes. Sodann ist hier der Einflufs des aus-
lautenden n auf den Wortanlaut stärker ganz entsprechend dem
§ 497 ff. gelehrten. Schon bei Eusio 91 liest man cunnuhlate flir
ci/w dvhlate, und so tritt auch heute stets d, g, g, b für t, c, ö, p
nach in, con, ferner im Kalabresischen p für f ein, vgl. ''ngamine
Finamore, Trad. Abruzz. I, 159, nen te vuoye = vton te voglio
161, in bo=^tmpoco 161 u. s. w., kalabr. in paöe = in faccia,
Ich bbinu (con vino) u. s. w. Ferner ist die Konsonantendehnung
auch vom Accent abhängig. Tonlose Wörter, wie der Artikel,
verschmähen sie ; dem toskanischen e IVuomo entspricht in Campo-
basso e Vom§, ebenso campob. e na femm§na; ferner tosk. a
mme ppurc, a mme mmi manca, aber campob. a mme ppiire,
a mme m§ manga. Auch das Kalabresische sagt a la Tciesa, e lu
fiyu, aber a IVüortu.
Vgl. d'Ovidio, Arch. Glott. IV, 179—181, avo die
Abweichungen vom toskanischen Brauche in Campobasso
verzeichnet sind, und Scerbo, Sul dialetto calabro, S. 45.
Schliefslichmag noch erAvähnt werden, dafs im Bergamaskischen
anlautend v nach vokalischem Auslaut fällt : veö (vecchio) aber ne
ed ne dzxteii (ni vecchi ni giovani). Inwiefern die in Wörterbüchern
verzeichneten Formen ohne v wirklich im Satzanlaut vorkommen,
mufs erst noch untersucht werden, es ist möglich, dafs sie nur
von den Lexikographen aus dem Satzzusammenhang herausgerissen
sind. Mail, oladega ist allerdings aus la oladega verallgemeinert,
ist aber gar nicht ein mailändisches Wort, sondern aus dem Osten
entlehnt: dafs bei Entlehnungen nicht die Pausaform, sondern
die nachvokalische gewählt wird, hat nichts Auffälliges.
622. Äufserst schwach ist, soweit bis jetzt bekannt, der
Einflufs des Auslautes auf den Anlaut im Französischen. Neben
fors steht dehnrs aus deforis, so in den Urkunden von Toumay.
Meist wird danach hors gebildet, doch findet sich auch das
512 IV. Kapitel: Das Wort im Satze. § 622 — 624.
umgekehrte, fors und defors, im Osten : lothr., bürg. Dem frz.
hors entspricht genau rät. oras, or. Ferner frz. r§ngJod (reine-
daude), das aber immer nur als ein Wort vorkommt. Dehnung
des Anlautes zeigen altprovenzalische Handschriften a ssos, de ssos
Pass. 11, 13, quülo Leod. 4 e, effon Suchier, Denkm. I, 167.
Vgl. Neu mann, Ztschr. VEI, 255, 382, 1.
Aus dem Eätischen ist etwa noch zu nennen tirol. ki a la
gaoza, per Jci gaoza, de la gaoza a välgun , danach pur gaoza de;
obw. da vari neben pari, ans dem Portugiesischen meu irmäo
§ 407. Vgl. noch S. 340 und 352.
623. Während in den bisher behandelten Fällen der direkte
Anlaut affiziert wurde, kann es nun ferner vorkommen, dafs der
Tonvokal auch bei konsonantisch anlautenden Wörtern vom Aus-
laut des Artikels beeinflufst Avird. So in den schon § 271 aus
den Abruzzen zitierten Formen : nu pluande =^ uno pianto, nu
Tcuane, Je drua]ilie^=lu dr., Je muarite aber a ppatre, Je muana^=
lo mangiare aber a mmaiid. Andere Wörter, als der bestimmte
oder unbestimmte Artikel, sind wirkungslos : l§ suaJc]c§ = lo sacco
aber nuandr§ saMe = vn altro sacco Finamore Trad. Abruzz.
I, 215.
2. Der Wortauslaut.
624. Im direkten Gegensatz zum Anlaut zeigt der konso-
nantische Wortauslaut im Italienischen, wenn wir von in,
con, per, ad, ed, od und mail. sistu, venez. sentistu § 553 ab-
sehen, in der ältesten Periode nirgends den Einflufs des folgenden
Wortes. Auch der vokalische Auslaut läfst sich fast nur bei
Proklise und Enklise durch das folgende Wort beeinflussen, vgl.
mal und ma § 553 und vielleicht piü. Neben signore, amore
stehen signor padre, amor mio, ferner hei tempo, huon giorno,
caval grande u. s. w., pian piano u. s. w. Also in enger Ver-
bindung fällt e, 0 nach n, l, r. Möglich ist ferner, dafs das f in
egli sich vor vokalischem Anlaut des folgenden Wortes entwickelt
hat: iJle dmat wird zu egli ama, üle cantat zu eJli canta, dann
wäre die vorvokalische Form verallgemeinert. Über die Neben-
form ei s. § 634. Diese Verallgemeinerung mufs aber vor-
§ 624, 625. Wortanslant im Italienischen. 513
historisch sein, da schon die ältesten Texte eine derartige Ver-
teilung nicht mehr kennen.
Vgl. Gröber, Ztschr. II, 594—600.
Noch zweifelhafter ist ogni = omnes statt omni, man könnte
auch hier omne homines zu ogni uomini annehmen. Allein da
omnia regelrecht ogna ergiebt, so ist es wohl richtiger, das d in
ogni von da aus zu erklären. Endlich aus inde sollte vor dem
Tone nCy nach demselben nde entstehen, was sich auch im Alt-
italienischen findet, dann aber wird ne verallgemeinert.
625. AVeit mehr bieten auch hier wieder die Mundarten.
In den Abruzzen wird auslautend a zu §, inlautend bleibt es.
Dies gilt dann auch für die Verknüpfung von Substantiv und
Adjektiv: hedda femm§ne oder femm§na hedd§. Aber nur in
dieser engen Verbindung bleibt a, nicht z. B. im Verbum,
auch nicht in Fällen, wie stave kardarat§ la fiya Finamore Trad.
160, oder tidt§ la veretd. Ferner j^ofca gerd (possa girare) 162
neben stave lu rre u. s. w. — Dann sind aus Oberitalien die weitver-
breiteten Formen tetid, qvenö, grend zu nennen, die sich auf sehr
viel weiterem Gebiete finden als portaö § 320 oder fainü § 322.
Sie erstrecken sich wohl über das ganze lombardisch-piemon-
tesische Gebiet, wenn sie auch namentlich in den Stadtdialekten
meist durch quanü u. s. w. verdrängt sind. Vgl. aber quanö
Grosio, Bormio, Val di Blenio, quandi Val Maggia, Borgomanero,
qiicnd Val Verzasca, Val Leventina, qucnti Corio, quent Ivrea,
Pavone, Vistrorio (neben gang = ghiandi), Strambino, Valperga,
qiianc Biella, quenö in Azeglio, Borgomasino, Rueglio, Valle
d'Andorno, quentie Settimo Vittone, alle im Canavese, quanö
Castellazzo Gamondio, Castelnuovo Bormida, Bistagno in Mon-
ferrat, quanö in Mondovi, quanöi in Garessio. Auf demselben
Gebiete zeigt tutti die Behandlung von d. Da Substantiva auf
-ant kaum folgen, so können die hier vorliegenden Fälle nicht
ohne weiteres unter § 240 untergeordnet werden. Man mufs
vielmehr annehmen, dafs infolge der engen Zusammengehörigkeit
der drei Adjektiva mit dem folgenden Substantivum das aus-
lautende -i, das syntaktisch ohnehin nicht von Belang war, sich
zu i reduziert hat und mit dem t zu f, it oder ö verschmolzen
ist. Das Feminin dagegen scheint keine Formen auf -f zu zeigen,
Meyer, Grammatik. 33
514 IV. Kapitel: Das Wort im Satze. § 625, 626.
da es nicht auf -i auslautete. — Davon ganz verschieden ist es,
wenn im Piemontesischen unterschieden wird zwischen le fumne
und iy-imye , aus le tmye, oder im Mailändischeu iy-oreöö und
nun auch i donn statt le donn.
So nach Salvioni, Lamentazione metrica 13, 3.
Von anderen hierhergehörigen Erscheinungen auf italienischem
Boden mag noch erwähnt werden logudoresisch j^e mannu aber
j?f nudu , so amigu aber so wticu, wo also die Regel von § 81
auch im Satze Gültigkeit hat.
626. Sehr stark ist die Abhängigkeit des Auslautes vom
Anlaut im Französischen. Zunächst mag inde erwähnt werden,
das ursprünglich vor Konsonanten en, vor Vokalen und in Proklise
end, am Satzende enf : allez-ent lautet, fi'üh wird en verallgemeinert.
Im übrigen ist nicht sicher zu scheiden zwischen dem, was die
Rhetorik auf künstlichem Wege zu stände gebracht hat, und dem,
was der freien Entwicklung angehört. Wenn vor Vokalen stets
auslautend s, t, r gesprochen, nasaler Vokal zu oralem -\-n wird,
so scheint darin ein gut Teil willkürlicher, bewufster Verall-
gemeinerung zu liegen. Wäre die Sprache in der That so kon-
sequent, wie sie nach den Regeln der Rhetoriker zu sein scheint,
so müfste auslautend l vor Konsonant stets zu u werden. Das tritt
nun aber nur ein in den immer unselbständigen du, au, und in
heau, mou, fou, vieux neben hei, mol, fol, vicil. Hier sind es jedoch
eher die vorvokalischen Formen, die von der allgemeinen Tendenz
abweichen : im grofsen Ganzen herrscht im Französischen die
Regel , von den zwei Formen der alten Sprache : Sg. chasteaus
chastcl, Plur. chastel chasteans die auf au allein zu behalten, eine
Regel, die freilich manche Ausnahmen erleidet. Wenn nun aber
im Neufranzösischen nebeneinander stehen : le hei homme, le vieil
Jiomme und l'homme est heau, Vhomme est vieux, so erhellt daraus,
dafs nicht eine dui'chgehende Satzphonetik die Doppelformen
hervorgerufen hat, sondern dafs von den zwei Formen heau(s) hei
die eine vor Vokalen, die andere vor Konsonanten gebraucht
wurde. So lange die Flexion noch besteht, findet sich stets fol,
sowohl vor Vokalen, als vor Konsonanten. Die heutige Verteilung
erscheint erst im XIV. Jahrhundert, kann also nicht wohl auf
dem um einige Jahrhunderte älteren Lautgesetz von Wandel von
S 626. Wortauslaut im Französischen. 515
Z zu M beruhen. — Ob das Verstummen des auslautenden s gegen
Ende der altfranzösischen Periode zunächst vor konsonantischem
Anlaut begonnen hat, Avie denn das Poeme Moral vet\ enver, lor,
SU sehreibt, ist aiicli fraglich, läfst sich jedenfalls nicht beweisen.
Sodann ist es zwar richtig, dafs tant schon im Raoul de Canbrai
vor Konsonanten meist tou geschrieben wird, und dafs zu allen
Zeiten in vient-ü das t gelautet hat, aber wiederum wäre es
eine der Begründung entbehrende Annahme, wenn man daraus
schliefsen wollte, dafs der Abfall des t nach Konsonant oder
Nasalvokal auf dem Gebrauch der zunächst nur vorkonsonantisehen
Formen auch in Pausa beruhe. Dafs in der That in der Aus-
sprache der Schlufskonsonanten zum Teil künstliche Regeln vor-
liegen, ergiebt sich aus dem Umstände, dafs auslautend d zu t
wird : Mt i vie = quand ü vient. Hätte man zu allen Zeiten
gesprochen quäd il vie, so wäre das d wohl geblieben. Es hat
nun aber eine Zeit gegeben, wo man sprach Icä ü vi?, aber viel-
leicht in der verkürzten Frage Jcät, dann wurde im XVI. Jahr-
hundert fälschlich kät-il eingeführt. Der freien Entwicklung der
Sprache entspricht der Zustand, wie er z. B. von Duez angegeben
wird, wonach man venez-i aber vcne ici spricht. Gesprochen wird
danach blofs das s des Artikels, der Pronomina, der Adverbien tres,
pas , plus, mais , der Präpositionen und der Adjektiva, wenn
sie dem Substantiv vorangehen. Also lesäg e Jesöm, f^t äkor,
was freilich z. B. Chifflet tadelt. — Beeinflussung des am Wort-
ende stehenden Tonvokals durch das folgende Wort zeigen
mehrfach die ■ Mundarten. In Bourberan z. B. Avird unter-
schieden zwischen e mo de da (un mal de deni) und t' ye fä
mau (je lux ai fait mal); li c evü so et frö (il a eu chaitd
e froid) neben el c sau; ? hyä övau und r ho hyä. Es tritt also
im Satzinnern der Monophthong dem Diphthongen am Satzende
gegenüber und zwar ohne Rücksicht darauf, ob das folgende
Wort mit einem Vokal oder Konsonanten anlaute. Zur sicheren
Beurteilung dieser Erscheinung ist noch mehr Material nötig. In
Meuse sagt man aft^i, aber im Satzinnern awö? Rev. Pat. II, HO
Anm. 2. In Blonay (Waat) wird unterschieden zwischen Ic frei
fcvrai und le fcvrei frai; ö panai und ö panei riö, naü (neuf)
aber le nau female, präü (prüde) aber Ve prau dense, endlich le
panei Jce le adzetä, jedoch le häü At u. s. w. Die Stufen, die
33*
516 IV. Kapitel: Das Wort im Satze. § 626, 627.
ari, 0 durchlaufen, um zu ai, aü zu kommen, sind für jenes a?,
§i, für dieses ot(, au, aü: am Satzende ist die letzte Stufe
erreicht, Avährend im Satzinnern die Entwicklung eine langsamere
ist. Das erklärt sich ohne weiteres aus dem Wesen der fran-
zösischen Betonung § 609. Möglicherweise verhält es sich in
Bourberan ebenso. Hier finden wir nämlich auch säü aus cippum^
väybs aus vicia u. s. w. , aber e soß de ven = un cep de vigne.
Auch hier ist e wohl zunächst zu ce geworden, dann am Satzende,
d. h. da, wo es den stärksten Ton trug, zu *«;w, äü. So ist
vielleicht das erstgenannte au erst eine Erweiterung aus o.
627. Auf jirovenzalischem Gebiet ist zunächst das Ih in den
Pronomina: ?7/», aqinlh zu nennen, wogegen nidh erst von dem
vulglat. Neutr. Plur. mdlia gebildet sein konnte, vgl. ital. ogni
§ 624. Sodann findet es hier seine Erklärung, wenn im Nomi
nativ Pluralis der Adjektiva in Süd- und Südostfrankreich i be-
stehen bleibt. Die Plur. leli mali, soli, Uanqui, Mi, eli, aqueli,
aquesti, duri, mndiiri, sani, cuecM cruzi werden in den Leys d'Amors
II, 204 erwähnt, sie finden sich in Texten aus Haute- Garonne,
Aude, Tarn, Aveyron, und noch heute in Aude, Ariege, Quercy,
Languedoc zu is erweitert. Ferner im Altlyonesischen , in den
Sermons verschmilzt es mit dem t der Partizipien zu <?, also
amaö, geschrieben amali. Sodann in der Val Soana: boni, nevi,
fondi, deMri, senelitri, lühUi, tüiti, ^mri, hassi, bU, bürti, fremi.
Soweit es sich da um i nur im Plural von Adjektiven handelt,
ist die Erscheinung verschieden von der § 625 besprochenen, die
Grenze zwischen beiden ist aber erst noch zu bestimmen. Es
wird hier i zunächst bei vokalischem Anlaut geblieben sein in
den Fürwörtern quanii, tanti, aufri, und vielleicht in wenigen
Adjektiven, dann nach und nach sich ausgedehnt haben, um
schliefslich zur Adjektivendung, namentlich bei prädikativer
Stellung, zu werden.
Beispiele für dieses i bei Chabaneau, Gram. lim.
161 N. 4, P. Meyer, Rom. XV, 291 ff.
Weiter ist aus dem Neuprovenzalischen die Behandlung des
Plural-s im Artikel und bei Substantiven zu nennen. In Nar-
bonne spricht man sui libres, lai mas, touti dous, liii brasset nüts,
in Ariege : lai fennos, lai gautos, lei ratz, lei bious, lei sabals,
ebenso lai, lei vor d, l, m, n, aber les, las vor p, Je, t, in Quercy :
R 527 630. Wortauslaut im Provenzalischen. 517
loi figoi hläkoi de loi nostroi hiHos, lois aukos, lois aigos , mui
fraires, aber mus trohals, IkK tsüfses. Wie bei Enklise der Vokal
des betonten Wortes infiziert werden kann, zeigen die Beispiele
in § 37.
628. Am wenigsten scheint die iberische Halbinsel hierher-
gehfirige Erscheinungen zu kennen. Möglicherweise ist aber nur
die ma:igelhafte Kenntnis der Dialekte schuld. Ein portu-
giesisches Beispiel, das Neutrum der Demonstrativ-Pronomina, ist
schon § 82 genannt. Sonst ist zu erwähnen span. dor dias,
dor realoSj lali madres. Auch im Portugiesischen richtet sich das
-s des Artikels und zum Teil der Adjektiva xxnd Substantiva
nach dem Anlaut des folgenden Wortes, es ist vor Vokal s, vor
tonlosen Lauten s, vor tönenden 8. — Altportugiesisch wird te o,
tea zu öo öa, und daraus wird weiter öe = te abstrahiert, das
das Galizische noch bewahrt.
Belege für altportugiesisches clia che und die richtige
Erklärung giebt A. Mussafia, Jahrb. VI, 218, C.
Michaelis, 3 Pastores s. v. che.
629. Stofsen im Satzinnern zwei tonlose Vokale aufeinander,
so hängt die Behandlung dieses Hiatus von sehr verschiedenen
Umständen ab. Soweit darin der Gebrauch in Poesie von dem-
jenigen in Prosa abweicht, mufs die Grammatik davon absehen.
Aber auch in der Prosa zeigen sich die verschiedenartigsten
Abstufungen je nach dem Affekte, mit welchem gesprochen wird,
nach der Neigung des Einzelnen zu rascherer oder langsamerer,
zu deutlicher oder weniger deutlicher Aussprache. In den Schrift-
sprachen haben die Grammatiker meist strenge Regeln eingeführt,
mit denen die Volkssprachen aber gar nicht immer tibereinstimmen.
Im Folgenden kann nur eine kleine Auswahl gegeben werden.
Wie im Wortinnern, so ist auch hier zu unterscheiden zwischen
Verschmelzung der beiden Vokale, Unterdrückung des ersten oder
des zweiten, oder Tilgung des Hiatus durch Konsonanteneinschub.
630. Am seltensten ist wohl die Verschmelzung beider
Vokale, oder besser, sie kommt am wenigsten leicht in der Schrift
zum Ausdruck. Im Rumänischen wird e -{- a zu §d, ge-
schrieben ea, bezw. e. Die Verschleifung findet aber nur statt
vor tonlosem a, sei es, dafs beide Wörter proklitisch sind : neam
518 IV. Kapitel: Das Wort im Satze. § 630, 631.
spus, tt-as crede, sc-av, sau väeut, dam fäcnt, oder nur das erste :
de atwnce; nach dem Tone bei Enklitiken: dareas, vedere-al,
crede-tc-am, bei angehängtem Artikel : mintea , ferner inealtä PI.
vnelte (Gerät) aus une alte.
Vgl.Tiktin, Studien I, 2ß ff.
Sodann bietet namentlich das Portugiesische zahlreiche
Belege, wie est älma = esta alma, mit längerem ä, wogegen äima
kurzes hat, todo o mar zu todumar u. s. w. Die Kontraktion
findet hauptsächlich statt zwischen tonloser Proklitika und betontem
Anlaut, ist übrigens dem Belieben des Sprechenden tiberlassen.
Vgl. J. Cornu, Phonologie syntactiqve du Cancioneiro
geral, Rom. XII, 243—306 und Grund rifs 784—788.
631. Elision des zweiten Vokals begegnet zunächst bei e
vor gedecktem s. Es ist denkbar, dafs ursjjrünglich dieses e
überhaupt in enger Verbindung nach Vokalen nicht eingetreten
ist, dafs man sagte la spata, vgl. une spede Eul. Später aber ist
in Nordfrankreich la espata eingetreten, und erst einer zweiten
Periode gehören Formen an wie lo stuet Poe. Mor. 475 e, grande
sperance 91 a, la speie 372, moi stuet 259 a u. s. w. , Formen,
aus deren Verallgemeinerung vielleicht der neuwallonische Zustand
§ 373 zu erklären ist. Dafs auch andere Fälle des Abfalls,
namentlich aber der Vertauschung direkt anlautender Vokale
einen ähnlichen Grund hat, ist § 374 schon angedeutet. Nament-
lich Mittel- imd Süditalien bieten manche Beispiele, vor allem
fällt das i der Präposition in und des Ai-tikels, so schreiben die
Handschriften der alten Lyriker: ältra ntetidama, la ntelligenza,
lo nganna, tutto l giorno, che ntendimento, c ngiura u. s. w.
Vgl. Caix, Origini 122 ff.
Weit häufiger ist Elision des ersten Vokals, so zeigt in
den meisten Sprachen der Artikel Doppelformen l' und lo, la,
ebenso un\ ferner das Feminin des Possessivums : m' und ma.
Davon mehr in der Formenlehre. Abgesehen aber von den
proklitischen Wörtern herrscht wieder grofse Willkür: während
das Italienische fast gar nicht apostrophiert, unterdrückt das Alt-
provenzalische in der Schrift meist den tonlosen Hiatusvokal im
Auslaut, und ihm folgen einzelne altitalienische Liederhand-
schriften ; hierbei handelt es sich aber mehr um metrische als um
i^ 631 — (333. Auslautende Vokale. 519
grammatikalische Regeln. Das Italienische apostrophiert den Aus-
laut bei enger Verbindung: ehb'assai, cent'anni, fors'anche,
grand'uomini, sagt aber ebensogut ebbe assai, centi anni, grandi
tiomini, doch nur fors'anche, weil in dieser Verbindung forse stets
proklitisch ist. — Aus dem Spanischen ist zu nennen biien, mal,
primer, wonach tercer und postrer, algun, ningun, san, den, die
nicht nur vor vokalisch beginnenden, sondern vor allen Sub-
stantiven stehen: es sind wieder diejenigen Adjektiva, die sich
am engsten mit dem Substantivum verbinden.
632. Hiatustilgung durch Kousonanteneinschub tritt selten
ein. Es ist möglich, dafs die seit dem XIV. Jahrhundert im
Provenzalischen auftretenden Foi-men vg für o (hoc und ubi), oder
lomb. vün für ün und ähnliche zunächst vor vokalisch aus-
lautenden Wörtern entstanden sind. Andere Beispiele sind die
§ 625 ei-wähnten lombardischen Artikelformen, denen sich ver-
gleicht treyanrii in Campobasso, cyamigo. ouomc im Vulgärportu-
giesischen. Es hat sich also beim Übergang von dem einen
Vokal zum anderen der dem einen entsprechende tönende Reibe-
laut entwickelt. Wenn nun daneben auch ayagua oder auagita
und vollends eiia mesma vorkommt, so kann man das zwar
dem auch sonst bekannten Wechsel von i und u gleichstellen
(s. § 300), besser aber wird man eine Übertragung von ou""^ auf
e"** oder von ep^'' auf a''^\ d. h. eine Erscheinung darin sehen,
die der im nächsten Paragraphen zu besprechenden verwandt ist.
633. Schon § 618 ist gezeigt worden, dafs manche Er-
scheinung der Satzphonetik der Analogie ihren Ursprung ver-
dankt. Dafür giebt es nun noch viele andere Beispiele.
Doppelformen wie ital. c und ed, o und od rufen auch in solchen
Wörtern, die ursprünglich stets vokalisch auslauten, ein d herbei
in der Stellung, in welcher ed, od auftreten. So findet sich aital.
fied Petrarca Son. VI, 93: ned ella; sed: sed ella non ti creofe Dante
Ball., so noch heute ped essiri, nud aviennu im Kalabresischen,
la nd eJU bei Albertano von Brescia, ladunque = la nnque
äsen. • ched elli d avesse lucc. Prop. IV, 1, 246. Dem noch heute
gebräuchlichen ned vergleicht sich afr. ned Eul. Im Proven-
zalischen mufs ad, quid vor Vokalen zu az, qiicg werden, danach
wird auch cz, oz gesprochen. Hierher gehören ferner die in alt-
520 IV. Kapitel: Das Wort im Satze. § 633, 634.
französischen Texten verschiedenster Herkunft auftretenden Formen
sen -= se, men = me Doon de May. 301 7^ Jen = je, cen = ce,
die alle nach nen: ne gebildet sind, provenzalisch fon neben fo
nach hon neben ho. Je stärker die Abhängigkeit des Auslautes
vom Anlaut ist, um so gröfser wird die Zahl dieser „falschen
Bindungen". So zeigt uns das Nordfranzösische eine grofse Zahl,
von denen einige in der Schriftsprache festen Fufs gefafst haben.
Dahin gehört z. B. das t der 3. Sg. in der Frage : ahne-t-il, das
noch im XV. Jahi-hundert unbekannt ist, sich aber erklärt aus
voit-ü, dort-ü, fit-il und aus dem Plural aiment-il, im XVII. Jahr-
hundert sprach und schrieb man ä tors et ä travers u. s. w. —
Aus la ou entsteht im Afr. leu und später leuTy das auch dem
XVII. Jahrhundert nicht fremd ist. Da sich dialektisch mehr-
fach pa vor Konsonanten als kurze Form neben j)ar vor Vokalen
findet, so wird man leu-r nach diesem Muster erklären. — Aus
dem Portugiesischen mag hier genannt werden: hei-n-a 'Res. I, 12,
vai-n-os 11, pasei-n-a 154, 43.
C. Abkürzungen vielgebrauchter Wörter.
634. Wenn aus lat. senior im Französischen sire, aus seniöre
entsprechend sieur entsteht, so zeigen die Vokale durchaus die
Behandlung, die sie unter dem Tone erleiden , wogegen ni fällt,
obschon sonst auch in tonloser Stellung ein derartiger Ausfall
unerhört ist. Die Reduktion erklärt sich daraus, dafs *seiidr€,
sengr unmittelbar vor Eigennamen zwar ihren Wortaccent bei-
behielten, aber infolge ihrer geringen syntaktischen Geltung
ihres konsonantischen Elementes verlustig gingen. Dasselbe gilt
von oberital. ffior, siora, tosk. sor, sora, portg. sen, Sita, andal.
so, bog. siö. Auch andere Titelwörter werden ähnlich verkürzt,
so ital. monna aus madonna, span. ustcd aus vuesa merced, prov.,
katal. mossen, endlich prov. en, na. Domna Ilaria ist zu na Maria
erleichtert worden vermittelst einer Aphaerese, die nur in der
Bedevitungslosigkeit des ersten Wortes gegenüber dem zweiten
ihren Grund hat. Ebenso wird domn Aimar zu n Äimar, domne
Bertram zu n Bertram, en Bertram. Während die bisher-
genannten Formen auf dem lateinischen Vokativ beruhen können,
scheint das allerdings seltene nos auf dommts zurückzugehen,
^ 634. Wortkürziuigen. 521
ixnd zA\'ar Avürcle es aus einen- Zeit stammen, wo u noch nicht f
geworden war; dazu wird auch ein Akkusativ non (nach mos
mon) gebildet.
Belege lUr nos, non und eine abweichende Erkhlrung
von non und en giebt Thomas, Rom. XII, 585 — 587.
Ferner Verwandtschaftswörter: frz. cousin, rät. cusrein; rum.
cuscrit § 333. Diesen Substantiven schliefsen sich dann etwa an
ital. fi di Pietro Bernardona Dante Par. 11, 89, span. hidalgo;
ital. Or S. Michele für orio, Por S. Maria für porta, dann solche,
die zu Präpositionen herabsinken , also nicht nur sj)an. nom de
Dios, portg. naö de deus, sondern namentlich lomb., romagii.,
gal., andal. Jca , frz. dies für casa, für deren erstere weder ein
cas illa, noch casum, noch in casis genügt 5 femer wall, mö neben
maJiö in derselben Bedeutung, aspan., aportg. a cas de, wo cas
geradezu vor Konsonanten steht, span. a gvis de Berceo Mill.
414, a ftter de Mir. 162, 781 , woran sich gleich a mcn de und
gal. na mais = nada mais reihen können. Neben den Sub-
stantiven sind namentlich die Modalverba interessant. Schon im
Vulglat. scheint hayo, has, hat bestanden zu haben; aus iisogna
entsteht tosk. , romg. , lomb. bifia , ven. bina und bona und bia
oder mina, emil. mna, tosk., mail. mia; uns convegna lomb. Icona.
Stare wandelt sich in andalusischen und in portugiesischen Mund-
arten zu ta, während sonst st bleibt u. s. w., s. die Konjugations-
lehre. Beachtenswert ist noch pik., wall, mier aus mlzer. Auch
die Adjektiva bieten manches hier Einschlägige. So sagt man im
Ital. San Giovanni, gran profeta , während sonst 0, e in diesem
Falle bleibt, im Span, la primer vez, im Portg. mor aus maor, —
Vor allem aber sind es die Pronomina, Adverbia, Konjunk-
tionen und Interjektionen, die reiches Material geben. Obschon
ego im Vulglat. nur gebraucht wird, wenn es betont ist, so hat
es doch Reduktion zu eo erfahren. Im Rumänischen wird
proklitisches illu zu l reduziert vor Konsonanten : l am vezut, zu
Z (ü) vor Vokalen : ü vedeam ; ebenso me zu m, im, danach dann
auch Us, ij, is. — Ähnliches zeigen neufranzösische Mundarten:
in Auve z. B. sind §1 aus 1§, §ddans aus d§dans, §i aus je
leicht erklärliche Reduktionen des Sonanten bezw. des tönenden
Verschlufslautes auf den Stimmton. So sind auch aital. ei =
Uli, tai, cotai, mai, bei, ferner vuoi = vuoli, me* = meglip Kurz-
522 IV. Kapitel: Das Wort im Satze. § 634.
formen. Guittone d'Arezzo und seine Nachfolger führen dann
auch cavei, cavai u. a. ein. — Atro für altro zeigen mittel- und
norditalienische Mundarten,
Vgl. Ca ix, Origini § 192—194.
ImAspan. wird este vor Konsonanten zu es, daher dann nspan.
ese ; vos verliert in Anlehnung an ein vorhergehendes oder folgendes
Wort sein v, nvestro, imestro erleiden Verkürzung zu nneso, vueso.
Unter den Adverbien ist frz. or aus ad Jiora § 146 zu
nennen, das durch den frühen Ausfall des d und den Abfall des
auslautenden a auffällt. Die Annahme, e sei vor Vokalen ver-
stummt, dann or verallgemeinert worden, scheitert daran, dafs
schon der Alexius mit einer Ausnahme (30 d), Gormond, Karls
Keise auch vor Konsonanten nur or kennen. Vollends ist eine
derartige Ausnahme ausgeschlossen bei lors Gorm. 14, 117, das
man auch nicht auf horis zurückführen darf. Auch mi aus mie
Gir. ßoss. 2264 wird hier zu nennen sein. Dem frz. or gesellt
sich ital. or, prov. ar bei. — In afr. fors aus foris ist das i vor
der Diphthongierung des e gefallen gegen § 639. — Aus dem
Rumänischen schliefst sich die Reduktion des Vokals von Ad-
verbien und Präpositionen auf a an § 682, ebenso mold. tat aus
tut. Ferner o aus una und aus illä, deren ersteres durch Ver-
lust des Nasals zu ua, das zweite nach § 545 zu cuä, dann beide
gemäfs § 311 zu o geworden sind, ferner oare, älter vare aus
*voare == volet. — Der Artikel wii-d nicht nur im Portugie-
sischen zu 0, a, wo der Fall des l nach § 545 erklärt werden
könnte, sondern auch z. B. im Neapolitanischen. Dann mögen von
diesen Beziehungswörtern noch genannt werden ital. avale, ferner
Sil, giü, ver, agen. tro = troppo , tu = tutto , ve , te, fo, pwme,_
tosk. imso =^ non so, obw. angd, eng. inse. Besonders stark ist
die Verkürzung in afr. huer, mar aus bona Jiora, mala hora. Aus-
drücken , die wieder mit den Interjektionen eng verwandt sind.
Die Differenz in der Vokalisation ist auffällig: bner weist auf
Hochton hin , mar eher auf Tonlosigkeit. — Daran schliefsen
sieh die Interjektionen gleichkommenden Imperative wie ital.
t§, vie, guar', portg. chete 8 Past. 113 = chegate, guarte, calte,
tirte , porte , wo zwar der Umstand , dafs dei' Stamm auf l, r
schliefst im zweiten und dritten , auf t im letzten , den Ausfall
des a erleichtern, aber nicht allein erklären kann.
V. Kapitel.
ZUR CHRONOLOGIE DES LAUTWANDELS.
685. Das Alter der Laiitveräncleriingen, die in den vorher-
gehenden Kapiteln vorgeführt worden sind, festzustellen, ist ein
beliebter Vorwurf der romanischen Grammatik und in einem
gewissen Sinne Endzweck der Forschung. Aber die Aufgabe,
so intei'essant sie an sich ist, mufs als eine aufserordentlich
schwierige bezeichnet werden, ja, es mag fraglich erscheinen, ob
wir je zu einer annähernd befriedigenden Lösung derselben ge-
langen können. Das relative Alter mancher Erscheinungen zwar
läfst sich in vielen Fällen ziemlich genau angeben, um so gröfser
aber sind die Schwierigkeiten, die sich der Feststellung des ab-
soluten entgegenstellen. Mit der Altersbestimmung geht Hand in
Hand die Frage, ob zwischen zwei gleichen Erscheinungen auf
verschiedenen Sprachgebieten, also z. B. zwischen e aus a im
Engadinischen und im Französischen (§ 225 und 227), ein innerer
oder äufserer Zusammenhang bestehe, iiud was den Anstofs zu
der Sprachveränderiing gegeben habe. Diese verschiedenen Fragen
sollen auf den folgenden Seiten erörtert und, soweit möglich,
ihrer Lösimg entgegengebracht werden, und zwar wird das Fran-
zösische den Ausgangspunkt bilden als diejenige Sprache, die die
meisten und wichtigsten Veränderungen erlitten hat. An sie
knüpfen sich dann die anderen am besten an. Zuvörderst aber
sind einige Erscheinungen zu besprechen, die dem ganzen roma-
nischen Gebiete angehören.
636. Schon § 26, S. 51 ff. ist kurz bemerkt worden, dafs
alle romanischen Sprachen den Zeitunterschied der latei-
524 V. Kapitel: Zur Chronologie des Lautwandels. ^ 636 637.
nisclien betonten Vokale durch einen Klangunter schied
ersetzt haben, und dafs im allgemeinen im Romanischen die freien
Vokale lang, die gedeckten kurz seien. Wie es aber nach Aus-
weis des Rumänischen § 118 falsch wäre, die qualitative Grleich-
heit von ü und ö etwa ins erste Jahrhundert unserer Zeitrechnung
hinaufzurücken, so wäre es unrichtig, aus der Quantitätsgleichheit
von ital. rete und sete, afr. reit und seit, span. red und sed schon
ein früh vulgärlateinisches sete = kl.-lat. sHe zu erschliefsen.
Dafs zunächst die Ausgleichung der Quantität in gedeckter Silbe
erst einzelsprachlich ist, zeigt die Behandlung von Stella § 545.
Aus lat. Stella entstand nur im gallisch-rätischen Gebiete stela,
in den anderen dagegen Stella. Da dadurch die Annahme eines
vulgärlateinischen Stella ausgeschlossen ist, so wird man auch
nicht ein vulglat. icctum ansetzen dürfen, sondern vielmehr sagen,
die Kürzung der ursprünglichen Längen sei erst in der einzel-
sprachlichen Entwicklung vor sich gegangen. Vgl. auch § 50G
über apium und sepia. Die quantitative Differenz von freiem e =
lat. e und e = lat. t für die ersten Jahrhimderte unserer Zeit-
rechnung Avird sodann mit Sicherheit erwiesen durch die latei-
nischen Lehnwörter in den germanischen und keltischen Sprachen.
Lateinisch freies ? erscheint im Ahd. als e: peil, im Angels. als
e: peru, imKymr. als y: fydd, freies e germ. als i, kelt. als ei, ahd.
S2nsa, ags. cipe, kymr. parwyd. Erst gegen Ende des VI. oder
zu Anfang des VII. Jahrhunderts ist dann der spätere Zustand
eingetreten. Da nun aber wiederum in dieser Zeit der Zu-
sammenhang zwischen den einzelnen Sprachgebieten stark ge-
lockert war, so wird man die Dehnung als in jedem Gebiete für
sich vollzogen zu betrachten haben.
Das Verhältnis von romanischer zu lateinischer Quan-
tität hat zuerst H. Schuchardt, Vok. II, 328 klar-
gelegt. Darauf fufst Ten Brinks scharfsinniges Schrift-
chen Dauer und Klang 1879. Die Wichtigkeit der
Lehnwörter für die Zeitbestimmung der Quantitätsver-
schiebung deckte Pogatscher S. 44 auf.
637. Wenn somit der Übergang von fede zu fede erst einzel-
sprachlich stattgefunden hat, so wird man auch denjenigen von
v^nit zu v^nit nicht dem Vulgärlatein zuschreiben wollen. Da
nun ferner die spontane Diphthongierung von e zu ie nur bei ^
§ 637, 638. Lateinische und romanische Quantität. 525
verstlindlich ist, so folgt unmittelbar, clafs der Diphthong auf den
verschiedenen Gebieten unabhängig entstanden ist, wie schon
§ 173 angedeutet wurde. Dazu stimmt, dafs die Lehnwörter im
Germanischen nur auf f , nicht auf ie führen. Die Ursprünge
des ie und damit zusammenhängend des tio sind nun zunächst
zu untersuchen. Bei der Beurteilung des ^ kommt zu statten, dafs
das Vulgärlateinische neben f auch in ae ein ^ besitzt. Dieses
vulglat. ^ wird im Italienisch-Rätischen wie ^, im Französisch-
Spanischen teils wie f, teils wie ^ behandelt, vgl. die Beispiele
§ 291 und 292. Der zweite Fall tritt vor mehrfacher Konsonanz
stets ein, vgl. aestimat, saeptum, praestus, ferner vor d: praeda,
taeda, vor s: hiaesiis, qnaesi, vor p in saeijes, vor qu in aequus,
aequa, vor n in faemim, dagegen erscheint f vor c, t, r, l und
vor n in dem einen caenum. Das wird sich folgendermafsen
erklären. Im Italienischen ist ae als ^ geblieben bis zu der
Zeit, wo freies f zu f, gedecktes S und folglich gedecktes ae zu
c, bezw. f wurden, dann hat sich § aus ae weiter entwickelt wie
jedes andere e. Nur ischio weist auf esadtim , das vielleicht an
csca angelehnt ist. Im Französisch-Spanischen dagegen ist gedecktes
^ aus ae, seiner Quantität folgend, zu gedecktem e übergetreten,
da es sonst kein gedecktes ^ gab ; freies ^ war zu dieser Zeit
vor Gutturalen, /, r, l schon zu ^ geworden, daher sich ihm ae
anschliefsen konnte, vor d, qu, p, S, n aber bestand f noch nicht
weiter, daher ae zu e hinüberglitt. Man beachte, dafs ^**'* über-
haupt fehlt. Auffällig bleibt span. heno neben cieno , doch ist
denkbar, dafs letzteres erst in einer etwas späteren Zeit, aber
immerhin noch innerhalb der Periode, wo ^ zu ie werden konnte,
aus der lateinischen Büchersprache übernommen worden ist.
Treffen diese Ausführungen das Richtige, so beweisen sie eben-
falls, dafs die romanische Quantität auf den einzelnen Gebieten
zu verschiedenen Zeiten eingetreten ist.
638. Was mm die Entstehung von ie, ue im Spanischen
betrifft, so ist sie jünger als der Übergang von et zu it, aber
älter als der Ausfall von '^' und der "Wandel von f zu h, vgl.
§ 156 und 188. Die alten gedehnten Konsonanten waren wohl
schon verkürzt, die einfachen tonlosen Verschlufslaute zu tönen-
den geworden. Damals nun traten an Stelle der kurzen und
526 V. Kapitel: Zur Chronologie des Lautwandels. § 638, 639.
langen Vokale nur lange: {' wurde dem p gleichgestellt, ^ aber
wandelte sich bei der Dehnung zu /e, später ie und ihm folgten die
wenigen Fälle von ^. Das Portugiesische nimmt an dieser Ent-
wicklung nicht mehr teil. Einflufs folgender Vokale wäre dem-
nach im Spanischen nicht nötig. Er ist § 180, S. 164 als mög-
lich hingestellt worden, aber mehr als eine Möglichkeit ist es
nicht. "Was noch fie betrifft, so wäre, dem 'le entsprechend, als
erste Gestalt liQ oder t(§ zu erwarten, woraus ue wie fuera
aus füerat. Dann wäre memo von como nach depnes: pos
(§ 612) gebildet. Der Mangel des Diphthongen vor m § 201
hilft wenig zur Entscheidung, nur so viel ist aus duendo neben
homhre ersichtlich, dafs die Diphthongierung nach der Synkope
des Nachtonvokals noch möglich war.
. 639. In Frankreich ist die Diphthongierung ebenfalls an
die Dehnung geknüpft, abweichend vom Spanischen aber sind
nur die ursprünglich freien Vokale lang, die ursprünglich ge-
deckten bleiben kurz, daher nur freies § zu ie wird. Zweifel-
haft bleibt die Einreihung des ie vor Palatalen § 154. Ist §
durch Einflufs des i zu ie gebrochen oder war zur Zeit, da freies
f gedehnt wurde, die Auflösung des Palatalen schon eingetreten,
die Silbe daher als freie behandelt, mit anderen Worten, ist
peit-us zu peit'VS, j)7ei<-ws geworden wie p^de zw. p^de, piiede, oder
aber hat ein direkter Wandel von pßt-vs zu pieKt-us statt-
gefunden? Für die letztere Auffassung spricht die Überein-
stimmung mit dem Provenzalischen. Es ist zwar denkbar, dafs
die Entwicklung im Süden unabhängig von der des Nordens sei,
allein bei der engen Berührung der beiden Sprachgebiete und
bei den vielen Verbindungen älterer Zeit ist das wenig wahr-
scheinlich. Da aber, je weiter wir hiK abrücken, die Kluft um
so gröfser wird, so bleibt wiederum nur die Auffassung, dafs
pieUts in die Zeit A^or, pied in die nach der Trennung der beiden
Sprachgebiete falle. Nehmen wir aber an, dafs iei in einer
ältesten Periode Süd- und Mittelfrankreich angehört habe, so
begreift sich nun auch die Sonderstelhing des Ostens § 160. Wir
sehen auch § 648, dafs Ostfrankreich an sehr alten Lautwand-
lungen nicht teil nimmt, und erhalten so einen indirekten Beweis
für das hohe Alter von iei.
§ 639, 640. Die Entstehimg von IE ans E. 527
In den übrigen Fällen ist die Entstehung des ie folgender-
niafsen zu denken. Der gesteigerte Kraftaufwand, der erforder-
lich ist, wenn f an Stelle von f tritt, kommt zunächst dem Ein-
satz des Vokals zu gute. Die stärkere Muskelspannuug bringt
eine Verengerung des Mundkanals mit sich, infolge deren sich
ein palatales Eeibegeräusch entwickelt, das allmählich zu i wird,
so dafs wir also die Reihe f, i^. später mit Assimilation je be-
kommen. Es ist somit das ie wie der Afi'ektdiphthong im Sizi-
lianischen § 173 die Folge gröfsei-er Intensität, diese selbst aber
erklärt sich aus der Dehnung. Entsprechend Avird g über p zu
uö. Dagegen entwickelt sich beim Übergang von {" zu e kein
entsprechender Diphthong, weil S schon von jeher in der Sprache
da Avar, das sekundäre f sich ihm also einfach anschlofs. Das
ie nun umfafst Nord- und Südostfrankreich. Es ist älter als die
vokalischen Auslautgesetze, wie afr. gtens aus getms zeigt. Am
frühesten erscheint es Avohl in Mittelfrankreich, und dehnt sich
dann nach Nordosten, Südosten und Westen aus. Den Südosten
erreicht es erst, als (; in einsilbigen Wörtern und in mehrsilbigen
vor Dauerlauten gedehnt und zu (' hinübergeglitten war, s. § 151.
Insofern aber wird auch hier die alte Regel beobachtet, als nur
freies {3 diphthongiert. Im Nordosten, im Wallonischen aber tritt
ie an Stelle jedes c, sowohl des gedeckten, wie des freien,
s. S. 148. Nur vor Nasalverbindungen bleibt auch hier e, da
in dieser Stelhmg e schon in viel früherer Zeit zu e geworden
war. Besonderer Untersuchung bedarf noch der Westen. Es ist
§ 179 darauf hingewiesen worden, dafs im Agn. ee, e an Stelle
von ie erscheint, § 151 und 158, dafs im Südwesten ie und §
miteinander kämpften. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen,
dafs das Ag-n. den normannischen Zustand des XI. Jahrhunderts
bewahrt, während später auf dem Festlande ie vom Zentrum her
eingedrungen ist.
Den physiologischen Vorgansi' stellt L. Havot, Rom.
VI, 323 etwas anders dar, sottrii w die Mittelstufen pf,
vf, ie ansetzt.
640. Im Italienischen werden freie Vokale in Paroxy-
tonis gedehnt, p, o dabei zu ie^ wo gebrochen. Ob aus dem Alt-
italienischen fvöro aus fvtermU als Vorstufe von wo eine Form
we, no erschlossen werden kann, ist sehr fraglich: ftiöro kann
528 V. Kapitel: Zur Chronologie des Lautwandels. 8 640 641.
von fuora = förat beeinflufst sein, oder aber den sonst nicht
vorkommenden Diphthongen üe gegen das häufige wo vertauscht
haben. In gedeckter Stellung werden e, ö zu f, o gekürzt. Die
Dehnung fand erst statt, als hr schon zu hhr, cl zu l'M geworden
war, daher pietra aber ffhhre, v^ccMo.
641. Es bleiben nun noch die Gegenden übrig, wo ie an
auslautend i, u geknüpft ist. Von Wichtigkeit ist in erster Linie
das Portugiesische. Der Gegensatz zwischen porco und pQrca,
ovo und gvos zeigt, dafs auslautend u im Stamme o verlangt.
Dieses o kann aus gu hervorgegangen sein, das sich seinerseits aus
Attraktion erklärt: ovu Avird zu ouvu, woraus Qvu. Da -os und -ö
wirkungslos bleiben, so ergiebt sich, dafs nur das der Reduktion
am leichtesten fähige u (ii) attrahiert wird, nicht das klang-
vollere 0. Einen ähnlichen Zustand zeigt in Italien Cittä di
Castello mit düolo, giioco, müovo, nüovo neben 'köre, fora, rota,
more, pole, vole, aret. nyuvo, syulo, muvo neben höre, mgre, fora,
sgdera, gmo, dann aber jj?ec7e, priego u, s. w. Derselbe Einflufs,
den u auf o übt, macht sich nun bei i auf f geltend : dem foku,
fuohu entspricht genau feri, fieri aus fßri. Freilich kann nur das
Italienische hier Beispiele geben. Das Portugiesische hat
den Nom. Plur. frühzeitig aufgegeben und lieri verloren, im
Italienischen aber ist zu dem alten -i noch ein neues getreten,
s. § 309. Die beiden Reihen : fern fieri und fuohu fohi gleichen
sich nun gegenseitig zu fieru einerseits, fuohi andererseits aus.
Wenn im Kalabresischen -o wie -u Avirkt, so erklärt es sich
daraus, dafs ie, uo hier erst in einer späteren Periode, als -o
schon zu -u geworden war, vom Neapolitanischen her eingedrungen
ist. Weshalb infolge der Attraktion bald ie oder ie bald e entsteht,
ist vorläufig noch nicht zu sagen. Auf derselben Stufe wie die
süditalienischen Dialekte steht das West- und Mittelrätische,
wogegen das Friaulische noch weitergehend jedes ^ diphthon-
giert, offenbar in Übertreibung der von den westlichen Stamm-
genossen übernommenen Regel, und von hier dringt ie zwischen
das im ganzen toskanische Bedingungen zeigende Venezianische
und das den Diphthongen verschmähende Veronesisch-Lombardische
nach Pavia ein.
Die hier vorgetragene Auffassung geht auf H. S c h u -
chardt zurück, Ztschr. II, 188, wo es heifst: „in der
^ 641 643. Die EntstelmnfT von TE ans E. 529
That dürften t xtncl u sicli iirsprüiiglich unter der Ein-
wirkiing eines i oder u der folgenden Silbe eingefunden
haben" . Wenn aber S c li u c h a r d t weiter annimmt, dafs
der ursprünglich so bedingte Lautwandel nach Norden
dringend bedingungslos geworden sei, so kann ich dem
nicht folgen, weil dadurch der Unterschied zwischen süd-
ital. viekiu und tosk. vecchio nicht erklärt wird.
642. Zum Rumänischen ist kaum etwas zu bemerken.
Dafs die Dij)hthongierung erst in die Zeit fHllt, wo (. vor Nasalen
zu e geworden war, dann aber jedes ^ ergreift, ist § 173 gesagt.
Ob einst () zu wo, dann dies wieder zu p geworden ist, läfst sich
nicht mit Sicherheit sagen, ist aber darum nicht wahrscheinlich,
weil der Klangunterschied zwischen p und o hier ein geringerer
war als in den anderen Gegenden und als der zwischen §, und e,
s. § 129 und 184. Dafs der Laut, in welchem p und p zu-
sammenfielen, p war, geht nicht nur aus seiner Weiterentwicklung
zu OM, sondern auch daraus hervor, dafs das aus u entstandene o
§ 130 mit ihm zusammenfiel.
643. Viel enger begrenzt als ie-u aus Q~u ist i-w, u-u aus
e-«, o-ii § 81 und 129. Man kann den Lautwandel so auffassen,
dafs schon bei der Artikulation des e und p der Mundkanal so
eng ist, wie bei der des Auslauts. Es fragt sich dann nur, wes-
halb nicht auch in Oberitalien, Frankreich und Spanien -u ge-
wirkt habe wie i. Das läfst sich wohl so erklären, dafs hier
die Abschwächung von u zu o, f, u schon stattgefunden hatte,
als i noch volltönend war, und bevor der Umlaut eintrat. Dazu
kommt ein Weiteres. Die lateinischen Maskulina auf -ms erscheinen
im Gotischen als M-Stämme, die Neutra auf -u(m) dagegen als
a-Stämme; vgl. asilus, aber akeits. Das ist nur möglich bei
einer Aussprache caballus, tem2)ly. oder templo. Nun ist aber
klar, dafs, wenn templum zu templo wux-de, der Akk. von cäbäü'us
nur cabaU\i lauten konnte. Demnach hätten wir bei den Wörtern
auf e-ns, o-us folgende Flexion : Xom. Sg. i-tis, u-us, Nom. Plur.
i-i, H-i, Akk. Sg. e-\i, o-\i, Akk. Plur. (j-os, o-os. Nun erklärt
sich der Mangel des Umlauts im Spanischen und Französischen
ohne weiteres. In Oberitalien ist die Nominativfonn auf -s zu
Gunsten der Akkusativform aufgegeben worden, daher aticli der
Vokal des Akkusativs bleibt. In Süditalien dagegen ist -s früh-
Meyer, Grammatik. 34
530 V- Kapitel: Zur Chronologie des Lautwandels. § 643, 644.
zeitig verstummt und von den zwei im Auslaut gleichen Formen
i-u und e-u die erste beibehalten worden. Zur Stütze dieser
ganzen Ausführung mag noch dienen, dafs istu (oder istnd) im
Süditalienischen zu cstu, est§ und capu(t) im Astur ischen zu cäbo
nicht cäbu wird, s. § 81 und 308. Fragen wir uns endlich,
weshalb im Toskanischen und Rumänischen der Umlaut unter-
bleibt, so läfst sich auch darauf eine Antwort finden. Die Be-
tonungsweise, namentlich das Verhältnis des Tonvokals zum Aus-
laute, ist hier eine andere als dort : dort nämlich eignet dem Ton-
vokal mehr Kraft, daher er den tonlosen in verschiedener Weise
an sich zieht und ihn dann dem Untergange weiht, hier dagegen
ist der Unterschied zwischen betontem und tonlosem ein Aveniger
starker, daher -i bleibt, oder wenigstens nur die Konsonanten
affiziert.
644. Zur Geschichte des E aus A und der
Diphthonge EI, OTJ. Zu einer bestimmten Zeit dehnt das
Franz. freies e, o, a in Paroxytonis und Oxytonis, und wandelt
dann weiter e zu ei, o zu oii, a zu ä. In Proparoxytonis dagegen
bleiben die Vokale als e, p, a, vgl. die Beispiele in § 332. Dafs
die Stellung in Proparoxytonis, nicht die Gedecktheit, die infolge
der Synkopierungsgesetze eintritt, schuld ist, zeigt afr. ane aus
anate, wo zu allen Zeiten a frei gewesen ist. Wäre der Gegen-
satz der Vokale zwischen ante = am-ita und aimet = am-at aus
einer älteren Stufe *a'nta zu erklären, so hätte aus an-ate,
*ainede, aine entstehen müssen. Dafs das nicht eingetreten ist,
erweist als Grundformen von ante und aime in letzter Instanz
ämita aber cimat. An Hand der germanischen Wörter ist § 225,
S. 199 der Wandel von a zu ä etwa ins VIII. Jahrhundert ge-
setzt worden. In diese Zeit fällt wohl auch ei und ou aus e und o.
Alter können die Diphthonge nicht wohl sein, da ei sehr rasch zu ei, ai
vorgerückt und so dem germanischen ai ähnlich geworden ist. Dieses
aber wird im Französischen durch a wiedergegeben (§ 18, S. 36),
es mufs also in der Zeit vom V. bis VIII. Jahrhundert das
Französische entweder noch ci oder schon oi gesprochen haben.
Von diesen zwei Möglichkeiten aber wird man die erstere vor-
ziehen. Jünger als die Ausbildung des betonten Vokalismus
sind die Auslautgesetze: afr. ameiz setzt *ametiis voraus, und
§ 644, 645. Das Alter von E aus A. 531
wenn man, da amet, amede daneben stehen, auf dieses Beispiel
kein Gewicht legen wollte , so ist lez aus latus , sodann flir ei
meins aus mirnis entscheidend. Wenn also ä, ei, ou ungefähr in
die gleiche Zeit fallen und aus demselben Prinzipe, demjenigen
der Dehnung, sich erklären, so fragt sich, weshalb ei, ou ein
viel weiteres Gebiet begreife. Die Antwort auf diese Frage
läfst sich nicht mit absoluter, aber doch mit ziemlicher Sicher-
heit geben. Das ei-Gebiet ist auch das Me-Gebiet. Nun ist
§ 267 gezeigt, dafs als Bedingung für kie eine Stufe M, nicht
Äa, nötig ist. Während nun das ä in Nordfrankreich sich zu p
weiter entwickelte, ist es im Südosten aus irgendwelchem Grunde
wieder zu a geworden , wogegen Me bleibt. Jenseits der Alpen
wird fürs Monferrinische der einstige Zustand noch durch S. Fra-
tello klar dargelegt, sonst aber hat im Piemontesischen die lom-
bardische Behandlung von a und ca vollständig den Sieg davon-
getragen, wogegen ei, ou nicht nur sich gehalten haben, sondern
einerseits über den ligurischen Apennin ins Genuesische, anderer-
seits längs der alten Via Aemilia tief ins Emilianische ge-
drungen sind.
645. Es fragt sich nun weiter, ob in den anderen Gegen-
den, Avo ä aus a erscheint, die Bedingungen dieselben seien wie
in Nordfrankreich. Wir finden ä, ei, ou, hie im Eäti scheu,
s. § 227, 77, 125, 263. Allein schon der Wandel von a zu ä
zeigt Abweichungen. Dafs er vor n unterbleibt § 242 und dafs
er auch vor c auftritt § 227, ist nicht von Belang. Wohl aber,
dafs e auch in Proparoxytonis erscheint: vgl. -edi = -aticus,
es = acidits, esan = asinus u. s. w., und dafs er jünger ist als
der Ausfall des t: aus, os aus aftjus, und als das vokalische Aus-
lautgesetz: frars, Plur. zu frer. Sodann ist das geographische
Verhältnis des e-Gebietes zum d-Gebiet hier ein ganz anderes,
sofern jenes ein verhältnismäfsig noch viel kleineres ist als in
Frankreich. Auf eine helle Aussprache des a im ganzen rätischen
Gebiete läfst höchstens die Palatalisierung des k schliefsen, es
ist aber nicht einmal die Stufe ä überall eingetreten, da kie noch
enger begrenzt ist als e. Es scheint daher die Sache hier viel-
mehr so zu liegen. In einer den Auslaut- und Synkopierungs-
gesetzen folgenden Periode ist im Engadinischen und im Mittel-
34*
532 V- Kapitel: Zur Chronologie des Lautwandels. 8 645.
rätischen freies a in Paroxytonis zu ä, e geworden. In einzelnen
Gegenden MittelbUndens und des Tessins hat ferner der Über-
gang von lia zu Me stattgefunden ohne Rücksicht auf die Zahl
der folgenden Laute und erst in sehr junger Zeit, wie z. B.
pyega = plaga zeigt. Davon ganz unabhängig ist der dem ganzen
Gebiete angehörige Wandel von e zu e«, der vor dem Eintritt
des Auslautgesetzes eingetreten ist, wie meins aus minus beweist
und auch Proparoxytona ergriffen hat: reisen aus ricinus. — Was
sodann das emilianische ä betrifft, so steht ihm weder ei noch
Tcie zur Seite. Es tritt in drittletzter Silbe auf, obschon synko-
piert wird: esna, ist also älter als das Synkopierungsgesetz,
unterbleibt aber vor erst italienischer Doppelkonsonanz : -asna =
-aggine , labar = läbbro , setzt i zwischen s und m voraus : fan-
tesma aus fantasima (§ 387), vgl. dagegen frz. levre und hläme.
Zu erwähnen ist noch mei aus magis , ital. mai. Das emi-
lianische e setzt also schon im ganzen die italienische Aus-
bildung des Konsonantismus voraus. — Anhaltspunkte zur Alters-
bestimmung des e in den Abruzzen fehlen, doch scheint es die
Apokope des -re im Infinitiv vorauszusetzen, s. § 228, also relativ
jung zu sein.
Ascoli, Arch. Glott. II, 445 nennt e aus a „l'acu-
tissima fra le spie celtiche" und ßiv. fil. class. X, 34
vergleicht er akymr. au, körn., bret. e aus urkelt. ä.
Die Diphthongierung des keltischen ä läfst sich ins
VII. bis VIII. Jahrhundert zurück verfolgen, ältere Namen
auf Inschriften bewahren dagegen a. Dieses au nun
hat sich im Bretonisch - Komischen weiter durch Dissi-
milation der beiden Bestandteile zu äu, eu , dann mit
Verlust des u zu e entwickelt. Die Übereinstimmung
mit dem Romanischen scheint daher eine wenig grofse
zu sein. Gemeinsam beiden Zweigen ist, dafs nur ä,
nicht a, sich verändert, allein das liegt wohl in der
Natur der Sache, da die Änderung in einer Art Diphthon-
gierung, nicht wie bei dem lothringischen e aus ä (§ 258)
in Reduktion des ursprünglichen Vokals besteht. Weiter
geht aber der Zusammenhang nicht, daher keinesfalls an
Lautsubstitution, höchstens an eine latente N.eigung zu
denken ist. — Auch ei aus e und ou aus ö hält Ascoli
für keltisch, und es ist die Möglichkeit zuzugeben, dafs
schon im Altgallischen e und ö mit zweigipfliger Be-
tonung gesprochen worden sind. Diese Betonung ist an
langen, nicht an geschlossenen Vokal geknüpft : so könnte
§ 645, 646. Das Alter von Ü. 533
vulglat. hahSre im gallischen Munde zu avcere geworden
sein, nicht aber sete zu seete. Da nun die quantitative
Gleichstellung a'ou sete und avere kaum vor das VI. Jahr-
hundert s. § 636 fällt, das Gallische aber schon im
V. Jahrhundert in Gallien soviel wie ausgestorben war,
so scheint ein direkter Einflufs ausijeschlossen.
646. Sehr schwierig ist es, Anhaltspunkte filr das Alter
des ü zu gewinnen. Zu dem § 47 ff, und § 261 Bemerkten ist
wenig hinzuzuftigen. Man wird kaum fehlgehen mit der Annahme,
dafs ü von verschiedenen Zentren ausgehend erst allmählich den
Umfang erlang-t hat, den es jetzt besitzt. Daftir, dafs im Mon-
ferrinischen u bis gegen das Jahr 1000 gesprochen wurde, lassen
sich die daher ausgewanderten Kolonieen in Sizilien, sowie das
monferr. i aus M anführen, sofern nämlich in diesem i nicht eine
allmähliche Umgestaltung des ü zu sehen ist, sondern eine Art
Lautsubstitution: das piem.-lomb. ü wird von den Monferrinen,
die es von Hause aus nicht kennen, durch i wieder gegeben.
Das ü ist im Lombardischen jünger als der Umlaut des o § 127,
denn dafs das amail. -vs = -osi als -üs zu lesen ist, zeigt das
heutige du, vü und die Doppelformen gropp und grüpp, poi und
jJüi. Direkten Übergang von o zu ü kann man kaum annehmen,
da der Umlaut von o im besten Falle oe sein k«>nnte. Also zur
Zeit, da o-i zu u-i wurde, konnte u noch zu ü werden. Wiederum
aber ist der Umlaut noch eingetreten, als -s in Italien verstummte:
noi wird über nui zu fiü. — Nach Stidostfrankreich scheint u eben-
falls erst allmählich unter dem Einflufs des Pi'ovenzalischen und
Nordfranzösischen gedrungen zu sein, ohne aber das obere Wallis
zu erreichen. Die Ausbreitung mufs in eine Zeit fallen, da voi
schon zu uei geworden war, s. § 192. Auch on aus un setzt u,
nicht ü voraus, da ein Übergang von wi zu on oder ö ganz
undenkbar ist. — Endlich dürfte das Katalanisch-Gaskognische
ursprünglich dem M- Gebiete abzusprechen sein, einmal wegen der
Entwicklung von QU § 193, sodann wegen des Fortbestehens von
u im Katalanischen und wegen gaskognischen Formen wie ünglo
§ 136, die zeigen, dafs sekundäres u zu ü wird. — Was endlich
das rätische ü betrifft, so ist zu § 52 noch folgende Erwägung
hinzuzufügen. Die Übcninstimmung zwischen Friaulisch und
Bündisch ist in vielen Punkten so wesentlich, dafs die Ver-
534 V. Kapitel: Zur Chronologie des Lautwandels. § 646 647.
schiedenheit gerade hierin auffällt. Da es nicht ersichtlich ist,
wie das Friaulische ü hätte aufgeben können, so bleibt die andere
Annahme, dafs ü im Westen aus dem Lombardischen eingedrungen
sei zu einer Zeit, da der Zusammenhang mit dem Osten schon
gelockert war. Auch zu einer Zeit, da tonloses u schon |t nicht
u war, und also blieb, vgl. § 364.
G. Grobe r bei Koschwitz, Überlieferung und Sprache
S. 36, G. Paris, Eom. VIII, 130 und Ascoli, Eiv.
fil. class. X, 19 ff. halten ü für keltischen Ursprungs.
Ebenso Schuchardt, Slawodeutsches S. 126, während
er S. 5 sich ablehnend verhielt. Auch Gröber scheint
später schwankend geworden zu sein, vgl. Ztschr. 11, 139
Anm., und G. Paris ist ganz davon zurückgekommen.
Entschieden dagegen spricht sich Thurneysen aus
Keltoromanisches 10 ff., namentlich bringt er gewichtige
Argumente gegen das hohe Alter des ü im Keltischen.
Die Hauptstütze für die Keltenhypothese, die geogra-
phische Übereinstimmung zwischen heutigem ü und kelto-
romanischer Bevölkerung fällt nach den obigen Aus-
führungen.
647. Die Verschiebung der tonlose n Verse hlufs -
laute, das Synkopier ungsgesetz und das vokalische
Auslautgesetz stehen in so engem Zusammenhange mit ein-
ander, dafs sie am besten gemeinsam behandelt werden. Die
Synkope hat in Nordfrankreich ihren Anfang genommen bei aus-
lautend a : covlCj genauer Tcqia aus cuhita, natJca aus natica. Dann
folgt im VI. Jahrhundert die Erweichung der tonlosen Verschlufs-
laute, vgl. ags. Jaedcn, das erst um diese Zeit aufgenommen worden
ist, aber schon ladinus verlangt. So wird also auch ciihitu zu
Icovedu, Caput zu IcavK, dagegen bleibt c' noch: pulece, ebenso ist
d noch Verschlufslaut : fede. Hierauf fallen die Auslautvokale in
Paroxytonis : Idcf, feit, endlich tritt die Synkope ein: Jcvde,
pulse, woraus nfr. puce. Erst etwas später, als d schon d war,
verbreitete sich das vokalische Auslautgesetz nach dem Westen
und dem Süden, aus fede entsteht im Norm, fei, § 557, im
Provenz. fe, im Katal. feu, ferner wird aimet im Afr. zu aint, im
Provenzalischen aber über amed, ame zu am. Ebenso dringt das
Synkopierungsgesetz erst nach dem Süden, als die tonlosen Laute
schon tönend waren, s. § 332. — Im Eätischen liegen die Sachen
ganz anders, sofern nämlich hier die Synkope nach der Erweichung
§ 647, 648. Synkope und Auslaiitgesetze. 535
der tonlosen, das Auslautgesetz nadi der Synkope eintritt,
s. § 315 und 334. Ob die Synkope in Spanien und Oberitalien
in einem Zusammenhang steht mit der Französisch-Provenzalischen,
ist zweifelhaft. Sie ist zunächst bei -a, aber auch hier erst nach
der Erw^eichung der Tonlosen eingetreten, s. § 338. Da das
Portugiesische sich hierin nicht unwesentlich vom Spanischen
scheidet, so mufs der Mittelvokal ziemlich lange geblieben sein.
648. Zur Geschichte der Gutturalen. Die Pala-
talisierung des c vor a verbindet wiederum Eätien mit Gallien,
sie wird auch fürs Monferrinische bewiesen durch S. Fratello,
vgl. § 409 und 264. Im Rätischen und in S. Fratello ist sie
ursprünglich an betonten Vokal geknüpft und dringt erst infolge
des Ausgleiches zwischen betonten und unbetonten Formen auch
in tonlose Silben. Ferner durchbricht sie bei ihrem Vordringen
nach Osten die ursprünglichen Bedingungen, so dafs sie nur im
Engadinischen, in Tirol und in Frianl bedingungslos eintritt.
In Xordfrankreich dagegen scheint h' ursprünglich durch den
Wandel von a zu ä bedingt gewesen zu sein, wie pik. fc'e/" neben
kä S. 335 zeigt. Zunächst erscheint k' dann auch vor tonlosem
a in zweisilbigen Wörtern, man flektiert k'eve, Ti'aver, bildet zu
k'är das Verbum k'arir statt kaver, karir, und spricht nun auch
k'aval statt kavcd, s. § 361. Diese Wandelung macht das Pikar-
dische noch mit, nur bleibt es auf der Stufe k'eval stehen und
kehrt später wieder zu kcval zurück. Im Reste Frankreichs,
sowie in einem Teile des Provenzalischen und im ganzen Süd-
osten dagegen ist auch c vor dem erhaltenen « palatal geworden.
Der Ausgangspunkt dieser, den hohen Norden nicht mehr
erreichenden Bewegung ist vielleicht im Südosten zu suchen.
Die Bedingung für den Wandel von k zu k' ist palatales a.
Nun ist § 644 Avahrscheinlich gemacht, dafs im Südosten das
a, 0, sofern es französischem e entspricht, aus ä rückgebildet ist.
Es liegt nun nichts im Wege, anzunehmen, dafs jedes a aus
diesem älteren ä entstanden sei, dafs mit anderen Worten im
Südosten in einer ursprünglichen Periode a palatal gewesen sei
und k' nach sich gezogen habe. Dieses k'a drang dann nach
dem Norden und Westen vor in Gegenden, wo gedecktes a nicht
palatal war, iind traf da zusammen mit dem A', da:^ vor ä aus
536 V- Kapitel: Zur Chronologie des Lautwandels. S 648 649.
freiem a entstanden war. Unterdessen aber wurde im Südosten
das palatale gedeckte ä wieder zu velarem a, was gleichzeitig
den Wandel von k'a zu tsa mit sich brachte, s. § 412. — In
welche Zeit diese Vorgänge MleTi, ist schwer zu sagen. Da ä
aus a dem VII. Jahrhundert angehört, so kann Ti'ä nicht älter
sein, und da wiederum h'ä dem Pikardischen eignet, k'a nicht,
seit dem VIII. Jahrhundert aber die Pikardie mit dem Zentrum
so eng verknüpft war, dafs sie die nämliche Lautentwicklung
mitmachte, so würde li eher dem Ende des VII. Jahr-
hunderts angehören. Für dieselbe Zeit spricht auch die Be-
handlung von inlautend ca. Sofern nicht besondere Faktoren
einwirken, Avird ca über ga zu ya, s. § 438. Zur Zeit, da pacare
schon pagare oder payare, dagegen cajmt noch Jca2ni lautete,
wurden vocare, praedicare und impedicare in die Sprache auf-
genommen, woraus dann afr. vochier , predechier, empedechier wie
cliamp. Praedicare gehört im Germanischen dem IX. Jahrhundert
an und dürfte auch im Romanischen wenig älter sein.
649. Nachdem so das relative Alter der wichtigsten Laut-
veränderungen festgestellt worden ist, mag noch kurz untersucht
werden, inwieweit sich ein Einflufs des Lautsystems der vor-
römischen Völker auf die Entwicklung des Romanischen nach-
weisen lasse. Diese Untersuchung wird allerdings sehr erschwert
dadurch, dafs uns diese Sprachen nur in sehr bruchstückartiger
Gestalt überliefert sind. Am besten kennen wir noch das
0 s k i s c h - U m b r i s c h e , und da treten uns denn eine Reihe
Avichtiger Übereinstimmungen entgegen. Das nn, das in ganz
Mittel- und Süditalien erscheint und auch das alte Latium und
sogar Rom ergriffen hat oder hatte (s. § 497), darf wohl mit
Sicherheit in direkten Zusammenhang mit dem sabellischeu im,
osk. wpsanna = lat. operanda^ gebracht werden. Ml) bleibt be-
wahrt, vgl. osk. Jcumhened, umbr. amboUu, es entspräche also der
südkalabresische Zustand dem ursprünglichen , wogegen der
neapolitanisch-zentralitalienische mit mm aus nib erst das Resultat
einer späteren EntAvicklung Aväre. Dem d zwischen Vokalen ent-
spricht im Umbrischon ein Laut der durch rs , im Faliskischen
durch d Aviedergegeben Avird, entsprechend finden Avir auch heute
teils d, teils r. Auch die Verschiebung der tonlosen Verschlufs-
§ 649, 650. Sabellische Einflüsse. 537
laute nach Nasalen § 498 kann sehr wohl auf sabellischer Laut-
neigung beruhen, vgl. umbr. iuenga = juvenca, praevcndv, ander,
wenn auch ihr Auftreten im Albanesisehen (wo nd zu nn wird)
und im Neugriechischen auftällig bleibt. Endlich dem osk.
kenssur vergleicht sich § 500. Kein Gewicht ist auf die umbrische
Behandlung der Palatalen zu legen. Da dem -dhto, feito in den
heutigen Mundarten nichts entspricht, so wird auch zwischen
umbr. fasa und heutigem fadda kein direkter Zusammenhang be-
stehen. Umbrisch destra aus decctra ist auch Vulgärlateinisch
§ 408, und wenn fllrs Sabellische die Assimilation von x und ps
zu S schon für 190 — 180 v. Chr. bezeugt ist, so kann heutiges
SS siVLS pSj X zwar damit zusammenhängen, mufs es aber nicht.
Ob der Abfall der auslautenden Konsonanten, der zunächst dem
eigentlichen Italien eignet, später auch über den Apennin greift,
vom Umbrischen ausgeht, ist eine Frage, die mehr die Geschichte
des Viilgärlateius betrifft, da es sich bei ihr nicht um Laut-
substitution handelt. — Im Vokalismus ist der sabellische Einflufs
gering. Den Qualitätsunterschied zwischen e mid e finden wir
streng durchgeführt, wir finden auch i als Zeichen flir e, ohne
dafs jedoch daraus eine Aussprache i notwendig sich ergäbe: es
gilt davon dasselbe, wie von dem i der Strafsburgereide § 72. —
Die Endung -ius wird zu ?s, woran einigermafsen vckyi, Jcaväly
in Alatri erinnert, doch kann die Übereinstimmung zufällig sein.
Auch die Tilgung des o im Nominativ: osk. hurts ist kaum in
direkten Zusammenhang mit dem Fall der tonlosen Vokale im
Suditalienischen zu bringen.
650. Das altgallische Lautsystem ist uns weit weniger
bekannt als das sabellische. So viel scheint sicher, dafs schon
vor der Romanisierung das alte et zu Kt geworden war, so dafs
man mit ziemlich grofser Wahrscheinlichkeit das romanische M
§ 459 direkt damit zusammenbringen kann. Vom Keltischen
abweichend behandelt das Romanische x wie et § 463. Die
römisch lernenden Kelten scheinen kein x mehr besessen, sondern
dafür schon ss gesprochen zu haben, sie ersetzen daher lat. x durch
Ks, weil sie einen Verschlufslaut unmittelbar vor einem anderen
Konsonanten nicht sprechen konnten, — Auch ein S besafsen sie
damals nicht mehr, sondern nur einerseits i, andererseits ei, das
538 V. Kapitel: Zur Chronologie des Lautwandels. § 650.
sich Aveiter zu oi oder zu m entwickelte. Daraus romanisch ei
§ 71 ff. zu erklären ist aber nach § 645 mehr als geAvagt. Für
intervokalisches d finden wir auf den Inschriften d, ds, sd, ss, s,
worin man d oder z zu sehen hat. Das prov. 2 könnte daher
stammen, doch bleibt auffällig, dafs die anderen Keltoromanen
keine Spur davon zeigen. Nur dialektisch ist nn aus vid, Colu-
mella erwähnt arepennis, wofür die gemeingallische Form arependis
wäre. Darf daraus geschlossen werden, dafs speziell in Süd-
frankreich utid Spanien keltisches nd zu nn wurde, so kann
damit gaskognisch - katalanisches nn § 497 zusammenhängen.
Endlich mufs noch erwähnt Averden, dafs die Nasalvokale sich
blofs in den einst von Kelten bewohnten Crebieten finden und
dafs, wie es scheint, hier das geographische Zusammentreffen ein
sichereres ist, als bei ü. Es ist daher wohl denkbar, dafs wenig-
stens in ihren Anfängen die Nasalierungen auf keltischer
Grundlage ruhen. Zwischen urkeltisch kentom und altirisch l'et
liegt kct, das vielleicht schon in der gallischen Zeit be-
standen hat. Dafs aber nicht die Nasalität in ihrem ganzen
Umfange keltisch ist, geht aus § 391 mit Sicherheit hervor. —
Endlich bleibt noch eines übrig. Die § 644 behandelten Er-
scheinungen gehen alle zusammen darauf zurück, dafs zu einer
gCAvissen Zeit der französische Accent ein sehr starker, expira-
torischer war. Die Entwicklung des Irischen erweist dasselbe
für eine ältere keltische Periode, mit dem Unterschiede jedoch,
dafs im Keltischen die erste Silbe den Ton empfing. Die
Übereinstimmung ist eine auffallende , so dafs man sich sclnver
entschliefst, an Zufall zu glauben. Aber wieder beweist § 606
mit Sicherheit, dafs in der gallo-römischen Periode die Betonung
der ersten Silbe noch unbekannt war. Es kann also die Über-
einstimmung zwischen Irisch und Französisch höchstens in einer
in romanischer Zeit noch latenten, erst sjjäter zum Ausdruck
kommenden Neigung ihren Grund haben.
Die eifrigsten Verteidiger keltischer Einflüsse im
Romanischen undAscoli, Riv. fil. class. X, 23 ff., Arch.
Glott. X, 31ff., 260, 272 und H. Schuchardt, Ztschr.
IV, 140 — 154. Einzelne Aufstellungen sind in den An-
merkungen zu § 645 und 646 berührt. Zu Kritik oder
Widerlegung im einzelnen ist hier nicht der Ort. Im
ganzen ablehnend verhält sich auch vom keltischen
§ 650 — 652. Keltische und griechische Einflüsse. 539
Standpunkte nun K. T h u r n e y s e n , Keltorom. 7 — 15.
Ihm sind die Bemerkungen über lit und nn entnommen.
651. Weit weniger leicht ist es, griechische Spuren im
Sizilianischen oder etruskische im Toskanischen nachzuweisen.
Da zur Zeit der Eomanisierung die Griechen Siziliens e = e
und i = ri besafsen, so ist es möglich, dafs sie das römische e
durch ihr i wiedergaben, vgl. § 69; der geringe Unterschied
zwischen betonter und tonloser Silbe , der die Bewahrung des
Auslautes und überhaupt der tonlosen Vokale und den Mangel
der Diphthonge auch von ^ und Q in gewöhnlicher Rede be-
gründet und das Sizilianische scharf vom Neapolitanischen
scheidet, findet im Griechischen seine Entsprechung und vielleicht
seine Begründung, auch das siz. r aus d kann ans griechische (),
gesprochen (f, anknüpfen. Sodann würde sich fragen, ob nicht
in dem Sizilianisch-Süditalienischen v für h § 416 griechischer
Einflufs vorliege, verstärkt durch eine Lautumsetzung im Oskischen.
Das Oskische nämlich stellt demjenigen lateinischen v, das aus g
entstanden ist, h gegenüber, sagt also z. B. heni für lat. veni.
So mochten die lateinisch lernenden Osker allmählich an Stelle
ihi-es & ein v sprechen auch in solchen Fällen, wo das Lateinische
selber & geboten hatte. Man beachte, dafs die Zahl der mit &
anlautenden "Wörter eine sehr geringe ist. — Und was das Tos-
kanische anbetrift't, so liegt es nahe, die Aussprache U fiir an-
lautend c daraus zu erklären, dafs die Etrusker eine grofse
Vorliebe für die Aspiraten hatten, allein es ist gerade der Über-
gang von c zu h im Etruskischen nicht gesichert.
Zu toskanisch U vgl. H. Schuchardt, Slawo-
Deutsches, S. 12.
652. Wenden Avir uns endlich der iberischen Halbinsel
zu, so kann man sich fragen, ob f aus h und der Laut U allen-
falls baskischen Ursprungs seien. Auch hier ist die Antwort
eine negative. Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dafs kasti-
lianisches fuerte einen ursprünglicheren Ziistand aufweist als
astur. Kuertßy und da sonach (s. § 408) der Wandel von f in h
an den Ton geknüpft ist, so ist die Annahme einer Lautsub-
stitution ausgeschlossen. Aus Spanien dringt h ins Gaskognische
zu einer Zeit, da f und '^oi-ß-rok gch^n gleich geworden waren.
540 "^- Kapitel: Zur Chronologie des Lautwandels. § 652 653.
Die lautliche Analogie geht hier so weit, dafs auch fr, fl zu (h)r,
(h)l werden. — Etwas eingehendere Besprechung verdient K, das
aus li, «/, dl, sti, x, frz. z entstanden ist, vgl. hijo , jamas, ojo,
congoja, dije, jardin. In früherer Zeit Avaren diese verschiedenen
Laute in zwei Klassen geschieden: das K der vier ersten Fälle,
das kurzweg als y bezeichnet werden darf, geben die Aljamiados
z. B. Jose wie das span. ch durch das arabische ^g wieder, das
andere, das auf s beruht, durch s. Der Übergang von s zu K
ist leicht erklärlich, er beruht auf einer Senkung der Zungen-
spitze, wodurch die dentale Enge gelöst wird. In Ji aus y könnte
man in Übereinstimmung mit dem § 441 Beobachteten tonlosen
Reibelaut an Stelle des tönenden sehen, stünde nicht die
Schreibung der Aljamiados im Wege, der zufolge man vielmehr
die Reihe ly, y, g, z, z, s und nun Avieder li bekommt. Die
heutige Aussprache der beiden Laute wird erst von Velasco 1582
bezeugt : es handelt sich also um einen ganz jungen Laut.
Zu K aus S vgl. Schuchardt, Ztschr. V, 315.
653. Wenn so beim heutigen Stande der Forschung nur
geringer Ei'iflufs der vorrömischen Völkerschaften auf das roma-
nische Lautsystem nachgewiesen werden kann, so ist der-
jenige der Germanen, Araber und Slawen ein noch unbedeuten-
derer. Das Arabische ist überhaupt wirkungslos geblieben,
ebenso das Slawische, von dem S. 11 Bemerkten abgesehen, das
Germanische hat zwei neue Laute gebracht : das li und das w.
Aber diese beiden Laute kommen, mit verschwindend geringen
Ausnahmen, s. § 416 , nur in Wörtern germanischer Herkunft
vor und nur da, wo der Prozentsatz der Germanen ein sehr
grofser war, s. S. 37, 38. Wohl kennt das Lothringische auch den
Laut K und zAvar aus s, s. § 511. Dieses K steht neben s, so zwar,
dafs s sich südlich vom welschen Beleben findet, sodann an der
Ost- und Westgrenze des lothringischen Sprachgebietes, während
im Norden lothr. K an wallonisches anknüpft. Das s scheint
zunächst auf dem ganzen Gebiete zu K geworden zu sein, was
in den Predigten Bernhards durch x wiedergegeben wird : graixe
108, naixre 67. Tritt s mit c zusammen, Avie in mvsca, so wird
es ebenfalls zu s: musca, dann aber tritt abAveichend von dem
§ 468 beobachteten, s, Ji ein: moli. Da c'a allein nicht zu K,
I 653. Spanisch, lothringisch h. 541
sondern nur zu J, ä wird, so darf man wohl annehmen, dafs
schon auf der Stufe Sc der Wandel von s zu U stattgefunden
habe. Jedenfalls ist danach das ä der Grenzdialekte nicht älter
als Ky sondern entweder sind beide aus s oder S aus K entstanden.
Der Übei-gang von S zu K aber erklärt sich wie im Spanischen,
das lothringische 1i ist also vom germanischen völlig unabhängig.
Vgl. Horning, S. 81—84 und Eev. Pat. I, 256,
gegen die an letzter Stelle vertretene Annahme ger-
manischen Einflusses spricht sich auch Gilli^ron, Rev.
Pat. I, 258 aus.
Sachverzeichnis.
Accent 489 — 501, alüca 141,
exsücus 459, uptipa 141; in
Buchwörtern. 2 5, 497; in ger-
manischen Wörtern 40; in
griechischen 30, 34.
Analogiebildung.
a) in Substantiven : afr. de
233, vulglat, fulger 449, lim.
ma 213, afr. muef 4:70, span.
nuez 138, rum. nuntä 428,
frz. soif 470.
b) in Verben: ital. amano
465, afr. amat 469, span.
cuelga, cuelma^ huella, muestra
138, agn. sez 4:73, ital. sgffre,
afr. sueffre 138, ital. fora
192.
Angleichung gegensätzlicher
Begriffe : perug. Grhelfo =^
Guelfo -{- G-hibellino 353, süd-
ital. gornu = gurnu + *^o<M
138, ital. greve = ö'^a?;e H-
Zet;e 230 , vulglat. nora =
nurus -\- socrus 138, vulglat.
sinpster = sinister -f- dexter
118, prov. furege =^ feroge -\-
dumege 306, prov. escrich =
esmi + dl/cfe 383, frz. ouvrir
= aprire -\- coprire 231, ital.
rendere = reddere -\- prendere
454, ital. giuso = gioso -\-
suso 139, afr. sur = sor -f-
sus 139.
Artikel verschmilzt in Lehn-
und Buchwörtern mit dem
Substantiv 356. Anlautend l
und n Avird fälschlich für den
Artikel gehalten 355.
Assimilation: von getrennten
Vokalen 264, 286, von Hiatus-
vokalen 300, von verbundenen
Konsonanten 384 ff., 418, 445,
450, 451, 452; von Konso-
nanten verschiedener Silben
444 (torholo), 445, 478. Ferner
von Vokalen : rum. rädäcinä
287; von Konsonanten: rum.
astepta , friaul. astitta 398,
portg. harha 419, span. har-
hasca. span. harbcclio, vlat. her-
hecc, ital. herbena, ^ortg.hihora,
rum. hrehena 340. lothr. daize,
friaul. dedea, dorde, ital. gali-
gare, gastigare, gridare 354,
span. jeja 341, lechucha, mu-
cliaclio 435, lecc. posperu 33,
vulglat. x>h^^tcL 423, lothr. äiä
153, rum. soarece, portg.
xastre, zogöbrar, zucio 341.
Bedeutung beeinflufst die Ge-
stalt der Wörter 1 ff. , vgl.
noch Ausgleichung , Umprä-
gung, Suffixe, Präfixe, Volks-
etymologie, Verschränkung.
Bedeutungsentwicklung
von xiensare 21, von villa 3.
Sachverzeichnis.
543
Buchwöiter § 11—12, Be-
handlung der Laute § 13 — 15,
cl im Ital. 347, Z*''"* im Franz.
407, 2)i im Franz. 385, d im
Span. 389, x im Franz. 391,
gn im Franz. und Span. 393,
7?cf im Rät. 394, 's' im Ital.
368, 'ne im Franz. 450. Ein-
zelne Wörter a) im R u m ä -
ni sehen: aron, hihlie 24,
cib 89, coroanä 24, fagur,
lingur, mascur 22, materie
441, rdighie, scorjnon, testä-
niint 24.
b) Im R ä t i s c h e n : gliergia,
n'ieble 138, oeU 439, xmont
sent 394, vitta 458.
c) Im Italienischen:
afritto 347, -aggine SAS^Ägnese
368, aquüa 422, hraca 360,
örwito , cetto 458 , cimitero
440, cwrvo 420, dmso 368,
^em, impero 440, m?ca 360,
mezzo 430 , monastero 440,
wo^To 430, nipote 373, wome
138, oZio 439, orhacca 355,
ra^^^'o 430, rosa 192, 368, rwca
360, sprendore 347, Te/-<?sa 368,
vcsdca 360.
d) im Französischen:
ahreger 427, a?5f?e 422, a^'^rw
373, autonne 410, avöltire 440,
ferw^ 458, chapitre, cliaste 27,
c?er(ire440, code 451, coffre 450,
colonne 410, couple 414, creance
301 , damledieu 445, deluge 140,
427, (Zi^r^ae 393, ecoZe 192,
empire 440, ewt"ie 116, eschannm
435, etrenne 105, e<t<de 140,
/rtwiZZe 102, /?ewve 136, 427,
/bnwe 136, /re^owd 373, gemme
105, <7?o»>e 138, /im7e 439,
jwsfe 72, maestire 440, »2oWe
138, o&c7r301, ortire 136,450,
ortz^r 136,j9aZ?<e 439, peupU
414, re^fwc 393, rose 192, rws/re
71, segond 373, sew*je 447,
serorge 440, siecZe 414, soZe
192, tapiz 4:58, testemoine 12S,
umhle 140, v'ite 458.
e) Im Spanischen: han-
tizar 385, 6e<MW 464, bruto
458, öwW« 457, fewZ^o 140,
cautivo 385, ceZfZa 457, criiz
140, dejenjo 400, esco?a 192,
femencia 354, /rwfo 389, f/e-
wero, ^e»?^e 329, gomitar 340,
humedo 442, jwsio 330, malino
393, maravilla 439, oZio 439,
pildora 457, pZa^a 346, pZa^'o
346, 448, pZe?7o 346, i^w^i^a
140, re/oj 298, re^wo 393,
rosa 192, s?7&ar 415, surco
yugo 140.
f ) Im Portugiesischen:
hautizar 385, crw^ 140, divida
dizima 99, escoZa 192, gomi-
tar 340 , JM«>o 435, olco 439,
receitar 385 , soft 460, st^Zco,
^/w^ro 140.
Deco m Position: vulglat. di-
se'dmm, demedhim 119, reddedit
u. s. w. 495.
Dissimilation von verbun-
denen Vokalen : 60, 132, 134,
217, 234, von getrennten Vo-
kalen 54, 285, von verbun-
denen Konsonanten 419, ferner
andal. cormigo, ermienda 410,
von Konsonanten verschiedener
Silben 479. Ferner span.
arienzo 420 , ital. hertovello,
portg. holver 340, span. cejar
458, vulglat. cinque 6, ital.
dighino 330, tirol. dut 354,
span. lancha, lacio, playa, plaza
M<6, polilla 457, portg. i>rafa,
praya 346, vulglat. quercednla
421, ital. saggio 391, -tade,
-tado 360, vulglat. verbadu,
verbex 420, frz. vogue 38,
obw. yagin 330, span. yeso 385,
Unterdrückung von Lauten :
544
Sachverzeichnis.
frz. obre 402, span. adrales,
ampara. Ariege angivo, ital.
avello , afr. avel 355, ital.
chieppa, span. chopa 425, frz.
heberge, mecredi 402, ital.
usignuolo 355.
Lautumsetzung 47, ferner
vulglat. colpus 33, gen. reöede,
piem. aröede 160, obw. f arein
307, sard.jrjww^;«(, stanmre 392,
span. dombo, flambante 419.
Vgl. aucli ven. ie aus e 118,
portg. /" aus germ. 7i 38.
Lehnwörter § 23.
1. Im Rumänischen
a) aus dem Neugriechischen :
curtä 140, ohticä 387, piper
89, s/^wr 280, stoi«? 413;
b) aus dem Slawischen :
gutuiu 354, o^et 89 ;
c) aus dem Albanesischen :
ariciu 434, hiftä 387, c^oftor
387, sdnteie 457.
2. Im Rät i sehen aus dem
Italienischen : frusta 72 , nett
269, friaul. gfo^^t 238, k'af
466 , odwZe 238 , tirol. sait,
s§i 466.
3. Im Italienischen
a) aus dem Französisch-Pro-
venzalischen : agliirone 36,
bargello 40, convoglio 47, cor-
ruccio 139, costume 450, dami-
gella 375, dispHto 165, fianca
39, francese 368, geldra 40,
ghignare, ghindare 353, ^ifl??o
338 , giardino 40 , giavelina,
giavellotto 44, (/i^'« 40, ö^toja,
gioire 338, guaitare 39, Zaic^o
36 , üawa 410, loggia 426,
marchese 368, ^^ei^o 270, ^ro-
^fio, rispitto 165, siz. rwa
367, sa^^w 427, sargia 166,
sembiare sembrare 446;
b) aus dem Spanischen :
bernia 298, (?a£?o 362, /ara-
&wito 459;
c) aus dem Rätischen;
piona 231;
d) aus Mundarten : awj-
mainare 47, car§na 64, cavolo
236, ciwrma 27, ^fiow 367,
gregna 424, Zi^io 361, navölo
236, poccia 47, iJrwa 381,
scoglio 414, segugio 373,
spugna 192.
4. Im Französischen
a) aus dem Italienischen :
amener 47, bastion 18, &en?e
298, carene 64, ecwaZ 414,
gonfler 354, ^/ro^fe 30, proue
381, vermicelle 375 ;
b) aus demProvenzalischen :
«Ms&erc 39, &ar(jre 270, hesocJie
44, caisse 385, eZme 39, ser<7(?
270, i/mse 64;
c) aus Mundarten : «j^Zei 116,
avoine 104, beurre 77, cm/re
445, chambellain 446, cheptel
287, /bin 104, omeZeZfe 290,
orfraie 447, poeZe 116, rdcZer
414.
5. Im Katalanischen
a) aus dem Spanischen :
aguüa 422, cZojJ 47, rfaw
soldau 362 :
b) aus dem Provenzalischen :
aZos«, anclusa, tesa 365.
6. Im S p a n i s c h e n a) aus
dem Italienischen : brujula 485,
carena 64, capucho 435,
churma 27, drizar 295, escollo
414, fachenda 435, lename
464, j)roa 381, verdacho 435;
b) aus dem Französisch-
Provenzalischen : afaitar 389,
batalla 439, feoZsa 402, mja
385, ^eZeiYar 389, <Zom&o 419,
dresar 295, cZweiZ 389, estran-
jero 433, /am 38, faraute 38,
fardido 38, /bnZa 38, ö'^'^ra 40,
6riZ 487, ^?>o« 40, granja 433,
Sachverzeichnis.
545
granza 295 , homecillo 487,
jalde 338, jardin 40, 338,
joya 338, jttmela 289, Iaido
36, Zeswa 298, Ion ja 486, /o<e
39, wowjc 263, i^rt/s 112, jwfro
490, sam 464, tija 4:26, tombar
419, ventaja 47;
c) aus dem Portugiesi-
schen: cJwpa 346;
d) aus demKat alanischen:
cadira 417, malacho 451;
e) aus Mundarten : a/«r 415,
/eo 365.
7. Im Portugiesischen
a) aus dem Italienischen :
escolho 414, querena 64;
b) aus dem Französischen:
brocha 138, caissa 385, (/oZ-
j?e?/ia 354, jalne, jardim, joya
338, iwtro 490, sm7o 295 ;
c) aus dem Spanischen :
centelha 457, faclia 38, /arpa
38, granka 435, lamhre 298,
s«7/ia 165, ve?ar 431.
Mittellatein 17.
Neugriechisch § 16 und 1 7 ;
hotiga 298, ital. cimitero
283, span. durmon 282, ital.
magrana 298, span. quema
165, frz. top?> 120, timbre
262, ital. «roto 387. Vgl. noch
Lecce : nassia = ngr. vutpaia,
agr. vavoea. Neugriechischer
Einflufs im Mazedonischen 236.
Präfixe. Vertauschung : rum.
derege, span. derecho 278.
Übertragung : ins- statt ea;- 486,
span. enjalmar 341. Der
Wortanlaut nimmt die Gestalt
eines Präfixes an : ita\. dimestico
286, frz. c'conter, span. escuchar,
escovdir, escuro, portg. embigo,
empola 295, frz. essaim, essai
391, ital. scvera 341 , rum.
straniitä 482.
Meyer, Grammatik.
Reim bleibt hinter der Sprach-
entwicklung zurück 298. La-
tinismen aus EeimbedUrfuis
199.
Rückbildungen: frz. goUre
136, span. mancebo 425;
vulglat. növa 182.
Satzphonetik: vgl. § 549 —
553 und Kap. IV, ferner rum.
patni, sard. battoro 352, portg.
bostela, baliza 354, ital. nievo
373.
Schriftbild beeinflufst die
Aussprache 28, ital. bosforo
33, frz. givre 37, ital. trofea 32.
Suffixe: germanische 40, grie-
chische 35. Vertauschung :
pllo statt cllo 118, statt illo :
neap. faella 58 ; span. era statt
iera: cudera 417; vulglat. -ice
statt -ece: berbice 119; frz.
-ier statt -er, ir: chantier,
dmetiere, mauere 150, soulier
223, montier 440, ital. -«7e
statt -e7e: mantile 119, frz. ?7
asttt ?7; 472, -?7?e statt -eille
120, vulglat. -mws statt -emts
119, frz. -i^ statt -iv 473, ital.
-wra, frz. -ure statt -ore 140,
prov., rät. -ürar statt -grar
282. Übertragung: span. ami-
sirtti 448, prov. aucel 375,
span. cobija 41 5, portg. faminte
165, poi-tg. igre'iea 102, vulglat.
inctigine 450, vulglat. manuclus
412, rum. palten 202, afr.
i)?7t;', rewie 223, ital. uccello
375. — Frz. ac/je<er 231. —
Rät. te fllr jjs 468, ital. so«o
465, prov. nitz 345. — Ver-
mischung: frz. -ume, span.
-umbre 450, span. -M^-a 485.
Vgl. noch 483.
Umprägung.
1. Innerhalb desselben AVortes.
35
546
Sachverzeichnis.
a) Akk. nach Nom. : afr,
bois, loh 398, prov. jorwf 475.
b) Singular nacli Plural:
rum. ariCj ital. -aro 441, ago
360, artiglio 413, rum. ceriu
256, frz. ^e^zow 471, ital. lago,
luogo 360 , blind, of, os 190,
frz. ^airc 441, pow 471,
c) Mask. nach Fem. : frz.
dan 252, -el 471, juif 370,
ital. Zovo 361, frz. serf 471,
ital, spigo 361, prov. taure 252,
frz. ^;a^ 367, vair 441.
d) Fem. nach Mask. : ital.
amica 360, portg. dona 192,
frz. -iere 441, jt<we 370,
roi(^e 448, verte 468, wece
150.
e) Neutrum nach Mask. :
eng. traia 233.
f) Einzelne Personen des
Verbums : afr. fais 434, nais
398, -ois 246, vulglat. fecerunt
468.
2. Innerhalb derselbenWortart :
a) Im Nomen : «) Diminu-
tiva, Augmentati va und andere
substantivischeAbleitungen be-
dingen die Form des Grund-
wortes: ital. asce 391, bosso
139, prov. corp 420, ital.
grembo 424, rum. june 133,
span. jimco 330, portg, lesma
65, frz. mil 102, span, mwia
30, ital. omo 434, span. j^o^^o
429 , ital. scudo , spigo 360,
sowwo 192, sfria 367, frz.
ülle 102.
/i) Die Ableitungen nehmen
die Gestalt des GrundAvortes
an : span. abiielo 427 , fi-z
agneau 392, vulglat. amicitate
448, frz. leger 427, ital. len-
guolo 429, span. liviana 427,
re^/wo 393, ital. vajiiolo 441.
Vgl. noch span. conmigo 120,
conusco 140.
b) Im Verbum : «) stamm-
betonte Formen nach enduugs-
betonten.
1. Im Vokal : ital. ammi(cchia
139, frz. avoue 127, frz. ehalt
201, ital. corruccia 139, span.
cwfere 192, ital. cucio 139,
frz. rfowe 127, lavc 201, jud.
Zwyö!« 238, span. nuce 192,
jud. 2^ufsa 238, ital. m?ca 165,
rum. rumeg 133, frz. ?;aZ<201.
2. Im Konsonanten : siz.
pregu 360:
ß) endungsbetonte Formen
nach stammbetonteu: ital. agxts-
zare^ attkzare 429, ligare,potere,
sapere 373 , span. llevai' 344,
portg. valer 383.
y) Präsens nach Partizip :
span. lioder 422 , frz. vainere
448.
Ö) Partizip nach Präsens :
ital. pqsto 192, rum. ?-/t?f 394.
c) Zahlwörter : ital. dieei
246, rum. ^ase 465, span.
seissenta 391.
3. Verschiedene Wortarten
untereinander : a) Substantiv
nach Verbum : a) Im Vokal :
ital. diritto 120, span. duena
138, portg. estrume 231, frz.
cpoux 127, etrille 102, labour
127, span. mingua 99, ital.
»jpvero 138, rum. nume, numer
133, portg. pedinte 265, frz.
peigne 152, parm. romoZ 166,
frz. roMC 192, ital. spQsa 368,
tgnaca 138.
/i?) Im Wurzelkonsonanten :
span. amenaza 435 , portg.
cälor 383, portg. coima, ital.
cowio 433, afr. t?a?2 252, frz.
fti471, ital. foggia 4:26, grado
360, span. lioya 427, Zo^eo 435,
loa 365, eng. WMf 467, span.
nudo 344, i>rea 365, frz. recid
471, span. sain 464, soZa^'o
Sachverzeichnis.
547
435, sollozo 429, ital. veglia
413.
y) Im Anlaut : span. adevino
305, jalma^ jugo 341.
b) Substantiv nach Adjek-
tiv: frz. umour 127.
c) Adjektiv nach Adverbium :
ital. lungo 193, ital. maggiore,
peggiore. poi-tg. maior, x)eior
431.
d) Adjektiv nach Substantiv :
frz. espois 115, jaloux 127.
e) Adjektiv nach Verben :
maz. amagru 305, span. hajo
457, junto 330, frz. viiit 448.
f) Verbum nach Adjektiv :
span. aliviar 427.
Umstellung von Vokalen :
241, von Konsonanten: 480 —
482, gegenseitige von getrenn-
ten Vokalen: 306, vulglat. ,^e-
swa/'e 280, von Hiatusvokalei :
137,218, 287, von verbundene
Konsonanten : 482, von Kon-
sonanten verschiedener Silben :
482—485. Ferner frz. cidre
446, vulglat. faUiva 58, ital.
gnocco 344, span., portg. frole
346, rät. mena 424, ital.
quercia 352. — Umstellung
der Qualität : span., portg.
gritar aus cridar, gretar aus
credar 354.
V e r s c h r ä n k u n g 1) von sinn-
gleichen oder sinnverwandten
Wörtern : ital. bieta = heta -f-
hlHum 112, norm, fame :=
dame + fcmme 105 , afr.
oison = osson -\- oiseau 434,
prov. pese, sard. pisiri = jj/smw
-f- cicer 252 , ital. nimo =
nemo -\- niuno 120, ah: fraisle
= /ra/?t' H- graisle 448, vulg-
lat. grassus = cmsst4S 4- grosstts
353, ital. ruhesto ^= *rcbusto -+-
agreste 306, span. senclllo =
singellus -\- sincerus 420, ital.
insieme = s?mM? -|- seme? 119,
rum. rt?cr<ir ^= a?ar(/ + »wer«? 230,
span. auUar = ejulare -|- t<fj<-
Z«re 458, portg. comegar =
comengar -j- empefar 410, portg.
d[e?7ar == eitor -f- deixar 331,
span. graznar = crocHare -j-
gracillare 353, span., portg.
gomitar = ^forar -f- vomitar
340, frz. moisir = mucire -f-
müccire 458, vulglat. serrare =
serare -\- sarrarc 458.
— 2) lateinischer und griechi-
scher Wörter : siz. (iet?«, rum.
£fa<?a = tocöta -(- ()«/()« 354,
siz. i^ria = ?Mira -|- ivvÖQig
140.
— 3) lateinischer und germa-
nischer Wörter: 340.
— 4) lateinischer und keltischer
Wörter: 43, vgl. As coli,
Arch. Glott. X, 270—272.
Volksetymologie: 1. Zwei
etymologisch verschiedene aber
begrifflich vei'wandte oder
verbundene und lautähnliche
Wörter gleichen sich in ihrer
Form aus. a) Substantiv nach
Verbum : ital. cli'wdo = clavus
-f- claudere 231, frz. lierre =
ierre -\- Her 356, ital. Ifttera
= lettera 4- l^ggere 118, frz.
lutrhi = ledorile -\- Jm 295,
ital. scialiva = saliva -j- sciala
34:1, itiü. Siig()=^sucus -j- siigare
360, tirol. sef = sitis -j- bibo
467.
b) Substantiv nach Substantiv :
frz. boulevard = bouleverd -f-
rempart 221, ital. ca2}elU =
capo -\- cavelli 337, ital. mora
==■ mora -\- m^ro 139, afr.
Noittin = Neptunus -f- noit 94,
vulglat. noptia = nuptia -h
novius 138, portg. pega =
35*
548
Sachverzeichnis.
ptca-\-pice65, yi\lgla,t. scütella
= scütella -\- scütum 282, ital.
segolo = stca -\- sicilis 64,
ital. stradiotto = arQaruüTi^g
+ strada 33.
c) Substantiv nach Adjektiv:
vulglat. acifolium = aquifölium
+ acus 421.
d) Adjektiv nach Substantiv :
ital. spgrco = spurcus -\- porcus
138, vulglat. sücidus = sücidus
■+- süe 180.
e) Verbum nach Substantiv :
portg. crestar = castrare -\-
crena 295.
2. Formale Ähnlichkeit ohne
Rücksicht auf die Bedeutung :
ital. vetrice = vitice -\- vitrum
64. Vgl. noch S. 354, 356.
Vulgärlatein § 3; Vokalis-
mus § 26 — 29; Konsonantis-
mus § 403 ; rs tax ss 400, Konso-
nanten in Proparoxytonis 443 ;
vgl. noch das Wortverzeichnis.
Wortverzeichnis.
Albanesisch.
ger 64.
jenuar 288.
Tiukut§ 286.
ments 46.
rek'ethe 444.
theJcere 496.
Französisch.
ahle 485.
-a6?e 217.
a&oi 229.
acheter 287.
achaison 286.
-a^e 451.
a^fwei 209.
o?c/ie 209.
aider 288.
-aifire 206.
aigle 422.
ai^re 198.
ai^w 373.
aiguille 80.
ailleurs 136.
aiwe 309.
a?«e 309.
-aZ 201.
älcuen 81.
aliegre 230.
amande 479.
amener 47.
amitie 223.
awiw 368.
anchois 31.
awe 447, 530.
Änjou 217.
aows^ 54.
apprivoison 289.
aproeche 183.
araigne 207.
aram 286.
arhrisseau 375.
armoire 229.
arroche 111.
avec 173.
avertin 304.
avoine 104.
avuiltre 407.
&aer 48.
haigner 207.
6aii 241.
Miller 48.
baillier 241.
balance 286.
basoche 111.
bavard 48.
5av^ 48.
6e^e 48.
benesqui 391.
feenir 275.
besicles 382.
bezoche 44.
fce7e 429.
beurre 77.
&iais 376.
We 470.
ftie^; 470.
6ois 139, 398.
6o?^e 443.
borbeter 48.
ftorwe 44.
bosphore 33.
bouffer 48.
bougre 449.
boulevard 221.
boyau 154.
brefeis 119, 481.
brouailles 376.
&rw7 356.
McÄe 139.
&wcr 522.
&Mis 139,
ca^e 334.
gaiens 373.
calenge 334.
pik. cawifee 853.
carene 64.
catouüler 334.
cauchemar 334.
caw 201.
cew 520.
cenelle 488.
cercueil 290, 443.
ceWse 230.
cÄair 224.
cÄaise 382.
550
Wor tverzeichni s.
ehalt 201.
chameau 118, 287.
chapitre 27.
Charlemagne 23.
Charme 447.
chaste 26.
Chat 353.
chätaigne 231.
chemise 116.
c/iewe 352.
c/iejj^eZ 287.
chercher 479.
cMi/" 384.
c/ie^: 521.
c/iic/ie 84.
cMf/Zer 42, 341.
chien 223.
cMer 223.
chiourme 32.
pik. chiunJc 272.
chre'tien 223.
chouette 217.
cingler 486.
cire 227.
citoyen 301.
cZoM 217.
coc/ie 48.
coc/ier 334.
saintong. coMe 286.
combe 43.
complot 116.
connattre 93.
cowfe 185.
convoiter 115.
coudre 484.
eouette 490.
couleuvre 132.
courge 488.
Cousin 521.
coütume 450,
creance 301.
creseau 284.
crouler 450.
cwems 185.
cmde 140.
cuidier 21.
cuivert 407.
CMJwe 132.
c^öfwe 31, 447, 448.
dawe 134, 507.
dameisele 293.
De 233.
de'c/ie^ 116.
dleZie 275.
descendre 300.
deugie 275.
devant 487.
c?mer 288.
(?i^ 89.
<ZoZ 191.
<?rM 44.
f?M 284.
durier 224.
<ZMt;e« 377.
eaw 216.
ehäbir 48.
echine 333.
ecouter 295.
ecMci? 414.
ecureuü 34, 72.
e^reier 223.
e^reer 223.
e^fZise 31.
eZ 463.
e?me 39.
men 30.
moi 229.
empan 486.
emprunter 307.
enelume 450.
encore 139.
endive 29.
epaule 450.
ep'ce 150.
epingle 446.
ere 147.
er Hage 307.
esj^ots 115.
essiew 62.
essi? 120.
es^nf 470.
estrine 119.
estuier 284.
e'i5ew7e 53.
etincelle 483.
eifo?7e 116.
e'imw^re 252, 432.
e'«nZ?e 102.
cifwi 140.
ewZe 127.
ewr 54, 72, 131.
wall, ewe 422.
fahliau 28.
/ai&Ze 485.
/aZ?se 116.
faloise 116.
/aZoi 30.
/awer 293.
fantöme 231.
farouche 270.
/eew^ 367.
fm 180.
/leWe 119.
/imfe 119.
fiertre 491.
fiment 284.
/Irie 452, 484.
/loZe 217.
flaistre 451.
f/at* 301.
/Zeaw 154, 301.
/^mt^e 136, 427.
/Zow 38.
/bm 104.
/bisow 278.
for^e 236.
foudre 448.
/reöTowfZ 373.
/roi'cZ 64.
/ro«er 116.
/t«7dre 407.
/wr 141, 284.
gfa^we 340.
galloche 334.
^rdfer 340.
^aw^e 334.
gazouiller 334.
Wortverzeichnis.
551
gcant 286.
gencive 420, 480.
genievre 119, 288.
genisse 288.
gcöle 353.
gercer 221.
gcrpir 37.
(/i7e 37.
git 223.
(/itre 28.
^?ajve 43.
glise il6.
r/7o?se 116.
glorie 272.
ghnime 133.
gJoiäeron 295.
<jrol<re 136.
(iror(/e 139.
gourde 483.
goupUlon 340.
grammaire 452.
grange 432.
(/ros 353.
grenouüJe 356.
flfrj>/" 230.
(jfn7/e 353.
grimoire 229.
(/ro/?e 236.
</«e' 340.
(/i/ep6 340.
(/«ere« 286, 340.
^ta 340.
guivre 340.
/irife 36.
lieber ger 402.
Termine 290.
/jfrse 119.
lothr. /to 341.
Äors 511.
?jM?7e 252, 439.
/t?NS 139.
/e = iee 226.
iWwec 464.
-ime 120.
-?>>T^s 224.
ücques 173.
-?Ve 150.
?r>r 150.
jamhe 353.
janmer 288.
Jargon 49.
javelot 44.
jder 230.
jm 180.
jett« jetiwe 76.
josque 72.
josfe 321.
jiiefne 132.
>?■/■ 370.
jws 139.
?ai 367.
?aiews 373.
?a>?<;fe 432.
laudier 274, 356.
laoiiste 140.
?arme 221.
Zaver 201.
leger 427.
?mr 506.-
«e 44.
Heu 180.
?iw(7e 432.
liveche 374.
Zom^ 192.
ioir 64.
lois 398.
Zow^ 300, 497.
lourd 80.
Zwfrm 295.
maigre 198.
wai 201, 505.
manatse 286.
war 522.
marhre 446.
matiere 150.
mecredi 255, 402.
megne 44.
WK»'««»»!«? 120.
we? 505.
mesurier 224.
mefier 150, 274.
meugler 487.
m?7 102.
mwe 45.
»nire 452.
«it7e 49.
moeZie 306.
moindre 104.
moine 262.
moms 104.
wio^^e 458.
moHie 223.
Montmartre 498.
moquer 35.
moudre 185.
mordaclie 270.
wio^ 138.
montier 214:.
mnef 470.
wi^re 141.
waie 293.
wd 461, 519.
m 504.
wc/?e 48.
wice 150.
w^ce 150.
«pces 138.
Noitun 94.
nomhril 480.
wwerfe 231.
o6«r 275, 301.
odroyer 28.
od 463.
oewf 132.
oignon 278.
Omelette 290.
or 139, 522. ^
ordanne 134.
orfclin 479.
orwe 407.
or^e?7 43.
os&erc 39.
oseille 412.
os/er 35.
552
Wortverzeichnis.
outil 278.
ouvrir 237, 290.
paile 252.
palagre 286.
palie 273.
jyamoison 289.
panne 309.
parchemin 119.
pataud 49.
pattin 49.
2>eaöfe 301.
peigne 151.
penser 21.
Pentecouste 125.
jDeser 21.
pm 239.
pmr 137.
piailler 49.
pic 48.
picoter 48.
j)iece 150.
piefre 301.
pieuvre 31, 262.
pigeon 425.
pi^we 151.
^immi 284.
pinceau 293.
jjion 301.
piquer 48.
i9iW 223, 299, 388.
piument 284.
plaigne 207.
_pZaw 258.
j9?Mie 426.
_poc/^e 47.
j9oeZe 35, 229.
l)oele 239, 280.
i?oi 239.
Poitotr 217.
ponce 81.
postee 306.
pouliot 110.
Xjoussin 119.
poutre 490.
preau 154, 301.
precher 275, 536.
pmf 241.
pretre 35.
jjrcM 368.
prevoire 35.
lothr. j)ro 241.
proMe 127, 381.
prudhomme 141, 284.
pwi^s 139.
gwer 505.
gMiWer 299, 388.
räcler 414.
r aisin 119.
rame 293.
rayon 44.
redt^e 448.
re>2e 223.
reseau 284.
nw 43.
rincer 293.
nw 320.
nwZe 110, 450.
romam 252.
rose 191.
rowe 191.
rouette 306.
rwser 376.
sa^/p 427.
sa/e 93.
saigner 207.
sarceHe 352, 412.
sarr/e 166.
sarquieu 443.
saiwage 286.
scm?^ 118.
segond 373.
seiö-Ze 262, 496.
senfstre 118.
sewwe 447.
serpe 221.
serfir 221.
sie^fc 452.
sJCMr 520.
s?/y?er 42.
sire 520.
sw/e 321.
sor 44.
soif 469.
soulever 412.
soulier 223, 450.
SM&Ze 61.
SMi 110.
swr 139, 141, 284.
surge 80, 452.
taisnihre 46
to?a«^ 166.
taniere 46.
toon 229.
faj^is 120.
^wi/e 110.
tiers 150.
#i7Ze 102.
^iwc 258.
tout 127.
Trima; 93.
triiitc 131.
toiZe 110, 450.
tuyau 154.
vaZi 201.
vermicelle 375.
vesqui 391.
wa^ 376, 485.
t??(Ze 231.
we 232.
viel 62.
■t^iewc 258.
vieutre 443.
wiZ 258.
w?e 191.
vouge 44.
vuidier 284.
2/ 505.
^6wse 64.
«/ewa:; 179.
Italieniscli.
accagione 286.
neap. accasone 286.
acciuga 31.
agJiirone 36.
Wortverzeichnis.
553
aitare 288.
ällegro 230.
alluda 360.
amendue 419.
ammainare 47.
andare 451,
anguinaja 295.
sard. anzone 392.
aret. apitito 287.
log. appilire 286.
architdto 164.
aschero 32.
tarent. astittd 398,
awe??o 355.
babbano 48.
bdbbea 48.
ftac'o 488,
baccano 464.
badare 48.
badigliare 48.
fea/fi 42.
nordital. &a^o 42.
6aiZo 241.
&aire 48.
bälanza 286.
5a?io 241.
bambo 48.
sard. &arya^M286,340.
feas^ia 48.
&at;a 48.
6e/fa 48.
berbena 340,
fterfeice 119, 340.
bertovello 340.
bestemmia 288.
&me 147.
bie^a 112.
&JWI&0 48,
feoce 339.
borbottare 48.
borchia 138,
bosforo 33.
fcosco 139.
feosso 139.
&o<o 339.
öpve 191.
ftre^'^'a 356.
&ro(?o 192.
broglio 43.
bruire 356.
fewe 234.
few/aZo 42.
buffare 48.
ÖMSto 30, 443,
ca^o 42.
ca?ma 277.
cam^llo 118.
cantinela 483,
tar, caw^o 30.
tai-. canzirro 30.
carena 64.
cardio 164.
cecero 31.
cfdo 29.
cendralina 483.
centinare 479.
abr. öerqua 352.
chiacchiera 49.
cÄJcco 33.
chiodo 231.
ciarlare 48.
ciascuno 352.
cüiegia 230.
a6 182.
ciocciare 48.
cirindone 34.
ciurma 32, 47.
coltrice 490.
com« 182.
cp»icio 172.
cowio 432.
contra 172.
convoglio 47.
corwice 35.
corruccio 139.
coscia 391.
costume 450.
crojo 44.
cwcire 139.
ciitrettola 164.
daio 362.
siz. <?e(ia 241, 354.
delicare 488.
f^ieci 246.
dileticare 485.
dimestico 286.
<;«r««o 120.
dmo 119.
<?jYo 120.
divora 192.
eZce 64.
eßera 164.
endivia 29.
em 147.
er^ice 119.
fagiuoli 35.
/aZö 30.
farfano 49.
farchetoJa 352.
^cZi^fw 484.
^era 118.
fischia 99.
/b^i^ia 426.
ven. /b?p 33.
/"w^e 172.
/bm 192.
aret. /bro^Je 287.
fradicio 483.
/iawa 241, 356.
frasca 356.
/"rarta 35.
freddo 64.
/Vow^e 172.
frusco 44.
gabbia 353.
gamba 353.
ganascia 30.
gargagliare 49.
gargatta 49.
gargola 49,
(/a«o 353.
gaveggiare 483.
gavetta 496.
9f?o 155.
(/fwie 155.
aren. genigie 288.
554
Wortverzeichi
gennajo 288.
gettare 230.
gheppio 31,
ghe^zo 31.
ghiado 480.
ghiomo 183.
^rMom 183.
giallo 338.
giardino 338.
gimellotto 338.
^2>Z?o 480.
ginevro 288.
siz. ^lw/(fa 288.
5rio<jfZio 480.
aret. gisshnino 28/
6'?oi« 338.
i//oire 338.
öf^oye 191.
giovine 132.
i/^w 139.
gwsquiamo 34.
i/oZ/b 33.
</oZi>e 340.
gracidare 353.
gracimolo 119, 356.
icra^a 353.
gradella 353.
granocchia 356.
</raspo 356.
^^msso 353.
^^re^wa 424.
«/reye 155, 230.
grogo 183.
gridare 354.
^wado 340.
guaina 340.
guastare 340.
guerdo 39.
giiidare 45.
ignudo 344,
-?>2a 428.
insieme 119.
inverno 486.
apis. ?si^o 287,
?scÄ?o 99, 525,
sard. Ä;erÄ;M 352.
aret. äws* 287.
siz. Jcuadara 287.
siz. Tiuasina 287.
ladroneccio 483.
Za?(?o 36.
Za*2(?a 43.
lasciare 391,
lävanca 497.
Z^w^^o 64.
Zero 420.
/{^^^era 118.
?m 44.
Z/ewYo 147.
Ugusta 140.
Wc?o 80.
lovistico 374.
Zww^ro 192.
>wa 241.
macola 21.
macchia 21.
maglia 21.
waj 241.
manna 422.
maniato 433.
manicare 419.
mantile 119.
manzo 46.
medesimo 374.
wdo 31, 230.
I -mente 164.
! men'no 422,
' /we^^^-o 65,
wicm 49,
wma 45,
mischia 99.
modano 182.
>wcf?o 191.
»wo?« 191.
wpw^e 172,
wasj;o 356.
was^ro 35.
»26 419.
we^ 461.
M^w 119.
nicchio 487.
wimo 120.
wmwo 49.
ven. Mio?« 77.
wpye 191.
»«P^^e 138.
nuotare 231,
^nuora 138,
ow?'re 231
Ipadiglione 303,
\padule 483,
li^a^f^fio 32.
sard, ^jopai 49.
neap, paparo 49.
U^appave 49.
b«Ä?o 49.
\pcneUo 286.
pcwsare 21,
pe>-^am?^o 119.
i^ero 182,
lpe^acc/?«o 34.
piem, jtj?: 288,
Ipiare 49.
Ipiöto 241, 443.
Um^oso 286.
i^icmre 48.
Ipicchiare 48.
lp?cco 48.
\pwcolo 48.
ji?maccio 288.
neap. p)im§ce 487.
lomb. pio 46.
\pioggia 426.
lomb. ^?owa 231.
\pisciare 49,
sard, j??sm 252,
Ipiviäle 288,
piwere 288.
jjoccm 47.
iJomice 81.
Ipo/tfe 172.
ji?0S0??'>20 119.
lecc. posperu 33.
hJpsfe 192.
i>r^sto 241.
iprete 35, 155, 270.
Wortverzeichnis.
555
primav^ra 29.
profenda 42.
proßto 165.
prova 183.
prua 47.
pulcino 119.
puledro 490.
quercia 352.
racimolo 119.
ramolaccia 482.
r^ce 155.
rf(Za 29.
red(?o 270.
re/e 42.
»•fwo 29.
rfsto 119.
»•^-?5'a 119.
rigoglio 482.
siz. rinnina 307.
Wo 320.
nstca 165.
rispitto 165.
rocca 43.
roggia 46.
rpsa 191.
rovistko 487.
rubesto 306.
ruhiglia 482.
sargia 166.
lecc. sarvaggu 286.
savio 427.
scarafaggio 42.
sceverare 341.
scialiva 341.
sciocco 496.
scoffina 42.
scoglio 414.
scojattolo 34.
sdrajare 431.
äsen, secrestia 286.
se^raZe 496.
se<7o?e 64.
aven. sew< 394.
siepe 241.
sJowe 33.
aret. sirvito 286.
smeriglio 30.
sowwo 192.
ven. sopiar 415.
soüero 77.
so;e;Ä;o 80.
spälla 450.
spfro 29.
spprco 138.
spugna 192.
stegola 65.
stoppia 53.
stoviglia 488.
simwo 241, 432.
succhia 413.
sugg^llo 118.
suocero 182.
tafano 42.
taffiare 42.
tälanto 166.
tartagliare 49.
tartiifo 42.
i{?«o 119.
treggea 35.
tribuna 464.
^ro/ea 32.
froto 29, 387.
«M/b 42.
uccello 375.
M/fo 42.
ugnale 287.
t(oyo 132.
Mscio 139.
vaccio 488.
vag (IIa 118.
w<jf/ia 102.
vei^ro 443.
vetrice 64.
vischio 99.
nordital. wsc/a 44.
vpZa 191, 231, 443.
w(ofo 43.
siz. I/0/7II« 138.
zappare 35.
zavorra 34.
^^e^'^^o 479.
;?o?/b 42, 341.
zufolare 42, 61.
Lateinisch.
alhürnvs 124.
anguilla 58.
angüstia 123.
auscültare 125.
häbiger 48.
babulus 48.
baburra 48.
bajula 241.
bajulus 241.
bambalio 48.
&eZ?MS 145.
henedictus 87.
6es<ia 99, 147, 157.
ftiicca 124.
6ils<i<s 67.
eamisia 116.
calümnia 123.
capistrum 88.
cdrpXnus 496.
centum 146.
ccWttö 146.
cervus 146.
cippus 87.
circare 88.
CÖdMS 171.
cogitare 21.
cöW?s 170.
cöUocat 125.
Collum 170.
coliistrum 125.
cowca 172.
condüdus 124.
constare 125.
corfto 171.
cörwM 172.
corpus 172.
cor ms 172.
cörfe 124.
556
Wortverzeichnis.
Costa 171.
grössus 170.
müccus 124, 45
cöxa 171.
gürges 124.
mücere 458.
crescere 87.
^ws^ws 67.
mültus 125.
crtbrum 57.
^Mf^a 124.
mürcidus 67.
crista 87.
müsculus 67.
crispus 88.
/terfta 146.
müstum 124.
cmsto 124.
hibiscits 57, 58.
culmen 125.
liirpex 88.
noctua 423.
CM?pa 125.
Inspidus hl.
»iö5fer 171.
cünnus 124.
hordeum 171.
wöx 171.
cwr^MS 72, 124.
hörtus 171.
wm/Zws 67.
cycnus 392.
höspes 171.
/lösfis 171.
öcio 171.
«Zrnfe 146.
öZZa 124, 127.
^t%^er 145.
i7Ze 87.
ör&ito 125.
didus 89.
?i>se 87.
ört^o 125.
dignus 52.
?sfe 87.
örfanus 172.
diürnus 124.
jejunium 330.
Organum 172.
düplus 123.
jt^s^ws 67.
örwa^ 125.
JMifto 67.
össwwi 170.
e&nws 150.
-eWws 145.
laccrta 166.
pecten 145.
esca 88.
lambrüsca 126.
J9t^c^ws 145.
lectum 145.
pensare 21.
/aviZia 57, 58.
Zmc^e 147.
per der e 146.
-fectus 145.
lentiscus 57, 58.
p)erna 146.
ferrum 145.
lignum 52, 88.
pmna 87.
/tTW« 146.
Umbus 88.
pfecis 87.
^«a 145.
Ungua 88.
i3?stoi 87.
fmdere 88.
K^^era 87.
i^ws 57.
fmgere 88.
locüsta 140.
plümbum 125.
f?rMMS 88, 89.
Zön^MS 172.
ivößea:; 170.
■ßstulare 58.
Zmscms 124.
pörcus 172.
/ZöccMS 170.
Z«/#a 140.
j;ös< 171.
/oZZis 170.
pörrum 170.
/ori« 123.
macula 21.
praesto 157, 240
forma 125.
magister 88.
presbiter 34.
/or^is 171.
magnus 23.
prtnceps 57.
/ossa 170.
memhrum 146.
pullus 124.
früctus 67.
mew^e 146.
pulvis 125.
fulgur 125.
w^^Z?e 57.
2>MZjja 125.
/?<rca 124.
»wmto 88.
pülsare 125.
/"ms^?s 67.
missus 87.
wittere 87.
quadruvium 53.
genestra 145.
möZZis 170.
querquedula 352.
^üwma 133.
mörsus 172.
qulnque hl.
gfZw^MS 124, 458.
mör^e 171.
quisque 351.
Wortverzeichnis.
557
regnum 88.
rixa 87.
röstrum 125.
rüncare 125.
rüpta 124.
rüscum 67.
rfissus 124.
saburra 124.
saepes 241.
saeptum 241.
sagUta 86.
satüllns 124.
scriptus 57.
seca^e 496.
stmper 146.
Septem 145.
st"a? 145.
siccMS 87.
sTtoa 88.
sömnus 172.
sörsum 125.
sptssKS 87.
s^eWa 87.
sMctus 87.
stüppa 124.
sühtus 124.
sülais 125.
sfilphur 125.
summa 124.
st*w< 125.
s%ra 123.
sürsiim 67.
<ae(ia 241.
toet^ea 241.
tectum 87.
ftSrra 145.
/(S<« 145.
traeda 241.
traicere 241.
trajicere 241.
trigmta 88.
Ms^e 57.
irünais 125.
tümba 125.
<r«pis 124.
türris 124.
*tö>-/a 124.
türkira 124.
tüscus 124.
y>«(?« 125.
ündecim 125, 488.
M^rc 123.
vendere 88.
ventus 146.
verecündia 123.
versus 146.
wsjjt« 145.
vespera 145.
v7dw 57.
vf/Za 57.
vmcere 88.
wr^a 88.
i;w-gfo 88.
vfecMS 88, 89.
vitrum 87.
t;?«a 86.
VMZjpes 125.
Portugiesisch.
a&ai2o 340.
dlama 383.
ameixa 265, 400.
anchova 31.
aplainar 433.
&a&a 48.
barhasca 340.
barbeito 286, 340.
barräo 340.
barrasco 840.
feerra 340.
berrar 340.
&?&om 340.
ftJWa 340.
&o?e<a 306.
&oZor 354.
&oZver 340.
brasfamando 286.
&roc/ja 138.
cadeira 417.
caramunha 131, 286.
cerquinha 352.
cÄc 517.
chorudo 346.
chorume 346.
clioupo 140.
chuiva 273.
chvsma 32.
cisa 120.
comefar 410.
cotovello 483.
covo 231.
cre«« 64.
crestar 295.
dejtor 330.
(iesß^'o 119.
dizima 151.
do&ar 290, 454.
fipwa 192.
enxofre 341.
eiva 45.
escoTho 414.
escrevir 65.
esfrwme 231.
/bme 229.
frangas 357.
/wZo 420.
gastar 340.
gavela 44.
gomiiar 340.
(/ora^ 340.
<//ada 353.
gulpilha 340.
irmäo 329.
is<o 100.
jaZwe 338.
Janeiro 288.
jawda 288.
jardin 338.
jinela 288.
j/oeJro 439.
558
Wortverzeichnis.
joelho 306.
joya 338.
lagoa 81.
lagosta 140.
leiva 240.
lerdo 80.
/e^'ma 65.
longa 140.
?or/co 140.
magoa 21.
malga 483.
malha 21.
m?7/»o 102.
»niw 63.
»noe^a 306.
mor 521.
mugem 431.
gal. wmo 49.
*ie«;e 119.
ninho 63.
popeZ 84.
X^ega 65.
2)ensar 21.
jnrtiga 151, 165.
i^d 420.
poupa 140.
puxar 408.
queima 165.
querena 64.
r(yo 483.
roa^o 457.
rMfio 487.
sälama 383.
sarao 286.
seiva 198.
siWia 165.
soxwar 415.
soro 165.
Soturno 287.
sowo 77.
swor 137.
^i&io 151, 161, 165.
^mt^o 166.
portg. w?ar 431.
xastre 341.
zarzeta 352.
P r o V e n z a 1 i s c h.
aj& 45.
ai^^a 232.
ara 139.
aucel 375.
austor 295.
awv^ii 259.
a^; 460.
fta&aw 48.
hafa 48.
&ai? 241.
haüar 241.
herbena 340.
&er&i<^; 340.
bearn. fee^e^ 479.
fewis^o 443.
casser 352.
cer^isa 230.
kat. cZoj) 47.
kat. t^aw 362.
degun 480.
dcnezd 483.
kat. (?es?^ 119.
kat. (^m 127.
en 520.
e^i^'a? 486.
escrich 385.
e^ 461.
fantauma 231.
/e(5e 484.
freu 362.
fure^e 306.
^rara^^ 286.
gar gar 49.
gastar 340.
^f^a^i 431.
glipiza 31.
^wa 340.
guarait 340.
^wer 39.
-ia = -arm 209.
jasse 495.
jayan 286.
kat. fcrew 127.
lim. Jcuküdo 286.
Zori 80.
mezeis 374.
mudela 306.
*2a 520.
kat. wew 49.
mi^ 365.
niu 365.
wiwZ 77.
mwü 77.
nora 138.
orrfi 252, 431.
og 461.
jjia^i 252.
2)eze 252.
piccar 48.
pm/s 71.
gw^cs 351.
sa6i 427.
kat. sigrö 242.
gask. swr 341.
surr esc 391.
taraire 166.
towre 252.
^fi« 119.
kat. veu 127.
visc 391.
R ä t i s c h.
ata 422.
obw. d^amprest 241.
aram 286.
friaul. astittd 398.
ataitlar 395.
Wortverzeichnis.
559
f'riaul. ohvr. bar 44.
Ula 241.
friaul. distm 287.
eaula 422.
obw. f arein 307.
obw. glon 257.
gref 230.
obw. kanastra 166.
friaul. kridmtse 287.
liusrc'm 521.
ie^r 230.
obw, ?w(jreri 166.
obw. luns 192.
»wa?/ 31, 230.
-ma'm 257.
friaul. manassa 286.
-mm 257.
obw. wew'a 424.
friaul. mirinde 287.
friaul. T^mZ 77.
nuotar 231.
ora 512.
tirol, omUa 413.
oiwm 231.
friaul. pirikul 287.
tirol. p/o/' 46.
reg 483.
sa//" 241.
sanghiott 293.
obw. ^ewZa 412.
suar 285.
s^^^er 77.
iarader 166.
obw. fö?/ö 241.
friaul. t'mi 287.
vainJc 257.
friaul. fmi 287.
friaul. ^'^ss/e 287.
Ku ni äu i sc h.
aciod 111.
ademänesc 307.
adevür 307.
fl/er<7 230.
«j>?aY( 483.
aramä 286.
asteptd 398.
a?/«w 294.
&a?/a 46.
mold. öar&ae 286.
6a^ 269.
?>er6ec 340.
hine 147.
&ra<? 46.
hrehena 340.
ca 461.
cmM 256.
dmnu 392.
cirasä 230.
d^f?^ 286.
codrw 46.
coreastä 125.
co< 269.
crw?< 156.
cxicutä 286.
cttscru 521.
cimunä 479.
fäntäna 287.
färämä 214.
fermecd 286.
/bawe 229.
ghemusor 288.
(;ms 353.
gratar 353.
graur 236.
öfref/ 230.
Mrfie 286.
innota 231.
intrebd 367.
jimc 156.
?(5>erfa 286.
limbric 286.
wa/ 46.
war 31, 230.
wirtre 43.
mestecd 286.
mie? 392.
mineriu 229.
mM2^' 46.
mormint 480.
muUumi 287.
WMtew 49.
nastur 35.
*2ea 111.
nimenea 120.
»2om 138.
woMr 132, 269.
WMW^a 428.
oMica 387.
mold. pacaf 286.
padurä 483.
pothniche 286.
pjTof 269.
2>ref 155.
»•epm 286.
mZic 286.
rtdiche 286.
r«e 135.
ro§ 457.
rusine 135.
maz. n<§tmos 287.
sälbdtec 286.
scantä 400.
sJwf/ 394.
soc 81.
stoi<Z 413.
s^ea 111.
strähl 432.
sträniitd 482.
maz. suturd 287.
äoarece 341.
istr. tsaptir
trece 241.
<rcwie<e 286.
<rej><a 241.
^rjer 413.
wwrf^e 518.
343.
560
Wortverzeichnis.
vechiu 150.
vergura 443.
cada 241, 354.
Spanisch.
äbedul 251.
äborujar 287.
ahiiitre 449.
ahitrrir 287.
dbnrujar 287.
acazon 286.
adräles 355.
alnado 277, 450.
amparar 355.
anclioa 31.
andado 450.
andar 451.
anelto 262.
arambre 286.
arienzo 420,
ariesta 119.
arroyo 45.
asco 32.
asmar 26.
«i/er 305.
ayuno 294.
ayunque 450.
fea&a 48.
hadajo 422.
&a/a 48.
hamba 48.
barbasca 340.
barbecho 286, 340.
bascar 339.
ftefa 48.
feoj 139.
5o/sa 402.
brafonera 40.
brahon 40.
bramil 487.
&mwa 296, 356.
örawo 356.
ftw/ar 48.
buscar 139.
ca 461.
cader a 417.
cadillo 118.
mZter 458.
müma 237.
canäherla 151.
canastro 166.
carena 64.
carrasca 46.
casaca 286.
cenojil 355.
cerceta 352.
certZo 190.
cere^'a 230.
cigüena 433.
cobija 415.
cocina 287.
colcedra 490.
comba 43,
conmigo 120.
cor^o 46.
CM&nr 287.
cm(Zm- 287.
cuemo 185.
CMe^ia 131.
cuidar 26.
CM^e&m 132, 190.
cundir 287.
cwrifr 287.
cliachara 49.
cJiarrar 48.
cJiasco 49.
chiflar 42.
chotar 49.
clmrma 32.
dejenjo 400. -
(^cseo 119.
desleir 45.
tZic/io 89.
dow 507.
Dnero 81.
e»?cia 420.
encina 479.
endivia 29.
enebro 288.
mero 190, 288.
enjambre 486.
ew^MSo 139.
ensiemo 119.
er« 147.
escollo 414.
escricho 385.
escuro 295.
ese 385, 522.
espalda 450.
es^era 190.
esfeya 65.
-e^a 429.
farfante 49.
/aro? 30.
femencia 354.
/e^ 211.
/le? 89.
^ewo 119.
/?oia 271.
/bc/ia 271.
/bja 35.
fragua 236.
/rewie 190.
fno 262.
fWto 389.
fro^'a 236.
gama 487.
ganiles 354.
ganon 354.
garditna 46.
garganfa 49.
gdrgara 49.
gastar 340.
^rato 353.
^a^^ia 353.
goldre 34.
golfino 487.
^^o^pe 340.
gomitar 340.
^o^-o 431.
grada 353.
gradiUa 353.
granja 433.
</mso 353.
graznar 353.
^irewa 45.
^re^ 256.
griiar 354.
gulpeja 340.
Wortverzeichnis.
561
hacha 415.
hcnchir 331.
herren 286.
hienda 119.
hiniestra 286.
hirviente 286.
^»sca 120.
hito 889.
hombre 182.
/jweco 355.
/mevo 132.
-ignar 444.
ja&ow 341.
ja? Je 338.
jalma 341.
jardin 338.
jayan 286.
jeme 341.
jenabe 341.
jeja 341.
ji6?a 425.
jiV<7a 341.
jo?/a 338.
joi/o 480.
jugo 341.
7ac?o 346.
lagarto 166.
Zaiffo 36.
/awa 410.
lastimar 424.
laima 497.
legamo 46.
Ze;-rfo 80.
Zera 346.
Zey 256.
Z?ew^o 64.
lisiow 286.
losa 45.
/ttdio 131.
luene 192.
Z?eco 190.
ZZevar 344.
lliega 119.
maWa 21.
mallugar 483.
manceho 425.
Meyer, Grammatik.
mancha 21.
manso 46.
manteca 46.
wawa 422.
micha 49.
myo 102.
mingna 99.
mintroso 286.
m?swa 374.
mMrto 30.
»ja(?je 259.
navaja 286.
w«r/o 110.
>re?7a 457.
m'eye 118.
w^o 49.
wow 461.
»?wera 138.
wMeso 522.
mdria 487.
*T«((io 344.
orMgfa 305.
orugo 287.
paramo 45.
pato 49.
pawZ 488.
pelear 35.
pensar 21, 26.
pergamino 119.
^e/To 46.
pertiga 165.
2>e</-a? 449.
jpiar 49.
picara 48.
piccar 48.
Ijico 48.
podenco 46.
pomez 81..
^ofro 490.
presto 241.
jjre^r 151.
j^r/efo 419.
j)roa 381.
piidiente 287.
2)wjar 408.
pulienta 287.
quejigo 46.
quema 165.
quijada 385.
qwjarndo 480.
racimo 119.
recio 443.
re^ 256.
Ho 320.
»•o?(?o 287.
rojo 457.
rosa 191.
nr/do- 287.
sa&?o 427.
sahucso 81.
sam 464.
sm-^f« 166.
sencillo 420.
serJa 190.
sefo 241.
siembra 119.
siesto 321.
siWa 151.
simiente 286.
siew 119.
so/je^^ 80.
somorgujo 287.
soplar 415.
swero 165.
taladro 166.
fopia 46.
top?,? 129.
tartajear 49.
fea 241.
^j«so 119.
<77de 120.
tinieblas 286.
^?o 80.
fiV/o 151.
<o/va 482.
torzuelo 287.
tronchar 415.
turdiga 287.
^t<m/o 287.
umbral 290.
ww'a 287.
w,fo 189.
36
562
Wortverzeichnis.
venin 119.
ventaja 4:1.
yero 420.
yesca 119.
zahullir 341.
sahondar 341.
zozohrar 341.
zucio 341.
^wrt^o 341.
Vulgärlatein.
äbscgndere 172.
accasio 286.
acifoUum 421.
acupare 54.
aestarium 423.
agurium 54.
agustus 54.
aitare 288.
alenare 483.
«?m 463.
amendola 479.
amMS 405.
apiuva 31.
aramen 286.
ascültare 54, 125.
aspectare 294.
auccidere 283.
&ai7MS 241.
halancia 286.
haneum 405.
hattere 421.
herhece 340.
&esto 429.
hetuUum 456.
hurriccus 496.
&Ma?te 261, 443.
cadriga 417.
ca?(?MS 54, 261.
cdlmus 54, 261.
cappulum 414.
capum 463.
cardus 423.
castegna 231.
cathedra 417.
cinguaginta 7.
cinque 6.
cisellum 283.
d^em 262.
dusma 32.
cocere 421.
colestram 125.
colgbra 132.
coZpws 54, 261.
coüms 484.
conoscere 392.
conucla 479.
cosw? 21.
CQtulus 139.
cucuta 286.
cwjjpa 458.
cürtus 72.
damus 454.
demörat 192.
demgrat 192.
dispdium 119.
disinare 288.
dlo^a 31.
domnus 54, 261.
ej-MMS 54, 261.
faZto 261.
febrarius 423.
/^a&a 482.
frigdus 261.
fringilla 423.
fringuüla '1-23.
frgnde 172
fwZca 271.
futtere 421.
^Z?re 64.
^ftosa 458.
graulus 236.
jagante 286.
jajunus 294.
*jenice 288.
jeniperus 288.
jenuarius 287.
lacusta 294.
lamna 410.
levisticum 374.
Zow^e 193.
maladicere 275.
manaciae 286.
mawMdw.s 412.
mattinus 273.
monisterium 274.
mortus 423.
wop^ia 138.
«pra 138.
wo?;a 182.
ptwm 132.
padium 32.
pampanus 262.
papirus 34.
pelegrimbs 479.
pesare 21.
pibione 425.
ploppus 482.
j^Zwia 426.
postus 261.
püllegium 278.
pjrüma 379.
pulleus 457.
quaüor 421.
quatt.ro 462.
quercedula 421.
quetus 7.
recidus 443, 448.
respqndere 172.
salvaticu 286.
scütella 282.
sempre 462.
serrare 458.
singluUus 482.
soldus 261.
stumüus 53.
stupila 53.
suplare 415.
suSum 72.
tgndere 172.
to^^MS 458.
tresaurus 485.
ustium 139.
varhactu 286.
tjertws 54.
W(Z?s 54, 261.
voZto 261.
Etymologisches.
Abkürzilll^eil : Asc : Ascoli; Ba. : Baist; Ca.: Caix: Co.: Cornu;
Flech. : Flechia ; Foe. : Foerster ; Grö. : Gröber ; Mich. :
Michaelis ; Pa. : G. Paris ; Schu. : Schuchardt ; Thurn. : Thur-
neysen (Keltoromanisches) ; To. : Tobler.
pg. abano 340.
fr. ahoi 229 Foe. Z.
VI, 95.
pr. aib 45 Thurn.
it. allnda 360.
pg.a»ne?>a265Co.767.
it. ammamare 47
Flech. A.G.IV,372.
it. andare 451 Grö.
Sub.
vum. apucd 483.
pr. ara 139.
sp. arroyo 45.
it. aschero 32 Wiese,
Z. XI, 554.
it. aveitin 304 To. Mi.
74.
it. hälfe 42.
it. haccano 464 Storm.
A. G. IV, 383.
Np. hascar 339.
it. heft'a 48.
fr. hezoche 44.
it. bietet 112.
pg. hirla 340.
pg. hoJor 354 Mich.
Mi. 120.
it. horcJiia 138 Storm,
A. G. IV, 388.
fr. hörne 44 Thurn.
it. hosco 139.
sp. hrana 356.
it. hruire 356 Thurn.
sp. huscar 139.
it. caff'o 42.
pg. caramunha 131,
286 Mich. Mi. 121.
sp. carrasca 46.
sp. cenojil 355.
sp. cerdo 190.
it. chicco 33.
fr. ch^e 352.
fr. codier 334.
i it. comha 43.
! sp. cor^o 46.
pg. crestar 295.
sp. cueva 181.
sp. desleir 45 Thurn.
fr. diner 288.
pg. d(j6ar 290 Mich.
Mi. 124.
fr. dru 44 Thurn.
fr. ejfreier 223 Pa. R.
VII, 121.
pg. eiva 45.
fr. encore 139.
sp. ese 385.
fr. essieu 62.
fr. e'<?ii 140.
! it./arc7»e«o?a352Flech.
j A. G. IV, 385.
|fr. flaistre 451.
I sp. floja 271.
fr. flau 38.
sp. foja 35.
I it. frana 241 Flech.
I it. frasca 356.
|it. fratta 35.
I it. /"nfsco 44 Schu. Z.
; IV, 148.
t it. ganascia 30.
I fr. gange 334 Pa. R.
XV, 631.
pg. gavela 44 Thurn.
it. gettare 230.
it. gheppio 31 Ca. St.
it. ghiova 183 Asc.
A. G. m, 355.
it. giaveUotto 338
Thurn.
fr. glouteron 295.
36*
564
Etymologisches.
sp. goso 431.
it. gregna 424 Ca. St.
fr. grolle 236.
it. guidare 45 Thurn.
fr. liäte 36 Möller PB.
VII, 459.
sp. hacha 415.
sp. Msca 120 Asc.
A. G. m, 462.
sp. liito 389.
it. insieme 119 Grö.
Sub.
pg.mnäo229Co.772.
pr. jasse 495.
sp. jeja 341.
pg. joeiro 439 Co.
fr. landier 274.
sp. Icgamo 46.
pg. ZeJva 240.
sp. ?erdo 80.
it. lia 44 Thurn.
sp. losa 45 Scliu. Z.
VI, 424.
sp. Indio 131.
pg. malga 483 Co.
it. maniato 433 Ca. St.
it. manna 422 Ca. St.
sp. manteca 46.
it. manzo 46.
fr. megue 44 Tliurii.
it. meto 31.
it. menno 422 Ca. St.
fr. meugler 487.
it. mma 45 Thurn.
fr. mine 45 Thurn.
fr. molie 458 Foe. Z.
m, 261.
fr. moquer 35.
fr. panne 309.
sp. pelear 35.
sp. ^erro 46.
it. petaccMo 34.
it. piccare 48 Timm,
it. piccolo 48 Thurn.
fr. pieuvre 31, 262.
it. pisciare 49 Grö. S.
it. piviale 288 Foe. Z.
IV, 377.
it. piviere 288 Foe. Z.
IV, 377.
sp. podenco 46.
it. 2)osoZmo 119 Ca. St.
fr. poele 35.
it. jjma 47 Asc. A. G.
III, 360.
sp. quejigo 46.
sp. quema 165.
fr. gwi^er 299.
fr. räcler 414.
fr, rame 293 Thurn.
fr. rayon 44 Thurn.
it. rcfe 42.
fr. rincer 293 Scliu.
Z. VI, 424.
it. rocca 43.
it. roggia 46.
sp. rojo 457.
fr. rouette 306 To.
K. Z. XXin, 418.
sp. rwfio 487.
fr. saie 93 Canello
A. G. III, 386.
it. scofßna 42.
it. sdrajare 431.
sp. sencillo 420 Mich.
Mi. 155.
pg. seiva 198.
fr. senne 447.
fr. s%e 451.
sp. sien 119.
sp.s?esfa321Ba.Z.VII,
122.
serpe 221.
serfir 221.
sp. sohez 80 Mich.
St. 226.
sp. soplar 415.
fr. sor 44 Thurn.
fr. soidier 223.
it. stegola 65.
it. stoviglia 488 Ca. St.
it. svcchia 413 Asc.
fr. SMr^e 80 Pa. Eo.
vn, 103.
sp. suero 165.
it. taffiare 42.
fr. taisniere 46.
it. toiK< 46.
fr. taniere 46.
sp. faj;?a 46.
it. treggea 35.
sp. tronchar 415.
it. t(^o 42.
it. vaccio 488 Ca. St.
vide 231 Schu. Eo.
IV, 257.
it. vuoto 43.
it. zappare 35.
Pierer'sche Hofbuchdruckerei. Stephan öeibel & Co. in Altenburg.
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